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THE J. PAUL GETTY MUSEUM LIBRARY
JAHRESHEFTE
DES ÖSTERREICHISCHEN
ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTES
IN WIEN
BAND XI
MIT 8 TAFELN UND 246 ABBILDUNGEN
WIEN
ALFRED HOLDER
1908
REDAKTION :
ROBERT VON SCHNEIDER EMIL REISCH
JOSEF ZINGERLE
ALLE RIA IHK VORBEHALTEN
DRUCK VON RUDOLF M. KOHRER IN HRUNN
IHEJ PAUL GETTV CENTER
INHALT:
Scitr
W. AMELUNG Athena des Phidias (Tafel V und VI) 169
P. DUCATI Süll' anfora attica di Milo con gigantomachia 135
M. EBERT Der Goldfund von Dälj 259
K. HADACZEK Jugendlicher Asklepios in
A. HEKLER Weiblicher Kopf in Spalato 115
— Römische Bronzen aus Ungarn 236
J. KEIL Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia 101
F. LÖHR Petrons Lebensende • 165
E. MAASS Mutter Erde 1
— Apelles und Protogenes 29
R. MÜNSTERBERG Bronzereliefs vom Limes (Tafel VII und VIII) . . 229
E. PERXICE Untersuchungen zur antiken Toreutik 212
A. REICHET Studien zur kretisch-mykenischen Kunst 242
E. REISCH Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 276
H. SITTE Thasische Antiken (Tafel I— IV) 142
H. THIERSCH Zur Herkunft des ionischen Frieses 47
W. WILBERG Die Fassade der Bibliothek in Ephesus 118
A. WILHELM Inschriften aus Halikarnassos und Theangela 53
Eine Inschrift des Königs Epiphanes Nikomedes 75
— Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros
319/8 v. Chr 82
BEIBLATT:
Spalte
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes iqoS i
Eröffnung des Institutsgebäudes in Athen '5
F. GRAF CALICE Votivstele aus Dorylaion 197
\V. CRÖNERT Zu den griechischen Inschriften Bulgariens I05
— Zu den delischen Schatzinschriften '"5
A. J. EVAXS und J. DURM Über vormykenische und mykenische Architekturformen III
A. GNIRS Forschungen im südlichen Istrien ,07
F. HAUSER Tettix III 87
Spalt?
A. HEKLER Über eine römische weibliche Gewandstatue 195
V. HOFFILLER Antike Bronzegefaße aus Sissek 117
J. KEIL Zur Topographie der ionischen Küste südlich von F.phesos 135
W. KUBITSCHEK Astragalgewichte aus Falerio 203
H. LIEBL und W. WILBERG Ausgrabungen in Asseria 17
F. LÖHR Petrons Lebensende 201
G. NIEMANN Zum Mausoleum von Halikarnassos 205
T. ORNSTEIN Vom römischen Kastell bei Szamos-Ujvar 207
C. PATSCH Aus Doclea 103
E. PFUHL und R. ENGELMANN Zur Vase Vagnonville 107
H. SITTE Antiken aus Amphipolis 97
Sachregister von R. Weißhäupl 209
Epigraphisches Register von J. Öhler 227
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
TAFELN
1. II. Marmorkopf aus Thasos
III. IV. Marmorkopf aus Thasos
V. VI. Kopf der Athena im Kunsthistorischen Museum zu Wien
VII. Bronzeplatte aus Traismauer
VIII. Bronzeplatte aus Carnuntum
ABBILDUNGEN IM TEXTE
Fig
I.
2.
4-
9-
10.
1 1.
12.
13-
14.
«5-
16.
17-
ig.
19.
Seite
Inschrift aus Halikarnassos 56
Beitragsliste aus Theangela im Xational-
museum zu Athen 62
Beschluß der Trozenier aus Theangela im
Nationalmuseum zu Athen 71
Stele im Museum des Piraeus 75
Inschrift IG II 220 b . , 83
Beschluß aus der sechsten Prytanie des
Jahres 31 9/8 v. Chr 84
Beschluß aus der achten Prytanie des
Jahres 319/8 v. Chr 86
Beschluß aus der siebenten Prytanie des
Jahres 319/8 v.Chr. 88
Beschluß zu Ehren von Makedonen ... 90
Inschrift IG II 5, 22'| b 94.
Beschluß aus dem Jahre 320/19 v.Chr. . . 97
Beschluß zu Ehren des — nikos 98
Beschluß zu Ehren des Aristonikos IG II 148 99
Inschrift aus Ödemisch 101
Inschrift der evangelischen Schule inSmyrna [08
Marmorkopf des Museo nazionale in Rom
(Vorderansicht) 1 1 1
Marmorkopf des Museo nazionale in Rom
(Seitenansicht) 1 i ;
Marmorkopf, einer weiblichen Statue des
lateranensischen Museums aufgesetzt . .114
Weiblicher Marmorkopf in Spalato Vorder-
ansicht) Heliogravüre 116
Weiblicher Marmorkopf in Spalato Seiten-
ansicht) Heliogravüre 11-
Fig. Seite
21. Gesamtansicht der Bibliothek in Ephesos 118
22. Grundriß der Bibliothek in Ephesos . . 120
23. Detail vom Gebälk des Untergeschosses . 121
24. Fassade der Bibliothek in Ephesos . . .122
25. Fassade derBibliothekinEphesosfperspek-
tivische Ansicht 123
26. Gebälk vom Untergeschoß der Bibliothek
in Ephesos [24
27. Gebälk vom Untergeschoß der Bibliothek
in Ephesos 12^
28. Architrav vom Untergeschoß der Bibliothek
in Ephesos 126
29. Reliefplatte von der Bibliothek in Ephesos 127
30. Mittelarchitrav vom Obergeschoß der Biblio-
thek in Ephesos 128
31. Architrav vom Obergeschoß der Bibliothek
in Ephesos 128
32. Architrav vom Obergeschoß der Bibliothek
in Ephesos 129
33. Detail vom Gebälk des Obergeschosses der
Bibliothek in Ephesos 132
34. Unteransicht der Architrave der beiden
Stockwerke der Bibliothek in Ephesos . 133
35 ab. Gigantomachie auf Amphora von
Melos 138 t".
36. Linkes Profil des Apollokopfes aus Thasos 142
37. Rückseite des Apollokopfes 143
38. Bruchfläche des Apollokopfes 144
39. Sphinxkopf des Akropolismuseums . . .145
40. Apollokopf aus Thasos in Vordersiclit . 145
Fi«* Seite
41. Weibliche Gewandfigur aus Thasos (Helio-
gravüre) 147
42, 43. Weibliche Gewandstatue aus Thasos . 148 f.
44. Kybele-Statuette aus Thasos 150
45. Weiblicher Kopf aus Thasos 151
46. Kopf einer Grabstatue aus Thasos . . • 154
47. Weibliche Gewandfigur des ottomanischen
Museums in Konstantinopel 155
48. Apollokopf aus Thasos 137
49. 50. Weibliche Gewandtlgur aus Thasos . 1,8 f.
51. Herakleskopf aus Thasos IÖO
52. Herakleskopf aus Thasos 160
53. 54. Dionysostorso aus Thasos 161
55. Hermesstatuette aus Thasos 162
56. Pilasterkapitell aus Thasos 163
57. Porträtmedaillon aus Thasos 164
58. .Marmorkopf aus Villa Carpegna (Heliogr.) 169
59. Marmorkopf aus Villa Carpegna 1 Rück-
ansicht 1 1 7 '
60. 61. Marmorkopf aus Villa Carpegna 1 Helio-
gravüren I 172 f.
62. Marmorkopf in Wien 174
63. Marmorbüste im Vatikan Heliogravüre) . 175
64. Füße zum Wiener Marmorkopf gehörig
(Heliogravüre) 177
65. Marmorkopf im Britischen Museum . . .178
66. 67. Marmorkopf im Britischen Museum
(Heliogravüren! 180 f.
68. Statuette im Kircherianum in Rom . . .185
69. Zeichnung nach einem verschollenen Relief
in Ambelokipi 188
70. Athenische Münzen t^s
7 1 . Rekonstruktion der Athena Medici (Helio-
gravüre) 189
72. Bronrestatuette in Neapel i'U
73, 74. Kopf der Athena in Madrid .... 194 f.
7^. Kopf aus dem Friese des Parthenon . .196
76. Kopf der .Peitho' aus dem Friese de^
Parthenon 197
77. Profilansicht des Wiener Athena-Kopfes 197
78. 79. Kopf des Diadumenos Farnese . . . 199
80. Marmorkopf in Ny-Carlsberg 200
81. Kopf der sog. Lemnia in Bologna (Profil-
ansicht) .201
82. 83. Kopf in Ny-Carlsberg 202
1. Kopf der sog. Lemnia in Bologna Vorder-
ansicht) 203
85, 86. Kopf des Hermes im Antiquarium zu
Rom 204
Fig.
87.
88.
90.
91.
92.
93-
14.
95-
96.
97-
98.
99.
100,
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
1 10.
1 I T.
1 12.
".?■
114
115.
116.
117.
118.
119.
120
121,
122
123.
124
120
1:
Seite
Kopf des Diadumenos 205
89. Bronzestatuette im Britischen Museum 210
Jünglingskopf des Museo nazionale in
Neapel • 214
Dionysoskopf des Museo nazionale in
Neapel 213
Jünglingskopf des Museo nazionale in
Neapel • .... 216
Porträtkopf im Museo nazionale in Neapel 21S
Bronzekopf in den königl. Museen zu
Berlin 220
Saburoffsche Bronze in Aufsicht ... 221
Vom Hypnos der königl. Museen zu Berlin 22 1
Betender Knabe der kgl. Museen zu
Berlin 223
Faustkämpfer im Thermenmuseum zu
Rom 225
Bronzerelief aus Traismauer (Hauptseite) 22<i
101. Fragmente vom Bronzerelief aus
Traismauer 230
Bronzefigur in Wien 231
Münze des Agrippa 231
Bronzerelief von Szamos-Ujvär .... 233
Bronzestatuette im Nationalmuseum zu
Budapest 237
Bronzestatuette im Museum zu Veszprem 240
Relief eines Gefäßes aus Haghia Triada 243
Wandgemälde aus Haghia Triada . . .245
Wandgemälde aus Beni-Hassan .... 24<>
Wandgemälde aus Haghia Triada . . . 250
Relief aus Knossos 231
Geschnittener Stein aus Kreta .... 252
Hammurabi-Stele 253
ab. Zierstücke des Goldfundes von Dälj . 259
Goldplattierte Bronzcplatte aus Dälj . . 260
Armring aus Dälj 261
Goldblechstreifen aus Dälj 26 1
Ring aus Dälj 262
Goldblechperlen aus Dälj 262
a b. Goldblechscheiben aus Dälj .... 263
Armreif aus Bellye 270
Armreif aus I'ipc 271
Rekonstruktion des Diadems, von dem
der Streifen Fig. 117 herrührt .... 272
. 125. Inschrift des C. Scmpronius l'udi-
tanus 278 f.
. Ausschnitt aus Kieperts, Formac orbis
antiejui Taf. XVII 280
. Statuettenbasis in Monreale :u-
IM BEIBLATTE:
t'ig.
I.
2.
3-
4-
5-
11,
12
'5'
1.,.
17-
18.
19.
20.
21.
22.
23-
24-
25-
26.
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28
31.
32.
33
34
35
36
Spalte
Blick auf das Kirchlein S. Spirito . . . . I"f.
Plan von Asseria 19
Stadtmauer von Asseria 21 f.
Stadtmauer von Asseria 23 f.
Tor an der Ostseite der Stadtmauer von
Asseria 25 f.
Grundriß des Tores an der Westecke der
Stadtmauer von Asseria 25
Ecke der Stadtmauer beim Westtor von
Asseria 27 f.
Mauerzug mit Trajanstor in Asseria . . . 27 f.
Grundriß des Trajanstores in Asseria . . 29 f.
Hauptfassade des Trajanstors im jetzigen
Zustande 3 1 f.
Von der Rückseite des Trajanstores . . . j3 f.
Halbsäulenkapitell von der Rückseite des
Trajanstores 35
Architravstück vom Trajanstort- 35
Vom Kranzgesims des Trajanstores ... 36
Kranzgesims mit Sima des Trajanstores . 37
Vom Kämpfergesims des Trajanstores . . 38
Vom Bogen des Trajanstores 37
Vom Deckgesims der Altika des Trajans-
tores 38
Rekonstruktion des Trajanstores (Aufriß 1 . 39 f.
Stierprotome vom Trajanstore 41
Schnitt und Seitenansicht des Steines Fig. 20 41
Protome vom Trajanstore 42
Rekonstruktion des Trajanstores (Perspek-
tive) 43 t'.
Grundriß der Gebäudegruppe am Forum von
Asseria 4; f.
Architrav vom Forum 47
Korinthisches Kapitell vom Forum . . .47
Architrav vom Forum 4S
— 30. Architrav-Unterseiten aus Asseria . . 49 f.
Konsolengesims vom Forum 51
Konsolengesims aus Asseria 51 f.
Gesimsfragment aus Asseria 54
Torso einer Togastatue aus Asseria . . .55
Kalksteinfragment mit tragischer Maske aus
Asseria ;>
Kalksteinblock mit Relief aus Asseria . . 37
Fig
37-
38.
39-
40.
41-
42-
43-
44^
45>
40
47
48.
49
53-
54-
55-
56.
57-
58.
59^
60.
61,
62
63
04
65
66
67
68.
69
7°
7'
72
76
81
82
Spalte
Fragment eines Steingefäßes aus Asseria . 58
Fragment eines Steingefäßes aus Asseria . ;<i
Kalksteinrelief aus Asseria ....... 59
Fragment eines Grabreliefs aus Asseria 61
Bruchstück eines Meßtisches aus Asseria 63
Grabcippus aus Asseria 6;
Stifterinschrift des Iulius Celer (Asseria) 67
Kaiserinschrift lAsseria) ....... 68
Weihinschrift des Titius Asseria ) ... 69
Basis des P. Atilius Aebutianus (Asseria) 69
Blöcke eines Epistyls aus Asseria . . . 69 f.
Fragment eines Grabcippus aus Asseria . 71
Bauinschrift des Trajanstores in Asseria . 71 f.
Bauinschrift des Trajanstores in Asseria . 73 f.
Kaiserinschrift aus Asseria 75
Grabcippus aus Asseria 76
Bekrönung eines zylindrischen Grabcippus
aus Nona 77
Grabcippus von St. Martin bei Asseria . 78
Bruchstück einer Grabstele aus Asseria . 79
Bruchstück einer Grabstele aus Asseria . 80
Bruchstück einer Grabstele aus Asseria . 81
Bruchstück eines Meilensteines aus
Asseria 82
Bruchstück einer Ära aus Asseria ... 82
Ornamentierte Platte (Schrägsicht) aus
Asseria 84
Inschrift der Platte Fig. 60 84
a b. Bronzestempel aus Asseria 85
Phalera aus Asseria 87
Männliche Büste im Prado zu Madrid . 94
Hirtenknabe, Terrakotta aus Amphipolis . 97
Schlafender Hirtenknabe, Terrakotta aus
Amphipolis 98
. Torso einer Nikestatuette aus Amphipoli*
Grabrelief aus Amphipolis 100
Zeusstatuette (Bronze) aus Amphipolis . 101
Grabrelief aus Amphipolis IOI
Hermesrelief aus Doclea 103
— 75. Bronzeeimer aus Sissek 119 fr.
— 80. Bronzekellen aus Sissek i:;M.
Schöpflöffel aus Sissek 126
. Schöpflöffel aus Sissek 127
l'ig. Spalte
83. Sieb aus Sissek 127
84 — 86. Kannen aus Sissek 128 ff.
87. Unterer Teil einer Kanne aus Sissek . 131
88. Salbgefäß aus Sissek 132
89. Salbgefäß aus Sissek 133
90 — 91. Kupferkannen aus Sissek 133 f.
92. Die ionische Küste südlich von Ephesos 1 35 f.
y3- Blick auf die Bucht von Pygela, auf
Scalanova und Marathesion 137 f.
94. Nordecke der Stadtmauer von Pygela . 139
95. Kammergrab bei Pygela 142
96. Aquaedukt bei Pygela 143 1.
97. Marathesion von Südost 145 f.
98. Fragment eines Ambo aus Marathesion . 147
99. Fragment eines Grabreliefs aus Mara-
thesion 147
100. Reliefplatte aus Marathesion 147
101. Ringmauer auf dem Ambartepe . . . .150
102. Taufbecken beim Ambartepe 150
103. Stele aus Arvalia 155
104. Felsgruppe Assarlyk beim Dei'rmendere . 159
Y\g. Spalte
105. Umfriedungsmauer der Anlage auf dem
Assarlyk 159
106. Planskizze der Anlage auf dem Assarlyk 161 f.
107. Sarkophag in Ania 163 f.
108. Grundriß des Tempelbezirkes von Val
Catena auf Brioni 167 f.
109. Grundriß des mittleren Tempels .... 169
HO. Pfeiler vom Obergeschosse der Peribolos-
halle 170
111. Gebälk vom sog. Neptuntempel .... 171 f.
112. Portikus am Nordgestade der Bucht von
Val Catena 173 f.
113. Brunnenschacht und Wasserbehälter auf
dem Monte Castellier 175 f.
114. Fragment einer Grabara aus Pola . . 180
115. Fragment einer Grabara aus Pola . . . 181
116. Friesstück von einem Grabbau aus Pola 182
117. Votivrelief aus Eski-Schehir 199
118. Modell einer Ecke des Mausoleums von
Halikarnassos 203 f.
119. Inschrift aus Szamos-Ujvar 207
Mutter Erde.
Wenn Pindar (Nem. I t) Ortygia, das Herz der ruhmvollen Syrakusaner-
stadt, als ä[iTcveu|xa a£u.vov 'AXyeoü bezeichnet, so müssen die Einwohner des Stadt-
teils in ihrer großen schönen ,Arethusa' — das ist allgemeiner Quellname aus
alter Zeit — Alpheioswasser gesehen haben, das, unter dem Meere von Elis her
fortfließend, auf der Insel neu hervorgebrochen wäre.1) So taucht in der berühm-
ten Gruppe der syrische Orontes mit freudiger Gebärde auf zu den Füßen der
Antiocheia. Ortygia war dem Pindar aber auch .Ruhestätte der Artemis' und
,Sitz der Artemis des Flusses' (Traxaficas £80? Apx£[uoo;) 2). Pindar gibt mit -oxajit'as
ein vom Alpheios genommenes Beiwort der Göttin wieder. Darüber ist noch
Streit, wie dieser gelautet habe. Die Überlieferung verhält sich schwankend.
'AXcpsiüa haben zweimal die Pindarscholien zu Pyth. II 12 von der Artemis auf
Ortygia, zu Nem. I 3 teils 'AXcpEtwa (zweimal), teils 'AX:f£:aia. Dabei erfahren wir
an der letzten Stelle: tha.: ok o( AXcpEuöav xyjv "Apzz\iw Xiyooai Sta zb röv AX'fSiöv
Sca xoö TcXrjafov xrj; 'HXsi'aj 'Apx£fuaiou xaxarfsp£airai. Dies Heiligtum der Artemis lag
in Letrinoi; die Pausaniasüberlieferung bezeichnet es mit 'AX:f tatst; oder AXtpai'a?
(VI 22, a f.). Strabon VIII 343, 12 sagt nphg Si xrjt ixjioXfjt (des Alpheios ins Meer)
xo Tfjg AXcfEtwvEa; ApTlu-tSoj r) 'AX'^£:ouar;; aXao; laxe (X£y£xat yäp d[i;pox£pci);). iniyy/
xfjs 'ÜXiiftTua; siq öyoorjxovxa axaStou;. xauxrjt §£ xfjc ■ö-söh xaE lv '0Xu{ji7ifai xax' £xo; rjuv-
TeXeErat Jtav^yupis, xa^TOp xaE xfy 'EXa:ptai xaE xrjc Aacpvtat. fiecrrij 3' laxiv rj yfj r:ä3a
'Apx£[.uat'wv x£ xaE ÄtppoStauöV xaE Nuu-cpawov £v ÄXaeaiv ävikvoi; 3) xö ttoXü 3cä xr,v eüuSptav,
C'j-/Vvä Sc xaE cEp|.isfa £v xafg 6801?, Iloasiota 5' £7cE xat; äxxar;. ev 8k xwt tfjg ÄXtpsKövfas
('AXcpEiovt'a? andre Hdss) fepwt ypacpat xxX. Bei Athenaios VIII 346 C heißt dieser
selbe Tempel — in einem Bericht aus Demetrios von Skepsis — wieder xf):
'AXcp£ici>aa; ApxiutSoc. Daß Artemis und Alpheios in Olympia einen Altar gemeinsam
besaßen, ist auch aus Pausanias V 14, 6 und dem Scholion zu Pindar Ol. V 8
bekannt.
Das Variantenchaos läßt sich ordnen. Zunächst Strabos zweite Form 'AX^E'.oJ-
artz. Bei den Griechen waren in sehr alter Zeit weibliche Bildungen von Lokal-
namen männlichen Geschlechtes beliebt : 2au.il). 'Io&|jmj> (dies begegnet mehrfach
') Puchstein in der Festschrift für Kiepert 2) Nem. T }; Pyth. II 12.
ig; ff. 'i ivfl-scovm; Hdss.
Jahreshefle <ies österr. archäol, Institutes Bd X I I
2 E. Maass
aufThera), IlsStw, Krtf'.aü u.a., ,die aus Samos, auf dem Isthmos, aus der Ebene,
am Kephisos'. Diese Namen gewinnen leicht das Ansehen von Kurzformen,
ohne es zu sein, sie sind einfache Ethnika. Fluß und Berg, die Patriarchen des
Landes, und natürlich auch Ge selbst haben Bezeichnungen nicht nur der Land-
schaft gegeben ■ wie AtyuTitoc, "Iva/o;. Kvjtpirjög, Taipoc, Kaixoj, BopuaSivr,;
sondern auch ihrer Bewohner. Ich beschränke mich wieder auf die Flüsse : Bopu-
j&evfcai die Bewohner der Landschaft um Olbia, ol ravovteg ücwp uiXav Alorpoio
hei(3en II. II 824 die Idastämme. Nur natürlich, wenn — wie wir das besonders
auf sizilischen Münzen wahrnehmen — die Flußgötter als Grundherren für ihr
Land und für ihr Volk das Opfer bringen. Fluß- und Menschennamen sind
gern sogar identisch, auch Erd- und Menschennamen, der zahllosen Ableitungs-
formen ganz zu geschweigen. Man nannte schon in der hellenischen Frühzeit das
Neugeborene, ganz wie noch heute, nach dem Heiligen oder Gotte des Tages,
zumal wenn das betreffende höhere Wesen als kräftiger Heiliger oder besonders
kräftiger Gott galt. Das Kind hat sich sozusagen seinen Namen schon mitge-
bracht; Name und Wesen werden als eins gedacht. Tuapü), iaiiw. Muxovd), 'H-Sipti.
Il'jpyw, B0K0 (vom Bofov 5pog), E'jpwiw. Nj}<jü>, 'Apyw, 'Ivw (für 'Ivxyü)4) habe ich, Griechen
und Semiten 104 f. hervorgezogen. Auch die Kajupfi) auf Polygnots Unterwelts-
bilde (Paus. X 30, 2) gehört hierher.
'AÄ'-fetcüor^ ist verderbt, das Richtige 'AXcps'.oö; von AX<peui> ,die am Alpheios'.
Den Varianten der andern Namensform Wa-jskdy.x. -ov:'a. -waa, -tba liegt AÄ-.f£;o):a zu-
grunde, zum Teile vielleicht auch das ältere AX^peiooxa aus A/..fc'.oaa:.=a. Dies heißt
,am Alpheios wohnend'; TO-a[i;o; übersetzt dem Sinne nach ganz richtig Pindar.
Die Bildung ist durch reAflko? (von Gela), 'Hp/auv.o; (von 'Hpac'a) belegt, für beides
erkannt von W. Schulze 6). Damit erledigt sich der Zweifel, ob AXrpstwia doch
nicht etwa schon aus derselben Wurzel, wie A/.'f£;ö; gebildet sei. Die Artemis
in Letrinoi wie die in Olympia ist das, was AXcpeiwia besagt: ,die am Alpheios
hausende'. Aber auch die Form ohne das stammt- Iota wäre normal; dieser Laut
verschwindet in der Schrift bekanntlich gern zwischen Vokalen schon seit dem
fünften Jahrhunderte, wie die Inschriften zeigen").
Einige Analogien. Leonidas der Alexandriner aus Neros Zeit sagt von sich
Anth. Pal. IX 353, 4 ö NeiXateug äv.oono/.o* (IX 355, 2 ä-ö NstXoyevoö? AeuvtSeu);
I V 321,2 NeiXair, MoOax Aeiovioscd. Bei Athenaios YIl 312 A hat die l'berliefe-
') Wie KaiftOtt) Ka^(6 (Oclphi, JiooWHtl "Aa<i> ,»>'. verliert vor Vokalen (a, 0, <o) bisweilen sein
n.A 181). Warum nicht auch Kayeöj so auffassen? Jota: ftuxx (411 v. Chr.), jffiov (426 v. Chr.), Xfflov (335
5) Vgl. Kuhns Zeitschrift XI. 521. v.Chr.), -m<i>, Futurum von ztb:Z«> vor 456 v. Chr.).'
Meisterhans, Gramm, der atL Inschr.1 30:
Mutter Erde 3
rung (so Kaibel) teils NeiXdKOi ix«his;, teils NeiXaröi. NetXänoj, NY.Äw'c '), auch das Fest
NstXöta, alles ist, wenn auch verhältnismäßig erst spät, jedoch gut bezeugt. Da-
nach ist NeiXwieöc; — von NsiXwia (yfj) weitergebildet — und NsiX(i>»] überall zu
fordern 8). Der Ägypter Nonnos braucht Dionysiaka XL 30,3 neben Aipuc, "Apx^.
Äaaüpeo;, NeiXötog, wie er denn keine andere Form des indischen Fthnikons kennt
als 'IvSöko?. Wir wollen aber beachten: wie (Artemis) jfVXcpeifiia neben 'AX(f£t& in
Elis und Syrakus, so steht NeiXökog, -wta neben einem wohlbezeugten, nur
komisch gemeinten, Musennamen NeiXti) schon bei dem Syrakusaner Fpicharm in
einem Musenverzeichnisse seiner Komödie , Hochzeit der Hebe'.
Nun nach Attika. Wir lesen im Schol. zu Aristophanes, Aves 045 Kp'.w-
frev] . . . Kpw? ort\Loq vf^ Avt:c/:?o; <puX>js, xr.b Kptoü xivo? d)VO[taa|iivog. Ävaypaipet 5$
xoü; äTwavufioug xöv 8t]u.(i)V xai tpuXSv IIoXe(X(i)v (Fr. IX 42 Preller) und bei Suidas
Kptog] 5%io; xijc, Äxcixfjs, xat Kpi6frev im^{ia ry Kpiöjitev (Kp;y)<)-cV die Hdss). Da ein
Kp'.tooc neben Kpto? sich verhält etwa wie AXcpEttina (-wa) zu AX'-peui), iaxvicet; zu
-xxv'.o^, Bpuöeaaa zu 8puov, 'Iwvc'oe; ('Iwvtxos;) Nüu-cpa: zu 'IaSeg in Elis, so sehe ich
keinen Grund, nach Prellers und andrer Vorgang mit Gewalt für Kpiog die Ab-
leitung Kpiüa im Lemma und sonst einzusetzen ''). Nicht erst Kpiwa ,Siedlung am
Krios', schon Kptö;, das jenem vorausliegende, bezeichnet eine attische Ortlich-
keit, eine und dieselbe; ein Bach Krios floß bei Aigeira in Achaia l0). Ein atti-
scher Bach Krios ist dadurch wahrscheinlich11!.
7) Ob der Edelstein, den Plinius XXXVII 114 ander entfernt. Als Vater des Pallas erscheint der
nach dem Nil , Nilion' (Akkus.) benannt sein läßt, Demoseponyme in der attischen Sage (s. Kirchner,
nicht ,Nilois' NsiXtut; hieß? Att. et Pelop. 35). - Das kann, muß aber nicht
s) NeiXoöv, TpiTiövrjv; X~(t)TCOÖv, 'ErcxarcdpTjv ( — tv auf Pallene weisen. lxev' 5e aüxov xö övoiia ärcd
Kaibel, eher — oüv), ^x^^^a, TuotcXoOv (TlxcovoSv T:zx/o- Kpwj. Kp.o; 2i /.%: ä>,Xo; ti)vdp.a3xai rcoxa-
nach dem italischen Bache bei Lykophron nach Kaibel) 1105, 0; äpxcu.svo; iv. SmöAou toä spcj; e- tov "Ep-
■/.ai Po5iav. Die aus Homer, II. XII 20 oder Hesiod, |iov xaxeioiv Pausanias VII 27, 12 vom achaiischen
Theog. 388 entnommenen Gewässer (Heptaporos und Flusse. Ähnliche Namen von Bachen: /, 6vo[ia£o|l£vT]
Rhodios waren elende Bäche) stehen neben dem Nil Xoipio; vccky; Paus. IV I, i; 30, 1; die Scheide zwi-
und gar neben dem Stromgott an sich Acheloos. sehen Messenien und Lakomen heißt, wie K. Curtius,
Das ist bewußte Travestie. Abh. I 514 wollte, nach dem Waldbach Choiros.
°) Die noch spärlichen Inschriften geben hier Auch 23;, Tpa-fo;, Kartpo;, Ä.ÖXOg kommen bei be-
in betreff des 1 mutum noch keine Sicherheit. Ath. drohlichen Gewässern vor. 'AxOUOlitOV -Cm ~pi; Tiv
Mitt. XII 323 (Vase) ist das 0) in xpid) unmittelbar Karcpov (Nebenfluß des Tigris): Head, Hist. num. 690.
vor der Bruchstelle. — Die Lage des attischen Karcpog und Aüxo; bei Laodikeia ad Lycum 565 sq. ;
Demos läßt sich noch nicht feststellen. In den .Unter- E. Curtius II 60.
suchungen über die Demenordnung des Kleislhenes' "') Richtig urteilt G. Kirchner, Attica et Pelo-
( Abh. Akad. Berlin 1892 S. 39) bespricht Milchhoefer ponnesiaca 3;.
die Möglichkeiten, ohne sich zu entscheiden; die 11) Steph. öpia] . . Xiferoa xcci 8puö. c 5f/ii-
beiden Inschriftsteine sind bei Dekeleia (Tatoi) und xyjj 0piaaiog . . . xx TtAstoxa 5s ?:i -.'A u) Hpuu-
Gypseli (Alopeke etwa) gefunden, also weit von ein- 9-av 6piü>£s xai Hpiäsiv. änö 3e xoü 8p£a (oder
4 E. Maass
Die wissenschaftliche Astronomie der Griechen bezeichnet den Norden
nach den beiden Bären xö 7xpö; Ap/.TOuj (iipos, dazu bildet sie das Adjektivum
äpxxixo?, ävxapxx:xo*. auch apxxiog. Vereinzelt haben die Vorstellungen des Himmels
ein anders geformtes, auf die himmlischen Bären angewendetes Adjektivum;
z. B. der Anonymus zu Arat (meine Ausgabe der Aratkommentare p. 130, 27)
TÖV 7iapaAXTjX(i)v 8 uiv äpxzvxjbq oöxw? <jt>vou.aa{b), Sit Txpö? xof; apxxoKOi; OTtxpyet; er
meint xä apxxüna [xepyj. Ganz gewöhnlich ist dieses apxxüKoj in der Dichtung nach
Arat, der es noch nicht hat. 'Erf äpxxwtoio xixaovöu-svat. Bopsao sagt von den ägäi-
schen Inseln, welche die Geographen zum Erdteil Asien rechneten, der Perieget
Dionysios V. 51g, ctpxxöHOS Äifynjs auch Nonnos XXIV 63, Auxaovirjg eAäxrjp
Äpxxöno; 5^1 x er,; derselbe vom Bootes 12), auch äpxxwia ir-aXaaaa usf., die Lateiner
,arctoi Bootis', ,Boreas arctous', ,sedes mare orbis frigus arctoum'; vgl. den
.Thesaurus' u. d. W. Das Wort scheint aus einer andern Sphäre in die Astro-
nomie der späteren eingedrungen: Pollux V 81 xat äpxxou |i£V opoj xö 'Apxxwoov
ä7i(i)VU|xov. Diesen , Bärenberg' können wir lokalisieren. Die Dolionen bei Kyzikos
wohnen ApxxuKOtg ev öpeaaiv nach dem Orphiker Argon. V. 517. Der Spätling
schöpft erwiesenermaßen aus Apollonios I 941 13), und hier hat der Laurentianus
für die afasfa IIpoixovx;5os evSofk vyjao; den Namen: Apxxov (uv xxXiouaiv opo? rcepi-
vaiexaovxes (wo 'Apxxwv geändert zu werden pflegt nach I 1 1 50 oöpecnv Apxxwv).
Der Orphiker und die Polluxquelle haben hier Apxxwiov xocXeougi (für "Apxxov [V.v x.)
gelesen. Beide Lesungen verhalten sich wie Kptos zu dem das Adjektiv vertre-
tenden Kp:t!xa; sie sind beide gut. ApxxöKX 5p7j werden wir beurteilen, wie
äypoixos iaiWj; oder auch wie Mupxiötov /üEXayos, das nach den Myrtenbäumen heißt,
wie Sapmvixö? xöÄ-o; nach den Eichen des Küstenlandes; die Komposition wird
schließlich einfach wie ein Adjektivum von äpxxo; behandelt. Bären auf dem Ida
kennt die Parissage, in Phrygien Nonnos XLVIII 238 u. a. Nun ist Kyzikos
milesisch. Ob durch die milesische Astronomie äpxx<o:o; in Aufnahme kam für
ip/.x.7.ö;, weiß ich nicht zu sagen. Wahrscheinlich ist das späte äaxpuuo; - - nicht
Öptai) 6pix!o; . . . icxi 5k xai Svjuoj ÖpilOV &JCO ,die Niederlassung in Thria'.
8pfavxoj. Dazu Meineke: Hie non diversus a superiore. n) Nonnos II 42 f. (i)|ioßipoi fap äpy.-o'. üai-
Pro epiüiv fortassc Bp'.a) vel 8pi(u; scribendum, quam xpsöovxo TuqpaovCoio icpoaamou äpxximxi; Ysvueoolv'
forraam habes apud grammaticum Bekkeri p. 1415, 13) Schol. Apollon. I 036 Äpy.xo>v äpog oSxoi
ubi componuntur iu>- SsüiJtev, t,i»; ^fiSrSV, ir/jxfu>i Xrfd|isvov, sei es nach den hernach in Bären ver-
ir/ipai'&ii '■• 8p{(u{ öptfflftsv. Die Form 8piu> ist wandelten Zeusammen, sei es nach den dort zahl-
hier nicht wahrscheinlich, da sie schon erwähnt reich gejagten Hären, 7) 4ta xö 6(|n)AÖV xoü öpouj,
wurde. 9piu){ aber sieht verderbt aus neben 6p£a, ar.c. tofl Soxetv -'/.'.; "Apxxot{ npoan6Aä£eiv Tat; äaxpüK-
wie ja sicher auch 8p£ü)V verderbt erscheint. Etwa otg. "ApxxcüV 5poj auch Strabon XII p, 575,11. Es
8puua wie Kp'.o'ja beide Male? Dann wäre Thrioa gab also auch hier zwei Namen.
Mutter Erde 5
äaxpatos, das nur in den Kurznamen Aaxpxio;. 'Aarpala gilt — durch das Muster
äpxTiöios erst hervorgerufen worden.
Das Fest der 'OjJioXwta und der Festmonat "Ou.oXü)tos sind über ganz Boiotien
verbreitet. In Orchomenos war dieses Fest zeitlich mit den Charitesien verbunden
(IGS I 48; 3197): dieselben Sieger werden auf denselben Steinen für beide Agone
verzeichnet. ,Istros wird mit der Auffassung als Fest der Eintracht Recht haben . .
Es liegt nahe, 6[io-X<i)cos = 6[i6ßouXos zu deuten', schreibt Wilamowitz, Hermes XXVI
216. Auf diese Weise bliebe die Vokalisation unerklärt. Es liegt anders. Doch
ist zuvor ein Mißtrauen zu beseitigen. E. Fabricius schreibt, Theben (1890) S. 28 f.
.Zwar leitet Pausanias IX 8, 6 f. den Namen des homoloischen Tores von dem
thessalischen Berge Homola ab... Aber sicherlich (!) beruht der Bericht des
Periegeten nicht auf lokaler Tradition, sondern ist lediglich eine auf die Namens-
gleichheit gegründete Konjektur ohne örtlichen Anhalt.' Gründe fehlen; sie
könnten kaum anders als sprachlicher Natur sein. Grade die Sprache aber be-
stätigt die Verbindung von Homola und jenen besonders, aber nicht auschließ-
lich, boiotischen Bildungen. Der Tatbestand ist dieser. TjjioXa (oder "0|i,oXog) war
ein fruchtbarer Bergrücken in Nordthessalien. Mit diesem Namen und mit diesem
Orte verbinden unsere Nachrichten - es ist wesentlich der Thebaner Aristodem
in seinen Thebanischen Epigrammen — das in Boiotien und besonders in Theben
selbst sehr häufig als Eigenname verwendete TJjioXwto;, auch 'O\iolih'.yoz — es
sind aus IG VII 38 Fälle bekannt — 'OpioXwtöowpo;, '0|ioXcm's. Wir erkennen den Zu-
sammenhang: 'OjioXoaaf/os liegt der Form 'OfioXöKO? voraus, ,der auf dem Homola-
Berge wohnt'. Die ganze, von ihren früheren Sitzen auf der Homola mitgebrachte
Göttergesellschaft war in einem Bezirke in Theben vereinigt, dem auch bezeug-
ten '0\io\ür.ov, bei dem nach ihm genannten Tore: Zeus, Demeter, Athena und
Enyalios 14). Von den anderen Göttern Thebens, auch den gleichnamigen, wie der
u) Photios (Suidas) 'Ou.oXw:o;] Zeüj sv 6rj[2aij schon bei Photios steht,
xal sv äXXaij raJXsat BoiumxaTg xal 6 ev 6s3aaX£ai, Schol. Eurip. Phoin. Hlg: Das homoloische
ärcö 'Op.oX(o£a; npotpiJTtSos -■?,- 'Evjitog (nach Aristo- Tor sei cotö 'Ou.oXu>su>; xoü 'Au.?£gvo; genannt . .
phanes von Theben) . . . gort 51 xal Ar)[i»)xyjp '0|io- 'Aptaxo5v]|i05 (Fr. 2) 8s tfrjjtv auxaj vjxm xXY)5Hjvai
Xu>£a sv ö»ißats. Nilson schreibt Griech. Feste 13 A. Btä xd TiXrjaiov sfvat xoü 'Ou.oXcüou ijptoo;. xaxa 5s
,Daß auch Demeter an den Homoloien teilhabe, ist xo-'j; t|)6t)8oXoieTv jäouXopivouj äTiö ptä; tfiiv Nu5ßT);
eine willkürliche Annahme'. Er hat dem gesicherten ftu-faxspiov 'OuoXtoiäoj. Steph. '0|ioXr)] 5poj 6sxxa-
Zeugnis gegenüber unrecht. Schol. Lyk. 580 Boap|i£a Xiaj . . X=-;sxx'. xat 'OjioXoj. o£ olxoövxsj 'Op.oXsl;
Aoff&Tij 'OuoXu)is B£a] Boapum Ss (Athena) xai Aof- (Meineke; — Xosi; Hdss). xal 8y)PAv tS/.-x: r.po- tffil
-fäxij napa BokdxoTj xaXsixat xal xtu.äxat 'OuoXun; öpai (6pst V) '0|ioXco£8s;. xal Zsu; '0|ioXd>ioc, uuÄxat
7tapä 8Tjßa£o!.; (ä.*Yjvatol{ Hdss: verb. Welcker\ xai sv Boiuniai. Wilamowitz fordert statt fjpo>0£ mit Recht
6 Zstj; Kap' aüxci; '0|ioXuk<o>? xal IIYAAIO^ eine Ortsbestimmung und setzt aus Stephanos Spooj
'OjioXtutoj: ENYAAIO? natürlich, zumal 'Evusöj dafür ein S. 215. Dagegen wäre zu sagen, daß der
O E. Maass
Athena Onka und dem Ares an der Dirkequelle, sind diese Gottheiten für die
Praxis der Religion Thebens zu trennen.
Das zwischen Silarismündung und Poseidonia, 50 Stadien von dieser Stadt
entfernt, errichtete Heiligtum "Hpa; ApytiKa; Maaovo; üSpufia hat Friedländer, Philol.
Untersuch. XIX 89 zu einem falschen Schluß benutzt; vgl. Strabon VI 252.
Jasons Gründung' lassen wir notwendig beiseite; sie ist aus der Wortform
Äpyö)ia, die man auf Jasons Schiff, die Argo, bezog — Apyiinov axx-fOs Euripides,
Medea 477, Xcurjv ApyGuo? tknb tv)s ApyoO; auf Aithalia Strabon V 224 — erschlossen
worden, bezeugt aber die Richtigkeit der überlieferten Ableitungssilbe. Hätte
man diese lukanische Hera als Argiverin bezeichnen wollen, wir würden Apyeca;
lesen. Es bleibt keine Wahl. Hera war Apytina, wie Artemis am Alpheios AXcpeuiKa:
ihr Tempel wird auf unanbaubarem oder unbebautem 15) Terrain (apyr) yrj oder
zb apyog gestanden haben.
Es läßt sich mit dieser neugewonnenen Erkenntnis für Syrakus ein nach-
gerade unbequem gewordenes Problem auflösen. Cicero, Verrinen IV 53, 118
sagt aus sizilischer Überlieferung, mit der er sich gut bekannt gemacht hat, von
der Insel Ortygia ,in ea sunt aedes sacrae complures, sed duae, quae longe ceteris
antecellant, Dianae una et altera, quae fuit ante istius adventum ornatissima,
Minervae'. War der Artemisbeiname auf Ortygia AAcpsitina, so liegt in ihm die
von Cicero angedeutete fremde Heimat des Kultes auf jener Insel bezeichnet.
Nach Ortygia war die Göttin, sizilischem Glauben zufolge, aus Elis gekommen,
aus Letrinoi oder aus Olympia selbst. Ich denke, wir werden auch hier ent-
scheiden können, wenn wir uns an die gute Überlieferung halten, sie nicht
ohne Not verlassen.
Polemon hatte in einer an den uns unbekannten 1 Hophilos gerichteten Mono-
graphie über die geschwärzte Kultstatue des Dionysos gehandelt1'') und andre
Heiligtümer und Kultverhältnisse von Altsyrakus herangezogen: Demeter Sita
und eI|iaX£a und außerdem eine unbestimmt als 1) '0Xu|X7tfac bezeichnete Göttin. Wir
lesen bei Athenaios XI 462 B: xal IloXquov 8' £V xfin Ttspi 10O Mopj/ou (Fr. 75 Preller) £v
Supaxoöuacs cpjjcrtv i-* stxpat xv(: vfpm tifhc, xün xrjj 'OXunm'aj lzp(b'. sxxöc; xoü zelyou; ivyipxv
, der thessalische — einen thebanischen kennen raowitz, Herakles I- 48. Auf den Tafeln von Hera-
wir, von dieser fraglichen Stelle abgesehen, über- kleia am Siris sind axtpo; und äppyjxxoj dergleichen
liaupt nicht — '0]ii/.a oder °0|ioXog geheißen hat. Flurnamen.
In fjptOOJ steckt Eapoff, in Spet tepffil. '•) Hepl toO MopÖXOU, vgl. Diels, Hermes XL
]>h. Byz. u. d. W. "ApfOJ 3i z/i'Ai näv 30I ff.
- v.'x-.-/. fa&axtav: d. h. dcapyoc .unbebaut'. Wila-
Mutter Erde 7
xcvä efvac, &p' ■?$, cpnjac, xtjv xiiXcxa vauaxoXoüaiv (JvoMcX^ovreg n=/p: toö y^vlafra'. xr^v IjcJ
xoö v£w xf/g 'Aifyväc idpaxov dbmSa xac oörcüg ifcpiäaiv s?g xrjv 9-esXaaaav xepafilav xöXixa,
xaiMvxsg e?g aöxrjv avö-sx xal X7jpta xal XißavtöTÖV ät|jwjtov xaE ä&Xa äxxa |j.sxx xoöxwv
äpwj-iaxa. Aus xf;? 'OXunra'ag machen die Athenaiosherausgeber, aucli Kaibel, wie
wenn sich dergleichen bei der Leichtigkeit der Änderung von selbst rechtfertigte,
Yffi 'OAufira'ag. Die Ge von Olympia wollte vordem auch Preller herauslesen, ohne
zu ändern (p. 113), auch er ohne den Ansatz zu einem Beweise. Es läßt sich
ein solcher gar nicht führen. Möglich ist die Verlegung der Ge außer Landes unter
besonderen Verhältnissen gewiß, selbstverständlich aber gar nicht; bewiesen muß
sie, sie darf nicht gefordert werden. Verläßt ein ganzes Volk die alte Heimat,
so wird es den alten Kult der Ge mitnehmen. Der Sieger mag ihren Kult aus den
besiegten Landschaften in die eigene Hauptstadt verlegen und den ursprüngli-
chen an alter Stätte daneben bestehen lassen. Innerhalb des eigenen Landes
selbst läßt sich Ge natürlich übertragen, der Kult auch beliebig vervielfältigen.
Die Stadt Athen besaß drei Kulte der Ge. Das Ge-Heiligtum in der Altis hat
die von ihm im Innern umschlossene Erde vom Kronoshügel erhalten: ein
Beweis, daß hier eine Verlegung einmal stattgefunden hat; im Innern des Ringes
zeigte sich gelbliche Tonerde, wie sie sich nur im Kronion findet17). Wie die
Verhältnisse in unserem Falle liegen, gibt es drei Erklärungen der Überlieferung:
entweder hatte der Perieget mit xrjg 'OXujira'a; einen von zweien oder auch von
mehreren Kulten derselben syrakusanischen Göttin bezeichnet, oder es gab von
der mit xijs OXujimag gemeinten Göttin zwar einen Kult nur in Syrakus, eben
den auf Ortygia, aber dieser galt als Filiale von Olympia, oder endlich beides.
Wie wir sahen, stammte die Artemis auf Ortygia aus Elis, aus Letrinoi an der
Alpheios-Mündung oder aus Olympia; nur dies stand noch zur Wahl. Diese Kult-
tatsache für Ortygia und das Hieron xtj? 'OAujiraag auf derselben Ortygia zu
verbinden — ist das noch Kühnheit ? Es war die Artemis von Olympia, die
Alpheioa oder Alpheio, nach welcher Polemon die Eschara auf Ortygia orien-
tierte. Soeben veröffentlicht die 'Ecprj|i. ap-/_. (1906 er. 36) eine tegeatische Marmor-
herme mit Unterschrift 'AfppoScxau 'OÄuvm'au. Aphrodite wird uns unter diesem
Namen in Tegea von Pausanias, der hier besonders ausführlich scheint, nicht
genannt; dieser Perieget kennt neben der [Iacpca nur noch die nach ihrer Stätte
am Markte als Aphrodite 'Ev ÜXivIKiüi bezeichnete; der Markt der Tegeaten hieß
nach seiner oblongen Form QXivJKov ,Ziegel'18). Wir sind in jeder Weise aufge-
'■) E. Curtius. Abb. II 60. y.ufaj JiX£v9*iH xaii -.0 3X^lla- Ä.?po8(TT){ k—'.v sv
'"i Paus. VIII 48, 1 -■/,; i'fOf,i; 3= («iXioT« ioi- kötSji vai; xaXoöpsvo; iv nXivSKa» xat J-faX(ia Xid-ou.
8 E. Maass
fordert, die 'OXuv~:a und die 'Ev IlXcvthV. für Tegea gleichzusetzen und zu folgern,
daß diese Aphrodite nach Tegea aus Olympia übertragen ist. In Sparta waren
Zeus Olympios und Aphrodite Olympia die 'U/.j;in'.o:. verehrt in demselben
Tempelbezirk, dem 'Oäüjji-'.ov, wie ein ähnlicher Bezirk auch in Athen heii3t19).
Zwei altgriechische Tempel nun haben sich auf Ortygia in Resten erhalten : der
in der Blütezeit des dorischen Stils errichtete und schon im frühen Mittelalter
in die Kathedrale von Syrakus verwandelte hochgelegene und ein zweiter hoch-
altertümlicher, doch kleiner und tiefer gelegen. Schubring hielt den erstgenann-
ten oberen Tempel für den der Artemis, den andern für den der Athena ; Puch-
stein zweifelte (S. 203). Das neue Zeugnis würde Schubring recht geben.
Wenn Polemon in seiner Schrift ,Über den geschwärzten Dionysos' Deme-
ter S'.-ü) und cI|j.a/i; und weiter die Eschara bei der olympischen Artemis zu-
sammen erwähnt hatte, so wird er für dies Nebeneinander seine Gründe gehabt
haben. Von Dionysos führt mancherlei auf Demeter Meter; es sind die Götter
des Landmanns. Auch von der Eschara. Der so benannte niedrige, meist hohle,
runde oder viereckige Opferherd pflegte der Ge oder den Verstorbenen zu ge-
hören, den Heroen; in Olympia stand er innerhalb des steinernen Rundbaues der
Ge mit den bekannten Aufschriften 'Hpwwv, einmal "Hpwo; 20). Auf Ortygia stand
er frei, wie anderswo. Die mit Blumen, Waben und mancherlei Räucherwerk
gefüllte Vase aus Ton erinnert an das Chytrenfest der athenischen Anthesterien
wohl nicht nur zufällig; auch an das novellistisch ausgeschmückte Opfer des Poly-
krates: der Ring soll ja sicher ein Opfer an die finsteren Mächte, die Unterirdischen,
sein21). Etwas ganz Gleiches kenne ich nur in Arrians Anabasis I 11,6: AÄEtav-
5sov 2s iE "EXatoöVTOg s; röv *Ayz:6n Ä;;i£vx xatäpac i icXetwv \&foc, v.y.-.iyi'.. v.x: aJTÖv
~t xußepvövra rijv cxpaTJjytSa vaöv 8iaß<£XXeiv xat, ir.nii, -/.aiä niaov tov -dpov ~orj 'EXXkj-
5~dv70'j äyevexo, azxczvtz taOpov 1Ö1 QoaetSövt v.y': Nrjpfjiai o-v/Zivi iv. yy>ri~,; -'.xki^ £:
tov jt6vrov; VI 19, 15 opfert Alexander wieder dem Poseidon atfxyca ins Meer. v.xi
53, 7 Aphrodite Paphia, deren mythische Gründung geber der Inschrift denkt sich die Sache wesentlich
erzählt wird. Das Deminutiv iv Tt/.'.v IHtoi scheint hier anders, mit Unrecht, wie ich meine.
neben iiXCvdtot wohl erträglich. Diese selbe Ortshe- Paus. III 12, 11 ; 14,5.
Stimmung genau so in den , Epidemien' VI 22 (V 304 20) E. Curtius a. a. O., ijptug .Toter': Rohde,
Littre) und VI 9 CV 328 L.)i ähnlich lJaus. II 4. 6 Psyche 243 A.; 647 fr. Ein schönes Beispiel in den
Sarapistempel: iv KavcöjiüK xaXoöjievov. IGA 543 mißverstandenen Versen des Asios in Bergks IM 1.
aus Kalabrien xS{ II;.*: -i; Iv nadfaK, mit welcher II 23.
die Iläi'.O) in Sizilien nichts zu tun hat, Usener, 21) Preller vergleicht die Vermählung des Dogen
• iötternamen 144 A. Die Epidemien geben eine mit dem Meere, Casaubonus die des Dionysos mit
Fülle der schönsten Adressen dieser Art 1 Meincke, der Basilinna in Athen (Preller 112 f.).
Sitzungsber. Akad. Berlin, 1852 S. 751. Der Heraus-
Mutter Erde 9
cj-staa; iiä xr]t It-jdy.: rfp '.z tpW&Xijv, yi'JTi^ oöoav, xa? xpaxijpae; xpuaoü? SvIßaXev i:
tov -övtov yapiaT^p:a, s'jyw6jievog awtöv o! itapaiE£|i<l>ai xdv axpax&v xöv vauxtxiv xxX. 1 1 i
waren die sogenannten ^(OTTjfta. Und also wohl auch in Syrakus. Die ziyy.oz. inay
der Ge, der syrakusanischen, gehört haben.
IL
Ge hieß auch in Athen 'OXujitogc, nicht anders - wird mancher meinen —
als Artemis 'UÄ'j^nfa in Syrakus, Aphrodite 'OXupma in Sparta und Tegea, Zeus
'0X6jimos in Sparta und Athen22). Dennoch darf hier an keine Kultübertragung
gedacht werden. Pausanias schreibt I 18, 7: lern 5s xp/aCx iv töc jiepiß6Xü>i (des
Zeus Olympios), Zc'j; -/»XxoO; xxt vaö; Kpovou xxi Tsx; /.%: xijiivo; 1V^ (dafür xtjv
Hdss) etoxXhjcj'.v 'OXujMna?. ivxaöfl-a Saov e? rcfjxov "^ "a-^o; SieaTijxe xa: Älyöua: [lexa
rfyv ETrajißpiav xrjv in! AeuxaXfeyvos (Tuji.ß<Scaav &ra>p"£u7jvat xauxrjc xö ö8ü)p, saßcfcXXouai ~i s:
aöxö äva rcäv Ixo; äXcptxa rcupöv [liXixi usicavxs;. Thukydides aber, wo er ganz genau
sein will (II 15, 4), nennt diese Ge nicht 'OXojtraa, trennt sie auch durch das
Pythion vom Zeus 'OXu(nr,ios (16 xe xoö Aiö? xoü 'OXu[i7uou xat xb Ilulhov xal xö xtj;
IY^ xa! xö iv Ainvatg Aiov6<jou). Dazu die folgende Beobachtung. Meter oder
Demeter von Agra, ,des Plutos Mutter', nannte der Volksmund - - zum Unter-
schiede wohl von der Göttin des Eleusinions — aus keinem andern Grunde
,olympisch', als weil die ihr heilige Flur am Ilissos dem Heiligtum des Zeus
Olympios benachbart war23). Die Ausdrucksweise des Thukydides haben wir
als die korrekte anzuerkennen; Pausanias redet hier wie das Volk weniger kor-
rekt. Das Beiwort ,die Olympische' will nichts sein als ein topographisches Mittel
diese Ge von anderen, im Stadtbereich gelegenen, zu unterscheiden: Koupoxp&po?
rcapee "Apxi|.itv heißt, auch topographisch bezeichnet, die Ge auf der Burg, Ge
Themis die unterhalb derselben. Dazu die Göttin des Eleusinions.
Ge Olympia, übertragen aus Olympia, hat es weder auf Ortygia gegeben
noch in der Flur des Ilissos. Für Syrakus beruht sie auf irriger Auslegung
einer Textstelle, für Athen auf Verkennung einer zwar freien, in jenen Zeiten
aber nicht mißverständlichen Bezeichnung der Ge als Nachbarin des Olympions,
des anscheinend sehr früh und nicht erst durch Peisistratos nach Athen über-
nommenen Zeus von Olympia: die Tetrapolis und der attische Osten besaßen
sehr alte Verbindungen mannigfacher Art mit dem Westen des Peloponnes.
--1 Nach den Pausaniashdss hätte der Tempel wie 'EXsuaCvtov u. a.
der Demeter Mysia bei Pellene VII 27. 9 Muoetov oder ") Carm. pop. 3 IIXoÖTOU |Mp*P 'OXojHitav isBti)
Mftocov geheißen; sie geben die Wahl. Die Heraus- &l}|M]xpa Jl --: =' <"?*■;
geber, auch Spiro, wollen Mooalbv. Vielmehr Möowv, ^ "=• "a- i;':- *sp<»<p6vi).
Jahresbefte des osterr archäol Institutes HJ XI -
IO E. Maass
III.
Die Heiligtümer der Erdmutter pflegen Kuppelform zu haben und ö|icpaXot
,Nabel' zu heißen. Nur Klügelei machte den delphischen , Nabel' zum ,Erdnabel',
zur Erdmitte; falsch schon darum, weil es viele solche , Nabel' nachweislich im
griechischen Kult gegeben hat. Sie standen vielfach im Kreuzungspunkt der
Hauptstraßen (E. Curtius, Abh. I 116). Tä? ö[.tcpaX6s ist vielmehr der Schoß der Erd-
mutter, Uterus als das Gegenstück des Phallossymbols S4). Einiges hier Übersehene.
Hesych. i. i|.i^aX6;] ^uyoO zb fiiaov. v.od Aea^ol inel usaxtxaxoi. 2. ofi^aXö; atyos
(vielmehr l'ato;)] o^xsrxa;. ~w; xr,v flucti} 6u.r.paXöv aiyafov (vielmehr TaiGvC. xtvsg
5i napä tö rfjs Afyaitov (vielmehr AsX^iov) yyj? - nämlich |isaacxaxov sEvat, aus Glosse 1.
.Omphalos' oder ,Gaios' oder beides sagten die Delphier von ihrem Gaia-Heilig-
tum 2S), wie die Eleer in Olympia2'5) und andere Peloponnesier27): Pausanias II
1 3, 7 von Phleius oü Tcop^to §s eax'.v — vom olxo; jiavxixoj des Amphiaraos — ö xa-
ÄoJ[i£vo; '0|i<paX6s, TlzXoKmvipo'j ok ~aarj? uiaov. £? oyj xa ovxa sJpr,-/.xa:v. Dieser Om-
phalos erscheint eingerahmt in ein Rad auf phleiasischen Münzen 2S). Ein heiliger
Stein war das jedenfalls nicht. VIII 25, 13 (Aigeira in Achaia) : IYj; 3s tspov iaxtv
6 laioj EitcxXr^tv Eöpuoxepvou, (joxvov 21 xof; uaXiaxx c|W(ü; laxiv xpyafov 2;)). Münzen
von Magnesia am Sipylos, die auf der einen Seite den Zeus zeigen, haben auf
der andern einen schlangenumringelten Omphalos. Auch Paphos und Helina-
Arelate besaßen einen Omphalos30). Ferner Delos. Daß die Delier ihre Mutter
in einem solchen Heiligtum verehrten, zeigt der französische Ausgrabungsbericht
Bull, de corr. hell. XXX (1906) p. 561. Im Jahre 1903 fand sich in einem delischen
Privathause ein schlangenumringelter Omphalos aus Marmor und 1906 ein auf
Tafel 24 abgebildetes Relief aus weißem Marmor mit demselben, von einer
7t) Diels, Miscellanea Salinas, Palermo 1907, ärci xöv xa|ivivxu)v.
p. 13 f. '-") ilead 344(5 5 1) ; Imhoof-Blumer und Gardner,
Ji) Apollon auf dem Omphalos auf delphischen Nun). Comm. on Paus. 158. Omphalos auf Münzen
Münzen: llead 289 f. Auf solchen von Kyzikos: von Sikyon ebenda. Die Göttin mit Schale und Füll-
453. Vor allem aul den Seleucidenmünzen. Anderes liorn auf Münzen von Sikyon und Kleonai wird Ge
lasse ich. O. [ahn, Arrh. Beiträge 342 A. sein (p. 32).
u) Paus. V 14, 10 ir.l ?= xüh Talmi xaXouui.vun, *9) Die herakleischen Tafeln I 13(1 (SGDI 4629)
.: ssxiv iit' aüxön Fi);, Tsqppae, v.al vjx',;. xa 5» hahen ein anderes Wort: oü?£ fouüirx- ih)zv. r:if.
Ixt äp/atörspot y.al uavxslov xf(; Tfj; a'JxiO-. elvat xm; &xapxovtac, oö8s aapusüast . . . oü5i xoifuöva;
XifOuotv. i-i ds xoö ävoua£ou£vou Sxopiou 6£{u8t 6 £v xät l=p->.'. fat iroiljast '^'J'Ss äXXov §äast und die
-■-'J.-c-.'/;.. Inschrift des auch dorischen Halaisa (SGDI 5200) xö
21) Im Demelertempel von Patrai (Paus. VII |5ob£8iov xö pdov &v& uiaov xffiv castiivtov. fai-töv und
21, in waren Demeter und Köre behend dargestellt, -fa~£t"v bezeichnen den Erdaufwurf, gleichviel zu wel-
I , Ka9i)|isvov. lipo ?i xvj chem Zwecke, ganz wie fatoj.
: = ;,'.■> -?,; 4^ui)xp6{ = ": mj-f)) . . . u,avretöv ii IvraO- :l"l Hesych. I ., .; . xXog] v, lli,-,; xal A = /.-T'>i.
^'i i^^ rcpdfu.a-ci, i)X Jahreshefte X 87.
Mutter Erde I '
mächtigen Schlange umringelten Omphalos in nischenartiger Vertiefung zwischen
zwei Palmen außerhalb der Nische. Da auch dies Denkmal in einem Privathause
gefunden ist, so hat der Herausgeber mit Recht auf Hauskult geschlossen. Die
delische Gaia hatte daneben sicher öffentlichen Kult. Ihm gilt der kallimacheische
Hymnus auf Delos. Drei delische , Mütter', Anios Töchter, kennen die ,Kyprien'.
Auch Sparta (Pausanias III 12, 8) und seine Kolonie Thera besaßen Gaiakult.31)
Über das Hieron in Sparta wird noch besonders gehandelt werden. Fäg lepöv lautet
eine theraeische Felsinschrift (n. 374). Die Theraeer mögen den Kult in Kyrene
eingeführt haben. Von einem ruhmgekrönten Kyrenaeer sagt nämlich Pindar,
Pyth. IX 102 f., die Mädchen seiner Stadt haben ihn oft sich auszeichnen sehn
ev xe 'OXunrooiat *£ *5" ßa&uxöXTOU Ta; iefrXoig ev xe x<xl ixäaiv lmya>piot£. Dazu die
Schoben : 'OXujiraois] 0C1 xof; iv IKaryo vüv (oü yäp av oöxtog epptt^ev xnX&c, xöv Xoyov),
äXXä xofg ev 'Aö-rjvai; ix xoivoü uxTJaavta sESov xal ev xoig &YO|i!voig äytoai xfy Fvjc, Xeyec
3e ev ÄSi^vats. xö Se rtjg, oxt xal aüixf;; äywv äysxai ev Ä-9-qvats, ög ipyjai Ai3uu.og. Nach
Boeckhs Feststellung bezieht Pindar selbst sich hier auf Kyrene; der Scholiast
hat mit seiner Kombination sicher Unrecht, aber sein athenisches Material ist
gut. Daraus lernen wir also neu : eine der drei athenischen Ge — welche, wird
nicht gesagt — besaß einen Agon. In diesen Kulten der Erdmutter ist die Nabelform
der Kultstätte nach dem früher Ausgeführten vorauszusetzen. Zeus berät sich in
den ,Kyprien' mit Gaia-Themis, durch den troischen Krieg die tiefbrüstige Erde
zu entlasten. Ge-Themis sitzt auf der Petersburger Vase auf niedrigem, mit Binden
geschmückten Omphalos, dem tiefnachdenkend auf hohem Throne ebenfalls
sitzenden Zeus eifrig zusprechend, in Gegenwart des Hermes und der drei
Göttinnen :i2). Den Omphalos pflegt auch Asklepios neben sich zu haben. Und
auch ein anderer Erdgeist führt ihn (A. 38). Neben Amphiaraos thront auf
einem oropischen Votivrelief eine Matrone auf dem Omphalos33). Innerhalb der
chthonischen Gesellschaft von Oropos gibt es keine weibliche Gestalt, die dahin
paßte als eben Ge; man müßte denn an , genrehafte Freiheit' des Künstlers
denken und eine beliebige Partnerin des Gottes willkürlich verwendet glauben M).
31) Wir merken auch an den Eigennamen die oder auch einfach Agra als Ortseponyme. Meter oder
Kultverbreitung der Mutter Erde: Tato; heißt (SGDI Demeter pflegt sie zu heißen. Es ist doch nicht
5026) in Gortyn ein Jahresbeamter, TaStopos ein ohne Bedeutung, daß die gute alte Überlieferung in
Mann aus Lepreon, ra|isi3sig einer aus Thespiai. Piatons Phaidros als Namen dieser Göttin Agra dar-
raxi|io;vcrzei ebnen Fick-Bechtel 83. Vgl. noch Kap. VI. bietet: fyjtpö; x6Tf/j"A"fpaj3'.aßaiv(;nsv die besten Hand-
32l Wiener Vorlegeblätter A Taf. IX. Schriften, Bodlejanus und Marcianus, während A.ypataj
33) Reisch, Festschrift für Benndorf 140. nur die jüngere Hand des Bodlejanus hat, was sogar
34) Auch Agra hatte einen Kult der Mutter Lehrs vorzieht (S. 6). xö Tr); "Afpaj ist nicht ,das
Erde, der von Agra, die man Ä'fpafa nennen könnte Gebiet von Agra', sondern .Tempel der Agra', der
2*
12 E Maass
Attika ist ja erfüllt von Kulten der Ge unter diesem und andern Namen. Im
Demos Phlya nennt Pausanias I 31, 4 neben den ismenischen Nymphen einen
Altar der Ge, ,welche sie die große Göttin nennen'. In Alopeke fand sich ein
Grenzstein MeiXixtou A:6;, fr;; und &.{bjväg.
IV.
In Sparta gab es ,ein Gasepton zubenanntes Heiligtum der Ge' in der Nähe
des Altars des Apollon von Malea. so berichtet Pausanias III 12, 8 an einer von
E. Curtius, Abh. II 54 und Wide, Lakonische Kulte 202 f. mißverstandenen Stelle:
iora 5". iitovona£6[ievov racnprcov, Eepöv Yf^. Der unverständliche Beiname, der dies
Ge-Heiligtum von dem III 11, 9 unterscheiden soll, wird durch räasTtiov nicht
verständlich: ,von der Erde verehrt' kann kein Tempel der Mutter Erde sein;
und die Analogien, das Adjektiv XaoaejMjg und der chiische Eigenname Aewalßr;?,
helfen nicht fort. Es steckt darin ein Verbaladjektiv auf — jcto?. Aus einer Glosse,
welche verkürzt und wesentlich identisch bei Photios Suidas Etym. Magnum u.
d. W. ^Xuatov, etwas ausführlicher bei Hesych, erscheint, setze ich das für unsere
Zwecke nötige Stück her: IloXsjtwv Se Ä/Jbjvaioug cprjai xa! ä)./.oi itve» zb xaTaaxr/^N-sV
j(0)ptov ?( fep6v (nämlich xotXeCv T/.'jr.a oder evTjXtiawc). Ein Fleck Erde oder ein bereits
vorhandenes Gotteshaus von einem Blitz getroffen — xb xaTaax7]<pfl"EV — heißt bei
den Athenern offiziell 7JXüa'.ov (eVTjXöatov), berichten also Polemon und andere Quellen.
Blitzschlag bedeutet den Griechen immer höchste Ehrung: kein Wunder, wenn
die einem Tempel gewordene höchste Ehrung in einem Beinamen ihren Aus-
druck findet. SxTj7tT6v scheint die erforderliche Form zu sein. Die griechische
Sprache verfügte über zwei Verba axrprcü): ox^ttcu) (oxaircü)) ,ich stütze' und oxtjtctw
.ich werfe'; davon das Verbaladjektiv ourptrog .geworfen'. Es ist das Wort für
die Wurfwaffe, besonders den Blitz: ganz wie ßeXos auch für den Blitz nicht bloß
in der Poesie vorkommt. Es gibt aber noch den Beweis für die eigentliche ver-
bale Bedeutung von otojtctos. Wenn in den angeblichen Versen der Aspasia an
Sokrates über dessen Liebe zu Alkibiades zu lesen stand
-J-.-.i SeSflExpuaai, tpfXe S&xpates; ij n" ivaxivei
rrtepvoij iwafrov axipct&s nbfroc, Sofiaer. frpauaS*^
r.-rZbt xv:xt(-vj : töv syw zlW-xrjö't ov. 'jr.irj-.i^
noifjoat
Mutter Erde dort. Demosthenes (Plut. 9) schwor in <o fi] tl't;.y.i'x /.aips abffwit 9-' ö9o)p,
regung einst vor dem Volke |ii ff|vi I1* XPV Tsiptia y.yi;nr vä[io StooqpiXäoTaTOV
( n',-v.;'.'.'j:. ;i->. i'byj.-.'j. Miese vajiaxa sind die Sophokles Fr. 825 X".
kleinen Wasseradern).
Mutter Erde
13
so kann hier crcopruos nicht , Blitz' heißen, sondern ,blitzgetroffen': das sehnende
Verlangen in der Brust ist blitzgetroffen ; dazu bringt 5u.(wecn ihpxuafrsi; ~. i. die
erwünschte Erläuterung : denn die Augen des Geliebten entsenden den Blitz, der
alles zerbricht. Hxipttbq tzö&ou war eine schlechte Konjektur von Fr. Jacobs (vgl.
Bergk PLG II4 288). Wir haben also zuzulernen : ,blitzgetroffene' Stellen heißen
nicht bloß fjAüata svrjXüata xa":aa"/.ricpi)'£VTa, sondern auch axrjTiiot; otojittov ist wohl aus
ydaiijTCTOV zu verbessern: Sari c\ i7iovo(i.a^6jievov Socmrcöv, lepöv Tf^. Jenseits dieses
Ge-Heiligtums lag dort — irgendwo - - der Kult des Apollon von Malea. Auch
das Verhältnis dieser Kulte pflegt verkannt zu werden. Nach Euripides, Bakchen 10
war Semeies Heroon in Theben das blitzgetroffene Abaton (Paus. IX 12, 3), aßato;
2e{iiX7]£ otjxos, sie selbst die xepauvta (6). Jüngst wurde im lakonischen Thalamai
eine alte Inschrift gefunden und mehrfach, zuletzt von Solmsen, Rhein. Mus.
LXII 32g und S. Reinach, Revue des et. gr. XX (1907) p. 01 behandelt, ohne zu
ihrem Rechte zu kommen. Uns fehlt eine Vokabel: A'.ö; xaßceTa. Tzk\xnx(ai fixe.', fhkv
ÄcIkov Ti>. .... Was in den vier letzten Buchstaben stecken, was Xehtov bedeuten
mag, wissen wir nicht. T&i aber für unvollständig zu halten, liegt kein Grund
vor. Zum Blitzgotte, dem KaxaßaTa?, gehört naturgemäß die von ihm verwundete
Erde. Beide sind eins. Blitzgetroffen nennt Aischylos, der auf diese Dinge gern
hinweist35), das Aithiopenland am Okeanos 36) : Zeus versetzt dorthin die gelösten
35) Fr. 403 (Strabo VIII 387 1 nennt er Rhypai
in Arkadien , durch den Blitz geheiligt': BcaSpav x" öpEtav
xai xspauvCa; 'P'j-a;. Vgl. Wilamowitz, Herakles
I2 221; Isyll 114. Der .Glaukos' war das Drama
nicht. Möglich, daß das Stück mit dem auch un-
bestimmten Fr. 284 zusammen in dieselbe geogra-
phische Schilderung gehört, wie sie ja Aischylos
liebte: Stephanos "2/Uvoc,] rcoXig Äxata? xai Atxto-
X(ag {hjXuxtö; XE-fouivr;. A'.ax'iXoc; .fpaöaiov xy,v
a;-=iVTjv £a)Mav "ÖXsvov*. So pflegen die zum Teile
verderbten Worte gedruckt zu werden. Die Variante
xcaüoiov ist belanglos, wichtig dagegen, daß xs
zwischen £oc8-£av und "ÖXevov im Parisinus des
Stephanoslexikons eingeschoben wird. Schon diese
Tatsache hätte genügen sollen, fpaüatov ungeprüft
und mit offenbarer Gewalt in den Titel TXau-
xo)i oder mit Meineke in Kapaiv nicht zu verändern.
e'.ai 3s nrjfal xf,5 N=2x; sv öps: '0<: KepauaiüH' 10S
Auxafsu 5s |iotpä saxiv schreibt Pausanias von der
.Kerausion' genannten Höhe des I.ykaiongebirges.
Damit haben wir die Emendation: AioxöXoj Kepaö-
oiov, ff/v air;£'.vr]v, £a8-£av x' "QXövov.
3B) Der Titanenchor spricht zu Prometheus von
den Aithiopen im äußersten Westen, dort wo nachts
Helios schlafen geht (Fr. 192 N. = Strabon I 93):
cpoivtxÖTtsSov x" spuftpi: ;spiv
Xsö|ia 3-aXaaarij
XaXxoxepa'jviv xs 7tap" 'Qxsavük
Xijivav itavxoxpötpov AMhöraov,
Ev' ö rcavxönxa; "HXio; als£
XpßJx" äiHvaxov xi|iaxov 9-' Cmttov
9-cp|iai; r>ix~rs-
|iaXaxo5 TtpiyjjoXc, ävarcaüsi.
Das Kompositum yjx'f.-A'jy.ipixm'si ist von Hermann
in xaXxo|ictpaufov, von Bothe in x;'^x?°'JV0v. Ton
Weil (in der größeren Ausgabe p. XII1-) wegen
Ilias XI 83 xa'-*sö ax£po7ir,v gar in xaXxoarspOKOV
geändert worden. Es ist gar nichts zu ändern, son-
dern nur zu erklären. Das vom Blitz getroffene ,Meer'
als solches hat die Alten so wenig beschäftigt, wie
es uns beunruhigt, weil hier die Blitzmale fehlen;
auf das Mal allein kommt alles an. Also ist zwar
XaXxoxepauvoc, gut, aber auf X!u.vr) kann es sich nicht
wohl beziehen, sondern auf einen im Texte, wie er
14 E. Maass
Titanen. So schon die voraischyleische Sage, auch Hesiod (169; Rohde, Psyche
98 ff.). Das Elysion der Odyssee, ein jedes Elysion, heißt seiner den Alten wohl-
bekannten Bedeutung nach ,das Blitzgeweihte' : Zeus versetzt dorthin den Menelaos.
Das Elysium in den Hades zu verlegen, ganz seiner eigentlichen Bedeutung zu
entfremden37), war ein selten folgenschwerer Akt. Im Bull. Com. XXXV 71 ver-
öffentlicht Gauckler die späte stadtrömische Widmung Id Kspx'jvJwc xat Növope?
$oppcveg aus dem Hain der Furrina auf dem Ianiculum.
Herr von Olympia soll, nach der Überlieferung der Eleer, der Blitzgott —
durch Blitzschlag — erst geworden sein; eine Zeit soll es gegeben haben, wo
er in der Altis fehlte: Pausanias V 14, 7 xö>'. ok Kepauvudt \:l Baxepov £.Tmvfpapno
jfop.dv. 6x' lj xoü Otvo^iao'j xr(v oüxiav xaxiaxi](]>EV 8 %epauv6g. 10 (nach dem Themis-
altar) xoö 8i Kaxcccßaxou A:c; jxpoßeßX7jxat [isv Tiavia/oilsv rcpö xoö ßü)[i,o>j cppäyu.« xxX.
Wilamowitz (Herakles I2 48 -°) sieht im sogenannten ,Oinomaoshause' Olympias
ältestes Tempelgebäude, das Heraion, ohne genügenden Grund. Der Blitztod
des Oinomaos ist eigentlich seine Heroisierung, mehr nicht, nicht Besitzergreifung
des Tales durch den Blitzgott. Da aber der Gaios in Olympia den Altar der
Landesheroen enthielt, wie die Ausgrabungen gezeigt haben (S. 10), so mag
,Haus des Oinomaos' — zugleich seine Grabesstelle — und Gaios in diesem
besonderen Falle dennoch eins sein. Auch in Delphi war der Omphalos Grab
zugleich des Python 3S). Es ist nicht anders : die Landesheroen ruhten im Schöße
der großen Mutter der Erde. Hera hat keinen Anspruch als älteste Gottheit auf
dem heiligen Boden der Altis angesehen zu werden, sondern die große Mutter
< iaia von Olympia. Die eleische Opferordnung gibt die Bestätigung: denn sie
schrieb vor. erst am Altar der Gaia, sodann an dem des Blitzgottes zu opfern
(Paus. V 14, 10).
nun einmal ist, nicht mehr gebotenen Begriff Land; •") Elysia Orte auf Lesbos und Rhodos: Lexika
mxYCOzpötpoi ist ja auch wie ratVtpocpof, (Meleager, und Etymologika u. d. W. Man tut gut, sich die
A. P. VII t7''; Hymn. Orph. X 12; XXV 2) Bei- sechs Brechungen nebeneinanderzuschreiben und die
wort der Erde. Das Wort fehlt aber. Daß ein solcher zugrunde liegende Fassung aus ihnen herzustellen.
Begriff hier sachlich erfordert wird, läßt sich auch I>a* oben behandelte Stück gehört in die gemein-
durch die Gliederung des Satzes deutlich machen. same Quelle; auch Pollux IX 41. Preller, Polcmon
j(aXxox£pauyöv -.=. ~'/.p' 'Qxeavffit /ipvav rcavrOTpatpav Fr. XCIII ist nicht genau. Die alten Etymologien
IKOV, angehängt an qpotVMOICsSäv z ££'jö-pä: isfiv des Wortes hat Rohde charakterisiert; die seinige
y=");ia SkcXäooTJg, verbietet die Annahme schon an ,Land der Hingegangenen' ist ebenso unrichtig.
und für sich, daß in den Worten qpttVUCÖmSov — M) Hesych Togtou ßouvdj] ... 6 6|i-^aX6; nt-
>7//--T(; ,die heilige Purpurfläche des geröteten xdtfOj izzi -.'/> IIi')8-(ovo;. In Lebadeia haust Tropho-
res' der gleiche Gedanke wie in ^aXxoxtpauvov nios in einem solchen nabelartigen Bau: Paus. IX
— AUhor.tuv, wieder also das Meer, enthalten sein 39, 10; Jahreshefte X 88.
könne. Also fOtav für Mfivav.
Mutter Erde I 5
V.
Der Gaios hatte immer mindestens einen Zaun oder eine Hecke : liegt er
in Olympia ja noch heute in einem Mauerquadrate. Das delische Gaiosrelief zeigt
neben dem Omphalos Bäume (S. 10 f.). Im übrigen sorgt die Gottheit für den
Schutz ihrer Stätte. Philoktet bü(3t das Betreten des Temenos der Chrysa; die
Mutter Erde selbst (das ist hier Chrysa) schickt die Ortsschlange 39). Eine Vase
schildert 40): Innerhalb eines durch Buschwerk gekennzeichneten Geheges verfolgt
eine Schlange die beiden Kekropstöchter, welche die in jenem heiligen Bezirk
gebrochenen Blumen und Zweige in den Händen halten. Ein kleiner viereckiger
niedriger deckelloser Gegenstand wird hinter der Schlange sichtbar. Er ist zu
klein, als daß das Riesentier daraus hervorgekrochen wäre. Dennoch scheint es
so : die Cisten, eckige wie runde, auf welchen Demeter sitzt oder welche sie
(oder ihre Priesterin) auf dem Schöße trägt, bedeuten den Aufenthalt des Orts-
genius. Stilisierte Palmetten oder Blumen sind auf dem Erdboden bei der Schlange
angebracht, den Gartengrund anzudeuten. Die Mädchen eilen dem Hause ihres
Vaters Kekrops zu, der mit dem jugendlichen Erysichthon drinnen sitzt, während
eine Frau die Heraneilenden empfängt. Daß wenigstens die hintere der beiden von
der Schlange gebissen wird, liegt in dem unmittelbaren Nebeneinander des Schlangen-
rachens und des Mädchenrückens; von beiden Mädchen sagt es Apollodor 41).
Gotteslästerung und Kirchenschändung', auch die unfreiwillige Verletzung der Ehr-
furcht gegen das Allerheiligste, ward noch im einstigen Königreich Sardinien mit
dem Tode bestraft. Lebhaft erinnert diese unmenschliche Härte der modernen Zeit
an einen reichen Kranz altgriechischer Legenden, die sich abheben von den
olympischen Glanzgestalten. Sie spiegeln eine finstere Stimmung wieder, dennoch
die Stimmung einst lebendigen Lebens.
Wir sind nun gerüstet, ein altattisches Vasengemälde zu verstehen.42) Auf
einer Lekythos stürzen sich zwei einen weißen Omphalos hütende mächtige
Schlangen, in einander verschlungen, auf einen davoneilenden Jüngling, die
eine beißend, die andere ihn .wild anfauchend. Die Szene spielt sich in einem
von einer Hecke eingezäunten ungedeckten Räume ab. Die Hecke ist schema-
39) V. 1324 ff. xal xa naShjiiaxa xalva Ttpö; auxöv
a;. Tap voaer« xöä' äX-fo; sx irsEa; TÖxiS '''" ^W070« Xp&tnj« S**ßl-
Xpöoris TtsXaoikl; :pöXaxo6, 8« xöv äxaX'.., 4"' Wiener Vorlegeblätter VIII 2.
OTjxdv <pt>X<iaasi xp6<ptoS olxoopöv Sspic,. 41) nl '4, 5= x«* '": !>-' Sviot U-rouoiv, tW
ocüxoü äisqf^äpyjcav raö Spcixovtog, <i>; 5i Svtot, Bt'
Und vorher sagt derselbe Neoptolemos V. 10.2 ff.: .y;.^ ^.^ ^^ ^pSM xaTi -^ ixpon6.
o6Säv xoöxtüv ^aou-a—iv k\iol- Xsmj aöxäg ipptt|<av.
3-sEa fip. sfcsp xä-f(u -.: tppoyü), Brückner, Jahrbuch VI (18'H) Tal'. 4.
l6 E. Maass
tisch durch zweimalige Verschränkung zweier rechts beieinander den Boden tref-
fenden langen Zweige dargestellt. Darum können der zwischen den Füßen des
Jünglings herniederhängende und ebenso der zwischen dem Schlangenkopf und
dem Gesicht des Jünglings befindliche Zweig nicht zu der Hecke gehören; sie
würden ohne Verbindung mit ihr in der Luft schweben. Vielmehr trägt der
Davoneilende den einen über der linken Schulter mit der weggebrochenen Linken,
den andern in der gesenkten Rechten. Daraus ergibt sich die Handlung. Der
Fliehende hatte, um hineinzugelangen, Zweige von der Hecke weggebrochen;
da erscheinen die Hüterinnen des Abaton. Der Biß wird wirken; wem fällt wieder
nicht der sophokleische Philoktet ein ? 43) Also Tod oder furchtbare Schmerzen !
Beim Omphalos sitzt auf einer Ranke eine Eule, der Vogel der Nacht. Die
Inschrift kann auch ich nicht reimen. Aber Analogien helfen weiter. Z. B. : eine
Schlange, aber kleinen Umfanges, verfolgt auf einer jetzt im New Yorker Museum
aufbewahrten attischen Lekythos einen mit ausgebreiteten, nur leeren Händen
nach links fliehenden nackten Jüngling44).
Es muß mit der Riesenschlange unserer Lekythos eine andre, eine dä-
monische Bewandtnis haben. Der Umfang der Tiere ist so mächtig, daß sie
-.ich um den Omphalos geringelt denken lassen. Darin liegt ein Merkzeichen.
Die Schlangen sind die Omphalosschlangen, wie wir sie — nur in ruhendem
Zustande - - um den pythischen und delischen Omphalos, auch um das südgalli-
sche Monument, erblicken. Also gehört der umfriedete Omphalos auf der alt-
attischen Lekythos der Ge, einem der zahlreichen Heiligtümer der attischen Erd-
mutter. Nachts, nur gesehen von der Eule, durchbricht ein Tempelräuber die
Hecke um den Omphalos; da fallen ihn die heiligen Schlangen an, mit furcht-
barem Biß. Welcher Kult gemeint sei, ob der am Ilissos oder der auf der Burg 45)
*3) Er ist ein rechter ^iX&xttjuxuv ivrjp. y.Äv/.- Nixensage schon mit Thessalien verbunden: wichtig
TijtT];. Vgl. Hieronymos Hspi Tpa-fu>i5c-0'.<Trv bei für Euripides' Phoinix. Übrigens sind zwei Schlan-
Photios (und Suidas), nach welchem Euripides im gen die Regel in altattischen Mythen und Vbrstel-
Phoinix (p. 621 N.2) an eine Dorfsage stark anklang. Stellungen, z. B. auf der Burg.
Ein Bauer aus dem attischen Demos Anagyros wird ") Amer. journ of arch. II 397 Taf. XIII 3.
entsetzlich vom Ortsdaemon oder Heros gestraft, weil 45) Paus. I 24, 3 lotl 8£ xai Tf,; ä-faXpa ixs-
er dessen seinem Grundstück benachbarten Bezirk xsuoöcrrjf, 'tz-xi 0! TÄv A!x £!x= aüxo!; öpppoj ö=f,-av
■ ": toi oder ä/.ao;) .ausgeschnitten' (4££x6U*v oder XD-vj'/xiv.:. stx= xai xv.; Jtäaiv K/./.itz: 30uߣc, xv/jiic.
iji-/.oj;Sv) oder nach anderer Darstellung seinen Altar CIA III |G6, eine Felsinschrift genau im Zentrum
beseitigt hatte aus Besitzgier. Vgl. Paroem.gr. I49;220; des Burgfei- I *apTCOCp6pou xaxi uxvxstav. Suidas
Wilamowitz, Sitzungsber. Akad. Berlin 1907 S. tof. (aus Photios) nouporpöiyoj] Pi). xaörrjl ii 8-Oaa! cfao:
Das prj xivefv Aväfupov tritt neben \iit ■/.■.-n.Vi Kaux- TtpSxov "EptX^övtov «V äxporoSXet xal ßtuuiv E8pöaaod«t
piVOV: Nix und Nixe rächen sich (Jahreshefte IX 153). ~/Jt-y:i £lX08l86vX£X tijl Vijl :i»v tpotpeftUV, ■/.y.Z3.ZTrtzz:
Aristophanes' Anagyroskomödie zeigt diese attische Be vou.lu.ov tvj; IHtovrccc; xsvi S-swi xauxr/! rcpoS-osiv.
Mutter Erde 1 7
oder irgend ein dritter, bleibe unerörtert. Seit Solon kennen wir die Zeugnisse
über den uralten Kult der Erdmutter in Attika: der Erdgeruch des attischen
Wesens mag in dieser Kraft seinen letzten Ursprung haben. Wir dürfen nie ver-
gessen: Erdmutter und Demeter sind dasselbe, wenngleich manchmal im Kulte
unterschieden. Die Alten haben das gewußt.46) Statt Bekanntes, von vielen oft
Gesagtes auszuführen 4T), gebe ich einen neuen, einen onomatologischen Be-
weis. Ungezählte Änu/^tpiOE begegnen in der prächtigen Namenwelt der Griechen,
aber nur ein zusammengesetzter, dieser aber gefordert durch den Zwang der
Ortsverhältnisse: Aa|ia-poyt'-ü)v in Akraiphia48), benannt, wie man sieht, nach dem
Demetertempel in der nächsten Nachbarschaft. Kein einziger Ar^-cpoyevT); — y.Xfjs,
— övx;, — Swpo;, — 2o~os, — cpiXog, — ^evog, — cpavtos, — n\ujq usf.; auf der andern Seite:
kein einziger Mr^pto;. Viele Kürzungen Mä-p:;, Mfjrpo?, Mrjxpäg, MrjrpüW, aber kein
einziger ±i<\yr.y.:. Ar/ir^pä;. Arjofj-pwv usf., soweit mir bekannt. Das Rätsel löst
sich dem, der zwischen Erdmutter und Demeter den Unterschied aufhebt. Wer
kann sich denn der Einsicht verschließen, daß die genannten Bildungen von
Atjjm^cyjp und die von MTj-crjp sich verhalten, wie die zwei Hälften eines Vollbildes?
Also haben wir aus den Bruchstücken das Ganze auch herzustellen. Nun werden
wir uns, um auf das Bild zurückzukommen, der bekannten Geschichte von der
Bestrafung des Erysichthon erinnern. Der wilde Jüngling stürzt in den Bezirk
der thessalischen Demeter, für seinen Bedarf den heiligen Baum zu fällen; er
wird furchtbar bestraft — nur nicht durch Schlangenbiß. Auch Schlangen kennt
— wenigstens die attische — Demeterreligion. In Eleusis fährt Triptolemos auf
46) Hesych B»j] fi}. — Baiav] tyjv (zu schreiben Hermes 1882 S. 357, dem allein das Verdienst ge-
;r,i) äpouuivrjv. "EwciiBaj (Pindar P. IV) neben bührt, diese Dinge erschlossen zu haben. Bekannt
'Evveoifaioj. Aischylos, Prom. 598 spricht Io: ä/.eu, ist auch der speziell attische Schwur m P»j xal 3-soi
a Aä. tov |u>pui)ftöv pob-tvt. Dazu die Scholien: "fpa- gleichwertig neben (0 Zsü xal 9-soE und die von Plu-
cfSToa AXsudBa JtaTpü>VU[ttX(Ö£ äiio toü 'AXsüa, f, Sv tarch für Attika notierte Sitte, die Verstorbenen At)-
det (ptMdSasftai. tiyes oöto); ,äXsu a Aä', äXsu äva- (iritpiot ( — Etot Hdss) zu nennen, wie er in den leider
XtupEi exxXive. xö Ss a Aä (« rrj. ai fäp Awpist; ty)V noch nicht hergestellten Worten vorher andeutet,
"ffjv Bijv xal Bäv zxow xal xöv yvö^ov Svocpov. Din- weil die Toten der Erde gehören (nach Madvigs
dorf, Lex. Aeschyleum s.v. In Aä ist ein Lallname einleuchtender Konjektur). Also noch Plutarchs
glücklich erkannt worden. Das Heraklidenlied an Ge Gewährsmann bezeugt für den attischen Volksglauben
747 ff. ist die beste Erläuterung. die Gleichheit von A.l)u,^TY)p und TtJ (De facie in orbe
iXX' o) itötvik (oiv fop cu5a; lunae 28 p. 943 B).
fäj, oöv xal -i>.:j, a; aü, Jlänrjp. Sioizoi-jä. TS xal *') Fick-Bechtel, Griech. Personennamen 94;
cpüXag), 208; Bechtel, Att. Frauennamen 13; Meier, Quaest.
jtöpeuoov iXXat TOV ou 8txata>( onom. (Marburg 1905) p. 30.
Tat?' äitäfovra —pa-iv 'Ap^öü-Ev. 4S) IG VII 27; 189; Usener, Götternamen 353.
Im Pho'nissenliede V. 685 ff. heißt Demeter icdvroiv Al)(lijrpouXo£ (Semos A th. XIV 618 E) rechnet nicht;
ävaacia, ndvrtov Bs Fi Tpo.i;- Vgl. Wilamowitz, es ist Name eines heiligen Liedes.
Jahreshefte <les ISsterr. archäol. Institutes HJ. XI. 3
i8
E. Maass
dem von den zwei Schlangen der Göttin gezogenen Wagen. Eine Schlange, an-
geblich eine aus Salamis hinübergebrachte, ward im Telesterion gehalten, die
Dienerin der Demeter49); dort auch ein Omphalos50).
Pausanias I 36, 1 erwähnt auf Salamis das Tropaeum des Themistokles und
das Kychreusheiligtum nebeneinander. Es sei während der Seeschlacht nach
der Überlieferung eine Schlange auf den Schiffen gesehen worden. Toöxov 6 Steig
Ixpijaev 'A&rpialoic, Kuypea efvac xöv f;pwa 51). Diese delphische Auffassung teilten
auch die Athener in jenen schweren Tagen. Kychreus, die Schutzschlange der
Insel - avx: v(>.f '.; — 52) Sohn der Salamis und des Poseidon als Helfer gegen
*9) Strabo IX 392, 9; Diodor IV 72,4; Apol-
lodor III 12,7; Schol. Lyk. 451 (iiol; Et. M. üXa-
(il; u. Ki>XPst!i» itäfo;. Eurylochos hatte die Schlange
nach Eleusis vertrieben.
60) Diels 14.
5I) Eckhel, Doctrina numorum veterum II 218
beschreibt eine athenische Münze in Wien: , Auf der
einen Seite Athenakopf; auf der andern ein Schiff,
darauf ein Krieger schreitend, in der R. einen Kranz,
in der L. ein Tropäum geschultert. Auf dem Schiffs-
vorderteil Eule und Schlange'. Das deutet Eckhel
aus Pausanias' Bericht über die Kychreusschlange
in der Salamisschlacht. Vgl. Imhoof- Blumer und
Gardner, Num. comm. Taf. E E XXI. XXII und
P- 153-
Das Kychreusheiligtum lag bei Kychreia, der
Altstadt von Salamis, im SW der Insel: *Ecfr,|i. äpX-
[884 0. 169. 33; Milchhüfer, Text zu den Karten von
Attika VII 37. Dort liegen die KÜXP£'at äxxaJ
(Aischylos, Pers. 570).
sS) Schol. Eyk. HO; 45 1 von Kychreus; ToOxov
?£ xtve; 'jy.'i \l-y:i ich: xiv Hdss) oi^'jyj ' (<\C Ks-
xpcr.x -ioc^iv. äXAoi Zi, ix: öT'.; rcozk sXuu,a£v£xo xr,v
2x/.a|üva xal ä&ixYjxov iTtotTjaev, scoj 6 Kuxps'Jf, aütöv
äniiiXtzz xal Stä t&'jxc» ivXrß-q ävd£ji?os. § 6 5s
Kt>xp=u£ xal ävd^t^oj sxaXstxo. ^v 3e <((bs> Kexpotjj
. jvj;. Die Besserungen und Ergänzungen
lie ich nicht zu rechtfertigen, aber die Kpiklesis.
ÄvdJl^OJ ist ävaEj "<)cfi£ .Schutzschlange', wenn sich
der Erklärer auch 'Av-iiv.-'.; gedacht haben mag.
11. - heißt Kekrops bei Kallimachos. Auch K6-
Xßsioc, (Kuxpatätls) öv'.; kommt vor. Einen solclien
Si hlangendämon tötet bei Plularch, Thes. X Theseus
l" i Epidauros, den Hephaistossohn Periphetes, den
Keulenträger: Apollod. III ii, X TtöBa; 8* io&svstj
lyniv o5tO{ ECpdpei v-'-P •''/',■/ -,:'/< ,yj:i. v.' v,: TO&e, IWtplÖV-
ixxeivsv. Taurr)v aqpeXö|ievo{ 8r|o i Di
Fragmenta Sabbaitica haben fip ßpiapoO; für 5* äairs-
vsTj. Ein schwachbeiniger Gigant ist fast so seltsam,
wie ein Starkbeiniger: beim Giganten ist Stärke ganz
selbstverständlich. 'ApTjfftoo; (der Mord und Schnellig-
keit im Namen trägt) heißt auch Kop'jvvjxr,;. weil
er mit eiserner Keule kämpfte, II. VII 136 ff.
(Korynos: Thera n. 799). Im Rhein. Mus. 1891
S. 392 schreibt Wagner ,Die auffällige Abweichung
niox; f <xp sxov ß p 1 a p 0 u ; statt äaS-svai; fällt wohl dem
Verfasser der Sabbaitischen Apollodorfragmente zur
Last, der durch Einsetzen seines gleich darauf wieder-
kehrenden Lieblingswortes ßptapij den Sinn zu bes-
sern glaubte, während Apollodor offenbar (?) hervor-
heben wollte, daß der dicht am Wege den Wande-
rern auflauernde Bösewicht trotz seiner körperlichen
Schwäche durch seine furchtbare Waffe ein gefähr-
licher Gegner war'. Die Furchtbarkeit will der Spre-
cher hervorheben. Das Weitere mag, obwohl es sich
aus Bildungen wie alipes 3paxovx&TO'J ; erraten läßt,
die alte Darstellung auf der Kypseloslade hergeben
bei Pausanias V 19, I O'j.-.x: 5s ö^scuv ävxl icoSäv
slaiv aüxun (dem Boreas, der auch Erdgeborner isti
oder Aristophanes, Vesp. 438 0) Kexpoi ^pu); äva;,
xa 7ipo; -o3(»v Spaxovxldr] nebst Schol. slai 8ö, ot'
ipaat xiv Ksxpoiia äiyuä -f^ovivai xal xi xaxa) öcpea);
iox^xivat. Es ist mit Auswerfnng des einen AZ für
nOAAZ AZOENEIZ zu schreiben TTOAAZ
0(|>EIZ, und 0(})IAKOYZ für BPIAPOYZ. Man
erinnert sich gern an das Vasenbild, das Winnefeld
in der Festschrift für Benndorf 72 Taf. I veröffent-
licht hat. Auch dort schultert der Gigant die Keule,
wie in den bekannten Darstellungen des Giganten-
reiters im Eimesgebiete.
In den beiden Schlangen, welche den Läokoon
zu Tode beißen, handelt eine den Griechen freund-
liche Gottheit. Wenn d.is Schlangenpaar sich am
auf die troische Burg begibt, so liegt darin
Mutter Erde l9
die persische Flotte (nehmen wir an, von der Salamis selbst) gesandt: das ist
dieselbe tiefreligiöse Vorstellung, wie auf der altattischen Lekythos. Und so
auch außerhalb Attikas in einem Attika feindlichen Sinne. Die Parier erzählten
nach Herodot VI 134 das Unglück des Miltiades so. Eine Tempeldienerin ,der
chthonischen Götter', eine Parierin Timo, habe gefangen dem Miltiades, als die
Belagerung von Paros nicht recht Erfolg hatte, geheime Anweisung gegeben,
wie er die Stadt nehmen könnte. Er habe sich, ihrem Rate folgend, auf den
heiligen Hügel vor der Stadt begeben und, da das Eingangstor nicht zu öffnen
war, die Zaunhecke der Demeter Thesmophoros übersprungen, ,vielleicht um aus
dem Innern heilige Gegenstände wegzunehmen'. Aber an der Türe habe ihn zu-
vor plötzlich ein Schauder überfallen und er sei unverrichteter Sache auf dem-
selben Wege zurückgeeilt, beim Niederspringen von der Dornhecke am Schenkel
verletzt oder, wie andere sagen, durch Stürzen am Knie verwundet worden.
Krank gab er die Belagerung auf und zog heimwärts. Die Wunde aber wurde
brandig und führte langsam und unter schweren Schmerzen den Tod des
Miltiades herbei. Der delphische Gott verkündigte, Timo habe auf höheren
Befehl gehandelt. Paros hieß Demetrias. Mutter Erde selber befreite — nach
der Pariersage - ihr schönes Land; den fremden Eindringling strafte sie an
Leib und Leben. An der Elbe trat Drusus nach so vielen Siegen ein Weib
entgegen von übermenschlicher Größe und untersagte den Vormarsch 53). Drusus
zog zurück. Unterwegs starb er infolge eines Sturzes vom Pferde. Das über-
irdische Weib war, nach V. Hehn, die Wildnis, persönlich vorgestellt, ,der Geist
der Ferne' 54). Die Miltiadeslegende aber und alle analogen Legenden weisen doch
in eine andere Richtung. Bis zur Elbe reichte damals noch das römische Reich,
der letzte Dämmerschein auch römischer Bildung, Europa also ; ,denn Europa
war damals, was sich auf Rom bezog und von Rom sein Leben empfing'. Jen-
seits der Elbe begann das von Rom in der Tiefe seiner Volksnatur unberührte
Germanenland, eine Europa fremde Welt sogar noch in der ersten Hälfte des
Mittelalters. Jenes, die germanische Freiheit errettende, Drusus aber verderbende
Weib war in Person die Mutter Erde der Germanen. Germanen haben so erzählt
und die Römer, geschreckt von der elementaren Ursprünglichkeit der deutschen
Natur, ihrerseits scheu geglaubt. Rückzug und tödlicher Sturz während des Rück-
nicht etwa, daß sie einst von da ausgegangen waren äva£ vom Herrn der Krdtiefe: Wilamowitz, Sitzungs-
— sie kommen über das Meer — sondern die Burg ber. Akad. Berlin. 1907 S. 67.
ist ihr Ziel, weil ihr Volk sie erobern wird. Jahr- ") Sueton, Claudius I.
buch XXII (1907) S. 145; Anders Robert, fhilol. 14) Gedanken über Goethe 3.
Untersuch. V 208; Schol. Aeneis II 201. Über
3*
20 E. Maass
zuges waren die Tatsachen im Falle des Drusus wie des Miltiades. ,Das hat
Gott, nein, Mutter Erde getan' empfanden die Befreiten. Aus solcher Stimmung
entstand wie eine Blüte der Mythus, ein gleicher bei Germanen und Griechen,
weil die Volksempfindung die gleiche war, von gleich tiefer echter Frömmigkeit.
Ehrfurcht ziemt gerade dem nüchtern und scharf prüfenden Historiker vor allen
stillen, so zarten Knospen. Der Mythus ist ein heiliges Bild. Im Bilde löst sich
die starre Natur, wird bewui3t, wird Gott und Göttin. Denn .Repräsentanten des
Landes sind langweilig, wenn nicht schöne Repräsentantinnen dazukommen' 55).
Und welches Bild ! Der alte Sänger von Smyrna - - Homer selbst — will sagen
,der Himmel hat es mir in der von Kyme gegründeten Smyrna wohl gehen
lassen in meiner frühesten Kindheit', sagt aber ,Zeus hat mich damals auf den
Knien der smyrnäischen, von Kyme her durch Mauertürme gesicherten Mutter
Erde gehegt'. Das ist, stofflich gedacht und zugleich persönlich, plastisch und
tiefinnerlich zugleich, von wundervollster Andacht (Biogr. Gr. p. 7 Westerm.).
Das liebliche Bild hat sich im allgemeinen gehalten weit über die Zeitgrenze
der Antike hinaus, in unvergänglicher Frische.
VI.
Athenagoras beginnt seine ,Gesandtschaftsrede über die Christen' an die
Kaiser Mark Aurel und Kommodus mit folgender, nach Form und Inhalt gleich
berechneten Beschwerde (p. 1 Schw.1:
r, 0|isxspx, u^yxXo'. ßaa'./imv. ofooupivij äXXog aXXoij Eir-eai ypwvxai xal vöu.01?. xal
ouSd; aöxöv vd|xwi xxl cp6ßö)t 3;'xr,;, xxv yzXoloc. iji, \v'ft axcpyc'.v xx üxxpix s?pY£xx'.
xXX' ö |i£v 'IXieü; ftsov "Exxopx Xiyv. y.ocl irjv 'E/ivr// Aopxsxsixv ämoxeEjievog -poax'jvEt,
i Zi Aaxe8atji6vio{ 'Ayajiijivova Ata xxl <I>'jXXovÖ7}v Tfp, TuvcxpEw; ihjyxxEpx- xal
Tdvvrjv i Teveoio; oi^:. ö ce Afr^yxro; 'EpE/ll-si Iloasioiov. 9-uet. xxl AypauXwt [irjvtaEbi
xal -.i'/.z-.7.z xal [luanfjpta At)-r,vxioi xycrjo'. xal llxvSpösio:. x: Ivojifoflijaav äas^eiv xvoi-
Exaxi -y// Xxpvxxx. /.zi Svl Xöytot xxxx S3-V7] xal Sr^jio'j; il-j'jixc xxxxyo'jstv. 0:; xv
SriXtoaiv, avit-pw-o: xxi |t'janf;pta xxX.
Dieser Text entfernt sich von den letzten Ausgaben des Athenagoras erheb-
lich, von der Überlieferung kaum. Ich habe, von anderem abgesehen, tkiafx; xxxxyouaiv
stehen lassen. KaTayetv sagt der Grieche von Dingen, auch lebenden Wesen, welche
er an die ihnen zugedachte oder ihnen zukommende Stelle führt. Also auch vom
Opfertier. Die Kaxayouaa des Praxiteles (Plinius XXXIV 69) wird eine das Opfertier
•*) Goethes Unterhaltungen mit Kanzler v. Müller 97.
Mutter Erde 2 '
zum Altar führende Frauengestalt gewesen sein 56). KaTaywyeös ,der die Tiere auf
den Markt treibt' steht auf einem ägyptischen Ostrakon (I 476 Wilcken). Genau
so sagen die Römer ,deducere', nicht bloß vom Triumph oder der Prozession.
Das Fest KaTayürfta — in Ephesos und in Athen — bedeutet eigentlich ,das Hin-
bringen der Opfer' in feierlicher Prozession. Der Tempel ist Zentralstelle, ganz
wie die Stadt für die Umwohner; daher, auch ohne daß von einem Herabsteigen
von Berghöhen die Rede ist, xaraßaai? vom Gang in die Stadt vorkommt; ,ein
Teil der Inder', schildert Megasthenes (Diodor II 40), , wohnt als Bauern auf dem
Lande, xal \% ziq tr/v txoXlv xaxaßäaews TtavteXös decpeianfpcaaiv.
MYjVtafot habe ich aus dem wegen der Wiederholung unmöglichen 'Afhjvafot
eingesetzt, weil das £tu|at]w genannte Monatsopfer, der Honigkuchen, für die Erech-
theusschlange bezeugt und darum für ihre legendarischen Pflegerinnen wenigstens
wahrscheinlich ist57). Das Wort zu entfernen, scheint mir unberechtigt, 'Axbjväi, das
sogar Michaelis aufgenommen (zur Beschreibung des Pausanias I 26), eine Unmög-
lichkeit, weil in der Legende Athena von Pandrosos und A graulos getrennt und
als deren Gegnerin aufgefaßt wird. ,Das sind schöne Gottinnen, verehrt zu
Athen in monatlichen Opfern, denen die Athener selbst Neugier und Ungehorsam
gegen Athena nachsagen!' Übrigens behält Athenagoras den hieratischen Doppel-
namen üoascSwv 'Epejrjreös bei ,s). Die Umstellung rechtfertigt sich durch seinen
berechneten Zusammenhang; er stellt ja auch Aya|xejivova Afa und <&oXXov6tjv Tf^v
absichtlich um, dies freilich erst nach meiner Herstellung.
Ich habe aus «JuXovi^v ~rjv gemacht OoXXovorjv Tf^v. Auf die Änderung führte
mit zwingender Not Satzbau und Sinn. ,Eure Welt, Ihr Kaiser, hat allüberall
freiesten Gottesdienst, und niemand ist gehindert, seiner Religion zu leben, im
Gegenteil.' Und nun folgen die Beispiele: Der Hier sieht seinen Gott — seinen
Schutzgeist — in Hektar, und vor Helena, da er in ihr Adrasteia erkennt, kniet
er in Ehrfurcht; der Lakedaimonier erkennt Agamemnon in Zeus und Phyllonoe,
Tyndareus' Tochter, in — es fehlt ein Name, die unerläßliche Bestimmung des
angeblich göttlichen Charakters dieser Phyllonoe. Daß sie Göttin war, weiß auch
Apollodor III 10, 6: nur bestimmt er sie leider nicht. So blieb nur übrig T/jv:
56) Nach Brunn (Künstlergeschichte I 337) und 5~) Herodot VIII 41. Das soeben veröffentlichte
Overbeck (Plastik II 39. 73 A, der sich gar zur Pindarscholion Ilavätopou 'Ep*X$£o£ «6cXov geht auf
Vermutung Kopa-puaa versteigt) Demeter, die dem diese .Speisung' (Polemon Fr. I. XXXVI). Pandoros
Vertrage gemäß Pluton die Tochter zuführt. Schon war als Sohn des Erechtheus bekannt durch Apollodor
die S-t&pavoOoa desselben Praxiteles (Plin. a. a. O.), III 15, I. Vgl. Oxyr. Pap. V 41.93.
eine Adorantin oder vielleicht Nike, hätte vor solchen 5S) Michaelis a. a. O.
Irrungen bewahren können.
2 2 E. Maass
nicht bloß weil es das Nächste war, sondern weil durch TfjV zu dem Zeus der
Lakedaimonier das passendste Gegenstück im Kulte derselben Nation, Mutter
Erde, hinzutritt; vgl. oben Kap. IV. Nun erst offenbart sich die berechnete Ver-
teilung der Kultbeispiele durch die Periode; darum hat die Änderung alle Ge-
währ. Wir stehen auf sicherem Boden, auf dem wir fortzubauen haben. Phylonoe
(die Handschrift hat ein X) spottet jeder Erklärung, solange man an cpöXov cpuXij
, Geschlecht', ,Stamm' denkt. Warum aber nicht die altgriechische Geminations-
freiheit annehmen und <1>uXXov6vj zugrunde legen? $üXXa heißt nicht bloß Blätter,
sondern auch Pflanzen, ganz wie cpuxa. Theokrit XXII 105 f. stürzt Amykos getroffen
rücklings ins Gras: ev (jpuXXoicn TEibjXoaiv. XVIII 39 f. wollen die spartanischen
Mädchen aus Wiesenblumen (Xs'.u.ci)Vta rföXXa.) Kränze winden. XI 25 ff. kommt
Galateia zum Kyklopen, von ihm die Plätze auf dem Berge zu erkunden, wo sie
Hyakinthenpflanzen pflücken könne (üaxivikva cpuXXoc). Numenius (Athenaios XI
371 B) gibt in Versen allgemein eine Pflanzeneinteilung: cpuXXa nennt auch er
sie. Ist aber der erste Teil des Kompositums verständlich, so verstehen wir hier
das Ganze, da es ein Beiwort der Mutter Erde ist, um das. es sich handelt: ,die
Pflanzen hervorbringende' ,pflanzenreiche'.
Hybla, totos funde flores, quidquid annus attulit,
Hybla, florum subde vestem, quantus Aetnae campus est
sagt der syrakusanische Dichter des Pervigilium Veneris 5 1 f. Denken bedeutet
voos offenbar erst uneigentlich; jedes Denken ist ein Hervorbringen auch in der
Ausdrucksweise der verwandten Sprachen, z. B. des Altindischen nach einer
Mitteilung von befreundeter Seite. Im Griechischen fehlen weitere Spuren nicht
ganz. 'AXcpivooq — attischer Männername — ,auch 'Itttovoo?, steht schon, nur un-
richtig erklärt, bei Fick-Bechtel im Namenbuch unter vöot;: ,der Korn hervorbringt,
Pferde zieht'51'). Hipponoos kennen wir aus dem Mythos mehrfach; man beruhigte
bi) "AX'^ivoug begegnet zweimal in der Familie Abh. I 513. Lobeck, Rhematikon 27. 46. Schulze,
des Redners Hypereides: Kirchner, Prosopogr. I 52. Quaest. epicae 407 denkt für voa an Wurzel snu
Der Tarsenser No>3;, Sohn des Noüj (CIA III 2933), und vergleicht swsov <!> II, Hesych evvuir-Ev] 4xöX'Jvt0
ein anderer Kilikier aus der Tpa/sta CIG 4427 und svvoiai] ;ir]-fa{. Vorher hatte schon Angermann
führen den Namen des kilikischen Flusses NoOj Geogr. Namen Altgriechenlands, Meißen 1883 S. 10
(Hesych Nötig und Zenobios IV 51 mit den Aus- den Fluß NoBg so erklärt. — Auf Spuren im Ge-
legern). Es gibt den Flußnamen auch in Arkadien brauche des Verbums voeIv weist Stahl, Kritisch-
(Paus. VIII 38, 9), dazu die (Juellenbezeichnung historische Syntax 194 f., welche verfolgt werden
V. / in Lakonien (Hesych) und den — offenbar nach müßten. Fuldas Arbeit, Untersuchungen über die
der Ouelle benannten — Ort N60U in Sizilien (Apol- Sprache der homerischen Gedichte, 103 ff. geht von
lodoi Kr. <> 1 J.icoby; dazu Diodor XI 01, 3 — aus falschen Voraussetzungen aus, so wertvoll seine
dem Jahre 451 — , wo Noa; aus von«; richtig von Sammlungen sind.
Müller FUG I 437 geändert ist). Vgl. E. Curtius,
Mutler Erde ~i
sich bei der fast witzigen Übersetzung Equicordrus, hätte sich an Eöjxr^o; erinnern
sollen, Admetos' Sohn, dessen Schafherden Apollon gesegnet hatte, oder an
Apollodor I 8, 4 Il£pißoiav itjv Ititovou, des Oineus von Kalydon Weib, Tydeus'
Mutter. Sein Schicksal hatte Sophokles im ,Hipponus' behandelt (Fr. 27g ff.). Als
zweiten, griechischen Namen des Bellerophon kennen wir 'lnizövooc,,. des Helden,
der eine $dovorj, Tochter des Lykiers Jobates, zur Frau gewann : das ist — nach
Bekker — wieder OuXXovor; '''"). Denn in der alten Zeit ist <I>uk>- ebenso häufig
wie $1X0- selten; später dreht sich das um, so daß die Fehler zahlreich werden,
urteilt richtig v. Wilamowitz'"'1). <buXkic, hießen übrigens Samos und die Land-
schaft am Pangaion62); in Amphipolis besaß die Göttin Phyllis, Repräsentantin
der Landschaft, ihr grabartiges Haus und einen Kult13). Wieder Mutter Erde!
Autonoe ,die selbst hervorbringende selbstreiche', auch Autonoos, Iphinoe ,die
kraftvolle', dies ein beliebter Fabelname (auch Iphinoos kommt vor, diesem ganz
entsprechend wieder Alkinoos), Kleonoe , Ruhmvoll' u. a. m. erledigen sich jetzt
leicht01). Die Thrakerin Xpuaovin): Konon 32.
Auf Vasen begegnet für eine Frau im Gefolge des Dionysos der Name
( tövovovj, verschrieben in AINONOH, erkannt von Welcker (Alte Denkmäler III 247.
Abbildung bei Gerhard, Antike Bildwerke Taf. 17). Die so benannte, bekränzte
Frau sitzt still neben Dionysos, nach ihm sich umsehend, unter Satyrn und anderen
Nymphen, alle mit sprechenden Namen wie Opora, Eirene, Hedyoinos, Komos. Die
Vasenbeischrift löst ein schwebendes Problem. Denn es leuchtet sprachgeschicht-
lich ohne Beweis ein, daß in Otvovor; die Vorform der vielen durch Hellas ver-
breiteten Landschaftsnamen Olvotj erkannt werden muß, innen erleichtert durch
die sogenannte Haplologie. Mit dem Landnamen, der nichts als ,Weinreich' be-
deutet, sind die mit ihnen verbundenen mythischen Frauennamen OJvor) erklärt.
Sic sind die Mütter der Weinlandschaften, örtliche Erscheinungsformen der Mutter
Erde, klingen wie konzentrierte poetische Heilwünsche: wie denn ja ursprünglich
jede Namengebung aus einem Akte erhöhter, religiöser Phantasie als Namens-
schöpfung erwuchs. Die Gottheit, zu der der Landmann ständig flehte: cplpfis ßöas,
,;") Apollodor II 3, 2, 3. Ist die *uXov6|n] in M) Asuxov&T) — Demenname in Anika — ist
der Tennessage, welche von Kyknos lebendig he- nach Xsuxöv uSiop genannt. Asuxo'jvrj Quelle in Argos,
graben wird, nicht vielmehr eine <J>uXXovor) (Steph. Asüxoj Fluß in Makedonien, Asuxxota Bach in
TevsStoe. Auch Paus. X 14)? M.-ssenien u. a. m. Leukonoe heißt eine Tochter des
,;1) Sitzungsbcr. Akad. Berlin [906 S. 57 A. Poseidon und der Themisto: Hygin, Fabeln 157.
''-) Herodot VII 113. Tiere kann man weiden, nicht Feinde. Ay,;v,;u, wird
63) Hygin Fab. 59. Antipater A. 1'. VII 705 Polygnot (aus der kleinen Ilias) die Troerin aul
u.a. m. Phylleus heißt Vater der zur Heroine herab- seinem Bilde Paus. X 26, I kaum benannt haben,
gesunkenen Phyllis. eher Athovöyj von BtjuxC, d. i. xf-i»a£.
24 E. Maass
cp£pe |iäXa, cpsps a-sr/uv, o£ae S-£pta(i6v, wird notwendig am Ende eine ßoutpöpßog, jiaXo-
cpopo;, axayjjcpopo;, ajiaXXo^dpo;.
Die Sesselinschrift des Dionysostheaters wird CIA III I, 369 so wieder-
gegeben . . . v6rjs IlxvSr^iou vöjiopyjs. Kumanudes hatte das erste Wort ganz will-
kürlich zu Bs'.ovorjg ergänzen wollen. Es stimmen nach G. Hirschfeld die Spuren
auf dem Steine nicht zu dem sachlich ohnehin unannehmbaren Vorschlage. Nachdem
jetzt feststeht, daß vöoq in den Namenbildungen religiöser Sphäre nicht ,Denken',
sondern , Schaffen', , Reichsein' bedeutet, ergibt sich die Pflicht aus der neuen
Erkenntnis heraus den noch nicht enträtselten attischen Nymphennamen in der
Richtung zu vervollständigen, die durch die von G. Hirschfeld mitgeteilten nicht
mehr ganz deutlichen Buchstaben tüpiihvorjs vorgeschrieben wird. Also nicht 0?v6yj£
oder Asuxovorje, sondern Kpttf-ovor) ,Gerstenreich'65). Das Kompositum selbst kann
ich sonst nicht nachweisen: aber — bedarf es der Belege? \ii\a. yap acptai raovi
uixpw: ä 3at'|«i)v euxptOov dvs7rAr(p(i)asv dXwxv sagt Theokrit von Deo-Demeter auf Kos,
welche er äXux; nennt im IL Idyll. xpt6"q hat aber einfache alte Nymphennamen
erzeugt.
1. Homervita IV p. 27 West. "Ou.rjpo; 6 Koir(irfc uibc, f;v xaxa ^jlev xtvag Maiovog
■/.%: Tpvyjfl-oös, xaxa 8' evtoug MeXr^xog xoö 7xoxa[ioü xai KpiÖ-r/c'So; Nö[Kpi]S. Der Name wird
auch Kpr;ü-7j(:'3os geschrieben, wie Kptfre'jj auch Kpr;9-£u;. Tpvrjö'OÖs lautet hier in den
Handschriften auch dpvrjitojj, opvib-oög, äpvixoug, jjiupvr^b'ou;, [xupüvÖou;. Ich habe Tpvyj'ö-oOg
aus der Handschrift Murets (Hermes XXV 453) zunächst eingesetzt, vorbehaltlich
der noch zu treffenden Entscheidung.
2. Homervita VIII (Agon), nachdem wieder Maion oder Meles als Väter
genannt, p;X£pa 81 di ulv Mrjxiv, dl Se KpTjihjfSa (die vorher als Nymphe eingeführt
war), dl oe xijv 8e|UV66), ot 31 T^v^ct), Ivtot 5s 'liJocxy^aiav xivä . . ., di oz KaXXionrjv
65) Sitzungsber. Akad. Berlin 1872 S. 167. oi vu xai 'AtioXXmvoj itavapxeo; 'HeXfoio
Das Wort entspricht also ganz dem seit dem home- Xtöpi ätax|ir;-fOD3i xai eörcoSa ATjVotvyjv
rischen Demeterhymnus — wo es aetiologisch be- Apxl|iidoj, KXuuivoio itoXugslvoio daueepxa.
handelt wird — wohlbekannten Worte Ar,'.<f>. das Übrigens liegt Srjtai noch vor unerkannt in der
nur das geläufigere zu sein scheint und noch herzu- Hcsychglosse df/xxcu] a£ eicnofisvat xpefl-ai: drjlxai?
stellen, wo es die Überlieferung verdunkelt hat. Vgl. die Liste solcher Namen bei Athenaios III 108
Ovid, Met. IX 444 ist Milet AijtotSYjS (Deionides Pollux VI 33.
Hilssj. Ay,Vo!vy) scheint bei Kallimachos (Kr. 48 der 66) 6su.(axv F; H=|iioX(i seit Barnes die Aus-
Hekale: eürcoBa At)UÖV7/v) zu ändern. Valckenaer machte gaben meist: denn Weu,(oxt) ist Unforra, also xyjv
AYj(o!vr,v. Fr.47.Si KXÖ(1SV0{ SvOuä xöpiov fjptfloi. KaXX£- 8s|UV. Ich will den Vater Homers |i . xa . 6p . . in
|iayoj 84" A 7) ii> X £ ti 0 KAuuevou 7toXu£a£vOlO 5d|iapxa. F des Agon herstellen helfen, x wird notiert als
i'V" !' - ' ', 1 1 i,">~s v ovTj. Es ist KÄ'jpivo'.o herzustellen, unsicher. Matafopav von Madov machte unmöglich
dazu die Deotochter, also AyjVotVKJV und hernach Arjt- Nietzsche, A|iaoaf6pav vorher Barnes. McXnaf öpav V
otVY] Qepaecpövi]. F. 48 und 478 ergeben nunmehr K.rethon die llils Murets: Hermes XXV 453.
verbunden diese Folge (gegen Naclte, Op. II 43 f.).
Mutter Erde 25
iY|V MoOcjav, zwkq ok noXuxacjxrjv xrjV Nearopo;. .Vielleicht TpvrjM wie in IV, bemerkt
Westermann ,falls dieser Name überhaupt richtig ist.' Man kann die ostpelopon-
nesische Orts- und Phylengöttin Hyrnetho nicht zur Mutter Homers auf ein zweifel-
los verderbtes Zeugnis hin machen wollen. Maion ist wie Meles ein Flüßchen
der Aiolis in einer Gegend, die ,y*j Äyata' hieß, vielleicht bei der Stadt Myrina,
in deren Nähe ein 'AxaLÖV ^V-fy lag'i7); Kritheis kymaeische Göttin. Sie trägt auf
den Münzen der Stadt ein Szepter, denselben Münzen, welche den sitzenden
Homer darstellen; KPHOHIZ KVMAIAN lautet eine Beischrift der königlichen
Gestalt. Die göttliche Mutter und ihr Dichtersohn, der Stolz von Kyme68)! Smyrna,
Homers eigentliche Heimat, war kymaeische Kolonie. So hatte Kyme Grund
doppelt stolz zu sein, auf Homer wie auf Hesiod, dessen Vater Dios ausgewanderter
Kymaeer war, und es wird ernstlich zu erwägen sein, ob das Relief des Archelaos,
welches diesen Doppelruhm verkündet, welches über den Homertempel (von
Smyrna) das Museion des Helikon mit Hesiods Statue errichtet zeigt, nicht im
Interesse der Kymaeer gearbeitet worden ist69), öpvrjfrd), öyVTjfrd) und die Varianten
fügen sich angesichts der Nymphe Kprftrfe so leicht und so ungezwungen zu
Kprflü, d. i. KptM, daß dieser Vorschlag das Wahre treffen wird70). Es liegt ein
Namensverhältnis vor, genau wie zwischen OEvr;i? und Ofvw. Kritheis die Nymphe
ist von der in VIII zur Auswahl gestellten Ge Themis natürlich im Grunde gar
nicht verschieden. Und damit kehren wir zu Oinoe zurück.
VII.
So gewöhnlich war bei den Griechen der Name Oinoe und so verständlich
auch noch spät in seiner Bildung, daß Lukian, wo er einen wohlhabenden Land-
mann als solchen kurz zu charakterisieren hat, ein Geschöpf seiner Phantasie,
ihn ,aus Oinoe' kommen läßt (Tbpfov Oüvosoc xwä yswpyöv eörapov, Hetaerendialoge
XV 2). Ich führe folgende Orte auf.
1. Auf Ikaros. CIG I p. 254, 4 Ofvaioc. it, 'Ixapou. Der Ort hieß Oinoe und
wenigstens bei Stephanos u. d. W. steht OhoaXoc, als sein Ethnikon. Diese Aus-
weichung führt hinüber nach
GT) Stephanos Hesych u. d. w. Ma'.ovia. Strabon verkannt. Es ist der ideale Dichterberg: wie Goethe
XIII 622. — in den Erläuterungen zum Gedichte ,Die Geheim-
68) Mionnet Suppl. VI 15, 119. Head, H. N. 479. nisse' — reden darf von dem idealen Montserrat.
Imhoof- Blumer, Monnaies grecques (Verhandlungen Eine der MsXiat Nöa-yai wird (vgl. Schoe-
der Ak. Amsterdam) 1883 S. 273 n. 224 a. mann Op. II 136) als Bpiä-io überliefert. Das wird
,9) Den Charakter der Darstellung hat Watzinger Kpi8-u>, nicht Bpitoj, sein.
J.iliresheftp des ost^rr sirch'äol. Institutes Bd. XI. 4
20 F.. Maass
2. Attika, das zwei Demen Oinoe besitzt, mit ständigem Demotikon Otvafo?,
z. B. CIA III 336 (Sesselinschrift) &px£[u8os Otvata;; vgl. Dittenbergers Anm. Die
Brüder der marathonischen Oinoe waren auf dem Relief in Rhamnus (Paus. I ^^, 7)
zur Darstellung gelangt. Die andere Landschaft Oinoe bei Eleutherai tritt als
Streitgebiet mit Boeotien auch in der attischen Apaturiensage hervor.
3. Aus Argos. Dies Oivö-q hieß auch OEvt) (Hekataios bei Stephanos), das
Ethnikon Oivxloq. Aber auch 0Cvw7j Otvcoar/js Oivwäxi? (Artemis). Dahin gehört Hesych
OEvo)Ättv]'Äprs[iiv rrjv iv Oivwrjt xf^ 'Apystag, nach Euripides , Herakles' 379 {bjpo'fovov
ftsäv OJvoäxtv (so die Hdss., vgl. Wilamovvitz z. d. St.. II 91). Beide Formen sind
gut. Denn auch Ofvua, eigentlich Ofväna, kommt von Ufvoat'x ,das Gebiet von Oinoe'.
Und daß auch dies Oinoe - Oine einen Oineus besitzt, ist sprachlich in Ordnung,
ihn aus Kalydon abzuleiten und zum Vater des Meleager zu machen, gar kein
Grund. Im Gegenteil: Oineus der Ivalydonier setzt ein kalydonisches Otvor^ voraus.
Bezeugt wird es durch die Inschrift 410 in Wescher-Foucarts Inscriptons de
Delphes. Die Paus. II 25,2 — 3 wiedergegebene ,argivische' Legende steht wie
gewöhnlich im Banne der epischen Dichtung71). Hesychs Halbvers pt'ov Y;v 0?vaEov]
02v6tjs rffc Apyst'a? opo; /ocXetov (wofür die Hdss pt'ov OEvTjvafov] OJvotIjxt]? Äpxe(a£) geht
auf den altheiligen Artemisberg (Paus. II 25, 3), wo heute an den Inachos-
quellen der heilige Elias die Wache hält. Falsch O. Schneider, Callim. II 747.
4. Aus Arkadien. Die Göttin Oinoe, den jungen Zeus haltend, war mit
Rhea an der Altarfront der Athena Alea in Tegea, an den beiden Seiten andere
arkadische Lokalwesen (Paus. VIII 47, 3). Diese Oinoe gehört nach Pheneos, wo sie sich
als eine arkadische Landschaftsgöttin deutlich erkennen läßt. Dort floß eine Quelle
Oinoe (VIII 1 5, 6) auf dem Wege nach Achaia, aber noch auf dem Gebiete der Stadt:
den Namen , Weinreich' trägt die Quelle nach der Landschaft. Pan heißt Sohn
des Himmelsgottes und der Nymphe Oivr/c's bei dem Tegeaten Aristipp (Schol. zu
Theokrit I 3, 123), der Nymphe 0£v6tj bei dem Tegeaten Araithos (1231, während
wieder andere Hermes und die Nymphe 'Opatvor; nennen (doch wohl Otvörj)72).
Oinoe kannte auch Aischylos (Fr. 35) wie die Arkader als Geburtsort des Gottes:
Schol. zum ,Rhesos' 36 Ato/üXo; 5s 5'jo lläva;, t&V |isv Aiöj, Sv xai Ofvatov, xöv 3s
7t) Hesych Oivaiaj äy.T'i;] ivxl tvj Otvü)(XTc8a£ ~2) Es ist der Hermes von Pheneos, welchen
und Olva?ej] ä|irsXcA8ei{ x&tzv. kann sich auf dies z. B. das knidische Antigonosepigramm nennt: 781
Oinoe nicht beziehen, eher auf den Isthmus. Otvtuy){ Kaibel. Die Rhesosscholien 36 sagen von Pan, er sei
fövtpov r.iWi von einem der beiden attischen Orte vuu/.paisvi'/j, natürlich als Sohn der Nymphe Oinoe,
Nonnos XIII 1X2 (wo 0lv<ÄV7)C, daneben überliefert), nicht .weil er bei den Nymphen erzogen sei'. Das
Olvcuij eine Bakrhantin XXIX j,;,, eigentlich natür- genannte Epigramm vereinigt Pan und Hermes nicht
licll OlvcbtTj 0tV7| in Etrurien: Stepb. u. d. \V. ohne Absicht, was Ivaibel entging.
Mutter Erde 27
Kp6vou78). In Megalopolis hieße Pan, wenn der Pausaniasüberlieferung zu trauen
wäre, Stvoetg (30, 3), genannt von Sw6tj, seiner Wärterin. Daß diese Pflege des
Pan sich in oder bei Megalopolis abgespielt, wird nicht gesagt, aber auch nicht
bestritten. Siebeiis und Dindorf kamen auf OEvöei; und (Kvory: mit Recht, nur
mußte unbedingt Otvosüj hergestellt werden, nicht der , Weinreiche' — auf Pan
trifft das nicht zu — sondern ,der von Oinoe-Pheneos' 74). Die Verbindung zwischen
Pan und Dionysos wurde durch Arkadien gegeben, nicht erst in der Zeit Alexanders
und der Diadochen neugeschaffen.'
5. Aus Elis. Hier hieß die alte Stadt Ephyra später 0fv6rj, genauer Boivwa:
Strabo VII 338 yjtoc rj aüir; oöaa ifjt Bottovwa: (tyjv yäp OEvorjv outm xaXeiv süwfraatv)
ij 7iXr(ctov auxrjs. Meineke zu Stephanos 291 stellte mit Korais richtig Boivwa:
her, eigentlich Boiv&iai.
6. Auf Sikinos. Die Insel heißt bei Apollonios I 623 (nebst Schol.) OZvob),
so auch ihre Göttin, die Najade OJvotrj, die Mutter des Sikinos, nach den Schoben
und Etym. Magnura u. d. W. Swuvo?. Das stellt sich zu öyoofy öyoorj, Ilpa^votrj
IIpai;iv67] 75).
7. Aus Kilikien. Antoninus Liberalis nennt Mopsos Sohn der Oinoe. Ge-
trennt von ihrem Söhnchen durch Hera wegen ihrer Überhebung und in einen
Vogel verwandelt, habe Oinoe das Haus des Mopsos fortdauernd umflattert. Das
ebene Kilikien besitzt ein ,Haus des Mopsos', Motpou ectwc; sein Weinreichtum
ist so berühmt, daß Nonnos XLIII 54 den Kik'.t, eM[nze.Xoq OJveög, der Phyllis Sohn,
zum Feldherrn des Dionysos machte.
8. Ein korinthisches Grenzkastell Oinoe gegen Megara am saronischen
Busen bezeugen Xenophons Hellenika und Strabo (VIII 388, 22. IX 40g, 25).
Daß E. Curtius (Pelop. II 598) nicht ganz richtig gesondert, bemerkte Bursian,
Geogr. v. Griech. I 382 A.
9. Über das aitolische Oinoe sieh unter 3. Vgl. Agon p. 245 f. Rzach.
Wir haben in der Göttin und Nymphe Oinoe, wie in allen mit -vörj ge-
bildeten Götternamen, eine weit durch die griechischen Lande verbreitete Er-
scheinungsform der Mutter Erde erkannt. Als Mutter Erde ist Oinoe Pflegerin
") OINAION habe ich aus AIAVMON ge- (Hygin Fabel XI) sind wohl OINOH und OINUUIOC,
macht. Franz, De Callistus fabula schreibt 3£5uu.ov jene aus dem arkadischen, dieser aus dem argivischen
<kpxd?og>; so auch Röscher Philologus 53, 362, Olvdi). In den Niobidennamen stecken auch pelo-
der sogar an die Tragödie Kallisto denkt. Es war ponnesische Ortsnamen. 4>IAOH, Melische Nymphe,
wohl der , Glaukos'. Röscher (375) leitet Oinoe un- ist wohl OINOH (Schoemann, Opusc. TI 135).
mittelbar von olto- ab. Unmöglich ! '*) Fick-Bechtel 220.
74) Die Niobiden CIBOH und CIKTOOIOC
28 E. Maass
des Zeus, Mutter des Pan, des Sikinos und des Mopsos, in allen Fällen die gött-
liche Vertreterin der Landschaft, von welcher sie den Namen trägt. In ihr Reich
hat sich Artemis eingedrängt, und auch in den Bereich der anderen nächst ver-
wandten Gestalten. So tritt Mutter Erde bescheiden in den Hintergrund vor der
sieghaften Olympierin, muß sich wohl gar nachsagen lassen, Göttin sei sie erst
von Artemis Gnaden. Trocken spricht das neue Verhältnis Apollodor aus III 10, 6,
wo er von Phyllonoe (OiXovovj schreibt er irrig auch hier) sagt: f)v Apcsjug äfravaiov
hzoWptv. Selten noch vermögen wir die Erregung und den Kampf auch nur zu
ahnen, welcher die allmähliche Aufnahme der neuen Göttin, der Olympierin, einst
begleitet hat. An Kallisto sei wenigstens erinnert, wie denn überhaupt Arkadien
auf einer im Verhältnisse frühen Entwicklungsstufe in religiöser Hinsicht stehen
blieb. Die Ausgrabungen haben auch für diese Dinge aufklärend gewirkt. In
Lusoi führte Artemis im Kulte den Namen Hemera, die Kleitorier nannten sie
Hemerasia76). Dieselben hatten — und das gibt die Lösung — das Fest Koptäaix
für eine Kopc'a, die sie mit Athena gleichsetzten: rH[i£paata also sagten sie für
das Fest der Hemera von Lusoi, und vom Feste benannten sie die Festinhaberin
'H|j.spaai'x. Eine der anziehendsten, auch ertragreichsten Untersuchungen gewährt,
gerade auch für religiöse Dinge, die Sammlung von Namen aus Festen77). An
der Quelle cH|xepa ,der milden', von dem Wassergeschmacke, befand sich der Quell-
kult. Die Quelle ist das Wahrzeichen der Mutter Erde. An der Quelle haftet
gern auch Erdkult. Beides fiel in Lusoi zusammen, wie anderswo (z. B. auf
Sikinos und in Pheneos), ging dann aber in den Artemiskult über. Beweis: Fackel
und Mohn, diese eigensten Attribute der Ge, sind die Attribute der Artemis
Hemera von Lusoi geworden. In die tiefsten Tiefen aber religiöser Kämpfe führt
für die alte Zeit die Geschichte der großen Mutter Niobe, wie sie im äußersten
Osten der Hellenenwelt schon vor der Entstehung des letzten Iliasbuches nach-
weislich geworden war. Wenn Niobe noch bei Ovid statt für Leto für sich selber
göttliche Verehrung von ihrem Volke fordert (Metam. VI 170 ff.), so stellt sich
dieser bedeutsam aus alter Überlieferung zurückgebliebene Zug unmittelbar neben
die ,Niobe' des Aischylos, in welcher Amphion auf dem Sipylos den Tempel
Apollons zu zerstören sich anschickt; er wird darum von Apollon dem feind-
76) Paus. VIII 18, 8. Jahreshefte IV (1901) S. 83. Kunaptoata (neben ihr die Ortsruine xaXouuivrj 'Axatmv
Dindorf hätte nicht 'II|iepu)3£a vermuten dürfen. -<<ri Ilapaxunaptoaitov oder t<üv Jtapä Kuitapioatav):
") Der viel besprochene Hermes Kuitapiaotcpa; Paus. III 22, 9. Kreta reich an Kypressen: Oxyr.
ist ,der am Kypressenfest erschienene' Eine Athena Pap. V 37.
\ i'plles und Protogenes -9
liehen Gotte erschossen7"). Aber Niohe und Niobiden verlangen um so mehr ein«'
eigene Untersuchung, als eine nach willkürlich dogmatischen Ansichten betriebene
Mythologie, begleitet von einer mangelhaften Quellenmethode, die Dinge und
die Vorstellung von den Dingen verwirrt.
Marburg (Hessen), Februar 1907. ERNST MAASS
Apelles und Protogenes.
I.
1. Petrons Kaisertreue war bei Nero verdächtigt, ein falsches Zeugnis beschafft
worden. Eine Rechtfertigung des Angeklagten lehnte Nero ab; er ließ einen
großen Teil des Gesindes seines einstigen Günstlings verhaften. Es war klar,
Petron hatte alles für sein Leben zu fürchten. In dieser kritischen Zeit besuchte
unerwartet Nero Kampanien; Petron verweilte dort auf seiner Villa, er wollte
Klarheit; unerschrocken machte er sich auf, dem Kaiser entgegen1). Das Reise-
ziel, der Ort des Hoflagers, wird zwar näher nicht angegeben, aber am nächsten
liegt doch der Gedanke an die von Lukull erbaute Villa auf Kap Misenum,
schon unter Tiberius die Kaiservilla2). Petron kam aber nicht weiter als bis
Cumae; hier wurde er festgenommen und festgehalten. So Tacitus. Die Worte
lauten Ann. XVI ig: ,Forte illis diebus Campaniam petiverat Caesar; et (ei?)
Cumas usque progressus Petronius illic attinebatur.' ,Bei Cumae', schreibt Momm-
18) Hygin IX. Aischylos Niobe spielt trotz werden bei Aischylos — nach einer Vermutung
Amphion in Lydien. Das sah G. Hermann, Opu- Starks, Niobe 4 — die Sipylosnymphen gewesen sein,
scula III. Hygin IX (die Worte Amphion bis zum welche die Ilias uns in diesem Zusammenhange ge-
Schluß) ist Inhalt des Stückes: Fr. 155 (auf das schildert. Thraemer irrt (Pergamon 16 Anm.) über
Kostüm der Artemis bezüglich [vgl. G. Haupt, Com- Aischylos. Drei Personen treten wohl nebeneinander
ment. arch. in Aesch. 23]) ist in der Fabel wieder- auf: Niobe, Tantalos und Bote.
gegeben; die doppelte Siebenzahl der Niobiden kehrt ') Durch die Tacitusstelle wird Pindars xip|ia
bei beiden wieder, und Amphion lebt auch bei Hygin Ttpoprig Nem. VII I05 gegen Verdacht gesichert: ,ge-
auf dem Sipylos. Das wenige, was bei Hygin hinzu- rade bis an die Grenze vorgegangen,' nicht darüber,
gefügt, haben wir als aisehyleisch anzusehen: der ver- !) Phaedrus II 5, 7 ff.
spottete lange Kitharodentalar des Gottes als fremde Caesar Tiberius cum petens Neapolim
Tracht; das Paar Tantalos-Üione (d. i. hier Zeus- In Misenensem villam venisset suam,
tochter, wie bei Theokrit II und im Pervigilium Quae monte summo posita Luculli manu
Veneris; beides sizilische Dichter); Chloris, die Prospectat Siculum et respicit Tuscum mare etc.
künftige Nelidenmutter, allein verschont. Der Chor
30 E. Maass
sen auf Grund der Tacitusstelle, , hatte Petron vermutlich seine Villa, auf der er
auch starb'. Das sind zwei Behauptungen, von denen die eine richtig-, die andere
unrichtig ist. Denn es muß doch wohl aus den Worten des Tacitus mit Momm-
sen geschlossen werden, daß Petron von seiner irgendwo in der Gegend von
C'umae gelegenen Besitzung aus die letzte Fahrt in das Hoflager antrat. Es muß
aber gegen Mommsen geschlossen werden, daß Petron nicht auf seiner Villa
gestorben ist. Er hatte diese ja verlassen, war bis Cumae gekommen : eben hier,
in Cumae, ward er verhaftet. Von einer Überführung in seine Villa lesen wir
nichts, haben wir also auch nicht das Recht zu sprechen. Die natürlichste Auf-
fassung der Tacitusworte als solcher ist diese; und nichts widerstreitet. Wo genau
Petrons Villa lag, lernen wir nicht. Nur das muß behauptet werden : sie lag
irgendwo in der Umgebung von Cumae.
Auch Petrons Lieblingsheld, der edle Trimalchio, haust irgendwo bei Cumae;
auch hier kann Cumae unmittelbar nicht gemeint sein. Denn einmal wäre die
Bezeichnung seines Landgutes als ,praedium Cumanum' im Munde des Verwalters
des Trimalchio an Ort und Stelle eine unrichtige, weil irreleitende; das hat Bü-
cheier seinerzeit mit sicherem Urteile geltend gemacht. Und zweitens könnte in
Cumae Trimalchio selber ebensowenig sagen ,Sibyllam quidem Cumis ego ipse
oculis meis vidi in ampulla pendere; et cum Uli pueri dicerent Et'ßuXXoc, 11 freXets,
respondebat illa cbraftaveCv OiXw'. Üble Kritik will hier , Cumis' streichen, obwohl
es durch das ,praedium Cumanum quod est Trimalchionis' an der andern Stelle
gehalten wird. Hinzukommt, daß , Cumis' als Zusatz Petrons ausgezeichnet auch
darum wirkt, weil die gleiche Sibyllenanekdote so, wie sie Trimalchio von der
kumanischen Seherin auftischt, in Erythrai in Ionien begegnet; vgl. De Sibyllarum
indicibus 30. Es heißt darüber im Liber memorialis des Ampelius VIII 17 ,ibi -
in der Gegend von Erythrai — e columna pendet cavea ferrea rotunda, in qua
conclusa Sibylla dicitur'. Also war Friedlaender (Bursians Jahresbericht XIV
171 ff.) im Rechte, wenn er gegen die Streichung von ,Cumis' Einspruch erhob
und demgemäß erklärte: Cumae war keinesfalls die Stadt des Trimalchio, da sie
von dieser offensichtlich unterschieden wird.
Wo aber hauste denn Trimalchio, wenn nicht in Cumae, WO er doch sicher-
lich am Golfe von Neapel gehaust haben muß, unfern von Bajae (53; 104) und
von Capua (62) ? Trimalchios Stadt, eine Kleinstadt, hatte Stadtrecht. Am Neapler
Golf gab es während der Kaiserzeit, von Cumae abgesehen, nur diese zwei
Stadtgemeinden kleinstädtischen Charakters: Puteoli und Misenum. Es fragt sich,
auf welche der beiden die bei Petron vorkommenden Indizien sich vereinigen.
Apelles und Protogenes 3 '
Die fragliche Stadt war ,urbs graeea'. Das paßt auf Puteoli 3). Misenum aber hat
Mommsen 119 und alle seine Nachfolger ausgeschaltet, obwohl es Kolonie war
- es stand nach CIL X 1, 3678 unter Duumvirn — sicher seit Claudius (Momm-
sen X 1, 317). , Misenum ist als Stadt sehr jung, ohne Zweifel erwachsen aus der
Lagerstadt, welche durch die von Augustus hier eingerichtete Flottenstation ins
Leben gerufen ward . . . Überhaupt ist es überflüssig, bei Misenum zu verweilen,
da die ,graeca urbs' allein dasselbe genügend ausschließt'. Es wird einem nicht
leicht, Mommsen nachzusagen, er habe etwas Wesentliches übersehen. Er hat
hier die Misenosdichtung Vergils, genauer die dieser vorausliegende Erzählung
vom Tode des Misenos, des Aioliden, übersehen. Weder die Aeneas- noch die
ältere Odysseusdichtung- in beiden hat Misenos seine Stelle erklärt den
Aiolossohn Misenos, sondern erst die Lokalsage der altgriechischen Siedler am
Golf von Neapel. Nach einer nicht verächtlichen Überlieferung haben sich vor
oder neben den Chalkidiern hier Griechen aus der kleinasiatischen Aiolis ange-
siedelt4); wie sollte sich auch sonst das erythräische Sibylleninstitut bei Cumae
erklären! Misenos, ein Sterblicher (VI 174), ein Herold5), wegen seines Trompeter-
stolzes für die beleidigten Seegötter von dem Gotte Triton gestraft, ins Meer
gestoßen und ertränkt, das ist ein alter und wiederholt — nicht bloß in der
Andromedaüberlieferung - - auftretender griechischer Sagentypus. Die Griechen
Kyrenes erzählten von der Begegnung des Euphemos mit dem Meergeiste Triton
in freundlichem Sinne. Ihre Sage, die Pindars herrliches Gedicht Pythien IV
wiedergibt, behauptet, am Tritonsee sei in Menschengestalt Triton, der Herr des
3) Klebs, .PMlologus' Suppl. VI 675 ff.: über zu schreiben 7ioiu,V7JTt; (Pollux VII 185 noniv.xa.:
das Topographische Beloch, Kampanien 2 10,0 ff. ; "/.övs;; vgl. X'u.väiis). Ein Flurname also im Tarenti-
Friedländer in der Sonderausgabe der Cena 2 q ff. nischen war Acheluris. Solche Namen sind gern
*) Cumae sicher zum Teil aeolische Gründung: zusammengesetzt (z. B. 'EXa^üäpta auf Salamis); sie
jetzt auch Sogliano, Cuma italica, in den Miscellanea sollten doch gesammelt werden. M. Schmidt und
Salinas 57 — 70 (Palermo 1907). Belochs Ausführun- Kaibel haben tü)v äx6po>v grundlos entfernt: es wird
gen 147 sprechen nicht dagegen. 'Ax-(eXo>üpu>v zu ergänzen sein. Oüpia-Ypia, kretische
5) Schon auf der ilischen Tafel (S. 37 Jahn- Siedlung bei Tarent, mag im zweiten Teile des Flur-
Michaelis). Vgl. Hesych ootXm"f5] WflfioadXiar[t — namens stecken, im ersten das schon aus Hesychs
doch wohl at-fTjv ö adXmfj;, da (wie "AEbjvä oocXmf; Deminutiv AxsXiov :o XsnTOUapsc, (vielmehr itotöv X.)
zeigt) das Wort auch für Personen gebraucht und zu entnehmende AxiXrj^. , Wasserbillig' ist ein Dorf
also moviert wird — ävxi Toü y.rjpuj. Tlv4{ Zk Spvcv am F.inrluß der Sauer in die Mosel (schon in Luxem-
Jtotov. xai Spfavov 7ioXs|iixdv. xai 8-aXaaaiav odX~'."f"fa. t>urg), , Welschbillig' eins im Regierungsbezirk Trier,
nap' ÄpxiX6x<u'. 3s tiv aTp6|ißov (Fr. 192). iv.iiyyi-.-j.: und .Billig' (Belgicnm) liegt von ihnen auch nicht
5s xai £dXmf-fo; 'A3-r;väj Eep&v ~api Ap-fstoij. weit ab. Möglich, daß der AxsXoupt; die -apaXia
Meineke schrieb ti^/^z-x'/.r.:-^ bei Bergk 435. Vgl. von Uria-Hvria entsprach (Dionysios Periegeta
Thuk. VI 32. Übrigens läßt sich durch ["rennen und V. 376 ff.). Acheloos in Metapont: Head, Hist.
Verbinden in den Lexika mehr heilen. Hesych A/s- nun. p. 63.
XoupijJ töv iyj'jpiov ito£p.VT] tt ; itapä TapavxJvoij ist
32 F.. Maass
Küstenlandes, dem anlandenden Euphemos erschienen und habe ihm die Scholle
geschenkt. Kyrene also ist Gabe des Triton an die ersten Siedler. Daß auch die
Griechen am Kap Misenum ihre Ansiedlung als Geschenk des Triton betrachte-
ten, liegt nahe anzunehmen; nur daß Misenos' Frevel erst zu büßen war. Münzen
von Cumae zeigten eine Muschel — die Urform der Trompete — und das Ketos;
man darf Ketos und Triton zusammenlegen. Diese Triton-Misenossage, dazu der
Grabeskult des Misenos, mitgeteilt von Vergil, durch die römische Neugründung-
von Misenum damals gerade neu belebt, die Genealogie Misenos-Aiolos: diese
Tatsachen belegen vereinigt eine Griechensiedlung am Kap Misenum, eine
,urbs graeca' vor der römischen Kolonie, die in Wahrheit also eine Neugründung
gewesen ist. In Puteoli oder in Misenum könnte die Trimalchio-Szene spielen.
Wir können das nicht entscheiden, nur sagen : der allgemeine Eindruck führt
eher auf Misenum, weil die von Petron geschilderten Stadtverhältnisse frisches
Leben nirgend verraten. Puteoli aber hatte gerade damals als Kaufstadt unbe-
stritten seine Glanzzeit. Wer sich auf den allgemeinen Eindruck verläßt, wird
Misenum als Trimalchios Heimat betrachten. , Petron ist ein viel zu feiner Satiri-
ker, als daß er Dinge hinstellte, die den Tatsachen ins Gesicht schlagen', urteilte
Mommsen S. iii. Nahe läge es unter solchen Verhältnissen, die Stadt, bei der
Petrons Villa lag, und Trimalchios Kolonie gleichzusetzen. Petron hätte danach
geschildert, was er täglich in Misenum um sich sah.
2. Enkolpios gerät bei Petron, als er den Verlust seines geliebten Giton be-
klagend die Stadt des Trimalchio, die .griechische Stadt', durchirrt, dabei unter
anderem in eine (näher nicht lokalisierte oder benannte) Gemäldesammlung (83).
Hier sieht er ein Gemälde des großen Meisters Apelles, ein Bild von solcher
Schönheit, daß er anbetend schaut und schaut. Dieses Petronzeugnis hat Schick-
sale durchgemacht, über welche Wilamowitz, Arch. Zeitung XXXIII 169, Stud-
niczka, Vermutungen zur Kunstgeschichte S. 37 ff. und Blümner, Arch. Zeitung
XLII 134 berichtet haben, ohne doch das Wahre zu finden. „Iam vero Apellis,
quam Graeci ,monocremon' appellant, etiam adoravi." Darüber wollen wir nicht
sinnen, ob nicht vielleicht Petron selber der glückliche Besitzer des angebeteten
Bildes war (wie Studniczka 41 vermuten möchte). Ob in Petrons Landhause
oder in dem eines Nachbarn des Petron oder gar in der Kaiservilla: das
v liebte, bewunderte Apellcsbild befand sich zu Petrons Zeit im Bezirke an-
scheinend der Stadt Misenum.
Was stellte das Bild vor? .Monocremon' soll griechisch sein, ist aber vir-
Apelles und Protogenes 33
derbt; ,monocnemon' hat unwiderlegt J. J. Skaliger hergestellt. Schon Brunn
(Künstlergeschichte II2 138) verglich mit dieser u.ov6xvr;|AOs die sogenannte Ama-
zone eöxwjiios des Strongylion; diese muß durch die Schönheit der Beine aufge-
fallen sein (Plinius XXXIV 8; 82). Was aber bedeutet [iov6xv»j[ios, ,die mit einer
Wade'? Die besonders durch Brunns Autorität fast allgemein gewordene Gleich-
setzung der [iov6x.vrju.os und der Aphrodite ava3i>o[i£V7) des Apelles beruht zunächst
auf vollkommener Willkür, da gar nichts zu ihren Gunsten angeführt werden
kann. Falsch ist sie deshalb, weil die Tatsache, daß sich zu Neros Zeiten die
[lovixvr^ios in einer Privatgalerie in Kampanien befand, der bestimmten Nachricht
des Plinius über Apelles' Aphrodite widerstreitet, nach welcher ,Venerem exeun-
tem e mari divus Augustus dicavit in delubro patris Caesaris (in Rom), quae
,Anadyomene' vocatur, versibus graecis tali opere, dum laudatur, victo sed in-
lustrato; cuius inferiorem partem corruptam qui reficeret nun potuit reperiri,
verum ipsa iniuria cessit in gloriam artificis. Consenuit haec tabula carie, aliam-
que pro ea substituit Nero principatu suo Dorothei manu' (XXXV 91; Strabo
657, ig). Studniczka vertritt mit Recht die Unbedenklichkeit der Angabe
Petrons über das Apellesbild. Wir sind wirklich nicht so reich, um auf Schein-
gründe hin, hier wie bei den Kirchenvätern, eine Überlieferung- leichthin weg-
zuwerfen. Die ,Monocnemos' sucht er durch einige Hilfsannahmen dem Verständ-
nis zu erschließen. Es sind nicht weniger als drei solcher Hypothesen, die Stud-
niczka zusammengebaut, 1. (unerweislich) die schon sehr schadhafte Anadyomene
sei nach ihrer Entfernung aus dem stadtrömischen Caesartempel als Geschenk
des Kaisers in den Privatbesitz eines Villenbesitzers am Golf von Neapel über-
gegangen; 2. (unerweislich) dasselbe Bild habe besonders an dem einen Schenkel
gelitten; 3. (unerweislich) dieses so beschädigte Bild der Anadyomene habe in
Rom, aber erst nach der vollzogenen Beschädigung, bei dort lebenden Griechen
die Bezeichnung ,die einschenkelige' erhalten : denn ,Graeci u.ov6xV7][iOV appellant'
sagt Petron. Drei Hypothesen, um eine vierte als möglich hinzustellen, das wäre
selbst dann zu stark, wenn gegen alle diese Hilfsannahmen nichts besonders einzu-
wenden wäre. Es gibt aber der Gegeninstanzen genug. Richtiges Gefühl veran-
laßte Otto Jahn, das Wort ,Graeci' bei Petron zu streichen, um die hypothe-
tische Gleichung Anadyomene-Monoknemos zu retten. Gewalt ist aber auch
dies. Haben nach Petron ,Griechen' den Namen Movöxv^ijios aufgebracht, so
muß er in Griechenland irgendwo, jedenfalls aber nicht in Rom, entstanden sein.
Sodann wäre ,die einschenkelige' für ein Aphroditebild, deren einer Schenkel
sehr gelitten hatte, keine vernünftige Benennung. Doch - wozu Hypothesen
[ahreshefte >!<-s taten archäol Institutes Bd \l r
34 E. Maass
widerlegen, wo das Richtige durch eine vorurteilsfreie Würdigung der sprach-
lichen Form des Kompositums ohne Schwierigkeit geboten wird ? Denn u.ov6xvw-
uo; ist, wenn es nun einmal ,einschenkelig' nicht sein kann, nichts anders als ,die
einen, nur einen, Schenkel sichtbar hat', im übrigen also die intimeren Reize
des Körpers - xx p.Yj ßXeJTO{ieva sagt Athenaios in einem ähnlichen Falle XIII
5yo E — unter dichten Gewändern verborgen hält. Ich freue mich, hier mit
J. Six, Jahrbuch XX 178 wenigstens im allgemeinen zusammengetroffen zu sein.
Anadyomene und Monoknemos sind verschiedene Bilder des großen Künstlers.
3. Widersprechend waren schon im Altertum die Angaben über die Heimat
der Hetäre Lais, der jüngeren. Fr. Jacobs (Vermischte Schriften IV 390 ff.) und
Preller (zu Polemon Fr. XLIV) haben sie zusammengestellt. Wir hängen auch
hier ab von der epigraphischen Arbeit des Polemon. Um die Wahrheit gegen
Timaios zu erweisen, hatte der Perieget sich auf den am Peneios in Thessalien
errichteten Grabstein der schönen Sünderin berufen. Dessen Aufschrift lautete so
(Ath. XIII 588 C):
-.rfioi 7io\K i\ [j.£yä>,XD/o; dvtxijrog xs npbz äXxrjv
cEXXi; iSouXw'Jbj xxXXeoj iaoti-iou,
Aac'So;. f)v stexvwasv ipw?, 9-pe^ev ok Kopiv^oc,
y.zi-y.'. 0* iv y.Xstvoü; BexxxX'./.o;: -eo:V.c.
Die Grabschrift will orientieren. Die platte Bemerkung ,Kind der Liebe'
war aber und ist zur Orientierung des Lesers ungeeignet; nicht wahr, daß die
Wendung auf das Nichtvorhandensein eines bestimmten Vaters zu beziehen sei.
Das wäre zu erweisen (Pauly, Realencyklopädie u. d. W). Neben der Korinthos
als Pflegerin der Lais und neben Thessalien als dem Lande ihrer letzten Ruhe
erfordert der antike Epigrammstil, erwarten wir die Heimat der Hetäre. Das
Mzilische Hykara betrachtete Polemon als ihren Geburtsort; ihn muß er im Epi-
gramm statt der üblen Interpolation epw; noch gelesen haben: fy sxlxvwa' Txapa
also wohl.
Qaxpoc MtXrjxos ziv.zz: Mouaaiai itaB-eivov
Ti|iöil'Eov. v.'.W-iyj.i 5=E;öv ^vfo^ov.
Den Typus kennen wir aus dem vergilischen Epitaph in Neapel:
Mantua me genuit, Calabri rapuen\ tenet nunc
Parthenope : cecini pasvua rura duces.
Apelles und Protogenes 35
Vergils Dreiteilung ist sachlich mehr eine Zweiteilung : Geburt und Tod, Geburt
in Mantua, Tod in Kalabrien, Bestattung in Neapel. Dagegen hat das Laisepi-
gramm wohl den ursprünglicher) Charakter eingehalten.
Das Grabmal der Hetäre trug eine Hydria. Das sollte jedenfalls nicht die
Unvermähltheit, das nicht vollzogene Brautbad der Lais bedeuten; Preller hätte
dergleichen nicht von der Hetäre sagen dürfen (p. 1 1 6). Der wirkliche Grund
läßt sich finden. Athenaios erzählt XIII 588 C : ÄJceXXvj; 51 6 ^wypa^os ext Ttap9ivov
ouaav tyjV Aat'oa ^saaä|.i£VO? omb zffi Iletprjvrjc; üopocpopoOaxv xat itxu|iaaa; zb xäXXo;
fjyayev tote aürfjv etc; cpt'Xwv au|t:iciatov. yXeuaaävnov 51 aüxöv iö>v eixtpwv, Sit äviV etatpa;
7t3tp{)'£Vov et; zb <TJ[.i7i:iatov äyayot, ,[iY| {t'a'jjiäarjTe' efuev ,eyio yäp aOir^v et? jjiXXouaav
ärcoXauatv \iez oü tptexetxv xxXr^v oetijw.' Wenn die Zechgenossen des Apelles dorn
mit Lais eintretenden Künstler entgegenriefen, er hätte ihnen da eine ehrbare
Jungfrau, keine Hetäre, wie üblich, mitgebracht, so müssen sie dem Mädchen
wohl an ihrem Anzug die Ehrbarkeit angesehen haben. Sie trug damals eben
nicht das durchsichtige Gewand der Hetäre, sondern eine alle Glieder gleich-
mäßig verhüllende Kleidung. Den Gegensatz der Gewänder mag das Jahreshefte
\ 90 jüngst veröffentlichte Mainzer Säulenrelief veranschaulichen, auf welchem
Athena schwer wallende Verhüllung, Tyche ganz durchsichtige Kleidung trägt.
Bei Araros in der Komödie ,Kaineus' (II 216 Kock) tritt Kaineus auf, gehüllt wie
eine ehrbare Jungfrau in dichte Gewänder :
TCxpit-evo? 3' eivxt Soxef.
cpopwv xpoaorcoü; xat yuvatxet'av GzoXfy.
Die Antwort des Apelles an die Zechgenossen wird durchweg mißverstanden.
Jacobs 401 schreibt wunderlich: ,Lais war damals noch sehr jung; denn erst
nach Verlauf von drei Jahren versprach Apelles sich den Genuß ihrer keimenden
Schönheit'. Kein Wort davon steht im Texte des Athenaios. Vielmehr ist die
Erwiederung des Künstlers verständlich allein aus der Tracht des Mädchens :
, Geduld, nach nicht ganz drei Jahren wird meine Kunst zum Vorgenuß sicht-
bar machen und enthüllen' - - einen bestimmten Körperteil, nicht den ganzen
Leib, erwartet man natürlich. Das entscheidende Schlußwort ist anerkannt ver-
dorben : xxXr; ist Lais ohne Apelles' Kunst, von Natur. Aef^w heißt ,ich werde
sichtbar machen', nicht also durch das schwere dichte Madchengewand verhüllt
zeigen - - wir erwarten, wegen des Vorgeschmackes, dieses oder jenes Glied von
ihr. Notwendig muß aürfjj, der partitive Genetiv, hergestellt und in KAAHN dir
Ausdruck für ein bestimmtes, im Gemälde erst zu enthüllendes Glied, Brust oder
3 6 E. Maass
Bein also, erwartet werden als Akkusativ. Stepvov, «.aaiöv gehen nicht in die über-
lieferten Buchstaben, wohl aber KNHMHN. Mit entblößtem einen Beine hatte
Apelles die herrliche Gestalt abwärts schreitend auf Akrokorinth zuerst erblickt,
den Wasserkrug auf dem Kopfe. Pausias stellte seine Geliebte, eine gewesene
Kranzfiechterin, als Blumenmädchen auf einem durch Goethes Gedicht wieder
berühmt gewordenen Tafelbilde dar: Plinius XXXV 125 ,postremo pinxit et ipsam
sedentem cum Corona. Quae e nobilissimis tabula est appellata Gzs.^mrpXbv.oc., ab
aliis a-£'favo7iü)Xc;, quoniam Glycera venditando Coronas sustentaverat pauper-
tatem'. Es verdient Beachtung, daß ein Künstler aus unseren Tagen das Blumen-
mädchen des Pausias — nach Goethe - - in die Malerei sozusagen zurückversetzt
hat; ich meine das Gemälde im Goethezimmer des Weimarer Schlosses. Das
Laisbild nun mit dem einen entblößten Bein und die jiovoy.vr^ioc bei Petron, beides
Arbeiten des Apelles, wer wird sie trennen wollen?
Es gibt noch ein allgemein bisher übersehenes Zeugnis über die Lais uovö-
xvrjfios des Apelles. Tffi twv 'EXXtjVwv axpaacx? G7iöj.ivr;|.ia nennt bei Ath. XIII 59 1 B Krates
der Kyniker des Praxiteles Phrynebild in Delphi. Zuerst die Kyniker — nach ihnen
und gewöhnlich durch sie die Juden und die Christen, besonders die Christen —
spielen die Idealgebilde der hohen Kunst der Griechen gegen die Griechen aus.
.Libidinum propriarum monumenta sancire' sagt Arnobius VI 225 von den griechi-
schen Künstlern, die sterbliche Frauen zum Modell ihrer Götterdarstellungen
nahmen. Xach p. 224 soll Praxiteles das Gesicht seiner knidischen Aphrodite ,ad
formam Cratinae meretricis', seiner Geliebten, ,sollertiarum coegisse certamine'.
Nicht ,muliercularum' 6). Die Reden der alten Apologeten klingen fanatisch düster,
erinnern an Savonarolas alle Kunst vernichtende Predigten in S. Maria del
Fiore; ob sie auch die Wirkung des florentinischen Zeloten fanden, wissen wir
nicht. ,Die Figuren' — schilt einmal Savonarola - - ,die ihr in euren Kirchen
malen laßt, sind die Gestalten eurer Götter. Trotzdem können die jungen Leute
sagen, wenn sie diesem oder jenem Weibe begegnen: das ist Magdalena, das
der heilige Johannes. Denn die Bilder eurer Dirnen von der Straße laßt ihr
malen als Heilige in den Kirchen. Damit zieht ihr das Göttliche in den Staub,
bringt alle Eitelkeit in das Haus des Ewigen. Glaubt ihr, daß die Jungfrau
Maria so gekleidet ging, wie ihr sie malt? Ich sage euch, sie trug die Kleidung
der Armen, ihr aber malt sie wie eine Dirne'. Bei Tatian (34 p. 36 Schw.) lesen
wir: ,Aa':; i~iy/vj^v/, v.y.\ ö rcopvo; (toüpvo;: verb. Wilam.) aCn^v Ü7:G|ivrjna nop/iiy.;
hnoirptv1. Der Ausdruck [loiyecas &7to(ivr)|iaxtax^? fällt nach Kap. 22 (p. 24, 29 Schw.),
•) Vgl. Brunn I2 238.
Apelles und Protogenes 37
ohne daß auch diese Person mit ihrem Namen genannt würde. Tatian setzt bei
diesem seinem Heidenpublikum einen hohen Grad von Bildung voraus. IIopvos,
das Maskulinum zu icöpvrj, ist neuerdings aus den thermischen Inschriften (IG XII
3, 536) bekannt geworden. Also : ,der Lais geschändet, derselbe schuf in einem
Bilde der Lais das Erinnerungszeichen für diese Schändung'. Kalkmann meinte
Rhein Mus. 42 S. 511, es müßte auffallen, daß niemand außer Tatian von einem
solchen Laisbilde weiß; der Künstler sei unbekannt. Wenn auch : erfunden hat
Tatian das Bild so wenig, wie die anderen. Nur redet er von diesen Dingen, da er
sie unter seinem als gebildet vorausgesetzten Publikum bekannt glaubt, in sehr
allgemein gehaltenen Wendungen. Wir wollen nicht müde werden, seinen An-
deutungen nachzugehen; wir sind nicht reich genug, um auf solche Fundgruben
der Kunstgeschichte, wie die Kirchenväter sind, Verzicht zu leisten. Zum Ver-
zweifeln ist auch kein Grund. Es war der rcöpvog selbst — ihr erster Verführer -
der Lais durch ein Werk der Kunst, der Plastik oder Malerei, dargestellt und
berühmt gemacht. Dann war es eben kein anderer als Apelles. Das sollte ein-
leuchten. Aai: 'j-o ÄtcXXoö toü vwypäcpou {rTjpco-cpocpi'jireüaa schildern die korinthischen
Hetären in dem fiktiven Alkiphron-Briefe Fr. V. Was hier ir-rjptOTpocpTjfreraa be-
sagen will, mag eine Stelle aus demselben Literaturgebiet, aus Aristainetos II 20
lehren — eine Stelle, welche sich liest etwa wie die Hetärenrede in Wielands
,Agathon' — : ev xaig äxptopetatg rcepwtXav<i>|ieva zä Shjpta entavcws äitKföetai toB; äv-
B-p&noic, £: 0|uT)v 5s ^tüyprjS-evra xal Jtapa*7jy6[ieva tot? jcuv^ysotots |Mtv9«vet ^ypiaivety.
töaaÜTw; 3s xxi fyiöes (die Hetären) IxSiSaoxexe otov ihjpo-potpoövxe; [xrjOxu.co; IXsetv,
äXkx axXijpös öbcaudaSiCecrfroK toi? veoig. Wie ein junges Pferd — erklärt gut ein
Alkiphron-Herausgeber - in der Reitbahn unter den Händen eines erfahrenen
Bereiters auf alle Gangarten eingelernt wird, so sei Lais nach der Auffassung der
Hetären Alkiphrons für ihren späteren Hetärenberuf eingeübt und gezähmt worden
durch ihren ersten Besitzer, den Maler Apelles. So also Alkiphron. Daß dieser Zeuge
etwas ganz anderes aussagt, als was wir bei Athenaios oben S. 35 gefunden haben,
sei gegen die Alkiphron-Erklärer (Bayle und Wagner) ausdrücklich bemerkt.
Lais wird nicht wenig stolz auf die TSpotpöpog des großen Malers, die ihre
Züge und ihre .schlanke Aalgestalt' ') hatte, gewesen sein. Ob ihr selbst das
später an den Golf von Neapel verschlagene Gemälde zuerst auch gehört hat,
wissen wir nicht mehr. Die Hydria aber auf ihrem Grabe, ihr Wappen gewisser-
maßen, sollte sie nicht durch das berühmte Apellesbild veranlaßt sein?
7) Alkiphron schildert Lais a.a.O. als eine von richtig, statt i^rX&Xoug Wagner). Jahreshefte IX 14:17.
denen, .welche wir tag !axv*? *7X^Et£ nennen' (so
38 E. Maass
4. Unter den älteren Künstlern hatte Polyklet einen .Kanon' verfaßt, Xeno-
krates über die Toreutik und Antigonos über die Maler geschrieben. Über diese
Namen ist in den beiden letzten Jahrzehnten viel und eingehend gehandelt
worden. Geschriftstellert hat über seine Kunst, über sich und über andere Maler
auch Apelles. Ich finde ihn in den neueren Arbeiten nur flüchtig erwähnt und
abgetan. Plinius nennt das einem Schüler namens Perseus gewidmete Apelles-
buch XXXV iii adnumeratur his Nicophanes elegans ac concinnus ita, ut venu-
state ei pauci comparentur. Cothurnus ei et gravitas artis multum a Zeuxide et
Apelle abest. Apellis discipulus Perseus, ad quem de hac arte scripsit, huius
fuerat aetatis'. Plinius nennt Apelles vor Buch XXXV unter den Quellen, zitiert
ihn 79 .picturae plura solus prope quam ceteri omnes contulit, voluminibus etiam
editis, quae doctrinam eam continent' und hat ihn offensichtlich mehrfach benutzt 8).
Ich weiß nicht, woher Kalkmann (Quellen des Plinius 236 f.) den Mut nahm zu
wissen, daß Plinius, ja daß einer der ersten Gewährsmänner des Plinius, daß
sogar Varro die Schrift des Apelles über die Malkunst sicher nicht benutzte
Daß Kalkmann wie Brunn gar von mehreren Schriften des Apelles reden (S. 234),
daß Brunn (II2 144) die Apellesschrift sich ,in Form eines Lehrbuches' denken
möchte, ist erklügelt. Eine weitere, durch nichts gerechtfertigte Vermutung
Brunns (II2 155) will das Pliniuszitat aus dem Apellesbuch zu einem Redaktions-
zusatz des Schriftstellers machen, nur um die ihm — ich weiß nicht, warum —
unbequeme Nachricht aus der Quellenfrage der plinianischen Überlieferung über
die Kunstgeschichte zu entfernen oder als nicht vorhanden behandeln zu dürfen.
8) Plinius XXXIV 68 nach Lysipps Erwähnung: spricht er auch von Apelles XXXV 79. er habe
.Artifices, qui compositis voluminibus condidere haec, die Malerei mehr gefordert als alle Maler zusammen
miris laudibus celebrant Telephanem Phocaeum igno- .voluminibus etiam editis quae doctrinam eam con-
tum alias, quoniam in Thessalia h.ibit.iverit et ibi tinent'. Es könnte also z. B. auch in der in dieser
opera eius lituerint, alioqui suffragiis ipsorum aequa- Anmerkung zuerst genannten Stelle sehr wohl ein
tur Polyclito Myroni Pythagorae; laudant eius Laris- Apelleswort über den Phokaeer Telephanes stecken,
*am et Spintharum pentathlum et Apollinem. Aliinnn das von einem andern (alii non hanc — ) bestritten
hanc ignobilitatis fuisse causam, sed quod se regum wurde. Die ganze Pliniusfrage muß neu behandelt
Xerxis atque Darei officinis dederit, existimant.' Man werden. Auch Münzer, Hermes XXX 520 sieht
sieht hier ganz deutlich, die erste Quelle ist von in den ,artifice<' XXXIV 6S notwendig Bildhauer,
der mit ,alii' beginnenden zweiten angeführt, um be- und zwar Xenokrates und Antigonos. — Vielleicht
stritten zu werden. XXXIV S3 ,Xenocrates Tisi- gehören auch in das Apellesbuch Plinius XXX
cratis discipulus, ut alii Euthycratis, vicit utrosque 42 , Apelles commentus est ex ebore combusto faecre
copia signorum et de sua arte composuit volumina. quod elephantinuin vocatur (atramentum)' und Plu-
Plures artifices fecere Attali et Eumenis adversus tarch, De liberis educandis 6 F Jurfpä^o; (ifaaiv)
iV.illos proelia, Isigonus Pyromachus Stratonicus Anli- äfRio; 'Xr.i'/.'/.i,: iiii'J.- alxiva tTO&Vl(i' l^rj ,v8v fi-
gonus, qui volumina condidit de sua arte'. Und im fpatpa'. 8 5; ,X&v ei |iv, Xi-fv.j' ec-ev ,o!3a öt; xayjj
Quellenverzeichnis des XXXIII. und XXXIV. ft^pamtu. &ctO|lä£a) 'A, rauf, oü/l TStoc'Vrx; nXs(ou(
Buches, ,Antigonus qui de torcutice scripsit'. So •r»TFaTa; '■
Apelles und Protogenes 39
Kein Zweifel: die S. 35 besprochene Athenaiosstelle über Apelles' Laisbild, über
des Künstlers Bekanntwerden mit dem schönen Weibe bei der Peirenequelle,
geht auf eine Mitteilung in eben dieser Schrift des Apelles zurück.
Plinius fährt XXXV 79 fort: ,praecipua eius in arte venustas fuit, cum
eadem aetate maximi pictores essent, quorum opera cum admiraretur omnibus
conlaudatis, deesse illam suam venerem dicebat, quam Graeci yäpi-x
vocant, cetera omnia contigisse, sed hac sola sibi neminem parem.'
Man sieht: Apelles übte an den Mitkünstlern, an Zeitgenossen und an Vor-
gängern, eingehende Stilkritik. Das bestätigen Cicero, Orator XXII 73 ,in omnibus
rebus videndum est quatenus; etsi enim suus cuique modus est, tarnen magis
offendit nimium quam parum. In quo Apelles pictores quoque eos peccare dice-
bat, qui non sentirent, quid esset satis' und Ouintilian XII 10, 6 ,ingenio et gratia,
quam in se maxime iactat, Apelles est praestantissimus'. Das steht auch - - also
wieder aus Apelles' eigener Schrift bei Plinius XXXV 79 ff. Wohl gegen
dieses Bekenntnis des Apelles richtete sich sein Zeitgenosse, der Maler Melan-
thios; er vertrat in seiner Schrift ,Über die Malerei' das gerade Gegenteil: osiv
KÖ{h£Seiav xiva xat ay.Xrjpöxr^a -coC; £pyo[S hatpk^ect (D. L. II 48). Wiederholt fiel den
Behandlern der antiken Kunsturteile der gleiche Gedanke und die gleiche
Ausdrucksform der Kritik auf, welche Kallimachos, Phidias' Zeitgenosse, in
unseren Quellen erfahren hat. Die Berichte lauten in der Hauptsache überein-
stimmend. Plinius schreibt XXXIV 92 ,ex omnibus autem maxime cognomine in-
signis est Callimachus, semper calumniator sui nee finem habentis diligentiae, ob
id ,catatexitechnus' appellatus, memorabili exemplo adhibendi et curae modum.
Huius sunt saltantes Lacaenae, emendatum opus, sed in quo gratiam omnem
diligentia abstulerit. Hunc quidam (oder .quidenr Hdss) et pictorem fuisse tradunf.
Sodann Pausanias I 26, 7: 6 31 Ky.'/JJny.yoc, 6 tov Xuyvov noirpon; (auf der Akropolis)
dbco§£(i)V twv 7üpw-wv £j y.'j-.\-t tJjv -.iyyi)v, ouxw aocpc'ac 7k£vc(i)V laxlv äpiaro?, waxe jtal
Xifroo; npötog I-upiiETjae /.sei Bvojjux üfeza jtaTaxrj^ixexvov \ !i'£;i£vr->v äÄXwv xarlarrjaev icp'
laoxäk. ,Was Plato sich im einzelnen vom irdischen Wissen zueignet, schmilzt, ja
man kann sagen, verdampft in seiner Methode, in seinem Vortrag' sagt Goethe
in den Materialien zur Farbenlehre 50. Danach glaubte ich Yaxaxrßis/iyoz (nebst
dem zugehörigen und auch belegten v.oi.xa.rif/.s.w vtp Ts/vr^v) verstehen zu müssen
als einen ,der die Kunst einschmilzt und also durch das unausgesetzte Nachfeilen
aufhebt', bevor ich noch Brunns lichtvolle Behandlung II2 178 gelesen hatte. Er
behält gegen die Neueren auch darin recht, daß das Kompositum trotz des
Rhythmus nicht notwendig aus einem Epigramm herstammen miilJ. Es ist ein
40 E. Maass
Ausdruck von epigrammatischer Schärfe, von einem Künstler des Wortes und
des Gedankens, von einem auch kunstverständigen Beurteiler geformt. Das
Urteil bewegt sich ganz in der Weise des Apelles; dies muß als gesichert gelten.
So kann Apelles der Schöpfer auch dieser kritischen Plastik gewesen sein. Wir
werden uns daran gewöhnen müssen, neben und vor den Epigrammen auf Kunst-
werke die Urteile der nächst beteiligten Künstlerwelt als wirksam, als für viele
maßgebend zu betrachten.
Pankaspe malte Apelles auf Befehl Alexanders des Großen. Plinius (86) hat
darüber einen längeren Bericht eines in die Sache Eingeweihten. Nachdem er
die von Apelles geprägten Worte ,kein Tag ohne wenigstens eine Linie' und
.Schuster, bleibe bei deinem Leisten' in ihrer Entstehung erläutert und sein Ver-
hältnis und seinen Freimut gegenüber Alexander berührt, erzählt er, wie ihm
Alexander aufgetragen, seine Geliebte Pankaspe zu malen ,nudam ob admiratio-
nem formae'. Bald habe Alexander bemerken können, wie Apelles das schöne
Weib liebgewonnen; so habe er sie dem Künstler geschenkt .magnus animo,
maior imperio sui, nee minor hoc facto, quam victoria aliqua. Quippe se vicit,
nee torum tantum suum, sed etiam adfectum donavit artifici, ne dileetae quidem
respectu motus, cum modo regis ea fuisset, modo pictoris esset'. Man glaubt,
Benvenuto Cellini plaudern zu hören. Plinius fügt hinzu ,sunt qui Venerem Ana-
dyomenen ab illo pietam exemplari putent'. Möglich, ja wahrscheinlich, daß dies
eine im letzten Grunde auf Apelles selbst zurückgehende Nachricht ist, viel
wahrscheinlicher jedenfalls als das, was a. a. O. Athenaios mitteilt und Wieland
im Agathon (III 5) verbreitet hat; danach wäre zu .Aphrodite, wie sie dem
Meere entsteigt' das Modell Phryne gewesen, wie sie vor den Augen aller in
Eleusis versammelten Hellenen an den Eleusinien, auch an den Poseidonien, nackt
und mit gelösten Haaren in die Wogen zu steigen pflegte, um das Bad zu
nehmen'. Diese Geschichte übertreibt widerwärtig. Auch wissen wir ja, daß
Apelles nach einem Modell arbeitete, nicht nach einem zufällig sich darbieten-
den Momentbilde; das erheben zur Gewißheit die Geschichten von Lais und Pan-
kaspe. Wir haben Grund, die ,Anadyomene' des Apelles für ein nach der Pan-
kaspe gearbeitetes Aphroditebild zu nehmen.
Es fällt immer wieder auf, wie Apelles in der Darstellung des Plinius als
der menschlich stets Liebenswerte geschildert wird; er ist voll Anerkennung
gegen andere, die älteren Meister und seine Zeitgenossen; er ist aber darum
auch wohlyelitten selbst bei dem höchsten Herrn, bei Alexander dem Großen.
Alles das findet man mit Iiinzelbelcgen versehen. Jetzt ahnen wir. woher das
Apelles und Protogenes 4 •
alles im letzten Grunde stammen mag: aus dem mit biographischen Einzelheiten
reich ausgestatteten Apellesbuch. Dies festgestellt, findet ein auch für die Kunst
der Renaissance bedeutsam gewordenes Erlebnis des Apelles am Hofe des ersten
Ptolemäers seinen Berichterstatter wieder. Wie Lukian, De calumn. 5 das Ge-
mälde ,die Verleumdung' entstehen läßt, ist sie legendarisch, weil zeitlich un-
möglich; vgl. Brunn II2 140. Was dagegen Plinius (8g) mitteilt, scheint nach
allem, was bisher über das Apellesbuch, memoirenartige Aufzeichnungen, er-
mittelt wurde, auf dieses zurückzugehen und nicht Ausschmückung Späterer zu
sein (Brunn a. a. O.). Es fügt sich ein. Plinius schreibt: ,Non fuerat ei gratia in
comitatu Alexandri cum Ptolemaeo. Quo regnante Alexandriam vi tempestatis
expulsus subornato fraude aemulorum piano regio invitatus ad cenam venit, indi-
gnantique Ptolemaeo et vocatores suos ostendenti, ut diceret, a quo eorum invi-
tatus esset, arrepto carbone exstincto e foculo imaginem in pariete delineavit
agnoscente voltum plani rege incohatum protinus'. IIXxvo; regius, hier soviel wie
vocator , Botenläufer des Königs', war offenbar offizieller Hoftitel in Alexandrien.
Damit ist die letzte Herkunft dieser Geschichte eigentlich schon erwiesen. Man
glaubt auch hier einen Benvenuto Cellini aus seinem bewegten Leben mit liebens-
würdiger Selbstgefälligkeit plaudern zu hören.9)
Mit Lysipp lebte Apelles zeitweise am Hofe Alexanders zusammen; nur
von ihnen, heißt es, ließ der König sich darstellen. Auf einen mit Lysipp in
Verkehr stehenden Schriftsteller geht zurück, was in dem berühmten Kunst-
urteil über Lysipp Plinius XXXIV 65 mitteilt: . . vulgoque dicebat ab Ulis (Poly-
klet, Myron, Pythagoras) factos quales essent homines, a se quales viderentur'
und alles, was äußerlich und innerlich mit diesem Ausspruch bei Plinius zusammen-
hängt. Das ist nach den Ausführungen Otto Jahns (Ber. d. sächs. Gesellschaft
1850 S. 128 ff.) und seiner Nachfolger nicht ganz wenig. Im System der Kunst-
urteile des Plinius hat Apelles eine ganz bedeutende Stelle. Plinius berichtet
9) In der .Verleumdung' sieht R. Förster, Jahrb. xu/S'v i'Xsüw, Ö.XX' elf, xoüg äasßsis (öaJHjvat Sia T»)V
der kgl. preuß. Kunstsammlungen VIII 31, den di- novvjpiav xoö ßtou, xofftov ütist; &8lX0Üvxa XaßdvTs;
rekten Nachkommen eines Gemäldes, wie es das des od |iövov oü xtuwprjaeairs, 6uX% xai u,st£6v<uv 4&A-
Aristophon. des Bruders des Polygnot. war Cnume- aavxsj Scüpscöv äcpfpexz (b; xoiij süspf ixa;;). Es ist
rosa tabula, in qua sunt Priamus, Helena, Credu- gewissermaßen die Hölle selbst, welche den Ver-
litas, Ulixes, Deiphobus, Dolus' Plinius XXXV leumdelen vor den leichtgläubigen König bringt;
138I, und den leiblichen Bruder von Gemälden, wie aber die Himmelstochter, Aletheia, naht; sie wird
sie Demosthenes beschreibt (Gegen Aristogeiton A diese Höllengeister zerstreuen. Vgl. Vergil VI: dort
52 p. 786 |is9-' wv 5' oi £ü>7pri-.f0i xvjj äcosßsrc, sv weilen sie im Vorräume, den sie — wie die Eumeni-
'AlBou fpacpouoi, (lsxi xoüxcuv, psx' Äpäj xai BXa3- den — nur verlassen, um die Menschen zu quälen. —
_T,]t£a; v.xl <l>3-6vou %a.\ Sxccosu); xat Nsbtou;, nzy.- Über das Verhältnis zu Ptolemaios und dem Riva-
i'//j.-'j.:. s!;t' 8v oOSs xfiv sv "Aiä&u &söv ilv.i; lott len Antiphilos: Förster 30.
J.ibreshefte des österr. archüol. Institutes Bd. \ 1 6
42 F.. Maass
XXXV 107: ,eadem aetate fuit Asclepiodorus, quem in symmetria mirabatur
Apelles' natürlich in seiner Schrift. 80: ,Melanthio dispositione cedebat (Apelles),
Asclepiodoro de mensuris, hoc est quanto quid a quoque distare deberet'. Kalk-
mann, Die Quellen der Kunstgeschichte des Plinius (Berlin 1898) S. 11 bemerkt
richtig: ,Dort bewundert Apelles den Asklepiodor, hier erkennt er ihn als den
Überlegenen an; dort steht das griechische Wort Symmetrie, hier eine lateinische
Umschreibung'. Die Quelle ist eben die gleiche : kein anderer als im Grunde
Apelles selber. Es nimmt doch wunder, daß die Beurteiler des Plinius, z. B.
Kalkmann 168 A., sich begnügen, den Mittelsmann einzuschieben 10).
Der Titel des Apellesbuches mag ITsp: v/pacpixijjs gewesen sein, nach der
Andeutung des Plinius (S. 38) zu urteilen. Derselbe Titel begegnet beim Maler
Pamphilos (4. Jh.)11), bei Melanthios, seinem Schüler12), bei Protogenes von
Kaunos 13), dem Zeitgenossen des Apelles, u.a.m. Der Dialekt kann bei dem
aus Kolophon stammenden Apelles der ionische, kann aber auch der attische
gewesen sein. Da ist zunächst nichts zu fordern, sondern abzuwarten.
5. Das Wort ~x gy.üzoc bedeutet nach den antiken Lexika soviel wie Hals bei
Epicharm (Kaibel Fr. * 100 a p. VII). Nun steht in Erotians Hippokrateslexikon
117,6 Kl. zu lesen: cncöra] xä u-exatü xwv xsvövxwv xoü xpxyrjAou. w; IlExpwvto:;. £v
xaprj, tprjacv aiyxo^:. fwt£xveov xa! TtxXai xi cryjjuaxa süd-ü; iowv xa! xä cr/.'jxa; darauf
folgen einige Archilochosworte. Dazu ergänzend Etym. M. ov.'j-o;] . . .0x6x05 °£ \i-
ysxa'. -äv tö [isxxqü xwv tevovxtöV toö xpxyj(Xo'j oip\ix. db; Ilsxpwv.d; tpnjaiv. Auch die
anderen Erklärungen Erotians außer den Worten lv %cEpi>] -- axuxx stehen im Ety-
mologicum Magnum. Da Petronios iv TXwtoig schon p. 91 für eine Glosse genannt
war, so hat Kaibel unrecht mit der Behauptung, in Petronios sei hier ein sizili-
scher Dichter anzuerkennen, wohl gar ein Komiker. Dieser Petronios bleibt
identisch mit dem Verfasser der TXr/z, er ist griechischer Glossograph unbe-
kannter Zeit und Heimat. Daß xst axyxa bei Epicharm vorkommt, beweist an sich
gar nichts gegen gemeingriechischen Gebrauch von xa t/jjxx ,Hals'. Mit den
verdorbenen Worten iv v.ipr, cprjalv beginnt ein neuer Hrotianzeuge. Da sv xap7]
allem Anscheine nach eine irgendwie entstellte Ortsbestimmung enthält, die zu
suchen wäre, so hat Kaibe] mit der Vermutung 'ETrJ/apjiö; ^ip'.'i Unrecht. Nicht
in der Ortsbestimmung, sondern in dem Lautkomplexe v.:.;-JZi; birgt sich der
">) Plinius XXXV 96 pflegt falsch beurteilt zu u'i D. I.. IV i»; Brunn II .17.
werden. ' 1 Suidas u. J. W.
") Suidas u. d. \V.
Apelles und Protogenes 43
Schriftstellername. Dieser Erwartung entsprechen die bisherigen Heilungsversuche
nicht. Dindorf und Klein nehmen Ausfall von Seiwppwv vor bi xäpr, an. Aber
was wissen wir hier von Sophron ? Warum gerade auf einen Dichter raten?
Feststeht dies: Jemand sagt, wie er bei einer bestimmten Gelegenheit xä cr/r^axa
und den Hals einer Person erblickt (zum ersten Male anscheinend) und sogleich
etwas getan habe — hingerissen von solchem Anblick. Was heißt xä ayj,|iaxa ?
Das hier mißverstandene Wort haben wir zu erläutern. Tatian 34 p. 35 redet
tadelnd die an, 0? üoXuveixous xa! 'ExeoxXeoos öpövxes xä a/r^iaxa [xa!] \\.rt aüv xöH
nonqaavxt ITuö-ayopat, xaxaßo&ptoaavxes ouvaitoXXuxe xfjg xaxta; xa u7M|Wj|.iaxx. Also
Körperhaltung. Es ist auch ein Kunstausdruck. Diodor benimmt jeden Zweifel
V 73, 3 xafc os Xäptat oo&vjvat xy;V xf|s 5^ew; xorju-rjaiv xa! xö ay^jiaxi^eiv exaarov
uipo; xoö sö)(iaxos rcpö; xö ßeXxiov xa! ixpoarjVEj iolc, {t-ewpoOcL. 7tpöc 3e xouxoig xö
/.zTap/civ cOcpysaia; xa! 7:äXiv dfc|ieißerj9,ai xaB; TipocTjXOÜsa:; "/äptac xoü; eö TOiTjGavxa;.
Protogenes, der Maler, schrieb nach Suidas auch Ikp! cr/r^iäxwv. Wunderlich,
daß Brunn einen solchen Titel eines Künstlerbuches , zweideutig' nennen mochte
(II S. 163). Von Sokrates sagt die pseudoxenophontische Apologie 27 flforijiei xa!
Ofiuaat xa! ayr^iaai (so die Hdss) xa! ßa5uj{iaai ^atopog, Euripides, Iphigenie unter
den Tauriern V. 292, von Orest Ttapvjv 3' öpäv ou xaüxä ^opcpfjg ayj]u.ax', £XX' rt\l£a-
a£XO cpS'OYY«? T£ [xöayuv xa! xXütov OXä-fliaxa. Es sind xä ayj;[iaxa tue Haltung der
Glieder, die Grazie also unter Umständen. ,Die Grazie und den Hals' bewundert
bei Erotian also jemand — doch wohl an einem Weibe. Goethes Alexis erblickt
seine Dora 41 ff., wie sie bald den Fruchtkorb, bald den Wasserkrug auf dem
Kopfe wiegt :
Eilig warst du und frisch, zu Markte die Früchte zu tragen,
Und vom Brunnen, wie kühn! wiegte dein Haupt das Gefäß.
Da erschien dein Hals, erschien dein Nacken vor allen,
Und vor allen erschien deiner Bewegungen Maß.
Oftmals hab' ich gesorgt, es möchte der Krug dir entstürzen,
Doch er hielt sich stet auf dem geringelten Tuch.
Schöne Nachbarin, ja, so war ich gewohnt dich zu sehen,
Wie man die Sterne sieht, wie man den Mond sich beschaut,
Sich an ihnen erfreut.
Damit ist das Mittel zur Besserung gegeben. In AITAAEZ steckt AflEAAHZ. Das
Ganze hat so gelautet: äv oxpr^ - cpTjolv Ä.iteXXSj£ — ÖTtejcoteov xx! Aai'ca xä ^yr^xaxa
£Ü\hü; £3ü)V xa! xä ax6xa. , Heimlich machen' ist {jizstzoisw11); £v dx^t heißt hier ,aut
") Z. B. bei Zeno in Plutarchs Perikles 5.
6*
44 E. Maass
Akrokorintlr, ganz richtig gesagt von dem über seinen korinthischen Aufenthalt
schreibenden Apelles 15). Nun können wir auch die noch offen gelassene Dialekt-
frage entscheiden : Apelles schrieb Jonisch. Denn iv äxprji (für ev xaprj) und öireroieov
(für örcexveov), jonische Formen, scheinen mir berichtigt, örcoitoterv heißt, wie gesagt,
,heimlich machen'. Gerade das erfordert der Sinn der Stelle.
Als das Wesentliche an diesem und jedem Buche dieser Art muß sein
» resamtinhalt, des Künstlers volles Erleben, der Bericht über die Entstehung seiner
Werke angesehen werden. Bei der Besprechung von Sulzers ,Die schönen Künste'
(II 472) schreibt der junge Goethe im Jahre 1773: Der Künstler könne nur lernen
nicht aus Theorien, sondern aus den Erfahrungen der Meister. ,Gott erhalt uusre
Sinnen . . . und gebe jedem Anfänger einen rechten Meister! Weil denn die nun
nicht überall und immer zu haben sind, und es doch auch geschrieben sein soll,
so gebe uns Künstler und Liebhaber ein ircpl iautoö seiner Bemühungen, der
Schwierigkeiten, die ihn am meisten aufgehalten, der Kräfte, mit denen er über-
wunden, des Zufalls, der ihm geholfen, des Geistes, der in gewissen Augenblicken
über ihn gekommen und ihn auf sein Leben erleuchtet, bis er zuletzt, immer zu-
nehmend, sich zum mächtigen Besitz hinaufgeschwungen und als König und Über-
winder die benachbarten Künste, ja die ganze Natur zum Tribut genötigt'. Es
sei außer an Cellini an des Florentiners Leo Battista Alberti Schrift ,Von der
Malerei' erinnert, der aus den reichen Erfahrungen seines Lebens nicht müde
wurde, die Mitwelt und die Nachwelt zu beraten und zu warnen.
II.
In seiner Schrift IIspl ypoKp»ujs hatte Apelles von seinem Zeitgenossen Proto-
genes erzählt. Plinius schreibt XXXV 80, nach dem S. 39 Mitgeteilten fort-
fahrend : ,Et aliam gloriam usurpavit ( Apelles), cum Protogenis opus immensi
laboris ac curae supra modum anxiae miraretur; dixit enim omnia sibi cum
illo paria esse aut illi meliora, sed uno se praestare, quod manum de tabula
scirct tollere; memorabili praecepto nocere saepe nimiam diligentiam*. So auch
Cicero, Orator XXII 73 (S. 39) und Plutarch, Demetrios 22 (= Ailian V. H.
XII |ii: i-.-.y. yip Stecn \iyevxi TJVTS/iaai rijv fpa<pi)V 5 1 1 pojToyevrj; (den Jalysos' in
der Stadt Rhodos). /.%: yipvi 5 W-z/J.^z o;J-m; SxTtXayfjvai ö-sarjaiievo? zb Spyov, Sare
11) Genau so braucht Xenophon, Hell. VI 1,2 f. oaa i-;i~;pctim sv xoTg vö|ioig . . . xäxetvo; |i£vxot
das Wort äy.pa, naclitlem er die Stadt und die Akro- iitö xoüxtov xäv xp'"l!10''C(UV ~Y' TS äxpav cfuXaxxwv
polis Pharsalos vorher genannt: oxaaiaaavxs; o\ <I>ap- 8teo<0'.£ev aüxotg. ... So steht denn in den Lexika,
göXlol nctpaxaT68*VTO aötffil ("dem Polydamas) xtjv z. B. bei Hesych, äxpa] äxponoXtg. Pollux IX 40.
ixpöiioXiv x.a; x-/.j npoo68ou{ sjtdxps^av Xajißävovxi,
Apellcs und Protogenes 45
xac qxovrjV ixXwreiv aütöv. ö^s 3e efoefv Sit |i£yas 6 novog xaä fraufiaaröv tö J'fyov, oü
uAv ex^w ye ^äprcas, St' a? oöpavoö ijwcöetv rä Oh' aüioO yp7.'^ö[i£vx. Zum ,lalysos' des
Protogenes gehört noch Plinius XXXV 102: ,palmam habet tabularum eius
Ialysus . . . Cum pingeret eum, traditur madidis lupinis vixisse, quoniam simul et
famem sustinerent et sitim nee sensus nimia dulcedine obstruerent. Huic picturae
quater colorem induxit contra obsidia iniuriae et vetustatis, ut decedente superiore
inferior succederet. Est in ea canis mire factus, ut quem pariter et casus pinxe-
rit. Non iudicabat se in eo exprimere spumam anhelantis, cum in reliqua parte
omni, quod difficillimum erat, sibi ipse satisfecisset/ Protogenes wollte den Schaum
nicht wie auf die Lippen aufgemalt haben, sondern so, daß er aus dem Innern des
Maules hervorzukommen schiene (non pingi, sed ex ore nasci). So wischte er in
ängstlicher Sorge die Farben wieder und wieder ab, wechselte wiederholt den
Pinsel, ohne sich zu befriedigen. Argerlich warf er endlich den nassen Schwamm
auf die widerstrebende Stelle - und er hatte, was er wollte ! Der Bericht des
Plinius stammt von einem Augenzeugen. Man könnte an Protogenes' Ilspi ypoKpi-
jrijS selber denken; nur kenne ich keinen Benutzer des Buches, auch im Plinius
keine sichere Spur. Apelles' Gedanken vor dem Jalysos' kennt dagegen Plutarch
aus dessen Schrift (oben S. 38 A.), welche ja überhaupt sich auf Kritik anderer
Meister, auch des Protogenes (Plinius XXXV 88), einzulassen liebte. Ich denke,
Apelles ist es, dem wir die Nachrichten über das ohne ihn für uns fast ver-
schollene rhodische Meisterwerk des Protogenes, über den Jalysos', verdanken 16).
Dem Apelles danken wir das Verständnis des ,Ialysos'. Brunn neigte dazu,
diesen Eponymen der Stadt Ialysos von Protogenes als Jäger aufgefaßt zu sehen.
Genauer schien er ihm nach dem Jagen dargestellt; daher der schäumende Hund
(II 160). Das halte ich für nicht genau. Einen müden, vom Jagen erhitzten Hund
darzustellen, dazu genügt allemal das geöffnete Maul mit heraushängender Zunge.
Protogenes legte aber, trotz aller vergeblichen Versuche, höchsten Wert auf das
Stehen des Schaumes vor dem Maule. Dann gehörte eben dieser Umstand zur
Charakteristik des Hundes, zu seiner Bestimmung in der Handlung der Gruppe.
Mit anderen Worten: ein toller Hund und also der von ihm gebissene, schon
sicher dem Tode verfallene Ialysos. Ialysos im Sterben ! Wer erinnert sich nicht
16) Das Kunsturteil des Apelles über den Ialy- Schaden der Sache kürzt, macht daraus ganz wül-
sos und die gesamte Kunst des Protogenes — kürlich: .wenn Pr. die XE'P°l>p*fta{ X*P'-» erwirbt,
nicht umgekehrt, wie Wilamowitz, Herakles II2 ö tovoj aüioö xoü oüpavoü ^aüaei.' Wilamowitz möchte
252 ' will — steht bei Plutarch. Ailian V. H. XII die Ailianische Fassung für das wirkliche Urteil
41, der schon durch Weglassung des Selbstzitates nehmen; es ist umgekehrt.
des Apelles sein Original beträchtlich und zum
40 E. Maass, Apelles und Protogenes
an Aktaion und seinen Hund auf Polygnots knidischem Bilde ! Rhodische
Legende also wußte von dem durch seinen toll gewordenen Hund umgekomme-
nen Ialysos! Die rhodische Kolonie an der Rhone hatte einen aktaionartigen
Heros in der Gruppe Jüngling, Hund und Mutter, wie in den Jahresheften
X 115 nachgewiesen.
Ialysos' Mutter, Kydippe, hat gleichfalls Protogenes gemalt und außerdem
den Tlepolemos (Plinius XXXV 106). Dazu bemerkt Brunn II2 160: ,Vermutlich
stand der Ialysos nicht allein, sondern in Verbindung mit noch anderen Werken
des Protogenes, den Gemälden der Kydippe und des Tlepolemos. Denn Ialysos
der Stammheros der gleichnamigen Stadt, war der Sohn der Kydippe; und Tle-
polemos, der Führer der Rhodier vor Troja, ist gleichfalls als Gründer rhodischer
Städte bekannt. Protogenes hatte also wahrscheinlich einen ganzen Cyklus rho-
discher Stammheroen gemalt'. Diese Vermutung entbehrt jeder Begründung.
Brunn wußte wahrscheinlich nicht, daß Kydippe wie Ialysos rhodische Stadtepo-
nyme war. Kydippe soll in Kyrbia , umgenannt' worden sein ,die von Kyrbe'.
Kyrbe war altrhodischer Stadtname, die Stadt eine Gründung angeblich der
Heliaden: Diodor V 57, 7 y.y.1 xaxüKXTjaav sv xrji 'laXuatat xxiaavxes rc6Xiv IV/afav. wv
6 Jtpeaßöxspog "<>/:;io: ßaaiXsöwv lfi\\i.s [u'xv xwv eyytopJiöv NujKpöv tHy*Jxop£av, i\ yj?
iyevvrjae {hjyaxepa KuSitoctjv xrtv u.exx xaSrza Kupßiav [iexovo[iaad«raav, fjv yr^ua; Kepotacpos
i ÄSeXcpög oiiCicxTo xtjv ßaaiXefav. \xzzx ok xtjv xoöxou xeXeuxijv SieSeljavxo xtjv y.y/:j;i ulol
-pzlz AivSog "JäX'jao; Kauipog. i-[ c,i xoöxwv yevousvv;; u-eyaXTjs nX7j|ijiuptSog ETttxXucfteüEia yj
K'jp^r( KpTjjiog iyivexo, xöxol oe SieiXovxo xtjv ywpav /.a: r/.xaTo; eauxoO rcoXiv 6|i(i>vu[iov
ixttaev. Kyrbe war früh - angeblich durch Meerüberschwemmung — verödet.
.Wenn eine hellenische Stadt zerstört wird, bleiben doch ihre Heiligtümer, und
es muß Vorkehrung getroffen werden, daß die Götter zu ihrem Rechte kommen'.
Der Nachfolger im Besitz einer untergegangenen Gemeinde, einer verödeten Feld-
mark, es sei Feind oder Freund, übernimmt als Recht und zugleich als Rechts-
pflicht den Gottesdienst, der vor der Katastrophe vorhanden war. ,So ist die
Pflege des helikonischen Poseidon auf Mvkale wohl einst auf Priene überge-
gangen nach Melias Vernichtung durch den jonischen Bund der Städte, aber
sein Fest ist das des Bundes aller Jonier geworden, d. h. des Bundes, der Melia
zerstörte und eben durch dieses gemeinsame Heiligtum ein Zentrum gewann'
schreibt Wilamowitz iSitzungsber. Akad. Berlin 1906 S. 45). Es ist nun wegen
der Überlieferung nicht notwendig anzunehmen, daß Kyrbe, die Stadt der Kydippe
gerade durch Überschwemmung verödete. Die dichterische Darstellung bediente
sich, bei den Griechen wenigstens, mehrfach des Sintflutmotives, wo Kriegsver-
H. Thiersch, Zur Herkunft des jonischen Frieses 17
nichtung die geschichtliche Tatsache war. Kyrbe ist ein kretischer Ortsname:
Hierapytna soll (nach Stephanos u. d. W.) Kyrbe und auch Kamiros geheißen
haben, und Kretisches steckt viel auf Rhodos, wie allbekannt (Gelder, Geschichte
der Rhodier 13; Kuhns Zeitschrift XL 527 f.). Aus allem ergibt sich, daß die
kretische Gründung Kyrbe in Kydippe - Kyrbia ihre Eponyme und damit diese
im Kult besaß. Als die Stadt Rhodos durch eine Art von Synoikismos um
400 gegründet ward, da wurden die Lokalkulte nicht aufgehoben; sie gaben
wohl auch Filialen in die neue Stadt ab. Ein Ialysion scheint der Suidasartikel
zu bezeugen u. d. W. IIpo)TOY£VYjg] £ü>Ypa<pog Zavil'.o; ix \r/J.y.;. 6 y.xtx rijv YpoKpMcijv
SiaßfSnjTOs £iaanJ]|U}v, 5 xb vi ToSwi 'lx/.'ja-.ov (so ich; Atovöcnov Suid.) IvzopTpaq, xb ijlvov
xxi !>X'jjiaa-6v ipyov . . . Ikp: ypa<pix^s v.%: cr/r^ix-MV ^iX-a ji'. Im Jalysos' und im
,Tlepolemos', ebenso in der ,Kydippe-Kyrbia' des Protogenes haben wir Grund
genug, Kultbilder rhodischer Lokalheroen zu erblicken, gemalt jedes für sein
besonderes Heiligtum, vielleicht für die Filialen in der neuen Stadt Rhodos selbst.
Marburg (Hessen), Mai 1907. ERNST MAASS
Zur Herkunft des jonischen Frieses.
Unter den Anregungen, die Birts neue Schrift, „Die Buchrolle" gebracht
hat, scheint mir eine der fruchtbarsten seine Vermutung über die Entstehung des
Frieses in der jonischen Architektur. Birt meint (S. 310), daß der jonische Bilder-
fries nur die Fortsetzung sein könne der bekannten, in Ägypten üblichen schmalen,
langgestreckten Bildstreifen, die dort, sei es gemalt, sei es skulpiert, die Wände
bedeckten. Die Griechen hätten dann dies der ägyptischen Kunst entlehnte Motiv
sparsamer verwendet, veredelt und geadelt. Birt fügt hinzu, daß wie bei den
Ägyptern so auch bei den Griechen mitunter mehrere parallele Bildstreifen hart
untereinander herliefen, und streift in diesem Sinne auch die Reliefs des Nerei'den-
monumentes und des Heroons von Trysa. in den mit fortlaufenden Illustrationen
bemalten Papyrusrollen der Ägypter - Proben sind erhalten — sieht er das
Vorbild dieser Dekorationsweise, in analogen Papyrusrollen, auf welche die
griechischen Künstler die Entwürfe zu ihren Frieskompositionen skizziert hätten,
die unmittelbaren Vorlagen für die jonischen Relieffriese. Im Rhein. Mus. 1908,
S. 47 ist Birt nochmals auf diese seine Vermutungen zurückgekommen.
48 H. Thiersch
Die Beeinflussung der ägyptischen Wanddekoration durch jene Papyrus-
illustrationen wird man gerne zugeben. Anders wahrscheinlich verhält es sich
aber mit den griechischen Friesen. Nur sehr entfernt, indirekt, wenn auch durch
Vermittlung der ägyptischen Wandfriese, scheinen diese noch mit den Papyris zu-
sammenzuhängen. In diesem weiteren Sinne aber bestätigen die Monumente die
von Birt berührten Zusammenhänge mehr, als er selbst es überschauen konnte.
An den durch Vitruv uns überlieferten Terminus „jonischer" Stil sind wir
so gewöhnt, daß wir darüber leicht vergessen, wie sehr dieser Ausdruck in der
impulsiven Dominante des jonischen Volkstammes zwar durchaus begründet ist,
aber doch nur teilweise mit dem Tatbestande sich deckt. Man könnte richtiger
von einem „kleinasiatisch-griechischen" Stile sprechen im Gegensatze zum „euro-
päisch-griechischen", den wir ebenfalls nach Vitruvs Vorgang den „dorischen" zu
nennen pflegen1). Überall nun in West-Kleinasien, in Lykien, Karien, Jonien
Mysien und der Aolis, treffen wir ein und dieselbe Erscheinung an in bezug auf
die reliefierte Streifenverzierung: die ganze archaische und klassische Zeit hin-
durch und großenteils noch tief in die hellenistische Periode hinein (Priene,
Athenatempel — Pergamon, großer Altar) ein völliges Fehlen des „Zophoros"
im Gebälk. Der Fries kann also, wie immer deutlicher erkannt worden ist, un-
möglich ein kleinasiatisch bodenständiges, ein ursprünglich dem jonischen Gebälk
zugehöriges Element gewesen sein. Er kann auch an den Peristasen2) der großen
archaisch-jonischen Peripteraltempel Kleinasiens nicht vorhanden gewesen sein.
Es ist zwar bis jetzt von diesen sehr wenig wiedergefunden an obersten Teilen,
aber es wird kaum ein Zufall sein, wenn bei einem Hauptvertreter dieser Klasse,
wie dem alten Artemision von Ephesos, zwar zahlreiche Fragmente einer über
und über mit Figuren verzierten Sima, aber nichts, gar nichts von einem figür-
lichen „Friese" gefunden wurde.
Neben diesem auffallenden, für Kleinasien charakteristischen Mangel eines
Frieses im .Säulengebälk geht durchaus gleichzeitig und in den gleichen Länder-
strecken einher eine ebenso charakteristische, sehr reichliche Anwendung langer
Bilderstreifen an den allerverschiedensten Stellen: nicht nur in dem festgefügten
Aufbau der kleinasiatischen Fassade, auch an den Wänden offener Höfe, an Grab-
postamenten und Sarkophagen. Die Häufung, eine Mehrzahl solch' langer, schmaler
Bildstreifen an ein und demselben Monument, ist da gar nichts Ungewöhnliches
(Nerei'denmonument, Gjölbaschi, Maussoleum v. Halikarnass). Und das wird in der
! Perrot-Chipiez, Histoire de l'Arl anc, "i Wohl aber innen am Cellahaus; vgl.Knidier-
VII 1.^7 ff. Thesauros, Nerei'denmonument.
Zur Herkunft des jonischen Frieses \'-)
Tat eine aus Ägypten entnommene Dekorationsweise gewesen sein. Von klein-
asiatischen Griechen, Söldnern und Kaufleuten wimmelte Ägypten in archaischer
Zeit, nicht nur Naukratis.3) Aus dem Nillande brachten sie unter manch' anderen
dort gemachten Errungenschaften auch jene Streifenverzierung mit zurück, die
ihnen dort in frühesten Farben von allen Tempel- und Grabwänden entgegenge-
leuchtet hatte4). Wo nur irgend in Architektur und Tektonik eine geeignete glatte
Fläche sich fand, wurde von der neuen Erfahrung' Gebrauch gemacht, je länger,
desto mehr. Nach ägyptischem Muster hielt man sich zuerst mit Vorliebe an die
oberen Partien glatter Flächen, sei es an Wänden, Unterbauten oder Pfeilern.
Denn wenn auch nicht immer durchgeführt, so bleibt es in Ägypten, auch un-
ausgesprochen stets Prinzip den Bilderstreifenschmuck in die obere Wandfläche
zu legen; die untere Zone war real oder ideell ein bildloser Sockelstreifen, eigent-
lich eine Verkleidung der Wand mit anderem Material, über dem dann erst, als
auf der Wand selbst, deren Bemalung begann. (Umgekehrt ist es in Meso-
potamien und seiner Kulturzone: da ist dieser Verkleidungssockel der Bildträger
und die Wand darüber bildlos; ein deutlicher Fingerzeig dafür, daß der jonische
Fries, der niemals tief sitzt, wie z. B. stets der hettitische, nicht aus dem Osten,
aus Syrien oder Assyrien, sondern aus dem Süden, aus Ägypten, gekommen sein
muß 5.) Die lykischen Monumente des fünften Jahrhunderts verraten deutlich noch
die ältere Sitte. Gjölbaschi ist in diesem Sinne zwar nicht das älteste, aber das
3) Vgl. Ed. Meyer, Gesch. d. Altertums I 600 ff. Ramses II. z. B. erscheint unten an allen Säulen-
Apries kann sich der in Massen eindringenden Grie- Schäften zu Dendera. Vgl. Prisse d' Avennes IV 17.
chen nicht mehr erwehren. Amasis siegt mit Hilfe Das Pantherfell haben ganz wiean derKroisossäuleum-
der Griechen und tritt in ein Bündnis mit den Grie- gelegt die Priester ebenda pl. 19 und 21. — Es wäre
chen auch von Kyrene; Laodike, eine seiner Frauen, lehrreich, einmal die sämtlichen Entlehnungen, die
stammt von dort. Er tritt der Allianz des Kroisos die archaische griechische Kunst in Ägypten ge-
gegen Kyros bei, stiftet kostbare Weihgeschenke in macht hat, zusammenzustellen. Für die Plastik, be-
verschiedene griechische Heiligtümer und ist durch sonders die in kolossalem Maßstabe, und über den
einen finanziellen Beitrag auch beim Wiederaufbau mächtigen Einfluß der ägyptischen Steintempel auf
des abgebrannten delphischen Tempels beteiligt. die Entwicklung des dorischen Stils vgl. jetzt Furt-
*) Auch die Kolossalität der altjonischen Säulen- wänglers nachgelassene Einleitung zum , Handbuch',
tempel wie die columnae caelatae des alten Arte- Deutsche Rundschau 1908 S. 264 ff.; für ägyp-
misions im besonderen scheinen mir auf ägyptische tische Entlehnungen in der altjonischen Kleinkunst:
Anregung hin entstanden zu sein. Manche ägyptischen I.. Curtius, Ath. Mitt. XXXI (1906) S. 174fr.
Tempelsäulen tragen auf der unteren Schafthälfte •■) Der Jahrb. II (1887) S. 121 A. 1 1 von Kopp ge-
Eigurenschmuck. natürlich immer im üblichen en creux. äußerte Vorschlag die ephesischen columnae caelatae
Mächtige Säulensäle, wie die der Tempel von Dendera, als Nachahmungen mesopotamischer (!), unten von
l.uxor und Karnak, werden es sein, deren Nach- einem ziselierten Metallmautel umschlossener Säulen
Wirkung drüben in Milet und Ephesus zu sehen war. zu erklären, fallt damit wohl dahin.
Auch im Detail. Die Figur und Inschrift des Königs
Jahresliefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI 7
5<J H. TMersch
Ägypten verwandteste Beispiel solcher Übertragung G). Gleichartig war wahr-
scheinlich auch der Unterbau des Nereidenmonumentes. Die durch Falkeners
Rekonstruktion überall verbreitete Verteilung der beiden Friese mit der Trennung
durch eine glatte Quaderschicht zwischen ihnen kann nicht richtig sein. Aus den
genauen, bei Benndorf-Niemann. Reisen in Lykien und Karien 90, mitgeteilten
Beobachtungen von Hawkins geht hervor, daß der erste Fries nicht gleich auf
den ersten Rücksprung des Sockels - - abgeb. Catal. Brit. Mus. Sculpt. II pl. 1 —
gesetzt werden kann. Die vier auf diesem flüchtig behandelten, einst unsichtbaren
Stereobat noch stehenden Quadern haben glatte Stirnflächen. Nicht ihre Fronten,
sondern erst ihre Oberseiten sind zur Aufnahme einer andern Quaderreihe vor-
gearbeitet, mit einer Auflagefläche von 0-56 m. Ob hier aber wirklich schon der
eine Relieffries aufzusetzen ist, ist durchaus fraglich. Ich vermute, - - wenn über-
haupt ein hoher Sockel vorhanden war — , daß der erste Fries erst weiter oben
saß und unmittelbar unter dem andern, daß also die beiden Bilderreihen ebensowenig
wie in Gjölbaschi durch leere Ouaderzeilen voneinander getrennt waren. An der
Grabädicula selbst ist, analog auch dem archaischen Harpyienpfeiler, wieder die
oberste Zone der glatt aufgehenden Wandung mit dem umlaufenden Relief verziert.
Bei den lykischen Sarkophagen beschränkt sich die Anbringung des Fries-
streifens aber nicht auf den oberen Rand des Unterbaues, er bemächtigt sich
des Sarkophages selbst, bedeckt seinen Kamm, in zwei Etagen übereinander seine
Seitenwände und endlich sogar auch die gekrümmten Flächen des steilen Daches7).
Am Gebälk über den Säulen ward dann der Architrav (Nere'idenmonument, Grab-
fassaden) und die Sima (Ephesos, altes Artemision) in der gleichen Weise deko-
riert. Ja, so wenig skrupulös war man in der freigebigen Verteilung der schmalen
Bildstreifen, daß man nicht davor zurückschreckte, auch den Architrav eines
dorischen Tempels, der sich früh und kühn herübergewagt (Assos). in ganz gleicher
Weise damit auszustatten.
Mit der gesamten jonischen Marmorkunst war um 500 v. Chr. auch der fort-
laufende Bildfries nach dem griechischen Festland, nach Athen vor allem, aus-
gewandert; und zwar vorerst noch genau in der Verwendung, welche ihm die
' ) Wahrscheinlich erging sich auch die archaisch- sehen und altattischen — für sie alle ist ja die schmale
junische Wandmalerei — sicherlich ebenfalls eine Streifendekoration charakteristisch — scheint darauf
der großen jonischen Anleihen aus Ägypten — in hinzuweisen.
eben dieser Anordnung von langen schmalen Strei- 7) Das Unorganische dieser Ausartung emp-
feD. Auch das schwache Kcho der klazomenischen funden, aber sicher unrichtig abgeleitet bei Benndorf-
Sarkophage, der altjonischen Vasenmalerei und he- Niemann 1. c. 107 ; vgl. die Sarkophage bei Petersen-
sonders der von ihr sichtlich beeinflußten altkoriothi- Luschan, Reisen S. 1 u. 23 ; Benndorf-Niemann S 107.
Zur Herkunft des jonischen Frieses 5'
kleinasiatische Monumentalarchitektur in fortschreitendem Läuterungprozesse da-
mals bestimmt hatte: das ist in der Beschränkung auf einen einzigen Streifen
ganz oben am glatt aufgehenden Cellahaus, unmittelbar unter dem abschließenden
Gesims. Die Cella des Nereidenmonumentes wiederholt hier nur später, was für
die ältere Epoche (zweite Hälfte des sechsten Jahrhunderts) durch das rein jonische
Importstück des Siphnierschatzhauses in Delphi feststeht8). Der erste Versuch,
das neue Motiv in Athen einzuführen, mißlang: die Cella eines dorischen Peri-
stasentempels, des Parthenon, wird nach der Weise eines freistehenden jonischen
Tempelhauses oben mit umlaufendem Fries umgürtet. Eine ungünstigere Stelle
für Phidias' Meisterarbeit konnte kaum gefunden werden. Die gleich darauf in
Phigalia versuchte Lösung, den Fries ins dunkle Innere der Cella zu legen, konnte
noch weniger befriedigen. Beide Experimente wurden verworfen. Dann aber war
auch sogleich das Richtige gefunden: heraus aus dem Dunkel, los vom Kernhause,
hervor ans helle kräftige Sonnenlicht, für das sie drüben ursprünglich geschaffen,
werden nun die Friese auch in Attika gerückt. Erechtheion und Niketempel sind
die ersten jonischen Bauten, welche einen figürlichen Fries an der von da ab
kanonischen Stelle, zwischen Architrav und Kranzgesims, im Gebälke über den
Säulen zeigen. Wenn diese auch noch nicht ringsumliefen, so war es jetzt doch
nur noch ein Schritt zum jonischen Peripteros mit Fries9).
Im europäischen Griechenland, auch im alten Athen war man seit Jahr-
hunderten an den festen, strengen Kanon des dorischen Stils gewohnt gewesen.
Niemals aber fehlte bei diesem, als Bindeglied zwischen Architrav und Geison, der
Fries mit seiner prägnanten Metopen- und Triglyphenteilung. Für diese Stelle im
Gebälk war das attische Auge also besonders empfindlich, hier konnte es un-
möglich eine Lücke ertragen bei der damals vorgenommenen Umsetzung der Stil-
formen vom Dorischen ins Jonische, bei der Rezipierung der jonischen Bauweise.
Brachte dieser neue Stil keinen Fries an dieser Stelle mit, so mußte unbedingt
einer geschaffen werden, in Analogie zu der altgewohnten dorischen Weise 10).
Es hatte freilich keinen Sinn, die alte Reihung von Triglyphen und Metopen hier
zu wiederholen, da alle konstruktiven Prämissen dazu fehlten, die von den Griechen
8) Vgl. Furtwängler a. a. O. S. 369. 10) Diese Analogiebildung ist am klarsten erkannt
*) Daß der Peripteros selbst etwas Altjonien und formuliert bei Perrot-Chipiez 1. c. p. 664 (vgl.
Fremdes war und dort erst unter dem großen Ein- auch Borrmann-Neuwirth, Geschichte d. Baukunst
drucke der dorischen Peristasentempel entstanden ist, I 120). Ebenda ist auch die den gesamten jonischen
hat Furtwängler ausgesprochen a. a. O. S. 258 ff. Stil umgestaltende Übermacht der dorischen Bauart
u. 368. Doch fehlt noch der Beleg durch die Funde. richtig gewürdigt. Siehe jetzt auch Furtwängler
Das alte ephesische Artemision hatte eine Peristase. a. a. O. S. 369.
7*
5- H. Thiersch, Zur Herkunft des jonischen Frieses
immer empfunden wurden, auch dann noch, wenn wie in diesem Falle das
Tektonisch - Notwendige schließlich ins Ornamental - Unabhängige übergegangen
war. Aber welch willkommene Veranlassung den umlaufenden Figurenstreif aus
der eben begonnenen Gefährdung an seiner in den Hintergrund geratenen Cella-
position zu befreien, ihn hervorzuziehen an die helle Front und da ihn einzusetzen
als das fehlende, gesuchte Glied, als den hoch erwünschten Schmuck, den man hier
nicht missen wollte und den man schöner wahrlich nicht hätte linden können! Die
jonische Perle in dorisierender, in attischer Fassung, das war das Neue. Denn
es ist eine attische Tat, die dem alten Zierglied erst zu seiner rechten Würdigung
verhalf. Auch in diesen Dingen brachte erst Athen das Reifende zur letzten
Vollendung (vgl. Perrot-Chipiez VII 666). Nicht nur in der Gestaltung einer be-
sonderen Basisform, auch in dieser Normierung des fortlaufenden Frieses als
eines nunmehr feststehenden Gebälkgliedes, erst im Prostylos, dann in der Peri-
stase, haben die Attiker etwas Neues, ein Eigenes gefunden. Der Erbauer des
Erechtheions scheint der geschickte Neuerer gewesen zu sein. Gerade hier am
Erechtheion glaubt man die Anfänge der neuen Weise noch zu spüren : am Haupt-
bau sitzt der Fries sogar substantiell noch als ein Fremdkörper in der ihn um-
gebenden Ordnung: der Fries allein besteht aus schwarzem, eleusinischem Stein,
also auch im Material sich als etwas Anderes, Neues abhebend von seiner weißen
Marmorumgebung. In der Technik des Einsetzens aus andrem Stoffe ist er also
aufs nächste verwandt den Metopenplatten, nur andren Formates als diese, und
unter Fortlassung der trennenden Triglyphenblöcke mit dicht aneinander geschobe-
nen Fugen. An der Korenhalle ist zwar der Friesstreifen genau vom selben Material
wie der ganze übrige Plan, aber seine schlichte Scheibenverzierung scheint sich
schüchtern noch nicht über das Ornamentale hinaus, noch nicht ans Figürliche zu
wagen u). Der Niketempel geht dann wieder einen Schritt weiter: er wagt den figür-
lichen Fries trotz des noch kleineren Maßstabes. Gegenüber dem Siphnierthesauros,
dem alten Schema in antis, ist er aber ein Fortschritt durch die prostyle Anlage.
Nicht nur in Bezug auf die Säulenformen, auch puncto Gebälk gehen also
von nun an eine kleinasiatisch-jonische und eine attisch-jonische Stilweise neben-
einander her. Wie sich die beiden in den verschiedenen griechischen Ländern
durchdringen, wäre im einzelnen noch zu untersuchen. Der kleinasiatischen Norm im
Gebälk folgt bekanntlich die Ringhalle des Leonidaions in Olympia, der attischen
dagegen der Tempel zu Messa auf Lesbos, der Bau, welcher am frühesten innerhalb
") Also kein £q>o- sondern ein xoauocpöpoe;, wie Vgl. Revue de philologie 1898 p. 49.
eine dclische Inschrift diese Art zu nennen scheint.
A. Wilhelm, Inschriften ans Halikarnassos und Xheangela 53
der kleinasiatischen Welt die alte, eigentlich jonische Weise verlassen hat. Wie
das kam, ist durchsichtig-: in Messa wiegen ganz starke attische Einflüsse vor;
kein kleinasiatisches Kapitell ist dem des mnesikleischen der athenischen Propyläen
so verwandt wie das dieses lesbischen Tempels. Sein Fries aber ist die allernächste
Parallele zu dem des Erechtheions, nur besteht er hier aus kräftig roter, schön
gezeichneter Breccia 12). Vom Maussoleum von Halikarnass kennen wir zwar die
Künstler der Friese mit Namen: neben dem bis dahin im Peloponnes und in
Athen tätigen Skopas die Attiker Timotheos und Leochares und den in Athen
geschulten Bryaxis, aber der neben Satyros leitende Architekt, Pythios selbst, wird
schwerlich eine andere Norm zugelassen haben als bei seinem Athenatempel in
Priene. Er war ohnedies ein Gegner des dorischen Prinzipes 13).
Freiburg i. Br., 15. Februar 1908. HERMANN THIERSCH
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela.
.^v
1. Von der Wiederherstellung eines Gymnasions zu Halikarnassos berichten
zwei Beschlüsse, die bisher, soviel ich sehe, noch nicht in Beziehung gesetzt worden
sind: Newton, Halicarnassus II 2 p. 687, Plate 3 n. 2 und Classical Review VIII
217. Der letztere Beschluß, auch in Ch. Michels Recueil 456 abgedruckt, gilt einem
gewissen AcoSoxog «Movtxo'j und lautet folgendermaßen:
Eni lepoTioioi) Aiocpsevxou xoü Ato[y£v]ou;. in:
repuTocvetag xfjg u.£xä MrjxpoStbpou xoö AeovuaSfou,
ypajijiaxeuovcos Apaxovxo; xgü Weoowpou, p)vö;
ÄvfteaxTjptövog' eoo!;ev xfji ßouXfji xai xöu ör)|ito[y
s yvwjxrj TCpuTävewv etceiSt] Acoooxo; <E>iÄovixou rcäaav
cpiXoxi[uav xat 7tpo&u|xiav Tia.piayjixa.1 e?g xö ira-
axeuaafHjvai zb yuu-vaaiov xö <JhXc;ijlsiov so. uiv xtö[:
7cpw-ü)[ ^TjCf.i'a[xxtt s7rayyE:Aä|.isvo? eJg xa spya [iix[pi]
X7j$ SmXfjs axoäc; owascv axoxov opay^iäj {iopfag [xa: xo
10 iXkelnov xaxä xä; ercayYsXia; -äv, TtäAcv Ss sv dtÄX[ti>c.
n) Vgl. Koldewey, I.esbos S. 55, 58. ist, daß das Gebälk frieslos war, und der Fries an
1:1 Auch Furtwängler nahm immer an (a.a.O. das Podium des Baues gehöre; also ganz analog
S. 368), daß der im Brit. Mus. versuchte Wiederaufbau dem Nereidenmonument (Archäol. Zeitung 188 1
des halikarnassischen Systems in diesem Stücke falsch S. 305 ff.). Ebenso Borrmann a. a. O. S. 161.
54 A. Wilhelm
ipjjcptojiaTi eptXoTifioö{i£Vog ö'tcw? äv a^av fy auvtere-
Xesuivov xö yuu.väatov xä TtpoaSeovxa ypr^iaxfa
xaxä xä; £7iayy£Xc'a; Swaeiv aOxöj Ttävxa äxoxa, x[ai
5iä xaüxa; xäg aixia? auußeßrjxev ärcav xö yu|iv<£aio[v
is EJitEcxaiäaS-ai xai dfotoSeSefyaaiv oi erajieXiijTaJ xyji ßouXfTji
ouvx6xeXeo(iev« Jiävxa xä Ipya äp£axwg xai 3e§o-
xijxaxEV rj ßouXi] xai ev xöi Xoywi cpepouaiv oi Sro[ieXyrc[a2
£15 xa k'pya SeSwxoxa Atöooxov xö rcäv axoxov opay|i[ä;]
xpiafiupia; xpiayi?ia; TeTpaxoatag- oü u.6vov 8s
-•o a]i)XÖC SOWXEV, O.Xkx Y.%1 XLVaj XÖ)V 8e8(j)XÖX(DV 8ü)ps[äv]
erceiaev ozdö'/ß-xi. ÖTtcog av xai 6 o^jxo? cpavspöj ^i [aü-
xöv efg xö yujivaoiov cpiXoTinijfl"eVua tcjmöv xi[xai[?
xai$ xaxatVaig xai TxävxEj jxpoxpenwvxai si? xö xä; yp£ia[s
-ap^saS-ai eioöxe; tijv eüyapiaxiav xoö 8tj|aou,
25 axecpaväaai Atöooxov (SiXovixou ypuato: axecpävwi
xai sixovi j^aXxfjt cfrtö opayjiöv xsxpax'.ayiXitov,
axfjaai oe xyjv eixöva aötoö £v xwi yuu.vaai(ix Jva
07101-i.vrjjia rt'. zf\c, cpiXoxi|iia; xf;? efg xö yu|ivä[aiov]
fjvj TiapEaysxo xai ei; yprj|iaxwv [X]öyov urcEp x[f// Suva-]
jo [i]iv aüxoü xai sie, xä äÄ[Xa- o]tud; 8' av [xö äpyüpiov]
SoStjc xö xe ei? xöv (jxetpavov xai xyjv e[ixöva aOxoü.
£7i£iGYj ai (jiev ispai [x]a[i 8rj(i]6ai[«]i [7tpoao8oi
6ptöVT6g 0£ XO[ '
A'.öooxov
Die Lesung, die von der W. R.Paton.s in Kleinigkeiten abweicht, beruht auf
den Abschriften, die E. Hula und P. Sticotti von ihrem Abklatsch angefertigt
haben und der von mir in Wien an diesem angestellten Nachprüfung. In X. i
führen die Reste auf Aioysvou?, nicht Aiox)iou;. Zu Ende dieser Zeile ist, wie
um sie als Überschrift kenntlich zu machen, ein Raum von etwa sechs Buchstaben
frei gelassen; dieselbe Eigentümlichkeit zeigen die von mir Gott. gel. Anz. 1898
S. 206 und 212 behandelten Inschriften IG XII 2, 15 aus Mytilene und OGI 257
aus Paphos. Zu Anfang der Zeile ist dagegen ein Raum von acht Buchstaben
unter der die Datierung enthaltenden Überschrift frei gelassen in der Urkunde
aus Lete in Makedonien Archives des missions scientifiques III scrie III 276
/Sylloge 318); über die Inschrift 7 b aus Magnesia, die nach O. Kerns Lesung
einen freien Raum von vier Buchstaben zu Anfang der Zeilen zeigen würde,
Inschriften aus Haliliarnassos und Theangela 55
vgl. meine Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde S. 209. Am Schlüsse von
Z. 8 ergibt ME > : ui/P'- nicht [ii[v], wie Paton las; es ist also die Wiederherstel-
lung des Gymnasions zunächst auf xa epya jxixP1 xfjg SmXfjg axoäg beschränkt
und erst dann, Sraog m änm iji auvxeXecr|jiivov Tb yu|ivaatov, auch die „doppelte" Halle
in den Neubau einbezogen worden. Die glückliche Durchführung der Ange-
legenheit erscheint wesentlich als Verdienst des Diodotos. Er hat, wie das vor-
liegende Psephisma lehrt, für die Wiederherstellung des <I>iXiii7xeiov in einem
ersten Beschlüsse, den er beantragt, versprochen ecg xa epya l-ii/pi xvjs SwtXfjg axoä;
den Betrag von zehntausend Drachmen, ohne Forderung von Zinsen, vorzustrecken,
und sich erboten, überdies die durch freiwillige Beiträge nicht gedeckten Kosten
in gleicher Weise aufzubringen; durch die Bereitwilligkeit, mit der er später
durch einen neuerlichen Antrag diesem Versprechen nachkam, hat er sodann die
Wiederherstellung des ganzen Gymnasions ermöglicht. Nun ist, nach meiner Er-
gänzung, der andere von Newton veröffentlichte Beschluß hzl ftputaveiag xfjg |xsxä Aio-
Söxou xo[Q OiXovixou] gefaßt und als yvü)|iTj npuxävewv bezeichnet, er ist also sicher-
lich ein Werk hauptsächlich ihres Obmannes, eben des Diodotos, und wie sein
Inhalt zeigt, der erste seiner Anträge in dieser Sache. Nach Seowxoxwv Z. 20 hat
Paton S(I)[a]e[iv gelesen, Sticotti zum Schlüsse Af verzeichnet; ich glaube 3wp£a[v
in hinlänglichen Resten zu erkennen. Z. 23 hatte ich schon Gott. gel. Anz. 1898
S. 235 statt e?g zolaq xpscag: rfg zb xä? XP£ca? ^apr/safta-. vorgeschlagen, was durch
den Abklatsch und die Wiederkehr des Ausdruckes in dem andern Beschlüsse
Z. 22 bestätigt wird. Zu meiner Ergänzung ürcep x[^v 86va|i]iv aoxoü vgl. OGI 767
Z. 18, Hypereides g. Lykophr. 16: rcapä oüvauiv y.ac Oicsp xyjv oüai'av xrjv s|j.auxoü;
häufig ist die bescheidenere Wendung xaxä oüvajuv xy;v leim Sylloge 552 Z. 55,
xaxa xav Suva|xtv xav aOxoö IG XII 1, 1033; Brit. Mus. 232 Z. 9; REG IX 4iy
usw.; e?g Tcäaav Suvauxv xoö ßiou (in der bekannten Bedeutung: Mittel, die das
Neugriechische ßt6g bewahrt) IG II 482 Z. 67. Daß in der vorletzten Zeile nicht
STteiSrj od uiv eepae xa! §Yy|j.6a[iai oaratvac zu lesen, sondern von Eepal xai Srj]i6acat 7ip6-
aoSot und ihrer Erschöpfung die Rede ist, habe ich schon Gott. gel. Anz. 1900
S. 105 bemerkt. Dem Sinne würde oüx exTtocoüaiv entsprechen, vgl. Athen. IV 1676
xöv fSiiov [xou 7xpoa63wv e?g xaöxa ixrawuaöv und in der Inschrift aus Tanagra, Leges
sacrae p. 208 n. 69 Z. 24, doch scheint der Raum knapp. In der nächsten Zeile
geht opwvxeg vielleicht auf Mitbürger oder Angehörige des Diodotos, die sich
angesichts dieser Notlage erbieten, die Kosten des Kranzes und der efowv (vgl.
Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde S. 140 f.) aufzubringen.
Die Schrift, von der ein Stück des Abklatsches (Fig. r), die linke Hälfte
56
A. Wilhelm
der ersten elf Zeilen enthaltend, eine Probe g"ibt, weist den Beschluß in das
dritte Jahrhundert v. Chr., irre ich nicht, eher in dessen erste als in seine zweite
Hälfte. Zu diesem Ansatz paßt, daß, wie der andere etwas ältere Beschluß
zeigt, Halikarnassos zur Zeit der Wiederherstellung des <&tXi7X7retav unter ägyptischer
Herrschaft stand.
I: Inschrift aus Halikarnassos, Classieal Review VIII 217.
2. Für die Lesung dieses zweiten Beschlusses bin ich auf Newtons Abschrift an-
gewiesen. E. Hula ist nur ein kleiner Teil des an einem Fenster der großen Burg
des Rittersaales von Halikarnassos vermauerten Steines sichtbar gewesen, nämlich
die zweite Hälfte der Zeilen 6 bis 2 1 ; seine Abschrift verbesert an zwei Stellen Newtons
Lesung. Einen Abklatsch zu nehmen war weder Newton noch Hula möglich.
['Eni 'Ap]eraovos toö PICO?
[. . . [i^vö;] QociSe&vog ir.l rcpu-
[xaveiaj xv}]? \itxv. AtoS&rou xo[Q]
| 3>lXovhcOu] Yp0l\L\L0ne(>OVXOq
5 [ ]og TOÖ NOYMArAOOY?
[SSo^ev xv/.J ßouXfji y.y.l zthi §^|i(oi' yvtönfrj
[itpuTcfcv]ea>v Z-<o; Sv xb yujivflJafi-
[ov xb 'l"./.(--£]'.ov eraaxeua<j{Hji, £t;£i-
[Sij ßaatX]e£»s llxo/.E|izro: rcpea-
[ßsuaauiv?)]? xr;; rcöXeo); auve^tipTj-
[aev Sraoj 0! veoi] E/wai yu|xväaLOV xa:
[ol TtaiSsc ÄvaxT^]aü)vuat ~%i 7tawn«]v
[rcaXaicrcpaJv fy vöv oJ vioi xp&vxat, Ss-
[Sdyite xöv.] Sr^tw: £;uaxEiixaac- snsc-
[5y; 5e eöpyjjxa xa ul|i uiftaxa xaE TtXe[f-]
[cixa YjOr; ot]7.o5o|ir/|'.£va, d/iytüv 51 icpoo-
[SeC -i ÖTtö? xi] öj/.a 7.x: x<ov ;uÄc'vwv £p-
[ywv urcapy^c xivä, £i; Se xä XontÄ änay-
Inschriften aus Halikarnassos untl Theangela 57
ysXXovxai x]iv£? ßouXopivpu xoö StJjaou [tos S7ttaxs]uaaai xö yujjiväawv elaeumi-
20 [eTiiaxsuäaat] xö yup/aaiov owasiv o? jiiv [pr/aav aXJXot [aev Swpeav, ot Ss öcxoxa, a-
[ävaTiöooxa] yprjixaxa, o? 5s axoxa- 5s56- [vaypä'Jiai 8s £xa]xlpou stoou; xöv xö 7xXe[f-
[jfjfrac Stxw? av] 0! xä<; XP£iaS iratpexfyievoi [axov 86v]x[a 7xp<5x]ov xa! xoö? Xoitioö;
[xa! £]ö[£py£]xao cpavepoi öoiv, Saot av 35 [xaxä xö l^?]v ä[;toypacp6]vxtov Ss aOxwv xä
[Söaiv äva;x6]3oxa ypr^iaxa |i.f; £'Xaaaov [8v6|i.a]x[a 0! £iu][i£X7jxa! xoö yuu,va-
25 [Spajyißv ne]vuaxoafo)V xa! Saoi av axoxa [aiou, xoö; oe £7iayys:X]a|i£vou; 3[oöv]at xä */pfrr
[[üj l'Xaaaov 8jpa/|iüv xptaytXEwv. Erajcvfja- |iaxa xoC; TajA]i[ai]s" 87iü)g 5'äv xa; xa fpya
[8-ac aöxo]ö$ ütxö xoO 8^(jiou xa! ävaypä- auvxEXEa-iHji w; ßsX]xta[xa]? xa! XuoixsXsa-
4>ai aüxoög GjTtoypa'jiavxa; xö ^Tj'fa|xa 40 xaxa ]v xa £5 x[yj]v spyto-
[x68s £v xfjt 7t]apaaxäoL xoö ^(iixuxXfou, 7xpo- vcav ]axo; iXIrjö-aCt
jo [ypä'^at 8s ö']x'. olos xoö 6rj|i.0'j ßooXi'j'friv- ]erap.eX»)T[
In den Präscripten bleibt die Bezeichnung des Eponymos zweifelhaft. Als
isponoiiq erscheint er in dem soeben behandelten Beschlüsse, als veüMtowj? (nur diese
Form ist für Halikarnassos bezeugt, vgl. Bull, de corr. hell. XIV 91) in der be-
rühmten Inschrift Sylloge 10 aus dem fünften Jahrhundert, in der Weihinschrift
OGI 16 aus den Jahren 308 bis 306 v. Chr. (Dittenbergers Ansatz billigt U. Wilcken,
Archiv III 3151, in der Urkunde über das Priestertum der Artemis Pergaia
Sylloge 601, in der wie ich Arch. epigr. Mitt. XX 71 nachwies, derselbe A1680T05
t&iXovHtou als ypajjijiax£'js genannt ist, und in dem Beschlüsse Bull, de corr. hell.
IV 395 (Michel 454), in dem sicher nach [AvfrJsaxT/pcwvo? zu ergänzen ist vs[ei)7tot-
oOyzoc, ArJ|j.r|xptoi). Zahlreiche jüngere Inschriften bezeichnen den Eponymos als
Priester, nämlich der von Josephus XIV 256 überlieferte Beschluß: im. t£p£w?
Nswvo; xoö 'Aptaxeioou xaxa toctjoiv ok MevüXXou (so nach meiner Verbesserung Jahres-
hefte VIII 238 ff. für M£|xvovo? xoö 'AptoxefSou, xaxa 8s Ttowjaiv EöcDvujiou), die Inschrift
CIG 2501, die auf Kos gefunden, aber wie ich späterhin zeige, von Halikarnassos
dorthin verschleppt ist, die Weihinschrift Inscr. Brit. Mus. 900 und die sogleich
zu erwähnende Liste aus Theangela, ferner Listen der Kaiserzeit Newton II 2,
702 n. 12 a, 703 n. 12 b, Bull, de corr. hell. XIV 104. Cl. Gnädinger, De Graecorum
magistratibus eponymis p. 14 hat der von Josephus mitgeteilten Urkunde wegen
den ispsu; für den Eponymos erklärt; in der Urkunde über das Priestertum der
vApx£|.UL; Ü£pya{oe sei der vewtoitjs nur als ein an der Ausführung des Beschlusses be-
teiligter Beamter genannt. Die Erklärung würde für den EhrenbeschlulJ Bull, de
corr. hell. IV 395, in der meiner Ergänzung nach ebenfalls der vewtcocVj; erscheint,
nicht zutreffen, und der Sachverhalt stellt sich heute verwickelter dar, weil von
Jahreshefte des tisterr archäol. Institutes Bd.Xl 3
58 A. Wilhelm
zwei sicher gleichzeitigen Urkunden die eine den Eponymos als EepoTODtds, die
andere als veüMCOMj? einführt. Aufklärung bringt die eben erwähnte, unveröffent-
lichte Liste aus Theangela, die Beiträge für Anlage eines Brunnens im Heiligtum
der Aphrodite mit folgender Überschrift verzeichnet:
"E~: cspswj IIgasitoj xvj 'Avopoaö-s-
VO'J XÖÜ XÖ SsÖXSpOV vsw-o'.oOvto;.
Der Schrift nach gehört der Stein in das zweite oder den Anfang des ersten
Jahrhunderts v. Chr., also ungefähr in dieselbe Zeit wie der von Josephus mitge-
teilte Beschluß und die Inschriften CIG 2501 und Inscr. Brit. Mus. goo, die eben-
falls einen kpsü? als den Eponymos nennen. Der wichtige Zusatz xoö xö osüxspov
vsumowjvxoc scheint mir zu zeigen, daß dieser Priester in seiner Eigenschaft als
VEw-ctTjc dem Jahre den Namen gab. Es wird der Priester des Apollon sein, denn
Xswv 'ApLaxEioou hat das Priestertum xoö 14~6aXwvo; xoü xrj$ toXsojs xpyrflizov wiederholt
bekleidet, wie die von mir Jahreshefte VIII 238 ff. besprochenen Inschriften lehren.
Vermutlich ist der Priester des Apollon, nicht auf Lebenszeit, sondern jährlich
bestellt, zugleich Obmann der vewnoiaL gewesen und in dieser Eigenschaft eponym
geworden. E. Bourguet hat Bull, de corr. hell. XX 223 und besonders in seinem
Buche L'administration financiere du sanctuaire pythique p. 108 vortrefflich dar-
gelegt, wie den an vielen Orten ursprünglich zur Leitung eines Tempelbaues ein-
gesetzten vaO/io:o: allmählich die Oberaufsicht über die Verwaltung aller Heilig-
tümer und der erste Rang unter den Behörden und schließlich auch die Eponymie
zufiel. In Halikarnassos scheint die Entwicklung die gewesen zu sein, daß von
der Zeit an, zu der die vsw-oTat zur einflußreichsten Behörde geworden waren,
nach ihrem Obmanne datiert, späterhin aber, weil allemal der Priester des Apollon
zu dieser Stellung berufen war und im Laufe der Zeit die vstoTCoia: an Bedeutung
verloren, seine priesterliche Eigenschaft allein zum Ausdruck gebracht wurde.
Auffällig ist die nur einmal begegnende Bezeichnung des Eponymos als hpoizry.iz:
liegt ein bloßes Versehen des Schreibers oder des Steinmetzen vor, der schwankte,
ob er den Eponymos dem Herkommen nach als vstOTtofy:; oder dem jüngeren
Brauche folgend als ispsü; bezeichnen solle und so aus dem tepsü; und veüMtodjg
einen hpoTCOioc. gemacht hat? In unserer Inschrift scheint der Raum, nach den
sicheren Ergänzungen der Zeilen 3, 4, ö zu urteilen, für die kürzeste Bezeichnung
zu sprechen. Doch ist nach Newtons und Hulas Abschrift die Schrift gerade in
den Abständen der Buchstaben sehr ungleichmäßig, und die Rechnung nach der
bloßen Zahl der Buchstaben zumal dann trügerisch, wenn solche, die sich mit
geringem Räume begnügen, darunter sind.
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela 59
3. Zwei Namen bereiten in den Präscripten Schwierigkeiten. In PISO zu
Ende der ersten Zeile würde wohl nur Iha!>[ctat'pou zu finden sein; der seltene Name
begegnet auch IG II 1723 (Attische Grabreliefs 1479). Sind aber die Buchstaben
sicher? Es fällt auf, daß die zweite Silbe des Namens sehr weit an den Rand
reichen würde, auch ist zweifelhaft, ob zu Anfang der zweiten Zeile sechs Buch-
staben ergänzt werden dürfen. Vielleicht steckt in PICO einfach z. B. NIKO — oder
NIKnvo;. In Z. 5 kann der Vatername des Schreibers unmöglich NOYMATAOOY sein,
doch finde ich keine befriedigende Änderung: [navcjayarho'j oder Nouji[>jvf]ou setzen
zu starke Verlesung voraus. Sicher ist dagegen die Herstellung des Namens des
ersten Prytanen AoSotou to[ö <I>iAovixou]. Die Ergänzungen, die ich in dem augen-
scheinlich ihm verdankten Antrage versuche, gehen von der Voraussetzung aus,
daß der Baufälligkeit des Gymnasions wegen die vso: die naiSiXT] -x/,x:a-px benutzten
und diese nunmehr durch die mit Einwilligung des Königs Ptolemaios erfolgende
Wiederherstellung des Gymnasions ihrer eigentlichen Bestimmung zurückgegeben
wird. Daß dieses Gymnasion [xb <&iXi7C7re]iov ist, lehrt Z. 7 des von mir an erster
Sti-lle behandelten Beschlusses. Eine tcsuSixt] TixXxt'axpa erwähnt z. B. Themistios
or. 20 p. 292; über den Unterschied zwischen Palaistra schlechtweg und Gymnasion
s. K. F. Hermann und H. Blümner, Privataltertümer 33g; über die Gymnasien von
Pergamon Ath. Mitt. XXIX 158, XXXII ^2^; eine a-ox ev tw twv vecov yu^vaacw er-
wähnt die Inschrift 461 dieses Ortes, vgl. Athen. Mitt. XXXII 266; eine a~ox etü tüh
yupvaouiH, nach £. Bourguets durch die Ausgrabung bestätigter Ergänzung, eine
Inschrift aus Delphi, vgl. L'administration financiere du sanctuaire pythique p. 127.
Zu seiner Ergänzung äywvt^ovTai bemerkt Newton: In my transcript I read -vtawvrat,
but this is probably a mistake. Ist meine Ergänzung Z. 12 0: -x!oe; richtig, so muß
der Sinn sein, daß diese die jetzt von den \io: benutzte Palaistra wiedererhalten; der
Vorschlag xvxx-rjawvixc wird somit nicht zu gewagt sein. Z. 15 vermag ich xx vor xx
|iev \ii-(i5X<x. nur auf ein Verbum zu deuten: es scheint vermöge einer allerdings
auffälligen Nachlässigkeit die Ausdrucksweise beibehalten zu sein, die der Obmann
der Prytanen in seinem Vortrage gewählt hatte, um das Ergebnis einer
persönlichen Untersuchung des Tatbestandes in seinem Namen, nicht im Namen
des Collegiums vorzulegen. Aus später Zeit gibt ein Beispiel unglaublich sorg-
loser Redaktion der Beschluß der Eleier Inschriften von Olympia 54. Von der
Ergänzung dieser schwierigen Stelle hängt übrigens auch die Fassung ab, die
man den nächsten Zeilen gibt. Ihr Sinn ist klar und auch von Newton
erkannt, seine Lesung: xx jiiv {Asytaxa xx: jiXefiovo? attx (p]xo6o|JL7j(iiva, öXt'ywv 8s
rcpoa[5eovT(i>v sc; ix] ;6/.a xx: twv guXtvcov spfywv eVJtiv St, eJg Se ~x Äo:^x y.zX. läßt aber
8*
6o A. Wilhelm
die notwendigen Zeitworte vermissen. In Z. 17 habe ich zweifelnd xa öto? vx cju/.a
versucht; der Lücke genügt xä ijSXa ebensowenig wie dem Sinne nach. In Z. 20
oöit'. statt 5d)ai:v Newton; doch ist der Infinitiv erfordert und in Hulas Abschrift
noch ein Rest des Ny zu erkennen. Zu Anfang der Z. 21 wäre Swpeav wie unten
Z. 32 etwas zu kurz. Ich setze daher KVarcoSoxa ein, ebenso in Z. 24, in der Newton
iTzocyyDJ.wnT.'.] Botet ypr(uaxa gelesen hatte. Das Wort ist auch sonst bezeugt; so in
dem Beschlüsse aus Ilion, Dörpfeld, Troia und Ilion S. 451 N. XI (vgl. Wiener
Studien XXIX 8) Z. 22 sTiayyetÄaxco §e b ßojX6|_ievo; xwv tioAixüv xtjv S30|xev7jv Sarcavrjv
äva^öSoxov; vielleicht steckt es auch in einer anderen Inschrift aus Ilion, die
Froehner, Inscr. gr. du Louvre 35 vollständiger mitteilt als Boeckh CIG 3600,
Z. 18: tö e?g tJjv Gustav SzicävT^ia SwaoucKV ä?;ö §oxö)v, denn auch hierin möchte ich
3wa[£tv oder ähnlich und dann d]va;:62ox[o]v suchen; mit hz%^(zkKfj^x. verbunden
steht es in der Inschrift aus Simena, Reisen in Lykien II S. 50 N. 87: oiSe yiko-
Sötw; xa: süvolxw; Sixxeijxsvot Ttpo; xöv 5^ov sTnjvys&avxo xpvj(ia ävaTtöooxov ei? xyjv
ajiöooacv xwv Saveiwv; mißverstanden haben das Wort die Herausgeber in der In-
schrift aus Lagina Bull, de corr. hell. XI 32 Z. 12 f., wo zu lesen ist: oerewvtav
wv aüxo: bniaymzo orjvaptwv [vjp:wv dva^oodxwv xt) tcoXe: (nicht 07jvap:a [itip:a avarcoSov-
xtov); schließlich findet sich das Wort in Inschriften aus Priene 108 Z. 58 avaraooxov
s'Scoxev xi)t ■köXei attov |iExa xoO dSeXcpoö und Milet I 109 N. 7 b Z. 8 und in den Papyri,
z. B. Tebtunis Papyri 105 Z. 20, 106 Z. 2 und 24. In H. van Herwerdens Lex.
suppl. und seinen Nachträgen habe ich Nachweise vergeblich gesucht.
Die Bestimmungen über die Aufzeichnung der Spenden kehren fast wörtlich
in einem anderen Beschlüsse aus Halikarnassos wieder, der irrig gelegentlich nach
Knidos gesetzt worden ist, Inscr. Brit. Mus. 897 (OGI 46) Z. 3 ff. : Stwds S' äv ol
TtpoSavefoavxes eis xrjv axo&v rjv 6 Sfjjios ävaxiS-Tjaiv xä>: 'AtcoXawvi xa: ßaa:Xe: nxoÄE[ia:w:
cpavepo: waiv -xj:v, xou; esexaaxäs Scp* wvv (vgl. W. Schulze, Gott. gel. Anz. 1896
S. 250 f.) av a'jvxsXcafrr, q oxox 'ovo', äv rcpoSaveiawaiv axoxa |ivj IXaoaov ^ r^ (d. i. 5pa-/[u7>v
^£vxaxo3t(i)v, dieselbe Summe wie in dem Beschlüsse über die Wiederherstellung
des Gymnasions Z. 25), ävaypa-Jia: aüxwv xä övcu.axa sv xrj: 7:apaaxa2: xvj; axoas 7iaxp:ax:
rcposype&jxmas 5xt otSe ISwxav xw: 3r,|juij: äxoxa yprjuaxa eJg xt^v xaxaaxeuYjv x*js axoä?,
ÄvaYpacp6vTü)V 2e TtpÖTOV töv TrXefotov oovxa. Zu beachten ist die Erwähnung des
^[iixöxXtov Z. 29, einer Exedra im Gymnasion, vgl. Ath. Mitt. XXXII 259 Z. 35.
Z. 33 verzeichnet Newton " . . . . xspoy; nach xvj; '/.o'.-obc, stünde Jtaxp'.axi, wie er
ergänzt, nicht an der richtigen Stelle, zudem ist vor ävaypacpövxwv ein Ny gelesen.
Z. 35 habe ich gewagt [xaxä xö eEfJv zu ergänzen, wiewohl das Wort in dieser
Form nur aus dorischen Sprachdenkmälern bekannt ist, nämlich aus Rhodos IG
Inschriften aus Halikarn issos und Theangela Öl
XII i, 155 (GDI 3836) Z. 108 ett] )«]' e;xv und Ath. Mitt. XI 52 (GDI 3756) orao;
xa: ev xök \iezx xaüxa xpovooi x ävaypa-^x xtov Eepaxsu6vx(flv ytVTjxai xaxä xö e'cav, ferner
Sylloge 614 (GDI 3705) aus Kos Z. 80 xaxä ypäiijJ.« ävaysYpafijievos l\x'i xtz'o toö
aXcpa; vgl. W. Schulze, Quaest. ep. p. 293. Die letzten Zeilen entziehen sich der
Ergänzung. Zu Z. 40 bemerkt Newton: tvjv in my ms. copy xav; but this is pro-
bably a mistake, as there is no trace of the Doric dialect in this inscription. Somit
habe ich xa ig (neben eis auch z. B. in den Inschriften von Priene) vtp epytoviav ge-
schrieben; epywvai erwähnt die Inschrift OGI 46 Z. 2.
Der König Ptolemaios, der in diesem Beschluß über die Wiederherstellung des
<&iX«nxetov genannten Gymnasions und in dem Beschluß über den Bau einer 'AtiöXXidvi
xat ßaa:Xef üxoXeiiaKöi zu weihenden Stoa wie in der Weihinschrift dieses Gebäudes
erwähnt ist, wird zumeist für Philadelphos (285 bis 247) oder Euergetes (247 bis 221)
gehalten (vgl. J. Beloch, Gr. G. III 2, 267). B. Niese, Geschichte II 101 Anm. 9 vermutet
in ihm Ptolemaios Soter, wie in der Weihinschrift OGI 16, deren Beziehung auf
Soter Beloch freilich bestritt, um auch sie Philadelphos zuzuteilen, vgl. Archiv f.
Papyrusforschung III 315. Die Schrift der beiden auf das Philippeion bezüglichen
Beschlüsse erlaubt schwerlich eine Entscheidung. Daß der König die Halikarnassier
mit wenig Entgegenkommen behandelt und in ihrer augenscheinlich argen Geld-
verlegenheit ohne Unterstützung gelassen hat. ist schon von H. Usener Rhein.
Mus. XXIX 49 bemerkt worden. Seltsamerweise wurde der für ihre Lage besonders
bezeichnende Beschluß über die Anleihen zum Bau der Stoa vielfach irrig nach
Knidos gesetzt (vgl. E. Szanto, Ausgew. Abh. 49; P. Wolters, Rhein. Mus. LYIII 54;
B. Haussoullier, Etudes sur l'histoire de Milet p. 68). Von wem das 4»iXimteiov
seinen Namen erhalten hat, entzieht sich der Vermutung.
Auf den Bau einer Stoa bezieht sich übrigens auch, wie G. Hirschfeld ge-
sehen hat, das kleine Bruchstück Inscr. Brit. Mus. 897 a, in dem ich erkenne Z. 1
v e[i]s xa, Z. 2 xä Xofjica £[p]ya e-i Z. 3 v -% epya, Z. 4 -oug Z. 4 -ou; ext- oder ex x-,
Z. 5 at]oäv 'Ati[öXX(i)vi ? oder got[ — , Z. 6 y]pa:f — •
4. Der Inschriftensammlung des Nationalmuseums ist vor einiger Zeit die
S. 62 abgebildete Stele (Fig. 2) weißen Marmors, 0-355 bis 0-38 m breit, samt Ein-
satzzapfen 052™ hoch, o'oS m dick, übergeben worden. Der Vermerk der neuen
Erwerbungen n. 199: 'Exouiaihj ü~ö Mt^orjX BoyiatwY; ex xoO cppoupiou WeayyeXfz; ('AX:-
xapvaaaoö) lehrt, daß der Stein von der Ruinenstätte stammt, die W. Judeich,
Ath. Mitt. XIII 335 beschrieben und für Pedasa in Anspruch genommen, W. Paton
aber Class. Rev. III 139 auf Grund der dort gefundenen, späterhin noch zu er-
wähnenden Inschriften als Theangela erwiesen hat.
62
A. Wilhelm
Verzeichnis von 22 Beiträgen zur Herstellung eines Brunnens, wahrschein-
lich in dem Heiligtum der Aphrodite zu Theangela; der Priester der Göttin
1 :«7 > : «
;: Beitragsliste aus Theangela im Nationalmuseum zu Athen.
steht ebenso an der Spitze der Liste wie der Priester des Zeus Labraundos
in der Inschrift aus Mylasa, Ath. Mitt XV 261: otSe i^^yyetAavxo xai eTteöuxav
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela 03
(über diesen Zusatz vgl. Jahreshefte X 28) de, xr]v xaxaaxeu^v xt;5 aTOäg. Das
Wort £Voixo3o|j.c'a fehlt in unseren Sammlungen; neben öpu/V), dem Graben des
Brunnens, wird es seine Ein- (wir sagen Aus-)mauerung bezeichnen. Unter den
Beitragenden ist einer als Fremder, (friXimceög, und dem Stande nach einer als
xeyyhaq bezeichnet, zwei als epyaxai. Das Drachmenzeichen begegnet in der-
'EtiI ispiws UoXsizou xoö Avopoafl'l-
VOU XOÖ XO OSUXEpOV VeüMXOlOÖVTOg
o?Se eixrjvye£Xavxo s?g xijv xoö eppsaxo?
öpu^rjv xai dvotxoSojifav 6 tepeu; xyj? A-
5 rfpo8e:xrj; 'AvSpwv MrjvoSöxou A i xa! Ö7cfe[p]
xwv uJwv M(r/)vo3(I>pou xal AvSpwvoc; A i
MrjxpoSwpo^ Ar^xptou xoö ATjjirjxptou A [.]
xai ÜTtlp xoü ofoö A.7raXXocp<£vou A £
» 'Hcpataxt'wv Sxpäxwvo; £ s xaE foxsp [xoö]
i" uioö Sxpixuvog A £ Ilaptt-Evioc; MevexX[£-]
ou; a 3 'Epfiwvaij Meve[xX]£oug a 3 Mrjvo-
Swpo^ MrjVoSujpou xoö MrjxpoSwpoi) A £
AtovuoöSwpos 'Hp(o3ou A £ 'ArcoXXtofvi-]
Srjg Mr;Vo5wpou A £ lepoxXfjg üap9-£-
15 viou xa! üTüip xoö uioö ITap&sviou A £ 'A[v-]
Sptov Apxxovxo|.i£vo'j A £ "Epjiwv Aeovjxe-]
ü>; A £ Aiayopa? 0£o5(.öpoi> xaiV öofrsapav
5e AyaiKx/ioy? xai 6~£p xoö uioö Acay[6-]
pa A £ AeovtiocSrjs Apaxovxo|isvou A [.]
20 lepoxXfjs 'ArcoXXwvfoo *3>iXcJx— suc A [.]
Moipayevyj? MEVEatMwg A ß Athjvayöpac [Ilap-]
B-evfou xai (JTxsp xoö utoö IlapÖEvcou ~tyy'.-
xa; A e °AtoXX(iMO£ Eaparawvog e[p-]
yaxas A A.7ioXXwvc8r]S Meve[xpi-]
25 xou A ß (-)lov MeXavwntou Ipyäxac A[.]
selben Gestalt eines schrägen Striches, an den ein wagrechter rechts ansetzt,
auch in der eben erwähnten Inschrift aus Mylasa, vgl. auch IG XII 1, 937. Von
den Beiträgen betragen zwei oder drei je zehn Drachmen, die meisten fünf,
einige vier, einige zwei Drachmen; in Z. 24 vermag ich vor A ein Drachmen-
zeichen nicht zu entdecken und frage daher, ob dieses Zeichen etwa, wie sonst <,
die Hälfte der Einheit bedeutet.
64
A. Wilhelm
5. Ein HoAtlxr^ I\v5poa9-lvo'j; wird in einer Inschrift aus Halikarnassos, nämlich
in der Liste der Priester des Poseidon Isthmios CIG 2655 (Sylloge 608) in der zweiten
Spalte genannt, als drittletzter der ganzen Reihe, soweit uns diese vorliegt. Leider
ist diese Inschrift jetzt verschollen und nur durch Boeckhs Abdruck bekannt, der
auf die Abschriften zurückgeht, die ihm Bröndsted und Dubois von J. G. Wernincks
Abschrift gesendet hatten. Es ist geboten diesen Abdruck zu wiederholen.
PICTOKAEOYSMETATPAtAI
I I I AHSTHSnAPEST-flSHSTOUArA
OYriOSEIAnNOSTOYSOMlOYTOYSrEr
AnOTHSKTISEnSKATArENOSIEPEISTOYnO . . .
5 NOSTOYKATIAPYOENTOSYllOTnNTHNAriOIKI . . .
TPOISHNOSArArONTnNTTOSEIAnNIKAIAnOAAO . .
EISINAEENAYTH I I E PE I STOYflOSE IAANOCO I AE
-5
TEAAMnNnO*EIAnNOSETHIB
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POSOENHCANAPnNOSKT
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AHMHTPIOSAIOSKOYPIAOY O
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. HMO*IAO?0EOAAPOY Z
. . . PATHS K P ATI NOY IC
.... l(nArt n X A
AOHNinnOSATOYAT
ANAPOSOENOYS N
nOAEITHUANAPO
(OENOYJ E
EYAIAN
nOAEITOY
n O A E I T H l
EY A mNOS
KN
KAÖ
AnOA AANIAOYKZ
Die von Boeckh vorgenommene Verteilung der Namen auf Generationen,
der die späteren Herausgeber folgen, bedarf mindestens darin der Berichtigung,
dati '|--xoyo: «l>M/iw; in Z. 24 nicht wie er wollte der Enkel des <I>j/.sü; '\~-iy/r.>
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela 65
in Z. 19 sein kann. Zwischen den beiden Priesterzeiten liegen nicht weniger als
83 Jahre; es wird also "IjiTiapyo? «PuÄsw; in regelmäßigem Wechsel der Namen
von Vater zu Sohn vielmehr der Urenkel des <$>'Azbz limApyau sein. Den Namen
. . PNEYS Z. 17 hat Boeckh zu ['AXxuoJvsug ergänzt, weil in Z. 14 Avfra; AXxuovswg
vorausgeht; doch ist auch ['0]pveö{ möglich, trotz des folgenden Zwischenraumes,
zumal der Abdruck auch die Lücken zu Anfang der nächsten drei Zeilen zu groß
angibt. Ein Heroenname kann in diesem Teile der Liste nicht auffallen.
Nach Boeckhs Angabe ist der Stein rechts beschädigt und daher unsicher,
ob nach der letzten abgeschriebenen Zeile noch etwas gestanden hat. Man hat
bisher angenommen, die ganze Liste von 27 Poseidonpriestern sei einheitlich von
der alten Stele übernommen und neu aufgezeichnet worden. Der Beschluß sagt
allerdings: [lE-afpa^ Ix xfjg ipyadae, ottjXtj; t^; ^apsaiwarjs xof? äyäÄ^aac xof? xoö üo-
Gzio&voz xoö 'Iafrfuo'j xoü; Yeyevujjiivous dreo xfj? JCTiaewg xaxx ylvog Upefg xoO noae'.owvo;
xxX. Dann folgt die Überschrift eJcrlv oi iv afroji tepers xoö IloaetSwvo; oJSe und in
zwei Spalten die Namen. So würde man nur die Priester verzeichnet glauben, die
auf der alten Stele standen. Stillschweigend halten denn auch die Gelehrten, die
sich nach Boeckh mit der Urkunde beschäftigt haben (v. Gutschmid, Kleine Schriften
IV 293, Th. Bergk GLG II 384, Dittenberger, Ed. Meyer Forschungen I 173), die
Aufzeichnung, wie sie in Wernincks Abschrift vorliegt, für einheitlich und vollstän-
dig. Wie ist es aber mit beiden Annahmen bestellt? In der ersten Spalte stehen
23 Namen. Namen und Vaternamen sind ausnahmlos in einer Zeile untergebracht,
diese Zeilen beginnen eine wie die andere genau untereinander und schließen mit
Zahlzeichen zur Angabe der Dauer der einzelnen Priesterschaften, und auch diese
Zahlzeichen stehen genau untereinander. Ist diese erste Spalte vollständig er-
halten? Boeckh sagt nur: lapis infra integer videtur. Die letzten Zeilen aber,
namentlich die allerletzte, scheinen der Abschrift nach so verstoßen wie dies am
Rande eines Bruches der Fall zu sein pflegt. Auch bestehen zwischen den am
Schlüsse dieser Spalte und den in der zweiten verzeichneten Namen keineswegs
so enge Beziehungen, daß die Annahme, beide Gruppen folgten unmittelbar auf-
einander, nötig oder auch nur wahrscheinlich wäre. Die Vollständigkeit der Liste
ist somit keineswegs erwiesen, im Gegenteil, es ist viel wahrscheinlicher, daß
die erste Spalte unten verstümmelt ist.
Aber auch den allgemeinen Glauben an die Einheitlichkeit der Liste vermag
ich nicht zu teilen. Die zweite Spalte läßt die sorgfältige Anordnung der ersten
durchaus vermissen. Von den vier Namen, die sie enthält, sind die zwei ersten,
nach Boeckhs Abdruck zu urteilen, allerdings auf Zeilen, die denen der ersten
Jahrestiefte des nsterr. archSol Institutes Bd. XI. ,,
66 A. Wilhelm
Spalte entsprechen, eingetragen. Sie beanspruchen aber nicht nur für Namen und
Vatersnamen je zwei Zeilen, sondern zeigen die Buchstaben auch in ungleiche Ab-
stände gestellt und verraten sich so als Einträge verschiedener Hände oder wenig-
stens verschiedener Zeiten. Dem dritten Namen folgt trotz seiner Kürze der wenig
längere Vatersname ebenfalls in einer besonderen Zeile und erst in weitem Zwischen-
räume, der letzte Name endlich braucht, da nicht nur der natürliche, sondern
auch der Adoptivvater des Priesters genannt ist, drei Zeilen, die wiederum durch
größere Zwischenräume getrennt erscheinen. Angesichts der unverkennbaren
Unregelmäßigkeit dieser Einträge, die Wernincks Abschrift wahrscheinlich noch
treuer wiedergab als Boeckhs Abdruck, kann ich mich der Überzeugung nicht
verschließen, daß die Namen der zweiten Spalte, von verschiedenen Händen zu
verschiedener Zeit mit größeren Buchstaben und ohne Beobachtung der Zeilen-
ordnung der ersten Spalte geschrieben, gar nicht der alten Stele angehören
und spätere Zusätze zu der von ihr abgeschriebenen, in der ersten Spalte ein-
getragenen Liste sind. Die späteren Einträge in der Liste der Priester von
Korykos, Reisen in Kilikien S. 7 1 ff. und in der Liste der Priester von Hala-
sarna auf Kos, die R. Herzog, Sitzungsber. Akad. Berlin 1901 S. 483 heraus-
gegeben hat, sehen genau so aus. Auch von der Liste der Priester der
Athena zu Lindos gilt nach dem vierten Bericht über die Ausgrabungen (Bull.
de l'Acad. de Danemark 1907 p. 45) wenigstens für drei Stelen, die 124 Jahre
umfassen und eine vierte Stele mit 70 Jahren: les noms etaient inscrit au für
et ä mesure, im nom chaque annee. Es war somit ein Irrtum, wenn Boeckh,
Th. Bergk, v. Gutschmid und auch Ed. Meyer, Forschungen I 173 im Glauben
an die Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Liste CIG 2055 die Summe der
504 Jahre, die in ihr verzeichnet sind, in Rechnung gesetzt haben, um von der
Zeit der Gründung von Halikarnassos aus die Zeit des letzten Priesters und die
Zeit des Abschlusses der Aufzeichnung zu ermitteln. Zwei Namen der zweiten
Spalte der Liste hätten schon längst ihre Zeit verraten sollen. Der erste Eintrag
'AMpamos 'AvSpooö-^voug sieht freilich in Dittenbergers und Michels Abdruck
(Recueil 877) harmlos aus. Wernincks Abschrift bietet aber
AOHNinriOSÄTOYÄT
ANAPO*OENOYS
das ist 'Ali •y|v.--c: Ä$ijvmcttou toO ÄS-tjvJtotou t[o0] 'AvSpoafrlvous; die Bedeutung, die
dem Zeichen A in Inschriften aus Halikarnassos und dem Branchidenheiligtum
(Inscr. Hrit. Mus. 924) nach Namen vor tOÖ und einem weiteren Namen im
Genetiv oder nach bloßen Namen zukommt, haben G.Cousin und Ch. Diehl Bull.
Inschriften aus Halikarnassos und Theanyela 67
de corr. hell. XIV 105 und G. Hirschfeld zu Inscr. Brit. Mus. 893 und 898 p. 62
und 75 erkannt; in den Papyri, z. B. Amherst Papyri II (vgl. p. 76 und 225) be-
gegnet für aüxd; die Abkürzung J. Niemand wird eine so umständliche Bezeich-
nung des Mannes einer Liste zutrauen, deren letzte Namen auch nach Ed. Meyers
Ansatz noch dem sechsten Jahrhundert angehören würden, nach v. Gutschmid und
Boeckh gar noch der ersten Hälfte des siebenten ; übrigens hat J. Beloch, Rhein.
Mus. XLV 573 auch die Namen Iloasiotbvio; und Ar;urjTpio<; in Z. 22 und 25 f. der
ersten Spalte mit Recht gegen den Ansatz geltend gemacht, der ihren Trägern
dem vermuteten Alter der Liste nach zukommen würde. Ebensowenig paßt für so
alte Zeit die Bezeichnung der Adoption bei dem letzten Namen noXetxTj? Eöa&ovos
xaiV uEofreaiav Se 'Atioaäuvioou; nach W. Crönerts Sammlungen in C. Wesselys
Studien zur Paläographie und Papyruskunde IV 102 stammen die ältesten Fälle
der Bezeichnung der Adoption aus dem dritten Jahrhundert v. Chr. Da sich
Wernincks Abschrift an anderer Stelle in der Wiedergabe eines unverständ-
lichen Zeichens als völlig genau erwiesen hat, mag auch zu beachten sein,
daß Boeckhs Abdruck sonst überall O, in der Abkürzung KAg aber © zeigt; so
würde, falls nicht die Typen täuschen, auch die Form der Buchstaben schon den
späten Eintrag verraten. Nun findet sich IIoXsityj; 'AvSpooMvoug in der neuen
Inschrift aus Theangela, die der Schrift nach in das zweite oder erste Jahrhundert
v. Chr. gehört, als Eponymos; ich sehe keine Möglichkeit zu bestreiten, daß er der
in der Fortsetzung der alten Liste genannte Priester des Poseidon Isthmios aus
Halikarnassos sein kann. Die Inschrift Sylloge 608 ist bisher, im Glauben an die
Einheitlichkeit der ganzen Aufzeichnung, in das zweite oder erste Jahrhundert
v. Chr. gesetzt worden, wohl der Schreibung gerade jener Namen wegen, die sich
jetzt als spätere Zusätze zu der Abschrift der alten Liste erwiesen haben. Ver-
möchten wir nun die Zeit, der UoXzivr^ 'AvSpooftevou? angehört, näher zu be-
stimmen, so wäre damit auch ein terminus ante quem für den Beschluß gewonnen,
namentlich, wenn man annehmen dürfte, daß die erste Spalte von den Namen
der alten Liste ausgefüllt gewesen und der erste Name der zweiten Spalte der
erste Zusatz sei; doch kann diese Annahme nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
aber nicht Sicherheit beanspruchen. Der Beschluß ist somit mindestens fünfzig
Jahre älter als die Priesterschaft des Polites (den Namen deutet U. v. Wilamowitz,
Arist. u. Athen II 54 „Burgwart"), aber schwerlich viel älter, denn wenn auch
die Sprache nicht entnehmen ließe, ob er dem vierten, dritten oder erst dem
zweiten Jahrhundert v. Chr. angehört, so weist doch in letzteres die Form des Z.
wenn Abschrift und Abdruck treu sind, auch die des IT Die Schreibung des letzten
9*
68 A. Wilhelm
Namens der ersten Spalte, den man zu AvSpoa&evrj]? IIoX[etTOU ergänzt, kommt nicht
in Betracht; ich vermag der Abschrift .... IsriA«"1 <"> X nichts Sicheres abzuge-
winnen. Der verstümmelte Anfang der Inschrift nennt einen Aristokles oder Sohn
eines Aristokles als irgendwie an dem Zustandekommen des Beschlusses beteiligt.
Der Name ist für Halikarnassos öfter bezeugt; ein !Ä.piaroxXfjs AptOTOxXeoug 'AX:xap-
vaaaeös wird Proxenos von Delphi 186 v. Chr., GDI 2581 (Sylloge 268) Z. 166.
In der Übertragung dieses Beschlusses ist übrigens W. Janell, Ausgewählte
Inschriften griechisch und deutsch 103 n. 13g, wenig glücklich gewesen. Kaxä
yevoj gibt er durch , geschlechterweise' wieder, den Satz toö xocTiSpuSivcog xtX.
durch eine Sinn und Fassung entstellende Parenthese: „(der Kult Poseidons
wurde von den unter seiner und Apollos Führung aus Trözen gekommenen
Kolonisten eingerichtet)". Ein anderes Mißverständnis, besonders schlimm, wenn
er sich dabei etwas gedacht haben sollte, ist W. Janell in der Übersetzung der
Inschrift aus Kos Sylloge 598, S. 102 n. 138 seiner Sammlung, begegnet: die
Käuferin des Priesteramtes des Dionysos öuXXocpöpo; soll üyiijs xai oXoxXapog xai [i7j
vctoiepa ixüv Sexa sein, d. h. .gesund, unbescholten' usw.! Wie übersetzt er i'/.i-
xXjjpos, wenn diese Eigenschaft von dem männlichen Bewerber um ein Priesteramt
gefordert wird, z. B. Sylloge 594 ?
Die Inschrift aus Theangela datiert nach dem Eponymos von Halikarnassos;
nach Plinius V 107 war Theangela eine der sechs Städte, die Alexander der
Große Halikarnassos zuteilte. J. G. Droysen, Hellenismus I2 1 S. 217 hat diese
Nachricht auf eine spätere Zeit als die Eroberung der Stadt durch Alexander
bezogen; zumeist wird sie verworfen und angenommen, Plinius habe den durch
Maussollos vollzogenen Synoikismos von Halikarnassos irrig auf Alexander zurück-
geführt. In der Tat ist es auffällig, daß Strabon 611 von den acht Städten der
Leleger in der Pedasis sagt: xöv 5' öxtü) icdXecov xx; 'iz MauaawXo? d; [ixav rijv AXixap-
vaaaöv luv^yayev '<>; KxÄ/.'.ailivr,; EaropeT, SuayyeXa 5s /.%: MövSov Z:v$:S/.y.lz. Kallisthenes
also ebenfalls sechs Städte in Halikarnassos vereinigt werden läßt, aber gerade Thean-
gela und Myndos ausnimmt, vgl. W. Judeich, Ath. Mitt. XII 339 f.; Kleinasiatische
Studien S. 235. Die Selbständigkeit Theangelas in der Zeit nach Alexander
bezeugen die Inschrift aus Athen IG II 963, die Liste der Proxenoi von Tralleis
Le Bas-Waddington 599 und der unten mitzuteilende Beschluß der Trozenier. Zur
Zeit der Beitragsliste war die Stadt jedenfalls mit Halikarnassos vereinigt, der
Priester des Apollon Archegetes von Halikarnassos galt auch in Theangela als
eponym; ein einheimischer Eponymos wird neben ihm nicht genannt, Theangela
muß also schon früher seine Selbständigkeit aufgegeben haben und in Halikar-
Inschriften aus Halikam.issus und Theangela '"!
nassos, mit dem es vielleicht vordem durch eine Sympolitie verbunden war,
aufgegangen sein.
6. CIG 2501 teilt Boeckh folgende Inschrift mit:
In insula Co fragmentum, ex Gallandi epistola ad Graevium manuscripta.
E n II EPEnZBAZIAElAOYEAEYOEPinNOZOinAPAKAHOENTEZEn
HrrEIAANTOAnPEANTHnOAEIKAHPnSINTHZNEnZAnOZTEAAO
MENHZnPOZTONnonAlONOYAA.KPAEZONYriATONKAI TOYZ
n EM+0ENTAZP POZTOYZTOnOYZTHZAZIAZKATATOYZAYON
TAZTHNEIPHNHN
Nach des Herausgebers Umschrift:
'Eji! lepmc, Baad£t'ooi> 'EXEuftEpuovo; ol napa^X^evues
imffydXavzo Swpsäv x?/ rc6Xec jVjXrjpw[a]:v xrj; vsö)?
dtotoaxeXXojiivrjs rcpöc xöv IIötcX'.ov OöaX. Kpaaaov ürca-
xov xa: tobe, 7i£[icp{r£vxac; npög xoüj xotouc; xrj; 'Aat'a;
xxxä xou? Xüovxaj tJjv eJpiqvrjv.
Augenscheinlich die Überschrift eines Verzeichnisses, das Galland nicht abge-
schrieben hat; er sagt selbst, wie Boeckh mitteilt: ,haec tantum exscripsi ex am-
pliori inscriptione quam integram festinanti exscribere non lieuit'.
Inschriften von Kos pflegen nach dem [lövxpyoc datiert zu sein. Somit geht
es nicht an, BaacXeKrjj als „eponymen Eepeög in Kos 132 v.Chr." zu betrachten, wie
in der Realencyklopädie III 45 mit Berufung auf die Inschrift steht. Vollends ist
es verfehlt, ihn BaacXsiSrjc; 'EXeufl-epKüVOg zu nennen. Augenscheinlich ist der Monats-
name 'EXeuä-spwbv verkannt, der nicht für Kos, wohl aber für das gegenüberliegende
Halikarnassos durch den auf Kos gefundenen Beschluß Bull, de com hell. IV 212
(Michel 455 und 426) Z. 10 und einen anderen Beschluß der Halikarnassier Bull,
de corr. hell. XIV 95 Z. 3, als 'EXeu&Epco; auch Brit. Mus. 896 Z. 26 (vgl. Bechtel
zu GDI 5729) bezeugt ist. Da nun auch der Name Baa'.XsöSr^ aus Halikarnassos
bekannt ist — ein BaatXeiSrjc 'Ovaar-pövxoc; wird in der Liste der Proxenoi von
Astypalaia IG XII 3, 168 Z. 52 verzeichnet, ein Swpo; BaaiXa'Scj in der
Liste Bull, de corr. hell. IV 464 (in der Z. 3 ist der Vatername verschrieben oder
verlesen: OeuSwpt'oa, nicht 0eu5(i)p\'Sa) — halte ich die Vermutung für begründet,
daß die Inschrift nicht Kos, sondern Halikarnassos zuzuteilen ist.
In der Inschrift selbst ist mehrerlei nicht in Ordnung. Statt ol nzpxv.'Arß-iv-sz
muß es heißen o'l'Se, vor TiXrjpwaiv, wie Boeckh aus KAHPnSIN hergestellt hat, mag
der Artikel entbehrlich sein, notwendig ist er nach xrj; v£toc vor äTtoaxEÄXoulvr^,
überflüssig dagegen vor dem Namen des nOflAlOZOYAA. Zum Schlüsse erwarte
70 A. Wilhelm
ich etwa ziq, (eher als Tcpöj) toj; tsnou; zfjZ 'AsJx; in: (oder rcpög) tvj; •/.aTXÄüovxx; ttjv
eLaifnpi. Die Beziehung auf den Krieg des Aristonikos scheint dadurch gesichert, daß
Strabon XIV 646 und Cicero Philipp. XI 18 die Entsendung des Consuls P. Licinius
Crassus 131 v. Chr. bezeugen (Niese, Geschichte III 368); die irrige Bezeichnung
als Valerius hat schon Galland auf die Verwechslung mit seinem Collegen L.
Valerius Flaccus zurückgeführt. Daß den Römern bei der Eroberung der ihnen
durch das Testament Attalos III zugefallenen Erbschaft gegen Aristonikos außer
den Fürsten Nikomedes, Mithradates, Ariarathes und Pylaimenes auch ...Städte"
zu Hilfe gekommen sind, sagt Strabon ausdrücklich: al' zz tzcasi: E7tejitJ>av tiXtj&o;;
zu diesen Städten wird nunmehr auf Grund der Inschrift Halikarnassos zu rechnen
sein. Auf diesen oder einen ähnlichen Anlaß mag auch die Weihinschrift Le Bas
Waddington 504 zurückgehen: AXtxapvaaaewv ol axpateuoct[isvot ev iyj TSTprjpe; vau-
ap^oöVTO? O-.Axypo'j toü AjjjMjrpiou v.%: tpLTjpapxou AvSposö-evouc toö 'AvSpwvo; ÄtoXXü>vi
Apy r^yETr; ■/.%: AoxXt}TO(j); ein Vorfahre dieses Andron steht in der Priesterliste CIG
2655 Z. 23, vgl. oben S. 64; über den Historiker Andron von Halikarnassos
s. meine Beiträge S. 70 zu IG II 5, 2773b. Über die Kämpfe, deren Schauplatz
damals Karien war, handelt, zur Erläuterung einer aus Blondeis Papieren bekann-
ten Inschrift aus Bargylia, P. Foucart, La formation de la province romaine d' Asie,
Mem. de 1' Acad. des inscr. XXXVII 320 ff.; Aristonikos ist bei Stratonikeia ge-
schlagen, dann in die Stadt eingeschlossen und zur Ergebung gezwungen worden.
7. In der Inschriftensammlung des Xationalmuseums zu Athen befindet sich,
auf S. 71 (Fig. 3) abgebildet, der untere Teil einer Stele weißen Marmors, o-372m
bis 0-385 m breit, mit 0*42 m breitem, sorgfältig gearbeitetem Profile, noch 0-31 m
hoch, 0-085™ dick; Höhe der Buchstaben 0-007 m, Abstand der Zeilen 0-015'". Der
Fundort ist, wie das Verzeichnis der neuen Erwerbungen 196 bemerkt: 'Exoucsib}
■j~b M:/ay. Boytoc^j ix toö cppoupiou ösay^eXtag (AAwtapvaaaoO), Theangela.
Der in dorischem Dialekte abgefaßte Beschluß handelt von Ehren für den Demos
von Theangela. Die auf die Bekränzung bezüglichen Bestimmungen sind verloren;
die Einladung lid Seüirvov, nicht ir.l cir.y., wird den als Bürgern betrachteten Vertretern
dieser Gemeinde gelten. Zwei Stelen sollen aufgestellt werden, die eine im Heilig-
tum des Apollon Thearios, die andere in Theangela im Heiligtum der Athena, und
der Rat für die Kosten aufkommen (zu teev (moupfim -api/sv vgl. örojpexsTv von den
die Zahlung leistenden xajuai z. B. Sylloge 139 aus Chios Z. 14, 162 aus Samos
Z. 37, IG XII 7, 221 Z. 26, 225 Z. 14 aus Minoa auf Amorgos). Männer werden
gewählt, die für die Verkündung der Kränze in der durch den Beschluß vorge-
sehenen Weise und für die Aufstellung der Stelen zu sorgen sowie im Monat
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela
7'
[xaXeaat 31 v.oä &-
tu 8ef7EVo]v e]lq [xo icpuxaverov et; aüptov dyyp^^at
5e xö (Jjckpiajjia xo[o£ efjg [^taÄa]; X'.>K[vac] 060 [xal ävtri[i.£V
txjx [i£V ig xo lapöv roö A-6XX(uvo? xoO Ösaptou, xäv S£ [£v
ösayyl/.oig iv xwi xx; 'Afräva; Eapuf xäv 0£ ßouXäv xäv
5 Ö7roupYtav ~y.rAyyr ecvSpag 0; i/iafte otxivss etujisXtj-
aoövxat xouxwv, Stkd; 0? x£ orlcpavoc ävayop£ui)-ö>vx: e?
ixdaruous oeSoxxai xa: at axaXai avxeö-wvrt. xal -dllooov
-ocYjCovxat lv xük 'ATtsXXat'tot jjwjvi, Sttw; 6 8ä{io? 6 xwv 8e-
[[Bs]]aYysÄ£(ov x:[ia{Hj: xaxa^tai? xtjjiaf;. fA ßouXä efcev.
10 AEpefrev iitJ xä sv 8sayy£Xo£g 'ApioxetSTjs Nlwvoc, Oi>X:äSrj;
'Iäsovo;- ETOxapö^at xoü; ax£'^ävou? xal xä$ axdXaj axäaai
xai jr.6{k>8o{i rcöiqaaafrat e?g xöv &JtEXXatov pijva oi -evxe.
3 : Beschluß der Trozenier aus Theangela im Nationalmuseum zu Athen.
A-£XXaioc einen Antrag- einzubringen haben, durch den dem Demos von Theangela
würdige Ehren zuteil werden sollen. Daß dieser nur in seinem letzten Teile er-
7 2 A. Wilhelm
haltene Beschluß vom Rate beantragt ist, lehrt der Zusatz: x ,iouXx sfnsv. Dann
ist verzeichnet, daß ÄpioxetSrjs Xemvoc und OOXixStj; Taaovo; bestellt wurden kid xx
3v öeav-flXotg und daß mit der Verkündigung der Kränze, der Aufstellung der
Stelen und der Einbringung eines Antrages im Monat AtzsXXxIo; „die Fünf", ol
-£vx£, ein augenscheinlich bestehender Ausschuß, betraut sind.
Die Vermutung, daß der Beschluß, der Aufstellung in dem Heiligtume des
"A-iXXwv 6sxp:s; und des Dialektes wegen, Trozen zuzuteilen sei, wird durch eine
andere Urkunde bestätigt, die ebenfalls aus dem Heiligtume der Athena in
Theangela stammt.
8. Der in Theangela gefundene Beschluß der Trozenier, den E. L. Hicks,
Class. Rev. III 234 veröffentlicht hat, weist nämlich ganz dieselbe Fassung und
Sprache auf. Zudem bezieht er sich auf 'ApiaxsiSrfc Newvog Wsxyyc/.E'J;, sicherlich
denselben ü.pioxe£8ijs Niwvog, den der neue Beschluß mit OjX:x5t); 'Ixaovoc, wie sich
nun ergibt, eben als Bürger von Theangela, i~l xx iv 8eayyiXoig bestellt. Diese
zweite Inschrift, jetzt in W. Froehners Besitz in Paris, lautet:
[SsSö/frx: xöt]
jfouXäc y.xI xw: oxfiwt iroxtv[e]<Jat ÄpicrcecSijv Nlw-
vo: H£xyy£Äf| xai axE'favwax'. ocöröv xpuasw axE'fxvcp a-
psxx; £V£7.x xx! eövotag xx; sie xov Sxjiov xöv Tpo[w]x-
vt[(o]v . x[y]vpx'ix'. 5s xo[2s tö t]>]<£cptaua Iv oxotXaftg] Sualv /.x: xv-
5 0-£[i£v xxu. [[i]£v ig xö Eapöv xoO A-6XXtovo;
xoü Ösapiou, xxv 5s sv öeayyeXois e?g xö Eapöv xä;
At>xvx[;-] xxv 2c ßouX&V xxv öiroopytav -xpsvsv xv-
5pxc [54] sXsaÖ-x: oftcvej toöxwv ira|i.eXirjaovxac. A ,iou-
/.x £:-£. A:psi)-sv 01 -svxs, s;ü xxv cxaXav xxv iv Ol^x-fy!-
10 Xoig Ap'.axst'or,;.
Ist auch die E. L. Hicks von W. R. Paton zugesendete und von einem Un-
genannten herrührende Abschrift nicht fehlerlos, so bleibt doch über die Lesung
kein Zweifel; die wenigen Buchstaben, die ich, auf diese Abschrift angewiesen,
und im Widerspruch mit ihr, in Klammern setzen mußte, stehen sicherlich richtig
auf dem Stein. Auch die auffällige Abteilung Xswv|o; Z. 1 2 habe ich berichtigen
zu dürfen geglaubt. Nach ig, xö capöv xoO zeigt die Abschrift eine Lücke von zehn
Buchstaben; daß nur roö A-dXXiovo; xoO <->sxp:'o'j dagestanden haben kann, ist klar,
und daß es dasteht ohne den vom Herausgeber vermuteten Zusatz Iv TpoCxv.,
bezeugt W. Froehner freundlichst auf meine Anfrage. Da icli den Stein nicht
kenne, vermag icli nicht zu sagen, oh die auffällige Kürze, welche sich bei
Inschriften aus Halikarnassos und Theangela 73
dieser Lesung für Z. 5 ergibt, irriger Abteilung der Zeilen verdankt wird — die
vorangehende Zeile erscheint in der E. L. Hicks übersendeten Abschrift etwas
länger als die übrigen - - oder ob in Z. 5 wirklich, infolge einer Tilgung irrig
wiederholter Worte, freier Raum vorliegt. In Z. 9 und 10 stand Hicks Umschrift
aipstHjva: rcSvre und 'AptaxEtSr/t) in Widerspruch mit der Abschrift, deren Lesungen
nun der neue Beschluß bestätigt. Ihrem ETiiusArjCJGV-at steht in der athenischen
Inschrift £rajieXr)aoüVTac und rconljaovwct gegenüber.
Die formellen Eigentümlichkeiten der beiden Beschlüsse kehren in den in
Trozen selbst gefundenen Beschlüssen der Trozenier wieder. Das Psephisma
IG IV 748 schließt mit den Worten t&OJp'.oc, efrce und einem Vermerk über die
Zulosung des Neubürgers zu einer Phyle; ebenso war der Antragsteller am Ende
des Beschlusses IG IV 755 genannt, falls nicht, durch freien Raum von dessen
letztem Worte geschieden, auch hier a [k'j/.i eins stand; jedesfalls aber ist am
Schlüsse der großen Urkunde IG IV 755 A. Z. 10 nicht [xa&airep] £ ßouXä dizt zu
lesen, sondern einfach & ßoolx efrce. Ähnlich schließt das Psephisma von Methana
IG IV 853 (add. p. 382; Bull, de corr. hell. XXIV 207): x! ouvapx«« Jwfoai y.ai
01 ixXv]cnaaxa2 sfoav. Vier Beschlüsse der Trozenier 749, 751, 753 (add. p. 381),
756 beginnen mit den Worten rcäftoSov nowjaatJiivou; in den Fünf, die mit solchem
Einschreiten beauftragt werden, werden vermutlich Prytanen zu erkennen sein
als vorbereitender Ausschuß des Rates; die Weihinschrift IG IV 764 nennt vier-
zehn Männer als 5x\i.'.opfoi und rapuTGcvieg, leider ohne ihre Verteilung zu bezeichnen ;
bilden sie zwei Gruppen zu neun und zu fünfen? Fünf Gewählte werden übrigens
auch in dem Beschlüsse aus Samos Sylloge 162 Z. 55 genannt. Der ÄiteXXaibc, wird
des Apollonfestes wegen für den Antrag der Fünf ausersehen sein; auch in
Epidauros findet die Verleihung der Proxenien in diesem Monat, dem letzten
des Jahres, bei Gelegenheit des Asklepiosfestes statt (IG IV 925 mit P. Kawadias'
Bemerkungen 'E'f. apy^. 1901 c. 81; seine vollständigere Lesung ist von M. Fränkels
Voreingenommenheit nicht nach Gebühr gewürdigt worden, IG IV p. 383). Auch
in Athen pflegt man Auszeichnungen im Hinblick auf die Feste, an denen ihre Ver-
leihung verkündigt werden soll, namentlich die großen Dionysien, zu beschließen.
Wie ich bereits Jahreshefte VIII 241 andeutete, ist AptoxEior;; Nswvog Qs^feXv!):
ein Vorfahr des ApiaisBrjs Xetovo? xaiV oSafrectav 2 s MevöXXou, der wie eine Reihe
von Inschriften aus Halikamassos zeigt, in späterer Zeit einer der hervorragendsten
Bürger dieser .Stadt, mindestens viermals Priester der Athena, mindestens fünf-
mal Priester des Apollon Archegetes und als solcher Fponymos von Halikamassos
war und in dieser Eigenschaft auch in dem von Josephus XIV 256 mitgeteilten
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI 10
74 A. Wilhelm
Beschlüsse genannt ist. Die Zeit dieses Newv vermag ich nur nach der von Loewy,
Inschriften griechischer Bildhauer 305 (nicht 365, wie durch einen Druckfehler
Jahreshefte VIII 238 steht) mitg-eteilten Schriftprobe der Basis Bull, de corr. hell.
IV 401 zu schätzen: sie scheint mir etwa in die Mitte des zweiten Jahrhunderts
zu weisen. Der Künstler Aaiuivr,; Aaiuivou 'Opoavvsö; ist leider in dem Heiligtum
von Lindos, in dem nach dem Berichte Bull, de l'Acad. de Danemark 1907 p. 23
nicht weniger als 114 Signaturen von 74 Künstlern zutage gekommen sind, durch
kein Werk vertreten. Den von Josephus überlieferten Beschluß der Halikarnassier
XIV 256 zu datieren ist Neons Name, solange der söarj p^astu-EVO?, angeblich Mapxo?
"AÄsravopou, nicht anderweitig nach Namen und Zeit bekannt wird, das einzige
Mittel. Doch kann mit ihm unbedenklich bis in die Mitte des zweiten Jahrhunderts
hinaufgegangen werden; den von Josephus XIV 233 mitgeteilten Brief des Gaius
Fannius an die Koer hat B. Niese. Orientalische Studien Th. Nöldeke gewidmet
817 ff., dem Jahre 16 i/o v. Chr. zugewiesen. Der Beschluß der Trozenier für
Aptai£t5r^ Newvo? €>t%yyz).B{)g, dessen Schrift hellenistisch scheint (A hie und da
mit geschwungenem oder gebrochenem Querstrich, P mit rundem und My mit
geschwungenem letzten Striche, O und n sehr klein, gute X.), wird also seinem
Großvater gelten.
Daß dieser als OsayysXsü;, sein Enkel als 'AXauxpvaaaebq, erscheint, kann bei der
Nachbarschaft der Städte Theangela und Halikarnassos um so weniger auffallen
als der Enkel vielleicht erst durch Adoption seitens des MevuAXo; ,Halikarnassier'
geworden ist und die Datierung der oben S. 62 f. veröffentlichten Beitragsliste
für die Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. nicht nur eine Sympolitie beider
Städte, sondern das Aufgehen von Theangela in Halikarnassos voraussetzen läßt.
Vielleicht hat Theangela ebenso wie Halikarnassos seine Gründung oder Besied-
lung auf Trozen zurückgeführt, vgl. W. Heibig, Götting. Nachr. phil.-hist. Cl. 1890
S. 251. Enge Beziehungen, wie sie Trozen und seine Tochterstadt verbanden und in den
Beschlüssen CIG 106 (jetzt in Cambridge), von Hicks, Journ. of hell. stud. II 98 Hali-
karnassos zugewiesen, und IG IV 750 aus Trozen zum Ausdrucke kommen, sind nach
dem von mir veröffentlichten l'cschlusse auch für Theangela undTrozen vorauszusetzen.
In bezug auf die von mir Jahreshefte VIII 239 besprochenen Inschriften der
Basis Bull, de corr. hell. IV 402 deute ich schließlich zur Berichtigung des dort
Gesagten nur an, daß die zweite Inschrift nicht bloß durch den Zusatz u^oyuu-vaa:-
ap-/o[0vTo; toö ä8eX<pi6*oö N£ü)VOg] toö Äptoreföou xa&' [uiofrEiiav 2e Mev6XXou, sondern
schon durch den Dativ AiroXXwvt Äp/r^Etr/. in der zweiten Zeile als Weihinschrift
gekennzeichnet ist, denn das Verbum EepaxeOsiv ist in den gleichartigen Inschriften
Eine Inschrift des Königs Epiphanes NiUomedes
75
desselben Ortes, Bull, de corr. hell. IV 397, Jahreshefte VIII 241 mit dem Genetiv
verbunden. Übrigens bieten sich nun die Inschriften einer Basis aus Tenos
Musee Beige X 345 (Bull, de corr. hell. XXVI 417) zum Vergleiche.
Wien, Juni 1907. ADOLF WILHELM
Eine Inschrift des Königs Epiphanes Nikomedes.
:> iv
-
i»
Im Museum des Piräus befindet sich seit einigen Jahren die nachstehend
abgebildete Stele, aus weißem Marmor gefertigt, mit einem Giebel geziert, 072'"
hoch, 0-343 m breit, 0-09'" dick. Ihre Herkunft
ist nach Aussage des Herrn J. Dragastis,
dem ich für die Erlaubnis der Veröffent-
lichung zu danken habe, unbekannt.
ivfp-qc, ßaaiXeug IIpou-
aiou fteäi [iaaiXc'sa/j!.
!A.Tc«(xvjt -rijt eautoö [irj-
xpi zb Eep&v aauXov.
Der König Epiphanes Nikomedes
hat als Nachfolger seines Vaters König
Prusias II des Jägers im Jahre 149 v. Chr.
den Thron von Bithynien bestiegen. Irrig
hat man ihn bis vor kurzem bis zum
Jahre 95 v. Chr. regieren lassen, indem
man ihm auch die Regierung seines
Sohnes Nikomedes Euergetes zuteilte, dem
erst Th. Reinach, L'histoire par les mon-
naies 164 ff. seinen Platz in der Reihe der
Könige wiedergab. In der Inschrift Bull,
de corr. hell. XVIII 254 (OGI 345) er-
scheint nämlich ein König Nikomedes als
Sohn eines Königs Nikomedes und Ge-
mahl einer Königin Laodike, der Tochter
4: stele im Museum des Piräus. , des Königs Mithradates. Er kann also
76 A. Wilhelm
nicht der Nikomedes Philopator sein, der nach Licinian erst mit einer Tante
von Vatersseite, dann mit Nysa, der Tochter des Ariarathes, vermählt war. Daß
die Witwe des Ariarathes Epiphanes, eine Tochter des Königs Mithradates, um
das Jahr ioo v.Chr. gezwungen ward, einem König Nikomedes, dem Vater des
Philopator, die Hand zu reichen, wissen wir durch Justin XXXVIII 15; ihren
Gemahl hielt man bisher für den Sohn Prusias II. Nun zeigt die delphische In-
schrift, daß dieser Gemahl der Laodike vielmehr Sohn eines Königs Nikomedes
war; der Nikomedes, der mit seinem Vater Prusias im Jahre 167 in Rom erschien
(Livius XLV 44, 4; dazu B. Niese, Geschichte III 201 Anm. 2), würde zudem um
das Jahr 100 v.Chr. fast achtzig Jahre alt gewesen sein. Auch bezeichnet Appian
Miö-p. 7 (vgl. B. Niese III 330 Anm. 3) den letzten König Nikomedes als
Enkel des Königs Epiphanes Nikomedes und Synkellos kennt acht Könige von
Bithynien, während wir ihrer bisher nur sieben zu nennen wußten. Es ist also
ein König Nikomedes zwischen dem Sohn des Prusias und Nikomedes Philopator
einzuschieben, und in die Zeit von 149 bis 95 v. Chr. teilen sich zwei Könige,
Epiphanes Nikomedes, der Sohn Prusias II, und dessen Sohn Nikomedes, der
nach Licinian den Beinamen Euergetes führte: „Euergetes merito dictus quod
beatos egentes faciebat multosque beneficiis suis alliciebat."
Dieser Nikomedes Euergetes wird nicht nur in dem Beschlüsse der Delpher
erwähnt, dessen Zeit nunmehr neuerlicher Untersuchung bedarf; wie Th. Reinach
zeigte, beziehen sich auf ihn auch andere Inschriften, die bisher seinem Vater
Epiphanes Nikomedes zugewiesen worden waren.
So vielleicht die Inschrift aus Kos, Paton-Hicks 85, die von Opfern für den
König Nikomedes spricht; doch ist, da soeben eine Inschrift aus Priene 55 für diese
Stadt den Cult des Epiphanes Nikomedes bezeugt, die Möglichkeit, daß es sich auch
auf Kos um diesen Fürsten, nicht seinen Sohn handelt, nicht zu bestreiten.
Dagegen nennen Nikomedes Euergetes die Inschriften aus Delos Bull, de
corr. hell. VI 337, VIII 104 (OGI 342) aus dem Jahre 107 v. Chr.: üwcrwv Eöuivou;
OlvaZoq tspe'j; wv GrcEp xoö Syjjjwu xoö Äib^vatwv xai ÜTtep ßaatXew; Ntxour;5o'j äveibjxev xöv
vaöv y.ai xö ayaXua "laioo; N£|i£a£w;, zw. £7U[ieXyjxoö xfjs vrjaou Alovuscou xoö Nfxtovog IlaXXyj-
v£0);, und Bull, de corr. hell. IV 188 (OGI 346): Ncxo|tr|67jv [j3aai)itiK] NtxopjSou [Eüep-
y£xoij o]i £cpyjߣuaavx£; [inl apy_ovx]o? Acox/iou?, [yujivaaiapJxoövxoc; [os lloa£:Swvöou? xo]0
r^poaxpaxou [Aa|tnxp£w;?] töv Eauxwv [£'j£py£x^v] AtcöXawvi . ['Eti! etuu-e/^xoCi — Jwpou xoö
<5 . . . . ou 2xEipt£0);, nach J. Kirchner kurz vor 91 oder 92 v. Chr.
Gilt letztere Inschrift seinem Sohne, so wird auf Nikomedes Euergetes selbst
1 l<i 2279 (0(il 3(0) bezogen werden dürfen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach
Eine Inschrift des Königs Epiphanes NiUomedes 77
ist mit Th. Reinach zu lesen: -- ßaocXeü)? Ntxo{nq8[ou] pE]öe[p]y[eT;]ou (statt xoO iyyövoo)
ßaoiXewg X:xo[it(5o'j 'Eracpavoö[s Aio]axoupt8rjg AtooxouptSou Tajivoöaiog yujivaotapx[<Bv xxX.
Derselbe Nikomedes mag es gewesen sein, der den Knidiern für Überlassung
der Aphrodite des Praxiteles ihre gesamten Schulden zahlen wollte (Plinius h. n.
VII 127, XXXVI 21 ; P. Wolters, Rhein. Mus. LVIII 154, H. Swoboda in E.Szantos
ausgewählten Abhandlungen 48). Ihm hat Skymnos sein geographisches Gedicht
(Geog. Gr. min. I 196) gewidmet, s. F. Jacoby, Apollodors Chronik 15.
Übersehen war bisher, daß, wie ich Jahreshefte X 21 bemerkt habe, auch
eine Inschrift aus Argos, IG IV 558 diesen König Nikomedes erwähnt, der Be-
schluß der Techniten zu Ehren des ZyjVwv 'Exaxoowpou, der als xa|uoe; zffi auvoocrj für
ein ßaü-pov der Bildsäule des Königs gesorgt hat. Leider ist der Satz Z. 23 ff.
nicht vollständig erhalten und M. Fränkels Herstellung: ETto^aaxo 3s x]r^v E~:|ii/.aav
xori ÜTtsp xoü xaxaaxsuwiHjva: ßäfrpov xrjt sixovc [vjjiöv xoö süsp-fExou] jiaaiXEü); Ntxopvr^ou;
xsd xfjj dvxxl-EaEwc xfj? efxövo;, [dEXXrjJg 3s xat xi[ji:wxEpag svxog xoü xsjii]voug, nicht völlig
befriedigend; insbesondere scheint die Ergänzung f;[xö)V nur durch zwei senkrechte
Striche veranlaßt, die Fränkel nach etxövt erkannt, Foucart aber nicht verzeichnet
hat. Der Beschluß erwähnt in Z. 7 ein 32. Jahr, das, wie längst erkannt ist, vom
Jahre 146 v.Chr. an gerechnet ist, und fällt demnach in das Jahr 1 15 oder 114 v. Chr.
Der König Nikomedes, dem die Techniten von Argos um diese Zeit ein Stand-
bild setzen, ist also eher als Nikomedes Epiphanes sein Sohn Nikomedes Euer-
getes, und wenn Th. Reinach in der delischen Inschrift Bull, de corr. hell. VI 337
aus dem Jahre 107 v. Chr. die älteste Erwähnung des Königs fand, ergibt der Stein
aus Argos, daß er schon um 1 1 5 v. Chr. zur Herrschaft gelangt war.
Die Beziehung dieser Inschrift aus Argos auf Nikomedes Euergetes ge-
winnt an Wahrscheinlichkeit, wenn sich die Weihung eines Standbildes dieses
Fürsten auch in Epidauros nachweisen läßt. Das Bruchstück einer Basis IG IV 1 135
(Chr. Blinkenberg, Nordisk Tidskrift III 168; J. Baunack, Philol. LIV 62) trägt
nach M. Fränkels Abschrift folgende Inschrift:
nach seiner Ergänzung:
Nr/.JojxTjSr) |3aa:X[sü)c X:xo[irr
3o]u 'EracpavoO;
<; 'ApXi^tpä[xou 'Etz'.oxü-
pio]? xöv aöxoö [awxfypa y£vo-
uevJov A7iöä[awv: 'Aax/.r(;iiüK
'l'y}iE'.a.i.
78 A. Wilhelm
Da nur der obere Rand als erhalten angegeben wird, scheint die Abteilung
der Zeilen nicht gesichert; auch mißfällt mir tov osötoö awufjpa yev6(isvov. Ich
schlage vor:
BaiiXia. Ntx]on^Sr] ßaaiXfewg
Ntxo[«j8o]u 'ETOcpavoö[?
Ap:ax65nju-o ?]c Apy_£axpä[xou
Tpoi^VlO?]? XÖV Ä'JXO'J [c£-
5 vov xac cpiXjov &it6X[Xü)vi 'Aa-
xAr;7u<ÄK Ty]ieiai.
Zu vergleichen sind die Inschriften aus Ilion, Troja und Ilion S. 471 n. 65
aus dem Jahre 12/1 v. Chr.: Auxoxpäxopa Kataapa freoö otöv ikßaaxöv äpytepsa xai
Sr^ap/t/.'^c £;o'ja:a; xö SwSexaxov Mc/.avi-T^or,; EOihjotxou xöv eauxoO £evov xai £'J£py£xr,v;
Ath. Mitt. IX ig aus Kyzikos, nach meiner Lesung Klio V 300 ebenfalls auf
Augustus zu beziehen: 07(u,ap-/_:x7jc EZO'j-jia; £?ax'.; Apisxavopoc Eöuivouc xöv sayxoO cevov.
und ein Stein aus Kos, Paton-Hicks 75: 'HpwSrjV rHpw2o'j xoO ,jaadlw; txöv XEXpäpy^v
<J>t').cov AyXaoü cpuaet oe Nixtovog xöv aGxoü ^evov xai cptXov. Trifft die Ergänzung £!vov
xai yilov oder, wenn ipcXov zu anmaßend scheint, £'j£pY£xr)V xa: ^evov, zu, so ist Niko-
medes Euergetes wohl an Ort und Stelle selbst Gast des Stifters des Standbildes
gewesen. Vielleicht darf übrigens in diesem ein Nachkomme des Apylaxpaxo;
Ap:axo5r;u^u erblickt werden, den die Inschrift IG IV 775 aus Trozen nennt.
Einen terminus post quem ergibt für die Thronbesteigung des Nikomedes
Euergetes der kürzlich in den Inschriften aus Priene 55 veröffentlichte Beschluß
des XOIVÖV xöv Twvwv für Dionysios, den Sohn des Ameinias, gewählten Priester
|jao'.X£w; ^S'.y.o\t.rfio-j 'E7u:pavoü? faoi\io)$ IIpGusiou. Der eponyme Beamte Apollodoros,
unter dem der Beschluß gefaßt ist, fällt nach Hiller von Gärtringen frühestens
128/7 v.Chr. Wird die Inschrift aus Argos richtig auf Nikomedes Euergetes be-
zogen, so ist zwischen diesem Jahre und 115 v.Chr. Epiphanes Nikomedes ge-
storben und Nikomedes Euergetes an seine Stelle getreten. Die Münzen, die
Th. Reinach, Revue numismatique III s. V 337 ff. und L'histoire par les monnaies
p. 177 ff. behandelt hat, scheinen eine nähere Bestimmung der Zeit des Thron-
wechsels nicht zu gestatten.
Die Inschrift im Piräusmuseum stammt also aus den Jahren 149 bis etwa
1 20 v. Chr. Sie nennt des Königs Namen in derselben Folge wie seine Tetra-
drachmen; nur eine Goldmünze zeigt wie die Steine IG IV 1135 und OGI 346
'Eracpav% nachgestellt: {jxtjäuk N:xopj3o'j; 'ETii-^avoOc. Die Inschrift nennt ferner
seinen Vater König Prusias II und als seine Mutter Königin Apame.
Eine Inschrift des Königs Kpiphanes Nikomedes 79
Das ist neu. Denn eine Apame galt bisher als Gemahlin des ersten Prusias,
des „Lahmen", der als Sohn Nikomedes I von 220 bis etwa 182 v. Chr. regierte
und Prusias den zweiten, den „Jäger", zum Sohne hatte. Nach Niebuhrs Vermutung,
Kl. Sehr. I 257, der die Neueren zu folgen pflegen (B. Niese, II 481 Anm. 7; J. Beloch
III 2,162), war diese Apame eine Schwester König Philipps V von Makedonien.
Polybios XV 22 bezeichnet nämlich Prusias I als v.fßEizi^ Philipps V. Aber das
Wort ist vieldeutig und kann ebensowohl den Schwiegervater wie den Schwieger-
sohn, den Schwager als Mann der Schwester oder als Bruder der Frau, selbst
den Stiefvater, schließlich jeden durch Heirat Verwandten bezeichnen. Auch be-
zeichnet Philipp bei Polybios XVIII 4 und Livius XXXII 34 seinen Anklägern
gegenüber Prusias nur als seinen Freund und Verbündeten. Als Philipp im
Jahre 202 v. Chr. einen Angriff auf die asiatischen Besitzungen des Ptolemaios
unternahm und sich zunächst gegen die griechischen Städte an den Grenzen des
bithynischen Reiches wendete, hatten ihm nämlich Streitigkeiten, in die Prusias
Kios zu verwickeln gewußt hatte, Anlaß geboten diese Stadt anzugreifen, zu er-
obern und zu zerstören. Sein Vorgehen gegen Kios wird ihm bei den Verhand-
lungen mit Flamininus von dem Vertreter der Aitoler, Alexandros, vorgeworfen:
yjpsxo yap xov <I>t'Xt7X7xov Stä t£ xxX. Ktavoi>5 *xX. jiex' AtxwXwv au|j.7r.oXtxsuouivou? sijavSpa-
TxoStaatxo tpikoc, U7idp-/tov AtxwXotj, und er verteidigt sich durch die Erklärung: Ktavor?
3' syw uiv oüx STwXsjirjcja, Ilpouatou 3s 7ioXsu.oüvxo; ßorjikov sxstvw auvststXov aiixo'j; 5[iöv
atxt'wv ysvouivwv; nach Livius: neque ego Cium expugnavi, sed Prusiam socium et
amicum expugnantem adiuvi. (Niese II 582 f.)
Nun erwähnt Strabon S. 563 in seiner Beschreibung der Küste der Pro-
pontis nach dem Golfe von Astakos den nächsten westwärts sv (J> üpoiKTtJcc; saxov
ij Kioc, npoxspov ovoiiocod-eiax- xaxsaxa4»s 5s xyjv Kt'ov *I>fXt7t7ioc; 3 AyjU.rjxptou aiv utc; IIsp-
asti); 31 7iaxrjp, s'Stoxs 3s Ilpoucta xw Zy;Xa auyxaxaaxdcjjavxt xa' xaöxrjv xaS MupXstav
äaxuyst'xova n6Xiv, TxXrjatov 5s xat Ilpoüar;? ourjav dfcvaXaßwv 3' sxstvo; sx xtöv spstmmv
auxä? ira)v6[i,a<jev a-f' lauxoö jisv Hpouata3a tc6Xw xtjv Kt'ov, tJjv 3s MüpXstav 'Aixajistav
aTiö xfj; yuvatxo;' oöxo; 8' saxtv 6 Ilpouatag 3 xat Avvtßav Se^ajievog äva-/iopf/<jxvxa SsOpo
[isxä xrjv Avxio/ou /;xxav xat xf^; stp' 'EXXtjotiövxw <I>puyta; avaaxäj xaxä auu-jjäast; to:;
AxxaXtxot? (vgl. B. Niese II 760 Anm., III 70 ff.). Nach Strabon, dem Hermippos aus
Berytos im Etym. M. folgt, ist somit Prusias I der Gemahl der Apame, und nicht
nur Kios, sondern auch das nahe Myrleia von ihm im Bunde mit Philipp erobert
und zerstört und später wieder aufgebaut worden.
In Widerspruch zu diesen Angaben Strabons steht eine Nachricht des Stephanos
von Byzantion. Er sagt über Myrleia: Ntxo^Srjs 3s 6 'E7U<pavr,c. llpcustou 3s jti; y.~i
xfjc PjXpö? A^ajtr^ Ar:d|i.siav wvojxaasv.
80 A. Wilhelm
Nicht Prusias, der Sohn des Ziaelas, dessen Brief an die Koer R. Herzog
Ath. Mitt. XXX 173 veröffentlicht hat, sondern Nikomedes Epiphanes, der Sohn
des zweiten Prusias, hat nach Stephanos der Stadt Myrleia den Namen Apameia
gegeben, und Apame war als seine Mutter nicht die Gemahlin Prusias I, sondern
Prusias II, seines Sohnes.
Diese Nachricht ist bisher allgemein verworfen worden, wie die Inschrift aus
dem Piräus lehrt, mit Unrecht. Ihrem Zeugnisse gegenüber läßt sich Strabons
Aussage schwerlich halten. Es wäre an sich möglich, aber doch auffällig, daß
der erste und der zweite Prusias eine Apame zur Gemahlin gehabt haben soll.
Jedenfalls erhält Stephanos Angabe, die Stadt sei von König Epiphanes Niko-
medes seiner Mutter zu Ehren Apameia benannt, unerwartete Beglaubigung
durch die neue Inschrift, die von einer anderen Handlung seiner kindlichen Liebe,
der Errichtung eines Heiligtumes seiner verewigten Mutter, berichtet. Wird so
in bezug auf die Uninennung ein Irrtum Strabons wahrscheinlich, so bleibt doch
der andere Teil der Nachricht, daß Myrleia gleich Kios von Philipp V im Bunde
mit Prusias I zerstört und dann Prusias übergeben worden sei, unverdächtig.
Denn von späteren Unternehmungen Prusias I oder seines Sohnes gegen Myrleia
ist nichts bekannt und schon die Lage der Stadt macht es glaublich, daß sie in
dem Kriege Philipps V das Schicksal des nahen Kios teilte. Freilich ist nur durch
Strabon bezeugt, daß Philipp und Prusias außer Kios auch Myrleia gemeinsam
zerstört haben. Die Nichtberücksichtigung von Myrleia in den Beschwerden
der Aitoler bei Polybios XV 23 kann aber darauf zurückgeführt werden, daß
Myrleia nicht wie Kios mit ihnen durch eine Sympolitie verbunden war, und
wenn sich in den erhaltenen Bruchstücken des Polybios, der XV 21 die Er-
oberung von Kios beschreibt, Myrleia überhaupt nicht erwähnt findet, so ist nicht
zu vergessen, daß dieser Teil seines Werkes in Auszügen vorliegt. Knüpfte
sich die Erinnerung nicht nur der Zerstörung, sondern auch der Erneuerung von
Kios-Prusias an den Namen Prusias, nämlich wie die Inschrift aus Kios OGI
340: [Ilpouata; ßaot]XeJ»s KaXXtvsixog xttoxijs tvj; n6Xeu); zeigt, Prusias I, so lag es
nahe, diesem Prusias auch den Wiederaufbau von Myrleia-Apameia zuzuschreiben
und die Änderung des Namens der Stadt als eine Aufmerksamkeit gegen
seine vermeintliche Gemahlin, zu deuten, denn eine solche war wenigstens
für die spätere Zeit der Regierung Prusias II unwahrscheinlich. Die Zärtlich-
keit des Verhältnisses zwischen Mutter und Sohn, die der Stein aus dem
Piräus bezeugt, wird auf der Höhe der schlechten Beziehungen gestanden
haben, die zwischen Vater und Sohn und sicherlich schon zwischen den
Eine Inschrift des Königs Epiphanes Nikomedes 8l
Gatten herrschten. Nach Justin XXXIV 4 hatte Prusias eine zweite Ehe ein-
gegangen — ob seine erste Frau verstorben oder verstoßen war, wird nicht
gesagt — und suchte zugunsten seiner jüngeren Söhne den rechtmäßigen Thron-
erben Nikomedes aus dem Wege zu räumen: „eodem fere tempore Prusias rex
Bithyniae consilium cepit interficiendi Nicomedis filii quem a se ablegatum,
studens minoribus filiis quos a noverca eius susceperat, Romae habebat". Schließ-
lich ist er, zeitlebens ein jämmerlicher Feigling, von allen den Seinen verlassen,
auf seines eigenen Sohnes Nikomedes Befehl umgebracht worden. Daß Prusias II
König Perseus Schwager war, bezeugen Livius XLII 12, 29 und Appian ihfrp. 2.
In der Rede, die Eumenes vor dem Senat hält, sagt er von Perseus: „inter
ipsos quoque reges ingentem auctoritate esse; Seleuci filiam duxisse eum non
petentem, sed petitum ultro, sororem dedisse Prusiae precanti atque oranti,
celebratas esse utrasque nuptias gratulatione et donis innumerabilium legatio-
num et velut auspicibus nobilissimis populis deductas esse". Diese Hochzeiten
haben bald nach Perseus Thronbesteigung stattgefunden (Niese III 100) 178 v. Chr.
Den Namen eines -urfitairffi Prusias des I. würde König Philipp auch dann ver-
dienen, wenn er seine Tochter dem Sohne des Freundes in zartestem Alter ver-
lobt, die Hochzeit aber nicht erlebt hätte; unzweifelhaft setzt aber ein unbe-
fangener Leser von Polybios Bericht IV 22, 2: rö 5' svavTia toüxoic, oü xaÖ-swpa
•/.ctintp Svra Ttpo^avr), iipwiov uiv w^ oux äSixoujiiv«, 7Tapaa7iov2oövxt ok xS> xr}8ecrqj
xou; tcAä; sßo^O-st. (nämlich <&ilnnzoq) schon für jene Zeit (202 v. Chr.) ein engeres
Verhältnis voraus, das zu bestimmen uns leider die Mittel fehlen. Der Name
dieser jüngeren Schwester des Perseus, der ungefähr 213 v. Chr. geboren war
(J. Beloch, Gr. G. III 2, 97), wird uns erst jetzt bekannt; ich vermag ihm keine
weiteren Aufschlüsse abzugewinnen; der Name scheint zunächst in das Haus der
Seleukiden zu weisen, doch hieß Apame z. B. auch die Tochter des Makedonen
Alexandros von Megalopolis (Sylloge 254), die Gemahlin des Amynandros. Über
die Herkunft der Mutter des Perseus, Polykrateia, hat Beloch autgeklärt. Leider
ist in der Inschrift aus Panamara Bull, de corr. hell. XXVIII 354 Z. 9 f. Philipps V
Gemahlin nicht namentlich genannt.
In ihrer Fassung stimmt die Inschrift überein mit der bekannten Weih-
inschrift einer Synag-oge OGI 129: Baa;Xa>; HzoXs\imoq Eöepye'njS tJjv 7tpoasu/f;v
äauXov. Sehr zu bedauern ist, daß jede Angabe über ihre Herkunft fehlt. Ein
Heiligtum, das dem Andenken der Mutter des Königs geweiht war, liegt es am
nächsten in dessen Reich selbst zu suchen, oder, wenn außerhalb, in der Heimat
oder sonstwo an einem Lieblingssitz der verstorbenen Königin. Die Möglichkeit,
Jahreshefte des österr au-hliol. Institutes Bd. XI- II
82 A. Wilhelm
daß der Stein von einem Orte der Küste Bithyniens oder von benachbarten
Gestaden nach dem Piräus verschleppt wurde, ist umsoweniger zu bestreiten,
als mehrere Inschriften aus Perinthos-Herakleia ihren Weg in- dasselbe Museum
gefunden haben.
Wien. Juli 1907. ADOLF WILHELM
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros
319/8 v. Chr.
i. Die von G. F. Unger, Philol. XXXVIII 450 ff. vorgeschlagene Ergänzung
der auf S. 83 (Fig. 5) abgebildeten Inschrift IG II 299 b hat zu Folgerungen
für die Zeitgeschichte Anlaß gegeben, welche neue Urkunden als hinfällig er-
weisen. Nach G. F. Ungers Herstellung lauten die Präskripte :
'Etic !Ä.7roXX]oS(i>pou äpyovxoc, Ssuxsfpo-
v. ävaypa]cpeio£ 5s 'Emxoöpou tou ll[xyjj-
to; Hp'.a- oder <t>uXa]aiou, £~i zfjc, ETavStofvtSog s-
xxkjs rcpjuraveias, Mouv.-/;iov[o; sixa-
5 Si, 7tE|i7TC- oder SßS6{i- oder OExaxJEi Tfjg Tcpuraveiag- [ixxXrjaf-
a £v xC<y. 9-£x|xpojf xwv rcpol[5p<ov £ne<|r^-
'.f.vcv NJixcou Opsfäpptog- s8o-
£ev töx otju.uk- -]g 'Ax[- (Srj[ioxixiv) efrcev xxX.
Demnach wäre die Prytanie Pandionis im Jahre des Archon Apollodoros.
319/8 v. Chr., im Munichion, dem zehnten Monate des attischen Jahres, die sechste
im Amte gewesen; der Lücke entspricht in der Tat nur die schon von U. Köhler
eingesetzte kürzeste Ordnungszahl. Aus dem Zusätze 8eöxepo[v] zu dem Namen des
Archon und aus der Gleichung des Monatstages und des Tages der Prytanie
schloß G. F. Unger, daß im Laufe des Jahres eine neue Verteilung unter die
Prytanien stattfand, die sechste der neuen Prytanien zwischen dem 11. und 16.
Munichion begann und die ersten fünf neuen Prytanien ungefähr gleiche Dauer
hatten, wie die fünf letzten, für die seiner Meinung nach 103 bis 108, wie E. Spangen-
berg. I >e Atheniensiüra publicis institutis aetate Macedonum commutatis (Halle 188 1)
p. 8 erkannt hat, nur um 77 Tage verblieben; der Zusammentritt des neuen Rates
sei somit in der Zeit um den 21. (lainelion bis 2. Anthesterion, also wahrschein-
Beschlüsse Her Athener aus dem Jahre des Archon Apulloduros 319/8 v.Chr.
83
lieh am i. Anthesterion, erfolgt, nach einer konstituierenden Versammlung', den-n
Mehrheit soeben mit Polyperchons Heer in die Stadt gekommen war; auch aus
anderen Gründen sei die große Staatsumwälzung jedenfalls zu Ende Winters vor
sich gegangen.
Bedenken gegen diese Ergänzung und G. F. Ungers Schlußfolgerungen hat
Ad. Schmidt in seinem Handbuche der griechischen Chronologie S. 590 geäußert
und gezeigt, daß durch die Einsetzung einer um eine Stelle längeren Ordnungs-
zahl, £vax7}£, sich die Übereinstimmung mit den Kalendern eines Schalt- oder auch
eines Gemeinjahres erreichen lasse; er hat aber zugleich, ohne sieh für ein anderes
ö' ■ Ci
5: Inschrift IG II 229 b.
Jahr zu entscheiden, und mit Unrecht, die Beziehung der Inschrift auf das Jahr
des Archon Apollodoros in Zweifel gezogen. Diese ist nachträglich auch von
U. Köhler (Philol. XXXVIII 451 und zu IG II 5, 299 c) anerkannt worden und
durch das in der ersten Zeile deutliche Lambda des Namens AOAAI OY gesichert
(die Rho sind nur als senkrechte Striche eingehauen, wie auch statt Alpha und
Delta mehrmals bloß A, statt Epsilon C eingehauen ist) ; durch eine zufällige Ver-
letzung getäuscht, hatte U. Köhler vor OA.QI OY statt des A ein I verzeichnet.
Immerhin mögen Ad. Schmidts Einwände B. Niese bewogen haben, in seiner Dar-
stellung der Geschichte des Jahres 319/8 einen Verweis auf die Inschrift II 299 b
zu unterlassen. Dagegen hat J. Beloch auf sie Bezug genommen und in seiner
Griechischen Geschichte III 1 S. 104 bemerkt, daß sich aus G. F. Ungers Er-
gänzung die Zeit der Absetzung- des Phokion ergebe, der später, am 19. Muni-
84
A. Wilhelm
chion. hingerichtet wurde. Auch A. Mommsen setzt Philol. LXIII 172 die Wahl
des suffectus in den Gamelion.
Daß die Urkunde, wäre ihre Zeit nicht durch die Erwähnung des ävaypa-jj;
bestimmt, der Schrift nach jünger erscheinen würde, hat bereits U. Köhler be-
merkt. Es ist lehrreich, die verschiedenen Hände zu vergleichen, welche die in
dieser Abhandlung bespro-
chenenSteine aus denjahren
322 bis 318, insbesondere
die aus dem Jahre 319/8,
zeigen. In die Jahre 3 2 1
bis 319 gehört übrigens
auch, der Erwähnung des
Königs, des Antipatros
und der anderen Make-
donen wegen (vgl. unten
S. 90), der von mir Urk.
dram. Auff. S. 2 1 o veröffent-
lichte Beschluß, der dieselbe
Hand wie IG II 1 0 1 aus dem
Jahre 32 errät Ganz
besonders nachlässig ist der
Beschluß IG II 5, 22
S .4^ eingezeichnet; doch
überrascht schon der Ver-
trag der Athener mit den
Mi'sseniern IG II 5, 114 c
aus dem Jahre 343 2 v. Chr.
durch die Flüchtigkeit und
Häßlichkeit der Schrift.
Vor kurzem ist mir
ein neues Bruchstück von
f> : Beschluß aus der sechsten Prytanie des Jahres Jig S v. Chr.
Präskripten aus dem Jahre de> Archon Apollodoros, und zwar aus der sechsten
Prytanie, bekannt geworden.
2. Bruchstück einer mit einem Giebel versehenen Stele weißen Marmors
o-205m hoch, wovon 01 J51" auf den mit einem erhabenen Schilde gezierten Giebel
und auf Leiste und Kyma entfallen, 010'" breit. 0-09 m dick: z-.v.yifii-i 29), Buch-
stabenhöhe bis 0007 m; Zeilenabstand o-oi4m ^Abb.
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 319/8 v. Chr. 85
Da der Stein dieselbe oder eine ganz ähnliche Hand zeigt, wie die nach-
stehend veröffentlichte Urkunde aus der achten Prytanie des Jahres, ist der Archon
Apollodoros sicher der des Jahres 319/8, nicht etwa sein Namensvetter 350/49 v.
Chr. Der Umstand, daß die Spitze des Giebels erhalten ist und das Wort Qzoi
die Mitte über der Überschrift einnahm, erlaubt die Zahl der Buchstaben, die
rechts und links von den erhaltenen fehlen, auf Grund der Ergänzung des Ar-
chontennamens zu bestimmen: es ergibt sich, daß 29 Buchstaben in der Zeile
standen und der Name der Prytanie nicht Uavoiovtc gewesen ist, sondern einer der
beiden kürzesten Phylennamen Atyijtg oder OJvrji?. Es ist somit zu lesen:
Seoi .
üpoijevjta 'A|.iuvx[
Er.l 'ATCoXJXoSwpou 8.[pypvxoq inl tvj; .
. . . 1805] &ITHJS ;c[puxaveia£ xxX.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Beschluß dem Amyntas, Sohn des
Alexandros und Bruder des Peukestes gilt, der nach Arrian zu den Leibwächtern
des Philippos Arrhidaios gehörte (x<& u.sxä 'AXs^avopov 38) s. übrigens auch Bull, de
corr. hell. XXIX 447.
Somit wird man in den Präskripten II 299 b, in denen der Name der Phyle
IIocvSoovc's erhalten, aber die Zahl der Prytanie verloren ist, nicht mehr exxtj; er-
gänzen dürfen, sondern annehmen müssen, daß auf dem Steine entweder in dem
Namen der Phyle oder in der Zahl der Prytanie eine Störung der aTo:/r(5öv- Ord-
nung vorliegt. Ergänzt man, wie schon Ad. Schmidt vorgeschlagen hat, ev<£t»js,
so sind die Ergänzungen hd xrjg EIavSio[vtSog (vermutlich Nl oder IA auf dem Raum
eines Buchstaben) ivcJxrjg rcp]uxave£ag, Mouvtxi<5v[og sr/.ao:, -£ujix]si oder £ß86|i]ei xfjs
Tipuxaveca; möglich und mehr oder weniger im Einklänge mit dem gewöhnlichen
Kalender der Zeit der zehn Phylen. Eine neue Verteilung der Prytanien im Laufe
des Jahres 319/8 scheint sich aus dieser Inschrift demnach nicht zu ergeben. Daß
eine solche nicht stattgefunden hat, beweist zwingend eine neue Urkunde aus
der achten Prytanie und dem Monat Elaphebolion desselben Jahres.
3. Bruchstück einer Stele weißen Marmors mit Giebel, o'igs™ breit, 0-235"'
hoch, 0-075 m dick, links Rand; axoiyjftbv (29), Buchstabenhöhe o-oo6,u, Buchstaben-
abstand o-oi3 bis o-oi4m, Zeilenabstand o-oi3m; in römischer Zeit sind über der In-
schrift des vierten Jahrhunderts mit großen Buchstaben die zwei Zeilen CÄA und
APIC roh eingehauen worden (Abb. 7 S. 86).
86
A. Wilhelm
~l'.]r.: 'Ara)XXoo(i)pou [xp^ovxo; /.%'. ävay-
p]a[cpe]ü)<; EüxäSjiau [KoÄÄ'jxlwc, iitl xfjs
'EpeYjfl'eiSos öySö[rjs icpuraveiae; et $-
tXjoxT^jiwv K»jifto[teös £ypajjtjjia-c£ij£-
5 v,] 'EXacp>jßoXtö)vo[s evet xa! via:, [licet
xai etxoaxeE ir)[g Tip'jxavEÖac- xöv np-
o[eS]pü)v ETC6(jnjcp[t^ev
Ä[v;Ö-£jV iSo^efv xön §7J|M0t'
g [Xix]o[axp]ä[xou? efrcev £-:
£'.[§T; xxX.
7: Beschluß aus der achten Prytanie des Jahres 3I9/8 V.Chr.
Die Ergänzung des Tages ist die einzig mögliche: die Rechnung ist für den
letzten Tag des Elaphebolion: 4.30-1-4.29 + 30 = 266; für den 21. Tag der
achten Prytanie 7.35-1-21 = 266. Den sieben ersten Prytanien sind somit je 35
I age zuzuschreiben, und auch in diesem Falle haben die ersten vier Prytanien
nicht, wie nach Aristoteles rcoX. 'AS-. 43, 2 zu erwarten stände, 36 Tage gezählt
(vgl. \V. Dittenberger zu Sylloge 161 Anm. 4; Urk. dram. Auff. S. 220; im allge-
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 319/8 v. Chr. 87
meinen A. Schmidt, Chronologie S. 233 h0.). Für die Präskripte IG II 229 b ergibt
sich von dieser Gleichung aus die Ergänzung Mouvi^rtövog EixaSi - - es ist, wie
schon G. F. Unger, nur bezüglich der Zahl der Prytanie irrend, erkannte, der Tag
nach Phokions Hinrichtung - - 7I£|j.7it[ei xf;; Tcpuiavetas; 5 . 30 -+- 4 . 29 + 20 = 7 . 35
+ 36 + 5 = -86; das Jahr begann mit einem vollen Monat und den beiden letzten
l'rytanien müssen je 36 Tage zugekommen sein, der letzten 37. Der 7tpo£5pos wird
übrigens ein Sohn des Ntxioc; <t>p£appoo? sein, der im Jahre 330/29 v. Chr. Diaitet
war IG II 941, und vermutlich den Namen seines Vaters geführt haben, denn
vor Nixc'ou ist in Z. 7 gerade für sechs Buchstaben Raum.
Ein Ei>xa5|-u5irj5 ist Antragsteller eines Beschlusses der KoXXutcIs, der nach U.
Köhler in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts gehört, IG II 586; das De-
motikon füllt die Lücke, die nach dem Namen EuxaS[iou in Z. 2 bleibt; der äva-
Ypacfsü; wird sein Sohn oder sein Vater, oder allenfalls Eüxa3|u'5r^ selbst sein,
wenn man Verwendung längerer oder kürzerer Namensform zur Bezeichnung
einer und derselben Person annehmen will (Urk. dram. Auff. S. 133 und 250;
Hermes XLI 73; E. Reisch, Jahreshefte IX 211). Auf Grund meiner Mitteilungen
über die Inschrift hat E. Reisch, Jahreshefte IX 207 diesen EöxaSjios und Eüxao-
uiSrjs aus Athen erwähnt und über Beziehungen gehandelt, die sie möglicherweise
mit dem Künstler Eöxaouoe aus Athen verbinden; dieser wird von Pausanias X
16, 4 als Lehrer des Bildhauers Androsthenes von Athen genannt, der als Nach-
folger des Praxias den Giebelschmuck des Tempels in Delphi vollendet hat.
4. Der ävaypacpsu; der achten Prytanie des Jahres des Archon Apollodoros
begegnet in gleicher Eigenschaft auch in einer anderen unveröffentlichten Urkunde
aus der siebenten Prytanie.
Bruchstück einer Stele weißen Marmors, wie die übrigen Steine, die ich in
dieser Abhandlung bespreche, in der Inschriftensammlung des Nationalmuseums
zu Athen aufbewahrt, o-i-]^m breit, im Ganzen 0-305'", im Schriftfelde 0-265'"
hoch, am Rande rechts 0-07™, sonst o-o8"' dick; aio'.yjßov (23), doch sind die Buch-
staben in den beiden ersten Zeilen weiter gestellt (vgl. Jahreshefte X 32) und
ihrer um zwei weniger als in den folgenden; in Z. 10 nehmen fünf Buchstaben
den Raum von vieren ein; Buchstabenhöhe o-oo6m, Abstand otm i"1, Zeilenabstand
0-013 bis 0-015"' (Abb. 8 S. 88).
In diesen Präskripten erscheint der dvaypa^E'j; erst nach dem ypa[i|iai£ij;:
beide sind im Nominativ genannt, genau so eingeschoben wie ävccYpoKpebg \rt\i.o-
xpatr;; Arj|jtoxpa"cou KuSa-ÖTjvaceu? IG 11 (.08. Sonst steht der ävaypacpeüs an erster
Stelle, entweder wie in einer Überschrift: ävaypacpsös 6 osöva. so in den Urkunden
88
A Wilhelm
J:
i
Eni 'AuoXXoSwpjou x[s-/ovxo-
S £7ii xtJ; £J3§6]u7,; rc[purave-
:'a;- ypxjiuaxs'j]:: Acp6ß7}ro[s Ko-
8*)xiStjs" ävayp]a<pel)s Eöxa[8|i-
5 o; KoXXuxeüg" SJnijaiae; X:w[vc-
8ou fjog £:~iv xyx[f>-
■/,: ~;y/'<;. xoO Sjrjuou toö AJhjva-
iwv -£p: wv IloJX'j-lpywv £~£<rc-
xosXxev ~£pi SJcovtxou xa: Eü[x-
io Xeou; c~w; av] AJhjvaibc ysvwv-
xat xac efrtotpajt'vsi aüxou? Ho-
X'JTtEpjrwv ~£pi] xöv ov;jj.ov x[ö]v
'.V ihrjvauüv eövojug Svcag xa! --
E-OTjXÖta; xyxjiröv ox: jjSöva-
; vro x]a: 'Ep[aai]-rto;
xa! üavt[i(i)]v? A
Reste einer letzten Zeile
8: Beschluß aus der siebenten Prytanie
des Jahres 319/8 v.Chr.
IG II 191. 192. 192 b. 192 c (für den Nominativ vgl. apywv E&d-tog IG II 314 b
und y.y/f>~' Hu&apaxo? am Kopfe der von Plutarch im Leben der zehn Redner
p. 851 d mitgeteilten Eingabe des Laches, F. Ladek, Wiener Studien XIII 67; YP^r1"
[laxe&s Auahxq Auo — II 66 b), oder er ist in der Datierung hü /.xX. mit dem Archon
verbunden, und zwar durch xai in der Urkunde oben S. 85, durch 31 II 299 b. ihm
vorangestellt II 226. Durch Annahme einer entsprechenden Verbindung- von
Archon und Schreiber in der Datierung wird auch die zweite Zeile der Inschrift
[G II 302 verständlich, die sich bisher der Deutung entzogen hat Daß V. Köhlers
Beschlüsse der Athener aus rlem Jahre des Archon Apollodoros 3'<l,'8 v. Chr. 89
Ergänzung fE-]: 'OX[ujJi]m[o]8(j)po[u ap|*/o[yxo;, 6 o£fva — cp]6[po-j M]e[Xi]i[eOs? £Yf*7-!'-~
•iäx£U£v, von ihm selbst ausdrücklich als zweifelhaft bezeichnet, mit den erhaltenen
Resten schlechterdings unverträglich ist, habe ich auf Grund etwas vollständigerer
Lesung des sehr beschädigten Steines W. S. Ferguson, The Athenian secretaries
p. 50 mitgeteilt, der das Demotikon MsXixsö; als der von ihm ermittelten Abfolge
der den Schreiber stellenden Phylen widersprechend verwerfen mußte. Ich zweifle
jetzt nicht, daß in diesen Präskripten zu lesen ist: ['E~]: '0[Xu{i]ra[o]S(5)po[u
ä'p]/o[vTo; xx: Ypx,.i|.iax£ü)s (oder ypa|j.|iax£w; ok) ... 8d>]po[u (oder .... Sw]po[u) xo]0
aE[ic](xeXou; z. B. 'OfTpuvetwg oder [07]|xax£LCi)£ hd xvjg 'IuTcoS-wvxtJSo; 0£xax7j; -xpuxxvEiag
xxÄ. oder 'EraxeXou .O (Demotikon von mindestens 10 Buchstaben).
Der Name der Phyle fehlt; das Demotikon des Ypaji|ixx£jc zeigt, daß in
dem Jahre des Archon Apollodoros die siebente Prytanie die Oineis war, denn
dieser ypocfUiaTSÜs neben dem ävaypacpeög ist stets der Prytanie entnommen und
wechselt mit ihr (W. S. Ferguson a. a. O. p. 42; J. Penndorf, Leipziger Studien
XVIII 177).
In den Präskripten des neuen Beschlusses aus der siebenten Prytanie des
Jahres 319/8 fehlt die Angabe des Tages der beschlußfassenden Versammlung,
des die Abstimmung leitenden -po£Opo; und die Formel eSoljev xxX. Der Schreiber
'Acpoßrjxog gehört seinem Namen nach sicher in das dem Demos der KothüXt'Scu zuge-
teilte Haus der Axpou-Tjxo; und °Acp6ß7jros, aus dem der Redner Aischines stammte.
Ist es dessen jüngster Bruder (n. x. rocpx-p. 1 \q), so muß er im Jahre 319/8 schon
ziemlich betagt gewesen sein; es könnte aber auch der uns bisher nicht mit
Namen bekannte jüngere Sohn des Aischines sein. Jedenfalls ist das Erscheinen
eines Mannes aus diesem Hause der Zeitumstände wegen beachtenswert. Der
Antragsteller scheint sonst nicht bekannt. Veranlaßt ist der Beschluß durch eine
Botschaft Polyperchons; die Formel, mit der auf sie Bezug genommen wird, hat
mir kürzlich Jahreshefte X 34 die bisher mißverstandenen Präskripte IG II 130
herzustellen erlaubt. Der Stein bringt ein neues Zeugnis für die aus Inschriften
und Papyri bekannte richtige Form des Namens (Dittenberger zu OGI 4
Anm. 14; O. Hoffmann, Die Makedonen S. 156; übersehen ist eine Inschrift aus
Bithynien Bull, de corr. hell. XXIV 384 und aus Panamara Bull, de corr. hell.
XXVIII 351.)
5. Über die Absichten, die in jenen Zeiten die Athener bei der Verleihung
von Auszeichnungen leiteten, belehrt das Bruchstück eines etwas älteren Be-
schlusses (o-2i5m breit, 0-13'" hoch, o-oo'" dick, allseits gebrochen: 3x077,00725,
Buchstabenhöhe 0*007 m, Abstand O'0 16 m, Zeilenabstand 0*015 bis o-oi6m, ebenfalls
lalireshefte des osterr. arehäol. Institutes Bd \l 12
gO A. Wilheln
in der Sammlung des Nationalmuseums zu Athen (Fig. 9), das ich auf 25 Buch-
staben mit willkürlicher Abteilung der Zeilen folgendermaßen ergänze:
9: Beschluß zu Ehren
von Makedonen.
£2o]Esv tCm Si^|iü)i:[
.... pajxou Aau.7xxpsü[; efrcev* oiz-
wc av u>]c, nkelaioi xmv [xs aXXuv M-
axeS6v]ü)v xod 'AvtforacTfpos xsxc-
5 [xrjjievojt utxö xoö 5irju.au x[oö 'Affyv-
aüov EÖe]pyexöatv xr^v <rö[Xiv xrj-
V 'Atbjvafjwv ayaiH/t x[u-/jrji ozoöy-
ite tök OTj]|iw[t xxX.
Da ein in der ersten Zeile nach dem Doppelpunkt erhaltener Rest auf einen
Buchstaben wie A oder A deutet, kann der Antragsteller nicht der OcXourjXog
A.a|MCtpe6g sein, der nach Plutarch im Leben des Phokion 32 im Jahre 318 angesichts
der Vorbereitungen, die Nikanor zur Besetzung des Peiraieus traf, augenschein-
lich als Sprecher jenes Teiles der Bürgerschaft, der zu Nikanor weniger Vertrauen
hatte als Phokion, den Antrag gestellt hat 'AÖ^vaiou; aracvxac; ev xolc, Srtkoiq sivai y.a:
xw axpaxTjYw <S>cox£b)Vt npoaiy&iv. Die Erwähnung des Antipatros und die Begründung
']■ Beschlusses, die die Abhängigkeit Athens von den makedonischen Macht-
habern nur zu deutlich verrät, weisen in tue Zeit nach dem unglücklichen Aus-
gange des lamischen Krieges und dem Friedenschlusse, Herbst 322 v. Chr., und
vor Antipatros Tod, der der parischen Chronik nach im Jahre des Apollodoros
31g 8, nach Droysen zu Anfang, nach G. F. Unger im Sommer des Jahres 31g
erfolgt ist (Ath. Mitt. XXII 195). Der Beschluß scheint vornehmlich Antipatros,
außer ihm aber auch anderen vornehmen Makedonen gegolten zu haben. Als
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archun Apollodoros 3 1 9/8 v. Chr. 91
Gesandter war Antipatros schon im Jahre 346 mit Parmenion und nach der
Schlacht von Chaironeia in Athen erschienen, und die Athener haben nicht ver-
säumt, ihn auszuzeichnen: 'AXxtjia-^ov xai 'Avuiracxpov Aflnjvafous xa: upoJjevou; Stomj-
aäfiefra sagt Hypereides in der noch bei Lebzeiten König Philipps gehaltenen
Rede xaxä Ar^iaSou zapavöpjv (Bruchstück 77). Da Bürgerrecht und Proxenie in
jener Zeit nicht zusammen verliehen wurden, hat H. Sauppe, De proxenis Atticis
p. 14 'AXxfj-iay&v xad 'AvxiTxaxpov, <o 'ASbjVafot, rcpo^evoug STioirjaa|i£1)'a lesen wollen und
J. G. Schubert, De proxenia Attica p. 07 hat zugestimmt; mir scheint die Rede-
weise, wenn auch sonst nicht nachgewiesen und von Seiten der handschriftlichen Über-
lieferung nicht völlig gesichert, doch begreiflich. Welcher der beiden Männer zum
Bürger von Athen, welcher zum Proxenos gemacht worden, hat der Redner nicht
ausdrücklich sondern wollen; da sie seinen Gedanken als Einheit erscheinen, faßt er
auch die ihnen verliehenen Auszeichnungen zusammen, vermeidet daher die individua-
lisierende Einzahl AJbjvafov xa! rcpoljevov und sagt, mit der höheren Auszeichnung
beginnend, 'A^-rjvaioug xod ii:p&?evouj, um auszudrücken, daß der eine Bürger von Athen,
der andere Proxenos geworden sei; das Mißverständnis, es seien beide Bürger von
Athen und zugleich Proxenoi geworden, war für zeitgenössische Athener ausge-
schlossen. Von einem Beschlüsse zu Ehren des Alkimachos aus dem Jahre 337/6
ist noch ein Bruchstück erhalten IG II 123; bezöge sich, wie man bisher annahm,
die Inschrift II 227 auf denselben Alkimachos, so würde ihm damals die Proxenie
und im Jahre 333/2 das Bürgerrecht verliehen worden sein, das der zur Zeit des
dvaypacpeus gefaßte Beschluß erneuert. IG II 227 gilt aber, wie soeben auch A. Körte,
Rhein. Mus. LXI 47g bemerkt, einem AXxi[iayo; AA äxrjs,
während jener Alkimachos Makedon und nach Arrian Anab. I 18, 1 Sohn eines
Agathokles, ein Bruder des Lysimachos aus Pella war, dessen Namen Sintenis
denn auch statt des überlieferten 'Avxfyia/ov und AAxtu.a-/ov bei Arrian I 18, 1 aus
VI 28, 4 einsetzen wollte. Somit hat der Beschluß IG II 227 mit dem Makedonen
Alkimachos überhaupt nichts zu tun. Einen Sohn dieses Alkimachos erkennt P.
Graindor, Bull, de corr. hell. XXVIII 316 in dem Proxenos der Ieten A6[aOT]w>s
'AXx'.[jia)(Ou MaxeS«J)V, der unter ausdrücklicher Erwähnung der Verdienste seines
Vaters durch den Beschluß Bull, de corr. hell. XXVIII 313 belobt wird; vgl.
Hiller von Gärtringen, Inschriften von Priene S. 205 zu Zeugnis 470. A. Schaefers
Vermutung (Demosthenes III 32), der von Demades ebenfalls im Jahre 337/6 be-
antragte Beschluß über Verleihung der Proxenie IG II 124 (Sylloge ! 110) gelte
vielleicht dem Antipatros, scheint durch die Reste, die von dem Namen in dem
begründenden Satze geblieben sind, ausgeschlossen. Ist meine Deutung der Hyper-
92 A. Wilhelm
eidessteile richtig, so hat Antipatros schon nach der Schlacht von Chaironeia
das Bürgerrecht erhalten. Zu Z. 4 f. vergleiche ich den letzen Satz des Beschlusses
für Oxythemis IG II 243: Siaaq 8v reripjfjlvog Gtiö toö Syju.o'j itpdvcet y.t. 0-sp träv ir.-
tieojv tcöv ai/j>aÄo')Tü)v waav ü^sp tioXitöv 3 u av 57toXa|ißdv£C au[i<p£peiv aOtot; dz (jwrrjptav.
6. Die vorbesprochenen Inschriften zeigen, daß in dem Jahre des Archon
Apollodoros während der siebenten und achten Prytanie Eukadmos von Kollytos,
während der neunten Epikuros ävaypatjsu:: war; daß Epikuros dieses seines Amtes
auch während der zehnten Prytanie waltete, lehrt, nach G. F. Ungers richtiger
Ergänzung S. 452, IG II 226:
'Etc: c&vaypa[cpiü>£ 'Eraxoupou toö Uzyi-.oc Bp-.a- oder <&oXaa? tou, i~l (oder zxi ?)
"A-]o/.Äo5wp[o'j apyovio; Ssöxepov, I;:: r/(; ico;
oejxäxrjg repfuTavetag
Der Wechsel des dvaypa'f su; hat sich nach dem 2 1 . Tage der achten Prytanie,
dem 30. Elaphebolion, und vor dem fünften Tage der neunten Prytanie, dem 20.
Munichion vollzogen, also kurz vor Phokions Hinrichtung, die am 19. Munichion
stattfand; einer seiner Ankläger war nach Plutarch der neue dvaypoKpeös Epikuros
(Phokion 38). Daß im Laufe des Jahres eine neue Verteilung der Prytanien vor-
genommen worden sei, ist durch die gesicherten Tagesangaben widerlegt; umso
beachtenswerter ist, daß der Archon in den drei Urkunden, die aus der sechsten,
siebenten und achten Prytanie erhalten sind, mit bloßem Namen, in den zwei Ur-
kunden aus der neunten und zehnten mit dem Zusätze Seöxepov erscheint. Eine Neu-
wahl des Archon hatte schon G. F. Unger aus diesem Zusätze erschlossen, ihre Zeit
aber nicht richtig bestimmt, weil er sich bei der Ergänzung der Zahl der Prytanie
durch die oxoiy^Söv-Ordnung gebunden hielt und aus §xxrjs im Munichion den Zu-
sammentritt eines neuen Rates und Neubesetzung der Amter am 1. Anthesterion
folgern zu müsssen glaubte. Jetzt ergibt sich, daß der Archon Apollodoros nach
seiner Wiederwahl und der ävaypx'^cuj Epikuros frühestens am 1. Munichion des
Jahres 319 v. Chr. ihre Ämter angetreten haben. Sicherlich ist es nun nicht Zu-
fall, daß Polyperchons Edikt Diod. XVIII 56, 5 über die Wiederherstellung der
Verfassungen die -piaxa; des Ixv5;-/.ö;, den 30. Elaphebolion des attischen Kalenders,
den letzten Tag des dem Munichion vorangehenden Monates, als den Tag be-
zeichnete, bis zu dem die Verbannten heimgekehrt sein sollten. Ihre Rück-
kehr erfolgte unter dem Schutze der Heeresmacht, mit der Polyperchons Sohn
Alexandros in Attika erschienen war. Während er, in der Nähe des Peiraieus
lagernd, mit Xikanor, dem Herrn des Peiraieus und der Munichia, ohne Zu-
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 319/8 v. Chr. 93
ziehung der Athener verhandelte, fand alsbald in Athen die Volksversammlung
statt, von der Diodor XVIII 65, 6 berichtet: 0 oe 5fj[xo; ei; Ixxkipfa» auveXOxbv
xxc, [ilv üTiapyoüaas «PX*? xatiXuaev, ex ok xöv SujjiOTOMOTaTWV xa äoyy.x y.T.-y.rjxi^-/.;
xoü; er.l xfjs öXifa.p-/J.ot.Q Y£T0V°xa? «pX0V'ca? JwrceSixaae tou? jxev 8wv<£xtj), xou; oe epuylj
xaE ST)[teiiaei xfj; ouatas* ev ol? y)v xoci *lHoxwov 6 erc' 'Avx'.Txxxpou xJjv xwv cAwv apxv
sV/^xmc. Eine Neuwahl der Beamten ist ebenso im Jahre 296/5 vorgenommen
worden; die Urkunde IG II 299, II 5, 299c nennt Nikias als äoywi üaxepoc;,
und der Stratege Phaidros bekeidet zweimal in diesem Jahre das Amt des
Strategen II 331 Z. 21 (W. S. Ferguson, The priests of Asclepios, University
of California publications I 5 p. 139; J. Kirchner, Berl. philol. Wochenschr. 1906
S. 983). Von derselben Volksversammlung erzählt Plutarch, Phokion 33: oi xs yxp
ipuyaSeg aüxw (nämlich 'AXstävSpw xcp U.oX\mip/pvzoq, 1 auvetaßotXovxes eüiKj; jjoav ev
äaxei xal xöv Eevwv ä'[ia xod xiöv äxtu.ü)V Tipöj aüxoü; eisopaiiovxwv ixxXrjata -a|i|i'.yri;
^■pofoSb] xai äxaxxo; ev r) töv <l>wx;tova xy)? äpx?i; ÄTOAÜaavrec; exepoo; etXovxo axpax^yo'j;;
die Wahl hat sich, wie wir wissen, nicht auf die Strategen beschränkt, Plutarch
berücksichtigt aber begreiflicherweise vor allem seinen Helden. Angeklagt, hat
Phokion mit einigen seiner Freunde sich zuerst zu Alexandras, Polyperchons
Sohn, dann zu diesem selbst nach Phokis begeben. Eine Erkrankung des Dei-
narchos verursachte nach Plutarch mehrtägigen Aufenthalt in Elateia: appwaxt'a
5e xp7/5a|A£vo'j xoO Aetvapxou ciuyyzc, rjjiepac ev 'EXoreetqc SterpiuVxv, £v a£"s 'Ayvwvöooj reei-
aavxo;, 'Apxeorpaxou 3e xo <JWjcpia{ia ypätpavio; E-eu-tjjev jtpeaßetav 6 Sf;|xo; xaxv)yopT;aouaav
xoO Oomiovog. Bei Pharygai trafen sie den König und Polyperchon; nach der
unter Philippos Vorsitz abgehaltenen Verhandlung wurde Phokion nach Athen
abgeführt und dort von der Volksversammlung als Hochverräter zum Tode ver-
urteilt. Alle diese Begebenheiten fallen somit in die Zeit zwischen dem 1. und dem
19. Munichion des Jahres 319/8; zweieinhalb Wochen scheinen mir auch für
Phokions Reise nach Phokis samt dem Aufenthalte der ooyyct.1 rjuepai in Elateia,
für die Verhandlung in Pharygai, die Rückkehr und sofortige Verurteilung in
Athen ausreichend. Daß Polyperchons Einfluß schon früher, zur Zeit der siebenten
Prytanie, zwischen dem 4. Anthesterion und dem 10. Elaphebolion, in Athen
maßgebend war, zeigt die Urkunde 4 S. 88. Das Bestehen einer demokratischen
Verfassung wird aber durch das Eingehen der Bürgerschaft auf den von Poly-
perchon in seiner Botschaft geäußerten Wunsch nicht bewiesen: diese Willfährig-
keit erklärt sich genugsam aus der Stellung Polyperchons als Nachfolger des
Antipatros und dem seit der Veröffentlichung des Ediktes zunehmenden Einflüsse
der ihm ergebenen Partei.
94
A. Wilhelm
7. Schon lange ist erkannt, daß die ävaypa'fets den drei Jahren 321/0 bis 319/8
eigentümlich sind. Bisher waren ihrer vier bekannt, und diese vier ließen sich in
den drei Jahren mit Hilfe der Vermutung unterbringen, daß in dem Jahre 319/8,
das 'A-oÄÄGOtopog und 'A-o/.XöSwpo; Seötepov zu Archonten hat, zwei verschiedene
ävaYP*'-?5-? ihres Amtes gewaltet hätten. Nun kommt E'jxaSjxo; KoXXuxeö? als fünfter
ÄvaYpacpeug und beansprucht eben den Teil des Jahres des Apollodoros, den J.
Penndorf, Leipziger Studien XVIII 174 h0. dem 8paauxX7j? Nauaixparoug Hp;äa:oj als
dem infolge des Umsturzes abgesetzten
Vorgänger des Epikuros zugewiesen hatte.
Die Inschrift IG II 5, 229 b war von
A U. Köhler allerdings nicht auf das Jahr
319/8, sondern auf das Jahr 321 o bezogen
und folgendermaßen ergänzt worden:
"E~: 'Ap/:--Ci'j xp/ovTo;. äjvaypatfiw; 0paa-
uxX£oug toö NauatxpctTOug Spijaafou1 iitl -er};
- — 1805 rtlpcnjs "p'JtaveJi'a;- Iloxce:-
wvo; , xetjap-ce: xac e[f-
5 xooxeE xvjs Ttp'jTavEi'x; • exxX]7j<jta xup[ca-
xwv rcpo£8piüv J^S'lYf.^EV 'Apjaxo'f [ ....
IIai]avie6[s
Gegen diese Ergänzung hat J. Penn-
dorf eingewendet, daß als ävaypa^peii? des
Jahres des Archon Archippos 321/0 KaX-
XLxpaxiSr,; KaXXixpäxoDC liEipisüj zu gelten
habe; auch ergebe der Name 'Afflimwo für die Zeile nur ^^ Buchstaben, während
die zweite 36 zähle. Die Inschrift ist nicht nur nicht OTOtX'jSov, sondern wie U.
Köhler mit Recht hervorgehoben hat, auch ganz ungewöhnlich schlecht geschrie-
ben; so läßt sich mit drei Buchstaben mehr oder weniger in der Zeile nicht
rechnen. Man braucht aber nach 'Apyir.nou nur xa: hinzuzufügen, das in der Ur-
kunde 3 S. 85 steht und durch das Fehlen eines oi nach &va.ypaxpititq auch hier an-
gezeigt wird, so zählt die erste Zeile wie die zweite 36 Buchstaben; die Er-
gänzung der zweiten Zeile ist dadurch gesichert, daß U. Köhler in dem &va.ypaxpeüc,
den Mann erkannt hat, der im Jahre 314/3 den Beschluß für Asandros IG II 234,
von mir vereinigt mit II (II 5) 410 (Annual of the British School at Athens VII
156, Jahreshefte X 32), beantragte; augenscheinlich ist Thrasykles (vgl. Jahres-
10: IG II 5, 229 b.
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 3 1 y/8 v.Chr. '(">
hefte VII 101) als Anhänger der makedonischen Partei unter Demetrios von
Phaleron wieder hervorgetreten. Daß aber das Jahr des Archon Archippos 321/0
schon durch den ävaypacpeug KaXXixpaxfö)]; KaXXixpaxouq Sxecpieu? besetzt sei, ist keines-
wegs so sicher als von J. Penndorf angenommen wird. Solange man nur drei
ävaypa'fEf; kannte, mochte allerdings oberflächliche Betrachtung wahrscheinlich
finden, da(j der Beschluß IG II 190 Z. 7 ff . zu Ehren dieses £vaypacps6g aus diesem
Jahre stamme. Die Datierung, ohne Nennung des Archon und des Schreibers,
Extpocpopifövog s'vTji xol via;, xexapxei xal xpiaxoaxfji xijs irpuxavsfx;. weist auf ein Gemein-
jahr, die Nichterwähnung der ou{Mtp6e8poi auf die Zeit vor dem Jahre 31g; für
das Jahr des Archon Neaichmos 320/19 ist 'Apx^Sixo? Nauxpfrou AafMtxpeö? als ava-
ypa-fsüs bezeugt (IG II 5, 192 c aus der zweiten, II 191 und II 5, 192 b aus der
fünften Prytanie). So schien für KotilvxpxTiSrfc KxÄÄ'.xpxxo'JS itstpceu; nach C. Schäfers
nur von W. S. Ferguson und J. Kirchner PAIp. 531, 7908 abgelehntem, sonst
allgemein gebilligtem Vorschlag nur das Jahr 321/0 zu bleiben. Auf der Stele
ist aber vor dem von dem letzten Tage des Jahres datierten Beschlüsse des
Rates, der für die nächste Volksversammlung die Verhandlung über eine Aus-
zeichnung dieses Beamten anordnet, ein anderer Beschluß verzeichnet gewesen,
sicherlich der Beschluß der Volksversammlung, der auf Grund dieses Ratsbe-
schlusses nach der Rechenschaftslegung zustande gekommen ist (vgl. z. B. IG
II 5, 169b; Urk. dram. Auff. S. 233) und somit aus dem Anfange des nächsten
Jahres stammt. Von diesem Volksbeschlusse sind nur die Bestimmungen über die
Aufschreibung erhalten, und mit dieser wird nicht etwa der ävaypa^suc, sondern
der ypa|i.nx-;s'j; xaxx rcpuxavefav betraut. In einer Reihe von Beschlüssen, die frei-
lich nicht datiert sind, wird nun der avaypa^sis mit solchem Auftrage bedacht
(IG II 227. 228. 229; II 5, 229 c. 229 d), und seine Nennung, nicht die des ypa|i,u.a-
Teög xxxx Ttpuxxvsi'av, würde auch in dem Volksbeschlusse II 190 Z. 2 zu erwarten
sein, wenn dieser wirklich aus einem der Jahre stammte, in denen änocfpcKpelq in
den Präskripten erscheinen; J. Penndorfs Erklärung p. 176: „Callicratides ne ipse
suas laudes in pila exarare iubeatur, xb xvaypa^a'. iniungitur scribae xaxä Ttpuxaveiav,"
überzeugt mich nicht. Muß ich schon aus diesem Grunde die Richtigkeit
der Beziehung des Beschlusses II 190 auf das Jahr 321/0 bezweifeln, so wird die
Beziehung auf ein früheres Jahr jetzt dadurch erleichtert, daß unter dem Ver-
zeichnisse der Ratsherren des Jahres 335/4 v. Chr., das J. Kirchner, Athen. Mitt.
XXIX 244 veröffentlicht hat, nach dem fP^V-V^^K xxxx rcpuxavefov, dem ypa;iiiaxsü;
xök S^jMüt, und vor dem irzl xä <j>r]<ip£a[iaxa uml e'nem fcni'fpoiye.öq als dritter der
Schreiber ein ÄvaYpa<pe6s genannt ist. Allerdings findet sich von diesem foiarfpaspeöq
96 A. Wilhelm
in Inschriften, die sicher älter sind als die drei Jahre 321/0 bis 3198 sonst keine
Spur, auch hat ihn Aristoteles in seiner Aufzählung der Schreiber tzoX. 'A8-. 54, 3
nicht erwähnt; aber angesichts der Liste des Jahres 335/4 ist die Möglichkeit
nicht zu bestreiten, daß schon vor dem Jahre 321/0 ein Ävaypacpeus, der sich als
Hilfsbeamter der anderen Schreiber, einer der äXXoi ypa|i|j.axsr; ol ztzI tot? 6rju.oat'o'.s
Ypau-u.aaiv, von denen IG II 61 Z. 16 spricht (W. S. Ferguson, The Athenian secre-
taries p. 41), um die avaypxtprj töjv ypxufiätwv Verdienste erworben hatte, von Rat
und Volk belobt werden konnte. KaXXcxpaxc'Syj? KaÄAixpxto'jj Sreipteug, sonst nur durch
die Basis IG II 1 1 77 mit der Künstlerinschrift des Leochares bekannt, wird also
vor der Zeit dvaypacpeög gewesen sein, in der das Amt durch eine Änderung der
Verfassung solche Bedeutung gewann, daß sich sein Inhaber an Stelle des ypau.-
[iaxsij; xxtä rcpuraveiav in den Datierungen und Überschriften nennen durfte. Es
steht somit nichts im Wege, das Jahr 321/0 dem dvaypx^suc öpaauxXijs Naucixpcfroug
Spiiaioc, zuzuweisen. Sonst ist dieser in den drei Jahren 321/0 bis 319/8 nur unter
der wenig wahrscheinlichen Voraussetzung unterzubringen, daß vor der im
Munichion des Jahres 319/8 gelegentlich einer Verfassungsänderung erfolgten
Neubesetzung schon früher einmal aus unbekannten Gründen im Laufe eines
Jahres ein Wechsel im Amte eingetreten sei. Möglich ist es ja immer, daß ein
Beamter während seines Amtsjahres stirbt oder seiner Stellung entsagen und
ersetzt werden muß, doch wird man ohne Not nicht zu solcher Annahme greifen
dürfen. Da obendrein ein triftiger Grund, den ävaypacpeö? Kallikratides in frühere
Zeit zu verweisen, nicht fehlt, wird, bis uns neue Funde eines Besseren belehren,
festzuhalten sein, daß dva-fpa^et? gewesen sind im Jahre
321 o unter Archon Archippos 8paauxXfjs Nauacxpaxou? 0p:aato;
320/19 „ „ Neaichmos ,Apyio,.7.ot Nauxpfcoo A-ajimpeug
319/8 „ Apollodoros E'jxaSjio; KoÄXuxeü? bis zum 30. Elaphe-
bolion
„ „ Apollodoros OE'jxspov vom 1 . Munichion an 'Eiu'xoupoc
II[ä/r,To:? Hpia- oder OuXa?ato;
8. Zum Schlüsse seien noch zwei Bruchstücke von Präskripten veröffentlicht,
in denen clvaypa<peifc erscheinen.
1. Rechte obere Ecke einer Stele bläulichen Marmors, 0'i4ni breit, 0*28 ""
hoch, wovon 0-223 '" auf den runden sehr steilen Giebel entfallen, der in der
Abbildung nicht erscheint, 0-065'" dick Die Schrift sehr nachlässig; Buchstaben
•5° hoch, 5-077,567 in einem Abstände von o'oi bis 0-015'", Abstand der
Zeilen o*oi 1'" < Fig. 1 1 S. 97).
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 31 9/8 v. Chr.
97
Die Ergänzung des Bruchstückes stößt in den letzten Zeilen auf Schwierig-
keiten. In der ersten Zeile ergibt die sichere Lesung des Namens 24 Buchstaben.
In der zweiten findet das Demotikon des ävaypacpeös nur abgekürzt Platz, Aa|i-x:,
und in der vierten fordert der Name der Phyle Axauavxi? eine Stelle zuviel.
Beides ist unbedenklich. In der fünften wird zunächst an den Monat Pyanopsion
gedacht, doch ergäbe xpcxrjs rapuTavewcs vor IIuavo]i|K[6>vos drei Stellen mehr als der
axotyj;36v-Ordnung nach zur Verfügung stehen. Vielleicht ist in tl daher der
Name eines Schreibers zu suchen, z. B. inl xfjg &xa|Ajavri[5os hmqs TCpuxaveias fy
"l']'|it[[io; oder T]t}>i[x&5*)S xxX. SYpa|i|i()eTSU£V.
II: Beschluß aus dem Jahre 320/19 v. Chr.
!A.vaYpatpeus 'ApyQiSw.oc, N[auxp-
t'xou Aau.7tx: inl N]eat)([i[ou ä.r//o-
vxo? irl xfjs Äxa{i]avct[So? exxtj-
?'? rcpuxavetas fjc 'T]'L:[ — xxX.
2. Rechte obere Ecke einer Stele schönen weißen Marmors, mit Giebel,
0-205 ra breit, o-iSm hoch, 0-085"' dick. Sorgfältige Schrift, Buchstaben 0-015 '" hoch,
azoi-fjfiöv in o'i25m Abstand, Abstand der Zeilen 0-013'" (Abb. 12 S. 98).
Seiner ganzen Beschaffenheit und der Schrift nach ist der Stein dem
Bruchstücke II 148 ähnlich. In dieser Urkunde hat H. Buermann, Jahrb. Suppl.
Bd. X 356 eine Bürgerrechtsverleihung- erkannt für einen gewissen Aptaxowxo;
Ap[axo8r)[iou oder vielmehr nach meiner Lesung Aptaxoji^Sou; von seinem Namen
ist in Z. 5 allerdings nur A . . . ONIKON, und Z. 15 API<TO, von dem Vatersnamen
Z. 8 PISTOMH OY erhalten; dem Ethnikon müssen nach Buermanns wenigstens
in diesen Zeilen gesicherter Herstellung, die W. Larfeld, Handbuch II 938, ohne
Buermann zu nennen, wiederholt, acht oder neun Buchstaben zugekommen sein.
Ich habe deshalb vermutet (J. Kirchner, PA 11 p. 448, 2038 a), daß diese Bürger-
J.ihreshefte des üsterr. an bäol Institutes Bd. XI.
'3
9»
A. Wilhelm
rechtsverleihung dem Ballspieler Alexanders des Großen, Aristonikos von Karystos,
gelte, von dem Athenaios I p. 19a berichtet Sil Apcatovixov xiv Kapucraov xöv 'AXe-
^avSpou atpatpiaiTjv 'A&rjVaZoi itoXtTKjV eTra'.Tjaavto xac '/jx\y.güv aveaTTjaav. Das Ethnikon
Kapucmos füllt, wenn Aptoro^Sou, nicht j^piorofi^Soug geschrieben wird, die Lücke
nach dem Vaternamen, und der Schrift wie den Formeln nach gehört die Bürger-
rechtsverleihung II 148 in Aristonikos Zeit; die Aufstellung einer Bildsäule kann
in dem verlorenen Teile des Beschlusses erwähnt gewesen sein. Nun ist der hier
zum ersten Male ver-
öffentlichte Stein nicht
nur in seiner ganzen
Beschaffenheit und Er-
haltung dem Steine
II 148 (Abb. 13 S. 99)
ähnlich, es gleicht
nicht nur die Größe
und Anordnung der
Buchstaben, sondern
die Überschrift über
den Präskripten zeigt
auch, daß sich die
Urkunde auf einen
— vixos bezogen hat.
Das Zusammen-
treffen so vieler Um-
stände scheint, trotz der Häufigkeit der Namen auf — vtxog, für die Zusammen-
gehörigkeit der zwei oder vielmehr drei Bruchstücke (denn II 148 ist jetzt in zwei
Teile gebrochen) zu sprechen. Die verstümmelten Präskripte hätten dann die für
II 148 ermittelte Zeilenlänge von 41 Buchstaben zu erhalten. Mit ungleichmäßig
und sehr weit gestellten Buchstaben kann sich die Überschrift [&.ptaro]v£xou über
den ganzen breiten Raum verteilt haben; für die erste Zeile des Präskripts fände
sich eine Ergänzung nur unter der Voraussetzung, daß, gegen sonstigen Ge-
brauch, wie in den Urkunden des Vertrages mit Rhegion und Leontinoi IG I
Suppl. p. 13, 33 und 33a, das Wort 9-eo( in der Zeile selbst stand; übrigens ist
auch l(i II 183 die- Überschrift Hpocsvta ÖSOCpivxou und in einer unveröffentlichten
In ichrift die Überschrift IlpoEsv:'[a. . . 'Epejtpiet mit in die oroi-
y?(5öv geschriebene Urkunde aufgenommen. So würde:
Beschluß zu Ehren des — nikos.
Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Aiehon ApoUodoros 319/8 v.Chr.
99
©eoL'Ercl 'ATioXXoowpou äp^ovcog, ävJaypacfEWg os [EÖJC-
a3|iou KoXXuxItüg iE] Ofou . . I" . . . .
für die erste Zeile die durch die Zusammensetzung mit II 148 erforderte Länge
ergeben. Auch scheint mit dem Namen ein allerdings verschwindender Rest nach
S£ vereinbar. In der zweiten Zeile wird Et Oibu keinesfalls dem Namen eines äva-
ypacpeus angehören, da dieser eine so ungebührliche Länge nicht besessen haben
kann. Anderseits bleibt, wenn man nach der Nennung des avaypa^eög ergänzen
wollte: ypa|i|iaTetog 81, vor dem Demotikon zt, Ofou für den Namen kein Platz, und
£Ypx|i[iäxE'j£V dem Namen
des Schreibers nachzu-
stellen, verbieten die
Reste, die nach sE, Oibu
an dritter und vierter
Stelle sichtbar sind. Sie
lassen sich, scheint es,
nur mit den Worten in]i
[xfjS vereinen, die, nach
dem Demotikon et Ofou
sehr passend, die Erwäh-
nung der Prytanie ein-
leiten. Dann würde
der dvaypacpeü?, anders
als in den übrigen In-
schriften, nur mit seinem
bloßen Namen genannt
sein, und das Demotikon
in der Nennung dieses
Jahresbeamten fehlen,
wie es in den Nennun-
gen der Archonten über-
all fehlt, soferne nicht
die Unterscheidung von
einem gleichnamigen
Vorgänger seine Beifü-
gung fordert. Der ypqi-
|X3CX£U? dagegen erhält das 13: Beschluß zu Ehren des Aristonikos IG II 1 i.s.
•;'
lOO A. Wilhelm, Beschlüsse der Athener aus dem Jahre des Archon Apollodoros 319/S v.Chr.
Demotikon [s;] Ofcu, weil dieses vermöge seiner Bestellung aus der Prytanie von
Bedeutung ist. Die Zugehörigkeit des neuen Stückes zu IG II 148 vorausgesetzt,
würde für die Präskripte folgende Lesung vorzuschlagen sein:
[Ä p 1 a x 0 ] v t /. 0 u .
[Öeot . 'Era lA.TcoAÄo3d)po'j äpypvzoq, ÄvJaYpacpeo)? os [Eöx-
[a5|j.ou xod ypa|xj.tat£tüt e£] Ofou [etl]: [xrjg . .
[Name — So? und Zahl i bis 8 jipuxavetag xxX.]
Fachgenossen, denen ich den Sachverhalt vortrug, haben sich vor den Steinen
unbedenklich für ihre Zusammengehörigkeit ausgesprochen. Dennoch ist mir be-
fremdlich, daß diese Annahme nur um den Preis der Einreihung von 9-eot in die
erste Zeile möglich ist. Auch kann die auf den ersten Blick große Ähnlichkeit
der Steine und der Schrift trügen und es Zufall sein, daß beide einem — vtxog
gelten. Die Beziehung der neuen Präskripte auf das Jahr des Apollodoros bleibt
trotzdem wahrscheinlich. Sein Name ergibt eine Zeile von 37 Buchstaben:
'Eni 'AitoXkoS&pou äpxovxo?, ä]vaypa:psw; 3s [Eüx-
ao|iou- Ypaj.iuxxEiJS sij] Oibir [etcji [xijs xxX.
Die Verweisung in den zweiten Teil des Jahres: 'Eui ÄTiOÄXoSwpou ä'pyovxog
Seöxepov würde auf eine Zeile von 45 Buchstaben führen und in der Überschrift
die Einsetzung des Wortes 7ipoi;evc'a vor einem kurzen Namen, z. B. Eöjvwcou, in
der zweiten Zeile nach dem Namen des (zvaypacpeuc; für den Schreiber einen sehr
langen Namen oder Hinzufügung des Demotikon zu dem des Epikuros fordern.
Hoffentlich entscheiden über alle diese Möglichkeiten, deren Wahrscheinlichkeiten
ich nicht abwägen will, eines Tages neue Bruchstücke.
[Erst unmittelbar vor Abschluß des Druckes dieses zu Ende des Jahres 1906
niedergeschriebenen Aufsatzes ist mir Johannes Sundwalls Abhandlung De institu-
tis reipublicae Atheniensium post Aristotelis aetatem commutatis I (Acta Socie-
tatis scientiarum Fennicae XXIV 4, Helsingforsiae 1906) zugekommen, in der
p. 8 G. F. Ungers Ergänzung der Inschrift IG II 299 b für sicher und die Wahl
eines neuen Rates mitten im Jahre 319/8 für erwiesen gehalten wird. Den äva-
ypowpeüj Kallikratides weist auch Sundwall p. 6 der Zeit vor dem Jahre 321/0 zu.
In die Realencyklopädie ist Epikuros, der ävstYP*?^ und Ankläger des Phokion,
nicht aufgenommen.
Wien, Februar [907. ADOLF WILHELM
IOI
Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia.
Die im folgenden behandelte Inschrift aus Odemisch wurde erstmals in der
Smyrnaer Lokalzeitschrift Homeros 1872 S. 207 veröffentlicht, indes so unzuläng-
lich, daß sie sich weiterer Beachtung entzog 1). Eine Grundlage für die gesicherte
Lesung und Ergänzung und damit für die inhaltliche Würdigung des belang-
reichen Dokumentes erhielt ich in einem Abklatsche, den mir der seither ver-
storbene Lokalforscher der Kaysterebene, Eustratios Jordanidis 1906 zur Ver-
fügung stellte.
Der Stein, eine 0-49'" hohe, 046 "' breite und 008 m dicke Marmorplatte, ist
aut drei Seiten beschrieben und wohl aus einer Quader oder Basis, der die
Inschrift auf der Schmalseite angehörte, zurechtgeschnitten. Buchstabenhöhe der
Hauptseiten 0014 m, der Schmalseite 0-022 m. Ich gebe nachstehend das Faksimile,
meine ergänzte Lesung und die Umschrift des ersten Herausgebers Kyriakidis,
die, obwohl durch Lese- und Druckfehler entstellt, doch stellenweise mehr gibt, als
die mittlerweile fortgeschrittene Verscheuerung des Steines heute erkennen läßt.
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<^03£TOBANOYp^
VMNO.&C •'
*- JorK
14: Inschrift aus Ödemisch.
Die Datierung der Inschrift wird durch die Titulatur des Claudius zu
Beginn von B gegeben. Der Kaiser heißt utcscto; cfatoSeSeiYliivo; tc ß'; sie fällt
also zwischen den 25. Januar und 31. Dezember 41, und zwar wohl nahe dem
') Nur J. Oehler erwähnt sie kurz: Zum griech. Vereinswesen, Jahresbericht des Maximiliansgymna-
siums in Wien 1904/5 S. 20.
102
J. Keil
Endtermine, da der Kaiser bereits aüxoxpaxwp x[ö ß' genannt wird, ein Titel, den
er vermutlich ob der Siege des Ser. Sulpicius Galba und P. Gabinius Secundus
über die Chatten und Chauker, also kaum vor Sommer des Jahres annahm 2).
In der Titulatur ist weniger das äpyispeu; ohne [liyiaxo^ das sich auch sonst findet 3),
als der ungewöhnliche Titel avfrüjtaxos auffällig, welchen man dem Claudius
überhaupt abgesprochen hatte4). Den Ehrenbeinamen pater patriae erhielt der
Kaiser erst zwischen dem 6. und 12. Januar 42 durch Senatsbeschluß; er kann
daher in Z. 18, die er gerade füllen würde, nur unter der Voraussetzung ergänzt
werden, daß man ihn in der Provinz nachträglich beigesetzt hätte.
Kyriakidis Abschrift.
I
(OVO 0
. ou8iau.ov7j?Tiße .
SgeßasxouYepjtavix
. xogoixouauxousraax
ißepiouxXau8toua$x7jrao
xuipivaxpocpcoVOSeTOXeYpa
(OSxo'jor^iouxxivswxopouxaiX:
-/ ewsitov je ßasxsiwv/prji tax« •
Xe£av8poua7coXX<i)vi8ou
oiup,V(i>8otavs'97]xavxaxaTOYeyo|XE
. i|nij<pisiiaeV7repYa|«0UTCOX?jscepas
. 8ou£VYpx^avt£;op3tooy.a:a:
. 9-pü)Jia£3XtVXUX0^0£00M.Z
. osogaTtoXXtöVtouepp,
. xtßepiogxXauSiogxatsaps
|iav.xo;a'jxo7.pxxwpx
apxtxr;;£^ou;i7.;
vogxßavö-UTX
KU|XV(I)8(I)V
II
)csaTOXi
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voscpiXoxaigapo ■
ssxatotaßtouaywv
: xaifreouseßasxoOxa
ouauxoxpaxopo;xaiap
iSxou7taxposxijs7iaxpi8osx
xavxogxwvavfrpW7iwvY£voug
ovrcposTovseßagxovotxoveuge-
atixasrjsteponpeTxoussravocas :
spavxaxeviauxovnape^eg :
j?j;agtasujJiv(i)8otxrjt£p(i):
111
agxouxtßeptouxatoapos :
L{ispasuvepxop,evotecs :
: . £
XojtpeTcesepYoveigxnjv :
. Xo .
av£7xtx£Xou;<jtvxafru-
xXo.
gxovoixovxaixog
•v.r .
.•. seraxeXouvx
Xtßu .
v.xiaaetc
apx.
nav
J) Vgl. E. Groag bei Pauly-Wissowa, Real- v. Pergamon 377—379 spater selten, z. B. I.e Bas 143
cnzyklopädic III 2791. (Claudius).
1 Häufig in der Titulatur Caesars z. B. Inschr. 4) Groag a. a. O. S. 2787, 40 11.
Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia
103
II
toVO 0
A 0;iep tfjs ochövQou Stajxovf;g Tiße[pcou rD.au-
5(ou Kafoapojs Seßaaroö rep[iavix[oö xx:
xoü au[iTcav]xos oi'xou aüixoCr etiI atfs^avrj-
5 <p6pou T]ißep£ou KXauSt'ou AaxXT}7uo[5(5>-
pou uioü] Kutpiva Tpurfö)vog, inl Sk ypx[[i-
u-xxljw; xoü 5ig[tou xx: VEWxopou xx: [S]c[a-
vo|i]£(i); xöv Ssßaarecwv xprj|j.xx<i>[v
A]Xecav3pou toö Ä7coXX(övtSou.
'» OE ö|iV(i)So2 dv&ÖTjxav xaxä xö yevöiie[vov
ij^cpKjjia £v n£pya|iü) ü7iö xvj; Eepag [cruvo-
oou svypa'iavxej 6aa o:'xx:x [xaJ yOJtv-
ftpwrcx iaxtv aüxofj 5e$0|ie[va Ott' aOxoü.
"OaiOs &toXXü)vcou 'Epu.[
15 B Tißepiog KXx6o:o; Kataap 2[£,jaaxö; Tsp-
|jiav:xo; aüxoxpdxwp x[ö ß', dp/tepsu;, §7j-
[t]ap5(ixfjg Etouac'as, [uroxxo; aTioosSet-
Y|ie]vo? xö ß', dvfruii[axo;. Tcaxr^p icaxptSos?
xr) Esp]ä ü|iv(i)5ü)v [auvooio ^atpecv?
20 dvayvoü]? xö (jW][cpco-{j,a xö
xo
ISoijev xo]% cbzö t[fjs AaEa; "EXXrjotv
yv(5)[i») j4.v]a^ay6pou x[oO osv/x toö
oeiva-]; (ptXootaroafpog äpy^Epsw:;
xfj? Acta]? xai o:a ßfou dyo)v[o!Mxot> fteas
Tü)|j,tj; xa]2 9'Eoü Eeßaaroö Ka^'axpoj Sre-
oö uE]oü aiixoxpdxopo; xx: äp^tepew?
[isyjicrtou, rcaxpöc; tfjg -axpioo; x[x: xoO
<ni{j,7i]avT0S xöv dvö'pwnwv ylvoug*
ins: xr;]v -pöj xöv Eeßaarov ofxov söae-
ßetav cpavjep&v xxx' äviauTOV nxpiysa-
fta: Ssf, oE 7cd]arj? AaEa; 6|xvw3o: xvj Espco-
xxxrj xoü Seßocjaroö Ttßepiou KxEaxpoj
yeveSXfto ^][iipa auvepxojievoi efe
xx tspoc? {ieya]XoixpenJs s'pyov efg xr^v
xrjj auvöSou o6£]av SraTeXoGotv xatt-u-
[ivoüvres xöv Seßajarov ofaov xx: topfe
Seßaatolfe ateofs ftuatajg £rateXoöv[tes
xa: sopxä; Äyovue? xx: ia]x:xas:c [x.y.l
Txav ....
r:
Sieht man von den kärglichen Resten der ältesten Inschrift auf der Schmal-
seite ab, so verbleiben auf den beiden Hauptseiten drei auseinanderzuhaltende
Texte; eine Weihung der Hymnoden Asiens für Kaiser Claudius, ein Schreiben
dieses Kaisers (an die Hymnoden ?) und ein Psephisma des Provinziallandtages,
welches sich mit der Festfeier für das kaiserliche Haus an dem Geburtstage des
Kaisers Tiberius befaßt. Die drei Texte sind wegen des völlig gleichartigen
Charakters der Schrift gleichzeitig eingegraben worden und bilden auch inhaltlich
ein einheitliches Ganze. In der Weihung (.4) wird angeführt (Z. 12 f.), daß die
Hymnoden alle Privilegien und Vergünstigungen (doch wohl des Kaisers) auf-
gezeichnet hätten. Der folgende Brief (B) muß also einen darauf bezüglichen
Erlaß des Kaisers enthalten. In diesem Erlasse aber war, wie aus den Resten
von Z. 20 eben noch zu entnehmen ist, von einem Psephisma die Rede, das von
dem Kaiser offenbar gutgeheißen oder ergänzt wurde und dessen Wortlaut, wie
ich meine, uns der dritte Text ((') gibt Wir erhalten sonach folgenden äußeren
104 J. Keil
Hergang : die Hymnoden der Provinz beschließen unter Tiberius, alljährlich an
dem Geburtstage des Kaisers zusammenzukommen und das kaiserliche Haus
durch solenne Opfer und Festlichkeiten zu feiern. Der Landtag Asiens billigte
den Beschluß und gewährte vielleicht auch Mittel zu seiner Durchführung.
Kaiser Claudius bestätigte noch im ersten Jahre seiner Regierung diesen Beschluß
und gewährte vielleicht auch seinerseits einen Zuschuß. Darauf ließen die Hym-
noden nach einem Psephisma ihrer Zentrale in Pergamon das kaiserliche Schrei-
ben in Stein eingraben und weihten es in den einzelnen Städten der Provinz.
Unser Denkmal stellt die Weihung. der Hymnoden in Hypaipa, dem alten
Hauptorte der mittleren Kaysterebene, dar, wie der Fundort Ödemisch beweist,
der seit jeher die nur zwei Wegstunden entfernten Ruinen der alten Stadt
auf Baumateriale ausbeutet 5). Zwar erscheinen die Münzen der Stadt in der
Regel mit im cFcpäTTjyoö gezeichnet,") während in Z. i die Ergänzung knl ax[s-
cpavujcpopou durch den Raum gefordert wird; allein dies gilt ebenso z. B. von
Smyrna, wo die Inschriften nach Stephanephoren datiert sind 7), während die
Mehrzahl der Münzen ird aTptxzrfloü signiert ist 8) und erklärt sich wohl derart,
daß der ar€cpaV7jcp 6po; sakrale Funktionen hatte, während die Strategen die höchste
zivile Obrigkeit in Hypaipa waren. Neben den Stephanephoren wird noch der auch
auf Münzen von Hypaipa häufig erscheinende ypajj.|i.ai£us xoö 5tju.ou genannt, der
zugleich Vcwy.öpo; und 3cavo[i£u; Seßaorefwv y^r^xizwv ist. Was unter den SeßaoxeFa
Xprjfiaxa, welche er zu verteilen hatte, zu verstehen ist, läßt sich, soweit ich
sehe, nicht urkundlich, sondern nur aus dem Wort selbst erschließen: offenbar
Gelder, welche entweder von einem Kaiser selbst gespendet, beziehungsweise
zugewiesen oder solche, welche für den Kult oder die Feste der Seßaerrof bestimmt
waren. Für erstere Auffassung, welche sich dem Zusammenhange der Inschrift
bestens einfügen würde, haben wir eine Analogie in der Geldsumme, die Kaiser
Iladrian Smyrna zugleich mit dem zweiten Neokorat widmet") und in jenen
s) Die literarischen Zeugnisse über Hypaipa sie einen sicheren Bezug dieser Beamlenstellung auf
zusammengestellt bei S. Reinach, Chroniques d'Orient die Stadt zuließe.
I 146fr. Eine kurze Beschreibung der Ruinen gibt 7) Z.B. CIG 3150. 3173, vgl. Philostr. vit. soph.
<;. Weber, Rev. des it. gr. V 7 ff., eine Zusammen- II 20, 2 p. 267.
Stellung der auf den Münzen erscheinenden Magi- 8i Doppelte Bezeichnung durch Stephanephoros
virile B. Head, Cat. of coins in the Brit. Mus. Lydia und Strategos zeigt Cat. of coins Brit. Mus. [onia
LX ff. p. 276 n. 323; Strategos und Stephanephoros in einer
°) Eine Ausnahme macht Imhoof-Blumcr, I.ydi- Person vereint gibt ebenda p. 293 n. 431.
sehe Stadtmünzen 82 n. 16 mit ird 'Epuafifvoug) ota- 9) CIG 3148 v. 33 ff.: öaa £tc£tu|xo|isv 7iap.-x toO
D nach Hypaipa gehörige Inschrift y.i>p£o>j Kaloapoj | ASptavoö 3ti 'AvTlttviou IIoXe|i(o[v&j *
bei Keinach a.a.O. p 161 n. 3, welche einen xwipavT}- Beötspov 5i-f|ta oöfxXijTou, | v.aiv" 8 51; vsmxöpoi -fe-
r'>p'>; nennt, ist leider zu sehr verstümmelt, als daß ■ \'s>v.\\vi , | ä-ft7iva tspiv, äiiXstxv, it-so/.i^o't;, | uu,vu>8o6;,
Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia
[05
Fällen, wo der Kaiser zu Festspielen einen Beitrag gibt10); für die andere Auf-
fassung ließen sich die attischen Ephebenlisten des zweiten Jahrhunderts anführen,
nach welchen ix xöv Seßaoxocpoputöv den Epheben jährlich zum Zwecke der Opfer
für den Kaiser Geld verteilt wurde (Seßa<yco<popoot}j vöut; oder Siavojtir].11) Ob diese
Gelder nur in Hypaipa oder in der ganzen Provinz zur Verteilung kamen und
wer an der Verteilung teilnahm, wissen wir nicht, jedenfalls spielten die Hym-
noden dabei eine Rolle.12)
Zwischen A und B sind in schlechterer und der Cursive näher stehender
Schrift die Namen von anscheinend zwei Personen mit Angabe der Väter zu
lesen, welche entweder als Subskript zu A oder als Präskript zu B gehören
müssen. Solche Namen sind vielleicht auch die Reste in Z. 1 vor A, die gleich-
falls unregelmäßigeren Ductus zeigen und die Zeilendistanz nicht einhalten, sowie
die in Z. 1 der andern Seite zuzuweisen, da sie sich in die Ergänzung nicht
einfügen wollen. Man wird in ihnen Kanzleibeamte, Schreiber oder dergleichen
zu erkennen haben, welche mit der Ausfertigung der Urkunden irgendwie in
Verbindung standen 13). Zur Ergänzung des Präskriptes von < ' hilft besonders
Dittenberger, OGI II 470, nach welcher Inschrift auch CIG 3187 zu vervoll-
ständigen ist 14). In Z. 6 ist Kacsapog vielleicht zum folgenden zu ziehen, so
liuptaSa; ixaxöv ixsvt^xovtoc. AVenn E. Ziebarth,Griech.
Vereinswesen 91 diese Geldsumme geradezu als Sub-
vention für die , Stadtkapelle' (= 0u.vü)8gQ auffaßt, so
wird dabei allerdings richtig sein, daß auch an die
Hymnoden ein Teil dieser Summe bei den Festen zur
Verteilung gelangte, wenn es auch wohl nicht angeht,
die ganze Summe nur auf die Hymnoden zu beziehen.
Ein ähnlicher Vorgang scheint sich aus der Inschrift
Bull, de corr. hell. XVII 314 = Ramsay, Cities and
bishopr. of Phrygia 465 zu ergeben, wo die Bevölke-
rung den Manneius Ruson ehrt Z. 12 ff. TipjaßsuaavTa
Tcpö; toü; Ssßaaxoüg rcepl iffiv aup/fspovcoiv 7tpafp,d-euv
xai IraTUxivxa xag rcapä türv äpxtspiiuv cp iXo5oa£a; . . .
Der Genannte ist als Gesandter zu den Kaisern ge-
gangen, um bei ihnen die Ratifizierung für die Gelder
zu erwirken, welche die Versammlung der äpxispsi?
der Provinz der Stadt Apameia offenbar für den
Kaiserkult zuerkannt hatte.
l0) Vgl. die Ssßaaxodi&prjTog it-eux; in den pentae-
terischen Kaiserfestspielen in Apollonia in Pisidien
Bull, de corr. hell. XVII 255 n. 34 und 35; ferner
die Espoö ä-fÄvci; Stopeä in Aphrodisias (CIG 2761
bis 2765), welche wohl einem Kaiser verdankt wurde;
vgl. Chapot, Province d'Asie 495.
Jahreshefte <les österr. archäol. Institutes Bd. XI
") IG III 1128; 114;; 1160; 1177; 1184;
vgl. 1131.
l5) Durch unseren 5iavou.£Ü; X XP- erklärt
sich wohl auch der &u,vo)8Ö£ vsu.yjx'»); ßooXijc, "fHpou-
aia; XPU00:PP0)V *n Ephesos (Wood, Discoveries, in-
scriptions from the great theatre n. 18 = Hicks, Brit.
Mus. 604) als einer, der das Privilegium hatte, an
regelmäßigen Geldverteilungen dieser Korporationen
teilzunehmen; vgl. die vs|ivJTpia IG XIV 956 B 5,
welche xatä Söatv lö SoasiSiov empfängt.
,3) Zur Vergleichung bieten sich die Inschriften
von Pergamon I 248 (= Dittenberger, OGI I
331) Z. 25, 44 und 61 genannten Personen, welche
Fränkel als die ausfertigenden Schreiber', Ditten-
berger als ,tabellarii' auffaßt. Der seltene Name
"Ocio; ("Ossiog) findet sich auch sonst in Kleinasien;
vgl. den Pergamener IG CIG 1585 und den Lykier
CIG 4289 v. 4.
") Vgl. Brandis bei Pauly-Wissowa II 1558;
Ol Ö.TZO TJjf, Aataj "EXXrjVEg statt des gewöhnlichen
£7tl zfj- 'Aataj auch in dem Schreiben des Triumvirs
Antonius an die asiatischen Griechen bei Kenyon,
Classical Review VII 476 = Brandis, Hermes
XXXII ^09 f.
14
IOÖ J. Keil
daß dem frsa? SsßaaTÖc (Augustus) als dem Sohne der 8-sö; Kalaap (Caesar) als
Vater gegenübersteht.
Gegenständlich gewinnen wir aus unserer Inschrift die Erkenntnis, daß sich
die mit dem Kaiserkulte befassenden Hymnoden der einzelnen Städte Asiens
in der ersten Kaiserzeit zu einem Provinzialverbande zusammenschlössen, über
dessen gemeinsame Angelegenheiten auf einer Vertretertagung (tspx oävoSog) in
allgemein verbindlicher Weise beschlossen wurde. Ob diese Zusammenkunft all-
jährlich und stets in Pergamon als Vorort oder alternierend in den ein-
zelnen Städten stattfand, ist auf Grund unserer Inschrift nicht zu entscheiden.
Denkbar wäre, daß sie gleichzeitig mit dem Provinziallandtage abg-ehalten
wurde.
Daß für eine derartige Provinzialinstitution die Quellen, abgesehen von
unserer Inschrift, versagen, erklärt sich aus ihrem kurzen Bestände; denn noch
unter demselben Kaiser Claudius, dessen Wohlwollen sie anfangs genoß, scheint
sie einen Schlag erlitten zu haben, dem auch die Filialen in den einzelnen Städten
der Provinz zum Opfer fielen. Wir verdanken diese Einsicht einem noch unpublizier-
ten überaus zerstörten und von R. Heberdey entzifferten Texte aus dem ephesischen
Theater, der einen Erlaß des Statthalters Paullus Fabius Persicus (cos. 34), die städti-
sche Finanzgebarung betreffend, enthält 15). Darin heißt es unter anderem, daß die
Hymnoden, für welche ein nicht unbeträchtlicher Teil der städtischen Einkünfte
verbraucht würde, vom Kaiserkultus enthoben und ihr Dienst den Epheben über-
tragen werden solle, die sich für denselben viel besser eigneten und der Stadt
keine Auslagen verursachten. Ausgenommen von dieser Maßregel, die sich also
auch auf andere Städte erstreckte, seien nur die Hymnoden des vergötterten
Augustus in Pergamon, deren erste Zusammenkunft freiwillig und ohne Anspruch
auf Bezahlung erfolgt sei, wofür der Kaiser die beschlossenen Vergünstigungen
(cpcXeSvftpüMta) ihnen und ihren Nachkommen zu Lasten der ganzen Provinz sicher-
gestellt habe. So mächtig also hatte sich das Hymnodenwesen, oder vielmehr
Unwesen bereits entwickelt, indem es das Streben der Städte, ihre Kaiserfeste
recht feierlich und würdig zu gestalten, auszunutzen verstand. Jetzt wird auch
die dem sonst überall bemerkbaren Lokalpatriotismus zuwiderlaufende Macht-
politik, die in der Schaffung einer strammen, die ganze Provinz umfassenden
Organisation gipfelt, erst recht verständlich — freilich ist sie mißlungen: die
" Teilweise schon veröffentlicht von J. Ochlcr kunft über einzelne Punkte verdanke; der ganze
bei I'.iuly-Wissowa V 2746; vgl. Heberdey, Jahres- Text kann gegenwärtig noch nicht gegeben werden.
hefte III Beiblatt 85, dessen Freundlichkeil ich Aus-
Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia IO7
Auflösung der bezahlten Kaiserhymnodie in Ephesos und in anderen Städten
hat auch sie vernichtet.
Die Hymnoden als solche allerdings haben auch nach dieser Maßregel weder
in Ephesos noch sonst aufgehört zu existieren, doch läßt sich bei dem gegen-
wärtigen Stande unserer Quellen nur von dem Hymnodenwesen in Pergamon,
Ephesos und Smyrna, eine ungefähre Vorstellung gewinnen. Pergamon berührt
uns zunächst, denn der vornehme exklusive Klub der Hymnoden der Roma und
des Augustus, dem wir dort im zweiten Jahrhundert begegnen 16), besteht aus den
privilegierten Nachkommen jener Sänger, welche sich, wie wir sahen, das erste-
mal bei der Begründung des Kaiserkultes in der Provinz Asia versammelten. Dazu
paßt es vorzüglich, daß ihre Zahl beschränkt ist und daß -- wenn auch nicht aus-
schließlich, so doch vorwiegend — die Würde vom Vater auf den Sohn überging.
Ganz anders in Ephesos. Die Übertragung der Gesangsvorträge an den
Kaiserfesten auf die Epheben scheint sich bewährt zu haben, denn als Kaiser
Hadrian die Stadt besuchte, hörte er auch gnädig die Hymnen der Epheben im
Theater an17). Aber außer dem Kaiserkulte g-ab es noch andere Kulte in Ephesos,
vor allen den der großen Artemis. Ihm vorzüglich werden die Hymnoden angehören,
welche wir auch nach dem Erlasse des Persicus daselbst vorfinden1-!. Ausdrück-
lich gesagt wir dies freilich nur bei dem Vorsteher der ephesischen Korne Teira
M. Aöp. 'Apzepifitapoq . . . OjivwSö; -njs ärfiayzdvqq ApiljuSoj, der, wie schon sein Titel
ßoükzpxpq beweist, Ephesier war.10) Ob der oben20) erwähnte öpcaSög vejwjxijs ßeuXfjs,
Yspouaiag, ypuao^öpwv eigene Sängerabteilungen jeder dieser drei Korporationen
voraussetzt oder nur gelegentlich bei den Festlichkeiten derselben mitwirkte,
haben wir bisher kein Mittel zu entscheiden.
16) Inschriften v. Pergamon II 374 A — D mit po; Zsßaotoö] -DJ ncXsi öiivujoav oE i?yjß[o]i 4v xö 8{sä-
dem Kommentare Fränkels; dazu kommt ebenda xpto süueviS; ä]y.oüovxa xöv aüxoxpaxopa . . Y.zX.
n. 523, aus der wir den Fortbestand des Vereines Abschrift und Ergänzungen von R. Heberdey.
bis gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts ver- !8) So besonders die von Vibius Salutaris in
folgen können und Athen. Mitt. XXIX 168 n. 8. seiner Schenkung bedachten: Hicks, Inscr. of the Brit.
Die zwei in der letzteren Inschrift genannten heißen Mus. 481 v. 191, dazu unpubliziert Inv.-n. 503., ferner
nicht ausdrücklich Hymnoden des Augustus, müssen Hicks a. a. O. 600, 604, zu denen einige noch un-
also nicht notwendig dem uns bekannten Vereine veröffentlichte hinzukommen.
angehören, wenn es auch wahrscheinlich ist. 19) Mouastov 1876/78 S. 29 n. aXa' = Athen.
Mitt. III 56 n. 2 Fränkel a. a. O. S. 263; Ramsay,
") Nach noch unpublizierter Inschrift Inv. 750 c;ües and bishoprics of Phrvßia 630, Ziebartb, Griech.
von der Arkadiane (vgl. Oehler a. a. O.): Vereinswesen 91, Chapot, Province d'Asie 402 wei-
ru|ivaatapxo5vx]!>s Tixou «PXafiiou Il0TSC|Ui>V0( sen ihn Teira zu, Th. Reinach bei Daremberg-Saglio,
cpiXojsßdaxou y.at em8Y)|iija[avxo{ Dictionnuire III 336 richtig Ephesos.
xoü y.upicj aOJxoxpa-opo; TpaVa[v]oü Aäpiavoü Ksu[aa- I Anm. 12.
14*
io8
J. Keil
Als Smyrna im Jahre 26 n. Chr. aus dem Wettstreite der asiatischen Städte
um den zweiten Kaisertempel der Provinz siegreich hervorgegangen und vew-
jtopog des Tiberius geworden war21), dürften Hymnoden beim Kulte dieses
Tempels nicht gefehlt haben, wenn wir auch kein ausdrückliches Zeugnis für
sie besitzen. Bei der Bewilligung der zweiten Neokorie durch Hadrian, welche
auf Fürsprache des Sophisten Polemon aus Laodikeia a. L. erfolgte 22), wurden
Smyrna, offenbar im Zusammenhange mit dem Neokorat, auch 9-eoX6yoi und
0u.vto3o: zugestanden. Weder die Inschrift CIG 3148, welcher wir diese Nachricht
verdanken23), noch sonstige Anhaltspunkte erlaubten bisher den genauen Zeit-
punkt des kaiserlichen Gnadenaktes, welchem der ausführende Senatsbeschluß
bald gefolgt sein dürfte, zu bestimmen, wenn auch wahrscheinlich war, daß er
bei der ersten Anwesenheit des Kaisers Hadrian in Smyrna im Jahre 123 erflossen
sei24). Hier hilft eine zweite, auf dasselbe Faktum bezügliche, aber bisher nicht
verwertete Inschrift weiter, wel-
che die Erteilung der zweiten
Neokorie an Smyrna zeitlich
fixiert und uns auch die Mit-
gliederzahl des damals eingerich-
teten Hymnodenkorps kennen
lehrt. Sie steht auf einem allseits
gebrochenen Marmorblock, h.
0-34™ br. 0-34 m, d. o-iom, der
unter Inv.-n. 75 im Museum der
evangelischen Schule in Smyrna
aufbewahrt wird, und ist Mou-
aeibv 1873/75 S. 91 n. 75 ohne
wesentliche Ergänzungen ver-
öffentlicht worden. Die Höhe
der rechts durch Verwitterung
beschädigten oder zerstörten
Buchstaben beträgt in Z. 1 — 3
o-02i'", in Z. 4 ff. o-oi35m.
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15: Inschrift der evangelischen Schule in Smyrna.
2l) Tac. ann. IV 55 f.; V. Chapot, La province 2I) W. Weber, Untersuchungen zur Geschichte
Romaine d'Asic 440 f. des Kaisers Hadrianus S. 1 39 f., wo die ältere Lite-
'-'-; Philofltr. v. soph. I 25; CIG 3148. ratur verzeichnet ist.
23) Anm. 9.
Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz A.sia i"'l
(D
ve]ö)x6pov y.'. [■8,eoX6youg?
ü[t,]vto3oü? xo' e[maxoXij
xfj (iTzo"(z^py,[i[[iivri-
5 Mav]«ö 'AxeiXüo rXaßpiwvi, racw [BsXXixcw TopxoucSxtö
Teßjaviavö üjtäxots Jtpö evvsa x[aXav5cöv 'Oxx«)|ißpui)v?,
iv 2ü]|wpv/j AxEtXtw Koyvt'xw Ka[ Name
tmjxpoTCots xoö Kuptou Kafoapo[s, znl <3te<jpavrj<p6pou . .
]ou Aouxc'ou uioö $aßia 'Av9,ou[ ....... ev xof?
10 eöxuJxecjxaxot; xaipois xoö ■9,Eü)[cpiXeax<&cou aüxoxpx-
xopo]j Tpaiavoö Aoptavoü Kaiaap[og Seßaaxoö, sv ofg f; 57t'
aüxo]ö otxou[.i£vr) 9-iie'. xai eö)f_ex[ac urcsp xfyg aüwvt'ou Sia-
|.iov]f;s aüxoö xac TJjjg avECxr;x[ou ^yejiovfas, Eitel 5t-
oixel]xa: 5itö ce^toSoxwv xai e[vxt[itüv dvopwv ?
15 0 . OU
Die unterpungierten Buchstaben fehlen auf dem Steine durch Absplitterung
eines jetzt verlorenen Fragmentes und sind der ersten Publikation entnommen,
so daß z. B. in Z. 14 das auf dem Steine vorauszusetzende efc£ioX6yü)V an Stelle des
anscheinend vorzüglich passenden, aber bisher nur aus byzantinischen Quellen be-
kannten Wortes ä^töSoxos ->5) heute nicht mehr verifiziert werden kann. Zur Lesung
sei noch bemerkt, da(3 Z. 1 nach dem A kein Buchstabe unmittelbar gefolgt ist,
dieses also nur Zahlzeichen gewesen sein kann und daß das N zu Anfang von
Z. 3 durch den Ansatz des Mittelstriches an der rechten Hasta gesichert ist.
Das erhaltene Bruchstück, welches einem längeren Texte angehört zu haben
scheint, gibt von Z. 1 — 4 in größerer Schrift eine Aufzählung von Funktionären,
welche der Stadt Smyrna im Zusammenhange mit der Gewährung der zweiten
Neokorie - - auf sie weist der Z. 2 genannte vewxöpog - - bewilligt worden sind.
Darauf folgt Z. 5 ff. eine genaue und weitläufige Datierung nach römischen
Konsuln 2i;), zwei in Smyrna tätigen kaiserlichen sitcxpoitoi 27), dem eponymen städti-
2b) Constant. porph. Caer. p. 178B; 183 A. Ku- a. d. IX kal. Octobres = 23. September, den Geburts-
manudis, auva-f(i>fa£ s.v.; H. van Herwerden, Lexicon tag des Kaisers Augustus und zugleich Neujahrstag
suppl. 84. des asianischen Kalenders.
26) Die Ergänzung des Monatsnamens in Z. 6 ist -7I Welche Stellung die beiden zur Datierung
natürlich an sich ungewiß, aber der Umstand, daß mitverwendeten kaiserlichen iTttxpoüOt in Smyrna
gerade der neunte Tag vor den Kaienden genannt innehatten, ist mir unklar, da ich keine Möglichkeit
war, führt entweder auf a. d. IX kal. Febr. = 24. sehe, zwei kaiserliche Finanzprokuratoren ritterlichen
Jänner, den Geburtstag des Kaisers Hadrian oder Ranges im Smyrna der hadrianischcn Zeit unterzu-
• IO J. Keil, Zur Geschichte der Hymnoden in der Provinz Asia
sehen Beamten sowie nach der Regierung Hadrians, welche im folgenden, ver-
lorenen Abschnitte verherrlicht worden zu sein scheint. Ob der mit der Datierung
beginnende Abschnitt bereits zu dem Z. 3/4 genannten Schreiben, durch welches
die Bewilligung der vorher aufgezählten Funktionäre mitgeteilt wurde, angehörte
oder — wie mir wahrscheinlicher ist — dieses Schreiben erst weiter unten in dem
verlorenen Teile anhub, mag dahingestellt bleiben, wie wir auch nicht wissen
können, von wem dieses Schreiben ausging, ob von dem Kaiser, dem Senat,
oder dem Statthalter der Provinz. Wichtig aber ist die Z. 5 gegebene Datierung
der Inschrift in das Jahr 124 n.Chr., weil sie beweist, daß die Bewilligung der
zweiten Neokorie an Smyrna in der Tat bei der ersten Anwesenheit des Kaisers
Hadrian in der Stadt im Jahre 123 erfolgt ist und daß die Mitteilung von dem
entsprechenden Senatsbeschlusse durch die Z. 3 f. erwähnte iracrtoX^ im Jahre 124
bereits in Smyrna eingetroffen war. Das Jahr 123 bezw. 124 ist also auch das
Gründungsjahr des aus 24 Mitgliedern bestehenden Verbandes oder Vereines der
Hadrianshymnoden in Smyrna, welcher uns noch in der Inschrift CIG 3170
begegnet, wo ein u[ivw5ö; ti-soO ÄSptavoö y.al üj.ivw5ö; yspouata; ex Jipoyövwv . . . xolc,
yvijacotg auvujivwSors tteoü 'Aop'.avoö einen Altar stiftet. Durch den neu ergänzten
Text gewinnt letztere Urkunde erst die richtige Beleuchtung. Da die Zahl der
Hadrianshymnoden auf 24 festgesetzt war, haben wir sie uns ganz entsprechend
den pergamenischen des Augustus als einen exklusiven Verein zu denken, in
welchem die Stelle des Vaters in der Regel auf den Sohn überging.
Außer den Hadrianshymnoden gab es in Smyrna auch organisierte Hym-
noden der Gerusie2s); nach der oben zitierten Inschrift CIG 3170 konnte dieselbe
Person Mitglied beider Vereine sein. Ob der CIG 3160 genannte mpöravi? xal
ö[iv<o86s, ferner der öjivwSög xal S-eoXoyos in CIG 3348 und schließlich die öjitmüSoi,
welche nach Mouierov 1879/80 S. 144 n. 187 gemeinsam mit der aüvoSo; xtov vetov
die Fürsorge für ein Grabmal übertragen erhalten, einer von den beiden vorge-
nannten Organisationen angehören oder nicht, entzieht sich einer gesicherten
Entscheidung".
Smyrna, März 1908. JOSEF KEIL
zubringen. Einen szitpo-o; -•/> Seßaatotj, der Straf- allgemein übliche Übersetzung von curator (civitatis)
gelder einkassiert, nennt CIG 3203. Über den CIG ist freilich Xvfi ">j;, aber als die Institution der Cura-
3151 erwähnten itttaponoe, —parrj^öj (vgl. ebendort tores noch in den Anfängen stand, war die Termino-
3162: ir.iTfonc; r?,j OTpa-^-ffaj ; dazu Boeckh : vide- logie noch nicht festgelegt; vgl. Chapot a. a. O. 257
tur curator intelligendusj wissen wir nichts Näheres. A. 2 und G. Mancini bei Ruggiero, Dizionario epi-
Vielleichl haben wir in den beiden ir.lzf,or.o'. zwei grafico TI 1354.
vom Kaisei I" vollmäcbtigte (außerordentliche?) Auf- I IG 3201 /.. 5 •■
sichtsorgane — curatores — zu erkennen. Die später
Jugendlicher Asklepios.
Die Darstellungen des jugendlichen,
bartlosen Asklepios beschränken sich mit
Ausnahme der schönen Statue1) im Braccio
Nuovo des Vatikan auf kleinere Statuet-
ten2), die möglicherweise als selbständige
Schöpfungen geringerer Künstler und nicht
als getreue Nachbildungen berühmter Kult-
statuen anzusehen sind. Eine Vermehrung
der Denkmäler ist hier um so wünschens-
werter, als wir aus der literarischen Über-
lieferung wissen, daß mehrere namhafte
Künstler den jungen Asklepios statuarisch
gebildet haben. Neben Skopas, auf dessen
Statue in Gortys (erwähnt von Pausanias
VIII 28, 1) bereits das vatikanische Bildnis
von einigen Gelehrten zurückgeführt wird,
galt Timotheos als Verfertiger einer dem
Bilde des schönen Hippolytos ähnelnden
Asklepiosstatue in Trozen (Pausanias II
$2, 4), der jüngere Kaiamis als Schöpfer
eines chryselephantinen Sitzbildes in Sikyon (Pausanias II 10, 3; vgl. Reisch,
Jahreshefte IX 234 f.). Die namhaft gemachte Reihe von Denkmälern läßt sich
nun um einen neuen monumentalen Beleg bereichern, einen lebensgroßen Marmor-
kopf des Museo nazionale3) in Rom, der gleichfalls den Gott jugendlich in eigen-
artiger Auffassung vergegenwärtigt (Fig. 16 und 17). Die Deutung wird gesichert
durch die dicke gewundene, kranzartig auf das Haar aufgesetzte Kopfbinde, ein
auch für den bärtigen Typus des Asklepios g-eläufiges Attribut, ohne das es
16: Marmorkopf des Museo nazionale in Rom
(Vorderansicht).
1) Heibig, Führer I2 7 n. 6; Amelung, Die Journ. of hell. stud. IV 46 f; 3. Terrakottastatuette
Skulpturen des vatikanischen Museums I 29 n. 17 von Tanagra abgeb. in Mon. Piot III 60; Reinach,
(Taf. IV). Repertoire II 33 n. 5; 4. Marmorstatuette aus Formii
2) Hieher gehört I. Marmorstatuette von Epi- mit dem Kopfe des Antinoos abgeb. bei Reinach,
dauros beschr. von Kavvadias, Kat. n. 270, abgeb. bei Repertoire II 33 n. 6.
Stais, Marbres et bronzes du Musee national I 76 ' Guida dcl mus. naz. rom. 13 n. 6.
n. 1809; 2. Marmorstatuette von Kyrene abgeb. in
I I 2
Karl Hadaczek
schwer halten würde, die im übrigen durchaus ideal gehaltene Schöpfung auf diesen
Gott zu deuten. Das lange, wohl geordnete Haar, das auf dem Hinterkopf dicht
anliegt, dagegen über der Stirn, den Schläfen und dem Nacken einen Kranz
von sorgfältig frisierten Locken bildet, ferner das feine Oval des zartgeformten
Antlitzes ließe zunächst wohl an Apollon denken, wie ihn die Münztypen des IV. Jh.
vor Chr. veranschaulichen4). Aus monumentaler Skulptur läßt sich am besten der auf
Praxiteles zurückgeführte Apollon Lykeios ;"') vergleichen. Mit ihm teilt der Kopf
die hohe dreieckige Stirn, das fließende
Haar, das über den Ohren zurückge-
strichen und unter die Kopfbinde auf-
genommen ist, und die weichen Gesichts-
formen mit vollem, fleischigen Unter-
gesichte. Diese augenscheinliche Stil-
verwandtschaft kennzeichnet sowohl die
Entstehungszeit des griechischen Ori-
ginalwerkes, das in dem römischen
Marmorkopf kopiert ist, als auch die
eigenartige Auffassung, die bei der
Schöpfung des plastischen Typus des
jugendlichen Asklepios für den griechi-
schen Künstler maßgebend war. Den
heilbringenden Sohn des Apollon ") hat
er diesem selbst auch äußerlich ange-
glichen; nur daß er die Haartracht modi-
fizierte und dem Antlitz eine größere
Weichheit der Formen verlieh. Mädchen-
haft mutet uns der kleine, leise geöff-
nete Mund mit den zarten Lippen eben-
so an wie das träumerisch blickende Auge und ein trotz der Beschädigungen
der Nase und des Antlitzes unverkennbarer schwärmerischer Zug, wie er in
gesteigerter Form den Köpfen des Apollon Lykeios eigentümlich ist. Neben
dem Typus des Apollon ist aber auch der Einfluß einer anderen plasti-
17: Marmorkopf des Museo nazionale in Rom
(Seitenansicht).
4j Vgl. Ilcad, Catal. of greck coins, Pelo- II 303 fig. 154; Klein, Praxiteles 1 68 f. fig. 25 — 26
ponnesus pl. XXIX 14 (Epidauros) ; Coins of Jonia (Kopf der Sammlung Barracco).
pl. XXI 9—1 i(Milet); Coins ofCariapl. XXVIII 9. «) Siehe Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie II
1 ollignon, Histoire de La sculpture grecque 1 65S f.
jugendlicher Asklopi os ' '3
sehen Schöpfung herauszufühlen. Die Art, wie das Haar in kurzen Locken auf
Nacken und Stirr^ fällt, hier aber geteilt und leicht auseinander gestrichen ist.
erinnert im Kontur an bekannte Eubuleusköpfe7), eine Anlehnung, die in Hin-
blick auf die Wesensverwandtschaft der beiden chthonischen8) Gottheiten auch
der mythologischen Grundlage nicht entbehrt.
Wir dürfen sonach in dem Marmorkopfe des Museo nazionale einen Typus
des jugendlichen Asklepios erkennen, der die in ihm sich vereinigenden Glaubens-
anschauungen vollkommener zum Ausdrucke bringt, als die vatikanische Statue
mit kurzgeschorenem Haar. Der römische Marmorkopf stammt nach dem er-
haltenen Teile der rechten Schulter offenbar von einer mittelmäßigen, etwas
flüchtigen Kopie der frühen Kaiserzeit nach einem griechischen Originalwerk
der ersten Hälfte des IV. Jh. v. Chr. her. Das Original muß berühmt gewesen und
öfter nachgebildet worden sein. Einer zweiten Wiederholung gehört ein teil-
weise restaurierter marmorner Kopf des Laterans") an (Fig. iS), der auf eine
weibliche Statue aufgesetzt worden ist. Die Arbeit ist sorgfältig-er, aber zugleich
viel trockener. Die Schärfe, mit der die Augenlider, Haarsträhne und Lippen
geschnitten sind, erbringt den sicheren Beweis, daß die Kopie eines Bronze-
werkes vorliegt. Von einer freien, stark veränderten Nachbildung, die in den
Marmorstil übersetzt und in Anlehnung an praxitelische Kunstwerke geschaffen
worden ist, stammt ein bereits veröffentlichtes Marmorköpfchen ln) des Palazzo
Colonna in Rom.
Das ursprüngliche Bronzeoriginal zeigte den Gott wahrscheinlich stehend,
den Kopf leicht nach rechts gewendet, was aus der etwas verkleinerten rechten
Gesichtshälfte zu erschließen ist; bekleidet war er sicher mit dem Mantel in der
von den zahlreichen Statuen des bärtigen Asklepios bekannten Anordnung.
Das derart erschlossene Kunstwerk kommt dem Bilde des jugendlichen
Asklepios auf dem Revers einer Münze der Stadt Markianopolis11) aus der Kaiser-
zeit so nahe, daß man vielleicht nicht mit Unrecht in diesem Münzbilde eine
weitere Replik des offenbar berühmten griechischen Bronzeoriginales erkennen
darf. Trotz der Kleinheit der Dimensionen ist auf dem Münzbilde sowohl die Binde
") Collignon, Histoire de la sculpture grecque und dei größte Teil der Locken zur Seite."
II 300 pl. VI. '"' \rndt-Amelung. Einzelverkauf n. 1140 und
8) Siehe Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie II 1141. Das Köpfchen, auf eine kleine Replik des •
1695 (Thraemer). genannten Narkissos aufgesetzt, zeigt die Wendung
9) Benndorf-Sehöne, Die antiken Bildwerke des nach links.
lateranensischen Museums 370 n. 523. „Ergänzt ist "1 A.bgeb. bei Piek, lue Münzen Nordgriechen-
der Hinterkopf mit dem Reif, Hals. Nase, Oberlippe lands Tat. XYIT ;.
Jabreshefte des österr. archäol. Institutes lief XI. 15
H4
K. Hadaczek, Jugendlicher Asklepios
deutlich zu sehen, welche das lange Haar umfängt, als auch die dichten freien
Locken, die sich kranzartig von der Stirn bis zum Nacken hinziehen, und Be-
deutung ist nach dem Dargelegten gewiß auch der übereinstimmenden Kopf-
wendung nach rechts beizumessen. Das Münzbild wird vielleicht einmal ermög-
lichen, unter den vielen Torsen des Asklepios den zu diesen Köpfen zugehörigen
ausfindig zu machen, und auch den Schöpfer des Originalwerkes besser zu
würdigen. Er war ein Zeitgenosse des Praxiteles, mit dessen Werken dieser
Asklepios manches Gemeinsame aufweist.
Lemberg, März 1908. KARL HADACZEK
18: Marmorkopf, einer weiblichen Statue des lateranischen Museums aufgesetzt.
Weiblicher Kopf in Spalato.
Bei einem Besuche des archäologischen Museums in Spalato fiel mir ein
weiblicher Marmorkopf auf, der, von einer Statue abgebrochen, sich zwar nur als
geringe römische Kopiekennzeichnet, aber als Typus von Interesse ist (Fig. 1 a und 20).
Museumsnummer 43 c; Höhe 32 cm. Gefunden in Spalato. Der Kopf saß, wie
die Bruchfläche zeigt, mit sanfter Neigung nach rechts auf. Die Oberfläche ist
leider sehr verwittert. Nase und Lippen sind stark verstümmelt. Das breit ange-
legte Antlitz ist in allen seinen Formelementen lebhaft bewegt und von einer
ins höchste gesteigerten Kraft des Ausdruckes. Die vollen Lippen sind wie in
leidenschaftlichem Atmen geöffnet. Der Nasenrücken war breit, gegen die Wangen
sanft abdachend. Die Augen sitzen tief mit scharf absetzendem Oberlid. Der innere
Augenwinkel liegt tiefer als der äußere, ein bekanntes Mittel der griechischen
Kunst, um die seelische Tiefe des Blickes zu steigern. Das in der Mitte gescheitelte
Haar ist in aufgelockerten, losen Wellen nach hinten gestrichen, wo es dann
über dem Nacken aufgenommen erscheint. Zwei einzelne Locken fallen längs
des Halses auf die Schultern herab. Merkwürdig ist das über den Haarpartien
mit einem deutlichen ringsum laufenden Absätze sich aufbauende und nur roh
angelegte Schädeldach. Wiewohl Ansatzspuren fehlen, wird man eher ein aufge-
setztes Diadem, möglicherweise einen Helm annehmen wollen, als Nachlässig-
keit des Kopisten, der diese dem Blicke des Beschauers entzogene Partie nur
andeutend behandelt hätte, wobei zudem die erwähnte charakteristisch absetzende
Furche, die in Fig. 20 deutlich wahrzunehmen ist, nicht ihre Erklärung fände.
Der Kopf schließt sich seinem Formcharakter nach eng an einige Köpfe an,
die man auf Skopas zurückgeführt hat. Ich denke vor allem an den Kopf vom
Südabhange der Akropolis1), mit dem er die allernächste Verwandtschaft aufweist.
Die breite Gesichtsanlage, die Neigung des Kopfes, die Behandlung der Lippen
und Augen stimmt durchaus überein; nur ist die Formensprache unseres Kopfes
derber, roher, wie besonders die Haarbehandlung erkennen läßt. Es fehlt der
zarte Haaransatz, die duftige, leichte Behandlung der schwellenden Haarmasse,
die wir am griechischen Originale bewundern. Die einzelnen Haarwellen sind
tiefer herausgearbeitet, die ganze Haarmasse ist mit starken schattigen Furchen
aufgelockert. Alles ist auf eine mehr dekorative Wirkung angelegt. In dieser
Hinsicht bietet sich ein Kopf im Museum zu Cherchel2) zur Vergleichung. Auch
l) Br. Br.: Denkmäler T. 174; Athen. Mitt. 1 s) P. Gauckler: Muse« de Cherchel VT. PI. 3.
876 T. XIII— XIV.
lio
19: Weiblicher Marmorkopf in Spalato (Vorderansicht).
hier sind die Haarwellen einzeln stark herausgeholt. Die weichen Formen, der
ungemein pathetische, mit derben Mitteln erreichte Ausdruck weisen hier auf
ein Original hellenistischer Zeit. Auch in dieser Schöpfung pulsieren noch stark
die Kiemente der skopasischen Kunst, nur sind sämtliche Formen in ihrer
Wirkungskraft gesteigert.
Auch mit anderen Köpfen des vierten Jahrhunderts ist der Kopf aus Spalato
verwandt. Ich erwähne nur den Kopf der Niobe in Florenz, einen prächtigen
Kopf aus Halikarnass im British Museum3) und den Mädchenkopf aus Sunion.
Endlich wäre noch an die tegeatischen Kriegerköpfe zu erinnern, als die einzig-
sicheren Reste skopasischer Kunst, welche besonders im Profile eine geschwister-
liche Ähnlichkeit mit dem Kopfe aus Spalato verraten ').
Absolut keim: formalen Beziehungen hat dagegen unser Kopf zu dem neu
gefundenen weiblichen Kopfe aus Tegea, in dem man allgemein die Atalante
der ( iiebelgruppe, ein Werk des Skopas erkannt hat8). Allein ich muß gestehen,
■') Cat. of sculpture n. IO51; Jahreshefte IX 75 '/.(,%. 1906 T. 3 37; Journ. of hell. Studies X.W I
Fig. 22. p, [69 €F. ; Kurtwangler, Zu den tegeatischen Skulp-
') Journ. Ol hell. Studies XV pl. Vi. lurcn des Skopas, Sitzungsber. Akad. München 1906
Bull, de corr. hell. XXV pl. IV, V; 'EtpijU. S. 383 ff.
"7
no: Weiblicher Marmorkopf in Spalato (Seitenansicht).
daß ich einstweilen diesem Resultate sehr skeptisch gegenüberstehe und den
sogenannten Atalantekopf und die Kriegerköpfe nicht als Werke eines und
desselben Meisters anerkennen kann. Gewiß ist es nicht notwendig für die weib-
lichen Typen des Skopas das leidenschaftliche Pathos vorauszusetzen, das wir an
den Kriegerköpfen sehen. Aber ich vermisse die analoge Formanschauung, den
gemeinsamen künstlerischen Geist. Der Atalante-Kopf ist von den Kriegerköpfen
im Aufbaue so verschieden, atmet so viel Zartheit, so viel Vornehmheit, eine so
hinreißend süße Anmut, zeigt in der Behandlung- der Formen eine so abgewogene,
ruhige Zurückhaltung, daß ich die Meisterhand, welche die Kriegerköpfe schuf,
darin nicht zu erkennen vermag-. Die Kriegerköpfe wirken mit der unwider-
stehlichen Kraft einer künstlerischen Intuition: man steht im Banne einer genialen
Kühnheit und Sicherheit der Meißelführung", die das Wesentliche aus der Welt
der Formen mit eminenter Wirkungskraft herauszuholen vermochte. Am Kopfe
der sogenannten Atalante stehen dagegen die formen im Gleichgewichte; alles
an ihm ist ruhig- und milde abgewogen.
Budapest, März kjo8.
\\ ION H EKLER
HS
W. Wilberg
21: Gesamtansicht der Bibliothek in Ephesus.
Die Fassade der Bibliothek in Ephesus.
Die genaue architektonische Aufnahme der vielen Baustücke von der Bibliothek
in Ephesus ermöglichte es, deren Fassade fast lückenlos zu rekonstruieren. Über
'Urse Arbeiten soll im nachstehenden ein kurzer Bericht gegeben werden, ohne
allzu großes Eingehen auf Einzelheiten, wofür auf die später folgende zusammen-
fassende Arbeit über die Bibliothek verwiesen sei.
Was von der Fassade des etwa 115 n. Chr. errichteten Gebäudes noch an
Ort und Stelle erhalten ist, zeigt Fig. 21. Von der Säulenfront, die sich über einer
neunstufigen, von zwei großen Statuenbasen flankierten Freitreppe erhob, stehen
nur noch sieben auf Postamenten ruhende Säulenbasen, in situ; etwas höher
ragt die Rückwand auf, die durch drei Türen durchbrochen wird, deren Pfosten
fast überall, wenn auch nicht mehr in ganzer Höhe, aufrecht stehen. Daneben
erkennt man die reichornamentierten, den Säulen entsprechenden Wandpilaster
und zwischen diesen, besonders deutlich im ersten und letzten Joche, die von
Die Fassade der Bibliothek in Ephesus 119
kleinen ornamentierten Pilastern eingefaßten Nischen, in denen Statuen standen,
die zum Teil noch so, wie sie gefallen waren, wieder aufgefunden wurden.
Trotz dieser starken Zerstörung läßt sich die architektonische Anordnung
doch aus dem Erhaltenen vollkommen klar erkennen: immer zwei der acht Säulen
(vgl. den Grundriß Fig. 22) waren durch das Gebälk gekuppelt und es bildeten
sich so vier aedikulaartige Vorbauten oder Tabernakel, zwischen denen die drei
Durchgänge in den Innenraum der Bibliothek lagen.
Die ganze Fassade war nach vorn zusammengestürzt, manchmal lagen Säulen-
teile und Gebälk noch so geschichtet, wie sie ursprünglich gestanden hatten. Es
war eine oft schwierige Arbeit, die großen Steinklötze ohne Beschädigung aus
dem engen Winkel der Fundstelle, wo sie fest eingekeilt zwischen anderen Steinen
der umgebenden Gebäude lagen, hinaus ins Freie zu schaffen. Vor allem galt
es, eine Sichtung des gewaltigen Materials vorzunehmen und die Anzahl und
Höhe der Stockwerke zu bestimmen. Ersteres war bald durchgeführt: Es waren
zwei Stockwerke vorhanden, deren Gebälk sich durch Höhenmaße und Dekoration
vollkommen voneinander schieden. Schwieriger war die zweite Aufgabe, die Höhe
der Stockwerke festzustellen. Wohl fand sich ein ganzer Säulenschaft vom Ober-
geschoß und damit auch die Höhe dieses Stockes, beim Untergeschosse dagegen
war man vorläufig, da sich kein ganzer Säulenschaft aus den zahlreichen Trümmern
zusammensetzen ließ, auf die Proportionsrechnung angewiesen, wodurch sich die
Höhe der ganzen Säule auch nach Analogie der erhaltenen des Oberstockes auf etwa
0-4Om berechnen ließ, ein Maß, das sich durch die Postamenthöhe auf 7'" vergrößert
und das wir nachher durch die Rekonstruktion der in der Rückwand gelegenen
Pilaster und der Figurennischen bestätigt finden werden. Fig. 24 und 25 (S. 122
und 123) zeigen im Aufriß und in perspektivischer Ansicht die ganze Fassade.
Die Säulen des Untergeschosses ruhen auf quadratischen, oben und unten
mit Profilen versehenen, 0-605 m hohen Postamenten, an welche die o-33m hohe
attische Säulenbasis angearbeitet ist. Der untere Durchmesser des monolithen un-
kannelierten Säulenschaftes ist 070"', der obere 063111. Das 07a"1 hohe Kapitell
gehört der kompositen Ordnung an. Zwei Reihen von je acht Akanthusblättern
umgeben den unteren Teil; dahinter wachsen lange schilfartige Blätter hervor
und liegen auf dem Kapitellkern auf. Zwischen den stark vorspringenden Voluten
läuft unter dem Abakus ein großer Eierstab mit Perlschnur. Die ganze Arbeit
verrät große Fertigkeit in der Behandlung der Formen, die in prächtiger Schatten-
wirkung aus dem weißleuchtenden Marmor herausgearbeitet sind. Das Gebälk
besteht aus Architrav, Fries und Zahnschnittgesims und ist im ganzen <'485m
120
\V. Wüberg
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22: Grundriß der Bibliothek in Ephesus.
hoch. Die Einzelformen zeigt Fig. 23. Der o-525m hohe Architrav hat drei durch
Perlschnüre getrennte Fascien. deren oberste die Weihinschrift trägt. Das obere
Profil besteht aus Platte, mit Palmetten geschmückter Hohlkehle und Eierstab
mit Astragal. Die Unterseite, 0-635 "' breit, ist mit einer reichverzierten Soffitte
geschmückt: die Rückseite zeigt zwei Fascien und abschließendes lesbisches Etyma
mit tief eingearbeiteten Blättern. Durch starken Rücksprung über dem Etyma
ist hier ein breites Auflager für die Kassettendecke geschaffen. Der mit einer
tortlaufenden Blattranke geschmückte und oben durch einen Eierstab bekrönte
Fries ist 046'" hoch, innerhalb des Rankenwerks ist ein Adlerrelief mit weitaus-
Die Fassade der Bibliothek in Ephesus
121
gebreiteten Flügeln so angebracht, daß es gerade in der Mitte des vorspringenden
Gebälkteiles saß und bei dem über der Wand laufenden Fries über den Türen,
so daß im ganzen sieben Adler vorhanden waren, ein Schmuck, der vermutlich
in Beziehung zu bringen ist mit dein Namen des Stifters Tib. Jul. Aquila. Die
Bekrönung bildet ein kräftiges reiches Zahnschnittgesims, bei dem die mit Pfeifen
geschmückte Hängeplatte mit dem Zahnschnitte durch eine große tiefein-
23: Detail vom Gebäll; des
Untergeschosses.
geschnittene Hohlkehle verbunden ist, die dicht mit einem fortlaufenden Ranken-
und Palmettenmuster besetzt ist, während der überfallende Teil mit drei
Reihen schuppenartiger Blättchen ausgelegt wurde. Der Blattschnitt an den
Ranken und Palmetten ist ein rundlicher, weicher und die vielen Bohrlöcher
geben den Blättern den Charakter von Eichenblättern. Zwischen Sima und Hänge-
platte schiebt sich ein Herzlaubstab; die Sima selbst ist dekoriert durch .inzel-
stehende Palmetten und Blätter.
Ein in seiner ganzen Länge erhaltener Architrav ist in Fig. 28 (S. 1 26) abgebildet.
Jahreshefte des österr. archaol [nstitutes Bd. XI.
11.
W. Wilberg
Mi ^§Wä&-\
m amm \
24 : Fassade der Bibliothek in Ephcsus.
Nach der aul der obersten Fascie stehenden Inschrift und nach den Maßen gehört
er über das zweite Säulenpaar und schlössen sich links und rechts nach hinten
kurze, bis auf die Rückwand reichende Architrave an, die auch in ihrer voll-
ständigen Länge aufgefunden wurden. Der Vorsprung der Tabernakel beträgt
danach, an der untersten Architravfascie gemessen, 2-27"'. Das ganze Gebälk lief
Die Fassade ih-r Bibliothek in Epbesus
123
25 : Perspektivische Ansicht.
auch über der Rückwand fort, wodurch diese mit den vorspring'enden Gebälk-
teilen zu einem festen architektonischen Ganzen verbunden wurde. Dagegen konnte
nicht mehr festgestellt werden, ob das Gebälk des ersten und letzten Tabernakels
nur bis zur Rückwand reichte oder noch das kurze Stück an dieser entlang ging
und die Profile sich an den hochragenden Mauern der links und rechts benach-
16*
[24
W". Wilberg
26: Gebälk vom Untergeschoß.
harten Gebäude totliefen. Fig. 20 zeigt in Zusammensetzung das Gebälk eines
Säulenjoches. An der Rückwand entsprechen den Säulen schwach vorspringende
Wandpilaster, deren Vorderseite durch schön geschwungenes Rankenwerk reich
verziert ist, das unten aus einem großen dreiteiligen Akanthusblatte herauswachsend
durch kleine figürliche Darstellungen belebt und seitlich durch einen Herzlaub-
stab eingefaßt ist. Bei sechs Pfeilern sind neben den Ranken als Ornament links
und rechts die Fasces mit den in einer Hülle steckenden Liktorenbeilen eingefügt.
Die Pilasterbasis ist wie die der Säulen gestaltet und das in prächtiger Wirkung
gearbeitete Kapitell auch kompositer Ordnung. Bei den in situ stehenden l'ilnster-
stücken war zu erkennen, daß die Wand durchlaufende Horizontalfugen hatte, und
zwar wechselte immer ein etwa 0^30 — o-35"' hoher Stein mit einer etwa o-go — 1 m
hohen Steinschicht ab. Nach diesem System war es möglich, aus den vor-
handenen Stücken einen ganzen Pilaster und ein zwischen zwei Pilastern stehendes
Wandstück zu rekonstruieren. Diese 170111 breiten Zwischenräume waren durch
Nischen geschmückt, in denen Figuren standen, flankiert waren sie durch schmale
reichverzierte Pilasterchen, die an die großen Wandpilaster angearbeitet waren
Die Passade der Bibliothek in Ephesus
27: Gebälk vom Obergeschoß.
und deren Höhe mit Basis und Kapitell 2-88"1 maß. Das o'34m hohe Kapitell zeigt
über einer Hohlkehle und einem nicht bei allen Stücken ausgeführten Perlstabe
zwei Voluten, die sich auf zwei sehr fein ausgearbeitete Akanthusblätter legen;
die Mitte ist durch eine Palmette ausgefüllt. Das Kapitell ist nicht nur an der
ornamentierten Vorderseite der Nischenpilaster ausgeführt, sondern auch an der
glatten Nebenseite und das gleiche Ornament zog sich auch über der Rückwand
der room breiten und 0-45 m tiefen Nische hin. Innerhalb der vier Nischen standen
Gewandstatuen, deren Postamente die Bezeichnungen tragen: Zoepia Keasou, °Era-
axYjjir; Ksacjou, Apsxr/ KeAcjou und Eövoia KeXaou. Erstere beiden Postamente stehen
noch in der ersten und letzten Nische in situ, die letzte Inschrift ist nicht wie
die übrigen eingemeißelt, sondern aufgemalt. Den horizontalen oberen Abschluß
der Nischen bildet ein zweifascierter Architrav von 0-305'" Höhe, dessen Profile
sich beiderseits an den vorspringenden Wandpilastern totlaufen. Die Soffitte zeigt
einen von Blattstab eingefaßten Rahmen mit reichem Blattschmucke. Die zur Auf-
nahme eines weiteren Steines glatt bearbeitete Oberfläche des Architravs hat ein
Dübelloch, dessen Gußkanal etwa 0*07 '" vor der Vorderkante endigt, wodurch ge-
sichert ist, daß der Oberstein nicht über die Vorderfläche des Architravs hinaus-
[26
W. Wilberg
geragt haben kann, also kein Gesims, sondern ein in der Wandfläche liegender
Stein gewesen ist, der als Abschluß der ganzen Nische wahrscheinlich ein
Ornament getragen hat. Nun fand sich unter den Trümmern eine in zwei Teile
zersprungene Platte, 173™ lang und 0-655™ hoch, die auf der Vorderseite ein
Relief trägt: zwei von seitwärts nach der Mitte zu aufsteigende Bänder, die
sich an den Enden und in der Mitte zu Voluten zusammenrollen (Fig. 29). In
der Mitte wächst eine Palmette nach oben heraus, ebenso an den Enden je eine
halbe, nach unten ist Blattwerk angeordnet, am unteren Rand entlang läuft nach
2 95 ->|
28: Architrav vom Untergeschoß.
links und rechts eine aus einem mittleren Akanthusblatte herauswachsende Ranke.
Außer dieser einen vollständigen Platte wurden noch Fragmente von drei anderen
gefunden, die in der Zeichnung nicht ganz mit der ersten übereinstimmen;
einmal ist oben an dem glatten Rande des Steines noch ein Kyma, das andere
Mal statt der fortlaufenden Ranke unten knapp nebeneinanderliegende Blätter
angeordnet. Aus dieser Verschiedenheit geht hervor, daß die Stücke nicht einen
fortlaufenden Fries gebildet haben können, sondern einzeln versetzt waren.
Man kann noch an den Stoßfugen links und rechts eine schwache Abschrägung
bemerken, auch ist die seitliche Halbpalmette nicht bis ganz an die Fuge gerückt,
um sie vor Beschädigung beim Versetzen des Steines zu bewahren. Diese beiden
Umstände beweisen, daß die benachbarten Steine vorsprangen, und da auch die
Breite des erhaltenen Steines genau zu der Breite des Zwischenraumes der beiden
Wandpilaster paßt, so halte ich es für sicher, daß diese Reliefs einen Giebel-
schmuck über den Figurennischen bildeten. Als Giebelabschluß kommen ähnliche
volutenförmige Reliefformen vor, hauptsächlich an kleinen prächtigen Grabbauten
in Termessos (vgl. Lanckoronski, Städte Pamphyliens und Pisidiens, IT 110
und Heberdey -Wilberg, Jahreshefte III 190) und auch am großen römischen
Nymphaion in Milet sind sie vorhanden, hier freilich nicht als Hochrelief, sondern
Die Fassade der Bibliothek in Ephcsus
127
in frei ausgearbeiteten Konturen (vgl. Wiegand, Jahrbuch XVII Anzeiger 152).
An der Oberseite des Reliefs sind an den Stoßfugen Klammerlöcher; es war also
hier eine auch durch den großen Wandpilaster laufende Fuge. Da das 0-35 m hohe
Nischenkapitell an den Pilaster angearbeitet ist und einer durchlaufenden Binder-
schicht entspricht, so muß auf diese schmale wieder eine hohe Steinschicht folgen.
Der Nischenarchitrav hat an den Stoßfugen keine Klammern, es war also hier
29: Reliefplatte.
keine Fuge. Rechnet man nun zur Höhe des Architravs, 0-305 "', noch die Höhe
des Reliefsteines, 0-655 nl, hinzu, so erhält man o-gbm, ein Maß, das als Höhe einer
Steinschicht vorzüglich zu den unteren Schichten von 1-05 m und ro2m paßt. Der
Zwischenraum zwischen der Giebelbekrönung der Nische und dem Architrav wird
durch drei Quaderschichten ausgefüllt, deren erste der Höhe des Pilasterkapitells
entspricht, 0-75'"; die zweite Schicht ist o-gom hoch und zeigt das obere Ende
des Pilasters; die Höhe des dritten endlich ist 0-43"'. In dem Interkolumnium
rechts von der Mitteltür sind diese drei Quaderschichten von einer Inschrift
bedeckt, die Heberdey in dieser Zeitschrift veröffentlicht hat (VIII Beiblatt 67).
Wir haben somit die ganze Höhe des Wandpilasters und damit auch die Höhe
des Untergeschosses bis zum Architrav mit 7-02"' wiedergefunden, welches Maß
gut zu dem auf rechnerischem Wege g-efundenen der Säulen paßt.
Die schmale Quaderschicht von 0-43'" Höhe, die gleich auf die Nischon-
bekrönung folgt, gibt uns die erwünschte Möglichkeit, auch die Höhe der Mittel-
tür zu bestimmen. Es fanden sich nämlich zwei gleich große Quadern dieser
Schicht mit dem durchlaufenden Rankenmuster der Wandpilaster, die an ihrer
128
W. Wilberg
rechten beziehungsweise linken Seite angearbeitete Wandflächen haben, deren
unterer Teil für die Einschiebung eines andern Steines ausgearbeitet ist, so daß
das obere Stück Wandfläche auf ihm aufruhte und ihn beschwerte. Dieser Stein
kann nach Höhenlage und Mai3en nichts anderes sein als die Türverdachung.
Außerdem ist an der einen Quader an dieser Stelle ein kleines Stück des Herz-
laubstabes unausgeführt, da es durch ein Stück des seitlichen Steines zugedeckt
wurde, und in der Tat zeigt auch das hierhin gehörende Stück der erhaltenen
Türverdachung, daß das oberste Profil seitlich über den Wandpilaster übergriff.
30: Mittelarchitrav vom Obergeschoß.
360
31: Architrav vom Obergeschoß.
-4
Wir haben dadurch die genaue Lage der Türverdachung festgestellt und damit
auch die ganze Höhe der Mitteltür bestimmt, die unter Abrechnung einer niedrigen
Schwelle im Lichten )-6onl ist. Da ihre Breite 2™ ist, so geht das Verhältnis etwas
über das übliche von 1 : 2 hinaus, und sind hiernach auch die sonst nicht fest-
zustellenden Höhen der Seitentüren rekonstruiert. Die Türverdachung war durch
Eier- und Blattstäbe reich ornamentiert und seitlich durch Konsolen unterstützt.
Auf der ( >berfläche sind zahlreiche Dübellöcher mit Gußkanälen, aus deren Stellung
hervorgeht, daß keine gewöhnliche Wandquader auf ihr gelegen haben kann.
Der Fund zahlreicher Fragmente einer Umrahmung ließ auf Fenster über den
Die Fassade der Bibliothek in Ephesus
i >.g
Türen schließen, was durch die Untersuchung und Zusammensetzung der Frag-
mente und durch die Vergleichung mit den Dübellöchern sich bestätigte und
dahin erweiterte, daß diese Fenster durch Marmorgitter geschlossen waren, die
freilich, in viele Stücke zerbrochen, nur noch in geringen Resten vorhanden sind.
Die o-2i bis 0-27™ breite Fensterumrahmung hat zwei Fascien und krönendes
Profil aus Platte, mit Palmetten verzierte Hohlkehle und Eierstab. Leider ist kein
Stück so weit erhalten, daß man sehen könnte, ob an der Innenseite der Wand
um die Fenster auch eine Umrahmung lief. Die Unterseite
des Fenstersturzes ist abgetreppt und war das Marmorgitter,
das an seiner Oberseite einen entsprechenden Ansatz hat,
in die Umrahmung eingefalzt und auch durch Dübelverband
gegen das Herausfallen gesichert. Höhe und Breite der
Fenster ließ sich an keinem der erhaltenen Umrahmungs-
stücke mehr messen, aber wenigstens am Mittelfenster die
Breite durch die Dübellöcher auf der Oberfläche der Tür-
verdachung annähernd auf rao™ im Lichten feststellen.
Da die Oberseite des Fenstersturzes Klammerlöcher hat, so
muß sie in eine der horizontalen Wandfugen fallen und
scheint es mir wahrscheinlich, daß alle drei Fenster gleich-
mäßig- nach oben mit der unter dem Pilasterkapitell durch-
laufenden Fuge abschlössen; wir erhalten so eine ungefähre
lichte Höhe von 0-90™ für das Mittelfenster und i"75m für
die Seitenfenster.
Fanden sich so mehr oder weniger vollständig alle Ele-
mente für den Aufbau des Untergeschosses, so ließ die Masse
der Trümmer auch für das Obergeschoß das gleiche erhoffen
und in der Tat ermöglichten auch hier die Funde eine Rekonstruktion in
wünschenswertester Genauigkeit. Die Stellung der Säulen war hier durch die
des Untergeschosses bedingt, da über jeder Säule natürlich wieder eine im Ober-
geschosse zu stehen kam. Die Höhe der Säulen ließ sich durch Zusammensetzung
eines in zwei Stücke gebrochenen Schaftes auf 4-08 m, mit Basis und Kapitell
auf 4'g6m feststellen. Die attische mit quadratischer Plinthe versehene Basis ist
o-29m hoch, der Säulenschaft monolith, ohne Kanneluren, aus weißem Marmor
mit dunkeln Adern. Der untere Durchmesser der Säule beträgt o-5o'", der obere
0-47"'. Das o-59m hohe Kapitell ist korinthisch, der Blattcharakter und Schnitt
der einzelnen Blattformen ganz gleich dem au den Kapitellen des Untergeschosses.
Jahreshefte tlfs Ssterr, archäol. Institutes Bd XI [-
32: Architrav vom
Obergeschoß.
130 W. Wilberg
Die starke Zerstörung beeinträchtigt leider den Gesamteindruck. Die Komposition
weicht nicht von dem üblichen Schema ab.
Die Gestalt des Gebälks konnte man sich nach der Stellung der Säulen und
dem im Untergeschosse gegebenen Motiv der vier Tabernakel als eine Wieder-
holung desselben denken, doch brachte die Vermessung der erhaltenen Architrave
eine große Überraschung. Nicht wie im Untergeschosse waren die erste und zweite
Säule, dann die dritte und vierte usw. zusammengefaßt, sondern die zweite und
dritte, die vierte und fünfte und die sechste und siebente, während die erste und
achte frei stehen blieben und sich das vollständige Gebälk über ihnen verkröpfte
(vgl. Fig. 24 und 25). Es bildeten sich also statt vier nur drei Tabernakel, die durch
Giebel — einen eckigen in der Mitte und je einen runden an den Seiten — ab-
geschlossen waren, und zwei „detachierte" Säulen. Alle wesentlichen Werkstücke,
sowohl des Gebälks als der drei Giebel, sind unter den Trümmern wieder auf-
gefunden worden, so daß ein Zweifel an dieser Anordnung, die mir sonst in
dieser Form nicht bekannt ist, ausgeschlossen ist.
Die wichtigsten freitragenden Architrave, die sich entweder ganz vorfanden
oder doch zusammensetzen ließen, geben die Figuren 30 — 32 (S. 128 u. 129) wieder.
Der Architrav Fig. 30 ist an der unteren Fascie gemessen 4m lang, und hat eine
Achsweite von 3'55°', ist also für ein Joch, das dem des Unterstockes entsprechen
würde, viel zu lang, paßt aber genau über das Mitteljoch und lag somit über
der vierten und fünften Säule; der zweite Architrav, Fig. 31, dessen untere Fascie
nicht ganz erhalten ist, sich aber auf 3'6om feststellen läßt, hat eine Achsweite
von 3'i2m, gehört also über die zweite und dritte Säule; der dritte endlich, Fig. 32,
zeigt auf allen drei Seiten, die vierte — Schmalseite — ist abgebrochen, die gleiche
Frontdekoration, er muß also mit der einen Schmalseite in die Rückwand einge-
griffen, mit den übrigen drei Seiten frei sichtbar gelegen haben. Der Yorsprung
läßt sich nach dem der drei Tabernakel auf 2-i9m bestimmen. Dieser Architrav
lag auf einer der beiden „detachierten" Säulen, der ersten oder achten. Das
ganze Gebälk zog sich auch an der Wand entlang hin, wovon Wandarchitrave
Zeugnis geben.
Betrachten wir nun die Einzelformen des Gebälks, so fällt besonders im
Hinblick auf die Zeit der Entstehung und auf die immerhin beträchtliche Höhe,
in der das Gebälk lief, die überaus sorgfältige Ausführung der Einzelformen auf.
In Fig. -1; (S. 125) ist ein ganzes Tabernakelgebälk zusammengestellt.') Architrav
') Diese Zusammensetzung fand an Ort und Stelle des Gebälks anter Berücksichtigung der richtigen
nach den Prinzip statt, aus den besterhaltenen Teilen Aufeinanderfolge ein möglichst vollständiges Bild des
I lie Fassade der Bibliothek in Ephesus i ,i '
und Fries sind aus einem Steine herausgearbeitet, zusammen 075'" hoch (vgl.
Fig. 33). Ersterer hat drei durch Perlschnüre getrennte Fascien, das krönende
Profil ist durch fein ausgearbeiteten Eierstab und Palmetten geschmückt. Die
Soffitte an der 047 '" breiten Unterseite zeigt einen Schmuck von Lorbeerblättern.
Die Rückseite hat auch drei Fascien und ein mit Palmetten und Blütenkelchen
geziertes Kyma als abschließendes Profil. Unter der oberen Fascie läuft statt der
Perlschnur ein gedrehtes Band. Der Fries ist gerade und hat Pfeifendekoration
oben mit tief eingearbeitetem Eierstabe. Das 0-48"' hohe Konsolengesims ist an
der Sima nicht mehr vollkommen erhalten, daher auch die ganze Ausladung nicht
mehr festzustellen. Ein ziemlich niedriger Eierstab über dem Zahnschnitte leitet zu
der glatten Fläche über, aus der die Konsolen vorspringen; diese sind volutenartig
geschwungen und an der Unterseite durch ein großes Akanthusblatt geschmückt.
Zwischen den Konsolen liegen an der Hängeplatte Kassetten mit großen Blumen.
Die horizontale Fläche der Hängeplatte ist mit Rosetten geziert und darüber
läuft als krönendes Profil ein etwas degenerierter Herzlaubstab. Das ganze Deko-
rationsschema wiederholt sich bei dem Giebelgebälke, sowohl bei dem runden wie
beim eckigen. Bei letzterem stehen die Konsolen lotrecht, während sie bei den
beiden runden winkelrecht zur Giebelrundung stehen. Die Sima ist durch blatt-
artig ausgeführte Palmetten dekoriert. Alle drei Giebelfelder wurden, wenn auch
zum Teil recht zerstört, wieder gefunden und zusammengesetzt; sie zeigen alle
drei in der Mitte ein großes Medusenhaupt. Die glatte Fläche links und rechts
wurde bei den runden Feldern durch schön gezeichnete Ranken ausgefüllt, die
in zwei Blumen enden; bei dem eckigen Mittelgiebel fehlen die Ranken und
stehen nur je zwei nach den Giebelenden zu kleiner werdende Rosetten in dem
leeren Felde, eine gegenüber den beiden runden Giebeln etwas magere Dekoration.
An der Oberfläche der Giebelenden sind Reste von Akroterpostamenten erkenn-
bar, doch ließ sich nur bei einem Stück eine Breite von 073™ messen, die Höhe
ist nicht mehr erhalten, ebensowenig das Postament auf der Mitte des Mittel-
Aufbaues zu gewinnen, ohne Rücksicht darauf, ob feld angegebenen Giebelschrägen nicht mehr passen,
nun wirklich gerade der betreffende Stein auch ur- Andererseits war von den ursprünglich auf dem Archi-
sprünglich an dieser ihm jetzt zugewiesenen Stelle trav ruhenden runden Giebeln das eine nur an Ort
gesessen habe. So sei zu obiger Fig. 27 bemerkt, und Stelle zur Verfügung stehende Giebelfeld — das
daß der eckige Giebel nicht auf diesen Architrav andere, gut erhaltene, befindet sich in Wien — so
gehört, sondern auf den längeren Mittelarchitrav zerstört, daß es zur Aufstellung nicht in Betracht
Fig. 30, der aber wegen seines schlechten Erhaltungs. kommen konnte, ebensowenig wie das bekrönende
zustandes nicht zur Aufstellung benutzt werden konnte. runde Giebelgebälk, das sich auch nicht in dem guten
Daher kommt es, daß die beiden Giebelecken zu Zustande befindet wie das gradlinige,
nahe an der Mitte liegen und zu der durch das Giebel-
I.i-
\V. Wilberg
giebels. Auch ließ der Erhaltungszustand nicht mehr feststellen, ob auf diesen
Postamenten etwa Figuren standen, wenn auch der Fund von einigen etwa i m
hohen Statuen diese Annahme gerechtfertigt erscheinen läßt. Auf den detachierten
Säulen standen keine Figuren, da das vollständig erhaltene Gebälk der einen Säule
auf der Oberseite außer einem Hebeloche keine Dübellöcher oder sonstige Stand-
spuren zeigt. An der Rückwand entsprachen den Säulen wieder wie im Unter-
stocke Wandpilaster, welche die nach der Wand zu laufenden Architrave auf-
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33: Detail vom Gebälk des
Obergeschosses.
o 47
nahmen. Die drei Tabernakel waren durch Kassettendecken geschlossen und zeigt
Fig. 34 oben eine Unteransicht des ganzen Gebälks vom Oberstock, während
darunter eine solche des Untergeschosses zum Vergleich abgebildet ist. Die Wand-
pilaster des Oberstockes sind in einer etwas groben Ausführung durch zwei Wein-
laubranken ornamentiert, die in wechselndem sich Kreuzen und wieder Ausein-
andergehen ovale Felder bilden, die durch große Weinblätter ausgefüllt sind. Das
Kapitell ist die genaue Übertragung des korinthischen Säulenkapitells ins Flache.
Die Rückwand zwischen den Pilastern war glatt gelassen und nur unter den drei
Tabernakeln durch große Fenster durchbrochen, um dem Saale noch mehr Licht
als nur durch die Öffnungen des Untergeschosses zuzuführen. Die Umrahmung
dieser Fenster ist o-3om breit, hat zwei Fascien und ein glattgezogenes Profil aus
Die Fassade der Bibliothek in Ephesus
^33
Plättchen, Hohlkehle, Kyma und Rundstab, das nicht wie bei den unteren Fenstern
durch Palmetten oder Eierstab geziert ist. Ein Fensterpfosten ist noch ganz er-
halten und gibt uns dadurch die lichte Höhe: 2-iom zwischen Stand- und Lager-
fläche gemessen. Die Breite ließ sich nur annähernd dadurch ermitteln, daß an
die Leibung noch 0-32 m Wandquader angearbeitet war, wodurch sich eine un-
gefähre lichte Breite von rso1" ergibt. Bei einem andern Stücke der Umrahmung
hat diese angearbeitete Wandquader eine Breite von 042 "'. Betrachtet man dieses
Stück als zum Mittelfenster gehörig, das in einem etwas breiteren Interkolum-
OberstocK
■2-33
2-33
2 28 — *
UnttrstocK.
34: Unteransicht der Architrave der beiden Stockwerke.
nium steht, so erhält man auch hierfür dieselbe Breite wie für die Seitenfenster.
Die Sohlbank ist nicht erhalten, wenigstens ließ sich unter den Trümmern kein
Stein als zugehörig erkennen. Die Fensteröffnungen waren durch Eisengitter ver-
schlossen, dessen Reste in den Leibungen noch sichtbar sind. Aber nicht nur
Breite und Höhe der Fenster ließ sich feststellen, sondern auch ihre genaue Lage
in der Wand ermitteln mit Hilfe einer über dem Fenster angebrachten Inschrift.
Es ist dies das von Heberdey Jahreshefte VIII, Beibl. S. 09 veröffentlichte Disti-
chon aus christlicher Zeit. Die zweizeilige Inschrift, in ihrer Breite nicht ganz
erhalten, doch lückenlos zu ergänzen, steht auf drei aneinanderpassenden Wand-
quadern von o'6om Höhe. Am ersten und dritten Block ist links beziehungsweise
rechts noch ein Stück des angearbeiteten Wandpilasters mit dem Weinranken-
ornament und dem Herzlaubstab erhalten. Der Mittelblock zeigt vorn lotrechte
Fugen, nach hinten aber einen Falz und keilförmigen Schnitt, so daß er wie ein
134 W. Wilberg, Die Fassade der Bibliothek in Ephesus
Keilstein oder Schlußstein eines Bogens zwischen seinen Nachbarn hing. Die
ganze Inschrift läßt sich zwischen den Pfeilern auf z--]om Länge berechnen, gehört
also sicher in ein Fensterinterkolumnium, da sie für ein anderes zu lang wäre,
sind diese Joche doch nur i'75m breit, und zwar kann nur das linke oder rechte
Joch in Betracht kommen, da das mittlere wieder mit 3m lichter Weite für die
Inschrift zu groß wäre. Der keilförmige Schnitt des Mittelblockes beweist nun,
daß die Inschrift über dem Fenster angebracht war, nicht etwa darunter, denn
nur zur Erleichterung des darunter liegenden Steines, in diesem Falle des Fenster-
sturzes, wandte man diesen Fugenschnitt an, durch den der Stein nicht auf dem
unteren aufruhte, sondern auf den benachbarten Steinen. An den erhaltenen
Profilen des Wandpilasters erkennt man, daß der Inschriftblock nicht gleich unter
dem Kapitell gesessen haben kann, da weder das obere Pfeilerende, Rundstab
und Plättchen, angearbeitet ist, noch der Herzlaubstab umbiegt; es war also
zwischen Kapitell und Inschriftquader noch eine Quader eingeschoben, deren
Höhe von 0-58 ™ wir durch erhaltene Stücke auch kennen. Der Zwischenraum
zwischen Architrav und Fensterumrahmung beträgt somit 177™, nämlich Kapitell-
höhe (0-59 mj, Quader unter dem Kapitell mit Pilasteranfang (0-58 m) und Inschrift-
quader (o-6om), und da wir durch die Säulenhöhe auch die Gesamthöhe der ganzen
Wand bis -zum Architrav kennen, so können wir auch das Fenster genau in das
Interkolumnium einzeichnen.
Zur Vervollständigung des ganzen Aufbaues der Fassade fehlt jetzt mir
noch die in der Rekonstruktionsskizze gezeichnete niedrige Attika, gegen welche
die Giebelverdachungen anstoßen; bis jetzt konnte allerdings unter dem gefundenen
.Material nichts als zugehörig erkannt werden. Auf das Tabernakelgebälk des Unter-
geschosses wurden zwischen die Säulen des Oberstockes Statuen aufgestellt, deren
Postamentprofile auf eine etwas spätere Entstehungszeit schließen lassen und die mit
den vier Statuen in den unteren Nischen und den wahrscheinlichen Giebelstatuen
den figürlichen Schmuck der im ganzen 16'" hohen Fassade vervollständigten.
Konnte so durch die architektonischen Aufnahmen die ganze Fassade der
Bibliothek im Bilde wieder entstehen, so ergab sich nichts wesentlich Neues
für die innere Einteilung des Saales, zu dessen in dieser Zeitschrift VIII, Bei-
blatt Sp. 61 ff. gegebener Beschreibung nur hinzuzufügen wäre, daß die Standflächen
der im Grundrisse Fig. 22 gezeichneten Innensäulen auf dem durchlaufenden Sockel
vor den viereckigen Wandnischen durch Dübellöcher und Aufschnürungslinien
au gesichert sind; sie stehen sehr viel enger als in der a. a. O. Fig. 17 ver-
öffentlichten Innenansicht, und sind wir überhaupt für die Ausgestaltung des
P. Ducati, Süll' anfora attica di Milo con gigantomaihia 135
Innenraumes ganz auf Vermutungen angewiesen, da von dem Gebälk auch nicht
ein Stein mehr erhalten ist. Auch sei hier auf die kurze Bemerkung Heberdeys
(Jahresh. IX, Beibl. Sp. 59) hingewiesen, daß das in oben angeführter Figur ge-
zeichnete Oberlicht in Wegfall kommt, da Fenster und Türen genügend Licht
in den nicht übermäßig tiefen Saal einließen.
Wien, Mai 1908. WILHELM WILBERG
Suir anfora attica di Milo con gigantomachia.
II mio articolo „Osservazioni sull' inizio della ceramica apula figurata", edito
in questi Annali1), era giä stato impaginato quando usciva il 4" fascicolo (Serie II)
della Griechische Vasenmalerei di Furtwängler e Reichhold. Ivi con mio godi-
mento potei ammirare la esatta riproduzione nelle tav. 96 e 97 della preziosa
anfora di Milo con la gigantomachia (Museo del Louvre), ma con non meno vivo
stupore lessi nel testo (p. 193 — 199), che, ahi! per l'ultima volta, l'alto intelletto del
compianto Furtwängler aveva dettato, un giudizio stilistico assai discordante da
quello espresso nel mio articolo sopra detto. L'ampia gigantomachia dell' anfora
di Milo doveva essere posta allo stesso livello, ascritta al medesimo indirizzo,
alla medesima etä delle scene di Talos e di Pelope adornanti le due insigni
anfore di Ruvo e di Arezzo (F[urtwängler] e R[eichhold], op. cit. t. 38 — 39 e t. 67),
delle gigantomachie del vaso frammentato napoletano (Heydemann, n. 2664 e
2283 — F. e R., op. cit. S. IL fig. 73 — 75) e della tazza berlinese di Aristofane ed
Ergino (Furtwängler, n. 2.531).
Mi sia lecito pertanto; dato l'insigne nome del dotto che espresse questo
giudizio, questa analisi stilistica dell' anfora di Milo, difendere la mia primitiva
opinione, mantenuta anzi corroboratasi in seguito alla pubblicazione della Griechi-
sche Vasenmalerei. Prima di tutto ritengo da escludersi l'aggruppamento dei vasi di
Talos e di Pelope e della tazza di Aristofane: l'indirizzo disegnatorio seguito nei
primi due vasi e diverso da quello del secondo. Maggiore affinitä credo esistere tra
detti due vasi e l'idria di Midia (F. e R., op. cit. t. 8 — 9) pur si diversi nell' aspetto
generale; che la grandiositä intenzionalmente voluta nell'espressione delle nobili figure
delle due anfore singolarmente contrasta con la grazia soave cui raggiunse Midia.
') Jahreshefte X (11107 pp. 251 — 263.
I 36 P. Dncati
Ma per vedere che in queste due opere, tolta questa radicale differenza di
espressione, sia molto di comune, basta confrontare un pö le riproduzioni del
Reichhold. Identitä di motivi, analogia di profili. medesima espressione dei vestiti
e degli ornati; infine le figure solenni delle due anfore sono impicciolite e rese gra-
ziöse presso Midia, il dipinto sembra essersi trasformato in miniatura. E tutte le
figure presso le due anfore e nell' idria sono espresse secondo il pretto disegno
lineare, all' infuori naturalmente della figura di Talos, il cui aspetto eminente-
mente plastico e voluto dalla essenza del personaggio rappresentato.
Altrimenti sono espresse le figure nella tazza di Aristofane e conseguente-
mente nel vaso frammentato di Napoli e neu' anfora di Milo: ivi in luogo del
disegno lineare predomina il disegno condotto si da far risaltare plasticamente
le figure; qui assai piü che nei vasi suddetti appare chiaro l'influsso del metodo
skiagrafico. II nobile, il dignitoso oppure il gentile ed aggraziato delle scene sulle
anfore di Talos e di Pelope o dell' idria di Midia, formano perfetto contrasto con
la foga piena di effetto, selvaggia delle scene di combattimento nei tre ultimi
vasi. Questi tre vasi si debbono aggruppare insieme, pur vedendo in essi vari stadi
di uno stesso indirizzo stilistico; ma da questo gruppo debbono essere allontanate
le due anfore predette.
Ma, ha scritto il Furtwängler, la forma del vaso di Milo e uguale a quella
dell' anfora di Pelope, ma requisiti di tecnica e di disegno sono comuni ai due
vasi ed all' anfora di Talos. Che la figura mediana di Talos in quest' ultimo vaso
sia in bianco e che le figure di cinque cavalli nella gigantomachia di Milo siano
pure in bianco, ciö non costituisce una prova di contemporaneita e tanto meno di
affinitä di fabbrica. L'uso del bianco, come altrove ho cercato di accentuare, ha
uno scopo eminentemente subordinato all' aspetto totale del vaso, scopo essenzial-
mente decorativo, e pertanto pure nel mezzo della scena appare la bianca e dorata
figura dell' idolo nel rapimento delle Leucippidi sulT idria di Midia, e perö in luoghi
contrapposti armonicamente appare il color bianco in un coperchio di tazza da Kertsch
di certo eseguito nel IV° secolo inoltrato (Compte-Rendu, Atlas, 1861, t. I).
La forma dell' anfora si osserva eguale nel vaso di Pelope; ma anche questo
non e una prova di perfetta contemporaneita tra i vasi stessi, che altrimenti do-
vremmo ritornare alla falsa idea manifestata dal Milchhöfer, idea dimostrata falsa
appunto dal Furtwängler, che i quattro insigni coperchi di tazza, editi nel Bul-
lettino Napolitano (V t. 1 • n. s., I t. 3 - - n. s., II t. 2 - - n. s., II t. 6) e de-
corati secondo lo stile del ceramista Midia, ed i coperchi di tazza da Kertsch di
eguale sagoma debbansi ritenere del tutto contemporanei.
Süll' anfora attica di Milo con gigantomachia 137
E noto poi che il Ravaisson, illustrando per primo l'anfora di Milo2), aveva
avvicinato la forma sua a quella delle anfore panatenaiche col nome di arconte.
D'altro lato la forma dell' anfora di Milo si riproduce in un vaso del Museo
Britannico (British Museum Catalogue of vases III, E 280 - Monumenti del-
P Institute X t. IX 1) che per lo Stile non pu6 discendere piü in giü del 450,
allacciandosi alle scene di Amazzonomachie polignotee. L'ornato a viticci nel collo
di questo vaso e cinto da cornice ha il suo riscontro con l'ornato di palmette pure
incorniciato sull' anfora del Louvre. Ora, visibilmente v' e differenza di tempo
nella esecuzione dei due vasi e perö da questo si deve dedurre la mancanza di
base che in tal caso puö avere per aggruppamenti o determinazioni cronolo-
giche la forma complessiva del vaso.
Ma ciö che distacca l'anfora di Milo completamente dalle due anfore di
Talos e di Pelope e che pone essa anfora come ulteriore tralignamento del puro
Stile della tazza di Aristofane e del vaso frammentato napoletano, e il disegno delle
figure frettoloso e scorretto, il disegno palesante, non mi perito di ripetere qui
ciö che giä espressi nel precedente mio articolo, perfetto parallelismo con lo Stile
dei vasi apuli. E con sorpresa vedo che il testo del Furtwängler tace delle negli-
genze di stile pur si apparenti. Di una sola, appunto perche assai grave, fa
menzione: della mostruosa scorrettezza nel rendimento delle gambe nel gigante
avversario del Dioscuro posto nel piano inferiore della battaglia. A tal propo-
sito il Furtwängler ammise la frettolositä con cui dovette lavorare il decoratore
dell' anfora pur con la espressione di ricchi particolari. Ma tale frettolositä,
ammessa dal Furtwängler, come puö essere posta al pari, si da concludere ad
una identitä stilistica, dell' accuratissimo disegno, frutto di voluta diligenza, degli
altri vasi che sopra ho citato? Questa frettolositä si palesa in altre figure del-
1' anfora del Louvre (fig. 35 ab). Si guardi la figura avversaria di Ares vestita di
chitone simile a quello del dio contro cui combatte. Ora il Furtwängler tacque
completamente sulla deformitä di questa figura che esprime un motivo ovvio in
queste scene di combattimento: l'espressione cioe giä da me notata del corpo
visto di dorso e con la testa obliqua. Ognuno invece ammetterä che questa
figura ha non solo un' apparenza meschina, ma che fa 1' impressione di essere
raggrinzita e storpia. E 1' esame che si puö estendere ad altre figure di questo
vaso conferma appieno il giudizio che giä il Ravaisson aveva manifestato riguardo
alla negligenza con cui esso vaso fu decorato. A tal uopo si ponga a confronto
il gigante avversario di Zeus (Porfirione) col gigante pure veduto di dorso nel
2) Monuments grecs, pb. p. l'Associ.ition p. l'encouragement dos £tudes grecques, 1 S 7 5 , p. 1 — 1 :.
Jahreshefte des rSsterr. archäol Institutes Rd. \l 1$
133
P. Ducati
35 a: Gigantomachia dell' anfora di Milo.
vaso frammentato napoletano; il motivo e identico, ma il disegno e giä diverso,
giä tralignato nel vaso de! Louvre, come la muscolatura e piü esagerata, i piedi
sono in scorcio maggiore, il volto e meno di profilo apparendovi parte del naso
e delle labbra. Si aggiungano le scorrezioni nel rendimento delle parti superiori
dei corpi di Ares e della figura amazzonia sostenuta da Porfirione, delle braccia
e delle spalle di Apollo, di Posidone, di Dioniso e specialmente si faccia atten-
zione al rendimento dei capelli e dei piedi e delle mani, le quali membra sono
spesso deformi, in particolar modo i piedi di scorcio che piü nulla hanno di umano
nei loro contorni. Talora infine v' e mancanza palese di proporzione tra un piede
e l'altro di una medesima figura.
Se tutto ciö viene ponderato e posto in confronto con la mirabile esattezza
quasi incisoria con cui sono espresse le figure del vaso frammentato napoletano,
si deve di necessitä ammettere che il pregio disegnatorio da attribuirsi a questo
vaso non puö assegnarsi all' anfora di Milo. Per di piü nella complessa rappre-
sentanza che orna tutto attorno questa anfora si nota una ripetizione di movimenti,
indice di non alta potenza artistica, ripetizione che da un senso di monotonia.
Eguali o quasi tra di loro sono l'avversario di Hermes e quello di Cora, quelli di
l'<-rsefone e di Artemide, quelli di Dioniso e di Ares; cosi nel movimento impe-
tuoso sono assai simili tra di loro le dee Persefone, Tora, Athena.
Le brutte qualitä <li disegno e di composizione escludono 1' avvicinamento
proposto dal Furtwängler dell' anfora di Milo alla tazza di Aristofane, al vaso
Süll' anfora attica di Milo con gigantomachia
'39
35 b: Gigantomachia deü' anfora di Milo.
frammentato di Napoli; altre considerazioni m' inducono a far ritenere seriore a
questi due vasi detta anfora. Prima di tutto noto la espressione di alcuni motivi
comuni a lei e ad altri vasi: la figura di Zeus nel suo focoso movimento ricorda e
il cacciatore che scaglia la mazza a sinistra sopra il cinghiale nella pelike Botkin
(Annali dell' Inst., 1868 t. L. M.) e specialmente l'Edipo di un ariballo ciprioto
(Journal of Hellenic Studies t. 81); ma quäle differenza da quest' ultimo, in ispecie
pel viso assai piü schiacciato nella figura del dio! Ma in un mio scritto3) ho
osservato come il suddetto ariballo ciprioto non sia altro che un pretto antece-
dente dei vasi detti di Kertsch dal Furtwängler, del IV0 secolo giä avanzato. La
pelike Botkin pure, come in questi Annali mi sono espresso, non puö risalire piü
in sü dei primi anni del suddetto secolo, e pertanto, anche per questi confronti,
dovremmo abbassare di non poco la data espressa dal Furtwängler rispetto al-
l'anfora di Milo.
Confronti simili conducono alla stessa conclusione. L' Eracle saettatore col
capo non di pretto profilo, e simile all' Amazzone che tende l'arco sul notissimo
ariballo cumano (Fiorelli, Vasi rinvenuti a Cuma t. 8); solo il contorcimento della
figura nell' anfora del Louvre e piü spinto perche il torso e di pieno prospetto e
perö la gamba destra piegata e del tutto di fronte. La persona avversaria mostruosa
di Dioniso con scudo alzato ricorda con esagerazione il Monichos del suddetto
ariballo e 1' avversario caduto di Athena ricorda la Creusa.
3) Ausonia I (1907) p. 46 e seg.
18*
140 P. Ducati
Ma 1' ariballo cumano, prezioso epigono delle amazzonomachie polignotee,
non puö rimontare piü in sü, secondo il mio giudizio altrove espresso, degli
ultimi anni del sec. V°. Se pertanto alcuni motivi si palesano su alcuni vasi ai
quali 1' anfora deve essere contemporanea o posteriore, alcuni schemi si mani-
festano giä precursori di schemi noti a noi da un monumento posteriore, dalla
gigantomachia di Pergamo. Giä somiglianza presenta l'aggruppamento di Zeus e
di Porfirione tanto nell' anfora che nel rilievo; basterebbe che 1' Athena del vaso,
in luogo di vibrare l'asta, afferrasse il giovine avversario per i capelli e si for-
merebbe quasi lo Schema del gruppo pergameno.
Altro indice di etä seriore ci e dato, come io credo, dalla piccola, anzi minu-
scola figura di Eros che dalla groppa di un cavallo prende parte attiva alla lotta
scagliando una freccia. Questo Eros, dal piccolo corpo interamente bianco, non ci
fa venire alla mente 1' Eros adolescente proporzionato rispetto alle altre figure dei
vasi del ciclo di Midia, ma la figura del dio esageratamente piccola in tardi vasi
attici del IV0 secolo (per es. anche sul bei coperchio di tazza in F. e R., op.
cit. t. 68). E la presenza dell' Eros partecipante alla lotta non e pur essa un
segno di fabbricazione tarda del vaso, un segno precursore dell' invadente ele-
mento erotico nei vari prodotti della civiltä ellenistica?
Si aggiunga, indizio che certo non parla in favore dell' artista e che fa di-
scendere la sua opera ad un' epoca piuttosto tarda, la contaminazione, giä notata
dal Ravaisson, di figure di Amazzoni in una scena di gigantomachia. Tale con-
taminazione non fu ammessa dal Furtwängler, che ingegnosamente ha spiegato
la morente figura del tutto amazzonia sostenuta da Porfirione come quella della
figlia di Porfirione stesso, di Eritra. Ma io credo che 1' apparenza prettamente
giovanile dell' imberbe Porfirione debba far escludere tale ipotesi. Altra Amazzone
riconoscerei nella figura con chitone, elmo e scudo della quäle ho notato la de-
formitä, awersaria di Ares. Ed una terza figura amazzonia sarebbe infine per me
quella posta tra le schiere degli dei, figura che, variamente denominata sinora4),
fu battezzata per Ecate dal Furtwängler. Tale denominazione non mi pare che sia
giusta per 1' arma che la figura sta scagliando, cioe una freccia. Seguirei invece
il Rayet ed il Collignon r') nel vedere in questa figura un' Amazzone a causa del
vestito e specialmente pel caratteristico berretto a cresta, vestito e berretto che hanno
singulare analogia con cio che si osserva presso di una Amazzone su di un vaso apulo
anfora della collezione Jatta a Ruvo: Monumenti dell' Institute X t. X XVIII).
*) Si vedano le varie denominazioni raccolte in r') Hisloire de la ceramique grecque 283.
Mayer, Giganten und Titanen 358.
Süll' anfora attica di Milo con gigantomachia '4'
A sostegno di questa mia tesi sul carattere tardo dell' anfora di Milo allego
il rendimento dei volti di prospetto nello figure, rendimento giä del tutto analogo
a quello dei vasi apuli che non possono risalire se non al IV0 secolo di molto
avanzato. Si confrontino essi volti di prospetto con quelli di Gea, di . . . . yai'wv,
di Efialte della tazza di Aristofane da im lato, con quelli di figure su vasi apuli
di miglior espressione di disegno dall' altro; si vedrä che V anfora di Milo si
avvicina per questo rispetto assai piü a questi vasi che alla tazza, in cui tutte le
proporzioni facciali sono assai bene mantenute ed il contorno e regolarmente
ovaleggiante.
Neil' anfora di Milo invece il contorno del volto e giä schiacciato, corto e
il naso dalle ampie narici, assai allungati gli occhi; tutto palesa una ricerca di
effetto frettolosa, lontana dall' accurata espressione dei bei vasi attici della fine
del sec. V°, prossima assai a ciö che ci e offerto da molti prodotti apuli del se-
colo successivo. Pel vaso di Milo si ponga specialmente il confronto con 1' an-
fora ruvestina dell' Eremitaggio (Stephani, n. 523 - - Bullettino napolitano II t. 6,
Overbeck, Gr. Kunstmythologie V n. 4) ove il contenuto h il medesimo e che
non puö essere molto lontana per la data di esecuzione dal prodotto di Milo.
Riassumendo, il dipinto dell' anfora del Louvre e un lavoro ^eseguito con
grande fretta e disinvoltura, il che ha portato a gravi difetti disegnatorii. In essa
vedrei 1' opera non collettiva, come voleva il Ravaisson, ma di un solo pittore
piü mestierante che vero artista; il mag'gior pregio di essa opera e non tanto
nella pittura in se e nella composizione, che si mostra un poco imbrogliata e
monotona, quanto nei motivi raccolti e collegati insieme, motivi che del resto
si possono meglio vedere nell' ariballo cumano e nel vaso frammentato di Na-
poli piü vicini, e per valore artistico e pel tempo, alle fonti d' inspirazione. L'opera
e giä di decadimento e di decadimento piü nel disegno che nell' assieme della
pittura; essa e un prodotto di pittura ceramica eminentemente iudustriale, perche
i modelli, che in essa opera sono seguiti, non sono piü sentiti ne resi con arte
di essi degna. Con ciö non voglio negare il buono che e tuttora conservato e che
rende preziosa e singulare questa anfora del Louvre. Dato ciö, e data la stilizzazione
giä progredita delle figure e dato anche 1' uso del bianco pel corpo di alcuni
cavalli, non mi perito a porre lontano questa pittura non meno di circa trent' anni
dal vaso frammentato di Napoli con gigantomachia e disegnato secondo il mede-
simo indirizzo.
Bologna, aprile 1908. PERICLE DUCATI
142
H. Sitte
Thasische Antiken.
Tafel I— IV.
Der Name Adolfs Wix de Zsolna ist den Altertumsforschern nicht unbekannt.
Schon 1900 erwähnt Perdrizet einige im Hause des Herrn Wix, Konsularagenten
Österreich-Ungarns in Cavalla, befindliche Inschriftsteine aus der Gegend von
Philippi1); im ersten Hefte der
Revue Archeologique von 1908
wird andeutend auch auf die
Skulpturen der Sammlung hinge-
wiesen2). Gegenwärtig befindet
sich die Sammlung in Wien, wo
ich sie, von Dr. Otto Egger und
Dr. Julius Bankö darauf aufmerk-
sam gemacht, gelegentlich der
von der k. k. Zentralkommission
für Kunst- und historische Denk-
male angeordneten Inventarisie-
rung der Kunstschätze Wiens im
Herbste 1907 kennen lernte. Dem
außerordentlichen Entgegenkom-
men des Herrn Wix und seiner
verehrten Gemahlin danken wir
jegliche Erleichterung im Studium
dieses wertvollen Besitzes, den wir
hier edieren.
Dem Alter und der kunsthisto-
rischen Bedeutung nach kommt die
erste Stelle dem archaischen ,Apollo'-Kopf (Tafel I, II) zu. Er ist aus mittelgrob-
körnigem, ziemlich opakem weißem Marmor gearbeitet; seine Höhe beträgt 0-277 '",
die Länge des Gesichtes vom unteren Kinnrande bis zum Ansätze des Scheitels
36: Linkes Profil des .Apollo'- Kopfes.
') Bull, de corr. hell. X\XIV (1900) p. 299 sq.. und 553; über einige aus der Gegend von Ampbi-
2) Revue archeol. 1908 p. 38 ,; die ältere Lite- polis oder im Handel erworbene Stücke der
ratur über Thasos ist von G. Mendel zusammen- Sammlung Wix fol^l eine kurze Notiz im Beiblatt
gestellt im Bull, de corr. hell. XXIV (1900) p. 263 Sp. 97 fl.
Thasische Antiken
14
gemessen OW53"1. Gleich den meisten ähnlichen Köpfen ist auch dieser unten am
Halse quer durch den Hals und den breiten Haarschopf gebrochen. Oben steckte
in einem gebohrten Loche ein Meniskos, dessen Metallstütze wohl beim Sturze
das Hinterhaupt, und zwar mehr auf der rechten Kopfhälfte absprengte (Fig. 37).
Sonst ist der Kopf bis auf eine geringe Bestoßung der Nase, des Kinnes, des linken
Ohres und einiger Locken hinter dem linken Ohre (Fig. 36) sehr gut erhalten;
seine Bemalung ist aber spurlos verschwunden. Er wurde 1906 von Thasos er-
worben, wo er schon vor dem Jahre 1 900
im Privatbesitze gesehen worden ist s).
Um dieses Fragment rein formal
erschöpfend zu würdigen, ist es not-
wendig, sich das ursprüngliche Ganze
deutlich vor Augen zu halten und im
Geiste den fehlenden Körper zu er-
gänzen : einen schlanken männlichen
Leib in der ersten Blüte der Jugend,
wie alle .Apollines' ohne Schamhaare,
knabenhaft, den linken Fuß etwas vor-
gesetzt, die Arme am Körper anlie-
gend, alles gerade, aufrecht um eine
vertikale Mittelachse streng- architekto-
nisch durchkomponiert ■").
Meisterlich saß unser Kopf auf
solchem Körper auf. Ich benütze die
seltene Gelegenheit, die untere Ansicht
der Bruchfläche zu zeigen (Fig. 38), die
in schematischer. zum Ganzen pas-
sender Durchbildung einen geradezu
Anmerkung ebd. p. 38 , enthebt: Je ne connais cette
tete, et les autres sculptures de la collertion Wix
que par une Photographie.
4) Soeben, April 1908, erscheint der vom Ver-
fasser selbst Bull, de corr. hell. XXXI (1907) p. 187
als „destine a paraltre" bezeichnete Aufsatz Mendels
über den von Bent im Winter 1886 auf Thasos ge-
fundenen ,,Apollo"-torso, Bull, de corr. hell. XXVI
(1902) p. 467 sq. pl. IV; was schon aus den bis-
herigen Besprechungen dieses Torso [Bull, de corr.
hell. XVIII (1894) P- °'»i (Joubin), Chroniques
37: Rückseite des , Apollo- Kopfes'.
3) Die Anmerkung Mendels Bull, de corr. hell.
XXIV (I900) p. 553-: „J'ai vu moi-meme, dans une
collection privee, une tete d'Apollon archai'que, dont
il ne m'est pas permis de parier, et qui d'ailleurs
est en mauvais etat de conservation" bezieht sich
wohl auf diesen Kopf, wie auch Deonna vermutet,
der ihn nach einer Photographie skizziert in dem
letzten Hefte der Revue arch. 1908 p. 36 Fig. 7 ab-
bildet; die Skizze weicht in wesentlichen Punkten,
Haar- und Ohrbehandlung, vom Original ab, worauf
wie auch auf die Beschreibung einzugehen, mich die
■44
H. Sitte
grundrißartigen Eindruck macht: von einer senkrecht auf die Vorderansicht durch
die Mittelachse des Körpers gelegten Fläche erhebt sich mit kleinerem Durchmesser
die Rundung des zarten Halses, mit größerem Radius die ebenfalls kreisrunde
Masse der Locken. Streng ist auch auf solcher Basis in der Vorderansicht die
Mittellinie über das Gesicht, über Kinn, Mund, Nase fortgeführt bis in den ihren
Abschluß kräftig betonenden Scheitel, der das Haar mitten auf der Stirne trennt:
gleichmäßig fällt es zu beiden Seiten auf die breiten Schultern herab, das auf-
recht erhobene Antlitz einst
wohl in dunkler Färbung als
wirksamer Hintergrund um-
rahmend. Aber nicht nur von
eminent tektonischer Bedeutung
ist diese Scheitellinie des Haares
für den Eindruck des ganzen
Kunstwerkes; sie diente dem
Meister dieses Kopfes auch da-
zu, das Haar viel natürlicher als
an den meisten gleichzeitigen
Skulpturen durchzubilden: nicht
perückenartig liegt es unorga-
nisch auf dem Haupte (Fig. 39) 5),
sondern es scheint rechts und
links vom Scheitel natürlich her-
vorzuwachsen (Fig. 40). Zwei
einst wohl bunt gemusterte
Bänder gliedern seine Masse; eines liegt oben rund auf, das zweite umfaßt den herab-
wallenden Schopf6). In flachen, glatten, kunstreich gelegten Wellenlinien haftet
38: Bruchfläche des .Apollo'- Kopfes.
d'Orient p. 41g (Reinach), s. auch Journ. of hell,
stud. VII (1887) p. 434 (Bent), Reinach, Repertoire
de la statuaire II 785] wahrscheinlich war, wurde
nun zur Gewißheit erhoben: daß er unmöglich mit
diesem Kopf in Zusammenhang gebracht werden
könne. Die Bruchstelle oben am Torso hat eine
Breite von mindestens 0'24m; der Kopf an seiner
Bruchstelle höchstens OI71"; die Locken am Haar-
schopfe des Kopfes sind zwar ähnlich gebildet,
sie stehen aber, nur zwölf, auf engem Raum bei-
sammen, während am Torso fünfzehn fast die ganze
Breite der Schultern einnehmen.
1 Sphinx, Akropolis-Museum Nr. 632 'Ey.
JLpX- 1883mV. 12; hier nach einer von Herrn Prof.
Schrader gütigst zur Verfügung gestellten Aufnahme.
6) An einer freilich unmöglich hohen Stelle
rein ornamental von Ohr zu Ohr wagrecht verlaufend
findet sich das Haarband öfter bei archaischen Skulp-
turen, z. B. an dcrSphinx, Akropolis-Mus. Nr. 630'E?.
äpx- 1883 TOV. 12, und auf schwf. Vasen, z.B. ganz
ähnlich auf dem Krater des Klitias und Ergotimos
beim Hermippos im Reigen der von Theseus befreiten
attischen Knaben und Mädchen, Furtwängler-Reich-
hold Taf. 13; richtig, tiefer, an dem kleinen Bronze-
Thasische Antiken
14.5
das Haar wie modern onduliert über und zwischen den beiden Bändern an dem
Kopfe, darunter ist es in sphärische Quadrate eingeteilt, frei, leicht und locker
erscheinend gleichsam wie rückgestaut von Nacken und Schultern. So finden wir
trotz aller archaischen Schematik in doppelter Hinsicht Anzeichen einer Natur-
beobachtung.
Mehr schematisch sind die beiden Ohren gebildet7). Hier scheint nur ober-
flächliches Naturstudium durch Betasten der eigenen Ohren oder gar nur ein
39-" Sphinxkopf des Akropolismuseums. 40: ,Apollo'-Kopf in Voidersicht.
unklares Erinnerungsbild zugrunde zu liegen. Am besten ist der scharfe äußere
Rand der Ohrmuschel wiedergegeben, dann das Läppchen; die Höhlung selbst
und der sie gegen die Wangen abgrenzende Knorpelfortsatz sind nur schwach
angedeutet; dafür aber, wie das Innere der Ohrmuschel zwischen äußerem Rand,
Höhlung und Läppchen zu bilden sei, zog der Künstler die Natur nicht mit
köpfe des Zeus „Olympia" IV Taf. I S. 9 und beim
Jünglinge des Polymedes aus Delphi, Fouilles de
Delphes IV pl. I, 2; Perrot, Hist. de l'art VIII 455
(vgl. Athen. Mitt. XXXII [1907] S. 553 oben).
') Die Bildung des vorzüglich erhaltenen rechten
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI.
Ohres ist auf der Tafel I deutlich erkennbar. Herr
Prof. Schrader hatte die Liebenswürdigkeit, mir sein
gesamtes Material an archaischen Köpfen zur Durch-
sicht zu überlassen; es findet sich unter Ohren an
archaischen Jünglingsfiguren nur annähernd ähnliches.
19
146 H. Sitte
einem Blick zurate. Auch die Stellung der Ohren am Kopfe ist wie bei anderen
archaischen Skulpturen etwas zu hoch. Neben dieser unruhigen Ornamentik des
Haares und der Ohren erscheinen die Seitenflächen der Wangen, unten von der
kühn geschwungenen Linie des Kiefers klar und kraftvoll umsäumt, wie kon-
trastierend groß, ruhig und glatt. In gleicher Weise bildet die Stirne eine glatte,
ruhige Fläche. Ganz architektonisch getragen und ornamental, erst von glatten
Flächen, dann von reicher gegliederten Massen zweifach umrahmt scheinen zu-
nächst Kinn, Mund, Vorderflächen der Wangen, Nase und Augen allein den
ganzen Geist, das ganze innere Leben des Bildwerkes anzudeuten.
Die Augen sind weit geöffnet. Der untere Augenrand verläuft fast ganz
wagrecht, der obere ist in hohem Bogen emporgezogen, so daß einer Höhe der
Augen von o"oi5m nur eine Länge von 0*03 m entspricht, was in der normalen
Xatur, man versuche es nur mit dem Spiegel in der Hand, wohl kaum zu
erreichen ist; dazu kommt die ganz schwache Betonung der Augenlider, welche
fast keinen Schatten entstehen läßt, und das kugelige Hervortreten des Aug-
apfels vor eine über den Augenhöhlenrand gelegte Ebene: der Künstler wollte
auf diese Weise den Eindruck eines recht offenen, hellen, klaren Auges erzielen8).
Die Nase ist ganz schmal gebildet, wie angespannt; der äußere Rand der Nasen-
flügel ist scharf umrissen. Die Wangen sind zu freudigem Lächeln geschwellt;
ihre schief von den Augen kommenden und ihre den Mund im Bogen umziehenden
Flächen stoßen oberhalb der Nasenflügel fast in zwei wagrechten Kanten anein-
ander. Durch die Schwellung der Wangen wird der aufmerksam geschlossene
Mund an beiden Winkeln etwas emporgezogen; die Lippen sind, vielleicht um
dieser Spannung des Mundes willen gerade, trocken, kaum gegliedert; auch die
Haut um das Kinn ist durch die Zusammenziehung der Wangen straff angelegt,
so daß es, besonders im Profil energisch hervortritt.
Man fühlt, an diesem Kopf ist alles sprühendes Leben; man denkt sich un-
willkürlich den Unterkiefer nicht schlaff herabhängend, sondern die Zähne ge-
schlossen, die Ohren aufmerksam lauschend belebt, man möchte auch die auf-
rechte Haltung der zugehörigen Gestalt nicht bloß als steif und schematisch
empfinden, wenn man sich nur von diesen durchgeistigten Gesichtszügen bei der
künstlerischen Wertung des ursprünglichen Ganzen leiten ließe. Ein Geist scheint
alle ähnlichen Apollines zu beseelen. — Er ist in den auch zeitlich nahestehenden
8) Die Mittel, mit welchen er diese Wirkung besonders Ärzte, auf anthropologische Eigentümlich-
zu erzielen sich abmühte, rufen bei dem modernen keiten oder gar pathologische Einflüsse (morbus Base-
Beschauer oft ganz verfehlte Urteile wach; völlig dowii!) bei solcher Bildung der Augen schließen
gegen den Geist dieser Apollincs ist es, wenn Laien, möchten.
Thasische Antiken
M7
Versen des homerischen Hymnus an den
pythischen Apoll klar ausgesprochen:
evx)-' ix V7jö<; öpouaev ävai; ixaspyog 'Atc6XXwv
äaxept e?S6[i,evos (xeaw y^jiar:- xoö 3' dtnö ra>XXat
aravfrapcoeg tiwtüvto, aeXag 5' eJ; oupaviv Txsv
avipi efSojievo; a££rj6) ie xpaxspöj rs
So läßt dieser Kopf den ganzen Reiz
archaischer Skulpturen voll empfinden, jene
eigenartig berührende Dissonanz zwischen
Wollen und Können einer großen, aber
noch in den ersten Anfängen stehenden
Kunst, die noch nicht alles deutlich aus-
zudrücken vermag, die noch Entgegen-
kommen von dem Beschauer verlangt,
der ihre Werke ganz genießen will9).
Wird einmal die in den letzten Jahren
so glücklich bereicherte Zahl der Apol-
lines zusammengestellt wrerden, so wird
der ,Apollo'- Kopf der Sammlung Wix
einen hervorragenden Platz in der Reihe
der Schöpfungen altjonischer Inselkunst
aus den ersten Jahrzehnten des sechsten
Jahrhunderts finden müssen. Völlig Glei-
ches läßt sich nicht um ihn gruppieren;
in der Stilisierung der Haare ähnelt am
meisten die schon erwähnte Sphinx des
Akropolismuseums (Fig. 39), im Gesamt-
eindruck des Gesichtes der Sphinxkopf
der Kollektion Warocque10).
9) Vgl. Furtwängler, Glyptothek S. 48 zum Kopfe
des Apoll von Tenea und besonders die Bemerkungen
Holleaux's im Bull, de corr. hell. XI (1887) p. 187.
lü) ErstereAkropolismuseum n. 632, nach Lepsius
41: Weibliche Gewandfigur.
Marmorstudien 72 n.44 „Inselmarmor" ; letztere, Collec-
tion Warocqu£, Antiquites egypt., grecques et ro-
maines n. 6, stammt „aus dem Phaleron", also wohl
auch von den Inseln des Agäischen Meeres.
19*
148
H. Sitte
Unter den Skulpturen der Sammlung folgt der
Kunststufe nach, die sie vor Augen führt, zeitlich zu-
nächst die weibliche Gewandfigur (Fig. 41 — 43). Sie
wurde in Limenas auf Thasos gefunden an einer Stelle
zusammen mit den Statuetten der Kybele (Fig. 44), des
Dionysos (Fig. 53), des Hermes (Fig. 55) und einem
römischen Medaillonrelief (Fig. 57); die Statuette ist aus
feinkörnigem weißen Marmor gearbeitet und o-66m hoch;
oben ist ein weites Einsatzloch für den Kopt sauber
ausgemeißelt; beide Arme waren an geglätteten Flächen
mittels Bleiverguß angestückt, dessen Blei sich im rechten
Armstumpf noch erhalten hat; nur wenige besonders
vorstehende Gewandfalten und der Rand der ausnehmend
dünnen Plinthe sind stellenweise gebrochen; sonst scheint
der Erhaltungszustand, vor allem am Oberkörper darauf
hinzudeuten, daß die Statuette lange Zeit im Freien stand,
bevor sie unter die Erde kam.
In schwerem, unter dem Überschlag gegürtetem
Peplos steht eine _voll entwickelte Göttin hoch aufge-
richtet vor uns. Die Statuette war nur auf Vorder-
ansicht und Seitenansicht (Fig. 42) hin gearbeitet; die
Rückseite (Fig. 43) ist nur flüchtig, skizzenhaft, aber
doch gut in großen Linien angelegt; es läßt sich daher kaum entscheiden,
ob die Göttin außer dem Peplos noch einen Mantel trug, der über beide
Schultern etwas vorgenommen war und hinten tief herabhing. Das Gewand
ist aber jedenfalls an den für die Ansicht bestimmten Seiten vorzüglich durch-
komponiert. Quer über die Mitte des Leibes verläuft das reiche Gefältel des über
der Gürtung herabhängenden Gewandbausches und der untere Rand des Über-
schlages; so entsteht ein kräftiges Gewandmotiv, welches, nicht in übertriebenem
Bogen, sondern ziemlich wagrecht geführt, die ganze Gestalt der Länge nach
klar in eine obere und untere Hälfte teilt u). Klar ist auch durch die Gewand-
behandlung die untere Partie der Figur in linke Stand- und rechte Spielbeinseite
gegliedert; nur das Standbein ist, wie eine kannellierte Säule die Wucht der
großen Komposition allein tragend, von tief ausgearbeiteten, dunkelschattenden
u) Der Oberkörper erscheint verhältnismäßig etwas zu kurz, doch beruht dies wohl nur auf dem
Fehlen des Kopfes.
42: Weibliche Gewandstatue
(Seitenansicht .
Thasische Antiken
149
Steilfalten verhüllt, die aber, fern von aller bei
ähnlichen Statuen bis zur Manier erstarrenden Syste-
matik, mit feinem Geschmacke und guter Beob-
achtung des wirklich Möglichen detailliert sind. Das
rechte Spielbein tritt, etwas zur Seite gesetzt, form-
schön in fast faltenlosem Gewände hell hervor, nur
an seinem äußeren Kontur von einer dicken Falte
des schweren Stoffes nachdrücklich begleitet. Im
Gegensinne ist der Oberkörper durchgebildet, der
stark durch die Unbilden der Witterung gelitten
hat. Von der vollen rechten Brust geht zunächst
außen eine gerade Falte steil herab; dann folgen
gegen das Standbein zu geschwungen einige große
Faltenzüge; auf der linken Hüfte ruht das Gewand
fast glatt auf; eine Anzahl kleinerer Falten ver-
bindet in schönen Bogenlinien beide Brüste. Einge-
säumt wurde das Ganze rechts und links von den
gerade herabfliessenden Falten des Mantels oder
hinteren Überschlages; der rechte Arm hielt wohl
gesenkt in der vorgestreckten Hand eine Schale,
der linke war hoch an einem Zepter aufgestützt.
Auch über die, dem architektonischen Aufbaue des
Ganzen entsprechende Haltung des Kopfes kann kein Zweifel sein: je zwei Locken-
enden sind ganz symmetrisch rechts und links am vorderen Rande des Einsatz-
loches für den Kopf deutlich sichtbar; hinten hängt in der Mitte das in vier
Locken auslaufende Ende eines Haarschopfes herab; das Haupt war also geradeaus
gerichtet und wohl auch kraftvoll aufrecht getragen.
Man erkennt in dieser Statuette noch deutlich den tektonischen Ursprung
aller ruhig stehenden Figuren der griechischen Plastik, zwar gemildert durch
viele Jahrzehnte langes Naturstudium, aber noch nicht aufgegeben. In der Zeit
des peloponnesischen Krieges, als alle griechischen Bildhauer noch unter dem
zwingenden Eindrucke der Parthenosstatue arbeiteten, entstanden die so zahl-
reich uns überlieferten Steilfaltenfiguren, welchen sich im Typus diese Statuette
nicht unwürdig anschließt. Der Meister dieser Figur war ein Handwerker, aber
ein Grieche gleichwohl mit Geschmack und Gefühl für Linien und Formen; in
Anlehnung an eine Kolossalstatue vom Ende des fünften Jahrhunderts schuf er
43: Weibliche Gewandstatue
(Rückansicht).
ISO
II. Sitte
sein kleines Werk, damit es in einem Heiligtume der Hera oder Demeter als
Weihgeschenk seinen Platz finde12).
Im Anschlüsse möchte ich nur kurz auf die sehr schlecht erhaltene
Statuette der Kybele (Fig. 44) hinweisen, die zusammen mit der eben be-
sprochenen in Limenas auf Thasos gefunden
wurde; sie ist aus weißem, feinkörnigem
Marmor, 0-42 m hoch, 0-225™ breit und o-i8m
tief; Kopf, beide Arme von oberhalb der Ell-
bogen an, der rechte Teil der Rückenlehne
des Thrones, die linke vordere Ecke unten
mit der Plinthe sind abgebrochen; der vordere
Teil des rechten Fußes der Göttin war schon
im Altertume durch ein noch sichtbares
Metallstiftchen angestückt.
Die hohe Haltung der thronenden Göt-
tin, das aufrechte Hocken des gerade vor
sich hinblickenden Löwen rechts zu ihren
Füßen, endlich die Durchbildung des Thrones
selbst weisen auf ein groß, noch ganz archi-
tektonisch komponiertes Original des aus-
gehenden fünften Jahrhunderts hin. Der
mächtig aus rechteckigen Bohlen gezimmerte
Thronstuhl hat hohe Arm- und Rückenlehnen.
Nur der obere Teil des rechten vorderen
Fußes ist so gut erhalten, daß er zur Beurteilung des Werkes verwendet werden
kann; der Bohlen ist hier an der schmalen Außenseite von einer geraden
lotrechten Fläche abgeschlossen, wie sie an dieser Stelle noch bei ähnlichen
Thronstühlen auf rf. Vasenbildern vom Ende des fünften Jahrhunderts vorkommt 13).
Genauere Details waren vielleicht durch Malerei angegeben. An den Seiten-
flächen ist das schwere Gefüge des Möbels deutlich zu erkennen; die Rück-
seite ist ganz glatt gelassen. In diesem Gestühl thronte die Göttin hoch auf-
44: Kybelestatuette.
") Über die Entwicklung der Steilfaltenfiguren
vgl. Furtwängler, Griechische Originalstatuen in
Venedig, besonders S. 32 ff.
u) Z. B. Furtwängler-Reichhold, Griechische
Vasenmalerei Taf. 20 auf dem Krater der Villa Papa
Giulio mit der Einführung des Herakles in den
Olymp; diese ältere, rechteckige Form der Bohlen
besonders klar ebd. Serie II S. 77 Abb. 41 auf dem
Berliner Stamnos mit der Ermordung Aigisth's; die
jüngere Form mit der geschweiften, eingezogenen
Außenlinie ebd. Tafel 10 auf der Münchner Unter-
weltsvase.
Thasische Antiken
151
45 : Weiblicher Kopf.
gerichteten Hauptes, den rechten Unterarm mit einer Schale vorgestreckt, die
erhobene Linke auf ein Zepter aufstützend u). Über dem unter den Brüsten
gegürteten Peplos trägt sie einen Mantel, der in groß angelegtem Faltenwurfe
von der linken Schulter und dem wagrechten linken Oberarme weit herabfällt,
dann vom Rücken rechts unter dem Ellbogen wieder vorgenommen Schoß, Kniee
und einen großen Teil beider Beine bedeckt. Es wird auch diese, soweit er-
kennbar, gut gearbeitete Statuette zu gleicher Zeit und zu gleichem Zwecke ent-
standen sein, wie die vorher besprochene.
Denselben Traditionen folgt entfernt auch noch der halbverschleierte
Frauenkopf (Fig. 45). Er wurde auf Thasos erworben und mißt, aus weißem,
feinkörnigem Marmor gearbeitet, o"3 1 5 m in der Höhe ; er ist am untern Ende
u) Ob die Göttin einen Schleier trug, ob sie an der linken Seite des Thrones saß jedenfalls
vielleicht mit der Linken ein Tympanon auf dem kein Löwe.
Oberarm festhielt, läßt sich nicht mehr entscheiden;
152 H. Sitte
des Halses gebrochen, an Kinn, Mund, Nase und den Haaren oberhalb des
rechten Auges bestoßen; der Schleier ist an der Rückseite ganz glatt gearbeitet.
Sonach war der Kopf wohl bestimmt im Dreiviertelprofile von links gesehen zu
werden, während die Rückseite von den Wänden einer Nische den Blicken ent-
zogen war. Fast gerade sitzt das feine Oval des Gesichtes auf dem vollen Halse
auf. Ein völlig ruhiges Antlitz, aber doch entschlossenen Ausdruckes, kraftvollen
Charakters, noch nicht sich einer inneren Stimmung ganz hingebend wie der
im folgenden besprochene Kopf. Glatte Wangen umsäumen ein volles Kinn,
üppige Lippen einen ruhig geschlossenen Mund; die Augen sind ein wenig klein
und stehen nur durch eine mäßig breite Nasenwurzel getrennt ziemlich nahe zu-
einander. Die-Stirne wird von fein gewelltem Haare begrenzt, das, in der Mitte
gescheitelt, erst nahezu wagrecht verläuft, die Schläfen freiläßt, dann rasch, die
Ohren fast bis auf das Läppchen verhüllend, zum Nacken und auf die Schultern
herabgleitet. Vor den Ohren kommt je eine kurze Locke unter der geschlossenen
Haarmasse hervor. Der Schleier fällt fast symmetrisch zu beiden Seiten herab.
Dieser charaktervolle Kopf wird einem Grabrelief angehört haben, wie sie, auf
gute Typen des fünften Jahrhunderts zurückgehend, handwerksmäßig bis weit ins
vierte Jahrhundert hinein hergestellt wurden.
Ein ganz anderes Wesen zeigt der verschleierte Kopf einer Grabstatue
(Tafel HI, IV). Er stammt von der Insel Thasos, ist aus weißem, großkörnigem
Marmor gearbeitet und mißt o*32m in der Höhe, 0-273™ m der Tiefe, 0-27™ der Breite
nach; er ist quer durch den Hals gebrochen; der scharfe Schleierrand ist bis
auf eine kleine Stelle links vom rechten Auge und rechts oberhalb des linken
Auges abgesplittert; sonst ist der Kopf bis auf eine geringe Bestoßung der Nase
vorzüglich erhalten. Das ganze Gesicht und die ganze linke Außenseite des
Schleiers sind stark geputzt; eine braune Sinterschicht bedeckt jetzt noch die
rechte Außenseite des Schleiers, doch kann daraus kein Schluß auf die ursprüng-
liche Stellung des Kopfes, in einer Nische etwa, gezogen werden, da der gleiche
Sinter in der gleichen Stärke auch die Bruchflächen des Halses und des Schleier-
randes überzieht und wohl vor der nicht ringsum durchgeführten Reinigung auf
dem ganzen Kopfe vorhanden war. Der Schleier ist zwar oben glatt, seitlich nur
in wenigen Faltenzügen gearbeitet; da er aber in seinem Verlaufe doch überall
die vollen Kopfformen und das am Hinterhaupte sitzende Haarnest berücksichtigt,
so gehört dieser Kopf bestimmt zu einer für allseitige Ansicht berechneten frei-
stehenden Statue. Die Art, wie der Schleier den Kopf bedeckt, läßt keinen
Zweifel über seine Haltung zu; an der linken Seite des Kopfes liegt er eng an,
Thasische Antiken '53
rechts weicht er in leichtem Bogen vom Kopfe ab, das Ohr noch sichtbar
lassend; also keine aufrechte, einen kräftigen Charakter bekundende Stellung
hatte der Kopf, er war sinnend, hingebungsvoll sanft nach seiner rechten Seite
zu geneigt, mehr noch nach vorne; der Last des Hauptes war kein bewußter
Widerstand entgegengesetzt; gewiß war es auch etwas rechtshin gedreht und
bot dem Beschauer seine linke Seite zur Ansicht dar, an welcher der Schleier,
knapp beim Ohre vorbei anliegend, fast nichts verhüllte (Fig. 46). Der weiche
Mund ist nicht geschlossen. Die Zähne sind nicht aneinander gehalten, der Unter-
kiefer senkt sich leicht herab und bewirkt die sanfte Öffnung der Lippen. Der
Mund scheint etwas nach rechtshin verzogen. Die schmale Nase, ruhig, natürlich ge-
bildet, geht mit breiter Wurzel in die klare helle Stirne über. Die Augen scheinen
weniger als bei gewöhnlicher Haltung der Lider geöffnet. Das untere Lid ist
nur zart angegeben. Das obere senkt sich wie ermattet herab, umzogen von
schön geführten Brauenbogen, deren Fleisch innen etwas zurück, außen etwas
hervortritt über die Augenlider. Knapp bei den Augen geht, die Stirne rund
umsäumend, die Linie des Haaransatzes vorüber. Dieses erscheint, nur zart ge-
arbeitet, wie hellfarbig; es verläuft in mäßig breiten, parallelen Bogen von der
Stirne nach rückwärts, wo es am Hinterhaupte in einem Nest aufgenommen ist.
Etwas weichen die beiden Wangen in ihrer Durchbildung voneinander ab. Die
linke ist völlig ruhig, naturgemäß; beachtet man aber den schwachen .Schatten
neben dem rechten Mundwinkel, die Art, wie der Mund selbst etwas verzogen
ist, so scheint ein leichter Schauer über die rechte Wange zu gleiten, wie eine
leise Spur seelischer Erregung: eine Grabstatue trug diesen Kopf.
Wie sah sie wohl annähernd aus? Haltung und Haartracht des Kopfes
mag zunächst wohl an die große Dresdner Herkulanenserin gemahnen. In
Reinachs Repertoire de la statuaire II p. 665 4 ist eine weibliche Gewandfigur
abgebildet, deren Kopf in der Art, wie der Schleier ihn fast ganz bedeckt, und
in der stark geneigten Haltung ganz unserem Kopfe gleicht; als Fundort
ist Thasos angegeben 15). Durch die Liebenswürdigkeit der Direktion des kaiser-
lichen ottomanischen Museums in Konstantinopel bin ich in der Lage, diese
Statue in der richtigen Ansicht zu zeigen (Fig. 47). Sie stand rein dekorativ
verwendet mit mehreren ähnlichen bei einem Triumphbogen; ihr Kopf gleicht
15) Journ. ofhell. stud. VII (1887 1 p. 438 (Bent); naeura 1887 n. 31 13 p. 830 und Reinach, Chroniques
über das Postament, vor welchem sie ausgegraben d'Orient p. 4.17. Für gütige Überlassung der Photo-
wurde, mit einer griechischen Ehreninschrift für Fl. graphie bin ich Herrn Halil Bey zu großem Danke
Vihia Sabina ebd. p. 426 (31); vgl. auch The Athe- verpflichtet.
Jahreshefte des österr. arcbäol. Institutes Bd XI 20
154
H. Sitte
4G: Kopt einer Grabstalue.
dem ebenfalls von Thasos stammenden Kopfe der Sammlung YVix, soweit eben
flüchtige römische Kopistenarbeit an ein griechisches, wenn auch schlichtes
Original erinnert; die Vermutung drängt sich auf, daß der römische Arbeiter für
die Ausführung seines Auftrages sich einfach an eine griechische Grabstatue
hielt, die er auf Thasos sah, vielleicht eben an jene, deren Kopf uns erhalten
ist: jedenfalls scheint seine Statue einen stilistisch viel besser zu diesem ruhigen
Kopfe jiassenden Körper zu überliefern, als spätere Gewandfiguren mit klein-
lichem, unruhigem Gefältel.
Das Untergewand der Statue zeigt die für die erste Hälfte des vierten Jahr-
hunderts charakteristische Durchbildung der Steilfalten; die einseitige Art ihrer
Durchführung über dem Standbeine ist wieder einer natürlicheren Weise ge-
wichen, auch die phidiasische vom Knie des Spielbeines gerade herabhängende
Falte ist wieder zu beobachten ""'). Der Faltenwurf des Mantels läßt trotz der
urtwängler, Griechische Originalstatucn in Venedig 32 ff.
Thasische Antiken
155
Entstellungen durch den römischen Kopi-
sten eine Ruhe und Größe der Anlage
erkennen, welche noch in diese Zeit wei-
sen 17). Den unten wahrnehmbaren Steil-
falten der rechten Standbeinseite ent-
sprechen links von der Schulter über Arm
und Hand bis auf den Fuß herabziehende
Falten. Vom Spielbeine gehen in weiten,
flachen Bogen große Falten zur rechten
Hüfte; in eben dieser Richtung verlaufen
ziemlich gerade quer über die Mitte des
Leibes einige Falten; sie scheinen wie
gespannt durch die am griechischen Origi-
nale wohl halb oder ganz verhüllte, den
Mantel erfassende Linke. Von der Hüfte
des Standbeines zieht dann in entgegen-
gesetzter Richtung schräg aufwärts weiter
zur linken Schulter der stark abgebogene
rechte Unterarm mit den Falten des
Mantels, die in ihrem Zuge die leider
verlorene rechte Hand, welche spielend
in den Saum des Mantels griff, wirksam
unterbrach. Diese in zwei großen Ab-
sätzen über den ganzen Körper reichende
Wellenlinie wird, wieder im Gegensinne,
fortgesetzt und beendet durch den nach
seiner rechten Seite hin geneigten Kopf.
Von den hervortretenden Körperteilen,
dem linken Knie und der linken Brust
gehen kleine runde Falten aus, welche die
zwischen den großen Gewandmotiven ent-
standenen Flächen etwas beleben.
Auf solchem Körper gedacht, erhält
unser Kopf die Stellung, welche der Ver-
47: Weibliche Gewandfigur des ottomanischen
Museums in Konstantinopel.
n) Zu dieser Größe und Ruhe will die Art
nicht passen, wie die linke Hand und das Gewand
über ihr gebildet sind. In ihrer vorzüglichen Er-
haltung zeigt sie mit den zarten Fingerspitzen, weichen,
20*
156 H. Sitte
lauf des Schleiers noch ohne Kenntnis der thasischen Statue schon allein an-
nehmen ließ. Sie stimmten auch im Stile überein: die geringen Spuren archi-
tektonisch kraftvollen Aufbaues in den Steilfalten des Untergevvandes scheinen
durch den Mantel fast absichtlich verdeckt; alle Glieder scheinen völlig zu
ruhen; nur in dem Spiele der Hände mit dem Saume des Mantels ist eine
zarte Andeutung innerer Erregung im Körper wahrnehmbar; nur ein leichter
Schatten gleitet über die rechte Wange des sonst gänzlich stillen Antlitzes.
Mit unendlich rührendem Ausdrucke im gesenkten Blick läßt dieser Kopf die
Innigkeit warm empfinden, deren die griechische Plastik im Zeitalter ihrer Lyrik
fähig war.
Seiner ganzen Anlage nach gehört in das vierte Jahrhundert auch der
leider sehr beschädigte Apollokopf (Fig. 48). Er wurde von Thasos erworben,
besteht aus weißem Marmor und ist, im Halse schief von rechts unten nach
links oben gebrochen, 0-265 m hoch; die Nase ist zu drei Viertteilen, den fast
senkrecht durch den Kopf verlaufenden Schichten des Marmors folgend, abge-
splittert. Der Kopf war nach seiner linken Seite hin geneigt. Das feine Oval des
Gesichtes zeigt, soweit erkennbar, Mund, Nase und Augen in durchaus anmutiger
Zeichnung, oben von der für dieses Jahrhundert charakteristischen Stirne gekrönt.
Die Haare umrahmen es, Schläfen und Ohren verdeckend, erst in einem in der
Mitte gescheitelten und etwas erhöhten Wulste, dann liegen sie glatt auf der
Rundung des Schädels auf; hinten fallen sie offen herab, zwei Locken sind
beiderseits vorgenommen 18).
Weiter in hellenistische Zeit herab führt die Genrefigur eines sich auf-
stützenden Mädchens von bloß dekorativem Werte (Fig. 49 und 50). Die Figur ist
gleichfalls von Thasos erworben ; aus weißem, feinkörnigem Marmor bestehend
mißt sie roO"' in der Höhe; gebrochen sind außer dem Kopf, vom Ansatz des
runden Fingern und der schwellenden Handrücken- linken Hand entstanden ist, lediglich um — sei es
lläche freilich eine wunderbar vornehme Frauenhand; nun im Sinne der Auftraggeber der Ehrenstatue
aber eben wegen dieser naturalistischen Wiedergabe oder des nüchternen römischen Handwerkers —
paßt sie so gar nicht zu dem, der ersten Hälfte des diese mit dem Siegelring äv Tiapauloip zu zeigen,
vierten Jahrhunderts entnommenen Ganzen; in einem '") Eine kleine Stelle des Hinterhauptes ist
völlig durchstilisierten Kunstwerk wirkt dieses Stück- vertikal abgearbeitet, so daß eine runde Fläche ent-
chen Naturnachahmung unorganisch und verrät den stand; saß der Kopf damit an der Wand einer
Kopisten. Wie zur Schau gestellt ruht diese Hand, Nische an? Gehört er vielleicht doch zu der Mädcben-
ohne irgend in den Stoff zu drücken oder zu greifen, figur eines Grabreliefs? Bei dem Erhaltungszustände
lässig wie auf einer festen Unterlage auf den darunter läßt sich darüber keine endgültige Entscheidung
liegenden Falten; deren ruhig herabgehende Linien fällen, doch spricht wohl der Typus des Kopfes
sind durch ein plötzliches Gewirre unterbrochen, das nur für die Bezeichnung Apollo.
durch die Aufschoppung des Gewandes über der
Thasische Antiken
"57
48: Apollokopf.
Halses an und einem Teil links vorne und hinten der einst scheinbar ovalen
Plinthe, nur der Vorderdaumen der linken Hand und einige stärker hervorstehende
Falten des Mantels; sonst zeigt das Ganze eine dem eben besprochenen Kopfe
ähnliche Verscheuerung und an den Fingern der rechten Hand Absplitterung;
sie soll längere Zeit im Meer gelegen sein1'1); nach einer Photographie skizziert
findet sie sich in Reinachs Repertoire de la statuaire II 307., 20).
Ein jugendlich zarter Mädchenkörper ruht lässig auf linkem Standbeine und
dem rechten, auf einen kleinen Pfeiler gestreckt aufgestützten Arm. Hiedurch
werden die linke Hüfte und die rechte Achsel hervorgedrängt, Becken und
19) Nach einer mir durch Herrn Wix über-
lieferten Erzählung der Bewohner der Insel entstand
bald nach dem Auffinden der Statuette eine schwere
Krankheit auf Thasos; man gab der Statuette die
Schuld, sie wurde kurzer Hand ins Meer versinkt,
wo sie so verscheuert worden sein mag; ihr Geschick
erinnert an das durch Ghiberti überlieferte Schick-
sal jener in Siena gefundenen Statue mit der Künst-
lerinschrift des Lysipp (abgedruckt bei Löwy, In-
schriften griechischer Bildhauer 3 1 1 n.476 und bei
Vasari, Ausgabe Le Monnier I 13).
20) Den Hinweis auf diese Skizze verdanke ich
Herrn Dr. Julius Bankö.
158
H. Sitte
49: Weibliche Gewandfigur (Vorderansicht).
Schultergürtel stärker im Gegen-
sinne zueinander geneigt. Das
rechte Spielbein ist leicht seit-
lich zwischen das Standbein und
den Pfeiler gesetzt; der linke
Arm ruht, im Ellbogen stark
geknickt und gedreht mit dem
Rücken der Hand auf der linken
Hüfte. Das Mädchen trägt wei-
che, den Fuß ganz verhüllende
Schuhe, einen sehr fein gefäl-
telten Chiton, der wie durch-
sichtig den Leib kaum verbirgt.
Auffällig ist an dem Chiton
der bis zu den Knien reichende
Überschlag, der unter den Brü-
sten mitgegürtet ist, und die Art,
wie auch beide Achseln und die
halben Oberarme von ihm ver-
deckt werden. Merkwürdig ist
ferner der Mantel umgelegt, wie
häufig bei Werken der Klein-
kunst. Er ruht oben auf der
linken Schulter, verhüllt dann,
nur flüchtig gearbeitet, fast die
ganze Rückseite der Figur und
geht, unter dem rechten Arme
vorgenommen, in konvergieren-
den Falten bis zur Mitte des
Schoßes, von wo er plötzlich in
vertikalen Falten herabfällt21)
ohne daß deutlich würde, wie
er denn eigentlich hier festge-
31) Die Figur ist sichtlich unter dem Einflüsse der linken Schulter und auf dem rechten Bein auf-
mehrercr Typen entstanden; bei dem Stellungsmntiv ruht, undenkbar, da er, nicht besonders festgehalten,
dieser Figur ist die Art, in welcher der Mantel auf an beiden Stellen herabgleiten müßte. Der Mantel ist
Thasische Antiken
159
halten sei; auch an der linken
Außenseite umsäumt er das Ganze
mit senkrechten Faltenlinien. An-
sätze von Locken sind weder
im Nacken noch auf den Schul-
tern nachzuweisen; der wohl et-
was rechtshin gewendete Kopf
trug- also die Haare in ein Nest
aufgenommen ä2).
In hellenistische Zeit ge-
hören auch die beiden Herakles-
köpfe der Sammlung; sie sind
aus dem gleichen Marmor; der
größere ist 0^35 m hoch, an der
Nase und dem Barthaare links
etwas bestoßen, sonst nur am
Haupthaare verscheuert (Fig. 51);
der kleinere, 0-30 m hoch, hat
mehr gelitten ; ihm fehlt die ganze
Nase; Haare und Ohren sind fast
ganz abgerieben (Fig. 52).
Herakles genoß auf Thasos
neben Dionysos seit alters hohe
rein dekorativ von Leda- und Aphrodite-
typen herübergenommen, welche ihn einer-
seits mit der Linken über der linken
Schulter erfaßten, anderseits entweder mit
der Rechten vor den Schoß zogen oder
das rechte Bein mehr gehoben, mehr gegen
das linke gedrückt hatten, so daß dadurch
der Mantel im Schoß festgehalten wurde.
Für diese letzte Art den Mantel im Schoß
und über dem rechten Bein fest aufliegen
zu lassen verweise ich besonders auf die
Statuette der Aphrodite von Mas d'Agenais,
abg. in Reinachs Repertoire IT 335, 9> von
A. de Champeaux veröffentlicht in Saint- AymoursMusee
Archeologique II pl. II p. 97 (Paris 1877 bei Morel er-
schienen), zuletzt Revue arch. 1907 I pl. II (Reinach).
50: Weibliche Gewandfigur (Rückansicht).
22) Vg'' die ganz ähnliche Terrakotta bei Winter,
Die Typen der figürlichen Terrakotten II S. 89; siehe
auch ebd. S. 80.
i6o
H. Sitte
Verehrung; die Münzen der Insel sowie archaische Reliefe zeigen den Heros mit
dem Gotte vereint 23). So darf es nicht überraschen, unter zwölf von Thasos stam-
menden Antiken zwei Heraklesköpfe zu finden. Beide geben den vom dritten Jahr-
hundert an wieder beliebten Typus des bärtigen Herakles wieder. Auf breitem
athletischen Nacken sitzt mit kurzem Halse der verhältnismäßig kleine Kopf auf.
Kurzlockiger kräftiger Haar- und Bartwuchs umgibt ein tatenmüdes Antlitz. Der
; I : Heraideskopf.
52: Herakleskopf.
Mund ist wie schwer atmend geöffnet, tiefe Falten ziehen von den Nasenflügeln
zu den Mundwinkeln, die Augen liegen tief, die Stirne ist stark gefurcht. Be-
sonders bei dem kleineren Kopfe sind diese gleichen Züge fast übertrieben; durcli
die schlechte Erhaltung bekommt er vollends ein geradezu greisenhaftes Aus-
sehen. Dem Typus des auf seine Keule gelehnten Herakles werden die zuge-
hörigen Körper ähnlich gewesen sein.
Schließlich erwähne ich noch einige Skulpturen aus römischer Zeit von ge-
ringer Arbeit. Zusammen mit der Statuette Fig. 41 wurde der Torso einer
kleinen Dionysosfigur aus weißem Marmor gefunden (Fig. 5,5 und 5 1). Kr ist 0-645™
Bull, de corr hell. XVIII (1894) p. 64 ff.
pl. XVI (Joubin); Jahreshefte VI (1903 S i8off.
(Suulniczka); neuestens Revue Archeol. 1908 p. 25
ff. (Deonna).
Thasische Antiken
161
hoch; von der Gestalt fehlen das linke Bein vom Knie abwärts, das rechte fast
ganz vom Becken an, desgleichen der ganze rechte Arm; von der linken Hand
und der Traube, die sie hielt, ist ein Stück abgesprengt. Der Pfeiler links hinter
der Gestalt ist oben und unten gebrochen.
53 und 54: Dionysostorso (Vorder- und Seitenansicht).
Der ganz jugendlich gebildete Gott steht aufrecht an einen Pfeiler — man
kann nicht sagen, gelehnt, da bei der gänzlich rohen Mache ein Vierteil des
Körpers in dem Pfeiler verschwindet, der bei nahezu quadratischem Querschnitt
auch die rechte Rückseite der Figur hervortreten läßt. Eine unerfreuliche Kom-
bination von Relief- und Rundplastik. Das rechte Bein war als Spielbein vor-
gesetzt. Die Durchbildung des Oberkörpers, die breite Brust, die Art, wie der
linke Brustmuskel auf die Schulter übergeht, der aufrecht getragene Kopf mit
J;ihreshefte des österr. archäol. Institutes Mtl. XI y I
IÖ2
H. Sitte
dem ruhigen Antlitz zeigen auch in diesem Machwerke noch Spuren einer guten
Tradition. Merkwürdig ist die Frisur, an welcher in ganz unverständlicher Weise
zunächst ein breiter, gescheitelter Wulst, dann ein Haarknoten, auf die Schultern
fallende Locken, hinten endlich ein volles Haarnest und ein starker herab-
hängender Schopf gehäuft erscheinen. Die rechte Hand war gesenkt, mit einer
Schale vorgestreckt oder mit einem Kantharos
auf dem rechten Schenkel aufruhend; die Linke
griff nach einer Traube des seitlich an dem
Pfeiler sich emporrankenden Weinstockes, ein
Motiv, das daran erinnert, daß in diesen wein-
reichen Gegenden Dionysos - Botrys verehrt
wurde24). Vielleicht war, nur um dieses Halten
der Traube darstellen zu können, von dem un-
geschickten Handwerker der Pfeiler neben die
Figur gestellt worden, ohne daß deshalb das
Ganze einem architektonischen Zweck dienen
sollte.
An derselben Stelle wurde auch der Torso
einer Hermesstatuette gefunden (Fig. 55). Er
besteht aus nicht kristallinischem Kalkstein, ist
07s1" hoch, oberhalb beider Knöchel gebrochen,
auch fehlt der rechte Arm bis auf geringe An-
satzspuren der am rechten Schenkel aufliegen-
den Hand. Die Arbeit macht einen durchaus
unfertigen Eindruck. Der Stein ist zwischen den
Beinen und links von der Figur stehen gelassen,
als ob es sieh um ein Hochrelief handelte; aber
auch zwischen der linken Hand und dem linken
Schenkel ist der Stein nicht weggemeißelt und die Rückseite ist bis auf den
1 « il links unter dem linken Glutäus ausgeführt; der restliche Teil der Rückseite
ist nur mit dem Spitzeisen zugehauen.
Gleicher Fundstelle gehört endlich ein rundes Grabrelief an (Fig. 57 auf S. 164).
Aus weißem Marmor gefertigt, hat es durchschnittlich o'43m im Durchmesser bei
o-o8 '" Dicke; unten befindet sich ein viereckiger Zapfen o-i '" breit, o-o8 '" tief
55: Hermesstatuette.
') Bull, de corT. hell. XXIV (19O' )p. ) 17/8 wo Philippi Mysten des Weingottes Dionysos-Botrys cr-
in einer Inschrift von Alistrnti in der Gegend von wiilint werden.
Thasische Antiken
163
und etwas über 003 '" hoch) zum Einlassen in eine Basis. Die Vorderseite des
Reliefs zeigt vertieft in einem schmalen, glatten Rahmen en face das ordentlich
gearbeitete Brustbild einer jungen Römerin in Untergewand und Mantel, mit
langen in der Mitte gescheitelten Haaren. Ein ähnliches Medaillonrelief mit
einem männlichen und einem weiblichen Kopf in Vorderansicht, „ganz wie man
die Köpfe der Verstorbenen in solchen etwa von Eroten und Kentauren getragenen
56: Pilasterkapitell.
Medaillons auf vielen Sarkophagen angebracht sieht", erwähnt Conze in dem
Bericht über seinen im Mai 1858 erfolgten Besuch der Insel Thasos25). Diese
Form scheint also auf der Insel Thasos öfter in Anwendung gekommen zu sein.
Diesen figuralen Skulpturen reihe ich als Abschluß ein zierliches Pilaster-
kapitell an (Fig. 56), das ebenfalls auf Thasos erworben wurde (aus feinkörnigem
25) Alex. Conze „Reise auf den Inseln des
thrakischen Meeres", Hannover 1860 S. 363: „daselbst
(in der Kirche des Hagios Georgios der Skala von
Kastro eingemauert) eine runde Medaillonseheibe von
o'52m Durchmesser, auf der in Relief rechts ein männ-
licher und links ein weiblicher Kopf von vorne ge-
sehen dargestellt sind Inschrift links von den
Köpfen und zwischen ihnen, also zu beiden Seiten
des weibl. Kopfes, in späten Schriftzügen Aiovualj
Aiovuafou xa'fs-" A. de Ridder publizierte 1893 die
Inschrift ohne Hinweis auf Conze mit der Angabe:
entre les deux tetes est l'inscription, Bull, de corr.
hell. XVII (1893) p. 126 3, wiewohl gerade aus
seiner Publikation deutlich hervorgeht, wie die Inschrift
auf dem Relief verteilt war. De Ridder nennt die
Köpfe „deux bustes", Brustbilder, was ja von vorn-
herein anzunehmen war.
104
H. Sitte, Thasische Antiken
weißen Marmor, 0-20'" hoch, oben fast 0-34 m, unten 0-275'" breit, oben o'o8 ,u,
unten 0-065 m dick, nur wenig beschädigt). Über einem kurzen Eierstab unten in
der Mitte erhebt eine Blume drei vierblättrige Blüten in ornamental gewählter
Anordnung; unter zwei etwas steif gestielten Eckvoluten stehen beiderseits
Akanthusblätter, tief mit dem Bohrer gerippt und unterschnitten; ihr zackig pro-
filierter, „gesägter" Rand (vgl. Strzygowski, Ath. Mitt. XIV (1889) S. 271 ff.) läßt
schon deutlich das Herannahen der byzantinischen Kunstformen erkennen; das
fein gearbeitete Architekturstück gehört wohl in den Beginn des fünften Jahr-
hunderts unserer Zeitrechnung.
Wien, Mai 1908.
HEINRICH SITTE
57: Porträtmedaillon.
i65
Petrons Lehensende.
Mit E. Maaß' freundlicher Zustimmung- knüpfe ich gleich hier an seine oben
(S. 29 ff.) stehenden Ausführungen an, insoweit sie Tacitus' Bericht (Ann. XVI
18/19) über den Tod Petrons betreffen, um die einzige Überlieferung neuerlich
zur Diskussion zu stellen, der wir hierüber Nachricht verdanken, aber auch durch
die eigenwillige und dunkle Kürze ihres Auktors ein schwieriges Interpretations-
problem.
Die inhaltliche Wichtigkeit der Tacitusstelle erhellt daraus, daß sie uns zu
dem unschätzbaren Geschenke der knappen, aber höchst eindrucksvollen Biographie
eines Mannes wie Petron die Möglichkeit bietet, wenn wir aus ihr die Lage
von Petrons Landsitz feststellen können, auch den Schauplatz der cena Trimal-
chionis zu sichern, denn, wie Mommsen gesagt hat, Petronius schildert, was er
täglich sah. Viele haben sich nun in sorgfältiger, sachlicher Erwägung hierum
bemüht, nicht aber, soviel ich sehe, zur Genüge um das Unerläßlichste, die Tacitus-
stelle selbst verständlich zu machen, deren Schwierigkeit und zugleich für die ge-
nannte Frage entscheidende Bedeutung in den das 19. Kapitel eröffnenden Worten
liegt: diese und ihr Zusammenhang mit dem übrigen sind schärfster Interpretation
zu unterwerfen. Schaffen wir uns zuerst den Rahmen der Situation, deren Ausdruck
diese Worte sind. Wir treffen Tigellinus am Werke, in eifersüchtigem Hasse
Petron zu verderben. Tacitus' Worte ,ergo crudelitatem principis adgreditur
amicitiam Scaevini Petronio obiectans corrupto ad indicium servo . . . .' zeigen,
daß Tigellinus nicht mehr im geheimen operiert: er hat die unfehlbar tödliche
Anklage vor dem Kaiser erhoben und Nero hat die Maßnahmen des triumphierenden
Nebenbuhlers gutgeheißen, der den größeren Teil der Sklavenschaft Petrons in den
Kerker geworfen; eine Selbstverteidigung Petrons aber hatte er hinterlistig zu
vereiteln gewußt. Petron hatte in reichem Hauswesen zu Rom gelebt ,inter
paucos familiarium Neroni adsumptus': da brach die Katastrophe ein, die ihn und
sein Haus sofort mit dem ganzen Ernste einer hoffnunglosen Lage ergriff.
Tacitus fährt nun fort: ,Forte illis diebus Campaniam petiverat Caesar et Cumas
usque progressus Petronius illic attinebatur . . . .' Darauf schließt er dies Lebens-
bild in sprechendster Charakteristik ab und läßt uns Petron sterben sehen,
mählich in heiteren Gesprächen mit seinen Freunden, sein Gebaren gegen die
Sklaven, bei der Tafel, am Schreibtisch, im Schlafgemache. Hier ist alles ein-
166 F. Lohr
deutig klar. .Somno indulsit ut quamquam coacta mors fortuitae similis esset.'
Kann man so sich gehaben, solchen Schein hervorrufen anderswo als bei sich
zu Hause?
Dieser Sachverhalt muß auch Mommsen bestimmt haben, wie er oft in seinem
Gefühle sicher es für unökonomisch hielt, seine Gründe darzulegen, daß er kurz und
bündig sich dahin äußerte, Petron habe vermutlich seine Villa in Cumae gehabt,
auf der er auch starb. ,Denn so scheint am natürlichsten gefaßt zu werden, was
Tacitus 16, 19 von ihm berichtet: forte illis diebus — attinebatur.' Und Studniczka
führt in der mir auch heute im wesentlichen plausiblen dritten seiner , Ver-
mutungen zur griechischen Kunstgeschichte' (die Monoknemos des Apelles, S. 40
Anm. 8) gewiß richtig nur Mommsens Gedankengang aus, indem er sagt, die
bei Tacitus nachfolgende Schilderung des Selbstmords scheine Mommsens Ver-
mutung zur Gewißheit zu erheben. Hingegen darf keineswegs, wie Maaß meint,
als Mommsens Ansicht angenommen werden, daß , Petron von seiner irgendwo
in der Gegend von Cumae belegenen Besitzung aus die letzte Fahrt in das
Hoflager antrat', wie dies überhaupt nicht aus Tacitus' Worten geschlossen
werden darf.
Nun zurück zu dem Zwischenspiel im Eingange des 19. Kapitels. , Forte illis
diebus' ist formelhaft bei Tacitus, muß indessen hier nach dem Tatsächlichen
scharf gefaßt werden. Der Stand von Petrons Sache, wie er zu Ende des Kapitels 18
berichtet ist, war auf längere Dauer unhaltbar, es mußte wirklich in jenen Tagen
selbst eine Entscheidung erfolgen. In ,Campaniam petiverat Caesar' hat das Plus-
quamperfektum, wie ich annehmen muß, keine Beziehung zu dem im Texte voran-
stehenden, sondern drückt gleichwie das gleichgefärbte ,progressus' die Vor-
bedingung für die Haupthandlung aus: es ist also in diesem Sinne dicht zu ver-
binden jCampaniam petiverat Caesar et P. illic attinebatur', ähnlich etwa wie
es Ann. I 63 heißt: ,missaeque subsidiariae cohortes et fugientium agmine impulsae
auxerant consternationem trudebanturque in paludem . . .'. Nun die Hauptsache.
,Cumas usque progressus', so ohne jede Hinzufügung gesagt, zumal in stadtrömi-
schem Sprachgebrauche, kann nur von Rom aus gedacht sein, ganz abgesehen
davon, daß ,progredi' in irgend einer anderen als seiner gewöhnlichen Be-
deutung hier zu nehmen, nichts bei Tacitus uns berechtigt. Damit aber entfällt
die letzte Möglichkeit, unsere Stelle dahin zu verwerten, daß Petron nach Cumae
von irgendwo außen her dem Kaiser entgegengekommen, sein Landsitz also
nicht in Cumae zu suchen wäre. Dann allerdings hätte Tacitus bei aller
nsinnigen Kürze angeben müssen, wie Petron wieder nach Hause zurück-
Petrons Lebensende I 67
gelangt war, um dort nach seiner vornehmen Art zu sterben; er hatte aber
keinen Anlaß dazu.
Nero verließ Rom. Wie damals die Absicht war, den weiteren Prozeß gegen
Petron zu instruieren, das vielleicht schon gefällte Urteil zu vollziehen, erfahren wir
nicht. Das aber sagt uns Tacitus' Bericht, daß ungefähr zu gleicher Zeit auch
Petron von Rom abging, und zwar nach Cumae. Die Möglichkeit, daß ihn die
Erwägung mitbestimmte, dort vielleicht, wenn der Kaiser hinkam, doch Zugang
zu ihm zu finden, kann anerkannt werden. Auf der Reise von Rom dahin wurde
er nicht aufgehalten, aber bis Cumae vorwärtsgekommen und auf seiner Villa
angelangt, sah er sich weiterer Bewegungsfreiheit beraubt, es wurde ihm be-
deutet, sein Haus nicht mehr zu verlassen. ,Nec tulit ultra timoris aut spei moras-.
Ohnehin war's ja nur mehr das arbitrium mortis, das dem elegantiae arbiter ge-
geben war.
Noch eins. Für wen die Art der Fortführung des Berichtes im Anfangssatze
des ig. Kapitels, sowie es mir lange damit erging, Unannehmbares zu bieten
scheint, der wird zur Emendierung des Textes schreiten müssen. Und dann läge
nichts näher, als mit unterstützender Annahme von Haplographie zu lesen: ,Forte
Ulis diebus Campaniam petiverat Caesar et cum Cumas usque progressus esset,
Petronius illic attinebatur'. Aber ich halte dies nach vorstehender Auseinander-
setzung nicht mehr für erforderlich, besonders da für ,progressus' und ,attine-
batur' Korresponsion bei gemeinsamer Beziehung auf Petronius doch das natür-
lichste bleibt.
F. Ritter hat übei die besprochenen Vorgänge eine Ansicht geäußert (Rhein.
Mus. N. F. II (1843) S. 569), die des Bestechenden nicht entbehrt, und Teuffei ist
ihr gefolgt iPauly, Realenzyklopädie 5, 1403). Ritter sagt: ,1m Gefolge des Nero,
welcher eine Reise nach Campanien machte, befand sich auch sein Freund und
Arbiter und war bis Cumae vorausgegangen. Von Tigellinus angeschwärzt, wurde
er hier angehalten und sollte in eine Kriminaluntersuchung- verwickelt werden,
deren Erfolg aus den dazu getroffenen Vorbereitungen nur zu sicher vorauszu-
sehen war. Daher entschloß er sich zum freiwilligen Tode . . .' R. hätte aber die
Pflicht gehabt, dies sich ihm ergebende Gesamtbild mit den Einzelangaben bei
Tacitus in Einklang zu bringen; dies dürfte, glaube ich, nicht gelingen, doch muß
ich auf den Nachweis im einzelnen hier verzichten. Vor allem ist .progredi' mit
,vorausgehen' falsch wiedergegeben und damit fällt die Hauptstütze dieser Inter-
pretation. Man könnte noch daran denken, als Parallele das Schicksal des Asinius
(iallus heranzuziehen, worauf mich E. Bormann verweist. Gallus weilt freundschaft-
i68
F. Löhr, Petrons Lebensende
lieh bewirtet bei Tiberius, während im Senate die Anklage des Kaisers gegen
ihn verlesen wird, die ihm ein Ende voll langer und grausamer Qualen bringen
sollte. Aber einmal dürfte ein Geschehnis, das dem antiken Erzähler selbst (Dio
Cassius LVIII 3) als ein 7ipäy|xa TiapaSoEoiaxov xas 8 [MjSevt äAAw aoYipiytfhi gilt, kaum
als Argument ins Gewicht fallen, ferner liegen die Dinge in beiden Fällen doch
verschieden. Gallus traf das Verderben wie ein Blitz aus heitrer Höh, nicht
so den Petron, wie wir aus Tacitus ersehen haben, dessen Worte ,adempta
defensione' doch wohl geradezu besagen, daß Petron, nachdem Tigellinus' Angriff
erfolgt war, vom Hofe ferngehalten wurde, also aus des Kaisers Gefolge aus-
schied, wie ja auch die Einkerkerung seiner Sklavenschaft kaum mehr an eine
Fortsetzung des Verkehrs bei Hofe denken läßt.1)
Mommsen behält auch hier recht und wir müssen für die Frage nach dem
Schauplatze der cena und die Beurteilung der in Betracht kommenden Petron-
Stellen gerade aus diesem Berichte des Tacitus die entscheidende Folgerung
ziehen: in Cumae stand Petrons Landhaus, dort sah er, woraus er in seinem
Meisterwerke zum Teil das Milieu der Fabel bildete.
Wien, Mai 1908.
FRIEDRICH LÖHR
M G. Boissier (L'opposition sous les Cesars2
p. 223) und A. Stahr (Tacitus' Gesell, d. Regierung
d. Kaiser Claudius und Nero 312 f.) urteilen ver-
nünftig, indem sie Petron dem Kaiser nach Cam-
panien nachfolgen lassen, ohne aber den Schluß des
Taciteischen Berichtes für die Präzisierung der Situa-
tion irgendwie zu verwerten. Und wenn Stahr zur
Erklärung der Worte .adempta defensione' sagt:
, dadurch dal' er (Tigellinus) einen Zeitpunkt zu seinem
Angriffe gegen P. wählte, in welchem Nero von
Rom entfernt war. S. Kap. 19', so hat er nicht bloß
alle sachliche Wahrscheinlichkeit gegen sich, sondern
auch den Wortlaut bei Tacitus, wie er meines Er-
achtens verstanden werden muß (s. oben S. 165).
Prinzipiell noch eher diskutierbar wäre Petrons Ab-
wesenheit bei Erhebung der Anklage. Aber auch
da steht das Mittelglied ,ademptaque defensione'
zwischen ,corrupto ad indicium servo' und ,et maiore
parte familiae in vincla rapta' entgegen, welcher
partizipiale Ersatz gleichmäßig nur in aktiver Be-
deutung von Tigellinus Vorgehn verstanden werden
kann, also auch die Anwesenheit beider, des Kaisers
und des Beklagten, erfordert und die Interpretation
„bei benommener Verteidigung" nicht zuläßt.
1 6g
Athena des Phidias.
Tafel V und VI.
Ein Zufall gab vor etwa zwei
Jahren den Anlaß zu einem Funde,
von dem ich heute berichten will.
da er geeignet ist, über ein Meister-
werk der höchsten Blüte griechi-
scher Kunst und wohl auch weiter-
hin neues Licht zu verbreiten. Da-
mals waren die Antiken der Villa
Carpegna verkauft worden und zum
Teil in den Besitz des römischen
Antiquars Sangiorgi übergegangen.
Bei einem Besuche der Villa vor
längerer Zeit war meine Aufmerk-
samkeit durch eine Kolossalbüste
gefesselt worden, die hoch oben an
einer Mauer angebracht war, zu
hoch, als daß ich mir damals ir-
gend ein Urteil über sie hätte bil-
den können. In dem Verzeichnisse
der antiken Bildwerke in Rom von
Matz - Duhn suchte ich sie ver-
gebens, aber ich konnte hoffen, sie
jetzt bei Sangiorgi in erreichbarer
Nähe zu finden, und wurde in
dieser Erwartung nicht getäuscht.
War es nun der seltsam barocke Aufsatz des Helmes, mit dem der Kopf von
dem Ergänzer ausgestattet war, oder sonst ein Anklang, über den ich mir
im Augenblick noch keine Rechenschaft geben konnte, — plötzlich stand das
Bild jener kolossalen Athenastatue in Sevilla vor mir, die in diesen Jahres-
heften im Jahre 1899 auf Taf. II abgebildet ist. Herrmann hat sie dort (auf
Jahreshefte des österr archäol. Institutes Bd XI 2 2
58: Marmorkopf aus Villa Carpegna
bei Simonetti in Rom.
I JO W. Amelung
S. 155 ff.) besprochen und richtig gewürdigt: ihr Körper ist eine geringere
Wiederholung des berühmten Torso der Athena Medici in Paris, und ihr
besonderer Wert besteht darin, daß sie den ursprünglichen Kopf trägt, wenn
auch etwas verschoben und unter der Vermummung eines ungeheuren barocken
Helmes, der über die Reste des antiken gestülpt ist. Größe, Wendung, Helm-
form und Formen charakter waren an dem Kopfe aus der Villa Carpegna die
gleichen: so weit konnte mich die erste Prüfung führen. Einmal auf dieser
Spur, arbeitete meine Erinnerung weiter, und alsbald gesellten sich zu diesen
Köpfen noch drei andere, die alle in jenen allgemeinen Zügen übereinstimm-
ten und sich denn auch alle — ich kann dieses Resultat meiner Untersuchung
vorwegnehmen — als Wiederholung des gleichen Originales herausgestellt
haben: das erste Exemplar im Museo Chiaramonti n. 197; das zweite in
Wien (veröffentlicht von R. von Schneider, Album auserlesener Gegenstände
der Antikensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses Tafel III); das dritte
im British Museum (A. H. Smith, A catalogue of ancient sculpture in the Brit.
Mus. III n. 1572).
An dem Kopfe der Statue in Sevilla sind ergänzt die Nase und
die Augäpfel (vielleicht auch die Oberlippe); der obere Teil des antiken Helmes
war augenscheinlich besonders gearbeitet und gestückt; er ist verloren ge-
gangen, und der Ergänzer hat auf die glatte Stückungsfläche seinen modernen
Helm befestigt.
An der Replik aus Villa Carpegna (Fig. 58 — 01) war, als ich sie
in der Villa und bei Sangiorgi sah, die Büste und, wie ich schon sagte, der
ganze obere Teil des Helmes ergänzt. Seitdem ist der Kopf in den Besitz
des Kunsthändlers Simonetti übergegangen, der diese modernen Teile hat ent-
fernen lassen. Dadurch ist oben eine glatte Fläche von 0-36 m Tiefe bloß-
gelegt worden, in die weit gestellte Löcher flach eingepickt sind und von
hinten ein grade nach vorn gerichteter Kanal von o-2 7lu Länge und 006 m
Tiefe einschneidet. Die Wände der Langseiten dieses Kanals stehen nicht
senkrecht, sondern weichen nach unten auseinander (obere Breite 0-03 m,
untere o-04m). Danach war der obere Teil des Helmes hier ehemals mit einem
Falz in den Kanal hineingeschoben. Etwa im Mittelpunkte der ganzen Fläche
senkt sich in dem Kanal ein Loch von 0-03 m Durchmesser noch um o-o8m tiefer in
den Marmor; an dieser Stelle muß also ein Zapfen eingegriffen haben, der ein
Verrücken des aufgesetzten Teils unmöglich machte. Daß diese Zurichtung antik
ist, beweist der Zustand der Oberfläche; auch ist an dem Kopf im Vatikan bei
Athena des Phidias
17'
der Auffindung augenscheinlich etwas ganz Analoges beobachtet worden (s. u.
S. 173 f.). Die Art der Zurichtung beweist jedenfalls, daß der verlorene Teil die
Stückungsfiache mit seiner Unterseite in ganzer Ausdehnung deckte; deshalb
kann als sein Material nicht Metall allein, sondern nur Stuck, Holz als Unter-
lage einer metallenen Hülle oder aber Marmor in Frage kommen. Ganz aus
Metall werden dagegen die drei großen Büsche gewesen sein, die der Helm
nach dem Zeugnisse eines Reliefs trug — von ihm wird noch die Rede sein
— und man wird den mittelsten eben in jenes Loch im Mittelpunkte des Kopfes
eingezapft und so als Dübel benutzt haben. Für sich gearbeitet waren auch die
heute fehlenden Haare und Augäpfel. Zur Befestigung der Haare diente auf
jeder Seite an Schläfen und Stirn eine Reihe von Löchern, die von unten nach
oben kleiner werden, auf der rechten Kopfseite fünf, auf der linken vier, doch macht
hier ein kleines Loch auf dem Helmrande über dem Ohr die Fünfzahl voll; augen-
scheinlich war eine Strähne über den
Helmrand gelegt, um als lose Locke
zu endigen oder hinter dem Ohr
zu verschwinden. Dazu kommt noch
jederseits oberhalb der Schläfe ein
kleines Loch im unteren Rande
des Stirnschutzes. Ohne Zweifel
waren die Haare nicht in Marmor
ausgeführt; die Kleinheit der Lö-
cher spricht für Metall oder Stuck.
Ergänzt sind an dem Carpegnascheu
Kopfe ferner die Nasenspitze, ein
Teil der Unterlippe und ein großes
Stück des Nackenschutzes und des
Schopfes auf der linken Kopfseite.
Stark beschädigt sind die Lider, die
Ohren und die Ränder des Helmes;
die Mitte des Stirnschutzes ist bis
auf einen Rest am oberen Rande ab-
gemeißelt; doch erkennt man noch,
daß der untere Rand in seiner Mitte
eine in die Stirn gesenkte Spitze
59: Kopf aus Villa Carpegna. bildete. Endlich ist hinter beiden
22-
172
W. Amelung
60: Marmorkopf aus Villa Carpegna.
Ohren ein Stück der Helmkappe weggemeißelt worden. Der Kopf war be-
stimmt, in einen Körper eingesetzt zu werden, doch fehlt unten die keil-
förmig oder konisch gestaltete Masse, wie wir sie sonst an Köpfen finden,
die in Marmorkörper eingelassen waren. Die Unterfläche steigt von vorn nach
hinten schräg empor, gerauht und unterbrochen durch zwei große Vertiefungen,
ein rundes Loch von 0-03 m Durchmesser und o,i3m Tiefe ziemlich weit vorne und
ein quadratisches von 01 im Tiefe, dessen Seiten 0*05 m messen, im Mittelpunkte.
Der Schopf ist hinten glatt abgeschnitten, und in die Schnittfläche ist unten ein
Loch geschlagen. Man sollte meinen, all das sei einerseits unpraktisch, ander-
seits übermäßig viel, wenn der Kopf in einem marmornen Halsausschnitte fest-
gehalten werden sollte; doch werden wir uns noch eingehender mit dieser Frage
Athena des Phidias
'73
6l: Marmorkopf aus Villa Carpegna.
beschäftigen müssen. Der Marmor des Kopfes ist pentelisch, die Arbeit nicht
sehr fein, aber auch nicht glatt ; ja, Stirn, Wangen und die Umgebung der Augen
sind reicher modelliert, als an all den anderen Repliken.
Den Kopf im Vatikan bilden wir in Fig. 63 ab. Ich wiederhole aus dem
Katalog die nötigen Angaben: ergänzt sind wieder die Augen und der ganze
obere Teil des Helmes. Von den antiken Augen hatte man Reste gefunden, nach
denen das Weiße aus Elfenbein, die Pupille in Edelstein gebildet war; aus
Spuren grüner Patina an den Lidern ist mit Recht geschlossen worden, daß die
Wimpern aus Bronzeblech geschnitten waren. Über die Zurichtung der Stückungs-
fläche für den Oberteil des Helmes wird berichtet: „Sopra la testa vi e un
canale, forse adattato per l'incassatura dell'elmo", woraus Fagan, der Entdecker
•74
W. Amelung
des Kopfes, schloß, das Fehlende sei
aus Bronze gewesen; augenscheinlich
aber war die Zurichtung ganz ent-
sprechend der, die wir an dem Kopf
aus Villa Carpegna beobachtet haben,
und so wird der Oberteil des Helmes
auch hier vielmehr aus Marmor, Stuck
oder metallbedecktem Holze gewesen
sein. Weiter sind die Haare von moder-
ner Hand gearbeitet und angesetzt; der
Ergänzer fand also zweifellos auch an
diesem Kopfe nur die Befestigungs-
spuren der antiken Haare, und es ist
beachtenswert, daß er die neuen beider-
seits über den Helmrand legte, was
wir an dem eben besprochenen Kopfe
wenigstens für die linke Seite als ur-
sprünglich folgern konnten. Dabei hat
er den einzelnen Strähnen, wie uns die
Vergleichung mit dem Kopf in Sevilla
lehrt, einen allzu sanften Schwung ge-
geben; so wenig auch die Abbildun-
gen erkennen lassen, ist es doch ganz
deutlich, daß die Strähnen dort sehr
lebhaft gewellt sind in der für den
phidiasischen Stil charakteristischen Art; am ehesten werden wir den Kolossal-
kopf der Athena in der .Sammlung Jacobsen (Arndt, Collection Ny-Carlsberg
Taf. 41/42) und den Kopf der Köre Albani vergleichen können (Einzel-Aufnahmen
n. 1115/16). Der Helmrand senkt sich auch hier mit einer Spitze in die Stirn; er
ist mit einem Rankenornament verziert, das wohl dem Geschmacke des Kopisten
seine Entstehung verdankt. Tn den Ohrläppchen waren Gehänge befestigt. Das
Halsstück ist vorne zugespitzt, also zum Einsetzen hergerichtet, doch ist die
Unterfläche leider nicht mehr sichtbar. Gefunden wurde der Kopf im Anfange
des 19. Jahrhunderts in den Ruinen von Laurentum, mit ihm ein Arm und ein
Fuß aus demselben Marmor, in entsprechender Größe und Spuren zufolge auch
zum Ein- und Ansetzen bestimmt. Beide Extremitäten sind verschollen. Der
62: Marmorkopf in Wien.
Athena des Phidias
'75
63 : Marmorbüste im Vatikan.
Marmor ist großkristallinisch und weiß, der Charakter der Ausführung am ehesten
der des hadrianischen Stiles.
An dem Kopfe in Wien (Tafel V. VI ohne, Fig. 62 mit Ergänzungen) sind
wieder Augen, Haar und der obere Teil des Helmes ergänzt; auch hier waren also
diese Teile in antiker Zeit besonders gearbeitet. Robert v. Schneider teilt mir mit,
daß an den Rändern des linken Auges Reste von Bronzepatina erkennbar sind;
die Augäpfel waren demnach, wie an dem vatikanischen Kopfe, von Bronze-
wimpern beschattet. Die Ohrläppchen sind auch hier durchbohrt; in einem
steckt noch ein Bronzeringelchen. Was von dem Helm erhalten ist, stimmt in
176 W. Araelung
der Form mit den Resten an den übrigen Wiederholungen überein, doch ist
hier auch der obere Rand des Stirnschutzes vorhanden; der gesenkten Spitze
unten entspricht oben eine weniger accentuierte in Form eines stumpfen
Winkels. Über dem oberen Rand zieht sich eine Reihe kleiner Löcher hin,
die sich in gleicher Richtung bis zum Ansätze des Helmbuschträgers fortsetzt;
sie haben etwa zwei Millimeter Durchmesser, stehen in unregelmäßigen Abständen
voneinander, und in einigen sind noch abgebrochene Bronzestifte erhalten. Auf
der linken Seite sind es sechs, auf der rechten sieben. Zweifellos war hier ein
bronzener Zierat befestigt, und einleuchtend ist ein Vorschlag Robert von
Schneiders, dem ich genaue Angaben über diesen Punkt verdanke: er glaubt,
der Zierat sei ein Kranz gewesen (man vergleiche drei griechische Münzen, die
eine aus dem kürzlich in Eleusis entdeckten Funde attischer Münzen im Journal
international d'archeologie numismatique von 1904 Taf. II 40, S. 116 n. 5, die
zweite ebenda Taf. IX 17, S. 348 n. 16 aus Hyale in Lukanien, die dritte bei
P. Gardner, Types of greek coins pl. XIV 9 aus Indien mit dem Kopfe des
Sophytes und endlich die Petersburger Ptolemäer-Gemme bei Furtwängler, Die
ant. Gemmen Taf. LIII 2). Der Kopf wurde in der Villa des Hadrian bei Tivoli
gefunden (Winnefeld, Die Villa des Hadrian S. 1 63) ; in der Art seiner Ausführung
trägt er denn auch alle Kennzeichen des hadrianischen Stiles. Zugleich kamen
die Vorderteile von zwei Füßen zu tage, die heute ebenfalls in Wien aufbewahrt
werden (Fig. 64); sie sind für unsere Frage von ganz besonderem Wert, denn sie
stimmen mit den beiden Füßen der Athena Medici, soweit diese aus dem Ge-
wände herausragen, vollkommen überein, geben also, wenn irgend ein Zweifel
geblieben wäre, den unwiderleglichen Beweis, daß dieser Kopftypus eben zu
diesem Körper gehört und daß die Kopie, von der der Wiener Kopf stammt,
in ihrer Größe der Athena Medici entsprach. Da von dem Kopfe in Sevilla keine
Maße genommen sind, konnte sonach bei der Kontrolle der übrigen Repliken
der Wiener Kopf als Norm genommen werden. Wie unsere Maßtabelle (S. 178) zeigt,
stimmen die verschiedenen Köpfe alle in den wichtigsten Verhältnissen überein.
Die Füße sind vorne mit größter Sorgfalt ausgeführt; ca. 003'" von der Rück-
seite entfernt hört die feine Arbeit an den Nebenseiten auf (die Sandale ist hier
nur angedeutet); das Gewand verdeckte diese Teile. An der hinteren Stoß-
fläche, die leicht gewölbt ist, bemerkt man in der vorderen Hälfte die Spuren
der Marmorraspel, hinten Meißelstriche; die Unterfläche ist gerauht und an
dem rechten Fuß ist die Sandale nach hinten zu etwas unterhöht. Zapfen-
löcher sind nicht vorhanden. Die Füße waren also in die Höhlungen am
Athena des Phidias
77
Gewand-Torso eingesetzt und wohl nur mit Stuck, keinesfalls mit Metallstiften
oder Dübeln befestigt.
Der Kopf im British Museum (Fig. 65 — 67) stammt aus der Townley-
Collection; er ist 1787 bei Rom gefunden worden. Die antiken Teile sind in
parischem Marmor gearbeitet. Ergänzt ist der ganze obere Teil des Helmes,
das rechte Ohrläppchen, die Spitzen des Nackenschutzes vorne, die Nasenspitze
und das Vorderteil des Halsstückes, das unten modern zugeschnitten ist. Das
antike Ohrläppchen ist durchbohrt; beide Ohren trugen also Gehänge. Augäpfel,
die eingesetzt waren, fehlen jetzt: ebenso die Haare, deren Befestigungsspuren
auch hier erhalten sind: in jeder Schläfe fünf rundliche kleine Löcher und in
dem unteren Helmrande mehr nach der Stirnmitte zu auf der rechten Kopfseite
drei, auf der linken zwei längliche Vertiefungen; endlich eine deutlich markierte
Umrißlinie (Alles ist auf den Abbildungen sichtbar; die reproduzierten Photo-
graphien sowie genaue Angaben verdanke ich Cecil Smith). Auch diese Spuren
erklären sich am ehesten, wenn wir annehmen, daß die Haare aus Stuck oder
Metall und in ihrer Form denen der
Athena Jacobsen und der Köre Albani
ähnlich waren. Der Kopf entsprach
also in der technischen Zurichtung den
64: Füße zum Wiener Marmorkopf gehörig.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd \l
=3
i78
\V. Amelung
anderen Repliken vollkommen.
Seine Arbeit ist recht glatt, und
wahrscheinlich stammt auch er
aus hadrianischer Zeit ').
Tragen wir die verschiede-
nen Züge, die wir an den einzel-
nen Köpfen zerstreut beobachtet
haben, in ein einheitliches Bild
zusammen, so ersteht vor unserem
geistigen Auge eine eigenartig
farbenreiche Erscheinung: im lich-
ten Marmor strahlten die Formen • ■<*' J ■
des Gesichtes; die Augen waren
aus Elfenbein und Edelstein ge-
bildet, in bronzene Wimpern ge-
bettet und in die leeren Augen-
höhlen eingesetzt. Lebhaft ge-
wunden quollen die Strähnen der
Haare unter dem Helmrande vor;
in voller Masse deckten sie die
Schläfen. Aus der Tatsache, daß
sie, abgesehen von dem Kopfe in
65: Marmorkopf im Britischen Museum.
Sevilla, besonders gearbeitet und
an zwei Köpfen — nur an diesen war es noch festzustellen — mittels kleiner Stifte
befestigt waren, glaubten wir schließen zu können, daß ihr Material in all diesen
') Maßtabelle. _,,,.. ,. ... . , ,,
Wien Vatikan London Carpegna
Untere Spitze des vorderen Helmrandes bis zur Nasenspitze . . 0-l45m 0"i49m 0-l4m CI46
Untere Spitze des vorderen Helmrandes bis zur Mundspalte . . OM7 0-I7 o-'7 0*17
Untere Spitze des vorderen Helmrandcs bis zum Kinn .... o-25 0-25 0-235 °'25
Abstand der inneren Augenwinkel von einander O 05 O 49 0TJ5 0.047
Abstand der äußeren Augenwinkel von einander O'IJ CVI52 015 o-I49
Abstand der Ohren von einander o-225 0"23 0"237 0"23
Mundbreite .... 0'062 0*067 0*067 0061
Durchmesser des Halses 0'I95 OM98 0'I97 0M9
Sieveking machte mich noch auf einen weiblichen Athenakopfes und schreibt darüber: „Uebercin-
Kolossalkopf in St. Petersburg aufmerksam (Kiese- Stimmung der Masse; gleiche Herrichtung des Ober-
ritzky, Katalog der Eremitage n. 44; Friederichs- kopfes; Augen zum Einsetzen, ebenso Hals; Stil
Wolters n. 502); er hält ihn für eine Replik unseres derselbe. Sicherer Beweis erbracht durch den zuge-
Athena des Phidias x79
Fällen Stuck oder Metall war. Die Kappe des attischen Helmes umgab rings ein
metallener Zierat, wahrscheinlich ein Kranz, während über die Höhe der Rundung
drei mächtige Büsche hervorragten. Von Backenklappen hat sich nirgendsein Ansatz
oder eine Spur der Befestigung erhalten; auch fehlen sie auf dem athenischen
Relief, auf dem die Statue nachgebildet ist (Einzelaufnahmen n. 1275). Mag man
nun annehmen, der obere Teil des Helmes sei ganz aus Marmor oder zum Teil
aus Bronze gewesen, zweifellos war dem ganzen Helme Metallfarbe gegeben. Da
sich aber die Haare in ihrer Farbe von dem Helme unterschieden haben müssen,
und für diesen der dunkle Bronzeton das Gegebene war, so ergibt sich mit
Wahrscheinlichkeit der Schluß, daß die Haare golden oder vergoldet waren
(und vergoldet müßten demnach auch die Marmorhaare des Kopfes in Sevilla
gewesen sein).
Die ganze Art dieser seltsamen Technik findet sich • - von den Augen ab-
gesehen — ganz gleich an verschiedenen Köpfen griechischer Originalstatuen
wieder. Man vergleiche, was Furtwängler über die Giebelfiguren des Aphaia-
Tempels in seinem Aiginawerk S. 29g und in der Beschreibung der Glyp-
tothek vom Jahre 1900 an mehreren Stellen berichtet. Häufig waren dort die
Haartouren vollständig oder in einzelnen Locken auf den Marmorköpfen mittels
kleiner Bronzestifte befestigt; aus erhaltenen Resten läßt sich schließen, daß sie
in Blei gegossen waren (natürlich hatten sie Bronzefarbe bekommen). Und wie
bei den Athena-Köpfen der obere Teil des Helmes besonders gearbeitet und auf-
gesetzt war, so dort an dem einen Bogenschützen des Westgiebels (C) die vor-
gebogene Spitze der persischen Mütze.
Daß auch an den Figuren der Parthenongiebel derartiges vorkam, lehrt uns
das kürzlich entdeckte Fragment vom Kopfe der Athena des Westgiebels (Ath.
Mitt. 1 908 S. 1 3 ff. Taf. IV). Da war, wie Prandtl augenscheinlich mit Recht
annimmt, nicht nur der ganze Nackenschutz aus Metall aufgesetzt, sondern auch
eine Locke, die wir uns ebenfalls aus Metall zu denken haben, unter dem Ohre
hörigen linken Colossalfuss (Kieseritzky Nr. 122); daß es sich keinesfalls um eine Wiederholung der
dieser in Form und Mass völlig übereinstimmend Athena handeln kann ; auch lält sich nichts über
mit dem Wiener. Der Kopf ist falsch gewendet in die ehemalige Herrichtung des Oberkopfes vermuten,
die moderne Büste eingesetzt." Gegen diese Annahmen Der Stil scheint mir, nach einer Photographie zu
spricht eine Auskunft, die ich der Liebenswürdigkeit urteilen, die ich ebenfalls Pridik verdanke, nicht aus-
Pridiks, des jetzigen Direktors der Eremitage, ver- gesprochen phidiasisch, und endlich beruht die Be-
danke. Sie lautet: „Vom Haar ist ein schmaler hauptung, daß Kopf und Fuß zusammengehören, nur
Streif über der Stirn und ein Stück hinter dem auf einer Annahme Bernoullis, der die Verschiedenheit
linken Ohr antik. Der Kopf ist richtig nach seiner der Marmorsorten widerspricht.
Linken gewendet eingesetzt." Daraus geht hervor,
23*
i8o
W. Amelung
66: Marmorkopf im Britischen Museum.
befestigt; die Ohrläppchen trugen metallene Gehänge und auch die Helm-
büsche waren in Metall gegossen und aufgesetzt.
Danach muß diese Technik im fünften Jahrhunderte gang und gäbe ge-
wesen sein und es kann auch nicht behauptet werden, daß man sie nur anwendete,
weil sich manche delikate Einzelheiten gesondert bequemer oder in Metall besser
als in Marmor herstellen ließen. Die Meister der aiginetischen Giebel scheuten
keine technischen Schwierigkeiten, und auch jenen Nackenschutz und die Locke
der Athena am Parthenon hätte man ohne die geringste Gefahr oder Einbuße
an künstlerischer Wirkung in Marmor mit dem übrigen ausführen können. Es
Athena des Phidias
181
07: Marmorkopf im Britischen Museum.
handelt sich um eine technische Gewöhnung, die in diesem Falle von den Ko-
pisten getreu nachgeahmt worden ist, ein Zeichen für den ungewöhnlich hohen
Ruhm des Originales.
Einen ganz analogen Fall bietet augenscheinlich ein Kopf aus Kyrene im
British Museum (Cat. of sculpt. II 1506 pl. XXV 2), der ebenfalls eine Schöpfung
der phidiasischen Zeit copiert. Nach den Aufsatzspuren der Haare zu urteilen,
war der Kopf nicht männlich, wie der Katalog angibt; der Umriß dieser Spuren
entspricht durchaus dem, wie wir ihn bei der Londoner Replik unserer Athena
angegeben finden. Der ganze Oberteil des Kopfes war auch hier aufgesetzt und
182 \V. Amelung
verklammert. Die Art, wie die Aufsatzfläche der Haare hergerichtet ist — gerauht,
ohne Stiftlöcher — , erklärt sich nur unter der Voraussetzung, daß die Haare aus
Stuck waren. Die Augen sind mit bronzenen Wimpern eingesetzt; die jetzt
fehlenden Pupillen waren aus farbigem Stein.
Wir können, wie ich glaube, auch über die technische Gestaltung des Körpers
der Athena etwas Sicheres erfahren. Zunächst erinnere ich an etwas: bei Be-
trachtung des Kopfes aus Villa Carpegna schien es uns, als sei das Halsstück unten
nicht in der Art zugerichtet, wie es sich erwarten ließe, wenn der Kopf in einen
marmornen Körper eingelassen werden sollte. Dann bedenke man folgendes:
Mit dem Kopfe im Vatikan wurden ein Arm und ein Fuß aus Marmor gefunden,
mit dem Kopfe in Wien die beiden Füße; in beiden Fällen waren diese Extre-
mitäten nicht gebrochen, sondern zum Einsetzen zugerichtet. Von dem Torso
aber, an dem sie befestigt werden sollten, wurde beide Male nichts gefunden.
Wie erklärt sich das? Auch an der zweiten Replik in Sevilla (Herrmann a. a. O.
Taf. III S. 162) waren Kopf, Arme und Füße angesetzt. Hat nun ein seltsamer
Zufall gespielt, und hat man in Laurentum und in der Villa des Hadrian die
Torsi schon lange vor den anderen Teilen entdeckt, zu Kalk verbrannt oder
fortgeschafft und verkauft? Aber wie konnten dabei die kleineren Teile unbe-
merkt bleiben? Um eine solche Riesenmasse auszugraben, mußte die Erde ringsum
gehörig durchwühlt werden und Kalkbrenner hätten zweifellos eher die kleineren
Stücke verwendet, als den Riesenblock zerschlagen. Der Torso wird also nicht
aus Marmor, sondern aus einem Stoffe gewesen sein, der zeitiger Zerstörung durch
Menschenhand oder in der Erde ausgesetzt war. Ja, auch die Tatsache, daß an
der zweiten Wiederholung in Sevilla die Füße besonders gearbeitet und ange-
setzt waren, spricht doch dafür, daß die Gewandung nicht als Marmor zur Geltung
kommen sollte, denn wozu sonst diese Umständlichkeit, die sich denn auch der
Bildhauer der Athena Medici und der andern Replik in Sevilla gespart hat, und
die meines Wissens sonst nur vorkommt, wenn die Gewandung in Porphyr oder
farbigem Marmor gearbeitet war (etwas anderes ist es, wenn z. B. bei der Aphro-
dite, die von Kekule in den Arch.-epig. Mitt. 1879 S. 8 ff . Taf. I veröffentlicht
worden ist, das Vorderteil des einen Fußes und fast der ganze linke Arm be-
sonders gearbeitet und angesetzt waren; beide Teile ragten aus der Masse der
übrigen Komposition heraus, und so empfahl sich hier eine Stückung lediglich,
um nicht einen unnötig großen Block für das Ganze wählen zu müssen).
Auch scheint mir Stein wenigstens für den Körper der Replik aus Villa
Adriana wegen der Zurichtung der erhaltenen Füße ausgeschlossen, da jede Spur
Athena des Phidias 183
einer Verzapfung fehlt. Anderseits kann auch Metall — wir müßten an ver-
goldete Bronze denken — nicht in Frage kommen. Es würden sich an den
Füßen, wie am linken Auge, zweifellos irgend welche Spuren der Bronzepatina er-
halten haben; vor allem aber sollten sich die Füße augenscheinlich mit ihrer ge-
wölbten Stoßfiäche in eine entsprechende Höhlung fügen. So bleiben nur zwei
Möglichkeiten: der Körper war aus Holz und mit einer leichten Goldhülle be-
deckt, oder er war aus Stuck und ebenfalls vergoldet. Beides kommt für die
künstlerische Wirkung auf eins heraus, denn für diese war nicht der Kern,
sondern die metallische Hülle entscheidend, und jedenfalls wären demnach die
beiden Wiederholungen in Laurentum und der Villa des Hadrian Akrolithe ge-
wesen. Bei den anderen Kopien, die ganz in Marmor ausgeführt sind, müßten
wir uns die Gewandung vollständig vergoldet denken, so daß sie dadurch trotz
ihrer Marmorkörper den Eindruck von Akrolithen machten, wie wir auch für die
Marmorhaare des Kopfes in Sevilla Vergoldung annehmen mußten. Der Wunsch
größerer Stabilität und Wetterfestigkeit konnte die Übertragung in Marmor ver-
anlassen. Beispiele von vergoldeten Marmorskulpturen, die den Eindruck von
Werken aus Goldbronze machen sollten, habe ich im I. Bande des Vatikan-
Kataloges S. 380 und 916 zusammengestellt (vgl. im IL Bande S. 747). Der Schluß
auf die Technik des Originales unserer Athena ergibt sich jetzt von selbst: sein Torso
war entweder in Metall gearbeitet — in Gold oder vergoldeter Bronze — oder ganz
entsprechend den Kopien aus Laurentum und der Hadrians-Villa in vergoldetem
Holz oder Stuck ausgeführt. Für beides sind Parallelen in der griechischen Kunst
und insbesondere für die Entstehungszeit der Athena überliefert: in Plataeae
stand die Athena Areia des Phidias, ein £6avov ira'xpuaov mit Gesicht, Händen
und Füßen aus pentelischem Marmor (Paus. IX 4, 1), und an dem Zeus des Theo-
kosmos im Olympieion zu Megara war das Gesicht aus Elfenbein und Gold, alles
übrige tcyjXoö te xcd yö<J;ou (Paus. I 40, 4); natürlich waren die nackten Teile weiß
gefärbt, die Gewandung vergoldet. Es sei nicht verschwiegen, daß Pausanias an-
gibt, Theokosmos sei nur durch den hereinbrechenden Peloponnesischen Krieg
daran verhindert worden, die Statue ganz in Elfenbein und Gold auszuführen;
aber wir werden mißtrauisch gegen diese Behauptung, wenn wir weiter hören,
daß der Perieget hinter dem Tempel noch die Hölzer gesehen haben will, die
für das Gerüst im Innern des Zeus bestimmt waren. Für unsere Frage verschlägt
das nicht viel, denn, wie ich schon andeutete, für die künstlerische Stilisierung
war doch die metallische Hülle des Kerns entscheidend.
Wie verhält sich zu diesem Resultate der Stil der verschiedenen Wieder-
1 84 W. Amelung
holungen des Körpers? Die Meinungen darüber sind weit auseinandergegangen,
am weitesten in den verschiedenen Schriften eines Gelehrten. Für Furtwängler
war die Athena Medici erst (in den Meisterwerken) eine Kopie nach der bronzenen
Promachos auf der Akropolis, dann wurde sie (in den Intermezzi) ein Original-
werk phidiasischer Marmorkunst; zuletzt (im Aigina -Werke, Textband S. 330 ff.)
sank sie doch wieder zu dem Rang einer Kopie nach der bronzenen Promachos herab.
Furtwängler hatte sie zuerst aus weiter Entfernung beurteilen müssen; dann
sah er sie in erreichbarer Nähe neben den Gypsabgüssen der Figuren aus dem
Parthenongiebel, und während ihm nun die Übereinstimmung mit den Giebel-
figuren so stark erschien, daß er meinte, früher habe ihn Voreingenommenheit
geblendet, die Originalität der Arbeit sei unverkennbar und der Grad der Ver-
wandtschaft mit jenen Werken nur dadurch zu erklären, daß die Athena eben
auch in einem der Giebel gestanden habe, fanden sich andere Archäologen gerade
durch dieselbe Gelegenheit naher Vergleichung nur bestärkt in ihrer Ansicht,
die Athena Medici überrage zwar die üblichen Kopien, sei aber eben doch unver-
kennbar selber Kopie (Herrmann a. a. O. S. 165; Einzelaufnahmen Text zu
Serie IV S. 66 Nachtrag zu n. 706 a). Aber wir können die Frage, ob Kopie
oder Original, jetzt endgültig begraben; Furtwängler selbst hat seine Behauptung,
wie erwähnt, wieder aufgegeben, und sie würde auch durch unsere Untersuchung
erledigt werden. So bleibt das Dilemma: Kopie nach Metall oder nach Marmor?
Für Marmor hat sich unabhängig von Furtwängler Herrmann ausgesprochen,
doch bezweifle ich, daß seine Gründe durchschlagend sind. Er schreibt: „Ange-
sichts des Torso Medici wird man sich schwerlich an eine Erzstatue erinnert
fühlen; der Formenvortrag und die Modellierungsweise erinnern durchaus an
Marmortechnik; die dicht gereihten Steilfalten über dem Standbeine mit ihren
starken Unterhöhlungen sind so in Guß überhaupt kaum auszuführen und deuten
auf ein Modell hin, bei dem von vornherein auf Ausführung im Stein Rücksicht
genommen war." Das könnte man nur für entscheidend halten, wenn derartige
Falten im Guß gar nicht auszuführen wären; aber Herrmann wagt diese Behaup-
tung nicht und mit Recht. Er fährt dann fort: ,.Wenn die Kopisten der beiden
Sevillaner Statuen, namentlich der von II, in Anordnung und Wiedergabe der
betreffenden Faltenpartien etwas freier verfahren sind, so ist wohl eher anzu-
nehmen, daß sie den Formenreichtum ihres Vorbildes vereinfacht und sich die
Arbeit erleichtert haben, als daß umgekehrt der Meister des Torso Medici die
gegebenen einfachen und klaren Formen zu größerer äußerer Mannigfaltigkeit
gesteigert und sich die Mühe vergrößert hätte.- Ich meine, die Erfahrungen der
Athen» des Phidias
l85
Kopienkritik lehren uns viel-
mehr, daß die künstlerisch bedeu-
tenden Kopisten nicht immer die
getreuesten sind. Meinem Urteile
nachstimmen die beiden Wieder-
holungen in Sevilla darin überein,
daß die Gewandung bronzemäßig
wirkt. Wenn dagegen eine dritte
vielmehr den Eindruck einer
Marmorschöpfung macht, so müs-
sen wir zunächst den Schluß zie-
hen, der Bildhauer dieser einen
habe das Ganze umstilisiert, dem
Material, in dem er arbeitete,
angepaßt. Aber ich glaube: auch
wer nur die Athena Medici, so
wie sie ist, als authentische Nach-
bildung des Originals gelten las-
sen wollte, dürfte sich dieses
ohne weiteres mit metallenem
Gewände vorstellen. Kopf, Ar-
me und Füße waren an dem
Original wie an den Kopien aus
Marmor oder — denkbar wäre
ja auch das — aus Elfenbein
doch dürfte es den Kopisten in diesem Falle kaum möglich gewesen sein, so
genaue Maße zu nehmen, wie wir das bei der Übereinstimmung der Repliken vor-
aussetzen müssen. Wahrscheinlicher war auch das Original ein Akrolith.
Die Anzahl der Wiederholungen des Körpers ist übrigens um eine bisher
unbeachtete Statuette zu vermehren, die sich im Kircherianum in Rom befindet
(Fig. 68; die Erlaubnis zur Publikation hat Pigorini freundlichst erteilt). H. 0-54 '":
feinkörniger weißer (italischer) Marmor. Ergänzt Helmbusch, Halsstück, rechter
Arm, linker Unterarm, das ganze untere Drittel. Der Kopf ist antik, aber nicht
zu dem Körper gehörig. Selbst an dieser unscheinbaren Kopie war der ursprüng-
liche Kopf eingelassen, der rechte Arm und der linke Unterarm angesetzt (die
Fußpartie fehlt). Von dem Schöpfe ist im Nacken keine Spur. Der rechte Arm
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68 : Statuette im Kircherianum in Rom.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI
24
l86 W. Araelung
war gesenkt. Der linke Oberarm ist außen leicht bestoßen (Ansatzstelle des
Schildes). Am unteren Rande des vorderen Teiles der Aegis sind fünf Löcher
zur Befestigung kleiner bronzener Schlangen eingebohrt. All diese sorgsamen
Herrichtungen an einer so kleinen, geringwertigen Kopie zeugen deutlich für
den hohen Ruhm des Originales. Noch ist zu bemerken, daß der Gürtel vorne
nicht verknotet, die Aegis geschuppt und das Gorgoneion auf ihrer Oberfläche
befestigt ist. In der Form des Gürtels und der Anbringungsart des (iorgoneions
stimmt also das kleine Werk mit dem Torso Medici, der zweiten Replik in Sevilla
und den Statuetten in Athen überein; es wird dadurch noch sicherer, als es
bisher schon erschien, daß die Abweichungen an dem ersten Sevillaner Exemplar
ihre Existenz lediglich dem Geschmacke des Kopisten verdanken, der sich auch
sonst allerlei Freiheiten erlaubt hat.
Auf dem Relief in Athen blickt der Kopf der Göttin geradeaus. Aber es
war aus den Resten des Haarschopfes am Torso Medici bereits geschlossen worden,
der Kopf der Statue habe sich vielmehr nach der rechten Schulter gewendet,
als die eine Wiederholung in Sevilla hierfür die Bestätigung brachte. Immerhin
war die Zusammensetzung von Kopf und Körper dort nicht tadellos. „Der Hals
ist unten zweimal gebrochen gewesen und die Bruchstellen sind roh mit Gips
verschmiert. Im Nacken nimmt die Gipsergänzung die Form eines eingeschobenen
Keilstückes an, welches bewirkt, daß der Kopf jetzt zu stark nach vorn geneigt
und der Zusammenhang mit dem Torso unterbrochen istu (Herrmann). Es war
deshalb wünschenswert, mit dem Abgüsse des Pariser Torso und eines der neu-
erkannten Köpfe eine gewissenhafte Zusammensetzung vorzunehmen. Ich danke
es dem Entgegenkommen Rob. von Schneiders, daß der Wiener Kopf geformt
wurde (auch die Füße wurden abgegossen). Der Versuch einer Zusammensetzung
konnte im Münchener Gipsmuseum unternommen werden, und hier war es Furt-
wängler, der meinem Wunsche mit größtem Interesse entgegenkam und seinem
damaligen Assistenten Sieveking volle Freiheit ließ. Dieser leitete die Zusammen-
setzung und schrieb mir über die Arbeit und die dabei gemachten Beobachtungen
folgendes: „An dem Torso ist von dem Schöpfe nur eine Locke in hohem Relief
stehen geblieben, und zwar rechts vom Beschauer aus (wenn dieser den Rücken
betrachtet). Zwischen der Locke und dem Rande des Mantels ist der Marmor
abgearbeitet, so daß hier eine Vertiefung entsteht, auf deren Grund aber Haare
in flüchtiger Form angedeutet sind. Die Vertiefung war notwendig, um für den
Ausläufer des mittleren Helmbusches, der gerade über diese Stelle lief, Platz zu
schaffen. Noch weiter links verschwinden die Strähnen unter dem Mantel; der
Athena des Phidias '87
Schopf fiel also in voller Breite über den Nacken nieder und war augenschein-
lich nicht durch einen Ring- zusammengehalten. Über der beschriebenen Ver-
tiefung und der Locke rechts von ihr ist der Rand in einer Länge von oi65m
bogenförmig ausgeschnitten; hier war der Schopf, soweit er im Zusammenhange
mit dem Kopfe ausgeführt war, eingepaßt (vgl. Furtwängler, Intermezzi S. i8)-'.
„Was sich schon aus der Lage des Ausschnittes, durch den hinten am Torso
die Haare liefen, voraussagen ließ, bestätigt die Zusammensetzung. Der Kopf ist
ziemlich stark nach seiner Rechten gewendet, anders als bei der Sevillaner Statue,
bei der die zu starke Neigung des Kopfes nach vorne mir nicht die einzige Un-
richtigkeit zu sein scheint." Ich hatte den Eindruck, der Kopf sei nicht tief genug
eingelassen, die Halsgrube sitze zu hoch. Sieveking antwortete, der Kopf sei
zwar tief genug eingelassen, meine Bemerkung über den Sitz der Halsgrube aber
trotzdem berechtigt: ,.Das liegt an der schlechten Arbeit des Halses, der Brust
und der Schulter. Das Verhältnis von Halsgrube und Schulteransatz ist voll-
kommen verfehlt.-' Man kann wohl annehmen, daß der Kopist diese Teile ver-
nachlässigt hat, weil sie bei Unteransicht, d. h. der normalen Ansicht der Statue
doch nicht zur Geltung kamen. Der Wiener Kopf ist ohne das ergänzte Oberteil
des Helmes geformt worden und der Abguß wurde in München zunächst, wie er
war, auf den Torso aufgesetzt. Die Wirkung war erschreckend. Trotzdem die
Füße in Wien mit denen des Torso vollkommen übereinstimmen, die Wieder-
holung im Besitze des Hadrian also genau so groß gewesen sein muß, wie die
Kopie, von der der Torso stammt, wirkte der Kopf zu klein und der Eindruck
wurde erst erträglich, als Sieveking den Helm mit drei großen Büschen ergänzen
ließ. Ich verschweige diese seltsame Erfahrung nicht, da sie mir nicht ohne beson-
deres Interesse scheint.
Um nun das Bild des Originales vollständig wiederzugewinnen, sei an das
erinnert, was uns die Vergleichung der bisher bekannten Wiederholungen gelehrt
hatte: Die Schlangen der Aegis verknoteten sich am unteren Rande wie bei der
Athena Parthenos und auch der obere Rand war mit Schlangen umsäumt (Furt-
wängler, Intermezzi S. 18 f.). Der linke Arm trug den Schild; auf dem verschollenen
Relief von Ambelokipi, von dem zwei Zeichnungen bekannt sind (Bull, de corr. hell.
1894 p. 488 — danach Fig. 69 — und Aigina-Werk S. 331 Anm. 1), hält die linke
Hand den Speer. Daß dieser auf dem Relief in Athen weggelassen ist, kann in An-
betracht der starken Relief höhe nicht wundernehmen; das Relief aus Ambelokipi
war nach dem Zeugnisse Hallers von Hallerstein in ganz schwacher Erhebung ge-
arbeitet. Zudem hat der Verfertiger noch den linken Unterarm so weit, als irgend
2 t*
i88
W. AmeluDg
möglich, nach auswärts gebogen; dadurch ist es ihm gelungen, die Hand mit dem
Attribut ganz in die Fläche zurückzudrängen. Die Hand hält den Speer schräg, ohne
ihn zu schultern, eine Haltung, die für ein Kolossalbild allzu unruhig wirkt und
schon wegen der technischen Schwierigkeiten Bedenken erregt. So spricht denn
auch ein anderes, bisher übersehenes Zeugnis dafür,
daß in diesem Zug entweder der Zeichner oder
schon der Reliefbildhauer willkürlich geändert hat.
Das Bild der Statue, wie es uns das Relief von
Ambelokipi, abgesehen von dieser Einzelheit, gibt,
ist unverkennbar wiederholt auf einer athenischen
Münze, die in dem Numismatic commentary of
Pausanias von Imhoof-Blumer und Gardner Taf.
AA VI abgebildet ist (S. 134 n. 10); ein anderes
Exemplar mit der gleichen Prägung ist veröffent-
licht in dem schon erwähnten Bericht über einen
Fund in Eleusis (Svoronos, Journ. intern, d'archeol.
numism. 1904 p. 120 n. 79 Taf. I 34; danach
Fig. 70 rechts). Auf dem Münzbilde ist der Speer
auf den Boden gestellt und mit der Spitze etwas
nach außen gesenkt. So müssen wir uns das
Original vorstellen.
Der r. Oberarm war nach dem Ausweise der Einsatzspuren und des Reliefs
gesenkt. Der Unterarm ist auf dem Relief in Athen leicht zur Seite gestreckt;
da dort der Speer in der Linken fehlt, hatte man angenommen, die verlorene
Rechte müsse ihn gehalten haben, wie wir es auf einigen athenischen Münzen
sehen, deren Athena-Figur für eine Nachbildung der Promachos erklärt wurde
(vgl. Herrmann S. 170). Aber auf dem Relief von Ambelokipi hält die Göttin
in der Rechten die Schale, und eine Bestätigung
liefert uns jetzt das eben erwähnte, bisher unbe-
achtete Münzbild. Furtwängler schreibt in den
Intermezzi S. 18, der rechte Arm sei dem Torso
Medici nur angekittet gewesen, von der Befesti-
Athenische Münzen. gung mittels eines Dübels keine Spur vorhanden.
S. Reinach, den ich deswegen interpellierte, hat die Güte gehabt, die Einsatzstelle
genau zu untersuchen, und schreibt mir darüber: „Der größere obere Teil ist einfach
mit kleinen Meißelschlägen bearbeitet; unten aber ist eine horizontal liegende,
69: Zeichnung
nach einem verschollenen Relief in
Ambelokipi.
Athena des Phidias
189
71: Rekonstruktion der Athena Medici.
190 W. Amelung
elliptische Einarbeitung mit Zement gefüllt, in dem an zwei Stellen breite, wieder
horizontal stehende Metallreste sichtbar werden." Der Arm war also doppelt ver-
dübelt, und wir brauchen keine weitere Stütze für ihn zu suchen. Furtwängler wollte
dazu die Schlange verwenden, die sich auf dem Relief von Ambelokipi unter
der Hand emporbäumt, und daß der Verfertiger des Reliefs in diesem Zuge
nicht frei erfunden hat, beweist uns wieder das Münzbild. Aber weder dort
noch hier erhebt sich die Schlange bis zur Hand ihrer Göttin. Zweifeln könnte
man dagegen, ob auch bei dem Original, wie auf dem Relief, der Schlange eine
kleine Eule entsprach. Das reproduzierte Münzbild versagt hier wegen seiner
Kleinheit. Es wäre möglich anzunehmen, der Reliefbildner habe mit der Eule nur
ein Gegengewicht gegen die Schlange schaffen wollen, um das Bild in der Kompo-
sition möglichst seinem Gegenstücke, einer Tyche mit Steuer Kugel und Greif,
anzuähneln; erinnern wir uns aber daran, wie streng und gleichmäßig' die Kompo-
sitionsmassen bei den Götterbildern des phidiasischen Zeitalters verteilt waren, wie
bei der Athena Parthenos sich die Säule und der Schild mit der Schlange ent-
sprachen, so werden wir eher zu dem Glauben neigen, die Eule habe auch dem
Original unserer Athena nicht gefehlt. Übrigens wird uns dies Beiwerk später
noch eingehender beschäftigen.
Nachdem es gelungen war, das Bild des Originales so in den Hauptzügen
sicher festzustellen, mußte es mein sehnlichster Wunsch sein, dieses Bild auch
in einer gewissenhaft durchgeführten Restauration wiedererstehen zu lassen, um
dem ursprünglichen Eindruck der Schöpfung doch um einen Schritt näher zu
kommen; war ja der Anfang bereits in München mit der Vereinigung des Torso
Medici und des Wiener Kopfes gemacht. Wolters, der dort inzwischen an Furt-
wänglers Stelle getreten war, gestattete mit Freuden die Fortsetzung der Arbeit,
deren Ausführung den Künstlerhänden Christoph Nüßleins anvertraut wurde. Ihm
und Sieveking, der wieder die Leitung übernahm, ist es zu danken, wenn ich
heute den Lesern die vollendete Restauration vor Augen führen kann (Fig. 71).2)
Die mühselige Untersuchung der Kopien hat uns etwas mit Sicherheit ge-
lehrt: das Original war eine Kultstatue oder ein Weihgeschenk in Athen. Nur
für Kultstatue oder Weihgeschenk paßt das Motiv der Schale (man vergleiche
die Ausführungen Reischs in seinem Buche über die griechischen Weihgeschenke
S. 18). Entscheidend für den Standort ist die Tatsache, daß das Bild der Statue
auf einer athenischen Münze wiedergegeben ist; und eine andere athenische Münze
2) Abgüsse der ergänzten Figur können von der Straße 41 bezogen werden (Preis 500 Mark).
kgl. Sammlung von Gipsabgüssen in München (Gallerie-
Athena des Phidias
191
— ein Exemplar ist abgebildet bei Beule, Monnaies d'Athenes S. 256 n. 3, ein
anderes bei Svoronos a. a. O. Taf. I 33 (S. 11911. 78); danach Fig. 70 links —
liefert uns den unwiderleglichen Beweis, daß die Göttin unter dem Bilde eben
dieser Statue rituellen Kult genoß, denn hier
steht an Stelle der Schlange ein Altar mit
brennender Flamme. Ausgeschlossen ist nach
alledem, was man so lange angenommen hatte,
daß die bronzene Promachos auf der Akropolis
das Urbild gewesen sei.
Sollte aber ein Kultbild der phidiasischen
Zeit nicht geradeaus blicken? Der Zeus in
Olympia, der Dionysos des Alkamenes blickten
ganz, die Athena Parthenos fast geradeaus.
Aber man beachte eine schöne, sehr kostbar
ausgeführte Bronzestatuette aus Herculaneum
im Neapler Museum (Fig. 72; S. Reinach, Re-
pertoire de la statuaire II 1 p. 281, 4; Guida
illustrata del Museo Naz. di Nap. p. 363 n. 1565);
sie gibt in der Verkleinerung eine Schöpfung
aus der Zeit unserer Athena wieder; die er-
hobene Linke stützte die Lanze auf; die Rechte
hält noch heute die Schale, und der Kopf wendet
sich stark zur rechten Schulter (vgl. dazu Reinach
a. a. O. p. 281, 6 und III p. 252, 10). Von den
berühmten in Kopien erhaltenen Apollonstatuen
der Epoche wendet jede den Kopf in ihrer
Weise zur Seite. Waren das alles keine Kult-
bilder? Und die Venus Genetrix, die Hera
Borghese und Hera Barberini, die Pallas von
Velletri? Man kann sogar behaupten, daß es
Fälle gab, in denen es geboten war oder doch
sehr nahe lag, den Kopf eines Kultbildes nach einer Seite zu wenden. Gerade in der
Zeit unserer Athena hat man häufig in Tempeln nicht einzelne Bilder, sondern Grup-
pen von zwei und mehr Gottheiten aufgestellt; ich erinnere vor allem an die Kult-
gruppe des Hephaistos-Tempels in Athen, die Reisch und Sauer nach den Angaben
der Rechnungsurkunden rekonstruiert haben (Reisch, Jahreshefte 1898 S. 55 ff.;
Bronzestatuette in Neapel.
I 92 W. Amelung
Sauer, Sog. Theseion S. 231 ff.). Beide haben eine in mehreren Varianten erhaltene
Athenastatue als verkleinerte Nachbildung des einen Teiles dieser Gruppe nachzu-
weisen gesucht; ich konnte dann in den Neuen Jahrbüchern für Philologie 1899
S. 677 einige Kopien des Kopfes der Athena bekanntmachen, aus deren entschiede-
ner Wendung sich schließen läßt, daß die Göttin zur Rechten des Hephaistos
stand, wenn sie wirklich zu der Gruppe gehörte, und ich glaube, es wird
niemand diese Annahme gerade auf Grund jener Wendung bestreiten wollen.
Es gab ja wirklich kein anderes Mittel, die beiden feierlich neben einander
stehenden Gestalten irgendwie einander anzunähern, die Steifheit der Gruppierung
irgendwie zu lockern, als durch ein Zueinanderwenden der Köpfe, so daß
beide ihre Blicke auf einen Punkt, auf den Andächtigen zu richten schienen.
Reisch hat die Größe der beiden Statuen im Hephaisteion auf 2- bis 2V2fache
Lebensgröße berechnet. Das stimmt zu den Maßen unserer Athena, deren Höhe
von Furtwängler auf ca.. 3-40 m berechnet wurde. Die bekannte Angabe der einen
Inschrift, nach der für das eine Bild ein dtvfrsuov aus Zinn urci tt;v äam8x gearbei-
tet worden ist, genügt übrigens, um von vornherein den Gedanken, der hier be-
handelte Typus könne auf die Athena im Hephaisteion zurückgehen, auszu-
schließen. Aber in einem athenischen Heiligtume muß sie gestanden haben und
bis in späte römische Zeit verblieben sein, denn in diese hat man mit Recht die
Statuetten und das Relief in Athen datiert, und die Münzen mit dem Bilde der
Statue stammen aus der Zeit des Hadrian (Svoronos a. a. O. p. 110). In die gleiche
Zeit wurden wir bei Betrachtung der meisten italischen Kopien durch die Art
ihrer Ausführung gewiesen. Es läge nahe daraus zu folgern, man habe eben
damals das Original nach Rom geschafft. Aber die Münzen beweisen das Gegen-
teil und stellen uns die Aufgabe nachzuforschen, ob in der Beschreibung des
Pausanias keine Spur des Werkes zu finden sei.
Von allen Athena-Statuen, die |Pausanias in athenischen Tempeln erwähnt,
könnte nur die im Ares-Tempel in Frage kommen. Pausanias schreibt (I 8, 4):
„Dort stehen zwei Bilder der Aphrodite; das des Ares hat Alkamenes geschaffen,
die Athena ein Parier mit Namen Lokros; dort ist auch ein Bild der Enyo, ge-
schaffen von den Söhnen des Praxiteles." An Stelle des unwahrscheinlichen
Namens Lokros haben Reisch (a. a. O. S. 58) und Robert (Pauly-Wissowa, Real-
enzyklopädie I 883) Agorakritos vorgeschlagen. Dann würden die beiden Meister-
schüler des Phidias die beiden Hauptbilder für den Tempel gearbeitet haben, zu
denen sich das Aphroditen-Paar, Werke von unbekannten Künstlern, und nach einem
Jahrhundert die Enyo gesellt hätte. Wir könnten uns erinnern, daß uns die Nach-
Athena des Phidias 193
bildung einer zweifellos phidiasischen Ares-Statue im Palazzo Borghese erhalten
ist (Brunn-Bruckmann, Denkmäler n. 335; Furtwängler, Meisterwerke S. 126 Abb. 24;
Pollak, Jahreshefte 1901 S. 150), daß dieser Ares in Stil und Größe und mit seiner
Kopfwendung nach der linken Schulter vortrefflich neben unsere Athena passen
würde, und daß Herrmann nach dem Eindruck der ihm bekannten Repliken der
Athena als ihren Künstler Agorakritos genannt hat. Aber der Wortlaut des
Pausanias erlaubt uns keinen sicheren Schluß, daß Ares und Athena als Gruppe
gedacht waren; auch eine der Aphroditen könnte zur ursprünglichen Kultgruppe
gehört haben. Weiter ist uns die Größe des Ares-Tempels unbekannt, und die
schöne Vermutung, die den Namen des Agorakritos hier einsetzen möchte, darf
doch auch nur den Anspruch einer gewissen Wahrscheinlichkeit erheben. End-
lich bezweifle ich, ob Herrmann angesichts der neu nachgewiesenen Repliken
des Kopfes an seiner Meistertaufe festhalten würde; diese haben mit dem, was
man sonst nach Vergleich mit den Resten der Nemesis-Basis zu Agorakritos in
Beziehung gebracht hat, nicht das geringste gemein, ihre Formen haben nichts
von dem Weichen und Vollen, das dort charakteristisch und im Verhältnisse zu
den übrigen Werken der gleichen Periode auffallend ist.
Dieser Weg also versagt: suchen wir einen andern! Von den Repliken
des Torso ist eine Statuette auf der Akropolis von Athen gefunden worden,
ebendort das erhaltene Relief mit der Nachbildung der Statue, und darauf steht
neben der Göttin der heilige Ölbaum aus dem Pandroseion. All das weist auf
die Akropolis, und Furtwängler hatte diese Anzeichen denn auch benutzt, um seine
Promachos-Hypothese zu stützen. Man könnte versucht sein, noch eine Einzel-
heit in demselben Sinne zu verwerten. Auf dem verschollenen Relief von Am-
belokipi sitzt rechts neben Athena am Boden die Eule. Dio Chrysostomus erzählt
davon, daß Phidias es nicht unter seiner Würde gehalten habe, eine Eule zu
arbeiten und neben der Göttin aufzustellen; ja, das Volk habe öffentlich seine
Zustimmung dazu gegeben, während er sein eigenes Bildnis und das des Perikles
heimlich auf dem Schilde habe anbringen müssen (Michaelis, Parthenon S. 269 u. 271
Anm.; Arx Athenarum p. 84). Auf dieselbe Eule bezieht sich augenscheinlich ein
Sprichwort — yXaüij ev rc6Xec — , zu dem Hesych bemerkt, die Eule sei von einem
Phaidros auf der Akropolis als Weihgeschenk aufgestellt gewesen; der Name
des 'Weihenden ist nach jener Notiz des Dio Chrysostomus überzeugend in Phei-
dias geändert worden. Wegen des Hinweises auf die beiden Bildnisse hat man
zunächst an die Athena Parthenos gedacht, aber in Beschreibungen und Dar-
stellungen der Statue vergeblich nach einer Eule gesucht (man könnte einzig
Jahreshefte des österr archÜol. Institutes Hd XI 25
194
W. Amelung
die bekannten Petersburger Gold-
medaillons ins Feld führen, aber
dort sitzt das Tier nur als Raum-
füllung neben der einen Backen-
klappe; vgl. Furtwängler, Arch.
Jahrbuch 1889 S. 46 f. und letzt-
hin Pagenstecher, Athen. Mitteil.
1908 S. 108 f.; die Gemme, die
Murray in seinem Buche The sculp-
tures of the Parthenon S. 135 f.
heranzieht und auf PI. XV ab-
bildet, stellt nicht die Parthenos
dar). Dagegen hat kürzlich Fricken-
haus, Athen. Mitteil. 1908 S. 23 ff.,
die Meinung ausgesprochen, Phi-
dias habe diese Eule neben das
alte Holzbild der Göttin setzen
dürfen. Aber der Wortlaut des
Dion, der von auYxatkSp'jaxt, nicht
von Ttpoay.athSp'jcjai spricht, beweist
deutlich, daß Statue und Eule zu
gleicher Zeit aufgestellt und ge-
weiht wurden. Sollte uns also in
dem Relief von Ambelokipi eine
Illustration dieser Überlieferung er-
halten sein? Um welche Athenastatue aber könnte es sich dann handeln? Auf
der Akropolis haben drei berühmte Bilder der Göttin von Phidias' Hand ge-
standen: Parthenos, Promachos, Lemnia. Nur die letzte kann in Frage kommen.
Aber wir wissen doch, daß die Lemnia helmlos und aus Bronze war! Wir
glauben es wenigstens zu wissen. Es ist gut, sich einmal wieder daran zu
erinnern, nachdem Jamots warnende Einwendungen (in der Rev. arch. II 1895
p. 28 ff.) ganz wirkungslos geblieben sind: die Annahme, nach der in den beiden
fraglichen Stellen (Plin. n. h. XXXIV 54; Himer. Orat. XXI 4; Overbeck,
Schriftquellen n. 759 u. 761) von der Lemnia die Rede sein soll, ist vollkommen
hypothetisch. Ja, es gibt eine Überlieferung, nach der es zum mindesten zwei-
felhaft ist, ob wir nicht geradezu annehmen müssen, daß die Lemnia nicht aus
73: Kopf der Athena Parthenos in Madrid.
Athena des Phidias
•95
Bronze war: Aristides nennt
in seiner Rede v.xzx xwv sijop-
y_o'j[ievü)v (408, 1 5 ff. ; ed. Keil
II S. 244: Overbeck n. 639)
drei Statuen der Göttin in
Athen neben einander, die
elfenbeinerne, die bronzene
und die Lemnia. Die erste
ist sofort kenntlich als Par-
thenos, die zweite als Pro-
machos. Würde aber Aristi-
des diese nur durch die An-
gabe des Materials bezeich-
net haben, wenn sie in dieser
Beziehung nicht die einzige
in ihrer Art war?
Kann nun der neuge-
wonnene Typus die Lemnia
des Phidias wiedergeben, in
dessen Zeit er zweifellos ge-
schaffen ist? Nach dem, was
wir aus der Technik der
Kopien schließen konnten,
hat das Original keinesfalls
im Freien gestanden. Ob die
Lemnia im Freien oder innerhalb des Propyläenbaus aufgestellt war, läßt sich
mit Hilfe der Überlieferungen nicht sicher entscheiden (vgl. zuletzt Michaelis,
Arx p. 78 und Judeich, Topographie d. Stadt Athen S. 213). Ebensowenig ist das
Entstehungsjahr der Lemnia innerhalb der Lebenszeit des Phidias mit Gewißheit zu
bestimmen. Von Lukians Lobsprüchen würde nur einer Schwierigkeiten machen:
die Zartheit der Wagen; sie sucht man auch an den besten Wiederholungen des
Kopfes vergebens. Aber wieviel kann nicht gerade davon unter den Händen
der Kopisten verloren gegangen sein!
Doch unsere Statue war Kultbild, die Lemnia Weihgeschenk. Schließt sich
aber Beides gegenseitig aus? Auch die Athena Hygieia war ein Weihgeschenk
und hatte doch ihren Altar. Ja, man könnte geradezu versucht sein, einen Parallelis-
25*
74: Kopf der Athena in Madrid.
i g6
W. Amehuig
75: Kopf des Apollon
aus dem Friese des Parthenon.
mus zu konstruieren zwischen der Athena Hygieia
auf der Südseite und der Lemnia auf der Nord-
seite der Propyläen und daraus die Wendung des
Kopfes erklären; aber zu einem sicheren Resul-
tate gelangen wir auch auf diesem Wege nicht,
und ich glaube, wir müssen vorläufig darauf ver-
zichten, unsere Athena mit einem literarisch über-
lieferten Werke zu identifizieren (die Athena Areia
des Phidias kommt nicht in Frage, weil sie in
Plataeae stand).
Darüber aber kann niemand im Zweifel sein
und das ist wahrhaftig eine kostbarere Er-
kenntnis — , dai3 wir hier ein Werk des Phidias
selber vor uns sehen oder eines seiner intimsten
Genossen, den wir doch nur sein andres Ich nennen
könnten. Wo auch von dem Torso oder von den Köpfen unabhängig- von
einander die Rede war, wurde der Name Phidias genannt; wir dürfen hier
gewiß auch daran erinnern, daß Furtwängler die Verwandtschaft des Torso
Medici mit den Parthenon-Skulpturen so stark empfand, daß er den Torso ge-
radezu in den Ostgiebel stellen wollte. Ja, wir können es wirklich ohne Scheu
aussprechen: wenn wir vor den kümmerlichen Kopien der Athena Parthenos
ratlos standen, unfähig, die Bewunderung der Griechen für ihren Meister zu ver-
stehen, - - hier lebt in blendender Schönheit ein der Parthenos innerlichst ver-
wandtes Bild vor unseren Augen auf, und auch auf jene traurigen Nachbildungen
fällt von ihm aus ein Strom neuen lebenweckenden Lichtes. Man vergleiche nur
die verschiedenen Wiederholungen des Kopfes mit den beiden einzigen Parthenos-
Köpfen, in denen ein letzter Hauch phidiasischen Geistes erhalten ist, dem Kopfe
der Madrider Statuette ( Arndt- Amelung, Einzelaufnahmen n. 575/6 und 1514/15;
danach Fig. 7.3, 74) und der Replik in Kopenhagen vor der entstellenden Ergän-
zung (Pollak a. a. O. Taf. IV). Näher aber kommen wir Phidias, wenn wir Köpfe
vom Friese des Parthenon vergleichen, wie den des „Apollon" (Fig. 75) und
vor allem den der „Peitho", zu dem wir das Profil des Wiener Kopfes gestellt
haben (Fig. 76, 77). Die Übereinstimmungen sind hier so stark, so weitgehend,
daß niemand an dem engsten Zusammenhange wird zweifeln können. Man beachte
die Profil-Linie, den charakteristischen Winkel, den die Stirn mit der Nase bildet,
die Form und Lage der Augen und Ohren, den leicht geöffneten Mund mit diu
Athena des Phidias
197
vollen, lebhaft aufgeworfenen I-ippen,
das starke, aber weich gerundete Kinn
und die große Fläche der vollen Wangen.
Es ist selbstverständlich, daß Köpfe,
wie die auf dem Parthenonfriese, nicht
ohne eine breit angelegte, sehr ener-
gisch durchgebildete Struktur des Kno-
chengerüstes denkbar sind; wir dürfen
also voraussetzen, daß der Künstler des
Frieses in runder Plastik Köpfe mit
breiter, kraftvoller Anlage schuf, und
diese Voraussetzung bestätigen die bei-
den Köpfe der Parthenongiebel, der des
„Theseus" und der „Webersche Kopf"
1 Sauer, Programm der Universität Gie-
ßen 1903 Taf. IßT), und nicht minder
die Kopien der Parthenos, nur daß bei
den minderwertigen die kräftige Breite
77 : Profilansicht des Wiener Kopfes.
zu gedunsener Überfülle wird. Die Repliken unseres Athena-Kopfes stehen in dieser
Hinsicht mit all den genannten Köpfen im
Einklänge ; sehr wohl ist es aber möglich,
daß bei dem Bestreben, diese Breite und
Fülle zu betonen, manche Feinheit in der
Modellierung verloren gegangen ist.
Die gleichen Beobachtungen können
wir machen, wenn wir ein Werk heran-
ziehen, das wir neben den Kopien der
Parthenos mit größter Wahrscheinlichkeit
auf Phidias zurückführen können; den Dia-
dumenos Farnese (Fig. 78 und 79, nach
Aufnahmen, die ich der Güte Sievekings
verdanke). Ich brauche Furtwänglers
Worte aus den Meisterwerken S. 1 \\ ff.
nicht zu wiederholen. Die Vergleichung
, „ , , _ ... . mit den Tünglinersfiguren des Parthenon-
76: Kopf der „Peitho" J S 6 &
aus dem Friese des Parthenon. frieses ist absolut überzeugend; stellen
ig8 W. Amelung
wir den Kopf des Diadumenos neben den der Parthenos und die anderen Athena-
köpfe, so wirkt besonders die Bildung des Mundes charakteristisch, der mit
seinen reichen, lebhaft bewegten Formen eine starke, gesunde, liebenswürdige
Sinnlichkeit unnachahmlich zum Ausdruck bringt.
In den Augen des Diadumenos hat der Kopist einen echt phidiasischen
Zug bewahrt, denn er kehrt am Parthenonfriese, an dem „Weberschen Kopf"
und an dem Parthenos-Kopf in Kopenhagen, kaum noch kenntlich an dem
der Madrider Statuette wieder. Der Teil zwischen Oberlid und Brauenbogen
schwillt in der äußeren Hälfte so weit an, daß sich dort eine Helle, in den
Winkeln Schatten bilden. Das Oberlid das weitgeöffneten Auges drängt gleich-
sam gegen den Brauenbogen. So entsteht ein ähnlicher Effekt, wie ihn später
mit stärkeren Mitteln Skopas erreicht hat. Von den Kopisten unserer Athena hat
nur der des Kopfes aus Villa Carpegna diese Einzelheit beobachtet und deutlich
wiedergegeben.
Wenn wir so an sicher greifbaren Zügen festhalten, den einzigen, die wir
berechtigt sind für charakteristisch phidiasisch zu erklären, bleiben wenig von
den vielen bisher versuchten Zuteilungen erhaltener Werke an Phidias bestehen.
Wir nannten neben der Athena schon den Ares im Palazzo Borghese und die
Köre Albani; ebenso sicher phidiasisch ist meines Erachtens die „Aphrodite" der
bekannten Doppelherme in Madrid mit ihrem Gegenstück (von Furtwängler auf
Eros gedeutet, Meisterwerke S. 98 ff.), die Kybele in Villa Doria-Panfili (Furt-
wängler, Statuenkopien S. 53 Taf. X; vgl. Thieme-Becker, Künstler-Lexikon
I S. 125) und die Karyatide, deren Kopien in Mantua und Petersburg erhalten
sind (Furtwängler a. a. O.). Die Köpfe der Kybele und der Karyatide können
augenscheinlich auch dazu dienen, uns von dem Kopfe der Amazone, die
Furtwängler für die des Phidias erklärt hat, eine Vorstellung zu verschaffen;
der Kopf der Relieffigur aus Luku stimmt in allen erkennbaren Zügen mit
denen der genannten Skulpturen überein (s. zuletzt Vatikan-Katalog II S. 459).
Einen Kreis um diese Werke bilden: „Die Schutzflehende" in Pal. Barberini; der
„Thermen-Apollon" ; Anakreon; ein weiblicher Kopf, von dem sich Wieder-
holungen im Vatikan, im Museo Barracco und in St. Petersburg befinden (Furt-
wängler, Meisterwerke S. 88 f. Fig. 7/8; Vatikan-Katalog I S. 52), mit dem nahver-
wandten, bärtigen Götterkopfe im British Museum (Arndt im Text zu Brunn-
Bruckmann, Denkmäler n. 517); ein anderer weiblicher Kopf im Louvre (Pottier,
Bull, de corr. hell. 1896 p. ,455 ff. PI. XVII/XVIU; S. Reinach, Tetes antiques
PI. 83/84), etwa eine Schülerarbeit des phidiasischen Ateliers; der Hermes Propy-
Atliena des Pbidias
i'.'l
78 und 79: Kopf des Diadumenos Farnese
laios des Alkamenes; die Aphrodite Doria (Rom. Mitt. 1901 S. 21 ff. Taf. I/II);
die Athena Hope-Farnese (s. zuletzt Joubin in den Monuments Piot 1896 S. 27 ff.
Taf. II) und endlich jener Mädchenkopf im British Museum, den Waldstein selt-
samerweise mit der Hera des Polyklet in Zusammenhang- bringen wollte (Journ.
of hell. stud. 1901 S. 30 ff. Taf. II/II1), und für den durch den Hinweis auf
die schlagende Ähnlichkeit mit dem Kopfe der Athena Farnese das erlösende
Wort gesprochen sein dürfte. Beide Köpfe erinnern in den Hauptformen des
Gesichtes außerordentlich stark an den Typus unserer Athena und die nächst-
verwandten Werke, so daß über ihren Stammbaum kein Zweifel bleiben kann;
aber statt der hochaufgeschlagenen Oberlider dort sehen wir hier schwere Ober-
lider, die sich verschleiernd über das Auge senken, das dadurch einen wesent-
lich andern Ausdruck erhält. Ich glaube, wir können es auch noch ahnen, wo-
her die Künstler des phidiasischen Kreises die Anregung zu dieser veränderten
Augenbildung erhielten: durch das Auftreten des Kresilas, dessen Werke uns am
ehesten an dem Merkmal der schweren Oberlider mit den so charakteristisch gv-
200
W. Araelung
■So: .NLirraorkopf in N'y-Carlsberg.
schwungenen Rändern kenntlich sind. Der Kopf der Athena Hope hat mit dem
Mädchenkopfe im British Museum nichts gemein, und ich glaube, diese Tatsache
wird der Ansicht neues Gewicht geben, nach der uns in jenen zwei Athena-
Statuen nicht Kopistenvarianten, sondern Kopien nach verschiedenen Originalen
erhalten sind.
Und die „Athena Lcmnia"? Wie soll es möglich sein, ihr unter diesen Werken
einen Platz einzuräumen? Um es gleich vorweg zu sagen: ich halte es für ganz
ausgeschlossen, daß der gleiche Mann Köpfe, wie den der I'arthenos, des Dia-
Athena des l'hidias
201
Kopf der sogenannten Lemnia in Bologna.
dumenos, wie die Köpfe vom Parthenonfriese, um nur das Sicherste zu nennen, was
gar nicht von einander zu trennen ist, und den der „Lemnia" geschaffen habe. Furt-
wängler sind denn auch all die Abweichungen dieses Werkes von dem phidiasischen
Ideale nicht entgangen. Ich brauchte wirklich nur zu wiederholen, was er selber an
verschiedenen Punkten bemerkt, was Jamot in dem oben zitierten Aufsatz S. 23 ff.
und Reisch in seiner Besprechung der „Meisterwerke" (Zeitschrift f. bild. Kunst
1896 S. 153 f.) ausgeführt hat, es könnte alles ohne weiteres auf den Vergleich
mit unserer Athena Anwendung finden und während man früher den Eindruck
jener Abweichungen immer noch durch den Hinweis auf die Unzuverlässigkeit
der Parthenos-Kopien mildern konnte, ist die Lage nach den neugewonnenen
Resultaten denn doch eine wesentlich andere. Die sicher phidiasischen Züge
J.ihreshefte des österr. archiiol. Institutes Bd. XI.
26
202
W. Amelung
82 und 83: Kopf in Ny-Carlsberg.
stehen deutlicher vor uns als früher und in einer zu neuem Leben erweckten
mächtigen Manifestation. Der großzügigen, breiten Anlage des Gesichtes mit
tiefem Schädel steht dort ein feineres, schmaleres Gesicht gegenüber mit kürzerem
runder gewölbtem Schädel; aus diesem fundamentalen Unterschiede der Struktur
fntwickelt sich organisch alles übrige. Man könnte keinen einzigen Teil des
einen Gesichtes in das andere übertragen, ohne den Organismus zu sprengen
ja, selbst die eigentümliche Bildung der Haare bei der „Lemnia" ist nur ver-
ständlich im Zusammenhang mit dem ganzen übrigen Formencharakter : an den
verglichenen Köpfen des Parthenonfrieses und, wo sonst an phidiasischen Köpfen
die Ilaare erhalten sind, zeigen sie einen durchaus andern Stil, weniger indivi-
duelle Feinheit und Durchbildung, aber einen größeren Zug in der Anlage,
stärkeres Zusammenhalten in Massen, einen grandioseren Rhythmus. Die Ver-
schiedenheit in Augen, Nase und Ohren brauche ich nur anzudeuten; nichts aber
ist charakteristischer, als die verschiedene.- Bildung des Mundes. Zwar hat Stud-
niezka noch kürzlich (Kaiamis S. 98) gerade den Mund der „Lemnia" dem der
Athena des Phidias
203
Madrider Parthenos besonders
ähnlich gefunden und seine Ab-
bildungen sprechen für ihn; aber
sie sind nach Gipsabgüssen her-
gestellt. Man vergleiche mit
ihnen den Mund der Madrider
Parthenos auf unserer Figur 7 3, 74
die das Original wiedergibt; die
Formen wirken vollkommen an-
ders und der Abstand ist wohl
nur dadurch zu erklären, daß der
Abguß des Kopfes liederlich her-
gestellt wurde. Dem streng ge-
schlossenen Munde der „Lemnia"
mit seinen schmalen unsinnlichen
Lippen und stolz herabgezoge-
nen Winkeln steht der athmend
geöffnete phidiasische Mund
gegenüber mit seinen vollen,
sinnlichen, lebhaft aufgeworfenen
84: Kopf der sogenannten Lemnia in Bologna. Lippen und leicht gehobenen
Winkeln. Ist das wirklich nur dadurch zu erklären, daß Phidias zwei verschiedene
Seiten des göttlichen Wesens der Athena verschieden verkörpern wollte?
Furtvvängler konnte in den Nachträgen der Meisterwerke S. 737 noch darauf
hinweisen, daß sich in der Sammlung Jacobsen in Kopenhagen ein Knabenkopf
befindet, der ganz nah mit der „Lemnia" verwandt ist; also steht diese doch
nicht so vereinzelt da, wie es im Texte jenes Werkes dargestellt war. Der
Knabenkopf ist inzwischen in der Collection Ny-Carlsberg auf Taf. 44 publiziert
worden (danach mit freundlicher Einwilligung der Verlagsanstalt F. Bruckmann
Fig. 80, zusammengestellt mit Fig. 81, einer Originalaufnahme des „Lemnia"-
Kopfes in Bologna); nun besitzt dieselbe Sammlung noch eine Kopie des gleichen
Kopfes, die wir hier mit gütiger Erlaubnis des Direktors Dr. Jacobsen abbilden
können (Fig. 82, 83, zusammengestellt mit Fig. 84, einer Aufnahme nach einem
Abguß des Bologneser Kopfes aus Furtwänglers Meisterwerken Taf. III). Ich ent-
nehme einem Schreiben Jacobsens folgende Bemerkungen: „An dem neuen Kopfe
sind Lippen und Nase restauriert die Stirnhaare stark bestoßen; der Hals ist
26*
204
\V. Ameluny
85 und 86: Kopf des Hermes im Antiquarium zu Rom.
zum Einsetzen zugehauen. Die Größe beider Köpfe ist identisch: Abstand von
der Kinnspitze bis zum Gipfel der Stirn 0-12'". Die Oberfläche ist bei dem neuen
Kopfe nicht poliert, die Ausführung sowohl frischer als sorgfältiger (besonders
in den Haaren |, der Ausdruck seelenvoller.1' Endlich gibt es noch eine Wieder-
holung des gleichen Kopfes, die man nur nicht sofort in ihrer Verkappung unter
dem Hermeshut erkannt hat: sie befindet sich im Antiquarium communale zu
Rom und ist in einen zugehörigen Torso eingelassen (mit dem Torso publiziert
von Bulle in den Einzelaufnahmen n. 808: wir bilden den Kopf nach neuen Auf-
nahmen ab: Fig. 85 und 86; die Nase war seit jener ersten Publikation ergänzt
worden; jetzt ist sie wieder entfernt). Man vergleiche an diesem Kopfe und an
(lim zweiten Kopenhagener zunächst die charakteristischen Locken hinter dem
rechten Ohr, wo die Übereinstimmung besonders deutlich ist. Wenn die Locken
über der Mitte der Stirn nicht ganz gleich erscheinen, so ist zu bedenken,
daß hier an dem römischen Kopfe der Rand des Hutes vorragte, genaue Arbeit
also weder notwendig noch möglich war. Der Vergleich belehrt uns, daß auch
die beiden Kopenhagener Köpfe von einer Hermesstatue stammen. Wir wissen,
daß man in römischer Zeit attributlose Hermesstatui'ii gerne mit Kopfflügeln,
Hut, < hlamys und Fußflügeln ausstattete; übrigens trug augenscheinlich auch
Atlicna des Phidias 205
die Statuette, von der der zweite Kopenhagener Kopf stammt, eine Chlamys, da
er eingelassen war. Der römische Torso ist weit geringer als sein Kopf; man kann
nur mit Sicherheit erkennen, daß auch er ein Original des fünften Jahrhunderts
wiedergibt. Bulle hat im Texte zu der römischen
Kopie und Furtwängler in den Meisterwerken an den
Kasseler Apoll und den ihm verwandten Perseus er-
innert; bestimmend war dabei der Eindruck des Haares
um Stirn und Schläfen, also nicht mehr als eine ge-
wisse Ähnlichkeit. Ich muß gestehen, daß für mich
auch an dem römischen Kopfe die Verwandtschaft
mit der „Lemnia-' immer zweifellos war, und ich
traf in dieser Überzeugung mit L. Curtius zusammen,
noch ehe ich bemerkt hatte, daß der Kopf nichts
anderes sei, als eine maskierte Replik jener Kopen-
87: Kopf des Diadumenos. , Tr.. r . . -, . , , , . ,
v hagener Kopte, bei denen niemand — denke ich —
die brüderliche Ähnlichkeit mit der „Lemnia" verkennen wird; und nun ver-
gleiche man diesen Typus mit dem des Diadumenos Farnese (Fig. 87) oder irgend
welchen Jünglingsköpfen vom Parthenonfriese, was das gleiche bedeutet. Die
Unterschiede sind wieder ganz dieselben, wie zwischen der „Lemnia" und den
Köpfen, die wir als phidiasisch erkannt haben. Wo lag aber hier für den
Künstler der Grund zu dieser abweichenden Formengebung? Und wie kam
es, daß er zweimal, bei ganz verschiedenen Aufgaben, dieselben Formen, den
gleichen Charakter wählte, in allen anderen Fällen so ganz anders bildete?
Man mag die Beweglichkeit eines Genies noch so hoch anschlagen, solche Wider-
sprüche finden sich bei großen Künstlern nirgends, ist doch Genie ohne ent-
schiedene Persönlichkeit undenkbar, und diese gibt den Werken vom ersten bis
zum letzten ihren eigentümlichen Stempel. In dem Falle, der jetzt schon ein
öffentliches Geheimnis ist, bei der Entdeckung einer myronischen Athena kann
man ohne weiteres zugeben, daß niemand zu der Bestimmung ihres Kopfes durch
Ableitung aus den Formen des Diskobolos, bisher unserer einzigen Grundlage,
gelangt wäre, und doch stehen sich die beiden Köpfe nicht so fremd gegenüber,
wie hier, wo sich zwei verschiedene Welten des Empfindens und der Anschauung
von einander sondern. An den Werken des Praxiteles lassen sich zwei verschiedene
Typen unterscheiden: der Typus des Sauroktonos und der des Hermes von
Olympia; im allgemeinen scheint jener der Jugendzeit, dieser dem Alter des
Künstlers anzugehören. Und doch wäre es ein Leichtes, nicht nur Übergänge
2o6 W. Amelung
von einem zum andern nachzuweisen, sondern auch aus beiden die überein-
stimmenden Züge auszulösen, gleichsam die Signatur der praxitelischen Hand.
Jedenfalls aber finden sich nirgends unversöhnliche Gegensätze.
Eine weitausgreifende Arbeit über diese Fragen gehört zu den notwendigsten
Aufgaben unserer Zeit, um für die Lösung derartiger Probleme, die sich uns auf
Schritt und Tritt darbieten, einen sicheren Boden zu schaffen. Da wir auf dem
Gebiete der antiken Kunst über so wenig sicher bestimmbare Werke und über
noch weniger Originale verfügen, müßte man von einer Betrachtung der Renais-
sance und des Barocks ausgehen. Soweit ich selbst mich da umgesehen habe,
würde sich auch dort als sicheres Resultat herausstellen, daß ein Künstler, je
entschiedener seine Persönlichkeit, je größer sein Genie ist, desto fester an be-
stimmten Organisationsprinzipien, Bildungscharakteren, ja einzelnen Formen fest-
hält, in denen allen er, ohne es selber zu ahnen, nichts anderes schafft als die
Erscheinung seiner eigenen Seele, die loix seines tiefsten Wesens. Darin allein
beruht das Geheimnis der unvergänglichen, unentfliehbaren Wirkung großer
Werke, wenn der Künstler längst vergangen oder verschollen ist: eine lebendige
Seele bindet uns immer wieder durch ihren besonderen Zauber. Und darin beruht
auch der Zwang, der uns keinen Frieden läßt, bis wir die Eigenart einer solchen
Persönlichkeit, soweit unser Auge zu dringen vermag, ergründet, sie in ihren
Werken wiedererkannt haben. Das Unternehmen ist auf unserem Gebiete so
schwer, die Versuchung, einigen äußerlichen Indizien zuviel Gewicht beizumessen,
so naheliegend, daß wir uns über Schwankungen des Urteils nicht wundern können,
durch häufige Irrtümer nicht mutlos zu werden brauchen. Aber wir dürfen uns
auch nicht scheuen, anerkannte „Tatsachen" immer wieder unter die Sonde zu
nehmen.
Wir haben einen Bruder der „Lemnia" kennen gelernt, der sich ebenso ent-
schieden von der Gruppe sicher phidiasischer Werke sondert, wie seine Schwester.
Dazu kommt nun, daß wir auch sonst noch Spuren derselben Kunstrichtung be-
gegnen: ich habe um das Nächstverwandte vorauszunennen — im I. Bande
des Vatikan-Kataloges S. 509 auf einen nahverwandten Jünglingskopf im Vatikan
und ein bärtiges Köpfchen in Athen hingewiesen (Einzelaufnalimen n. 1 269), das
übrigens in der Größe den Hermesköpfen entspricht (H. 0-135'").
Furtwängler hat ausführlich nachgewiesen, wie eng die „Lemnia" mit den
Werken der argivischen Kunst zusammenhängt; er verweist bei der Erwähnung
des einen Kopenhagener Kopfes auf den Stephanos-Athleten. Den gleichen
Hinweis finden wir in Sievekings Text zu dem bärtigen Köpfchen in Athen, wo
Alhena des Phidias 207
noch der Münchener König genannt wird. Beide Parallelen sind vollkommen be-
rechtigt. Innerhalb der Tradition der sikyonisch-argivischen Schule, als deren
höchste, feinste Blüte ist die „Lemnia" verständlich, innerhalb der attischen
Schule im Umkreise des Phidias nicht, und sie würde das auch nicht werden,
wenn die Überlieferung "eines Schulzusammenhanges zwischen Phidias und der
argivischen Kunst besser beglaubigt wäre. Man wird einwenden, das geistige
Leben, die tiefe Beseelung des „Lemnia"-Kopfes sei ein fremdes Element in jener
peloponnesischen Kunst; was aber wissen wir von den verschiedenen Verzwei-
gungen dieses Baumes, den wir immer nur nach dem Stephanos-Jüngling und
den polykletischen Athleten allzu einseitig beurteilen. Selbst aber zugegeben,
daß sich das Phänomen der „Lemnia" nur durch Kreuzung der beiden bedeu-
tendsten Richtungen peloponnesischer und attischer Kunst in jener Epoche er-
klären lasse, daran müßten wir immer festhalten, daß die formengebenden Elemente
in dem Kopfe dieser Schöpfung alle aus der peloponnesischen Kunst stammen.
Und ist es notwendig, noch besonders daran zu erinnern, daß auch für die auf-
fallende Kleinheit dieses Kopfes im Verhältnisse zum Körper der Stephanos-
Jüngling eine Parallele bietet, und daß die Hauptmotive der Komposition eben
in der argivischen Kunst typisch waren: die starke Wendung und Neigung des
Kopfes nach der einen Schulter und die Haltung des Attributes auf der leicht erhobe-
nen Hand der entsprechenden Seite? Dabei ist folgendes zu beachten: Der rechte
Unterarm ist nirgends erhalten, aber es ist sicher, daß er gehoben war und daß die
Hand den Helm gefaßt hielt und trug. Furtwängler hat selber eine Restauration aus-
führen lassen und in dem Münchener Jahrbuche 1907 S. 10 abgebildet. Da ist der
Unterarm wenig gehoben. Bei einer Ergänzung für das Straßburger Gipsmuseum,
die im Archäologischen Anzeiger 1906 S. 323 und in der Zeitschrift für bildende
Kunst 1907 S. 116 abgebildet ist, hat sich Michaelis dagegen durch die Rück-
sicht auf das bekannte Relief von Epidauros, auf dem Athena dem Hephaistos
oder Asklepios gegenübersteht, dazu verleiten lassen, den Unterarm bis zur
Schulterhöhe zu heben. Aber die Figur des Reliefs stimmt nicht so genau mit
der Statue überein, daß wir berechtigt wären, die Motive der einen ohne weiteres
auf die andere zu übertragen, und zudem hat das Relief wegen der dargestellten
Gruppierung seine eigenen Bedingungen. Die Straßburger Ergänzung wirkt denn
auch wenig glücklich; man hat den Eindruck, als wolle sich die Göttin in dem
Helme spiegeln; sie nähert ihn zu sehr dem Gesichte und seine Masse beein-
trächtigt die Wirkung des Kopfes, dessen Kleinheit dadurch noch auffallender
wird; ferner ist die Bewegung des linken Armes zu unfrei geraten. Aber auch
208 W. Araelung
die Ergänzung Furtwänglers wirkt noch nicht befriedigend; die Wölbung des
Helmes hängt zuweit nach außen über. Das ließe sich vermeiden, wenn der
Unterarm weiter gehoben wäre; zugleich würde es dadurch verständlicher, wie
die Gemmenschneider darauf kommen konnten, den Helm neben die rechte
Schulter zu setzen, und endlich würde sich die Übereinstimmung mit dem Kompo-
sitionsschema der argivischen Kunst bei dieser Ergänzung noch schlagender
herausstellen als bisher.
Furtwängler hat tatsächlich den Kopf der „Lemnia" an keinen zweifellos
attischen Typus anzuschließen vermocht. Desto nachdrücklicher betont er die
Verwandtschaft ihres Körpers mit dem der Parthenos und hier soll und kann
eine Beziehung nicht geleugnet werden. In welchem Teile eines Bildwerkes aber
wird die persönliche Eigenart seines Schöpfers am ehesten durch fremde Beein-
flussung durchbrechen und fühlbar werden, im Kopfe oder im Körper? Ich
erinnere an die ähnliche Kontroverse über den Künstler der mediceischen Venus
und verweise auf das, was darüber im zweiten Bande des Vatikan-Kataloges
S. 714 bemerkt ist. Hier kommt noch hinzu, daß die Ähnlichkeiten der beiden
Körper denn doch sehr allgemeiner Art sind, und daß uns auch die größten
Kopien der Parthenos nur einen kleinen Auszug aus dem Bilde des riesen-
haften Originales geben. Und steht nicht dieser Körper der Parthenos so, wie
wir ihn kennen, als etwas Fremdes, seltsam Strenges unter dem sicher Attischen
der gleichen Zeit? Hat man doch zur Erklärung dieses Kontrastes gemeint,
Phidias habe sich in Rücksicht auf die kolossale Größe des Bildes oder seine
feierliche Wirkung Schranken auferlegt und absichtlich an die Art der älteren
Kunst gehalten. Könnte er nicht hier vielmehr der Beeinflußte sein? Ich glaube
indes, daß uns der geringe Wert aller Parthenos-Kopien keine Möglichkeit bietet,
diese Fragen in dem einen oder andern Sinne entscheidend zu beantworten.
Daß die sikyonisch-argivische Kunst verschiedene selbständige Zweige neben
dem der polykletischen Schule getrieben habe, ist von niemand häufiger und
bestimmter behauptet worden, als von Furtwängler selber, am ausführlichsten
in dem Texte zur Collection Somzee S. 55 ff. Er vermutet den Sitz dieses Ateliers
in Sikyon und nennt als seinen Gründer Aristokles, den Bruder des Kanachos
und Rivalen des Hageladas von Argos, als seinen führenden Meister zur Zeit
der höchsten Blüte den jüngeren Künstler gleichen Namens, einen Zeitgenossen
des großen Polyklet. Wie dem auch sei, jedenfalls weiß er eine yanze Reihe von
Werken zu nennen, die zweifellos alle derselben Richtung angehören, einer Fort-
setzung des älteren argivisch-sikyonischen Stils in freierer Entwickelung. Neben
Athena des Phidias 200.
dieser allgemeinen Übereinstimmung lassen sich individuelle Eigenheiten nicht ver-
kennen; wir gewinnen das Bild einer Schule, stark durch die Fülle der Individua-
litäten und die Strenge ihrer gleichmäßigen Richtung. Einzelnes brauche ich nicht
zu wiederholen; nur auf eine Figur sei hier gerade besonders verwiesen, um zu
zeigen, welch köstliche Früchte dieser Zweig des großen Baumes tragen konnte: die
berühmte Bronze vom Helenenberge (R. von Schneider, Jahrbuch des Allerhöchsten
Kaiserhauses XV S. 103 ff. Taf. XI — XIV und Album auserlesener Gegenstände usw.
S. \2 Taf. XXVIII). Furtwängler stellt sie an das Ende einer Reihe von Werken,
die seiner Meinung nach, wenn auch entfernt, doch noch mit Polyklet in Zu-
sammenhang stehen (Meisterwerke S. 506). Ist es aber denkbar, daß ein Bildhauer,
der in der Tradition dieses Meisters lebte, der den Doryphoros, die Kanonfigur
der Schule, stets vor Augen hatte, eine verhältnismäßig so unvollkommene
Lösung des „11110 crure iitsistereu, einen Körper geschaffen habe, in dessen über-
mäßig breiten Schultern und schlankem Leib und in dessen Motiven noch der
.Stil der älteren, von Polyklet überwundenen Schule von Argos nachlebt? So hoch
der Jüngling vom Helenenberge über dem Doryphoros steht durch die unmittel-
bare Frische seiner Formenempfindung und seines gebrochenen Rhythmus, der
uns moderne Menschen gerade durch seine Herbe reizt, so weit überragt ihn
jener doch durch die absolut vollendete Harmonie seiner Proportionen und die
vollkommene Durchbildung des Motives. Das erklärt sich nur, wenn wir in der
Bronze das Werk eines Zeitgenossen des Polyklet sehen, der noch stark in der
Tradition der älteren Schule befangen war und das neue Problem der bewegten
Ruhe auf seine Weise, unabhängig von Polyklet, zu lösen versuchte, ähnlich wie
es innerhalb jener älteren Tradition schon früher der Künstler des „Münchener
Königs" unternommen hatte (Furtwängler, Katalog der Glyptothek 300 n. 295).
Im Gegensatz dazu bietet uns die Bronzestatuette von Liguriö (s. Furtwängler
im 50. Berliner Winckelmannsprogramme) ein Beispiel dafür, wie die Neuerungen
Polyklets auf einen Künstler der alten argivischen Schule wirkten: in der Stellung,
den Motiven und den Zügen des Kopfes seiner Figur ist er der alten Art getreu
geblieben, die Formen und Proportionen des Körpers aber sind bereits voll-
kommen polykletisch. Dadurch erklärt sich denn auch der fühlbare Unterschied
zwischen dieser Statuette und dem Stephanos-Jüngling.
Wenn mich mein Auge nicht täuscht, können wir den Stammbaum der
Wiener Bronzestatue noch um ein Glied rückwärts verfolgen und damit zugleich
ein weiteres Werk jener argivischen Schule gewinnen. Das eigentümliche Bild
des Jünglingskopfes wird bedingt durch eine Reihe besonderer Formelementc.
Jahresliefte des österr. arcfaäol. Institutes Bd. XI. 27
210
W. Amelung
88 und 89: Bronzestatuette im britischen Museum.
die sehr ähnlich an
einem weiblichen
Kopfe wiederkehren,
an dem Gegenstück
zur bronzenen Dory-
phorosbüste des
Apollonios in Neapel
( Brunn - Bruckmann,
Denkmäler n. 337):
unter niedriger fla-
cher Stirn, die über
den äußeren Augen-
winkeln stark aus-
ladet, eine verhält-
nismäßig lange, weit
vorspringende Nase,
deren Nüstern sich
deutlich markieren:
kurze Oberlippe, ge-
gen die die Unter-
lippe mit dem Kinn
zurücktritt; geschlos-
sener Mund mit
schmaler Oberlippe, starker Unterlippe, leicht gesenkten Mundwinkeln; große
flächige Wangen: tief gelagerte, weitgeöffnete Augen; langer, sehr schön ge-
wölbter Schädel. Dabei ist an dem weiblichen Kopfe alles breiter, kräftiger,
strenger. Wenn die Stirn dort mehr zurückweicht, als bei dem Jüngling, so
kann sich das sehr wohl durch die Rücksicht auf die verschieden gestaltete
Umgebung der Stirn erklären, dort massige, stark vortretende Strähnen, hier
flach anliegende Locken, denn sonst ist der stärkere Winkel in der Profillinie
vielmehr ein Zeichen früherer Entstehung. Über die verschiedenen Versuche,
den weihlichen Kopf mit einem der Amazonen-Typen des fünften Jahrhunderts
in Zusammenhang zu bringen, hat Furtwängler in den Meisterwerken S. 299
gehandelt (man vergleiche dagegen im zweiten Bande des Vatikan-Katalo.yes
S. (,S'i f.). Der Stil des Kopfes ist weder polykletisch, noch phidiasisch, doch
steht er in seinem Wesen zweifellos der polykletischen Art näher, und so
Athena des Phidias 2 I I
glaube ich auch hier das Werk eines argi vischen Künstlers zu erkennen, der
neben Polyklet seine eigenen Wege ging, eines argivischen Künstlers, auf den
vielleicht die attische Kunst nicht ohne Wirkung geblieben war, haben wir doch
auch bei der „Lemnia'' in dem Körper Verwandtschaft mit der Parthenos nicht
geleugnet. Im Grunde ihrer Seele aber blieben diese Künstler doch, wie ich
schon vorher betont habe, Argiver, und es gibt kaum einen Gegensatz, der
ebenso klar und sprechend wäre, wie der zwischen ihren Werken und dem
wenigen, das wir als phidiasisch erkannt haben — ■ ein Unterschied gleich dem
zwischen venezianischen und florentinischen Schöpfungen des Quattrocento — ;
wie dann ein attischer Künstler wieder durch die „Lemnia" angeregt wurde, zeigt
uns eine Bronzestatuette in London (Walters, Cat. of bronzes in the Br. Mus.
p. 1 88 n. 105 1 PI. XXVIII; die Vorlagen unserer Abbildungen, Fig. 88 und 89, ver-
danken wir Cecil Smith; das Figürchen ist vor der Herstellung dieser Aufnahmen
gereinigt worden).
Keine archäologische Hypothese ist bisher so schnell, und so allgemein
anerkannt worden, wie die Rückführung der Dresdener Athena auf die Lemnia
des Phidias. Die Wirkung des wiederhergestellten Werkes war so überwältigend,
daß es nicht möglich schien, einem anderen als dem Fürsten aller griechischen
Künstler soviel Schönheit zu danken. Ich kann deshalb nicht darauf rechnen,
daß mein Widerspruch sofort in weiteren Kreisen Billigung finden werde. Aber
nicht diese sichere Erwartung weckt beim Abschluß der Arbeit mein Bedauern,
sondern einzig das schmerzliche Bewußtsein, sie dem Manne nicht mehr vor-
legen zu können, dem in diesem Falle mein Widerspruch gilt; er wäre am
ehesten bereit gewesen, auch diese von ihm so glänzend durchgeführte und
leidenschaftlich verteidigte Hypothese einer erneuten, sachlichen Prüfung zu unter-
ziehen, denn beim Streben nach reiner Erkenntnis kannte er keine kleinliche
persönliche Rücksicht, am wenigsten die gegen das eigene Ich. Ihm, der uns
allen die Wege gewiesen hat und mit Selbstverleugnung überall vorangegangen
ist, sei hier über das Grab hinaus gedankt; denn auch diese Arbeit wäre nicht
ohne seine freudig gewährte Anregung und tatkräftige Unterstützung zur Vollen-
dung gelangt.
Rom, Juli 1908. WALTER AMELUNG
27*
212
E. Pemice
Untersuchungen zur antiken Toreutik.
IV. Über einige Großbronzen der Museen in Neapel, Rom und Berlin.
In diesen Jahresheften (IV S. 169 fr.) hat Benndorf einigen Großbronzen des
Museo nazionale in Neapel eine ausführliche Besprechung gewidmet und mit Recht
darauf hingewiesen, wie wenig für die wissenschaftliche Verwertung dieser in ihrer
Art einzig dastehenden Sammlung antiker
Bronzen geschehen ist. Die folgenden Aus-
führungen sollen wenigstens einen Anfang
damit machen, allerdings bieten auch sie
nur den Versuch, für die Untersuchung
antiker Bronzen überhaupt an einigen Bei-
spielen Gesichtspunkte aufzustellen, die ich
zur Berücksichtigung empfehlen möchte.
Den äußeren Schwierigkeiten, die sich in
Neapel einer wirklich erschöpfenden Unter-
suchung trotz der sehr entgegenkommen-
den Liebenswürdigkeit der Museumsver-
fl L~. .^ ■& waltung entgegenstellen, besonders dem
' *jr Mangel an ausreichendem Licht und dem
V ■/" Fehlen der erforderlichen Drehvorrich-
yX_ tungen, habe ich, so gut es ging, mit
Spiegeln zu begegnen versucht und damit
manche Resultate gewonnen.
r. Vorstehend (Fig. 90) ist nach Rayet, Monuments del'art antique II Taf. 24 der
wohlbekannte langlockige Jünglingskopf des Museo nazionale abgebildet. An ihm
erregt gleich beim ersten Anblick die Bildung des Oberkopfes Befremden. Vor
allem fällt die große Vertiefung auf, die den Oberkopf vom Unterkopfe trennt '),
und man bemerkt an einer deutlich sichtbaren Fuge, die rings um den Kopf
läuft, sehr bald, daß der Oberkopf besonders gegossen und aufgesetzt ist.2) Daß
eine solche Art der Herstellung in antiker Zeit möglich ist, ist an sich zuzugeben,
II. Schrader vermutete mir gegenüber brieflich, sur le metal', die J. Martha im Text zu Rayet's
daß vielleicht der Oberkopf moderne Ergänzung sein Tafel erwähnt und die er zur Aufnahme eines goldenen
möge. Kranzes bestimmt erklärt, den einst der Kopf ge-
-) Offenbar sind das die .certaines traces laissäes tragen habe.
90
Untersuchungen zur antiken Toreutik 2 I 3
allerdings würde dann wahrscheinlich nicht bloß der Oberkopf allein, sondern
der Oberkopf mit der ganzen Lockenperücke gesondert gearbeitet und über den
Unterkopf gestülpt worden sein. Ganz für sich gearbeitet und aufgesetzt ist beispiels-
weise auch die Schädeldecke mit der Perücke an der polykletischen Amazone.3)
Ebenso war im Altertum der Schädel der sogenannten Berenike4) für sich ge-
arbeitet, und zwar die Schädelkalotte oberhalb des Zopfes. Der jetzige Oberschädel
ist moderne Ergänzung-. Das erkennt man sofort an der Arbeit dieses Kopfteiles,
denn im Gegensatze zu der sehr feinen Ziselierung der Stirn- und Schläfenhaare
sind die Schädelhaare nur aus dem allergröbsten herausgearbeitet.5) Offenbar war
der Oberkopf bei der Auffindung aus seinem Zusammenhange gelöst und verloren
gegangen. Auch der sogenannte Ptolemäus Philadelphus 6) hat eine besonders
gearbeitete, aber antike Schädelkalotte; hier läuft die Naht unterhalb des Kranzes
um den Kopf. Besonders gut ist sie von innen zu erkennen, wenn man die be-
treffenden Stellen nach innen durch den Spiegel beleuchtet. Weiter ist der
Schädel bei der Artemis aus dem Apollontempel in Pompei ganz deutlich über
der Binde besonders gearbeitet und aufgesetzt und so wird es wahrscheinlich
auch bei dem Kopfe des Apollon sein, bei dem sich eine nähere Untersuchung
leider nicht ermöglichen ließ. Man sieht bei der Artemis die Naht von außen
und fühlt sie von innen, wenn man mit dem Finger durch das Loch tastet, wo
einst der Haarschopf besonders angesetzt war.7) Bei den sogenannten herkulanen-
sischen Tänzerinnen bemerkt Benndorf a. a. O. S. 1 8 1 Anm. 33 zu jeder einzelnen
daß das Haar des Oberkopfes für sich gegossen ist. So wie die aufgezählten
werden noch zahlreiche Köpfe hergestellt sein und so ergibt sich eine ganz be-
stimmte technische Gewohnheit, die jedenfalls von der Art, wie vom sechsten
bis vierten Jahrhundert Köpfe gegossen wurden, erheblich abweicht. Einstweilen
dürfte diese Herstellungsart als ein Zeichen für den jungen Ursprung des be-
treffenden Werkes aufzufassen sein. Benndorf hat gewiß recht, wenn er S. 1 7 1
sagt: ,man wird schwerlich mit der Annahme fehlgehen, daß die Masse der
vorhandenen Bronzen ihrer technischen Herstellung nach zeitlich nicht weiter
zurückreicht als die Masse der aus Herculaneum und Pompei erhaltenen Wanil-
3) Leider war es nicht möglich, diesen technisch s) Comparetti-de Petra, Villa Ercolanese Taf.X :.
besonders interessanten Kopf, ebensowenig wie den ') Besonders gegossen sind an der Artemis, wie
des Doryphoros, von innen zu untersuchen — beide üblich, beide Arme. Beide Male bildet das Gewand
hätten gewiß besonders wertvolle Resultate geliefert. rings herum die Ansatzstelle, der linke Arm reicht
4) Rayet a. a. O. Taf. 8. durch das Gewand noch tief in den Hohlraum des
5) Die Büste der Berenike ist modern, der Hals Körpers hinein. Daß das Untergewand besonders ge-
antik, doch sind viele Risse modern ausgebessert. arbeitet und dann angesetzt ist, erkennt man sofort.
214 E. Pernice
gemälde, also, von wenigen abgesehen, den letzten anderthalb Jahrhunderten
vor der Verschüttung angehört'.
Obwohl diese Beispiele die Annahme zu ermöglichen scheinen, daß auch der
Oberschädel des zuerst genannten Jünglingskopfes in alter Zeit besonders gearbeitet
und aufgesetzt sei, gehört der Kopf doch nicht in die geschilderte Gruppe: die Kappe
ist moderne Ergänzung. Wäre der Oberschädel antik, so würde man sich mit Recht
darüber verwundern, daß bei einer im ganzen so guten Erhaltung die zahlreichen
Verbeulungen, die der Kopf heute aufweist, sich alle gerade an der Naht zwischen
Ober- und Unterkopf vereinigen, also an einer Stelle, die die Zerstörung gewöhn-
lich am wenigsten berührt. Wenn man nun in den Kopf hineinfühlt, so bemerkt
man die Fuge innen sehr deutlich, aber in ihrem Verlaufe sehr verschieden,
besser oder weniger gut anschließend. Eine Stelle, innen von der rechten Schläfe
bis zum rechten Ohr, ist besonders charakteristisch. Man fühlt nämlich hier ganz
deutlich, wie sich der Unterkopf unter die Kalotte etwa einen Zentimeter weit
hineinschiebt und wie darüber die Schädelkappe gestülpt ist. Ahnlich, aber nicht
so deutlich, liegen die Verhältnisse am linken Ohr. Das ist jedenfalls nicht
antike Arbeit, sondern ein Beweis dafür, daß die Kappe modern und unsorg-
fältig aufgesetzt ist. Ich denke mir die Geschichte des Kopfes so: bei der Auf-
findung war der Schädel bis zu den Schläfen durch von oben herabstürzende
Steine völlig zertrümmert und verbeult; nun wurde, indem für die Bewegung der
Haare die erhaltenen Stücke einen Anhalt boten, eine neue Kappe geformt und
übergestülpt; dabei blieben die an den Schläfen nach innen verbogenen Teile
des Schädels einfach stehen, da sie doch von der Kappe verdeckt wurden; an
den anderen Teilen des Schädels wurden die zerbrochenen Ränder glattge-
schnitten und damit ein besserer Anschluß an die neue Perücke erzielt. —
Die herabhängenden Locken des Kopfes sind wie der Oberschädel fast sämtlich
modern, nur einige wenige, die am Nacken ansetzen, sind antik, aber weniger
elegant frisiert, als die modernen.
2. Sehr lehrreich ist die Herstellung des archaischen Dionysos s) (Fig. 91),
der auch in die Gruppe der vorher besprochenen Köpfe gehört, denn die Kalotte
ist, wie schon Benndorf bemerkt hat9), besonders gegossen und dann aufgesetzt.
Man kann die Xaht deutlich an der Stirnseite über der Binde verfolgen und am
Hinterkopfe über der Haarrolle kann man sie im Innern des Kopfes leicht mit der
Hand fühlen. Aber an diesem Kopfe sind auch sonst viele Teile besonders ge-
' Rayet, a. a. O. II Taf. II, danach die Ab- \ .1. (). S. 172 Aura. S ,der Oberkopf bis zur
bildung. Binde besonders gegossen'.
Untersuchungen zur antiken Toreutik
215
arbeitet. Über der linken Schläfe bemerkt man eine Naht, die die Binde in
stufenförmiger Bewegung durchschneidet und eine genau entsprechende Naht
sieht man auch auf der andern Seite über der rechten Schläfe. Diese Nähte ver-
laufen dann am untern Rand der Binde entlang nach hinten und treffen sich unter
der Nackenrolle. Somit ist also die Nackenrolle mit dem hinteren Teil der Binde
für sich hergestellt. Für sich gegossen sind weiter die Schläfenrollen unter der
Binde und wieder die einzelnen
daran sitzenden Ringellocken.
Das alles läßt sich von außen
sofort erkennen — innen ist
der Kopf hier verschmiert.
Endlich ist der Bart für sich
gegossen. Das kann man be-
merken, wenn man zwischen
Bart und Hals hindurch sieht,
wo eine breite Fuge klafft; in
dieser Höhe, also von der Stelle
an, wo der Bart frei herab-
hängt, läuft außen, etwa zwei
Zentimeter unter der Mund-
spalte, eine Naht rings um den
Bart herum, die man mit vol-
ler Deutlichkeit verfolgen kann.
Zieht man alle die besonders
gegossenen Teile ab, so bleibt
für den Guß des Hauptstückes
eine aufs denkbar Einfachste reduzierte Form übrig; auch waren an dem Wachs-
modelle schwerlich schon die feinen Haar- und Bartlinien vorgearbeitet, sondern
nur die allgemeine wellige Bewegung des Haares angegeben, die erst nach dem
Gusse durch Einziehen der Details mit dem Punzen belebt wurde. Der Guß ist bei
dieser Vereinfachung natürlich sehr gut gelungen und Flicken sind sehr selten. Bei
seiner Auffindung muß der Kopf sehr zerbrochen gewesen sein, namentlich an Hals
und Nacken sind viele Brüche wahrzunehmen — aber die wesentlichsten Teile sind
antik, einige größere Löcher sind mit einer weichen Masse ergänzt, derselben
Masse, aus der auch die Augäpfel bestehen. Denn die Augäpfel sind nicht, wie
Benndorf anzunehmen scheint, antik, sondern modern und nicht nur bei diesem
91
2l6
E. Pernice
Kopfe, sondern bei fast allen größeren Köpfen der Sammlung. So zum Beispiel
bei dem archaischen Jünglingskopfe, der den aeginetischen Köpfen verwandt
gilt und bei dem Benndorf ausdrücklich 10), aber irrig, Bronze für die Augäpfel
angibt.11)
3. Über diesen Kopf (Fig. 92) möchte ich auch sonst noch einige Bemer-
kungen machen. Benndorf erklärt ihn S. 171 im Anschlüsse an Kekule für ein
Original archaischer Zeit und beschreibt
seine technische Herstellung ebendort
Anm. 7 : ,Oberkopf mit Zopf angestückt,
die einzeln angefügten Locken verdecken
die Fuge'. Wenn sich das so verhielte
und der Kopf echt archaisch ist, müßten
die oben gemachten Bemerkungen über
die besondere Herstellung der Kopf-
kalotte und die Zeit des Gebrauches dieser
technischen Maßregel falsch sein, oder,
falls diese richtig sind, müßte der Jüng-
%lingskopf nicht echt archaisch, sondern
eine spätere Kopie wie der Dionysos sein.
Ich glaube aber, daß Benndorf hier nicht
richtig beobachtet hat. Der Oberkopf ist
vielmehr mit dem Unterkopf zugleich ge-
gossen, aber der umgelegte Zopf ist, so-
weit die kleinen Löckchen angebracht
sind, d. h. von Ohr zu Ohr die Stirn entlang, besonders gearbeitet und aufgesetzt —
die hierbei entstehende Fuge hat Benndorf irregeführt. Daß es sich so verhält, geht
aus folgender Beobachtung hervor: das Flechtwerk des Zopfes ist völlig regel-
mäßig durchgeführt, aber an der linken Kopfseite, gerade über dem Ohr wird
der Zusammenhang der Strähnen undeutlich und verwischt; das kann nur darin
seinen Grund haben, daß hier der um den Hinterkopf liegende und mit ihm
zusammengegossene Zopf mit dem besonders gearbeiteten vorderen Zopfstücke
zusammentraf. Ganz ähnlich liegt die Sache über dem rechten Ohr. Natürlich
hängt diese Herstellung des Zopfes damit zusammen, daß man so die kleinen
■jiilnlitcii Löckchen besser unterbringen konnte.
10) A. ii. O. S. S7 1 Anm. 7. richtig beobachtet, daß die Augen bei den meisten
1 Furtwängler, Meisterwerke 677 Anm. 3, hat Köpfen aus der Villa modern sind.
92
Untersuchungen zur antiken Toreutik 2 I J
In der Art, wie dieses massive Zopfstück für sich hergestellt und aufgesetzt
ist, fühlt man sich lebhaft an den archaischen Kopf aus Kythera im Berliner
Museum und an den von Furtwängler entdeckten Jünglingskopf aus der ersten
Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. erinnert.12; Bei beiden sind Teile des
Haares, das unmittelbar am Kopfe aufliegt, wie der Zopf des Neapler Jünglings,
besonders angesetzt, der Oberkopf aber, den man größerer Bequemlichkeit halber
sehr leicht über der Binde hätte trennen können, ist mit dem übrigen aus einem
Stück. Wird schon dadurch der wirkliche Archaismus des Kopfes nahegelegt, so
kann man dafür vielleicht noch eine weitere Beobachtung anführen. Nämlich am
Nacken innen, 4 Zentimeter vom unteren Rande und ebenso auf der Brust innen,
in der Mitte des erhaltenen Teiles, sieht man deutlich je eine Anschwellung.
Diese Anschwellungen sind nicht aus Bronze, sondern aus Eisen, sie rühren von
einem starken Eisendraht her, der quer durch die Figur von vorn nach hinten ging.
Auf der Oberfläche ist der Eisendraht abgearbeitet und durch Patina verdeckt.
Dieser Eisendraht könnte — worauf man zunächst verfällt — dazu gedient haben,
um beim Guße den Kern, nach Ausschmelzung des Wachses, im Mantel in seiner
Lage festzuhalten, denn man führt ja zu diesem Zwecke Stützen durch Mantel
und Wachsschicht in den Kern ein.13) Aber das pflegen Stützen aus demselben
Material zu sein, wie das Gußstück selbst, damit sie nach Fertigstellung des
Gußes unbemerkbar bleiben. Wenn also hier Eisen ist, muß das einen anderen
Zweck gehabt haben. Die Bronze ist so zart und dünn gearbeitet, daß die Büste,
namentlich, wenn sie, wie es sicher scheint, aus einer Statue herausgeschnitten,
also aus dem ursprünglichen Zusammenhange gelöst wurde, eine Innenstütze
sehr gut gebrauchen konnte, die dem Ganzen neuen Halt gab. Die Beobachtung
dieser Stütze führt also zunächst darauf, daß der Kopf zu einer früher vorhande-
nen Statue gehört hat, und im Zusammenhange mit den übrigen Beobachtungen
dahin, dass er wirklich echt archaisch ist.
4. Von besonderem technischen Interesse ist der langlockige Kopf14) (Fig. 93),
der, nachdem er früher als Porträt eines hellenistischen Herrschers gedeutet war.
von Six15) als vornehme Herculanenserin oder Römerin erklärt ist. Six hat richtig
erkannt, daß ,der ganze Scheitel samt der Tänie und den freigearbeiteten Locken,
also eine ganze Perücke modern' ist. ,Das geht nicht nur aus dem Fehlen antiker
Patina, aus der rohen Arbeit des Haares innerhalb der Binde und der unantiken
Form und Behandlung der hobelspanartigen Locken hervor, sondern läßt sich
12) Meisterwerke d.g. PI. 67; ff. Taf. ;,2. " Comparetti-di Petra. Villa E. Taf. VI.
1 Vgl. Jahreshefte VIII 156,4. u) Rom. Mitt. IX 117 I.
fahresheftG lies üsterr. archaol. Institutes Bd. XI. JS
2l8
E. Pernice
im Innern deutlich herausfühlen, da der roh abgebrochene Rand des antiken
Teiles unter der Binde vorragt' — also ähnlich wie bei dem erstbesprochenen
Jünglingskopf. Dagegen irrt Six, wenn er die Büste für ganz antik erklärt; viel-
mehr ist ein Teil der linken Schulter bis an die Brust heran, zirka 0-15 IU breit,
modern und nur der übrige Teil ist antik, wie man an einigen viereckigen ein-
gesetzten Gußflicken erkennen kann. Einige Risse an antiken Stellen sind mit
Metallplatten unterlegt. Von der Be-
festigung dieser Metallplatten durch Niete
rühren mehrere runde leichte Eintiefun-
gen z. B. auf der rechten Schulter her,
die ich ausdrücklich erwähne, weil, wie
noch an einem wichtigen Beispiel weiter
unten gezeigt werden wird, diese runden
Niete leicht für antik gehalten werden.
Die moderne Perücke ist aus zahlreichen
Teilen, unter Zuhilfenahme von Zink-
stücken, Schrauben und Lötungen äußerst
grob hergestellt, der ganze antike Kopf
mit Säuren behandelt, die die antike Pa-
tina fortnahmen, wie bei den meisten
Bronzen der Villa — an einigen Stellen,
wie an den Ohren sind noch kleine
Reste der alten Patina, wenngleich durch
die Säuren verändert, stehen geblieben.
Statt der alten wurde eine neue Patina, die übliche sogenannte herculanensische,
gegeben, die antike und moderne Teile an der Büste, auch die Niete gleich-
mäßig überdeckte.
Besonders lehrreich ist nun ein Blick in das Innere des Kopfes. Hier kann
man nämlich zwei Bronzezapfen bemerken, den einen am antiken, den andern am
modernen Teil der Büste: der eine, der hinten im Nacken sitzt, ist also antik,
der andere modern. Aber beide haben dieselbe Bedeutung, es sind Reste von
Gußkanälen, die, beim Guß mit Metall ausgefüllt, sich je nach der Stärke des
Gußkanales als stärkere oder schwächere Bronzezapfen darstellen mußten. Die
'itiljkanäle sind also, als der antike Teil (ebenso wie der moderne) gegossen
wurde, nach innen verlegt worden, mit deutlicher Berechnung. Denn traf der
Gußkanal das zu gießende Stück von außen an der Oberfläche, so mußte natür-
93
Untersuchungen zur antiken Toreutil< 2 10.
lieh das stehen gebliebene Metall bis auf die Oberfläche des Gußstückes sehr
sorgfaltig abgearbeitet werden - innen, wo man nichts sah, konnte der Zapfen
ruhig belassen oder nur oberflächlich entfernt werden. Man hat demnach, und
das ist auch sonst bei antiken Büsten zu bemerken, die Gußkanäle möglichst
verdeckt nach innen angelegt, wie es bei unten offenen Bronzebüsten sehr be-
quem und leicht zu bewerkstelligen war, indem man nur beim Guß die Form
auf den Kopf stellte. Natürlich genügte ein solcher Kanal für die große Büste
nicht, es müssen ihrer eine ganze Anzahl gewesen sein und es sind denn auch
noch zwei andere weiter innen im Kopfe und zwar rechts und links vom Munde
erhalten. Man kann das nicht nur fühlen, sondern mit Hilfe des Spiegels sogar
deutlich erkennen, wie diese beim Guß gefüllten Kanäle nach dem Guß be-
handelt sind. Sie sind nämlich nur ein Stück lang- - - etwa o-o8 m — stehen ge-
lassen worden und bei dem Wegnehmen des oberen Endes haben sich die stehen
gebliebenen Stummel so verbogen, daß sie ziemlich übereinanderliegen, so daß
man zunächst den Eindruck gewinnt, als sei im Innern des Kopfes eine Art
Handgriff angebracht. Der Gußzapfen an dem modernen Halsstücke zeigt, daß
man die Güsse auch heutzutage noch ebenso macht, nämlich von innen nach
außen und bei zahlreichen modernen Büsten im Neapler Museum kann man
dieselbe Gewohnheit beobachten z. B. an den modernen Büsten der antiken
Köpfe n. 5623. 5602, auch an der Büste der schon erwähnten sogenannten
Berenike.
5. Der von Furtwängler entdeckte16), oben schon erwähnte Bronzekopf (Fig. 94)
ist der besonders gearbeitete Teil einer ganzen Figur gewesen. ,Die Fuge hinten
im Nacken wurde durch das herabfallende, besonders aufgesetzte Haar verdeckt;
die vordere Fuge aber fiel zusammen mit der Trennung zwischen Kopf und
Hals, war also bei der gesenkten Haltung, die wir für den Kopf voraussetzen
müssen, größtenteils unsichtbar. Zum Anfügen an den Hals vorne diente eine
013'" breite Anschlußfläche.' Diese Eigenschaft des Kopfes wird mit anderen
Eigentümlichkeiten zusammen von Furtwängler zum Beweise dafür herangezogen,
daß der Kopf nicht späte Kopie, sondern original-archaische, griechische Arbeit ist.1 '
Obwohl an der Originalität des Kopfes nicht gezweifelt werden kann, möchte ich
darauf hinweisen, daß die besondere Art der Ansetzung des Kopfes durchaus nicht
16( Vgl. Anm. 12. nur in den schon angeführten altgriechischen Bronze-
n) Vgl. a. a. O. S. 678. .Diese Art, wie der Kopf werken', nämlich dem Bronzekopfe von Kythera, dem
getrennt zum Ansetzen gearbeitet ist und die Haar- von Olympia und einem Torso in Florenz.
enden einzeln angestückt sind, hat ihre Parallelen
28*
220
E. Pernice
ein Anzeichen hohen Alters zu sein braucht, sondern durch das ganze Altertum
hindurch nachzuweisen ist. Das älteste Beispiel hat Furtwängler selbst in einem
Bronzetorso zu Florenz aus dem Anfange des fünften Jahrhunderts nachgewiesen.
Die bei Kalkmann (Jahrbuch des Instituts VII 132) gegebene Abbildung ist zum
Studium ungeeignet und wir müssen uns daher mit der Feststellung Furtwänglers
begnügen, daß der fehlende Kopf genau so aufgesetzt war, wie der Berliner Kopf
auf seinem Körper. ,Der Hals zeigt oben eine Anschlußfläche von ganz der
gleichen Art. wie sie sich an unserem Kopfe unten befindet".
Danach würde in der chronologischen Abfolge der Berliner KLopl selbst folgen.
Ihm schließt sich die Saburoffsche Bronze an. Daß der Kopf dieser Bronzefigur
bei ihrer Auffindung noch vorhanden gewesen ist und dann gewaltsam abge-
schnitten wurde, um einzeln verkauft zu werden, ist eine Vermutung, deren Un-
möglichkeit von KLekule18) dargelegt ist. Trotzdem hat sie I.. Levin in einem
Vortrage über die Technik in antiken Bronzen19) wieder aufgenommen. Die in
Fig. 0,=; gegebene Abbildung-'" 1 zeigt sehr deutlich, wie der vordere Halsrand nach
l8) Jahrbuch der Königl. prculi. Kunstsamml. iu verwerten ist' verstelle ich ebensowenig wie die
S t .X IX. Erklärung .dagegen sprechen auch die tiefer liegenden
") Jahrbuch XVI Anzeiger S. 15. Den Satz ,die inneren Nähte'.
Schnittfläche liegt so, daß sie technisch für eine ur- "" Nach ECekule a. a. O. S. I.XIX.
sprünglichc Befestigung des Kopfes an ihr gar nicht
Untersuchungen zur antiken Toreulik
221
95
dem Gruße möglichst breit ge-
hämmert ist21), um für den dar-
auf zu lötenden Kopf eine breite
Lötfiäche zu gewinnen. Der hin-
tere Halsrand ist durch Häm-
mern nicht verbreitert; hier war
es auch nicht so nötig, denn
hier hielten auch die auf den
Schultern festgelöteten Locken
fest. Die Halsfuge das ist
noch zu bemerken, weil es die
ständige Gewohnheit ist — läuft nicht in gerader Linie um den Hals herum,
sondern in gebrochener, gleichfalls, um das Festsitzen des Kopfes zu ver-
stärken —).
Der hellenistischen Zeit gehört der vor einigen Jahren erworbene Hypnos im
Berliner Museum an -3). Auch hier ist die Kopfansatzstelle in ihrer Verbreiterung
zur Gewinnung der Lötfläche so lehrreich, daß ich den oberen Teil des Torso nach
einer Photographie des Berliner Museums
abzubilden für wertvoll halte (Fig. g6). Die
Ansatzlinie verläuft auch hier nicht gerade,
sondern geknickt. Zu dieser Hypnosfigur
gesellt sich die leider unpublizierte etwa
o-5o'" hohe Jünglingsfigur des Museo Gre-
goriano n. 175. Man kann diese Bronze
geradezu als Musterbeispiel für die beson-
dere Herstellung einzelner Körperteile be-
zeichnen. Sie wird von Reisch in Helbigs
l'ührer II S. 363 n. 1341 weg-en der Frische
ihrer Arbeit der hellenistischen Zeit zuge-
wiesen, ein Ansatz, den ich für richtig halte.
Kopf, Arme und das rechte Bein fehlen.
') Dieses Aushämmern des Halsrandes ist wohl
mit der Bewegung des Arbeiters auf der Berliner
Erzgießereischale gemeint.
22) Von einer Vernietung, von der Kekule
S. LXIX spricht, erkenne ich nichts; der auch in
der Abbildung sichtbare Ansatz hinten im Nacken ist
96
sicher kein Niet, eher könnte er der Rest eines nicht
ganz abgearbeiteten Gußkanals sein, wenn er nicht
reine Zufälligkeit ist.
-J) Jahrbuch XVIII Anzeiger S. 33. Von einer
.Vernietung;', die Watzinger erwähnt, ist nichts eh
bemerken.
22 2 E. Pernice
Der Kopf war ganz übereinstimmend mit der Saburoffschen Figur an den Körper
angesetzt; die Naht läuft gerade um den Hals herum, etwa bis zur Hälfte, biegt
dann in scharfem Knick nach unten und ist dann gerade um den Nacken herum-
geführt 2i).
Haben wir so in hellenistischer Zeit den charakteristischen Kopfansatz ge-
funden, so ist es leicht, aus dem Bestände des Neapler Museums für die spät-
hellenistische oder römische Zeit die gleichen Beobachtungen zu machen. Ich
führe hierfür beispielsweise eine Anzahl kleiner etwa 0^40 m hoher Eroten an,
d. h. Eroten als Brunnenfigürchen, auf rechtem oder linkem Standbeine neben
einer Säule stehend, die mit einer Maske oder einem Gefäß verziert ist (Inv. 5020.
5022. 5028. 111701), weiter den Eros, der den großen Delphin auf der rechten
Schulter trägt. Auch der jugendlich schlafende Pan (Inv. 5024) hat einen besonders
angesetzten Kopf und zwar ist überall die Art der Verbindung die gleiche. Die
Fuge läuft unter dem Kinn entlang aufwärts bis an die Ohren und dann mit
scharfem Knick abwärts hinten um den Nacken herum.
Endlich erwähne ich noch aus später Zeit den Jüngling von Xanten im
Berliner Museum, eine Figur, die nicht nur angeblich, sondern in Wirklich-
keit, und zwar mit Säuren, so stark geputzt ist, daß ihre antike, sehr schöne,
und nur an einzelnen Stellen noch wohlerhaltene Patina in der Hauptsache ver-
loren gegangen ist. Die Verbindungsnaht läuft hier unter dem Kinn entlang —
man kann sie sogar mit bloßem Auge sehen — und biegt dann vor dem Ohre,
in der Mitte der Wange, wie üblich in scharfem Knick um.85)
Die Beispiele für die Köpfe zu vermehren, ebenso die besonders angesetzten
Teile am übrigen Körper und die Art der Zusammensetzung — ob in gerader
oder gebrochener Naht — festzustellen, halte ich für eine besonders wichtige
Vorarbeit für die Geschichte der antiken Toreutik.
1 Auch die Arme waren besonders angesetzt, lang bis zu deren Anfang und von dort quer herüber
und zwar so, daß die Naht von der Achsel aus wieder bis an die Ausgangsstelle zurück. Vielleicht
quer herüber über den Arm lief, auch das genau ist diese ganze Übereinstimmung beider Figuren ein
wie bei dem Saburoffschen Jüngling; mit ihm stimmt Zeichen für ihre gleichzeitige Herstellung,
sie auch in dem Gußverfahren an den Beinen über- 25) Beschreibung der antiken Skulpturen IV > II.
ein, denn nur das bewegtere Spielbein ist besonders Die Angaben über die Technik sind vielfach irrig,
gegossen und mit dem Körper durch Lotung ver- So sind an der F'igur außer den angegebenen Teilen
einigt, wahrend das Standbein mit dem Körper zu- auch beide Beine besonders gegossen und angesetzt,
sarnmen gegossen wurde, eine praktische Er- Die grausamen Spuren der Säuren, deren einzelne
leichterung, die sich auch sonst bei antiken Bronze- Tropfen lang herunter geflossen sind, lassen sich
figuren sehr häufig beobachten läßt. Die Fuge läuft überall beobachten,
hier wie dort von den Hoden aus die Spalte ent-
Untersuchungen zur antiken Toreutik
223
6. In der .Beschreibung der antiken Skulpturen' S. 3 f. finden sich über
den Zustand des betenden Knaben (Fig. 97) vor der modernen Restaurierung
und über die antike technische Behandlung der Figur nach dem Guß folgende
Bemerkung-en: „außerdem ist die Oberfläche der Bronze geputzt, so daß der
ursprüngliche Zustand mit unberührter Patina sich nur an
einzelnen Stellen, wie im Haar, zwischen den Schenkeln, hie
und da an den Zehen findet" und „der Guß ist, nach dem
Gewichte der Figur zu urteilen, dünn, die Oberfläche mit
zahlreichen Blasenlöchern bedeckt; einzelne Fehlerstellen
sind mit antiken Einsatzstücken ausgebessert". Diese Sätze
erfordern verschiedene Nachträge und Berichtigungen.
Nicht nur an ,einzelnen' sondern an zahlreichen Stellen
ist die Figur mit antiken Einsatzstücken ausgebessert. Die
Flicken sind zwar nicht so deutlich zu erkennen, wie etwa
an dem Saburoffschen Jüngling, wo sie z. B. an der Hinter-
seite des linken Oberarmes wie Pflaster an Pflaster neben-
einandersitzen, oder wie an dem Athleten aus Ephesos und
vielen anderen großen Bronzefiguren, weil ihre Spuren
durch die moderne Patina verwischt sind, aber sie sind
doch da. So kann man an der Vorderseite der rechten
Schulter auf einer Stelle von der Größe einer Handfläche
über ein Dutzend Flicken beobachten, deren kleinste noch
nicht einmal drei Quadratmillimeter groß sind. Auch auf
der linken Schulter nach dem Rücken zu bemerkt man
etwa ein Dutzend Flicken, auf dem linken Hinterbacken
etwa 10, im Verhältnis nicht weniger, aber schwerer sicht-
bare, sind über die ganze Vorderseite verstreut. Die größten
Flicken, bis 0-025™ langf, sitzen in der Mitte des Rückens,
der kleinste von allen, noch nicht 2l/2 Quadratmillimeter groß, saß etwa vier bis
fünf Zentimeter unter dem rechten Knie an der innern Seite. Er ist nicht mehr
erhalten, aber die quadratische Form des Loches zeugt deutlich die antike
Korrektur an.
Mit dieser sorgfältigen Behandlung der Gußfehler im Altertum stehen die
.zahlreichen Blasenlöcher' im Widerspruch, die die Oberfläche der Figur ent-
stellen. Die Löcher sind nicht untereinander gleichartig. Die einen erscheinen
wie von der Patina eingefressen, in ihnen sitzt noch der Staub des zerstörten
97
224 E. Pernice
Metalles. Die anderen Löcher sind scharfränderig und gehen tief hinein in das
Metall, sie sehen so aus, wie geöffnete Gußblasen auszusehen pflegen; von ihnen
sind einige (z. B. unter der rechten Brust und vorn am rechten Oberschenkel)
etwa 0-004 m lang und entsprechend breit, zwei besonders große von o-oo6 m Länge
befinden sich im Rücken links und am antiken Teile des Oberarmes. Um solche
große Löcher auszubessern, hätte man Flicken von mindestens acht Quadrat-
millimetern gebraucht.
Diese Gußblasen können ursprünglich nicht sichtbar gewesen sein, denn
wenn, wie wir an den Flicken sehen, ganz minimale Fehler ausgebessert worden
sind, würde man solchen Schäden erst recht die größte Sorgfalt zugewendet
haben. Es folgt daraus, daß die Oberfläche der Bronze nicht nur , geputzt', sondern
stark überarbeitet worden ist. Erst bei dieser Überarbeitung kamen die Guß-
blasen, die unsichtbar im Innern des Metalles saßen, zum Vorschein; sie muß
also sehr erheblich gewesen sein.
Wie stark die Überarbeitung war, läßt sich noch ungefähr ausmachen. Die
Patina, die an einzelnen Stellen, wie die Beschreibung richtig angibt, noch heute
erhalten ist, ist keine gutartige. Am Kinn der Figur bemerkt man, wie tief sie
sich in die Oberfläche eingefressen hat, so tief, daß der moderne Restaurator
nicht wagte, hier die Korrosion ganz zu vertilgen, um nicht den Kopf überhaupt
zu ruinieren. Diese Stelle mag die schlimmste gewesen sein, aber auch an anderen
Stellen, z. B. an den Füßen, sieht man die schädliche Wirkung der Patina deut-
lich. Da man nun nach den erhaltenen Spuren annehmen muß, daß die schädliche
Patina nicht nur an diesen Stellen ihr zerstörendes Werk getan hat, sondern mehr
oder weniger über den ganzen Körper verbreitet gewesen ist, war eine um-
fassende und schonungslose Überarbeitung nötig, um die Figur so glatt zu machen
wie sie jetzt ist.
Einen noch sichereren Anhalt geben die Gußflicken. Man kann nämlich be-
merken, daß diese viellach gar nicht mehr vorhanden sind, nur die Stellen, wo
sie ehemals gesessen haben, sind noch wahrnehmbar. Sie erscheinen wie vier-
eckig umränderte oder ganz schwach vertiefte Felder mit einer oft kaum mehr
sichtbaren Zerstörung darin, die die Flicken verdecken sollten. Hier ist also die
Überarbeitung so tief gegangen, daß selbst die Flicken mit hinweggenommen
wurden, und. weil so viel fortgenommen wurde, sieht man auch manchmal kaum
mehr i'twas von dem Schaden, den die Flicken beseitigen sollten. Die antiken
Flicken pflegen \ i-rschiedene Stärken zu haben, manche sind bis zu 0-002'" stark.
andere nur einen halben Millimeter, als Durchschnittsstärke kann man o-ooi"1 an-
Untersuchungen zur antiken Toreutik
225
nehmen. Schwächer als einen halben Millimeter durften sie auch kaum sein, wenn
sie in die Vertiefung hereingehämmert werden sollten. Somit ergibt sich, daß an
den eben charakterisierten Stellen von der antiken Oberfläche mindestens ein
halber Millimeter weggenommen sein muß. Damit erklärt sich auch, daß einzelne
Teile des Körpers besonders gut und frisch in der Modellierung sind - - das
sind die Teile, wo die Patina dünner aufgesessen hat, wie z. B. am linken Knie
und im Rücken, während die Formenbehandlung an anderen Partien des
Körpers empfindlichen Beschauern flau und wenig lebensvoll erscheint.
7. Die technischen Besonderheiten des Faustkämpfers (Fig. 98) im Thermen-
museum sind sehr verschieden erklärt worden, h.s handelt sich einmal um die Frage
Jahresheft« <!<-s Bsterr archäol. Institutes Bd XI gq
226 E. Pernice
nach antiken Ausbesserungen der Statue und zweitens darum, wie die Verletzungen
im Gesichte zu erklären sind. Für die Entscheidung der ersten Frage macht
Petersen26) folgendes geltend: eine Photographie nach den Ausgrabungen zeige
den Kämpfer wie er jetzt sei, also sei nur der Felssitz moderne Ergänzung; da-
gegen seien vielleicht sichere Spuren antiker Ausbesserung zwei mehrere Quadrat-
millimeter haltende Niete außen auf dem rechten Oberschenkel; ein eben solcher
sei außen am linken glutaeus, ein weiterer an der Mitte des linken Oberschenkels,
drei nahe bei dem Flicken an dessen Unterseite. Petersen meint, ,daß diese Teile
im Altertum zusammengedrückt und dann wieder aufgetrieben* sind ,und innen
durch gegengenietete Stücke Halt bekommen hätten, was durch den offenen Sitz
zu erkennen sein müßte'.
Diese Darlegung ist nicht richtig. Wie mir der bei der Wiederherstellung
beteiligt gewesene Techniker des Thermenmuseums versicherte, waren bei der
Auffindung die Beine abgebrochen und nicht, wie Petersen annimmt, mit dem
Torso vereinigt. Um sie wieder anzusetzen, wurde das heute überall übliche
Verfahren eingeschlagen, nämlich daß man die gebrochenen Teile mit Platten
hinterlegt, die dann durch Schrauben fest angezogen werden. Die runden Niete,
die Petersen anführt und die im Neapler Museum namentlich sehr leicht irre
leiten, sind also die abgearbeiteten Köpfe oder Enden von Schrauben aus
neuer Zeit und geben somit für die Frage nach antiken Ausbesserungen keinen
Anhalt. Dagegen hat Petersen damit recht, daß das Wirbelstück in einem Durch-
messer von zehn Zentimetern schlechte Arbeit ist und später statt eines ver-
loren gegangenen hinzugefügt wurde. Dieses Gußverfahren erinnert an das bei
den Köpfen mit besonders gegossener Schädelkalotte, ohne mit ihm ganz über-
einzustimmen.
Weiter bemerkt Petersen zu der Figur — und das führt uns zu der zweiten
Frage - - ,also sei es jetzt versichert, daß am Halse keinerlei Verletzung vom
Künstler angedeutet ist, überhaupt keine andere als die Quetschungen der linken
Wange, der Nase, vielleicht auch sonst, aber keine, wie es scheint, von ernster
Bedeutung'. Ganz anders urteilte Heibig bei der ersten Besprechung der Figur
in den antiken Denkmälern I zu Tafel 4, eine Stelle, die ich wörtlich anführen
möchte: ,Nase und Ohren sind von Faustschlägen breit gedrückt; die im Ver-
gleiche mit der Unterlippe etwas zurückstehende Oberlippe läßt darauf schließen,
daß die oberen Vorderzähne ausgeschlagen sind. Während diese Verstümmelungen
das Resultat früherer Kämpfe zu sein scheinen, weisen andere Anzeichen auf
2C) Köm. Min. XIII 94.
Untersuchungen zur antiken ToreutiU 227
einen soeben ausgefochtenen. An jedem Ohre sieht man zwei kleine Ritzen; am
rechten entquellen aus jeder derselben zwei in flachem Relief ausgedrückte Blut-
tropfen, während das linke Ohr einen solchen unterhalb der obern Ritze zeigt.
Ähnliche Verletzungen sind auch an verschiedenen Stellen des Gesichtes, eine
längere und tiefere an der rechten Schulter und unweit des rechten Ellbogens
angedeutet. Nehmen wir an, daß diese Ritzen mit einem roten Farbstoffe ausge-
füllt waren, so ergäbe sich eine höchst naturalistische Darstellung der von Faust-
schlägen zerrissenen Haut'. , Während ferner die linke Augenhöhle eine normale
Augenbildung zeigt, ist die rechte unten derartig angeschwollen, daß das Lid
und die Wange in eine unförmliche Masse zusammenlaufen. Die Annahme, daß
diese Geschwulst von einem frisch empfangenen Faustschlage herrührt, scheint
um so mehr gerechtfertigt, als gerade an dieser Stelle und in ihrer Umgebung
fünf jener Ritzen angebracht sind'. Diese Ausführungen halte ich für vollkommen
richtig.27) Nach den bisherigen Erfahrungen, die ich über antike Bronzen ge-
sammelt habe, haben die Verletzungen nichts mit Gußfehlern zu tun. Ich zähle
sie zunächst noch einmal alle auf: am rechten Arme, dicht über dem Handschuh
ein gerade verlaufender Riß von 0-035 m Länge; an der rechten Schulter ein ge-
schwungener Riß o-o35m lang; zwei unregelmäßig verlaufende tiefe Risse am linken
Backenknochen; vier Risse auf der Nase, einer über der linken Augenbraue, vier
auf der rechten Backe (die Vertiefungen haben die Form von herabhängenden
Tropfen); zwei am linken Ohr, ebenso zwei am rechten Ohr, außerdem hier einige
in Relief aufgesetzte Tropfen.2*) Alle diese Stellen sind mehr oder weniger in
ihren Umrissen unregelmäßig und daher für das Einhämmern von Bronzestücken
zum Zwecke der Ausbesserung der Oberfläche so ungeeignet wie möglich. Guß-
fehler sind im Altertume gewöhnlich so ausgebessert, daß die schadhafte Stelle
27,| Heibig hebt ausdrücklich hervor, daß die Haut- Anm. 2. Hier billigt Hülsen die Beobachtungen
ritzen, die vorher für Gußfehler gehallen worden seien, Studniczka's nur für das rechte Ohr der Statue und
von Studniczka richtig gedeutet seien, der seine unter den Augen auf den Wangen; das seien Ver-
Beobachtungen in den Mitteilungen begründen werde. tiefungen, die mit dem Verismus der Figur zusammen-
Das ist jedoch, wie es scheint, nicht geschehen. gingen und Hautverletzungen bezeichneten; sie seien
Heibig selbst hat seine Darlegung im Führer durch auch in der Behandlung der Ränder verschieden
die öffentl. Samml. Roms2 II eingeschränkt, indem von den Verletzungen an Arm und Schulter, die
er schreibt: ,ein langer tiefer Ritz auf der rechten nicht als Wunden gedeutet werden dürften. Das seien
Schulter und ein ähnlicher auf dem rechten Vorder- vielmehr Ausflickungen, wie ihm ein erfahrener Tech-
arm scheinen Gußfehler. Sie waren vermutlich mit niker A. Sommer bestätigt habe.
Bronzestreifen ausgefüllt, die verloren gegangen 2S) Eine ganze Anzahl dieser Verletzungen sind
sind'. Den Anlaß für diese Einschränkung gaben deutlich auf Taf. 2.1.8 bei Brunn-Bruckmann zu sehen,
wohl die Bemerkungen Hülsens, Rom. Mitt. IV 178
29*
2 28 E. Pernice, Untersuchungen zur antiken Toreulik
rechteckig, quadratisch oder auch seltener polygonal umschnitten wurde und der
Schnitt völlig senkrecht in das Metall hineinging. Die Flicken sind an jeder an-
tiken Statue zu beobachten, die Schnitte an den sehr häufigen Stellen, wo die
Flicken später herausgefallen sind; man braucht solche Stellen nur einmal zu
sehen, um sofort zu bemerken, daß die Verletzungen am Faustkämpfer nicht von
Gußfehlern herrühren. Wären hier wirklich einmal Bronzestücke eingesetzt ge-
wesen, so würde man wohl mit Recht darüber erstaunt sein, daß diese Metall-
stücke gerade aus den unregelmäßig gebildeten Löchern wieder herausgefallen
wären, worin sie doch, wenn einmal hineingebracht, doppelt festsitzen müßten.
Jeder Zweifel wird aber, wie ich glaube, dadurch beseitigt, daß an der Figur
auch die üblichen geradlinig umschnittenen Ausbesserungen zu beobachten sind
— zahlreicher als die großen Verletzungen zusammengenommen. Somit müssen
die Verletzungen dazu gedient haben, um als Verwundungen den künstlerischen
Eindruck des Kopfes zu verstärken. In welcher Art sie ausgenutzt waren, zeigten
die Tropfen am rechten Ohre. Ob diese Relieftropfen aus Metall oder einer
andern Masse sind, läßt sich durch Kratzen nicht entscheiden; ich glaube oder
halte es wenigstens für möglich, daß sie von reinem Kupfer sind — dann machten
sie bei dem ursprünglichen Bronzeton der Figur sogleich durch ihre dunklere
Färbung die Verletzung und das Blut deutlich. Das weiche Kupfer konnte auch
leicht in die anderen Vertiefungen hineingeschlagen werden. Aber es ist auch
denkbar, daß hier ein Farbstoff, wie Heibig annahm, eingelassen war — wie denn
Farbenzutaten an antiken Bronzen durchaus nichts Seltenes sind.51') Jedenfalls
haben diese blutrünstigen Stellen am Kopfe und rechten Arme die Naturwahrheit
des Kunstwerkes ins Widerwärtige gesteigert.
Greifswald, Februar 1908. ERICH PERNICE
29J Vgl. Fortwängler im Münchner Jahrbuch 1 907 mit hellerer Farbe aufgetragen sind, sowie ein
S. 9 ff. Dazu aus hellenistischer Zeit ein bronzenes Kastenbeschlag von ebendort, bei dem reichlich rote
Weinblatt aus Pergamon in Berlin, wo die Rippen Farbe verwendet ist.
229
Bronzereliefs vom Limes.
Tafel VII und VIII.
Die in dem römischen Kastell von Traismauer gefundenen Bronzereliefs,
die im Jahre 1885 als Geschenk des Abtes Dungel von Göttweig- ins Wiener
Antikenkabinett gelangten, sind schon vor langem abgebildet1) und wiederholt
besprochen2) worden. Aber die Abbil-
dungen sind infolge allzu starker Ver-
kleinerung recht unbefriedigend ausge-
fallen. Auch gilt es, die zugunsten des
Dolichenus bisher vernachlässigte Rück-
seite nach Gebühr zu würdigen.
Zunächst muß gegenüber der im-
mer wieder auftauchenden Vorstellung-
einer dreiseitigen Pyramide noch ein-
mal hervorgehoben werden, daß die
beiden dreiseitigen Platten ursprüng-
lich Rücken an Rücken befestigt waren
und erst im Museum auseinander ge-
nommen wurden. Man sieht übrigens
auf der Abbildung der Rückseite (Tafel
VII) den breiten Rand, der unter dem
Falz der Vorderseite (Fig. 99) stak, und
erkennt an dem ungewöhnlich hohen
Relief des Dolichenus, daß diese Seite
als Hauptseite zu betrachten ist; auch
gibt es ähnliche Weihungen an Doli- #
chenus und andere Götter in der Form von Blättern oder Lanzenspitzen3). Mit
der Pyramide fällt die Vermutung, daß diese dünnen Blättchen oben eine massive
Viktoriastatuette getragen hätten.
Der linke Rand der Hauptseite, die deutliche Spuren einer ehemaligen Ver-
silberung aufweist, hat eine Länge von 0-342'", der rechte von 0-28 m. Doli-
') A. v. Domaszewski, Religion des rom. Heeres Bonner Jahrbb. CVII 69.
Taf. IV 2. 3) Bonner Jahrbb. CVII Taf. VI — VIII; Philo-
2) R. v. Schneider, Arch. Anz. VII 55; A. H. soph. transactions 1745 11.476 tab. II, III; Rev.
Kan, De Jovis Dolicheni eultu 5; sqq.; erwähnt auch arch. 1904 II 447.
99: Bronzerelief
aus Traismauer.
Hauptseite.
230
R. Münsterberg
chenus, dessen Adler im Zwickel darüber hockt, ist wie üblich als bärtiger Krieger
mit phrygischer Mütze dargestellt. Über der bis an die Kniee und an die Ellenbogen
reichenden Tunica, die an den Enden gesäumt ist, trägt er einen schmucklosen
Panzer mit Lederlappen, darüber ein eigentümlich umgelegtes Paludamentum,
das vom Rücken her über den rechten Oberarm nach rückwärts geworfen ist.
In der linken Hand hält der Gott den geflügelten Blitz, in der erhobenen rechten
eine Waffe, die ich als Hammer bezeichnen möchte; es
könnte wohl auch ein Beil gemeint sein; indes trägt Doli-
chenus sonst ein Doppelbeil, und dieses wenigstens ist hier
gewiß nicht dargestellt. Links unten sieht man in kleinerem
Maßstabe den Oberkörper eines gleichfalls bärtigen Gottes
mit phrygischer Mütze und Panzer; doch hält er in der
Rechten einen (zu kurz geratenen) Speer, in der Linken eine
Scheibe, die einen kleineren Kreis mit zwei rechtwinkelig sich
schneidenden Bändern einschließt. Links daneben ist die
obere Hälfte eines nach außen gewendeten Stierschädels
erhalten; ihm entsprechen am rechten Rande des hier (Fig. ioo)
abgebildeten Bruchstückes mit der Hauptdarstellung einer
zuschauenden Göttin die Vorderbeine eines nach rechts laufen-
den Stieres; ein anderes Fragment (Fig. 101) gibt das Vorder-
teil eines nach links laufenden Stieres. Gehören alle diese
drei Stiere wirklich derselben Darstellung an, was doch das
wahrscheinlichste ist, so ist wohl die Vermutung Kans ge-
rechtfertigt, daß der kleinere Gott mit Speer und Scheibe I0° und I01: Fragmente
sowie sein Gegenstück rechts als Halbfiguren auf je zwei im
Gegensinne verbundenen Stiervorderteilen aufsaßen, wie wir
das ähnlich schon aus dem Dolichenusrelief von Kömlöd4) kennen. Eine hinten
hohle Bronzefigur unbekannter Herkunft im Wiener Antikenkabinett (Fig. 102)
zeigt — allerdings stark verroht — eine ähnliche Darstellung und bildet zugleich
den Übergang zu den monströsen Figuren einer Bronzeplatte aus Heddernheim5),
die lange als Fälschung gegolten hat. Links von der zuschauenden Göttin — sie
erinnert an eine ähnliche Figur des .Schildes' von Carnuntum (Jahreshefte VI
Taf. 4) ■ ist eine fast senkrechte Punktlinie sichtbar, die sich oben ein wenig
nach rechts, unten ebenso nach links wendet, vielleicht die Einsäumung oder
vom Bronzerelief aus
Traismauer.
4) Seidl, Über den Dolichenuskult Taf. III 2
unten = v. Domaszcwski a. a. O. Taf. IV Ib.
5) Seidl Taf. III 3 = Bonner Jahrbb. CVII
Taf. VIII.
Bronzereliefs vom Limes
231
102 : Bronzefigur in Wien.
Vorpunktierung der Wamme des großen Stieres, auf
dem Dolichenus selbst gestanden haben muß. Unter
der Göttin sieht man den rechten Rand einer tabula
ansata, deren Inschrift leider nicht auf uns gekommen
ist. — - Die ganze Höhe des Dreiecks dürfte etwa o*6m
betragen haben.
Von der Darstellung der Rückseite (Länge des
linken Randes o-25o'a, des rechten Randes o-368m)
ist gleichfalls nur etwa das oberste Drittel erhalten.
Unter dem zwischen den Spitzen eines Halbmonds
schwebenden Brustbilde der Luna steht ein jugend-
licher Mars mit Speer und aufgestütztem Schilde.
Auf dem reichgelockten Haupte trägt er einen
schneckenförmigen Helm mit Kamm. Eigentümlich
wie beim Dolichenus der Vorderseite ist die Art, wie
er sein Paludamentum trägt: es fällt vom rechten
Oberarme — das rückwärtige Ende ist aus Versehen weggeblieben — vornüber
bis in die Hüftenhöhe herab und geht dann hinter dem Rücken hinauf zur
linken Schulter, von wo es sich in weitem Bogen über Ober- und Unterarm
windet. Es ist dies unverkennbar im Grunde dieselbe, nur etwas heftiger be-
wegte Gewandbehandlung, durch die sich auch eine zuletzt von Heron de Ville-
fosse6) zusammengestellte Gruppe von Bronze- und Silberstatuetten des bärtigen
Mars Ultor vom Jahre 2 v. Chr. auszeichnet. Doch zeigt auch Neptun auf einer
bekannten Münze des Agrippa (Fig. 103) eine ähnliche Tracht,
und wenn die Münze auch posthum ist 7), so kann doch bloß die
Kultstatue des von Agrippa schon im Jahre 25 v. Chr. gegrün-
deten Neptuntempels gemeint sein8). Entstanden ist diese höchst
eigenartige Gewandbehandlung wohl in freier Anlehnung an
archaische Muster; man denke z. B. an die beiden Mittelfiguren
der Giebel des Zeustempels von Olympia.
Bemerkenswert erscheint auch die dem Mars beigegebene
Gans. Wir kennen die Gans als Vogel des Mars nunmehr
schon aus einer Reihe von Denkmälern1'). Sie alle aber gehören den nördlichen
103:
Münze des Agrippa.
6) Bulletin de la soc. des antiquaires de France S. 257.
1907 p. 117. 8) Wissowa, Religion u. Kultus der Römer 251.
7) Voetter, Monatsbl. d. num. Gesellseh. 1907 9) Jahreshefte VI 7v
232 R. Münsterberg
Grenzgebieten des römischen Reiches an, und vergebens suchen wir in unseren
Schriftquellen nach irgend einem Belege für diese oder sonst eine Verbindung
des griechischen Ares oder des römischen Mars mit der Gans. Nur einmal er-
wähnt Martial (IX 31) das Opfer einer Gans für Mars: Cum comes Arctois haereret
Caesaris armis || Velius, hanc Marti pro duce vovit avem | ... et cecidit
sanctis hostia parva focis. || Octo vides patulo pendere nomismata rostro || Alitis?
haec extis condita nuper erant. Aber mit diesem Opfer hat es seine besondere
Bewandtnis. Als „hostia parva" erscheint es dem Dichter für den vornehmen
Velius Rufus10), womit indirekt bestätigt wird, daß die Gänse sonst nur ärmeren
Leuten als Ersatz wertvollerer Opfertiere dienten11). Das Heer befindet sich
eben in Feindesland, wahrscheinlich am Rhein oder an der Donau; wir werden
also wieder nach dem Norden gewiesen und dürfen demnach vielleicht einen
allerdings noch nicht genügend beachteten Grundsatz antiker Religionsübung
zur Erklärung heranziehen, wonach den Göttern jeweilen „ritu locorum" ge-
opfert wurde12.) So werden wir gerade die Martialstelle nicht für den römischen
sondern für den germanischen oder keltischen Mars 13) in Anspruch nehmen
dürfen u). Ob wir aber in diesem Gotte den germanischen Wodan zu erkennen
haben, der zwar meist Mercur aber auch Mars genannt wird1'1), mag dahin-
gestellt bleiben, wenngleich die Vermutung, daß die Gans von Wodan durch
Vermittlung des Mars auf den heiligen Martin übergegangen sei, auf den ersten
Blick bestechen könnte.
Auffallen muß es jedenfalls, daß bei demselben Gotte die Gans auch fehlen
kann (s. unten), während sie anderseits mit einem andern, anscheinend orienta-
lischen Symbol verbunden erscheint, wie auf den zwei (identischen) Bronzereliefs
von Szamos-Ujvar1'1) (Fig. 104), wo sich um den Speer des diesmal gepanzerten
"') Riese, Westdeutsche Zeitschrift XXVI i.io. scheinen, sei hier nebenbei bemerkt; die gegenteiligen
") Pausanias X 32, 16; vgl. auch Julian, Miso- Zeugnisse sind spät und anfechtbar.
pogon 361. I:1) Vgl. auch A.Riese, Westd. Zeitsch. 1898 S. 37.
12) Amraian XXIII, 3: (Iulianus) Lunae, >|uae 14) Für die Münzen, die im Magen der Grans
per cos colitur tractus, ritu locorum fert sacra. gefunden wurden, scheint niemand, soviel ich sehe,
Schon Mardonios hat auf seinem Feldzuge griechische eine Erklärung aufgestellt zu haben. Es mag daher
Priester bei sich iHerodot IX 37,1, und das persischem darauf hingewiesen werden, daß man noch heule, wie
Brauche geradewegs widersprechende Schimmelopfer mir Theodor Rohde gelegentlich mitteilte, die Gänse
am Strymon (Herodot VII 113 mit der gezwungenen zur Vergrößerung der Leber kleine Kupfermünzen
mg Rawlinsons) findet nur durch den dort schlucken läßt; man erkennt solche Münzen sofort an
lokalisierten Rhesos mit seinen Schimmelherden seine der verminderten Dicke, dem verwischten Geprägi
Erklärung. Daß die Perser überhaupt zwar mit und der Ictlig anzufühlenden Oberfläche.
Vorliebe 1 iisi hi Pferde, nicht aber die dem Zeus ') !•'.. II. Meyer, Germ. Myth. 230.
und dem Helios heiligen Schimmel geopfert zu haben "') Arch. Zeit XVI [49 Taf. 112; vgl. fahres-
Bronzereliefs vom Limes
233
Gottes eine Schlange emporwindet. Für diese
Zeit ein Gegenstück gefunden. Auf einem vier-
seitigen Altar aus dem Hauran17) ist dargestellt
„un soldat revetu de l'uniforme romain . . . ce
dieu-soldat tient de la main droite une hampe,
autour de laquelle s'enroule un serpent". Die
Herkunft des Steines bürgt uns für den orien-
talischen Ursprung |des Gottes 18). Demnach
werden wir unseren Mars gleich dem mit ihm
zusammen verehrten Dolichenus für einen ur-
sprünglich orientalischen Gott zu halten haben,
der allerdings zunächst durch die Aufnahme in
den Kreis der römischen Soldatengötter und
dann durch die Hinzufügung der nordischen
Gans eine zwiefache Veränderung erfahren hätte.
Auf den orientalischen Ursprung des Mars von
Szamos-Ujvar weist vielleicht auch die sonder-
bare Verzierung links neben seinem Kopfe, die
an dieser Stelle doch wohl nicht gut als bloße
Raumfüllung gelten kann, sondern vielleicht
wirklich einen seitlichen Nimbus vorstellen soll,
wie der gleichfalls seitliche, nur diesmal normal
halbrunde Nimbus einer syrischen Göttin auf
einem Votivstein aus Homs (Emesa)1!l).
Ohne die Gans, aber sonst in genau der-
selben Tracht und Haltung wie auf dem Relief
von Traismauer erscheint Mars auch auf einem
hefte VI 75. Wir verdanken der Freundlichkeit des Herrn Bela
Posta Photographien, nach welchen die stilistisch unzulängliche
Abbildung der Arch. Ztg. durch Fig. 104 ersetzt werden konnte.
n) Rev. arch. 1905 I 44.
I8) Auf dem Stempel eines Vasenverschlusses aus Unter-
ägypten ist eine einigermaßen ähnliche Darstellung zu sehen';
doch scheint hier der Krieger die Schlange zu'durchbohren
(Strzygowski, Katalog der koptischen Altertümer in Kairo n.7142)
Nachträglich sei auf Rev. arch. 1891 I pl. II verwiesen.
,9) Comptes rendus de l'Acad. des Inscr. et B.-L. 1902
p. 236 mit Tafel.
Jahreshefte des üsterr. archäol. Institutes Bd. XI
Schlange hat sich erst in letzter
IO4: Bronzerelief von Szamos-Ujvär.
30
234 R- Münsterberg
oben von links nach rechts abwärts rund ausgeschnittenen oblongen Bronze-
blech aus der Sammlung Hollitzer in Carnuntum (Taf. VIII), dessen Oberfläche
noch deutliche SjDuren ehemaliger Versilberung aufweist: hoch links o"i85m, rechts
o"i4m, unten breit o-im; nur ist hier das über den linken Arm herabfallende
Mantelende vernachlässigt20). Im Zwickel darüber steht ein etwas mißratener
Adler, unten springt nach rechts ein Seepferd, das einigermaßen an den See-
panther von Brigetio21) erinnert. Daß dieses Relief aus Carnuntum stammt, ist
nicht hinlänglich bezeugt; sicher carnuntinischen Ursprunges ist eine ähnlich
geformte und gegliederte Bronzeplatte (nur im Gegensinn und nachträglich
beschnitten) mit der Hauptdarstellung einer Victoria, darüber gleichfalls der
Adler, unten Capricorn 2S). , Weißbronzeplatten' dieser Art, (auch im Gegensinn),
alle mit dem Adler im Zwickel, sind auch aus dem Kastell von Pfünz bekannt28);
eine davon (n. n) ist durch ihre Inschriften als militärisches Eigentum bezeichnet.
Über die Verwendung der so verschieden geformten Platten (abgesehen von
dem großen Weihrelief von Traismauer) wüßte ich keine auch nur halbwegs an-
sprechende Vermutung zu äußern. Nicht bedeutungslos ist vielleicht die auffällige
Zahl von phantastischen Seewesen (Triton, Scylla, Capricorn, Seepanther und
Seelöwe). Aus den Fundumständen ergibt sich als wahrscheinlich, daß die Reliefs
nicht bloß gegenständlich verwandt sind, sondern einem größeren Ganzen ange-
hören : in Szamos-Ujvär wurden zwei Plattenpaare gefunden, in Brigetio neben
dem Ganymedesrelief das Fragment eines Seepanthers, das nach Analogie der
carnuntiner Bronzen zu ergänzen sein wird; mit der Hollitzerschen Bronzeplatte
ist das auf Tafel VIII (oben) abgebildete Bruchstück vereinigt, das dem Stil nach
auch dazu gehört und gleichfalls versilbert war.
Schließlich muß noch hervorgehoben werden, daß von den hier besprochenen
Zierblechen einige, wenn nicht etwa gar alle, oberflächlich, nicht durch Plattierung,
versilbert oder verzinnt waren, wovon sich allerdings nur geringe Spuren nach-
weisen lassen21). Diese Technik scheint auf griechisch-römischem Boden vordem
2") Ganz deutlich erscheint dieser Mantelwurf n) Bericht des Vereins Carnuntum f. 1900 S. 107
auf einem Bronzcblcch aus Trier (Illustr. Führer Textfig. 20.
S. 91 mit Abbildung), auch die hier den Gott be- ") Obergerm.- rät. Limes n. 73, Taf. V II — 15.
kränzende Viktoria hat den Mantel ebenso umgelegt; 21) Jahreshefte VI 73; Obergerm. -rät. Limes n. 73
ein Fragment anscheinend derselben Darstellung aus S. 21 f. und 37; dazu die Reliefs aus Traismauer
Pfönz im Obergerm.- rät. Limes n. 73 Taf. V 5. und aus der Sammlung Hollitzer. Vgl. Blinkenberg,
Im Gegensinn ist unser Mars dargestellt auf einer Archäol. Studien <)I mit Taf. II und Arch.-epigr.
silbernen Beinschiene des St. Ulrich-Museums in Milt. XI 15. Über die Versilberung oder Vergoldung
Regensburg (Franziss, Bayern zur Römerzeit 264). der Dolichcnusrelicfs s. Löschcke, Bonner Jahrbb.
I ..1 .1 ■■-hefte VI 73 mit Abb. 35 unten. CLXVH 66.
Bronzereliefs vom Limes 235
nicht üblich gewesen zu sein. Zwar gibt es aus dem vierten Jahrhundert ver-
silberte Spiegel und Spiegelkapseln25), aus dem ersten Jahrhundert nach Christus
stark versilberte Gesichtshelme26), sowie innen stark verzinnte Bronzetöpfe27); aber
der Überzug unserer offenbar viel späteren Bronzereliefs ist nur ein ganz ober-
flächlicher und wenig haltbarer. Es liegen offenbar zwei verschiedene Verfahren
vor, wie auch Plinius zwischen illinere und incoquere unterscheidet ; für uns
kommt wohl nur das letztere in Betracht, da es sich hier wie dort um Zierbleche
handelt: album (plumbum) incoquitur aereis operibus Galliarum invento, ita ut
vix discerni possit ab argento, eaque incoctilia vocant. Deinde et argentum in-
coquere simili modo coepere equorum maxime ornamentis28). Das ist doch wohl
dasselbe Verfahren des Weißsiedens, das auch im Verlaufe der von Caracalla an-
gebahnten Münzverschlechterung eine für das römische Münzwesen so verhängnis-
volle Wirkung geübt hat. Weißkupfer treffen wir zuerst in der zweiten Hälfte
der Regierung- des Gallienus (254 — 268) und des gallischen Usurpators Postumus
(25g — 267), dann insbesondere unter den gallischen Herrschern Victorinus, Marius
und Tetricus, sowie den diesen gleichzeitigen Kaisern Claudius Gothicus und
Aurelian, unter dem auch die (gleichfalls nach gallischem Muster?) versilberten
Wagen in Rom aufkamen (Vopiscus 46), aber auch noch später bis in die Zeit
Iulians und Iovians 29). Es scheint mir nicht unmöglich, daß diese vorher an-
scheinend nur ganz ausnahmsweise geübte3") Technik, die sich aber dann bis ins
späte Mittelalter hinein verfolg'en läßt31), hier wie dort unmittelbar auf gallischen
Einfluß zurückzuführen ist. Damit wäre für die Entstehungszeit unserer von römi-
schen Soldaten an weit auseinander gelegenen Grenzpunkten des Reiches vor-
schriftsmäßig- angefertigten Bronzen ein ungefährer Anfangspunkt gegeben; aber
2ä) Arch. Anz. 1891 S. 123; 1904 S. 23. Arch. römischer Silbermünzen aus Weißkupfer schon in
Ausstellung Wien 1893 n. 303. republikanischer Zeit; auch Dio Cassius kennt das
-s) Haug-Sixt 74 n. 108 und 81 n. 116. In diese Verfahren (LXXV 4 Dind.). Die von Christomanos be-
Zeit gehört wohl auch ein stark versilberter Schild- schriebene attische Drachme (Journ. intern. 1905
buckel des bayrischen Nationalmuseums (Katalog p. 118) ist nach der älteren Art verzinnt (etamage
IV n. 1384 Taf. XIX 23). complet et soigneusement execute); ziemlich stark
27) Mem. des antiqu. du Nord 1896 — 1901 p.302; versilbert sind auch eine Kupfermünze von Mytilene
vgl. Plinius XXXIV 17, 48, 160 und Dioskorides I 33. aus dem dritten vorchristl. Jh. und ein Quincunx
28) Plinius a.a.O.; vgl. Philostr. imag. I 28. wo von Teate im Wiener Kabinett. Über plattierte (?)
ebenfalls von versilbertem und vergoldetem Pferde- Münzen aus Kleinasien s. Dressel in der Zeitschr.
geschirr die Rede ist: raöra tpact ta xpo')|iaxa. toi); f. Num. XXIV 84.
4v 'SxsavöJ ßapßapouj d"fxs'v XV Xa^xcT> Siarcöpoi. 31) Über Verzinnung handeln Beckmann, Beitr.
20) Vgl. Pansa, Riv. it. di num. 1906 p. 51 und z. Gesch. d. Erfindungen IV 321 und (i. Bapst, Rev.
die dort angeführte Literatur. arch. 1883 I 164.
:m
') Vereinzelt finden sich Fälschungen früherer
30*
236 R. Münsterberg, Bronzereliefs vom Limes
andere Erwägungen ermöglichen eine noch genauere Zeitbestimmung. Die Bronzen
von Szamos-Ujvar, im äußersten Norden der dakischen Provinz, müssen vor
dem Jahre 271 entstanden sein, in welchem Aurelian Dacien aufgab und die
gesamte römische Bevölkerung auswanderte. Anderseits aber ist der Kult des
Dolichenus um die Mitte des dritten Jahrhunderts anscheinend schon im Absterben
begriffen32). Demnach dürften unsere Reliefs etwa in der Zeit zwischen 260
und 270 entstanden sein.
Wien, Juli 1908. RUDOLF MÜNSTERBERG
Römische Bronzen aus Ungarn.
Die beistehend (Fig. 105) abgebildete o-i2'" hohe Bronzestatuette gehört zu den
vorzüglichsten Stücken des ungarischen Nationalmuseums. Sie ist vollgegossen und
bis auf das abgebrochene obere Ende des Attributes in der linken Hand unver-
sehrt. Der ganze Körper ist von einer tiefen, dunkelgrünen, wundervollen Patina
bedeckt. Die Brustwarzen sind aus Silber eingelegt. Über die Herkunft unserer
Statuette konnte ich leider nichts zuverlässiges feststellen. Sie stammt wahr-
scheinlich aus der Sammlung Kiss; da sie aber in der Patina von den übrigen
in Ungarn gefundenen Statuetten abweicht, so ist nicht einmal sicher, daß sie
in Ungarn gefunden wurde l).
Die Statuette darf künstlerisch wie gegenständlich das größte Interesse be-
anspruchen. Das vortreffliche römische Werk gibt im Standmotive einen wohl-
bekannten griechischen Typus aus der Mitte des fünften Jahrhunderts wieder,
den wir als argivisch zu bezeichnen pflegen und als dessen Hauptrepräsentant
die sogenannte Liguriobronze gilt2). Die Übereinstimmung mit dem Standmotive
der Liguriobronze ist auf den ersten Blick überzeugend; nur ist im Gegensätze
zu dieser bei unserer Statuette die rechte Körperhälfte die tragende, die linke
Seite völlig entlastet. Auch das Prinzip der Formengebung ist übereinstimmend.
Besonders bezeichnend ist an beiden der weich eingesenkte Nabel. Gleichwohl
32) Die jüngste datierte Inschrift ist, wenn ich Winckelmannsprogramm 125 ff. — Collection Somzee
recht sehe, vom Jahre 250 (= Kan n. 136). p. 55 pl. XXXII. — Sitzungsber. Akad. München
1) Die Statuette ist von mir Arch. Ert. 1908 1897 S. 128. — Vgl. die verkehrte Ansicht von
S. 189 kurz besprochen worden. Ch. Waldstein, Journ. of hell. stud. 1904 (XXIV)
2) Furtwängler, Eine argivische Bronze, 50. p. 129 — 134 u. Eurtwänglers Antwort ebenda p. 336.
A. Hekler, Römische Bronzen aus Ungarn
237
zeigt die Statuette des Nationalmuseums im Verhältnisse zur Liguriobronze
gewisse Fortschritte. Die Proportionen sind minder schwerfällig und breit-
gedrückt, vielmehr schlanker und leichter. Der Blick ist nicht geradeaus gerichtet,
sondern nach dem Attribute, das die Figur in der rechten Hand trägt, so daß
der Kopf nach der rechten Körperseite hin
leicht geneigt erscheint. Auch die Höhen-
differenz zwischen den beiden Schultern ist
an unserer Statuette bedeutender geworden.
Der dumpfe, lastende Eindruck ist durch diese
Modifikation aufgehoben. Die Figur nähert
sich in allem jenen Werken, die sich der
künstlerischen Tradition der argivischen
Schule anschließen, und nimmt künstlerisch
wohl eine Mittelstellung ein zwischen dem ar-
givisch-hageladischen Kanon und der wunder-
vollen griechischen Bronze des Louvre, welche
den polykletischen Stil in vollentwickelter,
harmonischer Schönheit vergegenwärtigt 3).
An Polykletisches schließt sich die Statuette
des Nationalmuseums auch in den Gesichts-
formen und in der Haarbildung an. Im Ge-
sichtsausdrucke keine Spur mehr geistloser,
dumpfer Ruhe, die an der Liguriobronze so
unangenehm empfunden wird. Auch die Haar-
tracht ist nicht mehr die argivische mit dem
hinten aufgerollten Haarwulste: in echt poly-
kletischer Weise liegen die Haare in kurzen
Locken flach am Schädel, jedoch fehlt jede
feinere Ziselierung. Die kunstgeschichtliche
Bedeutung unserer Figur besteht nach all
dem darin, daß wir in ihr die zur vollen Reife
entwickelte Standfigur der griechischen Kunst um die Mitte des fünften Jahr-
hunderts zu erblicken haben; die organische Lebensfähigkeit und die ungebundene
Funktionsfreiheit, die sich auch in der Ruhe vollständig ausspricht, — das ist die
großartige Errungenschaft, die wir in der schönen Statuette des Nationalmuseums
3) Vgl. Furtwängler, Meisterwerke T. XXVIII 3 S. 492; Masterpieces PI. XIII Fig. 119 p. 279.
Bronzestatuette im Nationalmuseum
zu Budapest.
238 A. Hekler
wiederfinden, ohne daß aber Anklänge im ganzen Aufbaue des Standmotivs an
den strengeren argivischen Kanon zu verkennen wären.
Unter den römischen Merkurbronzen zeigen zahlreiche das Motiv unserer
Figur in echt polykletischem Sinne weiter gebildet. Ich erwähne nur einige
charakteristische Beispiele: Jahrbuch 1887 T. 9; Specimens of anc. sculpt. I 33, 34;
Murray, (rreek bronzes p. 47 Fig. 18; Bonner Jahrbücher H. 90 T. III 1, 2; Furt-
wängler, Collection Somzee p. 9; Meisterwerke S. 425. Unsere Figur mit den
eben genannten zu vergleichen ist für die Entwicklung der Standfigur im fünften
Jahrhundert außerordentlich lehrreich. Unter den übrigen römischen Bronzen
nimmt unsere Statuette durch Arbeit und Stiltreue, durch die in der ganzen
Figur konsequent durchgeführte, durch keine fremden Elemente getrübte Formen-
gebung eine hervorragende Stellung ein. Die Sorgfalt der Arbeit verrät sich
auch in einem bezeichnenden, rein technischen Merkmale, in den mit Silber ein-
gelegten Brustwarzen. Mit dem Niedergange der Bronzetechnik, der schon zu
Neros Zeiten eintritt, werden Augen und Brustwarzen auch mitgegossen 4). Die
Herstellung der Statuette des Nationalmuseums darf sonach in die frühe Kaiser-
zeit und nach Italien verlegt werden. Die provinzialen Bronzen haben ein ganz
anderes Aussehen.
Wer ist nun der Jüngling, der hier mit noch etwas knabenhaftem Gesichte,
allein mit voll entwickeltem Körper vor uns steht?5) Für die Beantwortung
dieser Frage ist zunächst von der Beobachtung auszugehen, daß am Kopfe
über der Stirne die Ansätze von zwei kleinen Flügeln (in der Abbildung kaum
bemerkbar), zweifellos erhalten sind. Wir sind somit unzweideutig auf Hermes ge-
führt. An den echt polykletischen Hermesstatuen sind die Kopf- und Fußflügel als
Elemente, welche die Formenklarheit stören, immer streng vermieden worden.
So sehen wir den Hermes ganz flügellos in der Statue der Sammlung Lands-
downe (Furtvvängler, Meisterwerke 503 fr. Fig\ 91; Berlin, Beschreibung der Skulp-
turen 196), die mit unserer Bronze im ganzen Aufbau allernächste Verwandt-
schaft zeigt, nämlich ebenfalls im Körper noch rein argivischen "), im Kopfe
'1 Vgl. Kurtwängler, Collection Somze-e 47; A. auch bei der Liguriobronze wieder. Auch der völlige
Hekler, Römische weibliche Gewandstatuen 28; Mangel der Pubes ist beiden Werken gemeinsam.
Benndorf, Die Großbronzen des Mus. Naz. in Neapel, 6) Wenn ich diesen Ausdruck im Gegensätze
Jahreshefte 1901 S. 87. — Bei der Reiterstatue des zu „polykletisch" gebrauche, so meine ich damit
Caligula (Neapel) sind die Augen des Kaisers ein- selbstredend immer den Typus des Hageladas (Ligurio-
gesetzt, allein beim Pferde verwendete man nicht bronze). Daß ich den Gegensatz nur entwicklungs-
mehr solche Sorgfalt. geschichtlich und nicht stilistisch fasse, braucht kaum
°j Dieser Zug, die Vereinigung des voll ent- besonders bemerkt zu werden.
wickelten Körpers mit knabenhaftem Gesichte kehrt
Römische Bronzen aus Ungarn 239
dagegen polykletischen Stil. Bestätigt wird die Deutung aut Hermes durch die
Schildkröte, welche die Figur in der vorgestreckten rechten Hand hält, bekannt-
lich ein Lieblingstier des Gottes, mit dem er sehr oft dargestellt wurde7). Auch die
Deutung des im ersten Moment befremdenden Attributes in der gesenkten linken
Hand verursacht nach der überzeugenden Darlegung A. Furtwänglers (Bonn.
Jahrbücher, H. 103 S. 4 ff.) keine Schwierigkeit. An dem eingerollten unteren
Ende erkennt man sofort die Schriftrolle, die Furtwängler als ein für den Gott
Hermes -Thoth charakteristisches Attribut nachgewiesen hat. Thoth gilt bekannt-
lich in der ägyptischen Religion als der Erfinder alles Schriftwesens, aller Klug-
heit und Kunst und wurde dann im hellenistischen Alexandrien mit Hermes
identifiziert. In römischer Zeit, als die eindringenden ägyptischen Religions-
elemente überall einen so fruchtbaren Boden fanden, verbreitete sich der Kult
des Gottes Hermes-Thoth im ganzen römischen Reiche, auch in den entlegensten
Provinzen, wie die zahlreichen Hermes-Thoth - Darstellungen beweisen8). Das
Attribut der Schriftrolle blieb indes außerordentlich selten. Bisher war nur ein
einziges Beispiel bekannt: die Hermes-Thoth -Apollo-Bronze in Regensburg:
Bonner Jahrbücher H. 103 T. I. Es ist interessant zu beobachten, daß auch hier
ein Typus des 5. Jahrhunderts als Vorbild gedient hat.
Alle die übrigen Hermes-Thoth-Darstellungen zeigen den gewöhnlicheren
Typus mit der Feder auf dem Kopfe (vgl. Bonn. Jahrbücher H. 103 S. 7 ff.), von
welchem auch das ungarische Nationalmuseum drei Exemplare besitzt. Alle
sind nach demselben Vorbilde gearbeitet, wie die Statuetten: Bonner Jahrbücher
H. 103 S. 6 Fig. 4; Edgar, Greek Bronzes PI. I 27638 p. 3; Reinach, Antiquites
Nationales, Description raisonnee du Musee de Saint Germain en Laye n. 49
p. 67; The annual of the British School at Athens 1896/7 PI. X 3. Der Typus
wird wohl hellenistischen Ursprunges sein. Darauf weisen die Formgebung, der
erregte Ausdruck, die schlanken Proportionen und die Bewegtheit des Motivs hin.
Alle Figuren dieses Typus zeigen rechtes Stand- und linkes Spielbein, im linken
Arm das Kerykeion, in der vorgestreckten Rechten den gefüllten Beutel. Der
Kopf ist nach der Standbeinseite gewendet; in dem kurzen, emporstrebenden Haar
erscheint zwischen Flügelansätzen die gerade emporstehende Feder. Gewöhnlich ist
") Vgl. Röscher, Myth. Lexikon 2376 und 2417; S. 193; Löschcke, ebenda H. 107 S. 48; Foerster,
Sacken, Bronzen XI 3 ; Reinach, R£p. II 153,6; Jahrbuch 1904 S. 137; 1898 S. 177; 1901 Anz.
157,9; Arch.-epigr. Mitt. II 5 ; Journ. of hell. stud. S.200, 7; 1903 Anz S. 1 4S ; Bull, de corr. hell. XX VI
III pl. 22 p. 96. 231 Fig. 8; — Vgl. Hirt, Nachträgliches zur Buch-
%) Furtwängler, Bonner Jahrbücher, H. 103 T. I rolle in der Kunst, Jahrbuch 1908 S. 116.
S I IT.; II. 107 S. 37; H. IO8/9 S. 239; H. I 14/115
240
A. Hekler
der Gott mit der Chlamys bekleidet. An einem Exemplar des Nationalmuseums
sieht man neben dem rechten Fuße des Hermes -Thoth die Reste eines Tieres,
gewiß eines Widders; vgl. die ganz ähnliche Bronzestatuette aus Ruvo: Rom.
Mitt. 1889 (IV) T. XI (Heydemann)
und die Figur im Katalog der Samm-
lungen der antiquarischen Gesellschaft
in Zürich T. nach S. 12 n. 2857. Alle
diese Bronzen sind mehr gegenständ-
lich als kunstgeschichtlich von Belang,
insoferne sie die weite Verbreitung
einer jener hellenistisch -ägyptischen
Mischgottheiten bezeugen, die von Ale-
xandrien aus im römischen Reiche so
allgemeine Verehrung erlangten. Ich
erinnere nur an die Identifizierung der
Fortuna mit Isis und Nike, an die An-
gleichung des Hermes an Apollo und
Thoth, manchmal auch an den ägypti-
schen Gott Chnum9). In der schon öfter
erwähnten Regensburg-er Bronze ist
Hermes mit Apollo und Thoth identi-
fiziert1"). Noch komplizierter ist das
Wesen des Hermes Trismegistos, von
welchem wir auch eine statuarische
Darstellung besitzen: Exhibition ot
greek art, Burlington fine Arts Club
PI. UV, B41 a, B 41 b, p. 47.
Mit der Berührung apollinischen
Wesens gewinnen wir den Übergang
zu einer Bronzestatuette (Fig. 106), die,
in Veszpröm gefunden, im dortigen
Museum aufbewahrt wird11). Die Figur
, _ „ ,, , steht auf dem rechten Beine, das linke
106: Bronzestatuette im Museum zu Veszprem.
Bonner Jahrbücher H. 114/115 S. 1 04 Fig- 2- Herrn v. Mihalik, der den Zinkstock für Fig. 106 zur
''') Donner Jahrbücher H. 103 T. I. Verfügung stellte, sage ich wärmsten Dank. Vergl.
"j [ch kenne die Statuette nur aus Abbildungen. neuerdings Mut. es könyot. Krt. 10.08 S. 121.
Rümische Bronzen aus Ungarn 24 1
ist in Schrittstellung zurückgezogen. Der etwas seitwärts vorgestreckte rechte Arm
hält die flache Opferschale, der linke Arm ist gesenkt. Das Attribut, das die Hand
mit weit gespreizten Fingern hielt, ist verloren gegangen. Am Rücken hängt der
Köcher an einem schmalen, quer über die Brust verlaufenden Bande. Der im Ver-
hältnisse zum Körper auffallend kleine Kopf zeigt eine leichte Wendung nach
rechts. Die Haare sind über der Stirne zur Schleife gebunden. In der Mitte
gescheitelt fällt das reiche Gelock in sich ringelnden Haarwellen zu beiden
Seiten auf Schultern und Rücken herab. Für die Deutung der Statue gibt der
Köcher sicheren Aufschluß: es kann nur Apollon gemeint sein. Dazu stimmt die
flache Opferschale, ein auch sonst oft verwendetes Attribut für den jugendlichen
Gott12). Viel schwieriger ist die Ergänzung des Attributes in der linken Hand. Man
würde zunächst neben dem Köcher an einen Pfeil denken; allein abgesehen davon,
daß dieses Attribut zu der Handlung der Libation nicht paßt, ist es auch nach
der Haltung der Finger der geöffneten Hand ausgeschlossen. Ebenso unpassend ist
die Handhaltung für eine der Situation an sich entsprechendere Tänie. Näher läge,
einen Lorbeerzweig in die linke Hand zu ergänzen, der nach seiner Dimension die
gespreizte Lage der Finger besser erklären und außerdem zur Handlung der Libation
vortrefflich passen würde 13). Doch auch diese Ergänzung ist nicht befriedigend.
Die gespreizte, weit geöffnete Hand muß einen größeren, rundlicheren Gegenstand
gehalten haben. Den richtigen Weg weist eine Bronze mit dem Attribute des
Delphins (Exhibition of greek art, Burlington fine arts Club PL LIV, B 41 b14), die
im ganzen Motive, besonders aber in der Haltung des linken Armes unserer Statuette
so nahe verwandt ist, daß ich auch für diese die Ergänzung eines Delphins als
apollinischen Attributes15) in der linken Hand vorschlagen möchte.
Sowohl der oben erwähnte Hermes Trismegistos wie der Apoll aus Veszprem
gehen auf ein hellenistisches Original zurück. Während indes der Hermes an
Älteres anknüpft und in der breiteren Anlage, in den Körperformen noch
manches von polykletischer Formenbehandlung bewahrt hat und ein echt poly-
kletisches Motiv weiterführt16), schließt sich unsere Statuette mit ihren schlanken
Proportionen, dem auffallend kleinen Kopf und den weichfettigen Körperformen
mehr an echt hellenistische Schöpfungen an.
Budapest, April 1908. ANTON HEKLER
12) Vgl. Furtwängler, Samml. Sabouroff S. 3 zu 13) Babelon, Cat. des Bronzes n. 105. 110.
T. VIII— XI; Bonner Jahrb. H. 90 S. 50 und A. 3; ,4) S. Bonner Jahrbücher H. 114 S. 199-
Athen. Mitt. 1881 S. 116; Overbeck, Apollon Münzt. 15) Röscher, Lex. I 444; Preller, Myth. I 201, I.
3. 53. 54! 5, 33, 42 u.a. 16) Furtwängler, Masterpicces 279 Fig.lqi PI XIII.
Jahreshefte des österr arch'äol. Institutes Hd. XI. 31
242
Studien zur kretisch-mykenischen Kunst.
I. Einem feinsinnigen Beobachter wie Brunn J) fiel es gelegentlich der Be-
handlung der Becher von Vaphio2) auf, daß sie durch ihre Komposition als Gegen-
stücke aufzufassen sind; lebhafteste Bewegung sei als eine Art Stimmungsbild
behaglicher Ruhe gegenübergestellt. Diesen Ideengang führte A. Riegl in seinem
nachgelassenen Aufsatze über die kunsthistorische Stellung der Becher von Vaphio3)
weiter. Wir dürfen uns aber durch die anziehende Art dieses glänzenden Essays
nicht bestimmen lassen, die darin behandelten Fragen für erledigt anzusehen.
Ganze Kunstepochen können nicht auf Grund einzelner Stichproben, und seien
sie noch so glücklich gewählt, erschöpfend und zuverlässig beurteilt werden. So
ist zunächst der Kreis der Beobachtungen zu erweitern. Die folgenden Aus-
führungen wollen die Giltigkeit der von Riegl aus den Darstellungen der Becher
von Vaphio abgeleiteten Thesen für die kretisch-mykenische Kunst im allge-
meinen erproben: ihr Ergebnis dürfte diese zu bestätigen geeignet sein.
Das Reliefbild auf dem Gefäße von Haghia Triada4) (Fig. 107) ist analog
dem Schmucke der Becher von Vaphio eine Streifenkomposition. Beispiele für
deren Kompositionstypus sind aus der Kunst des alten Orients geläufig. In unserem
Falle erscheint die vorherrschende Längendimension dadurch gegenständlich aus-
genützt, daß der Künstler die Darstellung eines aus einzelnen, deutlich unter-
scheidbaren Gruppen zusammengesetzten Zuges gibt. Die einfache Reihung wird
durch die Gliederung innerhalb der Gesamtbewegung aufgehoben. Man könnte
sagen, daß die Streifenanordnung in diesem Falle zum künstlerischen Probleme
wurde. Dazu kommt, daß durch die paarweise Anordnung der Männer das
Empfinden für die Tiefenbewegung angeregt wird, ohne dabei in die für die
ägyptischen Darstellungen charakteristische Konturverdoppelung5) zu verfallen.
An der Spitze des Zuges schreitet der Anführer; ihm folgen vier Paare von
Männern; der Anführer ist durch Rüstung und einen über der rechten Schulter
getragenen, lanzenförmigen Gegenstand gekennzeichnet, während seine Mannen
') II. Brunn, Griechische Kunstgeschichte I 49. und Deutung des Reliefbildes ohne Einfluß sind,
2) 'Ec(>T)|1h ■/.(./_. 1889 Taf. 9; Tsountas 130fr gehe ich liier auf diese nicht ein (vgl. Zahn, Anh.
[ihreshefte IX 1 II. Anz. 1904 S. 76; Harrison, Journ. of hell. stud. X X I V
umenti antichi dei Lincci XIII tav. I. 249; Burrows, The discoveries in Cretc 3; fT.).
II. III, Savignoni 77 fl. Da für die Beurteilung der :') Vgl. z. B. Perrot et Chipiez, Histoire de Pari
Komposition die Streitfragen betreffs der Erklärung I 746 fig. 503.
A. Reichel, Studien zur kretisch-mykenischen Kunst
243
langschaftige Geräte auf der linken Schulter tragen, den rechten, im Ellbogen
stark geknickten Arm aber bei festgeschlossener Faust gehoben und etwas zurück-
genommen zeigen. Die Körper der Leute zeigen die ägyptische Darstellungs-
konvention e); überall aber kommt eine Freude an der- Bewegung zum Durch-
bruche, die, der ägyptischen Kunst durchaus fremd, mit so einfachen Mitteln wohl
kaum überboten werden kann. Die ausschreitenden Beine der Männer sind
so hoch gehoben, daß die Oberschenkel in eine Horizontale gebracht sind,
während das Standbein etwas zurückgesetzt scheint. Das gehobene Bein hin-
wiederum ist im Kniegelenk rechtwinklig geknickt. Der Moment äußerster An-
spannung scheint wiedergegeben; ja noch etwas mehr: es ist Steigerung über die
Natur hinaus. Auf die vier paarweise einherschreitenden Männer scheint zunächst
eine geschlossene Gruppe zu folgen: ein Mann und drei Frauen in einer Reihe
marschierend, vor ihnen ein unbewaffneter Anführer. Sieht man genauer zu, so
zeigt sich, daß der Führer, der ein Sistrum 7) trägt, sowie die ihm folgenden
Frauen mit geöffnetem Munde wie singend dargestellt sind — man wird in
dieser Gruppe eine Art Musikbande zu erkennen geneigt sein — , daß hin-
e) Kopf und Beine im Profil, der Oberkörper von vorne gesehen. ') Savignoni a. a. O.
3i*
244 A. Reichel
gegen die vierte, männliche, Figur etwas abseits steht, und sowohl durch ihre
Ausrüstung als auch dadurch, daß sie nicht singend gegeben ist, als nicht zuge-
hörig gekennzeichnet ist: sie wird vielmehr als Anführer der folgenden sechs
Paare auch gleichartig ausgerüsteter Männer gedeutet werden müssen. Dieses
räumliche Ineinanderschieben der einzelnen Gruppen sei nachdrücklichst hervor-
gehoben. Die Komposition erhebt sich dadurch über die Reihendarstellungen
des Orients8); denn dadurch, daß das erste Glied des einen Zuges das letzte
Glied des andern Zuges - der überdies schon eine Tiefenbewegung von drei
Figuren aufweist — überschneidet, erweckt der Künstler im Beschauer die Vor-
stellung von Raumtiefe. Die nun folgenden sechs Paare entsprechen den ersten
vier; herrschte aber in diesen Ordnung, so ist der letzte Zug lebhaft bewegt: ein
Mann war gestürzt. Dieses Ereignis spiegelt sich in den Gesten und Bewegungen
der Nebenstehenden und offenbart sich in seiner Wirkung, indem es der Künstler
durch die Erregung der Umgebung- zu illustrieren sucht; wie lebenswahr und
individuell ist der rufend Zurückblickende, wie sicher der ganze Vorfall beobachtet,
das Charakteristische festgehalten! Wir suchen vergebens in der älteren orientali-
schen Kunst nach einem Seitenstücke. Dabei ist die Einheit der Komposition
durchaus gewahrt; der gleiche stramme, militärische Rhythmus einigt die viel-
fältigen persönlichen Regungen und macht mit der über das Maß der Wirklich-
keit hinaus gesteigerten Bewegung den Eindruck des hastigen Vorbeieilens der
ganzen Gesellschaft. Man fühlt sich an die oft genannten Verse Homers erinnert,
die vom rhythmischen Stampfen zum Gesänge Kunde geben9).
Wie sehr diese Individualisierung als etwas wesentlich Neues in Anspruch ge-
nommen werden darf, geht deutlich aus einem kurzen Ausblick auf die Schöpfun-
gen Ägyptens und des Orients hervor. Die Darstellung einer Opferszene auf einem
ägyptischen Grabgemälde zeigt drei musizierende Mädchen10); die in ihrer
Linienführung feine Zeichnung veranschaulicht nichts als den manuellen Vor-
gang des Musizierens; jede innere Anteilnahme der Mädchen bleibt unausge-
drückt. Dasselbe gilt von der Darstellung eines Harfners aus dem Grabe
Ramses III.11) und der Lautenschlägerin aus Abd-el Kurna12). Die Hammurabi-
Stele 13) zeigt ein ähnliches Verhältnis. Regt sich in diesem Stücke auch etwas
mehr individuelles Leben, so wird man doch mit Rücksicht auf die Be-
deutung des dargestellten Vorganges über die konventionelle Geste enttäuscht
") Riegl a.a.O. S. 4 u. 5. ") Ebenda S. 733 Fig. 526.
- 567— 572- Vgl. auch W. Reichel, Homeri- ,2) Ebenda S. 731 Fig. 524.
sehe Waffen2 155 ff- u. Savignoni a.a.O. 13) Delegation en Perse, Mcmoires publies par
l0) Perrot et Chipiez I (Pietschmann) t. XII. M. J. de Morgan IV p. 3.
Studien zur kretisch-raykenischen Kunst
2-45
sein. Die Darstellung gibt eben nicht mehr und nicht weniger als den äußer-
lichen Vorgang. Im kretischen Relief wird der Rhythmus der Bewegung zum
einigenden Motiv. Der „Gesang" sowohl als auch der „Sturz" werden in
ihrer Wirkung erfaßt. Das Interesse und die Begabung der kretischen Künstler
scheint im Gegensatze zum Orientalen auf die Wiedergabe der Teilnahme an
den im Bilde gegebenen Vorgängen, wie sie sich in den dargestellten Figuren
selbst wiederspiegelt, gerichtet zu sein. Die Formschönheit und -Richtigkeit
tritt dabei in den Hintergrund. Daß gelegentlich auch eine formelle Voll-
endung erreicht werden kann, die
weit über das Maß dessen hinaus-
geht, was die Kunst dieser Epoche
im Durchschnitte zu bieten ver-
mochte, zeigen vor allem die Dar-
stellungen der Becher von Vaphio,
die auch zeitlich später anzusetzen
sind als das Gefäß von Haghia
Triada. Auch hier liegt die Dar-
stellung eines „inneren Vorganges"
vor und A. Körtes u) Deutung des
zweiten Bechers entspricht durch-
aus dieser Auffassung, wenn auch
die Erklärung des Stieres zur Linken
Bedenken erregen mag.
Das prinzipiell Neue der kretisch-mykenischen Kunstauffassung kommt aber,
wie mir scheint, am deutlichsten in einer Gegenüberstellung des Bildes der
lauernden Katze aus Haghia Triada15) (Fig. 108) mit dem Bilde einer Wildkatze
aus Beni-Hassan 1K) (Fig. 109) zum Ausdruck. Das kretische Gemälde gibt die Dar-
stellung eines Vogels im Gebüsche, zu dem eine Katze mit lauerndem Blicke
heranschleicht. Die primitive Darstellung würde durch die Formen an sich kaum
ein besonderes Interesse erregen können und doch gehört sie zum Fesselndsten
der kretischen Kunst. Es interessiert eben nicht die Katze als solche, sondern
die Katze in einem bestimmten Zustande, der so gewählt ist, daß das Typische
außerordentlich zum Ausdrucke kommt. Ich stehe nicht an, die ägyptische Dar-
ios: Gemälde aus Haghia Triada.
") Jahreshefte IX 294. - C. Keller will (vgl.
Lehmann, Klio III 332) Szenen der .Haustierwerdung'
erkennen.
15) Mon. ant. d. Lincei XIII tav. VIII.
'" W. Spiegelberg, Geschichte der ägyptischen
Kunst U9°3) S. 3 Abb. 32.
246
A. Reichel
Stellung formell bedeutend höher einzuschätzen; und doch: wie langweilig wirkt
dieses Bild gegen das kretische; wie vorzüglich ist hier der lauernde Blick, das laut-
lose Schleichen charakterisiert! - - Das Erreichen des gewünschten Ausdruckes
wird aber auch mit dem Verzicht auf Richtigkeit der Form angestrebt. Könnte
es ein Künstler sonst wohl wagen, eine breit angelegte Szene so in den Rahmen
eines kleinen Bildes zu fassen wie das kretische Gemälde, das Gruppen von
tanzenden Frauen zeigt?17) An den Terrassen hinan eine dichtgedrängte Menschen-
menge, Männer und Frauen durch die primitivsten Mittel unterschieden; und
doch, wie eindringlich
wirken die emporge-
streckten, ja fast sche-
matisch gezeichneten
Hände, mit denen die
Zuseher ihren Beifall
zum Ausdruck bringen.
Diese Vorliebe der
kretischen Künstler für
innere Motive zieht
sich durch alle Darstel-
lungen dieser Kunst-
epoche. Die Darstellung
zweier Jünglinge aut
109: Wandgemälde aus Beni-Hassan. einem knossischen Stea-
titgefäße ls), die feierlich einherschreitend mit beiden vorgestreckten Armen
eine Schale tragen, und das inhaltlich nah verwandte Gemälde eines Vasen
tragenden Jünglings aus der langen Galerie19) sind beide interessant durch die
Art der Wiedergabe des Tragens. Der Akt des Tragens ist bestimmend für
das Bewegungsmotiv der ganzen Figur: die Stellung der Beine, der leicht
zurückgebeugte Rumpf, der Kopf, der auf einem überkräftigen Nacken sitzt,
alles ist durch die eine Handlung bedingt. Dieselbe ideelle Einheit ist in
der Darstellung eines Faustkämpfers auf einem Steatitgefäße20) erreicht und
findet sich überhaupt in mehr oder weniger auffälliger Weise auf allen Werken;
17) Unpubliziertes Gemälde aus Knossos. Museum IX 129.
von Candia. Aus Bruchstücken von Gillid-ron zu- 19) Die „Woche" n. 28 S. 1240; jetzt farbig bei
sammengefügt. Vgl. Jahreshefte X 64. Lagrange, La Crete ancienne (1908) Taf. I.
w) Annual of the british school at Athens 2") Annual VII 95.
Studien zur kretisch-mykenischen Kunst 247
allerdings darf die persönliche Begabung- des Verfertigers nicht außer acht ge-
lassen werden. Wie tief aber diese Naturauffassung in der Kunst dieser Epoche
wurzelte, läßt sich vielleicht gerade darin erkennen, daß sie auch auf handwerks-
mäßigen Arbeiten, wie es die Bilder auf dem Lampenständer aus Phylakopi in
Melos21) sind, überzeugend zum Durchbruche kommt.
Eine Streifenkomposition zeigen die mykenischen Dolchklingen22) und auch
hier erfolgt der Zusammenschluß der Komposition zur Bildeinheit durch innere,
nicht formelle Motive. Man sieht einerseits Vögel von Raubtieren verfolgt und
erreicht, anderseits die Wirkung dieses Vorganges auf die übrigen Tiere; ähnlich
verhält es sich bei der Darstellung des Überfalles von Löwen aut Gazellen. Das
Geschick des Künstlers, die Fläche auszunützen und trotzdem die innere Einheit
zu wahren, ist ganz erstaunlich. Wenn der Künstler veranschaulicht, wie im Kampfe
zwischen Bewaffneten und Löwen der verwundete Löwe seine Angreifer wütend
überrennt, der vorderste der Bewaffneten bereits niedergeschlagen am Boden
liegt, die anderen mit Schutz- und Trutzwaffen in Hast den gereizten Löwen, der
vor Unmut mit seinem Schwänze in der Luft Kreise schlägt, zu überwältigen
suchen, wenn er zeigt, wie die übrigen Löwen, solcher Tollkühnheit nicht ge-
wachsen, in gestrecktem Laufe die Flucht ergreifen, wobei der eine noch
wie geängstigt zurückblickt: so muß zugestanden werden, daß es psychologische
Motive sind, die die Komposition bedingen. Formell ist die Komposition so
angeordnet, daß den breitesten Teil des Streifens die Gruppe einnimmt, die den
Höhepunkt der Handlung bezeichnet, während die Wirkungen des Geschehnisses
in den entfernteren Partien der Darstellung, dem geringeren zur Verfügung
stehenden Raum entsprechend, ausklingen: eine Art der Darstellung, die in der
griechischen Giebelkomposition so vollendet zur Durchbildung kommen sollte.
Selbst an einem ornamental gedachten Werke, wie es das reliefverzierte Holz-
plättchen aus der ägyptischen Abteilung der königlichen Museen in Berlin23) ist,
kann man verfolgen, wie die einzelnen Gestalten gedanklich in Beziehung ge-
bracht sind. Dem zum Sprunge niedergekauerten Löwen steht ein Paar scheu
umblickender Antilopen, dem schleichenden Greifen ein fliehender Steinbock
gegenüber. Der Künstler geht über die formelle Komposition - die Gliederung-
des Runds durch Terrainformen — hinaus und schafft ein ideelles Gleich-
21) Excavations at Phylakopi in Melos. Suppl. vgl. A. Furtwängler, Antike Gemmen III 21.
d. Journ. of hell. stud. (1904) pl. XXII, dazu C. '") Puchstein, Archäolog. Anzeiger 1 89 1 S. 41 j
C. Edgar; auch Abb. S. 124 Fig. 95. v. Bissing, Ath. Mitt. XXIII 259.
M) Bull, de corr. hell. 1886 pl. I — III p. 34] IV.,
248 A. Reichel
gewicht durch die abwechselnde Gegenüberstellung von Repräsentanten der
Kraft und der Feigheit.
Lehrten also die angeführten Bildwerke, daß die Kompositionen nicht aus
rein formellen Überlegungen aufgebaut wurden, daß Situationen und Kontraste
gedanklicher Art wiedergegeben sind, daß nicht die Einzelform zum Gegenstande
des Studiums gemacht wurde, sondern das Zusammenwirken der einzelnen Teile
zu einem Gesamtbilde, so muß man einräumen, daß diese Werke Lösungen neuer
künstlerischer Aufgaben bedeuten, die innerhalb des Kreises orientalischer Kunst-
übung bis jetzt noch nicht wahrgenommen werden konnten und die im wesent-
lichen erst der griechischen Kunst zugeschrieben werden, aber den Anfängen
des festländischen griechischen Kunstschaffens,' der archaischen Zeit, noch voll-
ständig fremd sind24). Das innere Erfassen des Wesens, das Erheben einer Mehr-
heit zu einer höheren Einheit auf Grund psychologischer Motive und die aus
solchen Motiven entspringenden Kontrastwirkungen, das ist das ureigenste Gut
der Träger der kretischen Kultur; die Form als solche tritt zurück und dient
dem einen Zwecke — dem Ausdruck.
Die einzige ausführliche literarische Überlieferung über ein Kunstwerk, das
in diese Zeit zurückreicht, Homers Beschreibung des Schildes des Achilleus
im XVIII. Gesänge der Ilias, gestattet darüber Aufklärung, wie wohl ein vor-
nehmes Kunstwerk, das die Phantasie des Dichters vom Gotte selbst verfertigt
sein läßt, dem glänzendsten Helden zur Zier, geschmückt gewesen sein mag.
Es scheint am Platze, die Behauptung zurückzuweisen, daß man der kretisch-
mykenischen Kunst die Fähigkeit zu einer Komposition, wie die des Schildes des
Achilleus nicht zuschreiben dürfe25). Gerade die kretischen Funde haben vor allem
gelehrt, daß die Künstler vor keiner Aufgabe zurückschreckten. Die Darstellungen
des Achilleischen Schildes deshalb für unmöglich zu halten, weil sie uns bis vor
kurzem unmöglich schienen, ist um so weniger wissenschaftlich erlaubt, als W.
Reichel genügende Stellen aus der Dichtung anführte, die mykenische Dar-
stellungen illustrieren2'1). Es wird vielmehr besonders wichtig erscheinen, daß wir
in der Homerischen Beschreibung eines Kunstwerkes noch werden Züge wahr-
nehmen können, die das „innere Erfassen" der Natur sehr auffällig erkennen
lassen. „Der Grundgedanke, der der Erfindung zugrunde liegt," — sagt Robert
a. a. O. S. 15 in Anlehnung an Brunn von der Beschreibung des Schildes -
„ist ebenso einfach wie großartig. Hephaistos stellt auf dem Schilde dar die
2') Vgl. die Darstellungen der geometrischen 25) Carl Robert, Studien zur Ilias S. 17. Anm.
Vasen, die im Gegenständlichen völlig aufgehen. ' W, Reichel a.a.O. S. 146.
Studien zur kretisch-mykenischen Kunst 249
ganze Welt mit dem was darin ist, das Große wie das Kleine, Erde, Meer und
Himmel und das Leben der Menschen in der Stadt und auf dem Lande" - - das
ist doch Geist vom dem Geiste, der aus den kretisch-mykenischen Kunstwerken
zu uns spricht! Dem Sinne dieser Kunstauffassung- entspricht auch die Gegen-
überstellung einer friedlichen und einer kriegerischen Stadt (2 400 ff und 509 ff.);
eine Kontrastwirkung auf Grund von Ruhe und Bewegung, von Beschaulichkeit
und äußerster Kraftanspannung; wer wird hier die auffallende Analogie mit den
beiden Bechern von Vaphio verkennen wollen? Die Darstellung der Jahreszeiten
(2 541, 550 und 561), die durch die Bilder des Pflügens, der Ernte und der Wein-
lese27) gegeben sind, bezeugen die Kraft, Typen zu erfassen und diese als Symbol
für das ganze hinzustellen; die Einzelbilder hören auf Genreszenen zu sein, in-
dem sie sich zu einer höheren Einheit verbinden, zum Symbole des Jahres, der
Zeit, der Vergänglichkeit. Zusammengefaßt wird die ganze Komposition durch
das Band des Stromes Okeanos (2 606).
Daß freilich die Beschreibung des Schildes geradezu auf Autopsie beruhe28),
ist zweifelhaft, für unsere Frage auch durchaus belanglos. Das Wesentliche ist
wohl, daß Kompositionen, wie sie vom Dichter beschrieben werden, künstlerische
Eigenheiten verraten, die wir nach den erhaltenen Denkmälern gerade der
kretisch-mykenischen Kunst epoche zuerkennen müssen. — Es waren also un-
zweifelhaft Kunstwerke, die in der kretisch-mykenischen Kunst wurzelten, vor-
handen oder doch in der Phantasie noch lebendig, als von einem späteren
Dichter jener Prunkschild beschrieben wurde211). Gerade der Umstand, daß er
solch glänzendes Werk für den ersten Helden und vom Gotte selbst her-
gestellt sein läßt, möchte die Annahme rechtfertigen, daß es dem Dichter in der
Zeit, in der er selber schuf, fast unmöglich schien, daß von Menschenhand ähn-
liches geschaffen werden konnte; dies deutet bereits auf eine spätere Zeit des
Verfalles. Die ganze Schildbeschreibung aber lediglich als Erfindung des Dichters
hinzustellen, scheint unerlaubt.
II. Seit dem Bekanntwerden der Becher von Vaphio wurde manches für und
wider zur Erklärung der „Terrainformen" gesprochen und A. Riegl versuchte
in dem erwähnten Aufsatz (Jahreshefte IX 10) ohne hinlängliche Gründe diese
Formen wenigstens zum Teil als Wolken zu deuten. Die analogen Formen auf
2;) H. Brunn, Griech. Kunstgesch. I 74 ff.; •') Vgl. U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Die
Robert a.a.O. S. 15 Anm. 1. griechische Literatur des Altertums II.
M) "W. Reichel a. a. O. S. 15 b.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI. J2
25°
A. Reiche!
den mykenischen Dolchklingen, besonders aber die mit diesen verwandten
Gebilde auf kretischen Gemälden30), lassen die Deutung als Terrainformen ge-
sichert erscheinen31), so daß der Gedanke an einen primitiven horror vacui hin-
fällig wird. Eine Vergleichung mit analogen Formen auf Gemmen bestätigt
diese Annahme vollauf.
Es lassen sich deutlich zwei voneinander vollständig verschiedene Typen
der Terrainformen unterscheiden:
Der erste Typus ist gekennzeichnet durch eine knorrig-zackige Formen-
gebung. Er findet sich
am charakteristischesten
auf den Bechern von
Vaphio und einigen
Gemmen32) und ist zu-
meist in plastischer Tech-
nik ausgeführt.
Der zweite Typus
unterscheidet sich vom
ersten durch seine eigen-
tümliche konzentrische
Anordnung des Kon-
turs der unregelmäßi-
gen, meist in maleri-
scher Technik ausge-
führten Formen. Als bezeichnendes Beispiel werden das Fresko aus Haghia
Triada und die Dolchklingen zu nennen sein. Doch findet sich diese Form auch
auf mykenischen Vasen33).
Der zweite Typus läßt wiederum zwei verschiedene Arten erkennen:
a) Konzentrische Formen ganz unregelmäßiger Gestalt34), die stets in male-
rischer Technik ausgeführt sind (Fig. 110).
b) Eine Art Bogenstellung, die auf den ersten Blick vielleicht am ehesten
:io: Wandgemälde aus Haghia Triada.
'■"') Mon. ant. d. Lincei XIII tav.VIH. IX.
3I) Fr. Winter, Arch. Anz. 1890 S. 103.
**) A. Furtwängler, Antike Gemmen Taf. II
3- 8; II 7 f.
2 I Furtwängler- I.öscheke, Mykenische Vasen
Taf. XXVI n. 194.
'; Bull, de corr. hell. 1886 t. III 6; Mon. ant.
(1. Lincei XIII tav. X ; E .xcavation at I'hvlakopi in
Melos pl. III. F.ine Reihe anderer Formen, die nicht
so deutlich ausgeprägt sind wie diese, werden sich
leicht auf diesen Typus zurückführen lassen, da zu-
meist die gegenständliche Bedeutung kaum einen
Zweifel übrig läßt, z. B. Annual of the British school
IV pl. m odei VIII pl, XVIII u.a.
Studien zur kretisch-mvkenischen Kunst
251
an einen romanischen Rundbogenfries erinnert35); er ist mit den Mitteln der
Plastik ausgeführt (Fig. 111).
Für die unter a) zusammengefaßten Formen, die durch die Farbe bedingt
zu sein scheinen, gelingt es nicht, innerhalb des Kulturkreises, der gemeinhin
bei stilistischen Untersuchungen der mykenischen Kunst in Betracht kommt,
eine nur annähernde Analogie zu finden 3(!), während die Bogenstellung des Typus
b) einen sicheren Hinweis auf die altbabylonische Kunst gibt37). Dazu kommt
noch, daß die Bekleidung der Frauen, wie sie sowohl auf Gemälden38) als
auch auf ge schnitte-
nen Steinen39) in Kre-
ta und auf dem Fest-
lande meist im Zu-
sammenhang mit reli-
giösen Szenen üblich
ist40) (Fig. 112), durch
ihre Verwandtschaft
mit babylonischen
Gewändern ihren öst-
35) Am besten Annual
IX pl. III.
36) Vgl. meinen Ver-
such: „Über Analogien eini-
ger ostasiatischer Ornamente
mit Formen der kretisch-
mykenischen Kunst" im Memnon I 54 ff.
37) Leon Heuzey beschreibt ein „Support entoure
de statuettes" (E. d. Sarzec, Dgcouvertes en Chaldee
pl. 21 n. 5), das eine dreifache Bogenstellung auf-
weist, die als Basis dient für hockende Gestalten.
„Autour de la base, plus elargee, regne un ornement
forme de trois rangs d'ecailles, ä 1' imitation d'une
souche de palmier." Zu entscheiden, ob diese Er-
klärung richtig ist, steht uns nicht zu. Die Ver-
wendung dieser Form als Ornament, das, wo es mir
bekannt ist, stets als Basis (Terrain oder dergleichen)
auftritt, ist mit der Herleitung der Form vom Palm-
stamme nicht begründet. Sicher ist die Analogie
der kretischen Fayence. Andere Analogien sind: Ein
„bas-relief perfore de 1' epoque archai'que", L. Heuzey,
Description de monuments 209 ; das Hammurabirelief,
M. I. de Morgan, Delegation en Perse. Tome IV
deuxieme serie pl. 3. Text p. 11 — 162. Das Motiv
1 1 1 : Reliet aus Knossos
dekorativ verwendet auf einer polychromen Schale
aus Knossos, Annual of the British school IX p. II I.
3S) Mon. ant. d. Lincei XIII (1903) tav. X. Fr.
Halbherr 59; Annual of the British school IX 77. —
Vgl. auch Fayencefigürchen aus Knossos, 'EtpTjü.. äpy_-
1888 Taf. 8 n. 5. Goldblech aus dem dritten Grabe
aus Mykenae.
39) J. A. Evans, Journ. of hell stud. XXI 175
fig. 51 und p. 177 flg. 53; Furtwängler, Ant. Gem-
men III 36.
40) Annual of the British school VII 29 fig. 9;
Furtwängler, Ant. Gemmen I Taf. II n. 90; Bd. II
S. 9 n. 20, Bd. I Taf. IV n. 3, Bd. II S. 25 n. 3;
vergl. A. Milchhöfer, Anfänge der Kunst in Griechen-
land 93 ff., der in der falschen Voraussetzung eines
nackten Oberkörpers die babylonischen Analogien
übersieht. Dagegen Studniczka, Beitr. z. Gesch. der
Tracht 30 f.
252
A. Reichel
liehen Ursprung vermuten läßt41) (Fig. 113). Demgegenüber wird die der
ersten Gruppe von Terrainformen zugrunde liegende Stilisierung infolge unserer
Kenntnis mykenischer Naturwiedergabe42) leicht als dieser Kunst eigentümlich
erkannt werden.
Im Anschluß an diese Beobachtung möchte ich noch einige Probleme der
kretischen Malerei erörtern. Auf einem kretischen Fresko (Mon. antichi dei Lincei XIII
tav. VIII und X) sind sowohl die Blätter als auch die Stengel mit derselben Farbe
ohne Innenzeichnung ausgeführt und wirken hauptsächlich dadurch, daß sie sich
dunkel von einem hellen Grunde abheben43). Andere reicher entwickelte Darstel-
lungen von Pflanzen44) zeigen zwar einen größeren Reichtum der Farbenskala,
doch ist auch hier die Farbe wesentlich darauf beschränkt,
ein deutlicheres Absetzen der einzelnen Teile zu mar-
kieren, als durch bloße Zeichnung möglich wäre; die
Wirkung der Darstellung ist hervorgerufen durch die
starke Silhouettenwirkung der durchaus dunkler gehal-
tenen Farbe der Pflanze gegen den hellen Grund. Dazu
kommt ein feiner Schwung der Linie und eine Sorgfalt
der Ausführung, die kein zufälliges Detail vernachlässigt.
Eine durchaus entsprechende Beobachtung kann man bei den Darstellungen von
Architektur machen45), denn die Künstler zeigen in diesen Gemälden entsprechend
den silhouettenartig dargestellten Pflanzen die absolut frontale Ansicht des Aufbaues.
Es fragt sich nun, ob die Farbe ausschließlich zur Kontrastwirkung verwendet wurde
oder ob ihr auch eine naturalistische Bedeutung zukam. Für letztere Annahme
möchte u. a. die Darstellung einer Volksversammlung sprechen, in welcher Männer
und Frauen ganz nach ägyptischer Art durch rote und weiße Farbe gekennzeichnet
sind. Ein wichtiges Kriterium in dieser Frage wird uns eine statistische Zusammen-
stellung der bedeutendsten farbigen Stücke gewähren. Auf 24 Darstellungen des
Geschnittener Stein
aus Kreta.
") Hammurabi-Stele, Delegation en Perse a. a. O.
Fragment eines Basreliefs aus Teil de la Citadella
ebenda I, Fouilles ä Suse en 1897 — 1898 et 1898
— 1899 ,av- '!'• Fragment eines Basreliefs des Königs
Naram-Sin, The Babylonian expedition of the Univer-
I Pennsylvania. Series A. Cuneiform Texts H.
V. Hilprecht. I Part I. pl. XXII. I-ragment einer
sitzenden männlichen Gestalt aus Telloh, E. d. Sarzec
pl. 22, vgl. auch L. Heuzey, Döscription des Monu-
ments 211. Votivtablette des Entcmena, Sarzec a.
a. O. pl. 5W1 n. 2. Die Stele des Königs Eunnadu,
ebenda pl. 3bis. Vgl. Lehmann, Klio IV 38 f.
42) Vgl. die Flußlandschaft auf der Dolchklinge
Bull, de corr. hell. 1886 pl. I.
43) Dazu die naturalistischen Malereien auf knos-
sischen Vasen, Duncan Mackenzie, Journ. of hell,
stud. XXIII (1903) p. 195 u. a.
M) Mon. ant. d. Lincei XIII tav. IX.
*'■>) Journ. of hell stud. XXI 193 pl. V; die
Rekonstruktion: Annual of the British school at
Athens X 42 und pl. II; Journ. of hell. stud. XXI
136 fig. 18; J. Durm, Über vormykenische und my-
kenischc Architckturformen, Jahreshefte X 41 ff.
Studien zur kretisch-mykenischen Kunst
253
Menschen, teils in ganzer Figur, teils in Fragmenten, wie ich sie aus der Lite-
ratur und nach meinen eigenen Notizen im Museum von Candia zusammen-
stellte, kommen 17 mit weißer oder heller Körperfarbe; eine Anzahl ist auch
sonst deutlich als Frauen charakterisiert. Eine Darstellung (Candia, Museum n. 44)
ist aber sicher als männlich anzusprechen. Es ist dies das große Gemälde eines
nackten, nur mit einem Schurze bekleideten „Häuptlings". Er trägt einen
mächtigen Haarputz und hellblauen
Federbusch. Sein Haar ist schwarz, sein
Lendenschurz rot und blau gestreift.
In neuerer Zeit war man auf Grund
der kretischen Frauenbilder geneigt, den
Gaukler auf dem Tirynther Stierbilde,
der von seinen Entdeckern als Mann ge-
deutet wurde, als weibliche Gestalt in
Anspruch zu nehmen46). Wiewohl dies
auch heute noch meine persönliche An-
sicht ist, muß doch betont werden, daß
angesichts des früher angeführten weißen
Männerbildes unser Urteil in dieser Frage
nicht zurückhaltend genug sein kann.
Der Glaube, daß die Stierspiele nur von
Mädchen geübt wurden, was diesen
Spielen einen etwas pikanten Reiz
gegeben hätte, der in den Rahmen
der ganzen Kultur recht wohl paßte,
ist sicher unhaltbar; umsomehr als in Knossos ein Gemälde zu Tage kam, mit
der Darstellung einer Szene aus diesen Spielen, in der drei Personen beteiligt
sind; von diesen sind zwei hellfarbig (von denen eine durch Angabe der Brust
sicher weiblich ist); die dritte zeigt roten Farbenton; also ein Mann. Oder
sollte hier eine Frau dunkel gemalt sein? Man könnte verleitet werden, an
die libyschen Frauen zu denken, die zur Erklärung des Gefäßes von Haghia
Triada herangezogen wurden. Kaum anzunehmen ist dies von den beiden „in
einer Art Hechtsprung" durch die Luft fliegenden Gestalten aus Orchomenos
(Bulle, Orchomenos Taf. XXVIII n. 8) die in ihrer Formengebung sicher männ-
lich sind. Auch das Kostüm kann uns keinen sicheren Anhalt geben, da die
46) A. Mosso, Escursioni nel Mediterraneo e gli scavi di Creta 184.
113
Hanimurabi-Stele.
254 A. Reichel
Gestalten auf den Bildern des Steinsarkophages aus H. Triada Trachten er-
kennen lassen, die von hellen und dunkeln Personen in gleicher Weise ge-
tragen werden47).
Unter den Darstellungen mit Menschen dunkler Körperfarbe, die ich genauer
studieren konnte, ist nur das Bild des Gefäß tragenden Jünglings durch die Formen-
gebung sicher als männlich zu bezeichnen; alle übrigen könnten sowohl ihren
Formen als auch ihrer Kleidung nach ebensogut als weiblich gelten. Wir können
es also nur als wahrscheinlich bezeichnen, daß wir hier bei Darstellungen von
Menschen mit heller und dunkler Körperfarbe berechtigt sind, durch hell und
dunkel Frau und Mann unterschieden zu betrachten; mehr nicht. Dies ist die
primitive Darstellungskonvention in Ägypten, die auch für das Bild der Volks-
versammlung gesichert ist48). Von einer naturalistischen Anwendung der Farbe
kann aber nicht die Rede sein, hell und dunkel werden nur gewählt, um die ge-
wollte Darstellung zu verdeutlichen.
Von sechs Bildern eines Stieres sind drei hell auf blauem Grunde (das Stierbild
aus Tiryns und zwei aus dem Museum von Candia), drei dunkel auf hellem Grunde
(Museum von Candia). Die Augenlider, Geschlechtsteile usw. sind mit roter
Farbe angegeben; das Hörn eines dunkeln Stieres ist blau. Die Stiere vom Tirynther
Bilde und vom großen Bilde aus Candia (Mus. n. 29) haben dunkelgelbe bis rot-
braune Innenzeichnung, die besonders beim Tirynther Bilde interessante Formen
annimmt4'1) und nicht einwandfrei naturalistisch bezeichnet werden kann. Des-
gleichen werden die blauen Hörner des einen Stieres kaum der Natur entsprechend
genannt werden können.
Auf dem Gemälde mit der lauernden Katze aus Haghia Triada erscheint der
Vogel mit dem schönen, roten Gefieder sehr realistisch in der Farbe; daneben
stehen aber Pflanzen, die in einem helleren und dunkleren Braunrot sich vom
") F. v. Duhn, Deutsche Rundschau 1903 S. 386; Flecken eingefaßt wird, während der mittlere Teil
Arch. f. Religionsw. VII 264 ff. freibleibt. Man denke sich einmal diese Randflecken
1 1 |ourn. of hell. stud. XXI pl. V. weg! — der Stier wird sogleich an Plastik ver-
l7) Auf die Bedeutung dieser Flecken hat bereits lieren. Liegt hier ein primitives Kunstmittel vor, mit
M. M.iyer (Myken. Beiträge I. Jahrbuch 1892 S. 72) dem der Künstler operierte, um seinem Bilde eine
hingewiesen. Angenommen, daß der Maler einen Wirkung zu geben, die er am Vorbilde instinktiv
fleckigen Stier malen wollte, was mir wohl sicher zu empfand, deren physikalische Ursachen und Dar-
sein scheint, ist es doch auffallend, daß diese Flecken Stellungsmöglichkeiten (Farben und Linienperspektive)
nicht willkürlich am Körper angebracht sind, etwa ihm aber noch unbekannt sein mußten? — Furt-
wie am gefleckten Stiere von Benihassan (Lepsius, wängler-Löschcke, Myken. Tongcf. Taf. XL1 n. 424
Denkmäler Ägyptens und Äthiopiens Abteil. II zeigt eine fragmentierte Darstellung eines Stieres, die
l'.l. 152 h), sondern gewissermaßen an den Kontur analoge Flecken aufweist,
gebunden scheinen, so daß der Stierkörper rings von
Studien zur kretisch-mykenischen Kunst 255
gelblichen Grunde abheben50); dann wiederum gibt ein knossischer Maler einen
äußerst fein gezeichneten Strauch (Museum von Candia) auf matt blauem Hinter-
grunde in naturalistischem Grün hingesetzt oder weiße Lilien mit deutlich gelben
Staubfäden und grünen Kelchblättern auf rotem Grunde51). Scheint das nicht
unmittelbar der Natur abgelauscht? Wenn wir Details, wie eine weiß-blau-rote um
die Hand geschlungene Binde, rote Bänder zur Befestigung der Kniepanzer, rote
Bänder im Haar, rote Lippen und rote Brustwarzen der Frauen sehen, oder wenn
die Leier in goldgelber, die Kleider der Frauen und Männer in bunten Farben
wiedergegeben sind, so ist es doch das Nächstliegende, an naturalistische Wieder-
gabe von Vorbildern zu denken; ein prächtiges Stück, wie das Fragment einer
Hand, die auf blauem Bande ein Goldgeschmeide trägt52), kann uns in dieser
Auffassung- nur bestärken. Trotzdem halte ich es für unzulässig, aus den Farben
unbedingt auf die Gleichfarbigkeit des betreffenden dargestellten Naturobjektes
zu schließen. Die bereits genannten Stücke, zu denen noch manch anderes (z. B.
ein kleines Fragment im Museum von Candia mit einer Darstellung von Gesträuch
in blauer und roter Farbe) kommt, sprechen dagegen und man wird deshalb
auch, so sehr einzelne Details auf dem Gemälde der Tempelfassade in Knossos
(z. B. die braunen Holzsäulen, der Kyanosfries, die hellen und dunkeln Ziegel)
sicher die naturalistische Farbe wiedergeben, nicht so weit gehen dürfen, die
Lokalfarben der drei Nischen (rot, blau, gelb) als naturalistische Wiedergabe eines
Tatbestandes aufzufassen.
Nur so weit wir den kretischen Maler kontrollieren können, dürfen wir ihm
glauben, wenn wir auch seine Farbenfreudigkeit als glänzenden Vorzug empfinden.
Das Wesentliche ist stets durch die Linienführung gegeben und es ist kein
technischer Zufall, daß die kretischen Malereien von einem dunkeln Kontur ein-
gefaßt erscheinen. Er ist das Primäre. Zur Linienführung tritt die Farbe als
Accidens hinzu; sie ist in breiten Tönen hingesetzt, gibt die Lokalfarbe, unter-
stützt wohl auch die Zeichnung durch die auf Grund ihrer Helligkeitsunterschiede
entstehenden Kontraste; eine selbständige Bedeutung fällt ihr nicht zu. — Dies
sind Eigentümlichkeiten des Stils, die, abgesehen von der Farbenfreudigkeit, der
ägyptischen Malerei zukommen53). Die Stärke der ägyptischen Kunst liegt, wenn
man von der monumentalen Rundplastik absieht, in der Zeichnung. Die Malerei
50) Blüten und Sträuclier auf dem Gemälde Mon. 52) Annual of the British school at Athens
ant. XIII, tav. IX aus Phaistos zeigen ähnliche X 29.
Farbengebung. i3) F. Halbherr, Mon. ant. d. Lincei XIII (io,i>3)
51) Bruchstück eines Fresko aus Knossos, Mu- p. 55 IT. ; vgl. Steindorff, Blütezeit des Pharaonen-
seuni von Candia n.Ji. reiches 101 Abb. 87.
256 A. Reicliel
ist der Zeichnung- gänzlich unterworfen und begnügt sich, die Farbe zur Ver-
lebendigung der Zeichnung innerhalb der durch die Konturierung geschaffenen
Flächen auszugießen54). Da nun in der kretischen Malerei sich ägyptische Motive
finden, so wird man bei der Ähnlichkeit der Technik nicht fehlgehen, wenn man
sie eben als von Ägypten übernommen betrachtet.
Wesentlich anders verhält es sich bei der Plastik. Aus Knossos ist uns
ein Fragment eines in bemaltem Stuck ausgeführten Reliefkopfes eines Stieres
erhalten55). Wir sehen hier den ernsten Versuch, die Naturform im plastischen
Materiale nachzuahmen, nicht freiplastisch; flächenhaft, in richtiger Erkenntnis
dessen, was wir Reliefstil nennen, sind die Formen wiedergegeben. Von solcher
Formauffassung scheint die ägyptische Weise durchaus verschieden. Vergleichen
wir z. B. das Bild des Amen-em-het56), das in En creux-Technik ausgeführt
ist; die dadurch entstandene scheinbare Modellierung hat mit der Körper-
form, der sie inhäriert, nichts zu tun; sie ist zufällig, der Technik, nicht der
Naturform des darzustellenden Körpers entsprungen. Die notwendige Innen-
zeichnung wird durch ganz schwach vertiefte Rillen im Steine angegeben. Man
wird dieses Stück mithin richtiger als Zeichnung, denn als Relief bezeichnen
müssen, wenn man unter Relief mehr als die bloße Technik verstehen will.
Aber auch die nicht in En creux-Technik ausgeführten Reliefs lassen Eigen-
tümlichkeiten erkennen, die uns geneigt machen, sie der Zeichnung näher zu
stellen, als dem, was gemeinhin unter Relief verstanden wird67). Wie verhält es
sich hier mit der Innenzeichnung? Bei der Darstellung einer mit weiten Ge-
wändern bekleideten Gestalt, deren Körperformen durch das Gewand hindurch
sichtbar werden, löst der ägyptische Künstler das Problem, indem er sowohl
die Körperform, als auch das Gewand in der ihm geläufigen Relieftechnik aus-
führt, ohne Rücksicht auf die sich daraus ergebenden Ungereimtheiten; die
feine Fältelung des Gewandes wird dann über die ganze Fläche durchgeführt58).
M) Auf Gemälden der ältesten Zeit finden sich Vorderasiatische Altertümer II Taf. 109), eine sitzende,
noch mehr Details der Innenzeichnung bei sonst mi' einem weiten Gewände bekleidete Gestalt dar-
völliger Flächcnhaftigkeit, z. B. J. Capart, Les debuts stellend. Relief vollständig flach; der Kontur nur durch
de l'art en Egypte 2 u. 3, Les oies de Meidoum. flaches Abheben des Steines erzielt.
— Später wird die Innenzeichnung immer mehr auf 58) Perrot et Chipiez I 789 fig. 5 19. Porträt der
das Notwendige beschränkt, z. B. Perrot et Chipiez Königin TU; oder Grabmalereien der Königin Nefret-
I pl. XII oder p. 731 fig. 524, Malerei aus Theben u. a. Ere und ihres Sohnes Amenophis I. (Ägyptische und
") Annual of the British school VI 52. vorderasiatische Altertümer I Taf. 24). Es ist die
Vgl. Ägyptische und Vorderasiatische Alter- Malerei, resp. Zeichentechnik tale quäle auf die Stein-
tümer aus den kgL Museen zu Berlin II Taf. 105. technik übertragen. Das Bild des Königs Seti I (Hirtlis
Denkstein des Amen-em-het (um 1500 v. Chr.) Formenschat/. 1904 n. 25) läßt dieselbe Technik er-
5") Vgl. Relief einer Grabwand (Ägyptische und kennen, nur ist es bemalt; die Farbe spielt aber die
Studien zur krelisch-mykenischen Kunst 257
Das ägyptische Relief ist also im wesentlichen Zeichnung511) und steht so
im auffallendsten Gegensatze zum knossischen. Dieses läßt, wie wir sahen, be-
wußte, wenn auch nur beiläufige Modellierung erkennen. Vergleicht man den
modellierten mit dem gemalten Stierkopfe in der Bildung des Auges, der Wieder-
gabe der Haut usw., so zeigt sich, daß Relief und Malerei recht verschiedene
Wege gingen. Ähnlich verhalten sich das knossische Fragment eines Vasen
tragenden Armes und das Gemälde des ein Gefäß tragenden Jünglings. Im be-
kannten Ziegen-Relief0) ist es uns am besten möglich, die ganze Komposition zu
überblicken; hier zeigen sich zwar alle die Schwächen der kretischen Zeich-
nung in der Führung des Konturs, aber auch ihre Stärke geht klar daraus
hervor; dazu gesellt sich eine feine Auffassung des Reliefmäßigen, die nie
aufdringlich, doch stets die plastische Formung ahnen läßt. — Ist es ein Zufall,
daß dieses Stück schon einmal unsere Aufmerksamkeit nach dem Osten lenkte?
Die schon früher genannte Hammurabi-Stele läßt einen Reliefstil erkennen,
der mit dem ägyptischen keinerlei Ähnlichkeit aufweist, vielmehr aus der Rund-
plastik hervorging61). Das durchmodellierte Relief hebt sich fast vollkörperlich
vom Hintergrunde ab; alle Innenzeichnungen und Details sind modelliert, nicht
nach Art des Zeichners eingeritzt. Es scheint also die Relieftechnik der kretischen
Kunst, wie die Terrainbehandlung und eine gewisse Verwandtschaft der Kostüme,
ebenfalls auf östliche Beeinflussung hinzuweisen. Konnte man jedem einzelnen
dieser Argumente nur mit größter Vorsicht folgen, so dürfte der Zusammenschluß
gegenständlicher, wie auch stilistischer Analogien doch mehr Gewähr bieten, um
eine bestimmter faßbare Beeinflussung der kretisch -mykenischen Kultur durch
die babylonische voraussetzen zu können. Für diese Annahme sprechen noch
andere Erwägungen. Auch der große Verbrauch von reinem Golde62) lenkt
unser Augenmerk nach dem Osten, denn ein Brief des Königs Burraburiasch63)
von Babylon an den König Amenophis IV. von Ägypten läßt uns ohne Zweifel
Babylon als das goldliefernde Land erkennen H).
Rolle, die sie bei den entsprechenden bemalten Zeich- wie sie die Statue eines altsumerischen Würdenträgers
nungen inne hatte; sie ist Lokalfarbe. im britischen Museum (C. Bezold. Ninive und Ba-
59) Dies gilt für die späteren Reliefs (z. B. der bylon 25 Fig. 19) zeigt, begegnen uns wieder auf
Königin Kleopatra: Hirth's Formenschatz 189g n. 37), einem Relief aus der dem Könige Our-Nina folgenden
die ausgesprochene Relieftechnik zeigen, nicht. Epoche (vgl Sarzec, Decouvertes en Chaldee pl. I;
60) Annual of the British school IX pl. III. Ein L. Heuzey 196).
zweites ähnliches und ein Fragment eines dritten 62) A. Milchhöfer, Anfänge der Kunst in Grie-
notierte ich im Museum von Candia. Beide zeigen chenland 27.
nicht die eigentümliche Terrainform. 63) H. v. Fiitze, Strena Helbigiana 78.
61) Die Gestalten des Reliefs geben durchaus For- M) Vgl. Verzeichnis der vorderasiatischen Alter-
men babylonischer Freiplastik. Typische Gesichtszüge, tümer d. kgl. Museen in Berlin iSSg S. 105. Auf-
Jalireshefte Jos österr archäol. Institutes HJ. XI. »5
258 A. Reichel, Studien zur kretisch-mykenischen Kunst
Wir versuchten früher zu zeigen, daß durch die Übernahme der ägyptischen
Maltechnik Bestandteile der ägyptischen Formensprache in die kretische
Kunstweise aufgenommen wurden; in ähnlicher Weise werden auch die baby-
lonischen Formen ihren Weg nach Kreta getunden haben65). Die Abhängigkeit der
kretischen Malerei von der ägyptischen vermittelte uns das Verständnis für das
Wesen der Zeichnung; der babylonische Reliefstil führt uns ungezwungen zur
Plastik. Monumentale Rundplastik ist in Kreta unbekannt 6l!) ; doch geben uns
Elfenbeinstatuettchen von der Vollendung der Kleinplastik Kunde.
Man darf also annehmen, daß in Kreta eine Kreuzung157) von äußeren Ein-
flüssen vorliegt, die sich in erster Linie auf die Technik der Kunstübung er-
streckte. Naturgemäß werden dabei fremdländische Formen mitgerissen, die an
der jeweiligen Technik stärker und länger haften bleiben und deren freie Um-
bildung und Vermischung untereinander Formen zeitigte, die ein durchaus eigen-
tümliches Gepräge zur Schau tragen. Wurde versucht, die fremdländischen Ein-
flüsse auf dem Umwege der Technik einerseits von Ägypten, anderseits von
Babylonien herzuleiten, so müssen wir angesichts der überraschend selbständigen
Verarbeitung so disparater Einflüsse auf eine ganz einzig- dastehende künst-
lerische Eigenbegabung der Bevölkerung schließen, die es verstand eine so
geschlossene künstlerische Kultur zu begründen r'8).
•
Wien, Jänner 1908. ANTON REICHEL
f.illend ist, daß Kreta hinter dem Goldreichtume des hc'ifer, Anfänge der Kunst in Griechenland 5. 43. 52
Festlandes zurücksteht. u. 127.
65) Diese Erscheinung ist auch sonst beobachtet, G9) Diese Scheidung bleibt immerhin auffällig;
z. B. Th. Wiegand, Die archaische Porös irchi- eine etwas genauere Kunde über die babylonische
tektur 232. Malerei könnte uns Aufschlüsse geben. Derzeit weisen
m) Vgl. dazu G. Karo, Arch. f. Religionsw. alle erhaltenen babylonischen Denkmäler auf eine
\ II J<>7 ff plastische Auffassung. Selbst die Schrift ist an plasti-
'"; E. Reisch, „Die mykenischc Fra^e", Ver- sches Material gebunden und fremde Staaten Ver-
handlungen d. 42. deutschen Philologen-Versammlung wenden es in ihrem diplomatischen Verkehie mit den
in Wien 18948.970". — Vgl. dazu A. Furtwängler, babylonischen Staaten (C. Niebuhr, Die Amarna-
Antike Gemmen III 29. Zur Erklärung der hoch- zeit). In Kontrast dazu steht die malerische Schrift
stehenden mykenischen Gravierkunst werden zwei der Ägypter (altägyptische Papyri usw.), während
Beeinflussungssphären zur Erklärung herangezogen: sich die Kreter einer Schrift bedienten, die gleich
eine rein technische Ägyptens und eine für die Pro- der babylonischen auf Tontäfelchen eingeritzt wurde.
v. 111.11/ der Milder maßgebende des Ostens. A. Milch- (Furtwängler, Ant. Gemmen 111 22).
259
Der Goldfund von Dälj.
Im Jahre 1906 kam die vorgeschichtliche Abteilung der Berliner Museen in
den Besitz einer Anzahl von goldenen Schmuckgegenständen, die angeblich von
einem Bauern in einem Weingarten an der Donau nahe dem Orte Dälj (Bezirk Osijek)
in Slawonien ausgegraben wurden '). Sie sollen sich bei einem menschlichen
Skelette befunden haben, auf dessen Brust eine zerbrochene eiserne Lanzenspitze
lag. Nach Angabe gehörten noch andere Gegenstände aus Eisen und Bronze zu
dem Funde, von denen ebenfalls eine
Anzahl erworben wurde -).
Die Gegenstände aus Gold sind
folgende :
i. Zwei gleichartige Zierstücke in
durchbrochener Arbeit3) (Fig. 1 14 a b).
Ein spitzbogenförmiger Teil, an
der Spitze mit einer Vertikalleiste
und zwischen den Bogenarmen in
114 ab: Zierstücke.
durchbrochener Arbeit mit einem
kreuz- oder radspeichenartigen Einsätze verziert, ist an den Bogenenden verbunden
mit einem winkelförmigen Stücke, so daß die Spitze desselben den einen Arm des
Kreuzes berührt. Dieses winkelförmige Stück ist an den freien Schenkelenden vier-
eckig erweitert und der Spitze des Winkels gegenüber bogenförmig ausgeschnitten.
Die viereckigen Erweiterungen zu beiden Seiten des Ausschnittes sind mit je
einer reliefartig aufgesetzten Scheibe, die durch vier eingetiefte Punkte gegliedert
ist, verziert. Dieses ganze, seinem Kontur nach hufeisenförmige, einseitig gegossene
Stück ist mit einem gleichartigen zweiten durch eine gewölbte, kurze Leiste, die
an dem bogenförmigen Ausschnitte der beiden Stücke angesetzt ist, zu dem ganzen
Zierstücke verbunden. Gr. Länge: 0-032"; gr. Breite: o-o24m; Gewicht: 37 und
36 Gramm.
') Für die Erlaubnis zur Publikation dieses
schönen Fundes habe ich Herrn Direktor Schuch-
hardt zu danken, dem ich ebenso wie Hubert Schmidt
für Rat und Beihilfe verpflichtet bin.
~) Ihre Zugehörigkeit zu dem Funde ist so wenig
gesichert, daß ich sie hier unberücksichtigt lassen
muß. Es sind: I. eine bronzene gewölbte Scheibe
mit vier paarweise verbundenen Füßen (Ivat. n.IVd
1420); 2. drei bronzene kahnförmige Beschläge (IVd
1407 — 1409); 3. eine bronzene Früh-La-Tene-Fibel
(IVd 1400); 4. eine kleine bronzene Röhre, auf der
einen Seite mit scheibenförmig erweitertem Rande
(IVd 1404).
3) Kat. n. IVd 1364 f.
2ÖO
M. Ebert
2. Tierförmige, goldplattierte Bronzeplatte4) (Fig. 115).
Sie stellt einen Vierfüßler dar, mit je einem Vorder- und einem Hinter-
beine. Das Maul des Tieres, aus dem die lange dünne Zunge vorragt, ist weit
geöffnet, die Ohren sind durch ein kurzes, aufrecht stehen des Ohr bezeichnet. Der
Hinterleib ist stark eingezogen mit langem dünnen Schwänze. Diese ungefähr
0*004 m dicke Bronzeplatte ist auf der einen Seite mit feinem Goldblech über-
zogen, das mit Ausnahme des Überzuges von Ohr, Schwanz und Zunge, die
besonders und zuerst plattiert sind, aus einem Stücke besteht. Das Goldblech ist
um die schmalen Ränder der Bronze-
platte herumgebogen und reicht zum
Teil noch bis in eine auf der Rückseite
längs der Ränder fortlaufende Vertiefung.
Schwanz und Zunge sind abgerundet
und beiderseits mit dünnem Goldbleche
bedeckt. Die Auflage ist auf der Vorder-
seite durch von oben eingetriebene Linien,
die in einer Entfernung von o-oi5m den
Rand begleiten - am Maul des Tieres,
da wo die Zähne sitzen würden, ist der
Rand gestrichelt — und durch Kreispunkte verziert. Auf dem Hinterteile sind drei
Kreispunkte so gegeneinander gestellt, daß die Punkte die Spitzen eines gleich-
seitigen Dreieckes bilden. Die Kreise sind durch Linien, die von der Außenseite des
einen Kreises nach der Innenseite des andern laufen, miteinander verbunden. Un-
gefähr auf der Brust des Tieres ist ein gleich orientiertes kleineres Tier von den-
selben Umrissen und mit einem Kreispunkt an Stelle des Auges in das Goldblech
getrieben. Auf der Rückseite der Bronzeplatte ist ungefähr unter dem Augen-
kreispunkte des Ornamenttieres der Rest eines Bronzestiftes und am Oberschenkel
eine Vertiefung, von einem zweiten Bronzestifte herrührend, bemerkbar.
Beschädigungen: Es fehlt ein Stück von dem untersten Teile des Schwanzes,
der wie bei dem Ornamenttiere nach oben umgebogen war. Auf dem Hinterteil
ist in dem Goldblech ein rundes Loch von ungefähr 0-005 m Durchmesser, unter
dem die dunkelgrüne Patina sichtbar wird. Auch ist das Goldblech an ver-
schiedenen Stellen des Randes beschädigt. Gr. Länge: 0-085'"; Sr- Breite: 0*058 "\
3. Offener bandförmiger Armring mit halbmondförmigen Enden5) (Fig. 116).
Der Armring besteht aus einem o-oi6m breiten Bande von dünnem Gold-
*) Kat. n. 1362. 5) Kat. n IVd 1363.
115: Goldplattierte Bronzeplatte.
Der Goldfunri von D&lj
2Ö1
bleche, welches in der Mitte durch eine herausgetriebene Mittelrippe von bogen-
förmigem Querschnitte geteilt wird und dessen Ränder rechtwinklig nach außen
umgebogen sind. Dieses Band erweitert sich an den beiden Enden nach einer
halbkreisförmigen Einziehung zu zwei halbmondartigen Ausläufern, die durch je
einen von innen nach außen herausgetriebenen Hohlbuckel verziert sind. Weitere
Ornamente sind von außen eingeschlagene Punktreihen, die an den Ansätzen der
Bandränder, an den Rändern der halbmondförmigen Erweiterungen, zu beiden
Seiten der Mittelrippe und um die Buckel, sowie flachbogenförmig auf der Mitte
der Halbmonde sich entlang ziehen, und schräge Striche auf der Schmalseite der
rechtwinklig umgebogenen Ränder.
Beschädigungen: Der Ring zeigt
an einer Stelle des Bandes Spuren einer
Einbiegung nach innen und an den ent-
sprechenden Randstellen kleine Risse.
Gr. Durchmesser: o'o63m; gr. Höhe:
0*025 m; Gewicht: 34 Gramm.
4. Ornamentierter dünner Gold-
blechstreifen 6) (Fig. 1 1 7).
Er besteht aus einem schmalen,
langen Bande aus dünnem Goldbleche, das in eine Ebene gelegt kreisbogenförmig
verläuft, doch ist die Bogenkrümmung unregelmäßig. Die Breite des Bandes
differiert und ist an den schräg abgeschnittenen und mit 2 — 3 Löchern versehenen
Enden am geringsten. Das
Band ist verziert mit heraus
gestanzten Ornamenten. In
der Mitte, ungefähr gleichweit
von den beiden Längsrändern entfernt, befinden sich 13, 0-03 — ooj™ voneinander
entfernte Buckel, die von Ringleisten eingefaßt sind. Die eine Längsseite und die
Schmalseiten werden gesäumt von einer doppelten Punktreihe. Auf der andern
Längsseite zeigen sich an fünf Stellen über dem 1., 4., 7. und 13. Buckel die Ab-
schnitte von drei nebeneinander gestellten Ornamentbuckeln, die von derselben Art
zu sein scheinen, wie die oben beschriebenen, und diese tangential berührend, auf
jeder Seite eine doppelte Punktreihe. An diesem Rande sind Spuren einer feinen,
dem Rand ungefähr parallel laufenden Linie, die von oben eingeritzt ist, sichtbar.
Beschädigungen: Ungefähr in der Mitte des Bandes «kleine Risse; einzelne
6) Kat. n. IV d 1366.
116: Armring.
117: Goldblechstreifen.
2Ö2
M. Ebert
der herausgetriebenen Punkte zeigen oben ein Loch. Ebenso sind die Befestigungs-
löcher an einem Ende, wohl durch den Gebrauch, stark erweitert. Gr. Länge:
o*539m; Breite: o-oio — o-oi4m; Gewicht: 13 Gramm.
5. Offener kreisförmiger Ring7) (Fig. 118).
Der Ring besteht aus einem kreisförmig zusammen-
gebogenen Drahte, dessen Enden stark verjüngt sind
und sich nicht ganz berühren. Gr. Durchmesser: o-oi5m;
gr. Dicke: o-oo2m; Gewicht: 2 Gramm.
11 lng' 6. Zwei gleichartige, sphärische Blechperlen s) (Fig. 1 19).
Die Perlen bestehen aus einem ziemlich dicken, kuglig geformten Goldblech
und sind an den abgeplatteten Polen kreisförmig durchbohrt. Die Durchbohrungen
sind von niedrigen gestrichelten Rändern eingefaßt. Im Innern zeigen sich keine
Spuren irgend einer Füllung.
Beschädigungen: Beide Perlen sind leicht eingebeult, bei der kleineren fehlt
ein Stück der einen Randeinfassung. Gr. Durchmesser: 0-035 und 0-028 '"; Höhe:
0-025 un<3 0-022™; Gewicht:
36 und 19 Gramm.
7. Zwei gleichartig-e
Goldblechscheiben '•') (Fig.
1 20 a b). Sie bestehen aus
einer kreisrunden Schei-
be, die, leicht einladend,
spitz zuläuft und auf der
119: Goldblechperlen. Rückseite unter derSpitze
mit einer bogenförmigen Ose versehen ist. Bei der kleineren Scheibe ist diese
Öse verhältnismäßig starkarmig und groß.
Beschädigungen: Die größere Scheibe ist, vermutlich durch einen Druck
oder Stoß von oben, an der Spitze eingedrückt und zeigt Risse. Durchmesser:
o-iio — 0-113 und °'°34mj Höhe: 0-020 und o-oiom; Gewicht: 60 und 12 Gramm.
Der Fund wird durch Unverbürgtheit der Fundumstände wie durch die man-
gelnde Integrität in seinem Werte von vornherein sehr beeinträchtigt. Dies
ist um so mehr zu bedauern, als hier wahrscheinlich ein Grabfund vorlag, der,
ligemäß gehoben, uns wertvolle Aufschlüsse über die Zeitstellung der Altertümer
hätte geben können, zumal die zum Vergleiche heranzuziehenden Objekte zum
größten Teil Einzelfunde oder Depots sind, also für eine genauere zeitliche
Fixierung ein unzureichendes oder schwieriges Vergleichsmaterial darstellen.
7) Kat. n. IVd 1361. 8) Kat. n. IVd 1359 f. 9) Kat. n. IVd 1 3 5 7 f .
Der Goldfund von Dalj
263
Daran zu zweifeln, daß die Goldsachen zusammen in demselben Boden ge-
funden sind, liegt nach den Angaben kein Grund vor. Möglich wäre, daß sie
von verschiedenen, nahe zusammenliegenden Gräbern herrührten. Die Annahme,
daß die Gegenstände aus räumlich und zeitlich weitgetrennten Funden stammen,
wird durch die Erwägung unwahrscheinlich, daß relativ seltene Formen wie
diese, die noch dazu die Teile eines Schmuckensembles zu bilden scheinen, wie
es ganz ähnlich in verwandten Funden vorkommt,
kaum gleichzeitig in eine Hand gekommen sein
werden. Daß der Schatz,
wie er vorliegt, den
vollständigen ursprüng-
lichen Bestand darstelle,
ist nicht anzunehmen.
Vermutlich ist manches,
wie oft bei solchen Gold-
funden, zerstreut wor-
den und in verschie-
120 a: Goldblechscheibe.
120 b: Goldblechscheibe.
dene Hände gelangt.
Die Zuweisung der vorliegenden Stücke an einen bestimmten Formen- und
Kulturkreis ist schwierig nicht nur wegen der Unsicherheit der Fundumstände»
sondern auch wegen des Mangels von übereinstimmenden Leitformen. Ferner
wegen der Singularität der Formen selbst, die, wie es scheint, zum Teil nur bei
Edelmetallarbeiten verwendet worden und, soweit wir jetzt sehen, nicht über die
engere Einflußsphäre des ungarischen Kulturkreises hinaus gedrungen sind. Für
die in Betracht kommenden Zeiten der ungarischen Vorgeschichte bestehen sehr
große Lücken im Denkmälervorrate wie in der Literatur, die außerdem zumeist in
einer schwer zugänglichen Sprache vorliegt. Was das in Betracht kommende
Vergleichsmaterial selbst betrifft, so besteht dieses in erster Linie in den Depot-
funden von Michalkow (Galizien)10) und Fokoru (Koni. Heves) u), und gerade diese
zeigen in den Formen eine so eigenartige Mischung, daß bis jetzt über Wurzel
und Kraft der einzelnen Stildeterminanten noch durchaus keine Klarheit geschaffen
ist und die Ansichten über die Zeitstellung der Funde um mehr als vier Jahr-
ln) P. Reinecke, Zeitschr. f. Ethnol., Verhandlun- 1904. Derselbe: Jahreshefte VI 115 11".: IX 52 — 39.
gen XXXI (1899) S. 510 ff., der grundlegende Aufsatz ") Über Fokoru vgl. die Literatur bei Reinecke
für die Behandlung dieser Denkmälergruppe; hier die a. a. O. S. :;ij. Über beide Funde auch M. Hoeraes,
altere Literatur. Die Hauptpublikation des Fundes: Jahrbuch d. k. k. Z.-K. X. F. IV 2. Teil 0.,o(>)
K. Hadaczek, Zlote Skarby Michalkowskie, Krakau S. 73 — 91.
264 M. Ebert
hunderte auseinandergehen. Demgemäß will die hier vorg-etragene Beurteilung
des slawonischen Fundes wie der ganzen Fundgruppe, der er sich anschließt, nur
als ein vorläufiger Beitrag zur Lösung der einschlägigen schwierigen Fragen
angesehen werden.
Zunächst sind die Gegenstände einzeln zu betrachten und das relative Alter
und die Bedeutung der Stücke durch den Vergleich mit ähnlichen Formen zu
bestimmen.
Zu den beiden Zierstücken in durchbrochener Arbeit (Fig. 114) bietet der
Fund von Michalkow zwei Parallelen 12). Die Michaikower Stücke zeigen an
Stelle des bogenförmigen Teiles mit dem kreuzförmigen Einsatz in durchbrochener
Arbeit eine kreisrunde Scheibe mit kreisförmiger Vertiefung, in der reliefartig
das Kreuz eingegossen ist. Die Scheibe ist durch eine stabartige Brücke ver-
bunden mit einem Stücke von mehr viereckiger Tendenz, dessen der Scheibe
zugekehrte Längsseite ungefähr parallel mit deren Peripherie flügelartig ausge-
schweift ist und dessen Ränder auch an den bogenförmigen Ausschnitten durch
eine niedrige gestrichelte Leiste erhöht sind. An der Gegenseite der Scheibe,
an der Stelle, welche der mit einer Vertikalleiste verzierten Stelle des Spitzbogens
des Däljer Stückes entspricht, setzt eine nach innen gerollte, ebenfalls gegossene
Spirale an, die sich mit der Spirale der andern gleichartigen Schmuckhälfte berührt.
Der markanteste Unterschied, das Fehlen der Doppelspiralen an den slawonischen
Zieraten, scheint mir nicht von erheblicher Bedeutung, um so weniger, als man
in den Vertikalleisten der Spitzbogen sehr wohl eine Vorstufe oder ein Rudiment
der Spiralen je nach der formengeschichtlich älteren oder jüngeren Stellung
der slawonischen Stücke zu den Michalkowern sehen kann. Es lassen sich in
Ungarn eine Reihe von Schmucktypen aufweisen, deren Varianten bald mit, bald
ohne die einwärts gerollten Doppelvoluten, ein besonders in Ungarn seit der
jüngeren Bronzezeit häufiges Motiv, erscheinen.
Eine weitere Differenz, die Ausführung der zentralen Kreuzverzierung unserer
Schmuckstücke in durchbrochener Arbeit, hat ebenfalls ihr Pendant in den zier-
lichen ä jour gearbeiteten Armringen von Michalkow13). Trotz dieser Unter-
schiede ist also wohl die nahe Verwandtschaft der Stücke, denen sich bis jetzt,
soweit mir bekannt, nichts Ahnliches an die Seite stellen läßt, nicht zweifelhaft.
Über ihre Verwendung kann man nur Vermutungen haben. Beschläge an Schwert
oder Dolch, wie Hadaczek ,4); möchte ich in ihnen nicht sehen. Eher wäre an
Hadaczek, Ztote Skarby Michalkowskie, ls) Hadaczek a. a. O. Taf. X 6— 8.
Krakmi 1904, Tal X 1 2 "1 Hadaczek a. a. O. S. 20.
Der Goldfund von Dalj 265
Hängeschmuck, etwa am Pferdegeschirr, zu denken, wozu wahrscheinlich auch
die vielen in dieser Gruppe auftretenden Goldscheiben zu rechnen sind.
Die Beziehung, in die unser Fund durch diese Objekte mit dem Formenkreise
des galizischen Schatzes gebracht wird, erhält eine weitere Bestätigung durch
das zweite der oben beschriebenen und abgebildeten Stücke - - wohl das inter-
essanteste — das goldplattierte, tierförmige Bronzeblech (Fig. 115). Es ist sehr
wahrscheinlich, daß wir darin die zoomorphe Platte einer Fibel vor uns haben
mit ähnlicher Befestigung der Nadel wie in Michatkow. Es hätten dann die an
der Rückseite kenntlichen Nieten entweder die Nadel selbst gehalten oder, was
ich eher annehmen möchte, eine zweite Platte aus Metall oder vergänglichem
Material, an dem die Nadel befestigt war. Diese Frage der Verwendung ist
aber nicht von großem Belange. Unsere Platte an sich zeigt abgesehen von
der Technik die größte Übereinstimmung mit den Platten der Tierfibeln von
Michaikow, insbesondere mit den bei Hadaczek a. a. O. Tafel II und III (vgl.
Jahreshefte VI 116; IX 35) abgebildeten. Gehen wir zunächst auf die technische
Abweichung ein.
Die Michatkower Tierfiguren sind aus ziemlich dünnem Goldbleche heraus-
geschnitten und die ebenfalls aus Goldblech getriebenen und herausgeschnittenen
Ornamente dann auf den Tierkörper aufgenietet. Unsere Platte ist vermutlich
in der Weise hergestellt worden, daß man zunächst die Unterlage aus Bronze-
blech goß und dann die Ornamente hineintiefte. Auf dieser Unterlage wurde dann,
nachdem Schwanz, Zunge und Ohren des Tieres besonders plattiert waren, ein
dünnes Bronzeblech aufgelegt und durch Umbiegen um die Ränder befestigt und
die Plaque dann in die Ornamente hineingedrückt. Leider ist die beschädigte,
des Goldbleches entkleidete Stelle, wo auf dem Hinterteile des Tieres auf der Ober-
fläche der Bronze das Ornament zu suchen wäre, so sehr durch eine körnige
Patina aufgelöst, daß sich diese Annahme nicht direkt beweisen läßt. Sie wird
aber sehr wahrscheinlich in Hinblick auf die Plaquagetechnik der nordischen
Bronzezeit, wo das Hineintreiben des Goldbleches in Ornamente der unterliegenden
Bronze schon mindestens seit der Mitte der älteren Bronzezeit durch prächtige
Stücke bezeugt ist15). Es scheint, als wenn die Technik, die Goldauflage um den
Rand der Bronzeunterlage herumzuführen, erst in der jüngeren Bronzezeit im
nordischen Kreise gebräuchlich geworden wäre. Eine instruktive Parallele ist
,5) Dieser Hinweis will nur das technische De- konstatieren. Die Untersuchung dieser Frage ist eine
tail erläutern, nicht etwa ein Abhängigkeitsverhältnis Arbeit für sich, die wie alle an Technisches anknüpfen-
zwischen nordischen und ungarischen Erscheinungen den Probleme das Studium der Originale voraussetzt.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI- 74
266 M. Ebert
das in dem Fürstengrabe bei Häga (Schweden) gefundene Schwert mit aufge-
kanteter Griffzunge (das in der Almgrenschen Publikation in einer guten Ab-
bildung vorliegt). Es gehört samt der in gleicher Weise plattierten Brillenfibel
der Periode Montelius IV an16).
Goldplattierung wie hier auf unserer slawonischen Platte findet sich weder
in Michalkow noch in Fokoru. Diese Technik läßt sich aber aus anderen ungari-
schen Funden von der Bronzezeit an nachweisen17).
Zierbleche aus Gold, bei denen nicht mehr zu entscheiden ist, ob sie eine
bronzene oder eine aus anderm Material bestehende Scheibe bedeckten, fanden
sich in dem Schatze von Czofalva (Komitat Häromszeker Stuhl). Sie sind am Rande
mit einer Reihe fortlaufender Spiralen verziert18). Goldplattierte Zierscheiben aus
Bronze wurden aus dem der älteren Hallstattzeit angehörenden Urnengräberfelde
bei Kis-Köszeg (Komitat Baranye) gehoben19). Eine flache Zierscheibe aus
Bronze mit Goldplattierung kam auch in dem Brandgräberfelde von Gyöngös
(Komitat Heves) vor in Begleitung hallstättischer und skythischer Formen;
vereinzelt treten hier auch La Tene-Gegenstände auf20). Unter hallstättischen
und skythischen Formen finden sie sich auch in Pilin (Komitat Nögräd). Sechs
bronzene Zierscheiben mit Goldplaquage sind aus dem Funde von Budapest-
Angyalföld bekannt21). Die begleitenden Funde sind Goldblechperlen ähnlich
jenen, die den Bügel der Bogenfibeln von Michalkow und Fokoru verzieren.
Die Goldplattierung findet sich endlich auch auf jenen kleinen schlangen-
förmigen Ringen, in der Größe von Ohr- und Fingerringen, die wahrscheinlich
als Haarschmuck dienten. Sie werden von Reinecke als skythisch angesehen
und in das 5. Jahrhundert gesetzt. Die Auflage besteht hier meistens nicht aus
reinem Golde, sondern aus Elektron und der Rand des aufgelegten Bleches ver-
läuft gewöhnlich auf der Innenseite der Spirale, ist aber öfter nicht wahrnehmbar.
Die Verwendung der Goldblechauflage als Dekorationsmittel auf einem
Stücke unseres Fundes ist also, wenn sie sich auch in Michalkow und Fokoru
10) O. Almgren, „Kung Björns Hög" och andra Lit. Berichte aus Ungarn Iir 2 [187g] S. 36), die
Fornlamningar vid Häga, Stockholm 1905, pl. I vgl. Bronzescheiben von Thale ("Bastian -Voss, Bronzc-
besonders S. 29a. Schwerter XVI 17), von Rügen (Museum f. Völker-
") Diese Nachweise verdanke ich zum grüßten künde in Berlin Kat. n. I c. 1590).
Teile einer brieflichen Mitteilung des Herrn L. von 19) Im Budapestcr Nationalmuseum. Einige ver-
Marton in l'.tni 1 mutlich im Wiener Hofmuseum und im Rcimisch-
Zwei Exemplare im Budapester National- Germanischen Zcntralmuscum in Mainz; vgl. 1'.
muscum: J. Arneth, Sitzungsber. Akad. Wien VII Reincekc, Mainzer Zeitschrift I (19061 S. 14.
Taf. 14, vgl. die Goldscheiben von Aranyosmaröth 2") Arch. Ertesilö XXVIII (1908) Taf. IV 7.
(Arch. Krtesitü I [1881] S. 284), von Fokoru (Pulsky, ") Jahrbuch der k. k. Z.-K. 1 V 1 S. 74 Fig. 24.
Der Goldfund von Dälj 267
nicht findet, kein Grund, ihn von diesen Funden abzurücken, da sie in den zum
Vergleiche zunächst in Betracht kommenden Formenkreisen und Zeitabschnitten
durchaus geläufig ist.
Die Formenverwandtschaft unserer Platte mit denen der Michalkower Fibeln
scheint mir unverkennbar. Das gilt zunächst von der äußeren Stilisierung der Tier-
figur. Daß die Tiere zwei Beine statt vier haben, das übertrieben weit aufgerissene
Maul wie überhaupt das Prononzieren einzelner Körperteile auf Kosten der
andern ist an sich nichts Charakteristisches. Es findet sich in der archaischen
Stufe der klassischen Kunst wie in allen Stufen der barbarischen Kunstübung.
Allein hier liegt eine offenbare stilistische Übereinstimmung in der Gestaltung
der Konturen vor. Weder die von Demetrykiewicz zum Vergleiche herangezogenen
Goldblechplatten aus skythischen Kurganen22) noch ein Stück von Fönlak23), das
einer viel späteren Zeit angehört, noch was man sonst als Analogien zu den
Michalkower Tierfibeln herbeigebracht hat, bietet eine genaue Parallele. Die Art,
wie von den Goldschmieden der Platten von Dälj und Michalkow die Tierfigur
und das vorschwebende Ruhe- oder Bewegungsmotiv wiedergegeben ist, zeigt
eine unzweifelhafte stilistische Verwandtschaft24).
Eine zweite bedeutsame und besser faßbare Analogie besteht in der Orna-
mentik. Schon die Überhäufung der Platte mit Ornamenten, die den Tierkörper
ganz wie ein geometrisches Gebilde behandelt, ist in diesem Zusammenhange
singulär und rückt die Stücke nahe aneinander. Auf dem vorderen und hinteren
Teile des Tieres ist je ein größeres komplizierteres Ornament, dazwischen eine
Anzahl kleinerer und einfacherer, von denen eines zur Andeutung des Auges, andere
zur Hervorhebung der Gelenke dienen. Entsprechend der verschiedenen Technik
ist die künstlerische Wirkung der Ornamente verschieden. Die Muster auf der
Daher Platte machen den Eindruck, als wenn sie eingegossen seien. Die auf den
Michalkower Stücken wirken reliefartig. Vorliebe für die Reliefverzierung tritt
22) Die österreichisch-ungarische Monarchie in metrischen Stilrichtung entsprechenden Verzerrung"
Wort und Bild. Band Galizien (1898) S. 128; vgl. scheint mir sehr anfechtbar. Die von Hadaczek aus-
Arch. Ertesitö XIII (1893) S. 391 Fig. 9. gesprochene Ansicht, daß die Michalkower Tierfibeln
23) Arch. Ertesitö XXI (1901) S. 65; J. Hampel, aus der Hallstattscheibenfibel entstanden seien, kann
Altertümer des frühen Mittelalters in Ungarn, Braun- ich mir gleichfalls nicht aneignen. Auch die überein-
schweig 1905, II 393 Fig. 15. stimmende Befestigung der Nadel (wie Sacken, Grab-
24) Eine Deutung dieser Tiergestalten auf be- fehl von Hallstatt Taf. XIV 13), die Hadaczek anführen
stimmte Tierspezies, wie Hadaczek, Jahreshefte VI könnte, ist nicht beweisend. Überhaupt wird man Tier-
115 f.: „Die eine [der M. Fibeln] zeigt ein auf- fibelformen immer nur mit großer Vorsicht in typo-
lauerndes Tier (vielleicht Wolf oder Hund), die andere logische Reihen hineinstellen dürfen.
ein scheu aufspringendes (Pferd) in einer der geo-
34*
268 M. Ebert
auch sonst in diesem Kreise hervor. Ich verweise vor allem auf die kleineren
Scheiben an den Flügeln der oben besprochenen Zierate und auf ihre Michalkower
Pendants. Auch die mit Kreuzen in durchbrochener Arbeit verzierten Armringe
von dort scheinen auf solche Wirkung berechnet zu sein.
Die Herstellung der Michalkower Ornamente erfolgte, indem man die Muster
durch Stempel aus einem Goldblech herauspreßte (vgl. das Diadem Hadaczek,
XI 2), sie dann ausschnitt und auf dem Blech aufnietete. Vielleicht ist die barba-
rische Größe dieser Ornamente im Verhältnisse zu der verzierten Fläche da-
durch zu erklären, daß man Stempel, die zur Verzierung von größeren Blechen
dienten, verwendete. Eine Technik, die mit ein paar Treibmodellen ihre Orna-
mente herstellt, wird weniger geneigt sein zu variieren als eine solche, welche,
wie die bei der slawonischen Platte angewendete, die Ornamente jedesmal von
neuem hervorbringt.
Von den Ornamenten finden sich sowohl die Triskele als die Tierverzierung
auf den Michalkower Fibeln wieder, wenn auch kombiniert, indem die Enden der
von Doppelkreisen eingefaßten Triskele hier in Tierprotomen auslaufen. DasTrique-
trum tritt seit den frühesten Zeiten in den verschiedensten Formenkreisen auf,
es ist aber doch in Ungarn in den in Betracht kommenden Epochen so selten,
daß sein Vorkommen auf beiden Fibelkategorien unter anderen Übereinstimmungen
bedeutsam erscheint 25). Den kleineren Ornamenten der Michalkower Fibeln ent-
sprechen Kreise mit Zentralpunkten26).
Die Verzierung der Platte mit einem Ornamenttiere, das die Form derselben,
in gleichem Sinne gerichtet, wiederholt und ebenfalls einen Augenkreis zur An-
25) An eine Ableitung des Musters aus der sehen Kaiserzeit und im älteren Eisenalter verwiesen
Spiralornamentik nach Analogie von Madsen, Bronce- (vgl. das prächtige Gürtelblech von Wieslistein bei
alderen Suite af öxer 3, 10; Müller, Ordning XI Wangen, Kt. Zürich im Anz. f. Schweiz. Altertumsk.
153; Montelius, Om Tidbestämning pL II 28 und X. F. IV (1902/3) Taf. II. I 1). Hadaczek (Jahres-
Kulturgeschichte Schwedens 1906 S, 96 Fig. 155 hefte IX 35) erinnert an das in der Toreutik des
dürfte doch wohl hier kaum zu denken sein. geometrischen Stiles übliche Verfahren, beim Auf-
26) Für die auf den Michalkower Fibeln (und auf nieten von Appliken die Nägelchen in dreieckiger
anderen Stücken der Gruppe) verwendeten Muster sind und viereckiger Anordnung um einen Kreis oder
verschiedene Erklärungsversuche gemacht worden. Man Punkt zu stellen. Die Muster sind aber nicht aus
hat auf das im La-Tcnc-Kreise gebräuchliche Drei- der Niettechnik, für welche sich in Ungarn keine
eck und Viereck mit eingezogenen Seiten, z. T. von Tradition, die dabei notwendig vorausgesetzt werden
Kreisen eingefaßt, hingewiesen und die beiden Funde müßte, nachweisen läßt, sondern offenbar, wenigstens
deswegen für diese Kultur in Anspruch genommen. in ihrer teilweisen Ausgestaltung, aus der Stanz-
Gegen diesen auch sonst unzulässigen Schluß hat technik zu erklären. Wahrscheinlich hat man, wie
sich Reinecke (a. a. O. S. 518 und Mainzer Fest- Hoernes meint (Jahrbuch a. a. O. S. 75), das Kreuz-
schrift 1902 S. 108 Anm. 164) gewendet und auf motiv des Hallstattkreises nachgebildet und um-
das Vorkommen des Ornamentes auch in der römi- gestaltet.
Der Goldfund von Dalj 269
deutung des Tierauges verwendet, ist, soweit mir bekannt, ohne Gegenstück.
Man könnte die Frage aufwerfen, ob in dem Ornamenttiere nur die Wieder-
holung des Modells der Schmuck- oder Gerätform zu erblicken ist. Es wäre das
nicht ohne Analogien. Aus der nordischen Bronzekultur ist uns eine Randaxt
bekannt, auf deren Schneidenteil die Konturen der Axt als Ornament eingepunzt
sind27). Das Stück steht aber isoliert da und an einen Zusammenhang zu denken,
verbietet schon der zeitliche Abstand. Wir werden vielmehr als das wesentliche
Moment die gewollte Verzierung der Tierfigur mit einer zweiten Tierfigur anzu-
sehen haben, die exakte Übereinstimmung der Konturen als das sekundäre. Zur
Erklärung dieser Verzierungsart könnte man freilich, ohne daß sich dies vor-
läufig durch weitere Analogien stützen läßt, auf Einflüsse östlicher, skythischer
Kunst hinweisen. Wir kennen sie von dorther an zwei hervorragenden Stücken,
dem Fische von Vettersfelde28) und dem Hirsch aus dem Kul-Oba2''). Durch
glückliche Funde der letzten Jahre und durch die Arbeiten von Hampel und
Reinecke ist der Einfluß skythischer Kultur auf den größten Teil von Ungarn
schon seit der zweiten Hälfte des älteren Eisenalters nachgewiesen. Die schema-
tische Wiederholung der Tierumrisse im Ornament, durch die beide, Tierplatte
und Tierornament, etwas eminent Unnaturalistisches bekommen30), stimmt wohl
zusammen mit dem auf den Michaikower Tierfibeln vertretenen Stile, der die Tier-
figur wie ein geometrisches Gebilde behandelt31). Nach alledem dürfen wir in
unserer Platte ein Gegenstück zu den zoomorphen Fibeln von Michalkow, höchst-
wahrscheinlich eine Tierfibelplatte sehen.
21) Montelius, Antiquites Suedoises (1873) I mir sehr gewagt. Auf Grund des „geometrischen
Fig. 143. Stiles" der Figuren hat das Hadaczek versucht, indem
28) Furtwängler, Der Goldfund von Vettersfelde er ähnliche Tierformen auf einer mittelitalischen Zier-
1883, Taf. I. Scheibe oder Vasen des geometrischen Stiles damit
29) Antiquites du Bosphor. Taf. XXVI 1 und in Zusammenhang brachte (Jahreshefte IX 37). Das
Furtwängler a.a.O. S. 16. ist schon deswegen verfehlt, weil die geometrische
30) Für die Neigung das Figürliche in geometri- Behandlung der Tierfigur in Mittel- und Nordeuropa
sehe Schemata umzubilden als weiterer Beleg aus die allgemeine ist, auch noch in Epochen, die der
Ungarn eine Zeichnung auf dem dreieckigen Nadel- geometrischen Zeit der Mittelmeerländer nicht parallel
halter einer den unsern nahestehenden Bogenfibel laufen und sich unter dem Einflüsse von ganz anderen
von Dreznika. Sime Ljubic, Popis Arkeologickoga, Einwirkungen und Kräften entwickeln. Hoernes (a.a.O.
Agram 1889, Taf. X 31 ; W. M. Wylie, Proceedings S. 83 ff.) weist als Analogien zu den Michalkower
of the Society of Antiquaries, December 1875. Fibelplatten auf Tierformen (in eingelegter Arbeit, ein-
31) Bei der Bildlosigkeit der ungarischen Bronze- graviert und aus Blech geschnitten) aus den kaukasi-
kultur ist es sehr wahrscheinlich, daß die Tierformen sehen Gräbern von Oberkoban und findet da1} „die
der Platte auf Vorbilder, die aus dem Mittelmeer- Arbeiten von Koban und Michalkow verschiedenen
gebiet auf östlichem oder westlichem Wege kamen, aber nahe verwandten Stiles sind". Worin aber das
zurückgehen. In der Bildung der Tierformen aber Gemeinsame und zugleich Besondere besteht, hätte
bestimmte Stileinflüsse nachweisen zu wollen scheint einer näheren Ausführung bedurft.
270
M. Ebert
Was das formengeschichtliche Verhältnis betrifft, so ist die Fibel von Dälj
sicher älter als die Michalkower Gruppe. Dafür spricht einmal die Tierform selbst
die viel naturalistischer ist als die Michaikower. Auf der Fibel Hadaczek III 1
sind Zunge und Kiefer kaum mehr verstanden worden. Dann die Ornamentik, die
sowohl in den Motiven als in der technischen Ausführung- ursprünglicher ist.
Wahrscheinlich wird die Stammform der Fibelkategorie eine Bronzeplatte mit
eingepunztem Muster gewesen sein wie die Unterlage der Däljer Fibel. Dann
ist man zur Goldplaquage übergegangen. Zwischen
dieser Stufe, die durch unsere Platte repräsentiert
wird, und der Michalkower wird man noch eine
Zwischenphase anzusetzen haben, in der vermutlich
die Ornamente aus dem Goldbleche herausgetrieben
wurden in ähnlicher Weise wie das Kreuzornament
auf dem Nadelhalter der Fibel Hadaczek IV 3.
Der Armreif unseres Fundes (Fig. 116) re-
präsentiert einen ziemlich seltenen, wie es scheint,
für Ungarn charakteristischen Typus. Zwei stark
differierende Varianten desselben, ebenfalls aus
Gold, sind in Siebenbürgen zum Vorschein ge-
kommen. Ich bilde diese in der Literatur wenig
berücksichtigten Stücke in Fig. 121 und 122 ab.
Der erste dieser Reife (Fig. 121), dem unsrigen
am nächsten stehend, stammt von Bellye (Komitat Tolna32), der zweite ist bei
Pipe (Kockelburger Komitat)31') gefunden (Fig. 122). Mit diesen Armreifen
stimmt der Däljer nur in den typischen Merkmalen der Schmuckform überein.
Denn abgesehen von der zentralen Buckelverzierung auf den Enden ist seine
wenig charakteristische Dekoration andersartig. Die herausgetriebene Mittelrippe,
die einfassenden Punktlinien erinnern an die Verzierung der Tierfibeln und Nadel-
halter in Michaikow und Fokoru. Da uns bis jetzt nur drei Exemplare aus
Ungarn bekannt sind, so haben wir in ihnen eine lokale Form von geringer
Verbreitung und Lebensdauer zu sehen und werden deswegen die Reife auch
121: Armreif aus Bellye.
32) Ungenügend abgb. Archiv des Vereines für
Siebenbürgische Landeskunde N. F. XIII ( 1 876)
Inf. VIII 10 und S. 487; Araeth, Gold- und Silber-
monumente S. 40 n. 266; Hoernes a. a. O. S. 7.,
Fig. 50. Beschrieben bei Sacken-Kenner, Katalog
des Münz- und Antikenkabinetts S. 345 n. 49; Ori-
ginal: Inv. n. 53.
33) Archiv des Vereines für Siebenbürgischc
Landeskunde ibid. S. 487; Sacken-Kenner S. 345
n. 38. Original: Inv. n. 455. Die Photographien ver-
danke ich der Direktion der Antikcnsamralungen in
Wien.
Der Goldfund von D.älj
271
zeitlich ziemlich nahe zusammenrücken34). Leider sind die beiden Stücke
Einzelfunde und deshalb für die chronologische Bestimmung unseres Fundes
nicht verwertbar. Auch die Ornamente, technisch sauber ausgeführt und auf
dem Bellyer Reif mit geschmackvoller Ausnutzung des Raumes angebracht,
werden nicht für die Zuweisung an einen bestimmten, genauer datierbaren
Formenkreis ausreichen. Trotzdem sind diese Parallelen wertvoll, weil sie
das Verbreitungsgebiet unserer Gruppe erweitern und, im Ornamentstil er-
heblich von dem, was aus Michalkow, Fokoru und Dälj bekannt ist, ab-
weichend, einen weiteren Hinweis dafür bieten, daß in der Gruppe selbst
stilistische Differenzen vorhanden sind.
Der ornamentierte schmale Goldblechstreifen (Fig. 117) ist von einem größeren
Blech abgeschnitten. Das beweisen die Spuren
einer nachträglich von oben in das Blech ein-
geritzten Linie an der einen Längsseite, in
welcher Linie der ziemlich unsaubere Schnitt
entlang geführt wurde. Diese Linie hat an
vier Stellen des Bleches ein Ornament zer-
schnitten, welches, nach den Resten zu schlie-
ßen, aus drei nebeneinanderliegenden, heraus-
getriebenen Flachbuckeln bestand. Die äußere
Seite der außenstehenden Buckel wurde berührt
durch von einer doppelten Punktreihe gebildete
Tangenten. Die andere Längsseite des Bandes entspricht der einen Randseite
des ursprünglichen Bleches, auch die Endigungen links und rechts sind alt,
das Band ist also vom Rande des Bleches abgetrennt35).
Welcher Art und Bestimmung war nun das ursprüngliche Blech? Man könnte
an eine Tänie denken von der Gattung, wie sie z. B. in Hallstatt in großer Zahl
122: Armreif aus Pipe.
M) Nahe steht auch das goldene Armband aus
Ungarn: Hampel, Bronzezeit in Ungarn XLVII
(1887) 5-
35) Solehe doppelte Verwendung von ornamen-
tierten Blechstreifen, die in unserem Falle auch durch
die Kostbarkeit des zerbrechlichen Materiales be-
gründet wird, hat man an Bronzebändern von Olympia,
die dem unseren stilistisch nicht fern stehen, be-
obachtet (Furtwängler, Sitzungsber. Akad. Berlin 1879
S. 1 1 f ) — Eine interessante technische Parallele ist
ein im Berliner Antiquarium (Inv. n. 7QOI) befind-
liches Diadem aus Athen, der archaischen Zeit an-
gehörig (Archäol. Zeitung 1884 Taf. X 1). Es ist
ein vollständiges Diadem, an den beiden Enden mit
je einem Loche zum Umbinden versehen und wurde
aus einem größeren Goldbleche mit herausgestanzten,
zum Teil bildlichen Verzierungen recht nachlässig
herausgeschnitten. Dabei sind die figürlichen Dar-
stellungen und, in ganz analoger Weise wie auf unse-
rem Bleche, konzentrische Kreisomamente zerschnit-
ten worden, so daß auf dem Rande des Diadems
Bogen als Reste des Umlaufes konzentrischer Kreise
Stehen blieben.
272 M. Ebert
vertreten ist und wie sie auch, wenigstens fragmentarisch, in Fokoru vor-
liegt. Dagegen spricht aber die gebogene Form des in eine Ebene gelegten
Bandes, die bei der Dünnheit des Bleches sicher nicht mehr durch nachträgliches
Aushämmern zu erreichen war. Das ursprüngliche Blech wird vielmehr ebenso wie
das Fragment ein Diadem gewesen sein. Aus dieser Verwendung ergibt sich
seine ungefähre Breite, die etwa 0-04 — 0-05™ (Breite des Michalkower Diadem-
bandes) betragen haben mag. Ich versuche hier mit Hilfe der geringen Ornament-
reste eine Rekonstruktion nach Analogie von ähnlichen Stücken aus dem Hall-
stattkreis und aus Ungarn (Fig. 123):
123: Rekonstruktion des Diadems, von dem der Streifen Fig. 1 17 herrührt.
Der vorliegende Streifen, der anfangs den Eindruck macht, als ob er erst
in der Neuzeit von ungeschickten Händen zurechtgeschnitten sei, repräsentiert
einen gewöhnlichen Typus. Zwei Fragmente eines solchen Diadems fanden sich in
Michalkow. Es ist verziert mit einer mittleren Reihe herausgestanzter, von Ring-
leisten eingefaßter Buckel, die von zwei Reihen kleinerer eingefaßt wird30). Es lassen
sich aus dem Hallstattkreise und Ungarn eine größere Anzahl Stücke von Gold-
oder Bronzeblech anführen37). Ein dem unsrigen sehr nahestehendes Exemplar
ist in Södermanland, in einem Moore bei Langbro, mit einer Anzahl anderer
Gegenstände, darunter zwei große Plattenfibeln, welche der Periode MonteliusV. an-
gehören, gefunden worden und wird von Montelius als Importstück angesehen88).
Es besteht aus einem 0-038 — 0^04 '" breiten, etwa 0.5™ langem Bronzebande, das
in der Mitte in der ganzen Länge des Bandes mit von Ringleisten eingefaßten
flachen Buckeln verziert ist. Die Ränder sind von einer doppelten Punktreihe
gesäumt. Bei dem slawonischen Bande fehlt sie auf der Seite, welche die Rudi-
mente der Buckel zeigt.
Hadaczek a. a. O. Taf. XI I. Ges. XIX [1889] S. 15 Fig. 24) u. a. m.
:; VgL die Exemplare aus der B^ci skila (Much, 39) Antiq. Tidskrift f. Sverige III (1870/73)
Kunsthistorischer Atlas I Taf. LXXVI 11), aus der S. 258; Montelius, Om Tidbestämning S. 320 zu Fig.
Nekropole von Sokolaf (Mitt. d. Wiener Anthrop. 102 und Antiquites Suii-doises 71 Fig. 237.
Der Goldfund von D.ilj 273
Die anderen Stücke des Fundes sind von sehr einfacher und wenig sprechender
Form. Der kleine offene Ring ist natürlich nicht auf einen engeren Formenkreis
beschränkt (Fig. 118). Ebensowenig die Goldblechperlen (Fig. 119). Sie lassen sich
auch in anderen Epochen und Kulturen, wenn auch nicht immer in derselben
Technik nachweisen, scheinen aber doch hier besonders häufig zu sein. Der perlen-
reiche Schatz von Michalkow enthält eben solche Formen ohne die gestrichelten
Ringleisten an den Durchbohrungen39). Genaue Analogien fanden sich in Fokoru10).
Daß diese Perlen auch an Bogenfibeln in gleicher Weise wie jene an den Fibeln
von Michalkow und Fokoru verwendet wurden, lehrt eine Fibel von Prozor41).
Den slawonischen Goldblechkoni (Fig. 120) ähnliche Buckel treten schon in
der Bronzezeit auf. Gegenstücke aus Gold mit und ohne einfache Verzierungen
sind in einer ganzen Reihe von Exemplaren aus Michalkow und Fokoru belegt.
Man hat wenigstens die größeren wohl für Pferdegeschirrschmuck (Phaleren) zu
halten >'-).
Ich glaube, daß damit die engere Formenverwandtschaft unseres Fundes
mit den Golddepots von Michalkow und Fokoru erwiesen ist. Die nächste Frage
wäre die zeitliche Fixierung. Ehe wir an eine chronologische Abstufung der
Funde innerhalb des vorliegenden Formenkomplexes gehen können, gilt es die
ganze Gruppe innerhalb der Entwicklung des ersten vorchristlichen Jahrtausends
in Ungarn festzulegen. Das Material, das wir hier neu beischaffen, ist nicht
sonderlich geeignet, mehr Klarheit in dies schwierige Problem zu bringen.
F. v. Pulsky sah im Funde von Fokoru Altertümer aus der Zeit der Kelten-
invasion in Ungarn. Reinecke wies nach Hampels Vorgang die Verwandtschaft
der Funde von Fokoru und Michalkow nach und setzte sie in den 3. Abschnitt
seiner IV. ungarischen Periode, um 900 v. Chr. Hadaczek datiert den Michaikower
Fund in das VIII. — VI. Jh.43). Ihm hat sich letzthin auch L. von Martön ange-
schlossen, der die Gruppe ebenfalls an das Ende der älteren Eisenzeit rückt "1.
Hoernes weist wie Reinecke die Funde von Michalkow und Fokoru in die ältere
Hallstattzeit.45)
Bei der Verwertung der Depots von Michalkow und Fokoru für die Chrono-
logie ist, wie bei allen Depotfunden, zu berücksichtigen, daß in ihnen Formen bei-
sammen sein können, die niemals gleichzeitig im allgemeinen Gebrauche waren.
:1'J) Hadaczek a. a. U. Taf. XII 3. Reihe. Budapest 1S89, S. 63.
'",1 v. Pulsky a. a. O. S. 36. '1 Hadaczek a. a. O. S. 10.
"1 Sime Ljubic, Popis arkeologickoga, Agrani "1 Arch. Ertesitö XXVII (1907) S. 57 — 68;
1889, Taf. XIX 67. A. Feregyhäay öskori aranylelet.
I2) v. Damay, Süniegh es Videkenek öskora, ' ',' Hoernes a. a. O. S. -\
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI. ?-
274 M- F.bert
Es können in diesen Depots, mögen sie nun Familienschätze oder anderes dar-
stellen, mehrere Formengenerationen vertreten sein. Den Depotfund auf ein be-
stimmtes Datum zu fixieren, ist sonach nicht angängig, wenn nicht durch andere
Funde die genaue Lebensdauer der einzelnen Inventarstücke auf einen kürzeren
identischen Zeitraum bestimmt wird. Das ist jedoch hier nicht der Fall. Wir sind
darum nur imstande, ein annäherndes Datum der Niederlage des Depots nach
der jüngsten vorhandenen Form zu geben, und wir können ferner, indem wir
den ungefähren Zeitpunkt des Auftretens der ältesten vertretenen Form fest-
stellen, abschätzungsweise den Zeitraum, den die in dem Depot vertretenen Formen-
generationen umspannen, berechnen. Hierbei ist „alt" und ,.jung" im formen-
geschichtlichen Sinne zu nehmen, denn die Schmuckstücke älterer Form können
sehr wohl später angefertigt und gebraucht worden sein als typologisch jüngere.
Ein anderes Maß hiefür haben wir, solange unsere Schatzfunde nicht darauf
durchgearbeitet sind, nicht, da bei dem Zusammenkommen des Depotinventars un-
berechenbare Zufälligkeiten mitspielen. Es erhellt hieraus, welche bescheidenen
Anforderungen hinsichtlich der Chronologie wir an unsere Funde — auch der Däljer
kann hierin wenig nützen, da seine Eigenschaft als Grabfund nicht gesichert
ist — stellen dürfen.
Der allgemeine Formencharakter der Gruppe ist der in Ungarn im älteren
Eisenalter eigentümliche: eine stark nachwirkende Tradition des einheimischen
Bronzezeitstiles, beeinflußt durch von Osten, mehr noch von Westen aus dem Hall-
stattkreise eindringende Formen. Von einer Entstehung dieser Goldschmiedearbeiten
unter der Einwirkung des La Tene-Stiles kann natürlich nicht die Rede sein.
Auf die Bronzezeit weisen vor allem die reichlich vertretenen Zierscheiben und
die Armringe mit Doppelspiralenden ■'*). Charakteristische Hallstattformen sind die
"'; Ich gebe hier parenthetisch eine Übersicht über Einflüsse Ungarns auf das Schmuckinventar Böhmens
die örtliche und zeitliche Ausbreitung dieser Ringform in der älteren Bronzezeit zu beachten (Hub. Schmidt,
als Beitrag zur Frage des Handelsverkehres zwischen Zcitschr. f. Ethnol. XXXVI [1904] S. 608). Die
Ungarn und den nördlichen Ländern im Bronzealter. böhmischen Bronzeringe sind glatt oder mit einer
Das Verbreitungsgebiet ist Ungarn, Böhmen, Süd- Mittelrippe und mit einfachen Ornamenten verziert,
deutschland und der nordische Kreis. Die ältere Exemplare von Xovy Dvür (Pic Starozitnosti zeme
Variante scheint die mit bandförmigem Reife zu sein. Ceske 1900 I IX 5); Vclka Dobra (ibid. VII 8),
Exemplare sind in größerer Anzahl in Böhmen in l'odreii und Zbecna (ibid. VIII 151, Plavo (ibid.
'■rn der alleren Bronzezeit gefunden worden, wäh- XVIII 19), Chlum (ibid. XVI 4), Kbel (ibid. IV 12),
rend mir aus Ungarn gleichaltrige Stücke nicht he- Mctelesko (ibid. X 17; Richly, Bronzezeit, XLIX z).
kannt sind. Ist also Böhmen das Ursprungsland der Zwei goldene Exemplare von I.ibcevsi iPamatky,
Form- Man wird das bei der relativen Seltenheit XXI [1905] S. 330 f. Fig. 2) scheinen etwas jünger
des Typus und seinem späteren häufigen Auftreten in zu sein. Aus Süddeutschland haben wir Stücke von
ihne weiteres folgern. Auch sind andere Ncukchlheim bei Rcgcnsbur^ Nane, Bronzezeit in
Der Goldfund von Dalj
275
zweisehleingen Bogenfibeln mit hohem Nadelhalter und perlenbesetztem, zum Teil
sanguisugaförmigen Büg-el (Michalkow und Fokoru , die torquierten Halsringe
mit eingerollten Enden (von Fokoru), die Gürtelbleche und Diademe (Michalkow.
Fokoru, Dälj). Wieweit die Formengruppe zeitlich herabreicht, d. h. wann die
Funde in die Erde gekommen sind, darüber sind wir vorläufig nur auf Ver-
mutungen angewiesen, da wir über die Lebensdauer der Formen innerhalb der
älteren Eisenzeit nicht hinlänglich unterrichtet sind. Ich glaube, daß man mit
diesem Zeitpunkte nahe an die Mitte des Jahrtausends wird herangehen müssen.
Einen Hinweis dafür scheinen die in Michalkow gefundenen mit Filigran ver-
zierten Perlen zu geben. Die einzigen mir bekannten Gegenstücke, ebenfalls aus
Oberbayern [1894] 181 ; es befindet sich nicht in
der Sammlung des histor. Vereines in Augsburg, wie
Naue angiebt), aus einem Grabhügel bei Bayreuth.
Altert, uns. heidn. Vorzeit I. V 4. 7., dazu häufig
Miniaturringe dieser Form; z. B. von Hohenberg (0.
A. Parsberg), mit hallstättischen Typen gefunden 1 un-
veröffentlicht, Museum für Völkerkunde in Berlin,
Kat. n. II c 2972). In Ungarn wird die Variante
repräsentiert durch die Armringfragmente von Michal-
kow, die mit ihrem ä jour gearbeiteten Bande von
allen oben angeführten Stücken abweicht. Die Variante
mit stabartigem Reif, von kreisförmigem, viereckigem
oder dreieckigem Querschnitt, bisweilen mit Torsion,
reicht ebenfalls von der älteren Bronzezeit bis in das
Eisenalter. Sie ist nur in Ungarn und im Norden
vertreten und gewöhnlich aus Gold hergestellt. Puls-
kys Angabe, daß sich auf der Trocaderoausstellung
1878 goldene Ringe unseres Typus von französischer
Provenienz in der Sammlung Greau befunden hätten,
ist, wie mir Fröhner mitteilt, irrtümlich. Vermut-
lich liegt eine Verwechslung mit zwei Exemplaren
der Sammlung (i. Fillon vor, die sich auch auf der
Ausstellung befand. Diese Stücke sollen aus dem Tal
der unteren Donau stammen, werden also wohl auch
ungarischer Herkunft sein (vgl. Linas, Les origines
de l'orfeverie cloisonnee Paris 1887 III 289). Man wird
in den Goldexemplaren auf nordischem Boden mit
Sophus Müller (Nordische Altertumskunde I [1897]
S. 254) ungarische Importstücke zu sehen haben.
Eine größere Anzahl ist in Dänemark gefunden
(S. Müller. Ordning. Broncealderen Fig. 7. 8 mit
Verweisen), auch aus Schweden sind einige bekannt,
(Montelius, Kultur Schwedens 1885 S. 57, Fig. 62;
Raltische Studien 1896 Taf. II 31). Aus Nord-
deutschland haben wir Stücke von I.ettnin. Kvritz
(Altert, uns. heidn. Vorzeit I. V 4. 6) und der Um-
gegend von Berlin (mit einer Goldblechvase ge-
funden; von A. Voß erwähnt, Zeitschr. f. Ethnol.
XXII, 1890, Verh. 298/99) und von Schafstedt (mit
Formen der V. Periode Splieths; Splieth, Inventar der
Bronzealterfunde 199). Aus Ungarn die Ringe von
Feregyhäzy (Komitat Temes; Arch. Ertesitö XXVII.
[1907] S. 59), von Acsäd (Komitat Szabolcs; Ham-
pel, A Bronzkor Resz XL VII, 2. 3a. 4a und Arch.
közletnenyek VII 181), von Akös (Krasnaer Komitat ;
Archiv des Vereines f. siebenbürgische Landeskunde
N. F. XIII [1876] Taf. VIII 14; Archiv f. österr.
Geschichtsquellen XV 323), von Hajdu Szoboszlö
(Komitat Hajduken; Arch. Ertesitö XVIII [1898]
S. 52), von Szekelyhid (Komitat Bihar; Arch. Ertesitö
XX [1900] S. 172 und 181) und Baranyhegy (von
Pulsky erwähnt). Ihnen schließen sich die Ringe
von Michalkow und Fokoru an. Diese ungarischen
Ringe sind Einzelfunde und wahrscheinlich jünger als
die meisten nordischen Reifen. Eine Ausnahme machen
die Stücke von Feregyhäzy. Sie stammen aus einem
Depot, wo sie neben vier Ringen mit stabartigem Reif
lagen, dessen freie Enden in je eine im entgegen-
gesetzten Sinne gewickelte Volute enden. Es geht
nicht an, diese Ringe mit dem Herausgeber mit denen
von Fokoru und Michalkow zusammenzustellen und
nach seiner Datierung dieser Funde in das VIII — VI.
Jahrhundert v. Chr. zu setzen. Einmal stehen die
Feregyhäzyer Ringe den genannten nicht so nahe wie
den älteren nordischen Exemplaren und dann gehören
die mitgefundenen Ringe mit einfacher Spirale in
Ungarn der alleren Bronzezeit an I Reinecke setzt
sie in seine IL Periode1. Wir werden den Fund
etwa der Mitte der alleren angarischen Bronzezeit
zuweisen.
35*
276 M. F.bert, Der Goldfund von Dälj
Gold, sind in einem Skelettgrabe bei Mitrovica (Slawonien) gefunden worden mit
unzweifelhaften La Tene-Stücken47).
Um das chronologische Verhältnis der Funde von Michalkow, Fokoru und
Dälj untereinander zu fixieren, dazu reicht unser Material nicht aus. Sind doch
gerade in dem Michalkower Depot, das die jüngsten Formen enthält, auch die
ältesten vertreten. Ebensowenig sind wir vorläufig imstande, das Fabrikations-
zentrum der Stücke zu bestimmen. Daß sie nicht importiert, sondern in Ungarn
selbst hergestellt sind, ist ja wohl nicht zweifelhaft. Die erheblichen Formen-
differenzen innerhalb der Gruppe48) und ihre Verbreitung von Galizien bis Sla-
wonien lassen vermuten, daß sie in mehr als einer Werkstätte hergestellt wurden.
Genaueres können wir in dieser Frage noch nicht erkennen. Somit fehlt auch
für ethnographische Folgerungen *9) jede Grundlage.
Berlin, Juni 1908. MAX F.BERT
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus.
Noch in den letzten Wochen seines arbeitsreichen Lebens hat Franz Bücheier
unser Wissen um die aquileiensischen Monumente durch eine wichtige Erkenntnis
bereichert. Auf eine Anregung Dessaus hin hat er in den zwei Bruchstücken
der Tuditanusinschrift (Fig. 124 und 125), die v. Premerstein in dieser Zeitschrift
X 1907 S. 264 f. mit einem eingehenden Kommentar veröffentlicht hat, saturnische
Verse erkannt, für die er versuchsweise folgende Ergänzung vorschlug (Rhein.
Mus. LXITI 1908 S. 321 f.):
descende]re et Tauriscos C[arnosque et Liburnos
ex montibjus coactos m[aritimas ad oras
diebus te]r quineis qua[ter ibei superjavit
castreis] signeis consi[lieis prorut]os Tuditanus.
ita Romaje egit triumpu[m, aedem heic] dedit Timavo,
sacra patjria ei restitu[it et magistjreis tradit.
1 Brunsmid, Vjesnik hrvatskoga arheoloskoga [1905] S. 22 S.-A. aus Archiv f. Anthrop. N. F.
Urustva VI (1902) S. 73 ff. Brunsmid setzt den Fund III ) ) wenn er meint, daß die Funde von Michalkow
um 400 v. Chr. Die feine Goldfiligranverzierung kommt und Fokoru in Material und Form so übereinstimmen,
schon im Hallstatikreis in älterer Zeit vor. Vgl. die daß sie aus einer Werkstatt, ja aus denselben Händen
Bruchstücke eines Filigranschmuckes aus sehr feinem hervorgegangen sein könnten.
Golddraht aus einem Tumulus bei Goldes in Mittel- "' Man hat naturgemäß diesen Punkt Ins jetzt
Steiermark. Mitt. der Wiener Anthrop. Ges. XV Taf.V] kaum berührt. Eiadaczek möchte den Michalkower
1 und 5 und S. 152; Much, Atlas XI. TT 17 und 18. Fund mit dem Namen der Kimmerier, Thraker oder
45) Diese verkennt Hoernes (Die Hallstattperiode filyrier in Verbindung bringen (Jahreshefte IX 58).
F.. Reisch, Die Statuenbasis des C. Sempronius ruditanus 277
Durch die Feststellung der metrischen Form und durch die unmittelbar ein-
leuchtenden Ergänzungen der ersten Halbverse in Z. 3, 5 u. 6 ist der Gedanken-
gang der ganzen Inschrift in der Hauptsache sichergestellt. Wir wissen also
jetzt, daß C. Sempronius Tuditanus, der im J. 129 in Rom über die Iapoden
triumphiert hat '), dem Timavus eine Weihung dargebracht hat und erkennen,
daß in der nur fragmentiert erhaltenen metrischen Aufschrift zugleich mit dieser
Weihung die vorausgegangenen kriegerischen Expeditionen erwähnt waren. Ein
Versuch, im einzelnen weiterzukommen, wird nur dann Aussicht auf Erfolg haben,
wenn es gelingen sollte, weitere Aufschlüsse über die Art des Denkmales und
den Ort seiner Aufstellung zu gewinnen.
Die Gestalt des Postamentes, zu dem die in Fig. 124 u. 125 mit a und /' be-
zeichneten Steine gehörten -), läßt sich jetzt, wo durch die Saturnierverse die Länge
der Zeilen genau berechnet werden kann, hinreichend klar erkennen. Da von den
Zeilen auf Stein a, der in der Breite von o'34m io'/2 — 12V2 Buchstaben trägt,
links 7 — 8 Buchstaben, also 0-22 — 0-24'" fehlen, so läßt sich die ursprüngliche Breite
des Steines auf 0-56 — o-58m bestimmen, also auf das Doppelte seiner Höhe, die
jetzt bei abgestoßenen Rändern o-275m beträgt, ein Maß, dem offenbar ein Fuß
von 0-29'" zugrunde liegt. Aus der Anordnung der Schrift auf dem zweiten Stein,
für den natürlich die gleichen Maße anzusetzen sind,3) ergibt sich, daß wir es
mit einem Postament zu tun haben, das seiner Breite nach nur aus zwei Steinen
zusammengesetzt wTar; also im Kern ri2 — ri6'" breit war. Daß a und b derselben
Steinschicht angehören, wie schon v. Premerstein angenommen hatte, wird jetzt
dadurch bestätigt, daß die Erwähnung des Triumphes auf a Z. 5 und die der
Weihung auf b Z. 5 notwendig- an den Schluß des ganzen Gedichtes gehören.
Da durch die Anfangsworte von Z. 1 auf a gesichert ist, daß noch weitere
Zeilen vorausgingen, so folgte ober u und b noch eine Lage beschriebener
Steine, aber schwerlich mehr, da wir nach Analogie ähnlicher Gedichte, die sich
durchweg wahrhaft , lapidarer' Kürze befleißen (vgl. Bücheier S. 3241. nicht mehr als
vier, allerhöchstens sechs weitere Verse vor Z. 1 voraussetzen können, in denen
Näheres über die den Triumph (Z. 5) begründenden Ereignisse berichtet war.
Ober den Versen stand der Name des Tuditanus (als des Weihenden oder des
') Die Nachrichten über den Feldzug und Triumph 3) Der Stein l>, der nur in einer Breite von
des Tuditauus hat v. Premerstein Jahreshefte X 271 f. 0-221" (unten) erhalten ist, trägt auf der Vorderseite
zusammengestellt. in den einzelnen Zeilen 8 — 9 Buchstaben. Da er rechts
2) Die Abbildungen sind nach Jahreshefte X etwas enger beschrieben ist als a, so sind auf dem
268 f. wiederholt, wo auch eine genaue Beschreibung links fehlenden Teil von 0*34 — 0'36m noch 11 — 13
des gegenwärtigen Zustandes der Steine gegeben ist. Buchstaben vorauszusetzen.
278
E. Reisch
Geehrten), wodurch erst erklärlich wird, warum in den erhaltenen Versen der
Name des Handelnden erst nachträglich in Z. 4 genannt wird, während schon
in mehreren vorausgehenden Zeilen berichtet war, was er getan hatte. Unter a
und b folgte wenigstens noch eine gleichartige Steinschicht, auf die einige Buch-
stabenstriche der letzten erhaltenen Zeile übergriffen (v. Premerstein S. 267), auf
der aber, wie der Inhalt von Z. 5 und 6 lehrt, keine weiteren Verse mehr standen.
Die Höhe des Ganzen wird also einschließlich eines Untersteines und einer oben
abschließenden Deckplatte i'30
in 1 ö ;" betragen haben. '<][;P|{ i
Die Tiefenausdehnung des
Postamentes läßt sich nicht fest-
stellen; die Steine sind vielleicht
erst bei ihrer Wiederverwendung
in moderner Zeit auf ihre jetzige
Dicke von 0-33 — 0-34'" gebracht
worden. Wenn auch auf Grund
des Breiten- und Höhenmaßes
nicht bezweifelt werden kann,
daß das Postament, zu dem ci
und b gehören, eine Statue trug,
so müssen wir doch unentschie-
den lassen, ob wir an ein ein-
faches Standbild oder ein Reiterbild zu denken haben. Daß diese Statue den
Konsul Sempronius Tuditanus darstellte, darf als fast selbstverständlich ange-
nommen werden.
Nun wissen wir durch Plinius III ig, 129 von einer Statue des Tuditanus,
deren Standort nach der allerdings unklaren Ausdrucksweise des Plinius (vgl. S. 291)
irgendwo in Istrien oder in Aquileia gewesen zu sein scheint, und es entsteht
die Frage, welche Beziehung zwischen dem neugefundenen Postamente und dieser
Statue besteht. Ich muß der folgenden Erörterungen wegen die betreffende Stelle
des Plinius in ihrem ganzen Zusammenhange hierhersetzen, in der Textgestaltung,
die ihr Detlefscn gegeben hat1): Histria ut peninsula excurrit. Latitudinem eius
XL, circuitum CXXV prodidere quidam, item adhaerentis Liburniae et Flanatici
sinus alii CCXXV, alii Liburniae CLXXX. nonnulli in Flanaticum sinum Iapudiam
124: Quader ir: Vorderseite.
1 Die geographischen Bücher der Naturalis lli-
storia des C. Plinius Secundus (Sieglins Quellen und
Forschungen zur alten Geschichte und Geographie
IX K104).
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus
279
promovere a tergo Histriae CXXX, dein Liburniam CL fecere. Tuditanus qui domuit
Histros in statua sua ibi inscripsit: Ab Aquileia ad Titium flumen stadia MM5).
v. Premerstein (S. 280) glaubte, die aquileiensischen Fragmente, die er als
Teile eines größeren in Prosa verfaßten Elogiums ansah, als eine Kopie der
Inschrift ansehen zu sollen, die auf dem Postament der von Plinius erwähnten,
etwa in Parenzo oder in Pola aufgestellten Siegerstatue gestanden hätte. Rücheier
dagegen hielt die Frage der Zusammengehörigkeit der aquileiensischen Basis
it ■ \_
125 : Quader /> : Vorder- und rechte Nebenseite.
und jener Statue dadurch für erledigt, daß die Inschrift von Aquileia in Versen
abgefaßt war, während er jene Distanzangabe, die Plinius aus Tuditanus beibringt,
nach Art der Angaben des sogenannten Miliarium Popillianum (CIL I551, X 6950,
Dessau Inscr. Lat. sei. 23) — eines Verzeichnisses der einzelnen Distanzen auf der
Straße Capua-Regium — beurteilt wissen wollte.
Gegen die letztere Annahme spricht - abin-^hen von der auffalligen Ver-
bindung eines Distanzenverzeichnisses mit einer Statue — vor allem der Umstand,
daß Tuditanus doch gewiß keine Straße nach Dalmatien gebaut hat und zudem die
auf tausend abgerundete Stadienzahl nicht als eine praktischen Zwecken dienende
Distanzangabe gelten kann. Dagegen passen, wie bisher ziemlich allgemein aner-
1 MM für das handschriftliche M hat Müller und Geographie XI) S. [22; vgl. unten S. 282. Der
zu Ptolemäus II 16 p. 306 vorgeschlagen, ebenso Xarae des rCerfea-Flusses erscheint in der Inschrift
Zippel, Die römische Herrschaft in Illyrien (.18771 CIL III (>ii8 (p. 1036) in der Form Titus, doch
S. 136 und A. Klotz, QuaestionesPlinianaegeographicae berechtigt uns das wohl kaum, die gleiche Schreibung
(■Sieglins Quellen und Forschungen zuralten Geschichte auch bei ludit.imi- einzusetzen.
28o
E. Reisi-h
kannt worden ist6), die von Plinius angeführten Worte nach Form und Inhalt
sehr wohl in einen Bericht über den Zug des Tuditanus gegen die Iapoden. Denn,
wenn auch Plinius III 21, 140 das Gebiet der Iapoden weiter nordwärts am
Telavius (der heutigen Zermanja bei Obrovazzo) enden läßt und den Titius —
die heutige Kerka - als Grenzfluß von ,Liburnieir und Dalmatien bezeichnet,
so gehören doch auch
noch in der Kaiserzeit
die Iapoden zum con-
ventus iuridicus von
Scardona an der Mün-
dung des Titius (Plin.
III 139 CIL III p. 366-
I03o); vgl. Fig. 126.
Mag also das Gebiet
der Iapoden, das einst
vermutlich noch viel
weiter nach Süden sich
ausdehnte, um 1 30 bis
gegen den Titius zu
sich erstreckt haben
oder auch damals
schon das Land süd-
lich von Obrovazzo
nur von liburnischen
Stämmen bewohnt ge-
wesen sein, jedenfalls
mußte jede gegen die
Iapoden gerichtete
Unternehmung ihn- Wirkung bis /.um Titius erstrecken, zumal der Oberlauf des
Titius dem Quellengebiete der Zermanja benachbart ist.7) Ob nun in jenem größeren
Plinius II] 129 (vgl. Flor. II 5 [I, 21]) und Straho VII 5,
4 p. 3 14 (Anm. 8) zeigen; vgl. Zippcl a. a. O. S. 1 -4- R.
Kiepert, Formae orbis, Text zu Tal. XXIII S. i t will
mit Patsch, Lika S. 24 den Telavius (oder „Tedanius")
in der Quelle Zerovnica nördlich von Ortopla erken-
nen. Es ist sehr möglieb, daß auch im ). 129 v. Chr.
I.iburner mit den Iapoden verbunden waren, wie später-
hin öfter, vgl. Appian, Illyr. 16. Dio IL 34. 2.
126: Ausschnitt aus Kiepert, Formae orbis antiqui Taf. XVII.
Zippe] a. a. 1 >. S. 131 f.; Benussi, f.'Istria sino
ad Augusto (188S) p. 269 t".; Mommsen R(i IT' 169;
v. Premerstcin a.a.O. S. 280.
er das Gebiet der Iapoden it.',; "\>.- = o>v
Appian, Illyr. io) vgl. Patsch, Wissensch. Mitt. aus
Bosnien VI 164 f.; VII 33; Jelii ebd. VIT 205. Im
Küstengebiete lassen sich die Grenzen zwischen iapoden
und Liburncrn nicht scharf ziehen, wie die Angaben bei
Die Statuenhasis des C. Sempromus Tuditanus 281
Zusammenhang, dem das Zitat bei Plinius entlehnt ist, gesagt gewesen war, daß
Tuditanus das ganze Gebiet bis zum Titius unterworfen habe, oder aber, daß er
die Iapoden und vielleicht auch die Liburner bis zum Titius zurückzufliehen ge-
zwungen habe, können wir nicht wissen, aber wir werden kaum an den merk-
würdigen Zufall glauben wollen, daß Tuditanus diese Worte in einem andern
Zusammenhange als in dem eines Berichtes über seinen Iapodenfeldzug ge-
braucht hätte.
Überlegen wir nun. daß einerseits in den verlorenen Versen der aquileiensi-
schen Fragmente ein Bericht der gleichen Art über den Iapodenfeldzug gestanden
haben muß, wie der, von dem die bei Plinius erhaltenen Worte einen Teil gebildet
haben, und daß anderseits in diesen Worten gerade xAquileia in den Vordergrund
gerückt erscheint, so kann kaum ein Zweifel darüber sein, daß hier und dort zu-
sammengehörige Stücke eines und desselben Berichtes vorliegen.
Dazu kommt nun, daß die von Plinius angeführten Worte in der Form, in
der die Handschriften sie überliefern, ganz wohl einen Saturnier bilden konnten,
dessen Härten in den Eigennamen genügende Entschuldigung finden :
Ab Aquileia ad Titium | flümen städia mille
Da in Wahrheit die Entfernung von Aquileia zum Titius bedeutend mehr als
1000 Stadien beträgt, so hat man , mille' in ,duo milia' verändert. Plinius führt
die Distanzangabe des Tuditanus in Zusammenhang mit Angaben über die Küsten-
längen Istriens und Dalmatiens an, ohne daß ersichtlich würde, inwieweit zwischen
den einzelnen Angaben Übereinstimmung oder Widerspruch herrschte. Es ist
klar, daß, wenn bei Tuditanus die ganze Küstenlänge Istriens in der Linie
Aquileia — Tergeste — Pola — Fianona — Tarsatica in die Berechnung einbezogen
würde, eine Entfernung' von weit mehr als 2000 Stadien sich ergeben würde8).
A. Klotz hat kürzlich durch die Addition mehrerer bei Plinius überlieferter
Distanzangaben geglaubt, für die Strecke Aquileia — Formio — Tarsatica — Titius
genau 2000 Stadien ermitteln zu können'!. Aber diese Versuche haben schon
deshalb wenig Gewähr, weil wir kein Recht haben, die Distanzangaben bei Varro
s) Nach Strabo VII 5, p. 314 C hat der 'Iaipixc; Breite Istriens (nach Plinius) mit 40 römischen Meilen
7iapxn/,ou; 1300, der 'IanoSlxög 1000, der Aipupvtxo; an und gewinnt durch Änderung der bei Plinius über-
mehr als 1000 (1500 Epit.! Stadien. Nach den von lieferten Zahl für Iapodien und Liburnien 1 80 römische
Plinius III 129 an erster Stelle genannten Gewährs- Meilen, was dann allerdings gerade 250 römische
männern würde die Küstenentwicklung Istriens (von Meilen = 2000 Stadien ergibt. Aber es ist durchaus
Formio an?) und Liburniens (von Arsia bis Titius?) fraglich, ob wir in die Distanzangaben bei Plinius,
350 röm. Meilen = 2800 Stadien sein. die sich mit den bei Strabo überlieferten nahe be-
9) Quaestiones Plinianae geographicae S. 122. rühren, ein Mali hineinkorrigieren dürfen, das den
Klotz setzt die Strecke Aquileia — Formio mit 29, die Nordpunkt des Quarnero zum Ausgangspunkte hat.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. KI. 36
282 E. Reisch
und Agrippa, weder wo sie richtig', noch wo sie unrichtig sind, in der Zeit des
Tuditanus vorauszusetzen. Der Marsch des Tuditanus ging aller Wahrscheinlich-
keit nach vom Timavus g'egen Tarsatica zu (vgl. S. 284), auf einem Wege, den
man auf etwa 550 Stadien schätzen mag10); für das weitere Vordringen gegen
Süden, bei dem gewiß die Flotte behilflich war, könnte man die Küstenlinie, die
von Tarsatica bis lader (Zara) rund 800 Stadien beträgt, als Grundlage der Distanz-
berechnung ansehen, wozu dann noch bis Burnum oder bis zur Titiusmündung
250 — 300 Stadien zuzurechnen wären. Doch hat Tuditanus seine Distanzangabe
gewiß nicht durch eine solche Addition von Land- und Seewegen ermittelt, sondern
die direkte Entfernung der beiden Endpunkte zur See (auf der Strecke Pola —
lader) im Auge gehabt, wobei ihm Schätzungen griechischer Seefahrer vorgelegen
haben mögen; daraus erklärt sich am einfachsten die Anwendung des griechi-
schen Längenmaßes sowie die Nennung eines Flusses, d. h. einer Flußmündung
als Endpunkt der Strecke. Es ist nun vielleicht kein bloßer Zufall, daß im so-
genannten Itinerarium Antonini zweimal (p. 272 und 496) der ,traiectus sinus Li-
burnici' von Pola nach lader mit nur 450 Stadien angegeben ist11), und daß unter
Zugrundelegung des gleichen Maßstabes für die Entfernung Aquileia — Titius sich
annähernd gerade 1000 Stadien ergeben würden1-). Jedenfalls möchte ich glauben,
daß unter solchen Umständen in der Zeit des Tuditanus der Abstand der beiden
Punkte ganz wohl in poetischer Allgemeinheit mit mille stadia eingeschätzt
werden konnte. Während eine Angabe, wie , Zweitausend' oder fünfzehnhundert'
schon den Anspruch einer genauer berechneten Distanzangabe machen würde,
kann , mille stadia' schlechtweg zur Bezeichnung einer unbestimmt großen Ent-
fernung gesetzt sein. Die Eigenart der dichterischen Sprache scheint also gerade
jene Formulierung zu schützen, die auch durch das saturnische Versmaß empfohlen
und durch die Handschriften überliefert wird. Wer aber meinen sollte, daß eine
solche Abrundung der Zahl, die zugleich beträchtlich hinter der Wirklichkeit
zurückbleibt, dem Tuditanus nicht zugemutet werden könne, der müßte bei Plinius
statt M die Zahl MD oder MDC einsetzen und in der metrischen Aufschrift die
Hunderterzahl am Anfang des nächsten Verses angeschlossen denken, etwa so:
.stadia mille | quingenta terra marique . . . profligavit'.
Für den Text der aquileiensischen Steine gewinnen wir aber aus der Stelle
10) Die Strecke Aquileia — fönte Timavi — Ave- freilich auch hier die Zahl CCCCL zu DCCCL oder
sica — ad malum — ad titulos — Tarsatico halle nach DCCCCL ändern wollen.
dem Itinerarium Antonini (p. 273) 7C römische .Meilen. n) Vcrgl. die Berechnungen bei Fr. I'ichler,
Vgl. Mommsen CIL V p. 75. Anstria Romana II (Sieglins Quellen und Forschun-
'. I . Müller iu Ptolemäus 11 16 p. 300 hat gen III) S. 400.
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 283
des Plinius außer einem neuen Verse noch ein weiteres. Mit Recht hat schon
v. Premerstein (S. 278) vermutet, daß das Zitat bei Plinius in letzter Linie aus
dem Geschichtswerke des Tuditanus genommen sein müsse13), das in seinem letzten
Abschnitte noch des Tuditanus eigene Taten behandelt haben wird14). Wer anders
als Tuditanus selbst sollte es wohl auch der Mühe wert gefunden haben, die
Inschrift einer Statuenbasis in einem entfernten Grenzbezirke des Reiches zu
kopieren? Dann legen uns aber die Worte des Plinius (,in statua sua ibi in-
scripsif) in Verbindung mit der Tatsache, daß Tuditanus seiner sprachlichen Form-
gewandheit wegen gerühmt wird, die Vermutung nahe, daß Tuditanus selbst,
wie er wohl in seinem Buche bekannte, der Verfasser der Inschrift war.
Dann sind also auch die Verse der aquileiensischen Basis zwar nicht, wie
Bücheler vermeinte, ein vollwertiges Seitenstück zu den Saturniern, in welchen
Accius die Taten des Brutus Gallaicus feierte1''), aber doch gute Hausdichtung eines
Geschichtschreibers, der auch später noch eines gewissen Ansehens sich erfreute10).
Auch noch die weitere Bemerkung des Plinius über Tuditanus: ,qui domuit
Histros' dürfen wir nunmehr für die Ergänzung der aquileiensischen Verse heran-
ziehen, mögen nun die Worte unmittelbar dem Texte der Statuenbasis oder den
begleitenden Worten in des Tuditanus Annalen entlehnt sein. Zwar hat gerade
diese Erwähnung der Histrer, wo man die Iapoden erwartete, Befremden erregt;
aber daß hier kein Irrtum vorliegt, geht schon daraus hervor, daß Plinius eben
bei der Beschreibung Istriens des Tuditanus gedenkt. Wohl hat schon im
Jahre 177 der Konsul C. Claudius über die Histrer triumphiert (Liv. 41, 13, 6), und
es ist möglich, daß die damals bis zur Vernichtung geschlagenen Stämme des
westlichen Istriens sich seither nicht mehr gegen die Römerherrschaft erhoben
haben 1T). Aber jener Teil der Histrer. der in den östlichen Bergen Istriens und
u) Tuditanus wird bei Plinius im Index zu Buch (iellius VII 4, 1 : in Tuditani libris).
XII und XIII unter den benutzten Autoren genannt, ls) Schol. Bobiensia zu Cic pro Arcliia 27 (p. [65
vgl. XIII 84. Für das Zitat in Buch III möchte Hildebr.): cuius (Acci) plurimos versus, quos Satur-
Detlelsen, Die Beschreibung Italiens in der Natur. nios appellaverunt, vestibulo templi Martis super-
Historia des Plinius (Sieglins Quellen und Forschun- scribsit Brutus.
gen Ii S. 39 Vermittlung durch Cornelius Nepos an- lb) Vgl. Cic Brut. 2;. 95: Gaius Tuditanu- cum
nehmen, Klotz a. a. O. S. 122 denkt an Varro. omni vita atque victu excultus atque expolitus, tum
14) Über die Schriftstellerei des Tuditanus vgl. eius elegans est habitum etiam orationis genus. Bei
Peter Histor. Roman, rcl. I p. CCX; 1S5I". Gegen Dionvs. Haue. I 11 werden Cato und Tuditanus als
Cichorius, der dem Tuditanus ein annalistisches Werk Ol XofKOTOCTCX xmv Pd)|iaixc5v JUYYpaqpstflv bezeichnet,
abzusprechen versucht hat (Wiener Studien XXIV '") Liv. 11. 9: Histria Iota trium oppidorum
590), vgl. v. Premerstein a. a. O. S. 278. Ich bezeichne ( — Nesactium, Mutila, Faveria — ) excidio et morte
das Geschichtswerk des Tuditanus als Annalen, ob- regis pacata est omnesque undique populi obsidibus
wohl der Titel vielleicht anders gelautet hat ivgl. datis in dicionem venerum.
$6'
284 E. Reisch
im Karstgebiete östlich und nördlich von Triest bis zum Timavus saß l8), hat den
Römern auch noch nach 177 viel zu schaffen gegeben. Schon im Jahre 171. sechs
Jahre nach dem istrischen Triumphe des Claudius, führten die Aquileienser Klage
..coloniam novam et infirmam necdum satis munitam inter infestas nationes Histrorum
et Illyriorum esse" (Liv. 43, 1.5) und als damals der Konsul C. Cassius auf eigene
Faust von Aquileia durch Illyricum nach Mazedonien zu ziehen unternahm, dachte
man in Rom, daß der Konsul gegen .Carner oder Histrer einen Kriegszug beab-
sichtige (Liv. 43, 1, 7). Als bald darauf Gesandte der ,Carner, Histrer und Iapoden-
in Rom erschienen, um sich über die Verwüstung ihrer Ländereien durch Cassius
zu beklagen, gab sich der Senat alle Mühe, diese durchaus nicht ungefährlichen
Völkerschaften, die Cassius durch seine verunglückte makedonische Expedition
in Aufruhr gebracht hatte, wieder zu beschwichtigen.
Diese Erzählung ist für uns auch deshalb von Interesse, weil Tuditanus die-
selbe Anmarschroute wie Cassius genommen haben dürfte. Neben den Histrern,
mit denen es Tuditanus nach Plinius zu tun hatte, sind uns in Z. 1 des Steines a
als seine Gegner die Taurisker bezeugt, die als die nördlichen und östlichen
Nachbarn der Carner häufig- mit diesen zusammen genannt werden11'). Bücheier
hat auch hier Z. 1 die Carner eingesetzt und „lediglich um das Versschema auf-
zuzeigen" zu lesen vorgeschlagen : descendejre et Tauriscos Cjarnosque et Liburnos20)
ex montib]us coactos m[aritimas ad oras]. Doch wird man bezweifeln dürfen, daß
die Römer schon damals daran denken konnten, die Alpenstämme in ihren Berg-
sitzen zu umfassen und in das Küstengebiet zu drängen. Sie begnügten sich wohl
damit, die zum Meere herabgestiegenen Stämme wieder in ihre Berge zurück-
zutreiben und sie dort recht empfindlich zu züchtigen. Möglich, daß die Taurisker 81),
18) Noch Strabo V 1,9 p. 215 läßt die Küste der VII 5, 2 p. 314 (vgl. Appian Illyr. 16, Dio IL, 34.
Histrer am Timavus beginnen vgl. Ann). 28). Wenn 2), als Nachbarn der Iapoden bei Plin. III 18, 127;
andererseits bei Strabo IV 6, 10 und VII 5, 2 p. 314 22, 146; 5, 38; vgl. Strabo VII 5, 2 p. 314; Zippel
Triest und das Bergland bis zur Ocra 1 Birnbaumer- a. a. O. 125. In der Zeit des Tuditanus mögen frei-
wald) als Gebiet der Carner erscheint, so wird man lieh die Gebiete dieser Völkerschaften noch anders
anzunehmen haben, daß allmählich im ersten Jahr- abgegrenzt gewesen sein als späterhin,
hundert v. Chr. die Carner nach Osten und Südosten 20) Die Liburner möchte man eher mit den
weiter vorgedrungen waren, so daß die Histrer auf Iapoden als mit den Tauriskern zusammen genannt
das Gebiet des heutigen Istriens beschränkt wurden. erwarten.
I0) Im Jahre 115 v.Chr. hat der Consul M. M Die Hauptsitze der Taurisker waren in Nori-
Aemilius Scaurus über die Carner und zugleich auch cum, vgl. Strabo IV 6, 9; Polvb. bei Strabo IV 6,
über die Taurisker triumphiert, wenn Mommsens 12; Plin. III 20, 133, doch erscheint auch Xauportos
Verbesserung des handschriftlichen .Cauriscos' in der fOberlaibach) bei Strabo VII 5, 2 p. 314 als Sied-
Schrift de viris illustr. 72, 7 richtig ist, vgl. v. Prcmer- lung der Taurisker. Wie mit den Carnern Anm. 19),
stein 274 M. Die Carner erscheinen als Nachbarn so berühren sie sich auch mit den bis nahe an die Ocra
der Taurisker bei Strabo [V 6, 9; VII 1. 5 p. 292; reichenden Iapoden, vgl, Appian Illyr. 16; Dio IL 34,2,
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 28,5
deren Wohnsitze damals vielleicht weiter nach Süden reichten als späterhin, im
Jahre 12g mit Histrern und Iapoden zusammen bis gegen Aquileia vorgedrungen
waren tvgl. S. 287), doch möchte ich eher glauben, dal3 sie sich dem Tuditanus erst
im Berglande in den Weg- gestellt hatten oder daß Tuditanus — etwa auf dem
Rückmärsche — von seiner Straße nordwärts abgewichen war. um die Alpenstämme
für anderweitige Feindseligkeiten zu züchtigen. Man könnte also etwa ergänzen:
ex itinejre oder eo itinejre22) et Tauriscos c[ontrivit et Carnos].
Die Reste von Z. 2 bieten zu viele Ergänzungsmöglichkeiten, um eine Ent-
scheidung zuzulassen-3*. In Z. 3 hat Bücheier mit der Lesung: diebus ter quineis
die Zeitangabe sicher richtig erschlossen. Leider läßt sich aber nicht erkennen,
ob innerhalb dieses Zeitraumes die ganze Expedition oder nur der Hinmarsch
oder nur eine Episode des Feldzuges zum Abschlüsse gekommen ist24). Ich würde
am liebsten glauben, daß in Z. 3 und 4 eine Zusammenfassung sämtlicher Erfolge
gegeben war. Statt quater könnte natürlich auch quattuor dagestanden haben,
z. B.: , quattuor superavit | populos' oder , quattuor expugnavit | urbes'. Die von
Bücheier Z. 4 vorgeschlagene Wortverbindung castreis] signeis consi[lieis] scheint
nicht unbedenklich: aber die erhaltenen Buchstaben lassen anderweitigen Ver-
mutungen wenig Spielraum. Ich habe an ,signeis consi[stit]' oder ,consi[stens]'
gedacht, etwa in der Verbindung .cunctis signis consistere' (wobei vorher der Ort,
bis zu welchem Tuditanus vorgedrungen war, genannt gewesen sein müßte), oder
im Sinne von ,iterum heic consistere signis' (von der glücklichen Rückkehr) —
aber ich vermochte nichts Befriedigendes zu finden und glaube bei .consilieis'
verbleiben und nur für , castreis', das zu der kurzen Dauer der Expedition nicht
zu stimmen scheint, ein anderes Wort einsetzen zu sollen, z. B. ,fausteis\
Im zweiten Halbvers von Z. 4 möchte ich den vollen Namen Sempronijos
Tuditanus vermuten, da die Nachstellung des Subjektes am Schlüsse so vieler
Aussagen eine nachdrücklichere Betonung des Xamens wünschenswert erscheinen
21) Auch andere Ergänzungen, z. B. quo tem- -*) Den Krieg gegen (ientius und die Illyrier
po]re, ultra ma]re sind denkbar; dagegen scheint hat L. Anicius Gallus .intra triginta dies' nach Liv.
ein Infinitiv durch die Stellung weniger empfohlen. 44, 32, 4, Etxooiv j)|iepai£ nach Appian Illyr. 9 be-
!3) Im ersten Halbvers läßt sich statt ex oder endet. Im Elogium des L. Aemilius Paulus CIL XI
in montib]us auch anderes voraussetzen, z. B. ,iani 1829 (Dessau, Inscr. Lat. sei. 57 heißt es: Copias
cladib]us coactos', woran v. Premerstein dachte. M regis [decem diebjus, quibus Mac[edoniam atti]git,
könnte der Anfangsbuchstabe eines Namens sein, etwa delev[it, regem cum liberijs cep[it]; beiLivius 45, 41, 5
von Mentores (die nördlich von den Liburnem sitzen. sagt Aemilius: (bellumi quindecim diebus perfeci.
vgl. Zippel a. a. O. S. 8) oder Menocaleni (bei Plin. Auf 30 Tage halte C. Cassius im Jahre 170 seinen
III 133), läßt aber auch die mannigfachsten ander- Marsch von Aquileia durch Illyricum nach Make-
weitigen Vermutungen zu. donien veranschlagt (Liv. 43, I. 8 .
286 E. Rcisch
läßt. Bücheier hat in seinem Ergänzungsvorschlag Saturnier. deren zweiter Halb-
vers mit einem Auftakt beginnt, vermieden, weil er auf dem Steine nur Muster-
verse glaubte erwarten zu sollen, doch dürfen wir wenigstens dort, wo Eigennamen
ins Spiel kommen, gewiß auch freier gebaute Saturnier voraussetzen25).
Mehr Anhaltspunkte zur Ergänzung der Geschichte des Iapoden-Feldzuges
als Z. 3 und 4 in ihrer gegenwärtigen Verstümmelung scheinen mir die beiden
letzten Zeilen zu bieten. Aus Z. 5 erfahren wir, daß Tuditanus dem Flußgott
Timavus eine Stiftung geweiht hat26). Diese Stiftung erhält einen besonderen
Nachdruck durch Z. 6: sacra pat]ria ei restitu[it et magist]reis tradit, deren scharf-
sinnige Ergänzung durch Bücheier mir in der Hauptsache unanfechtbar erscheint27);
nach der Erwähnung des Triumphes und dem Hinweis auf das Weihgeschenk
kann nicht mehr eine anderweitige neue Tatsache berichtet, sondern nur noch
ein Zusatz zu dem unmittelbar vorher Gesagten gegeben worden sein.
Ein solcher Pietätsakt gegenüber Timavus kann nun für einen Konsul, der
über Iapoden und Taurisker gesiegt hat, durchaus nicht als etwas Selbstverständ-
liches gelten; er läßt sich nur daraus erklären, daß der Timavus für die Expedition
des Tuditanus eine besondere Bedeutung gewonnen hatte. In der Tat bildete der
Fluß Timavus, der seit der Gründung von Aquileia der Grenzfluß zwischen den
Römern und Histrern war'-"'), gewissermaßen die natürliche Basis des von Tudi-
tanus unternommenen Feldzuges. Über ,Fons Timavi' lief in der Kaiserzeit eine
Straße quer durch das nördlichste Istrien nach Tarsatica (Fiumel. Als der Konsul
A. Manlius im Jahre 178 gegen die Histrer auszog, da verlegte er, wie wir aus
der ausführlichen Erzählung bei Livius XLI 1 erfahren, von Aquileia aus zunächst
sein Lager ,ad lacum Timavi'-"'), wohin auch die römische Flotte beordert war. Von
-'■ Beispiele solcher Saturnier bespricht Leo. M) Der ,See des Timavus' (vgl. die ,stagna
Der satumische Vers (Abhandl. d. Göttinger Ges. d. Timavi' bei Claudian de III cons. Honorii 120) wird
Wissenschaften VIII 5 1905 S. 53. von den meisten in dem sumpfigen Terrain (.Lisert'l
■") l'ber das zu ,dedit' zu ergänzende Objekt südostlich von Monfalcone gesucht, da in den beiden
vgl. unten S. 289. südlich vom I.isert gelegenen Hügeln, dem Hügel von
1 Den Trennungspunkt vor ,ei', der auf Groebes S. Antonio imit der Schwefeltherme) und dem öst-
Durchreibung (Klio V 1 05 erscheint, vermag Maionica lieh benachbarten ,della Punta' mit Sicherheit die
mit dem Steine nicht zu erkennen. Dennoch wird festländisch gewordenen ehemaligen Inseln erkannt
man an der Richtigkeit von Büchelers Deutung nicht werden dürfen, die Plinius III 30, 151 (aus älterer
zweifeln dürfen. Auch ,pat]ria' und damit auch , sacra Quelle: 1 noch als Inseln ante ostia Timavi (vgl. II
patria' scheint mir wenigstens dem Sinne nach gesichert. 103,2291 erwähnt; vgl. Czörnig, Das Land Görz 11.
29) Der Timavus erscheint als Grenze der 'Iotptov Gradiska '1N731 S. 116; Kandier, Discorso sul Ti-
nupaXtn bei Strabo V 1, 9 p. 215 C; wahrscheinlich mavo 1 rriest 18641 s. 37; Benussi a. a. 1 >. S. 21..
ist erst durch die Lex Pompeia des J. 89 v.Chr. die Nissen, Ital. Landeskunde II -' i 3 identifizier! den See
ze Italiens bis zum Kormio i I'lin. III 1271 vor- des Timavu- mit dem vier Kilometer nördlich gelege-
geschoben worden, vgl. V. riemerstein a.a.O. S. 27'.. neu LagO di I'ietra Rossa.
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 287
dort gingen die Schiffe ,ad proximum portum in Histriae fines', während die
Legionen fünf Meilen von diesem Hafen ihr neues Lager aufschlugen. Die Histrer.
die den Römern zuerst beim Timavus-See ,post collem occulto loco' aufgelauert
hatten, folgten ihnen dorthin ,obliquis itineribus' und überrumpelten das Lager,
das die Römer dann — nach dem übrigens wenig glaubwürdigen Bericht bei
Livius -- in kürzester Frist wieder zurückeroberten30). So hat vielleicht auch für
Tuditanus der Timavus nicht nur als Ausgangsstelle, sondern als Kampfschauplatz
Bedeutung gehabt. Die Wiederherstellung der sacra patria am Timavus scheint
doch auf eine vorausgegang-ene Zerstörung des Heiligtums durch Feindeshand
hinzuweisen. Wenn wir überlegen, daß die rcepav AXtzswv wohnenden lapoden-
stämme noch im J. 52 soviel Stoßkraft besaßen, um Aquileia und Tergeste zu über-
fallen31), so werden wir kein Bedenken tragen anzunehmen, daß die am Quarnero
wohnenden Iapoden im J. 12g zusammen mit den Histrern bis Aquileia vorgedrungen
waren. Daß die Feinde von Aquileia abgewehrt werden mußten, scheint der bei
Plinius überlieferte Vers des Tuditanus (oben S. 281 1 ausdrücklich zu bezeugen.
Ob dieser Überfall durch die Iapoden dem Erscheinen des Tuditanus vorausging,
oder ob mit ihm jene anfängliche Niederlage des Tuditanus in Verbindung zu
bringen ist, von der Livius berichtet 32), wissen wir nicht. Aber es hat alle Wahr-
scheinlichkeit für sich, daß ein Einfall der Iapoden in das römisch-istrische Grenz-
gebiet den Anstoß zu dem Zuge des Tuditanus und daß die Abwehr des über den
Timavus vorgedrungenen Feindes den Anlaß zu einem Gelöbnis an den Flußgott
gegeben hatte.
Das Pietätsverhältnis des Tuditanus zu Timavus und seine nahen Beziehungen
zu Aquileia leg'en uns zugleich noch eine weitere Vermutung nahe. Wenn wirklich
das Geschichtswerk des Tuditanus noch den Krieg- gegen die Iapoden im Jahre
129 v.Chr. umfaßte, dann sind wir berechtigt, in den Annalen des Tuditanus
auch eine besonders ausführliche Behandlung der früheren, für diesen Feldzug
und sein Gebiet bedeutsamen Ereignisse vorauszusetzen. Die Erzählung nun, die
Livius (XLI 1 — 5) über den vorher erwähnten Kriegszug des Konsuls A. Manlius
gibt, ist schon lange als eine eigenartige Partie, der wenigstens mittelbar
der Bericht von Augenzeugen zugrunde liegen müsse, erkannt und gewürdigt
"') Vgl. Zäppel a.a.O. S. 103; Benussi a. a. O. VIII -4; Patsch, Wissenschaftl. Mitteilungen aus
S. 216; Gnirs, Istrien in der antiken Überlieferung Bosnien u. d. Hercegowina VI 168.
(Pola 19021 S. 12; v. Veilli, Die Eroberung Istriens '-1 Livius epit. f. IX a. E.: C. Sempronius con-
durch die Römer (^treffleurs Militär-Zeitschr. [908) ^nl adversus Iapydas primo male rem gessit, mox
S. 120 f. vicioria cladern acceptaro emendavit virtute D. Tuni
") Appian Illyr. 1 s, vgl. Eiirtius, Bell. ( i all. liruti eius qui Lusitanos subegerat.
288 E. Reisch
worden33). In dieser Erzählung fällt auf, daß des Manlius erstes Standlager ,ad
lacum Timavi- ausdrücklich genannt wird, obwohl es keinerlei Bedeutung für die
folgenden Ereignisse hat, daß dann die Situation des nächsten Lagers ,ad pro-
ximum portum' im Histrerlande sowie alle militärischen Maßnahmen (die Truppen-
verteilung, die Kommunikationslinien usw.) eingehend geschildert werden und daß
zuletzt noch in einer breit ausgeführten Episode zwei Aquileienser Bürger, die
zufallig in das überrumpelte Lager gekommen waren, mit Namen genannt werden.
Alle diese lokalen Beziehungen würden sich nun bei Tuditanus, der, wie wir
jetzt wissen, in einem besonderen Verhältnis zu Aquileia und dem Timavus
gestanden hat, am besten erklären. Und auch die Art, wie im Berichte über
die Schlachtenschicksale des A. Manlius eine offenbar sehr viel nachhaltigere
Niederlage der Römer in deutlich chauvinistischer Fälschung der Tatsachen als
eine sofort wieder gutgemachte Schlappe dargestellt wird, stimmt gut zu der
Unbefangenheit, mit der Tuditanus im Epigramme seiner Basis vieler und rascher
Siegeserfolge sich rühmt, offenbar ohne der Niederlage zu gedenken, die er
unmittelbar vorher erlitten hatte, und ohne den Helfer zu erwähnen, dem er
nach anderwärtigen Nachrichten seinen endlichen Erfolg verdankte84). Ich muß
aber die Entscheidung darüber, ob Livius hier und ebenso vielleicht in anderen
Partien, z. B. bei der Erzählung von der Expedition des C. Cassius (Liv. 43, 1 ff.)
das Geschichtswerk des Tuditanus selbst eingesehen oder, was wahrscheinlicher
ist, es durch die Vermittlung des Valerius Antias benutzt haben könnte, anderen
überlassen35), da ich in diesem Zusammenhange vorerst von der Person des Tudi-
tanus noch einmal zu seiner Weihung zurückkehren muß, um deren Gegenstand
und Aufstellungsort noch etwas genauer zu erörtern.
Bücheier hat Z. 5 ergänzt: aedem heic dedit Timavo. Aber wenn auch die Bei-
spiele dafür zahlreich sind, daß römische Triumphatoren in Rom Tempel errichteten,
so vermöchte ich doch aus dem zweiten Jahrhunderte v. Chr. keine Analogie
dafür nachzuweisen, daß ein römischer Feldherr zum Andenken an seine Siege
in einer fernen Grenzstadt einen Tempel gebaut hätte. Und wenn es an sich
schon auffällig wäre, daß ein solcher Tempel in Aquileia einige Meilen vom Flusse
") Nissen, Untersuchungen über die Quellen der :'5) Über die von Livius benutzten Annalisten vgl.
4. und 5. Dekade des Livius 23g; Zippel a. a. O. S. 103. Nissen a.a.O. S 46; Sollau, LiviusGeschichtswerk27f.
Die Vermutung, daß dieser mit sovielen militärisch- Ich verweise noch auf die Übereinstimmung zwischen
technischen Einzelheiten ausgestattete Bericht auf Tuditanus Fgm. 6 (Plutarch, Flamin. 14) und Livius
Ennius zurückgehe (Soltau, Philol. LH 689), scheint 34, 52, die sich wohl auch aus der Benutzung des
mir keiner Widerlegung zu bedürfen Tuditanus durch Antias und Benutzung des Antias
" Liv. epit. LIX (Anm. 32), vgl. Appian Jllyr. 18. durch Plutarch und Livius erklären dürfte.
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 289
Timavus errichtet wurde (s. u.), so müßte es doppelt befremdlich erscheinen, daß
neben dem Tempel noch eine Statue des Tuditanus aufgestellt und die Geschichte
der Weihung- nicht am Tempel selbst, sondern auf der Statuenbasis erzählt war36).
Eher könnte man an einen Tempelbau in jenem von Strabo V8 p. 214 als
Tt|iauov bezeichneten Heiligtume denken37), das ev aÖT<j) ~G> \vs/<}> xoö 'ASplov, also ent-
weder in nächster Nähe des heutigen Timavo oder nordwestlich davon gegen Mon-
falcone zu im Gebiete der dem Timavus zugerechneten Quellnüsse gelegen war38).
Es wäre denkbar, daß dort schon früher ein Tempel gestanden hatte und bei
einem feindlichen Einfalle zerstört worden war. Doch wird man auch hier sich
fragen müssen, ob die ,sacra patria' eines Flußgottes nicht besser in einen Hain
als in einen Tempel passen. Und es ist schwerlich ein Zufall, daß Strabo in
dem als Tfywcuov bezeichneten Heiligtume in seiner verhältnismäßig ausführlichen
Schilderung nur von einem Haine des Diomedes und von zwei weiteren , Hainen'
der "Hpa Äpystx und der 'Ap^jxtj AiztaXic, spricht a"), ohne eines Tempels des
Timavus zu gedenken w). So wird es vielleicht geratener sein, vor: ,heic] dedit,
in Z. 5 ein anderes Objekt zu ergänzen; eher als ,aram' oder ,signum' möchte ich
- zumal auch ein längeres Wort besser geeignet scheint die Lücke zu füllen
,statuam' oder ,praidam' vermuten, so daß hier ein Hinweis auf die aus dem Beute-
erlöse gestiftete Statue gegeben war, die auf der Basis stand. Wenn Bücheier
zu seiner Ergänzung hauptsächlich durch die Erwägung veranlaßt war, daß hier
neben dem Triumphe ein bedeutungsvolleres Weihgeschenk genannt gewesen
sein müsse, so scheint mir das Bedenken durch den Zusatz in Z. 6 entkräftet;
3f') Im Vestibulum des Marstempels war die In- bezeichnete Station des Itiner. Anton, (vgl. Anm. 101
schritt des Brutus Gallaicus Anra. 15) angebracht. und der tabula Peutingeriana (vgl. Anm. 661 anzu-
,Supra valvas templi' stand die Inschrifttafel des L. setzen haben, da einige der von Norden dem ,Tima-
Aemilius Regillus im Tempel der ,Lares permarini' so- vus-See' zufließenden Gewässer, namentlich der Loka-
wohl wie ,eodem exemplo' im kapitolinischen Iuppiter- vac, in römischer Zeit wohl sehr viel mehr Wasser
tempel (Liv. 40, 52, 5 f.); vgl. die Tafel des Mum- führten als heute. Der Hain des Timavus wird sich
mius CIL I 541 ; VI 33 1 (Dessau 20). am Ost- und Nordrande des heutigen ,Lisert' (Anm.
37) 'Ev aiiTM 8= T(T) |J.ux.<T> ~oü X3p£ou y.ai tspov 29) hin ausgedehnt haben,
xoü Alou.i}8ous iaiiv äjtov |iv»ju.7]s, ~ö Ttu.auov Aiuiva •' V 9 p. 215: zip ik Aio;iv,o='. -xpi wtög 'Evstotj
fäp sxs'. xal äAaog sx^psrcsj >cal r.r,-fa; i~xy. t.o-m- äTtoSiSet-fuivat -tvsj ia-opouvxai Tl|ia(' xal -fap 9-us-at
[iCou SSaxog eödüg elg xijv iHXaxxav ixitftcxovxoj nXaxel Xeuxö; \r.-',- ocöxtji, xal 8öo y.'/.--i\ -b |isv Hpaj Äp-
xai ßa^sT 7coxa|iq). Y6'*? Bshevoxat ~i 8' Äpx£(u8o{ Ä.txu)X(8og.
iS) Unmittelbar am heutigen Timavo liegt die '") In der Kaiserzeit befand sich hier oder un-
Kirche San Giovanni di Timavo (auch ,di Tuba' oder mittelbar bei den heilkräftigen Thermen auf dem wohl
,del Carso' genannt), von der man annimmt, daß sie damals schon festländischen Hügel 1 Anm. 29) ein
an der Stelle des .Tempels des Diomedes' steht. Doch Heiligtum der Spcs Augusta. vgl. die Inschriften CIL
ist nicht ganz sicher, ob wir hier auch im Altertum V 707, 708, die in der Kirche S. Giovanni di Tuba
die Hauptquelle und damit auch die als ,Fons Timavi' (Anm.3S ) eingemauert sind, und dazu Mommsen p. 75.
Jahreshefte des iisterr. archäol. Institutes Bd. XI. \-j
290 E. Reisch
der Akt der Pietät gegen Timavus bestand eben nicht allein in dieser Weihung
eines einmaligen Geschenkes, sondern vor allem in der Wiederherstellung der
, sacra patria', die für alle Folgezeit durch die Übergabe an ein neu eingesetztes
Priesterkollegium .magistreis tradit') sichergestellt werden sollten.
Ganz unabhängig von der Ergänzung des fehlenden Wortes in Z. 5 dürften
wir aber schon durch die starke Betonung des kultlichen Momentes in Z. 5 und 6
zur Vermutung kommen, daß die Statue, die auf der erhaltenen Basis stand, nicht
als eine Ehrenstatue, sondern als ein Weihgeschenk an Timavus angesehen werden
sollte. Daß Tuditanus selbst seine Statue aufgestellt hat, müssen wir aus den
Worten des Plinius folgern. Eine Porträtstatue aber, die der Dargestellte selbst
in einem Heiligtume zur Aufstellung gebracht hat41), glaube ich der älteren Auf-
fassung entsprechend als Weihgeschenk bezeichnen zu sollen, mag auch diese
Vorstellung bei den Römern sich früh verwischt haben und vielfach selbst in
den zugehörigen Baseninschriften nicht zum Ausdruck gebracht worden sein4-).
< M) in der Aufschritt der Statue ausdrücklich die Weihung ausgesprochen war.
oder bloß g'esagt war ,de manubiis' oder ,de praeda' oder ,de Iapudibus' ist be-
langlos; aber wichtig ist, daß die ruhmredige Erzählung von den Taten des
Tuditanus durch den Anlaß der Weihung motiviert, gleichsam als deren Vor-
geschichte erscheinen soll43). Damit verschwindet zugleich alles Auffällige, das der
Inschrift anzuhaften schien, solange sie als Aufschrift einer von Gemeinde wegen
aufgestellten Ehrenstatue und als Vorläufer der stadtrömischen Elogien betrachtet
wurde. Aus dem Aufstellungsorte der Statue erklärt es sich auch, daß der Konsul,
der in Rom nur über die Iapoden triumphiert hat, in der Inschrift seiner Basis
auch die über Histrer und Taurisker errungenen Erfolge aufzählt, die dem Senate
in Rom vielleicht geringfügig erscheinen mochten, während sie für die jenen
Völkerschaften benachbarten Aquileienser bedeutungsvoll waren.
") vgl- l'Hn. 34, 19: notatum ab auctoribus Aera. Paulus 28), lautel die Aufschrift bloß: L. Aimi-
et L. Altium poetam in Camenarum aede maxiraa lius L. f. imperator de rege Perse Macedonibusque
forma staluam sibi posuisse, cum brevis admodum cepit, vgl. Homolle, Melanges Boissier 247 1.
fuisset; 34, 18 (Statue des C. Hostilius Mancinus); ,3) Eine gute Parallele bietet der .index', mit
j4, 43 (Statue des Sp. Carvilius zu Füßen der dem Ti. Sempronius Gracchus die im Tempel der
Kolossalstatue des luppiter); Liv. 23, 19, 18 (Statue Mater Matuta aufgestellte Tafel (Sardiniae insula
des M. Anicius in Praeneste); Plut. Flamin. 7 (Statue forma erat, at<[ue in ea simulacra pugnarum picta) be-
des Flamininus in Rom mit griechischer Aufschrift). gleitete, Liv. 41, 28, 8. Nachdem am Anfang die
\ufdem Sockel des in Delphi wieder auf- Unterwerfung Sardiniens und die dabei erzielten
gefundenen Pleilers, auf den L. Aemilius Paulus an Erfolge aufgezählt worden sind, heißt es am Schlüsse
stelle von Perseus' Bild sein eigenes aufzustellen in der Paraphrase, die I.ivius von den Saturniern
bestimmt hatte ( T'olyb. 30. 14; Liv. 45, 27, 7; Plut. gibt (vgl. Leo a. a. t >. 04 J: .cxercitum plenissimum
Die Staluenbasis des C. Sempronius l'uditanus 2QI
Danach würde sich die Inschrift auf der Basis des Tuditanus unter Bei-
behaltung von Büchelers Vorschlägen, soweit dies nach den oben vorgetragenen
Erwägungen angängig scheint, etwa folgendermaßen darstellen :
[C. Sempronios C. f. Tuditanus imperator de manubieis.]
[Iapodas ]
Ab Aquileia ad Titium flumen stadia mille
[ profligavit]
... domuit Histros ]
[Ex itinejre et Tauriscos c[ontrivit et Carnos]
[in montib]us coactos m
[diebus te]r quineis qua[ter hostes super]avit
[fausteis] signeis consi[lieis Sempronijos Tuditanus.
[ita Roraaje egit triumpu[m, praidam heic] dedit Timavo,
[sacra patjria ei restitu [it atque magistjreis tradit.
Schon bei den früheren Erörterungen haben wir die Frage nach dem Auf-
stellungsort der Statuenbasis streifen müssen: wir können sie jetzt nicht mehr
länger umgehen. Würde uns die Inschrift in der obigen Fassung, die sich aus
sachlichen Erwägungen uns aufgedrängt hat, ohne Angabe über die Fundstelle
überliefert sein, so würde wohl niemand zweifeln, daß das zugehörige Denkmal
seinen Platz im Heiligtum am Timavusflusse gehabt haben müsse. Denn dort
ist der natürliche Platz für ein Weihgeschenk, das der Feldherr dem Flußgotte
als einer unmittelbar an dem Kriege beteiligten Gottheit gelobt hat, und dort
würde sich ohne Zweifel auch am besten erklären, daß die Wiederherstellung
der , sacra patria' in der Inschrift eine so stark betonte Erwähnung- gleich neben
dem Triumphe findet. Auch die Nachricht des Plinius (oben S. 278) würde mit
einer solchen Annahme wohl vereinbar sein. Wenn dort ,ibi' nicht ein Schreib-
fehler ist oder in völlig gedankenloser Weise aus einem andern Zusammenhang
von Plinius herübergenommen ist, dann muß eine lokale Beziehung zwischen der
Statue und ,Istrien' angenommen werden; diese wäre, da das heutige Istrien um
1 29 v. Chr. noch nicht von den Römern besiedelt war, also hier nicht in Betracht
kommen kann11), eigentlich nur für das Timavusheiligtum, nicht aber für Aquileia
praeda domum reportavit, iterura triumphans in ur- schon vor dem ersten Jahrhunderte v. Chr. römische
bem Romam rediit, cuius rei ergo hanc tabulam Kolonien bestanden, keinerlei Zeugnis geltend machen,
donum Iovi dedit. Auch wäre nicht einzusehen, warum für einen Feld-
u) An Pola oder Parenzo als Standort der von zug, der in Aquileia begann und im Iapodenlande
Plinius genannten Statue hat v. Premerstein S. 286 endete, gerade im westlichen Istrien ein Denkmal
gedacht; doch läßt sich für die Annahme, daß dort errichtet worden sein sollte.
37*
292
E. Reisch
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ti • rorrAi
TEMAVO
D • D • L-AK
f
gegeben, da, wie wir vorhin sahen, eben der Timavus in der Zeit des Tuditanus
die Grenze Istriens bezeichnete, während Aquileia zwölf römische Meilen westlich
davon im Lande der Veneter (oder nach anderer Grenzbestimmung der Carner) lag.
Andererseits ist es natürlich das Nächstliegende, bei einem Denkmal, von
dem ein Stein (n) in Monastero bei Aquileia, der andere (b) einige Kilometer nord-
westlich davon bei Cervignano gefunden worden ist4S), Aquileia als ursprünglichen
Standort vorauszusetzen. Und so hat auch Bücheier die Weihung des Tuditanus
an Timavus für Aquileia in Anspruch genommen, indem er zum Belege dafür,
dal3 die , Heiligkeit und Verehrung des istrischen Flußgottes auch fern von Aqui-
leia bezeugt sei\ auf die Inschrift CIL V suppl. 380 (Dessau, Inscr. Lat. sei. 3900)
verweist Diese bisher einzige Weihinschrift an Tima-
vus steht auf einer kleinen, nur 0*25 m hohen, o-i9m
breiten Statuettenbasis (Fig. 127)"'), die gegenwärtig in
einer Privatsammlung in Monreale am Flusse Celina (in
der Nähe von Maniago, nordwestlich von Udine) sich
befindet; sie gehört nach den Formen der Buchstaben,
die ähnlich wie bei der Tuditanusbasis von der Vorder-
seite auf die Nebenseite übergreifen, sicher noch republikanischer Zeit an. Mommsen
meinte, die Weihung stammte ,a negotiatore quodam itinerum Aquileiensium
memore'. Ich kann den Zweifel nicht unterdrücken, ob diese angeblich in Mon-
reale gefundene und vermeintlich aus dort heimischem Stein gearbeitete Basis
wirklich seit dem Altertum sich dort befunden habe, und möchte für möglich
halten, daß ein neuzeitlicher Besucher der warmen Bäder von Monfalcone den
Stein, der sieh bequem in einer Tasche tragen ließ, als angemessenes Andenken
an eine Badesaison vom Timavusstrande in die Heimat mitgenommen hat*").
Aber auch wenn wirklich die kleine Basis nicht verschleppt, sondern im
nördlichen Friaul als Denkmal eines bescheidenen Privatkultes bodenständig sein
sollte48), würde sie doch nicht ausreichen, um die Annahme eines öffentlichen Heilig-
127: Statuettenbasis in Monreale.
1 1 her die Fundumstände vgl. Maionica bei
v. I'remcrstein S. 264 f.
'■'i Nach der Skizze CIL V Suppl. I 380. Die
Buchstabenformen des Druckes (vgl. Notizie d. scavi
1884 p. 57) geben den wirklichen Schriftcharakter nur
ungenau wieder.
Die Beziehungen zwischen dem Hinterlande
von Friaul und den 14.:;, wiederhergestellten Warm-
bädern von Monfalcone scheinen immer ziemlich leb-
haft gewesen zu sein. Von lacobus Valvasonius de
Maniago rührt eine 155.5 gedruckte Schrift ,dc thermis
ad I imavi Ostia' her, vgl. Mommsen CIL 111 p. 75.
1023.
Is) Krst nachträglich bemerke ich, daß Sticotti.
Archeografo Tricstino ser. III vol. III '10.071 p. 10;
in dem ,'femavus' der Inschrift von Maniago nicht
den berühmten Timavus, sondern den — anderweitig
nicht bezeugten — Namen des (Maniago benachbar-
l'iusses Celina erkennen will, wofür sich die
für den Timavo nirgends vorkommende Form I ema
Die Statuenbasis des C. Serapronius Tnditanus -93
tums des Timavus in Aquileia wahrscheinlich zu machen. Gerade der Kult eines
Flußgottes haftet fester und ausschließlicher als irgend ein anderer am Orte und
es ist nicht recht abzusehen, warum die Aquileienser in ihrer Stadt eine Filiale
des so nahe benachbarten ,Timauon"'') errichtet haben sollten. Auch fällt es
einigermaßen ins Gewicht, daß unter den so zahlreichen Inschriften von Aquileia
keine Spur eines Timavuskultes sich findet.
Nun kann ja mit Rücksicht darauf, daß in den letzten Zeilen der Inschrift
noch andere Ergänzungen denkbar sind, die Möglichkeit nicht schlechtweg ge-
leugnet werden, daß die Statue des Tuditanus in Aquileia auch anderswo als in
einem Timavusheiligtume aufgestellt gewesen sein könnte; man müßte eben dann
an der oben abgelehnten Annahme einer Ehrenstatue festhalten und die letzten
Zeilen der Inschrift als bloße Erzählung des im ,Timauon' Geschehenen auffassen,
wobei vielleicht sogar ein ,heic' aus der Zugehörigkeit des ,Timauon' zum Ge-
biete von Aquileia50) erklärt werden könnte. Daneben bleibt natürlich auch die
andere Möglichkeit offen, daß die erhaltene Basis überhaupt nicht zu der ur-
sprünglichen Stiftung, sondern zu einer für Aquileia angefertigten Replik der
für einen anderen Ort bestimmten Statue gehörte.
Mir persönlich scheinen allerdings die vorher angeführten Gründe, die für einen
engen Zusammenhang der Basis mit dem Timavusheiligtume sprechen, stark genug,
um die Vermutung- zu rechtfertigen, daß die beiden in Monastero und Cervignano
gefundenen Quadern tatsächlich aus dem ,Timauon' stammen. Man könnte daran
denken, daß schon in römischer Zeit einmal die Statue vom Timavus nach Aquileia
übertragen worden sei; aber auch der Annahme einer Verschleppung in früh-
mittelalterlicher oder neuerer Zeit sind die äußeren Umstände nicht so ungünstig,
als es auf den ersten Blick scheint. Wir können daran erinnern, daß in älterer
und neuerer Zeit das Steinmaterial für Aquileia und dessen Hinterland aus den
Steinbrüchen von Nabresina gewonnen worden ist und daß die Straße, die von
Nabresina nach Aquileia — Monastero und Cervignano führt, das Gelände durch-
schneidet, in dem das ,Timauon' gelegen haben muß, so daß sehr wohl auf diesem
Wege zusammen mit dem neugebrochenen Material auch schon zubehaltene Steine
nach Aquileia und Cervignano gebracht worden sein konnten. Ebenso nahe liegt
aber auch die Möglichkeit eines Transportes der Steine zur See. da bis in die
vus gellend machen ließe. Dann wäre also die In- Vorgange Strabos diese Bezeichnung für das am
schrift in Maniago zwar hodenständig, aber kein Timavus gelegene Heiligtum zu verwenden.
Zeugnis für den Kult des adria tischen Timavus. 5n) Vgl. Plin. N. 11. II 103, "5; Martial VII
49) Es sei der Kürze halber gestattet, nach dem 25, 3; Vibius Sequester de llum. tont. p. 152 Riese.
2Q4 E. Reisch
Neuzeit hinein die Schiffe bis unmittelbar an San Giovanni di Timavo (Anm. 38)
heranfahren konnten. Die alte Kirche am Timavo aber mit ihren reichen Liegen-
schaften war seit dem frühen Mittelalter dem Benediktinerkloster von Aquileia-
Beligne zugewiesen51).
Dazu kommt nun, daß die Quadern der Tuditanusbasis aus Nabresinastein
hergestellt sind, während in Aquileia nach Maionicas Beobachtungen an den
älteren Bauten republikanischer Zeit zuerst Stein von Medea (nördlich von Aqui-
leia), später Stein von Monfalcone verwendet worden ist und erst seit etwa
50 v. Chr. der Stein von Xabresina auftritt. Maionica möchte damit die Vermutung
stützen, daß die Quadern mit der Tuditanusinschrift nicht zu der Basis der ur-
sprünglichen Weihung des Tuditanus, sondern zu einer späteren Kopie gehörten,
die für das augusteische Kaiserforum bei Monastero hergestellt worden sei. Ich
vermag aber nicht zu glauben, daß die erhaltenen Steine, die in Buchstabenformen,
Orthographie und Schriftanordnung durchaus altertümlichen Charakter zeigen (vgl.
v. Premerstein S. 267), einer zur Dekoration des Kaiserforums bestimmten Basis
angehören konnten Auch kann ich keine Verwandtschaft zwischen der Tuditanus-
basis und dem vielfach mit ihr verglichenen und ebenfalls dem Kaiserforum
zugewiesenen Steine des (an der Gründung der Kolonie im J. 181 v. Chr. be-
teiligten) L. Manlius Acidinus52) sehen, zumal es mehr als fraglich ist, ob dieser
Stein überhaupt zur Basis einer Statue gehörte53).
Ich möchte vielmehr aus dem Material der Basis den Schluß ziehen, daß
sie eben nicht in Aquileia, sondern im ,Timauon' gearbeitet worden ist, wo man
die nahe benachbarten Brüche von Nabresina früher ausgebeutet haben wird, als
in Aquileia. Will man also die erhaltenen Quadern einer aquileiensischen Kopie
zuweisen, so möchte ich annehmen, daß gleichzeitig mit der Weihung ins .Timauon'
' Czornig a. a. O. S. 269. 327 '; Gregorutti. gründung vorgenommenen Vermessung sei (vgl. CIL!
Archeografo Triestino XVI (1890) p. 263. 552 f.). Bei einer solchen Bestimmung würde sich,
•■2) Der Stein (jetzt im Staatsmuseum von Aqui- scheint mir, sowohl die etwas saloppe Schreibung
leia, vgl. Jahreshefte 1908 Beiblatt S. 1» ist 073"' der altertümlichen Inschrift (vgl. Ritschel, PLMK
hoch, 0'56m breit, 0-l65m dick und trägt als Auf- tab. XLVIII D), wie auch die Beschränkung der Titu-
schrift bloß den Namen des Acidinus mit dem Zusatz: latur auf das eine Amt der Kolonialgründung sehr
triu m)vir Aquileiae coloniae dedueundae (CIL V 873 ; viel besser erklären, als bei der Aufschrift einer Ehren-
I 538), die Basis des Tuditanus dagegen ist aus zahl- statue. Ober der Inschrift ist der Stein in einer Höhe
reichen, verhältnismäßig kleinen Quadern vgl. S. 277) von 02" jetzt rauh bearbeitet; hier konnte vielleicht
aufgebaut und ihre Inschrift enthält eine ungewöhn- eine Bestimmung der (irenzen gestanden haben, die
lieh ausführliche Erzählung eines geschichtlichen Er- nach der späteren Erweiterung der Kolonie nicht zutraf
eignilies. und daher ausgemeißelt wurde; doch ließe sich diese
. ubitschek verweist mich auf die Möglich- Frage nur im Zusammenhange einer Untersuchung über
keit, daß der Stein ein Terminus der bei der Kolonie- die verschiedenartigen Grenzsteine entscheiden.
Die Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 295
auch eine Replik der Statue in Aquileia aufgestellt worden sei, deren Steinbasis
zugleich mit der Basis der andern Statue in demselben Steinbruche hergestellt wurde.
Dafür, daß von einer Statue oder Inschrift an zwei verschiedenen Orten gleich-
artige Exemplare zu gleicher Zeit aufgestellt worden sind, fehlt es nicht an Bei-
spielen «vgl. Anm. 36 und 41). Es wäre aber nicht recht abzusehen, warum von
der Statue des Tuditanus etwa um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr.
ein noch späterer Zeitpunkt scheint mir mit dem Schriftcharakter kaum verein-
bar — eine Kopie in Aquileia aufgestellt worden sein sollte.
Mag man sich aber in dieser Frage, die doch nur ortsgeschichtliche Be-
deutung hat, so oder so entscheiden, in dem einen wie in dem andern Falle
wird man die Tatsachen, die in Z. 5 und 6 berichtet werden, auf das ,Timauon'
beziehen müssen. Damit fällt ein neues Licht auf dieses Heiligtum, das uns bisher
eigentlich nur durch die vorher (Anm. 37 f. 1 angeführte Notiz bei Strabo bekannt war.
Die große Bedeutung des Timavus — oder der unter diesem Namen zusammen-
gefaßten Zuflüsse54) — war wohl darin begründet, daß an dem , Hafen des Timavus'
in vorrömischer Zeit jene großen Handelsstraßen mündeten, die die Adria mit
dem Norden und Nordosten verbanden und später in Aquileia ihre Kopfstation
erhielten55). Daraus erklärt sich auch, daß schon sehr früh die Griechen diesen
Punkt in den Kreis ihrer Handelsbeziehungen und in den Bereich ihrer Mythen-
bildung einbezogen haben. Ohne Zweifel hat man ja hier auch jenen Fluß Istros 56)
zu suchen, der als adriatische Ausmündung des in das Schwarze Meer fließenden
54) Gregorutti lArcheografo Triestino X. S. XVI anderen Teil in unbedeutende Abflüsse sieb spalte-
1890 p. 259 f.) bat die These aufgestellt, daß unter teten; vgl. Jordanes GeticaXLII 220 (der die Xatissa
dem Timavusflusse der alten Schriftsteller der Isonzo ,a raonte Piccis' entspringen läßt),
zu verstehen sei, — eine Annahme, die mit den un- :>5) Gregorutti a. a. O. p. 304 sucht wahrschein-
zweideutigen Nachrichten des Vergil, Strabo, Plinius lieh zu machen, daß auch ein Teil der Überlieferuu-
u. A. unvereinbar ist. Möglich wäre aber, daß in gen über den Eridanos und die Bernsteininseln an
vorrömischer Zeit wirklich die im Unterlauf des der Timavusbucht zu localisieren sei. Über eine alte
Isonzo vereinigten Gewässer ihren Abfluß ins Meer Straße, die von hier aus nordöstlich über Jamiano und
über Ronchi südostwärts in die Lagune des Tima- Reifenberg durch den Karst ins Wippachtal führte, vgl.
vus oder unmittelbar westlich davon gefunden hätten. Gregorutti a. a. O. X VIT 1 Sgl) p. 167 f.; Puschi, Atti
Wenn bei den Geographen der Kaiserzeit unter den e memorie d. societä Istriana XVII (1901) p. 381.
in die Adria mündenden Flüssen zwar der Natiso '"') Cluverius, Italia antiqua 11624) p. 208, dem
und Timavus, nicht aber der Isonzo genannt wird, Mommsen CIL V p. 41. 75 beistimmt, identifiziert
so darf man dies nicht durch die Voraussetzung, daß Istros und Timavus. Vielleicht ist es richtiger zu
Isonzo und Timavus identisch waren, erklären wol- sagen, daß in den Nachrichten über den adriatischen
len; viel näher scheint mir die Annahme zu liegen. Istros Überlieterungen über den Timavo und den
daß damals die Gewässer des Isonzounterlaufes zu Isonzo zusammengeflossen seien, was sich besonders
einem Teile mit dem Natiso (etwa in der Richtung, leicht erklären würde, wenn der Isonzo einst weiter
die die heutige Natissa einhält, vgl. Czörnig a. a. 0. östlich, unweit der Lagune des Timavus mündete
p. 110. 159) ins Meer gingen, während sie zu einem (Anm. 54).
296 E. Reisch
Ister-Danuvius galt, wozu wohl nicht der Name allein, sondern die Bekanntschaft
mit den alten Handelswegen und wohl auch einheimische Vorstellungen über die
unterirdischen Kommunikationen der Gewässer dies- und jenseits der Berg-e Anlaß
gaben, sei es, daß dabei an eine Verbindung Save — Laibachfluß — Reka — Timavo
oder an einen Zusammenhang der östlich und westlich einander gegenüberliegenden
Quellen von Isonzo und Save gedacht wurde57). Hier am Istros wurde der eine
Endpunkt der Argonautenfahrt festgelegt 5S) und ausdrücklich nennt Martialis
(IV 25, 5; VIII 28, 8) den Timavus als den Fluß, in dem Kastor sein Roß Kylla-
ros getränkt hat59).
Ob in den von Strabo erwähnten Hainen der Hera und Artemis wirklich
griechische Filialkulte oder vielmehr Kulte einheimischer, den Griechengöttern
gleichgesetzter Gottheiten zu erkennen sind, mag dahingestellt bleiben. Wenn
aber Strabo schlechtweg das Ttfiauov als Heiligtum des Diomedes bezeichnet,
so ist klar, das hier auf Grund von Ideenverbindungen, die an dieser Stelle nicht
weiter verfolgt werden könuen, der einheimische Timavus dem griechischen
Diomedes gleichgesetzt worden ist G0). In die ursprünglichen einheimischen Vor-
stellungen läßt uns einen Blick tun die Nachricht des Polybius ioü; £~:/_ioptO'j; ~y-;:i-i
y.'xl [Mjrspa vrjq SraXccraje; övojw^ew töv totiov (Strabo V 8, p. 2i5)G1), und in den gleichen
Anschauungskreis weist uns wohl auch die Erzählung "2) von dem Zusammenhange
5l) Ob der Name Istros wirklich im Lande tischen Istros vgl. die Nachweise bei Pauly-Wissowa
üblich war (etwa am späteren Sontius = Isontius II 765 f.; Pais, Studi Storici I 11892) p. 321 f.
haftend) oder ob er erst von den Griechen dem im 59) Mit Beiseitesetzung des adriatischen Istros
alten Histrergebiet einmündenden Flusse auf Grund läßt Plinius III 18, 128 die Argonauten ,flumine non
des Volksnamens gegeben war, will ich nicht ent- proculTergeste' die Hadria erreichen, Iustinus 32, 3, 1 5
scheiden. Sicher ist, daß in römischer Zeit der Name die Kolcher in Aquileia sich niederlassen (vgl. den
Istros außer Gebrauch gekommen war (vgl. Plin. III Namen der Stadt Medea nördlich von Aquileia).
18, 127), was sowohl durch eine Veränderung des 6") Über Diomedeskult an der Adria vgl. noch
Isonzo-Unterlaufes oder durch das Zurückweichen der Strabo VI 9, p. 284; Pauly-Wissowa V 822 f. (Bethei.
Histrer von der Timavusmündung wie auch durch die Luftige Kombinationen versuchte Pervanoglu, Archeo-
Vcrdrängung des willkürlich gewählten griechischen grafo Triestino N. S. VI (1880) p. 17 f.
Namens sich erklären könnte. Festhaltend an der 61) Vgl. Vergil Aen. 1 244 f.: ,fontem Timavi . . .
etymologischen Verbindung von Histria und Istros unde per ora novem ... it mare proruptum' und
hat man dann den Istros innerhalb des Gebietes, dazu Scrvius: Varro enim dicit hunc fluvium Marc
auf das die Histrer in späterer Zeit beschränkt waren, nominari Matrem maris vermutete Cluverius. Italia
gesucht und ihn in verschiedenen Flüssen der Halb- anliqua 194).
insel Istrien, vorzugsweise aber im heutigen Quieto Plin. III 18. 127 1 nach Nepos): Histro
wiedererkennen wollen (Mannert, Geogr. d. Griechen exadversum Padi fauecs, contrario eorum percussu
und Römer IX I, 47; Benussi a.a.O. p. 15 u. a.); mari interiecto dulcescente; vgl. Pomponius Mela II
doch entbehrt der Ouieto aller Eigentümlichkeiten, 4,63. Solche Vorstellungen konnten bei einer Küsten-
die das Entstehen der an den Istros geknüpften fahrt vom Timavus zum Po, aber schwerlich bei einer
Vorstellungen begreiflich erscheinen lassen könnten. Hochseefahrt vom Ouietn zum Po entstehen. Vgl.
Ober die Argonautenfahrt durch den adria- IJais a.a.O. p. 323.
Die .Statuenbasis des C. Sempronius Tuditanus 297
des adriatischen [stros mit dem Po. An den uralten, vielleicht noch in die vor-
venetische Zeit zurückreichenden Kult knüpfte nun offenbar Tuditanus an, wenn
er die ,patria sacra' des Timavus wiederherstellte. Nicht unmöglich scheint mir,
daß er dabei auch schon eine Tradition im Auge hatte, die den Antenor als
Begründer oder Erneuerer des Kultes am Timavusflusse nannte; der Nachdruck,
mit dem von Vergil Aen. 1 244 bei der Fahrt des Antenor der Timavus erwähnt
wird63), legt den Gedanken an eine solche Erzählung nahe, die schon bei Cato';'i
oder in den Antenoriden des Accius erwähnt sein konnte. Ob freilich schon im
zweiten Jahrhundert v. Chr. der Kult des Timavus mit Hinblick auf einen voraus-
gesetzten troischen Ursprung als .patrius' bezeichnet worden sein könnte, vermag
ich nicht zu sagen 65). Indem Tuditanus für diesen Kult Magistri einsetzte, wird
dieser fortan gewissermaßen in die Reihe der offiziell von der römischen Kolonie
gepflegten Kulte aufgenommen.
Daß auch nach dieser Rezeption des Kultes durch die Römer der grie-
chische Einschlag noch wirksam blieb, lehren die Worte Strabos. Aus der
Folgezeit hören wir wohl noch mehrfach vom ,Quell des Timavus- und von den
mit Aquileias Blüte eng verbundenen Thermen66), aber wir erfahren nichts mehr
über das Heiligtum. Es wäre zu wünschen, daß die Tuditanusinschrift den Anlaß
gäbe, von neuem nach dieser uralten Kultstätte ,im innersten Winkel der Adria'
zu forschen, in der über dem Niederschlage altvenetischer Kultur der griechische
Handelsverkehr und die römische Kriegs- und Kolonialpolitik ihre dauernden
Spuren hinterlassen haben müssen.
Wien, Dezember 1908. EMIL REISCH
63) Verg. Aen. I 242 f. Vgl. Lucan Pharsal. VII Plinius N. H. III 133 und 130.
It)4 (Antenoreus Timavus); Sil. Ital. 12, 213 (,sacer 'i5) Vielleicht dart auch daran erinnert werden,
Timavus' im Zusammenhange mit der Antenorea daß die Bezeichnung ,pater' gerade für Flußgötter
stirps'l; Claudian de III consul. Honorii 120 (Phrygii (z. B. Padus, Tiberinus) mehrfach bezeugt ist, vgl.
stagna Timavi). Dessau, Inscr. Lat. sei. II 3903 : Wissowa, Religion
61) Da Dionysius Hai. I 11 und 13 Cato und der Römer 183.
Tuditanus nebeneinander als Gewährsmänner für 68) Auf der Tabula Peutingeriana sehen wir
den griechischen Ursprung der Aborigines anführt, unterhalb der Beischrift , fönte Timavi' ein Thermen-
darf man annehmen, daß Tuditanus die italische Ur- gebäude eingezeichnet, darunter einen See, der durch
geschiente in Übereinstimmung mit Cato erzählte, einen schmalen Landstreifen vom Meere getrennt ist;
der die Auffassung vertrat: Aborigines postea ad- das Gebäude ist auf dem Landstreifen gelegen zu
ventu Aeneae Phrvgibus iunetos Latinos uno nomine denken, da dieser offenbar den beiden Hügeln von
nuneupatos (Servius zu Aen. I b). Daß Cato auch über S. Antonio und della Punta (Anm. 29) entspricht.
die Euganeer gehandelt und den trojanischen Ur- Von den römischen Thermen sind bei dem Bau des
sprung der Veneter behauptet hat. wissen wir aus neuen Badehauses (1830) noch Reste gefunden worden.
Jahresbette des österr archäol Institute* Bd. XI. 38
BEIBLATT
B E I B L AT T
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908.
Am 3. März d. J. fand die statutenmäßige Jahres-
versammlung des Institutes statt, zu der außer den
in Wien und vielen auswärts weilenden Mitgliedern
auch die neu ernannten Mitglieder: die Professoren
A. Bauer, K. J. Jirecek, Hofrat D. H. Müller, E.
Oberhummer, Hofrat L. Reinisch, H. Swoboda und
A. Wilhelm erschienen waren. In Vertretung Sr.
Exzellenz des Herrn Ministers für Kultus und Unter-
richt begrüßte Herr Sektionschef Graf Wickenburg die
Versammelten, gedachte sodann in eindrucksvollen
Worten zweier Dahingeschiedener, des Direktors
Sektionschefs O. Benndorf und des Mitgliedes Ministers
a. D. und Geh. Rates W. v. Hartel, und ihres ent-
scheidenden Anteils an dem Zustandekommen und
Gedeihen des Institutes und versicherte dessen Leitung
für ihre Unternehmungen, namentlich aber für die im
Süden der Monarchie immer dringlicher eine Lösung
heischenden Musealfragen der wärmsten Fürsorge der
Unterrichtsverwaltung.
Hierauf erstattete der Direktor, Hofrat Prof. Dr.
Robert R. v. Schneider, nachdem er auch seinerseits
O. Benndorf einige Worte der Erinnerung, die be-
sonders die letzte Zeit seines der Krankheit in vor-
bildlicher Pflichttreue abgerungenen Wirkens berück-
sichtigten, gewidmet hatte, einen die Zeit von Juni
1906 bis Februar 1908 umfassenden Tätigkeitsbericht,
der nachstehend auszugsweise wiederholt wird.
Publikationen. Von Publikationen kamen zur
Vorlage der erste Band der „Forschungen in Ephesus",
von den „Jahresheften des Institutes" die 2. Lieferung
des IX. Bandes und der X. Band, von Sonder-
schriften die Aushängebogen eines demnächst er-
scheinenden Werkes von A. Wilhelm: „Beiträge zur
griechischen Inschriftenkunde".
Ausgrabungen in Ephesus. In beiden
Jahren begannen die Arbeiten in den ersten Tagen
Septembers, wurden mit 60 — 80 Arbeitern geführt
und Anfang Dezember beschlossen. Die Grabungen
leitete wie in den früheren Jahren Sekr. Prof. Dr.
Jahresliefte des österr. archiiul. Institutes Bd- XI Beiblatt.
R. Heberdey; ihm zur Seite standen der Architekt
W. Wilberg und Sekr. Dr. J. Keil. Im Jahre 1907
gesellte sich zu ihnen der mit der Ausgrabung
der Basilika betraute Ingenieur im Staatsbaudienste,
Friedrich Knoll. Für den ihm hierzu gewährten
Urlaub gebührt Sr. Exz. dem Herrn Statthalter von
Niederösterreich, Grafen Kielmannsegg, der Dank
des Institutes.
Abgesehen von nachträglichen Untersuchungen
und Aufnahmen der bereits 1904 — 1905 aufgedeckten
Baulichkeiten an dem vom Theater zum magnesischen
Tore laufenden Straßenzuge erstreckten sich die Ar-
beiten auf zwei Komplexe: den hellenistischen Markt-
platz und die Marienkirche mit dem Baptisterium. Die
ganze Anlage des Marktplatzes ist nunmehr im wesent-
lichen klargestellt. Sie läßt in ihrer jetzigen Gestalt
durch später erfolgte Modifikationen hindurch den ur-
sprünglichen Plan erkennen. Vor der Marienkirche
wurde ein anschließender Apsidenbau freigelegt und
das Baptisterium von Schutt und Trümmern geräumt,
so daß der noch in 2 m Höhe aufrechtstehende Innen-
bau nun von allen Seiten zugänglich ist. Für die
Rekonstruktion des Ganzen sind die wesentlichsten
Anhaltspunkte gewonnen. Das Polygon des Innen-
raumes war von einer kreisrunden Kuppel überwölbt,
die im Tambour von acht breiten Fenstern durch-
brochen war. In den Fußboden war ein kreisrundes
Taufbecken, circa lll2m ''ef> eingelassen, von zwei
Seiten durch Treppenabgänge zugänglich. Da der
Bau in ganz später Zeit ein Wohnhaus und eine
Werkstätte wurde, ist von dem Innenschmucke,
von 8 Reliefkreuzen an Mauerpfeilern abgesehen,
nichts mehr erhalten. Untersuchungen am magnesi-
schen Tore wiesen einen breiten, für Wagen be-
stimmten mittleren und zwei schmälere Seitendurch-
gänge nach. Zahlreiche aufgefundene Architekturteile
werden die zeichnerische Rekonstruktion des Stadt-
tores zulassen; große marmorne Löwen, deren Bruch-
stücke sich fanden, dürften die Torpfeiler tlankiert
1
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
haben. Nebenher gingen Tastgrabungen zur Auf-
findung der alten voralexandrinischen Stadt, die man
an dieser Stelle vermutet, doch führten sie zu keinem
sicheren Ergebnisse.
Von Einzelfunden ist neben zahlreichen, zum
Teil wichtigen Inschriften ein Bronzekranz vonO"lm
Durchmesser mit einem Kreuze zu erwähnen, der
die Bekrönung eines Gerätes gebildet zu haben
scheint, ferner Bruchstücke von Marmorgruppen, die
die Taten des Herakles darstellen. Durch Ab-
räumung der vor der Bibliothek lagernden Schutt-
massen gelang es, einen freien Platz zu schaffen, der
die Ruine erst zu voller Wirkung bringt und über-
dies ermöglichte, durch Zusammensetzung ver-
schiedener Bauglieder (hauptsächlich der Bibliothek,
aber auch der Agora und eines Tores) in den ur-
sprünglichen Verband eine Art architekturgeschicht-
liches Museum an Ort und Stelle anzulegen.
Die Sekretariate in Athen und Smyrna.
Die Sekretäre Prof. Dr. R. Heberdey und Dr. v.
Premerstein hielten im Jänner bis Ende März igoö
Vorträge in den athenischen Museen und topogra-
phische Kurse ab, die sich regen Zuspruches von Seiten
der in Athen anwesenden Archäologen erfreuten,
ferner im April alternierend einen zweiten Zyklus
für die mit staatlichen Stipendien nach dem Süden
entsendeten österreichischen Gymnasiallehrer. Sekretär
Dr. Keil in Smyrna bearbeitete die Inschriften der
dortigen evangelischen Schule für den Scheden-
apparat der Tituli Asiae minoris, für die er auch
gemeinsam mit Dr. v. Premerstein aus dem von
Sr. Durchlaucht dem regierenden Fürsten von und
zu Liechtenstein gewidmeten Fond eine Bereisung
Lydiens und der südlichen Aiolis vornahm. Den Er-
trag bilden 300 neue zum Teil belangreiche Inschrift-
texte, die demnächst in den Schriften der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften zur Veröffentlichung
kommen werden.
Seit der letzten Jahresversammlung ist das In-
stitutsgebäude in Athen, dessen Bau nach dem Ent-
würfe des Architekten Ernst Zillerauf dem von der kgl.
hellenischen Regierung liierfür gewidmeten Grunde
damals eben begonnen wurde, vollendet worden. Der
nbau war vor etwa einem Jahre fertig; seitdem
auch im Innern mit dem Nötigen versehen, wurde es
vor einigen Wochen bezogen. Für die Eröffnungs-
feier des Hauses ist kein pomphaftes Fest geplant;
es sollen sich nur in schlichter Art die in Athen
weilenden Archäologen aller Nationen, die sonst
wochenweise abwechselnd in den Häusern der fremden
wissenschaftlichen Missionen zusammenzukommen
pflegen, zum ersten Male auf österreichischem Boden
vereinigen. Die Weihe wird aber der Tag durch den
Besuch erhalten, den Se. Majestät der König der
Hellenen und Se. königl. Hoheit der Herzog von
Sparta auf Einladung des Herrn k. u. k. Gesandten
Freiherrn von Macchio bei diesem Anlasse unserem
neuen Hause zu machen gesonnen ist.1) Einfach in
seiner Erscheinung und Einrichtung, wird es sich den
Gästen desungeachtet nicht ohne bedeutungsvollen
Schmuck zeigen. Vor wenigen Wochen langte in
Athen die von Johannes Benk in Laaser Marmor
gearbeitete Porträtbüste Sr. k. u. k. Apost. Majestät
an, die als sichtbares Zeichen der Allerhöchsten Huld
durch die gütige Fürsprache Sr. Exz. des Herrn
Oberstkämmerers L. Grafen Gudenus für uns erwirkt
wurde. Sie fand im Bibliothekssaale ihre Aufstellung.
Eine andere Zierde wird unser athenisches Heim
in der Porträtbüste Otto Benndorfs von Frl. Hella
Unger erhalten, deren Ausführung in Bronze das
Ministerium nach dem im vorigen Jahre hier ausge-
stellten Gipsmodelle in Auftrag gab und die es zur
Aufstellung im neuen Institutshause bestimmte.
Die Staatsmuseen und die staatlich sub-
ventionierten Grabungen im Inland e.
I. Salona und Spalato. Die vom Reg.-R.
M>gre Bulic geleiteten Ausgrabungen in Salona,
für die vom Ministerium 1907 ein Zuschuß von
2000 K bewilligt wurde, deckten eine vom Feuer
zerstörte, wahrscheinlich unter Kaiser Constans
(333 — 35°) erbaute Basilika auf, die auf Fundamenten
älterer Häuser errichtet war; ferner eine große Bade-
anlage, das Katechumenion eines 1846 bloßgelegten
Baptisteriums sowie Wirtschaftsgebäude aus der
Zeit des Erzbischofs Petrus (554 — 562); weiter
wurde die Wasserleitung von der Basilica Urbana
bis zur Porti Caesarea verfolgt und nördlich von
dieser ein kleines Stadttor ausgegraben. Unter-
suchungen bei der Porta Caesarea, dem Haupttore
der Stadt, legten dar, daß die es rechts und links
flankierenden achteckigen Türme aus den letzten
Zeiten der Republik stammen und selbstverständlich
zu Verteidigungszwecken, nicht, wie man einst glaubte,
zu Wasserreservoirs dienten. Ihre Stellung zum Tore
zeigte auch deutlich, daß sich von der Stadtmauer
') Die Eröffnungsfeier des athenischen Institutsgebäudes fand am 4. März statt; s. unten Sp. 1 5 f .
5
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes I908
westlich bis zum Amphitheater die Altstadt, östlich
vor dem Tore die Neustadt ausbreitete. Hiermit ist
ein entscheidendes Resultat für die Topographie der
antiken Stadt Salonae gewonnen. Vor der Porta
Caesarea, also in der Neustadt, wurde in drei Frag-
menten einer griechischen Inschrift ein höchst wich-
tiges Dokument ausgegraben, das sich auf eine Ge-
sandtschaft der griechischen Kolonie Issa (Lissa) an
den in Aquileja weilenden Statthalter Illyricums und
beider Gallien, Julius Cäsar, 56 v. Chr. bezieht.
[Vgl. Kubitschek im Jahrbuche für Altertumskunde
Bd. I (1907) S. 76 ff.]
Im Jahre 1906 veranstaltete Bulic eine Aus-
grabung in Klapavica oberhalb Clissas, wobei eine
Kirche aus dem 6. Jahrhundert aufgedeckt wurde.
Der Fund eines höchst eigenartigen und interessanten
Weihrauchgefäßes aus der gleichen Zeit sowie von
Inschriften aus dem I. Jahrhundert und späteren
kroatischen Gräbern aus dem 9. und 10. Jahrhundert
lohnte reichlich Kosten und Mühen.
Aus diesen Ausgrabungen und durch gelegent-
liche Käufe kamen dem Staatsmuseum von Spalato
in den letzten 2 Jahren, von Münzen abgesehen,
über 1200 Gegenstände zu, die inventarisch verbucht
wurden, ein erheblicher Zuwachs, der, an sich als
der sprechendste Beweis eines gedeihlichen Wirkens
erfreulich, doch die Raumbedingungen, unter denen
in Spalato gearbeitet wird, von neuem sichtlich ver-
schlimmerte. Die endliche Inangriffnahme des im
Prinzipe bereits beschlossenen Baues eines neuen
Museums auf der Straße, die von Spalato zum
Kloster delle Paludi führt, nach den ebenfalls schon
genehmigten Entwürfen von Ohmann und Kirstein
müßte daher als rettende Tat begrüßt werden, da
die Zustände in dem gegenwärtig „Museum" ge-
nannten Hause, das vor etwa 80 Jahren mit den
dürftigsten Mitteln kümmerlich genug aufgeführt
wurde, und in den in der ganzen Stadt zerstreuten
Depots, in denen die dicht aneinander gerückten
Monumente weder studiert noch konserviert werden
können, absolut unhaltbar geworden sind.
Vom 25. — 27. September 1907 tagte in Spalato
die für die Konservierung des diokletianischen Pa-
lastes eingesetzte Kommission. Das Protokoll über
ihre Beratungen, zugleich mit einem den in den Ver-
handlungen eingenommenen Standpunkt rechtfertigen-
den Berichte, legte die Direktion am 7. Dezember
v. J. dem Ministerium vor. Als erfreuliches Resultat
der Beratung darf es gelten, daß sich die Mehrzahl
der Kommissionsmitglieder dahin geeinigt hat, von
einer weiteren Isolierung des Domes (Mausoleum)
und daher auch von der beabsichtigten Demolierung
des alten Episcopiums abzusehen, insbesondere des-
halb, weil dieses an sich vielleicht kunstgeschicht-
lich nicht allzu hoch einzuschätzende Gebäude den
Begrenzungslinien des ursprünglichen Platzes, den
das Mausoleum einst beherrschte, wenn auch nicht
genau, folgt und, so wie der Rahmen für das
Bild, für die künstlerische Wirkung des Domes
unentbehrlich ist. Sehr förderlich ist die schon
vollzogene Befreiung der Rückseite des Baptiste-
riums (sogenannter Aesculaptempel) von den Häusern,
die es verdeckten. Unaufschiebbar, aber kostspielig
und technisch höchst schwierig wird sich die Kon-
servierung der Rotunde gestalten, deren obere
Ziegellagen einzustürzen drohen. Die Entstellung der
Porta Aurea durch einen Balustradenbau, den die
dort wohnenden Nonnen errichteten, und der noch
schlimmere Neubau, den man mit Benutzung antiker
Architekturteile an der Riva aufführte, machten den
Mangel einer gesetzlichen Grundlage für das gedeih-
liche Wirken der Kommission schwer fühlbar. Sie
hielt es deshalb für ihre Pflicht, nachdrücklich die
Bitte auszusprechen, den vor Jahren von Sr. Exz.
Frh. v. Helfert im Herrenhause eingebrachten Ge-
setzentwurf mit den nötigen Emendationen baldigst
der parlamentarischen Beratung zuführen zu wollen.
2. Zara. Das Museum in der aufgelassenen
Kirche San Donato hat unter der bewährten Leitung
der Herren Smirich und de Bersa durch die im Herbste
1906 vollendete Restaurierung der Treppe und des
Vestibüls erheblich gewonnen. Dem antiken Bestände
wurde in würdiger Aufstellung eine Sammlung von
Gegenständen aus dem Mittelalter und der Re-
naissancehinzugefügt. Als Geschenk des Municipiums
konnten dem Museum die früher in einer kleinen
Exedra im Giardino pubblico aufgestellt gewesenen
römischen Bildwerke und Inschriften einverleibt
werden. Im Jahre 1907 wurden zahlreiche Fund-
gegenstände aus Nona, einer Trümmerstätte, die
einer eingehenden Untersuchung wohl wert wäre, mit
einem von dem Ministerium bewilligten Dotations-
zuschusse erworben. In beiden Jahren hatte das
Museum einen Zuwachs von 479 Objekten, darunter
161 Münzen.
3. Obrovazzo. Mit einer Gesamtsubvention von
3400 A" setzte Herr Oberlehrer Anton Colnago in
Obrovazzo seine archäologischen Untersuchungen
im nördlichen Dalmatien fort, über die er der
Direktion sorgfältig verfaßte Berichte einsandte. Die
1*
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
Grabungen betrafen hauptsächlich die Orte Stari-
grad und Krupa. In Starigrad, dem römischen
Argyruntum, wurde der Verlauf der antiken Stadt-
mauer konstatiert. Bedeutendere Funde erzielte man
außerhalb des Stadtgebietes, indem man die im
Stadttore mündende römische Straße mit derNekro-
pole aufdeckte. Hunderte von Gräbern ergaben eine
Fülle von Kleinfunden in den verschiedensten Mate-
rialien, den Inhalt eines ganzen Museums, das man
auf Gemeindekosten im Rathause zu Obrovazzo ein-
zurichten gesonnen ist. Bei Krupa wurden östlich
vom griechischen Kloster die Umfassungsmauern einer
römischen Ortschaft entdeckt und innerhalb der-
selben Steinfundamente, auf welchen die Häuser sich
wohl in Holz erhoben hatten. Unter den aufge-
fundenen Gegenständen zeichnet sich eine in rund
hundert Bruchstücke zerbrochene Bronze-Inschrift
aus. Zusammensetzung und Lesung sind bisher noch
nicht vollständig gelungen; doch dürften diese Frag-
mente nach Bormanns Vermutung das Statut des Con-
ventus von Scardona, in welchem Ausmaße steht noch
dahin, uns schenken.
4. Pola. Die von Dr. A. Gnirs 1906 und 1907
fortgeführten Untersuchungen an der Villenanlage,
die die Bucht von Val Catena auf Brioni grande
umsäumt, ergänzen die bisher erzielten Ergebnisse
zu dem Gesamtbilde eines reichgegliederten, zu-
sammenhängenden Bautenkomplexes, der für die Ge-
schichte der römischen Villenarchitektur die wichtig-
sten Aufschlüsse zu gewähren verspricht. Nach dem
gegenwärtigen Stande der Arbeiten zeigen sich beide
Gestade der schmalen Bucht von einer ununter-
brochenen Reihe von Baulichkeiten umsäumt, die,
namentlich auf der Nordscite, in Terrassen sich dem
hügeligen Gelände anschmiegend, ein lebhaft bewegtes,
malerisches Architekturbild geboten haben müssen,
wie es uns analog Veduten pompejanischer Wand-
gemälde vergegenwärtigen. Einen einheitlichen Rahmen
erhielt es in den am Strande sich hinziehenden
Säulenhallen, die den innersten beiderseits von aedi-
culae flankierten Winkel der Bucht bogenförmig um-
faßten. Die Arbeiten der zwei letzten Jahre, die
vom Ministerium jährlich mit je 1000 K sub-
ventioniert waren und für die — wie wir mit größtem
Dank erwähnen müssen — aus den Allerhöchsten
Privat- und Familienfonds durch Se. Exz. Freih. v.
Chertek uns ein Beitrag von IOOO K, sowie von der
böhmischen Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Literatur eine Unterstützung
von 500 K zufloß, konzentrierten sich auf die Frei-
legung einzelner umfänglicher Bauobjekte, der Wasser-
versorgungsanlagen und der abschließenden Säulen-
halle, wobei sich als wichtigstes Ergebnis heraus-
stellte, daß im Scheitelpunkte der Halle eine dritte
Aedicula eingebunden war.
Auf Monte Collisi, gleichfalls auf Brioni grande,
deckte Dr. Gnirs einen antiken Meierhof mit der
Anlage einer Ölfabrik auf, aus deren technischem
Detail Aufschlüsse über die antike Art der Ölgewin-
nung herzuleiten sind. Wie auf dem gegenüberlie-
genden Festlande ist auch auf Brioni grande für das
Altertum eine intensive landwirtschaftliche Bestellung
nachweisbar; nicht weniger als drei ähnliche mit Öl-
pressen und Weinkeltern ausgestattete Höfe fanden
sich bisher auf der Insel.
Die Arbeiten in Pola selbst galten der Unter-
suchung der Stadtmauer zwischen Porta Aurea, Porta
Ercole und Porta Gemina, wobei die Verbauung
zahlreicher antiker Werkstücke und Grabsteine kon-
statiert wurde. Letztere wurden von den Gräbern, die
sich nach antiker Sitte zu beiden Seiten der Land-
straße hinzogen, genommen, wie denn noch eine Be-
schreibung Polas aus dem Jahre 1540 große römi-
sche Grabmäler vor den Mauern der Stadt ausdrück-
lich erwähnt.
Die Museumsverhältnisse in Pola sind so un-
haltbar wie in Spalato, weshalb die Direktion des
Institutes schon wiederholt die Gelegenheit wahr-
nahm, die Adaptierung des als Militär-Bettenmagazin
verwendeten Klosters San Francesco zu einem Mu-
seum in Antrag zu stellen. Die Schwierigkeiten, die
der Ausführung dieses Projektes entgegenstehen,
zeitigten andere Vorschläge. Da in jedem Falle baldige
Abhilfe geboten ist, wird die Direktion nach neuem
Studium der Frage schon in der nächsten Zeit ein-
gehenden Bericht darüber dem Ministerium erstatten.
5. Aquileja. Im Jahre 1906 wurden 1 56 1 Stücke,
darunter 859 Münzen käuflich erworben. Als Ge-
schenke kamen dem Museum 24 Stücke aus der
Sammlung Widter in Wien zu, ferner die beim Bau
der Aussabrücke bei Cervignano gefundenen antiken
Inschriftsteine, die die k. k. Bezirkshauptmannschaft
in Görz dem Museum zuwies, und drei wichtige
Fragmente einer christlichen Inschrift aus konstanti-
nischer Zeit, eine Widmung des Frh. Fug. Ritter-Zahony.
Kin kostbares, wenn auch unscheinbares Stück
spendete eine Dame in Vicenza, Contessa Lucrezia
Orgian: das untere Fragment einer nur aus wenigen
Zeilen bestehenden Inschrift, das sich genau an ein
anderes fügte, welches in der Sammlung Obizzi auf
Berieht über rlie Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
IO
Schloß Cataio war und das Se. kais. Hoheit der
Herr Erzherzog Franz Ferdinand im Juni 1899 der
Stadt Aquileja schenkte. Das ganze bildet das Elo-
gium des Lucius Manlius Acidinus, eines jener drei
Manner, die der römische Senat im Jahre 181 v.Chr.
entsendete, die römische Kolonie Aquileja zu be-
gründen [CIL V 873].
Die Ausgrabungen im Jahre 1906 führten zur
Aufdeckung eines großen Grabmales, ähnlich dem im
Museum bereits befindlichen der Curier, auf den
Beni Bonaparte in Villa Vicentina. Ein Fund von
Bedeutung wurde aus jüngster Zeit gemeldet: es ist
der untere Teil eines Grabmonumentes auf der Straße
nach Beligna, mit der Darstellung einer Schmiede-
werkstätte (ein Arbeiter beim Blasbalg, ein zweiter
beim Amboß beschäftigt) und vieler Schlosser- und
Schmiedewerkzeuge, wie Zange, Hammer, Schloß-
platte mit Riegel usw.
Als dringendes Bedürfnis wurde die Heraus-
gabe eines Führers durch das Museum erkannt. Die
Direktion hat ihrerseits alles getan, diesem so be-
rechtigten Wunsche zu genügen und das Erscheinen
eines kleinen illustrierten Kataloges in handsamem
Formate, zu billigem Preise, in zwei Ausgaben, einer
deutschen und einer italienischen, schon in den
nächsten Monaten zu ermöglichen.
6. Grado. Auf Veranlassung und Kosten des
Institutes unternahmen Universitätsprofessor Swoboda
und Architekt Wilberg einen Pfingstausflug nach
Grado, um für eine künftige größere Unternehmung
die Umgebung des Domes und der Kirche S. Maria
delle Grazie zu sondieren. Ihre Probegrabungen waren
von bestem Erfolge. Neben dem Dome wurde 21/i
Meter unter dem jetzigen Boden eine sehr schön
erhaltene Mosaik aus dem 6. Jahrhundert mit christ-
lichen Inschriften und dem Monogramme des Patriar-
chen Elias aufgedeckt und in S. Maria delle Grazie
stieß man auf ein altes Altargrab, in dem ein Marmor-
kistchen war, das eine zerfallene Ampulle enthielt.
Diese Ergebnisse einer ganz kurzen Rekognoszierung
schließen die Aufforderung zu eingehenderer Nach-
forschung in sich.
7. Virunum. Die seit Jahren vom kärntnischen
Geschichtsvereine mit ministerieller Subvention be-
triebenen Ausgrabungen in Zolfeld bei Klagenfurt
wurden im Sommer 1906 und im Herbste 1907
fortgeführt. Gymnasialprofessoi Dr. Eduard Nowotny,
der sie leitete und darüber in dem Organe des kärntni-
schen Geschichtsvereines „Carinthia" regelmäßig be-
richtet, ging von der zweifellos richtigen Absicht
aus, in dem durch zahllose frühere Tastgrahungen
zerwühlten Boden durch streng systematisches Vor-
gehen endlich einmal einen festen Punkt für die
Topographie des alten Virunum zu gewinnen. Er
suchte demnach eine ganze Häuserinsel, und zwar die-
jenige, innerhalb welcher im April 1898 ein schöner
Mosaikboden gefunden wurde, bloßzulegen, ohne indes
in den zwei Kampagnen dieser Aufgabe völlig Herr
werden zu können. Die Grabungen vom Jahre 1906
wurden durch stattliche Einzelfunde: Skulpturen, die
das Museum Rudolfinum in Klagenfurt bereicherten,
insbesondere durch einen trefflich gearbeiteten Giganten-
kopf, gelohnt, wogegen im Jahre 1907 interessante
bauliche Konstruktionen aus der ältesten Zeit der
Ansiedlung zutage gefördert wurden.
Vom 19. August bis 14. September 1907 unter-
nahm Nowotny eine Grabung aui dem Helenenberge,
die infolge der Entlegenheit des Ortes und der damit
verbundenen Schwierigkeit in der Verproviantierung
frühe abgebrochen werden mußte, obgleich sie zur
Aufdeckung der Fundamente eines Tempels führte.
Die Untersuchungen der interessanten Stelle sollen
in diesem Jahre fortgesetzt werden.
Die früher erwähnte, 1898 gefundene Mosaik
wurde im Herbste 1906 vom Restaurator des Hof-
museums, Wilhelm Sturm jun., in einem hierzu aus-
geräumten Saale des Museums Rudolfinum in Klagen-
furt zusammengesetzt und ist nach einer kleinen Ent-
hüllungsfeier im Dezember 1906 der öffentlichen Be-
sichtigung übergeben worden.
8. Carnuntum. Unter der Leitung des k. u. k.
Obersten Groller von Mildensee wurde in den letzten
Jahren ein größeres Arbeitsgebiet bewältigt als je zu-
vor. Große Teile des Lagers und seiner Umfassung
sind durchforscht worden und auch außerhalb des
Lagers wurde die ausgedehnte Badeanlage bei dem
Palffyschen Garten in ihrem ganzen Zusammenhange
klargelegt, sowie eine Anzahl von Gebäuden beim
Amphitheater untersucht. Die Ausgrabung der Badc-
anlage, die zum Teile schon in den siebziger Jahren
aufgedeckt worden war, gestaltete sich besonders
schwierig, war aber dafür um so ergebnisreicher.
Das Museum Carnuntinum erhielt einen wil-
kommenen Zuwachs durch die von dem bekannten
Wiener Sammler Anton Widter in den fünfziger
und sechziger Jahren zusammengebrachten Skulpturen
und Inschriftsteine aus Carnuntum, die im Jahre 1906
um den Preis von 4000 Kronen, einer Spende des
Herrn kaiserlichen Rates Karl Kellermann, erstanden
wurden. Die kleine Sammlung von 40 epigraphischen
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
I 2
Denkmälern schließt in sich manch merkwürdiges
Stück, so den Grabstein des Germanenkönigs Aisto-
modius aus dem Anfange des 3. Jahrhunderts [CIL
III 4453], den Grabstein eines Kelten Atpomarus,
[CIL III 4580], ferner eines aus Florenz gebürtigen
Soldaten der X. Legion [CIL 4463 a ], einer Frau
aus Sarmizegetusa in Siebenbürgen [CIL 4501],
und einer andern aus dem Mosellande [CIL 4459].
Da einige wertvolle Bronzen und eine schöne silberne
Kasserolle schon im Jahre 1905 aus Widterschem
Besitz im Dorotheum vom Vereine Camuntum für
das Museum erstanden wurden, enthält letzteres so
gut wie ganz den aus Camuntum stammenden Antiken-
bestand der einstigen Widterschen Sammlung, den
man zur Ehrung des verdienten Mannes auch vereint
zur Aufstellung brachte.
Aus den Ausgrabungen kamen dem Museum in
beiden Jahren 848 Fundstücke zu, darunter auch
eine Münze des Kaisers Regalianus, so daß die
Sammlung jetzt zwei dieser numismatischen Rarissima,
deren Fundort ausschließlich die unteren Donau-
länder sind, besitzt. Das merkwürdigste Fundstück
der letzten Jahre sind aber die Fragmente einer
Terrasigillataschüssel, aus dem Ende des 2. oder
dem Beginne des 3. Jahrhunderts [Jahreshefte X
Taf. VIII S. 330 ff.].
Ein großer Gewinn ist die Aufstellung der vom
Obersten v. Groller gezeichneten Fundkarte von Car-
nuntum an der Treppenwand des Museums. Im Maß-
stabe I : 720 d. h. viermal so groß als die Katastral-
karte zeigt sie das Ruinenfeld in seiner ganzen Aus-
dehnung vom Pfaffenberge bis zum Heidentore.
Vor dem Museum wurde am 29. August 1906
ein Standbild des Kaisers enthüllt, ein Werk des
Bildhauers Edm. v. Hofmann, das die Gemeinde zur
Erinnerung der am 27. Mai 1904 durch Seine Maje-
stät erfolgten Eröffnung des Camuntinums errichtete.
Tituli Asiae Minoris. Der von der k.
Akademie der Wissenschaften in Verwahrung des
Institutes gegebene undim Institute gearbeiteteScheden-
apparat der TAM wurde im Laufe der letzten Zeit
stattlich vermehrt. Eine Zählung im Mai v. J. er,;ab
eine Anzahl von 21.000 Inschriften auf 24.500
Blättern, eine vor wenigen Wochen vorgenommene
27.OOO Inschriften auf 33.000 Blättern. Um nur die
am stärksten vertretenen Landschaften zu nennen,
entfallen davon auf Karien bei 6000, auf Mysien bei
2600, auf Phrygien über 2400, auf Lydien bei 2200.
In die angegebene Anzahl nicht aufgenommen sind
2000 Inschriften, die aus Syrien, also jenseits der
dem Unternehmen abgesteckten Grenzen, stammen.
An der Vervollständigung des Apparates arbeitet
stetig Herr Gymnasialprofessor Dr. Joh. Oehler.
Bei der Ergänzung des Apparates erwiesen sich
hilfsbereit eine Reihe unserer auswärtigen Mitglieder,
so die Herren Professoren: Friedrich Freiherr von
Hiller-Gaertringen, Alexander Conze, U. v. Wilamo-
witz-Moellendorf, Theodor Wiegand, Dr. Ziebarth
u. a. — eine Unterstützung, für die wir den Dank
werktätig erweisen, indem wir den Apparat allen
erasten Forschem, die darum ansuchen, für ihre Ar-
beiten zugänglich halten. Auch für die von der kgl.
Akademie der Wissenschaften in Berlin herausge-
gebene Prosopographie, sowie für die vom Pariser
Institut des Inscr. et Belles-Lettres herausgegebenen
„Inscriptiones Graecae ad res romanas pertinentes"
werden unsere Scheden ständig verwertet.
Anhangsweise sei bemerkt, daß Universitätspro-
fessor N. Vulic in Belgrad in den Jahren 1906 und
1907 mit Unterstützung des Institutes zwei Forschungs-
reisen durch das ganze Gebiet von Serbien und durch
das türkische Altserbien unternahm. Den Hauptertrag
dieser Reisen bilden über 100 neue römische In-
schriften; nebenher gingen eine Nachprüfung der
bereits im CIL veröffentlichten Texte und photo-
graphische Aufnahmen von Skulpturen und Objekten
der Kleinkunst.
Auf Kosten des Institutes wurde die zweite Auf-
lage des von Herrn Gymnasialdirektor Julius Wisnar in
Znaim verfaßten „Vademecums Tür die Studienreisen
österreichischer Mittelschullehrer in Italien, Griechen-
land, Smyrna und Konstantinopel" gedruckt.
Fortsetzung begonnener Werke.
Folgende fünf literarische Unternehmungen hinterließ
die frühere Direktion unvollendet der jetzigen:
I. Tituli Asiae minoris. Sämtliche Kosten
des Unternehmens wurden bisher durch die von Sr.
Durchlaucht dem reg. Fürsten Johann von und zu
Liechtenstein der kais. Akademie der Wissenschaften
durch Jahre gewährten Subventionen bestritten. Der
Rest reicht noch hin zu einer letzten Bereisung Lykiens,
zu der sich für die Monate Juli bis September Prof.
Kaiinka und Sekretär Zingerle entschlossen haben.
Überdies wird die Direktion aus Instilutsmitteln die
Sekretäre v. Premerstcin und Keil April bis Juni nach
jenen Teilen von Lydien entsenden, die bisher weder
für die TAM bereist noch überhaupt gründlich epigra-
phisch durchforscht wurden. Es dürfte sonach für zwei
Landschaften das Material bis Ende d. J. komplett
13
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
14
vorliegen, so daß man an die Bearbeitung von zwei
Bänden des Werkes gehen könnte. Es wird Sache
der Kais. Akademie der Wissenschaften sein, die
Geldmittel zur Fortsetzung dieses großen Unter-
nehmens zu beschaffen, damit so vielen heimischen
Gelehrten die Ernte gesichert bleibe, wo sie gesäet
haben. Die Direktion des Institutes wird auch in
Zukunft bedacht sein, das Werk in gleicher Weise
wie bisher zu fördern und zu unterstützen.
II. Der Katalog der Steinskulpturen von
Aquileja, der von Benndorf vor etwa zehn Jahren
begonnen wurde, ist weit gefördert. Das gesamte, bis
1900 ins Museum gelangte Material wurde gezeichnet
und von Benndorf auf Zetteln beschrieben. Obgleich
Benndorf in den letzten Monaten seines Wirkens
unausgesetzt und mit dem Einsätze seiner ganzen
Kraft daran arbeitete, ist verhältnismäßig doch nur
ein kleiner Teil druckfertig geworden. Auch hat
er keine Aufschreibungen hinterlassen über die von
ihm beabsichtigte Einteilung und Gruppierung des
Stoffes. Die Direktion denkt, sofort nach Fertigstellung
des früher erwähnten „Führers" durch das Staats-
museum in Aquileja an die Drucklegung dieses
Kataloges zu gehen. Sein Umfang wird jedoch nur ein
allmähliches Aufarbeiten gestatten, und es wird sich
deshalb eine Ausgabe in größeren Lieferungen emp-
fehlen. Für die fernere Zukunft ersteht die weitere Auf-
gabe, dem Katalog einen selbständigen Supplement-
band nachfolgen zu lassen mit den höchst erheblichen
Erwerbungen des Museums seit 1900, die Benndorf
nicht mehr berücksichtigte.
III. Forschungen in Ephesos. Die Arbeiten
über das Theater sind so gut wie abgeschlossen,
so daß an die Ausarbeitung des Textes und der
Abbildungen, soferne dies nicht schon geschehen,
geschritten werden kann, mit Ausnahme der Skulp-
turen, deren Zusammensetzung im Hofmuseum noch
nicht beendigt ist. Band II soll ausschließlich
dem Theater von Ephesos bestimmt sein. Die fol-
genden Bände werden die übrigen von uns ausge-
grabenen Baukomplexe behandeln. Prof. F. Sarre in
Berlin übernahm es, nachträglich die kunsthistori-
sche Stellung der seldschukischen Bauten von Aja-
soluk, die im ersten Bande veröffentlicht wurden,
zu erläutern. Wir werden seine Arbeit im dritten
Bande einreihen.
IV. Das Werk über die römische Kunst-
industrie. Es scheint sich die Möglichkeit zu er-
geben, das Werk Riegls auf Grundlage der von ihm
hinterlassend! Schriften mit einem zweiten Bande abzu-
schließen, und hierbei die Tafeln zu publizieren, die be-
reits dafür fertig gestellt oder in Aussicht genommen
wurden. Im Nachlasse Riegls fanden sich umfangreiche
Notizen vor, die die verehrte Witwe der Direktion
unter gewissen Bedingungen, deren Erfüllung sie
gerne auf sich nahm, für die Fortsetzung des Werkes
übergab, und es zeigte sich, daß Riegl ein stellen-
weise sehr eingehendes Kollegienheft über die Kunst
der Völkerwanderungszeit ausgearbeitet hat, das für
unseren Zweck verwertbar werden kann. Erst nach
genauem Studium dieses Manuskriptes wird es möglich
sein, die Frage zu entscheiden. In jedem Falle gilt
es aber jetzt schon der Vorstellung vorzubeugen, als
ob wir imstande wären, etwas dem ersten Bande des
Riegischen Werkes völlig gleichwertiges zu bieten,
der von entscheidender Bedeutung für die moderne
Kunstwissenschaft wurde, auch heute schon im Buch-
handel völlig vergriffen ist. Selbst das geringere wird
in diesem Falle noch gut heißen dürfen. Nach Lösung
dieser Aufgabe wird die Direktion nicht säumen, an
die Herausgabe eines Werkes überdie frühere römische
Kunstindustrie im Sinne des ursprünglichen Planes
zu schreiten.
V. Das Unternehmen, die römischen Bauwerke
der Küstenländer der Monarchie in neuen Aufnahmen
herauszugeben, mußte der Aufnahme des diokletiani-
schen Palastes durch Prof. Niemann vorläufig weichen
und kann erst wieder in Angriff genommen werden,
wenn diese vollendet sein wird. Es liegen die Zeich-
nungen der Porta Aurea von Pola, der Porta mari-
tima von Zara, eines Torbogens von Fiume und des
Arco di Riccardo in Triest bereits in unseren Mappen.
Daran sollen sich die übrigen Monumente Polas, die
Porta Ercole, die Porta Gernina, das Amphitheater
und der Doppeltempel der Roma und des Augustus,
sowie der analoge, in den Fundamenten über der
Erde stehende in Parenzo anreihen.
An diese fünf Werke, die fortzusetzen oder
zu vollenden Aufgabe der nächsten Jahre sein wird,
dürfen wir seit kurzem ein neues reihen, dessen
Herausgabe uns besonders lockt und auch besonders
leicht gemacht wird. Prof. H. Schrader in Innsbruck
befaßte sich seit Jahren mit dem Studium der archai-
schen Statuen, die aus dem Perserschutte der Akro-
polis ans Tageslicht gebracht wurden. Ihm sind in
unermüdlich emsiger Beschäftigung eine lange Reihe
der glücklichsten Zusammensetzungen gelungen und er
ließ sich die Mühe nicht verdrießen, die oft erst
durch ihn aus Trümmern gewonnenen Statuen kuost-
15
Bericht über die Jahresversammlung des österr. archäologischen Institutes 1908
16
gemäß unter seiner Aufsicht photographisch auf-
nehmen zu lassen. In eingehender Besprechung mit
Prof. Schrader, der uns diese Aufnahmen kostenlos
zur Verfügung stellt, entschlossen wir uns, das reiz-
vollsteundköstlichste, wie formgeschichtlich wichtigste
daraus in ein Werk größeren Formates zu vereinigen,
dessen Tafeln allen Schönheiten der Originale ge-
recht werden sollen. Wir haben vor, es noch in
diesem Frühjahre in Angrift zu nehmen und hoffen
in nicht ferner Zeit es auch veröffentlichen zu können.
Diesem Tafelwerke soll später als selbständiges Werk
ein Band kleineren Formates mit dem Kataloge der
Fundstücke und angeschlossenen Untersuchungen
nachfolgen. Wird letzterer naturgemäß nur die Fach-
kreise als Leser in Betracht ziehen, so hoffen wir
mit dem Tafelwerke auch den nicht streng gelehrten
Freunden antiker Kunst eine Freude bereiten zu können.
In einem neuen Bande der Sonderschriften
wird E. Reisch im Anschlüsse an A. Wilhelms
.Urkunden dramatischer Aufführungen in Athen' diese
Inschriften in einen größeren Zusammenhang ein-
reihen, der auf einer Rekonstruktion des Bauwerkes
gegründet neue Aufschlüsse über die Geschichte der
dramatischeu Agone bieten wird.
„Hiermit schließe ich den Bericht, der eines
gewiß gezeigt haben wird, daß wir rüstig am Werke
sein müssen, um den uns gestellten Aufgaben zu ge-
nügen. Ein Mehr auf uns zu nehmen, dürften die
gegenwärtig dem Institute verfügbaren Mittel und
Kräfte kaum noch gestatten. Indem wir aber in stiller
Arbeit alle unsere Veröffentlichungen der Form wie
dem Inhalte nach, literarisch wie künstlerisch, so
harmonisch auszugestalten bestrebt sein werden, als
unsere Fähigkeiten erlauben, hoffen wir auch jener
höheren humanistischen Mission gerecht zu werden,
die uns mit der Gründung des Institutes zuteil wurde."
Im Anschlüsse an diesen Bericht gab der Vize-
direktor Prof. Dr. E. Reisch einen raschen Über-
blick über die von den ausländischen Instituten und
gelehrten Gesellschaften unternommenen Forschungs-
arbeiten der letzten Jahre und skizzierte die Stellung,
die Österreich in diesem internationalen Wettbewerbe
der Altertumsforschung einnimmt und auch weiter zu
wahren verpflichtet ist, in Befolgung der Kultur-
mission des modernen Staates, zu der mit Grund
auch die Förderung dieser Studien gerechnet wird.
Zur Vorlage gelangten meisterhafte Kartons Prof.
Niemanns mit Aufnahmen des diokletianischen Palastes
in Spalato und Rekonstruktionen des ephesischen
Theaters, ferner verschiedene Antikenfunde, unter
denen ein von Prof. H. Swoboda erläutertes Elfenbein-
reliquiar aus Pola, sowie reizvolle Bernstein- und
Glasgegenstände aus Aquileja besonderes Interesse
erregten.
Eröffnung des Institutsgebäudes in Athen.
Am 4. März d. J. konnte das neu errichtete
Sekretariatsgebäude in Athen eröffnet werden, mit
einer Feier, der Se. Majestät der König und Ihre kgl.
Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von
Griechenland anzuwohnen geruhten. Se. Exzellenz
der Herr k. u. k. Gesandte und bev. Minister Frei-
herr v. Macchio begrüßte Se. Majestät und die kgl.
Hoheiten, sowie die Vertreter des diplomatischen
Korps, den kgl. griechischen Unterrichtsministcr und
seinen Staatssekretär Prof. Kabbadias, die Vorstände
und Mitglieder der fremden Institute, sowie die zahl-
reich erschienenen einheimischen Archäologen and
Mutabilitäten mit einer Ansprache, in der er dem
Danke für die dem Institute von der kgl. griechischen
Hing, zumal durch Schenkung des Grundstückes
jene Förderung Ausdruck verlieh. Namens der
griechischen Unterrichtsverwaltung beglückwünschte
Professor Kabbadias das Institut zu der neuen Heim-
stätte und versicherte, daß die kgl. griechische Re-
gierung ihren Traditionen getreu auch fernerhin jede
Unterstützung gewähren werde.
Für die fremden Schwcsteranstalten gab Prof.
W. Dörpfeld der kollegialen Freude über den neuen
Fortschritt unseres Institutes Ausdruck, dem er auch
weiterhin erfolgreiche Beteiligung an dem wissen-
schaftlichen Wettbewerbe wünschte.
Den Schluß der Feier bildete einen Vortrag des
Sekretärs Prof. Heberdey's der einen Überblick über
du: Kntwicklung der archäologischen Studien in Öster-
reich im verflossenen Jahrhundert bot und in einen
Dank an alle unsere Förderer, an die ausländischen
Institute, denen unser athenisches Sekretariat für
jahrelang gewährte Gastfreundschaft verpflichtet ist,
und an das gesamte hellenische Volk ausklang.
17
.:**
i : Blick auf das Kircblein P. Spirito
Ausgrabungen in Asseria.
I. Bisherige Erforschung von Asseria.
An der Straße, welche Zara mit Knin verbindet,
liegt ungefähr vier Stunden landeinwärts das Städt-
chen Benkovac, dessen Umgebung einen eigenen Reiz
erhält durch zahlreiche Ruinen, von denen die meisten
an die Herrschaft der Venetianer, nicht wenige aber
auch an die römische Epoche erinnern, am eindrück-
lichsten die Reste einer antiken Stadt, nahe dem
heutigen, zirka vier Kilometer von Benkovac nach
Knin zu liegenden Dorfe Podgradje.
Die Trümmerstätte liegt auf einem die Gegend
weithin beherrschenden kleinen Kalksteinplateau, das
sich in Steilhängen 244 m über den Spiegel des adria-
tischen Meeres und 94™ über die Sohle des zirka
zwei Kilometer breiten Tales erhebt, das sich von
Benkovac nach Ponte di Bribir hinzieht. In einsamer
Lage dominiert landschaftlich das im 17. Jh. fast
ganz aus antikem Material erbaute und von einem
Friedhofe umgebene Kirchlein, S. Spirito (Fig. I),
das, wie die Funde mittelalterlicher Architekturstücke
und eines interessanten Kelchfragmentes wahrschein-
lich machen, die Stelle eines älteren Gotteshauses
einnimmt 1).
Diese Gunst der Lage lud bereits in vorhisto-
rischer Zeit zur Besiedlung ein, wie einige prähisto-
rische Gegenstände und ein intaktes Kistengrab be-
weisen, die hier zutage kamen2).
Auf Grund der Distanzangaben der Tabula
Peutingeriana (Xedino — XII m. p. — Aserie — XII
m. p. — Burno) vermutete bereits Abb. Fortis3) in
') Vgl. Radic, Zeitschrift des kroatischen Alter-
tumsvereines in Knin 1901 S. 101 — 105. über die
früheren Grabungen ibid. 1897 S. 163 f.
2) Es bestand aus vier auf dem Felsen stehen-
den, rohbehauenen Steinplatten von O'o8m Dicke,
welche eine Art Sarkophag von 0'j~m Länge, 0'57In
Breite und o-7m Tiefe bildeten. In drei Schichten
fanden sich Reste von Knochen und sieben Schädel
verschieden gerichtet. Ferner als Beigaben: eine
große und vier kleine Fibeln, eine Perle mit sechs
Löchern, ein hohler Knopf und zwei nicht zu be-
stimmende Fragmente. Sämtliche Gegenstände aus
Bronze. Die Fibeln zeigen den Typus der späten
Hallstattperiode jedoch mit der Sonderbildung des
zurückgeschlagenen Fußendes (Hörnes, Urgeschichte
543: „Dalmatien wird zweifellos, wenn es einmal
besser erforscht ist, mit seinen zahlreichen Tumulis
die westliche Fortsetzung der in Bosnien und der
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI Beiblatt.
Herzegowina beobachteten, stark lokal gefärbten Hall-
stattkultur darbieten"). Analogien haben sie in Funden
aus dem Flachgräberfelde von Jezerine im nordwest-
lichen Bosnien (Radimsky : „Die Nekropole von
Jezerine in Pritoka bei Bihac". YVissensch. Mitt.
aus Bosnien und der Herzegowina 1TI 39 ff., vgl. z. B.
Fig. 91, 136, 452. 494, 530 usw.), wo sie regelmäßig
neben späten Certosafibeln vorkommen, weshalb sie
zirka 400 v. Chr. angesetzt werden können. (Hörnes,
Urgeschichte 599, Anm. I.) Vgl. Bull. d. soc adri.it.
di scienze nat. 1900; BulL dalm. 1900 p. 169 ff.
Von anderen prähistorischen Gegenständen ist noch
eine kleine Doppelspirale und eine schöne Certosafibel
anzuführen.
3) Fortis, Voyage en Dalmatie 48 — 52. Über
Fortis vgl. CIL III p. 277, XXXVII: Mommsen,
Ephem. epigr. IV 60, und 83; Kubitschek, Arch.-
epigr. Mitt. XIII 181 ff.
2
ig
H. Liebl und W. Wilberg
20
der Ruinenstätte das antike Asseria — eine Identifi-
zierung, die durch Mommsens Lesung der Inschrift
CIL III 8250 bestätigt wurde. Damit ist auch im
Einklänge, was sich aus anderweitiger Überlieferung
erheben läßt.
Skylax, dem wir die ältesten Nachrichten über
Dalmatien verdanken, erwähnt (Periplus c. 21) als in
diesen Gegenden ansässig die liburnische Völker-
schaft der 'ATTtsvtxsg, die indes sprachlich kaum, wie
Gliubich4) meint, mit den Asseriates des Plinius zu
gleichen sind. Bei Plinius nat. hist. III § 130, der hierin
auf die descriptio Italiae des divus Augustus zurück-
geht (III 46), steht Asseria unter den Städten der X.
Region, eine Zuweisung, die indes hauptsächlich nur
für den Census von Bedeutung war5). In geographi-
scher Beziehung lag es innerhalb der Grenzen Li-
burniens6), wo es Plinius III 139 in der Aufzählung
der Städte des conventus Scardonitantts erwähnt,
einer Liste, die nach Cuntz7) in der Zeit des Claudius
entstanden ist. An dieser Stelle wird die Immunität
der Asseriaten bezeugt. Bei Ptolemäus (2, 16, 10)
erscheint Asseria, irrtümlich 'Aoaeota genannt, unter
den binnenländischen Städten Liburniens aufgezählt
mit der geographischen Bestimmung
T 440 20'
44° 5°'
^'5"{TS^;L"fdaSiSt42°IS'{
41° 45
44 5°
410 10'
440 20
41 ° 40'
440 20'
44° 30'
44° 15
s: Plan
von A
Jelic8) weist nach, daß hier eine Verwechslung
der Lage von vier Orten vorliegt, welche folgender-
maßen richtig zu stellen sind:
Varvaria (statt Asseria)
Nedinum (statt Varvaria)
Asseria (statt Salvia)
Salvia (statt Nedinum)
Ermöglicht ist diese Korrektur durch die be-
stimmte Ubikation der Städte. Asseria, Nedinum und
Salvia (Bulic, Jahreshefte II Beibl. Sp. 110).
Als Sericm findet es sich endlich noch im geo-
graphus Ravennas (IV 6).
4) Archiv für österr. Geschichtsquellen XXII 2
S. 254.
'•') Mommsen, Festschrift für Kiepert 103.
6) Vgl. Cuntz, De Augusto Plinii Geographi-
corum auctore 29.
7) Suppl. der Jahrb. f. Philologie XVII 515 ff.
8) Das älteste kartographische Denkmal über die
römische Provinz Dalmatien. Wissensch. Mitt. aus
Bosnien und Herzegowina VII 167 ff.
21
Ausgrabungen in Asseria
22
3 : Stadtmauer.
Wie die Inschriften zeigen, gehörte Asseria
gleich dem benachbarten Nedinura zur tribus Claudia,
deren Gebiet sich von hier nordwärts bis an die
Piave, Tarvis mit eingeschlossen, erstreckte; ausge-
nommen war nur der Küstenstrich zwischen Aqui-
leia und Pola. Die Zugehörigkeit Asserias zur tribus
Claudia läßt mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten,
daß das Städtchen unter Kaiser Claudius Munizipal-
recht bekommen hat (Mommsen, Ephem. epigr. III
232; Kubitschek, De Romanarum tribuum orig. ac
propag. p. 200).
Personen mit priesterlichen und munizipalen
Würden erscheinen in den Inschriften:
CIL III 2850 T. Iulius Clemens dec(urio)
Asseria.
Am Architrav der einen Portikus (Sp. 61)
[ ] dec(urio), augur;
n. 12. L. Caninius Fronto Ilvir Hamen divi
Claudii, Ilvir quinq(uennalis);
n. 14. [ ] anno [duo]virat[us;
CIL III 9940 [ ] aedilis II [vir]. Die bis-
herige Ergänzung II[IIvir] ist unrichtig; es wurden
die Spuren der schräg gestellten dritten Haste über-
sehen.
CIL III 9941 T. Publicius Saturninus
omnibus honoribus patriae suae functus.
Ob man auf Grund des Fragmentes n. 1 3
VIviri Augustales für Asseria wird annehmen können,
ist fraglich. Von einem collegium fabrum et cento-
nariorum ist in CIL III 9942 die Rede.
Auf Grund von Ziegeln mit dem Stempel der
leg. VIII Aug(usta) (CIL III 10181) schloß Hirschfeld
(Hermes XXV 353) auf eine Besatzung in augustei-
scher Zeit, während Patsch, Wissensch. Mitt. aus
Bosnien und der Herzegowina 1900 S. 96, diese
Ziegel in die Zeit des Antoninus Pius verweist
(vgl. auch Mommsens Bemerkung zu CIL III 6435).
Über den den achtziger Jahren des I. Jhs. n. Chr.
angehörenden Legionsziegel der ITTI FF vgl. v. Bersa,
Bull. Dalm. 1900 p. 164 (CIL III 15110).
Über die Ausdehnung des Gebietes von Asseria
geben zwei Inschriften wertvollen Aufschluß; CIL
III 9938, gefunden bei Dobropoljice zirka 10 Kilo-
meter westlich von der Stadt Asseria, wo von
23
H. Liebl und W. Wilberg
24
4 : Stadtmauer.
einem Grenzstreite der Asseriaten und Alveriten be-
richtet wird, zu dessen Entscheidung vom Legaten
M. Pompeius Silvanus fünf Männer als iudices be-
stellt worden waren; und eine 1905 in gleicher
Entfernung nördlich von Asseria bei Bruäka ans
Tageslicht gekommene Inschrift, durch die wir von
einem ähnlichen Grenzstreitc der Asseriatcs und
Sidrini erfahren. (Colnago und Keil, Jahreshefte VIII
Beiblatt Sp. 53; Patsch, ibid., 119.)
Seine höchste Blüte erreichte das Städtchen im
2. Jh. n. Chr. In diese Zeit fällt die Errichtung der
prächtigen Bauten, die bei den letzten Grabungen
25
Ausgrabungen in Asseria
26
Tur an der Ostseite der Stadtmauer.
aufgedeckt wurden; doch noch in der diokletianisch-
konstantinischen Epoche scheint es sich, den ver-
o : Grundriß des Tores an der Westecke der Stadtmauer.
hältnismäßig zahlreichen Inschriften nach zu schließen,
eines ziemlichen Wohlstandes erfreut zu haben.
Als im Jahre 568 die A waren nach Vernich-
tung des Gepidenreiches und Abzug der Langobarden
nach Italien sich in dem verlassenen Pannonien
festsetzten und die unter ihre Oberhoheit geratenen
.Slawenstämme, welche schon in der ersten Hälfte
des 6. Jhs. die Länder der Balkanhalbinsel mehr-
mals mit Beutezügen heimgesucht hatten, nun mit
aller Macht nach Süden drängten, wurden die Ro-
manen Dalmatiens in erster Linie betroffen. Der
grödte Teil der Bevölkerung flüchtete nach den
Küstenstädten, insbesondere dem festen Salona,
das sich am längsten zu halten vermochte, bis es
endlich nach neueren Forschungsergebnissen9) um
das Jahr 614 n. Chr. in die Hände der Slawen
fiel. Die Zerstörung der dalmatinischen Binnenstädte,
9) C Jirecek, „Die Romanen in den Stadien
Dalmatiens", Denkschriften der kais. Akademie der
Wissenschaften XLVIII 26; Nodilo, „Päd Solina",
aus einem Fragmente seiner Geschichte des Mittel-
alters, publiziert im Glasnik matice Dalmatinske,
II. Jahrg., 3. Buch, I. Band, S. 7; Bulic, Bull. Dalm.
^7
H. Liebl und W. Wilberg
28
'lfe*§&£
^'^ so.J
7: Eckender Stadtmauer beim Westtor.
also auch Asserias, muß demnach in
Dezennien des 6. Jhs. erfolgt sein10).
den letzten schreibt Konstantin Porphyrogennetos: „Sie wurden
Im 10. Jh. von den Slawen eingenommen und zerstört und jetzt
wohnt kein Mensch
mehr darinnen". Voll-
endet wurde das Vei-
nichtungswerk durch
die Bora, welche, seit
mehr als einem Jahr-
tausend über die ent-
völkerten Stätten fe-
gend, sie an manchen
Stellen unter einer
mehrere Meterstarken
Schuttdecke begrub.
H : Mauerzug mit Trajanstor.
1904 p. 209; 1907 p. 268 ff. — Diimmler, Sitzungsber.
Akad. Wien XX 366, nahm 639 n. Chr. als das Zer-
störungsjahr Salonas an.
lu) Der Münzfund von Narona reicht bis 582
n. Chr., Bull. Dalm. 1902 p. 197 ff.; Bull, nuovo
crist. Roma I902 p. 234; Jirefek, III 73 zu I 28.
20
Ausgrabungen in Asseria
3°
Die erste Beschreibung der Ruinen bei Podgradje
gab 1778 Abb. Fortis11), der in beredten Worten auf
das archäologische Interesse der gewaltigen Trüramer-
stätte hinwies. Ihm folgte 1850 Gliubich, dessen Auf-
satz im Archiv für österr. Geschichtsquellen XX 2
S. 254 — 25g nebst einer oft auf Fortis bezugnehmenden
Schilderung der Ruinen auch epigraphisches Material
beibringt12). Er erwähnt auch Versuchsgrabungen,
welche ein in Benkovac garnisonierender Jägerhaupt-
mann, Graf Lilienburg, in den vierziger Jahren des ver-
flossenen Jahrhunderts unternommen habensoll. Eine
wissenschaftliche Erforschung begann erst durch den
seither verstorbenen Landesschulinspektor Michele
Glavinii, der im Jahre 1891 die Befestigungsmauern
fast in ihrem vollen Umkreise bloßlegte, worauf noch
in demselben Jahre durch Prof. G. Niemann ein Plan
der Stadtanlage aufgenommen wurde13).
Im Winter 1897 stieß man bei Erweiterungs-
bauten zu dem Kirchlein S. Spirito auf gewaltige
Architrave mit Inschriften, wodurch neue Grabungen
angeregt wurden, die in den folgenden Jahren durch
das österr. archäologische Institut unter Leitung des
Baurates C. Ivekovic durchgeführt wurden. Ihm wie
Kustos v. Bersa sind wir für ständige Förderung,
insbesondere auch für die Anfertigung von photo-
graphischen Aufnahmen der Inschriften und Einzel-
funde zu größtem Danke verpflichtet. H. L.
II. Ergebnisse der neuen Ausgrabungen.
0) Stadtmauer und Tore.
Der schmale Hügelrücken, auf dem Asseria er-
baut ist, wird auf drei Seiten von tief eingeschnit-
tenen Tälern umgeben und hängt nur an der Nord-
westseite mit der übrigen Hochebene zusammen.
Seine größte Breite beträgt etwa I70m, die Länge
440m (Fig. 2). Die höchste Erhebung ist im Westen,
von wo aus das Terrain sich nach der südöstlichen
Schmalseite allmählich abstuft. Der ganze Hügel-
rücken ist durch die Stadtmauer eingeschlossen, die
fast noch in ihrer vollständigen Ausdehnung erhalten
ist; nur an der Südseite ist ein gröBeres Stück in
das Tal hinuntergestürzt, doch ist auch hier die
Fluchtlinie vollkommen gesichert.
Die Stadtmauer wird durch zwei parallele Mauer-
züge, zusammen etwa 4™ breit, gebildet, deren Zwi-
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9 : Grundriß des Trajanstores.
") Fortis, a. a. O. p. 48 ff.
ls) Auf seine Angaben stützt sich Henri Cons,
La province Romaine de Dalmatie 200 — 3; Jackson,
Dalmatia, the Quarnero and Istria I 365.
13) Sticotti, Arch. epigr. Mitt. XVI 44 ff. Über
Glavinics Grabung vom J. 1888 : Bull. Dalm. XIII 6 u. 8.
31
H. Liebl und W. Wilberg
32
10: Hauptfassade des Trajanstores im jetzigen
schenraum mit einer dichten Masse kleinerer Steine
in Kalkmörtel ausgefüllt ist. Im Äußern (Fig. 3)
sind schöne Kalksteinquadern verwendet, die durch-
laufende Horizontalfugen und starke Rustika zeigen.
Auch hier ist wie im Innern der Mauer Kalkmörtel
als Bindemittel verwendet. Die Schichthöhe schwankt
zwischen 0'30m und 0'8om. Ein besonders schönes
und durch die Schattenwirkung der starkbossierten
Quadern weithin sichtbares Stück der Stadtmauer ist
in Fig. 4 abgebildet.
Drei Tore führten in das Stadtinnere; zwei da-
von sind an der Nordwestseite, dort, wo das Stadtgebiet
mit der Hochebene zusammenhängt. Das dritte, durch
einen 3'6om vorspringenden Turm gedeckt (Fig. 5),
liegt im Osten. Die Torschwelle ist noch erhalten;
das Tor, dessen Breite I'28m beträgt, war ursprüng-
lich durch einen Torbogen überdeckt, den frühere
Besucher Asserias noch gesehen haben wollen und
der erst durch die Grabungen des Grafen Lilienburg
(vgl. oben Sp. 29) eingestürzt sein soll. Ein Stück des
Kämpfergesimses liegt noch an seiner ursprünglichen
Stelle. Südlich von diesem Osttore durchbricht noch
eine schmale Pforte, nur O/So1" breit, die Stadtmauer.
Die Hauptzugangsseite zur Stadt war die Nord-
westseite, zugleich aber aucli diejenige, die am
schwersten zu verteidigen war. Hier sind vier Türme
angeordnet, von denen zwei das Haupttor der Stadt
schützten. Das kleine Tor an der Westecke der
Stadtmauer, dessen Grundriß Fig. 6 zeigt, war so
weit in das Innere der Stadt hinein verlegt, daß die
Mauer selbst turmartig vorspringt und ein langer 4m
breiter Torweg zwischen den beiden Mauerteilen
gebildet wird. Die eine Ecke der Stadtmauer
(Fig. 7) ist noch hoch erhalten, während die gegen-
überliegende bis auf geringe Reste zerstört ist.
Das Haupttor der Stadt lag an der schmalen
Nordseite und war nach der wiedergefundenen Bau-
inschrift dem Kaiser Trajan geweiht. Ganz abwei-
chend von der west-östlichen Richtung des Mauer-
zuges, schräg in diesen hineingebaut (Fig. S), scheint
das Tor rechtwinkelig zur Achse einer hier ein-
mündenden Straße angelegt und wahrscheinlich an
Stelle eines älteren Tores getreten zu sein, das hart
an dem flankierenden Turme gelegen haben muß,
dessen eine Seite durch diese Änderung der Rich-
tung schräg abgeschnitten wurde.
Trotz großer Zerstörung ist der Erhaltungszu-
stand der Ruine doch ein solcher, daß Zweifel an
der Grundrißanlage nicht bestehen können, und da
bei den Grabungen genügend Material für die Rekon-
struktion zutage kam, so ließ sich auch ein einigermaßen
zuverlässiges Bild des ganzen Aufbaues gewinnen.
33
Ausgrabungen in Asseria
34
ii : Von der Rückseite des Trajanstores.
Der Grundriß (Fig. 9) zeigt einen 1 3-48 m langen
und 3-82 m dicken Mauerkern, dessen Wandflächen
durch sorgfältig gefugte und geglättete Kalkstein-
platten verkleidet waren, während das Innere mit
Steinen und Erde ohne Mörtelzusatz ausgefüllt war.
Die 4-ogm breite Toröffnung war links und rechts
flankiert durch Halbsäulen, neben denen in 1*43 m
Achsabstand je zwei Vollsäulen mit 2-i5m Achs-
weite vor die Mauer vorsprangen. Diesen entspra-
chen an der Wand Pilaster, zwischen denen Ni-
schen angeordnet waren. Säulen und Halbsäulen
standen auf hohen Postamenten, deren profilierte
Deckplatten sich bandartig um den ganzen Bau
herumziehen. Die nach der Stadt zu liegende Seite,
durch ihre einfachere Gestaltung als Rückseite
charakterisiert, hatte statt der Vollsäulenpaare Halb-
säulen, wodurch die Wandpilaster wegfielen. Im
übrigen war hier die axiale Einteilung die gleiche
wie an der Front.
Fig. 10 zeigt die Hauptfassade im jetzigen Zu-
stande: man sieht rechts die einzige noch in situ
J.ilireshefte des üsterr. archäol. Institutes Hd. XI Beiblatt.
befindliche Säule an die Stadtmauer angelehnt, da-
neben die auf Postamenten liegenden Basen der
Säule, des Wandpilasters und der Halbsäule. In der
Höhe zwischen den Wandpilastern ist das Fußprofil
der rechteckigen Nische sichtbar. Die linke Seite
des Tores ist sehr zerstört, man erkennt nur deutlich
die Basis der Halbsäule und daneben den hoch auf-
rechtstehenden linken Torpfeiler. Der Einbau aus
schmalen keilförmig geschnittenen Steinen ist ein
später Zubau, von dem weiter unten (Sp. 44) die
Rede sein wird.
An der Rückseite ist der südliche Teil ganz
zerstört, den besser erhaltenen nördlichen zeigt Fig. II:
drei vorspringende Postamente mit den Basen der
Halbsäulen, ein Rest der letzten Hauptsäule noch
aufrechtstehend und daran anstoßend eine Platte der
Wandverkleidung, während durch das Fehlen der
übrigen Wandplatten das Füllmaterial des Mauer-
kernes freigelegt ist. — Für den Aufbau der Fassade
galt es vor allem die Säulenhöhe zu ermitteln. Leider
fand sich weder ein rollständiger Schaft, noch ließ
3
35
H. Liebl und W. Wilberg
3ö
12: Halbsäulenkapitell vi>n der Rürkseite des Trajanstores
sich aus den Stücken ein solcher zusammensetzen.
In der Rekonstruktion wurde daher eine Säulenhöhe
von 91/, U.D. angenommen. Die korinthische Säulen-
basis ist 0'2gm hoch, die quadratische Plinthe 0'73m
lang, der untere Säulendurchmesser 0'5'5m- I^er
Säulenschaft, wie alle Werkstücke am Torbau aus
gelblichem Kalkstein, hat 24 Kanneluren, deren
unterer Teil bis zu l'35m über der Basis mit Stäben
ausgelegt ist. Bei dem noch in situ stehenden letzten
Säulenschafte sind nur 17 Kanneluren ausgearbeitet,
der nach der Stadtmauer gekehrte Teil der Säule da-
gegen ist unausgearbeitet gelassen, ein Beweis mehr,
daR das Tor später in die schon bestandene Mauer
eingebaut wurde. Von denkorinthisclien Kapitellen fand
sich nur ein der Rückseite angehörendes Halbsäulen-
kapitell (Fig. 12), leider stark zerstört. Abakus und
Voluten sind abgebrochen, die Blätter
zeigen tief eingeschnittene Blattrippen und
weiche runde Blattkonturen. Die Höhe des
Kapitells ist 0-57 m, die untere Breite 0-44™.
Vom Architrav sind nur sehr geringe
Reste erhalten, ein Stück, 0'q2 m lang
(Fig. 13) wurde in der großen, das Tor
in später Zeit abschließenden Mauer ver-
baut, das zweite an der Rückseite gefunden;
letzteres zeigt eine Verknüpfung und gehört
über eine der Halbsäulen. Architrav und
Fries sind aus einem Stücke gearbeitet,
zusammen 0747 m hoch, ersterer hat drei
Fascien und ein aus Kyma und Platte
bestehendes Deckglied, die beiden oberen
Fascien sind stark abgeschrägt; der Fries
ist ganz glatt.
Fig. 14 zeigt das größte aufgefun-
dene Stück des Kranzgesirases. Die
sehr hohen, auf der Seite glatten Blatt-
konsolen stehen über einem niedrigen Zahnschnitte,
die Hängeplatte ist gegenüber dem sie abschlie-
ßenden Eierstabe mit Platte stark zusammenge-
schrumpft und besonders die obere Platte für die
Verhältnisse viel zu schwer. Alle Detaillormen sind
sehr flüchtig und in den Maßen ungleichmäßig ge-
arbeitet. Die Sima war aus einem besonderen Werk-
stücke gebildet und scheint ein Stück von l"66m
Länge und 0*26 m Höhe ihr anzugehören (Fig. 15).
Vom Tordurchgange steht der linke Torpfeiler
noch an seiner ursprünglichen Stelle. Er mißt über
dem durchlaufenden Postamentgesimse 2'2lm und hat
oben Lagerfläche. Das zugehörige Kämpfergesims
liegt nicht mehr in situ; es fand sich ein zwischen
zwei Stoßfugen 1 m langer und o'298ra hoher Stein
mit beistehendem Profil (Fig. 16), den man wohl als
. I 1 I
r- 023 ^
1
vom Trajan
Vom ECranzgesimse dea rrajan ton
37
Ausgrabungen in Asseria
3»
h
15: Kianzgesims mit Sima des Trajanstores.
zugehörig betrachten kann. Über dem Toie wölbte
sich ein Bogen, dessen Vorderseite durch eine drei-
fascierte Archivolte geschmückt war, wie ein wieder-
aufgefundener Stein zeigt (Fig. 17).
An der Wand zwischen den beiden Säulen-
paaren waren an Vorder- und Rückseite rechteckige
Nischen angeordnet. Sie waren rc>3m breit, 0-53 m
tief und ruhten auf einem zwischen die schwach
vorspringenden Wandpilaster eingepaßten Profilsteine
: Vom Kämpfergesims
des Trajanstore
von 0-29 m Höhe, der an
der Frontseite bei der rech-
ten Nische noch in situ liegt.
Auf der Oberfläche dieses
Steines ist das Auflager für
Seiten und Rückwand sorg-
faltig geglättet, der übrige
Teil aber ganz rauh stehen
gelassen, so daß das Auf-
stellen von Statuen in diesen
Nischen ausgeschlossen ist,
wenn sie wohl auch in dieser
Absicht angeordnet worden sind.
Die Höhe der Nischen ließ sich durch die Auf-
findung der aus einem Werkstücke hergestellten Rück-
wand auf 2-iom feststellen.
Der Fund zahlreicher Stücke eines weitausla-
denden Gesimses, die zum Teile grade Stoßfugen, zum
Teil Außenecken und auf Gehrung geschnittene
Innenecken zeigen, ließ auf eine Attika schließen,
deren Höhe allerdings nicht mehr mit Sicherheit zu
bestimmen ist. Hierzu gehören Platten, an die unten
ein schwach vorspringendes Profil angearbeitet ist;
einzelne sind oben glatt geschnitten von ro3m und
I'l3m Höhe, an der Oberfläche mit Dübellöchern,
andere oben abgebrochen und mißt die höchste unter
diesen i-68m. Unter diese Platten schiebt sich noch
eine 0-3 1 m hohe glatte Steinschicht, die auf dem
Kranzgesims auflag. Das Deckgesims der Attika,
dessen Profil und einzelne charakteristische Grund-
risse in Fig. 18 abgebildet sind, ist oben glatt gear-
beitet, ein Stück zeigt oben ein Dübelloch mit Guß-
kanal, so daß man noch eine Steinlage darüber an-
nehmen muß, die möglicherweise eine Unterlage für
|*— O.595 -*|
Vom Bugen des Trajanstores.
18: Vom Deckgesims der Attika des Trajai
39
H. Liehl und W. Wilberg
40
IMP-CAESARi-Divi NERVÄrF
NfRVAE-TRAiANOOPTIMO-
AVO GERM CWllCORDNTMAX'
TFtiB'POT.- XVIHMPIKCÖVIP-I*
1 r
1 1
iMIllllIll"
_i _, 1 ^
ig: Rekonstruktion des Trajanstores (Aufriß)
figürlichen Schmuck gebildet hat, von dem aber
nichts mehr erhalten ist. In der Rekonstruktions-
skizze Fig. 19 ist die Attika etwas höher als das
höchste erhaltene Stück der Platten angenommen.
Plastischer Schmuck fehlte nicht ganz. Zwischen
Archivolte und Architrav saßen zwei Vorderteile
von Stieren, von denen einer sich in einer späten
Mauer verbaut wiederfand. Der mächtige Kopf ist
wohl erhalten (Fig. 20), die Hörner abgebrochen,
der Huf des rechten Vorderbeines straff an den Leib
'»gezogen. Ließ schon die gleiche Steinhöhe, 0-575m>
vermuten, daß der Stierkopf in derselben Höhe wie
>;iulcnkapitelle saß, so wurde dies zur Gewiß-
heit durch die Unterseite des Steines. Fig. 21 gibt
eine Seitenansicht und den Schnitt durch den Stein
wieder, woraus hervorgeht, daß er auf der Archi-
volte aufsaß, nicht als Keilstein des Bogens ver-
wendet, sondern weiter links von der Mitte, so daß
man einen zweiten solchen Stierkopf an der ent-
sprechenden Stelle rechts von der Mitte ergänzen
muß. Der Stierkopf hat auf seiner Oberfläche ein
Auflager von o'25m und der Stein griff noch 0'44m
in die Mauer ein. Bei den Grabungen an der Rück-
seite wurde ein ähnlicher Stein gefunden, der an der
Vorderfläche einen bärtigen männlichen Kopf mit
Hörnern und großen länglichen Ohren (Fig. 22) zeigt.
Da die Unterseite ebenso geschnitten ist, wie die des
Stierkopfes, so kann dieser Stein nicht an der Front,
sondern muß an der entsprechenden Stelle der Rück-
seite gesessen haben. Der Architrav sprang demnach
über dem Torbogen um 0/25 m vor die Wandlläche
vor und lag an den Seiten auf den beiden Halb-
säulen, in der Mitte auf den beiden Stierköpfen auf.
Einige Schwierigkeit bereitet die Unterbringung
der beiden beim Tore gefundenen Inschriften (vgl. unten
Sp. 73). Die Dcdikationsinschrift an Trajan lautet:
41
Ausgrabungen in Asseria
42
20: Stierprotome vom Trajanstore.
22: Protome vom Trajanstore.
IMP- CAESARI- DIVI- NERV/€- F-
NERVAE- TRAIANO- OPTIMO-
AVG- GERM- DACICO- PONT- MAX-
TRIB- POT- XVII- IMP- VI- COS- VI- P- P-
die zweite mit dem Namen des Stifters:
• L- LAELI VS- L- F- C LA- PROC VLVS-
•T-F-I-EPVLOQVE-DEDICARI-
Erstere steht auf zwei 0'66m hohen, an der
Oberseite durch Klammern verbundenen Steinen ohne
jede Umrahmung und ist 2-387 m lang. Die Laelius-
inschrift dagegen steht in einem Rahmen, der auf
drei 0-75™ hohen Steinen eingemeißelt war, von
denen zwei noch erhalten sind. Die Länge der In-
schrift selbst ist 2'3<)m, rechts davon ist in dem
Rahmen eine leere Fläche von r45m, links fehlt
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21 : Schnitt und Seitenansicht des Steines Fig. 20.
der Stein, doch läßt sich der Rahmen durch die
gegebenen Maße 1-45 -j- 2'39 + '"45 auf 5*29m Länge
berechnen. Rechts vom Rahmenende ist noch 0-l5m
glatte Steinfläche, so daß die ganze Länge der drei
Steine 5-59 m beträgt.
Leider gestatten weder der Erhaltungszustand
der Ruine noch die Funde eine vollauf befriedigende
Lösung und die Verteilung in der Rekonstruktions-
skizze ließ sich nur vermutungsweise vornehmen.
Beide Inschriften an der Attika unterzubringen, scheint
wegen der Umrahmung der einen ausgeschlossen.
Auch ist es nicht angängig, sie getrennt an die Front
und Rückseite zu verteilen, sie standen wohl sicher
beide an der Front, und zwar die Stifterinschrift
unterhalb der Kaiserinschrift. Stand diese aber an
der Attika, so muß man für jene einen Platz unter
der Attika ausfindig machen. Nun stimmt die Stein-
höhe der Laeliusinschrift überein mit der des Archi-
travs und Frieses — beide sind 075 m hoch — und
die Länge von 5'59m paßt annähernd zu der Achsweite
der Halbsäulen, 570m, so daß die Vermutung nahe
liegt, diese Inschrift über das Tor an Stelle des
Architravs zu setzen und die Profile des letzteren
sich an den Vorspriingen über den Halbsäulen tot
laufen zu lassen, eine Anordnung, die sich durch
Beispiele in Rom belegen läßt (vgl. Durm, Baukunst
der Römer S. 400).
43
H. Liebl und W. Wilberg
44
W.W. II.
2 j : Rekonstruktion des Trajanstores (Perspektive).
Die Steinplatten, auf denen die Kaiserinschrift
steht, haben oben an den Stoßfugen Klammerlöcher,
woraus hervorgeht, daß in gleicher Höhe weitere
Platten anschlössen, die leer gewesen sein müssen,
da die Inschrift vollständig erhalten ist. Diese Tat-
sache paßt gut für die sehr hohe Attika, auf deren
Mittelfelde die Inschrift gestanden haben muß. Die
Umrahmung ist so groß angenommen, wie die ge-
gebene der unteren Inschrift. Freilich drängt sich
dabei die Frage auf, warum man die Inschrift in
der Mitte zusammendrängte und nicht die ganze
verfügbare Fläche für sie verwandte; doch ist auch
bei der Laelius-Inschrift der Rahmen sehr viel
größer als die Inschrift selbst und eine Zusammen-
fassung der Inschrift grade unter einer über ihr
anzunehmenden Statue des Kaisers wohl ver-
ständlich.
Mit seinem architektonischen und plastischen
Schmucke glich das Tor weit eher einem Triumph-
bogen als einem Stadttor (Fig. 23) und zur Vertei-
digung war es völlig ungeeignet. Sehr bald wahr-
scheinlich hat man es durch einen Einbau bedeutend
verengt. Davon zeugen noch die in situ liegende
Schwelle mit dem linken Türpfosten und darüber-
liegenden Keilsteinen des Torbogens, welche in Fig. 19
punktiert eingetragen sind. Die Toröffnung wurde
dadurch nur 2"50m breit, und der Durchgang durch
starke Widerlager auf 2-87m verengt (vgl. den Grund-
riß Fig. 8). Die sorgfältige Arbeit der Kalksteine
läßt auf einen frühen Zeitpunkt der Errichtung
schließen. Als schließlich die Barbarenbedrängnis
größer wurde, trug man den oberen Teil des Tor-
baues ab und schloß das Tor ganz durch eine starke
Rruchsteinm.uier mit Strebepfeilern, in welche viele
Teile des Tores verbaut wurden und die bei der
Grabung abgetragen werden mußte.
15
Ausgrabungen in Asseria
46
1 I 1 1 1 1 I
)
)
* a.90 ■
Grundriß der GebUudegruppe an For
47
H. Liebl und W. Wilberg
48
b) Bauwerke innerhalb der Stadt.
Das Hauptgrabungsfeld in der Stadt liegt bei
der kleinen modernen Kirche und dem sie umge-
benden Friedhofe (Fig. 1). Hier waren große Archi-
trave mit Inschriften gefunden worden und es schien
die Aufdeckung des ganzen Gebäudekomplexes für
weitere Funde aussichtsreich zu sein. Freilich erwies
denen noch andere Räume lagen. Um den ganzen
Hof, dessen Ausdehnung nach Südwesten unbekannt
ist, führt eine rund ausgehöhlte Wasserrinne, die das
sich ansammelnde Regenwasser in eine unterirdische
Zisterne in der Nordwestecke abführte. Die östliche
Seite des Hofes ist durch eine 0'89m dicke Mauer
aus sorgfältig gefugten Quadern abgeschlossen, durch
25: Architrav vom Forum.
sich die Hoffnung, einen zusammenhängenden Grund-
riß dieser großen, wohl als Forum zu bezeichnenden
Gebäudegruppe zu erhalten, als trügerisch, da eines-
teils im Süden ein großer Teil der Mauern in die
Tiefe abgestürzt war, anderseits die massenhaften, oft
in drei und vier Reihen übereinanderliegenden mo-
dernen Gräber die Ausgrabungen sehr erschwerten
oder ganz unmöglich machten.
Was sich mit einiger Sicherheit feststellen ließ,
zeigt der Grundriß Fig. 24. Die Mitte der ganzen
26: Korinthisches Kapitell vom Forum.
Anlage nimmt ein 28'6om breiter mit großen Platten
gepflasterter Hof ein, an den sich nördlich und süd-
lich 7'Com tiefe Säulenhallen anschließen, hinter
27 : Architrav vom Forum.
die in der Mitte ein breites Tor führte. Östlich an-
gebaut folgt eine Reihe nur l'8om breiter Kammern,
deren Türen sich auf einen langen Korridor öffnen,
der wahrscheinlich im Norden seinen Eingang hatte.
Die östliche Mauer ist in späterer Zeit durch eine viel
dickere und aus anderem Material hergestellte über-
baut worden, die an ihrer Außenseite eine Reihe
von Strebepfeilern hat, um den Schub des hier fast
2m höheren Terrains aufzuhalten.
Die westliche Säulenhalle ist durch einen Teil
des in situ liegenden Stylobates, die östliche außer
durch Architekturreste durch das Umbiegen des
oben erwähnten Wasserkanals gesichert. Der west-
liche Stylobat liegt 0"46m über dein Hauptpflaster
und zeigt noch die Standspuren zweier Säulen, mit
einer Achsweite von 3'50m.
Zu diesen Hallen gehören die großen Insclirift-
architrave, die, zuerst an dieser Stelle gefunden, den
Anstoß zu weiteren Ausgrabungen gaben (Sp. 29; 60 ff.).
Es sind zweierlei Arten Gebälkstücke, zwar in der
äußeren Art gleich, in Höhen- und Breitenausdehnung
dagegen verschieden. Bei beiden ist der glatte Fries,
auf dem die Inschrift steht, mit dem dreifascierten
Architrav aus einem Stück gearbeitet. Das Material
ist grau-gelblicher Kalkstein. Bei der ersten Art
4Q
Ausgrabungen in Asserin
.SO
Gebälkstücke hat iler Architrav drei Fascien und
abschließendes Kyma mit Platte und ist mit dem
angearbeiteten glatten Friese O'SOj"1 hoch, während
die untere Breite o^oö™ beträgt (Fig. 25). Die Länge
des einen jetzt abgebrochenen Stückes befragt 3'5onl
funden, dagegen ein Fragment einer korinthischen
Basis von o'ig" Höhe und ein ziemlich gut erhal-
tenes korinthisches Kapitell (Fig. 26) von 0/5 1 "'
unterem Durchmesser und 076 m Höhe; der obere
I 1 il ist stark zerstört, die Komposition des Ganzen
^**3£
\n hitrav-Unten
die des zweiten zwischen zwei Stoßfugen 3*44 m,
und gehört dieses Gebälk zu der westlichen Halle.
Die Unterseite des Architravs zeigt einen mit
einem Kyma eingefaßten glatten Rahmen. Die In-
schrift auf dem Fries ist 0*205 '" hoch; die Rück-
seite des Gebälks ist ebenso gegliedert wie die Vor-
derseite. Zugehörige Säulenschäfte wurden nicht ge-
Jahreshefte des österr. arcliäol. Institutes IM XI Beiblatt.
und die Arbeit der Einzelformen erinnern stark an
das beim Trajanstor gefundene Halbsäulenkapitell
(Fig. 121.
Die zweite Art der Inschriftarchitrave (Fig. 271
hat eine Gesamthöhe von 0'Q88m, eine untere Arclii-
Die Höhe der Inschrift ist hier 0-185'
I >ie reich
4
H. Liebl und W. Wilberg
52
31: Konsolengesims vom Forum.
verzierten Unterseiten der Architrave zeigen die
Fig. 28 — 30. Ein korinthisches Kapitell von etwas
verschiedenen Maßen — U.D. = o-54,Höhe = 0"7lm —
sonst aber gleicher Arbeit wie Fig. 26 kann dieser
Säulenhalle zugeteilt werdeD, und möglicherweise
ein Konsolengesims (Fig. 3t), das, freilich jetzt sehr
zerstört, doch erkennen läßt, das es auf beiden Seiten
gleich ausgearbeitet war, wie die Architrave, und an
einer Seite an eine Mauer anstieß oder eingriff. Da
die Säulenhallen tatsächlich im Norden durch die
breite Mauer abgeschlossen waren (vgl. den Grund-
riß Fig. 24), so scheint die Zugehörigkeit dieses Ge-
simses nicht ausgeschlossen und hätten dann die
Hallen keine Decke gehabt, sondern wären
nur vor die Mauer gesetzte Kulissen ge-
wesen, ähnlich den beiden Hallen an
der Portikus des Diocletianischen Palastes
in Spalato. Die die beiden Hallen ab-
schließende Mauer könnte man sich mit
einem großen Giebel bekrönt denken, von
dem sehr fragmentierte Reste erhalten
sind, wodurch die Ähnlichkeit mit der
Portikus in Spalato noch anschaulicher
würde, doch ließ die große Zerstörung
des Gebäudes eine sichere Zuteilung auch
der sonst gefundenen Architekturfragmente
nicht zu.
Nordöstlich der späteren Mauer mit
den Strebepfeilern kamen die Fundamente
weiterer Mauern zutage, deren Zusam-
mengehörigkeit mit den übrigen nicht mehr zu
ermitteln war. Der Fußboden liegt hier um fast
2m höher als der des Hofes. Es scheint ein langer
Saal gewesen zu sein, der durch eingezogene Bögen
in drei Teile geteilt war. Die seitlichen etwa I4m
langen und 8'90m breiten Räume haben nach außen
runde Apsiden, deren Bestimmung unklar ist; ebenso
ist die Verstärkung der Mauer des mittleren Teiles
schwer zu deuten, möglich immerhin, daß sie ein
Fundament bildete für eine Statue.
An dieser Stelle fand sich ein großes Konsolen-
gesims (Fig. 32), das wahrscheinlich zu diesem Ge-
bäude gehörte. Die l"90m lange und o'395m hohe
1 ngesitns.
53
Ausgrabungen in Asscria
54
33: Gesimsfragment
Platte zeigt an der Unterseite vier 0"l9m breite Kon-
solen mit gut gearbeiteten Blättern, einen umlaufenden
Eierstab und zwischen den Konsolen große Rosetten.
Die sehr roh gearbeitete Sima sitzt
gleich über den Konsolen auf, eine
Hängeplatle fehlt; die Oberseite
hat eine stark ausgehöhlte runde
Wasserrinne. Der zugehörige Zahn-
schnitt war auf einer besonderen
0'l55m hohen Platte gearbeitet.
Zu erwähnen ist noch ein kleines
Gesimsfragment, das gelegentlich der
Grabungen am Trajanstore zutage
kam (Fig. 33). Seine Höhe beträgt
0'2jm. Über einem hohen mit Blät-
tern geschmückten Kyma liegt ein
niedriger Zahnschnitt, bekrönt von
einer weit ausladenden Sima mit
dicker Platte, die beide ornamentiert
sind durch langstielige Blumen und
distelförmige Blätter mit langen
spitzen Lappen. Die steife Ornamentik deutet auf
eine sehr späte Entstellungszeit.
Außer dem großen Gebäudekomplex des Forums
sind innerhalb der Stadt viele Hausmauern aufgedeckt
worden, die aber nicht in Zusammenhang standen;
ferner eine kleine Badeanlage und Zisterne mit einem
Fußboden aus fischgrätenarlig gelegten Ziegeln. Meist
jedoch fanden sich die Mauern so zerstört vor, daß
von einer größeren Ausgrabung des Stadtinnern als
zu wenig aussichtsvoll abgesehen wurde. \V. W.
c) Gräber.
Unmittelbar vor dem Trajanstore, und zwar hart
am Rande der Straße, teilweise sogar unter derselben,
wurden drei Gräber aufgedeckt, bei denen in der
bekannten Weise14) aus Dachziegelplatten eine Art
primitiven Sarkophages gebildet wurde.
Bei zweien trugen die verwendeten Ziegel den
Stempel der PANSIANA, eine Platte des dritten den
der LEG llll FF (vgl. v. Bersa, Bull. Dalm. 1900
p. 164). Die Gräber wurden bereits in zerstörtem Zu-
stande aufgefunden. Offenbar hatten sie bei den zu-
gleich mit dem Baue des Prunktores vorgenommenen
Strafienarbeiten Schaden gelitten. Da nun die Er-
bauung des Tores in den Anfang des 2. Jh. n.Chr.
fällt (siehe Sp. 73), müssen die Gräber noch dem
I. Jh. angehören, worauf auch die Ziegelstempel
weisen. Es muß also schon im I. Jh. hier eine
Straße geführt haben, folglich auch an dieser Stelle
ein Stadttor sich befunden haben, dessen Konstruktion
wohl analog dem Tore an der nordöstlichen Seite zu
denken ist, welches sicher bereits bei der Erbauung
der Stadtmauer vorgesehen war.
Eine zweite Grabanlage ist in die Grundmauern
eines älteren römischen Gebäudes eingebaut. Es fanden
sich zu beiden Seiten eines schmalen Ganges drei
Grabkammern. Von den beiden rechtseits liegenden
ist die erstere eingestürzt; am besten erhalten ist die
zur Linken des Ganges. Der Eingang wird durch eine
senkrechte, in der Mitte mit einem eisernen Hebering
versehene Steinplatte verschlossen. Als Decke der
Grabkammer, in der man nur in gebückter Haltung
zu stehen vermag, dient eine einzige, mächtige Stein-
platte, welche an drei Seiten Profilierung zeigt, offen-
bar also früher anderweitig architektonisch verwendet
war. Das fehlende Stück bildet gegenwärtig eine der
beiden Langseitenwände, an denen bankartige Er-
höhungen aufgemauert sind. Darauf lagen zahlreiche
menschliche Knochen, welche, den erhaltenen Schädel-
resten nach zu schließen, von 5 Individuen herrühren
dürften. Beigaben fehlen.
Schon die Lage der Gräber innerhalb der Stadt-
mauer läßt auf späte Entstehungszeit schließen, wofür
auch die vollständige Übereinstimmung mit den Grab-
kammern der Nekropole von Monastirine (Salona)
spricht. Diese scheiden sich in ältere mit gewölbter15)
und jüngere mit flacher Decke; drei derselben zieren
u) Vgl. Bericht des Ver. Carnuntum 1S99, Fig. 6.
") Plan und Durchschnitt Bull. Dalm. l898,Taf. I.
4*
.55
H. Liebl und W. YVUberg
56
Wandmalereien"5). Da die Fresken der beiden ge-
wölbten Kammern aus stilistischen Gründen nicht
vor dem 4. Jh. n. Chr. anzusetzen sind17), wird man
die der flachgedeckten Kammer dem 5. Jh. zuteilen
müssen Einen weiteren Anhalt geben ferner die in
Dalmatien nachweisbaren Sarkophagformen ls), soferne
Sarkophage mitSatteldach heidnischer und christlicher,
solche mit flachem Deckel ausschließlich christlicher
Zeit entstammen. — Etwas abseits fanden sich Reste
eines vierten Grabes.
i Torso einer Togastatue.
/) \Y .1 s se rleitung.
Durch heftige Regengüsse wurde im September
am östlichen Abhänge des Plateaus von A.S-
seria in der Talsohle eine zirka Iu"' lange Strecke
eines Wasserleitungskanales bloßgelegt, der ziemlich
resken der einen gewölbten Kammer
siehe Kuli. Dalm. 1900 p. 201 und Taf. IV, die der
anderen noch nicht in Abbildung publiziert, jedoch be-
ben, zuletzt Bull.Palm.1901 p.nof.; hin, Mull.
Dalm. [892 p. 159 hält sie für älter. Die Malereien der
Kammer mit flache: Decke ind wiedergegeben Bull.
Dalm. tgoi, Taf. XI.
lief (bis T8 ■") in den Felsen eingeschnitten ist. Am
Grunde fanden sich noch die Leitungsrohre aus Ton.
Die Quelle ist in dem zirka vier Kilometer von der
Stelle entfernten Dorfe Lisicic. Der Kanal, dessen
Verlauf auch oberirdisch kenntlich schon von Gliubic
beobachtet wurde, lief neben der römischen Straße,
welche das Tal bis Burnum durchzog, und von der
noch deutliche Spuren erhalten sind.
e) Einzelfunde.
1. Skulpturen.
Es fanden sich:
a) Innerhalb des von den Portiken flankierten
Hofes (siehe oben Sp. 45 Fig. 24):
35: Kalksteinfragment mit tragischer Maske.
1. Torso einer männlichen Gewandstatue (Fig. 34.)
aus weißem Marmor, O'yN"1 hoch; nur die Vorder-
seite erhalten. Der Kopf war aus einem besonderen
Stücke gearbeitet und angesetzt.
j. Kalksteinblock mit Medusenhaupt in Relief;
stark beschädigt, 079 m h.. 0'6 '" br., 0-48 '" d.
u) Über die Blumenschnur als dekoratives Ele-
ment in den Katakomben maiereien, vgl. Wilpert I
30, II Taf. 5:, 86, 0/ (3- Jh.), 118, 143. 184. 218,
239. 25' (4-JM-
1HI Bull. Dalm. 10/03 p. 18:. ebenda Anm. 1 und
[901 p. <ii (Slano).
57
Ausgrabungen in Assen. i
58
3. Fragment eines Kalksteinblocks mit tragischer
Maske in vertieftem Bildfelde (Fig. 35) 0'5 m h.
045 m br. 0-28 m d.
36: Kalksteinblock mit Relief.
4. Prismatischer KalUsteinblocU
(F'g- j6). unten gebrochen. Auf
zwei aneinanderstoßenden Flächen
roh ausgeführte, stark beschädigte
Reliefdarstellungen .
An der Langseite ein Phallus19), an
der Schmalseite eine unbekleidete
männliche Gestalt, in der erhobenen
Rechten einen nicht mehr erkenn-
baren rundlichen Gegenstand, in der
gesenkten Linken ein längliches
Instrument haltend. Auch diese
zweite Darstellung, in der vielleicht
Perseus mit dem erhobenen Gorgo-
ueion und der Harpe in der Linken
zu erkennen ist, hat möglicherweise
apotropäische Bedeutung. Ein ähn-
liches Relief beschreibt Hörnes,
Arch.-epigr. Mitt. IV 35 unten; vgl.
auch die Reliefs aus Konstantine,
Rev. archeol. VI (1849) pl. 1 10 n. 3
und 6. Wahrscheinlich stammt der
Stein aus der nahen Stadtmauer.
b) Im Innern des Gebäudes der N'ordfront :
5. Fragment eines weit überlebensgroßen un-
bärtigen Kopfes aus weißem Marmor o-4™ h., o 26 m
br., mit kurz geschorenem Haupthaar; wohl 3. Jh.
n. Chr.
c) In die Südecke der Kapelle eingemauert:
6. Reliefplatte, stark beschädigt, cv6mh.,o-38mbr.,
0231" d., der untere Rand profiliert. Dargestellt ist
ein Genius, anscheinend einen Blumenfeston (oder ein
Füllhorn) haltend. Da der Stein wegen Einsturzge-
fahr der Kirche nicht vollkommen bloßgelegt werden
konnte, war eine photographische Aufnahme nicht
erzielbar.
J) Vor dem Eingange des Friedhofes nord-
westlich von S. Spirito, bei einem profilierten Po-
stamente eines kleinen tempelartigen Gebäudes:
7. Fragment einer Henkelamphora aus Kalkstein
(F'g- 37) 0-271" h., o^tj"1 br., berechneter Durch-
I ragment eines Steingefäfles.
19) Vgl. K. O. Müller, Archäologie der Kunst
I 765. An pompeianischen Häusern mit der Inschrift:
hie habilat felicitas; an der Ecke eines Gebäude-
restes in Thera mit der Beischrift : tc:; qp&Oie;, Roß,
Reisen auf den griechischen Inseln I 04; Hiller von
Gärtringen, Thera III 14, 183 — 186,238. Häufig auch
an Stadtmauern; H. Graefen, Neue Jahrbücher I
(1898), 325 (aus Nersa); Dodwell, Views pl. 92
(Alatrium). Derselbe Autor sah ein ähnliches Apotro-
paion an den Mauern Antheias, Rev. archeol. VI
(1849) I pl. 1 10 n. I und 2, p. 14 (Konstantine),
Ferner Perrot-Chipiez, Hist. de l'art IV 63, Abb.
49 f. (Sardinien); Jahrbuch XVII, Arch. Anz. 72.
(Rottenburg). Münsterberg, Arch. epigr. Mitt. XV
50, n. 12; CIL III 14964 (Dalmatien, Municipium
Magnum) invidis hoc.
59
H. Liebl und W. Wilberg
60
38: Fragment eines Steingefäßes, Aufsicht.
raesser des eiförmigen Gefäßes o-42 m. Der Henkel
hat die Gestalt eines katzenartigen Raubtieres (wohl
Panther), das sich mit den Vorderpranken auf den
Gefäßrand stützt. Am Halse verläuft eine breite Hohl-
kehle, darunter in derber Ausführung eine figürliche
Darstellung. Erhalten sind zwei Reihen z. T. wie
39: Kalkstcinrelief.
es scheint bärtiger Köpfe mit konischen Mützen,
zwischen welchen unbestimmbare Gegenstände er-
scheinen. Der Rand des Gefäßes trug an der Hori-
zontalfläche eine Inschrift, von welcher das Bruchstück
fünf Buchstaben CVL- VO er-
halten hat (Fig. 38). Da damit
ungefähr ije der ganzen Peri-
pherie gegeben ist, dürfte die
Inschrift, bei vorauszusetzender
gleichmäßiger Verteilung, etwa
aus 28 bis 30 Buchstaben be-
standen haben, also etwa:
Libero t'iitri Pro]at/(us) vo[tuut solvil I(ibeus) m'crito).
Das Gefäß wäre dann als Weihgeschenk für
Bacchus anzuseilen, wozu der Panther als Henkel gut
passen würde.
e) Beim Trajanstore:
8. Kalksteinrelief .(Fig. 39), an der rechten
Seite und unten gebrochen; 0'26 m h.,
0-22 m br., 0-065 m d. Stehende weibliche
Figur, bekleidet mit Untergewand und über
den linken Arm geschlagenem Mantel, in der
rechten Hand eine Schale haltend; am Rande
rechts Kopf und Arm einer zweiten Figur,
die einen Krug hielt. Darüber eine Weinrebe
mit Trauben und Blättern. Wahrscheinlich
eine Darstellung aus dem bacchischen Kreise.
Erwähnt sei noch das Fragment eines
lebensgroßen Kopfes aus weißem Marmor, er-
halten der rückwärtige Teil mit Resten ge-
lockten Haares.
/) Fundort nicht zu ermitteln:
9. Bruchstück eines Grabreliefs aus Kalk-
stein (Fig. 40), o-4m h., 0'23mbr., 0'lim d.
Matronaler Kopf en face. Über das gescheitelte
Haar ist ein Tuch gelegt. Durch je vier
Bohrlöcher sind Ohrgehänge angedeutet.
2. Inschriften.
I. Bei Gelegenheit von Erweiterungsbauten
zu dem Kirchlein S. Spirito stieß man (vgl.
Sp. 29) auf mächtige Architravbalken. Eine
genaue Untersuchung der Kapelle selbst und
Lhrei nächsten Umgebung ergab, teils einge-
mauert in den Kirchenwänden, teils außerhalb
der Kapelle unter Schutt vergraben, noch meh-
rere andere Gebälkstücke, im ganzen neun, die
sich durch ihre verschiedenen Maße in zwei
Gruppen scheiden, also zwei verschiedenen Ge-
bäuden angehört haben müssen (s. o. Sp. 48).
6i
Ausgrabungen in Asseria
62
40: Fragment eines Grabreliefs.
Zur ersten Gruppe gehören drei hinter der Kirche
gefundene Architravblöcke. Die Unterseite derselben
(Fig. 28 — 30) ziert ein von einer lesbischen Blatt-
welle umsäumtes, schön stilisiertes Ranken- und Pal-
mettenornament. Der Fries, mit dem Architrav aus
einem Stücke gearbeitet und von ihm durch ein
Karnis geschieden, trägt in Buchstaben von 0'l85m
Höhe folgende Inschrift:
auf Block a) 27 im lang DEC- AVGVR PORTICVM
auf Block b) 271™ lang T- F- I- EX- H5- LXXX
Block c), 2'76m lang, ist leer.
.... dec(urio), augur poriicum t(eslamenlo) f\ ieri)
i(nssil) ex (sesleiiium) LXXX (milibus).
Demnach hatte eine Persönlichkeit, die mit der Stel-
lung eines Decurio die Würde eines Augur verband,
testamentarisch die Errichtung einer Säulenhalle mit
einem Kostenaufwande von 80000 Sesterzen verfügt.
Zur zweiten Gruppe gehören sechs, wahrscheinlich
ebenfalls von der oben Sp. 47 ff. beschriebenen Bau-
anlage herrührende Blöcke, bei denen ebenfalls Archi-
trav und Fries aus einem Stücke gearbeitet sind; doch
zeigt die Unterseite statt ornamentaler Füllung einen
einfachen Blendrahmen mit leichter Wölbung des
Innenfeldes. Buchstabenhöhe etwas mehr als 0-205m.
Block I: 1-38™ lang, |FRETE;, eingemauert in
der Südecke der Kirche.
Block 2: 0/91 m lang, klMNj, eingemauert in der
Ostecke der Kirche.
Block 3: 3-56 m lang, [S- OMN 1VM- AS S ER
außerhalb der Kirche, senkrecht zur Südfront der-
selben liegend.
Block 4: 3 m lang, |CC TESTAME Nj, einge-
mauert in der Südwestseite der Kirche, wo er die
unterste Steinlage bildet.
Blocks: 3-45mlang|FIERI- IVSSIT|, hinter der
Kirche, in der Richtung der Südwestfront derselben
liegend.
Block 6: 3-8m lang, ohne Inschrift, eingemauert
in der Nordostwand der Kirche.
. . . vclicrauus) leg(kmis) X] Frete[psis p]rimus
omninm Asser\iatiwm .... poriicum ex sestertitnn
. .] CC (milibus) testamen\_to\ fieri iussit.
Da für die Bestimmung der ursprünglichen Länge
der Inschrift jeder Anhaltspunkt fehlt, kann nur
eine ungefähre Ergänzung versucht werden.
In FRETE scheint ein Rest des Beinamens der
im Orient gestandenen leg. X Fretensis erhalten zu
sein. Der Bauherr, dessen Namen wir leider nicht
erfahren, war demnach wohl vet{eranus) leg(iotiis)
X] Fretc[nsis 20). Die Blöcke 2 und 3 stoßen anein-
ander, also p\rimus omninm Asser[iatitim. Am näch-
sten läge an eine Ehrung zu denken, der als Erster
aller Asseriaten teilhaftig geworden zu sein der
Bauherrsich rühmen konnte21), z. B.p~\rimus omnium
Asser[iaiium in V ileaurias) adl(eclus) oder Ähn-
liches. Vielleicht hatte er auch als Erster aller Asse-
riaten ein bestimmtes Amt oder eine gewisse Würde
bekleidet22). Möglich wäre schließlich auch, dal! er
die Erinnerung an einen Wohltätigkeitsakt, durch
den er sich vor seinen Mitbürgern hervorgetan hatte,
'-") Ein Veteran der leg. XIIII restauriert eine
Portikus in Carnuntum CIL III 4441.
21) Vgl. Dessau n. 932: . . . primus omnium Pae-
lign(orum) Senator faetus est.
22) Vgl. CTL II 1956 (Cartima): lunia D. f.
Rustica sacerdos perpetua et prima in munieipio C.ir-
timitano porticus public(as) vetustate corruptas refecit;
vgl. auch CIL III iüOS ... L. Silius Maximus
v[et(eranus)] leg(ionis) I ad(iutricis) p(iae) f(idelis)
magistra(n)s primus in can(abis .
63
H. Liebl und W Wilherg
64
der Nachwelt erhalten wissen wollte23). Nun folgte
wahrscheinlich porlicttm, ex hs . . .] CC teslamen[to\
fieri ittssit; der Strich über den zwei C'ist zwar nicht
erhalten, aber ohne Zweifel zu ergänzen. Die Kosten
betrugen also 200000 Sesterzen, wenn anders nicht
auf dem vorhergehenden Blocke noch eine Zahl ge-
standen hat. Doch konnte bereits diese Summe für
ein stattliches Bauwerk ausreichen21).
I. Eingemauert in die Fundamente des Kirch-
leins S. Spirito.
a) An der Ostecke:
II. Bruchstück eines Meßtisches2"') (Fig. 41). In-
takt nur die 071 m breite Rückseite; Breite der Neben-
seiten, nur soweit erhalten, 0,3l5mund0'lG5m; Vorder-
seite fehlt. Höhe 0^285 m. Die ursprünglich wold um
den oberen Rand aller vierSeiten herumlaufende Kehl-
leiste ist nur an der linken Seite erhalten, an den
G
11: Bruchstück eines Meßtisches,
anderen aber ganz oder teilweise weggemeißelt. In
der Oberseite des Tisches sind jetzt noch sieben Höh-
lungen, von welchen, wie Fig. 41 zeigt, die zu äußerst
links angeordneten vier A — D unverletzt sind und
in der Reihenfolge von vorne nach hinten 665, 343,
880, 310 Kubikzentimeter fassen; drei weitere, in
den Bruch fallende /:'. F, G sind fast völlig zer-
stört. Nach der rohen Ausführung sind die Hohl-
räume selbst nicht als MaRe anzusehen, sondern dien-
ten zur Aufnahme der eigentlichen Maßgelaße, die,
aus Bronze hergestellt, mit aufgestülptem Kunde in
gl. Dessau 986; CIL XIV 3608 . . . primus
ex ea provincia magno tritiri modo annonam p(opuli)
Rloiii.uii adlevavit.
J'i Kostete doch die frübei besprochene Porti
ria nur 80000, eine solche in Thagaste
allerdings 300000 Sesterzen (< II. VIII 5146/7).
die Oberseite eingelassen und wahrscheinlich durch
Metallbänder miteinander verbunden waren. Erhalten
ist noch ein o'o6m langes Bronzeröhrchen, das bei der
Auffindung in der Abflußöffnung bei £ steckte. A,B,
C, /', welche schräg nach außen gebohrt sind, hatten
ihren Abfluß an der Rückseite, E, F an der in der
Mitte unregelmäßig ausgehöhlten Unterseite des Meß-
tisches, G ist zu sehr zerstört, als daß sich irgend etwas
erkennen ließe. Die Hohlräume fassen demnach etwas
mehr als den Rauminhalt der eigentlichen Maßgefäße,
so daß A = sextarius, B=hemina, C = 1 1/2 sextarii,
]> = heraina, mithin das Zeichen am Rande rechts
HE • he(mina) = 0'2/29 Liter = l ., sextarius sein kann.
Die Buchstaben FR auf der linken Seite könn-
ten vielleicht in Analogie von iXrjp(i;) des ay(y.(oira
von Kossovo als fr(itmcnli) gelesen werden. Zwi-
schen den Maßen 0 und 1) das Zeichen S (sexta-
rius). Ein Dübelloch an der Rückseite unten beweist,
daß der Meßtisch auf einem offenbar bankartigen
Untersatze stand, da, wie wir sahen, zwei Maße
ihren Abfluß an der Unterseite hatten, diese mithin
in ihrer Mitte frei gewesen sein muß. Die beiden
Nebenseiten tragen Inschriften, die nach der Buch-
stabenhöhe schwerlich einem Texte angehören kön-
nen. Die jetzt fehlende Hauptseite scheint also un-
beschrieben gewesen zu sein. Linke Nebenseite:
Buchstabenhöhe 0*065 m C(aius) Oppiu[s .... viel-
leicht trib(unus)
Buchstabenhöhe o'o6m nullit um) leg: X[. . . ■
Denkbar, wenn auch weniger wahrscheinlich wäre,
einfach mil(es) zu lesen; dieser hätte dann der leg.
X[I Cl(audia) p(ia) f(idelis) angehört, die im nahen
Burnum ihr Lager hatte.
Rechte Nebenseite:
Buchstabenhöhe 0-0S51" P'SP vielleicht d\e) s(ua)
p{ecunia) oder d(ecreto)~\ dfecurionum) siuai
p < unia) oder d{e) s(uo) piosuih.
Der Meßtisch war wahrscheinlich auf dem von den
Säulenhallen flankierten Platze, wohl dem Forum des
Städtchens, aufgestellt.
2. Cippus, rechts unten gebrochen; 0'8lm h.,
0*58 m br., 0"54m d. Das Inschriftfeld von einer
25) Vgl. u. a. die Meßtische aus Kvarte (Patsch,
I.ika 6X), Kossovo (Domaszewski. Areh.-cpigr. Mitt.
XV 145 f.) und Obrovazzo (Colnago-Keil, Jahreshefte
VIII Beiblatt 43), ferner auch das bekannte Exem-
plar aus Pompei (/. B. Mau. Pompei in Leben und
Kunst Fig, 35).
65
Ausgrabungen in Asseria
66
Hohlkehle umrahmt. Buchstabenhöhe von Z.
0.065 bis o-Ol8m Z. 7 abnehmend (Fig. 42).
■M
-..r*
■ ■■■im,— IUI -
11 ^ ■■«■ ■ .«
' t
d
42: Grabcippus.
C(«»o) 0/7>;'o | C(fl») /(//;o) Claiudia) | Clemenii,
Rusticell[o) | an{norum) XVI B(iebi[a] | T{iii) f{iiia)
Oppia mat{er] J\ilio) p(osnit).
Über Rusticellus s. Schulze, Zur Geschichte
lateinischer Eigennamen III. Auffallend ist, daß
Baebia den Gentilnamen ihres Mannes führt, denn
ihr Gatte war offenbar ein C(aius) Oppius und seinem
und ihrem Sohne hatte sie das Denkmal gesetzt.
Vgl. CIL XIV 4270.
b) An der Nordecke:
3. Fragment einer Grabstele, o-3om h., o-26m
br., o-l7m d. Buchstaben-
— 1 höhe Z. I 0-07 bis 0-055m.
dY X
D(iis) [M(anibus)
B~\aebia[e Valeri]an(a)e oder
Ulpi]an(a)efil[iac in \fe!ici]s-
sim(a)e . . oder carf\ssim{a)e.
4. Fragmente einer Grabstele 0-33 m h., 0-2m br.,
0-2I5™ d. Buchstabenhöhe Z. I 0-045, z- 2 005m.
. . . a]n(ttorum) XX
Jahreshefte des österr. arcbäol. Institutes HJ. XI. Beiblatt
III. Bei den Grabungen im Nordosten der
Kapelle.
5. a) Fragment einer Grabstele, o-22m h., o-20m
br., o'lmd., Buchstabenhöhe 0'03m; anscheinend zu
vereinen mit einem zweiten Fragmente b), welches
durch Kauf erworben wurde, 0*28 m h., 0'25m br.,
0"05m d. Buchstabenhöhe die gleiche.
Daeico Aure[l]i Fo[rlttn]ioni[s \ fiilio) Opta]ln[s
oder Fcs]lu[s oder irgend ein anderer Name auf Ins.
Ein Deico CIL V 4209 vgl. Holder, Altkelti-
scher Sprachschatz 1250, ein Fortunio CIL III 14014.
C. Fragment o-o8m h., 0-42 m br., 0-41 m d.
Buchstabenhöhe 0'05m.
. Caniniit[s
Vgl. die Architravinschrift n. 12.
7. Drei Epistylfragmente, anscheinend zusammen-
gehörig. rt)0'24mh., o-37mbr., o'ogs1" d.; fc)o-26ml.,
0"3 Im br., OM2 m d.; c) o-22m 1., o-2Sm br., 0l7md.
Buchstabenhöhe 0'0cjm; bei allen Bruchstücken oben
noch Reste einer Leiste erhalten.
. . . Pa]piri[ns . . . fiilius) S]ecund[inus . . .
oder Seatnd[us
<iP
Secundinus vgl. n. 15, 24.
In einiger Entfernung außerhalb der Friedhofs-
mauer:
8. Acht Bruchstücke einer I76m h., 0'655m br.
und 0"lOm d. Steinplatte. Dieselben lagen in sehr
geringer Tiefe unter der Erdoberflache. Das um-
rahmte Inschriftfeld ist r22m h., 0'47m br. und in
67
H. Liebl und W. Wilberg
68
seiner unteren Hälfte unbeschrieben, Buchstabenhöhe
0-07 bis o-035m (Fig. 43.)
43: Stifterinschrift des Julius Celer.
Tiftus) Iulius I T(iti)jXilius) Cla(udia) | C[cl]cr\
[veieranus) l\eg(iouis) II Aug(ustac) \ [?airi]am
ex [sesterlitim . .] XX [milibus) lesliamcnlo) \ f[ier~\i
iussil.
Da die leg. II Aug. von 43 n. Chr. an in Bri-
tannien lay (Plitzner, Kaiserlegionen 222), wird man
wohl an einen Veteranen dieser Legion zu denken
haben. Vor am Z. 5 ist höchstens für drei bis vier
Buchstaben Platz. Die Höhe der Kostensumme läßt
auf ein Gebäude schließen, vielleicht also curi]am.
IV. Im Osten der Kapelle, unmittelbar bei den
Fundamenten derselben:
9. Prismatischer Block, o-97m h., 0-68'" br.,
0'2 I ra d.; oben eine o'^"' breite, schwach vorsprin-
gende Leiste. Buchstabenhöhe 005 bis ooGm (Fig. 44).
mm
4
44: Kaiserinschrift.
itnp[eratore) dyomino) \ n(oslro) Licin\ioAug^g)(usto).
Die Verdoppelung des C in Augg. ist ein Fehler
des Steinmetzen. Die eingemeißelte Inschrift steht
an Stelle einer getilgten, die aus vier Zeilen bestand
(vgl. die Bemerkung zu n. 18).
10. Ära, oben und unten gebrochen; 0'4m h.,
0-25mbr.( 0'24m d. Buchstabenhöhe 0.045 bis 0-035m
(Fig. 45)-
Tiliu[s] | votum \ laetus \ [liben]s m(crilo).
V. Im Süden und Südwesten der Kapelle inner-
halb der westlichen Portikus:
11. Kubische Basis o68m h., o-67m br., o'55m
d., die Vorder- und die beiden Nebenseiten mit
profilierter Umrahmung, die einfach zubehauenc Rück-
seite war offenbar gegen eine Wand gekehrt. Buch-
stabenhöhe o'07 bis o-05m (Fig. 46).
P(tib!io) Ali/io \ Aebuiiano \ praef(ecto) prae-
t(orio) | djarissimo) v(iro) pairono \ \op~\limo ordo\
[Asscrialium . . .
Durch diese Inschrift erfahren wir den vollen
Namen des Gardepräfekten Aebutianus, der unter
6g
Ausgrabungen in Asseria
70
^T^^^B
Fn
Ü\ '
r/p
fct/v_
,
H k^^
45: Weihinschrift des Titius.
Commodus auf Anstiften des kaiserlichen Günstlings
Cleander zugleich mit dem Schwager des Kaisers
Antistius Burrus hingerichtet wurde; bisher ver-
mutete man auf Grund von CIL VI 1635 = XI
3940 Vennonius Aebutianus. Vgl. Hirschfeld, Verw.
r
*•»■■
■AI ILIO
YFBVtAN
UTTRAF-
46: Basis des IV Atilius Aebutianus.
LCANlNlVST-FCLA-FRONfo^r^ 1VIRQVI NQ-
Gesch. Liste der praef. praet. von Augustus bis Dio-
cletian S. 228 n. 47; Pauly-Wissowa I 2464 M. Aurc-
lius Cleander; 2476 Commodus.
Beachtenswert ist der Titel c(larissimus) v(ir), der
den Prätorianerpräfekten erst unter Severus Alexander
(vita Alexandri c. 21) beigelegt wurde. Unsere Inschrift
reiht sich also den von Hirschfeld (Rangtitel der
römischen Kaiserzeit: Sitzungsber. Akad. Berlin 1901
S. 582) zusammengestellten Ausnahmen früheren Vor-
kommens dieses Titels an.
An der Außenwand des linken Seitenbaues (Sp.
45 f.) nach Einstellung der Grabung 1903, von Bauern
gefunden :
I :. Drei Blöcke eines Epistyls, Gesamtlänge
2-79m (■+o'46+I'33m). Höhe o-35m, Tiefe o-l9m.
Buchstabenhöhe o-o6m (Fig. 47).
L(ticiiis) Caninius T(ili) /(ilius) Cla(udia) Fronto
Ilvir, flamcn divi Clandii, Ilvir quiuq(ueiiiialis).
Aus der Würde eines Hamen divi Claudii, die
der Bauherr bekleidete, ergibt sich, daß die Inschrift
aus den Jahren unmittelbar nach dem Tode des
Claudius (j 54 n. Chr.), also den ersten Regierungs-
jahren Neros stammt, Caninius s. Fragm. n. 6 und
CIL III 2884. Da der Schluß der Inschrift fehlt, ist
nicht erkennbar, ob er den Bau auf eigene Kosten
oder nur in seiner amtlichen Stellung ausgeführt habe ;
denn auch in den vom Rate beschlossenen Bauten
nennen sich die obersten Beamten als Bauherren, ein
Recht, das sonst nur dem Kaiser und dem zustand,
der die Kosten trug (Dig. 50, 10, 2, 2). Die Wid-
mung zu schützen, war Pflicht des Statthalters (Liebe-
nam, Städteverwaltung 35 ff., 162, 382). Übrigens
galt insbesondere für die hohen Beamten die Errich-
tung prächtiger Bauten als Ehrenpflicht.
Bei der Zisterne:
13. Fragment, o'29m h., 0"28m br., 0145111 d.
Buchstabenhöhe 0'0/m.
Vielleicht aug(nri) oder
[VIviro] Augiustali),
möglich auch Aitg(usti)
\lib{ertus)
.1
47: Blöcke eines Kpistyls
Ji
H. Liebl und W. Wilberg
7-
14. Unterer Teil eines runden Grabcippus, späler
zu einem viereckigen Pfeiler zubehauen, 0'54m h.,
0'2Im br. Buchstabenhöhe 0-03nl.
anno [duo]
virai\us
Maximi[tia]
mal[er~\
An derselben Stelle kamen noch andere auf
ähnliche Weise zu späteren Gräbermauern abge-
arbeitete Cippen zutage.
VI. Im Nordwesten der Kapelle, vor deren
Haupteingang:
15. Fragment eines Cippus liburnischer Form;
rri7m h., 0'20m br., 0-05m d. ; oben ein Stück der
Umrahmung des Inschriftfeldes erhalten. Buchstaben-
höhe 0-04 bis o-035m (Fig. 48).
48: Fragment eines Grabcippus.
L ucius) Anles[litis] \_L(uci\] f'i/ins) Seaiii[diitns
oder Secun\_dus.
Secundus vgl. n. 7, 24.
Außerhalb der Friedhofmauer:
16. Fragment, cri8m h., o-22m br., o-05m d.
Buchstabenhöhe 0'03im.
Möglicherweise der Rest eines Cursus bonorum
von einem Manne senatorischen Standes: pr(aetori),
a[edi(li) trib. mil.\ leg. XV . . . oder XVI;
dazu würde passen, daß die letzte Zeile des Frag-
mentes anscheinend auch die letzte der Inschrift
überhaupt gewesen ist.
VII. Bei den Grabungen am Trajanstore wurden
gefunden: eine Reihe sorgfältig gearbeiteter Stein-
platten, welche die in zwei Absätzen angeordnete
Bauinschrift des Tores trugen. Dieselben waren
nebst andern von Prunktore herstammenden Archi-
tekturfragmenten in jener spätrömischen Mauer ein-
gebaut, die man bei Kassierung des Tores errichtet
hatte (vgl. Sp. 44).
Der erste Teil der Bauinsehrift ist eingemeißelt
auf zwei o66m hohen und o-lo.m dicken Platten,
deren Gesammtlänge 2-4m (1-635 -)- 0765™) beträgt.
Die größere derselben ist in drei Stücke gebrochen,
doch passen die Bruchränder scharf aneinander. Auf
der oberen und unteren Seite sind Löcher mit
Resten von Eisenzapfen. In den Furchen der Buch-
staben, deren Höhe Z. T: 0'14ra, Z. 2: 0'12m, Z. 3:
-. -
,lfMix(;AISÄl<M)JV!
NHWAITRJMANCM
AV(/<;j.kMi.iA(/l( (>PC
0 ' 'Jinscfanft des I raj ansture;.
73
Ausgrabungen in Asseria
71
0'105m, Z. 4: 0'09m beträgt, nocb Spuren von roter
Farbe, wahrscheinlich die Unterlage einstiger Ver-
goldung (Fig. 49).
iinp(eratori) Caesari divi Nervae J\üio),
Nervae Traiano optimo
Aug{usio), Germ(anico), Dacico, ponl(ifici) max(imo),
trib(utiicia) fot{cstatc) XVII, impicralori) VI. co(n)-
s(uli) VI, p(alri) p(alriae).
Der zweite Teil steht auf zwei Platten von
0'74mHöhe, 0"3m Dicke und Gesamtlänge von 2^94 m
(2'04 -f- 0-9m). Das Inschriftfeld ist umrahmt. Buch-
stabenhöhe o-I2m (Fig. 50).
L(uciiis) Ladius L(uci) f(ilius) Cla{tidia) Proculus
{(eslametilo) ßjeri) i(ussit) epuloquc dcdicari.
Da Trajans 17. tribunicische Gewalt vom 10. Dec.
112 bis 9. Dec. 113 n. Chr. reicht, und der Kaiser
den Ehrentitel „optimus" September-Oktober 113 n.
Chr. vom Senate erhielt, muß die Weihung des Tores
an das Ende des Jahres 1 13 n. Chr. fallen. Zeitlich
stehen also sehr nahe die Ehrenbogen von Bene-
vent (114 n. Chr.) und Ancona ( 1 1 5 n. Chr.), Bau-
meister III 1898. Der zweite Teil der Bauinschrift,
in welcher der Name des Bauherrn L(ucius) Laelius
L(uci) F(ilius) Cla(udia) Proculus genannt wird, läßt
die Zugehörigkeit Asserias zur tribus Claudia er-
kennen. Eine Stiftungsinschrift mit gleichlautender
Formel aus dem benachbarten Nedinum s. CIL III
2869 : Sex(tus) Octavius Cla(udia) Constans Ilvir
pontif(ex) t(estamento) f(ieri) i(ussit) epuloque dedicari.
beitung der ja schon so vielfach erörterten Frage
nach der von Trajan im zweiten dakischen Kriege
eingeschlagenen Route wird wohl die Weihung der
Ehrenpforte von Asseria in den Kreis der Unter-
suchung mit einbezogen werden müssen.
17. Meilenstein, r8m h., Umfang n8m. Buch-
stabenhöhe ox>5 bis o'o85m.
AlDlociETJ
' >EtlAAPcc
ÄLERlo
imp(inilori) Ciaesari) Gai(o) | Val(erio) Dio-
ckli\ano c\t\ imp(eralori) C{acsari) \ Caio Valerio |
Maximiano p{iis) J\elicibns) \ perpetuis princi\(nci)-
pibus.
Fehler des Steinmetzen Z. 2 el statt et, Z. 6 die
Wiederholung der Buchstaben n c i. Distanzangabe
fehlt. Der Meilenstein gehört der großen Straße an,
die von lader über Nedinum und Asseria nach Bur-
num führte. Reste von ihr konnten an der südlichen
Lehne des Plateaus von Asseria hinter dem Gast-
hause des Cerina (Kilometer 41 der Reichsstraße) in
einer Ausdehnung von zirka 200m festgestellt werden
50: Bauinschrift des Trajanstort-s
Eine so solenne Ehrung wie die Weihung einer
Ehrenpforte gibt der Vermutung Raum, daß die per-
sönliche Anwesenheit des Kaisers selbst die Ver-
anlassung hiezu bot. Bei einer neuerlichen Bear-
(vgl. Meilenstein CIL III 10177). Über dem natür.
liehen Boden ist eine Lage von grobem Schotter
aufgebracht, auf der ziemlich große, O"l520m starke
Steinplatten aulliegen. Da Rillen nicht wahrzu-
73
H. Liebl und W. Wilberg
76
nehmen sind, dürfte darüber wohl noch eine Maka-
damschotterung anzunehmen sein: vgl. auch CIL III
3205, 3206; Tomaschek, Mitt. d. k. k. geogr. Ges.
Wien XXIII 514.
51 : Kaiserinschrift.
18. Prismatischer Block, 0'96m h., 072™ br.,
0'35m d., oben eine zirka 0'14m breite, ein wenig
vorspringende Leiste, wie bei n. 9, womit auch die
Abmessungen auffallend übereinstimmen. Buchstaben-
höhe 0*05 bis 0-I05m (Fig. 51).
D(ominis) n(ostris) i m p[cratore) Licinio Lic\i-
niano Ce\sarc cons\ulibus (ann. 319 p. C.).
Trotz der Verschiedenheit der Fundorte muß
angenommen werden, daß beide Inschriftsteine einst
demselben Baue angehört und nebeneinander ihren
Platz gehabt haben.
19. Grabcippus, cylindrischer Körper mit koni-
schem Aufsatze von der Form eines Pinienzapfens,26)
dazwischen ein skulpierter Wulst. Zu beiden Seiten
des von einer Hohlkehle umrahmten Inschriftfeldes
ein Reliefstreifen mit stilisierten Muten. Auf der
Rückseite ein wie das Inschriftfeld umrahmter leerer
Spiegel. Die Spitze des Cippus abgebrochen. Höhe
I*45m, unterer Umfang 2-l4m, oberer Umfang 1-97™,
Inschriftfeld 072™ h., 0-415 m br. Buchstabenhöhe
0-o6 — 0-048 m (Fig. 52).
Caesiae \ 7\iti) J\iliae) \ Terlyllinac.
Die Unterseite ist ausgehöhlt und bildet eine
Mulde von o-54m Durchmesser und 0-21 m Tiefe,
die die Aschenurne geborgen haben wird. Außen
am unteren Rande sind Spuren von drei Eisen-
klammern sichtbar, mit denen der Stein offenbar
einst auf einem Unterbaue befestigt war.
52 : Grabcippus.
Das Denkmal repräsentiert einen im Gebiete des
alten Liburnien häufig vorkommenden Typus von
Grabdenkmälern, dessen Verbreitungsgebiet südlich
bis Scardona (CIL III 9889), östlich ungefähr bis
Kistanjc (Burnum) reicht. Die nördlichsten Vertreter
dürften die von Sticotti und Nowotny auf der Insel
Veglia aufgenommenen Stücke sein (Arch.-epigr.
Ober die Pinie vgl. Hülsen Rom. Mitt. XVIII
'•u ff.; Strzygowski, ebenda 125; Petersen, ebenda 312;
Kisa, Wcstd. Zeitschr. XXV 13 ff.; Amelung, Skulp-
turen des Vatikan 89b. Über den Pinienzapfen als
Dekoration römischer Grabsteine: Bruno Schröder,
Bonner Jahrb. 108/9 S. 70.
77
Ausgrabungen in Asseria
78
Mitt. XIX 159, 162). In der Höhe ungefähr von
0"8 — l"5m variierend, zeigen die Denkmale auch in
ihrer Ausschmückung mehrfache Unterschiede.
Am Aufsatze sind zumeist Schuppen angedeutet,
vereinzelt ist derselbe glatt gelassen. Die Spitze
bildet gewöhnlich ein zweiter kleinerer Zapfen, des-
sen Basis ein Wulst umgibt (Fig. 53 aus Xona gegen-
wärtig in S. Donato, Zara), ausnahmsweise ein offe-
ner Kelch.
53: Bekrönung eines cylindriseben Grabcippus.
Der Körper des Denkmals, stets von zylindri-
scher Form, trägt das Inschriftfeld, das gewöhnlich
von einer einfachen Hohlkehle, manchmal auch von
Blumenfestons umrahmt ist (z. B. bei Cippen aus
Scardona und Zara in S. Donato CIL 9889, 10009).
Figürliche Darstellungen zeigt ein Cippus des Museo
civico in Verona, vermutlich dalmatinischer Her-
kunft. Gesichert ist diese für zwei Cippen, die früher
auf Schloß Catajo, jetzt sich in der Sammlung Mo-
dena in Wien befinden (CIL III 2851). Eine ganz
singulare Form hat ein Cippus, der, in dem zirka
eine halbe Fahrstunde südlich von Asseria gelegenen
Kirchlein S. Martin mit dem oberen Teile in der Erde
steckend, alsStütze derHauptaltarmensadient (Fig. 54 .
Der Aufsatz ahmt hier die Form eines aus Weiden-
ruten geflochtenen und mit Bändern geschmückten
Korbes nach, wie man sie manchmal den steinernen
Urnenbehältern gab (Beispiele in den Museen von
Spalato nn<\ Aquüeia), »gl. Altmann, l>k' röm. Grab-
altäre 253 Fig. [98. Innerhalb eines von einer Blatt-
welle und auf drei Seiten von Festons umrahmten
Feldes, die anscheinend unfertige Inschrift:
L{ucio) Clodio Q(uinti) fiilio) TUT.
54 : Grabcippus.
Die Rückseite ist in zirka ein Viertel der Peri-
pherie schmucklos.
Eine Übergangsform zu den Grabaren bildet ein
Stein aus Salona CIL III 2156 (gegenwärtig im
Museum zu Spalato), bei dem der konische Pinien-
aufsatz auf einem prismatischen Körper sitzt.
Epigraphischen Kriterien zufolge gehört die
große Menge der Cippen dieser Art dem 1. und 2.
Jh. n. Chr., einige vielleicht dem beginnenden 3. Jh.
an, also einer Epoche, während der in Dalmatien
die Leichenverbrennung üblich war.2') Diese Rund-
cippen scheinen sonach eine für Liburnien besonders
charakteristische Form von Ossarien darzustellen, wo-
-' Aus Nona ist das älteste bekannte Beispiel
eine Glasurne mit Asche und einer Münze der
Agrippina, das jüngste eine solche mit einer Münze
des Pertinax. In Salona war die crematio im I. und
2. Jh., fraglich ob auch noch im 3. gebräuchlich, »gl,
Bulid, Bull. Dalm. 1905 p. 3 ff. : Inscrizione che ricorda
Furius Camillus Scribonianus . . . In Aquileia be-
ginn die Sitte der Leichenverbrennung und Glas-
urnen bereits in augusteischer Zeit, wurde besonders
häufig unter den Flaviern, seltener im 2. Jh., um im
3. Jh. /.u verschwinden. Vgl. Majonicas Grabungs-
berichte in den Blättern der Zentr.il-Kommission und
die Abhandlung B.iron Ritters .Über Bernsteinfunde
aus Aquileia" ebenda 1 88-i S. 102: 152; 244.
79
H. Liebl und W. "Wilberg
80
bei allerdings Verwandtschaft mit ostgriechischen Denk-
mälern unverkennbar ist.29)
20. Cippus liburnischer Form, Spitze abgebro-
chen, I'39m h., unterer Umfang I'88m. Der Mantel
des Cylinders oben und unten durch eine Blattwelle
geziert. Das Inschriftfeld, o'35m b. und o'26m br.,
von einer Hohlkehle um-
TITO
rahmt. Buchstabenhöhe
c/062 bis 0-02m.
LAHIO
MÄIMG*
TUo
Laelio
Maximo
an(itorum) XIX Trosia
Severa maier
f(üio) p(iissimo) oder
p(ositil).
LaelittS vgl. die Bauinschrift des Trajanstores
(Sp. 73). An der Basis ein Dübelloch.
21. Fragment einer Ära; linke obere Ecke er-
halten; 0'32m h., 0'175m br., 0-I4m d. Buchstaben-
höhe 0'04ra.
L(ucius) Doiii[ilins] Ru[fns . . . •
22. Grabstele, unten gebrochen, 0'65mh., 0'52m
br., 0"2md. Über dem von einer Hohlkehle umrahm-
ten Inschriftfelde ein Giebeldreieck, in dessen Mitte
eine Maske, beiderseits Palmetten. Buchstabenhöhe
0-065 bis 0'07m (Fig. 55).
L(ucio) Arrun\tio \ Maroni ....
Arruiiiius vgl. n. 23 und 29.
23. Fragment, 0*25 m h., o"26m br., 0"07m d.
Buchstabenhöhe 0-04 5 m.
Vielleicht .... au)gitri
oder Name Au]guri[ ....
\Arr\untia [. . . F!ore]n-
tin[a ....
24. Grabstele, unten gebrochen, an der Rück-
seite später abgemeißelt, o-29m h., 0-35 m br., 0-09m
d. Über dem von Wellenlinien umrahmten Inschrift-
feld, in der Mitte eine Muschel, zu beiden Seiten
derselben Delphine, in den Ecken Ähren. Buch-
stabenhöhe 0-025 m (Fig. 56).
] AK ll\
I, y ■ "
H\ \a/y:j
56: Bruchstück einer Grabstele.
Maxim!a)e feliae (sie) | kar(issimae) aini(oriiui)
y. Bruchstück einer Grabstele. p. men(sium) | jrjjr Maxima et | SeCUttdinuS \ pa-
Vgl. n. 28; die beiden Stücke gehören aber nicht rcutis (sie) pie\ntissim[i . . .
zusammen. SccundtHUS vgl. n. 7, 15.
28) Vgl. Pfuhl, Das Beiwerk auf den ostgriechi-
schen Grabreliefs, Jahrbuch XX 88 Fig. 18, welcher
auf die Möglichkeit der Hcrleitung des Konus aus
dem Phallos verweist, während Schröder vor allem
• abtumulus die Urform des Konus beziehungs-
weise Pinienzapfens erblickt. Die liburnische Cippen-
gattung, bei welcher Konus und Untersatz ohne be-
sondeis scharfe Trennung aus einem Stücke ge-
arbeitet sind, somit gleichsam ein organisches Ganzes
bilden, scheint Pfuhls Ansicht zu stützen.
8i
Ausgrabungen in Asseria
82
25. Fragment einer Grabstele; obere Hälfte fehlt; D Omino)] u ostro) Gal[erio Auif(usto)] \ b(ono)
073m li., o-42m br., o-llm d. InschriftfeUl umrahmt. r(ei) p(ublicat) n(ato).
Buchstabenhöhe Z. I — 4: 0'035In, Z. 5:0'05nl (Fig. 57).
\
m
57: Bruchstück einer Grabstele.
.... ainiiontmj] XX .... 7,osim\_us] uxori
\b(ene) mierenli)] flecit).
26. Fragment, o-l/m h., 0185™ br., 0*065 m d.
Buchstabenhöhe O'02Gm. Zeilenlinien gezogen.
, }hit]rono
VIII. Außerhalb der Stadtmauern wurden ge-
funden und von den bäuerlichen Besitzern erworben :
a) Auf dem Acker vor dem Trajanstore:
27. Fragment eines Meilensteines, 0'5I"' h.,
Durchmesser 034 m, 0-37 '" Durchschnitt elliptisch).
Buchstabenhöhe o-o6m (Fig. 58).
[abreshefte lies österr. archäol. Institutes Ivb XI Beiblatt.
58: Bruchstück eines .Meilensteines.
b) An der Westecke der Stadtmauer:
28. Ära, oben gebrochen, 0'4lm h., o^g1" br.,
" d. Buchstabenhöhe o'Oig bis o"026m (Fig. 59).
59: Bruchstück einet Ära.
[L(ucius)} D]omitiu[s | R]ufus[L)fitrac \ vi
s(olvit) /tibctts) m(crito).
Der Dedikant ist vielleicht identisch mit der in
n. 2t genannten Person. Weihinschriften an Latra
6
83
H. Liebl und V. Wilberg
84
haben sich außerdem bis jetzt nur in Scardona CIL
III 2816, Nadin III 2857 — 59, 15042, 15043 und
Karin III 9970, 997 1 gefunden. Ihr Kult dürfte
also auf liburnisches Gebiet beschränkt gewesen
sein. Bildliche Darstellungen dieser Göttin sind nicht
bekannt. Über eine Fälschung des Ligorius rmit
der mißverstandenen Beischrift C LATRA vgl. CIL
XI 350*.
29. Gribcippus liburnischer Form, die Spitze
abgebrochen, i-26m h., unterer Durchmesser 0'6m.
Buchstabenhöhe 0TJ4 m.
GäRRVN
TIOCELER]
GARR/NT
TIVSSEDA
TW* ATE R
1 — . ....
Ein C. Iulius C. f. Ser(gia) Aetor CIL III 3138
(Dalmatiae incertae), für welche Inschrift Furlanetto
Salonitanischen Ursprung vermutete. Das prächtige
Monument war wohl ähnlich dem der Pomponia
Vera in Salona und anderen derselben Gattung in
Aquileia"-(s. Bull. Dalm. 1903 Tafel III, IV, V).
60: Ornamentierte Platte (Sehrägsicht).
CXßio) Arrun\tio
S&ia\tus paler.
Celeri | G(aius) Arruttt\itis
Arriintius vgl. n. 22 und 23.
Etwas südlicher gefunden:
30. Einst einem Prunkdenkmal angehörende
Steinplatte, 0-86m h., I'J 5 m br., rj-3m d. Teile orna-
mentaler Umrahmung, an der Vorderseite schlecht,
an der linken Nebenseitc ziemlich gut erhalten
(Fig. 60). Buchstabenhöhe Z. I : o-'3m, Z. 2 und 3:
0-I m. Höchstwahrscheinlich zu vereinen mit einem
kleinen, hier nicht abgebildeten Fragmente, das bei
den Grabungen an der Kirche an deren Ostseite
ans Tageslicht kam. Dasselbe ist 0'47m h., 0431" br.,
0*07 m d. Buchstabenhöhe die gleiche.
L(ucius) Iulius [£{««)? fiilius)
Cl]a(udia) Pr[o]-
culus sibi {et Se^xito) Iulio
■ / et /y[,i»-]/'<[a« . . .
An der Fundstelle des größeren Bruchstückes
durchgeführte Grabungen zeigten, daß es als Deck-
platte für ein ärmliches Grab gedient hatte, das
als einzige Beigabe eine Lampe mit dem Stempel
CRESCES enthielt. Die beiden Fragmente waren,
also schon im Altertume verschleppt worden.
z&
■
Cfc>-r»,
WWo
61: Inschrift der Platte Fig. oo.
85
Ausgrabungen in Asseria
86
3 1 . Zum Schlüsse ist noch anzuführen ein Stempel
aus Bronze: Inschriftfläche 0'03m h., cro5m br., an
der Rückseite ein bronzener Bügel (Fig. 62 a b).
62 a b: Bronzestempel.
11 ermes?) A(ugusti) n(ostri) \ r(alionis) k(astren-
sis) c(ommc>ilarieiisis?}.
Die kreisförmigen Zeichen sind anscheinend
Interpunktionen. Über die ratio castrensis vgl. Hirsch-
feld, Unters, z. röm. Verwaltungsg. 192 — 200; ferner
die Inschriften CIL VI 8518, 8519 (. . commfentarien-
sibus) rat(ionis) kastr(ensis). Möglich wäre, in dem
letzten Buchstaben C den Beginn des Namens einer
Unterabteilung der ratio castrensis zu erkennen.
Tonstempel.
a) Ziegel.
Außer je einem Exemplare der bereits erwähn-
ten Ziegel der LEG- VIII AVC und LEG Iffl FF"
gefunden von Stempeln der PANSIANA:
vgl. CIL III 3213 2c; V 8uo7;
XI 66852
PANSIANAS'„
T^PANSIANSS"! = CIL XI 668S 7 e i
= CIL III 3213 4;XI6685abcg
riCLAY^I PAASTI = CIL v 8iio„a
OCA.SARPNS
^V>l PA/S iJ
Über die Officina Pansiana vgl. CIL V p. 957.
/<^OBA\i'ROS\ = CIL IU 32142; V 8ll07O;
' \ XI 66897,
^j^S C{ai) Juli Af]rica[ni
= CIL III 3214s; V 8iio97
SOLONAS
'CIL III 32II3a_cgh; V8l IO,j6gi;
XI 6687
T-R-DIA] = CIL III 1018343; V 8110,23; XI
6689 199
CIL III 14033
T dn CoellQ = CIL V 8no68.
b) Lampen.
ATIMETI = CIL III 32153
CRESCES = CIL III 32155
FORTIS = CIL III 32i57
VIBIANI = CIL III 3215,7
Erwähnt mag noch werden ein Fragment einer
christlichen Tonlampe.
3. Kleinfunde.
Die Ausbeute an Kleinfunden war unbedeutend,
was aus der Durchwühlung des durch Jahrhunderte
als Friedhof verwendeten Terrains zu erklären ist. Daß
andere Stellen ergiebiger sind, beweist die schöne
Sammlung von geschnittenen Steinen und Münzen,
zum großen Teile asseriatischer Provenienz, die sich
im Besitze des Herrn Prof. Modric in Zara befindet.
Gegenstände aus Bronze:
Eine Certosafibel; drei römische Provinzialfibeln;
eine Armbrustfibel; zwei Fibeln spätrömischer For-
men, darunter eine Scheibenfibel mit Resten blauer
Emaileinlage; Stilus, der Schaft in drei Abteilungen
verschieden gerippt, am Knopfe vier diagonal ge-
stellte Putten; ein kleines Schloß.
Phalera aus dünnem Bleche getrieben (Fig. 63);
Medusenhaupt von einem Eierstabe umrahmt, an den
beiden Seiten, oben und unten Löcher für Stifte,
mit welchen sie an der Unterlage festgehalten wurde
(bez. ähnlicher Exemplare vgl. Bericht des Vereins
Carnuntum für 1904 Fig. 46 und Koepp, Die Römer
in Deutschland Fig. 64 Mitte); kleiner Schlüssel:
Glocke mit eisernem Schwengel.
6*
87
F. Ilauser
88
Gegenstände ;i u s Eisen:
Neun Pfeilspitzen, bestimmt, teils in den Schaft
eingelassen, teils auf denselben gesteckt zu werden;
Spitze rund oder zwei-, drei- und vierschneidig.
Werkzeuge: Hacke, Hammer, Haue, Sichel,
drei Messerklingen, vier Schlüssel, zwei Schnallen.
Gegenstände aus Bein:
Kämmchen: Haarnadel, am oberen Ende eine
sich die Haare trocknende Venus; ein Stilus.
Gegenstände aus Ton:
Zahlreiche Gefäßfragmente.
Von Gegenständen aus Stein fanden sich
ein kleines Altärchen, o-o82m h., 0-048 m br. und
ebenso tief, ohne Inschrift; eine viereckige und der
Deckel einer runden Aschenurne; Bruchstücke
mehrerer Handmühlen und endlich eine 0'26m h.
Bankstütze aus Kalkstein in Form eines Greifen-
fußes (gefunden am Trajanstore).
Wien. HANS LIEBL
WILHELM WILBERG
6;,: l'halera
Tettix III.
In dem lieblichen Kranz von Tettix und Anli-
tettix reiht sich Glied an Glied. Auf meine zweite
Abhandlung hat Petersen bereits wieder geantwortet,
und zwar diesmal im Rheinischen Museum 1907,
S. 540 — 549- Auch diesmal wieder berührt er nur j^anz
nebenbei (548) den Kernpunkt der Frage, von dessen
Beurteilung das Schicksal der beiden Theorien über
die Tettigophorie abhängt, die Glaubwürdigkeit des
Heraldeides Pontikos. Auf der Zuverlässigkeil dieses
n und weiterhin auf dem Sinne des Wortes
./'>; ruhen alle weiteren Schlüsse. Darum meine
ich, es wäre vernünftig, zunächst einmal diese Vor-
fragen säuberlich zu erledigen, anstatt jedesmal das
komplizierte Problem vom A bis Z durchzusprechen.
Unsere Aufgabe ist damit gestellt; wir suchen
für heule nichts weiter als eine Antwort auf die
Kragen :
1. Sind die Worte des Heraldeides Pontikos
über die Tettigophorie als vollgültiges Zeugnis zu
achten?
2. Was bedeutet xptoßÖXoc,?
Für Petersen steht es wie für Studniczka, trotz
allem, was ich dagegen vorbrachte und was er nichl
zu widerlegen vermochte, von vornherein fest, daß
Herakleides sein Wissen über die Tettigophorie nur
aus Büchern holen konnte; für ihn fragt es sich höch-
stens, aus welchen Büchern der Pontiker schöpfte.
Nachdem früher außer Thukydidcs noch Aristoplianes
89
Tettix II!
90
und Xanthos als Quellen in Vorschlag gebracht waren
und die beiden letzten infolge meiner Einwände
wegfielen, geriet Petersen in der Not gar auf „Er-
klärer des Aristophanes und Thukydides," die frei-
lich dem frühesten ihrer uns wirklich bekannten Kol-
legen, dem Aristophanes von Byzanz, um erheblich
mehr als ein Jahrhundert vorausgeeilt sein müßten.
Aber diese ad hoc erschaffenen Geister verschwanden
noch rascher als ihre Vorgänger und jetzt, nachdem
alle Wagnisse dieser Quellenkritik sich als mißglückt
erwiesen, findet Petersen plötzlich: das Zurückführen
sei gar nicht notwendig; Herakleides habe den
Worten des Thukydides nichts hinzugefügt als die
Platzangabe 7tspi zb iiiitoriov -/.sei xä{ x6p.a; und diese
könne er selbst erdacht haben. Ich gehe darüber
hinweg, daß nur derjenige den Zusatz zu Thukydi-
des auf das genannte Plus beschränken kann, wer
die Angaben über die Tettiges isoliert, während sie
doch den Bestandteil eines Bildes der Athener aus
der Perserzeit ausmachen; und dieses untrennbare
Ganze ließ sich keinenfalls dem Thukydides allein
entnehmen: warum hätten sich auch sonst die
Quellensucher auf so halsbrecherische Pfade verirrt?
Aber man merke wohl: „erdacht" hat Herakleides
seinen Zusatz; er hat sich seine Erklärung selbst
zurecht gemacht. Die Möglichkeit, daß in den Worten
des Pontikers auch gutes Wissen stecken könnte,
wird überhaupt nicht erwogen. Ergibt sich also, daß
die Lokalisierung der Tettiges von Herakleides selbst
herrührt, so soll damit erwiesen sein, daß sie auf
Irrtum beruht. Oder wenn Petersen die weitere Mög-
lichkeit eröffnet: „auch ein Früherer konnte sie schon
erdacht haben", dann beherzigt er den freundschaft-
lichen Wink nicht, mit dem ich ihn in meiner ersten
Replik darüber aufzuklären suchte, daß Nachrichten
über eine alte Tracht, falls man ihren Ursprung höher
') Eine zeitliche Fixierung der Bekanntschaft
mit den xiT-T'.fSj ergeben auch die beiden, dieses
Wort enthaltenden Inschriften, welche Petersen
dankenswerterweise beibringt. Die eine derselben,
von Petersen 548 nur nach Michaelis Parthenon 297
zitiert, ist die später im CIA II 2, n. 645 publi-
zierte Urkunde vom Jahr 399,'8. Sie nennt Zeile 12:
XpoofBuc ä'.aX'>a aüu,|uxxa zXivJKmv xai wnffaiv.
Daß deshalb, weil die beiden vorausgehenden Item
einen öfjio; nennen, nun auch unsere Nummer, wie
es Petersen »scheint*, „die aufgelüsten Elemente eines
nicht mehr intakten 5p|l0g" sein solle, das ist jeden-
falls unbeweisbar, mir auch ganz unwahrscheinlich.
hinaufrückt, an Glaubwürdigkeit nichts einbüßen. Der
Urheber dieser Worte würde ja der Zeit, welche
unbestrittenermaßen noch Kenntnis von der Sache
hatte, mindestens näher, wenn nicht in sie hinein-
gerückt; seine Worte säßen dann erst recht fest, um
mich selbst zu zitieren. Auch wenn Petersen meint,
aus Bildwerken hätte sich unser Gewährsmann nicht
unterrichten können; denn den goldenen Haartouren,
welche ich als xiTTtYSC erkläre und die nicht die
entfernteste Ähnlichkeit mit dem Insekt verraten,
würde er doch nicht angesehen haben, daß sie
TBTKTfSf; heißen: so liegt allen diesen Einwänden ein
Axiom zu Grunde, eine und dieselbe unbewiesene
Voraussetzung, daß sich nämlich die Kenntnis des
fraglichen Schmuckstückes in den mittleren Vierteln
des vierten Jahrhunderts unbedingt verloren haben
müsse. Diese Voraussetzung ist aber nicht nur un-
bewiesen, sondern beweisbar falsch.
Am Ende des fünften Jahrhunderts spricht
Aristophanes von Tettiges wie von etwas allgemein
Bekanntem, einem Abzeichen, das jeder Zuschauer
in Verbindung bringt mit der schönen alten Zeit.
Dann mache man sich auch die Konsequenzen aus
folgender Erwägung klar. Wenn Thukydides seinen
Zeitgenossen die Bekanntschaft mit dem Schmuck-
stück erst hätte beibringen müssen, sollte es ihm
dann nicht gelungen sein, die Beschreibung so klar
zu fassen, daß auch wir heute noch uns allein schon
aus seinen Worten ein Bild von dem Schmucke
machen könnten? Nicht viel mehr denn um ein halbes
Jahrhundert später, als Thukydides seine Geschichte
abfaßte, verzeichnet auf Samos der Schreiber eines
Inventars vom Jahr 346 revtlfsj und bezeichnet
damit sogar nach Petersens eigenster Überzeugung
ganz richtig den vielberufenen Schmuck1). Des
Herakleides Worte stammen keinesfalls aus erheb-
Bestandteile eines ursprünglichen Ganzen könnte
man doch nur recht uneigentlich als 3Ü|l|ilxxa be-
zeichnen. Die Reihenfolge beweist nichts, wie die
beiden unmittelbar folgenden Nummern zeigen. Es
handelt sich einfach um einen Fragmentenhaufen.
Die y^UQ'.Zia. 3taX:9-a . . . TerctfCOV lassen sich mit
Wahrscheinlichkeit als Bruchstücke der goldenen
Tettiges par excellence auflassen und wir erfahren
danach aus dem Inventar, daß es auch mit Steinen
besetzte Tettiges gab, sodann, was wichtiger ist, daß
ein Athener im Jahre 399 das Schmuckstück bei
seinem Namen zu nennen verstand. — Wenn der
TSTUtjj in einem Inventar des Asklepicion als Kopf-
91
F. Hauser
92
lieh späterer, vielleicht sogar aus früherer Zeit als
die Aufzeichnungen jenes Registrators. Und dieser
Herakleides, der lange Jahre hindurch in der Hei-
mat der XETXtfO^öpc lebte und wirkte, er soll da-
gegen nicht begriffen haben, was xsxxtfej sind,
welche er in der von ihm ausgeschriebenen Stelle
des Thukydides vorfand? Willkürlicher kann keine
Annahme sein. Warum die Vertreter von Conzes
Lösung so zäh Nachdruck auf das Verschwinden
des Wissens von der Tettigophorie legen, das haben
wir längst durchschaut: diese angebliche Unkenntnis
der Alten, welche doch erst durch Diskordanz der
Überlieferung aus der fraglichen Epoche zu kon-
statieren wäre, dieses angebliche Schwanken brauchen
die Gegner, um diejenigen Zeugnisse, welche sich mit
ihrem Resultate nicht reimen wollen, bei Seite schieben
zu können. Studniczka behauptete ja sogar, daß dem
Aristophanes eine lebendige Anschauung von der
Tracht abgehe. Allein das Grundlose dieser Annahme
ließ sich so glatt wie möglich erweisen; ich brauchte nur
daran zu erinnern, daß in den Rittern der Demos mit
einem Tettix auf dem Kopfe, äp)(a(<p c%ifj|iaTi Xaujrpoj,
sich dem gesamten Athen zeigte. Das Zeugnis des
Politikers ließe sich nur dann anfechten, wenn er
mit einem nicht minder glaubwürdigen Zeugen in
Widerspruch träte. Davon ist aber gar nicht die
Rede; Petersen macht nicht einmal den Versuch,
solche Widersprüche aufzustechen. Der Fall liegt
also völlig klar: nach allen Regeln der Kunst haben
wir das Zeugnis des Herakleides als einwandfrei
anzuerkennen.
Ob nun Herakleides die Tettiges, wie der über-
lieferte Text lautet, r.ty. zb [lexconov v.rx: xa; xöjiae,
ansetzte oder wie Birt meiner Überzeugung nach
richtig korrigiert, xa; y.oppag, auf dieses Dilemma
brauche ich gar nicht einzugehen, weil Petersen
(Antitettix I 79) die überlieferten Worte, an denen
er festhält, als Hendiadyoin auffaßt und mit „um das
Stirnhaar" überträgt, 'wonach sie ohne Emendation in
der Sache genau dasselbe besagen, wie mit Hilfe
der Korrektur. Bei dem Übermaß an Streitpunkten
wird es gut sein, dieselben auf den allernötigsten
Umfang zu beschränken.
Laut unserem Gewährsmanne kommen infolge des
ävaäEtairat der Korymboi die Tettiges um die Stirne
herum zu stehen; klärlich sitzen für ihn demnach
auch die Korymboi selbst um die Stirne herum. Was
für xipu|ißo£ gilt, gilt auch für sein Synonym xpto-
P'')ÄC/;. das Herakleides — wenn er Thukydides ab-
schrieb — durch y.opuußsg wiedergab. Die beste
Überlieferung besagt somit, daß der Krobylos um
die Stirne herum zu suchen ist, und anstatt dieser
Angabe zu widersprechen, führen alle anderen Zeug-
nisse über den Krobylos, welche ich jetzt, da sie zur
Genüge behandelt sind, kurz resümiere, genau zu
dem gleichen Resultate.
Nur die Lukianstelle läßt sich nicht kurz ab-
machen. Petersen war bis jetzt noch nicht zu über-
zeugen, daß das, was er aus ITXotov 248 herausliest,
jeglicher Logik widerstreitet. Nicht weil ich mir
schmeichle, ihn zu bekehren, sondern zu meiner
eigenen Rechtfertigung muß hier der Gedankennexus
umständlich aufgerollt werden. Der Negerknabe tragt
nach Petersens Meinung (Antitettix I 77) den Conze-
schen „Krobylos", somit — ebenfalls nach gegneri-
scher Auffassung — dieselbe Frisur wie attische
schmuck gelten darf, so ließe sich in Athen die
Kenntnis desselben sogar bis ins Jahr 339 verfolgen;
denn die Inschrift ist datiert. CIA II 2, n. 766, Z. 20
heißt es: tpiöAY] äp-füpä . . . npög x(p Tsraft rtßgoXCvcp
T(jS xaxaxeXPOOtOuivq). Daran knüpft Petersen die rätsel-
hafte Bemerkung: „Der xixx:; ist wie andere Haller
von Weihegaben, z. B. Jtivcixiov 2 und 10, eXuxpov
9, -/.z/.'.i; 5, bei denen es sonst auch nicht jedesmal
angegeben wird, TtpÖJ xm TOlX<P befestigt zu denken?"
I r-trns sind „die anderen Halter" keine Halter, am
wenigsten in dem Sinne wie Petersen den Tettix
hier versteht, nämlich als einen Haken, an dem die
Phiale hängt. Zweitens liegt nicht der mindeste
Grund vor, den x£xxi£ als Halter aufzufassen. Das
-•/'ji x<J> XÄXTtft gibt lediglich einen in die Augen
fallenden Punkt des Schatzraumes an, in dessen
Nähe die Schale zu linden ist; genau so Zeile 10:
£v ravaxftp TCpi; xt» 'Avxrfipaj TCtvaxCcp. Was mit dem
Tettix der Inschrift gemeint ist, läßt sich nicht mehr
sicher ausmachen. Möglicherweise handelt es sich
um eine vergrößerte Nachbildung des Insekts, das
ja, wie die Sotades-Schale mit ihrer ursprünglich
vergoldeten Zikade im Innern (Froehner, Collection
van Branteghem, Taf. 35) lehrt, eine beliebige or-
namentale Verwendung finden konnte; vielleicht han-
delt es sich aber auch um einen xexxtü als Haar-
schmuck entsprechend meiner Auffassung, eine Haar-
tour, die recht wohl aus Holz hergestellt werden
konnte. Sicher ist nur so viel, daß ein XEXXtü ent-
sprechend den Drahtspiralen ausgeschlossen bleibt,
weil solche in Holz sich nicht imitieren ließen.
93
Tettix III
"I
Eudaimones. Lediglich aus dieser Tatsache, aus der
Frisur der Freiesten unter den Freien Attikas, soll
Lykinos, der im Dialog als Attiker auftritt, den
Schluß ziehen: also ist der Knabe — kein Freier.
yj x6u.v] 5s xal Ig TOÜTtiaco 6 kX6y.o.\io£ auvsarcstpauivoc;
oüx sAs63-ep&v aüxöv cpijatv stvai. Petersens Voraus-
setzungen als richtig anerkannt, läp.t sich diese Fol-
gerung nicht anders bezeichnen denn als barer Nonsens.
Trotzdem fällt Timolaos angesichts eines solchen
Monstrums von Schluß nicht, wie man erwarten
sollte, auf den Rücken; sondern ganz ruhig entgeg-
net er: toOxo uiv sü"fsvs(ag, o> Auxtvs, avjUEiiv eaxt
At-fU7ix(ag yj xout). Die ej xoürcfaw-Frisur gilt ja in
Ägypten als Abzeichen eines Freien, sagt er; dein
Schluß ist falsch, weil es sich in unserem Fall um
einen Ägypter und nicht um einen Attiker handelt.
Damit wird aber implicite die Richtigkeit des
Schlusses für attische Verhältnisse zugegeben. Da
jedoch der SchluB mit Petersens Prämissen unmög-
lich richtig sein kann, so sind eben die Prämissen
falsch. Zweifellos durfte man zu Lukians Zeit in
Attika aus einer Frisur, wie sie der Neger trägt,
auf einen Sklaven schließen; somit können die Per-
sonen des Dialogs die Negerfrisur nicht mit dem
von ihnen durch Thukydides belegten Putz attischer
Eudaimones identifiziert haben. Lediglich auf Grund
der Tatsache, daß die Frisur des Ägypters kc, zoünlaü)
sitzt, taxiert Lykinos ihren Träger als Nicht-Freien ;
beim Freien also erwartete er den Putz nicht hinten,
das heißt doch wohl vorne. Nach Lukians Auffas-
sung trugen somit die attischen Freien ihren Haar-
putz, für welchen er sich auf Thukydides beruft,
vorne; nach Lukian saß demnach der Krobylos über
der Stirne. — Nur damit Petersen sich nicht un-
nötig freut, ich hätte mich selbst ad absurdum ge-
führt, muß ich ihm seinen Einwand, den ich vor-
aussehe, im voraus abschneiden. Er würde wohl
einwenden: „Die Frisur des Negers ist ja, wie ich
bewiesen habe, der Conzesche Krobylos und daß
dieser von Freien getragen wurde, läßt sich gar nicht
abstreiten." Das letztere ist wahr; nicht richtig ist
aber die Identifikation der Negerfrisur mit dem
Pseudokrobylos. Lukian beschreibt den Neger so:
ävaäsSeuivGv s!g xoOmau) xrjv x6u,yjv sti' ä(icfiT£pa
xoü |i£X(ü7tou ä7i7j-fuiv7jv und'.s; xoÜ7t£au> <5 nXöxa|io;
auvsa~sipanEvo;. Die Zeichnung ist klar und deutlich.
Der Neger hat sein Haar nach beiden Seiten der
Stirne hin gestrichen und dann dasselbe nach hinten
aufgebunden, was später noch ergänzend beschrieben
wird : hinten sitzt eine zusammengewundene Flechte.
Das Haar vom vordem Teile des Kopfes ist also
hinten auf dem Wirbel gebunden; es wird nicht,
wie beim Conzeschen Krobylos, das herabfallende
Nacken haar wieder aufgenommen. Um den Leser
zu überzeugen, wie völlig verschieden beide Frisuren
ausschauen, führe ich ihm eine treue Illustration von
Lukians Schilderung vor, und zwar durch eine
männliche Büste im Prado zu Madrid (Hübner, n.259),
welche Arndt im Porträtwerk, n. 509 — 510, ver-
öffentlichte; danach unsere Abb. 64. Das erst gegen
die Schläfen hin gelegte, dann mit seinen Enden
64 : Männliche Büste im Prado zu Madrid.
hinten am Wirbel zusammengebundene Haar wird
hier in seinem überschießenden Strange spiralförmig
gedreht und ringförmig zu einem Nest aufgerollt;
dieses Nest ist der itA6y.au,o; ouvsatutpauivo;.
Gerade die beiden letzten Worte, und sie für
sich allein schon, enthalten eine Schilderung, zu
welcher der Conzesche Krobylos mit seinen zwei
Knicken, die keine a~stpa bilden, nicht paßt. Es
war aber auch gar nicht zu erwarten, daß die Frisur
einer Person, welche Lukian in einer zeitgenössi-
schen Szene auftreten läßt, übereinstimmen sollte
mit dem Pseudokrobylos, welcher doch mit den
Perserkriegen aus attischen Darstellungen verschwand.
— Aus Lukian gewannen wir das Resultat: der
Krobylos sitzt über der Stirne.
Die übrigen Zeugnisse über den Krobylos lassen
sich rascher überblicken.
95
F. Hauser, Tettix III
Q6
Antike Schriftsteller kennen -/yiz^.'j.: y.opyu.ßa'.
(Asios) und xpwßöXot '/yi^v- (Plntarch), und zwar
sprechen sie nicht bildlich, wie man von goldnen
Locken redet, sondern in recht eigentlichem Sinne,
wenn nach Plutarch die goldenen Krobyloi ab-
gelegt werden mit anderen Schmuck- oder Kleidungs-
stücken. — Die einzige Tür das Altertum nachweis-
bare Tracht, welche in Gold Haare nachahmt, sitzt
r.Ey. -.b [istomcov, denn sie stellt Stirnschöpfe aus
Gold dar.
Xenophon erzählt von einem Krobylos am Helm
der Mossynoiken. Da es, wie sich zur Genüge er-
weisen ließ, eine im Altertum weit und lange Zeit,
auch noch zu Xenophons Zeit, verbreitete Sitte war,
Helme mit einer Nachahmung menschlicher Haare
zu verzieren, so kann das Wort xptoßüXoe, bei Xeno-
phon in keiner andern als seiner geläufigen Be-
deutung, im Sinne von Haaren verstanden werden.
Die Haartouren sitzen aber an den erhaltenen oder
in Kunstwerken dargestellten Helmen, und zwar
auch an Helmen, welche mit den von Xenophon
beschriebenen in nächster Verwandtschaft stehen
abermals ~iy. ~b ftixamm und stellen Stirnschöpfe
vor 2).
Der Krobylos wird laut einem Thukydides-
Scholion bei Kindern QV.op~.iCi- genannt. Gegen die
von Pottier vorgeschlagene, von mir akzeptierte
Identifikation des Skorpios mit dem Scheitelzopf der
Kinder macht Petersen einen arg kurzsichtigen Ein-
wand. Freilich würde, wie er bemerkt, das Bild des
Skorpions an sich auf jeden beliebigen Zopf passen.
Sintemalen aber griechische -ai?=; keinen Gretchen-
zopf trugen, wohl aber die Scheitelflechte und weil
ein anderes Thukydides-Scholion den xpcoßüXog als
i\\-'/.rs/.il 'xr.b xoO iistooticj sni xopo<p?)v £vi)Y|i£v»]
beschreibt, so bezieht sich die Bezeichnung sxopnEs;
eben auf den Scheitelzopf und keinen andern Zopf.
Der Skorpios wurde aber, wie man sich wohl am
deutlichsten an dem Kopf des bogenspannenden Eros
(Monuments Piot XIII, Tat II) überzeugen kann,
aus den Stirnhaaren geflochten. Den Krobylos tauft man
bei Kindern nur darum Skorpion, weil er in einen
Zopf geflochten an dieses Tier erinnert. Bezöge sich
das Wort xpcojiuXog auf eine bestimmte Frisur, so
müßte demnach der Krobylos stets die gleiche, durch
den Namen axoprtioj festgelegte Form aufweisen.
Einen Scheitelzopf tragen nun aber Männer von Be-
ginn der griechischen Kultur an überhaupt nicht
mehr. Wenn also trotzdem griechische Männer einen
xpinßüXs; haben, so kann mit dieser Bezeichnung
nicht die .Form", um Petersens terminus beizube-
halten, sondern nur der „Stoff" gemeint sein, aus
welchem auch jener axopr.ioj hergestellt wird, und
das ist in diesem Falle wiederum der Stirnschopf.
Krobylos beim Mann, Korymbos bei der Frau,
Skorpios beim Kind, sagt das Scholion. Für alle
diese drei Worte ließ sich unabhängig, entweder
durch direkte Zeugnisse oder durch zwingende Fol-
gerungen, der Sinn „Stirnschopf'' festlegen. Es sind
Schriftsteller der verschiedensten Zeiten, es sind die
verschiedensten Wege, sowohl schriftliche als monu-
mentale Überlieferung, welche uns übereinstimmend
zum selben Resultat, auf die gleiche Bedeutung des
Wortes hinleiteten. Der Sinn des Wortes ist damit
so sicher statuiert, als man nur wünschen kann.
Wenn aber xpioßöXq; einen Stirnschopf bedeutet,
so läßt sich für die Tettigophorie keine andere Er-
klärung finden, als ich sie erschlossen habe. Wer
anderer Ansicht ist, den bitte ich zuerst meine Eru-
ierung des Wortsinnes von xptoßöXoj zu widerlegen.
Petersen gesteht zum Schlüsse seiner zweiten
Entgegnung zu, daß nach meinen Einwendungen die
Erklärung der Goldspiralen als Tettiges „mißlich"
geworden sei. Da kann ich nun allerdings meinem
Gegner eine bittere Wahrheit nicht ersparen: wenn
er keine Tettiges mehr hat, dann hat er auch keine
Lösung mehr für die Tettigophorie. Mit einer „Kro-
bylostracht" darf uns heutzutage keiner mehr kommen.
Bloß deshalb, weil durch Conze das ganze Problem
schief gestellt wurde, soll dieser Irrtum nicht in in-
finitum weiterleben. Petersen muß also, wenn er sich
berufen fühlt, eine bessere Erklärung für die Tetti-
gophorie zu finden, wieder von vorne anfangen. Auch
ihm zulieb wollten wir unsere heutige Darlegung
auf die Anfangsgründe einschränken.
Rom. FRIEDRICH HAUSER
2) Ich bitte den Leser, zu kontrollieren, in wel-
i her Weise ich nach Petersen 543 meine Identifi-
kation des xptopÜXoj am Mossynoikenhclm motiviert
haben soll und wie ich dieselbe lettix II ig tät-
lich motiviert habe. — Wie Petersen bezweifeln
kann, daß die Lederhelme Wangenschirme gehabt
haben, ist mir unklar; die Backenlaschen, welche
bestimmt sind, unter dem Kinn geknüpft zu werden,
von derselben Gestalt wie eherne -apa-fvalKSe;, sind
doch ein regelmäßig wiederkehrender Bestandteil der
Tiara. Ein Beispiel für hundert: der Satrap auf der
Münze von Kolophon illead, Guide H). 27).
97
98
Antiken aus Amphipolis.
Außer den in diesem Bande der Jahreshefte
S. 142 ff. mitgeteilten .thasischen Antiken' enthält die
Sammlung Adolf Wix de Zsolna noch einige aus der
Gegend von Amphipolis erworbene plumpe Steinmetz-
arbeiten römischer Zeit sowie mehrere griechische für
diese Gegend typische Terrakotten.
den Füßen einen Schemel; der Thron hat eine
Rückenlehne mit breitem Schulterbrette; dieses ist
zur Linken der Figur gebrochen und läßt an dieser
Bruchstelle den schwarzen Kern des Tones erkennen,
von welchem Perdrizet spricht, Bull, de corr. hell.
XXI (1897) p. 516.
Acht Exemplare vertreten den schon bekannten
Typus der sogenannten Attisfigürchen; ihre durch-
schnittliche Höhe beträgt 0/16 — 0-l7m; Winter, Tvpen
der figürlichen Terrakotten I S. XXXVIII, XXXI X ;
II S. 371 f.; Perdrizet, Bull, de corr. hell. XXI (1897)
p. 514 sq., pl. V — VIII. In schwerer, zum rauhen
Klima Thrakiens passender Kleidung, die nur Ge-
65: Hirtenknabe (Terrakotta).
66 : Schlafender Hirtenknabe (Terrakotta).
Die Terrakotten zeigen alle den für den Fundort
charakteristischen, schlecht durchgearbeiteten Ton
(s. Winter, Typen der figürlichen Terrakotten I
S. XXXVIII f.), stellenweise schwache Spuren von
Bemalung, hellblau und rosa.
Eine stellt den so verbreiteten Typus einer steil
thronenden Frau dar, sie ist tri 33™ hoch; in langem
Gewände sitzt die Figur aufrecht da, einen Polos
auf dem Kopfe, eine Schale in der Rechten, unter
Jahreshefte des nsterr arcbäol. Institutes Bd XI Beiblatt.
sieht und Hände frei läßt, sitzt ein Hirtenknabe auf
einer Erhöhung des Bodens, mit der Rechten eine
Syrinx an Kinn oder Brust (Fig. 65) haltend; er ist
allein oder von einem ruhig an seiner Seite sitzenden
Hunde begleitet.
Kin weiteres Stück stellt den Hirtenknaben
schlafend dar (Fig. 66, vgl. Perdrizet, Bull, de corr.
hell. XXI [1897] P- 5lS 1'ieiiiieie varietc c'l; die Terra-
kotte mißt o-um in der Höhe; der Hirte hat den
99
H. Sitte
Kopf in die linke Hand gestützt, die Rechte liegt
mit derSyrinx im Schöße; der Hund springt wachsam
an der linken Seite des Schläfers empor; ob zu den
Füßen der Figur noch ein Hund oder ein Tier der
Herde gelagert ist, läßt sich nicht deutlich erkennen.
über dem Überschlage gegürtetem Gewände, das an
die Tracht verwandter Artemistypen erinnert; nur
fehlt das quer über die Brust verlaufende Tragband
des Köchers. Diesen, eine reiche Faltenbildung ermög-
lichenden Typus hat der römische Steinmetz nur un-
entwickelt roh gearbeitet; ganz abstoßend wirkt die
organisch unmögliche Art, wie zwei Faltentäler des
Überschlages auf dem den linken Schenkel bedeckenden
Gewände weitergeführt sind. Mit sandalenbekleideten
Füßen ruht die Figur auf einer dicken, nahezu drei-
eckigen Plinthe auf, deren längere Achse 0*32 m mißt
bei einer Breite von 0265 m.
67: Torso einer Nikestatuette.
I las gut durchgebildete Stellungsmotiv des Schlafenden
spricht wohl mehr für die von Perdrizet a. a. O. vor-
geschlagene Datierung dieser „Altisfigürchen" in
hellenistische Periode, als für den von Winter a.a.O.
vermuteten Ansatz im vierten Jahrhundert.
Torso einer Nikestatuette (Fig. 67) aus weißem
Marmor, c/655 ra hoch; gebrochen sind beide Arme
von oberhalb der Ellbogen an, Hals und Kopf, beide
Flügel bis auf deutlich erkennbare, groß befiederte
Ansätze, ferner ein Teil der hinter dem linken Beine
hcrabgehenden Gewandfalte. Nike ist stark aus-
schreitend dargestellt, in langem, unter den Brüsten
68: Grabrelief.
Den auf Denkmälern aus dieser Gegend sehr
häufigen „thrakischen Jäger" zeigen zwei Reliefs aus
weißem Marmor. Das kleinere (Fig. 70) 0'26m
breit, 0191'1 hoch und fast o'Oö m dick, zeigt den
Reiter im weichen Chiton; sonst gleicht es bis auf
unwesentliche Abweichungen dem Typus des größe-
ren. Von diesem (Fig. 68) ist an der linken oberen
Ecke ein Stück abgestoßen; es mißt 0'325 "' in der
Breite, etwas über C42 m der Höhe nach und ist
hinten gerundet, so daß seine Dicke an den Seiten
nur O'OJ '", in der Mitte aber 0*1 '" beträgt. Darge-
gestellt ist ein in Schuhen, Panzer und fliegender
101
Antiken aus Amphipolis.
I02
Chlamys auf seinem Pferde nach
rechts hinsprengender Jäger, der
in der erhobenen Rechten sei-
nen Jagdspieß gegen einen aus
einem Walde hervorbrechenden
Eber schwingt und von einem
Hunde begleitet ist; um den
Baum windet sich eine Schlange
empor, wie oft auf Grabreliefs
in symbolischer Bedeutung.
Buchstabenform und Ligaturen
der Inschrift weisen nach gütiger
Mitteilung Herrn Prof. Wilhelms
in das zweite Jahrhundert unse-
rer Zeitrechnung :
Aucpwvfa Eü~op(a
7j u,r)-ur;p y.ai T. AO^oüaTio;
Mavvslo; ö äSeXcf&s T. Aü-
'^ouaTiw UpEtprfevst U.vr)|lTfj;
Xäptv
Außerdem enthält die Samm-
lung noch eine im Handel er-
worbene Bronzestatuette des
Zeus von unbestimmter Prove-
nienz (Fig. 69) 0-084 m hoch;
69: Zeusstatuettc aus Bronze.
Ich erwähne zum Schlüsse
noch, daß Herr Wix in seine
Sammlung auch einige Proben
von gefälschten Antiken aufge-
nommen hat, wie sie in jenen
Gegenden oft im Handel vor-
kommen. Ihre Ränder sind
immer merkwürdig rund wie
abgeschliffen, der Verlauf der
Bruchlinien ist der für ihre
Gattung typisch „schonungs-
volle", nur berühmte Kunst-
werke, wie ein Herakles Far-
nese, ein myronischer Diskobol
finden sich, eine Leda, ein Her-
mes, Perseus usw. werden in
unmöglichen Stellungen darge-
boten, dazu kommen unpassende
Beischriften, oft auch nur ganz
unsinnige Buchstabenreihen. Die-
ser Kategorie gehört offenbar
auch das von Deonna in der
Rev. Archeol. 1908 p. 37 Fig. 8
abgebildete „Fragment" dersel-
ben Gegend an. Der gleiche
sie ist bei beiden Knöcheln gebrochen, außerdem rundliche Rand, der merkwürdige Verlauf der Bruch-
fehlt das Zepter in der Linken und die vordere Hälfte linien, der gleiche „Stil" lassen sofort erkennen, daß
des in der gesenkten Rechten gehaltenen Blitzbündels. es auch aus derselben Quelle stamme.
Wien.
HEINRICH SITU-
;u : Grabreliel
7*
io?
1 04
Aus Doclea.
Cetinje rühmt sich ebenfalls ein Museum zu be-
sitzen; im Zetski dorn, einem der wenigen größeren
Gebäude der montenegrinischen Kapitale, das einen
Theatersaal und eine Lesehalle enthält, sind zwei
Zimmer der Landesbibliothek und der Sammlung
archäologischer Funde gewidmet. Die letzteren, wahl-
los zusammengeklaubte Antikaglien und Münzen, fast
ausschließlich aus Doclea, lagern, mit rezenten Kuri-
ositäten gemischt, in verstaubten Papiertüten in zwei
Glaspulten. Das wichtigste zogen wir am 21. Mai
1908 unter einem Bücherkasten hervor; zwei kleine
Kalksteinreliefs des Hermes Psychopompos, die vor
Jahren von der oben genannten antiken Ruinenstätte
nächst Podgarica nach Cetinje gebracht worden waren.
a) Oben abgerundeter, seitlich glatter, rückwärts
unbearbeiteter Cippus mit unten gerauhter Vorderseite,
war also in einem Lager eingezapft. Hermes steht,
bis auf die Flügelkappe unbe-
kleidet, in Vordersicht (r. Stand-
bein), schultert mit der Linken
das Kerykeion und stützt die
gesenkte Rechte auf einen Stab
auf (Fig. 71).
b) Analoge Darstellung des
Gottes in einer bogenförmigen
A.dikula, der aber hier noch mit
der auf der r. Schulter mit einer
knopfartigen Fibel zusammen-
gehefteten Chlamys bekleidet ist.
Hermes, durch den Stab als
Toten führer charakterisiert, ist
sonst innerhalb der alten Provinz Dalmatien nur noch
sicher aus Sopotnica bei Gorazda in Südbosnien und
wahrscheinlich aus Dünji Unac in Bosnien nach-
lar. (Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien
IV 245 f. Fig. 3 und 4.) Von diesen beiden Tiar-
stellungen unterscheiden sich die neuen dadurch,
daß dort der Stab eine kurze, leichte Gerte bildet,
hier dagegen als langer Stock zum Stützen verwendet
71 : Hermesrelief
aus Doclea
wird. In Doclea scheint der Totengott Hermes nach
den beiden Beispielen zum Gräberschmucke größere
Verbreitung gefunden zu haben, und zwar, wie mau
aus der Roheit der Arbeit schließen möchte, auch
in der ärmeren, niederen Volksschichte. R. Münster-
berg, der zuerst die Hermesdenkmale mit Stab und
Kerykeion behandelt hat (Archäologisch-epigraph.
Mitteilungen XV 135 ff.), erkannte aus ihrer Sta-
tistik, daß Hermes Psychopompos im römischen
Reiche „durchaus nur auf griechischem Gebiete"
vorkomme. Auch für Doclea trifft das insoferne zu,
als die Stadt unter ihrer Bewohnerschaft einen starken
Prozentsatz Griechen hatte. CIL III 12.702 (vgl.
13.822) wird von einem in Doclea Verstorbenen ge-
rühmt, er sei artis grammaticae graecae peritissimus
gewesen; die Grabschrift 12.708 (vgl. p. 2.252) ist
nur griechisch abgefaßt; in der lateinischen Inschrift
13.832 kommen griechische Buchstaben vor und
schließlich verraten die orientalische Herkunft ein-
zelner Familien die griechischen Personennamen (vgl.
z. B. 8289).
Anhangsweise sei notiert, daß der von \V. Ku-
bitschek nach einer Zeichnung des russischen Malers
Tourron v. Kibaltchitch in diesen Jahresheften 1906,
Beiblatt Sp. 87 f., Fig. 33, veröffentlichte Sarkophag
aus Doclea zehn Tage vor meiner Ankunft nach
Cetinje überführt und dort vor dem Zetski dorn auf-
gestellt wurde. Die Kollation der Inschrift ergab
einige Korrekturen; sie wird deswegen hier noch
einmal reproduziert.
D
M
Serajevo.
PC-CORNELIO
IVLIOQVIVIXIT
AN LVIVLIAET sie
IRENEFILIAS sie
PATRIPIENTIS
SIMO
CARL PATSCH
105
io6
Zu den griechischen Inschriften Bulgariens.
Die Unterlage der folgenden Bemerkungen ist
die treffliche Ausgabe Kalinkas in den Antiken
Denkmälern Bulgariens (Schriften der Balkankommis-
sion, Antiquarische Abteilung IV, Wien 1906).
94. (Beschluß der Stadt Kaliatis, etwa 100 a)
Z. 18 — 29: die von dem Herausgeber bemerkten Un-
regelmäßigkeiten werden auf eine schlecht und un-
deutlich oder ungenügend verbesserte Abschrift zurück-
gehen. Ein ebener Wortlaut wird mit einer Umstel-
lung1) und zwei Einschiebungen erreicht: isiiX')'«'- xät
ßouXäL xai xöl 3au.üK, s~a'.7sT3{)-ai ulv srci xv'ixo:; xiv
te 3ä|iov xiv ATtoXXcovtaxäv sxovxa xöv 7ipo3-6|j.coj
ävx'.Xau.ßavdusvov xä; KoXXaxiavtüv aioxripix; xai 2xpa-
xtovaxxa AtrfSautos, E-affEiXacik« (Sä) köxöx, öxt
6 3äu.oj äTioxaxaaxaö-Evxwv aüxcöi xmv Ttpa-fu.axojv sig
xiv s£ «PX*S StäS-saiv xai xrjpoOvxoj aüxoü xav al'pE-
aiv, äv i^ojv ScaxeXsi toxI xa xoiva, ätiw; aüxiv srcc-
axpa;pv;asta9-ai (voui£s;) xüiv Ye"f0v°x(OV S-S köxöv
süsp-fExrjuaxcov. Doch auch diese Fassung enthält
einiges Ungewöhnliche, wie jenes sxovxa in Z. 19,
wofern wir nicht andere ähnliche Stellen zur Hand
haben. Aber s£ äro[xaxaaxaato]s (Z. 12) Kalinkas
wird man zugunsten von IJocjx[oaxaXEi]s des ersten
Herausgebers, Szantos, fallen lassen müssen, wenig-
stens was den Sinn der Stelle anbetrifft. Zu Aaa-
ßi8£ . . . (Z. 10) vergleiche man, freilich nur der
Form nach, den skythischen Volksnamen 'AorcCcnoi.
97. (Beroia, III p) xiv cpiXoxsiu/// äpxtspsa AIO-
nAUUN II. Aüp. 'AncXXoSwpov: schwerlich AiottXow,
sondern 81* SjxXmv, vergleichbar z. B. mit dem atti-
schen axpxXTj-fö; srci xa ircXa, und daran erinnernd,
daß das Amt in enger Beziehung zu der waffenfähi-
gen Jugend steht.
227. (Mesembria III — IL1) Z. 2: EsvgxXyjj Aa-
XVä, wohl nicht Aaxijxa.
241. (Apollonia, V — IVa) 'Iäp|i*.; Mrjxpoicopo :
1. Ilapn'.j M., was ein Strichrest am oberen Rande
bestätigt.
249. (Ebda., IV— HI-») Tißstcj: dies, nicht Ti,;'.'.;,
ist die richtige Form, wie zum Überflusse noch der
neue Menander lehrt. Bei Meisterhans fehlt der
Hinweis.
257. (Ebda., IV — IIP1) Kpivouivrje; OlvorrfXeü);
1. OlVGTCliSÜ).
307. [(Pautalia, I — III p) — ]a; Mouxa|[£]svso;
2xpo|[v-f]uXrjv6j: 1. 2xpo[v]uXr;vd; nach SxpouvetXou
in n. 34 Kol.'III Z. 62. Die andere Form war auch
wegen der falschen Worttrennung verdächtig.
312. (Bezirk Philippopolis I — IIIp) Mä(pxOj)
2su(r])pco; KXau3>.avij : 1. Maaoöpioj KÄ.. Man denke
an den Deipnosophisten.
315. (Ebd.) ääsX-^o» xoöxmv ur/.pw 9-avövxa (=
— xt) -fauou äjiupov (= — pcu).
335. (Odessos, I— IIP)
sj ä-fa3-(öv "fovsmv itaTj dpcpavij, S> -apoisixa,
Xsiq&sl; Trjv cfirovspr,-/ slSov §fd> Nsu-saiv,
ixxtoxacSsxsxYj;, 9-aXa|iwv äu.'Jr]xoj, äxsxvoj-
o'j xstxai xaxa -ff}; atö|j.a u.xpaiviu.svov
(5a£|i,o)v, al3sa9-/|Xi, xaxwv frpYjvtov äxiprjxs),
^ux^j 9'' rjpäxov TiEvfS-oj ärcoaxE'^EXE.
Es ist deutlich, daß das Ende Schaden gelitten
hat. Ihn zu erkennen, war der Herausgeber darum
nicht imstande, weil er oü xslxai las und trotz
Bormanns Erinnerung beibehielt. Es bedarf nur ge-
ringer Änderung im letzten Verse:
v'j xstxxi xaxa -ffj; aöj|ia u.apatviu,svov
(Sai[itov, aiSsaQ-rjX'., xa-xöjv d-pvjvtov äxdpYjxs),
<j)uxvj 3* r)p(i)(ov. tisv9-g; äitocxpi^EXE.
„Der Leib zerfällt — Totengott, habe Mitleid mit
ihm! — , die Seele weilt unter den Heroen. Laßt
das Trauern!"
365 (Philippopolis, III— IVp) xsO-][vYjxixc)7, xi.v
Jtpoo7)^oplot[v] | >dvo|iaoxlj xai sv3i;r,(, xoO | ߣou xoü-
xou Siaxpi'^as sru-[o]|9-r;aa;; xs xr,v äsid'.cv xax[si][xiav
sv [xy;] axvjvt XTJg sv3d£[ou] | A5h:p6pou, iv9-x3s xijv
xaxältat)Ol[v] | r,'jpaxa). Wie kann man hierin die
Grabschrift einer Christin finden und nicht nur die
männlichen Partizipialformen, sondern auch ovofKX-
axf; (statt OVOU.aoxrj) und sviijY; 1 statt 6v8o£og) ruhig
ertragen? Ein Mann ist es, dem diese rühmliche Be-
') Eine nachträglich aufgefundene Beobachtung
A. Wilhelms macht sie unnötig. Er weist nämlich
in seinem Aufsatze über attische Psephismen (Herrn.
XXIV 115) vier attische Ehrendekrete aus dem An-
fange des vierten Jahrhunderts vor, in denen in merk-
würdiger Weise der snaivoj dem ii^:z\\.v. voran-
gestellt wird, z. B. IG II 5 srcatvsaai uiv . .. ixt ivi.p
ä-jaO-i; äoxtv rcepl töv 8r)(iov xiv 'A9^va{o)v, E(})Tjcp(a*ai
3i xxX. Der Vergleich zeigt aber auch, dal wir das
3s nicht entbehren können, so daß nun zu lesen ist:
litaivsfcd-cu |isv . ., 3ä3ix3'a- <5^? '■''■'■ ^'-'jXä: x. x. 5.
srea-ff EiXaaO-at aüxw*. xxX.
107
E. Pfuhl und R. Engelmann
108
zieliung nachgesagt wird (etwa sxuy.s de xai ouffs-
vsix; -/.axa T.i.zrxi tü>v — ]vtjxöxu>v xr]v Ttpcarj-foptav
cvouaaxT;), worauf es weiter heißt: y.a>. dv 3dgTj xoO
ßfou xoüxou Sia-pi-^a; £-iTto9->jaaj ts xr,v äeiäiov y.axoi-
xfav iv xv, 3XT)vt -rij; svSosoo äfRo^öpou evS-aSs xtjv
•xaxir.a'ja'.v tjSpaxü). Wer die Märtyrerin und Kirchen-
heilige, bei der der Verstorbene sein Grab erhalten
hat, gewesen ist, wird man ehedem sogleich haben
sagen können.
433. (Bei Sofia, I— IIP) 2(i£xc;) KaX(£8io;)
&|J6v|[S]sT[vo]j: vielmehr axaJ.a Bsv5et5oj, also eine
der thrakischen Gottin Bendis geweihte Stufe oder
ein ähnliches Architekturstiick.
441. (Apollonia, IVa) -fyjc, x^v^ov] ui^ap^Cv als
Anfang oder Ende eines Grabgedichtes. Darin ver-
dient |ij'f5cpov einige Beachtung, da es in besonderer
Bedeutung von unterirdischen Wohnungen gebraucht
wurde, z. B. Hesych. uifapcr xi; «axorfEiou; olv.ir
ast; xal jäapaö-pa.
Gättingen. WILHELM CRÜNERT
Zur Vase Vagnonville
I.
Den Ausführungen R. Engelmanns in dieser
Zeitschrift (VIII 145 fr.; X 117 ff.) über die griechi-
schen Bestattungsformen entgegenzutreten, bestimmte
mich hauptsächlich sein zweiter Aufsatz, in dem er
an Zehetmaiers Seite trat. Daß ich dessen Schrift,
Leichenverbrennung und Leichenbestattung im alten
Hellas, für verfehlt ansehen muß, habe ich in meiner
Rezension, auf die ich verweise (Gott. gel. Anz.
1907 n. 9), dargelegt. Dem Versuche Engelmanns,
seine Ansicht gegen meinen Einspruch zu verfechten
(Jahreshefte X Beibl. 103), entgegne ich, ohne auf
persönliche Polemik einzugehen, folgendes:
Wenn Engelmann Belege dafür fordert, daß
Granatäpfel zum Schmuck von Gräbern verwendet
wurden, so verweise ich ihn auf ein Grabmal, das
vor dem Dipylon in situ steht und Ath. Mitt. XXV
297 veröffentlicht ist. Ferner steht dort ein Obelisk
von einem Granatapfel bekrönt (ein zweiter, wenn
meine Notiz mich nicht täuscht, mit Knabenfigur
vorn daran: Phot. d. Instituts G. R. 368, vgl. is/.xiov
1891 0.90, 27); auch gibt es einen riesigen Granat-
apfel, der ganz allein auf seinem Sockel als Grab-
mal gedient hat (Phot. d. J., G. R. Ijla). — Daß
aus den angeblichen Offnungen an der Krepis des
Tumulus auf der Vase Vagnonville Flammen heraus-
schlügen, ist eine unbewiesene Annahme, die aber
Engelmann zum Ausgangspunkte nimmt, um dann mit
allerlei herangezogenem Materiale Verbrennung im
Grabe selbst, eine allbekannte Tatsache, nachzuweisen.
Er versäumt dabei zu scheiden, zwischen Verbrennung
in fertigen unterirdischen Kammern und solcher in
kleinen, ad hoc ausgehobenen Grabschächten, die erst
später zugeschüttet und mit einem Denkmal überbaut
wurden. Dies Denkmal kann natürlich jede be-
liebige Form haben, Brandgräber sind keineswegs
nur unter Tymboi gefunden worden. Unterirdische
Kammern, in welchen Leichen verbrannt wurden,
könnten in Athen schon der Natur des Bodens nach
höchstens ganz vereinzelt vorhanden gewesen sein.
Aus den Türen und Schächten solcher Kammern
kann natürlich Rauch hervorquellen, in Thera z. B.
ist das bei Opferfeuern sicher geschehen; ein System
von Ofenröhren, die man mit Listen unnötigerweise
durch das oberirdische Denkmal hindurchgeführt
hätte, war dazu nicht erforderlich: wo die Leiche,
die Urnen, die Opfergaben und ihre Träger hinein-
kamen, kam auch der Rauch heraus. Engelmann läßt
solche Kammern jedoch ganz außer Spiel und hält
sich an die kleinen Schachtbrandgräber, da er bei
diesen eine Furche im Boden und je eine Rinne in
den Kurzwänden findet, die sicher zur Erhöhung des
Zuges gedient haben. Die Kluft zwischen dieser Tat-
sache und der Annahme eines komplizierten Schorn-
steinsystems im später errichteten Grabmal wird so
gut es geht überbrückt. Daß das Denkmal eine feste
Fundamentierung brauchte, gesteht er zu; Holzbalken
als Decke des glühenden Kraters sind ihm mit Recht
bedenklich, feuerfeste Decken sind leider nicht ge-
funden — hoffen wir also auf künftige Ausgrabungen!
Da Engelmann es unterließ, die Einzelheiten
des Vorganges klar zu machen, muß ich dies nach-
holen. Der Leichnam liegt in seinem Schacht auf den
brennenden Scheiten. Nach griechischer Sitte mußten
die Verwandten das niedergebrannte Feuer mit Wein
ablöschen und wirklich sind gerade in Brandgräbern,
bisweilen als einziges Fundstück, Kannen gefunden
worden, die jedoch von der Spende während des
Brandes herrühren könnten. Nehmen wir an, die
Verwandten hätten die japanische Sitte vorgezogen,
das Feuer zugedeckt langsam brennen zu lassen, und
lor)
Zur Vase Vagnonville
i m
nun sei in größter Eile mit Errichtung eines Denk-
mals, eines Tumulus mit Stufenkrepis und Epithem,
begonnen worden; Skulpturen und Stufen konnte man
ja vielleicht fertig kaufen, Erdarbeiter und Maurer
für Stufenbau und Tumulus in größerer Zahl werben.
Was aber half all das, solange der Schacht nicht
ausgefüllt war und mindestens stark qualmte? Nicht
einmal Balken und Platten aus Stein hätten das
schwere Denkmal zu tragen vermocht, da der hohl-
gelagerte attische Kalkstein einem Feuer, das stark
genug war, um noch später aus Engelmanns Schorn-
steinen herauszuschlagen, nie widerstanden hätte. Also
vielleicht mächtige Träger und Platten aus Ton?
Wir kennen nichts ähnliches und die Funde zeigen
oft genug, daß der Schacht auch der Brandgräber
zugeschüttet wurde, wobei noch allerlei Scherben
und Gaben mitkamen und womöglich noch Opfer
verbrannt wurden; von einer Bedeckung keine Spur.
Und da sollen wir uns geduldig auf künftige Funde
vertrösten lassen? Ferner mußte in das Denkmal ein
raffiniertes Röhrensyslem eingebaut werden; von
den beiden Rinnen in den Kurzwänden des Schachtes
— es kommen nie mehr als diese beiden kommuni-
zierenden Rinnen vor — mußten Röhren an die
Peripherie des Denkmals geführt und dort, um durch
mehrere Löcher einer Stufe ins Freie zu führen,
mehrfach gegabelt werden. Entstanden dann bei
Luftzug unten im Grabe so gewaltige Flammen aus
dem doch wohl tagelang stillglimmenden Brande, daß
das Feuer aus den Röhren herausschlug, so wurde
dadurch natürlich der attische Marmor, Kalkstein oder
feine weiße Stuck schwer verunstaltet. Ich denke,
solange keine zwingenden Beweise für solche Un-
geheuerlichkeiten vorliegen, wird man sich schwerlich
zu ihnen bekennen. Oder soll die Vase Vagnonville
der monumentale Beleg dafür sein? Das wäre petitio
prineipii; von den Luftrinnen der Brandgräber führt
vorläufig kein gangbarer Weg zu dem Vasenbild.
Die Vase überzeugend zu interpretieren vermag ich
sowenig wie meine Vorgänger. Am nächsten liegt es
wohl, die sogenannten Anodosvasen und den Seelen-
glauben des Anthesterienfestes heranzuziehen wie bei
der Tenenser Lekythos mit den Pithoigia. Aufgemalte
Granatäpfel als Schmuck des Grabes würden zum
Seelenfeste gut passen. Ich muß hierbei betonen, daß
keinerlei Beweis dafür erbracht ist, daß an einer
der Vasen Vertiefungen gemeint seien. Engelmann
glaubt freilich, die Autorität J. Durms dafür an-
führen zu können, welcher .Schlagschatten von links-
einfallendem Licht' erkennt. Ich brauche nicht zu
versichern, daß ich Josef Durm als Architekten
außerordentlich hochschätze: ein fachmännisches Ur-
teil über malerische Einzelheiten griechischer Vasen
wird er sicher selbst nicht für sich beanspruchen.
R. Engelmann gibt aber dies Urteil uneingeschränkt
weiter, anstatt zu bemerken, daß zwar plastische
Rundung von Formen durch Schattierung schon er-
staunlich früh im V. Jh. vorkommt, Schlagschatten
jedoch unerhört ist. Die einfache Erklärung für Durms
Beobachtung ist, daß der äußerst flüchtige Maler das
Rund der Apfel nicht gleichmäßig mit Firnis gedeckt
hat, sondern die Tupfen nur abrundete, sonst aber
stehen ließ wie sie kamen. Man kann jene Schlag-
schatten' mit Farbe von geeignetem Flüssigkeits-
grade kaum vermeiden, wenn man nicht nachmalt!
Wie aber, wenn auf anderen Vasen nur eine Kreis-
linie, keine farbige Fläche gemalt ist? Engelmann
rechnet selbst damit, daß an Stelle der Ofenrohre
dekorative Kreise treten konnten: geschah das nun,
warum soll man dann nicht die Scheiben der Koren-
halle vergleichen? Sie sind doch nun einmal nicht
zu Rosetten ausgearbeitet und warum soll ihnen
nicht recht sein, was der zur Kunstform gewordenen
Rustica und den ebenfalls aus dem Werkzoll ent-
standenen Faszien an Stufen (!) billig ist? Die Mög-
lichkeit, daß solche Scheiben gemeint sind, ist da,
wo sie entschieden über dem Boden, beziehungsweise
der unteren Stufe sitzen wie die Granatäpfel der Vase
Vagnonville, nicht zu bestreiten; wo das Rund fast
oder ganz unten aufliegt, können Früchte oder Bälle,
wirkliche Weihgaben oder Nachbildungen von solchen
gemeint sein. Tonfrüchte, darunter wieder Granat-
äpfel, in regelmäßigen Abständen wie architektonische
Schmuckstücke lagen auf dem Wandgesimse eines
großen Neapler Kammergrabes, genau wie hier, auf
oder vor den Stufen; ähnlich liegen Ball und Astra-
gale auf dem Sockel eines hellenistischen Grabreliefs,
durch welches bekannte Epigramme illustriert werden
(Mon. Lincei VIII T. 6, Jahrbuch XX 64 T. 5).
Göttingen. ERNST PFUHL
II.
Auf Pfuhls Ausführungen möge mir gestattet äußeren Grabesschmuck verwendet worden, jetzt einige
sein nur wenige Worte zu erwidern. Ich gebe zu, Beispiele angeführt hat; sind wir aber damit gefördert?
daß er für seine Behauptung, der Granatapfel sei zum Daß die Maler auf den verschiedenen von mir zu-
1 1 1
A. J. Evans und J. Durm
I 12
sammengestellten Vasen, also auch auf der Vase
Vagnonville, mit den Kreisen an der Basis nur Ver-
liefungen, nicht Scheiben gemeint haben können, wird
von allen (Pfuhl ausgenommen) zugegeben. Da!} auf
der Vase Vagnonville keine Granaten zu sehen sind,
ist gleichfalls allgemeine Ansicht. Daß die feinen
Striche an den Vertiefungen herausschlagende Flam-
men sind, ist ebenso die Ansicht der meisten Ge-
lehrten, welche die Vase studiert haben — also welche
Folgerung bleibt dann übrig? Um die Vase zu erklären,
mußte ich nachweisen, daß im Innern des TÜujäo;
Feuer vorhanden sein konnte, und das denke ich in
genügender Weise getan zu haben. Bei dieser Ge-
legenheit nebenbei die ganze Grabesfrage aufzurollen
und zu erledigen, war nicht meine Absicht; man
hatte auch gar nicht das Recht, etwas derartiges zu
verlangen. Vielleicht waren die Löcher in der Basis
ursprünglich gar nicht als , Ofenrohre' gedacht (um
mit Pfuhl zu reden), sondern sollten nur den Besuchern
des Grabes die Möglichkeit bieten, sich mit dem
Toten innerhalb des Grabes in Verbindung zu setzen,
d. h. ihm Spenden zukommen zu lassen. Und daß
das Herausschlagen der Flammen ein ungewöhnlicher
Fall ist, wird durch das Gebaren der Satyrn
genügend bewiesen. Wenn ich die Hoffnung aus-
spreche, daß bei zukünftigen Ausgrabungen genaueres
über die Einrichtung des X'J|ißo; sich ergeben wird,
so veranlaßt mich dazu die Tatsache, daß bisher
nicht immer die Fundumstände genügend festgestellt
oder aus diesen die richtigen Folgerungen gezogen
worden sind; so, um nur ein Beispiel anzuführen,
wird in den Not. d. Scav. 1907 p. 625 der Fund eines
Brandgrabes bei Terni angezeigt. Der Berichterstatter
wundert sich darüber, daß die beim Brande zurück-
bleibenden Knochen nicht in ein Gefäß gesammelt
sind, „ma intenzionalmente disseminati per tutto
quello spazio che avrebbe occupato il cadavere, se
fosse stato inumato in quella fossa", während er
doch hätte schließen müssen, daß der Leichnam
einfach innerhalb des Grabes selbst verbrannt war.
Rom. RICHARD ENGELMANN
Über vormykenische und mykenische Architekturformen.
(Zu: Jahreshefte X 41 ff.)
Wir erhielten von Herrn A. J. Evans in Oxford
folgende Briefe (I u. 3), die wir mit Herrn J.Durms Er-
widerung (2) hier zum Abdruck bringen.
.: Jan. 15. 1908.
My dear Sir,
I have been recommended to address inyself to
you on a subiect which has caused me considerable
annoyance. In Band X of the Jahreshefte of your
Archaeological Institute is an article by Dr. Josef
Durm entitled .Über vormykenische und mykenische
\ rrhitekturformen', in which I much regret to say,
that the rules of scientific etiquette do not seem to
be sufficiently observed.
In that article a whole scries of as yet unpu-
büshcdobjects has been reproduced withoutpermission.
I may instance a variety of Architectural details on
l'ig. II; the stone lamps A & B of fig. 19; the sketch
i'f a proposed restoration of the Miniature Temple
painting on fig. 20 — 25; details of painted borders in
li^. 21, and the detailed reconstruction of the grand
staircase in fig. 30 anticipating in this case the work
on which my Architect was engagcd.
In all these matters I have been personally to
very considerable expense and my rights are secured
by the Cretan laws and still more, one would have
imagined, by international comity. As it is, I have
made more of the materials juris publici by illustra-
tions in provisional Reports than has probably been
done in the case of any other large excavation.
There are objects in Dr. Durms article about
which I would have made no difficulty. But I regret to
State that he never once applied to me for permission.
It is true that the objects in many cases are
exhihited in the Candia Museum, but subjeet to the
rights of the excavators as to publication.
This Omission to place himself in any kind of
communication with the excavator has to a certain
extent brought its own retribution. Dr. Durm has
fallen into a series of errors in matters of fact
which he [night otherwise have avoided. The sketch
of the miniature facade, for instance, (in fig. 10) is
based on the sketch of a restoration devised by mysclf
and drawn for me by Mr. Gillieron, but which has
now been revised in sorae essential particulars. 1 he
reconstruction of the staircase was based on evidence
brought out at the time of the excavation of which
Dr. Durm is ignorant. The piece of carbonised wood,
U3
Über vormykenische und mylcenische ArchiteUturformen
114
represented in fig. 16 has nothing whatever to do
with a column and is not frora the Hall of the
Double Axes. On the other hand the .Verjüngung'
of the columns which he disputes, is actually shown
in the plaster impressions of the fluted columns in
the ,Little Palace' to the West.
In conclusion let me say that I quite acquit all
those concerned with the Editorship of your ad-
mirable Jahreshefte of any intentional disregard of
the Canons of legitimate publication. They could not
have supposed that Dr. Durm had not so much as
applied to the excavator for any permission.
At the same tirae perhaps you will allow these
rectifying Statements to be inserted in the Jahreshefte.
Believe me Yours very faithfully
To Professor ARTHUR J. EVANS
Dr. R. v. Schneider.
2.: In wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen
dürfte es wohl hinlänglich bekannt sein, daß Eng-
länder, Amerikaner und Italiener die Insel Kreta als
Versuchsstation für Entdeckungen auf dem Gebiete
alter Kulturen ausersehen haben. Die Veröffent-
lichungen der Ergebnisse ihrer Forschungen beginnen
mit dem Jahre 1899, s'n<^ a^s0 se" beinahe einem
Dezennium im Gange. (Vgl. die Publikationen in
The annual of the British school at Athens, Journal
of Hellenic studies, Journal Inst. Brit. Architects,
Archaeologia usw.). Auch die illustrierten Blätter
aller Länder, besonders aber die englischen, haben
für die Popularisierung der Ergebnisse in Wort und
Bild genugsam gesorgt. Außerdem sind im British
Museum zu London Kopien einzelner Fundstücke,
täuschend ausgeführt (der sogenannte Thronsessel,
bemalte figürliche und ornamentale Stücke u. dgl.),
zur öffentlichen Schau ausgestellt und das Abzeichnen
dieser nicht verboten. Andere sollen im Ashmolean-
Museum zu Oxford aufbewahrt sein.
In einem Saale des Museums zu Kandia, dem
Dr. Hazzidakis, der von der Inselregierung bestellte
Direktor vorsteht, sind die Funde von Gournia,
Knossos und Phaistos friedlich nebeneinander in
Glaskästen, für jedermann zugänglich, untergebracht.
Weder hier noch auf den Ausgrabungsfcldern ist
irgendwo durch Aufschriften oder Ansagen amtlicher
Funktionäre bekannt gemacht, daß Studien nur inner-
halb festgesetzter Grenzen gestattet wären. Dazu
kann man photographische Aufnahmen der Aus-
grabungsfelder in verschiedenen Kaufläden zu Kandia
Jahreshefte d<"s osterr. arcbäol. Institutes IM XI Beiblatt.
erstehen. So sind diese Funde in liberalster Art
zum Gemeingute der gebildeten Menschheit gemacht
worden. Beschreibungen und Darstellungen, darunter
auch perspektivische und ergänzende Bilder auf Grund
der bekannt gegebenen geometrischen Aufnahmen
sind ein stehender Artikel unserer heutigen deutschen
Kunsthandbücher (Bormann und Neuwirfh 1904;
Springer-Michaelis 1904 und 1907). Glühende, nicht
immer zutreffende Schilderungen in Zeitschriften haben
das Interesse für die Inselfunde stets wach gehalten,
auch unsere Reisehandbücher (Bädecker 1904) ent-
halten Grundpläne und ausgiebige Beschreibungen
derselben. Und nur Evans' jüngste Veröffentlichung
über das sogenannte Königsgrab von Isopata bei
Knossos macht davon noch eine Ausnahme.
Daß unter solchen Verhältnissen Herr Evans
Anstoß nimmt an der Beigabe einiger, nicht gerade
sehr belangvoller, von mir an Ort und Stelle mit Er-
laubnis des Museumsdirektors in Kandia gezeichneter
ergänzender Figuren ist schwer verständlich, noch
schwerer aber die Behauptung, daß mein Vorgehen
einen Verstoß gegen internationale literarische Ge-
pflogenheiten bedeute. Jede Zumutung in diesem Sinne
muß ich mit aller Entschiedenheit ablehnen. Sonst
bedauere ich, auch im allgemeinen nicht mit Evans
einer Meinung sein zu können, da meines Erachtens
hier wie auch anderwärts nicht die Finder, sondern
die Eigentümer der Objekte die zuständigen Personen
sind, um die Erlaubnis für deren Benutzung zu geben.
Alle amtlichen Formalitäten in der Sache wurden
von mir erfüllt und auch den gesellschaftlichen in
üblicher Weise Rechnung getragen. Ich würde auch
Herrn Evans in Kandia meine Aufwartung gemacht
haben, wenn er damals in Kandia anwesend gewesen
wäre (April 1906), trotzdem er mir ein von London
aus an ihn gerichtetes Gesuch, die Besichtigung seiner
Fundstücke oder der Kopien (Anfang Oktober 1905)
im Ashmolean-Museum zu Oxford gestatten zu wollen,
unbeantwortet ließ. Publikationen und Schilderungen
von Befunden an Ort und Stelle mit dem Original
zu vergleichen und darüber zu berichten, ist bis jetzt,
namentlich wenn Luslren seit der Aufdeckung ver-
strichen sind, noch nirgends als ein Vergehen be-
zeichnet worden.
Bei dem bekannten Charakter meiner fachlichen
Tätigkeit kann von einem Eingriff in Evans' Arbeits-
gebiet keine Rede sein, was wohl auch für die
Beamten in Kandia. die mir jede Freiheit ließen,
bestimmend war und was auch Evans bei genauem
Durchsehen aus meinem Aufsatze entnehmen müßte.
8
1 1 :
A. J. Evans und J. Durm, Über vonnykenische und mykenische Architekturformen
Il6
Meine Studien in jüngster Zeit in den ausländischen
Museen und auf den Ausgrabungsfeldern waren vor-
bereitende für die in Aussicht genommene dritte Auf-
lage meiner „Baukunst der Griechen", deren Vor-
publikationen auch den entsprechenden Charakter
tragen.
Was mich in Knossos im einzelnen interessierte,
waren die Maurer- und Steinhauertechnik, das Bau-
material, die mystische Originalholzsäule mit dem
dicken Teile nach oben, das Vorkommen der ver-
meintlichen Triglyphen mit seitlichen Palmetten auf
Tonzeug, besonders aber die neue Säulen- und
Kapitellform auf dem Steatitgefäße von Hagia Triada,
das übrigens nicht zu den englischen Funden gehört.
Ich hatte keine Veranlassung, in meiner Schrift
mich eingehend über die Aufdeckungen, Datierungen,
Benennungen der Räume, noch weniger aber mich
über die Restaurationsversuche auf dem Ruinenfelde
von Knossos zu äußern. Ich behalte mir dies an
anderer Stelle vor unter Beigabe weiterer Zeichnungen,
wenn möglich unter Zugabe von am Platze gefertigter
Aquarelle, die am Palaste zu Knossos doch auch nicht
verborgenerweise gefertigt werden konnten.
Von dem angezogenen Wandbilde, S. 64 — 6;
der Jahreshefte, ist von mir ausdrücklich gesagt
„daß nur einige Quadratzentimeter authentisch seien".
Die beiden, übrigens auch zum Teil ergänzten Stein-
lampen Fig. 19 A. B. sind nur der Gegensätzlichkeit
wegen mit aufgenommen worden. Ich glaube über-
haupt, daß Evans meinen Text zu wenig in Rücksicht
gezogen und bloß auf das Ansehen der Figuren hin
geurteilt hat.
Karlsruhe, 2. April 1908.
JOSEF DURM
3- =
My deir Sir,
Knossos, Crete
May 10. 1908
It appears that the reproduction of certain ob-
jects from the excavations at Knossos was allcwerl
by the Cretan Ephor undcr the mistaken belief that
Ihey had been already publishcd.
Such a mistake itself shows that the publi-
cation of objects derived from the great excavations
of whatever nationality ought not to rest on the dis-
cretion of local oflicials. Theirright is indced limited.
The copy-right of such objects is vested in the finders
for at least a period of years. Far niore than this,
evcn whcre legal rights do not exist, the position
of the excavators is guaranteed by international comity.
It is universally admitted in the archeological world
that in such matters a direct reference should be made
to those who have carried out the work and are them-
selves responsible for the publication of the materials.
Official formalities such as those to which Dr. Durm
refers can not be taken as an equivalent for this.
"With regard to the Palace site of Knossos itself
Dr. Durm is under a serious misapprehension. The
excavations there still continue, and tili their con-
clusion both the site and the buildings brought to
light remain my private possession. They may, at a
later period be appropriated by the Cretan Govern-
ment, but only after the conclusion of the excavations.
Dr. Durm will probably acknowledge that under
these circumstances I have some right to conlrol the
publication of the architectural plans and details.
These had, in fact, been placed in the hands of two
of my colleagues, one of them a rising mernber of
the Royal Institute of British Architects. Therefore,
though the sale of a certain number of general photo-
graphs, or of already published views is allowed in
Candia, special leave is required for anyone taking
photographs or detailed drawings in the building. I
cannot understand how this was not explained to
Dr. Durm by the guardian on the spot.
Let me say at once that I should have been most
happy to have given all possible facilities to Dr. Durm
in furtheranceof his great work. For purposes of study
all would have been at his disposition. But he will
himself perceive that wilh regard to the present publi-
cation of certain detailed studies such as those of the
Grand Staircase loyalty to my colleagues places me
in a somewhat delicate position. That Dr. Durm should
regard the publication of such architectural studies as
outside the field of our aclivity (.Arbeitsgebiet') I am
wholly unable to understand.
I inuch regret that in both cases my absence
should have prevcntcd my meeting Dr. Durm either
at the time of his projected visit to Oxford or aftcr-
wards at Candia since mutual explanations would
doubtless have removed all difficulties.
To Professor Believe me. yours verv faithfully
Dr. R. v. Schneider ARTHUR J. KV A NS
Indem wir nicht zweifeln, daß durch diese loyale
Aussprache ein Einverständnis zwischen den beiden
verehrten Mitgliedern des Institutes gewonnen wurde,
erklären wir die Kontroverse an dieser Stelle für ge-
schlossen.
ii7
n8
Antike Bronzegefäße aus Sissek.
Als Fundort römischer Altertümer ist Sissek
längst bekannt, doch kann von Forschungen auf wissen-
schaftlicher Basis dort kaum gesprochen werden. Im
Jahre 1858 ließ das Agramer erzbischöfliche Kapitel
eine Ausgrabung durchführen- Es wurden Mauern
eines römischen Gebäudekomplexes aufgedeckt, ge-
zeichnet und wieder zugeschüttet. Der jüngst ver-
storbene kroatische Historiker Tkalcic, der die
Grabungsstelle gesehen hat, hinterließ darüber einen
Bericht, in dem er bittere Klage darüber führt, daß
jede weitere Untersuchung unterblieb. Der Plan des
ausgegrabenen Gebäudekomplexes ist im Agramer
Musealarchiv erhalten, bietet aber keine Anhalts-
punkte für die Erklärung der aufgedeckten Mauerreste.
Auch die Grabungen des Vereines „Siscia"
wurden nicht systematisch geführt. Berichte darüber
sind so wenig vorhanden wie Fundprotokolle. In
der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts scheint in
Sissek der Handel mit Antiquitäten besonders geblüht
zu haben. Jeder, der auf seinem Besitze Überbleibsel
aus römischer Zeit vermutete, grub und trachtete die
gefundenen Gegenstände an verschiedene Sammlungen
zu veräußern. Nur ein geringer Teil hievon ist nach
Agram gekommen.
Einen größeren Bestand Sisseker Altertümer
erhielt das Museum erst im Jahre 1S64 mit dem
Ankaufe der sogenannten Dietrichschen Sammlung,
die in der Folge systematisch durch Einzelerwerbungen
namhaft vermehrt wurde.
Eine zweite Bereicherung erfolgte Ende der sieb-
ziger und anfangs der achtziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts durch die Sammlungen, die der Alter-
tumsverein Siscia dem Museum überwies, und ein
wertvolle in Sissek angelegte Sammlung spendete
im Jahre 1892 der Banaltafelrat L. Ivkanec. Seit
einer Reihe von Jahren wendet ferner der Sisseker
Baumeister A. Colussi die von ihm erzielten Funde
dem Museum zu.
Zum Teile sind die Sisseker Altertümer schon
veröffentlicht: die Inschriften im Corpus, ein Teil der
übrigen Denkmäler zerstreut in verschiedenen Publi-
kationen. Eine Gesamtpublikation steht noch aus.
Jahreshefte des üsterr. arebäol. Institutes IM XI Beiblatt.
Die Sisseker Bronzegefäße habe ich im „Vjesnik"
des kroatischen archäologischen Vereines (Band VII
der Neuen Serie 98 ff. und VIII 198 f.) bei Be-
sprechung der Bronzegefäße des kroatischen National-
museums behandelt. Ich freue mich, diesen Bestand
mit besseren Abbildungen, als ich dort geben konnte,
an dieser Stelle weiteren Kreisen zugänglich machen
zu können.
Die Fabrikmarken, die sich auf einigen Kasse-
rollen befinden, hat Willers in seinem Buche über
die Bronzeeimer von Hemmoor (S. 214 ff.) und in
den neuen Untersuchungen über die röin. Bronze-
industrie (S. 85 ff. angeführt; einige von den Kasse-
rollen sind in dem zweiterwähnten Buche auf Taf. VI
und VII abgebildet.
Die meisten Gefäße sind beim Baggern des
Kulpaflusses 1886 und 1901 gefunden worden. Da-
raus erklärt sich, daß die meisten Stücke zerdrückt
ins Museum gekommen sind und erst ausgeklopft
werden mußten. Gelitten hat zumeist die mindere
Ware. Die besseren Fabrikate sind durchwegs in
guter Erhaltung. Die aus der Kulpa gezogenen Stücke
haben keine Patina, die übrigen sind mehr oder
weniger patiniert.
I — 16. Eimer. Die in Fig. 72 abgebildete Eimer-
form ist im kroatischen Nationalmuseum in 16 aus
Sissek stammenden Exemplaren vertreten. Abgesehen
von zwei Stücken, auf die ich zurückkomme, beträgt
die Höhe dieser Eimer 0'l55m — 0/21 ra. Sie sind
aus Bronzeblech getrieben und haben eine bauchige
Form, die oben in einen bis zu 0'02 m ausladenden
Rand ausläuft. Die Ösen sind aus Eisenstäben ge-
schmiedet, die kreisförmig gebogen und an beiden
Enden breit gehämmert wurden. Diese breit ge-
schlagenen Enden sind durch zwei oder vier eiserne
Nieten an der unteren Seite des Gefäßrandes befestigt.
Die Henkel bestehen aus halbkreisförmig gebogenen
Eisen-, seltener aus Bronzestfiben, die an beiden Seiten
knopfartig enden. Die umgebogenen Enden sind selten
verziert. Bei einem Gefäß ist der Bronzehenkel an
beiden luden profiliert, bei einem anderen läuft der
eiserne Henkel auf beiden Seiten in Vogelköpfe aus.
ii9
V. Hoffiller
I20
Eine Verzierung haben die Gefäßkörper wohl
nur ausnahmsweise erhalten. Von den Sisseker Stücken
ist nur eines, zugleich das größte, ornamentiert. Dieser
bis auf Henkel und Ösen wohl erhaltene Eimer ist
0'34 m hoch und in der Mitte C32 m breit. Die Or-
namentierung besteht aus dreimal zwei parallelen
Kreisen unter dem Rande und einem Kreise am
zu können, hat man den Rand vollständig entfernt
und die Ösen tiefer am Gefäßkörper selbst befestigt.
17 — 33. Außer dieser bauchigen Eimerform, die
der Kürze wegen bauchige Form I genannt werden
soll, sind aus Sissek noch von einer anderen bauchi-
gen Form II) 17 Stücke in das Agramer Museum
gekommen (Fig. 74). Sie unterscheidet sich von der
vorigen dadurch, daß die Gefäße nicht in der Mitte
die größte Breite erreichen und von hier gegen den
Rand und den Boden zu gleichmäßig abfallen, son-
dern daß sie an ihrer breitesten Stelle jäh umbiegen
72 t Bronzeeimer.
73: Bronzeeimer.
Bauche. Die Kreislinien sind ziemlich regelmäßig
eingearbeitet, die Abstände gleichmäßig.
An allen Stücken sind die Spuren eines langen
Gebrauches bemerkbar. Zumeist haben Rand und
Boden gelitten. Bei einigen ist der abgerissene Rand
wieder angeflickt, bei anderen der schadhaft gewordene
Roden durch einen neuen ersetzt.
Ein gutes Beispiel dafür, wie viel Mühe man
auf die Ausbesserung dieser Gefäße verwendet hat,
bietet ein 0'3 m hoher Eimer. Der beinahe ganz
abgerissene Rand ist durch angenietete, unterlegte
Rronzeblechstücke wieder an das Gefäß befestigt
worden. Die eisernen an den Rand angenieteten Ösen
scheinen auch nicht ursprünglich zu sein; dazu sind
sie zu stark und zu unschön gearbeitet. Der ab-
genützte Boden ist entfernt und durch einen neuen
ersetzt worden. Auch sonst sind an diesem Gefäße
viele Flicken sichtbar, die zum Teile so klein sind,
daß sie durch einen Nietnagel festgehalten werden
konnten.
Interessant ist auch der Fig. 73 abgebildete kleinere
Eimer. Er gehört zu derselben Form, nur ist der
Rand abgerissen. Um das Gefäß weiter gebrauchen
und in einen schmalen Rand auslaufen. Im übrigen
ist die Technik dieselbe wie bei den vorher be-
sprochenen Eimern, nur daß diese im Durchschnitte
etwas größer sind. Die Höhe der Agramer Stücke
beträgt 0"II — o-I75m, eines jedoch, das auch in
der Form, wenn auch unbedeutend, abweicht, ist
022 m hoch.
Auf einem dieser Gefäße ist der Eigentümer an-
gegeben. In ähnlicher Weise, wie so oft auf Aus-
rüstungsstücken römischer Soldaten, sind hier mit
einem spitzen Instrument auf der Innenseite des
Randes die Buchstaben (cenluria) Mod(est)i(?) C. Mal
I. . .) Q(. . .) punktiert.
34. Zu Form II gehört noch ein Eimer, der
seiner Größe und Schwere wegen technisch anders ge-
arbeitet wurde. Er ist 0'3m hoch und aus starkem
Rronzcblcch geschmiedet. Ösen waren an diesem
Gefäße nie befestigt, dafür ist aber am Rande eine
gut sichtbare Rinne eingehämmert, in der ein eiserner
Reif lag, an dem der Henkel befestigt war. Ein
solcher eiserner Reif mit eisernem Henkel ist in
Sissek gefunden worden, doch ist seine Zugehörigkeit
zu diesem Gefäße zweifelhaft.
Antike Bronzegefäße aus Sissek
35 — 39. Die dritte in fünf Exemplaren vertretene
Sisseker Eimerform (Fig. 75) ist zylindrisch, oben und
unten gleich breit und hat oben einen meist horizon-
tal abstehenden 0"02 m breiten Rand. Die Höhe der
fünf Stücke beträgt 0'II4 — 0-2m, der Durchmesser
o-l35 bis ol9m.
Zwei Exemplare zeigen die nämliche Verzierung
wie die der bauchigen Form I. Bei einem sind unter
dem Rande in gleichen Zwischenräumen drei Kreise
40 — 54. An Schöpfkellen hat der Boden von
Sissek einige schöne Exemplare geliefert. Zu den
besten gehört die Fig. 76 abgebildete 0-265 m lange
und zirka 0"038 m tiefe Kelle. Das Gefäß ist schmuck-
los bis auf den Boden, der o'Ol"1 dick gegossen und
dann auf der Drehbank durch tiefe Unterdrehungen
mit konzentrischen Ringen versehen wurde. Im
Zentrum blieb ein runder abgefeilter Zapfen zurück.
Der knopfartig endende bis zu O'OOÖ m dicke Griff
hat oben einen länglichen Ausschnitt zum Aufhängen
74 : Bronzeeimer.
Bronzeeimer.
und bei dem andern in gleicher Weise dreimal zwei
Kreise eingegraben.
Diese drei Eimerformen sind entschieden derselben
Kulturepoche zuzuweisen. Sie werden im Norden
schon in Gräbern der La-Tene-Zeit gefunden, sind
aber wohl italische Exportware (vgl. Willers, Rom
Bronzeindustrie S. 12 f.). Daß sie während der römi-
schen Zeit noch lange im Gebrauche waren, be-
weisen nicht nur Grabfunde, sondern speziell auch
der Sisseker Eimer mit dem Namen eines römischen
Legionars.
Wichtige Analoga bietet das Grabfeld in Idria
bei Baca in der Nähe von Santa Lucia (Szombathy
in den Mitt. d. präbistor. Comm. d. Wiener Akad.
I 5 S. 291 ff.), wo alle drei Eimerformen vertreten sind.
Szombathys Datierungen stimmen mit Willers An-
sätzen überein.
Ein Bronzeeimer der bauchigen Form I stammt
aus dem derselben Zeit angehörigen Grabfelde bei
Grobnik in Kroatien, das Ljubic 1873 ausgrub.
Ähnliche Gefäße aus den Gräbern von Buccari
i.Bakar) an der kroatischen Küste harren noch der
Publikation.
des Gefäßes. Unter diesem Ausschnitt der Stempel:
ANSI • EPHAPRODIT i .
Eine gleiche Schöpfkelle aus derselben Fabrik
gehört zu dem oft abgebildeten pompeianischen Funde
Mus. Borb. VII Taf. XVI und trägt den Stempel
LANSI DIODO(W).
Diesen Stempel L ANSI DIOD(on') zeigt auch
ein ebenfalls sehr solid gearbeitetes Sisseker Gefäß aus
der Sammlung Colussi. Es ist o-228m lang, o-o7m tief
und ziemlich dickwandig. Das Gefäß ist schmucklos
bis auf den Boden, in dessen Rand ein 0'007 In breiter
Ring eingedreht ist; außerdem ist in der Mitte eine
Erhöhung geblieben. Sonst ist der Boden glatt. Der
Griff hat oben ein Loch in Form eines Kleeblattes:
darunter befindet sich die erwähnte Fabrikmarke.
Diesen Fabrikaten am nächsten steht die Fig. 77
abgebildete reichverzierte Kelle (Länge 0'2l8 m, Tiefe
0*057 m)- ^->'e unter dem Rande ringsumlaufenden ver-
tieften Kreise wirken wie eine Borte. Der Boden ist
innen und außen mit Ringen versehen, von denen die
inneren ganz seicht sind. Der Griff erweitert sich oben
zu einer runden Platte, die auf der Drehscheibe mit
zwei kreisförmigen Vertiefungen versehen wurde.
9"
V. HoftUler
/p5»>
771-
In der oberen Hälfte dieser Kreise ist eine halbmond-
förmige Durchlochung zum Aufhängen des Gefäßes.
Auf dem Griffe zwei Stempel: Cl PI ISOCRY(s;)
und iSO.'RS MERCVRu . Über den Stempel Sors
Mcrcuri, der noch von zwei ähnlichen Gefäßen be-
kanntist, vgl.Berglc, Bull. d. Inst. 1859 p. 229 Anm. I
und CIL X 8072 und III 6017, 9.
Aus derselben Fabrik stammt eine sehr solid
gearbeitete kleinere Sisseker Schöpfkelle (Länge
0'202m) mit tief eingedrehten Ringen an der Außen-
seite des Bodens und Spuren des Weißmetallüber-
zuges an der Innenseite. Am oberen Ende des
Griffes befindet sich ein kleeblattförmiger Ausschnitt
und darunter der schwach aufgeprägte Stempel CIPI
POLYBI.
Ganz ähnlich gearbeitet sind zwei andere Sisseker
Schöpfkellen. Die eine (Länge 0-325 m, Tiefe o-ioom)
stammt dem Stempel CIPI- PAMPH I U/i zufolge aus
derselben Fabrik, der auch eine zweite etwas kleinere
Kelle (Kig. 78, Länge o-290m, Tiefe 0-090 m) ohne
Marke zugewiesen werden darf.
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch
zwei Fragmente, einen Griff mit schlüssellochförmigem
Ausschnitt und der Marie RVFINV1Y1 und den
ßteil einer Kelle, dessen Ausarbeitung an die
Erzeugnisse der Fabrik der gens Cipia erinnert. Bei
diesem Gefäße ist noch das Weißmetall erhalten, mit
dem es außen unter dem Rande überzogen war.
Abweichende Bearbeitung zeigen die übrigen
Schöpfkellen. Vor allem ist ein Unterschied in der
Form zu konstatieren. Sie sind nicht unten am
schmälsten, sondern in der Mitte etwas eingezogen.
Die dünnen und schwachen Wände hätten einen
stärkeren Druck auf der Drehbank nicht aushalten
können, die deshalb auf diesen Gefäßen nur schwache
Spuren hinterlassen hat. Der Boden hat keine Ringe;
statt dessen sind innen und außen seichte Kreise ein-
geritzt worden. Die reiche Verzierung dieser Gefäße
wurde mit freier Hand durch Ziselierung angebracht.
Der Rand ist innen in der Regel mit einem Eierstabe,
oft auch mit einem Perlkreise darunter geschmückt, der
dünne Griff oft reich verziert. Bei besseren Stücken
ist das Motiv der Vogelköpfe verwendet, bei geringerer
Ware ist dieses Motiv wenigstens angedeutet.
Das schönste Stück dieser Reihe vergegenwärtigt
Fig. 79; Länge 0-323m, Tiefe 0"095m. Das Vogel-
motiv wurde für den Griffansatz verwendet. Am Griff-
ende erscheinen Greifenköpfe, deren krumme Schnäbel
und Kämme in der Mitte aneinanderstoßen. In der
Mitte läuft der Länge nach eine auf beiden Seiten
von Perlstäben umgebene Furche, die mit Stahl aus-
gefüllt war. Außerdem sind am untern Griffteil mehrere
Löcher vorhanden, von denen einige mit einem Metalle
oder einem anderen Material ausgefüllt waren.
Sichtlich nach dem Vorbilde eines ganz ähn-
lichen Gefäßes ist eine zweite Sisseker Kelle (Länge
125
Antike Bronzegefäße aus Sissek
126
79
78—80: Kellen.
80
o'27m, Tiefe 0^065 m) entstanden, doch ist sie mit
viel geringerer Sorgfalt gearbeitet und die dort ver-
wendeten Motive sind hier verkümmert.
Von den übrigen vier Schöpfkellen, die in diese
Kategorie gehören, ist Fig. 80 (Länge 0*289 m> Tiefe
o-074 m 1 die beste, stärker, als alle übrigen dieser
Art und darum auch trefflich erhalten. Die Kreise
auf dem Boden sind etwas tiefer und außerdem sind
außen unter dem Rande einige Kreise eingedreht
worden. Der Griff zeigt an beiden Kanten einen Perl-
stab und in der Mitte eine mit Stahl ausgefüllte
Furche, von der nach links und rechts mit größeren
Punkten endende Linien abgehen. Das ganze macht
den Eindruck eines sehr langen spitzigen Blattes. Die
Vogelköpfe am Griffende sind leidlich ausgeführt.
Die drei anderen Kellen dieser Art sind viel
kleiner und von schlechter Arbeit. Die Bronze ist
stellenweise papierdünn, die Erhaltung infolgedessen
sehr schlecht. Eines von diesen Gefäßen hat schon
beim Gebrauche Schaden gelitten. Der abgebrochene
Griff wurde mit zwei oben und unten angelöteten
Bronzeplättchen wieder befestigt. Ebenso wurde auch
der schadhafte Boden durch Anlötung eines Bronze-
stückes ausgebessert. Ein etwas größeres Stück weicht
in der Form ein wenig ab. Es ist seicht und hat
einen langen Griff, einen geraden Boden und einen
schmalen gerade abstehenden Rand.
Eine Schöpfkelle weicht in der Form von allen
bisher erwähnten stark ab. Sie ist in Ausführung
und Erhaltung gleich schlecht. Der Griff ist oben
gerade abgeschnitten und mit drei einfachen zum
Aufhängen bestimmten Löchern versehen. Darüber
ist eine nicht zu entziffernde Marke eingedrückt.
Schlechtere Ausführung zeigt nur noch eine Schöpf-
kelle aus Tordinci. Sie ist plump gegossen, nicht ge-
dreht und hat am
Griffende in ähnlicher
Weise drei Löcher
zum Aufhängen.
55-58. Vier
Schöpflöffel mit ho-
hem, emporstehendem
Griffe (Höhe o'i 15 —
0'l45m). Auch diese
kleinen Gefäße sind
zuerst gegossen und
dann auf der Dreh-
bank geglättet. Zwei
stimmen in der Aus-
führung insofern über-
ein, als auf dem Boden
beidemal dieselben
schwach eingegrabe-
nen Kreise erschei-
nen. Außerdem zieht
sich um den Gefäß- 8t: Schöpflöffel.
127
V. Hoffilier
128
körper ein Perlkreis mit
einer darüber eingearbeiteten
Linie. Die Griffe sind ganz
gleichartig gestaltet. Eines
dieser Gefäße trägt die gut
lesbare Marke MSEP' LI C
(Fig. 81).
Das dritte Gefäß dieser
Art, zugleich das größte, ist
am wenigsten sorgfältig be-
handelt und mit einigen ein-
gravierten Strichen verziert
(Fig. 82). Weniger verziert
als die übrigen, dafür aber
stärker und schöner in der
Form ist ein viertes Stück.
Bei allen vieren verbreitert
sich das Griffende beträcht-
lich, wodurch die Hand-
habung dieser Geräte er-
leichtert worden sein mag.
Für die vielen eingebohrten
Löcher an dem breiteren
Griffende läßt sich kaum ein
praktischer Zweck ausfindig
machen. Der Fassungsraum dieser vier Gefäße be-
trägt nahezu übereinstimmend ungefähr 4 Zentiliter,
somit ungefähr einen cyathus.
A59. Sieb aus der Samm-
lung Colussi (Fig.83; L.o-275m).
Es hat die ältere Form mit lan-
gem Griff und halbkugelförmi-
gem Gefäßteile. Die dazu ge-
hörige Kasserolle wurde nicht
mitgefunden. Der späteren Form
mit kurzem breilerem Griffe und
flachem Gefäßteile entspricht ein
Fragment von einem Gefäßboden
aus Sissek und das Griffstück
eines anderen Exemplars, beide
L in Agram
60. Amphora (Fig. 84 ; Höhe
o 39 m). Das Gefäß wurde zu-
erst gegossen und dann auf der
Drehbank nachgearbeitet. Außer
einigen vertieften Linien über
dem Boden und einer unter dem Mündungsrande
blieb diese Amphora ohne Verzierung. Auf dem
Boden, der mit einem O'OI m Standreif aufsteht,
sind konzentrische Ringe mäßig tief eingedreht. Die
Henkel, von denen einer abgebrochen ist, waren
angelötet. Ihr oberer Ansatz erweitert sich herz-
förmig, der untere geht nach zwei tiefen Ein-
schnitten in ein herzförmiges Blatt über. Auf der
Drehbank hat das Gefäß einen Fehler erlitten, der,
wie es scheint, auf mehreren Exemplaren dieser
Art zu konstatieren ist (vgl. Archäol. Anzeiger XV
(1900) S. 184 n. 9, 10 Fig. 10). Durch den gewaltigen
Druck, dem das Gefäß ausgesetzt war, ist an einer
Stelle ein Riß in der Wand entstanden, der mit ge-
84 : Amphora.
schmolzener Bronze gedeckt wurde. Die Flicke ist
rechts vom untern Henkelansatze auf der Abbildung
erkennbar. Auf der Innenseite des Gefäßes läuft
0'042m unter dem Rande um die Wand eine vertiefte
Kreislinie. Bis zu dieser Linie reichte auf der Innen-
seite die Wirkung der Drehbank, d. h. die Gefäß-
wand ist bis zu dieser Linie geglättet, von da ab
rauh geblieben.
61. Kanne (Fig. 86; Höhe 0-266 m). Das Gefäß
wurde mit eingedrücktem Boden aufgefunden, konnte
aber fast vollkommen restauriert werden. Die in der
Abbildung sichtbaren Kupfernieten rühren von der
modernen Restauration her. Bauch und Hals des Ge-
fäßes sind durch eine Einziehung voneinander ge-
schieden. Der Boden, der nur mit dem äußeren
i 29
Antike Rronzegefäße aus Sissek
[30
O'0o6m breiten Ringe die Standfläche berührt, ist
etwas eingedrückt und mit konzentrischen einge-
drehten Ringen verziert. Diese werden gegen den
Mittelpunkt zu immer tiefer und erreichen schließlich
eine Tiefe von 0'004m. Sehr sorgfältig ist der Henkel
gearbeitet. Er endet oben in eine dreiblättrige Blüte,
von der links und rechts Vogelköpfe auslaufen, die
an dem wulstartigen Rande angelötet sind. Das
mittlere jetzt abgebrochene Blatt reichte mit der wohl
aufgebogenen Spitze über den Rand hinüber. Das
gezogen. Die Öffnung ist oval, der 0/012 — 0-0l8m
breite Rand wagrecht abstehend und vorne etwas
mehr ausgezogen als rückwärts beim Henkelansatze.
Der Schmuck des Gefäßkörpers beschränkt sich ab-
gesehen von einem um die Mündung laufenden
Perlkreise und Eierstabe auf seicht eingedrehte
Kreise am Boden; dieser ist konkav eingetrieben,
um die Verscheuerung der Bodenfläche zu verhüten
und steht mit einem O"O06 m breitem .Standring auf.
Auch der Standring selbst erhielt noch eine Sicherung,
85 : Kanne.
86: Kanne.
untere Ende des Henkels bildet ein jugendlicher
Satyrkopf, der aus einem dreiblättrigen Blumenkelche
herauszuwachsen scheint. Der Kopf hat Pferdeohren
und struppiges Haar, in dem einige Epheublätter sicht-
bar sind. Links und rechts waren Weinblätter, von
denen links noch Reste erhalten sind. Von einem
Pantherfelle sind unter dem Kopfe die Tatzen und
der Kopf erkennbar. Eine Verdickung an der stärk-
sten Stelle des Henkels diente wohl dem praktischen
Zweck, dem Daumen beim Halten des Gefäßes einen
Halt zu bieten. Auch bei diesem Gefäße ist an der
Innenfläche 0x135 m unter dem Rande eine Linie be-
merkbar, bis zu der die Gefäßwand geglättet ist.
62. Bauchige Kanne (Fig. 85; Höhe 0*1 35 ml. Das
Gefäß ist ziemlich massig und oben nur wenig ein-
indern man ihn an drei Stellen mit dünnen, jetzt noch
erhaltenen Bronzeplättchen unterlegte.
Sorgfältig ist der hermenartig gestaltete Henkel
gearbeitet. Oben endet er in eine nach außen ge-
kehrte weibliche Büste mit Melonenfrisur, die den
Eindruck einer Porträtbüste macht. Unter der Büste
ist ein schmales, vertieftes, jetzt leeres Feld, in dem
vielleicht ein Plättchen aus anderem Metalle ein-
gelötet war. Die Büste läuft in einen geraden,
O'OOJ m dicken Balken aus, der sich nach unten zu
verjüngt und mit eingeritzten Linien und Kreisen
verziert ist. Die Befestigung des Henkels ist durch
zwei fast rechtwinklig absetzende Arme bewirkt, von
denen der obere sich in zwei Vogelprotomen gabelt,
die knapp unter dem Rande an das Gefäß angelötet
131
V. Hoffilier
13'
sind. Die untere Seite der Köpfe ist sichtbar und
darum sorgfältiger bearbeitet. An Stelle der Augen
sind Kreise eingraviert; die Federn sind durch ein-
gravierte wellenartige Linien angedeutet. Den unteren
Henkelansatz bildet ein bärtiger Satyrkopf mit Pferde-
ohren. Das Haar ist mit fein eingeritzten Linien
wiedergegeben.
63. Kleine sehr schlecht erhaltene Kanne. Der
Boden fehlt ganz und auch der erhaltene Teil des
Gefäßkörpers ist sehr beschädigt. Jetzige Höhe
o-l9m. Die Kanne repräsentiert eine räumlich und
zeitlich sehr verbreitete Form mit Kleeblattmündung.
Der schlanke Henkel ragt hoch über die Gefäß-
mündung hinaus und lädt an beiden Enden in naeh-
Mitte am stärksten aus und fällt gegen den Hals und
gegen den Fuß gleichmäßig ab. Der Fuß ist hoch
und hohl, der Hals nur wenig eingezogen. Die einzige
Verzierung, die das Gefäß auf der Drehscheibe er-
hielt, sind zweimal zwei parallele, sehr seicht ein-
gegrabene Kreise, die den Bauch des Gefäßes oben
und unten begrenzen. In der Mitte des Bodens war
nach der Bearbeitung auf der Drehscheibe ein Zapfen
zurückgeblieben, der nachträglich abgefeilt wurde. Die
Ösen, in denen der Henkel liegt, sind nicht gesondert
gearbeitet, sondern in einem Stücke mit dem Gefäß-
körper gegossen. Dabei ist eine Ose mißglückt, so daß
87 : Unterer Teil einer Kanne.
86: SalbgefUß.
ziselierte Palmetten aus. Die obere breite Palmette
ist mit drei Bronzenägeln am Halse knapp unter der
Mündung angenietet, die untere längliche war an der
breitesten Stelle des Bauches angelötet.
64. Unterer Teil eines kleinen, dünnwandigen
Gefäßes, wohl einer Kanne (Fig. 87). Sehr be-
schädigt. Hals und Henkel sind abgebrochen und
wurden nicht gefunden. Jetzige Höhe o-o6o m. Durch
ziemlich unregelmäßige Kreise ist der Körper des
ißes in drei horizontale Felder eingeteilt, in die
mit einem Stichel aus freier Hand Ornamente hin-
eingearbeitet wurden. Im obersten Felde ein Eier-
stab, im mittleren spitze Blätter, im unteren eine
Hopfenranke. Daß dieses Gefäß nach dem Gusse
auf der Drehscheibe bearbeitet wurde, beweist das
im Zentrum des schmucklosen Hodens befindliche
ziemlich tiefe Loch.
:iht förmiges dickwandiges Salbgefäß (Fig. 88;
0052. mit aufgestelltem Henkel 0'09mi. Das
geschmackvolle, einfach ausgeführte Gefäß lädt in der
an dieser Stelle ein Stück herausgeschnitten und ein
anderes, das durch Abfeilen auf die Stärke der
Gefäßwand gebracht wurde, hineingelötet werden
mußte. Trotz der sorgfältigen Ausführung dieser
Flicke sind störend wirkende Ungleichheiten zurück-
geblieben. Der Henkel selbst ist halbkreisförmig, im
Durchschnitt viereckig und an den Enden einfach
umgebogen ohne Verzierung.
66. 67. Zwei kleine sehr gleichmäßig ausge-
arbeitete Salbgefäße (Fig. 89; Höhe 0*08 und 0*075 m).
Der Körper der Gefäße ist fast kugelförmig, der
Hals in seinem unteren Teile sehr eng, oben jedoch
weiter ausladend. Als Verzierung sind über dem
Boden und unter dem Halse einige Kreise einge-
arbeitet. Der Boden ist konkav eingetrieben, so daß
sich ein umlaufender, 0'006m breiter .Standring ergab.
Die Bodenflächc selbst zeigt schwache konzentrische
Kreise, deren Zahl auf beiden Gefäßen variiert.
Die Henkel sind besonders gegossen und haben
identische Form. Das obere Ende ist gespalten, so daß
133
Antike BronzegefäRe aus Sissek
134
es das Gefäß dicht unter dem Rande gabelförmig um-
faßt. Das untere Ende erweitert sich zur Form eines
Schafskopfes, der am Bauche des Gefäßes ange-
lötet ist. Diese Henkelverzierung ist bei keinem der
beiden Exemplare gut erhalten, auch die Ausarbeitung
der Köpfe nicht gleichmäßig, da bei dem einen die
Einzelheiten schon beim Gusse schärfer heraus-
kamen, bei dem andern durch Ziselierung nachge-
bessert werden mußten. Der Länge nach ist auf dem
Henkel eine von oben nach unten sich verjüngende
tiefe Furche eingeschnitten, die als Fortsetzung des
oberen Trennungsschnittes betrachtet werden kann.
Zu beiden Seiten dieser Furche sind mit einem spitzi-
gen Instrument Striche eingegraben, die den Eindruck
Zweifel, ob diese Kanne überhaupt noch römischer Zeit
zuzuweisen sei, erledigte sich durch die Vergleichung
mit ähnlichen Stücken, so einem aus einem römischen
Grabe aus Vinkovci, das nach dem Inventar frühestens
in die zweite Hälfte des dritten nachchristlichen
Jahrhunderts gehört. Diese Kanne ist nicht nur in
der Form, sondern auch in der Technik gleichartig
und besteht ebenfalls aus drei Teilen, die aneinander
gelötet und zusammengenietet sind. Auch in der
Anbringung des Henkels stimmt dieses Exemplar
mit dem Sisseker überein. Eine gewisse Ähnlich-
keit zeigt auch eine Bronzekanne vom Rhein, bei
a' : Kupferkanne.
89: Salbgefäß.
einer Rippung hervorrufen. — Ein ganz ähnliches
Stück im Museum S. Germain: S. Reinach, Antiquites
nationales, Bronzes figuräs de la Gaule rom. p. 32g
n. 420.
Es erübrigt noch zwei kupferne Kannen zu be-
sprechen, die späterer römischer Zeit angehören.
68. Kupferne Kanne (Fig. 91 ; Höhe 0-265 m).
Dieses Gefäß besteht aus drei Teilen: dem aus einem
Stücke Kupferblech getriebenen Gefäßkörper, dem
aus einem gebogenen Stück Kupferblech geformten
Hals und dem Boden. Diese drei Teile waren durch
Lötung in Verbindung gebracht. Der Henkelist nicht
erhalten, doch sind die Löt- und Nietstellen an Mün-
dung und Bauch sichtbar. Das Gefäß kam im Jahre
1877 in einem alten Brunnen zutage, der bei Zubauten
am .Magistratsgebäude entdeckt wurde. Der anfängliche
91 : Kupferkanne.
der aber Henkel und Mündung noch gegossen sind
(Westd. Zeitschr. XXI (1902) S. 431 Taf. 4).
69. Nach diesen Analogien kann auch die
Fig. 90 abgebildete, 0'HOm hohe, aus Kupferblech
getriebene Sisseker Kanne gewürdigt werden, die
eine noch primitivere Technik verrät. Den Boden
bildet ein an das Gefäß gelötetes rundes Stück Kupfer-
blech, den Henkel ebenfalls ein gebogenes schmales
Blechstück, das an beiden Enden breitgeklopft und
mit kupfernen Nägeln an das Gefäß genietet wurde.
Oben ist der Henkel etwas «usammengedrückt und
von beiden Seiten aufgebogen. In diese aufgebogenen
Läppchen sind einander entsprechende Löcher ein-
gebohrt, die wohl nur zum Durchziehen eines Fadens
dienen konnten.
Agram. VIKTOR HOFFILLER
Jahreshefte des österr. archnol. Institutes Bd. XI Beiblatt.
'35
J. Keil
136
92: Die ionische Küste südlich von Rphesos.
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos.
Theodor Wiegands weitausgreifendc Unter-
suchungen über die Topographie und die antiken
Reste des Mykalegebirges und des m'irdlich an-
schließenden Teiles der ionischen Küste im Priene-
buche"), deren reichen Ertrag die Karte (Tafel II)
augenfällig macht, ließen eine Ergänzung und Er-
weiterung bis Ephesos von Seite des österreichischen
Ausgrabungsunternchmens erwünscht erscheinen; hier
hatte Benndorf eingesetzt und die Lage von Ortygia.
der sagenberühmten Geburtsstätte der ephesischen
Artemis, in dem reizenden Tale von Arvalia unter
dem Fuße des Solmissos (Ala-Daghi, von dem der
'1 Wiegand und Schrader, Priene I ff. 469 ff., dazu
jetzt Hiller v. Gaertringen, Inschr. von Priene S. VI f.
• rschungen in Ephesos I 76.
Kenchreios herabrauscht, wiedererkannt2). Weniger
überzeugend dagegen war seine Identifizierung eines
kleinen späten Forts südlich der Kaystermündung
mit dem alten Städtchen Pygela3), und über die Lage
der südlich von diesem an der Küste gelegenen
Orte Marathesion und Anaia sind genauere Erhebungen
bisher meines Wissens noch nicht gepflogen worden.
Die folgenden Untersuchungen sind das Ergebnis
einer Bereisung der Gegend, die ich im Frühjahre 1905
auf Benndorfs Anregung mit Mitteln der kleinasiati-
schen Kommission der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften unternommen habe.
3) Ebenda S. 73 ff.; vgl. die Schindlersche Karte.
Auch Pauly-Wissowas Realenzyklopädie V 2773 ff.
mit Abb. 2.
137
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos
13»
I. Pygela — Phygela.
Aus den antiken und mittelalterlichen Zeugnissen
über dieses ionische Städtchen, welche von Benndorf
zum größten Teil gesammelt und verwertet sind,
läßt sich für die Beurteilung seiner Lage, Größe und
F.xistenzdauer folgendes entnehmen. Südlich von Ephe-
sos an der Küste gelegen, war es seine Nachbarstadt,
denn in Strabos Beschreibung der Küste folgen von
von ihnen im Wege des Austausches an Milet über-
lassen zu werden5;. Im Mai 410 v.Chr. berannte
Thrasybulos die Mauern der Stadt, die früher als
Mitglied des attischen Reiches I — i1;'., Talente ent-
richtet hatte6), ohne Erfolg und besiegte dann die
den Pygelensern zu Hilfe geeilten Milesier".). Eine
Münzprägung im vierten Jahrhundert hörte bald wieder
auf. Wegen seines Weinbaues in römischer Zeit ge-
93: Blick auf die Bucht von Pygela (a), auf Scalanova !b) und Marathesion (c) ; im Hintergrunde die Mykale.
Süden nach Norden Anaia (Neapolis '"), Marathesion,
Pygela aufeinander, dann aber sofort der äußere
ephesische Hafen Panormus4). Daß es eine alte ioni-
sche Stadt war, beweisen uns weniger die Fabeleien
von der Gründung durch Seeleute des von Troia zu-
rückkehrenden Agamemnon, als vielmehr die Tat-
sache, daß es bereits zur Zeit der Zerstörung von
Melia, also um 700 v. Chr. den Samiern zufiel, um
legentlich erwähnt, erhielt sich das Städtchen auch
in der byzantinischen Epoche, wo es im Jahre 722
der heil. Willibald besuchte8), und war unter der
Regierung des Kaisers Romanos II. zum Sammelplatz
der großen Armada ausersehen, welche dieser Kaiser
unter dem tapferen General Nikephoros Phokas da-
mals nach Kreta sandte9). Reichere Nachrichten haben
wir dann aus dem 13. und 14 Jahrhunderte, wo das
*) XIV 639.
s) Hiller von Gaertringen, Inschriften von Priene
37 v. 58 vgl. S. 309. Der ganze Zusammenhang der
Ereignisse glänzend erörtert von Wilamowitz, Sitzungs-
her. Akad. Berlin 1906 III 42 ff.
6) IG I 237, 29; 238, 29; 239, 3; 240, 13 (v.
Chr. 493/2—440/39); 256, 16 (v. Chr. 428/7).
7) Xen. Hell. I 2, 2; Ed. Meyer, Geschichte d.
Altert. IV § 716.
8) Benndorf a. a. O. S. 74.
'') Michael Attaliota p. 223 Bonn; Geizer, Abriß
S. 984. Um das böse Omen, das der Name Phygela
(tpüfeXv) g3'1» zu vermeiden, ließ Nikephoros Phokas
aber die Einbarkierung des Heeres etwas weiter süd-
lich bei dem Vorgebirge Hagia vornehmen. e~£;^=p
iusu.ait'i'jxEL Bit <J>u-feX/.a xo'jxfp xö ö'/cpa, oö xctTa5=-
&xtc xoOxo TOirjaaaö'aL dpur,xr;p cov . iXAä itsp av iv.
noXXoü äiaaxripaxo; äxpioxr/ptov toüj i-.^-x'/.y.'y.: snsX-
9-mv £7tt>9-Exo rcepl toöxoo icofov toOtä low xal örauj
npocja-fopsüsxat, xal |ia{ru>v 6x1 kfta xq> äxpcS-tvicp
xö övopa xa piv ipßsßXriuiva itavxa xot; kXoCoi; iv
xotj <t>uf iXAoig TiaXiv äJiEpsujaa9-a: xa jtXcta -=-oir,xs,
10*
139
J. Keil
[40
berühmte und von den Kaisern mit reichen Privi-
legien ausgestattete Johanneskloster auf Patmos hier
nicht nur steuerfreie Ein- und Ausfuhr genoß, sondern
auch Landbesitz und ein Filialkloster, das dem heil.
Märtyrer Georgios Dysikos geweiht war, besaß10).
Von den Katalanen im Jahre 1308 erobert, erscheint
die Stadt zuletzt in den Portolanen des 16. und 17.
94: Nordecke der Stadtmauer von Pygela
Jahrhunderts unter dem Namen Figuela, Figuelo,
Figella, Figena11).
Wir dürfen erwarten, daß von einer Stadt, die
einen mehr als zweitausendjährigen Bestand gehabt
hat, noch Reste vorhanden sind, welche eine Be-
stimmung ihrer Lage ermöglichen; Benndorf hatte sie
in dem engen, von steinigen Berglehnen eingefaßten
Talwinkel südwestlich des Pamudsehaks zu finden
geglaubt, wo eine kleine, nicht mehr als 50 m weit
ausladende, von späten Mörtelmauern eingefaßte Halb-
insel mit einem schmalen Isthmus, auf dessen Seiten
sich je nach dem Winde anlegen ließ, ins Meer vor-
springt. Eine genauere Untersuchung des Platzes, die
mir wiederholte Besuche ermöglichten, haben mich
von der Unmöglichkeit dieser Annahme überzeugt.
Die beschriebene ummauerte Halbinsel bildet
ein Quadrat von etwa 45m Seitenlänge, kann also selbst
nur ein mäßiges Fort ge-
tragen haben, die Umgebung
aber bietet, obwohl beson-
ders am Südrande der klei-
nen sumpfigen Ebene noch
mehrere Gebäudereste by-
zantinischer Zeit und auch
in der Nähe der Halbinsel
die eines antiken Baues vor-
handen sind, wegen der
Terrainform keine Vorbe-
dingung zur Anlage einer
ummauerten Stadt; hätte
aber eine solche trotz der
ganz ungeeigneten Form des
Geländes hier bestanden,
dann müßten auf den humus-
losen steinigen Hängen die
Spuren der Gebäude im In-
nern und vor allem die der
Stadtmauer, dieThrasybulos
berannte, zu erkennen sein.
Benndorf war sich auch der
Schwierigkeit, einer Stadt in dem engen öden Tal-
winkel des Pamudsehaks ihre Existenzmöglichkeit
zu geben, wohl bewußt, allein die Annahme, daß an
der Küste bis Scalanova keine andere Ruinenstätte
existiere, zwang dazu, sich mit dem Unwahrschein-
lichen abzufinden.
Nachdem die Straße von Ajasoluk nach Scala-
nova südlich der beschriebenen Stätte den Sattel
überschritten hat13), steigt sie zu ein°r freundlichen
Meeresbucht nieder (Fig. 93 ; vgl. auch die Karten-
xöv äs ütöAov ärarca x% ffi rfi ^"f'aS JtpoaoxslXat
itaTagauevoj. Vgl. auch Theophan. continuatus p. 475
Bonn. Auch für die kretische Expedition des Admirals
Himerios unter Kaiser Leon VI im Jahre 903 war
Phygela Sammelplatz; Constant. porphyr. de cer. II 44
(I 653 Bonn) vgl. Krumbacher, Byz. Literaturg.2S. 200.
Das Vorgebirge A-f£a kann schwerlich ein anderes
als das von Marathesion ('s. u.1 gewesen sein, dessen
Name also damals vergessen war.
10; Müller-Miklosich, Acta et diplomata Graeca
medii aevi VII 165. 174. 179. 182. 233. 250.
ll) Chronik des Edlen En Ranion Muntaner,
ins Deutsche übers, v. Dr. Fr. W. Lanz II 172; vgl.
W. Brockhoff, Studien zur Geschichte der Stadt
Ephesos, Diss. Jena 1905 S. 61.
■-) Wiegand a. a. O. S. 31 f.
n) Von diesem Sattel aus ist die Photographie
(Fig. 93) gemacht. Die Schindlersche Karte gibt nur
i4i
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos
142
skizze Fig. 92), welche im Norden durch den weit
vorspringenden Otusbir schützend umfaßt wird,
während im Süden ein Höhenzug aufragt, der nach
SSW ziehend zunächst einen niedrigen Rücken, dann
eine höhere Kuppe bildet. An der Nordseite der
so vor Nord- und Südwind geschützten Bucht hat die
dünenbildende Tätigkeit des Meeres einen Teil dei ehe-
maligen Meeresfläche durch eine geschlossene Nehrung
abgetrennt und zum allmählich austrocknenden Binnen-
see gemacht. Eine kleine, wohlbebaute Ebene breitet
sich an der Küste der Bucht aus, welche sich nach
Süden allmählich ansteigend verschmälert. In ihr
steigt die Straße, durch den erwähnten Höhenzug
vom Meere getrennt, hinan, um nach etwa 20 Minuten
auf dem Sattel freien Ausblick auf das noch etwa
eine halbe Stunde von da entfernte Scalanova zu
gewinnen. Von Osten her öffnet sich gegen die Ebene
ein kleines fruchtbares Tal, aus dem im Winter ein
Bächlein dem Meere zufließt. Während nun der Nord-
rand der Bucht am Fuße des Otusbir nur die Reste
einer antiken Gebäudeanlage aufweist, ist der Höhen-
zug im Süden derselben (bei a auf Fig. 93) von den
Trümmern einer antiken Stadt bedeckt, welche, wieder-
holt von Forschungsreisenden bemerkt, vielfach als
die des alten Pygela angesehen worden sind14). Ein
dichtes Netz antiker Mauern überzieht den ganzen
Hügel, der mit Ziegelbrocken und Tonscherben über-
sät ist. Das zunächst Sichtbare gehört der Spätzeit
an, wenn auch einige Fundamente ein höheres Alter
haben mögen. Aber an der N.-Ecke ist noch ein
Eck der alten Umfassungsmauer erhalten (Fig. 94),
deren Konstruktion auf hellenistische Zeit weist. Sie
ist aus großen Rustikaquadern erbaut, welche an der
Mauerecke den die Kante ausarbeitenden Steinschnitt
zeigen, der z. B. bei den lysimachischen Befestigungs-
anlagen in Ephesos und sonst gebräuchlich ist. Daß
wir es nicht etwa mit einem Wartturme zu tun haben,
beweist die Ausdehnung der Mauer, die sich etwa
20 m weit deutlich, dann in Spuren verfolgen läßt.
Der Rest eines zweiten Bauwerkes griechischer Zeit
liegt an der NO -Ecke der Stadt. Es ist das Funda-
ment eines Rundbaues aus sorgfältigst behauenen,
großen untereinander durch Klammern verbundenen
Quadern, deren gerundete Außenseiten ein gepickeltes,
von glatten Rändern eingefaßtes Feld zeigen, wäh-
rend die Rundung an den Stoßfugen abgeschrägt
ist. Das Fundament ist nur zum Teil sichtbar, indem
späte Mörtelmauern darüber hinziehen; das meßbare
Stück, welches noch nicht den Halbkreis zu bilden
scheint, mißt 28 m. Es kann kein Zweifel sein, daß
wir es hier mit dem Fundamente eines Rundbaues
zu tun haben, nicht etwa mit einem Rundturme der
Stadtmauer, wie Texier will, da für einen solchen
die feine, sorgfältige Arbeit zwecklos wäre und
überdies mit der Technik des oben abgebildeten
Mauereckes, das sicher der Umfassung angehört, im
Widerspruch stünde. Der Zeit nach schwerer bestimm-
bar ist ein Felskammergrab an dem Nordhange des
Hügels unterhalb der Stadtmauer, dessen Grundriß
und Schnitt Fig. 95 gibt. Ungefähr 7 Minuten südlich
Gruvl^riSS.
95: Kammergrab bei Pygela.
der Stadt übersetzt eine aus Ziegeln und Bruch-
steinen, mit einzelnen eingebauten Tonrohren her-
gestellte Mauer mit zwei Durchgängen (Fig. 96) das
Tal, welche von den Reisenden bemerkt ") und
richtig als Aquaedukt der beschriebenen Stadt auf-
gefaßt worden ist. Ich habe in der Tat den Strang der
Tonrohre noch an mehreren Punkten bis in die un-
mittelbare Nähe der Stadt verfolgen, aber auch durch
gleiche Reste jenseits des Aquaeduktes feststellen
können, daß er sein Wasser aus der großen ephesi-
schen Leitung entnahm, welche, aus dem Deirmen-
noch den nördlichen Teil der im Folgenden be-
schriebenen Bucht.
u) Pococke, Description of the East II2, London
1 745 p. 52; Chandler, Travels in Asia minor2, London
1776 p. 140; Leake, Journal of a tour in Asia minor,
London 1824 p. 26; Hamilton, Asia minor, London
1842 II 22; Texier, Asie mineure II 287; H. Kieperts
Karte des westlichen Kleinasiens Blatt X.
15) Erwähnt auch schon von Tournefort, Voyage
du Levant (1702) p. 524.
M3
J. Keil
144
dere kommend, allen Kurven des Geländes folgend
als deutlich sichtbarer Mauerstrich vorbeizieht und
von der hier am bequemsten Wasser nach dem durch
das schmale Tal getrennten Orte hinübergeleitet werden
konnte. Überblicken wir, was uns die noch erhaltenen
Reste der beschriebenen Ansiedelung lehren, so sehen
wir, daß wir es mit einem Städtchen zu tun haben,
das eine gegen Nord- und Südwind geschützte Hafen-
westlich des Pamudschak in der Literatur erwähnt
wird. In den decisiones iudicum Venetorum 1278 wird
Beschwerde geführt über die Beraubungen vene-
tianischer Schiffe durch Piraten, vgl. Hopf Chroniques
Greco-Rom. p. 145 „corsari, che stavano in Anija e in
S. Zuanne dell' Altoloco"17). Da Altoloco der Name
für das mittelalterliche Ephesos auf dem Ajasoluk-
hügel ist18), muß S. Zuanne in der Nähe der Stadt
96: Aquaedukt bei Pygela-
bucht besaß, das in griechischer Zeit mit einer Ring-
mauer versehen, bis in späte byzantinische Zeit fort-
bestanden hat. Das ist gerade das, was wir für Pygela
verlangen müssen, und da die Ansiedlung diejenige
Stadt ist, welche Ephesos im Süden zunächst liegt,
so sind wir gezwungen, in ihr Pygela zu erkennen le).
Hiermöchte ich wenigstens dieVermutung äußern,
daß auch die von Benndorf geschilderte Anlage Sud-
an der Küste gelegen haben. Und in der Tat für
einen Schlupfwinkel von Piiaten scheint mir der ver-
steckte Talwinkel ganz vorzüglich geeignet. Auf
schnellen Schiffen mochten sie auf ihnen bekannten
Wegen durch die versumpfte See einfahren bis
unter die Mauern der kleinen Burg auf der vor-
springenden Halbinsel, wo sie ihre Beute in Sicher-
heit brachten.
16) Dali der hl. Willibald (aus der Erinnerung)
die Entfernung auf nur zwei Meilen schätzte, kann
nur wenig bedeuten; auch für das Benndorfsche
Pygela ist die Angabe zu niedrig. Der Compasso des
Uzzano, der vom Capo di S. Joanni fünf Miglien
zum Casale le Figuella rechnet (Tomaschek zur hist.
Topographie Klcinasiens im Mittelalter, Sitzungsber.
Akad. Wien 124. VIII 35), hilft uns nichts, da wir
das Vorgebirge des hl. Johannes nicht kennen. Die
Schilderung der Fahrt des Polyxenidas (Liv. XXX VII
II, 4), der nach Sonnenuntergang von Ephesos aus-
fahrend vor Sonnenaufgang im Hafen von Pygela
Zuflucht nahm, weil ihn widriger Wind an der Über-
fahrt nach Samos hindert, würde natürlich auch auf
das Benndorfsche Pygela bezogen werden können.
'') Tomaschek a. a. O.
'"i Vgl Brockhoff a. a. O. 50. 52.
145
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos
146
II. Marathesion.
Für diese Stadt fließen die antiken Quellen spär-
licher als für Pygela. Strabo bestimmt ihre Lage zwi-
schen Anaia (Neapolis?) und Pygela19), Ps. Skylax zwi-
schen Ephesos und Anaia20), während Steph. Byz. sie
eine Stadt Kariens nennt, die den Ephesiern gehörte.
Auch sie war wie Pygela und Anaia eine altionische
Gründung und wurde nach dem Meliakos polemos
von den Samiern den Milesiem überlassen 21). Als
türk. Kusch-adasy), das sich mit seinen stellenweise
noch recht wohl erhaltenen mittelalterlichen Mauern
malerisch den Berg hinaufzieht. Wie das Fehlen
antiker Mauerreste in der Stadt beweist, wie auch
der Name andeutet, liegt es nicht an der Stelle einer
antiken Stadt, sondern ist eine Gründung italischer
Handelsleute, die bereits im 14. Jahrhundert erwähnt
wird 25). Eine Viertelstunde südwestlich aber liegen
die Ruinen ihrer antiken Vorgängerin. Hat man
MKhB
97: Marathesion von Südost.
Mitglied des attischen Reiches zahlte sie einen Betrag
von einem Talente 22) — später 2000 Drachmen23) —
und wurde in unbestimmbarer Zeit im Austausche
mit dem Ephesos ferner liegenden Anaia (Neapolis?)
von den Samiern an die Ephesier abgetreten. Jüngere
Nachrichten als Plinius 24) besitzen wir, soviel ich
sehe, für Marathesion nicht.
Eine Wegstunde südlich von Pygela erreicht die
vorerwähnte Straße das freundliche, aber dem Verkehre
entrückte Städtchen Sealanova (griech. Naa "Ecpeao;,
19) XIV 639.
2n) § 98; Geographi Graeci min. ed. Müller I 72.
21) s. oben Anm. 5.
2;) IG I 233, 5 (447/6 v. Chr.); 238, 6 (442/1
v. Chr.).
23) IG I 244, 16 (436/5 v. Chr.).
u) N. h. V 31.
25) ,Nova Efesus a Lombardis construeta' nennt
diesen Hafen Ludolf von Sudheim 134S (Tomaschek
nämlich auf schmalem Felswege längs der Küste den
Stadtberg von Sealanova (Hagios Elias) umgangen,
so springt hinter demselben von dem sanfter gegen
die See abfallenden Gelände eine kleine Halbinsel
weit ins Meer vor, die einen schmalen flachen Isthmos
bildet und dann in einem felsigen Hügel endet. Eine
Ansicht derselben von SO gibt Fig.97; auch auf Fig. 93
ist sie bei c deutlich zu erkennen. An N.- und S.-Seite
des Isthmos, dort wo die Schiffe jeweils vor dem
N.- oder S.- Winde Schutz fanden, sowie am N.-Ab-
a. a. O.), dessen türkischen Namen Kusch-adasy
(= Vogelinsel nach dem kleinen Eilande in der Bucht)
schon Pierere'is in der Handschrift der Ieni Djami
in Konstantinopel v. J. 1520 angibt (Wiegand a. a.
O- S. 33); der italienische erscheint in den Porto-
lanen. Auf Sealanova bezieht sich auch die nieder-
ländische Relation aus dem Oriente (XIV. Jahrhj,
Vierteljahrsschrift Orient und Occident, ed. Benfey
I (1664) 50,4; vgl. Brockhoff a. a. O. 60 f.; 78.
'47
J. Keil
I48
98 : Fragment eines Ambo aus
Marathesion.
hange der vorspringenden Halbinsel ragen aus dem
abgespülten Uferrideau eine Unmenge antiker Mauern
aus schönem Quader- oder Mörtelmauerwerke hervor,
welche sich zum Teile bis in das Meer verlängern.
Zwischen ihnen gewahrt man Fußböden, darunter
einen Mosaikboden, Wasserleitungsstränge, skulpierte
Marmorblöcke u. dgl., und eine stellenweise bis 3 111
und mehr dicke Schicht von Ziegelbrocken, Ton-
scherben und Kulturresten aller Art, welche ebenso
wie die Mauerzüge sowohl nördlich wie südlich des
Isthmos plötzlich und unvermittelt endet, beweist,
daß der Platz durch Jahrhunderte intensiv bewohnt
und mit einer Umfassung versehen gewesen sein muß.
Landeinwärts hat die sorgfältige Bebauung des Bodens
heute alle über die Erde ragenden Reste des Alter-
ns : Fragment eines Grabreliefs au
Marathesion.
100: Relicfplatte aus Marathesion.
tums vernichtet. Aller
es wurde mir von
den Feldarbeitern
versichert , daß der
Boden überall von
alten Mauern durch-
zogen sei, ich bekam
zahlreiche dort ge-
fundene Münzen römi-
scher und byzantini-
scher Zeit zu Gesichte
und man wußte mir
auch noch die Stelle
anzugeben, wo eine
von Benndorf für
Wien erworbene Her-
me gefunden worden
sein soll. Einige skul-
pierte Marmorblöcke
hat man zu der dem
Hagios Taxiarchis ge-
weihten Einfriedung
nahe der Küste ge-
bracht. Darunter befindet sich das 0*5 5™ hohe Frag-
ment eines Grabreliefs guter, anscheinend griechi-
scher Arbeit (Fig. 99; , die Oberplatte einer großen
Basis römischer Zeit sowie das Bruchstück einer
byzantinischen Kanzel (Ambo, Fig. 98) und ein byzan-
tinisches Inschriftfragment. Antike Gräber, welche
zweifellos zu der Ansiedlung gehören , hat man
östlich derselben in den Äckern gefunden, andere
erkennt man zu beiden Seiten des nach Scalanova
führenden Weges; dort liegt auch die später als
armenischer Grabstein verwendete Marmorplatte Fig.
100 (die Aufnahme verdanke ich Herrn k. k. Statt-
haltereiingenieur F. Knoll), deren interessante Relief-
darstellung eine anscheinend nackte, gefesselte Frau
zeigt, gegen welche von rechts ein vierfüRiges Un-
geheuer heranspringt, wäh-
rend ein Mann von links
anscheinend zu ihrer Ver-
teidigung herbeieilt. Hinter
ihnen erhebt sich ein in
seiner Architektur nicht ganz
klares Gebäude (etwa die
scenae frons eines Thea-
ters, in dem die dargestellte
Tragödien? -Szene aufgeführt
wurde). Soviel konnte ich
bei wiederholtem Besuche
149
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von F.phesos
'SO
des Platzes ermitteln. Es reicht
hin, um das Vorhandensein einer
ummauerten Siedelung, welche von
griechischer bis in byzantinische Zeit
geblüht hat, an der Stelle sicher-
zustellen, in der wir, wenn wir sie
nicht namenlos lassen wollen, nur
das alte Marathesion wieder-
erkennen können 2Gl.
III. Antike Ortslage zwischen
Marathesion und Anaia.
Zehn Minuten westlich des
Punktes, wo die von Scalanova
nach Süden (weiterhin nach Sokia)
führende Fahrstraße, welche den
Küsten vorsprung abschneidend
sich in einem landeinwärts gelege-
nen Tale hinzieht, wieder zum Meere
niedersteigt, liegt im Winkel der
rückspringenden Küste, an der N.-Seite der herrlichen
Bucht von Ania ein niedriger Hügel Ambartepe ge-
nannt. Während seine Hänge allseits, besonders gegen
das Meer steil abfallen, bildet seine Höhe ein ziemlich
ebenes Plateau. Als ich ihn, den gesamten Küsten-
lauf absuchend, bestieg, erkannte ich an den alle
Felder bedeckenden Kulturresten, welche sich auch
über die kleine, westlich anschließende Senkung
erstrecken, den Platz einer nicht unbedeutenden
antiken Ansiedlung, welche den Hügel einnahm
und in einer kleinen, durch die weit nach Westen
vorspringende Küste geschützten Bucht ihren Hafen
besaß. Die nähere Untersuchung der Höhe er-
gab dann die Reste einer Ringmauer aus großen
blauen Kalksteinquadern, die an der W.-Seite des
Hügels — hinter dem Hause des freundlichen
Grundeigentümers Johannes Georgiadis — gegen
Süden verläuft und von der an der dem Meere zu-
gekehrten S. -Seite — halb verschüttet und von Ge-
strüpp überwuchert — noch ein fast 2 m hohes Stück
sichtbar ist (Fig. 101). An den anderen Seiten des
Hügels konnte ich nur ganz unsichere Spuren der-
selben auffinden. Von antiken Werkstücken und
Mauern liegt auf dem intensiv bebauten Plateau wenig
zutage, doch fand ich beim Hause des vorgenannten
101 : Ringmauer auf dem Ambartt-pe.
Griechen außer Byzantinischem auch_ ein Stück eines
Spielbrettes des bekannten in Ephesos bereits fast
ein Dutzendmal vertretenen Typus mit 6X6 Feldern.
In der Niederung westlich des Hügels befindet sich
im Gestrüppe verborgen ein monolithes Taufbecken
anscheinend in situ (Fig. 102) an einer Stelle, wo einst
eine Kirche gestanden haben soll und noch heute
alljährlich am 26. September a. St. eine Panegyris
zu Ehren des hl. Johannes des Täufers stattfindet 27).
' ! 1 t ' 1
102: Taufbecken beim Ambartepe.
26) Vgl. Leake a. a. O. p. 26; Boeckh CIG 3022;
Guhl, Ephesiaca 17. Frühere Reisende hatten wegen
der Namensverwandtschaft mit Scalanova hier Nea-
polis angesetzt.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI Heiblatt.
27) Nach diesem Taufbecken heißt die Gegend
auf der engl. Seekarte Bl. I 527 (Gulf of Scala Nuova)
,Ei Kolim veithra' = Ei; xoX'Jußiid-pav.
I5i
J. Keil
152
In der Nähe liegende byzantinische Werkstücke
dürften der Kirche zuzuweisen sein. Hat demnach
an der beschriebenen Stelle seit hellenistischer Zeit,
der die Mauer anzugehören scheint, eine ummauerte
Ansiedlung bestanden, so erhebt sich die Frage, ob
wir in der Lage sind, einen überlieferten Namen für
dieselbe in Vorschlag zu bringen. Einen solchen bot
der bisherige Strabotext, welcher von Neapolis spricht,
einer Stadt, welche die Ephesier im Austausche mit
dem ihnen näher liegenden Marathesion den Samiern
überließen (Strabo p. 639). So trug ich bei der
Auffindung des neuen Siedlungsplatzes auf dem
Ambartepe begreiflicherweise kein Bedenken, in
ihm das bisher vergeblich gesuchte Neapolis zu er-
kennen. Seither hat v. Wilamowitz den letzteren
Namen, welcher sonst nirgends mit Sicherheit nach-
gewiesen werden kann, aus dem Strabotexte getilgt,
indem er für s!ra Nsä-oXij: sh' Avsa (= Avaca)
"i/.tg liest. Dieser Änderung, welche eigentlich gar
keine Änderung ist, hat soviel innere Wahrschein-
lichkeit für sich, daß man sie für richtig halten wird,
auch wenn einem die äußern Gründe für ihre An-
nahme weniger überzeugend scheinen ■ — daß Neapolis
in den sonstigen Küstenbeschreibungen nicht erwähnt
wird, wäre nichts besonders auffälliges; so übergeht
der Periplus des Ps. Skylax Pygela, übergehen Plinius
und Mela Anaia; dazu käme in dem besonderen
Falle, daß die , Neustadt' vielleicht eine verhältnis-
mäßig junge Gründung, vielleicht jünger als der
Periplus war — und wenn man sich schwer einen
Zeitpunkt denken kann, in dem das um 700, dann
im fünften Jahrhundert und um 200 sicher samische
Anaia (die Belege s. u.) ephesisch gewesen wäre,
um dann im Austausche mit Marathesion an Samos
zu kommen. Ich ziehe es daher heute vor, auf eine
Benennung der ummauerten Ortslage des Ambartepe
zu verzichten.
IV. Anaia.
Anaia wird in vorrömischer Zeit meist in Ver-
bindung mit Samos genannt. Zwar was Pausanias
1t, daß ein Teil der Samier beim Herannahen
der Ephesier unter Androklos geführt von Leogoras
auf das Festland hinüberfloh und um Anaia eine Mauer
Paus. VII 4, 3.
") S. oben Anm. 5.
iikyd. III 19, 2; 32, 4; IV 75, 1; VIII
f>. I; 6l, 2.
'' Wiegand und v. Wilamowitz, Sitzungsber.
zog29), um 10 Jahre später von dort aus die Ephesier
wieder aus Samos zu vertreiben, scheint historisch
wertlos und vielleicht Fiktion nach späteren Ereig-
nissen. Nach der Vernichtung von Melia, dem Anaia
vorher angehörte, wurde der Ort von den Kolopho-
niern, offenbar gegen gelegenere Entschädigung, an
Samos überlassen-9). Im peloponnesischen Kriege ist
er derSitz der athenerfeindlichen samischenOligarchen,
welche die Spartaner auch mit Schiffen unterstützen 30).
Um 200 v. Chr. erwähnt ein volkswirtschaftlich
interessantes Gesetz der Samier, die AvasTxtc, X<i>Pa>
die der samischen Hera tributpflichtig ist31). Häufiger
genannt wird die Stadt, welche auch einen Peripate-
tiker Menelaos und einen Historiker Melas hervor-
brachte 32), wieder in byzantinischer Zeit, wo sie
Bischofssitz war und 1298 in türkischen Besitz kam33).
Damals lag sie nicht am Meere, sondern nach TJzzanos
Angabe drei Miglien von der Küste entfernt34).
Von letzterer Angabe muß jeder Versuch der
topographischen Fixierung der Stadt ausgehen. Ihr
entspricht aufs beste die Lage des heutigen, rein
türkischen, den alten Namen bewahrenden Dorfes
Ania, das, auf isoliertem Bergausläufer gelegen, über
reichbebaute Hänge niederschaut auf das wundervolle
Rund des Golfes, in dessen Süden die Mykale maje-
stätisch aufragt, um ohne sichtbaren Einschnitt über-
zugehen in die blauen Berge des gegenüberliegenden
Samos. Ich habe Ania dreimal besucht und einmal
auch eine Nacht dort zugebracht, um die tagsüber
auf den Feldern beschäftigten Bewohner abends im
Kaffeehause auf das gründlichste nach allen antiken
Resten des Platzes auszufragen, und teile hier die
geringen Resultate meiner Nachforschungen mit. Daß
das Dorf an der Stelle einer antiken Ansiedelung
steht, ist zweifellos. Zahlreiche in die Häuser ver-
baute Werkstücke, die überall zutage tretenden Ziegel-
reste, ferner in den Feldern westlich unterhalb des
Dorfes gefundene Mauerzüge, große dort ausgegrabene
Tonpithoi, Münzfunde u. dgl. sind dafür ein hinläng-
licher Beweis. Weitaus das meiste von mir Gesehene
gehört der byzantinischen Epoche an; römisch sind
abgesehen von zwei als Brunnentrögen verwendeten
und möglicherweise weilhergebrachten Girlanden-
sarkophagen (unten n. 5 ; der zweite ist, soweit sicht-
Akad. Berlin 1904.
' ^teph. Byz. v. Avaia.
Pachym. II 420 (Bonn).
'1 Tomaschek a. a. O.
153
Zur Topographie der ionischen Küste südlieh von Ephesos
i.5 1
bar, ohne Inschrift und steckt an einer jetzt nicht
mehr benutzten Quelle 1 5 Minuten unterhalb des Dorfes
im Boden) einige wenige Architekturstücke sowie die
wichtige, pouXyj und äTjuo; nennende Grabschrift (unten
n. 6), hellenistisch die Stele eines hier bestatteten
Atheners (unten n. 7), welche auf einem nahen Acker
gefunden worden sein soll, sowie eine zweite ver-
mauerte Stele ohne Inschrift. Von einer Umfassungs-
mauer griechischer oder späterer Zeit konnte ich trotz
allen Suchens und Nachfragens keine Spur ausfindig
machen. Nach diesem Befunde glaube ich annehmen
zu müssen, daß der römisch-byzantinische Ort an der
Stelle des heutigen Dorfes gestanden hat, daß aber die
Melia untergebene Ansiedlung sowie die Station der
samischen Oligarchen möglicherweise anderswo in der
Nähe gesucht werden könnte. Ich habe daher auch
die Umgebung soweit als möglich durchstreift.
Deu Hafen von Ania bildete im Mittelalter ohne
Zweifel der Platz um den niedrigen Hügel an der
Küste, welcher die mittelalterliche Burg Kadi Kaie
trägt35). Da auch das griechische Anaia Beziehungen
zum Meere hat und Schiffe besitzt, werden wir auch
in griechischer Zeit an dieser Stelle einen Hafenplatz
annehmen müssen. Und in der Tat erkennt man unter
den Mörtelmauern der mittelalterlichen Anlage an
einer Stelle das kleine Stück einer Quadermauer an-
scheinend hellenistischer Zeit. Es scheint mir daher
nicht ganz ausgeschlossen, daß die alte Siedelung
etwa auf diesem Hügel und in seiner nächsten Um-
gebung anzusetzen sei.
Ein weiterer Platz, der für Alt-Anaia in Betracht
kommen könnte, ist ein flacher Hügel etwa 25 Minuten
nordöstlich von Kadi Kaie, ungefähr 10 Minuten
von der Küste entfernt. Dort kamen in einem
Acker schöne Architekturstücke, Säulenschäite, ein
gutes korinthisches Kapitell sowie eine hellenistische
Votivbasis an Hermes (unten n. 4) zutage, welche
jetzt vor dem Hause des Grundeigners Hadji Nikola
(Kokol) aufgestellt sind. Da die Fundstelle jedoch
nach den Angaben der Ackersleute nur auf einen
engen Raum beschränkt ist und ich selbst beim Be-
gehen des Hügels ausgedehntere Kulturreste nicht
fand, scheint es sich eher um ein einzeln stehendes
Landhaus, beziehungsweise Heiligtum, denn um eine
größere Ortslage zu handeln.
3y) Sie ist wohl mit dem Fondaco der Genuesen,
das seit 1261 hier bestand, zu identifizieren (Tomaschek
a. a. O.). Einen Plan der Anlage gibt Wiegand a. a.
O. S. 491 Abb. 612.
'"> II. Kiepert, Spezialkarte des westlichen Klein-
Zwischen diesem Hügel und der Ansiedelung
auf dem Ambartepe liegt wenige IOO m von der Küste
entfernt an der Stelle, wo H. Kiepert und die ihm
folgenden Kartographen Neapolis ansetzen35), auf
einem felsigen Hügel der mächtige kyklopische Mauer-
ring, von dessen Konstruktion die von Wiegand
publizierte Photographie eine Probe gibt37). Da der
so umfriedete Raum auf dem überall zutage liegenden
Fels keine Spuren von Gebäuden und auch sonst
fast keine Kulturreste aufweist, muß es zweifelhaft
bleiben, ob wir es mit einer altkarischen Siedelung
oder nur einem befestigten Zufluchtsplatze (Flucht-
berg) für die Zeiten der Gefahr zu tun haben. Jeden-
falls paßt der Name Neustadt — Neapolis sehr schlecht
zu dieser ältesten Anlage der Umgebung.
Dies sind nach meinen Untersuchungen die an-
tiken Ortslagen an der ionischen Küste zwischen
Ephesos und der Mykale: Pygela an der nunmehr
endgültig erwiesenen Stelle, Marathesion an dem
Landvorsprunge südwestlich von Scalanova, die Siede-
lung auf und westlich des Ambartepe, der karische
Mauerring, die Anlage auf den Äckern des Hadji
Nikola (Kokol) und Ania mit Kadi Kaie. Die nächste
Ruinenstätte im Süden ist das Panionion bei Giaur-
Tschangly. Möge es denen, welche dort einst den
Spaten ansetzen, gelingen, die topographischen Pro-
bleme der Umgebung erfolgreich weiter zu fördern.
V. Funde.
Im folgenden teile ich Inschriftenkopien, Skizzen
und Beobachtungen mit, die ich bei meinen Reisen in
der südlichen Umgebung von Ephesos gemacht habe.
Arvalia (Ortygia).
I. Bei Feldarbeiten in der Nähe des Hauses
des Grundherrn Hassan Bey wurde im Frühjahre 1905
neben Architekturfragmenten auch die in Fig. 103 ab-
gebildete Reliefstele aus grobem weißen Marmor ge-
funden (hoch 0-98 m, breit 0-47 m, dick 0"28 m, Buch-
stabenhöhe 0'02 m). Sie ist oben bestoßen, so daß
von der Giebelbekrönung nur noch die Rosette im
Tympanon erhalten ist. Von den zwei Feldern ist
das untere stark vertiefte leer, während das flache
obere einen nackten Jüngling in steifer Haltung mit
geschlossenen Beinen und herabhängenden Armen
asien Bl. X; Wiegand -Schrader, Priene Taf. III;
R.Kiepert, Karte von Kleinasien Bl. IC; Ramsay,
Handy classical maps, Asia Minor by Anderson u. a.
37) A. a. O. S. 28 Abb. 14.
155
J. Keil
'56
zeigt, der durch einen Strahlenkranz um sein Haupt
charakterisiert ist, von dem zwei Lockensträhne
auf die Schultern fallen. Oberhalb des Relieffeldes
statt des viel häufigeren Ausdruckes saxat aüxü> icpög
xdv 8-eöv, wo gleichfalls die Beziehung auf eine be-
stimmte Gottheit nicht ausgesprochen ist39). Der Be-
V J
103: Stele aus Arvalia (Ortygia!
ist die Inschrift : Mif a xö Svojia xoö 9-soü, | pi'fa xö
öaiov, | ui'fa xö ötfaB-öv eingegraben, während wir aus
den auf dem seitlichen Rahmen angebrachten Worten
xax' 6vap erfahren, daß ein Traum der Anlaß für
die Weihung unseres Steines gewesen ist. Für den
Wortlaut der Weihung bieten sich Parallelen. In
einer Inschrift aus Eumeneia in Phrygien38) wird
gegen den Grabschänder der große Name Gottes
aufgerufen iaxai aüxoi Jipöc; xö pi-fa övopa xoö S-soO
M, <S, ü=AT®©C„ .
griff des öotov erscheint verkörpert in dem 9-eöj äaios
einer lydischen Inschrift40), der gewiß kein anderer
ist als der in Kleinasien so häufige "Oaioj xai Aixaioj.
Für ein Anrufen dreier abstrakter Begriffe aber, wie sie
unsere Inschrift bietet, kann ich etwas genau Entspre-
chendes nicht finden'11). Gerade deshalb ist es so er-
freulich, daß unser Stein durch das Reliefbild selbst
Aufschluß gibt, welches Gottes Namen der Weihende
meinte und welchen Gott er als Verkörperung des
Heiligen und Guten betrachtete. So ungewohnt der
Typus ist, so genügt doch der Strahlenkranz um das
Haupt des Jünglings, um in ihm den Sonnengott er-
kennen zu lassen, für dessen Bedeutung in den Zeiten
des Absterbens der antiken Religionen unsere an
der Geburtsstätte der ephesischen Artemis gefundene
Stele einen interessanten Beleg gibt42).
2. Auf halber Höhe des Calafat-Dagh43) befindet
sich an der Nordseite eine senkrecht abfallende Fels-
wand, auf welcher in ganz roher Arbeit ein Athena-
relief (hoch o'6o m, breit 0*52 m) mit der Inschrift
des Verfertigers (Buchstabenhöhe 0'04 m) etwa 21/2m
über dem Boden ausgemeißelt ist. Die behelmte
Göttin ist, wie die aufgestützte Lanze und der an sie
gelehnte Schild zeigen, ruhig stehend gedacht, obwohl
die sonstige Stellung und die Gewandfalten auf eine
3S) CIG 3902; ähnliche Journal of Hell. stud.
IV (1883) p. 400 n. 18; Sterret, epigraphical journey
153 "• 138.
30) Für die Anrufsformel mit ui'faf überhaupt
vgl. Drexler in Roschers Lex. d. Myth. II 2552 fr.,
wo bes. das in Ägypten häufige |i£",'a xö 6Vv|i!x toO
Säpamc, belegt wird.
10) Athen. Mitt. VI (1880) S. 139.
") Vergleichen muß man die Inschrift ausGalatien
bei Ramsay, Journal of Hell. stud. V (1884) p. 253,
wo Z. 12 ff. steht: •/.'&[•/?] |ti, inoSlS'f), "Ootov, Aixsov,
'HXw E6pte, b\xaXi dx[ö]'.xr,aaxe xrjv vexpav xxX., wo
die beiden ersten Substantive allerdings möglicher-
weise als Anrufsakkusative generis masculini aufzu-
fassen sind, und Le Bas 1670 = Mouaetov xal ßtßXco-
ö-rjxr; 1888 S. 169 dp. xu,-f' mit es!(i>(?) 60(0) xal 81-
xato; vgl. Buresch, Aus Lydien 76.
n) Es ist des Hinweises wert, daß auch die er-
wähnte Weihung an "Ooioj (Ann). 40) diesen nach
dem Reliefbilde des Steines (Helios das Viergespann
lenkend) als Sonnengott auffaßt; vgl. Cumont in
Pauly-Wissowas Realenzyklopädie V 564.
") Vgl. die Karte bei Wicgand-Schrader, Priene
Taf. II.
157
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos
158
Bewegung nach links schließen ließen. Was die vor-
gestreckte Rechte hielt, ist nicht mehr erkennbar,
da sie, wie die Figur auch sonst, absichtlich ver-
stümmelt worden ist. Den Namen des Steinmetzen
und Weihenden vermag ich nicht zu erkennen; war
etwa Xv[xt](i)[v]avÖ5 statt 'Avxiovtavös geschrieben?
3. Das von einem wasserreichen Bache durch-
rauschte Dei'rmendere zerfällt in zwei Teile, die durch
Querhöhen, welche der Bach in enger Schlucht durch-
bricht, geschieden sind. In der Nähe dieses Durch-
bruches ist bei der Sas-dei'rmen auf einer großen Fels-
platte, am linken Ufer, an welcher offenbar einmal
der Weg vorüberführ-
te die von Wiegand
publizierte Inschrift
angebracht44), die ich
hier, um Kleinigkei-
ten zu verbessern,
wiederhole. Buchsta-
benhöhe 0'045 m-
Aß^^N
X(pt,ax)s 6 3-(eö)g
atij£e jcä-
aav 4IUX')V
Tiapioüaav
Ivtsö 9-sv
<£u.rjv.
t
«*) A. a. O. S. 491 Abb. 611.
45) Asie mineure II 288 f.
46) Texiers Publikation enthält eine Reihe von
Ungenauigkeiten und Fehlern.
47) Eine zweite Inschrift befindet sich auf einer
Marmorplatte außen über der rechten Nebentür zu
beiden Seiten eines Kreuzes; sie lautet (soweit erkenn-
bar): Naö; xvjg T7ispa-f£a[;] 3-(eot6x)ou x (?) | sxöjv
327 | ävaxoav7J9"»j 1883. Das muß doch die von
Texier gegebene zweite Inschrift sein! Sie ist recht
auffällig, denn die Kirche ist ja — worüber die
große Inschrift schweigt — heute dem hl. Johannes
geweiht. Noch seltsamer ist das Datum ixtöv 327 das
sich auf dem in der Kirche aufgestellten Marienbilde
Das obere Dei'rmendere bildet einen lieblichen
Talkessel, dessen hinteres Ende prächtig zerklüftete
Felswände bilden, zwischen denen das Wasser aus
enger Schlucht hervorrauscht. An ihrem Eingange steht
die kleine Kirche des heil. Johannes, welche Texier
beschrieben hat4''). Wie die über der Mitteltür an-
gebrachte Inschrift40) besagt, wurde das Kirchlein an
Stelle eines alten vergessenen erbaut, dessen Platz
ein Frommer, durch ein Traumgesicht der heil. Jung-
frau geleitet, wiedergefunden hatte, und im Februar
1834 vollendet47). Reste der angeblichen alten Kirche
sind noch heute vorhanden. Die neue ruht nämlich
auf einer kleinen Terrasse die auf der Bachseite aus
drei Lagen gewaltiger regelmäßiger Kalksteinquadern
von bis 2m Länge besteht, unterhalb welcher Reste
einer tiefereu Konstruktion vorhanden sind45).
Etwa 5 Minuten oberhalb der Kirche öffnet sich
an der N.- Seite der Schlucht eine enge künstliche
Felsgrotte, an deren Eingange Mörtelmauern, unter-
halb welcher aber auch Reste einer mächtigen
Quaderkonstruktion sichtbar sind. Aus ihr strömt in
wohlgebautem, auch in der Grotte fortgesetztem Ge-
rinne ein starker Bach, welcher heute die Mühle beim
Kloster treibt, der aber allem Anscheine nach nichts
anderes ist als der Kopf der großen ephesischen
Wasserleitung, die wir bei Pygela erwähnten 49). Die
ganze Anlage ist viel zu sorgfältig, um als modern
gelten zu können.
Eine Viertelstunde oberhalb dieser Felsgrotte
liegen auf dem Sattel zwischen dem Dei'rmendere und
dem Hochtale von Aktsche-ova die Reste einer nicht
unbedeutenden Ansiedelung, welche ihre Entstehung
dem den Taleingang beherrschenden Platze zu ver-
danken scheint. Zu erkennen sind zahlreiche Gebäude-
fundamente sowie beträchtliche Stücke einer Ring-
in Farbe aufgemalt wiederfindet. Ich unterlasse es
daraus Schlüsse auf die ,alte' Kirche zu ziehen.
4S) Auf Texiers romantische Beschreibung und
Deutung brauche ich nicht einzugehen; gegen seine
Ansetzung des alten Ortygia im Dei'rmendere und
der Geburtsstätte der ephesischen Artemis an dieser
Stelle, welche wie Benndorf hervorhebt, schon durch
die große Entfernung von Ephesos unwahrscheinlich
wird, spricht, wie ich aus eigener Anschauung ver-
sichern kann, auch der Mangel eines dominierenden
Berggipfels — des Solmissos — von dem die Kureten
den Geburtsvorgang verfolgten. Benndorf a.a.O. S. 76 ff.
49) So schon Texier a. a. O. p. 289.
159
T. Keil
160
101: Felsgruppe Assarlyk beim Dei'rmenilere
mauer aus kleinen, unbehauenen Steinen, die mög-
licherweise älter ist, als die anscheinend der Spät-
zeit angehörigen Gebäude im Innern.
Eine interessantere Anlage befindet sich drei
Viertelstunden südlich der Johanneslurche am West-
abhange des die Hochebene von Aktsche-ova west-
105: Umfriedungsmauer der Anlage auf dem Assarlyk
lieh begrenzenden Bergzuges.
Dort ragt eine Gruppe dreier
gigantischer Felsen, Assarlyk
genannt, isoliert auf, die in
ihrer charakteristischen Form
selbst noch von der Meeres-
küste bei Kadi Kalessi deut-
lich wahrnehmbar ist50) (Fig.
104). Eine aus schönen Qua-
dern gebaute Umfriedungs-
mauer mit zwei Eingängen
ist an der Westseite zum
Teil noch recht wohl er-
halten (Fig. 105). Beiß (vgl.
die Planskizze Fig. 106) be-
fand sich ein geschlossener
Raum, dessen Wände im O.
und N. durch den abgearbei-
teten Fels gebildet werden.
Von der unteren Terrasse,
die sonst nur noch undeut-
liche Mauerspuren aufweist, führt eine in den Fels
gehauene Treppe zunächst in die Spalte zwischen II
und III, dann über II und den nur schwer passier-
baren Spalt nahe der höchsten Erhebung I. Sind aut
II und III nur geringe Spuren einer Einfassungs-
mauer vorhanden, so ist diese auf der O. -Seite von II
in mehreren Lagen erhalten. Unter-
halb der höchsten südlichsten Kuppe
ist eine Vertiefung von 5X3™ in den
Fels gemeißelt, die jetzt zum Teil
mit Erde erfüllt wird. Die an der
Ostseite des Felsens eingezeichnete
Mauer ist schlecht und scheint nur
zur Terrassierung gebaut. Für die
Bestimmung der Anlage fehlen alle
äußeren Indizien. Aber ihre Klein-
heit, dann die Art der Mauern, wel-
che nicht für Verteidigung bestimmt
gewesen sein können , ferner die
Wahl dieser Felsgruppe überhaupt
scheinen mir die Beziehung auf
eine Burg oder ein Fort auszu-
schließen und eher auf ein Heilig-
tum zu deuten. Noch wahrschein-
licher ist mir, daß wir es mit einer
Grabanlage mit all dem für die
Totenfeste nötigen Zubehör zu tun
"; Auch sie ist von Tcxier besucht und beschrieben worden, a. a. O. p. 289 f.; er hält sie für ein .chäteau'.
i6i
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Kphesos
IÖ2
hahen; dann würde die Grube bei A das Grab vor- oblonge, o-o6 m tiefe Einarbeitung von 0-l8X0'I5m;
stellen. Als nächste Parallele würde ich dann die gefunden mit zahlreichen Architeliturstücken auf dem
.sogenannte Felswarte' bei Hagia Triada (bei Smyrna) oben S. 153 beschriebenen Acker.
106: Planskizze der Anlage auf dem Assarlyk.
am Sipylos heranziehen"), die ich trotz Szan tos Wider-
spruch52) für eine Grabanlage halte; die Wahl eines
dominierenden steilen Felsens, die in den Fels ge-
hauene Grube, die hinaufführenden Felstreppen und
schließlich Mauerzüge am Fuße des Felsens hat sie
mit der unseren gemein.
A n a i a.
4. Basis aus bläulichem Marmor, hoch fj'62 m,
breit o-45m, dick o-45m, Buchstabenhöhe o-026m; oben
I
Ah/';okah£
ÄOHNAroPE.
EPY1H!
Arj|J.oxXij;
A.6-r]va-fOps<o
'Eppv/jt.
Die Buchstabenformen weisen die Inschrift in
hellenistische Zeit 53).
5. Großer Sarkophag, hoch o-70m, breit 2-20m,
tief 078 m. Buchstabenhöhe der antiken Schrift 0^025 m;
jetzt Trog des Dorfbrunnens im Dorfe Ania, dessen
Leitung jedoch zerstört ist (Fig. 107). Erwähnt von
Wiegand, der auch einen Teil der antiken Inschrift
mitteilt54). Die Deutung der mittelalterlichen ist mir
nicht ganz gelungen; die antike lautet:
A A'jtv) yj aopö; xal ö Orcö aüxY]v ßcou,ö; xal 6 ixsp[l a]ü[r«v]
Totos siaiv 'Apeaxovxo; xoü 81; xo[(5 Xcj xal
-fuvatxo; aüxoö xa[l] xsxviov [aü]xm[v.
B 'Op.oiw; xal <X>tX=xa£pou 81; xoü M[a? xal
f uvaixö; aüxoO Aia[8]ou[|rev£a; ? . . . . xal
xs]x[v]üjv [aö]x[(ö]v.
1 /. 2 ist xuätaxou unmöglich, vielmehr die von
mir gegebene Lesung gesichert; nicht ausgeschlossen
ist jedoch, daß man das unnötige erste xsO tilgen
wollte.
51) Abgeb. bei Curtius, Beiträge zur Geschichte
und Topographie Kleinasiens Taf. V 4 ; danach Perrot-
Chipiez, Histoire de l'art V 44 Fig. 10; vgl. G.
Weber, Le Sipyle et ses monuments 12.
r'2) Athen. Mitt. XVI (1801 I S. 244 ff. ; ein scharfer
Gegensatz zwischen Grabanlage und Opferstätte be-
steht nicht; auch erstere ist ja eine Opferstätte.
I >ie Inschrift soll von einem Griechen abge-
schrieben worden sein, scheint aber unpubliziert.
'i A. a. O. S. 490.
i63
J. Keil
164
AYTmaoIbs^r-i'noAYTwBflHoS&on
ronosEi»n;ÄF t • ?: ■ r .
OM01.M!iAj'}>tAE"lAIFÖ)Q\Js7oY" 51
rYNAIS&jyÖ'ToY-AIAA«'.-
107 : Sarkophag in Ania.
ß Z. 2. Der Name der Frau kann nach den Resten
nur AiaSouuivT] oder Ata3oup.ev(a oder A'.aSoujieviayvj
gewesen sein; doch scheint nach den Buchstaben-
spuren A'.a3ou|J.sv£a zu bevorzugen.
6. Stele aus bläulichem Marmor, hoch o-6l m,
breit 0-46 m, dick crilm, Buchstabenhöhe 0-028 m,
im Hofe des Tschakyroglu-Halil als Belagstein vor der
Tür des Hauses; sehr abgetreten.
Ap]Tsu.u>v ['AtioX --
X]ü)v£ou to[0 'A3--?
>]va](ou . 'H ßo[uM]
y.al & 5^no{ 6 'A[va-
5 EtTtöv ^ateyav-
toaev 'ApTE|iu)va
ßic&aavra xz/.[(ö]j.
Xaipe.
Inschrift ist wichtig, denn sie gibt das erstemal
urkundlich den Namen der Einwohner von Anaia, frei-
lich mit einer Lücke, in der aber nur Ä[vat] oder Ä[va]
eingesetzt werden kann; letzteres wird durch den
Raum empfohlen. Steph. Byz. gibt als Ethnikon Avato;
an, weist aber darauf hin, daß Thukydides die Ein-
wohner Avatxa; nenne, wofür unsere Ausgaben Avaü-
Tat geben. Thukydides behält also recht. Ferner er-
fahren wir aus unserer Inschrift, daß zur Zeit ihrer
Abfassung — wohl im zweiten Jahrhundert n. Chr. —
Anaia eine autonome Gemeinde mit Rat und Volks-
versammlung war; also nicht mehr samisch.
7. Fragment einer Giebelstele aus bläulichem
Marmor, hocho'23m, breit 0*20 m, dicko-07m; Buch-
stabenhöhe O'OIQ m. Jetzt im Hause des Muhadjir Djel,
gefunden angeblich auf einem der Acker in der Nähe
des Dorfes.
nCTpA
THAOKA
1TEAIO
S(i)atpa[xos
T7)XoxXi[ous
Die hellenistische, sorgfältig gearbeitete Stele be-
zeichnete, wie das Demotikon Eixeatoj lehrt, das Grab
eines fern der Heimat verstorbenen Atheners.
iö.s
Zur Topographie der ionischen Küste südlich von Ephesos
166
8. In Aktsche-ova befindet sich als Treppen-
stufe des Moscheehofes folgender Inschriftstein aus
blauweißem marmorartigen Kalksteine, hoch 0*50 ln,
breit 0'5gm, dick o-6o m, Buchstabenhöhe 0-06 m.
A'.vuoi;o[ä-
veosjto Ä[9--
r)]va-fip£[o).
Die Form Aivjst-^dvrjj ist, soviel ich sehe, Singu-
lar; dennoch dürfte kaum ein Schreibfehler vorliegen.
Die Inschrift gehört wohl noch ins 5. Jahrhundert.
9. In Bergaz (die Leute sprechen Burgaz) im
Kaffeehause des Ibrahim ist eine 0*67 m hohes, 0-30 m
dickes Säulenstück das man auf der einen Seite aus-
gehöhlt hat, als Stampfmörser in Verwendung. Es
stammt von einem kleinen Hügel neben dem Orte,
wo einst eine kleine Kirche gestanden hat. Darauf
liest man die folgen de Inschrift (Buchstabenhöheo-2 2ra):
.feniEvr
BßQ3NT©0C£jgA
t 'Eni Eöfsvfou
öxovöu.ou i-
•(■8V = T0 Sp','07
toütov x(öpt)e Pot;-
5 9wov Z'Ä- 3oöX-
O'j; (a)o0 Tcoawou
(lasiaxöpov.
Die Inschrift, welclie schöne Beispiele für die
orthographischen und grammatischen Kenntnisse des
Jahreshefte des i'sterr. archäol. Institutes Bd. XI Beiblatt,
in dem verlassenen Dorfe wohnenden Schreibers gibt,
ist also wohl die Bauinschrift der Kirche, die wir
uns nach der Säule recht bescheiden denken mögen.
Datiert wird nach dem (ol)xovöu£g, der also entweder
der erste Dorfbeamte oder der Vorsteher einer Domäne
gewesen sein wird. In |iast5TÖp(o))v wird man das
lateinische magister erkennen müssen, das im Neu-
griechischen ganz gebräuchlich den Vorarbeitern und
Aufsehern als Titel gegeben wird. Ob Kosmas und
Johannes also die Baumeister waren oder ob wir
in ihnen vielmehr die christlichen Nachfolger der
magistri ad fana templa delubra erkennen sollen ?
10. Kleine Aschenkiste aus bläulichem Marmor
mit Girlanden, früher in Bergaz als Brunnentrog
verwendet, dann angeblich in der Nacht von einem
Griechen gestohlen und an den englischen Vizekonsul
in Scalanova J. Alexakis verkauft, wo sie sich be-
findet; hoch 0-38 m, breit 0-585 m, dick 0-39, Buch-
stabenhöhe 0'025 m.
"AttkXoj 'AxtkXou £vj.
'EAtiIs Mrjvodwpou.
Offenbar von dem Gatten der verstorbenen Gattin
gewidmet, um später auch seine Asche aufzunehmen.
Sonst fand ich in Bergaz nur unbedeutende Ar-
chitekturstücke in den Mauern verschiedener Häuser;
Münzen wurden mir nur byzantinische gezeigt.
Auf dem Wege von Bergaz nach Gümüsch-kjöi
mich verirrend fand ich an einem gegen das Lethaios-
tal gesenkten Abhänge die Fundamente eines helle-
nistischen Forts, dann von wurzelgrabenden Kohlen-
brennern gewiesen, eine halbe Stunde SW von Naiblii
(NW von Magnesia a. M.) die alte Straße von Ephesos
nach Magnesia, welche in der 20 Minuten langen
Strecke, die ich verfolgen konnte, in einer Breite
von 5 m buchstäblich in den Fels geschnitten ist, der
an manchen Stellen bis 5 m senkrecht abgearbeitet
wurde. Ob die stellenweise recht stark ansteigende
Fahrbahn mit einer Schotterschiehte belegt oder nur
durch Ouerrillen praktikabel gemacht war, ist nicht
ersichtlich, da von Rillen nur ganz geringe Spuren
vorhanden sind. Gegenwärtig ist es kaum möglich,
auf dem durch das herabrinnende Wasser geglätteten
und auch zerfressenen Fels zu Pferde fortzukommen.
Die Erbauer der alten Straße von Ephesos nach
Magnesit, deren Meilenstein wir beim Bahnhofe in
Azizie noch besitzen, vermieden also das wegen der
Hochwassergefahr große Schwierigkeiten bietende Tal
des Lethaios, das jetzt mit Anwendung zahlreicher
Kunstbauten von der Aidinbahn benutzt wird, und
167
A. Gnirs
168
in dem Straßenreste späterer Zeit erkennbar sind, und
führten sie über die südlichen Höhen, wo ihr weiterer
Verlauf noch festgestellt werden muß.
II. In dem gastlichen Hause des Bahningenieurs
Walker in Azizie schrieb ich zum Schlüsse noch fol-
gende, anscheinend noch unpublizierte lateinische In-
schrift ab. welche aus Laodikeia a. L. stammt. Sie
steht auf einer Aschenkiste aus bläulichem Marmor
mit nicht ganz ausgearbeiteten Girlanden zwischen
Widderköpfen; hoch 0*255 m, '1relt °'425 m> dick
0-34 m, Buchstabenhöhe 0-OI7m.
Lco~i~\ni vilic{o) Apolloniae
vicari eins.
Smyrna.
JOSEF KEIL
Forschungen im südlichen Istrien.
I. Grabungen in Val Catena auf Brioni grande.
Die Grabungen und Untersuchungen im Gebiete
der antiken Villa von Val Catena (vgl. Jahreshefte X
Beibl. 43 ff.) bewegten sich im Herbste 1907 inner-
halb des Tempelbezirkes, um hier die Arbeiten zum
0"75m hohen Unterbaue errichtet. Auch scheinen nur
drei Stufen zum Pronaos hinaufgeführt zu haben, da
die Breite des Fundamentes für die Stufen in der Front
des Tempels nur 0'70m beträgt, während an den Seiten-
tempeln dieses Maß 2'8om groß ist.
108 : Grundriß des Tempelbezirkes.
Abschlüsse zu bringen. Ihr wichtigstes Ergebnis ist
die Aufdeckung eines dritten, zwischen den beiden
schon bekannten Tempeln B und C (Fig. 108) ge-
legenen Heiligtums A, das aus ihrer Front zurück-
gezogen und 2,4m von der Periboloshalle I> entfernt
die Mitte des heiligen Bezirkes einnimmt. Cella
und Pronaos stimmen in Größenverhältnissen und
Grundriß mit den beiden anderen Tempeln überein;
während diese aber auf etwa I'6om hohem Unterbaue
sich erheben, ist der mittlere Tempel auf einem nur
Eine Detailskizze des mittleren Tempels gibt
Fig. 109. Die Mauern sind aus Bruchsteinen in
reicher Mörtelbettung hergestellt. Vom aufgehenden
Mauerwerke ist am besten die Rückwand, und zwar bis
etwa zu einem Meter Höhe erhalten. Hier haftet auch
noch der Aulienverputz, der Quaderwerk nachahmt.
An den Eangseiten des Tempels befinden sich die
Anbauten H und K, die zwar nicht in das Fundament-
mauerwerk einbinden, aber doch gleichzeitig zu sein
scheinen, da der Außenputz gleichmäßig von den
1 6g
Forschungen im südlichen Istrien
170
Langseiten auf die Vorbauten übergeht. Auf den
Mauern der Vorsprünge liegt eine abgleichende
Mörtelschicht, die auf eine Abdeckung mit Stein-
platten bis zur Höhe des Tempelsockels schließen läßt.
Den vorderen Abschluß der Tempelanlage bildet
das Fundament B, das den Säulenstylobat und die
vorgelegten drei Stufen zu tragen hatte. An dieses
Fundament setzt links und rechts eine halbkreisförmig
verlaufende Sockelmauer an (A und C in Fig. 109),
die, in 0'40m Tiefe auf den gewachsenen Boden (terra
rossa) gebettet, sich stellenweise noch 0'30m über die
jetzige Oberfläche erhebt. Das Material besteht aus
kleinen Bruchsteinen in Mörtelbettung wie bei den
Tempelmauern; ebenso sind die kleinen Fundament-
vorspiünge e und e hergestellt. Auf dem halbkreis-
förmigen Fundamente standen Säulen der toskanischen
Ordnung, von denen Kapitelle und anlaufende Trommeln
109: Grundriß des mittleren Tempels.
gefunden worden sind. Die Verbindung dieser Säulen-
pergola mit dem Tempel, ebenso wie der Zweck der
beiden Anbauten H und K, ist vorläufig noch nicht
festgestellt. Von dem architektonischen Material des
mittleren Tempels und der anschließenden Säulen-
pergola wurde mit Ausnahme reichgearbeiteter Teile
vom Giebelakroter nichts gefunden.
Durch die halbkreisförmige Säulenpergola wurde
die ohne irgend einen Dekor verlaufende Wand
der Halle D verdeckt, die wahrscheinlich im Erdge-
schosse als Kryptoporti-
kus geschlossen war, wäh-
rend am offenen Hallen-
gange des Obergeschosses
Pfeiler standen, von denen
sieh ein vollständiges
Stück wieder vorfand
(Fig. IIo). Es ist ein mit
Kapitell und Basis ver-
sehener Pfeiler von 2'<)5m
Höhe und rechteckigem
Querschnitte. Die ein-
fache Basis zeigt eine
Plinthe und kräftigen
Wulst mit Plättchen, das
Kapitell ist toskanischer
Ordnung ; als Material
wurde weißer istrischer
Kalkstein verwendet. In
der Architektur und in
den Maßverhältnissen
stimmen diese Glieder
der Periboloshalle D mit
der vor dem mittleren
Tempel sich entwickeln-
den Pergola überein.
Während der Gra-
bungen kamen wieder-
Fragmente auch von
anderen Werk-
stücken zutage. Das schönste bisher gesicherte
Architekturstück aus der Fassade des Neptun-
tempels fand sich verschleppt gelegentlich
einer Untersuchung der frühmittelalterlichen
Basilika von Val Madonna an der Westküste Brionis.
In einem Einbaue aus dem XV. Jahrhundert lag ein
l'6m langes, beiderseits abgeschlagenes Gebälkstück,
das Architrav und Fries trägt (Fig. III'. Der Fries
zeigt in Hochrelief eine Reihe von Meerwesen mit ge-
ringelten Fischleibern; zu äußerst links und nach
links orientiert ein Seepferd, dann im Gegensinne
angeordnet einen Seelöwen und ein Mischwesen,
anscheinend mit menschlichem Vorderleibe, also wohl
einen Triton. Der durch die gegenständig emporge-
schlagenen Schwanzflossen der beiden ersten Ge-
stalten entstandene leere Raum ist durch einen klei-
nen Delphin gefüllt. Die Zugehörigkeit dieses Ge-
bälkstückes zu den Heiligtümern von Val Catena wird
durch die volle Übereinstimmung mit den schon vor
Jahren dort gefundenen Architekturfragmenten des
110: Pfeiler vom Ober-
geschosse der Periboloshalle.
i7i
A. Gnirs
172
m : Gebälk vom sog. Xeptuntempel.
sogenannten Neptuntempels (vgl. Jahreshefte IX Beibl.
38ff.), sowohl nach Maßen wie nach Darstellung, wahr-
scheinlich und vollends dadurch erwiesen, daß ein-
zelne schon früher mit Sicherheit lokalisierte Frag-
mente unmittelbar dem neuen Fundstiicke angepaßt
werden konnten.
Zur abschließenden Untersuchung kam im Herbste
1907 auch die weitere Umgehung des kleinen, an
den Tempelbezirk nördlich anschließenden Wohn-
hauses. Hinter demselben wurden in einer Entfernung
von 3-" m parallel laufende Mauerzüge G (Fig. 108)
aufgedeckt, die einen Hallengang gebildet zu haben
scheinen, der auf die Höhe des Monte Castellier hinauf-
führte. Innerhalb der Fundamente dieses Hallenbaues
kamen groß dimensionierte Werkstücke zum Vor-
scheine, die nach der Art ihrer Zurichtung einem
Rundbaue angehörten, der am Abhänge oder auf der
Höhe des genannten Berges zu suchen wäre.
schönes Beispiel für monumentale Hallen-
bauten der antiken ländlichen Baukunst und ihre
Einrichtung konnte aus den Grabungen östlich des
Wohnhauses am Tempelbezirke gewonnen werden,
nachdem hier bisher nur an der seeseitigen Sub-
struktion und an den Stirnseiten die Situation einer
großen Porticus erkannt worden war (Fig. 112). Sie
erstreckt sich längs der antiken Nordriva der Bucht
mit der Breite von fast I0m in einer Länge von
I50m vom Tempelbezirke bis zu einer kleinen diaeta,
in die sie einbindet. Die abwechselnd durch halb-
runde und oblonge Exedren gegliederte Rückwand
der Halle erinnert an die Vorschrift Vitruvs V, II, 2),
für monumentale Hallen einer städtischen Palästra:
.constituantur autem in ... . portieibus exedrae spa-
tiosae, habentes sedes . .'. Jedenfalls wird man sich
auch die Wände der Exedren in der Halle von Catena
mit Wandbänken versehen zu denken haben. Zum
Schmucke der Hallenwand gehörten die in situ vor-
gefundenen, ursprünglich mit Marmorplatten ver-
173
Forschungen im südlichen Isirien
17 l
kleideten Mauersockel und die auf diesen Postamenten
einst aufgestellten Rundwerke.
Parallel der großen, offenen Halle E läuft hinter
der Rückwand eine nur 2'3m breite geschlossene
Kryptoportikus F, die mit entsprechender Führung
den Exedren des vorliegenden Nachbarbaues aus-
weicht. F.iue derartige für schlechtes Welter be-
rechnete Wandelbahn hat wohl Vitruv V, II, 1 im
Auge: .(porticus) quae ad meridianas regiones est
conversa, duplex, uti cum tempestates ventosae sint,
non possit aspergo in interiorem partem pervenire'.
Durch diesen Doppelbau EF (Fig, 108) und die in
das Erdgeschoß der Periboloshalle des Tempelbe-
zirkes verlegte Kryptoportikus D war es möglich, bei
ungünstiger Witterung völlig geschützt von den
Wohnobjekten am Nordgeslade bis in das Terrassen-
haus am Südgestade von Val Catena zu gelangen.
Genau in die Mitte der großen Halle an der
Nordriva ist noch ein dritter Bau G angesetzt, der
zunächst wohl der Durchbildung der Fassade der
Portikus dienen sollte, die bei ihrer gleichförmigen,
langen Entwicklung ein den Bau in der Mitte über-
ragendes Glied verlangte. Daß er mindestens mit
einem Stockwerke die Halle überragte, ist aus den
fasto-90m starken Mauern zu erschließen. Dieser Bau
enthielt nur einen saalähnlichen Raum mit der Grund-
fläche von 10-65 X7'5m-
Durch die Grabungen in der Umgebung der
Tempel ließen sich auch Aufschlüsse über die Art
der Wasserversorgung der antiken Villenanlage ge-
winnen. Unweit des Neptuntempels unterläuft ein
Wasserleitungsrohr den südlichen Flügel der Peri-
boloshalle an der Stelle, wo sie in den untersten Bau
der großen Terrassenanlage des südlichen Villen-
JZL
3
komplexes einmündet. Der Aquädukt besteht aus
einem ungefähr 1 m tief liegenden Kanal, in dem das
Bleirohr noch in situ liegt. Rohrlichte rj'05— 0'o6ra,
Wandstärke o 006 — O'oo8m, maximaler Betriebsdruck
l'4kg proQuadratzentimeter; Material: Kärntner Blei;
Konstruktion: über eine Zylinderform geschlagene
Bleiplatte, die an dem aufgebogenen Zusammenstoße
gelötet ist1).
Nachdem die Wasserleitung und ihre Ausläufe
in die großen Wasserspeicher der vierten Terrasse
nachgewiesen waren, war es wünschenswert, den
speisenden Teilen der antiken Wasserleitung nach-
zugehen. Diese fanden sich, in der Trasse der
Leitung gelegen, auf dem Ostabhange des vom Ge-
stade Val Catenas aus sich erhebenden Monte
Castellier in ungefähr 14™ Seehöhe. Ein breiter, in
den gewachsenen Fels bis zum Meeresspiegel ge-
triebener Brunnenschacht (B, Fig. 113) erschließt
einige mit Kluftwässern gefüllte Spalten, welche vor
dem Eintritte der säkularen Niveauerhöhung des
Meeres hinlänglich ergiebig und süß gewesen sein
müssen, um den beträchtlichen Bedarf der antiken Villa
an Süßwasser zu decken. Die Anlage setzt sich aus
folgenden Teilen zusammen Ein kleines Nymphaeum .4
- als Ruine erhalten (vgl. Fig. 113 — umschließt
den Brunnenschacht B. Als installierter Wasser-
förderungsapparat ist nach dem baulichen Befunde
eine Hornhaspel mit doppelter Eimerförderung anzu- ■
nehmen, die, mit Rücksicht auf das Niveau der be-
nachbarten Wasserreservoire C und D auf den beiden
an den Brunnenrand sich anschließenden Parallel-
mauern entsprechend hoch montiert, durch eine kleine,
noch erhaltene Freitreppe erreicht wurde. Das ge-
hobene Wasser wurde in die beiden aneinander an-
RIVA ANLAGE
Jo »o 50WETER
i 1
H AFEN
lia: Portikus .1111 Nordgest:ide
') Ergebnis der in den Skodawerken Pilsen 1 durch
freundliche Vermittlung des Herrn Generaldirektors
G. Günther vorgenommenen Untersuchungen.
•75
A. Gnirs
I76
stoßenden Betonbassins C und D geworfen, um für
die Druckleitungen den entsprechenden Wasservorrat
disponibel zu haben. Die Piscina C scheint die Wasser-
leitung von Val Catena bedient zu haben, während D
einem nach dem heutigen Orte Brioni (im Altertume
eine villa rustica mit Ol- und Weinpresse und Hafen-
anlage) gelegtem Aquädukte zugewiesen war. Größere
Reste seiner in einen Kanal verlegten Bleirohrleitung
wurden vor JahrenzwischenBrioniundMonte Castellier
aus dem Boden der Felder gehoben.
fachen Formen des antiken Meierhofes2), wie er auch
die Grundlage für den Entwurf einzelner diaetae3)
als monumentaler Glieder der ausgedehnten antiken
Luxusvillen bildet. Überraschenderweise findet sich
in dem ländlichen Baukomplexe auf dem Monte
Collisi der Typus der villa rustica für die Anlage
einer Ölfabrik mit daran anschließenden Unterkunfts-
räumen, Depots, Ölkammer usw. verwendet. Man
kann den Bau souach als villa rustica klassifizieren,
von der aus ein landwirtschaftlicher Betrieb unter-
113: Brunnenschacht und Wasserbehälter auf dem Monte Castellier.
II. Grabungen am Monte Collisi
(Brioni grande).
I. Villa rustica. Die Ausgrabungen eines an
den Typus der römischen villa rustica sich anlehnenden
Einzelbaues auf dem Plateau des Hügels Collisi wurden
durch die dankenswerte Unterstützung von Seiten der
Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft,
Kunst und Literatur in Böhmen und durch die
gütige Überlassung des Grabungsterrains von Seiten
des Besitzers, Herrn Generaldirektors Paul Kupel-
wieser ermöglicht. Die Arbeiten begannen im Februar
1907 und legten zunächst ein in seinen Sockelmauern
noch erhaltenes antikes Gebäude bloß, das mit
59'7X55m Grundfläche das genannte Plateau ein-
nimmt. Der Typus der hier aufgedeckten ländlichen
Hausform ist für Istrien nicht neu: eine villa rustica,
bestehend aus dem in ganzer Front geöffneten peri-
stylen Hofe, an dessen Hallengang ein rückwärtiger
Ilaupttrakt und zwei Seitenflügel sich anschließen.
Dieser Grundriß wiederholt sich ebenso in den ein-
halten wurde, der nur die ringsumliegenden Ölgärten
zu bewirtschaften hatte und dann auch die Ver-
arbeitung des gewonnenen landwirtschaftlichen Pro-
duktes übernahm.
Innerhalb des Gebäudes legt sich um den geräu-
migen Hof eine (1 förmige Portikus, wovon Reste der
aus runden Steinscheiben aufgemauerten Säulen (nicht
in situ) und der Stylobat in situ ausgegraben wurden.
In dem rückwärtigen Trakte von genau 300 pedes
Frontlänge ist die Ölfabrik eingegliedert, deren Ein-
richtung teilweise an die von Stephan Gsell mitgeteilte
Anlage von Bir Sgaoun4) (Algerien) erinnert. Jeden-
falls hat sich am Monte Collisi mehr technisches Detail
erhalten, das einen guten Einblick in den in antiker
Zeit üblichen Vorgang der Olgewinnung ermöglicht5).
Außer dieser Villa stellte ich auf den brionischen
Inseln noch antike Meierhofanlagen, mit Ölpressen
und Weinkelter ausgestattet, am Hafen S. Nicolo
(Brioni minore), ferner innerhalb des großen Be-
festigungsbaues aus der Völkerwanderungszeit in Val
-) Vgl. die von mir im Kaiserwalde bei Pohl
ausgegrabene villa rustica, besprochen in den Jahres-
heften IX Beibl. 44 ff. und Jahrb. für Altertums-
kunde II 131 ff.
!) Vgl. Jahreshefte IX Beibl. 27; X Beibl. 47.
'1 Stephane Gsell, Les monuments antiques de
l'Algerie t. II. Installations rurales p. 28 ff.
r>) Über die ganze Anlage vgl. Jahrbuch lür
Altertumskunde II 134 ff. — Über die Einrichtung
der olearia: Vitruv VI 6, 3.
177
Forschungen im südlichen Istrien
.78
Madonna und an der Stelle des heutigen Brioni fest,
die zusammen mit der großen Herrschaftsvilla von
Val Catena uns eine geschlossene, produktive Be-
sitzeinheit aus römischer Zeit vergegenwärtigen, wie
ich sie gleichartig bei den jüngsten topographischen
Untersuchungen auch am gegenüberliegenden istrischen
Festlande wiederholt nachweisen konnte0).
2. Kleinfunde. Zu den während der letzten
Grabungsperiode in Val Catena, Val Madonna und
auf Monte Collisi gewonnenen, sonst unbedeutenden
Kleinfunden gehört eine Reihe keramischer Erzeug-
nisse mit Erzeugermarken und Ritzinschriften:
a) C. Ceioni M(a)x(im)i, tegula aus Ton, Höhe
der Marke 0-35™, erhabene Buchstaben, Fundort:
villa rustica Monte Collisi. Aus Istrien sonst wieder-
holt genannt die Marke C • CEIONI ■ MYl 7).
6) Si(ali) Itisli, tegula aus gelbem Ton, Höhe
der vertieften Buchstaben o-22m, Fundort: Tempel-
bezirk in Val Catena8).
c) C. Flavi, tegula aus gelbem Ton, Höhe der
Marke 0'2m, erhabene Buchstaben, Fundort: West-
fassade des Terrassenhauses in Val Catena Gleiche
Marke im Einlaufe der Zisterne im Peristyle des
Terrassenhauses 9).
d) Imp. Pac Doppelmarke am Mundsaume
einer Amphora aus dem Terrassenhause in Val Catena.
e) [L. F~\iriloni, Marke auf einer tegula, Marken-
höhe 0-38 m, Fundort: Val Catena, Nordgestade1").
/) Her\i\, Marke auf dem Mundsaume einer
Amphora, Höhe o-I5mU).
g) . . . aeso, vielleicht ein neuer Stempel der be-
kannten Marke [A. F]aeso(ni), tegula aus Chamott-
erde, Markenhöhe 0-37m, Fundort: Basilika in Val
Madonna (Brioni). Diese Kirche war ursprünglich
noch mit römischen tegulae, Fabrikat des A. Faesonius
A. F., gedeckt, dessen Marke hier wiederholt fest-
gestellt werden konnte.
h) Seri, Stempel am Boden einer Schale aus
terra sigillata 12), Ritzinschrift auf der Außenfläche
des Bodens arte 13).
i) Laiini, Fußstempel am Boden einer Schale
aus terra sigillata, Fundort beider Gefäße: Terrassen-
haus in Val Catena.
k) Pansa(e Vibi), tegula aus rotem Ton, Höhe
der Marke <T23m, Fundort: Westfassade des Terrassen-
hauses, Haupteingang.
1) M. Seri, tegula auB rotem Ton, Höhe der
Marke 0'2m, Fundort: Nordgestade von Val Catena.
Außer mit der Marke Pansa ... ist die tegula I:
noch mit der Bildmarke .Dreizack" gezeichnet,
während sich mit der Erzeugermarke M. Seri (l) das
Zeichen des Blattkranzes verbindet. Als Schutzmarke
der Fabrikate im modernen Sinne werden sich diese
Bildmarken kaum auffassen lassen, da ziemlich gleich-
zeitig gleiche Marken auf Fabrikaten verschiedener
Provenienz auftreten. So findet sich z. B. Dreizack
und Palmblatt in gleicher Zeichnung wie auf den
m
K
ÜÄSfl
Et
CFL^
Ur74\
d
VllOM
SU]
g
ffl
^p mAim
OM'lMv3
G) Vgl. meinen Artikel im Jahrbuch für Alter-
tumskunde II 118 ff.: Zur Topographie des ager
Polensis; Florianum bei Pola.
T) CIL III 8110 ,;,; Fundort Capodistria; Atti
e memorie II 233, 87; VTI4j5.
s) L. St(atius) Justus, Ziegelmarke aus Aquileia
und Istrien CIL III 8lI0137.
9) Dieselbe Marke auf einer Amphora in Padua
CIL III 8 1 1 2 lQ.
lnl L. Fullonius, Atti e memorie II 23698; V415.
") Vgl. gleiche Marke auf einem Amphoren-
deckel aus der Gegend von Fasana, Jahreshefte IX
Beibl. 43.
12) CIL III 8lI5„2.
13) Vgl. eine ähnliche Ritzinselirift auf einem
Terra sigillata-Teller aus Pola mit den ligierten
Ruchstaben ARTE CIL III 81 1; „,.
179
A. Gnirs
180
Pansaziegeln 14) mit den Marken Blattkranz, drei-
lappiges Blatt, Kerykeion auf den Dolien aus der
Fabrik des O. Tossius Ciraber. Palmblatt, Laubkranz
und Dreizack erscheinen auch sonst oft auf kerami-
schen Waren verschiedener Provenienz. Einen Bezug
der Bildmarke auf den Namen des Töpfers ließe in
einem Falle die Verbindung der Marke
C MINVC-C- FPEDAN
FEC • FORTVNAT ■ SER
mit dem daneben eingepressten Bilde der auf der
Kugel stehenden Tyche vermuten. Die beiden letzt-
genannten Beispiele stammen aus Rom(Doliummarken
im Magazzino archeolog.).
Zu erwähnen wäre noch unter dem aus den Gra-
bungen auf Brioni neu zugewachsenen inschriftlichen
Materiale eine Reihe von eingeritzten Zahlen, die ich
auf den großen Dolien der cella vinaria im Terrassen-
hause von Val Catena und aus der antiken Olfabrik
am Monte Collisi feststellte. Jedes dolium trägt zwei
Zahlen. Eine Zahl, mit tief eingegrabenen kleineren
Ziffern, ist gewöhnlich auf der Gefäßschulter deutlich
sichtbar angebracht. Leicht vor dem Brennen einge-
ritzt erscheint in kursivem Zuge eine zweite Zahl, die
oft so tief sitzt, daß sie an dem teilweise in die Erde
versenkten dolium nicht mehr abgelesen werden konnte.
Die erstgenannte Zahl steht, wie die Berech-
nungen ergeben, in Relation zum Fassungsraume
und gibt denselben an den untersuchten Beispielen
in amphorae an. Bei der zweiten Zahl ließ sich eine
derartige Relation nicht erkennen und ich halte sie
nur für eine laufende Erzeugungsnummer. Von der-
artigen eingeritzten Zahlen notierte ich a. c, d in der
cella vinaria von Val Catena und b in der cella
olearia am Monte Collisi:
, 1XIS
min (/6
.- _LXV
i II. III Si 10
a) 58 (amphorae) = 14 hl 85 '/j 1 (Nummer) 165
/') 6 1 '/2 (amphorae) = I 5 hl 75 1 (Nummer) 86
c) 67 (amphorae) = 17hl 16I (Nummer) 199
d) 65 (amphorae) = 16hl 64 Vol.
III. Funde aus Pola.
I. Sepulkrale Denkmäler.
Im Laufe des Winters und Frühjahres 1907
ergab sich bei Grabungen wiederholt Gelegenheit,
das Material der mittelalterlichen Stadtmauer und
ihrer Fundamente in der Gegend zwischen der porta
aurea und porta Ercole und nächst der porta gemina
zu untersuchen. Es zeigte sich, daß besonders für
die Fundamentierung von antiken Bauwerken her-
rührendes Quadermaterial, Säulen, Architekturglieder
und Inschriftplatten verwendet waren. Auf die auf-
fallende Menge von Steinmaterial, das von den ver-
schiedenartigsten sepulkralen Monumenten herrührt,
konnte ich bereits an anderer Stelle hinweisen1').
Kürzlich wurden an zwei Stellen aus den Fundamenten
der mittelalterlichen Stadtmauer weitere, zusammen-
gehörige Architekturreste gehoben, die ebenfalls
größeren Grabdenkmälern zuzuweisen sind.
Fraj
tit einer Grabara
Unmittelbar neben(nördh) der porta gemina stellte
ich in dem viale Carrara den pilotierten Unterbau
eines vielleicht aus dem 16. Jahrhunderte stammenden
Stadtturmes (ungefähre Baufläche: 4™ Tiefe, i)m Front-
länge) fest, dessen Quadern durchgängig einer
monumentalen Grabara angehörten, die nach dem
Zustande der abgerissenen und gebogenen Eisen-
klammern und des Steinmaterials in nächster Nähe
stand und unmittelbar vor der Wiederverwendung erst
zum Abbruch gelangt sein muß. Vom Denkmal hat
sicli außer einer Anzahl von Kalksteinquadern ver-
'■ Vgl. meinen Aufsatz in den Mitt. d. Z. K. III. !■'. V 197fr.
i8i
Forschungen im südlichen Istrien
l82
schiedener Abmessungen (zwischen 0'6Xo'6 X 0'55m
und l"22 X 075 X 0-65 m) ein Wulst (Fig. 1 14) der
2-32 m breiten ara und ein mit einem 0'37m breiten
1:5: Fragment einer Grabara.
Sex. Palpelli
Manci
Gavia C.f. V . . .
Friesstreifen gezierter Kalksteinblock erhalten,
(0'9m h., 1-035 m br., 0-415 md., Buchstabenhöhe
0'095 m)> ^er den Anfang
einer dreizeiligen Grab-
inschrift (Fig. 115) tragt.
Vom Buchstaben V Z. 3 nur
der Anfang der linken Haste
erhalten. Der Name des Sex.
Palpellius erscheint wieder-
holtauf Poleser Inschriften18).
Zwischen porta aurea
und porta Ercole wurden von
einem antiken Rundbaue her-
rührend (ungefährer größter
Durchmesser o. m), der als
sepulkrales Denkmal vom
Typus des Grabbaues der
Caecilia Metella angesprochen
werden kann, Rustikablöcke,
glatt abgearbeitete und pro-
filierte Sockelquadern (0'34m
h., 0'63m d., I'54m 1.) im
Unterbaue eines vielleicht
auch aus dem 16. Jahrhun-
dert stammenden Turmes der
Stadtmauer bloßgelegt. Für
dessen Herstellung scheint das in nächste Nähe des
Fundplatzes zu verlegende Denkmal abgerissen und
an einen vorspringenden Teil der Stadtmauer über-
tragen worden zu sein.
Neben diesem Rundturme fanden sich in der
Stadtmauer drei Bruchstücke eines mit Reliefs ge-
schmückten Frieses, der die Arbeit guter Zeit verrät:
Block aus marmorähnlichem Kalksteine, Höhe
des Frieses einschließlich seiner unteren Platte 0-52 m,
0*65 m lang, 0'54m tief, Reliefhöhe o'055m. Rechts
abgebrochen (Fig. 116 nach Aufnahme von P.
Opiglia in Pola). Dem Schnitte nach stammt der
Stein von einem oktogonalen Baue. Im Friese steht
als Mittelglied einer nicht streng symmetrischen
Gruppe eine Priaposherme, die schlank, eine Kante
dem Beschauer weisend, aus einem kelchartigen
Untersatze herauswächst. Ihr an den vorstrebenden
Teilen etwas bestoßener, nach rechts gerichteter Kopf
ist, wie auch sonst zuweilen, jugendlich bartlos;
der Oberkörper wird von einem ärmellosen, faltigen
Chiton umhüllt, der von der r. Schulter herabgleitet.
Der linke Arm trägt den gefüllten Fruchtschurz,
den die rechte Hand gerafft hält. Die Haltung ist
nicht unähnlich der auf der bekannten Priaposara
rück von einem Grabbau.
1r") CIL III 35 und 38.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XI Heiblatt.
u) Vgl. Arch.-epigr. Miti. I 91.
i»3
A. Gnirs, Forschungen im südlichen Istrien
184
von Aquileia17). Vorhangähnlich fällt nach rechts
und links die Gewandung zurück und läßt den auf-
gerichteten Phallus des Gottes sehen, der eben in dem
bestimmten Kultakte des Enthüllens veranschaulicht
ist. Links von Priapos, von ihm abgewandt, eine ge-
flügelte Sphinx sitzend mit gehobener rechter Vorder-
tatze; die wenigen erhaltenen Reste einer zweiten
rechts befindlichen zeigen diese nach rechts aus-
schreitend. Ein zweites beiderseits an den Stirnflächen
abgebrochenes Friesstück (o'65 m lang) von demselben
Bau und mit gleichen Dekorationsmotiven läßt nach
erhaltenen Teilen der Flügel und des Schweifes eine
ähnliche Sphinxgruppe vermuten, der aber die zentrale
Priaposstele fehlt. Eine andere Zusammenstellung von
Sphinxgestalten zeigt ein dritter aus der erwähnten
Stadtmauer gezogener Friesblock, auf dem nach
Abarbeitung der hochstehenden Reliefpartien nur
der Schweif und die gehobene Vordertatze zweier
hintereinander in gleiche Bewegungsrichtung gestellter
Sphingen erhalten sind. Der Block ist 0"47m lang, die
linke Stirnseite ist abgebrochen, die rechte ist er-
halten und läßt am Winkel des Steinschnittes eben-
falls die Zugehörigkeit zum gleichen Oktogonalbau er-
kennen.
Für die alten Beziehungen der Sphingen zum
Jenseitsglauben der Alten und deren Verwendung
in der sepulkralen Kunst bedarf es keiner Nach-
weise. Seltener treten Priaposbilder in gleichartiger
Verwendung auf. Aber sepulkrale Beziehungen sind
gesichert durch die inschriftliche Überlieferung, die
einmal Priapos als custos sepulcri nennt; sonst ist
auch das Aufstellen von Priaposdarstellungen auf
Gräbern für Gallien bezeugt18).
Die zahlreichen während der letzten Jahre in
Pola aus den Fundamenten der mittelalterlichen'
Stadtmauer in der Linie porta aurea — porta Ercole —
porta gemina — Hafengestade gehobenen Funde an
sepulkralen Denkmalresten und Inschriften scheinen
zu erweisen, daß sich unmittelbar an die genannten
Tore und an den antiken Stadtmauerzug in alter
Zeit die großen Nekropolen anschlössen. Eine Be-
stätigung dieser Vermutung finde ich in einer Küsten-
und Städtebeschreibung Istriens aus der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, wo bei der Besprechung der
Sehenswürdigkeiten Polas die großen antiken Grab-
denkmale aus antiker Zeit vor den Mauern der Stadt
zwischen Arena und montc Zaro erwähnt werden1'1):
Pocho fora de Pola e un mirabel amphiteatro ouer
Harena fatto anticamente di gran quadroni di piere
bianche Se vede ancora un altro gran edificio
mezo ruinato et in gran parte tolto via chiamato
Zadro (das skenische Theater), tra queste doi
antiquita vi sono de gran sepulchri antiqui.
2. Neue Funde vom Forum.
Umfangreiche Restaurierungsarbeiten am Palazzo
municipale gaben kürzlich Gelegenheit nachzuweisen,
wie viel von dem östlichen Forumstempel noch ver-
baut vorhanden ist. Es zeigte sich, daß von seiner west-
lichen Längsmauer erhebliche Teile samt den Anten
besonders in den Sockelpartien gut erhalten sind.
Vor der neuerlichen Verbauung der bloßgelegten Teile
wurde ihre photographische Aufnahme durchgeführt.
Zunächst topographisch wertvolle Aufschlüsse
brachte die Demolierung mehrerer die Ostseite des
heutigen Foro in Pola abschließender Häuser. In
auffallender Übereinstimmung mit der gleichen pom-
peianischen Anlage und ihrer Situation wurden hier
aus den Fundamenten spätmittelalterlicher und neu-
zeitlicher Bauten die Reste einer reichgegliederten
saalähnlichen Halle ausgegraben. An ihrer Ost- und
Südwand Sind mit reicher Marmorverkleidung aus-
gestattete Exedren und Nischen eingebaut. Farbige
Marmorplatten bilden den Fußbodenbelag.
An der nördlichen Seite der großen Nische in
der Ostwand der Halle — in der sich das sacellum
T.arum Publicorum vermuten läßt — wurden die Reste
einer Imperatoren statue ausgegraben. Auf einer Mar-
morplinthe (l'2m 1., 07mb., O'ia™ h.) sind das rechte
Bein bis in Kniehöhe und der linke Fuß des über-
lebensgroß gehaltenen Standbildes erhalten. Mit
reich gearbeiteten Schuhen, an denen jedes Detail
durchgebildet ist, sind die Füße des Imperators be-
kleidet. Ein Gorgoneion als Schlußknopf fängt die
Bindriemen der Fußbekleidung zu einer Masche zu-
sammen. Zur rechten Seite der Hauptfigur kniet ein
gefangener Barbar (Daker, Gallier?) mit auf den
Rücken gefesselten Händen. Er ist mit Schuhen und
unten gebundener Hose bekleidet und trägt eine
torques um den Hals. Kopf fehlt, erhaltene Höhe cr8m.
Material: weißer Marmor. Her Schluß auf eine Statue
Trajans erscheint aus vielen Gründen am nächsten
liegend. — Südlich dieses Fundplatzes wurde ein offener
Platz ausgegraben, der sich gegen das Forum zunächst
Dictionnaire p.646; CILVI30992. Faustino. Stampata in Venetia 1540 pag- ■'■
ro Coppo del sito del Istria a Josepho
'85
W.Crönert, Zu den delischen Schatzinschriften
186
durch mächtige Pfeiler, von welchen sich einer samt
Sockel in situ fand, abschließt, hingegen durch einen
monumentalen Torbau mit Blendsäulen einen teil-
weise erhalteneu Clivus einmünden läßt, der von
der nahen Arx zum Forum herabführt. Allem An-
scheine nach lag dieser Weg als der handschrift-
lich überlieferte Clivus de clivio de porticalibus im
XV. Jahrhundert noch zur Benutzung frei.
Sämtliche gelegentlich der Forumsgrabungen er-
zielten Funde sind in den Besitz des Museo civico in
Pola übergegangen und daselbst zur Aufstellung gelangt.
Pola. ANTON GNIRS
Zu den delischen Schatzinschriften.
Ich folge der zeitlichen Ordnung der im Bull, de
corr. hell, von den Franzosen bekanntgemachten Texte.
Von den zahlreichen Akzentfehlern ist nur das ver-
bessert worden, dessen Erinnerung nützlich erschien.
XXIX 4l8i2 (400—3750) oxpsitTOS xpua^; i-">-
atov sxMV ap]Yup°v 8|i HaT[ir)ats Bdßi8&; ävEirrjxsv,
aber X 466124 (364") äv BaXYjais BdßtSos ävürvjxsv.
Jene Form verdient den Vorzug, denn während diese
im griechischen Namenschatze allein steht, wird jene
durch den Ephoren IlaxYjaiaSa; bei Xenophon (Hell.
II 3 111) gestützt. Somit war wohl der Stifter, wie
Lysandros, Pharax und andere, ein Spartaner. Baßtg
gehört zu dem weitverbreiteten Namensslamme Bccß-
und gestattet darum keine nähere Zuweisung, doch
ist es von Wert, daß er auch in Sparta durch die
Ortsbezeichnung Baß-öxa zu belegen ist.
X 4Ö223 (364") 1. JMuBöa1 xovSuXtoxov xüafroj,
vgl. zu dem substantivisch gebrauchten xoväuXwxov
IG II 660 40 (3901) xpuatSsc; xpEig xal xovouXiuxov sv
,;= 66 ig).
462 23 xpißX[i.] MON . . . . A, i££5s; 86c usw.:
xptßXta u.ivcuxa xp£a?
4Ö2.21 ötjrjpa 8öo, AIAOI-|MAI, axa*u.6v: 8l-
XÖr;|ia I ?
4635n XPY. . ZCA axaftuöv AP: XPuaiS
eX Dieses Wort verschwindet später in Delos.
463;,, 1. rcEpovai xai Äu.cp[i8s£]8ia xal SaxxiJXtot.
Ist das folgende Stoixoi richtig gelesen? Denn 8£</7tai
bezeugen die Grammatiker nach Aristoph. fr. 320 K.
Siörca;, SiaXiftov usw.
4b353 1. ocppa-fis rcsptxpuao; xal ö[vut] xpooöv
SaxxuXtov e[xwv], äaxaxxiEN . . AST ATA die Abschr.),
vgl. z. B. övutj xöv SaxxöXiov xpu°äv £X0V äaxa\ru.os
IG I 172.^ (420«), övutj [acppa-fl; xlpua^v SaxxöXtov
EX")v II 652 B30 (IV").
46354 TiixaXa xpuoä E TK IP A. . . POHA., axa»-
(iöv usw.: 1. E-fxipa [äp"fu]piyjX[a. Zu -xipoj vgl. tiSpia
6a[XfvY) 06OYjua]o|i[dvYJ • .] NKIP.fl.. IG II 731 B2B
(c. 310«), wo au]vxipö>xr) vorzuliegen scheint.
463 5(l 'Opxou.£vEc.u vo|i£a[|iaxos ] ößoXöj r,(it%-
u.vjxai sv xoi; III ^|ito)ßeX£ots "/.od ^fov HHHH: erg.
o3 ö] 8ßoX6g .Orchomenische Prägung, bei der der
Obolos auf drei (attische) Hemiobelien gerechnet ist,
und sie (die Obolen) wogen 400 (Drachmen)'. Die
Rechnung läßt sich nachprüfen. So gibt Dr. J. Hirsch
Aukt. Kat. XIII 1726 — -1730 für fünf Hemiobolen
von Orchomenos in Böotien die Gewichte 0'47, 0'48,
o-44, 0*40 Gr. an, 2014 und 2015 für attische Obolen
0"6l und 062. Die 1600 Obolen von Orchomenos
waren vielleicht eine SExäxr], die bei einer neuen
Münzprägung dem Gotte gestiftet worden war.
4°36t xpiSpaxi-ia Mapomxixd II: daraus geht
hervor, daß wir die bis jetzt Stateren genannten
Silberstücke von Maroneia (Hirsch, XIII 583: I0"59
Gr., 584 II "2 Gr., aber 577 Didrachme 7*02 Gr.,
579 Tetradrachme 13*86 Gr.) umzunennen haben.
403,.,) X£xpä8pax(ia äxxtxi, P II. xoüxcov [x£ß8i)]Xa I,
-fEY[pau.]uivov (,mit Kontremarke versehen')!?
46304 äp-füptov A(J)OOAI . . . . exx'jtxov axait-|iöv
Pill. Dem entspricht äp-ppcov, ix[t]uiWV, a[xa9-|iiv
Pill IG II 813 B6 (c. 400"). Man wird äp-föpiov
äcp* 5 6 8£ax<5£, Ixxurcov versuchen dürfen.
464g., (neue Nummer) . . . (fllKOE .... TIA •
lapEixot OAAAAOI ävdO-rjua' 8apsixol III' äp-pp'.ov
tö rc[apa] TeXX'.8o;, axafl-|iiv Hill1 AiaxuXlj KeXtjxo;
ävsft-YjxEV [ ]ta[xdv]- Me8mv Ilapio; äviShjXE
axaxfjpa Sixuiiviov.
464 Sll rcEpövat xPuaa' r1' xa^ 8axxöXio; axpErcxoj
Xpuaös xai xsp/vCai, axa9-u.6v usw.: man erwartet
eine Zahl, xspxvia P. Das xspxWov, wohl eine
Gefäßart, ist IG II 766 19 (xspxvfov äaxaxov äXuaiwi
0£8e|ievov) und 23 (x£pxv£ov sv rovaxiun äaxaxov) be-
zeugt, dazu XEpxvo» 'm Eleusinionschatze: XPU00'
XEpxvoi 'Ecf. äpx- 1895, 59— 60 A liC (400')-
i87
W. Crönert
188
404^3 /', xaX.o|i6Vj] rspavoc, vgl. XIV 407 (279")
/, xaXoouivrj Tipavo; jcai 0 ipjio; d 5jiors£v(üv Bitö
xjjv ripavov ocsxocxa. Das Wort xaXouuav»] schließt
einen wirklichen Kranich aus. Homolle bemerkt XV
'39 ganz richtig, daß wohl ein Zusammenhang
zwischen diesem Anathem und dem gleichnamigen
Tanze bestehen müßte, der besonders für Delos be-
zeugt sei (Poll. IV IOI, Plut. Thes. 21). Da nun
die Halskette deutlich auf eine weibliche Gestalt hin-
deutet, so ist die nächste Vermutung, daß eine Geranos-
tänzerin dargestellt gewesen ist. Daß der Spjio; nicht
unter dem Gegenstande, sondern lose an ihm herab-
hängt, wobei man sich ein Überneigen des Kopfes
nach der Art des Vogels vorstellen muß. zeigt X
465 in, Bpu,o{ 0 -iy. xs: repdvcöi neptxpoaos äaraTo;.
In der Schatzliste des Sosisthenes (250«) und De-
mares (180") kommt die Tspavo; nicht mehr vor.
XXIX 428n (c. 350") PAOAA[ . . am Eingang
eines neuen Opfers wird schwerlich ein anderes sein
als rcaftaXh = r.aÄa9-r). ein Korb mit Früchten, die
hernach genauere Bezeichnung gefunden haben müssen.
429, ]PIZTPO[ unter Kleidern sicher nicht
rcä]p'.3-po[Ti5iov, für das, wie der Herausgeber selbst
anmerkt, die Belege fehlen, sondern 9-s]pi3Xpo[v,
und dann weiter etwa &1Ö.ÖV äjvSpstov oder ähnl.
42913 wohl TapavTiv[o]v riSpi]pcXa'.->v.
433_. (Iva) 1. — ]-x-:p![5r,]; 'l-[i]v/./.io;. j ist — ];
KXEl8oxX[sog sehr auffällig, da von xXsi; abgeleitete
Personennamen fehlen und die Ergänzung — ]s(?)xXs(So
KX[ — denkbar ist, 6 $oi[ßl](£8?)g.
434u (c. 300") Nty.oux.<"pou: 1. Nixou X">pou.
Denn Ntxou X'öpc/; ,Land des Nikes (oder Nikos)'
muß das Pachtgut geschrieben werden, nicht nach
Homolle NlxOÖX<opOJ, was ebenso falsch ist wie das
öfter geschriebene 'Epu-CJ-oX'.;.
435, 5 xareßccXeio -/.xtf-" §xo; |iipo;: 1. xarsßaXs
TÖ xx*' I. |x.
XIV 431 (297"): äroxivdvxüvv 8e xai oE Esporaxo!
xur. \te(T)'. xi j)|UMU xoö [ita3-u)|iaT!/;, o5 ä|i [it, i'f'fpx-
;«)7.v lovajjiou; (?) s-pfu*)"«?- Das Wort (bvdglOC, ist
von Homolle mit Unrecht bezweifelt worden. Es be-
zeichnet den der Pachtsumme (luvvj) entsprechend
Begüterten, wofür gewöhnlich ä£iixp-üj; gesagt wird.
XXIX 448,. 296«'; ei{ ZV' [~a]Xaicrrpav xtjv
•/.xxoo 3oxov d-[ty-EvT'.: ist das P sicher? Vgl. u£Xa-
y.ai 8oxoü{ SjißaXetv r.: xdv ofxov »öv sv xtöi
'HpaxXsEau XXVII 76 (250a).
448, 'j-i xi npö8p0|vov: nach der S. 453 ge-
machten Anmerkung über xi npiSottOV sicher Druck-
fehler, wie auch A[a'.]8y.üi'. 449 )3 statt A[ta]dy.<u'..
44 s s (ii3{VtaTGJ[j j:o^]3a3'. xr,v ioxiv: 1. rcpijsaa:.
44936 T°v Uav.tuvtov ax£'fvu)3avxt xai xXüoavx'.
'HpaxXsiSv/. HU II" xr;pi; itapa AOSou r- • r.iaaz Hl.
Das erklärt A. Wilhelm, der den Gegenstand Ath.
Mitt. 1905 S. 220 vortrefflich bestimmt hat, rieht ganz
richtig mit den Worten: , Herakleides hat ihn [den
Mischkrug] mit Wachs und Pech wieder dicht ge-
macht und dann, wie es sich gehörte, ausgespült'.
Das Dichten geschah vielmehr durch das Wachs,
das Pech wurde dazu verwandt, um das Innere aufs
neue zu überziehen, vgl. das bei feinen Gefäßen ge-
brauchte Wort Y_p'j3dy./.'j3To; ,mit einer Goldspülung,
einer Goldschicht überzogen'. Es mag noch bemerkt
werden, daß ein silberner Krater in den Rechnungen
erscheint (XIV 397 xoü xpax7jpoc, toü ip-fup&O xc.0
toxi; ano~=3dv-o; xoXArjoavTl Apwxdpxon), der wie
der eherne Ilavttövio; zu den Hauptstücken des Tempels
gehört hat.
zu, 451 33 KspaXivou äva&r/iia: eines Makedonen,
vgl. Hoffmann, Die Makedonen S. 50.
45 1 34 Aa5a|io'j ävi3-rj|ix (vgl. XXVIII 156,
ziemlich aus derselben Zeit): auch dies ist ein Make-
done, vgl. Hoffmann S. 146 (Aa5x|iag = hom. Ay,V-
äaucc;).
451 35 ^taXat öüo, äc, "ASto Maxi3xa ävediptsv:
weibliche Form zu dem reichlich belegten Makedonen-
namen Aoalo; (Hoffmann S. 190). Obendrein heißt
II j./.izz% sicher ,die Makedonin', vgl. 451^3 xuu,-
ßiov Ar)|iY,xpia; Muxovia; dviö^iia, 38 <£iaXr( Asto-
3£xy;; Najiaj ävxO-r,u.a, 452 ,4 -/.'jjijiiov Api3T'JXvj;
Moxoviag äviirrüia, ist also eine bisher noch unbe-
legte Nebenform von Maxexa.
46o,6 (c. 280") xaxaXaJüxu) etc! ipotg äpapixu);
-:9-si[;: 1. irctdpoi;, vgl. aus Epidauros SaxxuXioog
xai s-io'jpoy; iwl xa . . 9-upto[iaxa IG IV 148453, 8ax-
xoXimv xai smoüptov sij xi |ixxeXXov 501 (IV") und
Hesych STtioupoi" src£3xo:toi" xai r/X<3i £i>Xtvoi. Die
Form ist lautlich sehr wichtig (eniopoc, aus sitt/bpoc.)
und wohl auf das Inselionisch zurückzuführen. Man
vgl. W. Schulze, Qu. ep. 17 f., der nun in einigem
berichtigt wird.
XXVIII lS7a (III" Anf.) x]ai öjuvxp[a? Neben
dem Werkzeuge, dem Schärfer, ist auch das Adjektiv
öguvxiXÖJ möglich.
468^ (c. 275") xaxä xi; &napxo&<ra( i~i'j9"e£aj
•3[: das ist Sjc' sü8-£:a;.
468,3 ävaxa9-i[e]!; 51 xoij O-axotj x[ — ]8üo xai
ärtooxepstusa; x4 sda^oj: 1. ävaxa9-vj[p]a? 8s T. 8",
x[öv TÖTOV, worauf etwa folgen konnte ixp030Xptuaa;
xx |ia>.a/.i i-l ndäaj] 36o, nach der Bauinschrift von
189
Zu den delischen .Schatzinschriften
190
Lebadeia IG VII 3073,, , sav äs 6 totcoj avaxa*ai-
pousvo; u.aXaxö; e!Jpiaxr,xa;, Tipsaaxpuas'. Ttojpcng öaoij
äv XP£'a ''iu
46S 17 ] -r.Xa.-oi pspriXGxa; iv löpat äaxaaxou;
£rao[ — : erg. sjti xö] TtXaxo;, nach XXVII 102 iizl
xö oxsvöv — £7ii xö TiXdxo;. Zu dem Folgenden ist
wieder jene große Inschrift zu vergleichen, und man
wird wohl auch bei genauer Durchnahme die Zeilen-
länge herausbekommen. Der Anfang mag gelautet
haben : 0 ävsXinsvo j rcapa xf/j ;t6X[sa); X7)v xaxaaxeoT)v
x(ov sXX'.-ivxrov] sv xfi>'. 3-saxpaH.
XIV 389^ (279a) xsxxf-f ca QxoXe|iai'xa Xf'jaa
5'jo: dies ist nicht etwa eine besondere r,oldmünzen-
prägung mit dem Bilde oder Beizeichen der Zikade,
von der die Münzgeschichte der Ptolemäer nichts
weiß, sondern eine volkstümliche Bezeichnung, für
deren Entstehung verschiedene Gründe denkbar sind.
So kann z. B. der Münzschneider Texxtg geheißen
haben.
394 14 xoO Jlwpivou xaj Tiapasxiöa; apai xxi xi;
3oxo3v/.ag i-f7i[s]xp?)aai xai itäXiv xaO-apnöaai . . 7)p-
'foXdpV,3av . . 3paxi"Bv AAh h h h : darin ein Steinmetz-
fehler (denn das P ist auch auf der Lichtdrucktafel
deutlich, worauf noch ein Rest des E folgt), den
man leicht in e*f u.expijaa; verbessert. Daß es sich
nur um ein Versehen handelt, zeigt auch die Assi-
milation. Die Erklärung, die Homolle S. 471 gibt, ist
falsch: die irapasxiösj werden herausgenommen und
nach der Vermessung wieder eingefügt, Material
wird nicht verwendet, der Arbeitspreis ist nicht
hoch. Ähnlich heißt es in der Bauinschrift von
Lebadeia sjsXsi de xal xa 3s|iaxa . . . xai xpr,aag pa-
3-öxspa xaO-apiidasi IG VII 3073 72. Das Wort i-fJiE-
xpeto ist auch darum abzuweisen, weil man sxTisxpöto
erwartet, vgl. guAöu), xspajioa) usw.
396S6 yrjp&i.. öäiös; rcapa 'Ep"foxsXo'j: Vr V h •
pt)|iol xai EjöXa IUI. Für die £'J|io£, die Homolle
nicht erklärt hat, ist von Diels (Sibyll. Bl. S. 91) in
Bestätigung einer Vermutung Roberts (Hermes XXI
166) die Übersetzung „Seile" gegeben worden, wo1 ei
die Beschreibung eines Jungfrauentanzes auf dem
Kapitol im J. 207 v. Chr. (per manus reste data
virgines sonum vocis pulsu pedum undulantes in-
cesserunt) herangezogen ist. Dem widerstrebt, daß
sich sonst diese Bedeutung für pu]io; nicht belegen
läßt, daß es vielmehr, mit Ausnahme der Neben-
bedeutung eines Gewichtes, immer ein langes Holz ist
und da°< wie hier, so auch in dem delischen Holz-
und Kohlenverkaufsgesetze £0Xa un(j pujioi einander
gegenübergestellt werden, vgl. \irfik xx iXAoxpia EjöXa
|ivj3s p'J]icj; |iv;ds ävirpaxac; (raoXetv) Bull, de corr.
hell. XXXI 46 usw. (250 — 2001). Die pup-st sind
in den Inschriften, die Bedeutung „Deichsel" abge-
rechnet, die sich 'Ecp. äpv_. 1895, 59 — 60 A i21J, 27,
B 1 3;i in einer Liste von Wagengegenständen findet,
lange Balken oder Breiter, die beim Bauen verwendet
werden ({juXa TtxsXs'.va uovößoXa . . sxspa äipoXa . .
sxspa pu|ietta (isXscva p.ov6ßoXa . . sxspa pu|ioi ScßoXa . .
sxspa |5u]is£a [lOvößoXa IG II 5, 834* 295, 329a),
aber auch (neben a-iTjx£ay.og) zur Aufstellung von
Weihgegenständen dienen (Tipiöxo; pu|io; . . Ssoxspoj
puudj usw. IG II 652, und aus Delos Bull, de corr.
hell. X 461, XIV 402). An Stelle von s'JXa er-
scheint in der Tempelweisung vom Jahre 250 •/.'/.il-
jiaxiosg , Reisigholz', vgl. Äpxe|ito£ot; Xau,ixaäsg s£; xöv
Xopöv xai p~v\i.bc, xai xXifliaTfBsj XXVII 70 usw.,
vgl. auch TtSÖXY] xXyj|iaxij VI 22, 23 usw. in ähn-
licher Ausgabe (180"). Der Mnesikles, der XIV 397
als Verkäufer von $uu.o£ auftritt, kommt noch 398
bei der Lieferung von Hartriegelholz vor. So muß
denn der p'J|ii; ein bei der Choraufführung gebrauchter
Holzbalken sein; daß seine Verwendung nicht klar
zu erkennen ist, kann auf eine örtliche Eigentümlich-
keit zurückgehen. Die JüXsu n.a.oci.Xrfy1.-, die bei Poll.
IV 10; und Ath. XIV 630" unter den xpa-rix?;;
ip/,7)GS(Dj oxvj|iaxa erscheint, könnte weiterhelfen.
397 92 IXatov xou5 W'X0UV UD(1 s0 öfter: man
bemerke, daß man xpir)p.£xouv nicht gebildet hat, auch
nicht xptTjiitxaXavxov, wofür unten 402 öfter xpia jj|u-
xaXavxa steht.
399 116 Ttpög xö sx (fiaXvj; eioeXftöf xaxä |v»jva
fi>OT6 xö ispi-f xa9-atpsa9-ai TipoaavaXcoaxusv ^PaXu*S
AH- hl- IC: dies ist also die gesuchte Erklärung für
den Posten sx cftäXr);, der oben 392, wo er er-
wartet war, nicht vermerkt ist, aber VI 65 — 66
1279J) mit monatlichen, zwischen I Dr. 1 Ob. und
3 Dr. I Ob. I Ch. schwankenden Beträgen und VI 20
(180") mit einer Jahressumme von 19 Dr. 2 Ob. an-
geführt wird. Die Probe daraufliefern die Rechnungen
aus dem Archontat des Sosisthenes (250"), worin
in jedem Monate eine Ausgabe x°'Pov ~° Espöv xafra-
paoü-at erscheint, die zwischen i'/j und 2 Drachmen
schwankt (XXVII 68 — 74), und ähnlich schreibt
man unter Demares ( 1 80 '') xoipog xö Espöv xaftäpai
(VI 22 — 25). Hier werden dafür 4 — 41/, Dr. aus-
gegeben, die Fleischpreise scheinen also inzwischen
stark gestiegen zu sein. Wie die 3-Tjaaupoi. die Opfer-
stöcke, über die Homolle XIV 456 zu vergleichen
ist, sammelte die im Apollontempel aufgestellte tptaXr;
Beiträge zu der monatlich vorgenommenen Reinigung
ige
W. Crönert
192
des Heiligtums. Ob die kleinen Summen eine Art
von Abgaben waren oder freiwillig gestiftet wurden,
wissen wir nicht, was Homolle sagt (XIV 419): selon
toute vraisemblance un droit pay£ pour les sacrifices
et l'emploi du material sacre, ist nur eine hinge-
worfene Bemerkung. Der Begriff des Sammelbeckens
ist auch in anderen Nebenbedeutungen des Wortes
cptaXr] erhalten.
399 120 5<JXov ei; xüXouj IUI : hierin findet Homolle
oxüXo'jc,, aber die , Holzpflöcke' geben bei der geringen
Höhe des Preises einen passenderen Sinn.
400 — 401 sind die Zeichen der Schmalseite gründ-
lich nachzuprüfen, denn unmöglich hat Homolle
alles richtig gelesen. S. 401 36 muß auf dem Steine
JüXa xs3piva jiapsXd|Jou.sv AAAP stehen. Ebenda
wird in 124 TATOMOY5Ü xBxpamjxEtc, TtoSiaiou; IUI,
129 .... |iov xsxpdTcrjXUv und 402 13) xo . . ov xexpd-
Ttr/xuv wohl x6p|iou; und xopjiov stecken.
4°7c3 T*)v spsiav EaSKjxa: 1. epsiäv.
409,5 9-uiiiaxrjpiov 4v vataxon äp^upoüv, 2x(?)ia-
nuptoj äva{rrj|ia: XV" 144 wird ,2spdjtt)pig(?)' gegeben.
Wie die zweite Namenshälfte — raupt? zu erkennen
gibt, stammt der Stifter aus Thrakien oder Bithynien.
Für das erste Glied sind beide Lesungen möglich,
vgl. die thrakischen Ortsnamen Söppcc Zsp|iuX£a und
ferner Atvxi7iopiv2x'.TCpd|tojIIpouaiia Ditt. Or. inscr. 341.
4098n TcxoXE|iai'xä xsxpi3pax|ia 3i>o xal äpßuXt-
xs»5 ößoXoüg äuo (vgl. auch XXIX 476 dpßt>Xixo[£ . .
in einem Schatzverzeichnisse des 3. Jahrhunderts):
an den Halbschuh dpßüXir) als Münzzeichen (Homolle
X V 144) ist nicht zu denken, dann müßte es äpßuXo-
(föpou; heißen. Am nächsten liegt es, das Wort
äpyßaXt; heranzuziehen, das auch den Geldbeutel be-
zeichnet und eine Nebenform äpßuXE; hat (4pßöv5or
Xy,xu3-ov. Adxwveg, Hes., was in äpßuX£3a zu verbessern
ist). Denn dal äpßüXr), dpßuXt; und äp'JßaXXoc, äpu-
ßaXlg zusammengehören, wäre auch schon ohne jenes
Zeugnis klar.
413,21 i^Xotpai rcupxaiol xpsZ;: das Adj. ist von
ungewöhnlicher Bildung und auch die Betonung ist
zweifelhaft. Das übliche Wort wäre SuJCUpot gewesen,
rwpy.avjg ist auch bezeugt, aber keine einzige Form
auf — xaioj.
4l58n .AEP.YPION UixpÖV [unter Geräten):
wohl IXsTtöpiov .Feuerzeuge', zwar noch nicht be-
legt, aber sofort verständlich.
415,3 J[(Bi]3ia xal KA . . . |MET. . ., xXda|ia[x]a
icavxoSand: xai jcX[d<jua] ud-r[a xal] xX. it.?
XXIX 479,,, (267a) B6Xixov AöxoxXrt PATA
A: wolil Ilaxa(pet).
4832(1 (c. 265 o) krj Mßarctot IAV. ZKYTnM[— :
rcapsaxuxcouEVirn, d. i. mit Leder eingefaßt, beschlagen.
487,, (c. 250a) u,öpou fo§lvo[u, vgl. XIV 397
|iüpov j563tvov reapdc Ka>|i(üt3£aj.
490I8 (c. 250«) OlArÄNIZnilTPANArPA:
— ]o£a oavij, &ax£ äva7ipa[ — . Schwerlich eiacoaxpa,
was neben s£(6axpa denkbar wäre.
XXVII 68.,,, (250«) xrävAIPEEin.N TtapaAüoou,
41 Tiapoc Aiaxxopiäou xal KaXXia&lvoo xröv AIPEZIilN
ÜTiep Aoaou H, neben Abgaben wie xoü TiopfruEtou,
xo'J 6Xxo'j, xmv axpoq:s(uv (Ankertaue). Dieselbe Steuer
in derselben Form XXIX 498 (III«), Rev. de phil.
XXX 1 13 (221"), Bull. VI 20 (180"). Homolle erinnert
richtig an Poll. IX 34, wo unter den Hafenteilen er-
wähnt wird: sjatpsaij, ötiou xä ipopxia e£atp£xat. Doch
ist der von ihm angesetzte Steuername aepeasee, nicht
zu billigen, da die überlieferte Form nur auf aipEOiov
oder aipsaia (aipsatd) zurückgehen kann.
77 115 xalj 9-üpaij . . xuXEvSpouj tievxe . AITAPEZ
[x]al üroSoXEEa: die unzialen Zeichen geben keinen
Sinn. Dann schrieb ich ÜTtodoxsfa (= ünoSoxia) sta"
imoädxs'a) ve'ü man in guter Zeit nur üizo5öy[j.ov
sagte.
78,29 Asucpdxun xo'j; (pAAAOYE nsxaü-svxi:
cfaXXoug, große steinerne Anatheme.
82,66 ircvröva(v) saxuXcouivov: also iJtv&vav, wohl
das älteste Zeugnis für jene volkstümlichen Akkusativ-
formen, wenn man vom Kyprischen absieht.
XXIX 503,5 (c. 230«), razpä KuvoESou: 1. Kuv-
fHSou.
509^7 1. ßa]xidxtov, vgl. XXVII ioo,3ll ird Xdp|iou
ßaxtdxiov.
509, ,6 1. xpt>3a£ Xsiai £7txa xai xö otpi[if'ov'
52,52 (c. 180") äxuptöva (a)axuXioiiSvov: wenn-
gleich aaxüX(i>|i£vov sich erklären läßt, so wird den-
noch eine Verschreibung aus EaxuXoouivov vorliegen.
VI 18, 40 (180«) xvjc; 'ErcioS-Evetcm oExia;, 142 xrj;
EcooiXeEou usw. Aber bei I.ändereien 19, ,6 'EmairEVstac,
(näml. "f?);), 147 SmaifiaxEta;. Aber früher war auch
bei Häusern die weibliche Form in Gebrauch, z. B.
tije. SwotXstes XXVII 68 37 (279"), XIV 391 ,„
(250a). Der Wandel ist für das allmähliche Schwinden
der weiblichen Endung der von Eigennamen abge-
leiteten Adjektiva auf — etoj bemerkenswert.
1 8 ,,., und ,,., xf/j STtl xoü 'EpE|ir)xoc, (näml. cExEa;).
Damit muß eine Örtlichkeit angegeben sein. Ein
Stamm spE|i- = epou- ist durch epEUOiar drcoxXeiauaat
Hes. und r:Epxs3<Hx' eij epE|iv. xal jxuX&va Dial. Inschr.
1260 (Aspendos, pamphyl. Dial.) erwiesen. Davon
ist 6 'Eps|iyj; herzuleiten.
'93
Zu den delischcn Schatzinschriften
194
i914,j rcapa KaaadvSpou xoii KAT.fi.NANAPOY:
nach der Zeit kann dies schwerlich aus xoü xa[l]
'Qväväpou verschrieben sein, was Homolle dafür ein-
setzen will, der unmöglichen Namensform "QvavBpo;
zu geschweigen. Aus den Zeichen kann KXEO|idv8pou
herausgelesen werden, noch näher liegt: xouxaxo-
udväpou = xoü °Exaxop.dv8pou(Fick-Bechtel, Personen-
namen S. 107). So ist denn der Stein noch einmal
um seine Lesung zu befragen. Ein seltener, noch
unerkannter, mit Kax — beginnender Makedonen-
namen wird freilich von Hoffmann S. 148 erwähnt.
22 ]76 xov ^TtißaXXovxa x»j; xaxä sßSoutaxov s-f"
-förj; xoxov: 1. 'EßSofiiaxov. , Zinsanteil der Bürg-
schaft für Hebdomiskos'. Der delische Eigenname
(= der an der sß86u,7] Geborene) ist auch 37-5 (etu-
axaxoüvxoj 'Eß3c>u.£axou xal l\:;axoup£ciu) überliefert.
2 3 185 £ü^a ^i ßu>u.o6j, IIöJHov, £spo7ioiov: so
richtig geschrieben, falsch später tEpoTtot&y (XXVII
68 42 usw.).
2520o ^X irü|iaxo; A usw. (unter Ausgabeposten):
1. tjß-b\ia.-zrj-. gxQ-ÖEtv ist aus Telos (IG XII 3, 30 14
xäXXa Eepä xa sx3-uöu.Eva) und Kos (Dit. Syll.2 734c5,
Dial. Inschr.37l8lu), sx3-U|ia aus Kos (362735) belegt.
25205 xot; äpaat xä o(i|iaxa xa vrpoaTEsaovxa : ob-
wohl X0T5 äpaat xä X*!1* vorhergeht, vermag man
gleichwohl au>[iaxa zu verstehen, indem es sich um
die Wegschaffung von angeschwemmten Tierleichen
handeln kann.
2520C 2co8d|iu)t töaxs äptaxov(?) O^avdaT] xai Ttoxt-
Xäar] xa EvSäu-axa: ,Der Sodamon als Frühstück, als
sie die Gewänder wob und buntmachte'. Freilich
wäre ein Frauenname Stu3a|iov ungewöhnlich. Doch
fehlt bislang eine genügende Darstellung der Neutral-
formen weiblicher Namen.
25 , u etwa K]ai[p]£[±ou , üdaarj 'ApiaxoßoöXou.
Der Name Ilaaav); gehört zu den mit Doppelkonsonanz
versehenen Kurzformen wie z. B. Mvaaaä; (Fick-
Bechtel S. 210).
26212 JNOEIAANEIOH xo5 EspoO äp-jup£ou el;
xöv oxecpavov xtöi ßaaiXEt <I>iX£7t7tu>i: von einer der
Stadt zu einem Geschenke geliehenen Summe. Dafür
wäre ixSavsiauoc, das passende Wort gewesen, da
aber e-f8dvsiov njcht möglich ist, so scheint ein Lese-
fehler vorzuliegen.
26220 otvcj XHIAIA All: ohne Zweifel KvfSia
All. über welches Weinmaß Wilcken, Ostraka I S. 765
zu vergleichen ist. Es war bis jetzt nur aus Ägypten
belegt.
262,„ xotj MHPOPEAOMEf— (Ausgabeposten):
wohl ;i7; rcop6UO|ie[voif;. 1 »a -op='js:9-at für das Hin-
gehen zum Opferschmaus, oft auch ohne weiteren
Zusatz, gebraucht wird, so kann die Ausgabe eine
Entschädigung für solche sein, die an der Teilnahme
verhindert waren.
26222 el« xö itspl KOIAA l-AA- EIEITHMAAE
Sspiidxtov A: daraus läßt sich xo 7isp£xou.|ia ziem-
lich sicher herauslesen. Das Folgende aber ist dunkel.
Bei Erklärungsversuchen, denen auch eine genaue
Nachprüfung vorausgehen muß, ist im Auge zu be-
halten, daß das AE am Ende ein dittographischer
Fehler sein kann.
2622D süxuxstov xal ^täXa; ACpEIONOA ä-f&üaaj
hHH: ganz verzweifelt; man scheut sich, ein solches
Monstrum anzufassen.
27226 Ttapa xoü; xspa|i£5as: ist der Sprachfehler
xcjj wirklich überliefert?
XXVIII 159 4 (170«) xaXurcxijpaf, MYAAOP-
IAIOYE Pll iiti xrjv axodv: nach der Bemerkung
über die Schriftzeichen ( A . . se confond presque avec
l'.fl) hat es keine Schwierigkeit, |J.uX(i)\rpta(ouc,
herzustellen, also ,mühlsteinförmige Hohlziegel'. Die
Verwechslung von A und .O. findet sich bei helleni-
stischen Texten öfter, z.B. Bull, de corr. hell. XXI
557 in einer Inschrift aus Thespiai u'.aS-t&av] xräj, 7tö[a;
x]a[x xav] TtpoppEtaiv, wo uns Colin ein Wort 6 7tua;
nicht glaubhaft machen kann.
i6827 (c. ljOa) xrj; nev bi 8s£ia(0 7X1S;: wenn-
gleich in dieser Inschrift das stumme Jota ausgelassen
wird, so wird man dennoch EvSsEjta zu schreiben
haben, eine Form, die auch von Köhler verkannt ist.
Man lese in der Schatzliste IG II 835 c — 177 und 91
(c. 320°) sv8e£ia xoii 9-eo'j. Richtig hingegen ist sie
in den Inschriften von Priene geschrieben : xrjt EvSiEjia
xtöv Elattopeuouivtov (axoäi) I946 (HI«), vgl. auch
XXIX 53417 (c. 150") ]vog äp-fupoxo[7i — : Da
die Übergabeformel vorausgeht, so wird Sox'.tidaavxs;
|iexa — ]voc, äpf upox6[7iou zu ergänzen sein.
537si 3X£f"f£3wv, ävd8-Eu.a A'.-jXdvopog [Kuprjvaiou.
Die drei, bis jetzt bekannt gewordenen Beispiele des
Namens At'fXdvtop stammen aus Kyrene, vgl. Kolotes
und Menedemos (Wessely, Studien VI) S. 94.
542 24 Tioxrjpia 'PoSiaxa IvxoxuXa: die Form sf-
xöxuXoc, ist auffällig, wo doch xoxuX'.atcj zur Hand
war und daneben noch |iovox<JxuXoc, gut gebraucht
werden konnte. Aber vielleicht haben die nach-
folgenden AVorte xptxoxuXo; xsxpaxixuXoj itEvxa-
xoxuXog die Sprachverschlechterung erzeugt. In £c8ta-
xal xptxoxuXai 860 542 ._„, ist auch die weibliche Form
zu bemerken.
195
A. Hekler, Über eine römische weibliche Gewandstatue
196
543 46 ^T K(o9-U)Vi xspaustwi: 1. xspa|jieuui.
544 72 xspaia Sf fXcoTTOTÖjui);: nach Dürrbach
S. 565 findet sich die Form f Xwc-oxöjiov noch in
den ziemlich gleichzeitigen Rechnungen aus dem Jahr
des Archonten Archon. Der Fall der Assimilation
an die vorausgehende Dentale ist darum bemerkens-
wert, da er zu einem neuen Wortstamme führt, der
hier nicht zu schaffen hat.
54352 5<oi8otpia Söo, A:i6XX<»va y.al "ApTEu.iv, ird
f)\uv.OY.\lou -xai cpöXaxa, u>v 6Xxrj usw.: dazu ist aus
dem Silberinventar von Oropos cpöXaj dcpfupo'jj
rrzpi wjv SjxJav aüvO-STSS IG VII 3498 , zu vergleichen.
B. Keil vermutet darin (Hermes XXV 621) einen
Herdschützer, einen Vorsatz, der die herabfallende
glühende Asche auffing. Darnach wird man hier an
ein niedriges Gitterchen denken können.
5729 TPAAlO-^ipov sv: wohl TpußAiotpöpov.
.Man wünschte, daß niemals wieder der Fall ein-
träte, daß wertvolle inschriftliche Urkunden fast ein
Menschenalter der Forschung vorenthalten werden
wo es doch ein leichtes war, sie in schlichtem,
knappem Abdruck vorzulegen. Nun sind von den
CHI Nummern des Verzeichnisses kaum ein Dutzend
bekannt und auch die Bearbeiter des delischen Corpus
entbehren der ausgedehnten Mitarbeit, die eine recht-
zeitige und umfassende Bekanntmachung der Texte
hervorgerufen hätte. Daß mit der Wiederaufnahme
der Ausgrabungen auf Delos unter den neuen Grund-
sätzen auch dieser aufgenommen wurden, daß alle
Funde nach der Zeitfolge ihrer Entdeckung und mit
tunlicher Beschleunigung herausgegeben werden, ist
mit Dankbarkeit zu erwähnen. Dieser Eifer läßt uns
auch den Abschluß des Corpus in naher Zeit vor-
aussetzen. Gewiß verdienen es dann diese kostbaren
Schriftdenkmale, eine Untersuchung zu finden, wie
sie die Rechnungen des epidaurischen Tholosbaues
erhalten haben.
Göttingen. WILHELM CRÖNERT
Über eine römische weibliche Gewandstatue.
In meiner Studie über römische weibliche
Gewandstatuen, die demnächst im Sammelbande:
Münchener Archaeologische Studien erscheint, habe
ich auf S. 142 ff. Fig. 9 (Vgl. S. 32 meiner Doktor-
dissertation, München 1908) die herrliche Sitzfigur des
kapitolinischen Museums: Gallerie Nr. J2; Heibig,
Führer I Nr. 450; Clarac, 897, 2285 A eingehend
besprochen und dieselbe im Gegensatze zu Furt-
wängler auf ein Original des fünften Jahrhunderts
zurückzuführen versucht. Inzwischen haben mich
aber erneuerte Studien und die Vergleichung mit
neuen Denkmälern eines Besseren belehrt.
Eben Furtwängler, dessen Urteil ich zu bestreiten
mich berechtigt glaubte, hat selbst die treffendsten
Belege für die Richtigkeit seiner Meinung beige-
bracht. Er veröffentlichte (Griechische Vasenmalerei
I - 70 und 79) zwei Vasen aus Kertsch, die zweifellos
dem vierten Jahrhundertc angehören. An diesen
Vasen sehen wir rechts oben je eine verhüllt sitzende
weibliche Gestalt, die in der Lösung des künstleri-
schen Formproblems und in der Faltenführung zu
der kapitolinischen Statue die schlagendsten Ana-
logien bielet. Die Figur auf T. 79 wirkt nahezu wie
eine Kopie nach einem der kapitolinischen Sitzfigur
entsprechenden plastischen Vorbilde. Furtwängler
sind diese Beziehungen entgangen, obzwar er die
reichen plastischen Motive der Kertscher Vasen mit
gewohntem Scharfblicke verfolgte. Er verwies bei
den erwähnten sitzenden Gestalten der Vasen aut
entfernter verwandte statuarische Werke (1. c. Bd. II
S. 58 und I30\ — Schon die nahen Beziehungen zu
der Kertscher Vasenklasse scheinen mir zu genügen,
um die von mir früher vorgeschlagene Datierung des
Originales der kapitolinischen Gewandstatue als un-
lichtig zu erweisen. Alles führt dazu, das Original
in das vierte Jahrhundert herunterzurücken.
Diese Datierung wird auch durch ein Denkmal
bestätigt, das mir neuerdings durch die Freundlichkeit
l'aul Arndts bekannt geworden ist. In seinem Be-
sitze befindet sich die Statuette eines sitzenden
bärtigen Mannes (vom Kopfe leider nur das Ende
des Bartes vorhanden), in welcher wir nach der an
der Basis befindlichen Inschrift: EYAOZOH wahr-
scheinlich eine Darstellung des großen Mathematikers
zu erblicken haben. Das Motiv der Figur, die ernst-
geschlossene Hallung, diegroßzügigen, geschwungenen
IQ7
Franz Graf Calice, Votivstele aus Dorylaion
198
Falten rufen sofort die kapitolinische Statue in die
Erinnerung. Die Amdtsche Statuette verweisen stilisti-
sche und innere Gründe unzweideutig in die Mitte
des vierten Jahrhunderts. Und die Nebeneinander-
stellung der Eudoxos-Statuette und der weiblichen
Gewandfigur des kapitolinischen Museums führt zu
der Erkenntnis, daß sie nur als Erfindungen ein und
derselben Epoche betrachtet werden können. Sie be-
kunden ein Formempfinden, das bestrebt war, den
verhüllten Körper in einem knappen Räume mit
möglichster funktioneller Klarheit zu erfassen und
künstlerisch zu gestalten.
Mit der kapitolinischen Statue zu vergleichen
wären noch endlich zwei sitzende weibliche Gewand-
statuen des Vatikans: Amelung, Beschreibung Bd. II
S. 296/97 102 qu. 102 r, T. 17, 18 und 28.
Bud apest.
ANTON HEKI.ER
Votivstele aus Dorylaion.
Die in Fig. 117 abgebildete Marmorstele kam
im Tatarenviertel von Eski-Schehir, dem antiken
Dorylaion, zutage und wurde erstmals von A. Körte
mit kurzer Beschreibung und mit dem Wortlaute der
Inschrift in den Göttingischen gelehrten Anzeigen
1897 s- 40;i n- 5° veröffentlicht. Mittlerweile ist der
Stein in den Besitz des ottomanischen Antikenmuseums
übergegangen, dessen Direktion ich für die Über-
lassung einer Photographie zu Dank verpflichtet bin.
Die in bloßen Worten kaum zu veranschaulichende
Eigenart des nach Form und Darstellungen gleich
merkwürdigen Denkmals wird es rechtfertigen, wenn
ich auf Grund der bildlichen "Wiedergabe an dieser
Stelle nochmals darauf zurückkomme.
Die schlanke (H. 2'08m, Br. o-jlm, D. 0'l3m)
mit Einsatzzapfen versehene Stele ist architektonisch
gestaltet: zwei schmale, glatte, etwas konvergierende
Pfeiler mit breit ausladenden rohen Kapitellen und
Basen tragen einen Bogengiebel, der mit hohem Mittel-
und zwei Eckakroteren geschmückt ist. Zwischen
den Pfeilerbasen, unmittelbar über der als Sockel für
den Aufbau gedachten, einfach geglätteten Fläche
des Werksteines eine doppelt profilierte Leiste. Der
von dieser Architektur umrahmte, mäßig vertiefte
Reliefgrund ist in den oberen zwei Dritteilen von
flachen Reliefs überaus roher Ausführung bedeckt:
in dem scharf absetzenden Bogengiebel ein nach
rechts sprengender Reiter mit Strahlenkranz und
einem undeutlichen gestielten Gegenstande, wohl einem
') Athen. Mitt. XXV 432 f.
2) Für die Gleichsetzung mit Men vgl. Buresch,
Aus Lydien 75 f.; Bull, de corr. hell. XX 62 f.;
105 A. 1; Journ. of hell. stud. XIX 80 ; mitMithras:
Jahreshefte des österr. arcfcäol. Institutes Bd. XI. Beiblatt.
Beile, in der erhobenen Rechten; unterhalb des
Pferdes, nach der langen, spitzen Schnautze zu ur-
teilen, ein in der nämlichen Richtung laufender Hund.
In dem von den Pfeilern flankierten Schmalfelde
folgt eine Gruppe von drei, anscheinend sitzend ge-
dachten Frauen, von denen die beiden äußeren den
rechten Arm erhoben halten. Darunter ist mit dem
ganzen Ungeschick naiver Bildnerei, die die räum-
liche Perspektive in ein flächenhaftes Neben- oder
Übereinander verkehrt, auf dem von einem nach
rechts sprengenden Viergespanne gezogenen zwei-
rädrigen Wagen der Sonnengott mit Nimbus und
Fackel in der erhobenen Rechten dargestellt; den
Rest des Feldes füllt die Inschrift: 'EpjiT/Stov 'Ep[rf;|äo;
aüv fuvai|y.i Nava -p(ox^|ispEt; O-ep ian|T(öv xal xffiv
EB|Ctov 'Oai(o \:v.i<a | S'J/V'.
Für den nur aus Weihinschriften bekannten
"Oato; xal Sixatoj, eine griechische Namenshülle für
den im Tnnern Kleinasiens unter wechselnden Be-
nennungen vielverehrten Reitergott mit Doppelaxt
und Strahlenkranz, darf ich auf die Darlegungen A.
Körtes verweisen '), der das fließende Wesen dieses
abseits der festgelegten großen Kulte stehenden Ver-
treters einer urtümlichen Bevölkerungsschicht zu-
treffend kennzeichnet. Die aus der mitunter vorkom-
menden Pluralform '0:/>: xal BCxaiot zu erschließende
Spal tung des namentlich mit Apollon-Helios geglichenen
Gottes2) in zwei gesonderte Gestalten -1) erhält durch
die Doppeldarstellung des Reiters mit der Axt und
Körte, Athen. Mitt. XXV 433 A. 2.
3j Zu den von Körte a. a. O. und Mordtmann.
Athen. Mitt. X 12 beigebrachten Belegen kommt noch
die Weihinschrift Buresch a. a. O. S. 75 n. 36 (6s]oi;
' +
t99
Franz Graf Calice, Votivstele aus Dorylaion
200
117: Votivstein aus Dorylaion.
des Sonnengottes auf dem Viergespann auf unserem
Relief einen monumentalen Beleg, der sein genaues
inschriftliches Seitenstiicl; hat in einer Anrufung des
"HÄ'.o; "/.'ifiog neben "Oaio; Sir.sog eines andern
Votivdenkmals *). - ■ In Dorylaion tritt zwar der
"Oa'.og xal oi/.aio; mit, soviel ich finde, drei in-
schriftlichen Erwähnungen0) einschließlich der unse-
ren, gegenüber dem spezifisch phrygischen Zsüj
Ppovrröv6) mit seinen zahlreichen Nennungen auf
sepulkralen Anathemen zurück, doch wird, wie bereits
Körte hervorhob7), der Name duich die auf unserer
Inschrift erwähnte Oberpriesterschaft des Herniedion
und seiner Frau für Dorylaion als offizieller Kult
name gesichert.
Die zwischen die beiden Götter versetzten drei
anscheinend weiblichen Gestalten als menschliche
Wesen in Zusammenhang mit der Dedikation zu
bringen, wird durch den adorierenden Gestus der
beiden äußersten nahegelegt, wobei die unterbliebene
Differenzierung des männlichen Hauptdedikanten dem
Unvermögen des Reliefbildners zugute zu halten
wäre. Hält man aber zu dieser Schwierigkeit noch,
daß auf den phrygischen Reliefsteinen die sicher
menschlichen Darstellungen fast ausnahmslos inBüsten-
form gegeben sind, so wird immerhin zu erwägen
sein, ob wir in der Gruppe nicht eine göttliche Trias
zu erkennen haben, die die ganze Darstellung zu
einer einheitlich transzendenten abschlösse. Eine
formale Entsprechung böte ein phrygischer Grabstein,
auf dem Hekate in Form dreier selbständiger, voll-
bekleideter Frauengestalten zwischen Men und einem
nackten Gotte mit Doppelaxt dargestellt ists). Zu be-
nennen wäre unsere Dreiheit so wenig, wie die weib-
lichen Doppelgottheiten kleinasiatischer Münzen9)
oder eine ganz gleichartige Gruppe dreier sitzender
Frauen auf einem Kultdenkmale des sogenannten
'Oaio) xa[l 3txodu>), wo mit Ausschluß anderer Götter
dei l'lural 9soi; kollektivisch auf 'Ojlm xxl Btxatcu zu
beziehen ist.
•) Joum. of hell. stud. V 253; vgl. oben Sp. 1 5 5 f .
•> Körte a a. O. S. 433 n. 55; Radet, En Phrygie
567 n. X.
8) Über die Stellung des Bpovtfflv-Kultes in
Dorylaion Körte a. a. O. S. 409 f.
7) Athen. Milt. XXV .134.
- Bull, de corr. hell XX 64 pl. XVI; vgl.
[Jsener, Dreiheil t'14.
1 I ' sem-r a. a. Ü. S. 200.
201
F. Löhr, Petrons Lebensende
202
thrakischen Reiters10), die ohne überzeugende Gründe
auf die germanischen Matres gedeutet worden ist.
Diese würde sich vielmehr unserer Trias um so un-
gezwungener zur Seite stellen, je mehr sich der Kult
des dämonischen Reiters, dem sie da wie dort zu-
gesellt ist, als ein den Phrygern und Thrakern gemein-
sames, in ethnologischen Zusammenhängen wurzelndes,
altes religiöses Erbgut darstellt. Doch das will nur
Möglichkeiten andeuten, die nicht zu entscheiden
sind, ehe die Denkmäler, beim Versagen aller lite-
rarischen Zeugnisse die einzigen Quellen für diese
in den Volksniederungen zäh haftenden dunkeln
Kulte, gesammelt in genauen Aufnahmen vorliegen.
Hinsichtlich der äußeren Form des Steines mag
der Hinweis nicht unterbleiben, daß sie das Schema
der phrygisehen Grabsteine modifiziert wiederholt,
die in Nachahmung der Felsgräberarchitektur ein
von Pilastern flankiertes und von einem Bogen
bekröntes Portal zeigen"). Diese bei dem Inein-
anderfließen von Votiv- und Grabdenkmal aufphrygi-
schem Boden erklärliche Abhängigkeit verrät sich
in dem Hufeisenbogen, der von der gewöhnlichen
Rundbogenarchitektur später Grab- und Votivsteine
abweicht, gleichartig aber auf phrygisehen Grab-
steinen, einmal eben in Dorylaion, auftritt12); vielleicht
aucli in der Proiilleiste zwischen den beiden Pilaster-
basen, die doch wohl nur als Überbleibsel der Tor-
architektur Sinn erhält. Bei Übertragung des Typus
auf nichtsepulkrale Denkmäler konnte diese, ihres ur-
sprünglichen Bezuges auf die Behausung des Toten
bar, in Wegfall kommen, eine Entwicklung, die übri-
gens mit den überleitenden Zwischenformen auch auf
den Grabsteinen selbst zu verfolgen ist 1:i).
Zeitlich wird das Denkmal nach Analogie anderer
datierter Stücke wie nach den Schriftcharakteren in
das dritte Jahrhundert n. Chr. zu setzen sein.
Stuttgart.
FRANZ GRAF CALICE
Petrons Lebensende.
^Nachtrag zu
Als ich oben S. 1 66 für die richtige Verwendung
der Taciteisehen Schilderung von Petrons Selbstmord
in der Frage, wo er sein Landhaus gehabt und ge-
storben, wo demnach der Schauplatz der ,cena' zu
suchen sei, Studniczka zitierte, habe ich leider des-
selben Gelehrten spätere Äußerung in dieser Sache
(bei Th. Wiegand, Die puteolanische Bauinschrift
1894, S. 677 Anm. 5) nicht berücksichtigt. Ich be-
dauere dies um so mehr, als er ja an dieser Stelle
seine frühere Meinung zurückzieht, um ebenso ein-
dringlich wie früher Cumae, nunmehr Puteoli lür
die fragliche Örtlichkeit zu erklären. Geht mir so
ein guter Zeuge für die mir einzig richtig erscheinende
Auffassung verloren, so habe ich wegen der Begründung,
die Studniczka seiner neuen Meinung gab, in der
Hauptsache doch nichts an meinen Ausführungen zu
ändern. Es ist charakteristisch, daß in den .Vermutun-
gen' das Zeugnis des Tacitus bestimmend hervortrat,
später aber dieses völlig fallen gelassen ist und andere
sachliche Erwägung, die nur die cena Trimalchionis
ln) Hampel, Arch. Ertesitö 1903 S. 325 n. 19;
Ziehen, Arch. Anzeiger 1904 S. 16 f.
") Vgl. Noack, Athen. Mi tt. XIX 315 BF.; Michon,
Memoires de la soc. des antiquaires de France 1906
p. 27 ff.
- 1 , ff.
angeht, dominiert. Ich habe es nur mit dem Berichte
des Tacitus und seinem Helden zu tun gehabt: dieser
Petron stirbt unzweifelhaft auf seinem Landhause zu
Cumae. Allerdings möchte ich mich nicht mehr ebenso
zuversichtlich in der Frage nach dem Schauplatze
der cena entscheiden. Ich glaube, falls hier wirklich
alles gegen Cumae spricht und dieser negative Sach-
verhalt zur Evidenz gebracht werden kann, dann
wird man sich eher, wenn auch schwer, mit Teuffei,
Bernhardy u. a. dazu zu entschließen haben, den
Petron des Tacitus und den Verfasser des satirischen
Romans endgiltig von einander zu scheiden, als. wie
es zu oft geschehen , den Text des Tacitus still-
schweigend zu übergehen oder erweislich falsch aus-
zulegen oder zu vergewaltigen. .Töricht' übrigens, wie
Ribbeck meint (G. d. r. D. III 168), ist mir das Be-
denken nie vorgekommen, daß dieses große satirische
Werl; von Tacitus gar nicht erwähnt sei — eher die
Begründung dieses Urteils. ,
Wien. FRIEDRICH LÖHR
'-) Athen. Mitt. a. .1. O. S. 315 Fig. 1; Memoires
a .1. < 1. p. ;S Fiu:. i- Über den Hufeisenbogen in der
kleinasiatischen Kunst Strzygowsky, Kleinasien 29 ff.
Memoires a. a. ( >. p. 39 f. Fig. 4; Athen.
Mitt. a. a. O. S. 327 Fig. 6.
■4*
203
W. Kubitschek, Astragalgewichte aus Falerio
204
Astragalgewichte aus Falerio.
Die beiden Bronzegewichte des Museo Gregoriano
CF
C-F
mit den Aufschriften yy'v und "". ' , welche ich in
diesen Jahresheften X 134 nach einer Mitteilung des
Dr. Nogaro erörtert habe, stammen aus Grabungen
in Falerio in Picenum. Dies habe ich bemerkt, als
ich bei einer zufälligen Konsultierung von CIL IX
6088 unter n. 2 und 3 die gleichen Inschriften auf
,pondera duo ex plumbo aere incrustato formae crurum
bovinorum, Falerione ad theatrum reperta' mitgeteilt
sah. Als Gewährsmann ist im Corpus Gaetano de
Minicis Ann. inst. arch. 183g S. 61 (Amin. 1) an-
geführt. Die Identität mit den Astragalen des Grego-
riano lag auf der Hand; ebenso, daß die crura bovina
des CIL auf irgend einem Mißverständnisse beruhten.
Was de Minicis sagt, dessen Ausführungen ich dann
nachschlug, deckt sich nicht mit dem daraus für das
Corpus angefertigten Exzerpt, beruht aber gleichfalls
auf einem Mißverständnisse: ,formati a modo dell' osso
di un bue nella giuntura della coscia.' Außerdem gibt
de Minicis ausdrücklich an, daß beide Stücke in das
Museo Gregoriano gebracht worden seien. Die beiden
ersten Buchstaben wollte er mit c{oloniac) F(äUriensis)
zweifelnd interpretieren. Was Mommsen, der de Mi-
nicis' Vermutung registriert, hinzufügt, habe ich nicht
recht verstanden: etwas, was einem bei der Lektüre
der von Mommsen geschriebenen Corpusbände doch
gewiß nicht so bald begegnet; vielleicht sitzt ein
Druckfehler in diesem Satze; er sagt nämlich: ,eadem
est quae refertur in schedis eiusdem statera reperta in
agro Faleriensi inscripta sie:
LVCIVS CAIVS FORTVNATVS.'
Wohl nahm ich an, daß Mommsen die Buch-
staben C- F als Caius Fortunatus zu lesen geneigt sei
(Caius als Gentilnamen); aber eigentlich steht das
doch nicht in dem angeführten Satze. Daß überdies die
Aufschrift jener Wage nicht ihren Weg in die ge-
zählten Lemmata des Corpus (und also auch nicht
in dessen Indices) genommen hat, macht die Sache
wirklich nicht einfacher. Es wird also wohl nötig
sein, bei Gelegenheit den schriftlichen Nachlaß des
de Minicis auf der städtischen Bibliothek von Eerrao
nachzuschlagen.
Nun gibt es, glaube ich, von demselben Gewichts-
satz aus Falerio noch wenigstens ein Exemplar, u.
zw. in der Bibliotheque nationale. Babelons so außer-
ordentlich dankenswerter Katalog der Bronzen bringt
unter n. 1927 einen Bronze-Astragal, O'Oöo, m lang,
mit der Aufschrift ■ auf der ,Uuterseite'. Als ich
dies unlängst bemerkte und ein Gewichtstück in ihm
vermutete, richtete ich eine Anfrage an Herrn Ernst
Babelon. Die Antwort zerstörte jeden Zweifel: .perce
d'un trou et creux ä l'interieur'; also derselbe Zustand
und gewiß auch die gleiche Art der Technik wie bei
dem leichteren der beiden Stücke des Gregoriano.
Das Gewicht des Astragais beträgt immer noch
238 Gramm, seine Provenienz ist in Paris unbekannt.
Ist der Kanon, nach dem diese Astragalen gearbeitet
sind, konstant, so ergäbe sich rechnungsmäßig für das
Pariser Stück eine Länge von nur 0-064 m; da der
Pariser Katalog aber wie gesagt O'oGq m für die
Länge angibt, so ist vielleicht nach anderer Methode
gemessen; vielleicht ist auch vom Standpunkte des
Mathematikers aus die Aufstellung eines einfachen
Verhältnisses zwischen Länge und Gewicht der nach
diesem Verfahren aus zweierlei Stoff hergestellten
Gewichte nicht einwandfrei, und gewiß darf auch an
die Präzision dieser Technik nicht ein besonders
hoher Anspruch gestellt werden, so daß es kaum
Wunder nehmen dürfte, wenn das Resultat meiner
Berechnung von der Wirklichkeit um ein geringes
abwiche. Wie gut wäre es nun, wenn eines der
beiden genannten Museen seinen Besitz an diesen
Gewichtstücken dem andern abträte, das Zusammen-
gehörige vereinte und so seine endgültige Darstellung
und Würdigung ermöglichte!
Wien. WILHELM KUBITSCHEK
205
G. Niemann, Zum Mausoleum von llalikarnassos
206
118: Modell einer Ecke des Mausoleums
Zum Mausoleum von Halikarnassos.
Mit Bezug auf den A fsatz von Hermann Thiersch
und die darin enthaltene Bemerkung Furtwänglers
über die unrichtige Zusammensetzung der Säulcn-
ordnung vom Mausoleum im britischen Museum
I Jahreshefte XI 53) möchte ich darauf hinweisen, daß
ich vor mehreren Jahren im Gipsmuseum der Aka-
demie der bildenden Künste ein Modell großen Maß-
stabes aufstellen ließ, welches eine Ecke vom Säulen-
bau des Mausoleums wiedergibt (Fig. 118).
Das Gebälk ist ohne den Fries gebildet und
dieser an der Cellawand angebracht. Die in den
achtziger Jahren ausgeführten Aufnahmen der damals
zum Teil in den Depots des britischen Museums
aufbewahrten Werkstücke vom Mausoleum, setzten
mich in den Stand, alle Einzelheiten, auch der eigen-
artig zusammengesetzten Steindecke in dem Modelle
wiederzugeben.
Wien. GEORGE NIEMAXX
207
J. Ornstein, Vom römischen Kastell bei Szamos-Ujvär
208
Vom römischen Kastell bei Szamos-Ujvär1)
Bei der im Spälherbste 1905 durch den kurz
vorher hier konstituierten armenischen Museumsverein
veranstalteten Ausgrabung der unter der Erdoberfläche
befindlichen Mauerreste des Prätoriums, auf das ein
beim Ackern zum Vorschein gekommener Grund-
I ' H
[19: Inschrift aus Szamos-Ujvär.
stein geführt hatte, ist das Bruchstück einer Inschrift
gefunden worden , deren (ergänztes) Faksimile in
' |, d. n. Gr. im 1. Hefte 1906 des Arch. Ertesitö
mitgeteilt wurde.
Dieselbe lautet (Fig. 119):
linp. Caes. Di]vi Hadriani fi[l. Diu
Traiaui P}arthici mpo[s üivi
Nervae p]ronepos T. A[elius
Hadrianus Ajnioninus Auj^. [Pitts
tribunicia }polest. VI cos. [III p. p.
fecit per ald\m II. Pannotti[orttm
Hierdurch ist ein Anhaltspunkt für die Bestim-
mung der Zeit, in welcher die Täler der kleinen und
großen Szaraos permanent befestigt wurden, gegeben,
der bisher fehlte, da selbst Karl Torma in der Mono-
graphie des Alsö-ilosvaer Kastells sich in dieser Be-
ziehung nur auf Vermutungen aus anderen Daten
angewiesen sah.
Doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
daß schon in früherer Zeit eine — wenn auch nur
provisorische — Befestigung hier (wie auch ander-
wärts) bestanden habe.
Hierfür spricht, von örtlichen Anzeichen abge-
sehen, der Umstand, da^ das von Trajanus gegrün-
dete, einer Garnison entbehrende Napoca nicht ein
Menschenalter hindurch ohne jenen vorgeschobenen
Posten wird gelassen worden sein.
Weitere, etwa mit Ausnahme des Grundrisses
des Prätoriums minder wichtige Details der Aus-
grabung wird das zu erwartende Jahrbuch des ge-
nannten Vereines aus der Feder des Grabungsleiters
enthalten.
Szamos-Ujvär. JOSEF ORNSTEIN
;) S. Arch.-epigr. Mitt. XIV 168 IV. u. Jahreshefte VI Beibl. 109 f.
SACHREGISTER
Die Band- und Seitenzahlen des .Beiblattes' sind kursiv gedruckt. Wörter von Inschriften sind in der Rege] nur in den epi-
graphischen Index, Klassikerstellen nur in wichtigeren Fällen aufgenommen.
Abkürzungen: Br. = Bronze. Elfb. = Elfenbein. L.=Lampe. M. = Malerei. Mos. = Mosaik. Mz. — Münze. Rel = Relief.
Silber. Sk. = Sarkophag. Sta. = Statue. Stta. = Statuette. T. = Terrakotta. E. = Vase.
Acheluris Flurname 3I5
Achilleus Schild 248
Adler in Rankenfries 120
Adjektiva von Eigennamen, Endung 192
Aelian V. H. XII 41 . . . 4^lh
Aetolien Oinoe 26 f.
Agone, Geschichte der dramatischen — 15
Agorakritos Athena 192
Ägyptische u. griechische Kunst 47; -- u. my-
kenisch-kretische Kunst 244 f. 255 f.: — s in der
griechisch-römischen Religion 230
Ähren auf röm. Grabstele SO
Aiolis Bereisung 3
Aischylos Niobe 2g73; Prom. 598 u. Schol. I74,;;
Fr. 35 ... 26; Fr. 192 ... 13.,,.,; Fr. 284. 403
•335
Akrolithe 183
Akkusativ-Formen, volkstümliche 192
Alexandros, Sohn Polyperchons 92
Alkamenes Ares 192; Hermes Propylaios 198
Alk in 00 s Name X 23
Alkiphron Briefe Fr. V . . . 37
Alphinus Name 22
Altargrab in Grado 9
Altärchen ohne Inschrift aus Asseri.i 88
Amazone des Phidias 198; des Polyklet :\\
Ambartepe Ringmauer 149
Ambelokipi Athena-ivW. 187. 193
Ambo aus Marathesion 148
Amphipolis Antiken 97
Anaia (Ania) Funde 151 f. 162
Anakreon des .Phidias' [98
Anth. Pal. IV 321. 2; IX 333. | . . . 2
Antipatros makedonischer Staatsmann 90
A pameia Name S 1
Apelles in Alexandreia 41; Werke 32 IT.: Kunst-
schriftstellerei 38. 44
Aphrodite der Madrider Doppelherme I98; — iv
üA'.viKo) ('OXüVJtta) von Tegea 7; — Doria 199
Apollodor HI 10, 6 . . . 28; III 15, S . . .
18;,,
Apollon Br. aus Pompei 213; — mit Delphin Br.-
Stta. aus Veszprim 240; Thermen — 198; Kopf
aus Thasos 156; , — Kopf u. Torso' aus Thasos
142. 143,
Apollonios I 94 1 ...4
Apotropäische Reliefs 57
Aquileia Gründung 9; Bernstein- u. Glasobjekte 16;
Museum 8; Katalog 9. 13
Archelaos Apotheose Homers 25
Architektur kretische 252; vormykenische u. my-
kenische 111; Gebälk von der Bibliothek von
Ephesos 120, aus Asseria 35. 48. 60, vom
Neptuntempel auf Brioni 17<>: Ecke des Mauso-
leums von Halikarnass 205
Arestempel in Athen 192
Argirische Schule 207. 236
Argos Oinoe 26
Argyruntum Grabungen 7
Aristonikos Römerkrieg JO
Aristophanes Aves 643 ...3; IVttixüberlieferung
90; — u. Euripides Ib4a
A ristophanes u. Erginos, Berliner I'. 135
Arkadien Oinoe 26
äpy.xmioj, äpxTt/.i; ... 4
Armreif aus Dalj, Gold 260. 270: — e aus Sieben-
bürgen, Gold 270; — e mit Doppelspiralenden,
Verbreitung 2 7 4 , , .,
Arnobius VI 224 . . 36
Arrian I IS. 1 . .11
Sachregister
Artemis AAcpeiölta I; Henierasia 28; von Ortygia I;
von Epbesos 107; — und Ge 28; Artemision
von Ephesos, Sima 50. columnae eaelatae 40:
Br. aus Pompei 213
Arvalia (Ortygia) Funde 154
Aschenurne in Grabcippus 75
Asia Hymnoden 101
Asios bei Athen XII 525 E ... 95
Asklepios, jugendlicher. Kopf in Rom im
.Aspasia' Verse an Sokrates 12
Assarlyk Felsgruppe beim Deirmendere 160
Asseria Grabungen IS
A s s 0 s Tempel 50
Astragalgewichte aus Falerio 203
■/. z -. p ü> : 0 5 4
Atalante des Skopas 116
Athen Akropolis, archaische Statuen 14; Arestempel,
Kultstatuen [92; Erechtheion 52, Korenhalle 110;
Hephaistostempel, Kultgruppe Igl; Ge-Kult 9.
11. 16; Parthenon, Skulpturen 196: Theater 15,
Sesselinschrift 24; Diadem aus Gold 27I3-; Öster-
reich. Institutsgebäude 16
Athena '0;io/.w'.x 5; des Agorakritos 192; des
Pbidias l6q, Lemnia 194. 200, Parthenos, Pro-
machos 193: des Hephaistostempels in Athen
192; Hope-Farnese 199: Medici 184 ff.; Br.-Stta.
in London 21 1; Rel. auf dem Calafat-Dagh 156
Athenaeus VI II 346 C . . . 1; XI 462 B ... 6;
XTI 512 B ... 88; XII 52; E ... 95: XIII
588 C ... 34 f. 39
Athenagoras p. 1 ... 20
Attienites Volk Dalmatiens 20
A ttika Oinoe 26
Attis T. 98
Attisch-jonischer Tempelstil 52
Augen Wimpern bei Marmorkopf aus Br. 1 78. 182;
Apfel aus Elfb. u. Edelstein 17N; archaische
Bildung 146; — bildung des Kresilas 199
A utonoe Name 23
Babylonische und kretisch-mykenische Kunst
251. 257
Bacchische Reliefs 60
Bad in Asseria 53, Carnuntum 10, Salona 4
Band, ornamentiert, aus Dil}, Goldblech 261. 271.
doppelte Verwendung solcher Bänder 27I3.
Baplisterium in Ephesos 2, Salona 4
Barbar, gefangener, bei Imperator Sta, 184
Basilika in Salona 4
Bell yc Armreif, Gold 270
Beni-Hassan Wandgem. 245
Benk Johannes, Büste des Kaisers Franz Josef 4
Benndorf Otto, Porträtbüste 4
,Berenike' Kopf 213. 219
Bergaz Kirche 165
Bernstein-Gegenstände aus Aquileia 16
Beschläge, kahnförmige, aus Dälj Br. 259
Betender Knabe in Berlin 22;
Bibliothek von Ephesos 3
Biogr. Gr. p. 7 W. ... 20
Bithynien Könige 75; Ortsnamen 191
Blei Wasserrohr 174
Blitzschlag Ehrung 12
Blumenkelch mit Satyrkopf an Pr.-Henkel 129
Böhmen Armringe 274«
Böotische Wortbildungen 5
Brioni Grande Grabungen 7. 167; — Minore
Antiken 176
Britho melische Nymphe 2=;:il
Bronze prähist. Objekte aus Asseria 17. 86, aus
Dälj 259, goldplattiert aus Dälj 260 ; Brn. aus
Carnuntum //; Sla. vom Helenenberg 209, von
Ligurio 209. 236; Reis, vom Times 229; Sttatt.
aus Ungarn 236;
Afhena-S//fl. in London 21 1; Groti-Brn. in Ne-
apel 210. 212, in Rom und Berlin 212; Zeus-
Stta. der Sammlung Wix 101;
Gefäße aus Sissek 117; Hohlmaße aus Asseria
63; Gewichte aus Falerio 203: Stempel aus Asseria
85; Kranz mit Kreuz aus Ephesos 3;
Plaquagetechnik 265 ; Farbenzutaten zu Brn.
228; Rcl. versilbert 229. 234; Gefäße mit Weiß-
metallüberzug 124 '.; Stan. mit Innenstützen aus
Eisen 217; Augenwimpern an Marmorköpfen aus
Br. 178. 182
Brustbild in Medaillon aus Thasos 163
Brustwarzen aus Silber bei Br.-Stta. 236
Buccari (Bakar) ßc.-Eimer 122
Byzantinische Baureste in Anaia 152: Kirche
auf dem Ambartepe 150; Mzz. aus Bergaz 167
Caesar, Julius — und Issa 5
Carner 2S4
Carnuntum Grabungen 10; Br.-Rel. 234
Carpegna, Villa — in Rom, Antiken ioy
Cetinje Museum 103
Choraufführung, Holzbalken dabei 190
Chrysonoe Name 2;
Cicero Verr. IV 53, 11s ... 6
Cisten Sitz der Demeter 1;
213
Sachregister
214
Cisternen auf Brioni 174
Colussi Sammlung 117. 122. 127
Constan's, Basilika der Zeit des — 4
Cumae äolisehe Gründung 31 ; Villa l'etrons und
Trimalchios in — ? 29. 165. 201
Dalj Goldfund 2^0
Dänemark Armringe mit Doppelspiralende 2",
Deinome auf Polygnots Bild 23,,,
Atjkü und Ableitungen 24,
Deimendere Funde 157
Delos Ge-Kult 10
Delphi Schatzinschriften ISS
Delphin bei Apollo 24 1; Fries-Äf/. ///; auf Grab-
stele 80
Demeter Mysia, Tempel bei Pellene 9,,; — 'O;io-
/.«v.a 5; — und Ge 17
Depotfunde 273
Deutschland Armringe mit Doppelspiralende 274,,.
Diadem, Gold, aus Athen 2/I35, aus Dalj 272
Diaduraenos Farnese 197- 205
Dietrich Sammlung 117
Diodor XI 91. 3 ... 22,.,
Diokletianspalast in Spalato 5. 16
Diomedes Kult an der Adria 396 f.
Dionysos Br. in Neapel 214; — an Pfeiler stehend
Sita, aus Thasos 160; — Theater in Athen, Sessel-
inschrift 24; — Botrys auf Thasos 162; — und
Demeter 8; — und Herakles 160: — und Pan 27
Doclea Funde 103
Dolchklingen mykenische 247
Dolichenus Rcl. 229
Dolien mit eingeritzten Zahlen 179
Dorischer Tempel 51
Dorylaion Votivstele 197
Doryphoros Polyklets 213
Drehscheibe bei Br.-Gefäßen 122 ff.
Dreizack Ziegelmarke 17$
Drusus an der Elbe 19
Eber bei ,thrak. Jäger' Rti. 100
Edelstein, Pupille aus — , 178. 182
Eimer aus Sissek Br. 118
Eisen Gegenstände aus Asseria S7. aus Dalj 259;
Stützen in Bf. -Stau. 257; Teile an Br.-Gefäßen
1 1 8 ff. ; Schwengel von Br.-Glocke 86
Elfenbein Reliquiar 16: Augapfel bei Marmor-
köpfen 1 78
Elias Patriarch 9
Elis Oinoe 27
Jiilireshefte des listen-, archäo] Institutes Bd. XI Beiblatt
Elysien Begriff 14
Email auf Br.-Fiebel 86
Enyalios 'OpoXeäiog 5
Ephesos Ausgrabungen /; Forschungen 13; Biblio-
thek 118; Hymnoden 107; Küste südlich von -
135; seldschukische Bauten 13; Straße nach
Magnesia 167; Theater 16; Wasserleitung 142. 159
Erde, Mutter — , 1
Krcehtheion Fries 52, Korenhalle 110
Erotian Hippokrateslexikon 117, 6 Kl. oxöta . . . 42
Erysichthon V. 15. 17
Eschara (Opferherd') in Syrakus 8
Eudoxos Mathematiker, Sita. 196
Eule bei Omphalos V. 16; bei Athena 190. 193
Euripides Phoinix l6„: Schol, Phoin. III9...5,.,
Falerio Gewichte 203
Fälschungen aus Amphipolis 102
Fasces und Beil ornamental 124
Faustkämpfer des Thermenmuseums 225
Feder bei Hermes-Thot 239
Fenster in der Bibliothek von Ephesos 133
Feregyhazy Armringe mit Doppelspiralenden 275.,,-
Fibeln aus Asseria 17. 86; aus Dalj 259, zoomorph,
goldplattierte Br. 26;. 273
Fiume Torbogen 14
Fleischpreise in Delphi 190
Fokoru Goldfund 263
Fortuna auf Kugel, Doliummarke 179
Franz Josef I, Kaiser, Sta. in Carnuntum 11:
Büste in Athen 4
Französische Armringe mit Doppelspiralenden
275«
Frau nackt, gefesselt Ret. 148; - thronend T. 97
Fries ionischer 47
Talo; (-faiuiv, fotetöv) Ge-Heiligtum 10. 15
Gallier(:- Sta. aus Pola 1S4
Gallische Weißkupfertechnik 235
Gans bei Mars 231
TccariTtTOv in Sparta 12
Ge Heiligtümer 10; Kultübertragung 7; athenische
(Olympia), syrakusanischc 9: — und Artemis 2g
1 1 ebälk s. A rehitektur
Genius mit Feston oder Füllhorn A'
Geometrischer Stil in der ungarischen Br.-Kultur
269
Ge ran os-Tänzerin in Delos 1S7
Germanen, Mutter F.rde bei den . 19
15
215
Sachregister
2l6
Gewand mykeniscbes 251; Schleier 151; von Hirten
98; Steilfaltentypus 148. 154; Chiton, Überschlag
raitgegürtet 158; Aphrodite-Mantelmotiv dekorativ
158.,^ bei Brn. gesondert gearbeitet 213; —
Silin, aus Thasos 148. 153. 158 f., in der Biblio-
thek von Ephesos in Nischen 125, weibliche in
Rom 195
Gewichte, Astragal — aus Falerio, 203
Giebelabschluß ornamental 126
Gigantenkopf aus Virunum 9
Gigant omachie-Ir;;. 135
Gjölbaschi Grabmal 49
Glas Gegenstände aus Aquileia 16
Glocke Br. 86
Gold Fund von Dälj 259; Diadem aus Athen 2 7 1 3:i :
— in der kretisch-mykenischen Kultur 257; Haare
an Marmor-5/d. aus — 179; Stirnschöpfe aus
— 95 '; Vergoldung von Marmorskulpturen 183;
Plattierung von Br. mit — 260. 265
Gorgoneion auf Imperatorenschuh 184
Göttinnen Trias, phryg. Rel. 200
Gräber, prähistor., in Dälj 259, bei Podgradje IS:
— in Argyruntum 7, Asseria 53, Pola 8, kroati-
sche in Dalmatien 5
Grabanlagen auf Assarlyk und Sipylos 161,
lykische 49; Felsengrab bei Pygela 142; Phrygi-
sche Grabstein-Architektur 201; Grabmal der Lais
35- 37; Grabmäler in Aquileia 9, in Pola 180;
Cippus mit Pinienzapfenaufsatz und Aschenhöhlung
aus Asseria 75, Cippus von Korbform ebendaher
78; Altargrab in Grado 9
Rel. aus Amphipolis 100, Asseria 60, Doclea
Hermes) 104, Marathesion 147, Pola 182, Thasos
152. 15613. 162; S/,i. aus Thasos 152; Tumulus auf
V. Vagnonville 107; Ske. klazomenische 50,,
lykische 50, aus Ania 163, Doclea 104; Bestattungs-
formen in Griechenland 107, in Dalmatien 77
Grado Grabungen 9
Granatapfel als Grabschmuck 107
Greifen-Fuß als Bankstütze ^X; — köpfe an Br.-
r.riffen 125
Griechen in Doclea 104
Grobnik Br.-Kimer 122
Guß-Flicken 223. 227; — kanäle nach innen
legt 218
Gytii . n Halikarnass 53
II 1 r-Behandlung, archaische 144, bei Phidias 202;
— nest 152. 1 5<i ; -tracht .merkwürdig' bei Dio-
nysos 162; U-tiix. Krobylos, Korymbos, 3x0p-
~!g; 87; — aus Gold an Marmorkopf 179, an
Marmor mit ßr.-Stiften befestigt 179, an Brn.
selbständig gegossen 215 ff.: — bänder 144
Hadriansvilla Athenakopf 175. 182
Hagia Vorgebirge 138c,; — Triada (Kreta) RcL-
Gefäß 242, Wandgemälde 250. 254; -- Triada
(bei Smyrna) .Felswarte' 161
Hacke aus Eisen 87
Halikarnass Gymnasium 53; Mausoleum 53,.,. 205
Hammer bei Dolichenus 230; — aus Eisen S7
Hammurabi-Stele 252. 257
Haue aus Eisen 87
Häuser auf Brioni 7. 171. 175, in Pola 184; Holz —
in Krupa 7
Heddernheim B/'.-Platte 230
Hecke um Omphalos V. 15
Helenenberg Grabungen 10; Br.-Sta. 209
Helios auf Viergespann Rel. 198
Hellenistische Statuen 241. Terrakotten 99: — r
Marktplatz in Ephesos 2: — s Fort bei Bergaz
167
Helm der Athena mit Kranz und drei Büschen 176.
179; der Mossynoiken 95; antik gestückt 1 79
Henkel von Sr.-Gefäßen 119 ff., hermenartig 130
Hephaistos-Tempel in Athen, Kultgruppe 191
Hera 'AffoV.x in Lukanien 6
Herakleides Pont, bei Athen. XII 312 B ...88
Herakles, Taten, S/an. aus Ephesos 3; Köpfe aus
Thasos 159
Herculaneum Athena-S/iJ. Br. 191
Herme Henkel von Br.-V. 130
Hermes KuJtap'.satea; 2STT; Propylaios des Alka-
menes 198; Psychopompos mit Stab, Rel. aus
Doclea 103; Thoth mit Schildkröte und Schrift-
rolle Br.-Stta. 239; Trismegislos 240; — im Anti-
quarium von Rom und in Ny-Carlsberg 204;
Sita, aus Thasos 162; — und Pan 26
Herodot VI [34 ... 19; VII 113 ... 232,.;
Hesychius Äx«Xoup£; 3i5: ifj-icti 24,,-, : OtvdSac,
■;./.-.%: und OlvdBej 2671; y.vi t,v 'OivaTov 26; zi'i.-
--7; 315
Hirtenknabe T. 97 f.
lli-irer, Kämpfe der Römer gegen die 283 f.;
Feldzug de- A.. Manlius 286. 287 t.
Hofmann Edm. v., Sta. des Kaisers Franz Josef I
... U
Holz vergoldet bei Akrolith 183; — häuser, römische 7
Homer Achilleusschild 248; Rel. des Archelaos 25;
Vita IV. VIII ... 24
Hopfen ranken an Br.-V. 131
217
Sachregister
2 1«
Hufeisenbogen in Phrygien 202
Hund hei Hirtenknaben T. 98, bei phryg. Reitcr-
gott Ret. 198
Hydria auf Grab der Lais 35. 37
Hyginus IX 2c>.^; XI . . . 27T4
Hymnoden von Asia 101
Hypereides y.axi Ar]|ia5o'j !tapavö|io>v Fr. 77 ... 9 1
Hypnos Br. in Berlin 221
Hyinetho Mutter Homers 24
lalysos Stadleponym 45
Iapoden, Gebiet der — 280; Unterwerfung durcb
Tuditanus 280 f.
Idria bei Baca, Br.-Eimer 122
Ikaros Oinoe 25
Inschriften Tituli Asiae Minoris 11/.; Überschriften
54; sorglose Redaktion 59
Johannes-Kirche im Deirmendere 157
Ionischer Tempel 494. 51 ; Fries 47; — e Malerei
506; — e Küste südlich von Ephesos 135
Iphinoe Name 23
"iTtltövooj N.ime 22
Issa und Julius Caesar 5
Istrien Forschungen 167
Istros, Fluß 395
Ivkanec Sammlung 117
Kadi Kaie 153
Kallimachos xaxaxr;;ixsxvo; 39; — Dichter Fr.
48, 478 ... 24,,,
Kapitell korinthisches aus Asseria 35. 50; Kom-
posit — aus Ephesos 119. 124; Pilaster — aus
Thasos 163
Karischer Mauerring 154
Kärntner Blei auf Brioni 17 i
Karyatide des Phidias 198
Kasserolle aus Carnuntum, Silber 11
v. atafsiv Bedeutung 20
Katze M. aus Hagia Triada 245
Kekropiden V. 15
Kellen aus Sissek Br. 122
Kilikien Oinoe 27
Kirche auf dem Ambartepe 150; in Bergaz 165 ;
Johannes — in Deirmendere 157; Marien — in
Ephesos 2; in Klapavica 5; S. Spirito bei
Podgradje 18; — in Salona 4; Dom von Spa-
lato 6
Klagenfurt Museum 10
Klapavica Grabungen 5
Klazomenische Sarkophage 506
Kleonae Qti.-M.ZZ. I02s
Kleonoe Name 23
Knopf prähistorisch Br. 17
Knossos Funde 115 J: Tempelfassade 235; Wand-
M. 240; Stierlcopf 256; Reh 251
Kompositionsformen kretische 242
Konsolengesimse aus Asseria 51
Kopf mit Hörnern und großen Ohren vom Tor \on
Asseria 40; Köpfe mit konischer Mütze an . Stein-
amphora Reh 59; — ansatz bei Bin. 219; Ober —
an Brn. gesondert gearbeitet 212
Kopfbinde bei Asklepios 11 1
Korb aus Weidenruten. Grabcippusform 78
Korinth Oinoe 27
Korymbos 92
Kranz mit Kreuz aus Ephesos, Br.3; — auf Helm
der Athene Br. 176
Kresilas Augenbildung 199
KpYjd-O), KfrjirTjfj, KpiS-cö 25
Kreta Funde ///; kretisch-mykenische Kunst 242;
— und Rhodos 47
Krios Demos und Bach Attikas 3
Kroatische Gräber in Dalmatien 5
Krobylos 92
Krupa Grabungen 7
Kulpa, Funde in der — 118
Kultstatuen blicken zur Seite 191
Kunstindustrie römische 13
Kupfer Kannen aus Sissek 133; an Br.-Stau. 228:
an B/'.-Gefäß modern 128; Mzz. aus Weiß — 23^
Kybele des Phidias 198; Sita, aus Thasos 150
Kychreus Heiligtum in Salamis 18
Kydippe rhodische Stadteponyme 46
Kyklopischer (karischer) Mauerring 154
Kyme Heimat Homers 25
Kyrbe auf Rhodos 46
Kyrene, Kopf aus — im Br. Mus. 181
Kythera, archaischer Kopf aus — in Berlin 217
Lager in Carnuntum 10
Lais, jüngere, Heimat 34; Grabmal 33; Bild des
Apelles 36. 39. 43
Lampen römische 86
Laokoon Schlangen l85.,
Laurentnm, Athenakopf aus — 173. 182
Leichenverbrennung bei den Griechen 107;
in Dalmatien 77
Leukonoe Name 2381
Ligurio-Sr. 209. 236
Limes Br.-Rds. 229
15*
2ig
Sachregister
220
Lorbeerblätter ornamental an Gebälk 131
Lötflächen Herstellung 221
Löwe bei Kybele Sta. 150; — n am Tor von Ephesos
Stau. 2; See—, Fries 170
Lukian jcloToV 248 ... 92
Luna Br.-Rel. 231
Lusoi, Artemis von — 28
Lydien Bereisung 12
Lykien Bereisung 12; Grabmäler 40 I.
Lysippos, Kunsturteile über — 41
Madrid, männliche Büste in — 94
Makedonen Eigennamen 188. 193
Malerei Wandgemälde aus Beni Hassan 245;
kretische — 252, Wandgemälde aus Hagia Triada
250, aus Knossos 246; archaisch-jonische Wand —
50; Wand — in röm. Grabkammern 55 ; Bemalung
griech. Terrakotten 97; Farbenzutaten zu Bnt. 228
Marathesion 145
Marienkirche in Ephesos 2
Marken auf keram. Waren 179
Marktplatz, hellenistischer, in Ephesos 2
Marmor-Verkleidung von Hauswänden in Pola 184
Maroneia Silberstücke 186
Mars mit Gans Br.-Rti. 231
Martial IX 31 ... 232
Maske, tragische, aus Asseria Rcl. 56; im Giebel
einer Grabstele 80
Maße aufDolien angegeben 179; griechische Wein —
193
Maßtabelle für Köpfe 178
Matres germanische 201
Mausoleum in Halikarnass 53. 205
Medaillon-/?!.'/, von Thasos 163
Medusenhaupt in Giebeln der Bibliothek von
Ephesos 131; Rel. von Asseria 56; auf Bi.-
Phalera von Asseria 86
Meidias-V. 135
Meierhof, antiker auf Brioni 176
Mercurius Bru. 238
M esopo tamische und ägyptische Kunst 49
Messa Tempel 52
.Messerklingen aus Eisen 87
Meßtisch aus Asseria 63
Michalkow Goldfund 263 fl
Mi Ion Gigantomachie- V. 1 35
Miltiades' parisches Unglück 19
Misenos Sagentypus 31
Misenum Trimalchio-Villa \i. 165
Mittelalterliche Objekte in Zara 6'
Modric Sammlung 86
Monte Collisi Grabungen 8. 175
Mosaik in Grado 9; Marathesion 147; Virunum 10
Mossynoike n-Helm 95
Mühlen, röm. Hand — 88
Mundbildung bei Stau, des Phidias 203
Münzen aus Anzia. 152; in Aquileia ,5; byzantinische
aus Bergaz 167; des Regalianus aus Carnuntum
//; aus Doclea 103; von Kyme 25; aus Mara-
thesion 148; von Maroneia 186; von Orchomenos
186; von Sikyon und Kleonai mit Ge I02s; in
Zara 6; TSTT.tfm der Ptolemäer 189; — mit
Athena Medici 188. 191 ; Münzzeichen „äppoXv)"
191; aus Weißkupfer 23;; im Magen von Gänsen
232,,
Muschel auf röm. Grabstele 80
Museum in Ephesos 3
Mykenische und vormykenische Architekturformen
111; — Kunst 242
Myrleia-Apameia 81
Namenbildung griechische I ff. pass., 3 15. 192 f.
Neapolis bei Ephesos 151. 154
NeiXuhsüj, NEtXtuirj 3
Neptuntempel von Brioni 170
Nereidenmonument 50
S. Nicolo (Brioni Minore) Antiken 176
Niete fälschlich angenommen 226
Niettechnik Ornamente 268
Nike Sita, aus Amphipolis 99
Nikomedes Epiphanes 75; — Euergetes 76
Niobe des Aischylos 2g7S; — und Ge 28; Nio-
biden-Namen 2771
Nischen mit Figuren, Bibliothek von Ephesos 124
Nona Funde 6
Nonnos XIII 1S2, XXIX 253 .. . 2671
vc.0;. Nötig, Bedeutung 22
Nordische Armringe mit Doppelspiralenden 275,,.,
Ny-Carlsberg Köpfe 203
Nymphen melische 2;7I). 2771
Obrovazzo Grabungen 6
Ohr archaische Bildung 145; — gehänge an röm.
Kopf 60
Olvs''»:. Olvöy), OtvciiY] 23. 25
Ölfabrik auf Brioni 8. I7<>
Olympia Gc-kult 14; Oinomaos-Haus 14
Ou-oXtiia, 0|ioXti)to; 5
Omphalos der Ge 10, auf V. 15
Opferstöcke in Delphi 190
Sachregister
222
Ophis Schlangendämon 18
Orchomenos Münzprägung 186
Orientalische Kunst 244
Ornament von der Bibliothek in Kpliesos 120 IV.;
Akanthosblätter mit „gesägtem" Rand von Ka-
pitell 164; in der ungarischen Br.-Kultur 267.
271 f.; an Br.-Gefäßen gedreht oder ciseliert Il'ifl. ;
Eierstab und Blattmotiv an Hr.-V. 131
Oropos Ge-kult 11
Orsinoe Nymphe 26
Ortygia (Arvalia) Funde 134; s. Syrakus
"Oatoj y.at itxato; Rel. 154. 198
Österreich archäolog. Studien 16
Üüpix-Tpia Siedlung bei Taren t 31-,
Ovid Met. IX 444 . . . 2465
Palmette an lir. -Henkel 131
Paludamentum eigentümlich getragen 230 t.
Pan Slvöetf, 27; — und Dionysos 27; — und Her-
mes 26
Panther Gefäßhenkel 59; —feil unter Satyrkopf'
an Br.-V. 129
Paros Belagerung durch Miltiades 19
Pausanias I
192; I \l
9; III 12.
8 ... 12; VI 22, 9 f ••■ I ; VII 4, 3 ... 151: VII
27, 9 . . . 9,,; VIII 18, 8 . . . 2876; VIII 30, 3 ... 27;
X 14 ■•• 2360; X 26, 2 ... 23,/4
Pechüberzug von Gefäßen 188
Pelops V. 13;
Pergamon Hymnoden 107
Perle prähistorisch Br. 17, Gold 262. 273
Perser Schimmelopfer 232,.,
Perseus (?) Rel. 57
Petronius Glossograph 42; — Schriftsteller, Lebens-
ende 29. 165. 201, des Apelles Monoknemos 32
Petrus Erzbischof 4
Pfeiler, Mädchen an — gestützt (Thasos) [57
Pfeilspitzen aus Eisen 87
Pferde-Opfer der Perser 232,,; prähistor. Schmuck
von — geschirr, Gold 265; See — , Fries 170
Pflanzen Darstellung in der kretisch-mykenischen
Kunst 254
Phalera mit Rel. aus Asseria Br. 86
Phallus Rel. aus Asseria 57
Pheneos Oinoe 26
Phidias Athen a Stau. [69. 193; Diadumenos
Farnese 197; Werke [98
Philippos V. und Prusias 79
Philoe melische Nymphe 27-,
Phokions Prozeß 92
Photios '0|io/.(uio; 5 , ,
Phrygische Architektur 201
Phygela (Pygela) 137
Phyllis Name 23
Phyllonoe <ie 21. 28
I'hylonome der Tennes-Sage 23,,,
Pindar Nem. I I...I; VII I05-..29,; Schol. zu
Pyth. II 12, Nein. I 3 . .. 1 ; Pylli. IX 102 f. .. II
Pinienzapfen auf Grabstein 76"
Pipe Armreif, Gold 270
l'laqu igc-Technik 2I15
Piaton Phaidros 229c... 11 ,,
l'linius III 19, 129 ... 278; XXXIV 65 . . . LI;
XXX IV 69 ... 2u; XXXV 79 ... 38; XXXV
86 ... 40: XXXV 89 ... 41; XXXVII 114 ...
37; Quellen 38. 44
P lutarch Demosthenes 9 ... I231
Pola Stadtmauer 8; Porta Aure.i 14: Funde 180;
Reliquiar Elfb. 16; Museum 8
Polemon Fr. 75 Pr. ... 6
Polygnot Iliupersis 2364; Unterwelt 1
Polyklet Amazone und Doryphoros 213; Schule
209. 237. 241; _ — " Mädchenkopf iti
Polyp erchon 92
Pompei Bru. 212
Porta s. Tor
Porträt-Herme, Henkel von Br.-V. 130
, Prähistorische' Br.-Gefäße, italischer Export 12-
Praxiteles YL'j.-.-X'/s>~jl 20; Stilähnlichkeiten 112
Priapos-Herme auf röm. Grab-AW. 182
Protogenes T.sy. oXIHäto» 43; Werke 44
Prusias I. von Bithynien 79
Ptolemäer Mzz. 189
,Ptolemaeus Philadelphus' Kopf 213
Puteoli, Villa Hadvians in — , 201
Putten auf Stilus Br. 86
Pygela 137
Pythios Mausoleum 53
Regalianus M:. 11
Reitergott mit Strahlenkranz und Beil Reh
Relief-Ornamentik derungar. Br.-Kultur 267; — stil,
kretisch-mykenischer und ägyptischer 2V
Reliquiar von Pola Elfb. 16
Renaissance-Objekte in Zara 6
Rhodos Kultbilder von Herd-
Ring aus Gold, prähistorisch 262. 273; Siegel —
an Sta. I3617
Kuli ve aus Dalj Hr. 259
Rundbau von Brioni 172; von Pygela 141
223
Sachregister
224
Salamis Kychreus-Heiligtum 18
Salona Avisgrabungen 4
Sarkophag s. Grab
Satyr köpf an Br.-Henkel 129. 131
Säulen jonische uud ägyptische 49: culumnae cae-
latae des Artemisions 49^; — hallen in Asseria
47 ff. 61, auf Brioni 7. 169. 172. 176, in Pola 184
Scalanova 145
Schafköpfe an Henkel 133
Schale bei Kult-S/rt/i. und Weihgeschenken lqo
Scheibe mit 4 Füßen aus Dälj Br. 259; — n aus
Goldblech aus Dälj 262. 265. 273; — n der Koren-
halle HO
Schild Achills 248
Schildkröte bei Hermes Br. 239
Schlafender Hirtenknabe T. 98
Schlange von Salamis 18; Menschen verfolgend
I'. [5, bei Omphalos V. 16; bei Laokoon l852;
bei ,thrak. Jäger' 101; um Speer Br.-Rel. 233
Schloß Br. 86
Schlüssel Br. 86, Eisen 87
Schmiedewerkstätte röm. Giab.-Rel. 9
Schmuckstücke aus Dälj, Gold 259. 204
Schnallen Eisen 87
Schrift babylonische, ägyptische, kretische 258cs;
— rolle bei Hermes Br. 231
Schuhe von Imperatoren Stil. 184; bei weiblicher
Sta. 158
Schutzflehende Barberini 198
Si hweden Armringe mit Doppelspiralenden 275^
Seetiere aus Fries von Neptuntempel 170; phanta-
stische auf röm. Br.-Rel. 234
Serbien Bereisung 12
Sichel aus Eisen 87
Sieb in Essek Br. 127
Siebenbürgen Armreife, Gold 270
Siegelring an Sla. 1 5 6n
Sikinos Oinoie 27
Sikyon Ge-Mzz. io.,3; sikyonisch-argivische Schule
207
Silber Kasserolle //; Brustwarzen bei Br. 236; Ver-
silberung von Br.-Rel. 229. 234
Sipylos .Fels warte' 161
Sissel; />V.-GefäP.e 117
zv. v, - -.i; Bedeutung 12
ipas Atalante El6; Stilähnlichkeiten US
3Xopic(0£ Scheitelzopf 95
Skythische und ungarische Kultur 269
Slawen in Dalmatien 26
Slawonischei Goldfund 259
Smyrna Hymnoden 108
Sonnengott ("O310; /.'/.: Ai/.X'.oci Rel. 15 4, auf Vier-
gespann Rel. 198
Sophokles Philoktet 16
Soteria Opfer an die Unterirdischen 8
Spalato Diokletianspalast 5. 16; Porta Aurea 6;
weibl. Kopf 115; Museum 5
Sparta Gasepton 12
Sphinx Kopf des Akropolismuseums 144. 147;
Kopf Warocque I47i0; röm. Grab-AV/. 182
Spielbrett aus Kleinasien 150
Spirale, Doppel— aus Asseria 18
Stadtmauer auf dem Ambartepe 150; von Asseria
30; von Pola 180; von Pygela 141
Stahl Ornamentfüllung an Br.-Gefäßen 125 f.
Stanztechnik Ornamente 268
Starigrad Grabungen 7
Stempel aus Asseria Br. 85
Stephanos Byz. Avaia 163; 6p£a 3n; '0|ioXr( 5,,;
TsvbBws 2360; "SXsvo; i335
Steuern Namen 192
Stier der kretisch-mykenischen Kunst 254, Rel.-
Kopf aus Knossos 256, — spiele 253; — e auf
Dolichenus-AV/. 230; — Vorderteil an Tor von
Asseria 39
Stilus Br. S6
Strabol93... 13; VII 338... 27: VIII 343, 12
... I; VIII 387
p. 639 •■ • 151
Straße von Argyrunlum 7: Ephesos-Magnesia 167:
Tader-Burnum 74
Stuck vergoldet bei Akrolith 1S3; Haare an Marmor-
kopf aus vergoldetem — 17s. 182; Stierkopf aus
Knossos Rel. 256
Suidas Kpio; 3; npioTO-f£vr(; 47
Syrakus Artemis äAqpetc&ta I. 6; Athenatempel 8;
Ge von — 9
Syrinx bei Hirten T. 98
Szamos-Ujvär röm. Kastell 207; Br.-Rel. 232
Tacitus Ann. XVI 18 f. ... 29. 165. 201
Talos-V. 135
Tänien Gold 27 1
Tatian 34 p. 36 Schw. ... 36
Taufbecken beim Ambartepe 150
Taurisker Unterwerfung durch Tuditanus 284t.
Tegea Aphrodite 'Ev HÄiviH<p 7; Atalante-Kopf 1 16
Tempel altjonische 49,; jonischer und dorischer 51;
von Brioni Grande 167; auf dem Helenenberg 10;
von Messa ^2: von Pola 184: — fassade in Knossos
2>'t
2 2,5
Sachregister
2 26
Terrainformen in der Itretisch-mykenischen Kunst
249
Terrakotten griechische, aus Amphipolis 97
Terrasigillata Schüssel aus Carnuntum //
Tettix 87
Thasos Antiken 142
Theangela und Halikarna ' 68
Theater in Ephesos 16; scenae frons, Rel. aus
Marathesion 148
Theben Götter des 'Ojio/.ojiov 5
Theokosmos Zeus in Megara iS;
Thrakische Ortsnamen 191; — r Jäger, Grab-Rel.
100
Thrioa „Niederlassung in Thria" 4n
Thronstuhl der Kybelel^o; thronende Frauen T.9S
Thukydides I 6 . . . 90; 11 15, 4... 9; „Ä.var.tTai"
163
Tier goldplattierte Br.-Platte aus Dälj 260. :')-;
Ornament der ungarischen Bf.- Kultur 20s
Timavus 395 f.; Basis für den Feldzug des Tudi-
tanus 286; Stiftung des Tuditanus an — 281,1*.;
Heiligtum des — 289 ff.
Tiryns Stierbild 253 f.
Tlepolemos rhodischer Lokalheros 47
Toga statue aus Asseria 55
Ton Wasserleitungsrohre 142. 56
Topographie der jonischen Küste südlich von
Ephesos 135
Tor magnesisches in Ephesos 2; römische — e im
südlichen Österreich 14; — von Asseria 30. 53;
von Pola 195; — in Snlona 4; Porta Aurea von
Spalato 6
Tordinci Schöpfkelle Br. 126
Toreutik Untersuchungen 212
Tragödienszene Rel. 14S
Traianus(?i Sia. aus Pola 184
Traismauer, Br.-Rels. aus — 220
Triest Aroo di Riccardo 14
Trimalchio Villa 30. 168
Triquetrum in der ungarischen ör.-Kultur 26
Triton Fries-Äc/. 171; Misenum Geschenk — - 31
Tuditanus, C. Sempronius Statuenbasis 276(1.;
Feldzug gegen die Iapoden, Ilistrcr und I aurisker
280 ff.
Tumulus, Grab— auf V. 107
Türme, Verteidigungs — von Salona 4
Tzetzes Lyk. 110, 451 . . t s , : 580 (Schol.) . . . 5n
Ungarn vorhistor. Brn. 259; röm. Brn. 236; Handels-
verkehr in der Br.-Zeit 274
Unger Hella, l'orträtbüste Benndorfs /
Unterirdische Götter, Opfer X
Val Catena Grabungen 7. 167; — Madonna .Meier-
hof 176
Vaphio Becher 245
Vasen A'<7 -Gefäß von Hagia Triada 242; F.rz-
gießereischale von Berlin 221,,; Gigantomachie-
— e des Milon und Verwandtes 135; — e Vagnon-
ville/07; Wiener Vorlegeblätter VI 4, VIII 2... 15;
— maierei, altgriechische, ägyptischer Einfluß ",",,:
aufgesetztes Weiß 136; Dichtung mit Wachs und
Pechüberzug 188
/Vr.-Gefäße aus Sissek 117. Kupfergefäße 133;
Terrasigillata- Schüssel aus Carnuntum //; Stein-
Amphora aus Asseria mit Rel. 58, Gefaßfrag-
mente SS: Dolienmarken 179
.Verleumdung' des Apelles 41
Veszprim Apollo Br.-SUa. 240
Villa rustica auf Brioni 175
Vinkovci Kupferkanne 133
Virunum Grabungen 9
Vogelköpfe an Metallhenkeln 119. 125 f. 129 f.
Völkerwanderungszeit Kunst 14
Votivstele aus Dorylaion 19?
Wachs zum Dichten von Gefäßen 188
\V:in gen archaische Bildung 146
Wasserleitung in Asseria 55; Brioni 8. 174; Ephe-
sos 142. 159; Marathesion 147; von Py^cla 112.
in Salona 4
Weihrauch g efäß aus Klapavica 5
Wein-blätter neben Satyrkopf an Br.- I', 129:
in bacchischem Rel. 60; — stock bei Dionysos
S/Iti. 161 ; — keltern auf Brioni S
Widder bei Herraes-Thoth Br. 240
W idter Sammlung S. 10
Wix de Zsolna Sammlung 97. 142
Xenophon V 4, 13 ... 95
Zara Porta maritima 14; Museum <>': Sammlung
Modric 86
Zeus 'Ou,oXö)io; ;; des rheokosmos is;: Br.-SUa. 101
Zicgen-AV/s. von Kreta 257
Ziselierung an Br.-GefäBen 125. 13<
Zisterne i» Asseria 4S. 53
S. 7. uanne bei Ephesos 144
Epigraphisches Register
228
EPIGRAPHISCHES REGISTER
1 . O r t s i 11 d e x
Amphipolis 101
Anaia 162
Argos 77
Athen 82, I ; 92, 6; 94, ~; 96, 8;
100
A. Griechische Inschriften
Delos 185 f.
Dorylaion 197
Halikarnassos 53, I ; ;6, 2 ; 64, 5 ;
69, f': 74
Hypaipa (Ödemisch) 10 1
Ortygia 154/.
Piräus, unbekannter Herkunft 75
Smyrna 109
Theangela 58; 61, 4; 71, 7:
72, 8
Aquileia 276
Asseria 17 f.
Brioni grande 175
B. Lateinische Inschriften
Doclea 104
Falerio 203
Laodikeia am Lykos 16S
Monreale 292
Pola ISO f.
Sissek 117 f.
Szamos-Ujvär 207
2. Namenindex der sfriechischen Inschriften
AfO&oxXfjc 63, 4
Tpatavöj Ä8piavög KaToap 2s-
Pas-i; 6 SscocpiXeoraTOS aüxo-
/.pxxiop 109
Tpai'avöc, ASpiavö; KaTaap 2s-
ßaaxöj 6 xöpio; etätoxpcixtop
107 Anm. 17
\v> Maxeoxa t88
Uräva 71.7 AO-ivx; fopiv)
Uh)va-f6pa{ 64, 3; ^ö2,- /Ö5
\Wt{/y:.'s. 88, 4; 90, 5 (Mj|io;,
rtöXij)
UhgvaToj /'• /
\ >V, ,■-.-;-. 66, 5
U-fXävwp /'< /
AloxoJUs Wo
\y.7.;ia/-'.; e/.tv, Jipuxavsta 97, 8
Mir.',; IVxeiXwj, rXaßp£u>7 109
(önaxoj)
\y. = i/.-,: KifVlTOJ Ka . . . [09
AXigavBpos 103 (fpa|iu,axsü; to3
Stjjiou xal vsaixöpog v.at 8ta-
vojisüj imv 2sßaaxe£(0Y yyrt-
liotxwv)
A|i6vxa; 83, 2
Avastxai 764 (8fJ".og)
"Avx;a-föpa; 103
Av8poa8ivijs 58; 63, 1; 64, 5;
66 (veo)-o'.ö;
"AvSpoov 63, 4
Aväwrqpi&v |«jv 53, 1
"Avfrrjs i" 1 (<jr*i>av7)ipöpos)
'AvxtTtatpos 90, 5
Avxwviavöj 757
Ana|ivjvrj il-ea pasEXtaast 75
ÄTtsXXic'',; pjv 71, 7
A7toXX$8(öpO{ 82. I; 85,2; 86, i;
88, 4; 92, 6; 99; 100 (äff-
X<ov)
A-v./.v;r/), : 63, |
AnöXXwv 78; 795; 'A. ApxVf«~ri*
74; 'A. Heaptoj 71, 7; 72, 8
ATtoXXcoviaxav i 5äjio; 105
'AnoXXa>vt8v]{ 03. 4; 103
AtoXXcövloj 03, 4; 103; 164
Apsmarv /65
'Apsxiiov 56, 2
ApioxsCSi); 71, 7; 72, 8; 74
Aptax6|30uX&; /95
Apioxi5rj|io; 78
Aptaxövixog ioü
Äptoxocf .... 94, 7
"Apxsjiis /.''■:;
Apxsutov 7&\?
Apx$8ixo« 97. 8 ivafpaqie&s)
'.\pxJ3xpaxof 78
"Apxwntos 94, 7 (*PX°>V)
Aota 103 (ipxieps'i;)
'AoxXTjmöBcopog 103
AaxXijraij 78
22Q
Kpigraphiscbes Register
230
"A-riaXog 166
M. A.öp. änoXXöScopo; 10S
A'JxoxXt); 73/
1'. A.üipoöoxios Mavvslos 70/;
T. Aöif. Ilps;|irf£v7jj 7^/
Aücfwvta Eü-opia 70/
'Ayößrjxo; 88, 4 (-fpau.|iaxE''>;i
A^pcSEtxr, 63, 4 (Eepe&J der-
selben I
Baßc; 185
BaaiÄEidTj; 69, 6 (fepsöj)
TaVo; BeXXixtog Topxcjäxc,; 109
(ütiaxo;)
Bsv5=I5o; r/.ocXa /OÄ
Tipavoj /S7
Aa5a|ias /SS
AaiSvjXos 7S7
AriH^-pic; 63, 1
Ir^ovXf^ 162
Aia-fopa; 63, 4
Aia8ou|ASv!a 76.3
Aiaxxspida; 192
Aivooitpdwjs /65
A'.v.'ivr,; 53, I
AidSoxo; 53, 1 ; 56, 2
Aiovua68wpo; 63, 4
A;i^av-o; 53, 1 (EepoTCeös)
ApaKovxojiEvrj; 63, 4
Apaxo>v 53, 1 (fpa|iu.at£');)
'E,;So|Juaxo; 793
Elxsalo; 765
"Exax6(iav8poj(?) 795
'E/.acfrjßoXicüv 86, 3
"EXeu9-£ptov 69, 6
"EXXtjve; oE äzi xf,; 'A-ia; 103
'EAr.i; 766
'Eitbcoupo; 82. 1; 92,6 (äva-
-'pajfEu;)
'EraoftivE'.o; obcta /92
'Eja<pav7jsNixo(iv58iijj ßaoiXsö; 7;
'Epoioiroios 88, 4
'Ep-roxsXrj; t89
"Epi[iY,; 792
'EpE/irr/;; äf8ÖK] -puTKVEtx 86, 3
'Epu.r,5to)v /9S ( -pwxoispE'J; I
Jahreshefte des "STerr. arcbäol. Institutes
'Ep|lV)S 762
'Epi-tf/;, -ffir.- 19*
"Ep|ieiv 63, 4
'Epi-irävag 63, 4
Eü-fEvioj 166 (oIkovöjios)
E58o{jos 796
EöxaBpo; 86,3; 88,4; 99; 100
(äva-fpaipsö;)
EüxXrj; 88, 4
"HX'.o; xfipioj 200
'Hpay.XsE3r;s /SS
'HpaxXs'.ov /S7
'HptöBr,; 63. 4
'Hcpataxitov 63, 4
8iX7to')aa 794
BeotfisXa 71. 7; 72, 8
8sa-nsXeTs 7". 7 (8«|«>s)
ßsaY'fEXE'); 72, 8
HEoScopoj 53, 1 : 63, 4
Hitov 63, 4
BpaauxX-fJj 94, 7 fava-^av=-'i;i
Hp'.iaio; 94, 7: 82, 1
ta3(t)V 71, 7
lepoxXijs 63, 4
'Ituxv/Tj; 166
Kaipi|ios 193
KaTaap xöpioj rog (erotpoitos
1. •/.. x.)
9*öj SEßxaxi; Kx!-xp, Ssoö uE6g,
a'ix'yxpixwp xat xpx'.spsO;
xrj; TtaxpiSo; 103
KaXXaxtavoi 705
KaXXio8ivTj{ 792
Ktiooav8po{ 79.3
KsßoiXivo; 188
KsXyjs /S6
Kr)<ftatsö{ .so. ;
Tißdpioj KXaöBtoj Kxiaap 2s-
ßoc-JXÖ£ rsppwxvtxöj, a'ixoxpa-
xtop tö ;-'. ipxtspsi);, Bniiiap-
y.ixrjj ijo'jaias. 'jtiocto: ino-
5s8eif|iEVOj to ß . ivJKmaTOj,
rtarrjp nxxpijo; 103
Tißipioj K>.a'')5;o; Kataap 21s-
pxixi; rsp|iavixä; 103
B,l XI Beiblatt.
Tißspws ECXaftSw; TpO-fcuv 103
(axscfavrj^ipofi
KvlBta 795
Ko*a>x«Tjs 88, 4
KoXXuxsöj 86, 3; 88, 4; 99
Koau.ä; 766
KplV0(ieV7){ /'">'
KTVjaias 88. |
Kuv8«T|s 792
Kups£va (Tribus) 103
KupKjvatoj 794
Aa|i7txpe&{ 90, i; qj, 8
Aa^r/xä; 103
Aeoveöj 63, 4
A.sovtmc8iij{ 53, 1 : 63. 4
A'V;5a|ii; 705
AÖ80; 7SS
Moos 192
Mot . . . . 765
HaxeBövs; 90, 5
üaxdaxa (Makedonin) /.v.v
MaptoviXLxä xpiSpayjia 7S6
Maaoupio; KXauStavö; 706
Me?ü)v 7S6
MEAavi-^^j 63, 4
MevexXtjj 63, 4
MevsxpdxTis 63, 4
Mevea$s&; 63, 4
MevuXXo; 74
MyjvöBotos 63, 4
MTjvö8ü)po{ 63, 4 ; 7/6
llT,xp68(upo; 53, 1; 63. 4
Mv.pa-fEvr,; 63, 4
Mviv./U'iv 82, 1
Nava 795 (upcuxotsp.
Nfauxptxij; 97, 8
Nauatxpaxv); 94, 7
Nsatxno« 97. * (äp/c"'<
Xiov 71, 7; 74 (&jicfuu.vatu-
apXöv 1
Nixiaj 82, 1
N'.xcitT^r,; paatXs&{ 78: S.'Kz:-
yavTjj pa^'.ÄE'j; 78
NixÖ3TpatO{ 86, 3
Nfxou xßP°S ',s'"
SbvoxXtJj /i|_
11,
2 '31
Fpigraphiscbes Register
OlvoJctSiK 106
'Oxxtü|ißpioc iom
Opxousviov vöjuouä /'s'<
'Ootoj Ai'/.E'.: WÄ
"Ooio; Ep;ix ... 103
IIc->.'.o: O-Jx/.. Kpäaao; 69, 6
■>-.-/.-.',:•
0uÄMct8i]g 71. 7
Qaiavieüg '14, 7
UavStovl; r/.Tv, repu-avsta 82, 1
QavKivto; 7SS
Havrcwv 88, 4
Ilap&sv.o; 63, 4
1 1 ä p : 0 ; ."■'<'
llxc.;t:; st. "Iap|il£ 705
Ilir-r, 70J
Hatapeös Wl
IIa/r,; 82. I ; 92, 6
Hap-fapoc. 103
[Itao . . . (ntoB'STaipog?) 56, 2;
59- 3
BoXst-n); 58; 63, 4 i=f='!);)
ll'y/.'i-if/i'iv 88, 4
HoaiBswv |irjv 56, 2; 04. 7
Dpogevta 85. 2
n^O'j-ia; pa-;>.='i; 75
GtoXsfiaVxä -=t-i;i'/ 7<SS
DtoXeuatoc, ,;j:'.a;''i: ;6, 2
Q«6ptvo« 189
PoS'.ay.i IvxöruXa 794
"Pujuy, >>-=x 103
Ixpx-icuv 63, 4
Z=}y.z-.z\y. yyit\\x-.-j. 103 (diavo
|lSÜg)
Sepänupts(? 797
Stxutuvto; ■j-.-j.-.-i^ 186
Sxiäituptg(?) 797
Su,öpv7] 1 00
StpäTWV 63, 4
2Tpatü>va£ 705
S-cpovuXijvög 70">'
XtoSxuov (Frauenname) 793
S(6vtxoj SN, 4
^oj-Tparo; /65
TsXXie 7«6
Tr,Aiz>.f,; 765
Tißeiog 705
Tißspiog Kx'cxp £=jjx3to: 103
Tpo£civiot 72, 8 (8ä[io;)
Tpo^ijv.og 78
"r-^feia 78
I 1 /hoc] oder Tii[-/.;e7,;" 97, 8
>\'-/.y.x (Tribus) log
$iXeT<upog 763
$iXfaftstov 1 up-vaatoy 53,1; ;6, 2
*'.>.'.--=•); 63, 4
<I>y.t7:r:o; ßaacXsö; 193
$iXgxt.tjuxi>v 86, 3 YPal1lla"£"JS
*iX6vtxog 53, 1; 56, 2
Titog SXäßioj Ooräjitov 107
vup.vaatapxos)
*otßtä8Tjs 187
<t>p=app;o; 82, I
$l)Xeiaioc,(?) 82, 1
V"i, ■.-;-/,; 88, |
Xpiaröc. 6 >! = ',; /5<S
Ö-
Namenindex der lateinischen Inschriften.
L. Aelius Proculus J/
ala II. Pannoniorum 208
[.. Ansius Diodorus 722
Ansius Epaphroditus 722
I .. Antestius Secundinus (Se-
cundus?) 71
imp. Caes. divi Hadriani fil. divi
Traiani Parthici nepos divi
Xervae pronepos T. Aelius
Hadrianus Aug. Pius tribu-
nici.i potest. VI cos. III p. p.
208
Apollonia 765
Arruntia . . . Florentina SO
C. Arruntius Celer S3
\rruntius Maro SO
' Arruntius Sedatus 83
Asseriates 62 (primus omnium
68 (ordo A.
P. Atilius Aebutianus 68 (pr.iei.
praet.)
Atimetus 86
augur 61
Aurelius Fortunio 66
Baebia Üppia 65
Baebia Ulpiana (Valeriana
Barbia 83
ia l'ertyllma 76
Lucius Caius Fortunatus 203
. . Caninius 66
L. Caninius Fronto 70
Carni 276
C. Ceionius Maximus 177
Claudia (Tribus) 41: 65: 67;
70; 73; 83
di\us Claudias 70
L. Clodius . . . 78
Clodius Ambros. 86
T. Coelius 86
P. Cornelius Iulius 104
Cresces S4; S6
Daeicus Optatus (Festus? 66
dec(urio 61
imp. C. Caius Val. Diocletianus
et imp. C. Caius Valerius
Maximianus p. f. perpetui
principes 74
L. Domitius Rufus 79; 82
II vir, II vir quinq. 70: duo-
viratus 71;
A. Faesonius 178
Hamen divi Claudii 70
C. Flavius 177
'33
Epigraphisches Registei
234
Fortis 86
Fortunat. Ser. 179
£,. Fullonius 17?
d.n. Galierius Aug(ustus b(ono)
r. p. n(atus
Gavia V . . . 181
divus Hadrianus 208
Hermes A(ug.) n. r(ationis)
k(astrensis) c(ommentarien-
isF 85
Herus 178
Irene 104
Isocrysus 123 ,cipus)
Iulia 104
Sex. Iulius Actor 83
('. lul. Africanus 86
T. Julius Celer 67
L. Iulius Proculus 83
St(atiusJ lustus 177
Titus Laelius Maximas 79
T.. I.aelius Proculus 73
Latin us 178
Latra (Göttin 82
legio II. Aug. 67 (veteranus);
leg. VIII Aug. 85; leg. X
Frete nsis 62\ IUI f. f. 53
I.co 168 (vilicus
I.ihurni z~<<
Licinianus Caesar 75 (consul,
319 n. Chr.i
d. n. imp. Licinius 75 consul,
519 n. Chr.)
imp. d. n. Licinius Aug. 68
L. Manlius Acidinus 294
1 :. Mal . . . Q . . . 120
Maxima 80
imp. C. Caius Valerius Maximi-
anus p. f. perpetuus prin-
ceps 74
Maximinia 71
Mercurius 123 (sors)
C. Minuc(ius) Pedan. 1. •
Modestus 120 (centuria)
divus Nerva 41; 73; 208
1 . Oppius 64
1] ius ClemensRusticelln- 6
Imp. Pac 177
Sex. Palpellius . . Manci . . . 181
Pamphylus 12.; cipus)
Pansa (Vibius) 17S
Pansiana 53; 85; T. Pansianus
85; C. Caesar. Pans. 85;
I i. 1 Taudi Pansi. 85
Papirius . . . Secundinus (Se-
cundus?> 66
Polybius 123 (cipus
Popillianum Milliarium 379
Roma 276
Rutinus 123
Secundinus 80
C. Sempronius Tuditanus 276
M5EP. LIC 127
M Serius 178
Sr-ri arte 178
Solonas
Taurisci 276
Timavus 276; ;
Titius 68
divus Traianus Parthicus 208
imp. Caesar divi Nervae f. Nerva
Traianus optimus Aug. 1 ierm.
Dacicus pont. max. trib. pot.
XVI imp. VI cos. VI
imp. Caesar divi Nervae f. Nerva
Traianus optimus Aug. Germ.
Dacicus pont. max. trib. pot.
XVII imp. VI cos. VI p.p. 7.?
Trosia Severa 79
Vibianus 86
vicarius 168
Zosimus 81
r
SOS
.
MARMORKOPF AVS THASOS
VS THASOS
ZAHKLS -TS 21
R ATHEN A IM KVNSTHIST MVSEVA\
JAHBESHEF!" [ES XI
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