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Full text of "Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien"

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THE  J.  PAUL  GETTY  MUSEUM  LIBRARY 


JAHRESHEFTE 

DES  ÖSTERREICHISCHEN 

ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUTES 

IN  WIEN 


BAND  XI 

MIT    8    TAFELN    UND    246    ABBILDUNGEN 


WIEN 

ALFRED  HOLDER 
1908 


REDAKTION : 

ROBERT  VON  SCHNEIDER    EMIL  REISCH 

JOSEF  ZINGERLE 


ALLE    RIA  IHK    VORBEHALTEN 


DRUCK     VON     RUDOLF    M.    KOHRER     IN     HRUNN 


IHEJ  PAUL  GETTV  CENTER 


INHALT: 

Scitr 

W.  AMELUNG     Athena  des  Phidias  (Tafel  V  und  VI) 169 

P.  DUCATI     Süll'   anfora  attica  di  Milo  con  gigantomachia 135 

M.  EBERT     Der  Goldfund  von  Dälj 259 

K.  HADACZEK     Jugendlicher  Asklepios in 

A.  HEKLER     Weiblicher  Kopf  in  Spalato 115 

—  Römische  Bronzen  aus  Ungarn      236 

J.  KEIL     Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in  der  Provinz  Asia 101 

F.  LÖHR     Petrons  Lebensende • 165 

E.  MAASS     Mutter  Erde 1 

—  Apelles  und  Protogenes 29 

R.  MÜNSTERBERG     Bronzereliefs  vom  Limes  (Tafel  VII  und  VIII)     .    .  229 

E.  PERXICE     Untersuchungen  zur  antiken  Toreutik 212 

A.  REICHET     Studien  zur  kretisch-mykenischen  Kunst 242 

E.  REISCH     Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus 276 

H.  SITTE     Thasische  Antiken  (Tafel  I— IV) 142 

H.  THIERSCH     Zur  Herkunft  des  ionischen  Frieses 47 

W.  WILBERG     Die  Fassade  der  Bibliothek  in  Ephesus 118 

A.  WILHELM     Inschriften  aus  Halikarnassos  und  Theangela 53 

Eine  Inschrift  des  Königs  Epiphanes  Nikomedes 75 

—  Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archon   Apollodoros 

319/8  v.  Chr 82 


BEIBLATT: 

Spalte 

Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen  Institutes   iqoS i 

Eröffnung  des  Institutsgebäudes  in   Athen '5 

F.  GRAF  CALICE     Votivstele  aus  Dorylaion 197 

\V.  CRÖNERT     Zu  den  griechischen   Inschriften   Bulgariens I05 

—     Zu  den  delischen  Schatzinschriften '"5 

A.  J.  EVAXS  und  J.  DURM     Über  vormykenische  und  mykenische  Architekturformen III 

A.   GNIRS     Forschungen  im  südlichen   Istrien ,07 

F.  HAUSER     Tettix  III 87 


Spalt? 

A.  HEKLER     Über  eine  römische   weibliche  Gewandstatue 195 

V.   HOFFILLER     Antike  Bronzegefaße  aus  Sissek 117 

J.   KEIL     Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich   von   F.phesos 135 

W.  KUBITSCHEK      Astragalgewichte  aus  Falerio 203 

H.   LIEBL  und   W.  WILBERG     Ausgrabungen   in  Asseria 17 

F.  LÖHR     Petrons  Lebensende 201 

G.  NIEMANN     Zum  Mausoleum  von  Halikarnassos 205 

T.   ORNSTEIN     Vom  römischen   Kastell  bei   Szamos-Ujvar 207 

C.  PATSCH     Aus  Doclea 103 

E.  PFUHL  und   R.  ENGELMANN     Zur  Vase  Vagnonville      107 

H.   SITTE      Antiken   aus   Amphipolis 97 


Sachregister  von   R.  Weißhäupl 209 

Epigraphisches  Register  von  J.  Öhler 227 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN 


TAFELN 

1.   II.  Marmorkopf  aus   Thasos 

III.  IV.  Marmorkopf  aus  Thasos 

V.  VI.  Kopf  der  Athena  im   Kunsthistorischen   Museum  zu  Wien 

VII.  Bronzeplatte  aus  Traismauer 

VIII.  Bronzeplatte  aus  Carnuntum 


ABBILDUNGEN   IM  TEXTE 


Fig 

I. 

2. 


4- 


9- 

10. 

1 1. 

12. 

13- 

14. 

«5- 

16. 

17- 
ig. 
19. 


Seite 

Inschrift  aus   Halikarnassos 56 

Beitragsliste     aus    Theangela    im    Xational- 

museum  zu   Athen 62 

Beschluß    der   Trozenier   aus    Theangela    im 

Nationalmuseum  zu   Athen 71 

Stele  im  Museum  des   Piraeus 75 

Inschrift  IG   II    220  b  .     , 83 

Beschluß     aus    der    sechsten     Prytanie    des 

Jahres  31 9/8   v.  Chr 84 

Beschluß     aus     der     achten     Prytanie     des 

Jahres   319/8   v.  Chr 86 

Beschluß    aus    der    siebenten    Prytanie    des 

Jahres  319/8   v.Chr. 88 

Beschluß  zu  Ehren   von   Makedonen      ...  90 

Inschrift  IG   II    5,  22'|  b       94. 

Beschluß  aus  dem  Jahre  320/19  v.Chr.   .    .  97 

Beschluß  zu  Ehren  des  — nikos 98 

Beschluß  zu  Ehren  des  Aristonikos  IG  II  148  99 

Inschrift  aus  Ödemisch 101 

Inschrift  der  evangelischen  Schule  inSmyrna  [08 
Marmorkopf   des  Museo    nazionale    in   Rom 

(Vorderansicht) 1 1 1 

Marmorkopf   des    Museo    nazionale    in   Rom 

(Seitenansicht) 1  i ; 

Marmorkopf,    einer    weiblichen    Statue    des 

lateranensischen  Museums  aufgesetzt      .     .114 
Weiblicher  Marmorkopf  in  Spalato    Vorder- 
ansicht) Heliogravüre 116 

Weiblicher  Marmorkopf  in  Spalato   Seiten- 
ansicht) Heliogravüre        11- 


Fig.  Seite 

21.  Gesamtansicht  der  Bibliothek   in   Ephesos  118 

22.  Grundriß  der  Bibliothek  in  Ephesos     .    .  120 

23.  Detail  vom   Gebälk  des   Untergeschosses  .  121 

24.  Fassade  der  Bibliothek  in  Ephesos  .    .    .122 

25.  Fassade  derBibliothekinEphesosfperspek- 

tivische  Ansicht 123 

26.  Gebälk  vom  Untergeschoß  der  Bibliothek 

in  Ephesos [24 

27.  Gebälk  vom  Untergeschoß   der  Bibliothek 

in   Ephesos 12^ 

28.  Architrav  vom  Untergeschoß  der  Bibliothek 

in   Ephesos 126 

29.  Reliefplatte  von  der  Bibliothek  in  Ephesos  127 

30.  Mittelarchitrav  vom  Obergeschoß  der  Biblio- 

thek in   Ephesos 128 

31.  Architrav  vom  Obergeschoß  der  Bibliothek 

in  Ephesos 128 

32.  Architrav  vom  Obergeschoß  der  Bibliothek 

in  Ephesos 129 

33.  Detail  vom  Gebälk  des  Obergeschosses  der 

Bibliothek  in   Ephesos 132 

34.  Unteransicht    der   Architrave    der   beiden 

Stockwerke  der  Bibliothek  in   Ephesos  .  133 
35  ab.     Gigantomachie     auf    Amphora    von 

Melos      138  t". 

36.  Linkes  Profil  des  Apollokopfes  aus  Thasos  142 

37.  Rückseite  des  Apollokopfes 143 

38.  Bruchfläche  des   Apollokopfes 144 

39.  Sphinxkopf  des  Akropolismuseums    .    .    .145 

40.  Apollokopf  aus   Thasos   in  Vordersiclit      .  145 


Fi«*  Seite 

41.  Weibliche  Gewandfigur  aus  Thasos  (Helio- 

gravüre)    147 

42,  43.  Weibliche  Gewandstatue  aus  Thasos  .  148  f. 

44.  Kybele-Statuette  aus  Thasos 150 

45.  Weiblicher  Kopf  aus  Thasos 151 

46.  Kopf  einer  Grabstatue  aus   Thasos    .    .   •   154 

47.  Weibliche  Gewandfigur  des  ottomanischen 

Museums  in  Konstantinopel 155 

48.  Apollokopf  aus  Thasos 137 

49.  50.  Weibliche  Gewandtlgur  aus  Thasos  .   1,8  f. 

51.  Herakleskopf  aus    Thasos IÖO 

52.  Herakleskopf  aus  Thasos 160 

53.  54.   Dionysostorso  aus   Thasos 161 

55.  Hermesstatuette  aus  Thasos 162 

56.  Pilasterkapitell  aus  Thasos 163 

57.  Porträtmedaillon  aus   Thasos 164 

58.  .Marmorkopf  aus   Villa  Carpegna  (Heliogr.)     169 

59.  Marmorkopf    aus    Villa    Carpegna    1 Rück- 

ansicht 1 1 7 ' 

60.  61.   Marmorkopf  aus  Villa  Carpegna  1  Helio- 

gravüren I     172  f. 

62.  Marmorkopf  in   Wien 174 

63.  Marmorbüste  im   Vatikan     Heliogravüre)  .   175 

64.  Füße    zum    Wiener    Marmorkopf   gehörig 

(Heliogravüre) 177 

65.  Marmorkopf  im  Britischen   Museum  .    .    .178 

66.  67.  Marmorkopf    im    Britischen    Museum 

(Heliogravüren! 180  f. 

68.  Statuette  im   Kircherianum  in  Rom  .    .    .185 

69.  Zeichnung  nach  einem  verschollenen  Relief 

in  Ambelokipi 188 

70.  Athenische  Münzen t^s 

7  1 .   Rekonstruktion  der  Athena  Medici  (Helio- 
gravüre)   189 

72.  Bronrestatuette  in   Neapel i'U 

73,  74.   Kopf  der  Athena  in   Madrid    ....   194  f. 
7^.   Kopf  aus  dem   Friese   des  Parthenon    .     .196 

76.  Kopf    der    .Peitho'    aus    dem    Friese    de^ 

Parthenon 197 

77.  Profilansicht  des   Wiener  Athena-Kopfes   197 

78.  79.   Kopf  des  Diadumenos  Farnese  .    .     .   199 

80.  Marmorkopf  in  Ny-Carlsberg 200 

81.  Kopf  der  sog.  Lemnia  in  Bologna  (Profil- 

ansicht)    .201 

82.  83.  Kopf  in   Ny-Carlsberg 202 

1.   Kopf  der  sog.  Lemnia  in  Bologna   Vorder- 
ansicht)        203 

85,   86.   Kopf  des  Hermes  im   Antiquarium   zu 

Rom         204 


Fig. 
87. 

88. 
90. 

91. 

92. 

93- 

14. 

95- 
96. 

97- 

98. 

99. 
100, 

102. 
103. 
104. 
105. 

106. 
107. 
108. 
109. 
1 10. 

1  I  T. 
1  12. 

".?■ 
114 
115. 

116. 
117. 
118. 
119. 
120 
121, 
122 
123. 

124 

120 

1: 


Seite 

Kopf  des   Diadumenos 205 

89.  Bronzestatuette  im  Britischen  Museum  210 
Jünglingskopf    des    Museo    nazionale    in 

Neapel • 214 

Dionysoskopf    des    Museo     nazionale    in 

Neapel 213 

Jünglingskopf    des    Museo    nazionale    in 

Neapel •   ....  216 

Porträtkopf  im  Museo  nazionale  in  Neapel  21S 
Bronzekopf  in    den    königl.   Museen    zu 

Berlin 220 

Saburoffsche  Bronze  in  Aufsicht  ...  221 
Vom  Hypnos  der  königl.  Museen  zu  Berlin  22  1 
Betender    Knabe    der     kgl.    Museen    zu 

Berlin 223 

Faustkämpfer    im     Thermenmuseum     zu 

Rom      225 

Bronzerelief  aus  Traismauer  (Hauptseite)  22<i 
101.   Fragmente     vom     Bronzerelief    aus 

Traismauer 230 

Bronzefigur  in   Wien 231 

Münze  des  Agrippa 231 

Bronzerelief  von  Szamos-Ujvär  ....  233 
Bronzestatuette   im    Nationalmuseum    zu 

Budapest 237 

Bronzestatuette  im  Museum  zu  Veszprem  240 
Relief  eines  Gefäßes  aus  Haghia  Triada  243 
Wandgemälde  aus  Haghia  Triada  .  .  .245 
Wandgemälde  aus  Beni-Hassan  ....  24<> 
Wandgemälde  aus   Haghia    Triada    .     .     .  250 

Relief  aus   Knossos 231 

Geschnittener  Stein  aus  Kreta      ....  252 

Hammurabi-Stele 253 

ab.  Zierstücke  des  Goldfundes  von  Dälj  .  259 
Goldplattierte  Bronzcplatte  aus  Dälj    .    .  260 

Armring  aus  Dälj 261 

Goldblechstreifen   aus   Dälj 26 1 

Ring   aus   Dälj 262 

Goldblechperlen  aus  Dälj 262 

a  b.  Goldblechscheiben  aus   Dälj    ....  263 

Armreif  aus   Bellye 270 

Armreif  aus    I'ipc 271 

Rekonstruktion    des   Diadems,  von    dem 
der  Streifen   Fig.  117   herrührt  ....  272 
.    125.   Inschrift   des   C.  Scmpronius    l'udi- 

tanus 278  f. 

.  Ausschnitt    aus    Kieperts,  Formac    orbis 

antiejui  Taf.  XVII 280 

.  Statuettenbasis  in   Monreale :u- 


IM   BEIBLATTE: 


t'ig. 
I. 

2. 

3- 

4- 

5- 


11, 

12 


'5' 

1.,. 

17- 
18. 


19. 
20. 
21. 

22. 

23- 

24- 

25- 
26. 

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28 

31. 
32. 
33 
34 

35 

36 


Spalte 
Blick  auf  das  Kirchlein  S.  Spirito  .    .    .    .  I"f. 

Plan  von  Asseria 19 

Stadtmauer  von  Asseria 21  f. 

Stadtmauer  von  Asseria 23  f. 

Tor   an    der   Ostseite   der  Stadtmauer   von 

Asseria 25  f. 

Grundriß  des  Tores  an  der  Westecke    der 

Stadtmauer  von  Asseria 25 

Ecke  der  Stadtmauer    beim   Westtor    von 

Asseria 27  f. 

Mauerzug  mit  Trajanstor  in  Asseria  .  .  .  27  f. 
Grundriß  des  Trajanstores  in  Asseria  .  .  29  f. 
Hauptfassade   des    Trajanstors    im   jetzigen 

Zustande 3 1  f. 

Von  der  Rückseite  des  Trajanstores  .  .  .  j3  f. 
Halbsäulenkapitell    von    der  Rückseite  des 

Trajanstores      35 

Architravstück  vom  Trajanstort- 35 

Vom  Kranzgesims  des  Trajanstores  ...  36 
Kranzgesims  mit  Sima  des  Trajanstores  .  37 
Vom  Kämpfergesims  des  Trajanstores     .    .  38 

Vom  Bogen  des  Trajanstores 37 

Vom   Deckgesims  der  Altika  des  Trajans- 
tores   38 

Rekonstruktion   des  Trajanstores  (Aufriß  1  .  39  f. 

Stierprotome  vom   Trajanstore 41 

Schnitt  und  Seitenansicht  des  Steines  Fig.  20  41 

Protome  vom   Trajanstore 42 

Rekonstruktion  des  Trajanstores  (Perspek- 
tive)   43  t'. 

Grundriß  der  Gebäudegruppe  am  Forum  von 

Asseria 4;  f. 

Architrav  vom  Forum 47 

Korinthisches   Kapitell  vom  Forum     .    .     .47 

Architrav   vom   Forum 4S 

—  30.  Architrav-Unterseiten   aus   Asseria   .     .  49  f. 

Konsolengesims  vom  Forum 51 

Konsolengesims  aus  Asseria 51  f. 

Gesimsfragment  aus  Asseria 54 

Torso  einer  Togastatue  aus  Asseria  .  .  .55 
Kalksteinfragment  mit  tragischer  Maske  aus 

Asseria ;> 

Kalksteinblock  mit  Relief  aus  Asseria  .    .  37 


Fig 

37- 
38. 
39- 
40. 

41- 

42- 
43- 
44^ 
45> 

40 

47 
48. 

49 


53- 


54- 
55- 
56. 
57- 
58. 


59^ 
60. 

61, 
62 

63 

04 

65 
66 

67 
68. 
69 
7° 
7' 
72 
76 
81 
82 


Spalte 

Fragment  eines  Steingefäßes  aus  Asseria  .  58 

Fragment  eines  Steingefäßes  aus  Asseria  .  ;<i 

Kalksteinrelief  aus  Asseria   .......  59 

Fragment  eines  Grabreliefs  aus  Asseria  61 

Bruchstück  eines  Meßtisches  aus  Asseria  63 

Grabcippus  aus  Asseria 6; 

Stifterinschrift  des  Iulius  Celer  (Asseria)  67 

Kaiserinschrift  lAsseria)      .......  68 

Weihinschrift  des  Titius    Asseria  )  ...  69 

Basis  des  P.  Atilius  Aebutianus  (Asseria)  69 

Blöcke  eines  Epistyls  aus  Asseria     .    .    .  69  f. 

Fragment  eines  Grabcippus  aus  Asseria   .  71 

Bauinschrift  des  Trajanstores  in  Asseria  .  71  f. 

Bauinschrift  des  Trajanstores  in  Asseria  .  73  f. 

Kaiserinschrift  aus  Asseria 75 

Grabcippus  aus   Asseria 76 

Bekrönung  eines  zylindrischen   Grabcippus 

aus  Nona 77 

Grabcippus    von   St.  Martin   bei  Asseria    .  78 

Bruchstück  einer  Grabstele  aus  Asseria    .  79 

Bruchstück  einer  Grabstele  aus  Asseria    .  80 

Bruchstück  einer  Grabstele  aus  Asseria   .  81 
Bruchstück    eines    Meilensteines    aus 

Asseria 82 

Bruchstück  einer  Ära  aus  Asseria     ...  82 
Ornamentierte     Platte     (Schrägsicht)     aus 

Asseria  84 

Inschrift  der  Platte   Fig.  60 84 

a  b.  Bronzestempel  aus  Asseria 85 

Phalera  aus  Asseria 87 

Männliche  Büste  im   Prado  zu   Madrid      .  94 

Hirtenknabe,  Terrakotta  aus  Amphipolis  .  97 
Schlafender  Hirtenknabe,    Terrakotta    aus 

Amphipolis 98 

.  Torso  einer  Nikestatuette  aus  Amphipoli* 

Grabrelief  aus  Amphipolis 100 

Zeusstatuette  (Bronze)  aus   Amphipolis      .  101 

Grabrelief  aus  Amphipolis      IOI 

Hermesrelief  aus  Doclea 103 

— 75.   Bronzeeimer  aus  Sissek 119  fr. 

— 80.  Bronzekellen  aus  Sissek i:;M. 

Schöpflöffel  aus  Sissek 126 

.  Schöpflöffel  aus  Sissek 127 


l'ig.  Spalte 

83.  Sieb  aus  Sissek       127 

84 — 86.  Kannen  aus  Sissek 128  ff. 

87.  Unterer  Teil  einer  Kanne  aus  Sissek     .   131 

88.  Salbgefäß  aus  Sissek 132 

89.  Salbgefäß  aus  Sissek 133 

90 — 91.  Kupferkannen  aus  Sissek 133  f. 

92.  Die  ionische  Küste  südlich  von  Ephesos   1 35  f. 
y3-  Blick    auf    die   Bucht    von   Pygela,    auf 

Scalanova  und  Marathesion 137  f. 

94.  Nordecke  der  Stadtmauer  von  Pygela      .  139 

95.  Kammergrab  bei  Pygela 142 

96.  Aquaedukt  bei  Pygela 143  1. 

97.  Marathesion  von  Südost 145  f. 

98.  Fragment  eines  Ambo  aus  Marathesion  .  147 

99.  Fragment     eines    Grabreliefs    aus    Mara- 

thesion   147 

100.  Reliefplatte  aus   Marathesion 147 

101.  Ringmauer  auf  dem  Ambartepe  .    .    .    .150 

102.  Taufbecken  beim  Ambartepe 150 

103.  Stele  aus  Arvalia 155 

104.  Felsgruppe  Assarlyk  beim  Dei'rmendere  .  159 


Y\g.  Spalte 

105.  Umfriedungsmauer   der  Anlage    auf  dem 

Assarlyk 159 

106.  Planskizze  der  Anlage  auf  dem  Assarlyk   161  f. 

107.  Sarkophag  in  Ania 163  f. 

108.  Grundriß    des    Tempelbezirkes    von    Val 

Catena  auf  Brioni 167  f. 

109.  Grundriß  des  mittleren  Tempels  ....  169 
HO.   Pfeiler  vom  Obergeschosse  der  Peribolos- 

halle 170 

111.  Gebälk  vom  sog.  Neptuntempel    ....  171  f. 

112.  Portikus  am  Nordgestade  der  Bucht  von 

Val  Catena        173  f. 

113.  Brunnenschacht  und   Wasserbehälter  auf 

dem  Monte  Castellier 175  f. 

114.  Fragment  einer  Grabara  aus  Pola    .         .  180 

115.  Fragment  einer  Grabara  aus  Pola    .    .    .  181 

116.  Friesstück  von  einem  Grabbau  aus  Pola   182 

117.  Votivrelief  aus  Eski-Schehir 199 

118.  Modell  einer  Ecke  des  Mausoleums  von 

Halikarnassos 203  f. 

119.  Inschrift  aus  Szamos-Ujvar 207 


Mutter  Erde. 


Wenn  Pindar  (Nem.  I  t)  Ortygia,  das  Herz  der  ruhmvollen  Syrakusaner- 
stadt,  als  ä[iTcveu|xa  a£u.vov  'AXyeoü  bezeichnet,  so  müssen  die  Einwohner  des  Stadt- 
teils in  ihrer  großen  schönen  ,Arethusa'  —  das  ist  allgemeiner  Quellname  aus 
alter  Zeit  —  Alpheioswasser  gesehen  haben,  das,  unter  dem  Meere  von  Elis  her 
fortfließend,  auf  der  Insel  neu  hervorgebrochen  wäre.1)  So  taucht  in  der  berühm- 
ten Gruppe  der  syrische  Orontes  mit  freudiger  Gebärde  auf  zu  den  Füßen  der 
Antiocheia.  Ortygia  war  dem  Pindar  aber  auch  .Ruhestätte  der  Artemis'  und 
,Sitz  der  Artemis  des  Flusses'  (Traxaficas  £80?  Apx£[uoo;) 2).  Pindar  gibt  mit  -oxajit'as 
ein  vom  Alpheios  genommenes  Beiwort  der  Göttin  wieder.  Darüber  ist  noch 
Streit,  wie  dieser  gelautet  habe.  Die  Überlieferung  verhält  sich  schwankend. 
'AXcpsiüa  haben  zweimal  die  Pindarscholien  zu  Pyth.  II  12  von  der  Artemis  auf 
Ortygia,  zu  Nem.  I  3  teils  'AXcpEtwa  (zweimal),  teils  'AX:f£:aia.  Dabei  erfahren  wir 
an  der  letzten  Stelle:  tha.:  ok  o(  AXcpEuöav  xyjv  "Apzz\iw  Xiyooai  Sta  zb  röv  AX'fSiöv 
Sca  xoö  TcXrjafov  xrj;  'HXsi'aj  'Apx£fuaiou  xaxarfsp£airai.  Dies  Heiligtum  der  Artemis  lag 
in  Letrinoi;  die  Pausaniasüberlieferung  bezeichnet  es  mit  'AX:f  tatst;  oder  AXtpai'a? 
(VI  22,  a  f.).  Strabon  VIII  343,  12  sagt  nphg  Si  xrjt  ixjioXfjt  (des  Alpheios  ins  Meer) 
xo  Tfjg  AXcfEtwvEa;  ApTlu-tSoj  r)  'AX'^£:ouar;;  aXao;  laxe  (X£y£xat  yäp  d[i;pox£pci);).  iniyy/ 
xfjs  'ÜXiiftTua;  siq  öyoorjxovxa  axaStou;.  xauxrjt  §£  xfjc  ■ö-söh  xaE  lv  '0Xu{ji7ifai  xax'  £xo;  rjuv- 
TeXeErat  Jtav^yupis,  xa^TOp  xaE  xfy  'EXa:ptai  xaE  xrjc  Aacpvtat.  fiecrrij  3'  laxiv  rj  yfj  r:ä3a 
'Apx£[.uat'wv  x£  xaE  ÄtppoStauöV  xaE  Nuu-cpawov  £v  ÄXaeaiv  ävikvoi;  3)  xö  ttoXü  3cä  xr,v  eüuSptav, 
C'j-/Vvä  Sc  xaE  cEp|.isfa  £v  xafg  6801?,  Iloasiota  5'  £7cE  xat;  äxxar;.  ev  8k  xwt  tfjg  ÄXtpsKövfas 
('AXcpEiovt'a?  andre  Hdss)  fepwt  ypacpat  xxX.  Bei  Athenaios  VIII  346  C  heißt  dieser 
selbe  Tempel  —  in  einem  Bericht  aus  Demetrios  von  Skepsis  —  wieder  xf): 
'AXcp£ici>aa;  ApxiutSoc.  Daß  Artemis  und  Alpheios  in  Olympia  einen  Altar  gemeinsam 
besaßen,  ist  auch  aus  Pausanias  V  14,  6  und  dem  Scholion  zu  Pindar  Ol.  V  8 
bekannt. 

Das  Variantenchaos  läßt  sich  ordnen.  Zunächst  Strabos  zweite  Form  'AX^E'.oJ- 
artz.  Bei  den  Griechen  waren  in  sehr  alter  Zeit  weibliche  Bildungen  von  Lokal- 
namen männlichen  Geschlechtes    beliebt :    2au.il).  'Io&|jmj>    (dies    begegnet    mehrfach 

')    Puchstein     in     der     Festschrift     für     Kiepert  2)  Nem.   T    };    Pyth.   II    12. 

ig;  ff.  'i   ivfl-scovm;  Hdss. 

Jahreshefle  <ies  österr.   archäol,    Institutes    Bd    X  I  I 


2  E.  Maass 

aufThera),  IlsStw,  Krtf'.aü  u.a.,  ,die  aus  Samos,  auf  dem  Isthmos,  aus  der  Ebene, 
am  Kephisos'.  Diese  Namen  gewinnen  leicht  das  Ansehen  von  Kurzformen, 
ohne  es  zu  sein,  sie  sind  einfache  Ethnika.  Fluß  und  Berg,  die  Patriarchen  des 
Landes,  und  natürlich  auch  Ge  selbst  haben  Bezeichnungen  nicht  nur  der  Land- 
schaft gegeben  ■  wie  AtyuTitoc,  "Iva/o;.  Kvjtpirjög,  Taipoc,  Kaixoj,  BopuaSivr,; 
sondern  auch  ihrer  Bewohner.  Ich  beschränke  mich  wieder  auf  die  Flüsse :  Bopu- 
j&evfcai  die  Bewohner  der  Landschaft  um  Olbia,  ol  ravovteg  ücwp  uiXav  Alorpoio 
hei(3en  II.  II  824  die  Idastämme.  Nur  natürlich,  wenn  —  wie  wir  das  besonders 
auf  sizilischen  Münzen  wahrnehmen  —  die  Flußgötter  als  Grundherren  für  ihr 
Land  und  für  ihr  Volk  das  Opfer  bringen.  Fluß-  und  Menschennamen  sind 
gern  sogar  identisch,  auch  Erd-  und  Menschennamen,  der  zahllosen  Ableitungs- 
formen ganz  zu  geschweigen.  Man  nannte  schon  in  der  hellenischen  Frühzeit  das 
Neugeborene,  ganz  wie  noch  heute,  nach  dem  Heiligen  oder  Gotte  des  Tages, 
zumal  wenn  das  betreffende  höhere  Wesen  als  kräftiger  Heiliger  oder  besonders 
kräftiger  Gott  galt.  Das  Kind  hat  sich  sozusagen  seinen  Namen  schon  mitge- 
bracht; Name  und  Wesen  werden  als  eins  gedacht.  Tuapü),  iaiiw.  Muxovd),  'H-Sipti. 
Il'jpyw,  B0K0  (vom  Bofov  5pog),  E'jpwiw.  Nj}<jü>,  'Apyw, 'Ivw  (für  'Ivxyü)4)  habe  ich,  Griechen 
und  Semiten  104  f.  hervorgezogen.  Auch  die  Kajupfi)  auf  Polygnots  Unterwelts- 
bilde (Paus.  X   30,  2)  gehört  hierher. 

'AÄ'-fetcüor^  ist  verderbt,  das  Richtige  'AXcps'.oö;  von  AX<peui>  ,die  am  Alpheios'. 
Den  Varianten  der  andern  Namensform  Wa-jskdy.x.  -ov:'a.  -waa,  -tba  liegt  AÄ-.f£;o):a  zu- 
grunde, zum  Teile  vielleicht  auch  das  ältere  AX^peiooxa  aus  A/..fc'.oaa:.=a.  Dies  heißt 
,am  Alpheios  wohnend';  TO-a[i;o;  übersetzt  dem  Sinne  nach  ganz  richtig  Pindar. 
Die  Bildung  ist  durch  reAflko?  (von  Gela),  'Hp/auv.o;  (von  'Hpac'a)  belegt,  für  beides 
erkannt  von  W.  Schulze 6).  Damit  erledigt  sich  der  Zweifel,  ob  AXrpstwia  doch 
nicht  etwa  schon  aus  derselben  Wurzel,  wie  A/.'f£;ö;  gebildet  sei.  Die  Artemis 
in  Letrinoi  wie  die  in  Olympia  ist  das,  was  AXcpeiwia  besagt:  ,die  am  Alpheios 
hausende'.  Aber  auch  die  Form  ohne  das  stammt-  Iota  wäre  normal;  dieser  Laut 
verschwindet  in  der  Schrift  bekanntlich  gern  zwischen  Vokalen  schon  seit  dem 
fünften  Jahrhunderte,  wie  die  Inschriften  zeigen"). 

Einige  Analogien.  Leonidas  der  Alexandriner  aus  Neros  Zeit  sagt  von  sich 
Anth.  Pal.  IX  353,  4  ö  NeiXateug  äv.oono/.o*  (IX  355,  2  ä-ö  NstXoyevoö?  AeuvtSeu); 
I  V    321,2    NeiXair,    MoOax  Aeiovioscd.     Bei    Athenaios   YIl    312  A   hat   die    l'berliefe- 

')   Wie    KaiftOtt)    Ka^(6    (Oclphi,    JiooWHtl    "Aa<i>  ,»>'.    verliert    vor    Vokalen    (a,  0,  <o)    bisweilen    sein 

n.A  181).   Warum  nicht  auch  Kayeöj  so  auffassen?  Jota:  ftuxx  (411  v.  Chr.),  jffiov  (426  v.  Chr.),  Xfflov  (335 

5)  Vgl.   Kuhns  Zeitschrift    XI.   521.  v.Chr.),   -m<i>,    Futurum   von   ztb:Z«>    vor  456  v.  Chr.).' 
Meisterhans,    Gramm,    der    atL    Inschr.1    30: 


Mutter  Erde  3 

rung  (so  Kaibel)  teils  NeiXdKOi  ix«his;,  teils  NeiXaröi.  NetXänoj,  NY.Äw'c  '),  auch  das  Fest 
NstXöta,  alles  ist,  wenn  auch  verhältnismäßig  erst  spät,  jedoch  gut  bezeugt.  Da- 
nach ist  NeiXwieöc;  —  von  NsiXwia  (yfj)  weitergebildet  —  und  NsiX(i>»]  überall  zu 
fordern  8).  Der  Ägypter  Nonnos  braucht  Dionysiaka  XL  30,3  neben  Aipuc,  "Apx^. 
Äaaüpeo;,  NeiXötog,  wie  er  denn  keine  andere  Form  des  indischen  Fthnikons  kennt 
als  'IvSöko?.  Wir  wollen  aber  beachten:  wie  (Artemis)  jfVXcpeifiia  neben  'AX(f£t&  in 
Elis  und  Syrakus,  so  steht  NeiXökog,  -wta  neben  einem  wohlbezeugten,  nur 
komisch  gemeinten,  Musennamen  NeiXti)  schon  bei  dem  Syrakusaner  Fpicharm  in 
einem   Musenverzeichnisse  seiner  Komödie  , Hochzeit  der  Hebe'. 

Nun  nach  Attika.  Wir  lesen  im  Schol.  zu  Aristophanes,  Aves  045  Kp'.w- 
frev]  .  .  .  Kpw?  ort\Loq  vf^  Avt:c/:?o;  <puX>js,  xr.b  Kptoü  xivo?  d)VO[taa|iivog.  Ävaypaipet  5$ 
xoü;  äTwavufioug  xöv  8t]u.(i)V  xai  tpuXSv  IIoXe(X(i)v  (Fr.  IX  42  Preller)  und  bei  Suidas 
Kptog]  5%io;  xijc,  Äxcixfjs,  xat  Kpi6frev  im^{ia  ry  Kpiöjitev  (Kp;y)<)-cV  die  Hdss).  Da  ein 
Kp'.tooc  neben  Kpto?  sich  verhält  etwa  wie  AXcpEttina  (-wa)  zu  AX'-peui),  iaxvicet;  zu 
-xxv'.o^,  Bpuöeaaa  zu  8puov,  'Iwvc'oe;  ('Iwvtxos;)  Nüu-cpa:  zu  'IaSeg  in  Elis,  so  sehe  ich 
keinen  Grund,  nach  Prellers  und  andrer  Vorgang  mit  Gewalt  für  Kpiog  die  Ab- 
leitung Kpiüa  im  Lemma  und  sonst  einzusetzen  '').  Nicht  erst  Kpiwa  ,Siedlung  am 
Krios',  schon  Kptö;,  das  jenem  vorausliegende,  bezeichnet  eine  attische  Ortlich- 
keit,  eine  und  dieselbe;  ein  Bach  Krios  floß  bei  Aigeira  in  Achaia  l0).  Ein  atti- 
scher Bach  Krios  ist  dadurch   wahrscheinlich11!. 

7)  Ob   der  Edelstein,  den   Plinius  XXXVII  114  ander    entfernt.     Als   Vater  des  Pallas  erscheint  der 

nach  dem    Nil   , Nilion'  (Akkus.)    benannt   sein    läßt,  Demoseponyme   in  der  attischen    Sage   (s.    Kirchner, 

nicht  ,Nilois'   NsiXtut;   hieß?  Att.    et    Pelop.    35).  -  Das    kann,     muß    aber    nicht 

s)  NeiXoöv,  TpiTiövrjv;  X~(t)TCOÖv,  'ErcxarcdpTjv  ( — tv  auf  Pallene    weisen.    lxev'    5e    aüxov   xö    övoiia   ärcd 

Kaibel,   eher  — oüv),   ^x^^^a,  TuotcXoOv  (TlxcovoSv  T:zx/o-  Kpwj.    Kp.o;  2i   /.%:  ä>,Xo;  ti)vdp.a3xai  rcoxa- 

nach  dem  italischen  Bache  bei  Lykophron  nach  Kaibel)  1105,  0;  äpxcu.svo;  iv.  SmöAou  toä  spcj;  e-  tov  "Ep- 

■/.ai   Po5iav.  Die  aus  Homer,  II.  XII  20  oder  Hesiod,  |iov  xaxeioiv  Pausanias  VII  27,    12    vom    achaiischen 

Theog.  388   entnommenen  Gewässer  (Heptaporos  und  Flusse.   Ähnliche  Namen  von  Bachen:    /,  6vo[ia£o|l£vT] 

Rhodios  waren  elende  Bäche)  stehen  neben   dem  Nil  Xoipio;  vccky;  Paus.  IV  I,  i;   30,  1;    die  Scheide  zwi- 

und    gar  neben    dem    Stromgott    an    sich    Acheloos.  sehen  Messenien  und  Lakomen  heißt,  wie  K.  Curtius, 

Das  ist  bewußte  Travestie.  Abh.  I    514    wollte,    nach    dem    Waldbach    Choiros. 

°)  Die    noch    spärlichen    Inschriften    geben    hier  Auch  23;,  Tpa-fo;,  Kartpo;,   Ä.ÖXOg    kommen   bei  be- 

in   betreff  des  1   mutum   noch    keine   Sicherheit.    Ath.  drohlichen   Gewässern   vor.      'AxOUOlitOV   -Cm   ~pi;  Tiv 

Mitt.  XII  323  (Vase)  ist  das  0)  in  xpid)   unmittelbar  Karcpov  (Nebenfluß  des  Tigris):  Head,  Hist.  num.  690. 

vor    der    Bruchstelle.     —     Die    Lage    des    attischen  Karcpog  und  Aüxo;  bei   Laodikeia  ad  Lycum  565  sq. ; 

Demos  läßt  sich  noch  nicht  feststellen.  In  den  .Unter-  E.  Curtius  II  60. 

suchungen  über  die  Demenordnung   des  Kleislhenes'  "')  Richtig  urteilt  G.  Kirchner,   Attica  et  Pelo- 

( Abh.  Akad.  Berlin  1892  S.  39)  bespricht  Milchhoefer  ponnesiaca  3;. 

die    Möglichkeiten,    ohne    sich    zu    entscheiden;     die  11)  Steph.  öpia]  .  .    Xiferoa   xcci   8puö.  c    5f/ii- 

beiden   Inschriftsteine  sind  bei   Dekeleia  (Tatoi)   und  xyjj   0piaaiog  .  .  .    xx  TtAstoxa    5s    ?:i    -.'A    u)    Hpuu- 

Gypseli  (Alopeke  etwa)  gefunden,  also  weit  von  ein-  9-av   6piü>£s    xai    Hpiäsiv.     änö    3e    xoü    8p£a    (oder 


4  E.  Maass 

Die  wissenschaftliche  Astronomie  der  Griechen  bezeichnet  den  Norden 
nach  den  beiden  Bären  xö  7xpö;  Ap/.TOuj  (iipos,  dazu  bildet  sie  das  Adjektivum 
äpxxixo?,  ävxapxx:xo*.  auch  apxxiog.  Vereinzelt  haben  die  Vorstellungen  des  Himmels 
ein  anders  geformtes,  auf  die  himmlischen  Bären  angewendetes  Adjektivum; 
z.  B.  der  Anonymus  zu  Arat  (meine  Ausgabe  der  Aratkommentare  p.  130,  27) 
TÖV  7iapaAXTjX(i)v  8  uiv  äpxzvxjbq  oöxw?  <jt>vou.aa{b),  Sit  Txpö?  xof;  apxxoKOi;  OTtxpyet;  er 
meint  xä  apxxüna  [xepyj.  Ganz  gewöhnlich  ist  dieses  apxxüKoj  in  der  Dichtung  nach 
Arat,  der  es  noch  nicht  hat.  'Erf  äpxxwtoio  xixaovöu-svat.  Bopsao  sagt  von  den  ägäi- 
schen  Inseln,  welche  die  Geographen  zum  Erdteil  Asien  rechneten,  der  Perieget 
Dionysios  V.  51g,  ctpxxöHOS  Äifynjs  auch  Nonnos  XXIV  63,  Auxaovirjg  eAäxrjp 
Äpxxöno;  5^1  x  er,;  derselbe  vom  Bootes 12),  auch  äpxxwia  ir-aXaaaa  usf.,  die  Lateiner 
,arctoi  Bootis',  ,Boreas  arctous',  ,sedes  mare  orbis  frigus  arctoum';  vgl.  den 
.Thesaurus'  u.  d.  W.  Das  Wort  scheint  aus  einer  andern  Sphäre  in  die  Astro- 
nomie der  späteren  eingedrungen:  Pollux  V  81  xat  äpxxou  |i£V  opoj  xö  'Apxxwoov 
ä7i(i)VU|xov.  Diesen  , Bärenberg'  können  wir  lokalisieren.  Die  Dolionen  bei  Kyzikos 
wohnen  ApxxuKOtg  ev  öpeaaiv  nach  dem  Orphiker  Argon.  V.  517.  Der  Spätling 
schöpft  erwiesenermaßen  aus  Apollonios  I  941  13),  und  hier  hat  der  Laurentianus 
für  die  afasfa  IIpoixovx;5os  evSofk  vyjao;  den  Namen:  Apxxov  (uv  xxXiouaiv  opo?  rcepi- 
vaiexaovxes  (wo  'Apxxwv  geändert  zu  werden  pflegt  nach  I  1 1 50  oöpecnv  Apxxwv). 
Der  Orphiker  und  die  Polluxquelle  haben  hier  Apxxwiov  xocXeougi  (für  "Apxxov  [V.v  x.) 
gelesen.  Beide  Lesungen  verhalten  sich  wie  Kptos  zu  dem  das  Adjektiv  vertre- 
tenden Kp:t!xa;  sie  sind  beide  gut.  ApxxöKX  5p7j  werden  wir  beurteilen,  wie 
äypoixos  iaiWj;  oder  auch  wie  Mupxiötov  /üEXayos,  das  nach  den  Myrtenbäumen  heißt, 
wie  Sapmvixö?  xöÄ-o;  nach  den  Eichen  des  Küstenlandes;  die  Komposition  wird 
schließlich  einfach  wie  ein  Adjektivum  von  äpxxo;  behandelt.  Bären  auf  dem  Ida 
kennt  die  Parissage,  in  Phrygien  Nonnos  XLVIII  238  u.  a.  Nun  ist  Kyzikos 
milesisch.  Ob  durch  die  milesische  Astronomie  äpxx<o:o;  in  Aufnahme  kam  für 
ip/.x.7.ö;,  weiß  ich  nicht  zu  sagen.   Wahrscheinlich  ist  das  späte  äaxpuuo;  -  -   nicht 

Öptai)    6pix!o;  .   .   .    icxi    5k    xai    Svjuoj    ÖpilOV    &JCO  ,die   Niederlassung  in   Thria'. 

8pfavxoj.  Dazu  Meineke:  Hie  non  diversus  a  superiore.  n)  Nonnos   II   42  f.    (i)|ioßipoi   fap    äpy.-o'.    üai- 

Pro  epiüiv  fortassc  Bp'.a)  vel  8pi(u;  scribendum,  quam  xpsöovxo   TuqpaovCoio    icpoaamou    äpxximxi;    Ysvueoolv' 
forraam    habes   apud    grammaticum   Bekkeri    p.   1415,  13)  Schol.    Apollon.  I    036    Äpy.xo>v    äpog    oSxoi 

ubi    componuntur    iu>-    SsüiJtev,    t,i»;    ^fiSrSV,    ir/jxfu>i  Xrfd|isvov,    sei    es    nach    den    hernach    in   Bären  ver- 

ir/ipai'&ii   '■•    8p{(u{    öptfflftsv.     Die     Form    8piu>    ist  wandelten    Zeusammen,    sei    es    nach    den    dort   zahl- 

hier    nicht    wahrscheinlich,     da    sie    schon    erwähnt  reich    gejagten    Hären,    7)    4ta    xö  6(|n)AÖV  xoü  öpouj, 

wurde.   9piu){    aber    sieht    verderbt    aus   neben    6p£a,  ar.c.  tofl  Soxetv  -'/.'.;  "Apxxot{  npoan6Aä£eiv  Tat;  äaxpüK- 

wie  ja  sicher  auch  8p£ü)V  verderbt   erscheint.     Etwa  otg.  "ApxxcüV  5poj  auch  Strabon  XII   p,  575,11.     Es 

8puua    wie    Kp'.o'ja    beide   Male?     Dann   wäre  Thrioa  gab  also  auch   hier  zwei  Namen. 


Mutter  Erde  5 

äaxpatos,  das  nur  in  den  Kurznamen  Aaxpxio;.  'Aarpala  gilt    —    durch   das  Muster 
äpxTiöios  erst  hervorgerufen  worden. 

Das  Fest  der  'OjJioXwta  und  der  Festmonat  "Ou.oXü)tos  sind  über  ganz  Boiotien 
verbreitet.  In  Orchomenos  war  dieses  Fest  zeitlich  mit  den  Charitesien  verbunden 
(IGS  I  48;  3197):  dieselben  Sieger  werden  auf  denselben  Steinen  für  beide  Agone 
verzeichnet.  ,Istros  wird  mit  der  Auffassung  als  Fest  der  Eintracht  Recht  haben  . . 
Es  liegt  nahe,  6[io-X<i)cos  =  6[i6ßouXos  zu  deuten',  schreibt  Wilamowitz,  Hermes  XXVI 
216.  Auf  diese  Weise  bliebe  die  Vokalisation  unerklärt.  Es  liegt  anders.  Doch 
ist  zuvor  ein  Mißtrauen  zu  beseitigen.  E.  Fabricius  schreibt,  Theben  (1890)  S.  28  f. 
.Zwar  leitet  Pausanias  IX  8,  6  f.  den  Namen  des  homoloischen  Tores  von  dem 
thessalischen  Berge  Homola  ab...  Aber  sicherlich  (!)  beruht  der  Bericht  des 
Periegeten  nicht  auf  lokaler  Tradition,  sondern  ist  lediglich  eine  auf  die  Namens- 
gleichheit gegründete  Konjektur  ohne  örtlichen  Anhalt.'  Gründe  fehlen;  sie 
könnten  kaum  anders  als  sprachlicher  Natur  sein.  Grade  die  Sprache  aber  be- 
stätigt die  Verbindung  von  Homola  und  jenen  besonders,  aber  nicht  auschließ- 
lich,  boiotischen  Bildungen.  Der  Tatbestand  ist  dieser.  TjjioXa  (oder  "0|i,oXog)  war 
ein  fruchtbarer  Bergrücken  in  Nordthessalien.  Mit  diesem  Namen  und  mit  diesem 
Orte  verbinden  unsere  Nachrichten  -  es  ist  wesentlich  der  Thebaner  Aristodem 
in  seinen  Thebanischen  Epigrammen  —  das  in  Boiotien  und  besonders  in  Theben 
selbst  sehr  häufig  als  Eigenname  verwendete  TJjioXwto;,  auch  'O\iolih'.yoz  —  es 
sind  aus  IG  VII  38  Fälle  bekannt  —  'OpioXwtöowpo;,  '0|ioXcm's.  Wir  erkennen  den  Zu- 
sammenhang: 'OjioXoaaf/os  liegt  der  Form  'OfioXöKO?  voraus,  ,der  auf  dem  Homola- 
Berge  wohnt'.  Die  ganze,  von  ihren  früheren  Sitzen  auf  der  Homola  mitgebrachte 
Göttergesellschaft  war  in  einem  Bezirke  in  Theben  vereinigt,  dem  auch  bezeug- 
ten '0\io\ür.ov,  bei  dem  nach  ihm  genannten  Tore:  Zeus,  Demeter,  Athena  und 
Enyalios  14).  Von  den  anderen  Göttern  Thebens,  auch   den  gleichnamigen,  wie  der 

u)  Photios  (Suidas)  'Ou.oXw:o;]    Zeüj    sv    6rj[2aij  schon  bei  Photios  steht, 
xal  sv  äXXaij  raJXsat  BoiumxaTg  xal  6  ev  6s3aaX£ai,  Schol.    Eurip.    Phoin.     Hlg:     Das    homoloische 

ärcö  'Op.oX(o£a;  npotpiJTtSos  -■?,-  'Evjitog  (nach  Aristo-  Tor   sei   cotö    'Ou.oXu>su>;    xoü    'Au.?£gvo;    genannt   .  . 

phanes  von   Theben)  .  .   .  gort  51    xal  Ar)[i»)xyjp  '0|io-  'Aptaxo5v]|i05   (Fr.  2)   8s    tfrjjtv    auxaj    vjxm  xXY)5Hjvai 

Xu>£a  sv  ö»ißats.  Nilson  schreibt  Griech.  Feste   13  A.  Btä  xd  TiXrjaiov  sfvat  xoü  'Ou.oXcüou  ijptoo;.  xaxa  5s 

,Daß    auch    Demeter  an  den  Homoloien    teilhabe,  ist  xo-'j;    t|)6t)8oXoieTv    jäouXopivouj    äTiö   ptä;    tfiiv    Nu5ßT); 

eine  willkürliche  Annahme'.  Er  hat  dem  gesicherten  ftu-faxspiov   'OuoXtoiäoj.     Steph.   '0|ioXr)]    5poj  6sxxa- 

Zeugnis  gegenüber  unrecht.   Schol.  Lyk.  580  Boap|i£a  Xiaj  .  .    X=-;sxx'.    xat    'OjioXoj.    o£   olxoövxsj   'Op.oXsl; 

Aoff&Tij  'OuoXu)is  B£a]  Boapum  Ss  (Athena)  xai  Aof-  (Meineke;  —  Xosi;  Hdss).  xal  8y)PAv  tS/.-x:  r.po-  tffil 

-fäxij  napa   BokdxoTj   xaXsixat   xal  xtu.äxat   'OuoXun;  öpai  (6pst  V)  '0|ioXco£8s;.  xal  Zsu;  '0|ioXd>ioc,  uuÄxat 

7tapä  8Tjßa£o!.;  (ä.*Yjvatol{  Hdss:  verb.  Welcker\  xai  sv  Boiuniai.   Wilamowitz  fordert  statt  fjpo>0£  mit  Recht 

6  Zstj;     Kap'     aüxci;    '0|ioXuk<o>?     xal     IIYAAIO^  eine  Ortsbestimmung   und  setzt  aus  Stephanos  Spooj 

'OjioXtutoj:     ENYAAIO?     natürlich,     zumal    'Evusöj  dafür  ein   S.  215.     Dagegen  wäre  zu  sagen,  daß  der 


O  E.   Maass 

Athena    Onka    und  dem  Ares  an  der  Dirkequelle,    sind   diese  Gottheiten   für  die 
Praxis  der  Religion  Thebens  zu  trennen. 

Das  zwischen  Silarismündung  und  Poseidonia,  50  Stadien  von  dieser  Stadt 
entfernt,  errichtete  Heiligtum  "Hpa;  ApytiKa;  Maaovo;  üSpufia  hat  Friedländer,  Philol. 
Untersuch.  XIX  89  zu  einem  falschen  Schluß  benutzt;  vgl.  Strabon  VI  252. 
Jasons  Gründung'  lassen  wir  notwendig  beiseite;  sie  ist  aus  der  Wortform 
Äpyö)ia,  die  man  auf  Jasons  Schiff,  die  Argo,  bezog  —  Apyiinov  axx-fOs  Euripides, 
Medea  477,  Xcurjv  ApyGuo?  tknb  tv)s  ApyoO;  auf  Aithalia  Strabon  V  224  —  erschlossen 
worden,  bezeugt  aber  die  Richtigkeit  der  überlieferten  Ableitungssilbe.  Hätte 
man  diese  lukanische  Hera  als  Argiverin  bezeichnen  wollen,  wir  würden  Apyeca; 
lesen.  Es  bleibt  keine  Wahl.  Hera  war  Apytina,  wie  Artemis  am  Alpheios  AXcpeuiKa: 
ihr  Tempel  wird  auf  unanbaubarem  oder  unbebautem  15)  Terrain  (apyr)  yrj  oder 
zb  apyog  gestanden  haben. 

Es  läßt  sich  mit  dieser  neugewonnenen  Erkenntnis  für  Syrakus  ein  nach- 
gerade unbequem  gewordenes  Problem  auflösen.  Cicero,  Verrinen  IV  53,  118 
sagt  aus  sizilischer  Überlieferung,  mit  der  er  sich  gut  bekannt  gemacht  hat,  von 
der  Insel  Ortygia  ,in  ea  sunt  aedes  sacrae  complures,  sed  duae,  quae  longe  ceteris 
antecellant,  Dianae  una  et  altera,  quae  fuit  ante  istius  adventum  ornatissima, 
Minervae'.  War  der  Artemisbeiname  auf  Ortygia  AAcpsitina,  so  liegt  in  ihm  die 
von  Cicero  angedeutete  fremde  Heimat  des  Kultes  auf  jener  Insel  bezeichnet. 
Nach  Ortygia  war  die  Göttin,  sizilischem  Glauben  zufolge,  aus  Elis  gekommen, 
aus  Letrinoi  oder  aus  Olympia  selbst.  Ich  denke,  wir  werden  auch  hier  ent- 
scheiden können,  wenn  wir  uns  an  die  gute  Überlieferung  halten,  sie  nicht 
ohne  Not  verlassen. 

Polemon  hatte  in  einer  an  den  uns  unbekannten  1  Hophilos  gerichteten  Mono- 
graphie über  die  geschwärzte  Kultstatue  des  Dionysos  gehandelt1'')  und  andre 
Heiligtümer  und  Kultverhältnisse  von  Altsyrakus  herangezogen:  Demeter  Sita 
und  eI|iaX£a  und  außerdem  eine  unbestimmt  als  1)  '0Xu|X7tfac  bezeichnete  Göttin.  Wir 
lesen  bei  Athenaios  XI  462  B:  xal  IloXquov  8'  £V  xfin  Ttspi  10O  Mopj/ou  (Fr.  75  Preller)  £v 
Supaxoöuacs  cpjjcrtv  i-*  stxpat  xv(:  vfpm  tifhc,  xün  xrjj  'OXunm'aj  lzp(b'.  sxxöc;  xoü  zelyou;  ivyipxv 

,  der  thessalische  —  einen  thebanischen  kennen  raowitz,   Herakles  I-  48.   Auf  den  Tafeln   von   Hera- 

wir,    von    dieser   fraglichen    Stelle    abgesehen,    über-  kleia  am  Siris   sind    axtpo;  und   äppyjxxoj  dergleichen 

liaupt    nicht    —    '0]ii/.a   oder  °0|ioXog  geheißen   hat.  Flurnamen. 

In   fjptOOJ   steckt  Eapoff,   in  Spet  tepffil.  '•)   Hepl   toO    MopÖXOU,    vgl.   Diels,    Hermes  XL 

]>h.    Byz.  u.  d.  W.  "ApfOJ    3i    z/i'Ai   näv  30I  ff. 

-  v.'x-.-/.  fa&axtav:  d.  h.  dcapyoc  .unbebaut'.   Wila- 


Mutter  Erde  7 

xcvä  efvac,  &p'  ■?$,  cpnjac,  xtjv  xiiXcxa  vauaxoXoüaiv  (JvoMcX^ovreg  n=/p:  toö  y^vlafra'.  xr^v  IjcJ 
xoö  v£w  xf/g  'Aifyväc  idpaxov  dbmSa  xac  oörcüg  ifcpiäaiv  s?g  xrjv  9-esXaaaav  xepafilav  xöXixa, 
xaiMvxsg  e?g  aöxrjv  avö-sx  xal  X7jpta  xal  XißavtöTÖV  ät|jwjtov  xaE  ä&Xa  äxxa  |j.sxx  xoöxwv 
äpwj-iaxa.  Aus  xf;?  'OXunra'ag  machen  die  Athenaiosherausgeber,  aucli  Kaibel,  wie 
wenn  sich  dergleichen  bei  der  Leichtigkeit  der  Änderung  von  selbst  rechtfertigte, 
Yffi  'OAufira'ag.  Die  Ge  von  Olympia  wollte  vordem  auch  Preller  herauslesen,  ohne 
zu  ändern  (p.  113),  auch  er  ohne  den  Ansatz  zu  einem  Beweise.  Es  läßt  sich 
ein  solcher  gar  nicht  führen.  Möglich  ist  die  Verlegung  der  Ge  außer  Landes  unter 
besonderen  Verhältnissen  gewiß,  selbstverständlich  aber  gar  nicht;  bewiesen  muß 
sie,  sie  darf  nicht  gefordert  werden.  Verläßt  ein  ganzes  Volk  die  alte  Heimat, 
so  wird  es  den  alten  Kult  der  Ge  mitnehmen.  Der  Sieger  mag  ihren  Kult  aus  den 
besiegten  Landschaften  in  die  eigene  Hauptstadt  verlegen  und  den  ursprüngli- 
chen an  alter  Stätte  daneben  bestehen  lassen.  Innerhalb  des  eigenen  Landes 
selbst  läßt  sich  Ge  natürlich  übertragen,  der  Kult  auch  beliebig  vervielfältigen. 
Die  Stadt  Athen  besaß  drei  Kulte  der  Ge.  Das  Ge-Heiligtum  in  der  Altis  hat 
die  von  ihm  im  Innern  umschlossene  Erde  vom  Kronoshügel  erhalten:  ein 
Beweis,  daß  hier  eine  Verlegung  einmal  stattgefunden  hat;  im  Innern  des  Ringes 
zeigte  sich  gelbliche  Tonerde,  wie  sie  sich  nur  im  Kronion  findet17).  Wie  die 
Verhältnisse  in  unserem  Falle  liegen,  gibt  es  drei  Erklärungen  der  Überlieferung: 
entweder  hatte  der  Perieget  mit  xrjg  'OXujira'a;  einen  von  zweien  oder  auch  von 
mehreren  Kulten  derselben  syrakusanischen  Göttin  bezeichnet,  oder  es  gab  von 
der  mit  xijs  OXujimag  gemeinten  Göttin  zwar  einen  Kult  nur  in  Syrakus,  eben 
den  auf  Ortygia,  aber  dieser  galt  als  Filiale  von  Olympia,  oder  endlich  beides. 
Wie  wir  sahen,  stammte  die  Artemis  auf  Ortygia  aus  Elis,  aus  Letrinoi  an  der 
Alpheios-Mündung  oder  aus  Olympia;  nur  dies  stand  noch  zur  Wahl.  Diese  Kult- 
tatsache für  Ortygia  und  das  Hieron  xtj?  'OAujiraag  auf  derselben  Ortygia  zu 
verbinden  —  ist  das  noch  Kühnheit  ?  Es  war  die  Artemis  von  Olympia,  die 
Alpheioa  oder  Alpheio,  nach  welcher  Polemon  die  Eschara  auf  Ortygia  orien- 
tierte. Soeben  veröffentlicht  die  'Ecprj|i.  ap-/_.  (1906  er.  36)  eine  tegeatische  Marmor- 
herme mit  Unterschrift  'AfppoScxau  'OÄuvm'au.  Aphrodite  wird  uns  unter  diesem 
Namen  in  Tegea  von  Pausanias,  der  hier  besonders  ausführlich  scheint,  nicht 
genannt;  dieser  Perieget  kennt  neben  der  [Iacpca  nur  noch  die  nach  ihrer  Stätte 
am  Markte  als  Aphrodite  'Ev  ÜXivIKiüi  bezeichnete;  der  Markt  der  Tegeaten  hieß 
nach  seiner  oblongen  Form   QXivJKov  ,Ziegel'18).    Wir   sind   in   jeder    Weise  aufge- 

'■)   E.  Curtius.   Abb.   II   60.  y.ufaj  JiX£v9*iH    xaii    -.0    3X^lla-    Ä.?po8(TT){    k—'.v    sv 

'"i  Paus.  VIII  48,  1   -■/,;  i'fOf,i;  3=  («iXioT«  ioi-       kötSji  vai;  xaXoöpsvo;  iv  nXivSKa»  xat  J-faX(ia  Xid-ou. 


8  E.   Maass 

fordert,  die  'OXuv~:a  und  die  'Ev  IlXcvthV.  für  Tegea  gleichzusetzen  und  zu  folgern, 
daß  diese  Aphrodite  nach  Tegea  aus  Olympia  übertragen  ist.  In  Sparta  waren 
Zeus  Olympios  und  Aphrodite  Olympia  die  'U/.j;in'.o:.  verehrt  in  demselben 
Tempelbezirk,  dem  'Oäüjji-'.ov,  wie  ein  ähnlicher  Bezirk  auch  in  Athen  heii3t19). 
Zwei  altgriechische  Tempel  nun  haben  sich  auf  Ortygia  in  Resten  erhalten :  der 
in  der  Blütezeit  des  dorischen  Stils  errichtete  und  schon  im  frühen  Mittelalter 
in  die  Kathedrale  von  Syrakus  verwandelte  hochgelegene  und  ein  zweiter  hoch- 
altertümlicher, doch  kleiner  und  tiefer  gelegen.  Schubring  hielt  den  erstgenann- 
ten oberen  Tempel  für  den  der  Artemis,  den  andern  für  den  der  Athena  ;  Puch- 
stein  zweifelte  (S.  203).     Das  neue  Zeugnis  würde  Schubring  recht  geben. 

Wenn  Polemon  in  seiner  Schrift  ,Über  den  geschwärzten  Dionysos'  Deme- 
ter S'.-ü)  und  cI|j.a/i;  und  weiter  die  Eschara  bei  der  olympischen  Artemis  zu- 
sammen erwähnt  hatte,  so  wird  er  für  dies  Nebeneinander  seine  Gründe  gehabt 
haben.  Von  Dionysos  führt  mancherlei  auf  Demeter  Meter;  es  sind  die  Götter 
des  Landmanns.  Auch  von  der  Eschara.  Der  so  benannte  niedrige,  meist  hohle, 
runde  oder  viereckige  Opferherd  pflegte  der  Ge  oder  den  Verstorbenen  zu  ge- 
hören, den  Heroen;  in  Olympia  stand  er  innerhalb  des  steinernen  Rundbaues  der 
Ge  mit  den  bekannten  Aufschriften  'Hpwwv,  einmal  "Hpwo; 20).  Auf  Ortygia  stand 
er  frei,  wie  anderswo.  Die  mit  Blumen,  Waben  und  mancherlei  Räucherwerk 
gefüllte  Vase  aus  Ton  erinnert  an  das  Chytrenfest  der  athenischen  Anthesterien 
wohl  nicht  nur  zufällig;  auch  an  das  novellistisch  ausgeschmückte  Opfer  des  Poly- 
krates:  der  Ring  soll  ja  sicher  ein  Opfer  an  die  finsteren  Mächte,  die  Unterirdischen, 
sein21).  Etwas  ganz  Gleiches  kenne  ich  nur  in  Arrians  Anabasis  I  11,6:  AÄEtav- 
5sov  2s  iE  "EXatoöVTOg  s;  röv  *Ayz:6n  Ä;;i£vx  xatäpac  i  icXetwv  \&foc,  v.y.-.iyi'..  v.x:  aJTÖv 
~t  xußepvövra  rijv  cxpaTJjytSa  vaöv  8iaß<£XXeiv  xat,  ir.nii,  -/.aiä  niaov  tov  -dpov  ~orj  'EXXkj- 
5~dv70'j  äyevexo,  azxczvtz  taOpov  1Ö1  QoaetSövt  v.y':  Nrjpfjiai  o-v/Zivi  iv.  yy>ri~,;  -'.xki^  £: 
tov  jt6vrov;   VI  19,  15  opfert  Alexander  wieder  dem   Poseidon  atfxyca  ins  Meer.  v.xi 

53,  7  Aphrodite  Paphia,  deren  mythische  Gründung  geber  der  Inschrift  denkt  sich  die  Sache    wesentlich 

erzählt  wird.  Das  Deminutiv   iv  Tt/.'.v IHtoi  scheint  hier  anders,  mit  Unrecht,  wie  ich   meine. 

neben  iiXCvdtot  wohl  erträglich.     Diese  selbe  Ortshe-  Paus.   III    12,  11  ;    14,5. 

Stimmung  genau  so  in  den  , Epidemien'  VI  22  (V  304  20)  E.    Curtius    a.  a.  O.,   ijptug    .Toter':    Rohde, 

Littre)  und   VI  9   CV  328  L.)i   ähnlich   lJaus.   II  4.  6  Psyche   243  A.;  647  fr.    Ein   schönes   Beispiel  in   den 

Sarapistempel:    iv    KavcöjiüK    xaXoöjievov.     IGA    543  mißverstandenen   Versen    des  Asios   in    Bergks   IM  1. 

aus  Kalabrien    xS{    II;.*:  -i;  Iv  nadfaK,  mit  welcher  II   23. 

die    Iläi'.O)    in   Sizilien    nichts    zu    tun    hat,    Usener,  21)  Preller  vergleicht  die  Vermählung  des  Dogen 

•  iötternamen    144     A.     Die    Epidemien     geben     eine  mit  dem  Meere,    Casaubonus    die    des   Dionysos    mit 

Fülle  der  schönsten   Adressen    dieser  Art   1  Meincke,  der  Basilinna  in   Athen  (Preller   112  f.). 

Sitzungsber.   Akad.  Berlin,   1852  S.  751.   Der  Heraus- 


Mutter  Erde  9 

cj-staa;    iiä    xr]t    It-jdy.:    rfp    '.z    tpW&Xijv,    yi'JTi^  oöoav,   xa?  xpaxijpae;  xpuaoü?  SvIßaXev  i: 
tov  -övtov  yapiaT^p:a,  s'jyw6jievog  awtöv  o!  itapaiE£|i<l>ai  xdv  axpax&v  xöv  vauxtxiv  xxX.     1 1  i 
waren  die  sogenannten  ^(OTTjfta.   Und  also  wohl  auch  in  Syrakus.   Die  ziyy.oz.  inay 
der  Ge,  der  syrakusanischen,  gehört  haben. 

IL 

Ge  hieß  auch  in  Athen  'OXujitogc,  nicht  anders  -  wird  mancher  meinen  — 
als  Artemis  'UÄ'j^nfa  in  Syrakus,  Aphrodite  'OXupma  in  Sparta  und  Tegea,  Zeus 
'0X6jimos  in  Sparta  und  Athen22).  Dennoch  darf  hier  an  keine  Kultübertragung 
gedacht  werden.  Pausanias  schreibt  I  18,  7:  lern  5s  xp/aCx  iv  töc  jiepiß6Xü>i  (des 
Zeus  Olympios),  Zc'j;  -/»XxoO;  xxt  vaö;  Kpovou  xxi  Tsx;  /.%:  xijiivo;  1V^  (dafür  xtjv 
Hdss)  etoxXhjcj'.v  'OXujMna?.  ivxaöfl-a  Saov  e?  rcfjxov  "^  "a-^o;  SieaTijxe  xa:  Älyöua:  [lexa 
rfyv  ETrajißpiav  xrjv  in!  AeuxaXfeyvos  (Tuji.ß<Scaav  &ra>p"£u7jvat  xauxrjc  xö  ö8ü)p,  saßcfcXXouai  ~i  s: 
aöxö  äva  rcäv  Ixo;  äXcptxa  rcupöv  [liXixi  usicavxs;.  Thukydides  aber,  wo  er  ganz  genau 
sein  will  (II  15,  4),  nennt  diese  Ge  nicht  'OXojtraa,  trennt  sie  auch  durch  das 
Pythion  vom  Zeus  'OXu(nr,ios  (16  xe  xoö  Aiö?  xoü  'OXu[i7uou  xat  xb  Ilulhov  xal  xö  xtj; 
IY^  xa!  xö  iv  Ainvatg  Aiov6<jou).  Dazu  die  folgende  Beobachtung.  Meter  oder 
Demeter  von  Agra,  ,des  Plutos  Mutter',  nannte  der  Volksmund  -  -  zum  Unter- 
schiede wohl  von  der  Göttin  des  Eleusinions  —  aus  keinem  andern  Grunde 
,olympisch',  als  weil  die  ihr  heilige  Flur  am  Ilissos  dem  Heiligtum  des  Zeus 
Olympios  benachbart  war23).  Die  Ausdrucksweise  des  Thukydides  haben  wir 
als  die  korrekte  anzuerkennen;  Pausanias  redet  hier  wie  das  Volk  weniger  kor- 
rekt. Das  Beiwort  ,die  Olympische'  will  nichts  sein  als  ein  topographisches  Mittel 
diese  Ge  von  anderen,  im  Stadtbereich  gelegenen,  zu  unterscheiden:  Koupoxp&po? 
rcapee  "Apxi|.itv  heißt,  auch  topographisch  bezeichnet,  die  Ge  auf  der  Burg,  Ge 
Themis  die  unterhalb  derselben.    Dazu  die  Göttin  des  Eleusinions. 

Ge  Olympia,  übertragen  aus  Olympia,  hat  es  weder  auf  Ortygia  gegeben 
noch  in  der  Flur  des  Ilissos.  Für  Syrakus  beruht  sie  auf  irriger  Auslegung 
einer  Textstelle,  für  Athen  auf  Verkennung  einer  zwar  freien,  in  jenen  Zeiten 
aber  nicht  mißverständlichen  Bezeichnung  der  Ge  als  Nachbarin  des  Olympions, 
des  anscheinend  sehr  früh  und  nicht  erst  durch  Peisistratos  nach  Athen  über- 
nommenen Zeus  von  Olympia:  die  Tetrapolis  und  der  attische  Osten  besaßen 
sehr  alte  Verbindungen  mannigfacher  Art  mit  dem   Westen  des  Peloponnes. 

--1  Nach    den    Pausaniashdss    hätte    der   Tempel  wie  'EXsuaCvtov  u.  a. 
der  Demeter  Mysia  bei  Pellene  VII  27.  9  Muoetov oder  ")  Carm.  pop.  3  IIXoÖTOU  |Mp*P  'OXojHitav  isBti) 

Mftocov  geheißen;   sie  geben   die   Wahl.    Die  Heraus-  &l}|M]xpa    Jl  --:   ='  <"?*■; 

geber,  auch  Spiro,  wollen  Mooalbv.   Vielmehr  Möowv,  ^  "=•  "a-  i;':-  *sp<»<p6vi). 

Jahresbefte  des  osterr     archäol     Institutes    HJ    XI  - 


IO  E.  Maass 

III. 

Die  Heiligtümer  der  Erdmutter  pflegen  Kuppelform  zu  haben  und  ö|icpaXot 
,Nabel'  zu  heißen.  Nur  Klügelei  machte  den  delphischen  , Nabel'  zum  ,Erdnabel', 
zur  Erdmitte;  falsch  schon  darum,  weil  es  viele  solche  , Nabel'  nachweislich  im 
griechischen  Kult  gegeben  hat.  Sie  standen  vielfach  im  Kreuzungspunkt  der 
Hauptstraßen  (E.  Curtius,  Abh.  I  116).  Tä?  ö[.tcpaX6s  ist  vielmehr  der  Schoß  der  Erd- 
mutter, Uterus  als  das  Gegenstück  des  Phallossymbols  S4).  Einiges  hier  Übersehene. 
Hesych.  i.  i|.i^aX6;]  ^uyoO  zb  fiiaov.  v.od  Aea^ol  inel  usaxtxaxoi.  2.  ofi^aXö;  atyos 
(vielmehr  l'ato;)]  o^xsrxa;.  ~w;  xr,v  flucti}  6u.r.paXöv  aiyafov  (vielmehr  TaiGvC.  xtvsg 
5i  napä  tö  rfjs  Afyaitov  (vielmehr  AsX^iov)  yyj?  -  nämlich  |isaacxaxov  sEvat,  aus  Glosse  1. 
.Omphalos'  oder  ,Gaios'  oder  beides  sagten  die  Delphier  von  ihrem  Gaia-Heilig- 
tum  2S),  wie  die  Eleer  in  Olympia2'5)  und  andere  Peloponnesier27):  Pausanias  II 
1 3,  7  von  Phleius  oü  Tcop^to  §s  eax'.v  —  vom  olxo;  jiavxixoj  des  Amphiaraos  —  ö  xa- 
ÄoJ[i£vo;  '0|i<paX6s,  TlzXoKmvipo'j  ok  ~aarj?  uiaov.  £?  oyj  xa  ovxa  sJpr,-/.xa:v.  Dieser  Om- 
phalos erscheint  eingerahmt  in  ein  Rad  auf  phleiasischen  Münzen  2S).  Ein  heiliger 
Stein  war  das  jedenfalls  nicht.  VIII  25,  13  (Aigeira  in  Achaia) :  IYj;  3s  tspov  iaxtv 
6  laioj  EitcxXr^tv  Eöpuoxepvou,  (joxvov  21  xof;  uaXiaxx  c|W(ü;  laxiv  xpyafov  2;)).  Münzen 
von  Magnesia  am  Sipylos,  die  auf  der  einen  Seite  den  Zeus  zeigen,  haben  auf 
der  andern  einen  schlangenumringelten  Omphalos.  Auch  Paphos  und  Helina- 
Arelate  besaßen  einen  Omphalos30).  Ferner  Delos.  Daß  die  Delier  ihre  Mutter 
in  einem  solchen  Heiligtum  verehrten,  zeigt  der  französische  Ausgrabungsbericht 
Bull,  de  corr.  hell.  XXX  (1906)  p.  561.  Im  Jahre  1903  fand  sich  in  einem  delischen 
Privathause  ein  schlangenumringelter  Omphalos  aus  Marmor  und  1906  ein  auf 
Tafel    24    abgebildetes    Relief   aus    weißem    Marmor    mit    demselben,    von    einer 

7t)  Diels,    Miscellanea    Salinas,    Palermo    1907,  ärci  xöv  xa|ivivxu)v. 
p.   13  f.  '-")  ilead  344(5 5 1) ;  Imhoof-Blumer und  Gardner, 

Ji)  Apollon  auf  dem  Omphalos  auf  delphischen  Nun).  Comm.  on   Paus.    158.    Omphalos  auf  Münzen 

Münzen:     llead    289  f.    Auf    solchen    von    Kyzikos:  von   Sikyon   ebenda.   Die  Göttin  mit  Schale  und  Füll- 

453.  Vor  allem   aul    den    Seleucidenmünzen.    Anderes  liorn   auf  Münzen   von    Sikyon    und  Kleonai   wird   Ge 

lasse  ich.  O.  [ahn,  Arrh.  Beiträge  342  A.  sein  (p.  32). 

u)  Paus.  V   14,  10  ir.l  ?=  xüh  Talmi  xaXouui.vun,  *9)  Die  herakleischen  Tafeln  I  13(1  (SGDI  4629) 

.:  ssxiv  iit'  aüxön  Fi);,   Tsqppae,  v.al  vjx',;.    xa  5»  hahen    ein    anderes   Wort:    oü?£   fouüirx-    ih)zv.    r:if. 

Ixt    äp/atörspot    y.al   uavxslov    xf(;    Tfj;   a'JxiO-.   elvat  xm;   &xapxovtac,   oö8s   aapusüast  .  .  .    oü5i   xoifuöva; 

XifOuotv.    i-i   ds   xoö  ävoua£ou£vou  Sxopiou  6£{u8t  6  £v  xät   l=p->.'.   fat   iroiljast   '^'J'Ss   äXXov   §äast    und  die 

-■-'J.-c-.'/;..  Inschrift  des  auch  dorischen  Halaisa  (SGDI  5200)  xö 

21)    Im    Demelertempel    von    Patrai    (Paus.   VII  |5ob£8iov  xö  pdov  &v&  uiaov  xffiv    castiivtov.  fai-töv  und 

21,  in  waren  Demeter  und  Köre  behend  dargestellt,  -fa~£t"v  bezeichnen  den  Erdaufwurf,  gleichviel  zu  wel- 

I   ,  Ka9i)|isvov.   lipo   ?i   xvj  chem  Zwecke,  ganz  wie  fatoj. 

:  =  ;,'.■>  -?,;  4^ui)xp6{  =  ":  mj-f))  .  .  .  u,avretöv  ii  IvraO-  :l"l  Hesych.   I  .,      .;  .  xXog]  v,   lli,-,;  xal  A  =  /.-T'>i. 

^'i  i^^  rcpdfu.a-ci,  i)X  Jahreshefte  X   87. 


Mutter  Erde  I  ' 

mächtigen  Schlange  umringelten  Omphalos  in  nischenartiger  Vertiefung  zwischen 
zwei  Palmen  außerhalb  der  Nische.  Da  auch  dies  Denkmal  in  einem  Privathause 
gefunden  ist,  so  hat  der  Herausgeber  mit  Recht  auf  Hauskult  geschlossen.  Die 
delische  Gaia  hatte  daneben  sicher  öffentlichen  Kult.  Ihm  gilt  der  kallimacheische 
Hymnus  auf  Delos.  Drei  delische  , Mütter',  Anios  Töchter,  kennen  die  ,Kyprien'. 
Auch  Sparta  (Pausanias  III  12,  8)  und  seine  Kolonie  Thera  besaßen  Gaiakult.31) 
Über  das  Hieron  in  Sparta  wird  noch  besonders  gehandelt  werden.  Fäg  lepöv  lautet 
eine  theraeische  Felsinschrift  (n.  374).  Die  Theraeer  mögen  den  Kult  in  Kyrene 
eingeführt  haben.  Von  einem  ruhmgekrönten  Kyrenaeer  sagt  nämlich  Pindar, 
Pyth.  IX  102  f.,  die  Mädchen  seiner  Stadt  haben  ihn  oft  sich  auszeichnen  sehn 
ev  xe  'OXunrooiat  *£  *5"  ßa&uxöXTOU  Ta;  iefrXoig  ev  xe  x<xl  ixäaiv  lmya>piot£.  Dazu  die 
Schoben  :  'OXujiraois]  0C1  xof;  iv  IKaryo  vüv  (oü  yäp  av  oöxtog  epptt^ev  xnX&c,  xöv  Xoyov), 
äXXä  xofg  ev  'Aö-rjvai;  ix  xoivoü  uxTJaavta  sESov  xal  ev  xoig  &YO|i!voig  äytoai  xfy  Fvjc,  Xeyec 
3e  ev  ÄSi^vats.  xö  Se  rtjg,  oxt  xal  aüixf;;  äywv  äysxai  ev  Ä-9-qvats,  ög  ipyjai  Ai3uu.og.  Nach 
Boeckhs  Feststellung  bezieht  Pindar  selbst  sich  hier  auf  Kyrene;  der  Scholiast 
hat  mit  seiner  Kombination  sicher  Unrecht,  aber  sein  athenisches  Material  ist 
gut.  Daraus  lernen  wir  also  neu :  eine  der  drei  athenischen  Ge  —  welche,  wird 
nicht  gesagt  —  besaß  einen  Agon.  In  diesen  Kulten  der  Erdmutter  ist  die  Nabelform 
der  Kultstätte  nach  dem  früher  Ausgeführten  vorauszusetzen.  Zeus  berät  sich  in 
den  ,Kyprien'  mit  Gaia-Themis,  durch  den  troischen  Krieg  die  tiefbrüstige  Erde 
zu  entlasten.  Ge-Themis  sitzt  auf  der  Petersburger  Vase  auf  niedrigem,  mit  Binden 
geschmückten  Omphalos,  dem  tiefnachdenkend  auf  hohem  Throne  ebenfalls 
sitzenden  Zeus  eifrig  zusprechend,  in  Gegenwart  des  Hermes  und  der  drei 
Göttinnen  :i2).  Den  Omphalos  pflegt  auch  Asklepios  neben  sich  zu  haben.  Und 
auch  ein  anderer  Erdgeist  führt  ihn  (A.  38).  Neben  Amphiaraos  thront  auf 
einem  oropischen  Votivrelief  eine  Matrone  auf  dem  Omphalos33).  Innerhalb  der 
chthonischen  Gesellschaft  von  Oropos  gibt  es  keine  weibliche  Gestalt,  die  dahin 
paßte  als  eben  Ge;  man  müßte  denn  an  , genrehafte  Freiheit'  des  Künstlers 
denken   und  eine  beliebige  Partnerin  des  Gottes  willkürlich  verwendet  glauben  M). 

31)  Wir   merken    auch    an  den    Eigennamen    die  oder  auch  einfach  Agra  als  Ortseponyme.   Meter  oder 

Kultverbreitung  der  Mutter  Erde:  Tato;  heißt  (SGDI  Demeter    pflegt    sie    zu    heißen.      Es    ist  doch    nicht 

5026)    in    Gortyn    ein    Jahresbeamter,    TaStopos   ein  ohne   Bedeutung,  daß  die  gute  alte   Überlieferung  in 

Mann    aus    Lepreon,    ra|isi3sig    einer   aus    Thespiai.  Piatons  Phaidros  als  Namen   dieser  Göttin  Agra  dar- 

raxi|io;vcrzei ebnen  Fick-Bechtel  83.  Vgl.  noch  Kap. VI.  bietet: fyjtpö;  x6Tf/j"A"fpaj3'.aßaiv(;nsv  die  besten  Hand- 

32l  Wiener  Vorlegeblätter  A   Taf.  IX.  Schriften,  Bodlejanus  und  Marcianus,  während  A.ypataj 

33)  Reisch,  Festschrift  für  Benndorf  140.  nur  die  jüngere  Hand  des  Bodlejanus  hat,  was  sogar 

34)  Auch    Agra    hatte    einen    Kult    der    Mutter  Lehrs    vorzieht   (S.  6).    xö   Tr);    "Afpaj   ist  nicht  ,das 
Erde,  der  von  Agra,  die  man  Ä'fpafa  nennen  könnte  Gebiet   von  Agra',  sondern   .Tempel  der  Agra',    der 

2* 


12  E     Maass 

Attika  ist  ja  erfüllt  von  Kulten  der  Ge  unter  diesem  und  andern  Namen.  Im 
Demos  Phlya  nennt  Pausanias  I  31,  4  neben  den  ismenischen  Nymphen  einen 
Altar  der  Ge,  ,welche  sie  die  große  Göttin  nennen'.  In  Alopeke  fand  sich  ein 
Grenzstein  MeiXixtou  A:6;,  fr;;  und  &.{bjväg. 

IV. 

In  Sparta  gab  es  ,ein  Gasepton  zubenanntes  Heiligtum  der  Ge'  in  der  Nähe 
des  Altars  des  Apollon  von  Malea.  so  berichtet  Pausanias  III  12,  8  an  einer  von 
E.  Curtius,  Abh.  II  54  und  Wide,  Lakonische  Kulte  202  f.  mißverstandenen  Stelle: 
iora  5".  iitovona£6[ievov  racnprcov,  Eepöv  Yf^.  Der  unverständliche  Beiname,  der  dies 
Ge-Heiligtum  von  dem  III  11,  9  unterscheiden  soll,  wird  durch  räasTtiov  nicht 
verständlich:  ,von  der  Erde  verehrt'  kann  kein  Tempel  der  Mutter  Erde  sein; 
und  die  Analogien,  das  Adjektiv  XaoaejMjg  und  der  chiische  Eigenname  Aewalßr;?, 
helfen  nicht  fort.  Es  steckt  darin  ein  Verbaladjektiv  auf  — jcto?.  Aus  einer  Glosse, 
welche  verkürzt  und  wesentlich  identisch  bei  Photios  Suidas  Etym.  Magnum  u. 
d.  W.  ^Xuatov,  etwas  ausführlicher  bei  Hesych,  erscheint,  setze  ich  das  für  unsere 
Zwecke  nötige  Stück  her:  IloXsjtwv  Se  Ä/Jbjvaioug  cprjai  xa!  ä)./.oi  itve»  zb  xaTaaxr/^N-sV 
j(0)ptov  ?(  fep6v  (nämlich  xotXeCv  T/.'jr.a  oder  evTjXtiawc).  Ein  Fleck  Erde  oder  ein  bereits 
vorhandenes  Gotteshaus  von  einem  Blitz  getroffen  —  xb  xaTaax7]<pfl"EV  —  heißt  bei 
den  Athenern  offiziell  7JXüa'.ov  (eVTjXöatov),  berichten  also  Polemon  und  andere  Quellen. 
Blitzschlag  bedeutet  den  Griechen  immer  höchste  Ehrung:  kein  Wunder,  wenn 
die  einem  Tempel  gewordene  höchste  Ehrung  in  einem  Beinamen  ihren  Aus- 
druck findet.  SxTj7tT6v  scheint  die  erforderliche  Form  zu  sein.  Die  griechische 
Sprache  verfügte  über  zwei  Verba  axrprcü):  ox^ttcu)  (oxaircü))  ,ich  stütze'  und  oxtjtctw 
.ich  werfe';  davon  das  Verbaladjektiv  ourptrog  .geworfen'.  Es  ist  das  Wort  für 
die  Wurfwaffe,  besonders  den  Blitz:  ganz  wie  ßeXos  auch  für  den  Blitz  nicht  bloß 
in  der  Poesie  vorkommt.  Es  gibt  aber  noch  den  Beweis  für  die  eigentliche  ver- 
bale Bedeutung  von  otojtctos.  Wenn  in  den  angeblichen  Versen  der  Aspasia  an 
Sokrates  über  dessen  Liebe  zu  Alkibiades  zu   lesen  stand 

-J-.-.i  SeSflExpuaai,  tpfXe  S&xpates;  ij  n"  ivaxivei 

rrtepvoij  iwafrov  axipct&s  nbfroc,  Sofiaer.  frpauaS*^ 

r.-rZbt  xv:xt(-vj  :  töv  syw  zlW-xrjö't  ov.  'jr.irj-.i^ 

noifjoat 

Mutter   Erde  dort.    Demosthenes  (Plut.  9)  schwor  in  <o  fi]   tl't;.y.i'x  /.aips   abffwit  9-'  ö9o)p, 

regung  einst  vor  dem  Volke  |ii  ff|vi  I1*  XPV  Tsiptia  y.yi;nr  vä[io  StooqpiXäoTaTOV 

(    n',-v.;'.'.'j:.   ;i->.    i'byj.-.'j.  Miese  vajiaxa  sind  die  Sophokles   Fr.  825    X". 

kleinen   Wasseradern). 


Mutter   Erde 


13 


so  kann  hier  crcopruos  nicht  , Blitz'  heißen,  sondern  ,blitzgetroffen':  das  sehnende 
Verlangen  in  der  Brust  ist  blitzgetroffen ;  dazu  bringt  5u.(wecn  ihpxuafrsi;  ~.  i.  die 
erwünschte  Erläuterung :  denn  die  Augen  des  Geliebten  entsenden  den  Blitz,  der 
alles  zerbricht.  Hxipttbq  tzö&ou  war  eine  schlechte  Konjektur  von  Fr.  Jacobs  (vgl. 
Bergk  PLG  II4  288).  Wir  haben  also  zuzulernen  :  ,blitzgetroffene'  Stellen  heißen 
nicht  bloß  fjAüata  svrjXüata  xa":aa"/.ricpi)'£VTa,  sondern  auch  axrjTiiot;  otojittov  ist  wohl  aus 
ydaiijTCTOV  zu  verbessern:  Sari  c\  i7iovo(i.a^6jievov  Socmrcöv,  lepöv  Tf^.  Jenseits  dieses 
Ge-Heiligtums  lag  dort  —  irgendwo  -  -  der  Kult  des  Apollon  von  Malea.  Auch 
das  Verhältnis  dieser  Kulte  pflegt  verkannt  zu  werden.  Nach  Euripides,  Bakchen  10 
war  Semeies  Heroon  in  Theben  das  blitzgetroffene  Abaton  (Paus.  IX  12,  3),  aßato; 
2e{iiX7]£  otjxos,  sie  selbst  die  xepauvta  (6).  Jüngst  wurde  im  lakonischen  Thalamai 
eine  alte  Inschrift  gefunden  und  mehrfach,  zuletzt  von  Solmsen,  Rhein.  Mus. 
LXII  32g  und  S.  Reinach,  Revue  des  et.  gr.  XX  (1907)  p.  01  behandelt,  ohne  zu 
ihrem  Rechte  zu  kommen.  Uns  fehlt  eine  Vokabel:  A'.ö;  xaßceTa.  Tzk\xnx(ai  fixe.',  fhkv 
ÄcIkov  Ti>.  ....  Was  in  den  vier  letzten  Buchstaben  stecken,  was  Xehtov  bedeuten 
mag,  wissen  wir  nicht.  T&i  aber  für  unvollständig  zu  halten,  liegt  kein  Grund 
vor.  Zum  Blitzgotte,  dem  KaxaßaTa?,  gehört  naturgemäß  die  von  ihm  verwundete 
Erde.  Beide  sind  eins.  Blitzgetroffen  nennt  Aischylos,  der  auf  diese  Dinge  gern 
hinweist35),  das  Aithiopenland  am  Okeanos  36) :  Zeus  versetzt  dorthin  die  gelösten 


35)  Fr.  403  (Strabo  VIII  387 1  nennt  er  Rhypai 
in  Arkadien  , durch  den  Blitz  geheiligt':  BcaSpav  x"  öpEtav 
xai  xspauvCa;  'P'j-a;.  Vgl.  Wilamowitz,  Herakles 
I2  221;  Isyll  114.  Der  .Glaukos'  war  das  Drama 
nicht.  Möglich,  daß  das  Stück  mit  dem  auch  un- 
bestimmten Fr.  284  zusammen  in  dieselbe  geogra- 
phische Schilderung  gehört,  wie  sie  ja  Aischylos 
liebte:  Stephanos  "2/Uvoc,]  rcoXig  Äxata?  xai  Atxto- 
X(ag  {hjXuxtö;  XE-fouivr;.  A'.ax'iXoc;  .fpaöaiov  xy,v 
a;-=iVTjv  £a)Mav  "ÖXsvov*.  So  pflegen  die  zum  Teile 
verderbten  Worte  gedruckt  zu  werden.  Die  Variante 
xcaüoiov  ist  belanglos,  wichtig  dagegen,  daß  xs 
zwischen  £oc8-£av  und  "ÖXevov  im  Parisinus  des 
Stephanoslexikons  eingeschoben  wird.  Schon  diese 
Tatsache  hätte  genügen  sollen,  fpaüatov  ungeprüft 
und  mit  offenbarer  Gewalt  in  den  Titel  TXau- 
xo)i  oder  mit  Meineke  in  Kapaiv  nicht  zu  verändern. 
e'.ai  3s  nrjfal  xf,5  N=2x;  sv  öps:  '0<:  KepauaiüH'  10S 
Auxafsu  5s  |iotpä  saxiv  schreibt  Pausanias  von  der 
.Kerausion'  genannten  Höhe  des  I.ykaiongebirges. 
Damit  haben  wir  die  Emendation:  AioxöXoj  Kepaö- 
oiov,  ff/v  air;£'.vr]v,  £a8-£av  x'  "QXövov. 


3B)  Der  Titanenchor  spricht  zu  Prometheus  von 
den  Aithiopen  im  äußersten  Westen,  dort  wo  nachts 
Helios  schlafen   geht   (Fr.  192  N.  =  Strabon  I  93): 

cpoivtxÖTtsSov  x"  spuftpi:  ;spiv 

Xsö|ia  3-aXaaarij 

XaXxoxepa'jviv  xs  7tap"  'Qxsavük 

Xijivav  itavxoxpötpov  AMhöraov, 

Ev'  ö  rcavxönxa;  "HXio;  als£ 

XpßJx"  äiHvaxov  xi|iaxov  9-'  Cmttov 

9-cp|iai;  r>ix~rs- 

|iaXaxo5  TtpiyjjoXc,  ävarcaüsi. 
Das  Kompositum  yjx'f.-A'jy.ipixm'si  ist  von  Hermann 
in  xaXxo|ictpaufov,  von  Bothe  in  x;'^x?°'JV0v.  Ton 
Weil  (in  der  größeren  Ausgabe  p.  XII1-)  wegen 
Ilias  XI  83  xa'-*sö  ax£po7ir,v  gar  in  xaXxoarspOKOV 
geändert  worden.  Es  ist  gar  nichts  zu  ändern,  son- 
dern nur  zu  erklären.  Das  vom  Blitz  getroffene  ,Meer' 
als  solches  hat  die  Alten  so  wenig  beschäftigt,  wie 
es  uns  beunruhigt,  weil  hier  die  Blitzmale  fehlen; 
auf  das  Mal  allein  kommt  alles  an.  Also  ist  zwar 
XaXxoxepauvoc,  gut,  aber  auf  X!u.vr)  kann  es  sich  nicht 
wohl  beziehen,    sondern  auf  einen  im  Texte,  wie  er 


14  E.   Maass 

Titanen.  So  schon  die  voraischyleische  Sage,  auch  Hesiod  (169;  Rohde,  Psyche 
98  ff.).  Das  Elysion  der  Odyssee,  ein  jedes  Elysion,  heißt  seiner  den  Alten  wohl- 
bekannten Bedeutung  nach  ,das  Blitzgeweihte' :  Zeus  versetzt  dorthin  den  Menelaos. 
Das  Elysium  in  den  Hades  zu  verlegen,  ganz  seiner  eigentlichen  Bedeutung  zu 
entfremden37),  war  ein  selten  folgenschwerer  Akt.  Im  Bull.  Com.  XXXV  71  ver- 
öffentlicht Gauckler  die  späte  stadtrömische  Widmung  Id  Kspx'jvJwc  xat  Növope? 
$oppcveg  aus  dem  Hain   der  Furrina  auf  dem  Ianiculum. 

Herr  von  Olympia  soll,  nach  der  Überlieferung  der  Eleer,  der  Blitzgott  — 
durch  Blitzschlag  —  erst  geworden  sein;  eine  Zeit  soll  es  gegeben  haben,  wo 
er  in  der  Altis  fehlte:  Pausanias  V  14,  7  xö>'.  ok  Kepauvudt  \:l  Baxepov  £.Tmvfpapno 
jfop.dv.  6x'  lj  xoü  Otvo^iao'j  xr(v  oüxiav  xaxiaxi](]>EV  8  %epauv6g.  10  (nach  dem  Themis- 
altar)  xoö  8i  Kaxcccßaxou  A:c;  jxpoßeßX7jxat  [isv  Tiavia/oilsv  rcpö  xoö  ßü)[i,o>j  cppäyu.«  xxX. 
Wilamowitz  (Herakles  I2  48  -°)  sieht  im  sogenannten  ,Oinomaoshause'  Olympias 
ältestes  Tempelgebäude,  das  Heraion,  ohne  genügenden  Grund.  Der  Blitztod 
des  Oinomaos  ist  eigentlich  seine  Heroisierung,  mehr  nicht,  nicht  Besitzergreifung 
des  Tales  durch  den  Blitzgott.  Da  aber  der  Gaios  in  Olympia  den  Altar  der 
Landesheroen  enthielt,  wie  die  Ausgrabungen  gezeigt  haben  (S.  10),  so  mag 
,Haus  des  Oinomaos'  —  zugleich  seine  Grabesstelle  —  und  Gaios  in  diesem 
besonderen  Falle  dennoch  eins  sein.  Auch  in  Delphi  war  der  Omphalos  Grab 
zugleich  des  Python  3S).  Es  ist  nicht  anders :  die  Landesheroen  ruhten  im  Schöße 
der  großen  Mutter  der  Erde.  Hera  hat  keinen  Anspruch  als  älteste  Gottheit  auf 
dem  heiligen  Boden  der  Altis  angesehen  zu  werden,  sondern  die  große  Mutter 
<  iaia  von  Olympia.  Die  eleische  Opferordnung  gibt  die  Bestätigung:  denn  sie 
schrieb  vor.  erst  am  Altar  der  Gaia,  sodann  an  dem  des  Blitzgottes  zu  opfern 
(Paus.  V  14,  10). 

nun   einmal  ist,  nicht  mehr  gebotenen  Begriff  Land;  •")   Elysia  Orte  auf  Lesbos  und  Rhodos:   Lexika 

mxYCOzpötpoi   ist  ja    auch    wie   ratVtpocpof,  (Meleager,  und    Etymologika   u.  d.  W.    Man   tut   gut,    sich   die 

A.  P.   VII    t7'';    Hymn.  Orph.  X    12;   XXV    2)  Bei-  sechs  Brechungen  nebeneinanderzuschreiben   und   die 

wort  der  Erde.   Das  Wort  fehlt  aber.   Daß  ein  solcher  zugrunde    liegende  Fassung    aus    ihnen    herzustellen. 

Begriff  hier  sachlich  erfordert   wird,    läßt    sich    auch  I>a*    oben    behandelte  Stück    gehört    in    die    gemein- 

durch    die   Gliederung    des    Satzes   deutlich    machen.  same  Quelle;    auch   Pollux  IX  41.   Preller,   Polcmon 

j(aXxox£pauyöv   -.=.   ~'/.p'  'Qxeavffit  /ipvav  rcavrOTpatpav  Fr.  XCIII   ist  nicht   genau.     Die  alten  Etymologien 

IKOV,  angehängt  an    qpotVMOICsSäv  z    ££'jö-pä:  isfiv  des    Wortes    hat   Rohde    charakterisiert;    die    seinige 

y=");ia    SkcXäooTJg,    verbietet    die  Annahme    schon    an  ,Land   der  Hingegangenen'  ist  ebenso  unrichtig. 
und    für   sich,    daß    in    den   Worten    qpttVUCÖmSov  —  M)  Hesych    Togtou    ßouvdj]  ...    6    6|i-^aX6;    nt- 

>7//--T(;     ,die    heilige    Purpurfläche     des    geröteten  xdtfOj  izzi  -.'/>  IIi')8-(ovo;.   In  Lebadeia  haust  Tropho- 

res'    der    gleiche  Gedanke   wie  in  ^aXxoxtpauvov  nios  in    einem    solchen    nabelartigen   Bau:    Paus.  IX 

—   AUhor.tuv,   wieder   also    das   Meer,    enthalten   sein  39,  10;  Jahreshefte  X  88. 
könne.  Also  fOtav  für  Mfivav. 


Mutter  Erde  I  5 

V. 

Der  Gaios  hatte  immer  mindestens  einen  Zaun  oder  eine  Hecke  :  liegt  er 
in  Olympia  ja  noch  heute  in  einem  Mauerquadrate.  Das  delische  Gaiosrelief  zeigt 
neben  dem  Omphalos  Bäume  (S.  10  f.).  Im  übrigen  sorgt  die  Gottheit  für  den 
Schutz  ihrer  Stätte.  Philoktet  bü(3t  das  Betreten  des  Temenos  der  Chrysa;  die 
Mutter  Erde  selbst  (das  ist  hier  Chrysa)  schickt  die  Ortsschlange  39).  Eine  Vase 
schildert  40):  Innerhalb  eines  durch  Buschwerk  gekennzeichneten  Geheges  verfolgt 
eine  Schlange  die  beiden  Kekropstöchter,  welche  die  in  jenem  heiligen  Bezirk 
gebrochenen  Blumen  und  Zweige  in  den  Händen  halten.  Ein  kleiner  viereckiger 
niedriger  deckelloser  Gegenstand  wird  hinter  der  Schlange  sichtbar.  Er  ist  zu 
klein,  als  daß  das  Riesentier  daraus  hervorgekrochen  wäre.  Dennoch  scheint  es 
so :  die  Cisten,  eckige  wie  runde,  auf  welchen  Demeter  sitzt  oder  welche  sie 
(oder  ihre  Priesterin)  auf  dem  Schöße  trägt,  bedeuten  den  Aufenthalt  des  Orts- 
genius. Stilisierte  Palmetten  oder  Blumen  sind  auf  dem  Erdboden  bei  der  Schlange 
angebracht,  den  Gartengrund  anzudeuten.  Die  Mädchen  eilen  dem  Hause  ihres 
Vaters  Kekrops  zu,  der  mit  dem  jugendlichen  Erysichthon  drinnen  sitzt,  während 
eine  Frau  die  Heraneilenden  empfängt.  Daß  wenigstens  die  hintere  der  beiden  von 
der  Schlange  gebissen  wird,  liegt  in  dem  unmittelbaren  Nebeneinander  des  Schlangen- 
rachens und  des  Mädchenrückens;  von  beiden  Mädchen  sagt  es  Apollodor  41). 
Gotteslästerung  und  Kirchenschändung',  auch  die  unfreiwillige  Verletzung  der  Ehr- 
furcht gegen  das  Allerheiligste,  ward  noch  im  einstigen  Königreich  Sardinien  mit 
dem  Tode  bestraft.  Lebhaft  erinnert  diese  unmenschliche  Härte  der  modernen  Zeit 
an  einen  reichen  Kranz  altgriechischer  Legenden,  die  sich  abheben  von  den 
olympischen  Glanzgestalten.  Sie  spiegeln  eine  finstere  Stimmung  wieder,  dennoch 
die  Stimmung  einst  lebendigen  Lebens. 

Wir  sind  nun  gerüstet,  ein  altattisches  Vasengemälde  zu  verstehen.42)  Auf 
einer  Lekythos  stürzen  sich  zwei  einen  weißen  Omphalos  hütende  mächtige 
Schlangen,  in  einander  verschlungen,  auf  einen  davoneilenden  Jüngling,  die 
eine  beißend,  die  andere  ihn  .wild  anfauchend.  Die  Szene  spielt  sich  in  einem 
von  einer  Hecke  eingezäunten  ungedeckten  Räume  ab.  Die  Hecke  ist  schema- 
39)  V.  1324  ff.  xal  xa  naShjiiaxa  xalva  Ttpö;  auxöv 

a;.  Tap  voaer«  xöä'  äX-fo;  sx  irsEa;  TÖxiS  '''"  ^W070«  Xp&tnj«  S**ßl- 

Xpöoris  TtsXaoikl;  :pöXaxo6,  8«  xöv  äxaX'..,  4"'   Wiener  Vorlegeblätter  VIII   2. 

OTjxdv  <pt>X<iaasi  xp6<ptoS  olxoopöv  Sspic,.  41)  nl     '4,    5=    x«*    '":   !>-'   Sviot   U-rouoiv,    tW 

ocüxoü    äisqf^äpyjcav    raö    Spcixovtog,    <i>;   5i  Svtot,    Bt' 
Und  vorher  sagt  derselbe   Neoptolemos    V.  10.2  ff.:  .y;.^  ^.^   ^^  ^pSM   xaTi  -^  ixpon6. 

o6Säv  xoöxtüv  ^aou-a—iv  k\iol-  Xsmj  aöxäg  ipptt|<av. 

3-sEa  fip.  sfcsp  xä-f(u  -.:  tppoyü),  Brückner,  Jahrbuch   VI   (18'H)    Tal'.  4. 


l6  E.   Maass 

tisch  durch  zweimalige  Verschränkung  zweier  rechts  beieinander  den  Boden  tref- 
fenden langen  Zweige  dargestellt.  Darum  können  der  zwischen  den  Füßen  des 
Jünglings  herniederhängende  und  ebenso  der  zwischen  dem  Schlangenkopf  und 
dem  Gesicht  des  Jünglings  befindliche  Zweig  nicht  zu  der  Hecke  gehören;  sie 
würden  ohne  Verbindung  mit  ihr  in  der  Luft  schweben.  Vielmehr  trägt  der 
Davoneilende  den  einen  über  der  linken  Schulter  mit  der  weggebrochenen  Linken, 
den  andern  in  der  gesenkten  Rechten.  Daraus  ergibt  sich  die  Handlung.  Der 
Fliehende  hatte,  um  hineinzugelangen,  Zweige  von  der  Hecke  weggebrochen; 
da  erscheinen  die  Hüterinnen  des  Abaton.  Der  Biß  wird  wirken;  wem  fällt  wieder 
nicht  der  sophokleische  Philoktet  ein  ? 43)  Also  Tod  oder  furchtbare  Schmerzen ! 
Beim  Omphalos  sitzt  auf  einer  Ranke  eine  Eule,  der  Vogel  der  Nacht.  Die 
Inschrift  kann  auch  ich  nicht  reimen.  Aber  Analogien  helfen  weiter.  Z.  B. :  eine 
Schlange,  aber  kleinen  Umfanges,  verfolgt  auf  einer  jetzt  im  New  Yorker  Museum 
aufbewahrten  attischen  Lekythos  einen  mit  ausgebreiteten,  nur  leeren  Händen 
nach  links  fliehenden  nackten  Jüngling44). 

Es  muß  mit  der  Riesenschlange  unserer  Lekythos  eine  andre,  eine  dä- 
monische Bewandtnis  haben.  Der  Umfang  der  Tiere  ist  so  mächtig,  daß  sie 
-.ich  um  den  Omphalos  geringelt  denken  lassen.  Darin  liegt  ein  Merkzeichen. 
Die  Schlangen  sind  die  Omphalosschlangen,  wie  wir  sie  —  nur  in  ruhendem 
Zustande  -  -  um  den  pythischen  und  delischen  Omphalos,  auch  um  das  südgalli- 
sche Monument,  erblicken.  Also  gehört  der  umfriedete  Omphalos  auf  der  alt- 
attischen Lekythos  der  Ge,  einem  der  zahlreichen  Heiligtümer  der  attischen  Erd- 
mutter. Nachts,  nur  gesehen  von  der  Eule,  durchbricht  ein  Tempelräuber  die 
Hecke  um  den  Omphalos;  da  fallen  ihn  die  heiligen  Schlangen  an,  mit  furcht- 
barem Biß.  Welcher  Kult  gemeint  sei,  ob  der  am  Ilissos  oder  der  auf  der  Burg  45) 

*3)  Er  ist  ein  rechter   ^iX&xttjuxuv   ivrjp.    y.Äv/.-  Nixensage  schon  mit  Thessalien  verbunden:  wichtig 

TijtT];.     Vgl.    Hieronymos     Hspi    Tpa-fu>i5c-0'.<Trv     bei  für   Euripides'  Phoinix.    Übrigens  sind  zwei  Schlan- 

Photios    (und    Suidas),     nach   welchem  Euripides    im  gen   die  Regel    in    altattischen   Mythen   und    Vbrstel- 

Phoinix  (p.  621  N.2)  an   eine  Dorfsage  stark  anklang.  Stellungen,  z.  B.  auf  der  Burg. 

Ein    Bauer  aus  dem  attischen   Demos  Anagyros  wird  ")  Amer.   journ     of  arch.   II    397  Taf.  XIII   3. 

entsetzlich   vom  Ortsdaemon  oder  Heros  gestraft,  weil  45)  Paus.  I   24,   3    lotl    8£  xai  Tf,;  ä-faXpa  ixs- 

er   dessen    seinem    Grundstück    benachbarten    Bezirk  xsuoöcrrjf,    'tz-xi    0!    TÄv  A!x  £!x=  aüxo!;   öpppoj    ö=f,-av 

■ ":  toi  oder  ä/.ao;)    .ausgeschnitten'    (4££x6U*v    oder  XD-vj'/xiv.:.   stx=  xai  xv.;  Jtäaiv    K/./.itz:  30uߣc,  xv/jiic. 

iji-/.oj;Sv)  oder  nach  anderer  Darstellung  seinen  Altar  CIA    III    |G6,  eine    Felsinschrift    genau    im    Zentrum 

beseitigt  hatte  aus  Besitzgier.  Vgl.  Paroem.gr.  I49;220;  des  Burgfei-          I        *apTCOCp6pou  xaxi  uxvxstav.  Suidas 

Wilamowitz,  Sitzungsber.  Akad.  Berlin   1907  S.  tof.  (aus   Photios)  nouporpöiyoj]  Pi).  xaörrjl  ii  8-Oaa!  cfao: 

Das  prj  xivefv  Aväfupov  tritt  neben  \iit  ■/.■.-n.Vi  Kaux-  TtpSxov  "EptX^övtov  «V  äxporoSXet  xal  ßtuuiv  E8pöaaod«t 

piVOV:  Nix  und  Nixe  rächen  sich  (Jahreshefte  IX  153).  ~/Jt-y:i   £lX08l86vX£X    tijl    Vijl   :i»v    tpotpeftUV,    ■/.y.Z3.ZTrtzz: 

Aristophanes'  Anagyroskomödie  zeigt  diese   attische  Be  vou.lu.ov   tvj;    IHtovrccc;  xsvi   S-swi   xauxr/!    rcpoS-osiv. 


Mutter  Erde  1  7 

oder  irgend  ein  dritter,  bleibe  unerörtert.  Seit  Solon  kennen  wir  die  Zeugnisse 
über  den  uralten  Kult  der  Erdmutter  in  Attika:  der  Erdgeruch  des  attischen 
Wesens  mag  in  dieser  Kraft  seinen  letzten  Ursprung  haben.  Wir  dürfen  nie  ver- 
gessen: Erdmutter  und  Demeter  sind  dasselbe,  wenngleich  manchmal  im  Kulte 
unterschieden.  Die  Alten  haben  das  gewußt.46)  Statt  Bekanntes,  von  vielen  oft 
Gesagtes  auszuführen 4T),  gebe  ich  einen  neuen,  einen  onomatologischen  Be- 
weis. Ungezählte  Änu/^tpiOE  begegnen  in  der  prächtigen  Namenwelt  der  Griechen, 
aber  nur  ein  zusammengesetzter,  dieser  aber  gefordert  durch  den  Zwang  der 
Ortsverhältnisse:  Aa|ia-poyt'-ü)v  in  Akraiphia48),  benannt,  wie  man  sieht,  nach  dem 
Demetertempel  in  der  nächsten  Nachbarschaft.  Kein  einziger  Ar^-cpoyevT);  — y.Xfjs, 
— övx;,  — Swpo;,  — 2o~os,  — cpiXog,  — ^evog,  — cpavtos,  — n\ujq  usf.;  auf  der  andern  Seite: 
kein  einziger  Mr^pto;.  Viele  Kürzungen  Mä-p:;,  Mfjrpo?,  Mrjxpäg,  MrjrpüW,  aber  kein 
einziger  ±i<\yr.y.:.  Ar/ir^pä;.  Arjofj-pwv  usf.,  soweit  mir  bekannt.  Das  Rätsel  löst 
sich  dem,  der  zwischen  Erdmutter  und  Demeter  den  Unterschied  aufhebt.  Wer 
kann  sich  denn  der  Einsicht  verschließen,  daß  die  genannten  Bildungen  von 
Atjjm^cyjp  und  die  von  MTj-crjp  sich  verhalten,  wie  die  zwei  Hälften  eines  Vollbildes? 
Also  haben  wir  aus  den  Bruchstücken  das  Ganze  auch  herzustellen.  Nun  werden 
wir  uns,  um  auf  das  Bild  zurückzukommen,  der  bekannten  Geschichte  von  der 
Bestrafung  des  Erysichthon  erinnern.  Der  wilde  Jüngling  stürzt  in  den  Bezirk 
der  thessalischen  Demeter,  für  seinen  Bedarf  den  heiligen  Baum  zu  fällen;  er 
wird  furchtbar  bestraft  —  nur  nicht  durch  Schlangenbiß.  Auch  Schlangen  kennt 
—  wenigstens  die  attische  —  Demeterreligion.    In  Eleusis  fährt  Triptolemos  auf 

46)  Hesych  B»j]  fi}.  —  Baiav]  tyjv  (zu  schreiben  Hermes  1882   S.  357,  dem  allein   das  Verdienst  ge- 

;r,i)    äpouuivrjv.    "EwciiBaj    (Pindar    P.    IV)    neben  bührt,    diese  Dinge  erschlossen   zu  haben.     Bekannt 

'Evveoifaioj.   Aischylos,  Prom.  598  spricht  Io:   ä/.eu,  ist  auch  der  speziell  attische  Schwur  m  P»j  xal  3-soi 

a  Aä.  tov  |u>pui)ftöv  pob-tvt.  Dazu  die  Scholien:  "fpa-  gleichwertig  neben  (0  Zsü  xal  9-soE  und  die  von  Plu- 

cfSToa   AXsudBa   JtaTpü>VU[ttX(Ö£  äiio  toü  'AXsüa,    f,   Sv  tarch  für  Attika  notierte  Sitte,  die  Verstorbenen  At)- 

det  (ptMdSasftai.  tiyes  oöto);  ,äXsu  a  Aä',  äXsu  äva-  (iritpiot  ( — Etot  Hdss)  zu  nennen,  wie  er  in  den  leider 

XtupEi  exxXive.  xö  Ss  a  Aä  («  rrj.  ai  fäp  Awpist;  ty)V  noch    nicht    hergestellten    Worten    vorher    andeutet, 

"ffjv  Bijv  xal  Bäv  zxow  xal  xöv  yvö^ov   Svocpov.    Din-  weil   die  Toten    der    Erde    gehören    (nach    Madvigs 

dorf,  Lex.  Aeschyleum  s.v.    In  Aä  ist  ein  Lallname  einleuchtender    Konjektur).       Also     noch    Plutarchs 

glücklich  erkannt  worden.  Das  Heraklidenlied  an  Ge  Gewährsmann  bezeugt  für  den  attischen  Volksglauben 

747  ff.  ist  die  beste  Erläuterung.  die  Gleichheit  von  A.l)u,^TY)p  und  TtJ  (De  facie  in  orbe 

iXX'  o)  itötvik  (oiv  fop  cu5a;  lunae  28  p.  943  B). 

fäj,  oöv  xal  -i>.:j,  a;  aü,  Jlänrjp.  Sioizoi-jä.  TS  xal  *')  Fick-Bechtel,    Griech.    Personennamen    94; 

cpüXag),  208;  Bechtel,  Att.  Frauennamen   13;  Meier,   Quaest. 

jtöpeuoov  iXXat  TOV  ou  8txata>(  onom.  (Marburg   1905)  p.  30. 

Tat?'  äitäfovra  —pa-iv  'Ap^öü-Ev.  4S)  IG   VII  27;   189;  Usener,  Götternamen  353. 

Im  Pho'nissenliede   V.  685  ff.   heißt  Demeter   icdvroiv  Al)(lijrpouXo£  (Semos  A  th.  XIV  618  E)  rechnet  nicht; 

ävaacia,    ndvrtov   Bs    Fi    Tpo.i;-     Vgl.    Wilamowitz,  es  ist  Name  eines  heiligen  Liedes. 

Jahreshefte  <les  ISsterr.  archäol.   Institutes   HJ.  XI.  3 


i8 


E.  Maass 


dem  von  den  zwei  Schlangen  der  Göttin  gezogenen  Wagen.  Eine  Schlange,  an- 
geblich eine  aus  Salamis  hinübergebrachte,  ward  im  Telesterion  gehalten,  die 
Dienerin  der  Demeter49);  dort  auch  ein  Omphalos50). 

Pausanias  I  36,  1  erwähnt  auf  Salamis  das  Tropaeum  des  Themistokles  und 
das  Kychreusheiligtum  nebeneinander.  Es  sei  während  der  Seeschlacht  nach 
der  Überlieferung  eine  Schlange  auf  den  Schiffen  gesehen  worden.  Toöxov  6  Steig 
Ixpijaev  'A&rpialoic,  Kuypea  efvac  xöv  f;pwa 51).  Diese  delphische  Auffassung  teilten 
auch  die  Athener  in  jenen  schweren  Tagen.  Kychreus,  die  Schutzschlange  der 
Insel  -      avx:  v(>.f '.;  — 52)    Sohn    der  Salamis   und   des  Poseidon  als  Helfer   gegen 


*9)  Strabo  IX  392,  9;  Diodor  IV  72,4;  Apol- 
lodor  III  12,7;  Schol.  Lyk.  451  (iiol;  Et.  M.  üXa- 
(il;  u.  Ki>XPst!i»  itäfo;.  Eurylochos  hatte  die  Schlange 
nach   Eleusis  vertrieben. 

60)  Diels   14. 

5I)  Eckhel,  Doctrina  numorum  veterum  II  218 
beschreibt  eine  athenische  Münze  in  Wien:  , Auf  der 
einen  Seite  Athenakopf;  auf  der  andern  ein  Schiff, 
darauf  ein  Krieger  schreitend,  in  der  R.  einen  Kranz, 
in  der  L.  ein  Tropäum  geschultert.  Auf  dem  Schiffs- 
vorderteil Eule  und  Schlange'.  Das  deutet  Eckhel 
aus  Pausanias'  Bericht  über  die  Kychreusschlange 
in  der  Salamisschlacht.  Vgl.  Imhoof- Blumer  und 
Gardner,  Num.    comm.    Taf.  E  E    XXI.    XXII  und 

P-  153- 

Das  Kychreusheiligtum  lag  bei  Kychreia,  der 
Altstadt  von  Salamis,  im  SW  der  Insel:  *Ecfr,|i.  äpX- 
[884  0.  169.  33;  Milchhüfer,  Text  zu  den  Karten  von 
Attika  VII  37.  Dort  liegen  die  KÜXP£'at  äxxaJ 
(Aischylos,  Pers.  570). 

sS)  Schol.  Eyk.  HO;  45 1  von  Kychreus;  ToOxov 
?£  xtve;  'jy.'i  \l-y:i  ich:  xiv  Hdss)  oi^'jyj  '  (<\C  Ks- 
xpcr.x  -ioc^iv.  äXAoi  Zi,  ix:  öT'.;  rcozk  sXuu,a£v£xo  xr,v 
2x/.a|üva  xal  ä&ixYjxov  iTtotTjaev,  scoj  6  Kuxps'Jf,  aütöv 
äniiiXtzz  xal  Stä  t&'jxc»  ivXrß-q  ävd£ji?os.  §  6  5s 
Kt>xp=u£  xal  ävd^t^oj  sxaXstxo.  ^v  3e  <((bs>  Kexpotjj 
.  jvj;.  Die  Besserungen  und  Ergänzungen 
lie  ich  nicht  zu  rechtfertigen,  aber  die  Kpiklesis. 
ÄvdJl^OJ  ist  ävaEj  "<)cfi£  .Schutzschlange',  wenn  sich 
der  Erklärer  auch  'Av-iiv.-'.;  gedacht  haben  mag. 
11.  -  heißt  Kekrops  bei  Kallimachos.  Auch  K6- 
Xßsioc,  (Kuxpatätls)  öv'.;  kommt  vor.  Einen  solclien 
Si  hlangendämon  tötet  bei  Plularch,  Thes.  X  Theseus 
l"  i  Epidauros,  den  Hephaistossohn  Periphetes,  den 
Keulenträger:  Apollod.  III  ii,  X  TtöBa;  8*  io&svstj 
lyniv  o5tO{  ECpdpei  v-'-P •''/',■/  -,:'/< ,yj:i.  v.' v,:  TO&e,  IWtplÖV- 

ixxeivsv.  Taurr)v  aqpeXö|ievo{  8r|o    i  Di 


Fragmenta  Sabbaitica  haben  fip  ßpiapoO;  für  5*  äairs- 
vsTj.  Ein  schwachbeiniger  Gigant  ist  fast  so  seltsam, 
wie  ein  Starkbeiniger:  beim  Giganten  ist  Stärke  ganz 
selbstverständlich.  'ApTjfftoo;  (der  Mord  und  Schnellig- 
keit im  Namen  trägt)  heißt  auch  Kop'jvvjxr,;.  weil 
er  mit  eiserner  Keule  kämpfte,  II.  VII  136  ff. 
(Korynos:  Thera  n.  799).  Im  Rhein.  Mus.  1891 
S.  392  schreibt  Wagner  ,Die  auffällige  Abweichung 
niox;  f  <xp  sxov  ß p  1  a p 0  u  ;  statt  äaS-svai;  fällt  wohl  dem 
Verfasser  der  Sabbaitischen  Apollodorfragmente  zur 
Last,  der  durch  Einsetzen  seines  gleich  darauf  wieder- 
kehrenden Lieblingswortes  ßptapij  den  Sinn  zu  bes- 
sern glaubte,  während  Apollodor  offenbar  (?)  hervor- 
heben wollte,  daß  der  dicht  am  Wege  den  Wande- 
rern auflauernde  Bösewicht  trotz  seiner  körperlichen 
Schwäche  durch  seine  furchtbare  Waffe  ein  gefähr- 
licher Gegner  war'.  Die  Furchtbarkeit  will  der  Spre- 
cher hervorheben.  Das  Weitere  mag,  obwohl  es  sich 
aus  Bildungen  wie  alipes  3paxovx&TO'J ;  erraten  läßt, 
die  alte  Darstellung  auf  der  Kypseloslade  hergeben 
bei  Pausanias  V  19,  I  O'j.-.x:  5s  ö^scuv  ävxl  icoSäv 
slaiv  aüxun  (dem  Boreas,  der  auch  Erdgeborner  isti 
oder  Aristophanes,  Vesp.  438  0)  Kexpoi  ^pu);  äva;, 
xa  7ipo;  -o3(»v  Spaxovxldr]  nebst  Schol.  slai  8ö,  ot' 
ipaat  xiv  Ksxpoiia  äiyuä  -f^ovivai  xal  xi  xaxa)  öcpea); 
iox^xivat.  Es  ist  mit  Auswerfnng  des  einen  AZ  für 
nOAAZ  AZOENEIZ  zu  schreiben  TTOAAZ 
0(|>EIZ,  und  0(})IAKOYZ  für  BPIAPOYZ.  Man 
erinnert  sich  gern  an  das  Vasenbild,  das  Winnefeld 
in  der  Festschrift  für  Benndorf  72  Taf.  I  veröffent- 
licht hat.  Auch  dort  schultert  der  Gigant  die  Keule, 
wie  in  den  bekannten  Darstellungen  des  Giganten- 
reiters  im   Eimesgebiete. 

In   den   beiden  Schlangen,   welche  den    Läokoon 
zu   Tode  beißen,    handelt  eine  den  Griechen   freund- 
liche Gottheit.     Wenn    d.is    Schlangenpaar   sich   am 
auf  die   troische    Burg   begibt,   so   liegt    darin 


Mutter   Erde  l9 

die  persische  Flotte  (nehmen  wir  an,  von  der  Salamis  selbst)  gesandt:  das  ist 
dieselbe  tiefreligiöse  Vorstellung,  wie  auf  der  altattischen  Lekythos.  Und  so 
auch  außerhalb  Attikas  in  einem  Attika  feindlichen  Sinne.  Die  Parier  erzählten 
nach  Herodot  VI  134  das  Unglück  des  Miltiades  so.  Eine  Tempeldienerin  ,der 
chthonischen  Götter',  eine  Parierin  Timo,  habe  gefangen  dem  Miltiades,  als  die 
Belagerung  von  Paros  nicht  recht  Erfolg  hatte,  geheime  Anweisung  gegeben, 
wie  er  die  Stadt  nehmen  könnte.  Er  habe  sich,  ihrem  Rate  folgend,  auf  den 
heiligen  Hügel  vor  der  Stadt  begeben  und,  da  das  Eingangstor  nicht  zu  öffnen 
war,  die  Zaunhecke  der  Demeter  Thesmophoros  übersprungen,  ,vielleicht  um  aus 
dem  Innern  heilige  Gegenstände  wegzunehmen'.  Aber  an  der  Türe  habe  ihn  zu- 
vor plötzlich  ein  Schauder  überfallen  und  er  sei  unverrichteter  Sache  auf  dem- 
selben Wege  zurückgeeilt,  beim  Niederspringen  von  der  Dornhecke  am  Schenkel 
verletzt  oder,  wie  andere  sagen,  durch  Stürzen  am  Knie  verwundet  worden. 
Krank  gab  er  die  Belagerung  auf  und  zog  heimwärts.  Die  Wunde  aber  wurde 
brandig  und  führte  langsam  und  unter  schweren  Schmerzen  den  Tod  des 
Miltiades  herbei.  Der  delphische  Gott  verkündigte,  Timo  habe  auf  höheren 
Befehl  gehandelt.  Paros  hieß  Demetrias.  Mutter  Erde  selber  befreite  —  nach 
der  Pariersage  -  ihr  schönes  Land;  den  fremden  Eindringling  strafte  sie  an 
Leib  und  Leben.  An  der  Elbe  trat  Drusus  nach  so  vielen  Siegen  ein  Weib 
entgegen  von  übermenschlicher  Größe  und  untersagte  den  Vormarsch  53).  Drusus 
zog  zurück.  Unterwegs  starb  er  infolge  eines  Sturzes  vom  Pferde.  Das  über- 
irdische Weib  war,  nach  V.  Hehn,  die  Wildnis,  persönlich  vorgestellt,  ,der  Geist 
der  Ferne'  54).  Die  Miltiadeslegende  aber  und  alle  analogen  Legenden  weisen  doch 
in  eine  andere  Richtung.  Bis  zur  Elbe  reichte  damals  noch  das  römische  Reich, 
der  letzte  Dämmerschein  auch  römischer  Bildung,  Europa  also ;  ,denn  Europa 
war  damals,  was  sich  auf  Rom  bezog  und  von  Rom  sein  Leben  empfing'.  Jen- 
seits der  Elbe  begann  das  von  Rom  in  der  Tiefe  seiner  Volksnatur  unberührte 
Germanenland,  eine  Europa  fremde  Welt  sogar  noch  in  der  ersten  Hälfte  des 
Mittelalters.  Jenes,  die  germanische  Freiheit  errettende,  Drusus  aber  verderbende 
Weib  war  in  Person  die  Mutter  Erde  der  Germanen.  Germanen  haben  so  erzählt 
und  die  Römer,  geschreckt  von  der  elementaren  Ursprünglichkeit  der  deutschen 
Natur,  ihrerseits  scheu  geglaubt.   Rückzug  und  tödlicher  Sturz  während  des  Rück- 

nicht  etwa,  daß  sie  einst  von  da  ausgegangen   waren  äva£  vom  Herrn  der  Krdtiefe:  Wilamowitz,  Sitzungs- 

—   sie  kommen  über  das  Meer  —  sondern  die  Burg  ber.  Akad.   Berlin.    1907   S.  67. 
ist  ihr  Ziel,    weil  ihr  Volk  sie  erobern  wird.     Jahr-  ")  Sueton,  Claudius   I. 

buch  XXII  (1907)  S.  145;     Anders  Robert,  fhilol.  14)  Gedanken   über  Goethe  3. 

Untersuch.  V    208;     Schol.     Aeneis    II     201.     Über 

3* 


20  E.   Maass 

zuges  waren  die  Tatsachen  im  Falle  des  Drusus  wie  des  Miltiades.  ,Das  hat 
Gott,  nein,  Mutter  Erde  getan'  empfanden  die  Befreiten.  Aus  solcher  Stimmung 
entstand  wie  eine  Blüte  der  Mythus,  ein  gleicher  bei  Germanen  und  Griechen, 
weil  die  Volksempfindung  die  gleiche  war,  von  gleich  tiefer  echter  Frömmigkeit. 
Ehrfurcht  ziemt  gerade  dem  nüchtern  und  scharf  prüfenden  Historiker  vor  allen 
stillen,  so  zarten  Knospen.  Der  Mythus  ist  ein  heiliges  Bild.  Im  Bilde  löst  sich 
die  starre  Natur,  wird  bewui3t,  wird  Gott  und  Göttin.  Denn  .Repräsentanten  des 
Landes  sind  langweilig,  wenn  nicht  schöne  Repräsentantinnen  dazukommen'  55). 
Und  welches  Bild !  Der  alte  Sänger  von  Smyrna  -  -  Homer  selbst  —  will  sagen 
,der  Himmel  hat  es  mir  in  der  von  Kyme  gegründeten  Smyrna  wohl  gehen 
lassen  in  meiner  frühesten  Kindheit',  sagt  aber  ,Zeus  hat  mich  damals  auf  den 
Knien  der  smyrnäischen,  von  Kyme  her  durch  Mauertürme  gesicherten  Mutter 
Erde  gehegt'.  Das  ist,  stofflich  gedacht  und  zugleich  persönlich,  plastisch  und 
tiefinnerlich  zugleich,  von  wundervollster  Andacht  (Biogr.  Gr.  p.  7  Westerm.). 
Das  liebliche  Bild  hat  sich  im  allgemeinen  gehalten  weit  über  die  Zeitgrenze 
der   Antike    hinaus,    in    unvergänglicher  Frische. 

VI. 

Athenagoras  beginnt  seine  ,Gesandtschaftsrede  über  die  Christen'  an  die 
Kaiser  Mark  Aurel  und  Kommodus  mit  folgender,  nach  Form  und  Inhalt  gleich 
berechneten  Beschwerde  (p.  1   Schw.1: 

r,  0|isxspx,  u^yxXo'.  ßaa'./imv.  ofooupivij  äXXog  aXXoij  Eir-eai  ypwvxai  xal  vöu.01?.  xal 
ouSd;  aöxöv  vd|xwi  xxl  cp6ßö)t  3;'xr,;,  xxv  yzXoloc.  iji,  \v'ft  axcpyc'.v  xx  üxxpix  s?pY£xx'. 
xXX'  ö  |i£v  'IXieü;  ftsov  "Exxopx  Xiyv.  y.ocl  irjv  'E/ivr//  Aopxsxsixv  ämoxeEjievog  -poax'jvEt, 
i  Zi  Aaxe8atji6vio{  'Ayajiijivova  Ata  xxl  <I>'jXXovÖ7}v  Tfp,  TuvcxpEw;  ihjyxxEpx-  xal 
Tdvvrjv  i  Teveoio;  oi^:.  ö  ce  Afr^yxro;  'EpE/ll-si  Iloasioiov.  9-uet.  xxl  AypauXwt  [irjvtaEbi 
xal  -.i'/.z-.7.z  xal  [luanfjpta  At)-r,vxioi  xycrjo'.  xal  llxvSpösio:.  x:  Ivojifoflijaav  äas^eiv  xvoi- 
Exaxi  -y//  Xxpvxxx.  /.zi  Svl  Xöytot  xxxx  S3-V7]  xal  Sr^jio'j;  il-j'jixc  xxxxyo'jstv.  0:;  xv 
SriXtoaiv,  avit-pw-o:  xxi  |t'janf;pta  xxX. 

Dieser  Text  entfernt  sich  von  den  letzten  Ausgaben  des  Athenagoras  erheb- 
lich, von  der  Überlieferung  kaum.  Ich  habe,  von  anderem  abgesehen,  tkiafx;  xxxxyouaiv 
stehen  lassen.  KaTayetv  sagt  der  Grieche  von  Dingen,  auch  lebenden  Wesen,  welche 
er  an  die  ihnen  zugedachte  oder  ihnen  zukommende  Stelle  führt.  Also  auch  vom 
Opfertier.  Die  Kaxayouaa  des  Praxiteles  (Plinius  XXXIV  69)  wird  eine  das  Opfertier 

•*)  Goethes   Unterhaltungen  mit    Kanzler    v.  Müller  97. 


Mutter  Erde  2  ' 

zum  Altar  führende  Frauengestalt  gewesen  sein  56).  KaTaywyeös  ,der  die  Tiere  auf 
den  Markt  treibt'  steht  auf  einem  ägyptischen  Ostrakon  (I  476  Wilcken).  Genau 
so  sagen  die  Römer  ,deducere',  nicht  bloß  vom  Triumph  oder  der  Prozession. 
Das  Fest  KaTayürfta  —  in  Ephesos  und  in  Athen  —  bedeutet  eigentlich  ,das  Hin- 
bringen der  Opfer'  in  feierlicher  Prozession.  Der  Tempel  ist  Zentralstelle,  ganz 
wie  die  Stadt  für  die  Umwohner;  daher,  auch  ohne  daß  von  einem  Herabsteigen 
von  Berghöhen  die  Rede  ist,  xaraßaai?  vom  Gang  in  die  Stadt  vorkommt;  ,ein 
Teil  der  Inder',  schildert  Megasthenes  (Diodor  II  40),  , wohnt  als  Bauern  auf  dem 
Lande,  xal  \%  ziq  tr/v  txoXlv  xaxaßäaews  TtavteXös  decpeianfpcaaiv. 

MYjVtafot  habe  ich  aus  dem  wegen  der  Wiederholung  unmöglichen  'Afhjvafot 
eingesetzt,  weil  das  £tu|at]w  genannte  Monatsopfer,  der  Honigkuchen,  für  die  Erech- 
theusschlange  bezeugt  und  darum  für  ihre  legendarischen  Pflegerinnen  wenigstens 
wahrscheinlich  ist57).  Das  Wort  zu  entfernen,  scheint  mir  unberechtigt,  'Axbjväi,  das 
sogar  Michaelis  aufgenommen  (zur  Beschreibung  des  Pausanias  I  26),  eine  Unmög- 
lichkeit, weil  in  der  Legende  Athena  von  Pandrosos  und  A graulos  getrennt  und 
als  deren  Gegnerin  aufgefaßt  wird.  ,Das  sind  schöne  Gottinnen,  verehrt  zu 
Athen  in  monatlichen  Opfern,  denen  die  Athener  selbst  Neugier  und  Ungehorsam 
gegen  Athena  nachsagen!'  Übrigens  behält  Athenagoras  den  hieratischen  Doppel- 
namen üoascSwv  'Epejrjreös  bei  ,s).  Die  Umstellung  rechtfertigt  sich  durch  seinen 
berechneten  Zusammenhang;  er  stellt  ja  auch  Aya|xejivova  Afa  und  <&oXXov6tjv  Tf^v 
absichtlich  um,  dies  freilich  erst  nach  meiner  Herstellung. 

Ich  habe  aus  «JuXovi^v  ~rjv  gemacht  OoXXovorjv  Tf^v.  Auf  die  Änderung  führte 
mit  zwingender  Not  Satzbau  und  Sinn.  ,Eure  Welt,  Ihr  Kaiser,  hat  allüberall 
freiesten  Gottesdienst,  und  niemand  ist  gehindert,  seiner  Religion  zu  leben,  im 
Gegenteil.'  Und  nun  folgen  die  Beispiele:  Der  Hier  sieht  seinen  Gott  —  seinen 
Schutzgeist  —  in  Hektar,  und  vor  Helena,  da  er  in  ihr  Adrasteia  erkennt,  kniet 
er  in  Ehrfurcht;  der  Lakedaimonier  erkennt  Agamemnon  in  Zeus  und  Phyllonoe, 
Tyndareus'  Tochter,  in  —  es  fehlt  ein  Name,  die  unerläßliche  Bestimmung  des 
angeblich  göttlichen  Charakters  dieser  Phyllonoe.  Daß  sie  Göttin  war,  weiß  auch 
Apollodor  III   10,  6:     nur  bestimmt   er  sie  leider  nicht.    So  blieb  nur  übrig  T/jv: 

56)  Nach  Brunn  (Künstlergeschichte  I   337)  und  5~)  Herodot  VIII  41.  Das  soeben  veröffentlichte 

Overbeck   (Plastik   II    39.    73    A,    der   sich    gar   zur  Pindarscholion   Ilavätopou  'Ep*X$£o£  «6cXov  geht  auf 

Vermutung  Kopa-puaa   versteigt)  Demeter,    die   dem  diese  .Speisung'  (Polemon    Fr.  I. XXXVI).  Pandoros 

Vertrage  gemäß   Pluton    die  Tochter  zuführt.  Schon  war  als  Sohn  des  Erechtheus  bekannt  durch  Apollodor 

die  S-t&pavoOoa   desselben  Praxiteles  (Plin.  a.  a.  O.),  III   15,  I.  Vgl.  Oxyr.  Pap.  V  41.93. 
eine  Adorantin  oder  vielleicht  Nike,  hätte  vor  solchen  5S)  Michaelis  a.  a.  O. 

Irrungen  bewahren  können. 


2  2  E.    Maass 

nicht  bloß  weil  es  das  Nächste  war,  sondern  weil  durch  TfjV  zu  dem  Zeus  der 
Lakedaimonier  das  passendste  Gegenstück  im  Kulte  derselben  Nation,  Mutter 
Erde,  hinzutritt;  vgl.  oben  Kap.  IV.  Nun  erst  offenbart  sich  die  berechnete  Ver- 
teilung der  Kultbeispiele  durch  die  Periode;  darum  hat  die  Änderung  alle  Ge- 
währ. Wir  stehen  auf  sicherem  Boden,  auf  dem  wir  fortzubauen  haben.  Phylonoe 
(die  Handschrift  hat  ein  X)  spottet  jeder  Erklärung,  solange  man  an  cpöXov  cpuXij 
, Geschlecht',  ,Stamm'  denkt.  Warum  aber  nicht  die  altgriechische  Geminations- 
freiheit annehmen  und  <1>uXXov6vj  zugrunde  legen?  $üXXa  heißt  nicht  bloß  Blätter, 
sondern  auch  Pflanzen,  ganz  wie  cpuxa.  Theokrit  XXII  105  f.  stürzt  Amykos  getroffen 
rücklings  ins  Gras:  ev  (jpuXXoicn  TEibjXoaiv.  XVIII  39  f.  wollen  die  spartanischen 
Mädchen  aus  Wiesenblumen  (Xs'.u.ci)Vta  rföXXa.)  Kränze  winden.  XI  25  ff.  kommt 
Galateia  zum  Kyklopen,  von  ihm  die  Plätze  auf  dem  Berge  zu  erkunden,  wo  sie 
Hyakinthenpflanzen  pflücken  könne  (üaxivikva  cpuXXoc).  Numenius  (Athenaios  XI 
371  B)  gibt  in  Versen  allgemein  eine  Pflanzeneinteilung:  cpuXXa  nennt  auch  er 
sie.  Ist  aber  der  erste  Teil  des  Kompositums  verständlich,  so  verstehen  wir  hier 
das  Ganze,  da  es  ein  Beiwort  der  Mutter  Erde  ist,  um  das.  es  sich  handelt:  ,die 
Pflanzen  hervorbringende'  ,pflanzenreiche'. 

Hybla,  totos  funde  flores,  quidquid  annus  attulit, 
Hybla,  florum  subde  vestem,  quantus  Aetnae  campus  est 
sagt  der  syrakusanische  Dichter  des  Pervigilium  Veneris  5 1  f.  Denken  bedeutet 
voos  offenbar  erst  uneigentlich;  jedes  Denken  ist  ein  Hervorbringen  auch  in  der 
Ausdrucksweise  der  verwandten  Sprachen,  z.  B.  des  Altindischen  nach  einer 
Mitteilung  von  befreundeter  Seite.  Im  Griechischen  fehlen  weitere  Spuren  nicht 
ganz.  'AXcpivooq  —  attischer  Männername  —  ,auch  'Itttovoo?,  steht  schon,  nur  un- 
richtig erklärt,  bei  Fick-Bechtel  im  Namenbuch  unter  vöot;:  ,der  Korn  hervorbringt, 
Pferde  zieht'51').  Hipponoos  kennen  wir  aus  dem  Mythos  mehrfach;  man  beruhigte 

bi)  "AX'^ivoug  begegnet  zweimal  in  der  Familie  Abh.  I  513.  Lobeck,  Rhematikon  27.  46.  Schulze, 
des  Redners  Hypereides:  Kirchner,  Prosopogr.  I  52.  Quaest.  epicae  407  denkt  für  voa  an  Wurzel  snu 
Der  Tarsenser  No>3;,  Sohn  des  Noüj  (CIA  III  2933),  und  vergleicht  swsov  <!>  II,  Hesych  evvuir-Ev]  4xöX'Jvt0 
ein  anderer  Kilikier  aus  der  Tpa/sta  CIG  4427  und  svvoiai]  ;ir]-fa{.  Vorher  hatte  schon  Angermann 
führen  den  Namen  des  kilikischen  Flusses  NoOj  Geogr.  Namen  Altgriechenlands,  Meißen  1883  S.  10 
(Hesych  Nötig  und  Zenobios  IV  51  mit  den  Aus-  den  Fluß  NoBg  so  erklärt.  —  Auf  Spuren  im  Ge- 
legern). Es  gibt  den  Flußnamen  auch  in  Arkadien  brauche  des  Verbums  voeIv  weist  Stahl,  Kritisch- 
(Paus.  VIII  38,  9),  dazu  die  (Juellenbezeichnung  historische  Syntax  194  f.,  welche  verfolgt  werden 
V.  /  in  Lakonien  (Hesych)  und  den  —  offenbar  nach  müßten.  Fuldas  Arbeit,  Untersuchungen  über  die 
der  Ouelle  benannten  —  Ort  N60U  in  Sizilien  (Apol-  Sprache  der  homerischen  Gedichte,  103  ff.  geht  von 
lodoi  Kr.  <>  1  J.icoby;  dazu  Diodor  XI  01,  3  —  aus  falschen  Voraussetzungen  aus,  so  wertvoll  seine 
dem  Jahre  451  — ,  wo  Noa;  aus  von«;  richtig  von  Sammlungen  sind. 
Müller    FUG  I  437   geändert  ist).      Vgl.  E.  Curtius, 


Mutler  Erde  ~i 

sich  bei  der  fast  witzigen  Übersetzung  Equicordrus,  hätte  sich  an  Eöjxr^o;  erinnern 
sollen,  Admetos'  Sohn,  dessen  Schafherden  Apollon  gesegnet  hatte,  oder  an 
Apollodor  I  8,  4  Il£pißoiav  itjv  Ititovou,  des  Oineus  von  Kalydon  Weib,  Tydeus' 
Mutter.  Sein  Schicksal  hatte  Sophokles  im  ,Hipponus'  behandelt  (Fr.  27g  ff.).  Als 
zweiten,  griechischen  Namen  des  Bellerophon  kennen  wir  'lnizövooc,,.  des  Helden, 
der  eine  $dovorj,  Tochter  des  Lykiers  Jobates,  zur  Frau  gewann :  das  ist  —  nach 
Bekker  —  wieder  OuXXovor; '''").  Denn  in  der  alten  Zeit  ist  <I>uk>-  ebenso  häufig 
wie  $1X0-  selten;  später  dreht  sich  das  um,  so  daß  die  Fehler  zahlreich  werden, 
urteilt  richtig  v.  Wilamowitz'"'1).  <buXkic,  hießen  übrigens  Samos  und  die  Land- 
schaft am  Pangaion62);  in  Amphipolis  besaß  die  Göttin  Phyllis,  Repräsentantin 
der  Landschaft,  ihr  grabartiges  Haus  und  einen  Kult13).  Wieder  Mutter  Erde! 
Autonoe  ,die  selbst  hervorbringende  selbstreiche',  auch  Autonoos,  Iphinoe  ,die 
kraftvolle',  dies  ein  beliebter  Fabelname  (auch  Iphinoos  kommt  vor,  diesem  ganz 
entsprechend  wieder  Alkinoos),  Kleonoe  , Ruhmvoll'  u.  a.  m.  erledigen  sich  jetzt 
leicht01).  Die  Thrakerin  Xpuaovin):   Konon   32. 

Auf  Vasen  begegnet  für  eine  Frau  im  Gefolge  des  Dionysos  der  Name 
( tövovovj,  verschrieben  in  AINONOH,  erkannt  von  Welcker  (Alte  Denkmäler  III  247. 
Abbildung  bei  Gerhard,  Antike  Bildwerke  Taf.  17).  Die  so  benannte,  bekränzte 
Frau  sitzt  still  neben  Dionysos,  nach  ihm  sich  umsehend,  unter  Satyrn  und  anderen 
Nymphen,  alle  mit  sprechenden  Namen  wie  Opora,  Eirene,  Hedyoinos,  Komos.  Die 
Vasenbeischrift  löst  ein  schwebendes  Problem.  Denn  es  leuchtet  sprachgeschicht- 
lich ohne  Beweis  ein,  daß  in  Otvovor;  die  Vorform  der  vielen  durch  Hellas  ver- 
breiteten Landschaftsnamen  Olvotj  erkannt  werden  muß,  innen  erleichtert  durch 
die  sogenannte  Haplologie.  Mit  dem  Landnamen,  der  nichts  als  ,Weinreich'  be- 
deutet, sind  die  mit  ihnen  verbundenen  mythischen  Frauennamen  OJvor)  erklärt. 
Sic  sind  die  Mütter  der  Weinlandschaften,  örtliche  Erscheinungsformen  der  Mutter 
Erde,  klingen  wie  konzentrierte  poetische  Heilwünsche:  wie  denn  ja  ursprünglich 
jede  Namengebung  aus  einem  Akte  erhöhter,  religiöser  Phantasie  als  Namens- 
schöpfung erwuchs.  Die  Gottheit,  zu  der  der  Landmann  ständig  flehte:    cplpfis  ßöas, 

,;")  Apollodor  II   3,   2,   3.     Ist   die  *uXov6|n]   in  M)   Asuxov&T)    —    Demenname   in    Anika    —    ist 

der  Tennessage,    welche   von    Kyknos    lebendig    he-  nach  Xsuxöv  uSiop  genannt.  Asuxo'jvrj  Quelle  in  Argos, 

graben   wird,  nicht    vielmehr    eine    <J>uXXovor)   (Steph.  Asüxoj     Fluß    in    Makedonien,     Asuxxota    Bach     in 

TevsStoe.  Auch  Paus.  X   14)?  M.-ssenien  u.  a.  m.  Leukonoe  heißt  eine   Tochter  des 

,;1)  Sitzungsbcr.    Akad.    Berlin    [906    S.    57    A.  Poseidon    und    der  Themisto:     Hygin,    Fabeln     157. 

''-)  Herodot   VII    113.  Tiere  kann   man  weiden,   nicht   Feinde.   Ay,;v,;u,  wird 

63)  Hygin   Fab.    59.    Antipater    A.    1'.    VII    705  Polygnot    (aus    der   kleinen    Ilias)    die    Troerin    aul 

u.a.  m.  Phylleus  heißt  Vater  der  zur  Heroine  herab-  seinem   Bilde  Paus.  X   26,    I   kaum    benannt   haben, 

gesunkenen   Phyllis.  eher  Athovöyj  von  BtjuxC,  d.  i.  xf-i»a£. 


24  E.  Maass 

cp£pe  |iäXa,  cpsps  a-sr/uv,  o£ae  S-£pta(i6v,  wird  notwendig  am  Ende  eine  ßoutpöpßog,  jiaXo- 
cpopo;,  axayjjcpopo;,  ajiaXXo^dpo;. 

Die  Sesselinschrift  des  Dionysostheaters  wird  CIA  III  I,  369  so  wieder- 
gegeben .  .  .  v6rjs  IlxvSr^iou  vöjiopyjs.  Kumanudes  hatte  das  erste  Wort  ganz  will- 
kürlich zu  Bs'.ovorjg  ergänzen  wollen.  Es  stimmen  nach  G.  Hirschfeld  die  Spuren 
auf  dem  Steine  nicht  zu  dem  sachlich  ohnehin  unannehmbaren  Vorschlage.  Nachdem 
jetzt  feststeht,  daß  vöoq  in  den  Namenbildungen  religiöser  Sphäre  nicht  ,Denken', 
sondern  , Schaffen',  , Reichsein'  bedeutet,  ergibt  sich  die  Pflicht  aus  der  neuen 
Erkenntnis  heraus  den  noch  nicht  enträtselten  attischen  Nymphennamen  in  der 
Richtung  zu  vervollständigen,  die  durch  die  von  G.  Hirschfeld  mitgeteilten  nicht 
mehr  ganz  deutlichen  Buchstaben  tüpiihvorjs  vorgeschrieben  wird.  Also  nicht  0?v6yj£ 
oder  Asuxovorje,  sondern  Kpttf-ovor)  ,Gerstenreich'65).  Das  Kompositum  selbst  kann 
ich  sonst  nicht  nachweisen:  aber  —  bedarf  es  der  Belege?  \ii\a.  yap  acptai  raovi 
uixpw:  ä  3at'|«i)v  euxptOov  dvs7rAr(p(i)asv  dXwxv  sagt  Theokrit  von  Deo-Demeter  auf  Kos, 
welche  er  äXux;  nennt  im  IL  Idyll.  xpt6"q  hat  aber  einfache  alte  Nymphennamen 
erzeugt. 

1.  Homervita  IV  p.  27  West.  "Ou.rjpo;  6  Koir(irfc  uibc,  f;v  xaxa  ^jlev  xtvag  Maiovog 
■/.%:  Tpvyjfl-oös,  xaxa  8'  evtoug  MeXr^xog  xoö  7xoxa[ioü  xai  KpiÖ-r/c'So;  Nö[Kpi]S.  Der  Name  wird 
auch  Kpr;ü-7j(:'3os  geschrieben,  wie  Kptfre'jj  auch  Kpr;9-£u;.  Tpvrjö'OÖs  lautet  hier  in  den 
Handschriften  auch  dpvrjitojj,  opvib-oög,  äpvixoug,  jjiupvr^b'ou;,  [xupüvÖou;.  Ich  habe  Tpvyj'ö-oOg 
aus  der  Handschrift  Murets  (Hermes  XXV  453)  zunächst  eingesetzt,  vorbehaltlich 
der  noch  zu  treffenden  Entscheidung. 

2.  Homervita  VIII  (Agon),  nachdem  wieder  Maion  oder  Meles  als  Väter 
genannt,  p;X£pa  81  di  ulv  Mrjxiv,  dl  Se  KpTjihjfSa  (die  vorher  als  Nymphe  eingeführt 
war),    dl  oe  xijv  8e|UV66),    ot  31  T^v^ct),    Ivtot  5s  'liJocxy^aiav   xivä  .  .  .,    di  oz   KaXXionrjv 

65)  Sitzungsber.     Akad.     Berlin     1872     S.     167.  oi  vu  xai  'AtioXXmvoj  itavapxeo;  'HeXfoio 

Das  Wort  entspricht  also  ganz  dem  seit  dem  home-  Xtöpi  ätax|ir;-fOD3i  xai  eörcoSa  ATjVotvyjv 

rischen    Demeterhymnus    —    wo    es    aetiologisch   be-  Apxl|iidoj,  KXuuivoio  itoXugslvoio  daueepxa. 

handelt    wird    —    wohlbekannten    Worte   Ar,'.<f>.    das  Übrigens  liegt  Srjtai  noch  vor    unerkannt  in  der 

nur  das  geläufigere  zu  sein  scheint  und  noch   herzu-  Hcsychglosse  df/xxcu]  a£  eicnofisvat     xpefl-ai:     drjlxai? 

stellen,    wo    es    die    Überlieferung    verdunkelt    hat.  Vgl.  die   Liste  solcher  Namen  bei  Athenaios  III  108 

Ovid,    Met.    IX    444    ist    Milet    AijtotSYjS    (Deionides  Pollux   VI   33. 

Hilssj.    Ay,Vo!vy)   scheint    bei  Kallimachos  (Kr.  48  der  66)  6su.(axv   F;    H=|iioX(i   seit    Barnes   die  Aus- 

Hekale:  eürcoBa  At)UÖV7/v)  zu ändern.  Valckenaer machte  gaben   meist:    denn    Weu,(oxt)    ist    Unforra,    also    xyjv 

AYj(o!vr,v.  Fr.47.Si  KXÖ(1SV0{ SvOuä xöpiov fjptfloi.  KaXX£-  8s|UV.     Ich   will  den  Vater  Homers    |i  .  xa  .  6p  .  .   in 

|iayoj  84"  A  7)  ii>  X  £  ti  0  KAuuevou  7toXu£a£vOlO  5d|iapxa.  F    des  Agon    herstellen    helfen,     x   wird    notiert   als 

i'V"  !'  -  '  ',  1 1  i,">~s v ovTj.   Es  ist  KÄ'jpivo'.o  herzustellen,  unsicher.     Matafopav    von  Madov   machte  unmöglich 

dazu   die  Deotochter,  also  AyjVotVKJV  und  hernach  Arjt-  Nietzsche,  A|iaoaf6pav   vorher  Barnes.  McXnaf öpav V 

otVY]    Qepaecpövi].    F.  48    und    478    ergeben   nunmehr  K.rethon  die  llils  Murets:   Hermes   XXV  453. 
verbunden  diese  Folge   (gegen  Naclte,  Op.  II  43  f.). 


Mutter  Erde  25 

iY|V  MoOcjav,  zwkq  ok  noXuxacjxrjv  xrjV  Nearopo;.  .Vielleicht  TpvrjM  wie  in  IV,  bemerkt 
Westermann  ,falls  dieser  Name  überhaupt  richtig  ist.'  Man  kann  die  ostpelopon- 
nesische  Orts-  und  Phylengöttin  Hyrnetho  nicht  zur  Mutter  Homers  auf  ein  zweifel- 
los verderbtes  Zeugnis  hin  machen  wollen.  Maion  ist  wie  Meles  ein  Flüßchen 
der  Aiolis  in  einer  Gegend,  die  ,y*j  Äyata'  hieß,  vielleicht  bei  der  Stadt  Myrina, 
in  deren  Nähe  ein  'AxaLÖV  ^V-fy  lag'i7);  Kritheis  kymaeische  Göttin.  Sie  trägt  auf 
den  Münzen  der  Stadt  ein  Szepter,  denselben  Münzen,  welche  den  sitzenden 
Homer  darstellen;  KPHOHIZ  KVMAIAN  lautet  eine  Beischrift  der  königlichen 
Gestalt.  Die  göttliche  Mutter  und  ihr  Dichtersohn,  der  Stolz  von  Kyme68)!  Smyrna, 
Homers  eigentliche  Heimat,  war  kymaeische  Kolonie.  So  hatte  Kyme  Grund 
doppelt  stolz  zu  sein,  auf  Homer  wie  auf  Hesiod,  dessen  Vater  Dios  ausgewanderter 
Kymaeer  war,  und  es  wird  ernstlich  zu  erwägen  sein,  ob  das  Relief  des  Archelaos, 
welches  diesen  Doppelruhm  verkündet,  welches  über  den  Homertempel  (von 
Smyrna)  das  Museion  des  Helikon  mit  Hesiods  Statue  errichtet  zeigt,  nicht  im 
Interesse  der  Kymaeer  gearbeitet  worden  ist69),  öpvrjfrd),  öyVTjfrd)  und  die  Varianten 
fügen  sich  angesichts  der  Nymphe  Kprftrfe  so  leicht  und  so  ungezwungen  zu 
Kprflü,  d.  i.  KptM,  daß  dieser  Vorschlag  das  Wahre  treffen  wird70).  Es  liegt  ein 
Namensverhältnis  vor,  genau  wie  zwischen  OEvr;i?  und  Ofvw.  Kritheis  die  Nymphe 
ist  von  der  in  VIII  zur  Auswahl  gestellten  Ge  Themis  natürlich  im  Grunde  gar 
nicht  verschieden.  Und   damit   kehren  wir  zu  Oinoe  zurück. 


VII. 

So  gewöhnlich  war  bei  den  Griechen  der  Name  Oinoe  und  so  verständlich 
auch  noch  spät  in  seiner  Bildung,  daß  Lukian,  wo  er  einen  wohlhabenden  Land- 
mann als  solchen  kurz  zu  charakterisieren  hat,  ein  Geschöpf  seiner  Phantasie, 
ihn  ,aus  Oinoe'  kommen  läßt  (Tbpfov  Oüvosoc  xwä  yswpyöv  eörapov,  Hetaerendialoge 
XV  2).  Ich  führe  folgende  Orte  auf. 

1.  Auf  Ikaros.  CIG  I  p.  254,  4  Ofvaioc.  it,  'Ixapou.  Der  Ort  hieß  Oinoe  und 
wenigstens  bei  Stephanos  u.  d.  W.  steht  OhoaXoc,  als  sein  Ethnikon.  Diese  Aus- 
weichung führt  hinüber  nach 

GT)  Stephanos  Hesych   u.  d.  w.   Ma'.ovia.   Strabon  verkannt.  Es  ist  der  ideale  Dichterberg:   wie  Goethe 

XIII  622.  —  in  den  Erläuterungen  zum  Gedichte    ,Die  Geheim- 

68)  Mionnet  Suppl.  VI  15,  119.  Head,  H.  N.  479.  nisse'  —  reden  darf  von  dem  idealen   Montserrat. 
Imhoof- Blumer,   Monnaies  grecques  (Verhandlungen  Eine   der  MsXiat   Nöa-yai   wird   (vgl.   Schoe- 

der  Ak.  Amsterdam)   1883  S.   273   n.  224  a.  mann  Op.  II   136)    als  Bpiä-io    überliefert.     Das    wird 

,9)  Den  Charakter  der  Darstellung  hat  Watzinger  Kpi8-u>,  nicht  Bpitoj,  sein. 
J.iliresheftp  des  ost^rr    sirch'äol.  Institutes  Bd.  XI.  4 


20  F..  Maass 

2.  Attika,  das  zwei  Demen  Oinoe  besitzt,  mit  ständigem  Demotikon  Otvafo?, 
z.  B.  CIA  III  336  (Sesselinschrift)  &px£[u8os  Otvata;;  vgl.  Dittenbergers  Anm.  Die 
Brüder  der  marathonischen  Oinoe  waren  auf  dem  Relief  in  Rhamnus  (Paus.  I  ^^,  7) 
zur  Darstellung  gelangt.  Die  andere  Landschaft  Oinoe  bei  Eleutherai  tritt  als 
Streitgebiet  mit  Boeotien  auch  in  der  attischen   Apaturiensage  hervor. 

3.  Aus  Argos.  Dies  Oivö-q  hieß  auch  OEvt)  (Hekataios  bei  Stephanos),  das 
Ethnikon  Oivxloq.  Aber  auch  0Cvw7j  Otvcoar/js  Oivwäxi?  (Artemis).  Dahin  gehört  Hesych 
OEvo)Ättv]'Äprs[iiv  rrjv  iv  Oivwrjt  xf^  'Apystag,  nach  Euripides  , Herakles'  379  {bjpo'fovov 
ftsäv  OJvoäxtv  (so  die  Hdss.,  vgl.  Wilamovvitz  z.  d.  St..  II  91).  Beide  Formen  sind 
gut.  Denn  auch  Ofvua,  eigentlich  Ofväna,  kommt  von  Ufvoat'x  ,das  Gebiet  von  Oinoe'. 
Und  daß  auch  dies  Oinoe  -  Oine  einen  Oineus  besitzt,  ist  sprachlich  in  Ordnung, 
ihn  aus  Kalydon  abzuleiten  und  zum  Vater  des  Meleager  zu  machen,  gar  kein 
Grund.  Im  Gegenteil:  Oineus  der  Ivalydonier  setzt  ein  kalydonisches  Otvor^  voraus. 
Bezeugt  wird  es  durch  die  Inschrift  410  in  Wescher-Foucarts  Inscriptons  de 
Delphes.  Die  Paus.  II  25,2 — 3  wiedergegebene  ,argivische'  Legende  steht  wie 
gewöhnlich  im  Banne  der  epischen  Dichtung71).  Hesychs  Halbvers  pt'ov  Y;v  0?vaEov] 
02v6tjs  rffc  Apyst'a?  opo;  /ocXetov  (wofür  die  Hdss  pt'ov  OEvTjvafov]  OJvotIjxt]?  Äpxe(a£)  geht 
auf  den  altheiligen  Artemisberg  (Paus.  II  25,  3),  wo  heute  an  den  Inachos- 
quellen   der  heilige  Elias  die  Wache  hält.     Falsch   O.  Schneider,    Callim.  II  747. 

4.  Aus  Arkadien.  Die  Göttin  Oinoe,  den  jungen  Zeus  haltend,  war  mit 
Rhea  an  der  Altarfront  der  Athena  Alea  in  Tegea,  an  den  beiden  Seiten  andere 
arkadische  Lokalwesen  (Paus.  VIII  47,  3).  Diese  Oinoe  gehört  nach  Pheneos,  wo  sie  sich 
als  eine  arkadische  Landschaftsgöttin  deutlich  erkennen  läßt.  Dort  floß  eine  Quelle 
Oinoe  (VIII  1 5,  6)  auf  dem  Wege  nach  Achaia,  aber  noch  auf  dem  Gebiete  der  Stadt: 
den  Namen  , Weinreich'  trägt  die  Quelle  nach  der  Landschaft.  Pan  heißt  Sohn 
des  Himmelsgottes  und  der  Nymphe  Oivr/c's  bei  dem  Tegeaten  Aristipp  (Schol.  zu 
Theokrit  I  3,  123),  der  Nymphe  0£v6tj  bei  dem  Tegeaten  Araithos  (1231,  während 
wieder  andere  Hermes  und  die  Nymphe  'Opatvor;  nennen  (doch  wohl  Otvörj)72). 
Oinoe  kannte  auch  Aischylos  (Fr.  35)  wie  die  Arkader  als  Geburtsort  des  Gottes: 
Schol.    zum    ,Rhesos'    36    Ato/üXo;    5s  5'jo   lläva;,    t&V  |isv  Aiöj,   Sv  xai  Ofvatov,    xöv   3s 

7t)  Hesych  Oivaiaj  äy.T'i;]    ivxl  tvj  Otvü)(XTc8a£  ~2)  Es   ist   der   Hermes   von   Pheneos,    welchen 

und   Olva?ej]   ä|irsXcA8ei{   x&tzv.   kann    sich   auf  dies  z.  B.  das   knidische  Antigonosepigramm    nennt:    781 

Oinoe   nicht  beziehen,  eher  auf  den  Isthmus.  Otvtuy){  Kaibel.   Die  Rhesosscholien  36  sagen  von  Pan,  er  sei 

fövtpov  r.iWi  von    einem   der   beiden  attischen    Orte  vuu/.paisvi'/j,  natürlich  als  Sohn    der  Nymphe  Oinoe, 

Nonnos   XIII    1X2   (wo  0lv<ÄV7)C,  daneben   überliefert),  nicht  .weil  er   bei    den   Nymphen    erzogen    sei'.    Das 

Olvcuij  eine  Bakrhantin  XXIX   j,;,,  eigentlich  natür-  genannte  Epigramm  vereinigt  Pan  und  Hermes  nicht 

licll    OlvcbtTj              0tV7|    in     Etrurien:    Stepb.    u.  d.  \V.  ohne   Absicht,   was    Ivaibel   entging. 


Mutter  Erde  27 

Kp6vou78).  In  Megalopolis  hieße  Pan,  wenn  der  Pausaniasüberlieferung  zu  trauen 
wäre,  Stvoetg  (30,  3),  genannt  von  Sw6tj,  seiner  Wärterin.  Daß  diese  Pflege  des 
Pan  sich  in  oder  bei  Megalopolis  abgespielt,  wird  nicht  gesagt,  aber  auch  nicht 
bestritten.  Siebeiis  und  Dindorf  kamen  auf  OEvöei;  und  (Kvory:  mit  Recht,  nur 
mußte  unbedingt  Otvosüj  hergestellt  werden,  nicht  der  , Weinreiche'  —  auf  Pan 
trifft  das  nicht  zu  —  sondern  ,der  von  Oinoe-Pheneos' 74).  Die  Verbindung  zwischen 
Pan  und  Dionysos  wurde  durch  Arkadien  gegeben,  nicht  erst  in  der  Zeit  Alexanders 
und  der  Diadochen  neugeschaffen.' 

5.  Aus  Elis.  Hier  hieß  die  alte  Stadt  Ephyra  später  0fv6rj,  genauer  Boivwa: 
Strabo  VII  338  yjtoc  rj  aüir;  oöaa  ifjt  Bottovwa:  (tyjv  yäp  OEvorjv  outm  xaXeiv  süwfraatv) 
ij  7iXr(ctov  auxrjs.  Meineke  zu  Stephanos  291  stellte  mit  Korais  richtig  Boivwa: 
her,  eigentlich  Boiv&iai. 

6.  Auf  Sikinos.  Die  Insel  heißt  bei  Apollonios  I  623  (nebst  Schol.)  OZvob), 
so  auch  ihre  Göttin,  die  Najade  OJvotrj,  die  Mutter  des  Sikinos,  nach  den  Schoben 
und  Etym.  Magnura  u.  d.  W.  Swuvo?.  Das  stellt  sich  zu  öyoofy  öyoorj,  Ilpa^votrj 
IIpai;iv67] 75). 

7.  Aus  Kilikien.  Antoninus  Liberalis  nennt  Mopsos  Sohn  der  Oinoe.  Ge- 
trennt von  ihrem  Söhnchen  durch  Hera  wegen  ihrer  Überhebung  und  in  einen 
Vogel  verwandelt,  habe  Oinoe  das  Haus  des  Mopsos  fortdauernd  umflattert.  Das 
ebene  Kilikien  besitzt  ein  ,Haus  des  Mopsos',  Motpou  ectwc;  sein  Weinreichtum 
ist  so  berühmt,  daß  Nonnos  XLIII  54  den  Kik'.t,  eM[nze.Xoq  OJveög,  der  Phyllis  Sohn, 
zum  Feldherrn  des  Dionysos  machte. 

8.  Ein  korinthisches  Grenzkastell  Oinoe  gegen  Megara  am  saronischen 
Busen  bezeugen  Xenophons  Hellenika  und  Strabo  (VIII  388,  22.  IX  40g,  25). 
Daß  E.  Curtius  (Pelop.  II  598)  nicht  ganz  richtig  gesondert,  bemerkte  Bursian, 
Geogr.  v.  Griech.  I  382  A. 

9.  Über  das  aitolische  Oinoe  sieh  unter  3.   Vgl.  Agon  p.  245  f.  Rzach. 

Wir  haben  in  der  Göttin  und  Nymphe  Oinoe,  wie  in  allen  mit  -vörj  ge- 
bildeten Götternamen,  eine  weit  durch  die  griechischen  Lande  verbreitete  Er- 
scheinungsform   der  Mutter  Erde   erkannt.     Als  Mutter  Erde   ist   Oinoe   Pflegerin 

")  OINAION    habe    ich    aus    AIAVMON    ge-  (Hygin  Fabel  XI)  sind  wohl  OINOH  und  OINUUIOC, 

macht.     Franz,    De  Callistus    fabula  schreibt  3£5uu.ov  jene  aus  dem  arkadischen,  dieser  aus  dem  argivischen 

<kpxd?og>;    so  auch    Röscher    Philologus    53,    362,  Olvdi).     In    den    Niobidennamen    stecken   auch   pelo- 

der  sogar   an    die  Tragödie  Kallisto  denkt.     Es  war  ponnesische  Ortsnamen.  4>IAOH,  Melische  Nymphe, 

wohl  der  , Glaukos'.    Röscher  (375)  leitet  Oinoe  un-  ist   wohl  OINOH  (Schoemann,  Opusc.  TI   135). 
mittelbar  von  olto-  ab.  Unmöglich  !  '*)   Fick-Bechtel   220. 

74)   Die    Niobiden     CIBOH    und  CIKTOOIOC 


28  E.   Maass 

des  Zeus,  Mutter  des  Pan,  des  Sikinos  und  des  Mopsos,  in  allen  Fällen  die  gött- 
liche Vertreterin  der  Landschaft,  von  welcher  sie  den  Namen  trägt.  In  ihr  Reich 
hat  sich  Artemis  eingedrängt,  und  auch  in  den  Bereich  der  anderen  nächst  ver- 
wandten Gestalten.  So  tritt  Mutter  Erde  bescheiden  in  den  Hintergrund  vor  der 
sieghaften  Olympierin,  muß  sich  wohl  gar  nachsagen  lassen,  Göttin  sei  sie  erst 
von  Artemis  Gnaden.  Trocken  spricht  das  neue  Verhältnis  Apollodor  aus  III  10,  6, 
wo  er  von  Phyllonoe  (OiXovovj  schreibt  er  irrig  auch  hier)  sagt:  f)v  Apcsjug  äfravaiov 
hzoWptv.  Selten  noch  vermögen  wir  die  Erregung  und  den  Kampf  auch  nur  zu 
ahnen,  welcher  die  allmähliche  Aufnahme  der  neuen  Göttin,  der  Olympierin,  einst 
begleitet  hat.  An  Kallisto  sei  wenigstens  erinnert,  wie  denn  überhaupt  Arkadien 
auf  einer  im  Verhältnisse  frühen  Entwicklungsstufe  in  religiöser  Hinsicht  stehen 
blieb.  Die  Ausgrabungen  haben  auch  für  diese  Dinge  aufklärend  gewirkt.  In 
Lusoi  führte  Artemis  im  Kulte  den  Namen  Hemera,  die  Kleitorier  nannten  sie 
Hemerasia76).  Dieselben  hatten  —  und  das  gibt  die  Lösung  —  das  Fest  Koptäaix 
für  eine  Kopc'a,  die  sie  mit  Athena  gleichsetzten:  rH[i£paata  also  sagten  sie  für 
das  Fest  der  Hemera  von  Lusoi,  und  vom  Feste  benannten  sie  die  Festinhaberin 
'H|j.spaai'x.  Eine  der  anziehendsten,  auch  ertragreichsten  Untersuchungen  gewährt, 
gerade  auch  für  religiöse  Dinge,  die  Sammlung  von  Namen  aus  Festen77).  An 
der  Quelle  cH|xepa  ,der  milden',  von  dem  Wassergeschmacke,  befand  sich  der  Quell- 
kult. Die  Quelle  ist  das  Wahrzeichen  der  Mutter  Erde.  An  der  Quelle  haftet 
gern  auch  Erdkult.  Beides  fiel  in  Lusoi  zusammen,  wie  anderswo  (z.  B.  auf 
Sikinos  und  in  Pheneos),  ging  dann  aber  in  den  Artemiskult  über.  Beweis:  Fackel 
und  Mohn,  diese  eigensten  Attribute  der  Ge,  sind  die  Attribute  der  Artemis 
Hemera  von  Lusoi  geworden.  In  die  tiefsten  Tiefen  aber  religiöser  Kämpfe  führt 
für  die  alte  Zeit  die  Geschichte  der  großen  Mutter  Niobe,  wie  sie  im  äußersten 
Osten  der  Hellenenwelt  schon  vor  der  Entstehung  des  letzten  Iliasbuches  nach- 
weislich geworden  war.  Wenn  Niobe  noch  bei  Ovid  statt  für  Leto  für  sich  selber 
göttliche  Verehrung  von  ihrem  Volke  fordert  (Metam.  VI  170  ff.),  so  stellt  sich 
dieser  bedeutsam  aus  alter  Überlieferung  zurückgebliebene  Zug  unmittelbar  neben 
die  ,Niobe'  des  Aischylos,  in  welcher  Amphion  auf  dem  Sipylos  den  Tempel 
Apollons  zu  zerstören    sich   anschickt;    er  wird   darum   von  Apollon    dem    feind- 

76)  Paus.  VIII  18,  8.  Jahreshefte  IV  (1901)  S.  83.  Kunaptoata  (neben  ihr  die  Ortsruine  xaXouuivrj  'Axatmv 

Dindorf  hätte  nicht  'II|iepu)3£a  vermuten   dürfen.  -<<ri  Ilapaxunaptoaitov   oder   t<üv   Jtapä   Kuitapioatav): 

")  Der    viel    besprochene   Hermes  Kuitapiaotcpa;  Paus.  III  22,  9.    Kreta  reich    an   Kypressen:    Oxyr. 

ist  ,der  am  Kypressenfest  erschienene'    Eine  Athena  Pap.  V  37. 


\ i'plles  und  Protogenes  -9 

liehen  Gotte  erschossen7").  Aber  Niohe  und  Niobiden  verlangen  um  so  mehr  ein«' 
eigene  Untersuchung,  als  eine  nach  willkürlich  dogmatischen  Ansichten  betriebene 
Mythologie,  begleitet  von  einer  mangelhaften  Quellenmethode,  die  Dinge  und 
die  Vorstellung  von  den  Dingen  verwirrt. 

Marburg  (Hessen),  Februar   1907.  ERNST  MAASS 


Apelles  und  Protogenes. 
I. 

1.  Petrons  Kaisertreue  war  bei  Nero  verdächtigt,  ein  falsches  Zeugnis  beschafft 
worden.  Eine  Rechtfertigung  des  Angeklagten  lehnte  Nero  ab;  er  ließ  einen 
großen  Teil  des  Gesindes  seines  einstigen  Günstlings  verhaften.  Es  war  klar, 
Petron  hatte  alles  für  sein  Leben  zu  fürchten.  In  dieser  kritischen  Zeit  besuchte 
unerwartet  Nero  Kampanien;  Petron  verweilte  dort  auf  seiner  Villa,  er  wollte 
Klarheit;  unerschrocken  machte  er  sich  auf,  dem  Kaiser  entgegen1).  Das  Reise- 
ziel, der  Ort  des  Hoflagers,  wird  zwar  näher  nicht  angegeben,  aber  am  nächsten 
liegt  doch  der  Gedanke  an  die  von  Lukull  erbaute  Villa  auf  Kap  Misenum, 
schon  unter  Tiberius  die  Kaiservilla2).  Petron  kam  aber  nicht  weiter  als  bis 
Cumae;  hier  wurde  er  festgenommen  und  festgehalten.  So  Tacitus.  Die  Worte 
lauten  Ann.  XVI  ig:  ,Forte  illis  diebus  Campaniam  petiverat  Caesar;  et  (ei?) 
Cumas  usque  progressus  Petronius  illic  attinebatur.'  ,Bei  Cumae',  schreibt  Momm- 

18)    Hygin    IX.    Aischylos     Niobe     spielt     trotz  werden     bei    Aischylos    —    nach    einer    Vermutung 

Amphion    in    Lydien.     Das   sah    G.  Hermann,  Opu-  Starks,  Niobe  4  —  die  Sipylosnymphen  gewesen  sein, 

scula  III.  Hygin  IX  (die  Worte  Amphion  bis  zum  welche  die  Ilias  uns  in   diesem  Zusammenhange    ge- 

Schluß)    ist   Inhalt   des    Stückes:    Fr.    155    (auf   das  schildert.  Thraemer    irrt   (Pergamon    16    Anm.)   über 

Kostüm  der  Artemis  bezüglich  [vgl.  G.  Haupt,  Com-  Aischylos.  Drei  Personen   treten  wohl  nebeneinander 

ment.  arch.  in   Aesch.   23])  ist  in  der  Fabel  wieder-  auf:  Niobe,  Tantalos  und  Bote. 

gegeben;  die  doppelte  Siebenzahl  der  Niobiden  kehrt  ')  Durch   die    Tacitusstelle    wird   Pindars   xip|ia 

bei  beiden  wieder,  und  Amphion  lebt  auch  bei  Hygin  Ttpoprig  Nem.  VII  I05   gegen  Verdacht  gesichert:  ,ge- 

auf  dem  Sipylos.  Das  wenige,  was  bei  Hygin  hinzu-  rade  bis  an  die  Grenze  vorgegangen,'  nicht  darüber, 

gefügt,  haben  wir  als  aisehyleisch  anzusehen:  der  ver-  !)  Phaedrus  II  5,  7  ff. 

spottete  lange  Kitharodentalar   des  Gottes  als  fremde  Caesar  Tiberius  cum  petens  Neapolim 

Tracht;    das   Paar    Tantalos-Üione    (d.  i.   hier   Zeus-  In   Misenensem  villam   venisset  suam, 

tochter,    wie    bei    Theokrit    II    und    im    Pervigilium  Quae  monte  summo  posita   Luculli  manu 

Veneris;     beides    sizilische     Dichter);     Chloris,     die  Prospectat  Siculum  et  respicit  Tuscum  mare  etc. 
künftige  Nelidenmutter,  allein    verschont.     Der  Chor 


30  E.   Maass 

sen  auf  Grund  der  Tacitusstelle,  , hatte  Petron  vermutlich  seine  Villa,  auf  der  er 
auch  starb'.  Das  sind  zwei  Behauptungen,  von  denen  die  eine  richtig-,  die  andere 
unrichtig  ist.  Denn  es  muß  doch  wohl  aus  den  Worten  des  Tacitus  mit  Momm- 
sen  geschlossen  werden,  daß  Petron  von  seiner  irgendwo  in  der  Gegend  von 
C'umae  gelegenen  Besitzung  aus  die  letzte  Fahrt  in  das  Hoflager  antrat.  Es  muß 
aber  gegen  Mommsen  geschlossen  werden,  daß  Petron  nicht  auf  seiner  Villa 
gestorben  ist.  Er  hatte  diese  ja  verlassen,  war  bis  Cumae  gekommen :  eben  hier, 
in  Cumae,  ward  er  verhaftet.  Von  einer  Überführung  in  seine  Villa  lesen  wir 
nichts,  haben  wir  also  auch  nicht  das  Recht  zu  sprechen.  Die  natürlichste  Auf- 
fassung der  Tacitusworte  als  solcher  ist  diese;  und  nichts  widerstreitet.  Wo  genau 
Petrons  Villa  lag,  lernen  wir  nicht.  Nur  das  muß  behauptet  werden :  sie  lag 
irgendwo  in  der  Umgebung  von  Cumae. 

Auch  Petrons  Lieblingsheld,  der  edle  Trimalchio,  haust  irgendwo  bei  Cumae; 
auch  hier  kann  Cumae  unmittelbar  nicht  gemeint  sein.  Denn  einmal  wäre  die 
Bezeichnung  seines  Landgutes  als  ,praedium  Cumanum'  im  Munde  des  Verwalters 
des  Trimalchio  an  Ort  und  Stelle  eine  unrichtige,  weil  irreleitende;  das  hat  Bü- 
cheier seinerzeit  mit  sicherem  Urteile  geltend  gemacht.  Und  zweitens  könnte  in 
Cumae  Trimalchio  selber  ebensowenig  sagen  ,Sibyllam  quidem  Cumis  ego  ipse 
oculis  meis  vidi  in  ampulla  pendere;  et  cum  Uli  pueri  dicerent  Et'ßuXXoc,  11  freXets, 
respondebat  illa  cbraftaveCv  OiXw'.  Üble  Kritik  will  hier  , Cumis'  streichen,  obwohl 
es  durch  das  ,praedium  Cumanum  quod  est  Trimalchionis'  an  der  andern  Stelle 
gehalten  wird.  Hinzukommt,  daß  , Cumis'  als  Zusatz  Petrons  ausgezeichnet  auch 
darum  wirkt,  weil  die  gleiche  Sibyllenanekdote  so,  wie  sie  Trimalchio  von  der 
kumanischen  Seherin  auftischt,  in  Erythrai  in  Ionien  begegnet;  vgl.  De  Sibyllarum 
indicibus  30.  Es  heißt  darüber  im  Liber  memorialis  des  Ampelius  VIII  17  ,ibi  - 
in  der  Gegend  von  Erythrai  —  e  columna  pendet  cavea  ferrea  rotunda,  in  qua 
conclusa  Sibylla  dicitur'.  Also  war  Friedlaender  (Bursians  Jahresbericht  XIV 
171  ff.)  im  Rechte,  wenn  er  gegen  die  Streichung  von  ,Cumis'  Einspruch  erhob 
und  demgemäß  erklärte:  Cumae  war  keinesfalls  die  Stadt  des  Trimalchio,  da  sie 
von  dieser  offensichtlich   unterschieden   wird. 

Wo  aber  hauste  denn  Trimalchio,  wenn  nicht  in  Cumae,  WO  er  doch  sicher- 
lich am  Golfe  von  Neapel  gehaust  haben  muß,  unfern  von  Bajae  (53;  104)  und 
von  Capua  (62)  ?  Trimalchios  Stadt,  eine  Kleinstadt,  hatte  Stadtrecht.  Am  Neapler 
Golf  gab  es  während  der  Kaiserzeit,  von  Cumae  abgesehen,  nur  diese  zwei 
Stadtgemeinden  kleinstädtischen  Charakters:  Puteoli  und  Misenum.  Es  fragt  sich, 
auf  welche   der  beiden  die    bei  Petron   vorkommenden  Indizien   sich   vereinigen. 


Apelles  und  Protogenes  3  ' 

Die  fragliche  Stadt  war  ,urbs  graeea'.  Das  paßt  auf  Puteoli 3).  Misenum  aber  hat 
Mommsen  119  und  alle  seine  Nachfolger  ausgeschaltet,  obwohl  es  Kolonie  war 
-  es  stand  nach  CIL  X  1,  3678  unter  Duumvirn  —  sicher  seit  Claudius  (Momm- 
sen X  1,  317).  , Misenum  ist  als  Stadt  sehr  jung,  ohne  Zweifel  erwachsen  aus  der 
Lagerstadt,  welche  durch  die  von  Augustus  hier  eingerichtete  Flottenstation  ins 
Leben  gerufen  ward  .  .  .  Überhaupt  ist  es  überflüssig,  bei  Misenum  zu  verweilen, 
da  die  ,graeca  urbs'  allein  dasselbe  genügend  ausschließt'.  Es  wird  einem  nicht 
leicht,  Mommsen  nachzusagen,  er  habe  etwas  Wesentliches  übersehen.  Er  hat 
hier  die  Misenosdichtung  Vergils,  genauer  die  dieser  vorausliegende  Erzählung 
vom  Tode  des  Misenos,  des  Aioliden,  übersehen.  Weder  die  Aeneas-  noch  die 
ältere  Odysseusdichtung-  in    beiden   hat  Misenos    seine   Stelle  erklärt  den 

Aiolossohn  Misenos,  sondern  erst  die  Lokalsage  der  altgriechischen  Siedler  am 
Golf  von  Neapel.  Nach  einer  nicht  verächtlichen  Überlieferung  haben  sich  vor 
oder  neben  den  Chalkidiern  hier  Griechen  aus  der  kleinasiatischen  Aiolis  ange- 
siedelt4); wie  sollte  sich  auch  sonst  das  erythräische  Sibylleninstitut  bei  Cumae 
erklären!  Misenos,  ein  Sterblicher  (VI  174),  ein  Herold5),  wegen  seines  Trompeter- 
stolzes für  die  beleidigten  Seegötter  von  dem  Gotte  Triton  gestraft,  ins  Meer 
gestoßen  und  ertränkt,  das  ist  ein  alter  und  wiederholt  —  nicht  bloß  in  der 
Andromedaüberlieferung  -  -  auftretender  griechischer  Sagentypus.  Die  Griechen 
Kyrenes  erzählten  von  der  Begegnung  des  Euphemos  mit  dem  Meergeiste  Triton 
in  freundlichem  Sinne.  Ihre  Sage,  die  Pindars  herrliches  Gedicht  Pythien  IV 
wiedergibt,  behauptet,  am  Tritonsee  sei  in  Menschengestalt  Triton,  der  Herr  des 

3)  Klebs,   .PMlologus'    Suppl.   VI    675  ff.:    über  zu    schreiben    7ioiu,V7JTt;    (Pollux  VII     185    noniv.xa.: 

das    Topographische    Beloch,     Kampanien  2    10,0  ff. ;  "/.övs;;   vgl.  X'u.väiis).  Ein   Flurname  also   im  Tarenti- 

Friedländer  in   der  Sonderausgabe  der  Cena 2  q  ff.  nischen    war    Acheluris.     Solche    Namen    sind    gern 

*)  Cumae    sicher  zum  Teil  aeolische  Gründung:  zusammengesetzt  (z.  B.  'EXa^üäpta  auf  Salamis);    sie 

jetzt  auch  Sogliano,  Cuma  italica,  in  den  Miscellanea  sollten    doch    gesammelt    werden.     M.  Schmidt    und 

Salinas  57 — 70   (Palermo  1907).  Belochs  Ausführun-  Kaibel  haben  tü)v  äx6po>v  grundlos  entfernt:  es  wird 

gen   147  sprechen  nicht  dagegen.  'Ax-(eXo>üpu>v  zu  ergänzen  sein.  Oüpia-Ypia,  kretische 

5)  Schon  auf  der  ilischen  Tafel  (S.  37  Jahn-  Siedlung  bei  Tarent,  mag  im  zweiten  Teile  des  Flur- 
Michaelis).  Vgl.  Hesych  ootXm"f5]  WflfioadXiar[t  —  namens  stecken,  im  ersten  das  schon  aus  Hesychs 
doch  wohl  at-fTjv  ö  adXmfj;,  da  (wie  "AEbjvä  oocXmf;  Deminutiv  AxsXiov  :o  XsnTOUapsc,  (vielmehr  itotöv  X.) 
zeigt)  das  Wort  auch  für  Personen  gebraucht  und  zu  entnehmende  AxiXrj^.  , Wasserbillig'  ist  ein  Dorf 
also  moviert  wird  —  ävxi  Toü  y.rjpuj.  Tlv4{  Zk  Spvcv  am  F.inrluß  der  Sauer  in  die  Mosel  (schon  in  Luxem- 
Jtotov.  xai  Spfavov  7ioXs|iixdv.  xai  8-aXaaaiav  odX~'."f"fa.  t>urg),  , Welschbillig'  eins  im  Regierungsbezirk  Trier, 
nap'  ÄpxiX6x<u'.  3s  tiv  aTp6|ißov  (Fr.  192).  iv.iiyyi-.-j.:  und  .Billig'  (Belgicnm)  liegt  von  ihnen  auch  nicht 
5s  xai  £dXmf-fo;  'A3-r;väj  Eep&v  ~api  Ap-fstoij.  weit  ab.  Möglich,  daß  der  AxsXoupt;  die  -apaXia 
Meineke  schrieb  ti^/^z-x'/.r.:-^  bei  Bergk  435.  Vgl.  von  Uria-Hvria  entsprach  (Dionysios  Periegeta 
Thuk.  VI  32.  Übrigens  läßt  sich  durch  ["rennen  und  V.  376  ff.).  Acheloos  in  Metapont:  Head,  Hist. 
Verbinden  in  den  Lexika  mehr  heilen.  Hesych  A/s-  nun.  p.  63. 
XoupijJ  töv  iyj'jpiov  ito£p.VT]  tt ;  itapä  TapavxJvoij  ist 


32  F..  Maass 

Küstenlandes,  dem  anlandenden  Euphemos  erschienen  und  habe  ihm  die  Scholle 
geschenkt.  Kyrene  also  ist  Gabe  des  Triton  an  die  ersten  Siedler.  Daß  auch  die 
Griechen  am  Kap  Misenum  ihre  Ansiedlung  als  Geschenk  des  Triton  betrachte- 
ten, liegt  nahe  anzunehmen;  nur  daß  Misenos'  Frevel  erst  zu  büßen  war.  Münzen 
von  Cumae  zeigten  eine  Muschel  —  die  Urform  der  Trompete  —  und  das  Ketos; 
man  darf  Ketos  und  Triton  zusammenlegen.  Diese  Triton-Misenossage,  dazu  der 
Grabeskult  des  Misenos,  mitgeteilt  von  Vergil,  durch  die  römische  Neugründung- 
von  Misenum  damals  gerade  neu  belebt,  die  Genealogie  Misenos-Aiolos:  diese 
Tatsachen  belegen  vereinigt  eine  Griechensiedlung  am  Kap  Misenum,  eine 
,urbs  graeca'  vor  der  römischen  Kolonie,  die  in  Wahrheit  also  eine  Neugründung 
gewesen  ist.  In  Puteoli  oder  in  Misenum  könnte  die  Trimalchio-Szene  spielen. 
Wir  können  das  nicht  entscheiden,  nur  sagen :  der  allgemeine  Eindruck  führt 
eher  auf  Misenum,  weil  die  von  Petron  geschilderten  Stadtverhältnisse  frisches 
Leben  nirgend  verraten.  Puteoli  aber  hatte  gerade  damals  als  Kaufstadt  unbe- 
stritten seine  Glanzzeit.  Wer  sich  auf  den  allgemeinen  Eindruck  verläßt,  wird 
Misenum  als  Trimalchios  Heimat  betrachten.  , Petron  ist  ein  viel  zu  feiner  Satiri- 
ker, als  daß  er  Dinge  hinstellte,  die  den  Tatsachen  ins  Gesicht  schlagen',  urteilte 
Mommsen  S.  iii.  Nahe  läge  es  unter  solchen  Verhältnissen,  die  Stadt,  bei  der 
Petrons  Villa  lag,  und  Trimalchios  Kolonie  gleichzusetzen.  Petron  hätte  danach 
geschildert,  was  er  täglich  in  Misenum  um  sich  sah. 

2.  Enkolpios  gerät  bei  Petron,  als  er  den  Verlust  seines  geliebten  Giton  be- 
klagend die  Stadt  des  Trimalchio,  die  .griechische  Stadt',  durchirrt,  dabei  unter 
anderem  in  eine  (näher  nicht  lokalisierte  oder  benannte)  Gemäldesammlung  (83). 
Hier  sieht  er  ein  Gemälde  des  großen  Meisters  Apelles,  ein  Bild  von  solcher 
Schönheit,  daß  er  anbetend  schaut  und  schaut.  Dieses  Petronzeugnis  hat  Schick- 
sale durchgemacht,  über  welche  Wilamowitz,  Arch.  Zeitung  XXXIII  169,  Stud- 
niczka,  Vermutungen  zur  Kunstgeschichte  S.  37  ff.  und  Blümner,  Arch.  Zeitung 
XLII  134  berichtet  haben,  ohne  doch  das  Wahre  zu  finden.  „Iam  vero  Apellis, 
quam  Graeci  ,monocremon'  appellant,  etiam  adoravi."  Darüber  wollen  wir  nicht 
sinnen,  ob  nicht  vielleicht  Petron  selber  der  glückliche  Besitzer  des  angebeteten 
Bildes  war  (wie  Studniczka  41  vermuten  möchte).  Ob  in  Petrons  Landhause 
oder  in  dem  eines  Nachbarn  des  Petron  oder  gar  in  der  Kaiservilla:  das 
v  liebte,  bewunderte  Apellcsbild  befand  sich  zu  Petrons  Zeit  im  Bezirke  an- 
scheinend der  Stadt  Misenum. 

Was  stellte  das  Bild   vor?     .Monocremon'   soll   griechisch   sein,  ist  aber   vir- 


Apelles  und  Protogenes  33 

derbt;  ,monocnemon'  hat  unwiderlegt  J.  J.  Skaliger  hergestellt.  Schon  Brunn 
(Künstlergeschichte  II2  138)  verglich  mit  dieser  u.ov6xvr;|AOs  die  sogenannte  Ama- 
zone eöxwjiios  des  Strongylion;  diese  muß  durch  die  Schönheit  der  Beine  aufge- 
fallen sein  (Plinius  XXXIV  8;  82).  Was  aber  bedeutet  [iov6xv»j[ios,  ,die  mit  einer 
Wade'?  Die  besonders  durch  Brunns  Autorität  fast  allgemein  gewordene  Gleich- 
setzung der  [iov6x.vrju.os  und  der  Aphrodite  ava3i>o[i£V7)  des  Apelles  beruht  zunächst 
auf  vollkommener  Willkür,  da  gar  nichts  zu  ihren  Gunsten  angeführt  werden 
kann.  Falsch  ist  sie  deshalb,  weil  die  Tatsache,  daß  sich  zu  Neros  Zeiten  die 
[lovixvr^ios  in  einer  Privatgalerie  in  Kampanien  befand,  der  bestimmten  Nachricht 
des  Plinius  über  Apelles'  Aphrodite  widerstreitet,  nach  welcher  ,Venerem  exeun- 
tem  e  mari  divus  Augustus  dicavit  in  delubro  patris  Caesaris  (in  Rom),  quae 
,Anadyomene'  vocatur,  versibus  graecis  tali  opere,  dum  laudatur,  victo  sed  in- 
lustrato;  cuius  inferiorem  partem  corruptam  qui  reficeret  nun  potuit  reperiri, 
verum  ipsa  iniuria  cessit  in  gloriam  artificis.  Consenuit  haec  tabula  carie,  aliam- 
que  pro  ea  substituit  Nero  principatu  suo  Dorothei  manu'  (XXXV  91;  Strabo 
657,  ig).  Studniczka  vertritt  mit  Recht  die  Unbedenklichkeit  der  Angabe 
Petrons  über  das  Apellesbild.  Wir  sind  wirklich  nicht  so  reich,  um  auf  Schein- 
gründe hin,  hier  wie  bei  den  Kirchenvätern,  eine  Überlieferung-  leichthin  weg- 
zuwerfen. Die  ,Monocnemos'  sucht  er  durch  einige  Hilfsannahmen  dem  Verständ- 
nis zu  erschließen.  Es  sind  nicht  weniger  als  drei  solcher  Hypothesen,  die  Stud- 
niczka zusammengebaut,  1.  (unerweislich)  die  schon  sehr  schadhafte  Anadyomene 
sei  nach  ihrer  Entfernung  aus  dem  stadtrömischen  Caesartempel  als  Geschenk 
des  Kaisers  in  den  Privatbesitz  eines  Villenbesitzers  am  Golf  von  Neapel  über- 
gegangen; 2.  (unerweislich)  dasselbe  Bild  habe  besonders  an  dem  einen  Schenkel 
gelitten;  3.  (unerweislich)  dieses  so  beschädigte  Bild  der  Anadyomene  habe  in 
Rom,  aber  erst  nach  der  vollzogenen  Beschädigung,  bei  dort  lebenden  Griechen 
die  Bezeichnung  ,die  einschenkelige'  erhalten :  denn  ,Graeci  u.ov6xV7][iOV  appellant' 
sagt  Petron.  Drei  Hypothesen,  um  eine  vierte  als  möglich  hinzustellen,  das  wäre 
selbst  dann  zu  stark,  wenn  gegen  alle  diese  Hilfsannahmen  nichts  besonders  einzu- 
wenden wäre.  Es  gibt  aber  der  Gegeninstanzen  genug.  Richtiges  Gefühl  veran- 
laßte  Otto  Jahn,  das  Wort  ,Graeci'  bei  Petron  zu  streichen,  um  die  hypothe- 
tische Gleichung  Anadyomene-Monoknemos  zu  retten.  Gewalt  ist  aber  auch 
dies.  Haben  nach  Petron  ,Griechen'  den  Namen  Movöxv^ijios  aufgebracht,  so 
muß  er  in  Griechenland  irgendwo,  jedenfalls  aber  nicht  in  Rom,  entstanden  sein. 
Sodann  wäre  ,die  einschenkelige'  für  ein  Aphroditebild,  deren  einer  Schenkel 
sehr    gelitten    hatte,    keine    vernünftige   Benennung.     Doch   -       wozu   Hypothesen 

[ahreshefte  >!<-s  taten    archäol    Institutes  Bd    \l  r 


34  E.   Maass 

widerlegen,  wo  das  Richtige  durch  eine  vorurteilsfreie  Würdigung  der  sprach- 
lichen Form  des  Kompositums  ohne  Schwierigkeit  geboten  wird  ?  Denn  u.ov6xvw- 
uo;  ist,  wenn  es  nun  einmal  ,einschenkelig'  nicht  sein  kann,  nichts  anders  als  ,die 
einen,  nur  einen,  Schenkel  sichtbar  hat',  im  übrigen  also  die  intimeren  Reize 
des  Körpers  -  xx  p.Yj  ßXeJTO{ieva  sagt  Athenaios  in  einem  ähnlichen  Falle  XIII 
5yo  E  —  unter  dichten  Gewändern  verborgen  hält.  Ich  freue  mich,  hier  mit 
J.  Six,  Jahrbuch  XX  178  wenigstens  im  allgemeinen  zusammengetroffen  zu  sein. 
Anadyomene    und    Monoknemos   sind   verschiedene   Bilder   des   großen   Künstlers. 

3.  Widersprechend  waren  schon  im  Altertum  die  Angaben  über  die  Heimat 
der  Hetäre  Lais,  der  jüngeren.  Fr.  Jacobs  (Vermischte  Schriften  IV  390  ff.)  und 
Preller  (zu  Polemon  Fr.  XLIV)  haben  sie  zusammengestellt.  Wir  hängen  auch 
hier  ab  von  der  epigraphischen  Arbeit  des  Polemon.  Um  die  Wahrheit  gegen 
Timaios  zu  erweisen,  hatte  der  Perieget  sich  auf  den  am  Peneios  in  Thessalien 
errichteten  Grabstein  der  schönen  Sünderin  berufen.  Dessen  Aufschrift  lautete  so 
(Ath.  XIII   588  C): 

-.rfioi  7io\K  i\  [j.£yä>,XD/o;  dvtxijrog  xs  npbz  äXxrjv 

cEXXi;  iSouXw'Jbj  xxXXeoj  iaoti-iou, 
Aac'So;.  f)v  stexvwasv  ipw?,  9-pe^ev  ok  Kopiv^oc, 
y.zi-y.'.  0*  iv  y.Xstvoü;  BexxxX'./.o;:   -eo:V.c. 

Die  Grabschrift  will  orientieren.  Die  platte  Bemerkung  ,Kind  der  Liebe' 
war  aber  und  ist  zur  Orientierung  des  Lesers  ungeeignet;  nicht  wahr,  daß  die 
Wendung  auf  das  Nichtvorhandensein  eines  bestimmten  Vaters  zu  beziehen  sei. 
Das  wäre  zu  erweisen  (Pauly,  Realencyklopädie  u.  d.  W).  Neben  der  Korinthos 
als  Pflegerin  der  Lais  und  neben  Thessalien  als  dem  Lande  ihrer  letzten  Ruhe 
erfordert  der  antike  Epigrammstil,  erwarten  wir  die  Heimat  der  Hetäre.  Das 
Mzilische  Hykara  betrachtete  Polemon  als  ihren  Geburtsort;  ihn  muß  er  im  Epi- 
gramm statt  der  üblen  Interpolation  epw;  noch  gelesen  haben:  fy  sxlxvwa'  Txapa 

also  wohl. 

Qaxpoc  MtXrjxos  ziv.zz:  Mouaaiai  itaB-eivov 

Ti|iöil'Eov.  v.'.W-iyj.i  5=E;öv  ^vfo^ov. 

Den  Typus  kennen  wir  aus  dem  vergilischen  Epitaph  in  Neapel: 

Mantua  me  genuit,  Calabri  rapuen\  tenet  nunc 
Parthenope :  cecini  pasvua  rura  duces. 


Apelles  und    Protogenes  35 

Vergils  Dreiteilung  ist  sachlich  mehr  eine  Zweiteilung :  Geburt  und  Tod,  Geburt 
in  Mantua,  Tod  in  Kalabrien,  Bestattung  in  Neapel.  Dagegen  hat  das  Laisepi- 
gramm wohl  den  ursprünglicher)   Charakter  eingehalten. 

Das  Grabmal  der  Hetäre  trug  eine  Hydria.  Das  sollte  jedenfalls  nicht  die 
Unvermähltheit,  das  nicht  vollzogene  Brautbad  der  Lais  bedeuten;  Preller  hätte 
dergleichen  nicht  von  der  Hetäre  sagen  dürfen  (p.  1 1 6).  Der  wirkliche  Grund 
läßt  sich  finden.  Athenaios  erzählt  XIII  588  C  :  ÄJceXXvj;  51  6  ^wypa^os  ext  Ttap9ivov 
ouaav  tyjV  Aat'oa  ^saaä|.i£VO?  omb  zffi  Iletprjvrjc;  üopocpopoOaxv  xat  itxu|iaaa;  zb  xäXXo; 
fjyayev  tote  aürfjv  etc;  cpt'Xwv  au|t:iciatov.  yXeuaaävnov  51  aüxöv  iö>v  eixtpwv,  Sit  äviV  etatpa; 
7t3tp{)'£Vov  et;  zb  <TJ[.i7i:iatov  äyayot,  ,[iY|  {t'a'jjiäarjTe'  efuev  ,eyio  yäp  aOir^v  et?  jjiXXouaav 
ärcoXauatv  \iez  oü  tptexetxv  xxXr^v  oetijw.'  Wenn  die  Zechgenossen  des  Apelles  dorn 
mit  Lais  eintretenden  Künstler  entgegenriefen,  er  hätte  ihnen  da  eine  ehrbare 
Jungfrau,  keine  Hetäre,  wie  üblich,  mitgebracht,  so  müssen  sie  dem  Mädchen 
wohl  an  ihrem  Anzug  die  Ehrbarkeit  angesehen  haben.  Sie  trug  damals  eben 
nicht  das  durchsichtige  Gewand  der  Hetäre,  sondern  eine  alle  Glieder  gleich- 
mäßig verhüllende  Kleidung.  Den  Gegensatz  der  Gewänder  mag  das  Jahreshefte 
\  90  jüngst  veröffentlichte  Mainzer  Säulenrelief  veranschaulichen,  auf  welchem 
Athena  schwer  wallende  Verhüllung,  Tyche  ganz  durchsichtige  Kleidung  trägt. 
Bei  Araros  in  der  Komödie  ,Kaineus'  (II  216  Kock)  tritt  Kaineus  auf,  gehüllt  wie 
eine  ehrbare  Jungfrau  in  dichte  Gewänder  : 

TCxpit-evo?  3'  eivxt  Soxef. 
cpopwv  xpoaorcoü;  xat  yuvatxet'av  GzoXfy. 

Die  Antwort  des  Apelles  an  die  Zechgenossen  wird  durchweg  mißverstanden. 
Jacobs  401  schreibt  wunderlich:  ,Lais  war  damals  noch  sehr  jung;  denn  erst 
nach  Verlauf  von  drei  Jahren  versprach  Apelles  sich  den  Genuß  ihrer  keimenden 
Schönheit'.  Kein  Wort  davon  steht  im  Texte  des  Athenaios.  Vielmehr  ist  die 
Erwiederung  des  Künstlers  verständlich  allein  aus  der  Tracht  des  Mädchens : 
, Geduld,  nach  nicht  ganz  drei  Jahren  wird  meine  Kunst  zum  Vorgenuß  sicht- 
bar machen  und  enthüllen'  -  -  einen  bestimmten  Körperteil,  nicht  den  ganzen 
Leib,  erwartet  man  natürlich.  Das  entscheidende  Schlußwort  ist  anerkannt  ver- 
dorben :  xxXr;  ist  Lais  ohne  Apelles'  Kunst,  von  Natur.  Aef^w  heißt  ,ich  werde 
sichtbar  machen',  nicht  also  durch  das  schwere  dichte  Madchengewand  verhüllt 
zeigen  -  -  wir  erwarten,  wegen  des  Vorgeschmackes,  dieses  oder  jenes  Glied  von 
ihr.  Notwendig  muß  aürfjj,  der  partitive  Genetiv,  hergestellt  und  in  KAAHN  dir 
Ausdruck  für  ein  bestimmtes,  im  Gemälde  erst  zu  enthüllendes  Glied,  Brust  oder 


3  6  E.  Maass 

Bein  also,  erwartet  werden  als  Akkusativ.  Stepvov,  «.aaiöv  gehen  nicht  in  die  über- 
lieferten Buchstaben,  wohl  aber  KNHMHN.  Mit  entblößtem  einen  Beine  hatte 
Apelles  die  herrliche  Gestalt  abwärts  schreitend  auf  Akrokorinth  zuerst  erblickt, 
den  Wasserkrug  auf  dem  Kopfe.  Pausias  stellte  seine  Geliebte,  eine  gewesene 
Kranzfiechterin,  als  Blumenmädchen  auf  einem  durch  Goethes  Gedicht  wieder 
berühmt  gewordenen  Tafelbilde  dar:  Plinius  XXXV  125  ,postremo  pinxit  et  ipsam 
sedentem  cum  Corona.  Quae  e  nobilissimis  tabula  est  appellata  Gzs.^mrpXbv.oc.,  ab 
aliis  a-£'favo7iü)Xc;,  quoniam  Glycera  venditando  Coronas  sustentaverat  pauper- 
tatem'.  Es  verdient  Beachtung,  daß  ein  Künstler  aus  unseren  Tagen  das  Blumen- 
mädchen des  Pausias  —  nach  Goethe  -  -  in  die  Malerei  sozusagen  zurückversetzt 
hat;  ich  meine  das  Gemälde  im  Goethezimmer  des  Weimarer  Schlosses.  Das 
Laisbild  nun  mit  dem  einen  entblößten  Bein  und  die  jiovoy.vr^ioc  bei  Petron,  beides 
Arbeiten  des  Apelles,  wer  wird  sie  trennen  wollen? 

Es  gibt  noch  ein  allgemein  bisher  übersehenes  Zeugnis  über  die  Lais  uovö- 
xvrjfios  des  Apelles.  Tffi  twv  'EXXtjVwv  axpaacx?  G7iöj.ivr;|.ia  nennt  bei  Ath.  XIII  59 1  B  Krates 
der  Kyniker  des  Praxiteles  Phrynebild  in  Delphi.  Zuerst  die  Kyniker  —  nach  ihnen 
und  gewöhnlich  durch  sie  die  Juden  und  die  Christen,  besonders  die  Christen  — 
spielen  die  Idealgebilde  der  hohen  Kunst  der  Griechen  gegen  die  Griechen  aus. 
.Libidinum  propriarum  monumenta  sancire'  sagt  Arnobius  VI  225  von  den  griechi- 
schen Künstlern,  die  sterbliche  Frauen  zum  Modell  ihrer  Götterdarstellungen 
nahmen.  Xach  p.  224  soll  Praxiteles  das  Gesicht  seiner  knidischen  Aphrodite  ,ad 
formam  Cratinae  meretricis',  seiner  Geliebten,  ,sollertiarum  coegisse  certamine'. 
Nicht  ,muliercularum' 6).  Die  Reden  der  alten  Apologeten  klingen  fanatisch  düster, 
erinnern  an  Savonarolas  alle  Kunst  vernichtende  Predigten  in  S.  Maria  del 
Fiore;  ob  sie  auch  die  Wirkung  des  florentinischen  Zeloten  fanden,  wissen  wir 
nicht.  ,Die  Figuren'  —  schilt  einmal  Savonarola  -  -  ,die  ihr  in  euren  Kirchen 
malen  laßt,  sind  die  Gestalten  eurer  Götter.  Trotzdem  können  die  jungen  Leute 
sagen,  wenn  sie  diesem  oder  jenem  Weibe  begegnen:  das  ist  Magdalena,  das 
der  heilige  Johannes.  Denn  die  Bilder  eurer  Dirnen  von  der  Straße  laßt  ihr 
malen  als  Heilige  in  den  Kirchen.  Damit  zieht  ihr  das  Göttliche  in  den  Staub, 
bringt  alle  Eitelkeit  in  das  Haus  des  Ewigen.  Glaubt  ihr,  daß  die  Jungfrau 
Maria  so  gekleidet  ging,  wie  ihr  sie  malt?  Ich  sage  euch,  sie  trug  die  Kleidung 
der  Armen,  ihr  aber  malt  sie  wie  eine  Dirne'.  Bei  Tatian  (34  p.  36  Schw.)  lesen 
wir:  ,Aa':;  i~iy/vj^v/,  v.y.\  ö  rcopvo;  (toüpvo;:  verb.  Wilam.)  aCn^v  Ü7:G|ivrjna  nop/iiy.; 
hnoirptv1.  Der  Ausdruck  [loiyecas  &7to(ivr)|iaxtax^?  fällt  nach  Kap.  22  (p.  24,  29  Schw.), 

•)  Vgl.   Brunn  I2   238. 


Apelles  und  Protogenes  37 

ohne  daß  auch  diese  Person  mit  ihrem  Namen  genannt  würde.  Tatian  setzt  bei 
diesem  seinem  Heidenpublikum  einen  hohen  Grad  von  Bildung  voraus.  IIopvos, 
das  Maskulinum  zu  icöpvrj,  ist  neuerdings  aus  den  thermischen  Inschriften  (IG  XII 
3,  536)  bekannt  geworden.  Also :  ,der  Lais  geschändet,  derselbe  schuf  in  einem 
Bilde  der  Lais  das  Erinnerungszeichen  für  diese  Schändung'.  Kalkmann  meinte 
Rhein  Mus.  42  S.  511,  es  müßte  auffallen,  daß  niemand  außer  Tatian  von  einem 
solchen  Laisbilde  weiß;  der  Künstler  sei  unbekannt.  Wenn  auch  :  erfunden  hat 
Tatian  das  Bild  so  wenig,  wie  die  anderen.  Nur  redet  er  von  diesen  Dingen,  da  er 
sie  unter  seinem  als  gebildet  vorausgesetzten  Publikum  bekannt  glaubt,  in  sehr 
allgemein  gehaltenen  Wendungen.  Wir  wollen  nicht  müde  werden,  seinen  An- 
deutungen nachzugehen;  wir  sind  nicht  reich  genug,  um  auf  solche  Fundgruben 
der  Kunstgeschichte,  wie  die  Kirchenväter  sind,  Verzicht  zu  leisten.  Zum  Ver- 
zweifeln ist  auch  kein  Grund.  Es  war  der  rcöpvog  selbst  —  ihr  erster  Verführer  - 
der  Lais  durch  ein  Werk  der  Kunst,  der  Plastik  oder  Malerei,  dargestellt  und 
berühmt  gemacht.  Dann  war  es  eben  kein  anderer  als  Apelles.  Das  sollte  ein- 
leuchten. Aai:  'j-o  ÄtcXXoö  toü  vwypäcpou  {rTjpco-cpocpi'jireüaa  schildern  die  korinthischen 
Hetären  in  dem  fiktiven  Alkiphron-Briefe  Fr.  V.  Was  hier  ir-rjptOTpocpTjfreraa  be- 
sagen will,  mag  eine  Stelle  aus  demselben  Literaturgebiet,  aus  Aristainetos  II  20 
lehren  —  eine  Stelle,  welche  sich  liest  etwa  wie  die  Hetärenrede  in  Wielands 
,Agathon'  — :  ev  xaig  äxptopetatg  rcepwtXav<i>|ieva  zä  Shjpta  entavcws  äitKföetai  toB;  äv- 
B-p&noic,  £:  0|uT)v  5s  ^tüyprjS-evra  xal  Jtapa*7jy6[ieva  tot?  jcuv^ysotots  |Mtv9«vet  ^ypiaivety. 
töaaÜTw;  3s  xxi  fyiöes  (die  Hetären)  IxSiSaoxexe  otov  ihjpo-potpoövxe;  [xrjOxu.co;  IXsetv, 
äXkx  axXijpös  öbcaudaSiCecrfroK  toi?  veoig.  Wie  ein  junges  Pferd  —  erklärt  gut  ein 
Alkiphron-Herausgeber  -  in  der  Reitbahn  unter  den  Händen  eines  erfahrenen 
Bereiters  auf  alle  Gangarten  eingelernt  wird,  so  sei  Lais  nach  der  Auffassung  der 
Hetären  Alkiphrons  für  ihren  späteren  Hetärenberuf  eingeübt  und  gezähmt  worden 
durch  ihren  ersten  Besitzer,  den  Maler  Apelles.  So  also  Alkiphron.  Daß  dieser  Zeuge 
etwas  ganz  anderes  aussagt,  als  was  wir  bei  Athenaios  oben  S.  35  gefunden  haben, 
sei  gegen  die  Alkiphron-Erklärer  (Bayle  und  Wagner)  ausdrücklich  bemerkt. 

Lais  wird  nicht  wenig  stolz  auf  die  TSpotpöpog  des  großen  Malers,  die  ihre 
Züge  und  ihre  .schlanke  Aalgestalt' ')  hatte,  gewesen  sein.  Ob  ihr  selbst  das 
später  an  den  Golf  von  Neapel  verschlagene  Gemälde  zuerst  auch  gehört  hat, 
wissen  wir  nicht  mehr.  Die  Hydria  aber  auf  ihrem  Grabe,  ihr  Wappen  gewisser- 
maßen, sollte  sie  nicht  durch  das  berühmte  Apellesbild  veranlaßt  sein? 

7)  Alkiphron   schildert  Lais  a.a.O.  als  eine  von        richtig,  statt  i^rX&Xoug Wagner).  Jahreshefte  IX  14:17. 
denen,   .welche  wir  tag  !axv*?  *7X^Et£  nennen'  (so 


38  E.   Maass 

4.  Unter  den  älteren  Künstlern  hatte  Polyklet  einen  .Kanon'  verfaßt,  Xeno- 
krates  über  die  Toreutik  und  Antigonos  über  die  Maler  geschrieben.  Über  diese 
Namen  ist  in  den  beiden  letzten  Jahrzehnten  viel  und  eingehend  gehandelt 
worden.  Geschriftstellert  hat  über  seine  Kunst,  über  sich  und  über  andere  Maler 
auch  Apelles.  Ich  finde  ihn  in  den  neueren  Arbeiten  nur  flüchtig  erwähnt  und 
abgetan.  Plinius  nennt  das  einem  Schüler  namens  Perseus  gewidmete  Apelles- 
buch  XXXV  iii  adnumeratur  his  Nicophanes  elegans  ac  concinnus  ita,  ut  venu- 
state  ei  pauci  comparentur.  Cothurnus  ei  et  gravitas  artis  multum  a  Zeuxide  et 
Apelle  abest.  Apellis  discipulus  Perseus,  ad  quem  de  hac  arte  scripsit,  huius 
fuerat  aetatis'.  Plinius  nennt  Apelles  vor  Buch  XXXV  unter  den  Quellen,  zitiert 
ihn  79  .picturae  plura  solus  prope  quam  ceteri  omnes  contulit,  voluminibus  etiam 
editis,  quae  doctrinam  eam  continent'  und  hat  ihn  offensichtlich  mehrfach  benutzt  8). 
Ich  weiß  nicht,  woher  Kalkmann  (Quellen  des  Plinius  236  f.)  den  Mut  nahm  zu 
wissen,  daß  Plinius,  ja  daß  einer  der  ersten  Gewährsmänner  des  Plinius,  daß 
sogar  Varro  die  Schrift  des  Apelles  über  die  Malkunst  sicher  nicht  benutzte 
Daß  Kalkmann  wie  Brunn  gar  von  mehreren  Schriften  des  Apelles  reden  (S.  234), 
daß  Brunn  (II2  144)  die  Apellesschrift  sich  ,in  Form  eines  Lehrbuches'  denken 
möchte,  ist  erklügelt.  Eine  weitere,  durch  nichts  gerechtfertigte  Vermutung 
Brunns  (II2  155)  will  das  Pliniuszitat  aus  dem  Apellesbuch  zu  einem  Redaktions- 
zusatz des  Schriftstellers  machen,  nur  um  die  ihm  —  ich  weiß  nicht,  warum  — 
unbequeme  Nachricht  aus  der  Quellenfrage  der  plinianischen  Überlieferung  über 
die  Kunstgeschichte  zu  entfernen  oder  als  nicht  vorhanden  behandeln  zu  dürfen. 

8)  Plinius  XXXIV  68  nach  Lysipps  Erwähnung:  spricht    er   auch    von    Apelles    XXXV   79.    er   habe 

.Artifices,  qui  compositis  voluminibus  condidere  haec,  die  Malerei  mehr  gefordert  als  alle  Maler   zusammen 

miris  laudibus  celebrant  Telephanem  Phocaeum  igno-  .voluminibus   etiam    editis   quae    doctrinam   eam  con- 

tum   alias,    quoniam    in   Thessalia    h.ibit.iverit   et    ibi  tinent'.     Es   könnte  also  z.  B.  auch  in   der  in  dieser 

opera  eius  lituerint,  alioqui  suffragiis  ipsorum  aequa-  Anmerkung   zuerst   genannten    Stelle    sehr    wohl    ein 

tur  Polyclito  Myroni  Pythagorae;  laudant  eius  Laris-  Apelleswort  über  den   Phokaeer  Telephanes  stecken, 

*am  et  Spintharum  pentathlum  et  Apollinem.   Aliinnn  das  von  einem   andern  (alii  non  hanc  — )    bestritten 

hanc  ignobilitatis  fuisse  causam,    sed  quod  se  regum  wurde.     Die    ganze  Pliniusfrage  muß   neu  behandelt 

Xerxis  atque  Darei  officinis  dederit,  existimant.'  Man  werden.     Auch  Münzer,    Hermes    XXX     520    sieht 

sieht    hier   ganz   deutlich,    die    erste   Quelle    ist  von  in  den   ,artifice<'   XXXIV   6S    notwendig    Bildhauer, 

der  mit  ,alii'  beginnenden  zweiten  angeführt,  um  be-  und    zwar  Xenokrates  und   Antigonos.   —    Vielleicht 

stritten    zu    werden.    XXXIV   S3    ,Xenocrates   Tisi-  gehören  auch  in  das  Apellesbuch  Plinius  XXX 

cratis    discipulus,    ut  alii  Euthycratis,    vicit  utrosque  42   , Apelles  commentus  est  ex  ebore  combusto  faecre 

copia  signorum    et  de    sua  arte  composuit    volumina.  quod   elephantinuin    vocatur   (atramentum)'    und    Plu- 

Plures    artifices    fecere    Attali   et    Eumenis    adversus  tarch,     De    liberis    educandis  6  F    Jurfpä^o;    (ifaaiv) 

iV.illos  proelia,  Isigonus  Pyromachus  Stratonicus  Anli-  äfRio;    'Xr.i'/.'/.i,:  iiii'J.-    alxiva    tTO&Vl(i'  l^rj    ,v8v  fi- 

gonus,  qui   volumina  condidit  de  sua  arte'.    Und  im  fpatpa'.  8   5;   ,X&v  ei  |iv,  Xi-fv.j'  ec-ev  ,o!3a  öt;  xayjj 

Quellenverzeichnis     des      XXXIII.     und     XXXIV.  ft^pamtu.    &ctO|lä£a)  'A,   rauf,   oü/l    TStoc'Vrx;    nXs(ou( 

Buches,    ,Antigonus    qui    de  torcutice    scripsit'.     So  •r»TFaTa; '■ 


Apelles  und   Protogenes  39 

Kein  Zweifel:  die  S.  35  besprochene  Athenaiosstelle  über  Apelles'  Laisbild,  über 
des  Künstlers  Bekanntwerden  mit  dem  schönen  Weibe  bei  der  Peirenequelle, 
geht  auf  eine  Mitteilung  in  eben  dieser  Schrift  des  Apelles  zurück. 

Plinius  fährt  XXXV  79  fort:  ,praecipua  eius  in  arte  venustas  fuit,  cum 
eadem  aetate  maximi  pictores  essent,  quorum  opera  cum  admiraretur  omnibus 
conlaudatis,  deesse  illam  suam  venerem  dicebat,  quam  Graeci  yäpi-x 
vocant,  cetera  omnia  contigisse,  sed  hac  sola  sibi  neminem  parem.' 
Man  sieht:  Apelles  übte  an  den  Mitkünstlern,  an  Zeitgenossen  und  an  Vor- 
gängern, eingehende  Stilkritik.  Das  bestätigen  Cicero,  Orator  XXII  73  ,in  omnibus 
rebus  videndum  est  quatenus;  etsi  enim  suus  cuique  modus  est,  tarnen  magis 
offendit  nimium  quam  parum.  In  quo  Apelles  pictores  quoque  eos  peccare  dice- 
bat, qui  non  sentirent,  quid  esset  satis'  und  Ouintilian  XII  10,  6  ,ingenio  et  gratia, 
quam  in  se  maxime  iactat,  Apelles  est  praestantissimus'.  Das  steht  auch  -  -  also 
wieder    aus  Apelles'  eigener  Schrift  bei    Plinius  XXXV   79  ff.     Wohl  gegen 

dieses  Bekenntnis  des  Apelles  richtete  sich  sein  Zeitgenosse,  der  Maler  Melan- 
thios;  er  vertrat  in  seiner  Schrift  ,Über  die  Malerei'  das  gerade  Gegenteil:  osiv 
KÖ{h£Seiav  xiva  xat  ay.Xrjpöxr^a  -coC;  £pyo[S  hatpk^ect  (D.  L.  II  48).  Wiederholt  fiel  den 
Behandlern  der  antiken  Kunsturteile  der  gleiche  Gedanke  und  die  gleiche 
Ausdrucksform  der  Kritik  auf,  welche  Kallimachos,  Phidias'  Zeitgenosse,  in 
unseren  Quellen  erfahren  hat.  Die  Berichte  lauten  in  der  Hauptsache  überein- 
stimmend. Plinius  schreibt  XXXIV  92  ,ex  omnibus  autem  maxime  cognomine  in- 
signis  est  Callimachus,  semper  calumniator  sui  nee  finem  habentis  diligentiae,  ob 
id  ,catatexitechnus'  appellatus,  memorabili  exemplo  adhibendi  et  curae  modum. 
Huius  sunt  saltantes  Lacaenae,  emendatum  opus,  sed  in  quo  gratiam  omnem 
diligentia  abstulerit.  Hunc  quidam  (oder  .quidenr  Hdss)  et  pictorem  fuisse  tradunf. 
Sodann  Pausanias  I  26,  7:  6  31  Ky.'/JJny.yoc,  6  tov  Xuyvov  noirpon;  (auf  der  Akropolis) 
dbco§£(i)V  twv  7üpw-wv  £j  y.'j-.\-t  tJjv  -.iyyi)v,  ouxw  aocpc'ac  7k£vc(i)V  laxlv  äpiaro?,  waxe  jtal 
Xifroo;  npötog  I-upiiETjae  /.sei  Bvojjux  üfeza  jtaTaxrj^ixexvov  \  !i'£;i£vr->v  äÄXwv  xarlarrjaev  icp' 
laoxäk.  ,Was  Plato  sich  im  einzelnen  vom  irdischen  Wissen  zueignet,  schmilzt,  ja 
man  kann  sagen,  verdampft  in  seiner  Methode,  in  seinem  Vortrag'  sagt  Goethe 
in  den  Materialien  zur  Farbenlehre  50.  Danach  glaubte  ich  Yaxaxrßis/iyoz  (nebst 
dem  zugehörigen  und  auch  belegten  v.oi.xa.rif/.s.w  vtp  Ts/vr^v)  verstehen  zu  müssen 
als  einen  ,der  die  Kunst  einschmilzt  und  also  durch  das  unausgesetzte  Nachfeilen 
aufhebt',  bevor  ich  noch  Brunns  lichtvolle  Behandlung  II2  178  gelesen  hatte.  Er 
behält  gegen  die  Neueren  auch  darin  recht,  daß  das  Kompositum  trotz  des 
Rhythmus   nicht  notwendig    aus  einem    Epigramm   herstammen  miilJ.     Es  ist  ein 


40  E.  Maass 

Ausdruck  von  epigrammatischer  Schärfe,  von  einem  Künstler  des  Wortes  und 
des  Gedankens,  von  einem  auch  kunstverständigen  Beurteiler  geformt.  Das 
Urteil  bewegt  sich  ganz  in  der  Weise  des  Apelles;  dies  muß  als  gesichert  gelten. 
So  kann  Apelles  der  Schöpfer  auch  dieser  kritischen  Plastik  gewesen  sein.  Wir 
werden  uns  daran  gewöhnen  müssen,  neben  und  vor  den  Epigrammen  auf  Kunst- 
werke die  Urteile  der  nächst  beteiligten  Künstlerwelt  als  wirksam,  als  für  viele 
maßgebend  zu  betrachten. 

Pankaspe  malte  Apelles  auf  Befehl  Alexanders  des  Großen.  Plinius  (86)  hat 
darüber  einen  längeren  Bericht  eines  in  die  Sache  Eingeweihten.  Nachdem  er 
die  von  Apelles  geprägten  Worte  ,kein  Tag  ohne  wenigstens  eine  Linie'  und 
.Schuster,  bleibe  bei  deinem  Leisten'  in  ihrer  Entstehung  erläutert  und  sein  Ver- 
hältnis und  seinen  Freimut  gegenüber  Alexander  berührt,  erzählt  er,  wie  ihm 
Alexander  aufgetragen,  seine  Geliebte  Pankaspe  zu  malen  ,nudam  ob  admiratio- 
nem  formae'.  Bald  habe  Alexander  bemerken  können,  wie  Apelles  das  schöne 
Weib  liebgewonnen;  so  habe  er  sie  dem  Künstler  geschenkt  .magnus  animo, 
maior  imperio  sui,  nee  minor  hoc  facto,  quam  victoria  aliqua.  Quippe  se  vicit, 
nee  torum  tantum  suum,  sed  etiam  adfectum  donavit  artifici,  ne  dileetae  quidem 
respectu  motus,  cum  modo  regis  ea  fuisset,  modo  pictoris  esset'.  Man  glaubt, 
Benvenuto  Cellini  plaudern  zu  hören.  Plinius  fügt  hinzu  ,sunt  qui  Venerem  Ana- 
dyomenen  ab  illo  pietam  exemplari  putent'.  Möglich,  ja  wahrscheinlich,  daß  dies 
eine  im  letzten  Grunde  auf  Apelles  selbst  zurückgehende  Nachricht  ist,  viel 
wahrscheinlicher  jedenfalls  als  das,  was  a.  a.  O.  Athenaios  mitteilt  und  Wieland 
im  Agathon  (III  5)  verbreitet  hat;  danach  wäre  zu  .Aphrodite,  wie  sie  dem 
Meere  entsteigt'  das  Modell  Phryne  gewesen,  wie  sie  vor  den  Augen  aller  in 
Eleusis  versammelten  Hellenen  an  den  Eleusinien,  auch  an  den  Poseidonien,  nackt 
und  mit  gelösten  Haaren  in  die  Wogen  zu  steigen  pflegte,  um  das  Bad  zu 
nehmen'.  Diese  Geschichte  übertreibt  widerwärtig.  Auch  wissen  wir  ja,  daß 
Apelles  nach  einem  Modell  arbeitete,  nicht  nach  einem  zufällig  sich  darbieten- 
den Momentbilde;  das  erheben  zur  Gewißheit  die  Geschichten  von  Lais  und  Pan- 
kaspe. Wir  haben  Grund,  die  ,Anadyomene'  des  Apelles  für  ein  nach  der  Pan- 
kaspe gearbeitetes   Aphroditebild  zu   nehmen. 

Es  fällt  immer  wieder  auf,  wie  Apelles  in  der  Darstellung  des  Plinius  als 
der  menschlich  stets  Liebenswerte  geschildert  wird;  er  ist  voll  Anerkennung 
gegen  andere,  die  älteren  Meister  und  seine  Zeitgenossen;  er  ist  aber  darum 
auch  wohlyelitten  selbst  bei  dem  höchsten  Herrn,  bei  Alexander  dem  Großen. 
Alles  das  findet  man   mit    Iiinzelbelcgen   versehen.     Jetzt    ahnen    wir.    woher    das 


Apelles  und   Protogenes  4  • 

alles  im  letzten  Grunde  stammen  mag:  aus  dem  mit  biographischen  Einzelheiten 
reich  ausgestatteten  Apellesbuch.  Dies  festgestellt,  findet  ein  auch  für  die  Kunst 
der  Renaissance  bedeutsam  gewordenes  Erlebnis  des  Apelles  am  Hofe  des  ersten 
Ptolemäers  seinen  Berichterstatter  wieder.  Wie  Lukian,  De  calumn.  5  das  Ge- 
mälde ,die  Verleumdung'  entstehen  läßt,  ist  sie  legendarisch,  weil  zeitlich  un- 
möglich; vgl.  Brunn  II2  140.  Was  dagegen  Plinius  (8g)  mitteilt,  scheint  nach 
allem,  was  bisher  über  das  Apellesbuch,  memoirenartige  Aufzeichnungen,  er- 
mittelt wurde,  auf  dieses  zurückzugehen  und  nicht  Ausschmückung  Späterer  zu 
sein  (Brunn  a.  a.  O.).  Es  fügt  sich  ein.  Plinius  schreibt:  ,Non  fuerat  ei  gratia  in 
comitatu  Alexandri  cum  Ptolemaeo.  Quo  regnante  Alexandriam  vi  tempestatis 
expulsus  subornato  fraude  aemulorum  piano  regio  invitatus  ad  cenam  venit,  indi- 
gnantique  Ptolemaeo  et  vocatores  suos  ostendenti,  ut  diceret,  a  quo  eorum  invi- 
tatus esset,  arrepto  carbone  exstincto  e  foculo  imaginem  in  pariete  delineavit 
agnoscente  voltum  plani  rege  incohatum  protinus'.  IIXxvo;  regius,  hier  soviel  wie 
vocator  , Botenläufer  des  Königs',  war  offenbar  offizieller  Hoftitel  in  Alexandrien. 
Damit  ist  die  letzte  Herkunft  dieser  Geschichte  eigentlich  schon  erwiesen.  Man 
glaubt  auch  hier  einen  Benvenuto  Cellini  aus  seinem  bewegten  Leben  mit  liebens- 
würdiger Selbstgefälligkeit  plaudern  zu  hören.9) 

Mit  Lysipp  lebte  Apelles  zeitweise  am  Hofe  Alexanders  zusammen;  nur 
von  ihnen,  heißt  es,  ließ  der  König  sich  darstellen.  Auf  einen  mit  Lysipp  in 
Verkehr  stehenden  Schriftsteller  geht  zurück,  was  in  dem  berühmten  Kunst- 
urteil über  Lysipp  Plinius  XXXIV  65  mitteilt:  .  .  vulgoque  dicebat  ab  Ulis  (Poly- 
klet,  Myron,  Pythagoras)  factos  quales  essent  homines,  a  se  quales  viderentur' 
und  alles,  was  äußerlich  und  innerlich  mit  diesem  Ausspruch  bei  Plinius  zusammen- 
hängt. Das  ist  nach  den  Ausführungen  Otto  Jahns  (Ber.  d.  sächs.  Gesellschaft 
1850  S.  128  ff.)  und  seiner  Nachfolger  nicht  ganz  wenig.  Im  System  der  Kunst- 
urteile   des  Plinius    hat  Apelles    eine   ganz   bedeutende  Stelle.     Plinius   berichtet 

9)  In  der  .Verleumdung'  sieht  R.  Förster,  Jahrb.  xu/S'v   i'Xsüw,    Ö.XX'  elf,  xoüg   äasßsis  (öaJHjvat   Sia  T»)V 

der  kgl.  preuß.  Kunstsammlungen  VIII   31,    den  di-  novvjpiav  xoö    ßtou,    xofftov    ütist;    &8lX0Üvxa  XaßdvTs; 

rekten  Nachkommen  eines  Gemäldes,  wie  es  das  des  od  |iövov  oü  xtuwprjaeairs,    6uX%    xai   u,st£6v<uv    4&A- 

Aristophon.  des  Bruders  des  Polygnot.   war  Cnume-  aavxsj  Scüpscöv  äcpfpexz  (b;   xoiij   süspf ixa;;).    Es  ist 

rosa    tabula,    in    qua    sunt  Priamus,    Helena,    Credu-  gewissermaßen    die   Hölle   selbst,    welche    den    Ver- 

litas,    Ulixes,    Deiphobus,    Dolus'    Plinius    XXXV  leumdelen    vor    den    leichtgläubigen    König    bringt; 

138I,  und  den  leiblichen  Bruder  von  Gemälden,  wie  aber   die  Himmelstochter,    Aletheia,    naht;    sie  wird 

sie    Demosthenes    beschreibt   (Gegen   Aristogeiton  A  diese  Höllengeister  zerstreuen.  Vgl.  Vergil   VI:   dort 

52    p.  786    |is9-'    wv   5'  oi  £ü>7pri-.f0i   xvjj   äcosßsrc,   sv  weilen  sie  im  Vorräume,  den   sie  —  wie  die  Eumeni- 

'AlBou  fpacpouoi,    (lsxi  xoüxcuv,  psx'  Äpäj  xai  BXa3-  den  —  nur  verlassen,  um  die  Menschen  zu  quälen.  — 

_T,]t£a;  v.xl  <l>3-6vou    %a.\  Sxccosu);   xat   Nsbtou;,  nzy.-  Über  das  Verhältnis  zu  Ptolemaios   und    dem   Riva- 

i'//j.-'j.:.    s!;t'  8v  oOSs  xfiv  sv  "Aiä&u   &söv   ilv.i;  lott  len   Antiphilos:  Förster  30. 

J.ibreshefte  des  österr.  archüol.   Institutes  Bd.  \  1  6 


42  F..   Maass 

XXXV  107:  ,eadem  aetate  fuit  Asclepiodorus,  quem  in  symmetria  mirabatur 
Apelles'  natürlich  in  seiner  Schrift.  80:  ,Melanthio  dispositione  cedebat  (Apelles), 
Asclepiodoro  de  mensuris,  hoc  est  quanto  quid  a  quoque  distare  deberet'.  Kalk- 
mann, Die  Quellen  der  Kunstgeschichte  des  Plinius  (Berlin  1898)  S.  11  bemerkt 
richtig:  ,Dort  bewundert  Apelles  den  Asklepiodor,  hier  erkennt  er  ihn  als  den 
Überlegenen  an;  dort  steht  das  griechische  Wort  Symmetrie,  hier  eine  lateinische 
Umschreibung'.  Die  Quelle  ist  eben  die  gleiche :  kein  anderer  als  im  Grunde 
Apelles  selber.  Es  nimmt  doch  wunder,  daß  die  Beurteiler  des  Plinius,  z.  B. 
Kalkmann    168   A.,  sich  begnügen,  den  Mittelsmann  einzuschieben  10). 

Der  Titel  des  Apellesbuches  mag  ITsp:  v/pacpixijjs  gewesen  sein,  nach  der 
Andeutung  des  Plinius  (S.  38)  zu  urteilen.  Derselbe  Titel  begegnet  beim  Maler 
Pamphilos  (4.  Jh.)11),  bei  Melanthios,  seinem  Schüler12),  bei  Protogenes  von 
Kaunos  13),  dem  Zeitgenossen  des  Apelles,  u.a.m.  Der  Dialekt  kann  bei  dem 
aus  Kolophon  stammenden  Apelles  der  ionische,  kann  aber  auch  der  attische 
gewesen  sein.  Da  ist  zunächst  nichts  zu  fordern,  sondern  abzuwarten. 

5.  Das  Wort  ~x  gy.üzoc  bedeutet  nach  den  antiken  Lexika  soviel  wie  Hals  bei 
Epicharm  (Kaibel  Fr.  *  100  a  p.  VII).  Nun  steht  in  Erotians  Hippokrateslexikon 
117,6  Kl.  zu  lesen:  cncöra]  xä  u-exatü  xwv  xsvövxwv  xoü  xpxyrjAou.  w;  IlExpwvto:;.  £v 
xaprj,  tprjacv  aiyxo^:.  fwt£xveov  xa!  TtxXai  xi  cryjjuaxa  süd-ü;  iowv  xa!  xä  cr/.'jxa;  darauf 
folgen  einige  Archilochosworte.  Dazu  ergänzend  Etym.  M.  ov.'j-o;]  .  .  .0x6x05  °£  \i- 
ysxa'.  -äv  tö  [isxxqü  xwv  tevovxtöV  toö  xpxyj(Xo'j  oip\ix.  db;  Ilsxpwv.d;  tpnjaiv.  Auch  die 
anderen  Erklärungen  Erotians  außer  den  Worten  lv  %cEpi>]  --  axuxx  stehen  im  Ety- 
mologicum  Magnum.  Da  Petronios  iv  TXwtoig  schon  p.  91  für  eine  Glosse  genannt 
war,  so  hat  Kaibel  unrecht  mit  der  Behauptung,  in  Petronios  sei  hier  ein  sizili- 
scher  Dichter  anzuerkennen,  wohl  gar  ein  Komiker.  Dieser  Petronios  bleibt 
identisch  mit  dem  Verfasser  der  TXr/z,  er  ist  griechischer  Glossograph  unbe- 
kannter Zeit  und  Heimat.  Daß  xst  axyxa  bei  Epicharm  vorkommt,  beweist  an  sich 
gar  nichts  gegen  gemeingriechischen  Gebrauch  von  xa  t/jjxx  ,Hals'.  Mit  den 
verdorbenen  Worten  iv  v.ipr,  cprjalv  beginnt  ein  neuer  Hrotianzeuge.  Da  sv  xap7] 
allem  Anscheine  nach  eine  irgendwie  entstellte  Ortsbestimmung  enthält,  die  zu 
suchen  wäre,  so  hat  Kaibe]  mit  der  Vermutung  'ETrJ/apjiö;  ^ip'.'i  Unrecht.  Nicht 
in    der  Ortsbestimmung,    sondern    in    dem    Lautkomplexe    v.:.;-JZi;    birgt    sich    der 

">)   Plinius  XXXV   96   pflegt  falsch  beurteilt  zu  u'i   D.   I..   IV    i»;   Brunn   II   .17. 

werden.  '   1   Suidas  u.  J.   W. 

")  Suidas   u.  d.   \V. 


Apelles  und   Protogenes  43 

Schriftstellername.  Dieser  Erwartung  entsprechen  die  bisherigen  Heilungsversuche 
nicht.  Dindorf  und  Klein  nehmen  Ausfall  von  Seiwppwv  vor  bi  xäpr,  an.  Aber 
was  wissen  wir  hier  von  Sophron  ?  Warum  gerade  auf  einen  Dichter  raten? 
Feststeht  dies:  Jemand  sagt,  wie  er  bei  einer  bestimmten  Gelegenheit  xä  cr/r^axa 
und  den  Hals  einer  Person  erblickt  (zum  ersten  Male  anscheinend)  und  sogleich 
etwas  getan  habe  —  hingerissen  von  solchem  Anblick.  Was  heißt  xä  ayj,|iaxa  ? 
Das  hier  mißverstandene  Wort  haben  wir  zu  erläutern.  Tatian  34  p.  35  redet 
tadelnd  die  an,  0?  üoXuveixous  xa!  'ExeoxXeoos  öpövxes  xä  a/r^iaxa  [xa!]  \\.rt  aüv  xöH 
nonqaavxt  ITuö-ayopat,  xaxaßo&ptoaavxes  ouvaitoXXuxe  xfjg  xaxta;  xa  u7M|Wj|.iaxx.  Also 
Körperhaltung.  Es  ist  auch  ein  Kunstausdruck.  Diodor  benimmt  jeden  Zweifel 
V  73,  3  xafc  os  Xäptat  oo&vjvat  xy;V  xf|s  5^ew;  xorju-rjaiv  xa!  xö  ay^jiaxi^eiv  exaarov 
uipo;  xoö  sö)(iaxos  rcpö;  xö  ßeXxiov  xa!  ixpoarjVEj  iolc,  {t-ewpoOcL.  7tpöc  3e  xouxoig  xö 
/.zTap/civ  cOcpysaia;  xa!  7:äXiv  dfc|ieißerj9,ai  xaB;  TipocTjXOÜsa:;  "/äptac  xoü;  eö  TOiTjGavxa;. 
Protogenes,  der  Maler,  schrieb  nach  Suidas  auch  Ikp!  cr/r^iäxwv.  Wunderlich, 
daß  Brunn  einen  solchen  Titel  eines  Künstlerbuches  , zweideutig'  nennen  mochte 
(II  S.  163).  Von  Sokrates  sagt  die  pseudoxenophontische  Apologie  27  flforijiei  xa! 
Ofiuaat  xa!  ayr^iaai  (so  die  Hdss)  xa!  ßa5uj{iaai  ^atopog,  Euripides,  Iphigenie  unter 
den  Tauriern  V.  292,  von  Orest  Ttapvjv  3'  öpäv  ou  xaüxä  ^opcpfjg  ayj]u.ax',  £XX'  rt\l£a- 
a£XO  cpS'OYY«?  T£  [xöayuv  xa!  xXütov  OXä-fliaxa.  Es  sind  xä  ayj;[iaxa  tue  Haltung  der 
Glieder,  die  Grazie  also  unter  Umständen.  ,Die  Grazie  und  den  Hals'  bewundert 
bei  Erotian  also  jemand  —  doch  wohl  an  einem  Weibe.  Goethes  Alexis  erblickt 
seine  Dora  41  ff.,  wie  sie  bald  den  Fruchtkorb,  bald  den  Wasserkrug  auf  dem 
Kopfe  wiegt : 

Eilig  warst  du  und  frisch,  zu  Markte  die  Früchte  zu  tragen, 
Und  vom   Brunnen,  wie  kühn!  wiegte  dein  Haupt  das  Gefäß. 

Da  erschien  dein   Hals,  erschien  dein  Nacken  vor  allen, 
Und  vor  allen  erschien   deiner  Bewegungen  Maß. 

Oftmals  hab'   ich  gesorgt,  es  möchte  der  Krug  dir  entstürzen, 
Doch  er  hielt  sich  stet  auf  dem  geringelten  Tuch. 

Schöne  Nachbarin,  ja,  so  war  ich  gewohnt  dich  zu  sehen, 

Wie  man  die  Sterne  sieht,  wie  man  den  Mond  sich  beschaut, 

Sich  an  ihnen  erfreut. 
Damit  ist  das  Mittel  zur  Besserung  gegeben.   In  AITAAEZ  steckt  AflEAAHZ.    Das 
Ganze  hat  so  gelautet:  äv  oxpr^     -  cpTjolv  Ä.iteXXSj£  —  ÖTtejcoteov  xx!  Aai'ca  xä  ^yr^xaxa 
£Ü\hü;  £3ü)V  xa!  xä  ax6xa.   , Heimlich  machen'  ist  {jizstzoisw11);    £v  dx^t  heißt   hier  ,aut 

")  Z.  B.  bei  Zeno  in  Plutarchs  Perikles   5. 

6* 


44  E.   Maass 

Akrokorintlr,  ganz  richtig  gesagt  von  dem  über  seinen  korinthischen  Aufenthalt 
schreibenden  Apelles 15).  Nun  können  wir  auch  die  noch  offen  gelassene  Dialekt- 
frage entscheiden  :  Apelles  schrieb  Jonisch.  Denn  iv  äxprji  (für  ev  xaprj)  und  öireroieov 
(für  örcexveov),  jonische  Formen,  scheinen  mir  berichtigt,  örcoitoterv  heißt,  wie  gesagt, 
,heimlich  machen'.  Gerade  das  erfordert  der  Sinn  der  Stelle. 

Als  das  Wesentliche  an  diesem  und  jedem  Buche  dieser  Art  muß  sein 
» resamtinhalt,  des  Künstlers  volles  Erleben,  der  Bericht  über  die  Entstehung  seiner 
Werke  angesehen  werden.  Bei  der  Besprechung  von  Sulzers  ,Die  schönen  Künste' 
(II  472)  schreibt  der  junge  Goethe  im  Jahre  1773:  Der  Künstler  könne  nur  lernen 
nicht  aus  Theorien,  sondern  aus  den  Erfahrungen  der  Meister.  ,Gott  erhalt  uusre 
Sinnen  .  .  .  und  gebe  jedem  Anfänger  einen  rechten  Meister!  Weil  denn  die  nun 
nicht  überall  und  immer  zu  haben  sind,  und  es  doch  auch  geschrieben  sein  soll, 
so  gebe  uns  Künstler  und  Liebhaber  ein  ircpl  iautoö  seiner  Bemühungen,  der 
Schwierigkeiten,  die  ihn  am  meisten  aufgehalten,  der  Kräfte,  mit  denen  er  über- 
wunden, des  Zufalls,  der  ihm  geholfen,  des  Geistes,  der  in  gewissen  Augenblicken 
über  ihn  gekommen  und  ihn  auf  sein  Leben  erleuchtet,  bis  er  zuletzt,  immer  zu- 
nehmend, sich  zum  mächtigen  Besitz  hinaufgeschwungen  und  als  König  und  Über- 
winder die  benachbarten  Künste,  ja  die  ganze  Natur  zum  Tribut  genötigt'.  Es 
sei  außer  an  Cellini  an  des  Florentiners  Leo  Battista  Alberti  Schrift  ,Von  der 
Malerei'  erinnert,  der  aus  den  reichen  Erfahrungen  seines  Lebens  nicht  müde 
wurde,  die  Mitwelt  und  die  Nachwelt  zu  beraten  und  zu  warnen. 

II. 

In  seiner  Schrift  IIspl  ypoKp»ujs  hatte  Apelles  von  seinem  Zeitgenossen  Proto- 
genes  erzählt.  Plinius  schreibt  XXXV  80,  nach  dem  S.  39  Mitgeteilten  fort- 
fahrend :  ,Et  aliam  gloriam  usurpavit  ( Apelles),  cum  Protogenis  opus  immensi 
laboris  ac  curae  supra  modum  anxiae  miraretur;  dixit  enim  omnia  sibi  cum 
illo  paria  esse  aut  illi  meliora,  sed  uno  se  praestare,  quod  manum  de  tabula 
scirct  tollere;  memorabili  praecepto  nocere  saepe  nimiam  diligentiam*.  So  auch 
Cicero,  Orator  XXII  73  (S.  39)  und  Plutarch,  Demetrios  22  (=  Ailian  V.  H. 
XII  |ii:  i-.-.y.  yip  Stecn  \iyevxi  TJVTS/iaai  rijv  fpa<pi)V  5  1 1  pojToyevrj;  (den  Jalysos'  in 
der  Stadt  Rhodos).    /.%:  yipvi  5  W-z/J.^z  o;J-m;    SxTtXayfjvai   ö-sarjaiievo?   zb  Spyov,  Sare 

11)  Genau  so  braucht  Xenophon,  Hell.  VI  1,2  f.  oaa    i-;i~;pctim    sv  xoTg    vö|ioig  .  .  .    xäxetvo;    |i£vxot 

das  Wort  äy.pa,  naclitlem  er  die  Stadt  und  die  Akro-  iitö   xoüxtov   xäv   xp'"l!10''C(UV   ~Y'   TS   äxpav   cfuXaxxwv 

polis  Pharsalos  vorher  genannt:  oxaaiaaavxs;  o\  <I>ap-  8teo<0'.£ev  aüxotg.     ...  So  steht  denn  in  den  Lexika, 

göXlol    nctpaxaT68*VTO    aötffil    ("dem   Polydamas)    xtjv  z.  B.  bei  Hesych,   äxpa]  äxponoXtg.   Pollux   IX   40. 
ixpöiioXiv    x.a;  x-/.j  npoo68ou{  sjtdxps^av  Xajißävovxi, 


Apellcs  und   Protogenes  45 

xac  qxovrjV  ixXwreiv  aütöv.  ö^s  3e  efoefv  Sit  |i£yas  6  novog  xaä  fraufiaaröv  tö  J'fyov,  oü 
uAv  ex^w  ye  ^äprcas,  St'  a?  oöpavoö  ijwcöetv  rä  Oh'  aüioO  yp7.'^ö[i£vx.  Zum  ,lalysos'  des 
Protogenes  gehört  noch  Plinius  XXXV  102:  ,palmam  habet  tabularum  eius 
Ialysus  .  .  .  Cum  pingeret  eum,  traditur  madidis  lupinis  vixisse,  quoniam  simul  et 
famem  sustinerent  et  sitim  nee  sensus  nimia  dulcedine  obstruerent.  Huic  picturae 
quater  colorem  induxit  contra  obsidia  iniuriae  et  vetustatis,  ut  decedente  superiore 
inferior  succederet.  Est  in  ea  canis  mire  factus,  ut  quem  pariter  et  casus  pinxe- 
rit.  Non  iudicabat  se  in  eo  exprimere  spumam  anhelantis,  cum  in  reliqua  parte 
omni,  quod  difficillimum  erat,  sibi  ipse  satisfecisset/  Protogenes  wollte  den  Schaum 
nicht  wie  auf  die  Lippen  aufgemalt  haben,  sondern  so,  daß  er  aus  dem  Innern  des 
Maules  hervorzukommen  schiene  (non  pingi,  sed  ex  ore  nasci).  So  wischte  er  in 
ängstlicher  Sorge  die  Farben  wieder  und  wieder  ab,  wechselte  wiederholt  den 
Pinsel,  ohne  sich  zu  befriedigen.  Argerlich  warf  er  endlich  den  nassen  Schwamm 
auf  die  widerstrebende  Stelle  -  und  er  hatte,  was  er  wollte !  Der  Bericht  des 
Plinius  stammt  von  einem  Augenzeugen.  Man  könnte  an  Protogenes'  Ilspi  ypoKpi- 
jrijS  selber  denken;  nur  kenne  ich  keinen  Benutzer  des  Buches,  auch  im  Plinius 
keine  sichere  Spur.  Apelles'  Gedanken  vor  dem  Jalysos'  kennt  dagegen  Plutarch 
aus  dessen  Schrift  (oben  S.  38  A.),  welche  ja  überhaupt  sich  auf  Kritik  anderer 
Meister,  auch  des  Protogenes  (Plinius  XXXV  88),  einzulassen  liebte.  Ich  denke, 
Apelles  ist  es,  dem  wir  die  Nachrichten  über  das  ohne  ihn  für  uns  fast  ver- 
schollene rhodische  Meisterwerk  des  Protogenes,  über  den  Jalysos',  verdanken  16). 
Dem  Apelles  danken  wir  das  Verständnis  des  ,Ialysos'.  Brunn  neigte  dazu, 
diesen  Eponymen  der  Stadt  Ialysos  von  Protogenes  als  Jäger  aufgefaßt  zu  sehen. 
Genauer  schien  er  ihm  nach  dem  Jagen  dargestellt;  daher  der  schäumende  Hund 
(II  160).  Das  halte  ich  für  nicht  genau.  Einen  müden,  vom  Jagen  erhitzten  Hund 
darzustellen,  dazu  genügt  allemal  das  geöffnete  Maul  mit  heraushängender  Zunge. 
Protogenes  legte  aber,  trotz  aller  vergeblichen  Versuche,  höchsten  Wert  auf  das 
Stehen  des  Schaumes  vor  dem  Maule.  Dann  gehörte  eben  dieser  Umstand  zur 
Charakteristik  des  Hundes,  zu  seiner  Bestimmung  in  der  Handlung  der  Gruppe. 
Mit  anderen  Worten:  ein  toller  Hund  und  also  der  von  ihm  gebissene,  schon 
sicher  dem  Tode  verfallene  Ialysos.    Ialysos  im  Sterben !    Wer  erinnert  sich  nicht 

16)  Das  Kunsturteil    des  Apelles  über  den  Ialy-  Schaden   der  Sache   kürzt,    macht  daraus    ganz   wül- 

sos    und     die    gesamte     Kunst    des     Protogenes    —  kürlich:    .wenn    Pr.   die   XE'P°l>p*fta{    X*P'-»    erwirbt, 

nicht    umgekehrt,     wie    Wilamowitz,     Herakles     II2  ö  tovoj  aüioö  xoü  oüpavoü  ^aüaei.'  Wilamowitz  möchte 

252  '  will  —   steht    bei  Plutarch.     Ailian  V.  H.   XII  die   Ailianische    Fassung    für    das    wirkliche    Urteil 

41,    der    schon    durch  Weglassung    des    Selbstzitates  nehmen;  es  ist  umgekehrt. 
des    Apelles     sein    Original    beträchtlich     und     zum 


40  E.  Maass,  Apelles  und   Protogenes 

an  Aktaion  und  seinen  Hund  auf  Polygnots  knidischem  Bilde !  Rhodische 
Legende  also  wußte  von  dem  durch  seinen  toll  gewordenen  Hund  umgekomme- 
nen Ialysos!  Die  rhodische  Kolonie  an  der  Rhone  hatte  einen  aktaionartigen 
Heros  in  der  Gruppe  Jüngling,  Hund  und  Mutter,  wie  in  den  Jahresheften 
X    115   nachgewiesen. 

Ialysos'  Mutter,  Kydippe,  hat  gleichfalls  Protogenes  gemalt  und  außerdem 
den  Tlepolemos  (Plinius  XXXV  106).  Dazu  bemerkt  Brunn  II2  160:  ,Vermutlich 
stand  der  Ialysos  nicht  allein,  sondern  in  Verbindung  mit  noch  anderen  Werken 
des  Protogenes,  den  Gemälden  der  Kydippe  und  des  Tlepolemos.  Denn  Ialysos 
der  Stammheros  der  gleichnamigen  Stadt,  war  der  Sohn  der  Kydippe;  und  Tle- 
polemos, der  Führer  der  Rhodier  vor  Troja,  ist  gleichfalls  als  Gründer  rhodischer 
Städte  bekannt.  Protogenes  hatte  also  wahrscheinlich  einen  ganzen  Cyklus  rho- 
discher Stammheroen  gemalt'.  Diese  Vermutung  entbehrt  jeder  Begründung. 
Brunn  wußte  wahrscheinlich  nicht,  daß  Kydippe  wie  Ialysos  rhodische  Stadtepo- 
nyme  war.  Kydippe  soll  in  Kyrbia  , umgenannt'  worden  sein  ,die  von  Kyrbe'. 
Kyrbe  war  altrhodischer  Stadtname,  die  Stadt  eine  Gründung  angeblich  der 
Heliaden:  Diodor  V  57,  7  y.y.1  xaxüKXTjaav  sv  xrji  'laXuatat  xxiaavxes  rc6Xiv  IV/afav.  wv 
6  Jtpeaßöxspog  "<>/:;io:  ßaaiXsöwv  lfi\\i.s  [u'xv  xwv  eyytopJiöv  NujKpöv  tHy*Jxop£av,  i\  yj? 
iyevvrjae  {hjyaxepa  KuSitoctjv  xrtv  u.exx  xaSrza  Kupßiav  [iexovo[iaad«raav,  fjv  yr^ua;  Kepotacpos 
i  ÄSeXcpög  oiiCicxTo  xtjv  ßaaiXefav.  \xzzx  ok  xtjv  xoöxou  xeXeuxijv  SieSeljavxo  xtjv  y.y/:j;i  ulol 
-pzlz  AivSog  "JäX'jao;  Kauipog.  i-[  c,i  xoöxwv  yevousvv;;  u-eyaXTjs  nX7j|ijiuptSog  ETttxXucfteüEia  yj 
K'jp^r(  KpTjjiog  iyivexo,  xöxol  oe  SieiXovxo  xtjv  ywpav  /.a:  r/.xaTo;  eauxoO  rcoXiv  6|i(i>vu[iov 
ixttaev.  Kyrbe  war  früh  -  angeblich  durch  Meerüberschwemmung  —  verödet. 
.Wenn  eine  hellenische  Stadt  zerstört  wird,  bleiben  doch  ihre  Heiligtümer,  und 
es  muß  Vorkehrung  getroffen  werden,  daß  die  Götter  zu  ihrem  Rechte  kommen'. 
Der  Nachfolger  im  Besitz  einer  untergegangenen  Gemeinde,  einer  verödeten  Feld- 
mark, es  sei  Feind  oder  Freund,  übernimmt  als  Recht  und  zugleich  als  Rechts- 
pflicht den  Gottesdienst,  der  vor  der  Katastrophe  vorhanden  war.  ,So  ist  die 
Pflege  des  helikonischen  Poseidon  auf  Mvkale  wohl  einst  auf  Priene  überge- 
gangen nach  Melias  Vernichtung  durch  den  jonischen  Bund  der  Städte,  aber 
sein  Fest  ist  das  des  Bundes  aller  Jonier  geworden,  d.  h.  des  Bundes,  der  Melia 
zerstörte  und  eben  durch  dieses  gemeinsame  Heiligtum  ein  Zentrum  gewann' 
schreibt  Wilamowitz  iSitzungsber.  Akad.  Berlin  1906  S.  45).  Es  ist  nun  wegen 
der  Überlieferung  nicht  notwendig  anzunehmen,  daß  Kyrbe,  die  Stadt  der  Kydippe 
gerade  durch  Überschwemmung  verödete.  Die  dichterische  Darstellung  bediente 
sich,  bei  den  Griechen  wenigstens,  mehrfach  des  Sintflutmotives,    wo  Kriegsver- 


H.  Thiersch,  Zur  Herkunft   des  jonischen   Frieses  17 

nichtung  die  geschichtliche  Tatsache  war.  Kyrbe  ist  ein  kretischer  Ortsname: 
Hierapytna  soll  (nach  Stephanos  u.  d.  W.)  Kyrbe  und  auch  Kamiros  geheißen 
haben,  und  Kretisches  steckt  viel  auf  Rhodos,  wie  allbekannt  (Gelder,  Geschichte 
der  Rhodier  13;  Kuhns  Zeitschrift  XL  527  f.).  Aus  allem  ergibt  sich,  daß  die 
kretische  Gründung  Kyrbe  in  Kydippe  -  Kyrbia  ihre  Eponyme  und  damit  diese 
im  Kult  besaß.  Als  die  Stadt  Rhodos  durch  eine  Art  von  Synoikismos  um 
400  gegründet  ward,  da  wurden  die  Lokalkulte  nicht  aufgehoben;  sie  gaben 
wohl  auch  Filialen  in  die  neue  Stadt  ab.  Ein  Ialysion  scheint  der  Suidasartikel 
zu  bezeugen  u.  d.  W.  IIpo)TOY£VYjg]  £ü>Ypa<pog  Zavil'.o;  ix  \r/J.y.;.  6  y.xtx  rijv  YpoKpMcijv 
SiaßfSnjTOs  £iaanJ]|U}v,  5  xb  vi  ToSwi  'lx/.'ja-.ov  (so  ich;  Atovöcnov  Suid.)  IvzopTpaq,  xb  ijlvov 
xxi  !>X'jjiaa-6v  ipyov  .  .  .  Ikp:  ypa<pix^s  v.%:  cr/r^ix-MV  ^iX-a  ji'.  Im  Jalysos'  und  im 
,Tlepolemos',  ebenso  in  der  ,Kydippe-Kyrbia'  des  Protogenes  haben  wir  Grund 
genug,  Kultbilder  rhodischer  Lokalheroen  zu  erblicken,  gemalt  jedes  für  sein 
besonderes  Heiligtum,  vielleicht  für  die  Filialen  in  der  neuen  Stadt  Rhodos  selbst. 

Marburg  (Hessen),  Mai  1907.  ERNST  MAASS 


Zur  Herkunft  des  jonischen  Frieses. 

Unter  den  Anregungen,  die  Birts  neue  Schrift,  „Die  Buchrolle"  gebracht 
hat,  scheint  mir  eine  der  fruchtbarsten  seine  Vermutung  über  die  Entstehung  des 
Frieses  in  der  jonischen  Architektur.  Birt  meint  (S.  310),  daß  der  jonische  Bilder- 
fries nur  die  Fortsetzung  sein  könne  der  bekannten,  in  Ägypten  üblichen  schmalen, 
langgestreckten  Bildstreifen,  die  dort,  sei  es  gemalt,  sei  es  skulpiert,  die  Wände 
bedeckten.  Die  Griechen  hätten  dann  dies  der  ägyptischen  Kunst  entlehnte  Motiv 
sparsamer  verwendet,  veredelt  und  geadelt.  Birt  fügt  hinzu,  daß  wie  bei  den 
Ägyptern  so  auch  bei  den  Griechen  mitunter  mehrere  parallele  Bildstreifen  hart 
untereinander  herliefen,  und  streift  in  diesem  Sinne  auch  die  Reliefs  des  Nerei'den- 
monumentes  und  des  Heroons  von  Trysa.  in  den  mit  fortlaufenden  Illustrationen 
bemalten  Papyrusrollen  der  Ägypter  -  Proben  sind  erhalten  —  sieht  er  das 
Vorbild  dieser  Dekorationsweise,  in  analogen  Papyrusrollen,  auf  welche  die 
griechischen  Künstler  die  Entwürfe  zu  ihren  Frieskompositionen  skizziert  hätten, 
die  unmittelbaren  Vorlagen  für  die  jonischen  Relieffriese.  Im  Rhein.  Mus.  1908, 
S.  47   ist   Birt   nochmals  auf  diese  seine  Vermutungen   zurückgekommen. 


48  H.  Thiersch 

Die  Beeinflussung  der  ägyptischen  Wanddekoration  durch  jene  Papyrus- 
illustrationen wird  man  gerne  zugeben.  Anders  wahrscheinlich  verhält  es  sich 
aber  mit  den  griechischen  Friesen.  Nur  sehr  entfernt,  indirekt,  wenn  auch  durch 
Vermittlung  der  ägyptischen  Wandfriese,  scheinen  diese  noch  mit  den  Papyris  zu- 
sammenzuhängen. In  diesem  weiteren  Sinne  aber  bestätigen  die  Monumente  die 
von   Birt   berührten  Zusammenhänge    mehr,    als   er  selbst  es  überschauen  konnte. 

An  den  durch  Vitruv  uns  überlieferten  Terminus  „jonischer"  Stil  sind  wir 
so  gewöhnt,  daß  wir  darüber  leicht  vergessen,  wie  sehr  dieser  Ausdruck  in  der 
impulsiven  Dominante  des  jonischen  Volkstammes  zwar  durchaus  begründet  ist, 
aber  doch  nur  teilweise  mit  dem  Tatbestande  sich  deckt.  Man  könnte  richtiger 
von  einem  „kleinasiatisch-griechischen"  Stile  sprechen  im  Gegensatze  zum  „euro- 
päisch-griechischen", den  wir  ebenfalls  nach  Vitruvs  Vorgang  den  „dorischen"  zu 
nennen  pflegen1).  Überall  nun  in  West-Kleinasien,  in  Lykien,  Karien,  Jonien 
Mysien  und  der  Aolis,  treffen  wir  ein  und  dieselbe  Erscheinung  an  in  bezug  auf 
die  reliefierte  Streifenverzierung:  die  ganze  archaische  und  klassische  Zeit  hin- 
durch und  großenteils  noch  tief  in  die  hellenistische  Periode  hinein  (Priene, 
Athenatempel  —  Pergamon,  großer  Altar)  ein  völliges  Fehlen  des  „Zophoros" 
im  Gebälk.  Der  Fries  kann  also,  wie  immer  deutlicher  erkannt  worden  ist,  un- 
möglich ein  kleinasiatisch  bodenständiges,  ein  ursprünglich  dem  jonischen  Gebälk 
zugehöriges  Element  gewesen  sein.  Er  kann  auch  an  den  Peristasen2)  der  großen 
archaisch-jonischen  Peripteraltempel  Kleinasiens  nicht  vorhanden  gewesen  sein. 
Es  ist  zwar  bis  jetzt  von  diesen  sehr  wenig  wiedergefunden  an  obersten  Teilen, 
aber  es  wird  kaum  ein  Zufall  sein,  wenn  bei  einem  Hauptvertreter  dieser  Klasse, 
wie  dem  alten  Artemision  von  Ephesos,  zwar  zahlreiche  Fragmente  einer  über 
und  über  mit  Figuren  verzierten  Sima,  aber  nichts,  gar  nichts  von  einem  figür- 
lichen „Friese"  gefunden  wurde. 

Neben  diesem  auffallenden,  für  Kleinasien  charakteristischen  Mangel  eines 
Frieses  im  .Säulengebälk  geht  durchaus  gleichzeitig  und  in  den  gleichen  Länder- 
strecken einher  eine  ebenso  charakteristische,  sehr  reichliche  Anwendung  langer 
Bilderstreifen  an  den  allerverschiedensten  Stellen:  nicht  nur  in  dem  festgefügten 
Aufbau  der  kleinasiatischen  Fassade,  auch  an  den  Wänden  offener  Höfe,  an  Grab- 
postamenten  und  Sarkophagen.  Die  Häufung,  eine  Mehrzahl  solch'  langer,  schmaler 
Bildstreifen  an  ein  und  demselben  Monument,  ist  da  gar  nichts  Ungewöhnliches 
(Nerei'denmonument,  Gjölbaschi,  Maussoleum  v.  Halikarnass).  Und  das  wird  in  der 

!     Perrot-Chipiez,    Histoire  de   l'Arl    anc,  "i   Wohl  aber  innen  am  Cellahaus;  vgl.Knidier- 

VII   1.^7  ff.  Thesauros,  Nerei'denmonument. 


Zur  Herkunft  des  jonischen  Frieses  \'-) 

Tat  eine  aus  Ägypten  entnommene  Dekorationsweise  gewesen  sein.  Von  klein- 
asiatischen Griechen,  Söldnern  und  Kaufleuten  wimmelte  Ägypten  in  archaischer 
Zeit,  nicht  nur  Naukratis.3)  Aus  dem  Nillande  brachten  sie  unter  manch'  anderen 
dort  gemachten  Errungenschaften  auch  jene  Streifenverzierung  mit  zurück,  die 
ihnen  dort  in  frühesten  Farben  von  allen  Tempel-  und  Grabwänden  entgegenge- 
leuchtet hatte4).  Wo  nur  irgend  in  Architektur  und  Tektonik  eine  geeignete  glatte 
Fläche  sich  fand,  wurde  von  der  neuen  Erfahrung'  Gebrauch  gemacht,  je  länger, 
desto  mehr.  Nach  ägyptischem  Muster  hielt  man  sich  zuerst  mit  Vorliebe  an  die 
oberen  Partien  glatter  Flächen,  sei  es  an  Wänden,  Unterbauten  oder  Pfeilern. 
Denn  wenn  auch  nicht  immer  durchgeführt,  so  bleibt  es  in  Ägypten,  auch  un- 
ausgesprochen stets  Prinzip  den  Bilderstreifenschmuck  in  die  obere  Wandfläche 
zu  legen;  die  untere  Zone  war  real  oder  ideell  ein  bildloser  Sockelstreifen,  eigent- 
lich eine  Verkleidung  der  Wand  mit  anderem  Material,  über  dem  dann  erst,  als 
auf  der  Wand  selbst,  deren  Bemalung  begann.  (Umgekehrt  ist  es  in  Meso- 
potamien und  seiner  Kulturzone:  da  ist  dieser  Verkleidungssockel  der  Bildträger 
und  die  Wand  darüber  bildlos;  ein  deutlicher  Fingerzeig  dafür,  daß  der  jonische 
Fries,  der  niemals  tief  sitzt,  wie  z.  B.  stets  der  hettitische,  nicht  aus  dem  Osten, 
aus  Syrien  oder  Assyrien,  sondern  aus  dem  Süden,  aus  Ägypten,  gekommen  sein 
muß  5.)  Die  lykischen  Monumente  des  fünften  Jahrhunderts  verraten  deutlich  noch 
die  ältere  Sitte.    Gjölbaschi   ist  in  diesem  Sinne  zwar  nicht  das  älteste,   aber  das 


3)  Vgl.  Ed.  Meyer,  Gesch.  d.  Altertums  I  600  ff.  Ramses  II.  z.  B.  erscheint  unten  an  allen  Säulen- 
Apries  kann  sich  der  in  Massen  eindringenden  Grie-  Schäften  zu  Dendera.  Vgl.  Prisse  d' Avennes  IV  17. 
chen  nicht  mehr  erwehren.  Amasis  siegt  mit  Hilfe  Das  Pantherfell  haben  ganz  wiean  derKroisossäuleum- 
der  Griechen  und  tritt  in  ein  Bündnis  mit  den  Grie-  gelegt  die  Priester  ebenda  pl.  19  und  21.  —  Es  wäre 
chen  auch  von  Kyrene;  Laodike,  eine  seiner  Frauen,  lehrreich,  einmal  die  sämtlichen  Entlehnungen,  die 
stammt  von  dort.  Er  tritt  der  Allianz  des  Kroisos  die  archaische  griechische  Kunst  in  Ägypten  ge- 
gegen  Kyros  bei,  stiftet  kostbare  Weihgeschenke  in  macht  hat,  zusammenzustellen.  Für  die  Plastik,  be- 
verschiedene griechische  Heiligtümer  und  ist  durch  sonders  die  in  kolossalem  Maßstabe,  und  über  den 
einen  finanziellen  Beitrag  auch  beim  Wiederaufbau  mächtigen  Einfluß  der  ägyptischen  Steintempel  auf 
des    abgebrannten   delphischen  Tempels  beteiligt.  die  Entwicklung  des  dorischen   Stils  vgl.  jetzt  Furt- 

*)  Auch  die  Kolossalität  der  altjonischen  Säulen-  wänglers  nachgelassene   Einleitung    zum  , Handbuch', 

tempel    wie    die    columnae    caelatae    des   alten    Arte-  Deutsche    Rundschau     1908    S.    264  ff.;       für    ägyp- 

misions    im   besonderen  scheinen  mir  auf  ägyptische  tische  Entlehnungen  in  der  altjonischen  Kleinkunst: 

Anregung  hin  entstanden  zu  sein.  Manche  ägyptischen  I..  Curtius,  Ath.   Mitt.   XXXI  (1906)  S.  174fr. 
Tempelsäulen     tragen    auf    der    unteren    Schafthälfte  •■)  Der  Jahrb.  II  (1887)  S.  121  A.  1 1  von  Kopp  ge- 

Eigurenschmuck.  natürlich  immer  im  üblichen  en  creux.  äußerte  Vorschlag  die  ephesischen  columnae  caelatae 

Mächtige  Säulensäle,  wie  die  der  Tempel  von  Dendera,  als    Nachahmungen    mesopotamischer  (!),    unten    von 

l.uxor    und   Karnak,    werden    es    sein,    deren  Nach-  einem  ziselierten  Metallmautel   umschlossener  Säulen 

Wirkung   drüben   in  Milet   und  Ephesus  zu  sehen  war.  zu  erklären,   fallt  damit  wohl    dahin. 
Auch  im  Detail.   Die  Figur  und  Inschrift  des  Königs 

Jahresliefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI  7 


5<J  H.   TMersch 

Ägypten  verwandteste  Beispiel  solcher  Übertragung G).  Gleichartig  war  wahr- 
scheinlich auch  der  Unterbau  des  Nereidenmonumentes.  Die  durch  Falkeners 
Rekonstruktion  überall  verbreitete  Verteilung  der  beiden  Friese  mit  der  Trennung 
durch  eine  glatte  Quaderschicht  zwischen  ihnen  kann  nicht  richtig  sein.  Aus  den 
genauen,  bei  Benndorf-Niemann.  Reisen  in  Lykien  und  Karien  90,  mitgeteilten 
Beobachtungen  von  Hawkins  geht  hervor,  daß  der  erste  Fries  nicht  gleich  auf 
den  ersten  Rücksprung  des  Sockels  -  -  abgeb.  Catal.  Brit.  Mus.  Sculpt.  II  pl.  1  — 
gesetzt  werden  kann.  Die  vier  auf  diesem  flüchtig  behandelten,  einst  unsichtbaren 
Stereobat  noch  stehenden  Quadern  haben  glatte  Stirnflächen.  Nicht  ihre  Fronten, 
sondern  erst  ihre  Oberseiten  sind  zur  Aufnahme  einer  andern  Quaderreihe  vor- 
gearbeitet, mit  einer  Auflagefläche  von  0-56 m.  Ob  hier  aber  wirklich  schon  der 
eine  Relieffries  aufzusetzen  ist,  ist  durchaus  fraglich.  Ich  vermute,  -  -  wenn  über- 
haupt ein  hoher  Sockel  vorhanden  war  — ,  daß  der  erste  Fries  erst  weiter  oben 
saß  und  unmittelbar  unter  dem  andern,  daß  also  die  beiden  Bilderreihen  ebensowenig 
wie  in  Gjölbaschi  durch  leere  Ouaderzeilen  voneinander  getrennt  waren.  An  der 
Grabädicula  selbst  ist,  analog  auch  dem  archaischen  Harpyienpfeiler,  wieder  die 
oberste  Zone  der  glatt  aufgehenden  Wandung  mit  dem  umlaufenden  Relief  verziert. 

Bei  den  lykischen  Sarkophagen  beschränkt  sich  die  Anbringung  des  Fries- 
streifens aber  nicht  auf  den  oberen  Rand  des  Unterbaues,  er  bemächtigt  sich 
des  Sarkophages  selbst,  bedeckt  seinen  Kamm,  in  zwei  Etagen  übereinander  seine 
Seitenwände  und  endlich  sogar  auch  die  gekrümmten  Flächen  des  steilen  Daches7). 
Am  Gebälk  über  den  Säulen  ward  dann  der  Architrav  (Nere'idenmonument,  Grab- 
fassaden) und  die  Sima  (Ephesos,  altes  Artemision)  in  der  gleichen  Weise  deko- 
riert. Ja,  so  wenig  skrupulös  war  man  in  der  freigebigen  Verteilung  der  schmalen 
Bildstreifen,  daß  man  nicht  davor  zurückschreckte,  auch  den  Architrav  eines 
dorischen  Tempels,  der  sich  früh  und  kühn  herübergewagt  (Assos).  in  ganz  gleicher 
Weise  damit  auszustatten. 

Mit  der  gesamten  jonischen  Marmorkunst  war  um  500  v.  Chr.  auch  der  fort- 
laufende Bildfries  nach  dem  griechischen  Festland,  nach  Athen  vor  allem,  aus- 
gewandert;  und  zwar  vorerst  noch  genau   in   der  Verwendung,  welche   ihm   die 

' )   Wahrscheinlich  erging  sich  auch  die  archaisch-  sehen  und  altattischen  —  für  sie  alle  ist  ja  die  schmale 

junische  Wandmalerei     —     sicherlich    ebenfalls  eine  Streifendekoration   charakteristisch  —  scheint   darauf 

der    großen    jonischen   Anleihen  aus  Ägypten    —   in  hinzuweisen. 

eben  dieser  Anordnung  von  langen    schmalen  Strei-  7)    Das    Unorganische    dieser    Ausartung     emp- 

feD.     Auch   das   schwache  Kcho  der  klazomenischen  funden,  aber  sicher  unrichtig  abgeleitet  bei  Benndorf- 

Sarkophage,  der   altjonischen   Vasenmalerei    und   he-  Niemann  1.  c.  107  ;   vgl.  die  Sarkophage  bei  Petersen- 

sonders  der  von  ihr  sichtlich  beeinflußten  altkoriothi-  Luschan,  Reisen  S.  1  u.  23 ;  Benndorf-Niemann  S  107. 


Zur   Herkunft  des  jonischen   Frieses  5' 

kleinasiatische  Monumentalarchitektur  in  fortschreitendem  Läuterungprozesse  da- 
mals bestimmt  hatte:  das  ist  in  der  Beschränkung  auf  einen  einzigen  Streifen 
ganz  oben  am  glatt  aufgehenden  Cellahaus,  unmittelbar  unter  dem  abschließenden 
Gesims.  Die  Cella  des  Nereidenmonumentes  wiederholt  hier  nur  später,  was  für 
die  ältere  Epoche  (zweite  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts)  durch  das  rein  jonische 
Importstück  des  Siphnierschatzhauses  in  Delphi  feststeht8).  Der  erste  Versuch, 
das  neue  Motiv  in  Athen  einzuführen,  mißlang:  die  Cella  eines  dorischen  Peri- 
stasentempels,  des  Parthenon,  wird  nach  der  Weise  eines  freistehenden  jonischen 
Tempelhauses  oben  mit  umlaufendem  Fries  umgürtet.  Eine  ungünstigere  Stelle 
für  Phidias'  Meisterarbeit  konnte  kaum  gefunden  werden.  Die  gleich  darauf  in 
Phigalia  versuchte  Lösung,  den  Fries  ins  dunkle  Innere  der  Cella  zu  legen,  konnte 
noch  weniger  befriedigen.  Beide  Experimente  wurden  verworfen.  Dann  aber  war 
auch  sogleich  das  Richtige  gefunden:  heraus  aus  dem  Dunkel,  los  vom  Kernhause, 
hervor  ans  helle  kräftige  Sonnenlicht,  für  das  sie  drüben  ursprünglich  geschaffen, 
werden  nun  die  Friese  auch  in  Attika  gerückt.  Erechtheion  und  Niketempel  sind 
die  ersten  jonischen  Bauten,  welche  einen  figürlichen  Fries  an  der  von  da  ab 
kanonischen  Stelle,  zwischen  Architrav  und  Kranzgesims,  im  Gebälke  über  den 
Säulen  zeigen.  Wenn  diese  auch  noch  nicht  ringsumliefen,  so  war  es  jetzt  doch 
nur  noch  ein  Schritt  zum  jonischen   Peripteros  mit  Fries9). 

Im  europäischen  Griechenland,  auch  im  alten  Athen  war  man  seit  Jahr- 
hunderten an  den  festen,  strengen  Kanon  des  dorischen  Stils  gewohnt  gewesen. 
Niemals  aber  fehlte  bei  diesem,  als  Bindeglied  zwischen  Architrav  und  Geison,  der 
Fries  mit  seiner  prägnanten  Metopen-  und  Triglyphenteilung.  Für  diese  Stelle  im 
Gebälk  war  das  attische  Auge  also  besonders  empfindlich,  hier  konnte  es  un- 
möglich eine  Lücke  ertragen  bei  der  damals  vorgenommenen  Umsetzung  der  Stil- 
formen vom  Dorischen  ins  Jonische,  bei  der  Rezipierung  der  jonischen  Bauweise. 
Brachte  dieser  neue  Stil  keinen  Fries  an  dieser  Stelle  mit,  so  mußte  unbedingt 
einer  geschaffen  werden,  in  Analogie  zu  der  altgewohnten  dorischen  Weise 10). 
Es  hatte  freilich  keinen  Sinn,  die  alte  Reihung  von  Triglyphen  und  Metopen  hier 
zu  wiederholen,  da  alle  konstruktiven  Prämissen  dazu  fehlten,  die  von  den  Griechen 

8)  Vgl.  Furtwängler  a.  a.  O.  S.  369.  10)  Diese  Analogiebildung  ist  am  klarsten  erkannt 

*)    Daß   der    Peripteros    selbst    etwas    Altjonien  und  formuliert   bei  Perrot-Chipiez    1.  c.    p.  664    (vgl. 

Fremdes   war  und    dort  erst  unter  dem  großen  Ein-  auch    Borrmann-Neuwirth,    Geschichte    d.   Baukunst 

drucke  der  dorischen  Peristasentempel  entstanden  ist,  I  120).  Ebenda  ist  auch   die  den  gesamten  jonischen 

hat    Furtwängler    ausgesprochen    a.  a.   O.    S.   258  ff.  Stil  umgestaltende  Übermacht    der  dorischen  Bauart 

u.   368.  Doch  fehlt  noch  der  Beleg  durch  die  Funde.  richtig     gewürdigt.     Siehe    jetzt     auch     Furtwängler 

Das  alte  ephesische  Artemision  hatte  eine  Peristase.  a.  a.  O.  S.  369. 

7* 


5-  H.   Thiersch,  Zur  Herkunft  des  jonischen  Frieses 

immer  empfunden  wurden,  auch  dann  noch,  wenn  wie  in  diesem  Falle  das 
Tektonisch  -  Notwendige  schließlich  ins  Ornamental  -  Unabhängige  übergegangen 
war.  Aber  welch  willkommene  Veranlassung  den  umlaufenden  Figurenstreif  aus 
der  eben  begonnenen  Gefährdung  an  seiner  in  den  Hintergrund  geratenen  Cella- 
position  zu  befreien,  ihn  hervorzuziehen  an  die  helle  Front  und  da  ihn  einzusetzen 
als  das  fehlende,  gesuchte  Glied,  als  den  hoch  erwünschten  Schmuck,  den  man  hier 
nicht  missen  wollte  und  den  man  schöner  wahrlich  nicht  hätte  linden  können!  Die 
jonische  Perle  in  dorisierender,  in  attischer  Fassung,  das  war  das  Neue.  Denn 
es  ist  eine  attische  Tat,  die  dem  alten  Zierglied  erst  zu  seiner  rechten  Würdigung 
verhalf.  Auch  in  diesen  Dingen  brachte  erst  Athen  das  Reifende  zur  letzten 
Vollendung  (vgl.  Perrot-Chipiez  VII  666).  Nicht  nur  in  der  Gestaltung  einer  be- 
sonderen Basisform,  auch  in  dieser  Normierung  des  fortlaufenden  Frieses  als 
eines  nunmehr  feststehenden  Gebälkgliedes,  erst  im  Prostylos,  dann  in  der  Peri- 
stase,  haben  die  Attiker  etwas  Neues,  ein  Eigenes  gefunden.  Der  Erbauer  des 
Erechtheions  scheint  der  geschickte  Neuerer  gewesen  zu  sein.  Gerade  hier  am 
Erechtheion  glaubt  man  die  Anfänge  der  neuen  Weise  noch  zu  spüren :  am  Haupt- 
bau sitzt  der  Fries  sogar  substantiell  noch  als  ein  Fremdkörper  in  der  ihn  um- 
gebenden Ordnung:  der  Fries  allein  besteht  aus  schwarzem,  eleusinischem  Stein, 
also  auch  im  Material  sich  als  etwas  Anderes,  Neues  abhebend  von  seiner  weißen 
Marmorumgebung.  In  der  Technik  des  Einsetzens  aus  andrem  Stoffe  ist  er  also 
aufs  nächste  verwandt  den  Metopenplatten,  nur  andren  Formates  als  diese,  und 
unter  Fortlassung  der  trennenden  Triglyphenblöcke  mit  dicht  aneinander  geschobe- 
nen Fugen.  An  der  Korenhalle  ist  zwar  der  Friesstreifen  genau  vom  selben  Material 
wie  der  ganze  übrige  Plan,  aber  seine  schlichte  Scheibenverzierung  scheint  sich 
schüchtern  noch  nicht  über  das  Ornamentale  hinaus,  noch  nicht  ans  Figürliche  zu 
wagen  u).  Der  Niketempel  geht  dann  wieder  einen  Schritt  weiter:  er  wagt  den  figür- 
lichen Fries  trotz  des  noch  kleineren  Maßstabes.  Gegenüber  dem  Siphnierthesauros, 
dem  alten  Schema  in  antis,  ist  er  aber  ein  Fortschritt  durch  die  prostyle  Anlage. 
Nicht  nur  in  Bezug  auf  die  Säulenformen,  auch  puncto  Gebälk  gehen  also 
von  nun  an  eine  kleinasiatisch-jonische  und  eine  attisch-jonische  Stilweise  neben- 
einander her.  Wie  sich  die  beiden  in  den  verschiedenen  griechischen  Ländern 
durchdringen,  wäre  im  einzelnen  noch  zu  untersuchen.  Der  kleinasiatischen  Norm  im 
Gebälk  folgt  bekanntlich  die  Ringhalle  des  Leonidaions  in  Olympia,  der  attischen 
dagegen  der  Tempel  zu  Messa  auf  Lesbos,  der  Bau,  welcher  am  frühesten  innerhalb 

")  Also  kein  £q>o-  sondern  ein  xoauocpöpoe;,   wie       Vgl.   Revue  de  philologie   1898  p.  49. 
eine  dclische  Inschrift  diese  Art  zu  nennen   scheint. 


A.  Wilhelm,   Inschriften   ans    Halikarnassos   und   Xheangela  53 

der  kleinasiatischen  Welt  die  alte,  eigentlich  jonische  Weise  verlassen  hat.  Wie 
das  kam,  ist  durchsichtig-:  in  Messa  wiegen  ganz  starke  attische  Einflüsse  vor; 
kein  kleinasiatisches  Kapitell  ist  dem  des  mnesikleischen  der  athenischen  Propyläen 
so  verwandt  wie  das  dieses  lesbischen  Tempels.  Sein  Fries  aber  ist  die  allernächste 
Parallele  zu  dem  des  Erechtheions,  nur  besteht  er  hier  aus  kräftig  roter,  schön 
gezeichneter  Breccia 12).  Vom  Maussoleum  von  Halikarnass  kennen  wir  zwar  die 
Künstler  der  Friese  mit  Namen:  neben  dem  bis  dahin  im  Peloponnes  und  in 
Athen  tätigen  Skopas  die  Attiker  Timotheos  und  Leochares  und  den  in  Athen 
geschulten  Bryaxis,  aber  der  neben  Satyros  leitende  Architekt,  Pythios  selbst,  wird 
schwerlich  eine  andere  Norm  zugelassen  haben  als  bei  seinem  Athenatempel  in 
Priene.    Er  war  ohnedies  ein  Gegner  des  dorischen  Prinzipes  13). 

Freiburg  i.  Br.,   15.  Februar   1908.  HERMANN  THIERSCH 


Inschriften  aus  Halikarnassos  und  Theangela. 


.^v 


1.  Von  der  Wiederherstellung  eines  Gymnasions  zu  Halikarnassos  berichten 
zwei  Beschlüsse,  die  bisher,  soviel  ich  sehe,  noch  nicht  in  Beziehung  gesetzt  worden 
sind:  Newton,  Halicarnassus  II  2  p.  687,  Plate  3  n.  2  und  Classical  Review  VIII 
217.  Der  letztere  Beschluß,  auch  in  Ch.  Michels  Recueil  456  abgedruckt,  gilt  einem 
gewissen  AcoSoxog  «Movtxo'j  und  lautet  folgendermaßen: 

Eni  lepoTioioi)  Aiocpsevxou  xoü  Ato[y£v]ou;.  in: 
repuTocvetag  xfjg  u.£xä  MrjxpoStbpou  xoö  AeovuaSfou, 
ypajijiaxeuovcos  Apaxovxo;  xgü  Weoowpou,  p)vö; 
ÄvfteaxTjptövog'  eoo!;ev  xfji  ßouXfji  xai  xöu  ör)|ito[y 

s   yvwjxrj  TCpuTävewv  etceiSt]  Acoooxo;  <E>iÄovixou  rcäaav 
cpiXoxi[uav  xat  7tpo&u|xiav  Tia.piayjixa.1  e?g  xö  ira- 
axeuaafHjvai  zb  yuu-vaaiov  xö  <JhXc;ijlsiov  so.  uiv  xtö[: 
7cpw-ü)[  ^TjCf.i'a[xxtt  s7rayyE:Aä|.isvo?  eJg  xa  spya  [iix[pi] 
X7j$  SmXfjs  axoäc;  owascv  axoxov  opay^iäj  {iopfag  [xa:  xo 

10  iXkelnov  xaxä  xä;  ercayYsXia;  -äv,  TtäAcv  Ss  sv  dtÄX[ti>c. 

n)   Vgl.  Koldewey,  I.esbos  S.  55,  58.  ist,    daß  das  Gebälk    frieslos  war,  und    der  Fries  an 

1:1    Auch  Furtwängler  nahm  immer  an   (a.a.O.  das    Podium    des    Baues   gehöre;    also    ganz    analog 

S.  368),  daß  der  im  Brit.  Mus.  versuchte  Wiederaufbau  dem     Nereidenmonument     (Archäol.    Zeitung      188 1 

des  halikarnassischen  Systems  in  diesem  Stücke  falsch  S.  305  ff.).    Ebenso   Borrmann  a.  a.  O.  S.  161. 


54  A.   Wilhelm 

ipjjcptojiaTi  eptXoTifioö{i£Vog  ö'tcw?  äv  a^av  fy  auvtere- 
Xesuivov  xö  yuu.väatov  xä  TtpoaSeovxa  ypr^iaxfa 
xaxä  xä;  £7iayy£Xc'a;  Swaeiv  aOxöj  Ttävxa  äxoxa,  x[ai 
5iä  xaüxa;  xäg  aixia?  auußeßrjxev  ärcav  xö  yu|iv<£aio[v 
is   EJitEcxaiäaS-ai  xai  dfotoSeSefyaaiv  oi  erajieXiijTaJ  xyji  ßouXfTji 
ouvx6xeXeo(iev«  Jiävxa  xä  Ipya  äp£axwg  xai  3e§o- 
xijxaxEV  rj  ßouXi]  xai  ev  xöi  Xoywi  cpepouaiv  oi  Sro[ieXyrc[a2 
£15  xa  k'pya  SeSwxoxa  Atöooxov  xö  rcäv  axoxov  opay|i[ä;] 
xpiafiupia;  xpiayi?ia;  TeTpaxoatag-  oü  u.6vov  8s 

-•o     a]i)XÖC    SOWXEV,    O.Xkx    Y.%1    XLVaj    XÖ)V    8e8(j)XÖX(DV    8ü)ps[äv] 

erceiaev  ozdö'/ß-xi.  ÖTtcog  av  xai  6  o^jxo?  cpavspöj  ^i  [aü- 
xöv  efg  xö  yujivaoiov  cpiXoTinijfl"eVua  tcjmöv  xi[xai[? 

xai$  xaxatVaig  xai  TxävxEj  jxpoxpenwvxai  si?  xö  xä;  yp£ia[s 
-ap^saS-ai  eioöxe;  tijv  eüyapiaxiav  xoö  8tj|aou, 

25   axecpaväaai  Atöooxov  (SiXovixou  ypuato:  axecpävwi 
xai  sixovi  j^aXxfjt  cfrtö  opayjiöv  xsxpax'.ayiXitov, 
axfjaai  oe  xyjv  eixöva  aötoö  £v  xwi  yuu.vaai(ix  Jva 
07101-i.vrjjia  rt'.  zf\c,  cpiXoxi|iia;  xf;?  efg  xö  yu|ivä[aiov] 
fjvj  TiapEaysxo  xai  ei;  yprj|iaxwv  [X]öyov  urcEp  x[f//  Suva-] 

jo   [i]iv  aüxoü  xai  sie,  xä  äÄ[Xa-  o]tud;  8'  av  [xö  äpyüpiov] 
SoStjc  xö  xe  ei?  xöv  (jxetpavov  xai  xyjv  e[ixöva  aOxoü. 
£7i£iGYj  ai  (jiev  ispai  [x]a[i  8rj(i]6ai[«]i  [7tpoao8oi 

6ptöVT6g    0£    XO[ ' 

A'.öooxov 

Die  Lesung,  die  von  der  W. R.Paton.s  in  Kleinigkeiten  abweicht,  beruht  auf 
den  Abschriften,  die  E.  Hula  und  P.  Sticotti  von  ihrem  Abklatsch  angefertigt 
haben  und  der  von  mir  in  Wien  an  diesem  angestellten  Nachprüfung.  In  X.  i 
führen  die  Reste  auf  Aioysvou?,  nicht  Aiox)iou;.  Zu  Ende  dieser  Zeile  ist,  wie 
um  sie  als  Überschrift  kenntlich  zu  machen,  ein  Raum  von  etwa  sechs  Buchstaben 
frei  gelassen;  dieselbe  Eigentümlichkeit  zeigen  die  von  mir  Gott.  gel.  Anz.  1898 
S.  206  und  212  behandelten  Inschriften  IG  XII  2,  15  aus  Mytilene  und  OGI  257 
aus  Paphos.  Zu  Anfang  der  Zeile  ist  dagegen  ein  Raum  von  acht  Buchstaben 
unter  der  die  Datierung  enthaltenden  Überschrift  frei  gelassen  in  der  Urkunde 
aus  Lete  in  Makedonien  Archives  des  missions  scientifiques  III  scrie  III  276 
/Sylloge  318);  über  die  Inschrift  7  b  aus  Magnesia,  die  nach  O.  Kerns  Lesung 
einen    freien    Raum    von    vier  Buchstaben   zu  Anfang  der  Zeilen   zeigen    würde, 


Inschriften   aus  Haliliarnassos  und   Theangela  55 

vgl.  meine  Beiträge  zur  griechischen  Inschriftenkunde  S.  209.  Am  Schlüsse  von 
Z.  8  ergibt  ME  >  :  ui/P'-  nicht  [ii[v],  wie  Paton  las;  es  ist  also  die  Wiederherstel- 
lung des  Gymnasions  zunächst  auf  xa  epya  jxixP1  xfjg  SmXfjg  axoäg  beschränkt 
und  erst  dann,  Sraog  m  änm  iji  auvxeXecr|jiivov  Tb  yu|ivaatov,  auch  die  „doppelte"  Halle 
in  den  Neubau  einbezogen  worden.  Die  glückliche  Durchführung  der  Ange- 
legenheit erscheint  wesentlich  als  Verdienst  des  Diodotos.  Er  hat,  wie  das  vor- 
liegende Psephisma  lehrt,  für  die  Wiederherstellung  des  <I>iXiii7xeiov  in  einem 
ersten  Beschlüsse,  den  er  beantragt,  versprochen  ecg  xa  epya  l-ii/pi  xvjs  SwtXfjg  axoä; 
den  Betrag  von  zehntausend  Drachmen,  ohne  Forderung  von  Zinsen,  vorzustrecken, 
und  sich  erboten,  überdies  die  durch  freiwillige  Beiträge  nicht  gedeckten  Kosten 
in  gleicher  Weise  aufzubringen;  durch  die  Bereitwilligkeit,  mit  der  er  später 
durch  einen  neuerlichen  Antrag  diesem  Versprechen  nachkam,  hat  er  sodann  die 
Wiederherstellung  des  ganzen  Gymnasions  ermöglicht.  Nun  ist,  nach  meiner  Er- 
gänzung, der  andere  von  Newton  veröffentlichte  Beschluß  hzl  ftputaveiag  xfjg  |xsxä  Aio- 
Söxou  xo[Q  OiXovixou]  gefaßt  und  als  yvü)|iTj  npuxävewv  bezeichnet,  er  ist  also  sicher- 
lich ein  Werk  hauptsächlich  ihres  Obmannes,  eben  des  Diodotos,  und  wie  sein 
Inhalt  zeigt,  der  erste  seiner  Anträge  in  dieser  Sache.  Nach  Seowxoxwv  Z.  20  hat 
Paton  S(I)[a]e[iv  gelesen,  Sticotti  zum  Schlüsse  Af  verzeichnet;  ich  glaube  3wp£a[v 
in  hinlänglichen  Resten  zu  erkennen.  Z.  23  hatte  ich  schon  Gott.  gel.  Anz.  1898 
S.  235  statt  e?g  zolaq  xpscag:  rfg  zb  xä?  XP£ca?  ^apr/safta-.  vorgeschlagen,  was  durch 
den  Abklatsch  und  die  Wiederkehr  des  Ausdruckes  in  dem  andern  Beschlüsse 
Z.  22  bestätigt  wird.  Zu  meiner  Ergänzung  ürcep  x[^v  86va|i]iv  aoxoü  vgl.  OGI  767 
Z.  18,  Hypereides  g.  Lykophr.  16:  rcapä  oüvauiv  y.ac  Oicsp  xyjv  oüai'av  xrjv  s|j.auxoü; 
häufig  ist  die  bescheidenere  Wendung  xaxä  oüvajuv  xy;v  leim  Sylloge  552  Z.  55, 
xaxa  xav  Suva|xtv  xav  aOxoö  IG  XII  1,  1033;  Brit.  Mus.  232  Z.  9;  REG  IX  4iy 
usw.;  e?g  Tcäaav  Suvauxv  xoö  ßiou  (in  der  bekannten  Bedeutung:  Mittel,  die  das 
Neugriechische  ßt6g  bewahrt)  IG  II  482  Z.  67.  Daß  in  der  vorletzten  Zeile  nicht 
STteiSrj  od  uiv  eepae  xa!  §Yy|j.6a[iai  oaratvac  zu  lesen,  sondern  von  Eepal  xai  Srj]i6acat  7ip6- 
aoSot  und  ihrer  Erschöpfung  die  Rede  ist,  habe  ich  schon  Gott.  gel.  Anz.  1900 
S.  105  bemerkt.  Dem  Sinne  würde  oüx  exTtocoüaiv  entsprechen,  vgl.  Athen.  IV  1676 
xöv  fSiiov  [xou  7xpoa63wv  e?g  xaöxa  ixrawuaöv  und  in  der  Inschrift  aus  Tanagra,  Leges 
sacrae  p.  208  n.  69  Z.  24,  doch  scheint  der  Raum  knapp.  In  der  nächsten  Zeile 
geht  opwvxeg  vielleicht  auf  Mitbürger  oder  Angehörige  des  Diodotos,  die  sich 
angesichts  dieser  Notlage  erbieten,  die  Kosten  des  Kranzes  und  der  efowv  (vgl. 
Beiträge  zur  griechischen  Inschriftenkunde  S.  140  f.)  aufzubringen. 

Die   Schrift,    von    der   ein    Stück    des  Abklatsches   (Fig.  r),   die    linke   Hälfte 


56 


A.   Wilhelm 


der  ersten  elf  Zeilen  enthaltend,  eine  Probe  g"ibt,  weist  den  Beschluß  in  das 
dritte  Jahrhundert  v.  Chr.,  irre  ich  nicht,  eher  in  dessen  erste  als  in  seine  zweite 
Hälfte.  Zu  diesem  Ansatz  paßt,  daß,  wie  der  andere  etwas  ältere  Beschluß 
zeigt,  Halikarnassos  zur  Zeit  der  Wiederherstellung  des  <&tXi7X7retav  unter  ägyptischer 
Herrschaft  stand. 


I:   Inschrift  aus  Halikarnassos,  Classieal  Review  VIII    217. 

2.  Für  die  Lesung  dieses  zweiten  Beschlusses  bin  ich  auf  Newtons  Abschrift  an- 
gewiesen. E.  Hula  ist  nur  ein  kleiner  Teil  des  an  einem  Fenster  der  großen  Burg 
des  Rittersaales  von  Halikarnassos  vermauerten  Steines  sichtbar  gewesen,  nämlich 
die  zweite  Hälfte  der  Zeilen  6  bis  2 1 ;  seine  Abschrift  verbesert  an  zwei  Stellen  Newtons 
Lesung.     Einen    Abklatsch    zu   nehmen    war    weder   Newton    noch    Hula    möglich. 


['Eni 'Ap]eraovos  toö  PICO? 

[.  .  .  [i^vö;]  QociSe&vog  ir.l  rcpu- 
[xaveiaj  xv}]?  \itxv.  AtoS&rou  xo[Q] 

|  3>lXovhcOu]   Yp0l\L\L0ne(>OVXOq 

5    [ ]og  TOÖ   NOYMArAOOY? 

[SSo^ev  xv/.J  ßouXfji  y.y.l  zthi  §^|i(oi'  yvtönfrj 
[itpuTcfcv]ea>v  Z-<o;  Sv  xb  yujivflJafi- 
[ov  xb  'l"./.(--£]'.ov  eraaxeua<j{Hji,  £t;£i- 
[Sij  ßaatX]e£»s  llxo/.E|izro:  rcpea- 


[ßsuaauiv?)]?  xr;;  rcöXeo);  auve^tipTj- 

[aev  Sraoj  0!  veoi]  E/wai  yu|xväaLOV  xa: 
[ol  TtaiSsc  ÄvaxT^]aü)vuat  ~%i  7tawn«]v 
[rcaXaicrcpaJv  fy  vöv  oJ  vioi  xp&vxat,  Ss- 

[Sdyite  xöv.]  Sr^tw:  £;uaxEiixaac-  snsc- 
[5y;  5e  eöpyjjxa  xa  ul|i  uiftaxa  xaE  TtXe[f-] 
[cixa  YjOr;  ot]7.o5o|ir/|'.£va,  d/iytüv  51  icpoo- 
[SeC  -i  ÖTtö?  xi]  öj/.a  7.x:  x<ov  ;uÄc'vwv  £p- 
[ywv  urcapy^c  xivä,  £i;  Se  xä  XontÄ  änay- 


Inschriften  aus   Halikarnassos  untl  Theangela  57 

ysXXovxai  x]iv£?  ßouXopivpu  xoö  StJjaou  [tos  S7ttaxs]uaaai  xö  yujjiväawv  elaeumi- 

20  [eTiiaxsuäaat]  xö  yup/aaiov  owasiv  o?  jiiv  [pr/aav  aXJXot  [aev  Swpeav,  ot  Ss  öcxoxa,  a- 

[ävaTiöooxa]  yprjixaxa,  o?  5s  axoxa-  5s56-  [vaypä'Jiai  8s  £xa]xlpou  stoou;  xöv  xö  7xXe[f- 

[jfjfrac  Stxw?  av]  0!  xä<;  XP£iaS  iratpexfyievoi  [axov  86v]x[a  7xp<5x]ov  xa!  xoö?  Xoitioö; 

[xa!  £]ö[£py£]xao  cpavepoi  öoiv,  Saot  av  35   [xaxä  xö  l^?]v  ä[;toypacp6]vxtov  Ss  aOxwv  xä 

[Söaiv  äva;x6]3oxa  ypr^iaxa  |i.f;  £'Xaaaov  [8v6|i.a]x[a  0!  £iu][i£X7jxa!  xoö  yuu,va- 

25   [Spajyißv  ne]vuaxoafo)V  xa!  Saoi  av  axoxa  [aiou,  xoö;  oe  £7iayys:X]a|i£vou;  3[oöv]at  xä  */pfrr 

[[üj  l'Xaaaov  8jpa/|iüv  xptaytXEwv.  Erajcvfja-  |iaxa  xoC;  TajA]i[ai]s"  87iü)g  5'äv  xa;  xa  fpya 

[8-ac  aöxo]ö$  ütxö  xoO  8^(jiou  xa!  ävaypä-  auvxEXEa-iHji  w;  ßsX]xta[xa]?  xa!  XuoixsXsa- 

4>ai  aüxoög  GjTtoypa'jiavxa;  xö  ^Tj'fa|xa  40  xaxa ]v  xa  £5  x[yj]v  spyto- 

[x68s  £v  xfjt  7t]apaaxäoL  xoö  ^(iixuxXfou,  7xpo-      vcav ]axo;  iXIrjö-aCt 

jo  [ypä'^at  8s  ö']x'.  olos  xoö  6rj|i.0'j  ßooXi'j'friv-  ]erap.eX»)T[ 

In  den  Präscripten  bleibt  die  Bezeichnung  des  Eponymos  zweifelhaft.  Als 
isponoiiq  erscheint  er  in  dem  soeben  behandelten  Beschlüsse,  als  veüMtowj?  (nur  diese 
Form  ist  für  Halikarnassos  bezeugt,  vgl.  Bull,  de  corr.  hell.  XIV  91)  in  der  be- 
rühmten Inschrift  Sylloge  10  aus  dem  fünften  Jahrhundert,  in  der  Weihinschrift 
OGI  16  aus  den  Jahren  308  bis  306  v.  Chr.  (Dittenbergers  Ansatz  billigt  U.  Wilcken, 
Archiv  III  3151,  in  der  Urkunde  über  das  Priestertum  der  Artemis  Pergaia 
Sylloge  601,  in  der  wie  ich  Arch.  epigr.  Mitt.  XX  71  nachwies,  derselbe  A1680T05 
t&iXovHtou  als  ypajjijiax£'js  genannt  ist,  und  in  dem  Beschlüsse  Bull,  de  corr.  hell. 
IV  395  (Michel  454),  in  dem  sicher  nach  [AvfrJsaxT/pcwvo?  zu  ergänzen  ist  vs[ei)7tot- 
oOyzoc,  ArJ|j.r|xptoi).  Zahlreiche  jüngere  Inschriften  bezeichnen  den  Eponymos  als 
Priester,  nämlich  der  von  Josephus  XIV  256  überlieferte  Beschluß:  im.  t£p£w? 
Nswvo;  xoö  'Aptaxeioou  xaxa  toctjoiv  ok  MevüXXou  (so  nach  meiner  Verbesserung  Jahres- 
hefte VIII  238  ff.  für  M£|xvovo?  xoö  'AptoxefSou,  xaxa  8s  Ttowjaiv  EöcDvujiou),  die  Inschrift 
CIG  2501,  die  auf  Kos  gefunden,  aber  wie  ich  späterhin  zeige,  von  Halikarnassos 
dorthin  verschleppt  ist,  die  Weihinschrift  Inscr.  Brit.  Mus.  900  und  die  sogleich 
zu  erwähnende  Liste  aus  Theangela,  ferner  Listen  der  Kaiserzeit  Newton  II  2, 
702  n.  12  a,  703  n.  12  b,  Bull,  de  corr.  hell.  XIV  104.  Cl.  Gnädinger,  De  Graecorum 
magistratibus  eponymis  p.  14  hat  der  von  Josephus  mitgeteilten  Urkunde  wegen 
den  ispsu;  für  den  Eponymos  erklärt;  in  der  Urkunde  über  das  Priestertum  der 
vApx£|.UL;  Ü£pya{oe  sei  der  vewtoitjs  nur  als  ein  an  der  Ausführung  des  Beschlusses  be- 
teiligter Beamter  genannt.  Die  Erklärung  würde  für  den  EhrenbeschlulJ  Bull,  de 
corr.  hell.  IV  395,  in  der  meiner  Ergänzung  nach  ebenfalls  der  vewtcocVj;  erscheint, 
nicht  zutreffen,    und  der  Sachverhalt  stellt  sich  heute  verwickelter  dar,    weil  von 

Jahreshefte  des  tisterr    archäol.  Institutes    Bd.Xl  3 


58  A.   Wilhelm 

zwei  sicher  gleichzeitigen  Urkunden  die  eine  den  Eponymos  als  EepoTODtds,  die 
andere  als  veüMCOMj?  einführt.  Aufklärung  bringt  die  eben  erwähnte,  unveröffent- 
lichte Liste  aus  Theangela,  die  Beiträge  für  Anlage  eines  Brunnens  im  Heiligtum 
der  Aphrodite  mit  folgender  Überschrift  verzeichnet: 

"E~:  cspswj  IIgasitoj  xvj  'Avopoaö-s- 

VO'J  XÖÜ  XÖ  SsÖXSpOV  vsw-o'.oOvto;. 
Der  Schrift  nach  gehört  der  Stein  in  das  zweite  oder  den  Anfang  des  ersten 
Jahrhunderts  v.  Chr.,  also  ungefähr  in  dieselbe  Zeit  wie  der  von  Josephus  mitge- 
teilte Beschluß  und  die  Inschriften  CIG  2501  und  Inscr.  Brit.  Mus.  goo,  die  eben- 
falls einen  kpsü?  als  den  Eponymos  nennen.  Der  wichtige  Zusatz  xoö  xö  osüxspov 
vsumowjvxoc  scheint  mir  zu  zeigen,  daß  dieser  Priester  in  seiner  Eigenschaft  als 
VEw-ctTjc  dem  Jahre  den  Namen  gab.  Es  wird  der  Priester  des  Apollon  sein,  denn 
Xswv  'ApLaxEioou  hat  das  Priestertum  xoö  14~6aXwvo;  xoü  xrj$  toXsojs  xpyrflizov  wiederholt 
bekleidet,  wie  die  von  mir  Jahreshefte  VIII  238  ff.  besprochenen  Inschriften  lehren. 
Vermutlich  ist  der  Priester  des  Apollon,  nicht  auf  Lebenszeit,  sondern  jährlich 
bestellt,  zugleich  Obmann  der  vewnoiaL  gewesen  und  in  dieser  Eigenschaft  eponym 
geworden.  E.  Bourguet  hat  Bull,  de  corr.  hell.  XX  223  und  besonders  in  seinem 
Buche  L'administration  financiere  du  sanctuaire  pythique  p.  108  vortrefflich  dar- 
gelegt, wie  den  an  vielen  Orten  ursprünglich  zur  Leitung  eines  Tempelbaues  ein- 
gesetzten vaO/io:o:  allmählich  die  Oberaufsicht  über  die  Verwaltung  aller  Heilig- 
tümer und  der  erste  Rang  unter  den  Behörden  und  schließlich  auch  die  Eponymie 
zufiel.  In  Halikarnassos  scheint  die  Entwicklung  die  gewesen  zu  sein,  daß  von 
der  Zeit  an,  zu  der  die  vsw-oTat  zur  einflußreichsten  Behörde  geworden  waren, 
nach  ihrem  Obmanne  datiert,  späterhin  aber,  weil  allemal  der  Priester  des  Apollon 
zu  dieser  Stellung  berufen  war  und  im  Laufe  der  Zeit  die  vstoTCoia:  an  Bedeutung 
verloren,  seine  priesterliche  Eigenschaft  allein  zum  Ausdruck  gebracht  wurde. 
Auffällig  ist  die  nur  einmal  begegnende  Bezeichnung  des  Eponymos  als  hpoizry.iz: 
liegt  ein  bloßes  Versehen  des  Schreibers  oder  des  Steinmetzen  vor,  der  schwankte, 
ob  er  den  Eponymos  dem  Herkommen  nach  als  vstOTtofy:;  oder  dem  jüngeren 
Brauche  folgend  als  ispsü;  bezeichnen  solle  und  so  aus  dem  tepsü;  und  veüMtodjg 
einen  hpoTCOioc.  gemacht  hat?  In  unserer  Inschrift  scheint  der  Raum,  nach  den 
sicheren  Ergänzungen  der  Zeilen  3,  4,  ö  zu  urteilen,  für  die  kürzeste  Bezeichnung 
zu  sprechen.  Doch  ist  nach  Newtons  und  Hulas  Abschrift  die  Schrift  gerade  in 
den  Abständen  der  Buchstaben  sehr  ungleichmäßig,  und  die  Rechnung  nach  der 
bloßen  Zahl  der  Buchstaben  zumal  dann  trügerisch,  wenn  solche,  die  sich  mit 
geringem   Räume  begnügen,  darunter  sind. 


Inschriften  aus  Halikarnassos  und  Theangela  59 

3.  Zwei  Namen  bereiten  in  den  Präscripten  Schwierigkeiten.  In  PISO  zu 
Ende  der  ersten  Zeile  würde  wohl  nur  Iha!>[ctat'pou  zu  finden  sein;  der  seltene  Name 
begegnet  auch  IG  II  1723  (Attische  Grabreliefs  1479).  Sind  aber  die  Buchstaben 
sicher?  Es  fällt  auf,  daß  die  zweite  Silbe  des  Namens  sehr  weit  an  den  Rand 
reichen  würde,  auch  ist  zweifelhaft,  ob  zu  Anfang  der  zweiten  Zeile  sechs  Buch- 
staben ergänzt  werden  dürfen.  Vielleicht  steckt  in  PICO  einfach  z.  B.  NIKO —  oder 
NIKnvo;.  In  Z.  5  kann  der  Vatername  des  Schreibers  unmöglich  NOYMATAOOY  sein, 
doch  finde  ich  keine  befriedigende  Änderung:  [navcjayarho'j  oder  Nouji[>jvf]ou  setzen 
zu  starke  Verlesung  voraus.  Sicher  ist  dagegen  die  Herstellung  des  Namens  des 
ersten  Prytanen  AoSotou  to[ö  <I>iAovixou].  Die  Ergänzungen,  die  ich  in  dem  augen- 
scheinlich ihm  verdankten  Antrage  versuche,  gehen  von  der  Voraussetzung  aus, 
daß  der  Baufälligkeit  des  Gymnasions  wegen  die  vso:  die  naiSiXT]  -x/,x:a-px  benutzten 
und  diese  nunmehr  durch  die  mit  Einwilligung  des  Königs  Ptolemaios  erfolgende 
Wiederherstellung  des  Gymnasions  ihrer  eigentlichen  Bestimmung  zurückgegeben 
wird.  Daß  dieses  Gymnasion  [xb  <&iXi7C7re]iov  ist,  lehrt  Z.  7  des  von  mir  an  erster 
Sti-lle  behandelten  Beschlusses.  Eine  tcsuSixt]  TixXxt'axpa  erwähnt  z.  B.  Themistios 
or.  20  p.  292;  über  den  Unterschied  zwischen  Palaistra  schlechtweg  und  Gymnasion 
s.  K.  F.  Hermann  und  H.  Blümner,  Privataltertümer  33g;  über  die  Gymnasien  von 
Pergamon  Ath.  Mitt.  XXIX  158,  XXXII  ^2^;  eine  a-ox  ev  tw  twv  vecov  yu^vaacw  er- 
wähnt die  Inschrift  461  dieses  Ortes,  vgl.  Athen.  Mitt.  XXXII  266;  eine  a~ox  etü  tüh 
yupvaouiH,  nach  £.  Bourguets  durch  die  Ausgrabung  bestätigter  Ergänzung,  eine 
Inschrift  aus  Delphi,  vgl.  L'administration  financiere  du  sanctuaire  pythique  p.  127. 
Zu  seiner  Ergänzung  äywvt^ovTai  bemerkt  Newton:  In  my  transcript  I  read  -vtawvrat, 
but  this  is  probably  a  mistake.  Ist  meine  Ergänzung  Z.  12  0:  -x!oe;  richtig,  so  muß 
der  Sinn  sein,  daß  diese  die  jetzt  von  den  \io:  benutzte  Palaistra  wiedererhalten;  der 
Vorschlag  xvxx-rjawvixc  wird  somit  nicht  zu  gewagt  sein.  Z.  15  vermag  ich  xx  vor  xx 
|iev  \ii-(i5X<x.  nur  auf  ein  Verbum  zu  deuten:  es  scheint  vermöge  einer  allerdings 
auffälligen  Nachlässigkeit  die  Ausdrucksweise  beibehalten  zu  sein,  die  der  Obmann 
der  Prytanen  in  seinem  Vortrage  gewählt  hatte,  um  das  Ergebnis  einer 
persönlichen  Untersuchung  des  Tatbestandes  in  seinem  Namen,  nicht  im  Namen 
des  Collegiums  vorzulegen.  Aus  später  Zeit  gibt  ein  Beispiel  unglaublich  sorg- 
loser Redaktion  der  Beschluß  der  Eleier  Inschriften  von  Olympia  54.  Von  der 
Ergänzung  dieser  schwierigen  Stelle  hängt  übrigens  auch  die  Fassung  ab,  die 
man  den  nächsten  Zeilen  gibt.  Ihr  Sinn  ist  klar  und  auch  von  Newton 
erkannt,  seine  Lesung:  xx  jiiv  {Asytaxa  xx:  jiXefiovo?  attx  (p]xo6o|JL7j(iiva,  öXt'ywv  8s 
rcpoa[5eovT(i>v  sc;  ix]  ;6/.a  xx:  twv  guXtvcov  spfywv  eVJtiv  St,  eJg  Se  ~x  Äo:^x  y.zX.  läßt  aber 

8* 


6o  A.   Wilhelm 

die  notwendigen  Zeitworte  vermissen.  In  Z.  17  habe  ich  zweifelnd  xa  öto?  vx  cju/.a 
versucht;  der  Lücke  genügt  xä  ijSXa  ebensowenig  wie  dem  Sinne  nach.  In  Z.  20 
oöit'.  statt  5d)ai:v  Newton;  doch  ist  der  Infinitiv  erfordert  und  in  Hulas  Abschrift 
noch  ein  Rest  des  Ny  zu  erkennen.  Zu  Anfang  der  Z.  21  wäre  Swpeav  wie  unten 
Z.  32  etwas  zu  kurz.  Ich  setze  daher  KVarcoSoxa  ein,  ebenso  in  Z.  24,  in  der  Newton 
iTzocyyDJ.wnT.'.]  Botet  ypr(uaxa  gelesen  hatte.  Das  Wort  ist  auch  sonst  bezeugt;  so  in 
dem  Beschlüsse  aus  Ilion,  Dörpfeld,  Troia  und  Ilion  S.  451  N.  XI  (vgl.  Wiener 
Studien  XXIX  8)  Z.  22  sTiayyetÄaxco  §e  b  ßojX6|_ievo;  xwv  tioAixüv  xtjv  S30|xev7jv  Sarcavrjv 
äva^öSoxov;  vielleicht  steckt  es  auch  in  einer  anderen  Inschrift  aus  Ilion,  die 
Froehner,  Inscr.  gr.  du  Louvre  35  vollständiger  mitteilt  als  Boeckh  CIG  3600, 
Z.  18:  tö  e?g  tJjv  Gustav  SzicävT^ia  SwaoucKV  ä?;ö  §oxö)v,  denn  auch  hierin  möchte  ich 
3wa[£tv  oder  ähnlich  und  dann  d]va;:62ox[o]v  suchen;  mit  hz%^(zkKfj^x.  verbunden 
steht  es  in  der  Inschrift  aus  Simena,  Reisen  in  Lykien  II  S.  50  N.  87:  oiSe  yiko- 
Sötw;  xa:  süvolxw;  Sixxeijxsvot  Ttpo;  xöv  5^ov  sTnjvys&avxo  xpvj(ia  ävaTtöooxov  ei?  xyjv 
ajiöooacv  xwv  Saveiwv;  mißverstanden  haben  das  Wort  die  Herausgeber  in  der  In- 
schrift aus  Lagina  Bull,  de  corr.  hell.  XI  32  Z.  12  f.,  wo  zu  lesen  ist:  oerewvtav 
wv  aüxo:  bniaymzo  orjvaptwv  [vjp:wv  dva^oodxwv  xt)  tcoXe:  (nicht  07jvap:a  [itip:a  avarcoSov- 
xtov);  schließlich  findet  sich  das  Wort  in  Inschriften  aus  Priene  108  Z.  58  avaraooxov 
s'Scoxev  xi)t  ■köXei  attov  |iExa  xoO  dSeXcpoö  und  Milet  I  109  N.  7  b  Z.  8  und  in  den  Papyri, 
z.  B.  Tebtunis  Papyri  105  Z.  20,  106  Z.  2  und  24.  In  H.  van  Herwerdens  Lex. 
suppl.  und  seinen  Nachträgen  habe  ich  Nachweise  vergeblich  gesucht. 

Die  Bestimmungen  über  die  Aufzeichnung  der  Spenden  kehren  fast  wörtlich 
in  einem  anderen  Beschlüsse  aus  Halikarnassos  wieder,  der  irrig  gelegentlich  nach 
Knidos  gesetzt  worden  ist,  Inscr.  Brit.  Mus.  897  (OGI  46)  Z.  3  ff. :  Stwds  S'  äv  ol 
TtpoSavefoavxes  eis  xrjv  axo&v  rjv  6  Sfjjios  ävaxiS-Tjaiv  xä>:  'AtcoXawvi  xa:  ßaa:Xe:  nxoÄE[ia:w: 
cpavepo:  waiv  -xj:v,  xou;  esexaaxäs  Scp*  wvv  (vgl.  W.  Schulze,  Gott.  gel.  Anz.  1896 
S.  250  f.)  av  a'jvxsXcafrr,  q  oxox  'ovo',  äv  rcpoSaveiawaiv  axoxa  |ivj  IXaoaov  ^  r^  (d.  i.  5pa-/[u7>v 
^£vxaxo3t(i)v,  dieselbe  Summe  wie  in  dem  Beschlüsse  über  die  Wiederherstellung 
des  Gymnasions  Z.  25),  ävaypa-Jia:  aüxwv  xä  övcu.axa  sv  xrj:  7:apaaxa2:  xvj;  axoas  7iaxp:ax: 
rcposype&jxmas  5xt  otSe  ISwxav  xw:  3r,|juij:  äxoxa  yprjuaxa  eJg  xt^v  xaxaaxeuYjv  x*js  axoä?, 
ÄvaYpacp6vTü)V  2e  TtpÖTOV  töv  TrXefotov  oovxa.  Zu  beachten  ist  die  Erwähnung  des 
^[iixöxXtov  Z.  29,  einer  Exedra  im  Gymnasion,  vgl.  Ath.  Mitt.  XXXII  259  Z.  35. 
Z.  33  verzeichnet  Newton  "  .  .  .  .  xspoy;  nach  xvj;  '/.o'.-obc,  stünde  Jtaxp'.axi,  wie  er 
ergänzt,  nicht  an  der  richtigen  Stelle,  zudem  ist  vor  ävaypacpövxwv  ein  Ny  gelesen. 
Z.  35  habe  ich  gewagt  [xaxä  xö  eEfJv  zu  ergänzen,  wiewohl  das  Wort  in  dieser 
Form  nur  aus  dorischen  Sprachdenkmälern  bekannt  ist,    nämlich  aus   Rhodos  IG 


Inschriften    aus   Halikarn  issos   und   Theangela  Öl 

XII  i,  155  (GDI  3836)  Z.  108  ett]  )«]'  e;xv  und  Ath.  Mitt.  XI  52  (GDI  3756)  orao; 
xa:  ev  xök  \iezx  xaüxa  xpovooi  x  ävaypa-^x  xtov  Eepaxsu6vx(flv  ytVTjxai  xaxä  xö  e'cav,  ferner 
Sylloge  614  (GDI  3705)  aus  Kos  Z.  80  xaxä  ypäiijJ.«  ävaysYpafijievos  l\x'i  xtz'o  toö 
aXcpa;  vgl.  W.  Schulze,  Quaest.  ep.  p.  293.  Die  letzten  Zeilen  entziehen  sich  der 
Ergänzung.  Zu  Z.  40  bemerkt  Newton:  tvjv  in  my  ms.  copy  xav;  but  this  is  pro- 
bably  a  mistake,  as  there  is  no  trace  of  the  Doric  dialect  in  this  inscription.  Somit 
habe  ich  xa  ig  (neben  eis  auch  z.  B.  in  den  Inschriften  von  Priene)  vtp  epytoviav  ge- 
schrieben;   epywvai  erwähnt  die  Inschrift  OGI  46  Z.  2. 

Der  König  Ptolemaios,  der  in  diesem  Beschluß  über  die  Wiederherstellung  des 
<&iX«nxetov  genannten  Gymnasions  und  in  dem  Beschluß  über  den  Bau  einer  'AtiöXXidvi 
xat  ßaa:Xef  üxoXeiiaKöi  zu  weihenden  Stoa  wie  in  der  Weihinschrift  dieses  Gebäudes 
erwähnt  ist,  wird  zumeist  für  Philadelphos  (285  bis  247)  oder  Euergetes  (247  bis  221) 
gehalten  (vgl.  J.  Beloch,  Gr.  G.  III  2,  267).  B.  Niese,  Geschichte  II  101  Anm.  9  vermutet 
in  ihm  Ptolemaios  Soter,  wie  in  der  Weihinschrift  OGI  16,  deren  Beziehung  auf 
Soter  Beloch  freilich  bestritt,  um  auch  sie  Philadelphos  zuzuteilen,  vgl.  Archiv  f. 
Papyrusforschung  III  315.  Die  Schrift  der  beiden  auf  das  Philippeion  bezüglichen 
Beschlüsse  erlaubt  schwerlich  eine  Entscheidung.  Daß  der  König  die  Halikarnassier 
mit  wenig  Entgegenkommen  behandelt  und  in  ihrer  augenscheinlich  argen  Geld- 
verlegenheit ohne  Unterstützung  gelassen  hat.  ist  schon  von  H.  Usener  Rhein. 
Mus.  XXIX  49  bemerkt  worden.  Seltsamerweise  wurde  der  für  ihre  Lage  besonders 
bezeichnende  Beschluß  über  die  Anleihen  zum  Bau  der  Stoa  vielfach  irrig  nach 
Knidos  gesetzt  (vgl.  E.  Szanto,  Ausgew.  Abh.  49;  P.  Wolters,  Rhein.  Mus.  LYIII  54; 
B.  Haussoullier,  Etudes  sur  l'histoire  de  Milet  p.  68).  Von  wem  das  4»iXimteiov 
seinen  Namen  erhalten  hat,  entzieht  sich  der  Vermutung. 

Auf  den  Bau  einer  Stoa  bezieht  sich  übrigens  auch,  wie  G.  Hirschfeld  ge- 
sehen hat,  das  kleine  Bruchstück  Inscr.  Brit.  Mus.  897  a,  in  dem  ich  erkenne  Z.  1 
v  e[i]s  xa,  Z.  2  xä  Xofjica  £[p]ya  e-i  Z.  3  v  -%  epya,  Z.  4  -oug  Z.  4  -ou;  ext-  oder  ex  x-, 
Z.  5  at]oäv  'Ati[öXX(i)vi  ?  oder  got[ — ,  Z.  6  y]pa:f — • 

4.  Der  Inschriftensammlung  des  Nationalmuseums  ist  vor  einiger  Zeit  die 
S.  62  abgebildete  Stele  (Fig.  2)  weißen  Marmors,  0-355  bis  0-38 m  breit,  samt  Ein- 
satzzapfen 052™  hoch,  o'oS m  dick,  übergeben  worden.  Der  Vermerk  der  neuen 
Erwerbungen  n.  199:  'Exouiaihj  ü~ö  Mt^orjX  BoyiatwY;  ex  xoO  cppoupiou  WeayyeXfz;  ('AX:- 
xapvaaaoö)  lehrt,  daß  der  Stein  von  der  Ruinenstätte  stammt,  die  W.  Judeich, 
Ath.  Mitt.  XIII  335  beschrieben  und  für  Pedasa  in  Anspruch  genommen,  W.  Paton 
aber  Class.  Rev.  III  139  auf  Grund  der  dort  gefundenen,  späterhin  noch  zu  er- 
wähnenden Inschriften  als  Theangela  erwiesen  hat. 


62 


A.    Wilhelm 


Verzeichnis    von   22  Beiträgen  zur  Herstellung   eines  Brunnens,   wahrschein- 
lich   in    dem    Heiligtum    der   Aphrodite    zu    Theangela;    der   Priester    der   Göttin 


1  :«7  >    :  « 


;:    Beitragsliste  aus  Theangela  im   Nationalmuseum   zu   Athen. 

steht    ebenso    an    der    Spitze    der  Liste   wie    der    Priester  des   Zeus    Labraundos 
in    der  Inschrift   aus    Mylasa,    Ath.  Mitt    XV   261:    otSe  i^^yyetAavxo   xai  eTteöuxav 


Inschriften   aus   Halikarnassos  und  Theangela  03 

(über  diesen  Zusatz  vgl.  Jahreshefte  X  28)  de,  xr]v  xaxaaxeu^v  xt;5  aTOäg.  Das 
Wort  £Voixo3o|j.c'a  fehlt  in  unseren  Sammlungen;  neben  öpu/V),  dem  Graben  des 
Brunnens,  wird  es  seine  Ein-  (wir  sagen  Aus-)mauerung  bezeichnen.  Unter  den 
Beitragenden  ist  einer  als  Fremder,  (friXimceög,  und  dem  Stande  nach  einer  als 
xeyyhaq  bezeichnet,  zwei  als  epyaxai.  Das  Drachmenzeichen  begegnet  in  der- 
'EtiI  ispiws  UoXsizou  xoö  Avopoafl'l- 

VOU  XOÖ  XO  OSUXEpOV  VeüMXOlOÖVTOg 

o?Se  eixrjvye£Xavxo  s?g  xijv  xoö  eppsaxo? 
öpu^rjv  xai  dvotxoSojifav  6  tepeu;  xyj?  A- 
5   rfpo8e:xrj;  'AvSpwv  MrjvoSöxou  A  i  xa!  Ö7cfe[p] 
xwv  uJwv  M(r/)vo3(I>pou  xal  AvSpwvoc;  A  i 
MrjxpoSwpo^  Ar^xptou  xoö  ATjjirjxptou  A  [.] 
xai  ÜTtlp  xoü  ofoö  A.7raXXocp<£vou  A  £ 
»  'Hcpataxt'wv  Sxpäxwvo;  £  s  xaE  foxsp  [xoö] 

i"  uioö  Sxpixuvog  A  £  Ilaptt-Evioc;  MevexX[£-] 
ou;  a  3  'Epfiwvaij  Meve[xX]£oug  a  3  Mrjvo- 
Swpo^  MrjVoSujpou  xoö  MrjxpoSwpoi)  A  £ 
AtovuoöSwpos  'Hp(o3ou  A  £  'ArcoXXtofvi-] 
Srjg  Mr;Vo5wpou  A  £  lepoxXfjg  üap9-£- 
15   viou  xa!  üTüip  xoö  uioö  ITap&sviou  A  £  'A[v-] 
Sptov  Apxxovxo|.i£vo'j  A  £  "Epjiwv  Aeovjxe-] 
ü>;  A  £  Aiayopa?  0£o5(.öpoi>  xaiV  öofrsapav 
5e  AyaiKx/ioy?  xai  6~£p  xoö  uioö  Acay[6-] 
pa  A  £  AeovtiocSrjs  Apaxovxo|isvou  A  [.] 
20  lepoxXfjs  'ArcoXXwvfoo  *3>iXcJx— suc  A  [.] 

Moipayevyj?  MEVEatMwg  A  ß  Athjvayöpac  [Ilap-] 
B-evfou  xai  (JTxsp  xoö  utoö  IlapÖEvcou  ~tyy'.- 
xa;  A  e  °AtoXX(iMO£  Eaparawvog  e[p-] 
yaxas  A  A.7ioXXwvc8r]S  Meve[xpi-] 
25   xou  A  ß  (-)lov  MeXavwntou  Ipyäxac  A[.] 
selben  Gestalt  eines    schrägen   Striches,    an    den    ein    wagrechter    rechts   ansetzt, 
auch  in  der  eben  erwähnten  Inschrift  aus  Mylasa,  vgl.  auch  IG  XII   1,  937.    Von 
den    Beiträgen    betragen    zwei    oder    drei    je    zehn    Drachmen,    die   meisten   fünf, 
einige    vier,    einige    zwei  Drachmen;   in  Z.  24   vermag  ich  vor   A    ein  Drachmen- 
zeichen nicht  zu  entdecken   und  frage  daher,  ob  dieses  Zeichen  etwa,  wie  sonst  <, 
die  Hälfte  der  Einheit  bedeutet. 


64 


A.  Wilhelm 


5.  Ein  HoAtlxr^  I\v5poa9-lvo'j;  wird  in  einer  Inschrift  aus  Halikarnassos,  nämlich 
in  der  Liste  der  Priester  des  Poseidon  Isthmios  CIG  2655  (Sylloge  608)  in  der  zweiten 
Spalte  genannt,  als  drittletzter  der  ganzen  Reihe,  soweit  uns  diese  vorliegt.  Leider 
ist  diese  Inschrift  jetzt  verschollen  und  nur  durch  Boeckhs  Abdruck  bekannt,  der 
auf  die  Abschriften  zurückgeht,  die  ihm  Bröndsted  und  Dubois  von  J.  G.  Wernincks 
Abschrift  gesendet  hatten.   Es  ist  geboten  diesen  Abdruck  zu  wiederholen. 

PICTOKAEOYSMETATPAtAI 

I  I  I  AHSTHSnAPEST-flSHSTOUArA 

OYriOSEIAnNOSTOYSOMlOYTOYSrEr 

AnOTHSKTISEnSKATArENOSIEPEISTOYnO  .  .   . 
5    NOSTOYKATIAPYOENTOSYllOTnNTHNAriOIKI   .   .   . 
TPOISHNOSArArONTnNTTOSEIAnNIKAIAnOAAO  .  . 
EISINAEENAYTH  I  I  E  PE  I  STOYflOSE  IAANOCO  I  AE 


-5 


TEAAMnNnO*EIAnNOSETHIB 
ANTIAIOSTEAAMD.NOC  KZ 
YnEPHUEAAMANO«  O 

AAKYONEYSTEAAMjCINOC  ib 
TE  AAMD.A  NTI  A  IOY  KB 

YPIEYSANTIAIOY  H 

ANOASAAKYONEn*  IO 
NHiinTH?YPIEn<  KO 

innAPXO^AlOAAEA«         Z 
PNEYS  ANOA        IZ 

AYKPITOS  NHdATOYKE 
.AEYCinnAPXOY  10 
.  APAN  +YAEn«  KE 
.  H+Oi  lEPHNO^IA 

.  IAANIO?AP  KTEAKA 
POSOENHCANAPnNOSKT 

innAPXo*4>YAEns  a 

AHMHTPIOSAIOSKOYPIAOY  O 

+  IAUTO(AHMHTPIOYIZ 
.  YANAPO«  ANAPANO(K  B 
.  HMO*IAO?0EOAAPOY  Z 
.  .  .  PATHS  K  P  ATI  NOY  IC 
.... l(nArt     n     X  A 


AOHNinnOSATOYAT 
ANAPOSOENOYS       N 
nOAEITHUANAPO 
(OENOYJ  E 

EYAIAN 


nOAEITOY 
n  O  A  E  I  T  H  l 

EY  A  mNOS 


KN 


KAÖ 


AnOA  AANIAOYKZ 


Die  von  Boeckh  vorgenommene  Verteilung  der  Namen  auf  Generationen, 
der  die  späteren  Herausgeber  folgen,  bedarf  mindestens  darin  der  Berichtigung, 
dati    '|--xoyo:  «l>M/iw;   in   Z.  24    nicht   wie  er  wollte  der   Enkel  des  <I>j/.sü;  '\~-iy/r.> 


Inschriften  aus   Halikarnassos  und  Theangela  65 

in  Z.  19  sein  kann.  Zwischen  den  beiden  Priesterzeiten  liegen  nicht  weniger  als 
83  Jahre;  es  wird  also  "IjiTiapyo?  «PuÄsw;  in  regelmäßigem  Wechsel  der  Namen 
von  Vater  zu  Sohn  vielmehr  der  Urenkel  des  <$>'Azbz  limApyau  sein.  Den  Namen 
.  .  PNEYS  Z.  17  hat  Boeckh  zu  ['AXxuoJvsug  ergänzt,  weil  in  Z.  14  Avfra;  AXxuovswg 
vorausgeht;  doch  ist  auch  ['0]pveö{  möglich,  trotz  des  folgenden  Zwischenraumes, 
zumal  der  Abdruck  auch  die  Lücken  zu  Anfang  der  nächsten  drei  Zeilen  zu  groß 
angibt.  Ein   Heroenname  kann   in  diesem  Teile  der  Liste  nicht  auffallen. 

Nach  Boeckhs  Angabe  ist  der  Stein  rechts  beschädigt  und  daher  unsicher, 
ob  nach  der  letzten  abgeschriebenen  Zeile  noch  etwas  gestanden  hat.  Man  hat 
bisher  angenommen,  die  ganze  Liste  von  27  Poseidonpriestern  sei  einheitlich  von 
der  alten  Stele  übernommen  und  neu  aufgezeichnet  worden.  Der  Beschluß  sagt 
allerdings:  [lE-afpa^  Ix  xfjg  ipyadae,  ottjXtj;  t^;  ^apsaiwarjs  xof?  äyäÄ^aac  xof?  xoö  üo- 
Gzio&voz  xoö  'Iafrfuo'j  xoü;  Yeyevujjiivous  dreo  xfj?  JCTiaewg  xaxx  ylvog  Upefg  xoO  noae'.owvo; 
xxX.  Dann  folgt  die  Überschrift  eJcrlv  oi  iv  afroji  tepers  xoö  IloaetSwvo;  oJSe  und  in 
zwei  Spalten  die  Namen.  So  würde  man  nur  die  Priester  verzeichnet  glauben,  die 
auf  der  alten  Stele  standen.  Stillschweigend  halten  denn  auch  die  Gelehrten,  die 
sich  nach  Boeckh  mit  der  Urkunde  beschäftigt  haben  (v.  Gutschmid,  Kleine  Schriften 
IV  293,  Th.  Bergk  GLG  II  384,  Dittenberger,  Ed.  Meyer  Forschungen  I  173),  die 
Aufzeichnung,  wie  sie  in  Wernincks  Abschrift  vorliegt,  für  einheitlich  und  vollstän- 
dig. Wie  ist  es  aber  mit  beiden  Annahmen  bestellt?  In  der  ersten  Spalte  stehen 
23  Namen.  Namen  und  Vaternamen  sind  ausnahmlos  in  einer  Zeile  untergebracht, 
diese  Zeilen  beginnen  eine  wie  die  andere  genau  untereinander  und  schließen  mit 
Zahlzeichen  zur  Angabe  der  Dauer  der  einzelnen  Priesterschaften,  und  auch  diese 
Zahlzeichen  stehen  genau  untereinander.  Ist  diese  erste  Spalte  vollständig  er- 
halten? Boeckh  sagt  nur:  lapis  infra  integer  videtur.  Die  letzten  Zeilen  aber, 
namentlich  die  allerletzte,  scheinen  der  Abschrift  nach  so  verstoßen  wie  dies  am 
Rande  eines  Bruches  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Auch  bestehen  zwischen  den  am 
Schlüsse  dieser  Spalte  und  den  in  der  zweiten  verzeichneten  Namen  keineswegs 
so  enge  Beziehungen,  daß  die  Annahme,  beide  Gruppen  folgten  unmittelbar  auf- 
einander, nötig  oder  auch  nur  wahrscheinlich  wäre.  Die  Vollständigkeit  der  Liste 
ist  somit  keineswegs  erwiesen,  im  Gegenteil,  es  ist  viel  wahrscheinlicher,  daß 
die  erste  Spalte  unten  verstümmelt  ist. 

Aber  auch  den  allgemeinen  Glauben  an  die  Einheitlichkeit  der  Liste  vermag 
ich  nicht  zu  teilen.  Die  zweite  Spalte  läßt  die  sorgfältige  Anordnung  der  ersten 
durchaus  vermissen.  Von  den  vier  Namen,  die  sie  enthält,  sind  die  zwei  ersten, 
nach   Boeckhs  Abdruck    zu    urteilen,    allerdings  auf  Zeilen,    die  denen  der    ersten 

Jahrestiefte  des  nsterr.  archSol     Institutes   Bd. XI.  ,, 


66  A.  Wilhelm 

Spalte  entsprechen,  eingetragen.  Sie  beanspruchen  aber  nicht  nur  für  Namen  und 
Vatersnamen  je  zwei  Zeilen,  sondern  zeigen  die  Buchstaben  auch  in  ungleiche  Ab- 
stände gestellt  und  verraten  sich  so  als  Einträge  verschiedener  Hände  oder  wenig- 
stens verschiedener  Zeiten.  Dem  dritten  Namen  folgt  trotz  seiner  Kürze  der  wenig 
längere  Vatersname  ebenfalls  in  einer  besonderen  Zeile  und  erst  in  weitem  Zwischen- 
räume, der  letzte  Name  endlich  braucht,  da  nicht  nur  der  natürliche,  sondern 
auch  der  Adoptivvater  des  Priesters  genannt  ist,  drei  Zeilen,  die  wiederum  durch 
größere  Zwischenräume  getrennt  erscheinen.  Angesichts  der  unverkennbaren 
Unregelmäßigkeit  dieser  Einträge,  die  Wernincks  Abschrift  wahrscheinlich  noch 
treuer  wiedergab  als  Boeckhs  Abdruck,  kann  ich  mich  der  Überzeugung  nicht 
verschließen,  daß  die  Namen  der  zweiten  Spalte,  von  verschiedenen  Händen  zu 
verschiedener  Zeit  mit  größeren  Buchstaben  und  ohne  Beobachtung  der  Zeilen- 
ordnung der  ersten  Spalte  geschrieben,  gar  nicht  der  alten  Stele  angehören 
und  spätere  Zusätze  zu  der  von  ihr  abgeschriebenen,  in  der  ersten  Spalte  ein- 
getragenen Liste  sind.  Die  späteren  Einträge  in  der  Liste  der  Priester  von 
Korykos,  Reisen  in  Kilikien  S.  7 1  ff.  und  in  der  Liste  der  Priester  von  Hala- 
sarna  auf  Kos,  die  R.  Herzog,  Sitzungsber.  Akad.  Berlin  1901  S.  483  heraus- 
gegeben hat,  sehen  genau  so  aus.  Auch  von  der  Liste  der  Priester  der 
Athena  zu  Lindos  gilt  nach  dem  vierten  Bericht  über  die  Ausgrabungen  (Bull. 
de  l'Acad.  de  Danemark  1907  p.  45)  wenigstens  für  drei  Stelen,  die  124  Jahre 
umfassen  und  eine  vierte  Stele  mit  70  Jahren:  les  noms  etaient  inscrit  au  für 
et  ä  mesure,  im  nom  chaque  annee.  Es  war  somit  ein  Irrtum,  wenn  Boeckh, 
Th.  Bergk,  v.  Gutschmid  und  auch  Ed.  Meyer,  Forschungen  I  173  im  Glauben 
an  die  Vollständigkeit  und  Einheitlichkeit  der  Liste  CIG  2055  die  Summe  der 
504  Jahre,  die  in  ihr  verzeichnet  sind,  in  Rechnung  gesetzt  haben,  um  von  der 
Zeit  der  Gründung  von  Halikarnassos  aus  die  Zeit  des  letzten  Priesters  und  die 
Zeit  des  Abschlusses  der  Aufzeichnung  zu  ermitteln.  Zwei  Namen  der  zweiten 
Spalte  der  Liste  hätten  schon  längst  ihre  Zeit  verraten  sollen.  Der  erste  Eintrag 
'AMpamos  'AvSpooö-^voug  sieht  freilich  in  Dittenbergers  und  Michels  Abdruck 
(Recueil  877)  harmlos  aus.  Wernincks  Abschrift  bietet  aber 

AOHNinriOSÄTOYÄT 
ANAPO*OENOYS 
das  ist  'Ali •y|v.--c:  Ä$ijvmcttou  toO  ÄS-tjvJtotou  t[o0]  'AvSpoafrlvous;    die  Bedeutung,    die 
dem    Zeichen    A    in    Inschriften    aus    Halikarnassos   und  dem   Branchidenheiligtum 
(Inscr.    Hrit.    Mus.    924)    nach    Namen    vor    tOÖ    und    einem    weiteren    Namen    im 
Genetiv  oder  nach  bloßen  Namen  zukommt,    haben  G.Cousin  und  Ch.  Diehl  Bull. 


Inschriften  aus  Halikarnassos  und  Theanyela  67 

de  corr.  hell.   XIV   105  und  G.  Hirschfeld  zu  Inscr.  Brit.  Mus.  893  und  898  p.  62 
und  75  erkannt;    in  den  Papyri,  z.  B.  Amherst  Papyri  II  (vgl.  p.  76   und  225)   be- 
gegnet für  aüxd;  die  Abkürzung   J.     Niemand  wird   eine  so  umständliche  Bezeich- 
nung des  Mannes  einer  Liste  zutrauen,    deren  letzte  Namen  auch  nach  Ed.  Meyers 
Ansatz  noch  dem  sechsten  Jahrhundert  angehören  würden,  nach  v.  Gutschmid  und 
Boeckh  gar  noch  der  ersten  Hälfte  des  siebenten ;  übrigens  hat  J.  Beloch,  Rhein. 
Mus.  XLV  573  auch  die  Namen  Iloasiotbvio;  und  Ar;urjTpio<;  in   Z.  22    und   25  f.  der 
ersten  Spalte  mit   Recht   gegen  den  Ansatz  geltend  gemacht,  der  ihren  Trägern 
dem  vermuteten  Alter  der  Liste  nach  zukommen  würde.   Ebensowenig  paßt  für  so 
alte  Zeit  die  Bezeichnung  der  Adoption  bei  dem  letzten  Namen  noXetxTj?  Eöa&ovos 
xaiV    uEofreaiav    Se   'Atioaäuvioou;    nach    W.  Crönerts    Sammlungen    in    C.   Wesselys 
Studien  zur  Paläographie   und  Papyruskunde   IV    102   stammen  die  ältesten  Fälle 
der  Bezeichnung    der  Adoption    aus    dem    dritten   Jahrhundert    v.    Chr.     Da    sich 
Wernincks   Abschrift    an    anderer    Stelle    in    der    Wiedergabe    eines    unverständ- 
lichen   Zeichens    als   völlig   genau    erwiesen    hat,    mag    auch    zu    beachten    sein, 
daß  Boeckhs  Abdruck   sonst   überall  O,   in  der  Abkürzung  KAg    aber  ©   zeigt;    so 
würde,  falls  nicht  die  Typen  täuschen,  auch  die  Form  der  Buchstaben  schon  den 
späten    Eintrag    verraten.     Nun    findet    sich    IIoXsityj;    'AvSpooMvoug    in    der    neuen 
Inschrift  aus  Theangela,  die  der  Schrift  nach  in  das  zweite  oder  erste  Jahrhundert 
v.  Chr.  gehört,  als  Eponymos;   ich  sehe  keine  Möglichkeit  zu  bestreiten,  daß  er  der 
in   der  Fortsetzung   der   alten  Liste   genannte  Priester  des  Poseidon  Isthmios   aus 
Halikarnassos  sein  kann.    Die  Inschrift  Sylloge  608  ist  bisher,  im  Glauben  an  die 
Einheitlichkeit    der    ganzen  Aufzeichnung,    in    das   zweite   oder   erste  Jahrhundert 
v.  Chr.  gesetzt  worden,  wohl  der  Schreibung  gerade  jener  Namen  wegen,  die  sich 
jetzt  als   spätere  Zusätze   zu    der  Abschrift   der   alten  Liste  erwiesen  haben.    Ver- 
möchten   wir    nun    die    Zeit,    der    UoXzivr^  'AvSpooftevou?    angehört,    näher    zu    be- 
stimmen, so  wäre  damit  auch  ein  terminus  ante  quem  für  den  Beschluß  gewonnen, 
namentlich,    wenn  man  annehmen  dürfte,    daß    die    erste    Spalte   von  den  Namen 
der  alten   Liste   ausgefüllt   gewesen    und    der   erste  Name   der  zweiten  Spalte  der 
erste  Zusatz  sei;   doch  kann  diese  Annahme  nur  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit, 
aber  nicht  Sicherheit  beanspruchen.     Der  Beschluß    ist   somit    mindestens  fünfzig 
Jahre  älter  als  die  Priesterschaft  des  Polites  (den  Namen  deutet  U.  v.  Wilamowitz, 
Arist.   u.  Athen    II    54   „Burgwart"),   aber  schwerlich  viel  älter,    denn    wenn   auch 
die    Sprache    nicht    entnehmen   ließe,    ob    er    dem    vierten,    dritten  oder  erst  dem 
zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  angehört,   so  weist  doch  in  letzteres  die  Form  des  Z. 
wenn  Abschrift  und  Abdruck  treu  sind,  auch  die  des  IT  Die  Schreibung  des  letzten 

9* 


68  A.    Wilhelm 

Namens  der  ersten  Spalte,  den  man  zu  AvSpoa&evrj]?  IIoX[etTOU  ergänzt,  kommt  nicht 
in  Betracht;  ich  vermag  der  Abschrift  ....  IsriA«"1  <">  X  nichts  Sicheres  abzuge- 
winnen. Der  verstümmelte  Anfang  der  Inschrift  nennt  einen  Aristokles  oder  Sohn 
eines  Aristokles  als  irgendwie  an  dem  Zustandekommen  des  Beschlusses  beteiligt. 
Der  Name  ist  für  Halikarnassos  öfter  bezeugt;  ein  !Ä.piaroxXfjs  AptOTOxXeoug  'AX:xap- 
vaaaeös  wird   Proxenos  von  Delphi   186   v.  Chr.,    GDI    2581    (Sylloge   268)    Z.  166. 

In  der  Übertragung  dieses  Beschlusses  ist  übrigens  W.  Janell,  Ausgewählte 
Inschriften  griechisch  und  deutsch  103  n.  13g,  wenig  glücklich  gewesen.  Kaxä 
yevoj  gibt  er  durch  , geschlechterweise'  wieder,  den  Satz  toö  xocTiSpuSivcog  xtX. 
durch  eine  Sinn  und  Fassung  entstellende  Parenthese:  „(der  Kult  Poseidons 
wurde  von  den  unter  seiner  und  Apollos  Führung  aus  Trözen  gekommenen 
Kolonisten  eingerichtet)".  Ein  anderes  Mißverständnis,  besonders  schlimm,  wenn 
er  sich  dabei  etwas  gedacht  haben  sollte,  ist  W.  Janell  in  der  Übersetzung  der 
Inschrift  aus  Kos  Sylloge  598,  S.  102  n.  138  seiner  Sammlung,  begegnet:  die 
Käuferin  des  Priesteramtes  des  Dionysos  öuXXocpöpo;  soll  üyiijs  xai  oXoxXapog  xai  [i7j 
vctoiepa  ixüv  Sexa  sein,  d.  h.  .gesund,  unbescholten'  usw.!  Wie  übersetzt  er  i'/.i- 
xXjjpos,  wenn  diese  Eigenschaft  von  dem  männlichen  Bewerber  um  ein  Priesteramt 
gefordert  wird,  z.  B.  Sylloge  594  ? 

Die  Inschrift  aus  Theangela  datiert  nach  dem  Eponymos  von  Halikarnassos; 
nach  Plinius  V  107  war  Theangela  eine  der  sechs  Städte,  die  Alexander  der 
Große  Halikarnassos  zuteilte.  J.  G.  Droysen,  Hellenismus  I2  1  S.  217  hat  diese 
Nachricht  auf  eine  spätere  Zeit  als  die  Eroberung  der  Stadt  durch  Alexander 
bezogen;  zumeist  wird  sie  verworfen  und  angenommen,  Plinius  habe  den  durch 
Maussollos  vollzogenen  Synoikismos  von  Halikarnassos  irrig  auf  Alexander  zurück- 
geführt. In  der  Tat  ist  es  auffällig,  daß  Strabon  611  von  den  acht  Städten  der 
Leleger  in  der  Pedasis  sagt:  xöv  5'  öxtü)  icdXecov  xx;  'iz  MauaawXo?  d;  [ixav  rijv  AXixap- 
vaaaöv  luv^yayev  '<>;  KxÄ/.'.ailivr,;  EaropeT,  SuayyeXa  5s  /.%:  MövSov  Z:v$:S/.y.lz.  Kallisthenes 
also  ebenfalls  sechs  Städte  in  Halikarnassos  vereinigt  werden  läßt,  aber  gerade  Thean- 
gela und  Myndos  ausnimmt,  vgl.  W.  Judeich,  Ath.  Mitt.  XII  339  f.;  Kleinasiatische 
Studien  S.  235.  Die  Selbständigkeit  Theangelas  in  der  Zeit  nach  Alexander 
bezeugen  die  Inschrift  aus  Athen  IG  II  963,  die  Liste  der  Proxenoi  von  Tralleis 
Le  Bas-Waddington  599  und  der  unten  mitzuteilende  Beschluß  der  Trozenier.  Zur 
Zeit  der  Beitragsliste  war  die  Stadt  jedenfalls  mit  Halikarnassos  vereinigt,  der 
Priester  des  Apollon  Archegetes  von  Halikarnassos  galt  auch  in  Theangela  als 
eponym;  ein  einheimischer  Eponymos  wird  neben  ihm  nicht  genannt,  Theangela 
muß  also  schon  früher  seine  Selbständigkeit   aufgegeben   haben    und  in    Halikar- 


Inschriften  aus  Halikam.issus  und  Theangela  '"! 

nassos,  mit  dem  es  vielleicht  vordem  durch  eine  Sympolitie  verbunden  war, 
aufgegangen  sein. 

6.  CIG   2501   teilt  Boeckh  folgende  Inschrift  mit: 

In  insula  Co  fragmentum,  ex  Gallandi  epistola  ad  Graevium  manuscripta. 
E  n  II  EPEnZBAZIAElAOYEAEYOEPinNOZOinAPAKAHOENTEZEn 
HrrEIAANTOAnPEANTHnOAEIKAHPnSINTHZNEnZAnOZTEAAO 
MENHZnPOZTONnonAlONOYAA.KPAEZONYriATONKAI  TOYZ 
n  EM+0ENTAZP  POZTOYZTOnOYZTHZAZIAZKATATOYZAYON 
TAZTHNEIPHNHN 
Nach  des  Herausgebers  Umschrift: 

'Eji!  lepmc,  Baad£t'ooi>  'EXEuftEpuovo;  ol  napa^X^evues 
imffydXavzo  Swpsäv  x?/  rc6Xec  jVjXrjpw[a]:v  xrj;  vsö)? 
dtotoaxeXXojiivrjs  rcpöc  xöv  IIötcX'.ov  OöaX.  Kpaaaov  ürca- 
xov  xa:  tobe,  7i£[icp{r£vxac;  npög  xoüj  xotouc;  xrj;  'Aat'a; 
xxxä  xou?  Xüovxaj  tJjv  eJpiqvrjv. 
Augenscheinlich    die   Überschrift    eines  Verzeichnisses,    das  Galland    nicht    abge- 
schrieben hat;  er  sagt  selbst,  wie  Boeckh  mitteilt:   ,haec  tantum  exscripsi  ex  am- 
pliori  inscriptione  quam  integram  festinanti  exscribere  non  lieuit'. 

Inschriften  von  Kos  pflegen  nach  dem  [lövxpyoc  datiert  zu  sein.  Somit  geht 
es  nicht  an,  BaacXeKrjj  als  „eponymen  Eepeög  in  Kos  132  v.Chr."  zu  betrachten,  wie 
in  der  Realencyklopädie  III  45  mit  Berufung  auf  die  Inschrift  steht.  Vollends  ist 
es  verfehlt,  ihn  BaacXsiSrjc;  'EXeufl-epKüVOg  zu  nennen.  Augenscheinlich  ist  der  Monats- 
name 'EXeuä-spwbv  verkannt,  der  nicht  für  Kos,  wohl  aber  für  das  gegenüberliegende 
Halikarnassos  durch  den  auf  Kos  gefundenen  Beschluß  Bull,  de  com  hell.  IV  212 
(Michel  455  und  426)  Z.  10  und  einen  anderen  Beschluß  der  Halikarnassier  Bull, 
de  corr.  hell.  XIV  95  Z.  3,  als  'EXeu&Epco;  auch  Brit.  Mus.  896  Z.  26  (vgl.  Bechtel 
zu  GDI  5729)  bezeugt  ist.  Da  nun  auch  der  Name  Baa'.XsöSr^  aus  Halikarnassos 
bekannt    ist  —    ein   BaatXeiSrjc  'Ovaar-pövxoc;    wird    in    der   Liste    der  Proxenoi   von 

Astypalaia  IG  XII  3,    168  Z.  52  verzeichnet,  ein Swpo;  BaaiXa'Scj  in  der 

Liste  Bull,  de  corr.  hell.  IV  464  (in  der  Z.  3  ist  der  Vatername  verschrieben  oder 
verlesen:  OeuSwpt'oa,  nicht  0eu5(i)p\'Sa)  —  halte  ich  die  Vermutung  für  begründet, 
daß  die  Inschrift  nicht  Kos,  sondern  Halikarnassos  zuzuteilen  ist. 

In  der  Inschrift  selbst  ist  mehrerlei  nicht  in  Ordnung.  Statt  ol  nzpxv.'Arß-iv-sz 
muß  es  heißen  o'l'Se,  vor  TiXrjpwaiv,  wie  Boeckh  aus  KAHPnSIN  hergestellt  hat,  mag 
der  Artikel  entbehrlich  sein,  notwendig  ist  er  nach  xrj;  v£toc  vor  äTtoaxEÄXoulvr^, 
überflüssig  dagegen  vor  dem   Namen  des  nOflAlOZOYAA.     Zum  Schlüsse  erwarte 


70  A.   Wilhelm 

ich  etwa  ziq,  (eher  als  Tcpöj)  toj;  tsnou;  zfjZ  'AsJx;  in:  (oder  rcpög)  tvj;  •/.aTXÄüovxx;  ttjv 
eLaifnpi.  Die  Beziehung  auf  den  Krieg  des  Aristonikos  scheint  dadurch  gesichert,  daß 
Strabon  XIV  646  und  Cicero  Philipp.  XI  18  die  Entsendung  des  Consuls  P.  Licinius 
Crassus  131  v.  Chr.  bezeugen  (Niese,  Geschichte  III  368);  die  irrige  Bezeichnung 
als  Valerius  hat  schon  Galland  auf  die  Verwechslung  mit  seinem  Collegen  L. 
Valerius  Flaccus  zurückgeführt.  Daß  den  Römern  bei  der  Eroberung  der  ihnen 
durch  das  Testament  Attalos  III  zugefallenen  Erbschaft  gegen  Aristonikos  außer 
den  Fürsten  Nikomedes,  Mithradates,  Ariarathes  und  Pylaimenes  auch  ...Städte" 
zu  Hilfe  gekommen  sind,  sagt  Strabon  ausdrücklich:  al'  zz  tzcasi:  E7tejitJ>av  tiXtj&o;; 
zu  diesen  Städten  wird  nunmehr  auf  Grund  der  Inschrift  Halikarnassos  zu  rechnen 
sein.  Auf  diesen  oder  einen  ähnlichen  Anlaß  mag  auch  die  Weihinschrift  Le  Bas 
Waddington  504  zurückgehen:  AXtxapvaaaewv  ol  axpateuoct[isvot  ev  iyj  TSTprjpe;  vau- 
ap^oöVTO?  O-.Axypo'j  toü  AjjjMjrpiou  v.%:  tpLTjpapxou  AvSposö-evouc  toö  'AvSpwvo;  ÄtoXXü>vi 
Apy r^yETr;  ■/.%:  AoxXt}TO(j);  ein  Vorfahre  dieses  Andron  steht  in  der  Priesterliste  CIG 
2655  Z.  23,  vgl.  oben  S.  64;  über  den  Historiker  Andron  von  Halikarnassos 
s.  meine  Beiträge  S.  70  zu  IG  II  5,  2773b.  Über  die  Kämpfe,  deren  Schauplatz 
damals  Karien  war,  handelt,  zur  Erläuterung  einer  aus  Blondeis  Papieren  bekann- 
ten Inschrift  aus  Bargylia,  P.  Foucart,  La  formation  de  la  province  romaine  d'  Asie, 
Mem.  de  1'  Acad.  des  inscr.  XXXVII  320  ff.;  Aristonikos  ist  bei  Stratonikeia  ge- 
schlagen, dann  in  die  Stadt  eingeschlossen  und  zur  Ergebung  gezwungen  worden. 

7.  In  der  Inschriftensammlung  des  Xationalmuseums  zu  Athen  befindet  sich, 
auf  S.  71  (Fig.  3)  abgebildet,  der  untere  Teil  einer  Stele  weißen  Marmors,  o-372m 
bis  0-385 m  breit,  mit  0*42 m  breitem,  sorgfältig  gearbeitetem  Profile,  noch  0-31  m 
hoch,  0-085™  dick;  Höhe  der  Buchstaben  0-007 m,  Abstand  der  Zeilen  0-015'".  Der 
Fundort  ist,  wie  das  Verzeichnis  der  neuen  Erwerbungen  196  bemerkt:  'Exoucsib} 
■j~b  M:/ay.  Boytoc^j  ix  toö  cppoupiou  ösay^eXtag  (AAwtapvaaaoO),  Theangela. 

Der  in  dorischem  Dialekte  abgefaßte  Beschluß  handelt  von  Ehren  für  den  Demos 
von  Theangela.  Die  auf  die  Bekränzung  bezüglichen  Bestimmungen  sind  verloren; 
die  Einladung  lid  Seüirvov,  nicht  ir.l  cir.y.,  wird  den  als  Bürgern  betrachteten  Vertretern 
dieser  Gemeinde  gelten.  Zwei  Stelen  sollen  aufgestellt  werden,  die  eine  im  Heilig- 
tum des  Apollon  Thearios,  die  andere  in  Theangela  im  Heiligtum  der  Athena,  und 
der  Rat  für  die  Kosten  aufkommen  (zu  teev  (moupfim  -api/sv  vgl.  örojpexsTv  von  den 
die  Zahlung  leistenden  xajuai  z.  B.  Sylloge  139  aus  Chios  Z.  14,  162  aus  Samos 
Z.  37,  IG  XII  7,  221  Z.  26,  225  Z.  14  aus  Minoa  auf  Amorgos).  Männer  werden 
gewählt,  die  für  die  Verkündung  der  Kränze  in  der  durch  den  Beschluß  vorge- 
sehenen Weise    und    für  die  Aufstellung  der  Stelen    zu    sorgen   sowie    im  Monat 


Inschriften   aus  Halikarnassos  und  Theangela 


7' 


[xaXeaat  31  v.oä  &- 
tu  8ef7EVo]v  e]lq  [xo  icpuxaverov  et;  aüptov  dyyp^^at 
5e  xö  (Jjckpiajjia  xo[o£  efjg  [^taÄa];  X'.>K[vac]  060  [xal  ävtri[i.£V 
txjx  [i£V  ig  xo  lapöv  roö  A-6XX(uvo?  xoO  Ösaptou,  xäv  S£  [£v 
ösayyl/.oig  iv  xwi  xx;  'Afräva;  Eapuf  xäv  0£  ßouXäv  xäv 

5  Ö7roupYtav  ~y.rAyyr  ecvSpag  0;  i/iafte  otxivss  etujisXtj- 
aoövxat  xouxwv,  Stkd;  0?  x£  orlcpavoc  ävayop£ui)-ö>vx:  e? 
ixdaruous  oeSoxxai  xa:  at  axaXai  avxeö-wvrt.  xal  -dllooov 
-ocYjCovxat  lv  xük  'ATtsXXat'tot  jjwjvi,  Sttw;  6  8ä{io?  6  xwv  8e- 
[[Bs]]aYysÄ£(ov  x:[ia{Hj:  xaxa^tai?  xtjjiaf;.  fA  ßouXä  efcev. 

10  AEpefrev  iitJ  xä  sv  8sayy£Xo£g  'ApioxetSTjs  Nlwvoc,  Oi>X:äSrj; 
'Iäsovo;-  ETOxapö^at  xoü;  ax£'^ävou?  xal  xä$  axdXaj  axäaai 
xai  jr.6{k>8o{i  rcöiqaaafrat  e?g  xöv  &JtEXXatov  pijva  oi  -evxe. 


3  :   Beschluß  der  Trozenier  aus  Theangela  im  Nationalmuseum  zu   Athen. 

A-£XXaioc  einen  Antrag-  einzubringen  haben,  durch  den  dem  Demos  von  Theangela 
würdige  Ehren  zuteil  werden  sollen.     Daß   dieser  nur  in  seinem   letzten   Teile    er- 


7  2  A.   Wilhelm 

haltene  Beschluß  vom  Rate  beantragt  ist,  lehrt  der  Zusatz:  x  ,iouXx  sfnsv.  Dann 
ist  verzeichnet,  daß  ÄpioxetSrjs  Xemvoc  und  OOXixStj;  Taaovo;  bestellt  wurden  kid  xx 
3v  öeav-flXotg  und  daß  mit  der  Verkündigung  der  Kränze,  der  Aufstellung  der 
Stelen  und  der  Einbringung  eines  Antrages  im  Monat  AtzsXXxIo;  „die  Fünf",  ol 
-£vx£,  ein  augenscheinlich  bestehender  Ausschuß,  betraut  sind. 

Die  Vermutung,  daß  der  Beschluß,  der  Aufstellung  in  dem  Heiligtume  des 
"A-iXXwv  6sxp:s;  und  des  Dialektes  wegen,  Trozen  zuzuteilen  sei,  wird  durch  eine 
andere  Urkunde  bestätigt,  die  ebenfalls  aus  dem  Heiligtume  der  Athena  in 
Theangela  stammt. 

8.  Der  in  Theangela  gefundene  Beschluß  der  Trozenier,  den  E.  L.  Hicks, 
Class.  Rev.  III  234  veröffentlicht  hat,  weist  nämlich  ganz  dieselbe  Fassung  und 
Sprache  auf.  Zudem  bezieht  er  sich  auf  'ApiaxsiSrfc  Newvog  Wsxyyc/.E'J;,  sicherlich 
denselben  ü.pioxe£8ijs  Niwvog,  den  der  neue  Beschluß  mit  OjX:x5t);  'Ixaovoc,  wie  sich 
nun  ergibt,  eben  als  Bürger  von  Theangela,  i~l  xx  iv  8eayyiXoig  bestellt.  Diese 
zweite  Inschrift,  jetzt  in   W.  Froehners  Besitz  in  Paris,  lautet: 

[SsSö/frx:  xöt] 
jfouXäc  y.xI  xw:  oxfiwt  iroxtv[e]<Jat  ÄpicrcecSijv  Nlw- 
vo:  H£xyy£Äf|  xai  axE'favwax'.  ocöröv  xpuasw  axE'fxvcp  a- 
psxx;  £V£7.x  xx!  eövotag  xx;  sie  xov  Sxjiov  xöv  Tpo[w]x- 
vt[(o]v  .  x[y]vpx'ix'.  5s  xo[2s  tö  t]>]<£cptaua  Iv  oxotXaftg]  Sualv  /.x:  xv- 
5    0-£[i£v  xxu.  [[i]£v  ig  xö  Eapöv  xoO  A-6XXtovo; 
xoü  Ösapiou,  xxv  5s  sv  öeayyeXois  e?g  xö  Eapöv  xä; 
At>xvx[;-]  xxv  2c  ßouX&V  xxv  öiroopytav  -xpsvsv  xv- 
5pxc  [54]  sXsaÖ-x:  oftcvej  toöxwv  ira|i.eXirjaovxac.  A  ,iou- 
/.x  £:-£.  A:psi)-sv  01  -svxs,  s;ü  xxv  cxaXav  xxv  iv  Ol^x-fy!- 
10  Xoig  Ap'.axst'or,;. 

Ist  auch  die  E.  L.  Hicks  von  W.  R.  Paton  zugesendete  und  von  einem  Un- 
genannten herrührende  Abschrift  nicht  fehlerlos,  so  bleibt  doch  über  die  Lesung 
kein  Zweifel;  die  wenigen  Buchstaben,  die  ich,  auf  diese  Abschrift  angewiesen, 
und  im  Widerspruch  mit  ihr,  in  Klammern  setzen  mußte,  stehen  sicherlich  richtig 
auf  dem  Stein.  Auch  die  auffällige  Abteilung  Xswv|o;  Z.  1  2  habe  ich  berichtigen 
zu  dürfen  geglaubt.  Nach  ig,  xö  capöv  xoO  zeigt  die  Abschrift  eine  Lücke  von  zehn 
Buchstaben;  daß  nur  roö  A-dXXiovo;  xoO  <->sxp:'o'j  dagestanden  haben  kann,  ist  klar, 
und  daß  es  dasteht  ohne  den  vom  Herausgeber  vermuteten  Zusatz  Iv  TpoCxv., 
bezeugt  W.  Froehner  freundlichst  auf  meine  Anfrage.  Da  icli  den  Stein  nicht 
kenne,    vermag    icli    nicht    zu    sagen,    oh    die    auffällige   Kürze,    welche    sich    bei 


Inschriften  aus  Halikarnassos  und  Theangela  73 

dieser  Lesung  für  Z.  5  ergibt,  irriger  Abteilung  der  Zeilen  verdankt  wird  —  die 
vorangehende  Zeile  erscheint  in  der  E.  L.  Hicks  übersendeten  Abschrift  etwas 
länger  als  die  übrigen  -  -  oder  ob  in  Z.  5  wirklich,  infolge  einer  Tilgung  irrig 
wiederholter  Worte,  freier  Raum  vorliegt.  In  Z.  9  und  10  stand  Hicks  Umschrift 
aipstHjva:  rcSvre  und  'AptaxEtSr/t)  in  Widerspruch  mit  der  Abschrift,  deren  Lesungen 
nun  der  neue  Beschluß  bestätigt.  Ihrem  ETiiusArjCJGV-at  steht  in  der  athenischen 
Inschrift  £rajieXr)aoüVTac  und  rconljaovwct  gegenüber. 

Die  formellen  Eigentümlichkeiten  der  beiden  Beschlüsse  kehren  in  den  in 
Trozen  selbst  gefundenen  Beschlüssen  der  Trozenier  wieder.  Das  Psephisma 
IG  IV  748  schließt  mit  den  Worten  t&OJp'.oc,  efrce  und  einem  Vermerk  über  die 
Zulosung  des  Neubürgers  zu  einer  Phyle;  ebenso  war  der  Antragsteller  am  Ende 
des  Beschlusses  IG  IV  755  genannt,  falls  nicht,  durch  freien  Raum  von  dessen 
letztem  Worte  geschieden,  auch  hier  a  [k'j/.i  eins  stand;  jedesfalls  aber  ist  am 
Schlüsse  der  großen  Urkunde  IG  IV  755  A.  Z.  10  nicht  [xa&airep]  £  ßouXä  dizt  zu 
lesen,  sondern  einfach  &  ßoolx  efrce.  Ähnlich  schließt  das  Psephisma  von  Methana 
IG  IV  853  (add.  p.  382;  Bull,  de  corr.  hell.  XXIV  207):  x!  ouvapx««  Jwfoai  y.ai 
01  ixXv]cnaaxa2  sfoav.  Vier  Beschlüsse  der  Trozenier  749,  751,  753  (add.  p.  381), 
756  beginnen  mit  den  Worten  rcäftoSov  nowjaatJiivou;  in  den  Fünf,  die  mit  solchem 
Einschreiten  beauftragt  werden,  werden  vermutlich  Prytanen  zu  erkennen  sein 
als  vorbereitender  Ausschuß  des  Rates;  die  Weihinschrift  IG  IV  764  nennt  vier- 
zehn Männer  als  5x\i.'.opfoi  und  rapuTGcvieg,  leider  ohne  ihre  Verteilung  zu  bezeichnen ; 
bilden  sie  zwei  Gruppen  zu  neun  und  zu  fünfen?  Fünf  Gewählte  werden  übrigens 
auch  in  dem  Beschlüsse  aus  Samos  Sylloge  162  Z.  55  genannt.  Der  ÄiteXXaibc,  wird 
des  Apollonfestes  wegen  für  den  Antrag  der  Fünf  ausersehen  sein;  auch  in 
Epidauros  findet  die  Verleihung  der  Proxenien  in  diesem  Monat,  dem  letzten 
des  Jahres,  bei  Gelegenheit  des  Asklepiosfestes  statt  (IG  IV  925  mit  P.  Kawadias' 
Bemerkungen  'E'f.  apy^.  1901  c.  81;  seine  vollständigere  Lesung  ist  von  M.  Fränkels 
Voreingenommenheit  nicht  nach  Gebühr  gewürdigt  worden,  IG  IV  p.  383).  Auch 
in  Athen  pflegt  man  Auszeichnungen  im  Hinblick  auf  die  Feste,  an  denen  ihre  Ver- 
leihung verkündigt  werden  soll,  namentlich  die  großen  Dionysien,   zu  beschließen. 

Wie  ich  bereits  Jahreshefte  VIII  241  andeutete,  ist  AptoxEior;;  Nswvog  Qs^feXv!): 
ein  Vorfahr  des  ApiaisBrjs  Xetovo?  xaiV  oSafrectav  2  s  MevöXXou,  der  wie  eine  Reihe 
von  Inschriften  aus  Halikamassos  zeigt,  in  späterer  Zeit  einer  der  hervorragendsten 
Bürger  dieser  .Stadt,  mindestens  viermals  Priester  der  Athena,  mindestens  fünf- 
mal Priester  des  Apollon  Archegetes  und  als  solcher  Fponymos  von  Halikamassos 
war  und  in   dieser  Eigenschaft  auch   in   dem   von  Josephus  XIV  256   mitgeteilten 

Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes    Bd.  XI  10 


74  A.  Wilhelm 

Beschlüsse  genannt  ist.  Die  Zeit  dieses  Newv  vermag  ich  nur  nach  der  von  Loewy, 
Inschriften  griechischer  Bildhauer  305  (nicht  365,  wie  durch  einen  Druckfehler 
Jahreshefte  VIII  238  steht)  mitg-eteilten  Schriftprobe  der  Basis  Bull,  de  corr.  hell. 
IV  401  zu  schätzen:  sie  scheint  mir  etwa  in  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts 
zu  weisen.  Der  Künstler  Aaiuivr,;  Aaiuivou  'Opoavvsö;  ist  leider  in  dem  Heiligtum 
von  Lindos,  in  dem  nach  dem  Berichte  Bull,  de  l'Acad.  de  Danemark  1907  p.  23 
nicht  weniger  als  114  Signaturen  von  74  Künstlern  zutage  gekommen  sind,  durch 
kein  Werk  vertreten.  Den  von  Josephus  überlieferten  Beschluß  der  Halikarnassier 
XIV  256  zu  datieren  ist  Neons  Name,  solange  der  söarj  p^astu-EVO?,  angeblich  Mapxo? 
"AÄsravopou,  nicht  anderweitig  nach  Namen  und  Zeit  bekannt  wird,  das  einzige 
Mittel.  Doch  kann  mit  ihm  unbedenklich  bis  in  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts 
hinaufgegangen  werden;  den  von  Josephus  XIV  233  mitgeteilten  Brief  des  Gaius 
Fannius  an  die  Koer  hat  B.  Niese.  Orientalische  Studien  Th.  Nöldeke  gewidmet 
817  ff.,  dem  Jahre  16 i/o  v.  Chr.  zugewiesen.  Der  Beschluß  der  Trozenier  für 
Aptai£t5r^  Newvo?  €>t%yyz).B{)g,  dessen  Schrift  hellenistisch  scheint  (A  hie  und  da 
mit  geschwungenem  oder  gebrochenem  Querstrich,  P  mit  rundem  und  My  mit 
geschwungenem  letzten  Striche,  O  und  n  sehr  klein,  gute  X.),  wird  also  seinem 
Großvater  gelten. 

Daß  dieser  als  OsayysXsü;,  sein  Enkel  als  'AXauxpvaaaebq,  erscheint,  kann  bei  der 
Nachbarschaft  der  Städte  Theangela  und  Halikarnassos  um  so  weniger  auffallen 
als  der  Enkel  vielleicht  erst  durch  Adoption  seitens  des  MevuAXo;  ,Halikarnassier' 
geworden  ist  und  die  Datierung  der  oben  S.  62  f.  veröffentlichten  Beitragsliste 
für  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  nicht  nur  eine  Sympolitie  beider 
Städte,  sondern  das  Aufgehen  von  Theangela  in  Halikarnassos  voraussetzen  läßt. 
Vielleicht  hat  Theangela  ebenso  wie  Halikarnassos  seine  Gründung  oder  Besied- 
lung auf  Trozen  zurückgeführt,  vgl.  W.  Heibig,  Götting.  Nachr.  phil.-hist.  Cl.  1890 
S.  251.  Enge  Beziehungen,  wie  sie  Trozen  und  seine  Tochterstadt  verbanden  und  in  den 
Beschlüssen  CIG  106  (jetzt  in  Cambridge),  von  Hicks,  Journ.  of  hell.  stud.  II  98  Hali- 
karnassos zugewiesen,  und  IG  IV  750  aus  Trozen  zum  Ausdrucke  kommen,  sind  nach 
dem  von  mir  veröffentlichten  l'cschlusse  auch  für  Theangela  undTrozen  vorauszusetzen. 

In  bezug  auf  die  von  mir  Jahreshefte  VIII  239  besprochenen  Inschriften  der 
Basis  Bull,  de  corr.  hell.  IV  402  deute  ich  schließlich  zur  Berichtigung  des  dort 
Gesagten  nur  an,  daß  die  zweite  Inschrift  nicht  bloß  durch  den  Zusatz  u^oyuu-vaa:- 
ap-/o[0vTo;  toö  ä8eX<pi6*oö  N£ü)VOg]  toö  Äptoreföou  xa&'  [uiofrEiiav  2e  Mev6XXou,  sondern 
schon  durch  den  Dativ  AiroXXwvt  Äp/r^Etr/.  in  der  zweiten  Zeile  als  Weihinschrift 
gekennzeichnet  ist,   denn  das  Verbum  EepaxeOsiv  ist  in  den  gleichartigen  Inschriften 


Eine   Inschrift   des   Königs   Epiphanes  NiUomedes 


75 


desselben  Ortes,  Bull,  de  corr.  hell.  IV  397,  Jahreshefte  VIII  241  mit  dem  Genetiv 
verbunden.  Übrigens  bieten  sich  nun  die  Inschriften  einer  Basis  aus  Tenos 
Musee  Beige  X  345  (Bull,  de  corr.  hell.  XXVI  417)  zum  Vergleiche. 

Wien,  Juni  1907.  ADOLF  WILHELM 


Eine  Inschrift  des  Königs  Epiphanes  Nikomedes. 


:>  iv 
- 


i» 


Im  Museum    des  Piräus    befindet    sich    seit  einigen  Jahren  die    nachstehend 
abgebildete  Stele,  aus   weißem  Marmor  gefertigt,  mit  einem  Giebel  geziert,  072'" 

hoch,  0-343  m  breit,  0-09'"  dick.  Ihre  Herkunft 
ist  nach  Aussage  des  Herrn  J.  Dragastis, 
dem  ich  für  die  Erlaubnis  der  Veröffent- 
lichung zu  danken  habe,  unbekannt. 

ivfp-qc,  ßaaiXeug  IIpou- 
aiou  fteäi  [iaaiXc'sa/j!. 
!A.Tc«(xvjt  -rijt  eautoö  [irj- 
xpi  zb  Eep&v  aauXov. 

Der  König  Epiphanes  Nikomedes 
hat  als  Nachfolger  seines  Vaters  König 
Prusias  II  des  Jägers  im  Jahre  149  v.  Chr. 
den  Thron  von  Bithynien  bestiegen.  Irrig 
hat  man  ihn  bis  vor  kurzem  bis  zum 
Jahre  95  v.  Chr.  regieren  lassen,  indem 
man  ihm  auch  die  Regierung  seines 
Sohnes  Nikomedes  Euergetes  zuteilte,  dem 
erst  Th.  Reinach,  L'histoire  par  les  mon- 
naies  164  ff.  seinen  Platz  in  der  Reihe  der 
Könige  wiedergab.  In  der  Inschrift  Bull, 
de  corr.  hell.  XVIII  254  (OGI  345)  er- 
scheint nämlich  ein  König  Nikomedes  als 
Sohn  eines  Königs  Nikomedes  und  Ge- 
mahl einer  Königin  Laodike,  der  Tochter 
4:  stele  im  Museum  des  Piräus.  ,    des    Königs    Mithradates.     Er    kann    also 


76  A.  Wilhelm 

nicht  der  Nikomedes  Philopator  sein,  der  nach  Licinian  erst  mit  einer  Tante 
von  Vatersseite,  dann  mit  Nysa,  der  Tochter  des  Ariarathes,  vermählt  war.  Daß 
die  Witwe  des  Ariarathes  Epiphanes,  eine  Tochter  des  Königs  Mithradates,  um 
das  Jahr  ioo  v.Chr.  gezwungen  ward,  einem  König  Nikomedes,  dem  Vater  des 
Philopator,  die  Hand  zu  reichen,  wissen  wir  durch  Justin  XXXVIII  15;  ihren 
Gemahl  hielt  man  bisher  für  den  Sohn  Prusias  II.  Nun  zeigt  die  delphische  In- 
schrift, daß  dieser  Gemahl  der  Laodike  vielmehr  Sohn  eines  Königs  Nikomedes 
war;  der  Nikomedes,  der  mit  seinem  Vater  Prusias  im  Jahre  167  in  Rom  erschien 
(Livius  XLV  44,  4;  dazu  B.  Niese,  Geschichte  III  201  Anm.  2),  würde  zudem  um 
das  Jahr  100  v.Chr.  fast  achtzig  Jahre  alt  gewesen  sein.  Auch  bezeichnet  Appian 
Miö-p.  7  (vgl.  B.  Niese  III  330  Anm.  3)  den  letzten  König  Nikomedes  als 
Enkel  des  Königs  Epiphanes  Nikomedes  und  Synkellos  kennt  acht  Könige  von 
Bithynien,  während  wir  ihrer  bisher  nur  sieben  zu  nennen  wußten.  Es  ist  also 
ein  König  Nikomedes  zwischen  dem  Sohn  des  Prusias  und  Nikomedes  Philopator 
einzuschieben,  und  in  die  Zeit  von  149  bis  95  v.  Chr.  teilen  sich  zwei  Könige, 
Epiphanes  Nikomedes,  der  Sohn  Prusias  II,  und  dessen  Sohn  Nikomedes,  der 
nach  Licinian  den  Beinamen  Euergetes  führte:  „Euergetes  merito  dictus  quod 
beatos  egentes  faciebat  multosque  beneficiis  suis  alliciebat." 

Dieser  Nikomedes  Euergetes  wird  nicht  nur  in  dem  Beschlüsse  der  Delpher 
erwähnt,  dessen  Zeit  nunmehr  neuerlicher  Untersuchung  bedarf;  wie  Th.  Reinach 
zeigte,  beziehen  sich  auf  ihn  auch  andere  Inschriften,  die  bisher  seinem  Vater 
Epiphanes  Nikomedes  zugewiesen  worden  waren. 

So  vielleicht  die  Inschrift  aus  Kos,  Paton-Hicks  85,  die  von  Opfern  für  den 
König  Nikomedes  spricht;  doch  ist,  da  soeben  eine  Inschrift  aus  Priene  55  für  diese 
Stadt  den  Cult  des  Epiphanes  Nikomedes  bezeugt,  die  Möglichkeit,  daß  es  sich  auch 
auf  Kos  um  diesen  Fürsten,  nicht  seinen  Sohn  handelt,  nicht  zu  bestreiten. 

Dagegen  nennen  Nikomedes  Euergetes  die  Inschriften  aus  Delos  Bull,  de 
corr.  hell.  VI  337,  VIII  104  (OGI  342)  aus  dem  Jahre  107  v.  Chr.:  üwcrwv  Eöuivou; 
OlvaZoq  tspe'j;  wv  GrcEp  xoö  Syjjjwu  xoö  Äib^vatwv  xai  ÜTtep  ßaatXew;  Ntxour;5o'j  äveibjxev  xöv 
vaöv  y.ai  xö  ayaXua  "laioo;  N£|i£a£w;,  zw.  £7U[ieXyjxoö  xfjs  vrjaou  Alovuscou  xoö  Nfxtovog  IlaXXyj- 
v£0);,  und  Bull,  de  corr.  hell.  IV  188  (OGI  346):  Ncxo|tr|67jv  [j3aai)itiK]  NtxopjSou  [Eüep- 
y£xoij  o]i  £cpyjߣuaavx£;  [inl  apy_ovx]o?  Acox/iou?,  [yujivaaiapJxoövxoc;  [os  lloa£:Swvöou?  xo]0 
r^poaxpaxou  [Aa|tnxp£w;?]  töv  Eauxwv  [£'j£py£x^v]  AtcöXawvi  .  ['Eti!  etuu-e/^xoCi  — Jwpou  xoö 
<5  .  .  .  .  ou  2xEipt£0);,  nach  J.  Kirchner  kurz  vor  91   oder  92  v.  Chr. 

Gilt  letztere  Inschrift  seinem  Sohne,  so  wird  auf  Nikomedes  Euergetes  selbst 
1  l<i   2279  (0(il   3(0)  bezogen  werden  dürfen,  denn  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 


Eine  Inschrift  des   Königs   Epiphanes  NiUomedes  77 

ist  mit  Th.  Reinach  zu  lesen:  --  ßaocXeü)?  Ntxo{nq8[ou]  pE]öe[p]y[eT;]ou  (statt  xoO  iyyövoo) 
ßaoiXewg  X:xo[it(5o'j  'Eracpavoö[s  Aio]axoupt8rjg  AtooxouptSou  Tajivoöaiog  yujivaotapx[<Bv  xxX. 

Derselbe  Nikomedes  mag  es  gewesen  sein,  der  den  Knidiern  für  Überlassung 
der  Aphrodite  des  Praxiteles  ihre  gesamten  Schulden  zahlen  wollte  (Plinius  h.  n. 
VII  127,  XXXVI  21 ;  P.  Wolters,  Rhein.  Mus.  LVIII  154,  H.  Swoboda  in  E.Szantos 
ausgewählten  Abhandlungen  48).  Ihm  hat  Skymnos  sein  geographisches  Gedicht 
(Geog.  Gr.   min.  I    196)  gewidmet,  s.  F.  Jacoby,  Apollodors  Chronik    15. 

Übersehen  war  bisher,  daß,  wie  ich  Jahreshefte  X  21  bemerkt  habe,  auch 
eine  Inschrift  aus  Argos,  IG  IV  558  diesen  König  Nikomedes  erwähnt,  der  Be- 
schluß der  Techniten  zu  Ehren  des  ZyjVwv  'Exaxoowpou,  der  als  xa|uoe;  zffi  auvoocrj  für 
ein  ßaü-pov  der  Bildsäule  des  Königs  gesorgt  hat.  Leider  ist  der  Satz  Z.  23  ff. 
nicht  vollständig  erhalten  und  M.  Fränkels  Herstellung:  ETto^aaxo  3s  x]r^v  E~:|ii/.aav 
xori  ÜTtsp  xoü  xaxaaxsuwiHjva:  ßäfrpov  xrjt  sixovc  [vjjiöv  xoö  süsp-fExou]  jiaaiXEü);  Ntxopvr^ou; 
xsd  xfjj  dvxxl-EaEwc  xfj?  efxövo;,  [dEXXrjJg  3s  xat  xi[ji:wxEpag  svxog  xoü  xsjii]voug,  nicht  völlig 
befriedigend;  insbesondere  scheint  die  Ergänzung  f;[xö)V  nur  durch  zwei  senkrechte 
Striche  veranlaßt,  die  Fränkel  nach  etxövt  erkannt,  Foucart  aber  nicht  verzeichnet 
hat.  Der  Beschluß  erwähnt  in  Z.  7  ein  32.  Jahr,  das,  wie  längst  erkannt  ist,  vom 
Jahre  146  v.Chr.  an  gerechnet  ist,  und  fällt  demnach  in  das  Jahr  1 15  oder  114  v.  Chr. 
Der  König  Nikomedes,  dem  die  Techniten  von  Argos  um  diese  Zeit  ein  Stand- 
bild setzen,  ist  also  eher  als  Nikomedes  Epiphanes  sein  Sohn  Nikomedes  Euer- 
getes,  und  wenn  Th.  Reinach  in  der  delischen  Inschrift  Bull,  de  corr.  hell.  VI  337 
aus  dem  Jahre  107  v.  Chr.  die  älteste  Erwähnung  des  Königs  fand,  ergibt  der  Stein 
aus  Argos,  daß  er  schon   um    1 1 5  v.  Chr.  zur  Herrschaft  gelangt  war. 

Die  Beziehung  dieser  Inschrift  aus  Argos  auf  Nikomedes  Euergetes  ge- 
winnt an  Wahrscheinlichkeit,  wenn  sich  die  Weihung  eines  Standbildes  dieses 
Fürsten  auch  in  Epidauros  nachweisen  läßt.  Das  Bruchstück  einer  Basis  IG  IV  1 135 
(Chr.  Blinkenberg,  Nordisk  Tidskrift  III  168;  J.  Baunack,  Philol.  LIV  62)  trägt 
nach  M.  Fränkels  Abschrift  folgende  Inschrift: 

nach  seiner  Ergänzung: 

Nr/.JojxTjSr)  |3aa:X[sü)c  X:xo[irr 

3o]u  'EracpavoO; 

<;  'ApXi^tpä[xou  'Etz'.oxü- 

pio]?  xöv  aöxoö  [awxfypa  y£vo- 
uevJov  A7iöä[awv:  'Aax/.r(;iiüK 
'l'y}iE'.a.i. 


78  A.   Wilhelm 

Da  nur  der  obere  Rand  als  erhalten  angegeben  wird,  scheint  die  Abteilung 

der  Zeilen    nicht    gesichert;     auch    mißfällt    mir    tov    osötoö    awufjpa    yev6(isvov.     Ich 

schlage  vor: 

BaiiXia.  Ntx]on^Sr]  ßaaiXfewg 

Ntxo[«j8o]u  'ETOcpavoö[? 

Ap:ax65nju-o  ?]c  Apy_£axpä[xou 

Tpoi^VlO?]?    XÖV    Ä'JXO'J    [c£- 

5   vov  xac  cpiXjov  &it6X[Xü)vi  'Aa- 
xAr;7u<ÄK  Ty]ieiai. 

Zu  vergleichen  sind  die  Inschriften  aus  Ilion,  Troja  und  Ilion  S.  471  n.  65 
aus  dem  Jahre  12/1  v.  Chr.:  Auxoxpäxopa  Kataapa  freoö  otöv  ikßaaxöv  äpytepsa  xai 
Sr^ap/t/.'^c  £;o'ja:a;  xö  SwSexaxov  Mc/.avi-T^or,;  EOihjotxou  xöv  eauxoO  £evov  xai  £'J£py£xr,v; 
Ath.  Mitt.  IX  ig  aus  Kyzikos,  nach  meiner  Lesung  Klio  V  300  ebenfalls  auf 
Augustus  zu  beziehen:  07(u,ap-/_:x7jc  EZO'j-jia;  £?ax'.;  Apisxavopoc  Eöuivouc  xöv  sayxoO  cevov. 
und  ein  Stein  aus  Kos,  Paton-Hicks  75:  'HpwSrjV  rHpw2o'j  xoO  ,jaadlw;  txöv  XEXpäpy^v 
<J>t').cov  AyXaoü  cpuaet  oe  Nixtovog  xöv  aGxoü  ^evov  xai  cptXov.  Trifft  die  Ergänzung  £!vov 
xai  yilov  oder,  wenn  ipcXov  zu  anmaßend  scheint,  £'j£pY£xr)V  xa:  ^evov,  zu,  so  ist  Niko- 
medes  Euergetes  wohl  an  Ort  und  Stelle  selbst  Gast  des  Stifters  des  Standbildes 
gewesen.  Vielleicht  darf  übrigens  in  diesem  ein  Nachkomme  des  Apylaxpaxo; 
Ap:axo5r;u^u  erblickt  werden,  den  die  Inschrift  IG  IV  775  aus  Trozen  nennt. 

Einen  terminus  post  quem  ergibt  für  die  Thronbesteigung  des  Nikomedes 
Euergetes  der  kürzlich  in  den  Inschriften  aus  Priene  55  veröffentlichte  Beschluß 
des  XOIVÖV  xöv  Twvwv  für  Dionysios,  den  Sohn  des  Ameinias,  gewählten  Priester 
|jao'.X£w;  ^S'.y.o\t.rfio-j  'E7u:pavoü?  faoi\io)$  IIpGusiou.  Der  eponyme  Beamte  Apollodoros, 
unter  dem  der  Beschluß  gefaßt  ist,  fällt  nach  Hiller  von  Gärtringen  frühestens 
128/7  v.Chr.  Wird  die  Inschrift  aus  Argos  richtig  auf  Nikomedes  Euergetes  be- 
zogen, so  ist  zwischen  diesem  Jahre  und  115  v.Chr.  Epiphanes  Nikomedes  ge- 
storben und  Nikomedes  Euergetes  an  seine  Stelle  getreten.  Die  Münzen,  die 
Th.  Reinach,  Revue  numismatique  III  s.  V  337  ff.  und  L'histoire  par  les  monnaies 
p.  177  ff.  behandelt  hat,  scheinen  eine  nähere  Bestimmung  der  Zeit  des  Thron- 
wechsels nicht  zu  gestatten. 

Die  Inschrift  im  Piräusmuseum  stammt  also  aus  den  Jahren  149  bis  etwa 
1 20  v.  Chr.  Sie  nennt  des  Königs  Namen  in  derselben  Folge  wie  seine  Tetra- 
drachmen; nur  eine  Goldmünze  zeigt  wie  die  Steine  IG  IV  1135  und  OGI  346 
'Eracpav%  nachgestellt:  {jxtjäuk  N:xopj3o'j;  'ETii-^avoOc.  Die  Inschrift  nennt  ferner 
seinen  Vater  König  Prusias  II  und    als  seine  Mutter  Königin  Apame. 


Eine  Inschrift   des   Königs   Kpiphanes   Nikomedes  79 

Das  ist  neu.  Denn  eine  Apame  galt  bisher  als  Gemahlin  des  ersten  Prusias, 
des  „Lahmen",  der  als  Sohn  Nikomedes  I  von  220  bis  etwa  182  v.  Chr.  regierte 
und  Prusias  den  zweiten,  den  „Jäger",  zum  Sohne  hatte.  Nach  Niebuhrs  Vermutung, 
Kl.  Sehr.  I  257,  der  die  Neueren  zu  folgen  pflegen  (B.  Niese,  II  481  Anm.  7;  J.  Beloch 
III  2,162),  war  diese  Apame  eine  Schwester  König  Philipps  V  von  Makedonien. 
Polybios  XV  22  bezeichnet  nämlich  Prusias  I  als  v.fßEizi^  Philipps  V.  Aber  das 
Wort  ist  vieldeutig  und  kann  ebensowohl  den  Schwiegervater  wie  den  Schwieger- 
sohn, den  Schwager  als  Mann  der  Schwester  oder  als  Bruder  der  Frau,  selbst 
den  Stiefvater,  schließlich  jeden  durch  Heirat  Verwandten  bezeichnen.  Auch  be- 
zeichnet Philipp  bei  Polybios  XVIII  4  und  Livius  XXXII  34  seinen  Anklägern 
gegenüber  Prusias  nur  als  seinen  Freund  und  Verbündeten.  Als  Philipp  im 
Jahre  202  v.  Chr.  einen  Angriff  auf  die  asiatischen  Besitzungen  des  Ptolemaios 
unternahm  und  sich  zunächst  gegen  die  griechischen  Städte  an  den  Grenzen  des 
bithynischen  Reiches  wendete,  hatten  ihm  nämlich  Streitigkeiten,  in  die  Prusias 
Kios  zu  verwickeln  gewußt  hatte,  Anlaß  geboten  diese  Stadt  anzugreifen,  zu  er- 
obern und  zu  zerstören.  Sein  Vorgehen  gegen  Kios  wird  ihm  bei  den  Verhand- 
lungen mit  Flamininus  von  dem  Vertreter  der  Aitoler,  Alexandros,  vorgeworfen: 
yjpsxo  yap  xov  <I>t'Xt7X7xov  Stä  t£  xxX.  Ktavoi>5  *xX.  jiex'  AtxwXwv  au|j.7r.oXtxsuouivou?  sijavSpa- 
TxoStaatxo  tpikoc,  U7idp-/tov  AtxwXotj,  und  er  verteidigt  sich  durch  die  Erklärung:  Ktavor? 
3'  syw  uiv  oüx  STwXsjirjcja,  Ilpouatou  3s  7ioXsu.oüvxo;  ßorjikov  sxstvw  auvststXov  aiixo'j;  5[iöv 
atxt'wv  ysvouivwv;  nach  Livius:  neque  ego  Cium  expugnavi,  sed  Prusiam  socium  et 
amicum  expugnantem  adiuvi.  (Niese  II  582  f.) 

Nun  erwähnt  Strabon  S.  563  in  seiner  Beschreibung  der  Küste  der  Pro- 
pontis  nach  dem  Golfe  von  Astakos  den  nächsten  westwärts  sv  (J>  üpoiKTtJcc;  saxov 
ij  Kioc,  npoxspov  ovoiiocod-eiax-  xaxsaxa4»s  5s  xyjv  Kt'ov  *I>fXt7t7ioc;  3  AyjU.rjxptou  aiv  utc;  IIsp- 
asti);  31  7iaxrjp,  s'Stoxs  3s  Ilpoucta  xw  Zy;Xa  auyxaxaaxdcjjavxt  xa'  xaöxrjv  xaS  MupXstav 
äaxuyst'xova  n6Xiv,  TxXrjatov  5s  xat  Ilpoüar;?  ourjav  dfcvaXaßwv  3'  sxstvo;  sx  xtöv  spstmmv 
auxä?  ira)v6[i,a<jev  a-f'  lauxoö  jisv  Hpouata3a  tc6Xw  xtjv  Kt'ov,  tJjv  3s  MüpXstav  'Aixajistav 
aTiö  xfj;  yuvatxo;'  oöxo;  8'  saxtv  6  Ilpouatag  3  xat  Avvtßav  Se^ajievog  äva-/iopf/<jxvxa  SsOpo 
[isxä  xrjv  Avxio/ou  /;xxav  xat  xf^;  stp'  'EXXtjotiövxw  <I>puyta;  avaaxäj  xaxä  auu-jjäast;  to:; 
AxxaXtxot?  (vgl.  B.  Niese  II  760  Anm.,  III  70  ff.).  Nach  Strabon,  dem  Hermippos  aus 
Berytos  im  Etym.  M.  folgt,  ist  somit  Prusias  I  der  Gemahl  der  Apame,  und  nicht 
nur  Kios,  sondern  auch  das  nahe  Myrleia  von  ihm  im  Bunde  mit  Philipp  erobert 
und  zerstört  und  später  wieder  aufgebaut  worden. 

In  Widerspruch  zu  diesen  Angaben  Strabons  steht  eine  Nachricht  des  Stephanos 
von  Byzantion.  Er  sagt  über  Myrleia:  Ntxo^Srjs  3s  6  'E7U<pavr,c.  llpcustou  3s  jti;  y.~i 
xfjc  PjXpö?  A^ajtr^  Ar:d|i.siav  wvojxaasv. 


80  A.   Wilhelm 

Nicht  Prusias,  der  Sohn  des  Ziaelas,  dessen  Brief  an  die  Koer  R.  Herzog 
Ath.  Mitt.  XXX  173  veröffentlicht  hat,  sondern  Nikomedes  Epiphanes,  der  Sohn 
des  zweiten  Prusias,  hat  nach  Stephanos  der  Stadt  Myrleia  den  Namen  Apameia 
gegeben,  und  Apame  war  als  seine  Mutter  nicht  die  Gemahlin  Prusias  I,  sondern 
Prusias  II,  seines  Sohnes. 

Diese  Nachricht  ist  bisher  allgemein  verworfen  worden,  wie  die  Inschrift  aus 
dem  Piräus  lehrt,  mit  Unrecht.  Ihrem  Zeugnisse  gegenüber  läßt  sich  Strabons 
Aussage  schwerlich  halten.  Es  wäre  an  sich  möglich,  aber  doch  auffällig,  daß 
der  erste  und  der  zweite  Prusias  eine  Apame  zur  Gemahlin  gehabt  haben  soll. 
Jedenfalls  erhält  Stephanos  Angabe,  die  Stadt  sei  von  König  Epiphanes  Niko- 
medes seiner  Mutter  zu  Ehren  Apameia  benannt,  unerwartete  Beglaubigung 
durch  die  neue  Inschrift,  die  von  einer  anderen  Handlung  seiner  kindlichen  Liebe, 
der  Errichtung  eines  Heiligtumes  seiner  verewigten  Mutter,  berichtet.  Wird  so 
in  bezug  auf  die  Uninennung  ein  Irrtum  Strabons  wahrscheinlich,  so  bleibt  doch 
der  andere  Teil  der  Nachricht,  daß  Myrleia  gleich  Kios  von  Philipp  V  im  Bunde 
mit  Prusias  I  zerstört  und  dann  Prusias  übergeben  worden  sei,  unverdächtig. 
Denn  von  späteren  Unternehmungen  Prusias  I  oder  seines  Sohnes  gegen  Myrleia 
ist  nichts  bekannt  und  schon  die  Lage  der  Stadt  macht  es  glaublich,  daß  sie  in 
dem  Kriege  Philipps  V  das  Schicksal  des  nahen  Kios  teilte.  Freilich  ist  nur  durch 
Strabon  bezeugt,  daß  Philipp  und  Prusias  außer  Kios  auch  Myrleia  gemeinsam 
zerstört  haben.  Die  Nichtberücksichtigung  von  Myrleia  in  den  Beschwerden 
der  Aitoler  bei  Polybios  XV  23  kann  aber  darauf  zurückgeführt  werden,  daß 
Myrleia  nicht  wie  Kios  mit  ihnen  durch  eine  Sympolitie  verbunden  war,  und 
wenn  sich  in  den  erhaltenen  Bruchstücken  des  Polybios,  der  XV  21  die  Er- 
oberung von  Kios  beschreibt,  Myrleia  überhaupt  nicht  erwähnt  findet,  so  ist  nicht 
zu  vergessen,  daß  dieser  Teil  seines  Werkes  in  Auszügen  vorliegt.  Knüpfte 
sich  die  Erinnerung  nicht  nur  der  Zerstörung,  sondern  auch  der  Erneuerung  von 
Kios-Prusias  an  den  Namen  Prusias,  nämlich  wie  die  Inschrift  aus  Kios  OGI 
340:  [Ilpouata;  ßaot]XeJ»s  KaXXtvsixog  xttoxijs  tvj;  n6Xeu);  zeigt,  Prusias  I,  so  lag  es 
nahe,  diesem  Prusias  auch  den  Wiederaufbau  von  Myrleia-Apameia  zuzuschreiben 
und  die  Änderung  des  Namens  der  Stadt  als  eine  Aufmerksamkeit  gegen 
seine  vermeintliche  Gemahlin,  zu  deuten,  denn  eine  solche  war  wenigstens 
für  die  spätere  Zeit  der  Regierung  Prusias  II  unwahrscheinlich.  Die  Zärtlich- 
keit des  Verhältnisses  zwischen  Mutter  und  Sohn,  die  der  Stein  aus  dem 
Piräus  bezeugt,  wird  auf  der  Höhe  der  schlechten  Beziehungen  gestanden 
haben,     die     zwischen    Vater     und     Sohn     und     sicherlich     schon    zwischen     den 


Eine  Inschrift  des  Königs   Epiphanes  Nikomedes  8l 

Gatten  herrschten.  Nach  Justin  XXXIV  4  hatte  Prusias  eine  zweite  Ehe  ein- 
gegangen —  ob  seine  erste  Frau  verstorben  oder  verstoßen  war,  wird  nicht 
gesagt  —  und  suchte  zugunsten  seiner  jüngeren  Söhne  den  rechtmäßigen  Thron- 
erben Nikomedes  aus  dem  Wege  zu  räumen:  „eodem  fere  tempore  Prusias  rex 
Bithyniae  consilium  cepit  interficiendi  Nicomedis  filii  quem  a  se  ablegatum, 
studens  minoribus  filiis  quos  a  noverca  eius  susceperat,  Romae  habebat".  Schließ- 
lich ist  er,  zeitlebens  ein  jämmerlicher  Feigling,  von  allen  den  Seinen  verlassen, 
auf  seines  eigenen  Sohnes  Nikomedes  Befehl  umgebracht  worden.  Daß  Prusias  II 
König  Perseus  Schwager  war,  bezeugen  Livius  XLII  12,  29  und  Appian  ihfrp.  2. 
In  der  Rede,  die  Eumenes  vor  dem  Senat  hält,  sagt  er  von  Perseus:  „inter 
ipsos  quoque  reges  ingentem  auctoritate  esse;  Seleuci  filiam  duxisse  eum  non 
petentem,  sed  petitum  ultro,  sororem  dedisse  Prusiae  precanti  atque  oranti, 
celebratas  esse  utrasque  nuptias  gratulatione  et  donis  innumerabilium  legatio- 
num  et  velut  auspicibus  nobilissimis  populis  deductas  esse".  Diese  Hochzeiten 
haben  bald  nach  Perseus  Thronbesteigung  stattgefunden  (Niese  III  100)  178  v.  Chr. 
Den  Namen  eines  -urfitairffi  Prusias  des  I.  würde  König  Philipp  auch  dann  ver- 
dienen, wenn  er  seine  Tochter  dem  Sohne  des  Freundes  in  zartestem  Alter  ver- 
lobt, die  Hochzeit  aber  nicht  erlebt  hätte;  unzweifelhaft  setzt  aber  ein  unbe- 
fangener Leser  von  Polybios  Bericht  IV  22,  2:  rö  5'  svavTia  toüxoic,  oü  xaÖ-swpa 
•/.ctintp  Svra  Ttpo^avr),  iipwiov  uiv  w^  oux  äSixoujiiv«,  7Tapaa7iov2oövxt  ok  xS>  xr}8ecrqj 
xou;  tcAä;  sßo^O-st.  (nämlich  <&ilnnzoq)  schon  für  jene  Zeit  (202  v.  Chr.)  ein  engeres 
Verhältnis  voraus,  das  zu  bestimmen  uns  leider  die  Mittel  fehlen.  Der  Name 
dieser  jüngeren  Schwester  des  Perseus,  der  ungefähr  213  v.  Chr.  geboren  war 
(J.  Beloch,  Gr.  G.  III  2,  97),  wird  uns  erst  jetzt  bekannt;  ich  vermag  ihm  keine 
weiteren  Aufschlüsse  abzugewinnen;  der  Name  scheint  zunächst  in  das  Haus  der 
Seleukiden  zu  weisen,  doch  hieß  Apame  z.  B.  auch  die  Tochter  des  Makedonen 
Alexandros  von  Megalopolis  (Sylloge  254),  die  Gemahlin  des  Amynandros.  Über 
die  Herkunft  der  Mutter  des  Perseus,  Polykrateia,  hat  Beloch  autgeklärt.  Leider 
ist  in  der  Inschrift  aus  Panamara  Bull,  de  corr.  hell.  XXVIII  354  Z.  9  f.  Philipps  V 
Gemahlin  nicht  namentlich  genannt. 

In  ihrer  Fassung  stimmt  die  Inschrift  überein  mit  der  bekannten  Weih- 
inschrift einer  Synag-oge  OGI  129:  Baa;Xa>;  HzoXs\imoq  Eöepye'njS  tJjv  7tpoasu/f;v 
äauXov.  Sehr  zu  bedauern  ist,  daß  jede  Angabe  über  ihre  Herkunft  fehlt.  Ein 
Heiligtum,  das  dem  Andenken  der  Mutter  des  Königs  geweiht  war,  liegt  es  am 
nächsten  in  dessen  Reich  selbst  zu  suchen,  oder,  wenn  außerhalb,  in  der  Heimat 
oder  sonstwo  an  einem  Lieblingssitz  der  verstorbenen  Königin.    Die  Möglichkeit, 

Jahreshefte  des  österr    au-hliol.   Institutes   Bd.   XI-  II 


82  A.    Wilhelm 

daß  der  Stein  von  einem  Orte  der  Küste  Bithyniens  oder  von  benachbarten 
Gestaden  nach  dem  Piräus  verschleppt  wurde,  ist  umsoweniger  zu  bestreiten, 
als  mehrere  Inschriften  aus  Perinthos-Herakleia  ihren  Weg  in-  dasselbe  Museum 
gefunden  haben. 

Wien.  Juli  1907.  ADOLF  WILHELM 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archon  Apollodoros 

319/8  v.  Chr. 

i.  Die  von  G.  F.  Unger,  Philol.  XXXVIII  450  ff.  vorgeschlagene  Ergänzung 
der  auf  S.  83  (Fig.  5)  abgebildeten  Inschrift  IG  II  299  b  hat  zu  Folgerungen 
für  die  Zeitgeschichte  Anlaß  gegeben,  welche  neue  Urkunden  als  hinfällig  er- 
weisen. Nach    G.  F.  Ungers  Herstellung  lauten  die  Präskripte : 

'Etic  !Ä.7roXX]oS(i>pou  äpyovxoc,  Ssuxsfpo- 
v.  ävaypa]cpeio£  5s  'Emxoöpou  tou  ll[xyjj- 
to;  Hp'.a-  oder  <t>uXa]aiou,  £~i  zfjc,  ETavStofvtSog  s- 
xxkjs  rcpjuraveias,  Mouv.-/;iov[o;  sixa- 
5   Si,  7tE|i7TC-  oder  SßS6{i-  oder  OExaxJEi  Tfjg  Tcpuraveiag-  [ixxXrjaf- 
a  £v  xC<y.   9-£x|xpojf  xwv  rcpol[5p<ov  £ne<|r^- 

'.f.vcv NJixcou  Opsfäpptog-  s8o- 

£ev  töx  otju.uk-    -]g  'Ax[-  (Srj[ioxixiv)  efrcev  xxX. 

Demnach  wäre  die  Prytanie  Pandionis  im  Jahre  des  Archon  Apollodoros. 
319/8  v.  Chr.,  im  Munichion,  dem  zehnten  Monate  des  attischen  Jahres,  die  sechste 
im  Amte  gewesen;  der  Lücke  entspricht  in  der  Tat  nur  die  schon  von  U.  Köhler 
eingesetzte  kürzeste  Ordnungszahl.  Aus  dem  Zusätze  8eöxepo[v]  zu  dem  Namen  des 
Archon  und  aus  der  Gleichung  des  Monatstages  und  des  Tages  der  Prytanie 
schloß  G.  F.  Unger,  daß  im  Laufe  des  Jahres  eine  neue  Verteilung  unter  die 
Prytanien  stattfand,  die  sechste  der  neuen  Prytanien  zwischen  dem  11.  und  16. 
Munichion  begann  und  die  ersten  fünf  neuen  Prytanien  ungefähr  gleiche  Dauer 
hatten,  wie  die  fünf  letzten,  für  die  seiner  Meinung  nach  103  bis  108,  wie  E.  Spangen- 
berg. I  >e  Atheniensiüra  publicis  institutis  aetate  Macedonum  commutatis  (Halle  188  1) 
p.  8  erkannt  hat,  nur  um  77  Tage  verblieben;  der  Zusammentritt  des  neuen  Rates 
sei   somit   in   der  Zeit    um   den    21.   (lainelion   bis   2.   Anthesterion,  also  wahrschein- 


Beschlüsse  Her   Athener  aus  dem  Jahre  des   Archon   Apulloduros   319/8   v.Chr. 


83 


lieh  am  i.  Anthesterion,  erfolgt,  nach  einer  konstituierenden  Versammlung',  den-n 
Mehrheit  soeben  mit  Polyperchons  Heer  in  die  Stadt  gekommen  war;  auch  aus 
anderen  Gründen  sei  die  große  Staatsumwälzung  jedenfalls  zu  Ende  Winters  vor 
sich  gegangen. 

Bedenken  gegen  diese  Ergänzung  und  G.  F.  Ungers  Schlußfolgerungen  hat 
Ad.  Schmidt  in  seinem  Handbuche  der  griechischen  Chronologie  S.  590  geäußert 
und  gezeigt,  daß  durch  die  Einsetzung  einer  um  eine  Stelle  längeren  Ordnungs- 
zahl, £vax7}£,  sich  die  Übereinstimmung  mit  den  Kalendern  eines  Schalt-  oder  auch 
eines  Gemeinjahres  erreichen  lasse;  er  hat  aber  zugleich,  ohne  sieh  für  ein  anderes 


ö'  ■   Ci 


5:  Inschrift  IG  II  229  b. 

Jahr  zu  entscheiden,  und  mit  Unrecht,  die  Beziehung  der  Inschrift  auf  das  Jahr 
des  Archon  Apollodoros  in  Zweifel  gezogen.  Diese  ist  nachträglich  auch  von 
U.  Köhler  (Philol.  XXXVIII  451  und  zu  IG  II  5,  299  c)  anerkannt  worden  und 
durch  das  in  der  ersten  Zeile  deutliche  Lambda  des  Namens  AOAAI  OY  gesichert 
(die  Rho  sind  nur  als  senkrechte  Striche  eingehauen,  wie  auch  statt  Alpha  und 
Delta  mehrmals  bloß  A,  statt  Epsilon  C  eingehauen  ist) ;  durch  eine  zufällige  Ver- 
letzung getäuscht,  hatte  U.  Köhler  vor  OA.QI  OY  statt  des  A  ein  I  verzeichnet. 
Immerhin  mögen  Ad.  Schmidts  Einwände  B.  Niese  bewogen  haben,  in  seiner  Dar- 
stellung der  Geschichte  des  Jahres  319/8  einen  Verweis  auf  die  Inschrift  II  299  b 
zu  unterlassen.  Dagegen  hat  J.  Beloch  auf  sie  Bezug  genommen  und  in  seiner 
Griechischen  Geschichte  III  1  S.  104  bemerkt,  daß  sich  aus  G.  F.  Ungers  Er- 
gänzung die    Zeit   der  Absetzung-   des   Phokion  ergebe,   der   später,  am    19.  Muni- 


84 


A.   Wilhelm 


chion.  hingerichtet  wurde.     Auch  A.  Mommsen  setzt  Philol.  LXIII    172   die  Wahl 
des  suffectus  in  den  Gamelion. 

Daß  die  Urkunde,  wäre  ihre  Zeit  nicht  durch  die  Erwähnung  des  ävaypa-jj; 
bestimmt,  der  Schrift  nach  jünger  erscheinen  würde,  hat  bereits  U.  Köhler  be- 
merkt. Es  ist  lehrreich,    die  verschiedenen  Hände  zu  vergleichen,    welche  die  in 

dieser  Abhandlung  bespro- 
chenenSteine  aus  denjahren 
322  bis  318,  insbesondere 
die  aus  dem  Jahre  319/8, 
zeigen.  In  die  Jahre  3  2 1 
bis  319  gehört  übrigens 
auch,  der  Erwähnung  des 
Königs,  des  Antipatros 
und  der  anderen  Make- 
donen  wegen  (vgl.  unten 
S.  90),  der  von  mir  Urk. 
dram.  Auff.  S.  2 1  o  veröffent- 
lichte Beschluß,  der  dieselbe 
Hand  wie  IG  II  1 0 1  aus  dem 
Jahre  32  errät    Ganz 

besonders  nachlässig  ist  der 
Beschluß  IG  II  5,  22 
S  .4^  eingezeichnet;  doch 
überrascht  schon  der  Ver- 
trag der  Athener  mit  den 
Mi'sseniern  IG  II  5,  114  c 
aus  dem  Jahre  343  2  v.  Chr. 
durch  die  Flüchtigkeit  und 
Häßlichkeit  der  Schrift. 

Vor   kurzem    ist    mir 
ein   neues  Bruchstück   von 


f> :  Beschluß  aus  der  sechsten  Prytanie  des  Jahres   Jig  S   v.  Chr. 


Präskripten  aus   dem    Jahre  de>    Archon    Apollodoros,  und  zwar  aus  der  sechsten 
Prytanie,  bekannt  geworden. 

2.  Bruchstück  einer  mit  einem  Giebel  versehenen  Stele  weißen  Marmors 
o-205m  hoch,  wovon  01  J51"  auf  den  mit  einem  erhabenen  Schilde  gezierten  Giebel 
und  auf  Leiste  und  Kyma  entfallen,  010'"  breit.  0-09  m  dick:  z-.v.yifii-i  29),  Buch- 
stabenhöhe bis  0007 m;  Zeilenabstand  o-oi4m  ^Abb. 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem   Jahre  des  Archon  Apollodoros   319/8   v.  Chr.  85 

Da  der  Stein  dieselbe  oder  eine  ganz  ähnliche  Hand  zeigt,  wie  die  nach- 
stehend veröffentlichte  Urkunde  aus  der  achten  Prytanie  des  Jahres,  ist  der  Archon 
Apollodoros  sicher  der  des  Jahres  319/8,  nicht  etwa  sein  Namensvetter  350/49  v. 
Chr.  Der  Umstand,  daß  die  Spitze  des  Giebels  erhalten  ist  und  das  Wort  Qzoi 
die  Mitte  über  der  Überschrift  einnahm,  erlaubt  die  Zahl  der  Buchstaben,  die 
rechts  und  links  von  den  erhaltenen  fehlen,  auf  Grund  der  Ergänzung  des  Ar- 
chontennamens  zu  bestimmen:  es  ergibt  sich,  daß  29  Buchstaben  in  der  Zeile 
standen  und  der  Name  der  Prytanie  nicht  Uavoiovtc  gewesen  ist,  sondern  einer  der 
beiden  kürzesten  Phylennamen  Atyijtg  oder  OJvrji?.  Es  ist  somit  zu  lesen: 

Seoi . 

üpoijevjta  'A|.iuvx[ 

Er.l  'ATCoXJXoSwpou  8.[pypvxoq  inl  tvj; . 
.  .  .  1805]  &ITHJS  ;c[puxaveia£  xxX. 

Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  der  Beschluß  dem  Amyntas,  Sohn  des 
Alexandros  und  Bruder  des  Peukestes  gilt,  der  nach  Arrian  zu  den  Leibwächtern 
des  Philippos  Arrhidaios  gehörte  (x<&  u.sxä  'AXs^avopov  38)  s.  übrigens  auch  Bull,  de 
corr.  hell.  XXIX  447. 

Somit  wird  man  in  den  Präskripten  II  299  b,  in  denen  der  Name  der  Phyle 
IIocvSoovc's  erhalten,  aber  die  Zahl  der  Prytanie  verloren  ist,  nicht  mehr  exxtj;  er- 
gänzen dürfen,  sondern  annehmen  müssen,  daß  auf  dem  Steine  entweder  in  dem 
Namen  der  Phyle  oder  in  der  Zahl  der  Prytanie  eine  Störung  der  aTo:/r(5öv- Ord- 
nung vorliegt.  Ergänzt  man,  wie  schon  Ad.  Schmidt  vorgeschlagen  hat,  ev<£t»js, 
so  sind  die  Ergänzungen  hd  xrjg  EIavSio[vtSog  (vermutlich  Nl  oder  IA  auf  dem  Raum 
eines  Buchstaben)  ivcJxrjg  rcp]uxave£ag,  Mouvtxi<5v[og  sr/.ao:,  -£ujix]si  oder  £ß86|i]ei  xfjs 
Tipuxaveca;  möglich  und  mehr  oder  weniger  im  Einklänge  mit  dem  gewöhnlichen 
Kalender  der  Zeit  der  zehn  Phylen.  Eine  neue  Verteilung  der  Prytanien  im  Laufe 
des  Jahres  319/8  scheint  sich  aus  dieser  Inschrift  demnach  nicht  zu  ergeben.  Daß 
eine  solche  nicht  stattgefunden  hat,  beweist  zwingend  eine  neue  Urkunde  aus 
der  achten  Prytanie  und  dem  Monat  Elaphebolion  desselben  Jahres. 

3.  Bruchstück  einer  Stele  weißen  Marmors  mit  Giebel,  o'igs™  breit,  0-235"' 
hoch,  0-075 m  dick,  links  Rand;  axoiyjftbv  (29),  Buchstabenhöhe  o-oo6,u,  Buchstaben- 
abstand o-oi3  bis  o-oi4m,  Zeilenabstand  o-oi3m;  in  römischer  Zeit  sind  über  der  In- 
schrift des  vierten  Jahrhunderts  mit  großen  Buchstaben  die  zwei  Zeilen  CÄA  und 
APIC  roh  eingehauen  worden  (Abb.  7  S.  86). 


86 


A.    Wilhelm 


~l'.]r.:  'Ara)XXoo(i)pou  [xp^ovxo;  /.%'.  ävay- 
p]a[cpe]ü)<;  EüxäSjiau  [KoÄÄ'jxlwc,  iitl  xfjs 
'EpeYjfl'eiSos  öySö[rjs  icpuraveiae;  et  $- 
tXjoxT^jiwv  K»jifto[teös  £ypajjtjjia-c£ij£- 
5  v,]  'EXacp>jßoXtö)vo[s  evet  xa!  via:,  [licet 


xai  etxoaxeE  ir)[g  Tip'jxavEÖac-   xöv  np- 

o[eS]pü)v  ETC6(jnjcp[t^ev 

Ä[v;Ö-£jV  iSo^efv  xön  §7J|M0t' 

g  [Xix]o[axp]ä[xou? efrcev  £-: 

£'.[§T;   xxX. 


7:    Beschluß  aus   der  achten   Prytanie  des  Jahres  3I9/8   V.Chr. 

Die  Ergänzung  des  Tages  ist  die  einzig  mögliche:  die  Rechnung  ist  für  den 
letzten  Tag  des  Elaphebolion:  4.30-1-4.29  +  30  =  266;  für  den  21.  Tag  der 
achten  Prytanie  7.35-1-21  =  266.  Den  sieben  ersten  Prytanien  sind  somit  je  35 
I  age  zuzuschreiben,  und  auch  in  diesem  Falle  haben  die  ersten  vier  Prytanien 
nicht,  wie  nach  Aristoteles  rcoX.  'AS-.  43,  2  zu  erwarten  stände,  36  Tage  gezählt 
(vgl.  \V.  Dittenberger  zu  Sylloge  161    Anm.  4;  Urk.  dram.  Auff.  S.  220;  im  allge- 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archon   Apollodoros   319/8  v.  Chr.  87 

meinen  A.  Schmidt,  Chronologie  S.  233  h0.).  Für  die  Präskripte  IG  II  229  b  ergibt 
sich  von  dieser  Gleichung  aus  die  Ergänzung  Mouvi^rtövog  EixaSi  -  -  es  ist,  wie 
schon  G.  F.  Unger,  nur  bezüglich  der  Zahl  der  Prytanie  irrend,  erkannte,  der  Tag 
nach  Phokions  Hinrichtung  -  -  7I£|j.7it[ei  xf;;  Tcpuiavetas;  5  .  30  -+-  4  .  29  +  20  =  7  .  35 
+  36 +  5  =  -86;  das  Jahr  begann  mit  einem  vollen  Monat  und  den  beiden  letzten 
l'rytanien  müssen  je  36  Tage  zugekommen  sein,  der  letzten  37.  Der  7tpo£5pos  wird 
übrigens  ein  Sohn  des  Ntxioc;  <t>p£appoo?  sein,  der  im  Jahre  330/29  v.  Chr.  Diaitet 
war  IG  II  941,  und  vermutlich  den  Namen  seines  Vaters  geführt  haben,  denn 
vor  Nixc'ou  ist  in  Z.  7   gerade  für  sechs  Buchstaben  Raum. 

Ein  Ei>xa5|-u5irj5  ist  Antragsteller  eines  Beschlusses  der  KoXXutcIs,  der  nach  U. 
Köhler  in  die  zweite  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  gehört,  IG  II  586;  das  De- 
motikon  füllt  die  Lücke,  die  nach  dem  Namen  EuxaS[iou  in  Z.  2  bleibt;  der  äva- 
Ypacfsü;  wird  sein  Sohn  oder  sein  Vater,  oder  allenfalls  Eüxa3|u'5r^  selbst  sein, 
wenn  man  Verwendung  längerer  oder  kürzerer  Namensform  zur  Bezeichnung 
einer  und  derselben  Person  annehmen  will  (Urk.  dram.  Auff.  S.  133  und  250; 
Hermes  XLI  73;  E.  Reisch,  Jahreshefte  IX  211).  Auf  Grund  meiner  Mitteilungen 
über  die  Inschrift  hat  E.  Reisch,  Jahreshefte  IX  207  diesen  EöxaSjios  und  Eüxao- 
uiSrjs  aus  Athen  erwähnt  und  über  Beziehungen  gehandelt,  die  sie  möglicherweise 
mit  dem  Künstler  Eöxaouoe  aus  Athen  verbinden;  dieser  wird  von  Pausanias  X 
16,  4  als  Lehrer  des  Bildhauers  Androsthenes  von  Athen  genannt,  der  als  Nach- 
folger des  Praxias  den  Giebelschmuck  des  Tempels  in  Delphi  vollendet  hat. 

4.  Der  ävaypacpsu;  der  achten  Prytanie  des  Jahres  des  Archon  Apollodoros 
begegnet  in  gleicher  Eigenschaft  auch  in  einer  anderen  unveröffentlichten  Urkunde 
aus  der  siebenten  Prytanie. 

Bruchstück  einer  Stele  weißen  Marmors,  wie  die  übrigen  Steine,  die  ich  in 
dieser  Abhandlung  bespreche,  in  der  Inschriftensammlung  des  Nationalmuseums 
zu  Athen  aufbewahrt,  o-i-]^m  breit,  im  Ganzen  0-305'",  im  Schriftfelde  0-265'" 
hoch,  am  Rande  rechts  0-07™,  sonst  o-o8"'  dick;  aio'.yjßov  (23),  doch  sind  die  Buch- 
staben in  den  beiden  ersten  Zeilen  weiter  gestellt  (vgl.  Jahreshefte  X  32)  und 
ihrer  um  zwei  weniger  als  in  den  folgenden;  in  Z.  10  nehmen  fünf  Buchstaben 
den  Raum  von  vieren  ein;  Buchstabenhöhe  o-oo6m,  Abstand  otm  i"1,  Zeilenabstand 
0-013  bis  0-015"'  (Abb.  8  S.  88). 

In  diesen  Präskripten  erscheint  der  dvaypa^E'j;  erst  nach  dem  ypa[i|iai£ij;: 
beide  sind  im  Nominativ  genannt,  genau  so  eingeschoben  wie  ävccYpoKpebg  \rt\i.o- 
xpatr;;  Arj|jtoxpa"cou  KuSa-ÖTjvaceu?  IG  11  (.08.  Sonst  steht  der  ävaypacpeüs  an  erster 
Stelle,  entweder  wie  in  einer  Überschrift:  ävaypacpsös  6  osöva.  so  in  den   Urkunden 


88 


A     Wilhelm 


J: 


i 


Eni  'AuoXXoSwpjou  x[s-/ovxo- 
S  £7ii  xtJ;  £J3§6]u7,;  rc[purave- 
:'a;-  ypxjiuaxs'j]::  Acp6ß7}ro[s  Ko- 
8*)xiStjs"  ävayp]a<pel)s  Eöxa[8|i- 

5  o;  KoXXuxeüg"  SJnijaiae;  X:w[vc- 

8ou       fjog  £:~iv   xyx[f>- 

■/,:  ~;y/'<;.  xoO  Sjrjuou  toö  AJhjva- 
iwv  -£p:  wv  IloJX'j-lpywv  £~£<rc- 
xosXxev  ~£pi  SJcovtxou  xa:  Eü[x- 
io   Xeou;  c~w;  av]  AJhjvaibc  ysvwv- 
xat  xac  efrtotpajt'vsi  aüxou?  Ho- 
X'JTtEpjrwv  ~£pi]  xöv  ov;jj.ov  x[ö]v 
'.V  ihrjvauüv  eövojug  Svcag  xa!  -- 
E-OTjXÖta;  xyxjiröv  ox:  jjSöva- 

;    vro x]a:  'Ep[aai]-rto; 

xa!  üavt[i(i)]v?   A 

Reste  einer   letzten   Zeile 


8:   Beschluß  aus   der  siebenten   Prytanie 
des  Jahres  319/8  v.Chr. 


IG  II  191.  192.  192  b.  192  c  (für  den  Nominativ  vgl.  apywv  E&d-tog  IG  II  314  b 
und  y.y/f>~'  Hu&apaxo?  am  Kopfe  der  von  Plutarch  im  Leben  der  zehn  Redner 
p.  851  d  mitgeteilten  Eingabe  des  Laches,  F.  Ladek,  Wiener  Studien  XIII  67;  YP^r1" 
[laxe&s  Auahxq  Auo  —  II  66  b),  oder  er  ist  in  der  Datierung  hü  /.xX.  mit  dem  Archon 
verbunden,  und  zwar  durch  xai  in  der  Urkunde  oben  S.  85,  durch  31  II  299  b.  ihm 
vorangestellt  II  226.  Durch  Annahme  einer  entsprechenden  Verbindung-  von 
Archon  und  Schreiber  in  der  Datierung  wird  auch  die  zweite  Zeile  der  Inschrift 
[G   II  302  verständlich,  die  sich  bisher  der  Deutung  entzogen  hat   Daß  V.  Köhlers 


Beschlüsse  der  Athener  aus   rlem   Jahre   des   Archon   Apollodoros   3'<l,'8   v.  Chr.  89 

Ergänzung  fE-]:  'OX[ujJi]m[o]8(j)po[u  ap|*/o[yxo;,  6  o£fva  — cp]6[po-j  M]e[Xi]i[eOs?  £Yf*7-!'-~ 
•iäx£U£v,  von  ihm  selbst  ausdrücklich  als  zweifelhaft  bezeichnet,  mit  den  erhaltenen 
Resten  schlechterdings  unverträglich  ist,  habe  ich  auf  Grund  etwas  vollständigerer 
Lesung  des  sehr  beschädigten  Steines  W.  S.  Ferguson,  The  Athenian  secretaries 
p.  50  mitgeteilt,  der  das  Demotikon  MsXixsö;  als  der  von  ihm  ermittelten  Abfolge 
der  den  Schreiber  stellenden  Phylen  widersprechend  verwerfen  mußte.  Ich  zweifle 
jetzt  nicht,  daß  in  diesen  Präskripten  zu  lesen  ist:  ['E~]:  '0[Xu{i]ra[o]S(5)po[u 
ä'p]/o[vTo;  xx:  Ypx,.i|.iax£ü)s  (oder  ypa|j.|iax£w;  ok)  ...  8d>]po[u  (oder  ....  Sw]po[u)  xo]0 
aE[ic](xeXou;  z.  B.  'OfTpuvetwg  oder  [07]|xax£LCi)£  hd  xvjg  'IuTcoS-wvxtJSo;  0£xax7j;  -xpuxxvEiag 
xxÄ.  oder  'EraxeXou    .O (Demotikon   von  mindestens    10  Buchstaben). 

Der  Name  der  Phyle  fehlt;  das  Demotikon  des  Ypaji|ixx£jc  zeigt,  daß  in 
dem  Jahre  des  Archon  Apollodoros  die  siebente  Prytanie  die  Oineis  war,  denn 
dieser  ypocfUiaTSÜs  neben  dem  ävaypacpeög  ist  stets  der  Prytanie  entnommen  und 
wechselt  mit  ihr  (W.  S.  Ferguson  a.  a.  O.  p.  42;  J.  Penndorf,  Leipziger  Studien 
XVIII  177). 

In  den  Präskripten  des  neuen  Beschlusses  aus  der  siebenten  Prytanie  des 
Jahres  319/8  fehlt  die  Angabe  des  Tages  der  beschlußfassenden  Versammlung, 
des  die  Abstimmung  leitenden  -po£Opo;  und  die  Formel  eSoljev  xxX.  Der  Schreiber 
'Acpoßrjxog  gehört  seinem  Namen  nach  sicher  in  das  dem  Demos  der  KothüXt'Scu  zuge- 
teilte Haus  der  Axpou-Tjxo;  und  °Acp6ß7jros,  aus  dem  der  Redner  Aischines  stammte. 
Ist  es  dessen  jüngster  Bruder  (n.  x.  rocpx-p.  1  \q),  so  muß  er  im  Jahre  319/8  schon 
ziemlich  betagt  gewesen  sein;  es  könnte  aber  auch  der  uns  bisher  nicht  mit 
Namen  bekannte  jüngere  Sohn  des  Aischines  sein.  Jedenfalls  ist  das  Erscheinen 
eines  Mannes  aus  diesem  Hause  der  Zeitumstände  wegen  beachtenswert.  Der 
Antragsteller  scheint  sonst  nicht  bekannt.  Veranlaßt  ist  der  Beschluß  durch  eine 
Botschaft  Polyperchons;  die  Formel,  mit  der  auf  sie  Bezug  genommen  wird,  hat 
mir  kürzlich  Jahreshefte  X  34  die  bisher  mißverstandenen  Präskripte  IG  II  130 
herzustellen  erlaubt.  Der  Stein  bringt  ein  neues  Zeugnis  für  die  aus  Inschriften 
und  Papyri  bekannte  richtige  Form  des  Namens  (Dittenberger  zu  OGI  4 
Anm.  14;  O.  Hoffmann,  Die  Makedonen  S.  156;  übersehen  ist  eine  Inschrift  aus 
Bithynien  Bull,  de  corr.  hell.  XXIV  384  und  aus  Panamara  Bull,  de  corr.  hell. 
XXVIII  351.) 

5.  Über  die  Absichten,  die  in  jenen  Zeiten  die  Athener  bei  der  Verleihung 
von  Auszeichnungen  leiteten,  belehrt  das  Bruchstück  eines  etwas  älteren  Be- 
schlusses (o-2i5m  breit,  0-13'"  hoch,  o-oo'"  dick,  allseits  gebrochen:  3x077,00725, 
Buchstabenhöhe  0*007 m,   Abstand  O'0 16 m,  Zeilenabstand  0*015  bis  o-oi6m,    ebenfalls 

lalireshefte  des  osterr.  arehäol.    Institutes    Bd     \l  12 


gO  A.   Wilheln 


in  der  Sammlung   des  Nationalmuseums   zu   Athen  (Fig.  9),   das   ich  auf  25   Buch- 
staben mit  willkürlicher  Abteilung  der  Zeilen  folgendermaßen  ergänze: 


9:   Beschluß  zu  Ehren 
von  Makedonen. 

£2o]Esv  tCm  Si^|iü)i:[    

....  pajxou  Aau.7xxpsü[;  efrcev*  oiz- 
wc  av  u>]c,  nkelaioi  xmv  [xs  aXXuv  M- 
axeS6v]ü)v  xod  'AvtforacTfpos  xsxc- 
5   [xrjjievojt  utxö  xoö  5irju.au  x[oö  'Affyv- 
aüov  EÖe]pyexöatv  xr^v  <rö[Xiv  xrj- 
V  'Atbjvafjwv  ayaiH/t  x[u-/jrji  ozoöy- 
ite  tök  OTj]|iw[t  xxX. 

Da  ein  in  der  ersten  Zeile  nach  dem  Doppelpunkt  erhaltener  Rest  auf  einen 
Buchstaben  wie  A  oder  A  deutet,  kann  der  Antragsteller  nicht  der  OcXourjXog 
A.a|MCtpe6g  sein,  der  nach  Plutarch  im  Leben  des  Phokion  32  im  Jahre  318  angesichts 
der  Vorbereitungen,  die  Nikanor  zur  Besetzung  des  Peiraieus  traf,  augenschein- 
lich als  Sprecher  jenes  Teiles  der  Bürgerschaft,  der  zu  Nikanor  weniger  Vertrauen 
hatte  als  Phokion,  den  Antrag  gestellt  hat  'AÖ^vaiou;  aracvxac;  ev  xolc,  Srtkoiq  sivai  y.a: 
xw  axpaxTjYw  <S>cox£b)Vt  npoaiy&iv.  Die  Erwähnung  des  Antipatros  und  die  Begründung 
']■  Beschlusses,  die  die  Abhängigkeit  Athens  von  den  makedonischen  Macht- 
habern  nur  zu  deutlich  verrät,  weisen  in  tue  Zeit  nach  dem  unglücklichen  Aus- 
gange des  lamischen  Krieges  und  dem  Friedenschlusse,  Herbst  322  v.  Chr.,  und 
vor  Antipatros  Tod,  der  der  parischen  Chronik  nach  im  Jahre  des  Apollodoros 
31g  8,  nach  Droysen  zu  Anfang,  nach  G.  F.  Unger  im  Sommer  des  Jahres  31g 
erfolgt  ist  (Ath.  Mitt.  XXII  195).  Der  Beschluß  scheint  vornehmlich  Antipatros, 
außer   ihm  aber   auch  anderen    vornehmen   Makedonen    gegolten    zu  haben.     Als 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archun   Apollodoros  3 1 9/8  v.  Chr.  91 

Gesandter  war  Antipatros  schon  im  Jahre  346  mit  Parmenion  und  nach  der 
Schlacht  von  Chaironeia  in  Athen  erschienen,  und  die  Athener  haben  nicht  ver- 
säumt, ihn  auszuzeichnen:  'AXxtjia-^ov  xai  'Avuiracxpov  Aflnjvafous  xa:  upoJjevou;  Stomj- 
aäfiefra  sagt  Hypereides  in  der  noch  bei  Lebzeiten  König  Philipps  gehaltenen 
Rede  xaxä  Ar^iaSou  zapavöpjv  (Bruchstück  77).  Da  Bürgerrecht  und  Proxenie  in 
jener  Zeit  nicht  zusammen  verliehen  wurden,  hat  H.  Sauppe,  De  proxenis  Atticis 
p.  14  'AXxfj-iay&v  xad  'AvxiTxaxpov,  <o  'ASbjVafot,  rcpo^evoug  STioirjaa|i£1)'a  lesen  wollen  und 
J.  G.  Schubert,  De  proxenia  Attica  p.  07  hat  zugestimmt;  mir  scheint  die  Rede- 
weise, wenn  auch  sonst  nicht  nachgewiesen  und  von  Seiten  der  handschriftlichen  Über- 
lieferung nicht  völlig  gesichert,  doch  begreiflich.  Welcher  der  beiden  Männer  zum 
Bürger  von  Athen,  welcher  zum  Proxenos  gemacht  worden,  hat  der  Redner  nicht 
ausdrücklich  sondern  wollen;  da  sie  seinen  Gedanken  als  Einheit  erscheinen,  faßt  er 
auch  die  ihnen  verliehenen  Auszeichnungen  zusammen,  vermeidet  daher  die  individua- 
lisierende Einzahl  AJbjvafov  xa!  rcpoljevov  und  sagt,  mit  der  höheren  Auszeichnung 
beginnend,  'A^-rjvaioug  xod  ii:p&?evouj,  um  auszudrücken,  daß  der  eine  Bürger  von  Athen, 
der  andere  Proxenos  geworden  sei;  das  Mißverständnis,  es  seien  beide  Bürger  von 
Athen  und  zugleich  Proxenoi  geworden,  war  für  zeitgenössische  Athener  ausge- 
schlossen. Von  einem  Beschlüsse  zu  Ehren  des  Alkimachos  aus  dem  Jahre  337/6 
ist  noch  ein  Bruchstück  erhalten  IG  II  123;  bezöge  sich,  wie  man  bisher  annahm, 
die  Inschrift  II  227  auf  denselben  Alkimachos,  so  würde  ihm  damals  die  Proxenie 
und  im  Jahre  333/2  das  Bürgerrecht  verliehen  worden  sein,  das  der  zur  Zeit  des 
dvaypacpeus  gefaßte  Beschluß  erneuert.  IG  II  227  gilt  aber,  wie  soeben  auch  A.  Körte, 

Rhein.  Mus.  LXI  47g    bemerkt,   einem  AXxi[iayo;   AA äxrjs, 

während  jener  Alkimachos  Makedon  und  nach  Arrian  Anab.  I  18,  1  Sohn  eines 
Agathokles,  ein  Bruder  des  Lysimachos  aus  Pella  war,  dessen  Namen  Sintenis 
denn  auch  statt  des  überlieferten  'Avxfyia/ov  und  AAxtu.a-/ov  bei  Arrian  I  18,  1  aus 
VI  28,  4  einsetzen  wollte.  Somit  hat  der  Beschluß  IG  II  227  mit  dem  Makedonen 
Alkimachos  überhaupt  nichts  zu  tun.  Einen  Sohn  dieses  Alkimachos  erkennt  P. 
Graindor,  Bull,  de  corr.  hell.  XXVIII  316  in  dem  Proxenos  der  Ieten  A6[aOT]w>s 
'AXx'.[jia)(Ou  MaxeS«J)V,  der  unter  ausdrücklicher  Erwähnung  der  Verdienste  seines 
Vaters  durch  den  Beschluß  Bull,  de  corr.  hell.  XXVIII  313  belobt  wird;  vgl. 
Hiller  von  Gärtringen,  Inschriften  von  Priene  S.  205  zu  Zeugnis  470.  A.  Schaefers 
Vermutung  (Demosthenes  III  32),  der  von  Demades  ebenfalls  im  Jahre  337/6  be- 
antragte Beschluß  über  Verleihung  der  Proxenie  IG  II  124  (Sylloge !  110)  gelte 
vielleicht  dem  Antipatros,  scheint  durch  die  Reste,  die  von  dem  Namen  in  dem 
begründenden  Satze  geblieben  sind,  ausgeschlossen.  Ist  meine  Deutung  der  Hyper- 


92  A.    Wilhelm 

eidessteile  richtig,  so  hat  Antipatros  schon  nach  der  Schlacht  von  Chaironeia 
das  Bürgerrecht  erhalten.  Zu  Z.  4  f.  vergleiche  ich  den  letzen  Satz  des  Beschlusses 
für  Oxythemis  IG  II  243:  Siaaq  8v  reripjfjlvog  Gtiö  toö  Syju.o'j  itpdvcet  y.t.  0-sp  träv  ir.- 
tieojv  tcöv  ai/j>aÄo')Tü)v  waav  ü^sp  tioXitöv  3  u  av  57toXa|ißdv£C  au[i<p£peiv  aOtot;  dz  (jwrrjptav. 
6.  Die  vorbesprochenen  Inschriften  zeigen,  daß  in  dem  Jahre  des  Archon 
Apollodoros  während  der  siebenten  und  achten  Prytanie  Eukadmos  von  Kollytos, 
während  der  neunten  Epikuros  ävaypatjsu::  war;  daß  Epikuros  dieses  seines  Amtes 
auch  während  der  zehnten  Prytanie  waltete,  lehrt,  nach  G.  F.  Ungers  richtiger 
Ergänzung  S.  452,  IG  II  226: 

'Etc:  c&vaypa[cpiü>£  'Eraxoupou  toö  Uzyi-.oc  Bp-.a-  oder  <&oXaa?  tou,  i~l  (oder  zxi  ?) 

"A-]o/.Äo5wp[o'j  apyovio;  Ssöxepov,  I;::  r/(; ico; 

oejxäxrjg  repfuTavetag 


Der  Wechsel  des  dvaypa'f su;  hat  sich  nach  dem  2 1 .  Tage  der  achten  Prytanie, 
dem  30.  Elaphebolion,  und  vor  dem  fünften  Tage  der  neunten  Prytanie,  dem  20. 
Munichion  vollzogen,  also  kurz  vor  Phokions  Hinrichtung,  die  am  19.  Munichion 
stattfand;  einer  seiner  Ankläger  war  nach  Plutarch  der  neue  dvaypoKpeös  Epikuros 
(Phokion  38).  Daß  im  Laufe  des  Jahres  eine  neue  Verteilung  der  Prytanien  vor- 
genommen worden  sei,  ist  durch  die  gesicherten  Tagesangaben  widerlegt;  umso 
beachtenswerter  ist,  daß  der  Archon  in  den  drei  Urkunden,  die  aus  der  sechsten, 
siebenten  und  achten  Prytanie  erhalten  sind,  mit  bloßem  Namen,  in  den  zwei  Ur- 
kunden aus  der  neunten  und  zehnten  mit  dem  Zusätze  Seöxepov  erscheint.  Eine  Neu- 
wahl des  Archon  hatte  schon  G.  F.  Unger  aus  diesem  Zusätze  erschlossen,  ihre  Zeit 
aber  nicht  richtig  bestimmt,  weil  er  sich  bei  der  Ergänzung  der  Zahl  der  Prytanie 
durch  die  oxoiy^Söv-Ordnung  gebunden  hielt  und  aus  §xxrjs  im  Munichion  den  Zu- 
sammentritt eines  neuen  Rates  und  Neubesetzung  der  Amter  am  1.  Anthesterion 
folgern  zu  müsssen  glaubte.  Jetzt  ergibt  sich,  daß  der  Archon  Apollodoros  nach 
seiner  Wiederwahl  und  der  ävaypx'^cuj  Epikuros  frühestens  am  1.  Munichion  des 
Jahres  319  v.  Chr.  ihre  Ämter  angetreten  haben.  Sicherlich  ist  es  nun  nicht  Zu- 
fall, daß  Polyperchons  Edikt  Diod.  XVIII  56,  5  über  die  Wiederherstellung  der 
Verfassungen  die  -piaxa;  des  Ixv5;-/.ö;,  den  30.  Elaphebolion  des  attischen  Kalenders, 
den  letzten  Tag  des  dem  Munichion  vorangehenden  Monates,  als  den  Tag  be- 
zeichnete, bis  zu  dem  die  Verbannten  heimgekehrt  sein  sollten.  Ihre  Rück- 
kehr erfolgte  unter  dem  Schutze  der  Heeresmacht,  mit  der  Polyperchons  Sohn 
Alexandros  in  Attika  erschienen  war.  Während  er,  in  der  Nähe  des  Peiraieus 
lagernd,   mit    Xikanor,   dem    Herrn    des    Peiraieus    und    der    Munichia,   ohne    Zu- 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem   Jahre  des   Archon  Apollodoros   319/8   v.  Chr.  93 

ziehung  der  Athener  verhandelte,  fand  alsbald  in  Athen  die  Volksversammlung 
statt,  von  der  Diodor  XVIII  65,  6  berichtet:  0  oe  5fj[xo;  ei;  Ixxkipfa»  auveXOxbv 
xxc,  [ilv  üTiapyoüaas  «PX*?  xatiXuaev,  ex  ok  xöv  SujjiOTOMOTaTWV  xa  äoyy.x  y.T.-y.rjxi^-/.; 
xoü;  er.l  xfjs  öXifa.p-/J.ot.Q  Y£T0V°xa?  «pX0V'ca?  JwrceSixaae  tou?  jxev  8wv<£xtj),  xou;  oe  epuylj 
xaE  ST)[teiiaei  xfj;  ouatas*  ev  ol?  y)v  xoci  *lHoxwov  6  erc'  'Avx'.Txxxpou  xJjv  xwv  cAwv  apxv 
sV/^xmc.  Eine  Neuwahl  der  Beamten  ist  ebenso  im  Jahre  296/5  vorgenommen 
worden;  die  Urkunde  IG  II  299,  II  5,  299c  nennt  Nikias  als  äoywi  üaxepoc;, 
und  der  Stratege  Phaidros  bekeidet  zweimal  in  diesem  Jahre  das  Amt  des 
Strategen  II  331  Z.  21  (W.  S.  Ferguson,  The  priests  of  Asclepios,  University 
of  California  publications  I  5  p.  139;  J.  Kirchner,  Berl.  philol.  Wochenschr.  1906 
S.  983).  Von  derselben  Volksversammlung  erzählt  Plutarch,  Phokion  33:  oi  xs  yxp 
ipuyaSeg  aüxw  (nämlich  'AXstävSpw  xcp  U.oX\mip/pvzoq,  1  auvetaßotXovxes  eüiKj;  jjoav  ev 
äaxei  xal  xöv  Eevwv  ä'[ia  xod  xiöv  äxtu.ü)V  Tipöj  aüxoü;  eisopaiiovxwv  ixxXrjata  -a|i|i'.yri; 
^■pofoSb]  xai  äxaxxo;  ev  r)  töv  <l>wx;tova  xy)?  äpx?i;  ÄTOAÜaavrec;  exepoo;  etXovxo  axpax^yo'j;; 
die  Wahl  hat  sich,  wie  wir  wissen,  nicht  auf  die  Strategen  beschränkt,  Plutarch 
berücksichtigt  aber  begreiflicherweise  vor  allem  seinen  Helden.  Angeklagt,  hat 
Phokion  mit  einigen  seiner  Freunde  sich  zuerst  zu  Alexandras,  Polyperchons 
Sohn,  dann  zu  diesem  selbst  nach  Phokis  begeben.  Eine  Erkrankung  des  Dei- 
narchos  verursachte  nach  Plutarch  mehrtägigen  Aufenthalt  in  Elateia:  appwaxt'a 
5e  xp7/5a|A£vo'j  xoO  Aetvapxou  ciuyyzc,  rjjiepac  ev  'EXoreetqc  SterpiuVxv,  £v  a£"s  'Ayvwvöooj  reei- 
aavxo;,  'Apxeorpaxou  3e  xo  <JWjcpia{ia  ypätpavio;  E-eu-tjjev  jtpeaßetav  6  Sf;|xo;  xaxv)yopT;aouaav 
xoO  Oomiovog.  Bei  Pharygai  trafen  sie  den  König  und  Polyperchon;  nach  der 
unter  Philippos  Vorsitz  abgehaltenen  Verhandlung  wurde  Phokion  nach  Athen 
abgeführt  und  dort  von  der  Volksversammlung  als  Hochverräter  zum  Tode  ver- 
urteilt. Alle  diese  Begebenheiten  fallen  somit  in  die  Zeit  zwischen  dem  1.  und  dem 
19.  Munichion  des  Jahres  319/8;  zweieinhalb  Wochen  scheinen  mir  auch  für 
Phokions  Reise  nach  Phokis  samt  dem  Aufenthalte  der  ooyyct.1  rjuepai  in  Elateia, 
für  die  Verhandlung  in  Pharygai,  die  Rückkehr  und  sofortige  Verurteilung  in 
Athen  ausreichend.  Daß  Polyperchons  Einfluß  schon  früher,  zur  Zeit  der  siebenten 
Prytanie,  zwischen  dem  4.  Anthesterion  und  dem  10.  Elaphebolion,  in  Athen 
maßgebend  war,  zeigt  die  Urkunde  4  S.  88.  Das  Bestehen  einer  demokratischen 
Verfassung  wird  aber  durch  das  Eingehen  der  Bürgerschaft  auf  den  von  Poly- 
perchon in  seiner  Botschaft  geäußerten  Wunsch  nicht  bewiesen:  diese  Willfährig- 
keit erklärt  sich  genugsam  aus  der  Stellung  Polyperchons  als  Nachfolger  des 
Antipatros  und  dem  seit  der  Veröffentlichung  des  Ediktes  zunehmenden  Einflüsse 
der  ihm  ergebenen  Partei. 


94 


A.    Wilhelm 


7.  Schon  lange  ist  erkannt,  daß  die  ävaypa'fets  den  drei  Jahren  321/0  bis  319/8 
eigentümlich  sind.  Bisher  waren  ihrer  vier  bekannt,  und  diese  vier  ließen  sich  in 
den  drei  Jahren  mit  Hilfe  der  Vermutung  unterbringen,  daß  in  dem  Jahre  319/8, 
das  'A-oÄÄGOtopog  und  'A-o/.XöSwpo;  Seötepov  zu  Archonten  hat,  zwei  verschiedene 
ävaYP*'-?5-?  ihres  Amtes  gewaltet  hätten.  Nun  kommt  E'jxaSjxo;  KoXXuxeö?  als  fünfter 
ÄvaYpacpeug  und  beansprucht  eben  den  Teil  des  Jahres  des  Apollodoros,  den  J. 
Penndorf,  Leipziger  Studien  XVIII  174  h0.  dem  8paauxX7j?  Nauaixparoug  Hp;äa:oj  als 

dem  infolge  des  Umsturzes  abgesetzten 
Vorgänger  des  Epikuros  zugewiesen  hatte. 
Die  Inschrift  IG  II  5,  229  b  war  von 
A  U.  Köhler  allerdings  nicht  auf  das  Jahr 
319/8,  sondern  auf  das  Jahr  321  o  bezogen 
und  folgendermaßen  ergänzt  worden: 

"E~:  'Ap/:--Ci'j   xp/ovTo;.  äjvaypatfiw;  0paa- 
uxX£oug  toö  NauatxpctTOug  Spijaafou1  iitl  -er}; 
-  —  1805  rtlpcnjs  "p'JtaveJi'a;-  Iloxce:- 

wvo; ,  xetjap-ce:  xac  e[f- 

5  xooxeE  xvjs  Ttp'jTavEi'x; •  exxX]7j<jta  xup[ca- 
xwv  rcpo£8piüv  J^S'lYf.^EV  'Apjaxo'f [ .... 

IIai]avie6[s 

Gegen  diese  Ergänzung  hat  J.  Penn- 
dorf eingewendet,  daß  als  ävaypa^peii?  des 
Jahres  des  Archon  Archippos  321/0  KaX- 
XLxpaxiSr,;  KaXXixpäxoDC  liEipisüj  zu  gelten 
habe;  auch  ergebe  der  Name  'Afflimwo  für  die  Zeile  nur  ^^  Buchstaben,  während 
die  zweite  36  zähle.  Die  Inschrift  ist  nicht  nur  nicht  OTOtX'jSov,  sondern  wie  U. 
Köhler  mit  Recht  hervorgehoben  hat,  auch  ganz  ungewöhnlich  schlecht  geschrie- 
ben; so  läßt  sich  mit  drei  Buchstaben  mehr  oder  weniger  in  der  Zeile  nicht 
rechnen.  Man  braucht  aber  nach  'Apyir.nou  nur  xa:  hinzuzufügen,  das  in  der  Ur- 
kunde  3  S.  85  steht  und  durch  das  Fehlen  eines  oi  nach  &va.ypaxpititq  auch  hier  an- 
gezeigt wird,  so  zählt  die  erste  Zeile  wie  die  zweite  36  Buchstaben;  die  Er- 
gänzung der  zweiten  Zeile  ist  dadurch  gesichert,  daß  U.  Köhler  in  dem  &va.ypaxpeüc, 
den  Mann  erkannt  hat,  der  im  Jahre  314/3  den  Beschluß  für  Asandros  IG  II  234, 
von  mir  vereinigt  mit  II  (II  5)  410  (Annual  of  the  British  School  at  Athens  VII 
156,  Jahreshefte  X  32),    beantragte;     augenscheinlich    ist  Thrasykles  (vgl.  Jahres- 


10:  IG  II  5,  229  b. 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archon  Apollodoros   3 1  y/8  v.Chr.  '("> 

hefte  VII  101)  als  Anhänger  der  makedonischen  Partei  unter  Demetrios  von 
Phaleron  wieder  hervorgetreten.  Daß  aber  das  Jahr  des  Archon  Archippos  321/0 
schon  durch  den  ävaypacpeug  KaXXixpaxfö)];  KaXXixpaxouq  Sxecpieu?  besetzt  sei,  ist  keines- 
wegs so  sicher  als  von  J.  Penndorf  angenommen  wird.  Solange  man  nur  drei 
ävaypa'fEf;  kannte,  mochte  allerdings  oberflächliche  Betrachtung  wahrscheinlich 
finden,  da(j  der  Beschluß  IG  II  190  Z.  7  ff .  zu  Ehren  dieses  £vaypacps6g  aus  diesem 
Jahre  stamme.  Die  Datierung,  ohne  Nennung  des  Archon  und  des  Schreibers, 
Extpocpopifövog  s'vTji  xol  via;,  xexapxei  xal  xpiaxoaxfji  xijs  irpuxavsfx;.  weist  auf  ein  Gemein- 
jahr, die  Nichterwähnung  der  ou{Mtp6e8poi  auf  die  Zeit  vor  dem  Jahre  31g;  für 
das  Jahr  des  Archon  Neaichmos  320/19  ist  'Apx^Sixo?  Nauxpfrou  AafMtxpeö?  als  ava- 
ypa-fsüs  bezeugt  (IG  II  5,  192  c  aus  der  zweiten,  II  191  und  II  5,  192  b  aus  der 
fünften  Prytanie).  So  schien  für  KotilvxpxTiSrfc  KxÄÄ'.xpxxo'JS  itstpceu;  nach  C.  Schäfers 
nur  von  W.  S.  Ferguson  und  J.  Kirchner  PAIp.  531,  7908  abgelehntem,  sonst 
allgemein  gebilligtem  Vorschlag  nur  das  Jahr  321/0  zu  bleiben.  Auf  der  Stele 
ist  aber  vor  dem  von  dem  letzten  Tage  des  Jahres  datierten  Beschlüsse  des 
Rates,  der  für  die  nächste  Volksversammlung  die  Verhandlung  über  eine  Aus- 
zeichnung dieses  Beamten  anordnet,  ein  anderer  Beschluß  verzeichnet  gewesen, 
sicherlich  der  Beschluß  der  Volksversammlung,  der  auf  Grund  dieses  Ratsbe- 
schlusses  nach  der  Rechenschaftslegung  zustande  gekommen  ist  (vgl.  z.  B.  IG 
II  5,  169b;  Urk.  dram.  Auff.  S.  233)  und  somit  aus  dem  Anfange  des  nächsten 
Jahres  stammt.  Von  diesem  Volksbeschlusse  sind  nur  die  Bestimmungen  über  die 
Aufschreibung  erhalten,  und  mit  dieser  wird  nicht  etwa  der  ävaypa^suc,  sondern 
der  ypa|i.nx-;s'j;  xaxx  rcpuxavefav  betraut.  In  einer  Reihe  von  Beschlüssen,  die  frei- 
lich nicht  datiert  sind,  wird  nun  der  avaypa^sis  mit  solchem  Auftrage  bedacht 
(IG  II  227.  228.  229;  II  5,  229  c.  229  d),  und  seine  Nennung,  nicht  die  des  ypa|i,u.a- 
Teög  xxxx  Ttpuxxvsi'av,  würde  auch  in  dem  Volksbeschlusse  II  190  Z.  2  zu  erwarten 
sein,  wenn  dieser  wirklich  aus  einem  der  Jahre  stammte,  in  denen  änocfpcKpelq  in 
den  Präskripten  erscheinen;  J.  Penndorfs  Erklärung  p.  176:  „Callicratides  ne  ipse 
suas  laudes  in  pila  exarare  iubeatur,  xb  xvaypa^a'.  iniungitur  scribae  xaxä  Ttpuxaveiav," 
überzeugt  mich  nicht.  Muß  ich  schon  aus  diesem  Grunde  die  Richtigkeit 
der  Beziehung  des  Beschlusses  II  190  auf  das  Jahr  321/0  bezweifeln,  so  wird  die 
Beziehung  auf  ein  früheres  Jahr  jetzt  dadurch  erleichtert,  daß  unter  dem  Ver- 
zeichnisse der  Ratsherren  des  Jahres  335/4  v.  Chr.,  das  J.  Kirchner,  Athen.  Mitt. 
XXIX  244  veröffentlicht  hat,  nach  dem  fP^V-V^^K  xxxx  rcpuxavefov,  dem  ypa;iiiaxsü; 
xök  S^jMüt,  und  vor  dem  irzl  xä  <j>r]<ip£a[iaxa  uml  e'nem  fcni'fpoiye.öq  als  dritter  der 
Schreiber  ein  ÄvaYpa<pe6s  genannt  ist.  Allerdings  findet  sich  von   diesem  foiarfpaspeöq 


96  A.   Wilhelm 

in  Inschriften,  die  sicher  älter  sind  als  die  drei  Jahre  321/0  bis  3198  sonst  keine 
Spur,  auch  hat  ihn  Aristoteles  in  seiner  Aufzählung  der  Schreiber  tzoX.  'A8-.  54,  3 
nicht  erwähnt;  aber  angesichts  der  Liste  des  Jahres  335/4  ist  die  Möglichkeit 
nicht  zu  bestreiten,  daß  schon  vor  dem  Jahre  321/0  ein  Ävaypacpeus,  der  sich  als 
Hilfsbeamter  der  anderen  Schreiber,  einer  der  äXXoi  ypa|i|j.axsr;  ol  ztzI  tot?  6rju.oat'o'.s 
Ypau-u.aaiv,  von  denen  IG  II  61  Z.  16  spricht  (W.  S.  Ferguson,  The  Athenian  secre- 
taries  p.  41),  um  die  avaypxtprj  töjv  ypxufiätwv  Verdienste  erworben  hatte,  von  Rat 
und  Volk  belobt  werden  konnte.  KaXXcxpaxc'Syj?  KaÄAixpxto'jj  Sreipteug,  sonst  nur  durch 
die  Basis  IG  II  1 1 77  mit  der  Künstlerinschrift  des  Leochares  bekannt,  wird  also 
vor  der  Zeit  dvaypacpeög  gewesen  sein,  in  der  das  Amt  durch  eine  Änderung  der 
Verfassung  solche  Bedeutung  gewann,  daß  sich  sein  Inhaber  an  Stelle  des  ypau.- 
[iaxsij;  xxtä  rcpuraveiav  in  den  Datierungen  und  Überschriften  nennen  durfte.  Es 
steht  somit  nichts  im  Wege,  das  Jahr  321/0  dem  dvaypx^suc  öpaauxXijs  Naucixpcfroug 
Spiiaioc,  zuzuweisen.  Sonst  ist  dieser  in  den  drei  Jahren  321/0  bis  319/8  nur  unter 
der  wenig  wahrscheinlichen  Voraussetzung  unterzubringen,  daß  vor  der  im 
Munichion  des  Jahres  319/8  gelegentlich  einer  Verfassungsänderung  erfolgten 
Neubesetzung  schon  früher  einmal  aus  unbekannten  Gründen  im  Laufe  eines 
Jahres  ein  Wechsel  im  Amte  eingetreten  sei.  Möglich  ist  es  ja  immer,  daß  ein 
Beamter  während  seines  Amtsjahres  stirbt  oder  seiner  Stellung  entsagen  und 
ersetzt  werden  muß,  doch  wird  man  ohne  Not  nicht  zu  solcher  Annahme  greifen 
dürfen.  Da  obendrein  ein  triftiger  Grund,  den  ävaypacpeö?  Kallikratides  in  frühere 
Zeit  zu  verweisen,  nicht  fehlt,  wird,  bis  uns  neue  Funde  eines  Besseren  belehren, 
festzuhalten  sein,  daß  dva-fpa^et?  gewesen  sind  im  Jahre 

321  o     unter  Archon  Archippos      8paauxXfjs  Nauacxpaxou?  0p:aato; 
320/19       „  „         Neaichmos     ,Apyio,.7.ot  Nauxpfcoo  A-ajimpeug 

319/8  „  Apollodoros  E'jxaSjio;  KoÄXuxeü?  bis  zum  30.  Elaphe- 

bolion 
„  „         Apollodoros  OE'jxspov  vom   1 .  Munichion  an  'Eiu'xoupoc 

II[ä/r,To:?  Hpia-  oder  OuXa?ato; 
8.  Zum  Schlüsse  seien  noch  zwei  Bruchstücke  von  Präskripten  veröffentlicht, 
in  denen  clvaypa<peifc  erscheinen. 

1.  Rechte    obere  Ecke    einer  Stele    bläulichen    Marmors,    0'i4ni  breit,    0*28 "" 

hoch,    wovon  0-223 '"  auf  den    runden    sehr    steilen    Giebel    entfallen,    der    in    der 

Abbildung  nicht  erscheint,    0-065'"  dick    Die  Schrift  sehr  nachlässig;   Buchstaben 

•5°    hoch,     5-077,567    in    einem    Abstände    von    o'oi     bis    0-015'",     Abstand    der 

Zeilen  o*oi  1'"  <  Fig.  1  1  S.  97). 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Archon  Apollodoros  31 9/8  v.  Chr. 


97 


Die  Ergänzung  des  Bruchstückes  stößt  in  den  letzten  Zeilen  auf  Schwierig- 
keiten. In  der  ersten  Zeile  ergibt  die  sichere  Lesung  des  Namens  24  Buchstaben. 
In  der  zweiten  findet  das  Demotikon  des  ävaypacpeös  nur  abgekürzt  Platz,  Aa|i-x:, 
und  in  der  vierten  fordert  der  Name  der  Phyle  Axauavxi?  eine  Stelle  zuviel. 
Beides  ist  unbedenklich.  In  der  fünften  wird  zunächst  an  den  Monat  Pyanopsion 
gedacht,  doch  ergäbe  xpcxrjs  rapuTavewcs  vor  IIuavo]i|K[6>vos  drei  Stellen  mehr  als  der 
axotyj;36v-Ordnung  nach  zur  Verfügung  stehen.  Vielleicht  ist  in  tl  daher  der 
Name  eines  Schreibers  zu  suchen,  z.  B.  inl  xfjg  &xa|Ajavri[5os  hmqs  TCpuxaveias  fy 
"l']'|it[[io;  oder  T]t}>i[x&5*)S  xxX.  SYpa|i|i()eTSU£V. 


II:  Beschluß  aus  dem  Jahre  320/19  v.  Chr. 


!A.vaYpatpeus  'ApyQiSw.oc,  N[auxp- 
t'xou  Aau.7tx:  inl  N]eat)([i[ou  ä.r//o- 
vxo?  irl  xfjs  Äxa{i]avct[So?  exxtj- 
?'?  rcpuxavetas  fjc  'T]'L:[ —  xxX. 

2.  Rechte  obere  Ecke  einer  Stele  schönen  weißen  Marmors,  mit  Giebel, 
0-205 ra  breit,  o-iSm  hoch,  0-085"'  dick.  Sorgfältige  Schrift,  Buchstaben  0-015  '"  hoch, 
azoi-fjfiöv  in  o'i25m  Abstand,  Abstand  der  Zeilen  0-013'"  (Abb.  12  S.  98). 

Seiner  ganzen  Beschaffenheit  und  der  Schrift  nach  ist  der  Stein  dem 
Bruchstücke  II  148  ähnlich.  In  dieser  Urkunde  hat  H.  Buermann,  Jahrb.  Suppl. 
Bd.  X  356  eine  Bürgerrechtsverleihung-  erkannt  für  einen  gewissen  Aptaxowxo; 
Ap[axo8r)[iou  oder  vielmehr  nach  meiner  Lesung  Aptaxoji^Sou;  von  seinem  Namen 
ist  in  Z.  5  allerdings  nur  A  .  .  .  ONIKON,  und  Z.  15  API<TO,  von  dem  Vatersnamen 
Z.  8  PISTOMH  OY  erhalten;  dem  Ethnikon  müssen  nach  Buermanns  wenigstens 
in  diesen  Zeilen  gesicherter  Herstellung,  die  W.  Larfeld,  Handbuch  II  938,  ohne 
Buermann  zu  nennen,  wiederholt,  acht  oder  neun  Buchstaben  zugekommen  sein. 
Ich  habe  deshalb  vermutet  (J.  Kirchner,   PA  11   p.  448,  2038  a),  daß  diese  Bürger- 


J.ihreshefte  des  üsterr.  an  bäol     Institutes   Bd. XI. 


'3 


9» 


A.   Wilhelm 


rechtsverleihung  dem  Ballspieler  Alexanders  des  Großen,  Aristonikos  von  Karystos, 
gelte,  von  dem  Athenaios  I  p.  19a  berichtet  Sil  Apcatovixov  xiv  Kapucraov  xöv  'AXe- 
^avSpou  atpatpiaiTjv  'A&rjVaZoi  itoXtTKjV  eTra'.Tjaavto  xac  '/jx\y.güv  aveaTTjaav.  Das  Ethnikon 
Kapucmos  füllt,  wenn  Aptoro^Sou,  nicht  j^piorofi^Soug  geschrieben  wird,  die  Lücke 
nach  dem  Vaternamen,  und  der  Schrift  wie  den  Formeln  nach  gehört  die  Bürger- 
rechtsverleihung II  148  in  Aristonikos  Zeit;  die  Aufstellung  einer  Bildsäule  kann 
in  dem  verlorenen  Teile  des  Beschlusses  erwähnt  gewesen  sein.  Nun  ist  der  hier 

zum  ersten  Male  ver- 
öffentlichte Stein  nicht 
nur  in  seiner  ganzen 
Beschaffenheit  und  Er- 
haltung dem  Steine 
II  148  (Abb.  13  S.  99) 
ähnlich,  es  gleicht 
nicht  nur  die  Größe 
und  Anordnung  der 
Buchstaben,  sondern 
die  Überschrift  über 
den  Präskripten  zeigt 
auch,  daß  sich  die 
Urkunde  auf  einen 
— vixos  bezogen  hat. 

Das  Zusammen- 
treffen so  vieler  Um- 
stände scheint,  trotz  der  Häufigkeit  der  Namen  auf  — vtxog,  für  die  Zusammen- 
gehörigkeit der  zwei  oder  vielmehr  drei  Bruchstücke  (denn  II  148  ist  jetzt  in  zwei 
Teile  gebrochen)  zu  sprechen.  Die  verstümmelten  Präskripte  hätten  dann  die  für 
II  148  ermittelte  Zeilenlänge  von  41  Buchstaben  zu  erhalten.  Mit  ungleichmäßig 
und  sehr  weit  gestellten  Buchstaben  kann  sich  die  Überschrift  [&.ptaro]v£xou  über 
den  ganzen  breiten  Raum  verteilt  haben;  für  die  erste  Zeile  des  Präskripts  fände 
sich  eine  Ergänzung  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß,  gegen  sonstigen  Ge- 
brauch, wie  in  den  Urkunden  des  Vertrages  mit  Rhegion  und  Leontinoi  IG  I 
Suppl.  p.  13,  33  und  33a,  das  Wort  9-eo(  in  der  Zeile  selbst  stand;  übrigens  ist 
auch   l(i  II   183   die-    Überschrift   Hpocsvta  ÖSOCpivxou  und   in   einer    unveröffentlichten 

In  ichrift  die  Überschrift  IlpoEsv:'[a.  .     . 'Epejtpiet  mit  in  die  oroi- 

y?(5öv  geschriebene   Urkunde  aufgenommen.   So   würde: 


Beschluß   zu   Ehren  des  — nikos. 


Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des  Aiehon  ApoUodoros  319/8   v.Chr. 


99 


©eoL'Ercl  'ATioXXoowpou  äp^ovcog,  ävJaypacfEWg  os  [EÖJC- 

a3|iou  KoXXuxItüg iE]  Ofou .  .  I"  .  .  .  . 

für  die  erste  Zeile  die  durch  die  Zusammensetzung  mit  II  148  erforderte  Länge 
ergeben.  Auch  scheint  mit  dem  Namen  ein  allerdings  verschwindender  Rest  nach 
S£  vereinbar.  In  der  zweiten  Zeile  wird  Et  Oibu  keinesfalls  dem  Namen  eines  äva- 
ypacpeus  angehören,  da  dieser  eine  so  ungebührliche  Länge  nicht  besessen  haben 
kann.  Anderseits  bleibt,  wenn  man  nach  der  Nennung  des  avaypa^eög  ergänzen 
wollte:  ypa|i|iaTetog  81,  vor  dem  Demotikon  zt,  Ofou  für  den  Namen  kein  Platz,  und 
£Ypx|i[iäxE'j£V  dem  Namen 
des  Schreibers  nachzu- 
stellen, verbieten  die 
Reste,  die  nach  sE,  Oibu 
an  dritter  und  vierter 
Stelle  sichtbar  sind.  Sie 
lassen  sich,  scheint  es, 
nur  mit  den  Worten  in]i 
[xfjS  vereinen,  die,  nach 
dem  Demotikon  et  Ofou 
sehr  passend,  die  Erwäh- 
nung der  Prytanie  ein- 
leiten. Dann  würde 
der  dvaypacpeü?,  anders 
als  in  den  übrigen  In- 
schriften, nur  mit  seinem 
bloßen  Namen  genannt 
sein,  und  das  Demotikon 
in  der  Nennung  dieses 
Jahresbeamten  fehlen, 
wie  es  in  den  Nennun- 
gen der  Archonten  über- 
all fehlt,  soferne  nicht 
die  Unterscheidung  von 

einem    gleichnamigen 
Vorgänger   seine  Beifü- 
gung fordert.    Der  ypqi- 
|X3CX£U?  dagegen  erhält  das  13:  Beschluß  zu  Ehren  des  Aristonikos  IG  II    1  i.s. 


•;' 


lOO      A.   Wilhelm,  Beschlüsse  der  Athener  aus  dem  Jahre  des   Archon   Apollodoros   319/S   v.Chr. 

Demotikon  [s;]  Ofcu,  weil  dieses  vermöge  seiner  Bestellung  aus  der  Prytanie  von 
Bedeutung  ist.  Die  Zugehörigkeit  des  neuen  Stückes  zu  IG  II  148  vorausgesetzt, 
würde  für  die  Präskripte  folgende  Lesung  vorzuschlagen  sein: 

[Ä        p        1        a        x        0   ]    v        t        /.        0        u  . 
[Öeot .  'Era  lA.TcoAÄo3d)po'j  äpypvzoq,  ÄvJaYpacpeo)?  os  [Eöx- 

[a5|j.ou  xod  ypa|xj.tat£tüt e£]  Ofou  [etl]:  [xrjg  .  . 

[Name  — So?  und  Zahl   i   bis  8  jipuxavetag  xxX.] 

Fachgenossen,  denen  ich  den  Sachverhalt  vortrug,  haben  sich  vor  den  Steinen 
unbedenklich  für  ihre  Zusammengehörigkeit  ausgesprochen.  Dennoch  ist  mir  be- 
fremdlich, daß  diese  Annahme  nur  um  den  Preis  der  Einreihung  von  9-eot  in  die 
erste  Zeile  möglich  ist.  Auch  kann  die  auf  den  ersten  Blick  große  Ähnlichkeit 
der  Steine  und  der  Schrift  trügen  und  es  Zufall  sein,  daß  beide  einem  — vtxog 
gelten.  Die  Beziehung  der  neuen  Präskripte  auf  das  Jahr  des  Apollodoros  bleibt 
trotzdem  wahrscheinlich.  Sein  Name  ergibt  eine  Zeile  von  37  Buchstaben: 

'Eni  'AitoXkoS&pou  äpxovxo?,  ä]vaypa:psw;  3s  [Eüx- 
ao|iou-  Ypaj.iuxxEiJS sij]  Oibir  [etcji  [xijs  xxX. 

Die  Verweisung  in  den  zweiten  Teil  des  Jahres:  'Eui  ÄTiOÄXoSwpou  ä'pyovxog 
Seöxepov  würde  auf  eine  Zeile  von  45  Buchstaben  führen  und  in  der  Überschrift 
die  Einsetzung  des  Wortes  7ipoi;evc'a  vor  einem  kurzen  Namen,  z.  B.  Eöjvwcou,  in 
der  zweiten  Zeile  nach  dem  Namen  des  (zvaypacpeuc;  für  den  Schreiber  einen  sehr 
langen  Namen  oder  Hinzufügung  des  Demotikon  zu  dem  des  Epikuros  fordern. 
Hoffentlich  entscheiden  über  alle  diese  Möglichkeiten,  deren  Wahrscheinlichkeiten 
ich  nicht  abwägen  will,  eines  Tages  neue  Bruchstücke. 

[Erst  unmittelbar  vor  Abschluß  des  Druckes  dieses  zu  Ende  des  Jahres  1906 
niedergeschriebenen  Aufsatzes  ist  mir  Johannes  Sundwalls  Abhandlung  De  institu- 
tis  reipublicae  Atheniensium  post  Aristotelis  aetatem  commutatis  I  (Acta  Socie- 
tatis  scientiarum  Fennicae  XXIV  4,  Helsingforsiae  1906)  zugekommen,  in  der 
p.  8  G.  F.  Ungers  Ergänzung  der  Inschrift  IG  II  299  b  für  sicher  und  die  Wahl 
eines  neuen  Rates  mitten  im  Jahre  319/8  für  erwiesen  gehalten  wird.  Den  äva- 
ypowpeüj  Kallikratides  weist  auch  Sundwall  p.  6  der  Zeit  vor  dem  Jahre  321/0  zu. 
In  die  Realencyklopädie  ist  Epikuros,  der  ävstYP*?^  und  Ankläger  des  Phokion, 
nicht  aufgenommen. 

Wien,  Februar  [907.  ADOLF  WILHELM 


IOI 

Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in  der  Provinz  Asia. 

Die  im  folgenden  behandelte  Inschrift  aus  Odemisch  wurde  erstmals  in  der 
Smyrnaer  Lokalzeitschrift  Homeros  1872  S.  207  veröffentlicht,  indes  so  unzuläng- 
lich, daß  sie  sich  weiterer  Beachtung  entzog  1).  Eine  Grundlage  für  die  gesicherte 
Lesung  und  Ergänzung  und  damit  für  die  inhaltliche  Würdigung  des  belang- 
reichen Dokumentes  erhielt  ich  in  einem  Abklatsche,  den  mir  der  seither  ver- 
storbene Lokalforscher  der  Kaysterebene,  Eustratios  Jordanidis  1906  zur  Ver- 
fügung stellte. 

Der  Stein,  eine  0-49'"  hohe,  046 "'  breite  und  008 m  dicke  Marmorplatte,  ist 
aut  drei  Seiten  beschrieben  und  wohl  aus  einer  Quader  oder  Basis,  der  die 
Inschrift  auf  der  Schmalseite  angehörte,  zurechtgeschnitten.  Buchstabenhöhe  der 
Hauptseiten  0014 m,  der  Schmalseite  0-022 m.  Ich  gebe  nachstehend  das  Faksimile, 
meine  ergänzte  Lesung  und  die  Umschrift  des  ersten  Herausgebers  Kyriakidis, 
die,  obwohl  durch  Lese-  und  Druckfehler  entstellt,  doch  stellenweise  mehr  gibt,  als 
die  mittlerweile  fortgeschrittene  Verscheuerung  des  Steines  heute  erkennen  läßt. 


ix  *noTi 

"£<$>:,     KAIXA, 
KAIAIA8"Nv    rar- 
AI   "\YSE    /  ZTOYfc 
OYAYTCi  '-..lOSCAUr 

T!;"n:T   lAOii 
%  "    K  -'  M©;  .arfANrE  NOYi^ 

£r  A    T^NfO!KONEY2.> 

2-i    11  "myzEniN^iÄS 

V\NI-  "T   NTTAPEXEX 

IZAXIy-.£V  iNi-AOlTHIEPQ 
XToY  l  il  EPSOYKAIXAPOS 

»MEPAEYHEPXQMENOIEil 

HPEn  EXEPrONEIXTMH 

\NEniTEAOYX«H  KA©Y^ 

pTONOIKONK  AITC, 

jrEniTEAOYN"' 

aASE!2/ 

TtA*y 


/^fefAMONH^flBt 
/SEßAX~oYTE  PMANIRn 
/TOXOIKOYAYTOY  ETTlXlv 
,  EPlOYKAAYA10YAXKAtlTnd\ 

;.0\K    1NEOKOPOYKAL& 
-Ay.TEIANXPHMAT.ap 

^AOANEOHKAMKATATOrENOM 

4h4>ismap     -rr\     YÜ.°7,KIP^ 

©PÄnAFX^  ,   v£pf J 

fvBfc?IOXKA  Y  ,    :;• 

HAHIKOX  AYTOK  A "I  Pjy 

",PX  I K  HS  E  S  OY2 IAJ  ' 

<^03£TOBANOYp^ 

VMNO.&C  •' 

*-  JorK 


14:  Inschrift  aus  Ödemisch. 

Die  Datierung  der  Inschrift  wird  durch  die  Titulatur  des  Claudius  zu 
Beginn  von  B  gegeben.  Der  Kaiser  heißt  utcscto;  cfatoSeSeiYliivo;  tc  ß';  sie  fällt 
also    zwischen    den    25.  Januar   und   31.  Dezember  41,    und  zwar  wohl   nahe    dem 

')  Nur  J.  Oehler  erwähnt  sie  kurz:  Zum  griech.  Vereinswesen,  Jahresbericht  des  Maximiliansgymna- 
siums in   Wien   1904/5   S.  20. 


102 


J.   Keil 


Endtermine,  da  der  Kaiser  bereits  aüxoxpaxwp  x[ö  ß'  genannt  wird,  ein  Titel,  den 
er  vermutlich  ob  der  Siege  des  Ser.  Sulpicius  Galba  und  P.  Gabinius  Secundus 
über  die  Chatten  und  Chauker,  also  kaum  vor  Sommer  des  Jahres  annahm 2). 
In  der  Titulatur  ist  weniger  das  äpyispeu;  ohne  [liyiaxo^  das  sich  auch  sonst  findet 3), 
als  der  ungewöhnliche  Titel  avfrüjtaxos  auffällig,  welchen  man  dem  Claudius 
überhaupt  abgesprochen  hatte4).  Den  Ehrenbeinamen  pater  patriae  erhielt  der 
Kaiser  erst  zwischen  dem  6.  und  12.  Januar  42  durch  Senatsbeschluß;  er  kann 
daher  in  Z.  18,  die  er  gerade  füllen  würde,  nur  unter  der  Voraussetzung  ergänzt 
werden,  daß  man  ihn  in  der  Provinz  nachträglich  beigesetzt  hätte. 


Kyriakidis  Abschrift. 


I 

(OVO  0 

.  ou8iau.ov7j?Tiße  . 
SgeßasxouYepjtavix 
.  xogoixouauxousraax 
ißepiouxXau8toua$x7jrao 
xuipivaxpocpcoVOSeTOXeYpa 
(OSxo'jor^iouxxivswxopouxaiX: 
-/ ewsitov  je  ßasxsiwv/prji  tax«  • 
Xe£av8poua7coXX<i)vi8ou 
oiup,V(i>8otavs'97]xavxaxaTOYeyo|XE 
.  i|nij<pisiiaeV7repYa|«0UTCOX?jscepas 
.  8ou£VYpx^avt£;op3tooy.a:a: 

.   9-pü)Jia£3XtVXUX0^0£00M.Z 

.  osogaTtoXXtöVtouepp, 
.  xtßepiogxXauSiogxatsaps 
|iav.xo;a'jxo7.pxxwpx 
apxtxr;;£^ou;i7.; 
vogxßavö-UTX 

KU|XV(I)8(I)V 


II 


)csaTOXi 

atjayopoux 

voscpiXoxaigapo  ■ 

ssxatotaßtouaywv 

:  xaifreouseßasxoOxa 

ouauxoxpaxopo;xaiap 

iSxou7taxposxijs7iaxpi8osx 

xavxogxwvavfrpW7iwvY£voug 

ovrcposTovseßagxovotxoveuge- 

atixasrjsteponpeTxoussravocas : 

spavxaxeviauxovnape^eg : 

j?j;agtasujJiv(i)8otxrjt£p(i): 

111 

agxouxtßeptouxatoapos : 

L{ispasuvepxop,evotecs : 

:  .  £ 

XojtpeTcesepYoveigxnjv : 

.  Xo  . 

av£7xtx£Xou;<jtvxafru- 

xXo. 

gxovoixovxaixog 

•v.r . 

.•.  seraxeXouvx 

Xtßu . 

v.xiaaetc 

apx. 

nav 

J)  Vgl.   E.    Groag    bei    Pauly-Wissowa,    Real-       v.  Pergamon  377—379  spater  selten,  z.  B.  I.e  Bas  143 
cnzyklopädic  III  2791.  (Claudius). 

1   Häufig  in  der  Titulatur  Caesars  z.  B.  Inschr.  4)  Groag  a.  a.  O.    S.  2787,  40  11. 


Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in  der  Provinz  Asia 


103 


II 


toVO  0 

A  0;iep  tfjs  ochövQou   Stajxovf;g  Tiße[pcou  rD.au- 
5(ou  Kafoapojs  Seßaaroö  rep[iavix[oö  xx: 
xoü  au[iTcav]xos  oi'xou  aüixoCr  etiI  atfs^avrj- 
5  <p6pou  T]ißep£ou  KXauSt'ou  AaxXT}7uo[5(5>- 
pou  uioü]  Kutpiva  Tpurfö)vog,  inl  Sk  ypx[[i- 
u-xxljw;  xoü  5ig[tou  xx:  VEWxopou  xx:  [S]c[a- 
vo|i]£(i);  xöv  Ssßaarecwv  xprj|j.xx<i>[v 
A]Xecav3pou  toö  Ä7coXX(övtSou. 

'» OE  ö|iV(i)So2  dv&ÖTjxav  xaxä  xö  yevöiie[vov 
ij^cpKjjia  £v  n£pya|iü)  ü7iö  xvj;  Eepag  [cruvo- 
oou  svypa'iavxej  6aa  o:'xx:x  [xaJ  yOJtv- 
ftpwrcx  iaxtv  aüxofj  5e$0|ie[va  Ott'  aOxoü. 

"OaiOs  &toXXü)vcou  'Epu.[ 

15  B  Tißepiog  KXx6o:o;  Kataap  2[£,jaaxö;  Tsp- 
|jiav:xo;  aüxoxpdxwp  x[ö  ß',  dp/tepsu;,  §7j- 
[t]ap5(ixfjg  Etouac'as,  [uroxxo;  aTioosSet- 
Y|ie]vo?  xö  ß',  dvfruii[axo;.  Tcaxr^p  icaxptSos? 
xr)  Esp]ä  ü|iv(i)5ü)v  [auvooio  ^atpecv? 

20  dvayvoü]?  xö  (jW][cpco-{j,a  xö 


xo 


ISoijev  xo]%  cbzö  t[fjs  AaEa;  "EXXrjotv 
yv(5)[i»)  j4.v]a^ay6pou  x[oO  osv/x  toö 
oeiva-];  (ptXootaroafpog  äpy^Epsw:; 
xfj?  Acta]?  xai  o:a  ßfou  dyo)v[o!Mxot>  fteas 
Tü)|j,tj;  xa]2  9'Eoü  Eeßaaroö  Ka^'axpoj  Sre- 
oö  uE]oü  aiixoxpdxopo;  xx:  äp^tepew? 
[isyjicrtou,  rcaxpöc;  tfjg  -axpioo;  x[x:  xoO 
<ni{j,7i]avT0S  xöv  dvö'pwnwv  ylvoug* 
ins:  xr;]v  -pöj  xöv  Eeßaarov  ofxov  söae- 
ßetav  cpavjep&v  xxx'  äviauTOV  nxpiysa- 
fta:  Ssf,  oE  7cd]arj?  AaEa;  6|xvw3o:  xvj  Espco- 
xxxrj  xoü  Seßocjaroö  Ttßepiou  KxEaxpoj 
yeveSXfto  ^][iipa  auvepxojievoi  efe 
xx  tspoc?  {ieya]XoixpenJs  s'pyov  efg  xr^v 
xrjj  auvöSou  o6£]av  SraTeXoGotv  xatt-u- 
[ivoüvres  xöv  Seßajarov  ofaov  xx:  topfe 
Seßaatolfe  ateofs  ftuatajg  £rateXoöv[tes 
xa:  sopxä;  Äyovue?  xx:  ia]x:xas:c  [x.y.l 
Txav    .... 


r: 


Sieht  man  von  den  kärglichen  Resten  der  ältesten  Inschrift  auf  der  Schmal- 
seite ab,  so  verbleiben  auf  den  beiden  Hauptseiten  drei  auseinanderzuhaltende 
Texte;  eine  Weihung  der  Hymnoden  Asiens  für  Kaiser  Claudius,  ein  Schreiben 
dieses  Kaisers  (an  die  Hymnoden  ?)  und  ein  Psephisma  des  Provinziallandtages, 
welches  sich  mit  der  Festfeier  für  das  kaiserliche  Haus  an  dem  Geburtstage  des 
Kaisers  Tiberius  befaßt.  Die  drei  Texte  sind  wegen  des  völlig  gleichartigen 
Charakters  der  Schrift  gleichzeitig  eingegraben  worden  und  bilden  auch  inhaltlich 
ein  einheitliches  Ganze.  In  der  Weihung  (.4)  wird  angeführt  (Z.  12  f.),  daß  die 
Hymnoden  alle  Privilegien  und  Vergünstigungen  (doch  wohl  des  Kaisers)  auf- 
gezeichnet hätten.  Der  folgende  Brief  (B)  muß  also  einen  darauf  bezüglichen 
Erlaß  des  Kaisers  enthalten.  In  diesem  Erlasse  aber  war,  wie  aus  den  Resten 
von  Z.  20  eben  noch  zu  entnehmen  ist,  von  einem  Psephisma  die  Rede,  das  von 
dem  Kaiser  offenbar  gutgeheißen  oder  ergänzt  wurde  und  dessen  Wortlaut,  wie 
ich  meine,  uns  der  dritte  Text  ((')  gibt    Wir  erhalten  sonach   folgenden  äußeren 


104  J.   Keil 

Hergang :  die  Hymnoden  der  Provinz  beschließen  unter  Tiberius,  alljährlich  an 
dem  Geburtstage  des  Kaisers  zusammenzukommen  und  das  kaiserliche  Haus 
durch  solenne  Opfer  und  Festlichkeiten  zu  feiern.  Der  Landtag  Asiens  billigte 
den  Beschluß  und  gewährte  vielleicht  auch  Mittel  zu  seiner  Durchführung. 
Kaiser  Claudius  bestätigte  noch  im  ersten  Jahre  seiner  Regierung  diesen  Beschluß 
und  gewährte  vielleicht  auch  seinerseits  einen  Zuschuß.  Darauf  ließen  die  Hym- 
noden nach  einem  Psephisma  ihrer  Zentrale  in  Pergamon  das  kaiserliche  Schrei- 
ben in  Stein  eingraben  und  weihten  es  in  den  einzelnen  Städten  der  Provinz. 
Unser  Denkmal  stellt  die  Weihung. der  Hymnoden  in  Hypaipa,  dem  alten 
Hauptorte  der  mittleren  Kaysterebene,  dar,  wie  der  Fundort  Ödemisch  beweist, 
der  seit  jeher  die  nur  zwei  Wegstunden  entfernten  Ruinen  der  alten  Stadt 
auf  Baumateriale  ausbeutet 5).  Zwar  erscheinen  die  Münzen  der  Stadt  in  der 
Regel  mit  im  cFcpäTTjyoö  gezeichnet,")  während  in  Z.  i  die  Ergänzung  knl  ax[s- 
cpavujcpopou  durch  den  Raum  gefordert  wird;  allein  dies  gilt  ebenso  z.  B.  von 
Smyrna,  wo  die  Inschriften  nach  Stephanephoren  datiert  sind 7),  während  die 
Mehrzahl  der  Münzen  ird  aTptxzrfloü  signiert  ist 8)  und  erklärt  sich  wohl  derart, 
daß  der  ar€cpaV7jcp 6po;  sakrale  Funktionen  hatte,  während  die  Strategen  die  höchste 
zivile  Obrigkeit  in  Hypaipa  waren.  Neben  den  Stephanephoren  wird  noch  der  auch 
auf  Münzen  von  Hypaipa  häufig  erscheinende  ypajj.|i.ai£us  xoö  5tju.ou  genannt,  der 
zugleich  Vcwy.öpo;  und  3cavo[i£u;  Seßaorefwv  y^r^xizwv  ist.  Was  unter  den  SeßaoxeFa 
Xprjfiaxa,  welche  er  zu  verteilen  hatte,  zu  verstehen  ist,  läßt  sich,  soweit  ich 
sehe,  nicht  urkundlich,  sondern  nur  aus  dem  Wort  selbst  erschließen:  offenbar 
Gelder,  welche  entweder  von  einem  Kaiser  selbst  gespendet,  beziehungsweise 
zugewiesen  oder  solche,  welche  für  den  Kult  oder  die  Feste  der  Seßaerrof  bestimmt 
waren.  Für  erstere  Auffassung,  welche  sich  dem  Zusammenhange  der  Inschrift 
bestens  einfügen  würde,  haben  wir  eine  Analogie  in  der  Geldsumme,  die  Kaiser 
Iladrian    Smyrna    zugleich    mit    dem    zweiten    Neokorat    widmet")     und    in   jenen 

s)   Die     literarischen    Zeugnisse     über     Hypaipa  sie  einen    sicheren  Bezug  dieser  Beamlenstellung   auf 

zusammengestellt  bei  S.  Reinach,  Chroniques  d'Orient  die  Stadt  zuließe. 

I   146fr.     Eine  kurze  Beschreibung  der  Ruinen  gibt  7)  Z.B.  CIG  3150.  3173,  vgl.  Philostr.  vit.  soph. 

<;.    Weber,  Rev.   des  it.  gr.  V  7  ff.,  eine  Zusammen-  II   20,   2   p.  267. 

Stellung    der   auf   den    Münzen    erscheinenden   Magi-  8i   Doppelte  Bezeichnung  durch   Stephanephoros 

virile   B. Head,  Cat.  of  coins   in   the  Brit.  Mus.  Lydia  und    Strategos    zeigt    Cat.    of   coins  Brit.   Mus.  [onia 

LX  ff.  p.  276   n.  323;  Strategos  und  Stephanephoros  in  einer 

°)  Eine   Ausnahme  macht  Imhoof-Blumcr,  I.ydi-  Person   vereint  gibt   ebenda  p.  293  n.  431. 

sehe  Stadtmünzen  82  n.  16  mit  ird  'Epuafifvoug)  ota-  9)  CIG  3148  v.  33  ff.:  öaa  £tc£tu|xo|isv  7iap.-x  toO 

D      nach  Hypaipa  gehörige  Inschrift  y.i>p£o>j  Kaloapoj  |  ASptavoö  3ti  'AvTlttviou  IIoXe|i(o[v&j * 

bei  Keinach  a.a.O.  p  161  n.  3,  welche  einen  xwipavT}-  Beötspov  5i-f|ta  oöfxXijTou,  |  v.aiv"  8  51;  vsmxöpoi  -fe- 

r'>p'>;  nennt,  ist  leider  zu  sehr  verstümmelt,  als  daß  ■  \'s>v.\\vi ,  |  ä-ft7iva  tspiv,  äiiXstxv,  it-so/.i^o't;,  |  uu,vu>8o6;, 


Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in   der  Provinz  Asia 


[05 


Fällen,  wo  der  Kaiser  zu  Festspielen  einen  Beitrag  gibt10);  für  die  andere  Auf- 
fassung ließen  sich  die  attischen  Ephebenlisten  des  zweiten  Jahrhunderts  anführen, 
nach  welchen  ix  xöv  Seßaoxocpoputöv  den  Epheben  jährlich  zum  Zwecke  der  Opfer 
für  den  Kaiser  Geld  verteilt  wurde  (Seßa<yco<popoot}j  vöut;  oder  Siavojtir].11)  Ob  diese 
Gelder  nur  in  Hypaipa  oder  in  der  ganzen  Provinz  zur  Verteilung  kamen  und 
wer  an  der  Verteilung  teilnahm,  wissen  wir  nicht,  jedenfalls  spielten  die  Hym- 
noden dabei  eine  Rolle.12) 

Zwischen  A  und  B  sind  in  schlechterer  und  der  Cursive  näher  stehender 
Schrift  die  Namen  von  anscheinend  zwei  Personen  mit  Angabe  der  Väter  zu 
lesen,  welche  entweder  als  Subskript  zu  A  oder  als  Präskript  zu  B  gehören 
müssen.  Solche  Namen  sind  vielleicht  auch  die  Reste  in  Z.  1  vor  A,  die  gleich- 
falls unregelmäßigeren  Ductus  zeigen  und  die  Zeilendistanz  nicht  einhalten,  sowie 
die  in  Z.  1  der  andern  Seite  zuzuweisen,  da  sie  sich  in  die  Ergänzung  nicht 
einfügen  wollen.  Man  wird  in  ihnen  Kanzleibeamte,  Schreiber  oder  dergleichen 
zu  erkennen  haben,  welche  mit  der  Ausfertigung  der  Urkunden  irgendwie  in 
Verbindung  standen  13).  Zur  Ergänzung  des  Präskriptes  von  < '  hilft  besonders 
Dittenberger,  OGI  II  470,  nach  welcher  Inschrift  auch  CIG  3187  zu  vervoll- 
ständigen   ist 14).       In  Z.  6    ist    Kacsapog    vielleicht    zum    folgenden    zu    ziehen,     so 


liuptaSa;  ixaxöv  ixsvt^xovtoc.  AVenn  E.  Ziebarth,Griech. 
Vereinswesen  91  diese  Geldsumme  geradezu  als  Sub- 
vention für  die  , Stadtkapelle'  (=  0u.vü)8gQ  auffaßt,  so 
wird  dabei  allerdings  richtig  sein,  daß  auch  an  die 
Hymnoden  ein  Teil  dieser  Summe  bei  den  Festen  zur 
Verteilung  gelangte,  wenn  es  auch  wohl  nicht  angeht, 
die  ganze  Summe  nur  auf  die  Hymnoden  zu  beziehen. 
Ein  ähnlicher  Vorgang  scheint  sich  aus  der  Inschrift 
Bull,  de  corr.  hell.  XVII  314  =  Ramsay,  Cities  and 
bishopr.  of  Phrygia  465  zu  ergeben,  wo  die  Bevölke- 
rung den  Manneius  Ruson  ehrt  Z.  12  ff.  TipjaßsuaavTa 
Tcpö;  toü;  Ssßaaxoüg  rcepl  iffiv  aup/fspovcoiv  7tpafp,d-euv 
xai  IraTUxivxa  xag  rcapä  türv  äpxtspiiuv  cp iXo5oa£a;  .  .  . 
Der  Genannte  ist  als  Gesandter  zu  den  Kaisern  ge- 
gangen, um  bei  ihnen  die  Ratifizierung  für  die  Gelder 
zu  erwirken,  welche  die  Versammlung  der  äpxispsi? 
der  Provinz  der  Stadt  Apameia  offenbar  für  den 
Kaiserkult  zuerkannt  hatte. 

l0)  Vgl.  die  Ssßaaxodi&prjTog  it-eux;  in  den  pentae- 
terischen  Kaiserfestspielen  in  Apollonia  in  Pisidien 
Bull,  de  corr.  hell.  XVII  255  n.  34  und  35;  ferner 
die  Espoö  ä-fÄvci;  Stopeä  in  Aphrodisias  (CIG  2761 
bis  2765),  welche  wohl  einem  Kaiser  verdankt  wurde; 
vgl.  Chapot,   Province  d'Asie  495. 

Jahreshefte  <les  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI 


")  IG  III  1128;  114;;  1160;  1177;  1184; 
vgl.  1131. 

l5)  Durch  unseren  5iavou.£Ü;  X  XP-  erklärt 
sich  wohl  auch  der  &u,vo)8Ö£  vsu.yjx'»);  ßooXijc,  "fHpou- 
aia;  XPU00:PP0)V  *n  Ephesos  (Wood,  Discoveries,  in- 
scriptions  from  the  great  theatre  n.  18  =  Hicks,  Brit. 
Mus.  604)  als  einer,  der  das  Privilegium  hatte,  an 
regelmäßigen  Geldverteilungen  dieser  Korporationen 
teilzunehmen;  vgl.  die  vs|ivJTpia  IG  XIV  956  B  5, 
welche  xatä  Söatv  lö  SoasiSiov  empfängt. 

,3)  Zur  Vergleichung  bieten  sich  die  Inschriften 
von  Pergamon  I  248  (=  Dittenberger,  OGI  I 
331)  Z.  25,  44  und  61  genannten  Personen,  welche 
Fränkel  als  die  ausfertigenden  Schreiber',  Ditten- 
berger als  ,tabellarii'  auffaßt.  Der  seltene  Name 
"Ocio;  ("Ossiog)  findet  sich  auch  sonst  in  Kleinasien; 
vgl.  den  Pergamener  IG  CIG  1585  und  den  Lykier 
CIG  4289  v.  4. 

")  Vgl.  Brandis  bei  Pauly-Wissowa  II  1558; 
Ol  Ö.TZO  TJjf,  Aataj  "EXXrjVEg  statt  des  gewöhnlichen 
£7tl  zfj-  'Aataj  auch  in  dem  Schreiben  des  Triumvirs 
Antonius  an  die  asiatischen  Griechen  bei  Kenyon, 
Classical  Review  VII  476  =  Brandis,  Hermes 
XXXII    ^09  f. 

14 


IOÖ  J.  Keil 

daß  dem  frsa?  SsßaaTÖc  (Augustus)  als  dem  Sohne  der  8-sö;  Kalaap  (Caesar)  als 
Vater  gegenübersteht. 

Gegenständlich  gewinnen  wir  aus  unserer  Inschrift  die  Erkenntnis,  daß  sich 
die  mit  dem  Kaiserkulte  befassenden  Hymnoden  der  einzelnen  Städte  Asiens 
in  der  ersten  Kaiserzeit  zu  einem  Provinzialverbande  zusammenschlössen,  über 
dessen  gemeinsame  Angelegenheiten  auf  einer  Vertretertagung  (tspx  oävoSog)  in 
allgemein  verbindlicher  Weise  beschlossen  wurde.  Ob  diese  Zusammenkunft  all- 
jährlich und  stets  in  Pergamon  als  Vorort  oder  alternierend  in  den  ein- 
zelnen Städten  stattfand,  ist  auf  Grund  unserer  Inschrift  nicht  zu  entscheiden. 
Denkbar  wäre,  daß  sie  gleichzeitig  mit  dem  Provinziallandtage  abg-ehalten 
wurde. 

Daß  für  eine  derartige  Provinzialinstitution  die  Quellen,  abgesehen  von 
unserer  Inschrift,  versagen,  erklärt  sich  aus  ihrem  kurzen  Bestände;  denn  noch 
unter  demselben  Kaiser  Claudius,  dessen  Wohlwollen  sie  anfangs  genoß,  scheint 
sie  einen  Schlag  erlitten  zu  haben,  dem  auch  die  Filialen  in  den  einzelnen  Städten 
der  Provinz  zum  Opfer  fielen.  Wir  verdanken  diese  Einsicht  einem  noch  unpublizier- 
ten  überaus  zerstörten  und  von  R.  Heberdey  entzifferten  Texte  aus  dem  ephesischen 
Theater,  der  einen  Erlaß  des  Statthalters  Paullus  Fabius  Persicus  (cos.  34),  die  städti- 
sche Finanzgebarung  betreffend,  enthält 15).  Darin  heißt  es  unter  anderem,  daß  die 
Hymnoden,  für  welche  ein  nicht  unbeträchtlicher  Teil  der  städtischen  Einkünfte 
verbraucht  würde,  vom  Kaiserkultus  enthoben  und  ihr  Dienst  den  Epheben  über- 
tragen werden  solle,  die  sich  für  denselben  viel  besser  eigneten  und  der  Stadt 
keine  Auslagen  verursachten.  Ausgenommen  von  dieser  Maßregel,  die  sich  also 
auch  auf  andere  Städte  erstreckte,  seien  nur  die  Hymnoden  des  vergötterten 
Augustus  in  Pergamon,  deren  erste  Zusammenkunft  freiwillig  und  ohne  Anspruch 
auf  Bezahlung  erfolgt  sei,  wofür  der  Kaiser  die  beschlossenen  Vergünstigungen 
(cpcXeSvftpüMta)  ihnen  und  ihren  Nachkommen  zu  Lasten  der  ganzen  Provinz  sicher- 
gestellt habe.  So  mächtig  also  hatte  sich  das  Hymnodenwesen,  oder  vielmehr 
Unwesen  bereits  entwickelt,  indem  es  das  Streben  der  Städte,  ihre  Kaiserfeste 
recht  feierlich  und  würdig  zu  gestalten,  auszunutzen  verstand.  Jetzt  wird  auch 
die  dem  sonst  überall  bemerkbaren  Lokalpatriotismus  zuwiderlaufende  Macht- 
politik,  die  in  der  Schaffung  einer  strammen,  die  ganze  Provinz  umfassenden 
Organisation    gipfelt,    erst    recht    verständlich    —    freilich    ist  sie  mißlungen:    die 

"  Teilweise  schon  veröffentlicht  von  J.  Ochlcr  kunft  über  einzelne  Punkte  verdanke;  der  ganze 
bei  I'.iuly-Wissowa  V  2746;  vgl.  Heberdey,  Jahres-  Text  kann  gegenwärtig  noch  nicht  gegeben  werden. 
hefte  III  Beiblatt  85,  dessen  Freundlichkeil  ich  Aus- 


Zur  Geschichte   der  Hymnoden   in   der  Provinz  Asia  IO7 

Auflösung  der  bezahlten  Kaiserhymnodie  in  Ephesos  und  in  anderen  Städten 
hat  auch  sie  vernichtet. 

Die  Hymnoden  als  solche  allerdings  haben  auch  nach  dieser  Maßregel  weder 
in  Ephesos  noch  sonst  aufgehört  zu  existieren,  doch  läßt  sich  bei  dem  gegen- 
wärtigen Stande  unserer  Quellen  nur  von  dem  Hymnodenwesen  in  Pergamon, 
Ephesos  und  Smyrna,  eine  ungefähre  Vorstellung  gewinnen.  Pergamon  berührt 
uns  zunächst,  denn  der  vornehme  exklusive  Klub  der  Hymnoden  der  Roma  und 
des  Augustus,  dem  wir  dort  im  zweiten  Jahrhundert  begegnen  16),  besteht  aus  den 
privilegierten  Nachkommen  jener  Sänger,  welche  sich,  wie  wir  sahen,  das  erste- 
mal bei  der  Begründung  des  Kaiserkultes  in  der  Provinz  Asia  versammelten.  Dazu 
paßt  es  vorzüglich,  daß  ihre  Zahl  beschränkt  ist  und  daß  --  wenn  auch  nicht  aus- 
schließlich, so  doch  vorwiegend  —  die  Würde  vom  Vater  auf  den  Sohn  überging. 

Ganz  anders  in  Ephesos.  Die  Übertragung  der  Gesangsvorträge  an  den 
Kaiserfesten  auf  die  Epheben  scheint  sich  bewährt  zu  haben,  denn  als  Kaiser 
Hadrian  die  Stadt  besuchte,  hörte  er  auch  gnädig  die  Hymnen  der  Epheben  im 
Theater  an17).  Aber  außer  dem  Kaiserkulte  g-ab  es  noch  andere  Kulte  in  Ephesos, 
vor  allen  den  der  großen  Artemis.  Ihm  vorzüglich  werden  die  Hymnoden  angehören, 
welche  wir  auch  nach  dem  Erlasse  des  Persicus  daselbst  vorfinden1-!.  Ausdrück- 
lich gesagt  wir  dies  freilich  nur  bei  dem  Vorsteher  der  ephesischen  Korne  Teira 
M.  Aöp.  'Apzepifitapoq  .  .  .  OjivwSö;  -njs  ärfiayzdvqq  ApiljuSoj,  der,  wie  schon  sein  Titel 
ßoükzpxpq  beweist,  Ephesier  war.10)  Ob  der  oben20)  erwähnte  öpcaSög  vejwjxijs  ßeuXfjs, 
Yspouaiag,  ypuao^öpwv  eigene  Sängerabteilungen  jeder  dieser  drei  Korporationen 
voraussetzt  oder  nur  gelegentlich  bei  den  Festlichkeiten  derselben  mitwirkte, 
haben  wir  bisher  kein   Mittel  zu  entscheiden. 

16)  Inschriften    v.  Pergamon    II   374  A — D    mit  po;  Zsßaotoö] -DJ  ncXsi  öiivujoav  oE  i?yjß[o]i  4v  xö  8{sä- 

dem    Kommentare    Fränkels;     dazu    kommt    ebenda  xpto  süueviS;  ä]y.oüovxa  xöv  aüxoxpaxopa .  .  Y.zX. 

n.  523,   aus    der   wir  den    Fortbestand    des    Vereines  Abschrift  und  Ergänzungen  von  R.  Heberdey. 
bis    gegen    das  Ende   des   zweiten  Jahrhunderts  ver-  !8)  So   besonders    die    von   Vibius   Salutaris    in 

folgen    können    und    Athen.  Mitt.  XXIX   168    n.  8.  seiner  Schenkung  bedachten:  Hicks,  Inscr.  of  the  Brit. 

Die  zwei  in  der  letzteren  Inschrift  genannten  heißen  Mus.  481  v.  191,  dazu  unpubliziert  Inv.-n.  503.,  ferner 

nicht  ausdrücklich  Hymnoden   des  Augustus,  müssen  Hicks   a.  a.  O.  600,    604,    zu    denen  einige  noch  un- 

also    nicht    notwendig    dem    uns   bekannten  Vereine  veröffentlichte  hinzukommen. 

angehören,  wenn  es  auch  wahrscheinlich  ist.  19)    Mouastov    1876/78    S.    29  n.  aXa'  =   Athen. 

Mitt.  III  56  n.  2    Fränkel  a.  a.  O.  S.  263;    Ramsay, 

")  Nach  noch  unpublizierter  Inschrift  Inv.  750  c;ües  and  bishoprics  of  Phrvßia  630,  Ziebartb,  Griech. 

von   der  Arkadiane  (vgl.  Oehler  a.  a.  O.):  Vereinswesen  91,    Chapot,  Province  d'Asie  402   wei- 

ru|ivaatapxo5vx]!>s  Tixou  «PXafiiou  Il0TSC|Ui>V0(  sen  ihn  Teira  zu,  Th.  Reinach  bei  Daremberg-Saglio, 

cpiXojsßdaxou  y.at  em8Y)|iija[avxo{  Dictionnuire  III  336  richtig  Ephesos. 

xoü  y.upicj  aOJxoxpa-opo;  TpaVa[v]oü  Aäpiavoü  Ksu[aa-  I  Anm.  12. 

14* 


io8 


J.   Keil 


Als  Smyrna  im  Jahre  26  n.  Chr.  aus  dem  Wettstreite  der  asiatischen  Städte 
um  den  zweiten  Kaisertempel  der  Provinz  siegreich  hervorgegangen  und  vew- 
jtopog  des  Tiberius  geworden  war21),  dürften  Hymnoden  beim  Kulte  dieses 
Tempels  nicht  gefehlt  haben,  wenn  wir  auch  kein  ausdrückliches  Zeugnis  für 
sie  besitzen.  Bei  der  Bewilligung  der  zweiten  Neokorie  durch  Hadrian,  welche 
auf  Fürsprache  des  Sophisten  Polemon  aus  Laodikeia  a.  L.  erfolgte 22),  wurden 
Smyrna,  offenbar  im  Zusammenhange  mit  dem  Neokorat,  auch  9-eoX6yoi  und 
0u.vto3o:  zugestanden.  Weder  die  Inschrift  CIG  3148,  welcher  wir  diese  Nachricht 
verdanken23),  noch  sonstige  Anhaltspunkte  erlaubten  bisher  den  genauen  Zeit- 
punkt des  kaiserlichen  Gnadenaktes,  welchem  der  ausführende  Senatsbeschluß 
bald  gefolgt  sein  dürfte,  zu  bestimmen,  wenn  auch  wahrscheinlich  war,  daß  er 
bei  der  ersten  Anwesenheit  des  Kaisers  Hadrian  in  Smyrna  im  Jahre  123  erflossen 
sei24).  Hier  hilft  eine  zweite,  auf  dasselbe  Faktum  bezügliche,  aber  bisher  nicht 
verwertete  Inschrift  weiter,  wel- 


che die  Erteilung  der  zweiten 
Neokorie  an  Smyrna  zeitlich 
fixiert  und  uns  auch  die  Mit- 
gliederzahl des  damals  eingerich- 
teten Hymnodenkorps  kennen 
lehrt.  Sie  steht  auf  einem  allseits 
gebrochenen  Marmorblock,  h. 
0-34™  br.  0-34 m,  d.  o-iom,  der 
unter  Inv.-n.  75  im  Museum  der 
evangelischen  Schule  in  Smyrna 
aufbewahrt  wird,  und  ist  Mou- 
aeibv  1873/75  S.  91  n.  75  ohne 
wesentliche  Ergänzungen  ver- 
öffentlicht worden.  Die  Höhe 
der  rechts  durch  Verwitterung 
beschädigten  oder  zerstörten 
Buchstaben  beträgt  in  Z.  1 — 3 
o-02i'",  in  Z.  4  ff.  o-oi35m. 


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15:  Inschrift  der  evangelischen  Schule  in   Smyrna. 


2l)  Tac.  ann.  IV  55  f.;   V.  Chapot,   La  province                2I)   W.   Weber,   Untersuchungen   zur  Geschichte 

Romaine  d'Asic  440  f.  des  Kaisers  Hadrianus  S.  1 39  f.,   wo  die  ältere  Lite- 

'-'-;   Philofltr.  v.  soph.  I   25;   CIG  3148.  ratur  verzeichnet  ist. 
23)  Anm.   9. 


Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in  der  Provinz   A.sia  i"'l 
(D 

ve]ö)x6pov  y.'.  [■8,eoX6youg? 
ü[t,]vto3oü?  xo'  e[maxoXij 
xfj  (iTzo"(z^py,[i[[iivri- 
5   Mav]«ö  'AxeiXüo  rXaßpiwvi,  racw  [BsXXixcw  TopxoucSxtö 
Teßjaviavö  üjtäxots  Jtpö  evvsa  x[aXav5cöv  'Oxx«)|ißpui)v?, 

iv  2ü]|wpv/j  AxEtXtw  Koyvt'xw  Ka[ Name 

tmjxpoTCots  xoö  Kuptou  Kafoapo[s,  znl  <3te<jpavrj<p6pou  .  . 

]ou  Aouxc'ou  uioö  $aßia  'Av9,ou[ .......  ev  xof? 

10  eöxuJxecjxaxot;  xaipois  xoö  ■9,Eü)[cpiXeax<&cou  aüxoxpx- 

xopo]j  Tpaiavoö  Aoptavoü  Kaiaap[og  Seßaaxoö,  sv  ofg  f;  57t' 
aüxo]ö  otxou[.i£vr)  9-iie'.  xai  eö)f_ex[ac  urcsp  xfyg  aüwvt'ou  Sia- 
|.iov]f;s  aüxoö  xac  TJjjg  avECxr;x[ou  ^yejiovfas,  Eitel  5t- 
oixel]xa:  5itö  ce^toSoxwv  xai  e[vxt[itüv  dvopwv  ? 

15  0  .    OU 

Die  unterpungierten  Buchstaben  fehlen  auf  dem  Steine  durch  Absplitterung 
eines  jetzt  verlorenen  Fragmentes  und  sind  der  ersten  Publikation  entnommen, 
so  daß  z.  B.  in  Z.  14  das  auf  dem  Steine  vorauszusetzende  efc£ioX6yü)V  an  Stelle  des 
anscheinend  vorzüglich  passenden,  aber  bisher  nur  aus  byzantinischen  Quellen  be- 
kannten Wortes  ä^töSoxos  ->5)  heute  nicht  mehr  verifiziert  werden  kann.  Zur  Lesung 
sei  noch  bemerkt,  da(3  Z.  1  nach  dem  A  kein  Buchstabe  unmittelbar  gefolgt  ist, 
dieses  also  nur  Zahlzeichen  gewesen  sein  kann  und  daß  das  N  zu  Anfang  von 
Z.  3  durch  den  Ansatz  des  Mittelstriches  an  der  rechten  Hasta  gesichert  ist. 

Das  erhaltene  Bruchstück,  welches  einem  längeren  Texte  angehört  zu  haben 
scheint,  gibt  von  Z.  1 — 4  in  größerer  Schrift  eine  Aufzählung  von  Funktionären, 
welche  der  Stadt  Smyrna  im  Zusammenhange  mit  der  Gewährung  der  zweiten 
Neokorie  -  -  auf  sie  weist  der  Z.  2  genannte  vewxöpog  -  -  bewilligt  worden  sind. 
Darauf  folgt  Z.  5  ff.  eine  genaue  und  weitläufige  Datierung  nach  römischen 
Konsuln  2i;),  zwei  in  Smyrna  tätigen  kaiserlichen  sitcxpoitoi 27),  dem  eponymen  städti- 

2b)  Constant.  porph.  Caer.  p.  178B;  183  A.  Ku-  a.  d.  IX  kal.  Octobres  =  23.  September,  den  Geburts- 

manudis,  auva-f(i>fa£  s.v.;  H.  van  Herwerden,  Lexicon  tag  des   Kaisers  Augustus  und  zugleich   Neujahrstag 

suppl.  84.  des  asianischen  Kalenders. 

26)  Die  Ergänzung  des  Monatsnamens  in  Z.  6  ist  -7I  Welche    Stellung  die  beiden    zur   Datierung 

natürlich    an  sich  ungewiß,    aber  der  Umstand,    daß  mitverwendeten     kaiserlichen     iTttxpoüOt    in     Smyrna 

gerade    der  neunte  Tag   vor    den  Kaienden   genannt  innehatten,  ist  mir  unklar,  da  ich  keine  Möglichkeit 

war,    führt    entweder  auf  a.  d.  IX  kal.  Febr.  =   24.  sehe,  zwei  kaiserliche  Finanzprokuratoren  ritterlichen 

Jänner,   den    Geburtstag  des    Kaisers   Hadrian    oder  Ranges  im  Smyrna  der   hadrianischcn  Zeit  unterzu- 


•  IO  J.   Keil,  Zur  Geschichte  der  Hymnoden  in  der  Provinz  Asia 

sehen  Beamten  sowie  nach  der  Regierung  Hadrians,  welche  im  folgenden,  ver- 
lorenen Abschnitte  verherrlicht  worden  zu  sein  scheint.  Ob  der  mit  der  Datierung 
beginnende  Abschnitt  bereits  zu  dem  Z.  3/4  genannten  Schreiben,  durch  welches 
die  Bewilligung  der  vorher  aufgezählten  Funktionäre  mitgeteilt  wurde,  angehörte 
oder  —  wie  mir  wahrscheinlicher  ist  —  dieses  Schreiben  erst  weiter  unten  in  dem 
verlorenen  Teile  anhub,  mag  dahingestellt  bleiben,  wie  wir  auch  nicht  wissen 
können,  von  wem  dieses  Schreiben  ausging,  ob  von  dem  Kaiser,  dem  Senat, 
oder  dem  Statthalter  der  Provinz.  Wichtig  aber  ist  die  Z.  5  gegebene  Datierung 
der  Inschrift  in  das  Jahr  124  n.Chr.,  weil  sie  beweist,  daß  die  Bewilligung  der 
zweiten  Neokorie  an  Smyrna  in  der  Tat  bei  der  ersten  Anwesenheit  des  Kaisers 
Hadrian  in  der  Stadt  im  Jahre  123  erfolgt  ist  und  daß  die  Mitteilung  von  dem 
entsprechenden  Senatsbeschlusse  durch  die  Z.  3  f.  erwähnte  iracrtoX^  im  Jahre  124 
bereits  in  Smyrna  eingetroffen  war.  Das  Jahr  123  bezw.  124  ist  also  auch  das 
Gründungsjahr  des  aus  24  Mitgliedern  bestehenden  Verbandes  oder  Vereines  der 
Hadrianshymnoden  in  Smyrna,  welcher  uns  noch  in  der  Inschrift  CIG  3170 
begegnet,  wo  ein  u[ivw5ö;  ti-soO  ÄSptavoö  y.al  üj.ivw5ö;  yspouata;  ex  Jipoyövwv  .  .  .  xolc, 
yvijacotg  auvujivwSors  tteoü  'Aop'.avoö  einen  Altar  stiftet.  Durch  den  neu  ergänzten 
Text  gewinnt  letztere  Urkunde  erst  die  richtige  Beleuchtung.  Da  die  Zahl  der 
Hadrianshymnoden  auf  24  festgesetzt  war,  haben  wir  sie  uns  ganz  entsprechend 
den  pergamenischen  des  Augustus  als  einen  exklusiven  Verein  zu  denken,  in 
welchem  die  Stelle  des  Vaters  in  der  Regel  auf  den  Sohn  überging. 

Außer  den  Hadrianshymnoden  gab  es  in  Smyrna  auch  organisierte  Hym- 
noden der  Gerusie2s);  nach  der  oben  zitierten  Inschrift  CIG  3170  konnte  dieselbe 
Person  Mitglied  beider  Vereine  sein.  Ob  der  CIG  3160  genannte  mpöravi?  xal 
ö[iv<o86s,  ferner  der  öjivwSög  xal  S-eoXoyos  in  CIG  3348  und  schließlich  die  öjitmüSoi, 
welche  nach  Mouierov  1879/80  S.  144  n.  187  gemeinsam  mit  der  aüvoSo;  xtov  vetov 
die  Fürsorge  für  ein  Grabmal  übertragen  erhalten,  einer  von  den  beiden  vorge- 
nannten Organisationen  angehören  oder  nicht,  entzieht  sich  einer  gesicherten 
Entscheidung". 

Smyrna,   März    1908.  JOSEF    KEIL 

zubringen.   Einen  szitpo-o;  -•/>  Seßaatotj,    der  Straf-  allgemein   übliche  Übersetzung  von  curator  (civitatis) 

gelder  einkassiert,  nennt  CIG   3203.    Über  den  CIG  ist  freilich  Xvfi ">j;,  aber  als  die  Institution  der  Cura- 

3151   erwähnten    itttaponoe,   —parrj^öj    (vgl.  ebendort  tores  noch  in  den  Anfängen   stand,  war  die  Termino- 

3162:   ir.iTfonc;  r?,j  OTpa-^-ffaj ;  dazu  Boeckh :  vide-  logie  noch  nicht  festgelegt;   vgl.  Chapot  a.  a.  O.  257 

tur  curator  intelligendusj  wissen  wir  nichts  Näheres.  A.  2   und   G.  Mancini  bei  Ruggiero,    Dizionario  epi- 

Vielleichl    haben    wir   in    den    beiden  ir.lzf,or.o'.  zwei  grafico  TI    1354. 

vom  Kaisei   I"  vollmäcbtigte  (außerordentliche?)  Auf-  I  IG  3201   /..  5  •■ 
sichtsorgane   —  curatores  —  zu  erkennen.  Die  später 


Jugendlicher  Asklepios. 


Die  Darstellungen  des  jugendlichen, 
bartlosen  Asklepios  beschränken  sich  mit 
Ausnahme  der  schönen  Statue1)  im  Braccio 
Nuovo  des  Vatikan  auf  kleinere  Statuet- 
ten2), die  möglicherweise  als  selbständige 
Schöpfungen  geringerer  Künstler  und  nicht 
als  getreue  Nachbildungen  berühmter  Kult- 
statuen anzusehen  sind.  Eine  Vermehrung 
der  Denkmäler  ist  hier  um  so  wünschens- 
werter, als  wir  aus  der  literarischen  Über- 
lieferung wissen,  daß  mehrere  namhafte 
Künstler  den  jungen  Asklepios  statuarisch 
gebildet  haben.  Neben  Skopas,  auf  dessen 
Statue  in  Gortys  (erwähnt  von  Pausanias 
VIII  28,  1)  bereits  das  vatikanische  Bildnis 
von  einigen  Gelehrten  zurückgeführt  wird, 
galt  Timotheos  als  Verfertiger  einer  dem 
Bilde  des  schönen  Hippolytos  ähnelnden 
Asklepiosstatue  in  Trozen  (Pausanias  II 
$2,  4),  der  jüngere  Kaiamis  als  Schöpfer 
eines  chryselephantinen  Sitzbildes  in  Sikyon  (Pausanias  II  10,  3;  vgl.  Reisch, 
Jahreshefte  IX  234  f.).  Die  namhaft  gemachte  Reihe  von  Denkmälern  läßt  sich 
nun  um  einen  neuen  monumentalen  Beleg  bereichern,  einen  lebensgroßen  Marmor- 
kopf des  Museo  nazionale3)  in  Rom,  der  gleichfalls  den  Gott  jugendlich  in  eigen- 
artiger Auffassung  vergegenwärtigt  (Fig.  16  und  17).  Die  Deutung  wird  gesichert 
durch  die  dicke  gewundene,  kranzartig  auf  das  Haar  aufgesetzte  Kopfbinde,  ein 
auch  für   den   bärtigen    Typus    des    Asklepios    g-eläufiges    Attribut,    ohne    das    es 


16:   Marmorkopf  des   Museo  nazionale   in   Rom 
(Vorderansicht). 


1)  Heibig,  Führer  I2  7  n.  6;  Amelung,  Die  Journ.  of  hell.  stud.  IV  46  f;  3.  Terrakottastatuette 
Skulpturen  des  vatikanischen  Museums  I  29  n.  17  von  Tanagra  abgeb.  in  Mon.  Piot  III  60;  Reinach, 
(Taf.  IV).  Repertoire  II  33  n.  5;   4.  Marmorstatuette  aus  Formii 

2)  Hieher  gehört  I.  Marmorstatuette  von  Epi-  mit  dem  Kopfe  des  Antinoos  abgeb.  bei  Reinach, 
dauros  beschr.  von  Kavvadias,  Kat.  n.  270,  abgeb.  bei  Repertoire  II    33  n.   6. 

Stais,    Marbres  et   bronzes    du    Musee   national  I  76  '    Guida  dcl  mus.  naz.  rom.   13   n.  6. 

n.    1809;     2.   Marmorstatuette    von   Kyrene  abgeb.   in 


I  I  2 


Karl  Hadaczek 


schwer  halten  würde,  die  im  übrigen  durchaus  ideal  gehaltene  Schöpfung  auf  diesen 
Gott  zu  deuten.  Das  lange,  wohl  geordnete  Haar,  das  auf  dem  Hinterkopf  dicht 
anliegt,  dagegen  über  der  Stirn,  den  Schläfen  und  dem  Nacken  einen  Kranz 
von  sorgfältig  frisierten  Locken  bildet,  ferner  das  feine  Oval  des  zartgeformten 
Antlitzes  ließe  zunächst  wohl  an  Apollon  denken,  wie  ihn  die  Münztypen  des  IV.  Jh. 
vor  Chr.  veranschaulichen4).  Aus  monumentaler  Skulptur  läßt  sich  am  besten  der  auf 
Praxiteles  zurückgeführte  Apollon  Lykeios  ;"')  vergleichen.  Mit  ihm  teilt  der  Kopf 

die  hohe  dreieckige  Stirn,  das  fließende 
Haar,  das  über  den  Ohren  zurückge- 
strichen und  unter  die  Kopfbinde  auf- 
genommen ist,  und  die  weichen  Gesichts- 
formen mit  vollem,  fleischigen  Unter- 
gesichte. Diese  augenscheinliche  Stil- 
verwandtschaft kennzeichnet  sowohl  die 
Entstehungszeit  des  griechischen  Ori- 
ginalwerkes, das  in  dem  römischen 
Marmorkopf  kopiert  ist,  als  auch  die 
eigenartige  Auffassung,  die  bei  der 
Schöpfung  des  plastischen  Typus  des 
jugendlichen  Asklepios  für  den  griechi- 
schen Künstler  maßgebend  war.  Den 
heilbringenden  Sohn  des  Apollon ")  hat 
er  diesem  selbst  auch  äußerlich  ange- 
glichen; nur  daß  er  die  Haartracht  modi- 
fizierte und  dem  Antlitz  eine  größere 
Weichheit  der  Formen  verlieh.  Mädchen- 
haft mutet  uns  der  kleine,  leise  geöff- 
nete Mund  mit  den  zarten  Lippen  eben- 
so an  wie  das  träumerisch  blickende  Auge  und  ein  trotz  der  Beschädigungen 
der  Nase  und  des  Antlitzes  unverkennbarer  schwärmerischer  Zug,  wie  er  in 
gesteigerter  Form  den  Köpfen  des  Apollon  Lykeios  eigentümlich  ist.  Neben 
dem    Typus     des    Apollon     ist     aber     auch     der    Einfluß     einer     anderen     plasti- 


17:   Marmorkopf  des  Museo  nazionale  in   Rom 
(Seitenansicht). 


4j     Vgl.     Ilcad,     Catal.    of    greck    coins,     Pelo-  II  303   fig.    154;    Klein,   Praxiteles    1 68  f.  fig.   25 — 26 

ponnesus   pl.   XXIX    14   (Epidauros) ;  Coins  of  Jonia  (Kopf  der  Sammlung   Barracco). 

pl.  XXI 9—1  i(Milet);  Coins  ofCariapl.  XXVIII 9.  «)  Siehe    Pauly-Wissowa,    Realenzyklopädie   II 

1  ollignon,    Histoire   de   La   sculpture   grecque  1 65S  f. 


jugendlicher  Asklopi os  '  '3 

sehen  Schöpfung  herauszufühlen.  Die  Art,  wie  das  Haar  in  kurzen  Locken  auf 
Nacken  und  Stirr^  fällt,  hier  aber  geteilt  und  leicht  auseinander  gestrichen  ist. 
erinnert  im  Kontur  an  bekannte  Eubuleusköpfe7),  eine  Anlehnung,  die  in  Hin- 
blick auf  die  Wesensverwandtschaft  der  beiden  chthonischen8)  Gottheiten  auch 
der  mythologischen   Grundlage  nicht  entbehrt. 

Wir  dürfen  sonach  in  dem  Marmorkopfe  des  Museo  nazionale  einen  Typus 
des  jugendlichen  Asklepios  erkennen,  der  die  in  ihm  sich  vereinigenden  Glaubens- 
anschauungen vollkommener  zum  Ausdrucke  bringt,  als  die  vatikanische  Statue 
mit  kurzgeschorenem  Haar.  Der  römische  Marmorkopf  stammt  nach  dem  er- 
haltenen Teile  der  rechten  Schulter  offenbar  von  einer  mittelmäßigen,  etwas 
flüchtigen  Kopie  der  frühen  Kaiserzeit  nach  einem  griechischen  Originalwerk 
der  ersten  Hälfte  des  IV.  Jh.  v.  Chr.  her.  Das  Original  muß  berühmt  gewesen  und 
öfter  nachgebildet  worden  sein.  Einer  zweiten  Wiederholung  gehört  ein  teil- 
weise restaurierter  marmorner  Kopf  des  Laterans")  an  (Fig.  iS),  der  auf  eine 
weibliche  Statue  aufgesetzt  worden  ist.  Die  Arbeit  ist  sorgfältig-er,  aber  zugleich 
viel  trockener.  Die  Schärfe,  mit  der  die  Augenlider,  Haarsträhne  und  Lippen 
geschnitten  sind,  erbringt  den  sicheren  Beweis,  daß  die  Kopie  eines  Bronze- 
werkes vorliegt.  Von  einer  freien,  stark  veränderten  Nachbildung,  die  in  den 
Marmorstil  übersetzt  und  in  Anlehnung  an  praxitelische  Kunstwerke  geschaffen 
worden  ist,  stammt  ein  bereits  veröffentlichtes  Marmorköpfchen ln)  des  Palazzo 
Colonna  in  Rom. 

Das  ursprüngliche  Bronzeoriginal  zeigte  den  Gott  wahrscheinlich  stehend, 
den  Kopf  leicht  nach  rechts  gewendet,  was  aus  der  etwas  verkleinerten  rechten 
Gesichtshälfte  zu  erschließen  ist;  bekleidet  war  er  sicher  mit  dem  Mantel  in  der 
von  den  zahlreichen  Statuen  des  bärtigen  Asklepios  bekannten  Anordnung. 

Das  derart  erschlossene  Kunstwerk  kommt  dem  Bilde  des  jugendlichen 
Asklepios  auf  dem  Revers  einer  Münze  der  Stadt  Markianopolis11)  aus  der  Kaiser- 
zeit so  nahe,  daß  man  vielleicht  nicht  mit  Unrecht  in  diesem  Münzbilde  eine 
weitere  Replik  des  offenbar  berühmten  griechischen  Bronzeoriginales  erkennen 
darf.  Trotz  der  Kleinheit  der  Dimensionen  ist  auf  dem  Münzbilde  sowohl  die  Binde 

")  Collignon,    Histoire   de   la   sculpture   grecque  und  dei   größte    Teil  der   Locken  zur  Seite." 
II  300  pl.  VI.  '"'    \rndt-Amelung.     Einzelverkauf  n.   1140  und 

8)  Siehe    Pauly-Wissowa,     Realenzyklopädie    II  1141.   Das   Köpfchen,  auf  eine  kleine  Replik  des   • 
1695  (Thraemer).  genannten    Narkissos  aufgesetzt,   zeigt    die   Wendung 

9)  Benndorf-Sehöne,    Die  antiken    Bildwerke  des  nach  links. 

lateranensischen   Museums  370  n.  523.      „Ergänzt  ist  "1   A.bgeb.  bei  Piek,    lue  Münzen  Nordgriechen- 

der  Hinterkopf  mit  dem  Reif,  Hals.  Nase,   Oberlippe        lands    Tat.    XYIT    ;. 

Jabreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  lief  XI.  15 


H4 


K.  Hadaczek,  Jugendlicher  Asklepios 


deutlich  zu  sehen,  welche  das  lange  Haar  umfängt,  als  auch  die  dichten  freien 
Locken,  die  sich  kranzartig  von  der  Stirn  bis  zum  Nacken  hinziehen,  und  Be- 
deutung ist  nach  dem  Dargelegten  gewiß  auch  der  übereinstimmenden  Kopf- 
wendung nach  rechts  beizumessen.  Das  Münzbild  wird  vielleicht  einmal  ermög- 
lichen, unter  den  vielen  Torsen  des  Asklepios  den  zu  diesen  Köpfen  zugehörigen 
ausfindig  zu  machen,  und  auch  den  Schöpfer  des  Originalwerkes  besser  zu 
würdigen.  Er  war  ein  Zeitgenosse  des  Praxiteles,  mit  dessen  Werken  dieser 
Asklepios  manches  Gemeinsame  aufweist. 

Lemberg,  März   1908.  KARL  HADACZEK 


18:  Marmorkopf,  einer  weiblichen   Statue  des  lateranischen   Museums  aufgesetzt. 


Weiblicher  Kopf  in  Spalato. 

Bei  einem  Besuche  des  archäologischen  Museums  in  Spalato  fiel  mir  ein 
weiblicher  Marmorkopf  auf,  der,  von  einer  Statue  abgebrochen,  sich  zwar  nur  als 
geringe  römische  Kopiekennzeichnet,  aber  als  Typus  von  Interesse  ist  (Fig.  1 a  und  20). 

Museumsnummer  43  c;  Höhe  32  cm.  Gefunden  in  Spalato.  Der  Kopf  saß,  wie 
die  Bruchfläche  zeigt,  mit  sanfter  Neigung  nach  rechts  auf.  Die  Oberfläche  ist 
leider  sehr  verwittert.  Nase  und  Lippen  sind  stark  verstümmelt.  Das  breit  ange- 
legte Antlitz  ist  in  allen  seinen  Formelementen  lebhaft  bewegt  und  von  einer 
ins  höchste  gesteigerten  Kraft  des  Ausdruckes.  Die  vollen  Lippen  sind  wie  in 
leidenschaftlichem  Atmen  geöffnet.  Der  Nasenrücken  war  breit,  gegen  die  Wangen 
sanft  abdachend.  Die  Augen  sitzen  tief  mit  scharf  absetzendem  Oberlid.  Der  innere 
Augenwinkel  liegt  tiefer  als  der  äußere,  ein  bekanntes  Mittel  der  griechischen 
Kunst,  um  die  seelische  Tiefe  des  Blickes  zu  steigern.  Das  in  der  Mitte  gescheitelte 
Haar  ist  in  aufgelockerten,  losen  Wellen  nach  hinten  gestrichen,  wo  es  dann 
über  dem  Nacken  aufgenommen  erscheint.  Zwei  einzelne  Locken  fallen  längs 
des  Halses  auf  die  Schultern  herab.  Merkwürdig  ist  das  über  den  Haarpartien 
mit  einem  deutlichen  ringsum  laufenden  Absätze  sich  aufbauende  und  nur  roh 
angelegte  Schädeldach.  Wiewohl  Ansatzspuren  fehlen,  wird  man  eher  ein  aufge- 
setztes Diadem,  möglicherweise  einen  Helm  annehmen  wollen,  als  Nachlässig- 
keit des  Kopisten,  der  diese  dem  Blicke  des  Beschauers  entzogene  Partie  nur 
andeutend  behandelt  hätte,  wobei  zudem  die  erwähnte  charakteristisch  absetzende 
Furche,  die  in  Fig.  20  deutlich  wahrzunehmen  ist,  nicht  ihre   Erklärung  fände. 

Der  Kopf  schließt  sich  seinem  Formcharakter  nach  eng  an  einige  Köpfe  an, 
die  man  auf  Skopas  zurückgeführt  hat.  Ich  denke  vor  allem  an  den  Kopf  vom 
Südabhange  der  Akropolis1),  mit  dem  er  die  allernächste  Verwandtschaft  aufweist. 
Die  breite  Gesichtsanlage,  die  Neigung  des  Kopfes,  die  Behandlung  der  Lippen 
und  Augen  stimmt  durchaus  überein;  nur  ist  die  Formensprache  unseres  Kopfes 
derber,  roher,  wie  besonders  die  Haarbehandlung  erkennen  läßt.  Es  fehlt  der 
zarte  Haaransatz,  die  duftige,  leichte  Behandlung  der  schwellenden  Haarmasse, 
die  wir  am  griechischen  Originale  bewundern.  Die  einzelnen  Haarwellen  sind 
tiefer  herausgearbeitet,  die  ganze  Haarmasse  ist  mit  starken  schattigen  Furchen 
aufgelockert.  Alles  ist  auf  eine  mehr  dekorative  Wirkung  angelegt.  In  dieser 
Hinsicht  bietet  sich  ein  Kopf  im  Museum  zu  Cherchel2)  zur  Vergleichung.     Auch 

l)  Br.  Br.:  Denkmäler  T.  174;  Athen.  Mitt.   1  s)  P.  Gauckler:   Muse«  de  Cherchel    VT.    PI.  3. 

876  T.  XIII— XIV. 


lio 


19:      Weiblicher   Marmorkopf  in   Spalato   (Vorderansicht). 

hier  sind  die  Haarwellen  einzeln  stark  herausgeholt.  Die  weichen  Formen,  der 
ungemein  pathetische,  mit  derben  Mitteln  erreichte  Ausdruck  weisen  hier  auf 
ein  Original  hellenistischer  Zeit.  Auch  in  dieser  Schöpfung  pulsieren  noch  stark 
die  Kiemente  der  skopasischen  Kunst,  nur  sind  sämtliche  Formen  in  ihrer 
Wirkungskraft  gesteigert. 

Auch  mit  anderen  Köpfen  des  vierten  Jahrhunderts  ist  der  Kopf  aus  Spalato 
verwandt.  Ich  erwähne  nur  den  Kopf  der  Niobe  in  Florenz,  einen  prächtigen 
Kopf  aus  Halikarnass  im  British  Museum3)  und  den  Mädchenkopf  aus  Sunion. 
Endlich  wäre  noch  an  die  tegeatischen  Kriegerköpfe  zu  erinnern,  als  die  einzig- 
sicheren  Reste  skopasischer  Kunst,  welche  besonders  im  Profile  eine  geschwister- 
liche  Ähnlichkeit  mit  dem   Kopfe  aus  Spalato  verraten  '). 

Absolut  keim:  formalen  Beziehungen  hat  dagegen  unser  Kopf  zu  dem  neu 
gefundenen  weiblichen  Kopfe  aus  Tegea,  in  dem  man  allgemein  die  Atalante 
der  ( iiebelgruppe,  ein    Werk  des  Skopas  erkannt  hat8).   Allein  ich  muß  gestehen, 

■')  Cat.  of  sculpture  n.  IO51;  Jahreshefte  IX   75  '/.(,%.    1906  T.  3   37;    Journ.  of  hell.    Studies    X.W  I 

Fig.  22.  p,   [69  €F. ;     Kurtwangler,  Zu  den  tegeatischen  Skulp- 

')  Journ.   Ol    hell.   Studies    XV   pl.   Vi.  lurcn   des  Skopas,   Sitzungsber.  Akad.  München    1906 

Bull,   de    corr.  hell.   XXV   pl.  IV,  V;    'EtpijU.  S.   383  ff. 


"7 


no:     Weiblicher  Marmorkopf  in  Spalato  (Seitenansicht). 

daß  ich  einstweilen  diesem  Resultate  sehr  skeptisch  gegenüberstehe  und  den 
sogenannten  Atalantekopf  und  die  Kriegerköpfe  nicht  als  Werke  eines  und 
desselben  Meisters  anerkennen  kann.  Gewiß  ist  es  nicht  notwendig  für  die  weib- 
lichen Typen  des  Skopas  das  leidenschaftliche  Pathos  vorauszusetzen,  das  wir  an 
den  Kriegerköpfen  sehen.  Aber  ich  vermisse  die  analoge  Formanschauung,  den 
gemeinsamen  künstlerischen  Geist.  Der  Atalante-Kopf  ist  von  den  Kriegerköpfen 
im  Aufbaue  so  verschieden,  atmet  so  viel  Zartheit,  so  viel  Vornehmheit,  eine  so 
hinreißend  süße  Anmut,  zeigt  in  der  Behandlung-  der  Formen  eine  so  abgewogene, 
ruhige  Zurückhaltung,  daß  ich  die  Meisterhand,  welche  die  Kriegerköpfe  schuf, 
darin  nicht  zu  erkennen  vermag-.  Die  Kriegerköpfe  wirken  mit  der  unwider- 
stehlichen Kraft  einer  künstlerischen  Intuition:  man  steht  im  Banne  einer  genialen 
Kühnheit  und  Sicherheit  der  Meißelführung",  die  das  Wesentliche  aus  der  Welt 
der  Formen  mit  eminenter  Wirkungskraft  herauszuholen  vermochte.  Am  Kopfe 
der  sogenannten  Atalante  stehen  dagegen  die  formen  im  Gleichgewichte;  alles 
an  ihm  ist  ruhig-  und  milde  abgewogen. 


Budapest,  März   kjo8. 


\\ ION  H EKLER 


HS 


W.    Wilberg 


21:   Gesamtansicht  der  Bibliothek  in   Ephesus. 


Die  Fassade  der  Bibliothek  in  Ephesus. 


Die  genaue  architektonische  Aufnahme  der  vielen  Baustücke  von  der  Bibliothek 
in  Ephesus  ermöglichte  es,  deren  Fassade  fast  lückenlos  zu  rekonstruieren.  Über 
'Urse  Arbeiten  soll  im  nachstehenden  ein  kurzer  Bericht  gegeben  werden,  ohne 
allzu  großes  Eingehen  auf  Einzelheiten,  wofür  auf  die  später  folgende  zusammen- 
fassende Arbeit  über  die  Bibliothek  verwiesen  sei. 

Was  von  der  Fassade  des  etwa  115  n.  Chr.  errichteten  Gebäudes  noch  an 
Ort  und  Stelle  erhalten  ist,  zeigt  Fig.  21.  Von  der  Säulenfront,  die  sich  über  einer 
neunstufigen,  von  zwei  großen  Statuenbasen  flankierten  Freitreppe  erhob,  stehen 
nur  noch  sieben  auf  Postamenten  ruhende  Säulenbasen,  in  situ;  etwas  höher 
ragt  die  Rückwand  auf,  die  durch  drei  Türen  durchbrochen  wird,  deren  Pfosten 
fast  überall,  wenn  auch  nicht  mehr  in  ganzer  Höhe,  aufrecht  stehen.  Daneben 
erkennt  man  die  reichornamentierten,  den  Säulen  entsprechenden  Wandpilaster 
und  zwischen  diesen,    besonders    deutlich  im   ersten    und    letzten  Joche,    die  von 


Die  Fassade  der  Bibliothek   in  Ephesus  119 

kleinen  ornamentierten  Pilastern  eingefaßten  Nischen,    in  denen  Statuen  standen, 
die  zum  Teil  noch  so,  wie  sie  gefallen  waren,  wieder  aufgefunden  wurden. 

Trotz  dieser  starken  Zerstörung  läßt  sich  die  architektonische  Anordnung 
doch  aus  dem  Erhaltenen  vollkommen  klar  erkennen:  immer  zwei  der  acht  Säulen 
(vgl.  den  Grundriß  Fig.  22)  waren  durch  das  Gebälk  gekuppelt  und  es  bildeten 
sich  so  vier  aedikulaartige  Vorbauten  oder  Tabernakel,  zwischen  denen  die  drei 
Durchgänge  in  den  Innenraum  der  Bibliothek  lagen. 

Die  ganze  Fassade  war  nach  vorn  zusammengestürzt,  manchmal  lagen  Säulen- 
teile und  Gebälk  noch  so  geschichtet,  wie  sie  ursprünglich  gestanden  hatten.  Es 
war  eine  oft  schwierige  Arbeit,  die  großen  Steinklötze  ohne  Beschädigung  aus 
dem  engen  Winkel  der  Fundstelle,  wo  sie  fest  eingekeilt  zwischen  anderen  Steinen 
der  umgebenden  Gebäude  lagen,  hinaus  ins  Freie  zu  schaffen.  Vor  allem  galt 
es,  eine  Sichtung  des  gewaltigen  Materials  vorzunehmen  und  die  Anzahl  und 
Höhe  der  Stockwerke  zu  bestimmen.  Ersteres  war  bald  durchgeführt:  Es  waren 
zwei  Stockwerke  vorhanden,  deren  Gebälk  sich  durch  Höhenmaße  und  Dekoration 
vollkommen  voneinander  schieden.  Schwieriger  war  die  zweite  Aufgabe,  die  Höhe 
der  Stockwerke  festzustellen.  Wohl  fand  sich  ein  ganzer  Säulenschaft  vom  Ober- 
geschoß und  damit  auch  die  Höhe  dieses  Stockes,  beim  Untergeschosse  dagegen 
war  man  vorläufig,  da  sich  kein  ganzer  Säulenschaft  aus  den  zahlreichen  Trümmern 
zusammensetzen  ließ,  auf  die  Proportionsrechnung  angewiesen,  wodurch  sich  die 
Höhe  der  ganzen  Säule  auch  nach  Analogie  der  erhaltenen  des  Oberstockes  auf  etwa 
0-4Om  berechnen  ließ,  ein  Maß,  das  sich  durch  die  Postamenthöhe  auf  7'"  vergrößert 
und  das  wir  nachher  durch  die  Rekonstruktion  der  in  der  Rückwand  gelegenen 
Pilaster  und  der  Figurennischen  bestätigt  finden  werden.  Fig.  24  und  25  (S.  122 
und   123)  zeigen  im  Aufriß  und  in  perspektivischer  Ansicht  die  ganze  Fassade. 

Die  Säulen  des  Untergeschosses  ruhen  auf  quadratischen,  oben  und  unten 
mit  Profilen  versehenen,  0-605 m  hohen  Postamenten,  an  welche  die  o-33m  hohe 
attische  Säulenbasis  angearbeitet  ist.  Der  untere  Durchmesser  des  monolithen  un- 
kannelierten Säulenschaftes  ist  070"',  der  obere  063111.  Das  07a"1  hohe  Kapitell 
gehört  der  kompositen  Ordnung  an.  Zwei  Reihen  von  je  acht  Akanthusblättern 
umgeben  den  unteren  Teil;  dahinter  wachsen  lange  schilfartige  Blätter  hervor 
und  liegen  auf  dem  Kapitellkern  auf.  Zwischen  den  stark  vorspringenden  Voluten 
läuft  unter  dem  Abakus  ein  großer  Eierstab  mit  Perlschnur.  Die  ganze  Arbeit 
verrät  große  Fertigkeit  in  der  Behandlung  der  Formen,  die  in  prächtiger  Schatten- 
wirkung aus  dem  weißleuchtenden  Marmor  herausgearbeitet  sind.  Das  Gebälk 
besteht    aus   Architrav,    Fries    und   Zahnschnittgesims    und   ist   im    ganzen    <'485m 


120 


\V.   Wüberg 


438 


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22:     Grundriß  der  Bibliothek   in  Ephesus. 

hoch.  Die  Einzelformen  zeigt  Fig.  23.  Der  o-525m  hohe  Architrav  hat  drei  durch 
Perlschnüre  getrennte  Fascien.  deren  oberste  die  Weihinschrift  trägt.  Das  obere 
Profil  besteht  aus  Platte,  mit  Palmetten  geschmückter  Hohlkehle  und  Eierstab 
mit  Astragal.  Die  Unterseite,  0-635 "'  breit,  ist  mit  einer  reichverzierten  Soffitte 
geschmückt:  die  Rückseite  zeigt  zwei  Fascien  und  abschließendes  lesbisches  Etyma 
mit  tief  eingearbeiteten  Blättern.  Durch  starken  Rücksprung  über  dem  Etyma 
ist  hier  ein  breites  Auflager  für  die  Kassettendecke  geschaffen.  Der  mit  einer 
tortlaufenden  Blattranke  geschmückte  und  oben  durch  einen  Eierstab  bekrönte 
Fries  ist  046'"  hoch,  innerhalb  des  Rankenwerks  ist  ein  Adlerrelief  mit  weitaus- 


Die  Fassade  der  Bibliothek  in  Ephesus 


121 


gebreiteten  Flügeln  so  angebracht,  daß  es  gerade  in  der  Mitte  des  vorspringenden 
Gebälkteiles  saß  und  bei  dem  über  der  Wand  laufenden  Fries  über  den  Türen, 
so  daß  im  ganzen  sieben  Adler  vorhanden  waren,  ein  Schmuck,  der  vermutlich 
in  Beziehung  zu  bringen  ist  mit  dein  Namen  des  Stifters  Tib.  Jul.  Aquila.  Die 
Bekrönung  bildet  ein  kräftiges  reiches  Zahnschnittgesims,  bei  dem  die  mit  Pfeifen 
geschmückte     Hängeplatte     mit     dem     Zahnschnitte     durch     eine     große    tiefein- 


23:    Detail  vom   Gebäll;   des 
Untergeschosses. 


geschnittene  Hohlkehle  verbunden  ist,  die  dicht  mit  einem  fortlaufenden  Ranken- 
und  Palmettenmuster  besetzt  ist,  während  der  überfallende  Teil  mit  drei 
Reihen  schuppenartiger  Blättchen  ausgelegt  wurde.  Der  Blattschnitt  an  den 
Ranken  und  Palmetten  ist  ein  rundlicher,  weicher  und  die  vielen  Bohrlöcher 
geben  den  Blättern  den  Charakter  von  Eichenblättern.  Zwischen  Sima  und  Hänge- 
platte schiebt  sich  ein  Herzlaubstab;  die  Sima  selbst  ist  dekoriert  durch  .inzel- 
stehende  Palmetten  und  Blätter. 

Ein  in  seiner  ganzen  Länge  erhaltener  Architrav  ist  in  Fig.  28  (S.  1  26)  abgebildet. 


Jahreshefte  des  österr.  archaol    [nstitutes  Bd.  XI. 


11. 


W.   Wilberg 


Mi  ^§Wä&-\ 

m  amm  \ 


24  :  Fassade  der  Bibliothek  in  Ephcsus. 

Nach  der  aul  der  obersten  Fascie  stehenden  Inschrift  und  nach  den  Maßen  gehört 
er  über  das  zweite  Säulenpaar  und  schlössen  sich  links  und  rechts  nach  hinten 
kurze,  bis  auf  die  Rückwand  reichende  Architrave  an,  die  auch  in  ihrer  voll- 
ständigen Länge  aufgefunden  wurden.  Der  Vorsprung  der  Tabernakel  beträgt 
danach,  an  der  untersten  Architravfascie  gemessen,   2-27"'.  Das  ganze  Gebälk  lief 


Die  Fassade  ih-r  Bibliothek  in   Epbesus 


123 


25 :  Perspektivische  Ansicht. 

auch  über  der  Rückwand  fort,  wodurch  diese  mit  den  vorspring'enden  Gebälk- 
teilen zu  einem  festen  architektonischen  Ganzen  verbunden  wurde.  Dagegen  konnte 
nicht  mehr  festgestellt  werden,  ob  das  Gebälk  des  ersten  und  letzten  Tabernakels 
nur  bis  zur  Rückwand  reichte  oder  noch  das  kurze  Stück  an  dieser  entlang  ging 
und  die  Profile   sich   an    den  hochragenden   Mauern  der  links  und  rechts  benach- 

16* 


[24 


W".    Wilberg 


26:   Gebälk  vom  Untergeschoß. 


harten  Gebäude  totliefen.  Fig.  20  zeigt  in  Zusammensetzung  das  Gebälk  eines 
Säulenjoches.  An  der  Rückwand  entsprechen  den  Säulen  schwach  vorspringende 
Wandpilaster,  deren  Vorderseite  durch  schön  geschwungenes  Rankenwerk  reich 
verziert  ist,  das  unten  aus  einem  großen  dreiteiligen  Akanthusblatte  herauswachsend 
durch  kleine  figürliche  Darstellungen  belebt  und  seitlich  durch  einen  Herzlaub- 
stab eingefaßt  ist.  Bei  sechs  Pfeilern  sind  neben  den  Ranken  als  Ornament  links 
und  rechts  die  Fasces  mit  den  in  einer  Hülle  steckenden  Liktorenbeilen  eingefügt. 
Die  Pilasterbasis  ist  wie  die  der  Säulen  gestaltet  und  das  in  prächtiger  Wirkung 
gearbeitete  Kapitell  auch  kompositer  Ordnung.  Bei  den  in  situ  stehenden  l'ilnster- 
stücken  war  zu  erkennen,  daß  die  Wand  durchlaufende  Horizontalfugen  hatte,  und 
zwar  wechselte  immer  ein  etwa  0^30 — o-35"'  hoher  Stein  mit  einer  etwa  o-go — 1  m 
hohen  Steinschicht  ab.  Nach  diesem  System  war  es  möglich,  aus  den  vor- 
handenen Stücken  einen  ganzen  Pilaster  und  ein  zwischen  zwei  Pilastern  stehendes 
Wandstück  zu  rekonstruieren.  Diese  170111  breiten  Zwischenräume  waren  durch 
Nischen  geschmückt,  in  denen  Figuren  standen,  flankiert  waren  sie  durch  schmale 
reichverzierte  Pilasterchen,   die    an    die   großen  Wandpilaster  angearbeitet  waren 


Die   Passade  der   Bibliothek  in   Ephesus 


27:  Gebälk  vom  Obergeschoß. 


und  deren  Höhe  mit  Basis  und  Kapitell  2-88"1  maß.  Das  o'34m  hohe  Kapitell  zeigt 
über  einer  Hohlkehle  und  einem  nicht  bei  allen  Stücken  ausgeführten  Perlstabe 
zwei  Voluten,  die  sich  auf  zwei  sehr  fein  ausgearbeitete  Akanthusblätter  legen; 
die  Mitte  ist  durch  eine  Palmette  ausgefüllt.  Das  Kapitell  ist  nicht  nur  an  der 
ornamentierten  Vorderseite  der  Nischenpilaster  ausgeführt,  sondern  auch  an  der 
glatten  Nebenseite  und  das  gleiche  Ornament  zog  sich  auch  über  der  Rückwand 
der  room  breiten  und  0-45 m  tiefen  Nische  hin.  Innerhalb  der  vier  Nischen  standen 
Gewandstatuen,  deren  Postamente  die  Bezeichnungen  tragen:  Zoepia  Keasou,  °Era- 
axYjjir;  Ksacjou,  Apsxr/  KeAcjou  und  Eövoia  KeXaou.  Erstere  beiden  Postamente  stehen 
noch  in  der  ersten  und  letzten  Nische  in  situ,  die  letzte  Inschrift  ist  nicht  wie 
die  übrigen  eingemeißelt,  sondern  aufgemalt.  Den  horizontalen  oberen  Abschluß 
der  Nischen  bildet  ein  zweifascierter  Architrav  von  0-305'"  Höhe,  dessen  Profile 
sich  beiderseits  an  den  vorspringenden  Wandpilastern  totlaufen.  Die  Soffitte  zeigt 
einen  von  Blattstab  eingefaßten  Rahmen  mit  reichem  Blattschmucke.  Die  zur  Auf- 
nahme eines  weiteren  Steines  glatt  bearbeitete  Oberfläche  des  Architravs  hat  ein 
Dübelloch,  dessen  Gußkanal  etwa  0*07 '"  vor  der  Vorderkante  endigt,  wodurch  ge- 
sichert ist,  daß  der  Oberstein  nicht  über  die  Vorderfläche  des  Architravs  hinaus- 


[26 


W.   Wilberg 


geragt  haben  kann,  also  kein  Gesims,  sondern  ein  in  der  Wandfläche  liegender 
Stein  gewesen  ist,  der  als  Abschluß  der  ganzen  Nische  wahrscheinlich  ein 
Ornament  getragen  hat.  Nun  fand  sich  unter  den  Trümmern  eine  in  zwei  Teile 
zersprungene  Platte,  173™  lang  und  0-655™  hoch,  die  auf  der  Vorderseite  ein 
Relief  trägt:  zwei  von  seitwärts  nach  der  Mitte  zu  aufsteigende  Bänder,  die 
sich  an  den  Enden  und  in  der  Mitte  zu  Voluten  zusammenrollen  (Fig.  29).  In 
der  Mitte  wächst  eine  Palmette  nach  oben  heraus,  ebenso  an  den  Enden  je  eine 
halbe,  nach  unten  ist  Blattwerk  angeordnet,  am  unteren  Rand  entlang  läuft  nach 


2  95    ->| 

28:  Architrav  vom   Untergeschoß. 

links  und  rechts  eine  aus  einem  mittleren  Akanthusblatte  herauswachsende  Ranke. 
Außer  dieser  einen  vollständigen  Platte  wurden  noch  Fragmente  von  drei  anderen 
gefunden,  die  in  der  Zeichnung  nicht  ganz  mit  der  ersten  übereinstimmen; 
einmal  ist  oben  an  dem  glatten  Rande  des  Steines  noch  ein  Kyma,  das  andere 
Mal  statt  der  fortlaufenden  Ranke  unten  knapp  nebeneinanderliegende  Blätter 
angeordnet.  Aus  dieser  Verschiedenheit  geht  hervor,  daß  die  Stücke  nicht  einen 
fortlaufenden  Fries  gebildet  haben  können,  sondern  einzeln  versetzt  waren. 
Man  kann  noch  an  den  Stoßfugen  links  und  rechts  eine  schwache  Abschrägung 
bemerken,  auch  ist  die  seitliche  Halbpalmette  nicht  bis  ganz  an  die  Fuge  gerückt, 
um  sie  vor  Beschädigung  beim  Versetzen  des  Steines  zu  bewahren.  Diese  beiden 
Umstände  beweisen,  daß  die  benachbarten  Steine  vorsprangen,  und  da  auch  die 
Breite  des  erhaltenen  Steines  genau  zu  der  Breite  des  Zwischenraumes  der  beiden 
Wandpilaster  paßt,  so  halte  ich  es  für  sicher,  daß  diese  Reliefs  einen  Giebel- 
schmuck über  den  Figurennischen  bildeten.  Als  Giebelabschluß  kommen  ähnliche 
volutenförmige  Reliefformen  vor,  hauptsächlich  an  kleinen  prächtigen  Grabbauten 
in  Termessos  (vgl.  Lanckoronski,  Städte  Pamphyliens  und  Pisidiens,  IT  110 
und  Heberdey -Wilberg,  Jahreshefte  III  190)  und  auch  am  großen  römischen 
Nymphaion   in  Milet  sind  sie  vorhanden,  hier  freilich  nicht  als  Hochrelief,  sondern 


Die   Fassade  der  Bibliothek   in   Ephcsus 


127 


in  frei  ausgearbeiteten  Konturen  (vgl.  Wiegand,  Jahrbuch  XVII  Anzeiger  152). 
An  der  Oberseite  des  Reliefs  sind  an  den  Stoßfugen  Klammerlöcher;  es  war  also 
hier  eine  auch  durch  den  großen  Wandpilaster  laufende  Fuge.  Da  das  0-35 m  hohe 
Nischenkapitell  an  den  Pilaster  angearbeitet  ist  und  einer  durchlaufenden  Binder- 
schicht entspricht,  so  muß  auf  diese  schmale  wieder  eine  hohe  Steinschicht  folgen. 
Der  Nischenarchitrav    hat    an    den  Stoßfugen   keine   Klammern,  es  war  also  hier 


29:   Reliefplatte. 


keine  Fuge.  Rechnet  man  nun  zur  Höhe  des  Architravs,  0-305 "',  noch  die  Höhe 
des  Reliefsteines,  0-655 nl,  hinzu,  so  erhält  man  o-gbm,  ein  Maß,  das  als  Höhe  einer 
Steinschicht  vorzüglich  zu  den  unteren  Schichten  von  1-05 m  und  ro2m  paßt.  Der 
Zwischenraum  zwischen  der  Giebelbekrönung  der  Nische  und  dem  Architrav  wird 
durch  drei  Quaderschichten  ausgefüllt,  deren  erste  der  Höhe  des  Pilasterkapitells 
entspricht,  0-75'";  die  zweite  Schicht  ist  o-gom  hoch  und  zeigt  das  obere  Ende 
des  Pilasters;  die  Höhe  des  dritten  endlich  ist  0-43"'.  In  dem  Interkolumnium 
rechts  von  der  Mitteltür  sind  diese  drei  Quaderschichten  von  einer  Inschrift 
bedeckt,  die  Heberdey  in  dieser  Zeitschrift  veröffentlicht  hat  (VIII  Beiblatt  67). 
Wir  haben  somit  die  ganze  Höhe  des  Wandpilasters  und  damit  auch  die  Höhe 
des  Untergeschosses  bis  zum  Architrav  mit  7-02"'  wiedergefunden,  welches  Maß 
gut  zu  dem  auf  rechnerischem   Wege  g-efundenen  der  Säulen  paßt. 

Die  schmale  Quaderschicht  von  0-43'"  Höhe,  die  gleich  auf  die  Nischon- 
bekrönung  folgt,  gibt  uns  die  erwünschte  Möglichkeit,  auch  die  Höhe  der  Mittel- 
tür zu  bestimmen.  Es  fanden  sich  nämlich  zwei  gleich  große  Quadern  dieser 
Schicht    mit    dem    durchlaufenden    Rankenmuster  der  Wandpilaster,  die  an  ihrer 


128 


W.   Wilberg 


rechten  beziehungsweise  linken  Seite  angearbeitete  Wandflächen  haben,  deren 
unterer  Teil  für  die  Einschiebung  eines  andern  Steines  ausgearbeitet  ist,  so  daß 
das  obere  Stück  Wandfläche  auf  ihm  aufruhte  und  ihn  beschwerte.  Dieser  Stein 
kann  nach  Höhenlage  und  Mai3en  nichts  anderes  sein  als  die  Türverdachung. 
Außerdem  ist  an  der  einen  Quader  an  dieser  Stelle  ein  kleines  Stück  des  Herz- 
laubstabes unausgeführt,  da  es  durch  ein  Stück  des  seitlichen  Steines  zugedeckt 
wurde,  und  in  der  Tat  zeigt  auch  das  hierhin  gehörende  Stück  der  erhaltenen 
Türverdachung,   daß   das   oberste  Profil   seitlich  über  den  Wandpilaster  übergriff. 


30:   Mittelarchitrav  vom  Obergeschoß. 


360 

31:   Architrav   vom  Obergeschoß. 


-4 


Wir  haben  dadurch  die  genaue  Lage  der  Türverdachung  festgestellt  und  damit 
auch  die  ganze  Höhe  der  Mitteltür  bestimmt,  die  unter  Abrechnung  einer  niedrigen 
Schwelle  im  Lichten  )-6onl  ist.  Da  ihre  Breite  2™  ist,  so  geht  das  Verhältnis  etwas 
über  das  übliche  von  1  :  2  hinaus,  und  sind  hiernach  auch  die  sonst  nicht  fest- 
zustellenden Höhen  der  Seitentüren  rekonstruiert.  Die  Türverdachung  war  durch 
Eier-  und  Blattstäbe  reich  ornamentiert  und  seitlich  durch  Konsolen  unterstützt. 
Auf  der  ( >berfläche  sind  zahlreiche  Dübellöcher  mit  Gußkanälen,  aus  deren  Stellung 
hervorgeht,  daß  keine  gewöhnliche  Wandquader  auf  ihr  gelegen  haben  kann. 
Der  Fund    zahlreicher   Fragmente    einer  Umrahmung    ließ    auf  Fenster   über  den 


Die   Fassade  der  Bibliothek  in   Ephesus 


i  >.g 


Türen  schließen,  was  durch  die  Untersuchung  und  Zusammensetzung  der  Frag- 
mente und  durch  die  Vergleichung  mit  den  Dübellöchern  sich  bestätigte  und 
dahin  erweiterte,  daß  diese  Fenster  durch  Marmorgitter  geschlossen  waren,  die 
freilich,  in  viele  Stücke  zerbrochen,  nur  noch  in  geringen  Resten  vorhanden  sind. 
Die  o-2i  bis  0-27™  breite  Fensterumrahmung  hat  zwei  Fascien  und  krönendes 
Profil  aus  Platte,  mit  Palmetten  verzierte  Hohlkehle  und  Eierstab.  Leider  ist  kein 
Stück  so  weit  erhalten,  daß  man  sehen  könnte,  ob  an  der  Innenseite  der  Wand 
um  die  Fenster  auch  eine  Umrahmung  lief.  Die  Unterseite 
des  Fenstersturzes  ist  abgetreppt  und  war  das  Marmorgitter, 
das  an  seiner  Oberseite  einen  entsprechenden  Ansatz  hat, 
in  die  Umrahmung  eingefalzt  und  auch  durch  Dübelverband 
gegen  das  Herausfallen  gesichert.  Höhe  und  Breite  der 
Fenster  ließ  sich  an  keinem  der  erhaltenen  Umrahmungs- 
stücke mehr  messen,  aber  wenigstens  am  Mittelfenster  die 
Breite  durch  die  Dübellöcher  auf  der  Oberfläche  der  Tür- 
verdachung  annähernd  auf  rao™  im  Lichten  feststellen. 
Da  die  Oberseite  des  Fenstersturzes  Klammerlöcher  hat,  so 
muß  sie  in  eine  der  horizontalen  Wandfugen  fallen  und 
scheint  es  mir  wahrscheinlich,  daß  alle  drei  Fenster  gleich- 
mäßig- nach  oben  mit  der  unter  dem  Pilasterkapitell  durch- 
laufenden Fuge  abschlössen;  wir  erhalten  so  eine  ungefähre 
lichte  Höhe  von  0-90™  für  das  Mittelfenster  und  i"75m  für 
die  Seitenfenster. 

Fanden  sich  so  mehr  oder  weniger  vollständig  alle  Ele- 
mente für  den  Aufbau  des  Untergeschosses,  so  ließ  die  Masse 
der  Trümmer  auch  für  das  Obergeschoß  das  gleiche  erhoffen 
und  in  der  Tat  ermöglichten  auch  hier  die  Funde  eine  Rekonstruktion  in 
wünschenswertester  Genauigkeit.  Die  Stellung  der  Säulen  war  hier  durch  die 
des  Untergeschosses  bedingt,  da  über  jeder  Säule  natürlich  wieder  eine  im  Ober- 
geschosse zu  stehen  kam.  Die  Höhe  der  Säulen  ließ  sich  durch  Zusammensetzung 
eines  in  zwei  Stücke  gebrochenen  Schaftes  auf  4-08 m,  mit  Basis  und  Kapitell 
auf  4'g6m  feststellen.  Die  attische  mit  quadratischer  Plinthe  versehene  Basis  ist 
o-29m  hoch,  der  Säulenschaft  monolith,  ohne  Kanneluren,  aus  weißem  Marmor 
mit  dunkeln  Adern.  Der  untere  Durchmesser  der  Säule  beträgt  o-5o'",  der  obere 
0-47"'.  Das  o-59m  hohe  Kapitell  ist  korinthisch,  der  Blattcharakter  und  Schnitt 
der  einzelnen  Blattformen  ganz  gleich  dem  au  den  Kapitellen  des  Untergeschosses. 

Jahreshefte  tlfs  Ssterr,  archäol.  Institutes  Bd    XI  [- 


32:  Architrav  vom 
Obergeschoß. 


130  W.   Wilberg 

Die  starke  Zerstörung  beeinträchtigt  leider  den  Gesamteindruck.  Die  Komposition 
weicht  nicht  von  dem  üblichen  Schema  ab. 

Die  Gestalt  des  Gebälks  konnte  man  sich  nach  der  Stellung  der  Säulen  und 
dem  im  Untergeschosse  gegebenen  Motiv  der  vier  Tabernakel  als  eine  Wieder- 
holung desselben  denken,  doch  brachte  die  Vermessung  der  erhaltenen  Architrave 
eine  große  Überraschung.  Nicht  wie  im  Untergeschosse  waren  die  erste  und  zweite 
Säule,  dann  die  dritte  und  vierte  usw.  zusammengefaßt,  sondern  die  zweite  und 
dritte,  die  vierte  und  fünfte  und  die  sechste  und  siebente,  während  die  erste  und 
achte  frei  stehen  blieben  und  sich  das  vollständige  Gebälk  über  ihnen  verkröpfte 
(vgl.  Fig.  24  und  25).  Es  bildeten  sich  also  statt  vier  nur  drei  Tabernakel,  die  durch 
Giebel  —  einen  eckigen  in  der  Mitte  und  je  einen  runden  an  den  Seiten  —  ab- 
geschlossen waren,  und  zwei  „detachierte"  Säulen.  Alle  wesentlichen  Werkstücke, 
sowohl  des  Gebälks  als  der  drei  Giebel,  sind  unter  den  Trümmern  wieder  auf- 
gefunden worden,  so  daß  ein  Zweifel  an  dieser  Anordnung,  die  mir  sonst  in 
dieser  Form  nicht  bekannt  ist,  ausgeschlossen  ist. 

Die  wichtigsten  freitragenden  Architrave,  die  sich  entweder  ganz  vorfanden 
oder  doch  zusammensetzen  ließen,  geben  die  Figuren  30 — 32  (S.  128  u.  129)  wieder. 
Der  Architrav  Fig.  30  ist  an  der  unteren  Fascie  gemessen  4m  lang,  und  hat  eine 
Achsweite  von  3'55°',  ist  also  für  ein  Joch,  das  dem  des  Unterstockes  entsprechen 
würde,  viel  zu  lang,  paßt  aber  genau  über  das  Mitteljoch  und  lag  somit  über 
der  vierten  und  fünften  Säule;  der  zweite  Architrav,  Fig.  31,  dessen  untere  Fascie 
nicht  ganz  erhalten  ist,  sich  aber  auf  3'6om  feststellen  läßt,  hat  eine  Achsweite 
von  3'i2m,  gehört  also  über  die  zweite  und  dritte  Säule;  der  dritte  endlich,  Fig.  32, 
zeigt  auf  allen  drei  Seiten,  die  vierte  —  Schmalseite  —  ist  abgebrochen,  die  gleiche 
Frontdekoration,  er  muß  also  mit  der  einen  Schmalseite  in  die  Rückwand  einge- 
griffen, mit  den  übrigen  drei  Seiten  frei  sichtbar  gelegen  haben.  Der  Yorsprung 
läßt  sich  nach  dem  der  drei  Tabernakel  auf  2-i9m  bestimmen.  Dieser  Architrav 
lag  auf  einer  der  beiden  „detachierten"  Säulen,  der  ersten  oder  achten.  Das 
ganze  Gebälk  zog  sich  auch  an  der  Wand  entlang  hin,  wovon  Wandarchitrave 
Zeugnis  geben. 

Betrachten  wir  nun  die  Einzelformen  des  Gebälks,  so  fällt  besonders  im 
Hinblick  auf  die  Zeit  der  Entstehung  und  auf  die  immerhin  beträchtliche  Höhe, 
in  der  das  Gebälk  lief,  die  überaus  sorgfältige  Ausführung  der  Einzelformen  auf. 
In   Fig.  -1;  (S.  125)  ist  ein  ganzes  Tabernakelgebälk  zusammengestellt.')  Architrav 

')  Diese  Zusammensetzung  fand  an  Ort  und  Stelle       des    Gebälks    anter    Berücksichtigung    der    richtigen 
nach  den  Prinzip  statt,  aus  den  besterhaltenen   Teilen       Aufeinanderfolge  ein  möglichst  vollständiges  Bild  des 


I  lie   Fassade   der    Bibliothek   in   Ephesus  i  ,i  ' 

und  Fries  sind  aus  einem  Steine  herausgearbeitet,  zusammen  075'"  hoch  (vgl. 
Fig.  33).  Ersterer  hat  drei  durch  Perlschnüre  getrennte  Fascien,  das  krönende 
Profil  ist  durch  fein  ausgearbeiteten  Eierstab  und  Palmetten  geschmückt.  Die 
Soffitte  an  der  047 '"  breiten  Unterseite  zeigt  einen  Schmuck  von  Lorbeerblättern. 
Die  Rückseite  hat  auch  drei  Fascien  und  ein  mit  Palmetten  und  Blütenkelchen 
geziertes  Kyma  als  abschließendes  Profil.  Unter  der  oberen  Fascie  läuft  statt  der 
Perlschnur  ein  gedrehtes  Band.  Der  Fries  ist  gerade  und  hat  Pfeifendekoration 
oben  mit  tief  eingearbeitetem  Eierstabe.  Das  0-48"'  hohe  Konsolengesims  ist  an 
der  Sima  nicht  mehr  vollkommen  erhalten,  daher  auch  die  ganze  Ausladung  nicht 
mehr  festzustellen.  Ein  ziemlich  niedriger  Eierstab  über  dem  Zahnschnitte  leitet  zu 
der  glatten  Fläche  über,  aus  der  die  Konsolen  vorspringen;  diese  sind  volutenartig 
geschwungen  und  an  der  Unterseite  durch  ein  großes  Akanthusblatt  geschmückt. 
Zwischen  den  Konsolen  liegen  an  der  Hängeplatte  Kassetten  mit  großen  Blumen. 
Die  horizontale  Fläche  der  Hängeplatte  ist  mit  Rosetten  geziert  und  darüber 
läuft  als  krönendes  Profil  ein  etwas  degenerierter  Herzlaubstab.  Das  ganze  Deko- 
rationsschema wiederholt  sich  bei  dem  Giebelgebälke,  sowohl  bei  dem  runden  wie 
beim  eckigen.  Bei  letzterem  stehen  die  Konsolen  lotrecht,  während  sie  bei  den 
beiden  runden  winkelrecht  zur  Giebelrundung  stehen.  Die  Sima  ist  durch  blatt- 
artig ausgeführte  Palmetten  dekoriert.  Alle  drei  Giebelfelder  wurden,  wenn  auch 
zum  Teil  recht  zerstört,  wieder  gefunden  und  zusammengesetzt;  sie  zeigen  alle 
drei  in  der  Mitte  ein  großes  Medusenhaupt.  Die  glatte  Fläche  links  und  rechts 
wurde  bei  den  runden  Feldern  durch  schön  gezeichnete  Ranken  ausgefüllt,  die 
in  zwei  Blumen  enden;  bei  dem  eckigen  Mittelgiebel  fehlen  die  Ranken  und 
stehen  nur  je  zwei  nach  den  Giebelenden  zu  kleiner  werdende  Rosetten  in  dem 
leeren  Felde,  eine  gegenüber  den  beiden  runden  Giebeln  etwas  magere  Dekoration. 
An  der  Oberfläche  der  Giebelenden  sind  Reste  von  Akroterpostamenten  erkenn- 
bar, doch  ließ  sich  nur  bei  einem  Stück  eine  Breite  von  073™  messen,  die  Höhe 
ist  nicht  mehr  erhalten,  ebensowenig  das  Postament  auf  der  Mitte  des  Mittel- 
Aufbaues  zu  gewinnen,  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  feld  angegebenen  Giebelschrägen  nicht  mehr  passen, 
nun  wirklich  gerade  der  betreffende  Stein  auch  ur-  Andererseits  war  von  den  ursprünglich  auf  dem  Archi- 
sprünglich  an  dieser  ihm  jetzt  zugewiesenen  Stelle  trav  ruhenden  runden  Giebeln  das  eine  nur  an  Ort 
gesessen  habe.  So  sei  zu  obiger  Fig.  27  bemerkt,  und  Stelle  zur  Verfügung  stehende  Giebelfeld  —  das 
daß  der  eckige  Giebel  nicht  auf  diesen  Architrav  andere,  gut  erhaltene,  befindet  sich  in  Wien  —  so 
gehört,  sondern  auf  den  längeren  Mittelarchitrav  zerstört,  daß  es  zur  Aufstellung  nicht  in  Betracht 
Fig.  30,  der  aber  wegen  seines  schlechten  Erhaltungs.  kommen  konnte,  ebensowenig  wie  das  bekrönende 
zustandes  nicht  zur  Aufstellung  benutzt  werden  konnte.  runde  Giebelgebälk,  das  sich  auch  nicht  in  dem  guten 
Daher  kommt  es,  daß  die  beiden  Giebelecken  zu  Zustande  befindet  wie  das  gradlinige, 
nahe  an  der  Mitte  liegen  und  zu  der  durch  das  Giebel- 


I.i- 


\V.    Wilberg 


giebels.  Auch  ließ  der  Erhaltungszustand  nicht  mehr  feststellen,  ob  auf  diesen 
Postamenten  etwa  Figuren  standen,  wenn  auch  der  Fund  von  einigen  etwa  i m 
hohen  Statuen  diese  Annahme  gerechtfertigt  erscheinen  läßt.  Auf  den  detachierten 
Säulen  standen  keine  Figuren,  da  das  vollständig  erhaltene  Gebälk  der  einen  Säule 
auf  der  Oberseite  außer  einem  Hebeloche  keine  Dübellöcher  oder  sonstige  Stand- 
spuren zeigt.  An  der  Rückwand  entsprachen  den  Säulen  wieder  wie  im  Unter- 
stocke Wandpilaster,    welche    die    nach    der  Wand   zu  laufenden  Architrave   auf- 


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33:    Detail   vom   Gebälk   des 
Obergeschosses. 


o  47 


nahmen.  Die  drei  Tabernakel  waren  durch  Kassettendecken  geschlossen  und  zeigt 
Fig.  34  oben  eine  Unteransicht  des  ganzen  Gebälks  vom  Oberstock,  während 
darunter  eine  solche  des  Untergeschosses  zum  Vergleich  abgebildet  ist.  Die  Wand- 
pilaster des  Oberstockes  sind  in  einer  etwas  groben  Ausführung  durch  zwei  Wein- 
laubranken ornamentiert,  die  in  wechselndem  sich  Kreuzen  und  wieder  Ausein- 
andergehen ovale  Felder  bilden,  die  durch  große  Weinblätter  ausgefüllt  sind.  Das 
Kapitell  ist  die  genaue  Übertragung  des  korinthischen  Säulenkapitells  ins  Flache. 
Die  Rückwand  zwischen  den  Pilastern  war  glatt  gelassen  und  nur  unter  den  drei 
Tabernakeln  durch  große  Fenster  durchbrochen,  um  dem  Saale  noch  mehr  Licht 
als  nur  durch  die  Öffnungen  des  Untergeschosses  zuzuführen.  Die  Umrahmung 
dieser  Fenster  ist  o-3om  breit,  hat  zwei  Fascien  und  ein  glattgezogenes  Profil  aus 


Die  Fassade  der  Bibliothek  in   Ephesus 


^33 


Plättchen,  Hohlkehle,  Kyma  und  Rundstab,  das  nicht  wie  bei  den  unteren  Fenstern 
durch  Palmetten  oder  Eierstab  geziert  ist.  Ein  Fensterpfosten  ist  noch  ganz  er- 
halten und  gibt  uns  dadurch  die  lichte  Höhe:  2-iom  zwischen  Stand-  und  Lager- 
fläche gemessen.  Die  Breite  ließ  sich  nur  annähernd  dadurch  ermitteln,  daß  an 
die  Leibung  noch  0-32 m  Wandquader  angearbeitet  war,  wodurch  sich  eine  un- 
gefähre lichte  Breite  von  rso1"  ergibt.  Bei  einem  andern  Stücke  der  Umrahmung 
hat  diese  angearbeitete  Wandquader  eine  Breite  von  042 "'.  Betrachtet  man  dieses 
Stück   als   zum  Mittelfenster   gehörig,   das   in   einem    etwas   breiteren  Interkolum- 


OberstocK 


■2-33 


2-33 


2  28   — * 

UnttrstocK. 


34:   Unteransicht  der  Architrave  der  beiden  Stockwerke. 


nium  steht,  so  erhält  man  auch  hierfür  dieselbe  Breite  wie  für  die  Seitenfenster. 
Die  Sohlbank  ist  nicht  erhalten,  wenigstens  ließ  sich  unter  den  Trümmern  kein 
Stein  als  zugehörig  erkennen.  Die  Fensteröffnungen  waren  durch  Eisengitter  ver- 
schlossen, dessen  Reste  in  den  Leibungen  noch  sichtbar  sind.  Aber  nicht  nur 
Breite  und  Höhe  der  Fenster  ließ  sich  feststellen,  sondern  auch  ihre  genaue  Lage 
in  der  Wand  ermitteln  mit  Hilfe  einer  über  dem  Fenster  angebrachten  Inschrift. 
Es  ist  dies  das  von  Heberdey  Jahreshefte  VIII,  Beibl.  S.  09  veröffentlichte  Disti- 
chon aus  christlicher  Zeit.  Die  zweizeilige  Inschrift,  in  ihrer  Breite  nicht  ganz 
erhalten,  doch  lückenlos  zu  ergänzen,  steht  auf  drei  aneinanderpassenden  Wand- 
quadern von  o'6om  Höhe.  Am  ersten  und  dritten  Block  ist  links  beziehungsweise 
rechts  noch  ein  Stück  des  angearbeiteten  Wandpilasters  mit  dem  Weinranken- 
ornament und  dem  Herzlaubstab  erhalten.  Der  Mittelblock  zeigt  vorn  lotrechte 
Fugen,  nach  hinten  aber  einen  Falz  und  keilförmigen  Schnitt,  so  daß  er  wie  ein 


134  W.  Wilberg,  Die  Fassade  der   Bibliothek  in  Ephesus 

Keilstein  oder  Schlußstein  eines  Bogens  zwischen  seinen  Nachbarn  hing.  Die 
ganze  Inschrift  läßt  sich  zwischen  den  Pfeilern  auf  z--]om  Länge  berechnen,  gehört 
also  sicher  in  ein  Fensterinterkolumnium,  da  sie  für  ein  anderes  zu  lang  wäre, 
sind  diese  Joche  doch  nur  i'75m  breit,  und  zwar  kann  nur  das  linke  oder  rechte 
Joch  in  Betracht  kommen,  da  das  mittlere  wieder  mit  3m  lichter  Weite  für  die 
Inschrift  zu  groß  wäre.  Der  keilförmige  Schnitt  des  Mittelblockes  beweist  nun, 
daß  die  Inschrift  über  dem  Fenster  angebracht  war,  nicht  etwa  darunter,  denn 
nur  zur  Erleichterung  des  darunter  liegenden  Steines,  in  diesem  Falle  des  Fenster- 
sturzes, wandte  man  diesen  Fugenschnitt  an,  durch  den  der  Stein  nicht  auf  dem 
unteren  aufruhte,  sondern  auf  den  benachbarten  Steinen.  An  den  erhaltenen 
Profilen  des  Wandpilasters  erkennt  man,  daß  der  Inschriftblock  nicht  gleich  unter 
dem  Kapitell  gesessen  haben  kann,  da  weder  das  obere  Pfeilerende,  Rundstab 
und  Plättchen,  angearbeitet  ist,  noch  der  Herzlaubstab  umbiegt;  es  war  also 
zwischen  Kapitell  und  Inschriftquader  noch  eine  Quader  eingeschoben,  deren 
Höhe  von  0-58 ™  wir  durch  erhaltene  Stücke  auch  kennen.  Der  Zwischenraum 
zwischen  Architrav  und  Fensterumrahmung  beträgt  somit  177™,  nämlich  Kapitell- 
höhe (0-59  mj,  Quader  unter  dem  Kapitell  mit  Pilasteranfang  (0-58 m)  und  Inschrift- 
quader (o-6om),  und  da  wir  durch  die  Säulenhöhe  auch  die  Gesamthöhe  der  ganzen 
Wand  bis  -zum  Architrav  kennen,  so  können  wir  auch  das  Fenster  genau  in  das 
Interkolumnium  einzeichnen. 

Zur  Vervollständigung  des  ganzen  Aufbaues  der  Fassade  fehlt  jetzt  mir 
noch  die  in  der  Rekonstruktionsskizze  gezeichnete  niedrige  Attika,  gegen  welche 
die  Giebelverdachungen  anstoßen;  bis  jetzt  konnte  allerdings  unter  dem  gefundenen 
.Material  nichts  als  zugehörig  erkannt  werden.  Auf  das  Tabernakelgebälk  des  Unter- 
geschosses wurden  zwischen  die  Säulen  des  Oberstockes  Statuen  aufgestellt,  deren 
Postamentprofile  auf  eine  etwas  spätere  Entstehungszeit  schließen  lassen  und  die  mit 
den  vier  Statuen  in  den  unteren  Nischen  und  den  wahrscheinlichen  Giebelstatuen 
den  figürlichen  Schmuck  der  im  ganzen  16'"  hohen  Fassade  vervollständigten. 

Konnte  so  durch  die  architektonischen  Aufnahmen  die  ganze  Fassade  der 
Bibliothek  im  Bilde  wieder  entstehen,  so  ergab  sich  nichts  wesentlich  Neues 
für  die  innere  Einteilung  des  Saales,  zu  dessen  in  dieser  Zeitschrift  VIII,  Bei- 
blatt Sp.  61  ff.  gegebener  Beschreibung  nur  hinzuzufügen  wäre,  daß  die  Standflächen 
der  im  Grundrisse  Fig.  22  gezeichneten  Innensäulen  auf  dem  durchlaufenden  Sockel 
vor  den  viereckigen  Wandnischen  durch  Dübellöcher  und  Aufschnürungslinien 
au  gesichert  sind;  sie  stehen  sehr  viel  enger  als  in  der  a.  a.  O.  Fig.  17  ver- 
öffentlichten   Innenansicht,    und    sind    wir    überhaupt    für    die    Ausgestaltung    des 


P.  Ducati,   Süll'  anfora  attica  di   Milo  con   gigantomaihia  135 

Innenraumes  ganz  auf  Vermutungen  angewiesen,  da  von  dem  Gebälk  auch  nicht 
ein  Stein  mehr  erhalten  ist.  Auch  sei  hier  auf  die  kurze  Bemerkung  Heberdeys 
(Jahresh.  IX,  Beibl.  Sp.  59)  hingewiesen,  daß  das  in  oben  angeführter  Figur  ge- 
zeichnete Oberlicht  in  Wegfall  kommt,  da  Fenster  und  Türen  genügend  Licht 
in    den    nicht  übermäßig  tiefen  Saal  einließen. 

Wien,  Mai   1908.  WILHELM  WILBERG 


Suir  anfora  attica  di  Milo  con  gigantomachia. 

II  mio  articolo  „Osservazioni  sull'  inizio  della  ceramica  apula  figurata",  edito 
in  questi  Annali1),  era  giä  stato  impaginato  quando  usciva  il  4"  fascicolo  (Serie  II) 
della  Griechische  Vasenmalerei  di  Furtwängler  e  Reichhold.  Ivi  con  mio  godi- 
mento  potei  ammirare  la  esatta  riproduzione  nelle  tav.  96  e  97  della  preziosa 
anfora  di  Milo  con  la  gigantomachia  (Museo  del  Louvre),  ma  con  non  meno  vivo 
stupore  lessi  nel  testo  (p.  193 — 199),  che,  ahi!  per  l'ultima  volta,  l'alto  intelletto  del 
compianto  Furtwängler  aveva  dettato,  un  giudizio  stilistico  assai  discordante  da 
quello  espresso  nel  mio  articolo  sopra  detto.  L'ampia  gigantomachia  dell'  anfora 
di  Milo  doveva  essere  posta  allo  stesso  livello,  ascritta  al  medesimo  indirizzo, 
alla  medesima  etä  delle  scene  di  Talos  e  di  Pelope  adornanti  le  due  insigni 
anfore  di  Ruvo  e  di  Arezzo  (F[urtwängler]  e  R[eichhold],  op.  cit.  t.  38 — 39  e  t.  67), 
delle  gigantomachie  del  vaso  frammentato  napoletano  (Heydemann,  n.  2664  e 
2283  —  F.  e  R.,  op.  cit.  S.  IL  fig.  73 — 75)  e  della  tazza  berlinese  di  Aristofane  ed 
Ergino  (Furtwängler,  n.   2.531). 

Mi  sia  lecito  pertanto;  dato  l'insigne  nome  del  dotto  che  espresse  questo 
giudizio,  questa  analisi  stilistica  dell'  anfora  di  Milo,  difendere  la  mia  primitiva 
opinione,  mantenuta  anzi  corroboratasi  in  seguito  alla  pubblicazione  della  Griechi- 
sche Vasenmalerei.  Prima  di  tutto  ritengo  da  escludersi  l'aggruppamento  dei  vasi  di 
Talos  e  di  Pelope  e  della  tazza  di  Aristofane:  l'indirizzo  disegnatorio  seguito  nei 
primi  due  vasi  e  diverso  da  quello  del  secondo.  Maggiore  affinitä  credo  esistere  tra 
detti  due  vasi  e  l'idria  di  Midia  (F.  e  R.,  op.  cit.  t.  8  —  9)  pur  si  diversi  nell'  aspetto 
generale;  che  la  grandiositä  intenzionalmente  voluta  nell'espressione  delle  nobili  figure 
delle  due  anfore  singolarmente  contrasta  con  la  grazia  soave  cui  raggiunse   Midia. 

')  Jahreshefte   X  (11107    pp.  251  —  263. 


I  36  P.  Dncati 

Ma  per  vedere  che  in  queste  due  opere,  tolta  questa  radicale  differenza  di 
espressione,  sia  molto  di  comune,  basta  confrontare  un  pö  le  riproduzioni  del 
Reichhold.  Identitä  di  motivi,  analogia  di  profili.  medesima  espressione  dei  vestiti 
e  degli  ornati;  infine  le  figure  solenni  delle  due  anfore  sono  impicciolite  e  rese  gra- 
ziöse presso  Midia,  il  dipinto  sembra  essersi  trasformato  in  miniatura.  E  tutte  le 
figure  presso  le  due  anfore  e  nell'  idria  sono  espresse  secondo  il  pretto  disegno 
lineare,  all'  infuori  naturalmente  della  figura  di  Talos,  il  cui  aspetto  eminente- 
mente  plastico  e  voluto  dalla  essenza  del  personaggio  rappresentato. 

Altrimenti  sono  espresse  le  figure  nella  tazza  di  Aristofane  e  conseguente- 
mente  nel  vaso  frammentato  di  Napoli  e  neu'  anfora  di  Milo:  ivi  in  luogo  del 
disegno  lineare  predomina  il  disegno  condotto  si  da  far  risaltare  plasticamente 
le  figure;  qui  assai  piü  che  nei  vasi  suddetti  appare  chiaro  l'influsso  del  metodo 
skiagrafico.  II  nobile,  il  dignitoso  oppure  il  gentile  ed  aggraziato  delle  scene  sulle 
anfore  di  Talos  e  di  Pelope  o  dell'  idria  di  Midia,  formano  perfetto  contrasto  con 
la  foga  piena  di  effetto,  selvaggia  delle  scene  di  combattimento  nei  tre  ultimi 
vasi.  Questi  tre  vasi  si  debbono  aggruppare  insieme,  pur  vedendo  in  essi  vari  stadi 
di  uno  stesso  indirizzo  stilistico;  ma  da  questo  gruppo  debbono  essere  allontanate 
le  due  anfore  predette. 

Ma,  ha  scritto  il  Furtwängler,  la  forma  del  vaso  di  Milo  e  uguale  a  quella 
dell'  anfora  di  Pelope,  ma  requisiti  di  tecnica  e  di  disegno  sono  comuni  ai  due 
vasi  ed  all'  anfora  di  Talos.  Che  la  figura  mediana  di  Talos  in  quest'  ultimo  vaso 
sia  in  bianco  e  che  le  figure  di  cinque  cavalli  nella  gigantomachia  di  Milo  siano 
pure  in  bianco,  ciö  non  costituisce  una  prova  di  contemporaneita  e  tanto  meno  di 
affinitä  di  fabbrica.  L'uso  del  bianco,  come  altrove  ho  cercato  di  accentuare,  ha 
uno  scopo  eminentemente  subordinato  all'  aspetto  totale  del  vaso,  scopo  essenzial- 
mente  decorativo,  e  pertanto  pure  nel  mezzo  della  scena  appare  la  bianca  e  dorata 
figura  dell' idolo  nel  rapimento  delle  Leucippidi  sulT  idria  di  Midia,  e  perö  in  luoghi 
contrapposti  armonicamente  appare  il  color  bianco  in  un  coperchio  di  tazza  da  Kertsch 
di  certo  eseguito  nel  IV°  secolo  inoltrato  (Compte-Rendu,  Atlas,   1861,  t.  I). 

La  forma  dell'  anfora  si  osserva  eguale  nel  vaso  di  Pelope;  ma  anche  questo 
non  e  una  prova  di  perfetta  contemporaneita  tra  i  vasi  stessi,  che  altrimenti  do- 
vremmo  ritornare  alla  falsa  idea  manifestata  dal  Milchhöfer,  idea  dimostrata  falsa 
appunto  dal  Furtwängler,  che  i  quattro  insigni  coperchi  di  tazza,  editi  nel  Bul- 
lettino  Napolitano  (V  t.  1  •  n.  s.,  I  t.  3  -  -  n.  s.,  II  t.  2  -  -  n.  s.,  II  t.  6)  e  de- 
corati  secondo  lo  stile  del  ceramista  Midia,  ed  i  coperchi  di  tazza  da  Kertsch  di 
eguale  sagoma  debbansi  ritenere  del  tutto  contemporanei. 


Süll' anfora  attica  di   Milo  con  gigantomachia  137 

E  noto  poi  che  il  Ravaisson,  illustrando  per  primo  l'anfora  di  Milo2),  aveva 
avvicinato  la  forma  sua  a  quella  delle  anfore  panatenaiche  col  nome  di  arconte. 
D'altro  lato  la  forma  dell'  anfora  di  Milo  si  riproduce  in  un  vaso  del  Museo 
Britannico  (British  Museum  Catalogue  of  vases  III,  E  280  -  Monumenti  del- 
P  Institute  X  t.  IX  1)  che  per  lo  Stile  non  pu6  discendere  piü  in  giü  del  450, 
allacciandosi  alle  scene  di  Amazzonomachie  polignotee.  L'ornato  a  viticci  nel  collo 
di  questo  vaso  e  cinto  da  cornice  ha  il  suo  riscontro  con  l'ornato  di  palmette  pure 
incorniciato  sull'  anfora  del  Louvre.  Ora,  visibilmente  v'  e  differenza  di  tempo 
nella  esecuzione  dei  due  vasi  e  perö  da  questo  si  deve  dedurre  la  mancanza  di 
base  che  in  tal  caso  puö  avere  per  aggruppamenti  o  determinazioni  cronolo- 
giche  la  forma  complessiva  del  vaso. 

Ma  ciö  che  distacca  l'anfora  di  Milo  completamente  dalle  due  anfore  di 
Talos  e  di  Pelope  e  che  pone  essa  anfora  come  ulteriore  tralignamento  del  puro 
Stile  della  tazza  di  Aristofane  e  del  vaso  frammentato  napoletano,  e  il  disegno  delle 
figure  frettoloso  e  scorretto,  il  disegno  palesante,  non  mi  perito  di  ripetere  qui 
ciö  che  giä  espressi  nel  precedente  mio  articolo,  perfetto  parallelismo  con  lo  Stile 
dei  vasi  apuli.  E  con  sorpresa  vedo  che  il  testo  del  Furtwängler  tace  delle  negli- 
genze  di  stile  pur  si  apparenti.  Di  una  sola,  appunto  perche  assai  grave,  fa 
menzione:  della  mostruosa  scorrettezza  nel  rendimento  delle  gambe  nel  gigante 
avversario  del  Dioscuro  posto  nel  piano  inferiore  della  battaglia.  A  tal  propo- 
sito  il  Furtwängler  ammise  la  frettolositä  con  cui  dovette  lavorare  il  decoratore 
dell'  anfora  pur  con  la  espressione  di  ricchi  particolari.  Ma  tale  frettolositä, 
ammessa  dal  Furtwängler,  come  puö  essere  posta  al  pari,  si  da  concludere  ad 
una  identitä  stilistica,  dell'  accuratissimo  disegno,  frutto  di  voluta  diligenza,  degli 
altri  vasi  che  sopra  ho  citato?  Questa  frettolositä  si  palesa  in  altre  figure  del- 
1' anfora  del  Louvre  (fig.  35  ab).  Si  guardi  la  figura  avversaria  di  Ares  vestita  di 
chitone  simile  a  quello  del  dio  contro  cui  combatte.  Ora  il  Furtwängler  tacque 
completamente  sulla  deformitä  di  questa  figura  che  esprime  un  motivo  ovvio  in 
queste  scene  di  combattimento:  l'espressione  cioe  giä  da  me  notata  del  corpo 
visto  di  dorso  e  con  la  testa  obliqua.  Ognuno  invece  ammetterä  che  questa 
figura  ha  non  solo  un'  apparenza  meschina,  ma  che  fa  1'  impressione  di  essere 
raggrinzita  e  storpia.  E  1'  esame  che  si  puö  estendere  ad  altre  figure  di  questo 
vaso  conferma  appieno  il  giudizio  che  giä  il  Ravaisson  aveva  manifestato  riguardo 
alla  negligenza  con  cui  esso  vaso  fu  decorato.  A  tal  uopo  si  ponga  a  confronto 
il  gigante  avversario  di  Zeus  (Porfirione)  col  gigante  pure  veduto  di  dorso  nel 
2)  Monuments   grecs,    pb.  p.  l'Associ.ition   p.    l'encouragement    dos    £tudes    grecques,    1 S 7 5 ,    p.  1  —  1 :. 

Jahreshefte  des  rSsterr.  archäol    Institutes   Rd.   \l  1$ 


133 


P.   Ducati 


35  a:   Gigantomachia  dell' anfora  di  Milo. 


vaso  frammentato  napoletano;  il  motivo  e  identico,  ma  il  disegno  e  giä  diverso, 
giä  tralignato  nel  vaso  de!  Louvre,  come  la  muscolatura  e  piü  esagerata,  i  piedi 
sono  in  scorcio  maggiore,  il  volto  e  meno  di  profilo  apparendovi  parte  del  naso 
e  delle  labbra.  Si  aggiungano  le  scorrezioni  nel  rendimento  delle  parti  superiori 
dei  corpi  di  Ares  e  della  figura  amazzonia  sostenuta  da  Porfirione,  delle  braccia 
e  delle  spalle  di  Apollo,  di  Posidone,  di  Dioniso  e  specialmente  si  faccia  atten- 
zione  al  rendimento  dei  capelli  e  dei  piedi  e  delle  mani,  le  quali  membra  sono 
spesso  deformi,  in  particolar  modo  i  piedi  di  scorcio  che  piü  nulla  hanno  di  umano 
nei  loro  contorni.  Talora  infine  v'  e  mancanza  palese  di  proporzione  tra  un  piede 
e  l'altro  di  una  medesima  figura. 

Se  tutto  ciö  viene  ponderato  e  posto  in  confronto  con  la  mirabile  esattezza 
quasi  incisoria  con  cui  sono  espresse  le  figure  del  vaso  frammentato  napoletano, 
si  deve  di  necessitä  ammettere  che  il  pregio  disegnatorio  da  attribuirsi  a  questo 
vaso  non  puö  assegnarsi  all'  anfora  di  Milo.  Per  di  piü  nella  complessa  rappre- 
sentanza  che  orna  tutto  attorno  questa  anfora  si  nota  una  ripetizione  di  movimenti, 
indice  di  non  alta  potenza  artistica,  ripetizione  che  da  un  senso  di  monotonia. 
Eguali  o  quasi  tra  di  loro  sono  l'avversario  di  Hermes  e  quello  di  Cora,  quelli  di 
l'<-rsefone  e  di  Artemide,  quelli  di  Dioniso  e  di  Ares;  cosi  nel  movimento  impe- 
tuoso  sono  assai  simili  tra  di   loro  le  dee  Persefone,  Tora,  Athena. 

Le  brutte  qualitä  <li  disegno  e  di  composizione  escludono  1'  avvicinamento 
proposto   dal    Furtwängler    dell'    anfora   di    Milo   alla  tazza  di   Aristofane,    al  vaso 


Süll'  anfora  attica  di  Milo  con   gigantomachia 


'39 


35  b:  Gigantomachia  deü'  anfora  di  Milo. 

frammentato  di  Napoli;  altre  considerazioni  m'  inducono  a  far  ritenere  seriore  a 
questi  due  vasi  detta  anfora.  Prima  di  tutto  noto  la  espressione  di  alcuni  motivi 
comuni  a  lei  e  ad  altri  vasi:  la  figura  di  Zeus  nel  suo  focoso  movimento  ricorda  e 
il  cacciatore  che  scaglia  la  mazza  a  sinistra  sopra  il  cinghiale  nella  pelike  Botkin 
(Annali  dell'  Inst.,  1868  t.  L.  M.)  e  specialmente  l'Edipo  di  un  ariballo  ciprioto 
(Journal  of  Hellenic  Studies  t.  81);  ma  quäle  differenza  da  quest'  ultimo,  in  ispecie 
pel  viso  assai  piü  schiacciato  nella  figura  del  dio!  Ma  in  un  mio  scritto3)  ho 
osservato  come  il  suddetto  ariballo  ciprioto  non  sia  altro  che  un  pretto  antece- 
dente  dei  vasi  detti  di  Kertsch  dal  Furtwängler,  del  IV0  secolo  giä  avanzato.  La 
pelike  Botkin  pure,  come  in  questi  Annali  mi  sono  espresso,  non  puö  risalire  piü 
in  sü  dei  primi  anni  del  suddetto  secolo,  e  pertanto,  anche  per  questi  confronti, 
dovremmo  abbassare  di  non  poco  la  data  espressa  dal  Furtwängler  rispetto  al- 
l'anfora  di   Milo. 

Confronti  simili  conducono  alla  stessa  conclusione.  L'  Eracle  saettatore  col 
capo  non  di  pretto  profilo,  e  simile  all'  Amazzone  che  tende  l'arco  sul  notissimo 
ariballo  cumano  (Fiorelli,  Vasi  rinvenuti  a  Cuma  t.  8);  solo  il  contorcimento  della 
figura  nell'  anfora  del  Louvre  e  piü  spinto  perche  il  torso  e  di  pieno  prospetto  e 
perö  la  gamba  destra  piegata  e  del  tutto  di  fronte.  La  persona  avversaria  mostruosa 
di  Dioniso  con  scudo  alzato  ricorda  con  esagerazione  il  Monichos  del  suddetto 
ariballo  e  1'  avversario  caduto  di  Athena  ricorda  la  Creusa. 

3)  Ausonia  I  (1907)  p.  46  e  seg. 

18* 


140  P.  Ducati 

Ma  1'  ariballo  cumano,  prezioso  epigono  delle  amazzonomachie  polignotee, 
non  puö  rimontare  piü  in  sü,  secondo  il  mio  giudizio  altrove  espresso,  degli 
ultimi  anni  del  sec.  V°.  Se  pertanto  alcuni  motivi  si  palesano  su  alcuni  vasi  ai 
quali  1'  anfora  deve  essere  contemporanea  o  posteriore,  alcuni  schemi  si  mani- 
festano  giä  precursori  di  schemi  noti  a  noi  da  un  monumento  posteriore,  dalla 
gigantomachia  di  Pergamo.  Giä  somiglianza  presenta  l'aggruppamento  di  Zeus  e 
di  Porfirione  tanto  nell'  anfora  che  nel  rilievo;  basterebbe  che  1'  Athena  del  vaso, 
in  luogo  di  vibrare  l'asta,  afferrasse  il  giovine  avversario  per  i  capelli  e  si  for- 
merebbe quasi  lo  Schema  del  gruppo  pergameno. 

Altro  indice  di  etä  seriore  ci  e  dato,  come  io  credo,  dalla  piccola,  anzi  minu- 
scola  figura  di  Eros  che  dalla  groppa  di  un  cavallo  prende  parte  attiva  alla  lotta 
scagliando  una  freccia.  Questo  Eros,  dal  piccolo  corpo  interamente  bianco,  non  ci 
fa  venire  alla  mente  1'  Eros  adolescente  proporzionato  rispetto  alle  altre  figure  dei 
vasi  del  ciclo  di  Midia,  ma  la  figura  del  dio  esageratamente  piccola  in  tardi  vasi 
attici  del  IV0  secolo  (per  es.  anche  sul  bei  coperchio  di  tazza  in  F.  e  R.,  op. 
cit.  t.  68).  E  la  presenza  dell'  Eros  partecipante  alla  lotta  non  e  pur  essa  un 
segno  di  fabbricazione  tarda  del  vaso,  un  segno  precursore  dell'  invadente  ele- 
mento  erotico  nei  vari  prodotti  della  civiltä  ellenistica? 

Si  aggiunga,  indizio  che  certo  non  parla  in  favore  dell'  artista  e  che  fa  di- 
scendere  la  sua  opera  ad  un'  epoca  piuttosto  tarda,  la  contaminazione,  giä  notata 
dal  Ravaisson,  di  figure  di  Amazzoni  in  una  scena  di  gigantomachia.  Tale  con- 
taminazione non  fu  ammessa  dal  Furtwängler,  che  ingegnosamente  ha  spiegato 
la  morente  figura  del  tutto  amazzonia  sostenuta  da  Porfirione  come  quella  della 
figlia  di  Porfirione  stesso,  di  Eritra.  Ma  io  credo  che  1'  apparenza  prettamente 
giovanile  dell'  imberbe  Porfirione  debba  far  escludere  tale  ipotesi.  Altra  Amazzone 
riconoscerei  nella  figura  con  chitone,  elmo  e  scudo  della  quäle  ho  notato  la  de- 
formitä,  awersaria  di  Ares.  Ed  una  terza  figura  amazzonia  sarebbe  infine  per  me 
quella  posta  tra  le  schiere  degli  dei,  figura  che,  variamente  denominata  sinora4), 
fu  battezzata  per  Ecate  dal  Furtwängler.  Tale  denominazione  non  mi  pare  che  sia 
giusta  per  1'  arma  che  la  figura  sta  scagliando,  cioe  una  freccia.  Seguirei  invece 
il  Rayet  ed  il  Collignon r')  nel  vedere  in  questa  figura  un'  Amazzone  a  causa  del 
vestito  e  specialmente  pel  caratteristico  berretto  a  cresta,  vestito  e  berretto  che  hanno 
singulare  analogia  con  cio  che  si  osserva  presso  di  una  Amazzone  su  di  un  vaso  apulo 
anfora  della  collezione  Jatta  a  Ruvo:  Monumenti  dell' Institute  X  t.  X  XVIII). 

*)  Si  vedano  le  varie  denominazioni  raccolte   in  r')  Hisloire  de  la  ceramique  grecque  283. 

Mayer,  Giganten  und  Titanen  358. 


Süll'  anfora  attica  di  Milo  con  gigantomachia  '4' 

A  sostegno  di  questa  mia  tesi  sul  carattere  tardo  dell'  anfora  di  Milo  allego 
il  rendimento  dei  volti  di  prospetto  nello  figure,  rendimento  giä  del  tutto  analogo 
a  quello  dei  vasi  apuli  che  non  possono  risalire  se  non  al  IV0  secolo  di  molto 
avanzato.  Si  confrontino  essi  volti  di  prospetto  con  quelli  di  Gea,  di  .  .  .  .  yai'wv, 
di  Efialte  della  tazza  di  Aristofane  da  im  lato,  con  quelli  di  figure  su  vasi  apuli 
di  miglior  espressione  di  disegno  dall'  altro;  si  vedrä  che  V  anfora  di  Milo  si 
avvicina  per  questo  rispetto  assai  piü  a  questi  vasi  che  alla  tazza,  in  cui  tutte  le 
proporzioni  facciali  sono  assai  bene  mantenute  ed  il  contorno  e  regolarmente 
ovaleggiante. 

Neil'  anfora  di  Milo  invece  il  contorno  del  volto  e  giä  schiacciato,  corto  e 
il  naso  dalle  ampie  narici,  assai  allungati  gli  occhi;  tutto  palesa  una  ricerca  di 
effetto  frettolosa,  lontana  dall'  accurata  espressione  dei  bei  vasi  attici  della  fine 
del  sec.  V°,  prossima  assai  a  ciö  che  ci  e  offerto  da  molti  prodotti  apuli  del  se- 
colo successivo.  Pel  vaso  di  Milo  si  ponga  specialmente  il  confronto  con  1'  an- 
fora ruvestina  dell'  Eremitaggio  (Stephani,  n.  523  -  -  Bullettino  napolitano  II  t.  6, 
Overbeck,  Gr.  Kunstmythologie  V  n.  4)  ove  il  contenuto  h  il  medesimo  e  che 
non  puö  essere  molto   lontana    per   la    data    di    esecuzione    dal    prodotto   di    Milo. 

Riassumendo,  il  dipinto  dell'  anfora  del  Louvre  e  un  lavoro  ^eseguito  con 
grande  fretta  e  disinvoltura,  il  che  ha  portato  a  gravi  difetti  disegnatorii.  In  essa 
vedrei  1'  opera  non  collettiva,  come  voleva  il  Ravaisson,  ma  di  un  solo  pittore 
piü  mestierante  che  vero  artista;  il  mag'gior  pregio  di  essa  opera  e  non  tanto 
nella  pittura  in  se  e  nella  composizione,  che  si  mostra  un  poco  imbrogliata  e 
monotona,  quanto  nei  motivi  raccolti  e  collegati  insieme,  motivi  che  del  resto 
si  possono  meglio  vedere  nell'  ariballo  cumano  e  nel  vaso  frammentato  di  Na- 
poli  piü  vicini,  e  per  valore  artistico  e  pel  tempo,  alle  fonti  d'  inspirazione.  L'opera 
e  giä  di  decadimento  e  di  decadimento  piü  nel  disegno  che  nell'  assieme  della 
pittura;  essa  e  un  prodotto  di  pittura  ceramica  eminentemente  iudustriale,  perche 
i  modelli,  che  in  essa  opera  sono  seguiti,  non  sono  piü  sentiti  ne  resi  con  arte 
di  essi  degna.  Con  ciö  non  voglio  negare  il  buono  che  e  tuttora  conservato  e  che 
rende  preziosa  e  singulare  questa  anfora  del  Louvre.  Dato  ciö,  e  data  la  stilizzazione 
giä  progredita  delle  figure  e  dato  anche  1'  uso  del  bianco  pel  corpo  di  alcuni 
cavalli,  non  mi  perito  a  porre  lontano  questa  pittura  non  meno  di  circa  trent'  anni 
dal  vaso  frammentato  di  Napoli  con  gigantomachia  e  disegnato  secondo  il  mede- 
simo indirizzo. 

Bologna,  aprile   1908.  PERICLE  DUCATI 


142 


H.   Sitte 


Thasische  Antiken. 

Tafel   I— IV. 

Der  Name  Adolfs  Wix  de  Zsolna  ist  den  Altertumsforschern  nicht  unbekannt. 
Schon  1900  erwähnt  Perdrizet  einige  im  Hause  des  Herrn  Wix,  Konsularagenten 
Österreich-Ungarns  in  Cavalla,  befindliche  Inschriftsteine  aus  der  Gegend  von 
Philippi1);  im  ersten  Hefte  der 
Revue  Archeologique  von  1908 
wird  andeutend  auch  auf  die 
Skulpturen  der  Sammlung  hinge- 
wiesen2). Gegenwärtig  befindet 
sich  die  Sammlung  in  Wien,  wo 
ich  sie,  von  Dr.  Otto  Egger  und 
Dr.  Julius  Bankö  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  gelegentlich  der 
von  der  k.  k.  Zentralkommission 
für  Kunst-  und  historische  Denk- 
male angeordneten  Inventarisie- 
rung der  Kunstschätze  Wiens  im 
Herbste  1907  kennen  lernte.  Dem 
außerordentlichen  Entgegenkom- 
men des  Herrn  Wix  und  seiner 
verehrten  Gemahlin  danken  wir 
jegliche  Erleichterung  im  Studium 
dieses  wertvollen  Besitzes,  den  wir 
hier  edieren. 

Dem  Alter  und  der  kunsthisto- 
rischen Bedeutung  nach  kommt  die 
erste  Stelle  dem  archaischen  ,Apollo'-Kopf  (Tafel  I,  II)  zu.  Er  ist  aus  mittelgrob- 
körnigem, ziemlich  opakem  weißem  Marmor  gearbeitet;  seine  Höhe  beträgt  0-277  '", 
die  Länge  des  Gesichtes  vom  unteren  Kinnrande  bis  zum  Ansätze  des  Scheitels 


36:    Linkes  Profil   des  .Apollo'- Kopfes. 


')  Bull,  de  corr.  hell.  X\XIV  (1900)  p.  299  sq..  und  553;     über  einige   aus  der  Gegend    von  Ampbi- 

2)  Revue  archeol.  1908  p.  38 ,;    die    ältere    Lite-  polis     oder     im      Handel  erworbene      Stücke     der 

ratur    über    Thasos    ist   von    G.  Mendel    zusammen-  Sammlung   Wix    fol^l    eine  kurze   Notiz    im    Beiblatt 

gestellt  im  Bull,  de  corr.  hell.  XXIV  (1900)  p.  263  Sp.  97  fl. 


Thasische   Antiken 


14 


gemessen  OW53"1.  Gleich  den  meisten  ähnlichen  Köpfen  ist  auch  dieser  unten  am 
Halse  quer  durch  den  Hals  und  den  breiten  Haarschopf  gebrochen.  Oben  steckte 
in  einem  gebohrten  Loche  ein  Meniskos,  dessen  Metallstütze  wohl  beim  Sturze 
das  Hinterhaupt,  und  zwar  mehr  auf  der  rechten  Kopfhälfte  absprengte  (Fig.  37). 
Sonst  ist  der  Kopf  bis  auf  eine  geringe  Bestoßung  der  Nase,  des  Kinnes,  des  linken 
Ohres  und  einiger  Locken  hinter  dem  linken  Ohre  (Fig.  36)  sehr  gut  erhalten; 
seine  Bemalung  ist  aber  spurlos  verschwunden.  Er  wurde  1906  von  Thasos  er- 
worben, wo  er  schon  vor  dem  Jahre  1 900 
im  Privatbesitze  gesehen  worden  ist s). 
Um  dieses  Fragment  rein  formal 
erschöpfend  zu  würdigen,  ist  es  not- 
wendig, sich  das  ursprüngliche  Ganze 
deutlich  vor  Augen  zu  halten  und  im 
Geiste  den  fehlenden  Körper  zu  er- 
gänzen :  einen  schlanken  männlichen 
Leib  in  der  ersten  Blüte  der  Jugend, 
wie  alle  .Apollines'  ohne  Schamhaare, 
knabenhaft,  den  linken  Fuß  etwas  vor- 
gesetzt, die  Arme  am  Körper  anlie- 
gend, alles  gerade,  aufrecht  um  eine 
vertikale  Mittelachse  streng-  architekto- 
nisch durchkomponiert  ■"). 

Meisterlich  saß  unser  Kopf  auf 
solchem  Körper  auf.  Ich  benütze  die 
seltene  Gelegenheit,  die  untere  Ansicht 
der  Bruchfläche  zu  zeigen  (Fig.  38),  die 
in  schematischer.  zum  Ganzen  pas- 
sender   Durchbildung     einen     geradezu 

Anmerkung  ebd.  p.  38  ,  enthebt:  Je  ne  connais  cette 
tete,  et  les  autres  sculptures  de  la  collertion  Wix 
que  par  une  Photographie. 

4)  Soeben,  April  1908,  erscheint  der  vom  Ver- 
fasser selbst  Bull,  de  corr.  hell.  XXXI  (1907)  p.  187 
als  „destine  a  paraltre"  bezeichnete  Aufsatz  Mendels 
über  den  von  Bent  im  Winter  1886  auf  Thasos  ge- 
fundenen ,,Apollo"-torso,  Bull,  de  corr.  hell.  XXVI 
(1902)  p.  467  sq.  pl.  IV;  was  schon  aus  den  bis- 
herigen Besprechungen  dieses  Torso  [Bull,  de  corr. 
hell.     XVIII    (1894)    P-   °'»i    (Joubin),      Chroniques 


37:   Rückseite  des  , Apollo- Kopfes'. 

3)  Die  Anmerkung  Mendels  Bull,  de  corr.  hell. 
XXIV  (I900)  p.  553-:  „J'ai  vu  moi-meme,  dans  une 
collection  privee,  une  tete  d'Apollon  archai'que,  dont 
il  ne  m'est  pas  permis  de  parier,  et  qui  d'ailleurs 
est  en  mauvais  etat  de  conservation"  bezieht  sich 
wohl  auf  diesen  Kopf,  wie  auch  Deonna  vermutet, 
der  ihn  nach  einer  Photographie  skizziert  in  dem 
letzten  Hefte  der  Revue  arch.  1908  p.  36  Fig.  7  ab- 
bildet; die  Skizze  weicht  in  wesentlichen  Punkten, 
Haar-  und  Ohrbehandlung,  vom  Original  ab,  worauf 
wie  auch   auf  die  Beschreibung  einzugehen,   mich    die 


■44 


H.  Sitte 


grundrißartigen  Eindruck  macht:  von  einer  senkrecht  auf  die  Vorderansicht  durch 
die  Mittelachse  des  Körpers  gelegten  Fläche  erhebt  sich  mit  kleinerem  Durchmesser 
die  Rundung  des  zarten  Halses,  mit  größerem  Radius  die  ebenfalls  kreisrunde 
Masse  der  Locken.  Streng  ist  auch  auf  solcher  Basis  in  der  Vorderansicht  die 
Mittellinie  über  das  Gesicht,  über  Kinn,  Mund,  Nase  fortgeführt  bis  in  den  ihren 
Abschluß  kräftig  betonenden  Scheitel,  der  das  Haar  mitten  auf  der  Stirne  trennt: 
gleichmäßig  fällt  es  zu  beiden  Seiten  auf  die  breiten  Schultern  herab,  das  auf- 
recht erhobene  Antlitz  einst 
wohl  in  dunkler  Färbung  als 
wirksamer  Hintergrund  um- 
rahmend. Aber  nicht  nur  von 
eminent  tektonischer  Bedeutung 
ist  diese  Scheitellinie  des  Haares 
für  den  Eindruck  des  ganzen 
Kunstwerkes;  sie  diente  dem 
Meister  dieses  Kopfes  auch  da- 
zu, das  Haar  viel  natürlicher  als 
an  den  meisten  gleichzeitigen 
Skulpturen  durchzubilden:  nicht 
perückenartig  liegt  es  unorga- 
nisch auf  dem  Haupte  (Fig.  39)  5), 
sondern  es  scheint  rechts  und 
links  vom  Scheitel  natürlich  her- 
vorzuwachsen (Fig.  40).  Zwei 
einst  wohl  bunt  gemusterte 
Bänder  gliedern  seine  Masse;  eines  liegt  oben  rund  auf,  das  zweite  umfaßt  den  herab- 
wallenden Schopf6).     In  flachen,  glatten,  kunstreich  gelegten   Wellenlinien  haftet 


38:   Bruchfläche  des  .Apollo'- Kopfes. 


d'Orient  p.  41g  (Reinach),  s.  auch  Journ.  of  hell, 
stud.  VII  (1887)  p.  434  (Bent),  Reinach,  Repertoire 
de  la  statuaire  II 785]  wahrscheinlich  war,  wurde 
nun  zur  Gewißheit  erhoben:  daß  er  unmöglich  mit 
diesem  Kopf  in  Zusammenhang  gebracht  werden 
könne.  Die  Bruchstelle  oben  am  Torso  hat  eine 
Breite  von  mindestens  0'24m;  der  Kopf  an  seiner 
Bruchstelle  höchstens  OI71";  die  Locken  am  Haar- 
schopfe  des  Kopfes  sind  zwar  ähnlich  gebildet, 
sie  stehen  aber,  nur  zwölf,  auf  engem  Raum  bei- 
sammen, während  am  Torso  fünfzehn  fast  die  ganze 
Breite  der  Schultern   einnehmen. 


1  Sphinx,  Akropolis-Museum  Nr.  632  'Ey. 
JLpX-  1883mV.  12;  hier  nach  einer  von  Herrn  Prof. 
Schrader  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Aufnahme. 
6)  An  einer  freilich  unmöglich  hohen  Stelle 
rein  ornamental  von  Ohr  zu  Ohr  wagrecht  verlaufend 
findet  sich  das  Haarband  öfter  bei  archaischen  Skulp- 
turen, z.  B.  an  dcrSphinx,  Akropolis-Mus.  Nr.  630'E?. 
äpx-  1883  TOV.  12,  und  auf  schwf.  Vasen,  z.B.  ganz 
ähnlich  auf  dem  Krater  des  Klitias  und  Ergotimos 
beim  Hermippos  im  Reigen  der  von  Theseus  befreiten 
attischen  Knaben  und  Mädchen,  Furtwängler-Reich- 
hold  Taf.  13;   richtig,   tiefer,  an  dem  kleinen  Bronze- 


Thasische  Antiken 


14.5 


das  Haar  wie  modern  onduliert  über  und  zwischen  den  beiden  Bändern  an  dem 
Kopfe,  darunter  ist  es  in  sphärische  Quadrate  eingeteilt,  frei,  leicht  und  locker 
erscheinend  gleichsam  wie  rückgestaut  von  Nacken  und  Schultern.  So  finden  wir 
trotz  aller  archaischen  Schematik  in  doppelter  Hinsicht  Anzeichen  einer  Natur- 
beobachtung. 

Mehr  schematisch  sind  die  beiden  Ohren  gebildet7).  Hier  scheint  nur  ober- 
flächliches Naturstudium  durch    Betasten    der   eigenen  Ohren    oder   gar  nur  ein 


39-"  Sphinxkopf  des  Akropolismuseums.  40:  ,Apollo'-Kopf  in  Voidersicht. 

unklares  Erinnerungsbild  zugrunde  zu  liegen.  Am  besten  ist  der  scharfe  äußere 
Rand  der  Ohrmuschel  wiedergegeben,  dann  das  Läppchen;  die  Höhlung  selbst 
und  der  sie  gegen  die  Wangen  abgrenzende  Knorpelfortsatz  sind  nur  schwach 
angedeutet;  dafür  aber,  wie  das  Innere  der  Ohrmuschel  zwischen  äußerem  Rand, 
Höhlung  und  Läppchen    zu    bilden    sei,   zog    der  Künstler    die   Natur    nicht    mit 


köpfe  des  Zeus  „Olympia"  IV  Taf.  I  S.  9  und  beim 
Jünglinge  des  Polymedes  aus  Delphi,  Fouilles  de 
Delphes  IV  pl.  I,  2;  Perrot,  Hist.  de  l'art  VIII  455 
(vgl.   Athen.  Mitt.  XXXII  [1907]  S.  553   oben). 

')  Die  Bildung  des  vorzüglich  erhaltenen  rechten 
Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI. 


Ohres  ist  auf  der  Tafel  I  deutlich  erkennbar.  Herr 
Prof.  Schrader  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  sein 
gesamtes  Material  an  archaischen  Köpfen  zur  Durch- 
sicht zu  überlassen;  es  findet  sich  unter  Ohren  an 
archaischen  Jünglingsfiguren  nur  annähernd  ähnliches. 

19 


146  H.  Sitte 

einem  Blick  zurate.  Auch  die  Stellung  der  Ohren  am  Kopfe  ist  wie  bei  anderen 
archaischen  Skulpturen  etwas  zu  hoch.  Neben  dieser  unruhigen  Ornamentik  des 
Haares  und  der  Ohren  erscheinen  die  Seitenflächen  der  Wangen,  unten  von  der 
kühn  geschwungenen  Linie  des  Kiefers  klar  und  kraftvoll  umsäumt,  wie  kon- 
trastierend groß,  ruhig  und  glatt.  In  gleicher  Weise  bildet  die  Stirne  eine  glatte, 
ruhige  Fläche.  Ganz  architektonisch  getragen  und  ornamental,  erst  von  glatten 
Flächen,  dann  von  reicher  gegliederten  Massen  zweifach  umrahmt  scheinen  zu- 
nächst Kinn,  Mund,  Vorderflächen  der  Wangen,  Nase  und  Augen  allein  den 
ganzen  Geist,  das  ganze  innere  Leben  des  Bildwerkes  anzudeuten. 

Die  Augen  sind  weit  geöffnet.  Der  untere  Augenrand  verläuft  fast  ganz 
wagrecht,  der  obere  ist  in  hohem  Bogen  emporgezogen,  so  daß  einer  Höhe  der 
Augen  von  o"oi5m  nur  eine  Länge  von  0*03 m  entspricht,  was  in  der  normalen 
Xatur,  man  versuche  es  nur  mit  dem  Spiegel  in  der  Hand,  wohl  kaum  zu 
erreichen  ist;  dazu  kommt  die  ganz  schwache  Betonung  der  Augenlider,  welche 
fast  keinen  Schatten  entstehen  läßt,  und  das  kugelige  Hervortreten  des  Aug- 
apfels vor  eine  über  den  Augenhöhlenrand  gelegte  Ebene:  der  Künstler  wollte 
auf  diese  Weise  den  Eindruck  eines  recht  offenen,  hellen,  klaren  Auges  erzielen8). 
Die  Nase  ist  ganz  schmal  gebildet,  wie  angespannt;  der  äußere  Rand  der  Nasen- 
flügel ist  scharf  umrissen.  Die  Wangen  sind  zu  freudigem  Lächeln  geschwellt; 
ihre  schief  von  den  Augen  kommenden  und  ihre  den  Mund  im  Bogen  umziehenden 
Flächen  stoßen  oberhalb  der  Nasenflügel  fast  in  zwei  wagrechten  Kanten  anein- 
ander. Durch  die  Schwellung  der  Wangen  wird  der  aufmerksam  geschlossene 
Mund  an  beiden  Winkeln  etwas  emporgezogen;  die  Lippen  sind,  vielleicht  um 
dieser  Spannung  des  Mundes  willen  gerade,  trocken,  kaum  gegliedert;  auch  die 
Haut  um  das  Kinn  ist  durch  die  Zusammenziehung  der  Wangen  straff  angelegt, 
so  daß  es,  besonders  im  Profil  energisch  hervortritt. 

Man  fühlt,  an  diesem  Kopf  ist  alles  sprühendes  Leben;  man  denkt  sich  un- 
willkürlich den  Unterkiefer  nicht  schlaff  herabhängend,  sondern  die  Zähne  ge- 
schlossen, die  Ohren  aufmerksam  lauschend  belebt,  man  möchte  auch  die  auf- 
rechte Haltung  der  zugehörigen  Gestalt  nicht  bloß  als  steif  und  schematisch 
empfinden,  wenn  man  sich  nur  von  diesen  durchgeistigten  Gesichtszügen  bei  der 
künstlerischen  Wertung  des  ursprünglichen  Ganzen  leiten  ließe.  Ein  Geist  scheint 
alle  ähnlichen  Apollines  zu  beseelen.  —  Er  ist  in  den  auch  zeitlich  nahestehenden 

8)  Die  Mittel,  mit  welchen  er  diese  Wirkung  besonders  Ärzte,  auf  anthropologische  Eigentümlich- 
zu  erzielen  sich  abmühte,  rufen  bei  dem  modernen  keiten  oder  gar  pathologische  Einflüsse  (morbus  Base- 
Beschauer  oft  ganz  verfehlte  Urteile  wach;  völlig  dowii!)  bei  solcher  Bildung  der  Augen  schließen 
gegen  den  Geist  dieser  Apollincs  ist  es,  wenn  Laien,  möchten. 


Thasische  Antiken 


M7 


Versen  des  homerischen  Hymnus  an  den 
pythischen  Apoll  klar  ausgesprochen: 

evx)-'  ix  V7jö<;  öpouaev  ävai;  ixaspyog  'Atc6XXwv 
äaxept  e?S6[i,evos  (xeaw  y^jiar:-  xoö  3'  dtnö  ra>XXat 
aravfrapcoeg  tiwtüvto,  aeXag  5'  eJ;  oupaviv  Txsv 

avipi  efSojievo;  a££rj6)  ie  xpaxspöj  rs 

So  läßt  dieser  Kopf  den  ganzen  Reiz 
archaischer  Skulpturen  voll  empfinden,  jene 
eigenartig  berührende  Dissonanz  zwischen 
Wollen  und  Können  einer  großen,  aber 
noch  in  den  ersten  Anfängen  stehenden 
Kunst,  die  noch  nicht  alles  deutlich  aus- 
zudrücken vermag,  die  noch  Entgegen- 
kommen von  dem  Beschauer  verlangt, 
der  ihre  Werke  ganz  genießen  will9). 
Wird  einmal  die  in  den  letzten  Jahren 
so  glücklich  bereicherte  Zahl  der  Apol- 
lines zusammengestellt  wrerden,  so  wird 
der  ,Apollo'-  Kopf  der  Sammlung  Wix 
einen  hervorragenden  Platz  in  der  Reihe 
der  Schöpfungen  altjonischer  Inselkunst 
aus  den  ersten  Jahrzehnten  des  sechsten 
Jahrhunderts  finden  müssen.  Völlig  Glei- 
ches läßt  sich  nicht  um  ihn  gruppieren; 
in  der  Stilisierung  der  Haare  ähnelt  am 
meisten  die  schon  erwähnte  Sphinx  des 
Akropolismuseums  (Fig.  39),  im  Gesamt- 
eindruck des  Gesichtes  der  Sphinxkopf 
der  Kollektion  Warocque10). 

9)  Vgl.  Furtwängler,  Glyptothek  S.  48  zum  Kopfe 
des  Apoll  von  Tenea  und  besonders  die  Bemerkungen 
Holleaux's  im  Bull,  de  corr.  hell.  XI  (1887)  p.  187. 

lü)  ErstereAkropolismuseum  n.  632,  nach Lepsius 


41:  Weibliche  Gewandfigur. 

Marmorstudien  72  n.44  „Inselmarmor" ;  letztere,  Collec- 
tion  Warocqu£,  Antiquites  egypt.,  grecques  et  ro- 
maines  n.  6,  stammt  „aus  dem  Phaleron",  also  wohl 
auch  von   den  Inseln  des  Agäischen  Meeres. 

19* 


148 


H.  Sitte 


Unter  den  Skulpturen  der  Sammlung  folgt  der 
Kunststufe  nach,  die  sie  vor  Augen  führt,  zeitlich  zu- 
nächst die  weibliche  Gewandfigur  (Fig.  41 — 43).  Sie 
wurde  in  Limenas  auf  Thasos  gefunden  an  einer  Stelle 
zusammen  mit  den  Statuetten  der  Kybele  (Fig.  44),  des 
Dionysos  (Fig.  53),  des  Hermes  (Fig.  55)  und  einem 
römischen  Medaillonrelief  (Fig.  57);  die  Statuette  ist  aus 
feinkörnigem  weißen  Marmor  gearbeitet  und  o-66m  hoch; 
oben  ist  ein  weites  Einsatzloch  für  den  Kopt  sauber 
ausgemeißelt;  beide  Arme  waren  an  geglätteten  Flächen 
mittels  Bleiverguß  angestückt,  dessen  Blei  sich  im  rechten 
Armstumpf  noch  erhalten  hat;  nur  wenige  besonders 
vorstehende  Gewandfalten  und  der  Rand  der  ausnehmend 
dünnen  Plinthe  sind  stellenweise  gebrochen;  sonst  scheint 
der  Erhaltungszustand,  vor  allem  am  Oberkörper  darauf 
hinzudeuten,  daß  die  Statuette  lange  Zeit  im  Freien  stand, 
bevor  sie  unter  die  Erde  kam. 

In  schwerem,  unter  dem  Überschlag  gegürtetem 
Peplos  steht  eine  _voll  entwickelte  Göttin  hoch  aufge- 
richtet vor  uns.  Die  Statuette  war  nur  auf  Vorder- 
ansicht und  Seitenansicht  (Fig.  42)  hin  gearbeitet;  die 
Rückseite  (Fig.  43)  ist  nur  flüchtig,  skizzenhaft,  aber 
doch  gut  in  großen  Linien  angelegt;  es  läßt  sich  daher  kaum  entscheiden, 
ob  die  Göttin  außer  dem  Peplos  noch  einen  Mantel  trug,  der  über  beide 
Schultern  etwas  vorgenommen  war  und  hinten  tief  herabhing.  Das  Gewand 
ist  aber  jedenfalls  an  den  für  die  Ansicht  bestimmten  Seiten  vorzüglich  durch- 
komponiert. Quer  über  die  Mitte  des  Leibes  verläuft  das  reiche  Gefältel  des  über 
der  Gürtung  herabhängenden  Gewandbausches  und  der  untere  Rand  des  Über- 
schlages; so  entsteht  ein  kräftiges  Gewandmotiv,  welches,  nicht  in  übertriebenem 
Bogen,  sondern  ziemlich  wagrecht  geführt,  die  ganze  Gestalt  der  Länge  nach 
klar  in  eine  obere  und  untere  Hälfte  teilt  u).  Klar  ist  auch  durch  die  Gewand- 
behandlung die  untere  Partie  der  Figur  in  linke  Stand-  und  rechte  Spielbeinseite 
gegliedert;  nur  das  Standbein  ist,  wie  eine  kannellierte  Säule  die  Wucht  der 
großen  Komposition   allein  tragend,  von  tief  ausgearbeiteten,  dunkelschattenden 

u)    Der  Oberkörper    erscheint   verhältnismäßig    etwas   zu    kurz,   doch    beruht    dies  wohl   nur  auf  dem 
Fehlen  des  Kopfes. 


42:  Weibliche  Gewandstatue 
(Seitenansicht  . 


Thasische  Antiken 


149 


Steilfalten  verhüllt,  die  aber,  fern  von  aller  bei 
ähnlichen  Statuen  bis  zur  Manier  erstarrenden  Syste- 
matik, mit  feinem  Geschmacke  und  guter  Beob- 
achtung des  wirklich  Möglichen  detailliert  sind.  Das 
rechte  Spielbein  tritt,  etwas  zur  Seite  gesetzt,  form- 
schön in  fast  faltenlosem  Gewände  hell  hervor,  nur 
an  seinem  äußeren  Kontur  von  einer  dicken  Falte 
des  schweren  Stoffes  nachdrücklich  begleitet.  Im 
Gegensinne  ist  der  Oberkörper  durchgebildet,  der 
stark  durch  die  Unbilden  der  Witterung  gelitten 
hat.  Von  der  vollen  rechten  Brust  geht  zunächst 
außen  eine  gerade  Falte  steil  herab;  dann  folgen 
gegen  das  Standbein  zu  geschwungen  einige  große 
Faltenzüge;  auf  der  linken  Hüfte  ruht  das  Gewand 
fast  glatt  auf;  eine  Anzahl  kleinerer  Falten  ver- 
bindet in  schönen  Bogenlinien  beide  Brüste.  Einge- 
säumt wurde  das  Ganze  rechts  und  links  von  den 
gerade  herabfliessenden  Falten  des  Mantels  oder 
hinteren  Überschlages;  der  rechte  Arm  hielt  wohl 
gesenkt  in  der  vorgestreckten  Hand  eine  Schale, 
der  linke  war  hoch  an  einem  Zepter  aufgestützt. 
Auch  über  die,  dem  architektonischen  Aufbaue  des 
Ganzen  entsprechende  Haltung  des  Kopfes  kann  kein  Zweifel  sein:  je  zwei  Locken- 
enden sind  ganz  symmetrisch  rechts  und  links  am  vorderen  Rande  des  Einsatz- 
loches für  den  Kopf  deutlich  sichtbar;  hinten  hängt  in  der  Mitte  das  in  vier 
Locken  auslaufende  Ende  eines  Haarschopfes  herab;  das  Haupt  war  also  geradeaus 
gerichtet  und  wohl  auch  kraftvoll  aufrecht  getragen. 

Man  erkennt  in  dieser  Statuette  noch  deutlich  den  tektonischen  Ursprung 
aller  ruhig  stehenden  Figuren  der  griechischen  Plastik,  zwar  gemildert  durch 
viele  Jahrzehnte  langes  Naturstudium,  aber  noch  nicht  aufgegeben.  In  der  Zeit 
des  peloponnesischen  Krieges,  als  alle  griechischen  Bildhauer  noch  unter  dem 
zwingenden  Eindrucke  der  Parthenosstatue  arbeiteten,  entstanden  die  so  zahl- 
reich uns  überlieferten  Steilfaltenfiguren,  welchen  sich  im  Typus  diese  Statuette 
nicht  unwürdig  anschließt.  Der  Meister  dieser  Figur  war  ein  Handwerker,  aber 
ein  Grieche  gleichwohl  mit  Geschmack  und  Gefühl  für  Linien  und  Formen;  in 
Anlehnung  an  eine  Kolossalstatue  vom  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  schuf  er 


43:   Weibliche  Gewandstatue 
(Rückansicht). 


ISO 


II.  Sitte 


sein  kleines    Werk,  damit    es  in  einem  Heiligtume    der  Hera  oder  Demeter    als 
Weihgeschenk  seinen  Platz  finde12). 

Im  Anschlüsse  möchte  ich  nur  kurz  auf  die  sehr  schlecht  erhaltene 
Statuette  der  Kybele  (Fig.  44)  hinweisen,  die  zusammen  mit  der  eben  be- 
sprochenen in  Limenas  auf  Thasos  gefunden 
wurde;  sie  ist  aus  weißem,  feinkörnigem 
Marmor,  0-42  m  hoch,  0-225™  breit  und  o-i8m 
tief;  Kopf,  beide  Arme  von  oberhalb  der  Ell- 
bogen an,  der  rechte  Teil  der  Rückenlehne 
des  Thrones,  die  linke  vordere  Ecke  unten 
mit  der  Plinthe  sind  abgebrochen;  der  vordere 
Teil  des  rechten  Fußes  der  Göttin  war  schon 
im  Altertume  durch  ein  noch  sichtbares 
Metallstiftchen  angestückt. 

Die  hohe  Haltung  der  thronenden  Göt- 
tin, das  aufrechte  Hocken  des  gerade  vor 
sich  hinblickenden  Löwen  rechts  zu  ihren 
Füßen,  endlich  die  Durchbildung  des  Thrones 
selbst  weisen  auf  ein  groß,  noch  ganz  archi- 
tektonisch komponiertes  Original  des  aus- 
gehenden fünften  Jahrhunderts  hin.  Der 
mächtig  aus  rechteckigen  Bohlen  gezimmerte 
Thronstuhl  hat  hohe  Arm-  und  Rückenlehnen. 
Nur  der  obere  Teil  des  rechten  vorderen 
Fußes  ist  so  gut  erhalten,  daß  er  zur  Beurteilung  des  Werkes  verwendet  werden 
kann;  der  Bohlen  ist  hier  an  der  schmalen  Außenseite  von  einer  geraden 
lotrechten  Fläche  abgeschlossen,  wie  sie  an  dieser  Stelle  noch  bei  ähnlichen 
Thronstühlen  auf  rf.  Vasenbildern  vom  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  vorkommt 13). 
Genauere  Details  waren  vielleicht  durch  Malerei  angegeben.  An  den  Seiten- 
flächen ist  das  schwere  Gefüge  des  Möbels  deutlich  zu  erkennen;  die  Rück- 
seite ist  ganz  glatt  gelassen.     In  diesem  Gestühl  thronte    die    Göttin    hoch    auf- 


44:  Kybelestatuette. 


")  Über  die  Entwicklung  der  Steilfaltenfiguren 
vgl.  Furtwängler,  Griechische  Originalstatuen  in 
Venedig,  besonders  S.  32  ff. 

u)  Z.  B.  Furtwängler-Reichhold,  Griechische 
Vasenmalerei  Taf.  20  auf  dem  Krater  der  Villa  Papa 
Giulio    mit    der    Einführung    des    Herakles    in    den 


Olymp;  diese  ältere,  rechteckige  Form  der  Bohlen 
besonders  klar  ebd.  Serie  II  S.  77  Abb.  41  auf  dem 
Berliner  Stamnos  mit  der  Ermordung  Aigisth's;  die 
jüngere  Form  mit  der  geschweiften,  eingezogenen 
Außenlinie  ebd.  Tafel  10  auf  der  Münchner  Unter- 
weltsvase. 


Thasische  Antiken 


151 


45 :   Weiblicher  Kopf. 

gerichteten  Hauptes,  den  rechten  Unterarm  mit  einer  Schale  vorgestreckt,  die 
erhobene  Linke  auf  ein  Zepter  aufstützend u).  Über  dem  unter  den  Brüsten 
gegürteten  Peplos  trägt  sie  einen  Mantel,  der  in  groß  angelegtem  Faltenwurfe 
von  der  linken  Schulter  und  dem  wagrechten  linken  Oberarme  weit  herabfällt, 
dann  vom  Rücken  rechts  unter  dem  Ellbogen  wieder  vorgenommen  Schoß,  Kniee 
und  einen  großen  Teil  beider  Beine  bedeckt.  Es  wird  auch  diese,  soweit  er- 
kennbar, gut  gearbeitete  Statuette  zu  gleicher  Zeit  und  zu  gleichem  Zwecke  ent- 
standen sein,  wie  die  vorher  besprochene. 

Denselben  Traditionen  folgt  entfernt  auch  noch  der  halbverschleierte 
Frauenkopf  (Fig.  45).  Er  wurde  auf  Thasos  erworben  und  mißt,  aus  weißem, 
feinkörnigem  Marmor  gearbeitet,   o"3 1 5 m    in  der  Höhe ;    er   ist  am    untern  Ende 


u)  Ob  die   Göttin    einen    Schleier   trug,    ob  sie       an    der    linken    Seite     des    Thrones     saß    jedenfalls 
vielleicht    mit   der   Linken    ein   Tympanon    auf  dem        kein  Löwe. 
Oberarm  festhielt,  läßt   sich  nicht  mehr  entscheiden; 


152  H.  Sitte 

des  Halses  gebrochen,  an  Kinn,  Mund,  Nase  und  den  Haaren  oberhalb  des 
rechten  Auges  bestoßen;  der  Schleier  ist  an  der  Rückseite  ganz  glatt  gearbeitet. 
Sonach  war  der  Kopf  wohl  bestimmt  im  Dreiviertelprofile  von  links  gesehen  zu 
werden,  während  die  Rückseite  von  den  Wänden  einer  Nische  den  Blicken  ent- 
zogen war.  Fast  gerade  sitzt  das  feine  Oval  des  Gesichtes  auf  dem  vollen  Halse 
auf.  Ein  völlig  ruhiges  Antlitz,  aber  doch  entschlossenen  Ausdruckes,  kraftvollen 
Charakters,  noch  nicht  sich  einer  inneren  Stimmung  ganz  hingebend  wie  der 
im  folgenden  besprochene  Kopf.  Glatte  Wangen  umsäumen  ein  volles  Kinn, 
üppige  Lippen  einen  ruhig  geschlossenen  Mund;  die  Augen  sind  ein  wenig  klein 
und  stehen  nur  durch  eine  mäßig  breite  Nasenwurzel  getrennt  ziemlich  nahe  zu- 
einander. Die-Stirne  wird  von  fein  gewelltem  Haare  begrenzt,  das,  in  der  Mitte 
gescheitelt,  erst  nahezu  wagrecht  verläuft,  die  Schläfen  freiläßt,  dann  rasch,  die 
Ohren  fast  bis  auf  das  Läppchen  verhüllend,  zum  Nacken  und  auf  die  Schultern 
herabgleitet.  Vor  den  Ohren  kommt  je  eine  kurze  Locke  unter  der  geschlossenen 
Haarmasse  hervor.  Der  Schleier  fällt  fast  symmetrisch  zu  beiden  Seiten  herab. 
Dieser  charaktervolle  Kopf  wird  einem  Grabrelief  angehört  haben,  wie  sie,  auf 
gute  Typen  des  fünften  Jahrhunderts  zurückgehend,  handwerksmäßig  bis  weit  ins 
vierte  Jahrhundert  hinein  hergestellt  wurden. 

Ein  ganz  anderes  Wesen  zeigt  der  verschleierte  Kopf  einer  Grabstatue 
(Tafel  HI,  IV).  Er  stammt  von  der  Insel  Thasos,  ist  aus  weißem,  großkörnigem 
Marmor  gearbeitet  und  mißt  o*32m  in  der  Höhe,  0-273™  m  der  Tiefe,  0-27™  der  Breite 
nach;  er  ist  quer  durch  den  Hals  gebrochen;  der  scharfe  Schleierrand  ist  bis 
auf  eine  kleine  Stelle  links  vom  rechten  Auge  und  rechts  oberhalb  des  linken 
Auges  abgesplittert;  sonst  ist  der  Kopf  bis  auf  eine  geringe  Bestoßung  der  Nase 
vorzüglich  erhalten.  Das  ganze  Gesicht  und  die  ganze  linke  Außenseite  des 
Schleiers  sind  stark  geputzt;  eine  braune  Sinterschicht  bedeckt  jetzt  noch  die 
rechte  Außenseite  des  Schleiers,  doch  kann  daraus  kein  Schluß  auf  die  ursprüng- 
liche Stellung  des  Kopfes,  in  einer  Nische  etwa,  gezogen  werden,  da  der  gleiche 
Sinter  in  der  gleichen  Stärke  auch  die  Bruchflächen  des  Halses  und  des  Schleier- 
randes überzieht  und  wohl  vor  der  nicht  ringsum  durchgeführten  Reinigung  auf 
dem  ganzen  Kopfe  vorhanden  war.  Der  Schleier  ist  zwar  oben  glatt,  seitlich  nur 
in  wenigen  Faltenzügen  gearbeitet;  da  er  aber  in  seinem  Verlaufe  doch  überall 
die  vollen  Kopfformen  und  das  am  Hinterhaupte  sitzende  Haarnest  berücksichtigt, 
so  gehört  dieser  Kopf  bestimmt  zu  einer  für  allseitige  Ansicht  berechneten  frei- 
stehenden Statue.  Die  Art,  wie  der  Schleier  den  Kopf  bedeckt,  läßt  keinen 
Zweifel  über  seine  Haltung  zu;  an  der  linken  Seite  des  Kopfes  liegt  er  eng  an, 


Thasische  Antiken  '53 

rechts  weicht  er  in  leichtem  Bogen  vom  Kopfe  ab,  das  Ohr  noch  sichtbar 
lassend;  also  keine  aufrechte,  einen  kräftigen  Charakter  bekundende  Stellung 
hatte  der  Kopf,  er  war  sinnend,  hingebungsvoll  sanft  nach  seiner  rechten  Seite 
zu  geneigt,  mehr  noch  nach  vorne;  der  Last  des  Hauptes  war  kein  bewußter 
Widerstand  entgegengesetzt;  gewiß  war  es  auch  etwas  rechtshin  gedreht  und 
bot  dem  Beschauer  seine  linke  Seite  zur  Ansicht  dar,  an  welcher  der  Schleier, 
knapp  beim  Ohre  vorbei  anliegend,  fast  nichts  verhüllte  (Fig.  46).  Der  weiche 
Mund  ist  nicht  geschlossen.  Die  Zähne  sind  nicht  aneinander  gehalten,  der  Unter- 
kiefer senkt  sich  leicht  herab  und  bewirkt  die  sanfte  Öffnung  der  Lippen.  Der 
Mund  scheint  etwas  nach  rechtshin  verzogen.  Die  schmale  Nase,  ruhig,  natürlich  ge- 
bildet, geht  mit  breiter  Wurzel  in  die  klare  helle  Stirne  über.  Die  Augen  scheinen 
weniger  als  bei  gewöhnlicher  Haltung  der  Lider  geöffnet.  Das  untere  Lid  ist 
nur  zart  angegeben.  Das  obere  senkt  sich  wie  ermattet  herab,  umzogen  von 
schön  geführten  Brauenbogen,  deren  Fleisch  innen  etwas  zurück,  außen  etwas 
hervortritt  über  die  Augenlider.  Knapp  bei  den  Augen  geht,  die  Stirne  rund 
umsäumend,  die  Linie  des  Haaransatzes  vorüber.  Dieses  erscheint,  nur  zart  ge- 
arbeitet, wie  hellfarbig;  es  verläuft  in  mäßig  breiten,  parallelen  Bogen  von  der 
Stirne  nach  rückwärts,  wo  es  am  Hinterhaupte  in  einem  Nest  aufgenommen  ist. 
Etwas  weichen  die  beiden  Wangen  in  ihrer  Durchbildung  voneinander  ab.  Die 
linke  ist  völlig  ruhig,  naturgemäß;  beachtet  man  aber  den  schwachen  .Schatten 
neben  dem  rechten  Mundwinkel,  die  Art,  wie  der  Mund  selbst  etwas  verzogen 
ist,  so  scheint  ein  leichter  Schauer  über  die  rechte  Wange  zu  gleiten,  wie  eine 
leise  Spur  seelischer  Erregung:  eine  Grabstatue  trug  diesen  Kopf. 

Wie  sah  sie  wohl  annähernd  aus?  Haltung  und  Haartracht  des  Kopfes 
mag  zunächst  wohl  an  die  große  Dresdner  Herkulanenserin  gemahnen.  In 
Reinachs  Repertoire  de  la  statuaire  II  p.  665  4  ist  eine  weibliche  Gewandfigur 
abgebildet,  deren  Kopf  in  der  Art,  wie  der  Schleier  ihn  fast  ganz  bedeckt,  und 
in  der  stark  geneigten  Haltung  ganz  unserem  Kopfe  gleicht;  als  Fundort 
ist  Thasos  angegeben  15).  Durch  die  Liebenswürdigkeit  der  Direktion  des  kaiser- 
lichen ottomanischen  Museums  in  Konstantinopel  bin  ich  in  der  Lage,  diese 
Statue  in  der  richtigen  Ansicht  zu  zeigen  (Fig.  47).  Sie  stand  rein  dekorativ 
verwendet    mit    mehreren    ähnlichen  bei  einem  Triumphbogen;    ihr   Kopf  gleicht 

15)  Journ.  ofhell.  stud.  VII  (1887 1  p.  438  (Bent);  naeura  1887  n.  31 13  p.  830  und  Reinach,  Chroniques 
über  das  Postament,  vor  welchem  sie  ausgegraben  d'Orient  p.  4.17.  Für  gütige  Überlassung  der  Photo- 
wurde, mit  einer  griechischen  Ehreninschrift  für  Fl.  graphie  bin  ich  Herrn  Halil  Bey  zu  großem  Danke 
Vihia  Sabina   ebd.   p.  426  (31);    vgl.   auch  The   Athe-  verpflichtet. 

Jahreshefte  des  österr.  arcbäol.   Institutes   Bd  XI  20 


154 


H.  Sitte 


4G:   Kopt  einer  Grabstalue. 


dem  ebenfalls  von  Thasos  stammenden  Kopfe  der  Sammlung  YVix,  soweit  eben 
flüchtige  römische  Kopistenarbeit  an  ein  griechisches,  wenn  auch  schlichtes 
Original  erinnert;  die  Vermutung  drängt  sich  auf,  daß  der  römische  Arbeiter  für 
die  Ausführung  seines  Auftrages  sich  einfach  an  eine  griechische  Grabstatue 
hielt,  die  er  auf  Thasos  sah,  vielleicht  eben  an  jene,  deren  Kopf  uns  erhalten 
ist:  jedenfalls  scheint  seine  Statue  einen  stilistisch  viel  besser  zu  diesem  ruhigen 
Kopfe  jiassenden  Körper  zu  überliefern,  als  spätere  Gewandfiguren  mit  klein- 
lichem, unruhigem  Gefältel. 

Das  Untergewand  der  Statue  zeigt  die  für  die  erste  Hälfte  des  vierten  Jahr- 
hunderts charakteristische  Durchbildung  der  Steilfalten;  die  einseitige  Art  ihrer 
Durchführung  über  dem  Standbeine  ist  wieder  einer  natürlicheren  Weise  ge- 
wichen, auch  die  phidiasische  vom  Knie  des  Spielbeines  gerade  herabhängende 
Falte  ist  wieder    zu    beobachten  ""').     Der    Faltenwurf  des  Mantels    läßt    trotz  der 

urtwängler,    Griechische  Originalstatucn    in   Venedig   32  ff. 


Thasische   Antiken 


155 


Entstellungen  durch  den  römischen  Kopi- 
sten eine  Ruhe  und  Größe  der  Anlage 
erkennen,  welche  noch  in  diese  Zeit  wei- 
sen 17).  Den  unten  wahrnehmbaren  Steil- 
falten der  rechten  Standbeinseite  ent- 
sprechen links  von  der  Schulter  über  Arm 
und  Hand  bis  auf  den  Fuß  herabziehende 
Falten.  Vom  Spielbeine  gehen  in  weiten, 
flachen  Bogen  große  Falten  zur  rechten 
Hüfte;  in  eben  dieser  Richtung  verlaufen 
ziemlich  gerade  quer  über  die  Mitte  des 
Leibes  einige  Falten;  sie  scheinen  wie 
gespannt  durch  die  am  griechischen  Origi- 
nale wohl  halb  oder  ganz  verhüllte,  den 
Mantel  erfassende  Linke.  Von  der  Hüfte 
des  Standbeines  zieht  dann  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  schräg  aufwärts  weiter 
zur  linken  Schulter  der  stark  abgebogene 
rechte  Unterarm  mit  den  Falten  des 
Mantels,  die  in  ihrem  Zuge  die  leider 
verlorene  rechte  Hand,  welche  spielend 
in  den  Saum  des  Mantels  griff,  wirksam 
unterbrach.  Diese  in  zwei  großen  Ab- 
sätzen über  den  ganzen  Körper  reichende 
Wellenlinie  wird,  wieder  im  Gegensinne, 
fortgesetzt  und  beendet  durch  den  nach 
seiner  rechten  Seite  hin  geneigten  Kopf. 
Von  den  hervortretenden  Körperteilen, 
dem  linken  Knie  und  der  linken  Brust 
gehen  kleine  runde  Falten  aus,  welche  die 
zwischen  den  großen  Gewandmotiven  ent- 
standenen Flächen  etwas  beleben. 

Auf  solchem  Körper  gedacht,  erhält 
unser  Kopf  die  Stellung,  welche  der  Ver- 


47:   Weibliche  Gewandfigur  des  ottomanischen 
Museums  in   Konstantinopel. 


n)  Zu    dieser   Größe   und    Ruhe    will    die    Art 
nicht  passen,    wie  die  linke  Hand    und  das  Gewand 


über   ihr   gebildet    sind.      In    ihrer   vorzüglichen  Er- 
haltung zeigt  sie  mit  den  zarten  Fingerspitzen,  weichen, 

20* 


156  H.  Sitte 

lauf  des  Schleiers  noch  ohne  Kenntnis  der  thasischen  Statue  schon  allein  an- 
nehmen ließ.  Sie  stimmten  auch  im  Stile  überein:  die  geringen  Spuren  archi- 
tektonisch kraftvollen  Aufbaues  in  den  Steilfalten  des  Untergevvandes  scheinen 
durch  den  Mantel  fast  absichtlich  verdeckt;  alle  Glieder  scheinen  völlig  zu 
ruhen;  nur  in  dem  Spiele  der  Hände  mit  dem  Saume  des  Mantels  ist  eine 
zarte  Andeutung  innerer  Erregung  im  Körper  wahrnehmbar;  nur  ein  leichter 
Schatten  gleitet  über  die  rechte  Wange  des  sonst  gänzlich  stillen  Antlitzes. 
Mit  unendlich  rührendem  Ausdrucke  im  gesenkten  Blick  läßt  dieser  Kopf  die 
Innigkeit  warm  empfinden,  deren  die  griechische  Plastik  im  Zeitalter  ihrer  Lyrik 
fähig  war. 

Seiner  ganzen  Anlage  nach  gehört  in  das  vierte  Jahrhundert  auch  der 
leider  sehr  beschädigte  Apollokopf  (Fig.  48).  Er  wurde  von  Thasos  erworben, 
besteht  aus  weißem  Marmor  und  ist,  im  Halse  schief  von  rechts  unten  nach 
links  oben  gebrochen,  0-265 m  hoch;  die  Nase  ist  zu  drei  Viertteilen,  den  fast 
senkrecht  durch  den  Kopf  verlaufenden  Schichten  des  Marmors  folgend,  abge- 
splittert. Der  Kopf  war  nach  seiner  linken  Seite  hin  geneigt.  Das  feine  Oval  des 
Gesichtes  zeigt,  soweit  erkennbar,  Mund,  Nase  und  Augen  in  durchaus  anmutiger 
Zeichnung,  oben  von  der  für  dieses  Jahrhundert  charakteristischen  Stirne  gekrönt. 
Die  Haare  umrahmen  es,  Schläfen  und  Ohren  verdeckend,  erst  in  einem  in  der 
Mitte  gescheitelten  und  etwas  erhöhten  Wulste,  dann  liegen  sie  glatt  auf  der 
Rundung  des  Schädels  auf;  hinten  fallen  sie  offen  herab,  zwei  Locken  sind 
beiderseits  vorgenommen  18). 

Weiter  in  hellenistische  Zeit  herab  führt  die  Genrefigur  eines  sich  auf- 
stützenden Mädchens  von  bloß  dekorativem  Werte  (Fig.  49  und  50).  Die  Figur  ist 
gleichfalls  von  Thasos  erworben ;  aus  weißem,  feinkörnigem  Marmor  bestehend 
mißt    sie    roO"'    in   der  Höhe;    gebrochen  sind  außer  dem  Kopf,    vom  Ansatz  des 

runden  Fingern  und  der  schwellenden  Handrücken-  linken  Hand  entstanden  ist,  lediglich  um  —  sei  es 
lläche  freilich  eine  wunderbar  vornehme  Frauenhand;  nun  im  Sinne  der  Auftraggeber  der  Ehrenstatue 
aber  eben  wegen  dieser  naturalistischen  Wiedergabe  oder  des  nüchternen  römischen  Handwerkers  — 
paßt  sie  so  gar  nicht  zu  dem,  der  ersten  Hälfte  des  diese  mit  dem  Siegelring  äv  Tiapauloip  zu  zeigen, 
vierten  Jahrhunderts  entnommenen  Ganzen;  in  einem  '")  Eine  kleine  Stelle  des  Hinterhauptes  ist 
völlig  durchstilisierten  Kunstwerk  wirkt  dieses  Stück-  vertikal  abgearbeitet,  so  daß  eine  runde  Fläche  ent- 
chen Naturnachahmung  unorganisch  und  verrät  den  stand;  saß  der  Kopf  damit  an  der  Wand  einer 
Kopisten.  Wie  zur  Schau  gestellt  ruht  diese  Hand,  Nische  an?  Gehört  er  vielleicht  doch  zu  der  Mädcben- 
ohne  irgend  in  den  Stoff  zu  drücken  oder  zu  greifen,  figur  eines  Grabreliefs?  Bei  dem  Erhaltungszustände 
lässig  wie  auf  einer  festen  Unterlage  auf  den  darunter  läßt  sich  darüber  keine  endgültige  Entscheidung 
liegenden  Falten;  deren  ruhig  herabgehende  Linien  fällen,  doch  spricht  wohl  der  Typus  des  Kopfes 
sind  durch  ein  plötzliches  Gewirre  unterbrochen,  das  nur  für  die  Bezeichnung  Apollo. 
durch    die   Aufschoppung    des   Gewandes    über    der 


Thasische   Antiken 


"57 


48:  Apollokopf. 

Halses  an  und  einem  Teil  links  vorne  und  hinten  der  einst  scheinbar  ovalen 
Plinthe,  nur  der  Vorderdaumen  der  linken  Hand  und  einige  stärker  hervorstehende 
Falten  des  Mantels;  sonst  zeigt  das  Ganze  eine  dem  eben  besprochenen  Kopfe 
ähnliche  Verscheuerung  und  an  den  Fingern  der  rechten  Hand  Absplitterung; 
sie  soll  längere  Zeit  im  Meer  gelegen  sein1'1);  nach  einer  Photographie  skizziert 
findet  sie  sich  in  Reinachs  Repertoire  de  la  statuaire  II  307.,  20). 

Ein  jugendlich  zarter  Mädchenkörper  ruht  lässig  auf  linkem  Standbeine  und 
dem  rechten,  auf  einen  kleinen  Pfeiler  gestreckt  aufgestützten  Arm.  Hiedurch 
werden    die    linke    Hüfte    und    die    rechte    Achsel    hervorgedrängt,    Becken    und 


19)  Nach  einer  mir  durch  Herrn  Wix  über- 
lieferten Erzählung  der  Bewohner  der  Insel  entstand 
bald  nach  dem  Auffinden  der  Statuette  eine  schwere 
Krankheit  auf  Thasos;  man  gab  der  Statuette  die 
Schuld,  sie  wurde  kurzer  Hand  ins  Meer  versinkt, 
wo  sie  so  verscheuert  worden  sein  mag;  ihr  Geschick 
erinnert   an    das  durch    Ghiberti  überlieferte  Schick- 


sal jener  in  Siena  gefundenen  Statue  mit  der  Künst- 
lerinschrift des  Lysipp  (abgedruckt  bei  Löwy,  In- 
schriften griechischer  Bildhauer  3  1 1  n.476  und  bei 
Vasari,  Ausgabe  Le  Monnier  I   13). 

20)  Den  Hinweis  auf  diese  Skizze  verdanke  ich 
Herrn  Dr.  Julius  Bankö. 


158 


H.  Sitte 


49:  Weibliche  Gewandfigur  (Vorderansicht). 


Schultergürtel  stärker  im  Gegen- 
sinne zueinander  geneigt.  Das 
rechte  Spielbein  ist  leicht  seit- 
lich zwischen  das  Standbein  und 
den  Pfeiler  gesetzt;  der  linke 
Arm  ruht,  im  Ellbogen  stark 
geknickt  und  gedreht  mit  dem 
Rücken  der  Hand  auf  der  linken 
Hüfte.  Das  Mädchen  trägt  wei- 
che, den  Fuß  ganz  verhüllende 
Schuhe,  einen  sehr  fein  gefäl- 
telten Chiton,  der  wie  durch- 
sichtig den  Leib  kaum  verbirgt. 
Auffällig  ist  an  dem  Chiton 
der  bis  zu  den  Knien  reichende 
Überschlag,  der  unter  den  Brü- 
sten mitgegürtet  ist,  und  die  Art, 
wie  auch  beide  Achseln  und  die 
halben  Oberarme  von  ihm  ver- 
deckt werden.  Merkwürdig  ist 
ferner  der  Mantel  umgelegt,  wie 
häufig  bei  Werken  der  Klein- 
kunst. Er  ruht  oben  auf  der 
linken  Schulter,  verhüllt  dann, 
nur  flüchtig  gearbeitet,  fast  die 
ganze  Rückseite  der  Figur  und 
geht,  unter  dem  rechten  Arme 
vorgenommen,  in  konvergieren- 
den Falten  bis  zur  Mitte  des 
Schoßes,  von  wo  er  plötzlich  in 
vertikalen  Falten  herabfällt21) 
ohne  daß  deutlich  würde,  wie 
er   denn  eigentlich    hier  festge- 


31)  Die  Figur  ist  sichtlich  unter  dem  Einflüsse  der  linken  Schulter  und  auf  dem  rechten  Bein  auf- 
mehrercr  Typen  entstanden;  bei  dem  Stellungsmntiv  ruht,  undenkbar,  da  er,  nicht  besonders  festgehalten, 
dieser  Figur  ist  die  Art,  in  welcher  der  Mantel  auf       an  beiden  Stellen   herabgleiten  müßte.  Der  Mantel  ist 


Thasische  Antiken 


159 


halten  sei;  auch  an  der  linken 
Außenseite  umsäumt  er  das  Ganze 
mit  senkrechten  Faltenlinien.  An- 
sätze von  Locken  sind  weder 
im  Nacken  noch  auf  den  Schul- 
tern nachzuweisen;  der  wohl  et- 
was rechtshin  gewendete  Kopf 
trug-  also  die  Haare  in  ein  Nest 
aufgenommen  ä2). 

In  hellenistische  Zeit  ge- 
hören auch  die  beiden  Herakles- 
köpfe der  Sammlung;  sie  sind 
aus  dem  gleichen  Marmor;  der 
größere  ist  0^35 m  hoch,  an  der 
Nase  und  dem  Barthaare  links 
etwas  bestoßen,  sonst  nur  am 
Haupthaare  verscheuert  (Fig.  51); 
der  kleinere,  0-30 m  hoch,  hat 
mehr  gelitten ;  ihm  fehlt  die  ganze 
Nase;  Haare  und  Ohren  sind  fast 
ganz  abgerieben  (Fig.  52). 

Herakles  genoß  auf  Thasos 
neben  Dionysos  seit  alters  hohe 


rein  dekorativ  von  Leda-  und  Aphrodite- 
typen herübergenommen,  welche  ihn  einer- 
seits mit  der  Linken  über  der  linken 
Schulter  erfaßten,  anderseits  entweder  mit 
der  Rechten  vor  den  Schoß  zogen  oder 
das  rechte  Bein  mehr  gehoben,  mehr  gegen 
das  linke  gedrückt  hatten,  so  daß  dadurch 
der  Mantel  im  Schoß  festgehalten  wurde. 
Für  diese  letzte  Art  den  Mantel  im  Schoß 
und  über  dem  rechten  Bein  fest  aufliegen 
zu  lassen  verweise  ich  besonders  auf  die 
Statuette  der  Aphrodite  von  Mas  d'Agenais, 
abg.  in  Reinachs  Repertoire  IT  335,  9>  von 
A.  de  Champeaux  veröffentlicht  in  Saint- AymoursMusee 
Archeologique  II  pl.  II  p.  97  (Paris  1877  bei  Morel  er- 
schienen), zuletzt  Revue  arch.  1907  I  pl.  II  (Reinach). 


50:    Weibliche  Gewandfigur  (Rückansicht). 

22)  Vg''  die  ganz  ähnliche  Terrakotta  bei  Winter, 
Die  Typen  der  figürlichen  Terrakotten  II  S.  89;  siehe 
auch    ebd.  S.  80. 


i6o 


H.   Sitte 


Verehrung;  die  Münzen  der  Insel  sowie  archaische  Reliefe  zeigen  den  Heros  mit 
dem  Gotte  vereint 23).  So  darf  es  nicht  überraschen,  unter  zwölf  von  Thasos  stam- 
menden Antiken  zwei  Heraklesköpfe  zu  finden.  Beide  geben  den  vom  dritten  Jahr- 
hundert an  wieder  beliebten  Typus  des  bärtigen  Herakles  wieder.  Auf  breitem 
athletischen  Nacken  sitzt  mit  kurzem  Halse  der  verhältnismäßig  kleine  Kopf  auf. 
Kurzlockiger  kräftiger  Haar-  und  Bartwuchs  umgibt  ein  tatenmüdes  Antlitz.   Der 


;  I  :    Heraideskopf. 


52:  Herakleskopf. 


Mund  ist  wie  schwer  atmend  geöffnet,  tiefe  Falten  ziehen  von  den  Nasenflügeln 
zu  den  Mundwinkeln,  die  Augen  liegen  tief,  die  Stirne  ist  stark  gefurcht.  Be- 
sonders bei  dem  kleineren  Kopfe  sind  diese  gleichen  Züge  fast  übertrieben;  durcli 
die  schlechte  Erhaltung  bekommt  er  vollends  ein  geradezu  greisenhaftes  Aus- 
sehen. Dem  Typus  des  auf  seine  Keule  gelehnten  Herakles  werden  die  zuge- 
hörigen  Körper  ähnlich  gewesen  sein. 

Schließlich  erwähne  ich  noch  einige  Skulpturen  aus  römischer  Zeit  von  ge- 
ringer Arbeit.  Zusammen  mit  der  Statuette  Fig.  41  wurde  der  Torso  einer 
kleinen  Dionysosfigur  aus  weißem  Marmor  gefunden  (Fig.  5,5  und  5  1).    Kr  ist  0-645™ 


Bull,  de    corr    hell.   XVIII   (1894)    p.  64   ff. 
pl.   XVI    (Joubin);    Jahreshefte   VI    (1903     S    i8off. 


(Suulniczka);   neuestens    Revue  Archeol.   1908    p.  25 
ff.  (Deonna). 


Thasische  Antiken 


161 


hoch;  von  der  Gestalt  fehlen  das  linke  Bein  vom  Knie  abwärts,  das  rechte  fast 
ganz  vom  Becken  an,  desgleichen  der  ganze  rechte  Arm;  von  der  linken  Hand 
und  der  Traube,  die  sie  hielt,  ist  ein  Stück  abgesprengt.  Der  Pfeiler  links  hinter 
der  Gestalt  ist  oben  und  unten  gebrochen. 


53   und   54:   Dionysostorso  (Vorder-  und  Seitenansicht). 


Der  ganz  jugendlich  gebildete  Gott  steht  aufrecht  an  einen  Pfeiler  —  man 
kann  nicht  sagen,  gelehnt,  da  bei  der  gänzlich  rohen  Mache  ein  Vierteil  des 
Körpers  in  dem  Pfeiler  verschwindet,  der  bei  nahezu  quadratischem  Querschnitt 
auch  die  rechte  Rückseite  der  Figur  hervortreten  läßt.  Eine  unerfreuliche  Kom- 
bination von  Relief-  und  Rundplastik.  Das  rechte  Bein  war  als  Spielbein  vor- 
gesetzt. Die  Durchbildung  des  Oberkörpers,  die  breite  Brust,  die  Art,  wie  der 
linke  Brustmuskel    auf   die  Schulter    übergeht,    der  aufrecht  getragene  Kopf  mit 

J;ihreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Mtl.  XI  y  I 


IÖ2 


H.   Sitte 


dem  ruhigen  Antlitz  zeigen  auch  in  diesem  Machwerke  noch  Spuren  einer  guten 
Tradition.  Merkwürdig  ist  die  Frisur,  an  welcher  in  ganz  unverständlicher  Weise 
zunächst  ein  breiter,  gescheitelter  Wulst,  dann  ein  Haarknoten,  auf  die  Schultern 
fallende  Locken,  hinten  endlich  ein  volles  Haarnest  und  ein  starker  herab- 
hängender Schopf   gehäuft  erscheinen.     Die  rechte  Hand  war  gesenkt,    mit  einer 

Schale  vorgestreckt  oder  mit  einem  Kantharos 
auf  dem  rechten  Schenkel  aufruhend;  die  Linke 
griff  nach  einer  Traube  des  seitlich  an  dem 
Pfeiler  sich  emporrankenden  Weinstockes,  ein 
Motiv,  das  daran  erinnert,  daß  in  diesen  wein- 
reichen Gegenden  Dionysos  -  Botrys  verehrt 
wurde24).  Vielleicht  war,  nur  um  dieses  Halten 
der  Traube  darstellen  zu  können,  von  dem  un- 
geschickten Handwerker  der  Pfeiler  neben  die 
Figur  gestellt  worden,  ohne  daß  deshalb  das 
Ganze  einem  architektonischen  Zweck  dienen 
sollte. 

An  derselben  Stelle  wurde  auch   der  Torso 
einer    Hermesstatuette    gefunden     (Fig.  55).    Er 
besteht   aus    nicht  kristallinischem  Kalkstein,    ist 
07s1"  hoch,  oberhalb  beider  Knöchel  gebrochen, 
auch    fehlt  der  rechte  Arm   bis  auf  geringe  An- 
satzspuren    der    am    rechten    Schenkel   aufliegen- 
den   Hand.     Die    Arbeit    macht    einen    durchaus 
unfertigen  Eindruck.     Der  Stein  ist  zwischen  den 
Beinen   und  links  von  der  Figur  stehen  gelassen, 
als  ob   es  sieh  um  ein  Hochrelief  handelte;    aber 
auch  zwischen  der  linken  Hand  und  dem   linken 
Schenkel    ist    der    Stein    nicht    weggemeißelt    und  die   Rückseite    ist   bis  auf  den 
1 «  il   links  unter  dem   linken  Glutäus  ausgeführt;  der  restliche  Teil  der  Rückseite 
ist  nur  mit  dem  Spitzeisen  zugehauen. 

Gleicher  Fundstelle  gehört  endlich  ein  rundes  Grabrelief  an  (Fig.  57  auf  S.  164). 
Aus  weißem  Marmor  gefertigt,  hat  es  durchschnittlich  o'43m  im  Durchmesser  bei 
o-o8 '"  Dicke;    unten    befindet   sich  ein  viereckiger  Zapfen     o-i  '"  breit,   o-o8  '"  tief 


55:   Hermesstatuette. 


')   Bull,  de  corT.  hell.  XXIV  (19O'  )p.  )  17/8  wo       Philippi   Mysten  des  Weingottes  Dionysos-Botrys  cr- 
in   einer    Inschrift    von    Alistrnti    in    der  Gegend   von        wiilint   werden. 


Thasische   Antiken 


163 


und  etwas  über  003  '"  hoch)  zum  Einlassen  in  eine  Basis.  Die  Vorderseite  des 
Reliefs  zeigt  vertieft  in  einem  schmalen,  glatten  Rahmen  en  face  das  ordentlich 
gearbeitete  Brustbild  einer  jungen  Römerin  in  Untergewand  und  Mantel,  mit 
langen  in  der  Mitte  gescheitelten  Haaren.  Ein  ähnliches  Medaillonrelief  mit 
einem  männlichen  und  einem  weiblichen  Kopf  in  Vorderansicht,  „ganz  wie  man 
die  Köpfe  der  Verstorbenen  in  solchen  etwa  von  Eroten  und  Kentauren  getragenen 


56:   Pilasterkapitell. 


Medaillons  auf  vielen  Sarkophagen  angebracht  sieht",  erwähnt  Conze  in  dem 
Bericht  über  seinen  im  Mai  1858  erfolgten  Besuch  der  Insel  Thasos25).  Diese 
Form  scheint  also  auf  der  Insel  Thasos  öfter  in  Anwendung  gekommen  zu  sein. 
Diesen  figuralen  Skulpturen  reihe  ich  als  Abschluß  ein  zierliches  Pilaster- 
kapitell  an  (Fig.  56),  das  ebenfalls  auf  Thasos  erworben  wurde   (aus  feinkörnigem 


25)  Alex.  Conze  „Reise  auf  den  Inseln  des 
thrakischen  Meeres",  Hannover  1860  S.  363:  „daselbst 
(in  der  Kirche  des  Hagios  Georgios  der  Skala  von 
Kastro  eingemauert)  eine  runde  Medaillonseheibe  von 
o'52m  Durchmesser,  auf  der  in  Relief  rechts  ein  männ- 
licher und  links  ein  weiblicher  Kopf  von  vorne  ge- 
sehen dargestellt  sind Inschrift  links  von  den 

Köpfen  und  zwischen  ihnen,    also   zu   beiden  Seiten 
des  weibl.  Kopfes,    in    späten    Schriftzügen    Aiovualj 


Aiovuafou  xa'fs-"  A.  de  Ridder  publizierte  1893  die 
Inschrift  ohne  Hinweis  auf  Conze  mit  der  Angabe: 
entre  les  deux  tetes  est  l'inscription,  Bull,  de  corr. 
hell.  XVII  (1893)  p.  126  3,  wiewohl  gerade  aus 
seiner  Publikation  deutlich  hervorgeht,  wie  die  Inschrift 
auf  dem  Relief  verteilt  war.  De  Ridder  nennt  die 
Köpfe  „deux  bustes",  Brustbilder,  was  ja  von  vorn- 
herein anzunehmen   war. 


104 


H.   Sitte,  Thasische   Antiken 


weißen  Marmor,  0-20'"  hoch,  oben  fast  0-34 m,  unten  0-275'"  breit,  oben  o'o8 ,u, 
unten  0-065 m  dick,  nur  wenig  beschädigt).  Über  einem  kurzen  Eierstab  unten  in 
der  Mitte  erhebt  eine  Blume  drei  vierblättrige  Blüten  in  ornamental  gewählter 
Anordnung;  unter  zwei  etwas  steif  gestielten  Eckvoluten  stehen  beiderseits 
Akanthusblätter,  tief  mit  dem  Bohrer  gerippt  und  unterschnitten;  ihr  zackig  pro- 
filierter, „gesägter"  Rand  (vgl.  Strzygowski,  Ath.  Mitt.  XIV  (1889)  S.  271  ff.)  läßt 
schon  deutlich  das  Herannahen  der  byzantinischen  Kunstformen  erkennen;  das 
fein  gearbeitete  Architekturstück  gehört  wohl  in  den  Beginn  des  fünften  Jahr- 
hunderts unserer  Zeitrechnung. 


Wien,  Mai   1908. 


HEINRICH  SITTE 


57:  Porträtmedaillon. 


i65 


Petrons  Lehensende. 

Mit  E.  Maaß'  freundlicher  Zustimmung-  knüpfe  ich  gleich  hier  an  seine  oben 
(S.  29  ff.)  stehenden  Ausführungen  an,  insoweit  sie  Tacitus'  Bericht  (Ann.  XVI 
18/19)  über  den  Tod  Petrons  betreffen,  um  die  einzige  Überlieferung  neuerlich 
zur  Diskussion  zu  stellen,  der  wir  hierüber  Nachricht  verdanken,  aber  auch  durch 
die  eigenwillige  und  dunkle  Kürze  ihres  Auktors  ein  schwieriges  Interpretations- 
problem. 

Die  inhaltliche  Wichtigkeit  der  Tacitusstelle  erhellt  daraus,  daß  sie  uns  zu 
dem  unschätzbaren  Geschenke  der  knappen,  aber  höchst  eindrucksvollen  Biographie 
eines  Mannes  wie  Petron  die  Möglichkeit  bietet,  wenn  wir  aus  ihr  die  Lage 
von  Petrons  Landsitz  feststellen  können,  auch  den  Schauplatz  der  cena  Trimal- 
chionis  zu  sichern,  denn,  wie  Mommsen  gesagt  hat,  Petronius  schildert,  was  er 
täglich  sah.  Viele  haben  sich  nun  in  sorgfältiger,  sachlicher  Erwägung  hierum 
bemüht,  nicht  aber,  soviel  ich  sehe,  zur  Genüge  um  das  Unerläßlichste,  die  Tacitus- 
stelle selbst  verständlich  zu  machen,  deren  Schwierigkeit  und  zugleich  für  die  ge- 
nannte Frage  entscheidende  Bedeutung  in  den  das  19.  Kapitel  eröffnenden  Worten 
liegt:  diese  und  ihr  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  sind  schärfster  Interpretation 
zu  unterwerfen.  Schaffen  wir  uns  zuerst  den  Rahmen  der  Situation,  deren  Ausdruck 
diese  Worte   sind.     Wir   treffen  Tigellinus   am  Werke,    in    eifersüchtigem    Hasse 

Petron  zu  verderben.  Tacitus'  Worte  ,ergo  crudelitatem  principis adgreditur 

amicitiam  Scaevini  Petronio  obiectans  corrupto  ad  indicium  servo  .  .  .  .'  zeigen, 
daß  Tigellinus  nicht  mehr  im  geheimen  operiert:  er  hat  die  unfehlbar  tödliche 
Anklage  vor  dem  Kaiser  erhoben  und  Nero  hat  die  Maßnahmen  des  triumphierenden 
Nebenbuhlers  gutgeheißen,  der  den  größeren  Teil  der  Sklavenschaft  Petrons  in  den 
Kerker  geworfen;  eine  Selbstverteidigung  Petrons  aber  hatte  er  hinterlistig  zu 
vereiteln  gewußt.  Petron  hatte  in  reichem  Hauswesen  zu  Rom  gelebt  ,inter 
paucos  familiarium  Neroni  adsumptus':  da  brach  die  Katastrophe  ein,  die  ihn  und 
sein  Haus  sofort  mit  dem  ganzen  Ernste  einer  hoffnunglosen  Lage  ergriff. 
Tacitus  fährt  nun  fort:  ,Forte  illis  diebus  Campaniam  petiverat  Caesar  et  Cumas 
usque  progressus  Petronius  illic  attinebatur  .  .  .  .'  Darauf  schließt  er  dies  Lebens- 
bild in  sprechendster  Charakteristik  ab  und  läßt  uns  Petron  sterben  sehen, 
mählich  in  heiteren  Gesprächen  mit  seinen  Freunden,  sein  Gebaren  gegen  die 
Sklaven,    bei  der  Tafel,    am  Schreibtisch,    im  Schlafgemache.    Hier  ist  alles  ein- 


166  F.   Lohr 

deutig  klar.  .Somno  indulsit  ut  quamquam  coacta  mors  fortuitae  similis  esset.' 
Kann  man  so  sich  gehaben,  solchen  Schein  hervorrufen  anderswo  als  bei  sich 
zu  Hause? 

Dieser  Sachverhalt  muß  auch  Mommsen  bestimmt  haben,  wie  er  oft  in  seinem 
Gefühle  sicher  es  für  unökonomisch  hielt,  seine  Gründe  darzulegen,  daß  er  kurz  und 
bündig  sich  dahin  äußerte,  Petron  habe  vermutlich  seine  Villa  in  Cumae  gehabt, 
auf  der  er  auch  starb.  ,Denn  so  scheint  am  natürlichsten  gefaßt  zu  werden,  was 
Tacitus  16,  19  von  ihm  berichtet:  forte  illis  diebus  —  attinebatur.'  Und  Studniczka 
führt  in  der  mir  auch  heute  im  wesentlichen  plausiblen  dritten  seiner  , Ver- 
mutungen zur  griechischen  Kunstgeschichte'  (die  Monoknemos  des  Apelles,  S.  40 
Anm.  8)  gewiß  richtig  nur  Mommsens  Gedankengang  aus,  indem  er  sagt,  die 
bei  Tacitus  nachfolgende  Schilderung  des  Selbstmords  scheine  Mommsens  Ver- 
mutung zur  Gewißheit  zu  erheben.  Hingegen  darf  keineswegs,  wie  Maaß  meint, 
als  Mommsens  Ansicht  angenommen  werden,  daß  , Petron  von  seiner  irgendwo 
in  der  Gegend  von  Cumae  belegenen  Besitzung  aus  die  letzte  Fahrt  in  das 
Hoflager  antrat',  wie  dies  überhaupt  nicht  aus  Tacitus'  Worten  geschlossen 
werden  darf. 

Nun  zurück  zu  dem  Zwischenspiel  im  Eingange  des  19.  Kapitels.  , Forte  illis 
diebus'  ist  formelhaft  bei  Tacitus,  muß  indessen  hier  nach  dem  Tatsächlichen 
scharf  gefaßt  werden.  Der  Stand  von  Petrons  Sache,  wie  er  zu  Ende  des  Kapitels  18 
berichtet  ist,  war  auf  längere  Dauer  unhaltbar,  es  mußte  wirklich  in  jenen  Tagen 
selbst  eine  Entscheidung  erfolgen.  In  ,Campaniam  petiverat  Caesar'  hat  das  Plus- 
quamperfektum, wie  ich  annehmen  muß,  keine  Beziehung  zu  dem  im  Texte  voran- 
stehenden, sondern  drückt  gleichwie  das  gleichgefärbte  ,progressus'  die  Vor- 
bedingung für  die  Haupthandlung  aus:  es  ist  also  in  diesem  Sinne  dicht  zu  ver- 
binden jCampaniam    petiverat    Caesar  et P.  illic  attinebatur',  ähnlich  etwa  wie 

es  Ann.  I  63  heißt:  ,missaeque  subsidiariae  cohortes  et  fugientium  agmine  impulsae 
auxerant  consternationem  trudebanturque  in  paludem  .  .  .'.  Nun  die  Hauptsache. 
,Cumas  usque  progressus',  so  ohne  jede  Hinzufügung  gesagt,  zumal  in  stadtrömi- 
schem Sprachgebrauche,  kann  nur  von  Rom  aus  gedacht  sein,  ganz  abgesehen 
davon,  daß  ,progredi'  in  irgend  einer  anderen  als  seiner  gewöhnlichen  Be- 
deutung hier  zu  nehmen,  nichts  bei  Tacitus  uns  berechtigt.  Damit  aber  entfällt 
die  letzte  Möglichkeit,  unsere  Stelle  dahin  zu  verwerten,  daß  Petron  nach  Cumae 
von  irgendwo  außen  her  dem  Kaiser  entgegengekommen,  sein  Landsitz  also 
nicht  in  Cumae  zu  suchen  wäre.  Dann  allerdings  hätte  Tacitus  bei  aller 
nsinnigen    Kürze    angeben    müssen,    wie   Petron   wieder   nach    Hause   zurück- 


Petrons  Lebensende  I  67 

gelangt  war,  um  dort  nach  seiner  vornehmen  Art  zu  sterben;  er  hatte  aber 
keinen  Anlaß  dazu. 

Nero  verließ  Rom.  Wie  damals  die  Absicht  war,  den  weiteren  Prozeß  gegen 
Petron  zu  instruieren,  das  vielleicht  schon  gefällte  Urteil  zu  vollziehen,  erfahren  wir 
nicht.  Das  aber  sagt  uns  Tacitus'  Bericht,  daß  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  auch 
Petron  von  Rom  abging,  und  zwar  nach  Cumae.  Die  Möglichkeit,  daß  ihn  die 
Erwägung  mitbestimmte,  dort  vielleicht,  wenn  der  Kaiser  hinkam,  doch  Zugang 
zu  ihm  zu  finden,  kann  anerkannt  werden.  Auf  der  Reise  von  Rom  dahin  wurde 
er  nicht  aufgehalten,  aber  bis  Cumae  vorwärtsgekommen  und  auf  seiner  Villa 
angelangt,  sah  er  sich  weiterer  Bewegungsfreiheit  beraubt,  es  wurde  ihm  be- 
deutet, sein  Haus  nicht  mehr  zu  verlassen.  ,Nec  tulit  ultra  timoris  aut  spei  moras-. 
Ohnehin  war's  ja  nur  mehr  das  arbitrium  mortis,  das  dem  elegantiae  arbiter  ge- 
geben war. 

Noch  eins.  Für  wen  die  Art  der  Fortführung  des  Berichtes  im  Anfangssatze 
des  ig.  Kapitels,  sowie  es  mir  lange  damit  erging,  Unannehmbares  zu  bieten 
scheint,  der  wird  zur  Emendierung  des  Textes  schreiten  müssen.  Und  dann  läge 
nichts  näher,  als  mit  unterstützender  Annahme  von  Haplographie  zu  lesen:  ,Forte 
Ulis  diebus  Campaniam  petiverat  Caesar  et  cum  Cumas  usque  progressus  esset, 
Petronius  illic  attinebatur'.  Aber  ich  halte  dies  nach  vorstehender  Auseinander- 
setzung nicht  mehr  für  erforderlich,  besonders  da  für  ,progressus'  und  ,attine- 
batur'  Korresponsion  bei  gemeinsamer  Beziehung  auf  Petronius  doch  das  natür- 
lichste  bleibt. 

F.  Ritter  hat  übei  die  besprochenen  Vorgänge  eine  Ansicht  geäußert  (Rhein. 
Mus.  N.  F.  II  (1843)  S.  569),  die  des  Bestechenden  nicht  entbehrt,  und  Teuffei  ist 
ihr  gefolgt  iPauly,  Realenzyklopädie  5,  1403).  Ritter  sagt:  ,1m  Gefolge  des  Nero, 
welcher  eine  Reise  nach  Campanien  machte,  befand  sich  auch  sein  Freund  und 
Arbiter  und  war  bis  Cumae  vorausgegangen.  Von  Tigellinus  angeschwärzt,  wurde 
er  hier  angehalten  und  sollte  in  eine  Kriminaluntersuchung-  verwickelt  werden, 
deren  Erfolg  aus  den  dazu  getroffenen  Vorbereitungen  nur  zu  sicher  vorauszu- 
sehen war.  Daher  entschloß  er  sich  zum  freiwilligen  Tode  .  .  .'  R.  hätte  aber  die 
Pflicht  gehabt,  dies  sich  ihm  ergebende  Gesamtbild  mit  den  Einzelangaben  bei 
Tacitus  in  Einklang  zu  bringen;  dies  dürfte,  glaube  ich,  nicht  gelingen,  doch  muß 
ich  auf  den  Nachweis  im  einzelnen  hier  verzichten.  Vor  allem  ist  .progredi'  mit 
,vorausgehen'  falsch  wiedergegeben  und  damit  fällt  die  Hauptstütze  dieser  Inter- 
pretation.  Man  könnte  noch  daran  denken,  als  Parallele  das  Schicksal  des  Asinius 
(iallus  heranzuziehen,  worauf  mich  E.  Bormann  verweist.  Gallus  weilt  freundschaft- 


i68 


F.  Löhr,  Petrons  Lebensende 


lieh  bewirtet  bei  Tiberius,  während  im  Senate  die  Anklage  des  Kaisers  gegen 
ihn  verlesen  wird,  die  ihm  ein  Ende  voll  langer  und  grausamer  Qualen  bringen 
sollte.  Aber  einmal  dürfte  ein  Geschehnis,  das  dem  antiken  Erzähler  selbst  (Dio 
Cassius  LVIII 3)  als  ein  7ipäy|xa  TiapaSoEoiaxov  xas  8  [MjSevt  äAAw  aoYipiytfhi  gilt,  kaum 
als  Argument  ins  Gewicht  fallen,  ferner  liegen  die  Dinge  in  beiden  Fällen  doch 
verschieden.  Gallus  traf  das  Verderben  wie  ein  Blitz  aus  heitrer  Höh,  nicht 
so  den  Petron,  wie  wir  aus  Tacitus  ersehen  haben,  dessen  Worte  ,adempta 
defensione'  doch  wohl  geradezu  besagen,  daß  Petron,  nachdem  Tigellinus'  Angriff 
erfolgt  war,  vom  Hofe  ferngehalten  wurde,  also  aus  des  Kaisers  Gefolge  aus- 
schied, wie  ja  auch  die  Einkerkerung  seiner  Sklavenschaft  kaum  mehr  an  eine 
Fortsetzung  des  Verkehrs  bei  Hofe  denken  läßt.1) 

Mommsen  behält  auch  hier  recht  und  wir  müssen  für  die  Frage  nach  dem 
Schauplatze  der  cena  und  die  Beurteilung  der  in  Betracht  kommenden  Petron- 
Stellen  gerade  aus  diesem  Berichte  des  Tacitus  die  entscheidende  Folgerung 
ziehen:  in  Cumae  stand  Petrons  Landhaus,  dort  sah  er,  woraus  er  in  seinem 
Meisterwerke  zum  Teil  das  Milieu  der  Fabel  bildete. 


Wien,  Mai    1908. 


FRIEDRICH  LÖHR 


M  G.  Boissier  (L'opposition  sous  les  Cesars2 
p.  223)  und  A.  Stahr  (Tacitus'  Gesell,  d.  Regierung 
d.  Kaiser  Claudius  und  Nero  312  f.)  urteilen  ver- 
nünftig,  indem  sie  Petron  dem  Kaiser  nach  Cam- 
panien  nachfolgen  lassen,  ohne  aber  den  Schluß  des 
Taciteischen  Berichtes  für  die  Präzisierung  der  Situa- 
tion irgendwie  zu  verwerten.  Und  wenn  Stahr  zur 
Erklärung  der  Worte  .adempta  defensione'  sagt: 
, dadurch  dal'  er  (Tigellinus)  einen  Zeitpunkt  zu  seinem 
Angriffe  gegen  P.  wählte,  in  welchem  Nero  von 
Rom  entfernt  war.  S.  Kap.  19',  so  hat  er  nicht  bloß 
alle  sachliche  Wahrscheinlichkeit  gegen  sich,  sondern 


auch  den  Wortlaut  bei  Tacitus,  wie  er  meines  Er- 
achtens  verstanden  werden  muß  (s.  oben  S.  165). 
Prinzipiell  noch  eher  diskutierbar  wäre  Petrons  Ab- 
wesenheit bei  Erhebung  der  Anklage.  Aber  auch 
da  steht  das  Mittelglied  ,ademptaque  defensione' 
zwischen  ,corrupto  ad  indicium  servo'  und  ,et  maiore 
parte  familiae  in  vincla  rapta'  entgegen,  welcher 
partizipiale  Ersatz  gleichmäßig  nur  in  aktiver  Be- 
deutung von  Tigellinus  Vorgehn  verstanden  werden 
kann,  also  auch  die  Anwesenheit  beider,  des  Kaisers 
und  des  Beklagten,  erfordert  und  die  Interpretation 
„bei  benommener   Verteidigung"   nicht  zuläßt. 


1 6g 


Athena  des  Phidias. 

Tafel  V  und   VI. 

Ein  Zufall  gab  vor  etwa  zwei 
Jahren  den  Anlaß  zu  einem  Funde, 
von  dem  ich  heute  berichten  will. 
da  er  geeignet  ist,  über  ein  Meister- 
werk der  höchsten  Blüte  griechi- 
scher Kunst  und  wohl  auch  weiter- 
hin neues  Licht  zu  verbreiten.  Da- 
mals waren  die  Antiken  der  Villa 
Carpegna  verkauft  worden  und  zum 
Teil  in  den  Besitz  des  römischen 
Antiquars  Sangiorgi  übergegangen. 
Bei  einem  Besuche  der  Villa  vor 
längerer  Zeit  war  meine  Aufmerk- 
samkeit durch  eine  Kolossalbüste 
gefesselt  worden,  die  hoch  oben  an 
einer  Mauer  angebracht  war,  zu 
hoch,  als  daß  ich  mir  damals  ir- 
gend ein  Urteil  über  sie  hätte  bil- 
den können.  In  dem  Verzeichnisse 
der  antiken  Bildwerke  in  Rom  von 
Matz  -  Duhn  suchte  ich  sie  ver- 
gebens, aber  ich  konnte  hoffen,  sie 
jetzt  bei  Sangiorgi  in  erreichbarer 
Nähe  zu  finden,  und  wurde  in 
dieser  Erwartung  nicht  getäuscht. 
War  es  nun  der  seltsam  barocke  Aufsatz  des  Helmes,  mit  dem  der  Kopf  von 
dem  Ergänzer  ausgestattet  war,  oder  sonst  ein  Anklang,  über  den  ich  mir 
im  Augenblick  noch  keine  Rechenschaft  geben  konnte,  —  plötzlich  stand  das 
Bild  jener  kolossalen  Athenastatue  in  Sevilla  vor  mir,  die  in  diesen  Jahres- 
heften   im   Jahre    1899    auf  Taf.    II    abgebildet    ist.     Herrmann    hat   sie   dort  (auf 

Jahreshefte  des  österr  archäol.  Institutes  Bd    XI  2  2 


58:   Marmorkopf  aus  Villa  Carpegna 
bei  Simonetti  in   Rom. 


I  JO  W.  Amelung 

S.  155  ff.)  besprochen  und  richtig  gewürdigt:  ihr  Körper  ist  eine  geringere 
Wiederholung  des  berühmten  Torso  der  Athena  Medici  in  Paris,  und  ihr 
besonderer  Wert  besteht  darin,  daß  sie  den  ursprünglichen  Kopf  trägt,  wenn 
auch  etwas  verschoben  und  unter  der  Vermummung  eines  ungeheuren  barocken 
Helmes,  der  über  die  Reste  des  antiken  gestülpt  ist.  Größe,  Wendung,  Helm- 
form und  Formen charakter  waren  an  dem  Kopfe  aus  der  Villa  Carpegna  die 
gleichen:  so  weit  konnte  mich  die  erste  Prüfung  führen.  Einmal  auf  dieser 
Spur,  arbeitete  meine  Erinnerung  weiter,  und  alsbald  gesellten  sich  zu  diesen 
Köpfen  noch  drei  andere,  die  alle  in  jenen  allgemeinen  Zügen  übereinstimm- 
ten und  sich  denn  auch  alle  —  ich  kann  dieses  Resultat  meiner  Untersuchung 
vorwegnehmen  —  als  Wiederholung  des  gleichen  Originales  herausgestellt 
haben:  das  erste  Exemplar  im  Museo  Chiaramonti  n.  197;  das  zweite  in 
Wien  (veröffentlicht  von  R.  von  Schneider,  Album  auserlesener  Gegenstände 
der  Antikensammlung  des  Allerhöchsten  Kaiserhauses  Tafel  III);  das  dritte 
im  British  Museum  (A.  H.  Smith,  A  catalogue  of  ancient  sculpture  in  the  Brit. 
Mus.  III  n.  1572). 

An  dem  Kopfe  der  Statue  in  Sevilla  sind  ergänzt  die  Nase  und 
die  Augäpfel  (vielleicht  auch  die  Oberlippe);  der  obere  Teil  des  antiken  Helmes 
war  augenscheinlich  besonders  gearbeitet  und  gestückt;  er  ist  verloren  ge- 
gangen, und  der  Ergänzer  hat  auf  die  glatte  Stückungsfläche  seinen  modernen 
Helm  befestigt. 

An  der  Replik  aus  Villa  Carpegna  (Fig.  58  —  01)  war,  als  ich  sie 
in  der  Villa  und  bei  Sangiorgi  sah,  die  Büste  und,  wie  ich  schon  sagte,  der 
ganze  obere  Teil  des  Helmes  ergänzt.  Seitdem  ist  der  Kopf  in  den  Besitz 
des  Kunsthändlers  Simonetti  übergegangen,  der  diese  modernen  Teile  hat  ent- 
fernen lassen.  Dadurch  ist  oben  eine  glatte  Fläche  von  0-36 m  Tiefe  bloß- 
gelegt worden,  in  die  weit  gestellte  Löcher  flach  eingepickt  sind  und  von 
hinten  ein  grade  nach  vorn  gerichteter  Kanal  von  o-2  7lu  Länge  und  006 m 
Tiefe  einschneidet.  Die  Wände  der  Langseiten  dieses  Kanals  stehen  nicht 
senkrecht,  sondern  weichen  nach  unten  auseinander  (obere  Breite  0-03 m, 
untere  o-04m).  Danach  war  der  obere  Teil  des  Helmes  hier  ehemals  mit  einem 
Falz  in  den  Kanal  hineingeschoben.  Etwa  im  Mittelpunkte  der  ganzen  Fläche 
senkt  sich  in  dem  Kanal  ein  Loch  von  0-03 m  Durchmesser  noch  um  o-o8m  tiefer  in 
den  Marmor;  an  dieser  Stelle  muß  also  ein  Zapfen  eingegriffen  haben,  der  ein 
Verrücken  des  aufgesetzten  Teils  unmöglich  machte.  Daß  diese  Zurichtung  antik 
ist,  beweist  der  Zustand  der  Oberfläche;    auch   ist   an   dem  Kopf  im  Vatikan  bei 


Athena  des  Phidias 


17' 


der  Auffindung  augenscheinlich  etwas  ganz  Analoges  beobachtet  worden  (s.  u. 
S.  173  f.).  Die  Art  der  Zurichtung  beweist  jedenfalls,  daß  der  verlorene  Teil  die 
Stückungsfiache  mit  seiner  Unterseite  in  ganzer  Ausdehnung  deckte;  deshalb 
kann  als  sein  Material  nicht  Metall  allein,  sondern  nur  Stuck,  Holz  als  Unter- 
lage einer  metallenen  Hülle  oder  aber  Marmor  in  Frage  kommen.  Ganz  aus 
Metall  werden  dagegen  die  drei  großen  Büsche  gewesen  sein,  die  der  Helm 
nach  dem  Zeugnisse  eines  Reliefs  trug  —  von  ihm  wird  noch  die  Rede  sein 
—  und  man  wird  den  mittelsten  eben  in  jenes  Loch  im  Mittelpunkte  des  Kopfes 
eingezapft  und  so  als  Dübel  benutzt  haben.  Für  sich  gearbeitet  waren  auch  die 
heute  fehlenden  Haare  und  Augäpfel.  Zur  Befestigung  der  Haare  diente  auf 
jeder  Seite  an  Schläfen  und  Stirn  eine  Reihe  von  Löchern,  die  von  unten  nach 
oben  kleiner  werden,  auf  der  rechten  Kopfseite  fünf,  auf  der  linken  vier,  doch  macht 
hier  ein  kleines  Loch  auf  dem  Helmrande  über  dem  Ohr  die  Fünfzahl  voll;  augen- 
scheinlich war  eine  Strähne  über  den 
Helmrand  gelegt,  um  als  lose  Locke 
zu  endigen  oder  hinter  dem  Ohr 
zu  verschwinden.  Dazu  kommt  noch 
jederseits  oberhalb  der  Schläfe  ein 
kleines  Loch  im  unteren  Rande 
des  Stirnschutzes.  Ohne  Zweifel 
waren  die  Haare  nicht  in  Marmor 
ausgeführt;  die  Kleinheit  der  Lö- 
cher spricht  für  Metall  oder  Stuck. 
Ergänzt  sind  an  dem  Carpegnascheu 
Kopfe  ferner  die  Nasenspitze,  ein 
Teil  der  Unterlippe  und  ein  großes 
Stück  des  Nackenschutzes  und  des 
Schopfes  auf  der  linken  Kopfseite. 
Stark  beschädigt  sind  die  Lider,  die 
Ohren  und  die  Ränder  des  Helmes; 
die  Mitte  des  Stirnschutzes  ist  bis 
auf  einen  Rest  am  oberen  Rande  ab- 
gemeißelt; doch  erkennt  man  noch, 
daß  der  untere  Rand  in  seiner  Mitte 
eine  in   die  Stirn  gesenkte  Spitze 

59:  Kopf  aus  Villa  Carpegna.  bildete.     Endlich  ist  hinter  beiden 

22- 


172 


W.   Amelung 


60:   Marmorkopf  aus  Villa  Carpegna. 


Ohren  ein  Stück  der  Helmkappe  weggemeißelt  worden.  Der  Kopf  war  be- 
stimmt, in  einen  Körper  eingesetzt  zu  werden,  doch  fehlt  unten  die  keil- 
förmig oder  konisch  gestaltete  Masse,  wie  wir  sie  sonst  an  Köpfen  finden, 
die  in  Marmorkörper  eingelassen  waren.  Die  Unterfläche  steigt  von  vorn  nach 
hinten  schräg  empor,  gerauht  und  unterbrochen  durch  zwei  große  Vertiefungen, 
ein  rundes  Loch  von  0-03 m  Durchmesser  und  o,i3m  Tiefe  ziemlich  weit  vorne  und 
ein  quadratisches  von  01  im  Tiefe,  dessen  Seiten  0*05 m  messen,  im  Mittelpunkte. 
Der  Schopf  ist  hinten  glatt  abgeschnitten,  und  in  die  Schnittfläche  ist  unten  ein 
Loch  geschlagen.  Man  sollte  meinen,  all  das  sei  einerseits  unpraktisch,  ander- 
seits übermäßig  viel,  wenn  der  Kopf  in  einem  marmornen  Halsausschnitte  fest- 
gehalten werden  sollte;  doch  werden  wir  uns  noch  eingehender  mit  dieser  Frage 


Athena  des  Phidias 


'73 


6l:   Marmorkopf  aus   Villa  Carpegna. 


beschäftigen  müssen.  Der  Marmor  des  Kopfes  ist  pentelisch,  die  Arbeit  nicht 
sehr  fein,  aber  auch  nicht  glatt ;  ja,  Stirn,  Wangen  und  die  Umgebung  der  Augen 
sind  reicher  modelliert,  als  an  all  den  anderen  Repliken. 

Den  Kopf  im  Vatikan  bilden  wir  in  Fig.  63  ab.  Ich  wiederhole  aus  dem 
Katalog  die  nötigen  Angaben:  ergänzt  sind  wieder  die  Augen  und  der  ganze 
obere  Teil  des  Helmes.  Von  den  antiken  Augen  hatte  man  Reste  gefunden,  nach 
denen  das  Weiße  aus  Elfenbein,  die  Pupille  in  Edelstein  gebildet  war;  aus 
Spuren  grüner  Patina  an  den  Lidern  ist  mit  Recht  geschlossen  worden,  daß  die 
Wimpern  aus  Bronzeblech  geschnitten  waren.  Über  die  Zurichtung  der  Stückungs- 
fläche für  den  Oberteil  des  Helmes  wird  berichtet:  „Sopra  la  testa  vi  e  un 
canale,  forse  adattato   per    l'incassatura   dell'elmo",    woraus    Fagan,  der  Entdecker 


•74 


W.   Amelung 


des  Kopfes,  schloß,  das  Fehlende  sei 
aus  Bronze  gewesen;  augenscheinlich 
aber  war  die  Zurichtung  ganz  ent- 
sprechend der,  die  wir  an  dem  Kopf 
aus  Villa  Carpegna  beobachtet  haben, 
und  so  wird  der  Oberteil  des  Helmes 
auch  hier  vielmehr  aus  Marmor,  Stuck 
oder  metallbedecktem  Holze  gewesen 
sein.  Weiter  sind  die  Haare  von  moder- 
ner Hand  gearbeitet  und  angesetzt;  der 
Ergänzer  fand  also  zweifellos  auch  an 
diesem  Kopfe  nur  die  Befestigungs- 
spuren der  antiken  Haare,  und  es  ist 
beachtenswert,  daß  er  die  neuen  beider- 
seits über  den  Helmrand  legte,  was 
wir  an  dem  eben  besprochenen  Kopfe 
wenigstens  für  die  linke  Seite  als  ur- 
sprünglich folgern  konnten.  Dabei  hat 
er  den  einzelnen  Strähnen,  wie  uns  die 
Vergleichung  mit  dem  Kopf  in  Sevilla 
lehrt,  einen  allzu  sanften  Schwung  ge- 
geben; so  wenig  auch  die  Abbildun- 
gen erkennen  lassen,  ist  es  doch  ganz 
deutlich,  daß  die  Strähnen  dort  sehr 
lebhaft  gewellt  sind  in  der  für  den 
phidiasischen  Stil  charakteristischen  Art;  am  ehesten  werden  wir  den  Kolossal- 
kopf der  Athena  in  der  .Sammlung  Jacobsen  (Arndt,  Collection  Ny-Carlsberg 
Taf.  41/42)  und  den  Kopf  der  Köre  Albani  vergleichen  können  (Einzel-Aufnahmen 
n.  1115/16).  Der  Helmrand  senkt  sich  auch  hier  mit  einer  Spitze  in  die  Stirn;  er 
ist  mit  einem  Rankenornament  verziert,  das  wohl  dem  Geschmacke  des  Kopisten 
seine  Entstehung  verdankt.  Tn  den  Ohrläppchen  waren  Gehänge  befestigt.  Das 
Halsstück  ist  vorne  zugespitzt,  also  zum  Einsetzen  hergerichtet,  doch  ist  die 
Unterfläche  leider  nicht  mehr  sichtbar.  Gefunden  wurde  der  Kopf  im  Anfange 
des  19.  Jahrhunderts  in  den  Ruinen  von  Laurentum,  mit  ihm  ein  Arm  und  ein 
Fuß  aus  demselben  Marmor,  in  entsprechender  Größe  und  Spuren  zufolge  auch 
zum    Ein-   und    Ansetzen    bestimmt.     Beide    Extremitäten    sind    verschollen.     Der 


62:  Marmorkopf  in  Wien. 


Athena  des  Phidias 


'75 


63 :  Marmorbüste  im  Vatikan. 


Marmor  ist  großkristallinisch  und  weiß,  der  Charakter  der  Ausführung  am  ehesten 
der  des  hadrianischen  Stiles. 

An  dem  Kopfe  in  Wien  (Tafel  V.  VI  ohne,  Fig.  62  mit  Ergänzungen)  sind 
wieder  Augen,  Haar  und  der  obere  Teil  des  Helmes  ergänzt;  auch  hier  waren  also 
diese  Teile  in  antiker  Zeit  besonders  gearbeitet.  Robert  v.  Schneider  teilt  mir  mit, 
daß  an  den  Rändern  des  linken  Auges  Reste  von  Bronzepatina  erkennbar  sind; 
die  Augäpfel  waren  demnach,  wie  an  dem  vatikanischen  Kopfe,  von  Bronze- 
wimpern beschattet.  Die  Ohrläppchen  sind  auch  hier  durchbohrt;  in  einem 
steckt    noch    ein  Bronzeringelchen.     Was  von  dem  Helm  erhalten  ist,    stimmt   in 


176  W.   Araelung 

der  Form  mit  den  Resten  an  den  übrigen  Wiederholungen  überein,  doch  ist 
hier  auch  der  obere  Rand  des  Stirnschutzes  vorhanden;  der  gesenkten  Spitze 
unten  entspricht  oben  eine  weniger  accentuierte  in  Form  eines  stumpfen 
Winkels.  Über  dem  oberen  Rand  zieht  sich  eine  Reihe  kleiner  Löcher  hin, 
die  sich  in  gleicher  Richtung  bis  zum  Ansätze  des  Helmbuschträgers  fortsetzt; 
sie  haben  etwa  zwei  Millimeter  Durchmesser,  stehen  in  unregelmäßigen  Abständen 
voneinander,  und  in  einigen  sind  noch  abgebrochene  Bronzestifte  erhalten.  Auf 
der  linken  Seite  sind  es  sechs,  auf  der  rechten  sieben.  Zweifellos  war  hier  ein 
bronzener  Zierat  befestigt,  und  einleuchtend  ist  ein  Vorschlag  Robert  von 
Schneiders,  dem  ich  genaue  Angaben  über  diesen  Punkt  verdanke:  er  glaubt, 
der  Zierat  sei  ein  Kranz  gewesen  (man  vergleiche  drei  griechische  Münzen,  die 
eine  aus  dem  kürzlich  in  Eleusis  entdeckten  Funde  attischer  Münzen  im  Journal 
international  d'archeologie  numismatique  von  1904  Taf.  II  40,  S.  116  n.  5,  die 
zweite  ebenda  Taf.  IX  17,  S.  348  n.  16  aus  Hyale  in  Lukanien,  die  dritte  bei 
P.  Gardner,  Types  of  greek  coins  pl.  XIV  9  aus  Indien  mit  dem  Kopfe  des 
Sophytes  und  endlich  die  Petersburger  Ptolemäer-Gemme  bei  Furtwängler,  Die 
ant.  Gemmen  Taf.  LIII  2).  Der  Kopf  wurde  in  der  Villa  des  Hadrian  bei  Tivoli 
gefunden  (Winnefeld,  Die  Villa  des  Hadrian  S.  1 63) ;  in  der  Art  seiner  Ausführung 
trägt  er  denn  auch  alle  Kennzeichen  des  hadrianischen  Stiles.  Zugleich  kamen 
die  Vorderteile  von  zwei  Füßen  zu  tage,  die  heute  ebenfalls  in  Wien  aufbewahrt 
werden  (Fig.  64);  sie  sind  für  unsere  Frage  von  ganz  besonderem  Wert,  denn  sie 
stimmen  mit  den  beiden  Füßen  der  Athena  Medici,  soweit  diese  aus  dem  Ge- 
wände herausragen,  vollkommen  überein,  geben  also,  wenn  irgend  ein  Zweifel 
geblieben  wäre,  den  unwiderleglichen  Beweis,  daß  dieser  Kopftypus  eben  zu 
diesem  Körper  gehört  und  daß  die  Kopie,  von  der  der  Wiener  Kopf  stammt, 
in  ihrer  Größe  der  Athena  Medici  entsprach.  Da  von  dem  Kopfe  in  Sevilla  keine 
Maße  genommen  sind,  konnte  sonach  bei  der  Kontrolle  der  übrigen  Repliken 
der  Wiener  Kopf  als  Norm  genommen  werden.  Wie  unsere  Maßtabelle  (S.  178)  zeigt, 
stimmen  die  verschiedenen  Köpfe  alle  in  den  wichtigsten  Verhältnissen  überein. 
Die  Füße  sind  vorne  mit  größter  Sorgfalt  ausgeführt;  ca.  003'"  von  der  Rück- 
seite entfernt  hört  die  feine  Arbeit  an  den  Nebenseiten  auf  (die  Sandale  ist  hier 
nur  angedeutet);  das  Gewand  verdeckte  diese  Teile.  An  der  hinteren  Stoß- 
fläche,  die  leicht  gewölbt  ist,  bemerkt  man  in  der  vorderen  Hälfte  die  Spuren 
der  Marmorraspel,  hinten  Meißelstriche;  die  Unterfläche  ist  gerauht  und  an 
dem  rechten  Fuß  ist  die  Sandale  nach  hinten  zu  etwas  unterhöht.  Zapfen- 
löcher   sind    nicht    vorhanden.      Die    Füße    waren    also    in    die    Höhlungen    am 


Athena  des  Phidias 


77 


Gewand-Torso   eingesetzt    und    wohl    nur  mit   Stuck,   keinesfalls  mit   Metallstiften 
oder  Dübeln  befestigt. 

Der  Kopf  im  British  Museum  (Fig.  65 — 67)  stammt  aus  der  Townley- 
Collection;  er  ist  1787  bei  Rom  gefunden  worden.  Die  antiken  Teile  sind  in 
parischem  Marmor  gearbeitet.  Ergänzt  ist  der  ganze  obere  Teil  des  Helmes, 
das  rechte  Ohrläppchen,  die  Spitzen  des  Nackenschutzes  vorne,  die  Nasenspitze 
und  das  Vorderteil  des  Halsstückes,  das  unten  modern  zugeschnitten  ist.  Das 
antike  Ohrläppchen  ist  durchbohrt;  beide  Ohren  trugen  also  Gehänge.  Augäpfel, 
die  eingesetzt  waren,  fehlen  jetzt:  ebenso  die  Haare,  deren  Befestigungsspuren 
auch  hier  erhalten  sind:  in  jeder  Schläfe  fünf  rundliche  kleine  Löcher  und  in 
dem  unteren  Helmrande  mehr  nach  der  Stirnmitte  zu  auf  der  rechten  Kopfseite 
drei,  auf  der  linken  zwei  längliche  Vertiefungen;  endlich  eine  deutlich  markierte 
Umrißlinie  (Alles  ist  auf  den  Abbildungen  sichtbar;  die  reproduzierten  Photo- 
graphien sowie  genaue  Angaben  verdanke  ich  Cecil  Smith).  Auch  diese  Spuren 
erklären  sich  am  ehesten,    wenn  wir  annehmen,  daß    die    Haare    aus    Stuck    oder 

Metall  und  in  ihrer  Form  denen  der 
Athena  Jacobsen  und  der  Köre  Albani 
ähnlich  waren.  Der  Kopf  entsprach 
also  in   der  technischen  Zurichtung  den 

64:   Füße  zum  Wiener  Marmorkopf  gehörig. 


Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes   Bd     \l 


=3 


i78 


\V.  Amelung 


anderen  Repliken  vollkommen. 
Seine  Arbeit  ist  recht  glatt,  und 
wahrscheinlich  stammt  auch  er 
aus  hadrianischer  Zeit '). 

Tragen  wir  die  verschiede- 
nen Züge,  die  wir  an  den  einzel- 
nen Köpfen  zerstreut  beobachtet 
haben,  in  ein  einheitliches  Bild 
zusammen,  so  ersteht  vor  unserem 
geistigen  Auge  eine  eigenartig 
farbenreiche  Erscheinung:  im  lich- 
ten Marmor  strahlten  die  Formen  •  ■<*'  J  ■ 
des  Gesichtes;  die  Augen  waren 
aus  Elfenbein  und  Edelstein  ge- 
bildet, in  bronzene  Wimpern  ge- 
bettet und  in  die  leeren  Augen- 
höhlen eingesetzt.  Lebhaft  ge- 
wunden quollen  die  Strähnen  der 
Haare  unter  dem  Helmrande  vor; 
in  voller  Masse  deckten  sie  die 
Schläfen.  Aus  der  Tatsache,  daß 
sie,  abgesehen  von  dem  Kopfe  in 

65:  Marmorkopf  im  Britischen  Museum. 

Sevilla,  besonders  gearbeitet  und 

an  zwei  Köpfen  —  nur  an  diesen  war  es  noch  festzustellen  —  mittels  kleiner  Stifte 

befestigt  waren,  glaubten  wir  schließen  zu  können,  daß  ihr  Material  in  all  diesen 

')  Maßtabelle.  _,,,..  ,.  ...  .       ,  ,, 

Wien         Vatikan      London        Carpegna 

Untere  Spitze   des   vorderen  Helmrandes  bis  zur  Nasenspitze    .    .  0-l45m  0"i49m  0-l4m  CI46 

Untere  Spitze   des  vorderen  Helmrandes  bis  zur  Mundspalte     .     .  OM7  0-I7  o-'7  0*17 

Untere  Spitze  des  vorderen  Helmrandcs  bis  zum  Kinn     ....  o-25  0-25  0-235  °'25 

Abstand   der  inneren  Augenwinkel  von  einander O  05  O  49  0TJ5  0.047 

Abstand   der  äußeren  Augenwinkel  von   einander O'IJ  CVI52  015  o-I49 

Abstand  der  Ohren  von  einander o-225  0"23  0"237  0"23 

Mundbreite ....  0'062  0*067  0*067  0061 

Durchmesser  des  Halses 0'I95  OM98  0'I97  0M9 

Sieveking  machte  mich  noch  auf  einen  weiblichen  Athenakopfes     und     schreibt    darüber:      „Uebercin- 

Kolossalkopf   in  St.  Petersburg   aufmerksam   (Kiese-  Stimmung  der  Masse;  gleiche  Herrichtung  des  Ober- 

ritzky,    Katalog    der  Eremitage  n.  44;     Friederichs-  kopfes;     Augen   zum   Einsetzen,    ebenso   Hals;     Stil 

Wolters  n.  502);  er  hält  ihn  für  eine  Replik  unseres  derselbe.    Sicherer  Beweis  erbracht  durch  den  zuge- 


Athena  des  Phidias  x79 

Fällen  Stuck  oder  Metall  war.  Die  Kappe  des  attischen  Helmes  umgab  rings  ein 
metallener  Zierat,  wahrscheinlich  ein  Kranz,  während  über  die  Höhe  der  Rundung 
drei  mächtige  Büsche  hervorragten.  Von  Backenklappen  hat  sich  nirgendsein  Ansatz 
oder  eine  Spur  der  Befestigung  erhalten;  auch  fehlen  sie  auf  dem  athenischen 
Relief,  auf  dem  die  Statue  nachgebildet  ist  (Einzelaufnahmen  n.  1275).  Mag  man 
nun  annehmen,  der  obere  Teil  des  Helmes  sei  ganz  aus  Marmor  oder  zum  Teil 
aus  Bronze  gewesen,  zweifellos  war  dem  ganzen  Helme  Metallfarbe  gegeben.  Da 
sich  aber  die  Haare  in  ihrer  Farbe  von  dem  Helme  unterschieden  haben  müssen, 
und  für  diesen  der  dunkle  Bronzeton  das  Gegebene  war,  so  ergibt  sich  mit 
Wahrscheinlichkeit  der  Schluß,  daß  die  Haare  golden  oder  vergoldet  waren 
(und  vergoldet  müßten  demnach  auch  die  Marmorhaare  des  Kopfes  in  Sevilla 
gewesen  sein). 

Die  ganze  Art  dieser  seltsamen  Technik  findet  sich  •  -  von  den  Augen  ab- 
gesehen —  ganz  gleich  an  verschiedenen  Köpfen  griechischer  Originalstatuen 
wieder.  Man  vergleiche,  was  Furtwängler  über  die  Giebelfiguren  des  Aphaia- 
Tempels  in  seinem  Aiginawerk  S.  29g  und  in  der  Beschreibung  der  Glyp- 
tothek vom  Jahre  1900  an  mehreren  Stellen  berichtet.  Häufig  waren  dort  die 
Haartouren  vollständig  oder  in  einzelnen  Locken  auf  den  Marmorköpfen  mittels 
kleiner  Bronzestifte  befestigt;  aus  erhaltenen  Resten  läßt  sich  schließen,  daß  sie 
in  Blei  gegossen  waren  (natürlich  hatten  sie  Bronzefarbe  bekommen).  Und  wie 
bei  den  Athena-Köpfen  der  obere  Teil  des  Helmes  besonders  gearbeitet  und  auf- 
gesetzt war,  so  dort  an  dem  einen  Bogenschützen  des  Westgiebels  (C)  die  vor- 
gebogene Spitze  der  persischen  Mütze. 

Daß  auch  an  den  Figuren  der  Parthenongiebel  derartiges  vorkam,  lehrt  uns 
das  kürzlich  entdeckte  Fragment  vom  Kopfe  der  Athena  des  Westgiebels  (Ath. 
Mitt.  1 908  S.  1 3  ff.  Taf.  IV).  Da  war,  wie  Prandtl  augenscheinlich  mit  Recht 
annimmt,  nicht  nur  der  ganze  Nackenschutz  aus  Metall  aufgesetzt,  sondern  auch 
eine   Locke,  die  wir  uns  ebenfalls  aus  Metall  zu  denken  haben,   unter  dem  Ohre 

hörigen  linken  Colossalfuss  (Kieseritzky  Nr.  122);  daß  es  sich  keinesfalls  um  eine  Wiederholung  der 
dieser  in  Form  und  Mass  völlig  übereinstimmend  Athena  handeln  kann ;  auch  lält  sich  nichts  über 
mit  dem  Wiener.  Der  Kopf  ist  falsch  gewendet  in  die  ehemalige  Herrichtung  des  Oberkopfes  vermuten, 
die  moderne  Büste  eingesetzt."  Gegen  diese  Annahmen  Der  Stil  scheint  mir,  nach  einer  Photographie  zu 
spricht  eine  Auskunft,  die  ich  der  Liebenswürdigkeit  urteilen,  die  ich  ebenfalls  Pridik  verdanke,  nicht  aus- 
Pridiks,  des  jetzigen  Direktors  der  Eremitage,  ver-  gesprochen  phidiasisch,  und  endlich  beruht  die  Be- 
danke. Sie  lautet:  „Vom  Haar  ist  ein  schmaler  hauptung,  daß  Kopf  und  Fuß  zusammengehören,  nur 
Streif  über  der  Stirn  und  ein  Stück  hinter  dem  auf  einer  Annahme  Bernoullis,  der  die  Verschiedenheit 
linken  Ohr  antik.  Der  Kopf  ist  richtig  nach  seiner  der  Marmorsorten  widerspricht. 
Linken    gewendet    eingesetzt."     Daraus    geht   hervor, 

23* 


i8o 


W.  Amelung 


66:   Marmorkopf  im   Britischen  Museum. 

befestigt;    die    Ohrläppchen    trugen    metallene    Gehänge    und    auch    die   Helm- 
büsche waren  in  Metall  gegossen  und  aufgesetzt. 

Danach  muß  diese  Technik  im  fünften  Jahrhunderte  gang  und  gäbe  ge- 
wesen sein  und  es  kann  auch  nicht  behauptet  werden,  daß  man  sie  nur  anwendete, 
weil  sich  manche  delikate  Einzelheiten  gesondert  bequemer  oder  in  Metall  besser 
als  in  Marmor  herstellen  ließen.  Die  Meister  der  aiginetischen  Giebel  scheuten 
keine  technischen  Schwierigkeiten,  und  auch  jenen  Nackenschutz  und  die  Locke 
der  Athena  am  Parthenon  hätte  man  ohne  die  geringste  Gefahr  oder  Einbuße 
an   künstlerischer  Wirkung  in  Marmor   mit   dem   übrigen   ausführen  können.     Es 


Athena  des  Phidias 


181 


07:   Marmorkopf  im   Britischen  Museum. 


handelt  sich  um  eine  technische  Gewöhnung,  die  in  diesem  Falle  von  den  Ko- 
pisten getreu  nachgeahmt  worden  ist,  ein  Zeichen  für  den  ungewöhnlich  hohen 
Ruhm  des  Originales. 

Einen  ganz  analogen  Fall  bietet  augenscheinlich  ein  Kopf  aus  Kyrene  im 
British  Museum  (Cat.  of  sculpt.  II  1506  pl.  XXV  2),  der  ebenfalls  eine  Schöpfung 
der  phidiasischen  Zeit  copiert.  Nach  den  Aufsatzspuren  der  Haare  zu  urteilen, 
war  der  Kopf  nicht  männlich,  wie  der  Katalog  angibt;  der  Umriß  dieser  Spuren 
entspricht  durchaus  dem,  wie  wir  ihn  bei  der  Londoner  Replik  unserer  Athena 
angegeben  finden.    Der  ganze  Oberteil  des  Kopfes  war  auch  hier  aufgesetzt  und 


182  \V.   Amelung 

verklammert.  Die  Art,  wie  die  Aufsatzfläche  der  Haare  hergerichtet  ist  —  gerauht, 
ohne  Stiftlöcher  — ,  erklärt  sich  nur  unter  der  Voraussetzung,  daß  die  Haare  aus 
Stuck  waren.  Die  Augen  sind  mit  bronzenen  Wimpern  eingesetzt;  die  jetzt 
fehlenden  Pupillen  waren  aus  farbigem  Stein. 

Wir  können,  wie  ich  glaube,  auch  über  die  technische  Gestaltung  des  Körpers 
der  Athena  etwas  Sicheres  erfahren.  Zunächst  erinnere  ich  an  etwas:  bei  Be- 
trachtung des  Kopfes  aus  Villa  Carpegna  schien  es  uns,  als  sei  das  Halsstück  unten 
nicht  in  der  Art  zugerichtet,  wie  es  sich  erwarten  ließe,  wenn  der  Kopf  in  einen 
marmornen  Körper  eingelassen  werden  sollte.  Dann  bedenke  man  folgendes: 
Mit  dem  Kopfe  im  Vatikan  wurden  ein  Arm  und  ein  Fuß  aus  Marmor  gefunden, 
mit  dem  Kopfe  in  Wien  die  beiden  Füße;  in  beiden  Fällen  waren  diese  Extre- 
mitäten nicht  gebrochen,  sondern  zum  Einsetzen  zugerichtet.  Von  dem  Torso 
aber,  an  dem  sie  befestigt  werden  sollten,  wurde  beide  Male  nichts  gefunden. 
Wie  erklärt  sich  das?  Auch  an  der  zweiten  Replik  in  Sevilla  (Herrmann  a.  a.  O. 
Taf.  III  S.  162)  waren  Kopf,  Arme  und  Füße  angesetzt.  Hat  nun  ein  seltsamer 
Zufall  gespielt,  und  hat  man  in  Laurentum  und  in  der  Villa  des  Hadrian  die 
Torsi  schon  lange  vor  den  anderen  Teilen  entdeckt,  zu  Kalk  verbrannt  oder 
fortgeschafft  und  verkauft?  Aber  wie  konnten  dabei  die  kleineren  Teile  unbe- 
merkt bleiben?  Um  eine  solche  Riesenmasse  auszugraben,  mußte  die  Erde  ringsum 
gehörig  durchwühlt  werden  und  Kalkbrenner  hätten  zweifellos  eher  die  kleineren 
Stücke  verwendet,  als  den  Riesenblock  zerschlagen.  Der  Torso  wird  also  nicht 
aus  Marmor,  sondern  aus  einem  Stoffe  gewesen  sein,  der  zeitiger  Zerstörung  durch 
Menschenhand  oder  in  der  Erde  ausgesetzt  war.  Ja,  auch  die  Tatsache,  daß  an 
der  zweiten  Wiederholung  in  Sevilla  die  Füße  besonders  gearbeitet  und  ange- 
setzt waren,  spricht  doch  dafür,  daß  die  Gewandung  nicht  als  Marmor  zur  Geltung 
kommen  sollte,  denn  wozu  sonst  diese  Umständlichkeit,  die  sich  denn  auch  der 
Bildhauer  der  Athena  Medici  und  der  andern  Replik  in  Sevilla  gespart  hat,  und 
die  meines  Wissens  sonst  nur  vorkommt,  wenn  die  Gewandung  in  Porphyr  oder 
farbigem  Marmor  gearbeitet  war  (etwas  anderes  ist  es,  wenn  z.  B.  bei  der  Aphro- 
dite, die  von  Kekule  in  den  Arch.-epig.  Mitt.  1879  S.  8  ff .  Taf.  I  veröffentlicht 
worden  ist,  das  Vorderteil  des  einen  Fußes  und  fast  der  ganze  linke  Arm  be- 
sonders gearbeitet  und  angesetzt  waren;  beide  Teile  ragten  aus  der  Masse  der 
übrigen  Komposition  heraus,  und  so  empfahl  sich  hier  eine  Stückung  lediglich, 
um  nicht  einen  unnötig  großen  Block  für  das  Ganze  wählen  zu  müssen). 

Auch  scheint  mir  Stein  wenigstens  für  den  Körper  der  Replik  aus  Villa 
Adriana  wegen  der  Zurichtung  der  erhaltenen  Füße  ausgeschlossen,  da  jede  Spur 


Athena  des  Phidias  183 

einer  Verzapfung  fehlt.  Anderseits  kann  auch  Metall  —  wir  müßten  an  ver- 
goldete Bronze  denken  —  nicht  in  Frage  kommen.  Es  würden  sich  an  den 
Füßen,  wie  am  linken  Auge,  zweifellos  irgend  welche  Spuren  der  Bronzepatina  er- 
halten haben;  vor  allem  aber  sollten  sich  die  Füße  augenscheinlich  mit  ihrer  ge- 
wölbten Stoßfiäche  in  eine  entsprechende  Höhlung  fügen.  So  bleiben  nur  zwei 
Möglichkeiten:  der  Körper  war  aus  Holz  und  mit  einer  leichten  Goldhülle  be- 
deckt, oder  er  war  aus  Stuck  und  ebenfalls  vergoldet.  Beides  kommt  für  die 
künstlerische  Wirkung  auf  eins  heraus,  denn  für  diese  war  nicht  der  Kern, 
sondern  die  metallische  Hülle  entscheidend,  und  jedenfalls  wären  demnach  die 
beiden  Wiederholungen  in  Laurentum  und  der  Villa  des  Hadrian  Akrolithe  ge- 
wesen. Bei  den  anderen  Kopien,  die  ganz  in  Marmor  ausgeführt  sind,  müßten 
wir  uns  die  Gewandung  vollständig  vergoldet  denken,  so  daß  sie  dadurch  trotz 
ihrer  Marmorkörper  den  Eindruck  von  Akrolithen  machten,  wie  wir  auch  für  die 
Marmorhaare  des  Kopfes  in  Sevilla  Vergoldung  annehmen  mußten.  Der  Wunsch 
größerer  Stabilität  und  Wetterfestigkeit  konnte  die  Übertragung  in  Marmor  ver- 
anlassen. Beispiele  von  vergoldeten  Marmorskulpturen,  die  den  Eindruck  von 
Werken  aus  Goldbronze  machen  sollten,  habe  ich  im  I.  Bande  des  Vatikan- 
Kataloges  S.  380  und  916  zusammengestellt  (vgl.  im  IL  Bande  S.  747).  Der  Schluß 
auf  die  Technik  des  Originales  unserer  Athena  ergibt  sich  jetzt  von  selbst:  sein  Torso 
war  entweder  in  Metall  gearbeitet  —  in  Gold  oder  vergoldeter  Bronze  —  oder  ganz 
entsprechend  den  Kopien  aus  Laurentum  und  der  Hadrians-Villa  in  vergoldetem 
Holz  oder  Stuck  ausgeführt.  Für  beides  sind  Parallelen  in  der  griechischen  Kunst 
und  insbesondere  für  die  Entstehungszeit  der  Athena  überliefert:  in  Plataeae 
stand  die  Athena  Areia  des  Phidias,  ein  £6avov  ira'xpuaov  mit  Gesicht,  Händen 
und  Füßen  aus  pentelischem  Marmor  (Paus.  IX  4,  1),  und  an  dem  Zeus  des  Theo- 
kosmos im  Olympieion  zu  Megara  war  das  Gesicht  aus  Elfenbein  und  Gold,  alles 
übrige  tcyjXoö  te  xcd  yö<J;ou  (Paus.  I  40,  4);  natürlich  waren  die  nackten  Teile  weiß 
gefärbt,  die  Gewandung  vergoldet.  Es  sei  nicht  verschwiegen,  daß  Pausanias  an- 
gibt, Theokosmos  sei  nur  durch  den  hereinbrechenden  Peloponnesischen  Krieg 
daran  verhindert  worden,  die  Statue  ganz  in  Elfenbein  und  Gold  auszuführen; 
aber  wir  werden  mißtrauisch  gegen  diese  Behauptung,  wenn  wir  weiter  hören, 
daß  der  Perieget  hinter  dem  Tempel  noch  die  Hölzer  gesehen  haben  will,  die 
für  das  Gerüst  im  Innern  des  Zeus  bestimmt  waren.  Für  unsere  Frage  verschlägt 
das  nicht  viel,  denn,  wie  ich  schon  andeutete,  für  die  künstlerische  Stilisierung 
war  doch  die  metallische  Hülle  des  Kerns  entscheidend. 

Wie   verhält   sich    zu    diesem  Resultate    der  Stil   der  verschiedenen  Wieder- 


1 84  W.   Amelung 

holungen  des  Körpers?  Die  Meinungen  darüber  sind  weit  auseinandergegangen, 
am  weitesten  in  den  verschiedenen  Schriften  eines  Gelehrten.  Für  Furtwängler 
war  die  Athena  Medici  erst  (in  den  Meisterwerken)  eine  Kopie  nach  der  bronzenen 
Promachos  auf  der  Akropolis,  dann  wurde  sie  (in  den  Intermezzi)  ein  Original- 
werk phidiasischer  Marmorkunst;  zuletzt  (im  Aigina -Werke,  Textband  S.  330  ff.) 
sank  sie  doch  wieder  zu  dem  Rang  einer  Kopie  nach  der  bronzenen  Promachos  herab. 
Furtwängler  hatte  sie  zuerst  aus  weiter  Entfernung  beurteilen  müssen;  dann 
sah  er  sie  in  erreichbarer  Nähe  neben  den  Gypsabgüssen  der  Figuren  aus  dem 
Parthenongiebel,  und  während  ihm  nun  die  Übereinstimmung  mit  den  Giebel- 
figuren so  stark  erschien,  daß  er  meinte,  früher  habe  ihn  Voreingenommenheit 
geblendet,  die  Originalität  der  Arbeit  sei  unverkennbar  und  der  Grad  der  Ver- 
wandtschaft mit  jenen  Werken  nur  dadurch  zu  erklären,  daß  die  Athena  eben 
auch  in  einem  der  Giebel  gestanden  habe,  fanden  sich  andere  Archäologen  gerade 
durch  dieselbe  Gelegenheit  naher  Vergleichung  nur  bestärkt  in  ihrer  Ansicht, 
die  Athena  Medici  überrage  zwar  die  üblichen  Kopien,  sei  aber  eben  doch  unver- 
kennbar selber  Kopie  (Herrmann  a.  a.  O.  S.  165;  Einzelaufnahmen  Text  zu 
Serie  IV  S.  66  Nachtrag  zu  n.  706  a).  Aber  wir  können  die  Frage,  ob  Kopie 
oder  Original,  jetzt  endgültig  begraben;  Furtwängler  selbst  hat  seine  Behauptung, 
wie  erwähnt,  wieder  aufgegeben,  und  sie  würde  auch  durch  unsere  Untersuchung 
erledigt  werden.  So  bleibt  das  Dilemma:  Kopie  nach  Metall  oder  nach  Marmor? 
Für  Marmor  hat  sich  unabhängig  von  Furtwängler  Herrmann  ausgesprochen, 
doch  bezweifle  ich,  daß  seine  Gründe  durchschlagend  sind.  Er  schreibt:  „Ange- 
sichts des  Torso  Medici  wird  man  sich  schwerlich  an  eine  Erzstatue  erinnert 
fühlen;  der  Formenvortrag  und  die  Modellierungsweise  erinnern  durchaus  an 
Marmortechnik;  die  dicht  gereihten  Steilfalten  über  dem  Standbeine  mit  ihren 
starken  Unterhöhlungen  sind  so  in  Guß  überhaupt  kaum  auszuführen  und  deuten 
auf  ein  Modell  hin,  bei  dem  von  vornherein  auf  Ausführung  im  Stein  Rücksicht 
genommen  war."  Das  könnte  man  nur  für  entscheidend  halten,  wenn  derartige 
Falten  im  Guß  gar  nicht  auszuführen  wären;  aber  Herrmann  wagt  diese  Behaup- 
tung nicht  und  mit  Recht.  Er  fährt  dann  fort:  ,.Wenn  die  Kopisten  der  beiden 
Sevillaner  Statuen,  namentlich  der  von  II,  in  Anordnung  und  Wiedergabe  der 
betreffenden  Faltenpartien  etwas  freier  verfahren  sind,  so  ist  wohl  eher  anzu- 
nehmen, daß  sie  den  Formenreichtum  ihres  Vorbildes  vereinfacht  und  sich  die 
Arbeit  erleichtert  haben,  als  daß  umgekehrt  der  Meister  des  Torso  Medici  die 
gegebenen  einfachen  und  klaren  Formen  zu  größerer  äußerer  Mannigfaltigkeit 
gesteigert  und  sich  die  Mühe  vergrößert  hätte.-     Ich  meine,  die  Erfahrungen  der 


Athen»  des   Phidias 


l85 


Kopienkritik  lehren  uns  viel- 
mehr, daß  die  künstlerisch  bedeu- 
tenden Kopisten  nicht  immer  die 
getreuesten  sind.  Meinem  Urteile 
nachstimmen  die  beiden  Wieder- 
holungen in  Sevilla  darin  überein, 
daß  die  Gewandung  bronzemäßig 
wirkt.  Wenn  dagegen  eine  dritte 
vielmehr  den  Eindruck  einer 
Marmorschöpfung  macht,  so  müs- 
sen wir  zunächst  den  Schluß  zie- 
hen, der  Bildhauer  dieser  einen 
habe  das  Ganze  umstilisiert,  dem 
Material,  in  dem  er  arbeitete, 
angepaßt.  Aber  ich  glaube:  auch 
wer  nur  die  Athena  Medici,  so 
wie  sie  ist,  als  authentische  Nach- 
bildung des  Originals  gelten  las- 
sen wollte,  dürfte  sich  dieses 
ohne  weiteres  mit  metallenem 
Gewände  vorstellen.  Kopf,  Ar- 
me und  Füße  waren  an  dem 
Original  wie  an  den  Kopien  aus 
Marmor  oder  —  denkbar  wäre 
ja  auch  das  —  aus  Elfenbein 
doch  dürfte  es  den  Kopisten  in  diesem  Falle  kaum  möglich  gewesen  sein,  so 
genaue  Maße  zu  nehmen,  wie  wir  das  bei  der  Übereinstimmung  der  Repliken  vor- 
aussetzen  müssen.     Wahrscheinlicher  war  auch  das  Original  ein  Akrolith. 

Die  Anzahl  der  Wiederholungen  des  Körpers  ist  übrigens  um  eine  bisher 
unbeachtete  Statuette  zu  vermehren,  die  sich  im  Kircherianum  in  Rom  befindet 
(Fig.  68;  die  Erlaubnis  zur  Publikation  hat  Pigorini  freundlichst  erteilt).  H.  0-54 '": 
feinkörniger  weißer  (italischer)  Marmor.  Ergänzt  Helmbusch,  Halsstück,  rechter 
Arm,  linker  Unterarm,  das  ganze  untere  Drittel.  Der  Kopf  ist  antik,  aber  nicht 
zu  dem  Körper  gehörig.  Selbst  an  dieser  unscheinbaren  Kopie  war  der  ursprüng- 
liche Kopf  eingelassen,  der  rechte  Arm  und  der  linke  Unterarm  angesetzt  (die 
Fußpartie  fehlt).     Von  dem  Schöpfe  ist  im  Nacken  keine  Spur.     Der  rechte  Arm 


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1   MI1}  1 

68  :   Statuette  im  Kircherianum  in   Rom. 


Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI 


24 


l86  W.   Araelung 

war  gesenkt.  Der  linke  Oberarm  ist  außen  leicht  bestoßen  (Ansatzstelle  des 
Schildes).  Am  unteren  Rande  des  vorderen  Teiles  der  Aegis  sind  fünf  Löcher 
zur  Befestigung  kleiner  bronzener  Schlangen  eingebohrt.  All  diese  sorgsamen 
Herrichtungen  an  einer  so  kleinen,  geringwertigen  Kopie  zeugen  deutlich  für 
den  hohen  Ruhm  des  Originales.  Noch  ist  zu  bemerken,  daß  der  Gürtel  vorne 
nicht  verknotet,  die  Aegis  geschuppt  und  das  Gorgoneion  auf  ihrer  Oberfläche 
befestigt  ist.  In  der  Form  des  Gürtels  und  der  Anbringungsart  des  (iorgoneions 
stimmt  also  das  kleine  Werk  mit  dem  Torso  Medici,  der  zweiten  Replik  in  Sevilla 
und  den  Statuetten  in  Athen  überein;  es  wird  dadurch  noch  sicherer,  als  es 
bisher  schon  erschien,  daß  die  Abweichungen  an  dem  ersten  Sevillaner  Exemplar 
ihre  Existenz  lediglich  dem  Geschmacke  des  Kopisten  verdanken,  der  sich  auch 
sonst  allerlei  Freiheiten  erlaubt  hat. 

Auf  dem  Relief  in  Athen  blickt  der  Kopf  der  Göttin  geradeaus.  Aber  es 
war  aus  den  Resten  des  Haarschopfes  am  Torso  Medici  bereits  geschlossen  worden, 
der  Kopf  der  Statue  habe  sich  vielmehr  nach  der  rechten  Schulter  gewendet, 
als  die  eine  Wiederholung  in  Sevilla  hierfür  die  Bestätigung  brachte.  Immerhin 
war  die  Zusammensetzung  von  Kopf  und  Körper  dort  nicht  tadellos.  „Der  Hals 
ist  unten  zweimal  gebrochen  gewesen  und  die  Bruchstellen  sind  roh  mit  Gips 
verschmiert.  Im  Nacken  nimmt  die  Gipsergänzung  die  Form  eines  eingeschobenen 
Keilstückes  an,  welches  bewirkt,  daß  der  Kopf  jetzt  zu  stark  nach  vorn  geneigt 
und  der  Zusammenhang  mit  dem  Torso  unterbrochen  istu  (Herrmann).  Es  war 
deshalb  wünschenswert,  mit  dem  Abgüsse  des  Pariser  Torso  und  eines  der  neu- 
erkannten Köpfe  eine  gewissenhafte  Zusammensetzung  vorzunehmen.  Ich  danke 
es  dem  Entgegenkommen  Rob.  von  Schneiders,  daß  der  Wiener  Kopf  geformt 
wurde  (auch  die  Füße  wurden  abgegossen).  Der  Versuch  einer  Zusammensetzung 
konnte  im  Münchener  Gipsmuseum  unternommen  werden,  und  hier  war  es  Furt- 
wängler,  der  meinem  Wunsche  mit  größtem  Interesse  entgegenkam  und  seinem 
damaligen  Assistenten  Sieveking  volle  Freiheit  ließ.  Dieser  leitete  die  Zusammen- 
setzung und  schrieb  mir  über  die  Arbeit  und  die  dabei  gemachten  Beobachtungen 
folgendes:  „An  dem  Torso  ist  von  dem  Schöpfe  nur  eine  Locke  in  hohem  Relief 
stehen  geblieben,  und  zwar  rechts  vom  Beschauer  aus  (wenn  dieser  den  Rücken 
betrachtet).  Zwischen  der  Locke  und  dem  Rande  des  Mantels  ist  der  Marmor 
abgearbeitet,  so  daß  hier  eine  Vertiefung  entsteht,  auf  deren  Grund  aber  Haare 
in  flüchtiger  Form  angedeutet  sind.  Die  Vertiefung  war  notwendig,  um  für  den 
Ausläufer  des  mittleren  Helmbusches,  der  gerade  über  diese  Stelle  lief,  Platz  zu 
schaffen.     Noch    weiter   links  verschwinden  die  Strähnen   unter  dem  Mantel;  der 


Athena  des  Phidias  '87 

Schopf  fiel  also  in  voller  Breite  über  den  Nacken  nieder  und  war  augenschein- 
lich nicht  durch  einen  Ring-  zusammengehalten.  Über  der  beschriebenen  Ver- 
tiefung und  der  Locke  rechts  von  ihr  ist  der  Rand  in  einer  Länge  von  oi65m 
bogenförmig  ausgeschnitten;  hier  war  der  Schopf,  soweit  er  im  Zusammenhange 
mit  dem  Kopfe  ausgeführt  war,  eingepaßt  (vgl.  Furtwängler,  Intermezzi  S.  i8)-'. 
„Was  sich  schon  aus  der  Lage  des  Ausschnittes,  durch  den  hinten  am  Torso 
die  Haare  liefen,  voraussagen  ließ,  bestätigt  die  Zusammensetzung.  Der  Kopf  ist 
ziemlich  stark  nach  seiner  Rechten  gewendet,  anders  als  bei  der  Sevillaner  Statue, 
bei  der  die  zu  starke  Neigung  des  Kopfes  nach  vorne  mir  nicht  die  einzige  Un- 
richtigkeit zu  sein  scheint."  Ich  hatte  den  Eindruck,  der  Kopf  sei  nicht  tief  genug 
eingelassen,  die  Halsgrube  sitze  zu  hoch.  Sieveking  antwortete,  der  Kopf  sei 
zwar  tief  genug  eingelassen,  meine  Bemerkung  über  den  Sitz  der  Halsgrube  aber 
trotzdem  berechtigt:  ,.Das  liegt  an  der  schlechten  Arbeit  des  Halses,  der  Brust 
und  der  Schulter.  Das  Verhältnis  von  Halsgrube  und  Schulteransatz  ist  voll- 
kommen verfehlt.-'  Man  kann  wohl  annehmen,  daß  der  Kopist  diese  Teile  ver- 
nachlässigt hat,  weil  sie  bei  Unteransicht,  d.  h.  der  normalen  Ansicht  der  Statue 
doch  nicht  zur  Geltung  kamen.  Der  Wiener  Kopf  ist  ohne  das  ergänzte  Oberteil 
des  Helmes  geformt  worden  und  der  Abguß  wurde  in  München  zunächst,  wie  er 
war,  auf  den  Torso  aufgesetzt.  Die  Wirkung  war  erschreckend.  Trotzdem  die 
Füße  in  Wien  mit  denen  des  Torso  vollkommen  übereinstimmen,  die  Wieder- 
holung im  Besitze  des  Hadrian  also  genau  so  groß  gewesen  sein  muß,  wie  die 
Kopie,  von  der  der  Torso  stammt,  wirkte  der  Kopf  zu  klein  und  der  Eindruck 
wurde  erst  erträglich,  als  Sieveking  den  Helm  mit  drei  großen  Büschen  ergänzen 
ließ.  Ich  verschweige  diese  seltsame  Erfahrung  nicht,  da  sie  mir  nicht  ohne  beson- 
deres Interesse  scheint. 

Um  nun  das  Bild  des  Originales  vollständig  wiederzugewinnen,  sei  an  das 
erinnert,  was  uns  die  Vergleichung  der  bisher  bekannten  Wiederholungen  gelehrt 
hatte:  Die  Schlangen  der  Aegis  verknoteten  sich  am  unteren  Rande  wie  bei  der 
Athena  Parthenos  und  auch  der  obere  Rand  war  mit  Schlangen  umsäumt  (Furt- 
wängler, Intermezzi  S.  18  f.).  Der  linke  Arm  trug  den  Schild;  auf  dem  verschollenen 
Relief  von  Ambelokipi,  von  dem  zwei  Zeichnungen  bekannt  sind  (Bull,  de  corr.  hell. 
1894  p.  488  —  danach  Fig.  69  —  und  Aigina-Werk  S.  331  Anm.  1),  hält  die  linke 
Hand  den  Speer.  Daß  dieser  auf  dem  Relief  in  Athen  weggelassen  ist,  kann  in  An- 
betracht der  starken  Relief  höhe  nicht  wundernehmen;  das  Relief  aus  Ambelokipi 
war  nach  dem  Zeugnisse  Hallers  von  Hallerstein  in  ganz  schwacher  Erhebung  ge- 
arbeitet. Zudem  hat  der  Verfertiger  noch  den  linken  Unterarm  so  weit,  als  irgend 

2  t* 


i88 


W.  AmeluDg 


möglich,  nach  auswärts  gebogen;  dadurch  ist  es  ihm  gelungen,  die  Hand  mit  dem 
Attribut  ganz  in  die  Fläche  zurückzudrängen.  Die  Hand  hält  den  Speer  schräg,  ohne 
ihn  zu  schultern,  eine  Haltung,  die  für  ein  Kolossalbild  allzu  unruhig  wirkt  und 
schon  wegen  der  technischen  Schwierigkeiten  Bedenken  erregt.   So  spricht  denn 

auch  ein  anderes,  bisher  übersehenes  Zeugnis  dafür, 
daß  in  diesem  Zug  entweder  der  Zeichner  oder 
schon  der  Reliefbildhauer  willkürlich  geändert  hat. 
Das  Bild  der  Statue,  wie  es  uns  das  Relief  von 
Ambelokipi,  abgesehen  von  dieser  Einzelheit,  gibt, 
ist  unverkennbar  wiederholt  auf  einer  athenischen 
Münze,  die  in  dem  Numismatic  commentary  of 
Pausanias  von  Imhoof-Blumer  und  Gardner  Taf. 
AA  VI  abgebildet  ist  (S.  134  n.  10);  ein  anderes 
Exemplar  mit  der  gleichen  Prägung  ist  veröffent- 
licht in  dem  schon  erwähnten  Bericht  über  einen 
Fund  in  Eleusis  (Svoronos,  Journ.  intern,  d'archeol. 
numism.  1904  p.  120  n.  79  Taf.  I  34;  danach 
Fig.  70  rechts).  Auf  dem  Münzbilde  ist  der  Speer 
auf  den  Boden  gestellt  und  mit  der  Spitze  etwas 
nach  außen  gesenkt.  So  müssen  wir  uns  das 
Original  vorstellen. 

Der  r.  Oberarm  war  nach  dem  Ausweise  der  Einsatzspuren  und  des  Reliefs 
gesenkt.  Der  Unterarm  ist  auf  dem  Relief  in  Athen  leicht  zur  Seite  gestreckt; 
da  dort  der  Speer  in  der  Linken  fehlt,  hatte  man  angenommen,  die  verlorene 
Rechte  müsse  ihn  gehalten  haben,  wie  wir  es  auf  einigen  athenischen  Münzen 
sehen,  deren  Athena-Figur  für  eine  Nachbildung  der  Promachos  erklärt  wurde 
(vgl.  Herrmann  S.  170).     Aber  auf  dem   Relief  von   Ambelokipi  hält   die   Göttin 

in  der  Rechten  die  Schale,  und  eine  Bestätigung 
liefert  uns  jetzt  das  eben  erwähnte,  bisher  unbe- 
achtete Münzbild.  Furtwängler  schreibt  in  den 
Intermezzi  S.  18,  der  rechte  Arm  sei  dem  Torso 
Medici  nur  angekittet  gewesen,  von  der  Befesti- 
Athenische  Münzen.  gung  mittels  eines  Dübels  keine  Spur  vorhanden. 

S.  Reinach,  den  ich  deswegen  interpellierte,  hat  die  Güte  gehabt,  die  Einsatzstelle 
genau  zu  untersuchen,  und  schreibt  mir  darüber:  „Der  größere  obere  Teil  ist  einfach 
mit   kleinen  Meißelschlägen   bearbeitet;    unten    aber  ist  eine  horizontal  liegende, 


69:   Zeichnung 

nach  einem  verschollenen  Relief  in 

Ambelokipi. 


Athena  des   Phidias 


189 


71:   Rekonstruktion   der  Athena  Medici. 


190  W.  Amelung 

elliptische  Einarbeitung  mit  Zement  gefüllt,  in  dem  an  zwei  Stellen  breite,  wieder 
horizontal  stehende  Metallreste  sichtbar  werden."  Der  Arm  war  also  doppelt  ver- 
dübelt, und  wir  brauchen  keine  weitere  Stütze  für  ihn  zu  suchen.  Furtwängler  wollte 
dazu  die  Schlange  verwenden,  die  sich  auf  dem  Relief  von  Ambelokipi  unter 
der  Hand  emporbäumt,  und  daß  der  Verfertiger  des  Reliefs  in  diesem  Zuge 
nicht  frei  erfunden  hat,  beweist  uns  wieder  das  Münzbild.  Aber  weder  dort 
noch  hier  erhebt  sich  die  Schlange  bis  zur  Hand  ihrer  Göttin.  Zweifeln  könnte 
man  dagegen,  ob  auch  bei  dem  Original,  wie  auf  dem  Relief,  der  Schlange  eine 
kleine  Eule  entsprach.  Das  reproduzierte  Münzbild  versagt  hier  wegen  seiner 
Kleinheit.  Es  wäre  möglich  anzunehmen,  der  Reliefbildner  habe  mit  der  Eule  nur 
ein  Gegengewicht  gegen  die  Schlange  schaffen  wollen,  um  das  Bild  in  der  Kompo- 
sition möglichst  seinem  Gegenstücke,  einer  Tyche  mit  Steuer  Kugel  und  Greif, 
anzuähneln;  erinnern  wir  uns  aber  daran,  wie  streng  und  gleichmäßig'  die  Kompo- 
sitionsmassen bei  den  Götterbildern  des  phidiasischen  Zeitalters  verteilt  waren,  wie 
bei  der  Athena  Parthenos  sich  die  Säule  und  der  Schild  mit  der  Schlange  ent- 
sprachen, so  werden  wir  eher  zu  dem  Glauben  neigen,  die  Eule  habe  auch  dem 
Original  unserer  Athena  nicht  gefehlt.  Übrigens  wird  uns  dies  Beiwerk  später 
noch  eingehender  beschäftigen. 

Nachdem  es  gelungen  war,  das  Bild  des  Originales  so  in  den  Hauptzügen 
sicher  festzustellen,  mußte  es  mein  sehnlichster  Wunsch  sein,  dieses  Bild  auch 
in  einer  gewissenhaft  durchgeführten  Restauration  wiedererstehen  zu  lassen,  um 
dem  ursprünglichen  Eindruck  der  Schöpfung  doch  um  einen  Schritt  näher  zu 
kommen;  war  ja  der  Anfang  bereits  in  München  mit  der  Vereinigung  des  Torso 
Medici  und  des  Wiener  Kopfes  gemacht.  Wolters,  der  dort  inzwischen  an  Furt- 
wänglers  Stelle  getreten  war,  gestattete  mit  Freuden  die  Fortsetzung  der  Arbeit, 
deren  Ausführung  den  Künstlerhänden  Christoph  Nüßleins  anvertraut  wurde.  Ihm 
und  Sieveking,  der  wieder  die  Leitung  übernahm,  ist  es  zu  danken,  wenn  ich 
heute  den  Lesern  die  vollendete  Restauration  vor  Augen  führen  kann  (Fig.  71).2) 

Die  mühselige  Untersuchung  der  Kopien  hat  uns  etwas  mit  Sicherheit  ge- 
lehrt: das  Original  war  eine  Kultstatue  oder  ein  Weihgeschenk  in  Athen.  Nur 
für  Kultstatue  oder  Weihgeschenk  paßt  das  Motiv  der  Schale  (man  vergleiche 
die  Ausführungen  Reischs  in  seinem  Buche  über  die  griechischen  Weihgeschenke 
S.  18).  Entscheidend  für  den  Standort  ist  die  Tatsache,  daß  das  Bild  der  Statue 
auf  einer  athenischen  Münze  wiedergegeben  ist;  und  eine  andere  athenische  Münze 

2)  Abgüsse  der  ergänzten  Figur  können  von   der       Straße  41  bezogen  werden  (Preis   500  Mark). 
kgl.  Sammlung  von  Gipsabgüssen  in  München  (Gallerie- 


Athena  des  Phidias 


191 


—   ein   Exemplar   ist   abgebildet  bei    Beule,    Monnaies    d'Athenes   S.  256  n.  3,  ein 
anderes    bei    Svoronos  a.    a.   O.    Taf.  I  33   (S.  11911.  78);   danach  Fig.  70   links   — 
liefert    uns    den  unwiderleglichen  Beweis,    daß   die  Göttin  unter  dem  Bilde  eben 
dieser   Statue   rituellen    Kult    genoß,    denn  hier 
steht    an    Stelle    der    Schlange    ein    Altar    mit 
brennender  Flamme.     Ausgeschlossen    ist   nach 
alledem,  was  man  so  lange  angenommen  hatte, 
daß  die  bronzene  Promachos  auf  der  Akropolis 
das  Urbild  gewesen  sei. 

Sollte  aber  ein  Kultbild  der  phidiasischen 
Zeit  nicht  geradeaus  blicken?  Der  Zeus  in 
Olympia,  der  Dionysos  des  Alkamenes  blickten 
ganz,  die  Athena  Parthenos  fast  geradeaus. 
Aber  man  beachte  eine  schöne,  sehr  kostbar 
ausgeführte  Bronzestatuette  aus  Herculaneum 
im  Neapler  Museum  (Fig.  72;  S.  Reinach,  Re- 
pertoire de  la  statuaire  II  1  p.  281,  4;  Guida 
illustrata  del  Museo  Naz.  di  Nap.  p.  363  n.  1565); 
sie  gibt  in  der  Verkleinerung  eine  Schöpfung 
aus  der  Zeit  unserer  Athena  wieder;  die  er- 
hobene Linke  stützte  die  Lanze  auf;  die  Rechte 
hält  noch  heute  die  Schale,  und  der  Kopf  wendet 
sich  stark  zur  rechten  Schulter  (vgl.  dazu  Reinach 
a.  a.  O.  p.  281,  6  und  III  p.  252,  10).  Von  den 
berühmten  in  Kopien  erhaltenen  Apollonstatuen 
der  Epoche  wendet  jede  den  Kopf  in  ihrer 
Weise  zur  Seite.  Waren  das  alles  keine  Kult- 
bilder? Und  die  Venus  Genetrix,  die  Hera 
Borghese  und  Hera  Barberini,  die  Pallas  von 
Velletri?  Man  kann  sogar  behaupten,  daß  es 
Fälle  gab,  in  denen  es  geboten  war  oder  doch 
sehr  nahe  lag,  den  Kopf  eines  Kultbildes  nach  einer  Seite  zu  wenden.  Gerade  in  der 
Zeit  unserer  Athena  hat  man  häufig  in  Tempeln  nicht  einzelne  Bilder,  sondern  Grup- 
pen von  zwei  und  mehr  Gottheiten  aufgestellt;  ich  erinnere  vor  allem  an  die  Kult- 
gruppe des  Hephaistos-Tempels  in  Athen,  die  Reisch  und  Sauer  nach  den  Angaben 
der  Rechnungsurkunden  rekonstruiert   haben    (Reisch,  Jahreshefte    1898    S.  55  ff.; 


Bronzestatuette  in  Neapel. 


I  92  W.  Amelung 

Sauer,  Sog.  Theseion  S.  231  ff.).  Beide  haben  eine  in  mehreren  Varianten  erhaltene 
Athenastatue  als  verkleinerte  Nachbildung  des  einen  Teiles  dieser  Gruppe  nachzu- 
weisen gesucht;  ich  konnte  dann  in  den  Neuen  Jahrbüchern  für  Philologie  1899 
S.  677  einige  Kopien  des  Kopfes  der  Athena  bekanntmachen,  aus  deren  entschiede- 
ner Wendung  sich  schließen  läßt,  daß  die  Göttin  zur  Rechten  des  Hephaistos 
stand,  wenn  sie  wirklich  zu  der  Gruppe  gehörte,  und  ich  glaube,  es  wird 
niemand  diese  Annahme  gerade  auf  Grund  jener  Wendung  bestreiten  wollen. 
Es  gab  ja  wirklich  kein  anderes  Mittel,  die  beiden  feierlich  neben  einander 
stehenden  Gestalten  irgendwie  einander  anzunähern,  die  Steifheit  der  Gruppierung 
irgendwie  zu  lockern,  als  durch  ein  Zueinanderwenden  der  Köpfe,  so  daß 
beide  ihre  Blicke  auf  einen  Punkt,  auf  den  Andächtigen  zu  richten  schienen. 
Reisch  hat  die  Größe  der  beiden  Statuen  im  Hephaisteion  auf  2-  bis  2V2fache 
Lebensgröße  berechnet.  Das  stimmt  zu  den  Maßen  unserer  Athena,  deren  Höhe 
von  Furtwängler  auf  ca..  3-40  m  berechnet  wurde.  Die  bekannte  Angabe  der  einen 
Inschrift,  nach  der  für  das  eine  Bild  ein  dtvfrsuov  aus  Zinn  urci  tt;v  äam8x  gearbei- 
tet worden  ist,  genügt  übrigens,  um  von  vornherein  den  Gedanken,  der  hier  be- 
handelte Typus  könne  auf  die  Athena  im  Hephaisteion  zurückgehen,  auszu- 
schließen. Aber  in  einem  athenischen  Heiligtume  muß  sie  gestanden  haben  und 
bis  in  späte  römische  Zeit  verblieben  sein,  denn  in  diese  hat  man  mit  Recht  die 
Statuetten  und  das  Relief  in  Athen  datiert,  und  die  Münzen  mit  dem  Bilde  der 
Statue  stammen  aus  der  Zeit  des  Hadrian  (Svoronos  a.  a.  O.  p.  110).  In  die  gleiche 
Zeit  wurden  wir  bei  Betrachtung  der  meisten  italischen  Kopien  durch  die  Art 
ihrer  Ausführung  gewiesen.  Es  läge  nahe  daraus  zu  folgern,  man  habe  eben 
damals  das  Original  nach  Rom  geschafft.  Aber  die  Münzen  beweisen  das  Gegen- 
teil und  stellen  uns  die  Aufgabe  nachzuforschen,  ob  in  der  Beschreibung  des 
Pausanias  keine  Spur  des  Werkes  zu  finden  sei. 

Von  allen  Athena-Statuen,  die  |Pausanias  in  athenischen  Tempeln  erwähnt, 
könnte  nur  die  im  Ares-Tempel  in  Frage  kommen.  Pausanias  schreibt  (I  8,  4): 
„Dort  stehen  zwei  Bilder  der  Aphrodite;  das  des  Ares  hat  Alkamenes  geschaffen, 
die  Athena  ein  Parier  mit  Namen  Lokros;  dort  ist  auch  ein  Bild  der  Enyo,  ge- 
schaffen von  den  Söhnen  des  Praxiteles."  An  Stelle  des  unwahrscheinlichen 
Namens  Lokros  haben  Reisch  (a.  a.  O.  S.  58)  und  Robert  (Pauly-Wissowa,  Real- 
enzyklopädie I  883)  Agorakritos  vorgeschlagen.  Dann  würden  die  beiden  Meister- 
schüler des  Phidias  die  beiden  Hauptbilder  für  den  Tempel  gearbeitet  haben,  zu 
denen  sich  das  Aphroditen-Paar,  Werke  von  unbekannten  Künstlern,  und  nach  einem 
Jahrhundert  die  Enyo  gesellt  hätte.    Wir  könnten  uns  erinnern,  daß  uns  die  Nach- 


Athena  des  Phidias  193 

bildung  einer  zweifellos  phidiasischen  Ares-Statue  im  Palazzo  Borghese  erhalten 
ist  (Brunn-Bruckmann,  Denkmäler  n.  335;  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  126  Abb.  24; 
Pollak,  Jahreshefte  1901  S.  150),  daß  dieser  Ares  in  Stil  und  Größe  und  mit  seiner 
Kopfwendung  nach  der  linken  Schulter  vortrefflich  neben  unsere  Athena  passen 
würde,  und  daß  Herrmann  nach  dem  Eindruck  der  ihm  bekannten  Repliken  der 
Athena  als  ihren  Künstler  Agorakritos  genannt  hat.  Aber  der  Wortlaut  des 
Pausanias  erlaubt  uns  keinen  sicheren  Schluß,  daß  Ares  und  Athena  als  Gruppe 
gedacht  waren;  auch  eine  der  Aphroditen  könnte  zur  ursprünglichen  Kultgruppe 
gehört  haben.  Weiter  ist  uns  die  Größe  des  Ares-Tempels  unbekannt,  und  die 
schöne  Vermutung,  die  den  Namen  des  Agorakritos  hier  einsetzen  möchte,  darf 
doch  auch  nur  den  Anspruch  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  erheben.  End- 
lich bezweifle  ich,  ob  Herrmann  angesichts  der  neu  nachgewiesenen  Repliken 
des  Kopfes  an  seiner  Meistertaufe  festhalten  würde;  diese  haben  mit  dem,  was 
man  sonst  nach  Vergleich  mit  den  Resten  der  Nemesis-Basis  zu  Agorakritos  in 
Beziehung  gebracht  hat,  nicht  das  geringste  gemein,  ihre  Formen  haben  nichts 
von  dem  Weichen  und  Vollen,  das  dort  charakteristisch  und  im  Verhältnisse  zu 
den  übrigen  Werken  der  gleichen   Periode  auffallend  ist. 

Dieser  Weg  also  versagt:  suchen  wir  einen  andern!  Von  den  Repliken 
des  Torso  ist  eine  Statuette  auf  der  Akropolis  von  Athen  gefunden  worden, 
ebendort  das  erhaltene  Relief  mit  der  Nachbildung  der  Statue,  und  darauf  steht 
neben  der  Göttin  der  heilige  Ölbaum  aus  dem  Pandroseion.  All  das  weist  auf 
die  Akropolis,  und  Furtwängler  hatte  diese  Anzeichen  denn  auch  benutzt,  um  seine 
Promachos-Hypothese  zu  stützen.  Man  könnte  versucht  sein,  noch  eine  Einzel- 
heit in  demselben  Sinne  zu  verwerten.  Auf  dem  verschollenen  Relief  von  Am- 
belokipi  sitzt  rechts  neben  Athena  am  Boden  die  Eule.  Dio  Chrysostomus  erzählt 
davon,  daß  Phidias  es  nicht  unter  seiner  Würde  gehalten  habe,  eine  Eule  zu 
arbeiten  und  neben  der  Göttin  aufzustellen;  ja,  das  Volk  habe  öffentlich  seine 
Zustimmung  dazu  gegeben,  während  er  sein  eigenes  Bildnis  und  das  des  Perikles 
heimlich  auf  dem  Schilde  habe  anbringen  müssen  (Michaelis,  Parthenon  S.  269  u.  271 
Anm.;  Arx  Athenarum  p.  84).  Auf  dieselbe  Eule  bezieht  sich  augenscheinlich  ein 
Sprichwort  —  yXaüij  ev  rc6Xec  — ,  zu  dem  Hesych  bemerkt,  die  Eule  sei  von  einem 
Phaidros  auf  der  Akropolis  als  Weihgeschenk  aufgestellt  gewesen;  der  Name 
des 'Weihenden  ist  nach  jener  Notiz  des  Dio  Chrysostomus  überzeugend  in  Phei- 
dias  geändert  worden.  Wegen  des  Hinweises  auf  die  beiden  Bildnisse  hat  man 
zunächst  an  die  Athena  Parthenos  gedacht,  aber  in  Beschreibungen  und  Dar- 
stellungen   der  Statue  vergeblich    nach    einer    Eule    gesucht    (man    könnte    einzig 

Jahreshefte  des  österr    archÜol.   Institutes   Hd    XI  25 


194 


W.  Amelung 


die  bekannten  Petersburger  Gold- 
medaillons ins  Feld  führen,  aber 
dort  sitzt  das  Tier  nur  als  Raum- 
füllung neben  der  einen  Backen- 
klappe; vgl.  Furtwängler,  Arch. 
Jahrbuch  1889  S.  46  f.  und  letzt- 
hin Pagenstecher,  Athen.  Mitteil. 
1908  S.  108  f.;  die  Gemme,  die 
Murray  in  seinem  Buche  The  sculp- 
tures  of  the  Parthenon  S.  135  f. 
heranzieht  und  auf  PI.  XV  ab- 
bildet, stellt  nicht  die  Parthenos 
dar).  Dagegen  hat  kürzlich  Fricken- 
haus,  Athen.  Mitteil.  1908  S.  23  ff., 
die  Meinung  ausgesprochen,  Phi- 
dias  habe  diese  Eule  neben  das 
alte  Holzbild  der  Göttin  setzen 
dürfen.  Aber  der  Wortlaut  des 
Dion,  der  von  auYxatkSp'jaxt,  nicht 
von  Ttpoay.athSp'jcjai  spricht,  beweist 
deutlich,  daß  Statue  und  Eule  zu 
gleicher  Zeit  aufgestellt  und  ge- 
weiht wurden.  Sollte  uns  also  in 
dem  Relief  von  Ambelokipi  eine 
Illustration  dieser  Überlieferung  er- 
halten sein?  Um  welche  Athenastatue  aber  könnte  es  sich  dann  handeln?  Auf 
der  Akropolis  haben  drei  berühmte  Bilder  der  Göttin  von  Phidias'  Hand  ge- 
standen: Parthenos,  Promachos,  Lemnia.  Nur  die  letzte  kann  in  Frage  kommen. 
Aber  wir  wissen  doch,  daß  die  Lemnia  helmlos  und  aus  Bronze  war!  Wir 
glauben  es  wenigstens  zu  wissen.  Es  ist  gut,  sich  einmal  wieder  daran  zu 
erinnern,  nachdem  Jamots  warnende  Einwendungen  (in  der  Rev.  arch.  II  1895 
p.  28  ff.)  ganz  wirkungslos  geblieben  sind:  die  Annahme,  nach  der  in  den  beiden 
fraglichen  Stellen  (Plin.  n.  h.  XXXIV  54;  Himer.  Orat.  XXI  4;  Overbeck, 
Schriftquellen  n.  759  u.  761)  von  der  Lemnia  die  Rede  sein  soll,  ist  vollkommen 
hypothetisch.  Ja,  es  gibt  eine  Überlieferung,  nach  der  es  zum  mindesten  zwei- 
felhaft ist,  ob  wir  nicht  geradezu  annehmen   müssen,    daß  die  Lemnia   nicht  aus 


73:   Kopf  der  Athena  Parthenos  in  Madrid. 


Athena  des   Phidias 


•95 


Bronze  war:  Aristides  nennt 
in  seiner  Rede  v.xzx  xwv  sijop- 
y_o'j[ievü)v  (408,  1 5  ff. ;  ed.  Keil 
II  S.  244:  Overbeck  n.  639) 
drei  Statuen  der  Göttin  in 
Athen  neben  einander,  die 
elfenbeinerne,  die  bronzene 
und  die  Lemnia.  Die  erste 
ist  sofort  kenntlich  als  Par- 
thenos,  die  zweite  als  Pro- 
machos.  Würde  aber  Aristi- 
des diese  nur  durch  die  An- 
gabe des  Materials  bezeich- 
net haben,  wenn  sie  in  dieser 
Beziehung  nicht  die  einzige 
in  ihrer  Art  war? 

Kann  nun  der  neuge- 
wonnene Typus  die  Lemnia 
des  Phidias  wiedergeben,  in 
dessen  Zeit  er  zweifellos  ge- 
schaffen ist?  Nach  dem,  was 
wir  aus  der  Technik  der 
Kopien  schließen  konnten, 
hat  das  Original  keinesfalls 
im  Freien  gestanden.  Ob  die 
Lemnia  im  Freien  oder  innerhalb  des  Propyläenbaus  aufgestellt  war,  läßt  sich 
mit  Hilfe  der  Überlieferungen  nicht  sicher  entscheiden  (vgl.  zuletzt  Michaelis, 
Arx  p.  78  und  Judeich,  Topographie  d.  Stadt  Athen  S.  213).  Ebensowenig  ist  das 
Entstehungsjahr  der  Lemnia  innerhalb  der  Lebenszeit  des  Phidias  mit  Gewißheit  zu 
bestimmen.  Von  Lukians  Lobsprüchen  würde  nur  einer  Schwierigkeiten  machen: 
die  Zartheit  der  Wagen;  sie  sucht  man  auch  an  den  besten  Wiederholungen  des 
Kopfes  vergebens.  Aber  wieviel  kann  nicht  gerade  davon  unter  den  Händen 
der  Kopisten  verloren  gegangen  sein! 

Doch  unsere  Statue  war  Kultbild,  die  Lemnia  Weihgeschenk.  Schließt  sich 
aber  Beides  gegenseitig  aus?  Auch  die  Athena  Hygieia  war  ein  Weihgeschenk 
und  hatte  doch  ihren  Altar.  Ja,  man  könnte  geradezu  versucht  sein,  einen  Parallelis- 

25* 


74:   Kopf  der  Athena  in  Madrid. 


i  g6 


W.    Amehuig 


75:   Kopf  des   Apollon 
aus  dem  Friese  des  Parthenon. 


mus  zu  konstruieren  zwischen  der  Athena  Hygieia 
auf  der  Südseite  und  der  Lemnia  auf  der  Nord- 
seite der  Propyläen  und  daraus  die  Wendung  des 
Kopfes  erklären;  aber  zu  einem  sicheren  Resul- 
tate gelangen  wir  auch  auf  diesem  Wege  nicht, 
und  ich  glaube,  wir  müssen  vorläufig  darauf  ver- 
zichten, unsere  Athena  mit  einem  literarisch  über- 
lieferten Werke  zu  identifizieren  (die  Athena  Areia 
des  Phidias  kommt  nicht  in  Frage,  weil  sie  in 
Plataeae  stand). 

Darüber  aber  kann  niemand  im  Zweifel  sein 
und  das  ist  wahrhaftig  eine  kostbarere  Er- 
kenntnis — ,  dai3  wir  hier  ein  Werk  des  Phidias 
selber  vor  uns  sehen  oder  eines  seiner  intimsten 
Genossen,  den  wir  doch  nur  sein  andres  Ich  nennen 
könnten.  Wo  auch  von  dem  Torso  oder  von  den  Köpfen  unabhängig-  von 
einander  die  Rede  war,  wurde  der  Name  Phidias  genannt;  wir  dürfen  hier 
gewiß  auch  daran  erinnern,  daß  Furtwängler  die  Verwandtschaft  des  Torso 
Medici  mit  den  Parthenon-Skulpturen  so  stark  empfand,  daß  er  den  Torso  ge- 
radezu in  den  Ostgiebel  stellen  wollte.  Ja,  wir  können  es  wirklich  ohne  Scheu 
aussprechen:  wenn  wir  vor  den  kümmerlichen  Kopien  der  Athena  Parthenos 
ratlos  standen,  unfähig,  die  Bewunderung  der  Griechen  für  ihren  Meister  zu  ver- 
stehen, -  -  hier  lebt  in  blendender  Schönheit  ein  der  Parthenos  innerlichst  ver- 
wandtes Bild  vor  unseren  Augen  auf,  und  auch  auf  jene  traurigen  Nachbildungen 
fällt  von  ihm  aus  ein  Strom  neuen  lebenweckenden  Lichtes.  Man  vergleiche  nur 
die  verschiedenen  Wiederholungen  des  Kopfes  mit  den  beiden  einzigen  Parthenos- 
Köpfen,  in  denen  ein  letzter  Hauch  phidiasischen  Geistes  erhalten  ist,  dem  Kopfe 
der  Madrider  Statuette  ( Arndt- Amelung,  Einzelaufnahmen  n.  575/6  und  1514/15; 
danach  Fig.  7.3,  74)  und  der  Replik  in  Kopenhagen  vor  der  entstellenden  Ergän- 
zung (Pollak  a.  a.  O.  Taf.  IV).  Näher  aber  kommen  wir  Phidias,  wenn  wir  Köpfe 
vom  Friese  des  Parthenon  vergleichen,  wie  den  des  „Apollon"  (Fig.  75)  und 
vor  allem  den  der  „Peitho",  zu  dem  wir  das  Profil  des  Wiener  Kopfes  gestellt 
haben  (Fig.  76,  77).  Die  Übereinstimmungen  sind  hier  so  stark,  so  weitgehend, 
daß  niemand  an  dem  engsten  Zusammenhange  wird  zweifeln  können.  Man  beachte 
die  Profil-Linie,  den  charakteristischen  Winkel,  den  die  Stirn  mit  der  Nase  bildet, 
die  Form  und  Lage  der  Augen  und  Ohren,  den  leicht  geöffneten  Mund  mit  diu 


Athena  des   Phidias 


197 


vollen,  lebhaft  aufgeworfenen  I-ippen, 
das  starke,  aber  weich  gerundete  Kinn 
und  die  große  Fläche  der  vollen  Wangen. 
Es  ist  selbstverständlich,  daß  Köpfe, 
wie  die  auf  dem  Parthenonfriese,  nicht 
ohne  eine  breit  angelegte,  sehr  ener- 
gisch durchgebildete  Struktur  des  Kno- 
chengerüstes denkbar  sind;  wir  dürfen 
also  voraussetzen,  daß  der  Künstler  des 
Frieses  in  runder  Plastik  Köpfe  mit 
breiter,  kraftvoller  Anlage  schuf,  und 
diese  Voraussetzung  bestätigen  die  bei- 
den Köpfe  der  Parthenongiebel,  der  des 
„Theseus"  und  der  „Webersche  Kopf" 
1  Sauer,  Programm  der  Universität  Gie- 
ßen 1903  Taf.  IßT),  und  nicht  minder 
die  Kopien  der  Parthenos,  nur  daß  bei 
den  minderwertigen  die  kräftige  Breite 


77  :  Profilansicht  des  Wiener  Kopfes. 


zu  gedunsener  Überfülle  wird.  Die  Repliken  unseres  Athena-Kopfes  stehen  in  dieser 

Hinsicht  mit  all  den  genannten  Köpfen  im 
Einklänge ;  sehr  wohl  ist  es  aber  möglich, 
daß  bei  dem  Bestreben,  diese  Breite  und 
Fülle  zu  betonen,  manche  Feinheit  in  der 
Modellierung  verloren  gegangen  ist. 

Die  gleichen  Beobachtungen  können 
wir  machen,  wenn  wir  ein  Werk  heran- 
ziehen, das  wir  neben  den  Kopien  der 
Parthenos  mit  größter  Wahrscheinlichkeit 
auf  Phidias  zurückführen  können;  den  Dia- 
dumenos  Farnese  (Fig.  78  und  79,  nach 
Aufnahmen,  die  ich  der  Güte  Sievekings 
verdanke).  Ich  brauche  Furtwänglers 
Worte  aus  den  Meisterwerken  S.  1  \\  ff. 
nicht  zu  wiederholen.  Die  Vergleichung 
,    „    ,  ,       _  ...    .  mit  den  Tünglinersfiguren  des  Parthenon- 

76:   Kopf  der  „Peitho"  J        S        6      & 

aus  dem  Friese  des  Parthenon.  frieses    ist    absolut    überzeugend;    stellen 


ig8  W.   Amelung 

wir  den  Kopf  des  Diadumenos  neben  den  der  Parthenos  und  die  anderen  Athena- 
köpfe,  so  wirkt  besonders  die  Bildung  des  Mundes  charakteristisch,  der  mit 
seinen  reichen,  lebhaft  bewegten  Formen  eine  starke,  gesunde,  liebenswürdige 
Sinnlichkeit  unnachahmlich  zum  Ausdruck  bringt. 

In  den  Augen  des  Diadumenos  hat  der  Kopist  einen  echt  phidiasischen 
Zug  bewahrt,  denn  er  kehrt  am  Parthenonfriese,  an  dem  „Weberschen  Kopf" 
und  an  dem  Parthenos-Kopf  in  Kopenhagen,  kaum  noch  kenntlich  an  dem 
der  Madrider  Statuette  wieder.  Der  Teil  zwischen  Oberlid  und  Brauenbogen 
schwillt  in  der  äußeren  Hälfte  so  weit  an,  daß  sich  dort  eine  Helle,  in  den 
Winkeln  Schatten  bilden.  Das  Oberlid  das  weitgeöffneten  Auges  drängt  gleich- 
sam gegen  den  Brauenbogen.  So  entsteht  ein  ähnlicher  Effekt,  wie  ihn  später 
mit  stärkeren  Mitteln  Skopas  erreicht  hat.  Von  den  Kopisten  unserer  Athena  hat 
nur  der  des  Kopfes  aus  Villa  Carpegna  diese  Einzelheit  beobachtet  und  deutlich 
wiedergegeben. 

Wenn  wir  so  an  sicher  greifbaren  Zügen  festhalten,  den  einzigen,  die  wir 
berechtigt  sind  für  charakteristisch  phidiasisch  zu  erklären,  bleiben  wenig  von 
den  vielen  bisher  versuchten  Zuteilungen  erhaltener  Werke  an  Phidias  bestehen. 
Wir  nannten  neben  der  Athena  schon  den  Ares  im  Palazzo  Borghese  und  die 
Köre  Albani;  ebenso  sicher  phidiasisch  ist  meines  Erachtens  die  „Aphrodite"  der 
bekannten  Doppelherme  in  Madrid  mit  ihrem  Gegenstück  (von  Furtwängler  auf 
Eros  gedeutet,  Meisterwerke  S.  98  ff.),  die  Kybele  in  Villa  Doria-Panfili  (Furt- 
wängler, Statuenkopien  S.  53  Taf.  X;  vgl.  Thieme-Becker,  Künstler-Lexikon 
I  S.  125)  und  die  Karyatide,  deren  Kopien  in  Mantua  und  Petersburg  erhalten 
sind  (Furtwängler  a.  a.  O.).  Die  Köpfe  der  Kybele  und  der  Karyatide  können 
augenscheinlich  auch  dazu  dienen,  uns  von  dem  Kopfe  der  Amazone,  die 
Furtwängler  für  die  des  Phidias  erklärt  hat,  eine  Vorstellung  zu  verschaffen; 
der  Kopf  der  Relieffigur  aus  Luku  stimmt  in  allen  erkennbaren  Zügen  mit 
denen  der  genannten  Skulpturen  überein  (s.  zuletzt  Vatikan-Katalog  II  S.  459). 
Einen  Kreis  um  diese  Werke  bilden:  „Die  Schutzflehende"  in  Pal.  Barberini;  der 
„Thermen-Apollon" ;  Anakreon;  ein  weiblicher  Kopf,  von  dem  sich  Wieder- 
holungen im  Vatikan,  im  Museo  Barracco  und  in  St.  Petersburg  befinden  (Furt- 
wängler, Meisterwerke  S.  88  f.  Fig.  7/8;  Vatikan-Katalog  I  S.  52),  mit  dem  nahver- 
wandten, bärtigen  Götterkopfe  im  British  Museum  (Arndt  im  Text  zu  Brunn- 
Bruckmann,  Denkmäler  n.  517);  ein  anderer  weiblicher  Kopf  im  Louvre  (Pottier, 
Bull,  de  corr.  hell.  1896  p.  ,455  ff.  PI.  XVII/XVIU;  S.  Reinach,  Tetes  antiques 
PI.  83/84),  etwa  eine  Schülerarbeit  des  phidiasischen  Ateliers;  der  Hermes  Propy- 


Atliena  des   Pbidias 


i'.'l 


78  und  79:   Kopf  des  Diadumenos  Farnese 


laios  des  Alkamenes;  die  Aphrodite  Doria  (Rom.  Mitt.  1901  S.  21  ff.  Taf.  I/II); 
die  Athena  Hope-Farnese  (s.  zuletzt  Joubin  in  den  Monuments  Piot  1896  S.  27  ff. 
Taf.  II)  und  endlich  jener  Mädchenkopf  im  British  Museum,  den  Waldstein  selt- 
samerweise mit  der  Hera  des  Polyklet  in  Zusammenhang-  bringen  wollte  (Journ. 
of  hell.  stud.  1901  S.  30  ff.  Taf.  II/II1),  und  für  den  durch  den  Hinweis  auf 
die  schlagende  Ähnlichkeit  mit  dem  Kopfe  der  Athena  Farnese  das  erlösende 
Wort  gesprochen  sein  dürfte.  Beide  Köpfe  erinnern  in  den  Hauptformen  des 
Gesichtes  außerordentlich  stark  an  den  Typus  unserer  Athena  und  die  nächst- 
verwandten Werke,  so  daß  über  ihren  Stammbaum  kein  Zweifel  bleiben  kann; 
aber  statt  der  hochaufgeschlagenen  Oberlider  dort  sehen  wir  hier  schwere  Ober- 
lider, die  sich  verschleiernd  über  das  Auge  senken,  das  dadurch  einen  wesent- 
lich andern  Ausdruck  erhält.  Ich  glaube,  wir  können  es  auch  noch  ahnen,  wo- 
her die  Künstler  des  phidiasischen  Kreises  die  Anregung  zu  dieser  veränderten 
Augenbildung  erhielten:  durch  das  Auftreten  des  Kresilas,  dessen  Werke  uns  am 
ehesten  an  dem  Merkmal  der  schweren  Oberlider  mit  den  so  charakteristisch  gv- 


200 


W.   Araelung 


■So:    .NLirraorkopf  in   N'y-Carlsberg. 


schwungenen  Rändern  kenntlich  sind.  Der  Kopf  der  Athena  Hope  hat  mit  dem 
Mädchenkopfe  im  British  Museum  nichts  gemein,  und  ich  glaube,  diese  Tatsache 
wird  der  Ansicht  neues  Gewicht  geben,  nach  der  uns  in  jenen  zwei  Athena- 
Statuen  nicht  Kopistenvarianten,  sondern  Kopien  nach  verschiedenen  Originalen 
erhalten  sind. 

Und  die  „Athena  Lcmnia"?  Wie  soll  es  möglich  sein,  ihr  unter  diesen  Werken 
einen  Platz  einzuräumen?  Um  es  gleich  vorweg  zu  sagen:  ich  halte  es  für  ganz 
ausgeschlossen,   daß   der  gleiche   Mann   Köpfe,   wie   den   der  I'arthenos,  des  Dia- 


Athena  des   l'hidias 


201 


Kopf  der  sogenannten   Lemnia  in   Bologna. 


dumenos,  wie  die  Köpfe  vom  Parthenonfriese,  um  nur  das  Sicherste  zu  nennen,  was 
gar  nicht  von  einander  zu  trennen  ist,  und  den  der  „Lemnia"  geschaffen  habe.  Furt- 
wängler  sind  denn  auch  all  die  Abweichungen  dieses  Werkes  von  dem  phidiasischen 
Ideale  nicht  entgangen.  Ich  brauchte  wirklich  nur  zu  wiederholen,  was  er  selber  an 
verschiedenen  Punkten  bemerkt,  was  Jamot  in  dem  oben  zitierten  Aufsatz  S.  23  ff. 
und  Reisch  in  seiner  Besprechung  der  „Meisterwerke"  (Zeitschrift  f.  bild.  Kunst 
1896  S.  153  f.)  ausgeführt  hat,  es  könnte  alles  ohne  weiteres  auf  den  Vergleich 
mit  unserer  Athena  Anwendung  finden  und  während  man  früher  den  Eindruck 
jener  Abweichungen  immer  noch  durch  den  Hinweis  auf  die  Unzuverlässigkeit 
der  Parthenos-Kopien  mildern  konnte,  ist  die  Lage  nach  den  neugewonnenen 
Resultaten    denn    doch    eine    wesentlich    andere.     Die    sicher   phidiasischen  Züge 


J.ihreshefte  des  österr.  archiiol.  Institutes    Bd.  XI. 


26 


202 


W.   Amelung 


82  und  83:   Kopf  in  Ny-Carlsberg. 


stehen  deutlicher  vor  uns  als  früher  und  in  einer  zu  neuem  Leben  erweckten 
mächtigen  Manifestation.  Der  großzügigen,  breiten  Anlage  des  Gesichtes  mit 
tiefem  Schädel  steht  dort  ein  feineres,  schmaleres  Gesicht  gegenüber  mit  kürzerem 
runder  gewölbtem  Schädel;  aus  diesem  fundamentalen  Unterschiede  der  Struktur 
fntwickelt  sich  organisch  alles  übrige.  Man  könnte  keinen  einzigen  Teil  des 
einen  Gesichtes  in  das  andere  übertragen,  ohne  den  Organismus  zu  sprengen 
ja,  selbst  die  eigentümliche  Bildung  der  Haare  bei  der  „Lemnia"  ist  nur  ver- 
ständlich im  Zusammenhang  mit  dem  ganzen  übrigen  Formencharakter  :  an  den 
verglichenen  Köpfen  des  Parthenonfrieses  und,  wo  sonst  an  phidiasischen  Köpfen 
die  Ilaare  erhalten  sind,  zeigen  sie  einen  durchaus  andern  Stil,  weniger  indivi- 
duelle  Feinheit  und  Durchbildung,  aber  einen  größeren  Zug  in  der  Anlage, 
stärkeres  Zusammenhalten  in  Massen,  einen  grandioseren  Rhythmus.  Die  Ver- 
schiedenheit in  Augen,  Nase  und  Ohren  brauche  ich  nur  anzudeuten;  nichts  aber 
ist  charakteristischer,  als  die  verschiedene.-  Bildung  des  Mundes.  Zwar  hat  Stud- 
niezka    noch    kürzlich   (Kaiamis  S.  98)  gerade  den  Mund   der  „Lemnia"  dem  der 


Athena   des   Phidias 


203 


Madrider  Parthenos  besonders 
ähnlich  gefunden  und  seine  Ab- 
bildungen sprechen  für  ihn;  aber 
sie  sind  nach  Gipsabgüssen  her- 
gestellt. Man  vergleiche  mit 
ihnen  den  Mund  der  Madrider 
Parthenos  auf  unserer  Figur  7  3, 74 
die  das  Original  wiedergibt;  die 
Formen  wirken  vollkommen  an- 
ders und  der  Abstand  ist  wohl 
nur  dadurch  zu  erklären,  daß  der 
Abguß  des  Kopfes  liederlich  her- 
gestellt wurde.  Dem  streng  ge- 
schlossenen Munde  der  „Lemnia" 
mit  seinen  schmalen  unsinnlichen 
Lippen  und  stolz  herabgezoge- 
nen Winkeln  steht  der  athmend 

geöffnete    phidiasische    Mund 
gegenüber     mit     seinen     vollen, 
sinnlichen, lebhaft  aufgeworfenen 

84:  Kopf  der  sogenannten  Lemnia  in   Bologna.  Lippen     und      leicht     gehobenen 

Winkeln.    Ist  das  wirklich  nur  dadurch  zu  erklären,  daß  Phidias  zwei  verschiedene 
Seiten  des  göttlichen  Wesens  der  Athena  verschieden  verkörpern  wollte? 

Furtvvängler  konnte  in  den  Nachträgen  der  Meisterwerke  S.  737  noch  darauf 
hinweisen,  daß  sich  in  der  Sammlung  Jacobsen  in  Kopenhagen  ein  Knabenkopf 
befindet,  der  ganz  nah  mit  der  „Lemnia"  verwandt  ist;  also  steht  diese  doch 
nicht  so  vereinzelt  da,  wie  es  im  Texte  jenes  Werkes  dargestellt  war.  Der 
Knabenkopf  ist  inzwischen  in  der  Collection  Ny-Carlsberg  auf  Taf.  44  publiziert 
worden  (danach  mit  freundlicher  Einwilligung  der  Verlagsanstalt  F.  Bruckmann 
Fig.  80,  zusammengestellt  mit  Fig.  81,  einer  Originalaufnahme  des  „Lemnia"- 
Kopfes  in  Bologna);  nun  besitzt  dieselbe  Sammlung  noch  eine  Kopie  des  gleichen 
Kopfes,  die  wir  hier  mit  gütiger  Erlaubnis  des  Direktors  Dr.  Jacobsen  abbilden 
können  (Fig.  82,  83,  zusammengestellt  mit  Fig.  84,  einer  Aufnahme  nach  einem 
Abguß  des  Bologneser  Kopfes  aus  Furtwänglers  Meisterwerken  Taf.  III).  Ich  ent- 
nehme einem  Schreiben  Jacobsens  folgende  Bemerkungen:  „An  dem  neuen  Kopfe 
sind  Lippen    und  Nase    restauriert    die  Stirnhaare    stark  bestoßen;   der  Hals  ist 

26* 


204 


\V.  Ameluny 


85   und   86:   Kopf  des  Hermes  im  Antiquarium  zu  Rom. 


zum  Einsetzen  zugehauen.  Die  Größe  beider  Köpfe  ist  identisch:  Abstand  von 
der  Kinnspitze  bis  zum  Gipfel  der  Stirn  0-12'".  Die  Oberfläche  ist  bei  dem  neuen 
Kopfe  nicht  poliert,  die  Ausführung  sowohl  frischer  als  sorgfältiger  (besonders 
in  den  Haaren |,  der  Ausdruck  seelenvoller.1'  Endlich  gibt  es  noch  eine  Wieder- 
holung des  gleichen  Kopfes,  die  man  nur  nicht  sofort  in  ihrer  Verkappung  unter 
dem  Hermeshut  erkannt  hat:  sie  befindet  sich  im  Antiquarium  communale  zu 
Rom  und  ist  in  einen  zugehörigen  Torso  eingelassen  (mit  dem  Torso  publiziert 
von  Bulle  in  den  Einzelaufnahmen  n.  808:  wir  bilden  den  Kopf  nach  neuen  Auf- 
nahmen ab:  Fig.  85  und  86;  die  Nase  war  seit  jener  ersten  Publikation  ergänzt 
worden;  jetzt  ist  sie  wieder  entfernt).  Man  vergleiche  an  diesem  Kopfe  und  an 
(lim  zweiten  Kopenhagener  zunächst  die  charakteristischen  Locken  hinter  dem 
rechten  Ohr,  wo  die  Übereinstimmung  besonders  deutlich  ist.  Wenn  die  Locken 
über  der  Mitte  der  Stirn  nicht  ganz  gleich  erscheinen,  so  ist  zu  bedenken, 
daß  hier  an  dem  römischen  Kopfe  der  Rand  des  Hutes  vorragte,  genaue  Arbeit 
also  weder  notwendig  noch  möglich  war.  Der  Vergleich  belehrt  uns,  daß  auch 
die  beiden  Kopenhagener  Köpfe  von  einer  Hermesstatue  stammen.  Wir  wissen, 
daß  man  in  römischer  Zeit  attributlose  Hermesstatui'ii  gerne  mit  Kopfflügeln, 
Hut,   <  hlamys    und   Fußflügeln    ausstattete;    übrigens    trug    augenscheinlich   auch 


Atlicna  des   Phidias  205 

die  Statuette,  von  der  der  zweite  Kopenhagener  Kopf  stammt,  eine  Chlamys,  da 
er  eingelassen  war.  Der  römische  Torso  ist  weit  geringer  als  sein  Kopf;  man  kann 
nur   mit  Sicherheit   erkennen,  daß   auch  er  ein  Original  des  fünften  Jahrhunderts 

wiedergibt.  Bulle  hat  im  Texte  zu  der  römischen 
Kopie  und  Furtwängler  in  den  Meisterwerken  an  den 
Kasseler  Apoll  und  den  ihm  verwandten  Perseus  er- 
innert; bestimmend  war  dabei  der  Eindruck  des  Haares 
um  Stirn  und  Schläfen,  also  nicht  mehr  als  eine  ge- 
wisse Ähnlichkeit.  Ich  muß  gestehen,  daß  für  mich 
auch  an  dem  römischen  Kopfe  die  Verwandtschaft 
mit  der  „Lemnia-'  immer  zweifellos  war,  und  ich 
traf  in  dieser  Überzeugung  mit  L.  Curtius  zusammen, 
noch  ehe  ich  bemerkt  hatte,  daß  der  Kopf  nichts 
anderes   sei,    als   eine   maskierte  Replik  jener  Kopen- 

87:   Kopf  des  Diadumenos.  ,  Tr..    r       .     .     -,  .  ,  ,       ,         .    , 

v  hagener  Kopte,   bei  denen  niemand  —   denke   ich    — 

die  brüderliche  Ähnlichkeit  mit  der  „Lemnia"  verkennen  wird;  und  nun  ver- 
gleiche man  diesen  Typus  mit  dem  des  Diadumenos  Farnese  (Fig.  87)  oder  irgend 
welchen  Jünglingsköpfen  vom  Parthenonfriese,  was  das  gleiche  bedeutet.  Die 
Unterschiede  sind  wieder  ganz  dieselben,  wie  zwischen  der  „Lemnia"  und  den 
Köpfen,  die  wir  als  phidiasisch  erkannt  haben.  Wo  lag  aber  hier  für  den 
Künstler  der  Grund  zu  dieser  abweichenden  Formengebung?  Und  wie  kam 
es,  daß  er  zweimal,  bei  ganz  verschiedenen  Aufgaben,  dieselben  Formen,  den 
gleichen  Charakter  wählte,  in  allen  anderen  Fällen  so  ganz  anders  bildete? 
Man  mag  die  Beweglichkeit  eines  Genies  noch  so  hoch  anschlagen,  solche  Wider- 
sprüche finden  sich  bei  großen  Künstlern  nirgends,  ist  doch  Genie  ohne  ent- 
schiedene Persönlichkeit  undenkbar,  und  diese  gibt  den  Werken  vom  ersten  bis 
zum  letzten  ihren  eigentümlichen  Stempel.  In  dem  Falle,  der  jetzt  schon  ein 
öffentliches  Geheimnis  ist,  bei  der  Entdeckung  einer  myronischen  Athena  kann 
man  ohne  weiteres  zugeben,  daß  niemand  zu  der  Bestimmung  ihres  Kopfes  durch 
Ableitung  aus  den  Formen  des  Diskobolos,  bisher  unserer  einzigen  Grundlage, 
gelangt  wäre,  und  doch  stehen  sich  die  beiden  Köpfe  nicht  so  fremd  gegenüber, 
wie  hier,  wo  sich  zwei  verschiedene  Welten  des  Empfindens  und  der  Anschauung 
von  einander  sondern.  An  den  Werken  des  Praxiteles  lassen  sich  zwei  verschiedene 
Typen  unterscheiden:  der  Typus  des  Sauroktonos  und  der  des  Hermes  von 
Olympia;  im  allgemeinen  scheint  jener  der  Jugendzeit,  dieser  dem  Alter  des 
Künstlers    anzugehören.     Und  doch    wäre   es   ein  Leichtes,   nicht   nur  Übergänge 


2o6  W.   Amelung 

von  einem  zum  andern  nachzuweisen,  sondern  auch  aus  beiden  die  überein- 
stimmenden Züge  auszulösen,  gleichsam  die  Signatur  der  praxitelischen  Hand. 
Jedenfalls  aber  finden  sich  nirgends  unversöhnliche  Gegensätze. 

Eine  weitausgreifende  Arbeit  über  diese  Fragen  gehört  zu  den  notwendigsten 
Aufgaben  unserer  Zeit,  um  für  die  Lösung  derartiger  Probleme,  die  sich  uns  auf 
Schritt  und  Tritt  darbieten,  einen  sicheren  Boden  zu  schaffen.  Da  wir  auf  dem 
Gebiete  der  antiken  Kunst  über  so  wenig  sicher  bestimmbare  Werke  und  über 
noch  weniger  Originale  verfügen,  müßte  man  von  einer  Betrachtung  der  Renais- 
sance und  des  Barocks  ausgehen.  Soweit  ich  selbst  mich  da  umgesehen  habe, 
würde  sich  auch  dort  als  sicheres  Resultat  herausstellen,  daß  ein  Künstler,  je 
entschiedener  seine  Persönlichkeit,  je  größer  sein  Genie  ist,  desto  fester  an  be- 
stimmten Organisationsprinzipien,  Bildungscharakteren,  ja  einzelnen  Formen  fest- 
hält, in  denen  allen  er,  ohne  es  selber  zu  ahnen,  nichts  anderes  schafft  als  die 
Erscheinung  seiner  eigenen  Seele,  die  loix  seines  tiefsten  Wesens.  Darin  allein 
beruht  das  Geheimnis  der  unvergänglichen,  unentfliehbaren  Wirkung  großer 
Werke,  wenn  der  Künstler  längst  vergangen  oder  verschollen  ist:  eine  lebendige 
Seele  bindet  uns  immer  wieder  durch  ihren  besonderen  Zauber.  Und  darin  beruht 
auch  der  Zwang,  der  uns  keinen  Frieden  läßt,  bis  wir  die  Eigenart  einer  solchen 
Persönlichkeit,  soweit  unser  Auge  zu  dringen  vermag,  ergründet,  sie  in  ihren 
Werken  wiedererkannt  haben.  Das  Unternehmen  ist  auf  unserem  Gebiete  so 
schwer,  die  Versuchung,  einigen  äußerlichen  Indizien  zuviel  Gewicht  beizumessen, 
so  naheliegend,  daß  wir  uns  über  Schwankungen  des  Urteils  nicht  wundern  können, 
durch  häufige  Irrtümer  nicht  mutlos  zu  werden  brauchen.  Aber  wir  dürfen  uns 
auch  nicht  scheuen,  anerkannte  „Tatsachen"  immer  wieder  unter  die  Sonde  zu 
nehmen. 

Wir  haben  einen  Bruder  der  „Lemnia"  kennen  gelernt,  der  sich  ebenso  ent- 
schieden von  der  Gruppe  sicher  phidiasischer  Werke  sondert,  wie  seine  Schwester. 
Dazu  kommt  nun,  daß  wir  auch  sonst  noch  Spuren  derselben  Kunstrichtung  be- 
gegnen: ich  habe  um  das  Nächstverwandte  vorauszunennen  —  im  I.  Bande 
des  Vatikan-Kataloges  S.  509  auf  einen  nahverwandten  Jünglingskopf  im  Vatikan 
und  ein  bärtiges  Köpfchen  in  Athen  hingewiesen  (Einzelaufnalimen  n.  1 269),  das 
übrigens  in  der  Größe  den  Hermesköpfen  entspricht  (H.  0-135'"). 

Furtwängler  hat  ausführlich  nachgewiesen,  wie  eng  die  „Lemnia"  mit  den 
Werken  der  argivischen  Kunst  zusammenhängt;  er  verweist  bei  der  Erwähnung 
des  einen  Kopenhagener  Kopfes  auf  den  Stephanos-Athleten.  Den  gleichen 
Hinweis  finden  wir  in  Sievekings  Text  zu  dem  bärtigen  Köpfchen  in  Athen,  wo 


Alhena  des   Phidias  207 

noch  der  Münchener  König  genannt  wird.  Beide  Parallelen  sind  vollkommen  be- 
rechtigt. Innerhalb  der  Tradition  der  sikyonisch-argivischen  Schule,  als  deren 
höchste,  feinste  Blüte  ist  die  „Lemnia"  verständlich,  innerhalb  der  attischen 
Schule  im  Umkreise  des  Phidias  nicht,  und  sie  würde  das  auch  nicht  werden, 
wenn  die  Überlieferung  "eines  Schulzusammenhanges  zwischen  Phidias  und  der 
argivischen  Kunst  besser  beglaubigt  wäre.  Man  wird  einwenden,  das  geistige 
Leben,  die  tiefe  Beseelung  des  „Lemnia"-Kopfes  sei  ein  fremdes  Element  in  jener 
peloponnesischen  Kunst;  was  aber  wissen  wir  von  den  verschiedenen  Verzwei- 
gungen dieses  Baumes,  den  wir  immer  nur  nach  dem  Stephanos-Jüngling  und 
den  polykletischen  Athleten  allzu  einseitig  beurteilen.  Selbst  aber  zugegeben, 
daß  sich  das  Phänomen  der  „Lemnia"  nur  durch  Kreuzung  der  beiden  bedeu- 
tendsten Richtungen  peloponnesischer  und  attischer  Kunst  in  jener  Epoche  er- 
klären lasse,  daran  müßten  wir  immer  festhalten,  daß  die  formengebenden  Elemente 
in  dem  Kopfe  dieser  Schöpfung  alle  aus  der  peloponnesischen  Kunst  stammen. 
Und  ist  es  notwendig,  noch  besonders  daran  zu  erinnern,  daß  auch  für  die  auf- 
fallende Kleinheit  dieses  Kopfes  im  Verhältnisse  zum  Körper  der  Stephanos- 
Jüngling  eine  Parallele  bietet,  und  daß  die  Hauptmotive  der  Komposition  eben 
in  der  argivischen  Kunst  typisch  waren:  die  starke  Wendung  und  Neigung  des 
Kopfes  nach  der  einen  Schulter  und  die  Haltung  des  Attributes  auf  der  leicht  erhobe- 
nen Hand  der  entsprechenden  Seite?  Dabei  ist  folgendes  zu  beachten:  Der  rechte 
Unterarm  ist  nirgends  erhalten,  aber  es  ist  sicher,  daß  er  gehoben  war  und  daß  die 
Hand  den  Helm  gefaßt  hielt  und  trug.  Furtwängler  hat  selber  eine  Restauration  aus- 
führen lassen  und  in  dem  Münchener  Jahrbuche  1907  S.  10  abgebildet.  Da  ist  der 
Unterarm  wenig  gehoben.  Bei  einer  Ergänzung  für  das  Straßburger  Gipsmuseum, 
die  im  Archäologischen  Anzeiger  1906  S.  323  und  in  der  Zeitschrift  für  bildende 
Kunst  1907  S.  116  abgebildet  ist,  hat  sich  Michaelis  dagegen  durch  die  Rück- 
sicht auf  das  bekannte  Relief  von  Epidauros,  auf  dem  Athena  dem  Hephaistos 
oder  Asklepios  gegenübersteht,  dazu  verleiten  lassen,  den  Unterarm  bis  zur 
Schulterhöhe  zu  heben.  Aber  die  Figur  des  Reliefs  stimmt  nicht  so  genau  mit 
der  Statue  überein,  daß  wir  berechtigt  wären,  die  Motive  der  einen  ohne  weiteres 
auf  die  andere  zu  übertragen,  und  zudem  hat  das  Relief  wegen  der  dargestellten 
Gruppierung  seine  eigenen  Bedingungen.  Die  Straßburger  Ergänzung  wirkt  denn 
auch  wenig  glücklich;  man  hat  den  Eindruck,  als  wolle  sich  die  Göttin  in  dem 
Helme  spiegeln;  sie  nähert  ihn  zu  sehr  dem  Gesichte  und  seine  Masse  beein- 
trächtigt die  Wirkung  des  Kopfes,  dessen  Kleinheit  dadurch  noch  auffallender 
wird;    ferner   ist  die  Bewegung  des  linken  Armes  zu  unfrei  geraten.      Aber  auch 


208  W.   Araelung 

die  Ergänzung  Furtwänglers  wirkt  noch  nicht  befriedigend;  die  Wölbung  des 
Helmes  hängt  zuweit  nach  außen  über.  Das  ließe  sich  vermeiden,  wenn  der 
Unterarm  weiter  gehoben  wäre;  zugleich  würde  es  dadurch  verständlicher,  wie 
die  Gemmenschneider  darauf  kommen  konnten,  den  Helm  neben  die  rechte 
Schulter  zu  setzen,  und  endlich  würde  sich  die  Übereinstimmung  mit  dem  Kompo- 
sitionsschema der  argivischen  Kunst  bei  dieser  Ergänzung  noch  schlagender 
herausstellen  als  bisher. 

Furtwängler  hat  tatsächlich  den  Kopf  der  „Lemnia"  an  keinen  zweifellos 
attischen  Typus  anzuschließen  vermocht.  Desto  nachdrücklicher  betont  er  die 
Verwandtschaft  ihres  Körpers  mit  dem  der  Parthenos  und  hier  soll  und  kann 
eine  Beziehung  nicht  geleugnet  werden.  In  welchem  Teile  eines  Bildwerkes  aber 
wird  die  persönliche  Eigenart  seines  Schöpfers  am  ehesten  durch  fremde  Beein- 
flussung durchbrechen  und  fühlbar  werden,  im  Kopfe  oder  im  Körper?  Ich 
erinnere  an  die  ähnliche  Kontroverse  über  den  Künstler  der  mediceischen  Venus 
und  verweise  auf  das,  was  darüber  im  zweiten  Bande  des  Vatikan-Kataloges 
S.  714  bemerkt  ist.  Hier  kommt  noch  hinzu,  daß  die  Ähnlichkeiten  der  beiden 
Körper  denn  doch  sehr  allgemeiner  Art  sind,  und  daß  uns  auch  die  größten 
Kopien  der  Parthenos  nur  einen  kleinen  Auszug  aus  dem  Bilde  des  riesen- 
haften Originales  geben.  Und  steht  nicht  dieser  Körper  der  Parthenos  so,  wie 
wir  ihn  kennen,  als  etwas  Fremdes,  seltsam  Strenges  unter  dem  sicher  Attischen 
der  gleichen  Zeit?  Hat  man  doch  zur  Erklärung  dieses  Kontrastes  gemeint, 
Phidias  habe  sich  in  Rücksicht  auf  die  kolossale  Größe  des  Bildes  oder  seine 
feierliche  Wirkung  Schranken  auferlegt  und  absichtlich  an  die  Art  der  älteren 
Kunst  gehalten.  Könnte  er  nicht  hier  vielmehr  der  Beeinflußte  sein?  Ich  glaube 
indes,  daß  uns  der  geringe  Wert  aller  Parthenos-Kopien  keine  Möglichkeit  bietet, 
diese    Fragen    in    dem    einen    oder    andern  Sinne    entscheidend    zu    beantworten. 

Daß  die  sikyonisch-argivische  Kunst  verschiedene  selbständige  Zweige  neben 
dem  der  polykletischen  Schule  getrieben  habe,  ist  von  niemand  häufiger  und 
bestimmter  behauptet  worden,  als  von  Furtwängler  selber,  am  ausführlichsten 
in  dem  Texte  zur  Collection  Somzee  S.  55  ff.  Er  vermutet  den  Sitz  dieses  Ateliers 
in  Sikyon  und  nennt  als  seinen  Gründer  Aristokles,  den  Bruder  des  Kanachos 
und  Rivalen  des  Hageladas  von  Argos,  als  seinen  führenden  Meister  zur  Zeit 
der  höchsten  Blüte  den  jüngeren  Künstler  gleichen  Namens,  einen  Zeitgenossen 
des  großen  Polyklet.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  weiß  er  eine  yanze  Reihe  von 
Werken  zu  nennen,  die  zweifellos  alle  derselben  Richtung  angehören,  einer  Fort- 
setzung des  älteren  argivisch-sikyonischen  Stils  in  freierer  Entwickelung.    Neben 


Athena  des   Phidias  200. 

dieser  allgemeinen  Übereinstimmung  lassen  sich  individuelle  Eigenheiten  nicht  ver- 
kennen; wir  gewinnen  das  Bild  einer  Schule,  stark  durch  die  Fülle  der  Individua- 
litäten und  die  Strenge  ihrer  gleichmäßigen  Richtung.  Einzelnes  brauche  ich  nicht 
zu  wiederholen;  nur  auf  eine  Figur  sei  hier  gerade  besonders  verwiesen,  um  zu 
zeigen,  welch  köstliche  Früchte  dieser  Zweig  des  großen  Baumes  tragen  konnte:  die 
berühmte  Bronze  vom  Helenenberge  (R.  von  Schneider,  Jahrbuch  des  Allerhöchsten 
Kaiserhauses  XV  S.  103  ff.  Taf.  XI — XIV  und  Album  auserlesener  Gegenstände  usw. 
S.  \2  Taf.  XXVIII).  Furtwängler  stellt  sie  an  das  Ende  einer  Reihe  von  Werken, 
die  seiner  Meinung  nach,  wenn  auch  entfernt,  doch  noch  mit  Polyklet  in  Zu- 
sammenhang stehen  (Meisterwerke  S.  506).  Ist  es  aber  denkbar,  daß  ein  Bildhauer, 
der  in  der  Tradition  dieses  Meisters  lebte,  der  den  Doryphoros,  die  Kanonfigur 
der  Schule,  stets  vor  Augen  hatte,  eine  verhältnismäßig  so  unvollkommene 
Lösung  des  „11110  crure  iitsistereu,  einen  Körper  geschaffen  habe,  in  dessen  über- 
mäßig breiten  Schultern  und  schlankem  Leib  und  in  dessen  Motiven  noch  der 
.Stil  der  älteren,  von  Polyklet  überwundenen  Schule  von  Argos  nachlebt?  So  hoch 
der  Jüngling  vom  Helenenberge  über  dem  Doryphoros  steht  durch  die  unmittel- 
bare Frische  seiner  Formenempfindung  und  seines  gebrochenen  Rhythmus,  der 
uns  moderne  Menschen  gerade  durch  seine  Herbe  reizt,  so  weit  überragt  ihn 
jener  doch  durch  die  absolut  vollendete  Harmonie  seiner  Proportionen  und  die 
vollkommene  Durchbildung  des  Motives.  Das  erklärt  sich  nur,  wenn  wir  in  der 
Bronze  das  Werk  eines  Zeitgenossen  des  Polyklet  sehen,  der  noch  stark  in  der 
Tradition  der  älteren  Schule  befangen  war  und  das  neue  Problem  der  bewegten 
Ruhe  auf  seine  Weise,  unabhängig  von  Polyklet,  zu  lösen  versuchte,  ähnlich  wie 
es  innerhalb  jener  älteren  Tradition  schon  früher  der  Künstler  des  „Münchener 
Königs"  unternommen  hatte  (Furtwängler,  Katalog  der  Glyptothek  300  n.  295). 
Im  Gegensatz  dazu  bietet  uns  die  Bronzestatuette  von  Liguriö  (s.  Furtwängler 
im  50.  Berliner  Winckelmannsprogramme)  ein  Beispiel  dafür,  wie  die  Neuerungen 
Polyklets  auf  einen  Künstler  der  alten  argivischen  Schule  wirkten:  in  der  Stellung, 
den  Motiven  und  den  Zügen  des  Kopfes  seiner  Figur  ist  er  der  alten  Art  getreu 
geblieben,  die  Formen  und  Proportionen  des  Körpers  aber  sind  bereits  voll- 
kommen polykletisch.  Dadurch  erklärt  sich  denn  auch  der  fühlbare  Unterschied 
zwischen  dieser  Statuette  und  dem  Stephanos-Jüngling. 

Wenn  mich  mein  Auge  nicht  täuscht,  können  wir  den  Stammbaum  der 
Wiener  Bronzestatue  noch  um  ein  Glied  rückwärts  verfolgen  und  damit  zugleich 
ein  weiteres  Werk  jener  argivischen  Schule  gewinnen.  Das  eigentümliche  Bild 
des  Jünglingskopfes   wird   bedingt   durch    eine    Reihe   besonderer    Formelementc. 

Jahresliefte  des  österr.  arcfaäol.   Institutes  Bd.  XI.  27 


210 


W.   Amelung 


88  und  89:   Bronzestatuette  im   britischen   Museum. 


die  sehr  ähnlich    an 

einem    weiblichen 
Kopfe  wiederkehren, 
an  dem  Gegenstück 
zur  bronzenen  Dory- 

phorosbüste  des 
Apollonios  in  Neapel 
( Brunn  -  Bruckmann, 
Denkmäler  n.  337): 
unter  niedriger  fla- 
cher Stirn,  die  über 
den  äußeren  Augen- 
winkeln stark  aus- 
ladet, eine  verhält- 
nismäßig lange,  weit 
vorspringende  Nase, 
deren  Nüstern  sich 
deutlich  markieren: 
kurze  Oberlippe,  ge- 
gen die  die  Unter- 
lippe mit  dem  Kinn 
zurücktritt;  geschlos- 
sener      Mund       mit 


schmaler  Oberlippe,  starker  Unterlippe,  leicht  gesenkten  Mundwinkeln;  große 
flächige  Wangen:  tief  gelagerte,  weitgeöffnete  Augen;  langer,  sehr  schön  ge- 
wölbter Schädel.  Dabei  ist  an  dem  weiblichen  Kopfe  alles  breiter,  kräftiger, 
strenger.  Wenn  die  Stirn  dort  mehr  zurückweicht,  als  bei  dem  Jüngling,  so 
kann  sich  das  sehr  wohl  durch  die  Rücksicht  auf  die  verschieden  gestaltete 
Umgebung  der  Stirn  erklären,  dort  massige,  stark  vortretende  Strähnen,  hier 
flach  anliegende  Locken,  denn  sonst  ist  der  stärkere  Winkel  in  der  Profillinie 
vielmehr  ein  Zeichen  früherer  Entstehung.  Über  die  verschiedenen  Versuche, 
den  weihlichen  Kopf  mit  einem  der  Amazonen-Typen  des  fünften  Jahrhunderts 
in  Zusammenhang  zu  bringen,  hat  Furtwängler  in  den  Meisterwerken  S.  299 
gehandelt  (man  vergleiche  dagegen  im  zweiten  Bande  des  Vatikan-Katalo.yes 
S.  (,S'i  f.).  Der  Stil  des  Kopfes  ist  weder  polykletisch,  noch  phidiasisch,  doch 
steht    er    in    seinem    Wesen    zweifellos    der   polykletischen    Art    näher,    und   so 


Athena  des  Phidias  2  I  I 

glaube  ich  auch  hier  das  Werk  eines  argi  vischen  Künstlers  zu  erkennen,  der 
neben  Polyklet  seine  eigenen  Wege  ging,  eines  argivischen  Künstlers,  auf  den 
vielleicht  die  attische  Kunst  nicht  ohne  Wirkung  geblieben  war,  haben  wir  doch 
auch  bei  der  „Lemnia''  in  dem  Körper  Verwandtschaft  mit  der  Parthenos  nicht 
geleugnet.  Im  Grunde  ihrer  Seele  aber  blieben  diese  Künstler  doch,  wie  ich 
schon  vorher  betont  habe,  Argiver,  und  es  gibt  kaum  einen  Gegensatz,  der 
ebenso  klar  und  sprechend  wäre,  wie  der  zwischen  ihren  Werken  und  dem 
wenigen,  das  wir  als  phidiasisch  erkannt  haben  — ■  ein  Unterschied  gleich  dem 
zwischen  venezianischen  und  florentinischen  Schöpfungen  des  Quattrocento  — ; 
wie  dann  ein  attischer  Künstler  wieder  durch  die  „Lemnia"  angeregt  wurde,  zeigt 
uns  eine  Bronzestatuette  in  London  (Walters,  Cat.  of  bronzes  in  the  Br.  Mus. 
p.  1 88  n.  105 1  PI.  XXVIII;  die  Vorlagen  unserer  Abbildungen,  Fig.  88  und  89,  ver- 
danken wir  Cecil  Smith;  das  Figürchen  ist  vor  der  Herstellung  dieser  Aufnahmen 
gereinigt  worden). 

Keine  archäologische  Hypothese  ist  bisher  so  schnell,  und  so  allgemein 
anerkannt  worden,  wie  die  Rückführung  der  Dresdener  Athena  auf  die  Lemnia 
des  Phidias.  Die  Wirkung  des  wiederhergestellten  Werkes  war  so  überwältigend, 
daß  es  nicht  möglich  schien,  einem  anderen  als  dem  Fürsten  aller  griechischen 
Künstler  soviel  Schönheit  zu  danken.  Ich  kann  deshalb  nicht  darauf  rechnen, 
daß  mein  Widerspruch  sofort  in  weiteren  Kreisen  Billigung  finden  werde.  Aber 
nicht  diese  sichere  Erwartung  weckt  beim  Abschluß  der  Arbeit  mein  Bedauern, 
sondern  einzig  das  schmerzliche  Bewußtsein,  sie  dem  Manne  nicht  mehr  vor- 
legen zu  können,  dem  in  diesem  Falle  mein  Widerspruch  gilt;  er  wäre  am 
ehesten  bereit  gewesen,  auch  diese  von  ihm  so  glänzend  durchgeführte  und 
leidenschaftlich  verteidigte  Hypothese  einer  erneuten,  sachlichen  Prüfung  zu  unter- 
ziehen, denn  beim  Streben  nach  reiner  Erkenntnis  kannte  er  keine  kleinliche 
persönliche  Rücksicht,  am  wenigsten  die  gegen  das  eigene  Ich.  Ihm,  der  uns 
allen  die  Wege  gewiesen  hat  und  mit  Selbstverleugnung  überall  vorangegangen 
ist,  sei  hier  über  das  Grab  hinaus  gedankt;  denn  auch  diese  Arbeit  wäre  nicht 
ohne  seine  freudig  gewährte  Anregung  und  tatkräftige  Unterstützung  zur  Vollen- 
dung gelangt. 

Rom,  Juli   1908.  WALTER  AMELUNG 


27* 


212 


E.  Pemice 


Untersuchungen  zur  antiken  Toreutik. 


IV.  Über  einige  Großbronzen  der  Museen  in  Neapel,  Rom  und  Berlin. 

In  diesen  Jahresheften  (IV  S.  169  fr.)  hat  Benndorf  einigen  Großbronzen  des 
Museo  nazionale  in  Neapel  eine  ausführliche  Besprechung  gewidmet  und  mit  Recht 
darauf  hingewiesen,  wie  wenig  für  die  wissenschaftliche  Verwertung  dieser  in  ihrer 

Art  einzig  dastehenden  Sammlung  antiker 
Bronzen  geschehen  ist.  Die  folgenden  Aus- 
führungen sollen  wenigstens  einen  Anfang 
damit  machen,  allerdings  bieten  auch  sie 
nur  den  Versuch,  für  die  Untersuchung 
antiker  Bronzen  überhaupt  an  einigen  Bei- 
spielen Gesichtspunkte  aufzustellen,  die  ich 
zur  Berücksichtigung  empfehlen  möchte. 
Den  äußeren  Schwierigkeiten,  die  sich  in 
Neapel  einer  wirklich  erschöpfenden  Unter- 
suchung trotz  der  sehr  entgegenkommen- 
den Liebenswürdigkeit  der  Museumsver- 
fl        L~. .^  ■&  waltung   entgegenstellen,  besonders   dem 

'  *jr  Mangel  an  ausreichendem  Licht  und  dem 

V  ■/"  Fehlen    der    erforderlichen    Drehvorrich- 

yX_  tungen,    habe   ich,    so    gut  es   ging,    mit 

Spiegeln  zu  begegnen  versucht  und  damit 
manche  Resultate  gewonnen. 
r.  Vorstehend  (Fig. 90)  ist  nach  Rayet,  Monuments  del'art  antique  II  Taf.  24  der 
wohlbekannte  langlockige  Jünglingskopf  des  Museo  nazionale  abgebildet.  An  ihm 
erregt  gleich  beim  ersten  Anblick  die  Bildung  des  Oberkopfes  Befremden.  Vor 
allem  fällt  die  große  Vertiefung  auf,  die  den  Oberkopf  vom  Unterkopfe  trennt '), 
und  man  bemerkt  an  einer  deutlich  sichtbaren  Fuge,  die  rings  um  den  Kopf 
läuft,  sehr  bald,  daß  der  Oberkopf  besonders  gegossen  und  aufgesetzt  ist.2)  Daß 
eine  solche  Art  der  Herstellung  in  antiker  Zeit  möglich  ist,  ist  an  sich  zuzugeben, 

II.  Schrader  vermutete  mir  gegenüber  brieflich,  sur    le  metal',    die   J.    Martha    im    Text   zu    Rayet's 

daß  vielleicht  der  Oberkopf  moderne  Ergänzung  sein  Tafel  erwähnt  und  die  er  zur  Aufnahme  eines  goldenen 

möge.  Kranzes  bestimmt  erklärt,    den    einst    der    Kopf  ge- 

-)  Offenbar  sind  das  die  .certaines  traces  laissäes  tragen  habe. 


90 


Untersuchungen   zur  antiken  Toreutik  2  I  3 

allerdings  würde  dann  wahrscheinlich  nicht  bloß  der  Oberkopf  allein,  sondern 
der  Oberkopf  mit  der  ganzen  Lockenperücke  gesondert  gearbeitet  und  über  den 
Unterkopf  gestülpt  worden  sein.  Ganz  für  sich  gearbeitet  und  aufgesetzt  ist  beispiels- 
weise auch  die  Schädeldecke  mit  der  Perücke  an  der  polykletischen  Amazone.3) 
Ebenso  war  im  Altertum  der  Schädel  der  sogenannten  Berenike4)  für  sich  ge- 
arbeitet, und  zwar  die  Schädelkalotte  oberhalb  des  Zopfes.  Der  jetzige  Oberschädel 
ist  moderne  Ergänzung-.  Das  erkennt  man  sofort  an  der  Arbeit  dieses  Kopfteiles, 
denn  im  Gegensatze  zu  der  sehr  feinen  Ziselierung  der  Stirn-  und  Schläfenhaare 
sind  die  Schädelhaare  nur  aus  dem  allergröbsten  herausgearbeitet.5)  Offenbar  war 
der  Oberkopf  bei  der  Auffindung  aus  seinem  Zusammenhange  gelöst  und  verloren 
gegangen.  Auch  der  sogenannte  Ptolemäus  Philadelphus 6)  hat  eine  besonders 
gearbeitete,  aber  antike  Schädelkalotte;  hier  läuft  die  Naht  unterhalb  des  Kranzes 
um  den  Kopf.  Besonders  gut  ist  sie  von  innen  zu  erkennen,  wenn  man  die  be- 
treffenden Stellen  nach  innen  durch  den  Spiegel  beleuchtet.  Weiter  ist  der 
Schädel  bei  der  Artemis  aus  dem  Apollontempel  in  Pompei  ganz  deutlich  über 
der  Binde  besonders  gearbeitet  und  aufgesetzt  und  so  wird  es  wahrscheinlich 
auch  bei  dem  Kopfe  des  Apollon  sein,  bei  dem  sich  eine  nähere  Untersuchung 
leider  nicht  ermöglichen  ließ.  Man  sieht  bei  der  Artemis  die  Naht  von  außen 
und  fühlt  sie  von  innen,  wenn  man  mit  dem  Finger  durch  das  Loch  tastet,  wo 
einst  der  Haarschopf  besonders  angesetzt  war.7)  Bei  den  sogenannten  herkulanen- 
sischen  Tänzerinnen  bemerkt  Benndorf  a.  a.  O.  S.  1 8 1  Anm.  33  zu  jeder  einzelnen 
daß  das  Haar  des  Oberkopfes  für  sich  gegossen  ist.  So  wie  die  aufgezählten 
werden  noch  zahlreiche  Köpfe  hergestellt  sein  und  so  ergibt  sich  eine  ganz  be- 
stimmte technische  Gewohnheit,  die  jedenfalls  von  der  Art,  wie  vom  sechsten 
bis  vierten  Jahrhundert  Köpfe  gegossen  wurden,  erheblich  abweicht.  Einstweilen 
dürfte  diese  Herstellungsart  als  ein  Zeichen  für  den  jungen  Ursprung  des  be- 
treffenden Werkes  aufzufassen  sein.  Benndorf  hat  gewiß  recht,  wenn  er  S.  1 7 1 
sagt:  ,man  wird  schwerlich  mit  der  Annahme  fehlgehen,  daß  die  Masse  der 
vorhandenen  Bronzen  ihrer  technischen  Herstellung  nach  zeitlich  nicht  weiter 
zurückreicht  als  die  Masse   der  aus  Herculaneum  und  Pompei  erhaltenen  Wanil- 

3)  Leider  war  es  nicht  möglich,  diesen  technisch  s)  Comparetti-de  Petra,  Villa  Ercolanese  Taf.X  :. 
besonders  interessanten  Kopf,  ebensowenig  wie  den  ')  Besonders  gegossen  sind  an  der  Artemis,  wie 
des  Doryphoros,  von  innen  zu  untersuchen  —  beide  üblich,  beide  Arme.  Beide  Male  bildet  das  Gewand 
hätten  gewiß  besonders  wertvolle  Resultate  geliefert.  rings  herum  die  Ansatzstelle,    der  linke  Arm    reicht 

4)  Rayet  a.  a.  O.  Taf.  8.  durch  das  Gewand    noch   tief  in  den  Hohlraum    des 

5)  Die  Büste  der  Berenike  ist  modern,  der  Hals  Körpers  hinein.  Daß  das  Untergewand  besonders  ge- 
antik,   doch  sind    viele    Risse   modern    ausgebessert.  arbeitet  und  dann  angesetzt  ist,  erkennt  man  sofort. 


214  E.  Pernice 

gemälde,  also,  von  wenigen  abgesehen,  den  letzten  anderthalb  Jahrhunderten 
vor  der  Verschüttung  angehört'. 

Obwohl  diese  Beispiele  die  Annahme  zu  ermöglichen  scheinen,  daß  auch  der 
Oberschädel  des  zuerst  genannten  Jünglingskopfes  in  alter  Zeit  besonders  gearbeitet 
und  aufgesetzt  sei,  gehört  der  Kopf  doch  nicht  in  die  geschilderte  Gruppe:  die  Kappe 
ist  moderne  Ergänzung.  Wäre  der  Oberschädel  antik,  so  würde  man  sich  mit  Recht 
darüber  verwundern,  daß  bei  einer  im  ganzen  so  guten  Erhaltung  die  zahlreichen 
Verbeulungen,  die  der  Kopf  heute  aufweist,  sich  alle  gerade  an  der  Naht  zwischen 
Ober-  und  Unterkopf  vereinigen,  also  an  einer  Stelle,  die  die  Zerstörung  gewöhn- 
lich am  wenigsten  berührt.  Wenn  man  nun  in  den  Kopf  hineinfühlt,  so  bemerkt 
man  die  Fuge  innen  sehr  deutlich,  aber  in  ihrem  Verlaufe  sehr  verschieden, 
besser  oder  weniger  gut  anschließend.  Eine  Stelle,  innen  von  der  rechten  Schläfe 
bis  zum  rechten  Ohr,  ist  besonders  charakteristisch.  Man  fühlt  nämlich  hier  ganz 
deutlich,  wie  sich  der  Unterkopf  unter  die  Kalotte  etwa  einen  Zentimeter  weit 
hineinschiebt  und  wie  darüber  die  Schädelkappe  gestülpt  ist.  Ahnlich,  aber  nicht 
so  deutlich,  liegen  die  Verhältnisse  am  linken  Ohr.  Das  ist  jedenfalls  nicht 
antike  Arbeit,  sondern  ein  Beweis  dafür,  daß  die  Kappe  modern  und  unsorg- 
fältig aufgesetzt  ist.  Ich  denke  mir  die  Geschichte  des  Kopfes  so:  bei  der  Auf- 
findung war  der  Schädel  bis  zu  den  Schläfen  durch  von  oben  herabstürzende 
Steine  völlig  zertrümmert  und  verbeult;  nun  wurde,  indem  für  die  Bewegung  der 
Haare  die  erhaltenen  Stücke  einen  Anhalt  boten,  eine  neue  Kappe  geformt  und 
übergestülpt;  dabei  blieben  die  an  den  Schläfen  nach  innen  verbogenen  Teile 
des  Schädels  einfach  stehen,  da  sie  doch  von  der  Kappe  verdeckt  wurden;  an 
den  anderen  Teilen  des  Schädels  wurden  die  zerbrochenen  Ränder  glattge- 
schnitten und  damit  ein  besserer  Anschluß  an  die  neue  Perücke  erzielt.  — 
Die  herabhängenden  Locken  des  Kopfes  sind  wie  der  Oberschädel  fast  sämtlich 
modern,  nur  einige  wenige,  die  am  Nacken  ansetzen,  sind  antik,  aber  weniger 
elegant  frisiert,  als  die  modernen. 

2.  Sehr  lehrreich  ist  die  Herstellung  des  archaischen  Dionysos s)  (Fig.  91), 
der  auch  in  die  Gruppe  der  vorher  besprochenen  Köpfe  gehört,  denn  die  Kalotte 
ist,  wie  schon  Benndorf  bemerkt  hat9),  besonders  gegossen  und  dann  aufgesetzt. 
Man  kann  die  Xaht  deutlich  an  der  Stirnseite  über  der  Binde  verfolgen  und  am 
Hinterkopfe  über  der  Haarrolle  kann  man  sie  im  Innern  des  Kopfes  leicht  mit  der 
Hand  fühlen.    Aber  an  diesem  Kopfe  sind  auch  sonst  viele  Teile  besonders  ge- 

'    Rayet,  a.  a.  O.  II  Taf.  II,    danach    die    Ab-  \   .1.  ().  S.  172  Aura.  S  ,der  Oberkopf  bis  zur 

bildung.  Binde  besonders  gegossen'. 


Untersuchungen   zur  antiken   Toreutik 


215 


arbeitet.     Über    der   linken    Schläfe   bemerkt    man    eine    Naht,    die  die  Binde    in 
stufenförmiger  Bewegung    durchschneidet    und   eine    genau    entsprechende    Naht 
sieht  man  auch  auf  der  andern  Seite   über  der  rechten  Schläfe.  Diese  Nähte  ver- 
laufen dann  am  untern  Rand  der  Binde  entlang  nach  hinten  und  treffen  sich  unter 
der  Nackenrolle.  Somit   ist  also  die  Nackenrolle  mit  dem  hinteren  Teil  der  Binde 
für  sich   hergestellt.     Für  sich   gegossen  sind  weiter  die  Schläfenrollen  unter  der 
Binde  und  wieder  die  einzelnen 
daran  sitzenden   Ringellocken. 
Das  alles  läßt  sich  von  außen 
sofort   erkennen    —    innen  ist 
der     Kopf     hier     verschmiert. 
Endlich    ist    der  Bart   für  sich 
gegossen.     Das  kann  man  be- 
merken,   wenn    man    zwischen 
Bart  und  Hals  hindurch  sieht, 
wo  eine  breite  Fuge  klafft;  in 
dieser  Höhe,  also  von  der  Stelle 
an,    wo    der    Bart    frei    herab- 
hängt, läuft  außen,    etwa  zwei 
Zentimeter    unter     der    Mund- 
spalte, eine  Naht  rings  um  den 
Bart  herum,  die  man  mit  vol- 
ler Deutlichkeit  verfolgen  kann. 
Zieht    man    alle   die   besonders 
gegossenen  Teile  ab,  so  bleibt 
für  den  Guß  des  Hauptstückes 
eine  aufs  denkbar  Einfachste  reduzierte  Form  übrig;  auch  waren  an  dem  Wachs- 
modelle schwerlich  schon  die  feinen   Haar-  und  Bartlinien  vorgearbeitet,  sondern 
nur  die  allgemeine  wellige  Bewegung  des  Haares  angegeben,  die  erst  nach  dem 
Gusse  durch  Einziehen  der  Details  mit  dem  Punzen  belebt  wurde.   Der  Guß  ist  bei 
dieser  Vereinfachung  natürlich  sehr  gut  gelungen  und  Flicken  sind  sehr  selten.  Bei 
seiner  Auffindung  muß  der  Kopf  sehr  zerbrochen  gewesen  sein,  namentlich  an  Hals 
und  Nacken  sind  viele  Brüche  wahrzunehmen  —  aber  die  wesentlichsten  Teile  sind 
antik,    einige  größere  Löcher    sind    mit  einer   weichen   Masse    ergänzt,    derselben 
Masse,  aus  der  auch  die  Augäpfel  bestehen.    Denn  die  Augäpfel  sind  nicht,  wie 
Benndorf  anzunehmen  scheint,    antik,    sondern  modern   und   nicht  nur  bei   diesem 


91 


2l6 


E.  Pernice 


Kopfe,  sondern  bei  fast  allen  größeren  Köpfen  der  Sammlung.  So  zum  Beispiel 
bei  dem  archaischen  Jünglingskopfe,  der  den  aeginetischen  Köpfen  verwandt 
gilt  und  bei  dem  Benndorf  ausdrücklich  10),  aber  irrig,  Bronze  für  die  Augäpfel 
angibt.11) 

3.    Über  diesen  Kopf  (Fig.  92)   möchte  ich   auch  sonst  noch   einige  Bemer- 
kungen machen.     Benndorf  erklärt  ihn   S.  171    im  Anschlüsse  an  Kekule  für  ein 

Original  archaischer  Zeit  und  beschreibt 
seine  technische  Herstellung  ebendort 
Anm.  7  :  ,Oberkopf  mit  Zopf  angestückt, 
die  einzeln  angefügten  Locken  verdecken 
die  Fuge'.  Wenn  sich  das  so  verhielte 
und  der  Kopf  echt  archaisch  ist,  müßten 
die  oben  gemachten  Bemerkungen  über 
die  besondere  Herstellung  der  Kopf- 
kalotte und  die  Zeit  des  Gebrauches  dieser 
technischen  Maßregel  falsch  sein,  oder, 
falls  diese  richtig  sind,  müßte  der  Jüng- 

%lingskopf  nicht  echt  archaisch,  sondern 
eine  spätere  Kopie  wie  der  Dionysos  sein. 
Ich  glaube  aber,  daß  Benndorf  hier  nicht 
richtig  beobachtet  hat.  Der  Oberkopf  ist 
vielmehr  mit  dem  Unterkopf  zugleich  ge- 
gossen, aber  der  umgelegte  Zopf  ist,  so- 
weit die  kleinen  Löckchen  angebracht 
sind,  d.  h.  von  Ohr  zu  Ohr  die  Stirn  entlang,  besonders  gearbeitet  und  aufgesetzt  — 
die  hierbei  entstehende  Fuge  hat  Benndorf  irregeführt.  Daß  es  sich  so  verhält,  geht 
aus  folgender  Beobachtung  hervor:  das  Flechtwerk  des  Zopfes  ist  völlig  regel- 
mäßig durchgeführt,  aber  an  der  linken  Kopfseite,  gerade  über  dem  Ohr  wird 
der  Zusammenhang  der  Strähnen  undeutlich  und  verwischt;  das  kann  nur  darin 
seinen  Grund  haben,  daß  hier  der  um  den  Hinterkopf  liegende  und  mit  ihm 
zusammengegossene  Zopf  mit  dem  besonders  gearbeiteten  vorderen  Zopfstücke 
zusammentraf.  Ganz  ähnlich  liegt  die  Sache  über  dem  rechten  Ohr.  Natürlich 
hängt  diese  Herstellung  des  Zopfes  damit  zusammen,  daß  man  so  die  kleinen 
■jiilnlitcii    Löckchen  besser  unterbringen  konnte. 

10)  A.  ii.  O.  S.  S7  1  Anm.  7.  richtig   beobachtet,    daß   die  Augen   bei   den   meisten 

1     Furtwängler,  Meisterwerke  677   Anm.  3,   hat        Köpfen   aus  der   Villa  modern   sind. 


92 


Untersuchungen   zur  antiken   Toreutik  2  I  J 

In  der  Art,  wie  dieses  massive  Zopfstück  für  sich  hergestellt  und  aufgesetzt 
ist,  fühlt  man  sich  lebhaft  an  den  archaischen  Kopf  aus  Kythera  im  Berliner 
Museum  und  an  den  von  Furtwängler  entdeckten  Jünglingskopf  aus  der  ersten 
Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  v.  Chr.  erinnert.12;  Bei  beiden  sind  Teile  des 
Haares,  das  unmittelbar  am  Kopfe  aufliegt,  wie  der  Zopf  des  Neapler  Jünglings, 
besonders  angesetzt,  der  Oberkopf  aber,  den  man  größerer  Bequemlichkeit  halber 
sehr  leicht  über  der  Binde  hätte  trennen  können,  ist  mit  dem  übrigen  aus  einem 
Stück.  Wird  schon  dadurch  der  wirkliche  Archaismus  des  Kopfes  nahegelegt,  so 
kann  man  dafür  vielleicht  noch  eine  weitere  Beobachtung  anführen.  Nämlich  am 
Nacken  innen,  4  Zentimeter  vom  unteren  Rande  und  ebenso  auf  der  Brust  innen, 
in  der  Mitte  des  erhaltenen  Teiles,  sieht  man  deutlich  je  eine  Anschwellung. 
Diese  Anschwellungen  sind  nicht  aus  Bronze,  sondern  aus  Eisen,  sie  rühren  von 
einem  starken  Eisendraht  her,  der  quer  durch  die  Figur  von  vorn  nach  hinten  ging. 
Auf  der  Oberfläche  ist  der  Eisendraht  abgearbeitet  und  durch  Patina  verdeckt. 
Dieser  Eisendraht  könnte  —  worauf  man  zunächst  verfällt  —  dazu  gedient  haben, 
um  beim  Guße  den  Kern,  nach  Ausschmelzung  des  Wachses,  im  Mantel  in  seiner 
Lage  festzuhalten,  denn  man  führt  ja  zu  diesem  Zwecke  Stützen  durch  Mantel 
und  Wachsschicht  in  den  Kern  ein.13)  Aber  das  pflegen  Stützen  aus  demselben 
Material  zu  sein,  wie  das  Gußstück  selbst,  damit  sie  nach  Fertigstellung  des 
Gußes  unbemerkbar  bleiben.  Wenn  also  hier  Eisen  ist,  muß  das  einen  anderen 
Zweck  gehabt  haben.  Die  Bronze  ist  so  zart  und  dünn  gearbeitet,  daß  die  Büste, 
namentlich,  wenn  sie,  wie  es  sicher  scheint,  aus  einer  Statue  herausgeschnitten, 
also  aus  dem  ursprünglichen  Zusammenhange  gelöst  wurde,  eine  Innenstütze 
sehr  gut  gebrauchen  konnte,  die  dem  Ganzen  neuen  Halt  gab.  Die  Beobachtung 
dieser  Stütze  führt  also  zunächst  darauf,  daß  der  Kopf  zu  einer  früher  vorhande- 
nen Statue  gehört  hat,  und  im  Zusammenhange  mit  den  übrigen  Beobachtungen 
dahin,  dass  er  wirklich  echt  archaisch  ist. 

4.  Von  besonderem  technischen  Interesse  ist  der  langlockige  Kopf14)  (Fig.  93), 
der,  nachdem  er  früher  als  Porträt  eines  hellenistischen  Herrschers  gedeutet  war. 
von  Six15)  als  vornehme  Herculanenserin  oder  Römerin  erklärt  ist.  Six  hat  richtig 
erkannt,  daß  ,der  ganze  Scheitel  samt  der  Tänie  und  den  freigearbeiteten  Locken, 
also  eine  ganze  Perücke  modern'  ist.  ,Das  geht  nicht  nur  aus  dem  Fehlen  antiker 
Patina,  aus  der  rohen  Arbeit  des  Haares  innerhalb  der  Binde  und  der  unantiken 
Form    und    Behandlung    der    hobelspanartigen  Locken    hervor,    sondern  läßt  sich 

12)  Meisterwerke  d.g.  PI.  67;  ff.  Taf.  ;,2.  "    Comparetti-di  Petra.    Villa   E.  Taf.  VI. 

1      Vgl.  Jahreshefte   VIII  156,4.  u)    Rom.   Mitt.   IX  117  I. 

fahresheftG  lies  üsterr.  archaol.    Institutes    Bd.  XI.  JS 


2l8 


E.   Pernice 


im  Innern  deutlich  herausfühlen,  da  der  roh  abgebrochene  Rand  des  antiken 
Teiles  unter  der  Binde  vorragt'  —  also  ähnlich  wie  bei  dem  erstbesprochenen 
Jünglingskopf.  Dagegen  irrt  Six,  wenn  er  die  Büste  für  ganz  antik  erklärt;  viel- 
mehr ist  ein  Teil  der  linken  Schulter  bis  an  die  Brust  heran,  zirka  0-15  IU  breit, 
modern  und  nur  der  übrige  Teil  ist  antik,  wie  man  an  einigen  viereckigen  ein- 
gesetzten Gußflicken    erkennen    kann.     Einige  Risse  an  antiken  Stellen  sind  mit 

Metallplatten  unterlegt.  Von  der  Be- 
festigung dieser  Metallplatten  durch  Niete 
rühren  mehrere  runde  leichte  Eintiefun- 
gen z.  B.  auf  der  rechten  Schulter  her, 
die  ich  ausdrücklich  erwähne,  weil,  wie 
noch  an  einem  wichtigen  Beispiel  weiter 
unten  gezeigt  werden  wird,  diese  runden 
Niete  leicht  für  antik  gehalten  werden. 
Die  moderne  Perücke  ist  aus  zahlreichen 
Teilen,  unter  Zuhilfenahme  von  Zink- 
stücken, Schrauben  und  Lötungen  äußerst 
grob  hergestellt,  der  ganze  antike  Kopf 
mit  Säuren  behandelt,  die  die  antike  Pa- 
tina fortnahmen,  wie  bei  den  meisten 
Bronzen  der  Villa  —  an  einigen  Stellen, 
wie  an  den  Ohren  sind  noch  kleine 
Reste  der  alten  Patina,  wenngleich  durch 
die  Säuren  verändert,  stehen  geblieben. 
Statt  der  alten  wurde  eine  neue  Patina,  die  übliche  sogenannte  herculanensische, 
gegeben,  die  antike  und  moderne  Teile  an  der  Büste,  auch  die  Niete  gleich- 
mäßig überdeckte. 

Besonders  lehrreich  ist  nun  ein  Blick  in  das  Innere  des  Kopfes.  Hier  kann 
man  nämlich  zwei  Bronzezapfen  bemerken,  den  einen  am  antiken,  den  andern  am 
modernen  Teil  der  Büste:  der  eine,  der  hinten  im  Nacken  sitzt,  ist  also  antik, 
der  andere  modern.  Aber  beide  haben  dieselbe  Bedeutung,  es  sind  Reste  von 
Gußkanälen,  die,  beim  Guß  mit  Metall  ausgefüllt,  sich  je  nach  der  Stärke  des 
Gußkanales  als  stärkere  oder  schwächere  Bronzezapfen  darstellen  mußten.  Die 
'itiljkanäle  sind  also,  als  der  antike  Teil  (ebenso  wie  der  moderne)  gegossen 
wurde,  nach  innen  verlegt  worden,  mit  deutlicher  Berechnung.  Denn  traf  der 
Gußkanal   das  zu  gießende  Stück    von  außen  an  der  Oberfläche,  so  mußte  natür- 


93 


Untersuchungen  zur  antiken   Toreutil<  2  10. 

lieh  das  stehen  gebliebene  Metall  bis  auf  die  Oberfläche  des  Gußstückes  sehr 
sorgfaltig  abgearbeitet  werden  -  innen,  wo  man  nichts  sah,  konnte  der  Zapfen 
ruhig  belassen  oder  nur  oberflächlich  entfernt  werden.  Man  hat  demnach,  und 
das  ist  auch  sonst  bei  antiken  Büsten  zu  bemerken,  die  Gußkanäle  möglichst 
verdeckt  nach  innen  angelegt,  wie  es  bei  unten  offenen  Bronzebüsten  sehr  be- 
quem und  leicht  zu  bewerkstelligen  war,  indem  man  nur  beim  Guß  die  Form 
auf  den  Kopf  stellte.  Natürlich  genügte  ein  solcher  Kanal  für  die  große  Büste 
nicht,  es  müssen  ihrer  eine  ganze  Anzahl  gewesen  sein  und  es  sind  denn  auch 
noch  zwei  andere  weiter  innen  im  Kopfe  und  zwar  rechts  und  links  vom  Munde 
erhalten.  Man  kann  das  nicht  nur  fühlen,  sondern  mit  Hilfe  des  Spiegels  sogar 
deutlich  erkennen,  wie  diese  beim  Guß  gefüllten  Kanäle  nach  dem  Guß  be- 
handelt sind.  Sie  sind  nämlich  nur  ein  Stück  lang-  -  -  etwa  o-o8  m  —  stehen  ge- 
lassen worden  und  bei  dem  Wegnehmen  des  oberen  Endes  haben  sich  die  stehen 
gebliebenen  Stummel  so  verbogen,  daß  sie  ziemlich  übereinanderliegen,  so  daß 
man  zunächst  den  Eindruck  gewinnt,  als  sei  im  Innern  des  Kopfes  eine  Art 
Handgriff  angebracht.  Der  Gußzapfen  an  dem  modernen  Halsstücke  zeigt,  daß 
man  die  Güsse  auch  heutzutage  noch  ebenso  macht,  nämlich  von  innen  nach 
außen  und  bei  zahlreichen  modernen  Büsten  im  Neapler  Museum  kann  man 
dieselbe  Gewohnheit  beobachten  z.  B.  an  den  modernen  Büsten  der  antiken 
Köpfe  n.  5623.  5602,  auch  an  der  Büste  der  schon  erwähnten  sogenannten 
Berenike. 

5.  Der  von  Furtwängler  entdeckte16),  oben  schon  erwähnte  Bronzekopf  (Fig.  94) 
ist  der  besonders  gearbeitete  Teil  einer  ganzen  Figur  gewesen.  ,Die  Fuge  hinten 
im  Nacken  wurde  durch  das  herabfallende,  besonders  aufgesetzte  Haar  verdeckt; 
die  vordere  Fuge  aber  fiel  zusammen  mit  der  Trennung  zwischen  Kopf  und 
Hals,  war  also  bei  der  gesenkten  Haltung,  die  wir  für  den  Kopf  voraussetzen 
müssen,  größtenteils  unsichtbar.  Zum  Anfügen  an  den  Hals  vorne  diente  eine 
013'"  breite  Anschlußfläche.'  Diese  Eigenschaft  des  Kopfes  wird  mit  anderen 
Eigentümlichkeiten  zusammen  von  Furtwängler  zum  Beweise  dafür  herangezogen, 
daß  der  Kopf  nicht  späte  Kopie,  sondern  original-archaische,  griechische  Arbeit  ist.1 ' 
Obwohl  an  der  Originalität  des  Kopfes  nicht  gezweifelt  werden  kann,  möchte  ich 
darauf  hinweisen,  daß  die  besondere  Art  der  Ansetzung  des  Kopfes  durchaus  nicht 

16(  Vgl.  Anm.  12.  nur  in  den  schon  angeführten   altgriechischen  Bronze- 

n)  Vgl.  a.  a.  O.  S.  678.  .Diese  Art,  wie  der  Kopf  werken',  nämlich  dem  Bronzekopfe  von  Kythera,  dem 

getrennt  zum   Ansetzen   gearbeitet  ist  und    die  Haar-  von  Olympia  und  einem  Torso  in  Florenz. 

enden    einzeln    angestückt    sind,    hat    ihre    Parallelen 

28* 


220 


E.   Pernice 


ein  Anzeichen  hohen  Alters  zu  sein  braucht,  sondern  durch  das  ganze  Altertum 
hindurch  nachzuweisen  ist.  Das  älteste  Beispiel  hat  Furtwängler  selbst  in  einem 
Bronzetorso  zu  Florenz  aus  dem  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts  nachgewiesen. 
Die  bei  Kalkmann  (Jahrbuch  des  Instituts  VII  132)  gegebene  Abbildung  ist  zum 
Studium  ungeeignet  und  wir  müssen  uns  daher  mit  der  Feststellung  Furtwänglers 
begnügen,  daß  der  fehlende  Kopf  genau  so  aufgesetzt  war,  wie  der  Berliner  Kopf 
auf  seinem  Körper.  ,Der  Hals  zeigt  oben  eine  Anschlußfläche  von  ganz  der 
gleichen   Art.   wie  sie  sich  an   unserem    Kopfe  unten  befindet". 

Danach  würde  in  der  chronologischen  Abfolge  der  Berliner  KLopl  selbst  folgen. 
Ihm  schließt  sich  die  Saburoffsche  Bronze  an.  Daß  der  Kopf  dieser  Bronzefigur 
bei  ihrer  Auffindung  noch  vorhanden  gewesen  ist  und  dann  gewaltsam  abge- 
schnitten wurde,  um  einzeln  verkauft  zu  werden,  ist  eine  Vermutung,  deren  Un- 
möglichkeit  von  KLekule18)  dargelegt  ist.  Trotzdem  hat  sie  I..  Levin  in  einem 
Vortrage  über  die  Technik  in  antiken  Bronzen19)  wieder  aufgenommen.  Die  in 
Fig.  0,=;  gegebene  Abbildung-'"  1  zeigt  sehr  deutlich,  wie  der  vordere  Halsrand  nach 

l8)  Jahrbuch    der    Königl.   prculi.    Kunstsamml.  iu  verwerten  ist'  verstelle    ich    ebensowenig  wie  die 

S    t .X  IX.  Erklärung  .dagegen  sprechen  auch  die  tiefer  liegenden 

")  Jahrbuch  XVI  Anzeiger  S.  15.  Den  Satz  ,die  inneren  Nähte'. 

Schnittfläche  liegt  so,  daß  sie  technisch  für  eine  ur-  ""    Nach  ECekule  a.  a.  O.  S.  I.XIX. 

sprünglichc   Befestigung  des    Kopfes  an    ihr  gar  nicht 


Untersuchungen  zur  antiken   Toreulik 


221 


95 


dem  Gruße  möglichst  breit  ge- 
hämmert ist21),  um  für  den  dar- 
auf zu  lötenden  Kopf  eine  breite 
Lötfiäche  zu  gewinnen.  Der  hin- 
tere Halsrand  ist  durch  Häm- 
mern nicht  verbreitert;  hier  war 
es  auch  nicht  so  nötig,  denn 
hier  hielten  auch  die  auf  den 
Schultern  festgelöteten  Locken 
fest.     Die  Halsfuge  das    ist 

noch  zu  bemerken,  weil  es  die 
ständige  Gewohnheit  ist  —  läuft  nicht  in  gerader  Linie  um  den  Hals  herum, 
sondern  in  gebrochener,  gleichfalls,  um  das  Festsitzen  des  Kopfes  zu  ver- 
stärken —). 

Der  hellenistischen  Zeit  gehört  der  vor  einigen  Jahren  erworbene  Hypnos  im 
Berliner  Museum  an  -3).  Auch  hier  ist  die  Kopfansatzstelle  in  ihrer  Verbreiterung 
zur  Gewinnung  der  Lötfläche  so  lehrreich,  daß  ich  den  oberen  Teil  des  Torso  nach 
einer  Photographie  des  Berliner  Museums 
abzubilden  für  wertvoll  halte  (Fig.  g6).  Die 
Ansatzlinie  verläuft  auch  hier  nicht  gerade, 
sondern  geknickt.  Zu  dieser  Hypnosfigur 
gesellt  sich  die  leider  unpublizierte  etwa 
o-5o'"  hohe  Jünglingsfigur  des  Museo  Gre- 
goriano  n.  175.  Man  kann  diese  Bronze 
geradezu  als  Musterbeispiel  für  die  beson- 
dere Herstellung  einzelner  Körperteile  be- 
zeichnen. Sie  wird  von  Reisch  in  Helbigs 
l'ührer  II  S.  363  n.  1341  weg-en  der  Frische 
ihrer  Arbeit  der  hellenistischen  Zeit  zuge- 
wiesen, ein  Ansatz,  den  ich  für  richtig  halte. 
Kopf,    Arme    und    das    rechte   Bein  fehlen. 


')  Dieses  Aushämmern  des  Halsrandes  ist  wohl 
mit  der  Bewegung  des  Arbeiters  auf  der  Berliner 
Erzgießereischale  gemeint. 

22)  Von  einer  Vernietung,  von  der  Kekule 
S.  LXIX  spricht,  erkenne  ich  nichts;  der  auch  in 
der  Abbildung  sichtbare  Ansatz  hinten  im  Nacken  ist 


96 

sicher  kein  Niet,  eher  könnte  er  der  Rest  eines  nicht 
ganz  abgearbeiteten  Gußkanals  sein,  wenn  er  nicht 
reine   Zufälligkeit   ist. 

-J)  Jahrbuch  XVIII  Anzeiger  S.  33.  Von  einer 
.Vernietung;',  die  Watzinger  erwähnt,  ist  nichts  eh 
bemerken. 


22  2  E.   Pernice 

Der  Kopf  war  ganz  übereinstimmend  mit  der  Saburoffschen  Figur  an  den  Körper 
angesetzt;  die  Naht  läuft  gerade  um  den  Hals  herum,  etwa  bis  zur  Hälfte,  biegt 
dann  in  scharfem  Knick  nach  unten  und  ist  dann  gerade  um  den  Nacken  herum- 
geführt 2i). 

Haben  wir  so  in  hellenistischer  Zeit  den  charakteristischen  Kopfansatz  ge- 
funden, so  ist  es  leicht,  aus  dem  Bestände  des  Neapler  Museums  für  die  spät- 
hellenistische oder  römische  Zeit  die  gleichen  Beobachtungen  zu  machen.  Ich 
führe  hierfür  beispielsweise  eine  Anzahl  kleiner  etwa  0^40 m  hoher  Eroten  an, 
d.  h.  Eroten  als  Brunnenfigürchen,  auf  rechtem  oder  linkem  Standbeine  neben 
einer  Säule  stehend,  die  mit  einer  Maske  oder  einem  Gefäß  verziert  ist  (Inv.  5020. 
5022.  5028.  111701),  weiter  den  Eros,  der  den  großen  Delphin  auf  der  rechten 
Schulter  trägt.  Auch  der  jugendlich  schlafende  Pan  (Inv.  5024)  hat  einen  besonders 
angesetzten  Kopf  und  zwar  ist  überall  die  Art  der  Verbindung  die  gleiche.  Die 
Fuge  läuft  unter  dem  Kinn  entlang  aufwärts  bis  an  die  Ohren  und  dann  mit 
scharfem  Knick  abwärts  hinten  um  den  Nacken  herum. 

Endlich  erwähne  ich  noch  aus  später  Zeit  den  Jüngling  von  Xanten  im 
Berliner  Museum,  eine  Figur,  die  nicht  nur  angeblich,  sondern  in  Wirklich- 
keit, und  zwar  mit  Säuren,  so  stark  geputzt  ist,  daß  ihre  antike,  sehr  schöne, 
und  nur  an  einzelnen  Stellen  noch  wohlerhaltene  Patina  in  der  Hauptsache  ver- 
loren gegangen  ist.  Die  Verbindungsnaht  läuft  hier  unter  dem  Kinn  entlang  — 
man  kann  sie  sogar  mit  bloßem  Auge  sehen  —  und  biegt  dann  vor  dem  Ohre, 
in  der  Mitte  der  Wange,  wie  üblich  in  scharfem  Knick  um.85) 

Die  Beispiele  für  die  Köpfe  zu  vermehren,  ebenso  die  besonders  angesetzten 
Teile  am  übrigen  Körper  und  die  Art  der  Zusammensetzung  —  ob  in  gerader 
oder  gebrochener  Naht  —  festzustellen,  halte  ich  für  eine  besonders  wichtige 
Vorarbeit  für  die  Geschichte  der  antiken  Toreutik. 


1     Auch  die  Arme    waren    besonders  angesetzt,  lang  bis  zu  deren  Anfang  und  von  dort  quer  herüber 

und    zwar   so,    daß    die    Naht    von    der    Achsel    aus  wieder  bis  an   die  Ausgangsstelle  zurück.    Vielleicht 

quer  herüber   über    den    Arm   lief,    auch    das    genau  ist  diese  ganze  Übereinstimmung  beider  Figuren  ein 

wie  bei   dem  Saburoffschen  Jüngling;  mit  ihm  stimmt  Zeichen  für  ihre  gleichzeitige  Herstellung, 
sie  auch  in   dem  Gußverfahren  an   den   Beinen  über-  25)  Beschreibung  der  antiken  Skulpturen  IV  >  II. 

ein,  denn  nur  das   bewegtere  Spielbein  ist  besonders  Die  Angaben   über  die  Technik    sind    vielfach  irrig, 

gegossen    und    mit    dem    Körper   durch    Lotung    ver-  So  sind  an  der  F'igur  außer  den  angegebenen  Teilen 

einigt,  wahrend  das   Standbein  mit    dem   Körper  zu-  auch  beide  Beine  besonders  gegossen  und  angesetzt, 

sarnmen     gegossen      wurde,      eine      praktische      Er-  Die    grausamen    Spuren    der  Säuren,    deren    einzelne 

leichterung,  die   sich  auch  sonst  bei  antiken  Bronze-  Tropfen    lang    herunter   geflossen    sind,    lassen    sich 

figuren  sehr  häufig  beobachten  läßt.    Die  Fuge  läuft  überall  beobachten, 
hier  wie    dort    von    den   Hoden    aus    die  Spalte    ent- 


Untersuchungen   zur  antiken   Toreutik 


223 


6.  In  der  .Beschreibung  der  antiken  Skulpturen'  S.  3  f.  finden  sich  über 
den  Zustand  des  betenden  Knaben  (Fig.  97)  vor  der  modernen  Restaurierung 
und  über  die  antike  technische  Behandlung  der  Figur  nach  dem  Guß  folgende 
Bemerkung-en:  „außerdem  ist  die  Oberfläche  der  Bronze  geputzt,  so  daß  der 
ursprüngliche  Zustand  mit  unberührter  Patina  sich  nur  an 
einzelnen  Stellen,  wie  im  Haar,  zwischen  den  Schenkeln,  hie 
und  da  an  den  Zehen  findet"  und  „der  Guß  ist,  nach  dem 
Gewichte  der  Figur  zu  urteilen,  dünn,  die  Oberfläche  mit 
zahlreichen  Blasenlöchern  bedeckt;  einzelne  Fehlerstellen 
sind  mit  antiken  Einsatzstücken  ausgebessert".  Diese  Sätze 
erfordern  verschiedene  Nachträge  und  Berichtigungen. 

Nicht  nur  an  ,einzelnen'  sondern  an  zahlreichen  Stellen 
ist  die  Figur  mit  antiken  Einsatzstücken  ausgebessert.  Die 
Flicken  sind  zwar  nicht  so  deutlich  zu  erkennen,  wie  etwa 
an  dem  Saburoffschen  Jüngling,  wo  sie  z.  B.  an  der  Hinter- 
seite des  linken  Oberarmes  wie  Pflaster  an  Pflaster  neben- 
einandersitzen, oder  wie  an  dem  Athleten  aus  Ephesos  und 
vielen  anderen  großen  Bronzefiguren,  weil  ihre  Spuren 
durch  die  moderne  Patina  verwischt  sind,  aber  sie  sind 
doch  da.  So  kann  man  an  der  Vorderseite  der  rechten 
Schulter  auf  einer  Stelle  von  der  Größe  einer  Handfläche 
über  ein  Dutzend  Flicken  beobachten,  deren  kleinste  noch 
nicht  einmal  drei  Quadratmillimeter  groß  sind.  Auch  auf 
der  linken  Schulter  nach  dem  Rücken  zu  bemerkt  man 
etwa  ein  Dutzend  Flicken,  auf  dem  linken  Hinterbacken 
etwa  10,  im  Verhältnis  nicht  weniger,  aber  schwerer  sicht- 
bare, sind  über  die  ganze  Vorderseite  verstreut.  Die  größten 
Flicken,  bis  0-025™  langf,  sitzen  in  der  Mitte  des  Rückens, 
der  kleinste  von  allen,  noch  nicht  2l/2  Quadratmillimeter  groß,  saß  etwa  vier  bis 
fünf  Zentimeter  unter  dem  rechten  Knie  an  der  innern  Seite.  Er  ist  nicht  mehr 
erhalten,  aber  die  quadratische  Form  des  Loches  zeugt  deutlich  die  antike 
Korrektur  an. 

Mit  dieser  sorgfältigen  Behandlung  der  Gußfehler  im  Altertum  stehen  die 
.zahlreichen  Blasenlöcher'  im  Widerspruch,  die  die  Oberfläche  der  Figur  ent- 
stellen. Die  Löcher  sind  nicht  untereinander  gleichartig.  Die  einen  erscheinen 
wie  von  der  Patina  eingefressen,    in  ihnen    sitzt    noch    der  Staub    des    zerstörten 


97 


224  E.   Pernice 

Metalles.  Die  anderen  Löcher  sind  scharfränderig  und  gehen  tief  hinein  in  das 
Metall,  sie  sehen  so  aus,  wie  geöffnete  Gußblasen  auszusehen  pflegen;  von  ihnen 
sind  einige  (z.  B.  unter  der  rechten  Brust  und  vorn  am  rechten  Oberschenkel) 
etwa  0-004  m  lang  und  entsprechend  breit,  zwei  besonders  große  von  o-oo6  m  Länge 
befinden  sich  im  Rücken  links  und  am  antiken  Teile  des  Oberarmes.  Um  solche 
große  Löcher  auszubessern,  hätte  man  Flicken  von  mindestens  acht  Quadrat- 
millimetern gebraucht. 

Diese  Gußblasen  können  ursprünglich  nicht  sichtbar  gewesen  sein,  denn 
wenn,  wie  wir  an  den  Flicken  sehen,  ganz  minimale  Fehler  ausgebessert  worden 
sind,  würde  man  solchen  Schäden  erst  recht  die  größte  Sorgfalt  zugewendet 
haben.  Es  folgt  daraus,  daß  die  Oberfläche  der  Bronze  nicht  nur  , geputzt',  sondern 
stark  überarbeitet  worden  ist.  Erst  bei  dieser  Überarbeitung  kamen  die  Guß- 
blasen, die  unsichtbar  im  Innern  des  Metalles  saßen,  zum  Vorschein;  sie  muß 
also  sehr  erheblich  gewesen  sein. 

Wie  stark  die  Überarbeitung  war,  läßt  sich  noch  ungefähr  ausmachen.  Die 
Patina,  die  an  einzelnen  Stellen,  wie  die  Beschreibung  richtig  angibt,  noch  heute 
erhalten  ist,  ist  keine  gutartige.  Am  Kinn  der  Figur  bemerkt  man,  wie  tief  sie 
sich  in  die  Oberfläche  eingefressen  hat,  so  tief,  daß  der  moderne  Restaurator 
nicht  wagte,  hier  die  Korrosion  ganz  zu  vertilgen,  um  nicht  den  Kopf  überhaupt 
zu  ruinieren.  Diese  Stelle  mag  die  schlimmste  gewesen  sein,  aber  auch  an  anderen 
Stellen,  z.  B.  an  den  Füßen,  sieht  man  die  schädliche  Wirkung  der  Patina  deut- 
lich. Da  man  nun  nach  den  erhaltenen  Spuren  annehmen  muß,  daß  die  schädliche 
Patina  nicht  nur  an  diesen  Stellen  ihr  zerstörendes  Werk  getan  hat,  sondern  mehr 
oder  weniger  über  den  ganzen  Körper  verbreitet  gewesen  ist,  war  eine  um- 
fassende und  schonungslose  Überarbeitung  nötig,  um  die  Figur  so  glatt  zu  machen 
wie  sie  jetzt  ist. 

Einen  noch  sichereren  Anhalt  geben  die  Gußflicken.  Man  kann  nämlich  be- 
merken, daß  diese  viellach  gar  nicht  mehr  vorhanden  sind,  nur  die  Stellen,  wo 
sie  ehemals  gesessen  haben,  sind  noch  wahrnehmbar.  Sie  erscheinen  wie  vier- 
eckig umränderte  oder  ganz  schwach  vertiefte  Felder  mit  einer  oft  kaum  mehr 
sichtbaren  Zerstörung  darin,  die  die  Flicken  verdecken  sollten.  Hier  ist  also  die 
Überarbeitung  so  tief  gegangen,  daß  selbst  die  Flicken  mit  hinweggenommen 
wurden,  und.  weil  so  viel  fortgenommen  wurde,  sieht  man  auch  manchmal  kaum 
mehr  i'twas  von  dem  Schaden,  den  die  Flicken  beseitigen  sollten.  Die  antiken 
Flicken  pflegen  \  i-rschiedene  Stärken  zu  haben,  manche  sind  bis  zu  0-002'"  stark. 
andere   nur  einen   halben  Millimeter,  als  Durchschnittsstärke  kann   man  o-ooi"1  an- 


Untersuchungen  zur  antiken   Toreutik 


225 


nehmen.  Schwächer  als  einen  halben  Millimeter  durften  sie  auch  kaum  sein,  wenn 
sie  in  die  Vertiefung  hereingehämmert  werden  sollten.  Somit  ergibt  sich,  daß  an 
den  eben  charakterisierten  Stellen  von  der  antiken  Oberfläche  mindestens  ein 
halber  Millimeter  weggenommen  sein  muß.  Damit  erklärt  sich  auch,  daß  einzelne 
Teile  des  Körpers  besonders  gut  und  frisch  in  der  Modellierung  sind  -  -  das 
sind  die  Teile,  wo  die  Patina  dünner  aufgesessen  hat,  wie  z.  B.  am  linken  Knie 
und    im    Rücken,  während    die    Formenbehandlung    an    anderen    Partien    des 

Körpers  empfindlichen  Beschauern  flau   und   wenig  lebensvoll  erscheint. 

7.  Die  technischen  Besonderheiten  des  Faustkämpfers  (Fig.  98)  im  Thermen- 
museum sind  sehr  verschieden  erklärt  worden,   h.s  handelt  sich  einmal  um  die  Frage 

Jahresheft«  <!<-s  Bsterr    archäol.  Institutes  Bd   XI  gq 


226  E.  Pernice 

nach  antiken  Ausbesserungen  der  Statue  und  zweitens  darum,  wie  die  Verletzungen 
im  Gesichte  zu  erklären  sind.  Für  die  Entscheidung  der  ersten  Frage  macht 
Petersen26)  folgendes  geltend:  eine  Photographie  nach  den  Ausgrabungen  zeige 
den  Kämpfer  wie  er  jetzt  sei,  also  sei  nur  der  Felssitz  moderne  Ergänzung;  da- 
gegen seien  vielleicht  sichere  Spuren  antiker  Ausbesserung  zwei  mehrere  Quadrat- 
millimeter haltende  Niete  außen  auf  dem  rechten  Oberschenkel;  ein  eben  solcher 
sei  außen  am  linken  glutaeus,  ein  weiterer  an  der  Mitte  des  linken  Oberschenkels, 
drei  nahe  bei  dem  Flicken  an  dessen  Unterseite.  Petersen  meint,  ,daß  diese  Teile 
im  Altertum  zusammengedrückt  und  dann  wieder  aufgetrieben*  sind  ,und  innen 
durch  gegengenietete  Stücke  Halt  bekommen  hätten,  was  durch  den  offenen  Sitz 
zu  erkennen  sein  müßte'. 

Diese  Darlegung  ist  nicht  richtig.  Wie  mir  der  bei  der  Wiederherstellung 
beteiligt  gewesene  Techniker  des  Thermenmuseums  versicherte,  waren  bei  der 
Auffindung  die  Beine  abgebrochen  und  nicht,  wie  Petersen  annimmt,  mit  dem 
Torso  vereinigt.  Um  sie  wieder  anzusetzen,  wurde  das  heute  überall  übliche 
Verfahren  eingeschlagen,  nämlich  daß  man  die  gebrochenen  Teile  mit  Platten 
hinterlegt,  die  dann  durch  Schrauben  fest  angezogen  werden.  Die  runden  Niete, 
die  Petersen  anführt  und  die  im  Neapler  Museum  namentlich  sehr  leicht  irre 
leiten,  sind  also  die  abgearbeiteten  Köpfe  oder  Enden  von  Schrauben  aus 
neuer  Zeit  und  geben  somit  für  die  Frage  nach  antiken  Ausbesserungen  keinen 
Anhalt.  Dagegen  hat  Petersen  damit  recht,  daß  das  Wirbelstück  in  einem  Durch- 
messer von  zehn  Zentimetern  schlechte  Arbeit  ist  und  später  statt  eines  ver- 
loren gegangenen  hinzugefügt  wurde.  Dieses  Gußverfahren  erinnert  an  das  bei 
den  Köpfen  mit  besonders  gegossener  Schädelkalotte,  ohne  mit  ihm  ganz  über- 
einzustimmen. 

Weiter  bemerkt  Petersen  zu  der  Figur  —  und  das  führt  uns  zu  der  zweiten 
Frage  -  -  ,also  sei  es  jetzt  versichert,  daß  am  Halse  keinerlei  Verletzung  vom 
Künstler  angedeutet  ist,  überhaupt  keine  andere  als  die  Quetschungen  der  linken 
Wange,  der  Nase,  vielleicht  auch  sonst,  aber  keine,  wie  es  scheint,  von  ernster 
Bedeutung'.  Ganz  anders  urteilte  Heibig  bei  der  ersten  Besprechung  der  Figur 
in  den  antiken  Denkmälern  I  zu  Tafel  4,  eine  Stelle,  die  ich  wörtlich  anführen 
möchte:  ,Nase  und  Ohren  sind  von  Faustschlägen  breit  gedrückt;  die  im  Ver- 
gleiche mit  der  Unterlippe  etwas  zurückstehende  Oberlippe  läßt  darauf  schließen, 
daß  die  oberen  Vorderzähne  ausgeschlagen  sind.  Während  diese  Verstümmelungen 
das   Resultat   früherer   Kämpfe    zu   sein    scheinen,    weisen    andere  Anzeichen    auf 

2C)   Köm.  Min.  XIII  94. 


Untersuchungen   zur  antiken  ToreutiU  227 

einen  soeben  ausgefochtenen.  An  jedem  Ohre  sieht  man  zwei  kleine  Ritzen;  am 
rechten  entquellen  aus  jeder  derselben  zwei  in  flachem  Relief  ausgedrückte  Blut- 
tropfen, während  das  linke  Ohr  einen  solchen  unterhalb  der  obern  Ritze  zeigt. 
Ähnliche  Verletzungen  sind  auch  an  verschiedenen  Stellen  des  Gesichtes,  eine 
längere  und  tiefere  an  der  rechten  Schulter  und  unweit  des  rechten  Ellbogens 
angedeutet.  Nehmen  wir  an,  daß  diese  Ritzen  mit  einem  roten  Farbstoffe  ausge- 
füllt waren,  so  ergäbe  sich  eine  höchst  naturalistische  Darstellung  der  von  Faust- 
schlägen zerrissenen  Haut'.  , Während  ferner  die  linke  Augenhöhle  eine  normale 
Augenbildung  zeigt,  ist  die  rechte  unten  derartig  angeschwollen,  daß  das  Lid 
und  die  Wange  in  eine  unförmliche  Masse  zusammenlaufen.  Die  Annahme,  daß 
diese  Geschwulst  von  einem  frisch  empfangenen  Faustschlage  herrührt,  scheint 
um  so  mehr  gerechtfertigt,  als  gerade  an  dieser  Stelle  und  in  ihrer  Umgebung 
fünf  jener  Ritzen  angebracht  sind'.  Diese  Ausführungen  halte  ich  für  vollkommen 
richtig.27)  Nach  den  bisherigen  Erfahrungen,  die  ich  über  antike  Bronzen  ge- 
sammelt habe,  haben  die  Verletzungen  nichts  mit  Gußfehlern  zu  tun.  Ich  zähle 
sie  zunächst  noch  einmal  alle  auf:  am  rechten  Arme,  dicht  über  dem  Handschuh 
ein  gerade  verlaufender  Riß  von  0-035 m  Länge;  an  der  rechten  Schulter  ein  ge- 
schwungener Riß  o-o35m  lang;  zwei  unregelmäßig  verlaufende  tiefe  Risse  am  linken 
Backenknochen;  vier  Risse  auf  der  Nase,  einer  über  der  linken  Augenbraue,  vier 
auf  der  rechten  Backe  (die  Vertiefungen  haben  die  Form  von  herabhängenden 
Tropfen);  zwei  am  linken  Ohr,  ebenso  zwei  am  rechten  Ohr,  außerdem  hier  einige 
in  Relief  aufgesetzte  Tropfen.2*)  Alle  diese  Stellen  sind  mehr  oder  weniger  in 
ihren  Umrissen  unregelmäßig  und  daher  für  das  Einhämmern  von  Bronzestücken 
zum  Zwecke  der  Ausbesserung  der  Oberfläche  so  ungeeignet  wie  möglich.  Guß- 
fehler sind  im  Altertume  gewöhnlich  so  ausgebessert,   daß   die  schadhafte  Stelle 


27,|  Heibig  hebt  ausdrücklich  hervor,  daß  die  Haut-  Anm.  2.  Hier  billigt  Hülsen  die  Beobachtungen 
ritzen,  die  vorher  für  Gußfehler  gehallen  worden  seien,  Studniczka's  nur  für  das  rechte  Ohr  der  Statue  und 
von  Studniczka  richtig  gedeutet  seien,  der  seine  unter  den  Augen  auf  den  Wangen;  das  seien  Ver- 
Beobachtungen in  den  Mitteilungen  begründen  werde.  tiefungen,  die  mit  dem  Verismus  der  Figur  zusammen- 
Das  ist  jedoch,  wie  es  scheint,  nicht  geschehen.  gingen  und  Hautverletzungen  bezeichneten;  sie  seien 
Heibig  selbst  hat  seine  Darlegung  im  Führer  durch  auch  in  der  Behandlung  der  Ränder  verschieden 
die  öffentl.  Samml.  Roms2  II  eingeschränkt,  indem  von  den  Verletzungen  an  Arm  und  Schulter,  die 
er  schreibt:  ,ein  langer  tiefer  Ritz  auf  der  rechten  nicht  als  Wunden  gedeutet  werden  dürften.  Das  seien 
Schulter  und  ein  ähnlicher  auf  dem  rechten  Vorder-  vielmehr  Ausflickungen,  wie  ihm  ein  erfahrener  Tech- 
arm   scheinen  Gußfehler.    Sie   waren    vermutlich    mit  niker  A.  Sommer  bestätigt  habe. 

Bronzestreifen      ausgefüllt,     die     verloren     gegangen  2S)  Eine  ganze  Anzahl  dieser  Verletzungen   sind 

sind'.     Den  Anlaß   für    diese    Einschränkung    gaben  deutlich  auf  Taf.  2.1.8  bei  Brunn-Bruckmann  zu  sehen, 
wohl  die  Bemerkungen  Hülsens,   Rom.  Mitt.   IV  178 

29* 


2  28  E.  Pernice,  Untersuchungen   zur  antiken  Toreulik 

rechteckig,  quadratisch  oder  auch  seltener  polygonal  umschnitten  wurde  und  der 
Schnitt  völlig  senkrecht  in  das  Metall  hineinging.  Die  Flicken  sind  an  jeder  an- 
tiken Statue  zu  beobachten,  die  Schnitte  an  den  sehr  häufigen  Stellen,  wo  die 
Flicken  später  herausgefallen  sind;  man  braucht  solche  Stellen  nur  einmal  zu 
sehen,  um  sofort  zu  bemerken,  daß  die  Verletzungen  am  Faustkämpfer  nicht  von 
Gußfehlern  herrühren.  Wären  hier  wirklich  einmal  Bronzestücke  eingesetzt  ge- 
wesen, so  würde  man  wohl  mit  Recht  darüber  erstaunt  sein,  daß  diese  Metall- 
stücke gerade  aus  den  unregelmäßig  gebildeten  Löchern  wieder  herausgefallen 
wären,  worin  sie  doch,  wenn  einmal  hineingebracht,  doppelt  festsitzen  müßten. 
Jeder  Zweifel  wird  aber,  wie  ich  glaube,  dadurch  beseitigt,  daß  an  der  Figur 
auch  die  üblichen  geradlinig  umschnittenen  Ausbesserungen  zu  beobachten  sind 
—  zahlreicher  als  die  großen  Verletzungen  zusammengenommen.  Somit  müssen 
die  Verletzungen  dazu  gedient  haben,  um  als  Verwundungen  den  künstlerischen 
Eindruck  des  Kopfes  zu  verstärken.  In  welcher  Art  sie  ausgenutzt  waren,  zeigten 
die  Tropfen  am  rechten  Ohre.  Ob  diese  Relieftropfen  aus  Metall  oder  einer 
andern  Masse  sind,  läßt  sich  durch  Kratzen  nicht  entscheiden;  ich  glaube  oder 
halte  es  wenigstens  für  möglich,  daß  sie  von  reinem  Kupfer  sind  —  dann  machten 
sie  bei  dem  ursprünglichen  Bronzeton  der  Figur  sogleich  durch  ihre  dunklere 
Färbung  die  Verletzung  und  das  Blut  deutlich.  Das  weiche  Kupfer  konnte  auch 
leicht  in  die  anderen  Vertiefungen  hineingeschlagen  werden.  Aber  es  ist  auch 
denkbar,  daß  hier  ein  Farbstoff,  wie  Heibig  annahm,  eingelassen  war  —  wie  denn 
Farbenzutaten  an  antiken  Bronzen  durchaus  nichts  Seltenes  sind.51')  Jedenfalls 
haben  diese  blutrünstigen  Stellen  am  Kopfe  und  rechten  Arme  die  Naturwahrheit 
des  Kunstwerkes  ins  Widerwärtige  gesteigert. 

Greifswald,  Februar  1908.  ERICH  PERNICE 

29J  Vgl.  Fortwängler  im  Münchner  Jahrbuch  1 907  mit  hellerer  Farbe  aufgetragen  sind,  sowie  ein 
S.  9  ff.  Dazu  aus  hellenistischer  Zeit  ein  bronzenes  Kastenbeschlag  von  ebendort,  bei  dem  reichlich  rote 
Weinblatt  aus  Pergamon  in   Berlin,    wo  die    Rippen        Farbe  verwendet  ist. 


229 


Bronzereliefs  vom  Limes. 

Tafel   VII  und   VIII. 

Die  in  dem  römischen  Kastell  von  Traismauer  gefundenen  Bronzereliefs, 
die  im  Jahre  1885  als  Geschenk  des  Abtes  Dungel  von  Göttweig-  ins  Wiener 
Antikenkabinett  gelangten,  sind  schon  vor  langem  abgebildet1)  und  wiederholt 
besprochen2)  worden.  Aber  die  Abbil- 
dungen sind  infolge  allzu  starker  Ver- 
kleinerung recht  unbefriedigend  ausge- 
fallen. Auch  gilt  es,  die  zugunsten  des 
Dolichenus  bisher  vernachlässigte  Rück- 
seite nach  Gebühr  zu  würdigen. 

Zunächst  muß  gegenüber  der  im- 
mer wieder  auftauchenden  Vorstellung- 
einer dreiseitigen  Pyramide  noch  ein- 
mal hervorgehoben  werden,  daß  die 
beiden  dreiseitigen  Platten  ursprüng- 
lich Rücken  an  Rücken  befestigt  waren 
und  erst  im  Museum  auseinander  ge- 
nommen wurden.  Man  sieht  übrigens 
auf  der  Abbildung  der  Rückseite  (Tafel 
VII)  den  breiten  Rand,  der  unter  dem 
Falz  der  Vorderseite  (Fig.  99)  stak,  und 
erkennt  an  dem  ungewöhnlich  hohen 
Relief  des  Dolichenus,  daß  diese  Seite 
als  Hauptseite  zu  betrachten  ist;  auch 
gibt  es  ähnliche  Weihungen  an  Doli-  # 
chenus  und  andere  Götter  in  der  Form  von  Blättern  oder  Lanzenspitzen3).  Mit 
der  Pyramide  fällt  die  Vermutung,  daß  diese  dünnen  Blättchen  oben  eine  massive 
Viktoriastatuette  getragen  hätten. 

Der  linke  Rand  der  Hauptseite,  die  deutliche  Spuren  einer  ehemaligen  Ver- 
silberung   aufweist,    hat    eine    Länge    von    0-342'",    der    rechte    von   0-28 m.     Doli- 

')  A.  v.  Domaszewski,  Religion  des  rom.  Heeres  Bonner  Jahrbb.  CVII  69. 
Taf.  IV  2.  3)  Bonner  Jahrbb.  CVII    Taf.  VI  — VIII;    Philo- 

2)  R.  v.  Schneider,  Arch.  Anz.   VII  55;     A.  H.  soph.  transactions    1745     11.476    tab.  II,    III;     Rev. 

Kan,  De  Jovis  Dolicheni  eultu  5;  sqq.;   erwähnt  auch  arch.   1904  II  447. 


99:   Bronzerelief 

aus   Traismauer. 

Hauptseite. 


230 


R.  Münsterberg 


chenus,  dessen  Adler  im  Zwickel  darüber  hockt,  ist  wie  üblich  als  bärtiger  Krieger 
mit  phrygischer  Mütze  dargestellt.  Über  der  bis  an  die  Kniee  und  an  die  Ellenbogen 
reichenden  Tunica,  die  an  den  Enden  gesäumt  ist,  trägt  er  einen  schmucklosen 
Panzer  mit  Lederlappen,  darüber  ein  eigentümlich  umgelegtes  Paludamentum, 
das  vom  Rücken  her  über  den  rechten  Oberarm  nach  rückwärts  geworfen  ist. 
In  der  linken  Hand  hält  der  Gott  den  geflügelten  Blitz,  in  der  erhobenen  rechten 
eine  Waffe,  die  ich  als  Hammer  bezeichnen  möchte;  es 
könnte  wohl  auch  ein  Beil  gemeint  sein;  indes  trägt  Doli- 
chenus  sonst  ein  Doppelbeil,  und  dieses  wenigstens  ist  hier 
gewiß  nicht  dargestellt.  Links  unten  sieht  man  in  kleinerem 
Maßstabe  den  Oberkörper  eines  gleichfalls  bärtigen  Gottes 
mit  phrygischer  Mütze  und  Panzer;  doch  hält  er  in  der 
Rechten  einen  (zu  kurz  geratenen)  Speer,  in  der  Linken  eine 
Scheibe,  die  einen  kleineren  Kreis  mit  zwei  rechtwinkelig  sich 
schneidenden  Bändern  einschließt.  Links  daneben  ist  die 
obere  Hälfte  eines  nach  außen  gewendeten  Stierschädels 
erhalten;  ihm  entsprechen  am  rechten  Rande  des  hier  (Fig.  ioo) 
abgebildeten  Bruchstückes  mit  der  Hauptdarstellung  einer 
zuschauenden  Göttin  die  Vorderbeine  eines  nach  rechts  laufen- 
den Stieres;  ein  anderes  Fragment  (Fig.  101)  gibt  das  Vorder- 
teil eines  nach  links  laufenden  Stieres.  Gehören  alle  diese 
drei  Stiere  wirklich  derselben  Darstellung  an,  was  doch  das 
wahrscheinlichste  ist,  so  ist  wohl  die  Vermutung  Kans  ge- 
rechtfertigt, daß  der  kleinere  Gott  mit  Speer  und  Scheibe  I0°  und  I01:  Fragmente 
sowie  sein  Gegenstück  rechts  als  Halbfiguren  auf  je  zwei  im 
Gegensinne  verbundenen  Stiervorderteilen  aufsaßen,  wie  wir 
das  ähnlich  schon  aus  dem  Dolichenusrelief  von  Kömlöd4)  kennen.  Eine  hinten 
hohle  Bronzefigur  unbekannter  Herkunft  im  Wiener  Antikenkabinett  (Fig.  102) 
zeigt  —  allerdings  stark  verroht  —  eine  ähnliche  Darstellung  und  bildet  zugleich 
den  Übergang  zu  den  monströsen  Figuren  einer  Bronzeplatte  aus  Heddernheim5), 
die  lange  als  Fälschung  gegolten  hat.  Links  von  der  zuschauenden  Göttin  —  sie 
erinnert  an  eine  ähnliche  Figur  des  .Schildes'  von  Carnuntum  (Jahreshefte  VI 
Taf.  4)  ■  ist  eine  fast  senkrechte  Punktlinie  sichtbar,  die  sich  oben  ein  wenig 
nach   rechts,    unten  ebenso   nach    links  wendet,    vielleicht    die    Einsäumung   oder 


vom  Bronzerelief  aus 
Traismauer. 


4)  Seidl,    Über    den    Dolichenuskult    Taf.  III  2 
unten  =  v.  Domaszcwski  a.  a.  O.   Taf.  IV  Ib. 


5)    Seidl   Taf.  III    3    =    Bonner  Jahrbb.  CVII 
Taf.  VIII. 


Bronzereliefs  vom  Limes 


231 


102  :   Bronzefigur  in   Wien. 


Vorpunktierung  der  Wamme  des  großen  Stieres,  auf 
dem  Dolichenus  selbst  gestanden  haben  muß.  Unter 
der  Göttin  sieht  man  den  rechten  Rand  einer  tabula 
ansata,  deren  Inschrift  leider  nicht  auf  uns  gekommen 
ist.  — -  Die  ganze  Höhe  des  Dreiecks  dürfte  etwa  o*6m 
betragen  haben. 

Von  der  Darstellung  der  Rückseite  (Länge  des 
linken  Randes  o-25o'a,  des  rechten  Randes  o-368m) 
ist  gleichfalls  nur  etwa  das  oberste  Drittel  erhalten. 
Unter  dem  zwischen  den  Spitzen  eines  Halbmonds 
schwebenden  Brustbilde  der  Luna  steht  ein  jugend- 
licher Mars  mit  Speer  und  aufgestütztem  Schilde. 
Auf  dem  reichgelockten  Haupte  trägt  er  einen 
schneckenförmigen  Helm  mit  Kamm.  Eigentümlich 
wie  beim  Dolichenus  der  Vorderseite  ist  die  Art,  wie 
er  sein  Paludamentum  trägt:  es  fällt  vom  rechten 
Oberarme  —  das  rückwärtige  Ende  ist  aus  Versehen  weggeblieben  —  vornüber 
bis  in  die  Hüftenhöhe  herab  und  geht  dann  hinter  dem  Rücken  hinauf  zur 
linken  Schulter,  von  wo  es  sich  in  weitem  Bogen  über  Ober-  und  Unterarm 
windet.  Es  ist  dies  unverkennbar  im  Grunde  dieselbe,  nur  etwas  heftiger  be- 
wegte Gewandbehandlung,  durch  die  sich  auch  eine  zuletzt  von  Heron  de  Ville- 
fosse6)  zusammengestellte  Gruppe  von  Bronze-  und  Silberstatuetten  des  bärtigen 
Mars  Ultor  vom  Jahre  2  v.  Chr.  auszeichnet.  Doch  zeigt  auch  Neptun  auf  einer 
bekannten  Münze  des  Agrippa  (Fig.  103)  eine  ähnliche  Tracht, 
und  wenn  die  Münze  auch  posthum  ist 7),  so  kann  doch  bloß  die 
Kultstatue  des  von  Agrippa  schon  im  Jahre  25  v.  Chr.  gegrün- 
deten Neptuntempels  gemeint  sein8).  Entstanden  ist  diese  höchst 
eigenartige  Gewandbehandlung  wohl  in  freier  Anlehnung  an 
archaische  Muster;  man  denke  z.  B.  an  die  beiden  Mittelfiguren 
der  Giebel   des  Zeustempels  von  Olympia. 

Bemerkenswert  erscheint  auch  die  dem  Mars  beigegebene 
Gans.  Wir  kennen  die  Gans  als  Vogel  des  Mars  nunmehr 
schon  aus  einer  Reihe  von  Denkmälern1').     Sie  alle  aber  gehören   den  nördlichen 


103: 

Münze  des  Agrippa. 


6)  Bulletin   de  la  soc.   des  antiquaires   de  France        S.  257. 

1907  p.  117.  8)  Wissowa,  Religion  u.  Kultus  der  Römer  251. 

7)  Voetter,    Monatsbl.   d.    num.    Gesellseh.    1907  9)  Jahreshefte  VI  7v 


232  R.   Münsterberg 

Grenzgebieten  des  römischen  Reiches  an,  und  vergebens  suchen  wir  in  unseren 
Schriftquellen  nach  irgend  einem  Belege  für  diese  oder  sonst  eine  Verbindung 
des  griechischen  Ares  oder  des  römischen  Mars  mit  der  Gans.  Nur  einmal  er- 
wähnt Martial  (IX  31)  das  Opfer  einer  Gans  für  Mars:  Cum  comes  Arctois  haereret 
Caesaris  armis  ||  Velius,  hanc  Marti  pro  duce  vovit  avem  |  ...  et  cecidit 
sanctis  hostia  parva  focis.  ||  Octo  vides  patulo  pendere  nomismata  rostro  ||  Alitis? 
haec  extis  condita  nuper  erant.  Aber  mit  diesem  Opfer  hat  es  seine  besondere 
Bewandtnis.  Als  „hostia  parva"  erscheint  es  dem  Dichter  für  den  vornehmen 
Velius  Rufus10),  womit  indirekt  bestätigt  wird,  daß  die  Gänse  sonst  nur  ärmeren 
Leuten  als  Ersatz  wertvollerer  Opfertiere  dienten11).  Das  Heer  befindet  sich 
eben  in  Feindesland,  wahrscheinlich  am  Rhein  oder  an  der  Donau;  wir  werden 
also  wieder  nach  dem  Norden  gewiesen  und  dürfen  demnach  vielleicht  einen 
allerdings  noch  nicht  genügend  beachteten  Grundsatz  antiker  Religionsübung 
zur  Erklärung  heranziehen,  wonach  den  Göttern  jeweilen  „ritu  locorum"  ge- 
opfert wurde12.)  So  werden  wir  gerade  die  Martialstelle  nicht  für  den  römischen 
sondern  für  den  germanischen  oder  keltischen  Mars 13)  in  Anspruch  nehmen 
dürfen  u).  Ob  wir  aber  in  diesem  Gotte  den  germanischen  Wodan  zu  erkennen 
haben,  der  zwar  meist  Mercur  aber  auch  Mars  genannt  wird1'1),  mag  dahin- 
gestellt bleiben,  wenngleich  die  Vermutung,  daß  die  Gans  von  Wodan  durch 
Vermittlung  des  Mars  auf  den  heiligen  Martin  übergegangen  sei,  auf  den  ersten 
Blick  bestechen  könnte. 

Auffallen  muß  es  jedenfalls,  daß  bei  demselben  Gotte  die  Gans  auch  fehlen 
kann  (s.  unten),  während  sie  anderseits  mit  einem  andern,  anscheinend  orienta- 
lischen Symbol  verbunden  erscheint,  wie  auf  den  zwei  (identischen)  Bronzereliefs 
von  Szamos-Ujvar1'1)  (Fig.  104),    wo  sich  um  den   Speer  des   diesmal  gepanzerten 

"')   Riese,  Westdeutsche  Zeitschrift   XXVI  i.io.  scheinen,  sei  hier  nebenbei  bemerkt;  die  gegenteiligen 

")  Pausanias  X  32,   16;   vgl.  auch  Julian,  Miso-  Zeugnisse  sind  spät  und  anfechtbar. 
pogon   361.  I:1)  Vgl.  auch  A.Riese,  Westd.  Zeitsch.  1898  S. 37. 

12)  Amraian  XXIII,  3:    (Iulianus)   Lunae,  >|uae  14)  Für   die   Münzen,    die   im    Magen   der   Grans 

per     cos    colitur    tractus,     ritu    locorum    fert    sacra.  gefunden   wurden,    scheint  niemand,    soviel  ich   sehe, 

Schon  Mardonios  hat  auf  seinem  Feldzuge  griechische  eine  Erklärung  aufgestellt  zu  haben.     Es  mag  daher 

Priester  bei  sich  iHerodot  IX  37,1,  und  das  persischem  darauf  hingewiesen  werden,   daß  man  noch  heule,  wie 

Brauche    geradewegs  widersprechende  Schimmelopfer  mir  Theodor  Rohde  gelegentlich  mitteilte,  die  Gänse 

am  Strymon  (Herodot  VII   113  mit  der  gezwungenen  zur   Vergrößerung    der   Leber   kleine  Kupfermünzen 

mg    Rawlinsons)    findet     nur    durch     den    dort  schlucken  läßt;  man  erkennt  solche  Münzen  sofort  an 

lokalisierten  Rhesos  mit  seinen  Schimmelherden  seine  der   verminderten    Dicke,   dem    verwischten    Geprägi 

Erklärung.       Daß     die    Perser    überhaupt     zwar    mit  und   der   Ictlig   anzufühlenden    Oberfläche. 
Vorliebe     1      iisi  hi      Pferde,  nicht  aber  die  dem  Zeus  ')   !•'..  II.  Meyer,   Germ.  Myth.  230. 

und  dem  Helios  heiligen  Schimmel  geopfert  zu  haben  "')  Arch.  Zeit   XVI   [49  Taf.  112;    vgl.   fahres- 


Bronzereliefs  vom  Limes 


233 


Gottes  eine  Schlange  emporwindet.  Für  diese 
Zeit  ein  Gegenstück  gefunden.  Auf  einem  vier- 
seitigen Altar  aus  dem  Hauran17)  ist  dargestellt 
„un  soldat  revetu  de  l'uniforme  romain  .  .  .  ce 
dieu-soldat  tient  de  la  main  droite  une  hampe, 
autour  de  laquelle  s'enroule  un  serpent".  Die 
Herkunft  des  Steines  bürgt  uns  für  den  orien- 
talischen Ursprung  |des  Gottes 18).  Demnach 
werden  wir  unseren  Mars  gleich  dem  mit  ihm 
zusammen  verehrten  Dolichenus  für  einen  ur- 
sprünglich orientalischen  Gott  zu  halten  haben, 
der  allerdings  zunächst  durch  die  Aufnahme  in 
den  Kreis  der  römischen  Soldatengötter  und 
dann  durch  die  Hinzufügung  der  nordischen 
Gans  eine  zwiefache  Veränderung  erfahren  hätte. 
Auf  den  orientalischen  Ursprung  des  Mars  von 
Szamos-Ujvar  weist  vielleicht  auch  die  sonder- 
bare Verzierung  links  neben  seinem  Kopfe,  die 
an  dieser  Stelle  doch  wohl  nicht  gut  als  bloße 
Raumfüllung  gelten  kann,  sondern  vielleicht 
wirklich  einen  seitlichen  Nimbus  vorstellen  soll, 
wie  der  gleichfalls  seitliche,  nur  diesmal  normal 
halbrunde  Nimbus  einer  syrischen  Göttin  auf 
einem  Votivstein  aus  Homs  (Emesa)1!l). 

Ohne  die  Gans,  aber  sonst  in  genau  der- 
selben Tracht  und  Haltung  wie  auf  dem  Relief 
von  Traismauer  erscheint  Mars  auch  auf  einem 


hefte  VI  75.  Wir  verdanken  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Bela 
Posta  Photographien,  nach  welchen  die  stilistisch  unzulängliche 
Abbildung  der  Arch.  Ztg.  durch  Fig.  104  ersetzt  werden  konnte. 

n)  Rev.  arch.  1905   I  44. 

I8)  Auf  dem  Stempel  eines  Vasenverschlusses  aus  Unter- 
ägypten  ist  eine  einigermaßen  ähnliche  Darstellung  zu  sehen'; 
doch  scheint  hier  der  Krieger  die  Schlange  zu'durchbohren 
(Strzygowski,  Katalog  der  koptischen  Altertümer  in  Kairo  n.7142) 
Nachträglich   sei  auf  Rev.  arch.  1891   I  pl.  II  verwiesen. 

,9)    Comptes    rendus    de  l'Acad.   des    Inscr.    et  B.-L.   1902 
p.  236  mit  Tafel. 

Jahreshefte  des  üsterr.  archäol.  Institutes    Bd.  XI 


Schlange  hat  sich  erst  in   letzter 


IO4:    Bronzerelief  von   Szamos-Ujvär. 

30 


234  R-   Münsterberg 

oben  von  links  nach  rechts  abwärts  rund  ausgeschnittenen  oblongen  Bronze- 
blech aus  der  Sammlung  Hollitzer  in  Carnuntum  (Taf.  VIII),  dessen  Oberfläche 
noch  deutliche  SjDuren  ehemaliger  Versilberung  aufweist:  hoch  links  o"i85m,  rechts 
o"i4m,  unten  breit  o-im;  nur  ist  hier  das  über  den  linken  Arm  herabfallende 
Mantelende  vernachlässigt20).  Im  Zwickel  darüber  steht  ein  etwas  mißratener 
Adler,  unten  springt  nach  rechts  ein  Seepferd,  das  einigermaßen  an  den  See- 
panther von  Brigetio21)  erinnert.  Daß  dieses  Relief  aus  Carnuntum  stammt,  ist 
nicht  hinlänglich  bezeugt;  sicher  carnuntinischen  Ursprunges  ist  eine  ähnlich 
geformte  und  gegliederte  Bronzeplatte  (nur  im  Gegensinn  und  nachträglich 
beschnitten)  mit  der  Hauptdarstellung  einer  Victoria,  darüber  gleichfalls  der 
Adler,  unten  Capricorn 2S).  , Weißbronzeplatten'  dieser  Art,  (auch  im  Gegensinn), 
alle  mit  dem  Adler  im  Zwickel,  sind  auch  aus  dem  Kastell  von  Pfünz  bekannt28); 
eine  davon  (n.  n)  ist  durch  ihre  Inschriften  als  militärisches  Eigentum  bezeichnet. 

Über  die  Verwendung  der  so  verschieden  geformten  Platten  (abgesehen  von 
dem  großen  Weihrelief  von  Traismauer)  wüßte  ich  keine  auch  nur  halbwegs  an- 
sprechende Vermutung  zu  äußern.  Nicht  bedeutungslos  ist  vielleicht  die  auffällige 
Zahl  von  phantastischen  Seewesen  (Triton,  Scylla,  Capricorn,  Seepanther  und 
Seelöwe).  Aus  den  Fundumständen  ergibt  sich  als  wahrscheinlich,  daß  die  Reliefs 
nicht  bloß  gegenständlich  verwandt  sind,  sondern  einem  größeren  Ganzen  ange- 
hören :  in  Szamos-Ujvär  wurden  zwei  Plattenpaare  gefunden,  in  Brigetio  neben 
dem  Ganymedesrelief  das  Fragment  eines  Seepanthers,  das  nach  Analogie  der 
carnuntiner  Bronzen  zu  ergänzen  sein  wird;  mit  der  Hollitzerschen  Bronzeplatte 
ist  das  auf  Tafel  VIII  (oben)  abgebildete  Bruchstück  vereinigt,  das  dem  Stil  nach 
auch  dazu  gehört  und  gleichfalls  versilbert  war. 

Schließlich  muß  noch  hervorgehoben  werden,  daß  von  den  hier  besprochenen 
Zierblechen  einige,  wenn  nicht  etwa  gar  alle,  oberflächlich,  nicht  durch  Plattierung, 
versilbert  oder  verzinnt  waren,  wovon  sich  allerdings  nur  geringe  Spuren  nach- 
weisen lassen21).    Diese  Technik  scheint  auf  griechisch-römischem  Boden  vordem 

2")   Ganz    deutlich   erscheint    dieser    Mantelwurf  n)  Bericht  des  Vereins  Carnuntum  f.  1900  S.  107 

auf    einem    Bronzcblcch    aus    Trier    (Illustr.   Führer  Textfig.  20. 

S.  91    mit  Abbildung),   auch    die   hier   den   Gott   be-  ")  Obergerm.- rät.   Limes    n.  73,  Taf.  V   II  — 15. 

kränzende  Viktoria  hat  den  Mantel  ebenso  umgelegt;  21)  Jahreshefte  VI  73;  Obergerm. -rät.  Limes  n.  73 

ein   Fragment  anscheinend   derselben  Darstellung  aus  S.    21  f.  und   37;     dazu    die    Reliefs    aus  Traismauer 

Pfönz    im    Obergerm.- rät.    Limes    n.   73    Taf.    V    5.  und   aus  der  Sammlung   Hollitzer.   Vgl.   Blinkenberg, 

Im    Gegensinn    ist    unser  Mars    dargestellt    auf   einer  Archäol.  Studien   <)I     mit    Taf.   II    und    Arch.-epigr. 

silbernen     Beinschiene    des    St.    Ulrich-Museums     in  Milt.  XI   15.   Über  die  Versilberung  oder  Vergoldung 

Regensburg   (Franziss,    Bayern    zur    Römerzeit   264).  der   Dolichcnusrelicfs    s.   Löschcke,    Bonner    Jahrbb. 

I ..1 .1  ■■-hefte  VI  73   mit  Abb.  35    unten.  CLXVH    66. 


Bronzereliefs  vom   Limes  235 

nicht  üblich  gewesen  zu  sein.  Zwar  gibt  es  aus  dem  vierten  Jahrhundert  ver- 
silberte Spiegel  und  Spiegelkapseln25),  aus  dem  ersten  Jahrhundert  nach  Christus 
stark  versilberte  Gesichtshelme26),  sowie  innen  stark  verzinnte  Bronzetöpfe27);  aber 
der  Überzug  unserer  offenbar  viel  späteren  Bronzereliefs  ist  nur  ein  ganz  ober- 
flächlicher und  wenig  haltbarer.  Es  liegen  offenbar  zwei  verschiedene  Verfahren 
vor,  wie  auch  Plinius  zwischen  illinere  und  incoquere  unterscheidet ;  für  uns 
kommt  wohl  nur  das  letztere  in  Betracht,  da  es  sich  hier  wie  dort  um  Zierbleche 
handelt:  album  (plumbum)  incoquitur  aereis  operibus  Galliarum  invento,  ita  ut 
vix  discerni  possit  ab  argento,  eaque  incoctilia  vocant.  Deinde  et  argentum  in- 
coquere simili  modo  coepere  equorum  maxime  ornamentis28).  Das  ist  doch  wohl 
dasselbe  Verfahren  des  Weißsiedens,  das  auch  im  Verlaufe  der  von  Caracalla  an- 
gebahnten Münzverschlechterung  eine  für  das  römische  Münzwesen  so  verhängnis- 
volle Wirkung  geübt  hat.  Weißkupfer  treffen  wir  zuerst  in  der  zweiten  Hälfte 
der  Regierung-  des  Gallienus  (254 — 268)  und  des  gallischen  Usurpators  Postumus 
(25g — 267),  dann  insbesondere  unter  den  gallischen  Herrschern  Victorinus,  Marius 
und  Tetricus,  sowie  den  diesen  gleichzeitigen  Kaisern  Claudius  Gothicus  und 
Aurelian,  unter  dem  auch  die  (gleichfalls  nach  gallischem  Muster?)  versilberten 
Wagen  in  Rom  aufkamen  (Vopiscus  46),  aber  auch  noch  später  bis  in  die  Zeit 
Iulians  und  Iovians 29).  Es  scheint  mir  nicht  unmöglich,  daß  diese  vorher  an- 
scheinend nur  ganz  ausnahmsweise  geübte3")  Technik,  die  sich  aber  dann  bis  ins 
späte  Mittelalter  hinein  verfolg'en  läßt31),  hier  wie  dort  unmittelbar  auf  gallischen 
Einfluß  zurückzuführen  ist.  Damit  wäre  für  die  Entstehungszeit  unserer  von  römi- 
schen Soldaten  an  weit  auseinander  gelegenen  Grenzpunkten  des  Reiches  vor- 
schriftsmäßig- angefertigten  Bronzen  ein  ungefährer  Anfangspunkt  gegeben;  aber 

2ä)  Arch.  Anz.  1891   S.  123;    1904  S.  23.    Arch.  römischer    Silbermünzen    aus    Weißkupfer   schon   in 

Ausstellung  Wien  1893  n.  303.  republikanischer   Zeit;    auch   Dio    Cassius    kennt  das 

-s)  Haug-Sixt  74  n.  108  und  81  n.  116.  In  diese  Verfahren  (LXXV  4  Dind.).  Die  von  Christomanos  be- 
Zeit gehört  wohl  auch  ein  stark  versilberter  Schild-  schriebene  attische  Drachme  (Journ.  intern.  1905 
buckel  des  bayrischen  Nationalmuseums  (Katalog  p.  118)  ist  nach  der  älteren  Art  verzinnt  (etamage 
IV  n.  1384  Taf.  XIX   23).  complet    et   soigneusement    execute);    ziemlich    stark 

27)  Mem.  des  antiqu.  du  Nord  1896 — 1901  p.302;  versilbert  sind  auch  eine  Kupfermünze  von  Mytilene 
vgl.  Plinius  XXXIV  17,  48,  160  und  Dioskorides  I  33.  aus    dem    dritten    vorchristl.    Jh.    und    ein    Quincunx 

28)  Plinius  a.a.O.;  vgl.  Philostr.  imag.  I  28.  wo  von  Teate  im  Wiener  Kabinett.  Über  plattierte  (?) 
ebenfalls  von  versilbertem  und  vergoldetem  Pferde-  Münzen  aus  Kleinasien  s.  Dressel  in  der  Zeitschr. 
geschirr  die  Rede  ist:  raöra  tpact  ta  xpo')|iaxa.  toi);  f.  Num.  XXIV  84. 

4v  'SxsavöJ  ßapßapouj  d"fxs'v  XV  Xa^xcT>  Siarcöpoi.  31)  Über  Verzinnung  handeln   Beckmann,   Beitr. 

20)  Vgl.  Pansa,  Riv.  it.  di  num.  1906  p.  51  und  z.  Gesch.  d.  Erfindungen  IV  321  und  (i.  Bapst,  Rev. 
die  dort  angeführte  Literatur.  arch.  1883   I    164. 


:m 


')  Vereinzelt   finden    sich   Fälschungen    früherer 


30* 


236  R.   Münsterberg,   Bronzereliefs  vom  Limes 

andere  Erwägungen  ermöglichen  eine  noch  genauere  Zeitbestimmung.  Die  Bronzen 
von  Szamos-Ujvar,  im  äußersten  Norden  der  dakischen  Provinz,  müssen  vor 
dem  Jahre  271  entstanden  sein,  in  welchem  Aurelian  Dacien  aufgab  und  die 
gesamte  römische  Bevölkerung  auswanderte.  Anderseits  aber  ist  der  Kult  des 
Dolichenus  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  anscheinend  schon  im  Absterben 
begriffen32).  Demnach  dürften  unsere  Reliefs  etwa  in  der  Zeit  zwischen  260 
und  270  entstanden  sein. 

Wien,  Juli   1908.  RUDOLF  MÜNSTERBERG 


Römische  Bronzen  aus  Ungarn. 

Die  beistehend  (Fig.  105)  abgebildete  o-i2'"  hohe  Bronzestatuette  gehört  zu  den 
vorzüglichsten  Stücken  des  ungarischen  Nationalmuseums.  Sie  ist  vollgegossen  und 
bis  auf  das  abgebrochene  obere  Ende  des  Attributes  in  der  linken  Hand  unver- 
sehrt. Der  ganze  Körper  ist  von  einer  tiefen,  dunkelgrünen,  wundervollen  Patina 
bedeckt.  Die  Brustwarzen  sind  aus  Silber  eingelegt.  Über  die  Herkunft  unserer 
Statuette  konnte  ich  leider  nichts  zuverlässiges  feststellen.  Sie  stammt  wahr- 
scheinlich aus  der  Sammlung  Kiss;  da  sie  aber  in  der  Patina  von  den  übrigen 
in  Ungarn  gefundenen  Statuetten  abweicht,  so  ist  nicht  einmal  sicher,  daß  sie 
in  Ungarn  gefunden  wurde  l). 

Die  Statuette  darf  künstlerisch  wie  gegenständlich  das  größte  Interesse  be- 
anspruchen. Das  vortreffliche  römische  Werk  gibt  im  Standmotive  einen  wohl- 
bekannten griechischen  Typus  aus  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  wieder, 
den  wir  als  argivisch  zu  bezeichnen  pflegen  und  als  dessen  Hauptrepräsentant 
die  sogenannte  Liguriobronze  gilt2).  Die  Übereinstimmung  mit  dem  Standmotive 
der  Liguriobronze  ist  auf  den  ersten  Blick  überzeugend;  nur  ist  im  Gegensätze 
zu  dieser  bei  unserer  Statuette  die  rechte  Körperhälfte  die  tragende,  die  linke 
Seite  völlig  entlastet.  Auch  das  Prinzip  der  Formengebung  ist  übereinstimmend. 
Besonders  bezeichnend   ist  an  beiden  der  weich  eingesenkte  Nabel.     Gleichwohl 

32)  Die  jüngste    datierte    Inschrift   ist,    wenn   ich  Winckelmannsprogramm  125  ff.  —  Collection  Somzee 

recht  sehe,  vom  Jahre  250  (=  Kan  n.  136).  p.  55   pl.  XXXII.    —   Sitzungsber.   Akad.  München 

1)  Die   Statuette    ist  von    mir    Arch.  Ert.    1908  1897   S.  128.    —     Vgl.   die   verkehrte   Ansicht    von 
S.  189  kurz  besprochen  worden.  Ch.   Waldstein,   Journ.    of   hell.  stud.   1904    (XXIV) 

2)  Furtwängler,     Eine    argivische  Bronze,     50.  p.  129 — 134  u.  Eurtwänglers  Antwort  ebenda  p.  336. 


A.   Hekler,   Römische  Bronzen  aus   Ungarn 


237 


zeigt  die  Statuette  des  Nationalmuseums  im  Verhältnisse  zur  Liguriobronze 
gewisse  Fortschritte.  Die  Proportionen  sind  minder  schwerfällig  und  breit- 
gedrückt, vielmehr  schlanker  und  leichter.  Der  Blick  ist  nicht  geradeaus  gerichtet, 
sondern  nach  dem  Attribute,  das  die  Figur  in  der  rechten  Hand  trägt,  so  daß 
der  Kopf  nach  der  rechten  Körperseite  hin 
leicht  geneigt  erscheint.  Auch  die  Höhen- 
differenz zwischen  den  beiden  Schultern  ist 
an  unserer  Statuette  bedeutender  geworden. 
Der  dumpfe,  lastende  Eindruck  ist  durch  diese 
Modifikation  aufgehoben.  Die  Figur  nähert 
sich  in  allem  jenen  Werken,  die  sich  der 
künstlerischen  Tradition  der  argivischen 
Schule  anschließen,  und  nimmt  künstlerisch 
wohl  eine  Mittelstellung  ein  zwischen  dem  ar- 
givisch-hageladischen  Kanon  und  der  wunder- 
vollen griechischen  Bronze  des  Louvre,  welche 
den  polykletischen  Stil  in  vollentwickelter, 
harmonischer  Schönheit  vergegenwärtigt 3). 
An  Polykletisches  schließt  sich  die  Statuette 
des  Nationalmuseums  auch  in  den  Gesichts- 
formen und  in  der  Haarbildung  an.  Im  Ge- 
sichtsausdrucke keine  Spur  mehr  geistloser, 
dumpfer  Ruhe,  die  an  der  Liguriobronze  so 
unangenehm  empfunden  wird.  Auch  die  Haar- 
tracht ist  nicht  mehr  die  argivische  mit  dem 
hinten  aufgerollten  Haarwulste:  in  echt  poly- 
kletischer  Weise  liegen  die  Haare  in  kurzen 
Locken  flach  am  Schädel,  jedoch  fehlt  jede 
feinere  Ziselierung.  Die  kunstgeschichtliche 
Bedeutung  unserer  Figur  besteht  nach  all 
dem  darin,  daß  wir  in  ihr  die  zur  vollen  Reife 
entwickelte  Standfigur  der  griechischen  Kunst  um  die  Mitte  des  fünften  Jahr- 
hunderts zu  erblicken  haben;  die  organische  Lebensfähigkeit  und  die  ungebundene 
Funktionsfreiheit,  die  sich  auch  in  der  Ruhe  vollständig  ausspricht,  —  das  ist  die 
großartige  Errungenschaft,  die  wir  in  der  schönen  Statuette  des  Nationalmuseums 

3)  Vgl.  Furtwängler,    Meisterwerke    T.   XXVIII   3   S.  492;  Masterpieces  PI.  XIII  Fig.  119  p.  279. 


Bronzestatuette  im   Nationalmuseum 
zu  Budapest. 


238  A.  Hekler 

wiederfinden,  ohne  daß  aber  Anklänge  im  ganzen  Aufbaue  des  Standmotivs  an 
den  strengeren  argivischen  Kanon  zu  verkennen  wären. 

Unter  den  römischen  Merkurbronzen  zeigen  zahlreiche  das  Motiv  unserer 
Figur  in  echt  polykletischem  Sinne  weiter  gebildet.  Ich  erwähne  nur  einige 
charakteristische  Beispiele:  Jahrbuch  1887  T.  9;  Specimens  of  anc.  sculpt.  I  33,  34; 
Murray,  (rreek  bronzes  p.  47  Fig.  18;  Bonner  Jahrbücher  H.  90  T.  III  1,  2;  Furt- 
wängler,  Collection  Somzee  p.  9;  Meisterwerke  S.  425.  Unsere  Figur  mit  den 
eben  genannten  zu  vergleichen  ist  für  die  Entwicklung  der  Standfigur  im  fünften 
Jahrhundert  außerordentlich  lehrreich.  Unter  den  übrigen  römischen  Bronzen 
nimmt  unsere  Statuette  durch  Arbeit  und  Stiltreue,  durch  die  in  der  ganzen 
Figur  konsequent  durchgeführte,  durch  keine  fremden  Elemente  getrübte  Formen- 
gebung  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Die  Sorgfalt  der  Arbeit  verrät  sich 
auch  in  einem  bezeichnenden,  rein  technischen  Merkmale,  in  den  mit  Silber  ein- 
gelegten Brustwarzen.  Mit  dem  Niedergange  der  Bronzetechnik,  der  schon  zu 
Neros  Zeiten  eintritt,  werden  Augen  und  Brustwarzen  auch  mitgegossen 4).  Die 
Herstellung  der  Statuette  des  Nationalmuseums  darf  sonach  in  die  frühe  Kaiser- 
zeit und  nach  Italien  verlegt  werden.  Die  provinzialen  Bronzen  haben  ein  ganz 
anderes  Aussehen. 

Wer  ist  nun  der  Jüngling,  der  hier  mit  noch  etwas  knabenhaftem  Gesichte, 
allein  mit  voll  entwickeltem  Körper  vor  uns  steht?5)  Für  die  Beantwortung 
dieser  Frage  ist  zunächst  von  der  Beobachtung  auszugehen,  daß  am  Kopfe 
über  der  Stirne  die  Ansätze  von  zwei  kleinen  Flügeln  (in  der  Abbildung  kaum 
bemerkbar),  zweifellos  erhalten  sind.  Wir  sind  somit  unzweideutig  auf  Hermes  ge- 
führt. An  den  echt  polykletischen  Hermesstatuen  sind  die  Kopf-  und  Fußflügel  als 
Elemente,  welche  die  Formenklarheit  stören,  immer  streng  vermieden  worden. 
So  sehen  wir  den  Hermes  ganz  flügellos  in  der  Statue  der  Sammlung  Lands- 
downe  (Furtvvängler,  Meisterwerke  503  fr.  Fig\  91;  Berlin,  Beschreibung  der  Skulp- 
turen 196),  die  mit  unserer  Bronze  im  ganzen  Aufbau  allernächste  Verwandt- 
schaft   zeigt,    nämlich    ebenfalls    im    Körper   noch    rein    argivischen "),    im    Kopfe 

'1   Vgl.  Kurtwängler,  Collection  Somze-e  47;    A.  auch  bei  der  Liguriobronze  wieder.  Auch  der  völlige 

Hekler,  Römische  weibliche  Gewandstatuen  28;  Mangel  der  Pubes  ist  beiden  Werken  gemeinsam. 
Benndorf,  Die  Großbronzen  des  Mus.  Naz.  in  Neapel,  6)  Wenn    ich    diesen  Ausdruck    im    Gegensätze 

Jahreshefte   1901  S.  87.   —  Bei  der  Reiterstatue  des  zu    „polykletisch"    gebrauche,    so    meine    ich    damit 

Caligula    (Neapel)    sind    die  Augen    des  Kaisers   ein-  selbstredend  immer  den  Typus  des  Hageladas  (Ligurio- 

gesetzt,    allein    beim  Pferde    verwendete    man    nicht  bronze).    Daß    ich    den   Gegensatz  nur  entwicklungs- 

mehr  solche  Sorgfalt.  geschichtlich  und  nicht  stilistisch  fasse,  braucht  kaum 

°j   Dieser    Zug,    die  Vereinigung    des    voll    ent-  besonders  bemerkt  zu  werden. 
wickelten  Körpers  mit  knabenhaftem   Gesichte  kehrt 


Römische   Bronzen  aus  Ungarn  239 

dagegen  polykletischen  Stil.  Bestätigt  wird  die  Deutung  aut  Hermes  durch  die 
Schildkröte,  welche  die  Figur  in  der  vorgestreckten  rechten  Hand  hält,  bekannt- 
lich ein  Lieblingstier  des  Gottes,  mit  dem  er  sehr  oft  dargestellt  wurde7).  Auch  die 
Deutung  des  im  ersten  Moment  befremdenden  Attributes  in  der  gesenkten  linken 
Hand  verursacht  nach  der  überzeugenden  Darlegung  A.  Furtwänglers  (Bonn. 
Jahrbücher,  H.  103  S.  4  ff.)  keine  Schwierigkeit.  An  dem  eingerollten  unteren 
Ende  erkennt  man  sofort  die  Schriftrolle,  die  Furtwängler  als  ein  für  den  Gott 
Hermes -Thoth  charakteristisches  Attribut  nachgewiesen  hat.  Thoth  gilt  bekannt- 
lich in  der  ägyptischen  Religion  als  der  Erfinder  alles  Schriftwesens,  aller  Klug- 
heit und  Kunst  und  wurde  dann  im  hellenistischen  Alexandrien  mit  Hermes 
identifiziert.  In  römischer  Zeit,  als  die  eindringenden  ägyptischen  Religions- 
elemente überall  einen  so  fruchtbaren  Boden  fanden,  verbreitete  sich  der  Kult 
des  Gottes  Hermes-Thoth  im  ganzen  römischen  Reiche,  auch  in  den  entlegensten 
Provinzen,  wie  die  zahlreichen  Hermes-Thoth  -  Darstellungen  beweisen8).  Das 
Attribut  der  Schriftrolle  blieb  indes  außerordentlich  selten.  Bisher  war  nur  ein 
einziges  Beispiel  bekannt:  die  Hermes-Thoth -Apollo-Bronze  in  Regensburg: 
Bonner  Jahrbücher  H.  103  T.  I.  Es  ist  interessant  zu  beobachten,  daß  auch  hier 
ein  Typus   des   5.  Jahrhunderts   als  Vorbild   gedient   hat. 

Alle  die  übrigen  Hermes-Thoth-Darstellungen  zeigen  den  gewöhnlicheren 
Typus  mit  der  Feder  auf  dem  Kopfe  (vgl.  Bonn.  Jahrbücher  H.  103  S.  7  ff.),  von 
welchem  auch  das  ungarische  Nationalmuseum  drei  Exemplare  besitzt.  Alle 
sind  nach  demselben  Vorbilde  gearbeitet,  wie  die  Statuetten:  Bonner  Jahrbücher 
H.  103  S.  6  Fig.  4;  Edgar,  Greek  Bronzes  PI.  I  27638  p.  3;  Reinach,  Antiquites 
Nationales,  Description  raisonnee  du  Musee  de  Saint  Germain  en  Laye  n.  49 
p.  67;  The  annual  of  the  British  School  at  Athens  1896/7  PI.  X  3.  Der  Typus 
wird  wohl  hellenistischen  Ursprunges  sein.  Darauf  weisen  die  Formgebung,  der 
erregte  Ausdruck,  die  schlanken  Proportionen  und  die  Bewegtheit  des  Motivs  hin. 
Alle  Figuren  dieses  Typus  zeigen  rechtes  Stand-  und  linkes  Spielbein,  im  linken 
Arm  das  Kerykeion,  in  der  vorgestreckten  Rechten  den  gefüllten  Beutel.  Der 
Kopf  ist  nach  der  Standbeinseite  gewendet;  in  dem  kurzen,  emporstrebenden  Haar 
erscheint  zwischen  Flügelansätzen  die  gerade  emporstehende  Feder.  Gewöhnlich  ist 

")  Vgl.  Röscher,  Myth.  Lexikon  2376  und  2417;  S.  193;    Löschcke,  ebenda    H.  107  S.  48;    Foerster, 

Sacken,     Bronzen    XI 3 ;    Reinach,    R£p.  II   153,6;  Jahrbuch     1904    S.  137;     1898     S.    177;     1901   Anz. 

157,9;    Arch.-epigr.    Mitt.  II   5  ;  Journ.  of  hell.  stud.  S.200,  7;  1903  Anz  S.  1  4S  ;  Bull,  de  corr.  hell.  XX  VI 

III  pl.  22  p.  96.  231    Fig.  8;    —  Vgl.  Hirt,  Nachträgliches  zur  Buch- 

%)  Furtwängler,  Bonner  Jahrbücher,   H.  103  T.  I  rolle  in  der  Kunst,  Jahrbuch    1908   S.  116. 
S    I  IT.;    II.  107    S.  37;    H.  IO8/9   S.  239;   H.  I  14/115 


240 


A.   Hekler 


der  Gott  mit  der  Chlamys  bekleidet.  An  einem  Exemplar  des  Nationalmuseums 
sieht  man  neben  dem  rechten  Fuße  des  Hermes -Thoth  die  Reste  eines  Tieres, 
gewiß  eines  Widders;    vgl.  die  ganz  ähnliche   Bronzestatuette    aus    Ruvo:    Rom. 

Mitt.  1889  (IV)  T.  XI  (Heydemann) 
und  die  Figur  im  Katalog  der  Samm- 
lungen der  antiquarischen  Gesellschaft 
in  Zürich  T.  nach  S.  12  n.  2857.  Alle 
diese  Bronzen  sind  mehr  gegenständ- 
lich als  kunstgeschichtlich  von  Belang, 
insoferne  sie  die  weite  Verbreitung 
einer  jener  hellenistisch -ägyptischen 
Mischgottheiten  bezeugen,  die  von  Ale- 
xandrien  aus  im  römischen  Reiche  so 
allgemeine  Verehrung  erlangten.  Ich 
erinnere  nur  an  die  Identifizierung  der 
Fortuna  mit  Isis  und  Nike,  an  die  An- 
gleichung  des  Hermes  an  Apollo  und 
Thoth,  manchmal  auch  an  den  ägypti- 
schen Gott  Chnum9).  In  der  schon  öfter 
erwähnten  Regensburg-er  Bronze  ist 
Hermes  mit  Apollo  und  Thoth  identi- 
fiziert1"). Noch  komplizierter  ist  das 
Wesen  des  Hermes  Trismegistos,  von 
welchem  wir  auch  eine  statuarische 
Darstellung  besitzen:  Exhibition  ot 
greek  art,  Burlington  fine  Arts  Club 
PI.  UV,  B41  a,  B  41  b,  p.  47. 

Mit  der  Berührung  apollinischen 
Wesens  gewinnen  wir  den  Übergang 
zu  einer  Bronzestatuette  (Fig.  106),  die, 
in  Veszpröm  gefunden,  im  dortigen 
Museum  aufbewahrt  wird11).  Die  Figur 
,    _  „  ,,         ,  steht  auf  dem  rechten  Beine,  das  linke 

106:   Bronzestatuette   im   Museum   zu   Veszprem. 


Bonner  Jahrbücher  H.  114/115  S.  1 04  Fig-  2-       Herrn  v.  Mihalik,  der  den  Zinkstock  für  Fig.  106  zur 
''')   Donner  Jahrbücher  H.  103  T.  I.  Verfügung   stellte,  sage   ich    wärmsten  Dank.     Vergl. 

"j   [ch  kenne  die  Statuette  nur  aus  Abbildungen.       neuerdings  Mut.  es  könyot.   Krt.    10.08  S.  121. 


Rümische   Bronzen  aus   Ungarn  24 1 

ist  in  Schrittstellung  zurückgezogen.  Der  etwas  seitwärts  vorgestreckte  rechte  Arm 
hält  die  flache  Opferschale,  der  linke  Arm  ist  gesenkt.  Das  Attribut,  das  die  Hand 
mit  weit  gespreizten  Fingern  hielt,  ist  verloren  gegangen.  Am  Rücken  hängt  der 
Köcher  an  einem  schmalen,  quer  über  die  Brust  verlaufenden  Bande.  Der  im  Ver- 
hältnisse zum  Körper  auffallend  kleine  Kopf  zeigt  eine  leichte  Wendung  nach 
rechts.  Die  Haare  sind  über  der  Stirne  zur  Schleife  gebunden.  In  der  Mitte 
gescheitelt  fällt  das  reiche  Gelock  in  sich  ringelnden  Haarwellen  zu  beiden 
Seiten  auf  Schultern  und  Rücken  herab.  Für  die  Deutung  der  Statue  gibt  der 
Köcher  sicheren  Aufschluß:  es  kann  nur  Apollon  gemeint  sein.  Dazu  stimmt  die 
flache  Opferschale,  ein  auch  sonst  oft  verwendetes  Attribut  für  den  jugendlichen 
Gott12).  Viel  schwieriger  ist  die  Ergänzung  des  Attributes  in  der  linken  Hand.  Man 
würde  zunächst  neben  dem  Köcher  an  einen  Pfeil  denken;  allein  abgesehen  davon, 
daß  dieses  Attribut  zu  der  Handlung  der  Libation  nicht  paßt,  ist  es  auch  nach 
der  Haltung  der  Finger  der  geöffneten  Hand  ausgeschlossen.  Ebenso  unpassend  ist 
die  Handhaltung  für  eine  der  Situation  an  sich  entsprechendere  Tänie.  Näher  läge, 
einen  Lorbeerzweig  in  die  linke  Hand  zu  ergänzen,  der  nach  seiner  Dimension  die 
gespreizte  Lage  der  Finger  besser  erklären  und  außerdem  zur  Handlung  der  Libation 
vortrefflich  passen  würde  13).  Doch  auch  diese  Ergänzung  ist  nicht  befriedigend. 
Die  gespreizte,  weit  geöffnete  Hand  muß  einen  größeren,  rundlicheren  Gegenstand 
gehalten  haben.  Den  richtigen  Weg  weist  eine  Bronze  mit  dem  Attribute  des 
Delphins  (Exhibition  of  greek  art,  Burlington  fine  arts  Club  PL  LIV,  B  41  b14),  die 
im  ganzen  Motive,  besonders  aber  in  der  Haltung  des  linken  Armes  unserer  Statuette 
so  nahe  verwandt  ist,  daß  ich  auch  für  diese  die  Ergänzung  eines  Delphins  als 
apollinischen  Attributes15)  in  der  linken  Hand  vorschlagen  möchte. 

Sowohl  der  oben  erwähnte  Hermes  Trismegistos  wie  der  Apoll  aus  Veszprem 
gehen  auf  ein  hellenistisches  Original  zurück.  Während  indes  der  Hermes  an 
Älteres  anknüpft  und  in  der  breiteren  Anlage,  in  den  Körperformen  noch 
manches  von  polykletischer  Formenbehandlung  bewahrt  hat  und  ein  echt  poly- 
kletisches  Motiv  weiterführt16),  schließt  sich  unsere  Statuette  mit  ihren  schlanken 
Proportionen,  dem  auffallend  kleinen  Kopf  und  den  weichfettigen  Körperformen 
mehr  an  echt  hellenistische  Schöpfungen  an. 

Budapest,  April   1908.  ANTON  HEKLER 

12)  Vgl.    Furtwängler,  Samml.   Sabouroff  S.  3  zu  13)  Babelon,  Cat.  des  Bronzes  n.  105.  110. 

T.  VIII— XI;    Bonner  Jahrb.  H.  90  S.  50  und  A.  3;  ,4)  S.  Bonner  Jahrbücher  H.  114   S.  199- 

Athen.  Mitt.  1881   S.  116;   Overbeck,  Apollon  Münzt.  15)  Röscher,  Lex.  I  444;   Preller,  Myth.  I  201,  I. 

3.  53.  54!     5,  33,  42  u.a.  16)  Furtwängler, Masterpicces 279 Fig.lqi  PI  XIII. 
Jahreshefte  des  österr    arch'äol.  Institutes    Hd.   XI.  31 


242 


Studien  zur  kretisch-mykenischen  Kunst. 

I.  Einem  feinsinnigen  Beobachter  wie  Brunn  J)  fiel  es  gelegentlich  der  Be- 
handlung der  Becher  von  Vaphio2)  auf,  daß  sie  durch  ihre  Komposition  als  Gegen- 
stücke aufzufassen  sind;  lebhafteste  Bewegung  sei  als  eine  Art  Stimmungsbild 
behaglicher  Ruhe  gegenübergestellt.  Diesen  Ideengang  führte  A.  Riegl  in  seinem 
nachgelassenen  Aufsatze  über  die  kunsthistorische  Stellung  der  Becher  von  Vaphio3) 
weiter.  Wir  dürfen  uns  aber  durch  die  anziehende  Art  dieses  glänzenden  Essays 
nicht  bestimmen  lassen,  die  darin  behandelten  Fragen  für  erledigt  anzusehen. 
Ganze  Kunstepochen  können  nicht  auf  Grund  einzelner  Stichproben,  und  seien 
sie  noch  so  glücklich  gewählt,  erschöpfend  und  zuverlässig  beurteilt  werden.  So 
ist  zunächst  der  Kreis  der  Beobachtungen  zu  erweitern.  Die  folgenden  Aus- 
führungen wollen  die  Giltigkeit  der  von  Riegl  aus  den  Darstellungen  der  Becher 
von  Vaphio  abgeleiteten  Thesen  für  die  kretisch-mykenische  Kunst  im  allge- 
meinen erproben:    ihr  Ergebnis  dürfte  diese  zu  bestätigen  geeignet  sein. 

Das  Reliefbild  auf  dem  Gefäße  von  Haghia  Triada4)  (Fig.  107)  ist  analog 
dem  Schmucke  der  Becher  von  Vaphio  eine  Streifenkomposition.  Beispiele  für 
deren  Kompositionstypus  sind  aus  der  Kunst  des  alten  Orients  geläufig.  In  unserem 
Falle  erscheint  die  vorherrschende  Längendimension  dadurch  gegenständlich  aus- 
genützt, daß  der  Künstler  die  Darstellung  eines  aus  einzelnen,  deutlich  unter- 
scheidbaren Gruppen  zusammengesetzten  Zuges  gibt.  Die  einfache  Reihung  wird 
durch  die  Gliederung  innerhalb  der  Gesamtbewegung  aufgehoben.  Man  könnte 
sagen,  daß  die  Streifenanordnung  in  diesem  Falle  zum  künstlerischen  Probleme 
wurde.  Dazu  kommt,  daß  durch  die  paarweise  Anordnung  der  Männer  das 
Empfinden  für  die  Tiefenbewegung  angeregt  wird,  ohne  dabei  in  die  für  die 
ägyptischen   Darstellungen   charakteristische  Konturverdoppelung5)    zu    verfallen. 

An  der  Spitze  des  Zuges  schreitet  der  Anführer;  ihm  folgen  vier  Paare  von 
Männern;  der  Anführer  ist  durch  Rüstung  und  einen  über  der  rechten  Schulter 
getragenen,  lanzenförmigen  Gegenstand   gekennzeichnet,   während  seine  Mannen 

')  II.   Brunn,  Griechische  Kunstgeschichte   I  49.  und    Deutung    des    Reliefbildes    ohne    Einfluß    sind, 

2)  'Ec(>T)|1h   ■/.(./_.    1889    Taf.    9;     Tsountas    130fr  gehe  ich   liier  auf  diese  nicht   ein    (vgl.  Zahn,   Anh. 

[ihreshefte   IX    1  II.  Anz.  1904  S.  76;  Harrison,  Journ.  of  hell.  stud.  X  X  I  V 

umenti    antichi  dei    Lincci    XIII    tav.   I.  249;   Burrows,  The  discoveries  in  Cretc  3;  fT.). 

II.   III,  Savignoni   77  fl.    Da    für  die  Beurteilung  der  :')  Vgl.  z.   B.  Perrot  et  Chipiez,  Histoire  de  Pari 

Komposition  die  Streitfragen  betreffs   der  Erklärung  I   746  fig.  503. 


A.  Reichel,  Studien  zur  kretisch-mykenischen  Kunst 


243 


langschaftige  Geräte  auf  der  linken  Schulter  tragen,  den  rechten,  im  Ellbogen 
stark  geknickten  Arm  aber  bei  festgeschlossener  Faust  gehoben  und  etwas  zurück- 
genommen zeigen.  Die  Körper  der  Leute  zeigen  die  ägyptische  Darstellungs- 
konvention e);  überall  aber  kommt  eine  Freude  an  der-  Bewegung  zum  Durch- 
bruche, die,  der  ägyptischen  Kunst  durchaus  fremd,  mit  so  einfachen  Mitteln  wohl 
kaum  überboten  werden  kann.  Die  ausschreitenden  Beine  der  Männer  sind 
so    hoch    gehoben,    daß    die    Oberschenkel    in    eine   Horizontale    gebracht    sind, 


während  das  Standbein  etwas  zurückgesetzt  scheint.  Das  gehobene  Bein  hin- 
wiederum ist  im  Kniegelenk  rechtwinklig  geknickt.  Der  Moment  äußerster  An- 
spannung scheint  wiedergegeben;  ja  noch  etwas  mehr:  es  ist  Steigerung  über  die 
Natur  hinaus.  Auf  die  vier  paarweise  einherschreitenden  Männer  scheint  zunächst 
eine  geschlossene  Gruppe  zu  folgen:  ein  Mann  und  drei  Frauen  in  einer  Reihe 
marschierend,  vor  ihnen  ein  unbewaffneter  Anführer.  Sieht  man  genauer  zu,  so 
zeigt  sich,  daß  der  Führer,  der  ein  Sistrum 7)  trägt,  sowie  die  ihm  folgenden 
Frauen  mit  geöffnetem  Munde  wie  singend  dargestellt  sind  —  man  wird  in 
dieser    Gruppe    eine    Art  Musikbande    zu    erkennen    geneigt    sein    — ,    daß    hin- 

e)  Kopf  und  Beine  im  Profil,  der  Oberkörper  von   vorne  gesehen.  ')  Savignoni  a.  a.  O. 

3i* 


244  A.   Reichel 

gegen  die  vierte,  männliche,  Figur  etwas  abseits  steht,  und  sowohl  durch  ihre 
Ausrüstung  als  auch  dadurch,  daß  sie  nicht  singend  gegeben  ist,  als  nicht  zuge- 
hörig gekennzeichnet  ist:  sie  wird  vielmehr  als  Anführer  der  folgenden  sechs 
Paare  auch  gleichartig  ausgerüsteter  Männer  gedeutet  werden  müssen.  Dieses 
räumliche  Ineinanderschieben  der  einzelnen  Gruppen  sei  nachdrücklichst  hervor- 
gehoben. Die  Komposition  erhebt  sich  dadurch  über  die  Reihendarstellungen 
des  Orients8);  denn  dadurch,  daß  das  erste  Glied  des  einen  Zuges  das  letzte 
Glied  des  andern  Zuges  -  der  überdies  schon  eine  Tiefenbewegung  von  drei 
Figuren  aufweist  —  überschneidet,  erweckt  der  Künstler  im  Beschauer  die  Vor- 
stellung von  Raumtiefe.  Die  nun  folgenden  sechs  Paare  entsprechen  den  ersten 
vier;  herrschte  aber  in  diesen  Ordnung,  so  ist  der  letzte  Zug  lebhaft  bewegt:  ein 
Mann  war  gestürzt.  Dieses  Ereignis  spiegelt  sich  in  den  Gesten  und  Bewegungen 
der  Nebenstehenden  und  offenbart  sich  in  seiner  Wirkung,  indem  es  der  Künstler 
durch  die  Erregung  der  Umgebung-  zu  illustrieren  sucht;  wie  lebenswahr  und 
individuell  ist  der  rufend  Zurückblickende,  wie  sicher  der  ganze  Vorfall  beobachtet, 
das  Charakteristische  festgehalten!  Wir  suchen  vergebens  in  der  älteren  orientali- 
schen Kunst  nach  einem  Seitenstücke.  Dabei  ist  die  Einheit  der  Komposition 
durchaus  gewahrt;  der  gleiche  stramme,  militärische  Rhythmus  einigt  die  viel- 
fältigen persönlichen  Regungen  und  macht  mit  der  über  das  Maß  der  Wirklich- 
keit hinaus  gesteigerten  Bewegung  den  Eindruck  des  hastigen  Vorbeieilens  der 
ganzen  Gesellschaft.  Man  fühlt  sich  an  die  oft  genannten  Verse  Homers  erinnert, 
die  vom  rhythmischen  Stampfen  zum  Gesänge  Kunde  geben9). 

Wie  sehr  diese  Individualisierung  als  etwas  wesentlich  Neues  in  Anspruch  ge- 
nommen werden  darf,  geht  deutlich  aus  einem  kurzen  Ausblick  auf  die  Schöpfun- 
gen Ägyptens  und  des  Orients  hervor.  Die  Darstellung  einer  Opferszene  auf  einem 
ägyptischen  Grabgemälde  zeigt  drei  musizierende  Mädchen10);  die  in  ihrer 
Linienführung  feine  Zeichnung  veranschaulicht  nichts  als  den  manuellen  Vor- 
gang des  Musizierens;  jede  innere  Anteilnahme  der  Mädchen  bleibt  unausge- 
drückt.  Dasselbe  gilt  von  der  Darstellung  eines  Harfners  aus  dem  Grabe 
Ramses  III.11)  und  der  Lautenschlägerin  aus  Abd-el  Kurna12).  Die  Hammurabi- 
Stele 13)  zeigt  ein  ähnliches  Verhältnis.  Regt  sich  in  diesem  Stücke  auch  etwas 
mehr  individuelles  Leben,  so  wird  man  doch  mit  Rücksicht  auf  die  Be- 
deutung des  dargestellten   Vorganges    über  die  konventionelle   Geste  enttäuscht 

")  Riegl  a.a.O.  S.  4  u.  5.  ")  Ebenda  S.  733  Fig.  526. 

-  567— 572-    Vgl.  auch  W.  Reichel,  Homeri-  ,2)  Ebenda  S.  731   Fig.  524. 

sehe  Waffen2   155  ff-  u.  Savignoni  a.a.O.  13)   Delegation    en   Perse,    Mcmoires  publies  par 

l0)  Perrot  et  Chipiez  I  (Pietschmann)   t.  XII.  M.   J.  de  Morgan  IV  p.  3. 


Studien  zur  kretisch-raykenischen   Kunst 


2-45 


sein.  Die  Darstellung  gibt  eben  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  den  äußer- 
lichen Vorgang.  Im  kretischen  Relief  wird  der  Rhythmus  der  Bewegung  zum 
einigenden  Motiv.  Der  „Gesang"  sowohl  als  auch  der  „Sturz"  werden  in 
ihrer  Wirkung  erfaßt.  Das  Interesse  und  die  Begabung  der  kretischen  Künstler 
scheint  im  Gegensatze  zum  Orientalen  auf  die  Wiedergabe  der  Teilnahme  an 
den  im  Bilde  gegebenen  Vorgängen,  wie  sie  sich  in  den  dargestellten  Figuren 
selbst  wiederspiegelt,  gerichtet  zu  sein.  Die  Formschönheit  und  -Richtigkeit 
tritt  dabei  in  den  Hintergrund.  Daß  gelegentlich  auch  eine  formelle  Voll- 
endung erreicht  werden  kann,  die 
weit  über  das  Maß  dessen  hinaus- 
geht, was  die  Kunst  dieser  Epoche 
im  Durchschnitte  zu  bieten  ver- 
mochte, zeigen  vor  allem  die  Dar- 
stellungen der  Becher  von  Vaphio, 
die  auch  zeitlich  später  anzusetzen 
sind  als  das  Gefäß  von  Haghia 
Triada.  Auch  hier  liegt  die  Dar- 
stellung eines  „inneren  Vorganges" 
vor  und  A.  Körtes  u)  Deutung  des 
zweiten  Bechers  entspricht  durch- 
aus dieser  Auffassung,  wenn  auch 
die  Erklärung  des  Stieres  zur  Linken 
Bedenken  erregen    mag. 

Das  prinzipiell  Neue  der  kretisch-mykenischen  Kunstauffassung  kommt  aber, 
wie  mir  scheint,  am  deutlichsten  in  einer  Gegenüberstellung  des  Bildes  der 
lauernden  Katze  aus  Haghia  Triada15)  (Fig.  108)  mit  dem  Bilde  einer  Wildkatze 
aus  Beni-Hassan  1K)  (Fig.  109)  zum  Ausdruck.  Das  kretische  Gemälde  gibt  die  Dar- 
stellung eines  Vogels  im  Gebüsche,  zu  dem  eine  Katze  mit  lauerndem  Blicke 
heranschleicht.  Die  primitive  Darstellung  würde  durch  die  Formen  an  sich  kaum 
ein  besonderes  Interesse  erregen  können  und  doch  gehört  sie  zum  Fesselndsten 
der  kretischen  Kunst.  Es  interessiert  eben  nicht  die  Katze  als  solche,  sondern 
die  Katze  in  einem  bestimmten  Zustande,  der  so  gewählt  ist,  daß  das  Typische 
außerordentlich  zum  Ausdrucke  kommt.  Ich   stehe   nicht  an,  die  ägyptische  Dar- 


ios: Gemälde  aus  Haghia  Triada. 


")  Jahreshefte  IX  294.  -  C.  Keller  will  (vgl. 
Lehmann,  Klio  III  332)  Szenen  der  .Haustierwerdung' 
erkennen. 


15)  Mon.  ant.  d.  Lincei   XIII  tav.  VIII. 
'"     W.   Spiegelberg,  Geschichte  der  ägyptischen 
Kunst  U9°3)  S.  3   Abb.  32. 


246 


A.  Reichel 


Stellung  formell  bedeutend  höher  einzuschätzen;  und  doch:  wie  langweilig  wirkt 
dieses  Bild  gegen  das  kretische;  wie  vorzüglich  ist  hier  der  lauernde  Blick,  das  laut- 
lose Schleichen  charakterisiert!  -  -  Das  Erreichen  des  gewünschten  Ausdruckes 
wird  aber  auch  mit  dem  Verzicht  auf  Richtigkeit  der  Form  angestrebt.  Könnte 
es  ein  Künstler  sonst  wohl  wagen,  eine  breit  angelegte  Szene  so  in  den  Rahmen 
eines  kleinen  Bildes  zu  fassen  wie  das  kretische  Gemälde,  das  Gruppen  von 
tanzenden  Frauen  zeigt?17)  An  den  Terrassen  hinan  eine  dichtgedrängte  Menschen- 
menge,   Männer    und    Frauen    durch    die    primitivsten   Mittel    unterschieden;    und 

doch,  wie  eindringlich 
wirken  die  emporge- 
streckten, ja  fast  sche- 
matisch gezeichneten 
Hände,  mit  denen  die 
Zuseher  ihren  Beifall 
zum  Ausdruck  bringen. 
Diese  Vorliebe  der 
kretischen  Künstler  für 
innere  Motive  zieht 
sich  durch  alle  Darstel- 
lungen dieser  Kunst- 
epoche. Die  Darstellung 
zweier  Jünglinge  aut 
109:  Wandgemälde  aus  Beni-Hassan.  einem  knossischen  Stea- 

titgefäße  ls),  die  feierlich  einherschreitend  mit  beiden  vorgestreckten  Armen 
eine  Schale  tragen,  und  das  inhaltlich  nah  verwandte  Gemälde  eines  Vasen 
tragenden  Jünglings  aus  der  langen  Galerie19)  sind  beide  interessant  durch  die 
Art  der  Wiedergabe  des  Tragens.  Der  Akt  des  Tragens  ist  bestimmend  für 
das  Bewegungsmotiv  der  ganzen  Figur:  die  Stellung  der  Beine,  der  leicht 
zurückgebeugte  Rumpf,  der  Kopf,  der  auf  einem  überkräftigen  Nacken  sitzt, 
alles  ist  durch  die  eine  Handlung  bedingt.  Dieselbe  ideelle  Einheit  ist  in 
der  Darstellung  eines  Faustkämpfers  auf  einem  Steatitgefäße20)  erreicht  und 
findet  sich  überhaupt  in  mehr  oder  weniger  auffälliger  Weise  auf  allen  Werken; 

17)  Unpubliziertes  Gemälde  aus Knossos.  Museum  IX   129. 
von    Candia.    Aus    Bruchstücken    von    Gillid-ron    zu-  19)  Die  „Woche"  n.  28  S.  1240;  jetzt  farbig  bei 

sammengefügt.     Vgl.  Jahreshefte  X  64.  Lagrange,  La  Crete  ancienne  (1908)  Taf.  I. 

w)  Annual    of    the     british    school   at    Athens  2")  Annual  VII  95. 


Studien   zur  kretisch-mykenischen   Kunst  247 

allerdings  darf  die  persönliche  Begabung-  des  Verfertigers  nicht  außer  acht  ge- 
lassen werden.  Wie  tief  aber  diese  Naturauffassung  in  der  Kunst  dieser  Epoche 
wurzelte,  läßt  sich  vielleicht  gerade  darin  erkennen,  daß  sie  auch  auf  handwerks- 
mäßigen Arbeiten,  wie  es  die  Bilder  auf  dem  Lampenständer  aus  Phylakopi  in 
Melos21)  sind,  überzeugend  zum  Durchbruche  kommt. 

Eine  Streifenkomposition  zeigen  die  mykenischen  Dolchklingen22)  und  auch 
hier  erfolgt  der  Zusammenschluß  der  Komposition  zur  Bildeinheit  durch  innere, 
nicht  formelle  Motive.  Man  sieht  einerseits  Vögel  von  Raubtieren  verfolgt  und 
erreicht,  anderseits  die  Wirkung  dieses  Vorganges  auf  die  übrigen  Tiere;  ähnlich 
verhält  es  sich  bei  der  Darstellung  des  Überfalles  von  Löwen  aut  Gazellen.  Das 
Geschick  des  Künstlers,  die  Fläche  auszunützen  und  trotzdem  die  innere  Einheit 
zu  wahren,  ist  ganz  erstaunlich.  Wenn  der  Künstler  veranschaulicht,  wie  im  Kampfe 
zwischen  Bewaffneten  und  Löwen  der  verwundete  Löwe  seine  Angreifer  wütend 
überrennt,  der  vorderste  der  Bewaffneten  bereits  niedergeschlagen  am  Boden 
liegt,  die  anderen  mit  Schutz-  und  Trutzwaffen  in  Hast  den  gereizten  Löwen,  der 
vor  Unmut  mit  seinem  Schwänze  in  der  Luft  Kreise  schlägt,  zu  überwältigen 
suchen,  wenn  er  zeigt,  wie  die  übrigen  Löwen,  solcher  Tollkühnheit  nicht  ge- 
wachsen, in  gestrecktem  Laufe  die  Flucht  ergreifen,  wobei  der  eine  noch 
wie  geängstigt  zurückblickt:  so  muß  zugestanden  werden,  daß  es  psychologische 
Motive  sind,  die  die  Komposition  bedingen.  Formell  ist  die  Komposition  so 
angeordnet,  daß  den  breitesten  Teil  des  Streifens  die  Gruppe  einnimmt,  die  den 
Höhepunkt  der  Handlung  bezeichnet,  während  die  Wirkungen  des  Geschehnisses 
in  den  entfernteren  Partien  der  Darstellung,  dem  geringeren  zur  Verfügung 
stehenden  Raum  entsprechend,  ausklingen:  eine  Art  der  Darstellung,  die  in  der 
griechischen  Giebelkomposition  so  vollendet  zur  Durchbildung  kommen  sollte. 
Selbst  an  einem  ornamental  gedachten  Werke,  wie  es  das  reliefverzierte  Holz- 
plättchen  aus  der  ägyptischen  Abteilung  der  königlichen  Museen  in  Berlin23)  ist, 
kann  man  verfolgen,  wie  die  einzelnen  Gestalten  gedanklich  in  Beziehung  ge- 
bracht sind.  Dem  zum  Sprunge  niedergekauerten  Löwen  steht  ein  Paar  scheu 
umblickender  Antilopen,  dem  schleichenden  Greifen  ein  fliehender  Steinbock 
gegenüber.  Der  Künstler  geht  über  die  formelle  Komposition  -  die  Gliederung- 
des   Runds    durch    Terrainformen    —    hinaus    und     schafft    ein    ideelles    Gleich- 

21)  Excavations    at  Phylakopi    in   Melos.    Suppl.  vgl.   A.  Furtwängler,  Antike  Gemmen  III   21. 
d.  Journ.   of  hell.   stud.  (1904)    pl.  XXII,    dazu   C.  '")  Puchstein,  Archäolog.  Anzeiger   1 89 1  S.  41  j 

C.  Edgar;   auch    Abb.  S.  124   Fig.  95.  v.  Bissing,   Ath.  Mitt.   XXIII   259. 

M)  Bull,  de  corr.  hell.   1886  pl.  I  — III   p.  34]    IV., 


248  A.   Reichel 

gewicht    durch    die    abwechselnde    Gegenüberstellung    von    Repräsentanten    der 
Kraft  und  der  Feigheit. 

Lehrten  also  die  angeführten  Bildwerke,  daß  die  Kompositionen  nicht  aus 
rein  formellen  Überlegungen  aufgebaut  wurden,  daß  Situationen  und  Kontraste 
gedanklicher  Art  wiedergegeben  sind,  daß  nicht  die  Einzelform  zum  Gegenstande 
des  Studiums  gemacht  wurde,  sondern  das  Zusammenwirken  der  einzelnen  Teile 
zu  einem  Gesamtbilde,  so  muß  man  einräumen,  daß  diese  Werke  Lösungen  neuer 
künstlerischer  Aufgaben  bedeuten,  die  innerhalb  des  Kreises  orientalischer  Kunst- 
übung bis  jetzt  noch  nicht  wahrgenommen  werden  konnten  und  die  im  wesent- 
lichen erst  der  griechischen  Kunst  zugeschrieben  werden,  aber  den  Anfängen 
des  festländischen  griechischen  Kunstschaffens,'  der  archaischen  Zeit,  noch  voll- 
ständig fremd  sind24).  Das  innere  Erfassen  des  Wesens,  das  Erheben  einer  Mehr- 
heit zu  einer  höheren  Einheit  auf  Grund  psychologischer  Motive  und  die  aus 
solchen  Motiven  entspringenden  Kontrastwirkungen,  das  ist  das  ureigenste  Gut 
der  Träger  der  kretischen  Kultur;  die  Form  als  solche  tritt  zurück  und  dient 
dem  einen  Zwecke  —  dem  Ausdruck. 

Die  einzige  ausführliche  literarische  Überlieferung  über  ein  Kunstwerk,  das 
in  diese  Zeit  zurückreicht,  Homers  Beschreibung  des  Schildes  des  Achilleus 
im  XVIII.  Gesänge  der  Ilias,  gestattet  darüber  Aufklärung,  wie  wohl  ein  vor- 
nehmes Kunstwerk,  das  die  Phantasie  des  Dichters  vom  Gotte  selbst  verfertigt 
sein  läßt,  dem  glänzendsten  Helden  zur  Zier,  geschmückt  gewesen  sein  mag. 
Es  scheint  am  Platze,  die  Behauptung  zurückzuweisen,  daß  man  der  kretisch- 
mykenischen  Kunst  die  Fähigkeit  zu  einer  Komposition,  wie  die  des  Schildes  des 
Achilleus  nicht  zuschreiben  dürfe25).  Gerade  die  kretischen  Funde  haben  vor  allem 
gelehrt,  daß  die  Künstler  vor  keiner  Aufgabe  zurückschreckten.  Die  Darstellungen 
des  Achilleischen  Schildes  deshalb  für  unmöglich  zu  halten,  weil  sie  uns  bis  vor 
kurzem  unmöglich  schienen,  ist  um  so  weniger  wissenschaftlich  erlaubt,  als  W. 
Reichel  genügende  Stellen  aus  der  Dichtung  anführte,  die  mykenische  Dar- 
stellungen illustrieren2'1).  Es  wird  vielmehr  besonders  wichtig  erscheinen,  daß  wir 
in  der  Homerischen  Beschreibung  eines  Kunstwerkes  noch  werden  Züge  wahr- 
nehmen können,  die  das  „innere  Erfassen"  der  Natur  sehr  auffällig  erkennen 
lassen.  „Der  Grundgedanke,  der  der  Erfindung  zugrunde  liegt,"  —  sagt  Robert 
a.  a.  O.  S.  15  in  Anlehnung  an  Brunn  von  der  Beschreibung  des  Schildes  - 
„ist    ebenso    einfach    wie    großartig.     Hephaistos    stellt    auf  dem  Schilde  dar  die 

2')  Vgl.    die    Darstellungen    der     geometrischen  25)  Carl   Robert,    Studien   zur  Ilias    S.  17.  Anm. 

Vasen,  die  im  Gegenständlichen   völlig  aufgehen.  '    W,  Reichel   a.a.O.  S.  146. 


Studien   zur  kretisch-mykenischen  Kunst  249 

ganze  Welt  mit  dem  was  darin  ist,  das  Große  wie  das  Kleine,  Erde,  Meer  und 
Himmel  und  das  Leben  der  Menschen  in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande"  -  -  das 
ist  doch  Geist  vom  dem  Geiste,  der  aus  den  kretisch-mykenischen  Kunstwerken 
zu  uns  spricht!  Dem  Sinne  dieser  Kunstauffassung-  entspricht  auch  die  Gegen- 
überstellung einer  friedlichen  und  einer  kriegerischen  Stadt  (2  400  ff  und  509  ff.); 
eine  Kontrastwirkung  auf  Grund  von  Ruhe  und  Bewegung,  von  Beschaulichkeit 
und  äußerster  Kraftanspannung;  wer  wird  hier  die  auffallende  Analogie  mit  den 
beiden  Bechern  von  Vaphio  verkennen  wollen?  Die  Darstellung  der  Jahreszeiten 
(2  541,  550  und  561),  die  durch  die  Bilder  des  Pflügens,  der  Ernte  und  der  Wein- 
lese27) gegeben  sind,  bezeugen  die  Kraft,  Typen  zu  erfassen  und  diese  als  Symbol 
für  das  ganze  hinzustellen;  die  Einzelbilder  hören  auf  Genreszenen  zu  sein,  in- 
dem sie  sich  zu  einer  höheren  Einheit  verbinden,  zum  Symbole  des  Jahres,  der 
Zeit,  der  Vergänglichkeit.  Zusammengefaßt  wird  die  ganze  Komposition  durch 
das  Band  des  Stromes  Okeanos  (2  606). 

Daß  freilich  die  Beschreibung  des  Schildes  geradezu  auf  Autopsie  beruhe28), 
ist  zweifelhaft,  für  unsere  Frage  auch  durchaus  belanglos.  Das  Wesentliche  ist 
wohl,  daß  Kompositionen,  wie  sie  vom  Dichter  beschrieben  werden,  künstlerische 
Eigenheiten  verraten,  die  wir  nach  den  erhaltenen  Denkmälern  gerade  der 
kretisch-mykenischen  Kunst epoche  zuerkennen  müssen.  —  Es  waren  also  un- 
zweifelhaft Kunstwerke,  die  in  der  kretisch-mykenischen  Kunst  wurzelten,  vor- 
handen oder  doch  in  der  Phantasie  noch  lebendig,  als  von  einem  späteren 
Dichter  jener  Prunkschild  beschrieben  wurde211).  Gerade  der  Umstand,  daß  er 
solch  glänzendes  Werk  für  den  ersten  Helden  und  vom  Gotte  selbst  her- 
gestellt sein  läßt,  möchte  die  Annahme  rechtfertigen,  daß  es  dem  Dichter  in  der 
Zeit,  in  der  er  selber  schuf,  fast  unmöglich  schien,  daß  von  Menschenhand  ähn- 
liches geschaffen  werden  konnte;  dies  deutet  bereits  auf  eine  spätere  Zeit  des 
Verfalles.  Die  ganze  Schildbeschreibung  aber  lediglich  als  Erfindung  des  Dichters 
hinzustellen,  scheint  unerlaubt. 

II.  Seit  dem  Bekanntwerden  der  Becher  von  Vaphio  wurde  manches  für  und 
wider  zur  Erklärung  der  „Terrainformen"  gesprochen  und  A.  Riegl  versuchte 
in  dem  erwähnten  Aufsatz  (Jahreshefte  IX  10)  ohne  hinlängliche  Gründe  diese 
Formen   wenigstens   zum  Teil  als  Wolken  zu  deuten.    Die  analogen  Formen  auf 

2;)  H.    Brunn,     Griech.     Kunstgesch.    I    74  ff.;  •')    Vgl.    U.     v.     Wilamowitz-Moellendorff,     Die 

Robert  a.a.O.  S.  15   Anm.  1.  griechische  Literatur  des   Altertums    II. 

M)  "W.  Reichel  a.  a.  O.   S.  15  b. 

Jahreshefte  des  österr.   archäol.    Institutes   Bd.  XI.  J2 


25° 


A.   Reiche! 


den  mykenischen  Dolchklingen,  besonders  aber  die  mit  diesen  verwandten 
Gebilde  auf  kretischen  Gemälden30),  lassen  die  Deutung  als  Terrainformen  ge- 
sichert erscheinen31),  so  daß  der  Gedanke  an  einen  primitiven  horror  vacui  hin- 
fällig wird.  Eine  Vergleichung  mit  analogen  Formen  auf  Gemmen  bestätigt 
diese  Annahme  vollauf. 

Es    lassen    sich   deutlich   zwei    voneinander   vollständig   verschiedene  Typen 
der  Terrainformen  unterscheiden: 

Der  erste  Typus  ist  gekennzeichnet  durch  eine  knorrig-zackige  Formen- 
gebung.  Er  findet  sich 
am  charakteristischesten 
auf    den     Bechern     von 

Vaphio    und     einigen 
Gemmen32)    und    ist   zu- 
meist in  plastischer  Tech- 
nik ausgeführt. 

Der  zweite  Typus 
unterscheidet  sich  vom 
ersten  durch  seine  eigen- 
tümliche konzentrische 
Anordnung  des  Kon- 
turs der  unregelmäßi- 
gen, meist  in  maleri- 
scher Technik  ausge- 
führten Formen.  Als  bezeichnendes  Beispiel  werden  das  Fresko  aus  Haghia 
Triada  und  die  Dolchklingen  zu  nennen  sein.  Doch  findet  sich  diese  Form  auch 
auf  mykenischen  Vasen33). 

Der  zweite  Typus  läßt  wiederum  zwei  verschiedene  Arten  erkennen: 

a)  Konzentrische  Formen  ganz  unregelmäßiger  Gestalt34),  die  stets  in  male- 
rischer Technik  ausgeführt  sind  (Fig.   110). 

b)  Eine  Art  Bogenstellung,  die  auf  den  ersten  Blick   vielleicht   am   ehesten 


:io:  Wandgemälde  aus  Haghia  Triada. 


'■"')  Mon.  ant.  d.  Lincei  XIII   tav.VIH.   IX. 

3I)  Fr.  Winter,  Arch.  Anz.   1890  S.  103. 

**)  A.    Furtwängler,    Antike    Gemmen     Taf.    II 
3-  8;    II  7  f. 

2  I    Furtwängler- I.öscheke,     Mykenische    Vasen 
Taf.  XXVI  n.  194. 

';   Bull,   de  corr.  hell.    1886  t.  III  6;   Mon.  ant. 


(1.  Lincei  XIII  tav.  X  ;  E .xcavation  at  I'hvlakopi  in 
Melos  pl.  III.  F.ine  Reihe  anderer  Formen,  die  nicht 
so  deutlich  ausgeprägt  sind  wie  diese,  werden  sich 
leicht  auf  diesen  Typus  zurückführen  lassen,  da  zu- 
meist die  gegenständliche  Bedeutung  kaum  einen 
Zweifel  übrig  läßt,  z.  B.  Annual  of  the  British  school 
IV  pl.  m  odei  VIII   pl,  XVIII  u.a. 


Studien  zur  kretisch-mvkenischen   Kunst 


251 


an    einen    romanischen    Rundbogenfries    erinnert35);    er    ist    mit    den    Mitteln  der 
Plastik  ausgeführt  (Fig.  111). 

Für  die  unter  a)  zusammengefaßten  Formen,  die  durch  die  Farbe  bedingt 
zu  sein  scheinen,  gelingt  es  nicht,  innerhalb  des  Kulturkreises,  der  gemeinhin 
bei  stilistischen  Untersuchungen  der  mykenischen  Kunst  in  Betracht  kommt, 
eine  nur  annähernde  Analogie  zu  finden 3(!),  während  die  Bogenstellung  des  Typus 
b)  einen  sicheren  Hinweis  auf  die  altbabylonische  Kunst  gibt37).  Dazu  kommt 
noch,  daß  die  Bekleidung  der  Frauen,  wie  sie  sowohl  auf  Gemälden38)  als 
auch  auf  ge  schnitte- 
nen  Steinen39)  in  Kre- 
ta und  auf  dem  Fest- 
lande meist  im  Zu- 
sammenhang mit  reli- 
giösen Szenen  üblich 
ist40)  (Fig.  112),  durch 
ihre     Verwandtschaft 

mit     babylonischen 
Gewändern  ihren  öst- 


35)  Am  besten  Annual 
IX  pl.  III. 

36)  Vgl.  meinen  Ver- 
such: „Über  Analogien  eini- 
ger ostasiatischer  Ornamente 
mit  Formen  der  kretisch- 
mykenischen   Kunst"  im  Memnon  I   54  ff. 

37)  Leon  Heuzey  beschreibt  ein  „Support  entoure 
de  statuettes"  (E.  d.  Sarzec,  Dgcouvertes  en  Chaldee 
pl.  21  n.  5),  das  eine  dreifache  Bogenstellung  auf- 
weist, die  als  Basis  dient  für  hockende  Gestalten. 
„Autour  de  la  base,  plus  elargee,  regne  un  ornement 
forme  de  trois  rangs  d'ecailles,  ä  1' imitation  d'une 
souche  de  palmier."  Zu  entscheiden,  ob  diese  Er- 
klärung richtig  ist,  steht  uns  nicht  zu.  Die  Ver- 
wendung dieser  Form  als  Ornament,  das,  wo  es  mir 
bekannt  ist,  stets  als  Basis  (Terrain  oder  dergleichen) 
auftritt,  ist  mit  der  Herleitung  der  Form  vom  Palm- 
stamme nicht  begründet.  Sicher  ist  die  Analogie 
der  kretischen  Fayence.  Andere  Analogien  sind:  Ein 
„bas-relief  perfore  de  1'  epoque  archai'que",  L.  Heuzey, 
Description  de  monuments  209 ;  das  Hammurabirelief, 
M.  I.  de  Morgan,  Delegation  en  Perse.  Tome  IV 
deuxieme    serie   pl.  3.    Text  p.    11  — 162.    Das  Motiv 


1 1 1  :  Reliet  aus  Knossos 

dekorativ  verwendet  auf  einer  polychromen  Schale 
aus  Knossos,  Annual  of  the  British  school  IX  p.  II I. 
3S)  Mon.  ant.  d.  Lincei  XIII  (1903)  tav.  X.  Fr. 
Halbherr  59;  Annual  of  the  British  school  IX  77. — 
Vgl.  auch  Fayencefigürchen  aus  Knossos,  'EtpTjü..  äpy_- 
1888  Taf.  8  n.  5.  Goldblech  aus  dem  dritten  Grabe 
aus  Mykenae. 

39)  J.  A.  Evans,  Journ.  of  hell  stud.  XXI  175 
fig.  51  und  p.  177  flg.  53;  Furtwängler,  Ant.  Gem- 
men III   36. 

40)  Annual  of  the  British  school  VII  29  fig.  9; 
Furtwängler,  Ant.  Gemmen  I  Taf.  II  n.  90;  Bd.  II 
S.  9  n.  20,  Bd.  I  Taf.  IV  n.  3,  Bd.  II  S.  25  n.  3; 
vergl.  A.  Milchhöfer,  Anfänge  der  Kunst  in  Griechen- 
land 93  ff.,  der  in  der  falschen  Voraussetzung  eines 
nackten  Oberkörpers  die  babylonischen  Analogien 
übersieht.  Dagegen  Studniczka,  Beitr.  z.  Gesch.  der 
Tracht  30  f. 


252 


A.   Reichel 


liehen  Ursprung  vermuten  läßt41)  (Fig.  113).  Demgegenüber  wird  die  der 
ersten  Gruppe  von  Terrainformen  zugrunde  liegende  Stilisierung  infolge  unserer 
Kenntnis  mykenischer  Naturwiedergabe42)  leicht  als  dieser  Kunst  eigentümlich 
erkannt  werden. 

Im  Anschluß  an  diese  Beobachtung  möchte  ich  noch  einige  Probleme  der 
kretischen  Malerei  erörtern.  Auf  einem  kretischen  Fresko  (Mon.  antichi  dei  Lincei  XIII 
tav.  VIII  und  X)  sind  sowohl  die  Blätter  als  auch  die  Stengel  mit  derselben  Farbe 
ohne  Innenzeichnung  ausgeführt  und  wirken  hauptsächlich  dadurch,  daß  sie  sich 
dunkel  von  einem  hellen  Grunde  abheben43).  Andere  reicher  entwickelte  Darstel- 
lungen von  Pflanzen44)   zeigen  zwar  einen    größeren   Reichtum   der  Farbenskala, 

doch  ist  auch  hier  die  Farbe  wesentlich  darauf  beschränkt, 
ein  deutlicheres  Absetzen  der  einzelnen  Teile  zu  mar- 
kieren, als  durch  bloße  Zeichnung  möglich  wäre;  die 
Wirkung  der  Darstellung  ist  hervorgerufen  durch  die 
starke  Silhouettenwirkung  der  durchaus  dunkler  gehal- 
tenen Farbe  der  Pflanze  gegen  den  hellen  Grund.  Dazu 
kommt  ein  feiner  Schwung  der  Linie  und  eine  Sorgfalt 
der  Ausführung,  die  kein  zufälliges  Detail  vernachlässigt. 
Eine  durchaus  entsprechende  Beobachtung  kann  man  bei  den  Darstellungen  von 
Architektur  machen45),  denn  die  Künstler  zeigen  in  diesen  Gemälden  entsprechend 
den  silhouettenartig  dargestellten  Pflanzen  die  absolut  frontale  Ansicht  des  Aufbaues. 
Es  fragt  sich  nun,  ob  die  Farbe  ausschließlich  zur  Kontrastwirkung  verwendet  wurde 
oder  ob  ihr  auch  eine  naturalistische  Bedeutung  zukam.  Für  letztere  Annahme 
möchte  u.  a.  die  Darstellung  einer  Volksversammlung  sprechen,  in  welcher  Männer 
und  Frauen  ganz  nach  ägyptischer  Art  durch  rote  und  weiße  Farbe  gekennzeichnet 
sind.  Ein  wichtiges  Kriterium  in  dieser  Frage  wird  uns  eine  statistische  Zusammen- 
stellung der  bedeutendsten  farbigen  Stücke  gewähren.  Auf  24  Darstellungen  des 


Geschnittener  Stein 
aus  Kreta. 


")  Hammurabi-Stele,  Delegation  en  Perse  a.  a.  O. 
Fragment  eines  Basreliefs  aus  Teil  de  la  Citadella 
ebenda  I,  Fouilles  ä  Suse  en  1897 — 1898  et  1898 
— 1899  ,av-  '!'•  Fragment  eines  Basreliefs  des  Königs 
Naram-Sin,  The  Babylonian  expedition  of  the  Univer- 
I  Pennsylvania.  Series  A.  Cuneiform  Texts  H. 
V.  Hilprecht.  I  Part  I.  pl.  XXII.  I-ragment  einer 
sitzenden  männlichen  Gestalt  aus  Telloh,  E.  d.  Sarzec 
pl.  22,  vgl.  auch  L.  Heuzey,  Döscription  des  Monu- 
ments 211.  Votivtablette  des  Entcmena,  Sarzec  a. 
a.  O.  pl.  5W1  n.  2.  Die  Stele  des  Königs  Eunnadu, 
ebenda  pl.  3bis.    Vgl.  Lehmann,   Klio  IV  38  f. 


42)  Vgl.  die  Flußlandschaft  auf  der  Dolchklinge 
Bull,  de   corr.  hell.  1886  pl.  I. 

43)  Dazu  die  naturalistischen  Malereien  auf  knos- 
sischen  Vasen,  Duncan  Mackenzie,  Journ.  of  hell, 
stud.  XXIII   (1903)   p.  195   u.  a. 

M)  Mon.  ant.   d.   Lincei  XIII  tav.  IX. 

*'■>)  Journ.  of  hell  stud.  XXI  193  pl.  V;  die 
Rekonstruktion:  Annual  of  the  British  school  at 
Athens  X  42  und  pl.  II;  Journ.  of  hell.  stud.  XXI 
136  fig.  18;  J.  Durm,  Über  vormykenische  und  my- 
kenischc   Architckturformen,  Jahreshefte  X   41  ff. 


Studien  zur  kretisch-mykenischen   Kunst 


253 


Menschen,  teils  in  ganzer  Figur,  teils  in  Fragmenten,  wie  ich  sie  aus  der  Lite- 
ratur und  nach  meinen  eigenen  Notizen  im  Museum  von  Candia  zusammen- 
stellte, kommen  17  mit  weißer  oder  heller  Körperfarbe;  eine  Anzahl  ist  auch 
sonst  deutlich  als  Frauen  charakterisiert.  Eine  Darstellung  (Candia,  Museum  n.  44) 
ist  aber  sicher  als  männlich  anzusprechen.  Es  ist  dies  das  große  Gemälde  eines 
nackten,  nur  mit  einem  Schurze  bekleideten  „Häuptlings".  Er  trägt  einen 
mächtigen  Haarputz  und  hellblauen 
Federbusch.  Sein  Haar  ist  schwarz,  sein 
Lendenschurz  rot  und  blau  gestreift. 

In  neuerer  Zeit  war  man  auf  Grund 
der  kretischen  Frauenbilder  geneigt,  den 
Gaukler  auf  dem  Tirynther  Stierbilde, 
der  von  seinen  Entdeckern  als  Mann  ge- 
deutet wurde,  als  weibliche  Gestalt  in 
Anspruch  zu  nehmen46).  Wiewohl  dies 
auch  heute  noch  meine  persönliche  An- 
sicht ist,  muß  doch  betont  werden,  daß 
angesichts  des  früher  angeführten  weißen 
Männerbildes  unser  Urteil  in  dieser  Frage 
nicht  zurückhaltend  genug  sein  kann. 
Der  Glaube,  daß  die  Stierspiele  nur  von 
Mädchen  geübt  wurden,  was  diesen 
Spielen  einen  etwas  pikanten  Reiz 
gegeben  hätte,  der  in  den  Rahmen 
der  ganzen  Kultur  recht  wohl  paßte, 
ist  sicher  unhaltbar;  umsomehr  als  in  Knossos  ein  Gemälde  zu  Tage  kam,  mit 
der  Darstellung  einer  Szene  aus  diesen  Spielen,  in  der  drei  Personen  beteiligt 
sind;  von  diesen  sind  zwei  hellfarbig  (von  denen  eine  durch  Angabe  der  Brust 
sicher  weiblich  ist);  die  dritte  zeigt  roten  Farbenton;  also  ein  Mann.  Oder 
sollte  hier  eine  Frau  dunkel  gemalt  sein?  Man  könnte  verleitet  werden,  an 
die  libyschen  Frauen  zu  denken,  die  zur  Erklärung  des  Gefäßes  von  Haghia 
Triada  herangezogen  wurden.  Kaum  anzunehmen  ist  dies  von  den  beiden  „in 
einer  Art  Hechtsprung"  durch  die  Luft  fliegenden  Gestalten  aus  Orchomenos 
(Bulle,  Orchomenos  Taf.  XXVIII  n.  8)  die  in  ihrer  Formengebung  sicher  männ- 
lich  sind.     Auch    das  Kostüm    kann  uns  keinen    sicheren    Anhalt  geben,  da  die 

46)  A.    Mosso,    Escursioni    nel    Mediterraneo    e  gli  scavi  di  Creta   184. 


113 


Hanimurabi-Stele. 


254  A.   Reichel 

Gestalten  auf  den  Bildern  des  Steinsarkophages  aus  H.  Triada  Trachten  er- 
kennen lassen,  die  von  hellen  und  dunkeln  Personen  in  gleicher  Weise  ge- 
tragen werden47). 

Unter  den  Darstellungen  mit  Menschen  dunkler  Körperfarbe,  die  ich  genauer 
studieren  konnte,  ist  nur  das  Bild  des  Gefäß  tragenden  Jünglings  durch  die  Formen- 
gebung  sicher  als  männlich  zu  bezeichnen;  alle  übrigen  könnten  sowohl  ihren 
Formen  als  auch  ihrer  Kleidung  nach  ebensogut  als  weiblich  gelten.  Wir  können 
es  also  nur  als  wahrscheinlich  bezeichnen,  daß  wir  hier  bei  Darstellungen  von 
Menschen  mit  heller  und  dunkler  Körperfarbe  berechtigt  sind,  durch  hell  und 
dunkel  Frau  und  Mann  unterschieden  zu  betrachten;  mehr  nicht.  Dies  ist  die 
primitive  Darstellungskonvention  in  Ägypten,  die  auch  für  das  Bild  der  Volks- 
versammlung gesichert  ist48).  Von  einer  naturalistischen  Anwendung  der  Farbe 
kann  aber  nicht  die  Rede  sein,  hell  und  dunkel  werden  nur  gewählt,  um  die  ge- 
wollte Darstellung  zu  verdeutlichen. 

Von  sechs  Bildern  eines  Stieres  sind  drei  hell  auf  blauem  Grunde  (das  Stierbild 
aus  Tiryns  und  zwei  aus  dem  Museum  von  Candia),  drei  dunkel  auf  hellem  Grunde 
(Museum  von  Candia).  Die  Augenlider,  Geschlechtsteile  usw.  sind  mit  roter 
Farbe  angegeben;  das  Hörn  eines  dunkeln  Stieres  ist  blau.  Die  Stiere  vom  Tirynther 
Bilde  und  vom  großen  Bilde  aus  Candia  (Mus.  n.  29)  haben  dunkelgelbe  bis  rot- 
braune Innenzeichnung,  die  besonders  beim  Tirynther  Bilde  interessante  Formen 
annimmt4'1)  und  nicht  einwandfrei  naturalistisch  bezeichnet  werden  kann.  Des- 
gleichen werden  die  blauen  Hörner  des  einen  Stieres  kaum  der  Natur  entsprechend 
genannt  werden  können. 

Auf  dem  Gemälde  mit  der  lauernden  Katze  aus  Haghia  Triada  erscheint  der 
Vogel  mit  dem  schönen,  roten  Gefieder  sehr  realistisch  in  der  Farbe;  daneben 
stehen  aber  Pflanzen,   die   in    einem   helleren    und   dunkleren   Braunrot  sich   vom 

")  F.  v.  Duhn,  Deutsche  Rundschau  1903  S. 386;  Flecken  eingefaßt  wird,  während  der  mittlere  Teil 
Arch.  f.  Religionsw.  VII  264  ff.  freibleibt.  Man  denke  sich  einmal  diese  Randflecken 
1  1  |ourn.  of  hell.  stud.  XXI  pl.  V.  weg!  —  der  Stier  wird  sogleich  an  Plastik  ver- 
l7)  Auf  die  Bedeutung  dieser  Flecken  hat  bereits  lieren.  Liegt  hier  ein  primitives  Kunstmittel  vor,  mit 
M.  M.iyer  (Myken.  Beiträge  I.  Jahrbuch  1892  S.  72)  dem  der  Künstler  operierte,  um  seinem  Bilde  eine 
hingewiesen.  Angenommen,  daß  der  Maler  einen  Wirkung  zu  geben,  die  er  am  Vorbilde  instinktiv 
fleckigen  Stier  malen  wollte,  was  mir  wohl  sicher  zu  empfand,  deren  physikalische  Ursachen  und  Dar- 
sein scheint,  ist  es  doch  auffallend,  daß  diese  Flecken  Stellungsmöglichkeiten  (Farben  und  Linienperspektive) 
nicht  willkürlich  am  Körper  angebracht  sind,  etwa  ihm  aber  noch  unbekannt  sein  mußten?  —  Furt- 
wie  am  gefleckten  Stiere  von  Benihassan  (Lepsius,  wängler-Löschcke,  Myken.  Tongcf.  Taf.  XL1  n.  424 
Denkmäler  Ägyptens  und  Äthiopiens  Abteil.  II  zeigt  eine  fragmentierte  Darstellung  eines  Stieres,  die 
l'.l.  152  h),  sondern  gewissermaßen  an  den  Kontur  analoge  Flecken  aufweist, 
gebunden  scheinen,  so  daß  der  Stierkörper  rings  von 


Studien  zur  kretisch-mykenischen  Kunst  255 

gelblichen  Grunde  abheben50);  dann  wiederum  gibt  ein  knossischer  Maler  einen 
äußerst  fein  gezeichneten  Strauch  (Museum  von  Candia)  auf  matt  blauem  Hinter- 
grunde in  naturalistischem  Grün  hingesetzt  oder  weiße  Lilien  mit  deutlich  gelben 
Staubfäden  und  grünen  Kelchblättern  auf  rotem  Grunde51).  Scheint  das  nicht 
unmittelbar  der  Natur  abgelauscht?  Wenn  wir  Details,  wie  eine  weiß-blau-rote  um 
die  Hand  geschlungene  Binde,  rote  Bänder  zur  Befestigung  der  Kniepanzer,  rote 
Bänder  im  Haar,  rote  Lippen  und  rote  Brustwarzen  der  Frauen  sehen,  oder  wenn 
die  Leier  in  goldgelber,  die  Kleider  der  Frauen  und  Männer  in  bunten  Farben 
wiedergegeben  sind,  so  ist  es  doch  das  Nächstliegende,  an  naturalistische  Wieder- 
gabe von  Vorbildern  zu  denken;  ein  prächtiges  Stück,  wie  das  Fragment  einer 
Hand,  die  auf  blauem  Bande  ein  Goldgeschmeide  trägt52),  kann  uns  in  dieser 
Auffassung-  nur  bestärken.  Trotzdem  halte  ich  es  für  unzulässig,  aus  den  Farben 
unbedingt  auf  die  Gleichfarbigkeit  des  betreffenden  dargestellten  Naturobjektes 
zu  schließen.  Die  bereits  genannten  Stücke,  zu  denen  noch  manch  anderes  (z.  B. 
ein  kleines  Fragment  im  Museum  von  Candia  mit  einer  Darstellung  von  Gesträuch 
in  blauer  und  roter  Farbe)  kommt,  sprechen  dagegen  und  man  wird  deshalb 
auch,  so  sehr  einzelne  Details  auf  dem  Gemälde  der  Tempelfassade  in  Knossos 
(z.  B.  die  braunen  Holzsäulen,  der  Kyanosfries,  die  hellen  und  dunkeln  Ziegel) 
sicher  die  naturalistische  Farbe  wiedergeben,  nicht  so  weit  gehen  dürfen,  die 
Lokalfarben  der  drei  Nischen  (rot,  blau,  gelb)  als  naturalistische  Wiedergabe  eines 
Tatbestandes  aufzufassen. 

Nur  so  weit  wir  den  kretischen  Maler  kontrollieren  können,  dürfen  wir  ihm 
glauben,  wenn  wir  auch  seine  Farbenfreudigkeit  als  glänzenden  Vorzug  empfinden. 
Das  Wesentliche  ist  stets  durch  die  Linienführung  gegeben  und  es  ist  kein 
technischer  Zufall,  daß  die  kretischen  Malereien  von  einem  dunkeln  Kontur  ein- 
gefaßt erscheinen.  Er  ist  das  Primäre.  Zur  Linienführung  tritt  die  Farbe  als 
Accidens  hinzu;  sie  ist  in  breiten  Tönen  hingesetzt,  gibt  die  Lokalfarbe,  unter- 
stützt wohl  auch  die  Zeichnung  durch  die  auf  Grund  ihrer  Helligkeitsunterschiede 
entstehenden  Kontraste;  eine  selbständige  Bedeutung  fällt  ihr  nicht  zu.  —  Dies 
sind  Eigentümlichkeiten  des  Stils,  die,  abgesehen  von  der  Farbenfreudigkeit,  der 
ägyptischen  Malerei  zukommen53).  Die  Stärke  der  ägyptischen  Kunst  liegt,  wenn 
man   von  der  monumentalen  Rundplastik  absieht,  in  der  Zeichnung.   Die  Malerei 

50)  Blüten  und  Sträuclier  auf  dem  Gemälde  Mon.  52)  Annual    of    the    British    school    at    Athens 
ant.  XIII,     tav.  IX    aus    Phaistos     zeigen    ähnliche       X   29. 

Farbengebung.  i3)  F.  Halbherr,  Mon.  ant.  d.  Lincei  XIII  (io,i>3) 

51)  Bruchstück  eines   Fresko  aus   Knossos,    Mu-       p.  55  IT. ;    vgl.    Steindorff,    Blütezeit    des    Pharaonen- 
seuni   von  Candia  n.Ji.  reiches   101    Abb.  87. 


256  A.  Reicliel 

ist  der  Zeichnung-  gänzlich  unterworfen  und  begnügt  sich,  die  Farbe  zur  Ver- 
lebendigung der  Zeichnung  innerhalb  der  durch  die  Konturierung  geschaffenen 
Flächen  auszugießen54).  Da  nun  in  der  kretischen  Malerei  sich  ägyptische  Motive 
finden,  so  wird  man  bei  der  Ähnlichkeit  der  Technik  nicht  fehlgehen,  wenn  man 
sie  eben  als  von  Ägypten  übernommen  betrachtet. 

Wesentlich  anders  verhält  es  sich  bei  der  Plastik.  Aus  Knossos  ist  uns 
ein  Fragment  eines  in  bemaltem  Stuck  ausgeführten  Reliefkopfes  eines  Stieres 
erhalten55).  Wir  sehen  hier  den  ernsten  Versuch,  die  Naturform  im  plastischen 
Materiale  nachzuahmen,  nicht  freiplastisch;  flächenhaft,  in  richtiger  Erkenntnis 
dessen,  was  wir  Reliefstil  nennen,  sind  die  Formen  wiedergegeben.  Von  solcher 
Formauffassung  scheint  die  ägyptische  Weise  durchaus  verschieden.  Vergleichen 
wir  z.  B.  das  Bild  des  Amen-em-het56),  das  in  En  creux-Technik  ausgeführt 
ist;  die  dadurch  entstandene  scheinbare  Modellierung  hat  mit  der  Körper- 
form, der  sie  inhäriert,  nichts  zu  tun;  sie  ist  zufällig,  der  Technik,  nicht  der 
Naturform  des  darzustellenden  Körpers  entsprungen.  Die  notwendige  Innen- 
zeichnung wird  durch  ganz  schwach  vertiefte  Rillen  im  Steine  angegeben.  Man 
wird  dieses  Stück  mithin  richtiger  als  Zeichnung,  denn  als  Relief  bezeichnen 
müssen,  wenn  man  unter  Relief  mehr  als  die  bloße  Technik  verstehen  will. 
Aber  auch  die  nicht  in  En  creux-Technik  ausgeführten  Reliefs  lassen  Eigen- 
tümlichkeiten erkennen,  die  uns  geneigt  machen,  sie  der  Zeichnung  näher  zu 
stellen,  als  dem,  was  gemeinhin  unter  Relief  verstanden  wird67).  Wie  verhält  es 
sich  hier  mit  der  Innenzeichnung?  Bei  der  Darstellung  einer  mit  weiten  Ge- 
wändern bekleideten  Gestalt,  deren  Körperformen  durch  das  Gewand  hindurch 
sichtbar  werden,  löst  der  ägyptische  Künstler  das  Problem,  indem  er  sowohl 
die  Körperform,  als  auch  das  Gewand  in  der  ihm  geläufigen  Relieftechnik  aus- 
führt, ohne  Rücksicht  auf  die  sich  daraus  ergebenden  Ungereimtheiten;  die 
feine  Fältelung  des  Gewandes  wird  dann  über  die  ganze  Fläche  durchgeführt58). 

M)  Auf  Gemälden    der  ältesten  Zeit  finden  sich  Vorderasiatische  Altertümer  II  Taf.  109),  eine  sitzende, 

noch    mehr  Details    der    Innenzeichnung     bei    sonst  mi'    einem   weiten    Gewände   bekleidete  Gestalt    dar- 

völliger  Flächcnhaftigkeit,  z.  B.  J.  Capart,  Les  debuts  stellend.  Relief  vollständig  flach;  der  Kontur  nur  durch 

de  l'art   en    Egypte    2   u.   3,    Les  oies    de   Meidoum.  flaches  Abheben  des  Steines  erzielt. 

—  Später  wird  die  Innenzeichnung  immer  mehr  auf  58)  Perrot  et  Chipiez  I   789  fig.  5 19.  Porträt  der 

das  Notwendige  beschränkt,    z.  B.   Perrot  et  Chipiez  Königin  TU;  oder  Grabmalereien  der  Königin  Nefret- 

I  pl.  XII  oder  p.  731  fig.  524,  Malerei  aus  Theben  u.  a.  Ere  und  ihres  Sohnes  Amenophis  I.  (Ägyptische  und 

")  Annual  of  the  British   school   VI   52.  vorderasiatische   Altertümer  I    Taf.   24).     Es   ist    die 

Vgl.    Ägyptische  und  Vorderasiatische  Alter-  Malerei,  resp.  Zeichentechnik  tale  quäle  auf  die  Stein- 

tümer  aus    den  kgL   Museen    zu  Berlin  II    Taf.   105.  technik  übertragen.   Das  Bild  des  Königs  Seti  I  (Hirtlis 

Denkstein  des  Amen-em-het  (um    1500  v.   Chr.)  Formenschat/.   1904  n.  25)  läßt  dieselbe  Technik   er- 

5")  Vgl.   Relief  einer  Grabwand  (Ägyptische  und  kennen,  nur  ist  es  bemalt;  die  Farbe  spielt  aber  die 


Studien  zur  krelisch-mykenischen  Kunst  257 

Das  ägyptische  Relief  ist  also  im  wesentlichen  Zeichnung511)  und  steht  so 
im  auffallendsten  Gegensatze  zum  knossischen.  Dieses  läßt,  wie  wir  sahen,  be- 
wußte, wenn  auch  nur  beiläufige  Modellierung  erkennen.  Vergleicht  man  den 
modellierten  mit  dem  gemalten  Stierkopfe  in  der  Bildung  des  Auges,  der  Wieder- 
gabe der  Haut  usw.,  so  zeigt  sich,  daß  Relief  und  Malerei  recht  verschiedene 
Wege  gingen.  Ähnlich  verhalten  sich  das  knossische  Fragment  eines  Vasen 
tragenden  Armes  und  das  Gemälde  des  ein  Gefäß  tragenden  Jünglings.  Im  be- 
kannten Ziegen-Relief0)  ist  es  uns  am  besten  möglich,  die  ganze  Komposition  zu 
überblicken;  hier  zeigen  sich  zwar  alle  die  Schwächen  der  kretischen  Zeich- 
nung in  der  Führung  des  Konturs,  aber  auch  ihre  Stärke  geht  klar  daraus 
hervor;  dazu  gesellt  sich  eine  feine  Auffassung  des  Reliefmäßigen,  die  nie 
aufdringlich,  doch  stets  die  plastische  Formung  ahnen  läßt.  —  Ist  es  ein  Zufall, 
daß  dieses  Stück  schon  einmal  unsere  Aufmerksamkeit  nach  dem  Osten  lenkte? 
Die  schon  früher  genannte  Hammurabi-Stele  läßt  einen  Reliefstil  erkennen, 
der  mit  dem  ägyptischen  keinerlei  Ähnlichkeit  aufweist,  vielmehr  aus  der  Rund- 
plastik hervorging61).  Das  durchmodellierte  Relief  hebt  sich  fast  vollkörperlich 
vom  Hintergrunde  ab;  alle  Innenzeichnungen  und  Details  sind  modelliert,  nicht 
nach  Art  des  Zeichners  eingeritzt.  Es  scheint  also  die  Relieftechnik  der  kretischen 
Kunst,  wie  die  Terrainbehandlung  und  eine  gewisse  Verwandtschaft  der  Kostüme, 
ebenfalls  auf  östliche  Beeinflussung  hinzuweisen.  Konnte  man  jedem  einzelnen 
dieser  Argumente  nur  mit  größter  Vorsicht  folgen,  so  dürfte  der  Zusammenschluß 
gegenständlicher,  wie  auch  stilistischer  Analogien  doch  mehr  Gewähr  bieten,  um 
eine  bestimmter  faßbare  Beeinflussung  der  kretisch -mykenischen  Kultur  durch 
die  babylonische  voraussetzen  zu  können.  Für  diese  Annahme  sprechen  noch 
andere  Erwägungen.  Auch  der  große  Verbrauch  von  reinem  Golde62)  lenkt 
unser  Augenmerk  nach  dem  Osten,  denn  ein  Brief  des  Königs  Burraburiasch63) 
von  Babylon  an  den  König  Amenophis  IV.  von  Ägypten  läßt  uns  ohne  Zweifel 
Babylon  als  das  goldliefernde  Land  erkennen  H). 

Rolle,  die  sie  bei  den  entsprechenden  bemalten  Zeich-  wie  sie  die  Statue  eines  altsumerischen  Würdenträgers 

nungen  inne  hatte;  sie  ist  Lokalfarbe.  im  britischen   Museum    (C.  Bezold.    Ninive    und  Ba- 

59)  Dies  gilt  für  die  späteren  Reliefs  (z.  B.  der  bylon  25  Fig.  19)  zeigt,  begegnen  uns  wieder  auf 
Königin  Kleopatra:  Hirth's  Formenschatz  189g  n.  37),  einem  Relief  aus  der  dem  Könige  Our-Nina  folgenden 
die  ausgesprochene  Relieftechnik  zeigen,   nicht.  Epoche   (vgl   Sarzec,    Decouvertes   en    Chaldee    pl.  I; 

60)  Annual  of  the  British  school  IX  pl.  III.  Ein  L.  Heuzey    196). 

zweites    ähnliches    und    ein   Fragment    eines    dritten  62)  A.   Milchhöfer,  Anfänge  der  Kunst  in  Grie- 

notierte    ich  im  Museum    von  Candia.    Beide  zeigen  chenland   27. 

nicht  die  eigentümliche  Terrainform.  63)  H.   v.   Fiitze,  Strena  Helbigiana   78. 

61)  Die  Gestalten  des  Reliefs  geben  durchaus  For-  M)  Vgl.  Verzeichnis  der  vorderasiatischen  Alter- 
men  babylonischer  Freiplastik.  Typische  Gesichtszüge,  tümer    d.  kgl.   Museen    in    Berlin    iSSg    S.  105.    Auf- 

Jalireshefte  Jos  österr    archäol.   Institutes  HJ.  XI.  »5 


258  A.  Reichel,  Studien   zur  kretisch-mykenischen  Kunst 

Wir  versuchten  früher  zu  zeigen,  daß  durch  die  Übernahme  der  ägyptischen 
Maltechnik  Bestandteile  der  ägyptischen  Formensprache  in  die  kretische 
Kunstweise  aufgenommen  wurden;  in  ähnlicher  Weise  werden  auch  die  baby- 
lonischen Formen  ihren  Weg  nach  Kreta  getunden  haben65).  Die  Abhängigkeit  der 
kretischen  Malerei  von  der  ägyptischen  vermittelte  uns  das  Verständnis  für  das 
Wesen  der  Zeichnung;  der  babylonische  Reliefstil  führt  uns  ungezwungen  zur 
Plastik.  Monumentale  Rundplastik  ist  in  Kreta  unbekannt 6l!) ;  doch  geben  uns 
Elfenbeinstatuettchen  von  der  Vollendung  der  Kleinplastik  Kunde. 

Man  darf  also  annehmen,  daß  in  Kreta  eine  Kreuzung157)  von  äußeren  Ein- 
flüssen vorliegt,  die  sich  in  erster  Linie  auf  die  Technik  der  Kunstübung  er- 
streckte. Naturgemäß  werden  dabei  fremdländische  Formen  mitgerissen,  die  an 
der  jeweiligen  Technik  stärker  und  länger  haften  bleiben  und  deren  freie  Um- 
bildung und  Vermischung  untereinander  Formen  zeitigte,  die  ein  durchaus  eigen- 
tümliches Gepräge  zur  Schau  tragen.  Wurde  versucht,  die  fremdländischen  Ein- 
flüsse auf  dem  Umwege  der  Technik  einerseits  von  Ägypten,  anderseits  von 
Babylonien  herzuleiten,  so  müssen  wir  angesichts  der  überraschend  selbständigen 
Verarbeitung  so  disparater  Einflüsse  auf  eine  ganz  einzig-  dastehende  künst- 
lerische    Eigenbegabung     der    Bevölkerung    schließen,    die    es    verstand    eine    so 

geschlossene  künstlerische  Kultur  zu  begründen r'8). 

• 

Wien,  Jänner   1908.  ANTON  REICHEL 

f.illend  ist,  daß  Kreta  hinter  dem  Goldreichtume  des  hc'ifer,  Anfänge  der  Kunst  in   Griechenland   5.  43.  52 

Festlandes  zurücksteht.  u.    127. 

65)  Diese  Erscheinung  ist  auch  sonst  beobachtet,  G9)  Diese  Scheidung    bleibt    immerhin   auffällig; 

z.     B.    Th.     Wiegand,     Die    archaische    Porös  irchi-  eine    etwas  genauere  Kunde    über  die    babylonische 

tektur  232.  Malerei  könnte  uns  Aufschlüsse  geben.  Derzeit  weisen 

m)   Vgl.    dazu    G.   Karo,    Arch.    f.    Religionsw.  alle    erhaltenen    babylonischen    Denkmäler    auf  eine 

\  II    J<>7  ff  plastische  Auffassung.  Selbst  die  Schrift  ist  an  plasti- 

'";  E.  Reisch,  „Die  mykenischc  Fra^e",  Ver-  sches  Material  gebunden  und  fremde  Staaten  Ver- 
handlungen d.  42.  deutschen  Philologen-Versammlung  wenden  es  in  ihrem  diplomatischen  Verkehie  mit  den 
in  Wien  18948.970".  —  Vgl.  dazu  A.  Furtwängler,  babylonischen  Staaten  (C.  Niebuhr,  Die  Amarna- 
Antike  Gemmen  III  29.  Zur  Erklärung  der  hoch-  zeit).  In  Kontrast  dazu  steht  die  malerische  Schrift 
stehenden  mykenischen  Gravierkunst  werden  zwei  der  Ägypter  (altägyptische  Papyri  usw.),  während 
Beeinflussungssphären  zur  Erklärung  herangezogen:  sich  die  Kreter  einer  Schrift  bedienten,  die  gleich 
eine  rein  technische  Ägyptens  und  eine  für  die  Pro-  der  babylonischen  auf  Tontäfelchen  eingeritzt  wurde. 
v. 111.11/  der  Milder  maßgebende  des  Ostens.  A.  Milch-  (Furtwängler,    Ant.  Gemmen    111    22). 


259 


Der  Goldfund  von  Dälj. 


Im  Jahre  1906  kam  die  vorgeschichtliche  Abteilung  der  Berliner  Museen  in 
den  Besitz  einer  Anzahl  von  goldenen  Schmuckgegenständen,  die  angeblich  von 
einem  Bauern  in  einem  Weingarten  an  der  Donau  nahe  dem  Orte  Dälj  (Bezirk  Osijek) 
in  Slawonien  ausgegraben  wurden ').  Sie  sollen  sich  bei  einem  menschlichen 
Skelette  befunden  haben,  auf  dessen  Brust  eine  zerbrochene  eiserne  Lanzenspitze 
lag.  Nach  Angabe  gehörten  noch  andere  Gegenstände  aus  Eisen  und  Bronze  zu 
dem  Funde,  von  denen  ebenfalls  eine 
Anzahl  erworben  wurde  -). 

Die  Gegenstände  aus  Gold  sind 
folgende  : 

i.  Zwei  gleichartige  Zierstücke  in 
durchbrochener  Arbeit3)  (Fig.  1 14  a  b). 

Ein  spitzbogenförmiger  Teil,  an 
der  Spitze  mit  einer  Vertikalleiste 
und     zwischen    den    Bogenarmen    in 

114  ab:  Zierstücke. 

durchbrochener    Arbeit     mit     einem 

kreuz-  oder  radspeichenartigen  Einsätze  verziert,  ist  an  den  Bogenenden  verbunden 
mit  einem  winkelförmigen  Stücke,  so  daß  die  Spitze  desselben  den  einen  Arm  des 
Kreuzes  berührt.  Dieses  winkelförmige  Stück  ist  an  den  freien  Schenkelenden  vier- 
eckig erweitert  und  der  Spitze  des  Winkels  gegenüber  bogenförmig  ausgeschnitten. 
Die  viereckigen  Erweiterungen  zu  beiden  Seiten  des  Ausschnittes  sind  mit  je 
einer  reliefartig  aufgesetzten  Scheibe,  die  durch  vier  eingetiefte  Punkte  gegliedert 
ist,  verziert.  Dieses  ganze,  seinem  Kontur  nach  hufeisenförmige,  einseitig  gegossene 
Stück  ist  mit  einem  gleichartigen  zweiten  durch  eine  gewölbte,  kurze  Leiste,  die 
an  dem  bogenförmigen  Ausschnitte  der  beiden  Stücke  angesetzt  ist,  zu  dem  ganzen 
Zierstücke  verbunden.  Gr.  Länge:  0-032";  gr.  Breite:  o-o24m;  Gewicht:  37  und 
36  Gramm. 


')  Für  die  Erlaubnis  zur  Publikation  dieses 
schönen  Fundes  habe  ich  Herrn  Direktor  Schuch- 
hardt  zu  danken,  dem  ich  ebenso  wie  Hubert  Schmidt 
für  Rat  und  Beihilfe  verpflichtet  bin. 

~)  Ihre  Zugehörigkeit  zu  dem  Funde  ist  so  wenig 
gesichert,  daß  ich  sie  hier  unberücksichtigt  lassen 
muß.     Es  sind:     I.  eine   bronzene  gewölbte  Scheibe 


mit  vier  paarweise  verbundenen  Füßen  (Ivat.  n.IVd 
1420);  2.  drei  bronzene  kahnförmige  Beschläge  (IVd 
1407 — 1409);  3.  eine  bronzene  Früh-La-Tene-Fibel 
(IVd  1400);  4.  eine  kleine  bronzene  Röhre,  auf  der 
einen  Seite  mit  scheibenförmig  erweitertem  Rande 
(IVd    1404). 

3)   Kat.  n.  IVd    1364  f. 


2ÖO 


M.   Ebert 


2.  Tierförmige,  goldplattierte  Bronzeplatte4)  (Fig.  115). 

Sie  stellt  einen  Vierfüßler  dar,  mit  je  einem  Vorder-  und  einem  Hinter- 
beine. Das  Maul  des  Tieres,  aus  dem  die  lange  dünne  Zunge  vorragt,  ist  weit 
geöffnet,  die  Ohren  sind  durch  ein  kurzes,  aufrecht  stehen  des  Ohr  bezeichnet.  Der 
Hinterleib  ist  stark  eingezogen  mit  langem  dünnen  Schwänze.  Diese  ungefähr 
0*004 m  dicke  Bronzeplatte  ist  auf  der  einen  Seite  mit  feinem  Goldblech  über- 
zogen, das  mit  Ausnahme  des  Überzuges  von  Ohr,  Schwanz  und  Zunge,  die 
besonders  und  zuerst  plattiert  sind,  aus  einem  Stücke  besteht.    Das  Goldblech  ist 

um  die  schmalen  Ränder  der  Bronze- 
platte herumgebogen  und  reicht  zum 
Teil  noch  bis  in  eine  auf  der  Rückseite 
längs  der  Ränder  fortlaufende  Vertiefung. 
Schwanz  und  Zunge  sind  abgerundet 
und  beiderseits  mit  dünnem  Goldbleche 
bedeckt.  Die  Auflage  ist  auf  der  Vorder- 
seite durch  von  oben  eingetriebene  Linien, 
die  in  einer  Entfernung  von  o-oi5m  den 
Rand  begleiten  -  am  Maul  des  Tieres, 
da  wo  die  Zähne  sitzen  würden,  ist  der 
Rand  gestrichelt  —  und  durch  Kreispunkte  verziert.  Auf  dem  Hinterteile  sind  drei 
Kreispunkte  so  gegeneinander  gestellt,  daß  die  Punkte  die  Spitzen  eines  gleich- 
seitigen Dreieckes  bilden.  Die  Kreise  sind  durch  Linien,  die  von  der  Außenseite  des 
einen  Kreises  nach  der  Innenseite  des  andern  laufen,  miteinander  verbunden.  Un- 
gefähr auf  der  Brust  des  Tieres  ist  ein  gleich  orientiertes  kleineres  Tier  von  den- 
selben Umrissen  und  mit  einem  Kreispunkt  an  Stelle  des  Auges  in  das  Goldblech 
getrieben.  Auf  der  Rückseite  der  Bronzeplatte  ist  ungefähr  unter  dem  Augen- 
kreispunkte des  Ornamenttieres  der  Rest  eines  Bronzestiftes  und  am  Oberschenkel 
eine  Vertiefung,  von  einem  zweiten  Bronzestifte  herrührend,  bemerkbar. 

Beschädigungen:  Es  fehlt  ein  Stück  von  dem  untersten  Teile  des  Schwanzes, 
der  wie  bei  dem  Ornamenttiere  nach  oben  umgebogen  war.  Auf  dem  Hinterteil 
ist  in  dem  Goldblech  ein  rundes  Loch  von  ungefähr  0-005  m  Durchmesser,  unter 
dem  die  dunkelgrüne  Patina  sichtbar  wird.  Auch  ist  das  Goldblech  an  ver- 
schiedenen Stellen  des  Randes  beschädigt.   Gr.  Länge:  0-085'";  Sr-  Breite:  0*058  "\ 

3.  Offener  bandförmiger  Armring  mit  halbmondförmigen  Enden5)  (Fig.  116). 
Der   Armring  besteht  aus    einem    o-oi6m    breiten  Bande  von  dünnem  Gold- 

*)   Kat.  n.   1362.  5)  Kat.  n    IVd    1363. 


115:   Goldplattierte  Bronzeplatte. 


Der  Goldfunri    von    D&lj 


2Ö1 


bleche,  welches  in  der  Mitte  durch  eine  herausgetriebene  Mittelrippe  von  bogen- 
förmigem Querschnitte  geteilt  wird  und  dessen  Ränder  rechtwinklig  nach  außen 
umgebogen  sind.  Dieses  Band  erweitert  sich  an  den  beiden  Enden  nach  einer 
halbkreisförmigen  Einziehung  zu  zwei  halbmondartigen  Ausläufern,  die  durch  je 
einen  von  innen  nach  außen  herausgetriebenen  Hohlbuckel  verziert  sind.  Weitere 
Ornamente  sind  von  außen  eingeschlagene  Punktreihen,  die  an  den  Ansätzen  der 
Bandränder,  an  den  Rändern  der  halbmondförmigen  Erweiterungen,  zu  beiden 
Seiten  der  Mittelrippe  und  um  die  Buckel,  sowie  flachbogenförmig  auf  der  Mitte 
der  Halbmonde  sich  entlang  ziehen,  und  schräge  Striche  auf  der  Schmalseite  der 
rechtwinklig  umgebogenen   Ränder. 

Beschädigungen:  Der  Ring  zeigt 
an  einer  Stelle  des  Bandes  Spuren  einer 
Einbiegung  nach  innen  und  an  den  ent- 
sprechenden Randstellen  kleine  Risse. 
Gr.  Durchmesser:  o'o63m;  gr.  Höhe: 
0*025 m;  Gewicht:  34  Gramm. 

4.  Ornamentierter  dünner  Gold- 
blechstreifen 6)  (Fig.  1 1 7). 

Er  besteht  aus  einem  schmalen, 
langen  Bande  aus  dünnem  Goldbleche,  das  in  eine  Ebene  gelegt  kreisbogenförmig 
verläuft,  doch  ist  die  Bogenkrümmung  unregelmäßig.  Die  Breite  des  Bandes 
differiert  und  ist  an  den  schräg  abgeschnittenen  und  mit  2  —  3  Löchern  versehenen 
Enden  am  geringsten.  Das 
Band  ist  verziert  mit  heraus 
gestanzten  Ornamenten.  In 
der  Mitte,  ungefähr  gleichweit 
von  den  beiden  Längsrändern  entfernt,  befinden  sich  13,  0-03  — ooj™  voneinander 
entfernte  Buckel,  die  von  Ringleisten  eingefaßt  sind.  Die  eine  Längsseite  und  die 
Schmalseiten  werden  gesäumt  von  einer  doppelten  Punktreihe.  Auf  der  andern 
Längsseite  zeigen  sich  an  fünf  Stellen  über  dem  1.,  4.,  7.  und  13.  Buckel  die  Ab- 
schnitte von  drei  nebeneinander  gestellten  Ornamentbuckeln,  die  von  derselben  Art 
zu  sein  scheinen,  wie  die  oben  beschriebenen,  und  diese  tangential  berührend,  auf 
jeder  Seite  eine  doppelte  Punktreihe.  An  diesem  Rande  sind  Spuren  einer  feinen, 
dem  Rand  ungefähr  parallel  laufenden  Linie,  die  von  oben  eingeritzt  ist,  sichtbar. 

Beschädigungen:   Ungefähr  in  der  Mitte  des   Bandes  «kleine  Risse;  einzelne 

6)   Kat.  n.  IV  d   1366. 


116:  Armring. 


117:   Goldblechstreifen. 


2Ö2 


M.   Ebert 


der  herausgetriebenen  Punkte  zeigen  oben  ein  Loch.  Ebenso  sind  die  Befestigungs- 
löcher   an   einem  Ende,    wohl  durch   den    Gebrauch,  stark    erweitert.     Gr.  Länge: 

o*539m;  Breite:  o-oio — o-oi4m;  Gewicht:    13  Gramm. 
5.  Offener  kreisförmiger  Ring7)  (Fig.  118). 
Der  Ring  besteht   aus  einem    kreisförmig   zusammen- 
gebogenen   Drahte,    dessen    Enden    stark    verjüngt    sind 
und  sich  nicht  ganz  berühren.     Gr.  Durchmesser:    o-oi5m; 
gr.   Dicke:    o-oo2m;     Gewicht:    2    Gramm. 
11         lng'  6.  Zwei  gleichartige,  sphärische  Blechperlen s)  (Fig.  1 19). 

Die  Perlen  bestehen  aus  einem  ziemlich  dicken,  kuglig  geformten  Goldblech 
und  sind  an  den  abgeplatteten  Polen  kreisförmig  durchbohrt.  Die  Durchbohrungen 
sind  von  niedrigen  gestrichelten  Rändern  eingefaßt.  Im  Innern  zeigen  sich  keine 
Spuren  irgend  einer  Füllung. 

Beschädigungen:  Beide  Perlen  sind  leicht  eingebeult,  bei  der  kleineren  fehlt 
ein  Stück  der  einen  Randeinfassung.    Gr.  Durchmesser:    0-035  und  0-028 '";  Höhe: 

0-025  un<3  0-022™;  Gewicht: 
36  und   19  Gramm. 

7.  Zwei  gleichartig-e 
Goldblechscheiben  '•')  (Fig. 
1 20  a  b).  Sie  bestehen  aus 
einer  kreisrunden  Schei- 
be, die,  leicht  einladend, 
spitz  zuläuft  und  auf  der 
119:  Goldblechperlen.  Rückseite  unter  derSpitze 

mit    einer  bogenförmigen  Ose   versehen    ist.   Bei   der  kleineren  Scheibe  ist  diese 
Öse  verhältnismäßig  starkarmig  und  groß. 

Beschädigungen:  Die  größere  Scheibe  ist,  vermutlich  durch  einen  Druck 
oder  Stoß  von  oben,  an  der  Spitze  eingedrückt  und  zeigt  Risse.  Durchmesser: 
o-iio — 0-113  und  °'°34mj  Höhe:  0-020  und  o-oiom;  Gewicht:  60  und  12  Gramm. 
Der  Fund  wird  durch  Unverbürgtheit  der  Fundumstände  wie  durch  die  man- 
gelnde Integrität  in  seinem  Werte  von  vornherein  sehr  beeinträchtigt.  Dies 
ist  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  hier  wahrscheinlich  ein  Grabfund  vorlag,  der, 
ligemäß  gehoben,  uns  wertvolle  Aufschlüsse  über  die  Zeitstellung  der  Altertümer 
hätte  geben  können,  zumal  die  zum  Vergleiche  heranzuziehenden  Objekte  zum 
größten  Teil  Einzelfunde  oder  Depots  sind,  also  für  eine  genauere  zeitliche 
Fixierung  ein  unzureichendes  oder  schwieriges  Vergleichsmaterial  darstellen. 

7)  Kat.  n.  IVd    1361.  8)  Kat.  n.  IVd    1359  f.  9)   Kat.  n.  IVd   1 3 5 7  f . 


Der  Goldfund  von   Dalj 


263 


Daran  zu  zweifeln,  daß  die  Goldsachen  zusammen  in  demselben  Boden  ge- 
funden sind,  liegt  nach  den  Angaben  kein  Grund  vor.  Möglich  wäre,  daß  sie 
von  verschiedenen,  nahe  zusammenliegenden  Gräbern  herrührten.  Die  Annahme, 
daß  die  Gegenstände  aus  räumlich  und  zeitlich  weitgetrennten  Funden  stammen, 
wird  durch  die  Erwägung  unwahrscheinlich,  daß  relativ  seltene  Formen  wie 
diese,  die  noch  dazu    die  Teile   eines  Schmuckensembles   zu  bilden  scheinen,  wie 

es  ganz  ähnlich  in  verwandten  Funden  vorkommt, 
kaum  gleichzeitig  in  eine  Hand  gekommen  sein 
werden.  Daß  der  Schatz, 
wie  er  vorliegt,  den 
vollständigen  ursprüng- 
lichen Bestand  darstelle, 
ist  nicht  anzunehmen. 
Vermutlich  ist  manches, 
wie  oft  bei  solchen  Gold- 
funden, zerstreut  wor- 
den   und    in    verschie- 


120  a:   Goldblechscheibe. 


120  b:   Goldblechscheibe. 


dene  Hände  gelangt. 
Die  Zuweisung  der  vorliegenden  Stücke  an  einen  bestimmten  Formen-  und 
Kulturkreis  ist  schwierig  nicht  nur  wegen  der  Unsicherheit  der  Fundumstände» 
sondern  auch  wegen  des  Mangels  von  übereinstimmenden  Leitformen.  Ferner 
wegen  der  Singularität  der  Formen  selbst,  die,  wie  es  scheint,  zum  Teil  nur  bei 
Edelmetallarbeiten  verwendet  worden  und,  soweit  wir  jetzt  sehen,  nicht  über  die 
engere  Einflußsphäre  des  ungarischen  Kulturkreises  hinaus  gedrungen  sind.  Für 
die  in  Betracht  kommenden  Zeiten  der  ungarischen  Vorgeschichte  bestehen  sehr 
große  Lücken  im  Denkmälervorrate  wie  in  der  Literatur,  die  außerdem  zumeist  in 
einer  schwer  zugänglichen  Sprache  vorliegt.  Was  das  in  Betracht  kommende 
Vergleichsmaterial  selbst  betrifft,  so  besteht  dieses  in  erster  Linie  in  den  Depot- 
funden von  Michalkow  (Galizien)10)  und  Fokoru  (Koni.  Heves)  u),  und  gerade  diese 
zeigen  in  den  Formen  eine  so  eigenartige  Mischung,  daß  bis  jetzt  über  Wurzel 
und  Kraft  der  einzelnen  Stildeterminanten  noch  durchaus  keine  Klarheit  geschaffen 
ist  und  die  Ansichten  über   die  Zeitstellung    der  Funde   um    mehr    als  vier  Jahr- 

ln)  P.  Reinecke,  Zeitschr.  f.  Ethnol.,  Verhandlun-  1904.    Derselbe:  Jahreshefte  VI   115  11".:   IX    52 — 39. 
gen  XXXI  (1899)  S.  510  ff.,  der  grundlegende  Aufsatz  ")  Über  Fokoru  vgl.  die   Literatur  bei  Reinecke 

für  die  Behandlung  dieser  Denkmälergruppe;  hier  die  a.  a.  O.  S.  :;ij.   Über  beide  Funde  auch  M.  Hoeraes, 

altere  Literatur.     Die  Hauptpublikation  des   Fundes:  Jahrbuch    d.   k.   k.   Z.-K.    X.   F.  IV    2.  Teil    0.,o(>) 

K.  Hadaczek,  Zlote  Skarby  Michalkowskie,    Krakau  S.  73 — 91. 


264  M.  Ebert 

hunderte  auseinandergehen.  Demgemäß  will  die  hier  vorg-etragene  Beurteilung 
des  slawonischen  Fundes  wie  der  ganzen  Fundgruppe,  der  er  sich  anschließt,  nur 
als  ein  vorläufiger  Beitrag  zur  Lösung  der  einschlägigen  schwierigen  Fragen 
angesehen  werden. 

Zunächst  sind  die  Gegenstände  einzeln  zu  betrachten  und  das  relative  Alter 
und  die  Bedeutung  der  Stücke  durch  den  Vergleich  mit  ähnlichen  Formen  zu 
bestimmen. 

Zu  den  beiden  Zierstücken  in  durchbrochener  Arbeit  (Fig.  114)  bietet  der 
Fund  von  Michalkow  zwei  Parallelen 12).  Die  Michaikower  Stücke  zeigen  an 
Stelle  des  bogenförmigen  Teiles  mit  dem  kreuzförmigen  Einsatz  in  durchbrochener 
Arbeit  eine  kreisrunde  Scheibe  mit  kreisförmiger  Vertiefung,  in  der  reliefartig 
das  Kreuz  eingegossen  ist.  Die  Scheibe  ist  durch  eine  stabartige  Brücke  ver- 
bunden mit  einem  Stücke  von  mehr  viereckiger  Tendenz,  dessen  der  Scheibe 
zugekehrte  Längsseite  ungefähr  parallel  mit  deren  Peripherie  flügelartig  ausge- 
schweift ist  und  dessen  Ränder  auch  an  den  bogenförmigen  Ausschnitten  durch 
eine  niedrige  gestrichelte  Leiste  erhöht  sind.  An  der  Gegenseite  der  Scheibe, 
an  der  Stelle,  welche  der  mit  einer  Vertikalleiste  verzierten  Stelle  des  Spitzbogens 
des  Däljer  Stückes  entspricht,  setzt  eine  nach  innen  gerollte,  ebenfalls  gegossene 
Spirale  an,  die  sich  mit  der  Spirale  der  andern  gleichartigen  Schmuckhälfte  berührt. 

Der  markanteste  Unterschied,  das  Fehlen  der  Doppelspiralen  an  den  slawonischen 
Zieraten,  scheint  mir  nicht  von  erheblicher  Bedeutung,  um  so  weniger,  als  man 
in  den  Vertikalleisten  der  Spitzbogen  sehr  wohl  eine  Vorstufe  oder  ein  Rudiment 
der  Spiralen  je  nach  der  formengeschichtlich  älteren  oder  jüngeren  Stellung 
der  slawonischen  Stücke  zu  den  Michalkowern  sehen  kann.  Es  lassen  sich  in 
Ungarn  eine  Reihe  von  Schmucktypen  aufweisen,  deren  Varianten  bald  mit,  bald 
ohne  die  einwärts  gerollten  Doppelvoluten,  ein  besonders  in  Ungarn  seit  der 
jüngeren   Bronzezeit  häufiges  Motiv,  erscheinen. 

Eine  weitere  Differenz,  die  Ausführung  der  zentralen  Kreuzverzierung  unserer 
Schmuckstücke  in  durchbrochener  Arbeit,  hat  ebenfalls  ihr  Pendant  in  den  zier- 
lichen ä  jour  gearbeiteten  Armringen  von  Michalkow13).  Trotz  dieser  Unter- 
schiede ist  also  wohl  die  nahe  Verwandtschaft  der  Stücke,  denen  sich  bis  jetzt, 
soweit  mir  bekannt,  nichts  Ahnliches  an  die  Seite  stellen  läßt,  nicht  zweifelhaft. 
Über  ihre  Verwendung  kann  man  nur  Vermutungen  haben.  Beschläge  an  Schwert 
oder   Dolch,    wie    Hadaczek  ,4);    möchte    ich    in   ihnen  nicht   sehen.     Eher   wäre   an 

Hadaczek,     Ztote    Skarby     Michalkowskie,  ls)  Hadaczek  a.  a.  O.  Taf.  X  6— 8. 

Krakmi    1904,  Tal    X    1    2  "1  Hadaczek  a.  a.  O.  S.  20. 


Der  Goldfund  von   Dalj  265 

Hängeschmuck,  etwa  am  Pferdegeschirr,  zu  denken,  wozu  wahrscheinlich  auch 
die  vielen  in  dieser  Gruppe  auftretenden  Goldscheiben  zu  rechnen  sind. 

Die  Beziehung,  in  die  unser  Fund  durch  diese  Objekte  mit  dem  Formenkreise 
des  galizischen  Schatzes  gebracht  wird,  erhält  eine  weitere  Bestätigung  durch 
das  zweite  der  oben  beschriebenen  und  abgebildeten  Stücke  -  -  wohl  das  inter- 
essanteste —  das  goldplattierte,  tierförmige  Bronzeblech  (Fig.  115).  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  daß  wir  darin  die  zoomorphe  Platte  einer  Fibel  vor  uns  haben 
mit  ähnlicher  Befestigung  der  Nadel  wie  in  Michatkow.  Es  hätten  dann  die  an 
der  Rückseite  kenntlichen  Nieten  entweder  die  Nadel  selbst  gehalten  oder,  was 
ich  eher  annehmen  möchte,  eine  zweite  Platte  aus  Metall  oder  vergänglichem 
Material,  an  dem  die  Nadel  befestigt  war.  Diese  Frage  der  Verwendung  ist 
aber  nicht  von  großem  Belange.  Unsere  Platte  an  sich  zeigt  abgesehen  von 
der  Technik  die  größte  Übereinstimmung  mit  den  Platten  der  Tierfibeln  von 
Michaikow,  insbesondere  mit  den  bei  Hadaczek  a.  a.  O.  Tafel  II  und  III  (vgl. 
Jahreshefte  VI  116;  IX  35)  abgebildeten.  Gehen  wir  zunächst  auf  die  technische 
Abweichung  ein. 

Die  Michatkower  Tierfiguren  sind  aus  ziemlich  dünnem  Goldbleche  heraus- 
geschnitten und  die  ebenfalls  aus  Goldblech  getriebenen  und  herausgeschnittenen 
Ornamente  dann  auf  den  Tierkörper  aufgenietet.  Unsere  Platte  ist  vermutlich 
in  der  Weise  hergestellt  worden,  daß  man  zunächst  die  Unterlage  aus  Bronze- 
blech goß  und  dann  die  Ornamente  hineintiefte.  Auf  dieser  Unterlage  wurde  dann, 
nachdem  Schwanz,  Zunge  und  Ohren  des  Tieres  besonders  plattiert  waren,  ein 
dünnes  Bronzeblech  aufgelegt  und  durch  Umbiegen  um  die  Ränder  befestigt  und 
die  Plaque  dann  in  die  Ornamente  hineingedrückt.  Leider  ist  die  beschädigte, 
des  Goldbleches  entkleidete  Stelle,  wo  auf  dem  Hinterteile  des  Tieres  auf  der  Ober- 
fläche der  Bronze  das  Ornament  zu  suchen  wäre,  so  sehr  durch  eine  körnige 
Patina  aufgelöst,  daß  sich  diese  Annahme  nicht  direkt  beweisen  läßt.  Sie  wird 
aber  sehr  wahrscheinlich  in  Hinblick  auf  die  Plaquagetechnik  der  nordischen 
Bronzezeit,  wo  das  Hineintreiben  des  Goldbleches  in  Ornamente  der  unterliegenden 
Bronze  schon  mindestens  seit  der  Mitte  der  älteren  Bronzezeit  durch  prächtige 
Stücke  bezeugt  ist15).  Es  scheint,  als  wenn  die  Technik,  die  Goldauflage  um  den 
Rand  der  Bronzeunterlage  herumzuführen,  erst  in  der  jüngeren  Bronzezeit  im 
nordischen    Kreise   gebräuchlich    geworden    wäre.     Eine    instruktive   Parallele    ist 

,5)  Dieser  Hinweis  will  nur  das  technische  De-  konstatieren.  Die  Untersuchung  dieser  Frage  ist  eine 

tail  erläutern,  nicht  etwa  ein  Abhängigkeitsverhältnis  Arbeit  für  sich,  die  wie  alle  an  Technisches  anknüpfen- 

zwischen  nordischen  und  ungarischen  Erscheinungen  den  Probleme  das  Studium  der  Originale  voraussetzt. 
Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI-  74 


266  M.  Ebert 

das  in  dem  Fürstengrabe  bei  Häga  (Schweden)  gefundene  Schwert  mit  aufge- 
kanteter Griffzunge  (das  in  der  Almgrenschen  Publikation  in  einer  guten  Ab- 
bildung vorliegt).  Es  gehört  samt  der  in  gleicher  Weise  plattierten  Brillenfibel 
der  Periode  Montelius  IV  an16). 

Goldplattierung  wie  hier  auf  unserer  slawonischen  Platte  findet  sich  weder 
in  Michalkow  noch  in  Fokoru.  Diese  Technik  läßt  sich  aber  aus  anderen  ungari- 
schen Funden  von  der  Bronzezeit  an  nachweisen17). 

Zierbleche  aus  Gold,  bei  denen  nicht  mehr  zu  entscheiden  ist,  ob  sie  eine 
bronzene  oder  eine  aus  anderm  Material  bestehende  Scheibe  bedeckten,  fanden 
sich  in  dem  Schatze  von  Czofalva  (Komitat  Häromszeker  Stuhl).  Sie  sind  am  Rande 
mit  einer  Reihe  fortlaufender  Spiralen  verziert18).  Goldplattierte  Zierscheiben  aus 
Bronze  wurden  aus  dem  der  älteren  Hallstattzeit  angehörenden  Urnengräberfelde 
bei  Kis-Köszeg  (Komitat  Baranye)  gehoben19).  Eine  flache  Zierscheibe  aus 
Bronze  mit  Goldplattierung  kam  auch  in  dem  Brandgräberfelde  von  Gyöngös 
(Komitat  Heves)  vor  in  Begleitung  hallstättischer  und  skythischer  Formen; 
vereinzelt  treten  hier  auch  La  Tene-Gegenstände  auf20).  Unter  hallstättischen 
und  skythischen  Formen  finden  sie  sich  auch  in  Pilin  (Komitat  Nögräd).  Sechs 
bronzene  Zierscheiben  mit  Goldplaquage  sind  aus  dem  Funde  von  Budapest- 
Angyalföld  bekannt21).  Die  begleitenden  Funde  sind  Goldblechperlen  ähnlich 
jenen,  die  den  Bügel  der  Bogenfibeln  von  Michalkow  und  Fokoru  verzieren. 
Die  Goldplattierung  findet  sich  endlich  auch  auf  jenen  kleinen  schlangen- 
förmigen  Ringen,  in  der  Größe  von  Ohr-  und  Fingerringen,  die  wahrscheinlich 
als  Haarschmuck  dienten.  Sie  werden  von  Reinecke  als  skythisch  angesehen 
und  in  das  5.  Jahrhundert  gesetzt.  Die  Auflage  besteht  hier  meistens  nicht  aus 
reinem  Golde,  sondern  aus  Elektron  und  der  Rand  des  aufgelegten  Bleches  ver- 
läuft gewöhnlich  auf  der  Innenseite  der  Spirale,  ist  aber  öfter  nicht  wahrnehmbar. 

Die    Verwendung  der    Goldblechauflage    als    Dekorationsmittel    auf   einem 
Stücke    unseres   Fundes    ist  also,   wenn   sie   sich  auch  in  Michalkow   und  Fokoru 

10)  O.  Almgren,   „Kung  Björns  Hög"   och  andra  Lit.    Berichte    aus    Ungarn  Iir   2   [187g]  S.   36),   die 

Fornlamningar  vid  Häga,  Stockholm  1905,  pl.  I  vgl.  Bronzescheiben    von    Thale    ("Bastian -Voss,    Bronzc- 

besonders  S.  29a.  Schwerter  XVI   17),    von  Rügen  (Museum  f.  Völker- 

")   Diese   Nachweise   verdanke   ich  zum  grüßten  künde  in   Berlin   Kat.  n.   I   c.  1590). 
Teile  einer  brieflichen   Mitteilung    des  Herrn  L.  von  19)   Im  Budapestcr  Nationalmuseum.  Einige  ver- 

Marton   in    l'.tni  1  mutlich    im    Wiener   Hofmuseum    und    im    Rcimisch- 

Zwei    Exemplare    im    Budapester    National-  Germanischen     Zcntralmuscum     in     Mainz;     vgl.    1'. 

muscum:    J.  Arneth,   Sitzungsber.  Akad.  Wien   VII  Reincekc,   Mainzer  Zeitschrift   I  (19061   S.   14. 
Taf.  14,    vgl.   die    Goldscheiben    von    Aranyosmaröth  2")   Arch.  Ertesilö   XXVIII  (1908)   Taf.  IV  7. 

(Arch.  Krtesitü  I  [1881]  S.  284),  von  Fokoru  (Pulsky,  ")  Jahrbuch  der  k.  k.  Z.-K.  1  V  1  S.  74   Fig.  24. 


Der  Goldfund  von  Dälj  267 

nicht  findet,  kein  Grund,  ihn  von  diesen  Funden  abzurücken,  da  sie  in  den  zum 
Vergleiche  zunächst  in  Betracht  kommenden  Formenkreisen  und  Zeitabschnitten 
durchaus  geläufig  ist. 

Die  Formenverwandtschaft  unserer  Platte  mit  denen  der  Michalkower  Fibeln 
scheint  mir  unverkennbar.  Das  gilt  zunächst  von  der  äußeren  Stilisierung  der  Tier- 
figur. Daß  die  Tiere  zwei  Beine  statt  vier  haben,  das  übertrieben  weit  aufgerissene 
Maul  wie  überhaupt  das  Prononzieren  einzelner  Körperteile  auf  Kosten  der 
andern  ist  an  sich  nichts  Charakteristisches.  Es  findet  sich  in  der  archaischen 
Stufe  der  klassischen  Kunst  wie  in  allen  Stufen  der  barbarischen  Kunstübung. 
Allein  hier  liegt  eine  offenbare  stilistische  Übereinstimmung  in  der  Gestaltung 
der  Konturen  vor.  Weder  die  von  Demetrykiewicz  zum  Vergleiche  herangezogenen 
Goldblechplatten  aus  skythischen  Kurganen22)  noch  ein  Stück  von  Fönlak23),  das 
einer  viel  späteren  Zeit  angehört,  noch  was  man  sonst  als  Analogien  zu  den 
Michalkower  Tierfibeln  herbeigebracht  hat,  bietet  eine  genaue  Parallele.  Die  Art, 
wie  von  den  Goldschmieden  der  Platten  von  Dälj  und  Michalkow  die  Tierfigur 
und  das  vorschwebende  Ruhe-  oder  Bewegungsmotiv  wiedergegeben  ist,  zeigt 
eine  unzweifelhafte  stilistische  Verwandtschaft24). 

Eine  zweite  bedeutsame  und  besser  faßbare  Analogie  besteht  in  der  Orna- 
mentik. Schon  die  Überhäufung  der  Platte  mit  Ornamenten,  die  den  Tierkörper 
ganz  wie  ein  geometrisches  Gebilde  behandelt,  ist  in  diesem  Zusammenhange 
singulär  und  rückt  die  Stücke  nahe  aneinander.  Auf  dem  vorderen  und  hinteren 
Teile  des  Tieres  ist  je  ein  größeres  komplizierteres  Ornament,  dazwischen  eine 
Anzahl  kleinerer  und  einfacherer,  von  denen  eines  zur  Andeutung  des  Auges,  andere 
zur  Hervorhebung  der  Gelenke  dienen.  Entsprechend  der  verschiedenen  Technik 
ist  die  künstlerische  Wirkung  der  Ornamente  verschieden.  Die  Muster  auf  der 
Daher  Platte  machen  den  Eindruck,  als  wenn  sie  eingegossen  seien.  Die  auf  den 
Michalkower  Stücken  wirken  reliefartig.     Vorliebe  für  die   Reliefverzierung  tritt 

22)  Die  österreichisch-ungarische  Monarchie  in  metrischen  Stilrichtung  entsprechenden  Verzerrung" 
Wort  und  Bild.  Band  Galizien  (1898)  S.  128;  vgl.  scheint  mir  sehr  anfechtbar.  Die  von  Hadaczek  aus- 
Arch.  Ertesitö  XIII  (1893)  S.  391  Fig.  9.  gesprochene  Ansicht,  daß  die  Michalkower  Tierfibeln 

23)  Arch.  Ertesitö  XXI  (1901)  S.  65;  J.  Hampel,  aus  der  Hallstattscheibenfibel  entstanden  seien,  kann 
Altertümer  des  frühen  Mittelalters  in  Ungarn,  Braun-  ich  mir  gleichfalls  nicht  aneignen.  Auch  die  überein- 
schweig   1905,  II   393   Fig.  15.  stimmende  Befestigung  der  Nadel  (wie  Sacken,  Grab- 

24)  Eine  Deutung  dieser  Tiergestalten  auf  be-  fehl  von  Hallstatt  Taf. XIV  13),  die  Hadaczek  anführen 
stimmte  Tierspezies,  wie  Hadaczek,  Jahreshefte  VI  könnte,  ist  nicht  beweisend.  Überhaupt  wird  man  Tier- 
115  f.:  „Die  eine  [der  M.  Fibeln]  zeigt  ein  auf-  fibelformen  immer  nur  mit  großer  Vorsicht  in  typo- 
lauerndes  Tier  (vielleicht  Wolf  oder  Hund),  die  andere  logische  Reihen  hineinstellen   dürfen. 

ein    scheu    aufspringendes  (Pferd)    in  einer  der  geo- 

34* 


268  M.   Ebert 

auch  sonst  in  diesem  Kreise  hervor.  Ich  verweise  vor  allem  auf  die  kleineren 
Scheiben  an  den  Flügeln  der  oben  besprochenen  Zierate  und  auf  ihre  Michalkower 
Pendants.  Auch  die  mit  Kreuzen  in  durchbrochener  Arbeit  verzierten  Armringe 
von    dort   scheinen   auf  solche  Wirkung  berechnet   zu  sein. 

Die  Herstellung  der  Michalkower  Ornamente  erfolgte,  indem  man  die  Muster 
durch  Stempel  aus  einem  Goldblech  herauspreßte  (vgl.  das  Diadem  Hadaczek, 
XI  2),  sie  dann  ausschnitt  und  auf  dem  Blech  aufnietete.  Vielleicht  ist  die  barba- 
rische Größe  dieser  Ornamente  im  Verhältnisse  zu  der  verzierten  Fläche  da- 
durch zu  erklären,  daß  man  Stempel,  die  zur  Verzierung  von  größeren  Blechen 
dienten,  verwendete.  Eine  Technik,  die  mit  ein  paar  Treibmodellen  ihre  Orna- 
mente herstellt,  wird  weniger  geneigt  sein  zu  variieren  als  eine  solche,  welche, 
wie  die  bei  der  slawonischen  Platte  angewendete,  die  Ornamente  jedesmal  von 
neuem  hervorbringt. 

Von  den  Ornamenten  finden  sich  sowohl  die  Triskele  als  die  Tierverzierung 
auf  den  Michalkower  Fibeln  wieder,  wenn  auch  kombiniert,  indem  die  Enden  der 
von  Doppelkreisen  eingefaßten  Triskele  hier  in  Tierprotomen  auslaufen.  DasTrique- 
trum  tritt  seit  den  frühesten  Zeiten  in  den  verschiedensten  Formenkreisen  auf, 
es  ist  aber  doch  in  Ungarn  in  den  in  Betracht  kommenden  Epochen  so  selten, 
daß  sein  Vorkommen  auf  beiden  Fibelkategorien  unter  anderen  Übereinstimmungen 
bedeutsam  erscheint 25).  Den  kleineren  Ornamenten  der  Michalkower  Fibeln  ent- 
sprechen Kreise  mit  Zentralpunkten26). 

Die  Verzierung  der  Platte  mit  einem  Ornamenttiere,  das  die  Form  derselben, 
in  gleichem  Sinne  gerichtet,  wiederholt  und  ebenfalls  einen  Augenkreis  zur  An- 

25)  An  eine  Ableitung  des  Musters  aus  der  sehen  Kaiserzeit  und  im  älteren  Eisenalter  verwiesen 
Spiralornamentik  nach  Analogie  von  Madsen,  Bronce-  (vgl.  das  prächtige  Gürtelblech  von  Wieslistein  bei 
alderen  Suite  af  öxer  3,  10;  Müller,  Ordning  XI  Wangen,  Kt.  Zürich  im  Anz.  f.  Schweiz.  Altertumsk. 
153;  Montelius,  Om  Tidbestämning  pL  II  28  und  X.  F.  IV  (1902/3)  Taf.  II.  I  1).  Hadaczek  (Jahres- 
Kulturgeschichte  Schwedens  1906  S,  96  Fig.  155  hefte  IX  35)  erinnert  an  das  in  der  Toreutik  des 
dürfte  doch  wohl   hier  kaum  zu  denken  sein.  geometrischen    Stiles    übliche  Verfahren,  beim    Auf- 

26)  Für  die  auf  den  Michalkower  Fibeln  (und  auf  nieten  von  Appliken  die  Nägelchen  in  dreieckiger 
anderen  Stücken  der  Gruppe)  verwendeten  Muster  sind  und  viereckiger  Anordnung  um  einen  Kreis  oder 
verschiedene  Erklärungsversuche  gemacht  worden.  Man  Punkt  zu  stellen.  Die  Muster  sind  aber  nicht  aus 
hat  auf  das  im  La-Tcnc-Kreise  gebräuchliche  Drei-  der  Niettechnik,  für  welche  sich  in  Ungarn  keine 
eck  und  Viereck  mit  eingezogenen  Seiten,  z.  T.  von  Tradition,  die  dabei  notwendig  vorausgesetzt  werden 
Kreisen  eingefaßt,  hingewiesen  und  die  beiden  Funde  müßte,  nachweisen  läßt,  sondern  offenbar,  wenigstens 
deswegen  für  diese  Kultur  in  Anspruch  genommen.  in  ihrer  teilweisen  Ausgestaltung,  aus  der  Stanz- 
Gegen  diesen  auch  sonst  unzulässigen  Schluß  hat  technik  zu  erklären.  Wahrscheinlich  hat  man,  wie 
sich  Reinecke  (a.  a.  O.  S.  518  und  Mainzer  Fest-  Hoernes  meint  (Jahrbuch  a.  a.  O.  S.  75),  das  Kreuz- 
schrift 1902  S.  108  Anm.  164)  gewendet  und  auf  motiv  des  Hallstattkreises  nachgebildet  und  um- 
das  Vorkommen  des  Ornamentes   auch  in  der  römi-  gestaltet. 


Der  Goldfund   von   Dalj  269 

deutung  des  Tierauges  verwendet,  ist,  soweit  mir  bekannt,  ohne  Gegenstück. 
Man  könnte  die  Frage  aufwerfen,  ob  in  dem  Ornamenttiere  nur  die  Wieder- 
holung des  Modells  der  Schmuck-  oder  Gerätform  zu  erblicken  ist.  Es  wäre  das 
nicht  ohne  Analogien.  Aus  der  nordischen  Bronzekultur  ist  uns  eine  Randaxt 
bekannt,  auf  deren  Schneidenteil  die  Konturen  der  Axt  als  Ornament  eingepunzt 
sind27).  Das  Stück  steht  aber  isoliert  da  und  an  einen  Zusammenhang  zu  denken, 
verbietet  schon  der  zeitliche  Abstand.  Wir  werden  vielmehr  als  das  wesentliche 
Moment  die  gewollte  Verzierung  der  Tierfigur  mit  einer  zweiten  Tierfigur  anzu- 
sehen haben,  die  exakte  Übereinstimmung  der  Konturen  als  das  sekundäre.  Zur 
Erklärung  dieser  Verzierungsart  könnte  man  freilich,  ohne  daß  sich  dies  vor- 
läufig durch  weitere  Analogien  stützen  läßt,  auf  Einflüsse  östlicher,  skythischer 
Kunst  hinweisen.  Wir  kennen  sie  von  dorther  an  zwei  hervorragenden  Stücken, 
dem  Fische  von  Vettersfelde28)  und  dem  Hirsch  aus  dem  Kul-Oba2'').  Durch 
glückliche  Funde  der  letzten  Jahre  und  durch  die  Arbeiten  von  Hampel  und 
Reinecke  ist  der  Einfluß  skythischer  Kultur  auf  den  größten  Teil  von  Ungarn 
schon  seit  der  zweiten  Hälfte  des  älteren  Eisenalters  nachgewiesen.  Die  schema- 
tische Wiederholung  der  Tierumrisse  im  Ornament,  durch  die  beide,  Tierplatte 
und  Tierornament,  etwas  eminent  Unnaturalistisches  bekommen30),  stimmt  wohl 
zusammen  mit  dem  auf  den  Michaikower  Tierfibeln  vertretenen  Stile,  der  die  Tier- 
figur wie  ein  geometrisches  Gebilde  behandelt31).  Nach  alledem  dürfen  wir  in 
unserer  Platte  ein  Gegenstück  zu  den  zoomorphen  Fibeln  von  Michalkow,  höchst- 
wahrscheinlich eine  Tierfibelplatte  sehen. 

21)    Montelius,     Antiquites    Suedoises    (1873)    I  mir    sehr   gewagt.     Auf  Grund    des    „geometrischen 

Fig.  143.  Stiles"  der  Figuren  hat  das  Hadaczek  versucht,  indem 

28)  Furtwängler,  Der  Goldfund  von  Vettersfelde  er  ähnliche  Tierformen  auf  einer  mittelitalischen  Zier- 
1883,  Taf.  I.  Scheibe   oder  Vasen  des    geometrischen  Stiles    damit 

29)  Antiquites  du  Bosphor.  Taf.  XXVI  1  und  in  Zusammenhang  brachte  (Jahreshefte  IX  37).  Das 
Furtwängler  a.a.O.  S.  16.  ist    schon  deswegen    verfehlt,   weil  die  geometrische 

30)  Für  die  Neigung  das  Figürliche  in  geometri-  Behandlung  der  Tierfigur  in  Mittel-  und  Nordeuropa 
sehe  Schemata  umzubilden  als  weiterer  Beleg  aus  die  allgemeine  ist,  auch  noch  in  Epochen,  die  der 
Ungarn  eine  Zeichnung  auf  dem  dreieckigen  Nadel-  geometrischen  Zeit  der  Mittelmeerländer  nicht  parallel 
halter  einer  den  unsern  nahestehenden  Bogenfibel  laufen  und  sich  unter  dem  Einflüsse  von  ganz  anderen 
von  Dreznika.  Sime  Ljubic,  Popis  Arkeologickoga,  Einwirkungen  und  Kräften  entwickeln.  Hoernes  (a.a.O. 
Agram  1889,  Taf.  X  31 ;  W.  M.  Wylie,  Proceedings  S.  83  ff.)  weist  als  Analogien  zu  den  Michalkower 
of  the  Society  of  Antiquaries,   December  1875.  Fibelplatten  auf  Tierformen  (in  eingelegter  Arbeit,  ein- 

31)  Bei  der  Bildlosigkeit  der  ungarischen  Bronze-  graviert  und  aus  Blech  geschnitten)  aus  den  kaukasi- 
kultur  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  Tierformen  sehen  Gräbern  von  Oberkoban  und  findet  da1}  „die 
der  Platte  auf  Vorbilder,  die  aus  dem  Mittelmeer-  Arbeiten  von  Koban  und  Michalkow  verschiedenen 
gebiet  auf  östlichem  oder  westlichem  Wege  kamen,  aber  nahe  verwandten  Stiles  sind".  Worin  aber  das 
zurückgehen.  In  der  Bildung  der  Tierformen  aber  Gemeinsame  und  zugleich  Besondere  besteht,  hätte 
bestimmte  Stileinflüsse  nachweisen  zu  wollen  scheint  einer  näheren   Ausführung  bedurft. 


270 


M.  Ebert 


Was  das  formengeschichtliche  Verhältnis  betrifft,  so  ist  die  Fibel  von  Dälj 
sicher  älter  als  die  Michalkower  Gruppe.  Dafür  spricht  einmal  die  Tierform  selbst 
die  viel  naturalistischer  ist  als  die  Michaikower.  Auf  der  Fibel  Hadaczek  III  1 
sind  Zunge  und  Kiefer  kaum  mehr  verstanden  worden.  Dann  die  Ornamentik,  die 
sowohl  in  den  Motiven  als  in  der  technischen  Ausführung-  ursprünglicher  ist. 
Wahrscheinlich  wird  die  Stammform  der  Fibelkategorie  eine  Bronzeplatte  mit 
eingepunztem  Muster    gewesen  sein  wie    die   Unterlage   der  Däljer  Fibel.     Dann 

ist  man  zur  Goldplaquage  übergegangen.  Zwischen 
dieser  Stufe,  die  durch  unsere  Platte  repräsentiert 
wird,  und  der  Michalkower  wird  man  noch  eine 
Zwischenphase  anzusetzen  haben,  in  der  vermutlich 
die  Ornamente  aus  dem  Goldbleche  herausgetrieben 
wurden  in  ähnlicher  Weise  wie  das  Kreuzornament 
auf  dem  Nadelhalter  der  Fibel  Hadaczek  IV  3. 

Der  Armreif  unseres  Fundes  (Fig.  116)  re- 
präsentiert einen  ziemlich  seltenen,  wie  es  scheint, 
für  Ungarn  charakteristischen  Typus.  Zwei  stark 
differierende  Varianten  desselben,  ebenfalls  aus 
Gold,  sind  in  Siebenbürgen  zum  Vorschein  ge- 
kommen. Ich  bilde  diese  in  der  Literatur  wenig 
berücksichtigten  Stücke  in  Fig.  121  und  122  ab. 
Der  erste  dieser  Reife  (Fig.  121),  dem  unsrigen 
am  nächsten  stehend,  stammt  von  Bellye  (Komitat  Tolna32),  der  zweite  ist  bei 
Pipe  (Kockelburger  Komitat)31')  gefunden  (Fig.  122).  Mit  diesen  Armreifen 
stimmt  der  Däljer  nur  in  den  typischen  Merkmalen  der  Schmuckform  überein. 
Denn  abgesehen  von  der  zentralen  Buckelverzierung  auf  den  Enden  ist  seine 
wenig  charakteristische  Dekoration  andersartig.  Die  herausgetriebene  Mittelrippe, 
die  einfassenden  Punktlinien  erinnern  an  die  Verzierung  der  Tierfibeln  und  Nadel- 
halter in  Michaikow  und  Fokoru.  Da  uns  bis  jetzt  nur  drei  Exemplare  aus 
Ungarn  bekannt  sind,  so  haben  wir  in  ihnen  eine  lokale  Form  von  geringer 
Verbreitung    und  Lebensdauer    zu    sehen    und  werden  deswegen   die  Reife   auch 


121:   Armreif  aus  Bellye. 


32)  Ungenügend  abgb.  Archiv  des  Vereines  für 
Siebenbürgische  Landeskunde  N.  F.  XIII  ( 1 876) 
Inf.  VIII  10  und  S.  487;  Araeth,  Gold-  und  Silber- 
monumente  S.  40  n.  266;  Hoernes  a.  a.  O.  S.  7., 
Fig.  50.  Beschrieben  bei  Sacken-Kenner,  Katalog 
des  Münz-  und  Antikenkabinetts   S.  345   n.  49;  Ori- 


ginal: Inv.  n.  53. 

33)  Archiv  des  Vereines  für  Siebenbürgischc 
Landeskunde  ibid.  S.  487;  Sacken-Kenner  S.  345 
n.  38.  Original:  Inv.  n.  455.  Die  Photographien  ver- 
danke ich  der  Direktion  der  Antikcnsamralungen  in 
Wien. 


Der  Goldfund   von  D.älj 


271 


zeitlich  ziemlich  nahe  zusammenrücken34).  Leider  sind  die  beiden  Stücke 
Einzelfunde  und  deshalb  für  die  chronologische  Bestimmung  unseres  Fundes 
nicht  verwertbar.  Auch  die  Ornamente,  technisch  sauber  ausgeführt  und  auf 
dem  Bellyer  Reif  mit  geschmackvoller  Ausnutzung  des  Raumes  angebracht, 
werden  nicht  für  die  Zuweisung  an  einen  bestimmten,  genauer  datierbaren 
Formenkreis  ausreichen.  Trotzdem  sind  diese  Parallelen  wertvoll,  weil  sie 
das  Verbreitungsgebiet  unserer  Gruppe  erweitern  und,  im  Ornamentstil  er- 
heblich von  dem,  was  aus  Michalkow,  Fokoru  und  Dälj  bekannt  ist,  ab- 
weichend, einen  weiteren  Hinweis  dafür  bieten,  daß  in  der  Gruppe  selbst 
stilistische   Differenzen    vorhanden    sind. 

Der  ornamentierte  schmale  Goldblechstreifen  (Fig.  117)  ist  von  einem  größeren 
Blech  abgeschnitten.   Das  beweisen  die  Spuren 
einer   nachträglich    von   oben  in  das  Blech  ein- 
geritzten   Linie    an     der    einen    Längsseite,    in 
welcher   Linie    der   ziemlich    unsaubere    Schnitt 
entlang    geführt    wurde.     Diese    Linie    hat     an 
vier   Stellen    des    Bleches    ein    Ornament    zer- 
schnitten,  welches,    nach    den  Resten  zu  schlie- 
ßen,   aus    drei   nebeneinanderliegenden,   heraus- 
getriebenen   Flachbuckeln  bestand.    Die  äußere 
Seite  der  außenstehenden  Buckel  wurde  berührt 
durch  von  einer  doppelten  Punktreihe  gebildete 
Tangenten.    Die   andere  Längsseite    des   Bandes    entspricht  der  einen    Randseite 
des    ursprünglichen    Bleches,    auch    die   Endigungen    links    und    rechts    sind    alt, 
das  Band  ist  also  vom  Rande  des  Bleches  abgetrennt35). 

Welcher  Art  und  Bestimmung  war  nun  das  ursprüngliche  Blech?  Man  könnte 
an  eine  Tänie  denken  von  der  Gattung,  wie  sie    z.  B.  in  Hallstatt   in   großer  Zahl 


122:  Armreif  aus  Pipe. 


M)  Nahe  steht  auch  das  goldene  Armband  aus 
Ungarn:  Hampel,  Bronzezeit  in  Ungarn  XLVII 
(1887)  5- 

35)  Solehe  doppelte  Verwendung  von  ornamen- 
tierten Blechstreifen,  die  in  unserem  Falle  auch  durch 
die  Kostbarkeit  des  zerbrechlichen  Materiales  be- 
gründet wird,  hat  man  an  Bronzebändern  von  Olympia, 
die  dem  unseren  stilistisch  nicht  fern  stehen,  be- 
obachtet (Furtwängler,  Sitzungsber.  Akad.  Berlin  1879 
S.  1 1  f )  —  Eine  interessante  technische  Parallele  ist 
ein  im  Berliner  Antiquarium  (Inv.  n.  7QOI)  befind- 
liches Diadem  aus  Athen,    der  archaischen  Zeit    an- 


gehörig (Archäol.  Zeitung  1884  Taf.  X  1).  Es  ist 
ein  vollständiges  Diadem,  an  den  beiden  Enden  mit 
je  einem  Loche  zum  Umbinden  versehen  und  wurde 
aus  einem  größeren  Goldbleche  mit  herausgestanzten, 
zum  Teil  bildlichen  Verzierungen  recht  nachlässig 
herausgeschnitten.  Dabei  sind  die  figürlichen  Dar- 
stellungen und,  in  ganz  analoger  Weise  wie  auf  unse- 
rem Bleche,  konzentrische  Kreisomamente  zerschnit- 
ten worden,  so  daß  auf  dem  Rande  des  Diadems 
Bogen  als  Reste  des  Umlaufes  konzentrischer  Kreise 
Stehen   blieben. 


272  M.  Ebert 

vertreten  ist  und  wie  sie  auch,  wenigstens  fragmentarisch,  in  Fokoru  vor- 
liegt. Dagegen  spricht  aber  die  gebogene  Form  des  in  eine  Ebene  gelegten 
Bandes,  die  bei  der  Dünnheit  des  Bleches  sicher  nicht  mehr  durch  nachträgliches 
Aushämmern  zu  erreichen  war.  Das  ursprüngliche  Blech  wird  vielmehr  ebenso  wie 
das  Fragment  ein  Diadem  gewesen  sein.  Aus  dieser  Verwendung  ergibt  sich 
seine  ungefähre  Breite,  die  etwa  0-04 — 0-05™  (Breite  des  Michalkower  Diadem- 
bandes) betragen  haben  mag.  Ich  versuche  hier  mit  Hilfe  der  geringen  Ornament- 
reste eine  Rekonstruktion  nach  Analogie  von  ähnlichen  Stücken  aus  dem  Hall- 
stattkreis und  aus  Ungarn  (Fig.  123): 

123:   Rekonstruktion  des  Diadems,  von  dem  der  Streifen  Fig.  1 17  herrührt. 

Der  vorliegende  Streifen,  der  anfangs  den  Eindruck  macht,  als  ob  er  erst 
in  der  Neuzeit  von  ungeschickten  Händen  zurechtgeschnitten  sei,  repräsentiert 
einen  gewöhnlichen  Typus.  Zwei  Fragmente  eines  solchen  Diadems  fanden  sich  in 
Michalkow.  Es  ist  verziert  mit  einer  mittleren  Reihe  herausgestanzter,  von  Ring- 
leisten eingefaßter  Buckel,  die  von  zwei  Reihen  kleinerer  eingefaßt  wird30).  Es  lassen 
sich  aus  dem  Hallstattkreise  und  Ungarn  eine  größere  Anzahl  Stücke  von  Gold- 
oder Bronzeblech  anführen37).  Ein  dem  unsrigen  sehr  nahestehendes  Exemplar 
ist  in  Södermanland,  in  einem  Moore  bei  Langbro,  mit  einer  Anzahl  anderer 
Gegenstände,  darunter  zwei  große  Plattenfibeln,  welche  der  Periode  MonteliusV.  an- 
gehören, gefunden  worden  und  wird  von  Montelius  als  Importstück  angesehen88). 
Es  besteht  aus  einem  0-038 — 0^04 '"  breiten,  etwa  0.5™  langem  Bronzebande,  das 
in  der  Mitte  in  der  ganzen  Länge  des  Bandes  mit  von  Ringleisten  eingefaßten 
flachen  Buckeln  verziert  ist.  Die  Ränder  sind  von  einer  doppelten  Punktreihe 
gesäumt.  Bei  dem  slawonischen  Bande  fehlt  sie  auf  der  Seite,  welche  die  Rudi- 
mente der  Buckel  zeigt. 

Hadaczek  a.  a.  O.  Taf.  XI    I.  Ges.   XIX  [1889]  S.  15   Fig.  24)  u.  a.  m. 
:;   VgL  die  Exemplare  aus  der  B^ci  skila  (Much,  39)    Antiq.     Tidskrift    f.    Sverige    III    (1870/73) 

Kunsthistorischer  Atlas  I  Taf.  LXXVI  11),  aus  der  S.  258;    Montelius,  Om  Tidbestämning  S.  320  zu  Fig. 

Nekropole    von   Sokolaf    (Mitt.  d.  Wiener  Anthrop.  102  und  Antiquites  Suii-doises  71   Fig.  237. 


Der  Goldfund   von    D.ilj  273 

Die  anderen  Stücke  des  Fundes  sind  von  sehr  einfacher  und  wenig  sprechender 
Form.  Der  kleine  offene  Ring  ist  natürlich  nicht  auf  einen  engeren  Formenkreis 
beschränkt  (Fig.  118).  Ebensowenig  die  Goldblechperlen  (Fig.  119).  Sie  lassen  sich 
auch  in  anderen  Epochen  und  Kulturen,  wenn  auch  nicht  immer  in  derselben 
Technik  nachweisen,  scheinen  aber  doch  hier  besonders  häufig  zu  sein.  Der  perlen- 
reiche Schatz  von  Michalkow  enthält  eben  solche  Formen  ohne  die  gestrichelten 
Ringleisten  an  den  Durchbohrungen39).  Genaue  Analogien  fanden  sich  in  Fokoru10). 
Daß  diese  Perlen  auch  an  Bogenfibeln  in  gleicher  Weise  wie  jene  an  den  Fibeln 
von    Michalkow    und  Fokoru  verwendet  wurden,    lehrt    eine  Fibel   von    Prozor41). 

Den  slawonischen  Goldblechkoni  (Fig.  120)  ähnliche  Buckel  treten  schon  in 
der  Bronzezeit  auf.  Gegenstücke  aus  Gold  mit  und  ohne  einfache  Verzierungen 
sind  in  einer  ganzen  Reihe  von  Exemplaren  aus  Michalkow  und  Fokoru  belegt. 
Man  hat  wenigstens  die  größeren  wohl  für  Pferdegeschirrschmuck  (Phaleren)  zu 
halten  >'-). 

Ich  glaube,  daß  damit  die  engere  Formenverwandtschaft  unseres  Fundes 
mit  den  Golddepots  von  Michalkow  und  Fokoru  erwiesen  ist.  Die  nächste  Frage 
wäre  die  zeitliche  Fixierung.  Ehe  wir  an  eine  chronologische  Abstufung  der 
Funde  innerhalb  des  vorliegenden  Formenkomplexes  gehen  können,  gilt  es  die 
ganze  Gruppe  innerhalb  der  Entwicklung  des  ersten  vorchristlichen  Jahrtausends 
in  Ungarn  festzulegen.  Das  Material,  das  wir  hier  neu  beischaffen,  ist  nicht 
sonderlich  geeignet,  mehr  Klarheit  in  dies  schwierige  Problem  zu  bringen. 

F.  v.  Pulsky  sah  im  Funde  von  Fokoru  Altertümer  aus  der  Zeit  der  Kelten- 
invasion in  Ungarn.  Reinecke  wies  nach  Hampels  Vorgang  die  Verwandtschaft 
der  Funde  von  Fokoru  und  Michalkow  nach  und  setzte  sie  in  den  3.  Abschnitt 
seiner  IV.  ungarischen  Periode,  um  900  v.  Chr.  Hadaczek  datiert  den  Michaikower 
Fund  in  das  VIII. — VI.  Jh.43).  Ihm  hat  sich  letzthin  auch  L.  von  Martön  ange- 
schlossen, der  die  Gruppe  ebenfalls  an  das  Ende  der  älteren  Eisenzeit  rückt  "1. 
Hoernes  weist  wie  Reinecke  die  Funde  von  Michalkow  und  Fokoru  in  die  ältere 
Hallstattzeit.45) 

Bei  der  Verwertung  der  Depots  von  Michalkow  und  Fokoru  für  die  Chrono- 
logie ist,  wie  bei  allen  Depotfunden,  zu  berücksichtigen,  daß  in  ihnen  Formen  bei- 
sammen sein  können,  die  niemals  gleichzeitig  im  allgemeinen    Gebrauche  waren. 

:1'J)  Hadaczek   a.  a.  U.   Taf.  XII   3.  Reihe.  Budapest   1S89,  S.  63. 
'",1   v.  Pulsky   a.  a.  O.  S.  36.  '1   Hadaczek  a.  a.  O.   S.   10. 

"1  Sime  Ljubic,    Popis  arkeologickoga,    Agrani  "1   Arch.    Ertesitö    XXVII    (1907)     S.  57 — 68; 

1889,  Taf.  XIX  67.  A.  Feregyhäay  öskori  aranylelet. 
I2)    v.  Damay,    Süniegh    es    Videkenek    öskora,  ' ','   Hoernes  a.  a.  O.  S.  -\ 

Jahreshefte  des  österr.   archäol.  Institutes  Bd.  XI.  ?- 


274  M-   F.bert 

Es  können  in  diesen  Depots,  mögen  sie  nun  Familienschätze  oder  anderes  dar- 
stellen, mehrere  Formengenerationen  vertreten  sein.  Den  Depotfund  auf  ein  be- 
stimmtes Datum  zu  fixieren,  ist  sonach  nicht  angängig,  wenn  nicht  durch  andere 
Funde  die  genaue  Lebensdauer  der  einzelnen  Inventarstücke  auf  einen  kürzeren 
identischen  Zeitraum  bestimmt  wird.  Das  ist  jedoch  hier  nicht  der  Fall.  Wir  sind 
darum  nur  imstande,  ein  annäherndes  Datum  der  Niederlage  des  Depots  nach 
der  jüngsten  vorhandenen  Form  zu  geben,  und  wir  können  ferner,  indem  wir 
den  ungefähren  Zeitpunkt  des  Auftretens  der  ältesten  vertretenen  Form  fest- 
stellen, abschätzungsweise  den  Zeitraum,  den  die  in  dem  Depot  vertretenen  Formen- 
generationen umspannen,  berechnen.  Hierbei  ist  „alt"  und  ,.jung"  im  formen- 
geschichtlichen Sinne  zu  nehmen,  denn  die  Schmuckstücke  älterer  Form  können 
sehr  wohl  später  angefertigt  und  gebraucht  worden  sein  als  typologisch  jüngere. 
Ein  anderes  Maß  hiefür  haben  wir,  solange  unsere  Schatzfunde  nicht  darauf 
durchgearbeitet  sind,  nicht,  da  bei  dem  Zusammenkommen  des  Depotinventars  un- 
berechenbare Zufälligkeiten  mitspielen.  Es  erhellt  hieraus,  welche  bescheidenen 
Anforderungen  hinsichtlich  der  Chronologie  wir  an  unsere  Funde  —  auch  der  Däljer 
kann  hierin  wenig  nützen,  da  seine  Eigenschaft  als  Grabfund  nicht  gesichert 
ist   —   stellen  dürfen. 

Der  allgemeine  Formencharakter  der  Gruppe  ist  der  in  Ungarn  im  älteren 
Eisenalter  eigentümliche:  eine  stark  nachwirkende  Tradition  des  einheimischen 
Bronzezeitstiles,  beeinflußt  durch  von  Osten,  mehr  noch  von  Westen  aus  dem  Hall- 
stattkreise eindringende  Formen.  Von  einer  Entstehung  dieser  Goldschmiedearbeiten 
unter  der  Einwirkung  des  La  Tene-Stiles  kann  natürlich  nicht  die  Rede  sein. 
Auf  die  Bronzezeit  weisen  vor  allem  die  reichlich  vertretenen  Zierscheiben  und 
die  Armringe  mit  Doppelspiralenden ■'*).  Charakteristische  Hallstattformen  sind  die 

"';  Ich  gebe  hier  parenthetisch  eine  Übersicht  über  Einflüsse  Ungarns  auf  das  Schmuckinventar  Böhmens 

die  örtliche  und  zeitliche  Ausbreitung  dieser  Ringform  in  der  älteren  Bronzezeit  zu  beachten  (Hub.  Schmidt, 

als  Beitrag  zur  Frage  des  Handelsverkehres  zwischen  Zcitschr.    f.   Ethnol.    XXXVI    [1904]    S.  608).    Die 

Ungarn  und  den   nördlichen  Ländern   im   Bronzealter.  böhmischen   Bronzeringe    sind    glatt    oder    mit  einer 

Das    Verbreitungsgebiet    ist    Ungarn,    Böhmen,    Süd-  Mittelrippe    und    mit   einfachen  Ornamenten   verziert, 

deutschland    und    der    nordische    Kreis.     Die    ältere  Exemplare   von   Xovy   Dvür    (Pic   Starozitnosti    zeme 

Variante  scheint  die  mit  bandförmigem  Reife  zu  sein.  Ceske   1900    I   IX    5);    Vclka   Dobra    (ibid.   VII   8), 

Exemplare    sind    in    größerer   Anzahl    in    Böhmen    in  l'odreii    und   Zbecna    (ibid.    VIII     151,    Plavo   (ibid. 

'■rn  der  alleren  Bronzezeit  gefunden  worden,  wäh-  XVIII   19),  Chlum  (ibid.  XVI  4),  Kbel  (ibid.  IV  12), 

rend  mir   aus  Ungarn    gleichaltrige  Stücke  nicht    he-  Mctelesko  (ibid.  X  17;  Richly,  Bronzezeit,  XLIX  z). 

kannt  sind.    Ist  also  Böhmen   das  Ursprungsland   der  Zwei    goldene    Exemplare    von     I.ibcevsi     iPamatky, 

Form-      Man    wird    das    bei    der    relativen   Seltenheit  XXI  [1905]  S.  330  f.   Fig.  2)   scheinen  etwas  jünger 

des  Typus  und  seinem  späteren  häufigen  Auftreten  in  zu  sein.   Aus  Süddeutschland   haben    wir  Stücke  von 

ihne  weiteres  folgern.   Auch  sind  andere  Ncukchlheim    bei  Rcgcnsbur^     Nane,    Bronzezeit  in 


Der  Goldfund  von   Dalj 


275 


zweisehleingen  Bogenfibeln  mit  hohem  Nadelhalter  und  perlenbesetztem,  zum  Teil 
sanguisugaförmigen  Büg-el  (Michalkow  und  Fokoru  ,  die  torquierten  Halsringe 
mit  eingerollten  Enden  (von  Fokoru),  die  Gürtelbleche  und  Diademe  (Michalkow. 
Fokoru,  Dälj).  Wieweit  die  Formengruppe  zeitlich  herabreicht,  d.  h.  wann  die 
Funde  in  die  Erde  gekommen  sind,  darüber  sind  wir  vorläufig  nur  auf  Ver- 
mutungen angewiesen,  da  wir  über  die  Lebensdauer  der  Formen  innerhalb  der 
älteren  Eisenzeit  nicht  hinlänglich  unterrichtet  sind.  Ich  glaube,  daß  man  mit 
diesem  Zeitpunkte  nahe  an  die  Mitte  des  Jahrtausends  wird  herangehen  müssen. 
Einen  Hinweis  dafür  scheinen  die  in  Michalkow  gefundenen  mit  Filigran  ver- 
zierten Perlen  zu  geben.    Die  einzigen   mir  bekannten  Gegenstücke,  ebenfalls  aus 


Oberbayern  [1894]  181 ;  es  befindet  sich  nicht  in 
der  Sammlung  des  histor.  Vereines  in  Augsburg,  wie 
Naue  angiebt),  aus  einem  Grabhügel  bei  Bayreuth. 
Altert,  uns.  heidn.  Vorzeit  I.  V  4.  7.,  dazu  häufig 
Miniaturringe  dieser  Form;  z.  B.  von  Hohenberg  (0. 
A.  Parsberg),  mit  hallstättischen  Typen  gefunden  1  un- 
veröffentlicht, Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin, 
Kat.  n.  II  c  2972).  In  Ungarn  wird  die  Variante 
repräsentiert  durch  die  Armringfragmente  von  Michal- 
kow, die  mit  ihrem  ä  jour  gearbeiteten  Bande  von 
allen  oben  angeführten  Stücken  abweicht.  Die  Variante 
mit  stabartigem  Reif,  von  kreisförmigem,  viereckigem 
oder  dreieckigem  Querschnitt,  bisweilen  mit  Torsion, 
reicht  ebenfalls  von  der  älteren  Bronzezeit  bis  in  das 
Eisenalter.  Sie  ist  nur  in  Ungarn  und  im  Norden 
vertreten  und  gewöhnlich  aus  Gold  hergestellt.  Puls- 
kys  Angabe,  daß  sich  auf  der  Trocaderoausstellung 
1878  goldene  Ringe  unseres  Typus  von  französischer 
Provenienz  in  der  Sammlung  Greau  befunden  hätten, 
ist,  wie  mir  Fröhner  mitteilt,  irrtümlich.  Vermut- 
lich liegt  eine  Verwechslung  mit  zwei  Exemplaren 
der  Sammlung  (i.  Fillon  vor,  die  sich  auch  auf  der 
Ausstellung  befand.  Diese  Stücke  sollen  aus  dem  Tal 
der  unteren  Donau  stammen,  werden  also  wohl  auch 
ungarischer  Herkunft  sein  (vgl.  Linas,  Les  origines 
de  l'orfeverie  cloisonnee  Paris  1887  III  289).  Man  wird 
in  den  Goldexemplaren  auf  nordischem  Boden  mit 
Sophus  Müller  (Nordische  Altertumskunde  I  [1897] 
S.  254)  ungarische  Importstücke  zu  sehen  haben. 
Eine  größere  Anzahl  ist  in  Dänemark  gefunden 
(S.  Müller.  Ordning.  Broncealderen  Fig.  7.  8  mit 
Verweisen),  auch  aus  Schweden  sind  einige  bekannt, 
(Montelius,  Kultur  Schwedens  1885  S.  57,  Fig.  62; 
Raltische  Studien  1896  Taf.  II  31).  Aus  Nord- 
deutschland  haben     wir   Stücke    von    I.ettnin.     Kvritz 


(Altert,  uns.  heidn.  Vorzeit  I.  V  4.  6)  und  der  Um- 
gegend von  Berlin  (mit  einer  Goldblechvase  ge- 
funden; von  A.  Voß  erwähnt,  Zeitschr.  f.  Ethnol. 
XXII,  1890,  Verh.  298/99)  und  von  Schafstedt  (mit 
Formen  der  V.  Periode  Splieths;  Splieth,  Inventar  der 
Bronzealterfunde  199).  Aus  Ungarn  die  Ringe  von 
Feregyhäzy  (Komitat  Temes;  Arch.  Ertesitö  XXVII. 
[1907]  S.  59),  von  Acsäd  (Komitat  Szabolcs;  Ham- 
pel,  A  Bronzkor  Resz  XL VII,  2.  3a.  4a  und  Arch. 
közletnenyek  VII  181),  von  Akös  (Krasnaer  Komitat ; 
Archiv  des  Vereines  f.  siebenbürgische  Landeskunde 
N.  F.  XIII  [1876]  Taf.  VIII  14;  Archiv  f.  österr. 
Geschichtsquellen  XV  323),  von  Hajdu  Szoboszlö 
(Komitat  Hajduken;  Arch.  Ertesitö  XVIII  [1898] 
S.  52),  von  Szekelyhid  (Komitat  Bihar;  Arch.  Ertesitö 
XX  [1900]  S.  172  und  181)  und  Baranyhegy  (von 
Pulsky  erwähnt).  Ihnen  schließen  sich  die  Ringe 
von  Michalkow  und  Fokoru  an.  Diese  ungarischen 
Ringe  sind  Einzelfunde  und  wahrscheinlich  jünger  als 
die  meisten  nordischen  Reifen.  Eine  Ausnahme  machen 
die  Stücke  von  Feregyhäzy.  Sie  stammen  aus  einem 
Depot,  wo  sie  neben  vier  Ringen  mit  stabartigem  Reif 
lagen,  dessen  freie  Enden  in  je  eine  im  entgegen- 
gesetzten Sinne  gewickelte  Volute  enden.  Es  geht 
nicht  an,  diese  Ringe  mit  dem  Herausgeber  mit  denen 
von  Fokoru  und  Michalkow  zusammenzustellen  und 
nach  seiner  Datierung  dieser  Funde  in  das  VIII — VI. 
Jahrhundert  v.  Chr.  zu  setzen.  Einmal  stehen  die 
Feregyhäzyer  Ringe  den  genannten  nicht  so  nahe  wie 
den  älteren  nordischen  Exemplaren  und  dann  gehören 
die  mitgefundenen  Ringe  mit  einfacher  Spirale  in 
Ungarn  der  alleren  Bronzezeit  an  I  Reinecke  setzt 
sie  in  seine  IL  Periode1.  Wir  werden  den  Fund 
etwa  der  Mitte  der  alleren  angarischen  Bronzezeit 
zuweisen. 

35* 


276  M.   F.bert,  Der  Goldfund  von  Dälj 

Gold,  sind  in  einem  Skelettgrabe  bei  Mitrovica  (Slawonien)  gefunden  worden  mit 
unzweifelhaften  La  Tene-Stücken47). 

Um  das  chronologische  Verhältnis  der  Funde  von  Michalkow,  Fokoru  und 
Dälj  untereinander  zu  fixieren,  dazu  reicht  unser  Material  nicht  aus.  Sind  doch 
gerade  in  dem  Michalkower  Depot,  das  die  jüngsten  Formen  enthält,  auch  die 
ältesten  vertreten.  Ebensowenig  sind  wir  vorläufig  imstande,  das  Fabrikations- 
zentrum der  Stücke  zu  bestimmen.  Daß  sie  nicht  importiert,  sondern  in  Ungarn 
selbst  hergestellt  sind,  ist  ja  wohl  nicht  zweifelhaft.  Die  erheblichen  Formen- 
differenzen innerhalb  der  Gruppe48)  und  ihre  Verbreitung  von  Galizien  bis  Sla- 
wonien lassen  vermuten,  daß  sie  in  mehr  als  einer  Werkstätte  hergestellt  wurden. 
Genaueres  können  wir  in  dieser  Frage  noch  nicht  erkennen.  Somit  fehlt  auch 
für  ethnographische   Folgerungen  *9)  jede  Grundlage. 

Berlin,  Juni    1908.  MAX   F.BERT 

Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus. 

Noch  in  den  letzten  Wochen  seines  arbeitsreichen  Lebens  hat  Franz  Bücheier 
unser  Wissen  um  die  aquileiensischen  Monumente  durch  eine  wichtige  Erkenntnis 
bereichert.  Auf  eine  Anregung  Dessaus  hin  hat  er  in  den  zwei  Bruchstücken 
der  Tuditanusinschrift  (Fig.  124  und  125),  die  v.  Premerstein  in  dieser  Zeitschrift 
X  1907  S.  264  f.  mit  einem  eingehenden  Kommentar  veröffentlicht  hat,  saturnische 
Verse  erkannt,  für  die  er  versuchsweise  folgende  Ergänzung  vorschlug  (Rhein. 
Mus.   LXITI    1908  S.  321  f.): 

descende]re  et  Tauriscos  C[arnosque  et  Liburnos 

ex  montibjus     coactos     m[aritimas  ad  oras 

diebus    te]r  quineis     qua[ter    ibei    superjavit 

castreis]    signeis     consi[lieis    prorut]os    Tuditanus. 

ita  Romaje  egit  triumpu[m,  aedem  heic]  dedit  Timavo, 

sacra    patjria    ei    restitu[it  et  magistjreis  tradit. 

1      Brunsmid,   Vjesnik    hrvatskoga   arheoloskoga  [1905]    S.  22    S.-A.   aus  Archiv  f.  Anthrop.    N.   F. 

Urustva  VI  (1902)  S.  73  ff.  Brunsmid  setzt  den  Fund  III    ) )  wenn   er  meint,  daß  die  Funde  von  Michalkow 

um  400  v.  Chr.  Die  feine  Goldfiligranverzierung  kommt  und  Fokoru  in  Material  und  Form  so  übereinstimmen, 

schon   im   Hallstatikreis  in   älterer  Zeit   vor.     Vgl.   die  daß  sie  aus  einer  Werkstatt,  ja  aus  denselben   Händen 

Bruchstücke  eines  Filigranschmuckes  aus  sehr  feinem  hervorgegangen  sein  könnten. 

Golddraht  aus  einem   Tumulus  bei  Goldes  in   Mittel-  "'    Man   hat  naturgemäß    diesen    Punkt    Ins  jetzt 

Steiermark.  Mitt.  der  Wiener  Anthrop.  Ges.  XV  Taf.V]  kaum    berührt.    Eiadaczek    möchte    den   Michalkower 

1   und   5   und   S.  152;    Much,  Atlas  XI. TT  17  und   18.  Fund  mit  dem  Namen   der  Kimmerier,   Thraker  oder 

45)  Diese  verkennt  Hoernes  (Die  Hallstattperiode  filyrier   in    Verbindung  bringen    (Jahreshefte  IX    58). 


F..  Reisch,  Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius    ruditanus  277 

Durch  die  Feststellung  der  metrischen  Form  und  durch  die  unmittelbar  ein- 
leuchtenden Ergänzungen  der  ersten  Halbverse  in  Z.  3,  5  u.  6  ist  der  Gedanken- 
gang der  ganzen  Inschrift  in  der  Hauptsache  sichergestellt.  Wir  wissen  also 
jetzt,  daß  C.  Sempronius  Tuditanus,  der  im  J.  129  in  Rom  über  die  Iapoden 
triumphiert  hat '),  dem  Timavus  eine  Weihung  dargebracht  hat  und  erkennen, 
daß  in  der  nur  fragmentiert  erhaltenen  metrischen  Aufschrift  zugleich  mit  dieser 
Weihung  die  vorausgegangenen  kriegerischen  Expeditionen  erwähnt  waren.  Ein 
Versuch,  im  einzelnen  weiterzukommen,  wird  nur  dann  Aussicht  auf  Erfolg  haben, 
wenn  es  gelingen  sollte,  weitere  Aufschlüsse  über  die  Art  des  Denkmales  und 
den  Ort  seiner  Aufstellung  zu  gewinnen. 

Die  Gestalt  des  Postamentes,  zu  dem  die  in  Fig.  124  u.  125  mit  a  und  /'  be- 
zeichneten Steine  gehörten  -),  läßt  sich  jetzt,  wo  durch  die  Saturnierverse  die  Länge 
der  Zeilen  genau  berechnet  werden  kann,  hinreichend  klar  erkennen.  Da  von  den 
Zeilen  auf  Stein  a,  der  in  der  Breite  von  o'34m  io'/2 — 12V2  Buchstaben  trägt, 
links  7 — 8  Buchstaben,  also  0-22 — 0-24'"  fehlen,  so  läßt  sich  die  ursprüngliche  Breite 
des  Steines  auf  0-56 — o-58m  bestimmen,  also  auf  das  Doppelte  seiner  Höhe,  die 
jetzt  bei  abgestoßenen  Rändern  o-275m  beträgt,  ein  Maß,  dem  offenbar  ein  Fuß 
von  0-29'"  zugrunde  liegt.  Aus  der  Anordnung  der  Schrift  auf  dem  zweiten  Stein, 
für  den  natürlich  die  gleichen  Maße  anzusetzen  sind,3)  ergibt  sich,  daß  wir  es 
mit  einem  Postament  zu  tun  haben,  das  seiner  Breite  nach  nur  aus  zwei  Steinen 
zusammengesetzt  wTar;  also  im  Kern  ri2 — ri6'"  breit  war.  Daß  a  und  b  derselben 
Steinschicht  angehören,  wie  schon  v.  Premerstein  angenommen  hatte,  wird  jetzt 
dadurch  bestätigt,  daß  die  Erwähnung  des  Triumphes  auf  a  Z.  5  und  die  der 
Weihung   auf  b  Z.  5    notwendig-    an  den  Schluß    des   ganzen  Gedichtes    gehören. 

Da  durch  die  Anfangsworte  von  Z.  1  auf  a  gesichert  ist,  daß  noch  weitere 
Zeilen  vorausgingen,  so  folgte  ober  u  und  b  noch  eine  Lage  beschriebener 
Steine,  aber  schwerlich  mehr,  da  wir  nach  Analogie  ähnlicher  Gedichte,  die  sich 
durchweg  wahrhaft  , lapidarer'  Kürze  befleißen  (vgl.  Bücheier  S.  3241.  nicht  mehr  als 
vier,  allerhöchstens  sechs  weitere  Verse  vor  Z.  1  voraussetzen  können,  in  denen 
Näheres  über  die  den  Triumph  (Z.  5)  begründenden  Ereignisse  berichtet  war. 
Ober  den  Versen   stand    der  Name    des  Tuditanus    (als    des  Weihenden  oder  des 

')   Die  Nachrichten  über  den  Feldzug  und  Triumph  3)  Der    Stein    l>,    der    nur    in    einer    Breite    von 

des  Tuditauus  hat  v.  Premerstein  Jahreshefte  X  271  f.  0-221"  (unten)  erhalten   ist,   trägt  auf  der  Vorderseite 

zusammengestellt.  in  den  einzelnen  Zeilen  8  —  9  Buchstaben.  Da  er  rechts 

2)  Die   Abbildungen    sind    nach    Jahreshefte    X  etwas    enger   beschrieben  ist  als  a,  so  sind  auf  dem 

268  f.  wiederholt,  wo  auch  eine  genaue  Beschreibung  links   fehlenden    Teil  von   0*34 — 0'36m  noch    11  — 13 

des  gegenwärtigen  Zustandes   der  Steine  gegeben   ist.  Buchstaben   vorauszusetzen. 


278 


E.  Reisch 


Geehrten),  wodurch  erst  erklärlich  wird,  warum  in  den  erhaltenen  Versen  der 
Name  des  Handelnden  erst  nachträglich  in  Z.  4  genannt  wird,  während  schon 
in  mehreren  vorausgehenden  Zeilen  berichtet  war,  was  er  getan  hatte.  Unter  a 
und  b  folgte  wenigstens  noch  eine  gleichartige  Steinschicht,  auf  die  einige  Buch- 
stabenstriche der  letzten  erhaltenen  Zeile  übergriffen  (v.  Premerstein  S.  267),  auf 
der  aber,  wie  der  Inhalt  von  Z.  5  und  6  lehrt,  keine  weiteren  Verse  mehr  standen. 
Die  Höhe  des  Ganzen  wird  also  einschließlich  eines  Untersteines  und  einer  oben 
abschließenden  Deckplatte  i'30 
in      1  ö    ;"  betragen  haben.  '<][;P|{        i 

Die  Tiefenausdehnung  des 
Postamentes  läßt  sich  nicht  fest- 
stellen; die  Steine  sind  vielleicht 
erst  bei  ihrer  Wiederverwendung 
in  moderner  Zeit  auf  ihre  jetzige 
Dicke  von  0-33 — 0-34'"  gebracht 
worden.  Wenn  auch  auf  Grund 
des  Breiten-  und  Höhenmaßes 
nicht  bezweifelt  werden  kann, 
daß  das  Postament,  zu  dem  ci 
und  b  gehören,  eine  Statue  trug, 
so  müssen  wir  doch  unentschie- 
den lassen,  ob  wir  an  ein  ein- 
faches Standbild  oder  ein  Reiterbild  zu  denken  haben.  Daß  diese  Statue  den 
Konsul  Sempronius  Tuditanus  darstellte,  darf  als  fast  selbstverständlich  ange- 
nommen werden. 

Nun  wissen  wir  durch  Plinius  III  ig,  129  von  einer  Statue  des  Tuditanus, 
deren  Standort  nach  der  allerdings  unklaren  Ausdrucksweise  des  Plinius  (vgl.  S.  291) 
irgendwo  in  Istrien  oder  in  Aquileia  gewesen  zu  sein  scheint,  und  es  entsteht 
die  Frage,  welche  Beziehung  zwischen  dem  neugefundenen  Postamente  und  dieser 
Statue  besteht.  Ich  muß  der  folgenden  Erörterungen  wegen  die  betreffende  Stelle 
des  Plinius  in  ihrem  ganzen  Zusammenhange  hierhersetzen,  in  der  Textgestaltung, 
die  ihr  Detlefscn  gegeben  hat1):  Histria  ut  peninsula  excurrit.  Latitudinem  eius 
XL,  circuitum  CXXV  prodidere  quidam,  item  adhaerentis  Liburniae  et  Flanatici 
sinus  alii  CCXXV,  alii  Liburniae  CLXXX.  nonnulli  in  Flanaticum  sinum  Iapudiam 


124:   Quader  ir:   Vorderseite. 


1     Die  geographischen   Bücher  der  Naturalis  lli- 
storia  des   C.  Plinius  Secundus  (Sieglins  Quellen  und 


Forschungen    zur  alten    Geschichte    und    Geographie 

IX    K104). 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus 


279 


promovere  a  tergo  Histriae  CXXX,  dein  Liburniam  CL  fecere.  Tuditanus  qui  domuit 
Histros  in  statua  sua  ibi  inscripsit:  Ab  Aquileia  ad  Titium  flumen  stadia  MM5). 
v.  Premerstein  (S.  280)  glaubte,  die  aquileiensischen  Fragmente,  die  er  als 
Teile  eines  größeren  in  Prosa  verfaßten  Elogiums  ansah,  als  eine  Kopie  der 
Inschrift  ansehen  zu  sollen,  die  auf  dem  Postament  der  von  Plinius  erwähnten, 
etwa  in  Parenzo  oder  in  Pola  aufgestellten  Siegerstatue  gestanden  hätte.  Rücheier 
dagegen    hielt    die    Frage    der    Zusammengehörigkeit    der    aquileiensischen    Basis 


it  ■ \_ 


125  :  Quader  /> :     Vorder-  und  rechte  Nebenseite. 


und  jener  Statue  dadurch  für  erledigt,  daß  die  Inschrift  von  Aquileia  in  Versen 
abgefaßt  war,  während  er  jene  Distanzangabe,  die  Plinius  aus  Tuditanus  beibringt, 
nach  Art  der  Angaben  des  sogenannten  Miliarium  Popillianum  (CIL  I551,  X  6950, 
Dessau  Inscr.  Lat.  sei.  23)  —  eines  Verzeichnisses  der  einzelnen  Distanzen  auf  der 
Straße  Capua-Regium  —  beurteilt  wissen  wollte. 

Gegen  die  letztere  Annahme  spricht  -  abin-^hen  von  der  auffalligen  Ver- 
bindung eines  Distanzenverzeichnisses  mit  einer  Statue  —  vor  allem  der  Umstand, 
daß  Tuditanus  doch  gewiß  keine  Straße  nach  Dalmatien  gebaut  hat  und  zudem  die 
auf  tausend  abgerundete  Stadienzahl  nicht  als  eine  praktischen  Zwecken  dienende 
Distanzangabe  gelten  kann.  Dagegen   passen,  wie  bisher  ziemlich  allgemein  aner- 

1   MM    für    das    handschriftliche   M    hat    Müller  und  Geographie   XI)  S.  [22;  vgl.  unten   S.  282.    Der 

zu    Ptolemäus    II   16    p.   306    vorgeschlagen,    ebenso  Xarae  des   rCerfea-Flusses    erscheint   in    der   Inschrift 

Zippel,    Die    römische    Herrschaft    in  Illyrien  (.18771  CIL  III  (>ii8   (p.  1036)    in    der   Form   Titus,    doch 

S.  136  und  A.  Klotz,  QuaestionesPlinianaegeographicae  berechtigt  uns  das  wohl  kaum,  die  gleiche  Schreibung 

(■Sieglins  Quellen  und  Forschungen  zuralten  Geschichte  auch   bei    ludit.imi-   einzusetzen. 


28o 


E.  Reisi-h 


kannt  worden  ist6),  die  von  Plinius  angeführten  Worte  nach  Form  und  Inhalt 
sehr  wohl  in  einen  Bericht  über  den  Zug  des  Tuditanus  gegen  die  Iapoden.  Denn, 
wenn  auch  Plinius  III  21,  140  das  Gebiet  der  Iapoden  weiter  nordwärts  am 
Telavius  (der  heutigen  Zermanja  bei  Obrovazzo)  enden  läßt  und  den  Titius  — 
die    heutige  Kerka       -    als   Grenzfluß    von   ,Liburnieir    und  Dalmatien   bezeichnet, 

so  gehören  doch  auch 
noch  in  der  Kaiserzeit 
die  Iapoden  zum  con- 
ventus  iuridicus  von 
Scardona  an  der  Mün- 
dung des  Titius  (Plin. 
III  139  CIL  III  p.  366- 
I03o);  vgl.  Fig.  126. 
Mag  also  das  Gebiet 
der  Iapoden,  das  einst 
vermutlich  noch  viel 
weiter  nach  Süden  sich 
ausdehnte,  um  1 30  bis 
gegen  den  Titius  zu 
sich    erstreckt    haben 

oder  auch  damals 
schon  das  Land  süd- 
lich von  Obrovazzo 
nur  von  liburnischen 
Stämmen  bewohnt  ge- 
wesen sein,  jedenfalls 
mußte  jede  gegen  die 
Iapoden    gerichtete 

Unternehmung  ihn-    Wirkung  bis  /.um    Titius  erstrecken,    zumal  der  Oberlauf  des 
Titius  dem  Quellengebiete  der  Zermanja  benachbart  ist.7)  Ob  nun  in  jenem  größeren 

Plinius  II]  129  (vgl.  Flor.  II  5  [I,  21])  und  Straho  VII  5, 
4  p.  3  14  (Anm.  8)  zeigen;  vgl.  Zippcl  a.  a.  O.  S.  1  -4-  R. 
Kiepert,  Formae  orbis,  Text  zu  Tal.  XXIII  S.  i  t  will 
mit  Patsch,  Lika  S.  24  den  Telavius  (oder  „Tedanius") 
in  der  Quelle  Zerovnica  nördlich  von  Ortopla  erken- 
nen. Es  ist  sehr  möglieb,  daß  auch  im  ).  129  v.  Chr. 
I.iburner  mit  den  Iapoden  verbunden  waren,  wie  später- 
hin öfter,  vgl.  Appian,  Illyr.  16.  Dio  IL  34.  2. 


126:  Ausschnitt  aus  Kiepert,   Formae  orbis  antiqui  Taf.  XVII. 


Zippe]  a.  a.  1  >.  S.  131  f.;  Benussi,  f.'Istria  sino 
ad  Augusto  (188S)  p.  269  t".;  Mommsen  R(i  IT'  169; 
v.   Premerstcin   a.a.O.   S.  280. 

er    das  Gebiet    der    Iapoden    it.',;  "\>.-  =  o>v 

Appian,   Illyr.  io)  vgl.   Patsch,  Wissensch.  Mitt.  aus 

Bosnien    VI    164  f.;   VII  33;   Jelii    ebd.    VIT   205.   Im 

Küstengebiete  lassen  sich  die  Grenzen  zwischen  iapoden 

und  Liburncrn  nicht  scharf  ziehen,  wie  die  Angaben  bei 


Die   Statuenhasis  des  C.  Sempromus   Tuditanus  281 

Zusammenhang,  dem  das  Zitat  bei  Plinius  entlehnt  ist,  gesagt  gewesen  war,  daß 
Tuditanus  das  ganze  Gebiet  bis  zum  Titius  unterworfen  habe,  oder  aber,  daß  er 
die  Iapoden  und  vielleicht  auch  die  Liburner  bis  zum  Titius  zurückzufliehen  ge- 
zwungen habe,  können  wir  nicht  wissen,  aber  wir  werden  kaum  an  den  merk- 
würdigen Zufall  glauben  wollen,  daß  Tuditanus  diese  Worte  in  einem  andern 
Zusammenhange  als  in  dem  eines  Berichtes  über  seinen  Iapodenfeldzug  ge- 
braucht hätte. 

Überlegen  wir  nun.  daß  einerseits  in  den  verlorenen  Versen  der  aquileiensi- 
schen  Fragmente  ein  Bericht  der  gleichen  Art  über  den  Iapodenfeldzug  gestanden 
haben  muß,  wie  der,  von  dem  die  bei  Plinius  erhaltenen  Worte  einen  Teil  gebildet 
haben,  und  daß  anderseits  in  diesen  Worten  gerade  xAquileia  in  den  Vordergrund 
gerückt  erscheint,  so  kann  kaum  ein  Zweifel  darüber  sein,  daß  hier  und  dort  zu- 
sammengehörige Stücke  eines  und  desselben  Berichtes  vorliegen. 

Dazu  kommt  nun,  daß  die  von  Plinius  angeführten  Worte  in  der  Form,  in 
der  die  Handschriften  sie  überliefern,  ganz  wohl  einen  Saturnier  bilden  konnten, 
dessen  Härten  in  den  Eigennamen  genügende  Entschuldigung  finden  : 

Ab  Aquileia  ad  Titium  |  flümen  städia  mille 
Da  in  Wahrheit  die  Entfernung  von  Aquileia  zum  Titius  bedeutend  mehr  als 
1000  Stadien  beträgt,  so  hat  man  , mille'  in  ,duo  milia'  verändert.  Plinius  führt 
die  Distanzangabe  des  Tuditanus  in  Zusammenhang  mit  Angaben  über  die  Küsten- 
längen Istriens  und  Dalmatiens  an,  ohne  daß  ersichtlich  würde,  inwieweit  zwischen 
den  einzelnen  Angaben  Übereinstimmung  oder  Widerspruch  herrschte.  Es  ist 
klar,  daß,  wenn  bei  Tuditanus  die  ganze  Küstenlänge  Istriens  in  der  Linie 
Aquileia  — Tergeste  —  Pola  —  Fianona — Tarsatica  in  die  Berechnung  einbezogen 
würde,  eine  Entfernung'  von  weit  mehr  als  2000  Stadien  sich  ergeben  würde8). 
A.  Klotz  hat  kürzlich  durch  die  Addition  mehrerer  bei  Plinius  überlieferter 
Distanzangaben  geglaubt,  für  die  Strecke  Aquileia — Formio — Tarsatica — Titius 
genau  2000  Stadien  ermitteln  zu  können'!.  Aber  diese  Versuche  haben  schon 
deshalb  wenig  Gewähr,  weil  wir  kein  Recht  haben,  die  Distanzangaben  bei  Varro 

s)  Nach  Strabo  VII  5,  p.  314  C  hat  der  'Iaipixc;  Breite  Istriens  (nach  Plinius)  mit  40  römischen  Meilen 
7iapxn/,ou;  1300,  der  'IanoSlxög  1000,  der  Aipupvtxo;  an  und  gewinnt  durch  Änderung  der  bei  Plinius  über- 
mehr als  1000  (1500  Epit.!  Stadien.  Nach  den  von  lieferten  Zahl  für  Iapodien  und  Liburnien  1 80  römische 
Plinius  III  129  an  erster  Stelle  genannten  Gewährs-  Meilen,  was  dann  allerdings  gerade  250  römische 
männern  würde  die  Küstenentwicklung  Istriens  (von  Meilen  =  2000  Stadien  ergibt.  Aber  es  ist  durchaus 
Formio  an?)  und  Liburniens  (von  Arsia  bis  Titius?)  fraglich,  ob  wir  in  die  Distanzangaben  bei  Plinius, 
350  röm.  Meilen  =  2800  Stadien  sein.  die  sich  mit   den    bei  Strabo    überlieferten    nahe  be- 

9)   Quaestiones    Plinianae    geographicae    S.    122.  rühren,    ein   Mali    hineinkorrigieren    dürfen,   das    den 

Klotz  setzt  die  Strecke  Aquileia — Formio  mit  29,  die  Nordpunkt  des  Quarnero  zum  Ausgangspunkte  hat. 
Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes   Bd.  KI.  36 


282  E.  Reisch 

und  Agrippa,  weder  wo  sie  richtig',  noch  wo  sie  unrichtig  sind,  in  der  Zeit  des 
Tuditanus  vorauszusetzen.  Der  Marsch  des  Tuditanus  ging  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  vom  Timavus  g'egen  Tarsatica  zu  (vgl.  S.  284),  auf  einem  Wege,  den 
man  auf  etwa  550  Stadien  schätzen  mag10);  für  das  weitere  Vordringen  gegen 
Süden,  bei  dem  gewiß  die  Flotte  behilflich  war,  könnte  man  die  Küstenlinie,  die 
von  Tarsatica  bis  lader  (Zara)  rund  800  Stadien  beträgt,  als  Grundlage  der  Distanz- 
berechnung ansehen,  wozu  dann  noch  bis  Burnum  oder  bis  zur  Titiusmündung 
250 — 300  Stadien  zuzurechnen  wären.  Doch  hat  Tuditanus  seine  Distanzangabe 
gewiß  nicht  durch  eine  solche  Addition  von  Land-  und  Seewegen  ermittelt,  sondern 
die  direkte  Entfernung  der  beiden  Endpunkte  zur  See  (auf  der  Strecke  Pola — 
lader)  im  Auge  gehabt,  wobei  ihm  Schätzungen  griechischer  Seefahrer  vorgelegen 
haben  mögen;  daraus  erklärt  sich  am  einfachsten  die  Anwendung  des  griechi- 
schen Längenmaßes  sowie  die  Nennung  eines  Flusses,  d.  h.  einer  Flußmündung 
als  Endpunkt  der  Strecke.  Es  ist  nun  vielleicht  kein  bloßer  Zufall,  daß  im  so- 
genannten Itinerarium  Antonini  zweimal  (p.  272  und  496)  der  ,traiectus  sinus  Li- 
burnici'  von  Pola  nach  lader  mit  nur  450  Stadien  angegeben  ist11),  und  daß  unter 
Zugrundelegung  des  gleichen  Maßstabes  für  die  Entfernung  Aquileia — Titius  sich 
annähernd  gerade  1000  Stadien  ergeben  würden1-).  Jedenfalls  möchte  ich  glauben, 
daß  unter  solchen  Umständen  in  der  Zeit  des  Tuditanus  der  Abstand  der  beiden 
Punkte  ganz  wohl  in  poetischer  Allgemeinheit  mit  mille  stadia  eingeschätzt 
werden  konnte.  Während  eine  Angabe,  wie  , Zweitausend'  oder  fünfzehnhundert' 
schon  den  Anspruch  einer  genauer  berechneten  Distanzangabe  machen  würde, 
kann  , mille  stadia'  schlechtweg  zur  Bezeichnung  einer  unbestimmt  großen  Ent- 
fernung gesetzt  sein.  Die  Eigenart  der  dichterischen  Sprache  scheint  also  gerade 
jene  Formulierung  zu  schützen,  die  auch  durch  das  saturnische  Versmaß  empfohlen 
und  durch  die  Handschriften  überliefert  wird.  Wer  aber  meinen  sollte,  daß  eine 
solche  Abrundung  der  Zahl,  die  zugleich  beträchtlich  hinter  der  Wirklichkeit 
zurückbleibt,  dem  Tuditanus  nicht  zugemutet  werden  könne,  der  müßte  bei  Plinius 
statt  M  die  Zahl  MD  oder  MDC  einsetzen  und  in  der  metrischen  Aufschrift  die 
Hunderterzahl  am  Anfang  des  nächsten  Verses  angeschlossen  denken,  etwa  so: 
.stadia  mille  |  quingenta  terra  marique  . . .  profligavit'. 

Für  den  Text  der  aquileiensischen  Steine  gewinnen  wir  aber  aus  der  Stelle 

10)  Die  Strecke  Aquileia  —  fönte   Timavi — Ave-  freilich  auch  hier  die  Zahl  CCCCL  zu  DCCCL  oder 

sica  —  ad  malum  —  ad    titulos  —  Tarsatico    halle   nach  DCCCCL  ändern   wollen. 

dem  Itinerarium  Antonini  (p.  273)  7C  römische  .Meilen.  n)    Vcrgl.  die    Berechnungen     bei    Fr.     I'ichler, 

Vgl.  Mommsen  CIL  V  p.  75.  Anstria  Romana  II  (Sieglins  Quellen  und  Forschun- 

'.    I   .    Müller    iu     Ptolemäus    11    16    p.   300    hat  gen    III)   S.  400. 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus  283 

des  Plinius  außer  einem  neuen  Verse  noch  ein  weiteres.  Mit  Recht  hat  schon 
v.  Premerstein  (S.  278)  vermutet,  daß  das  Zitat  bei  Plinius  in  letzter  Linie  aus 
dem  Geschichtswerke  des  Tuditanus  genommen  sein  müsse13),  das  in  seinem  letzten 
Abschnitte  noch  des  Tuditanus  eigene  Taten  behandelt  haben  wird14).  Wer  anders 
als  Tuditanus  selbst  sollte  es  wohl  auch  der  Mühe  wert  gefunden  haben,  die 
Inschrift  einer  Statuenbasis  in  einem  entfernten  Grenzbezirke  des  Reiches  zu 
kopieren?  Dann  legen  uns  aber  die  Worte  des  Plinius  (,in  statua  sua  ibi  in- 
scripsif)  in  Verbindung  mit  der  Tatsache,  daß  Tuditanus  seiner  sprachlichen  Form- 
gewandheit  wegen  gerühmt  wird,  die  Vermutung  nahe,  daß  Tuditanus  selbst, 
wie  er  wohl  in   seinem   Buche  bekannte,  der  Verfasser  der  Inschrift  war. 

Dann  sind  also  auch  die  Verse  der  aquileiensischen  Basis  zwar  nicht,  wie 
Bücheler  vermeinte,  ein  vollwertiges  Seitenstück  zu  den  Saturniern,  in  welchen 
Accius  die  Taten  des  Brutus  Gallaicus  feierte1''),  aber  doch  gute  Hausdichtung  eines 
Geschichtschreibers,  der  auch  später  noch  eines  gewissen  Ansehens  sich  erfreute10). 

Auch  noch  die  weitere  Bemerkung  des  Plinius  über  Tuditanus:  ,qui  domuit 
Histros'  dürfen  wir  nunmehr  für  die  Ergänzung  der  aquileiensischen  Verse  heran- 
ziehen, mögen  nun  die  Worte  unmittelbar  dem  Texte  der  Statuenbasis  oder  den 
begleitenden  Worten  in  des  Tuditanus  Annalen  entlehnt  sein.  Zwar  hat  gerade 
diese  Erwähnung  der  Histrer,  wo  man  die  Iapoden  erwartete,  Befremden  erregt; 
aber  daß  hier  kein  Irrtum  vorliegt,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  Plinius  eben 
bei  der  Beschreibung  Istriens  des  Tuditanus  gedenkt.  Wohl  hat  schon  im 
Jahre  177  der  Konsul  C.  Claudius  über  die  Histrer  triumphiert  (Liv.  41,  13,  6),  und 
es  ist  möglich,  daß  die  damals  bis  zur  Vernichtung  geschlagenen  Stämme  des 
westlichen  Istriens  sich  seither  nicht  mehr  gegen  die  Römerherrschaft  erhoben 
haben 1T).     Aber  jener  Teil  der  Histrer.  der  in  den  östlichen  Bergen  Istriens    und 

u)  Tuditanus  wird  bei  Plinius  im  Index  zu  Buch  (iellius   VII  4,    1  :   in   Tuditani  libris). 

XII  und  XIII  unter  den  benutzten  Autoren  genannt,  ls)  Schol.  Bobiensia  zu  Cic  pro  Arcliia  27  (p.  [65 

vgl.  XIII  84.     Für    das    Zitat    in    Buch   III    möchte  Hildebr.):  cuius   (Acci)   plurimos  versus,   quos  Satur- 

Detlelsen,   Die    Beschreibung    Italiens    in    der  Natur.  nios     appellaverunt,    vestibulo    templi    Martis    super- 

Historia  des  Plinius  (Sieglins  Quellen   und  Forschun-  scribsit  Brutus. 

gen  Ii  S.  39  Vermittlung  durch  Cornelius  Nepos  an-  lb)  Vgl.  Cic    Brut.  2;.  95:   Gaius  Tuditanu-  cum 

nehmen,   Klotz  a.  a.  O.  S.   122   denkt  an   Varro.  omni   vita    atque  victu   excultus  atque  expolitus,    tum 

14)  Über   die  Schriftstellerei    des  Tuditanus  vgl.  eius  elegans  est  habitum  etiam   orationis  genus.    Bei 

Peter   Histor.   Roman,  rcl.  I   p.  CCX;    1S5I".     Gegen  Dionvs.   Haue.  I  11    werden  Cato   und  Tuditanus  als 

Cichorius,  der  dem  Tuditanus  ein  annalistisches  Werk  Ol  XofKOTOCTCX  xmv  Pd)|iaixc5v   JUYYpaqpstflv  bezeichnet, 

abzusprechen    versucht    hat   (Wiener  Studien    XXIV  '")     Liv.    11.    9:     Histria    Iota    trium     oppidorum 

590),  vgl.  v.  Premerstein  a.  a.  O.  S.  278.  Ich  bezeichne  ( —  Nesactium,   Mutila,  Faveria   — )  excidio  et  morte 

das  Geschichtswerk  des  Tuditanus  als  Annalen,  ob-  regis  pacata    est  omnesque  undique  populi  obsidibus 

wohl    der  Titel   vielleicht    anders    gelautet    hat    ivgl.  datis  in   dicionem  venerum. 

$6' 


284  E.  Reisch 

im  Karstgebiete  östlich  und  nördlich  von  Triest  bis  zum  Timavus  saß  l8),  hat  den 
Römern  auch  noch  nach  177  viel  zu  schaffen  gegeben.  Schon  im  Jahre  171.  sechs 
Jahre  nach  dem  istrischen  Triumphe  des  Claudius,  führten  die  Aquileienser  Klage 
..coloniam  novam  et  infirmam  necdum  satis  munitam  inter  infestas  nationes  Histrorum 
et  Illyriorum  esse"  (Liv.  43,  1.5)  und  als  damals  der  Konsul  C.  Cassius  auf  eigene 
Faust  von  Aquileia  durch  Illyricum  nach  Mazedonien  zu  ziehen  unternahm,  dachte 
man  in  Rom,  daß  der  Konsul  gegen  .Carner  oder  Histrer  einen  Kriegszug  beab- 
sichtige (Liv.  43,  1,  7).  Als  bald  darauf  Gesandte  der  ,Carner,  Histrer  und  Iapoden- 
in  Rom  erschienen,  um  sich  über  die  Verwüstung  ihrer  Ländereien  durch  Cassius 
zu  beklagen,  gab  sich  der  Senat  alle  Mühe,  diese  durchaus  nicht  ungefährlichen 
Völkerschaften,  die  Cassius  durch  seine  verunglückte  makedonische  Expedition 
in  Aufruhr  gebracht  hatte,  wieder  zu  beschwichtigen. 

Diese  Erzählung  ist  für  uns  auch  deshalb  von  Interesse,  weil  Tuditanus  die- 
selbe Anmarschroute  wie  Cassius  genommen  haben  dürfte.  Neben  den  Histrern, 
mit  denen  es  Tuditanus  nach  Plinius  zu  tun  hatte,  sind  uns  in  Z.  1  des  Steines  a 
als  seine  Gegner  die  Taurisker  bezeugt,  die  als  die  nördlichen  und  östlichen 
Nachbarn  der  Carner  häufig-  mit  diesen  zusammen  genannt  werden11').  Bücheier 
hat  auch  hier  Z.  1  die  Carner  eingesetzt  und  „lediglich  um  das  Versschema  auf- 
zuzeigen" zu  lesen  vorgeschlagen :  descendejre  et  Tauriscos  Cjarnosque  et  Liburnos20) 
ex  montib]us  coactos  m[aritimas  ad  oras].  Doch  wird  man  bezweifeln  dürfen,  daß 
die  Römer  schon  damals  daran  denken  konnten,  die  Alpenstämme  in  ihren  Berg- 
sitzen  zu  umfassen  und  in  das  Küstengebiet  zu  drängen.  Sie  begnügten  sich  wohl 
damit,  die  zum  Meere  herabgestiegenen  Stämme  wieder  in  ihre  Berge  zurück- 
zutreiben und  sie  dort  recht  empfindlich  zu  züchtigen.  Möglich,  daß  die  Taurisker  81), 

18)  Noch  Strabo  V  1,9  p.  215  läßt  die  Küste  der  VII   5,  2   p.  314  (vgl.  Appian  Illyr.  16,    Dio  IL,   34. 

Histrer  am  Timavus  beginnen    vgl.  Ann).  28).   Wenn  2),  als  Nachbarn   der  Iapoden  bei  Plin.  III   18,  127; 

andererseits  bei  Strabo  IV  6,   10  und  VII   5,  2   p.  314  22,  146;   5,  38;    vgl.  Strabo   VII  5,  2  p.  314;   Zippel 

Triest  und  das  Bergland   bis  zur  Ocra   1  Birnbaumer-  a.  a.  O.  125.  In   der  Zeit  des  Tuditanus  mögen   frei- 

wald)  als  Gebiet   der  Carner  erscheint,  so  wird  man  lieh   die  Gebiete    dieser  Völkerschaften  noch    anders 

anzunehmen   haben,    daß  allmählich    im   ersten   Jahr-  abgegrenzt  gewesen  sein   als  späterhin, 

hundert   v.  Chr.   die  Carner  nach  Osten  und  Südosten  20)  Die    Liburner    möchte    man    eher    mit    den 

weiter  vorgedrungen  waren,    so    daß  die  Histrer  auf  Iapoden  als  mit    den   Tauriskern   zusammen   genannt 

das   Gebiet   des  heutigen  Istriens  beschränkt  wurden.  erwarten. 

I0)  Im    Jahre   115   v.Chr.    hat    der    Consul    M.  M     Die  Hauptsitze  der  Taurisker  waren   in  Nori- 

Aemilius  Scaurus  über  die  Carner  und  zugleich  auch  cum,   vgl.  Strabo   IV  6,  9;    Polvb.  bei   Strabo   IV    6, 

über    die    Taurisker    triumphiert,    wenn    Mommsens  12;   Plin.  III  20,  133,  doch  erscheint  auch  Xauportos 

Verbesserung  des  handschriftlichen  .Cauriscos'  in  der  fOberlaibach)    bei  Strabo  VII   5,   2   p.  314  als  Sied- 

Schrift  de  viris  illustr.  72,  7  richtig  ist,  vgl.  v.  Prcmer-  lung  der  Taurisker.   Wie  mit  den  Carnern    Anm.  19), 

stein    274 M.     Die    Carner    erscheinen    als    Nachbarn  so  berühren  sie  sich  auch  mit  den  bis  nahe  an  die  Ocra 

der  Taurisker  bei  Strabo   [V  6,  9;   VII  1.  5  p.  292;  reichenden  Iapoden,  vgl,  Appian  Illyr.  16;  Dio  IL  34,2, 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus  28,5 

deren  Wohnsitze  damals  vielleicht  weiter  nach  Süden  reichten  als  späterhin,  im 
Jahre  12g  mit  Histrern  und  Iapoden  zusammen  bis  gegen  Aquileia  vorgedrungen 
waren  tvgl.  S.  287),  doch  möchte  ich  eher  glauben,  dal3  sie  sich  dem  Tuditanus  erst 
im  Berglande  in  den  Weg-  gestellt  hatten  oder  daß  Tuditanus  —  etwa  auf  dem 
Rückmärsche  —  von  seiner  Straße  nordwärts  abgewichen  war.  um  die  Alpenstämme 
für  anderweitige  Feindseligkeiten  zu  züchtigen.  Man  könnte  also  etwa  ergänzen: 
ex  itinejre  oder  eo  itinejre22)  et  Tauriscos  c[ontrivit  et  Carnos]. 

Die  Reste  von  Z.  2  bieten  zu  viele  Ergänzungsmöglichkeiten,  um  eine  Ent- 
scheidung zuzulassen-3*.  In  Z.  3  hat  Bücheier  mit  der  Lesung:  diebus  ter  quineis 
die  Zeitangabe  sicher  richtig  erschlossen.  Leider  läßt  sich  aber  nicht  erkennen, 
ob  innerhalb  dieses  Zeitraumes  die  ganze  Expedition  oder  nur  der  Hinmarsch 
oder  nur  eine  Episode  des  Feldzuges  zum  Abschlüsse  gekommen  ist24).  Ich  würde 
am  liebsten  glauben,  daß  in  Z.  3  und  4  eine  Zusammenfassung  sämtlicher  Erfolge 
gegeben  war.  Statt  quater  könnte  natürlich  auch  quattuor  dagestanden  haben, 
z.  B.:  , quattuor  superavit  |  populos'  oder  , quattuor  expugnavit  |  urbes'.  Die  von 
Bücheier  Z.  4  vorgeschlagene  Wortverbindung  castreis]  signeis  consi[lieis]  scheint 
nicht  unbedenklich:  aber  die  erhaltenen  Buchstaben  lassen  anderweitigen  Ver- 
mutungen wenig  Spielraum.  Ich  habe  an  ,signeis  consi[stit]'  oder  ,consi[stens]' 
gedacht,  etwa  in  der  Verbindung  .cunctis  signis  consistere'  (wobei  vorher  der  Ort, 
bis  zu  welchem  Tuditanus  vorgedrungen  war,  genannt  gewesen  sein  müßte),  oder 
im  Sinne  von  ,iterum  heic  consistere  signis'  (von  der  glücklichen  Rückkehr)  — 
aber  ich  vermochte  nichts  Befriedigendes  zu  finden  und  glaube  bei  .consilieis' 
verbleiben  und  nur  für  , castreis',  das  zu  der  kurzen  Dauer  der  Expedition  nicht 
zu  stimmen  scheint,  ein  anderes  Wort  einsetzen  zu  sollen,  z.  B.  ,fausteis\ 

Im  zweiten  Halbvers  von  Z.  4  möchte  ich  den  vollen  Namen  Sempronijos 
Tuditanus  vermuten,  da  die  Nachstellung  des  Subjektes  am  Schlüsse  so  vieler 
Aussagen  eine  nachdrücklichere  Betonung  des  Xamens  wünschenswert  erscheinen 

21)  Auch   andere   Ergänzungen,    z.   B.   quo    tem-  -*)  Den    Krieg  gegen   (ientius    und    die   Illyrier 

po]re,    ultra    ma]re    sind    denkbar;     dagegen    scheint  hat   L.  Anicius  Gallus   .intra    triginta  dies'  nach  Liv. 

ein  Infinitiv    durch  die  Stellung   weniger  empfohlen.  44,  32,   4,   Etxooiv  j)|iepai£  nach   Appian  Illyr.   9  be- 

!3)  Im   ersten   Halbvers  läßt    sich    statt    ex    oder  endet.  Im   Elogium  des   L.  Aemilius  Paulus  CIL  XI 

in  montib]us   auch    anderes  voraussetzen,    z.   B.    ,iani  1829  (Dessau,    Inscr.  Lat.   sei.   57     heißt  es:    Copias 

cladib]us   coactos',    woran    v.   Premerstein   dachte.    M  regis   [decem    diebjus,    quibus  Mac[edoniam   atti]git, 

könnte  der  Anfangsbuchstabe  eines  Namens  sein,  etwa  delev[it,  regem  cum  liberijs  cep[it];  beiLivius  45,  41,  5 

von  Mentores  (die  nördlich  von  den  Liburnem  sitzen.  sagt   Aemilius:     (bellumi    quindecim    diebus    perfeci. 

vgl.  Zippel  a.  a.  O.   S.  8)  oder  Menocaleni  (bei   Plin.  Auf  30  Tage  halte   C.  Cassius  im  Jahre   170    seinen 

III    133),    läßt  aber   auch   die  mannigfachsten  ander-  Marsch  von    Aquileia  durch    Illyricum    nach    Make- 

weitigen   Vermutungen   zu.  donien   veranschlagt   (Liv.  43,    I.   8  . 


286  E.  Rcisch 

läßt.  Bücheier  hat  in  seinem  Ergänzungsvorschlag  Saturnier.  deren  zweiter  Halb- 
vers mit  einem  Auftakt  beginnt,  vermieden,  weil  er  auf  dem  Steine  nur  Muster- 
verse glaubte  erwarten  zu  sollen,  doch  dürfen  wir  wenigstens  dort,  wo  Eigennamen 
ins  Spiel  kommen,  gewiß  auch  freier  gebaute  Saturnier  voraussetzen25). 

Mehr  Anhaltspunkte  zur  Ergänzung  der  Geschichte  des  Iapoden-Feldzuges 
als  Z.  3  und  4  in  ihrer  gegenwärtigen  Verstümmelung  scheinen  mir  die  beiden 
letzten  Zeilen  zu  bieten.  Aus  Z.  5  erfahren  wir,  daß  Tuditanus  dem  Flußgott 
Timavus  eine  Stiftung  geweiht  hat26).  Diese  Stiftung  erhält  einen  besonderen 
Nachdruck  durch  Z.  6:  sacra  pat]ria  ei  restitu[it  et  magist]reis  tradit,  deren  scharf- 
sinnige Ergänzung  durch  Bücheier  mir  in  der  Hauptsache  unanfechtbar  erscheint27); 
nach  der  Erwähnung  des  Triumphes  und  dem  Hinweis  auf  das  Weihgeschenk 
kann  nicht  mehr  eine  anderweitige  neue  Tatsache  berichtet,  sondern  nur  noch 
ein  Zusatz  zu  dem  unmittelbar  vorher  Gesagten  gegeben  worden  sein. 

Ein  solcher  Pietätsakt  gegenüber  Timavus  kann  nun  für  einen  Konsul,  der 
über  Iapoden  und  Taurisker  gesiegt  hat,  durchaus  nicht  als  etwas  Selbstverständ- 
liches gelten;  er  läßt  sich  nur  daraus  erklären,  daß  der  Timavus  für  die  Expedition 
des  Tuditanus  eine  besondere  Bedeutung  gewonnen  hatte.  In  der  Tat  bildete  der 
Fluß  Timavus,  der  seit  der  Gründung  von  Aquileia  der  Grenzfluß  zwischen  den 
Römern  und  Histrern  war'-"'),  gewissermaßen  die  natürliche  Basis  des  von  Tudi- 
tanus unternommenen  Feldzuges.  Über  ,Fons  Timavi'  lief  in  der  Kaiserzeit  eine 
Straße  quer  durch  das  nördlichste  Istrien  nach  Tarsatica  (Fiumel.  Als  der  Konsul 
A.  Manlius  im  Jahre  178  gegen  die  Histrer  auszog,  da  verlegte  er,  wie  wir  aus 
der  ausführlichen  Erzählung  bei  Livius  XLI  1  erfahren,  von  Aquileia  aus  zunächst 
sein  Lager  ,ad  lacum  Timavi'-"'),  wohin  auch  die  römische  Flotte  beordert  war.   Von 

-'■    Beispiele    solcher    Saturnier    bespricht    Leo.  M)    Der    ,See     des    Timavus'    (vgl.    die    ,stagna 

Der  satumische  Vers  (Abhandl.  d.  Göttinger  Ges.  d.  Timavi'  bei  Claudian   de  III  cons.  Honorii  120)  wird 

Wissenschaften  VIII   5    1905    S.  53.  von  den  meisten  in  dem  sumpfigen  Terrain  (.Lisert'l 

■")   l'ber    das  zu    ,dedit'    zu  ergänzende  Objekt  südostlich  von   Monfalcone  gesucht,   da  in  den  beiden 

vgl.  unten  S.  289.  südlich  vom  I.isert   gelegenen  Hügeln,  dem  Hügel  von 

1    Den  Trennungspunkt  vor  ,ei',  der  auf  Groebes  S.  Antonio    imit    der  Schwefeltherme)   und  dem  öst- 

Durchreibung  (Klio  V 1 05   erscheint,  vermag  Maionica  lieh   benachbarten    ,della   Punta'   mit   Sicherheit    die 

mit    dem  Steine    nicht  zu    erkennen.     Dennoch    wird  festländisch    gewordenen    ehemaligen    Inseln    erkannt 

man  an  der  Richtigkeit  von  Büchelers  Deutung  nicht  werden   dürfen,    die  Plinius  III  30,   151   (aus  älterer 

zweifeln  dürfen.   Auch  ,pat]ria'  und  damit  auch  , sacra  Quelle:  1    noch    als   Inseln  ante  ostia  Timavi   (vgl.   II 

patria'  scheint  mir  wenigstens  dem  Sinne  nach  gesichert.  103,2291  erwähnt;  vgl.  Czörnig,  Das  Land  Görz  11. 

29)  Der  Timavus  erscheint  als  Grenze  der 'Iotptov  Gradiska  '1N731    S.  116;    Kandier,  Discorso  sul  Ti- 

nupaXtn  bei  Strabo  V  1,  9  p.  215  C;    wahrscheinlich  mavo   1  rriest    18641   s.  37;    Benussi  a.  a.  1  >.   S.  21.. 

ist  erst  durch  die  Lex  Pompeia  des  J.  89  v.Chr.  die  Nissen,  Ital.  Landeskunde  II  -'  i  3  identifizier!  den  See 

ze  Italiens  bis  zum  Kormio  i  I'lin.  III  1271  vor-  des  Timavu-  mit  dem  vier  Kilometer  nördlich  gelege- 
geschoben worden,  vgl.  V.  riemerstein  a.a.O.   S.   27'..  neu    LagO   di    I'ietra    Rossa. 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius   Tuditanus  287 

dort  gingen  die  Schiffe  ,ad  proximum  portum  in  Histriae  fines',  während  die 
Legionen  fünf  Meilen  von  diesem  Hafen  ihr  neues  Lager  aufschlugen.  Die  Histrer. 
die  den  Römern  zuerst  beim  Timavus-See  ,post  collem  occulto  loco'  aufgelauert 
hatten,  folgten  ihnen  dorthin  ,obliquis  itineribus'  und  überrumpelten  das  Lager, 
das  die  Römer  dann  —  nach  dem  übrigens  wenig  glaubwürdigen  Bericht  bei 
Livius  --  in  kürzester  Frist  wieder  zurückeroberten30).  So  hat  vielleicht  auch  für 
Tuditanus  der  Timavus  nicht  nur  als  Ausgangsstelle,  sondern  als  Kampfschauplatz 
Bedeutung  gehabt.  Die  Wiederherstellung  der  sacra  patria  am  Timavus  scheint 
doch  auf  eine  vorausgegang-ene  Zerstörung  des  Heiligtums  durch  Feindeshand 
hinzuweisen.  Wenn  wir  überlegen,  daß  die  rcepav  AXtzswv  wohnenden  lapoden- 
stämme  noch  im  J.  52  soviel  Stoßkraft  besaßen,  um  Aquileia  und  Tergeste  zu  über- 
fallen31), so  werden  wir  kein  Bedenken  tragen  anzunehmen,  daß  die  am  Quarnero 
wohnenden  Iapoden  im  J.  12g  zusammen  mit  den  Histrern  bis  Aquileia  vorgedrungen 
waren.  Daß  die  Feinde  von  Aquileia  abgewehrt  werden  mußten,  scheint  der  bei 
Plinius  überlieferte  Vers  des  Tuditanus  (oben  S.  281  1  ausdrücklich  zu  bezeugen. 
Ob  dieser  Überfall  durch  die  Iapoden  dem  Erscheinen  des  Tuditanus  vorausging, 
oder  ob  mit  ihm  jene  anfängliche  Niederlage  des  Tuditanus  in  Verbindung  zu 
bringen  ist,  von  der  Livius  berichtet 32),  wissen  wir  nicht.  Aber  es  hat  alle  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich,  daß  ein  Einfall  der  Iapoden  in  das  römisch-istrische  Grenz- 
gebiet den  Anstoß  zu  dem  Zuge  des  Tuditanus  und  daß  die  Abwehr  des  über  den 
Timavus  vorgedrungenen  Feindes  den  Anlaß  zu  einem  Gelöbnis  an  den  Flußgott 
gegeben  hatte. 

Das  Pietätsverhältnis  des  Tuditanus  zu  Timavus  und  seine  nahen  Beziehungen 
zu  Aquileia  leg'en  uns  zugleich  noch  eine  weitere  Vermutung  nahe.  Wenn  wirklich 
das  Geschichtswerk  des  Tuditanus  noch  den  Krieg-  gegen  die  Iapoden  im  Jahre 
129  v.Chr.  umfaßte,  dann  sind  wir  berechtigt,  in  den  Annalen  des  Tuditanus 
auch  eine  besonders  ausführliche  Behandlung  der  früheren,  für  diesen  Feldzug 
und  sein  Gebiet  bedeutsamen  Ereignisse  vorauszusetzen.  Die  Erzählung  nun,  die 
Livius  (XLI  1 — 5)  über  den  vorher  erwähnten  Kriegszug  des  Konsuls  A.  Manlius 
gibt,  ist  schon  lange  als  eine  eigenartige  Partie,  der  wenigstens  mittelbar 
der  Bericht   von    Augenzeugen    zugrunde    liegen    müsse,   erkannt    und    gewürdigt 

"')  Vgl.  Zäppel  a.a.O.  S.  103;   Benussi  a.  a.  O.  VIII     -4;    Patsch,    Wissenschaftl.    Mitteilungen    aus 

S.  216;    Gnirs,  Istrien    in    der   antiken  Überlieferung  Bosnien   u.  d.  Hercegowina   VI    168. 

(Pola   19021  S.  12;    v.  Veilli,   Die  Eroberung  Istriens  '-1   Livius   epit.    f. IX  a.  E.:  C.  Sempronius  con- 

durch    die  Römer   (^treffleurs  Militär-Zeitschr.   [908)  ^nl   adversus    Iapydas    primo    male    rem    gessit,    mox 

S.  120  f.  vicioria   cladern   acceptaro   emendavit   virtute  D.  Tuni 

")  Appian    Illyr.    1  s,    vgl.    Eiirtius,    Bell.   ( i all.  liruti  eius  qui   Lusitanos  subegerat. 


288  E.  Reisch 

worden33).  In  dieser  Erzählung  fällt  auf,  daß  des  Manlius  erstes  Standlager  ,ad 
lacum  Timavi-  ausdrücklich  genannt  wird,  obwohl  es  keinerlei  Bedeutung  für  die 
folgenden  Ereignisse  hat,  daß  dann  die  Situation  des  nächsten  Lagers  ,ad  pro- 
ximum  portum'  im  Histrerlande  sowie  alle  militärischen  Maßnahmen  (die  Truppen- 
verteilung, die  Kommunikationslinien  usw.)  eingehend  geschildert  werden  und  daß 
zuletzt  noch  in  einer  breit  ausgeführten  Episode  zwei  Aquileienser  Bürger,  die 
zufallig  in  das  überrumpelte  Lager  gekommen  waren,  mit  Namen  genannt  werden. 
Alle  diese  lokalen  Beziehungen  würden  sich  nun  bei  Tuditanus,  der,  wie  wir 
jetzt  wissen,  in  einem  besonderen  Verhältnis  zu  Aquileia  und  dem  Timavus 
gestanden  hat,  am  besten  erklären.  Und  auch  die  Art,  wie  im  Berichte  über 
die  Schlachtenschicksale  des  A.  Manlius  eine  offenbar  sehr  viel  nachhaltigere 
Niederlage  der  Römer  in  deutlich  chauvinistischer  Fälschung  der  Tatsachen  als 
eine  sofort  wieder  gutgemachte  Schlappe  dargestellt  wird,  stimmt  gut  zu  der 
Unbefangenheit,  mit  der  Tuditanus  im  Epigramme  seiner  Basis  vieler  und  rascher 
Siegeserfolge  sich  rühmt,  offenbar  ohne  der  Niederlage  zu  gedenken,  die  er 
unmittelbar  vorher  erlitten  hatte,  und  ohne  den  Helfer  zu  erwähnen,  dem  er 
nach  anderwärtigen  Nachrichten  seinen  endlichen  Erfolg  verdankte84).  Ich  muß 
aber  die  Entscheidung  darüber,  ob  Livius  hier  und  ebenso  vielleicht  in  anderen 
Partien,  z.  B.  bei  der  Erzählung  von  der  Expedition  des  C.  Cassius  (Liv.  43,  1  ff.) 
das  Geschichtswerk  des  Tuditanus  selbst  eingesehen  oder,  was  wahrscheinlicher 
ist,  es  durch  die  Vermittlung  des  Valerius  Antias  benutzt  haben  könnte,  anderen 
überlassen35),  da  ich  in  diesem  Zusammenhange  vorerst  von  der  Person  des  Tudi- 
tanus noch  einmal  zu  seiner  Weihung  zurückkehren  muß,  um  deren  Gegenstand 
und  Aufstellungsort  noch  etwas  genauer  zu  erörtern. 

Bücheier  hat  Z.  5  ergänzt:  aedem  heic  dedit  Timavo.  Aber  wenn  auch  die  Bei- 
spiele dafür  zahlreich  sind,  daß  römische  Triumphatoren  in  Rom  Tempel  errichteten, 
so  vermöchte  ich  doch  aus  dem  zweiten  Jahrhunderte  v.  Chr.  keine  Analogie 
dafür  nachzuweisen,  daß  ein  römischer  Feldherr  zum  Andenken  an  seine  Siege 
in  einer  fernen  Grenzstadt  einen  Tempel  gebaut  hätte.  Und  wenn  es  an  sich 
schon  auffällig  wäre,  daß  ein  solcher  Tempel  in  Aquileia  einige  Meilen  vom  Flusse 

")  Nissen,  Untersuchungen  über  die  Quellen  der  :'5)   Über  die  von  Livius  benutzten  Annalisten  vgl. 

4.  und  5.  Dekade  des  Livius  23g;  Zippel  a.  a.  O.  S.  103.  Nissen  a.a.O.  S  46;  Sollau,  LiviusGeschichtswerk27f. 

Die  Vermutung,    daß  dieser  mit  sovielen   militärisch-  Ich  verweise  noch  auf  die  Übereinstimmung  zwischen 

technischen    Einzelheiten     ausgestattete    Bericht     auf  Tuditanus  Fgm.  6  (Plutarch,  Flamin.  14)    und  Livius 

Ennius  zurückgehe  (Soltau,   Philol.  LH  689),   scheint  34,  52,    die    sich   wohl   auch  aus  der  Benutzung  des 

mir  keiner   Widerlegung  zu  bedürfen  Tuditanus    durch  Antias    und   Benutzung    des  Antias 

"    Liv.  epit.  LIX  (Anm.  32),  vgl.  Appian  Jllyr.  18.  durch    Plutarch   und   Livius  erklären   dürfte. 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus  289 

Timavus  errichtet  wurde  (s.  u.),  so  müßte  es  doppelt  befremdlich  erscheinen,  daß 
neben  dem  Tempel  noch  eine  Statue  des  Tuditanus  aufgestellt  und  die  Geschichte 
der  Weihung-  nicht  am  Tempel  selbst,  sondern  auf  der  Statuenbasis  erzählt  war36). 
Eher  könnte  man  an  einen  Tempelbau  in  jenem  von  Strabo  V8  p.  214  als 
Tt|iauov  bezeichneten  Heiligtume  denken37),  das  ev  aÖT<j)  ~G>  \vs/<}>  xoö  'ASplov,  also  ent- 
weder in  nächster  Nähe  des  heutigen  Timavo  oder  nordwestlich  davon  gegen  Mon- 
falcone  zu  im  Gebiete  der  dem  Timavus  zugerechneten  Quellnüsse  gelegen  war38). 
Es  wäre  denkbar,  daß  dort  schon  früher  ein  Tempel  gestanden  hatte  und  bei 
einem  feindlichen  Einfalle  zerstört  worden  war.  Doch  wird  man  auch  hier  sich 
fragen  müssen,  ob  die  ,sacra  patria'  eines  Flußgottes  nicht  besser  in  einen  Hain 
als  in  einen  Tempel  passen.  Und  es  ist  schwerlich  ein  Zufall,  daß  Strabo  in 
dem  als  Tfywcuov  bezeichneten  Heiligtume  in  seiner  verhältnismäßig  ausführlichen 
Schilderung  nur  von  einem  Haine  des  Diomedes  und  von  zwei  weiteren  , Hainen' 
der  "Hpa  Äpystx  und  der  'Ap^jxtj  AiztaXic,  spricht a"),  ohne  eines  Tempels  des 
Timavus  zu  gedenken w).  So  wird  es  vielleicht  geratener  sein,  vor:  ,heic]  dedit, 
in   Z.  5   ein  anderes  Objekt  zu  ergänzen;  eher  als  ,aram'  oder  ,signum'  möchte  ich 

-  zumal  auch  ein  längeres  Wort  besser  geeignet  scheint  die  Lücke  zu  füllen 
,statuam'  oder  ,praidam'  vermuten,  so  daß  hier  ein  Hinweis  auf  die  aus  dem  Beute- 
erlöse gestiftete  Statue  gegeben  war,  die  auf  der  Basis  stand.  Wenn  Bücheier 
zu  seiner  Ergänzung  hauptsächlich  durch  die  Erwägung  veranlaßt  war,  daß  hier 
neben  dem  Triumphe  ein  bedeutungsvolleres  Weihgeschenk  genannt  gewesen 
sein  müsse,    so  scheint    mir  das    Bedenken    durch  den    Zusatz  in   Z.  6  entkräftet; 

3f')  Im  Vestibulum  des  Marstempels   war  die  In-  bezeichnete  Station  des  Itiner.  Anton,  (vgl.  Anm.  101 

schritt   des  Brutus    Gallaicus    Anra.  15)    angebracht.  und    der    tabula  Peutingeriana    (vgl.  Anm.  661   anzu- 

,Supra  valvas   templi'   stand  die  Inschrifttafel  des  L.  setzen  haben,   da  einige  der  von  Norden  dem  ,Tima- 

Aemilius  Regillus  im  Tempel  der  ,Lares  permarini'  so-  vus-See'  zufließenden  Gewässer,  namentlich  der  Loka- 

wohl  wie  ,eodem  exemplo'  im  kapitolinischen  Iuppiter-  vac,  in  römischer  Zeit  wohl  sehr  viel   mehr  Wasser 

tempel    (Liv.  40,  52,   5  f.);    vgl.  die   Tafel    des   Mum-  führten  als  heute.   Der  Hain    des  Timavus  wird  sich 

mius    CIL    I  541 ;  VI  33 1   (Dessau  20).  am  Ost-  und  Nordrande  des  heutigen  ,Lisert'  (Anm. 

37)  'Ev    aiiTM   8=  T(T)  |J.ux.<T>    ~oü  X3p£ou  y.ai  tspov  29)  hin   ausgedehnt  haben, 
xoü  Alou.i}8ous  iaiiv  äjtov  |iv»ju.7]s,  ~ö  Ttu.auov  Aiuiva  •'     V  9  p.  215:  zip  ik  Aio;iv,o='.  -xpi  wtög 'Evstotj 

fäp  sxs'.  xal  äAaog  sx^psrcsj  >cal  r.r,-fa;  i~xy.  t.o-m-  äTtoSiSet-fuivat  -tvsj  ia-opouvxai  Tl|ia('  xal  -fap  9-us-at 

[iCou  SSaxog  eödüg  elg  xijv  iHXaxxav  ixitftcxovxoj  nXaxel  Xeuxö;  \r.-',-  ocöxtji,   xal  8öo  y.'/.--i\  -b  |isv    Hpaj  Äp- 

xai  ßa^sT  7coxa|iq).  Y6'*?  Bshevoxat  ~i  8'  Äpx£(u8o{  Ä.txu)X(8og. 

iS)  Unmittelbar  am  heutigen  Timavo  liegt  die  '")  In  der  Kaiserzeit  befand  sich  hier  oder  un- 
Kirche San  Giovanni  di  Timavo  (auch  ,di  Tuba'  oder  mittelbar  bei  den  heilkräftigen  Thermen  auf  dem  wohl 
,del  Carso'  genannt),  von  der  man  annimmt,  daß  sie  damals  schon  festländischen  Hügel  1  Anm.  29)  ein 
an  der  Stelle  des  .Tempels  des  Diomedes'  steht.  Doch  Heiligtum  der  Spcs  Augusta.  vgl.  die  Inschriften  CIL 
ist  nicht  ganz  sicher,  ob  wir  hier  auch  im  Altertum  V  707,  708,  die  in  der  Kirche  S.  Giovanni  di  Tuba 
die  Hauptquelle  und  damit  auch  die  als  ,Fons  Timavi'  (Anm.3S )  eingemauert  sind,  und  dazu  Mommsen  p.  75. 
Jahreshefte  des  iisterr.  archäol.   Institutes    Bd.  XI.  \-j 


290  E.   Reisch 

der  Akt  der  Pietät  gegen  Timavus  bestand  eben  nicht  allein  in  dieser  Weihung 
eines  einmaligen  Geschenkes,  sondern  vor  allem  in  der  Wiederherstellung  der 
, sacra  patria',  die  für  alle  Folgezeit  durch  die  Übergabe  an  ein  neu  eingesetztes 
Priesterkollegium    .magistreis  tradit')  sichergestellt  werden  sollten. 

Ganz  unabhängig  von  der  Ergänzung  des  fehlenden  Wortes  in  Z.  5  dürften 
wir  aber  schon  durch  die  starke  Betonung  des  kultlichen  Momentes  in  Z.  5  und  6 
zur  Vermutung  kommen,  daß  die  Statue,  die  auf  der  erhaltenen  Basis  stand,  nicht 
als  eine  Ehrenstatue,  sondern  als  ein  Weihgeschenk  an  Timavus  angesehen  werden 
sollte.  Daß  Tuditanus  selbst  seine  Statue  aufgestellt  hat,  müssen  wir  aus  den 
Worten  des  Plinius  folgern.  Eine  Porträtstatue  aber,  die  der  Dargestellte  selbst 
in  einem  Heiligtume  zur  Aufstellung  gebracht  hat41),  glaube  ich  der  älteren  Auf- 
fassung entsprechend  als  Weihgeschenk  bezeichnen  zu  sollen,  mag  auch  diese 
Vorstellung  bei  den  Römern  sich  früh  verwischt  haben  und  vielfach  selbst  in 
den  zugehörigen  Baseninschriften  nicht  zum  Ausdruck  gebracht  worden  sein4-). 
<  M)  in  der  Aufschritt  der  Statue  ausdrücklich  die  Weihung  ausgesprochen  war. 
oder  bloß  g'esagt  war  ,de  manubiis'  oder  ,de  praeda'  oder  ,de  Iapudibus'  ist  be- 
langlos; aber  wichtig  ist,  daß  die  ruhmredige  Erzählung  von  den  Taten  des 
Tuditanus  durch  den  Anlaß  der  Weihung  motiviert,  gleichsam  als  deren  Vor- 
geschichte erscheinen  soll43).  Damit  verschwindet  zugleich  alles  Auffällige,  das  der 
Inschrift  anzuhaften  schien,  solange  sie  als  Aufschrift  einer  von  Gemeinde  wegen 
aufgestellten  Ehrenstatue  und  als  Vorläufer  der  stadtrömischen  Elogien  betrachtet 
wurde.  Aus  dem  Aufstellungsorte  der  Statue  erklärt  es  sich  auch,  daß  der  Konsul, 
der  in  Rom  nur  über  die  Iapoden  triumphiert  hat,  in  der  Inschrift  seiner  Basis 
auch  die  über  Histrer  und  Taurisker  errungenen  Erfolge  aufzählt,  die  dem  Senate 
in  Rom  vielleicht  geringfügig  erscheinen  mochten,  während  sie  für  die  jenen 
Völkerschaften  benachbarten  Aquileienser  bedeutungsvoll  waren. 


")     vgl-    l'Hn.    34,    19:    notatum    ab    auctoribus  Aera.  Paulus  28),  lautel  die  Aufschrift  bloß:  L.  Aimi- 

et  L.  Altium    poetam    in    Camenarum    aede  maxiraa  lius    L.  f.  imperator  de   rege  Perse    Macedonibusque 

forma   staluam  sibi    posuisse,   cum    brevis   admodum  cepit,  vgl.  Homolle,   Melanges   Boissier  247 1. 

fuisset;    34,   18    (Statue    des  C.  Hostilius  Mancinus);  ,3)  Eine    gute   Parallele    bietet    der    .index',    mit 

j4,    43     (Statue    des    Sp.  Carvilius    zu     Füßen    der  dem    Ti.  Sempronius   Gracchus    die   im    Tempel   der 

Kolossalstatue  des  luppiter);   Liv.  23,  19,  18   (Statue  Mater    Matuta    aufgestellte    Tafel     (Sardiniae    insula 

des  M.  Anicius  in  Praeneste);    Plut.  Flamin.  7  (Statue  forma  erat,  at<[ue  in  ea  simulacra  pugnarum  picta)  be- 

des  Flamininus  in  Rom  mit  griechischer  Aufschrift).  gleitete,    Liv.   41,   28,   8.     Nachdem   am   Anfang    die 

\ufdem  Sockel   des   in    Delphi    wieder    auf-  Unterwerfung    Sardiniens    und     die    dabei    erzielten 

gefundenen   Pleilers,  auf  den   L.  Aemilius  Paulus  an  Erfolge  aufgezählt  worden  sind,  heißt  es  am  Schlüsse 

stelle    von    Perseus'    Bild    sein    eigenes    aufzustellen  in    der    Paraphrase,    die   I.ivius    von    den    Saturniern 

bestimmt  hatte    ( T'olyb.  30.  14;   Liv.  45,  27,  7;    Plut.  gibt    (vgl.   Leo    a.  a.  t  >.  04 J:    .cxercitum    plenissimum 


Die   Staluenbasis   des  C.  Sempronius   l'uditanus  2QI 

Danach  würde  sich  die  Inschrift  auf  der  Basis  des  Tuditanus  unter  Bei- 
behaltung von  Büchelers  Vorschlägen,  soweit  dies  nach  den  oben  vorgetragenen 
Erwägungen  angängig  scheint,  etwa  folgendermaßen  darstellen  : 

[C.  Sempronios  C.  f.  Tuditanus  imperator  de   manubieis.] 

[Iapodas ] 

Ab  Aquileia  ad  Titium  flumen  stadia  mille 

[ profligavit] 

...    domuit  Histros ] 

[Ex    itinejre  et  Tauriscos  c[ontrivit  et  Carnos] 

[in  montib]us  coactos  m 

[diebus  te]r  quineis  qua[ter  hostes  super]avit 

[fausteis]  signeis  consi[lieis    Sempronijos  Tuditanus. 

[ita  Roraaje  egit  triumpu[m,  praidam  heic]  dedit  Timavo, 

[sacra  patjria  ei  restitu  [it  atque  magistjreis  tradit. 
Schon  bei  den  früheren  Erörterungen  haben  wir  die  Frage  nach  dem  Auf- 
stellungsort der  Statuenbasis  streifen  müssen:  wir  können  sie  jetzt  nicht  mehr 
länger  umgehen.  Würde  uns  die  Inschrift  in  der  obigen  Fassung,  die  sich  aus 
sachlichen  Erwägungen  uns  aufgedrängt  hat,  ohne  Angabe  über  die  Fundstelle 
überliefert  sein,  so  würde  wohl  niemand  zweifeln,  daß  das  zugehörige  Denkmal 
seinen  Platz  im  Heiligtum  am  Timavusflusse  gehabt  haben  müsse.  Denn  dort 
ist  der  natürliche  Platz  für  ein  Weihgeschenk,  das  der  Feldherr  dem  Flußgotte 
als  einer  unmittelbar  an  dem  Kriege  beteiligten  Gottheit  gelobt  hat,  und  dort 
würde  sich  ohne  Zweifel  auch  am  besten  erklären,  daß  die  Wiederherstellung 
der  , sacra  patria'  in  der  Inschrift  eine  so  stark  betonte  Erwähnung-  gleich  neben 
dem  Triumphe  findet.  Auch  die  Nachricht  des  Plinius  (oben  S.  278)  würde  mit 
einer  solchen  Annahme  wohl  vereinbar  sein.  Wenn  dort  ,ibi'  nicht  ein  Schreib- 
fehler ist  oder  in  völlig  gedankenloser  Weise  aus  einem  andern  Zusammenhang 
von  Plinius  herübergenommen  ist,  dann  muß  eine  lokale  Beziehung  zwischen  der 
Statue  und  ,Istrien'  angenommen  werden;  diese  wäre,  da  das  heutige  Istrien  um 
1  29  v.  Chr.  noch  nicht  von  den  Römern  besiedelt  war,  also  hier  nicht  in  Betracht 
kommen  kann11),  eigentlich  nur  für  das  Timavusheiligtum,  nicht  aber  für  Aquileia 

praeda  domum   reportavit,  iterura    triumphans   in   ur-  schon   vor  dem  ersten  Jahrhunderte  v.  Chr.   römische 

bem    Romam    rediit,    cuius    rei    ergo  hanc    tabulam  Kolonien  bestanden,  keinerlei  Zeugnis  geltend  machen, 

donum   Iovi   dedit.  Auch   wäre  nicht  einzusehen,   warum  für  einen   Feld- 

u)  An   Pola  oder  Parenzo  als  Standort  der  von  zug,    der  in    Aquileia    begann    und    im    Iapodenlande 

Plinius    genannten  Statue    hat  v.  Premerstein    S.  286  endete,    gerade    im    westlichen    Istrien    ein   Denkmal 

gedacht;    doch  läßt   sich    für   die   Annahme,  daß   dort  errichtet   worden   sein   sollte. 

37* 


292 


E.   Reisch 


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ti  •  rorrAi 

TEMAVO 
D  •  D  •  L-AK 


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gegeben,  da,  wie  wir  vorhin  sahen,  eben  der  Timavus  in  der  Zeit  des  Tuditanus 
die  Grenze  Istriens  bezeichnete,  während  Aquileia  zwölf  römische  Meilen  westlich 
davon  im  Lande  der  Veneter  (oder  nach  anderer  Grenzbestimmung  der  Carner)  lag. 
Andererseits  ist  es  natürlich  das  Nächstliegende,  bei  einem  Denkmal,  von 
dem  ein  Stein  (n)  in  Monastero  bei  Aquileia,  der  andere  (b)  einige  Kilometer  nord- 
westlich davon  bei  Cervignano  gefunden  worden  ist4S),  Aquileia  als  ursprünglichen 
Standort  vorauszusetzen.  Und  so  hat  auch  Bücheier  die  Weihung  des  Tuditanus 
an  Timavus  für  Aquileia  in  Anspruch  genommen,  indem  er  zum  Belege  dafür, 
dal3  die  , Heiligkeit  und  Verehrung  des  istrischen  Flußgottes  auch  fern  von  Aqui- 
leia bezeugt  sei\  auf  die  Inschrift  CIL  V  suppl.  380  (Dessau,  Inscr.  Lat.  sei.  3900) 

verweist  Diese  bisher  einzige  Weihinschrift  an  Tima- 
vus steht  auf  einer  kleinen,  nur  0*25  m  hohen,  o-i9m 
breiten  Statuettenbasis  (Fig.  127)"'),  die  gegenwärtig  in 
einer  Privatsammlung  in  Monreale  am  Flusse  Celina  (in 
der  Nähe  von  Maniago,  nordwestlich  von  Udine)  sich 
befindet;  sie  gehört  nach  den  Formen  der  Buchstaben, 
die  ähnlich  wie  bei  der  Tuditanusbasis  von  der  Vorder- 
seite auf  die  Nebenseite  übergreifen,  sicher  noch  republikanischer  Zeit  an.  Mommsen 
meinte,  die  Weihung  stammte  ,a  negotiatore  quodam  itinerum  Aquileiensium 
memore'.  Ich  kann  den  Zweifel  nicht  unterdrücken,  ob  diese  angeblich  in  Mon- 
reale gefundene  und  vermeintlich  aus  dort  heimischem  Stein  gearbeitete  Basis 
wirklich  seit  dem  Altertum  sich  dort  befunden  habe,  und  möchte  für  möglich 
halten,  daß  ein  neuzeitlicher  Besucher  der  warmen  Bäder  von  Monfalcone  den 
Stein,  der  sieh  bequem  in  einer  Tasche  tragen  ließ,  als  angemessenes  Andenken 
an  eine  Badesaison  vom  Timavusstrande  in  die  Heimat  mitgenommen  hat*"). 

Aber  auch  wenn  wirklich  die  kleine  Basis  nicht  verschleppt,  sondern  im 
nördlichen  Friaul  als  Denkmal  eines  bescheidenen  Privatkultes  bodenständig  sein 
sollte48),  würde  sie  doch  nicht  ausreichen,  um  die  Annahme  eines  öffentlichen  Heilig- 


127:  Statuettenbasis  in  Monreale. 


1   1  her   die    Fundumstände    vgl.  Maionica   bei 
v.  I'remcrstein   S.  264  f. 

'■'i  Nach  der  Skizze  CIL  V  Suppl.  I  380.  Die 
Buchstabenformen  des  Druckes  (vgl.  Notizie  d.  scavi 
1884  p.  57)  geben  den  wirklichen  Schriftcharakter  nur 
ungenau   wieder. 

Die  Beziehungen  zwischen  dem  Hinterlande 
von  Friaul  und  den  14.:;,  wiederhergestellten  Warm- 
bädern von  Monfalcone  scheinen  immer  ziemlich  leb- 
haft gewesen  zu  sein.    Von    lacobus    Valvasonius    de 


Maniago  rührt  eine  155.5  gedruckte  Schrift  ,dc  thermis 
ad  I  imavi  Ostia'  her,  vgl.  Mommsen  CIL  111  p.  75. 
1023. 

Is)  Krst  nachträglich  bemerke  ich,  daß  Sticotti. 
Archeografo  Tricstino  ser.  III  vol.  III  '10.071  p.  10; 
in  dem  ,'femavus'  der  Inschrift  von  Maniago  nicht 
den  berühmten  Timavus,  sondern  den  —  anderweitig 
nicht  bezeugten  —   Namen  des  (Maniago  benachbar- 

l'iusses  Celina  erkennen  will,  wofür  sich  die 
für  den  Timavo  nirgends  vorkommende   Form   I  ema 


Die  Statuenbasis  des  C.  Serapronius  Tnditanus  -93 

tums  des  Timavus  in  Aquileia  wahrscheinlich  zu  machen.  Gerade  der  Kult  eines 
Flußgottes  haftet  fester  und  ausschließlicher  als  irgend  ein  anderer  am  Orte  und 
es  ist  nicht  recht  abzusehen,  warum  die  Aquileienser  in  ihrer  Stadt  eine  Filiale 
des  so  nahe  benachbarten  ,Timauon"'')  errichtet  haben  sollten.  Auch  fällt  es 
einigermaßen  ins  Gewicht,  daß  unter  den  so  zahlreichen  Inschriften  von  Aquileia 
keine  Spur  eines  Timavuskultes  sich  findet. 

Nun  kann  ja  mit  Rücksicht  darauf,  daß  in  den  letzten  Zeilen  der  Inschrift 
noch  andere  Ergänzungen  denkbar  sind,  die  Möglichkeit  nicht  schlechtweg  ge- 
leugnet werden,  daß  die  Statue  des  Tuditanus  in  Aquileia  auch  anderswo  als  in 
einem  Timavusheiligtume  aufgestellt  gewesen  sein  könnte;  man  müßte  eben  dann 
an  der  oben  abgelehnten  Annahme  einer  Ehrenstatue  festhalten  und  die  letzten 
Zeilen  der  Inschrift  als  bloße  Erzählung  des  im  ,Timauon'  Geschehenen  auffassen, 
wobei  vielleicht  sogar  ein  ,heic'  aus  der  Zugehörigkeit  des  ,Timauon'  zum  Ge- 
biete von  Aquileia50)  erklärt  werden  könnte.  Daneben  bleibt  natürlich  auch  die 
andere  Möglichkeit  offen,  daß  die  erhaltene  Basis  überhaupt  nicht  zu  der  ur- 
sprünglichen Stiftung,  sondern  zu  einer  für  Aquileia  angefertigten  Replik  der 
für  einen  anderen  Ort  bestimmten  Statue  gehörte. 

Mir  persönlich  scheinen  allerdings  die  vorher  angeführten  Gründe,  die  für  einen 
engen  Zusammenhang  der  Basis  mit  dem  Timavusheiligtume  sprechen,  stark  genug, 
um  die  Vermutung-  zu  rechtfertigen,  daß  die  beiden  in  Monastero  und  Cervignano 
gefundenen  Quadern  tatsächlich  aus  dem  ,Timauon'  stammen.  Man  könnte  daran 
denken,  daß  schon  in  römischer  Zeit  einmal  die  Statue  vom  Timavus  nach  Aquileia 
übertragen  worden  sei;  aber  auch  der  Annahme  einer  Verschleppung  in  früh- 
mittelalterlicher oder  neuerer  Zeit  sind  die  äußeren  Umstände  nicht  so  ungünstig, 
als  es  auf  den  ersten  Blick  scheint.  Wir  können  daran  erinnern,  daß  in  älterer 
und  neuerer  Zeit  das  Steinmaterial  für  Aquileia  und  dessen  Hinterland  aus  den 
Steinbrüchen  von  Nabresina  gewonnen  worden  ist  und  daß  die  Straße,  die  von 
Nabresina  nach  Aquileia — Monastero  und  Cervignano  führt,  das  Gelände  durch- 
schneidet, in  dem  das  ,Timauon' gelegen  haben  muß,  so  daß  sehr  wohl  auf  diesem 
Wege  zusammen  mit  dem  neugebrochenen  Material  auch  schon  zubehaltene  Steine 
nach  Aquileia  und  Cervignano  gebracht  worden  sein  konnten.  Ebenso  nahe  liegt 
aber  auch   die  Möglichkeit  eines  Transportes  der  Steine  zur  See.    da  bis    in   die 

vus  gellend  machen  ließe.     Dann   wäre   also  die   In-  Vorgange    Strabos    diese    Bezeichnung    für    das    am 

schrift    in    Maniago    zwar    hodenständig,    aber   kein  Timavus  gelegene   Heiligtum   zu   verwenden. 
Zeugnis   für  den  Kult  des  adria tischen  Timavus.  5n)  Vgl.  Plin.  N.  11.    II     103,  "5;     Martial    VII 

49)  Es  sei  der  Kürze  halber  gestattet,  nach  dem  25,  3;    Vibius   Sequester    de  llum.  tont.  p.  152   Riese. 


2Q4  E.  Reisch 

Neuzeit  hinein  die  Schiffe  bis  unmittelbar  an  San  Giovanni  di  Timavo  (Anm.  38) 
heranfahren  konnten.  Die  alte  Kirche  am  Timavo  aber  mit  ihren  reichen  Liegen- 
schaften war  seit  dem  frühen  Mittelalter  dem  Benediktinerkloster  von  Aquileia- 
Beligne  zugewiesen51). 

Dazu  kommt  nun,  daß  die  Quadern  der  Tuditanusbasis  aus  Nabresinastein 
hergestellt  sind,  während  in  Aquileia  nach  Maionicas  Beobachtungen  an  den 
älteren  Bauten  republikanischer  Zeit  zuerst  Stein  von  Medea  (nördlich  von  Aqui- 
leia), später  Stein  von  Monfalcone  verwendet  worden  ist  und  erst  seit  etwa 
50  v.  Chr.  der  Stein  von  Xabresina  auftritt.  Maionica  möchte  damit  die  Vermutung 
stützen,  daß  die  Quadern  mit  der  Tuditanusinschrift  nicht  zu  der  Basis  der  ur- 
sprünglichen Weihung  des  Tuditanus,  sondern  zu  einer  späteren  Kopie  gehörten, 
die  für  das  augusteische  Kaiserforum  bei  Monastero  hergestellt  worden  sei.  Ich 
vermag  aber  nicht  zu  glauben,  daß  die  erhaltenen  Steine,  die  in  Buchstabenformen, 
Orthographie  und  Schriftanordnung  durchaus  altertümlichen  Charakter  zeigen  (vgl. 
v.  Premerstein  S.  267),  einer  zur  Dekoration  des  Kaiserforums  bestimmten  Basis 
angehören  konnten  Auch  kann  ich  keine  Verwandtschaft  zwischen  der  Tuditanus- 
basis und  dem  vielfach  mit  ihr  verglichenen  und  ebenfalls  dem  Kaiserforum 
zugewiesenen  Steine  des  (an  der  Gründung  der  Kolonie  im  J.  181  v.  Chr.  be- 
teiligten) L.  Manlius  Acidinus52)  sehen,  zumal  es  mehr  als  fraglich  ist,  ob  dieser 
Stein  überhaupt  zur  Basis  einer  Statue  gehörte53). 

Ich  möchte  vielmehr  aus  dem  Material  der  Basis  den  Schluß  ziehen,  daß 
sie  eben  nicht  in  Aquileia,  sondern  im  ,Timauon'  gearbeitet  worden  ist,  wo  man 
die  nahe  benachbarten  Brüche  von  Nabresina  früher  ausgebeutet  haben  wird,  als 
in  Aquileia.  Will  man  also  die  erhaltenen  Quadern  einer  aquileiensischen  Kopie 
zuweisen,  so  möchte  ich  annehmen,  daß  gleichzeitig  mit  der  Weihung  ins  .Timauon' 

'     Czornig    a.  a.  O.  S.  269.    327  ';    Gregorutti.  gründung  vorgenommenen  Vermessung  sei  (vgl.  CIL! 

Archeografo   Triestino  XVI  (1890)  p.  263.  552  f.).     Bei    einer  solchen   Bestimmung    würde  sich, 

•■2)  Der  Stein  (jetzt  im  Staatsmuseum  von   Aqui-  scheint   mir,   sowohl    die    etwas    saloppe    Schreibung 

leia,  vgl.  Jahreshefte    1908    Beiblatt  S.  1»    ist  073"'  der   altertümlichen    Inschrift    (vgl.    Ritschel,   PLMK 

hoch,    0'56m  breit,  0-l65m  dick  und    trägt   als    Auf-  tab.  XLVIII  D),  wie  auch  die  Beschränkung  der  Titu- 

schrift  bloß  den  Namen  des  Acidinus  mit  dem  Zusatz:  latur  auf  das  eine  Amt    der    Kolonialgründung    sehr 

triu  m)vir  Aquileiae  coloniae  dedueundae  (CIL  V  873 ;  viel  besser  erklären,  als  bei  der  Aufschrift  einer  Ehren- 

I   538),  die  Basis  des  Tuditanus  dagegen  ist  aus  zahl-  statue.   Ober  der  Inschrift  ist  der  Stein  in  einer  Höhe 

reichen,  verhältnismäßig  kleinen  Quadern    vgl.  S.  277)  von  02"  jetzt  rauh  bearbeitet;   hier  konnte  vielleicht 

aufgebaut  und  ihre  Inschrift  enthält  eine  ungewöhn-  eine  Bestimmung   der  (irenzen  gestanden  haben,  die 

lieh  ausführliche  Erzählung  eines  geschichtlichen  Er-  nach  der  späteren  Erweiterung  der  Kolonie  nicht  zutraf 

eignilies.  und  daher  ausgemeißelt  wurde;   doch  ließe  sich  diese 

.  ubitschek    verweist  mich   auf  die  Möglich-  Frage  nur  im  Zusammenhange  einer  Untersuchung  über 

keit,  daß  der  Stein  ein  Terminus  der  bei  der  Kolonie-  die  verschiedenartigen  Grenzsteine  entscheiden. 


Die  Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus  295 

auch  eine  Replik  der  Statue  in  Aquileia  aufgestellt  worden  sei,  deren  Steinbasis 
zugleich  mit  der  Basis  der  andern  Statue  in  demselben  Steinbruche  hergestellt  wurde. 
Dafür,  daß  von  einer  Statue  oder  Inschrift  an  zwei  verschiedenen  Orten  gleich- 
artige Exemplare  zu  gleicher  Zeit  aufgestellt  worden  sind,  fehlt  es  nicht  an  Bei- 
spielen «vgl.  Anm.  36  und  41).  Es  wäre  aber  nicht  recht  abzusehen,  warum  von 
der  Statue  des  Tuditanus  etwa  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr. 
ein  noch  späterer  Zeitpunkt  scheint  mir  mit  dem  Schriftcharakter  kaum  verein- 
bar —  eine  Kopie  in   Aquileia  aufgestellt  worden  sein  sollte. 

Mag  man  sich  aber  in  dieser  Frage,  die  doch  nur  ortsgeschichtliche  Be- 
deutung hat,  so  oder  so  entscheiden,  in  dem  einen  wie  in  dem  andern  Falle 
wird  man  die  Tatsachen,  die  in  Z.  5  und  6  berichtet  werden,  auf  das  ,Timauon' 
beziehen  müssen.  Damit  fällt  ein  neues  Licht  auf  dieses  Heiligtum,  das  uns  bisher 
eigentlich  nur  durch  die  vorher  (Anm.  37  f.  1  angeführte  Notiz  bei  Strabo  bekannt  war. 

Die  große  Bedeutung  des  Timavus  —  oder  der  unter  diesem  Namen  zusammen- 
gefaßten Zuflüsse54)  —  war  wohl  darin  begründet,  daß  an  dem  , Hafen  des  Timavus' 
in  vorrömischer  Zeit  jene  großen  Handelsstraßen  mündeten,  die  die  Adria  mit 
dem  Norden  und  Nordosten  verbanden  und  später  in  Aquileia  ihre  Kopfstation 
erhielten55).  Daraus  erklärt  sich  auch,  daß  schon  sehr  früh  die  Griechen  diesen 
Punkt  in  den  Kreis  ihrer  Handelsbeziehungen  und  in  den  Bereich  ihrer  Mythen- 
bildung einbezogen  haben.  Ohne  Zweifel  hat  man  ja  hier  auch  jenen  Fluß  Istros  56) 
zu  suchen,  der  als  adriatische  Ausmündung  des  in  das  Schwarze  Meer  fließenden 

54)  Gregorutti  lArcheografo  Triestino  X.  S.  XVI  anderen   Teil  in  unbedeutende  Abflüsse    sieb   spalte- 

1890  p.  259  f.)  bat   die  These    aufgestellt,    daß  unter  teten;  vgl.  Jordanes  GeticaXLII  220  (der  die  Xatissa 

dem  Timavusflusse  der  alten  Schriftsteller  der  Isonzo  ,a  raonte  Piccis'  entspringen  läßt), 

zu  verstehen  sei,   —  eine  Annahme,   die  mit  den  un-  :>5)  Gregorutti    a.  a.  O.  p.  304    sucht    wahrschein- 

zweideutigen  Nachrichten   des  Vergil,  Strabo,  Plinius  lieh  zu  machen,  daß  auch  ein  Teil  der  Überlieferuu- 

u.  A.  unvereinbar   ist.     Möglich  wäre    aber,    daß    in  gen  über    den  Eridanos   und    die   Bernsteininseln    an 

vorrömischer    Zeit    wirklich    die    im    Unterlauf    des  der  Timavusbucht  zu  localisieren   sei.   Über  eine  alte 

Isonzo  vereinigten  Gewässer  ihren  Abfluß  ins  Meer  Straße,  die  von  hier  aus  nordöstlich  über  Jamiano  und 

über  Ronchi    südostwärts    in    die  Lagune  des  Tima-  Reifenberg  durch  den  Karst  ins  Wippachtal  führte,  vgl. 

vus  oder  unmittelbar  westlich  davon  gefunden  hätten.  Gregorutti  a.  a.  O.  X  VIT     1  Sgl)  p.  167  f.;  Puschi,  Atti 

Wenn   bei  den   Geographen  der  Kaiserzeit  unter  den  e  memorie  d.  societä  Istriana  XVII  (1901)  p.  381. 

in   die  Adria   mündenden    Flüssen    zwar    der   Natiso  '"')  Cluverius,  Italia  antiqua  11624)  p.  208,    dem 

und  Timavus,    nicht  aber  der  Isonzo    genannt    wird,  Mommsen    CIL  V  p.  41.   75    beistimmt,    identifiziert 

so  darf  man  dies  nicht  durch  die  Voraussetzung,  daß  Istros   und    Timavus.      Vielleicht   ist   es    richtiger   zu 

Isonzo  und  Timavus  identisch  waren,    erklären  wol-  sagen,  daß  in  den  Nachrichten  über  den  adriatischen 

len;   viel  näher  scheint  mir  die  Annahme  zu  liegen.  Istros   Überlieterungen    über    den    Timavo    und    den 

daß  damals    die    Gewässer   des    Isonzounterlaufes   zu  Isonzo  zusammengeflossen  seien,  was  sich  besonders 

einem   Teile  mit   dem  Natiso  (etwa  in   der  Richtung,  leicht  erklären   würde,  wenn  der  Isonzo  einst  weiter 

die  die  heutige  Natissa  einhält,   vgl.  Czörnig  a.  a.  0.  östlich,    unweit   der    Lagune    des    Timavus    mündete 

p.  110.    159)  ins  Meer  gingen,  während   sie  zu  einem  (Anm.  54). 


296  E.  Reisch 

Ister-Danuvius  galt,  wozu  wohl  nicht  der  Name  allein,  sondern  die  Bekanntschaft 
mit  den  alten  Handelswegen  und  wohl  auch  einheimische  Vorstellungen  über  die 
unterirdischen  Kommunikationen  der  Gewässer  dies-  und  jenseits  der  Berg-e  Anlaß 
gaben,  sei  es,  daß  dabei  an  eine  Verbindung  Save — Laibachfluß — Reka — Timavo 
oder  an  einen  Zusammenhang  der  östlich  und  westlich  einander  gegenüberliegenden 
Quellen  von  Isonzo  und  Save  gedacht  wurde57).  Hier  am  Istros  wurde  der  eine 
Endpunkt  der  Argonautenfahrt  festgelegt 5S)  und  ausdrücklich  nennt  Martialis 
(IV  25,  5;  VIII  28,  8)  den  Timavus  als  den  Fluß,  in  dem  Kastor  sein  Roß  Kylla- 
ros  getränkt  hat59). 

Ob  in  den  von  Strabo  erwähnten  Hainen  der  Hera  und  Artemis  wirklich 
griechische  Filialkulte  oder  vielmehr  Kulte  einheimischer,  den  Griechengöttern 
gleichgesetzter  Gottheiten  zu  erkennen  sind,  mag  dahingestellt  bleiben.  Wenn 
aber  Strabo  schlechtweg  das  Ttfiauov  als  Heiligtum  des  Diomedes  bezeichnet, 
so  ist  klar,  das  hier  auf  Grund  von  Ideenverbindungen,  die  an  dieser  Stelle  nicht 
weiter  verfolgt  werden  könuen,  der  einheimische  Timavus  dem  griechischen 
Diomedes  gleichgesetzt  worden  ist G0).  In  die  ursprünglichen  einheimischen  Vor- 
stellungen läßt  uns  einen  Blick  tun  die  Nachricht  des  Polybius  ioü;  £~:/_ioptO'j;  ~y-;:i-i 
y.'xl  [Mjrspa  vrjq  SraXccraje;  övojw^ew  töv  totiov  (Strabo  V  8,  p.  2i5)G1),  und  in  den  gleichen 
Anschauungskreis  weist  uns  wohl  auch  die  Erzählung  "2)  von  dem  Zusammenhange 

5l)  Ob     der    Name    Istros    wirklich     im    Lande  tischen  Istros  vgl.  die  Nachweise  bei  Pauly-Wissowa 

üblich    war    (etwa   am    späteren   Sontius    =    Isontius  II  765  f.;  Pais,  Studi  Storici  I   11892)  p.  321  f. 
haftend)    oder  ob  er  erst  von  den   Griechen  dem  im  59)  Mit    Beiseitesetzung    des    adriatischen   Istros 

alten  Histrergebiet  einmündenden  Flusse   auf  Grund  läßt  Plinius  III  18,  128  die  Argonauten  ,flumine  non 

des  Volksnamens    gegeben    war,    will    ich  nicht  ent-  proculTergeste'  die  Hadria  erreichen,  Iustinus  32,  3, 1  5 

scheiden.  Sicher  ist,  daß  in  römischer  Zeit  der  Name  die  Kolcher  in  Aquileia  sich    niederlassen    (vgl.  den 

Istros  außer  Gebrauch  gekommen   war  (vgl.  Plin.  III  Namen   der  Stadt  Medea  nördlich  von  Aquileia). 
18,   127),    was  sowohl   durch  eine  Veränderung   des  6")  Über  Diomedeskult  an  der  Adria    vgl.  noch 

Isonzo-Unterlaufes  oder  durch  das  Zurückweichen  der  Strabo  VI  9,  p.  284;  Pauly-Wissowa  V  822  f.  (Bethei. 

Histrer  von  der  Timavusmündung  wie  auch  durch  die  Luftige  Kombinationen  versuchte  Pervanoglu,  Archeo- 

Vcrdrängung  des  willkürlich   gewählten    griechischen  grafo  Triestino  N.  S.   VI   (1880)  p.  17  f. 
Namens   sich    erklären    könnte.     Festhaltend    an    der  61)  Vgl.  Vergil  Aen.  1  244  f.:   ,fontem  Timavi . . . 

etymologischen   Verbindung    von   Histria   und   Istros  unde   per    ora   novem   ...    it   mare   proruptum'    und 

hat   man    dann   den    Istros    innerhalb    des    Gebietes,  dazu    Scrvius:   Varro  enim    dicit  hunc    fluvium   Marc 

auf  das  die  Histrer  in  späterer  Zeit  beschränkt  waren,  nominari     Matrem    maris    vermutete  Cluverius.   Italia 

gesucht  und  ihn  in  verschiedenen  Flüssen   der  Halb-  anliqua  194). 

insel  Istrien,   vorzugsweise  aber  im   heutigen  Quieto  Plin.    III     18.     127    1  nach    Nepos):     Histro 

wiedererkennen  wollen  (Mannert,  Geogr.  d.  Griechen  exadversum    Padi  fauecs,    contrario    eorum    percussu 

und  Römer  IX   I,  47;    Benussi  a.a.O.    p.  15   u.  a.);  mari  interiecto  dulcescente;    vgl.  Pomponius  Mela  II 

doch    entbehrt    der  Ouieto   aller  Eigentümlichkeiten,  4,63.  Solche  Vorstellungen  konnten  bei  einer  Küsten- 

die    das    Entstehen    der    an    den    Istros    geknüpften  fahrt  vom  Timavus  zum   Po,   aber  schwerlich  bei  einer 

Vorstellungen  begreiflich   erscheinen  lassen   könnten.  Hochseefahrt    vom    Ouietn    zum    Po  entstehen.     Vgl. 

Ober  die  Argonautenfahrt   durch    den  adria-  IJais   a.a.O.  p.  323. 


Die  .Statuenbasis  des  C.  Sempronius  Tuditanus  297 

des  adriatischen  [stros  mit  dem  Po.  An  den  uralten,  vielleicht  noch  in  die  vor- 
venetische  Zeit  zurückreichenden  Kult  knüpfte  nun  offenbar  Tuditanus  an,  wenn 
er  die  ,patria  sacra'  des  Timavus  wiederherstellte.  Nicht  unmöglich  scheint  mir, 
daß  er  dabei  auch  schon  eine  Tradition  im  Auge  hatte,  die  den  Antenor  als 
Begründer  oder  Erneuerer  des  Kultes  am  Timavusflusse  nannte;  der  Nachdruck, 
mit  dem  von  Vergil  Aen.  1  244  bei  der  Fahrt  des  Antenor  der  Timavus  erwähnt 
wird63),  legt  den  Gedanken  an  eine  solche  Erzählung  nahe,  die  schon  bei  Cato';'i 
oder  in  den  Antenoriden  des  Accius  erwähnt  sein  konnte.  Ob  freilich  schon  im 
zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  der  Kult  des  Timavus  mit  Hinblick  auf  einen  voraus- 
gesetzten troischen  Ursprung  als  .patrius'  bezeichnet  worden  sein  könnte,  vermag 
ich  nicht  zu  sagen 65).  Indem  Tuditanus  für  diesen  Kult  Magistri  einsetzte,  wird 
dieser  fortan  gewissermaßen  in  die  Reihe  der  offiziell  von  der  römischen  Kolonie 
gepflegten   Kulte  aufgenommen. 

Daß  auch  nach  dieser  Rezeption  des  Kultes  durch  die  Römer  der  grie- 
chische Einschlag  noch  wirksam  blieb,  lehren  die  Worte  Strabos.  Aus  der 
Folgezeit  hören  wir  wohl  noch  mehrfach  vom  ,Quell  des  Timavus-  und  von  den 
mit  Aquileias  Blüte  eng  verbundenen  Thermen66),  aber  wir  erfahren  nichts  mehr 
über  das  Heiligtum.  Es  wäre  zu  wünschen,  daß  die  Tuditanusinschrift  den  Anlaß 
gäbe,  von  neuem  nach  dieser  uralten  Kultstätte  ,im  innersten  Winkel  der  Adria' 
zu  forschen,  in  der  über  dem  Niederschlage  altvenetischer  Kultur  der  griechische 
Handelsverkehr  und  die  römische  Kriegs-  und  Kolonialpolitik  ihre  dauernden 
Spuren  hinterlassen  haben  müssen. 

Wien,  Dezember  1908.  EMIL  REISCH 

63)  Verg.  Aen.  I   242  f.   Vgl.  Lucan  Pharsal.  VII  Plinius  N.  H.  III  133  und    130. 
It)4  (Antenoreus  Timavus);   Sil.  Ital.  12,   213  (,sacer  'i5)  Vielleicht  dart  auch   daran    erinnert   werden, 

Timavus'     im    Zusammenhange    mit    der    Antenorea  daß    die  Bezeichnung    ,pater'    gerade    für  Flußgötter 

stirps'l;  Claudian  de  III  consul.  Honorii  120  (Phrygii  (z.  B.  Padus,   Tiberinus)    mehrfach    bezeugt  ist,  vgl. 

stagna  Timavi).  Dessau,  Inscr.  Lat.  sei.  II  3903 :   Wissowa,  Religion 

61)  Da    Dionysius    Hai.   I    11    und  13    Cato    und  der  Römer   183. 
Tuditanus    nebeneinander     als     Gewährsmänner     für  68)    Auf    der    Tabula    Peutingeriana    sehen    wir 

den  griechischen    Ursprung  der  Aborigines    anführt,  unterhalb  der  Beischrift  , fönte  Timavi'  ein   Thermen- 

darf  man  annehmen,  daß  Tuditanus   die  italische  Ur-  gebäude  eingezeichnet,  darunter  einen  See,  der  durch 

geschiente    in    Übereinstimmung    mit   Cato    erzählte,  einen   schmalen  Landstreifen  vom  Meere  getrennt  ist; 

der    die   Auffassung    vertrat:     Aborigines  postea  ad-  das  Gebäude  ist    auf    dem   Landstreifen    gelegen    zu 

ventu  Aeneae  Phrvgibus  iunetos   Latinos  uno  nomine  denken,  da    dieser  offenbar  den    beiden    Hügeln  von 

nuneupatos  (Servius  zu  Aen.  I  b).   Daß  Cato  auch  über  S.  Antonio    und    della    Punta    (Anm.   29)   entspricht. 

die  Euganeer    gehandelt    und    den    trojanischen   Ur-  Von  den  römischen   Thermen   sind  bei  dem   Bau  des 

sprung  der    Veneter   behauptet    hat.    wissen   wir  aus  neuen  Badehauses  (1830)  noch  Reste  gefunden  worden. 

Jahresbette  des  österr     archäol    Institute*    Bd.  XI.  38 


BEIBLATT 


B  E I  B  L  AT  T 


Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen  Institutes  1908. 


Am  3.  März  d.  J.  fand  die  statutenmäßige  Jahres- 
versammlung des  Institutes  statt,  zu  der  außer  den 
in  Wien  und  vielen  auswärts  weilenden  Mitgliedern 
auch  die  neu  ernannten  Mitglieder:  die  Professoren 
A.  Bauer,  K.  J.  Jirecek,  Hofrat  D.  H.  Müller,  E. 
Oberhummer,  Hofrat  L.  Reinisch,  H.  Swoboda  und 
A.  Wilhelm  erschienen  waren.  In  Vertretung  Sr. 
Exzellenz  des  Herrn  Ministers  für  Kultus  und  Unter- 
richt begrüßte  Herr  Sektionschef  Graf  Wickenburg  die 
Versammelten,  gedachte  sodann  in  eindrucksvollen 
Worten  zweier  Dahingeschiedener,  des  Direktors 
Sektionschefs  O.  Benndorf  und  des  Mitgliedes  Ministers 
a.  D.  und  Geh.  Rates  W.  v.  Hartel,  und  ihres  ent- 
scheidenden Anteils  an  dem  Zustandekommen  und 
Gedeihen  des  Institutes  und  versicherte  dessen  Leitung 
für  ihre  Unternehmungen,  namentlich  aber  für  die  im 
Süden  der  Monarchie  immer  dringlicher  eine  Lösung 
heischenden  Musealfragen  der  wärmsten  Fürsorge  der 
Unterrichtsverwaltung. 

Hierauf  erstattete  der  Direktor,  Hofrat  Prof.  Dr. 
Robert  R.  v.  Schneider,  nachdem  er  auch  seinerseits 
O.  Benndorf  einige  Worte  der  Erinnerung,  die  be- 
sonders die  letzte  Zeit  seines  der  Krankheit  in  vor- 
bildlicher Pflichttreue  abgerungenen  Wirkens  berück- 
sichtigten, gewidmet  hatte,  einen  die  Zeit  von  Juni 
1906  bis  Februar  1908  umfassenden  Tätigkeitsbericht, 
der  nachstehend  auszugsweise  wiederholt  wird. 

Publikationen.  Von  Publikationen  kamen  zur 
Vorlage  der  erste  Band  der  „Forschungen  in  Ephesus", 
von  den  „Jahresheften  des  Institutes"  die  2.  Lieferung 
des  IX.  Bandes  und  der  X.  Band,  von  Sonder- 
schriften die  Aushängebogen  eines  demnächst  er- 
scheinenden Werkes  von  A.  Wilhelm:  „Beiträge  zur 
griechischen  Inschriftenkunde". 

Ausgrabungen  in  Ephesus.  In  beiden 
Jahren  begannen  die  Arbeiten  in  den  ersten  Tagen 
Septembers,  wurden  mit  60 — 80  Arbeitern  geführt 
und  Anfang  Dezember  beschlossen.  Die  Grabungen 
leitete  wie  in  den  früheren  Jahren  Sekr.  Prof.  Dr. 
Jahresliefte  des  österr.  archiiul.  Institutes  Bd-  XI  Beiblatt. 


R.  Heberdey;  ihm  zur  Seite  standen  der  Architekt 
W.  Wilberg  und  Sekr.  Dr.  J.  Keil.  Im  Jahre  1907 
gesellte  sich  zu  ihnen  der  mit  der  Ausgrabung 
der  Basilika  betraute  Ingenieur  im  Staatsbaudienste, 
Friedrich  Knoll.  Für  den  ihm  hierzu  gewährten 
Urlaub  gebührt  Sr.  Exz.  dem  Herrn  Statthalter  von 
Niederösterreich,  Grafen  Kielmannsegg,  der  Dank 
des  Institutes. 

Abgesehen  von  nachträglichen  Untersuchungen 
und  Aufnahmen  der  bereits  1904 — 1905  aufgedeckten 
Baulichkeiten  an  dem  vom  Theater  zum  magnesischen 
Tore  laufenden  Straßenzuge  erstreckten  sich  die  Ar- 
beiten auf  zwei  Komplexe:  den  hellenistischen  Markt- 
platz und  die  Marienkirche  mit  dem  Baptisterium.  Die 
ganze  Anlage  des  Marktplatzes  ist  nunmehr  im  wesent- 
lichen klargestellt.  Sie  läßt  in  ihrer  jetzigen  Gestalt 
durch  später  erfolgte  Modifikationen  hindurch  den  ur- 
sprünglichen Plan  erkennen.  Vor  der  Marienkirche 
wurde  ein  anschließender  Apsidenbau  freigelegt  und 
das  Baptisterium  von  Schutt  und  Trümmern  geräumt, 
so  daß  der  noch  in  2  m  Höhe  aufrechtstehende  Innen- 
bau nun  von  allen  Seiten  zugänglich  ist.  Für  die 
Rekonstruktion  des  Ganzen  sind  die  wesentlichsten 
Anhaltspunkte  gewonnen.  Das  Polygon  des  Innen- 
raumes war  von  einer  kreisrunden  Kuppel  überwölbt, 
die  im  Tambour  von  acht  breiten  Fenstern  durch- 
brochen war.  In  den  Fußboden  war  ein  kreisrundes 
Taufbecken,  circa  lll2m  ''ef>  eingelassen,  von  zwei 
Seiten  durch  Treppenabgänge  zugänglich.  Da  der 
Bau  in  ganz  später  Zeit  ein  Wohnhaus  und  eine 
Werkstätte  wurde,  ist  von  dem  Innenschmucke, 
von  8  Reliefkreuzen  an  Mauerpfeilern  abgesehen, 
nichts  mehr  erhalten.  Untersuchungen  am  magnesi- 
schen Tore  wiesen  einen  breiten,  für  Wagen  be- 
stimmten mittleren  und  zwei  schmälere  Seitendurch- 
gänge nach.  Zahlreiche  aufgefundene  Architekturteile 
werden  die  zeichnerische  Rekonstruktion  des  Stadt- 
tores zulassen;  große  marmorne  Löwen,  deren  Bruch- 
stücke sich    fanden,    dürften    die  Torpfeiler   tlankiert 

1 


Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen  Institutes   1908 


haben.  Nebenher  gingen  Tastgrabungen  zur  Auf- 
findung der  alten  voralexandrinischen  Stadt,  die  man 
an  dieser  Stelle  vermutet,  doch  führten  sie  zu  keinem 
sicheren  Ergebnisse. 

Von  Einzelfunden  ist  neben  zahlreichen,  zum 
Teil  wichtigen  Inschriften  ein  Bronzekranz  vonO"lm 
Durchmesser  mit  einem  Kreuze  zu  erwähnen,  der 
die  Bekrönung  eines  Gerätes  gebildet  zu  haben 
scheint,  ferner  Bruchstücke  von  Marmorgruppen,  die 
die  Taten  des  Herakles  darstellen.  Durch  Ab- 
räumung  der  vor  der  Bibliothek  lagernden  Schutt- 
massen gelang  es,  einen  freien  Platz  zu  schaffen,  der 
die  Ruine  erst  zu  voller  Wirkung  bringt  und  über- 
dies ermöglichte,  durch  Zusammensetzung  ver- 
schiedener Bauglieder  (hauptsächlich  der  Bibliothek, 
aber  auch  der  Agora  und  eines  Tores)  in  den  ur- 
sprünglichen Verband  eine  Art  architekturgeschicht- 
liches  Museum  an  Ort  und  Stelle  anzulegen. 

Die  Sekretariate  in  Athen  und  Smyrna. 
Die  Sekretäre  Prof.  Dr.  R.  Heberdey  und  Dr.  v. 
Premerstein  hielten  im  Jänner  bis  Ende  März  igoö 
Vorträge  in  den  athenischen  Museen  und  topogra- 
phische Kurse  ab,  die  sich  regen  Zuspruches  von  Seiten 
der  in  Athen  anwesenden  Archäologen  erfreuten, 
ferner  im  April  alternierend  einen  zweiten  Zyklus 
für  die  mit  staatlichen  Stipendien  nach  dem  Süden 
entsendeten  österreichischen  Gymnasiallehrer.  Sekretär 
Dr.  Keil  in  Smyrna  bearbeitete  die  Inschriften  der 
dortigen  evangelischen  Schule  für  den  Scheden- 
apparat  der  Tituli  Asiae  minoris,  für  die  er  auch 
gemeinsam  mit  Dr.  v.  Premerstein  aus  dem  von 
Sr.  Durchlaucht  dem  regierenden  Fürsten  von  und 
zu  Liechtenstein  gewidmeten  Fond  eine  Bereisung 
Lydiens  und  der  südlichen  Aiolis  vornahm.  Den  Er- 
trag bilden  300  neue  zum  Teil  belangreiche  Inschrift- 
texte, die  demnächst  in  den  Schriften  der  kaiserlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  zur  Veröffentlichung 
kommen  werden. 

Seit  der  letzten  Jahresversammlung  ist  das  In- 
stitutsgebäude in  Athen,  dessen  Bau  nach  dem  Ent- 
würfe des  Architekten  Ernst  Zillerauf  dem  von  der  kgl. 
hellenischen  Regierung  liierfür  gewidmeten  Grunde 
damals  eben  begonnen  wurde,  vollendet  worden.  Der 
nbau  war  vor  etwa  einem  Jahre  fertig;  seitdem 
auch  im  Innern  mit  dem  Nötigen  versehen,  wurde  es 
vor  einigen  Wochen  bezogen.  Für  die  Eröffnungs- 
feier des  Hauses  ist  kein  pomphaftes  Fest  geplant; 
es  sollen    sich    nur   in    schlichter   Art    die   in   Athen 


weilenden  Archäologen  aller  Nationen,  die  sonst 
wochenweise  abwechselnd  in  den  Häusern  der  fremden 
wissenschaftlichen  Missionen  zusammenzukommen 
pflegen,  zum  ersten  Male  auf  österreichischem  Boden 
vereinigen.  Die  Weihe  wird  aber  der  Tag  durch  den 
Besuch  erhalten,  den  Se.  Majestät  der  König  der 
Hellenen  und  Se.  königl.  Hoheit  der  Herzog  von 
Sparta  auf  Einladung  des  Herrn  k.  u.  k.  Gesandten 
Freiherrn  von  Macchio  bei  diesem  Anlasse  unserem 
neuen  Hause  zu  machen  gesonnen  ist.1)  Einfach  in 
seiner  Erscheinung  und  Einrichtung,  wird  es  sich  den 
Gästen  desungeachtet  nicht  ohne  bedeutungsvollen 
Schmuck  zeigen.  Vor  wenigen  Wochen  langte  in 
Athen  die  von  Johannes  Benk  in  Laaser  Marmor 
gearbeitete  Porträtbüste  Sr.  k.  u.  k.  Apost.  Majestät 
an,  die  als  sichtbares  Zeichen  der  Allerhöchsten  Huld 
durch  die  gütige  Fürsprache  Sr.  Exz.  des  Herrn 
Oberstkämmerers  L.  Grafen  Gudenus  für  uns  erwirkt 
wurde.  Sie  fand  im  Bibliothekssaale  ihre  Aufstellung. 
Eine  andere  Zierde  wird  unser  athenisches  Heim 
in  der  Porträtbüste  Otto  Benndorfs  von  Frl.  Hella 
Unger  erhalten,  deren  Ausführung  in  Bronze  das 
Ministerium  nach  dem  im  vorigen  Jahre  hier  ausge- 
stellten Gipsmodelle  in  Auftrag  gab  und  die  es  zur 
Aufstellung  im  neuen  Institutshause  bestimmte. 

Die  Staatsmuseen  und  die  staatlich  sub- 
ventionierten  Grabungen  im  Inland e. 

I.  Salona  und  Spalato.  Die  vom  Reg.-R. 
M>gre  Bulic  geleiteten  Ausgrabungen  in  Salona, 
für  die  vom  Ministerium  1907  ein  Zuschuß  von 
2000  K  bewilligt  wurde,  deckten  eine  vom  Feuer 
zerstörte,  wahrscheinlich  unter  Kaiser  Constans 
(333 — 35°)  erbaute  Basilika  auf,  die  auf  Fundamenten 
älterer  Häuser  errichtet  war;  ferner  eine  große  Bade- 
anlage, das  Katechumenion  eines  1846  bloßgelegten 
Baptisteriums  sowie  Wirtschaftsgebäude  aus  der 
Zeit  des  Erzbischofs  Petrus  (554 — 562);  weiter 
wurde  die  Wasserleitung  von  der  Basilica  Urbana 
bis  zur  Porti  Caesarea  verfolgt  und  nördlich  von 
dieser  ein  kleines  Stadttor  ausgegraben.  Unter- 
suchungen bei  der  Porta  Caesarea,  dem  Haupttore 
der  Stadt,  legten  dar,  daß  die  es  rechts  und  links 
flankierenden  achteckigen  Türme  aus  den  letzten 
Zeiten  der  Republik  stammen  und  selbstverständlich 
zu  Verteidigungszwecken,  nicht,  wie  man  einst  glaubte, 
zu  Wasserreservoirs  dienten.  Ihre  Stellung  zum  Tore 
zeigte  auch    deutlich,     daß    sich    von  der  Stadtmauer 


')   Die  Eröffnungsfeier  des  athenischen   Institutsgebäudes  fand   am   4.  März   statt;    s.  unten   Sp.  1 5  f . 


5 


Bericht   über  die  Jahresversammlung   des  österr.  archäologischen  Institutes    I908 


westlich  bis  zum  Amphitheater  die  Altstadt,  östlich 
vor  dem  Tore  die  Neustadt  ausbreitete.  Hiermit  ist 
ein  entscheidendes  Resultat  für  die  Topographie  der 
antiken  Stadt  Salonae  gewonnen.  Vor  der  Porta 
Caesarea,  also  in  der  Neustadt,  wurde  in  drei  Frag- 
menten einer  griechischen  Inschrift  ein  höchst  wich- 
tiges Dokument  ausgegraben,  das  sich  auf  eine  Ge- 
sandtschaft der  griechischen  Kolonie  Issa  (Lissa)  an 
den  in  Aquileja  weilenden  Statthalter  Illyricums  und 
beider  Gallien,  Julius  Cäsar,  56  v.  Chr.  bezieht. 
[Vgl.  Kubitschek  im  Jahrbuche  für  Altertumskunde 
Bd.  I  (1907)  S.  76  ff.] 

Im  Jahre  1906  veranstaltete  Bulic  eine  Aus- 
grabung in  Klapavica  oberhalb  Clissas,  wobei  eine 
Kirche  aus  dem  6.  Jahrhundert  aufgedeckt  wurde. 
Der  Fund  eines  höchst  eigenartigen  und  interessanten 
Weihrauchgefäßes  aus  der  gleichen  Zeit  sowie  von 
Inschriften  aus  dem  I.  Jahrhundert  und  späteren 
kroatischen  Gräbern  aus  dem  9.  und  10.  Jahrhundert 
lohnte  reichlich   Kosten  und  Mühen. 

Aus  diesen  Ausgrabungen  und  durch  gelegent- 
liche Käufe  kamen  dem  Staatsmuseum  von  Spalato 
in  den  letzten  2  Jahren,  von  Münzen  abgesehen, 
über  1200  Gegenstände  zu,  die  inventarisch  verbucht 
wurden,  ein  erheblicher  Zuwachs,  der,  an  sich  als 
der  sprechendste  Beweis  eines  gedeihlichen  Wirkens 
erfreulich,  doch  die  Raumbedingungen,  unter  denen 
in  Spalato  gearbeitet  wird,  von  neuem  sichtlich  ver- 
schlimmerte. Die  endliche  Inangriffnahme  des  im 
Prinzipe  bereits  beschlossenen  Baues  eines  neuen 
Museums  auf  der  Straße,  die  von  Spalato  zum 
Kloster  delle  Paludi  führt,  nach  den  ebenfalls  schon 
genehmigten  Entwürfen  von  Ohmann  und  Kirstein 
müßte  daher  als  rettende  Tat  begrüßt  werden,  da 
die  Zustände  in  dem  gegenwärtig  „Museum"  ge- 
nannten Hause,  das  vor  etwa  80  Jahren  mit  den 
dürftigsten  Mitteln  kümmerlich  genug  aufgeführt 
wurde,  und  in  den  in  der  ganzen  Stadt  zerstreuten 
Depots,  in  denen  die  dicht  aneinander  gerückten 
Monumente  weder  studiert  noch  konserviert  werden 
können,  absolut  unhaltbar  geworden  sind. 

Vom  25. — 27.  September  1907  tagte  in  Spalato 
die  für  die  Konservierung  des  diokletianischen  Pa- 
lastes eingesetzte  Kommission.  Das  Protokoll  über 
ihre  Beratungen,  zugleich  mit  einem  den  in  den  Ver- 
handlungen eingenommenen  Standpunkt  rechtfertigen- 
den Berichte,  legte  die  Direktion  am  7.  Dezember 
v.  J.  dem  Ministerium  vor.  Als  erfreuliches  Resultat 
der  Beratung  darf  es  gelten,  daß  sich  die  Mehrzahl 
der  Kommissionsmitglieder   dahin    geeinigt  hat,    von 


einer  weiteren  Isolierung  des  Domes  (Mausoleum) 
und  daher  auch  von  der  beabsichtigten  Demolierung 
des  alten  Episcopiums  abzusehen,  insbesondere  des- 
halb, weil  dieses  an  sich  vielleicht  kunstgeschicht- 
lich nicht  allzu  hoch  einzuschätzende  Gebäude  den 
Begrenzungslinien  des  ursprünglichen  Platzes,  den 
das  Mausoleum  einst  beherrschte,  wenn  auch  nicht 
genau,  folgt  und,  so  wie  der  Rahmen  für  das 
Bild,  für  die  künstlerische  Wirkung  des  Domes 
unentbehrlich  ist.  Sehr  förderlich  ist  die  schon 
vollzogene  Befreiung  der  Rückseite  des  Baptiste- 
riums  (sogenannter  Aesculaptempel)  von  den  Häusern, 
die  es  verdeckten.  Unaufschiebbar,  aber  kostspielig 
und  technisch  höchst  schwierig  wird  sich  die  Kon- 
servierung der  Rotunde  gestalten,  deren  obere 
Ziegellagen  einzustürzen  drohen.  Die  Entstellung  der 
Porta  Aurea  durch  einen  Balustradenbau,  den  die 
dort  wohnenden  Nonnen  errichteten,  und  der  noch 
schlimmere  Neubau,  den  man  mit  Benutzung  antiker 
Architekturteile  an  der  Riva  aufführte,  machten  den 
Mangel  einer  gesetzlichen  Grundlage  für  das  gedeih- 
liche Wirken  der  Kommission  schwer  fühlbar.  Sie 
hielt  es  deshalb  für  ihre  Pflicht,  nachdrücklich  die 
Bitte  auszusprechen,  den  vor  Jahren  von  Sr.  Exz. 
Frh.  v.  Helfert  im  Herrenhause  eingebrachten  Ge- 
setzentwurf mit  den  nötigen  Emendationen  baldigst 
der  parlamentarischen  Beratung  zuführen  zu  wollen. 
2.  Zara.  Das  Museum  in  der  aufgelassenen 
Kirche  San  Donato  hat  unter  der  bewährten  Leitung 
der  Herren  Smirich  und  de  Bersa  durch  die  im  Herbste 
1906  vollendete  Restaurierung  der  Treppe  und  des 
Vestibüls  erheblich  gewonnen.  Dem  antiken  Bestände 
wurde  in  würdiger  Aufstellung  eine  Sammlung  von 
Gegenständen  aus  dem  Mittelalter  und  der  Re- 
naissancehinzugefügt. Als  Geschenk  des  Municipiums 
konnten  dem  Museum  die  früher  in  einer  kleinen 
Exedra  im  Giardino  pubblico  aufgestellt  gewesenen 
römischen  Bildwerke  und  Inschriften  einverleibt 
werden.  Im  Jahre  1907  wurden  zahlreiche  Fund- 
gegenstände aus  Nona,  einer  Trümmerstätte,  die 
einer  eingehenden  Untersuchung  wohl  wert  wäre,  mit 
einem  von  dem  Ministerium  bewilligten  Dotations- 
zuschusse  erworben.  In  beiden  Jahren  hatte  das 
Museum  einen  Zuwachs  von  479  Objekten,  darunter 
161   Münzen. 

3.  Obrovazzo.  Mit  einer  Gesamtsubvention  von 
3400  A"  setzte  Herr  Oberlehrer  Anton  Colnago  in 
Obrovazzo  seine  archäologischen  Untersuchungen 
im  nördlichen  Dalmatien  fort,  über  die  er  der 
Direktion  sorgfältig  verfaßte  Berichte  einsandte.   Die 

1* 


Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen  Institutes   1908 


Grabungen  betrafen  hauptsächlich  die  Orte  Stari- 
grad  und  Krupa.  In  Starigrad,  dem  römischen 
Argyruntum,  wurde  der  Verlauf  der  antiken  Stadt- 
mauer konstatiert.  Bedeutendere  Funde  erzielte  man 
außerhalb  des  Stadtgebietes,  indem  man  die  im 
Stadttore  mündende  römische  Straße  mit  derNekro- 
pole  aufdeckte.  Hunderte  von  Gräbern  ergaben  eine 
Fülle  von  Kleinfunden  in  den  verschiedensten  Mate- 
rialien, den  Inhalt  eines  ganzen  Museums,  das  man 
auf  Gemeindekosten  im  Rathause  zu  Obrovazzo  ein- 
zurichten gesonnen  ist.  Bei  Krupa  wurden  östlich 
vom  griechischen  Kloster  die  Umfassungsmauern  einer 
römischen  Ortschaft  entdeckt  und  innerhalb  der- 
selben Steinfundamente,  auf  welchen  die  Häuser  sich 
wohl  in  Holz  erhoben  hatten.  Unter  den  aufge- 
fundenen Gegenständen  zeichnet  sich  eine  in  rund 
hundert  Bruchstücke  zerbrochene  Bronze-Inschrift 
aus.  Zusammensetzung  und  Lesung  sind  bisher  noch 
nicht  vollständig  gelungen;  doch  dürften  diese  Frag- 
mente nach  Bormanns  Vermutung  das  Statut  des  Con- 
ventus  von  Scardona,  in  welchem  Ausmaße  steht  noch 
dahin,  uns  schenken. 

4.  Pola.  Die  von  Dr.  A.  Gnirs  1906  und  1907 
fortgeführten  Untersuchungen  an  der  Villenanlage, 
die  die  Bucht  von  Val  Catena  auf  Brioni  grande 
umsäumt,  ergänzen  die  bisher  erzielten  Ergebnisse 
zu  dem  Gesamtbilde  eines  reichgegliederten,  zu- 
sammenhängenden Bautenkomplexes,  der  für  die  Ge- 
schichte der  römischen  Villenarchitektur  die  wichtig- 
sten Aufschlüsse  zu  gewähren  verspricht.  Nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  der  Arbeiten  zeigen  sich  beide 
Gestade  der  schmalen  Bucht  von  einer  ununter- 
brochenen Reihe  von  Baulichkeiten  umsäumt,  die, 
namentlich  auf  der  Nordscite,  in  Terrassen  sich  dem 
hügeligen  Gelände  anschmiegend,  ein  lebhaft  bewegtes, 
malerisches  Architekturbild  geboten  haben  müssen, 
wie  es  uns  analog  Veduten  pompejanischer  Wand- 
gemälde vergegenwärtigen.  Einen  einheitlichen  Rahmen 
erhielt  es  in  den  am  Strande  sich  hinziehenden 
Säulenhallen,  die  den  innersten  beiderseits  von  aedi- 
culae  flankierten  Winkel  der  Bucht  bogenförmig  um- 
faßten. Die  Arbeiten  der  zwei  letzten  Jahre,  die 
vom  Ministerium  jährlich  mit  je  1000  K  sub- 
ventioniert waren  und  für  die  —  wie  wir  mit  größtem 
Dank  erwähnen  müssen  —  aus  den  Allerhöchsten 
Privat-  und  Familienfonds  durch  Se.  Exz.  Freih.  v. 
Chertek  uns  ein  Beitrag  von  IOOO  K,  sowie  von  der 
böhmischen  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher 
Wissenschaft,  Kunst  und  Literatur  eine  Unterstützung 
von    500  K  zufloß,   konzentrierten   sich  auf  die  Frei- 


legung einzelner  umfänglicher  Bauobjekte,  der  Wasser- 
versorgungsanlagen und  der  abschließenden  Säulen- 
halle, wobei  sich  als  wichtigstes  Ergebnis  heraus- 
stellte, daß  im  Scheitelpunkte  der  Halle  eine  dritte 
Aedicula  eingebunden  war. 

Auf  Monte  Collisi,  gleichfalls  auf  Brioni  grande, 
deckte  Dr.  Gnirs  einen  antiken  Meierhof  mit  der 
Anlage  einer  Ölfabrik  auf,  aus  deren  technischem 
Detail  Aufschlüsse  über  die  antike  Art  der  Ölgewin- 
nung  herzuleiten  sind.  Wie  auf  dem  gegenüberlie- 
genden Festlande  ist  auch  auf  Brioni  grande  für  das 
Altertum  eine  intensive  landwirtschaftliche  Bestellung 
nachweisbar;  nicht  weniger  als  drei  ähnliche  mit  Öl- 
pressen und  Weinkeltern  ausgestattete  Höfe  fanden 
sich  bisher  auf  der  Insel. 

Die  Arbeiten  in  Pola  selbst  galten  der  Unter- 
suchung der  Stadtmauer  zwischen  Porta  Aurea,  Porta 
Ercole  und  Porta  Gemina,  wobei  die  Verbauung 
zahlreicher  antiker  Werkstücke  und  Grabsteine  kon- 
statiert wurde.  Letztere  wurden  von  den  Gräbern,  die 
sich  nach  antiker  Sitte  zu  beiden  Seiten  der  Land- 
straße hinzogen,  genommen,  wie  denn  noch  eine  Be- 
schreibung Polas  aus  dem  Jahre  1540  große  römi- 
sche Grabmäler  vor  den  Mauern  der  Stadt  ausdrück- 
lich erwähnt. 

Die  Museumsverhältnisse  in  Pola  sind  so  un- 
haltbar wie  in  Spalato,  weshalb  die  Direktion  des 
Institutes  schon  wiederholt  die  Gelegenheit  wahr- 
nahm, die  Adaptierung  des  als  Militär-Bettenmagazin 
verwendeten  Klosters  San  Francesco  zu  einem  Mu- 
seum in  Antrag  zu  stellen.  Die  Schwierigkeiten,  die 
der  Ausführung  dieses  Projektes  entgegenstehen, 
zeitigten  andere  Vorschläge.  Da  in  jedem  Falle  baldige 
Abhilfe  geboten  ist,  wird  die  Direktion  nach  neuem 
Studium  der  Frage  schon  in  der  nächsten  Zeit  ein- 
gehenden Bericht  darüber  dem  Ministerium  erstatten. 

5.  Aquileja.  Im  Jahre  1906  wurden  1 56 1  Stücke, 
darunter  859  Münzen  käuflich  erworben.  Als  Ge- 
schenke kamen  dem  Museum  24  Stücke  aus  der 
Sammlung  Widter  in  Wien  zu,  ferner  die  beim  Bau 
der  Aussabrücke  bei  Cervignano  gefundenen  antiken 
Inschriftsteine,  die  die  k.  k.  Bezirkshauptmannschaft 
in  Görz  dem  Museum  zuwies,  und  drei  wichtige 
Fragmente  einer  christlichen  Inschrift  aus  konstanti- 
nischer Zeit,  eine  Widmung  des  Frh.  Fug.  Ritter-Zahony. 
Kin  kostbares,  wenn  auch  unscheinbares  Stück 
spendete  eine  Dame  in  Vicenza,  Contessa  Lucrezia 
Orgian:  das  untere  Fragment  einer  nur  aus  wenigen 
Zeilen  bestehenden  Inschrift,  das  sich  genau  an  ein 
anderes  fügte,    welches  in  der  Sammlung  Obizzi  auf 


Berieht  über  rlie  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen   Institutes    1908 


IO 


Schloß  Cataio  war  und  das  Se.  kais.  Hoheit  der 
Herr  Erzherzog  Franz  Ferdinand  im  Juni  1899  der 
Stadt  Aquileja  schenkte.  Das  ganze  bildet  das  Elo- 
gium  des  Lucius  Manlius  Acidinus,  eines  jener  drei 
Manner,  die  der  römische  Senat  im  Jahre  181  v.Chr. 
entsendete,  die  römische  Kolonie  Aquileja  zu  be- 
gründen [CIL  V   873]. 

Die  Ausgrabungen  im  Jahre  1906  führten  zur 
Aufdeckung  eines  großen  Grabmales,  ähnlich  dem  im 
Museum  bereits  befindlichen  der  Curier,  auf  den 
Beni  Bonaparte  in  Villa  Vicentina.  Ein  Fund  von 
Bedeutung  wurde  aus  jüngster  Zeit  gemeldet:  es  ist 
der  untere  Teil  eines  Grabmonumentes  auf  der  Straße 
nach  Beligna,  mit  der  Darstellung  einer  Schmiede- 
werkstätte (ein  Arbeiter  beim  Blasbalg,  ein  zweiter 
beim  Amboß  beschäftigt)  und  vieler  Schlosser-  und 
Schmiedewerkzeuge,  wie  Zange,  Hammer,  Schloß- 
platte mit  Riegel  usw. 

Als  dringendes  Bedürfnis  wurde  die  Heraus- 
gabe eines  Führers  durch  das  Museum  erkannt.  Die 
Direktion  hat  ihrerseits  alles  getan,  diesem  so  be- 
rechtigten Wunsche  zu  genügen  und  das  Erscheinen 
eines  kleinen  illustrierten  Kataloges  in  handsamem 
Formate,  zu  billigem  Preise,  in  zwei  Ausgaben,  einer 
deutschen  und  einer  italienischen,  schon  in  den 
nächsten  Monaten  zu  ermöglichen. 

6.  Grado.  Auf  Veranlassung  und  Kosten  des 
Institutes  unternahmen  Universitätsprofessor  Swoboda 
und  Architekt  Wilberg  einen  Pfingstausflug  nach 
Grado,  um  für  eine  künftige  größere  Unternehmung 
die  Umgebung  des  Domes  und  der  Kirche  S.  Maria 
delle  Grazie  zu  sondieren.  Ihre  Probegrabungen  waren 
von  bestem  Erfolge.  Neben  dem  Dome  wurde  21/i 
Meter  unter  dem  jetzigen  Boden  eine  sehr  schön 
erhaltene  Mosaik  aus  dem  6.  Jahrhundert  mit  christ- 
lichen Inschriften  und  dem  Monogramme  des  Patriar- 
chen Elias  aufgedeckt  und  in  S.  Maria  delle  Grazie 
stieß  man  auf  ein  altes  Altargrab,  in  dem  ein  Marmor- 
kistchen  war,  das  eine  zerfallene  Ampulle  enthielt. 
Diese  Ergebnisse  einer  ganz  kurzen  Rekognoszierung 
schließen  die  Aufforderung  zu  eingehenderer  Nach- 
forschung in  sich. 

7.  Virunum.  Die  seit  Jahren  vom  kärntnischen 
Geschichtsvereine  mit  ministerieller  Subvention  be- 
triebenen Ausgrabungen  in  Zolfeld  bei  Klagenfurt 
wurden  im  Sommer  1906  und  im  Herbste  1907 
fortgeführt.  Gymnasialprofessoi  Dr.  Eduard  Nowotny, 
der  sie  leitete  und  darüber  in  dem  Organe  des  kärntni- 
schen Geschichtsvereines  „Carinthia"  regelmäßig  be- 
richtet,   ging    von    der    zweifellos    richtigen    Absicht 


aus,  in  dem  durch  zahllose  frühere  Tastgrahungen 
zerwühlten  Boden  durch  streng  systematisches  Vor- 
gehen endlich  einmal  einen  festen  Punkt  für  die 
Topographie  des  alten  Virunum  zu  gewinnen.  Er 
suchte  demnach  eine  ganze  Häuserinsel,  und  zwar  die- 
jenige, innerhalb  welcher  im  April  1898  ein  schöner 
Mosaikboden  gefunden  wurde,  bloßzulegen,  ohne  indes 
in  den  zwei  Kampagnen  dieser  Aufgabe  völlig  Herr 
werden  zu  können.  Die  Grabungen  vom  Jahre  1906 
wurden  durch  stattliche  Einzelfunde:  Skulpturen,  die 
das  Museum  Rudolfinum  in  Klagenfurt  bereicherten, 
insbesondere  durch  einen  trefflich  gearbeiteten  Giganten- 
kopf, gelohnt,  wogegen  im  Jahre  1907  interessante 
bauliche  Konstruktionen  aus  der  ältesten  Zeit  der 
Ansiedlung  zutage  gefördert  wurden. 

Vom  19.  August  bis  14.  September  1907  unter- 
nahm Nowotny  eine  Grabung  aui  dem  Helenenberge, 
die  infolge  der  Entlegenheit  des  Ortes  und  der  damit 
verbundenen  Schwierigkeit  in  der  Verproviantierung 
frühe  abgebrochen  werden  mußte,  obgleich  sie  zur 
Aufdeckung  der  Fundamente  eines  Tempels  führte. 
Die  Untersuchungen  der  interessanten  Stelle  sollen 
in  diesem  Jahre  fortgesetzt  werden. 

Die  früher  erwähnte,  1898  gefundene  Mosaik 
wurde  im  Herbste  1906  vom  Restaurator  des  Hof- 
museums, Wilhelm  Sturm  jun.,  in  einem  hierzu  aus- 
geräumten Saale  des  Museums  Rudolfinum  in  Klagen- 
furt zusammengesetzt  und  ist  nach  einer  kleinen  Ent- 
hüllungsfeier im  Dezember  1906  der  öffentlichen  Be- 
sichtigung übergeben  worden. 

8.  Carnuntum.  Unter  der  Leitung  des  k.  u.  k. 
Obersten  Groller  von  Mildensee  wurde  in  den  letzten 
Jahren  ein  größeres  Arbeitsgebiet  bewältigt  als  je  zu- 
vor. Große  Teile  des  Lagers  und  seiner  Umfassung 
sind  durchforscht  worden  und  auch  außerhalb  des 
Lagers  wurde  die  ausgedehnte  Badeanlage  bei  dem 
Palffyschen  Garten  in  ihrem  ganzen  Zusammenhange 
klargelegt,  sowie  eine  Anzahl  von  Gebäuden  beim 
Amphitheater  untersucht.  Die  Ausgrabung  der  Badc- 
anlage,  die  zum  Teile  schon  in  den  siebziger  Jahren 
aufgedeckt  worden  war,  gestaltete  sich  besonders 
schwierig,  war  aber  dafür  um  so  ergebnisreicher. 

Das  Museum  Carnuntinum  erhielt  einen  wil- 
kommenen  Zuwachs  durch  die  von  dem  bekannten 
Wiener  Sammler  Anton  Widter  in  den  fünfziger 
und  sechziger  Jahren  zusammengebrachten  Skulpturen 
und  Inschriftsteine  aus  Carnuntum,  die  im  Jahre  1906 
um  den  Preis  von  4000  Kronen,  einer  Spende  des 
Herrn  kaiserlichen  Rates  Karl  Kellermann,  erstanden 
wurden.  Die  kleine  Sammlung  von  40  epigraphischen 


Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen   Institutes    1908 


I  2 


Denkmälern  schließt  in  sich  manch  merkwürdiges 
Stück,  so  den  Grabstein  des  Germanenkönigs  Aisto- 
modius  aus  dem  Anfange  des  3.  Jahrhunderts  [CIL 
III  4453],  den  Grabstein  eines  Kelten  Atpomarus, 
[CIL  III  4580],  ferner  eines  aus  Florenz  gebürtigen 
Soldaten  der  X.  Legion  [CIL  4463  a  ],  einer  Frau 
aus  Sarmizegetusa  in  Siebenbürgen  [CIL  4501], 
und  einer  andern  aus  dem  Mosellande  [CIL  4459]. 
Da  einige  wertvolle  Bronzen  und  eine  schöne  silberne 
Kasserolle  schon  im  Jahre  1905  aus  Widterschem 
Besitz  im  Dorotheum  vom  Vereine  Camuntum  für 
das  Museum  erstanden  wurden,  enthält  letzteres  so 
gut  wie  ganz  den  aus  Camuntum  stammenden  Antiken- 
bestand der  einstigen  Widterschen  Sammlung,  den 
man  zur  Ehrung  des  verdienten  Mannes  auch  vereint 
zur  Aufstellung  brachte. 

Aus  den  Ausgrabungen  kamen  dem  Museum  in 
beiden  Jahren  848  Fundstücke  zu,  darunter  auch 
eine  Münze  des  Kaisers  Regalianus,  so  daß  die 
Sammlung  jetzt  zwei  dieser  numismatischen  Rarissima, 
deren  Fundort  ausschließlich  die  unteren  Donau- 
länder sind,  besitzt.  Das  merkwürdigste  Fundstück 
der  letzten  Jahre  sind  aber  die  Fragmente  einer 
Terrasigillataschüssel,  aus  dem  Ende  des  2.  oder 
dem  Beginne  des  3.  Jahrhunderts  [Jahreshefte  X 
Taf.  VIII  S.  330  ff.]. 

Ein  großer  Gewinn  ist  die  Aufstellung  der  vom 
Obersten  v.  Groller  gezeichneten  Fundkarte  von  Car- 
nuntum  an  der  Treppenwand  des  Museums.  Im  Maß- 
stabe I  :  720  d.  h.  viermal  so  groß  als  die  Katastral- 
karte  zeigt  sie  das  Ruinenfeld  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung vom  Pfaffenberge  bis  zum  Heidentore. 

Vor  dem  Museum  wurde  am  29.  August  1906 
ein  Standbild  des  Kaisers  enthüllt,  ein  Werk  des 
Bildhauers  Edm.  v.  Hofmann,  das  die  Gemeinde  zur 
Erinnerung  der  am  27.  Mai  1904  durch  Seine  Maje- 
stät erfolgten  Eröffnung  des  Camuntinums  errichtete. 

Tituli  Asiae  Minoris.  Der  von  der  k. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Verwahrung  des 
Institutes  gegebene  undim  Institute  gearbeiteteScheden- 
apparat  der  TAM  wurde  im  Laufe  der  letzten  Zeit 
stattlich  vermehrt.  Eine  Zählung  im  Mai  v.  J.  er,;ab 
eine  Anzahl  von  21.000  Inschriften  auf  24.500 
Blättern,  eine  vor  wenigen  Wochen  vorgenommene 
27.OOO  Inschriften  auf  33.000  Blättern.  Um  nur  die 
am  stärksten  vertretenen  Landschaften  zu  nennen, 
entfallen  davon  auf  Karien  bei  6000,  auf  Mysien  bei 
2600,  auf  Phrygien  über  2400,  auf  Lydien  bei  2200. 
In  die  angegebene  Anzahl  nicht  aufgenommen  sind 
2000  Inschriften,    die    aus  Syrien,    also  jenseits   der 


dem  Unternehmen  abgesteckten  Grenzen,  stammen. 
An  der  Vervollständigung  des  Apparates  arbeitet 
stetig  Herr  Gymnasialprofessor  Dr.  Joh.  Oehler. 

Bei  der  Ergänzung  des  Apparates  erwiesen  sich 
hilfsbereit  eine  Reihe  unserer  auswärtigen  Mitglieder, 
so  die  Herren  Professoren:  Friedrich  Freiherr  von 
Hiller-Gaertringen,  Alexander  Conze,  U.  v.  Wilamo- 
witz-Moellendorf,  Theodor  Wiegand,  Dr.  Ziebarth 
u.  a.  —  eine  Unterstützung,  für  die  wir  den  Dank 
werktätig  erweisen,  indem  wir  den  Apparat  allen 
erasten  Forschem,  die  darum  ansuchen,  für  ihre  Ar- 
beiten zugänglich  halten.  Auch  für  die  von  der  kgl. 
Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin  herausge- 
gebene Prosopographie,  sowie  für  die  vom  Pariser 
Institut  des  Inscr.  et  Belles-Lettres  herausgegebenen 
„Inscriptiones  Graecae  ad  res  romanas  pertinentes" 
werden  unsere  Scheden  ständig  verwertet. 

Anhangsweise  sei  bemerkt,  daß  Universitätspro- 
fessor N.  Vulic  in  Belgrad  in  den  Jahren  1906  und 
1907  mit  Unterstützung  des  Institutes  zwei  Forschungs- 
reisen durch  das  ganze  Gebiet  von  Serbien  und  durch 
das  türkische  Altserbien  unternahm.  Den  Hauptertrag 
dieser  Reisen  bilden  über  100  neue  römische  In- 
schriften; nebenher  gingen  eine  Nachprüfung  der 
bereits  im  CIL  veröffentlichten  Texte  und  photo- 
graphische Aufnahmen  von  Skulpturen  und  Objekten 
der  Kleinkunst. 

Auf  Kosten  des  Institutes  wurde  die  zweite  Auf- 
lage des  von  Herrn  Gymnasialdirektor  Julius  Wisnar  in 
Znaim  verfaßten  „Vademecums  Tür  die  Studienreisen 
österreichischer  Mittelschullehrer  in  Italien,  Griechen- 
land, Smyrna  und  Konstantinopel"   gedruckt. 

Fortsetzung  begonnener  Werke. 

Folgende  fünf  literarische  Unternehmungen  hinterließ 
die  frühere  Direktion  unvollendet    der   jetzigen: 

I.  Tituli  Asiae  minoris.  Sämtliche  Kosten 
des  Unternehmens  wurden  bisher  durch  die  von  Sr. 
Durchlaucht  dem  reg.  Fürsten  Johann  von  und  zu 
Liechtenstein  der  kais.  Akademie  der  Wissenschaften 
durch  Jahre  gewährten  Subventionen  bestritten.  Der 
Rest  reicht  noch  hin  zu  einer  letzten  Bereisung  Lykiens, 
zu  der  sich  für  die  Monate  Juli  bis  September  Prof. 
Kaiinka  und  Sekretär  Zingerle  entschlossen  haben. 
Überdies  wird  die  Direktion  aus  Instilutsmitteln  die 
Sekretäre  v.  Premerstcin  und  Keil  April  bis  Juni  nach 
jenen  Teilen  von  Lydien  entsenden,  die  bisher  weder 
für  die  TAM  bereist  noch  überhaupt  gründlich  epigra- 
phisch durchforscht  wurden.  Es  dürfte  sonach  für  zwei 
Landschaften    das    Material    bis  Ende  d.  J.  komplett 


13 


Bericht  über  die  Jahresversammlung  des  österr.  archäologischen   Institutes    1908 


14 


vorliegen,  so  daß  man  an  die  Bearbeitung  von  zwei 
Bänden  des  Werkes  gehen  könnte.  Es  wird  Sache 
der  Kais.  Akademie  der  Wissenschaften  sein,  die 
Geldmittel  zur  Fortsetzung  dieses  großen  Unter- 
nehmens zu  beschaffen,  damit  so  vielen  heimischen 
Gelehrten  die  Ernte  gesichert  bleibe,  wo  sie  gesäet 
haben.  Die  Direktion  des  Institutes  wird  auch  in 
Zukunft  bedacht  sein,  das  Werk  in  gleicher  Weise 
wie  bisher  zu  fördern  und  zu  unterstützen. 

II.  Der  Katalog  der  Steinskulpturen  von 
Aquileja,  der  von  Benndorf  vor  etwa  zehn  Jahren 
begonnen  wurde,  ist  weit  gefördert.  Das  gesamte,  bis 
1900  ins  Museum  gelangte  Material  wurde  gezeichnet 
und  von  Benndorf  auf  Zetteln  beschrieben.  Obgleich 
Benndorf  in  den  letzten  Monaten  seines  Wirkens 
unausgesetzt  und  mit  dem  Einsätze  seiner  ganzen 
Kraft  daran  arbeitete,  ist  verhältnismäßig  doch  nur 
ein  kleiner  Teil  druckfertig  geworden.  Auch  hat 
er  keine  Aufschreibungen  hinterlassen  über  die  von 
ihm  beabsichtigte  Einteilung  und  Gruppierung  des 
Stoffes.  Die  Direktion  denkt,  sofort  nach  Fertigstellung 
des  früher  erwähnten  „Führers"  durch  das  Staats- 
museum in  Aquileja  an  die  Drucklegung  dieses 
Kataloges  zu  gehen.  Sein  Umfang  wird  jedoch  nur  ein 
allmähliches  Aufarbeiten  gestatten,  und  es  wird  sich 
deshalb  eine  Ausgabe  in  größeren  Lieferungen  emp- 
fehlen. Für  die  fernere  Zukunft  ersteht  die  weitere  Auf- 
gabe, dem  Katalog  einen  selbständigen  Supplement- 
band nachfolgen  zu  lassen  mit  den  höchst  erheblichen 
Erwerbungen  des  Museums  seit  1900,  die  Benndorf 
nicht  mehr  berücksichtigte. 

III.  Forschungen  in  Ephesos.  Die  Arbeiten 
über  das  Theater  sind  so  gut  wie  abgeschlossen, 
so  daß  an  die  Ausarbeitung  des  Textes  und  der 
Abbildungen,  soferne  dies  nicht  schon  geschehen, 
geschritten  werden  kann,  mit  Ausnahme  der  Skulp- 
turen, deren  Zusammensetzung  im  Hofmuseum  noch 
nicht  beendigt  ist.  Band  II  soll  ausschließlich 
dem  Theater  von  Ephesos  bestimmt  sein.  Die  fol- 
genden Bände  werden  die  übrigen  von  uns  ausge- 
grabenen Baukomplexe  behandeln.  Prof.  F.  Sarre  in 
Berlin  übernahm  es,  nachträglich  die  kunsthistori- 
sche Stellung  der  seldschukischen  Bauten  von  Aja- 
soluk,  die  im  ersten  Bande  veröffentlicht  wurden, 
zu  erläutern.  Wir  werden  seine  Arbeit  im  dritten 
Bande  einreihen. 

IV.  Das  Werk  über  die  römische  Kunst- 
industrie.  Es  scheint  sich  die  Möglichkeit  zu  er- 
geben, das  Werk  Riegls  auf  Grundlage  der  von  ihm 
hinterlassend!  Schriften  mit  einem  zweiten  Bande  abzu- 


schließen, und  hierbei  die  Tafeln  zu  publizieren,  die  be- 
reits dafür  fertig  gestellt  oder  in  Aussicht  genommen 
wurden.  Im  Nachlasse  Riegls  fanden  sich  umfangreiche 
Notizen  vor,  die  die  verehrte  Witwe  der  Direktion 
unter  gewissen  Bedingungen,  deren  Erfüllung  sie 
gerne  auf  sich  nahm,  für  die  Fortsetzung  des  Werkes 
übergab,  und  es  zeigte  sich,  daß  Riegl  ein  stellen- 
weise sehr  eingehendes  Kollegienheft  über  die  Kunst 
der  Völkerwanderungszeit  ausgearbeitet  hat,  das  für 
unseren  Zweck  verwertbar  werden  kann.  Erst  nach 
genauem  Studium  dieses  Manuskriptes  wird  es  möglich 
sein,  die  Frage  zu  entscheiden.  In  jedem  Falle  gilt 
es  aber  jetzt  schon  der  Vorstellung  vorzubeugen,  als 
ob  wir  imstande  wären,  etwas  dem  ersten  Bande  des 
Riegischen  Werkes  völlig  gleichwertiges  zu  bieten, 
der  von  entscheidender  Bedeutung  für  die  moderne 
Kunstwissenschaft  wurde,  auch  heute  schon  im  Buch- 
handel völlig  vergriffen  ist.  Selbst  das  geringere  wird 
in  diesem  Falle  noch  gut  heißen  dürfen.  Nach  Lösung 
dieser  Aufgabe  wird  die  Direktion  nicht  säumen,  an 
die  Herausgabe  eines  Werkes  überdie  frühere  römische 
Kunstindustrie  im  Sinne  des  ursprünglichen  Planes 
zu  schreiten. 

V.  Das  Unternehmen,  die  römischen  Bauwerke 
der  Küstenländer  der  Monarchie  in  neuen  Aufnahmen 
herauszugeben,  mußte  der  Aufnahme  des  diokletiani- 
schen Palastes  durch  Prof.  Niemann  vorläufig  weichen 
und  kann  erst  wieder  in  Angriff  genommen  werden, 
wenn  diese  vollendet  sein  wird.  Es  liegen  die  Zeich- 
nungen der  Porta  Aurea  von  Pola,  der  Porta  mari- 
tima von  Zara,  eines  Torbogens  von  Fiume  und  des 
Arco  di  Riccardo  in  Triest  bereits  in  unseren  Mappen. 
Daran  sollen  sich  die  übrigen  Monumente  Polas,  die 
Porta  Ercole,  die  Porta  Gernina,  das  Amphitheater 
und  der  Doppeltempel  der  Roma  und  des  Augustus, 
sowie  der  analoge,  in  den  Fundamenten  über  der 
Erde  stehende  in  Parenzo  anreihen. 

An  diese  fünf  Werke,  die  fortzusetzen  oder 
zu  vollenden  Aufgabe  der  nächsten  Jahre  sein  wird, 
dürfen  wir  seit  kurzem  ein  neues  reihen,  dessen 
Herausgabe  uns  besonders  lockt  und  auch  besonders 
leicht  gemacht  wird.  Prof.  H.  Schrader  in  Innsbruck 
befaßte  sich  seit  Jahren  mit  dem  Studium  der  archai- 
schen Statuen,  die  aus  dem  Perserschutte  der  Akro- 
polis  ans  Tageslicht  gebracht  wurden.  Ihm  sind  in 
unermüdlich  emsiger  Beschäftigung  eine  lange  Reihe 
der  glücklichsten  Zusammensetzungen  gelungen  und  er 
ließ  sich  die  Mühe  nicht  verdrießen,  die  oft  erst 
durch  ihn  aus   Trümmern  gewonnenen  Statuen   kuost- 


15 


Bericht   über  die  Jahresversammlung   des  österr.  archäologischen  Institutes   1908 


16 


gemäß  unter  seiner  Aufsicht  photographisch  auf- 
nehmen zu  lassen.  In  eingehender  Besprechung  mit 
Prof.  Schrader,  der  uns  diese  Aufnahmen  kostenlos 
zur  Verfügung  stellt,  entschlossen  wir  uns,  das  reiz- 
vollsteundköstlichste,  wie  formgeschichtlich  wichtigste 
daraus  in  ein  Werk  größeren  Formates  zu  vereinigen, 
dessen  Tafeln  allen  Schönheiten  der  Originale  ge- 
recht werden  sollen.  Wir  haben  vor,  es  noch  in 
diesem  Frühjahre  in  Angrift  zu  nehmen  und  hoffen 
in  nicht  ferner  Zeit  es  auch  veröffentlichen  zu  können. 
Diesem  Tafelwerke  soll  später  als  selbständiges  Werk 
ein  Band  kleineren  Formates  mit  dem  Kataloge  der 
Fundstücke  und  angeschlossenen  Untersuchungen 
nachfolgen.  Wird  letzterer  naturgemäß  nur  die  Fach- 
kreise als  Leser  in  Betracht  ziehen,  so  hoffen  wir 
mit  dem  Tafelwerke  auch  den  nicht  streng  gelehrten 
Freunden  antiker  Kunst  eine  Freude  bereiten  zu  können. 

In  einem  neuen  Bande  der  Sonderschriften 
wird  E.  Reisch  im  Anschlüsse  an  A.  Wilhelms 
.Urkunden  dramatischer  Aufführungen  in  Athen'  diese 
Inschriften  in  einen  größeren  Zusammenhang  ein- 
reihen, der  auf  einer  Rekonstruktion  des  Bauwerkes 
gegründet  neue  Aufschlüsse  über  die  Geschichte  der 
dramatischeu  Agone  bieten  wird. 

„Hiermit  schließe  ich  den  Bericht,  der  eines 
gewiß  gezeigt  haben  wird,  daß  wir  rüstig  am  Werke 
sein  müssen,  um  den  uns  gestellten  Aufgaben  zu  ge- 
nügen.    Ein   Mehr  auf  uns    zu  nehmen,    dürften  die 


gegenwärtig  dem  Institute  verfügbaren  Mittel  und 
Kräfte  kaum  noch  gestatten.  Indem  wir  aber  in  stiller 
Arbeit  alle  unsere  Veröffentlichungen  der  Form  wie 
dem  Inhalte  nach,  literarisch  wie  künstlerisch,  so 
harmonisch  auszugestalten  bestrebt  sein  werden,  als 
unsere  Fähigkeiten  erlauben,  hoffen  wir  auch  jener 
höheren  humanistischen  Mission  gerecht  zu  werden, 
die  uns  mit  der  Gründung  des  Institutes  zuteil  wurde." 

Im  Anschlüsse  an  diesen  Bericht  gab  der  Vize- 
direktor Prof.  Dr.  E.  Reisch  einen  raschen  Über- 
blick über  die  von  den  ausländischen  Instituten  und 
gelehrten  Gesellschaften  unternommenen  Forschungs- 
arbeiten der  letzten  Jahre  und  skizzierte  die  Stellung, 
die  Österreich  in  diesem  internationalen  Wettbewerbe 
der  Altertumsforschung  einnimmt  und  auch  weiter  zu 
wahren  verpflichtet  ist,  in  Befolgung  der  Kultur- 
mission des  modernen  Staates,  zu  der  mit  Grund 
auch   die    Förderung    dieser  Studien    gerechnet  wird. 

Zur  Vorlage  gelangten  meisterhafte  Kartons  Prof. 
Niemanns  mit  Aufnahmen  des  diokletianischen  Palastes 
in  Spalato  und  Rekonstruktionen  des  ephesischen 
Theaters,  ferner  verschiedene  Antikenfunde,  unter 
denen  ein  von  Prof.  H.  Swoboda  erläutertes  Elfenbein- 
reliquiar  aus  Pola,  sowie  reizvolle  Bernstein-  und 
Glasgegenstände  aus  Aquileja  besonderes  Interesse 
erregten. 


Eröffnung  des  Institutsgebäudes  in  Athen. 


Am  4.  März  d.  J.  konnte  das  neu  errichtete 
Sekretariatsgebäude  in  Athen  eröffnet  werden,  mit 
einer  Feier,  der  Se.  Majestät  der  König  und  Ihre  kgl. 
Hoheiten  der  Kronprinz  und  die  Kronprinzessin  von 
Griechenland  anzuwohnen  geruhten.  Se.  Exzellenz 
der  Herr  k.  u.  k.  Gesandte  und  bev.  Minister  Frei- 
herr v.  Macchio  begrüßte  Se.  Majestät  und  die  kgl. 
Hoheiten,  sowie  die  Vertreter  des  diplomatischen 
Korps,  den  kgl.  griechischen  Unterrichtsministcr  und 
seinen  Staatssekretär  Prof.  Kabbadias,  die  Vorstände 
und  Mitglieder  der  fremden  Institute,  sowie  die  zahl- 
reich erschienenen  einheimischen  Archäologen  and 
Mutabilitäten  mit  einer  Ansprache,  in  der  er  dem 
Danke  für  die  dem  Institute  von  der  kgl.  griechischen 
Hing,  zumal  durch  Schenkung  des  Grundstückes 
jene  Förderung  Ausdruck  verlieh.  Namens  der 
griechischen    Unterrichtsverwaltung    beglückwünschte 


Professor  Kabbadias  das  Institut  zu  der  neuen  Heim- 
stätte und  versicherte,  daß  die  kgl.  griechische  Re- 
gierung ihren  Traditionen  getreu  auch  fernerhin  jede 
Unterstützung  gewähren   werde. 

Für  die  fremden  Schwcsteranstalten  gab  Prof. 
W.  Dörpfeld  der  kollegialen  Freude  über  den  neuen 
Fortschritt  unseres  Institutes  Ausdruck,  dem  er  auch 
weiterhin  erfolgreiche  Beteiligung  an  dem  wissen- 
schaftlichen  Wettbewerbe  wünschte. 

Den  Schluß  der  Feier  bildete  einen  Vortrag  des 
Sekretärs  Prof.  Heberdey's  der  einen  Überblick  über 
du:  Kntwicklung  der  archäologischen  Studien  in  Öster- 
reich im  verflossenen  Jahrhundert  bot  und  in  einen 
Dank  an  alle  unsere  Förderer,  an  die  ausländischen 
Institute,  denen  unser  athenisches  Sekretariat  für 
jahrelang  gewährte  Gastfreundschaft  verpflichtet  ist, 
und    an    das    gesamte    hellenische   Volk   ausklang. 


17 


.:** 


i  :  Blick  auf  das  Kircblein  P.  Spirito 


Ausgrabungen  in  Asseria. 


I.  Bisherige  Erforschung  von  Asseria. 

An  der  Straße,  welche  Zara  mit  Knin  verbindet, 
liegt  ungefähr  vier  Stunden  landeinwärts  das  Städt- 
chen Benkovac,  dessen  Umgebung  einen  eigenen  Reiz 
erhält  durch  zahlreiche  Ruinen,  von  denen  die  meisten 
an  die  Herrschaft  der  Venetianer,  nicht  wenige  aber 
auch  an  die  römische  Epoche  erinnern,  am  eindrück- 
lichsten die  Reste  einer  antiken  Stadt,  nahe  dem 
heutigen,  zirka  vier  Kilometer  von  Benkovac  nach 
Knin   zu  liegenden  Dorfe  Podgradje. 

Die  Trümmerstätte  liegt  auf  einem  die  Gegend 
weithin  beherrschenden  kleinen  Kalksteinplateau,  das 
sich  in  Steilhängen  244 m  über  den  Spiegel  des  adria- 
tischen  Meeres  und  94™  über  die  Sohle  des  zirka 
zwei  Kilometer    breiten   Tales  erhebt,    das  sich  von 


Benkovac  nach  Ponte  di  Bribir  hinzieht.  In  einsamer 
Lage  dominiert  landschaftlich  das  im  17.  Jh.  fast 
ganz  aus  antikem  Material  erbaute  und  von  einem 
Friedhofe  umgebene  Kirchlein,  S.  Spirito  (Fig.  I), 
das,  wie  die  Funde  mittelalterlicher  Architekturstücke 
und  eines  interessanten  Kelchfragmentes  wahrschein- 
lich machen,  die  Stelle  eines  älteren  Gotteshauses 
einnimmt 1). 

Diese  Gunst  der  Lage  lud  bereits  in  vorhisto- 
rischer Zeit  zur  Besiedlung  ein,  wie  einige  prähisto- 
rische Gegenstände  und  ein  intaktes  Kistengrab  be- 
weisen, die  hier  zutage  kamen2). 

Auf  Grund  der  Distanzangaben  der  Tabula 
Peutingeriana  (Xedino  —  XII  m.  p.  —  Aserie  —  XII 
m.  p.   —   Burno)   vermutete   bereits  Abb.  Fortis3)   in 


')  Vgl.  Radic,  Zeitschrift  des  kroatischen  Alter- 
tumsvereines in  Knin  1901  S.  101  — 105.  über  die 
früheren  Grabungen  ibid.   1897  S.  163  f. 

2)  Es  bestand  aus  vier  auf  dem  Felsen  stehen- 
den, rohbehauenen  Steinplatten  von  O'o8m  Dicke, 
welche  eine  Art  Sarkophag  von  0'j~m  Länge,  0'57In 
Breite  und  o-7m  Tiefe  bildeten.  In  drei  Schichten 
fanden  sich  Reste  von  Knochen  und  sieben  Schädel 
verschieden  gerichtet.  Ferner  als  Beigaben:  eine 
große  und  vier  kleine  Fibeln,  eine  Perle  mit  sechs 
Löchern,  ein  hohler  Knopf  und  zwei  nicht  zu  be- 
stimmende Fragmente.  Sämtliche  Gegenstände  aus 
Bronze.  Die  Fibeln  zeigen  den  Typus  der  späten 
Hallstattperiode  jedoch  mit  der  Sonderbildung  des 
zurückgeschlagenen  Fußendes  (Hörnes,  Urgeschichte 
543:  „Dalmatien  wird  zweifellos,  wenn  es  einmal 
besser  erforscht  ist,  mit  seinen  zahlreichen  Tumulis 
die  westliche  Fortsetzung  der  in  Bosnien  und  der 
Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI  Beiblatt. 


Herzegowina  beobachteten,  stark  lokal  gefärbten  Hall- 
stattkultur darbieten").  Analogien  haben  sie  in  Funden 
aus  dem  Flachgräberfelde  von  Jezerine  im  nordwest- 
lichen Bosnien  (Radimsky :  „Die  Nekropole  von 
Jezerine  in  Pritoka  bei  Bihac".  YVissensch.  Mitt. 
aus  Bosnien  und  der  Herzegowina  1TI  39  ff.,  vgl.  z.  B. 
Fig.  91,  136,  452.  494,  530  usw.),  wo  sie  regelmäßig 
neben  späten  Certosafibeln  vorkommen,  weshalb  sie 
zirka  400  v.  Chr.  angesetzt  werden  können.  (Hörnes, 
Urgeschichte  599,  Anm.  I.)  Vgl.  Bull.  d.  soc  adri.it. 
di  scienze  nat.  1900;  BulL  dalm.  1900  p.  169  ff. 
Von  anderen  prähistorischen  Gegenständen  ist  noch 
eine  kleine  Doppelspirale  und  eine  schöne  Certosafibel 
anzuführen. 

3)  Fortis,  Voyage  en  Dalmatie  48 — 52.  Über 
Fortis  vgl.  CIL  III  p.  277,  XXXVII:  Mommsen, 
Ephem.  epigr.  IV  60,  und  83;  Kubitschek,  Arch.- 
epigr.  Mitt.  XIII  181  ff. 

2 


ig 


H.  Liebl  und   W.   Wilberg 


20 


der  Ruinenstätte  das  antike  Asseria  —  eine  Identifi- 
zierung, die  durch  Mommsens  Lesung  der  Inschrift 
CIL  III  8250  bestätigt  wurde.  Damit  ist  auch  im 
Einklänge,  was  sich  aus  anderweitiger  Überlieferung 
erheben  läßt. 

Skylax,  dem  wir  die  ältesten  Nachrichten  über 
Dalmatien  verdanken,  erwähnt  (Periplus  c.  21)  als  in 
diesen  Gegenden  ansässig  die  liburnische  Völker- 
schaft der  'ATTtsvtxsg,  die  indes  sprachlich  kaum,  wie 
Gliubich4)  meint,  mit  den  Asseriates  des  Plinius  zu 
gleichen  sind.  Bei  Plinius  nat.  hist.  III  §  130,  der  hierin 
auf  die  descriptio  Italiae  des  divus  Augustus  zurück- 
geht (III  46),  steht  Asseria  unter  den  Städten  der  X. 
Region,  eine  Zuweisung,  die  indes  hauptsächlich  nur 
für  den  Census  von  Bedeutung  war5).  In  geographi- 
scher Beziehung  lag  es  innerhalb  der  Grenzen  Li- 
burniens6),  wo  es  Plinius  III  139  in  der  Aufzählung 
der  Städte  des  conventus  Scardonitantts  erwähnt, 
einer  Liste,  die  nach  Cuntz7)  in  der  Zeit  des  Claudius 
entstanden  ist.  An  dieser  Stelle  wird  die  Immunität 
der  Asseriaten  bezeugt.  Bei  Ptolemäus  (2,  16,  10) 
erscheint  Asseria,  irrtümlich  'Aoaeota  genannt,  unter 
den  binnenländischen  Städten  Liburniens  aufgezählt 
mit  der  geographischen   Bestimmung 

T  440  20' 
44°  5°' 


^'5"{TS^;L"fdaSiSt42°IS'{ 


41°  45 

44  5° 

410  10' 

440  20 

41  °  40' 

440  20' 

44°  30' 

44°  15 

s:  Plan 
von  A 


Jelic8)  weist  nach,  daß  hier  eine  Verwechslung 
der  Lage  von  vier  Orten  vorliegt,  welche  folgender- 
maßen  richtig   zu  stellen  sind: 

Varvaria  (statt  Asseria) 
Nedinum  (statt  Varvaria) 
Asseria     (statt  Salvia) 
Salvia        (statt  Nedinum) 

Ermöglicht  ist  diese  Korrektur  durch  die  be- 
stimmte Ubikation  der  Städte. Asseria,  Nedinum  und 
Salvia    (Bulic,  Jahreshefte  II  Beibl.  Sp.  110). 

Als  Sericm  findet  es  sich  endlich  noch  im  geo- 
graphus  Ravennas  (IV  6). 

4)  Archiv  für  österr.  Geschichtsquellen  XXII  2 
S.  254. 

'•')  Mommsen,  Festschrift  für  Kiepert  103. 

6)  Vgl.  Cuntz,  De  Augusto  Plinii  Geographi- 
corum  auctore  29. 

7)  Suppl.  der  Jahrb.  f.  Philologie  XVII    515  ff. 

8)  Das  älteste  kartographische  Denkmal  über  die 
römische  Provinz  Dalmatien.  Wissensch.  Mitt.  aus 
Bosnien  und   Herzegowina    VII    167  ff. 


21 


Ausgrabungen   in   Asseria 


22 


3 :  Stadtmauer. 


Wie  die  Inschriften  zeigen,  gehörte  Asseria 
gleich  dem  benachbarten  Nedinura  zur  tribus  Claudia, 
deren  Gebiet  sich  von  hier  nordwärts  bis  an  die 
Piave,  Tarvis  mit  eingeschlossen,  erstreckte;  ausge- 
nommen war  nur  der  Küstenstrich  zwischen  Aqui- 
leia  und  Pola.  Die  Zugehörigkeit  Asserias  zur  tribus 
Claudia  läßt  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  vermuten, 
daß  das  Städtchen  unter  Kaiser  Claudius  Munizipal- 
recht bekommen  hat  (Mommsen,  Ephem.  epigr.  III 
232;  Kubitschek,  De  Romanarum  tribuum  orig.  ac 
propag.  p.  200). 

Personen  mit  priesterlichen  und  munizipalen 
Würden  erscheinen  in  den  Inschriften: 

CIL  III  2850  T.  Iulius  Clemens  dec(urio) 
Asseria. 

Am  Architrav  der  einen  Portikus  (Sp.  61) 
[ ]  dec(urio),  augur; 

n.  12.  L.  Caninius  Fronto  Ilvir  Hamen  divi 
Claudii,  Ilvir  quinq(uennalis); 

n.  14.   [ ]     anno  [duo]virat[us; 

CIL  III  9940  [ ]  aedilis  II  [vir].  Die  bis- 
herige Ergänzung  II[IIvir]  ist  unrichtig;    es  wurden 


die  Spuren  der  schräg  gestellten  dritten  Haste  über- 
sehen. 

CIL  III  9941     T.  Publicius  Saturninus 

omnibus  honoribus  patriae  suae  functus. 

Ob  man  auf  Grund  des  Fragmentes  n.  1 3 
VIviri  Augustales  für  Asseria  wird  annehmen  können, 
ist  fraglich.  Von  einem  collegium  fabrum  et  cento- 
nariorum  ist  in  CIL  III  9942  die  Rede. 

Auf  Grund  von  Ziegeln  mit  dem  Stempel  der 
leg.  VIII  Aug(usta)  (CIL  III  10181)  schloß  Hirschfeld 
(Hermes  XXV  353)  auf  eine  Besatzung  in  augustei- 
scher Zeit,  während  Patsch,  Wissensch.  Mitt.  aus 
Bosnien  und  der  Herzegowina  1900  S.  96,  diese 
Ziegel  in  die  Zeit  des  Antoninus  Pius  verweist 
(vgl.  auch  Mommsens  Bemerkung  zu  CIL  III  6435). 
Über  den  den  achtziger  Jahren  des  I.  Jhs.  n.  Chr. 
angehörenden  Legionsziegel  der  ITTI  FF  vgl.  v.  Bersa, 
Bull.    Dalm.    1900  p.  164  (CIL  III  15110). 

Über  die  Ausdehnung  des  Gebietes  von  Asseria 
geben  zwei  Inschriften  wertvollen  Aufschluß;  CIL 
III  9938,  gefunden  bei  Dobropoljice  zirka  10  Kilo- 
meter   westlich    von    der    Stadt   Asseria,    wo  von 


23 


H.  Liebl  und   W.   Wilberg 


24 


4 :  Stadtmauer. 


einem  Grenzstreite  der  Asseriaten  und  Alveriten  be- 
richtet wird,  zu  dessen  Entscheidung  vom  Legaten 
M.  Pompeius  Silvanus  fünf  Männer  als  iudices  be- 
stellt worden  waren;  und  eine  1905  in  gleicher 
Entfernung  nördlich  von  Asseria  bei  Bruäka  ans 
Tageslicht  gekommene   Inschrift,   durch  die  wir  von 


einem  ähnlichen  Grenzstreitc  der  Asseriatcs  und 
Sidrini  erfahren.  (Colnago  und  Keil,  Jahreshefte  VIII 
Beiblatt  Sp.  53;  Patsch,  ibid.,  119.) 

Seine  höchste  Blüte  erreichte  das  Städtchen  im 
2.  Jh.  n.  Chr.  In  diese  Zeit  fällt  die  Errichtung  der 
prächtigen    Bauten,    die   bei    den  letzten  Grabungen 


25 


Ausgrabungen  in  Asseria 


26 


Tur  an  der  Ostseite  der  Stadtmauer. 


aufgedeckt  wurden;  doch  noch  in  der  diokletianisch- 
konstantinischen   Epoche    scheint  es    sich,   den   ver- 


o :  Grundriß  des  Tores  an  der  Westecke  der  Stadtmauer. 


hältnismäßig  zahlreichen  Inschriften  nach  zu  schließen, 
eines  ziemlichen   Wohlstandes  erfreut  zu  haben. 

Als  im  Jahre  568  die  A waren  nach  Vernich- 
tung des  Gepidenreiches  und  Abzug  der  Langobarden 
nach  Italien  sich  in  dem  verlassenen  Pannonien 
festsetzten  und  die  unter  ihre  Oberhoheit  geratenen 
.Slawenstämme,  welche  schon  in  der  ersten  Hälfte 
des  6.  Jhs.  die  Länder  der  Balkanhalbinsel  mehr- 
mals mit  Beutezügen  heimgesucht  hatten,  nun  mit 
aller  Macht  nach  Süden  drängten,  wurden  die  Ro- 
manen Dalmatiens  in  erster  Linie  betroffen.  Der 
grödte  Teil  der  Bevölkerung  flüchtete  nach  den 
Küstenstädten,  insbesondere  dem  festen  Salona, 
das  sich  am  längsten  zu  halten  vermochte,  bis  es 
endlich  nach  neueren  Forschungsergebnissen9)  um 
das  Jahr  614  n.  Chr.  in  die  Hände  der  Slawen 
fiel.   Die  Zerstörung  der  dalmatinischen  Binnenstädte, 


9)  C  Jirecek,  „Die  Romanen  in  den  Stadien 
Dalmatiens",  Denkschriften  der  kais.  Akademie  der 
Wissenschaften  XLVIII  26;  Nodilo,   „Päd  Solina", 


aus  einem  Fragmente  seiner  Geschichte  des  Mittel- 
alters, publiziert  im  Glasnik  matice  Dalmatinske, 
II.  Jahrg.,  3.  Buch,  I.  Band,  S.  7;  Bulic,  Bull.  Dalm. 


^7 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


28 


'lfe*§&£ 


^'^  so.J 


7:  Eckender  Stadtmauer  beim  Westtor. 


also    auch    Asserias,  muß    demnach    in 
Dezennien    des   6.  Jhs.    erfolgt   sein10). 


den   letzten        schreibt  Konstantin  Porphyrogennetos:   „Sie  wurden 
Im   10.  Jh.        von  den  Slawen  eingenommen   und  zerstört  und  jetzt 

wohnt  kein  Mensch 
mehr  darinnen".  Voll- 
endet wurde  das  Vei- 
nichtungswerk  durch 
die  Bora,  welche,  seit 
mehr  als  einem  Jahr- 
tausend über  die  ent- 
völkerten Stätten  fe- 
gend, sie  an  manchen 
Stellen  unter  einer 
mehrere  Meterstarken 
Schuttdecke    begrub. 


H  :  Mauerzug  mit  Trajanstor. 


1904  p.  209;  1907  p.  268  ff.  —  Diimmler,  Sitzungsber. 
Akad.  Wien  XX  366,  nahm  639  n.  Chr.  als  das  Zer- 
störungsjahr Salonas  an. 


lu)  Der  Münzfund  von  Narona  reicht  bis  582 
n.  Chr.,  Bull.  Dalm.  1902  p.  197  ff.;  Bull,  nuovo 
crist.  Roma  I902  p.  234;  Jirefek,  III  73  zu  I  28. 


20 


Ausgrabungen  in   Asseria 


3° 


Die  erste  Beschreibung  der  Ruinen  bei  Podgradje 
gab  1778  Abb.  Fortis11),  der  in  beredten  Worten  auf 
das  archäologische  Interesse  der  gewaltigen  Trüramer- 
stätte  hinwies.  Ihm  folgte  1850  Gliubich,  dessen  Auf- 
satz im  Archiv  für  österr.  Geschichtsquellen  XX  2 
S.  254 — 25g  nebst  einer  oft  auf  Fortis  bezugnehmenden 
Schilderung  der  Ruinen  auch  epigraphisches  Material 
beibringt12).  Er  erwähnt  auch  Versuchsgrabungen, 
welche  ein  in  Benkovac  garnisonierender  Jägerhaupt- 
mann,  Graf  Lilienburg,  in  den  vierziger  Jahren  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts  unternommen  habensoll.  Eine 
wissenschaftliche  Erforschung  begann  erst  durch  den 
seither  verstorbenen  Landesschulinspektor  Michele 
Glavinii,  der  im  Jahre  1891  die  Befestigungsmauern 
fast  in  ihrem  vollen  Umkreise  bloßlegte,  worauf  noch 
in  demselben  Jahre  durch  Prof.  G.  Niemann  ein  Plan 
der  Stadtanlage  aufgenommen  wurde13). 

Im  Winter  1897  stieß  man  bei  Erweiterungs- 
bauten zu  dem  Kirchlein  S.  Spirito  auf  gewaltige 
Architrave  mit  Inschriften,  wodurch  neue  Grabungen 
angeregt  wurden,  die  in  den  folgenden  Jahren  durch 
das  österr.  archäologische  Institut  unter  Leitung  des 
Baurates  C.  Ivekovic  durchgeführt  wurden.    Ihm  wie 


Kustos  v.  Bersa  sind  wir  für  ständige  Förderung, 
insbesondere  auch  für  die  Anfertigung  von  photo- 
graphischen Aufnahmen  der  Inschriften  und  Einzel- 
funde zu  größtem  Danke  verpflichtet.  H.  L. 

II.  Ergebnisse  der  neuen  Ausgrabungen. 
0)  Stadtmauer  und  Tore. 

Der  schmale  Hügelrücken,  auf  dem  Asseria  er- 
baut ist,  wird  auf  drei  Seiten  von  tief  eingeschnit- 
tenen Tälern  umgeben  und  hängt  nur  an  der  Nord- 
westseite mit  der  übrigen  Hochebene  zusammen. 
Seine  größte  Breite  beträgt  etwa  I70m,  die  Länge 
440m  (Fig.  2).  Die  höchste  Erhebung  ist  im  Westen, 
von  wo  aus  das  Terrain  sich  nach  der  südöstlichen 
Schmalseite  allmählich  abstuft.  Der  ganze  Hügel- 
rücken ist  durch  die  Stadtmauer  eingeschlossen,  die 
fast  noch  in  ihrer  vollständigen  Ausdehnung  erhalten 
ist;  nur  an  der  Südseite  ist  ein  gröBeres  Stück  in 
das  Tal  hinuntergestürzt,  doch  ist  auch  hier  die 
Fluchtlinie  vollkommen  gesichert. 

Die  Stadtmauer  wird  durch  zwei  parallele  Mauer- 
züge, zusammen  etwa  4™  breit,  gebildet,  deren  Zwi- 


[       ,  J,,  _ 
I!       ■  I    • 


■2T, -*—  143    -H 


(i — 1.43  - 


•2.15 


4 


-- 


■4 


Ol  2  3 

9 :  Grundriß  des  Trajanstores. 


")  Fortis,  a.   a.  O.  p.  48  ff. 

ls)  Auf  seine  Angaben  stützt  sich   Henri  Cons, 
La  province  Romaine   de  Dalmatie  200 — 3;  Jackson, 


Dalmatia,  the  Quarnero  and   Istria  I   365. 

13)  Sticotti,  Arch.  epigr.  Mitt.  XVI  44  ff.     Über 
Glavinics  Grabung  vom  J.  1888 :  Bull.  Dalm.  XIII  6  u.  8. 


31 


H.  Liebl  und   W.   Wilberg 


32 


10:  Hauptfassade  des  Trajanstores  im  jetzigen 


schenraum  mit  einer  dichten  Masse  kleinerer  Steine 
in  Kalkmörtel  ausgefüllt  ist.  Im  Äußern  (Fig.  3) 
sind  schöne  Kalksteinquadern  verwendet,  die  durch- 
laufende Horizontalfugen  und  starke  Rustika  zeigen. 
Auch  hier  ist  wie  im  Innern  der  Mauer  Kalkmörtel 
als  Bindemittel  verwendet.  Die  Schichthöhe  schwankt 
zwischen  0'30m  und  0'8om.  Ein  besonders  schönes 
und  durch  die  Schattenwirkung  der  starkbossierten 
Quadern  weithin  sichtbares  Stück  der  Stadtmauer  ist 
in   Fig.  4  abgebildet. 

Drei  Tore  führten  in  das  Stadtinnere;  zwei  da- 
von sind  an  der  Nordwestseite,  dort,  wo  das  Stadtgebiet 
mit  der  Hochebene  zusammenhängt.  Das  dritte,  durch 
einen  3'6om  vorspringenden  Turm  gedeckt  (Fig.  5), 
liegt  im  Osten.  Die  Torschwelle  ist  noch  erhalten; 
das  Tor,  dessen  Breite  I'28m  beträgt,  war  ursprüng- 
lich durch  einen  Torbogen  überdeckt,  den  frühere 
Besucher  Asserias  noch  gesehen  haben  wollen  und 
der  erst  durch  die  Grabungen  des  Grafen  Lilienburg 
(vgl.  oben  Sp.  29)  eingestürzt  sein  soll.  Ein  Stück  des 
Kämpfergesimses  liegt  noch  an  seiner  ursprünglichen 
Stelle.  Südlich  von  diesem  Osttore  durchbricht  noch 
eine  schmale  Pforte,  nur  O/So1"  breit,   die  Stadtmauer. 

Die  Hauptzugangsseite  zur  Stadt  war  die  Nord- 
westseite, zugleich  aber  aucli  diejenige,  die  am 
schwersten  zu  verteidigen  war.   Hier  sind  vier  Türme 


angeordnet,  von  denen  zwei  das  Haupttor  der  Stadt 
schützten.  Das  kleine  Tor  an  der  Westecke  der 
Stadtmauer,  dessen  Grundriß  Fig.  6  zeigt,  war  so 
weit  in  das  Innere  der  Stadt  hinein  verlegt,  daß  die 
Mauer  selbst  turmartig  vorspringt  und  ein  langer  4m 
breiter  Torweg  zwischen  den  beiden  Mauerteilen 
gebildet  wird.  Die  eine  Ecke  der  Stadtmauer 
(Fig.  7)  ist  noch  hoch  erhalten,  während  die  gegen- 
überliegende bis  auf  geringe  Reste  zerstört  ist. 

Das  Haupttor  der  Stadt  lag  an  der  schmalen 
Nordseite  und  war  nach  der  wiedergefundenen  Bau- 
inschrift dem  Kaiser  Trajan  geweiht.  Ganz  abwei- 
chend von  der  west-östlichen  Richtung  des  Mauer- 
zuges, schräg  in  diesen  hineingebaut  (Fig.  S),  scheint 
das  Tor  rechtwinkelig  zur  Achse  einer  hier  ein- 
mündenden Straße  angelegt  und  wahrscheinlich  an 
Stelle  eines  älteren  Tores  getreten  zu  sein,  das  hart 
an  dem  flankierenden  Turme  gelegen  haben  muß, 
dessen  eine  Seite  durch  diese  Änderung  der  Rich- 
tung schräg  abgeschnitten  wurde. 

Trotz  großer  Zerstörung  ist  der  Erhaltungszu- 
stand der  Ruine  doch  ein  solcher,  daß  Zweifel  an 
der  Grundrißanlage  nicht  bestehen  können,  und  da 
bei  den  Grabungen  genügend  Material  für  die  Rekon- 
struktion zutage  kam,  so  ließ  sich  auch  ein  einigermaßen 
zuverlässiges    Bild    des    ganzen    Aufbaues    gewinnen. 


33 


Ausgrabungen   in  Asseria 


34 


ii :  Von  der  Rückseite  des  Trajanstores. 


Der  Grundriß  (Fig.  9)  zeigt  einen  1 3-48 m  langen 
und  3-82 m  dicken  Mauerkern,  dessen  Wandflächen 
durch  sorgfältig  gefugte  und  geglättete  Kalkstein- 
platten  verkleidet  waren,  während  das  Innere  mit 
Steinen  und  Erde  ohne  Mörtelzusatz  ausgefüllt  war. 
Die  4-ogm  breite  Toröffnung  war  links  und  rechts 
flankiert  durch  Halbsäulen,  neben  denen  in  1*43 m 
Achsabstand  je  zwei  Vollsäulen  mit  2-i5m  Achs- 
weite vor  die  Mauer  vorsprangen.  Diesen  entspra- 
chen an  der  Wand  Pilaster,  zwischen  denen  Ni- 
schen angeordnet  waren.  Säulen  und  Halbsäulen 
standen  auf  hohen  Postamenten,  deren  profilierte 
Deckplatten  sich  bandartig  um  den  ganzen  Bau 
herumziehen.  Die  nach  der  Stadt  zu  liegende  Seite, 
durch  ihre  einfachere  Gestaltung  als  Rückseite 
charakterisiert,  hatte  statt  der  Vollsäulenpaare  Halb- 
säulen, wodurch  die  Wandpilaster  wegfielen.  Im 
übrigen  war  hier  die  axiale  Einteilung  die  gleiche 
wie  an  der  Front. 

Fig.  10  zeigt  die  Hauptfassade  im  jetzigen  Zu- 
stande: man  sieht  rechts  die  einzige  noch  in  situ 
J.ilireshefte  des  üsterr.  archäol.  Institutes  Hd.  XI   Beiblatt. 


befindliche  Säule  an  die  Stadtmauer  angelehnt,  da- 
neben die  auf  Postamenten  liegenden  Basen  der 
Säule,  des  Wandpilasters  und  der  Halbsäule.  In  der 
Höhe  zwischen  den  Wandpilastern  ist  das  Fußprofil 
der  rechteckigen  Nische  sichtbar.  Die  linke  Seite 
des  Tores  ist  sehr  zerstört,  man  erkennt  nur  deutlich 
die  Basis  der  Halbsäule  und  daneben  den  hoch  auf- 
rechtstehenden linken  Torpfeiler.  Der  Einbau  aus 
schmalen  keilförmig  geschnittenen  Steinen  ist  ein 
später  Zubau,  von  dem  weiter  unten  (Sp.  44)  die 
Rede  sein  wird. 

An  der  Rückseite  ist  der  südliche  Teil  ganz 
zerstört,  den  besser  erhaltenen  nördlichen  zeigt  Fig.  II: 
drei  vorspringende  Postamente  mit  den  Basen  der 
Halbsäulen,  ein  Rest  der  letzten  Hauptsäule  noch 
aufrechtstehend  und  daran  anstoßend  eine  Platte  der 
Wandverkleidung,  während  durch  das  Fehlen  der 
übrigen  Wandplatten  das  Füllmaterial  des  Mauer- 
kernes freigelegt  ist.  —  Für  den  Aufbau  der  Fassade 
galt  es  vor  allem  die  Säulenhöhe  zu  ermitteln.  Leider 
fand  sich   weder   ein   rollständiger  Schaft,   noch    ließ 

3 


35 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


3ö 


12:  Halbsäulenkapitell  vi>n  der  Rürkseite  des  Trajanstores 


sich  aus  den  Stücken  ein  solcher  zusammensetzen. 
In  der  Rekonstruktion  wurde  daher  eine  Säulenhöhe 
von  91/,  U.D.  angenommen.  Die  korinthische  Säulen- 
basis ist  0'2gm  hoch,  die  quadratische  Plinthe  0'73m 
lang,  der  untere  Säulendurchmesser  0'5'5m-  I^er 
Säulenschaft,  wie  alle  Werkstücke  am  Torbau  aus 
gelblichem  Kalkstein,  hat  24  Kanneluren,  deren 
unterer  Teil  bis  zu  l'35m  über  der  Basis  mit  Stäben 
ausgelegt  ist.  Bei  dem  noch  in  situ  stehenden  letzten 
Säulenschafte  sind  nur  17  Kanneluren  ausgearbeitet, 
der  nach  der  Stadtmauer  gekehrte  Teil  der  Säule  da- 
gegen ist  unausgearbeitet  gelassen,  ein  Beweis  mehr, 
daR  das  Tor  später  in  die  schon  bestandene  Mauer 
eingebaut  wurde.  Von  denkorinthisclien  Kapitellen  fand 
sich  nur  ein  der  Rückseite  angehörendes  Halbsäulen- 
kapitell   (Fig.  12),  leider  stark  zerstört.  Abakus  und 


Voluten  sind  abgebrochen,  die  Blätter 
zeigen  tief  eingeschnittene  Blattrippen  und 
weiche  runde  Blattkonturen.  Die  Höhe  des 
Kapitells  ist  0-57 m,  die  untere  Breite  0-44™. 
Vom  Architrav  sind  nur  sehr  geringe 
Reste  erhalten,  ein  Stück,  0'q2  m  lang 
(Fig.  13)  wurde  in  der  großen,  das  Tor 
in  später  Zeit  abschließenden  Mauer  ver- 
baut, das  zweite  an  der  Rückseite  gefunden; 
letzteres  zeigt  eine  Verknüpfung  und  gehört 
über  eine  der  Halbsäulen.  Architrav  und 
Fries  sind  aus  einem  Stücke  gearbeitet, 
zusammen  0747 m  hoch,  ersterer  hat  drei 
Fascien  und  ein  aus  Kyma  und  Platte 
bestehendes  Deckglied,  die  beiden  oberen 
Fascien  sind  stark  abgeschrägt;  der  Fries 
ist    ganz  glatt. 

Fig.  14  zeigt  das  größte  aufgefun- 
dene Stück  des  Kranzgesirases.  Die 
sehr  hohen,  auf  der  Seite  glatten  Blatt- 
konsolen stehen  über  einem  niedrigen  Zahnschnitte, 
die  Hängeplatte  ist  gegenüber  dem  sie  abschlie- 
ßenden Eierstabe  mit  Platte  stark  zusammenge- 
schrumpft und  besonders  die  obere  Platte  für  die 
Verhältnisse  viel  zu  schwer.  Alle  Detaillormen  sind 
sehr  flüchtig  und  in  den  Maßen  ungleichmäßig  ge- 
arbeitet. Die  Sima  war  aus  einem  besonderen  Werk- 
stücke gebildet  und  scheint  ein  Stück  von  l"66m 
Länge  und  0*26 m  Höhe  ihr  anzugehören  (Fig.  15). 

Vom  Tordurchgange  steht  der  linke  Torpfeiler 
noch  an  seiner  ursprünglichen  Stelle.  Er  mißt  über 
dem  durchlaufenden  Postamentgesimse  2'2lm  und  hat 
oben  Lagerfläche.  Das  zugehörige  Kämpfergesims 
liegt  nicht  mehr  in  situ;  es  fand  sich  ein  zwischen 
zwei  Stoßfugen  1 m  langer  und  o'298ra  hoher  Stein 
mit  beistehendem  Profil  (Fig.  16),    den  man  wohl  als 


.     I 1     I 

r-    023      ^ 

1 

vom  Trajan 


Vom  ECranzgesimse  dea    rrajan  ton 


37 


Ausgrabungen   in   Asseria 


3» 


h 


15:   Kianzgesims  mit  Sima  des  Trajanstores. 

zugehörig  betrachten  kann.  Über  dem  Toie  wölbte 
sich  ein  Bogen,  dessen  Vorderseite  durch  eine  drei- 
fascierte  Archivolte  geschmückt  war,  wie  ein  wieder- 
aufgefundener Stein  zeigt  (Fig.  17). 

An  der  Wand  zwischen  den  beiden  Säulen- 
paaren waren  an  Vorder-  und  Rückseite  rechteckige 
Nischen  angeordnet.  Sie  waren  rc>3m  breit,  0-53 m 
tief  und  ruhten  auf  einem  zwischen  die  schwach 
vorspringenden  Wandpilaster  eingepaßten  Profilsteine 


:  Vom  Kämpfergesims 
des  Trajanstore 


von  0-29 m  Höhe,  der  an 
der  Frontseite  bei  der  rech- 
ten Nische  noch  in  situ  liegt. 
Auf  der  Oberfläche  dieses 
Steines  ist  das  Auflager  für 
Seiten  und  Rückwand  sorg- 
faltig geglättet,  der  übrige 
Teil  aber  ganz  rauh  stehen 
gelassen,  so  daß  das  Auf- 
stellen von  Statuen  in  diesen 
Nischen  ausgeschlossen  ist, 
wenn  sie  wohl  auch  in  dieser 
Absicht   angeordnet    worden  sind. 

Die  Höhe  der  Nischen  ließ  sich  durch  die  Auf- 
findung der  aus  einem  Werkstücke  hergestellten  Rück- 
wand auf  2-iom  feststellen. 

Der  Fund  zahlreicher  Stücke  eines  weitausla- 
denden Gesimses,  die  zum  Teile  grade  Stoßfugen,  zum 
Teil  Außenecken  und  auf  Gehrung  geschnittene 
Innenecken  zeigen,  ließ  auf  eine  Attika  schließen, 
deren  Höhe  allerdings  nicht  mehr  mit  Sicherheit  zu 
bestimmen  ist.  Hierzu  gehören  Platten,  an  die  unten 
ein  schwach  vorspringendes  Profil  angearbeitet  ist; 
einzelne  sind  oben  glatt  geschnitten  von  ro3m  und 
I'l3m  Höhe,  an  der  Oberfläche  mit  Dübellöchern, 
andere  oben  abgebrochen  und  mißt  die  höchste  unter 
diesen  i-68m.  Unter  diese  Platten  schiebt  sich  noch 
eine  0-3 1 m  hohe  glatte  Steinschicht,  die  auf  dem 
Kranzgesims  auflag.  Das  Deckgesims  der  Attika, 
dessen  Profil  und  einzelne  charakteristische  Grund- 
risse in  Fig.  18  abgebildet  sind,  ist  oben  glatt  gear- 
beitet, ein  Stück  zeigt  oben  ein  Dübelloch  mit  Guß- 
kanal, so  daß  man  noch  eine  Steinlage  darüber  an- 
nehmen muß,   die  möglicherweise  eine  Unterlage  für 


|*—         O.595  -*| 

Vom  Bugen  des  Trajanstores. 


18:  Vom  Deckgesims  der  Attika  des  Trajai 


39 


H.  Liehl  und   W.  Wilberg 


40 


IMP-CAESARi-Divi  NERVÄrF 
NfRVAE-TRAiANOOPTIMO- 

AVO  GERM  CWllCORDNTMAX' 
TFtiB'POT.-  XVIHMPIKCÖVIP-I* 


1     r 


1        1 


iMIllllIll" 


_i _, 1 ^ 


ig:  Rekonstruktion  des  Trajanstores  (Aufriß) 


figürlichen  Schmuck  gebildet  hat,  von  dem  aber 
nichts  mehr  erhalten  ist.  In  der  Rekonstruktions- 
skizze  Fig.  19  ist  die  Attika  etwas  höher  als  das 
höchste  erhaltene  Stück  der  Platten  angenommen. 

Plastischer  Schmuck  fehlte  nicht  ganz.  Zwischen 
Archivolte  und  Architrav  saßen  zwei  Vorderteile 
von  Stieren,  von  denen  einer  sich  in  einer  späten 
Mauer  verbaut  wiederfand.  Der  mächtige  Kopf  ist 
wohl  erhalten  (Fig.  20),  die  Hörner  abgebrochen, 
der  Huf  des  rechten  Vorderbeines  straff  an  den  Leib 
'»gezogen.  Ließ  schon  die  gleiche  Steinhöhe,  0-575m> 
vermuten,   daß  der  Stierkopf  in  derselben   Höhe  wie 

>;iulcnkapitelle  saß,  so  wurde  dies  zur  Gewiß- 
heit durch  die  Unterseite  des  Steines.  Fig.  21  gibt 
eine  Seitenansicht  und  den  Schnitt  durch  den  Stein 
wieder,  woraus  hervorgeht,  daß  er  auf  der  Archi- 
volte aufsaß,  nicht  als  Keilstein  des  Bogens  ver- 
wendet, sondern  weiter  links  von  der  Mitte,  so  daß 


man  einen  zweiten  solchen  Stierkopf  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  rechts  von  der  Mitte  ergänzen 
muß.  Der  Stierkopf  hat  auf  seiner  Oberfläche  ein 
Auflager  von  o'25m  und  der  Stein  griff  noch  0'44m 
in  die  Mauer  ein.  Bei  den  Grabungen  an  der  Rück- 
seite wurde  ein  ähnlicher  Stein  gefunden,  der  an  der 
Vorderfläche  einen  bärtigen  männlichen  Kopf  mit 
Hörnern  und  großen  länglichen  Ohren  (Fig.  22)  zeigt. 
Da  die  Unterseite  ebenso  geschnitten  ist,  wie  die  des 
Stierkopfes,  so  kann  dieser  Stein  nicht  an  der  Front, 
sondern  muß  an  der  entsprechenden  Stelle  der  Rück- 
seite gesessen  haben.  Der  Architrav  sprang  demnach 
über  dem  Torbogen  um  0/25 m  vor  die  Wandlläche 
vor  und  lag  an  den  Seiten  auf  den  beiden  Halb- 
säulen, in  der  Mitte  auf  den  beiden  Stierköpfen  auf. 
Einige  Schwierigkeit  bereitet  die  Unterbringung 
der  beiden  beim  Tore  gefundenen  Inschriften  (vgl.  unten 
Sp.  73).     Die   Dcdikationsinschrift   an   Trajan    lautet: 


41 


Ausgrabungen   in   Asseria 


42 


20:   Stierprotome  vom  Trajanstore. 


22:  Protome  vom  Trajanstore. 


IMP-  CAESARI-  DIVI-  NERV/€-  F- 
NERVAE-  TRAIANO-  OPTIMO- 
AVG-  GERM-  DACICO-  PONT- MAX- 
TRIB-  POT-  XVII-  IMP-  VI-  COS-  VI-  P-  P- 
die  zweite  mit  dem  Namen   des  Stifters: 

•  L-  LAELI VS-  L-  F-  C  LA-  PROC  VLVS- 
•T-F-I-EPVLOQVE-DEDICARI- 
Erstere  steht  auf  zwei  0'66m  hohen,  an  der 
Oberseite  durch  Klammern  verbundenen  Steinen  ohne 
jede  Umrahmung  und  ist  2-387 m  lang.  Die  Laelius- 
inschrift  dagegen  steht  in  einem  Rahmen,  der  auf 
drei  0-75™  hohen  Steinen  eingemeißelt  war,  von 
denen  zwei  noch  erhalten  sind.  Die  Länge  der  In- 
schrift selbst  ist  2'3<)m,  rechts  davon  ist  in  dem 
Rahmen   eine    leere   Fläche   von    r45m,  links    fehlt 


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21 :  Schnitt  und  Seitenansicht  des  Steines  Fig.  20. 


der  Stein,  doch  läßt  sich  der  Rahmen  durch  die 
gegebenen  Maße  1-45  -j-  2'39  +  '"45  auf  5*29m  Länge 
berechnen.  Rechts  vom  Rahmenende  ist  noch  0-l5m 
glatte  Steinfläche,  so  daß  die  ganze  Länge  der  drei 
Steine  5-59 m  beträgt. 

Leider  gestatten  weder  der  Erhaltungszustand 
der  Ruine  noch  die  Funde  eine  vollauf  befriedigende 
Lösung  und  die  Verteilung  in  der  Rekonstruktions- 
skizze ließ  sich  nur  vermutungsweise  vornehmen. 
Beide  Inschriften  an  der  Attika  unterzubringen,  scheint 
wegen  der  Umrahmung  der  einen  ausgeschlossen. 
Auch  ist  es  nicht  angängig,  sie  getrennt  an  die  Front 
und  Rückseite  zu  verteilen,  sie  standen  wohl  sicher 
beide  an  der  Front,  und  zwar  die  Stifterinschrift 
unterhalb  der  Kaiserinschrift.  Stand  diese  aber  an 
der  Attika,  so  muß  man  für  jene  einen  Platz  unter 
der  Attika  ausfindig  machen.  Nun  stimmt  die  Stein- 
höhe der  Laeliusinschrift  überein  mit  der  des  Archi- 
travs  und  Frieses  —  beide  sind  075 m  hoch  —  und 
die  Länge  von  5'59m  paßt  annähernd  zu  der  Achsweite 
der  Halbsäulen,  570m,  so  daß  die  Vermutung  nahe 
liegt,  diese  Inschrift  über  das  Tor  an  Stelle  des 
Architravs  zu  setzen  und  die  Profile  des  letzteren 
sich  an  den  Vorspriingen  über  den  Halbsäulen  tot 
laufen  zu  lassen,  eine  Anordnung,  die  sich  durch 
Beispiele  in  Rom  belegen  läßt  (vgl.  Durm,  Baukunst 
der  Römer  S.  400). 


43 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


44 


W.W.  II. 


2  j  :    Rekonstruktion  des  Trajanstores  (Perspektive). 


Die  Steinplatten,  auf  denen  die  Kaiserinschrift 
steht,  haben  oben  an  den  Stoßfugen  Klammerlöcher, 
woraus  hervorgeht,  daß  in  gleicher  Höhe  weitere 
Platten  anschlössen,  die  leer  gewesen  sein  müssen, 
da  die  Inschrift  vollständig  erhalten  ist.  Diese  Tat- 
sache paßt  gut  für  die  sehr  hohe  Attika,  auf  deren 
Mittelfelde  die  Inschrift  gestanden  haben  muß.  Die 
Umrahmung  ist  so  groß  angenommen,  wie  die  ge- 
gebene der  unteren  Inschrift.  Freilich  drängt  sich 
dabei  die  Frage  auf,  warum  man  die  Inschrift  in 
der  Mitte  zusammendrängte  und  nicht  die  ganze 
verfügbare  Fläche  für  sie  verwandte;  doch  ist  auch 
bei  der  Laelius-Inschrift  der  Rahmen  sehr  viel 
größer  als  die  Inschrift  selbst  und  eine  Zusammen- 
fassung der  Inschrift  grade  unter  einer  über  ihr 
anzunehmenden  Statue  des  Kaisers  wohl  ver- 
ständlich. 

Mit    seinem     architektonischen    und    plastischen 


Schmucke  glich  das  Tor  weit  eher  einem  Triumph- 
bogen als  einem  Stadttor  (Fig.  23)  und  zur  Vertei- 
digung war  es  völlig  ungeeignet.  Sehr  bald  wahr- 
scheinlich hat  man  es  durch  einen  Einbau  bedeutend 
verengt.  Davon  zeugen  noch  die  in  situ  liegende 
Schwelle  mit  dem  linken  Türpfosten  und  darüber- 
liegenden  Keilsteinen  des  Torbogens,  welche  in  Fig.  19 
punktiert  eingetragen  sind.  Die  Toröffnung  wurde 
dadurch  nur  2"50m  breit,  und  der  Durchgang  durch 
starke  Widerlager  auf  2-87m  verengt  (vgl.  den  Grund- 
riß Fig.  8).  Die  sorgfältige  Arbeit  der  Kalksteine 
läßt  auf  einen  frühen  Zeitpunkt  der  Errichtung 
schließen.  Als  schließlich  die  Barbarenbedrängnis 
größer  wurde,  trug  man  den  oberen  Teil  des  Tor- 
baues ab  und  schloß  das  Tor  ganz  durch  eine  starke 
Rruchsteinm.uier  mit  Strebepfeilern,  in  welche  viele 
Teile  des  Tores  verbaut  wurden  und  die  bei  der 
Grabung  abgetragen  werden  mußte. 


15 


Ausgrabungen   in  Asseria 


46 


1    I    1    1    1    1    I 


) 


) 


* a.90    ■ 


Grundriß  der  GebUudegruppe  an  For 


47 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


48 


b)  Bauwerke  innerhalb  der  Stadt. 
Das  Hauptgrabungsfeld  in  der  Stadt  liegt  bei 
der  kleinen  modernen  Kirche  und  dem  sie  umge- 
benden Friedhofe  (Fig.  1).  Hier  waren  große  Archi- 
trave  mit  Inschriften  gefunden  worden  und  es  schien 
die  Aufdeckung  des  ganzen  Gebäudekomplexes  für 
weitere  Funde  aussichtsreich  zu  sein.  Freilich  erwies 


denen  noch  andere  Räume  lagen.  Um  den  ganzen 
Hof,  dessen  Ausdehnung  nach  Südwesten  unbekannt 
ist,  führt  eine  rund  ausgehöhlte  Wasserrinne,  die  das 
sich  ansammelnde  Regenwasser  in  eine  unterirdische 
Zisterne  in  der  Nordwestecke  abführte.  Die  östliche 
Seite  des  Hofes  ist  durch  eine  0'89m  dicke  Mauer 
aus  sorgfältig  gefugten  Quadern  abgeschlossen,  durch 


25:  Architrav  vom  Forum. 

sich  die  Hoffnung,  einen  zusammenhängenden  Grund- 
riß dieser  großen,  wohl  als  Forum  zu  bezeichnenden 
Gebäudegruppe  zu  erhalten,  als  trügerisch,  da  eines- 
teils im  Süden  ein  großer  Teil  der  Mauern  in  die 
Tiefe  abgestürzt  war,  anderseits  die  massenhaften,  oft 
in  drei  und  vier  Reihen  übereinanderliegenden  mo- 
dernen Gräber  die  Ausgrabungen  sehr  erschwerten 
oder  ganz  unmöglich  machten. 

Was  sich  mit  einiger  Sicherheit  feststellen  ließ, 
zeigt    der  Grundriß    Fig.  24.    Die  Mitte   der   ganzen 


26:  Korinthisches  Kapitell  vom  Forum. 

Anlage  nimmt  ein  28'6om  breiter  mit  großen  Platten 
gepflasterter  Hof  ein,  an  den  sich  nördlich  und  süd- 
lich   7'Com    tiefe    Säulenhallen     anschließen,    hinter 


27 :  Architrav  vom  Forum. 

die  in  der  Mitte  ein  breites  Tor  führte.  Östlich  an- 
gebaut folgt  eine  Reihe  nur  l'8om  breiter  Kammern, 
deren  Türen  sich  auf  einen  langen  Korridor  öffnen, 
der  wahrscheinlich  im  Norden  seinen  Eingang  hatte. 
Die  östliche  Mauer  ist  in  späterer  Zeit  durch  eine  viel 
dickere  und  aus  anderem  Material  hergestellte  über- 
baut worden,  die  an  ihrer  Außenseite  eine  Reihe 
von  Strebepfeilern  hat,  um  den  Schub  des  hier  fast 
2m  höheren  Terrains  aufzuhalten. 

Die  westliche  Säulenhalle  ist  durch  einen  Teil 
des  in  situ  liegenden  Stylobates,  die  östliche  außer 
durch  Architekturreste  durch  das  Umbiegen  des 
oben  erwähnten  Wasserkanals  gesichert.  Der  west- 
liche Stylobat  liegt  0"46m  über  dein  Hauptpflaster 
und  zeigt  noch  die  Standspuren  zweier  Säulen,  mit 
einer  Achsweite  von  3'50m. 

Zu  diesen  Hallen  gehören  die  großen  Insclirift- 
architrave,  die,  zuerst  an  dieser  Stelle  gefunden,  den 
Anstoß  zu  weiteren  Ausgrabungen  gaben  (Sp.  29;  60  ff.). 
Es  sind  zweierlei  Arten  Gebälkstücke,  zwar  in  der 
äußeren  Art  gleich,  in  Höhen-  und  Breitenausdehnung 
dagegen  verschieden.  Bei  beiden  ist  der  glatte  Fries, 
auf  dem  die  Inschrift  steht,  mit  dem  dreifascierten 
Architrav  aus  einem  Stück  gearbeitet.  Das  Material 
ist    grau-gelblicher   Kalkstein.    Bei    der    ersten    Art 


4Q 


Ausgrabungen   in   Asserin 


.SO 


Gebälkstücke  hat  iler  Architrav  drei  Fascien  und 
abschließendes  Kyma  mit  Platte  und  ist  mit  dem 
angearbeiteten  glatten  Friese  O'SOj"1  hoch,  während 
die  untere  Breite  o^oö™  beträgt  (Fig.  25).  Die  Länge 
des  einen  jetzt   abgebrochenen  Stückes  befragt   3'5onl 


funden,  dagegen  ein  Fragment  einer  korinthischen 
Basis  von  o'ig"  Höhe  und  ein  ziemlich  gut  erhal- 
tenes korinthisches  Kapitell  (Fig.  26)  von  0/5 1 "' 
unterem  Durchmesser  und  076 m  Höhe;  der  obere 
I  1  il    ist   stark  zerstört,   die   Komposition   des  Ganzen 


^**3£ 


\n  hitrav-Unten 


die  des  zweiten  zwischen  zwei  Stoßfugen  3*44 m, 
und  gehört  dieses  Gebälk  zu  der  westlichen  Halle. 
Die  Unterseite  des  Architravs  zeigt  einen  mit 
einem  Kyma  eingefaßten  glatten  Rahmen.  Die  In- 
schrift auf  dem  Fries  ist  0*205 '"  hoch;  die  Rück- 
seite des  Gebälks  ist  ebenso  gegliedert  wie  die  Vor- 
derseite. Zugehörige  Säulenschäfte  wurden  nicht  ge- 
Jahreshefte  des  österr.  arcliäol.  Institutes  IM   XI   Beiblatt. 


und  die  Arbeit  der  Einzelformen  erinnern  stark  an 
das  beim  Trajanstor  gefundene  Halbsäulenkapitell 
(Fig.   121. 

Die  zweite   Art   der  Inschriftarchitrave  (Fig.  271 
hat  eine  Gesamthöhe  von   0'Q88m,  eine  untere  Arclii- 


Die  Höhe   der  Inschrift   ist  hier  0-185' 


I  >ie    reich 
4 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


52 


31:  Konsolengesims  vom  Forum. 

verzierten  Unterseiten  der  Architrave  zeigen  die 
Fig.  28 — 30.  Ein  korinthisches  Kapitell  von  etwas 
verschiedenen  Maßen —  U.D.  =  o-54,Höhe  =  0"7lm — 
sonst  aber  gleicher  Arbeit  wie  Fig.  26  kann  dieser 
Säulenhalle  zugeteilt  werdeD,  und  möglicherweise 
ein  Konsolengesims  (Fig.  3t),  das,  freilich  jetzt  sehr 
zerstört,  doch  erkennen  läßt,  das  es  auf  beiden  Seiten 
gleich  ausgearbeitet  war,  wie  die  Architrave,  und  an 
einer  Seite  an  eine  Mauer  anstieß  oder  eingriff.  Da 
die  Säulenhallen  tatsächlich  im  Norden  durch  die 
breite  Mauer  abgeschlossen  waren  (vgl.  den  Grund- 
riß  Fig.  24),  so  scheint  die  Zugehörigkeit  dieses  Ge- 
simses   nicht    ausgeschlossen    und    hätten    dann    die 


Hallen  keine  Decke  gehabt,  sondern  wären 
nur  vor  die  Mauer  gesetzte  Kulissen  ge- 
wesen, ähnlich  den  beiden  Hallen  an 
der  Portikus  des  Diocletianischen  Palastes 
in  Spalato.  Die  die  beiden  Hallen  ab- 
schließende Mauer  könnte  man  sich  mit 
einem  großen  Giebel  bekrönt  denken,  von 
dem  sehr  fragmentierte  Reste  erhalten 
sind,  wodurch  die  Ähnlichkeit  mit  der 
Portikus  in  Spalato  noch  anschaulicher 
würde,  doch  ließ  die  große  Zerstörung 
des  Gebäudes  eine  sichere  Zuteilung  auch 
der  sonst  gefundenen  Architekturfragmente 
nicht  zu. 

Nordöstlich  der  späteren  Mauer  mit 
den  Strebepfeilern  kamen  die  Fundamente 
weiterer  Mauern  zutage,  deren  Zusam- 
mengehörigkeit mit  den  übrigen  nicht  mehr  zu 
ermitteln  war.  Der  Fußboden  liegt  hier  um  fast 
2m  höher  als  der  des  Hofes.  Es  scheint  ein  langer 
Saal  gewesen  zu  sein,  der  durch  eingezogene  Bögen 
in  drei  Teile  geteilt  war.  Die  seitlichen  etwa  I4m 
langen  und  8'90m  breiten  Räume  haben  nach  außen 
runde  Apsiden,  deren  Bestimmung  unklar  ist;  ebenso 
ist  die  Verstärkung  der  Mauer  des  mittleren  Teiles 
schwer  zu  deuten,  möglich  immerhin,  daß  sie  ein 
Fundament  bildete  für  eine  Statue. 

An  dieser  Stelle  fand  sich  ein  großes  Konsolen- 
gesims (Fig.  32),  das  wahrscheinlich  zu  diesem  Ge- 
bäude  gehörte.    Die  l"90m  lange  und   o'395m  hohe 


1  ngesitns. 


53 


Ausgrabungen    in    Asscria 


54 


33:  Gesimsfragment 


Platte  zeigt  an  der  Unterseite  vier  0"l9m  breite  Kon- 
solen mit  gut  gearbeiteten  Blättern,  einen  umlaufenden 
Eierstab  und  zwischen  den  Konsolen  große  Rosetten. 
Die  sehr  roh  gearbeitete  Sima  sitzt 
gleich  über  den  Konsolen  auf,  eine 
Hängeplatle     fehlt;     die    Oberseite 
hat    eine    stark    ausgehöhlte    runde 
Wasserrinne.  Der  zugehörige  Zahn- 
schnitt   war   auf    einer   besonderen 
0'l55m  hohen  Platte  gearbeitet. 

Zu  erwähnen  ist  noch  ein  kleines 
Gesimsfragment,  das  gelegentlich  der 
Grabungen  am  Trajanstore  zutage 
kam  (Fig.  33).  Seine  Höhe  beträgt 
0'2jm.  Über  einem  hohen  mit  Blät- 
tern geschmückten  Kyma  liegt  ein 
niedriger  Zahnschnitt,  bekrönt  von 
einer  weit  ausladenden  Sima  mit 
dicker  Platte,  die  beide  ornamentiert 
sind  durch  langstielige  Blumen  und 
distelförmige  Blätter  mit  langen 
spitzen  Lappen.  Die  steife  Ornamentik  deutet  auf 
eine   sehr   späte  Entstellungszeit. 

Außer  dem  großen  Gebäudekomplex  des  Forums 
sind  innerhalb  der  Stadt  viele  Hausmauern  aufgedeckt 
worden,  die  aber  nicht  in  Zusammenhang  standen; 
ferner  eine  kleine  Badeanlage  und  Zisterne  mit  einem 
Fußboden  aus  fischgrätenarlig  gelegten  Ziegeln.  Meist 
jedoch  fanden  sich  die  Mauern  so  zerstört  vor,  daß 
von  einer  größeren  Ausgrabung  des  Stadtinnern  als 
zu  wenig  aussichtsvoll  abgesehen  wurde.    \V.  W. 

c)    Gräber. 

Unmittelbar  vor  dem  Trajanstore,  und  zwar  hart 
am  Rande  der  Straße,  teilweise  sogar  unter  derselben, 
wurden  drei  Gräber  aufgedeckt,  bei  denen  in  der 
bekannten  Weise14)  aus  Dachziegelplatten  eine  Art 
primitiven  Sarkophages  gebildet  wurde. 

Bei  zweien  trugen  die  verwendeten  Ziegel  den 
Stempel  der  PANSIANA,  eine  Platte  des  dritten  den 
der  LEG  llll  FF  (vgl.  v.  Bersa,  Bull.  Dalm.  1900 
p.  164).  Die  Gräber  wurden  bereits  in  zerstörtem  Zu- 
stande aufgefunden.  Offenbar  hatten  sie  bei  den  zu- 
gleich mit  dem  Baue  des  Prunktores  vorgenommenen 
Strafienarbeiten  Schaden  gelitten.  Da  nun  die  Er- 
bauung des  Tores  in  den  Anfang  des  2.  Jh.  n.Chr. 
fällt  (siehe  Sp.  73),  müssen  die  Gräber  noch  dem 
I.  Jh.    angehören,     worauf   auch    die    Ziegelstempel 


weisen.  Es  muß  also  schon  im  I.  Jh.  hier  eine 
Straße  geführt  haben,  folglich  auch  an  dieser  Stelle 
ein  Stadttor  sich  befunden  haben,  dessen  Konstruktion 


wohl  analog  dem  Tore  an  der  nordöstlichen  Seite  zu 
denken  ist,  welches  sicher  bereits  bei  der  Erbauung 
der  Stadtmauer  vorgesehen  war. 

Eine  zweite  Grabanlage  ist  in  die  Grundmauern 
eines  älteren  römischen  Gebäudes  eingebaut.  Es  fanden 
sich  zu  beiden  Seiten  eines  schmalen  Ganges  drei 
Grabkammern.  Von  den  beiden  rechtseits  liegenden 
ist  die  erstere  eingestürzt;  am  besten  erhalten  ist  die 
zur  Linken  des  Ganges.  Der  Eingang  wird  durch  eine 
senkrechte,  in  der  Mitte  mit  einem  eisernen  Hebering 
versehene  Steinplatte  verschlossen.  Als  Decke  der 
Grabkammer,  in  der  man  nur  in  gebückter  Haltung 
zu  stehen  vermag,  dient  eine  einzige,  mächtige  Stein- 
platte, welche  an  drei  Seiten  Profilierung  zeigt,  offen- 
bar also  früher  anderweitig  architektonisch  verwendet 
war.  Das  fehlende  Stück  bildet  gegenwärtig  eine  der 
beiden  Langseitenwände,  an  denen  bankartige  Er- 
höhungen aufgemauert  sind.  Darauf  lagen  zahlreiche 
menschliche  Knochen,  welche,  den  erhaltenen  Schädel- 
resten nach  zu  schließen,  von  5  Individuen  herrühren 
dürften.  Beigaben  fehlen. 

Schon  die  Lage  der  Gräber  innerhalb  der  Stadt- 
mauer läßt  auf  späte  Entstehungszeit  schließen,  wofür 
auch  die  vollständige  Übereinstimmung  mit  den  Grab- 
kammern der  Nekropole  von  Monastirine  (Salona) 
spricht.  Diese  scheiden  sich  in  ältere  mit  gewölbter15) 
und  jüngere  mit  flacher  Decke;  drei  derselben  zieren 


u)  Vgl.  Bericht  des  Ver.  Carnuntum  1S99,  Fig.  6. 


")  Plan  und  Durchschnitt  Bull.  Dalm.  l898,Taf.  I. 

4* 


.55 


H.  Liebl  und   W.   YVUberg 


56 


Wandmalereien"5).  Da  die  Fresken  der  beiden  ge- 
wölbten Kammern  aus  stilistischen  Gründen  nicht 
vor  dem  4.  Jh.  n.  Chr.  anzusetzen  sind17),  wird  man 
die  der  flachgedeckten  Kammer  dem  5.  Jh.  zuteilen 
müssen  Einen  weiteren  Anhalt  geben  ferner  die  in 
Dalmatien  nachweisbaren  Sarkophagformen  ls),  soferne 
Sarkophage  mitSatteldach  heidnischer  und  christlicher, 
solche  mit  flachem  Deckel  ausschließlich  christlicher 
Zeit  entstammen.  —  Etwas  abseits  fanden  sich  Reste 
eines  vierten   Grabes. 


i     Torso  einer  Togastatue. 

/)   \Y  .1  s  se  rleitung. 

Durch   heftige  Regengüsse  wurde   im  September 

am   östlichen    Abhänge    des    Plateaus    von    A.S- 

seria   in   der  Talsohle   eine   zirka    Iu"'   lange   Strecke 

eines  Wasserleitungskanales  bloßgelegt,  der  ziemlich 

resken  der  einen  gewölbten  Kammer 
siehe  Kuli.  Dalm.  1900  p.  201  und  Taf.  IV,  die  der 
anderen  noch  nicht  in  Abbildung  publiziert,  jedoch  be- 
ben, zuletzt Bull.Palm.1901  p.nof.;  hin,  Mull. 
Dalm.  [892  p.  159  hält  sie  für  älter.  Die  Malereien  der 
Kammer  mit  flache:  Decke  ind  wiedergegeben  Bull. 
Dalm.  tgoi,  Taf.  XI. 


lief  (bis  T8  ■")  in  den  Felsen  eingeschnitten  ist.  Am 
Grunde  fanden  sich  noch  die  Leitungsrohre  aus  Ton. 
Die  Quelle  ist  in  dem  zirka  vier  Kilometer  von  der 
Stelle  entfernten  Dorfe  Lisicic.  Der  Kanal,  dessen 
Verlauf  auch  oberirdisch  kenntlich  schon  von  Gliubic 
beobachtet  wurde,  lief  neben  der  römischen  Straße, 
welche  das  Tal  bis  Burnum  durchzog,  und  von  der 
noch  deutliche  Spuren  erhalten   sind. 

e)  Einzelfunde. 

1.   Skulpturen. 
Es   fanden   sich: 

a)  Innerhalb    des    von    den    Portiken   flankierten 
Hofes  (siehe  oben  Sp.  45   Fig.  24): 


35:  Kalksteinfragment  mit  tragischer  Maske. 

1.  Torso  einer  männlichen  Gewandstatue  (Fig.  34.) 

aus  weißem  Marmor,  O'yN"1  hoch;  nur  die  Vorder- 
seite erhalten.  Der  Kopf  war  aus  einem  besonderen 
Stücke  gearbeitet  und  angesetzt. 

j.  Kalksteinblock  mit  Medusenhaupt  in  Relief; 
stark  beschädigt,  079  m  h..  0'6  '"  br.,  0-48  '"  d. 

u)  Über  die  Blumenschnur  als  dekoratives  Ele- 
ment in  den  Katakomben  maiereien,  vgl.  Wilpert  I 
30,  II  Taf.  5:,  86,  0/  (3- Jh.),   118,   143.   184.  218, 

239.  25'   (4-JM- 

1HI  Bull. Dalm.  10/03  p.  18:.  ebenda  Anm.  1  und 
[901   p.  <ii   (Slano). 


57 


Ausgrabungen  in   Assen. i 


58 


3.  Fragment  eines  Kalksteinblocks  mit  tragischer 
Maske  in  vertieftem  Bildfelde  (Fig.  35)  0'5  m  h. 
045  m  br.  0-28  m  d. 


36:  Kalksteinblock  mit  Relief. 

4.  Prismatischer  KalUsteinblocU 
(F'g-  j6).  unten  gebrochen.  Auf 
zwei  aneinanderstoßenden  Flächen 
roh  ausgeführte,  stark  beschädigte 
Reliefdarstellungen . 
An  der  Langseite  ein  Phallus19),  an 
der  Schmalseite  eine  unbekleidete 
männliche  Gestalt,  in  der  erhobenen 
Rechten  einen  nicht  mehr  erkenn- 
baren rundlichen  Gegenstand,  in  der 
gesenkten  Linken  ein  längliches 
Instrument  haltend.  Auch  diese 
zweite  Darstellung,  in  der  vielleicht 
Perseus  mit  dem  erhobenen  Gorgo- 
ueion  und  der  Harpe  in  der  Linken 
zu  erkennen  ist,  hat  möglicherweise 
apotropäische  Bedeutung.  Ein  ähn- 
liches Relief  beschreibt  Hörnes, 
Arch.-epigr.  Mitt.  IV  35  unten;  vgl. 
auch  die  Reliefs  aus  Konstantine, 
Rev.  archeol.  VI  (1849)  pl.  1 10  n.  3 
und  6.  Wahrscheinlich  stammt  der 
Stein    aus    der    nahen    Stadtmauer. 


b)  Im  Innern  des  Gebäudes  der   N'ordfront : 

5.  Fragment  eines  weit  überlebensgroßen  un- 
bärtigen Kopfes  aus  weißem  Marmor  o-4™  h.,  o  26  m 
br.,  mit  kurz  geschorenem  Haupthaar;  wohl  3.  Jh. 
n.  Chr. 

c)  In   die   Südecke  der  Kapelle  eingemauert: 

6.  Reliefplatte,  stark  beschädigt,  cv6mh.,o-38mbr., 
0231"  d.,  der  untere  Rand  profiliert.  Dargestellt  ist 
ein  Genius,  anscheinend  einen  Blumenfeston  (oder  ein 
Füllhorn)  haltend.  Da  der  Stein  wegen  Einsturzge- 
fahr der  Kirche  nicht  vollkommen  bloßgelegt  werden 
konnte,  war  eine  photographische  Aufnahme  nicht 
erzielbar. 

J)  Vor  dem  Eingange  des  Friedhofes  nord- 
westlich von  S.  Spirito,  bei  einem  profilierten  Po- 
stamente eines  kleinen   tempelartigen  Gebäudes: 

7.  Fragment  einer  Henkelamphora  aus  Kalkstein 
(F'g-  37)   0-271"  h.,    o^tj"1  br.,   berechneter  Durch- 


I  ragment  eines  Steingefäfles. 


19)  Vgl.  K.  O.  Müller,  Archäologie  der  Kunst 
I  765.  An  pompeianischen  Häusern  mit  der  Inschrift: 
hie  habilat  felicitas;  an  der  Ecke  eines  Gebäude- 
restes in  Thera  mit  der  Beischrift :  tc:;  qp&Oie;,  Roß, 
Reisen  auf  den  griechischen  Inseln  I  04;  Hiller  von 
Gärtringen,  Thera  III  14,  183  — 186,238.  Häufig  auch 
an  Stadtmauern;  H.  Graefen,  Neue  Jahrbücher  I 
(1898),    325    (aus    Nersa);     Dodwell,    Views    pl.    92 


(Alatrium).  Derselbe  Autor  sah  ein  ähnliches  Apotro- 
paion  an  den  Mauern  Antheias,  Rev.  archeol.  VI 
(1849)  I  pl.  1 10  n.  I  und  2,  p.  14  (Konstantine), 
Ferner  Perrot-Chipiez,  Hist.  de  l'art  IV  63,  Abb. 
49  f.  (Sardinien);  Jahrbuch  XVII,  Arch.  Anz.  72. 
(Rottenburg).  Münsterberg,  Arch.  epigr.  Mitt.  XV 
50,  n.  12;  CIL  III  14964  (Dalmatien,  Municipium 
Magnum)  invidis  hoc. 


59 


H.   Liebl  und  W.   Wilberg 


60 


38:  Fragment  eines  Steingefäßes,  Aufsicht. 

raesser  des  eiförmigen  Gefäßes  o-42  m.  Der  Henkel 
hat  die  Gestalt  eines  katzenartigen  Raubtieres  (wohl 
Panther),  das  sich  mit  den  Vorderpranken  auf  den 
Gefäßrand  stützt.  Am  Halse  verläuft  eine  breite  Hohl- 
kehle,  darunter  in  derber  Ausführung  eine  figürliche 
Darstellung.    Erhalten    sind   zwei   Reihen   z.  T.  wie 


39:  Kalkstcinrelief. 


es    scheint    bärtiger    Köpfe    mit    konischen    Mützen, 
zwischen    welchen    unbestimmbare    Gegenstände    er- 
scheinen. Der    Rand  des  Gefäßes    trug  an  der  Hori- 
zontalfläche eine  Inschrift,  von  welcher  das  Bruchstück 
fünf  Buchstaben    CVL-  VO  er- 
halten hat  (Fig.  38).     Da  damit 
ungefähr    ije    der    ganzen  Peri- 
pherie   gegeben   ist,    dürfte    die 
Inschrift,    bei  vorauszusetzender 
gleichmäßiger  Verteilung,    etwa 
aus    28   bis    30  Buchstaben    be- 
standen haben,  also  etwa: 
Libero  t'iitri  Pro]at/(us)  vo[tuut  solvil  I(ibeus)  m'crito). 
Das    Gefäß    wäre    dann    als    Weihgeschenk    für 
Bacchus  anzuseilen,  wozu  der  Panther  als  Henkel  gut 
passen   würde. 

e)  Beim  Trajanstore: 

8.  Kalksteinrelief  .(Fig.  39),  an  der  rechten 
Seite  und  unten  gebrochen;  0'26  m  h., 
0-22  m  br.,  0-065  m  d.  Stehende  weibliche 
Figur,  bekleidet  mit  Untergewand  und  über 
den  linken  Arm  geschlagenem  Mantel,  in  der 
rechten  Hand  eine  Schale  haltend;  am  Rande 
rechts  Kopf  und  Arm  einer  zweiten  Figur, 
die  einen  Krug  hielt.  Darüber  eine  Weinrebe 
mit  Trauben  und  Blättern.  Wahrscheinlich 
eine  Darstellung  aus  dem  bacchischen  Kreise. 
Erwähnt  sei  noch  das  Fragment  eines 
lebensgroßen  Kopfes  aus  weißem  Marmor,  er- 
halten der  rückwärtige  Teil  mit  Resten  ge- 
lockten Haares. 

/)  Fundort  nicht  zu  ermitteln: 
9.  Bruchstück  eines  Grabreliefs  aus  Kalk- 
stein (Fig.  40),  o-4m  h.,  0'23mbr.,  0'lim  d. 
Matronaler  Kopf  en face.  Über  das  gescheitelte 
Haar  ist  ein  Tuch  gelegt.  Durch  je  vier 
Bohrlöcher  sind  Ohrgehänge  angedeutet. 

2.  Inschriften. 

I.  Bei  Gelegenheit  von  Erweiterungsbauten 
zu  dem  Kirchlein  S.  Spirito  stieß  man  (vgl. 
Sp.  29)  auf  mächtige  Architravbalken.  Eine 
genaue  Untersuchung  der  Kapelle  selbst  und 
Lhrei  nächsten  Umgebung  ergab,  teils  einge- 
mauert in  den  Kirchenwänden,  teils  außerhalb 
der  Kapelle  unter  Schutt  vergraben,  noch  meh- 
rere andere  Gebälkstücke,  im  ganzen  neun,  die 
sich  durch  ihre  verschiedenen  Maße  in  zwei 
Gruppen  scheiden,  also  zwei  verschiedenen  Ge- 
bäuden angehört  haben  müssen  (s.  o.  Sp.  48). 


6i 


Ausgrabungen  in   Asseria 


62 


40:   Fragment  eines  Grabreliefs. 

Zur  ersten  Gruppe  gehören  drei  hinter  der  Kirche 
gefundene  Architravblöcke.  Die  Unterseite  derselben 
(Fig.  28 — 30)  ziert  ein  von  einer  lesbischen  Blatt- 
welle umsäumtes,  schön  stilisiertes  Ranken-  und  Pal- 
mettenornament. Der  Fries,  mit  dem  Architrav  aus 
einem  Stücke  gearbeitet  und  von  ihm  durch  ein 
Karnis  geschieden,  trägt  in  Buchstaben  von  0'l85m 
Höhe   folgende  Inschrift: 

auf  Block  a)  27  im  lang  DEC-  AVGVR  PORTICVM 
auf  Block  b)  271™  lang  T-  F-  I-  EX-  H5-  LXXX 
Block  c),   2'76m  lang,  ist  leer. 

....  dec(urio),   augur  poriicum   t(eslamenlo)  f\  ieri) 
i(nssil)  ex  (sesleiiium)  LXXX  (milibus). 

Demnach  hatte  eine  Persönlichkeit,  die  mit  der  Stel- 
lung eines  Decurio  die  Würde  eines  Augur  verband, 
testamentarisch  die  Errichtung  einer  Säulenhalle  mit 
einem  Kostenaufwande  von  80000  Sesterzen  verfügt. 


Zur  zweiten  Gruppe  gehören  sechs,  wahrscheinlich 
ebenfalls  von  der  oben  Sp.  47  ff.  beschriebenen  Bau- 
anlage herrührende  Blöcke,  bei  denen  ebenfalls  Archi- 
trav und  Fries  aus  einem  Stücke  gearbeitet  sind;  doch 
zeigt  die  Unterseite  statt  ornamentaler  Füllung  einen 
einfachen  Blendrahmen  mit  leichter  Wölbung  des 
Innenfeldes.  Buchstabenhöhe  etwas  mehr  als  0-205m. 

Block  I:  1-38™  lang,  |FRETE;,  eingemauert  in 
der  Südecke  der  Kirche. 

Block  2:  0/91 m  lang,  klMNj,  eingemauert  in  der 
Ostecke  der  Kirche. 

Block  3:  3-56  m  lang,  [S-  OMN  1VM-  AS  S  ER 
außerhalb  der  Kirche,  senkrecht  zur  Südfront  der- 
selben liegend. 

Block  4:  3  m  lang,  |CC  TESTAME  Nj,  einge- 
mauert in  der  Südwestseite  der  Kirche,  wo  er  die 
unterste  Steinlage  bildet. 

Blocks:  3-45mlang|FIERI-  IVSSIT|,  hinter  der 
Kirche,  in  der  Richtung  der  Südwestfront  derselben 
liegend. 

Block  6:  3-8m  lang,  ohne  Inschrift,  eingemauert 
in  der  Nordostwand  der  Kirche. 

.  .  .  vclicrauus)  leg(kmis)  X]  Frete[psis  p]rimus 
omninm  Asser\iatiwm  ....  poriicum  ex  sestertitnn 
.  .]  CC  (milibus)  testamen\_to\  fieri  iussit. 

Da  für  die  Bestimmung  der  ursprünglichen  Länge 
der  Inschrift  jeder  Anhaltspunkt  fehlt,  kann  nur 
eine  ungefähre  Ergänzung  versucht  werden. 

In  FRETE  scheint  ein  Rest  des  Beinamens  der 
im  Orient  gestandenen  leg.  X  Fretensis  erhalten  zu 
sein.  Der  Bauherr,  dessen  Namen  wir  leider  nicht 
erfahren,  war  demnach  wohl  vet{eranus)  leg(iotiis) 
X]  Fretc[nsis  20).  Die  Blöcke  2  und  3  stoßen  anein- 
ander, also  p\rimus  omninm  Asser[iatitim.  Am  näch- 
sten läge  an  eine  Ehrung  zu  denken,  der  als  Erster 
aller  Asseriaten  teilhaftig  geworden  zu  sein  der 
Bauherrsich  rühmen  konnte21),  z.  B.p~\rimus  omnium 
Asser[iaiium  in  V  ileaurias)  adl(eclus)  oder  Ähn- 
liches. Vielleicht  hatte  er  auch  als  Erster  aller  Asse- 
riaten ein  bestimmtes  Amt  oder  eine  gewisse  Würde 
bekleidet22).  Möglich  wäre  schließlich  auch,  dal!  er 
die  Erinnerung  an  einen  Wohltätigkeitsakt,  durch 
den  er  sich  vor  seinen  Mitbürgern  hervorgetan  hatte, 


'-")  Ein  Veteran    der   leg.  XIIII    restauriert  eine 
Portikus  in  Carnuntum  CIL  III  4441. 

21)  Vgl.  Dessau  n.  932:  .  .  .  primus  omnium  Pae- 
lign(orum)  Senator  faetus  est. 

22)  Vgl.    CTL    II    1956    (Cartima):    lunia    D.    f. 


Rustica  sacerdos  perpetua  et  prima  in  munieipio  C.ir- 
timitano  porticus  public(as)  vetustate  corruptas  refecit; 
vgl.  auch  CIL  III  iüOS  ...  L.  Silius  Maximus 
v[et(eranus)]  leg(ionis)  I  ad(iutricis)  p(iae)  f(idelis) 
magistra(n)s  primus  in  can(abis  . 


63 


H.  Liebl  und   W    Wilherg 


64 


der  Nachwelt  erhalten  wissen  wollte23).  Nun  folgte 
wahrscheinlich  porlicttm,  ex  hs  .  .  .]  CC  teslamen[to\ 
fieri  ittssit;  der  Strich  über  den  zwei  C'ist  zwar  nicht 
erhalten,  aber  ohne  Zweifel  zu  ergänzen.  Die  Kosten 
betrugen  also  200000  Sesterzen,  wenn  anders  nicht 
auf  dem  vorhergehenden  Blocke  noch  eine  Zahl  ge- 
standen hat.  Doch  konnte  bereits  diese  Summe  für 
ein   stattliches  Bauwerk  ausreichen21). 

I.  Eingemauert  in  die  Fundamente  des  Kirch- 
leins S.  Spirito. 

a)  An  der  Ostecke: 

II.  Bruchstück  eines  Meßtisches2"')  (Fig.  41).  In- 
takt nur  die  071  m  breite  Rückseite;  Breite  der  Neben- 
seiten, nur  soweit  erhalten,  0,3l5mund0'lG5m;  Vorder- 
seite fehlt.  Höhe  0^285  m.  Die  ursprünglich  wold  um 
den  oberen  Rand  aller  vierSeiten  herumlaufende  Kehl- 
leiste ist    nur   an   der   linken   Seite    erhalten,   an   den 

G 


11:  Bruchstück  eines  Meßtisches, 

anderen  aber  ganz  oder  teilweise  weggemeißelt.  In 
der  Oberseite  des  Tisches  sind  jetzt  noch  sieben  Höh- 
lungen, von  welchen,  wie  Fig.  41  zeigt,  die  zu  äußerst 
links  angeordneten  vier  A — D  unverletzt  sind  und 
in  der  Reihenfolge  von  vorne  nach  hinten  665,  343, 
880,  310  Kubikzentimeter  fassen;  drei  weitere,  in 
den  Bruch  fallende  /:'.  F,  G  sind  fast  völlig  zer- 
stört. Nach  der  rohen  Ausführung  sind  die  Hohl- 
räume selbst  nicht  als  MaRe  anzusehen,  sondern  dien- 
ten zur  Aufnahme  der  eigentlichen  Maßgelaße,  die, 
aus    Bronze   hergestellt,  mit  aufgestülptem   Kunde  in 


gl.  Dessau  986;  CIL  XIV  3608  .  .  .  primus 
ex  ea  provincia  magno  tritiri  modo  annonam  p(opuli) 
Rloiii.uii    adlevavit. 

J'i   Kostete  doch  die    frübei   besprochene  Porti 
ria   nur  80000,  eine  solche  in  Thagaste 
allerdings  300000  Sesterzen   (<  II.   VIII    5146/7). 


die  Oberseite  eingelassen  und  wahrscheinlich  durch 
Metallbänder  miteinander  verbunden  waren.  Erhalten 
ist  noch  ein  o'o6m  langes  Bronzeröhrchen,  das  bei  der 
Auffindung  in  der  Abflußöffnung  bei  £  steckte.  A,B, 
C,  /',  welche  schräg  nach  außen  gebohrt  sind,  hatten 
ihren  Abfluß  an  der  Rückseite,  E,  F  an  der  in  der 
Mitte  unregelmäßig  ausgehöhlten  Unterseite  des  Meß- 
tisches, G  ist  zu  sehr  zerstört,  als  daß  sich  irgend  etwas 
erkennen  ließe.  Die  Hohlräume  fassen  demnach  etwas 
mehr  als  den  Rauminhalt  der  eigentlichen  Maßgefäße, 
so  daß  A  =  sextarius,  B=hemina,  C  =  1 1/2  sextarii, 
]>  =  heraina,  mithin  das  Zeichen  am  Rande  rechts 
HE  •  he(mina)  =  0'2/29  Liter  =  l  .,  sextarius  sein  kann. 

Die  Buchstaben  FR  auf  der  linken  Seite  könn- 
ten vielleicht  in  Analogie  von  iXrjp(i;)  des  ay(y.(oira 
von  Kossovo  als  fr(itmcnli)  gelesen  werden.  Zwi- 
schen den  Maßen  0  und  1)  das  Zeichen  S  (sexta- 
rius). Ein  Dübelloch  an  der  Rückseite  unten  beweist, 
daß  der  Meßtisch  auf  einem  offenbar  bankartigen 
Untersatze  stand,  da,  wie  wir  sahen,  zwei  Maße 
ihren  Abfluß  an  der  Unterseite  hatten,  diese  mithin 
in  ihrer  Mitte  frei  gewesen  sein  muß.  Die  beiden 
Nebenseiten  tragen  Inschriften,  die  nach  der  Buch- 
stabenhöhe schwerlich  einem  Texte  angehören  kön- 
nen. Die  jetzt  fehlende  Hauptseite  scheint  also  un- 
beschrieben gewesen  zu  sein.  Linke  Nebenseite: 
Buchstabenhöhe  0*065  m  C(aius)  Oppiu[s  ....  viel- 
leicht trib(unus) 
Buchstabenhöhe  o'o6m  nullit  um)  leg:  X[.  .  .  ■ 
Denkbar,  wenn  auch  weniger  wahrscheinlich  wäre, 
einfach  mil(es)  zu  lesen;  dieser  hätte  dann  der  leg. 
X[I  Cl(audia)  p(ia)  f(idelis)  angehört,  die  im  nahen 
Burnum  ihr  Lager  hatte. 

Rechte  Nebenseite: 

Buchstabenhöhe  0-0S51"  P'SP  vielleicht  d\e)  s(ua) 
p{ecunia)  oder  d(ecreto)~\  dfecurionum)  siuai 
p  <   unia)  oder  d{e)  s(uo)  piosuih. 

Der  Meßtisch  war  wahrscheinlich  auf  dem  von  den 
Säulenhallen  flankierten  Platze,  wohl  dem  Forum  des 
Städtchens,   aufgestellt. 

2.   Cippus,    rechts    unten    gebrochen;     0'8lm  h., 
0*58 m   br.,    0"54m   d.      Das     Inschriftfeld     von     einer 


25)  Vgl.  u.  a.  die  Meßtische  aus  Kvarte  (Patsch, 
I.ika  6X),  Kossovo  (Domaszewski.  Areh.-cpigr.  Mitt. 
XV  145  f.)  und  Obrovazzo  (Colnago-Keil,  Jahreshefte 
VIII  Beiblatt  43),  ferner  auch  das  bekannte  Exem- 
plar aus  Pompei  (/.  B.  Mau.  Pompei  in  Leben  und 
Kunst    Fig,  35). 


65 


Ausgrabungen   in   Asseria 


66 


Hohlkehle     umrahmt.      Buchstabenhöhe     von     Z. 
0.065   bis  o-Ol8m  Z.  7  abnehmend  (Fig.  42). 


■M 


-..r* 


■   ■■■im,— IUI    - 

11  ^   ■■«■   ■  .« 


'  t 


d 


42:  Grabcippus. 

C(«»o)  0/7>;'o  |  C(fl»)  /(//;o)  Claiudia)  |  Clemenii, 
Rusticell[o)  |  an{norum)  XVI  B(iebi[a]  |  T{iii)  f{iiia) 
Oppia  mat{er]  J\ilio)  p(osnit). 

Über  Rusticellus  s.  Schulze,  Zur  Geschichte 
lateinischer  Eigennamen  III.  Auffallend  ist,  daß 
Baebia  den  Gentilnamen  ihres  Mannes  führt,  denn 
ihr  Gatte  war  offenbar  ein  C(aius)  Oppius  und  seinem 
und  ihrem  Sohne  hatte  sie  das  Denkmal  gesetzt. 
Vgl.  CIL  XIV  4270. 

b)  An  der  Nordecke: 

3.  Fragment  einer  Grabstele,  o-3om  h.,  o-26m 
br.,  o-l7m  d.  Buchstaben- 
— 1  höhe   Z.  I    0-07  bis  0-055m. 


dY  X 


D(iis)    [M(anibus) 
B~\aebia[e  Valeri]an(a)e  oder 
Ulpi]an(a)efil[iac  in  \fe!ici]s- 
sim(a)e  . .  oder  carf\ssim{a)e. 


4.  Fragmente  einer  Grabstele  0-33  m  h.,  0-2m  br., 
0-2I5™  d.  Buchstabenhöhe   Z.  I    0-045,    z- 2  005m. 

.  .  .  a]n(ttorum)  XX 

Jahreshefte  des  österr.  arcbäol.  Institutes  HJ.  XI.  Beiblatt 


III.  Bei  den  Grabungen  im  Nordosten  der 
Kapelle. 

5.  a)  Fragment  einer  Grabstele,  o-22m  h.,  o-20m 
br.,  o'lmd.,  Buchstabenhöhe  0'03m;  anscheinend  zu 
vereinen  mit  einem  zweiten  Fragmente  b),  welches 
durch  Kauf  erworben  wurde,  0*28 m  h.,  0'25m  br., 
0"05m  d.  Buchstabenhöhe  die  gleiche. 


Daeico  Aure[l]i  Fo[rlttn]ioni[s  \  fiilio)  Opta]ln[s 
oder  Fcs]lu[s  oder  irgend  ein  anderer  Name  auf  Ins. 

Ein  Deico  CIL  V  4209  vgl.  Holder,  Altkelti- 
scher Sprachschatz  1250,  ein  Fortunio  CIL  III  14014. 

C.  Fragment  o-o8m  h.,  0-42 m  br.,  0-41 m  d. 
Buchstabenhöhe  0'05m. 


.  Caniniit[s 


Vgl.  die  Architravinschrift  n.  12. 

7.  Drei  Epistylfragmente,  anscheinend  zusammen- 
gehörig. rt)0'24mh.,  o-37mbr.,  o'ogs1"  d.;  fc)o-26ml., 
0"3  Im  br.,  OM2  m  d.;  c)  o-22m  1.,  o-2Sm  br.,  0l7md. 
Buchstabenhöhe  0'0cjm;  bei  allen  Bruchstücken  oben 
noch  Reste  einer  Leiste  erhalten. 

.  .  .  Pa]piri[ns  .  .  .  fiilius)  S]ecund[inus  .  .  . 
oder  Seatnd[us  


<iP 


Secundinus  vgl.  n.  15,  24. 

In  einiger  Entfernung  außerhalb  der  Friedhofs- 
mauer: 

8.  Acht  Bruchstücke  einer  I76m  h.,  0'655m  br. 
und  0"lOm  d.  Steinplatte.  Dieselben  lagen  in  sehr 
geringer  Tiefe  unter  der  Erdoberflache.  Das  um- 
rahmte Inschriftfeld  ist    r22m  h.,  0'47m  br.   und   in 


67 


H.  Liebl   und   W.  Wilberg 


68 


seiner  unteren  Hälfte  unbeschrieben,  Buchstabenhöhe 
0-07  bis  o-035m    (Fig.  43.) 


43:  Stifterinschrift  des  Julius  Celer. 

Tiftus)  Iulius  I  T(iti)jXilius)  Cla(udia)  |  C[cl]cr\ 
[veieranus)  l\eg(iouis)  II  Aug(ustac)  \  [?airi]am 
ex  [sesterlitim  . .]  XX  [milibus)  lesliamcnlo)  \  f[ier~\i 
iussil. 

Da  die  leg.  II  Aug.  von  43  n.  Chr.  an  in  Bri- 
tannien lay  (Plitzner,  Kaiserlegionen  222),  wird  man 
wohl  an  einen  Veteranen  dieser  Legion  zu  denken 
haben.  Vor  am  Z.  5  ist  höchstens  für  drei  bis  vier 
Buchstaben  Platz.  Die  Höhe  der  Kostensumme  läßt 
auf  ein  Gebäude   schließen,  vielleicht   also   curi]am. 

IV.  Im  Osten  der  Kapelle,  unmittelbar  bei  den 
Fundamenten  derselben: 

9.  Prismatischer  Block,  o-97m  h.,  0-68'"  br., 
0'2  I  ra  d.;  oben  eine  o'^"'  breite,  schwach  vorsprin- 
gende Leiste.  Buchstabenhöhe  005  bis  ooGm  (Fig.  44). 


mm 


4 


44:  Kaiserinschrift. 

itnp[eratore)  dyomino)  \  n(oslro)  Licin\ioAug^g)(usto). 

Die  Verdoppelung  des  C  in  Augg.  ist  ein  Fehler 
des  Steinmetzen.  Die  eingemeißelte  Inschrift  steht 
an  Stelle  einer  getilgten,  die  aus  vier  Zeilen  bestand 
(vgl.   die   Bemerkung  zu  n.  18). 

10.  Ära,  oben  und  unten  gebrochen;  0'4m  h., 
0-25mbr.(  0'24m  d.  Buchstabenhöhe  0.045  bis  0-035m 
(Fig.  45)- 

Tiliu[s]  |  votum  \  laetus  \  [liben]s  m(crilo). 

V.  Im  Süden  und  Südwesten  der  Kapelle  inner- 
halb  der  westlichen   Portikus: 

11.  Kubische  Basis  o68m  h.,  o-67m  br.,  o'55m 
d.,  die  Vorder-  und  die  beiden  Nebenseiten  mit 
profilierter  Umrahmung,  die  einfach  zubehauenc  Rück- 
seite war  offenbar  gegen  eine  Wand  gekehrt.  Buch- 
stabenhöhe o'07  bis  o-05m  (Fig.  46). 

P(tib!io)  Ali/io  \  Aebuiiano  \  praef(ecto)  prae- 
t(orio)  |  djarissimo)  v(iro)  pairono  \  \op~\limo  ordo\ 
[Asscrialium  .  .  . 

Durch  diese  Inschrift  erfahren  wir  den  vollen 
Namen    des    Gardepräfekten    Aebutianus,    der   unter 


6g 


Ausgrabungen  in  Asseria 


70 


^T^^^B 

Fn 

Ü\    ' 

r/p 

fct/v_ 

, 

H          k^^ 

45:  Weihinschrift  des  Titius. 

Commodus  auf  Anstiften  des  kaiserlichen  Günstlings 
Cleander  zugleich  mit  dem  Schwager  des  Kaisers 
Antistius  Burrus  hingerichtet  wurde;  bisher  ver- 
mutete man  auf  Grund  von  CIL  VI  1635  =  XI 
3940  Vennonius  Aebutianus.  Vgl.  Hirschfeld,  Verw. 


r 


*•»■■ 


■AI  ILIO 

YFBVtAN 

UTTRAF- 

46:  Basis  des  IV  Atilius  Aebutianus. 


LCANlNlVST-FCLA-FRONfo^r^  1VIRQVI  NQ- 


Gesch.  Liste  der  praef.  praet.  von  Augustus  bis  Dio- 
cletian  S.  228  n.  47;  Pauly-Wissowa  I  2464  M.  Aurc- 
lius  Cleander;   2476  Commodus. 

Beachtenswert  ist  der  Titel  c(larissimus)  v(ir),  der 
den  Prätorianerpräfekten  erst  unter  Severus  Alexander 
(vita  Alexandri  c.  21)  beigelegt  wurde.  Unsere  Inschrift 
reiht  sich  also  den  von  Hirschfeld  (Rangtitel  der 
römischen  Kaiserzeit:  Sitzungsber.  Akad.  Berlin  1901 
S.  582)  zusammengestellten  Ausnahmen  früheren  Vor- 
kommens dieses  Titels  an. 

An  der  Außenwand  des  linken  Seitenbaues  (Sp. 
45  f.)  nach  Einstellung  der  Grabung  1903,  von  Bauern 
gefunden : 

I :.  Drei  Blöcke  eines  Epistyls,  Gesamtlänge 
2-79m  (■+o'46+I'33m).  Höhe  o-35m,  Tiefe  o-l9m. 
Buchstabenhöhe  o-o6m  (Fig.  47). 

L(ticiiis)  Caninius  T(ili)  /(ilius)  Cla(udia)  Fronto 
Ilvir,  flamcn  divi    Clandii,    Ilvir  quiuq(ueiiiialis). 

Aus  der  Würde  eines  Hamen  divi  Claudii,  die 
der  Bauherr  bekleidete,  ergibt  sich,  daß  die  Inschrift 
aus  den  Jahren  unmittelbar  nach  dem  Tode  des 
Claudius  (j  54  n.  Chr.),  also  den  ersten  Regierungs- 
jahren Neros  stammt,  Caninius  s.  Fragm.  n.  6  und 
CIL  III  2884.  Da  der  Schluß  der  Inschrift  fehlt,  ist 
nicht  erkennbar,  ob  er  den  Bau  auf  eigene  Kosten 
oder  nur  in  seiner  amtlichen  Stellung  ausgeführt  habe  ; 
denn  auch  in  den  vom  Rate  beschlossenen  Bauten 
nennen  sich  die  obersten  Beamten  als  Bauherren,  ein 
Recht,  das  sonst  nur  dem  Kaiser  und  dem  zustand, 
der  die  Kosten  trug  (Dig.  50,  10,  2,  2).  Die  Wid- 
mung zu  schützen,  war  Pflicht  des  Statthalters  (Liebe- 
nam,  Städteverwaltung  35  ff.,  162,  382).  Übrigens 
galt  insbesondere  für  die  hohen  Beamten  die  Errich- 
tung prächtiger  Bauten   als  Ehrenpflicht. 

Bei  der  Zisterne: 

13.  Fragment,  o'29m  h.,  0"28m  br.,  0145111  d. 
Buchstabenhöhe  0'0/m. 


Vielleicht  aug(nri)   oder 

[VIviro]  Augiustali), 

möglich    auch    Aitg(usti) 

\lib{ertus) 


.1 


47:  Blöcke  eines  Kpistyls 


Ji 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


7- 


14.  Unterer  Teil  eines  runden  Grabcippus,  späler 
zu  einem  viereckigen  Pfeiler  zubehauen,  0'54m  h., 
0'2Im  br.  Buchstabenhöhe  0-03nl. 


anno  [duo] 

virai\us 

Maximi[tia] 

mal[er~\ 

An  derselben  Stelle  kamen  noch  andere  auf 
ähnliche  Weise  zu  späteren  Gräbermauern  abge- 
arbeitete Cippen  zutage. 

VI.  Im  Nordwesten  der  Kapelle,  vor  deren 
Haupteingang: 

15.  Fragment  eines  Cippus  liburnischer  Form; 
rri7m  h.,  0'20m  br.,  0-05m  d. ;  oben  ein  Stück  der 
Umrahmung  des  Inschriftfeldes  erhalten.  Buchstaben- 
höhe 0-04  bis  o-035m  (Fig.  48). 


48:  Fragment  eines  Grabcippus. 

L  ucius)  Anles[litis]  \_L(uci\]  f'i/ins)  Seaiii[diitns 
oder  Secun\_dus. 

Secundus  vgl.  n.  7,  24. 


Außerhalb  der  Friedhofmauer: 
16.  Fragment,    cri8m   h.,    o-22m   br.,    o-05m  d. 
Buchstabenhöhe  0'03im. 


Möglicherweise  der  Rest  eines  Cursus  bonorum 
von  einem  Manne  senatorischen  Standes:  pr(aetori), 

a[edi(li) trib.   mil.\    leg.  XV  .  .  .    oder    XVI; 

dazu  würde  passen,  daß  die  letzte  Zeile  des  Frag- 
mentes anscheinend  auch  die  letzte  der  Inschrift 
überhaupt  gewesen  ist. 

VII.  Bei  den  Grabungen  am  Trajanstore  wurden 
gefunden:  eine  Reihe  sorgfältig  gearbeiteter  Stein- 
platten, welche  die  in  zwei  Absätzen  angeordnete 
Bauinschrift  des  Tores  trugen.  Dieselben  waren 
nebst  andern  von  Prunktore  herstammenden  Archi- 
tekturfragmenten in  jener  spätrömischen  Mauer  ein- 
gebaut, die  man  bei  Kassierung  des  Tores  errichtet 
hatte  (vgl.  Sp.  44). 

Der  erste  Teil  der  Bauinsehrift  ist  eingemeißelt 
auf  zwei  o66m  hohen  und  o-lo.m  dicken  Platten, 
deren  Gesammtlänge  2-4m  (1-635 -)- 0765™)  beträgt. 
Die  größere  derselben  ist  in  drei  Stücke  gebrochen, 
doch  passen  die  Bruchränder  scharf  aneinander.  Auf 
der  oberen  und  unteren  Seite  sind  Löcher  mit 
Resten  von  Eisenzapfen.  In  den  Furchen  der  Buch- 
staben, deren  Höhe  Z.   T:  0'14ra,  Z.  2:  0'12m,  Z.  3: 


-.    - 


,lfMix(;AISÄl<M)JV! 

NHWAITRJMANCM 
AV(/<;j.kMi.iA(/l(  (>PC 


0  ' 'Jinscfanft  des    I  raj ansture;. 


73 


Ausgrabungen  in  Asseria 


71 


0'105m,  Z.  4:  0'09m  beträgt,  nocb  Spuren  von  roter 
Farbe,  wahrscheinlich  die  Unterlage  einstiger  Ver- 
goldung (Fig.  49). 

iinp(eratori)  Caesari  divi  Nervae  J\üio), 
Nervae  Traiano  optimo 

Aug{usio),  Germ(anico),  Dacico,  ponl(ifici)  max(imo), 
trib(utiicia)  fot{cstatc)  XVII,  impicralori)   VI.  co(n)- 
s(uli)   VI,  p(alri)  p(alriae). 

Der  zweite  Teil  steht  auf  zwei  Platten  von 
0'74mHöhe,  0"3m  Dicke  und  Gesamtlänge  von  2^94  m 
(2'04  -f-  0-9m).  Das  Inschriftfeld  ist  umrahmt.  Buch- 
stabenhöhe o-I2m  (Fig.  50). 

L(uciiis)  Ladius  L(uci)  f(ilius)  Cla{tidia)  Proculus 
{(eslametilo)  ßjeri)  i(ussit)  epuloquc  dcdicari. 

Da  Trajans  17.  tribunicische  Gewalt  vom  10.  Dec. 
112  bis  9.  Dec.  113  n.  Chr.  reicht,  und  der  Kaiser 
den  Ehrentitel  „optimus"  September-Oktober  113  n. 
Chr.  vom  Senate  erhielt,  muß  die  Weihung  des  Tores 
an  das  Ende  des  Jahres  1 13  n.  Chr.  fallen.  Zeitlich 
stehen  also  sehr  nahe  die  Ehrenbogen  von  Bene- 
vent (114  n.  Chr.)  und  Ancona  ( 1 1 5  n.  Chr.),  Bau- 
meister III  1898.  Der  zweite  Teil  der  Bauinschrift, 
in  welcher  der  Name  des  Bauherrn  L(ucius)  Laelius 
L(uci)  F(ilius)  Cla(udia)  Proculus  genannt  wird,  läßt 
die  Zugehörigkeit  Asserias  zur  tribus  Claudia  er- 
kennen. Eine  Stiftungsinschrift  mit  gleichlautender 
Formel  aus  dem  benachbarten  Nedinum  s.  CIL  III 
2869  :  Sex(tus)  Octavius  Cla(udia)  Constans  Ilvir 
pontif(ex)  t(estamento)  f(ieri)  i(ussit)  epuloque  dedicari. 


beitung  der  ja  schon  so  vielfach  erörterten  Frage 
nach  der  von  Trajan  im  zweiten  dakischen  Kriege 
eingeschlagenen  Route  wird  wohl  die  Weihung  der 
Ehrenpforte  von  Asseria  in  den  Kreis  der  Unter- 
suchung mit  einbezogen  werden  müssen. 

17.   Meilenstein,   r8m  h.,  Umfang   n8m.  Buch- 
stabenhöhe ox>5  bis  o'o85m. 


AlDlociETJ 

'  >EtlAAPcc 

ÄLERlo 


imp(inilori)  Ciaesari)  Gai(o)  |  Val(erio)  Dio- 
ckli\ano  c\t\  imp(eralori)  C{acsari)  \  Caio  Valerio  | 
Maximiano  p{iis)  J\elicibns)  \  perpetuis  princi\(nci)- 
pibus. 

Fehler  des  Steinmetzen  Z.  2  el  statt  et,  Z.  6  die 
Wiederholung  der  Buchstaben  n  c  i.  Distanzangabe 
fehlt.  Der  Meilenstein  gehört  der  großen  Straße  an, 
die  von  lader  über  Nedinum  und  Asseria  nach  Bur- 
num  führte.  Reste  von  ihr  konnten  an  der  südlichen 
Lehne  des  Plateaus  von  Asseria  hinter  dem  Gast- 
hause des  Cerina  (Kilometer  41  der  Reichsstraße)  in 
einer  Ausdehnung  von  zirka  200m  festgestellt  werden 


50:  Bauinschrift  des  Trajanstort-s 


Eine  so  solenne  Ehrung  wie  die  Weihung  einer 
Ehrenpforte  gibt  der  Vermutung  Raum,  daß  die  per- 
sönliche Anwesenheit  des  Kaisers  selbst  die  Ver- 
anlassung   hiezu    bot.     Bei    einer   neuerlichen    Bear- 


(vgl.  Meilenstein  CIL  III  10177).  Über  dem  natür. 
liehen  Boden  ist  eine  Lage  von  grobem  Schotter 
aufgebracht,  auf  der  ziemlich  große,  O"l520m  starke 
Steinplatten     aulliegen.     Da     Rillen     nicht     wahrzu- 


73 


H.  Liebl  und   W.  Wilberg 


76 


nehmen  sind,  dürfte  darüber  wohl  noch  eine  Maka- 
damschotterung  anzunehmen  sein:  vgl.  auch  CIL  III 
3205,  3206;  Tomaschek,  Mitt.  d.  k.  k.  geogr.  Ges. 
Wien  XXIII  514. 


51 :  Kaiserinschrift. 

18.  Prismatischer  Block,  0'96m  h.,  072™  br., 
0'35m  d.,  oben  eine  zirka  0'14m  breite,  ein  wenig 
vorspringende  Leiste,  wie  bei  n.  9,  womit  auch  die 
Abmessungen  auffallend  übereinstimmen.  Buchstaben- 
höhe 0*05   bis  0-I05m  (Fig.  51). 

D(ominis)  n(ostris)  i m  p[cratore)  Licinio  Lic\i- 
niano  Ce\sarc  cons\ulibus  (ann.  319  p.  C.). 

Trotz  der  Verschiedenheit  der  Fundorte  muß 
angenommen  werden,  daß  beide  Inschriftsteine  einst 
demselben  Baue  angehört  und  nebeneinander  ihren 
Platz  gehabt  haben. 

19.  Grabcippus,  cylindrischer  Körper  mit  koni- 
schem Aufsatze  von  der  Form  eines  Pinienzapfens,26) 
dazwischen  ein  skulpierter  Wulst.  Zu  beiden  Seiten 
des  von  einer  Hohlkehle  umrahmten  Inschriftfeldes 
ein  Reliefstreifen  mit  stilisierten  Muten.  Auf  der 
Rückseite  ein  wie  das  Inschriftfeld  umrahmter  leerer 
Spiegel.    Die  Spitze  des  Cippus   abgebrochen.    Höhe 


I*45m,  unterer  Umfang  2-l4m,  oberer  Umfang  1-97™, 
Inschriftfeld  072™  h.,  0-415 m  br.  Buchstabenhöhe 
0-o6  — 0-048  m  (Fig.  52). 

Caesiae  \  7\iti)  J\iliae)  \  Terlyllinac. 

Die  Unterseite  ist  ausgehöhlt  und  bildet  eine 
Mulde  von  o-54m  Durchmesser  und  0-21 m  Tiefe, 
die  die  Aschenurne  geborgen  haben  wird.  Außen 
am  unteren  Rande  sind  Spuren  von  drei  Eisen- 
klammern sichtbar,  mit  denen  der  Stein  offenbar 
einst  auf  einem  Unterbaue  befestigt  war. 


52 :  Grabcippus. 

Das  Denkmal  repräsentiert  einen  im  Gebiete  des 
alten  Liburnien  häufig  vorkommenden  Typus  von 
Grabdenkmälern,  dessen  Verbreitungsgebiet  südlich 
bis  Scardona  (CIL  III  9889),  östlich  ungefähr  bis 
Kistanjc  (Burnum)  reicht.  Die  nördlichsten  Vertreter 
dürften  die  von  Sticotti  und  Nowotny  auf  der  Insel 
Veglia    aufgenommenen     Stücke     sein     (Arch.-epigr. 


Ober  die  Pinie  vgl.  Hülsen  Rom.  Mitt.  XVIII 
'•u  ff.;  Strzygowski,  ebenda  125;  Petersen,  ebenda  312; 
Kisa,  Wcstd.  Zeitschr.    XXV   13  ff.;  Amelung,  Skulp- 


turen des  Vatikan  89b.  Über  den  Pinienzapfen  als 
Dekoration  römischer  Grabsteine:  Bruno  Schröder, 
Bonner  Jahrb.  108/9  S.  70. 


77 


Ausgrabungen  in  Asseria 


78 


Mitt.  XIX  159,  162).  In  der  Höhe  ungefähr  von 
0"8 — l"5m  variierend,  zeigen  die  Denkmale  auch  in 
ihrer  Ausschmückung  mehrfache   Unterschiede. 

Am  Aufsatze  sind  zumeist  Schuppen  angedeutet, 
vereinzelt  ist  derselbe  glatt  gelassen.  Die  Spitze 
bildet  gewöhnlich  ein  zweiter  kleinerer  Zapfen,  des- 
sen Basis  ein  Wulst  umgibt  (Fig.  53  aus  Xona  gegen- 
wärtig in  S.  Donato,  Zara),  ausnahmsweise  ein  offe- 
ner Kelch. 


53:  Bekrönung  eines  cylindriseben  Grabcippus. 

Der  Körper  des  Denkmals,  stets  von  zylindri- 
scher Form,  trägt  das  Inschriftfeld,  das  gewöhnlich 
von  einer  einfachen  Hohlkehle,  manchmal  auch  von 
Blumenfestons  umrahmt  ist  (z.  B.  bei  Cippen  aus 
Scardona  und  Zara  in  S.  Donato  CIL  9889,  10009). 
Figürliche  Darstellungen  zeigt  ein  Cippus  des  Museo 
civico  in  Verona,  vermutlich  dalmatinischer  Her- 
kunft. Gesichert  ist  diese  für  zwei  Cippen,  die  früher 
auf  Schloß  Catajo,  jetzt  sich  in  der  Sammlung  Mo- 
dena  in  Wien  befinden  (CIL  III  2851).  Eine  ganz 
singulare  Form  hat  ein  Cippus,  der,  in  dem  zirka 
eine  halbe  Fahrstunde  südlich  von  Asseria  gelegenen 
Kirchlein  S.  Martin  mit  dem  oberen  Teile  in  der  Erde 
steckend,  alsStütze  derHauptaltarmensadient  (Fig.  54  . 
Der  Aufsatz  ahmt  hier  die  Form  eines  aus  Weiden- 
ruten geflochtenen  und  mit  Bändern  geschmückten 
Korbes  nach,  wie  man  sie  manchmal  den  steinernen 
Urnenbehältern    gab    (Beispiele   in    den  Museen    von 


Spalato  nn<\  Aquüeia),  »gl.  Altmann,  l>k'  röm.  Grab- 
altäre 253  Fig.  [98.  Innerhalb  eines  von  einer  Blatt- 
welle und  auf  drei  Seiten  von  Festons  umrahmten 
Feldes,  die  anscheinend  unfertige  Inschrift: 

L{ucio)  Clodio  Q(uinti)  fiilio)  TUT. 


54 :  Grabcippus. 

Die  Rückseite  ist  in  zirka  ein  Viertel  der  Peri- 
pherie schmucklos. 

Eine  Übergangsform  zu  den  Grabaren  bildet  ein 
Stein  aus  Salona  CIL  III  2156  (gegenwärtig  im 
Museum  zu  Spalato),  bei  dem  der  konische  Pinien- 
aufsatz auf  einem  prismatischen  Körper  sitzt. 

Epigraphischen  Kriterien  zufolge  gehört  die 
große  Menge  der  Cippen  dieser  Art  dem  1.  und  2. 
Jh.  n.  Chr.,  einige  vielleicht  dem  beginnenden  3.  Jh. 
an,  also  einer  Epoche,  während  der  in  Dalmatien 
die  Leichenverbrennung  üblich  war.2')  Diese  Rund- 
cippen  scheinen  sonach  eine  für  Liburnien  besonders 
charakteristische  Form  von  Ossarien  darzustellen,  wo- 


-'  Aus  Nona  ist  das  älteste  bekannte  Beispiel 
eine  Glasurne  mit  Asche  und  einer  Münze  der 
Agrippina,  das  jüngste  eine  solche  mit  einer  Münze 
des  Pertinax.  In  Salona  war  die  crematio  im  I.  und 
2.  Jh.,  fraglich  ob  auch  noch  im  3.  gebräuchlich,  »gl, 
Bulid,  Bull.  Dalm.  1905  p.  3  ff. :  Inscrizione  che  ricorda 
Furius  Camillus   Scribonianus  .  .  .   In   Aquileia  be- 


ginn die  Sitte  der  Leichenverbrennung  und  Glas- 
urnen bereits  in  augusteischer  Zeit,  wurde  besonders 
häufig  unter  den  Flaviern,  seltener  im  2.  Jh.,  um  im 
3.  Jh.  /.u  verschwinden.  Vgl.  Majonicas  Grabungs- 
berichte in  den  Blättern  der  Zentr.il-Kommission  und 
die  Abhandlung  B.iron  Ritters  .Über  Bernsteinfunde 
aus  Aquileia"  ebenda   1 88-i  S.  102:   152;  244. 


79 


H.  Liebl  und  W.  "Wilberg 


80 


bei  allerdings  Verwandtschaft  mit  ostgriechischen  Denk- 
mälern unverkennbar  ist.29) 

20.  Cippus  liburnischer  Form,    Spitze   abgebro- 
chen,  I'39m  h.,  unterer  Umfang   I'88m.    Der  Mantel 
des  Cylinders  oben  und  unten  durch  eine  Blattwelle 
geziert.     Das  Inschriftfeld,   o'35m  b.  und  o'26m  br., 
von  einer  Hohlkehle  um- 


TITO 

rahmt.      Buchstabenhöhe 
c/062  bis  0-02m. 

LAHIO 

MÄIMG* 

TUo 

Laelio 

Maximo 

an(itorum)  XIX  Trosia 
Severa  maier 
f(üio)  p(iissimo)  oder 
p(ositil). 

LaelittS  vgl.  die  Bauinschrift  des  Trajanstores 
(Sp.  73).   An   der  Basis  ein  Dübelloch. 

21.  Fragment  einer  Ära;  linke  obere  Ecke  er- 
halten; 0'32m  h.,  0'175m  br.,  0-I4m  d.  Buchstaben- 
höhe 0'04ra. 

L(ucius)  Doiii[ilins]  Ru[fns  .  .  .  • 


22.  Grabstele,  unten  gebrochen,  0'65mh.,  0'52m 
br.,  0"2md.  Über  dem  von  einer  Hohlkehle  umrahm- 
ten Inschriftfelde  ein  Giebeldreieck,  in  dessen  Mitte 
eine  Maske,  beiderseits  Palmetten.  Buchstabenhöhe 
0-065  bis  0'07m  (Fig.  55). 

L(ucio)  Arrun\tio  \  Maroni  .... 
Arruiiiius  vgl.  n.  23  und  29. 

23.  Fragment,  0*25 m  h.,  o"26m  br.,  0"07m  d. 
Buchstabenhöhe  0-04  5  m. 


Vielleicht    ....    au)gitri 
oder  Name  Au]guri[  .... 
\Arr\untia  [.  .  .  F!ore]n- 
tin[a  .... 


24.  Grabstele,  unten  gebrochen,  an  der  Rück- 
seite später  abgemeißelt,  o-29m  h.,  0-35 m  br.,  0-09m 
d.  Über  dem  von  Wellenlinien  umrahmten  Inschrift- 
feld, in  der  Mitte  eine  Muschel,  zu  beiden  Seiten 
derselben  Delphine,  in  den  Ecken  Ähren.  Buch- 
stabenhöhe 0-025  m  (Fig.  56). 


]  AK  ll\ 


I,  y  ■     " 


H\  \a/y:j 


56:  Bruchstück  einer  Grabstele. 

Maxim!a)e  feliae  (sie)  |   kar(issimae)  aini(oriiui) 

y.  Bruchstück  einer  Grabstele.  p.    men(sium)  |   jrjjr    Maxima   et   |    SeCUttdinuS   \  pa- 

Vgl.  n.  28;  die  beiden  Stücke  gehören  aber  nicht       rcutis  (sie)  pie\ntissim[i  .  .  . 
zusammen.  SccundtHUS  vgl.  n.  7,  15. 

28)  Vgl.  Pfuhl,  Das  Beiwerk  auf   den  ostgriechi- 
schen Grabreliefs,  Jahrbuch  XX  88  Fig.  18,  welcher 
auf  die   Möglichkeit   der  Hcrleitung    des   Konus   aus 
dem   Phallos    verweist,    während   Schröder    vor    allem 
•  abtumulus  die   Urform  des  Konus  beziehungs- 


weise Pinienzapfens  erblickt.  Die  liburnische  Cippen- 
gattung,  bei  welcher  Konus  und  Untersatz  ohne  be- 
sondeis  scharfe  Trennung  aus  einem  Stücke  ge- 
arbeitet sind,  somit  gleichsam  ein  organisches  Ganzes 
bilden,  scheint  Pfuhls  Ansicht  zu  stützen. 


8i 


Ausgrabungen  in  Asseria 


82 


25.  Fragment  einer  Grabstele;  obere  Hälfte  fehlt;  D  Omino)]    u  ostro)  Gal[erio  Auif(usto)]  \  b(ono) 

073m  li.,  o-42m  br.,  o-llm  d.  InschriftfeUl  umrahmt.        r(ei)  p(ublicat)   n(ato). 
Buchstabenhöhe  Z.  I — 4:  0'035In,  Z.  5:0'05nl  (Fig.  57). 


\ 


m 


57:  Bruchstück  einer  Grabstele. 

....    ainiiontmj]    XX  ....    7,osim\_us]    uxori 
\b(ene)  mierenli)]  flecit). 

26.  Fragment,  o-l/m   h.,  0185™  br.,  0*065  m  d. 
Buchstabenhöhe  O'02Gm.  Zeilenlinien  gezogen. 


,  }hit]rono 


VIII.    Außerhalb     der  Stadtmauern    wurden    ge- 
funden und  von  den  bäuerlichen  Besitzern  erworben  : 
a)  Auf  dem  Acker  vor  dem  Trajanstore: 
27.    Fragment    eines    Meilensteines,    0'5I"'    h., 
Durchmesser  034 m,    0-37 '"     Durchschnitt  elliptisch). 
Buchstabenhöhe  o-o6m  (Fig.  58). 

[abreshefte  lies  österr.  archäol.  Institutes  Ivb  XI  Beiblatt. 


58:   Bruchstück  eines  .Meilensteines. 

b)  An   der  Westecke  der  Stadtmauer: 

28.  Ära,  oben  gebrochen,  0'4lm  h.,    o^g1"  br., 

"   d.   Buchstabenhöhe  o'Oig  bis  o"026m  (Fig.  59). 


59:  Bruchstück  einet   Ära. 

[L(ucius)} D]omitiu[s  |  R]ufus[L)fitrac  \  vi 

s(olvit)  /tibctts)  m(crito). 

Der  Dedikant  ist  vielleicht  identisch   mit  der  in 
n.  2t    genannten   Person.      Weihinschriften    an   Latra 

6 


83 


H.   Liebl  und   V.  Wilberg 


84 


haben  sich  außerdem  bis  jetzt  nur  in  Scardona  CIL 
III  2816,  Nadin  III  2857 — 59,  15042,  15043  und 
Karin  III  9970,  997 1  gefunden.  Ihr  Kult  dürfte 
also  auf  liburnisches  Gebiet  beschränkt  gewesen 
sein.  Bildliche  Darstellungen  dieser  Göttin  sind  nicht 
bekannt.  Über  eine  Fälschung  des  Ligorius  rmit 
der  mißverstandenen  Beischrift  C  LATRA  vgl.  CIL 
XI  350*. 

29.  Gribcippus  liburnischer  Form,  die  Spitze 
abgebrochen,  i-26m  h.,  unterer  Durchmesser  0'6m. 
Buchstabenhöhe  0TJ4 m. 


GäRRVN 

TIOCELER] 

GARR/NT 

TIVSSEDA 

TW* ATE  R 

1 —  .              .... 

Ein  C.  Iulius  C.  f.  Ser(gia)  Aetor  CIL  III  3138 
(Dalmatiae  incertae),  für  welche  Inschrift  Furlanetto 
Salonitanischen  Ursprung  vermutete.  Das  prächtige 
Monument  war  wohl  ähnlich  dem  der  Pomponia 
Vera  in  Salona  und  anderen  derselben  Gattung  in 
Aquileia"-(s.  Bull.  Dalm.  1903  Tafel  III,  IV,  V). 


60:  Ornamentierte  Platte  (Sehrägsicht). 


CXßio)    Arrun\tio 
S&ia\tus  paler. 


Celeri  |   G(aius)    Arruttt\itis 


Arriintius  vgl.  n.  22  und  23. 

Etwas  südlicher  gefunden: 

30.  Einst  einem  Prunkdenkmal  angehörende 
Steinplatte,  0-86m  h.,  I'J 5 m  br.,  rj-3m  d.  Teile  orna- 
mentaler Umrahmung,  an  der  Vorderseite  schlecht, 
an  der  linken  Nebenseitc  ziemlich  gut  erhalten 
(Fig.  60).  Buchstabenhöhe  Z.  I :  o-'3m,  Z.  2  und  3: 
0-I m.  Höchstwahrscheinlich  zu  vereinen  mit  einem 
kleinen,  hier  nicht  abgebildeten  Fragmente,  das  bei 
den  Grabungen  an  der  Kirche  an  deren  Ostseite 
ans  Tageslicht  kam.  Dasselbe  ist  0'47m  h.,  0431"  br., 
0*07  m  d.    Buchstabenhöhe  die  gleiche. 

L(ucius)  Iulius  [£{««)?  fiilius) 

Cl]a(udia)  Pr[o]- 
culus  sibi  {et  Se^xito)  Iulio 
■  /  et  /y[,i»-]/'<[a«  . . . 


An  der  Fundstelle  des  größeren  Bruchstückes 
durchgeführte  Grabungen  zeigten,  daß  es  als  Deck- 
platte für  ein  ärmliches  Grab  gedient  hatte,  das 
als  einzige  Beigabe  eine  Lampe  mit  dem  Stempel 
CRESCES  enthielt.  Die  beiden  Fragmente  waren, 
also   schon  im  Altertume  verschleppt  worden. 


z& 


■ 


Cfc>-r», 


WWo 


61:    Inschrift  der  Platte  Fig.  oo. 


85 


Ausgrabungen  in  Asseria 


86 


3 1 .  Zum  Schlüsse  ist  noch  anzuführen  ein  Stempel 
aus  Bronze:  Inschriftfläche  0'03m  h.,  cro5m  br.,  an 
der  Rückseite  ein  bronzener  Bügel  (Fig.  62  a  b). 


62  a  b:  Bronzestempel. 

11  ermes?)  A(ugusti)  n(ostri)  \  r(alionis)  k(astren- 
sis)  c(ommc>ilarieiisis?}. 

Die  kreisförmigen  Zeichen  sind  anscheinend 
Interpunktionen.  Über  die  ratio  castrensis  vgl.  Hirsch- 
feld, Unters,  z.  röm.  Verwaltungsg.  192  —  200;  ferner 
die  Inschriften  CIL  VI  8518,  8519  (.  .  commfentarien- 
sibus)  rat(ionis)  kastr(ensis).  Möglich  wäre,  in  dem 
letzten  Buchstaben  C  den  Beginn  des  Namens  einer 
Unterabteilung  der  ratio  castrensis  zu  erkennen. 

Tonstempel. 
a)  Ziegel. 
Außer  je  einem  Exemplare  der  bereits  erwähn- 
ten   Ziegel    der    LEG-    VIII     AVC  und   LEG  Iffl   FF" 
gefunden  von  Stempeln  der  PANSIANA: 

vgl.  CIL  III  3213  2c;   V  8uo7; 
XI  66852 


PANSIANAS'„ 


T^PANSIANSS"!    =  CIL  XI  668S  7  e  i 

=  CIL III  3213  4;XI6685abcg 
riCLAY^I  PAASTI    =  CIL  v  8iio„a 


OCA.SARPNS 


^V>l  PA/S  iJ 


Über  die  Officina  Pansiana  vgl.  CIL   V  p.  957. 


/<^OBA\i'ROS\    =  CIL  IU  32142;   V  8ll07O; 
'  \        XI  66897, 

^j^S   C{ai)  Juli  Af]rica[ni 

=  CIL  III  3214s;  V  8iio97 


SOLONAS 


'CIL  III  32II3a_cgh;  V8l  IO,j6gi; 
XI  6687 


T-R-DIA]  =  CIL  III  1018343;    V  8110,23;    XI 
6689  199 


CIL  III  14033 


T  dn  CoellQ  =  CIL  V  8no68. 


b)  Lampen. 
ATIMETI     =  CIL  III  32153 
CRESCES  =  CIL  III  32155 
FORTIS     =  CIL  III  32i57 
VIBIANI     =  CIL  III  3215,7 

Erwähnt  mag  noch  werden  ein  Fragment  einer 
christlichen  Tonlampe. 

3.   Kleinfunde. 

Die  Ausbeute  an  Kleinfunden  war  unbedeutend, 
was  aus  der  Durchwühlung  des  durch  Jahrhunderte 
als  Friedhof  verwendeten  Terrains  zu  erklären  ist.  Daß 
andere  Stellen  ergiebiger  sind,  beweist  die  schöne 
Sammlung  von  geschnittenen  Steinen  und  Münzen, 
zum  großen  Teile  asseriatischer  Provenienz,  die  sich 
im  Besitze  des  Herrn  Prof.  Modric  in  Zara  befindet. 

Gegenstände  aus  Bronze: 

Eine  Certosafibel;  drei  römische  Provinzialfibeln; 
eine  Armbrustfibel;  zwei  Fibeln  spätrömischer  For- 
men, darunter  eine  Scheibenfibel  mit  Resten  blauer 
Emaileinlage;  Stilus,  der  Schaft  in  drei  Abteilungen 
verschieden  gerippt,  am  Knopfe  vier  diagonal  ge- 
stellte Putten;  ein  kleines  Schloß. 

Phalera  aus  dünnem  Bleche  getrieben  (Fig.  63); 
Medusenhaupt  von  einem  Eierstabe  umrahmt,  an  den 
beiden  Seiten,  oben  und  unten  Löcher  für  Stifte, 
mit  welchen  sie  an  der  Unterlage  festgehalten  wurde 
(bez.  ähnlicher  Exemplare  vgl.  Bericht  des  Vereins 
Carnuntum  für  1904  Fig.  46  und  Koepp,  Die  Römer 
in  Deutschland  Fig.  64  Mitte);  kleiner  Schlüssel: 
Glocke  mit  eisernem  Schwengel. 

6* 


87 


F.   Ilauser 


88 


Gegenstände   ;i  u  s   Eisen: 

Neun  Pfeilspitzen,  bestimmt,  teils  in  den  Schaft 
eingelassen,  teils  auf  denselben  gesteckt  zu  werden; 
Spitze  rund  oder  zwei-,  drei-  und   vierschneidig. 

Werkzeuge:  Hacke,  Hammer,  Haue,  Sichel, 
drei  Messerklingen,    vier  Schlüssel,    zwei  Schnallen. 

Gegenstände  aus  Bein: 

Kämmchen:  Haarnadel,  am  oberen  Ende  eine 
sich   die  Haare  trocknende  Venus;   ein  Stilus. 


Gegenstände  aus  Ton: 

Zahlreiche  Gefäßfragmente. 

Von  Gegenständen  aus  Stein  fanden  sich 
ein  kleines  Altärchen,  o-o82m  h.,  0-048 m  br.  und 
ebenso  tief,  ohne  Inschrift;  eine  viereckige  und  der 
Deckel  einer  runden  Aschenurne;  Bruchstücke 
mehrerer  Handmühlen  und  endlich  eine  0'26m  h. 
Bankstütze  aus  Kalkstein  in  Form  eines  Greifen- 
fußes (gefunden  am  Trajanstore). 

Wien.  HANS  LIEBL 

WILHELM  WILBERG 


6;,:    l'halera 


Tettix  III. 


In  dem  lieblichen  Kranz  von  Tettix  und  Anli- 
tettix  reiht  sich  Glied  an  Glied.  Auf  meine  zweite 
Abhandlung  hat  Petersen  bereits  wieder  geantwortet, 
und  zwar  diesmal  im  Rheinischen  Museum  1907, 
S.  540 — 549-  Auch  diesmal  wieder  berührt  er  nur  j^anz 
nebenbei  (548)  den  Kernpunkt  der  Frage,  von  dessen 
Beurteilung  das  Schicksal  der  beiden  Theorien  über 
die  Tettigophorie  abhängt,  die  Glaubwürdigkeit  des 
Heraldeides  Pontikos.  Auf  der  Zuverlässigkeil  dieses 
n    und    weiterhin    auf   dem    Sinne    des    Wortes 

./'>;  ruhen  alle  weiteren  Schlüsse.  Darum  meine 
ich,  es  wäre  vernünftig,  zunächst  einmal  diese  Vor- 
fragen säuberlich  zu  erledigen,  anstatt  jedesmal  das 
komplizierte  Problem  vom  A  bis  Z  durchzusprechen. 


Unsere  Aufgabe  ist  damit  gestellt;  wir  suchen 
für  heule  nichts  weiter  als  eine  Antwort  auf  die 
Kragen : 

1.  Sind  die  Worte  des  Heraldeides  Pontikos 
über  die  Tettigophorie  als  vollgültiges  Zeugnis  zu 
achten? 

2.  Was   bedeutet   xptoßÖXoc,? 

Für  Petersen  steht  es  wie  für  Studniczka,  trotz 
allem,  was  ich  dagegen  vorbrachte  und  was  er  nichl 
zu  widerlegen  vermochte,  von  vornherein  fest,  daß 
Herakleides  sein  Wissen  über  die  Tettigophorie  nur 
aus  Büchern  holen  konnte;  für  ihn  fragt  es  sich  höch- 
stens, aus  welchen  Büchern  der  Pontiker  schöpfte. 
Nachdem  früher  außer  Thukydidcs  noch  Aristoplianes 


89 


Tettix   II! 


90 


und  Xanthos  als  Quellen  in  Vorschlag  gebracht  waren 
und  die  beiden  letzten  infolge  meiner  Einwände 
wegfielen,  geriet  Petersen  in  der  Not  gar  auf  „Er- 
klärer des  Aristophanes  und  Thukydides,"  die  frei- 
lich dem  frühesten  ihrer  uns  wirklich  bekannten  Kol- 
legen, dem  Aristophanes  von  Byzanz,  um  erheblich 
mehr  als  ein  Jahrhundert  vorausgeeilt  sein  müßten. 
Aber  diese  ad  hoc  erschaffenen  Geister  verschwanden 
noch  rascher  als  ihre  Vorgänger  und  jetzt,  nachdem 
alle  Wagnisse  dieser  Quellenkritik  sich  als  mißglückt 
erwiesen,  findet  Petersen  plötzlich:  das  Zurückführen 
sei  gar  nicht  notwendig;  Herakleides  habe  den 
Worten  des  Thukydides  nichts  hinzugefügt  als  die 
Platzangabe  7tspi  zb  iiiitoriov  -/.sei  xä{  x6p.a;  und  diese 
könne  er  selbst  erdacht  haben.  Ich  gehe  darüber 
hinweg,  daß  nur  derjenige  den  Zusatz  zu  Thukydi- 
des auf  das  genannte  Plus  beschränken  kann,  wer 
die  Angaben  über  die  Tettiges  isoliert,  während  sie 
doch  den  Bestandteil  eines  Bildes  der  Athener  aus 
der  Perserzeit  ausmachen;  und  dieses  untrennbare 
Ganze  ließ  sich  keinenfalls  dem  Thukydides  allein 
entnehmen:  warum  hätten  sich  auch  sonst  die 
Quellensucher  auf  so  halsbrecherische  Pfade  verirrt? 
Aber  man  merke  wohl:  „erdacht"  hat  Herakleides 
seinen  Zusatz;  er  hat  sich  seine  Erklärung  selbst 
zurecht  gemacht.  Die  Möglichkeit,  daß  in  den  Worten 
des  Pontikers  auch  gutes  Wissen  stecken  könnte, 
wird  überhaupt  nicht  erwogen.  Ergibt  sich  also,  daß 
die  Lokalisierung  der  Tettiges  von  Herakleides  selbst 
herrührt,  so  soll  damit  erwiesen  sein,  daß  sie  auf 
Irrtum  beruht.  Oder  wenn  Petersen  die  weitere  Mög- 
lichkeit eröffnet:  „auch  ein  Früherer  konnte  sie  schon 
erdacht  haben",  dann  beherzigt  er  den  freundschaft- 
lichen Wink  nicht,  mit  dem  ich  ihn  in  meiner  ersten 
Replik  darüber  aufzuklären  suchte,  daß  Nachrichten 
über  eine  alte  Tracht,  falls  man  ihren  Ursprung  höher 


')  Eine  zeitliche  Fixierung  der  Bekanntschaft 
mit  den  xiT-T'.fSj  ergeben  auch  die  beiden,  dieses 
Wort  enthaltenden  Inschriften,  welche  Petersen 
dankenswerterweise  beibringt.  Die  eine  derselben, 
von  Petersen  548  nur  nach  Michaelis  Parthenon  297 
zitiert,  ist  die  später  im  CIA  II  2,  n.  645  publi- 
zierte Urkunde  vom  Jahr  399,'8.  Sie  nennt  Zeile  12: 
XpoofBuc  ä'.aX'>a  aüu,|uxxa  zXivJKmv  xai  wnffaiv. 
Daß  deshalb,  weil  die  beiden  vorausgehenden  Item 
einen  öfjio;  nennen,  nun  auch  unsere  Nummer,  wie 
es  Petersen  »scheint*,  „die  aufgelüsten  Elemente  eines 
nicht  mehr  intakten  5p|l0g"  sein  solle,  das  ist  jeden- 
falls unbeweisbar,    mir    auch   ganz  unwahrscheinlich. 


hinaufrückt,  an  Glaubwürdigkeit  nichts  einbüßen.  Der 
Urheber  dieser  Worte  würde  ja  der  Zeit,  welche 
unbestrittenermaßen  noch  Kenntnis  von  der  Sache 
hatte,  mindestens  näher,  wenn  nicht  in  sie  hinein- 
gerückt; seine  Worte  säßen  dann  erst  recht  fest,  um 
mich  selbst  zu  zitieren.  Auch  wenn  Petersen  meint, 
aus  Bildwerken  hätte  sich  unser  Gewährsmann  nicht 
unterrichten  können;  denn  den  goldenen  Haartouren, 
welche  ich  als  xiTTtYSC  erkläre  und  die  nicht  die 
entfernteste  Ähnlichkeit  mit  dem  Insekt  verraten, 
würde  er  doch  nicht  angesehen  haben,  daß  sie 
TBTKTfSf;  heißen:  so  liegt  allen  diesen  Einwänden  ein 
Axiom  zu  Grunde,  eine  und  dieselbe  unbewiesene 
Voraussetzung,  daß  sich  nämlich  die  Kenntnis  des 
fraglichen  Schmuckstückes  in  den  mittleren  Vierteln 
des  vierten  Jahrhunderts  unbedingt  verloren  haben 
müsse.  Diese  Voraussetzung  ist  aber  nicht  nur  un- 
bewiesen, sondern   beweisbar  falsch. 

Am  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  spricht 
Aristophanes  von  Tettiges  wie  von  etwas  allgemein 
Bekanntem,  einem  Abzeichen,  das  jeder  Zuschauer 
in  Verbindung  bringt  mit  der  schönen  alten  Zeit. 
Dann  mache  man  sich  auch  die  Konsequenzen  aus 
folgender  Erwägung  klar.  Wenn  Thukydides  seinen 
Zeitgenossen  die  Bekanntschaft  mit  dem  Schmuck- 
stück erst  hätte  beibringen  müssen,  sollte  es  ihm 
dann  nicht  gelungen  sein,  die  Beschreibung  so  klar 
zu  fassen,  daß  auch  wir  heute  noch  uns  allein  schon 
aus  seinen  Worten  ein  Bild  von  dem  Schmucke 
machen  könnten?  Nicht  viel  mehr  denn  um  ein  halbes 
Jahrhundert  später,  als  Thukydides  seine  Geschichte 
abfaßte,  verzeichnet  auf  Samos  der  Schreiber  eines 
Inventars  vom  Jahr  346  revtlfsj  und  bezeichnet 
damit  sogar  nach  Petersens  eigenster  Überzeugung 
ganz  richtig  den  vielberufenen  Schmuck1).  Des 
Herakleides   Worte    stammen    keinesfalls    aus   erheb- 


Bestandteile  eines  ursprünglichen  Ganzen  könnte 
man  doch  nur  recht  uneigentlich  als  3Ü|l|ilxxa  be- 
zeichnen. Die  Reihenfolge  beweist  nichts,  wie  die 
beiden  unmittelbar  folgenden  Nummern  zeigen.  Es 
handelt  sich  einfach  um  einen  Fragmentenhaufen. 
Die  y^UQ'.Zia.  3taX:9-a  .  .  .  TerctfCOV  lassen  sich  mit 
Wahrscheinlichkeit  als  Bruchstücke  der  goldenen 
Tettiges  par  excellence  auflassen  und  wir  erfahren 
danach  aus  dem  Inventar,  daß  es  auch  mit  Steinen 
besetzte  Tettiges  gab,  sodann,  was  wichtiger  ist,  daß 
ein  Athener  im  Jahre  399  das  Schmuckstück  bei 
seinem  Namen  zu  nennen  verstand.  —  Wenn  der 
TSTUtjj  in   einem   Inventar  des   Asklepicion  als    Kopf- 


91 


F.  Hauser 


92 


lieh  späterer,  vielleicht  sogar  aus  früherer  Zeit  als 
die  Aufzeichnungen  jenes  Registrators.  Und  dieser 
Herakleides,  der  lange  Jahre  hindurch  in  der  Hei- 
mat der  XETXtfO^öpc  lebte  und  wirkte,  er  soll  da- 
gegen nicht  begriffen  haben,  was  xsxxtfej  sind, 
welche  er  in  der  von  ihm  ausgeschriebenen  Stelle 
des  Thukydides  vorfand?  Willkürlicher  kann  keine 
Annahme  sein.  Warum  die  Vertreter  von  Conzes 
Lösung  so  zäh  Nachdruck  auf  das  Verschwinden 
des  Wissens  von  der  Tettigophorie  legen,  das  haben 
wir  längst  durchschaut:  diese  angebliche  Unkenntnis 
der  Alten,  welche  doch  erst  durch  Diskordanz  der 
Überlieferung  aus  der  fraglichen  Epoche  zu  kon- 
statieren wäre,  dieses  angebliche  Schwanken  brauchen 
die  Gegner,  um  diejenigen  Zeugnisse,  welche  sich  mit 
ihrem  Resultate  nicht  reimen  wollen,  bei  Seite  schieben 
zu  können.  Studniczka  behauptete  ja  sogar,  daß  dem 
Aristophanes  eine  lebendige  Anschauung  von  der 
Tracht  abgehe.  Allein  das  Grundlose  dieser  Annahme 
ließ  sich  so  glatt  wie  möglich  erweisen;  ich  brauchte  nur 
daran  zu  erinnern,  daß  in  den  Rittern  der  Demos  mit 
einem  Tettix  auf  dem  Kopfe,  äp)(a(<p  c%ifj|iaTi  Xaujrpoj, 
sich  dem  gesamten  Athen  zeigte.  Das  Zeugnis  des 
Politikers  ließe  sich  nur  dann  anfechten,  wenn  er 
mit  einem  nicht  minder  glaubwürdigen  Zeugen  in 
Widerspruch  träte.  Davon  ist  aber  gar  nicht  die 
Rede;  Petersen  macht  nicht  einmal  den  Versuch, 
solche  Widersprüche  aufzustechen.  Der  Fall  liegt 
also  völlig  klar:  nach  allen  Regeln  der  Kunst  haben 
wir  das  Zeugnis  des  Herakleides  als  einwandfrei 
anzuerkennen. 

Ob  nun  Herakleides  die  Tettiges,  wie  der  über- 
lieferte Text  lautet,  r.ty.  zb  [lexconov  v.rx:  xa;  xöjiae, 


ansetzte  oder  wie  Birt  meiner  Überzeugung  nach 
richtig  korrigiert,  xa;  y.oppag,  auf  dieses  Dilemma 
brauche  ich  gar  nicht  einzugehen,  weil  Petersen 
(Antitettix  I  79)  die  überlieferten  Worte,  an  denen 
er  festhält,  als  Hendiadyoin  auffaßt  und  mit  „um  das 
Stirnhaar"  überträgt, 'wonach  sie  ohne  Emendation  in 
der  Sache  genau  dasselbe  besagen,  wie  mit  Hilfe 
der  Korrektur.  Bei  dem  Übermaß  an  Streitpunkten 
wird  es  gut  sein,  dieselben  auf  den  allernötigsten 
Umfang  zu  beschränken. 

Laut  unserem  Gewährsmanne  kommen  infolge  des 
ävaäEtairat  der  Korymboi  die  Tettiges  um  die  Stirne 
herum  zu  stehen;  klärlich  sitzen  für  ihn  demnach 
auch  die  Korymboi  selbst  um  die  Stirne  herum.  Was 
für  xipu|ißo£  gilt,  gilt  auch  für  sein  Synonym  xpto- 
P'')ÄC/;.  das  Herakleides  —  wenn  er  Thukydides  ab- 
schrieb —  durch  y.opuußsg  wiedergab.  Die  beste 
Überlieferung  besagt  somit,  daß  der  Krobylos  um 
die  Stirne  herum  zu  suchen  ist,  und  anstatt  dieser 
Angabe  zu  widersprechen,  führen  alle  anderen  Zeug- 
nisse über  den  Krobylos,  welche  ich  jetzt,  da  sie  zur 
Genüge  behandelt  sind,  kurz  resümiere,  genau  zu 
dem  gleichen   Resultate. 

Nur  die  Lukianstelle  läßt  sich  nicht  kurz  ab- 
machen. Petersen  war  bis  jetzt  noch  nicht  zu  über- 
zeugen, daß  das,  was  er  aus  ITXotov  248  herausliest, 
jeglicher  Logik  widerstreitet.  Nicht  weil  ich  mir 
schmeichle,  ihn  zu  bekehren,  sondern  zu  meiner 
eigenen  Rechtfertigung  muß  hier  der  Gedankennexus 
umständlich  aufgerollt  werden.  Der  Negerknabe  tragt 
nach  Petersens  Meinung  (Antitettix  I  77)  den  Conze- 
schen  „Krobylos",  somit  —  ebenfalls  nach  gegneri- 
scher  Auffassung    —    dieselbe    Frisur    wie    attische 


schmuck  gelten  darf,  so  ließe  sich  in  Athen  die 
Kenntnis  desselben  sogar  bis  ins  Jahr  339  verfolgen; 
denn  die  Inschrift  ist  datiert.  CIA  II  2,  n.  766,  Z.  20 
heißt  es:  tpiöAY]  äp-füpä  .  .  .  npög  x(p  Tsraft  rtßgoXCvcp 
T(jS  xaxaxeXPOOtOuivq).  Daran  knüpft  Petersen  die  rätsel- 
hafte Bemerkung:  „Der  xixx:;  ist  wie  andere  Haller 
von  Weihegaben,  z.  B.  Jtivcixiov  2  und  10,  eXuxpov 
9,  -/.z/.'.i;  5,  bei  denen  es  sonst  auch  nicht  jedesmal 
angegeben  wird,  TtpÖJ  xm  TOlX<P  befestigt  zu  denken?" 
I  r-trns  sind  „die  anderen  Halter"  keine  Halter,  am 
wenigsten  in  dem  Sinne  wie  Petersen  den  Tettix 
hier  versteht,  nämlich  als  einen  Haken,  an  dem  die 
Phiale  hängt.  Zweitens  liegt  nicht  der  mindeste 
Grund  vor,  den  x£xxi£  als  Halter  aufzufassen.  Das 
-•/'ji  x<J>  XÄXTtft  gibt  lediglich  einen  in  die  Augen 
fallenden    Punkt    des    Schatzraumes    an,     in    dessen 


Nähe  die  Schale  zu  linden  ist;  genau  so  Zeile  10: 
£v  ravaxftp  TCpi;  xt»  'Avxrfipaj  TCtvaxCcp.  Was  mit  dem 
Tettix  der  Inschrift  gemeint  ist,  läßt  sich  nicht  mehr 
sicher  ausmachen.  Möglicherweise  handelt  es  sich 
um  eine  vergrößerte  Nachbildung  des  Insekts,  das 
ja,  wie  die  Sotades-Schale  mit  ihrer  ursprünglich 
vergoldeten  Zikade  im  Innern  (Froehner,  Collection 
van  Branteghem,  Taf.  35)  lehrt,  eine  beliebige  or- 
namentale Verwendung  finden  konnte;  vielleicht  han- 
delt es  sich  aber  auch  um  einen  xexxtü  als  Haar- 
schmuck  entsprechend  meiner  Auffassung,  eine  Haar- 
tour, die  recht  wohl  aus  Holz  hergestellt  werden 
konnte.  Sicher  ist  nur  so  viel,  daß  ein  XEXXtü  ent- 
sprechend den  Drahtspiralen  ausgeschlossen  bleibt, 
weil  solche  in  Holz  sich   nicht  imitieren  ließen. 


93 


Tettix  III 


"I 


Eudaimones.  Lediglich  aus  dieser  Tatsache,  aus  der 
Frisur  der  Freiesten  unter  den  Freien  Attikas,  soll 
Lykinos,  der  im  Dialog  als  Attiker  auftritt,  den 
Schluß  ziehen:  also  ist  der  Knabe  —  kein  Freier. 
yj  x6u.v]  5s  xal  Ig  TOÜTtiaco  6  kX6y.o.\io£  auvsarcstpauivoc; 
oüx  sAs63-ep&v  aüxöv  cpijatv  stvai.  Petersens  Voraus- 
setzungen als  richtig  anerkannt,  läp.t  sich  diese  Fol- 
gerung nicht  anders  bezeichnen  denn  als  barer  Nonsens. 
Trotzdem  fällt  Timolaos  angesichts  eines  solchen 
Monstrums  von  Schluß  nicht,  wie  man  erwarten 
sollte,  auf  den  Rücken;  sondern  ganz  ruhig  entgeg- 
net er:  toOxo  uiv  sü"fsvs(ag,  o>  Auxtvs,  avjUEiiv  eaxt 
At-fU7ix(ag  yj  xout).  Die  ej  xoürcfaw-Frisur  gilt  ja  in 
Ägypten  als  Abzeichen  eines  Freien,  sagt  er;  dein 
Schluß  ist  falsch,  weil  es  sich  in  unserem  Fall  um 
einen  Ägypter  und  nicht  um  einen  Attiker  handelt. 
Damit  wird  aber  implicite  die  Richtigkeit  des 
Schlusses  für  attische  Verhältnisse  zugegeben.  Da 
jedoch  der  SchluB  mit  Petersens  Prämissen  unmög- 
lich richtig  sein  kann,  so  sind  eben  die  Prämissen 
falsch.  Zweifellos  durfte  man  zu  Lukians  Zeit  in 
Attika  aus  einer  Frisur,  wie  sie  der  Neger  trägt, 
auf  einen  Sklaven  schließen;  somit  können  die  Per- 
sonen des  Dialogs  die  Negerfrisur  nicht  mit  dem 
von  ihnen  durch  Thukydides  belegten  Putz  attischer 
Eudaimones  identifiziert  haben.  Lediglich  auf  Grund 
der  Tatsache,  daß  die  Frisur  des  Ägypters  kc,  zoünlaü) 
sitzt,  taxiert  Lykinos  ihren  Träger  als  Nicht-Freien ; 
beim  Freien  also  erwartete  er  den  Putz  nicht  hinten, 
das  heißt  doch  wohl  vorne.  Nach  Lukians  Auffas- 
sung trugen  somit  die  attischen  Freien  ihren  Haar- 
putz, für  welchen  er  sich  auf  Thukydides  beruft, 
vorne;  nach  Lukian  saß  demnach  der  Krobylos  über 
der  Stirne.  —  Nur  damit  Petersen  sich  nicht  un- 
nötig freut,  ich  hätte  mich  selbst  ad  absurdum  ge- 
führt, muß  ich  ihm  seinen  Einwand,  den  ich  vor- 
aussehe, im  voraus  abschneiden.  Er  würde  wohl 
einwenden:  „Die  Frisur  des  Negers  ist  ja,  wie  ich 
bewiesen  habe,  der  Conzesche  Krobylos  und  daß 
dieser  von  Freien  getragen  wurde,  läßt  sich  gar  nicht 
abstreiten."  Das  letztere  ist  wahr;  nicht  richtig  ist 
aber  die  Identifikation  der  Negerfrisur  mit  dem 
Pseudokrobylos.  Lukian  beschreibt  den  Neger  so: 
ävaäsSeuivGv  s!g  xoOmau)  xrjv  x6u,yjv  sti'  ä(icfiT£pa 
xoü  |i£X(ü7tou  ä7i7j-fuiv7jv  und'.s;  xoÜ7t£au>  <5  nXöxa|io; 
auvsa~sipanEvo;.  Die  Zeichnung  ist  klar  und  deutlich. 
Der  Neger  hat  sein  Haar  nach  beiden  Seiten  der 
Stirne  hin  gestrichen  und  dann  dasselbe  nach  hinten 
aufgebunden,  was  später  noch  ergänzend  beschrieben 
wird  :  hinten  sitzt  eine  zusammengewundene  Flechte. 


Das  Haar  vom  vordem  Teile  des  Kopfes  ist  also 
hinten  auf  dem  Wirbel  gebunden;  es  wird  nicht, 
wie  beim  Conzeschen  Krobylos,  das  herabfallende 
Nacken  haar  wieder  aufgenommen.  Um  den  Leser 
zu  überzeugen,  wie  völlig  verschieden  beide  Frisuren 
ausschauen,  führe  ich  ihm  eine  treue  Illustration  von 
Lukians  Schilderung  vor,  und  zwar  durch  eine 
männliche  Büste  im  Prado  zu  Madrid  (Hübner,  n.259), 
welche  Arndt  im  Porträtwerk,  n.  509 — 510,  ver- 
öffentlichte; danach  unsere  Abb.  64.  Das  erst  gegen 
die  Schläfen    hin    gelegte,    dann    mit    seinen    Enden 


64  :  Männliche  Büste  im  Prado  zu  Madrid. 

hinten  am  Wirbel  zusammengebundene  Haar  wird 
hier  in  seinem  überschießenden  Strange  spiralförmig 
gedreht  und  ringförmig  zu  einem  Nest  aufgerollt; 
dieses  Nest  ist  der  itA6y.au,o;  ouvsatutpauivo;. 

Gerade  die  beiden  letzten  Worte,  und  sie  für 
sich  allein  schon,  enthalten  eine  Schilderung,  zu 
welcher  der  Conzesche  Krobylos  mit  seinen  zwei 
Knicken,  die  keine  a~stpa  bilden,  nicht  paßt.  Es 
war  aber  auch  gar  nicht  zu  erwarten,  daß  die  Frisur 
einer  Person,  welche  Lukian  in  einer  zeitgenössi- 
schen Szene  auftreten  läßt,  übereinstimmen  sollte 
mit  dem  Pseudokrobylos,  welcher  doch  mit  den 
Perserkriegen  aus  attischen  Darstellungen  verschwand. 
—  Aus  Lukian  gewannen  wir  das  Resultat:  der 
Krobylos  sitzt  über  der  Stirne. 

Die  übrigen  Zeugnisse  über  den  Krobylos  lassen 
sich    rascher  überblicken. 


95 


F.   Hauser,  Tettix  III 


Q6 


Antike  Schriftsteller  kennen  -/yiz^.'j.:  y.opyu.ßa'. 
(Asios)  und  xpwßöXot  '/yi^v-  (Plntarch),  und  zwar 
sprechen  sie  nicht  bildlich,  wie  man  von  goldnen 
Locken  redet,  sondern  in  recht  eigentlichem  Sinne, 
wenn  nach  Plutarch  die  goldenen  Krobyloi  ab- 
gelegt werden  mit  anderen  Schmuck-  oder  Kleidungs- 
stücken. —  Die  einzige  Tür  das  Altertum  nachweis- 
bare Tracht,  welche  in  Gold  Haare  nachahmt,  sitzt 
r.Ey.  -.b  [istomcov,  denn  sie  stellt  Stirnschöpfe  aus 
Gold  dar. 

Xenophon  erzählt  von  einem  Krobylos  am  Helm 
der  Mossynoiken.  Da  es,  wie  sich  zur  Genüge  er- 
weisen ließ,  eine  im  Altertum  weit  und  lange  Zeit, 
auch  noch  zu  Xenophons  Zeit,  verbreitete  Sitte  war, 
Helme  mit  einer  Nachahmung  menschlicher  Haare 
zu  verzieren,  so  kann  das  Wort  xptoßüXoe,  bei  Xeno- 
phon in  keiner  andern  als  seiner  geläufigen  Be- 
deutung, im  Sinne  von  Haaren  verstanden  werden. 
Die  Haartouren  sitzen  aber  an  den  erhaltenen  oder 
in  Kunstwerken  dargestellten  Helmen,  und  zwar 
auch  an  Helmen,  welche  mit  den  von  Xenophon 
beschriebenen  in  nächster  Verwandtschaft  stehen 
abermals  ~iy.  ~b  ftixamm  und  stellen  Stirnschöpfe 
vor  2). 

Der  Krobylos  wird  laut  einem  Thukydides- 
Scholion  bei  Kindern  QV.op~.iCi-  genannt.  Gegen  die 
von  Pottier  vorgeschlagene,  von  mir  akzeptierte 
Identifikation  des  Skorpios  mit  dem  Scheitelzopf  der 
Kinder  macht  Petersen  einen  arg  kurzsichtigen  Ein- 
wand. Freilich  würde,  wie  er  bemerkt,  das  Bild  des 
Skorpions  an  sich  auf  jeden  beliebigen  Zopf  passen. 
Sintemalen  aber  griechische  -ai?=;  keinen  Gretchen- 
zopf  trugen,  wohl  aber  die  Scheitelflechte  und  weil 
ein  anderes  Thukydides-Scholion  den  xpcoßüXog  als 
i\\-'/.rs/.il  'xr.b  xoO  iistooticj  sni  xopo<p?)v  £vi)Y|i£v»] 
beschreibt,  so  bezieht  sich  die  Bezeichnung  sxopnEs; 
eben  auf  den  Scheitelzopf  und  keinen  andern  Zopf. 
Der  Skorpios  wurde  aber,  wie  man  sich  wohl  am 
deutlichsten  an  dem  Kopf  des  bogenspannenden  Eros 
(Monuments  Piot  XIII,  Tat  II)  überzeugen  kann, 
aus  den  Stirnhaaren  geflochten.  Den  Krobylos  tauft  man 
bei  Kindern  nur  darum  Skorpion,  weil  er  in  einen 
Zopf  geflochten   an   dieses  Tier  erinnert.   Bezöge  sich 


das  Wort  xpcojiuXog  auf  eine  bestimmte  Frisur,  so 
müßte  demnach  der  Krobylos  stets  die  gleiche,  durch 
den  Namen  axoprtioj  festgelegte  Form  aufweisen. 
Einen  Scheitelzopf  tragen  nun  aber  Männer  von  Be- 
ginn der  griechischen  Kultur  an  überhaupt  nicht 
mehr.  Wenn  also  trotzdem  griechische  Männer  einen 
xpinßüXs;  haben,  so  kann  mit  dieser  Bezeichnung 
nicht  die  .Form",  um  Petersens  terminus  beizube- 
halten, sondern  nur  der  „Stoff"  gemeint  sein,  aus 
welchem  auch  jener  axopr.ioj  hergestellt  wird,  und 
das    ist    in    diesem   Falle  wiederum  der  Stirnschopf. 

Krobylos  beim  Mann,  Korymbos  bei  der  Frau, 
Skorpios  beim  Kind,  sagt  das  Scholion.  Für  alle 
diese  drei  Worte  ließ  sich  unabhängig,  entweder 
durch  direkte  Zeugnisse  oder  durch  zwingende  Fol- 
gerungen, der  Sinn  „Stirnschopf''  festlegen.  Es  sind 
Schriftsteller  der  verschiedensten  Zeiten,  es  sind  die 
verschiedensten  Wege,  sowohl  schriftliche  als  monu- 
mentale Überlieferung,  welche  uns  übereinstimmend 
zum  selben  Resultat,  auf  die  gleiche  Bedeutung  des 
Wortes  hinleiteten.  Der  Sinn  des  Wortes  ist  damit 
so  sicher  statuiert,  als  man  nur  wünschen   kann. 

Wenn  aber  xpioßöXq;  einen  Stirnschopf  bedeutet, 
so  läßt  sich  für  die  Tettigophorie  keine  andere  Er- 
klärung finden,  als  ich  sie  erschlossen  habe.  Wer 
anderer  Ansicht  ist,  den  bitte  ich  zuerst  meine  Eru- 
ierung des   Wortsinnes   von  xptoßöXoj  zu  widerlegen. 

Petersen  gesteht  zum  Schlüsse  seiner  zweiten 
Entgegnung  zu,  daß  nach  meinen  Einwendungen  die 
Erklärung  der  Goldspiralen  als  Tettiges  „mißlich" 
geworden  sei.  Da  kann  ich  nun  allerdings  meinem 
Gegner  eine  bittere  Wahrheit  nicht  ersparen:  wenn 
er  keine  Tettiges  mehr  hat,  dann  hat  er  auch  keine 
Lösung  mehr  für  die  Tettigophorie.  Mit  einer  „Kro- 
bylostracht"  darf  uns  heutzutage  keiner  mehr  kommen. 
Bloß  deshalb,  weil  durch  Conze  das  ganze  Problem 
schief  gestellt  wurde,  soll  dieser  Irrtum  nicht  in  in- 
finitum  weiterleben.  Petersen  muß  also,  wenn  er  sich 
berufen  fühlt,  eine  bessere  Erklärung  für  die  Tetti- 
gophorie zu  finden,  wieder  von  vorne  anfangen.  Auch 
ihm  zulieb  wollten  wir  unsere  heutige  Darlegung 
auf  die   Anfangsgründe  einschränken. 

Rom.  FRIEDRICH  HAUSER 


2)  Ich  bitte  den  Leser,  zu  kontrollieren,  in  wel- 
i  her  Weise  ich  nach  Petersen  543  meine  Identifi- 
kation des  xptopÜXoj  am  Mossynoikenhclm  motiviert 
haben  soll  und  wie  ich  dieselbe  lettix  II  ig  tät- 
lich motiviert  habe.  —  Wie  Petersen  bezweifeln 
kann,    daß    die    Lederhelme    Wangenschirme    gehabt 


haben,  ist  mir  unklar;  die  Backenlaschen,  welche 
bestimmt  sind,  unter  dem  Kinn  geknüpft  zu  werden, 
von  derselben  Gestalt  wie  eherne  -apa-fvalKSe;,  sind 
doch  ein  regelmäßig  wiederkehrender  Bestandteil  der 
Tiara.  Ein  Beispiel  für  hundert:  der  Satrap  auf  der 
Münze   von   Kolophon    illead,  Guide    H).   27). 


97 


98 


Antiken  aus  Amphipolis. 


Außer  den  in  diesem  Bande  der  Jahreshefte 
S.  142  ff.  mitgeteilten  .thasischen  Antiken'  enthält  die 
Sammlung  Adolf  Wix  de  Zsolna  noch  einige  aus  der 
Gegend  von  Amphipolis  erworbene  plumpe  Steinmetz- 
arbeiten römischer  Zeit  sowie  mehrere  griechische  für 
diese  Gegend   typische  Terrakotten. 


den  Füßen  einen  Schemel;  der  Thron  hat  eine 
Rückenlehne  mit  breitem  Schulterbrette;  dieses  ist 
zur  Linken  der  Figur  gebrochen  und  läßt  an  dieser 
Bruchstelle  den  schwarzen  Kern  des  Tones  erkennen, 
von  welchem  Perdrizet  spricht,  Bull,  de  corr.  hell. 
XXI  (1897)  p.  516. 

Acht  Exemplare  vertreten  den  schon  bekannten 
Typus  der  sogenannten  Attisfigürchen;  ihre  durch- 
schnittliche Höhe  beträgt  0/16 — 0-l7m;  Winter,  Tvpen 
der  figürlichen  Terrakotten  I  S.  XXXVIII,  XXXI  X  ; 
II  S.  371  f.;  Perdrizet,  Bull,  de  corr.  hell.  XXI  (1897) 
p.  514  sq.,  pl.  V — VIII.  In  schwerer,  zum  rauhen 
Klima  Thrakiens    passender   Kleidung,    die  nur  Ge- 


65:  Hirtenknabe  (Terrakotta). 


66 :  Schlafender  Hirtenknabe  (Terrakotta). 


Die  Terrakotten  zeigen  alle  den  für  den  Fundort 
charakteristischen,  schlecht  durchgearbeiteten  Ton 
(s.  Winter,  Typen  der  figürlichen  Terrakotten  I 
S.  XXXVIII  f.),  stellenweise  schwache  Spuren  von 
Bemalung,  hellblau  und  rosa. 

Eine  stellt  den  so  verbreiteten  Typus  einer  steil 

thronenden  Frau  dar,  sie  ist  tri 33™  hoch;  in  langem 

Gewände   sitzt    die    Figur   aufrecht   da,    einen   Polos 

auf  dem   Kopfe,    eine  Schale    in   der  Rechten,    unter 

Jahreshefte  des  nsterr    arcbäol.   Institutes    Bd    XI   Beiblatt. 


sieht  und  Hände  frei  läßt,  sitzt  ein  Hirtenknabe  auf 
einer  Erhöhung  des  Bodens,  mit  der  Rechten  eine 
Syrinx  an  Kinn  oder  Brust  (Fig.  65)  haltend;  er  ist 
allein  oder  von  einem  ruhig  an  seiner  Seite  sitzenden 
Hunde  begleitet. 

Kin  weiteres  Stück  stellt  den  Hirtenknaben 
schlafend  dar  (Fig.  66,  vgl.  Perdrizet,  Bull,  de  corr. 
hell.  XXI  [1897]  P-  5lS  1'ieiiiieie  varietc  c'l;  die  Terra- 
kotte mißt    o-um    in  der  Höhe;    der  Hirte  hat  den 


99 


H.  Sitte 


Kopf  in  die  linke  Hand  gestützt,  die  Rechte  liegt 
mit  derSyrinx  im  Schöße;  der  Hund  springt  wachsam 
an  der  linken  Seite  des  Schläfers  empor;  ob  zu  den 
Füßen  der  Figur  noch  ein  Hund  oder  ein  Tier  der 
Herde  gelagert  ist,  läßt  sich  nicht  deutlich  erkennen. 


über  dem  Überschlage  gegürtetem  Gewände,  das  an 
die  Tracht  verwandter  Artemistypen  erinnert;  nur 
fehlt  das  quer  über  die  Brust  verlaufende  Tragband 
des  Köchers.  Diesen,  eine  reiche  Faltenbildung  ermög- 
lichenden Typus  hat  der  römische  Steinmetz  nur  un- 
entwickelt roh  gearbeitet;  ganz  abstoßend  wirkt  die 
organisch  unmögliche  Art,  wie  zwei  Faltentäler  des 
Überschlages  auf  dem  den  linken  Schenkel  bedeckenden 
Gewände  weitergeführt  sind.  Mit  sandalenbekleideten 
Füßen  ruht  die  Figur  auf  einer  dicken,  nahezu  drei- 
eckigen Plinthe  auf,  deren  längere  Achse  0*32  m  mißt 
bei  einer  Breite  von  0265  m. 


67:  Torso  einer  Nikestatuette. 

I  las  gut  durchgebildete  Stellungsmotiv  des  Schlafenden 
spricht  wohl  mehr  für  die  von  Perdrizet  a.  a.  O.  vor- 
geschlagene Datierung  dieser  „Altisfigürchen"  in 
hellenistische  Periode,  als  für  den  von  Winter  a.a.O. 
vermuteten   Ansatz  im   vierten  Jahrhundert. 

Torso  einer  Nikestatuette  (Fig.  67)  aus  weißem 
Marmor,  c/655  ra  hoch;  gebrochen  sind  beide  Arme 
von  oberhalb  der  Ellbogen  an,  Hals  und  Kopf,  beide 
Flügel  bis  auf  deutlich  erkennbare,  groß  befiederte 
Ansätze,  ferner  ein  Teil  der  hinter  dem  linken  Beine 
hcrabgehenden  Gewandfalte.  Nike  ist  stark  aus- 
schreitend  dargestellt,    in  langem,  unter  den   Brüsten 


68:  Grabrelief. 

Den  auf  Denkmälern  aus  dieser  Gegend  sehr 
häufigen  „thrakischen  Jäger"  zeigen  zwei  Reliefs  aus 
weißem  Marmor.  Das  kleinere  (Fig.  70)  0'26m 
breit,  0191'1  hoch  und  fast  o'Oö m  dick,  zeigt  den 
Reiter  im  weichen  Chiton;  sonst  gleicht  es  bis  auf 
unwesentliche  Abweichungen  dem  Typus  des  größe- 
ren. Von  diesem  (Fig.  68)  ist  an  der  linken  oberen 
Ecke  ein  Stück  abgestoßen;  es  mißt  0'325  "'  in  der 
Breite,  etwas  über  C42  m  der  Höhe  nach  und  ist 
hinten  gerundet,  so  daß  seine  Dicke  an  den  Seiten 
nur  O'OJ  '",  in  der  Mitte  aber  0*1  '"  beträgt.  Darge- 
gestellt    ist   ein    in    Schuhen,    Panzer   und    fliegender 


101 


Antiken   aus    Amphipolis. 


I02 


Chlamys  auf  seinem  Pferde  nach 
rechts  hinsprengender  Jäger,  der 
in  der  erhobenen  Rechten  sei- 
nen Jagdspieß  gegen  einen  aus 
einem  Walde  hervorbrechenden 
Eber  schwingt  und  von  einem 
Hunde  begleitet  ist;  um  den 
Baum  windet  sich  eine  Schlange 
empor,    wie    oft    auf   Grabreliefs 

in  symbolischer  Bedeutung. 
Buchstabenform  und  Ligaturen 
der  Inschrift  weisen  nach  gütiger 
Mitteilung  Herrn  Prof.  Wilhelms 
in  das  zweite  Jahrhundert  unse- 
rer Zeitrechnung : 

Aucpwvfa  Eü~op(a 

7j  u,r)-ur;p  y.ai  T.  AO^oüaTio; 

Mavvslo;  ö  äSeXcf&s  T.  Aü- 

'^ouaTiw   UpEtprfevst   U.vr)|lTfj; 
Xäptv 
Außerdem  enthält  die  Samm- 
lung noch    eine    im  Handel    er- 
worbene   Bronzestatuette    des 
Zeus   von    unbestimmter   Prove- 
nienz   (Fig.   69)    0-084 m    hoch; 


69:  Zeusstatuettc  aus  Bronze. 


Ich  erwähne  zum  Schlüsse 
noch,  daß  Herr  Wix  in  seine 
Sammlung  auch  einige  Proben 
von  gefälschten  Antiken  aufge- 
nommen hat,  wie  sie  in  jenen 
Gegenden  oft  im  Handel  vor- 
kommen. Ihre  Ränder  sind 
immer  merkwürdig  rund  wie 
abgeschliffen,  der  Verlauf  der 
Bruchlinien  ist  der  für  ihre 
Gattung  typisch  „schonungs- 
volle", nur  berühmte  Kunst- 
werke, wie  ein  Herakles  Far- 
nese,  ein  myronischer  Diskobol 
finden  sich,  eine  Leda,  ein  Her- 
mes, Perseus  usw.  werden  in 
unmöglichen  Stellungen  darge- 
boten, dazu  kommen  unpassende 
Beischriften,  oft  auch  nur  ganz 
unsinnige  Buchstabenreihen.  Die- 
ser Kategorie  gehört  offenbar 
auch  das  von  Deonna  in  der 
Rev.  Archeol.  1908  p.  37  Fig.  8 
abgebildete    „Fragment"   dersel- 


ben Gegend  an.  Der  gleiche 
sie  ist  bei  beiden  Knöcheln  gebrochen,  außerdem  rundliche  Rand,  der  merkwürdige  Verlauf  der  Bruch- 
fehlt das  Zepter  in  der  Linken  und  die  vordere  Hälfte  linien,  der  gleiche  „Stil"  lassen  sofort  erkennen,  daß 
des  in  der  gesenkten  Rechten  gehaltenen  Blitzbündels.        es  auch  aus    derselben  Quelle   stamme. 


Wien. 


HEINRICH    SITU- 


;u :  Grabreliel 


7* 


io? 


1 04 


Aus  Doclea. 


Cetinje  rühmt  sich  ebenfalls  ein  Museum  zu  be- 
sitzen; im  Zetski  dorn,  einem  der  wenigen  größeren 
Gebäude  der  montenegrinischen  Kapitale,  das  einen 
Theatersaal  und  eine  Lesehalle  enthält,  sind  zwei 
Zimmer  der  Landesbibliothek  und  der  Sammlung 
archäologischer  Funde  gewidmet.  Die  letzteren,  wahl- 
los zusammengeklaubte  Antikaglien  und  Münzen,  fast 
ausschließlich  aus  Doclea,  lagern,  mit  rezenten  Kuri- 
ositäten gemischt,  in  verstaubten  Papiertüten  in  zwei 
Glaspulten.  Das  wichtigste  zogen  wir  am  21.  Mai 
1908  unter  einem  Bücherkasten  hervor;  zwei  kleine 
Kalksteinreliefs  des  Hermes  Psychopompos,  die  vor 
Jahren  von  der  oben  genannten  antiken  Ruinenstätte 
nächst  Podgarica  nach  Cetinje  gebracht  worden  waren. 
a)  Oben  abgerundeter,  seitlich  glatter,  rückwärts 
unbearbeiteter  Cippus  mit  unten  gerauhter  Vorderseite, 
war  also  in  einem  Lager  eingezapft.  Hermes  steht, 
bis  auf  die  Flügelkappe  unbe- 
kleidet, in  Vordersicht  (r.  Stand- 
bein), schultert  mit  der  Linken 
das  Kerykeion  und  stützt  die 
gesenkte  Rechte  auf  einen  Stab 
auf  (Fig.  71). 

b)  Analoge  Darstellung  des 
Gottes  in  einer  bogenförmigen 
A.dikula,  der  aber  hier  noch  mit 
der  auf  der  r.  Schulter  mit  einer 
knopfartigen  Fibel  zusammen- 
gehefteten Chlamys  bekleidet  ist. 
Hermes,  durch  den  Stab  als 
Toten  führer  charakterisiert,  ist 
sonst  innerhalb  der  alten  Provinz  Dalmatien  nur  noch 
sicher  aus  Sopotnica  bei  Gorazda  in  Südbosnien  und 
wahrscheinlich  aus  Dünji  Unac  in  Bosnien  nach- 
lar.  (Wissenschaftliche  Mitteilungen  aus  Bosnien 
IV  245  f.  Fig.  3  und  4.)  Von  diesen  beiden  Tiar- 
stellungen unterscheiden  sich  die  neuen  dadurch, 
daß  dort  der  Stab  eine  kurze,  leichte  Gerte  bildet, 
hier  dagegen  als  langer  Stock  zum  Stützen  verwendet 


71 :  Hermesrelief 
aus  Doclea 


wird.  In  Doclea  scheint  der  Totengott  Hermes  nach 
den  beiden  Beispielen  zum  Gräberschmucke  größere 
Verbreitung  gefunden  zu  haben,  und  zwar,  wie  mau 
aus  der  Roheit  der  Arbeit  schließen  möchte,  auch 
in  der  ärmeren,  niederen  Volksschichte.  R.  Münster- 
berg, der  zuerst  die  Hermesdenkmale  mit  Stab  und 
Kerykeion  behandelt  hat  (Archäologisch-epigraph. 
Mitteilungen  XV  135  ff.),  erkannte  aus  ihrer  Sta- 
tistik, daß  Hermes  Psychopompos  im  römischen 
Reiche  „durchaus  nur  auf  griechischem  Gebiete" 
vorkomme.  Auch  für  Doclea  trifft  das  insoferne  zu, 
als  die  Stadt  unter  ihrer  Bewohnerschaft  einen  starken 
Prozentsatz  Griechen  hatte.  CIL  III  12.702  (vgl. 
13.822)  wird  von  einem  in  Doclea  Verstorbenen  ge- 
rühmt, er  sei  artis  grammaticae  graecae  peritissimus 
gewesen;  die  Grabschrift  12.708  (vgl.  p.  2.252)  ist 
nur  griechisch  abgefaßt;  in  der  lateinischen  Inschrift 
13.832  kommen  griechische  Buchstaben  vor  und 
schließlich  verraten  die  orientalische  Herkunft  ein- 
zelner Familien  die  griechischen  Personennamen  (vgl. 
z.  B.    8289). 

Anhangsweise  sei  notiert,  daß  der  von  \V.  Ku- 
bitschek  nach  einer  Zeichnung  des  russischen  Malers 
Tourron  v.  Kibaltchitch  in  diesen  Jahresheften  1906, 
Beiblatt  Sp.  87  f.,  Fig.  33,  veröffentlichte  Sarkophag 
aus  Doclea  zehn  Tage  vor  meiner  Ankunft  nach 
Cetinje  überführt  und  dort  vor  dem  Zetski  dorn  auf- 
gestellt wurde.  Die  Kollation  der  Inschrift  ergab 
einige  Korrekturen;  sie  wird  deswegen  hier  noch 
einmal  reproduziert. 


D 


M 


Serajevo. 


PC-CORNELIO 
IVLIOQVIVIXIT 
AN     LVIVLIAET  sie 
IRENEFILIAS     sie 

PATRIPIENTIS 

SIMO 

CARL  PATSCH 


105 


io6 


Zu  den  griechischen  Inschriften  Bulgariens. 


Die  Unterlage  der  folgenden  Bemerkungen  ist 
die  treffliche  Ausgabe  Kalinkas  in  den  Antiken 
Denkmälern  Bulgariens  (Schriften  der  Balkankommis- 
sion, Antiquarische  Abteilung  IV,  Wien   1906). 

94.  (Beschluß  der  Stadt  Kaliatis,  etwa  100 a) 
Z.  18 — 29:  die  von  dem  Herausgeber  bemerkten  Un- 
regelmäßigkeiten werden  auf  eine  schlecht  und  un- 
deutlich oder  ungenügend  verbesserte  Abschrift  zurück- 
gehen. Ein  ebener  Wortlaut  wird  mit  einer  Umstel- 
lung1) und  zwei  Einschiebungen  erreicht:  isiiX')'«'-  xät 
ßouXäL  xai  xöl  3au.üK,  s~a'.7sT3{)-ai  ulv  srci  xv'ixo:;  xiv 
te  3ä|iov  xiv  ATtoXXcovtaxäv  sxovxa  xöv  7ipo3-6|j.coj 
ävx'.Xau.ßavdusvov  xä;  KoXXaxiavtüv  aioxripix;  xai  2xpa- 
xtovaxxa  AtrfSautos,  E-affEiXacik«  (Sä)  köxöx,  öxt 
6  3äu.oj  äTioxaxaaxaö-Evxwv  aüxcöi  xmv  Ttpa-fu.axojv  sig 
xiv  s£  «PX*S  StäS-saiv  xai  xrjpoOvxoj  aüxoü  xav  al'pE- 
aiv,  äv  i^ojv  ScaxeXsi  toxI  xa  xoiva,  ätiw;  aüxiv  srcc- 
axpa;pv;asta9-ai  (voui£s;)  xüiv  Ye"f0v°x(OV  S-S  köxöv 
süsp-fExrjuaxcov.  Doch  auch  diese  Fassung  enthält 
einiges  Ungewöhnliche,  wie  jenes  sxovxa  in  Z.  19, 
wofern  wir  nicht  andere  ähnliche  Stellen  zur  Hand 
haben.  Aber  s£  äro[xaxaaxaato]s  (Z.  12)  Kalinkas 
wird  man  zugunsten  von  IJocjx[oaxaXEi]s  des  ersten 
Herausgebers,  Szantos,  fallen  lassen  müssen,  wenig- 
stens was  den  Sinn  der  Stelle  anbetrifft.  Zu  Aaa- 
ßi8£ .  .  .  (Z.  10)  vergleiche  man,  freilich  nur  der 
Form  nach,    den    skythischen  Volksnamen    'AorcCcnoi. 

97.  (Beroia,  III  p)  xiv  cpiXoxsiu///  äpxtspsa  AIO- 
nAUUN  II.  Aüp.  'AncXXoSwpov:  schwerlich  AiottXow, 
sondern  81*  SjxXmv,  vergleichbar  z.  B.  mit  dem  atti- 
schen axpxXTj-fö;  srci  xa  ircXa,  und  daran  erinnernd, 
daß  das  Amt  in  enger  Beziehung  zu  der  waffenfähi- 
gen Jugend  steht. 

227.  (Mesembria  III — IL1)  Z.  2:  EsvgxXyjj  Aa- 
XVä,  wohl  nicht  Aaxijxa. 

241.  (Apollonia,  V — IVa)  'Iäp|i*.;  Mrjxpoicopo : 
1.  Ilapn'.j  M.,  was  ein  Strichrest  am  oberen  Rande 
bestätigt. 

249.  (Ebda.,  IV— HI-»)  Tißstcj:  dies,  nicht  Ti,;'.'.;, 
ist  die  richtige  Form,  wie  zum  Überflusse  noch  der 


neue    Menander    lehrt.     Bei    Meisterhans    fehlt    der 
Hinweis. 

257.    (Ebda.,    IV — IIP1)    Kpivouivrje;  OlvorrfXeü); 

1.    OlVGTCliSÜ). 

307.  [(Pautalia,  I — III p)  — ]a;  Mouxa|[£]svso; 
2xpo|[v-f]uXrjv6j:  1.  2xpo[v]uXr;vd;  nach  SxpouvetXou 
in  n.  34  Kol.'III  Z.  62.  Die  andere  Form  war  auch 
wegen  der  falschen  Worttrennung  verdächtig. 

312.  (Bezirk  Philippopolis  I — IIIp)  Mä(pxOj) 
2su(r])pco;  KXau3>.avij :  1.  Maaoöpioj  KÄ..  Man  denke 
an  den  Deipnosophisten. 

315.  (Ebd.)   ääsX-^o»   xoöxmv   ur/.pw  9-avövxa  (= 
— xt)  -fauou  äjiupov  (=  — pcu). 
335.  (Odessos,  I— IIP) 
sj  ä-fa3-(öv  "fovsmv  itaTj  dpcpavij,  S>  -apoisixa, 

Xsiq&sl;  Trjv  cfirovspr,-/  slSov  §fd>  Nsu-saiv, 
ixxtoxacSsxsxYj;,  9-aXa|iwv  äu.'Jr]xoj,  äxsxvoj- 

o'j  xstxai  xaxa  -ff};  atö|j.a  u.xpaiviu.svov 
(5a£|i,o)v,  al3sa9-/|Xi,  xaxwv  frpYjvtov  äxiprjxs), 
^ux^j  9''  rjpäxov  TiEvfS-oj  ärcoaxE'^EXE. 
Es  ist  deutlich,  daß  das  Ende  Schaden  gelitten 
hat.  Ihn    zu  erkennen,    war  der  Herausgeber   darum 
nicht    imstande,     weil    er    oü    xslxai    las     und    trotz 
Bormanns  Erinnerung  beibehielt.    Es  bedarf  nur  ge- 
ringer Änderung  im  letzten  Verse: 

v'j  xstxxi  xaxa  -ffj;  aöj|ia  u.apatviu,svov 
(Sai[itov,  aiSsaQ-rjX'.,  xa-xöjv  d-pvjvtov  äxdpYjxs), 
<j)uxvj  3*  r)p(i)(ov.  tisv9-g;  äitocxpi^EXE. 
„Der  Leib  zerfällt    —    Totengott,    habe    Mitleid   mit 
ihm!    — ,    die    Seele    weilt  unter  den  Heroen.     Laßt 
das  Trauern!" 

365  (Philippopolis,  III— IVp)  xsO-][vYjxixc)7,  xi.v 
Jtpoo7)^oplot[v]  |  >dvo|iaoxlj  xai  sv3i;r,(,  xoO  |  ߣou  xoü- 
xou  Siaxpi'^as  sru-[o]|9-r;aa;;  xs  xr,v  äsid'.cv  xax[si][xiav 
sv  [xy;]  axvjvt  XTJg  sv3d£[ou]  |  A5h:p6pou,  iv9-x3s  xijv 
xaxältat)Ol[v]  |  r,'jpaxa).  Wie  kann  man  hierin  die 
Grabschrift  einer  Christin  finden  und  nicht  nur  die 
männlichen  Partizipialformen,  sondern  auch  ovofKX- 
axf;  (statt  OVOU.aoxrj)  und  sviijY;  1  statt  6v8o£og)  ruhig 
ertragen?  Ein  Mann  ist  es,  dem  diese  rühmliche  Be- 


')  Eine  nachträglich  aufgefundene  Beobachtung 
A.  Wilhelms  macht  sie  unnötig.  Er  weist  nämlich 
in  seinem  Aufsatze  über  attische  Psephismen  (Herrn. 
XXIV  115)  vier  attische  Ehrendekrete  aus  dem  An- 
fange des  vierten  Jahrhunderts  vor,  in  denen  in  merk- 
würdiger   Weise    der  snaivoj    dem    ii^:z\\.v.    voran- 


gestellt wird,  z.  B.  IG  II  5  srcatvsaai  uiv  .  ..  ixt  ivi.p 
ä-jaO-i;  äoxtv  rcepl  töv  8r)(iov  xiv  'A9^va{o)v,  E(})Tjcp(a*ai 
3i  xxX.  Der  Vergleich  zeigt  aber  auch,  dal  wir  das 
3s  nicht  entbehren  können,  so  daß  nun  zu  lesen  ist: 
litaivsfcd-cu  |isv  .  .,  3ä3ix3'a-  <5^?  '■''■'■  ^'-'jXä:  x.  x.  5. 
srea-ff EiXaaO-at  aüxw*.  xxX. 


107 


E.  Pfuhl  und   R.  Engelmann 


108 


zieliung  nachgesagt  wird  (etwa  sxuy.s  de  xai  ouffs- 
vsix;  -/.axa  T.i.zrxi  tü>v  —  ]vtjxöxu>v  xr]v  Ttpcarj-foptav 
cvouaaxT;),  worauf  es  weiter  heißt:  y.a>.  dv  3dgTj  xoO 
ßfou  xoüxou  Sia-pi-^a;  £-iTto9->jaaj  ts  xr,v  äeiäiov  y.axoi- 
xfav  iv  xv,  3XT)vt  -rij;  svSosoo  äfRo^öpou  evS-aSs  xtjv 
•xaxir.a'ja'.v  tjSpaxü).  Wer  die  Märtyrerin  und  Kirchen- 
heilige, bei  der  der  Verstorbene  sein  Grab  erhalten 
hat,  gewesen  ist,  wird  man  ehedem  sogleich  haben 
sagen  können. 

433.     (Bei    Sofia,     I— IIP)    2(i£xc;)    KaX(£8io;) 


&|J6v|[S]sT[vo]j:  vielmehr  axaJ.a  Bsv5et5oj,  also  eine 
der  thrakischen  Gottin  Bendis  geweihte  Stufe  oder 
ein  ähnliches  Architekturstiick. 

441.  (Apollonia,  IVa)  -fyjc,  x^v^ov]  ui^ap^Cv  als 
Anfang  oder  Ende  eines  Grabgedichtes.  Darin  ver- 
dient |ij'f5cpov  einige  Beachtung,  da  es  in  besonderer 
Bedeutung  von  unterirdischen  Wohnungen  gebraucht 
wurde,  z.  B.  Hesych.  uifapcr  xi;  «axorfEiou;  olv.ir 
ast;  xal  jäapaö-pa. 

Gättingen.  WILHELM  CRÜNERT 


Zur  Vase  Vagnonville 


I. 


Den  Ausführungen  R.  Engelmanns  in  dieser 
Zeitschrift  (VIII  145  fr.;  X  117  ff.)  über  die  griechi- 
schen Bestattungsformen  entgegenzutreten,  bestimmte 
mich  hauptsächlich  sein  zweiter  Aufsatz,  in  dem  er 
an  Zehetmaiers  Seite  trat.  Daß  ich  dessen  Schrift, 
Leichenverbrennung  und  Leichenbestattung  im  alten 
Hellas,  für  verfehlt  ansehen  muß,  habe  ich  in  meiner 
Rezension,  auf  die  ich  verweise  (Gott.  gel.  Anz. 
1907  n.  9),  dargelegt.  Dem  Versuche  Engelmanns, 
seine  Ansicht  gegen  meinen  Einspruch  zu  verfechten 
(Jahreshefte  X  Beibl.  103),  entgegne  ich,  ohne  auf 
persönliche  Polemik  einzugehen,  folgendes: 

Wenn  Engelmann  Belege  dafür  fordert,  daß 
Granatäpfel  zum  Schmuck  von  Gräbern  verwendet 
wurden,  so  verweise  ich  ihn  auf  ein  Grabmal,  das 
vor  dem  Dipylon  in  situ  steht  und  Ath.  Mitt.  XXV 
297  veröffentlicht  ist.  Ferner  steht  dort  ein  Obelisk 
von  einem  Granatapfel  bekrönt  (ein  zweiter,  wenn 
meine  Notiz  mich  nicht  täuscht,  mit  Knabenfigur 
vorn  daran:  Phot.  d.  Instituts  G.  R.  368,  vgl.  is/.xiov 
1891  0.90,  27);  auch  gibt  es  einen  riesigen  Granat- 
apfel, der  ganz  allein  auf  seinem  Sockel  als  Grab- 
mal gedient  hat  (Phot.  d.  J.,  G.  R.  Ijla).  —  Daß 
aus  den  angeblichen  Offnungen  an  der  Krepis  des 
Tumulus  auf  der  Vase  Vagnonville  Flammen  heraus- 
schlügen, ist  eine  unbewiesene  Annahme,  die  aber 
Engelmann  zum  Ausgangspunkte  nimmt,  um  dann  mit 
allerlei  herangezogenem  Materiale  Verbrennung  im 
Grabe  selbst,  eine  allbekannte  Tatsache,  nachzuweisen. 
Er  versäumt  dabei  zu  scheiden,  zwischen  Verbrennung 
in  fertigen  unterirdischen  Kammern  und  solcher  in 
kleinen,  ad  hoc  ausgehobenen  Grabschächten,  die  erst 
später  zugeschüttet  und  mit  einem  Denkmal  überbaut 
wurden.  Dies  Denkmal  kann  natürlich  jede  be- 
liebige Form   haben,    Brandgräber    sind    keineswegs 


nur  unter  Tymboi  gefunden  worden.  Unterirdische 
Kammern,  in  welchen  Leichen  verbrannt  wurden, 
könnten  in  Athen  schon  der  Natur  des  Bodens  nach 
höchstens  ganz  vereinzelt  vorhanden  gewesen  sein. 
Aus  den  Türen  und  Schächten  solcher  Kammern 
kann  natürlich  Rauch  hervorquellen,  in  Thera  z.  B. 
ist  das  bei  Opferfeuern  sicher  geschehen;  ein  System 
von  Ofenröhren,  die  man  mit  Listen  unnötigerweise 
durch  das  oberirdische  Denkmal  hindurchgeführt 
hätte,  war  dazu  nicht  erforderlich:  wo  die  Leiche, 
die  Urnen,  die  Opfergaben  und  ihre  Träger  hinein- 
kamen, kam  auch  der  Rauch  heraus.  Engelmann  läßt 
solche  Kammern  jedoch  ganz  außer  Spiel  und  hält 
sich  an  die  kleinen  Schachtbrandgräber,  da  er  bei 
diesen  eine  Furche  im  Boden  und  je  eine  Rinne  in 
den  Kurzwänden  findet,  die  sicher  zur  Erhöhung  des 
Zuges  gedient  haben.  Die  Kluft  zwischen  dieser  Tat- 
sache und  der  Annahme  eines  komplizierten  Schorn- 
steinsystems im  später  errichteten  Grabmal  wird  so 
gut  es  geht  überbrückt.  Daß  das  Denkmal  eine  feste 
Fundamentierung  brauchte,  gesteht  er  zu;  Holzbalken 
als  Decke  des  glühenden  Kraters  sind  ihm  mit  Recht 
bedenklich,  feuerfeste  Decken  sind  leider  nicht  ge- 
funden —  hoffen  wir  also  auf  künftige  Ausgrabungen! 
Da  Engelmann  es  unterließ,  die  Einzelheiten 
des  Vorganges  klar  zu  machen,  muß  ich  dies  nach- 
holen. Der  Leichnam  liegt  in  seinem  Schacht  auf  den 
brennenden  Scheiten.  Nach  griechischer  Sitte  mußten 
die  Verwandten  das  niedergebrannte  Feuer  mit  Wein 
ablöschen  und  wirklich  sind  gerade  in  Brandgräbern, 
bisweilen  als  einziges  Fundstück,  Kannen  gefunden 
worden,  die  jedoch  von  der  Spende  während  des 
Brandes  herrühren  könnten.  Nehmen  wir  an,  die 
Verwandten  hätten  die  japanische  Sitte  vorgezogen, 
das  Feuer  zugedeckt  langsam  brennen   zu  lassen,  und 


lor) 


Zur   Vase    Vagnonville 


i  m 


nun  sei  in  größter  Eile  mit  Errichtung  eines  Denk- 
mals, eines  Tumulus  mit  Stufenkrepis  und  Epithem, 
begonnen  worden;  Skulpturen  und  Stufen  konnte  man 
ja  vielleicht  fertig  kaufen,  Erdarbeiter  und  Maurer 
für  Stufenbau  und  Tumulus  in  größerer  Zahl  werben. 
Was  aber  half  all  das,  solange  der  Schacht  nicht 
ausgefüllt  war  und  mindestens  stark  qualmte?  Nicht 
einmal  Balken  und  Platten  aus  Stein  hätten  das 
schwere  Denkmal  zu  tragen  vermocht,  da  der  hohl- 
gelagerte attische  Kalkstein  einem  Feuer,  das  stark 
genug  war,  um  noch  später  aus  Engelmanns  Schorn- 
steinen herauszuschlagen,  nie  widerstanden  hätte.  Also 
vielleicht  mächtige  Träger  und  Platten  aus  Ton? 
Wir  kennen  nichts  ähnliches  und  die  Funde  zeigen 
oft  genug,  daß  der  Schacht  auch  der  Brandgräber 
zugeschüttet  wurde,  wobei  noch  allerlei  Scherben 
und  Gaben  mitkamen  und  womöglich  noch  Opfer 
verbrannt  wurden;  von  einer  Bedeckung  keine  Spur. 
Und  da  sollen  wir  uns  geduldig  auf  künftige  Funde 
vertrösten  lassen?  Ferner  mußte  in  das  Denkmal  ein 
raffiniertes  Röhrensyslem  eingebaut  werden;  von 
den  beiden  Rinnen  in  den  Kurzwänden  des  Schachtes 
—  es  kommen  nie  mehr  als  diese  beiden  kommuni- 
zierenden Rinnen  vor  —  mußten  Röhren  an  die 
Peripherie  des  Denkmals  geführt  und  dort,  um  durch 
mehrere  Löcher  einer  Stufe  ins  Freie  zu  führen, 
mehrfach  gegabelt  werden.  Entstanden  dann  bei 
Luftzug  unten  im  Grabe  so  gewaltige  Flammen  aus 
dem  doch  wohl  tagelang  stillglimmenden  Brande,  daß 
das  Feuer  aus  den  Röhren  herausschlug,  so  wurde 
dadurch  natürlich  der  attische  Marmor,  Kalkstein  oder 
feine  weiße  Stuck  schwer  verunstaltet.  Ich  denke, 
solange  keine  zwingenden  Beweise  für  solche  Un- 
geheuerlichkeiten vorliegen,  wird  man  sich  schwerlich 
zu  ihnen  bekennen.  Oder  soll  die  Vase  Vagnonville 
der  monumentale  Beleg  dafür  sein?  Das  wäre  petitio 
prineipii;  von  den  Luftrinnen  der  Brandgräber  führt 
vorläufig  kein  gangbarer  Weg  zu  dem  Vasenbild. 
Die  Vase  überzeugend  zu  interpretieren  vermag  ich 
sowenig  wie  meine  Vorgänger.  Am  nächsten  liegt  es 
wohl,  die  sogenannten  Anodosvasen  und  den  Seelen- 
glauben des  Anthesterienfestes  heranzuziehen  wie  bei 
der  Tenenser  Lekythos  mit  den  Pithoigia.  Aufgemalte 
Granatäpfel  als  Schmuck  des  Grabes  würden  zum 
Seelenfeste  gut  passen.  Ich  muß  hierbei  betonen,  daß 


keinerlei  Beweis  dafür  erbracht  ist,  daß  an  einer 
der  Vasen  Vertiefungen  gemeint  seien.  Engelmann 
glaubt  freilich,  die  Autorität  J.  Durms  dafür  an- 
führen zu  können,  welcher  .Schlagschatten  von  links- 
einfallendem Licht'  erkennt.  Ich  brauche  nicht  zu 
versichern,  daß  ich  Josef  Durm  als  Architekten 
außerordentlich  hochschätze:  ein  fachmännisches  Ur- 
teil über  malerische  Einzelheiten  griechischer  Vasen 
wird  er  sicher  selbst  nicht  für  sich  beanspruchen. 
R.  Engelmann  gibt  aber  dies  Urteil  uneingeschränkt 
weiter,  anstatt  zu  bemerken,  daß  zwar  plastische 
Rundung  von  Formen  durch  Schattierung  schon  er- 
staunlich früh  im  V.  Jh.  vorkommt,  Schlagschatten 
jedoch  unerhört  ist.  Die  einfache  Erklärung  für  Durms 
Beobachtung  ist,  daß  der  äußerst  flüchtige  Maler  das 
Rund  der  Apfel  nicht  gleichmäßig  mit  Firnis  gedeckt 
hat,  sondern  die  Tupfen  nur  abrundete,  sonst  aber 
stehen  ließ  wie  sie  kamen.  Man  kann  jene  Schlag- 
schatten' mit  Farbe  von  geeignetem  Flüssigkeits- 
grade kaum  vermeiden,  wenn  man  nicht  nachmalt! 
Wie  aber,  wenn  auf  anderen  Vasen  nur  eine  Kreis- 
linie, keine  farbige  Fläche  gemalt  ist?  Engelmann 
rechnet  selbst  damit,  daß  an  Stelle  der  Ofenrohre 
dekorative  Kreise  treten  konnten:  geschah  das  nun, 
warum  soll  man  dann  nicht  die  Scheiben  der  Koren- 
halle  vergleichen?  Sie  sind  doch  nun  einmal  nicht 
zu  Rosetten  ausgearbeitet  und  warum  soll  ihnen 
nicht  recht  sein,  was  der  zur  Kunstform  gewordenen 
Rustica  und  den  ebenfalls  aus  dem  Werkzoll  ent- 
standenen Faszien  an  Stufen  (!)  billig  ist?  Die  Mög- 
lichkeit, daß  solche  Scheiben  gemeint  sind,  ist  da, 
wo  sie  entschieden  über  dem  Boden,  beziehungsweise 
der  unteren  Stufe  sitzen  wie  die  Granatäpfel  der  Vase 
Vagnonville,  nicht  zu  bestreiten;  wo  das  Rund  fast 
oder  ganz  unten  aufliegt,  können  Früchte  oder  Bälle, 
wirkliche  Weihgaben  oder  Nachbildungen  von  solchen 
gemeint  sein.  Tonfrüchte,  darunter  wieder  Granat- 
äpfel, in  regelmäßigen  Abständen  wie  architektonische 
Schmuckstücke  lagen  auf  dem  Wandgesimse  eines 
großen  Neapler  Kammergrabes,  genau  wie  hier,  auf 
oder  vor  den  Stufen;  ähnlich  liegen  Ball  und  Astra- 
gale auf  dem  Sockel  eines  hellenistischen  Grabreliefs, 
durch  welches  bekannte  Epigramme  illustriert  werden 
(Mon.  Lincei  VIII  T.  6,  Jahrbuch  XX  64  T.  5). 
Göttingen.  ERNST  PFUHL 


II. 

Auf  Pfuhls  Ausführungen  möge  mir  gestattet  äußeren  Grabesschmuck  verwendet  worden,  jetzt  einige 
sein  nur  wenige  Worte  zu  erwidern.  Ich  gebe  zu,  Beispiele  angeführt  hat;  sind  wir  aber  damit  gefördert? 
daß  er  für  seine  Behauptung,  der  Granatapfel  sei  zum        Daß    die  Maler   auf  den    verschiedenen    von    mir  zu- 


1 1 1 


A.  J.  Evans  und  J.  Durm 


I  12 


sammengestellten  Vasen,  also  auch  auf  der  Vase 
Vagnonville,  mit  den  Kreisen  an  der  Basis  nur  Ver- 
liefungen, nicht  Scheiben  gemeint  haben  können,  wird 
von  allen  (Pfuhl  ausgenommen)  zugegeben.  Da!}  auf 
der  Vase  Vagnonville  keine  Granaten  zu  sehen  sind, 
ist  gleichfalls  allgemeine  Ansicht.  Daß  die  feinen 
Striche  an  den  Vertiefungen  herausschlagende  Flam- 
men sind,  ist  ebenso  die  Ansicht  der  meisten  Ge- 
lehrten, welche  die  Vase  studiert  haben  —  also  welche 
Folgerung  bleibt  dann  übrig?  Um  die  Vase  zu  erklären, 
mußte  ich  nachweisen,  daß  im  Innern  des  TÜujäo; 
Feuer  vorhanden  sein  konnte,  und  das  denke  ich  in 
genügender  Weise  getan  zu  haben.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit nebenbei  die  ganze  Grabesfrage  aufzurollen 
und  zu  erledigen,  war  nicht  meine  Absicht;  man 
hatte  auch  gar  nicht  das  Recht,  etwas  derartiges  zu 
verlangen.  Vielleicht  waren  die  Löcher  in  der  Basis 
ursprünglich  gar  nicht  als  , Ofenrohre'  gedacht  (um 
mit  Pfuhl  zu  reden),  sondern  sollten  nur  den  Besuchern 
des   Grabes    die   Möglichkeit   bieten,    sich    mit    dem 


Toten  innerhalb  des  Grabes  in  Verbindung  zu  setzen, 
d.  h.  ihm  Spenden  zukommen  zu  lassen.  Und  daß 
das  Herausschlagen  der  Flammen  ein  ungewöhnlicher 
Fall  ist,  wird  durch  das  Gebaren  der  Satyrn 
genügend  bewiesen.  Wenn  ich  die  Hoffnung  aus- 
spreche, daß  bei  zukünftigen  Ausgrabungen  genaueres 
über  die  Einrichtung  des  X'J|ißo;  sich  ergeben  wird, 
so  veranlaßt  mich  dazu  die  Tatsache,  daß  bisher 
nicht  immer  die  Fundumstände  genügend  festgestellt 
oder  aus  diesen  die  richtigen  Folgerungen  gezogen 
worden  sind;  so,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen, 
wird  in  den  Not.  d.  Scav.  1907  p.  625  der  Fund  eines 
Brandgrabes  bei  Terni  angezeigt.  Der  Berichterstatter 
wundert  sich  darüber,  daß  die  beim  Brande  zurück- 
bleibenden Knochen  nicht  in  ein  Gefäß  gesammelt 
sind,  „ma  intenzionalmente  disseminati  per  tutto 
quello  spazio  che  avrebbe  occupato  il  cadavere,  se 
fosse  stato  inumato  in  quella  fossa",  während  er 
doch  hätte  schließen  müssen,  daß  der  Leichnam 
einfach  innerhalb  des  Grabes  selbst  verbrannt  war. 
Rom.  RICHARD  ENGELMANN 


Über  vormykenische  und  mykenische    Architekturformen. 

(Zu:  Jahreshefte  X  41  ff.) 


Wir  erhielten  von  Herrn  A.  J.  Evans  in  Oxford 
folgende  Briefe  (I  u.  3),  die  wir  mit  Herrn  J.Durms  Er- 
widerung (2)  hier  zum  Abdruck   bringen. 

.:  Jan.  15.  1908. 

My  dear  Sir, 

I  have  been  recommended  to  address  inyself  to 
you  on  a  subiect  which  has  caused  me  considerable 
annoyance.  In  Band  X  of  the  Jahreshefte  of  your 
Archaeological  Institute  is  an  article  by  Dr.  Josef 
Durm  entitled  .Über  vormykenische  und  mykenische 
\  rrhitekturformen',  in  which  I  much  regret  to  say, 
that  the  rules  of  scientific  etiquette  do  not  seem  to 
be  sufficiently  observed. 

In  that  article  a  whole  scries  of  as  yet  unpu- 
büshcdobjects  has  been  reproduced  withoutpermission. 
I  may  instance  a  variety  of  Architectural  details  on 
l'ig.  II;  the  stone  lamps  A  &  B  of  fig.  19;  the  sketch 
i'f  a  proposed  restoration  of  the  Miniature  Temple 
painting  on  fig.  20 — 25;  details  of  painted  borders  in 
li^.  21,  and  the  detailed  reconstruction  of  the  grand 
staircase  in  fig.  30  anticipating  in  this  case  the  work 
on  which  my  Architect  was  engagcd. 

In   all  these  matters  I  have   been    personally   to 


very  considerable  expense  and  my  rights  are  secured 
by  the  Cretan  laws  and  still  more,  one  would  have 
imagined,  by  international  comity.  As  it  is,  I  have 
made  more  of  the  materials  juris  publici  by  illustra- 
tions  in  provisional  Reports  than  has  probably  been 
done  in  the  case  of  any  other  large  excavation. 

There  are  objects  in  Dr.  Durms  article  about 
which  I  would  have  made  no  difficulty.  But  I  regret  to 
State  that  he  never  once  applied  to  me  for  permission. 

It  is  true  that  the  objects  in  many  cases  are 
exhihited  in  the  Candia  Museum,  but  subjeet  to  the 
rights  of  the  excavators  as  to  publication. 

This  Omission  to  place  himself  in  any  kind  of 
communication  with  the  excavator  has  to  a  certain 
extent  brought  its  own  retribution.  Dr.  Durm  has 
fallen  into  a  series  of  errors  in  matters  of  fact 
which  he  [night  otherwise  have  avoided.  The  sketch 
of  the  miniature  facade,  for  instance,  (in  fig.  10)  is 
based  on  the  sketch  of  a  restoration  devised  by  mysclf 
and  drawn  for  me  by  Mr.  Gillieron,  but  which  has 
now  been  revised  in  sorae  essential  particulars.  1  he 
reconstruction  of  the  staircase  was  based  on  evidence 
brought  out  at  the  time  of  the  excavation  of  which 
Dr.  Durm  is  ignorant.  The  piece  of  carbonised  wood, 


U3 


Über   vormykenische   und   mylcenische   ArchiteUturformen 


114 


represented  in  fig.  16  has  nothing  whatever  to  do 
with  a  column  and  is  not  frora  the  Hall  of  the 
Double  Axes.  On  the  other  hand  the  .Verjüngung' 
of  the  columns  which  he  disputes,  is  actually  shown 
in  the  plaster  impressions  of  the  fluted  columns  in 
the  ,Little   Palace'   to   the   West. 

In  conclusion  let  me  say  that  I  quite  acquit  all 
those  concerned  with  the  Editorship  of  your  ad- 
mirable  Jahreshefte  of  any  intentional  disregard  of 
the  Canons  of  legitimate  publication.  They  could  not 
have  supposed  that  Dr.  Durm  had  not  so  much  as 
applied  to  the  excavator  for  any  permission. 

At  the  same  tirae  perhaps  you  will  allow  these 
rectifying  Statements  to  be  inserted  in  the  Jahreshefte. 

Believe  me  Yours  very  faithfully 
To  Professor  ARTHUR  J.  EVANS 

Dr.  R.  v.  Schneider. 


2.:  In  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Kreisen 
dürfte  es  wohl  hinlänglich  bekannt  sein,  daß  Eng- 
länder, Amerikaner  und  Italiener  die  Insel  Kreta  als 
Versuchsstation  für  Entdeckungen  auf  dem  Gebiete 
alter  Kulturen  ausersehen  haben.  Die  Veröffent- 
lichungen der  Ergebnisse  ihrer  Forschungen  beginnen 
mit  dem  Jahre  1899,  s'n<^  a^s0  se"  beinahe  einem 
Dezennium  im  Gange.  (Vgl.  die  Publikationen  in 
The  annual  of  the  British  school  at  Athens,  Journal 
of  Hellenic  studies,  Journal  Inst.  Brit.  Architects, 
Archaeologia  usw.).  Auch  die  illustrierten  Blätter 
aller  Länder,  besonders  aber  die  englischen,  haben 
für  die  Popularisierung  der  Ergebnisse  in  Wort  und 
Bild  genugsam  gesorgt.  Außerdem  sind  im  British 
Museum  zu  London  Kopien  einzelner  Fundstücke, 
täuschend  ausgeführt  (der  sogenannte  Thronsessel, 
bemalte  figürliche  und  ornamentale  Stücke  u.  dgl.), 
zur  öffentlichen  Schau  ausgestellt  und  das  Abzeichnen 
dieser  nicht  verboten.  Andere  sollen  im  Ashmolean- 
Museum  zu  Oxford  aufbewahrt  sein. 

In  einem  Saale  des  Museums  zu  Kandia,  dem 
Dr.  Hazzidakis,  der  von  der  Inselregierung  bestellte 
Direktor  vorsteht,  sind  die  Funde  von  Gournia, 
Knossos  und  Phaistos  friedlich  nebeneinander  in 
Glaskästen,  für  jedermann  zugänglich,  untergebracht. 
Weder  hier  noch  auf  den  Ausgrabungsfcldern  ist 
irgendwo  durch  Aufschriften  oder  Ansagen  amtlicher 
Funktionäre  bekannt  gemacht,  daß  Studien  nur  inner- 
halb festgesetzter  Grenzen  gestattet  wären.  Dazu 
kann  man  photographische  Aufnahmen  der  Aus- 
grabungsfelder in  verschiedenen  Kaufläden  zu  Kandia 
Jahreshefte  d<"s  osterr.  arcbäol.  Institutes  IM    XI   Beiblatt. 


erstehen.  So  sind  diese  Funde  in  liberalster  Art 
zum  Gemeingute  der  gebildeten  Menschheit  gemacht 
worden.  Beschreibungen  und  Darstellungen,  darunter 
auch  perspektivische  und  ergänzende  Bilder  auf  Grund 
der  bekannt  gegebenen  geometrischen  Aufnahmen 
sind  ein  stehender  Artikel  unserer  heutigen  deutschen 
Kunsthandbücher  (Bormann  und  Neuwirfh  1904; 
Springer-Michaelis  1904  und  1907).  Glühende,  nicht 
immer  zutreffende  Schilderungen  in  Zeitschriften  haben 
das  Interesse  für  die  Inselfunde  stets  wach  gehalten, 
auch  unsere  Reisehandbücher  (Bädecker  1904)  ent- 
halten Grundpläne  und  ausgiebige  Beschreibungen 
derselben.  Und  nur  Evans'  jüngste  Veröffentlichung 
über  das  sogenannte  Königsgrab  von  Isopata  bei 
Knossos  macht  davon   noch  eine  Ausnahme. 

Daß  unter  solchen  Verhältnissen  Herr  Evans 
Anstoß  nimmt  an  der  Beigabe  einiger,  nicht  gerade 
sehr  belangvoller,  von  mir  an  Ort  und  Stelle  mit  Er- 
laubnis des  Museumsdirektors  in  Kandia  gezeichneter 
ergänzender  Figuren  ist  schwer  verständlich,  noch 
schwerer  aber  die  Behauptung,  daß  mein  Vorgehen 
einen  Verstoß  gegen  internationale  literarische  Ge- 
pflogenheiten bedeute.  Jede  Zumutung  in  diesem  Sinne 
muß  ich  mit  aller  Entschiedenheit  ablehnen.  Sonst 
bedauere  ich,  auch  im  allgemeinen  nicht  mit  Evans 
einer  Meinung  sein  zu  können,  da  meines  Erachtens 
hier  wie  auch  anderwärts  nicht  die  Finder,  sondern 
die  Eigentümer  der  Objekte  die  zuständigen  Personen 
sind,  um  die  Erlaubnis  für  deren  Benutzung  zu  geben. 
Alle  amtlichen  Formalitäten  in  der  Sache  wurden 
von  mir  erfüllt  und  auch  den  gesellschaftlichen  in 
üblicher  Weise  Rechnung  getragen.  Ich  würde  auch 
Herrn  Evans  in  Kandia  meine  Aufwartung  gemacht 
haben,  wenn  er  damals  in  Kandia  anwesend  gewesen 
wäre  (April  1906),  trotzdem  er  mir  ein  von  London 
aus  an  ihn  gerichtetes  Gesuch,  die  Besichtigung  seiner 
Fundstücke  oder  der  Kopien  (Anfang  Oktober  1905) 
im  Ashmolean-Museum  zu  Oxford  gestatten  zu  wollen, 
unbeantwortet  ließ.  Publikationen  und  Schilderungen 
von  Befunden  an  Ort  und  Stelle  mit  dem  Original 
zu  vergleichen  und  darüber  zu  berichten,  ist  bis  jetzt, 
namentlich  wenn  Luslren  seit  der  Aufdeckung  ver- 
strichen sind,  noch  nirgends  als  ein  Vergehen  be- 
zeichnet worden. 

Bei  dem  bekannten  Charakter  meiner  fachlichen 
Tätigkeit  kann  von  einem  Eingriff  in  Evans'  Arbeits- 
gebiet keine  Rede  sein,  was  wohl  auch  für  die 
Beamten  in  Kandia.  die  mir  jede  Freiheit  ließen, 
bestimmend  war  und  was  auch  Evans  bei  genauem 
Durchsehen  aus  meinem  Aufsatze  entnehmen  müßte. 

8 


1 1 : 


A.  J.  Evans  und  J.  Durm,  Über  vonnykenische  und  mykenische  Architekturformen 


Il6 


Meine  Studien  in  jüngster  Zeit  in  den  ausländischen 
Museen  und  auf  den  Ausgrabungsfeldern  waren  vor- 
bereitende für  die  in  Aussicht  genommene  dritte  Auf- 
lage meiner  „Baukunst  der  Griechen",  deren  Vor- 
publikationen auch  den  entsprechenden  Charakter 
tragen. 

Was  mich  in  Knossos  im  einzelnen  interessierte, 
waren  die  Maurer-  und  Steinhauertechnik,  das  Bau- 
material, die  mystische  Originalholzsäule  mit  dem 
dicken  Teile  nach  oben,  das  Vorkommen  der  ver- 
meintlichen Triglyphen  mit  seitlichen  Palmetten  auf 
Tonzeug,  besonders  aber  die  neue  Säulen-  und 
Kapitellform  auf  dem  Steatitgefäße  von  Hagia  Triada, 
das  übrigens  nicht  zu  den  englischen  Funden  gehört. 

Ich  hatte  keine  Veranlassung,  in  meiner  Schrift 
mich  eingehend  über  die  Aufdeckungen,  Datierungen, 
Benennungen  der  Räume,  noch  weniger  aber  mich 
über  die  Restaurationsversuche  auf  dem  Ruinenfelde 
von  Knossos  zu  äußern.  Ich  behalte  mir  dies  an 
anderer  Stelle  vor  unter  Beigabe  weiterer  Zeichnungen, 
wenn  möglich  unter  Zugabe  von  am  Platze  gefertigter 
Aquarelle,  die  am  Palaste  zu  Knossos  doch  auch  nicht 
verborgenerweise  gefertigt  werden  konnten. 

Von  dem  angezogenen  Wandbilde,  S.  64  —  6; 
der  Jahreshefte,  ist  von  mir  ausdrücklich  gesagt 
„daß  nur  einige  Quadratzentimeter  authentisch  seien". 
Die  beiden,  übrigens  auch  zum  Teil  ergänzten  Stein- 
lampen  Fig.  19  A.  B.  sind  nur  der  Gegensätzlichkeit 
wegen  mit  aufgenommen  worden.  Ich  glaube  über- 
haupt, daß  Evans  meinen  Text  zu  wenig  in  Rücksicht 
gezogen  und  bloß  auf  das  Ansehen  der  Figuren  hin 
geurteilt  hat. 

Karlsruhe,   2.   April   1908. 

JOSEF  DURM 


3-  = 


My  deir  Sir, 


Knossos,  Crete 
May    10.  1908 


It  appears  that  the  reproduction  of  certain  ob- 
jects  from  the  excavations  at  Knossos  was  allcwerl 
by  the  Cretan  Ephor  undcr  the  mistaken  belief  that 
Ihey  had  been  already  publishcd. 

Such  a  mistake  itself  shows  that  the  publi- 
cation  of  objects  derived  from  the  great  excavations 
of  whatever  nationality  ought  not  to  rest  on  the  dis- 
cretion  of  local  oflicials.  Theirright  is  indced  limited. 
The  copy-right  of  such  objects  is  vested  in  the  finders 
for  at  least  a  period  of  years.  Far  niore  than  this, 
evcn   whcre  legal    rights   do    not    exist,    the   position 


of  the  excavators  is  guaranteed  by  international  comity. 
It  is  universally  admitted  in  the  archeological  world 
that  in  such  matters  a  direct  reference  should  be  made 
to  those  who  have  carried  out  the  work  and  are  them- 
selves  responsible  for  the  publication  of  the  materials. 
Official  formalities  such  as  those  to  which  Dr.  Durm 
refers  can  not  be  taken  as  an   equivalent  for  this. 

"With  regard  to  the  Palace  site  of  Knossos  itself 
Dr.  Durm  is  under  a  serious  misapprehension.  The 
excavations  there  still  continue,  and  tili  their  con- 
clusion  both  the  site  and  the  buildings  brought  to 
light  remain  my  private  possession.  They  may,  at  a 
later  period  be  appropriated  by  the  Cretan  Govern- 
ment, but  only  after  the  conclusion  of  the  excavations. 

Dr.  Durm  will  probably  acknowledge  that  under 
these  circumstances  I  have  some  right  to  conlrol  the 
publication  of  the  architectural  plans  and  details. 
These  had,  in  fact,  been  placed  in  the  hands  of  two 
of  my  colleagues,  one  of  them  a  rising  mernber  of 
the  Royal  Institute  of  British  Architects.  Therefore, 
though  the  sale  of  a  certain  number  of  general  photo- 
graphs,  or  of  already  published  views  is  allowed  in 
Candia,  special  leave  is  required  for  anyone  taking 
photographs  or  detailed  drawings  in  the  building.  I 
cannot  understand  how  this  was  not  explained  to 
Dr.  Durm  by  the  guardian   on  the  spot. 

Let  me  say  at  once  that  I  should  have  been  most 
happy  to  have  given  all  possible  facilities  to  Dr.  Durm 
in  furtheranceof  his  great  work.  For  purposes  of  study 
all  would  have  been  at  his  disposition.  But  he  will 
himself  perceive  that  wilh  regard  to  the  present  publi- 
cation of  certain  detailed  studies  such  as  those  of  the 
Grand  Staircase  loyalty  to  my  colleagues  places  me 
in  a  somewhat  delicate  position.  That  Dr.  Durm  should 
regard  the  publication  of  such  architectural  studies  as 
outside  the  field  of  our  aclivity  (.Arbeitsgebiet')  I  am 
wholly  unable   to  understand. 

I  inuch  regret  that  in  both  cases  my  absence 
should  have  prevcntcd  my  meeting  Dr.  Durm  either 
at  the  time  of  his  projected  visit  to  Oxford  or  aftcr- 
wards  at  Candia  since  mutual  explanations  would 
doubtless  have  removed  all   difficulties. 

To  Professor  Believe  me.  yours  verv  faithfully 

Dr.  R.  v.  Schneider  ARTHUR   J.  KV  A  NS 

Indem  wir  nicht  zweifeln,  daß  durch  diese  loyale 
Aussprache  ein  Einverständnis  zwischen  den  beiden 
verehrten  Mitgliedern  des  Institutes  gewonnen  wurde, 
erklären  wir  die  Kontroverse  an  dieser  Stelle  für  ge- 
schlossen. 


ii7 


n8 


Antike  Bronzegefäße  aus  Sissek. 


Als  Fundort  römischer  Altertümer  ist  Sissek 
längst  bekannt,  doch  kann  von  Forschungen  auf  wissen- 
schaftlicher Basis  dort  kaum  gesprochen  werden.  Im 
Jahre  1858  ließ  das  Agramer  erzbischöfliche  Kapitel 
eine  Ausgrabung  durchführen-  Es  wurden  Mauern 
eines  römischen  Gebäudekomplexes  aufgedeckt,  ge- 
zeichnet und  wieder  zugeschüttet.  Der  jüngst  ver- 
storbene kroatische  Historiker  Tkalcic,  der  die 
Grabungsstelle  gesehen  hat,  hinterließ  darüber  einen 
Bericht,  in  dem  er  bittere  Klage  darüber  führt,  daß 
jede  weitere  Untersuchung  unterblieb.  Der  Plan  des 
ausgegrabenen  Gebäudekomplexes  ist  im  Agramer 
Musealarchiv  erhalten,  bietet  aber  keine  Anhalts- 
punkte für  die  Erklärung  der  aufgedeckten  Mauerreste. 

Auch  die  Grabungen  des  Vereines  „Siscia" 
wurden  nicht  systematisch  geführt.  Berichte  darüber 
sind  so  wenig  vorhanden  wie  Fundprotokolle.  In 
der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  scheint  in 
Sissek  der  Handel  mit  Antiquitäten  besonders  geblüht 
zu  haben.  Jeder,  der  auf  seinem  Besitze  Überbleibsel 
aus  römischer  Zeit  vermutete,  grub  und  trachtete  die 
gefundenen  Gegenstände  an  verschiedene  Sammlungen 
zu  veräußern.  Nur  ein  geringer  Teil  hievon  ist  nach 
Agram  gekommen. 

Einen  größeren  Bestand  Sisseker  Altertümer 
erhielt  das  Museum  erst  im  Jahre  1S64  mit  dem 
Ankaufe  der  sogenannten  Dietrichschen  Sammlung, 
die  in  der  Folge  systematisch  durch  Einzelerwerbungen 
namhaft  vermehrt  wurde. 

Eine  zweite  Bereicherung  erfolgte  Ende  der  sieb- 
ziger und  anfangs  der  achtziger  Jahre  des  vorigen 
Jahrhunderts  durch  die  Sammlungen,  die  der  Alter- 
tumsverein Siscia  dem  Museum  überwies,  und  ein 
wertvolle  in  Sissek  angelegte  Sammlung  spendete 
im  Jahre  1892  der  Banaltafelrat  L.  Ivkanec.  Seit 
einer  Reihe  von  Jahren  wendet  ferner  der  Sisseker 
Baumeister  A.  Colussi  die  von  ihm  erzielten  Funde 
dem   Museum   zu. 

Zum  Teile    sind    die  Sisseker  Altertümer  schon 
veröffentlicht:   die  Inschriften  im  Corpus,  ein  Teil  der 
übrigen  Denkmäler  zerstreut  in  verschiedenen  Publi- 
kationen.     Eine    Gesamtpublikation    steht    noch    aus. 
Jahreshefte  des  üsterr.  arebäol.  Institutes  IM    XI    Beiblatt. 


Die  Sisseker  Bronzegefäße  habe  ich  im  „Vjesnik" 
des  kroatischen  archäologischen  Vereines  (Band  VII 
der  Neuen  Serie  98  ff.  und  VIII  198  f.)  bei  Be- 
sprechung der  Bronzegefäße  des  kroatischen  National- 
museums behandelt.  Ich  freue  mich,  diesen  Bestand 
mit  besseren  Abbildungen,  als  ich  dort  geben  konnte, 
an  dieser  Stelle  weiteren  Kreisen  zugänglich  machen 
zu   können. 

Die  Fabrikmarken,  die  sich  auf  einigen  Kasse- 
rollen befinden,  hat  Willers  in  seinem  Buche  über 
die  Bronzeeimer  von  Hemmoor  (S.  214  ff.)  und  in 
den  neuen  Untersuchungen  über  die  röin.  Bronze- 
industrie (S.  85  ff.  angeführt;  einige  von  den  Kasse- 
rollen sind  in  dem  zweiterwähnten  Buche  auf  Taf.  VI 
und  VII  abgebildet. 

Die  meisten  Gefäße  sind  beim  Baggern  des 
Kulpaflusses  1886  und  1901  gefunden  worden.  Da- 
raus erklärt  sich,  daß  die  meisten  Stücke  zerdrückt 
ins  Museum  gekommen  sind  und  erst  ausgeklopft 
werden  mußten.  Gelitten  hat  zumeist  die  mindere 
Ware.  Die  besseren  Fabrikate  sind  durchwegs  in 
guter  Erhaltung.  Die  aus  der  Kulpa  gezogenen  Stücke 
haben  keine  Patina,  die  übrigen  sind  mehr  oder 
weniger  patiniert. 

I  — 16.  Eimer.  Die  in  Fig.  72  abgebildete  Eimer- 
form ist  im  kroatischen  Nationalmuseum  in  16  aus 
Sissek  stammenden  Exemplaren  vertreten.  Abgesehen 
von  zwei  Stücken,  auf  die  ich  zurückkomme,  beträgt 
die  Höhe  dieser  Eimer  0'l55m  —  0/21  ra.  Sie  sind 
aus  Bronzeblech  getrieben  und  haben  eine  bauchige 
Form,  die  oben  in  einen  bis  zu  0'02  m  ausladenden 
Rand  ausläuft.  Die  Ösen  sind  aus  Eisenstäben  ge- 
schmiedet, die  kreisförmig  gebogen  und  an  beiden 
Enden  breit  gehämmert  wurden.  Diese  breit  ge- 
schlagenen Enden  sind  durch  zwei  oder  vier  eiserne 
Nieten  an  der  unteren  Seite  des  Gefäßrandes  befestigt. 
Die  Henkel  bestehen  aus  halbkreisförmig  gebogenen 
Eisen-,  seltener  aus  Bronzestfiben,  die  an  beiden  Seiten 
knopfartig  enden.  Die  umgebogenen  Enden  sind  selten 
verziert.  Bei  einem  Gefäß  ist  der  Bronzehenkel  an 
beiden  luden  profiliert,  bei  einem  anderen  läuft  der 
eiserne    Henkel    auf  beiden  Seiten   in  Vogelköpfe   aus. 


ii9 


V.   Hoffiller 


I20 


Eine  Verzierung  haben  die  Gefäßkörper  wohl 
nur  ausnahmsweise  erhalten.  Von  den  Sisseker  Stücken 
ist  nur  eines,  zugleich  das  größte,  ornamentiert.  Dieser 
bis  auf  Henkel  und  Ösen  wohl  erhaltene  Eimer  ist 
0'34  m  hoch  und  in  der  Mitte  C32  m  breit.  Die  Or- 
namentierung besteht  aus  dreimal  zwei  parallelen 
Kreisen    unter    dem    Rande   und    einem   Kreise    am 


zu  können,  hat  man  den  Rand  vollständig  entfernt 
und  die  Ösen  tiefer  am  Gefäßkörper  selbst  befestigt. 
17 — 33.  Außer  dieser  bauchigen  Eimerform,  die 
der  Kürze  wegen  bauchige  Form  I  genannt  werden 
soll,  sind  aus  Sissek  noch  von  einer  anderen  bauchi- 
gen Form  II)  17  Stücke  in  das  Agramer  Museum 
gekommen  (Fig.  74).  Sie  unterscheidet  sich  von  der 
vorigen  dadurch,  daß  die  Gefäße  nicht  in  der  Mitte 
die  größte  Breite  erreichen  und  von  hier  gegen  den 
Rand  und  den  Boden  zu  gleichmäßig  abfallen,  son- 
dern daß  sie  an  ihrer  breitesten  Stelle  jäh  umbiegen 


72  t  Bronzeeimer. 


73:  Bronzeeimer. 


Bauche.  Die  Kreislinien  sind  ziemlich  regelmäßig 
eingearbeitet,  die  Abstände  gleichmäßig. 

An  allen  Stücken  sind  die  Spuren  eines  langen 
Gebrauches  bemerkbar.  Zumeist  haben  Rand  und 
Boden  gelitten.  Bei  einigen  ist  der  abgerissene  Rand 
wieder  angeflickt,  bei  anderen  der  schadhaft  gewordene 
Roden   durch  einen   neuen  ersetzt. 

Ein  gutes  Beispiel  dafür,  wie  viel  Mühe  man 
auf  die  Ausbesserung  dieser  Gefäße  verwendet  hat, 
bietet  ein  0'3 m  hoher  Eimer.  Der  beinahe  ganz 
abgerissene  Rand  ist  durch  angenietete,  unterlegte 
Rronzeblechstücke  wieder  an  das  Gefäß  befestigt 
worden.  Die  eisernen  an  den  Rand  angenieteten  Ösen 
scheinen  auch  nicht  ursprünglich  zu  sein;  dazu  sind 
sie  zu  stark  und  zu  unschön  gearbeitet.  Der  ab- 
genützte Boden  ist  entfernt  und  durch  einen  neuen 
ersetzt  worden.  Auch  sonst  sind  an  diesem  Gefäße 
viele  Flicken  sichtbar,  die  zum  Teile  so  klein  sind, 
daß  sie  durch  einen  Nietnagel  festgehalten  werden 
konnten. 

Interessant  ist  auch  der  Fig.  73  abgebildete  kleinere 
Eimer.  Er  gehört  zu  derselben  Form,  nur  ist  der 
Rand   abgerissen.     Um   das    Gefäß  weiter  gebrauchen 


und  in  einen  schmalen  Rand  auslaufen.  Im  übrigen 
ist  die  Technik  dieselbe  wie  bei  den  vorher  be- 
sprochenen Eimern,  nur  daß  diese  im  Durchschnitte 
etwas  größer  sind.  Die  Höhe  der  Agramer  Stücke 
beträgt  0"II  — o-I75m,  eines  jedoch,  das  auch  in 
der  Form,  wenn  auch  unbedeutend,  abweicht,  ist 
022  m  hoch. 

Auf  einem  dieser  Gefäße  ist  der  Eigentümer  an- 
gegeben. In  ähnlicher  Weise,  wie  so  oft  auf  Aus- 
rüstungsstücken römischer  Soldaten,  sind  hier  mit 
einem  spitzen  Instrument  auf  der  Innenseite  des 
Randes  die  Buchstaben  (cenluria)  Mod(est)i(?)  C.  Mal 
I.  .  .)  Q(.  .  .)  punktiert. 

34.  Zu  Form  II  gehört  noch  ein  Eimer,  der 
seiner  Größe  und  Schwere  wegen  technisch  anders  ge- 
arbeitet wurde.  Er  ist  0'3m  hoch  und  aus  starkem 
Rronzcblcch  geschmiedet.  Ösen  waren  an  diesem 
Gefäße  nie  befestigt,  dafür  ist  aber  am  Rande  eine 
gut  sichtbare  Rinne  eingehämmert,  in  der  ein  eiserner 
Reif  lag,  an  dem  der  Henkel  befestigt  war.  Ein 
solcher  eiserner  Reif  mit  eisernem  Henkel  ist  in 
Sissek  gefunden  worden,  doch  ist  seine  Zugehörigkeit 
zu  diesem   Gefäße  zweifelhaft. 


Antike   Bronzegefäße  aus  Sissek 


35  —  39.  Die  dritte  in  fünf  Exemplaren  vertretene 
Sisseker  Eimerform  (Fig.  75)  ist  zylindrisch,  oben  und 
unten  gleich  breit  und  hat  oben  einen  meist  horizon- 
tal abstehenden  0"02  m  breiten  Rand.  Die  Höhe  der 
fünf  Stücke  beträgt  0'II4 — 0-2m,  der  Durchmesser 
o-l35  bis  ol9m. 

Zwei  Exemplare  zeigen  die  nämliche  Verzierung 
wie  die  der  bauchigen  Form  I.  Bei  einem  sind  unter 
dem  Rande  in  gleichen  Zwischenräumen  drei  Kreise 


40 — 54.  An  Schöpfkellen  hat  der  Boden  von 
Sissek  einige  schöne  Exemplare  geliefert.  Zu  den 
besten  gehört  die  Fig.  76  abgebildete  0-265  m  lange 
und  zirka  0"038  m  tiefe  Kelle.  Das  Gefäß  ist  schmuck- 
los bis  auf  den  Boden,  der  o'Ol"1  dick  gegossen  und 
dann  auf  der  Drehbank  durch  tiefe  Unterdrehungen 
mit  konzentrischen  Ringen  versehen  wurde.  Im 
Zentrum  blieb  ein  runder  abgefeilter  Zapfen  zurück. 
Der  knopfartig  endende  bis  zu  O'OOÖ m  dicke  Griff 
hat  oben  einen  länglichen  Ausschnitt  zum  Aufhängen 


74  :  Bronzeeimer. 


Bronzeeimer. 


und  bei  dem  andern  in   gleicher  Weise  dreimal  zwei 
Kreise  eingegraben. 

Diese  drei  Eimerformen  sind  entschieden  derselben 
Kulturepoche  zuzuweisen.  Sie  werden  im  Norden 
schon  in  Gräbern  der  La-Tene-Zeit  gefunden,  sind 
aber  wohl  italische  Exportware  (vgl.  Willers,  Rom 
Bronzeindustrie  S.  12  f.).  Daß  sie  während  der  römi- 
schen Zeit  noch  lange  im  Gebrauche  waren,  be- 
weisen nicht  nur  Grabfunde,  sondern  speziell  auch 
der  Sisseker  Eimer  mit  dem  Namen  eines  römischen 
Legionars. 

Wichtige  Analoga  bietet  das  Grabfeld  in  Idria 
bei  Baca  in  der  Nähe  von  Santa  Lucia  (Szombathy 
in  den  Mitt.  d.  präbistor.  Comm.  d.  Wiener  Akad. 
I  5  S.  291  ff.),  wo  alle  drei  Eimerformen  vertreten  sind. 
Szombathys  Datierungen  stimmen  mit  Willers  An- 
sätzen überein. 

Ein  Bronzeeimer  der  bauchigen  Form  I  stammt 
aus  dem  derselben  Zeit  angehörigen  Grabfelde  bei 
Grobnik  in  Kroatien,  das  Ljubic  1873  ausgrub. 
Ähnliche  Gefäße  aus  den  Gräbern  von  Buccari 
i.Bakar)  an  der  kroatischen  Küste  harren  noch  der 
Publikation. 


des  Gefäßes.  Unter  diesem  Ausschnitt  der  Stempel: 
ANSI  •  EPHAPRODIT  i . 

Eine  gleiche  Schöpfkelle  aus  derselben  Fabrik 
gehört  zu  dem  oft  abgebildeten  pompeianischen  Funde 
Mus.  Borb.  VII  Taf.  XVI  und  trägt  den  Stempel 
LANSI  DIODO(W). 

Diesen  Stempel  L  ANSI  DIOD(on')  zeigt  auch 
ein  ebenfalls  sehr  solid  gearbeitetes  Sisseker  Gefäß  aus 
der  Sammlung  Colussi.  Es  ist  o-228m  lang,  o-o7m  tief 
und  ziemlich  dickwandig.  Das  Gefäß  ist  schmucklos 
bis  auf  den  Boden,  in  dessen  Rand  ein  0'007  In  breiter 
Ring  eingedreht  ist;  außerdem  ist  in  der  Mitte  eine 
Erhöhung  geblieben.  Sonst  ist  der  Boden  glatt.  Der 
Griff  hat  oben  ein  Loch  in  Form  eines  Kleeblattes: 
darunter  befindet  sich  die  erwähnte  Fabrikmarke. 

Diesen  Fabrikaten  am  nächsten  steht  die  Fig.  77 
abgebildete  reichverzierte  Kelle  (Länge  0'2l8  m,  Tiefe 
0*057  m)-  ^->'e  unter  dem  Rande  ringsumlaufenden  ver- 
tieften Kreise  wirken  wie  eine  Borte.  Der  Boden  ist 
innen  und  außen  mit  Ringen  versehen,  von  denen  die 
inneren  ganz  seicht  sind.  Der  Griff  erweitert  sich  oben 
zu  einer  runden  Platte,  die  auf  der  Drehscheibe  mit 
zwei     kreisförmigen     Vertiefungen     versehen     wurde. 

9" 


V.   HoftUler 


/p5»> 


771- 


In  der  oberen  Hälfte  dieser  Kreise  ist  eine  halbmond- 
förmige Durchlochung  zum  Aufhängen  des  Gefäßes. 
Auf  dem  Griffe  zwei  Stempel:  Cl PI  ISOCRY(s;) 
und  iSO.'RS  MERCVRu .  Über  den  Stempel  Sors 
Mcrcuri,  der  noch  von  zwei  ähnlichen  Gefäßen  be- 
kanntist, vgl.Berglc,  Bull.  d.  Inst.  1859  p.  229  Anm.  I 
und  CIL  X  8072  und  III  6017,  9. 

Aus  derselben  Fabrik  stammt  eine  sehr  solid 
gearbeitete  kleinere  Sisseker  Schöpfkelle  (Länge 
0'202m)  mit  tief  eingedrehten  Ringen  an  der  Außen- 
seite des  Bodens  und  Spuren  des  Weißmetallüber- 
zuges an  der  Innenseite.  Am  oberen  Ende  des 
Griffes  befindet  sich  ein  kleeblattförmiger  Ausschnitt 
und  darunter  der  schwach  aufgeprägte  Stempel  CIPI 
POLYBI. 

Ganz  ähnlich  gearbeitet  sind  zwei  andere  Sisseker 
Schöpfkellen.  Die  eine  (Länge  0-325  m,  Tiefe  o-ioom) 
stammt  dem  Stempel  CIPI- PAMPH  I  U/i  zufolge  aus 
derselben  Fabrik,  der  auch  eine  zweite  etwas  kleinere 
Kelle  (Kig.  78,  Länge  o-290m,  Tiefe  0-090  m)  ohne 
Marke  zugewiesen  werden  darf. 

Der  Vollständigkeit  halber  erwähne  ich  noch 
zwei  Fragmente,  einen  Griff  mit  schlüssellochförmigem 
Ausschnitt   und    der    Marie    RVFINV1Y1    und    den 

ßteil  einer  Kelle,  dessen  Ausarbeitung  an  die 
Erzeugnisse  der  Fabrik  der  gens  Cipia  erinnert.  Bei 
diesem  Gefäße  ist  noch  das  Weißmetall  erhalten,  mit 
dem  es  außen   unter  dem   Rande  überzogen   war. 


Abweichende  Bearbeitung  zeigen  die  übrigen 
Schöpfkellen.  Vor  allem  ist  ein  Unterschied  in  der 
Form  zu  konstatieren.  Sie  sind  nicht  unten  am 
schmälsten,  sondern  in  der  Mitte  etwas  eingezogen. 
Die  dünnen  und  schwachen  Wände  hätten  einen 
stärkeren  Druck  auf  der  Drehbank  nicht  aushalten 
können,  die  deshalb  auf  diesen  Gefäßen  nur  schwache 
Spuren  hinterlassen  hat.  Der  Boden  hat  keine  Ringe; 
statt  dessen  sind  innen  und  außen  seichte  Kreise  ein- 
geritzt worden.  Die  reiche  Verzierung  dieser  Gefäße 
wurde  mit  freier  Hand  durch  Ziselierung  angebracht. 
Der  Rand  ist  innen  in  der  Regel  mit  einem  Eierstabe, 
oft  auch  mit  einem  Perlkreise  darunter  geschmückt,  der 
dünne  Griff  oft  reich  verziert.  Bei  besseren  Stücken 
ist  das  Motiv  der  Vogelköpfe  verwendet,  bei  geringerer 
Ware  ist  dieses  Motiv  wenigstens  angedeutet. 

Das  schönste  Stück  dieser  Reihe  vergegenwärtigt 
Fig.  79;  Länge  0-323m,  Tiefe  0"095m.  Das  Vogel- 
motiv wurde  für  den  Griffansatz  verwendet.  Am  Griff- 
ende erscheinen  Greifenköpfe,  deren  krumme  Schnäbel 
und  Kämme  in  der  Mitte  aneinanderstoßen.  In  der 
Mitte  läuft  der  Länge  nach  eine  auf  beiden  Seiten 
von  Perlstäben  umgebene  Furche,  die  mit  Stahl  aus- 
gefüllt war.  Außerdem  sind  am  untern  Griffteil  mehrere 
Löcher  vorhanden,  von  denen  einige  mit  einem  Metalle 
oder  einem  anderen   Material  ausgefüllt  waren. 

Sichtlich  nach  dem  Vorbilde  eines  ganz  ähn- 
lichen Gefäßes  ist  eine  zweite  Sisseker  Kelle  (Länge 


125 


Antike   Bronzegefäße  aus   Sissek 


126 


79 
78—80:  Kellen. 


80 


o'27m,  Tiefe  0^065  m)  entstanden,  doch  ist  sie  mit 
viel  geringerer  Sorgfalt  gearbeitet  und  die  dort  ver- 
wendeten Motive  sind  hier  verkümmert. 

Von  den  übrigen  vier  Schöpfkellen,  die  in  diese 
Kategorie  gehören,  ist  Fig.  80  (Länge  0*289  m>  Tiefe 
o-074 m  1  die  beste,  stärker,  als  alle  übrigen  dieser 
Art  und  darum  auch  trefflich  erhalten.  Die  Kreise 
auf  dem  Boden  sind  etwas  tiefer  und  außerdem  sind 
außen  unter  dem  Rande  einige  Kreise  eingedreht 
worden.  Der  Griff  zeigt  an  beiden  Kanten  einen  Perl- 
stab und  in  der  Mitte  eine  mit  Stahl  ausgefüllte 
Furche,  von  der  nach  links  und  rechts  mit  größeren 
Punkten  endende  Linien  abgehen.  Das  ganze  macht 
den  Eindruck  eines  sehr  langen  spitzigen  Blattes.  Die 
Vogelköpfe  am  Griffende  sind  leidlich  ausgeführt. 

Die  drei  anderen  Kellen  dieser  Art  sind  viel 
kleiner  und  von  schlechter  Arbeit.  Die  Bronze  ist 
stellenweise  papierdünn,  die  Erhaltung  infolgedessen 
sehr  schlecht.  Eines  von  diesen  Gefäßen  hat  schon 
beim  Gebrauche  Schaden  gelitten.  Der  abgebrochene 
Griff  wurde  mit  zwei  oben  und  unten  angelöteten 
Bronzeplättchen  wieder  befestigt.  Ebenso  wurde  auch 
der  schadhafte  Boden  durch  Anlötung  eines  Bronze- 
stückes ausgebessert.  Ein  etwas  größeres  Stück  weicht 
in  der  Form  ein  wenig  ab.  Es  ist  seicht  und  hat 
einen  langen  Griff,  einen  geraden  Boden  und  einen 
schmalen  gerade  abstehenden  Rand. 

Eine  Schöpfkelle  weicht  in  der  Form   von  allen 


bisher  erwähnten  stark  ab.  Sie  ist  in  Ausführung 
und  Erhaltung  gleich  schlecht.  Der  Griff  ist  oben 
gerade  abgeschnitten  und  mit  drei  einfachen  zum 
Aufhängen  bestimmten  Löchern  versehen.  Darüber 
ist  eine  nicht  zu  entziffernde  Marke  eingedrückt. 
Schlechtere  Ausführung  zeigt  nur  noch  eine  Schöpf- 
kelle aus  Tordinci.  Sie  ist  plump  gegossen,  nicht  ge- 
dreht und  hat  am 
Griffende  in  ähnlicher 
Weise  drei  Löcher 
zum  Aufhängen. 

55-58.  Vier 
Schöpflöffel  mit  ho- 
hem, emporstehendem 
Griffe  (Höhe  o'i  15  — 
0'l45m).  Auch  diese 
kleinen  Gefäße  sind 
zuerst  gegossen  und 
dann  auf  der  Dreh- 
bank geglättet.  Zwei 
stimmen  in  der  Aus- 
führung insofern  über- 
ein, als  auf  dem  Boden 
beidemal  dieselben 
schwach  eingegrabe- 
nen Kreise  erschei- 
nen. Außerdem  zieht 
sich    um    den    Gefäß-  8t:    Schöpflöffel. 


127 


V.   Hoffilier 


128 


körper  ein  Perlkreis  mit 
einer  darüber  eingearbeiteten 
Linie.  Die  Griffe  sind  ganz 
gleichartig  gestaltet.  Eines 
dieser  Gefäße  trägt  die  gut 
lesbare  Marke  MSEP'  LI  C 
(Fig.  81). 

Das  dritte  Gefäß  dieser 
Art,  zugleich  das  größte,  ist 
am  wenigsten  sorgfältig  be- 
handelt und  mit  einigen  ein- 
gravierten Strichen  verziert 
(Fig.  82).  Weniger  verziert 
als  die  übrigen,  dafür  aber 
stärker  und  schöner  in  der 
Form  ist  ein  viertes  Stück. 
Bei  allen  vieren  verbreitert 
sich  das  Griffende  beträcht- 
lich, wodurch  die  Hand- 
habung dieser  Geräte  er- 
leichtert worden  sein  mag. 
Für  die  vielen  eingebohrten 
Löcher  an  dem  breiteren 
Griffende  läßt  sich  kaum  ein 
praktischer  Zweck  ausfindig 
machen.  Der  Fassungsraum  dieser  vier  Gefäße  be- 
trägt nahezu  übereinstimmend  ungefähr  4  Zentiliter, 
somit  ungefähr  einen  cyathus. 

A59.  Sieb  aus  der  Samm- 
lung Colussi  (Fig.83;  L.o-275m). 
Es  hat  die  ältere  Form  mit  lan- 
gem Griff  und  halbkugelförmi- 
gem Gefäßteile.  Die  dazu  ge- 
hörige Kasserolle  wurde  nicht 
mitgefunden.  Der  späteren  Form 
mit  kurzem  breilerem  Griffe  und 
flachem  Gefäßteile  entspricht  ein 
Fragment  von  einem  Gefäßboden 
aus  Sissek  und  das  Griffstück 
eines  anderen  Exemplars,  beide 
L  in  Agram 
60.  Amphora  (Fig.  84  ;  Höhe 
o  39 m).  Das  Gefäß  wurde  zu- 
erst gegossen  und  dann  auf  der 
Drehbank  nachgearbeitet.  Außer 
einigen  vertieften  Linien  über 
dem  Boden  und  einer  unter  dem  Mündungsrande 
blieb  diese  Amphora  ohne  Verzierung.  Auf  dem 
Boden,  der  mit  einem  O'OI  m  Standreif  aufsteht, 
sind  konzentrische  Ringe  mäßig  tief  eingedreht.  Die 


Henkel,  von  denen  einer  abgebrochen  ist,  waren 
angelötet.  Ihr  oberer  Ansatz  erweitert  sich  herz- 
förmig, der  untere  geht  nach  zwei  tiefen  Ein- 
schnitten in  ein  herzförmiges  Blatt  über.  Auf  der 
Drehbank  hat  das  Gefäß  einen  Fehler  erlitten,  der, 
wie  es  scheint,  auf  mehreren  Exemplaren  dieser 
Art  zu  konstatieren  ist  (vgl.  Archäol.  Anzeiger  XV 
(1900)  S.  184  n.  9,  10  Fig.  10).  Durch  den  gewaltigen 
Druck,  dem  das  Gefäß  ausgesetzt  war,  ist  an  einer 
Stelle  ein  Riß  in  der  Wand   entstanden,  der  mit  ge- 


84  :  Amphora. 

schmolzener  Bronze  gedeckt  wurde.  Die  Flicke  ist 
rechts  vom  untern  Henkelansatze  auf  der  Abbildung 
erkennbar.  Auf  der  Innenseite  des  Gefäßes  läuft 
0'042m  unter  dem  Rande  um  die  Wand  eine  vertiefte 
Kreislinie.  Bis  zu  dieser  Linie  reichte  auf  der  Innen- 
seite die  Wirkung  der  Drehbank,  d.  h.  die  Gefäß- 
wand ist  bis  zu  dieser  Linie  geglättet,  von  da  ab 
rauh  geblieben. 

61.  Kanne  (Fig.  86;  Höhe  0-266 m).  Das  Gefäß 
wurde  mit  eingedrücktem  Boden  aufgefunden,  konnte 
aber  fast  vollkommen  restauriert  werden.  Die  in  der 
Abbildung  sichtbaren  Kupfernieten  rühren  von  der 
modernen  Restauration  her.  Bauch  und  Hals  des  Ge- 
fäßes sind  durch  eine  Einziehung  voneinander  ge- 
schieden.    Der    Boden,    der   nur    mit    dem    äußeren 


i  29 


Antike   Rronzegefäße  aus  Sissek 


[30 


O'0o6m  breiten  Ringe  die  Standfläche  berührt,  ist 
etwas  eingedrückt  und  mit  konzentrischen  einge- 
drehten Ringen  verziert.  Diese  werden  gegen  den 
Mittelpunkt  zu  immer  tiefer  und  erreichen  schließlich 
eine  Tiefe  von  0'004m.  Sehr  sorgfältig  ist  der  Henkel 
gearbeitet.  Er  endet  oben  in  eine  dreiblättrige  Blüte, 
von  der  links  und  rechts  Vogelköpfe  auslaufen,  die 
an  dem  wulstartigen  Rande  angelötet  sind.  Das 
mittlere  jetzt  abgebrochene  Blatt  reichte  mit  der  wohl 
aufgebogenen  Spitze   über    den  Rand    hinüber.     Das 


gezogen.  Die  Öffnung  ist  oval,  der  0/012 — 0-0l8m 
breite  Rand  wagrecht  abstehend  und  vorne  etwas 
mehr  ausgezogen  als  rückwärts  beim  Henkelansatze. 
Der  Schmuck  des  Gefäßkörpers  beschränkt  sich  ab- 
gesehen von  einem  um  die  Mündung  laufenden 
Perlkreise  und  Eierstabe  auf  seicht  eingedrehte 
Kreise  am  Boden;  dieser  ist  konkav  eingetrieben, 
um  die  Verscheuerung  der  Bodenfläche  zu  verhüten 
und  steht  mit  einem  O"O06  m  breitem  .Standring  auf. 
Auch  der  Standring  selbst  erhielt  noch  eine  Sicherung, 


85 :  Kanne. 


86:  Kanne. 


untere  Ende  des  Henkels  bildet  ein  jugendlicher 
Satyrkopf,  der  aus  einem  dreiblättrigen  Blumenkelche 
herauszuwachsen  scheint.  Der  Kopf  hat  Pferdeohren 
und  struppiges  Haar,  in  dem  einige  Epheublätter  sicht- 
bar sind.  Links  und  rechts  waren  Weinblätter,  von 
denen  links  noch  Reste  erhalten  sind.  Von  einem 
Pantherfelle  sind  unter  dem  Kopfe  die  Tatzen  und 
der  Kopf  erkennbar.  Eine  Verdickung  an  der  stärk- 
sten Stelle  des  Henkels  diente  wohl  dem  praktischen 
Zweck,  dem  Daumen  beim  Halten  des  Gefäßes  einen 
Halt  zu  bieten.  Auch  bei  diesem  Gefäße  ist  an  der 
Innenfläche  0x135 m  unter  dem  Rande  eine  Linie  be- 
merkbar, bis  zu  der  die  Gefäßwand   geglättet  ist. 

62.  Bauchige  Kanne  (Fig.  85;  Höhe  0*1 35 ml.  Das 
Gefäß  ist    ziemlich    massig    und   oben   nur   wenig  ein- 


indern  man  ihn  an  drei  Stellen  mit  dünnen,  jetzt  noch 
erhaltenen  Bronzeplättchen  unterlegte. 

Sorgfältig  ist  der  hermenartig  gestaltete  Henkel 
gearbeitet.  Oben  endet  er  in  eine  nach  außen  ge- 
kehrte weibliche  Büste  mit  Melonenfrisur,  die  den 
Eindruck  einer  Porträtbüste  macht.  Unter  der  Büste 
ist  ein  schmales,  vertieftes,  jetzt  leeres  Feld,  in  dem 
vielleicht  ein  Plättchen  aus  anderem  Metalle  ein- 
gelötet war.  Die  Büste  läuft  in  einen  geraden, 
O'OOJ  m  dicken  Balken  aus,  der  sich  nach  unten  zu 
verjüngt  und  mit  eingeritzten  Linien  und  Kreisen 
verziert  ist.  Die  Befestigung  des  Henkels  ist  durch 
zwei  fast  rechtwinklig  absetzende  Arme  bewirkt,  von 
denen  der  obere  sich  in  zwei  Vogelprotomen  gabelt, 
die  knapp   unter  dem  Rande  an    das    Gefäß  angelötet 


131 


V.  Hoffilier 


13' 


sind.  Die  untere  Seite  der  Köpfe  ist  sichtbar  und 
darum  sorgfältiger  bearbeitet.  An  Stelle  der  Augen 
sind  Kreise  eingraviert;  die  Federn  sind  durch  ein- 
gravierte wellenartige  Linien  angedeutet.  Den  unteren 
Henkelansatz  bildet  ein  bärtiger  Satyrkopf  mit  Pferde- 
ohren. Das  Haar  ist  mit  fein  eingeritzten  Linien 
wiedergegeben. 

63.  Kleine  sehr  schlecht  erhaltene  Kanne.  Der 
Boden  fehlt  ganz  und  auch  der  erhaltene  Teil  des 
Gefäßkörpers  ist  sehr  beschädigt.  Jetzige  Höhe 
o-l9m.  Die  Kanne  repräsentiert  eine  räumlich  und 
zeitlich  sehr  verbreitete  Form  mit  Kleeblattmündung. 
Der  schlanke  Henkel  ragt  hoch  über  die  Gefäß- 
mündung hinaus   und  lädt  an  beiden  Enden  in   naeh- 


Mitte  am  stärksten  aus  und  fällt  gegen  den  Hals  und 
gegen  den  Fuß  gleichmäßig  ab.  Der  Fuß  ist  hoch 
und  hohl,  der  Hals  nur  wenig  eingezogen.  Die  einzige 
Verzierung,  die  das  Gefäß  auf  der  Drehscheibe  er- 
hielt, sind  zweimal  zwei  parallele,  sehr  seicht  ein- 
gegrabene Kreise,  die  den  Bauch  des  Gefäßes  oben 
und  unten  begrenzen.  In  der  Mitte  des  Bodens  war 
nach  der  Bearbeitung  auf  der  Drehscheibe  ein  Zapfen 
zurückgeblieben,  der  nachträglich  abgefeilt  wurde.  Die 
Ösen,  in  denen  der  Henkel  liegt,  sind  nicht  gesondert 
gearbeitet,  sondern  in  einem  Stücke  mit  dem  Gefäß- 
körper gegossen.   Dabei  ist  eine  Ose  mißglückt,  so  daß 


87 :  Unterer  Teil  einer  Kanne. 


86:  SalbgefUß. 


ziselierte  Palmetten  aus.  Die  obere  breite  Palmette 
ist  mit  drei  Bronzenägeln  am  Halse  knapp  unter  der 
Mündung  angenietet,  die  untere  längliche  war  an  der 
breitesten  Stelle  des  Bauches  angelötet. 

64.  Unterer  Teil  eines  kleinen,  dünnwandigen 
Gefäßes,  wohl  einer  Kanne  (Fig.  87).  Sehr  be- 
schädigt. Hals  und  Henkel  sind  abgebrochen  und 
wurden  nicht  gefunden.  Jetzige  Höhe  o-o6o  m.  Durch 
ziemlich  unregelmäßige  Kreise  ist  der  Körper  des 
ißes  in  drei  horizontale  Felder  eingeteilt,  in  die 
mit  einem  Stichel  aus  freier  Hand  Ornamente  hin- 
eingearbeitet wurden.  Im  obersten  Felde  ein  Eier- 
stab, im  mittleren  spitze  Blätter,  im  unteren  eine 
Hopfenranke.  Daß  dieses  Gefäß  nach  dem  Gusse 
auf  der  Drehscheibe  bearbeitet  wurde,  beweist  das 
im  Zentrum  des  schmucklosen  Hodens  befindliche 
ziemlich  tiefe  Loch. 

:iht förmiges  dickwandiges  Salbgefäß  (Fig.  88; 

0052.    mit    aufgestelltem   Henkel  0'09mi.    Das 

geschmackvolle,  einfach  ausgeführte  Gefäß   lädt  in  der 


an  dieser  Stelle  ein  Stück  herausgeschnitten  und  ein 
anderes,  das  durch  Abfeilen  auf  die  Stärke  der 
Gefäßwand  gebracht  wurde,  hineingelötet  werden 
mußte.  Trotz  der  sorgfältigen  Ausführung  dieser 
Flicke  sind  störend  wirkende  Ungleichheiten  zurück- 
geblieben. Der  Henkel  selbst  ist  halbkreisförmig,  im 
Durchschnitt  viereckig  und  an  den  Enden  einfach 
umgebogen  ohne  Verzierung. 

66.  67.  Zwei  kleine  sehr  gleichmäßig  ausge- 
arbeitete Salbgefäße  (Fig.  89;  Höhe  0*08  und  0*075 m). 
Der  Körper  der  Gefäße  ist  fast  kugelförmig,  der 
Hals  in  seinem  unteren  Teile  sehr  eng,  oben  jedoch 
weiter  ausladend.  Als  Verzierung  sind  über  dem 
Boden  und  unter  dem  Halse  einige  Kreise  einge- 
arbeitet. Der  Boden  ist  konkav  eingetrieben,  so  daß 
sich  ein  umlaufender,  0'006m  breiter  .Standring  ergab. 
Die  Bodenflächc  selbst  zeigt  schwache  konzentrische 
Kreise,  deren  Zahl  auf  beiden   Gefäßen  variiert. 

Die  Henkel  sind  besonders  gegossen  und  haben 
identische  Form.   Das  obere  Ende  ist  gespalten,  so  daß 


133 


Antike  BronzegefäRe  aus  Sissek 


134 


es  das  Gefäß  dicht  unter  dem  Rande  gabelförmig  um- 
faßt. Das  untere  Ende  erweitert  sich  zur  Form  eines 
Schafskopfes,  der  am  Bauche  des  Gefäßes  ange- 
lötet ist.  Diese  Henkelverzierung  ist  bei  keinem  der 
beiden  Exemplare  gut  erhalten,  auch  die  Ausarbeitung 
der  Köpfe  nicht  gleichmäßig,  da  bei  dem  einen  die 
Einzelheiten  schon  beim  Gusse  schärfer  heraus- 
kamen, bei  dem  andern  durch  Ziselierung  nachge- 
bessert werden  mußten.  Der  Länge  nach  ist  auf  dem 
Henkel  eine  von  oben  nach  unten  sich  verjüngende 
tiefe  Furche  eingeschnitten,  die  als  Fortsetzung  des 
oberen  Trennungsschnittes  betrachtet  werden  kann. 
Zu  beiden  Seiten  dieser  Furche  sind  mit  einem  spitzi- 
gen Instrument  Striche  eingegraben,  die  den  Eindruck 


Zweifel,  ob  diese  Kanne  überhaupt  noch  römischer  Zeit 
zuzuweisen  sei,  erledigte  sich  durch  die  Vergleichung 
mit  ähnlichen  Stücken,  so  einem  aus  einem  römischen 
Grabe  aus  Vinkovci,  das  nach  dem  Inventar  frühestens 
in  die  zweite  Hälfte  des  dritten  nachchristlichen 
Jahrhunderts  gehört.  Diese  Kanne  ist  nicht  nur  in 
der  Form,  sondern  auch  in  der  Technik  gleichartig 
und  besteht  ebenfalls  aus  drei  Teilen,  die  aneinander 
gelötet  und  zusammengenietet  sind.  Auch  in  der 
Anbringung  des  Henkels  stimmt  dieses  Exemplar 
mit  dem  Sisseker  überein.  Eine  gewisse  Ähnlich- 
keit zeigt  auch     eine    Bronzekanne  vom   Rhein,    bei 


a'  :  Kupferkanne. 


89:  Salbgefäß. 

einer  Rippung  hervorrufen.  —  Ein  ganz  ähnliches 
Stück  im  Museum  S.  Germain:  S.  Reinach,  Antiquites 
nationales,  Bronzes  figuräs  de  la  Gaule  rom.  p.  32g 
n.  420. 

Es  erübrigt  noch  zwei  kupferne  Kannen  zu  be- 
sprechen, die  späterer  römischer  Zeit  angehören. 

68.  Kupferne  Kanne  (Fig.  91 ;  Höhe  0-265  m). 
Dieses  Gefäß  besteht  aus  drei  Teilen:  dem  aus  einem 
Stücke  Kupferblech  getriebenen  Gefäßkörper,  dem 
aus  einem  gebogenen  Stück  Kupferblech  geformten 
Hals  und  dem  Boden.  Diese  drei  Teile  waren  durch 
Lötung  in  Verbindung  gebracht.  Der  Henkelist  nicht 
erhalten,  doch  sind  die  Löt-  und  Nietstellen  an  Mün- 
dung und  Bauch  sichtbar.  Das  Gefäß  kam  im  Jahre 
1877  in  einem  alten  Brunnen  zutage,  der  bei  Zubauten 
am  .Magistratsgebäude  entdeckt  wurde.  Der  anfängliche 


91 :  Kupferkanne. 

der  aber  Henkel  und  Mündung  noch  gegossen  sind 
(Westd.    Zeitschr.     XXI     (1902)     S.   431      Taf.    4). 

69.  Nach  diesen  Analogien  kann  auch  die 
Fig.  90  abgebildete,  0'HOm  hohe,  aus  Kupferblech 
getriebene  Sisseker  Kanne  gewürdigt  werden,  die 
eine  noch  primitivere  Technik  verrät.  Den  Boden 
bildet  ein  an  das  Gefäß  gelötetes  rundes  Stück  Kupfer- 
blech, den  Henkel  ebenfalls  ein  gebogenes  schmales 
Blechstück,  das  an  beiden  Enden  breitgeklopft  und 
mit  kupfernen  Nägeln  an  das  Gefäß  genietet  wurde. 
Oben  ist  der  Henkel  etwas  «usammengedrückt  und 
von  beiden  Seiten  aufgebogen.  In  diese  aufgebogenen 
Läppchen  sind  einander  entsprechende  Löcher  ein- 
gebohrt, die  wohl  nur  zum  Durchziehen  eines  Fadens 
dienen  konnten. 

Agram.  VIKTOR  HOFFILLER 


Jahreshefte  des  österr.  archnol.  Institutes  Bd.  XI  Beiblatt. 


'35 


J.    Keil 


136 


92:   Die  ionische  Küste  südlich  von  Rphesos. 


Zur  Topographie  der  ionischen  Küste  südlich  von  Ephesos. 


Theodor  Wiegands  weitausgreifendc  Unter- 
suchungen über  die  Topographie  und  die  antiken 
Reste  des  Mykalegebirges  und  des  m'irdlich  an- 
schließenden Teiles  der  ionischen  Küste  im  Priene- 
buche"),  deren  reichen  Ertrag  die  Karte  (Tafel  II) 
augenfällig  macht,  ließen  eine  Ergänzung  und  Er- 
weiterung bis  Ephesos  von  Seite  des  österreichischen 
Ausgrabungsunternchmens  erwünscht  erscheinen;  hier 
hatte  Benndorf  eingesetzt  und  die  Lage  von  Ortygia. 
der  sagenberühmten  Geburtsstätte  der  ephesischen 
Artemis,  in  dem  reizenden  Tale  von  Arvalia  unter 
dem  Fuße   des  Solmissos  (Ala-Daghi,    von  dem  der 


'1    Wiegand  und  Schrader,  Priene  I  ff.  469  ff.,  dazu 
jetzt  Hiller  v.  Gaertringen,  Inschr.  von  Priene  S.  VI  f. 
•  rschungen   in   Ephesos   I   76. 


Kenchreios  herabrauscht,  wiedererkannt2).  Weniger 
überzeugend  dagegen  war  seine  Identifizierung  eines 
kleinen  späten  Forts  südlich  der  Kaystermündung 
mit  dem  alten  Städtchen  Pygela3),  und  über  die  Lage 
der  südlich  von  diesem  an  der  Küste  gelegenen 
Orte  Marathesion  und  Anaia  sind  genauere  Erhebungen 
bisher  meines  Wissens  noch  nicht  gepflogen  worden. 
Die  folgenden  Untersuchungen  sind  das  Ergebnis 
einer  Bereisung  der  Gegend,  die  ich  im  Frühjahre  1905 
auf  Benndorfs  Anregung  mit  Mitteln  der  kleinasiati- 
schen Kommission  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  unternommen  habe. 

3)  Ebenda  S.  73  ff.;  vgl.  die  Schindlersche  Karte. 
Auch  Pauly-Wissowas  Realenzyklopädie  V  2773  ff. 
mit  Abb.  2. 


137 


Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich   von   Ephesos 


13» 


I.  Pygela  —  Phygela. 

Aus  den  antiken  und  mittelalterlichen  Zeugnissen 
über  dieses  ionische  Städtchen,  welche  von  Benndorf 
zum  größten  Teil  gesammelt  und  verwertet  sind, 
läßt  sich  für  die  Beurteilung  seiner  Lage,  Größe  und 
F.xistenzdauer  folgendes  entnehmen.  Südlich  von  Ephe- 
sos an  der  Küste  gelegen,  war  es  seine  Nachbarstadt, 
denn  in  Strabos  Beschreibung   der  Küste  folgen  von 


von  ihnen  im  Wege  des  Austausches  an  Milet  über- 
lassen zu  werden5;.  Im  Mai  410  v.Chr.  berannte 
Thrasybulos  die  Mauern  der  Stadt,  die  früher  als 
Mitglied  des  attischen  Reiches  I  — i1;'.,  Talente  ent- 
richtet hatte6),  ohne  Erfolg  und  besiegte  dann  die 
den  Pygelensern  zu  Hilfe  geeilten  Milesier".).  Eine 
Münzprägung  im  vierten  Jahrhundert  hörte  bald  wieder 
auf.   Wegen   seines   Weinbaues  in   römischer  Zeit  ge- 


93:   Blick  auf  die  Bucht  von  Pygela  (a),  auf  Scalanova  !b)   und  Marathesion  (c)  ;  im  Hintergrunde  die  Mykale. 


Süden  nach  Norden  Anaia  (Neapolis  '"),  Marathesion, 
Pygela  aufeinander,  dann  aber  sofort  der  äußere 
ephesische  Hafen  Panormus4).  Daß  es  eine  alte  ioni- 
sche Stadt  war,  beweisen  uns  weniger  die  Fabeleien 
von  der  Gründung  durch  Seeleute  des  von  Troia  zu- 
rückkehrenden Agamemnon,  als  vielmehr  die  Tat- 
sache, daß  es  bereits  zur  Zeit  der  Zerstörung  von 
Melia,    also  um  700  v.  Chr.   den   Samiern   zufiel,    um 


legentlich  erwähnt,  erhielt  sich  das  Städtchen  auch 
in  der  byzantinischen  Epoche,  wo  es  im  Jahre  722 
der  heil.  Willibald  besuchte8),  und  war  unter  der 
Regierung  des  Kaisers  Romanos  II.  zum  Sammelplatz 
der  großen  Armada  ausersehen,  welche  dieser  Kaiser 
unter  dem  tapferen  General  Nikephoros  Phokas  da- 
mals nach  Kreta  sandte9).  Reichere  Nachrichten  haben 
wir   dann   aus   dem    13.  und   14    Jahrhunderte,  wo  das 


*)  XIV  639. 

s)  Hiller  von  Gaertringen,  Inschriften  von  Priene 
37  v.  58  vgl.  S.  309.  Der  ganze  Zusammenhang  der 
Ereignisse  glänzend  erörtert  von  Wilamowitz, Sitzungs- 
her. Akad.   Berlin    1906  III  42  ff. 

6)  IG  I  237,  29;  238,  29;  239,  3;  240,  13  (v. 
Chr.   493/2—440/39);   256,   16  (v.  Chr.  428/7). 

7)  Xen.  Hell.  I  2,  2;  Ed.  Meyer,  Geschichte  d. 
Altert.  IV  §  716. 

8)  Benndorf  a.  a.  O.   S.  74. 

'')  Michael  Attaliota  p.  223  Bonn;  Geizer,  Abriß 


S.  984.  Um  das  böse  Omen,  das  der  Name  Phygela 
(tpüfeXv)  g3'1»  zu  vermeiden,  ließ  Nikephoros  Phokas 
aber  die  Einbarkierung  des  Heeres  etwas  weiter  süd- 
lich bei  dem  Vorgebirge  Hagia  vornehmen.  e~£;^=p 
iusu.ait'i'jxEL  Bit  <J>u-feX/.a  xo'jxfp  xö  ö'/cpa,  oö  xctTa5=- 
&xtc  xoOxo  TOirjaaaö'aL  dpur,xr;p  cov .  iXAä  itsp av  iv. 
noXXoü  äiaaxripaxo;  äxpioxr/ptov  toüj  i-.^-x'/.y.'y.:  snsX- 
9-mv  £7tt>9-Exo  rcepl  toöxoo  icofov  toOtä  low  xal  örauj 
npocja-fopsüsxat,  xal  |ia{ru>v  6x1  kfta  xq>  äxpcS-tvicp 
xö  övopa  xa  piv  ipßsßXriuiva  itavxa  xot;  kXoCoi;  iv 
xotj  <t>uf  iXAoig  TiaXiv  äJiEpsujaa9-a:  xa  jtXcta  -=-oir,xs, 

10* 


139 


J.  Keil 


[40 


berühmte  und  von  den  Kaisern  mit  reichen  Privi- 
legien ausgestattete  Johanneskloster  auf  Patmos  hier 
nicht  nur  steuerfreie  Ein-  und  Ausfuhr  genoß,  sondern 
auch  Landbesitz  und  ein  Filialkloster,  das  dem  heil. 
Märtyrer  Georgios  Dysikos  geweiht  war,  besaß10). 
Von  den  Katalanen  im  Jahre  1308  erobert,  erscheint 
die  Stadt  zuletzt  in   den  Portolanen    des   16.  und  17. 


94:  Nordecke  der  Stadtmauer  von  Pygela 

Jahrhunderts    unter    dem    Namen    Figuela,    Figuelo, 
Figella,  Figena11). 

Wir  dürfen  erwarten,  daß  von  einer  Stadt,  die 
einen  mehr  als  zweitausendjährigen  Bestand  gehabt 
hat,  noch  Reste  vorhanden  sind,  welche  eine  Be- 
stimmung ihrer  Lage  ermöglichen;  Benndorf  hatte  sie 
in  dem  engen,  von  steinigen  Berglehnen  eingefaßten 
Talwinkel  südwestlich  des  Pamudsehaks  zu  finden 
geglaubt,  wo  eine  kleine,  nicht  mehr  als  50 m  weit 
ausladende,  von  späten  Mörtelmauern  eingefaßte  Halb- 


insel mit  einem  schmalen  Isthmus,  auf  dessen  Seiten 
sich  je  nach  dem  Winde  anlegen  ließ,  ins  Meer  vor- 
springt. Eine  genauere  Untersuchung  des  Platzes,  die 
mir  wiederholte  Besuche  ermöglichten,  haben  mich 
von  der  Unmöglichkeit  dieser  Annahme  überzeugt. 
Die  beschriebene  ummauerte  Halbinsel  bildet 
ein  Quadrat  von  etwa  45m  Seitenlänge,  kann  also  selbst 
nur  ein  mäßiges  Fort  ge- 
tragen haben,  die  Umgebung 
aber  bietet,  obwohl  beson- 
ders am  Südrande  der  klei- 
nen sumpfigen  Ebene  noch 
mehrere  Gebäudereste  by- 
zantinischer Zeit  und  auch 
in  der  Nähe  der  Halbinsel 
die  eines  antiken  Baues  vor- 
handen sind,  wegen  der 
Terrainform  keine  Vorbe- 
dingung zur  Anlage  einer 
ummauerten  Stadt;  hätte 
aber  eine  solche  trotz  der 
ganz  ungeeigneten  Form  des 
Geländes  hier  bestanden, 
dann  müßten  auf  den  humus- 
losen steinigen  Hängen  die 
Spuren  der  Gebäude  im  In- 
nern und  vor  allem  die  der 
Stadtmauer,  dieThrasybulos 
berannte,  zu  erkennen  sein. 
Benndorf  war  sich  auch  der 
Schwierigkeit,  einer  Stadt  in  dem  engen  öden  Tal- 
winkel des  Pamudsehaks  ihre  Existenzmöglichkeit 
zu  geben,  wohl  bewußt,  allein  die  Annahme,  daß  an 
der  Küste  bis  Scalanova  keine  andere  Ruinenstätte 
existiere,  zwang  dazu,  sich  mit  dem  Unwahrschein- 
lichen abzufinden. 

Nachdem  die  Straße  von  Ajasoluk  nach  Scala- 
nova südlich  der  beschriebenen  Stätte  den  Sattel 
überschritten  hat13),  steigt  sie  zu  ein°r  freundlichen 
Meeresbucht  nieder  (Fig.  93 ;    vgl.  auch   die  Karten- 


xöv  äs  ütöAov  ärarca  x%  ffi  rfi  ^"f'aS  JtpoaoxslXat 
itaTagauevoj.  Vgl.  auch  Theophan.  continuatus  p.  475 
Bonn.  Auch  für  die  kretische  Expedition  des  Admirals 
Himerios  unter  Kaiser  Leon  VI  im  Jahre  903  war 
Phygela  Sammelplatz;  Constant.  porphyr.  de  cer.  II  44 
(I  653  Bonn)  vgl.  Krumbacher,  Byz.  Literaturg.2S.  200. 
Das  Vorgebirge  A-f£a  kann  schwerlich  ein  anderes 
als  das  von  Marathesion  ('s.  u.1  gewesen  sein,  dessen 
Name  also  damals  vergessen  war. 


10;  Müller-Miklosich,  Acta  et  diplomata  Graeca 
medii  aevi  VII  165.   174.   179.   182.   233.   250. 

ll)  Chronik  des  Edlen  En  Ranion  Muntaner, 
ins  Deutsche  übers,  v.  Dr.  Fr.  W.  Lanz  II  172;  vgl. 
W.  Brockhoff,  Studien  zur  Geschichte  der  Stadt 
Ephesos,   Diss.  Jena  1905  S.  61. 

■-)   Wiegand  a.  a.  O.   S.  31  f. 

n)  Von  diesem  Sattel  aus  ist  die  Photographie 
(Fig.  93)  gemacht.   Die  Schindlersche  Karte  gibt  nur 


i4i 


Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich   von   Ephesos 


142 


skizze  Fig.  92),  welche  im  Norden  durch  den  weit 
vorspringenden  Otusbir  schützend  umfaßt  wird, 
während  im  Süden  ein  Höhenzug  aufragt,  der  nach 
SSW  ziehend  zunächst  einen  niedrigen  Rücken,  dann 
eine  höhere  Kuppe  bildet.  An  der  Nordseite  der 
so  vor  Nord-  und  Südwind  geschützten  Bucht  hat  die 
dünenbildende  Tätigkeit  des  Meeres  einen  Teil  dei  ehe- 
maligen Meeresfläche  durch  eine  geschlossene  Nehrung 
abgetrennt  und  zum  allmählich  austrocknenden  Binnen- 
see gemacht.  Eine  kleine,  wohlbebaute  Ebene  breitet 
sich  an  der  Küste  der  Bucht  aus,  welche  sich  nach 
Süden  allmählich  ansteigend  verschmälert.  In  ihr 
steigt  die  Straße,  durch  den  erwähnten  Höhenzug 
vom  Meere  getrennt,  hinan,  um  nach  etwa  20  Minuten 
auf  dem  Sattel  freien  Ausblick  auf  das  noch  etwa 
eine  halbe  Stunde  von  da  entfernte  Scalanova  zu 
gewinnen.  Von  Osten  her  öffnet  sich  gegen  die  Ebene 
ein  kleines  fruchtbares  Tal,  aus  dem  im  Winter  ein 
Bächlein  dem  Meere  zufließt.  Während  nun  der  Nord- 
rand der  Bucht  am  Fuße  des  Otusbir  nur  die  Reste 
einer  antiken  Gebäudeanlage  aufweist,  ist  der  Höhen- 
zug im  Süden  derselben  (bei  a  auf  Fig.  93)  von  den 
Trümmern  einer  antiken  Stadt  bedeckt,  welche,  wieder- 
holt von  Forschungsreisenden  bemerkt,  vielfach  als 
die  des  alten  Pygela  angesehen  worden  sind14).  Ein 
dichtes  Netz  antiker  Mauern  überzieht  den  ganzen 
Hügel,  der  mit  Ziegelbrocken  und  Tonscherben  über- 
sät ist.  Das  zunächst  Sichtbare  gehört  der  Spätzeit 
an,  wenn  auch  einige  Fundamente  ein  höheres  Alter 
haben  mögen.  Aber  an  der  N.-Ecke  ist  noch  ein 
Eck  der  alten  Umfassungsmauer  erhalten  (Fig.  94), 
deren  Konstruktion  auf  hellenistische  Zeit  weist.  Sie 
ist  aus  großen  Rustikaquadern  erbaut,  welche  an  der 
Mauerecke  den  die  Kante  ausarbeitenden  Steinschnitt 
zeigen,  der  z.  B.  bei  den  lysimachischen  Befestigungs- 
anlagen in  Ephesos  und  sonst  gebräuchlich  ist.  Daß 
wir  es  nicht  etwa  mit  einem  Wartturme  zu  tun  haben, 
beweist  die  Ausdehnung  der  Mauer,  die  sich  etwa 
20 m  weit  deutlich,  dann  in  Spuren  verfolgen  läßt. 
Der  Rest  eines  zweiten  Bauwerkes  griechischer  Zeit 
liegt  an  der  NO -Ecke  der  Stadt.  Es  ist  das  Funda- 
ment eines  Rundbaues  aus  sorgfältigst  behauenen, 
großen  untereinander  durch  Klammern  verbundenen 
Quadern,  deren  gerundete  Außenseiten  ein  gepickeltes, 


von  glatten  Rändern  eingefaßtes  Feld  zeigen,  wäh- 
rend die  Rundung  an  den  Stoßfugen  abgeschrägt 
ist.  Das  Fundament  ist  nur  zum  Teil  sichtbar,  indem 
späte  Mörtelmauern  darüber  hinziehen;  das  meßbare 
Stück,  welches  noch  nicht  den  Halbkreis  zu  bilden 
scheint,  mißt  28 m.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß 
wir  es  hier  mit  dem  Fundamente  eines  Rundbaues 
zu  tun  haben,  nicht  etwa  mit  einem  Rundturme  der 
Stadtmauer,  wie  Texier  will,  da  für  einen  solchen 
die  feine,  sorgfältige  Arbeit  zwecklos  wäre  und 
überdies  mit  der  Technik  des  oben  abgebildeten 
Mauereckes,  das  sicher  der  Umfassung  angehört,  im 
Widerspruch  stünde.  Der  Zeit  nach  schwerer  bestimm- 
bar ist  ein  Felskammergrab  an  dem  Nordhange  des 
Hügels  unterhalb  der  Stadtmauer,  dessen  Grundriß 
und  Schnitt  Fig.  95  gibt.  Ungefähr  7  Minuten  südlich 


Gruvl^riSS. 
95:  Kammergrab  bei  Pygela. 

der  Stadt  übersetzt  eine  aus  Ziegeln  und  Bruch- 
steinen, mit  einzelnen  eingebauten  Tonrohren  her- 
gestellte Mauer  mit  zwei  Durchgängen  (Fig.  96)  das 
Tal,  welche  von  den  Reisenden  bemerkt  ")  und 
richtig  als  Aquaedukt  der  beschriebenen  Stadt  auf- 
gefaßt worden  ist.  Ich  habe  in  der  Tat  den  Strang  der 
Tonrohre  noch  an  mehreren  Punkten  bis  in  die  un- 
mittelbare Nähe  der  Stadt  verfolgen,  aber  auch  durch 
gleiche  Reste  jenseits  des  Aquaeduktes  feststellen 
können,  daß  er  sein  Wasser  aus  der  großen  ephesi- 
schen  Leitung  entnahm,  welche,   aus  dem   Deirmen- 


noch    den    nördlichen    Teil    der    im    Folgenden    be- 
schriebenen  Bucht. 

u)  Pococke,  Description  of  the  East  II2,  London 
1  745  p.  52;  Chandler,  Travels  in  Asia  minor2,  London 
1776  p.  140;  Leake,  Journal  of  a  tour  in  Asia  minor, 


London  1824  p.  26;  Hamilton,  Asia  minor,  London 
1842  II  22;  Texier,  Asie  mineure  II  287;  H.  Kieperts 
Karte  des  westlichen   Kleinasiens  Blatt  X. 

15)  Erwähnt  auch  schon  von  Tournefort,  Voyage 
du  Levant  (1702)  p.  524. 


M3 


J.    Keil 


144 


dere  kommend,  allen  Kurven  des  Geländes  folgend 
als  deutlich  sichtbarer  Mauerstrich  vorbeizieht  und 
von  der  hier  am  bequemsten  Wasser  nach  dem  durch 
das  schmale  Tal  getrennten  Orte  hinübergeleitet  werden 
konnte.  Überblicken  wir,  was  uns  die  noch  erhaltenen 
Reste  der  beschriebenen  Ansiedelung  lehren,  so  sehen 
wir,  daß  wir  es  mit  einem  Städtchen  zu  tun  haben, 
das  eine  gegen  Nord-  und  Südwind  geschützte  Hafen- 


westlich des  Pamudschak  in  der  Literatur  erwähnt 
wird.  In  den  decisiones  iudicum  Venetorum  1278  wird 
Beschwerde  geführt  über  die  Beraubungen  vene- 
tianischer  Schiffe  durch  Piraten,  vgl.  Hopf  Chroniques 
Greco-Rom.  p.  145  „corsari,  che  stavano  in  Anija  e  in 
S.  Zuanne  dell'  Altoloco"17).  Da  Altoloco  der  Name 
für  das  mittelalterliche  Ephesos  auf  dem  Ajasoluk- 
hügel  ist18),    muß  S.  Zuanne    in  der  Nähe    der  Stadt 


96:     Aquaedukt  bei  Pygela- 


bucht  besaß,  das  in  griechischer  Zeit  mit  einer  Ring- 
mauer versehen,  bis  in  späte  byzantinische  Zeit  fort- 
bestanden hat.  Das  ist  gerade  das,  was  wir  für  Pygela 
verlangen  müssen,  und  da  die  Ansiedlung  diejenige 
Stadt  ist,  welche  Ephesos  im  Süden  zunächst  liegt, 
so  sind  wir  gezwungen,  in  ihr  Pygela  zu  erkennen  le). 
Hiermöchte  ich  wenigstens  dieVermutung  äußern, 
daß  auch   die  von  Benndorf  geschilderte  Anlage  Sud- 


an der  Küste  gelegen  haben.  Und  in  der  Tat  für 
einen  Schlupfwinkel  von  Piiaten  scheint  mir  der  ver- 
steckte Talwinkel  ganz  vorzüglich  geeignet.  Auf 
schnellen  Schiffen  mochten  sie  auf  ihnen  bekannten 
Wegen  durch  die  versumpfte  See  einfahren  bis 
unter  die  Mauern  der  kleinen  Burg  auf  der  vor- 
springenden Halbinsel,  wo  sie  ihre  Beute  in  Sicher- 
heit brachten. 


16)  Dali  der  hl.  Willibald  (aus  der  Erinnerung) 
die  Entfernung  auf  nur  zwei  Meilen  schätzte,  kann 
nur  wenig  bedeuten;  auch  für  das  Benndorfsche 
Pygela  ist  die  Angabe  zu  niedrig.  Der  Compasso  des 
Uzzano,  der  vom  Capo  di  S.  Joanni  fünf  Miglien 
zum  Casale  le  Figuella  rechnet  (Tomaschek  zur  hist. 
Topographie  Klcinasiens  im  Mittelalter,  Sitzungsber. 
Akad.  Wien  124.  VIII  35),  hilft  uns  nichts,  da  wir 
das  Vorgebirge  des  hl.  Johannes  nicht  kennen.    Die 


Schilderung  der  Fahrt  des  Polyxenidas  (Liv.  XXX  VII 
II,  4),  der  nach  Sonnenuntergang  von  Ephesos  aus- 
fahrend vor  Sonnenaufgang  im  Hafen  von  Pygela 
Zuflucht  nahm,  weil  ihn  widriger  Wind  an  der  Über- 
fahrt nach  Samos  hindert,  würde  natürlich  auch  auf 
das    Benndorfsche    Pygela   bezogen    werden    können. 

'')  Tomaschek  a.  a.  O. 

'"i   Vgl    Brockhoff  a.  a.  O.  50.   52. 


145 


Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich   von  Ephesos 


146 


II.  Marathesion. 

Für  diese  Stadt  fließen  die  antiken  Quellen  spär- 
licher als  für  Pygela.  Strabo  bestimmt  ihre  Lage  zwi- 
schen Anaia  (Neapolis?)  und  Pygela19),  Ps.  Skylax  zwi- 
schen Ephesos  und  Anaia20),  während  Steph.  Byz.  sie 
eine  Stadt  Kariens  nennt,  die  den  Ephesiern  gehörte. 
Auch  sie  war  wie  Pygela  und  Anaia  eine  altionische 
Gründung  und  wurde  nach  dem  Meliakos  polemos 
von   den  Samiern    den   Milesiem   überlassen  21).     Als 


türk.  Kusch-adasy),  das  sich  mit  seinen  stellenweise 
noch  recht  wohl  erhaltenen  mittelalterlichen  Mauern 
malerisch  den  Berg  hinaufzieht.  Wie  das  Fehlen 
antiker  Mauerreste  in  der  Stadt  beweist,  wie  auch 
der  Name  andeutet,  liegt  es  nicht  an  der  Stelle  einer 
antiken  Stadt,  sondern  ist  eine  Gründung  italischer 
Handelsleute,  die  bereits  im  14.  Jahrhundert  erwähnt 
wird  25).  Eine  Viertelstunde  südwestlich  aber  liegen 
die    Ruinen    ihrer    antiken    Vorgängerin.     Hat    man 


MKhB 


97:   Marathesion  von  Südost. 


Mitglied  des  attischen  Reiches  zahlte  sie  einen  Betrag 
von  einem  Talente  22)  —  später  2000  Drachmen23)  — 
und  wurde  in  unbestimmbarer  Zeit  im  Austausche 
mit  dem  Ephesos  ferner  liegenden  Anaia  (Neapolis?) 
von  den  Samiern  an  die  Ephesier  abgetreten.  Jüngere 
Nachrichten  als  Plinius 24)  besitzen  wir,  soviel  ich 
sehe,  für  Marathesion  nicht. 

Eine  Wegstunde  südlich  von  Pygela  erreicht  die 
vorerwähnte  Straße  das  freundliche,  aber  dem  Verkehre 
entrückte  Städtchen  Sealanova  (griech.  Naa  "Ecpeao;, 


19)  XIV  639. 

2n)  §  98;  Geographi  Graeci  min.  ed.  Müller  I  72. 

21)  s.  oben  Anm.  5. 

2;)  IG  I  233,  5  (447/6  v.  Chr.);  238,  6  (442/1 
v.  Chr.). 

23)  IG  I  244,   16  (436/5   v.  Chr.). 

u)  N.  h.   V  31. 

25)  ,Nova  Efesus  a  Lombardis  construeta'  nennt 
diesen  Hafen  Ludolf  von  Sudheim  134S  (Tomaschek 


nämlich  auf  schmalem  Felswege  längs  der  Küste  den 
Stadtberg  von  Sealanova  (Hagios  Elias)  umgangen, 
so  springt  hinter  demselben  von  dem  sanfter  gegen 
die  See  abfallenden  Gelände  eine  kleine  Halbinsel 
weit  ins  Meer  vor,  die  einen  schmalen  flachen  Isthmos 
bildet  und  dann  in  einem  felsigen  Hügel  endet.  Eine 
Ansicht  derselben  von  SO  gibt  Fig.97;  auch  auf  Fig.  93 
ist  sie  bei  c  deutlich  zu  erkennen.  An  N.-  und  S.-Seite 
des  Isthmos,  dort  wo  die  Schiffe  jeweils  vor  dem 
N.-  oder  S.- Winde  Schutz  fanden,  sowie  am  N.-Ab- 


a.  a.  O.),  dessen  türkischen  Namen  Kusch-adasy 
(=  Vogelinsel  nach  dem  kleinen  Eilande  in  der  Bucht) 
schon  Pierere'is  in  der  Handschrift  der  Ieni  Djami 
in  Konstantinopel  v.  J.  1520  angibt  (Wiegand  a.  a. 
O-  S.  33);  der  italienische  erscheint  in  den  Porto- 
lanen.  Auf  Sealanova  bezieht  sich  auch  die  nieder- 
ländische Relation  aus  dem  Oriente  (XIV.  Jahrhj, 
Vierteljahrsschrift  Orient  und  Occident,  ed.  Benfey 
I   (1664)  50,4;   vgl.  Brockhoff  a.  a.  O.  60  f.;   78. 


'47 


J.   Keil 


I48 


98 :  Fragment  eines  Ambo  aus 
Marathesion. 

hange  der  vorspringenden  Halbinsel  ragen  aus  dem 
abgespülten  Uferrideau  eine  Unmenge  antiker  Mauern 
aus  schönem  Quader-  oder  Mörtelmauerwerke  hervor, 
welche  sich  zum  Teile  bis  in  das  Meer  verlängern. 
Zwischen  ihnen  gewahrt  man  Fußböden,  darunter 
einen  Mosaikboden,  Wasserleitungsstränge,  skulpierte 
Marmorblöcke  u.  dgl.,  und  eine  stellenweise  bis  3  111 
und  mehr  dicke  Schicht  von  Ziegelbrocken,  Ton- 
scherben und  Kulturresten  aller  Art,  welche  ebenso 
wie  die  Mauerzüge  sowohl  nördlich  wie  südlich  des 
Isthmos  plötzlich  und  unvermittelt  endet,  beweist, 
daß  der  Platz  durch  Jahrhunderte  intensiv  bewohnt 
und  mit  einer  Umfassung  versehen  gewesen  sein  muß. 
Landeinwärts  hat  die  sorgfältige  Bebauung  des  Bodens 
heute  alle  über  die  Erde  ragenden  Reste  des  Alter- 


ns :  Fragment  eines  Grabreliefs  au 
Marathesion. 


100:  Relicfplatte  aus  Marathesion. 


tums  vernichtet.  Aller 
es     wurde     mir     von 

den  Feldarbeitern 
versichert ,  daß  der 
Boden  überall  von 
alten  Mauern  durch- 
zogen sei,  ich  bekam 
zahlreiche  dort  ge- 
fundene Münzen  römi- 
scher und  byzantini- 
scher Zeit  zu  Gesichte 
und  man  wußte  mir 
auch  noch  die  Stelle 
anzugeben,     wo    eine 

von  Benndorf  für 
Wien  erworbene  Her- 
me gefunden  worden 
sein  soll.  Einige  skul- 
pierte Marmorblöcke 
hat  man  zu  der  dem 
Hagios  Taxiarchis  ge- 
weihten Einfriedung 
nahe  der  Küste  ge- 
bracht. Darunter  befindet  sich  das  0*5 5™  hohe  Frag- 
ment eines  Grabreliefs  guter,  anscheinend  griechi- 
scher Arbeit  (Fig.  99; ,  die  Oberplatte  einer  großen 
Basis  römischer  Zeit  sowie  das  Bruchstück  einer 
byzantinischen  Kanzel  (Ambo,  Fig.  98)  und  ein  byzan- 
tinisches Inschriftfragment.  Antike  Gräber,  welche 
zweifellos  zu  der  Ansiedlung  gehören ,  hat  man 
östlich  derselben  in  den  Äckern  gefunden,  andere 
erkennt  man  zu  beiden  Seiten  des  nach  Scalanova 
führenden  Weges;  dort  liegt  auch  die  später  als 
armenischer  Grabstein  verwendete  Marmorplatte  Fig. 
100  (die  Aufnahme  verdanke  ich  Herrn  k.  k.  Statt- 
haltereiingenieur F.  Knoll),  deren  interessante  Relief- 
darstellung eine  anscheinend  nackte,  gefesselte  Frau 
zeigt,  gegen  welche  von  rechts  ein  vierfüRiges  Un- 
geheuer heranspringt,  wäh- 
rend ein  Mann  von  links 
anscheinend  zu  ihrer  Ver- 
teidigung herbeieilt.  Hinter 
ihnen  erhebt  sich  ein  in 
seiner  Architektur  nicht  ganz 
klares  Gebäude  (etwa  die 
scenae  frons  eines  Thea- 
ters, in  dem  die  dargestellte 
Tragödien? -Szene  aufgeführt 
wurde).  Soviel  konnte  ich 
bei       wiederholtem       Besuche 


149 


Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich  von   F.phesos 


'SO 


des  Platzes  ermitteln.  Es  reicht 
hin,  um  das  Vorhandensein  einer 
ummauerten  Siedelung,  welche  von 
griechischer  bis  in  byzantinische  Zeit 
geblüht  hat,  an  der  Stelle  sicher- 
zustellen, in  der  wir,  wenn  wir  sie 
nicht  namenlos  lassen  wollen,  nur 
das  alte  Marathesion  wieder- 
erkennen können  2Gl. 

III.  Antike  Ortslage  zwischen 
Marathesion  und  Anaia. 

Zehn  Minuten  westlich  des 
Punktes,  wo  die  von  Scalanova 
nach  Süden  (weiterhin  nach  Sokia) 
führende  Fahrstraße,  welche  den 
Küsten  vorsprung  abschneidend 
sich  in  einem  landeinwärts  gelege- 
nen Tale  hinzieht,  wieder  zum  Meere 
niedersteigt,  liegt  im  Winkel  der 
rückspringenden  Küste,  an  der  N.-Seite  der  herrlichen 
Bucht  von  Ania  ein  niedriger  Hügel  Ambartepe  ge- 
nannt. Während  seine  Hänge  allseits,  besonders  gegen 
das  Meer  steil  abfallen,  bildet  seine  Höhe  ein  ziemlich 
ebenes  Plateau.  Als  ich  ihn,  den  gesamten  Küsten- 
lauf absuchend,  bestieg,  erkannte  ich  an  den  alle 
Felder  bedeckenden  Kulturresten,  welche  sich  auch 
über  die  kleine,  westlich  anschließende  Senkung 
erstrecken,  den  Platz  einer  nicht  unbedeutenden 
antiken  Ansiedlung,  welche  den  Hügel  einnahm 
und  in  einer  kleinen,  durch  die  weit  nach  Westen 
vorspringende  Küste  geschützten  Bucht  ihren  Hafen 
besaß.  Die  nähere  Untersuchung  der  Höhe  er- 
gab dann  die  Reste  einer  Ringmauer  aus  großen 
blauen  Kalksteinquadern,  die  an  der  W.-Seite  des 
Hügels  —  hinter  dem  Hause  des  freundlichen 
Grundeigentümers  Johannes  Georgiadis  —  gegen 
Süden  verläuft  und  von  der  an  der  dem  Meere  zu- 
gekehrten S. -Seite  —  halb  verschüttet  und  von  Ge- 
strüpp überwuchert  —  noch  ein  fast  2  m  hohes  Stück 
sichtbar  ist  (Fig.  101).  An  den  anderen  Seiten  des 
Hügels  konnte  ich  nur  ganz  unsichere  Spuren  der- 
selben auffinden.  Von  antiken  Werkstücken  und 
Mauern  liegt  auf  dem  intensiv  bebauten  Plateau  wenig 
zutage,   doch  fand  ich   beim  Hause  des  vorgenannten 


101 :   Ringmauer  auf  dem   Ambartt-pe. 

Griechen  außer  Byzantinischem  auch_  ein  Stück  eines 
Spielbrettes  des  bekannten  in  Ephesos  bereits  fast 
ein  Dutzendmal  vertretenen  Typus  mit  6X6  Feldern. 
In  der  Niederung  westlich  des  Hügels  befindet  sich 
im  Gestrüppe  verborgen  ein  monolithes  Taufbecken 
anscheinend  in  situ  (Fig.  102)  an  einer  Stelle,  wo  einst 
eine  Kirche  gestanden  haben  soll  und  noch  heute 
alljährlich  am  26.  September  a.  St.  eine  Panegyris 
zu  Ehren  des  hl.  Johannes  des  Täufers  stattfindet 27). 


'    !    1    t    '    1 


102:  Taufbecken  beim  Ambartepe. 


26)  Vgl.  Leake  a.  a.  O.  p.  26;  Boeckh  CIG  3022; 
Guhl,  Ephesiaca  17.  Frühere  Reisende  hatten  wegen 
der  Namensverwandtschaft  mit  Scalanova  hier  Nea- 
polis   angesetzt. 

Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI  Heiblatt. 


27)  Nach  diesem  Taufbecken  heißt  die  Gegend 
auf  der  engl.  Seekarte  Bl.  I  527  (Gulf  of  Scala  Nuova) 
,Ei  Kolim  veithra'  =  Ei;  xoX'Jußiid-pav. 


I5i 


J.   Keil 


152 


In  der  Nähe  liegende  byzantinische  Werkstücke 
dürften  der  Kirche  zuzuweisen  sein.  Hat  demnach 
an  der  beschriebenen  Stelle  seit  hellenistischer  Zeit, 
der  die  Mauer  anzugehören  scheint,  eine  ummauerte 
Ansiedlung  bestanden,  so  erhebt  sich  die  Frage,  ob 
wir  in  der  Lage  sind,  einen  überlieferten  Namen  für 
dieselbe  in  Vorschlag  zu  bringen.  Einen  solchen  bot 
der  bisherige  Strabotext,  welcher  von  Neapolis  spricht, 
einer  Stadt,  welche  die  Ephesier  im  Austausche  mit 
dem  ihnen  näher  liegenden  Marathesion  den  Samiern 
überließen  (Strabo  p.  639).  So  trug  ich  bei  der 
Auffindung  des  neuen  Siedlungsplatzes  auf  dem 
Ambartepe  begreiflicherweise  kein  Bedenken,  in 
ihm  das  bisher  vergeblich  gesuchte  Neapolis  zu  er- 
kennen. Seither  hat  v.  Wilamowitz  den  letzteren 
Namen,  welcher  sonst  nirgends  mit  Sicherheit  nach- 
gewiesen werden  kann,  aus  dem  Strabotexte  getilgt, 
indem  er  für  s!ra  Nsä-oXij:  sh'  Avsa  (=  Avaca) 
"i/.tg  liest.  Dieser  Änderung,  welche  eigentlich  gar 
keine  Änderung  ist,  hat  soviel  innere  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  daß  man  sie  für  richtig  halten  wird, 
auch  wenn  einem  die  äußern  Gründe  für  ihre  An- 
nahme weniger  überzeugend  scheinen  ■ —  daß  Neapolis 
in  den  sonstigen  Küstenbeschreibungen  nicht  erwähnt 
wird,  wäre  nichts  besonders  auffälliges;  so  übergeht 
der  Periplus  des  Ps.  Skylax  Pygela,  übergehen  Plinius 
und  Mela  Anaia;  dazu  käme  in  dem  besonderen 
Falle,  daß  die  , Neustadt'  vielleicht  eine  verhältnis- 
mäßig junge  Gründung,  vielleicht  jünger  als  der 
Periplus  war  —  und  wenn  man  sich  schwer  einen 
Zeitpunkt  denken  kann,  in  dem  das  um  700,  dann 
im  fünften  Jahrhundert  und  um  200  sicher  samische 
Anaia  (die  Belege  s.  u.)  ephesisch  gewesen  wäre, 
um  dann  im  Austausche  mit  Marathesion  an  Samos 
zu  kommen.  Ich  ziehe  es  daher  heute  vor,  auf  eine 
Benennung  der  ummauerten  Ortslage  des  Ambartepe 
zu  verzichten. 

IV.  Anaia. 

Anaia  wird  in  vorrömischer  Zeit  meist  in  Ver- 
bindung   mit    Samos    genannt.     Zwar   was  Pausanias 

1t,  daß  ein  Teil  der  Samier  beim  Herannahen 
der  Ephesier  unter  Androklos  geführt  von  Leogoras 
auf  das  Festland  hinüberfloh  und  um  Anaia  eine  Mauer 

Paus.  VII  4,   3. 
")  S.  oben  Anm.  5. 

iikyd.  III    19,  2;    32,  4;  IV  75,  1;  VIII 
f>.    I;    6l,   2. 

''    Wiegand    und    v.    Wilamowitz,    Sitzungsber. 


zog29),  um  10  Jahre  später  von  dort  aus  die  Ephesier 
wieder  aus  Samos  zu  vertreiben,  scheint  historisch 
wertlos  und  vielleicht  Fiktion  nach  späteren  Ereig- 
nissen. Nach  der  Vernichtung  von  Melia,  dem  Anaia 
vorher  angehörte,  wurde  der  Ort  von  den  Kolopho- 
niern,  offenbar  gegen  gelegenere  Entschädigung,  an 
Samos  überlassen-9).  Im  peloponnesischen  Kriege  ist 
er  derSitz  der  athenerfeindlichen  samischenOligarchen, 
welche  die  Spartaner  auch  mit  Schiffen  unterstützen  30). 
Um  200  v.  Chr.  erwähnt  ein  volkswirtschaftlich 
interessantes  Gesetz  der  Samier,  die  AvasTxtc,  X<i>Pa> 
die  der  samischen  Hera  tributpflichtig  ist31).  Häufiger 
genannt  wird  die  Stadt,  welche  auch  einen  Peripate- 
tiker  Menelaos  und  einen  Historiker  Melas  hervor- 
brachte 32),  wieder  in  byzantinischer  Zeit,  wo  sie 
Bischofssitz  war  und  1298  in  türkischen  Besitz  kam33). 
Damals  lag  sie  nicht  am  Meere,  sondern  nach  TJzzanos 
Angabe  drei  Miglien  von  der  Küste  entfernt34). 

Von  letzterer  Angabe  muß  jeder  Versuch  der 
topographischen  Fixierung  der  Stadt  ausgehen.  Ihr 
entspricht  aufs  beste  die  Lage  des  heutigen,  rein 
türkischen,  den  alten  Namen  bewahrenden  Dorfes 
Ania,  das,  auf  isoliertem  Bergausläufer  gelegen,  über 
reichbebaute  Hänge  niederschaut  auf  das  wundervolle 
Rund  des  Golfes,  in  dessen  Süden  die  Mykale  maje- 
stätisch aufragt,  um  ohne  sichtbaren  Einschnitt  über- 
zugehen in  die  blauen  Berge  des  gegenüberliegenden 
Samos.  Ich  habe  Ania  dreimal  besucht  und  einmal 
auch  eine  Nacht  dort  zugebracht,  um  die  tagsüber 
auf  den  Feldern  beschäftigten  Bewohner  abends  im 
Kaffeehause  auf  das  gründlichste  nach  allen  antiken 
Resten  des  Platzes  auszufragen,  und  teile  hier  die 
geringen  Resultate  meiner  Nachforschungen  mit.  Daß 
das  Dorf  an  der  Stelle  einer  antiken  Ansiedelung 
steht,  ist  zweifellos.  Zahlreiche  in  die  Häuser  ver- 
baute Werkstücke,  die  überall  zutage  tretenden  Ziegel- 
reste, ferner  in  den  Feldern  westlich  unterhalb  des 
Dorfes  gefundene  Mauerzüge,  große  dort  ausgegrabene 
Tonpithoi,  Münzfunde  u.  dgl.  sind  dafür  ein  hinläng- 
licher Beweis.  Weitaus  das  meiste  von  mir  Gesehene 
gehört  der  byzantinischen  Epoche  an;  römisch  sind 
abgesehen  von  zwei  als  Brunnentrögen  verwendeten 
und  möglicherweise  weilhergebrachten  Girlanden- 
sarkophagen (unten  n.  5  ;    der  zweite  ist,  soweit  sicht- 


Akad.  Berlin   1904. 

'   ^teph.  Byz.  v.  Avaia. 

Pachym.   II    420  (Bonn). 
'1  Tomaschek  a.  a.  O. 


153 


Zur  Topographie   der  ionischen    Küste  südlieh   von    Ephesos 


i.5  1 


bar,  ohne  Inschrift  und  steckt  an  einer  jetzt  nicht 
mehr  benutzten  Quelle  1 5  Minuten  unterhalb  des  Dorfes 
im  Boden)  einige  wenige  Architekturstücke  sowie  die 
wichtige,  pouXyj  und  äTjuo;  nennende  Grabschrift  (unten 
n.  6),  hellenistisch  die  Stele  eines  hier  bestatteten 
Atheners  (unten  n.  7),  welche  auf  einem  nahen  Acker 
gefunden  worden  sein  soll,  sowie  eine  zweite  ver- 
mauerte Stele  ohne  Inschrift.  Von  einer  Umfassungs- 
mauer griechischer  oder  späterer  Zeit  konnte  ich  trotz 
allen  Suchens  und  Nachfragens  keine  Spur  ausfindig 
machen.  Nach  diesem  Befunde  glaube  ich  annehmen 
zu  müssen,  daß  der  römisch-byzantinische  Ort  an  der 
Stelle  des  heutigen  Dorfes  gestanden  hat,  daß  aber  die 
Melia  untergebene  Ansiedlung  sowie  die  Station  der 
samischen  Oligarchen  möglicherweise  anderswo  in  der 
Nähe  gesucht  werden  könnte.  Ich  habe  daher  auch 
die  Umgebung  soweit  als  möglich  durchstreift. 

Deu  Hafen  von  Ania  bildete  im  Mittelalter  ohne 
Zweifel  der  Platz  um  den  niedrigen  Hügel  an  der 
Küste,  welcher  die  mittelalterliche  Burg  Kadi  Kaie 
trägt35).  Da  auch  das  griechische  Anaia  Beziehungen 
zum  Meere  hat  und  Schiffe  besitzt,  werden  wir  auch 
in  griechischer  Zeit  an  dieser  Stelle  einen  Hafenplatz 
annehmen  müssen.  Und  in  der  Tat  erkennt  man  unter 
den  Mörtelmauern  der  mittelalterlichen  Anlage  an 
einer  Stelle  das  kleine  Stück  einer  Quadermauer  an- 
scheinend hellenistischer  Zeit.  Es  scheint  mir  daher 
nicht  ganz  ausgeschlossen,  daß  die  alte  Siedelung 
etwa  auf  diesem  Hügel  und  in  seiner  nächsten  Um- 
gebung anzusetzen  sei. 

Ein  weiterer  Platz,  der  für  Alt-Anaia  in  Betracht 
kommen  könnte,  ist  ein  flacher  Hügel  etwa  25  Minuten 
nordöstlich  von  Kadi  Kaie,  ungefähr  10  Minuten 
von  der  Küste  entfernt.  Dort  kamen  in  einem 
Acker  schöne  Architekturstücke,  Säulenschäite,  ein 
gutes  korinthisches  Kapitell  sowie  eine  hellenistische 
Votivbasis  an  Hermes  (unten  n.  4)  zutage,  welche 
jetzt  vor  dem  Hause  des  Grundeigners  Hadji  Nikola 
(Kokol)  aufgestellt  sind.  Da  die  Fundstelle  jedoch 
nach  den  Angaben  der  Ackersleute  nur  auf  einen 
engen  Raum  beschränkt  ist  und  ich  selbst  beim  Be- 
gehen des  Hügels  ausgedehntere  Kulturreste  nicht 
fand,  scheint  es  sich  eher  um  ein  einzeln  stehendes 
Landhaus,  beziehungsweise  Heiligtum,  denn  um  eine 
größere  Ortslage  zu  handeln. 

3y)  Sie  ist  wohl  mit  dem  Fondaco  der  Genuesen, 
das  seit  1261  hier  bestand,  zu  identifizieren  (Tomaschek 
a.  a.  O.).  Einen  Plan  der  Anlage  gibt  Wiegand  a.  a. 
O.  S.  491   Abb.  612. 

'">  II.  Kiepert,  Spezialkarte  des  westlichen  Klein- 


Zwischen  diesem  Hügel  und  der  Ansiedelung 
auf  dem  Ambartepe  liegt  wenige  IOO  m  von  der  Küste 
entfernt  an  der  Stelle,  wo  H.  Kiepert  und  die  ihm 
folgenden  Kartographen  Neapolis  ansetzen35),  auf 
einem  felsigen  Hügel  der  mächtige  kyklopische  Mauer- 
ring, von  dessen  Konstruktion  die  von  Wiegand 
publizierte  Photographie  eine  Probe  gibt37).  Da  der 
so  umfriedete  Raum  auf  dem  überall  zutage  liegenden 
Fels  keine  Spuren  von  Gebäuden  und  auch  sonst 
fast  keine  Kulturreste  aufweist,  muß  es  zweifelhaft 
bleiben,  ob  wir  es  mit  einer  altkarischen  Siedelung 
oder  nur  einem  befestigten  Zufluchtsplatze  (Flucht- 
berg) für  die  Zeiten  der  Gefahr  zu  tun  haben.  Jeden- 
falls paßt  der  Name  Neustadt — Neapolis  sehr  schlecht 
zu   dieser  ältesten  Anlage  der  Umgebung. 

Dies  sind  nach  meinen  Untersuchungen  die  an- 
tiken Ortslagen  an  der  ionischen  Küste  zwischen 
Ephesos  und  der  Mykale:  Pygela  an  der  nunmehr 
endgültig  erwiesenen  Stelle,  Marathesion  an  dem 
Landvorsprunge  südwestlich  von  Scalanova,  die  Siede- 
lung auf  und  westlich  des  Ambartepe,  der  karische 
Mauerring,  die  Anlage  auf  den  Äckern  des  Hadji 
Nikola  (Kokol)  und  Ania  mit  Kadi  Kaie.  Die  nächste 
Ruinenstätte  im  Süden  ist  das  Panionion  bei  Giaur- 
Tschangly.  Möge  es  denen,  welche  dort  einst  den 
Spaten  ansetzen,  gelingen,  die  topographischen  Pro- 
bleme der  Umgebung  erfolgreich  weiter   zu   fördern. 

V.  Funde. 

Im  folgenden  teile  ich  Inschriftenkopien,  Skizzen 
und  Beobachtungen  mit,  die  ich  bei  meinen  Reisen  in 
der  südlichen  Umgebung  von  Ephesos  gemacht  habe. 

Arvalia  (Ortygia). 
I.  Bei  Feldarbeiten  in  der  Nähe  des  Hauses 
des  Grundherrn  Hassan  Bey  wurde  im  Frühjahre  1905 
neben  Architekturfragmenten  auch  die  in  Fig.  103  ab- 
gebildete Reliefstele  aus  grobem  weißen  Marmor  ge- 
funden (hoch  0-98  m,  breit  0-47  m,  dick  0"28  m,  Buch- 
stabenhöhe 0'02  m).  Sie  ist  oben  bestoßen,  so  daß 
von  der  Giebelbekrönung  nur  noch  die  Rosette  im 
Tympanon  erhalten  ist.  Von  den  zwei  Feldern  ist 
das  untere  stark  vertiefte  leer,  während  das  flache 
obere  einen  nackten  Jüngling  in  steifer  Haltung  mit 
geschlossenen    Beinen    und    herabhängenden    Armen 

asien    Bl.   X;    Wiegand -Schrader,  Priene   Taf.   III; 
R.Kiepert,  Karte  von  Kleinasien   Bl.  IC;   Ramsay, 
Handy  classical  maps,   Asia  Minor  by  Anderson  u.  a. 
37)  A.  a.  O.  S.  28  Abb.  14. 


155 


J.   Keil 


'56 


zeigt,  der  durch  einen  Strahlenkranz  um  sein  Haupt 
charakterisiert  ist,  von  dem  zwei  Lockensträhne 
auf  die  Schultern  fallen.     Oberhalb  des  Relieffeldes 


statt  des  viel  häufigeren  Ausdruckes  saxat  aüxü>  icpög 
xdv  8-eöv,  wo  gleichfalls  die  Beziehung  auf  eine  be- 
stimmte Gottheit  nicht  ausgesprochen  ist39).  Der  Be- 


V         J 


103:  Stele  aus  Arvalia  (Ortygia! 


ist  die  Inschrift :  Mif  a  xö  Svojia  xoö  9-soü,  |  pi'fa  xö 
öaiov,  |  ui'fa  xö  ötfaB-öv  eingegraben,  während  wir  aus 
den  auf  dem  seitlichen  Rahmen  angebrachten  Worten 
xax'  6vap  erfahren,  daß  ein  Traum  der  Anlaß  für 
die  Weihung  unseres  Steines  gewesen  ist.  Für  den 
Wortlaut  der  Weihung  bieten  sich  Parallelen.  In 
einer  Inschrift  aus  Eumeneia  in  Phrygien38)  wird 
gegen  den  Grabschänder  der  große  Name  Gottes 
aufgerufen  iaxai  aüxoi  Jipöc;  xö  pi-fa  övopa  xoö  S-soO 


M,   <S,  ü=AT®©C„  . 


griff  des  öotov  erscheint  verkörpert  in  dem  9-eöj  äaios 
einer  lydischen  Inschrift40),  der  gewiß  kein  anderer 
ist  als  der  in  Kleinasien  so  häufige  "Oaioj  xai  Aixaioj. 
Für  ein  Anrufen  dreier  abstrakter  Begriffe  aber,  wie  sie 
unsere  Inschrift  bietet,  kann  ich  etwas  genau  Entspre- 
chendes nicht  finden'11).  Gerade  deshalb  ist  es  so  er- 
freulich, daß  unser  Stein  durch  das  Reliefbild  selbst 
Aufschluß  gibt,  welches  Gottes  Namen  der  Weihende 
meinte  und  welchen  Gott  er  als  Verkörperung  des 
Heiligen  und  Guten  betrachtete.  So  ungewohnt  der 
Typus  ist,  so  genügt  doch  der  Strahlenkranz  um  das 
Haupt  des  Jünglings,  um  in  ihm  den  Sonnengott  er- 
kennen zu  lassen,  für  dessen  Bedeutung  in  den  Zeiten 
des  Absterbens  der  antiken  Religionen  unsere  an 
der  Geburtsstätte  der  ephesischen  Artemis  gefundene 
Stele  einen  interessanten  Beleg  gibt42). 

2.  Auf  halber  Höhe  des  Calafat-Dagh43)  befindet 
sich  an  der  Nordseite  eine  senkrecht  abfallende  Fels- 
wand, auf  welcher  in  ganz  roher  Arbeit  ein  Athena- 
relief  (hoch  o'6o m,  breit  0*52 m)  mit  der  Inschrift 
des  Verfertigers  (Buchstabenhöhe  0'04  m)  etwa  21/2m 
über  dem  Boden  ausgemeißelt  ist.  Die  behelmte 
Göttin  ist,  wie  die  aufgestützte  Lanze  und  der  an  sie 
gelehnte  Schild  zeigen,  ruhig  stehend  gedacht,  obwohl 
die  sonstige  Stellung  und  die  Gewandfalten  auf  eine 


3S)  CIG  3902;  ähnliche  Journal  of  Hell.  stud. 
IV  (1883)  p.  400  n.  18;  Sterret,  epigraphical  journey 
153   "•  138. 

30)  Für  die  Anrufsformel  mit  ui'faf  überhaupt 
vgl.  Drexler  in  Roschers  Lex.  d.  Myth.  II  2552  fr., 
wo  bes.  das  in  Ägypten  häufige  |i£",'a  xö  6Vv|i!x  toO 
Säpamc,  belegt  wird. 

10)  Athen.  Mitt.  VI  (1880)  S.  139. 

")  Vergleichen  muß  man  die  Inschrift  ausGalatien 
bei  Ramsay,  Journal  of  Hell.  stud.  V  (1884)  p.  253, 
wo  Z.  12  ff.  steht:  •/.'&[•/?]  |ti,  inoSlS'f),  "Ootov,  Aixsov, 
'HXw  E6pte,  b\xaXi  dx[ö]'.xr,aaxe  xrjv  vexpav  xxX.,  wo 


die  beiden  ersten  Substantive  allerdings  möglicher- 
weise als  Anrufsakkusative  generis  masculini  aufzu- 
fassen sind,  und  Le  Bas  1670  =  Mouaetov  xal  ßtßXco- 
ö-rjxr;  1888  S.  169  dp.  xu,-f'  mit  es!(i>(?)  60(0)  xal  81- 
xato;  vgl.  Buresch,  Aus  Lydien  76. 

n)  Es  ist  des  Hinweises  wert,  daß  auch  die  er- 
wähnte Weihung  an  "Ooioj  (Ann).  40)  diesen  nach 
dem  Reliefbilde  des  Steines  (Helios  das  Viergespann 
lenkend)  als  Sonnengott  auffaßt;  vgl.  Cumont  in 
Pauly-Wissowas  Realenzyklopädie  V  564. 

")  Vgl.  die  Karte  bei  Wicgand-Schrader,  Priene 
Taf.  II. 


157 


Zur  Topographie  der  ionischen   Küste  südlich  von   Ephesos 


158 


Bewegung  nach  links  schließen  ließen.  Was  die  vor- 
gestreckte Rechte  hielt,  ist  nicht  mehr  erkennbar, 
da   sie,  wie  die    Figur    auch    sonst,    absichtlich   ver- 


stümmelt worden  ist.  Den  Namen  des  Steinmetzen 
und  Weihenden  vermag  ich  nicht  zu  erkennen;  war 
etwa  Xv[xt](i)[v]avÖ5  statt  'Avxiovtavös  geschrieben? 

3.  Das  von  einem  wasserreichen  Bache  durch- 
rauschte Dei'rmendere  zerfällt  in  zwei  Teile,  die  durch 
Querhöhen,  welche  der  Bach  in  enger  Schlucht  durch- 
bricht, geschieden  sind.  In  der  Nähe  dieses  Durch- 
bruches ist  bei  der  Sas-dei'rmen  auf  einer  großen  Fels- 
platte, am  linken  Ufer,    an  welcher    offenbar   einmal 

der  Weg  vorüberführ- 
te die  von  Wiegand 
publizierte  Inschrift 
angebracht44),  die  ich 
hier,  um  Kleinigkei- 
ten zu  verbessern, 
wiederhole.  Buchsta- 
benhöhe 0'045  m- 


Aß^^N 


X(pt,ax)s  6  3-(eö)g 
atij£e  jcä- 
aav  4IUX')V 
Tiapioüaav 
Ivtsö  9-sv 
<£u.rjv. 

t 


«*)  A.  a.  O.  S.  491  Abb.  611. 

45)  Asie  mineure  II  288  f. 

46)  Texiers  Publikation  enthält  eine  Reihe  von 
Ungenauigkeiten  und  Fehlern. 

47)  Eine  zweite  Inschrift  befindet  sich  auf  einer 
Marmorplatte  außen  über  der  rechten  Nebentür  zu 
beiden  Seiten  eines  Kreuzes;  sie  lautet  (soweit  erkenn- 
bar): Naö;  xvjg  T7ispa-f£a[;]  3-(eot6x)ou  x  (?)  |  sxöjv 
327  |  ävaxoav7J9"»j  1883.  Das  muß  doch  die  von 
Texier  gegebene  zweite  Inschrift  sein!  Sie  ist  recht 
auffällig,  denn  die  Kirche  ist  ja  —  worüber  die 
große  Inschrift  schweigt  —  heute  dem  hl.  Johannes 
geweiht.  Noch  seltsamer  ist  das  Datum  ixtöv  327  das 
sich  auf  dem  in  der  Kirche  aufgestellten  Marienbilde 


Das  obere  Dei'rmendere  bildet  einen  lieblichen 
Talkessel,  dessen  hinteres  Ende  prächtig  zerklüftete 
Felswände  bilden,  zwischen  denen  das  Wasser  aus 
enger  Schlucht  hervorrauscht.  An  ihrem  Eingange  steht 
die  kleine  Kirche  des  heil.  Johannes,  welche  Texier 
beschrieben  hat4'').  Wie  die  über  der  Mitteltür  an- 
gebrachte Inschrift40)  besagt,  wurde  das  Kirchlein  an 
Stelle  eines  alten  vergessenen  erbaut,  dessen  Platz 
ein  Frommer,  durch  ein  Traumgesicht  der  heil.  Jung- 
frau geleitet,  wiedergefunden  hatte,  und  im  Februar 
1834  vollendet47).  Reste  der  angeblichen  alten  Kirche 
sind  noch  heute  vorhanden.  Die  neue  ruht  nämlich 
auf  einer  kleinen  Terrasse  die  auf  der  Bachseite  aus 
drei  Lagen  gewaltiger  regelmäßiger  Kalksteinquadern 
von  bis  2m  Länge  besteht,  unterhalb  welcher  Reste 
einer  tiefereu  Konstruktion  vorhanden  sind45). 

Etwa  5  Minuten  oberhalb  der  Kirche  öffnet  sich 
an  der  N.- Seite  der  Schlucht  eine  enge  künstliche 
Felsgrotte,  an  deren  Eingange  Mörtelmauern,  unter- 
halb welcher  aber  auch  Reste  einer  mächtigen 
Quaderkonstruktion  sichtbar  sind.  Aus  ihr  strömt  in 
wohlgebautem,  auch  in  der  Grotte  fortgesetztem  Ge- 
rinne ein  starker  Bach,  welcher  heute  die  Mühle  beim 
Kloster  treibt,  der  aber  allem  Anscheine  nach  nichts 
anderes  ist  als  der  Kopf  der  großen  ephesischen 
Wasserleitung,  die  wir  bei  Pygela  erwähnten  49).  Die 
ganze  Anlage  ist  viel  zu  sorgfältig,  um  als  modern 
gelten  zu  können. 

Eine  Viertelstunde  oberhalb  dieser  Felsgrotte 
liegen  auf  dem  Sattel  zwischen  dem  Dei'rmendere  und 
dem  Hochtale  von  Aktsche-ova  die  Reste  einer  nicht 
unbedeutenden  Ansiedelung,  welche  ihre  Entstehung 
dem  den  Taleingang  beherrschenden  Platze  zu  ver- 
danken scheint.  Zu  erkennen  sind  zahlreiche  Gebäude- 
fundamente sowie  beträchtliche  Stücke  einer  Ring- 
in Farbe  aufgemalt  wiederfindet.  Ich  unterlasse  es 
daraus  Schlüsse  auf  die  ,alte'  Kirche  zu  ziehen. 

4S)  Auf  Texiers  romantische  Beschreibung  und 
Deutung  brauche  ich  nicht  einzugehen;  gegen  seine 
Ansetzung  des  alten  Ortygia  im  Dei'rmendere  und 
der  Geburtsstätte  der  ephesischen  Artemis  an  dieser 
Stelle,  welche  wie  Benndorf  hervorhebt,  schon  durch 
die  große  Entfernung  von  Ephesos  unwahrscheinlich 
wird,  spricht,  wie  ich  aus  eigener  Anschauung  ver- 
sichern kann,  auch  der  Mangel  eines  dominierenden 
Berggipfels  —  des  Solmissos  —  von  dem  die  Kureten 
den  Geburtsvorgang  verfolgten.  Benndorf  a.a.O.  S.  76  ff. 
49)  So  schon  Texier  a.  a.  O.  p.  289. 


159 


T.   Keil 


160 


101:   Felsgruppe  Assarlyk  beim  Dei'rmenilere 

mauer  aus  kleinen,  unbehauenen  Steinen,  die  mög- 
licherweise älter  ist,  als  die  anscheinend  der  Spät- 
zeit angehörigen   Gebäude   im  Innern. 

Eine  interessantere  Anlage  befindet  sich  drei 
Viertelstunden  südlich  der  Johanneslurche  am  West- 
abhange    des  die    Hochebene  von  Aktsche-ova   west- 


105:  Umfriedungsmauer  der  Anlage  auf  dem  Assarlyk 


lieh  begrenzenden  Bergzuges. 
Dort  ragt  eine  Gruppe  dreier 
gigantischer  Felsen,  Assarlyk 
genannt,   isoliert   auf,   die  in 
ihrer  charakteristischen  Form 
selbst  noch  von  der  Meeres- 
küste bei  Kadi  Kalessi  deut- 
lich wahrnehmbar  ist50)  (Fig. 
104).   Eine  aus  schönen  Qua- 
dern   gebaute    Umfriedungs- 
mauer   mit   zwei    Eingängen 
ist    an    der   Westseite    zum 
Teil    noch    recht     wohl    er- 
halten (Fig.  105).  Beiß  (vgl. 
die  Planskizze  Fig.  106)  be- 
fand   sich    ein   geschlossener 
Raum,  dessen  Wände  im  O. 
und  N.  durch  den  abgearbei- 
teten Fels    gebildet    werden. 
Von    der    unteren   Terrasse, 
die    sonst  nur    noch  undeut- 
liche   Mauerspuren   aufweist,    führt  eine  in    den  Fels 
gehauene  Treppe  zunächst  in  die  Spalte  zwischen  II 
und  III,  dann   über  II  und  den   nur  schwer  passier- 
baren Spalt  nahe  der  höchsten  Erhebung  I.   Sind  aut 
II    und    III    nur   geringe  Spuren    einer   Einfassungs- 
mauer vorhanden,  so  ist  diese  auf  der  O. -Seite  von  II 
in  mehreren  Lagen  erhalten.  Unter- 
halb der  höchsten  südlichsten  Kuppe 
ist  eine  Vertiefung  von  5X3™  in  den 
Fels    gemeißelt,    die  jetzt  zum  Teil 
mit  Erde  erfüllt  wird.     Die  an  der 
Ostseite  des  Felsens  eingezeichnete 
Mauer  ist  schlecht  und   scheint  nur 
zur  Terrassierung    gebaut.    Für    die 
Bestimmung  der  Anlage  fehlen  alle 
äußeren  Indizien.  Aber  ihre  Klein- 
heit, dann  die  Art  der  Mauern,  wel- 
che nicht  für  Verteidigung  bestimmt 
gewesen    sein    können ,    ferner    die 
Wahl  dieser  Felsgruppe    überhaupt 
scheinen     mir     die     Beziehung    auf 
eine     Burg     oder    ein    Fort    auszu- 
schließen  und  eher  auf   ein  Heilig- 
tum  zu  deuten.     Noch  wahrschein- 
licher ist  mir,   daß  wir  es    mit  einer 
Grabanlage     mit    all    dem     für    die 
Totenfeste  nötigen    Zubehör  zu  tun 


";  Auch   sie  ist   von  Tcxier  besucht  und  beschrieben  worden,  a.  a.  O.  p.  289  f.;   er  hält  sie  für  ein  .chäteau'. 


i6i 


Zur  Topographie  der  ionischen  Küste  südlich   von   Kphesos 


IÖ2 


hahen;  dann  würde  die  Grube  bei  A  das  Grab  vor-  oblonge,  o-o6  m  tiefe  Einarbeitung  von  0-l8X0'I5m; 
stellen.  Als  nächste  Parallele  würde  ich  dann  die  gefunden  mit  zahlreichen  Architeliturstücken  auf  dem 
.sogenannte  Felswarte'  bei  Hagia  Triada  (bei  Smyrna)       oben   S.    153   beschriebenen  Acker. 


106:  Planskizze  der  Anlage  auf  dem  Assarlyk. 


am  Sipylos  heranziehen"),  die  ich  trotz  Szan tos  Wider- 
spruch52) für  eine  Grabanlage  halte;  die  Wahl  eines 
dominierenden  steilen  Felsens,  die  in  den  Fels  ge- 
hauene Grube,  die  hinaufführenden  Felstreppen  und 
schließlich  Mauerzüge  am  Fuße  des  Felsens  hat  sie 
mit   der  unseren   gemein. 

A  n  a  i  a. 
4.  Basis    aus   bläulichem  Marmor,    hoch  fj'62  m, 
breit  o-45m,  dick  o-45m,  Buchstabenhöhe  o-026m;  oben 

I 


Ah/';okah£ 

ÄOHNAroPE. 

EPY1H! 

Arj|J.oxXij; 

A.6-r]va-fOps<o 

'Eppv/jt. 


Die  Buchstabenformen  weisen  die  Inschrift  in 
hellenistische  Zeit 53). 

5.  Großer  Sarkophag,  hoch  o-70m,  breit  2-20m, 
tief  078  m.  Buchstabenhöhe  der  antiken  Schrift  0^025  m; 
jetzt  Trog  des  Dorfbrunnens  im  Dorfe  Ania,  dessen 
Leitung  jedoch  zerstört  ist  (Fig.  107).  Erwähnt  von 
Wiegand,  der  auch  einen  Teil  der  antiken  Inschrift 
mitteilt54).  Die  Deutung  der  mittelalterlichen  ist  mir 
nicht  ganz  gelungen;   die  antike  lautet: 

A  A'jtv)  yj  aopö;  xal  ö  Orcö  aüxY]v  ßcou,ö;  xal  6  ixsp[l  a]ü[r«v] 

Totos  siaiv  'Apeaxovxo;  xoü  81;  xo[(5 Xcj  xal 

-fuvatxo;  aüxoö  xa[l]  xsxviov  [aü]xm[v. 

B  'Op.oiw;  xal  <X>tX=xa£pou  81;  xoü  M[a? xal 

f  uvaixö;  aüxoO  Aia[8]ou[|rev£a;  ?  .  .  .  .  xal 
xs]x[v]üjv  [aö]x[(ö]v. 

1  /.  2  ist  xuätaxou  unmöglich,  vielmehr  die  von 
mir  gegebene  Lesung  gesichert;  nicht  ausgeschlossen 
ist  jedoch,  daß  man  das  unnötige  erste  xsO  tilgen 
wollte. 


51)  Abgeb.  bei  Curtius,  Beiträge  zur  Geschichte 
und  Topographie  Kleinasiens  Taf.  V  4 ;  danach  Perrot- 
Chipiez,  Histoire  de  l'art  V  44  Fig.  10;  vgl.  G. 
Weber,   Le  Sipyle  et  ses  monuments   12. 

r'2)  Athen.  Mitt.  XVI  (1801  I  S.  244  ff. ;  ein  scharfer 


Gegensatz    zwischen  Grabanlage    und  Opferstätte  be- 
steht nicht;  auch  erstere  ist  ja  eine  Opferstätte. 

I  >ie  Inschrift  soll  von  einem  Griechen  abge- 
schrieben worden  sein,  scheint  aber  unpubliziert. 
'i    A.  a.  O.  S.  490. 


i63 


J.  Keil 


164 


AYTmaoIbs^r-i'noAYTwBflHoS&on 


ronosEi»n;ÄF  t  •  ?:     ■  r  . 


OM01.M!iAj'}>tAE"lAIFÖ)Q\Js7oY"  51 
rYNAIS&jyÖ'ToY-AIAA«'.- 


107 :  Sarkophag  in  Ania. 


ß  Z.  2.  Der  Name  der  Frau  kann  nach  den  Resten 
nur  AiaSouuivT]  oder  Ata3oup.ev(a  oder  A'.aSoujieviayvj 
gewesen  sein;  doch  scheint  nach  den  Buchstaben- 
spuren A'.a3ou|J.sv£a  zu  bevorzugen. 

6.  Stele  aus  bläulichem  Marmor,  hoch  o-6l  m, 
breit  0-46 m,  dick  crilm,  Buchstabenhöhe  0-028 m, 
im  Hofe  des  Tschakyroglu-Halil  als  Belagstein  vor  der 
Tür  des   Hauses;  sehr  abgetreten. 


Ap]Tsu.u>v  ['AtioX -- 
X]ü)v£ou  to[0  'A3--? 
>]va](ou  .  'H  ßo[uM] 
y.al  &  5^no{  6  'A[va- 
5   EtTtöv  ^ateyav- 
toaev  'ApTE|iu)va 
ßic&aavra  xz/.[(ö]j. 
Xaipe. 

Inschrift  ist  wichtig,  denn  sie  gibt  das  erstemal 
urkundlich  den  Namen  der  Einwohner  von  Anaia,  frei- 
lich mit  einer  Lücke,  in  der  aber  nur  Ä[vat]  oder  Ä[va] 
eingesetzt    werden    kann;    letzteres    wird    durch    den 


Raum  empfohlen.  Steph.  Byz.  gibt  als  Ethnikon  Avato; 
an,  weist  aber  darauf  hin,  daß  Thukydides  die  Ein- 
wohner Avatxa;  nenne,  wofür  unsere  Ausgaben  Avaü- 
Tat  geben.  Thukydides  behält  also  recht.  Ferner  er- 
fahren wir  aus  unserer  Inschrift,  daß  zur  Zeit  ihrer 
Abfassung  —  wohl  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr. — 
Anaia  eine  autonome  Gemeinde  mit  Rat  und  Volks- 
versammlung war;  also  nicht  mehr  samisch. 

7.  Fragment  einer  Giebelstele  aus  bläulichem 
Marmor,  hocho'23m,  breit  0*20  m,  dicko-07m;  Buch- 
stabenhöhe O'OIQ  m.  Jetzt  im  Hause  des  Muhadjir  Djel, 
gefunden  angeblich  auf  einem  der  Acker  in  der  Nähe 
des  Dorfes. 


nCTpA 

THAOKA 
1TEAIO 


S(i)atpa[xos 
T7)XoxXi[ous 

Die  hellenistische,  sorgfältig  gearbeitete  Stele  be- 
zeichnete, wie  das  Demotikon  Eixeatoj  lehrt,  das  Grab 
eines   fern   der  Heimat  verstorbenen   Atheners. 


iö.s 


Zur  Topographie  der  ionischen  Küste  südlich  von  Ephesos 


166 


8.  In  Aktsche-ova  befindet  sich  als  Treppen- 
stufe des  Moscheehofes  folgender  Inschriftstein  aus 
blauweißem  marmorartigen  Kalksteine,  hoch  0*50 ln, 
breit  0'5gm,  dick  o-6o  m,  Buchstabenhöhe  0-06  m. 


A'.vuoi;o[ä- 
veosjto  Ä[9-- 
r)]va-fip£[o). 

Die  Form  Aivjst-^dvrjj  ist,  soviel  ich  sehe,  Singu- 
lar; dennoch  dürfte  kaum  ein  Schreibfehler  vorliegen. 
Die  Inschrift   gehört   wohl   noch  ins  5.  Jahrhundert. 

9.  In  Bergaz  (die  Leute  sprechen  Burgaz)  im 
Kaffeehause  des  Ibrahim  ist  eine  0*67  m  hohes,  0-30  m 
dickes  Säulenstück  das  man  auf  der  einen  Seite  aus- 
gehöhlt hat,  als  Stampfmörser  in  Verwendung.  Es 
stammt  von  einem  kleinen  Hügel  neben  dem  Orte, 
wo  einst  eine  kleine  Kirche  gestanden  hat.  Darauf 
liest  man  die  folgen  de  Inschrift  (Buchstabenhöheo-2  2ra): 


.feniEvr 


BßQ3NT©0C£jgA 

t  'Eni  Eöfsvfou 
öxovöu.ou  i- 

•(■8V  =  T0     Sp','07 

toütov  x(öpt)e  Pot;- 
5  9wov  Z'Ä-  3oöX- 
O'j;  (a)o0  Tcoawou 

(lasiaxöpov. 

Die  Inschrift,    welclie  schöne    Beispiele   für    die 
orthographischen  und  grammatischen  Kenntnisse  des 
Jahreshefte  des  i'sterr.  archäol.   Institutes  Bd.  XI   Beiblatt, 


in  dem  verlassenen  Dorfe  wohnenden  Schreibers  gibt, 
ist  also  wohl  die  Bauinschrift  der  Kirche,  die  wir 
uns  nach  der  Säule  recht  bescheiden  denken  mögen. 
Datiert  wird  nach  dem  (ol)xovöu£g,  der  also  entweder 
der  erste  Dorfbeamte  oder  der  Vorsteher  einer  Domäne 
gewesen  sein  wird.  In  |iast5TÖp(o))v  wird  man  das 
lateinische  magister  erkennen  müssen,  das  im  Neu- 
griechischen ganz  gebräuchlich  den  Vorarbeitern  und 
Aufsehern  als  Titel  gegeben  wird.  Ob  Kosmas  und 
Johannes  also  die  Baumeister  waren  oder  ob  wir 
in  ihnen  vielmehr  die  christlichen  Nachfolger  der 
magistri  ad  fana  templa  delubra  erkennen  sollen  ? 

10.  Kleine  Aschenkiste  aus  bläulichem  Marmor 
mit  Girlanden,  früher  in  Bergaz  als  Brunnentrog 
verwendet,  dann  angeblich  in  der  Nacht  von  einem 
Griechen  gestohlen  und  an  den  englischen  Vizekonsul 
in  Scalanova  J.  Alexakis  verkauft,  wo  sie  sich  be- 
findet; hoch  0-38  m,  breit  0-585  m,  dick  0-39,  Buch- 
stabenhöhe 0'025  m. 

"AttkXoj  'AxtkXou  £vj. 
'EAtiIs  Mrjvodwpou. 

Offenbar  von  dem  Gatten  der  verstorbenen  Gattin 
gewidmet,  um  später  auch  seine  Asche  aufzunehmen. 

Sonst  fand  ich  in  Bergaz  nur  unbedeutende  Ar- 
chitekturstücke in  den  Mauern  verschiedener  Häuser; 
Münzen  wurden  mir  nur  byzantinische   gezeigt. 

Auf  dem  Wege  von  Bergaz  nach  Gümüsch-kjöi 
mich  verirrend  fand  ich  an  einem  gegen  das  Lethaios- 
tal  gesenkten  Abhänge  die  Fundamente  eines  helle- 
nistischen Forts,  dann  von  wurzelgrabenden  Kohlen- 
brennern gewiesen,  eine  halbe  Stunde  SW  von  Naiblii 
(NW  von  Magnesia  a.  M.)  die  alte  Straße  von  Ephesos 
nach  Magnesia,  welche  in  der  20  Minuten  langen 
Strecke,  die  ich  verfolgen  konnte,  in  einer  Breite 
von  5  m  buchstäblich  in  den  Fels  geschnitten  ist,  der 
an  manchen  Stellen  bis  5 m  senkrecht  abgearbeitet 
wurde.  Ob  die  stellenweise  recht  stark  ansteigende 
Fahrbahn  mit  einer  Schotterschiehte  belegt  oder  nur 
durch  Ouerrillen  praktikabel  gemacht  war,  ist  nicht 
ersichtlich,  da  von  Rillen  nur  ganz  geringe  Spuren 
vorhanden  sind.  Gegenwärtig  ist  es  kaum  möglich, 
auf  dem  durch  das  herabrinnende  Wasser  geglätteten 
und  auch  zerfressenen  Fels  zu  Pferde  fortzukommen. 
Die  Erbauer  der  alten  Straße  von  Ephesos  nach 
Magnesit,  deren  Meilenstein  wir  beim  Bahnhofe  in 
Azizie  noch  besitzen,  vermieden  also  das  wegen  der 
Hochwassergefahr  große  Schwierigkeiten  bietende  Tal 
des  Lethaios,  das  jetzt  mit  Anwendung  zahlreicher 
Kunstbauten  von    der  Aidinbahn  benutzt    wird,    und 


167 


A.   Gnirs 


168 


in  dem  Straßenreste  späterer  Zeit  erkennbar  sind,  und 
führten  sie  über  die  südlichen  Höhen,  wo  ihr  weiterer 
Verlauf  noch  festgestellt  werden  muß. 

II.  In  dem  gastlichen  Hause  des  Bahningenieurs 
Walker  in  Azizie  schrieb  ich  zum  Schlüsse  noch  fol- 
gende, anscheinend  noch  unpublizierte  lateinische  In- 
schrift   ab.    welche    aus    Laodikeia  a.  L.   stammt.    Sie 


steht  auf  einer  Aschenkiste  aus  bläulichem  Marmor 
mit  nicht  ganz  ausgearbeiteten  Girlanden  zwischen 
Widderköpfen;  hoch  0*255 m,  '1relt  °'425  m>  dick 
0-34  m,  Buchstabenhöhe  0-OI7m. 

Lco~i~\ni  vilic{o)  Apolloniae 
vicari  eins. 


Smyrna. 


JOSEF  KEIL 


Forschungen  im  südlichen  Istrien. 


I.  Grabungen  in  Val  Catena  auf  Brioni  grande. 
Die  Grabungen  und  Untersuchungen  im  Gebiete 
der  antiken  Villa  von  Val  Catena  (vgl.  Jahreshefte  X 
Beibl.  43  ff.)  bewegten  sich  im  Herbste  1907  inner- 
halb  des  Tempelbezirkes,   um  hier  die  Arbeiten  zum 


0"75m  hohen  Unterbaue  errichtet.  Auch  scheinen  nur 
drei  Stufen  zum  Pronaos  hinaufgeführt  zu  haben,  da 
die  Breite  des  Fundamentes  für  die  Stufen  in  der  Front 
des  Tempels  nur  0'70m  beträgt,  während  an  den  Seiten- 
tempeln dieses  Maß   2'8om  groß  ist. 


108  :  Grundriß  des  Tempelbezirkes. 


Abschlüsse  zu  bringen.  Ihr  wichtigstes  Ergebnis  ist 
die  Aufdeckung  eines  dritten,  zwischen  den  beiden 
schon  bekannten  Tempeln  B  und  C  (Fig.  108)  ge- 
legenen Heiligtums  A,  das  aus  ihrer  Front  zurück- 
gezogen und  2,4m  von  der  Periboloshalle  I>  entfernt 
die  Mitte  des  heiligen  Bezirkes  einnimmt.  Cella 
und  Pronaos  stimmen  in  Größenverhältnissen  und 
Grundriß  mit  den  beiden  anderen  Tempeln  überein; 
während  diese  aber  auf  etwa  I'6om  hohem  Unterbaue 
sich   erheben,  ist  der  mittlere  Tempel  auf  einem   nur 


Eine  Detailskizze  des  mittleren  Tempels  gibt 
Fig.  109.  Die  Mauern  sind  aus  Bruchsteinen  in 
reicher  Mörtelbettung  hergestellt.  Vom  aufgehenden 
Mauerwerke  ist  am  besten  die  Rückwand,  und  zwar  bis 
etwa  zu  einem  Meter  Höhe  erhalten.  Hier  haftet  auch 
noch  der  Aulienverputz,  der  Quaderwerk  nachahmt. 
An  den  Eangseiten  des  Tempels  befinden  sich  die 
Anbauten  H  und  K,  die  zwar  nicht  in  das  Fundament- 
mauerwerk einbinden,  aber  doch  gleichzeitig  zu  sein 
scheinen,    da    der    Außenputz    gleichmäßig    von    den 


1 6g 


Forschungen   im    südlichen    Istrien 


170 


Langseiten  auf  die  Vorbauten  übergeht.  Auf  den 
Mauern  der  Vorsprünge  liegt  eine  abgleichende 
Mörtelschicht,  die  auf  eine  Abdeckung  mit  Stein- 
platten bis  zur  Höhe  des  Tempelsockels  schließen  läßt. 
Den  vorderen  Abschluß  der  Tempelanlage  bildet 
das  Fundament  B,  das  den  Säulenstylobat  und  die 
vorgelegten  drei  Stufen  zu  tragen  hatte.  An  dieses 
Fundament  setzt  links  und  rechts  eine  halbkreisförmig 
verlaufende  Sockelmauer  an  (A  und  C  in  Fig.  109), 
die,  in  0'40m  Tiefe  auf  den  gewachsenen  Boden  (terra 
rossa)  gebettet,  sich  stellenweise  noch  0'30m  über  die 
jetzige  Oberfläche  erhebt.  Das  Material  besteht  aus 
kleinen  Bruchsteinen  in  Mörtelbettung  wie  bei  den 
Tempelmauern;  ebenso  sind  die  kleinen  Fundament- 
vorspiünge  e  und  e  hergestellt.  Auf  dem  halbkreis- 
förmigen Fundamente  standen  Säulen  der  toskanischen 
Ordnung,  von  denen  Kapitelle  und  anlaufende  Trommeln 


109:  Grundriß  des  mittleren  Tempels. 

gefunden  worden  sind.  Die  Verbindung  dieser  Säulen- 
pergola mit  dem  Tempel,  ebenso  wie  der  Zweck  der 
beiden  Anbauten  H  und  K,  ist  vorläufig  noch  nicht 
festgestellt.  Von  dem  architektonischen  Material  des 
mittleren  Tempels  und  der  anschließenden  Säulen- 
pergola wurde  mit  Ausnahme  reichgearbeiteter  Teile 
vom  Giebelakroter  nichts  gefunden. 

Durch  die  halbkreisförmige  Säulenpergola  wurde 
die  ohne  irgend  einen  Dekor  verlaufende  Wand 
der  Halle  D  verdeckt,  die  wahrscheinlich  im  Erdge- 


schosse als  Kryptoporti- 
kus  geschlossen  war,  wäh- 
rend am  offenen  Hallen- 
gange des  Obergeschosses 
Pfeiler  standen,  von  denen 
sieh  ein  vollständiges 
Stück  wieder  vorfand 
(Fig.  IIo).  Es  ist  ein  mit 
Kapitell  und  Basis  ver- 
sehener Pfeiler  von  2'<)5m 
Höhe  und  rechteckigem 
Querschnitte.  Die  ein- 
fache Basis  zeigt  eine 
Plinthe  und  kräftigen 
Wulst  mit  Plättchen,  das 
Kapitell  ist  toskanischer 
Ordnung ;  als  Material 
wurde  weißer  istrischer 
Kalkstein  verwendet.  In 
der   Architektur   und    in 

den  Maßverhältnissen 
stimmen  diese  Glieder 
der  Periboloshalle  D  mit 
der  vor  dem  mittleren 
Tempel  sich  entwickeln- 
den Pergola  überein. 

Während  der  Gra- 
bungen kamen  wieder- 
Fragmente auch  von 
anderen  Werk- 
stücken zutage.  Das  schönste  bisher  gesicherte 
Architekturstück  aus  der  Fassade  des  Neptun- 
tempels fand  sich  verschleppt  gelegentlich 
einer  Untersuchung  der  frühmittelalterlichen 
Basilika  von  Val  Madonna  an  der  Westküste  Brionis. 
In  einem  Einbaue  aus  dem  XV.  Jahrhundert  lag  ein 
l'6m  langes,  beiderseits  abgeschlagenes  Gebälkstück, 
das  Architrav  und  Fries  trägt  (Fig.  III'.  Der  Fries 
zeigt  in  Hochrelief  eine  Reihe  von  Meerwesen  mit  ge- 
ringelten Fischleibern;  zu  äußerst  links  und  nach 
links  orientiert  ein  Seepferd,  dann  im  Gegensinne 
angeordnet  einen  Seelöwen  und  ein  Mischwesen, 
anscheinend  mit  menschlichem  Vorderleibe,  also  wohl 
einen  Triton.  Der  durch  die  gegenständig  emporge- 
schlagenen Schwanzflossen  der  beiden  ersten  Ge- 
stalten entstandene  leere  Raum  ist  durch  einen  klei- 
nen Delphin  gefüllt.  Die  Zugehörigkeit  dieses  Ge- 
bälkstückes zu  den  Heiligtümern  von  Val  Catena  wird 
durch  die  volle  Übereinstimmung  mit  den  schon  vor 
Jahren    dort    gefundenen    Architekturfragmenten   des 


110:  Pfeiler  vom  Ober- 
geschosse der  Periboloshalle. 


i7i 


A.   Gnirs 


172 


m  :  Gebälk  vom  sog.  Xeptuntempel. 


sogenannten  Neptuntempels  (vgl.  Jahreshefte  IX  Beibl. 
38ff.),  sowohl  nach  Maßen  wie  nach  Darstellung,  wahr- 
scheinlich und  vollends  dadurch  erwiesen,  daß  ein- 
zelne schon  früher  mit  Sicherheit  lokalisierte  Frag- 
mente unmittelbar  dem  neuen  Fundstiicke  angepaßt 
werden  konnten. 

Zur  abschließenden  Untersuchung  kam  im  Herbste 
1907  auch  die  weitere  Umgehung  des  kleinen,  an 
den  Tempelbezirk  nördlich  anschließenden  Wohn- 
hauses. Hinter  demselben  wurden  in  einer  Entfernung 
von  3-"  m  parallel  laufende  Mauerzüge  G  (Fig.  108) 
aufgedeckt,  die  einen  Hallengang  gebildet  zu  haben 
scheinen,  der  auf  die  Höhe  des  Monte  Castellier  hinauf- 
führte. Innerhalb  der  Fundamente  dieses  Hallenbaues 
kamen  groß  dimensionierte  Werkstücke  zum  Vor- 
scheine, die  nach  der  Art  ihrer  Zurichtung  einem 
Rundbaue  angehörten,  der  am  Abhänge  oder  auf  der 
Höhe  des  genannten  Berges  zu  suchen  wäre. 

schönes   Beispiel    für   monumentale   Hallen- 


bauten der  antiken  ländlichen  Baukunst  und  ihre 
Einrichtung  konnte  aus  den  Grabungen  östlich  des 
Wohnhauses  am  Tempelbezirke  gewonnen  werden, 
nachdem  hier  bisher  nur  an  der  seeseitigen  Sub- 
struktion  und  an  den  Stirnseiten  die  Situation  einer 
großen  Porticus  erkannt  worden  war  (Fig.  112).  Sie 
erstreckt  sich  längs  der  antiken  Nordriva  der  Bucht 
mit  der  Breite  von  fast  I0m  in  einer  Länge  von 
I50m  vom  Tempelbezirke  bis  zu  einer  kleinen  diaeta, 
in  die  sie  einbindet.  Die  abwechselnd  durch  halb- 
runde und  oblonge  Exedren  gegliederte  Rückwand 
der  Halle  erinnert  an  die  Vorschrift  Vitruvs  V,  II,  2), 
für  monumentale  Hallen  einer  städtischen  Palästra: 
.constituantur  autem  in  ...  .  portieibus  exedrae  spa- 
tiosae,  habentes  sedes  .  .'.  Jedenfalls  wird  man  sich 
auch  die  Wände  der  Exedren  in  der  Halle  von  Catena 
mit  Wandbänken  versehen  zu  denken  haben.  Zum 
Schmucke  der  Hallenwand  gehörten  die  in  situ  vor- 
gefundenen,    ursprünglich     mit     Marmorplatten    ver- 


173 


Forschungen  im  südlichen   Isirien 


17  l 


kleideten  Mauersockel  und  die  auf  diesen  Postamenten 
einst  aufgestellten  Rundwerke. 

Parallel  der  großen,  offenen  Halle  E  läuft  hinter 
der  Rückwand  eine  nur  2'3m  breite  geschlossene 
Kryptoportikus  F,  die  mit  entsprechender  Führung 
den  Exedren  des  vorliegenden  Nachbarbaues  aus- 
weicht. F.iue  derartige  für  schlechtes  Welter  be- 
rechnete Wandelbahn  hat  wohl  Vitruv  V,  II,  1  im 
Auge:  .(porticus)  quae  ad  meridianas  regiones  est 
conversa,  duplex,  uti  cum  tempestates  ventosae  sint, 
non  possit  aspergo  in  interiorem  partem  pervenire'. 
Durch  diesen  Doppelbau  EF  (Fig,  108)  und  die  in 
das  Erdgeschoß  der  Periboloshalle  des  Tempelbe- 
zirkes verlegte  Kryptoportikus  D  war  es  möglich,  bei 
ungünstiger  Witterung  völlig  geschützt  von  den 
Wohnobjekten  am  Nordgeslade  bis  in  das  Terrassen- 
haus  am    Südgestade   von    Val   Catena   zu    gelangen. 

Genau  in  die  Mitte  der  großen  Halle  an  der 
Nordriva  ist  noch  ein  dritter  Bau  G  angesetzt,  der 
zunächst  wohl  der  Durchbildung  der  Fassade  der 
Portikus  dienen  sollte,  die  bei  ihrer  gleichförmigen, 
langen  Entwicklung  ein  den  Bau  in  der  Mitte  über- 
ragendes Glied  verlangte.  Daß  er  mindestens  mit 
einem  Stockwerke  die  Halle  überragte,  ist  aus  den 
fasto-90m  starken  Mauern  zu  erschließen.  Dieser  Bau 
enthielt  nur  einen  saalähnlichen  Raum  mit  der  Grund- 
fläche von   10-65  X7'5m- 

Durch  die  Grabungen  in  der  Umgebung  der 
Tempel  ließen  sich  auch  Aufschlüsse  über  die  Art 
der  Wasserversorgung  der  antiken  Villenanlage  ge- 
winnen. Unweit  des  Neptuntempels  unterläuft  ein 
Wasserleitungsrohr  den  südlichen  Flügel  der  Peri- 
boloshalle an  der  Stelle,  wo  sie  in  den  untersten  Bau 
der    großen    Terrassenanlage    des    südlichen    Villen- 


JZL 


3 


komplexes  einmündet.  Der  Aquädukt  besteht  aus 
einem  ungefähr  1  m  tief  liegenden  Kanal,  in  dem  das 
Bleirohr  noch  in  situ  liegt.  Rohrlichte  rj'05— 0'o6ra, 
Wandstärke  o  006 — O'oo8m,  maximaler  Betriebsdruck 
l'4kg  proQuadratzentimeter;  Material:  Kärntner  Blei; 
Konstruktion:  über  eine  Zylinderform  geschlagene 
Bleiplatte,  die  an  dem  aufgebogenen  Zusammenstoße 
gelötet  ist1). 

Nachdem  die  Wasserleitung  und  ihre  Ausläufe 
in  die  großen  Wasserspeicher  der  vierten  Terrasse 
nachgewiesen  waren,  war  es  wünschenswert,  den 
speisenden  Teilen  der  antiken  Wasserleitung  nach- 
zugehen. Diese  fanden  sich,  in  der  Trasse  der 
Leitung  gelegen,  auf  dem  Ostabhange  des  vom  Ge- 
stade Val  Catenas  aus  sich  erhebenden  Monte 
Castellier  in  ungefähr  14™  Seehöhe.  Ein  breiter,  in 
den  gewachsenen  Fels  bis  zum  Meeresspiegel  ge- 
triebener Brunnenschacht  (B,  Fig.  113)  erschließt 
einige  mit  Kluftwässern  gefüllte  Spalten,  welche  vor 
dem  Eintritte  der  säkularen  Niveauerhöhung  des 
Meeres  hinlänglich  ergiebig  und  süß  gewesen  sein 
müssen,  um  den  beträchtlichen  Bedarf  der  antiken  Villa 
an  Süßwasser  zu  decken.  Die  Anlage  setzt  sich  aus 
folgenden  Teilen  zusammen  Ein  kleines  Nymphaeum .4 
-  als  Ruine  erhalten  (vgl.  Fig.  113  —  umschließt 
den  Brunnenschacht  B.  Als  installierter  Wasser- 
förderungsapparat  ist  nach  dem  baulichen  Befunde 
eine  Hornhaspel  mit  doppelter  Eimerförderung  anzu-  ■ 
nehmen,  die,  mit  Rücksicht  auf  das  Niveau  der  be- 
nachbarten Wasserreservoire  C  und  D  auf  den  beiden 
an  den  Brunnenrand  sich  anschließenden  Parallel- 
mauern entsprechend  hoch  montiert,  durch  eine  kleine, 
noch  erhaltene  Freitreppe  erreicht  wurde.  Das  ge- 
hobene Wasser  wurde  in  die  beiden  aneinander  an- 


RIVA     ANLAGE 


Jo  »o  50WETER 

i 1 


H  AFEN 

lia:  Portikus  .1111    Nordgest:ide 


')  Ergebnis  der  in  den  Skodawerken  Pilsen  1  durch 
freundliche  Vermittlung   des    Herrn  Generaldirektors 


G.  Günther  vorgenommenen    Untersuchungen. 


•75 


A.   Gnirs 


I76 


stoßenden  Betonbassins  C  und  D  geworfen,  um  für 
die  Druckleitungen  den  entsprechenden  Wasservorrat 
disponibel  zu  haben.  Die  Piscina  C  scheint  die  Wasser- 
leitung von  Val  Catena  bedient  zu  haben,  während  D 
einem  nach  dem  heutigen  Orte  Brioni  (im  Altertume 
eine  villa  rustica  mit  Ol-  und  Weinpresse  und  Hafen- 
anlage) gelegtem  Aquädukte  zugewiesen  war.  Größere 
Reste  seiner  in  einen  Kanal  verlegten  Bleirohrleitung 
wurden  vor  JahrenzwischenBrioniundMonte  Castellier 
aus  dem  Boden  der  Felder  gehoben. 


fachen  Formen  des  antiken  Meierhofes2),  wie  er  auch 
die  Grundlage  für  den  Entwurf  einzelner  diaetae3) 
als  monumentaler  Glieder  der  ausgedehnten  antiken 
Luxusvillen  bildet.  Überraschenderweise  findet  sich 
in  dem  ländlichen  Baukomplexe  auf  dem  Monte 
Collisi  der  Typus  der  villa  rustica  für  die  Anlage 
einer  Ölfabrik  mit  daran  anschließenden  Unterkunfts- 
räumen, Depots,  Ölkammer  usw.  verwendet.  Man 
kann  den  Bau  souach  als  villa  rustica  klassifizieren, 
von  der   aus   ein    landwirtschaftlicher   Betrieb  unter- 


113:  Brunnenschacht  und  Wasserbehälter  auf  dem  Monte  Castellier. 


II.  Grabungen  am  Monte  Collisi 
(Brioni  grande). 
I.  Villa  rustica.  Die  Ausgrabungen  eines  an 
den  Typus  der  römischen  villa  rustica  sich  anlehnenden 
Einzelbaues  auf  dem  Plateau  des  Hügels  Collisi  wurden 
durch  die  dankenswerte  Unterstützung  von  Seiten  der 
Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft, 
Kunst  und  Literatur  in  Böhmen  und  durch  die 
gütige  Überlassung  des  Grabungsterrains  von  Seiten 
des  Besitzers,  Herrn  Generaldirektors  Paul  Kupel- 
wieser  ermöglicht.  Die  Arbeiten  begannen  im  Februar 
1907  und  legten  zunächst  ein  in  seinen  Sockelmauern 
noch  erhaltenes  antikes  Gebäude  bloß,  das  mit 
59'7X55m  Grundfläche  das  genannte  Plateau  ein- 
nimmt. Der  Typus  der  hier  aufgedeckten  ländlichen 
Hausform  ist  für  Istrien  nicht  neu:  eine  villa  rustica, 
bestehend  aus  dem  in  ganzer  Front  geöffneten  peri- 
stylen  Hofe,  an  dessen  Hallengang  ein  rückwärtiger 
Ilaupttrakt  und  zwei  Seitenflügel  sich  anschließen. 
Dieser  Grundriß  wiederholt  sich  ebenso  in  den  ein- 


halten wurde,  der  nur  die  ringsumliegenden  Ölgärten 
zu  bewirtschaften  hatte  und  dann  auch  die  Ver- 
arbeitung des  gewonnenen  landwirtschaftlichen  Pro- 
duktes übernahm. 

Innerhalb  des  Gebäudes  legt  sich  um  den  geräu- 
migen Hof  eine  (1  förmige  Portikus,  wovon  Reste  der 
aus  runden  Steinscheiben  aufgemauerten  Säulen  (nicht 
in  situ)  und  der  Stylobat  in  situ  ausgegraben  wurden. 
In  dem  rückwärtigen  Trakte  von  genau  300  pedes 
Frontlänge  ist  die  Ölfabrik  eingegliedert,  deren  Ein- 
richtung teilweise  an  die  von  Stephan  Gsell  mitgeteilte 
Anlage  von  Bir  Sgaoun4)  (Algerien)  erinnert.  Jeden- 
falls hat  sich  am  Monte  Collisi  mehr  technisches  Detail 
erhalten,  das  einen  guten  Einblick  in  den  in  antiker 
Zeit  üblichen  Vorgang  der  Olgewinnung  ermöglicht5). 
Außer  dieser  Villa  stellte  ich  auf  den  brionischen 
Inseln  noch  antike  Meierhofanlagen,  mit  Ölpressen 
und  Weinkelter  ausgestattet,  am  Hafen  S.  Nicolo 
(Brioni  minore),  ferner  innerhalb  des  großen  Be- 
festigungsbaues aus  der  Völkerwanderungszeit  in  Val 


-)  Vgl.  die  von  mir  im  Kaiserwalde  bei  Pohl 
ausgegrabene  villa  rustica,  besprochen  in  den  Jahres- 
heften IX  Beibl.  44  ff.  und  Jahrb.  für  Altertums- 
kunde II   131  ff. 

!)  Vgl.  Jahreshefte  IX  Beibl.  27;    X  Beibl.  47. 


'1  Stephane  Gsell,  Les  monuments  antiques  de 
l'Algerie  t.  II.  Installations  rurales  p.  28  ff. 

r>)  Über  die  ganze  Anlage  vgl.  Jahrbuch  lür 
Altertumskunde  II  134  ff.  —  Über  die  Einrichtung 
der  olearia:   Vitruv   VI  6,   3. 


177 


Forschungen   im   südlichen   Istrien 


.78 


Madonna  und  an  der  Stelle  des  heutigen  Brioni  fest, 
die  zusammen  mit  der  großen  Herrschaftsvilla  von 
Val  Catena  uns  eine  geschlossene,  produktive  Be- 
sitzeinheit aus  römischer  Zeit  vergegenwärtigen,  wie 
ich  sie  gleichartig  bei  den  jüngsten  topographischen 
Untersuchungen  auch  am  gegenüberliegenden  istrischen 
Festlande  wiederholt  nachweisen  konnte0). 

2.  Kleinfunde.  Zu  den  während  der  letzten 
Grabungsperiode  in  Val  Catena,  Val  Madonna  und 
auf  Monte  Collisi  gewonnenen,  sonst  unbedeutenden 
Kleinfunden  gehört  eine  Reihe  keramischer  Erzeug- 
nisse mit  Erzeugermarken  und  Ritzinschriften: 

a)  C.  Ceioni  M(a)x(im)i,  tegula  aus  Ton,  Höhe 
der  Marke  0-35™,  erhabene  Buchstaben,  Fundort: 
villa  rustica  Monte  Collisi.  Aus  Istrien  sonst  wieder- 
holt genannt  die  Marke  C  •  CEIONI  ■  MYl  7). 

6)  Si(ali)  Itisli,  tegula  aus  gelbem  Ton,  Höhe 
der  vertieften  Buchstaben  o-22m,  Fundort:  Tempel- 
bezirk in  Val  Catena8). 

c)  C.  Flavi,  tegula  aus  gelbem  Ton,  Höhe  der 
Marke  0'2m,  erhabene  Buchstaben,  Fundort:  West- 
fassade des  Terrassenhauses  in  Val  Catena  Gleiche 
Marke  im  Einlaufe  der  Zisterne  im  Peristyle  des 
Terrassenhauses  9). 

d)  Imp.  Pac Doppelmarke  am   Mundsaume 

einer  Amphora  aus  dem  Terrassenhause  in  Val  Catena. 

e)  [L.  F~\iriloni,  Marke  auf  einer  tegula,  Marken- 
höhe 0-38 m,  Fundort:   Val  Catena,  Nordgestade1"). 


/)  Her\i\,  Marke  auf  dem  Mundsaume  einer 
Amphora,   Höhe  o-I5mU). 

g)  . . .  aeso,  vielleicht  ein  neuer  Stempel  der  be- 
kannten Marke  [A.  F]aeso(ni),  tegula  aus  Chamott- 
erde,  Markenhöhe  0-37m,  Fundort:  Basilika  in  Val 
Madonna  (Brioni).  Diese  Kirche  war  ursprünglich 
noch  mit  römischen  tegulae,  Fabrikat  des  A.  Faesonius 
A.  F.,  gedeckt,  dessen  Marke  hier  wiederholt  fest- 
gestellt werden   konnte. 

h)  Seri,  Stempel  am  Boden  einer  Schale  aus 
terra  sigillata 12),  Ritzinschrift  auf  der  Außenfläche 
des  Bodens  arte  13). 

i)  Laiini,  Fußstempel  am  Boden  einer  Schale 
aus  terra  sigillata,  Fundort  beider  Gefäße:  Terrassen- 
haus in  Val  Catena. 

k)  Pansa(e  Vibi),  tegula  aus  rotem  Ton,  Höhe 
der  Marke  <T23m,  Fundort:  Westfassade  des  Terrassen- 
hauses, Haupteingang. 

1)  M.  Seri,  tegula  auB  rotem  Ton,  Höhe  der 
Marke  0'2m,  Fundort:  Nordgestade  von  Val  Catena. 

Außer  mit  der  Marke  Pansa  ...  ist  die  tegula  I: 
noch  mit  der  Bildmarke  .Dreizack"  gezeichnet, 
während  sich  mit  der  Erzeugermarke  M.  Seri  (l)  das 
Zeichen  des  Blattkranzes  verbindet.  Als  Schutzmarke 
der  Fabrikate  im  modernen  Sinne  werden  sich  diese 
Bildmarken  kaum  auffassen  lassen,  da  ziemlich  gleich- 
zeitig gleiche  Marken  auf  Fabrikaten  verschiedener 
Provenienz  auftreten.  So  findet  sich  z.  B.  Dreizack 
und   Palmblatt   in    gleicher    Zeichnung    wie   auf    den 


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G)  Vgl.  meinen  Artikel  im  Jahrbuch  für  Alter- 
tumskunde II  118  ff.:  Zur  Topographie  des  ager 
Polensis;   Florianum  bei   Pola. 

T)  CIL  III  8110  ,;,;  Fundort  Capodistria;  Atti 
e  memorie  II   233,  87;   VTI4j5. 

s)  L.  St(atius)  Justus,  Ziegelmarke  aus  Aquileia 
und  Istrien   CIL  III  8lI0137. 

9)  Dieselbe  Marke  auf  einer  Amphora  in  Padua 
CIL  III  8 1 1 2  lQ. 


lnl   L.  Fullonius,  Atti  e  memorie  II  23698;  V415. 

")  Vgl.  gleiche  Marke  auf  einem  Amphoren- 
deckel aus  der  Gegend  von  Fasana,  Jahreshefte  IX 
Beibl.  43. 

12)  CIL  III  8lI5„2. 

13)  Vgl.  eine  ähnliche  Ritzinselirift  auf  einem 
Terra  sigillata-Teller  aus  Pola  mit  den  ligierten 
Ruchstaben   ARTE   CIL   III  81 1;  „,. 


179 


A.   Gnirs 


180 


Pansaziegeln  14)    mit    den    Marken    Blattkranz,    drei- 
lappiges  Blatt,    Kerykeion    auf  den    Dolien    aus  der 
Fabrik  des  O.  Tossius  Ciraber.  Palmblatt,  Laubkranz 
und  Dreizack  erscheinen    auch  sonst  oft  auf  kerami- 
schen Waren  verschiedener  Provenienz.  Einen  Bezug 
der  Bildmarke  auf  den  Namen   des  Töpfers  ließe  in 
einem  Falle  die  Verbindung  der  Marke 
C    MINVC-C-  FPEDAN 
FEC  •  FORTVNAT  ■  SER 
mit    dem    daneben    eingepressten    Bilde    der   auf  der 
Kugel  stehenden   Tyche  vermuten.   Die  beiden  letzt- 
genannten Beispiele  stammen  aus  Rom(Doliummarken 
im  Magazzino  archeolog.). 

Zu  erwähnen  wäre  noch  unter  dem  aus  den  Gra- 
bungen auf  Brioni  neu  zugewachsenen  inschriftlichen 
Materiale  eine  Reihe  von  eingeritzten  Zahlen,  die  ich 
auf  den  großen  Dolien  der  cella  vinaria  im  Terrassen- 
hause von  Val  Catena  und  aus  der  antiken  Olfabrik 
am  Monte  Collisi  feststellte.  Jedes  dolium  trägt  zwei 
Zahlen.  Eine  Zahl,  mit  tief  eingegrabenen  kleineren 
Ziffern,  ist  gewöhnlich  auf  der  Gefäßschulter  deutlich 
sichtbar  angebracht.  Leicht  vor  dem  Brennen  einge- 
ritzt erscheint  in  kursivem  Zuge  eine  zweite  Zahl,  die 
oft  so  tief  sitzt,  daß  sie  an  dem  teilweise  in  die  Erde 
versenkten  dolium  nicht  mehr  abgelesen  werden  konnte. 

Die  erstgenannte  Zahl  steht,  wie  die  Berech- 
nungen ergeben,  in  Relation  zum  Fassungsraume 
und  gibt  denselben  an  den  untersuchten  Beispielen 
in  amphorae  an.  Bei  der  zweiten  Zahl  ließ  sich  eine 
derartige  Relation  nicht  erkennen  und  ich  halte  sie 
nur  für  eine  laufende  Erzeugungsnummer.  Von  der- 
artigen eingeritzten  Zahlen  notierte  ich  a.  c,  d  in  der 
cella  vinaria  von  Val  Catena  und  b  in  der  cella 
olearia  am   Monte  Collisi: 


,  1XIS 

min    (/6 

.-  _LXV 

i   II.    III   Si  10 


a)  58  (amphorae)  =  14  hl  85 '/j  1  (Nummer)  165 
/')  6 1  '/2  (amphorae)  =  I  5  hl  75 1  (Nummer)  86 

c)  67  (amphorae)  =  17hl   16I  (Nummer)   199 

d)  65  (amphorae)  =  16hl  64 Vol. 

III.  Funde  aus  Pola. 
I.  Sepulkrale  Denkmäler. 
Im  Laufe  des  Winters  und  Frühjahres  1907 
ergab  sich  bei  Grabungen  wiederholt  Gelegenheit, 
das  Material  der  mittelalterlichen  Stadtmauer  und 
ihrer  Fundamente  in  der  Gegend  zwischen  der  porta 
aurea  und  porta  Ercole  und  nächst  der  porta  gemina 
zu  untersuchen.  Es  zeigte  sich,  daß  besonders  für 
die  Fundamentierung  von  antiken  Bauwerken  her- 
rührendes Quadermaterial,  Säulen,  Architekturglieder 
und  Inschriftplatten  verwendet  waren.  Auf  die  auf- 
fallende Menge  von  Steinmaterial,  das  von  den  ver- 
schiedenartigsten sepulkralen  Monumenten  herrührt, 
konnte  ich  bereits  an  anderer  Stelle  hinweisen1'). 
Kürzlich  wurden  an  zwei  Stellen  aus  den  Fundamenten 
der  mittelalterlichen  Stadtmauer  weitere,  zusammen- 
gehörige Architekturreste  gehoben,  die  ebenfalls 
größeren  Grabdenkmälern  zuzuweisen  sind. 


Fraj 


tit  einer  Grabara 


Unmittelbar  neben(nördh)  der  porta  gemina  stellte 
ich  in  dem  viale  Carrara  den  pilotierten  Unterbau 
eines  vielleicht  aus  dem  16.  Jahrhunderte  stammenden 
Stadtturmes  (ungefähre  Baufläche:  4™  Tiefe,  i)m  Front- 
länge) fest,  dessen  Quadern  durchgängig  einer 
monumentalen  Grabara  angehörten,  die  nach  dem 
Zustande  der  abgerissenen  und  gebogenen  Eisen- 
klammern und  des  Steinmaterials  in  nächster  Nähe 
stand  und  unmittelbar  vor  der  Wiederverwendung  erst 
zum  Abbruch  gelangt  sein  muß.  Vom  Denkmal  hat 
sicli   außer    einer  Anzahl  von   Kalksteinquadern  ver- 


'■    Vgl.  meinen    Aufsatz  in  den  Mitt.  d.  Z.  K.   III.  !■'.   V     197fr. 


i8i 


Forschungen    im    südlichen   Istrien 


l82 


schiedener  Abmessungen  (zwischen  0'6Xo'6  X  0'55m 
und  l"22  X  075  X  0-65 m)  ein  Wulst  (Fig.  1  14)  der 
2-32 m  breiten  ara  und  ein  mit  einem  0'37m  breiten 


1:5:  Fragment  einer  Grabara. 

Sex.  Palpelli 

Manci 

Gavia  C.f.  V    .  . . 

Friesstreifen  gezierter  Kalksteinblock  erhalten, 
(0'9m  h.,  1-035  m  br.,  0-415  md.,  Buchstabenhöhe 
0'095  m)>  ^er  den  Anfang 
einer  dreizeiligen  Grab- 
inschrift (Fig.  115)  tragt. 
Vom  Buchstaben  V  Z.  3  nur 
der  Anfang  der  linken  Haste 
erhalten.  Der  Name  des  Sex. 
Palpellius  erscheint  wieder- 
holtauf Poleser  Inschriften18). 
Zwischen  porta  aurea 
und  porta  Ercole  wurden  von 
einem  antiken  Rundbaue  her- 
rührend (ungefährer  größter 
Durchmesser  o.  m),  der  als 
sepulkrales  Denkmal  vom 
Typus  des  Grabbaues  der 
Caecilia  Metella  angesprochen 
werden  kann,  Rustikablöcke, 
glatt  abgearbeitete  und  pro- 
filierte Sockelquadern  (0'34m 
h.,  0'63m  d.,  I'54m  1.)  im 
Unterbaue  eines  vielleicht 
auch  aus  dem  16.  Jahrhun- 
dert stammenden  Turmes  der 
Stadtmauer  bloßgelegt.     Für 


dessen  Herstellung  scheint  das  in  nächste  Nähe  des 
Fundplatzes  zu  verlegende  Denkmal  abgerissen  und 
an  einen  vorspringenden  Teil  der  Stadtmauer  über- 
tragen worden  zu  sein. 

Neben  diesem  Rundturme  fanden  sich  in  der 
Stadtmauer  drei  Bruchstücke  eines  mit  Reliefs  ge- 
schmückten Frieses,  der  die  Arbeit  guter  Zeit  verrät: 

Block  aus  marmorähnlichem  Kalksteine,  Höhe 
des  Frieses  einschließlich  seiner  unteren  Platte  0-52  m, 
0*65 m  lang,  0'54m  tief,  Reliefhöhe  o'055m.  Rechts 
abgebrochen  (Fig.  116  nach  Aufnahme  von  P. 
Opiglia  in  Pola).  Dem  Schnitte  nach  stammt  der 
Stein  von  einem  oktogonalen  Baue.  Im  Friese  steht 
als  Mittelglied  einer  nicht  streng  symmetrischen 
Gruppe  eine  Priaposherme,  die  schlank,  eine  Kante 
dem  Beschauer  weisend,  aus  einem  kelchartigen 
Untersatze  herauswächst.  Ihr  an  den  vorstrebenden 
Teilen  etwas  bestoßener,  nach  rechts  gerichteter  Kopf 
ist,  wie  auch  sonst  zuweilen,  jugendlich  bartlos; 
der  Oberkörper  wird  von  einem  ärmellosen,  faltigen 
Chiton  umhüllt,  der  von  der  r.  Schulter  herabgleitet. 
Der  linke  Arm  trägt  den  gefüllten  Fruchtschurz, 
den  die  rechte  Hand  gerafft  hält.  Die  Haltung  ist 
nicht   unähnlich    der   auf   der   bekannten    Priaposara 


rück  von  einem  Grabbau. 


1r")  CIL  III  35  und  38. 
Jahreshefte  des  österr.  archäol.  Institutes  Bd.  XI  Heiblatt. 


u)   Vgl.   Arch.-epigr.   Miti.  I  91. 


i»3 


A.  Gnirs,  Forschungen   im   südlichen  Istrien 


184 


von  Aquileia17).  Vorhangähnlich  fällt  nach  rechts 
und  links  die  Gewandung  zurück  und  läßt  den  auf- 
gerichteten Phallus  des  Gottes  sehen,  der  eben  in  dem 
bestimmten  Kultakte  des  Enthüllens  veranschaulicht 
ist.  Links  von  Priapos,  von  ihm  abgewandt,  eine  ge- 
flügelte Sphinx  sitzend  mit  gehobener  rechter  Vorder- 
tatze; die  wenigen  erhaltenen  Reste  einer  zweiten 
rechts  befindlichen  zeigen  diese  nach  rechts  aus- 
schreitend. Ein  zweites  beiderseits  an  den  Stirnflächen 
abgebrochenes  Friesstück  (o'65  m  lang)  von  demselben 
Bau  und  mit  gleichen  Dekorationsmotiven  läßt  nach 
erhaltenen  Teilen  der  Flügel  und  des  Schweifes  eine 
ähnliche  Sphinxgruppe  vermuten,  der  aber  die  zentrale 
Priaposstele  fehlt.  Eine  andere  Zusammenstellung  von 
Sphinxgestalten  zeigt  ein  dritter  aus  der  erwähnten 
Stadtmauer  gezogener  Friesblock,  auf  dem  nach 
Abarbeitung  der  hochstehenden  Reliefpartien  nur 
der  Schweif  und  die  gehobene  Vordertatze  zweier 
hintereinander  in  gleiche  Bewegungsrichtung  gestellter 
Sphingen  erhalten  sind.  Der  Block  ist  0"47m  lang,  die 
linke  Stirnseite  ist  abgebrochen,  die  rechte  ist  er- 
halten und  läßt  am  Winkel  des  Steinschnittes  eben- 
falls die  Zugehörigkeit  zum  gleichen  Oktogonalbau  er- 
kennen. 

Für  die  alten  Beziehungen  der  Sphingen  zum 
Jenseitsglauben  der  Alten  und  deren  Verwendung 
in  der  sepulkralen  Kunst  bedarf  es  keiner  Nach- 
weise. Seltener  treten  Priaposbilder  in  gleichartiger 
Verwendung  auf.  Aber  sepulkrale  Beziehungen  sind 
gesichert  durch  die  inschriftliche  Überlieferung,  die 
einmal  Priapos  als  custos  sepulcri  nennt;  sonst  ist 
auch  das  Aufstellen  von  Priaposdarstellungen  auf 
Gräbern   für  Gallien   bezeugt18). 

Die  zahlreichen  während  der  letzten  Jahre  in 
Pola  aus  den  Fundamenten  der  mittelalterlichen' 
Stadtmauer  in  der  Linie  porta  aurea — porta  Ercole  — 
porta  gemina — Hafengestade  gehobenen  Funde  an 
sepulkralen  Denkmalresten  und  Inschriften  scheinen 
zu  erweisen,  daß  sich  unmittelbar  an  die  genannten 
Tore  und  an  den  antiken  Stadtmauerzug  in  alter 
Zeit  die  großen  Nekropolen  anschlössen.  Eine  Be- 
stätigung dieser  Vermutung  finde  ich  in  einer  Küsten- 
und  Städtebeschreibung  Istriens  aus  der  ersten  Hälfte 
des  16.  Jahrhunderts,  wo  bei  der  Besprechung  der 
Sehenswürdigkeiten  Polas  die  großen  antiken  Grab- 
denkmale aus  antiker  Zeit  vor  den  Mauern  der  Stadt 
zwischen  Arena  und   montc  Zaro  erwähnt  werden1'1): 


Pocho  fora  de  Pola  e  un  mirabel  amphiteatro  ouer 
Harena   fatto    anticamente  di  gran  quadroni   di  piere 

bianche Se  vede  ancora  un  altro  gran  edificio 

mezo  ruinato  et  in  gran  parte  tolto  via  chiamato 
Zadro  (das  skenische  Theater),  tra  queste  doi 
antiquita  vi  sono  de  gran  sepulchri  antiqui. 

2.  Neue  Funde  vom  Forum. 

Umfangreiche  Restaurierungsarbeiten  am  Palazzo 
municipale  gaben  kürzlich  Gelegenheit  nachzuweisen, 
wie  viel  von  dem  östlichen  Forumstempel  noch  ver- 
baut vorhanden  ist.  Es  zeigte  sich,  daß  von  seiner  west- 
lichen Längsmauer  erhebliche  Teile  samt  den  Anten 
besonders  in  den  Sockelpartien  gut  erhalten  sind. 
Vor  der  neuerlichen  Verbauung  der  bloßgelegten  Teile 
wurde  ihre  photographische  Aufnahme  durchgeführt. 

Zunächst  topographisch  wertvolle  Aufschlüsse 
brachte  die  Demolierung  mehrerer  die  Ostseite  des 
heutigen  Foro  in  Pola  abschließender  Häuser.  In 
auffallender  Übereinstimmung  mit  der  gleichen  pom- 
peianischen  Anlage  und  ihrer  Situation  wurden  hier 
aus  den  Fundamenten  spätmittelalterlicher  und  neu- 
zeitlicher Bauten  die  Reste  einer  reichgegliederten 
saalähnlichen  Halle  ausgegraben.  An  ihrer  Ost-  und 
Südwand  Sind  mit  reicher  Marmorverkleidung  aus- 
gestattete Exedren  und  Nischen  eingebaut.  Farbige 
Marmorplatten  bilden  den   Fußbodenbelag. 

An  der  nördlichen  Seite  der  großen  Nische  in 
der  Ostwand  der  Halle  —  in  der  sich  das  sacellum 
T.arum  Publicorum  vermuten  läßt  —  wurden  die  Reste 
einer  Imperatoren statue  ausgegraben.  Auf  einer  Mar- 
morplinthe  (l'2m  1.,  07mb.,  O'ia™  h.)  sind  das  rechte 
Bein  bis  in  Kniehöhe  und  der  linke  Fuß  des  über- 
lebensgroß gehaltenen  Standbildes  erhalten.  Mit 
reich  gearbeiteten  Schuhen,  an  denen  jedes  Detail 
durchgebildet  ist,  sind  die  Füße  des  Imperators  be- 
kleidet. Ein  Gorgoneion  als  Schlußknopf  fängt  die 
Bindriemen  der  Fußbekleidung  zu  einer  Masche  zu- 
sammen. Zur  rechten  Seite  der  Hauptfigur  kniet  ein 
gefangener  Barbar  (Daker,  Gallier?)  mit  auf  den 
Rücken  gefesselten  Händen.  Er  ist  mit  Schuhen  und 
unten  gebundener  Hose  bekleidet  und  trägt  eine 
torques  um  den  Hals.  Kopf  fehlt,  erhaltene  Höhe  cr8m. 
Material:  weißer  Marmor.  Her  Schluß  auf  eine  Statue 
Trajans  erscheint  aus  vielen  Gründen  am  nächsten 
liegend. —  Südlich  dieses  Fundplatzes  wurde  ein  offener 
Platz  ausgegraben,  der  sich  gegen  das  Forum  zunächst 


Dictionnaire p.646;  CILVI30992.       Faustino.  Stampata  in   Venetia  1540  pag-  ■'■ 
ro    Coppo    del    sito    del    Istria    a  Josepho 


'85 


W.Crönert,  Zu  den  delischen   Schatzinschriften 


186 


durch  mächtige  Pfeiler,  von  welchen  sich  einer  samt 
Sockel  in  situ  fand,  abschließt,  hingegen  durch  einen 
monumentalen  Torbau  mit  Blendsäulen  einen  teil- 
weise erhalteneu  Clivus  einmünden  läßt,  der  von 
der  nahen  Arx  zum  Forum  herabführt.  Allem  An- 
scheine nach    lag    dieser  Weg    als    der    handschrift- 


lich  überlieferte  Clivus  de  clivio    de  porticalibus   im 
XV.  Jahrhundert  noch  zur  Benutzung  frei. 

Sämtliche  gelegentlich  der  Forumsgrabungen  er- 
zielten Funde  sind  in  den  Besitz  des  Museo  civico  in 
Pola  übergegangen  und  daselbst  zur  Aufstellung  gelangt. 

Pola.  ANTON  GNIRS 


Zu  den  delischen  Schatzinschriften. 


Ich  folge  der  zeitlichen  Ordnung  der  im  Bull,  de 
corr.  hell,  von  den  Franzosen  bekanntgemachten  Texte. 
Von  den  zahlreichen  Akzentfehlern  ist  nur  das  ver- 
bessert worden,  dessen  Erinnerung  nützlich  erschien. 

XXIX  4l8i2  (400—3750)  oxpsitTOS  xpua^;  i-">- 
atov  sxMV  ap]Yup°v  8|i  HaT[ir)ats  Bdßi8&;  ävEirrjxsv, 
aber  X  466124  (364")  äv  BaXYjais  BdßtSos  ävürvjxsv. 
Jene  Form  verdient  den  Vorzug,  denn  während  diese 
im  griechischen  Namenschatze  allein  steht,  wird  jene 
durch  den  Ephoren  IlaxYjaiaSa;  bei  Xenophon  (Hell. 
II  3 111)  gestützt.  Somit  war  wohl  der  Stifter,  wie 
Lysandros,  Pharax  und  andere,  ein  Spartaner.  Baßtg 
gehört  zu  dem  weitverbreiteten  Namensslamme  Bccß- 
und  gestattet  darum  keine  nähere  Zuweisung,  doch 
ist  es  von  Wert,  daß  er  auch  in  Sparta  durch  die 
Ortsbezeichnung  Baß-öxa  zu  belegen  ist. 

X  4Ö223  (364")  1.  JMuBöa1  xovSuXtoxov  xüafroj, 
vgl.  zu  dem  substantivisch  gebrauchten  xoväuXwxov 
IG  II  660  40  (3901)  xpuatSsc;  xpEig  xal  xovouXiuxov  sv 
,;=  66  ig). 

462  23  xpißX[i.]  MON  .  .  .  .  A,  i££5s;  86c  usw.: 
xptßXta  u.ivcuxa  xp£a? 

4Ö2.21  ötjrjpa  8öo,  AIAOI-|MAI,  axa*u.6v:  8l- 
XÖr;|ia  I  ? 

4635n  XPY.  .  ZCA axaftuöv    AP:    XPuaiS 

eX Dieses   Wort  verschwindet  später  in   Delos. 

463;,,  1.  rcEpovai  xai  Äu.cp[i8s£]8ia  xal  SaxxiJXtot. 
Ist  das  folgende  Stoixoi  richtig  gelesen?  Denn  8£</7tai 
bezeugen  die  Grammatiker  nach  Aristoph.  fr.  320  K. 
Siörca;,  SiaXiftov  usw. 

4b353  1.  ocppa-fis  rcsptxpuao;  xal  ö[vut]  xpooöv 
SaxxuXtov  e[xwv],  äaxaxxiEN  . .  AST  ATA  die  Abschr.), 
vgl.  z.  B.  övutj  xöv  SaxxöXiov  xpu°äv  £X0V  äaxa\ru.os 
IG  I  172.^  (420«),  övutj  [acppa-fl;  xlpua^v  SaxxöXtov 
EX")v  II  652  B30  (IV"). 

46354  TiixaXa  xpuoä  E  TK  IP  A.  .  .  POHA.,  axa»- 
(iöv  usw.:  1.  E-fxipa  [äp"fu]piyjX[a.   Zu  -xipoj  vgl.  tiSpia 


6a[XfvY)  06OYjua]o|i[dvYJ  • .]  NKIP.fl..  IG  II  731  B2B 
(c.  310«),  wo  au]vxipö>xr)  vorzuliegen  scheint. 

463  5(l  'Opxou.£vEc.u  vo|i£a[|iaxos ]  ößoXöj  r,(it%- 

u.vjxai  sv  xoi;  III  ^|ito)ßeX£ots  "/.od  ^fov  HHHH:  erg. 
o3  ö]  8ßoX6g  .Orchomenische  Prägung,  bei  der  der 
Obolos  auf  drei  (attische)  Hemiobelien  gerechnet  ist, 
und  sie  (die  Obolen)  wogen  400  (Drachmen)'.  Die 
Rechnung  läßt  sich  nachprüfen.  So  gibt  Dr.  J.  Hirsch 
Aukt.  Kat.  XIII  1726 — -1730  für  fünf  Hemiobolen 
von  Orchomenos  in  Böotien  die  Gewichte  0'47,  0'48, 
o-44,  0*40  Gr.  an,  2014  und  2015  für  attische  Obolen 
0"6l  und  062.  Die  1600  Obolen  von  Orchomenos 
waren  vielleicht  eine  SExäxr],  die  bei  einer  neuen 
Münzprägung  dem   Gotte  gestiftet  worden  war. 

4°36t  xpiSpaxi-ia  Mapomxixd  II:  daraus  geht 
hervor,  daß  wir  die  bis  jetzt  Stateren  genannten 
Silberstücke  von  Maroneia  (Hirsch,  XIII  583:  I0"59 
Gr.,  584  II  "2  Gr.,  aber  577  Didrachme  7*02  Gr., 
579   Tetradrachme   13*86  Gr.)  umzunennen  haben. 

403,.,)  X£xpä8pax(ia  äxxtxi,  P  II.  xoüxcov  [x£ß8i)]Xa  I, 
-fEY[pau.]uivov  (,mit  Kontremarke  versehen')!? 

46304  äp-füptov  A(J)OOAI  . .  . .  exx'jtxov  axait-|iöv 
Pill.  Dem  entspricht  äp-ppcov,  ix[t]uiWV,  a[xa9-|iiv 
Pill  IG  II  813  B6  (c.  400").  Man  wird  äp-föpiov 
äcp*  5  6  8£ax<5£,  Ixxurcov  versuchen  dürfen. 

464g.,  (neue  Nummer)  .  .  .  (fllKOE  ....  TIA  • 
lapEixot  OAAAAOI  ävdO-rjua'  8apsixol  III'  äp-pp'.ov 
tö  rc[apa]  TeXX'.8o;,  axafl-|iiv  Hill1  AiaxuXlj  KeXtjxo; 

ävsft-YjxEV   [ ]ta[xdv]-   Me8mv  Ilapio;  äviShjXE 

axaxfjpa  Sixuiiviov. 

464  Sll  rcEpövat  xPuaa'  r1'  xa^  8axxöXio;  axpErcxoj 
Xpuaös  xai  xsp/vCai,  axa9-u.6v  usw.:  man  erwartet 
eine  Zahl,  xspxvia  P.  Das  xspxWov,  wohl  eine 
Gefäßart,  ist  IG  II  766 19  (xspxvfov  äaxaxov  äXuaiwi 
0£8e|ievov)  und  23  (x£pxv£ov  sv  rovaxiun  äaxaxov)  be- 
zeugt, dazu  XEpxvo»  'm  Eleusinionschatze:  XPU00' 
XEpxvoi  'Ecf.  äpx-  1895,  59— 60  A   liC  (400')- 


i87 


W.  Crönert 


188 


404^3  /',  xaX.o|i6Vj]  rspavoc,  vgl.  XIV  407  (279") 
/,  xaXoouivrj  Tipavo;  jcai  0  ipjio;  d  5jiors£v(üv  Bitö 
xjjv  ripavov  ocsxocxa.  Das  Wort  xaXouuav»]  schließt 
einen  wirklichen  Kranich  aus.  Homolle  bemerkt  XV 
'39  ganz  richtig,  daß  wohl  ein  Zusammenhang 
zwischen  diesem  Anathem  und  dem  gleichnamigen 
Tanze  bestehen  müßte,  der  besonders  für  Delos  be- 
zeugt sei  (Poll.  IV  IOI,  Plut.  Thes.  21).  Da  nun 
die  Halskette  deutlich  auf  eine  weibliche  Gestalt  hin- 
deutet, so  ist  die  nächste  Vermutung,  daß  eine  Geranos- 
tänzerin  dargestellt  gewesen  ist.  Daß  der  Spjio;  nicht 
unter  dem  Gegenstande,  sondern  lose  an  ihm  herab- 
hängt, wobei  man  sich  ein  Überneigen  des  Kopfes 
nach  der  Art  des  Vogels  vorstellen  muß.  zeigt  X 
465  in,  Bpu,o{  0  -iy.  xs:  repdvcöi  neptxpoaos  äaraTo;. 
In  der  Schatzliste  des  Sosisthenes  (250«)  und  De- 
mares  (180")  kommt  die  Tspavo;  nicht  mehr  vor. 

XXIX  428n  (c.  350")  PAOAA[  .  .  am  Eingang 
eines  neuen  Opfers  wird  schwerlich  ein  anderes  sein 
als  rcaftaXh  =  r.aÄa9-r).  ein  Korb  mit  Früchten,  die 
hernach  genauere  Bezeichnung  gefunden  haben  müssen. 

429,  ]PIZTPO[  unter  Kleidern  sicher  nicht 
rcä]p'.3-po[Ti5iov,  für  das,  wie  der  Herausgeber  selbst 
anmerkt,  die  Belege  fehlen,  sondern  9-s]pi3Xpo[v, 
und  dann  weiter  etwa  &1Ö.ÖV  äjvSpstov  oder  ähnl. 

42913  wohl  TapavTiv[o]v  riSpi]pcXa'.->v. 

433_.  (Iva)  1.  —  ]-x-:p![5r,]; 'l-[i]v/./.io;.  j  ist  — ]; 
KXEl8oxX[sog  sehr  auffällig,  da  von  xXsi;  abgeleitete 
Personennamen  fehlen  und  die  Ergänzung  — ]s(?)xXs(So 
KX[ —   denkbar  ist,  6  $oi[ßl](£8?)g. 

434u  (c.  300")  Nty.oux.<"pou:  1.  Nixou  X">pou. 
Denn  Ntxou  X'öpc/;  ,Land  des  Nikes  (oder  Nikos)' 
muß  das  Pachtgut  geschrieben  werden,  nicht  nach 
Homolle  NlxOÖX<opOJ,  was  ebenso  falsch  ist  wie  das 
öfter  geschriebene  'Epu-CJ-oX'.;. 

435, 5  xareßccXeio  -/.xtf-"  §xo;  |iipo;:  1.  xarsßaXs 
TÖ  xx*'   I.   |x. 

XIV  431  (297"):  äroxivdvxüvv  8e  xai  oE  Esporaxo! 
xur.  \te(T)'.  xi  j)|UMU  xoö  [ita3-u)|iaT!/;,  o5  ä|i  [it,  i'f'fpx- 
;«)7.v  lovajjiou;  (?)  s-pfu*)"«?-  Das  Wort  (bvdglOC,  ist 
von  Homolle  mit  Unrecht  bezweifelt  worden.  Es  be- 
zeichnet den  der  Pachtsumme  (luvvj)  entsprechend 
Begüterten,  wofür  gewöhnlich  ä£iixp-üj;  gesagt  wird. 

XXIX  448,.  296«';  ei{  ZV'  [~a]Xaicrrpav  xtjv 
•/.xxoo  3oxov  d-[ty-EvT'.:  ist  das  P  sicher?  Vgl.  u£Xa- 
y.ai  8oxoü{  SjißaXetv  r.:  xdv  ofxov  »öv  sv  xtöi 
'HpaxXsEau  XXVII  76  (250a). 

448,  'j-i  xi  npö8p0|vov:  nach  der  S.  453  ge- 
machten Anmerkung  über  xi  npiSottOV  sicher  Druck- 
fehler,   wie   auch    A[a'.]8y.üi'.   449  )3    statt  A[ta]dy.<u'.. 


44 s  s  (ii3{VtaTGJ[j  j:o^]3a3'.  xr,v  ioxiv:  1.  rcpijsaa:. 

44936  T°v  Uav.tuvtov  ax£'fvu)3avxt  xai  xXüoavx'. 
'HpaxXsiSv/.  HU II"  xr;pi;  itapa  AOSou  r-  •  r.iaaz  Hl. 
Das  erklärt  A.  Wilhelm,  der  den  Gegenstand  Ath. 
Mitt.  1905  S.  220  vortrefflich  bestimmt  hat,  rieht  ganz 
richtig  mit  den  Worten:  , Herakleides  hat  ihn  [den 
Mischkrug]  mit  Wachs  und  Pech  wieder  dicht  ge- 
macht und  dann,  wie  es  sich  gehörte,  ausgespült'. 
Das  Dichten  geschah  vielmehr  durch  das  Wachs, 
das  Pech  wurde  dazu  verwandt,  um  das  Innere  aufs 
neue  zu  überziehen,  vgl.  das  bei  feinen  Gefäßen  ge- 
brauchte Wort  Y_p'j3dy./.'j3To;  ,mit  einer  Goldspülung, 
einer  Goldschicht  überzogen'.  Es  mag  noch  bemerkt 
werden,  daß  ein  silberner  Krater  in  den  Rechnungen 
erscheint  (XIV  397  xoü  xpax7jpoc,  toü  ip-fup&O  xc.0 
toxi;  ano~=3dv-o;  xoXArjoavTl  Apwxdpxon),  der  wie 
der  eherne  Ilavttövio;  zu  den  Hauptstücken  des  Tempels 
gehört  hat. 

zu,     451 33  KspaXivou  äva&r/iia:    eines   Makedonen, 
vgl.  Hoffmann,  Die  Makedonen  S.  50. 

45 1 34  Aa5a|io'j  ävi3-rj|ix  (vgl.  XXVIII  156, 
ziemlich  aus  derselben  Zeit):  auch  dies  ist  ein  Make- 
done,  vgl.  Hoffmann  S.  146  (Aa5x|iag  =  hom.  Ay,V- 
äaucc;). 

451 35  ^taXat  öüo,  äc,  "ASto  Maxi3xa  ävediptsv: 
weibliche  Form  zu  dem  reichlich  belegten  Makedonen- 
namen  Aoalo;  (Hoffmann  S.  190).  Obendrein  heißt 
II j./.izz%  sicher  ,die  Makedonin',  vgl.  451^3  xuu,- 
ßiov  Ar)|iY,xpia;  Muxovia;  dviö^iia,  38  <£iaXr(  Asto- 
3£xy;;  Najiaj  ävxO-r,u.a,  452  ,4  -/.'jjijiiov  Api3T'JXvj; 
Moxoviag  äviirrüia,  ist  also  eine  bisher  noch  unbe- 
legte Nebenform    von  Maxexa. 

46o,6  (c.  280")  xaxaXaJüxu)  etc!  ipotg  äpapixu); 
-:9-si[;:  1.  irctdpoi;,  vgl.  aus  Epidauros  SaxxuXioog 
xai  s-io'jpoy;  iwl  xa  . .  9-upto[iaxa  IG  IV  148453,  8ax- 
xoXimv  xai  smoüptov  sij  xi  |ixxeXXov  501  (IV")  und 
Hesych  STtioupoi"  src£3xo:toi"  xai  r/X<3i  £i>Xtvoi.  Die 
Form  ist  lautlich  sehr  wichtig  (eniopoc,  aus  sitt/bpoc.) 
und  wohl  auf  das  Inselionisch  zurückzuführen.  Man 
vgl.  W.  Schulze,  Qu.  ep.  17  f.,  der  nun  in  einigem 
berichtigt  wird. 

XXVIII  lS7a  (III"  Anf.)  x]ai  öjuvxp[a?  Neben 
dem  Werkzeuge,  dem  Schärfer,  ist  auch  das  Adjektiv 
öguvxiXÖJ  möglich. 

468^  (c.  275")  xaxä  xi;  &napxo&<ra(  i~i'j9"e£aj 
•3[:   das  ist  Sjc'  sü8-£:a;. 

468,3  ävaxa9-i[e]!;  51  xoij  O-axotj  x[ — ]8üo  xai 
ärtooxepstusa;  x4  sda^oj:  1.  ävaxa9-vj[p]a?  8s  T.  8", 
x[öv  TÖTOV,  worauf  etwa  folgen  konnte  ixp030Xptuaa; 
xx  |ia>.a/.i  i-l  ndäaj]  36o,  nach  der  Bauinschrift  von 


189 


Zu  den   delischen  .Schatzinschriften 


190 


Lebadeia  IG   VII   3073,, ,    sav  äs  6    totcoj  avaxa*ai- 
pousvo;  u.aXaxö;  e!Jpiaxr,xa;,  Tipsaaxpuas'.  Ttojpcng  öaoij 

äv  XP£'a  ''iu 

46S 17  ]  -r.Xa.-oi  pspriXGxa;  iv  löpat  äaxaaxou; 
£rao[ — :  erg.  sjti  xö]  TtXaxo;,  nach  XXVII  102  iizl 
xö  oxsvöv  —  £7ii  xö  TiXdxo;.  Zu  dem  Folgenden  ist 
wieder  jene  große  Inschrift  zu  vergleichen,  und  man 
wird  wohl  auch  bei  genauer  Durchnahme  die  Zeilen- 
länge herausbekommen.  Der  Anfang  mag  gelautet 
haben :  0  ävsXinsvo j  rcapa  xf/j  ;t6X[sa);  X7)v  xaxaaxeoT)v 
x(ov  sXX'.-ivxrov]  sv  xfi>'.  3-saxpaH. 

XIV  389^  (279a)  xsxxf-f  ca  QxoXe|iai'xa  Xf'jaa 
5'jo:  dies  ist  nicht  etwa  eine  besondere  r,oldmünzen- 
prägung  mit  dem  Bilde  oder  Beizeichen  der  Zikade, 
von  der  die  Münzgeschichte  der  Ptolemäer  nichts 
weiß,  sondern  eine  volkstümliche  Bezeichnung,  für 
deren  Entstehung  verschiedene  Gründe  denkbar  sind. 
So  kann  z.  B.  der  Münzschneider  Texxtg  geheißen 
haben. 

394 14  xoO  Jlwpivou  xaj  Tiapasxiöa;  apai  xxi  xi; 
3oxo3v/.ag  i-f7i[s]xp?)aai  xai  itäXiv  xaO-apnöaai  . .  7)p- 
'foXdpV,3av  . .  3paxi"Bv  AAh  h  h  h  :  darin  ein  Steinmetz- 
fehler (denn  das  P  ist  auch  auf  der  Lichtdrucktafel 
deutlich,  worauf  noch  ein  Rest  des  E  folgt),  den 
man  leicht  in  e*f u.expijaa;  verbessert.  Daß  es  sich 
nur  um  ein  Versehen  handelt,  zeigt  auch  die  Assi- 
milation. Die  Erklärung,  die  Homolle  S.  471  gibt,  ist 
falsch:  die  irapasxiösj  werden  herausgenommen  und 
nach  der  Vermessung  wieder  eingefügt,  Material 
wird  nicht  verwendet,  der  Arbeitspreis  ist  nicht 
hoch.  Ähnlich  heißt  es  in  der  Bauinschrift  von 
Lebadeia  sjsXsi  de  xal  xa  3s|iaxa  .  .  .  xai  xpr,aag  pa- 
3-öxspa  xaO-apiidasi  IG  VII  3073  72.  Das  Wort  i-fJiE- 
xpeto  ist  auch  darum  abzuweisen,  weil  man  sxTisxpöto 
erwartet,  vgl.  guAöu),  xspajioa)  usw. 

396S6  yrjp&i..  öäiös;  rcapa  'Ep"foxsXo'j:  Vr  V  h  • 
pt)|iol  xai  EjöXa  IUI.  Für  die  £'J|io£,  die  Homolle 
nicht  erklärt  hat,  ist  von  Diels  (Sibyll.  Bl.  S.  91)  in 
Bestätigung  einer  Vermutung  Roberts  (Hermes  XXI 
166)  die  Übersetzung  „Seile"  gegeben  worden,  wo1  ei 
die  Beschreibung  eines  Jungfrauentanzes  auf  dem 
Kapitol  im  J.  207  v.  Chr.  (per  manus  reste  data 
virgines  sonum  vocis  pulsu  pedum  undulantes  in- 
cesserunt)  herangezogen  ist.  Dem  widerstrebt,  daß 
sich  sonst  diese  Bedeutung  für  pu]io;  nicht  belegen 
läßt,  daß  es  vielmehr,  mit  Ausnahme  der  Neben- 
bedeutung eines  Gewichtes,  immer  ein  langes  Holz  ist 
und  da°<  wie  hier,  so  auch  in  dem  delischen  Holz- 
und  Kohlenverkaufsgesetze  £0Xa  un(j  pujioi  einander 
gegenübergestellt  werden,  vgl.  \irfik  xx  iXAoxpia  EjöXa 


|ivj3s  p'J]icj;  |iv;ds  ävirpaxac;  (raoXetv)  Bull,  de  corr. 
hell.  XXXI  46  usw.  (250  —  2001).  Die  pup-st  sind 
in  den  Inschriften,  die  Bedeutung  „Deichsel"  abge- 
rechnet, die  sich  'Ecp.  äpv_.  1895,  59 — 60  A  i21J,  27, 
B  1 3;i  in  einer  Liste  von  Wagengegenständen  findet, 
lange  Balken  oder  Breiter,  die  beim  Bauen  verwendet 
werden  ({juXa  TtxsXs'.va  uovößoXa  .  .  sxspa  äipoXa  .  . 
sxspa  pu|ietta  (isXscva  p.ov6ßoXa  .  .  sxspa  pu|ioi  ScßoXa  . . 
sxspa  |5u]is£a  [lOvößoXa  IG  II  5,  834*  295,  329a), 
aber  auch  (neben  a-iTjx£ay.og)  zur  Aufstellung  von 
Weihgegenständen  dienen  (Tipiöxo;  pu|io;  .  .  Ssoxspoj 
puudj  usw.  IG  II  652,  und  aus  Delos  Bull,  de  corr. 
hell.  X  461,  XIV  402).  An  Stelle  von  s'JXa  er- 
scheint in  der  Tempelweisung  vom  Jahre  250  •/.'/.il- 
jiaxiosg  , Reisigholz',  vgl.  Äpxe|ito£ot;  Xau,ixaäsg  s£;  xöv 
Xopöv  xai  p~v\i.bc,  xai  xXifliaTfBsj  XXVII  70  usw., 
vgl.  auch  TtSÖXY]  xXyj|iaxij  VI  22,  23  usw.  in  ähn- 
licher Ausgabe  (180").  Der  Mnesikles,  der  XIV  397 
als  Verkäufer  von  $uu.o£  auftritt,  kommt  noch  398 
bei  der  Lieferung  von  Hartriegelholz  vor.  So  muß 
denn  der  p'J|ii;  ein  bei  der  Choraufführung  gebrauchter 
Holzbalken  sein;  daß  seine  Verwendung  nicht  klar 
zu  erkennen  ist,  kann  auf  eine  örtliche  Eigentümlich- 
keit zurückgehen.  Die  JüXsu  n.a.oci.Xrfy1.-,  die  bei  Poll. 
IV  10;  und  Ath.  XIV  630"  unter  den  xpa-rix?;; 
ip/,7)GS(Dj  oxvj|iaxa  erscheint,  könnte  weiterhelfen. 

397 92  IXatov  xou5  W'X0UV  UD(1  s0  öfter:  man 
bemerke,  daß  man  xpir)p.£xouv  nicht  gebildet  hat,  auch 
nicht  xptTjiitxaXavxov,  wofür  unten  402  öfter  xpia  jj|u- 
xaXavxa  steht. 

399 116  Ttpög  xö  sx  (fiaXvj;  eioeXftöf  xaxä  |v»jva 
fi>OT6  xö  ispi-f  xa9-atpsa9-ai  TipoaavaXcoaxusv  ^PaXu*S 
AH- hl- IC:  dies  ist  also  die  gesuchte  Erklärung  für 
den  Posten  sx  cftäXr);,  der  oben  392,  wo  er  er- 
wartet war,  nicht  vermerkt  ist,  aber  VI  65  —  66 
1279J)  mit  monatlichen,  zwischen  I  Dr.  1  Ob.  und 
3  Dr.  I  Ob.  I  Ch.  schwankenden  Beträgen  und  VI  20 
(180")  mit  einer  Jahressumme  von  19  Dr.  2  Ob.  an- 
geführt wird.  Die  Probe  daraufliefern  die  Rechnungen 
aus  dem  Archontat  des  Sosisthenes  (250"),  worin 
in  jedem  Monate  eine  Ausgabe  x°'Pov  ~°  Espöv  xafra- 
paoü-at  erscheint,  die  zwischen  i'/j  und  2  Drachmen 
schwankt  (XXVII  68  —  74),  und  ähnlich  schreibt 
man  unter  Demares  ( 1 80 '')  xoipog  xö  Espöv  xaftäpai 
(VI  22 — 25).  Hier  werden  dafür  4 — 41/,  Dr.  aus- 
gegeben, die  Fleischpreise  scheinen  also  inzwischen 
stark  gestiegen  zu  sein.  Wie  die  3-Tjaaupoi.  die  Opfer- 
stöcke, über  die  Homolle  XIV  456  zu  vergleichen 
ist,  sammelte  die  im  Apollontempel  aufgestellte  tptaXr; 
Beiträge  zu  der  monatlich  vorgenommenen  Reinigung 


ige 


W.  Crönert 


192 


des  Heiligtums.  Ob  die  kleinen  Summen  eine  Art 
von  Abgaben  waren  oder  freiwillig  gestiftet  wurden, 
wissen  wir  nicht,  was  Homolle  sagt  (XIV  419):  selon 
toute  vraisemblance  un  droit  pay£  pour  les  sacrifices 
et  l'emploi  du  material  sacre,  ist  nur  eine  hinge- 
worfene Bemerkung.  Der  Begriff  des  Sammelbeckens 
ist  auch  in  anderen  Nebenbedeutungen  des  Wortes 
cptaXr]  erhalten. 

399 120  5<JXov  ei;  xüXouj  IUI :  hierin  findet  Homolle 
oxüXo'jc,,  aber  die  , Holzpflöcke'  geben  bei  der  geringen 
Höhe  des  Preises  einen  passenderen  Sinn. 

400 — 401  sind  die  Zeichen  der  Schmalseite  gründ- 
lich nachzuprüfen,  denn  unmöglich  hat  Homolle 
alles  richtig  gelesen.  S.  401  36  muß  auf  dem  Steine 
JüXa  xs3piva  jiapsXd|Jou.sv  AAAP  stehen.  Ebenda 
wird  in  124  TATOMOY5Ü  xBxpamjxEtc,  TtoSiaiou;  IUI, 
129  ....  |iov  xsxpdTcrjXUv  und  402 13)  xo .  .  ov  xexpd- 
Ttr/xuv  wohl  x6p|iou;  und  xopjiov  stecken. 

4°7c3  T*)v  spsiav  EaSKjxa:  1.  epsiäv. 

409,5  9-uiiiaxrjpiov  4v  vataxon  äp^upoüv,  2x(?)ia- 
nuptoj  äva{rrj|ia:  XV"  144  wird  ,2spdjtt)pig(?)'  gegeben. 
Wie  die  zweite  Namenshälfte  — raupt?  zu  erkennen 
gibt,  stammt  der  Stifter  aus  Thrakien  oder  Bithynien. 
Für  das  erste  Glied  sind  beide  Lesungen  möglich, 
vgl.  die  thrakischen  Ortsnamen  Söppcc  Zsp|iuX£a  und 
ferner  Atvxi7iopiv2x'.TCpd|tojIIpouaiia  Ditt.  Or.  inscr.  341. 

4098n  TcxoXE|iai'xä  xsxpi3pax|ia  3i>o  xal  äpßuXt- 
xs»5  ößoXoüg  äuo  (vgl.  auch  XXIX  476  dpßt>Xixo[£ .  . 
in  einem  Schatzverzeichnisse  des  3.  Jahrhunderts): 
an  den  Halbschuh  dpßüXir)  als  Münzzeichen  (Homolle 
X  V  144)  ist  nicht  zu  denken,  dann  müßte  es  äpßuXo- 
(föpou;  heißen.  Am  nächsten  liegt  es,  das  Wort 
äpyßaXt;  heranzuziehen,  das  auch  den  Geldbeutel  be- 
zeichnet und  eine  Nebenform  äpßuXE;  hat  (4pßöv5or 
Xy,xu3-ov.  Adxwveg,  Hes.,  was  in  äpßuX£3a  zu  verbessern 
ist).  Denn  dal  äpßüXr),  dpßuXt;  und  äp'JßaXXoc,  äpu- 
ßaXlg  zusammengehören,  wäre  auch  schon  ohne  jenes 
Zeugnis  klar. 

413,21  i^Xotpai  rcupxaiol  xpsZ;:  das  Adj.  ist  von 
ungewöhnlicher  Bildung  und  auch  die  Betonung  ist 
zweifelhaft.  Das  übliche  Wort  wäre  SuJCUpot  gewesen, 
rwpy.avjg  ist  auch  bezeugt,  aber  keine  einzige  Form 
auf  — xaioj. 

4l58n  .AEP.YPION  UixpÖV  [unter  Geräten): 
wohl  IXsTtöpiov  .Feuerzeuge',  zwar  noch  nicht  be- 
legt, aber  sofort   verständlich. 

415,3  J[(Bi]3ia  xal  KA  .  .  .  |MET. . .,  xXda|ia[x]a 
icavxoSand:  xai  jcX[d<jua]  ud-r[a  xal]  xX.  it.? 

XXIX  479,,,  (267a)  B6Xixov  AöxoxXrt  PATA 
A:   wolil   Ilaxa(pet). 


4832(1  (c.  265 o)  krj  Mßarctot  IAV.  ZKYTnM[— : 

rcapsaxuxcouEVirn,  d.  i.  mit  Leder  eingefaßt,  beschlagen. 

487,,  (c.  250a)  u,öpou  fo§lvo[u,  vgl.  XIV  397 
|iüpov  j563tvov  reapdc  Ka>|i(üt3£aj. 

490I8  (c.  250«)  OlArÄNIZnilTPANArPA: 
— ]o£a  oavij,  &ax£  äva7ipa[ — .  Schwerlich  eiacoaxpa, 
was  neben  s£(6axpa  denkbar  wäre. 

XXVII  68.,,,  (250«)  xrävAIPEEin.N  TtapaAüoou, 
41  Tiapoc  Aiaxxopiäou  xal  KaXXia&lvoo  xröv  AIPEZIilN 
ÜTiep  Aoaou  H,  neben  Abgaben  wie  xoü  TiopfruEtou, 
xo'J  6Xxo'j,  xmv  axpoq:s(uv  (Ankertaue).  Dieselbe  Steuer 
in  derselben  Form  XXIX  498  (III«),  Rev.  de  phil. 
XXX  1 13  (221"),  Bull. VI  20  (180").  Homolle  erinnert 
richtig  an  Poll.  IX  34,  wo  unter  den  Hafenteilen  er- 
wähnt wird:  sjatpsaij,  ötiou  xä  ipopxia  e£atp£xat.  Doch 
ist  der  von  ihm  angesetzte  Steuername  aepeasee,  nicht 
zu  billigen,  da  die  überlieferte  Form  nur  auf  aipEOiov 
oder  aipsaia  (aipsatd)  zurückgehen  kann. 

77 115  xalj  9-üpaij  . .  xuXEvSpouj  tievxe  .  AITAPEZ 
[x]al  üroSoXEEa:  die  unzialen  Zeichen  geben  keinen 
Sinn.  Dann  schrieb  ich  ÜTtodoxsfa  (=  ünoSoxia)  sta" 
imoädxs'a)  ve'ü  man  in  guter  Zeit  nur  üizo5öy[j.ov 
sagte. 

78,29  Asucpdxun  xo'j;  (pAAAOYE  nsxaü-svxi: 
cfaXXoug,   große  steinerne  Anatheme. 

82,66  ircvröva(v)  saxuXcouivov:  also  iJtv&vav,  wohl 
das  älteste  Zeugnis  für  jene  volkstümlichen  Akkusativ- 
formen, wenn  man  vom  Kyprischen  absieht. 

XXIX  503,5  (c.  230«),  razpä  KuvoESou:  1.  Kuv- 
fHSou. 

509^7  1.  ßa]xidxtov,  vgl.  XXVII  ioo,3ll  ird  Xdp|iou 
ßaxtdxiov. 

509, ,6  1.  xpt>3a£  Xsiai  £7txa  xai  xö  otpi[if'ov' 

52,52  (c.  180")  äxuptöva  (a)axuXioiiSvov:  wenn- 
gleich aaxüX(i>|i£vov  sich  erklären  läßt,  so  wird  den- 
noch  eine  Verschreibung  aus  EaxuXoouivov  vorliegen. 

VI  18, 40  (180«)  xvjc;  'ErcioS-Evetcm  oExia;,  142  xrj; 
EcooiXeEou  usw.  Aber  bei  I.ändereien  19, ,6  'EmairEVstac, 
(näml.  "f?);),  147  SmaifiaxEta;.  Aber  früher  war  auch 
bei  Häusern  die  weibliche  Form  in  Gebrauch,  z.  B. 
tije.  SwotXstes  XXVII  68  37  (279"),  XIV  391  ,„ 
(250a).  Der  Wandel  ist  für  das  allmähliche  Schwinden 
der  weiblichen  Endung  der  von  Eigennamen  abge- 
leiteten Adjektiva  auf  — etoj  bemerkenswert. 

1 8 ,,.,  und  ,,.,  xf/j  STtl  xoü  'EpE|ir)xoc,  (näml.  cExEa;). 
Damit  muß  eine  Örtlichkeit  angegeben  sein.  Ein 
Stamm  spE|i-  =  epou-  ist  durch  epEUOiar  drcoxXeiauaat 
Hes.  und  r:Epxs3<Hx'  eij  epE|iv.  xal  jxuX&va  Dial.  Inschr. 
1260  (Aspendos,  pamphyl.  Dial.)  erwiesen.  Davon 
ist  6  'Eps|iyj;  herzuleiten. 


'93 


Zu   den    delischcn   Schatzinschriften 


194 


i914,j  rcapa  KaaadvSpou  xoii  KAT.fi.NANAPOY: 
nach  der  Zeit  kann  dies  schwerlich  aus  xoü  xa[l] 
'Qväväpou  verschrieben  sein,  was  Homolle  dafür  ein- 
setzen will,  der  unmöglichen  Namensform  "QvavBpo; 
zu  geschweigen.  Aus  den  Zeichen  kann  KXEO|idv8pou 
herausgelesen  werden,  noch  näher  liegt:  xouxaxo- 
udväpou  =  xoü  °Exaxop.dv8pou(Fick-Bechtel,  Personen- 
namen S.  107).  So  ist  denn  der  Stein  noch  einmal 
um  seine  Lesung  zu  befragen.  Ein  seltener,  noch 
unerkannter,  mit  Kax —  beginnender  Makedonen- 
namen    wird    freilich    von    Hoffmann  S.  148  erwähnt. 

22  ]76  xov  ^TtißaXXovxa  x»j;  xaxä  sßSoutaxov  s-f" 
-förj;  xoxov:  1.  'EßSofiiaxov.  , Zinsanteil  der  Bürg- 
schaft für  Hebdomiskos'.  Der  delische  Eigenname 
(=  der  an  der  sß86u,7]  Geborene)  ist  auch  37-5  (etu- 
axaxoüvxoj  'Eß3c>u.£axou    xal   l\:;axoup£ciu)    überliefert. 

2  3  185  £ü^a  ^i  ßu>u.o6j,  IIöJHov,  £spo7ioiov:  so 
richtig  geschrieben,  falsch  später  tEpoTtot&y  (XXVII 
68 42  usw.). 

2520o  ^X  irü|iaxo;  A  usw.  (unter  Ausgabeposten): 
1.  tjß-b\ia.-zrj-.  gxQ-ÖEtv  ist  aus  Telos  (IG  XII  3,  30  14 
xäXXa  Eepä  xa  sx3-uöu.Eva)  und  Kos  (Dit.  Syll.2  734c5, 
Dial.  Inschr.37l8lu),  sx3-U|ia  aus  Kos  (362735)  belegt. 

25205  xot;  äpaat  xä  o(i|iaxa  xa  vrpoaTEsaovxa :  ob- 
wohl X0T5  äpaat  xä  X*!1*  vorhergeht,  vermag  man 
gleichwohl  au>[iaxa  zu  verstehen,  indem  es  sich  um 
die  Wegschaffung  von  angeschwemmten  Tierleichen 
handeln  kann. 

2520C  2co8d|iu)t  töaxs  äptaxov(?)  O^avdaT]  xai  Ttoxt- 
Xäar]  xa  EvSäu-axa:  ,Der  Sodamon  als  Frühstück,  als 
sie  die  Gewänder  wob  und  buntmachte'.  Freilich 
wäre  ein  Frauenname  Stu3a|iov  ungewöhnlich.  Doch 
fehlt  bislang  eine  genügende  Darstellung  der  Neutral- 
formen  weiblicher  Namen. 

25 , u  etwa  K]ai[p]£[±ou ,  üdaarj  'ApiaxoßoöXou. 
Der  Name  Ilaaav);  gehört  zu  den  mit  Doppelkonsonanz 
versehenen  Kurzformen  wie  z.  B.  Mvaaaä;  (Fick- 
Bechtel  S.  210). 

26212  JNOEIAANEIOH  xo5  EspoO  äp-jup£ou  el; 
xöv  oxecpavov  xtöi  ßaaiXEt  <I>iX£7t7tu>i:  von  einer  der 
Stadt  zu  einem  Geschenke  geliehenen  Summe.  Dafür 
wäre  ixSavsiauoc,  das  passende  Wort  gewesen,  da 
aber  e-f8dvsiov  njcht  möglich  ist,  so  scheint  ein  Lese- 
fehler vorzuliegen. 

26220  otvcj  XHIAIA  All:  ohne  Zweifel  KvfSia 
All.  über  welches  Weinmaß  Wilcken,  Ostraka  I  S.  765 
zu  vergleichen  ist.  Es  war  bis  jetzt  nur  aus  Ägypten 
belegt. 

262,„  xotj  MHPOPEAOMEf—  (Ausgabeposten): 
wohl  ;i7;  rcop6UO|ie[voif;.    1  »a  -op='js:9-at  für  das  Hin- 


gehen zum  Opferschmaus,  oft  auch  ohne  weiteren 
Zusatz,  gebraucht  wird,  so  kann  die  Ausgabe  eine 
Entschädigung  für  solche  sein,  die  an  der  Teilnahme 
verhindert  waren. 

26222  el«  xö  itspl  KOIAA  l-AA-  EIEITHMAAE 
Sspiidxtov  A:  daraus  läßt  sich  xo  7isp£xou.|ia  ziem- 
lich sicher  herauslesen.  Das  Folgende  aber  ist  dunkel. 
Bei  Erklärungsversuchen,  denen  auch  eine  genaue 
Nachprüfung  vorausgehen  muß,  ist  im  Auge  zu  be- 
halten, daß  das  AE  am  Ende  ein  dittographischer 
Fehler  sein   kann. 

2622D  süxuxstov  xal  ^täXa;  ACpEIONOA  ä-f&üaaj 
hHH:  ganz  verzweifelt;  man  scheut  sich,  ein  solches 
Monstrum   anzufassen. 

27226  Ttapa  xoü;  xspa|i£5as:  ist  der  Sprachfehler 
xcjj  wirklich  überliefert? 

XXVIII  159  4  (170«)  xaXurcxijpaf,  MYAAOP- 
IAIOYE  Pll  iiti  xrjv  axodv:  nach  der  Bemerkung 
über  die  Schriftzeichen  ( A  .  .  se  confond  presque  avec 
l'.fl)  hat  es  keine  Schwierigkeit,  |J.uX(i)\rpta(ouc, 
herzustellen,  also  ,mühlsteinförmige  Hohlziegel'.  Die 
Verwechslung  von  A  und  .O.  findet  sich  bei  helleni- 
stischen Texten  öfter,  z.B.  Bull,  de  corr.  hell.  XXI 
557  in  einer  Inschrift  aus  Thespiai  u'.aS-t&av]  xräj,  7tö[a; 
x]a[x  xav]  TtpoppEtaiv,  wo  uns  Colin  ein  Wort  6  7tua; 
nicht  glaubhaft  machen  kann. 

i6827  (c.  ljOa)  xrj;  nev  bi  8s£ia(0  7X1S;:  wenn- 
gleich in  dieser  Inschrift  das  stumme  Jota  ausgelassen 
wird,  so  wird  man  dennoch  EvSsEjta  zu  schreiben 
haben,  eine  Form,  die  auch  von  Köhler  verkannt  ist. 
Man  lese  in  der  Schatzliste  IG  II  835  c — 177  und  91 
(c.  320°)  sv8e£ia  xoii  9-eo'j.  Richtig  hingegen  ist  sie 
in  den  Inschriften  von  Priene  geschrieben :  xrjt  EvSiEjia 
xtöv    Elattopeuouivtov    (axoäi)    I946    (HI«),    vgl.   auch 

XXIX  53417  (c.  150")  ]vog  äp-fupoxo[7i — :  Da 
die  Übergabeformel  vorausgeht,  so  wird  Sox'.tidaavxs; 
|iexa  — ]voc,  äpf  upox6[7iou  zu  ergänzen  sein. 

537si  3X£f"f£3wv,  ävd8-Eu.a  A'.-jXdvopog  [Kuprjvaiou. 
Die  drei,  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Beispiele  des 
Namens  At'fXdvtop  stammen  aus  Kyrene,  vgl.  Kolotes 
und   Menedemos  (Wessely,  Studien  VI)  S.  94. 

542 24  Tioxrjpia  'PoSiaxa  IvxoxuXa:  die  Form  sf- 
xöxuXoc,  ist  auffällig,  wo  doch  xoxuX'.atcj  zur  Hand 
war  und  daneben  noch  |iovox<JxuXoc,  gut  gebraucht 
werden  konnte.  Aber  vielleicht  haben  die  nach- 
folgenden AVorte  xptxoxuXo;  xsxpaxixuXoj  itEvxa- 
xoxuXog  die  Sprachverschlechterung  erzeugt.  In  £c8ta- 
xal  xptxoxuXai  860  542  ._„,  ist  auch  die  weibliche  Form 
zu  bemerken. 


195 


A.   Hekler,  Über  eine  römische  weibliche  Gewandstatue 


196 


543  46  ^T  K(o9-U)Vi  xspaustwi:  1.  xspa|jieuui. 

544  72  xspaia  Sf  fXcoTTOTÖjui);:  nach  Dürrbach 
S.  565  findet  sich  die  Form  f  Xwc-oxöjiov  noch  in 
den  ziemlich  gleichzeitigen  Rechnungen  aus  dem  Jahr 
des  Archonten  Archon.  Der  Fall  der  Assimilation 
an  die  vorausgehende  Dentale  ist  darum  bemerkens- 
wert, da  er  zu  einem  neuen  Wortstamme  führt,  der 
hier  nicht  zu  schaffen  hat. 

54352  5<oi8otpia  Söo,  A:i6XX<»va  y.al  "ApTEu.iv,  ird 
f)\uv.OY.\lou  -xai  cpöXaxa,  u>v  6Xxrj  usw.:  dazu  ist  aus 
dem  Silberinventar  von  Oropos  cpöXaj  dcpfupo'jj 
rrzpi  wjv  SjxJav  aüvO-STSS  IG  VII  3498 ,  zu  vergleichen. 
B.  Keil  vermutet  darin  (Hermes  XXV  621)  einen 
Herdschützer,  einen  Vorsatz,  der  die  herabfallende 
glühende  Asche  auffing.  Darnach  wird  man  hier  an 
ein  niedriges  Gitterchen  denken  können. 

5729  TPAAlO-^ipov  sv:   wohl   TpußAiotpöpov. 
.Man   wünschte,  daß  niemals  wieder  der  Fall  ein- 
träte,   daß   wertvolle  inschriftliche  Urkunden   fast  ein 


Menschenalter  der  Forschung  vorenthalten  werden 
wo  es  doch  ein  leichtes  war,  sie  in  schlichtem, 
knappem  Abdruck  vorzulegen.  Nun  sind  von  den 
CHI  Nummern  des  Verzeichnisses  kaum  ein  Dutzend 
bekannt  und  auch  die  Bearbeiter  des  delischen  Corpus 
entbehren  der  ausgedehnten  Mitarbeit,  die  eine  recht- 
zeitige und  umfassende  Bekanntmachung  der  Texte 
hervorgerufen  hätte.  Daß  mit  der  Wiederaufnahme 
der  Ausgrabungen  auf  Delos  unter  den  neuen  Grund- 
sätzen auch  dieser  aufgenommen  wurden,  daß  alle 
Funde  nach  der  Zeitfolge  ihrer  Entdeckung  und  mit 
tunlicher  Beschleunigung  herausgegeben  werden,  ist 
mit  Dankbarkeit  zu  erwähnen.  Dieser  Eifer  läßt  uns 
auch  den  Abschluß  des  Corpus  in  naher  Zeit  vor- 
aussetzen. Gewiß  verdienen  es  dann  diese  kostbaren 
Schriftdenkmale,  eine  Untersuchung  zu  finden,  wie 
sie  die  Rechnungen  des  epidaurischen  Tholosbaues 
erhalten  haben. 

Göttingen.  WILHELM   CRÖNERT 


Über  eine  römische  weibliche  Gewandstatue. 


In  meiner  Studie  über  römische  weibliche 
Gewandstatuen,  die  demnächst  im  Sammelbande: 
Münchener  Archaeologische  Studien  erscheint,  habe 
ich  auf  S.  142  ff.  Fig.  9  (Vgl.  S.  32  meiner  Doktor- 
dissertation, München  1908)  die  herrliche  Sitzfigur  des 
kapitolinischen  Museums:  Gallerie  Nr.  J2;  Heibig, 
Führer  I  Nr.  450;  Clarac,  897,  2285  A  eingehend 
besprochen  und  dieselbe  im  Gegensatze  zu  Furt- 
wängler  auf  ein  Original  des  fünften  Jahrhunderts 
zurückzuführen  versucht.  Inzwischen  haben  mich 
aber  erneuerte  Studien  und  die  Vergleichung  mit 
neuen  Denkmälern   eines   Besseren  belehrt. 

Eben  Furtwängler,  dessen  Urteil  ich  zu  bestreiten 
mich  berechtigt  glaubte,  hat  selbst  die  treffendsten 
Belege  für  die  Richtigkeit  seiner  Meinung  beige- 
bracht. Er  veröffentlichte  (Griechische  Vasenmalerei 
I  -  70  und  79)  zwei  Vasen  aus  Kertsch,  die  zweifellos 
dem  vierten  Jahrhundertc  angehören.  An  diesen 
Vasen  sehen  wir  rechts  oben  je  eine  verhüllt  sitzende 
weibliche  Gestalt,  die  in  der  Lösung  des  künstleri- 
schen Formproblems  und  in  der  Faltenführung  zu 
der  kapitolinischen  Statue  die  schlagendsten  Ana- 
logien bielet.   Die  Figur  auf  T.  79   wirkt  nahezu  wie 


eine  Kopie  nach  einem  der  kapitolinischen  Sitzfigur 
entsprechenden  plastischen  Vorbilde.  Furtwängler 
sind  diese  Beziehungen  entgangen,  obzwar  er  die 
reichen  plastischen  Motive  der  Kertscher  Vasen  mit 
gewohntem  Scharfblicke  verfolgte.  Er  verwies  bei 
den  erwähnten  sitzenden  Gestalten  der  Vasen  aut 
entfernter  verwandte  statuarische  Werke  (1.  c.  Bd.  II 
S.  58  und  I30\  —  Schon  die  nahen  Beziehungen  zu 
der  Kertscher  Vasenklasse  scheinen  mir  zu  genügen, 
um  die  von  mir  früher  vorgeschlagene  Datierung  des 
Originales  der  kapitolinischen  Gewandstatue  als  un- 
lichtig  zu  erweisen.  Alles  führt  dazu,  das  Original 
in  das  vierte  Jahrhundert  herunterzurücken. 

Diese  Datierung  wird  auch  durch  ein  Denkmal 
bestätigt,  das  mir  neuerdings  durch  die  Freundlichkeit 
l'aul  Arndts  bekannt  geworden  ist.  In  seinem  Be- 
sitze befindet  sich  die  Statuette  eines  sitzenden 
bärtigen  Mannes  (vom  Kopfe  leider  nur  das  Ende 
des  Bartes  vorhanden),  in  welcher  wir  nach  der  an 
der  Basis  befindlichen  Inschrift:  EYAOZOH  wahr- 
scheinlich eine  Darstellung  des  großen  Mathematikers 
zu  erblicken  haben.  Das  Motiv  der  Figur,  die  ernst- 
geschlossene Hallung,  diegroßzügigen,  geschwungenen 


IQ7 


Franz  Graf  Calice,    Votivstele  aus   Dorylaion 


198 


Falten  rufen  sofort  die  kapitolinische  Statue  in  die 
Erinnerung.  Die  Amdtsche  Statuette  verweisen  stilisti- 
sche und  innere  Gründe  unzweideutig  in  die  Mitte 
des  vierten  Jahrhunderts.  Und  die  Nebeneinander- 
stellung der  Eudoxos-Statuette  und  der  weiblichen 
Gewandfigur  des  kapitolinischen  Museums  führt  zu 
der  Erkenntnis,  daß  sie  nur  als  Erfindungen  ein  und 
derselben  Epoche  betrachtet  werden  können.  Sie  be- 
kunden   ein  Formempfinden,    das   bestrebt  war,    den 


verhüllten  Körper  in  einem  knappen  Räume  mit 
möglichster  funktioneller  Klarheit  zu  erfassen  und 
künstlerisch   zu  gestalten. 

Mit  der  kapitolinischen  Statue  zu  vergleichen 
wären  noch  endlich  zwei  sitzende  weibliche  Gewand- 
statuen des  Vatikans:  Amelung,  Beschreibung  Bd.  II 
S.  296/97    102  qu.    102  r,   T.  17,   18   und  28. 


Bud  apest. 


ANTON   HEKI.ER 


Votivstele  aus  Dorylaion. 


Die  in  Fig.  117  abgebildete  Marmorstele  kam 
im  Tatarenviertel  von  Eski-Schehir,  dem  antiken 
Dorylaion,  zutage  und  wurde  erstmals  von  A.  Körte 
mit  kurzer  Beschreibung  und  mit  dem  Wortlaute  der 
Inschrift  in  den  Göttingischen  gelehrten  Anzeigen 
1897  s-  40;i  n-  5°  veröffentlicht.  Mittlerweile  ist  der 
Stein  in  den  Besitz  des  ottomanischen  Antikenmuseums 
übergegangen,  dessen  Direktion  ich  für  die  Über- 
lassung einer  Photographie  zu  Dank  verpflichtet  bin. 
Die  in  bloßen  Worten  kaum  zu  veranschaulichende 
Eigenart  des  nach  Form  und  Darstellungen  gleich 
merkwürdigen  Denkmals  wird  es  rechtfertigen,  wenn 
ich  auf  Grund  der  bildlichen  "Wiedergabe  an  dieser 
Stelle  nochmals  darauf  zurückkomme. 

Die  schlanke  (H.  2'08m,  Br.  o-jlm,  D.  0'l3m) 
mit  Einsatzzapfen  versehene  Stele  ist  architektonisch 
gestaltet:  zwei  schmale,  glatte,  etwas  konvergierende 
Pfeiler  mit  breit  ausladenden  rohen  Kapitellen  und 
Basen  tragen  einen  Bogengiebel,  der  mit  hohem  Mittel- 
und  zwei  Eckakroteren  geschmückt  ist.  Zwischen 
den  Pfeilerbasen,  unmittelbar  über  der  als  Sockel  für 
den  Aufbau  gedachten,  einfach  geglätteten  Fläche 
des  Werksteines  eine  doppelt  profilierte  Leiste.  Der 
von  dieser  Architektur  umrahmte,  mäßig  vertiefte 
Reliefgrund  ist  in  den  oberen  zwei  Dritteilen  von 
flachen  Reliefs  überaus  roher  Ausführung  bedeckt: 
in  dem  scharf  absetzenden  Bogengiebel  ein  nach 
rechts  sprengender  Reiter  mit  Strahlenkranz  und 
einem  undeutlichen  gestielten  Gegenstande,  wohl  einem 


')  Athen.  Mitt.  XXV   432  f. 

2)  Für  die  Gleichsetzung  mit  Men  vgl.  Buresch, 
Aus  Lydien  75  f.;  Bull,  de  corr.  hell.  XX  62  f.; 
105  A.  1;  Journ.  of  hell.  stud.  XIX  80 ;  mitMithras: 
Jahreshefte  des  österr.  arcfcäol.  Institutes  Bd.  XI.  Beiblatt. 


Beile,  in  der  erhobenen  Rechten;  unterhalb  des 
Pferdes,  nach  der  langen,  spitzen  Schnautze  zu  ur- 
teilen, ein  in  der  nämlichen  Richtung  laufender  Hund. 
In  dem  von  den  Pfeilern  flankierten  Schmalfelde 
folgt  eine  Gruppe  von  drei,  anscheinend  sitzend  ge- 
dachten Frauen,  von  denen  die  beiden  äußeren  den 
rechten  Arm  erhoben  halten.  Darunter  ist  mit  dem 
ganzen  Ungeschick  naiver  Bildnerei,  die  die  räum- 
liche Perspektive  in  ein  flächenhaftes  Neben-  oder 
Übereinander  verkehrt,  auf  dem  von  einem  nach 
rechts  sprengenden  Viergespanne  gezogenen  zwei- 
rädrigen Wagen  der  Sonnengott  mit  Nimbus  und 
Fackel  in  der  erhobenen  Rechten  dargestellt;  den 
Rest  des  Feldes  füllt  die  Inschrift:  'EpjiT/Stov  'Ep[rf;|äo; 
aüv  fuvai|y.i  Nava  -p(ox^|ispEt;  O-ep  ian|T(öv  xal  xffiv 
EB|Ctov  'Oai(o  \:v.i<a  |  S'J/V'. 

Für  den  nur  aus  Weihinschriften  bekannten 
"Oato;  xal  Sixatoj,  eine  griechische  Namenshülle  für 
den  im  Tnnern  Kleinasiens  unter  wechselnden  Be- 
nennungen vielverehrten  Reitergott  mit  Doppelaxt 
und  Strahlenkranz,  darf  ich  auf  die  Darlegungen  A. 
Körtes  verweisen  '),  der  das  fließende  Wesen  dieses 
abseits  der  festgelegten  großen  Kulte  stehenden  Ver- 
treters einer  urtümlichen  Bevölkerungsschicht  zu- 
treffend kennzeichnet.  Die  aus  der  mitunter  vorkom- 
menden Pluralform  '0:/>:  xal  BCxaiot  zu  erschließende 
Spal tung  des  namentlich  mit  Apollon-Helios  geglichenen 
Gottes2)  in  zwei  gesonderte  Gestalten -1)  erhält  durch 
die  Doppeldarstellung    des  Reiters  mit  der  Axt   und 

Körte,   Athen.   Mitt.  XXV  433   A.  2. 

3j  Zu  den  von  Körte  a.  a.  O.  und  Mordtmann. 
Athen.  Mitt.  X  12  beigebrachten  Belegen  kommt  noch 
die  Weihinschrift  Buresch  a.  a.  O.  S.  75   n.  36  (6s]oi; 

'  + 


t99 


Franz  Graf  Calice,   Votivstele  aus  Dorylaion 


200 


117:  Votivstein  aus  Dorylaion. 


des  Sonnengottes  auf  dem  Viergespann  auf  unserem 
Relief  einen  monumentalen  Beleg,  der  sein  genaues 
inschriftliches  Seitenstiicl;  hat  in  einer  Anrufung  des 
"HÄ'.o;  "/.'ifiog  neben  "Oaio;  Sir.sog  eines  andern 
Votivdenkmals  *).  -  ■  In  Dorylaion  tritt  zwar  der 
"Oa'.og  xal  oi/.aio;  mit,  soviel  ich  finde,  drei  in- 
schriftlichen Erwähnungen0)  einschließlich  der  unse- 
ren, gegenüber  dem  spezifisch  phrygischen  Zsüj 
Ppovrröv6)  mit  seinen  zahlreichen  Nennungen  auf 
sepulkralen  Anathemen  zurück,  doch  wird,  wie  bereits 
Körte  hervorhob7),  der  Name  duich  die  auf  unserer 
Inschrift  erwähnte  Oberpriesterschaft  des  Herniedion 
und  seiner  Frau  für  Dorylaion  als  offizieller  Kult 
name  gesichert. 

Die  zwischen  die  beiden  Götter  versetzten  drei 
anscheinend  weiblichen  Gestalten  als  menschliche 
Wesen  in  Zusammenhang  mit  der  Dedikation  zu 
bringen,  wird  durch  den  adorierenden  Gestus  der 
beiden  äußersten  nahegelegt,  wobei  die  unterbliebene 
Differenzierung  des  männlichen  Hauptdedikanten  dem 
Unvermögen  des  Reliefbildners  zugute  zu  halten 
wäre.  Hält  man  aber  zu  dieser  Schwierigkeit  noch, 
daß  auf  den  phrygischen  Reliefsteinen  die  sicher 
menschlichen  Darstellungen  fast  ausnahmslos  inBüsten- 
form  gegeben  sind,  so  wird  immerhin  zu  erwägen 
sein,  ob  wir  in  der  Gruppe  nicht  eine  göttliche  Trias 
zu  erkennen  haben,  die  die  ganze  Darstellung  zu 
einer  einheitlich  transzendenten  abschlösse.  Eine 
formale  Entsprechung  böte  ein  phrygischer  Grabstein, 
auf  dem  Hekate  in  Form  dreier  selbständiger,  voll- 
bekleideter Frauengestalten  zwischen  Men  und  einem 
nackten  Gotte  mit  Doppelaxt  dargestellt  ists).  Zu  be- 
nennen wäre  unsere  Dreiheit  so  wenig,  wie  die  weib- 
lichen Doppelgottheiten  kleinasiatischer  Münzen9) 
oder  eine  ganz  gleichartige  Gruppe  dreier  sitzender 
Frauen    auf    einem    Kultdenkmale    des    sogenannten 


'Oaio)  xa[l  3txodu>),  wo  mit  Ausschluß  anderer  Götter 
dei  l'lural  9soi;  kollektivisch  auf  'Ojlm  xxl  Btxatcu  zu 
beziehen  ist. 

•)  Joum.  of  hell.  stud.  V  253;  vgl.  oben  Sp.  1  5  5  f . 

•>  Körte a  a.  O.  S.  433  n.  55;  Radet,  En Phrygie 
567  n.  X. 

8)    Über    die    Stellung    des    Bpovtfflv-Kultes    in 
Dorylaion  Körte   a.  a.  O.   S.  409  f. 

7)  Athen.  Milt.   XXV  .134. 

-    Bull,   de   corr.   hell     XX  64    pl.  XVI;     vgl. 
[Jsener,   Dreiheil  t'14. 

1    I  '  sem-r   a.  a.  Ü.   S.  200. 


201 


F.  Löhr,  Petrons   Lebensende 


202 


thrakischen  Reiters10),  die  ohne  überzeugende  Gründe 
auf  die  germanischen  Matres  gedeutet  worden  ist. 
Diese  würde  sich  vielmehr  unserer  Trias  um  so  un- 
gezwungener zur  Seite  stellen,  je  mehr  sich  der  Kult 
des  dämonischen  Reiters,  dem  sie  da  wie  dort  zu- 
gesellt ist,  als  ein  den  Phrygern  und  Thrakern  gemein- 
sames, in  ethnologischen  Zusammenhängen  wurzelndes, 
altes  religiöses  Erbgut  darstellt.  Doch  das  will  nur 
Möglichkeiten  andeuten,  die  nicht  zu  entscheiden 
sind,  ehe  die  Denkmäler,  beim  Versagen  aller  lite- 
rarischen Zeugnisse  die  einzigen  Quellen  für  diese 
in  den  Volksniederungen  zäh  haftenden  dunkeln 
Kulte,  gesammelt  in  genauen  Aufnahmen  vorliegen. 
Hinsichtlich  der  äußeren  Form  des  Steines  mag 
der  Hinweis  nicht  unterbleiben,  daß  sie  das  Schema 
der  phrygisehen  Grabsteine  modifiziert  wiederholt, 
die  in  Nachahmung  der  Felsgräberarchitektur  ein 
von  Pilastern  flankiertes  und  von  einem  Bogen 
bekröntes   Portal    zeigen").      Diese    bei    dem    Inein- 


anderfließen von  Votiv-  und  Grabdenkmal  aufphrygi- 
schem  Boden  erklärliche  Abhängigkeit  verrät  sich 
in  dem  Hufeisenbogen,  der  von  der  gewöhnlichen 
Rundbogenarchitektur  später  Grab-  und  Votivsteine 
abweicht,  gleichartig  aber  auf  phrygisehen  Grab- 
steinen, einmal  eben  in  Dorylaion,  auftritt12);  vielleicht 
aucli  in  der  Proiilleiste  zwischen  den  beiden  Pilaster- 
basen,  die  doch  wohl  nur  als  Überbleibsel  der  Tor- 
architektur Sinn  erhält.  Bei  Übertragung  des  Typus 
auf  nichtsepulkrale  Denkmäler  konnte  diese,  ihres  ur- 
sprünglichen Bezuges  auf  die  Behausung  des  Toten 
bar,  in  Wegfall  kommen,  eine  Entwicklung,  die  übri- 
gens mit  den  überleitenden  Zwischenformen  auch  auf 
den  Grabsteinen  selbst  zu  verfolgen   ist  1:i). 

Zeitlich  wird  das  Denkmal  nach  Analogie  anderer 
datierter  Stücke  wie  nach  den  Schriftcharakteren  in 
das  dritte  Jahrhundert  n.  Chr.   zu  setzen    sein. 


Stuttgart. 


FRANZ  GRAF  CALICE 


Petrons  Lebensende. 


^Nachtrag  zu 

Als  ich  oben  S.  1 66  für  die  richtige  Verwendung 
der  Taciteisehen  Schilderung  von  Petrons  Selbstmord 
in  der  Frage,  wo  er  sein  Landhaus  gehabt  und  ge- 
storben, wo  demnach  der  Schauplatz  der  ,cena'  zu 
suchen  sei,  Studniczka  zitierte,  habe  ich  leider  des- 
selben Gelehrten  spätere  Äußerung  in  dieser  Sache 
(bei  Th.  Wiegand,  Die  puteolanische  Bauinschrift 
1894,  S.  677  Anm.  5)  nicht  berücksichtigt.  Ich  be- 
dauere dies  um  so  mehr,  als  er  ja  an  dieser  Stelle 
seine  frühere  Meinung  zurückzieht,  um  ebenso  ein- 
dringlich wie  früher  Cumae,  nunmehr  Puteoli  lür 
die  fragliche  Örtlichkeit  zu  erklären.  Geht  mir  so 
ein  guter  Zeuge  für  die  mir  einzig  richtig  erscheinende 
Auffassung  verloren,  so  habe  ich  wegen  der  Begründung, 
die  Studniczka  seiner  neuen  Meinung  gab,  in  der 
Hauptsache  doch  nichts  an  meinen  Ausführungen  zu 
ändern.  Es  ist  charakteristisch,  daß  in  den  .Vermutun- 
gen' das  Zeugnis  des  Tacitus  bestimmend  hervortrat, 
später  aber  dieses  völlig  fallen  gelassen  ist  und  andere 
sachliche   Erwägung,  die   nur  die  cena  Trimalchionis 


ln)  Hampel,  Arch.  Ertesitö  1903  S.  325  n.  19; 
Ziehen,  Arch.  Anzeiger  1904  S.   16  f. 

")  Vgl.  Noack,  Athen. Mi tt. XIX  315  BF.;  Michon, 
Memoires  de  la  soc.  des  antiquaires  de  France  1906 

p.  27  ff. 


-    1  ,  ff. 

angeht,  dominiert.  Ich  habe  es  nur  mit  dem  Berichte 
des  Tacitus  und  seinem  Helden  zu  tun  gehabt:  dieser 
Petron  stirbt  unzweifelhaft  auf  seinem  Landhause  zu 
Cumae.  Allerdings  möchte  ich  mich  nicht  mehr  ebenso 
zuversichtlich  in  der  Frage  nach  dem  Schauplatze 
der  cena  entscheiden.  Ich  glaube,  falls  hier  wirklich 
alles  gegen  Cumae  spricht  und  dieser  negative  Sach- 
verhalt zur  Evidenz  gebracht  werden  kann,  dann 
wird  man  sich  eher,  wenn  auch  schwer,  mit  Teuffei, 
Bernhardy  u.  a.  dazu  zu  entschließen  haben,  den 
Petron  des  Tacitus  und  den  Verfasser  des  satirischen 
Romans  endgiltig  von  einander  zu  scheiden,  als.  wie 
es  zu  oft  geschehen ,  den  Text  des  Tacitus  still- 
schweigend zu  übergehen  oder  erweislich  falsch  aus- 
zulegen oder  zu  vergewaltigen.  .Töricht'  übrigens,  wie 
Ribbeck  meint  (G.  d.  r.  D.  III  168),  ist  mir  das  Be- 
denken nie  vorgekommen,  daß  dieses  große  satirische 
Werl;  von  Tacitus  gar  nicht  erwähnt  sei  —  eher  die 
Begründung  dieses   Urteils.  , 

Wien.  FRIEDRICH   LÖHR 


'-)  Athen.  Mitt.  a.  .1.  O.  S.  315  Fig.   1;  Memoires 

a  .1.  <  1.  p.  ;S   Fiu:.   i-    Über  den  Hufeisenbogen  in  der 

kleinasiatischen  Kunst  Strzygowsky,  Kleinasien  29  ff. 

Memoires    a.   a.    ( >.    p.    39  f.    Fig.   4;     Athen. 

Mitt.  a.  a.  O.  S.  327   Fig.  6. 

■4* 


203 


W.   Kubitschek,  Astragalgewichte  aus  Falerio 


204 


Astragalgewichte  aus  Falerio. 


Die  beiden  Bronzegewichte  des  Museo  Gregoriano 


CF 


C-F 


mit  den  Aufschriften   yy'v  und  "".  '  ,  welche  ich  in 

diesen  Jahresheften  X  134  nach  einer  Mitteilung  des 
Dr.  Nogaro  erörtert  habe,  stammen  aus  Grabungen 
in  Falerio  in  Picenum.  Dies  habe  ich  bemerkt,  als 
ich  bei  einer  zufälligen  Konsultierung  von  CIL  IX 
6088  unter  n.  2  und  3  die  gleichen  Inschriften  auf 
,pondera  duo  ex  plumbo  aere  incrustato  formae  crurum 
bovinorum,  Falerione  ad  theatrum  reperta'  mitgeteilt 
sah.  Als  Gewährsmann  ist  im  Corpus  Gaetano  de 
Minicis  Ann.  inst.  arch.  183g  S.  61  (Amin.  1)  an- 
geführt. Die  Identität  mit  den  Astragalen  des  Grego- 
riano  lag  auf  der  Hand;  ebenso,  daß  die  crura  bovina 
des  CIL  auf  irgend  einem  Mißverständnisse  beruhten. 
Was  de  Minicis  sagt,  dessen  Ausführungen  ich  dann 
nachschlug,  deckt  sich  nicht  mit  dem  daraus  für  das 
Corpus  angefertigten  Exzerpt,  beruht  aber  gleichfalls 
auf  einem  Mißverständnisse:  ,formati  a  modo  dell'  osso 
di  un  bue  nella  giuntura  della  coscia.'  Außerdem  gibt 
de  Minicis  ausdrücklich  an,  daß  beide  Stücke  in  das 
Museo  Gregoriano  gebracht  worden  seien.  Die  beiden 
ersten  Buchstaben  wollte  er  mit  c{oloniac)  F(äUriensis) 
zweifelnd  interpretieren.  Was  Mommsen,  der  de  Mi- 
nicis' Vermutung  registriert,  hinzufügt,  habe  ich  nicht 
recht  verstanden:  etwas,  was  einem  bei  der  Lektüre 
der  von  Mommsen  geschriebenen  Corpusbände  doch 
gewiß  nicht  so  bald  begegnet;  vielleicht  sitzt  ein 
Druckfehler  in  diesem  Satze;  er  sagt  nämlich:  ,eadem 
est  quae  refertur  in  schedis  eiusdem  statera  reperta  in 
agro    Faleriensi  inscripta  sie: 

LVCIVS  CAIVS  FORTVNATVS.' 

Wohl  nahm  ich  an,  daß  Mommsen  die  Buch- 
staben C-  F  als  Caius  Fortunatus  zu  lesen  geneigt  sei 
(Caius  als  Gentilnamen);  aber  eigentlich  steht  das 
doch  nicht  in  dem  angeführten  Satze.  Daß  überdies  die 
Aufschrift  jener  Wage  nicht  ihren  Weg  in  die  ge- 
zählten  Lemmata  des  Corpus    (und   also   auch   nicht 


in  dessen  Indices)  genommen  hat,  macht  die  Sache 
wirklich  nicht  einfacher.  Es  wird  also  wohl  nötig 
sein,  bei  Gelegenheit  den  schriftlichen  Nachlaß  des 
de  Minicis  auf  der  städtischen  Bibliothek  von  Eerrao 
nachzuschlagen. 

Nun  gibt  es,  glaube  ich,  von  demselben  Gewichts- 
satz aus  Falerio  noch  wenigstens  ein  Exemplar,  u. 
zw.  in  der  Bibliotheque  nationale.  Babelons  so  außer- 
ordentlich dankenswerter  Katalog  der  Bronzen  bringt 
unter  n.   1927   einen    Bronze-Astragal,    O'Oöo,  m   lang, 

mit  der  Aufschrift     ■      auf  der  ,Uuterseite'.  Als  ich 

dies  unlängst  bemerkte  und  ein  Gewichtstück  in  ihm 
vermutete,  richtete  ich  eine  Anfrage  an  Herrn  Ernst 
Babelon.  Die  Antwort  zerstörte  jeden  Zweifel:  .perce 
d'un  trou  et  creux  ä  l'interieur';  also  derselbe  Zustand 
und  gewiß  auch  die  gleiche  Art  der  Technik  wie  bei 
dem  leichteren  der  beiden  Stücke  des  Gregoriano. 
Das  Gewicht  des  Astragais  beträgt  immer  noch 
238  Gramm,  seine  Provenienz  ist  in  Paris  unbekannt. 
Ist  der  Kanon,  nach  dem  diese  Astragalen  gearbeitet 
sind,  konstant,  so  ergäbe  sich  rechnungsmäßig  für  das 
Pariser  Stück  eine  Länge  von  nur  0-064  m;  da  der 
Pariser  Katalog  aber  wie  gesagt  O'oGq m  für  die 
Länge  angibt,  so  ist  vielleicht  nach  anderer  Methode 
gemessen;  vielleicht  ist  auch  vom  Standpunkte  des 
Mathematikers  aus  die  Aufstellung  eines  einfachen 
Verhältnisses  zwischen  Länge  und  Gewicht  der  nach 
diesem  Verfahren  aus  zweierlei  Stoff  hergestellten 
Gewichte  nicht  einwandfrei,  und  gewiß  darf  auch  an 
die  Präzision  dieser  Technik  nicht  ein  besonders 
hoher  Anspruch  gestellt  werden,  so  daß  es  kaum 
Wunder  nehmen  dürfte,  wenn  das  Resultat  meiner 
Berechnung  von  der  Wirklichkeit  um  ein  geringes 
abwiche.  Wie  gut  wäre  es  nun,  wenn  eines  der 
beiden  genannten  Museen  seinen  Besitz  an  diesen 
Gewichtstücken  dem  andern  abträte,  das  Zusammen- 
gehörige vereinte  und  so  seine  endgültige  Darstellung 
und  Würdigung  ermöglichte! 

Wien.  WILHELM   KUBITSCHEK 


205 


G.  Niemann,  Zum   Mausoleum   von  llalikarnassos 


206 


118:  Modell  einer  Ecke  des  Mausoleums 


Zum  Mausoleum  von  Halikarnassos. 


Mit  Bezug  auf  den  A  fsatz  von  Hermann  Thiersch 
und  die  darin  enthaltene  Bemerkung  Furtwänglers 
über  die  unrichtige  Zusammensetzung  der  Säulcn- 
ordnung  vom  Mausoleum  im  britischen  Museum 
I  Jahreshefte  XI  53)  möchte  ich  darauf  hinweisen,  daß 
ich  vor  mehreren  Jahren  im  Gipsmuseum  der  Aka- 
demie der  bildenden  Künste  ein  Modell  großen  Maß- 
stabes aufstellen  ließ,  welches  eine  Ecke  vom  Säulen- 
bau  des   Mausoleums   wiedergibt  (Fig.  118). 


Das  Gebälk  ist  ohne  den  Fries  gebildet  und 
dieser  an  der  Cellawand  angebracht.  Die  in  den 
achtziger  Jahren  ausgeführten  Aufnahmen  der  damals 
zum  Teil  in  den  Depots  des  britischen  Museums 
aufbewahrten  Werkstücke  vom  Mausoleum,  setzten 
mich  in  den  Stand,  alle  Einzelheiten,  auch  der  eigen- 
artig zusammengesetzten  Steindecke  in  dem  Modelle 
wiederzugeben. 

Wien.  GEORGE   NIEMAXX 


207 


J.   Ornstein,      Vom   römischen   Kastell  bei  Szamos-Ujvär 


208 


Vom  römischen  Kastell  bei  Szamos-Ujvär1) 


Bei  der  im  Spälherbste  1905  durch  den  kurz 
vorher  hier  konstituierten  armenischen  Museumsverein 
veranstalteten  Ausgrabung  der  unter  der  Erdoberfläche 
befindlichen  Mauerreste  des  Prätoriums,  auf  das  ein 
beim    Ackern     zum    Vorschein    gekommener    Grund- 


I '  H 


[19:   Inschrift  aus  Szamos-Ujvär. 

stein  geführt  hatte,    ist  das  Bruchstück  einer  Inschrift 

gefunden     worden ,     deren  (ergänztes)    Faksimile    in 

'  |,    d.  n.  Gr.    im    1.  Hefte  1906    des    Arch.    Ertesitö 
mitgeteilt  wurde. 


Dieselbe  lautet  (Fig.  119): 

linp.  Caes.  Di]vi  Hadriani  fi[l.  Diu 
Traiaui  P}arthici  mpo[s  üivi 
Nervae  p]ronepos  T.  A[elius 
Hadrianus  Ajnioninus  Auj^.  [Pitts 
tribunicia  }polest.   VI  cos.  [III  p.  p. 
fecit  per  ald\m  II.  Pannotti[orttm 

Hierdurch  ist  ein  Anhaltspunkt  für  die  Bestim- 
mung der  Zeit,  in  welcher  die  Täler  der  kleinen  und 
großen  Szaraos  permanent  befestigt  wurden,  gegeben, 
der  bisher  fehlte,  da  selbst  Karl  Torma  in  der  Mono- 
graphie des  Alsö-ilosvaer  Kastells  sich  in  dieser  Be- 
ziehung nur  auf  Vermutungen  aus  anderen  Daten 
angewiesen  sah. 

Doch  ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
daß  schon  in  früherer  Zeit  eine  —  wenn  auch  nur 
provisorische  —  Befestigung  hier  (wie  auch  ander- 
wärts) bestanden  habe. 

Hierfür  spricht,  von  örtlichen  Anzeichen  abge- 
sehen, der  Umstand,  da^  das  von  Trajanus  gegrün- 
dete, einer  Garnison  entbehrende  Napoca  nicht  ein 
Menschenalter  hindurch  ohne  jenen  vorgeschobenen 
Posten  wird   gelassen  worden  sein. 

Weitere,  etwa  mit  Ausnahme  des  Grundrisses 
des  Prätoriums  minder  wichtige  Details  der  Aus- 
grabung wird  das  zu  erwartende  Jahrbuch  des  ge- 
nannten Vereines  aus  der  Feder  des  Grabungsleiters 
enthalten. 

Szamos-Ujvär.  JOSEF  ORNSTEIN 


;)  S.  Arch.-epigr.  Mitt.  XIV  168  IV.   u.  Jahreshefte  VI   Beibl.   109  f. 


SACHREGISTER 


Die  Band-  und  Seitenzahlen  des  .Beiblattes'  sind  kursiv  gedruckt.    Wörter  von  Inschriften  sind  in  der  Rege]   nur  in  den  epi- 
graphischen Index,  Klassikerstellen  nur  in  wichtigeren   Fällen  aufgenommen. 

Abkürzungen:    Br.  =  Bronze.   Elfb.  =  Elfenbein.   L.=Lampe.   M.  =  Malerei.   Mos.  =  Mosaik.    Mz.  —  Münze.   Rel  =  Relief. 
Silber.     Sk.  =  Sarkophag.    Sta.  =  Statue.     Stta.  =  Statuette.     T.  =  Terrakotta.     E.  =  Vase. 


Acheluris   Flurname   3I5 

Achilleus  Schild   248 

Adler  in   Rankenfries   120 

Adjektiva  von  Eigennamen,  Endung   192 

Aelian    V.  H.  XII   41  .  .  .  4^lh 

Aetolien  Oinoe  26  f. 

Agone,  Geschichte  der  dramatischen   —   15 

Agorakritos  Athena   192 

Ägyptische    u.    griechische    Kunst  47;    --   u.  my- 

kenisch-kretische  Kunst  244  f.   255  f.:   — s  in  der 

griechisch-römischen  Religion   230 
Ähren  auf  röm.   Grabstele  SO 
Aiolis   Bereisung  3 
Aischylos  Niobe  2g73;    Prom.  598  u.   Schol.  I74,;; 

Fr.  35   ...   26;    Fr.    192   ...   13.,,.,;    Fr.   284.  403 

•335 

Akrolithe   183 

Akkusativ-Formen,  volkstümliche   192 

Alexandros,  Sohn  Polyperchons   92 

Alkamenes  Ares   192;   Hermes  Propylaios   198 

Alk  in  00  s  Name  X   23 

Alkiphron  Briefe  Fr.  V  .  .  .   37 

Alphinus  Name  22 

Altargrab  in   Grado  9 

Altärchen  ohne  Inschrift  aus  Asseri.i  88 

Amazone  des  Phidias   198;  des  Polyklet   :\\ 

Ambartepe  Ringmauer  149 

Ambelokipi  Athena-ivW.    187.    193 

Ambo  aus  Marathesion  148 

Amphipolis  Antiken  97 

Anaia  (Ania)  Funde  151  f.  162 

Anakreon  des  .Phidias'    [98 

Anth.  Pal.   IV   321.  2;    IX    333.    |  .  .  .  2 

Antipatros  makedonischer   Staatsmann    90 

A  pameia  Name  S  1 


Apelles  in   Alexandreia  41;    Werke   32  IT.:    Kunst- 

schriftstellerei  38.   44 
Aphrodite    der   Madrider    Doppelherme   I98;    — iv 

üA'.viKo)  ('OXüVJtta)  von   Tegea  7;   —    Doria    199 
Apollodor    HI     10,     6  .  .  .     28;     III     15,     S  .  .  . 

18;,, 

Apollon  Br.  aus  Pompei  213;  —  mit  Delphin  Br.- 
Stta.  aus  Veszprim  240;  Thermen —  198;  Kopf 
aus  Thasos   156;  , —   Kopf  u.  Torso'  aus  Thasos 

142.  143, 

Apollonios  I   94 1  ...4 

Apotropäische  Reliefs  57 

Aquileia  Gründung  9;  Bernstein-  u.  Glasobjekte  16; 
Museum   8;  Katalog  9.  13 

Archelaos  Apotheose  Homers  25 

Architektur  kretische  252;  vormykenische  u.  my- 
kenische  111;  Gebälk  von  der  Bibliothek  von 
Ephesos  120,  aus  Asseria  35.  48.  60,  vom 
Neptuntempel  auf  Brioni  17<>:  Ecke  des  Mauso- 
leums von   Halikarnass   205 

Arestempel  in  Athen  192 

Argirische  Schule   207.   236 

Argos  Oinoe  26 

Argyruntum   Grabungen  7 

Aristonikos  Römerkrieg  JO 

Aristophanes  Aves  643  ...3;  IVttixüberlieferung 
90;   —    u.  Euripides    Ib4a 

A  ristophanes   u.    Erginos,    Berliner    I'.   135 

Arkadien  Oinoe  26 

äpy.xmioj,  äpxTt/.i;  ...  4 

Armreif  aus  Dalj,  Gold  260.  270:  — e  aus  Sieben- 
bürgen, Gold  270;  — e  mit  Doppelspiralenden, 
Verbreitung   2 7 4 , , ., 

Arnobius   VI   224      .  .   36 

Arrian    I    IS.    1    .        .11 


Sachregister 


Artemis  AAcpeiölta  I;  Henierasia  28;  von  Ortygia  I; 
von  Epbesos  107;  —  und  Ge  28;  Artemision 
von  Ephesos,  Sima  50.  columnae  eaelatae  40: 
Br.  aus  Pompei   213 

Arvalia  (Ortygia)  Funde  154 

Aschenurne  in   Grabcippus  75 

Asia  Hymnoden    101 

Asios  bei  Athen  XII   525  E  ...   95 

Asklepios,  jugendlicher.   Kopf  in  Rom    im 

.Aspasia'   Verse  an  Sokrates   12 

Assarlyk  Felsgruppe  beim  Deirmendere  160 

Asseria  Grabungen  IS 

A  s  s  0  s  Tempel   50 

Astragalgewichte  aus   Falerio   203 

■/.  z  -.  p  ü> :  0  5  4 

Atalante  des  Skopas   116 

Athen  Akropolis,  archaische  Statuen  14;  Arestempel, 
Kultstatuen  [92;  Erechtheion  52,  Korenhalle  110; 
Hephaistostempel,  Kultgruppe  Igl;  Ge-Kult  9. 
11.  16;  Parthenon,  Skulpturen  196:  Theater  15, 
Sesselinschrift  24;  Diadem  aus  Gold  27I3-;  Öster- 
reich. Institutsgebäude  16 

Athena  '0;io/.w'.x  5;  des  Agorakritos  192;  des 
Pbidias  l6q,  Lemnia  194.  200,  Parthenos,  Pro- 
machos  193:  des  Hephaistostempels  in  Athen 
192;  Hope-Farnese  199:  Medici  184  ff.;  Br.-Stta. 
in  London   21 1;    Rel.  auf  dem   Calafat-Dagh   156 

Athenaeus  VI  II  346  C  .  .  .  1;  XI  462  B  ...  6; 
XTI  512  B  ...  88;  XII  52;  E  ...  95:  XIII 
588  C  ...  34  f.  39 

Athenagoras  p.  1  ...   20 

Attienites  Volk  Dalmatiens  20 

A  ttika  Oinoe  26 

Attis   T.  98 

Attisch-jonischer  Tempelstil  52 

Augen  Wimpern  bei  Marmorkopf  aus  Br.  1 78.  182; 
Apfel  aus  Elfb.  u.  Edelstein  17N;  archaische 
Bildung    146;   — bildung  des  Kresilas   199 

A  utonoe  Name   23 

Babylonische     und      kretisch-mykenische     Kunst 

251.   257 
Bacchische  Reliefs  60 
Bad  in  Asseria  53,  Carnuntum  10,  Salona  4 
Band,    ornamentiert,  aus   Dil},    Goldblech  261.   271. 

doppelte  Verwendung  solcher  Bänder   27I3. 
Baplisterium  in  Ephesos  2,  Salona   4 
Barbar,  gefangener,  bei  Imperator  Sta,  184 
Basilika  in   Salona    4 
Bell  yc   Armreif,  Gold   270 


Beni-Hassan  Wandgem.  245 

Benk  Johannes,    Büste  des  Kaisers  Franz  Josef  4 

Benndorf  Otto,  Porträtbüste   4 

,Berenike'  Kopf  213.   219 

Bergaz  Kirche  165 

Bernstein-Gegenstände  aus  Aquileia  16 

Beschläge,  kahnförmige,  aus  Dälj   Br.  259 

Betender  Knabe  in  Berlin   22; 

Bibliothek  von  Ephesos  3 

Biogr.  Gr.   p.   7   W.   ...   20 

Bithynien  Könige  75;   Ortsnamen  191 

Blei   Wasserrohr  174 

Blitzschlag  Ehrung   12 

Blumenkelch  mit  Satyrkopf  an   Pr.-Henkel   129 

Böhmen  Armringe  274« 

Böotische  Wortbildungen   5 

Brioni  Grande  Grabungen  7.  167;  —  Minore 
Antiken  176 

Britho  melische  Nymphe   2=;:il 

Bronze  prähist.  Objekte  aus  Asseria  17.  86,  aus 
Dälj  259,  goldplattiert  aus  Dälj  260 ;  Brn.  aus 
Carnuntum  //;  Sla.  vom  Helenenberg  209,  von 
Ligurio  209.  236;  Reis,  vom  Times  229;  Sttatt. 
aus   Ungarn   236; 

Afhena-S//fl.  in  London  21 1;  Groti-Brn.  in  Ne- 
apel 210.  212,  in  Rom  und  Berlin  212;  Zeus- 
Stta.  der  Sammlung  Wix  101; 

Gefäße  aus  Sissek  117;  Hohlmaße  aus  Asseria 
63;  Gewichte  aus  Falerio  203:  Stempel  aus  Asseria 
85;   Kranz  mit  Kreuz  aus  Ephesos  3; 

Plaquagetechnik  265 ;  Farbenzutaten  zu  Brn. 
228;  Rcl.  versilbert  229.  234;  Gefäße  mit  Weiß- 
metallüberzug 124  '.;  Stan.  mit  Innenstützen  aus 
Eisen  217;  Augenwimpern  an  Marmorköpfen  aus 
Br.  178.   182 

Brustbild  in   Medaillon  aus  Thasos   163 

Brustwarzen  aus   Silber  bei  Br.-Stta.  236 

Buccari  (Bakar)   ßc.-Eimer  122 

Byzantinische  Baureste  in  Anaia  152:  Kirche 
auf  dem   Ambartepe  150;  Mzz.  aus   Bergaz  167 

Caesar,  Julius   —   und   Issa   5 

Carner  2S4 

Carnuntum   Grabungen   10;  Br.-Rel.  234 

Carpegna,   Villa  —  in  Rom,  Antiken    ioy 

Cetinje  Museum   103 

Choraufführung,  Holzbalken  dabei  190 

Chrysonoe  Name  2; 

Cicero   Verr.  IV    53,    11s   ...   6 

Cisten  Sitz  der  Demeter   1; 


213 


Sachregister 


214 


Cisternen  auf  Brioni  174 
Colussi  Sammlung  117.  122.  127 
Constan's,  Basilika  der  Zeit  des  —  4 
Cumae   äolisehe   Gründung  31 ;    Villa    l'etrons   und 
Trimalchios  in  — ?  29.   165.  201 

Dalj   Goldfund   2^0 

Dänemark   Armringe  mit  Doppelspiralende   2", 

Deinome  auf  Polygnots  Bild  23,,, 

Atjkü  und  Ableitungen  24, 

Deimendere  Funde  157 

Delos  Ge-Kult   10 

Delphi  Schatzinschriften   ISS 

Delphin  bei  Apollo  24 1;  Fries-Äf/.  ///;  auf  Grab- 
stele 80 

Demeter  Mysia,  Tempel  bei  Pellene  9,,;  —  'O;io- 
/.«v.a  5;  —  und  Ge   17 

Depotfunde    273 

Deutschland  Armringe  mit  Doppelspiralende  274,,. 

Diadem,  Gold,  aus   Athen  2/I35,  aus  Dalj   272 

Diaduraenos  Farnese   197-   205 

Dietrich  Sammlung  117 

Diodor  XI  91.  3   ...   22,., 

Diokletianspalast  in  Spalato  5.  16 

Diomedes   Kult  an  der  Adria  396  f. 

Dionysos  Br.  in  Neapel  214;  —  an  Pfeiler  stehend 
Sita,  aus  Thasos  160;  —  Theater  in  Athen,  Sessel- 
inschrift 24;  —  Botrys  auf  Thasos  162;  —  und 
Demeter  8;   —  und  Herakles  160:  —  und  Pan  27 

Doclea  Funde  103 

Dolchklingen   mykenische   247 

Dolichenus  Rcl.  229 

Dolien  mit  eingeritzten  Zahlen   179 

Dorischer  Tempel   51 

Dorylaion  Votivstele  197 

Doryphoros  Polyklets  213 

Drehscheibe  bei  Br.-Gefäßen    122  ff. 

Dreizack  Ziegelmarke  17$ 

Drusus   an  der  Elbe    19 

Eber  bei   ,thrak.  Jäger'   Rti.  100 

Edelstein,  Pupille  aus   — ,    178.    182 

Eimer  aus  Sissek  Br.  118 

Eisen  Gegenstände  aus  Asseria  S7.  aus  Dalj  259; 
Stützen  in  Bf. -Stau.  257;  Teile  an  Br.-Gefäßen 
1 1 8  ff. ;   Schwengel  von  Br.-Glocke   86 

Elfenbein  Reliquiar  16:  Augapfel  bei  Marmor- 
köpfen  1 78 

Elias  Patriarch   9 

Elis  Oinoe  27 

Jiilireshefte  des  listen-,  archäo]     Institutes    Bd.    XI    Beiblatt 


Elysien  Begriff  14 
Email  auf  Br.-Fiebel  86 
Enyalios  'OpoXeäiog  5 

Ephesos  Ausgrabungen  /;   Forschungen  13;  Biblio- 
thek 118;  Hymnoden  107;  Küste  südlich  von   - 
135;     seldschukische     Bauten     13;    Straße     nach 
Magnesia  167;  Theater  16;  Wasserleitung  142.  159 

Erde,  Mutter  — ,    1 

Krcehtheion   Fries   52,  Korenhalle  110 

Erotian   Hippokrateslexikon  117,   6  Kl.  oxöta  . . .  42 

Erysichthon    V.    15.   17 

Eschara  (Opferherd')  in   Syrakus  8 

Eudoxos  Mathematiker,  Sita.  196 

Eule  bei  Omphalos    V.  16;  bei  Athena   190.    193 

Euripides  Phoinix  l6„:   Schol,  Phoin.  III9...5,., 

Falerio   Gewichte  203 
Fälschungen  aus   Amphipolis  102 
Fasces  und  Beil  ornamental   124 
Faustkämpfer  des  Thermenmuseums   225 
Feder  bei  Hermes-Thot   239 
Fenster  in  der  Bibliothek  von  Ephesos   133 
Feregyhazy  Armringe  mit  Doppelspiralenden  275.,,- 
Fibeln  aus  Asseria  17.  86;  aus  Dalj  259,  zoomorph, 

goldplattierte  Br.  26;.   273 
Fiume  Torbogen    14 
Fleischpreise  in  Delphi  190 
Fokoru  Goldfund  263 
Fortuna  auf  Kugel,  Doliummarke  179 
Franz    Josef    I,    Kaiser,    Sta.    in    Carnuntum    11: 

Büste  in  Athen   4 
Französische     Armringe     mit     Doppelspiralenden 

275« 
Frau   nackt,   gefesselt  Ret.  148;     -  thronend   T.  97 

Fries   ionischer   47 

Talo;  (-faiuiv,  fotetöv)   Ge-Heiligtum    10.    15 

Gallier(:-     Sta.  aus   Pola   1S4 

Gallische  Weißkupfertechnik   235 

Gans  bei  Mars  231 

TccariTtTOv  in  Sparta   12 

Ge  Heiligtümer   10;    Kultübertragung  7;     athenische 

(Olympia),  syrakusanischc  9:   —   und   Artemis  2g 
1 1  ebälk   s.    A  rehitektur 
Genius  mit  Feston  oder  Füllhorn    A' 
Geometrischer  Stil  in  der  ungarischen   Br.-Kultur 

269 
Ge  ran  os-Tänzerin   in   Delos  1S7 
Germanen,   Mutter  F.rde  bei  den        .    19 

15 


215 


Sachregister 


2l6 


Gewand  mykeniscbes  251;  Schleier  151;  von  Hirten 
98;  Steilfaltentypus  148.  154;  Chiton,  Überschlag 
raitgegürtet  158;  Aphrodite-Mantelmotiv  dekorativ 
158.,^  bei  Brn.  gesondert  gearbeitet  213;  — 
Silin,  aus  Thasos  148.  153.  158  f.,  in  der  Biblio- 
thek von  Ephesos  in  Nischen  125,  weibliche  in 
Rom  195 

Gewichte,  Astragal —  aus  Falerio,  203 

Giebelabschluß  ornamental   126 

Gigantenkopf  aus  Virunum   9 

Gigant  omachie-Ir;;.    135 

Gjölbaschi  Grabmal  49 

Glas   Gegenstände  aus  Aquileia  16 

Glocke  Br.  86 

Gold   Fund  von  Dälj  259;   Diadem  aus  Athen  2 7  1 3:i : 

—  in  der  kretisch-mykenischen  Kultur  257;  Haare 
an    Marmor-5/d.    aus    —    179;    Stirnschöpfe    aus 

—  95 ';    Vergoldung  von   Marmorskulpturen    183; 
Plattierung  von   Br.  mit  —  260.  265 

Gorgoneion  auf  Imperatorenschuh  184 

Göttinnen   Trias,  phryg.  Rel.  200 

Gräber,  prähistor.,  in   Dälj   259,  bei  Podgradje  IS: 

—  in  Argyruntum  7,  Asseria  53,  Pola  8,  kroati- 
sche  in  Dalmatien  5 

Grabanlagen  auf  Assarlyk  und  Sipylos  161, 
lykische  49;  Felsengrab  bei  Pygela  142;  Phrygi- 
sche  Grabstein-Architektur  201;  Grabmal  der  Lais 
35-  37;  Grabmäler  in  Aquileia  9,  in  Pola  180; 
Cippus  mit  Pinienzapfenaufsatz  und  Aschenhöhlung 
aus  Asseria  75,  Cippus  von  Korbform  ebendaher 
78;  Altargrab  in  Grado  9 

Rel.  aus  Amphipolis  100,  Asseria  60,  Doclea 
Hermes)  104,  Marathesion  147,  Pola  182,  Thasos 
152.  15613.  162;  S/,i.  aus  Thasos  152;  Tumulus  auf 
V.  Vagnonville  107;  Ske.  klazomenische  50,, 
lykische  50,  aus  Ania  163,  Doclea  104;  Bestattungs- 
formen in  Griechenland   107,  in  Dalmatien  77 

Grado  Grabungen   9 

Granatapfel  als  Grabschmuck  107 

Greifen-Fuß  als  Bankstütze  ^X;  — köpfe  an  Br.- 
r.riffen   125 

Griechen    in    Doclea   104 

Grobnik  Br.-Kimer  122 

Guß-Flicken   223.   227;     — kanäle   nach    innen 
legt  218 

Gytii  .    n    Halikarnass   53 

II  1  r-Behandlung,  archaische  144,  bei  Phidias  202; 
— nest  152.  1 5<i ;  -tracht  .merkwürdig'  bei  Dio- 
nysos  162;     U-tiix.    Krobylos,    Korymbos,    3x0p- 


~!g;  87;  —  aus  Gold  an  Marmorkopf  179,  an 
Marmor  mit  ßr.-Stiften  befestigt  179,  an  Brn. 
selbständig  gegossen  215  ff.:  — bänder   144 

Hadriansvilla  Athenakopf  175.  182 

Hagia  Vorgebirge  138c,;  —  Triada  (Kreta)  RcL- 
Gefäß  242,  Wandgemälde  250.  254;  --  Triada 
(bei  Smyrna)  .Felswarte'  161 

Hacke  aus  Eisen   87 

Halikarnass  Gymnasium  53;  Mausoleum  53,.,.  205 

Hammer  bei  Dolichenus  230;   —  aus  Eisen   S7 

Hammurabi-Stele  252.   257 

Haue  aus  Eisen  87 

Häuser  auf  Brioni  7. 171.  175,  in  Pola  184;  Holz — 
in  Krupa  7 

Heddernheim   B/'.-Platte  230 

Hecke  um  Omphalos    V.  15 

Helenenberg  Grabungen    10;   Br.-Sta.  209 

Helios   auf  Viergespann  Rel.  198 

Hellenistische  Statuen  241.  Terrakotten  99:  — r 
Marktplatz  in  Ephesos  2:  — s  Fort  bei  Bergaz 
167 

Helm  der  Athena  mit  Kranz  und  drei  Büschen  176. 
179;  der  Mossynoiken   95;  antik  gestückt   1 79 

Henkel    von  Sr.-Gefäßen    119  ff.,    hermenartig   130 

Hephaistos-Tempel  in  Athen,   Kultgruppe   191 

Hera  'AffoV.x  in   Lukanien  6 

Herakleides   Pont,  bei  Athen.   XII  312   B   ...88 

Herakles,  Taten,  S/an.  aus  Ephesos  3;  Köpfe  aus 
Thasos    159 

Herculaneum  Athena-S/iJ.   Br.  191 

Herme  Henkel   von   Br.-V.  130 

Hermes  KuJtap'.satea;  2STT;  Propylaios  des  Alka- 
menes  198;  Psychopompos  mit  Stab,  Rel.  aus 
Doclea  103;  Thoth  mit  Schildkröte  und  Schrift- 
rolle Br.-Stta.  239;  Trismegislos  240;  —  im  Anti- 
quarium  von  Rom  und  in  Ny-Carlsberg  204; 
Sita,  aus   Thasos   162;   —   und  Pan   26 

Herodot   VI    [34   ...  19;   VII    113   ...   232,.; 

Hesychius  Äx«Xoup£;  3i5:  ifj-icti  24,,-, :  OtvdSac, 
■;./.-.%:  und  OlvdBej  2671;  y.vi  t,v  'OivaTov  26;  zi'i.- 

--7;  315 
Hirtenknabe   T.  97  f. 
lli-irer,    Kämpfe   der  Römer  gegen    die  283 f.; 

Feldzug  de-   A..  Manlius  286.  287  t. 
Hofmann   Edm.   v.,  Sta.  des  Kaisers  Franz  Josef  I 

...  U 
Holz  vergoldet  bei  Akrolith  183;  — häuser,  römische  7 
Homer  Achilleusschild  248;   Rel.  des  Archelaos  25; 

Vita   IV.    VIII  ...  24 
Hopfen  ranken   an   Br.-V.  131 


217 


Sachregister 


2  1« 


Hufeisenbogen  in   Phrygien  202 

Hund   hei   Hirtenknaben    T.  98,    bei    phryg.    Reitcr- 

gott  Ret.  198 
Hydria  auf  Grab  der  Lais  35.  37 
Hyginus  IX   2c>.^;   XI   .  .  .   27T4 
Hymnoden  von  Asia   101 

Hypereides  y.axi  Ar]|ia5o'j  !tapavö|io>v  Fr.  77  ...  9  1 
Hypnos  Br.  in   Berlin  221 
Hyinetho  Mutter  Homers   24 

lalysos  Stadleponym  45 

Iapoden,   Gebiet  der  —  280;  Unterwerfung  durcb 

Tuditanus   280  f. 
Idria   bei  Baca,   Br.-Eimer   122 
Ikaros  Oinoe   25 
Inschriften  Tituli  Asiae  Minoris  11/.;  Überschriften 

54;  sorglose  Redaktion   59 
Johannes-Kirche  im  Deirmendere   157 
Ionischer  Tempel  494.   51 ;  Fries  47;   — e   Malerei 

506;   — e  Küste  südlich  von  Ephesos  135 
Iphinoe  Name  23 
"iTtltövooj   N.ime   22 
Issa  und  Julius  Caesar  5 
Istrien   Forschungen  167 
Istros,  Fluß  395 
Ivkanec  Sammlung  117 

Kadi  Kaie  153 

Kallimachos   xaxaxr;;ixsxvo;  39;    —    Dichter  Fr. 

48,  478  ...  24,,, 
Kapitell  korinthisches  aus  Asseria  35.  50;  Kom- 

posit —    aus    Ephesos    119.    124;     Pilaster —    aus 

Thasos   163 
Karischer  Mauerring  154 
Kärntner  Blei  auf  Brioni  17 i 
Karyatide   des  Phidias   198 
Kasserolle  aus  Carnuntum,  Silber  11 
v.  atafsiv  Bedeutung  20 
Katze  M.  aus  Hagia  Triada   245 
Kekropiden    V.  15 
Kellen  aus  Sissek  Br.  122 
Kilikien  Oinoe   27 
Kirche    auf  dem  Ambartepe  150;    in    Bergaz  165 ; 

Johannes —     in    Deirmendere  157;     Marien —    in 

Ephesos   2;  in   Klapavica  5;     S.  Spirito    bei 

Podgradje   18;     —    in  Salona   4;    Dom   von   Spa- 

lato   6 
Klagenfurt  Museum   10 
Klapavica  Grabungen  5 
Klazomenische  Sarkophage   506 


Kleonae   Qti.-M.ZZ.    I02s 

Kleonoe  Name   23 

Knopf  prähistorisch   Br.  17 

Knossos  Funde  115  J:  Tempelfassade  235;  Wand- 
M.   240;   Stierlcopf  256;   Reh   251 

Kompositionsformen  kretische  242 

Konsolengesimse  aus  Asseria  51 

Kopf  mit  Hörnern  und  großen  Ohren  vom  Tor  \on 
Asseria  40;  Köpfe  mit  konischer  Mütze  an  . Stein- 
amphora Reh  59;  — ansatz  bei  Bin.  219;  Ober — 
an  Brn.  gesondert  gearbeitet   212 

Kopfbinde  bei  Asklepios    11  1 

Korb  aus  Weidenruten.  Grabcippusform   78 

Korinth  Oinoe   27 

Korymbos  92 

Kranz  mit  Kreuz  aus  Ephesos,  Br.3;  —  auf  Helm 
der  Athene  Br.  176 

Kresilas  Augenbildung    199 

KpYjd-O),  KfrjirTjfj,  KpiS-cö   25 

Kreta  Funde  ///;  kretisch-mykenische  Kunst  242; 
—  und   Rhodos  47 

Krios   Demos  und  Bach  Attikas  3 

Kroatische  Gräber  in   Dalmatien  5 

Krobylos   92 

Krupa   Grabungen    7 

Kulpa,  Funde  in   der  —  118 

Kultstatuen   blicken  zur  Seite    191 

Kunstindustrie  römische  13 

Kupfer  Kannen  aus  Sissek  133;  an  Br.-Stau.  228: 
an   B/'.-Gefäß  modern  128;  Mzz.  aus  Weiß —  23^ 

Kybele  des  Phidias    198;   Sita,  aus  Thasos   150 

Kychreus  Heiligtum  in  Salamis   18 

Kydippe  rhodische  Stadteponyme  46 

Kyklopischer  (karischer)  Mauerring   154 

Kyme  Heimat  Homers   25 

Kyrbe  auf  Rhodos  46 

Kyrene,  Kopf  aus   —  im   Br.  Mus.  181 

Kythera,    archaischer   Kopf  aus    —    in   Berlin   217 

Lager  in   Carnuntum  10 

Lais,   jüngere,    Heimat    34;    Grabmal  33;    Bild    des 

Apelles  36.  39.  43 
Lampen   römische  86 
Laokoon  Schlangen    l85., 
Laurentnm,  Athenakopf  aus  —   173.   182 
Leichenverbrennung     bei     den     Griechen     107; 

in   Dalmatien   77 
Leukonoe  Name   2381 
Ligurio-Sr.  209.   236 
Limes  Br.-Rds.  229 

15* 


2ig 


Sachregister 


220 


Lorbeerblätter  ornamental  an   Gebälk    131 

Lötflächen   Herstellung  221 

Löwe  bei  Kybele  Sta.  150;  — n  am  Tor  von  Ephesos 

Stau.  2;  See—,  Fries  170 
Lukian   jcloToV   248   ...    92 
Luna  Br.-Rel.  231 
Lusoi,   Artemis  von   —   28 
Lydien  Bereisung  12 
Lykien  Bereisung  12;  Grabmäler  40  I. 
Lysippos,  Kunsturteile  über  —   41 

Madrid,  männliche  Büste   in   —   94 

Makedonen  Eigennamen   188.  193 

Malerei  Wandgemälde  aus  Beni  Hassan  245; 
kretische  —  252,  Wandgemälde  aus  Hagia  Triada 
250,  aus  Knossos  246;  archaisch-jonische  Wand — 
50;  Wand —  in  röm.  Grabkammern  55 ;  Bemalung 
griech.  Terrakotten  97;  Farbenzutaten  zu  Bnt.  228 

Marathesion  145 

Marienkirche  in  Ephesos   2 

Marken  auf  keram.   Waren  179 

Marktplatz,  hellenistischer,  in  Ephesos  2 

Marmor-Verkleidung  von  Hauswänden  in  Pola  184 

Maroneia  Silberstücke  186 

Mars  mit  Gans  Br.-Rti.  231 

Martial  IX  31    ...   232 

Maske,  tragische,  aus  Asseria  Rcl.  56;  im  Giebel 
einer  Grabstele  80 

Maße  aufDolien  angegeben  179;  griechische  Wein — 
193 

Maßtabelle  für  Köpfe    178 

Matres   germanische   201 

Mausoleum   in   Halikarnass   53.  205 

Medaillon-/?!.'/,  von  Thasos   163 

Medusenhaupt  in  Giebeln  der  Bibliothek  von 
Ephesos  131;  Rel.  von  Asseria  56;  auf  Bi.- 
Phalera  von   Asseria  86 

Meidias-V.    135 

Meierhof,  antiker  auf  Brioni  176 

Mercurius  Bru.  238 

M  esopo  tamische  und  ägyptische  Kunst  49 

Messa  Tempel  52 

.Messerklingen  aus  Eisen   87 

Meßtisch  aus  Asseria  63 

Michalkow   Goldfund   263  fl 

Mi  Ion   Gigantomachie-  V.   1 35 

Miltiades'  parisches   Unglück    19 

Misenos  Sagentypus   31 

Misenum  Trimalchio-Villa   \i.   165 

Mittelalterliche  Objekte  in   Zara   6' 


Modric  Sammlung  86 

Monte  Collisi  Grabungen   8.  175 

Mosaik  in   Grado  9;  Marathesion  147;   Virunum  10 

Mossynoike n-Helm  95 

Mühlen,  röm.  Hand —  88 

Mundbildung   bei  Stau,  des  Phidias  203 

Münzen  aus  Anzia.  152;  in  Aquileia  ,5;  byzantinische 
aus  Bergaz  167;  des  Regalianus  aus  Carnuntum 
//;  aus  Doclea  103;  von  Kyme  25;  aus  Mara- 
thesion 148;  von  Maroneia  186;  von  Orchomenos 
186;  von  Sikyon  und  Kleonai  mit  Ge  I02s;  in 
Zara  6;  TSTT.tfm  der  Ptolemäer  189;  —  mit 
Athena  Medici  188.  191 ;  Münzzeichen  „äppoXv)" 
191;  aus  Weißkupfer  23;;   im  Magen  von  Gänsen 

232,, 
Muschel  auf  röm.  Grabstele  80 
Museum  in  Ephesos  3 
Mykenische  und  vormykenische  Architekturformen 

111;   —   Kunst  242 
Myrleia-Apameia  81 

Namenbildung  griechische   I  ff.  pass.,   3 15.   192 f. 

Neapolis  bei  Ephesos  151.  154 

NeiXuhsüj,  NEtXtuirj  3 

Neptuntempel  von  Brioni  170 

Nereidenmonument  50 

S.  Nicolo  (Brioni  Minore)   Antiken   176 

Niete  fälschlich  angenommen  226 

Niettechnik  Ornamente   268 

Nike  Sita,  aus  Amphipolis  99 

Nikomedes   Epiphanes  75;   —   Euergetes  76 

Niobe   des  Aischylos   2g7S;     —    und  Ge  28;    Nio- 

biden-Namen   2771 
Nischen  mit  Figuren,   Bibliothek  von  Ephesos  124 
Nona  Funde   6 

Nonnos  XIII    1S2,   XXIX  253   ..  .   2671 
vc.0;.  Nötig,  Bedeutung  22 

Nordische  Armringe   mit  Doppelspiralenden   275,,., 
Ny-Carlsberg  Köpfe  203 
Nymphen   melische  2;7I).   2771 

Obrovazzo  Grabungen  6 

Ohr    archaische    Bildung   145;    — gehänge    an    röm. 

Kopf  60 
Olvs''»:.  Olvöy),  OtvciiY]  23.  25 
Ölfabrik  auf  Brioni  8.  I7<> 
Olympia  Gc-kult  14;  Oinomaos-Haus   14 
Ou-oXtiia,    0|ioXti)to;  5 
Omphalos  der  Ge    10,  auf   V.    15 
Opferstöcke  in   Delphi  190 


Sachregister 


222 


Ophis  Schlangendämon   18 

Orchomenos  Münzprägung  186 

Orientalische   Kunst   244 

Ornament  von  der  Bibliothek  in  Kpliesos  120  IV.; 
Akanthosblätter  mit  „gesägtem"  Rand  von  Ka- 
pitell 164;  in  der  ungarischen  Br.-Kultur  267. 
271  f.;  an  Br.-Gefäßen  gedreht  oder  ciseliert  Il'ifl. ; 
Eierstab  und   Blattmotiv  an   Hr.-V.  131 

Oropos   Ge-kult   11 

Orsinoe  Nymphe  26 

Ortygia  (Arvalia)  Funde  134;   s.  Syrakus 

"Oatoj  y.at  itxato;  Rel.  154.  198 

Österreich  archäolog.  Studien  16 

Üüpix-Tpia  Siedlung  bei  Taren t  31-, 

Ovid  Met.  IX  444  .  .  .  2465 

Palmette  an  lir. -Henkel  131 

Paludamentum  eigentümlich  getragen   230  t. 

Pan  Slvöetf,  27;  —  und  Dionysos  27;  —  und  Her- 
mes  26 

Panther  Gefäßhenkel  59;  —feil  unter  Satyrkopf' 
an  Br.-V.  129 

Paros  Belagerung  durch   Miltiades   19 


Pausanias   I 


192;    I   \l 


9;    III    12. 


8  ...  12;  VI  22,  9  f  ••■  I ;  VII  4,  3  ...  151:  VII 
27,  9  .  .  .  9,,;  VIII  18,  8  . .  .  2876;  VIII  30,  3  ...  27; 
X  14  ■••  2360;  X  26,  2  ...  23,/4 

Pechüberzug  von  Gefäßen  188 

Pelops    V.    13; 

Pergamon  Hymnoden   107 

Perle  prähistorisch  Br.  17,  Gold  262.  273 

Perser  Schimmelopfer  232,., 

Perseus  (?)  Rel.  57 

Petronius  Glossograph  42;  —  Schriftsteller,  Lebens- 
ende 29.   165.  201,  des  Apelles  Monoknemos   32 

Petrus  Erzbischof  4 

Pfeiler,   Mädchen  an  —   gestützt  (Thasos)    [57 

Pfeilspitzen  aus  Eisen  87 

Pferde-Opfer  der  Perser  232,,;  prähistor.  Schmuck 
von   — geschirr,  Gold   265;  See — ,   Fries  170 

Pflanzen  Darstellung  in  der  kretisch-mykenischen 
Kunst   254 

Phalera   mit   Rel.  aus   Asseria  Br.  86 

Phallus  Rel.  aus  Asseria  57 

Pheneos  Oinoe   26 

Phidias  Athen  a  Stau.  [69.  193;  Diadumenos 
Farnese   197;   Werke    [98 

Philippos  V.   und  Prusias  79 

Philoe  melische  Nymphe  27-, 

Phokions   Prozeß  92 


Photios  '0|io/.(uio;  5 , , 

Phrygische  Architektur  201 

Phygela  (Pygela)  137 

Phyllis  Name  23 

Phyllonoe  <ie  21.  28 

I'hylonome   der  Tennes-Sage   23,,, 

Pindar  Nem.  I   I...I;    VII   I05-..29,;    Schol.  zu 

Pyth.  II   12,  Nein.  I  3  .  ..   1  ;  Pylli.  IX  102  f.  ..  II 
Pinienzapfen  auf  Grabstein  76" 
Pipe  Armreif,  Gold  270 
l'laqu  igc-Technik   2I15 
Piaton  Phaidros   229c...  11  ,, 
l'linius   III    19,    129   ...  278;     XXXIV    65  . . .    LI; 

XXX  IV   69  ...   2u;    XXXV  79  ...  38;    XXXV 

86  ...  40:   XXXV  89  ...  41;   XXXVII  114  ... 

37;  Quellen  38.  44 
P lutarch   Demosthenes  9  ...  I231 
Pola  Stadtmauer  8;     Porta    Aure.i  14:    Funde  180; 

Reliquiar  Elfb.  16;   Museum  8 
Polemon  Fr.  75   Pr.  ...  6 
Polygnot  Iliupersis   2364;   Unterwelt   1 
Polyklet    Amazone    und    Doryphoros   213;     Schule 

209.   237.   241;   _  — "  Mädchenkopf  iti 
Polyp erchon  92 
Pompei  Bru.  212 
Porta   s.   Tor 

Porträt-Herme,  Henkel  von  Br.-V.  130 
, Prähistorische'  Br.-Gefäße,  italischer  Export  12- 
Praxiteles  YL'j.-.-X'/s>~jl   20;  Stilähnlichkeiten    112 
Priapos-Herme  auf  röm.   Grab-AW.  182 
Protogenes  T.sy.  oXIHäto»   43;   Werke   44 
Prusias  I.  von  Bithynien  79 
Ptolemäer  Mzz.  189 
,Ptolemaeus  Philadelphus'   Kopf  213 
Puteoli,   Villa   Hadvians  in   — ,   201 
Putten  auf  Stilus  Br.  86 
Pygela  137 
Pythios   Mausoleum  53 

Regalianus   M:.   11 

Reitergott   mit  Strahlenkranz  und   Beil   Reh 

Relief-Ornamentik  derungar.  Br.-Kultur  267;  — stil, 

kretisch-mykenischer  und  ägyptischer  2V 
Reliquiar   von    Pola    Elfb.  16 
Renaissance-Objekte  in   Zara   6 
Rhodos  Kultbilder  von  Herd- 
Ring   aus    Gold,    prähistorisch    262.   273;    Siegel — 

an  Sta.    I3617 
Kuli  ve   aus    Dalj    Hr.    259 
Rundbau   von   Brioni   172;   von    Pygela    141 


223 


Sachregister 


224 


Salamis   Kychreus-Heiligtum    18 

Salona  Avisgrabungen   4 

Sarkophag   s.  Grab 

Satyr  köpf  an  Br.-Henkel  129.  131 

Säulen  jonische  uud  ägyptische  49:  culumnae  cae- 
latae  des  Artemisions  49^;  — hallen  in  Asseria 
47  ff.  61,  auf  Brioni  7.  169.  172. 176,  in  Pola  184 

Scalanova  145 

Schafköpfe  an   Henkel   133 

Schale  bei  Kult-S/rt/i.  und  Weihgeschenken   lqo 

Scheibe  mit  4  Füßen  aus  Dälj  Br.  259;  — n  aus 
Goldblech  aus  Dälj  262.  265.  273;  —  n  der  Koren- 
halle  HO 

Schild  Achills   248 

Schildkröte  bei  Hermes  Br.  239 

Schlafender  Hirtenknabe   T.  98 

Schlange  von  Salamis  18;  Menschen  verfolgend 
I'.  [5,  bei  Omphalos  V.  16;  bei  Laokoon  l852; 
bei  ,thrak.  Jäger'  101;  um  Speer  Br.-Rel.   233 

Schloß  Br.  86 

Schlüssel  Br.  86,  Eisen   87 

Schmiedewerkstätte  röm.   Giab.-Rel.  9 

Schmuckstücke  aus  Dälj,  Gold   259.  204 

Schnallen  Eisen  87 

Schrift  babylonische,  ägyptische,  kretische  258cs; 
— rolle  bei  Hermes  Br.  231 

Schuhe  von  Imperatoren  Stil.  184;  bei  weiblicher 
Sta.  158 

Schutzflehende  Barberini   198 

Si  hweden    Armringe   mit  Doppelspiralenden    275^ 

Seetiere  aus  Fries  von  Neptuntempel  170;  phanta- 
stische auf  röm.  Br.-Rel.  234 

Serbien   Bereisung    12 

Sichel  aus  Eisen   87 

Sieb  in  Essek   Br.  127 

Siebenbürgen  Armreife,   Gold   270 

Siegelring  an  Sla.   1 5 6n 

Sikinos  Oinoie  27 

Sikyon  Ge-Mzz.  io.,3;  sikyonisch-argivische  Schule 
207 

Silber  Kasserolle  //;  Brustwarzen  bei  Br.  236;  Ver- 
silberung von  Br.-Rel.  229.  234 

Sipylos   .Fels  warte'    161 

Sissel;   />V.-GefäP.e  117 

zv. v, - -.i;  Bedeutung   12 

ipas   Atalante   El6;  Stilähnlichkeiten    US 

3Xopic(0£   Scheitelzopf  95 

Skythische  und  ungarische   Kultur  269 

Slawen  in  Dalmatien  26 

Slawonischei  Goldfund   259 


Smyrna  Hymnoden  108 

Sonnengott  ("O310;  /.'/.:  Ai/.X'.oci  Rel.  15  4,  auf  Vier- 
gespann Rel.  198 

Sophokles   Philoktet   16 

Soteria  Opfer  an  die   Unterirdischen   8 

Spalato  Diokletianspalast  5.  16;  Porta  Aurea  6; 
weibl.  Kopf  115;  Museum  5 

Sparta   Gasepton   12 

Sphinx  Kopf  des  Akropolismuseums  144.  147; 
Kopf  Warocque    I47i0;   röm.  Grab-AV/.   182 

Spielbrett  aus   Kleinasien   150 

Spirale,  Doppel—  aus  Asseria  18 

Stadtmauer  auf  dem  Ambartepe  150;  von  Asseria 
30;  von    Pola  180;  von  Pygela  141 

Stahl  Ornamentfüllung   an   Br.-Gefäßen  125  f. 

Stanztechnik  Ornamente   268 

Starigrad  Grabungen   7 

Stempel  aus  Asseria  Br.  85 

Stephanos  Byz.  Avaia  163;  6p£a  3n;  '0|ioXr(  5,,; 
TsvbBws  2360;  "SXsvo;  i335 

Steuern  Namen  192 

Stier  der  kretisch-mykenischen  Kunst  254,  Rel.- 
Kopf  aus  Knossos  256,  — spiele  253;  — e  auf 
Dolichenus-AV/.  230;  — Vorderteil  an  Tor  von 
Asseria  39 

Stilus   Br.  S6 

Strabol93...   13;    VII  338... 27:    VIII  343,  12 


...  I;  VIII  387 


p.  639  •■ •  151 


Straße  von  Argyrunlum  7:  Ephesos-Magnesia  167: 
Tader-Burnum  74 

Stuck  vergoldet  bei  Akrolith  1S3;  Haare  an  Marmor- 
kopf aus  vergoldetem  —  17s.  182;  Stierkopf  aus 
Knossos  Rel.  256 

Suidas  Kpio;  3;  npioTO-f£vr(;  47 

Syrakus  Artemis  äAqpetc&ta  I.  6;  Athenatempel  8; 
Ge   von   —   9 

Syrinx  bei   Hirten    T.  98 

Szamos-Ujvär  röm.   Kastell   207;   Br.-Rel.  232 

Tacitus   Ann.   XVI    18  f.  ...   29.    165.   201 

Talos-V.   135 

Tänien   Gold   27 1 

Tatian    34   p.  36   Schw.   ...   36 

Taufbecken   beim  Ambartepe  150 

Taurisker   Unterwerfung  durch   Tuditanus   284t. 

Tegea   Aphrodite 'Ev  HÄiviH<p  7;   Atalante-Kopf  1 16 

Tempel  altjonische  49,;  jonischer  und  dorischer  51; 

von   Brioni  Grande   167;   auf  dem  Helenenberg  10; 

von  Messa  ^2:  von  Pola  184:  —  fassade  in  Knossos 

2>'t 


2  2,5 


Sachregister 


2  26 


Terrainformen  in  der  Itretisch-mykenischen  Kunst 

249 
Terrakotten  griechische,  aus   Amphipolis   97 
Terrasigillata  Schüssel  aus  Carnuntum   // 
Tettix  87 

Thasos  Antiken    142 
Theangela  und  Halikarna  '   68 
Theater     in     Ephesos    16;     scenae   frons,    Rel.   aus 

Marathesion   148 
Theben  Götter  des  'Ojio/.ojiov   5 
Theokosmos  Zeus  in   Megara    iS; 
Thrakische    Ortsnamen   191;    — r   Jäger,   Grab-Rel. 

100 
Thrioa   „Niederlassung  in   Thria"   4n 
Thronstuhl  der  Kybelel^o;  thronende  Frauen  T.9S 
Thukydides  I  6  . . .  90;  11   15,  4...  9;   „Ä.var.tTai" 

163 
Tier    goldplattierte    Br.-Platte    aus    Dälj     260.    :')-; 

Ornament  der  ungarischen  Bf.- Kultur  20s 
Timavus  395  f.;  Basis   für    den    Feldzug    des  Tudi- 

tanus  286;    Stiftung  des  Tuditanus  an   —   281,1*.; 

Heiligtum  des  —   289  ff. 
Tiryns  Stierbild   253  f. 
Tlepolemos   rhodischer  Lokalheros   47 
Toga statue  aus  Asseria  55 
Ton   Wasserleitungsrohre  142.   56 
Topographie     der    jonischen     Küste     südlich    von 

Ephesos  135 
Tor  magnesisches    in   Ephesos  2;     römische   — e  im 

südlichen    Österreich    14;    —   von  Asseria  30.  53; 

von  Pola  195;   —   in   Snlona   4;    Porta  Aurea  von 

Spalato    6 
Tordinci  Schöpfkelle   Br.  126 
Toreutik  Untersuchungen   212 
Tragödienszene  Rel.  14S 
Traianus(?i   Sia.   aus   Pola   184 
Traismauer,  Br.-Rels.  aus  —    220 
Triest   Aroo   di  Riccardo   14 
Trimalchio   Villa  30.    168 

Triquetrum  in   der  ungarischen   ör.-Kultur   26 
Triton  Fries-Äc/.   171;  Misenum   Geschenk   — -   31 
Tuditanus,    C.  Sempronius    Statuenbasis  276(1.; 

Feldzug  gegen  die  Iapoden,  Ilistrcr  und   I  aurisker 

280  ff. 
Tumulus,   Grab—   auf    V.   107 
Türme,  Verteidigungs —   von  Salona  4 
Tzetzes  Lyk.  110,  451    .  .  t s  , :   580  (Schol.) . . .  5n 

Ungarn  vorhistor.  Brn.  259;  röm.  Brn. 236;  Handels- 
verkehr  in  der  Br.-Zeit  274 


Unger  Hella,   l'orträtbüste  Benndorfs    / 
Unterirdische  Götter,  Opfer  X 

Val  Catena  Grabungen  7.  167;  —  Madonna  .Meier- 
hof 176 

Vaphio   Becher  245 

Vasen  A'<7 -Gefäß  von  Hagia  Triada  242;  F.rz- 
gießereischale  von  Berlin  221,,;  Gigantomachie- 
— e  des  Milon  und  Verwandtes  135;  — e  Vagnon- 
ville/07;  Wiener  Vorlegeblätter  VI  4,  VIII  2...  15; 
— maierei,  altgriechische,  ägyptischer  Einfluß  ",",,: 
aufgesetztes  Weiß  136;  Dichtung  mit  Wachs  und 
Pechüberzug  188 

/Vr.-Gefäße  aus  Sissek  117.  Kupfergefäße  133; 
Terrasigillata- Schüssel  aus  Carnuntum  //;  Stein- 
Amphora  aus  Asseria  mit  Rel.  58,  Gefaßfrag- 
mente SS:  Dolienmarken  179 

.Verleumdung'   des   Apelles   41 

Veszprim  Apollo  Br.-SUa.   240 

Villa  rustica  auf  Brioni    175 

Vinkovci   Kupferkanne  133 

Virunum  Grabungen   9 

Vogelköpfe   an   Metallhenkeln   119.   125  f.   129  f. 

Völkerwanderungszeit  Kunst  14 

Votivstele  aus  Dorylaion    19? 

Wachs  zum   Dichten   von   Gefäßen   188 

\V:in  gen  archaische  Bildung    146 

Wasserleitung  in  Asseria  55;  Brioni  8.  174;  Ephe- 
sos 142.  159;  Marathesion  147;  von  Py^cla  112. 
in  Salona   4 

Weihrauch  g  efäß  aus   Klapavica  5 

Wein-blätter  neben  Satyrkopf  an  Br.-  I',  129: 

in   bacchischem   Rel.  60;    — stock    bei   Dionysos 
S/Iti.   161  ;    — keltern  auf  Brioni   S 

Widder  bei  Herraes-Thoth  Br.  240 

W  idter  Sammlung   S.  10 

Wix   de   Zsolna   Sammlung   97.    142 

Xenophon    V  4,    13  ...  95 

Zara    Porta    maritima  14;     Museum    <>':     Sammlung 

Modric  86 
Zeus  'Ou,oXö)io;  ;;  des  rheokosmos  is;:  Br.-SUa.  101 
Zicgen-AV/s.  von    Kreta   257 
Ziselierung  an   Br.-GefäBen  125.  13< 
Zisterne  i»   Asseria  4S.  53 
S.   7. uanne   bei    Ephesos   144 


Epigraphisches   Register 


228 


EPIGRAPHISCHES  REGISTER 


1 .   O  r  t  s  i  11  d  e  x 


Amphipolis   101 
Anaia  162 
Argos  77 

Athen  82,  I ;  92,  6;  94,  ~;  96,  8; 
100 


A.  Griechische  Inschriften 


Delos  185  f. 

Dorylaion   197 

Halikarnassos  53,  I ;  ;6,  2  ;  64,  5  ; 

69,  f':   74 
Hypaipa  (Ödemisch)    10 1 


Ortygia  154/. 

Piräus,  unbekannter  Herkunft  75 
Smyrna   109 

Theangela      58;    61,  4;    71,  7: 
72,    8 


Aquileia  276 
Asseria  17  f. 
Brioni   grande   175 


B.  Lateinische  Inschriften 

Doclea  104 
Falerio  203 

Laodikeia  am  Lykos  16S 
Monreale  292 


Pola  ISO  f. 
Sissek  117  f. 
Szamos-Ujvär  207 


2.   Namenindex  der  sfriechischen   Inschriften 


AfO&oxXfjc  63,  4 

Tpatavöj   Ä8piavög  KaToap    2s- 

Pas-i;  6  SscocpiXeoraTOS  aüxo- 

/.pxxiop  109 
Tpai'avöc,    ASpiavö;    KaTaap   2s- 

ßaaxöj   6  xöpio;  etätoxpcixtop 

107  Anm.    17 
\v>  Maxeoxa  t88 
Uräva  71.7    AO-ivx;  fopiv) 
Uh)va-f6pa{  64,  3;  ^ö2,-  /Ö5 
\Wt{/y:.'s.    88,  4;   90,  5    (Mj|io;, 

rtöXij) 
UhgvaToj    /'•  / 
\  >V,  ,■-.-;-.   66,    5 
U-fXävwp  /'<  / 
AloxoJUs  Wo 

\y.7.;ia/-'.;  e/.tv,  Jipuxavsta   97,  8 
Mir.',;  IVxeiXwj,    rXaßp£u>7     109 

(önaxoj) 
\y.  =  i/.-,:    KifVlTOJ    Ka  .  .  .      [09 


AXigavBpos  103  (fpa|iu,axsü;  to3 
Stjjiou  xal  vsaixöpog  v.at  8ta- 
vojisüj  imv  2sßaaxe£(0Y  yyrt- 
liotxwv) 

A|i6vxa;  83,   2 

Avastxai  764  (8fJ".og) 

"Avx;a-föpa;  103 

Av8poa8ivijs  58;  63,  1;  64,  5; 
66  (veo)-o'.ö; 

"AvSpoov  63,  4 

Aväwrqpi&v  |«jv  53,  1 

"Avfrrjs   i"  1  (<jr*i>av7)ipöpos) 

'AvxtTtatpos  90,  5 

Avxwviavöj  757 

Ana|ivjvrj  il-ea  pasEXtaast  75 

ÄTtsXXic'',;  pjv  71,  7 

A7toXX$8(öpO{  82.  I;  85,2;  86,  i; 
88,  4;  92,  6;  99;  100  (äff- 
X<ov) 

A-v./.v;r/), :   63,    | 


AnöXXwv  78;  795;  'A.  ApxVf«~ri* 
74;  'A.  Heaptoj  71,  7;  72,  8 
ATtoXXcoviaxav  i  5äjio;  105 
'AnoXXa>vt8v]{  03.  4;   103 
AtoXXcövloj  03,  4;   103;  164 
Apsmarv  /65 
'Apsxiiov   56,   2 
ApioxsCSi);  71,  7;  72,  8;  74 
Aptax6|30uX&;  /95 
Apioxi5rj|io;  78 
Aptaxövixog   ioü 
Äptoxocf  ....  94,  7 
"Apxsjiis  /.''■:; 
Apxsutov  7&\? 

Apx$8ixo«  97.  8    ivafpaqie&s) 
'.\pxJ3xpaxof  78 
"Apxwntos  94,  7  (*PX°>V) 
Aota  103  (ipxieps'i;) 
'AoxXTjmöBcopog  103 
AaxXijraij  78 


22Q 


Kpigraphiscbes    Register 


230 


"A-riaXog  166 

M.  A.öp.  änoXXöScopo;  10S 
A'JxoxXt);  73/ 

1'.  A.üipoöoxios  Mavvslos  70/; 
T.  Aöif.  Ilps;|irf£v7jj  7^/ 
Aücfwvta  Eü-opia  70/ 
'Ayößrjxo;  88,  4  (-fpau.|iaxE''>;i 
A^pcSEtxr,   63,   4     (Eepe&J   der- 
selben I 

Baßc;  185 

BaaiÄEidTj;  69,  6  (fepsöj) 

TaVo;  BeXXixtog  Topxcjäxc,;  109 

(ütiaxo;) 
Bsv5=I5o;  r/.ocXa  /OÄ 


Tipavoj  /S7 

Aa5a|ias  /SS 
AaiSvjXos  7S7 
AriH^-pic;  63,    1 
Ir^ovXf^  162 
Aia-fopa;  63,  4 
Aia8ou|ASv!a  76.3 
Aiaxxspida;  192 
Aivooitpdwjs  /65 
A'.v.'ivr,;  53,   I 
AidSoxo;  53,   1  ;   56,  2 
Aiovua68wpo;  63,  4 
A;i^av-o;  53,   1   (EepoTCeös) 
ApaKovxojiEvrj;  63,  4 
Apaxo>v  53,   1   (fpa|iu.at£');) 

'E,;So|Juaxo;  793 

Elxsalo;  765 

"Exax6(iav8poj(?)   795 

'E/.acfrjßoXicüv  86,  3 

"EXeu9-£ptov  69,  6 

"EXXtjve;  oE  äzi  xf,;  'A-ia;   103 

'EAr.i;  766 

'Eitbcoupo;    82.   1;    92,6    (äva- 

-'pajfEu;) 
'EraoftivE'.o;  obcta  /92 
'Eja<pav7jsNixo(iv58iijj  ßaoiXsö;  7; 
'Epoioiroios  88,  4 
'Ep-roxsXrj;  t89 
"Epi[iY,;  792 

'EpE/irr/;;   äf8ÖK]  -puTKVEtx  86, 3 
'Epu.r,5to)v  /9S  ( -pwxoispE'J;  I 

Jahreshefte  des  "STerr.  arcbäol.  Institutes 


'Ep|lV)S    762 

'Epi-tf/;,  -ffir.-  19* 

"Ep|ieiv  63,   4 

'Epi-irävag  63,  4 

Eü-fEvioj  166  (oIkovöjios) 

E58o{jos  796 

EöxaBpo;  86,3;  88,4;  99;  100 

(äva-fpaipsö;) 
EüxXrj;  88,  4 

"HX'.o;  xfipioj  200 
'Hpay.XsE3r;s  /SS 
'HpaxXs'.ov  /S7 
'HptöBr,;  63.  4 
'Hcpataxitov  63,  4 

8iX7to')aa  794 
BeotfisXa  71.  7;   72,  8 
8sa-nsXeTs  7".  7  (8«|«>s) 

ßsaY'fEXE');  72,   8 

HEoScopoj   53,    1  :   63,  4 

Hitov  63,  4 

BpaauxX-fJj    94,  7  fava-^av=-'i;i 

Hp'.iaio;  94,   7:   82,    1 


ta3(t)V   71,   7 
lepoxXijs  63,  4 

'Ituxv/Tj;  166 

Kaipi|ios  193 

KaTaap  xöpioj  rog  (erotpoitos 
1.  •/..  x.) 

9*öj  SEßxaxi;  Kx!-xp,  Ssoö  uE6g, 
a'ix'yxpixwp  xat  xpx'.spsO; 
xrj;    TtaxpiSo;   103 

KaXXaxtavoi  705 

KaXXio8ivTj{  792 

Ktiooav8po{  79.3 

KsßoiXivo;  188 

KsXyjs  /S6 

Kr)<ftatsö{  .so.   ; 

Tißdpioj  KXaöBtoj  Kxiaap  2s- 
ßoc-JXÖ£  rsppwxvtxöj,  a'ixoxpa- 
xtop  tö  ;-'.  ipxtspsi);,  Bniiiap- 
y.ixrjj  ijo'jaias.  'jtiocto:  ino- 
5s8eif|iEVOj  to  ß  .  ivJKmaTOj, 
rtarrjp   nxxpijo;    103 

Tißipioj  K>.a'')5;o;  Kataap  21s- 
pxixi;  rsp|iavixä;   103 

B,l  XI  Beiblatt. 


Tißspws  ECXaftSw;  TpO-fcuv    103 

(axscfavrj^ipofi 
KvlBta  795 
Ko*a>x«Tjs  88,  4 
KoXXuxsöj  86,  3;  88,  4;   99 
Koau.ä;  766 
KplV0(ieV7){   /'">' 
KTVjaias  88.    | 
Kuv8«T|s  792 
Kups£va  (Tribus)  103 
KupKjvatoj  794 

Aa|i7txpe&{  90,   i;  qj,  8 
Aa^r/xä;  103 
Aeoveöj  63,  4 
A.sovtmc8iij{  53,   1 :  63.  4 
A'V;5a|ii;  705 
AÖ80;  7SS 
Moos  192 

Mot  .  .  .  .  765 
HaxeBövs;  90,  5 
üaxdaxa  (Makedonin)  /.v.v 
MaptoviXLxä  xpiSpayjia  7S6 
Maaoupio;  KXauStavö;  706 
Me?ü)v  7S6 
MEAavi-^^j  63,  4 
MevexXtjj  63,   4 
MevsxpdxTis  63,  4 
Mevea$s&;  63,  4 
MevuXXo;  74 
MyjvöBotos  63,  4 
MTjvö8ü)po{  63,  4 ;  7/6 
llT,xp68(upo;  53,   1;  63.  4 
Mv.pa-fEvr,;  63,  4 
Mviv./U'iv  82,    1 

Nava  795  (upcuxotsp. 
Nfauxptxij;  97,  8 

Nauatxpaxv);  94,  7 

Nsatxno«  97.  *  (äp/c"'< 

Xiov    71,    7;    74    (&jicfuu.vatu- 

apXöv  1 
Nixiaj  82,   1 
N'.xcitT^r,;  paatXs&{  78:   S.'Kz:- 

yavTjj  pa^'.ÄE'j;  78 
NixÖ3TpatO{  86,  3 
Nfxou  xßP°S  ',s'" 


SbvoxXtJj  /i|_ 


11, 


2 '31 


Fpigraphiscbes   Register 


OlvoJctSiK  106 
'Oxxtü|ißpioc  iom 
Opxousviov  vöjuouä  /'s'< 
'Ootoj  Ai'/.E'.:  WÄ 
"Ooio;    Ep;ix  ...   103 
IIc->.'.o:   O-Jx/..    Kpäaao;    69,    6 

■>-.-/.-.',:• 
0uÄMct8i]g  71.  7 

Qaiavieüg  '14,  7 

UavStovl;  r/.Tv,  repu-avsta   82,   1 

QavKivto;  7SS 

Havrcwv  88,  4 

Ilap&sv.o;  63,   4 

1 1 ä p : 0 ;   ."■'<' 

llxc.;t:;   st.  "Iap|il£   705 

Ilir-r,  70J 

Hatapeös  Wl 

IIa/r,;   82.    I  ;   92,   6 

Hap-fapoc.    103 

[Itao  .  .  .  (ntoB'STaipog?)    56,  2; 

59-  3 
BoXst-n);  58;  63,  4    i=f='!);) 
ll'y/.'i-if/i'iv  88,  4 


HoaiBswv  |irjv  56,  2;  04.   7 
Dpogevta  85.  2 
n^O'j-ia;  pa-;>.='i;   75 
GtoXsfiaVxä  -=t-i;i'/  7<SS 
DtoXeuatoc,  ,;j:'.a;''i:   ;6,  2 
Q«6ptvo«  189 

PoS'.ay.i  IvxöruXa  794 

"Pujuy,  >>-=x  103 

Ixpx-icuv  63,  4 

Z=}y.z-.z\y.  yyit\\x-.-j.     103    (diavo 
|lSÜg) 

Sepänupts(?    797 
Stxutuvto;  ■j-.-j.-.-i^   186 
Sxiäituptg(?)  797 
Su,öpv7]  1 00 
StpäTWV  63,  4 
2Tpatü>va£  705 
S-cpovuXijvög  70">' 
XtoSxuov  (Frauenname)   793 
S(6vtxoj   SN,    4 
^oj-Tparo;  /65 

TsXXie  7«6 


Tr,Aiz>.f,;  765 

Tißeiog  705 

Tißspiog  Kx'cxp  £=jjx3to:   103 

Tpo£civiot  72,  8  (8ä[io;) 

Tpo^ijv.og   78 

"r-^feia  78 
I  1  /hoc]  oder  Tii[-/.;e7,;"   97,  8 

>\'-/.y.x  (Tribus)    log 
$iXeT<upog  763 

$iXfaftstov  1  up-vaatoy  53,1;  ;6,  2 
*'.>.'.--=•);   63,  4 
<I>y.t7:r:o;  ßaacXsö;   193 
$iXgxt.tjuxi>v  86,  3    YPal1lla"£"JS 
*iX6vtxog  53,  1;  56,  2 
Titog  SXäßioj  Ooräjitov   107 

vup.vaatapxos) 
*otßtä8Tjs  187 
<t>p=app;o;  82,    I 
$l)Xeiaioc,(?)  82,   1 

V"i, ■.-;-/,;  88,    | 
Xpiaröc.  6   >!  =  ',;  /5<S 


Ö- 


Namenindex   der    lateinischen     Inschriften. 


L.  Aelius  Proculus   J/ 

ala  II.   Pannoniorum   208 

[..  Ansius  Diodorus   722 

Ansius  Epaphroditus  722 

I ..    Antestius     Secundinus     (Se- 

cundus?)  71 
imp.  Caes.  divi  Hadriani  fil.  divi 
Traiani  Parthici  nepos  divi 
Xervae  pronepos  T.  Aelius 
Hadrianus  Aug.  Pius  tribu- 
nici.i  potest.  VI  cos.  III  p.  p. 
208 
Apollonia  765 

Arruntia  .     .  .   Florentina  SO 
C.   Arruntius  Celer  S3 
\rruntius  Maro  SO 
'      Arruntius   Sedatus  83 
Asseriates  62    (primus  omnium 
68  (ordo  A. 


P.  Atilius  Aebutianus  68  (pr.iei. 

praet.) 
Atimetus  86 
augur   61 
Aurelius  Fortunio  66 

Baebia  Üppia  65 

Baebia  Ulpiana  (Valeriana 

Barbia   83 

ia    l'ertyllma   76 
Lucius  Caius  Fortunatus  203 
.  .  Caninius   66 
L.  Caninius  Fronto  70 
Carni   276 

C.  Ceionius   Maximus   177 
Claudia   (Tribus)    41:    65:    67; 

70;  73;  83 
di\us  Claudias  70 


L.  Clodius  .  .  .  78 
Clodius   Ambros.  86 
T.  Coelius  86 
P.  Cornelius  Iulius   104 
Cresces  S4;   S6 

Daeicus  Optatus  (Festus?    66 

dec(urio     61 

imp.  C.  Caius   Val.  Diocletianus 

et     imp.    C.    Caius     Valerius 

Maximianus     p.    f.    perpetui 

principes  74 
L.  Domitius  Rufus   79;  82 
II   vir,     II  vir    quinq.  70:    duo- 

viratus  71; 

A.   Faesonius  178 
Hamen  divi  Claudii   70 
C.  Flavius  177 


'33 


Epigraphisches   Registei 


234 


Fortis  86 
Fortunat.  Ser.  179 
£,.   Fullonius   17? 

d.n.  Galierius   Aug(ustus    b(ono) 

r.  p.  n(atus 
Gavia   V  .  .  .   181 

divus  Hadrianus  208 
Hermes       A(ug.)      n.      r(ationis) 
k(astrensis)      c(ommentarien- 
isF    85 
Herus  178 

Irene   104 

Isocrysus   123    ,cipus) 
Iulia   104 

Sex.  Iulius   Actor   83 
('.   lul.  Africanus  86 
T.  Julius  Celer   67 
L.  Iulius   Proculus  83 
St(atiusJ  lustus   177 

Titus  Laelius   Maximas  79 

T..   I.aelius   Proculus   73 

Latin  us  178 

Latra  (Göttin    82 

legio  II.  Aug.  67  (veteranus); 
leg.  VIII  Aug.  85;  leg.  X 
Frete  nsis     62\   IUI  f.  f.   53 

I.co  168  (vilicus 


I.ihurni   z~<< 

Licinianus    Caesar    75     (consul, 

319  n.  Chr.i 
d.  n.  imp.   Licinius   75     consul, 

519  n.  Chr.) 
imp.  d.  n.  Licinius   Aug.  68 

L.  Manlius   Acidinus   294 

1 :.  Mal  .  .  .  Q  .  .  .   120 

Maxima  80 

imp.   C.  Caius  Valerius   Maximi- 

anus     p.    f.    perpetuus     prin- 

ceps  74 
Maximinia  71 
Mercurius   123  (sors) 
C.  Minuc(ius)  Pedan.   1.   • 
Modestus   120  (centuria) 

divus  Nerva  41;  73;  208 

1  .  Oppius  64 

1]  ius  ClemensRusticelln-  6 

Imp.  Pac 177 

Sex.  Palpellius    .  .  Manci  .  .  .  181 
Pamphylus  12.;    cipus) 
Pansa  (Vibius)   17S 
Pansiana  53;  85;   T.  Pansianus 

85;    C.    Caesar.    Pans.    85; 

I  i.  1  Taudi   Pansi.  85 
Papirius    .  .  .    Secundinus     (Se- 

cundus?>   66 


Polybius  123  (cipus 
Popillianum    Milliarium   379 

Roma  276 
Rutinus    123 

Secundinus  80 

C.  Sempronius    Tuditanus    276 

M5EP.  LIC  127 

M    Serius   178 

Sr-ri    arte    178 

Solonas 

Taurisci  276 

Timavus   276;    ; 

Titius  68 

divus   Traianus  Parthicus   208 

imp.  Caesar  divi  Nervae  f.  Nerva 

Traianus  optimus  Aug.  1  ierm. 

Dacicus  pont.  max.  trib.  pot. 

XVI  imp.  VI  cos.  VI 

imp.  Caesar  divi  Nervae  f.  Nerva 
Traianus  optimus  Aug.  Germ. 
Dacicus  pont.  max.  trib.  pot. 

XVII  imp.  VI  cos.  VI  p.p. 7.? 
Trosia  Severa  79 

Vibianus  86 
vicarius  168 

Zosimus   81 


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