Skip to main content

Full text of "Jahreshefte des Vereins f©r vaterl©Þndische Naturkunde in W©rttemberg"

See other formats


^p.^ 


l^ibrarg  oi  tlje  P^nstum 


OF 


compahatiye  zoölogy, 

AT  HARYAPJ  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 
iFountreH  b^  prfbate  suöscrfption,  in  1861. 


DR.   L.  DE  KONINCK'S   LIBRARY. 
No.     //^. 


JAHRESHEFTE 


des 


Vereins  für  vaterländische  Naturkunde 


m 


WÜRTTEMBERG. 


Herausgegeben  von  dessen  Redactionscommission , 

Prof.  Dr.  H.  v.  IWolil  in  Tübingen;    Prof.  Dr.  Tl».  Plienin^er, 
Prof.  Dr.  F'eliling^,  Dr.  ^H^olfg^ang-  Menzel, 

Prof.  Dr.  Fercl.  Kraitss,  in  Stuttgart. 


NEUNTER  JAHRGANG. 

CMit  sieben  Steintafeln) 


STUTTGART. 
Verlag     von     Ebner     &     Seubert. 

^"1853. 


Gedruckt  bei  K.  Fr.  Hering  &  Comp. 


Inhalt. 


Seite 

I.  Angelegenheiten  des  Vereins. 

Bericht    von    der   siebenten  Generalversammlung    am    24.  Juni 

1852  zu  Tübingen.     Von  Cand.  A.  Günther 1 

Eröffnungsrede  des  zweiten  Vorstands,  Prof.  Dr.  v.  Rapp  1 

Rechenschaftsbericht  von  Prof.  Dr.  Krauss 2 

Rechnungsablegung  von  Apotheker  Weismann 22 

Wahl  der  Beamten   und  des  Versammlungsortes  für  1853     .     .  24 
Gedächtnissrede  auf  O.-A.-Arzt  Dr.  v.  Hart  mann.     Von  Prof. 

Dr.  Plieninger 25 

II.  Aufsätze  und  Vorträge. 

1)  Zoologie  und  Anatomie. 

Ueber  einige  Fische  des  Bodensees.     Von  Prof.  Dr.  v.  Rapp     .       33 
Uebcr  die  Cerebrospinalflüssigkeit.    Von  Prof.  Dr.  Luschka  .       38 
Nachtrag    zu    der   im    Isten  Hefte  des   7ten  Jahrgangs  der  na- 
turw.  Jahreshefte  p.  26  enthaltenen  Berichtigung  einer  An- 
gabe Cuvier's  über  einen  Narwhalschädel  des  Stuttgarter 
Naturaliencabinets,    an    welchem   zwei  Stosszähne   aus    der 
Zahnhöhle  hervorragen  sollen.     Von  Dr.  G.  Jäger    .     .     .       88 
Ueber     den    Puppenzustand     eines     Distoma.      Von    Candidat 

A.  Günther.     (Mit  Taf.  I.) 95 

Die    Fische    des    Neckars,      üntersuciit    und    beschrieben    von 

Dr.  Albert  Günther.    (Mit  Taf.  VI.) 225 

2)  Botanik. 

Ueber   Victoria  regia.     Von  Prof.  Dr.  H.  v.  Mohl        ....  60 

Apocynum   androsaemifolium   L.     Von  ParticuHer   Neubert     .  75 
Blühende  Pyrola   chlorantha   und    Salvia   sylvestris.     Vorgezeigt 

von  Apotheker  Oeffinger 75 

Blühende  Pedicularis  foliosa.    Vorgezeigt  von  Apothek.  Gm eli  n  75 

Iris  germanica  und  florentina.     Von  G.  v.  Martens      .     .     .  366 

3)  Mineralogie  und  Geognosie. 

Die  Bohnerze  des  Jura,  ihre  Beziehung  zur  Molasse  und  zu 
Gypsen  von  Paris,  Aix  und  Hohenhoewen.  Von  Bergrath 
Friedrich  v.  Alberti 76 

Der  Bergschlipf  von   Rathshausen.      Von   Pfarrverweser    Dr. 

O.  Fr  aas.     (Mit  einem  Holzschnitt.) 112 


Seite 

4)  Petrefacten  künde. 

Nachträge  zu  den  Fronstetter  Palaeotherien.  Von  Dr.  O.  Fraas  63 
Ueber  die  Fronstetter  Fo.ssilieii ,  über  Menschenzähne  und  über 

Stylolithen.  Von  Prof.  Qu  en  st  cd  t.  (Mit  Taf.  VII.) .  .  .  64 
Berichtigung    der    im    Isten  Hefte    des    8ten  Jahrgangs    dieser 

Zeitschrift    unter    Nr.    14    p     116  enthaltenen    Angabe   über 

Dinornis.     Von  Dr.  G.  Jäger        91 

Ueber     einige    fossile    Knochen    und    Zähne    des    Donauthals. 

Von  Dr.  G.  Jäger.  (Mit  Taf.  II.  u.  III.) 129 

Conchylien  der  Süsswasserkalkformation    Württembergs.     Von 

Dr.  V.  Klein.     (Mit  Taf.  V.) 203 

Ueber    einen    Schnaitheimer    Lepidotuskiefer.     Von    Prof.    Dr. 

Quenstedt.    (Mit  Taf.  VIT.) 361 

5)  Chemie,  Physik  und  Meteorologie, 

Ueber  Entdeckung    und  Vorkommen    des  Jods.     Von  Prof.  Dr. 

Sigwart 43 

Ueber  das  Wurstgift.     Von  Prof.  Dr.  Schlossberger      .     .       60 

Vergleichende  Untersuchung  des  Wasser-  und  Fettgehaltes  des 
Gehirns.     Von    den  Assistenten  J.  Hauff  und  R.  Walther     100 

Einiges  über  die  Zertrümmerungen  fester  Körper,  sowie  be- 
sonders über  die  Vermuthung  der  Astronomen,  dass  die 
Gruppe  der  kleinen  Planeten  die  Trümmerstücke  eines  ein- 
zigen seien.     Von  Schullehrer  Brenner  in  Tuttlingen    .     .     118 

Negative  artesische  Brunnen  (absorbirendc  Bohrbrunnen)  im 
Molassen-  und  Juragebirge,  zur  Ableitung  des  Wassers  aus 
den  Gräflich  von  Mal  de  g  h  em'schen  Lagerbiei kellern  in 
Stetten  ob  Lonthal.     Von  Dr.  B  r  u  ck  m  a  nn.    (MitTaf.IV.)     173 

III.     Kleinere  Miltheilungen. 

Eine    eigenthümliche    Erscheinung    von  Reproductionskraft    an 

einem  Samen-Kohlraben.  Von  Direktor  von  Seyffer  .  .  123 
Neuer  Standort  der  PotentUla  alba  L.  Von  Apotheker  Barth  124 
Analyse   des  Bopserbrunnen    bei  Stuttgart,    angestellt    im  Mai 

1850.     Mitgetheilt  von  Prof.  Dr.  Fehling l25 

Beiträge  zur  Fauna  Württembergs.  Von  Dr.  A.  Günther  .  224 
Ueber  den  Versuch  einer  Berechnung  der  Wassermengen  einiger 

württembergischen  Flüsse.     Von  Repetent  Zech     .     .     .     .     370 
Bücheranzeigen 126.     371 


I«  Augelegeulieiteu  des  Tereinis. 


Bericht  von  der  siebenten  Generalversammlung 
am  24.  Juni  1852  zu  Tübingen. 

Von  Cand.  A.   Günther. 

Durch  die  gefällige  Fürsorge  des  Geschäftsführers  und  zwei- 
ten Vorstandes,  Professor  Dr.  W.  v.  Rapp,  wurde  für  die  heu- 
tige Versammlung  wie  im  Jahr  1846  der  grosse  Saal  der  neuen 
Aula  eingeräumt,  in  welchem  sich  über  40  Vereinsmitglieder 
von  nah  und  fern  und  auch  viele  vom  Geschäftsführer  zu  den 
Verhandlungen  eingeladenen  Lehrer  und  Studirende  der  Universi- 
tät eingefunden  halten. 

In  dem  Saale  waren  mehrere  kunstvoll  zusammengesetzte 
Kieferslücke  von  Palaeotherium ,  Anoplotherium  und  Dinotherium 
aus  der  neuen  Fundstelle  bei  Frohnstetlen  von  Professor  Q  u  en- 
stedt  und  Dr.  Fraas,  ausgezeichnet  schöne  Ammoniten  meist 
mit  sehr  genau  ausgeführten  Lobenzeichnungen  aus  den  Schichten 
y  und  ö  des  schwarzen  Jura  von  Phil.  Stud.  Oppel  aus  Stutt- 
gart und  mehrere  schöne  Ammoniten  von  Notariats  -  Assistent 
El  wert  in  Oberlenningen  aufgestellt. 

Den  Tag  zuvor  und  am  Morgen  der  Versammlung  wurde 
den  Anwesenden  das  reiche  und  schöne  zoologische  und  zooto- 
mische  Kabinet ,  die  vorlreffiich  aufgestellte  Mineralien  -  und  Petre- 
facten  -  Sammlung  und  der  zum  Theil  neu  angelegte  botanische 
Garten,  in  welchem  eine  junge  Pflanze  der  Victoria  regia  besonde- 
res Interesse  erregte,  von  den  Vorstehern  dieser  Anstalten  mit 
grosser  Bereitwilligkeit  gezeigt,  und  des  Nachmittags  besichtigten 
mehrere  Mitglieder  die  weiten  Räume  der  Universität s  -  Bibliothek, 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  Is  Heft.  1 


—     2     -- 

in  welchen  die  Beamten  die  grösseren  naturhistorischen  und  medi- 
zinischen Werke  aufzulegen  die  Gefälligkeit  halten. 

Die  Versammlung  begann  um  9  Uhr  und  wurde  von  dem 
Geschäftsführer  und  zweiten  Vorstande,  Professor  Dr.  v.  Rapp, 
mit  folgenden  Worten  eröffnet  : 

Hoch  an  sehnliche  Versammlung. 

Es  sind  jetzt  sechs  Jahre ,  dass  unser  Verein  für  vaterländi- 
sche Naturkunde  hier  versammelt  war.  Damals  war  der  Verein 
noch  von  ganz  neuem  Bestände,  seit  dieser  Zeit  hat  er  sich  be- 
festigt, und  er  gedeiht  fortwährend.  Seine  literarische  Thätigkeit 
beurkundet  sich  durch  acht  Bände  seiner  Jahreshefte,  und  an  der 
Vermehrung  und  Verbesserung  der  naturhistorischen  Sammlung 
des  Vereins  in  Stuttgart  wird  eifrig  gearbeitet. 

Diejenigen  Mitglieder,  welche  seit  der  letzten  Versammlung 
nicht  mehr  hier  waren,  werden  durch  den  Besuch  der  nalur- 
wissenschafllichen  Anstalten  und  Sammlungen  der  Universität 
sich  überzeugen,  dass  ohne  Ausnahme  eine  rege  Thätigkeit  in 
denselben  geherrscht  hat. 

Der  Geschäftsführer  forderte  alsdann  die  Versammlung  auf, 
einen  V  0  r  s  it  z  e  n  d  en  für  die  heutige  Verhandlung  zu  wählen. 
Die  Versammlung  ersuchte  Professor  Dr.  v.  Kapp  durch  Accla- 
mation,  dieses  Amt  zu  übernehmen. 

Hierauf  trug  Professor  Dr.  Krauss  den  vom  Ausschuss  gut 
geheissenen 

Rechenscliaftsbericlit  für  das  Jalir  BSy 
vor.     Er   lautet: 

Der  Verein  hat  nunmekr  sein  siebentes  Jahr  zurückgelegt. 
Seine  Angelegenheiten  sind  wie  bisher  so  auch  im  vergangenen 
Jahre  in  ruhigem  und  gemessenem  Gange  vorwärtsgeschritten 
und  sein  Wirkungskreis  hat  an  Umfang  und  Bedeutung  zuge- 
nommen. 

Neben  der  Herausgabe  von  Jahresheften,  von  welchen  das 
erste  und  zweite  Heft  des  achten  Jahrgangs  in  den  Händen  der 
Mitglieder  sind  und  welchen  die  rückständigen  meteorologischen 
Hefte  der  drei  letzten  Jahrgänge  bald  nachfolgen  sollen,  hat  sich 
der  Verein  zu  Folge  eines  früher  gefassten  Beschlusses  zur  Auf- 
gabe gemacht,  eine  Sammlung  württembergischer  Naturprodukte 


—     3     -- 

aufzustellen,  und  es  ist  ihm  hiezu,  wie  Ihnen  aus  dem  Berichte 
der  ausserordentlichen  Generalversammlung  vom  August  1850 
bekannt  ist,  die  vaterländische  Sammlung  der  Centralstelle  für 
Landwirthschaft  zur  Verwaltung  und  Benülzung  übergeben  worden. 

Nach  den  Bestimmungen  des  Erlasses  der  Königl.  Central- 
stelle vom  26.  Oktober  1850  und  des  Statuts  für  die  Verwaltung 
der  vaterländischen  Sammlung  sollen  die  verdorbenen,  unbrauch- 
baren oder  sonst  werlhlosen  Gegenstände  dieses  schon  seit  vie- 
len Jahren  bestehenden  Cabinets  unter  der  Conirole  des  von  der 
Königl.  Centralstelle  aufgestellten  Commissärs ,  Herrn  Professor 
Dr.  Fleischer  in  Hohenheim,  ausgeschieden  werden,  und  es 
wurde  damit  bereits  im  vorigen  Jahr  der  Anfang  gemacht.  Um 
jedoch  ein  den  Zwecken  des  Vereins  entsprechendes  Institut  zu 
schaffen,  haben  die  fünf  Conservatoren  im  Sinne  der  §§.  1,  3, 
5  und  8  der  Vereinsstatuten  und  des  §.  11  des  Verwallungsstatuts 
einmüthig  den  Grundsalz  aufgestellt,  dass  die  Vereinssammlung 
nur  dann  etwas  Ausgezeichnetes  und  Vollständiges  zu  bieten  im 
Stande  sei,  wenn  sie  sich  auf  die  in  Württemberg  vorkommen- 
den Naturalien  beschränke  und  daher  alle  nichtwürltembergischen, 
so  wie  die  in  Württemberg  eingeführten  und  angebauten  Pflanzen 
und  die  gezähmten  Thiere  gänzlich  verbanne,  weil  erstere  in  die 
beiden  allgemeinen  Naturalien  -  Cabinette  zu  Stuttgart  und  Tübingen, 
letztere  in  die  Sammlungen  der  landwirthschaftlichen  Institute  und 
der  Thierarzneischule  gehören  und  daselbst  auch  vertreten  seien. 
Sie  haben  alsdann  in  Folge  einer  Anfrage  der  Königl.  Central- 
stelle vom  12.  December  1851  unter  dem  7.  Januar  1852  in 
dieser  Richtung  und  mit  Darlegung  ihrer  Gründe  eine  Erklärung 
an  den  Ausschuss  abgegeben,  und  der  Ausschuss  hat  in  der  am 
15.  Januar  abgehaltenen  Sitzung  beschlossen,  dass  er  mit  der 
Erklärung  der  Conservatoren  ihrem  ganzen  Inhalte  nach  einver- 
standen sei  und  dass  diese  mit  einem  Begleitungsschreiben  an 
die  Königl  Centralstelle  als  Antwort  auf  den  Erlass  vom  12.  Decem- 
ber 1851  eingegeben  werden  solle.  Der  hierauf  erhaltene  Erlass 
lautet,  wie  folgt : 

„Auf  die  verehrliche  Zuschrift  vom  15.  Januar  d.  J.  haben 
„wir  dem  verehrlichen  Ausschuss  zu  erwiedern,  dass  wir  nicht 
„gemeint  sein  können ,  dem  von  dem  Verein  für  Anlegung  eines 

1  * 


—    4    — 

„würltembergischen  naturhistorischen  Museums  angenommenen 
„Grundsatz,  wonach  nur  Naturalien  des  engern  Vaterlandes  in  die 
„jenseilige  Sammlung  aufgenommen  werden  wollen,  entgegenzu- 
„treten  und  dass  wir  daher  auch  Nichts  dagegen  zu  erinnern  finden, 
„wenn  aus  unserer,  dem  verehrlichen  Ausschuss  zur  Verwaltung 
„überlassenen  Sammlung  vaterländischer  Naturalien  hei  ihrer  Sich- 
„lung  alles  dasjenige  ausgeschieden  wird,  was  hienach  für  die 
„Vereinssammlung  als  nicht  geeignet  erscheint. 

„Wir  haben  demgemäss ,  im  Einklang  mit  unserer  an  den 
„jenseitigen  Ausschuss  gerichteten  Zuschrift  vom  26.  October  1850, 
„den  Herrn  Professor  Fleischer  heute  wiederholt  ermächtigt, 
„im  Verein  mit  den  Conservaloren  des  Vereins  darüber  definitiv 
„zu  erkennen,  was  aus  unserer  Sammlung  auszuscheiden  ist,  und 
„uns  nur  die  Verfügung  über  dasjenige,  was  hienach  ausgeschieden 
„werden  wird,  vorbehalten. 

„Indem  wir  den  verehrlichen  Ausschuss  hievon  zum  Behuf 
„der  Mittheilung  an  die  jenseitigen  Conservaloren  in  Kenntniss 
„setzen,  ersuchen  wir  denselben  zugleich,  darauf  gefälligst  hin- 
„zuvvirken ,  dass  das  Geschäft  der  Sichtung  und  Catalogisirung 
„der  fraglichen  Sammlung  bald  möglich  zu  Ende  geführt  wird. 
Womit  etc. 

Stuttgart,  den   2.  April  1852. 

S  autter." 

Die  Conservaloren  haben  mit  Eintritt  der  wärmeren  Witle- 
rung  ihre  Arbeiten  mit  erneuerter  Kraft  und  Lust  aufgenommen 
und  bereits  dem  Commissär  folgende  Gegenstände  übergeben, 
welche  der  Verfügung  der  Königl.  Cenlralstelle  gemäss  Iheils 
der  Sammlung  der  Akademie  in  Hohenheim,  theils  den  Acker- 
bauschulen des  Landes  einverleibt   worden  sind.     Nämlich : 

L  Aus  der  zoologischen  Sammlung  : 

a)  23  Arten  ausgestopfter  Säugethiere, 

b)  193  Arten  ausgestopfter  Vögel, 

c)  2  Arien  in  Weingeist  aufbewahrter  Fische. 
IL  Aus  der  botanischen  Sammlung: 

a)  ivleinere    Sammlungen      getrockneter     Pflanzen     und 
einige  andere  Gegenstände, 

b)  Zuckerproben , 


—     5     — 

c)  Sammlungen    getrockneter    Pflanzen    vom    Esslinger 
Reiseverein. 
III.  Aus  der  geognostisch-pelrefaktologischen  Sammlung  : 

a)  sämmtliche  ausländische  Mineralien , 

b)  sämmtliche  ausländische  Petrefakte  und  Gebirgsarten; 
was  sodann 

c)  die  überflüssigen  Petrefakte  und  Gebirgsarten  Würt- 
tembergs betrifft,  so  ist  mit  deren  Ausscheidung  be- 
reits begonnen  und  wird  zu  Ende  dieses  Sommers 
voraussichtlich  beendigt  werden. 

Dagegen  sind  aus  der  zoologischen  Sammlung  von  solchen 
württembergischen  Arten,  welche  nicht  leicht  zu  erwerben  sind, 
und  zwar: 

15  Arten  Säugethiere, 
22  Arten  Vögel, 
7  Arten    in  Weingeist    aufbewahrter   Reptilien    und 

ein  Kästchen  mit  ausgestopften  Reptilien, 
7  Arten  in   Weingeist  aufbewahrter  Fische  und  sechs 
Kästchen  mit   ausgestopften  Fischen, 
vorläufig  zurückbehalten  worden,  bis  sie  durch  gute  frische  Exem- 
plare ersetzt  werden  können. 

Ueberdiess  ist,  wie  aus  dem  schon  im  letzten  Bericht  mit- 
getheilten  und  dem  nachstehenden  Verzeichniss  zu  ersehen  ist, 
durch  die  freundliche  Mittheilung  von  Gönnern  des  Vereins  ein 
namhafter  Anfang  gemacht  worden.  Die  Conservatoren  können 
aber  nicht  unterlassen,  alle  Freunde  der  Natur  und  Jagdliebhaber, 
insbesondere  aber  die  Vereinsmitglieder  dringend  zu  bitten,  dass 
sie  keine  Gelegenheit  vorübergehen  lassen  möchten ,  seltene, 
interessante  und  ausgezeichnete  Naturprodukte  dem  Lande  zu 
erhallen,  da  sie  zu  ihrem  Bedauern  schon  öfters  vernehmen 
mussten,  dass  seltene  Gegenstände  entweder  in's  Ausland  abge- 
geben wurden  oder  gar  zu  Grunde  gegangen  sind. 

Wir  bitten  ferner  die  Mitglieder,  alle  württembergischen 
Naturalien,  welche  in  den  Verzeichnissen  der  Geschenke  und 
Erwerbungen  noch  nicht  angeführt  sind,  in  vollständigen  und 
schönen  Exemplaren  einzusenden.  Insbesondere  wären  uns,  in- 
dem wir  auf  die  Verzeichnisse  der  in  W^ürttemberg  vorkommenden 


—     6     - 

Wirbelthiere    (Jahreshefte,    I.,   II.  und  III.  Jahrgang)    hinweisen, 

für  die 

zoologische    Sammlung 

sehr  erwünscht : 

a)  von  Säugethieren  ein  Hirsch  mit  mindestens  zehn 
Enden,  eine  starke  Hirschkuh,  Dammwild,  Wolf,  Biber, 
Marder,  Wiesel,  Fischotter  und  die  selteneren  Nagethiere 
und  Fledermäuse  in  beiden  Geschlechtern  und  allen 
Altersstufen,  ferner  junge  wilde  Katzen  und  junge 
Dachse ; 

b)  von  Vögeln  die  selteneren  Raubvögel,  alle  Schilf- 
und  Rohrsänger,  Drosseln,  Strandläuferund  Schwimm- 
vögel in  beiden  Geschlechtern  und  allen  Altersstufen, 
insbesondere  im  Nestkleid,  mit  Nestern  und   Eiern; 

c)  von  Reptilien  Lacerta  muralis  und  L.  vivipara 
(crocea)  zur  Ermittlung  ihrer  Verbreitung,  Rana  fusca, 
Bufo  calamites  und  die  Entwicklungsstufen  der  Tritonen 
und  Salamander, 

d)  von  Fischen  alle  Arten  aus  der  Donau ,  Enz ,  Schüssen, 
Jaxt  und  Tauber,  die  grossen  Arten  in  5—7  Zoll 
langen  Exemplaren. 

Was  die  Mollusken,  welche  im  II.  Jahrgang  unserer 
Jahreshefte  vollständig  beschrieben  sind,  und  die  Insekten, 
so  wie  die  übrigen  wirbellosen  Thiere  betrifft,  so  sind  alle  Arten 
und  insbesondere  die  Süsswasser- Bewohner  in  schönen,  grossen 
und  vollständigen  Exemplaren  wünschenswerlh,  weil  der  betref- 
fende Conservalor  eine  ganz  neue  Sammlung  anzulegen  gedenkt. 

Für  die  botanische  Sammlung  werden  alle  in  Würt- 
temberg wild  wachsenden  Phanerogamen  und  Cryptogamen,  so 
wie  alle  Hölzer  nnd  Früchteformen  der  ersten  gewünscht,  von 
welchen  der  botanische  Conservator  ebenfalls  eine  ganz  neue 
Sammlung  aufzustellen  angefangen  hat,  indem  das  nach  dem 
Linne' sehen  System  geordnete /TerÄaWwm,  welches  die  Belege 
für  die  Flora  von  Württemberg  von  Schub  1er  und  v.  Mar  t  e  n s 
enthält  und  so  zu  sagen  die  Abbildungen  zu  derselben  vertritt, 
unverändert  aufbewahrt  werden  soll. 

Die  geognostisch-petrefaktologische  Sammlung 


ist,  wie  es  nach  den  Verhältnissen  des  Landes  nicht  anders  zu 
erwarten  ist,  am  reichsten  in  dem  zur  Verwaltung  übergebenen 
Cabinet  vertreten.  Dessenungeachtet  hat  sie  nach  dem  jetzigen 
Standpunkte  der  Wissenschaft  und  der  Art  zu  sammeln ,  nam- 
hafte Lücken,  und  es  werden  daher  die  Vereinsmitglieder  und 
alle  Freunde  dieser  Wissenschaft  ersucht,  zu  der  von  Ihrem 
Ausschusse  gestellten  schönen  Aufgabe,  eine  vollständige  gcea 
württembergica  zu  bearbeiten,  nach  Kräften  beizutragen.  Insbe- 
sondere wären  erwünscht: 

a)  Schichtenreihen  einzelner  Flötzformationen  in  Hand- 
stücken von  4  Zoll  Länge  und  3  Zoll  Breite  samml 
den  darin  vorkommenden  Petrefakten,  mit  genauer  An- 
gabe der  Schichten  ; 

b)  einzelne  schön  erhaltenen  Petrefakte  aus  allen  Forma- 
tionen,  besonders  aus  dem  Muschelkalk  und  Jura; 

c)  gute  Exemplare  von  Sauriern,  Fischen  und  Pflanzen 
aus  dem  Keuper  und  Jura. 

Wenn  die  Conservatoren  sich  erlaubt  haben,  die  Freunde 
der  Naturgeschichte  Württembergs  auf  die  Desiderate  der  Vereins- 
sammlung aufmerksam  zu  machen,  so  waren  sie  nicht  gemeint, 
dass  alle  werthvolleren  Gegenstände  ohne  irgend  eine  Vergütung 
in  die  Vereinssammlung  übergehen  sollen,  sondern  sie  wollen 
nur  bezwecken,  dass  solche  Naturprodukte,  wie  auch  in  §.3 
der  Vereinsstatuten  erwähnt  ist,  dem  engern  Vaterlande  erhalten 
werden.  Sie  wollen  aber  auch  nicht  dem  patriotischen  Sinne 
ihrer  beitragenden  Mitglieder  vorgreifen ,  deren  Namen  auf  die 
Etiquetten  aller  der  Vereinssammlung  gesche  nkten  württembergi- 
schen Naturprodukte  gesetzt    werden. 

Für  die  Vereinssammlung  sind  folgende   Naturalien  ein- 
gegangen : 

I.     S  ä   u  g  e  t  h  i  e  r  e. 

a)    Geschenke: 

Mus  decximanus  L.,  Männchen,  von  Stuttgart, 

Vespertilio  viurinus  L. ,    Männchen  und  Weibchen,    von    Friedrichshafen, 

von  Herrn  Director  v.  Seyffer; 

Vespertilio  discolor  Kühl,  Männchen,  aus  Stuttgart, 

von  Med,-Rath    Dr.   Heringj 


-    8    - 

Sorex  fodiens  Gm.,  Männchen,  von  Schussenried , 

von  Ajootheker  V  alet  in  Schussenried; 
Sorex  fodiens  Gm.,  Weibchen,  von  Weil, 

—  leucodon  Herrn.,  von  Stuttgart, 

Talpa  europaea  L.,  var.  flava,  Männchen,  von  Degcrloch, 

von  Herrn  Präparator  Ploucquet; 
Talpa  europaea  L. ,  3  —  4wöchige  Junge,   von  Hohenheim, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Fleischer  in  Hohenheim; 
Talpa  europaea   L. ,  altes  Männchen, 

—  —  var.  grisea  Männchen , 
Mus  musculus  L. ,  Weibchen, 

—    sylvaticus   L.,  Männchen  und  Weibchen,  alle  von  Stuttgart, 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Kraussj 

b)    gegen  Ersatz  der  Auslagen: 

Mustela  foina  L. ,  var.  alhoflava,  Weibchen,  von  Reutlingen, 
von  Herrn  Kaufmann  Adolf  Keller  in  Reutlingen; 

c)  durch  Kauf: 
Talpa  europaea  L.,  2  halbgewachsene  Junge  von  Klein -Hohenheim. 

H.    Vögel, 
a)  Geschenke; 

Numenius  arquatus  L, ,  altes  Weibchen,  bei  Ulm  im  Juni  1851  geschossen, 

von  Herrn  Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein; 
Alcedo  ispida  L.,  altes  Weibchen,  / 

Crex  pratensis  Rechst.,  altes  Weibchen,  (    ^^"  Ditzingen, 

von  Herrn  Hofbiichsenmacher  Roos,  jun. ; 
Falco  suhbuteo  L.,  junges  Männchen,  von  Markgröningen, 
von  Herrn  Studiosus  J  äg  er  in  Tübingen; 
Scolopax  rusticola  L.,  ein  2  Monate  altes  Männchen,  von  Echterdingen, 

von  Herrn  Posthalter  Baya  daselbst; 
Podiceps  minor  Lath.,  altes  Weibchen,  von  Cannstatt , 
Sijhia  Titkys  S  c  o  p. ,    einjähriges  Männchen  und  2  Nestvögel ,  von  Stuttgart, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss; 
Tetrao  tetrix  L. ,  ein  4  Monate  altes  Männchen  im  Uebergangskleid, 

von  Herrn  Revierförster  PI  och  mann  in  Kipfendorf  bei  Heidenheim; 
Telrao  Urogallus  L. ,  junges  Männchen,  von  Freudenstadt, 
von  Herrn    Job.  Rominger   in  Stuttgart; 
Anser  segetum  Gm.,  Männchen,  im  December  1851  bei  Bargau  geschossen, 

von  Herrn  Pfarrer  Neuber  in  Bargau; 
Turdus  merula  L.,  einjähriges  Männchen,  von  Stuttgart, 
von  Herrn  Med.  -  Rath   Dr.  Hering; 


-    9    - 

Fringilla  monlifring'dla  L.,  altes  Männchen,  von  Stuttgart, 
vom  Vereinsdiener   Ding  1er; 

Ardea  nycticorax   L. ,    sehr   schönes    altes  Weibchen,    im    Mai    1852    im 

Garten  des  Stifters ,  Herrn  Bierbrauer  D  e  e  g  in  llsfeld ,  geschossen  , 
Scolopax  gallinago  L. ,  2  Junge  im  Uebergangskleid, 
Fulica  atra  L. ,  5  eintägige  und  2  zehntägige  Junge  mit  dem  Nest, 
Anas  querquedula  L.,  2  eintägige  Junge,  sämmtlich  von  Schussenried , 
von  Herrn  Apotheker  V  a  1  e  t  daselbst ,  welcher  diese  äusserst  niedlichen 
und  selten  zu  erhaltenden  Vögel  der  2  letzten  Arten  ausbrüten  Hess; 

Ardex  minuta  L. ,  junges  Männchen,  von  Dürrmünz, 

von  Herrn  Apotheker  Lutz  in  Dürrmünz; 

Falco  Lagopus  Br.,  Männchen  und  Weibchen,  von  Ludvvigsburg , 

—  Tinnunculus  L.,    5  Stück,  alte,  junge  ausgewachsene  und  einjährige 
Vögel  in  beiden  Geschlechtern,  von  den  Fildern, 

—  subbiiteo    L.,    ein  altes  Paar    und  ein   junges  Weibchen,    von  den 
Fildern, 

—  nisus  L. ,    ein  altes  und  einjähriges  Paar  und  ein  altes  Paar  einer 
schönen  Varietät,  bei  Stuttgart, 

—  palumbarius  L. ,  altes  und  junges  Männchen  ,  von  Weilimdorf , 

—  apivorus    L.,    altes  Weibchen,    ein  altes  Paar    und    3  ausgewach- 
sene Vögel  von  Varietäten,  bei  Stuttgart, 

—  buteo  L,    altes  Männchen   und  Weibchen,    ein  Paar  dreiwöchiger 
und  ein  Paar  achtwöchiger  Junge,  bei  Stuttgart, 

—  cyaneus  L. ,  altes  Männchen  ,  von  Böblingen  , 

Strix  Ahico  L. ,  ein  altes  Paar  und  3  vierwöchige  Junge,  bei  Stuttgart, 

—  flammea   L.,     altes  Paar    und  eine  Varietät  eines  Männchens,    bei 
Stuttgart, 

—  brachyotus  Fors  t.,  altes  Paar,    von  Sindelfingen  und  Leonberg, 

—  passerina    Lath.,     (Str.   noctua  Retz^,     altes  Paar,  vom  Oberamt 
Cannstatt, 

Sylvia  ßavicapilla  L.  ,  (Regulus    Naum.),  altes  Weibchen, 

—  hypolais  L.,    altes  Männchen, 

—  fitis  Bechst. ,  ditto, 

—  sibilatrix   Bechst,,       ditto, 

—  phoenicurus  L.,  ditto, 

—  Tithys  Scop.,  sehr  altes  Männchen, 

—  atricapilla  Bris  s.,   altes  Männchen, 

—  luscinia  L. ,  altes  Männchen   und  Weibchen, 

—  iroglodytes   L.,  altes  Paar  mit  6  Jungen  im  Nest  , 

—  cinerea  Briss.,    altes    Männchen    und  Weibchen,    sämmtlich  von 
Stuttgart, 


—     10     — 

Sylvia  suecica  L.,  2  alte  ]V[ännc)ien  und  1  Weibchen  nebst  2  Varietäten, 
von  Mühlhausen, 

Parus  caudattis  L.,  Männchen  und  Weibchen,  mit  zehn  ein-  bis  dreitä- 
gigen Jungen  , 

—  coeruleus  L.,  altes  Männchen,  beide  von  Stuttgart, 
Cinclus  aquaticus  Briss. ,  Männchen  und  Weibchen  ,  von  Teinach, 

—  — -  zwei  Junge,  von  Plieningen, 

Turdus  musicus  L.,  Männchen  und  Weibchen,  von  Stuttgart, 

—  torquatus  L,,    altes  Männchen,  von  Schönaich, 

—  merula  h. ,    altes  Paar ,  junges  Männchen  und  Nest  mit  6  Eiern,  von 
Stuttgart, 

Muscicapa  atricapilla  L. ,  Männchen  und  Weibchen, 

—  albicollis  L.,  altes  Paar  und  junges  Weibchen, 

—  grisola  L.,  altes  Weibchen,   alle  bei  Stuttgart, 
Lanius  excubitor  L. ,  altes  und  junges  Paar, 

—  collurio  L.,  altes  Männchen,  beide  bei  Stuttgart, 

Corvus  corax  L. ,  altes  Männchen  und  Weibchen,  von  Oeffingen  und 
Degerloch , 

—  frugilegus  L. ,  altes  Männchen  , 

—  glandarius  L. ,  altes  Paar,  beide  bei  Stuttgart, 

Siurnus   vulgaris    L.  ,      Männchen     im    Sommer-    und    Winterkleid,     bei 

Stuttgart, 
Fringilla  spinus  L.,  altes  Weibchen, 

—  montifringilla  L. ,     altes  Männchen, 

—  serinus  L. ,  ditto, 

—  pyrrhula  L. ,  ditto, 

—  linaria  L. ,  altes  Männchen  und   Weibchen, 

—  carduelis  L.,      ditto, 

—  canabina  L. ,  ditto,  im  Winterkleid,  sämmtlich  bei  Stuttgart, 
Loxia  curvirostra  L. ,  altes  Paar,  von  Wildberg, 

—  coccothraustes  L. ,    junges   Männchen  und  Weibchen,  bei  Stuttgart, 
Einberiza   miliaris  L. ,  altes  Männchen,  von  Schmiden  , 

Picus  viridis  L.,  altes  und  junges   Paar, 

—  major  L. ,  ditto,         ditto, 

—  medius  L. ,  altes  Männchen, 

—  minor  L.,  altes   IMäunchen  und  Weibchen, 

—  canUfS  Gm.,   altes  Männchen,  sämmtlich  von  Stuttgart, 

Cuculus  canorus  L.,  altes  und  junges  Männchen,  ein  Gwöchiges  Männ- 
chen und  Weibchen,  bei  Stuttgart, 

Perdix  cinerea  L.,  junges  Männchen  und  altes  Weibchen  mit  14  Jun- 
gen, von  Echterdingen  , 

Vanellus  crislatus  Meyer,  ein  altes  Paar  mit  4  Jungen,  von  Böblingen, 


—   11    — 

Charadrius  phivialis  L.,  Männchen  und  Weibchen  ,  von  Degerloch, 

—  ini7ior  Meyer,  dessgleichen,  von   Cannstatt, 

—  morinellus  L.,  junges  Männchen,  bei  Ludwigsburg, 
Ciconia  alba  L.,  junges  Männchen,  bei  Hüheneek, 

Scolopax  gallinago  L.,  altes  Paar  und  2  Junge,  von   Blaubeuren, 

—  gallinula  L. ,      Männchen  und  Weibchen,  von  Obersulmetingen, 
Ralhis  aqnaticus  L.,  Männchen  und  Weibchen,  von  Untertürkheim, 
Gallinula  chlor  opus    Lath.,    altes  und   junges    ausgewachsenes  Weibchen 

und  2  Junge,   von  Böblingen, 
Fulica  atra  L.,    Männchen   und  Weibchen,  von  Bietigheim, 
Anas  acuta     L. ,     Männchen,     alt  und  im  Uebergangskleid ,     von    Mühl- 
hausen , 
Lanis  ridibundus    L. ,     altes   Männchen    und  junges  Weibchen    im  Ueber- 
gangskleid, von  Ulm  und  Mühlhausen  , 
Sterna  nigra     L,     Männchen,    alt   und  im  Uebergangskleid ,     von  Mühl- 
hausen , 
Podiceps     minor     Lath.,      altes     Männchen     und     junges     Paar,      von 
Besigheim. 

Alle    diese  Vögel    wurden    von  Herrn  Präparator    Ploucquet    ge- 
schenkt und  nur  das  Ausstopfen  berechnet. 

b)  Gegen  Ersatz  der  Auslagen: 
Tetrao  Telrix   L. ,    altes  Paar    und  6  schöne  Junge    in  allen  Altersstufen 
(ein  Tag  bis   12  Wochen  alt), 

von  Herrn  Albert  Beck  in  Heidenheim: 
Falco  Aesalon    L.,  altes  Weibchen,  von  Böblingen, 
—      milvus  L. ,  junges  Weibchen,  von  Ulm, 
Strix  Bubo  L.,  altes  Weibchen,  von  Sulz, 
Caprimulgus  europaeus  L. ,  altes  und  junges  Paar,   von  Rohr, 
Alcedo  ispida  L. ,  altes  Männchen  und  junges  Paar,  von  Waidenbuch, 
Upupa  epops  L. ,  altes  und  junges  Paar,  bei  Degerloch, 
Oriolus  galbula  L.,  altes  Paar  mit  4  Jungen,  von  den  Fildern, 
Bombicilla  garrula  L. ,  Männchen   und  Weibchen,  von   Crailsheim, 
Corvus  Caryocatactes  L.  ,  dessgleichen,   bf-i  Stuttgart, 
Picus  marlius  L. ,  altes  Paar,   von  Freudenstadt  und  Rohr, 
Columba  Palumbus  L. ,  Männchen   und  Weibchen,  bei  Stuttgart, 

—  Oenas  L. ,  dessgleichen, 

—  tiirtur  L. ,  altes  Paar  und  junges  Weibchen  ,  bei  Bietigheim  , 
Perdix  coturnix  L. ,  altes  Paar  mit  5  Jungen,  von  Möhringen, 
Tetrao   Urogallus  L. ,  altes  Männchen,  bei  Neuenbürg, 

—       honasia  L.,  Männchen,   von  Freudenstadt, 
Ardea  stellaris  L.,  altes  Männchen,  von  Neckarsulm, 
IWimenius    arquatus      L.,     altes    und    junges  Männchen,      von     Ulm    und 
Friedrichshafen 


-     12     — 

Limosa  melanura  Leisler,  altes  Männchen,  von  Böblingen, 

Scolopax  rusticola    L.,    altes  Weibchen,   junges  Paar  und  3  ganz  junge 

Vögel,  bei  Stuttgart, 
Totanus  ochropus  L.,  altes  Männchen,  bei  Däzingen , 
Rallus  porzana  L. ,  altes  Männchen,  bei  Stuttgart, 

Anas  leucophthahnos    Bechst.,    altes    Männchen,    bei  Friedrichshafen, 
~     crecca   L. ,    Männchen  im  Sonnner-  und  Weibchen  im  Winterkleid, 

bei  üntertiirkheim, 

—  querquedula  L.,  altes  Männchen  und  Varietät,  von  Blaubeuren, 

—  clypeata  L. ,  altes  Männchen   und  Weibchen,  von  Beihingen, 

—  strepera  L.,  altes  Männchen,  von  Bettenreuthe, 

—  ferina  L. ,  ditto,  von  Friedrichshafen, 

—  nigra  L.,  ditto,  von  Neckarweihingen, 

—  penelope  L.,  ditto,  von  Mundeisheim, 

Larus  canns  L.,  Männchen  im  üebergangskleid,  von  Böblingen, 

—  tridactylus  L.,  Männchen  von  Königsbronn, 
Colymbus  glacialis  L.,  einjähriges  Weibchen,  bei  Crailsheim, 

—  arcticus  L. ,  einjähriges  Männchen,    von  Friedriclishafen, 

—  septemtrionalis  L. ,     einjähriges  Männchen  und  Weibchen,  von 
Münster, 

Podiceps  subcristatus  Jacq.,  junges  Männchen,  von  Münster, 
Mergus     serrator     L.,        einjähriges     Männchen      und     Weibchen,      von 
Münster , 

von  Herrn  Präparator  Ploucquet,  der  sich  zugleich  bereit  erklärt  hat, 
etwa  dem  Verein  zum  Geschenke  überschickte  Stücke  der  hier  zuletzt 
verzeichneten  Arten  gegen  den  von  ihm  berechneten  Ersatzpreis  anzu- 
nehmen, für  den  Fall,  dass  diese  Art  in  dieser  Form  schon  in  der 
Sammlung  vorhanden  wäre. 

III.     Reptilien. 

a)  Geschenke: 
Lacerta  vivipara  Jacq., 

Vipera    berus    Daud.,     8  Stücke    in  allen  Altersstufen    aus  einem  Nest 
unter  Baumwurzeln,    in  welchem  bei  zwei  Ausgrabungen,    im  Herbst 
und  Frühjahr,  zusammen  40  Stücke  gefunden  wurden,  aus  dem  Ried, 
von  Herrn  Apotheker  Valet  in  Schussenried ; 
Coronella austriaca  Jacq.,  jung,  von  Widdern,  Oberamts  Neckarsulm, 

von  Herrn  Oberbaurath  v.  B  ü  h  1  e  r  •, 
Rana  temporaria  L.,  alt, 

—  viridis    Roesel,    alt,    mit  Eiern  und  Kaulquappen  in  allen  Ent- 
wicklungsstufen , 

Bombinator  igneus  M  e  r  r.  ,  alt,  mit  Eiern  und  Kaulquappen, 
Bufo  viridis  L  a  u  r.  ,  alt  und  jung, 

—  vulgaris   Laur. ,  ditto. 


—     13    — 

Salamandra  maculosa  L  a  u  r. ,  Männchen  und  Weibchen  , 
Triton  cristatus  L  a  u  r.  ,  ditto, 

—  taenialus  L  a  u  r.  ,  ditto, 

—  igneus  L  a  u  r,  (T.  alpeslris  B  e  c  h  s  t.) ,     ditto, 
Lacerta  stirpium  D  a  u  d, ,  ditto  und  Eier, 

Tropidonotus  Natrix  Kühl,   sehr  gross,   sämmtlich  bei  Stuttg;art , 
Lacerta  vivipara  J  a  c  q. ,  (L.  crocea  Wolf),  auf  dem  Hasenberg-, 
von  Herrn  Prof.  Dr.  K  r  a  u  s  s. 
IV.  Fisch  e. 
a)    Geschenke: 
Perca  fluviatilis  L. , 
Gadus  Lota  L. , 
Leuciscus  Dobida  Cuv., 
Abramis  Brama    Cuv., 
Salmo  lacustris  L. , 

—  salvelinus  L. , 

—  Thymalltis  L, , 

Coregonus  lavaretus  Cuv.  und  V  a  1. ,  sämmtlich  aus  dem  Bodensee, 
von  Herrn  Med.  -  Rath    Dr.  Hering, 
b)    Kauf: 
Perca  fluviatilis  L. , 
Barbus  fluviatilis  Cuv., 
Cyprinus  Carpio  L.  , 
Tinea  Chrysitis  A  g. , 
Leuciscus  Nasus  Cuv., 

—  erythrophthalmus  Cuv., 

—  cephalus  Cuv., 
Cyprinus  carassius  L.,  var. , 
Esox  lucius  L., 

Muraena  anguilla  L.,  sämmtlich  aus  dem  Neckar, 
Cyprinus  Gibelio  L.,  aus  dem  Vogelsang, 
Salmo  fario  L.,  aus  der  Erms  bei  Neckarthailfingen. 
V.     C  r  u  s  t  a  c  e  e  n. 
a)    Geschenke: 
Apus  eancriformis  Latr. ,  aus  einer  Pfütze  auf  der  Gänsheide, 
von  Herrn  Prof.   Dr.  Krauss. 
VI.     Mollusken. 
a)    Geschenke: 
27  Arten    Land-    und  Süsswasser- Conchylien,    aus   der    Umgegend 
von  Rottenburg, 

von  Herrn  Apotheker  G  ni  e  1  i  n  daselbst; 
5  Arten  Nacktschnecken  in  allen  Altersstufen  , 
von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 


—     14    — 

VII.    Helminthen    (D  i  e  s  i  n  g). 
a)    Geschenke: 
4  Arten  Eingeweidewürmer, 

von  Herrn  Med.  -  Rath  Dr.  Hering; 
1  Art  Eingeweidewurm  , 
4  Arten  Blutegel , 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 
VIII.     Versteinerungen. 
a)    Geschenke: 
22  Stücke    Belemniten    und    2  Ammoniten    aus    dem    schwarzen    und 
braunen  Jura  , 

von  Herrn  Med.  -  Cand.  Roman  aus  Heilbronn: 
17  Kapseln  mit  Zähnen    von  Palaeotherium,    Anoplolherium ,    Equus 
und  Bos  aus  den  Boiinerzen  von  Neuhauseu  bei  Tuttlingen, 
von  Herrn  Bergrath  Bilfinger  in  Stuttgart, 
b)    Gegen  Ersatz    der  Auslagen: 
30   Kapseln    verschiedener  Zähne    und    Knochen    von    Palaeotherium 
und   Anoplolherium  aus  den  Bohnerzen  vou  Frohnstetten  ^ 

von  Herrn  Pfarramts- Verweser  Dr.  Fr  aas  in  Lauffen. 
IX.  Pflanzen. 
(Zusammengestellt  von  G.  v.  M  a  r  t  e  n  s.  ) 
Von  Herrn  Forstverwalter  Troll  in  Buchau  101  meisterhaft  schön 
eingelegte  frische  Arten  aus  den  Umgebungen  des  Federnsees,  darunter 
Polyslichum  Thelypteris ,  unser  einziger  Sumpffarn,  mit  Früchten,  Equi- 
selum  variegatum,  die  schöne  Calamagroslis  stricta ,  Eriopkorian  gracile, 
vaginatum  uud  16  Riedgräser  vom  Seeried,  das  südliche  hohe  Cladium 
Mariscus  vom  Zellernsee ,  die  hochnordische  Betida  hum'dis  ,  die  alpine 
grüne  Erle,  der  Riesenampfer  (Rumex  maximus)  vom  Altshauser  Weiher, 
die  prächtige  Pedicularis  Sceptrum  Carolinum  vom  Federseeried,  Hiera~ 
dum  Jacquini  von  den  Alpfelsen ,  Arnoseris  foetida  von  Uttenweiier,  der 
Wasserschierling,  Saxifraga  Ahoon  von  den  Alpfelsen  und  Ilircuhis  vom 
Seeried,  das  Sand-  und  das  Sumpfveilchen  und  vier  freilich  nicht  L  i  n- 
ne'sche,  aber  doch  von  Koch  in  Deutschlands  Flora  aufgenommene, 
für  die  unsrige  neu  entdeckte  Arten,  Rhinanthus  alpinus  ß  anguslifolius 
Koch,  im  Wald  bei  Süssen,  Pyrola  media  Swartz,  auf  dem  Bussen, 
Valeriana  sambucifolia  Mikan,  und  Ranunculus  Petiveri  Koch,  beide 
im  Federseeried  gefunden. 

Von  Herrn  Oberamts -Richter  Fuchs  in  Mergentheira  eine  interes- 
sante Auswahl  der  seltensten  Alppflanzen  aus  der  Nähe  von  Ehingen 
und  einige  seltenere  Gewächse  des  Taubergebiets,  wie  Carex  humilis, 
Centaurea  phrygia  und  Seseli  biennis ,  zusammen  53  Arten. 

Von  Herrn  Dr.  Robert  Finckh  in  Urach  10  weitere  seltene  Alp- 
pflanzen. 


—     15     — 

Von  Herrn  Pharmaceuten  Rudolph  Ha  ist,  gegenwärtig  in  der 
Schweiz,  5  Arten. 

Von  einem  Ausfluge  in  unser  berühmtes  Wildbad  brachte  uns  Herr 
Professor  Dr.  Plieuinger  den  Trauben -Hollunder,  die  Früchte  der 
zweiblättrigen  Maiblume,  vier  Laubmoose  und  acht  Flechten, 

Herr  Apotheker  Valet  in  Schussenried  hatte  die  Gefälligkeit,  sei- 
nen früheren  Beiträgen  eine  weitere  Sendung  von  21  Arten  beizufügen, 
darunter  unsere  seltenste  Pflanze,  die  Wasseraloe,  die  voriges  Jahr  an 
den  Eisenbahndämmen  häufig  aufgetretene  Centaurea  solstilialis  L. ,  einen 
Sumpfpilz,   Geoglossum  glutinosuin  Pers.,  und  einige  Charen. 

Siebenundzwanzig  Alppflanzen,  meist  aus  der  Umgebung  von  Mün- 
singen, darunter  das  schöne  Sisymbriwn  strictissimwn,  der  gelbe  Enzian, 
das  seltene  Polemonium  coerulewn  und  sieben  Orchideen,  legte  Herr  Pro- 
fessor Dr.  Kurr  in  unserem  Herbar  als  Frucht  eines  Ausflugs  auf  der 
Alp  nieder.  • 

Herr  Stadtpfarrer  Werner  in  Waiblingen  beschenkte  uns  mit  vier 
Exemplaren  der  in  unseren  Heften  (VH,  2, ,  S.  207)  erwähnten  Osmundarega- 
lis,  es  sind  die  letzten  der  bei  seinem  Aufenthalt  in  Wildbad  gesammelten. 

Eine  Sammlung  von  59  Pflanzen  der  Gegend  von  Haigerloch,  welche 
uns  Herr  Apotheker  Fischer  daselbst  durch  Vermittlung  des  eifrigen 
Botanikers,  Herrn  Dr.  Finckh  in  Urach,  mittheilte,  fand  insofern  An- 
stand, als  sie  gegen  den  Grundsatz,  uns  streng  innerhalb  der  Grenzen 
Württembergs  zu  halten,  zu  Verstössen  schien;  der  Ausschuss  des  Vereins 
glaubte  jedoch  in  Betracht,  dass  diese  Pflanzen  nur  eine  Fortsetzung 
der  zum  grössten  Theile  unserem  vorgezeichneten  Gebiet  angehörenden 
Alpflor  bilden,  hier  eine  Ausnahme  machen  zu  können.  Diese  Pflanzen 
sind  auch  darum  merkwürdig,  weil  ihre  ungewöhnlich  üppige  Blattent- 
wicklung als  Beleg  dafür  dient,  dass  der  der  Fruchtbildung  so  ungün- 
stige nasse  Sommer  1851  dafür  der  Entwicklung  der  vegetativen  Organe 
um  so  günstiger  war:  auch  befinden  sich  darunter  Exemplare  der  Wiesen- 
kresse, Cardamine  pratensis  L. ,  mit  gefüllter  Blume,  welche  aufwiesen 
bei  Stetten  mitten  unter  den  einfachen,  aber  acht  bis  zwölf  Tage  später, 
blühten  und  in  uns  den  Wunsch  erregten  ,  auch  von  andern  Seiten  Nach- 
richten über  wildwachsende  Pflanzen  mit  gefüllten  Blumen  zu  erhalten  ; 
uns  kam  bisher  nur  Lychnis  Flos  Cuculi  gefüllt  vor. 

Im  August  1851  nahm  das  Wasser  des  Feuersees  bei  Bönnigheim  eine 
blutrothe  Farbe  an,  Herr  Apotheker  Volte  r  dasey)st  hatte  die  Güte, 
uns  eine  Flasche  dieses  in  Blut  verwandelten  Wassers  zu  bringen,  und 
das  Mikroskop  überzeugte  uns  bald,  dass  ein  kleines  Infusionsthierchen, 
Euglena  sanguinea  Ehrenberg,  durch  seine  ungeheure  Vermehrung  die 
Erscheinung  veranlasst  hatte,  diess  wäre  nun  eigentlich  ein  zoologischer 
Beitrag,  allein  nebenbei  enthielt  dieselbe  Flasche  auch  vier  Bewohner 
des  kleinen  Sees  aus  unserem  Pxeiche,  Spirogijra  nitida  und  decimina 
Link,  Lemna  minor  und  trisulca  L. 


—    16    - 

Herr  Hegel  maier.  Med.  stud.  in  Tübingen,  hatte  die  Ueber- 
raschung,  letzten  Herbst  in  den  Umgebungen  unserer  Musenstadt ,  wohl 
die  am  sorgfältigsten  durchforschten  des  Landes,  eine  neue  Pflanze  zu 
entdecken.  Es  ist  die  niedliche  Senebiera  didyma  Persoon,  sie  stand 
einzeln  am  Ufer  der  Ammer  bei  Lustnau,  dieses  macht  es  jedoch  wahr- 
scheinlich, dass  sie  von  dem  sonst  so  friedlichen  Bache  bei  der  voran- 
gegangenen Ueberschwenimung  aus  dem  botanischen  Garten  mitgenom- 
men worden  sei.  Aehnliche  Flüchtlinge  waren  wohl  auch  die  von  Koch 
(fl.  germ. ,  I,  80)  angegebene  an  der  Sternschanze  bei  Hamburg,  am  Ufer 
der  Elbe  bei  Altona,  und  bei  Bern,  wie  die  der  Flora  badensis  am  Holz- 
magazin bei  Carlsruhe,  da  die  Pflanze  zwar  sehr  weit  verbreitet  ist,  von 
Cornwall  bis  Toscana ,  von  Pensylvar '  ?n  bis  Buenos  -  Ayres ,  auf  St.  Helena 
und  in  Neuholland,  aber  sich  als  Strandpflanze  freiwillig  kaum  vom  Meere 
entfernen  wird. 

Herr  Rreisforstrath  Gwinner  theilte  neben  einigen  Schwarzwald- 
moorgewächsen sehr  interessante  Durchschnitte  von  Baumstämmen  als 
Anfang  einer  Holzsammlung  mit,  eine  Scheibe  von  Hex  Aquifolium  von 
der  Schönmünz  mit  etwa  36  Jahresringen:  diese  Ringe  sind  auf  einer 
Seite  sehr  dicht,  auf  der  andern  mehr  von  einander  entfernt,  ein  Anflug 
von  Lecanora  albella  und  Lecidea  prirasema  bezeugt,  dass  letztere  die 
Winterseite  sei.  Eine  Scheibe  der  Legforche  weist  ein  Alter  von  180  Jahren 
nach,  eine  andere  der  Weisstanne  ist  dadurch  merkwürdig,  dass  der  zuerst 
durch  überragende  Nachbarn  unterdrückte  Baum  sehr  enge  Ringe,  dann, 
von  diesen  befreit,  sehr  breite  ansetzte. 

Endlich  lieferte  G.  v.  Martens  67  Arten  ,  darunter  eine  Reihe  von 
Flechten  der  Buchenstämme,  welche  mit  dem  Brennholz  auf  den  Stutt- 
garter Holzmarkt  geführt  werden. 

Im  Ganzen  erhielt  das  im  Jahr  1850  mit  340  Arten  gegründete  Herbar 
1851  einen  Zuwachs  von  371  Arten  ,  wobei  jedoch  einige  mit  den  früheren 
zusammenfallen. 

Die  Vereinsbibliothek  hat  folgenden  Zuwachs  erhalten: 

a)  Durch  Geschenke: 

Abraham  Gagnebin  de  la  Ferriere  etc. ,  avec  un  appendice  geologique, 
par  J.  Thurmann.     Porrentruy  1851.     8". 
Von  dem  Verfasser. 
Monographie  der  Petrefacten  der  Aachener  Kreideformation,    von  Dr. 
J.  Müller,  Oberlehrer  am  Gymnasium  zu  Aachen.     H.  Abth.  mit 
4  Tafeln.     Bonn  1851.     4». 

Von  dem  Verfasser. 
Beiträge   zur  Lehre  von  dem  Keimen  der  Samen  der  Gewächse,    von 
Dr.  Fleischer,  Professor  zu  Hohenheim.     Stuttg.  1851.     8^. 
Von  dem  Verfasser. 


-     17    — 

Museum  botanicum  Lugduno -batavum,  sive  stirpium  exoticaruni  iiovarum 
vel  minus  cognitarum  ex  vivis  aut  siccis  brevis  expositio  et  descriptio, 
additis  figuris  scripsit  C.  L,  Blume.     8*^. 

Von  Herrn  Director  v.  Seyffer. 
Comite- Bericht  des  deutschen  Ansiedlungs  -  Vereins  in  Valdivia  in  Siid- 
chile,  herausgegeben  von  Buchhändler  Gas  t.     Stuttgart  1851.     8*^. 
Von  dem  Herausgeber. 
Giebel,  gaea  excursoria  germanica.  Deutschlands  Geologie,  Geognosie 
und   Palaeontologie,   mit  24  lithogr.  Tafeln.     Leipzig  1851.     8^. 
Von  Buchhändler  Abel  in  Leipzig  behufs  der  Erwähnung  dieser  Schrift 
in  unsern  Jahresheften, 
Die  Gehirnnerven  der  Saurier,    anatomisch  untersucht    von  Dr.  J.  G. 
Fischer,  ord.  Lehrer  an  der  tvealschule  des  Johanneums  in  Ham- 
burg, mit  3  Tafeln.     Hamburg  1852.     4". 
Amphibiorum    nudorum    neurologiae    specimen    primum    scripsit    J.  G. 
Fischer,   Dr.  phil.     Berolini  1843.     4".     (c.  3  tab.) 
Beide  Werke  von  dem  Verfasser. 
Neunter  Jahresbericht  der  Pollichia,  eines  naturwissenschaftlichen  Vereins 
der  bayerischen  Pfalz.     Neustadt  1851.     8^\ 

Von  Herrn  Dr.  Schultz  in  Dcidesheim. 

b)  Durch  Austausch  unserer  Jahres  hefte, 
als  Fortsetzung : 

Wiirttembergische    Jahrbücher,    herausgegeben    vom    topographischen 

Bureau.     Jahrgang  1845  —  1850.     Stuttgart.     8^. 
Bulletin  de  la  Societe  geologique  de  France.     Tome  VlH.     6.  Janvier  — 

19.  Mai,  Paris  1851.     8^. 
Jahrbuch  der  K.  K.  geologischen  Reichsanstalt.     L  Jahrgang,  N'^.  3.  4. 

Juli  —  Dec.  1850    und    H.  Jahrgang,    N«.   1.    Jan.  —  März  1851. 

Wien.     gr.  8^. 
Bulletin   de   l'Academie    royale    de   Belgique.      Tome  XVH.    2.   partie, 

Tome  XVm.  1.  partie.     Bruxelles  1850—1851.  8«. 
Annuaire  de  l'Academie  royale  de  Belgique.      Annee  XVH.     Bruxelles 

1851.     8«. 
Jahresbericht  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Halle.     HL  Jahr- 
gang 1850.     8«. 
Tijdschrift     voor    de     Wis  -    en      Natuurkundige    Wetenschappen    etc. 

IV.  Deel,    1—4.     Aflevering,  Amsterdam  1851.     8'^. 
Verhaandelingen  der  erste  Klasse    van  het  K.  Nederland.     Instituut  te 

Amsterdam.       HI.    Reeks,    IV.    Deel,     met    plaaten ,     Amsterdam 

1851.     40. 
Correspondenzblatt    des    naturhistorischeu    Vereins    der    preussischen 

Rheinlande  und    Westphalens.     2  Hefte.     1851.     N».  1— 4.     8». 
Württerab.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    Is  Heft.  2 


-    18    - 

Sechszehnter  Jahresbericht  des   Mannlieimer  Vereins    für   Naturkunde, 

vorgetragen  von  Dr.  C.  A.  Low.     Mannheim  1850.     8°. 
Achtundzwanzigster   Jahresbericht    der    Schlesischen    Gesellschaft    für 
vaterländische  Kultur.     Enthält  Arbeiten    und  Veränderungen  der 
Gesellschaft  im  Jahre   1850.     4^. 
Mittheilungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Zürich.    Heft  3  —  5. 

(N«.  27  —  65.)     1849  —  1851.     8". 
Memoires    de    la   Societe    royale    des  Sciences   de  Li^ge.      Tome   VII. 

Uhge   1851.     8». 
Abhandlungen  des  zoologisch -raineralogischen  Vereins  in  Regensburg. 

Zweites  Heft.     1852.     8". 
De  Koninck,  Description  des  ADiroanx  fossiles,  qui  se  trouvent  dans 
le  terrainc  carbonif^re  de  Belgique,  Supplement,  avec  5  planches, 
Li^ge   1851.     4«. 
De  Koninck,  Discours  sur  les  Progres  de  la  Paleontologie  en  Bel- 
gique.    (Extrait  du  tome  XVIII.  N*\  11.  12.  des  Bulletins  de  l'Acad. 
royale  de  Belgique.)     8^. 
c)  Durch  erst  in  diesem  Jahre  eingeleiteten  Tausch- 
verkehr: 
Correspondenzblatt    des  naturhistorischen  Vereins    zu  Riga,    red.    von 
Dr.  phil.  F.  A.  B  u  h  s  e  und  phil.  cand.  M.  R.  G  o  1 1  f  r  i  e  d  t.  IV.  Jahrg. 
1850—1851.     8°. 
Abhandlungen  der  naturhistorischen  Gesellschaft  zu  Nürnberg.     1.  Heft 

mit  3  Kupfertafeln.     Nürnberg   1852.     8". 
Bericht  über  die  Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in 

Basel  vom  August  1848  —  Juni  1850.     N^.  IX.     Basel  1851.     8«. 
Erster  Bericht  des  naturforschenden  Vereins  zu  Bamberg,   mit  2  Tafeln. 
Bamberg    1852.     4«. 

Die  meisten  der  in  diesem  und  in  früher  bekannt  gemachten 
Berichten  verzeichneten  Schriften  sind  gebunden  und  können, 
wie  bisher,  von  den  Mitgliedern  gegen  Uebersendung  einer  Quit- 
tung bei  dem  Berichterstatter  abgeholt  werden. 

Die  Vereinskasse  wurde  durch  die  Uebernahme  der  Sammlung 
der  König].  Centralstelle  und  die  Anlage  einer  neuen  Sammlung 
mehr  als  bisher  in  Anspruch  genommen,  so  dass  der  in  der 
ausserordentlichen  Generalversammlung  im  Jahr  1850  verwilligte 
Kredit  zur  Deckung  der  Kosten  für  zwei  Glaskästen,  für's  Aus- 
stopfen der  Säugelhiere  und  Vögel,  für  Materialien  u.  s.  w.  nicht 
einmal  hinreichte  und  daher  in  dieser  Versammlung  auf  die  Ver- 
willigung  eines  neuen  Kredits  der  Antrag  gestellt  werden  muss; 
auch  wird   wohl    für  die  nächsten  Jahre  ein  grösserer  Aufwand 


-    19    - 

nöthig  werden,  wenn  die  Sammlung  als  gemeinnützige  Anstalt 
so  gedeihen  soll,  dass  sie  die  Aufmerksamkeit  des  Publikums 
auf  sich  zieht,  und  sich  dadurch,  wie  wir  hoffen  dürfen,  die  Zahl 
der  Vereinsmitglieder  vergrössert. 

Nach  den  erfreulichen  Verhältnissen  unserer  Kasse  sind  wir 
jedoch  im  Stande,  solche  ausserordentlichen  Ausgaben  zu  be- 
streiten, wie  aus  dem  nachstehenden  Berichte  unseres  Kassiers 
zu  ersehen  ist. 

Von  Ihätigen  Vereinsmitgliedern ,  deren  Verlust  wir  im  ver- 
flossenen Jahre  zu  beklagen  hatten,  sind  anzuführen: 

Dr.  V.  Hart  mann,  früher  Oberamts- Arzt  in  Göppingen, 
der  sich  durch  sein  unermüdliches  Sammeln  vaterländischer  Petre- 
facte  nicht  allein  in  Württemberg,  sondern  auch  in  weitern  Kreisen 
ein  bleibendes  Verdienst  erworben  hat,  und  dem  die  vaterländi- 
sche Naturalien -Sammlung  viele  Petrefacte  verdankt. 

Gerichtsnotar  Weismann  in  Crailsheim,  welcher  sich  durch 
das  Einsammeln  der  Petrefacte  des  Muschelkalks  und  der  Letten- 
kohle um  die  meisten  Sammlungen  des  Inlandes  verdient  ge- 
macht hat,  und  jedem  Besucher  bereitwillig  von  Allem  mittheilte, 
was  er  vorrälhig  hatte. 

Dr.  V.  Laune  r,  früher  Oberamts- Arzt  in  Freudenstadt, 
welcher  sich  durch  fortgesetzte  Witterungs- Beobachtungen  ge- 
rechte Ansprüche  auf  unsern  Dank  erworben  hat. 

Hofrath  Mangold  in  Oehringen,  der  durch  seine  Bemühun- 
gen für  das  Gedeihen  einer  bessern  Weinkultur  ein  bleibendes  An- 
denken gestiftet  hat. 

Dr.  V.  Reu  SS  in  Stuttgart,  Kaiserl.  russ.  Staatsrath,  welcher 
trotz  seines  vorgeschrittenen  Alters  bis  in  seine  letzten  Lebens- 
tage immer  noch  reges  Interesse  für  unsere  Angelegenheiten  hatte. 

Dr.  Edmund  Schmid  aus  Untertürkheim,  welcher  sich  der 
Geognosie  und  Mineralogie  mit  unermüdlichem  Eifer  gewidmet  hat. 

Die  Rechte  einer  moralischen  Person  sind,  wie  Sie  aus  der 
im  zweiten  Heft  des  VIIL  Jahrgangs  ausführlich  mitgetheilten 
Verhandlung  gelesen  haben,  nun  dem  Verein  von  der  Königl.  Regie- 
rung des  Neckarkreises  am  17.  October  1851  ertheilt  worden. 

Die  Gründe,  welche  den  Ausschuss  zur  Verlegung  des  Tages 

2* 


-    20    — 

der  Generalversammlung  auf  den  24.  Juni  geleitel  haben,  sind 
schon  in  dem  Bericht  über  die  letzte  Generalversammlung  (VIII.  Jahr- 
gang, I.Heft,  p.  1.)  näher  beleuchtet,  allein  es  dürfte  doch  in  der 
heutigen  Versammlung  zur  Sprache  gebracht  werden,  ob  dieser 
Tag  nicht  auch  für  die  Zukunft  festgesetzt  werden  sollte. 

Der  Vereinskassier  Apotheker  Weis  mann  theilt  Folgendes 
über  den  Stand  der  Kasse  mit: 

Reclinuug-sableg-ung- 

bei  der  Generalversammlung  zu  Tübingen 

am  24.  Juni  1852. 
Ich  habe  die  Ehre,  der  hochverehrten  Versammlung  Bericht 
über   den   Stand    unserer   Vereinskasse   zu    erstatten,    und    zwar 
über  die  Rechnung  des  siebenten  Jahrgangs  ISfJ: 
Am  1.  Juli  1850  betrug  das  Vermögen 

a)  Capitalien fl.  3173.  15- 

b)  Ausstände 36t.  48. 

c)  Cassa-Vorrath 90.  49. 

fl.  3625.  52. 
Von  den  Ausständen    sind  im  Laufe  dieser  Periode   bezahlt 
worden: 

85  Actienbeiträge  mit fl.  229.  30. 

3  Aclien  in  Abgang  gerechnet      ...  8.     6. 

46  Actien    sind    abermalen   in   Ausstand 

geblieben 124.  12. 

Von    dem    Grundstock    wurden    an    Activ- 
Capitalien  heimbezahll.     ........  670.    — 

An  Capitalzinsen   wurden  eingenommen     .  162.  59. 

Im  vorigen  Jahr  war  die  Zahl  der  Mitglieder 

336  mit  355  Actien. 
Zuwachs  in  dieser  Periode         18 


373  Actien 
und  zwar  die  Herren 

Reallehrer  Boecklen  in  Bopfingen. 
Conservator  Ploucquel. 
Oberreallehrer  Blum. 
Med.  Dr.  Ho  e ring  in  Heilbronn. 


—     2t     — 

Bergrath  Bilfinger,  jun. 

Dr.  Buche  1er  in  Herisau. 

Forstrath  Hahn. 

Professor  Pistorius  in  Hohenheim. 

Reallehrer  Furcht. 

Generalmajor  v.  Troyff. 

Thierarzl  Fricker. 

Juwelier  Trinker. 

Professor  Müller. 

Topograph  Paulus. 

Hauptmann  v.  Dürrich. 

Assistent  Sick. 

Pfarrer  Römer  pr.   1850  und  51. 
Die  Aclienzahl  373  hat  sich  durch  Austritt  um  18  vermin- 
dert, es  sind  die  Ausgetretenen: 
Herr    Procurator    Abel. 
„       Kaufmann  Burzhan. 
„       Kreisbaurath  Duttenhofe r. 
„       Apotheker  Lech  1er. 
„       Secretair  Stahl. 
„       Bergrath  Degen  f. 
„       Pfarrer  Haagen  in  Ensingen. 
„       Apotheker  Winter  in  Tübingen. 
„       Chemiker  Engel  mann. 
„       Dr.  V.  Gärtner  in  Calw  "t*. 
„       Professor  Schumann  in  Esslingen. 
„  „  Rogg  in  Ehingen. 

„       Apotheker  Gramm  in  Niederstetten. 
„  „  Staib  in  Trogen. 

„  „  Schmidt  in  Stuttgart. 

„       Herrmann  Ebner. 

„       Revierförster  v.  Muschgay  in  Zwiefalten. 
„       Regiments -Arzt  Dr.  Kleiner  in  Ulm. 
Die  Zahl  der  Actien  ist  nun  355,    welche 

ä  n.  2.  42 fl.  958.  30. 

betragen;    davon   wurden    im  Laufe  der  Periode 

264  mit 712.  48. 


-    22    — 

bezahlt;  im  Ausstand  blieben  91 fl.  245.  42. 

Ausserordentliche  Einnahme  beträgt     ....  6.  12. 

Auf    den  Grundstock    wurden    in    diesem  Jahre 
hingeliehen    fl.  900.    fl.  400    in    vier   württemb. 

4J  0  Obligationen  angekauft  zu 394.    — 

und  Anlehen  an   Gebr.  Be  n  e  dict 500.    — 

Die  laufenden  Ausgaben  betragen : 

1)  für  Porto  etc fl.     10.   13. 

2)  „  Mobilien 141.  9. 

3)  „  Buchdruckerkosten      .     .  736.  43. 

4)  „  Heizung  etc 34.  16. 

5)  „  den  Aufwärter ....  28.  45. 

6)  „  Zinsrückvergütung     .     .  3.  41. 

7)  „  Capitalsteuer     ....  9.  48. 

fl.  964.  35T 

V  e  r  m  ö g e n s  -  N a c h w e i s u n g    des    Vereins 
•     auf  den  1.  Juli  1851. 
Am  1.  Juli  1850  war  der 

Activcapital  -  Bestand .     .     .     .     fl.  3173.   15. 
Hiezu  ausgeliehen       ....  894.    — 

fl.  4067.  15. 

Davon  Ablösungen         670.    

fl.3397.  15. 

Hiezu  die  Activausstände    ....  369.  54. 

den  Cassenbestand  ....  13.  43. 

Somit  Vermögensstand  am  1.  Juli  1851  .     .    fl.  3780.  52. 
Am  1.  Juli  1850  betrug  das  Vermögen : 

a)  an  Capitalien  .     .     .     fl.  3173.  15. 

b)  Ausstände  ....  361.  48. 

c)  Cassavorrath   ...  90.  49. 

fl.  3625.  52. 

Somit  Zunahme  ^55^    

Die  Revision  der  hier  zur  Einsicht  aufgelegten  Rechnung 
wurde,  wie  bisher,  von  unserem  verehrlichen  Mitgliede,  Herrn 
ßergraths- Revisor  Rom  ig,  besorgt. 

Durch    die    nun    gestattete    Nachnahme    der    Jahresbeiträge 


23 


tinrch  die  Post  wird  es  mir  möglich ,  den  Einzug  derselben  bei 
sämmtlichen  Mitgliedern  zugleich  vorzunehmen,  was  in  Zukunft 
je  mit  der  Ausgabe  des  ersten  Jahresheftes  geschehen  wird. 

Mit  den  geregelten  Einzahlungen  der  Jahresbeiträge  wird 
es  mir  in  Zukunft  möglich  gemacht,  in  der  Generalversammlung 
je  die  Rechnung  des  laufenden  Jahres  vorzulegen ,  wenn  der  jetzt 
gewählte  24.  Juni  fernerhin  beibehalten  werden  wird. 

Aus  der  Rechnung  des  laufenden  Jahres  kann  ich  der  ver- 
ehrlichen Versammlung  so  viel  mittheilen,  dass  ohnerachtet  der 
vermehrten  Ausgaben  für  die  Vereinssammlung,  für  welche  in 
der  letzten  Generalversammlung  fl.  500.  verwilligt  wurden ,  der 
Cassenbestand  sich  nicht  vermindert,  sondern  um  einige  hundert 
Gulden  vermehrt  hat,  so  dass  derselbe  fl.  4000.  erreichen  wird. 

Es  steht  desshalb  der  Bewilligung  einer  weiteren  Summe  für 
diese  Zwecke  nichts  im  Wege. 

Zusammenstellung  der  Rechnung  des  VII.  Jahres   1851. 
(am  30.  Juni.) 


Eianaliine. 

Zahl  der  Mitglieder  336  mit  355  Actien.     . 

Es  liaben  bezahlt  264  ä  fl.  2.  42 

Im  Ausstand  sind  geblieben  91 

fl. 

712 

245 

kr. 

48 
42 

fl. 

958 

162 

6 

229 

3396 

kr. 
30 

An  Zinsen  erhalten 

Ausserordentliche  Einnahme 

85  ältere  bezahlte  Actien 

Der  Cassa-Uebertrag-  vom  vorigen  Jahr  be- 
trägt mit  Einschluss  der  noch  im  Ausstand 
befindlichen  49  Actien 

— 

59 
12 

30 

22 

Ausgabe.                          Sun 

ime     .     .     . 

4753 

33 

SämmtUche  Ausgaben 

Im  Ausstand  sind 

IV.  Jahrg.     3  Actien  von  1848    .     .     . 

V.       „         7      „          „    1849    .     .     . 

VI.       „        36     „          ,,     1850    .     .     . 

VII.       „        91      „          „     1851     .     .     . 

137  Actien  ä  fl.  2.  42.  .     .     . 
In  Abgang  vrurdeu  3  Actien  gerechnet  .     . 
Baar  in  Cassa 

13 
3397 

43 
15 

964 

369 
8 

3410 

35 

54 
6 

Capitalbestand 

58 

Summe | 

4753 

33 

-     24    - 

Auf  den  Antrag  von  Prof.  Dr.  Kurr  wurde  von  der  Ver- 
sammlung dem  Ausschuss  aufs  Neue  ein  Credit  von  600  fl. 
zu  Bestreitung  derjenigen  Kosten  verwilligt,  welche  die  Auf- 
stellung und  Förderung  der  naturhist.  Sammlung  verursacht. 

Wahl   der    Beamten. 

Bei  der  nach  §.  13  der  Statuten  vorzunehmenden  Wahl  der 
Vorstände  trug  Prof.  Dr.  Kurr  darauf  an,  die  bisherigen  Vor- 
stände beizubehalten ,  was  einstimmig  angenommen  w  urde. 

Hierauf  wurde  zur  Wahl  derjenigen  Hälfte  des  Ausschusses 
geschritten ,  welche  nach  §.  5  und  12  der  Statuten  dieses  Mal 
auszutreten  hätte.  Es  wurden  jedoch  alle  Mitglieder  in  ihrem 
Amte  belassen,  mit  Ausnahme  von  Staatsrath  v.  Ludwig,  an 
dessen  Stelle  Ober  -  Med.  -  Rath  v.  Hardegg  gewählt  wurde. 

Der  Ausschuss  besteht  hienach  und  nach  einem  Beschlüsse 
des  Ausschusses  vom  30.  Juli  aus  folgenden  Mitgliedern : 

Gebliebene: 

Professor  Dr.  Fehlin  g  in  Stuttgart. 

General- Stabsarzt  V.  Klein  „  „ 

Professor  Dr.  K  r  a  u  s  s  „  „ 

Kanzleirath  v.  M  a  r  t  e  n  s  „  „ 

Professor  Dr.  Plienin  ger  „  „ 

Hofrath  Dr.  S  a  u  c  e  r  o  1 1  e  „  „ 

Graf  V.  Secken  dorf  „  „ 

Apotheker  W  e  i  s  m  a  n  n  „  „ 

Neugewählte: 

Professor  Fleischer  in  Hohenheim. 
„  Chr.  Gmelin  in  Tübingen. 

Ober -Med. -Rath  Dr.  v.  Hardegg  in  Stuttgart. 
Professor  Hochstetter  in  Esslingen. 
Ober -Med. -Rath  Dr.  v.  Jäger  in  Stuttgart. 

Professor  Dr.  Kurr  „         „ 

Ober-Forstrath  Graf  v.  Mandel  s  loh   „ 
Director  v.  Seyffer  „         „ 


—    25     - 

Ergänzungsmitglieder: 
Finanzrath  Eser  in  Stultgart. 

Inspector  V.  Fleischmann      „         „ 
Med.-Rath  Dr.  Hering  „         „ 

Handelsvortand  Reiniger        „         „ 

Secretaire: 
General -Stabsarzt  Dr.  v.  Klein  in  Stuttgart. 
Professor  Dr.  Kraiiss  „         „ 

Kassier: 
Apotheker  Weis  mann. 

Der  Vorsitzende  erneuerte  den  schon  früher  (Jahreshefte, 
VI.  Jahrg.  pag.  151)  von  Dr.  Finckh  gestellten  Antrag,  Zeit 
und  Ort  der  Generalversammlung  zu  ändern,  und  schlug  statt 
des  1.  Mai's  den  24.  Juni  (Johannisfeiertag)  vor.  Da  sich  ferner 
auch  die  Bestimmung  des  §.  19  der  Statuten,  die  Versammlun- 
gen abwechslungsweise  in  den  Kreisstädten  zu  halten,  als  un- 
praktisch bewiesen  hatte,  so  schlug  er  für  den  Ort  der  nächsten 
Generalversammlung  Stultgart  vor  und  trug  darauf  an,  die 
Wahl  eines  Geschäftsführers  für  diese  Stadt  dem  Ausschuss  zu 
überlassen.  Alle  diese  Anträge  wurden  von  der  Versammlung 
ohne  Widerspruch  angenommen. 

Vorträg-e» 

1)  Cand.  A.  Günther  verlas  folgenden  von  Prof.  Dr.  Plie- 
ninger  eingesendeten  Nekrolog  des  verstorbenen  Oberamts- 
Arzles  Dr.  v.  Hart  mann  in  Göppingen.  (Vorgetragen  den 
11.  Februar  1852  bei  dem  Feste  der  ehemaligen  Zöglinge  der 
Carls -Akademie.) 

Der  Verein  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg 
hat  es  sich  zur  Pflicht  gemacht,  den  Mitgliedern,  welche  sich 
um  die  Wissenschaft  überhaupt  und  um  die  wissenschaftliche 
Erforschung  unseres  Vaterlandes  insbesondere  Verdienste  erworben 
haben,  nach  ihrem  Abtreten  von  dem  Schauplatze  ihrer  Wirksam- 
keit ein  ehrendes  Denkmal  in  den  „Jahresheften"  seiner  Vereins- 
thätigkeit  zu  setzen. 


-     26     — 

Dr.  Ernst  Gustav  Friedrich  v.Hartmann,  früher  Oberamts- 
Arzt  zu  Göppingen,  gehört  unzweifelhaft  unter  die  Zahl  derer, 
welche  ein  solch  ehrendes  Denkmal  verdienen,  und  es  sei  mir 
erlaubt,  an  dem  heutigen  Tage  den  gedrängteren  Abriss  seiner 
Leistungen  in  dem  Kreise  seiner  Jugendgenossen  vorzutragen, 
da  mir  als  langjährigem  Freunde  und  Fachgenossen  des  Verewig- 
ten mit  der  Zustimmung  seiner  Verwandten  zugleich  die  näheren 
Angaben  seiner  Lebens-Verhältnisse  zu  Theil  wurden. 

Wenn  das  Verdienst  der  Förderer  irgend  eines  Faches  oder 
Zweiges  der  Wissenschaft  zweierlei  Richtungen  hat,  einmal,  das 
Material  beizubringen,  und  dann,  dasselbe  wissenschaftlich  zu 
verarbeiten,  so  bewegte  sich  Hart  mann 's  Verdienst  zunächst 
in  der  erstgenannten  Richtung,  Fassen  wir  es  in  wenigen  Worten 
zusammen,  so  bestand  sein  hohes  Verdienst  um  die  vaterländi- 
sche Naturkunde  in  einem  seltenen  Eifer  und  noch  selteneren 
Geschick,  das  Material  für  das  von  ihm  mit  Vorliebe  erwählte 
Feld  der  Wissenschaft,  die  P  etre  f  a  kten-Kunde,  zu  sammeln 
und  seine  reichen  Schätze  mit  der  ihm  eigenen  Liberalität  den 
ordnenden  und  verarbeitenden  Collegen  aufzuschliessen.  Er  ver- 
stand es,  den  Schauplatz  seiner  Berufsthätigkeit,  den  vor  andern 
Gegenden  des  Landes  an  Fundgruben  für  die  Versteinerungs- 
kunde reichen  Oberamts-Bezirk  Göppingen  und  die  angrenzenden 
Gebiete,  auf's  Emsigste  zu  durchforschen  und  auszubeuten,  und 
mehr  als  einmal  setzte  er  die  Collegen  in  Verwunderung,  wenn 
wenige  Wochen  oder  Monate,  nachdem  er  seine  Vorräthe  in  andere 
Hände  übergeben  hatte,  ein  beinahe  eben  so  reicher  Schatz  wieder 
in  den  weiten  unteren  Räumen  seines  Hauses  aufgestellt,  die 
Collegen  zur  Durchmusterung  einlud. 

Hiezu  lieferten  vorzugsweise  die  Schichten  der  jurassischen 
Bildungen  ihr  Contingent ,  die,  am  Fuss  und  Abhang  der  schwäbi- 
schen Alp  durch  natürliche  Ursachen  aufgeschlossen,  oder,  wie 
die  Schiefer  des  Lias  zu  Boll  und  Ohmden,  von  Menschenhänden 
ausgebeutet,  ihre  organischen  Reste  dem  Sammler  darbieten, 
und  H.  war  unter  den  Ersten  in  Württemberg,  welche  diese  Ge- 
legenheit benützten.  Die  auch  historisch  so  merkwürdigen  Vor- 
posten der  Alp,  der  Hohenstaufen  und  Rechberg,  der  als  Index 
der  Schichtenfolgen  des  schwäbischen  Jura  vorgeschobene  Sluifen, 


—     27     -- 

die  ergiebigen  Fundorte  Gamelshausen,  Heiningen,  Zell,  Boll, 
Ohniden,  das  Teufelsloch,  Steinheim  u.  a.  0.  verdanken  zunächst 
seinen  forscherischen  Bemühungen  ihr  Bekanntwerden.  Ohne 
Zweifel  fing  er  schon  frühe  an  zu  sammeln,  ebensowohl  veran- 
lasst durch  die  sich  ihm  wie  von  selbst  darbietende  Gelegenheit, 
wie  angetrieben  durch  die  Anregung,  welche  die  Carls- Akademie 
zu  Cultivirung  der  Naturwissenschaften  als  der  sichersten  Grund- 
lage, durch  Anwendung  ihrer  Wahrheiten ,  für  die  Praxis  der  Heil- 
kunde, wie  der  Landwirthschaft  und  der  Industrie,  —  im  Gegen- 
satze zu  dem  Scholasticismus  der  früheren  Zeiten  —  auch  in 
unserem  engeren  Vaterlande  gegeben  hatte;  und  die  Saaten  eines 
Kielmeyer  trugen  auch  bei  Hartmann  diese  schöne  Frucht. 

Schon  im  Jahr  1823  konnte  H.  eine  reiche  Sammlung  Petre- 
facte  seiner  Gegend  an  das  „Cabinet  vaterländischer  Naturproducte" 
abgeben,  dessen  Anlegung,  den  organischen  Bestimmungen  des  im 
Jahr  1818  von  Sr.  Maj.  dem  Könige  gegründeten  landwirth- 
schaftlichen  Vereins  gemäss,  sein  ältester  Bruder,  Job.  Georg 
August  V.  Hart  mann,  Präsident  der  Königl.  „Centralsteüe  des 
landwirthschaftlichen  Vereins",  sich  als  Sachkenner  und  warmer 
Förderer  der  vaterländischen  Interessen  sehr  angelegen  sein  Hess. 
Diese  Sammlung  Hart  mann 's  bildete  ebensowohl  die  erste 
Grundlage  zu  dem  geognostisch  -  petrefaktologischen  Theil  gedach- 
ten Cabinets,  wie  das  Hauptmaterial  für  die  „Uebersicht  der  Ver- 
steinerungen Württembergs  nach  dem  gegenwärtigen  Stand- 
punkte der  Petrefakten- Kunde,  Stuttgart  1824,"  welche  der  nach- 
malige Finanzkammer-Secretair  Stahl,  später  ein  gleich  eifriger 
Sammler,  im  „Correspondenzblatt  des  landwirthschaftlichen  Vereins" 
von  demselben  Jahr,  bekannt  gemacht  hat. 

Kaum  waren  die  überraschenden  Entdeckungen  eines  ganz 
neuen  Geschlechts  vorweltlicher  Wasserbewohner,  jener  merk- 
würdigen ,  „Fischeidechse"  CIchthyosaurusJ  genannten  Arten  kolos- 
saler, die  Hauptcharaktere  der  Fische  und  der  Echsen  in  sich 
vereinigenden  Geschöpfe  von  England  her  bekannt  und  von  C  u  v  i  e  r 
(in  seinen  Ossemens  fossiles)  näher  bestimmt  worden,  so  fand  sie 
Hart  mann  auch  in  den  Schiefern  von  Boll  und  Ohmden  auf 
und  lieferte  somit  ein  bedeutendes  Material  zu  der  von  Ober- 
Med. -Ralh  v.  Jäger  im  Jahr  1828  publicirten  Schrift;    „lieber 


—    28    - 

die  fossilen  Reptilien  Württembergs",  nachdem  Letzterer  vier 
Jahre  zuvor  die  aus  früheren  Zeiten  herrührenden ,  in  einer  allen 
Sammlung  des  Königl.  Gymnasiums  zu  Stuttgart  vorgefundenen 
Repräsentanten  jener  vorweltlichen  Thierformen  in  seiner  Schrift: 
j,De  Ichthyosauri  sive  Proteosauri  speciminibus  in  agro  bollensi  de- 
tectis^^ ,  bekannt  gemacht  hatte. 

Ein  sehr  grosser  Theil  des  Materials  zu  dem  Prachtwerke 
unseres  im  Jahr  1846  verstorbenen  Mitgliedes,  Major  v.  Zielen: 
„Die  Versteinerungen  Württembergs,  1832",  rührte  aus  der  Samm- 
lung Hart  mann 's  her. 

Die  Inauguraldissertation  seines  Sohnes,  Dr.  Friedr.  Harl- 
mann,  derzeit  Oberamts- Arzt  in  Sulz,  „systematische  Uebersicht 
der  Versteinerungen  Württembergs  mit  vorzüglicher  Rücksicht  der 
in  der  Umgebung  Bolls  sich  findenden,  Tübingen  1830",  verdankt 
ihre  Entstehung  der  Anregung  des  Vaters  und  ihre  umsichtige 
Bearbeitung  dem  Reichthum  seiner  Sammlungen. 

Mit  welcher  Liberalität  H.  von  seinen  Schätzen  Andern  mit- 
theilte, wird  eine  Menge  Fachgenossen  im  In  -  und  Auslande  be- 
zeugen können,  und  die  ersten  Männer  der  Wissenschaft  standen 
mit  ihm  in  Correspondenz  und  sucTiten  Aufschlüsse  und  Belege 
bei  dem  so  sehr  an  den  Quellen  wohnenden  Forscher. 

So  wurde  H.  nach  und  nach  nicht  blos  mit  seinen  Samm- 
lungen, sondern  auch  mit  seinen  Erfahrungen  eine  Fundgrube 
für  die  wissenschaftlichen  Bearbeiter  der  Petrefakten- Kunde ,  und 
von  nah  und  fern  bemühte  man  sich,  aus  derselben  zu  schöpfen. 
Schon  in  früheren  Zeiten  wurden  ihm  seine  damaligen  Vorräthe 
an  fossilen  Fischen,  die  nachmals  ein  namhaftes  Material  für  die 
Bearbeitung  der  Poissons  fossiles  durch  Agassiz  lieferten,  von 
dem  Earl  of  Enniskillen  feil  gemacht  und  wanderten  nach  England. 
Im  Jahr  1840  wurde  seine  ganze  damalige  Petrefakten -Sammlung 
durch  Prof.  van  Breda  für  die  Universität  Leyden  angekauft, 
wo  sie  abgesondert  unter  dem  Namen  „Cabinet  Hart  mann" 
aufgestellt  wurde.  Das  öffentliche  Naturalien  -  Cabinet  zu  Stuttgart 
brachte  einige  Jahre  später  eine  grosse  Zahl  der  schönsten  Saurier- 
und  Encrinitenplalten  an  sich,  welche  H.  meisterhaft  aus  der  um- 
hüllenden Gebirgsarl  heraus  zu  präpariren  wusste.  Im  Jahr  1847 
wurde  eine  neue  Petrefakten -Sammlung  von  ihm  an  das  Cabinet 


—    29    — 

der  Universität  Tübingen  abgegeben.  Aber  auch  für  gemein- 
nützige Zwecke  öffnete  H.  seine  Schätze  mit  uneigennütziger 
Liberalität,  wie  er  denn  im  Jahr  1844  die  Realschule  zu  Göp- 
pingen mit  einer  Pelrefakten  -  Sammlung  für  den  Unterricht  aus- 
stattete, wofür  ihm  der  Dank  der  Behörden  zu  Theil  wurde. 
Den  von  ihm  entdeckten,  von  H.  v.  Mayer  Eryon  Hartmanni 
benannten  fossilen  Krebs  verbreitete  er  unter  seinen  Freunden  in 
Gipsabgüssen  und  ein  seltenes  Exemplar  des  Ammonites  triplex 
mit  vollständig  erhaltener  MundöfTnung,  aus  welcher  ihm  der  Ueber- 
rest  der  Form  des  Thiers  hervorzugehen  schien ,  in  Steindruck. 
Wie  sehr  er  vom  Eifer  des  Sammeins  auch  noch  in  seinem  spä- 
teren Alter  beseelt  war,  davon  zeugt  noch  ein  bedeutender  Nach- 
lass  an  Sauriern,  Fischen,  Sepien,  Belemniten,  Pentacriniten  und 
Schalthieren. 

Als  Arzt  wirkte  er  mit  gleicher  Unverdrossenheit  und  wusste 
ebenso  durch  schnellen  und  sichern  Blick  in  Erkennung  der  Krank- 
heiten, wie  durch  die  nie  getrübte  Heiterkeit  seines  Geistes  und 
seinen  gesunden,  natürlichen,  nirgends  verletzenden  Humor,  der 
ihn  zugleich  zum  angenehmsten  Gesellschafter  machte,  wohlthätig 
und  aufrichtend  auf  seine  Patienten  einzuwirken.  Daher  genoss 
er  weit  und  breit  das  schönste  Vertrauen  in  allen  Schichten  der 
Gesellschaft,  er  war  gleich  geliebt  und  geschätzt  als  Arzt  und 
als  Freund  bei  den  in  seiner  Nachbarschaft  ansässigen  adeligen 
Familien,  wie  bei  den  Familien  der  Bürger  seines  Wohnorts 
und  in  der  Hütte  des  Landmannes,  und  wurde  oft  in  grosse 
Entfernungen  als  berathender  Arzt  gerufen ,  oder  wurden  ihm 
Kranke  aus  solchen  zugeführt.  Mit  einer  Uneigennützigkeit,  die 
ihn  oft  die  verschriebenen  Arzneien  selbst  bezahlen  hiess,  unter- 
zog er  sich  der  Armenpraxis,  und  eine  aufopfernde  Widmung  in 
seinem  Beruf  bewies  er  vornehmlich  in  der  ihm  zugetheilten 
Aufgabe  als  Vorstand  der  französischen  und  russischen  Militär- 
Spitäler,  welche  in  den  Kriegsläufen  der  französischen  Eroberungs- 
zeit in  dem  an  der  Heerstrasse  den  Truppenmärschen  vorzugs- 
weise ausgesetzten  Göppingen  errichtet  wurden.  Er  wurde  zuletzt 
selbst  von  dem  Typhus  seiner  Kranken  erfasst,  und  nur  die  auf- 
opfernde Sorge  seiner  beiden  Freunde  und  Jugendgenossen, 
Hopfengärtner  und  Carl  Jäger,    welche  ihm  auf  unmitlel- 


-     30     - 

baren  Befehl  des  Königes  Friede  rieh  zugesendet  wurden,  ret- 
tete sein  Leben.  Er  war  ein  Meister  in  richtiger  Beurlheilung 
des  Pulses,  was  er  seinem  angebornen  musikalischen  Rhythmus 
zu  verdanken  glaubte,  und  ein  tüchtiger  Diagnostiker  und  Prognosti- 
ker, und  wusste  ebensogut  acute  Krankheiten  schnell  und  richtig 
zu  beurtheilen,  wie  er  besonders  auch  in  der  Heilung  chronischer, 
tiefsitzender  Leiden  eine  grosse  Gewandtheit  hatte.  Ein  Heil- 
mittel, das  er  häufig  gebrauchte,  ist  die  Electricität,  die  er  mit 
vieler  Sachkenntniss  und  grossen  Erfolgen  gegen  verschiedenar- 
tige Krankheiten  anzuwenden  verstand  ,  und  er  äusserte  öfters, 
wie  es  ihm  unbegreiflich  sei,  dass  die  Electricität,  eines  der  gröss- 
ten  Heilmittel  gegen  manche  Krankheiten,  so  selten  angewendet 
werde,  und  von  Aerzten  gar  nicht  gekannt  sei.  Die  drei  Cardi- 
nalmittel  der  Heilkunst,  den  Aderlass,  das  Brechmittel  und  das 
Opium,  wusste  er  als  glücklicher  Diagnostiker  zur  rechten  Zeit 
anzuwenden,  und  verstand  die  Kunst,  bei  vielen  Krankheiten  gar 
nichts  zu  verschreiben,  und  die  Natur  wirken  zu  lassen;  wenn 
er  aber  verschrieb,  so  waren  es  immer  kräftig  wirkende  Arzneien; 
namentlich  war  er  auch  ein  Anhänger  des  alten  Satzes:  „Qui 
bene  laxat ,  bene  curat,''  und  verschrieb  häufig  abführende  Mittel. 

Den  Bädern  seines  Bezirks  widmete  er  seine  besondere 
Aufmerksamkeit,  namentlich  dem  schon  seit  Bau  hin 's  Zeiten 
berühmten  Boll ,  und  viele  Kurgäste  erfreueten  sich  in  einer  lan- 
gen Reihe  von  Jahren  seines  fast  täglichen  Umganges  und  Bei- 
ralhes.  Es  war  ihm  eine  wichtige  Angelegenheit,  dieses  heil- 
kräftige Bad  von  der  schon  im  Jahr  1817  beabsichtigten  Ver- 
äusserung  durch  gutachtliche  Gegenvorstellungen  höheren  und 
höchsten  Orts  zu  retten.  Auch  der  Emporbringung  und  Verbes- 
serung des  Bades  und  Gesundbrunnens  Dizenbach  widmete  er 
seine  regste  Sorgfalt. 

Hartmann  war  der  dritte  Sohn  des  im  Jahr  1811  ver- 
storbenen württembergischen  Hofdomainenraths  Johann  Georg 
Hartman  n,  dessen  Vater,  Georg  Hartmann,  geb.  zu  Plie- 
ningen,  Gestütsmeister  zu  Offenhausen  und  Marbach,  ein  Sohn 
des  Stammvaters  der  hochgeachteten  Har  l  m  an n' sehen  Familie, 
des  Gastgebers  und  Gerichtsverwandten  Michael  Hart  man  n  da- 
selbst ,  war.    Er  wurde  geboren  den  27.  Nov.  1767  zu  Stuttgart, 


-     31     - 

erhielt  seine  erste  Bildung  in  dem  Stuttgarter  Gymnasium  und 
trat  von  da,  weil  er  ursprünglich  zur  Theologie  bestimmt  war, 
in  die  niederen  theologischen  Seminarien  über.  Allein  seine 
Vorliebe  für  die  Naturwissenschaften  bestimmte  ihn,  die  Medicin 
der  Theologie  vorzuziehen,  und  statt  in  das  höhere  theologische 
Seminar  zu  Tübingen  einzutreten,  wurden  ihm  1785  die  Pforten 
der  hohen  Carlsschule  geöffnet.  Nach  Beendigung  seiner  akademi- 
schen Studien  wählte  er  im  Jahr  1792  nach  dem  Tode  des 
Dr.  Krippendorf  zu  Göppingen  diese  Stadt  als  praktischer  Arzt 
und  verheirathete  sich  1794  mit  Krippend  orf's  Wittwe,  Louise, 
geb.  Hagmaier  aus  Waiblingen.  Im  Jahr  1806  wurde  ihm  die 
Stelle  als  „Landphysicus"  und  1814  die  eines  „Landvogtei -Arztes" 
daselbst  übertragen,  welche  jedoch  mit  der  damaligen  neuen 
Medicinal  -  Organisation  nur  von  kurzem  Bestand  war  und  im  Jahr 
1818  in  die  eines  „Oberamts -Arztes"  verwandelt  wurde,  die  er 
bis  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  bekleidete. 

Im  Mai  1842  feierte  er  sein  50jähriges  Jubiläum  als  prakti- 
scher Arzt,  und  unter  den  bei  diesem  Anlass  ihm  zu  Theil  ge- 
wordenen vielfachen  Ehrenbezeugungen  ist  die  gnädigste  Ernen- 
nung zum  Ritter  des  Kronordens,  die  Erneuerung  seines  Doctor- 
Diploms  von  Seiten  der  Universität  Tübingen ,  das  ihm  im  Jahr 
1794  von  der  Carls -Akademie  in  Folge  seiner  selbst  verfassten 
und  am  11.  Febr.  d.  J.  vertheidigten  Inauguraldissertation  „ejj- 
hibens  quaedam  de  hydrocephalo''  erlheilt  worden  war,  das  Ehren- 
bürgerrecht der  Stadt  Göppingen,  ein  silberner  Ehrenpokal  der 
Amtsversammlung  und  ein  solcher  von  der  israelitischen  Gemeinde 
Jebenhausen ,  hervorzuheben.  Nicht  zu  vergessen  ist,  dass  der 
Jubilar  nach  dem  Danke  gegen  Seine  Majestät  den  König 
für  die  ihi%  gewordene  Auszeichnung  ebenso  seinen  Dank  gegen 
dessen  Vater,  König  Friederich,  der  ihn  in  Göppingen  an- 
stellte, und  gegen  den  unvergesslichen  Stifter  der  hohen  Carls- 
schule, Herzog  Carl  Eugen,  dem  er  seine  Berufsbildung  ver- 
dankte, in  gefühlvollen  und  beredten  Worten  und  seinen  Dank 
für  das  erneuerte  Doctor- Diplom  in  fliessendem  Latein  aussprach. 

Nach  54  Jahren  ärztlicher  Praxis  und  40  Jahren  des  Berufes 
als  öffentlicher  Sanitätsbeamler  wurde  ihm  im  Jahr  1846  im 
78sten  Lebensjahr  die  erbetene  Versetzung  in  den  wohlverdienten 


-    32    - 

Ruhestand  gewährt,  was  ihn  jedoch  nicht  hinderte,  nach  wie  vor 
der  ärztlichen  Praxis  in  seiner  ihm  vertrauensvoll  zugethanen  Um- 
gebung und  seinen  Forschungen  im  Gebiete  des  für  ihn  zur  Lieb- 
haberei gewordenen  Zweigs  der  vaterländischen  Naturkunde  sich 
zu  widmen. 

H.  war  seit  1818  correspondirendes  Mitglied  des  landwirth- 
schaftlichen  Vereins  in  Württemberg,  seit  1834  Mitglied  der  Kaiserl. 
Leopoldinisch- Caroliiiischen  Akademie  der  Wissenschaften  und 
der  Senkenbergischen  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Frank- 
furt, so  wie  von  1847  an  Mitglied  unserer  Gesellschaft  für  vater- 
ländische Naturkunde,  dessgleichen  Mitglied  des  württembergischen 
Allerthums -Vereins  und  des  ärztlichen  Vereins  in  Württemberg. 

Aus  seiner  im  Jahr  1840  durch  den  Tod  der  Gattin  getrennten 
glücklichen  Ehe  gingen  vier  Töchter  und  drei  Söhne  hervor,  von 
welchen  ihn  eine  Tochter,  Gattin  des  hochgeachteten  Malers 
Stirnbrand,  und  ein  Sohn,  der  oben  erwähnte  Oberamts -Arzt 
Dr.  Friedr.  Hart  mann  zu  Sulz,  so  wie  zwei  Tochtermänner 
und  acht  Enkel  überlebten  ;  die  ihm  zugebrachte  und  mit  kind- 
licher Liebe  zugethane  Stieftochter  erwarb  sich  das  Verdienst 
um  ihn,  die  treue  Pflegerin  seines  Alters  zu  werden. 

Hart  mann  war  eine  stattliche,  kräftige,  freundliche  Ge- 
stalt mit  heiterer,  offener  Physiognomie,  aus  der  die  Biederkeit 
seines  Charakters  und  die  heitere,  joviale  Laune  hervorleuchtete, 
welche  ihn  auch  durch  trübe  Lebens  -  Erfahrungen ,  von  denen 
kein  Sterblicher  verschont  bleibt ,  stets  ungeschwächl  begleiteten. 

Die  Kränklichkeit  seiner  Jünglingsjahre,  ein  bedenkliches  Brust- 
leiden mit  Blutslürzen,  besiegle  er  durch  eine  Jahre  lang  fort- 
gesetzte strenge  Diät,  und,  mit  Ausnahme  des  Spital -Typhus 
in  seinen  kräftigsten  Mannesjahren,  war  er  nie  mehr  krank.  Er 
verdankte  diess  unstreitig  einer  bei  allen  Zöglingen  der  Carls- 
Akademie  bemerkbaren  Regelmässigkeit  des  Verhaltens  auch  in 
Beziehung  auf  den  Körper  und  der  in  dieser  unübertroffenen 
Anstalt  angeordneten  militärischen  Abhärtung ;  er  schlief  nie  in 
Federbetten  und  stets  bei  offenen  Fenstern;  der  früheste  Morgen 
fand  ihn  am  Arbeitstisch,  um  den  Tag  seiner  Praxis  widmen  zu 
können,  er  selbst  schrieb  die  bis  in  sein  hohes  Alter  ungeschmä- 
lerte   seltene    Fülle    seines    nach  der  alten    militärischen  Weise 


—     33     - 

kurz  geschnittenen  Haares  der  täglichen  Waschung  mit  kaltem 
Wasser  zu,  wie  es  die  Jahreszeit  gab,  und  wenn  es  im  Winter 
»ogar  mit  Eis  vermengt  war,  und  die  Strapazen  seines  Berufes, 
dem  es  zu  Statten  kam,  dass  er  ein  vortrefflicher  und  leiden- 
schaftlicher Reiter  war,  trugen  zur  Kräftigung  seines  Körpers 
wesentlich  bei.  Die  Beschwerden  des  höheren  Alters  blieben  bis 
wenige  Jahre  vor  seinem  Tode  von  ihm  fern  ,  oder  ertrug  er  sie 
mit  dem  heiteren  Gleichmulh,  den  man  bei  ihm  aus  der  schöne- 
ren Zeit  des  Lebens  gewohnt  war ;  selbst  die  in  den  letzten  Jah- 
ren zunehmende  Gehörsschwäche  diente  ihm  zu  Zeiten  als  Gegen- 
stand des  Scherzes.  Er  starb  nach  einem  Krankenlager  von  nur 
wenigen  Tagen,  auf  welchem  mehr  die  natürliche  Aufzehrung  der 
Lebenskraft,  als  der  Anfall  einer  eigentlichen  Krankheit  seinen 
Tod  herbeiführte,  am  11.  Nov.  1851  im  84sten  Lebensjahr.  Er 
gehörte  nach  Leib  und  Seele  zu  dem  kräftigen,  durch  kein  „Zeit- 
bewusstsein"  abgeschwächten  altwürttemb'ergischen  Schwabenge- 
schlecht, dessen  Ehre  in  der  Treue  gegen  das  Vaterland  und 
dessen  angestammten  Regenten  wurzelte;  möge  dieses  mit  den 
mehr  und  mehr  zerfallenden  ehrwürdigen  Trümmern  der  hohen 
Carlsschule  nicht  gänzlich  aussterben. 

2)  Professor  Dr.  W.  v.  Rapp  hält  folgenden  Vortrag  über 
einige  Fische  des  Bodensees. 

Ueber  die  Naturgeschichte  der  Fische  Deutschlands  und  der 
Schweiz  fehlt  es  nicht  an  Schriften,  die  zum  Theil  sehr  schätz- 
bar sind,  wie  die  Schriften  von  Bloch,  Meidinger,  Hart- 
mann, Nenning,  Jurine,  Agassiz  und  Andern. 

Es  sind  in  den  genannten  Ländern  unter  den  Süsswasser- 
Fischen  zwei  Familien ,  die  Cyprinoiden  und  Salmoniden ,  beson- 
ders zahlreich  vertreten ,  aber  die  Unterscheidung  der  zahlreichen 
Arten  derselben  ist  nicht  immer  eine  leichte  Sache,  manche  Arten 
haben  unter  einander  sehr  grosse  Aehnlichkeit,  und  bei  manchen 
wechselt  das  Ansehen  nach  dem  Alter,  und  sie  werden  in  den 
verschiedenen  Altersstufen  mit  verschiedenen  Namen  bezeichnet. 

In  Württemberg  finden  sich  im  Ganzen  43  Arten  von  Fischen. 
Sie  sind  geographisch  in  zwei  Hauptgruppen  vertheilt,  nach  den 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    iß  Heft.  3 


—    34    - 

beiden  grossen  Flnssgebieten  der  Donau  und  des  Rheins.  Einige 
Fische  hat  die  Donau  gemeinschaftlich  mit  den  Flüssen ,  welche 
in  das  Gebiet  des  Rheins  gehören;  z.  R.  den  Hecht,  die  Rarbe, 
den  Rarsch,  dann  Cobitis  barbatula.  Andere  Fische  gehö- 
ren der  Donau  an  und  fehlen  in  dem  andern  Flussgebiete, 
so  der  Rothfisch  C^almo  hucho),  einige  Percoiden,  wie  Aspro  vul- 
garis ,  zwei  Arten  von  Acerina  und  Lucioperca  sandra  (der  Schiel). 
Dagegen  fehlt  bei  uns  der  Aal  ganz  in  der  Donau. 

Dem  andern  Flussgebiet  kommt  z.  R.  die  Lamprete  (Peird- 
myzon  marinus)  und  der  Maifisch  (Alosa),  Zugfische,  welche  aus 
der  Nordsee  kommen,  ausschliesslich  zu;  ferner  im  Rodensee 
Coregonus  lavaretus  Cuv.  (Felchen),  Fario  argenteus  Val., 
(Salmo  lacustris)  oder  der  Silberlachs.  Die  Forelle  CSalar  Aiisonn 
Val.  — )  kommt  im  Rodensee  nicht  vor;  auch  nicht  der  Lachs 
[Salmo  salmo  \  al  —  ^obgleich  ihn  Val  e  n  cie  nnes  dort  angiebt 
und  sich  dabei  auf  Nenning  beruft,  der  zwar  in  seiner  klei- 
nen Schrift  über  die  Fische  des  Rodensees  den  Lachs  aufführt, 
aber  mit  der  Remerkung,   er  finde  sich  nicht  im  Rodensee. 

Der  Rodensee  ist  bekannt  wegen  seines  Reichthums  an  Fischen, 
sowohl  in  Reziehung  auf  Arten,  als  auf  Individuen.  Man  findet 
im  Rodensee  23  verschiedene  Arten  von  Fischen;  sie  gehören 
der  grossen  Mehrzahl  nach  zu  den  Weichflossern  ,  und  mit  Aus- 
nahme von  sieben  Arten,  gehören  sie  zu  der  Familie  der  Salmo- 
niden und  der  Cjprinoiden.     Knorpelfische  kommen  nicht  vor. 

Der  grösste  Fisch  des  Rodensees  ist  der  Wels  oder  Weller 
(Silurus  glanis),  die  einzige  Art  dieser  zahlreichen  Familie,  welche 
in  Europa  vorkommt.  In  der  neuesten  Zeit  erhielt  die  Samm- 
lung unseres  Vereins  einen  Wels  von  89  Pfund ,  über  sechs  Fuss 
lang,  aus  dem  Rodensee.  Dieser  Fisch  erreicht  übrigens  ein  Ge- 
wicht von  mehr  als  hundert  Pfund.  Er  ist  nicht  ein  gewöhn- 
licher Rewohner  des  Rodensees;  er  findet  sich  häufig  im  Feder- 
see und  in  einigen  Weihern  in  Oberschwaben ;  in  den  Rodensee 
gelangt  der  Wels  nur  zufällig  durch  Ueberschwemmungen. 

Vielleicht  der  in  der  grössten  Menge  vorkommende  Fisch 
des  Rodensees  ist  Leuciscus  alburniis  (Laugele),  den  man  am  Ufer 
haufenweise  schwimmen  sieht;  es  ist  ein  kleiner,  verachteter  Fisch, 


—    35    — 

er  dient  hauptsächlich  dazu ,  um  ihn  zum  Fang  grösserer  Fische 
an  den  Angel  zu  befestigen.  Unter  den  grösseren  Cyprinoiden 
nenne  ich  den  Karpfen  und  eine  Spielart  davon  den  Spiegelkarpfen 
und  den  Blei  oder  Brachsen  (Abrainis  brama) ,  der  aber  viel  weni- 
ger geschätzt  ist ,  als  der  Karpfen;  er  erreicht  im  Bodensee  ein  Ge- 
wicht von  fünf  Pfund.  Bei  andern  allgemein  bekannten  Cyprinoiden 
des  Bodensees  halle  ich  mich  nicht  auf,  wie  bei  der  Barbe,  der 
Schleie,  dem  Kothauge  (Scardiniiis  erylhrophthalmus  Bonap.), 
dem  Rolhflosser,  dem  Schuppfisch  (Leuciscus  dobula)  und  Chon- 
drostoma  nasus. 

Zu  den  geschätzleren  Fischen  des  Bodensees  gehört  die 
Aesche  (Coregonus  thymaUus,  Thymallus  vexillifer);  sie  findet  sich 
zwar  in  Menge,  kommt  aber  nicht  in  allen  Gegenden  des  Boden- 
sees vor;  im  Obersee  wird  sie  nicht  angetroffen.  Valenciennes 
in  einem  der  neuesten  Bände  seines  grossen  Werks  über  die 
Naturgeschichte  der  Fische  unterscheidet  drei  Arten  von  Aeschen, 
die  in  Deutschland  und  in  Frankreich  vorkommen ;  die  Art ,  welche 
im  Bodensee,  auch  in  einigen  kleinen  Flüssen  des  Schwarzwaldes 
sich  aufhält,  gehört  zu  ThymaUus  gymno  tJwrax  Val.,  und  ist 
daran  zu  erkennen,  dass  an  der  untern  Seite  zwischen  den  Brust- 
flossen und  von  hier  aus  auf  jeder  Seite  an  einem  breiten  Streifen, 
der  fast  bis  zu  der  Mitte  des  Bauchs  reicht ,  die  Schuppen  fehlen. 

Kein  Fisch  wird  in  grösserer  Menge  im  Bodensee  gefangen, 
als  der  Gangfisch.  Sein  Fang  ist  bei  Constanz  von  Bedeutung. 
So  bekannt  auch  dieser  beliebte  Fisch  den  zahlreichen  Consu- 
menten  ist,  so  wurde  er  doch  bisher  von  den  Ichthyologen  häufig 
verwechselt.  Er  wird  als  Salmo  maraenula  (Coregonus  maraenula) 
in  den  Schriften ,  welche  die  Fische  des  Bodensees  besprechen, 
aufgeführt.  Salmo  maraenula  wurde  von  Bloch  in  seiner  Natur- 
geschichte der  Fische  Deutschlands  in  das  System  der  Fische  aufge- 
nommen ,  nachdem  schon  ältere  Schriftsteller  über  die  Fische  von 
Norddeutschland  von  der  kleinen  Maraene  gesprochen  hatten. 

Aber  Salmo  maraenula  (Coregonus  maraenula^  ist  ein  von 
dem  Gangfisch  des  Bodensees  ganz  verschiedener  Fisch.  Die  Zahl 
der  Flossenstrahlen  ist  eine  andere ,  besonders  aber  weicht  der 
Gangfisch  ab  durch  die  Gestalt  des  Kopfs.  Dieser  erscheint  vornen 
fast  senkrecht  abgeschnitten  ,  und  der  Unterkiefer  tritt  unter  dem 

3* 


—    36     - 

Oberkiefer  zurück.  Bei  Salmo  maraenula  ist  der  Unterkiefer  län- 
ger, als  der  Oberkiefer.  Es  kommt  im  Bodensee  kein  Fisch  aus 
der  Familie  der  Salmoniden  vor,  bei  welchem  dieses  der  Fall 
wäre.  Salmo  maraenula  findet  sich  in  einigen  Seen  in  Schlesien, 
Pommern,  Mecklenburg,  auch  in  Norwegen  ,  kommt  aber  in  un- 
sern  Gegenden  nicht  vor.  Uebrigens  kann  Coregonus  maraenula 
ganz  aus  dem  ichthyologischen  System  gestrichen  werden,  denn 
dieser  Fisch  ist  einerlei  mit  Salmo  albula  Linne,  oder  Corego- 
nus albula  V  a  1. 

Bei  einer  von  Valenciennes  im  einundzwanzigsten  Bande 
seiner  Naturgeschichte  der  Fische  aufgestellten  Art,  Coregonus 
Nüssoni,  wird  angeführt,  dieser  Fisch  finde  sich  in  Schweden 
und  Norwegen;  er  heisse  in  Schweden  zuerst  Gangfisch,  wenn 
er  sieben  Zoll  lang  sei,  Renken  ,  und  wenn  er  neun  bis  zehn  Zoll 
lang  sei,  Blaufelchen ;  aber  diese  Namen  sind  nicht  schwedisch, 
sondern  es  sind  die  Benennungen ,  welche  Coregonus  lavaretus 
in  seinen  verschiedenen  Altersstufen  am  Bodensee  führt;  übri- 
gens kommt  Coregonus  lavaretus  auch  in  Schweden  vor  nach 
N i  1  s s 0 n  *).  Die  von  Valenciennes  als  Coregonus  Nilssoni 
aufgestellte  Art  würde  ich  für  Coregonus  lavaretus  ansehen,  wenn 
nicht  bei  Ersterem  der  Unterkiefer  etwas  über  den  Oberkiefer 
hervorragte  nach  der  Zeichnung,  in  der  Beschreibung  ist  dieser 
Umstand  nicht  angeführt  von  Valenciennes.  Er  giebt  an, 
Bloch  habe  in  seiner  Sammlung  diesen  Fisch  als  Salmo  Wart- 
manni  bezeichnet ,  was  einerlei  ist  mit  Coregonus  lavaretus. 

Mit  einigen  der  zahlreichen  in  den  Schweizer  Seen  vor- 
kommenden Salmoniden  hat  der  Gangfisch  grosse  Aehnlichkeit, 
besonders  mit  Coregonus  palea  Cu  v.,  aus  dem  Neuchateller  See, 
aber  die  Zahl  der  Flossenstrahlen  weicht  ab,  und  der  Unterkiefer 
ist  kürzer  als  bei  dem  Gangfisch.  Coregonus  hiemalis  Jurine, 
aus  dem  Genfer  See,  hat  auch  viel  Aehnlichkeit  mit  dem  Gang- 
fisch, hat  aber  einen  dickern  Kopf,  grössere  Flossen,  die  Schwanz- 
flosse ist  viel  weniger  tief  eingeschnitten. 

Man  erkennt  den  Gangfisch  leicht  an  folgenden  Merkmalen  : 
Der  Oberkiefer  ist  vornen  senkrecht  abgeschnitten,  der  Unterkiefer 


*)  Nilssou,  Prodromus  ichthyologiae  scandinavicae.  Lundae, 


-     37     — 

tritt  unter  den  Oberkiefer  zurück.  Es  finden  sich  keine  Zähne. 
Neun  Kiemenstrahlen.  Die  Rückenflosse  hat  dreizehn  Strahlen ,  die 
Brustflosse  sechszehn,  die  Bauchflosse  zwölf,  die  Afterflosse  vier- 
zehn, die  Schwanzflosse  vierundvierzig. 

Die  Fettflosse  ist  klein.  Die  Schuppen  sind  für  einen  Fisch 
aus  dieser  Familie  ziemlich  gross.  Die  Seitenlinie  vornen  etwas 
abwärtsgebogen. 

Die  grösste  Höhe  des  Fisches  ist  fünfmal  in  der  Länge  ent- 
halten. Die  Schwanzflosse  ist  sehr  tief  eingeschnitten,  zuge- 
spitzt. Die  Rückenflosse  hoch,  aber  hinten  schnell  an  Höhe  ab- 
nehmend. Der  Rücken  ist  grünlich  -  blau,  die  Seiten  silberfarb, 
Flossen  blass.     Länge  acht  Zoll. 

Der  Gangfisch ,  bisher  fälschlich  als  Coregonus  maraenula 
bestimmt,  ist  von  Coregonus  lavaretus  Cuv.  etVal.,  dem  Fel- 
chen,  nicht  verschieden.  Er  heisst  Gangfisch,  wenn  er  eine 
Länge  von  acht  Zoll  hat;  später  Blaufelchen.  Ascanius*)  und 
Bloch  haben  unter  dem  Namen  Sahno  lavaretus  andere  Fische 
beschrieben  und  abgebildet,  Ascanius  den  Coregonus  sicus 
und  Bloch  den  Coregonus  oxyrhynchus.  Da  Bloch  den  wahren 
Coregonus  lavaretus  nicht  kannte,  so  hielt  er  den  Blaufelchen, 
der  vom  wahren  Coregonus  lavaretus  nicht  verschieden  ist,  für 
eine  neue  Art,  welcher  er  die  Benennung  Salmo  Wartmanni '^*) 
beilegte. 

Nach  dieser  Ausführung  ist  also  Coregonus  maraenula  aus 
dem  Verzeichniss  der  Fische  des  Bodensees,  überhaupt  der  Fische 
Württembergs  auszustreichen,  ebenso  Coregonus  Wartmanni,  welche 
Art  einerlei  ist  mit  Coregonus  lavaretus. 

Der  grösste  Fisch  des  Bodensees  aus  der  Familie  der  Sal- 
moniden ist  Fario  argenteus  Val.  (Salmo  lacustris),  der  Silber- 
lachs.   Valenciennes  bezweifeltes,  ob  der  Bodenseefisch,  den 


*)  Ascanius,  Icones  verum  naturalium.  Tab.  30. 
**)  Wartmann,  Arzt  in  St.  Gallen,  machte  in  den  Beschäftigungen 
der  Berlinischen  Gesellschaft  naturforschender  Freunde  1777  einen  Auf- 
satz bekannt:  Beschreibung  und  Naturgeschichte  des  Blaufelchen.  Schon 
Wartraann  erkannte  richtig,  dass  der  Gangfisch  ein  junger  Blaufelchen 
sei.  Erst  später  entstand  die  Verwirrung  in  der  Naturgeschichte  dieses 
Fisches. 


—    38    - 

man  seit  Bloch  als  Salmo  lacUstris  bezeichnet,  dieser  Art  an- 
gehöre; ervermuthet,  es  \i'6nnG  Salar  Schief ermüUeri  sein,  oder 
eine  neue  Art;  aber  die  Zähne  stehen  im  Vomer  der  Länge  nach 
in  Einer  Linie,  die  Spitze  ist  abwechslungsweise  rechts  und  links 
gerichtet.  Dieser  Bodenseefisch  weicht  also  ab  von  Salar  Schief  er - 
mülleri,  einem  Donaufisch,  bei  welchem  die  Zähne  im  Vomer  in 
doppelter  Reihe  der  Länge  nach  gestellt  sind  ,  und  eine  neue 
Art  anzunehmen,  ist  kein  Grund  vorhanden;  unser  Bodenseefisch 
stimmt  ganz  überein  mit  der  Darstellung,  die  Valenciennes 
gegeben  hat  von  Fario  argenteus  *). 

3)  Vortrag  von  Professor  Dr.  Luschka  in  Tübingen  über 
die  Cerebrospinalflüssigke  it. 

Da  Prof.  Luschka  seinen  freigehaltenen  Vortrag  nicht  für 
die  Jahreshefte  bestimmt  halte,  so  geben  wir  hiemit  eine  Ueber- 
sicht  desselben. 

Nach  einer  kurzen  historischen  Einleitung  geht  Prof.  Luschka 
zu  der  Darstellung  der  verschiedenen  Ansichten  bezüglich  des 
Organs  der  Bildung  der  Cerebrospinalflüssigkeit  über.  Erstens 
wird  dafür  die  Auskleidung  der  Hirnhöhlen  angesprochen.  Nach 
dem  Vorgange  von  Bichat  nehmen  Manche  an,  dass  die  Arach- 
noidea,  sich  in  die  Hirnräume  fortsetzend,  eine  selbstständige 
Auskleidung  derselben  bilde.  Auf  dem  Wege  einfacher  Trans- 
sudation,  wie  diess  für  andere  seröse  Häute  angenommen  wird, 
soll  der  Liquor  cerebrosp.  als  gewöhnliches  Serum  ausgeschieden 
werden.  Gegen  eine  solche  die  anatomische  Grundlage  betreffende 
Angabe  habe  er  sich  schon  anderwärts  ausgesprochen  und  darge- 
than,  dass  die  Arachnoidea  nicht  entfernt  sich  in  die  Hirnhöhlen  er- 
strecke, und  dass  auch  kaum  eine  selbstständige,  eine  Membran  dar- 
stellende Grundlage  bestehe,  sondern  die  Flimmerplättchen  fast 
unmittelbar  auf  dem  Gehirnmarke  ruhen ,  und  dass  nur  bei  pa- 
thologischen Veränderungen,  wie  sie  z.  B.  im  chronischen  Hydro- 
cephalus  gegeben  sind,  durch  Neubildung  eine  gefässreiche  Zell- 
gewebsmembran  entstehe. 

Die  Anatomie   kann   demnach  entschieden    die   Ansicht,    es 


*)  Cuvier  et  Val  encien  ne  s  j  hist,  nat,  des  poissons.     Tome  21. 


-    39    - 

werde  der  Liquor  durch  die  Vermiltelung  einer  auskleidenden 
serösen  Membran  gebildet,  zurückweisen. 

Zweitens ,  man  nimmt  die  gesammte  Gefässhaut,  die  Pia  ma- 
ter,  als  die  Bildungsstätte  an  und  hegt  die  Meinung,  dass  jene 
Flüssigkeit  durch  die  Wandungen  der  Gefässe  der  Membran  ganz 
unmittelbar  an  den  Ort  ihres  Vorkommens  abgesetzt 
w  e  r  d  e. 

Eine  auch  nur  ein  wenig  tiefer  greifende  Betrachtung  schon 
der  gröbern,  dem  blossen  Auge  zugänglichen  Verhältnisse  muss 
eine  solche  Vorstellung  zurükweisen,  und  eine  andere  Art  der 
Bildung  der  Cerebrospinalflüssigkeit   schon  erschliessen. 

Im  Innern  des  Gehirnes,  in  den  Gehirnhöhlen,  liegen  eigen- 
thümlich  angeordnete,  durch  grossen  Gefässreichthum  auffallende 
Gebilde  —  die  Adergeflechte. 

Wie  es  beim  Menschen  vier  eigenthümliche  Räume  des  Gehirnes 
giebt,  so  sind  es  auch  vier  Adergeflechte.  Eines  dieser  Ge- 
flechte liegt  über  dem  dritten  Ventrikel  vom  Körper  des  Gewöl- 
bes gedeckt;  nach  rückwärts  umhüllt  es  die  Zirbeldrüse;  nach 
vornen  sendet  es  Verbindungen  durch  das  Foramen  Monroi  an 
die  beiden  seitlichen  Geflechte,  welche  sich  besonders  in  die 
untern  Hörner  der  seitlichen  Höhlen  erstrecken,  und  noch  einen 
lateralen  Zusammenhang  mit  jenem  Geflechte  der  dritten  Höhle  dar- 
bieten. Bis  an  die  Grenze  des  verlängerten  Markes  und  Rückenmarkes 
erstreckt  sich  das  Geflecht  der  vierten  Hirnhöhle.  Es  ragt  mit 
einem  Fortsatze  auf  jeder  Seite  nach  Aussen  in  den  Subarach- 
noidealraum  zu  den  Seiten  des  verlängerten  Markes,  und  vermag 
so  das  von  ihm  Gebildete  nach  Aussen  in  den  gemeinsamen  Sub- 
arachnoidealraum  zu  senden.  Wie  alle  Ventrikel  unter  sich  und 
mit  dem  Subarachnoidealraum  des  Gehirnes  und  Rückenmarkes 
in  offener  Verbindung  stehen,  so  stehet  auch  überall  der  Cerebro- 
spinal  -  Liquor  in  ununterbrochenem  Zusammenhange. 

Wenn  man  bedenkt,  wie  ganz  ausserordentlich  die  Menge  der  Ge- 
fässe jener  Geflechte  und  wie  verhältnissmässig  gering  im  normalen 
Zustande  die  Quantität  der  Flüssigkeit  ist,  so  dass  die  Höhlen  nicht 
entfernt  gefüllt  sind,  wie  will  man  mit  der  Annahme  der  Bildung 
der  Cerebrospinalflüssigkeit  durch  einfache  Transsudation  erklären, 
dass   nur   und  immer  nur   im  gesunden  Zustande   ein  bestimmtes 


—    40     - 

Quantum  transsudire,  und  nicht  vielmehr  so  viel,  dass  jene  Räume 
stets  erfüllt  sind ;  wie  iässt  sich  die  vom  Blutplasma  sehr  ver- 
schiedene Zusammensetzung  jenes  Fluidums  erklären,  wenn  man 
kein  anderes  Medium  seiner  Bildung  annimmt,  als  die  im  ganzen 
Organismus  für  die  Gefässe  gleichen  Calibers  gleiche  Zusammen- 
setzung ihrer  Wandungen  ?  Oder  wird  es  gegenwärtig  noch  Je- 
manden beikommen,  die  Bestandtheile  des  Cerebrospinal -Liquors 
im  Blute  schon  als  solche  vorgebildet  zu  betrachten,  und  wie 
es  einst  für  alle  Secretionsproducte  angenommen  wurde,  durch 
die  Gefässwände  durchfiltriren  zu  lassen?    Gewiss  Niemanden! 

Es  erscheint  wie  ein  Postulat  eine  andere  auf  irgend  eine 
Weise  vermittelte  Art  seiner  Bildung  anzunehmen.  Und  doch, 
bisher  hat  die  Wissenschaft  auch  nicht  auf  theoretische  Weise 
dieser  Anforderung  zu  genügen  gesucht. 

Lassen  sie  uns  die  feinere  Texturverhältnisse  jener  sog.  Hirnader- 
netze betrachten,  für  deren  Bedeutung  als  Organe  der  Ausscheidung 
des  Liquor  cerebrospinalis  sich  schon  die  gröbere  Untersuchung 
entscheidet;  vielleicht  dass  wir  in  kleinsten,  dem  blossen  Auge 
verborgenen  Formen  die  wesentlichen  Substrate  für  seine  Bildung 
erkennen. 

Das  bewaffnete  Auge  sieht  an  der  Oberfläche  der  mannig- 
faltig gekräuselten  Gefässgeflechte  zahllose  papillenartige  oder 
fransenähnliche  Erhabenheiten  von  kaum  y^'"  Höhe.  Diese  sind 
die  Träger  der  feinsten  Blutgefässe ,  welche  durch  die  Vielgestal- 
tigkeit ihrer  Anordnung  mit  Bewunderung  erfüllen.  Es  ist  der 
Typus  der  Schlingenbildung,  welcher  in  allen  nur  denkbaren  Com- 
binationen  zu  höchst  pittoresken  Formen  führt.  Wie  die  gröberen, 
durch  einen  sehr  geschlängelten  Verlauf  ausgezeichneten  und  zu 
einem  Netze  verbundenen  Gefässe  von  einem  groben,  aus  Binde- 
gewebe bestehenden  Gerüste  getragen  werden,  so  finden  wir  die- 
ses auch  als  die  Grundlage  für  die  letzte  Gefässverbreitung. 

An  der  Oberfläche  der  Gefässgeflechte  gewahrt  man  ein  in 
mehreren  Lagen  übereinandergeschichtetes  Epitelium,  welches 
insbesondere  an  jenen  fransenartigen  Verlängerungen  so  massen- 
haft ist,  dass  es  weit  über  die  Bindegewebs -Grundlage  hinaus- 
ragt. Es  zeigt  eine  Mächtigkeil ,  wie  diess  im  Verhältniss  an  kei- 
nem andern  Körpertheile  gesehen  wird.    Die  kolossale  Epilelial- 


~    41     - 

bildung  fällt  hier  besonders  gegen  die  nur  einfache  Lage  der 
Venlrikelvvandungen  auf,  und  muss  billig  zur  Frage  nach  ihrer 
Bedeutung  auffordern. 

Man  ist  gewöhnt,  in  den  Epitelialgebilden  Schutzmittel  zu 
sehen ,  an  welche  in  einzelnen  Organen  durch  Flimmerhaare  noch 
das  Geschäft  des  Bewegens  geknüpft  ist. 

An  Gebilden,  welche  in  der  Tiefe  des  Gehirns  begraben  lie- 
gen, welche  keinerlei  Insulten  ausgesetzt  sind,  ja,  welche  noch 
eines  besondern  Schutzes  durch  eine  flüssige  Atmosphäre  ge- 
niessen,  müsste  man  ohne  eine  weitere  Einsicht  eine  so  mäch- 
tige schützende  Hülle  ganz  unerklärlich  finden. 

Gehen  wir  aber  in  eine  feinere  Analyse  des  scheinbar  gleich- 
artig zusammengesetzten  Ueberzuges  ein,  so  werden  wir  nicht 
allein  die  Bedeutung  dieser  Einrichtung  verstehen ,  sondern  auch 
ganz  neue  Gesichtspunkte  für  die  Beurtheilung  vieler  anderen 
Vorgänge  im  Organismus  gewinnen. 

Das  Epitelium,  bei  dem  so  eben  getödteten  Thier  betrachtet, 
besteht  in  seinen  tiefsten  Schichten  aus  einer  höchst  feinkörni- 
gen Molecularmasse  mit  zahlreich  eingestreuten  rundlichen,  fein 
granulirlen  Kernen.  Die  höheren  Schichten  bestehen  vorwiegend 
aus  polygonalen,  dicht  an  einander  gefügten  Plättchen,  welche  alle 
einen  Kern  besitzen  und  bald  mehr,  bald  weniger  granulirt  sind. 

Die  oberste  Schichte  enthält  verschieden  aussehende  Bestand- 
theile,  welche  sich  dem  aufmerksamen  Beobachter  aber  nur  als 
die  Successionen  der  Umänderung  einer  und  derselben  Grund- 
form, der  fein  granulirten  Epilelialplättchen  ergeben. 

Es  finden  sich  neben  den  Plättchen  in  allen  möglichen  Ueber- 
gangsstufen  1)  sphärische  granuiirte  Körper  mit  einem  Kern ; 
2)  sphärische,  nur  noch  einen  Nucleus  enthaltende,  aber  sonst  homo- 
gene, ganz  helle,  äusserst  zart  contourirte  Körper ;  3)  gar  kein  körper- 
liches Element  mehr  enthaltende,  meist  um  Vieles  grösser  gewor- 
dene, glasartig  durchsichtige  Bläschen  mit  ungemein  feiner,  structur- 
loser  Wandung. 

Solche  durchscheinenden ,  wasserhellen  Zellen  sieht  man  an 
den  verschiedensten  Stellen  der  Peripherie,  und  findet  sie  ins- 
besondere   weit    über  den  Rand  des  Objectes    hinwegragen    und 


-    A2     - 

kaum  noch  aufsitzend.  Sie  besitzen  häufig  eine  so  ausserordent- 
liche Pellucidität  und  eine  Feinheit  der  Contour,  dass  sie  dem 
Bücke- des  Nichleingeweihten  sicher  entgehen,  und  nur  bei  sehr 
zweckmässiger  Beleuchtung  vollständig  zu  erkennen  sind. 

Von  dem  grössten  Interesse    ist  das  schlie.ssliche  Verhalten 

dieser  glashellen  Körper.     Unter  dem  Mikroskope    bemerkt  man 

"es  nicht  selten,    wie    eine  solche  Blase  platzt  oder  zerschmilzt, 

und  entweder  gar  keinen  festen  Rückstand  oder  nur  ein  feinstes 

membranöses  Gerinnsel  zurücklässt. 

Das  baldige  Schmelzen  oder  Zerplatzen  dieser  Zellen  gleich 
nach  ihrer  völligen  Ausbildung  ist  die  Ursache^  warum  man  sie 
längere  Zeit  nach  dem  Tode  nicht  mehr  findet ,  und  w^arum  sie 
sich  so  lange  der  Beobachtung  entzogen. 

Wenn  es  bei  Betrachtung  der  dicken  Epitelialschicht  schon 
ohne  Weiteres  wahrscheinlich  wird,  dass  das  Plasma  des  Blutes 
die  vielen  tausend  Plättchen  nicht  durchsetzen  wird,  ohne  eine 
Veränderung  zu  erfahren,  so  wird  jetzt  nach  der  gewonnenen 
Kenntniss  jener  eigenthümlichen  Metamorphosen  Niemand  auch 
nur  den  leisesten  Zweifel  hegen,  dass  damit  ein  chemischer  Um- 
satz der  Blutbestandtheile  Hand  in  Hand  geht.  Es  wird  zu 
einer  Thatsache,  dass  der  Bildungsvorgang  der 
Cerebrospinal-  Flüssigkeit  in  einer  chemischen 
und  formellen  Umwandlung  des  Epiteliums  der 
Adergeflechte  besteht,  dass  sie  mit  einem  Worte 
das  Ergebniss  einer  Epitelial-xMetamorphose  ist. 

Wir  finden,  dass  die  Bildung  jener  Flüssigkeit  an  ein  im 
Leben  unaufhörliches  Werden  und  Entwerden  mikroskopisch  kleiner 
Formen  geknüpft  ist;  dass  die  Epitelialplättchen  das  ihnen  aus 
dem  Blute  zugeführte  Plasma  in  eigenthümücher  Weise  umwan- 
deln, und  mit  der  Vollendung  dieser  Umwandlung  in  der  Bildung 
des  Liquors  untergehen. 

Die  hier  bezeichnete  Art  der  Secretion  der  Cerebrospinal- 
Flüssigkeit  durch  die  xMetamorphose  von  Zellen  hat  ihre  interes- 
santen Analogieen  im  Organismus.  Es  ist  die  Galle  und  der  Harn, 
deren  Entstehung  auf  einer  unaufhörlichen  Bildung  und  Entbildung 
von  Zellen  beruht.  Von  einer  noch  frappantem  Aehnlichkeit  ist 
die    Entstebungsweise    des    Hauttalges    durch    die   Metamorphose 


-     43     - 

der  ältesten  Epidermisplättchen  des  Follikels,  von  dem  Fettkörnchen 
haltigen  Plättchen  bis  zur  völligen  Fettzelle,  und  dem  durch  ihr 
Platzen  entstandenen  freien  Fette. 

Die  Beziehung  der  Epitelial -Metamorphose  zu  den  Vor- 
gängen der  Secrelion  hat,  wie  er  es  jetzt  schon  vielfach  er- 
kannte, eine  kaum  geahnte  Ausdehnung  im  Organismus. 

4)  Vortrag  von  Professor  Dr.  S  i  g  w  a  r  t  über  „Entdeck  u  n  g 
und  Vorkommen  des  Jods  in  der  organischen  und 
unorganischen  Natur,  insbesondere  auch  in  Würt- 
te  mberg." 

Das  Jod  wurde  von  einem  Salpetersieder  Namens  Cour- 
tois  in  Paris  zufällig  entdeckt.  Die  erste  öffentliche  Anzeige 
davon  erschien  im  Moniteur  N<^.  336,  2.  Dec.  1813.  (s.  Schweig- 
ger, Journal  der  Chemie  und  Physik.  1813.)  In  diesem  Blatt 
wird  erzählt  (so  heisst  es  in  Schweigger's  Journal),  dass 
Desormes  und  Clement  der  physikalischen  und  mathemati- 
schen Classe  am  29.  Nov.  1813  einen  eigenthümlichen  Stoff  vor- 
legten ,  welcher  in  der  Asche  des  bei  der  Natrumgewinnung  ange- 
wandten Seetangs  (da^is  les  cendres  de  Varec)  von  Herrn  Cour- 
tois,  einem  Salpetersieder  in  Paris,  entdeckt  wurde.  Der  neue 
Körper  wurde  von  Herrn  GayLussac  in  Untersuchung  genom- 
men auf  Einladung  seines  Freundes  Clement. 

In  der  Allgemeinen  Zeitung  vom  22.  Januar  1814  (m.  s. 
Gilb.  Annal.  46.  Bd.  1814)  heisst  es  ferner:  Ein  Salpeterfabrikant 
Courtois  in  Paris  hatte  Asche  von  Seetang  ausgelaugt,  und 
nachdem  aus  der  Lauge  die  Soda  krystallisirt  war,  Schwefelsäure 
in  die  zurückbleibende  Mutterlauge  gegossen ,  er  sah  nun  zu  sei- 
ner Verwunderung  glänzende  schwärzliche  Blättchen  anschiessen, 
die  beim  Trocknen  in  ein  Pulver  von  Metallglanz  zerfielen,  welches 
in  der  Siedhitze  des  Wassers  in  violetten  Dämpfen  aufstieg.  Man 
hat  diesem  neuen  Körper,  über  den  die  Herren  Davy,  Gay 
Lussacund  Clement  sogleich  Untersuchungen  anstellten,  nach 
dieser  Eigenschaft  den  Namen  Jod  gegeben. 

Das  Jod  wurde  von  Gay  Lussac,  so  wie  von  Davy  als 
ein  dem  Chlor  ähnlicher  und  elementarer  Körper 
erkannt.     Gay  Lussac    machte    ferner   auch  auf   seine  Aehn- 


—    44    —      - 

lichkeit  mit  dem  Schwefel  aufmerksam,  so  wie  Schweig- 
ger und  Meinecke  auf  seine  Verwandtschaft  mit  dem 
Tellur.  Mit  dem  Jod  wurde  ein  für  das  System  der 
Elemente  wichtiges  Uebergangs  glie  d  entdeckt  von  der 
Reihe  der  sogenannten  Salzbilder,  Chlor  u.  s.  w. ,  welcher  es 
selbst  angehört,  zu  einer  andern  Reihe  von  elementaren  Stoffen, 
welcher  der  Schwefel  und  der  Tellur  angehören,  welche  beide 
Reihen  später,  die  erstere  durch  die  Entdeckung  des  Broms,  die 
letztere   durch  die  des  Selens  vervollständigt  wurden. 

Mit  dem  Jod  wurde  auch  ein  wichtiges  Arznei  mittel 
entdeckt.  Nachdem  Orfila  im  Jahr  1815  die  giftige  Wirkung  des 
Jods  gezeigt  hatte,  fand  Dr.  Coindet  in  Genf  im  Jahr  1819, 
geleitet  dadurch,  dass  in  einem  Werk  von  Cadet  de  Gassi- 
court von  Rüssel  die  Asche  des  Fucus  vesiculosus  gegen  den 
Kropf  empfohlen  wird,  in  dem  Jod  ein  kräftiges  Mittel  gegen  den 
Kropf  und  bald  auch  gegen  Scropheln  und  verschiedene  Krank- 
heiten des  Lymphsystems.  (Und  wer  kennt  nicht  den  Ruf  des 
Leberthrans,  eines  jodhaltigen  Fetts  aus  der  Leber  verschiedener 
Seefische?) 

Mittelst  des  Jods  machte  Daguerre  seine  berühmte  Ent- 
deckung des  nach  ihm  so  genannten  Daguerreotyp,  welche, 
nachdem  sie  von  der  französischen  Regierung  durch  Bewilligung 
einer  bedeutenden  lebenslänglichen  Pension  angekauft  worden,  in 
der  französischen  Akademie  am  19.  August  1839  durch  Arago 
bekannt  gemacht  wurde,  und  ohne  das  Jod  wäre  die  Photo- 
graphie ohne  Zweifel  noch  sehr  unvollkommen  im  Vergleich 
mit  ihrem  gegenwärtigen  Zustande. 

Endlich  ist  die  von  Stromeyer  im  Jahr  1814  ent- 
deckte (und  von  Gaultier  de  Glaub ry  in  Paris  um  dieselbe 
Zeit  bekannt  gemachte)  Eigenschaft  des  Jods ,  mit  dem  Amylum 
eine  blaue  Farbe  hervorzubringen,  für  gewisse  physiologische 
Untersuchungen  von   bedeutendem  Werth. 

Der  jährliche  Verbrauch  dieses  kostbaren  Stoffs  ist 
auch  wirklich  zum  Erstaunen  gross.  Die  jährliche  Production 
der  französischen  Jodfabriken  ist  nach  Payen's  Angabe  3450 
Kilogramme,  d.i.  6900  Pfund,  und  doch  ist  nach  Dorvault 
diese  Production    für  die  Bedürfnisse  des  französischen  Handels 


—    45    ~ 

nicht  mehr  genügend,  sondern  muss  noch  ausländisches  Jod  in 
Frankreich  eingeführt  werden.  Nehmen  wir  nun  an ,  dass  in 
Schottland  ebensoviel  producirt  wird,  so  steigt  der  jährliche  Ver- 
brauch auf  13— 14,000  Pfund. 

Vorkommen  des  Jods  in  Pflanzen  und  Thieren. 

Kurz  nach  der  Entdeckung  des  Jods  in  der  Tangsoda  wurde 
dasselbe  auch  in  der  Asche  der  einzelnen  Pflanzen,  welche  die- 
selbe liefern,  nachgewiesen,  insbesondere  von  Davy  und  von 
Gaultier  de  Claubry  im  Jahr  1814  in  der  Asche  von  ver- 
schiedenen Fucus-Arten  und  Ulva-Arten  (Ftic.  cartilagi- 
neus,  memhranac. ,  rubens,  filiformis,  Ulva  pavonia  und  Ulva  linza 
nach  Davy,  auch  Fuc.  vesiculosus  und  saccharinus  nach  Gaul- 
tier de  Claubry)^  ferner  später  von  Fyfe  im  Jahr  1819  noch 
in  andern  Fucus-  und  Ulva-Arten  (Fuc.  nodos.,  serrat.,  palmat.  und 
digitat. ,  Ulva  umbilicalis)  und  in  einer  Art  Conferve  und  von  B  a- 
1  a r d  im  Jahr  1825  im  Seegras  (Zostera  marina). 

Die  Fucus-Arten,  welche  eine  grössere  Menge  Jod  enthal- 
ten, geben  diesen  Jodgehalt  schon  dadurch  zu  erkennen,  dass, 
wenn  man  sie  an  der  Oberfläche  mit  Salpetersäure  oder  Chlor- 
wasser befeuchtet,  und  hierauf  ein  Stück  Kleisterpapier  damit  in 
Berührung  bringt,  dieses  blau  gefärbt  wird.  (Dorvault,  Mono- 
graphie des  Jods.) 

Nach  den  Beobachtungen  vieler  Jodfabrikanten  geben  dieje- 
nigen Fucus-Arten,  welche  in  einer  gewissen  Tiefe  im  Meere 
wachsen ,  und  wenn  sie  reif  geworden ,  von  den  Wellen ,  Strö- 
mungen, Brandung  u.  s.  w.  losgerissen  und  an  den  Strand  ge- 
schleudert werden,  das  meiste  Jod.  Diese  Tangmassen  bestehen 
grösstentheils  aus  Fucus  saccharinus ,  digitatus  und  loreus.  Die 
Tange,  welche  mit  der  Sichel  geschnitten  werden,  hauptsächlich 
Fuc.  vesiculosus,  serratus  und  nodosus,  sind  weit  ärmer  an  Jod. 

Nach  Gaultier  de  Claubry  enthält  unter  diesen  Fucus- 
Arten  der  Fuc.  Saccharin,  am  meisten  Jod,  auch  der  Fuc,  palma- 
tus  (welcher  an  der  Küste  Asturiens  und  an  den  Küsten  Irlands 
in  ungeheurer  Menge  wächst),  soll  sehr  reich  an  Jod  sein.  Da- 
gegen soll  nach  Whitelaw's,  Jodfabrikanten  in  Glasgow,  viel- 
jährigen Erfahrungen  der  Fuc.  digitatus  die  grösste  Quantität  Jod 
enthalten.    Setzt  man  den  Jodgehalt  von  diesem  =  100,  so  ist 


—    46    — 

der   von  Fuc.  bulbos.  =  65,  der  des  Saccharin.  =  30,  der  des 
serralus  =  20  und  der  des  nodosus  =   15. 

Die  Tangsoda,  Yarecasche  der  Franzosen,  Kelp  der 
Engländer,  ist  die  schlechteste  Soda,  deren  Gehalt  an  kohlen- 
saurem Natron  nur  2  —  5  Procent  beträgt.  Ihr  Werth  besteht  in 
ihrem  Gehalt  an  Kalisalzen,  namentlich  an  Chlorkalium,  wovon 
sie  50  —  20  Procent  enthalten  kann,  und  vorzüglich  in  ihrem  Ge- 
halt an  Jod,  welches  als  Jodkalium  darin  enthalten  ist. 

Nach  Angabe  der  englischen  Chemiker  giebt  Tangsoda  von 
guter  Qualität  einen  Ertrag  von  yjg  Jod,  während  Dorvault  in 
der  Varecasche  viel  weniger  gefunden  hat,  und  nach  Paye  n  der 
Jod  durchschnittlich  -gj^  ^°"  ^^^  Masse  des  Rohstoffs  beträgt. 

An  der  Küste  der  Ostsee  sollen  die  Tangarten  sehr  arm  an 
Jod  sein. 

Die  Salsola- Arten  und  andere  Strandpflanzen,  aus  welchen 
man  eine  andere  Art  Soda  bereitet,  welche  reicher  an 
kohlensaurem  Natron  ist,  und  welche  an  der  Meeresküste  über 
den  Fucus-Arten  wachsen ,  aber  vom  Seewasser  selbst  nicht  be- 
spühlt  werden ,  enthalten  nur  eine  schwer  nachweisbare  Spur 
von  Jod. 

Eine  lange  Reihe  von  Jahren  nach  der  Entdeckung  des  Jods 
kannte  man  keine  andere  jodhaltige  Pflanzen,  als  jene  cryptoga- 
mische  Meerespflanzen;  aber  im  Jahr  1820  entdeckte  St  raus 
zu  Hofwyl  Jod  im  Torf.  Und  im  Jahr  1836  theille  Arago  der 
französischen  Akademie  ein  Schreiben  desCapitains  und  Chemikers 
Yniestra  mit,  worin  dieser  ihn  benachrichtigt,  dass  man  in 
Mexico  das  Jod  entdeckt  habe  in  la  sahila  und  los  romeritos; 
la  sabila  sei  eine  Pflanze  aus  der  Gattung  Agave,  welche  in  den 
Ebenen  und  auf  den  Bergrücken  wachse.  Die  romeritos  seien 
eine  Art  barilla,  welche  in  den  schwimmenden  Gärten  in  der 
Umgebung  der  Hauptstadt  wachse  und  von  welcher  Jedermann 
während  der  Fastenzeit  esse. 

In  der  neuesten  Zeit,  d.  h.  seit  wenigen  Jahren  häuften  sich 
immer  mehr  und  mehr  die  Entdeckungen  des  Jods  in  den  Süss- 
wasserpflanzen  und  in  Landpflanzen,  auch  fern  vom 
Meere,  sowohl  in  cryptogamischen ,  als  in  phanerogamischen 
Gewächsen.  M  e  y  r  a  c  fand  Jod  in  den  Oscillatorien  aus  den  T  h  e  r- 


—     47     — 

men  vom  Dax,  Departement  des  Landes,  Henry  in  den  Con- 
ferven  verschiedener  Mineralwasser,  B  o  n  j  e  a  n  im  isländischen  Moos 
(Cetraria  islandica) ,  von  der  Marck  in  der  Jungermannia  albicans 
(1847),  Personne  in  der  Jungermannia  pinguis  (1850). 

Müller  fand  Jod  in  der  Kresse  (Sisymbrium  Nasturtium  L.)  und 
Chat  in  fand  jetzt  Jod  in  der  Asche  aller  Süsswasserpflanzen,  aber 
keines  in  der  von  Landpflanzen.  Auch  M  a  r  c  h  a  n  d  und  B  u  s  s  y  fan- 
den Jod  in  Süsswasserpflanzen.  Endlich  fanden  L  a  m  y  und  F  e  h  1  i  n  g 
Jod  in  der  Pottasche,  welche  aus  der  Melasse  der  Runkelrüben- 
zuckerfabrik zu  Waghäusel  in  Baden  bereitet  wird;  dagegen  fand 
Lamy  keine  Spur  von  Jod  in  den  Kunkelrüben  oder  der  Pottasche 
einer  Zuckerfabrik  von  ValenciennC;  was  vom  Wasser  oder  vom 
Boden,  in  dem  die  Rüben  gewachsen,  herrühren  kann. 

Im  T hierreich  ist  das  Jod  gleichfalls  verbreitet.  Schon  im 
Jahr  1819  fand  esFyfe  im  Meerschwamm  (Spongia  offic, 
L.),  worin  es  St  raus  zu  Hofwyl  fast  zu  gleicher  Zeit  gefunden 
zu  haben  scheint. 

Ferner  fand  man  es  in  den  Gorgonien  und  andern  Zoophy- 
ten,  in  den  Echiniten,  Korallen,  Seesternen.  Chevallier 
fand  es  im  Jahr  1822  in  den  Sepieneiern  und  Baiard  1824  in 
verschiedenen  Mollusken  und  Testaceen,  z.B.  Doris,  Ve- 
nus, Ostrea ;  ferner  fand  man  es  in  Krebsen  und  Hummern  (C  r  u  s  t  a- 
ceen),  ferner  in  dem  in  der  Leber  verschiedener  Seefische  ent- 
haltenen Fett,  im  Leberthran  von  Gadus  und  Raja,  worin  es 
im  Jahr  1835  von  Hopfer  de  l'Orme  entdeckt  wurde. 

Endlich  fand  es  Chat  in  in  der  neuesten  Zeil  (1849)  in 
Blutegeln,  Fröschen,  Wasserratten  und  andern  Süsswasserthieren, 
in  den  Eiern  der  Vögel,  welche  reich  an  Jod  seien,  und  in  der 
Milch,  mehr  in  der  Eselsmilch,  als  in  der  Kuhmilch. 

Auch  soll  ein  in  Italien  vorkommendes  Insekt,  Jtdus  foeti- 
dissimus  (Savi)  freies  Jod  enthalten  in  dem  Saft,  den  es,  so- 
bald es  gereizt  wird,  ausspritzt,  und  welches  Amylum  blau  färbt. 

Es  wäre  diess  das  einzige  Beispiel  vom  Vorkommen  des 
Jods  im  freien  Zustand ,  denn  sonst  kommt  es  in  der  Natur  im- 
mer in  Verbindung  mit  andern  Körpern  vor ,  gewöhnlich  in  Ver- 
bindung mit  Kalium  (auch  mit  Natrium), 

In  dem  Meerschwamm,   so  wie    im  Leberthran  ist  das  Jod 


-    48    — 

quantilativ  beslimml,  die  Menge  desselben  aber  sehr  verschieden 
gefunden  worden. 

Preuss  und  Sommer  erhielten  aus  12  Unzen  Schwamm 
14— 19  Gran  Jod,  d.i.  auf  10,000  Theile  24,3—33,9.  Vogel 
fand  22.  Dagegen  fand  Crockewit  in  den  Niederlanden  in 
10,000  Theilen  Schwamm   108  Theile  Jod. 

Nach  Dorvault  soll  der  Jodgehalt  des  Schwammes  ver- 
schieden sein,  je  nachdem  er  in  einem  Meere  gewachsen  ist. 
Was  den  Leberthran  betrifft,  so  erhielten  Girard  in  und  P  re  i- 
sier  aus  10,000  Theilen  Leberthran  von  Raja  clavata  und 
Raja  batis  1,47,  und  Marchand  erhielt  aus  1  Litre  Leberthran 
von  Bergen  0,165  Gramm  Jodkalium,  d.  i.  auf  10,000  Theile 
1,35  Jod  (nach  dem  specif.  Gewicht  =  0,928  berechnet). 

Nach  Dorvault  soll  in  1  Litre  Leberthran  von  Raja-Arten 
bis  0,18  Gramm  und  in  dem  von  Gadiis  Morrhua  bis  0,15  Jod- 
kalium enthalten  sein,  was  so  viel  ist,  als  auf  10,000  Theile  der 
ersteren  1,46  Thl.  Jod  und  auf  10,000  Thl.  der  letzteren  1,23. 
Indessen  bemerkt  er  zugleich ,  Joseph  (?)  habe  erhalten  auf  1  Litre 
0,487  Gramm  Jodkalium,  was  so  viel  ist,  als  auf  10,000  Thl. 
Leberthran  4,01  Thl  Jod  (d.i.  auf  16  Unzen  3,079  Gran). 

De  Jongh,  welcher  Leberthran  aus  Norwegen,  von  ver- 
schiedenen Gadus-Arten  abstammend,  in  Mulder's  Laboratorium 
untersuchte,  fand  in  10,000  Theilen 

von  braunem  Leberthran 2,95  Thl.  Jod, 

in  hellbraunem 4,06    „       „ 

in  gelbem  oder  sogen,  blanken .     .     .     3,74    „       „ 
Demnach  enthielt  1  Pfund  von  16  Unzen  vom  besten  Leberthran 
,3,07  Gran  Jod. 

Vorkommen  des  Jods   in  der  unorganischen  Natur, 

im  Wasser,    in  der  Luft,  in  Mineralien,  in  Gebirgs- 

arten    und  in  fossilen  Ueberresten  von  zerstörten 

organischen    Körpern. 

Nach  der  Entdeckung  des  Jods  in  der  Tangsoda  und  in  den 
Fucus- Arten  und  andern  cryptogamischen  Meerespflanzen  ver- 
suchte man  dasselbe  auch  im  Meerwasser  aufzufinden,  indessen 
waren  die  diessfallsigen  Bemühungen  der  englischen  und  franzö- 


~    49     - 

sischen  Chemiker,  eines  Tennant,  Davy,  Gaultier, 
F.yfe,  ganz  vergeblich,  und  erst  im  Jahr  1825  wurde  es  von 
B  a  1  a  r  d  (dem  Entdeclier  des  Broms)  mit  Hülfe  des  Stärkmehls 
in  den  Mutterlaugen  der  Salinen  vom  mittelländischen  Meere 
nachgewiesen,  und  ebenso  von  Pf  äff  im  Ostseewasser,  nach- 
dem schon  im  Jahr  1822  Lorenz  A  n  g  e  1  i  n  i ,  Apotheker  und 
Chemiker  zu  Voghera  in  Piemont,  in  einem  salzigen  und  eisen- 
haltigen Wasser  bei  dem  Dorf  Sales  in  der  Provinz  Voghera, 
welches  gegen  Kropf  gebräuchlich  war,  mit  Hülfe  desselben 
Mittels  Jod  entdeckt  hatte. 

Im  Jahr  1825  wurde  es  auch  von  Meissner  in  der 
Mutterlauge  der  Soole  zu  Halle  in  Sachsen  nachgewiesen  ;  fer- 
ner von  Dr.  C  a  n  t  u  ,  Professor  der  Chemie  zu  Turin  ,  im 
Schwefelwasser  von  Gastet  nuovo  d'Asti ,  welches  gegen  den 
Kropf  und  andere  Krankheiten  des  Drüsensystems  vortreffliche 
Dienste  leistet;  ferner  von  Egidi  in  mehreren  salinischen  Mi- 
neralquellen in  der  Umgegend  von  Ascoli.  Und  von  dieser  Zeit 
an  häufen  sich  immer  mehr  die  Entdeckungen  von  Jod  in  den 
Mineralwassern,  hauptsächlich  in  den  kochsalzigen  und  in  den 
Schwefelwassern,  denn  das  Jod  ist  der  natürliche  Be- 
gleiter, wie  einerseits  des  Chlors,  so  andererseits 
des  Schwefels.  Man  hat  es  namentlich  bis  jetzt  gefunden  in 
einer  grossen  Anzahl  von  Salzsoolen  und  kochsalzigen  Mineral- 
wassern von  Deutschland  (z.  B.  in  den  Salzsoolen  von  Kreuznach 
und  Schönebeck,  in  dem  Kropfwasser  von  Hall  in  Ober-Oester- 
reich,  in  der  Adelheidsquelie  zu  Heilbrunn  bei  Benedict- 
beuern  etc.  etc.),  der  Schweiz,  Italien,  Frankreich,  England,  Süd- 
und  Nord- Amerika,  Indien  (ich  zähle  hier  deren  43  auf). 

In  den  So  ölen  oder  Mutterlaugen  von: 
Kreuznach  in  den  preuss.  Rheinprovinzen     Mettenheimer  u.  Liebig. 
Salzhausen  in  Hessen -Darmstadt     .     .     Liebig. 

Schmalkalden  in  Hessen Bernhardi. 

Suiza  in  Sachsen-Weimar Müller. 

Salzungen  in  Sachsen Wackenroder. 

Artern  in  der  preuss.  Prov.  Sachsen  .     .     derselbe. 
Halle  in  der  preuss.  Prov.  Sachsen      .     Meissner. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    i853.    Is  Heft.  4 


-    50    - 

Dürrenberg  in  der  preuss.  Prov.  Sachsen  Stolze. 

Kosen  in  der  preuss.  Prov.  Sachsen  .     .  derselbe. 

Schönebeck  in  der  preuss.  Prov.  Sachsen  Hermann.    Steinberg. 

Rehme  bei  Minden AschofF. 

Salzuffeln   im  Mindener  Regier. -Bezirk 

(Lippe -Detmold) Brandes. 

Tatenhausen  in  Westphalen    ....  derselbe. 

Königsborn  bei  Unna  in  Westphalen  .     .  derselbe. 

Werl  in  Westphalen Danecke. 

Colberg  in  Pommern John. 

Sülze  in  Mecklenburg Krüger. 

Bolechow  und  Drochobycz  in  Galizien     .  Torosiewicz. 

Bex  in  der  Schweiz  (Waadlland)    .     .     .  Morin. 

Voghera  in  Sardinien Angelini. 

Salliez  in  Frankr.  (Dep.  basses  Alpes)     .  Pomier. 

Salines  in  Frankr.  (Jura -Dep.)     ... 

Guaca  in  der  Prov.  Anliocquia  in  Süd- 
Amerika  (Columbia) Boussingault. 

Konawah  in  Nord -Amerika     ....  Emmet. 

Ferner  in  folgenden    stark  kochsalzigen  Mineral- 
wassern   (über  30  Gran  Kochsalz  in   1  Pfund): 

Hall  in  Oberösterreich,  sg.  Kropfwasser  v.  Holger.    Fuchs. 

Heilbrunn  bei  Benedictbeuern  in  ßaiern 

(Adelheid -Quelle) Fuchs.    Vogel. 

Dölau  bei  Halle  in  Sachsen Marchand. 

Salzschlirf  bei  Fulda Leber. 

Homburg  in  Hessen -Homburg     .     .     .  Liebig. 

Kissingen  in  Baiern Kastner.    Struve. 

Meinberg  bei  Pyrmont  (Kochsalz- Quelle)  Brandes. 

Wiesbaden  in  Nassau Fresenius. 

Mondorff  bei  Luxemburg Kerkhoff. 

Quelle  bei  Sales  in  Piemont     ....  Angelini. 

Mehrere  salinische  Quellen  bei  Ascoli     .  Egidi. 

Mineralwasser  von  Cheltenham  in  England  Abel  und  Kowney. 

Mineralwasser    von  Assinan   im  nieder- 
ländischen Indien Mulder. 


--     51     — 

Ferner   noch  in  mehreren,    die    minder    kochsalzig 
sind  (über  4—12  Gran  in  1  Pfund). 

Jahorowitz  in  Mähren Ehrmann. 

Baden  in  der  Schweiz  (Cant.  Argau)  .     .     Löwig. 
Quelle  von  Bath  in  England     ....     nach  einer  Angabe  in  Br. 

Archiv  (Gmel.  Handb.) 
Kingswood  bei  Bristol  in  England     .     .     Herapalh. 

Guttenbog  in  England Beesly. 

Caledonia-Quellen  in  Canada    ....     Hunt. 

Ferner  in  vielen  Schwefel  wassern,  namentlich  in  al- 
len Schwefelwassern  der  Pyrenäen  nach  Henry  etc.  etc., 
denen  zu  Levern  im  preuss.  Reg. -Bezirk 

Minden Wilting. 

denen  zu  Lippspring       ......     derselbe. 

in  dem  zu  Trulcawiec  in  Galizien  .     .     .     Torosiewicz. 
in  dem  Schwefelwasser  von  Castel  nuovo 

d'Asli Cantu. 

in  dem   von  Aix  in  Savoyen  (schwefel- 

wasserstoffhaltige  Therme)   .     .     .     .     Bonjean. 

in  den  Aachener  Quellen Liebig. 

Ferner   in   einigen    bittersalzigen  oder  glaub  ers  alz- 
i  g  e  n  \Yassern 

namentlich : 

Carlsbad Kreutzburg. 

Marienbad Berzelius. 

Saidschülz 

an  welche  sich  gewissermassen  anschliesst: 
die  Therme  von  Weissenburg,  Cant.  Bern     Fellenberg. 

auch  in  einigen  stoffarmen  Wassern 
in  dem  von  Pre  St.  Didier  bei  Cormayeux 

in  Piemonl Abbene. 

in  der  alcalischen  stoffarmen  Therme  von 

Töplitz  in  Böhmen Ficinus. 

in  den  stoffarmen  alcalinischen  und  eisen- 
haltigen Wassern  zu  Vichy,  Cusset  und 

Haute  rive,  sämmtlich  im  Allier-Dep.     Henry. 

4  * 


—    52    - 

Endlich  hat  man  auch  noch  in  einigen  andern  Quellen  Jod 
gefunden,  die  ich  nicht  classificirt  habe,  weil  ich  sie  nicht  näher 
kenne,  namentlich  von  folgenden  Orten; 

Hassfurt  in  Baiern v.  Bibra. 

Künzig  in  Baiern Wolff. 

Ivonicz  in  Galizien Torosiewicz. 

Challes  in  Savoyen Henry. 

Genesco  in  Italien Sementini. 

Therme  von  Albano Raggazini. 

Chatenois,  franz.  Dep.  Oberrhein .     .     .  Schäuffele. 
Beris  im  Allier-Dep.  und  St.  Honore  im 

Nievre  -  Dep Henry. 

Quelle  von  Bonnington  bei  Leith  .     .  Turner. 
Quelle  zu  Eleusin  in  Griechenland  (Insel 

Cos)  und  zu  Lipso  auf  der  Insel  Euboea  Landerer. 

Popayan  in  Süd -Amerika Abbene. 

Tambangan  in  Java Fresenius. 

Marchand  fand  Jod  im  Trinkwasser  zu  Fecamp  und 
Buchner  im  Trinkwasser  zu  München.  Chat  in  gibt  an:  in 
süssem  Wasser,  Fluss-,  Quell-  und  Brunnenwasser,  selbst  im 
Regenwasser  sei  Jod.  Der  Jodgehalt  sei  dem  Chlor  nicht  pro- 
portional, und  sei  um  so  grösser,  je  grösser  der  Gehalt  an  Eisen; 
und  Marchand,  welcher  Chatin  die  Priorität  der  Entdeckung 
des  Jods  im  süssen  Wasser  streitig  macht ,  behauptet,  alles  in 
der  Natur  vorkommende  Wasser  enthalte  Jod. 

Die  äusserst  geringe  Menge  Jods  aber,  welche  nach  Chatin 
in  gewöhnlichem  Brunnenwasser  enthalten  ist,  beträgt  auf  1  Litre, 
d.  i.  50,4  pariser  Cubikzoll  oder  gegen  16,000  Gran,  dem  Gewicht 
nach  nur  ^J^  Milligramm,  d.  i.  5  Hunderttausendstel  von  einem 
Gran. 

Die  Wasser,  deren  Jodgehalt  man  bis  jetzt  bestimmt  hat, 
lassen  sich  nach  ihrem  Jodgehalt  folgendermassen  classificiren: 


1)  In   1  Pfund  (zu  16  Unzen  =  7680  Gran)  i  bis  1  oder 


IJ  Gran. 


53    - 


Hall  in  Ober-Oeslerreich,  sogen.  Kropf- 
wasser   4,67  Gran  nach  V.  Holger, 

nach  Fuchs  nur  J — ^  die- 
ser Menge,  also  1,17  bis 
1,558  Gran. 


Heilbrunn  in  Baiern  (Adelheids-Quelle) 


0,705  Gran.   Fuchs. 

0,635      .,  Vogel. 

(0,186     „  Pellenkofer 
1852.) 

Assinan  im  niederländischen  Indien      .     0,543      „  Mulder. 
Salzhausen  in  Hessen-Darmstadl  (Salz- 

soole) 0,499     „  Liebig. 

Jahorowilz   in   Mähren    (0,32  Gran  in 

^  Österreich.  Maass) „  Ehrmann. 

2)  In  10  Pfund  ^  bis  1  Gran 

Meinberg  bei  P;)Tmonl  (Kochsalz-Quelle)     0,089     „  Brandes. 

Töplitz  in  Böhmen 0,048     „  Ficinus. 

Cheltenham  in  England 0,044     „  Abel  und 

Kowney. 

Salzschlirf  bei  Fulda     , 0,040     „  Leber. 

Kreuznach  in  der  preuss.  Rheinprovinz     0,037     „  Liebig. 

(0,0032      „  Illuslrirte 
Ztg.  1851). 

3)  In  100  Pfund  J  bis  1  oder  1^  Gran 

Carlsbad  in  Böhmen 0,0150      „  Kreulzburg. 

Caledoniaquelle  in  Canada  (Salz-Quelle)  0,0097      „ 

(Gas-Quelle)   0,0032      „  Hunt. 

Kingswood  bei  Bristol  in  England      .     .  0,0066      „  Herapath. 

Guttonbog  in  England 0,0046      „  Beesly. 

Krankenheil  bei  Dölz 0,0029      „  Barth. 

Aachener  Schwefelquellen     ....  0,0033      „  Liebig. 

4)  In  1000  Pfund  zwischen  ^  und  1  Gran 

Mondorff  bei  Luxemburg 0,0007      „  Kerkhoff. 

5)  In   10,000  Pfund  gegen  1  bis  ^  Gran 
Kissingen  Racoczy 0,00016      „  Struve. 

6)  In  50,000  Pfund  1  bis  1^  (100,000  Pfund  2  bis  3  Gran) 


-    54     — 

Gemeines  Brunnenwasser,    z.  B.    von 
Arceuil 0,000023  Gran.    Chalin. 

Chatin  fand  auch  Jod  in  der  atmosphärischen 
Luft,  und  zwar  in  4000  Litre  Luft  zu  Paris  -^i^^  Milligramm 
Jod.  Man  kann  sich  einen  Begriff  von  dieser  Menge  des  Jods  in 
der  Luft  machen,  wenn  man  aus  der  eben  erwähnten  Angabe 
berechnet,  dass  sonach  124,7  Millionen  Litres,  d.i.  148,6  Millio- 
nen würltemberg.  halbmaasige  Flaschen,  nur  1  Gran  Jod  enthal- 
ten würden.  ^) 

Was  endlich  das  Vorkommen  des  Jods  in  Mineralien 
und  Gebirgsarten  und  in  fossilen  Ueberresten  von 
zerstörten  organischen  Körpern  betrifft,  so  wurde  schon  im  Jahr 
1825  in  einigen  mexikanischen  Silber-  und  Bleierzen 
Jod  entdeckt: 

von  Vauquelin  in  einem  mexikanischen  Silbererz, 

von  del  Rio  im  Hornsilber  von  Albarradon  und 

von  Bustamente  im  Weissbleierz  von  Catorce. 

Indessen  halte  auch  schon  Fu  c  hs  dasselbe  im  Steinsalz 
von  Hall  in  Tyrol  gefunden. 

Hayes  fand  es  im  Jahr  1841  im  sogen.  Chilisalpeter, 
d.  i.  in  dem  natürlich  vorkommenden  Natronsalpeter  von  Taracapa 
in  Peru,  und  Brandes  im  vulkanischen  Salmiak  von  der 
Insel  Lanzerole. 

Im  Jahr  1847  entdeckte  es  Duflos  in  den  schlesischen 
Steinkohlen,  und  Bussy  fand  es  in  den  Steinkohlen  von 
Comentry  in  Frankreich  im  Allier -Departement. 

Im  Jahr  1849  wurde  es  von  Gent  el  es  im  Thonschie- 
fer  oder  Alaunschiefer  von  Latorp  in  Schweden  gefunden,  eine 
Gebirgsart,  welche  nach  der  Ansicht  von  Forchhammer  aus 
der  Verwesung  von  Fucus  -  Arten  hervorgegangen  ist. 

Endlich  fand  es  Lembert  in  Lyon  1850  auch  in  den  im 
dortigen  Jura -Kalk  vorkommenden  Petrefakten. 


*)  Nach  Chat  in  und  nach  Fourcaiilt  fehlt  das  Jod  fast  ganz 
oder  ganz  in  dem  Trinkwasser  der  Gegenden,  wo  Kropf  und  Kretinis- 
mus heimisch  sind ,  und  nach  dem  letztern  auch  in  der  Luft  solcher  Ge- 
genden. 


—    55     - 

Auch  im  schlesischen  Galmei  ist  es  in  sehr  geringer  Menge 
enthalten  nach  Menzel  und  Co  eh  1er. 

Nach  Henry  ist  es  in  fast  allem  Steinsalz  enthalten. 

Nach  Chatin  findet  sich  das  Jod  in  der  Ackererde,  reich- 
lich im  Schwefel,  im  Zinnober,  in  den  Eisen-  und  Mangan  -  Erzen, 
sparsam  im  Gyps,  in  der  weissen  Kreide  und  im  Grobkalk.  Das 
Steinsalz  und  Kochsalz  des  östlichen  Frankreichs  sei  fast  frei 
von  Jod. 

Vo  r  komme  n  und  Verbr  ei  tun  g  des  Jods  in  den  Mineral- 
wassern und  Mineralien  Württembergs. 

Von  dem  Vorkommen  des  Jods  in  Württemberg  wusste  man 
nichts  bis  im  Jahr  1831,  wo  ich  es  in  dem  S  ch  wefe  1  wasse  r 
zu  Sebastians  weiter  entdeckte. 

Sodann  erschien  im  Jahr  1846  eine  Schrift  von  Herrn  Rieek- 
herr,  Apotheker  und  Chemiker  in  Marbach,  welcher  ankün- 
digte, dass  er  in  den  Mutterlaugen  der  Friedrich shaller. 
Clemenshall  er  und  anderer  benachbarter  Salzsoolen 
grosse  Quantitäten  Jod  entdeckt  habe,  so  dass  ein  Centner  sol- 
cher Mutterlauge  1000  bis  2000  Gran  Jod  liefern  könnte.  Ich 
wurde  desshalb  von  dem  Königl.  Finanzministerium  befragt  und 
mit  Soole  und  Mutterlauge  versehen ,  um  die  Untersuchung  vor- 
nehmen zu  können.  Es  gelang  mir  nicht,  bei  der  sorgfältigen 
Wiederholung  der  K  ie  ck  he  r  r 'sehen  Versuche  oder  auf  eine 
andere  Weise  eine  wägbare  Menge  Jod  daraus  zu  erhalten ,  ja 
ich  konnte  kaum  eine  zweideutige  Spur  davon  entdecken.  Die 
gleichen  Resultate  erhielten  die  Herren  Professor  Fehling, 
Bergrath  Degen  und  Professor  Chr.  Gmelin,  wie  wir  aus  der 
gedruckten  Abhandlung  des  Herrn  Prof.  Fehling  über  diese 
Salzsoolen  ersehen. 

Das  C  a  n  n  s  t  a  1 1  e  r  M  i  n  e  r  a  1  w  a  s  s  e  r  ist  auch  eine  schwache 
Salzsoole,  in  ihrer  Bildung  modificirt  durch  eine  grosse  Menge 
freier  Kohlensäure.  Diese  löst  eine  grössere  Menge  kohlensaurer 
Bittererde  aus  dem  dolomitischen  Kalkstein  auf,  und  diese  kohlen- 
saure Bittererde  zersetzt  sich  mit  schwefelsaurem  Kalk  und  gibt 
schwefelsaure  Bitlererde,  welche  durch  ihre  Zersetzung  mit  Koch- 
salz schwefelsaures  Natron  und  Chlormagnesium  liefert,   und  so 


-    56    — 

entstehen  die  verschiedenen  Salze,  die  man  durch  die  Analyse 
aus  diesem  Mineralwasser  erhält.  Auch  gelang  es  mir,  nicht  allein 
durch  die  Vermischung  mit  Alcohol  diese  Mineralwasser  einfach 
in  Kochsalz,  Gyps,  kohlensaure  Bittererde  und  kohlensauren  Kalk 
zu  zerlegen,  sondern  auch  durch  Einwirkung  von  kohlensaurem 
Wasser  auf  Kochsalz,  Gyps  und  Dolomit  nachzubilden.  Da  nun 
alle  unsere  Salzsoolen  eine  beträchtliche  Menge  Brom  enthalten, 
so  suchte  ich  dieses  Brom  jetzt  auch  im  Cannstatter  Mineral- 
wasser, fand  aber  darin  nicht  allein  Brom,  sondern  auch  Jod. 

Dieses  Vorkommen  des  Jods  im  Cannstatter  Mineralwasser 
veranlasste  mich,  neue  Versuche  über  das  Vorkommen  desselben 
in  unsern  Salzsoolen  anzustellen. 

Auf  folgende  Weise  gelang  es  mir,  mich  von  der  Gegenwart 
desselben  zu  überzeugen.  Das  Wesentliche  dabei  ist,  dass  ich 
zuerst  das  Brom  entfernte. 

In  1^  Schoppen  oder  ungefähr  26 J  Unzen  conc,  Mutter- 
lauge von  F  ri  ed  rieh  sh all  wurden  in  einer  Retorte  2  Drach- 
men conc.  Schwefelsäure  und  ebensoviel  Braunstein  gebracht  und 
über  Nacht  stehen  gelassen.  Am  andern  Tage  wurde  die  Retorte 
im  Sandbad  äusserst  langsam  erhitzt,  mit  einer  Vorlage,  worin 
sich  wässerige  Lösung  von  Aetzkali  befand.  Die  Erhitzung  wurde 
so  lang  fortgesetzt ,  bis  das  Brom  sich  als  ein  röthlicher  Dampf 
entwickelt  hatte,  und  dieser,  indem  er  in  die  Vorlage  überging, 
wieder  verschwunden  war. 

Die  Flüssigkeit  in  der  Vorlage  enthielt  nun  reichlich  Brom, 
welches  sich  beim  Zusätze  von  Braunstein  und  Schwefelsäure 
durch  heftige  Entwicklung  von  Bromdämpfen  und  dunkelpomeran- 
zengelbe  Färbung  eines  mit  Stärke  gesteiften  Leinwandstreifens 
zu  erkennen  gab. 

Die  in  der  Retorte  zurückgebliebene  Flüssigkeit  sammt  Satz 
wurde  mit  überflüssigem  kohlensaurem  Natrum  vermischt  und  ge- 
kocht, sodann  filtrirt,  das  Filtrat  abgedampft  und  mit  einem  Ge- 
misch von  Alcohol  und  Wasser  ausgezogen,  wobei  der  grösste 
Theil  unaufgelöst  zurückblieb;  die  weingeistige  Lösung  wurde 
wieder  filtrirt  und  abgedampft  und  endlich  der  Rückstand  in  wenig 
heissem  Wasser  aufgelöst.  Als  hiezu  in  einem  Kelch  ein  Streifen 
Steifleinwand,  etwas  Braunstein  und  einige  Tropfen  Schwefelsäure 


—    57     — 

gebracht  wurden,  färbte  sich  die  Steifleinwand  deutlich  violett 
auf  beiden  Seiten  nach  obenzu,  und  nur  nach  unten  (in  der  Mitte) 
pomeranzengelb. 

Demnach  enthalten  unsere  Salzsoolen  nicht  allein  Brom,  son- 
dern auch  Jod,  wie  es  von  verschiedenen  andern  Salzsoolen  längst 
dargethan  worden  ist,  und  das  Jod  hat  ohne  Zweifel  bei  uns  die- 
selbe grosse  Verbreilung,  wie  diese  Salzsoolen  und  das  Steinsalz. 

Wir  haben  aber  in  unserem  Lande  noch  eine  andere  weit 
verbreitete  Quelle  des  Jods.  Diese  ist  der  an  versteinerten  Ueber- 
resten  von  zerstörten  Organismen  reiche  bituminöse  Schie- 
fer der  Liasformation  mit  den  daselbst  so  häufig  vorkom- 
menden Schwefelquellen.  Dieser  an  verschiedenen  bituminö- 
sen Substanzen  reiche  Mergelsehiefer  enthält  zugleich  Schwefel- 
eisen und  schwefelsauren  Kalk.  Wahrscheinlich  geht  der  letztere 
durch  Desoxydation  vermittelst  der  Humussäure  in  Schwefelcalcium 
über,  welches  von  der  Kohlensäure  des  kohlensäurehaltigen 
Wassers  zersetzt  wird,  wodurch  Schwefelwasserstoff  entwickelt 
und  ein  Schwefelwasser  gebildet  wird. 

Nachdem  ich  mich  mit  der  Untersuchung  der  Salzsoolen 
auf  Jod  beschäftigt  hatte ,  wiederholte  ich  auch  die  Untersuchung 
des  Schwefelwassers  von  Se  hast  i  ans  w  eile  r  auf  Jod,  und  sähe 
mich  bald  im  Stande,  dasselbe  auf  eine  einfache  und  überzeugende 
Weise  vermittelst  des  Amylums  nachzuweisen.  Im  Jahr  1848 
fand  ich  es  auch  im  Boller  Schwefelwasser,  worin  es 
reichlicher  enthalten  ist ,  und  gewann  nun  die  Ueberzeugung,  dass 
es  in  allen  Schwefelwassern  enthalten  sein  müsse,  welche  in  dieser 
Gebirgsformation  vorkommen;  ich  fand  es  dann  auch  im  Jahr 
1850  im  Reutlinger  Schwefelwasser  und  in  demselben 
Jahre  noch  in  dem  von  Balingen.  In  allen  diesen  Schwefel- 
wassern ist  das  Jod  in  grösserer  Menge  angehäuft,  als  in  den 
Salzsoolen. 

Wo  anders  können  diese  Schwefelquellen  ihren  Jodgehalt 
hernehmen,  als  aus  der  Gebirgsart,  in  der  sie  entspringen.  Die- 
ser Gedanke  führte  mich  darauf,  in  dem  bituminösen  Schie- 
fe r  selbst  das  Jod  aufzusuchen.  Es  bieten  sich  indessen  vier 
verschiedene  Schwierigkeiten  dar,  nämlich:  1)  die  grosse  Masse 
bituminöser  Substanzen ,  welche  die  Einwirkung  des  Wassers  auf 


—     58     — 

die  Jodverbindung  hindern;  2)  die  Bildung  von  Schwefelcalcium 
bei  der  Zerstörung  der  erdharzigen  Substanzen  durch  Glühen  mit 
Abhaltung  der  Luft  und  die  Entwicklung  von  Schwefelwasserstoff 
bei  der  Behandlung  der  geglühten  Masse  mit  Wasser  und  Säu- 
ren, wodurch  das  Jod  in  Jodwasserstoff  verwandelt  wird; 
3)  die  Zerstörung  der  Jodverbindung  und  Verflüchtigung  des 
Jods  beim  Glühen  an  der  Luft ,  wenn  die  Jodverbindung  Jodcalcium 
und  Jodmagnesium  oder  selbst  Jodnatrium  ist. 

Es  gelang  mir  indessen  durch  das  hier  unten  angegebene 
Verfahren,  die  Gegenwart  des  Jods  in  dem  Schiefer  auf  eine  über- 
zeugende Weise  darzuthun. 

In  dem  wässerigen  Auszuge  von  2|  Unzen  feingepulvertem 
Schiefer  von  Boll  konnte  ich  keine  Spur  von  Jod  entdecken.  Der 
Schiefer  wurde  hierauf  in  einer  Retorte  in  der  Rothglühhitze  ver- 
kohlt und  sodann  wieder  mit  Wasser  ausgezogen.  Dieser  wässe- 
rige Auszug ,  bis  auf  Weniges  eingekocht ,  zeigte  mit  Schwefel- 
säure und  Braunstein  keine  Reaction  auf  Stßifleinwand.  Als  diese 
aber  nach  längerer  Zeit  herausgenommen  und  sammt  Anhängendem 
in  einem  Gläschen  mit  destillirtem  Wasser  der  Luft  ausgesetzt 
wurde ,  stellte  sich  eine  merkliche  Röthung  des  Amylons  ein.  Der 
kohlige  Rückstand  des  Schiefers  wurde  durch  Glühen  vollends  ein- 
geäschert und  abermals  mit  Wasser  ausgezogen.  In  diesem  Aus- 
zuge war  nichts  von  Jod  zu  erkennen. 

Ein  günstigeres  Resultat  wurde  erhalten,  als  eine  grössere 
Menge  gepulverter  Schiefer  mit  Natronkalk  vermengt  und  in  einer 
Retorte  verkohlt  wurde. 

Endlich  gelang  es  mir  durch  folgendes  Verfahren,  die  Gegen- 
wart des  Jods  in  dem  Schiefer  auf  die  überzeugendste  Weise  dar- 
zuthun. 15  Unzen  gepulverter  Schiefer  wurden  mit  einer  wässe- 
rigen Lösung  von  chemisch  reinem  Aetzkali  (um  Jodkalium  zu 
bilden)  angerührt,  die  Masse  zur  Trockene  gebracht  und  hierauf 
das  Bitumen  durch  Glühen  in  einer  Retorte  in  der  Rothglühhitze 
zerstört,  sodann  der  Rückstand  mit  Wasser  ausgekocht  und  filtrirt. 
Das  Filtrat  wurde  mit  Alcohol  gefüllt ,  die  weingeistige  Flüssig- 
keit in  gelinder  Wärme  bis  auf  wenig  wässerige  Flüssigkeit  ab- 
gedampft, hiezu  Schwefelsäure  gesetzt  bis  zur  sauren  Reaction 
und   die  getrübte  Flüssigkeit  in    einem    luftdicht   verschlossenen 


-     59     — 

Gläschen  zwölf  Stunden  lang  stehen  gelassen,  dann  von  dem  Satz 
abgegossen  und  filtrirt.  In  diese  Flüssigkeit  wurde  ein  Streifen 
Steifleinwand  gebracht,  sodann  etwas  Braunstein  und  einige  Tropfen 
Schwefelsäure.  Nach  ungefähr  einer  Viertelstunde  stellte  sich 
eine  Röthung  des  Am^'lons  ein,  und  am  andern  Tage  war  die 
Steifleinwand  dunkelviolett  gefärbt. 

Durch  diese  Versuche  ist  die  Gegenwart  des  Jods  in  dem 
Schiefer  ausser  Zweifel  gestellt,  und  das  Jod  ist  mit  dieser  Ge- 
birgsart  an  dem  ganzen  Fusse  der  Alp  verbreitet,  wie  mit  dem 
Steinsalz  und  den  Salzsoolen  am  Neckar  im  Ober-  und  Unterlande. 
Man  sage  nicht,  das  Jod  sei  freilich  allenthalben  verbreitet  nach 
den  Versuchen  von  Chat  in  und  Marchand. 

Wenn  nach  diesen  ein  Minimum  von  Jod  sehr  verbreitet 
ist,  so  ist  es  dagegen  in  dem  Schiefer  und  in  den  Schwefel- 
wassern angehäuft,  und  mit  den  nämlichen  Mitteln  finden  wir  in 
gewöhnlichem  Wasser  und  in  andern  Mineralwassern ,  z.  B.  in 
dem  von  NVildbad  und  Teinach ,  keine  Spur  von  Jod.  Die  An- 
häufung des  Jods  in  diesem  Schiefer  hat  ohne  Zweifel  mit  der 
Masse  von  Bitumen  und  den  Schwefelverbindungen  in  demselben 
einen  und  denselben  Ursprung,  auf  welchen  auch  die  in  demsel- 
ben so  häufig  vorkommenden  versteinerten  Ueberreste  von  orga- 
nischen Geschöpfen   der  Vorwelt  hinweisen. 

Quantitative   Bestimmung    des    Jods    indem 
Reutlinger    Schwefelwasser. 

1064  Unzen  =  510720  Gran  Wasser  wurden  mit  einem 
Zusätze  von  l  Drachme  chemisch  reinem  Kalih^drat  in  einer  Por- 
cellanschaale  nach  und  nach  abgedampft  bis  auf  einen  Rest  von 
einigen  Unzen  Flüssigkeit,  sodann  wurde  filtrirt  und  mit  heissem 
destillirtem  Wasser  ausgesüsst. 

Die  abfiltrirte  kastanienbraune  Flüssigkeit  wurde  bis  zur 
Trockene  abgedampft  und  zu  einem  feinen  Pulver  zerrieben. 

Das  hellbraune  Pulver  wurde  in  einem  Porcellantiegel  erhitzt 
und  unter  Entwicklung  von  stinkenden  Dämpfen,  brenzlichem  Oel 
und  Ammoniak  in  eine  kohlige  Masse  verwandelt. 

Diese  wurde  mit  destillirtem  Wasser  ausgekocht  und  ausge- 
süsst, wobei  Kohle  zurückblieb,  welche  getrocknet  15  Gran  wog. 


—    60    — 

Die  abfiltrirle  Flüssigkeit,  welche  farblos  war,  wurde  mit 
einem  gleichen  Volumen  Alcohol  von  41  ^  vermischt  und  über 
Nacht  hingestellt. 

Am  andern  Tage  wurde  die  Flüssigkeit  von  dem  starken  Boden- 
sätze abgegossen,  der  Rest  noch  mit  Alcohol  ausgespühlt,  undsämmt- 
liche  Flüssigkeit  zur  Trockene  abgedampft.  Der  feste  Rückstand, 
in  Wasser  gelöst  und  mit  verdünnter  Schwefelsäure  neutralisirt, 
gab  mit  schwefelsaurem  Zink  keinen  Niederschlag,  mit  Chlorpalla- 
dium aber  sogleich  eine  dunkle  Trübung,  und  am  andern  Tage 
hatte  sich  ein  schwarzer  Niederschlag  gebildet,  welcher  auf  dem 
Filter  gesammelt  wurde. 

Der  oben  erwähnte  Bodensatz ,  von  welchem  die  Flüssigkeit 
abgegossen  worden  ,  wurde  mit  einem  Gemisch  von  gleichviel  Alco- 
hol und  Wasser  Übergossen,  und  nach  24  Stunden  die  Flüssigkeit 
abgegossen ,  und  der  Rückstand  mit  dem  gleichen  Gemische  aus- 
gespühlt, sämmtliche  Flüssigkeit  verdunstet,  mit  Säure  neutralisirt 
und  mit  Chlorpalladium  vermischt,  wovon  ein  neuer,  dem  vorigen 
gleicher  Niederschlag  gebildet  ward,  der  auch  auf  demselben  Fil- 
ter gesammelt  wurde.  Endlich  wurde  er  mit  heissem  Wasser 
ausgesüsst ,  getrocknet  und  gewogen. 

Das  Gewicht  des  erhaltenen  Jodpalladiums  wog  1  Gran.  Also 
gaben  510720  Thle.  Schwefelwasser  1  Tbl.  Jodpalladium,  d.i. 
auf  10,000  Thle.  Wasser  0,0195  Thle.  Jodpalladium  oder  auf 
1  Pfund  von  16  Unzen  0,0149  Gran  Jodpalladium,  d.  i. 
0,0104  Gran  Jod. 

5)  Professor  Dr.  Hugo  v.  Mo  hl  sprach  aus  Veranlassung 
der  in  einem  eigens  hiezu  hergerichteten  Gewächshause  des  Univer- 
sitätsgartens heranwachsenden  Pflanze  über  die  Geschichte  der 
Victoria  regia. 

6)  Prof.  Schlossberger  verbreitete  sich  in  längerem  freien 
Vortrage  über  den  gegenwärtigen  Stand  unserer  Kenntnisse  von 
den  Giften,  die  sich  in  thierischen  Nahrungsmitteln  entwickeln 
können,  unter  specieller  Berücksichtigung  des  Wurstgiftes, 
und  knüpfte  daran  Mittheilungen  über  seine  eigene  Theorie  von 
demselben  und  seinen  Analogen,  die  er  wenigstens  in  vielen 
Fällen  für  organische  Basen  erklärte,  an. 


—    61    — 

Er  wies  zuerst  die  aiisserordenlliche  und  erschreckende  Häufig- 
keit des  Giftes  in  Schwaben  nach,  und  schätzt  die  Zahl  der, 
durch  dasselbe  im  eben  verflossenen  Halbjahrhundert  bewirkten, 
zum  Theil  lebensgefährlichen  Erkrankungen  auf  mindestens  500, 
die  Zahl  der  Tödtungen  auf  150.  Es  dürfte  hienach  das  Wurst- 
gift bei  uns  mehr  Verheerungen  anrichten,  als  alle  Mineral-  und 
Pflanzengifte  zusammengenommen.  Das  ganze  übrige  Deutsch- 
land hat  lange  nicht  so  viele  Vergiftungen  durch  Würste  aufzu- 
weisen, als  Schwaben  allein;  im  eigentlichen  Auslande  sind  sie 
beinahe  unerhört,  so  dass  in  den  ausgezeichnetsten  Giftlehren 
desselben  (bei  0  rfila  und  Christison)  alle  Angaben  darüber 
schwäbischen  Autoren  und  deutschen  Bearbeitern  des  Gegenstan- 
des entnommen  sind. 

Er  erklärt  diese  auffallende  Erscheinung,  die  sich  übrigens 
auch  bei  uns  fast  ausschliesslich  auf  Leber-  und  Blutwürste  und 
deren  mannigfache  Modifikationen  beschränkt  zeigt,  aus  Fehlern 
bei  der  landesüblichen  Methode  in  der  Anfertigung,  Räucherung 
und  Aufbewahrung  dieser  schon  nach  der  Natur  der  zur  Füllmasse 
angewandten  Materialien  der  Selbstentmischung  am  meisten  aus- 
gesetzten Würste,  wies  statistisch  nach,  dass  bei  weitem  die  meisten 
Vergiftungen  dieser  Art  in  das  Frühjahr,  beinahe  gar  keine  in 
den  Spätsommer,  Herbst  und  Monat  Januar  fallen;  beschreibt 
dann  die  sinnlich  wahrnehmbaren  Veränderungen  an  den  giftigen 
Würsten,  die  allerdings  nicht  sehr  auffallend  erscheinen  und  ge- 
wöhnlich nicht  die  Merkmale  der  stinkenden  Fäulniss  darbieten. 

Hierauf  geht  er  zu  den  Wirkungen  auf  den  menschlichen  Orga- 
nismus über,  hebt  den  Unterschied  derselben  von  typhösen  Pro- 
cessen hervor,  wie  sie  durch  eigentliche  Fäulnissgifte  bewirkt 
werden,  und  weist  dabei  nach,  dass  die  Thiere  ungleich  weniger, 
oft  gar  nicht  von  dem  Wurstgift  und  ihm  ähnlichen  schädlichen 
Nahrungsmitteln  afficirt  werden  (nach  eigenen  und  fremden  Beob- 
achtungen). 

Endlich  kommt  er  auf  die  Theorieen  über  die  Natur  dieser 
Gifte  zu  reden,  womit  er  eine  vergleichende  Kritik  der  bisher 
gemachten  Isolirungsversuche  verbindet.  Es  geht  daraus  hervor, 
dass  bis  jetzt  das  Gift  in  keiner  Weise  rein  dargestellt 
ist,  dass  die  Theorieen,   welche  das  Gift  in  Metallgiften,    Blau- 


—     62    — 

säure,  Verwechslungen  der  Gewürze,  Welther'schem  Bitter,  Rauch- 
beslandtheilen ,  Fettsäure  suchten ,  durchaus  unhaltbar  seien ;  glaubt, 
dass  die  neueste  von  Liebig  aufgestellte  Ansicht,  dass  das  schäd- 
liche Princip  ein  sogenanntes  Umsetzungsgift  sei ,  damit  entkräften 
zu  können,  dass  es  (nach  Buchner,  Schumann,  und  beim 
giftigen  Käse  nach  Sertürner)  in  heissem  Alkohol  lös- 
lich ist,  und  seine  Wirksamkeit  behält,  dass  selbst  gebratene 
und  gesottene  Würste  nach  beigebrachten  Belegen  noch  giftig 
wirkten,  also  die  Siedhitze  dasselbe  nicht  zerstört,  dass 
endlich  seine  Symptome  beim  Menschen  sich  wesentlich  von  den 
Vergiftungen  durch  eigentlich  faule  Substanzen  unterscheiden,  na- 
mentlich die  Secretionen  vermindert  sind,  und  die  Fäulniss  der 
durch  Wurstgift  Getödteten  äusserst  langsam  (im  Gegensatze 
zu  typhösen  Processen)  vor  sich  geht. 

Nach  seiner  eigenen  Theorie  erzeugen  sich  bei  der  Verderb- 
niss  von  Würsten  und  ähnlichen  fett-  und  proteinhaltigen  Ali- 
menten giftige  Bas  e  n  ,  neben  fetler  Säure  und  neben  Ammoniak. 
Er  nimmt  es  schon  a priori  als  erwiesen  an,  dass  flüchtige  Basen 
dabei  entstehen ,  nach  dem  allgemeinen  in  der  neuesten  Zeit  auf- 
gestellten Gesetz,  dass  überall,  wo  aus  thierischen  Stoffen  sich 
Ammoniak  erzeugt,  dasselbe  von  solchen  organischen  Wiederho- 
lungen derselben,  d.  h.  flüchtigen  Alkaloiden  begleitet  sei.  Ammo- 
niak nun  ist  in  giftigen  >¥ürsten  und  ohnediess  in  den  Käsearten 
in  Menge  enthalten.  Dass  solche  Basen  oft  sehr  giftig  sind,  er- 
weisen das  Coniin,  Nicotin,  Spartein. 

lieber  die  übrigen  Basen  von  ternärer  Zusammensetzung  sind, 
mit  fast  alleiniger  Ausnahme  des  Anilins,  leider  noch  durchaus  keine 
physiologischen  Versuche  angestellt  worden,  daher  sehr  zu  solchen 
aufzufordern  ist.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  auch  in  den  gifti- 
gen Schwämmen  solche  Basen  auftreten,  vielleicht  auch  im 
Leichengiftj  Fischgift,  ja  möglicherweise  in  manchen 
Miasmen  ;  gar  oft  wurden  solche  Basen  bisher  fälschlicherweise 
mit  Ammoniak  verwechselt,  mit  dem  sie  so  viele  Eigenschaften 
gemeinsam  haben  und  gewöhnlich  zusammen  auftreten. 

Die  speciellen  Mittheilungen  ,  eigene  Beobachtungen  und  Ver- 
suche, welche  dieser  gedrängten  Skizze  zu  Grunde  liegen,  wird 
Prof.  Schlossberger    in  einer  grösseren  Abhandlung    in  dem 


—     63     -^ 

fünften  Hefte  des  Archivs  für  ph\siologische  Heilkunde, 
1852,  veröffentlichen. 

7)  Pfarrverweser  Dr.  Oscar  Fraas  von  Lauffen  gibt 
einige  Nachträge,  beziehungsweise  Berichtigungen  zu  dem  im 
zweiten  Heft  des  achten  Jahrgangs,  pag.  218,  mitgetheillen  Aufsatze 
über  die  Fronstetter  Palaeo therien. 

Stücke,  wie  die  auf  Taf.  VI,  4 — 16  abgebildeten,  haben  mich 
verführt,  im  \Yiderspruch  mit  Cuvier  und  Blainville  die 
Vier  -  Zahl  der  untern  Schneidezähne  bei  den  Fronstetter  Palaeo- 
therien  ?u  behaupten.  Der  Druck  des  Heftes  war  noch  nicht 
vollendet,  als  ich  durch  neuere  Erfunde  und  genauere  Betrach- 
tung der  Zähne  zu  der  Einsicht  dieses  Fehlers  kam.  Es  sind  die 
Wurzeln  der  äusseren  Schneidezähne  im  Unterkiefer,  deren  es 
sechs  sind,  um  ein  Bedeutendes  kleiner,  als  die  der  inneren, 
und  eben  damit  ihre  Alveolar -Löcher  kürzer,  so  dass  bei  den  zwei 
abgezeichneten  Kieferstücken  mit  dem  abgebrochenen  Vorderrand 
zugleich  diese  Alveolen  mit  abgebrochen  sind,  und  diese  Stücke 
nun  das  Aussehen  haben,  als  wären  nur  vier  Alveolen  für  vier 
Schneidezähne  vorhanden.  Diese  falsche  Anschauung,  von  deren 
Richtigkeit  ich  seiner  Zeit  auf's  Gewisseste  überzeugt  war^  hat 
nun  eine  Reihe  unrichtiger  Bestimmungen  von  einzelnen  Zähnen 
zur  Folge,  von  denen  ich  einige  hiemit  nur  kurz  berichtige. 

Taf.  VI,  Fig.  4  Pal.  hippoides.  Alveolen  für  die  vier  inne- 
ren Schneidezähne  des  Unterkiefers.  Von  den  Schneidezähnen 
selbst  ist  keiner  gezeichnet. 

Fig.  6,  7  falsch  als  zweiter  unterer  des  P.  medium  bestimmt, 
ist  vielmehr  der  zweite  des  rechten  Oberkiefers  von  P.  hippoides. 

Fig.  9,  10  gehören  ebenfalls  zu  P.  hippoides  als  obere  Eck- 
zähne. 

Hierauf  hat  mich  Herr  Professor  Quenstedt  aufmerksam 
gemacht. 

Hienach  sind  Fig.  11 ,  12  wohl  obere  Eckzähne  des  P.  medium. 

Fig.  16.  Die  Alveolen  für  die  äusseren  Schneidezähne  sind 
abgebrochen. 

Taf.  VII,  Fig.  1  ist  der  erste  untere  (falsch:  obere)  Schneide- 
zahn  des  Pal.  hippoides. 


^    64    — 

Fig.  2  der  dritte,  äussere,  Schneidezahn  des  Unterkiefers 
von  Pal.  medium. 

Fig.  13,  15  ist  der  erste  obere  Schneidezahn, 
Fig.  14  der  zweite  obere  von  Pal.  hippoides. 
Fig.  29  a  gehört  in  den  Unterkiefer , 
Fig.  30  in  den  Oberkiefer  des  Pal.  minus. 

8)  Professor  Quenste dt  hielt  folgenden  Vortrag ,  über  den 
er  Nachstehendes  später  einsendete. 

Die  künstlich  zusammengestellten  Kiefer,  welche  Herr 
Dr.  Fr  aas  der  Versammlung  vorlegte,  wichen  in  Beziehung  auf 
die  Schneidezähne  wesentlich  von  den  früheren  nur  durch  die 
Zusammenstellung  ab  (Jahreshefte,  VIII.,  pag.  218);  in  ihrer  jetzi- 
gen neuen  Deutung  verdienen  sie  meinen  vollkommenen  Beifall, 
nur  gehört  der  Eckzahn  1.  c.  Tab.  VI,  Fig.  9  und  10  wegen  seiner 
geraden  vorderen  Kaufläche  entschieden  der  cämentirten  Species 
(hippoides  Fr.)  an,  als  obere  Eckzähne  des  medium  können  nur 
die  grössten  bei  Frohnstetten  gefundenen  Eckzähne  gedeutet  werden. 
Darnach  würden  also  bei  cämentirten  und  cämenllosen  oben  und 
unten  sechs  Schneidezähne  sein,  wie  bisher  richtig  angenommen 
wurde ,  was  sowohl  durch  Alveolen ,  als  Zahnformen  bewiesen  wer- 
den kann.  Es  hält  schwer ,  für  die  cämentirten  den  richtigen 
Namen  zu  finden;  die  kleinen  könnten  vielleicht  mit  Cuvier's 
minus  stimmen,  aber  hippoides  dürfen  die  Grossen  darunter  nimmer- 
mehr heissen.  Denn  diese  Bl  ain  ville'sche  Species  hat  zwar 
auch  schlanke  Füsse,  allein  ihr  Gebiss  und  Lager  (Sansans)  stimmt 
vollkommen  mit  Cu  vier' s  Pal.  Äurelianense.  Dagegen  bildet 
Cuvier  {Oss.  foss.,  3te  Aufl.,  Tab.  LI,  Fig.  5)  ein  Pal.  curtum 
mit  vier  hintern  Backenzähnen  ab,  die  vollkommen  mit  den  Frohn- 
stetter  stimmen  ,  nur  sind  sie  etwas  kleiner,  als  die  grösste  Species. 
Leider  hat  Cuvier  zu  diesem  Fragment  viele  Stücke  gezählt, 
die  offenbar  ganz  andern  Thieren  angehören,  so  dass  man  diesen 
Namen  nicht  wohl  einführen  kann.  Owen,  jener  schlagenden 
Verwandtschaft  nicht  gedenkend,  beschreibt  Kieferreste  aus  dem 
Eocene  Sand  von  Horstl  (Quarterly  Journ.  geol.  soc.  1840. 
pag.  17),  die  zwar  ein  wenig  grösser,  als  Cuvier's  Bruchstück, 
aber  doch  fast  \  kleiner,  als  unsere  grössten  bleiben,  er  nennt 


-     65     - 

sie  Paloplotherium  annectens.  Wie  unsere  zeigen  sie  sechs  Backen- 
zähne oben,  und  sechs  unten.  Obgleich  bei  Owen  der  letzte 
Backenzahn  noch  nicht  hervorgetreten  ist ,  so  ist  doch  seine  Existenz 
nachgewiesen,  und  ohne  Zweifel  wird  er  auch  drei  Halbmonde 
haben.  Wir  können  zwar  für  die  Zahl  6  noch  keinen  direkten 
Beweis  führen  ,  ja ,  nach  einem  Fragment  zeigt  der  Unterkiefer 
vier  Ersatziähne  unter  den  Alveolen  der  vier  Milchzähne,  und  da 
nun  immer  drei  hintere  Backenzähne  vorhanden  sind,  so  müssten 
wir  sieben  Backenzähne  im  Unterkiefer  haben.  Dies  würde  der 
Owen 'sehen  Beobachtung,  der  nur  drei  Ersatzzähne  annimmt, 
direkt  widersprechen.  Wer  die  Schwierigkeiten  kennt,  die  Form 
eines  fossilen  Ersatzzahnes  durch  Biossiegen  zu  ermitteln,  wird 
hier  leicht  Irrlhümer  zugeben.  Bei  Hör  die  kommt  zugleich  mit 
Paloplotherium  ein  Dichodon  cuspidatus  Ow.  vor,  ein  Pachyderm, 
das  durch  seine  hinteren  drei  Backenzähne  auffallend  an  Wieder- 
käuer erinnert.  Diese  Zähne,  aber  nur  reichlich  halb  so  gross, 
als  die  englischen,  wies  Herr  Dr.  Fr  aas  1.  c. ,  Tab.  VI,  Fig.  40 
auch  bei  Frohnstetten  nach.  Jetzt  hat  sich  auch  der  hinterste 
Praemolar  des  Oberkiefers  gefunden ,  der  zwar  etwas  breiter  und 
kürzer,  als  Owen's  Abbildung  ist,  aber  sonst  genau  stimmt.  Seine 
plötzliche  Verengung  auf  der  Vorderseite  macht  ihn  sehr  erkenn- 
bar. Uebergehen  wir  die  übrigen  Säugethiere,  worunter  auch  ein 
kleines  mit  vier  3+1  faltigen  schmelzfaltigen  Zähnen,  die,  zusam- 
men nur  5  Linien  lang,  an  C  u  v  i  e  r  's  Mus  glis  Oss.  foss. ,  Tab,  LXVIH, 
Fig.  7  erinnern,  dann  aber  keinem  Sciuriner,  sondern  einem  klei- 
nen biberartigen  Thiere  angehören  müssten ,  so  verdienen  die 
Vogelknochen  noch  ein  besonderes  Wort.  Häufiger  finden  sich 
Knochen  etwa  von  der  Grösse  unseres  Haubentaucher  (Podiceps 
cristatus),  darunter  lassen  die  nach  unten  schippenförmig  breit 
werdenden  Coracoideen  (Schlüsselbeine)  über  das  Vogelvorkommen 
gar  keinen  Zweifel,  ihrem  Oberstück  fehlen  auf  der  dem  Brust- 
kasten zugewendeten  Seite  die  Luftkanäle ,  was  für  Vögel  mit  ge- 
ringem Flugvermögen  spricht. 

Bei  Frohnstetten  kommen  in  einem  fetten  Lehm  wenige  Fuss 
unter  der  Erdoberfläche  auch  Reste  aus  der  zweiten  Säugethier- 
Formation  vor.     Neben  Rhinoceros  incisivus  und  einem  hundsarti- 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  Is  Heft.  5 


---Ge- 
gen Thier  lagern  Dinolherien  -  Zähne  von  besonderer  Pracht,  denn 
der  weiss -glänzende  Schmelz  ist  in  einer  Vorlrefflichkeit  erhalten, 
dass  sie  die  Eppelsheimer  in  Beziehung  des  Schmelzes  noch  über- 
treffen. Es  ist  mir  gelungen,  aus  vielen  Hunderten  solcher  Schmelz- 
platten  ein  vollständiges  Gebiss    zusammenzusetzen,    was  einem 
Thiere  erster  Grösse  entspricht ,  denn  der  vorletzte  Backenzahn 
des  Oberkiefers  missl  reichlich  3|  Zoll  in  der  Länge  und  3^  in 
der  Breite.     Unbekannter  Weise  zeigte  sich  vor  den  fünf  durch 
Kaup  bekannt  gewordenen  Backenzähnen  des  Unterkiefers  noch 
ein  sechster  einwurzeliger  mit  einfacher  kegelförmiger  Krone,  an 
deren  einer  Seite  (Hinterseite?)  sich  blos  eine  tuberkulöse  Kante 
von   dreiseitigem   Umriss    heraufzieht;    die    mit    einem  einzigen 
Zitzen  endigende  Schmelzkrone  ist  li  Zoll  breit  und  1|  Zoll  hoch, 
ihre  einfach  cvlindrische  Wurzel  über  3"   lang.     Sämmtliche   in 
geschlossener    Reihe    stehende   Zähne  des   Unterkiefers    messen 
von  hinten  nach  vornen   16''  10"'  =  3"  7"'  +  3"  3'"  +  3"  6'" 
_^  2"  9'"  +  2"  5'"  +  1"  4"'.    Auch  ein  Stosszahnstück  von  14" 
Länge  und  4"  Dicke  hat  sich  erhalten.    Dieser  Grösse  entsprechen 
die  Zähne  des  Oberkiefers,  worunter  merkwürdiger  Weise  auch 
ein  sechster  vorderster  Backenzahn  von  2"  1'"  Länge  und  1"  8'" 
Breite  sich  findet.     Er  hat  zwei  tuberkulöse  Längskämme :    einen 
hohen  mit  einem  Hauptzitzen,  und  einen  niedrigen,  vorzugsweise 
in    zwei    Lappen    getrennten.     Zwischen  den  Kämmen    läuft  ein 
tiefes  Längsthal  fort.  Wahrscheinlich  hatte  es  zwei  Wurzeln.  Seine 
Stellung  ist  mir  nicht  ganz  klar,  auch  gehles  aus  Kaup 's  Ar- 
beiten nicht  deutlich  hervor,  ob  Kaup  diesen  vordersten  OJ)er- 
Backenzahn  unter  seinen  früh  abgestossenen  Milchzähnen  verstan- 
den habe  oder  nicht.    Dass  diese  beiden  Zähne  unserem  Indivi- 
duum angehören,  darüber  kann  kaum  ein  Zweifel  stattfinden,  da 
ausser  diesem  an  der  Grabstelle  Zahnreste  keines  Zweiten  gefunden 
wurden.    Ja,  Herr  Dr.  Fr  aas  hat  den  einwurzeligen  des  Unter- 
kiefers noch  an  seiner  Stelle  liegen  sehen.     Milchzähne  sind  es 
wohl  entschieden    nicht,    da  gerade  diese  beiden   vordem  durch 
Abkauen  noch  nicht  den  geringsten  Angriff  erfahren  haben,  wäh- 
rend die  Kanten  sämmtlicher  übrigen  Zähne  einen  deutlichen  An- 
griff zeigen.    Dinotherium  hatte  also  in  jedem  Kiefer  nicht  fünf, 


—     67     - 

wie  bisherangenommen  wurde,  sondern  sechs  Backenzähne.    Bis 
jetzt   sind  Zähne    von  dreierlei  Grösse  bekannt  geworden,    eine 
vierte  kleinste  kommt  in  den  Bohnenerzen  von  Heudorf  bei  Möss- 
kirch   vor,   denn  ein  dreireihiger   Unterkieferzahn   (Milchzahn?) 
misst  nur  2"  4'"  in  der  Länge  und  1"  5'"  in  der  Breite.     Be- 
gleitet werden  diese  Dinotherien  von  einem  hundsarligen  Thiere, 
grösser   als  der  Wolf,  die  Zähne  stimmen  zwar  nicht  vollkommen, 
aber  doch  so  gut,  dass  man  sie  nach  einem  gewöhnlichen  Hunds- 
kopf leicht    bestimmen    kann.     Der  Fleischzahn  des  Oberkiefers 
steht  zwischen  denen  von  Katze  und  AVolf  mitten  innen,    daher 
könnte  H.  v.  Meyer 's  Herpagodon  von  Mösskirch  und  Kaup's 
Felis  vonEppelsheim  vielleicht  zusammenfallen,  wenigstens  kommt 
das  gleiche  Thier  bei  Frohnstetten  und  Mösskirch  vor.     Hunds- 
artig war  es  aber,  weil  hinter  diesem  Fleischzahn  noch  drei  den 
Hundszähnen  sehr  gleichende  folgen,  darunter  ist  der  letzte  e^- 
wurzelige  mit  einem  kurzen  Zitzen  über  der  kreisförmigen  Schmelz- 
krone überaus  charakteristisch.     Nur  die  Schneide-  und  Eckzähne 
waren  sehr  verschieden,    wenn  anders  sie  dem  gleichen  Thiere 
angehören.    Dass  diese  Reste  nicht  zur  Palaeotherien- Formation, 
sondern  einer  spätem  Epoche  angehören,  das  zeigen  weiter  die 
Tapir-  und  Rhinocerosresle  aus  der  Gruppe  des  Rh.  incisivus,  so 
dass    über  die    Farallelisirung  dieser  Dinotherien -Formation    mit 
unseren  jüngeren  Bohnenerzen,  südlich  Tübingen  etc.,    gar  kein 
Zweifel  sein  kann.      Diese  durch  die  Untersuchungen  des  Herrn 
Prof.  Jäger   so  bekannt   gewordenen  Gruben    liefern    zwar   nur 
wenige,    aber    höchst  interessante    Sachen,    unter   andern   auch 
wahrscheinlich 

Menschen-Zähne. 

Schon  Jäger,  Nov.  Acta  Phtjs.  med.  XXH.  2.  pag.  809, 
Tab.  LXVIH,  Fig.  49  und  50,  hat  zwei  Zähne,  einen  mit  und  einen  ohne 
Wurzel,  im  Besitze  der  Herren  Prof.  Kurr  und  Fleischer  ab- 
gebildet, sie  aber  nicht  für  fossil  gehalten.  Allerdings  kommen 
in  jenen  Höhlen  und  Spalten  südlich  Tübingen  Kunstprodukte 
und  nicht  fossile  Zähne  vor,  doch  darf  man  in  dieser  Beziehung 
den  Arbeitern  nicht  zu  viel  trauen,  man  wird  gewöhnlich  ange- 
logen.    Auch  beweist  die  Tiefe  an  sich   gar  nichts,    denn   noch 

5  * 


_    68    — 

heute  versinken  die  Wasser  in  jenen  nicht  seltenen  halboffenen 
Spalten,  nehmen  Erd  -  und  Kunstprodukte  mit;  wenn  die  Ar- 
beiler  bei  ihrem  Wühlen  nach  Erz  auf  solche  mit  Erde  angefüll- 
ten alten  Wasserläufe  slossen,  so  finden  sie  häufig  neuere  Sachen, 
dass  aber  im  unverritzten  Erze  so  etwas  gefunden  würde,  darüber 
haben  wir  noch  kein  einziges  sicheres  Beispiel.  Auch  ich  habe 
in  den  letzten  Jahren  drei  solcher  Schmelzkronen  bekommen, 
über  deren  Fossilität  nicht  der  geringste  Zweifel  stattfin- 
den kann;  sie  sind  gerade  so  abgerieben,  als  die  mitvorkommen- 
den Reste  der  Hippotherien,  Mastodonten,  Rhinocerosse,  Tapire  etc., 
der  Schmelz  hat  das  blass  gebleichte  Aussehen ,  Mangandendriten 
haben  Zahnbein  und  Schmelz  durchdrungen,  und  in  dem  glän- 
zenden Schmelze  des  Einen  finden  sich  jene  eigenlhümlichen  blass- 
blauen Wolken,  welche,  an  der  Zahntürkis  des  Reaumur  (Hist. 
de  l'Acad.  royale  des  scienc.  1715)  erinnernd,  für  die  Fossilität 
in  den  Bohnenerzen  unserer  zweiten  Säugethier- Formation  ent- 
scheiden. Also  fossil  sind  sie.  Aber  sind  es  nun  auch  unzweifel- 
haft Menschenzähne  ?  Diese  Frage  möchte  ich  noch  nicht  so 
sicher  beantworten.  Die  unsrigen  stimmen  allerdings  auffallend 
mit  dem  hintersten  Backenzahn  (Weisheitszahn)  des  Unterkiefers; 
sie  haben  fünf  Hügel,  zwei  grössere  innere  und  drei  kleinere  äus- 
sere, die  auf  der  Schmelzoberfläche  durch  markirte  schmale  Furchen 
(durch  Faltungen  der  Schmelzhaut  erzeugt)  von  einander  getrennt 
sind ;  auch  die  welligen  Runzeln  und  die  Dicke  des  Schmelzes 
stimmten  vortrefflich.  Auf  dem  Zahnbein  der  Unterseite  des 
Einen  gewahrt  man  noch  die  fünf  Keimgrübchen,  welche  den 
fünf  Schmelzhügeln  entsprechen,  und  ebensoviel  Ossifications- 
punkle  bezeichnen.  Geht  man  jedoch  in  die  letzten  Einzelnheiten 
ein,  so  treten  geringe  Unterschiede  hervor.  Diese  Zweifel  zu 
heben,  wandte  ich  mich  an  Herrn  Prof.  Arnold;  hier  bei  dem 
reichen  Material  stellte  sich  sogleich  heraus,  dass  es  nichts  Va- 
riabeleres  unter  den  Zähnen  gibt,  als  bei  Menschen.  Doch  fanden 
sich  einige  Individuen,  deren  untere  Weisheitszähne  so  vollkom- 
men stimmten,  dass  dem  berühmten  Anatomen  über  die  richtige 
Bestimmung  ieine  Zweifel  bUeben.  Wir  verglichen  darauf  ver- 
schiedene Racen,  und  hier  zeigte  sich,  dass  bei  Mongolen,  Fin- 
nen und  Mohren  sie  auch  für  drittletzte  Backenzähne  des  Unter- 


"-    69     -- 

kiefers  genommen  werden  könnten,  wofür  namentlich  auch  die 
weit  getrennten  Wurzeln  des  Fl  e  i  seh  er 'sehen  Zahnes  sprechen. 
Ich  war  nun  sehr  gespannt  auf  die  übrigen  fossilen  Exemplare. 
Nur  Herr  Prof.  Kurr  legte  das  seinige  vor;  etwas  weniger  grösser 
als  die  unsrigen  stimmte  es  sonst  vollkommen ,  und  zwar  besser 
als  sämmlliche  fossile  mit  denen  von  Menschen.  Und  doch  machte 
Herr  Prof.  Kurr  die  wichtige  Eröffnung,  dass  der  grosse  Ken- 
ner fossiler  Zähne ,  R.  0  w  e  n  in  London ,  auch  diesen  als  einen 
unzweifelhaften  Menschenzahn  bestimmt  habe.  Zugleich  versicherte 
er,  dass  Fleischer's  Zahn  ganz  die  gleiche  Krone  zeige.  Aber 
gerade  dieser  Umstand  macht  mich  noch  ein  wenig  schwankend ; 
wir  haben  hier  fünf  Zähne ,  die  unter  sich  nur  durch  Grösse  in 
rechts  und  links  von  einander  abweichen,  sonst  aber  ein  wenig 
besser  unter  einander  stimmen ,  als  sämmtliche  mit  den  Zähnen 
lebender  Menschen.  Da  der  Mensch  sechszehnerlei  Zähne  hat, 
so  liegt  etwas  Auffallendes  darin,  dass  sich  bisher  fünf  von  einer 
Form  fanden.  Solche  Zufälligkeiten  kommen  nun  zwar  auch 
sonst  vor;  aber  es  bleibt  immerhin  etwas  Gewagtes,  aus  einer 
einzigen  Zahnform  eine  so  wichtige  Frage,  wie  die  vorweltliche 
Existenz  des  Menschen  ,  entscheiden  zu  wollen.  Ehe  nicht  andere 
Zähne  noch  Beweise  liefern,  müssen  wir  leise  auftreten,  denn 
es  haben  in  Bestimmung  einzelner  Zähne  schon  die  grössten 
Meister  geirrt.  Vielleicht  wird  es  noch  viele  Jahre  dauern ,  ehe 
die  Sache  zur  Entscheidung  kommt,  denn  leider  sind  die  Erfunde 
in  diesen  Bohnenerzen  nur  sehr  sparsam.  Verhielte  sich  aber 
die  Sache  richtig,  dann  schiene  der  Mensch  schon  vor  den  Mam- 
muthen  zur  Zeit  der  Hippotherien  und  Dinotherien  gelebt  zu  haben. 
Ich  sage  schiene.  Denn  es  wurde  schon  früher  darauf  auf- 
merksam gemacht  (Jahreshefle  VI,  pag.  165),  dass  der  abgerie- 
bene Zustand  der  Knochen  und  Zähne  auf  secundäre  Ablagerung 
schliessen  lässt.  Zwar  herrschen  die  Thiere  der  zweiten  Säuge- 
thierformation  bei  weitem  vor,  und  die  meisten  Erfunde  werden  ihrer 
Zeit  angehören.  Doch  kommen  auch  Zähne  von  Pferd  und  Mam- 
muthvor,  die  auf  die  dritte  Säugethierformation  hinweisen  könnten. 
Wie  jedoch  alle  diese  Dinge  sich  im  Lager  verhalten ,  darüber 
konnte  man  bis  jetzt  keinen  Aufschluss  erhalten,  da  die  Leute 
gewöhnlich  erst  beim  Waschen  der  Erze  ihre  Funde  machen. 


—     70     — 

Dass  sonst  die  Mammuths- Formalion  scharf  von  der  der  Hippo- 
therien  etc.  verschieden  sei,  das  hat  sich  unter  andern  wieder 
sehr  deutlich  an  dem  Eisenbahn  -  Durchschnitt  bei  Ulm  gezeigt, 
wo  aus  den  mit  Lehm  gefüllten  Spalten  des  Süsswasserkalks  mit 
Tapirresten  etc.  Mammuths- Zähne  hervorgefördert  wurden.  Auch 
im  Donauthal,  der  Frohnstetter  Gegend  (bei  Hausen),  finden  sich  die 
wohlerhaltensten  Mammuths -Knochen  mit  Pferd,  Ochs,  Bär  etc., 
so  dass  wir  an  diesem  merkwürdigen  Punkte  alle  drei  Säugethier- 
Formationen  beisammen  hätten,  ja  noch  mehr.  In  der  Palaeothe- 
rienformation  findet  man  durch  Wasser  stark  abgeriebene  Zähne. 
HerrDr.  Fraas  behauptet,  diese  lägen  nur  in  den  obersten  Schich- 
ten der  über  60'  tiefen  Gruben ,  denn  die  tiefer  liegenden  Reste 
sind,  wie  bei  Neuhausen,  zwar  zerstückelt,  aber  nicht  abgerollt. 
Die  Abrollung  schiene  demnach  erst  später  begonnen  zu  haben, 
als  die  Zeit  sich  der  Hippotherien- Formation  näherte.  Und  eine 
solche  Bohnenerz  -  Formation  kommt  gleich  eine  halbe  Stunde  davon 
bei  Stetten  vor,  worin  die  Palaeotherien- Zähne  fehlen ,  und  statt 
dessen  abgerollte  Tapir -Zähne  herrschen,  die  Cuvier  seinem 
Lophiodon  zuschrieb.  Im  Ganzen  erkennt  man  diese  Bruchstücke 
leicht ,  in  einzelnen  Fällen  begeht  man  aber  sehr  leicht  Irrthümer. 
Jedenfalls  sind  bei  Melchingen  Zähne  darunter,  die  in  Grösse 
und  Form  so  vollkommen  mit  Backenzähnen  des  lebenden  Tapir. 
Americanus  übereinstimmen  ,  dass  man  glauben  sollte  ,  diese  ame- 
rikanischen Pachydermen  hätten  schon  zu  jener  Zeit  in  Europa 
gelebt.  Da  dieser  Unterschied  nahe  gelegener  Bohnenerz-Gruben 
so  scharf  begründet  ist,  so  könnte  es  leicht  auch  eine  dritte 
Bohnenerz -Formation  mit  Mammuth,  Pferd,  Bär  etc.  geben,  die 
vielleicht  in  einer  und  derselben  Spalte  über  der  Tapir -Formation 
läge.  Der  Abbau  ist  in  unsern  Gegenden  so  regellos,  dass  man 
von  dem  wenig  gebildeten  Arbeiter  keine  sicheren  Aufschlüsse 
erhalten  kann.  Diese  Unsicherheit  trifft  daher  auch  die  vermeint- 
lichen Menschen  -  Zähne,  sie  können  unserer  dritten  oder  zweiten 
Säugethier- Formation  angehören.  Da  jedoch  die  blauen  Wol- 
ken des  Schmelzes  auf  das  Genaueste  mit  den  Farben  der  Schmelz- 
reste aus  der  zweiten  Säugethier-  Formation  übereinstimmen,  diese 
auch  in  den  Melchinger  Gruben  durchaus  vorherrschen ,  so  spricht 
die  Wahrscheinlichkeit    für  das    höhere    Alter.     Dann    hätte  der 


-     71     — 

Mensch  schon  vor  den  Mammuthen  mit  Mastodon  und  Dinotheriiim 
zusammengelebt.  So  wenig  diese  Ansicht  auch  zu  unsern  Syste- 
men passt ,  so  muss  der  Naturforscher  sich  doch  den  Thatsachen 
beugen,  aber  erst,  wenn  sie  ein  solches  Gewicht  bekommen,  dass 
er  sie  nicht  mehr  bezweifeln  kann. 

Die    S  t  ;y  1  0  1  i  t  h  e  n 

sind  in  diesen  Jahresheften  zwar  wiederholentlich  zur  Sprache 
gekommen ,  doch  in  der  Sache  wenig  weiter  gefördert.  Die 
längste  Abhandlung  lieferte  Herr  Professor  Dr.  Plieninger 
(VIII.  pag.  78),  worin  meine  früheren  Arbeiten  so  weitläufig  kri- 
tisirl  werden  ,  dass  es  schwer  hält,  der  Sache  in  Kurzem  bei- 
zukommen. Da  aber  das  Problem  dennoch  nicht  gelöst  ist,  so 
dürften  nachfolgende  Bemerkungen  nicht  überflüssig  sein: 

Jene  bekannten  Rüdersdorfer  Stylolithen,  welche  längsge- 
streift die  Kalkbänke  senkrecht  durchsetzen,  wurden  von  Klö- 
den  für  organische  Kesle  gehallen.  Es  kam  nun  Alles  darauf 
an,  durch  eine  Thatsache  diese  unrichtige  Ansicht  zu  wider- 
legen, und  diese  lieferten  die  Muscheln,  welche  auf  den  wohl- 
geformlen  Säulen  so  häufig  vorkommen,  dass  man  sich  wundern 
muss,  wenn  Schriftsteller  die  Sache  bis  zum  Jahr  1837  über- 
sahen, wo  ich  durch  eine  kurze  Abhandlung  in  Wiegmann's 
Archiv  darauf  aufmerksam  machte.  In  dieser  Abhandlung  finalen 
sich  keine  Widersprüche ;  es  ist  vielmehr  klar  zwischen  unbe- 
stimmten und  bestimmten  Formen  geschieden,  aber  gerade  die 
Entstehung  der  letzteren  machte  um  so  grössere  Schwierigkeiten, 
je  regelmässiger  sie  waren.  Waren  daher  diese  richtig  aufge- 
fasst,  so  war  damit  der  Nagel  auf  den  Kopf  getroffen,  das  an- 
dere behandelte  ich  geflissentlich  nur  als  Beiwerk ,  denn  es  ver- 
dient nicht  viel  Worte,  weil  jeder  aufmerksame  Beobachter  sich 
solche  Dinge  von  selbst  erklärt,  wenn  einmal  der  Hauptpunkt 
gehoben  ist.  lieber  das  Wie  habe  ich  mich  geflissentlich  nicht 
viel  einlassen  wollen,  denn  dazu  war  die  Sache  bei  ihrem  ersten 
Auffinden  nicht  reif.  Ich  sagte  nur,  dass  beim  Trocknen  der  Ge- 
birge eine  Muschel  oder  irgend  ein  anderer  fremder  Gegenstand 
sehr  denkbarer  Weise  jene  Absonderung  eingeleitet  haben  könnte, 
und    mehr   sagt  aber   im  Grunde  Herr  Prof.  Plieninger  auch 


—    72    — 

nicht.  Herr  Prof.  Ross massier  führte  die  Sache  in  ein  zwei- 
tes Stadium;  derselbe  theilte  mir  mit,  dass  im  Eise  durch  ein- 
gefrorene Blätter  Eisstylolithen  entstehen  könnten  und  entstanden 
wären,  und  führte  mich  so  auf  die  Bewegung  der  Muschel  (Flötz- 
geb»  Württemb.  pag.  58).  Diese  Rossmässler'sche  Ansicht  kann 
nicht  durch  abstrakte  Reflexionen  über  den  Schwerpunkt  etc.  wider- 
legt werden,  denn  in  der  Natur  geht  gar  Manches  vor,  was  unser 
Kopf  nicht  sogleich  begreifen  will ,  und  was  endlich  doch  begriffen 
werden  muss.  Noch  sind  die  Akten  darüber  zwar  nicht  abge- 
schlossen, doch  scheint  eine  dritte  Erklärungsweise  (Handbuch  der 
Petrefakten -Kunde,  pag.  505)  immer  mehr  Boden  gewinnen  zu 
wollen.  Wir  verdanken  sie  Herrn  Dr.  Fallati  in  Wildbad,  der 
schon  vor  zehn  Jahren  bemerkte,  dass  es  im  Schwarzwalde  Stylo- 
lithen  regne!  Ich  überzeugte  mich  damals  bald  von  dieser  That- 
sache  ;  man  findet  die  kleinen  Erdpyramiden  nicht  sowohl  im  Freien, 
als  am  Rande  der  Bäume,  wo  die  grossen  Tropfen  von  den  Blättern 
herab  schwer  zur  Erde  fallen.  Jeder  kleinere  Körper  gibt  auf 
dem  lettigen  Rande  zur  Bildung  Gelegenheit,  zuweilen  bedarf  es 
aber  auch  nicht  einmal  dieses,  sondern  der  Boden  ist  in  sich 
schon  heterogen  genug,  um  zur  Erzeugung  schlechterer  F'ormen 
tauglich  zu  sein.  Die  Erscheinung  findet  sich  besonders  unter 
Dachtraufen  auch  bei  uns,  wenn  auch  nicht  so  deutlich.  Aber 
daraus  nun  gleich  zu  schliessen ,  die  Stylolithen  seien  Produkte 
eines  starken  Regens,  schien  mir  bei  der  Wichtigkeit  der  Folge- 
rungen doch  etwas  gewagt.  Die  Sache  muss  weiter  untersucht 
werden,  dachte  ich  bei  mir  selbst.  Aber  leider  haben  wir  in 
Schwaben  kein  Rüdersdorf.  Zwar  zeigte  Herr  Apotheker  Weis- 
mann vergangenes  Jahr  der  Gesellschaft  einen  Stylolithen  mit 
Plagiostoma  striatiim  vor,  zum  Beweise,  dass  Prof.  Qu  en  stedt 
Unrecht  habe,  wenn  er  behauptet,  dass  solche  Stylolithen  mit 
Muschelschaalen  in  Württemberg  nicht  vorkommen.  Allein  wie 
dieses  Crailsheimer  Exemplar  weiter  aussähe ,  hat  man  über  jener 
Bemerkung  ganz  vergessen.  Nun  an  der  citirten  Stelle  meines 
Buches  ist  nicht  gesagt,  dass  Stylolithen  mit  Muscheln  (ich  kenne 
sie  von  Alpirsbach  schon  seit  13  Jahren)  in  Schwaben  sich  über- 
haupt nicht  fänden,  ich  habe  nur  gesagt,  dass  Formen,  so  deut- 
lich als  in  Rüdersdorf,  uns  leider  fehlen,  und  der  Muschel  dabei 


—     73     — 

geflissentlich  gar  nicht  gedacht.  Aber  gerade  diese  Anfänge 
schwäbischer  Muschel  -  Stylolithen  sprechen  den  Auswaschungs- 
Theorieen  auserordentlich  das  Wort ;  die  Säulen  erheben  sich  nur 
wenige  Linien  über  die  Kalkbank ,  und  stecken  ganz  im  decken- 
den Thone.  Nimmt  man  letzteren  weg,  so  erscheint  die  Fläche 
der  Kalkbank  wie  ausgeschlackert,  als  wären  Platzregen  darauf 
niedergefallen.  Manchmal  kommt  es  vor,  dass  ein  Theil  der 
Schaale  noch  in  der  Kalkbank  liegt,  und  nur  das  entgegenge- 
setzte Ende  mit  kurzem  Stylolith  sich  heraushebt.  Solche  niedri- 
gen, ganz  von  Thon  bedeckten  Säulchen  brauchen  gerade  nicht 
durch  Regen,  sondern  könnten  auch  durch  Wasserbewegung 
überhaupt  ausgewaschen  sein.  Aber  wie  geht  das  bei  den  3 — 4", 
Kl  öden  sagt  sogar  5—6",  langen  von  Rüdersdorf?  Zwar  ent- 
sinne ich  mich  wohl ,  und  es  geht  auch  aus  meiner  ersten  Ab- 
handlung deutlich  hervor,  dass  der  Rüdersdorfer  Stj'lolith,  so  oft 
er  deutliche  Säulen  bildet,  sich  aus  einer  verschlackerten  Kalk- 
bank erhebe,  in  die  folgende  Bank  eindringe,  oben  aber  von 
einer  Thonkappe  bedeckt  werde.  Dieser  Thon  zieht  sich  in 
dünner,  häufig  unterbrochener  Schicht  längs  der  Streifen  hinab, 
und  breitet  sich  dann  wieder  mächtiger  zwischen  den  Uneben- 
heiten der  verschlackerten  Oberfläche  aus.  *)  Freilich  sondert 
sich  auch  mancher  St^'lolith  von  der  verschlackerten  Bank  ab, 
viele  aber  verschwimmen  damit ,  und  man  könnte  sich  daher 
wohl  denken,  die  Bank  wäre  durch  fallende  Wasser  ausgewa- 
schen, nur  wo  fremde  Gegenstände  schützten,  blieben  Säulen 
stehen,    oder   wenn  im   Kalkschlamm  selbst  verschiedene  Erhär- 


*)  Herr  Prof.  Plieninger  machte  I.e.  pag.  95  bei  dieser  Darstel- 
lung meiner  Arbeit  ein  bedeutungsvolles  siel  Dasselbe  hat  mich  um  ihn 
einige  Sorge  gemacht.  Anfangs  glaubte  ich,  er  wolle  damit  eine  That- 
sache  läugnen,  die  Niemand  laugnen  kann,  bis  ich  dann  erfahre,  es 
solle  einen  Sprachfehler  zeichnen.  Auf  diese  an  das  Lächerliche  strei- 
fende Rüge  bin  ich  freilich  nicht  von  selbst  gekommen,  denn  warum 
soll  man  nicht  sagen  „eine  mit  Thon  gefüllte  Höhle"?  Das  heisst  einen 
Andern  ohne  Grund  schulmeistern.  Naturforscher  pflegen  das  selbst  in 
solchen  Fällen  zu  meiden,  wo  sie  Grund  haben.  Denn  so  lange  die 
Sache  verständlich  ist,  müssen  solche  Ausfälle  gar  zu  leicht  irre  führen. 
Sprachkundige  Männer  allhier  haben  sich  in  diesem  Falle  für  die  Rich- 
tigkeit meines  Ausdrucks  entschieden. 


="     74    — 

tungspunkte  waren,  so  musste  das  schon  zackige  Formen  bedingen. 
Später  führte  das  Wasser  wieder  einen  feinen  Thonschlick  her- 
bei, derselbe  müsste  dann  in  einer  dickeren  Schicht  den  Gipfel 
der  Säulen  decken,  konnte  nur  längs  der  Seiten  haften,  und 
sein  Hauptlager  auf  der  Basis  der  Kalkbank  finden.  Der  Thon- 
niederschlag  dauerte  nicht  lange,  es  kam  bald  wieder  neuer 
Kalk,  der  die  Stylolithen  nun  gänzlich  einhüllte.  Auch  stehen 
die  langen  Säulen  nicht  immer  ganz  gerade,  sie  krümmen  sich 
nicht  selten  ein  wenig ,  als  wären  sie  der  Last  etwas  erlegen. 
Allein  welche  Ruhe  der  Bildung  müsste  das  voraussetzen ,  For- 
men zu  erzeugen,  wie  wir  sie  bei  Rüdersdorf  in  so  viel  tausend 
Exemplaren  sehen!  Das  macht  mich  immer  wieder  an  dieser  Er- 
klärungsweise irre,  auch  könnte  der  feste  bergschieferartige  Thon 
doch  wohl  sekundär  erst  eingedrungen  sein,  und  wenn  in  den 
porösen  Kalken  überhaupt  Wasser  cirkuliren,  so  könnte  man 
sich  wohl  denken,  wie  diese  Wasser,  von  dem  fremden  decken- 
den Körper  aufgehalten,  vorzugsweise  ihren  Weg  längs  des  der 
Stylolithen  nehmen  müssten ,  und  so  diese  Absonderung  in  dem 
compakten  Gebirge  zu  einer  Zeit,  als  der  Schlamm  noch  weich 
war,  erzeugen  konnten.  Die  sonderbaren  Streifungen  an  aufrecht 
stehenden  Apiocrinitenstielen  (Jahreshefte  V,  pag.  148),  an  auf- 
recht stehenden  Zapfen,  die  armdick  im  Jura  vorkommen,  stylo- 
lithenartige  Bildungen  im  Solnhofer  Schiefer  etc.  sind  wohl  ent- 
schieden durch  hinabdringendes  Wasser  erst  sekundär  im  Gestein 
entstanden. 

Nur  ein  einziges  Stück  aus  der  Gegend  von  Jesingen  bei 
Tübingen  scheint  durchaus  nur  durch  Auswaschung  erklärt  wer- 
den zu  können.  Ich  fand  es  schon  vor  vielen  Jahren  an  der 
Strasse,  erkannte  aber  seine  Bedeutung  nicht,  und  jetzt  kann  ich 
das  Lager  nicht  wieder  auffinden.  Es  ist  ein  gelbgrüner  Mergel- 
kalk, wahrscheinlich  der  Lettenkohlen -Formation  angehörend, 
in  denselben  ragen  senkrecht  gegen  die  Schicht  längs  gestreifte 
Stylolithen  aus  einem  unveränderten  rauchgrauen  Kalk  hinein, 
der  mit  der  unterliegenden  Kalkschicht  übereinstimmt.  Manche 
sind  nur  dick  wie  Nadeln,  aber  öfter  gegen  l  Zoll  lang,  andere 
dick  und  erst  auf  ihrer  Höhe  in  mehreren  Säulen  zerspalten. 
Alle  haben  eine  schwarze  Thonkappe,  und  sind  längs  mit  Thon 


—     75     -= 

wie  überpinselt ,  was  sich  andern  Orts  so  vortrefflich  im  Keuper 
wiederholt.  Hier  kann  kaum  ein  Zweifel  entstehen,  dass  der 
unterliegende  rauchgraue  Kalkbalk  zu  den  zarten  Stylolilhen  aus- 
gewaschen wurde,  welche  häufig  in  den  feinsten  Fäden  über 
1  Zoll  die  gemeinsame  Fläche  überragten.  Dann  deckte  sie  eine 
Schicht  Thonschlick,  und  nun  erst  kam  der  gelbgraup  dolomiti- 
sche rauhe  Mergel  und  deckte  das  Ganze.  Schlägt  man  die 
Handstücke  entzwei,  so  erscheinen  die  zierlichen  Säulchen  wie 
in  graue  Formen  gegossenes  Blei.  Verfolgen  wir  die  Sache  in 
dieser  Weise,  vorläufig  unbekümmert,  wo  den  Stylolithen  ihre 
Grenzen  zu  stecken  sei,  so  dürfte  eine  endliche  Lösung  dieser 
schwierigen  Frage  nicht  fern  liegen.  Kommt  uns  dann  wirklich 
die  Ueberzeugung,  dass  es  Auswaschungen  sein  müssen,  so  wird 
man  auch  die  Möglichkeit  zugeben  müssen.  Nur  sind  dann  der 
Stuttgarter  Feuersee  oder  irgend  eine  schwäbische  Froschlache 
wohl  schwerlich  der  Ort,  wo  man  Aufschlüsse  zu  hoffen  habe, 
sondern  man  muss  sich  vor  Allem  den  Meeresküsten  zuwenden, 
und  hier  die  Natur  in  ihrer  grossen,  aber  leider  so  geheimen 
Werkstätte  belauschen. 

9)  Particulier  Neubert  aus  Stuttgart  zeigte  eine  blühende 
Pflanze ,  den  Mücke  nwürger,  Apocynum  androsaemifolium  L., 
aus  Virginien  stammend,  und  also  Landsmännin  der  berühmteren 
Venusfliegenfalle,  Dionaea  Musclpula  L. ,  vor,  welche  als  Fliegen- 
Vertilgerin  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  sich  lenkte ,  da 
Fliegen  und  andere  Insekten,  wenn  sie  den  Rüssel  zwischen  die 
Staubfäden  und  Honigbehältnisse  der  Blume  einsenken,  um  den 
Honigsaft  zu  schlürfen,  an  solchen  festgehalten  werden  und  um- 
kommen. 

10)  Apotheker  Oeffinger  aus  Nagold  legte  frische  Exem- 
plare der  Pyrola  chlor antha  nud  Sahia  sylvestris  vor,  beide  bei 
Nagold  aufgefunden  und  für  die  dortige  Gegend  neu. 

11)  Apotheker  Gmelin  von  Rottenburg  hatte  mehrere  fri- 
sche Exemplare  \on  Pedicvlaris  foliosa  mitgebracht.  G.  v.  Mär- 
te ns  wird  später  einen  Aufsatz  über  die  geographische  Verbrei- 
tung dieser  Pflanze  mittheilen. 


II.    Aiifisätze  lind  Abbaotlliinsen. 


1.   Die  Bolmerze  des  Jura, 

ihre  Beziehung  zur  Molasse  und  zu  den  Gypsen  von 
Paris,   Aix  und  Hohenhoewen. 

Von  Bergrath  Friedrich    v.  A  1  b  e  r  t  i. 

Die  Bildungsweise  und  das  Alter  der  Bohnerze  haben  seil 
30  Jahren  eine  Menge  Discussionen  hervorgerufen,  an  denen 
besonders  AI.  Bron  gniarl ,  G.Jäger,  Thirria,  Voltz  und 
Walchner  Antheil  nahmen.  Das  Resultat  trifft  wohl  in  der 
Annahme  meines  Freundes  Jäger  zusammen,   dass 

die    Bildung  der  Bohnerzmasse    und  der   Bohnerzkörner, 
das  Emportreiben  derselben  und  der  in  ihnen  enthaltenen 
Knochen  und  Zähne   und  deren  Zertrümmerung  und  Ab- 
glättung durch  die  am  Geiser  in  Island  und  an  den  Carls- 
bader Quellen  vorkommenden  Erscheinungen  und  in  dem 
Emportreiben  von  Steinen  und  Schlamm   und  mehr  oder 
weniger  heissem  Wasser  aus  Bohrlöchern   zu  erklären  sei 
und  eine  Versetzung    und   Zertrümmerung  der    in    ihnen 
sich  findenden  organischen    Reste    in    Folge  der   vulkani- 
schen Erhebung  und  Durchbrüche  stattgefunden  habe.  *) 
In  Beziehung  auf  das  Alter  war  die  Annahme  geltend ,  dass 
Bohnerz  -  Formationen    verschiedenen    Alters ,     eine    ältere    zwi- 
schen Jura  und  Kreide  (die  von  Kandern  u.  a.  0.),  eine  jüngere 


*)  üeber  die  foss.  Säugethiere  Württemberg's  —  Nova  acta  oaturae 
cujiosiorum,  XXII.  1850.  p.  924  f. 


-     77     ~ 

(auf  den  Höhen  des  Jura),  dem  Diluvium  angehörend,  anzunehmen 
seien. 

Ich  habe  darzuthun  gesucht,  dass  die  Bohnerze  aus  Schlamm- 
Eruptionen  in  Verbindung  mit  Gasentwicklungen  entstanden,  die 
sogenannten  älteren  und  neueren  Bohnerze  gleichen  Alters 
seien.  *) 

Ehe  meine  Ansicht  in's  Publikum  kam,  erhielten  wir  die 
schönen  Arbeiten  meines  verehrten  Freundes  Oscar  Fr  aas  über 
die  Bohnerze  von  Frohnstelten  *'-)  auf  der  Hardt,  NNW.  von 
Sigmaringen.  Er  hat  unwiderlegbar  dargethan ,  dass  die  Ein- 
schlüsse dieser  Bohnerze  ganz  die  gleichen  wie  die  des  Pariser 
Gypses  seien,  daher  Beide  Einer  Formation  angehören  müssen. 
Er  fand  Palaeotherium  medium  (commune),  P.  latum  (P.  Velaunum, 
magnum),  P.  hippoides,  P.  minus  {P.  curtum),  Anoplotherium  com- 
mune, A.  leporinum,  A.  murimum,  A.  gracile  u.  a:  Unter  den  von 
mir  gesammelten  Resten  finden  sich  noch,  nach  der  Bestimmung 
G.  Jäger's,  Knochen  von  Palaeomeryx  minor  und  Anoplotherium 
secundarium. 

Die  Erze  von  Frohnstellen  brechen  auf  einer  wannen-  oder 
muldenförmigen,  aus  Jura -Kalk  bestehenden  Höhe,  dem  soge- 
nannten Haerdtle.  Die  an  Thierresten  reichsten  Gruben  liegen 
so  ziemlich  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Gegend,  auf  einer 
inselartigen  Erhöhung,  andere  auch  in  der  Tiefe  der  Wanne 
zerstreut. 

In  einer  der  höchst  gelegenen  Gruben  folgen  nach 
Herrn  Fr  aas: 

Bohnerze  mit  einzelnen  Zähnen  von  Palaeotherien     2'",29. 
Gelber  Thon  und  Jurageschiebe,  leer  an  Erzen  und 

Zähnen 3'",43. 

Thon    mit   Erzen    und    zahlreichen  Knochen    und 

Zähnen 0'"50. 

Reines  Erz,  ganz  leer  an  Zähnen 4'",29. 

Er  ist  der  Ansicht,  dass  das  Haerdtle  ein  Seebecken  gewe- 
sen sei. 


•)  Halurgische  Geologie,  1852.  II.  p.  304  ff.  und  342  f. 

'')  Württemberg,  naturwissenschaftliche  Jahreshefte,    1852.    p.  58  ff. 


ff 
und  219  ff. 


—    78    - 

in  welches  die  Zähne  und  Knochen  der  merkwürdigen 
Dickhäuter,  die  in  jener  Zeit  die  inselarlig  über  das 
Tertiärmeer  hervorragenden  Wälder  des  weissen  Jura 
bevölkerten,  nach  dem  Absterben  der  Thiere  vom  Regen 
und  Gebirgsbächen  geführt  worden  seien. 

Betrachten  wir  die  vielen  Bohnerzgruben ,  auch  die  auf  dem 
Haerdtle,  so  finden  wir  die  Bohnerze  und  die  sie  begleitenden 
Thone  überall  in  Spalten  des  Jura,  auch  bei  der  an  Thier- 
resten  reichsten  Grube  steht  auf  zwei  entgegengesetzten,  wenig 
voneinander  entfernten  Stössen  Jura -Kalk  an,  was  offenbar  ge- 
gen die  Annahme  eines  Seebeckens  streitet. 

Die  Bohnerze  sollen  durch  Quellen  und  Säuerlinge  gebildet 
und  die  Thiere  durch  Strömungen  diesen  zugeführt  wor- 
den sein. 

Warum  sind  nun  aber  die  Bohnerze  und  die  Thiere,  die 
sie  enthalten,  nur  in  den  Spalten,  warum  haben  sie  sich  nicht 
in  andern  Vertiefungen,  wie  sie  hier  vorliegen,  gelagert? 

Wenn  die  Bohnerze  durch  Säuerlinge  gebildet  sind,  woher 
kommt  die  mächtige  Thonmasse  zwischen  ihnen?  Wenn  auch 
diese  durch  Fluthen  in  sie  gelegt  sein  soll,  warum  ist  gerade  sie 
ohne  organische  Reste,  namentlich  ohne  Pflanzen  der  reichen 
Vegetation,  welche  so  viele  Thiere  nährte? 

Die  jurassischen  Petrefakten,  welche  sich  mit  den  Bohnerzen 
finden,  sollen  ebenfalls  durch  Strömungen  mit  den  Landthieren 
in  die  Bohnerze  gekommen  sein.  Diesem  widerstreitet,  dass 
sich  in  Formationen,  welche  zuverlässig  in  Seebecken  abgesetzt 
sind,  wie  z.  B.  in  der  Molasse,  nicht  auch  Versteinerungen  älte- 
rer Formationen  finden. 

Dagegen,  dass  die  tertiären  Thiere  von  den  Höhen  herab 
in  diese  Spalten  eingeschwemmt  seien,  spricht  aber  vorzüglich 
der  Umstand,  dass  keine  grösseren  Anhöhen,  als  die,  auf  denen 
die  an  Fossilen  reichsten  Erze  liegen,  in  der  Nähe  sich  befinden 
und  nicht  abzusehen  ist,   wie  diese  Reste  von  den  Höhen  a,  a 


-    79    -" 

durch  die  hier  vorliegenden  Verliefungen  b,  b  nach  den  Spalten 
bei  c  gekommen  seien,  ohne  sich  in  b,  b  abgesetzt  zu  haben. 
Statt  diesem  sehen  wir  auf  den  Höhen  und  in  den  Tiefen  der 
Wanne  unter  der  wenig  mächtigen  Dammerde  überall  nur  Jura- 
Kalk  anstehen. 

Alle  diese  Anstände  werden  gehoben,  wenn  wir  annehmen, 
dass  die  Bohnerze  in  Verbindung  mit  kohlensaurem  Gase  sich 
aus  der  Tiefe  erhoben,  die  Landthiere,  von  der  sauern  Solution 
angelockt,  in  dem  lodtbringenden  Orte  ihren  Untergang  gefunden 
haben,  die  festen  Theile  derselben  von  der  auf-  und  niedertrei- 
benden Masse  gemengt  und  geglättet,  die  Jura -Petrefakten  aber 
durch  die  Kohlensäure  aus  dem  Kalksteine  losgelöst  und  mit  Jün- 
gern Gebilden  vermengt  worden  seien. 

Der  Umstand,  dass  die  Thierreste  in  den  Bohnerzen  nicht 
gleich  vertheill  sind,  dass  sie  in  den  Erzlöchern  in  verschiede- 
nen Tiefen  sich  sehr  häufen  oder  gar  nicht  finden,  der  Umstand, 
dass  nicht  alle  Bohnerzlöcher  Thierreste  enthalten ,  scheint  darauf 
hinzudeuten,  dass  die  Gasentwicklung  bald  stärker,  bald  schwä- 
cher auftrat,  oder  dass  die  Löcher  nicht  zugänglich  waren.  Da 
wo  die  Thierreste  sehr  abgerieben  und  zerstört  sind ,  scheint 
die  auf-  und  niedergehende  Schlammmasse  länger  in  Thätigkeit 
gewesen  zu  sein.  Dieses  Abgeriebensein,  so  wie  die  destructive 
Beschaffenheit  mancher  Bohnerze  kann  jedoch  auch  daher  rüh- 
ren, dass  Stillstände  in  der  Bildung  der  letztern  eintraten,  und 
die  Gase  sich  neue  Bahnen  brechen  musslen,  oder  dass 
ihre  Lagerung  durch  allmählige  Erhebung  des  Jura  gestört  wurde, 
namentlich  wenn  sich  eine  Wand  der  Spalten,  in  denen  sie  einge- 
schlossen sind,  höher  als  die  andere  hob;  dadurch  müssen  auch 
sekundäre  Lagerstätten  sich  gebildet  haben. 

Charakteristisch  für  manche  Eisensteinbildungen  ist  das  Vor- 
kommen von  Versteinerungen  älterer  Formationen  mit  jüngeren. 
Im  Elsass  z.  B.  finden  sich  in  den  Bohnerzen  neben  Versteine- 
rungen aller  Gruppen  des  Jura  andere  aus  Muschelkalk  und  Ueber- 
gangsgebirge,  und  in  Schwaben  sind,  neben  tertiären,  jurassische 
sehr  gemein.  So  finden  sich  z.  B.  bei  Heudorf  neben  Ceriopora 
angulosa  G  o  1  d  f. ,  Cidarites  coronatus ,  Stacheln  von  Cidarites 
nobilis  und  glandiferus,  Gliedstücken  von  Pentacrinites  pentag onaliSt 


—    80     — 

Apiocrinitesmespiliformis  nnä  rosaceus,  Terebratulainconstans,  also 
neben  entschiedenen  Pelrefakten  des  oberen  Jura- Paludinen  und 
Anodonten  mit  Zähnen  von  Sphaerodus  irregularis  *),  Otodus  macro- 
tus,  Oxtjrhina  Besori,  Lanma  elegans ,  welche  der  Molasse -Zeit 
angehören.  Alle  diese  Petrefaklen  sind  aufs  Innigste  mit  den 
Pachydermenresten  gemengt.  Die  gleiche  Erscheinung  findet  auch 
in  den  eocenen  Eisenstein  -  Ablagerungen  des  Kressenbergs  (Teisen- 
bergs)  statt.  Mit  tertiären  Versteinerungen,  namentlich  Nummu- 
liten,  finden  sich  hier:  Terebratula  carnea,  Apiocrinites  ellipticus 
u.  a.  der  Kreide,  mit  Pentacrinites  cingularis,  Apiocrinites  Milleri, 
Belemnites  cornpressus  des  Jura  und  Fischresten  des  Uebergangs- 
gebirges.  **) 

Dass  die  Kohlensäure  diese  Erscheinung  hervorgebracht  habe, 
dafür  sprechen  die  mächtigen  Auswaschungen  und  die  Metamor- 
phosen an  den  Wänden  der  Erzlöcher  und  der  Umstand,  dass, 
was  namenilich  in  den  Erzgruben  von  Ober- Schlesien  und  Süd- 
Polen***)  häufig  sichtbar,  die  Versteinerungen  im  Contact  weit 
aus  der  Kalkmasse  hervorragen.  Bei  der  dominirenden  Lage  der 
Bohnerzgruben  von  Frohnstetten  ist  das  Dasein  der  Jura -Petre- 
faklen wohl  nicht  auf  andere  Weise  erklärbar. 

Eine  auffallende  Erscheinung  ist  es ,  dass ,  während  in  den 
Bohnerzen  die  Knochen  und  Zähne  der  verschiedensten  Thiere 
mit  Versteinerungen  älterer  Formalionen  gemengt  vorkommen, 
wir  in  der  obersten  Abiheilung  des  Gypses  von  Paris,  und  zwar 
nur  in  dieser,  nie  in  der  unteren  Abiheilung,  häufig  die  wohl 
erhaltenen  Gerippe  ganzer  Thiere  und  keine  Versteinerungen  älte- 
rer Formationen  finden,  dass  daher  bei  ihrer  Bildung  in  Bezug 
auf  das  Vorkommen  der  Thiere  wesentliche  Verschiedenheiten 
stattgefunden  haben  müssen.  Auch  der  Pariser  Gyps  wird  als 
Deltabildung  angesehen.  Es  soll  nicht  geläugnet  werden,  dass 
bei  der  Gypsbildung  Ueberschwemmungen  stattfanden;    dies   be- 

*)  la  den  Bohnerzen  von  Heudorf  finden  sich  auch  Zähne  von  Sphae- 
rodus annidaris  Agass,  welche  dieser  aus  meiner  Sammlung  bestimmte, 
irrigerweise  jedoch  dem  Sandsteine  von  Täbingen  zurechnet. 

**)  Schafhäutlj    geognostische  Untersuchungen  des  südbayerischen 
Alpen -Gebirges.     München  1851.     pag.  62  flF. 
***)  Halurg.  Geol.    II.  336. 


-     81     — 

weisen  die  Fische ,  die  sich  zuweilen  neben  den  Quadrupeden  ge- 
bettet haben;  der  Deltabildung  widerstreitet  dagegen  das  kuppen- 
förmige  Vorkommen  des  Gypses  und  sein  massenhaftes  Auftreten 
in  der  oberen  Abtheilung,  wo  er  zum  Theil  in  mächtige  Prismen 
Chauts  piliers)  abgesondert  ist.  Wären  die  Quadrupeden  u.  a.  ihm 
durch  Fluthen  zugeführt,  so  müsste  der  Sland  ihrer  Erhaltung 
ein  anderer  und  sie  müssten  in  Schichten  abgesetzt  sein.  Wären 
die  Thiere,  während  der  Gyps  sich  bildete,  in  die  Schichten 
eingeführt  worden ,  oder  wäre  der  Gyps  ein  verwandelter  Kalk, 
so  würden  diese  durch  Schwefelsäure  zerstört  worden  sein;  es 
muss  daher  nach  einer  andern  Ursache  geforscht  werden.  Zieht 
man  die  Zusammenhäufung  einer  so  grossen  Menge  von  Thieren 
auf  beschränktem  Räume,  ihre  gute  Erhaltung  in  Betracht,  so  er- 
klärt sich  ihre  Erscheinung  am  einfachsten,  wenn  wir  annehmen, 
dass  die  Oberfläche  des  Gypses  vor  dem  Erhärten  einen  Sumpf 
bildete  und  zeitweise  von  Flüssen  überschwemmt  wurde ,  in  dem, 
wie  in  den  Big  Bone  Lick  in  Kentucky,  ganze  Heerden  von  Thie- 
ren durch  Lüsternheit  den  Tod  fanden,  und  von  Gypsmaterie, 
die  schon  gebildet  vorhanden  war,  durchdrungen  wurden.  Das 
Dasein  von  Salzlachen  ,  von  welchen  die  Thiere  angelockt  wur- 
den,  beweisen  die  treppenarlig  hohlen  Würfel,  eine  Pseudomor- 
phose  nach  Steinsalz,  welche  auf  den  den  Gyps  begleitenden 
Mergeln  zerstreut  vorkommen.  '^)  Vielleicht  war  es  auch  nur  der 
Gypsteig  allein,  welcher  sie  anzog  und  dadurch  tödtlich  wurde, 
dass  sich  Gasarten  aus  ihm  entwickelten. 

Herr  Fr  aas  nimmt  in  den  oben  erwähnten  Aufsätzen  auf 
der  Alp  3  Säugethierzonen  verschiedenen  Alters,  oder  3  Bohnerz- 
Formationen  an,  so  dass  mit  der  für  älter  gehaltenen  von  Kan- 
dern  u.  a.  0.  deren  4  wären.  Für  die  älteste  der  Alp  gilt  ihm 
die  von  Frohnstetten,  welche  nur  Reste  des  Pariser  Gypses,  be- 
sonders Palaeotherien  und  Anoplotherien  enthält,  für  die  zweite 
sieht  er  die  Bohnerze  von  Heudorf  bei  Mösskirch  an,  in  denen 
sich  Anchitherium  aurelianense,  Hippotherium,  Dorcatherium  Naui, 
Palaeomeryx  Scheuchzeri,  Rhinoceros  incisivus,  Mastodon  angusti- 
dens,  Tapirus  priscus,  Dinotherium  giganfeum,  Hyotherium  medium, 


*)  Jouin.  des  mines.     XXV.     pag.  227. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    Is  Heft. 


^-    82     - 

Pachjodon  mirabüis  u.  a.  finden.  Für  die  drille  Säugelhierzone 
gilt  ihm  Elephas  primigeniiis,  Mastodon  longirostris ,  Rhinoceros 
tichorhinus  u.  a. 

Diese  Localion  wird  sehr  schwankend,  da  sich  in  den  Bohnerzen 
von  Heudorf  auch  Anoplolherienreste  finden,  noch  mehr,  wenn 
wir  das  Vorkommen  bei  Neuhausen,  unweit  Tuttlingen,  in's  Auge 
fassen.  Dort  finden  sich  nach  den  Unlersuchungen  G.  Jag  er 's*) 
neben  Palaeotherium  crassum,  P.  magnum,  P.  medium,  P.  minus, 
neben  Anoplotherium  commune  und  Ä.  secundarium,  Reste  des 
Anchitherium  aurelianense ,  Resle  von  Elephas,  Palaeomeryx,  Equus 
fossilis ,  Mastodon  angustidens  und  Dinotherium  giganteum ;  Neu- 
hausen verbindet  daher  vollkommen  das  Vorkommen  von  Frohn- 
stelten  und  Heudorf.  Dies  in's  Auge  gefassl,  und  unter  Berück- 
sichtigung des  Umstands,  dass  vorzugsweise  die  Zähne,  weniger 
die  in  Menge  bei  Frohnstetten  sich  vorfindenden  Knochen  unter- 
sucht sind,  und  unter  diesen  manche  sein  können,  die  denen 
bei  Paris  vorkommenden  nicht,  dagegen  denen  von  Neuhausen 
u.  a.  0.  entsprechen,  so  liegt  kein  stichhaltiger  Grund  vor,  dem 
einen  Vorkommen  ein  höheres  Alter  als  dem  andern  zu  geben, 
um  so  mehr,  da  hier  wie  dort  uns  fast  nur  ausgestorbene  Thier- 
gattungen  begegnen. 

Gleiche  Beschaffenheit  hat  es  mit  den  Bohnerzvorkommen 
von  Salmendingen,  Melchingen ,  Onslmettingen,  welche  ebenfalls 
neuer  sein  sollen.  Diese  enthalten,  wie  Jäger  darthut:  Masto- 
don angustidens,  Anoplotherium  gracile,  Palaeotherium  neben  Hip- 
potherium,  Equus  und  Elephas;  diese  Einschlüsse  stimmen  daher 
ganz  mit  denen  von  Neuhausen   und  Heudorf  überein. 

Das  Dasein  der  Reste  von  Rhinoceros  tichorhinus  und  Ele- 
phas in  den  Bohnerzen  von  Neuhausen  u.  a.  0.  erklärt  sich  da- 
mit, dass  diese  mit  den  Palaeolherien  gelebt  und  sich  bis  zur 
Diluvialzeit  erhallen  haben,  oder,  was  noch  wahrscheinlicher  ist, 
dass  Unterschiede  in  ihrem  Habitus,  wie  beim  asiatischen  Ele- 
phanten  und  dem  Mammulh  slattfanden,  die  sich  beim  Abgerie- 
bensein der  Zähne    nicht  mehr   unterscheiden  lassen,  oder  dass 


*)  I.  c.  und  über  die  fossilen  Säugetlilere  Württeniberg''s,  2  Abthlgn. 
1835  und  1839.     I.     pag.  44  ff.     II.     pag.  71  ff. 


-    83     - 

zur  Diluvialzeit  Reste  der  damals  lebenden  Thiere  in  die  Bohnerz- 
löcher  eingeschwemmt  oder  eingetragen  wurden;  davon  zeugen 
auch  die  Kunstprodukte,  die  sich  zuweilen  in  ihnen  finden. 

Ich  habe  nachgewiesen,  dass  die  Bohnerze  von  Rändern, 
obschon  sie  nur  jurassische  Versteinerungen  einschliessen,  erst 
nach  Ablagerung  des  Tertitärgebirges  im  Breisgau ,  welches  dem 
im  Mainzer  Becken  entspricht,  gebildet  sein  können,*)  und  dass 
sie  gleichzeitig  mit  den  Bohnerzen  der  Alp  und  den  damit  ver- 
wandten Gebilden  seien,  mag  daraus  hervorgehen,  dass  Thirria 
in  einer  ganz  ähnlichen  Bohnerz  -  Masse  an  der  Saöne  Mastodonten- 
Reste  fand;  es  liegt  daher  kein  Grund  vor,  die  einen  für  jünger 
oder  älter  als  den  Gyps  von  Paris  zu  hallen. 

Herr  Fr  aas  findet  einen  Anknüpfpunkt  der  Bohnerze  an's 
Eocen  darin,  dass  er  den  Terliärkalk  von  Winterlingen,  Bach- 
zimmern ,  Blumberg  u.  a.  0. ,  der  in  der  Nähe  der  Bohnerze  vor- 
kommt, als  Grobkalk  betrachtet ;  dagegen  spricht  die  Beobachtung 
meines  Freundes  v.  Althauss,  der  nachgewiesen  hat,  dass  die- 
ser bei  Zimmerholz  in  der  Nähe  von  Hohenhoewen ,  auf  der  Nagel- 
fluh liege,  die  am  Hohenhoewen  mit  dem  gelben  Molasse-Sand- 
stein durch  den  Basalt  und  Gyps  gehoben  ist.  **)  Die  Verstei- 
nerungen dieses  Kalks  haben  den  zoologischen  Charakter  der 
Molasse,  zu  der  ihn  auch  Rehmann  rechnet.***)  Es  finden 
sich  darin  neben  vielen  andern:  Cellepora  globularis  Bronn, 
Ostrea  tegulata  M  ü  n  s  t. ,  Pecten  Burdigalensis  L  a  m. ,  Natica  glau- 
cina  Lam.,  in  grosser  Menge  Turritella  terehra  Lin. ,  Rissoa 
cochlearella  Lam.,  Pyrula  reticulata  M  ü  n  s  t. ,  Murex  Lassaignei 
Bell,  et  Mich.,  Baianus  tintinabulum  Lin.,  welche  grossen- 
theils  auch  in  der  Subapenninen- Formation  auftreten. 

Sehen  wir  uns  in  der  Nähe  um,  welche  geschichteten  Ge- 
steine Thierreste  enthalten,  die  denen  in  den  Bohnerzen  und  im 
Pariser  Gypse  vorkommenden  parallel  zu  setzen  sind,  so  bietet 
nur  die  Molasse  einen  Vergleichungspunkt  dar.    In  ihr  finden  sich, 


'••)  Halurg.  Geol.     IL     pag.  343. 
**)  d' A  Itliauss,  Notice  sur  le  terraiii  d'eau  douce  du  Hegau.  Mem. 
de  la  Soc.  d'liist.  nat.  de  Strasbourg-.     I.  1.     pag.  3. 

*"*)  Gaea  und  Flora  der  Quelleiibezirke  der  Donau  von  Dr.  E.  Reh- 
niann,  F.  Brunn  er  und  C.  Gebhard.     pag.  29. 

6^ 


—    84    - 

wie  in  den  Bohnerzen ,  neben  Resten  von  Palaeolherien  und  Anoplo- 
Iherien:  Palaeomeryx  minor,  das  sich  auch  in  den  Bohnerzen  von 
Frohnslelten  findet,  Palaeomeryx  Scheiichzeri,  Rhinoceros  incisi- 
vus,  Mastodon  angustidens,  Tapirus  ptiscus,  Htjotherium  medium, 
Cervus  lunatus ,  der  auch  in  den  Bohnerzen  von  Heudorf  vor- 
kommt, Pachyodon  mirabilis  u.  a.  und   Reste  vieler  Fische. 

G.  Jäger  hat  nachgewiesen,  dass  auch  in  den  Süsswasser- 
Kalken  der  Alp  sich  mehrere  dieser  Thiere  finden,  dass  daher 
auch  sie  der  gleichen  Epoche  angehören  werden. 

Hierher  sind  auch  die  Einschlüsse  des  Mainzer  Beckens,  die 
H.  V.  Meyer  untersuch!  hat,*)  zu  rechnen,  die  Hyotherium  me- 
dium, Palaeomeryx  Scheuchzeri,  Rhinoceros  incisivus ,  Tapirus 
priscus  und  T.  Helveticus,  welch'  letzterer  sich  auch  in  der  Mo- 
lasse findet,  enthalten,  und  die  von  Georgensgmünd,  welche 
Anchitheriumaurelianense ,  Rhinoceros  incisivus,  Mastodon angusH- 
densj  Palaeomeryx  u.a.   einschliessen.  **) 

Dass  sich  in  den  verschiedenen  Gliedern  der  Molasse  Anoplo- 
Iherien-  und  Palaeotherien- Reste  seltener  als  in  den  Bohnerzen 
von  Frohnstetten  finden,  hat  möglicherweise  darin  seinen  Grund, 
dass  diese  schweinsartigen  Thiere  morastige  Gegenden  wählten 
und  besonders  in  der  Nähe  saurer  Solutionen  (Gyps  -  und  Bohnerz- 
schlamm)  die  Waiden  suchten.  Während  bei  Heudorf  das  Meer, 
wie  das  Pachyodon  und  viele  Fischreste  darlhun,  zeitweise  mit 
der  Bohnerzbildung  in  Verbindung  stund,  oder  die  Fluth  diese 
erreichte,  die  Umgebung  einen  Sumpf  gebildet  zu  haben  scheint, 
fanden  sich  bei  Neuhausen  zwar  auch  Sümpfe  und  Moräste,  je- 
doch bei  reicherem  Pflanzenwuchse,  da  dieser  ausser  den  Palaeo- 
therien und  andern:  Elephani ,  Mastodon,  Pferd  u.  a.  ernähren 
konnte.  Ueberhaupt  musste,  wie  jetzt  noch,  die  Lage  des  Orts 
bedeutenden  Einfluss  auf  das  animalische  Leben  ausüben  und  die 
Thiere  nach  ihrer  Lebensart  in  Gruppen  trennen;  dies  Vorkom- 
men berechtigt  daher  nicht  zu  der  Annahme,  dass  die  Mastodonten, 


*)  In  vielen  Aufsätzen  von  1837  an  im:  Neuen  Jahrb.  für  Min.  etc. 
"*)  Die  foss.  Zähne  und  Knochen  und  ilire  Ablagerunj^  in  der  Gegend 
von  Georgensgmünd    in  Bayern,    untersucht    und  abgebildet  von    Herrn. 
V.  Meyer.     Frankf.  1834. 


—    85     — 

Rhinoceros  u.  a. ,  da  sie  sich  bis  jetzt  nicht   im  Gypse  von  Paris 
fanden,  jünger  als  die  Palaeotherien  u.  a.  seien. 

Ein  vermitlehides  Glied  zwischen  den  Bohnerzen,  der  Molasse 
und  dem  Pariser  Gypse  ist  der  Gyps  von  Hohenhoewen  im  Hegau, 
welcher  Reste  von  Anoplotherium  commune,  A.  gracile ,  Palaeo- 
meryx  Scheuch zeri ,  Elephas  u.  a.  enthält. 

Die  Stellung  des  Pariser  Gypses  ist  in  tiefes  Dunkel  gehüllt. 
Er  findet  sich  zwischen  Grobkalk  und  Kieselkalk  als  ganz  abnorme 
Masse.  Er  wird  desshalb  als  eocen  angesehen,  weil  er  in  der 
untern  Abtheilung  des  Grobkalks  in  zwei  Lagen  auftritt,  weil  in 
den  10  Metres  mächtigen  xMergeln  mit  linsenförmigen  Gypskrystal- 
len,  welche  die  unterste  Abtheilung  des  Gypses  am  Tage  bilden, 
eine  Schicht  Versteinerungen  des  Grobkalks  einschliesst,  und  weil 
er  meist  ausgestorbene  Thiergattungen  enthält ,  die  sich  theil- 
weise  auch  in  den  obersten  Schichten  des  Grobkalks  finden. 

Wenn  der  Gyps  von  Paris,  von  Hohenhoewen  u.  a.  sich  wie 
plutonische  Gesteine  erhoben  haben,  so  darf  die  Zwischenlage- 
rung im  Grobkalke  von  Paris  nicht  befremden ;  sie  gibt  keinen 
Altersbeweis,  doch  liesse  sich  denken,  dass  diese  Gypslagen  und 
die  unterste  Abtheilung  des  Gypses  am  Tage  älter  als  die  obere 
Gypsmasse  seien ,  oder  dass  dgr  Gyps  der  oberen  Abtheilung  des 
Grobkalkes  angehöre. 

Da  die  besagten  Grobkalk- Versteinerungen  im  Mergel  durch 
auftretende  Kohlensäure  aus  dem  Kalke  losgelöst,  oder  der  sich 
erhebende  Schlamm  die  auf  seinem  Wege  liegenden  Thiere  ein- 
gehüllt, oder  eine  Ueberfluthung  die  Umgebung  abgespühll  und 
die  Versteinerungen,,  wie  die  Fische,  die  sich  auch  in  diesen 
Mergeln  finden,  in  den  weichen  Schlamm  gelegt  haben  kann,  so 
ist  auf  das  Vorkommen  derselben  kein  besonderer  Werth  für  die 
Altersbestimmung  zu  legen. 

Wird  nun  berücksichtigt,  dass  der  Gyps  von  Paris  in  ewige 
Tiefe  setzt,  bald  in  Kuppen  frei  zu  Tage  geht,  bald  unmittelbar 
von  Dammerde,  bald  von  versteinerungsleerem  Travertin  oder 
Sand ,  bald  von  Mergeln  überlagert  wird ,  welche  Limnaeen  und 
Planorben  enthalten,  die  kaum  von  den  in  den  nahen  Pfützen 
lebenden  verschieden  sind,  dass  er  zwar  stellenweise  auf  Grob- 
kalk liegt,    dass  dagegen  seine  Abhänge,    nie  aber   seine  Gipfel 


-    86    - 

von  dem  Meeressand  und  Sandstein  von  Beauchamp  bedeckt  sind, 
so  wird  es  wahrscheinlich ,  dass  er  diesen  Sand  und  Sandstein 
durchbrochen  habe,  daher  jünger  als  dieser,  folglich  auch  als 
der  Grobkalk  sei,  und  er  ebensowohl  einer  weit  jüngeren  Zeit 
angehören  könne. 

Ich  habe  dargethan,  dass  der  Gyps  von  Hohenhoewen  mit 
Basalt  die  Molasse  durchbrochen  habe  ;  *)  der  Umstand ,  dass  der 
Gyps  von  Aix,  der  ebenfalls  Palaeolherien  -  und  Anoplotherien- 
Reste  enthält,  nach  Dufrenoy  auf  Molasse,  in  der  sich  eben- 
falls Palaeolherien -Reste  finden,  ruht,**)  oder  nach  Coqu  and 
und  Matheron  von  dieser  in  abweichender  Lagerung  bedeckt 
wird,***)  scheint  darzuthun ,  dass  auch  er  die  Molasse  durch- 
brochen habe,  daher  ebenfalls  jünger  als  diese  sei. 

Entspricht  das  Alter  des  Gypses  von  Paris  dem  der  ßohnerze, 
so  muss  es  auch  dem  des  Gypses  von  Hohenhoewen  entsprechen, 
da  dieser  thierische  Reste  enthält,  die  in  beiden  sich  finden,  und 
da  auf  der  andern  Seite  die  Lagerungs- Verhältnisse  des  Gypses 
von  Hohenhoewen  denen  von  Aix  gleichen,  so  wird  auch  der 
Gyps  von  Paris  dem  von  Aix  parallel  gesetzt  werden  müssen. 

Da  die  Molasse  das  jüngste  Glied  der  Terliärzeit  im  N.  der 
Alpen  vor  Erhebung  der  letztern  ist,  und  der  Gyps  die  Molasse 
durchbrochen  hat,  so  müssen  die  Bohnerze  und  die  besagten 
Gypse  jünger  als  die  Molasse  sein.  Wird  nun  noch  die  Stellung 
der  Gypsreihen  im  Becken  von  Paris  von  0.  nach  W.  in  der 
Richtung  der  Erhebung  der  Alpen  in's  Auge  gefasst,  so  scheint  es, 
dass  dieser  Gyps  dem  Pliocen  angehöre. 

Da  nach  Obigem  die  Existenz  der  Palaeolherien  und  Anoplo- 
Iherien  vom  Schlüsse  der  Grobkalkbildung  bis  in's  Pliocen  dauerte, 
so  lässt  sich  wohl  erklären,  warum  Blainville  diese  für  Thiere 
ansah,  die  sich  an  keine  bestimmte  Formation  binden.  Ebenso 
wird  es  aus  Obigem  klar,  warum  Dufrenoy  und  Agassiz 
den  Gyps    von  Aix    als  der  Molasse  angehörig,    Coqu  and  und 


*)  Halurg-.  Geol.     I.     pag.  216.' 
**)  Bulletin  de  la  soc.  geol.     VH.     pag.   191. 
***)  Bulletin  de  la  soc.  geol.     IX.     pag.  220;  und  Essai  sur  la  Consti- 
tution geogn.  du  depart.  des  Bouches    du  Rhone ,    pag.  89  f.,    und  Bulle- 
tin de  la  soc.  geol.     XIII.     pag.  491. 


-     87     - 

Malheron  dagegen    als    mit  dein  Gyps  von  Paris    parallel    be- 
trachteten und  doch  beide  Theile  Recht  haben  konnten. 
Ueberblicken  wir  das  Gesagte,  so  ergibt  sich: 

1)  Dass  die  Bohnerze  keine  Ablagerungen  in  Seebecken  sein 
können,  sie  vielmehr 

2)  aus  Schlammausbrüchen  entstanden  sein  werden.  Wäh- 
rend die  in  ihnen  sich  findenden  Landthiere  durch  Gasarten  ge- 
tödtet,  im  Schlamm  auf-  und  niedergelrieben  und  die  aus  älteren 
Formationen  herstammenden  Thierreste  durch  Kohlensäure  losgelöst 
wurden,  scheint  das  Vorkommen  ganzer  Skelette  im  Gvpse  von 
Paris  darauf  hinzudeuten ,  dass  dieThiere  in  ihm  an  Ort  und  Stelle 
im  stagnirenden  Schlamme  versunken  seien. 

3)  Alle  Bohnerze  des  Jura  sind  gleichen  Alters. 

4)  Die  Tertiärkalke  von  Blumberg  u.  a.  0.  gehören  zur  oberen 
Abtheilung  der  Molasse. 

5)  Die  Existenz  der  Palaeotherien  und  Anoplotherien  dauerte 
vom  Schlüsse  der  Grobkalkbildung  bis  in's  Pliocen,  ist  haupt- 
sächlich jedoch  an  die  Molasse -Zeit  geknüpft. 

6)  Die  Bohnerze  des  Jura  sind  gleichen  Alters  mit  den  Gipsen 
von  Paris,  Aix  und  Hohenhoewen  und  wahrscheinlich  Pliocen. 


2.    Nachtrag 

zu  der  im  Isteii  Hefte  des  7leii  Jahrgangs  der  iiaturw. 
Jahreshefte  p.  26  enthaltenen  Berichtigung  einer  Angabe 
Cu  vier 's  über  einen  Narvvhalschädel  des  Stullgarter 
Naturaliencabinets,  an  welchem  zwei  Stosszähne  aus 
der  Zahnhöhle  hervorragen  sollen. 

Von  Dr.  G.  Jage  r. 

Nach  einem  mir  vor  Kurzem  zugekommenen  Schreiben 
meines  verehrten  Freundes,  Herrn  G.  Vrolick  in  Amsterdam, 
hat  ihm  die  oben  bemerkte  kleine  Abhandlung  Veranlassung  ge- 
geben, die  bekannten  Beobachtungen  über  das  Vorkommen  von 
2  hervorstehenden  Stosszähnen  an  Narvvhalschädeln  zusammen- 
zustellen in  einer  in  den  Schriften  der  Gesellschaft  „Artis  natura 
magistra"  enthaltenen  Abhandlung:  „Nieuw  Voorbeeld  van  twee 
uitgegroeideStoottanden  aan  denzelfdenNarwhalschedel",  in  welcher 
er  die  Beschreibung  eines  solchen  in  seiner  eigenen  Sammlung 
befindlichen  Narwhalschädels  mit  2  hervorstehenden  Stosszähnen 
durch  eine  grosse  Tafel  erläutert.  Aus  seiner  Untersuchung 
ergeben  sich  in  Kürze  folgende  Resultate. 

1)  Es  sind  allerdings  mehrere  solche  Narwhalschädel  mit 
2  hervorstehenden  Stosszähnen  in  verschiedenen  Cabineten  auf- 
bewahrt, bei  welchen  die  Annahme,  dass  der  überzählige  (rechte) 
Stosszahn  künstlich  eingesetzt  sei,  nicht  zulässig  ist. 

2)  Dieser  Verdacht  gründet  sich  insbesondere  mit  Unrecht 
auf  den  Umstand,  dass  die  Windungen  auf  der  Oberfläche  des 
überzähligen  (rechten)  Stosszahns  ebenso,  wie  die  des  normalen 
(linken)  von  rechts  nach  links,  nicht  wie  man  glauben  sollte, 
von  links  nach  rechts   gehen,*)   indem   sich    diese    gleichartige 


*)  Dasselbe  bemerkte  auch  Leuckart,  zoolog".  Beiträge  U.  p.  48, 
an  einem  von  ihm  in  Wien  untersuchten  Narwhalschädel  mit  2  hervor- 
stehenden Stosszähnen. 


-    89    - 

Windung  von  rechts  nach  links  an  beiden  hervorstehenden  Zäh- 
nen des  Narwhaischädels  seiner  Sammlung  findet ,  bei  welchem 
der  Verdacht,  dass  der  2te  Slosszahn  künstlich  eingesetzt  sei, 
durch  die  genaueste  Untersuchung  widerlegt  ist. 

3)  Es  ergibt  sich  vielmehr  zwischen  den  Schädeln  des 
männlichen  und  weiblichen  Narwhals  der  durch  die  schönen  Ab- 
bildungen erläuterte  Unlerschied ,  dass  an  dem  Schädel  des 
männlichen  Narwhals  (an  welchem  normal  nur  der  linke 
Stosszahn  mehrere  Fusse  weit  aus  der  Zahnhöhle  hervorragt, 
der  rechte  dagegen  in  der  Zahnhöhle  unentwickelt  zurückbleibt), 
auch  der  linke  Kieferknochen  bedeutend  grösser  ist,  als  der 
den  abortiven  Stosszahn  enthaltende  rechte,  dass  hingegen  an 
dem  Schädel  des  weiblichen  Narwhals,  bei  welchem  in  der 
Regel  beide  Stosszähne  unentwickelt  in  den  Zahnhöhlen  zurück- 
bleiben, beide  Hälften  des  Gesichtslheils  des  Schädels  vollkom- 
men symmetrisch  sind ,  und  daher  eine  s^'mmetrische  Entwick- 
lung beider  Stosszähne,  wenn  dazu  irgend  eine  Veranlassung 
gegeben  ist,  weniger  unerwartet  erscheine. 

Als  ein  solcher  Umstand  könnte  wohl  eine  abnorme  Be- 
schaffenheit der  Genitalien  namentlich  eine  ursprüngliche  oder 
auch  zufällige  Degeneration  der  Ovarien  vermuthet  werden,  so- 
fern letztere  bei  Weibern  und  weiblichen  Säugethieren  und  Vö- 
geln bekanntlich  nicht  selten  die  Entwicklung  eines  mehr  männ- 
lichen Ansehens,  die  Entwicklung  des  Barts  bei  Weibern,  die 
Veränderung  der  Stimme,  die  Veränderung  des  Gefieders*)  bei 
Vögeln  veranlasst.  Es  tritt  diese  Veränderung  freilich  meist  erst 
mit  der  Abnahme  der  Geschlechtsfunction  des  weiblichen  Indi- 
viduums oder  bei  Beschädigung  oder  Degeneration  der  Ovarien 
ein ,  indess  kommt  bei  weiblichen  Individuen  auch  ursprünglich 
ein  mehr  männlicher  Habitus  vor,  wie  namentlich  bei  den  so- 
genannten Viragines.  Es  fragt  sich  also,  ob  die  Narwhale 
mit  2  hervorstehenden  Stosszähnen ,  die  bis  jetzt  beobachtet 
wurden,  so  weit  dies  nachzuweisen  ist,  weibliche  Individuen 
waren,    und   ob    nicht  etwa    bei    solchen  mit   der  Hervorragung 


*)  On  tlie  Cliange    of  the  Pluinage  of  some  Hen-Pheasants  by  Wil- 
liam Yarrell,  Philosoph.  Transactions  1827. 


—     9Ü     ~™ 

der    Stosszähne    zugleich    eine   Abnormität    der   Genitalien    und 
namentlich  der  Ovarien  staltfand.     Die  bisherigen  Untersuchun- 
gen, so  weit  mir  dieselben  bekannt  sind,  geben  jedoch  hierüber 
keinen    Aufschluss.     Es    scheint   übrigens,    bei    Cetaceen   über- 
haupt die  D^'ssymmetrie  beider  Hälften  des  Schädels  häufiger  zu 
sein;*)   sie  wird   auch  bei  Menschen    bekanntlich    nicht    selten 
beobachtet;    es    bedürfte    jedoch    einer    vergleichenden    Unter- 
suchung,   wie  weil   sie  überhaupt    innerhalb   der  Grenzen    einer 
gewissermaassen  normalen  Breite  variirt,  und  wie  sich  in  dieser 
Beziehung  die  verschiedenen  Thierklassen    verhalten.     In  dieser 
Beziehung  scheinen   mir  die  Thiere,    bei  welchen  der  Gesichts- 
theil  des  Schädels    sehr  weit    nach  vornen  hervorragt,    von  be- 
sonderem Interesse  zu  sein,   wie  namentlich  die  Crocodile,  bei 
welchen    die  Symmetrie    beider  Hälften    des  Ober-    und    Unter- 
kiefers   durch    die   lange    Keihe    in    einander    greifender    Zähne 
gleichsam  regulirt  wird.    Eine  kleine  Abweichung  in  der  Stellung 
des  Unterkiefers,    die    von    einer  Ungleichheit  in  seiner  Einlen- 
kung    in  den  Oberkiefer  oder  von  einer  Differenz  in  der  Länge 
seiner   beiden  Aeste  abhängen    kann,    muss    an    der  Spitze  der 
langen  Schnauze  um  so  deutlicher  hervortreten.  —  Bekanntlich 
greifen    die    vordersten  2   längeren    Zähne    des    Unterkiefers    in 
Gruben    des  Oberkiefers  ein ,    die   sogar  häufig  durchbohrt  sind. 
An  dem   nur  2J"  langen  Schädel    eines  jungen  Crocodilus  vul- 
garis ist  der  Oberkiefer  nicht  durchbohrt ,  ebenso  auch  nicht  an 
dem  Schädel   eines  14"   langen    Crocodilus    niger;    dagegen    an 
dem  Schädel    eines  jungen  Crocodilus  biporcatus    von   ungefähr 
10"  Länge,    der   sich  durch  seine  regelmässige  Form  auszeich- 
net,   stechen    die  Spitzen    der  2   vordersten    unteren  Fangzähne 
gleichförmig  durch  den  Oberkiefer  hindurch.     An  dem  ungefähr 
14"  langen  Schädel  eines   ausgewachsenen  Crocodilus  biporcatus 
scheint   früher   eine  Beschädigung    der    linken   Seite    des  Ober- 
kiefers   hinter    dem    Uten  Backzahne    stattgefunden    zu    haben, 
welche   vielleicht    die   schiefe  Stellung   des   Unterkiefers    veran- 
lasste, dessen  linker  Fangzahn  in  die  Oeffnung  auf  der  rechten 
Seite  des   Oberkiefers  passt ,  indess  der  rechte  untere  Fangzahn 


")  Leuckartj  zoologische  Beiträge  II.  p.  49. 


-     91     — 

auf  der  rechten  Seile  des  Oberkiefers  frei  hervorsteht,  auf  der 
linken  Seile  des  letzleren  aber  blos  eine  Grube  ohne  Oeffnung 
sich  findet.  An  einem  anderen  etwas  längeren  Schädel  derselben 
Species  geht  der  rechte  Fangzahn  durch  eine  Oeffnung  auf  der 
rechten  Seite  des  Oberkiefers  hindurch.  Auf  der  linken  Seite 
des  Oberkiefers  findet  sich  nur  eine  flache  Grube  auf  der  Gau- 
menfläche; dagegen  eine  Vertiefung  am  vorderen  Rande  des 
Oberkiefers ,  in  welche  der  linke  Fangzahn  passt. 

Nach  einer  Mittheilung  des  Herrn  Prof.  Dr.  Lehmann  in 
Hamburg  an  den  Verf.  ist  auch  an  dem  dortigen  Narwhalschädel 
mit  zwei  Zähnen  die  BeschafTenheit  derselben  von  der  Art,  dass  die 
Annahme,  der  eine  Zahn  sei  künstlich  eingesetzt,  gar  nicht  zulässig 
ist.  Der  Schädel  ist  vollkommen  symmetrisch,  weder  die  rechte 
noch  die  linke  Seite  bevorzugt ,  auch  haben  beide  Zähne  fast  die- 
selbe Länge.  Der  rechte  Zahn  misst  8  Fuss  ,  der  linke  8'  3^" 
Hamb.  Maass  vom  Ursprünge  bis  zur  Spitze  (bei  zwei  Zähnen  soweit 
Hrn.  Prof.  Lehmann  und  mir  bekannt,  eine  ungewöhnliche  Länge). 
Die  Windungen  sind  an  beiden  Zähnen  gleich,  nämlich  von 
r  e  c  h  t  s  n  a  c  h  1  i  n  k  s.  Ob  dieser  Schädel  einem  weiblichen  Thiere 
angehört  hat,  ist  nicht  mehr  mit  Gewissheit  zu  ermitteln. 


3.    Berichtigung 

der    im   Isten   Hefte    des  Sten  Jahrgangs    dieser    Zeit- 
schrift unter  Nr.  14,  p.  116  enthaltenen  Angabe*)  über 

Dinornis. 

Von  Dr.  G.  Jage  r. 

Es  ist  nämlich  an  dieser  Stelle  meine  bei  dem  Vortrage 
über  diesen  Gegenstand  gemachte  Aeusserung,  dass  der  Dinor- 
nis   giganteus    im    Vergleiche    mit    dem    afrikanischen    Strausse 


*)  Diese  Angabc  wurde  aus  dem  Protocoll  von  der  Generalversamm- 
lung aufgenommen  ,  da  Hr.  Dr.  G.  Jäger  seine  Mittheilung  nicht  schrift- 
lich zu  den  Acten  gegeben  hat.  Anra.  d.  Red. 


—    92    — 

wenigstens  eine  Höhe  von  10'  gehabt  habe,  so  aufgefassl  wor- 
den, dass  jener  wenigstens  10'  höher  als  dieser  gewesen  sei. 
Da  ich  bei  der  Kürze  der  Zeit  verhindert  war,  bei  Vorzeigung 
der  von  Herrn  Rieh.  Owen  erhaltenen  Exemplare  einige  ge- 
nauere Angaben  über  die  in  Neuseeland  aufgefundenen  Ueber- 
reste  von  Riesenvögeln  mitzutheilen ,  so  mögen  hier  einige  an 
jenen  Exemplaren  angestellten  Messungen  zur  Berichtigung  der 
am  angeführten  Orte  enthaltenen  Angabe  folgen. 

1)  Von  dem  Dinornis  giganteus  hatte  ich  blos  den 
sehr  gut  gearbeiteten  Gypsabguss  des  linken  Schenkelknochens 
erhalten ,  dessen  Aehnlichkeit  mit  dem  des  Strauss  bei  dem 
ersten  Blick  auffiel.  *) 

a.  Die  Länge  des  Gypsabgusses  von  der  Höhe  des  oberen 
Gelenkkopfs  bis  zur  Höhe  der  Wölbung  des  unteren  inneren 
Gelenkkopfs  (Condylus)  beträgt  12",  an  demselben  Knochen 
eines  africanischen  Strausses  9",  wobei  jedoch  zu  bemerken 
ist,  dass  letzlerer  einem  ausgestopften  Exemplar  entnommene 
Knochen  etwas  kleiner  ist,  als  der  Schenkelknochen  eines  vom 
Cap  erhaltenen  7'   hohen  Skelets. 

b.  Die  Entfernung  von  der  Höhe  der  Tuberositas  major  bis 
zur  Höhe  des  Condylus  internus  beträgt  in  gerader  Linie  ge- 
messen beim  Dinornis  13J,  beim  Strauss   10  Zoll. 

c.  Der  Umfang  des  Mittelstücks  im  oberen  Drillheil  11" 
und  31". 

d.  Die  grösste  Breite  des  untern  Gelenks  in  gerader  Linie 
6"  9"' — 3"  3"'.  Die  Höhe  des  Dinornis  würde  also  nur  un- 
gefähr um  i  die  des  Strauss  übertreffen  ,  also  beiläufig  10'  be- 
tragen haben,  der  Körperbau  aber  massiger  anzunehmen  sein; 
indess  gibt  Man  teil  an,  dass  die  Verhältnisse  mancher  Knochen 
auf  eine  Höhe  einzelner  Individuen  von  12 — 14'  schliessen  lassen. 

2)  Die  Länge  des  Schienbeins  der  2ten  Species  des  Di- 
nornis (didiformis)  ist  um  i  kürzer  und  etwas  schmächtiger 
als  derselbe  Knochen  des  Straussenskelets. 


*)  Wie  dies  auch  aus  den  Umrissen  des  ganzen  Körpers  beider 
Vögel  sich  ergibt,  welche  Dr.  Man  teil  in  den  illustrated  London 
News  vom  18.  Mai  1850  mitgetheilt  bat. 


—    93    — 

3)  Das  Os  melatarsi  des  Dinornis  struthionides  ist 
nicht  viel  dünner,  als  das  des  Strauss,  aber  fast  um  die  Hälfte 
oder  etwa  um  ^  kürzer. 

Die  Knochen  von  Nr.  2  und  3  sind  von  schwärzlich  brauner 
Farbe,  entsprechend  der  Farbe  von  Knochen,  welche  längere 
Zeit  im  Torfe  und  nachher  an  der  Luft  gelegen  haben;  sie 
wurden  auch  ohne  Zweifel  in  dem  mit  neuseeländischem  Flachse 
(Phormium  tetiax)  vermischten  Schlamme  gefunden,  welchem 
Walter  Mantell  seine  letzte  bedeutende  Sendung  entnom- 
men  hat. 

Die  unter  Nr.  2  und  3  angeführten  Arten  von  Dinornis 
würden  nach  den  vorliegenden  Exemplaren  von  Knochen  nicht 
einmal  die  Höhe  des  Strausses  erreicht  haben;  es  sind  mir 
jedoch  die  neuesten  Untersuchungen  Owen 's  über  diesen  Gegen- 
stand noch  nicht  zugekommen,  welche  wohl  auch  in  Beziehung 
auf  die  im  Innern  dieser  Knochen  befindlichen  Luftcanäle  von 
besonderem  Interesse  sein  dürften.  Die  muthmaasslich  für  diese, 
sowie  für  die  Blutgefässe  und  Nerven  bestimmte,  am  obern 
Theile  des  Schenkelknochens  des  Strauss  befindliche  Oeffnung 
ist  sehr  gross ,  sowie  denn  vielleicht  die  Athmung  überhaupt 
bei  dem  Strausse  durch  die  ohne  Zweifel  in  allen  Knochen  ver- 
breiteten Luftzellen  eine  grössere  Ausdehnung  erhalten  hat, 
wenn  gleich  in  deren  Höhlung  auch  eine  nicht  unbedeutende 
Menge  von  Mark  sich  befindet.  Die  Knochen  des  Strausses  wer- 
den daher  in  Folge  der  Maceration  ungewöhnlich  leicht,  was 
allerdings  zugleich  der  ungewöhnlichen  Dünnheit  und  Porosität 
der  Wandungen  und  des  Zellenapparats  der  Knochen  zuzu- 
schreiben ist.  Nach  früheren  Untersuchungen  Owen's  scheint 
jedoch  die  dem  Strausse  eigenthümliche  Pneumacität  der  Knochen 
dem  Dinornis  zu  fehlen  oder  nur  wenig  entwickelt  zu  sein.  Die 
Dinornisarten,  deren  man  jetzt  5  oder  vielleicht  mehr  unter- 
scheiden kann  ,  schliessen  sich  also  in  dieser  Beziehung  mehr 
den  schwerfälligen  Vögeln,  wie  dem  indischen  Casuar  und  dem 
Apteryx  Neuhollands  an,  indess  der  neuholländische  Casuar  einen 
sehr  schnellen  Lauf  hat.  Die  Eingeborenen  behaupten,  dass  der 
Dinornis  noch  im  Innern  des  Landes  lebe,  wo  er  mit  dem  Na- 
men Moa  bezeichnet  werde.    Darauf  könnten  auch  die  Ueberreste 


—    94    - 

sehr  grosser  Nester  hinweisen,  deren  Umfang  zu  26'  angegeben 
wird.  Sie  würden  wenigstens  die  Annahme  begründen,  dass  der 
Vogel  erst  in  historischer  Zeil  verschwunden  sei,  wie  der  Dido 
auf  Mauritius  seit  300  Jahren.  Dafür  würde  auch  ein  kürzlich 
durch  Nicholson  *)  von  Neuseeland  mitgebrachter,  wenig 
mineralisirter  Knochen  angeführt  werden  können ,  welcher  nach 
Owen's  Urlheil  einem  dem  Apter^^x  ähnlicher  Vogel  von  16 
bis  20'  Höhe  zugehörle.  Uebrigens  hat  man  in  neuester  Zeil 
auch  in  Madagascar  **)  Eier  von  ungeheurer  Grösse  entdeckt, 
welche  am  ehesten  darnach  geschätzt  werden  kann,  dass  ihr 
innerer  Raum  (Capacität)  gleich  ist  dem  von  148  Eiern  des 
Haushuhns,  16^  des  Casuars  und  5^  des  Strausses.  Nach  einem 
mit  den  Eiern  erhaltenen  Mittelfussknochen  lässt  sich  schliessen, 
dass  dieser  Vogel  von  dem  Strausse  und  den  ihm  verwandten 
Arten  verschieden  war  und  eine  eigene  Gattung  bildete,  welcher 
den  Namen  Epiornis  (giganteus)  von  Geoffroy  St. 
Hilaire  gegeben  wurde,  da  der  miterhaltene  Knochen  keinen 
Zweifel  darüber  Hess,  dass  er  einem  Vogel  und  nicht  einem 
Reptil  angehört.  Auf  letztere  Annahme  hätten  wohl  die  schon 
länger  entdeckten  gigantischen  Formen  von  Reptilien  führen  kön- 
nen,  noch  mehr  aber  ein  in  neuester  Zeit  von  Man  teil  auf- 
gefundener Oberarmknochen  eines  Reptils  von  4J'  Länge,  der 
also  auf  eine  Länge  des  Thiers  von  80'  schliessen  lässt.  Durch 
die  im  Voranstehenden  angeführten  Entdeckungen  ist  somil  die 
Grenze  der  Grösse  für  die  Klasse  der  Vögel  und  Reptilien  um 
ein  Bedeutendes  hinaufgerückt  und  in  ein  entsprechendes  Ver- 
hältniss  mit  den  Grenzen  der  Grösse  bei  den  Säugethieren  ge- 
bracht worden. 


*)  Annais  and  Magaz.  1851.  January.  p.  11. 
'•'-)  Revue  Zoologique  1851.  Nr.  1.  p.  50.    Froriep's  Tagsber.  1851 

Nr.  298. 


4.   Ueber  den  Puppenzustaiul  eines  Distoma. 

Von  Candidat  A.  Günther   in  Tübingen. 

(Mit  Tafel  I.) 

Diesing  erwähnt  im  Archiv  für  Naturgeschichte,  1843.  II. 
pag.  327,  kurz  eines  Entozoons^  das  sich  in  einer  C^^ste  einge- 
schlossen bei  Fröschen  finde,  und  welches  er  als  ein  geschlecht- 
loses Distoma  bestimmt.  Auch  Steenstrup  und  Valentin 
fanden  in  Fröschen  solche  eingekapselte  Eingeweidewürmer,  welche 
aber  von  unserem  Distoma  verschieden  sind.  Dagegen  glaube 
ich  das  von  Diesin  g  erwähnte  Thier  wiedergefunden  zu  haben, 
wiewohl  auf  einer  höhern  Entwicklungsstufe,  indem  meine  Exem- 
plare die  Geschlechtsorgane  deutlich  ausgebildet 
zeigten.  *) 

Das  Vorkommen  des  Wurms  beobachtete  ich  von  der 
Mitte  des  April  bis  zum  Anfang  des  Juni,  und  zwar  allein  bei 
Rana  temporaria,  nie  hei  esculenta:  wie  ich  überhaupt  bemerkte, 
dass  wenigstens  in  dieser  Jahreszeit  die  erstere  Species  an  Ento- 
zoen  viel  reicher  ist  nach  der  Zahl  der  Arien  sowohl,  als  der 
Individuen.  Am  häufigsten  fand  sich  das  Thier  in  der  Leisten- 
gegend im  Bindegewebe  unter  der  Haut,  sodann  tief  zwischen 
die  Muskelbündel  eingebettet  in  den  Muskeln  der  hinteren  und 
vorderen  Extremitäten,  im  äusseren  schiefen  Bauchmuskel,  ein- 
mal in  den  Muskeln  des  Pharynx  und  zwischen  Peritoneum  und 
Niere.  Unter  ungefähr  50  untersuchten  Fröschen  waren  es  acht, 
bei  denen  sich  überhaupt  das  Entozoon,  nur  drei,  bei  denen  es 
sich  in  10 — 17  Exemplaren  zeigte. 


")  Die  Untersuchungen  wurden  mit  einem  treflFlicbcn  P lös sl' sehen 
Milirosliop,  das  Hr.  Prof.  v.  Rapp  mir  zu  überlassen  die  Güte  hatte, 
angestellt. 


-    96    - 

Die  Cyste  (Fig.  2)  hat  0,14  par. '"  im  Durchmesser,  und 
stellt  eine  vollkommene  Kugel  dar.  Sie  ist  wegen  eines  flüssi- 
gen Contentums  nur  so  weit  durchsichtig,  dass  man  die  weissen 
Eierstöcke  des  Thiers  in  bestimmten  Umrissen  erkennen  kann. 
Das  Thier  füllt  ungefähr  ein  Drittheil  der  Cyste  aus,  der  übrige 
Raum  ist  von  einer  Flüssigkeit  erfüllt ,  in  welcher  sich  viele  Kry- 
stalle  finden.  Nach  Zusatz  von  concentrirter  Essigsäure  wird  die 
Cyste  durchsichtig,  die  Structur  des  Thieres  erkennbar;  die  Kry- 
stalle,  welche,  von  dreiseitig  prismalischer  Gestalt,  ganz  das  An- 
sehen der  in  brandigen  Exsudaten  vorkommenden  zeigen,  und 
wahrscheinlich  aus  Ammoniak- Bittererde  bestehen,  lösen  sich  auf. 
Nach  sehr  kurzer  Zeit  wirkt  die  Säure  auch  auf  das  Thier  selbst 
ein,  seine  Bewegungen  verlangsamen  sich,  und  es  schrumpft 
bald  zu  einem  unkenntlichen  Knäuel  zusammen.  Endlich  reisst 
die  Cyste  ein ,  worauf  durch  die  Oeffnung  eine  Menge  Gasbläschen 
ausströmt.  Daher  führt  auch  diese  Art,  das  Thier  für  die  län- 
gere Anschauung  zu  präpariren,  nicht  zum  Ziele;  vielmehr  ge- 
lingt dies  am  besten  so,  indem  man  die  Cyste  mit  einer  Nadel 
etwas  einritzt,  worauf  bei  dem  leisesten  Drucke  der  Inhalt  mit 
dem  Thiere  heraustritt.  Die  leere  Cyste  stellt  sich  nun  als  eine 
sehr  feste,  elastische  Hülle,  etwa  wie  eine  Erbsenhülse,  dar; 
ganz  structurlos  und  durchsichtig  hat  sie  vollkommen  das  Ansehen 
der  Glashaut  im  Auge.  Sie  wird  also  wohl  das  Produkt  des  Pa- 
rasiten selbst  sein,  da  sie,  wenn  sie  die  Folge  eines  durch  den 
Reiz  des  Wurms  auf  den  Muskel  hervorgerufenen  plastischen  Ex- 
sudats wäre,  eine  zellgewebige  Structur  zeigen  müsste.  Eine 
Scheidung  der  Cyste  in  zwei  Schichten,  wie  sie  Luschka  bei 
der  Kapsel  der  Trichina  beobachtete,  konnte  ich  nie  wahrnehmen; 
und  es  ist  auch  eine  solche  zusammengesetztere  Hüllenbildung 
bei  unserem  Distoma  schon  desshalb  nicht  zu  erwarten  ,  da  sein 
Aufenthalt  in  dem  Bindegewebe  ein  sehr  kurzer  sein  wird  in 
Vergleich  mit  dem  der  Trichina. 

Der  in  der  Cyste  enthaltene  Wurm  (Fig.  1)Mst  0,21'"  lang 
und  0,09"'  breit.  Der  vordere  Saugnapf  (Fig.  1  a.)  lag  bei  den 
meisten  Objekten  am  vorderen  Ende  der  ventralen  Seile,  bei 
einigen  jedoch  stellte  er  sich  als  an  der  Spitze  des  Thieres  be- 
findlich dar.  HackenfÖrmige  Organe,  wie  sie  von  andern  unent- 


^  ^^ 


\ 


%««l^' 


./P 


—    97    — 

wickelten  Distomen  beschrieben  wurden,  waren  nicht  vorhanden. 
Einen  Kanal,  der  vom  Munde  ausgeht,  konnte  ich  nicht  entdecken; 
ein  solcher  führt  aber  wahrscheinlich  zu  einem  Organ  (Fig.  1  b. 
und  Fig.  5),  das  zwischen  den  beiden  blinden  Enden  des  Ovariums 
und  vor  dem  ventralen  Saugnapfe  liegt.  Es  besteht  aus  einer 
grösseren  Anzahl  von  Bläschen  oder  Zellen,  von  denen  die  vordem 
eine  mehr  längliche,  die  hintern  eine  runde  Form  haben;  die  rund- 
lichen sind  granulirt  und  in  der  Mitte  der  Oberfläche  etwas  einge- 
drückt, so  dass  man  wohl  ihre  Gestalt  mit  der  eines  Apfels  ver- 
gleichen kann.  Diese  Zellen  communiciren  wahrscheinlich  im 
Innern  mit  einander  und  stellen  das  Verdauungsorgan  dar. 
Nach  Analogie  mit  andern  verwandten  Thierformen  könnte  man 
dieses  Organ  mit  Steenstrup  auch  für  eine  Leber  halten, 
welche  den  eigentlichen  Nahrungsschlauch  bedeckte. 

Der  ventrale  Saugnapf  (Fig.  1  c),  welcher  am  Ende 
der  vorderen  Hälfte  des  Thieres  liegt,  ist  kaum  grösser,  als  der 
vordere,  kann  sicii  ein-  und  ausstülpen,  so  wie  auch  rotirende 
Bewegungen  machen.  Ausgestülpt  stellt  er  einen  über  die  Ober- 
fläche des  Körpers  erhabenen  abgestumpften  Kegel  dar,  dessen 
Abstumpfungsfläche  die  eigentliche  Saugscheibe  ist,  Sie  hat  ein 
fein  granulirtes  Ansehen,  welches,  wie  auch  V.  Carus  in  seiner 
Schrift  „zur  näheren  Kenntniss  des  Generationswechsels"  vermu- 
thet,  von  senkrecht  auf  der  Scheibe  stehenden  Muskelfasern  her- 
rührt, welche,  wenn  sie  sich  contrahiren,  die  Scheibe  einziehen, 
den  Saugnapf  einstülpen  (Fig.  3).  Die  Antagonisten  dieser  Fasern 
sind  solche,  welche  auf  dem  Mantel  des  Kegels  von  dem  Rande 
seiner  unteren  Fläche  zur  Saugscheibe  verlaufen,  und  welche  in 
der  Abbildung  den  äusseren  concentrischen  Ring  des  Saugnapfes 
gestreift  erscheinen  lassen. 

Die  Fortpflanzungswerk  zeuge  sind  bei  diesem  unent- 
wickelten Trematoden  sehr  ausgebildet.  Der  Eiersto  ck  (Fig.  Idd.) 
ist  in  zwei  seitliche  Theile  zerfallen ,  seine  beiden  blinden  Enden 
liegen  unmittelbar  hinter  dem  vorderen  Saugnapf.  Von  da  ver- 
laufen beide  Stücke  jederseits  parallel  der  Körperwand  bis  zu 
Anfang  des  letzten  Viertels  des  Körpers,  wo  sie  sich  zu  einem 
Oviduct  (Fig.  le.)  vereinigen.  Dieser  verlauft  bis  an  das  hin- 
tere Ende  gerade  und  ergiesst  eine  Menge  länglich -runder  Eier 

■VVürttemb.  naturw.  Jahreshefte.    1S53.  Is  Heft.  7 


-     98    — 

(Fig.  6)  durch  eine  sehr  enge  Spalte  (Fig.  1  f.  und  4  f.)  nach  aussen. 
Der  Eierstock  ist  mit  Einschnürungen  versehen  und  erscheint,  so 
wie  die  aus  ihm  ausgetretene  Masse,  dem  unbewaffneten  Auge 
und  unter  dem  Mikroskop  bei  auffallendem  Lichte  milchweiss, 
bei  durchfallendem  dunkel  gefärbt.  Er  kann  in  der  Art  bewegt 
werden ,  dass  er  sich  von  der  Körperwand  bald  entfernt ,  bald 
sich  ihr  wieder  nähert  (Fig.  4 gg.),  was  die  Deutung  des  jetzt  zu 
beschreibenden  Organs  sehr  erleichtert. 

Es  liegt  nämlich  zu  beiden  Seiten  des  Oviducts  ein  länglich- 
ovaler, nach  hinten  blind  geschlossener,  gelblich  gefärbter  Sack 
(Fig.  Ihh.),  welcher  sich  zu  dem  Ovarium  seiner  Seite  ibegibt 
und  hinter  diesem  verschwindet.  Bewegt  sich  nun  der  Eierstock 
nach  rechts  oder  links,  so  folgt  der  genannte  Sack  in  beiden 
Richtungen,  was  darauf  hinweist,  dass  dieses  Organ  mit  dem 
Ovarium  verbunden  ist ;  es  sind  diese  zwei  Säcke  die  beiden 
Teslikel;  welche  mit  dem  Eierstock  wahrscheinlich  durch  eine 
Oeffnung  communiciren ,  durch  welche  die  befruchtende  Flüssig- 
keit mit  den  von  oben  herabtretenden  Eiern  in  Berührung  ge- 
bracht wird. 

Es  wäre  demnach  das  vonCreplin  (Archiv  für  Naturgesch. 
1838.  I.  pag.  373)  aufgestellte  und  durch  Siebold 's  Beobachtun- 
gen (ibid.  pag.  302)  bestätigte  Gesetz,  dass  ein  in  einer  Cyste 
einzeln  für  sich  lebendes  Nematoideum  nie  Geschlechtswerkzeuge 
besitze,  nicht  auf  die  Trematoden  anzuwenden.  Auch  darf  man 
sich  nicht  wundern,  dass  bei  diesen  Thieren,  welche  allerdings 
während  ihres  Cystenlebens  noch  nicht  geschlechtsreif  sein 
können,  die  F'ortpflanzungswerkzeuge  doch  in  solcher  Weise  ent- 
wickelt sind.  Man  bedenke,  zu  welcher  Masse  sie  sich  im  voll- 
kommenen Thiere  ausgebildet  haben,  um  die  Species  trotz  der 
Menge  von  Zufällen,  denen  tausende  von  Individuen  vor  der  voll- 
kommenen Ausbildung  unterliegen,  vor  dem  gänzlichen  Unter- 
gange zu  bewahren.  "■') 


*)  Nach  einer  mündlichen  Mittheilung-  des  Herrn  MedJcinal- Ratlis 
Hering  fand  derselbe  aucli  bei  jungen  Taenia- Individuen,  welche 
erst  aus  zwei  bis  drei  Gliedern  bestanden,  die  Ovarien  schon  ausseror- 
dentlich entwickelt,  so  wie  er  auch  Eier  aus  denselben  treten  sah. 


-     99     - 

Das  Thier  ist  ganz  fein  quer  gestreift,  was  besonders  am 
Rande  sichtbar  wird. 

In  der  Cyste  bewegt  es  sich  ziemlich  lebhaft,  indem  es 
an  der  inneren  Oberfläche  herumkriecht;  welcher  Saugnapf  haupt- 
sächlich dabei  wirke,  konnte  ich  nicht  entscheiden.  Eine  weitere 
Bewegung  bestand  in  einer  beträchtlichen  Verlängerung  des  hin- 
teren Endes  (Fig.  4).  Diese  Bewegungen  dauerten  noch  zwei 
bis  drei  Tage,  nachdem  der  Frosch  getödtet  war,  fort,  selbst  als 
die  Muskeln  schon  in  Fäulniss  übergingen.  Wurde  die  Cyste 
vorsichtig  aus  der  Muskelsubstanz  herausgenommen  und  in  eine 
andere  feuchte  thierische  Substanz,  z.  B.  in  ein  Darmstück,  ein- 
gehüllt, so  konnte  der  Wurm  am  Leben  erhalten  werden. 

Das  Thier  selbst  ist  leicht  als  Di  Stoma  zuerkennen,  das 
sich  auf  der  von  Steenstrup  als  Puppenzustand  bezeichneten 
Entwicklungsstufe  befindet.  Die  Metamorphose  nach  rückwärts 
konnte  in  diesem  Jahre  nicht  mehr  aufgenommen  werden,  da 
sich  die  als  Cercarien  beschriebenen  Distomalarven  schon  im  April 
nicht  mehr  auffinden  Hessen,  sondern  sich  wahrscheinlich  schon 
alle  eingepuppt  hatten,  die  Untersuchung  über  die  Weiterentwicklung 
vom  Puppenzustande  aus  wurde  durch  eine  eigenthümliche  Seuche 
gehemmt ,  welche  nur  Rana  temporaria,  nicht  aber  die  esculenta 
befallen  hatte.*)  Binnen  Kurzem  gingen  mir  daran  alle  Frösche 
zu  Grunde,  mit  Ausnahme  eines  einzigen  Exemplars.  14  Tage, 
nachdem  ich  den  Wurm  bei  ihm  entdeckt  hatte,  fanden  sich  an 
den  Stellen,  wo  die  Cysten  gesessen,  nur  noch  gelatinöse  Kör- 
perchen von  der  Grösse  der  Cyste,  jedoch  weder  hier,  noch  in 
andern  Organen  eine  Spur  von  einem  Distoma. 


*)  Diese  Kranklieit  äusserte  sicli  in  einem  allmähligen  Absterben  und 
Abfallen  der  liinteren  Phalangen.  Das  Blut  war  schwarz  und  dick,  und 
eine  grosse  Zahl  von  Blutkörperchen  war  im  Zerfallen  begriffen.  Die 
Lungen  zeigten  eine  auffallend  trübe  Färbung  und  waren  zusammenge- 
fallen.    Im  Darmkanal  fanden  sich  häufig  eine  Menge  Blutkörperchen. 


5.     Vergleichende  Untersuchung  des  Wasser- 
und  Fettgehaltes  des  Gehirns. 

Von  J.Hauff,  Assistenten  nm  Laboratorium  zu  Tübingen,  und 
R,  Walther,  med.  cand.  aus  Kronau  in  Baden. 

Auf  die  Anregung  und  mit  der  Unterstützung  unseres  Lehrers, 
Herrn  Prof.  S  chl  os  sb  e  r  ger,  versuchten  wir  folgende  unerle- 
digte Aufgaben  aus  der  physiologischen  Chemie  ihrer  Lösung 
näher  zu  bringen : 

1)  Eine  Vergleichung  des  Wasser-  und  Fettgehaltes  in  den 
anatomisch  unlersch eidbaren  Substanzen  des 
Gehirns. 

2)  Eine  eben  solche  Vergleichung  der  entsprechenden 
Gehirn t heile  bei  Thieren  verschiedenerKlas- 
sen  und  Ordnungen,  mit  Rücksicht  auf  dieselben 
Th eile  beim  Menschen. 

3)  Eine  fernere  eben  solche  Vergleichung  bei  Thieren  der- 
selben Art,  aber  von  v  e  rschieden  en  Ailersst  u  fen. 

L  Vorbemerkungen.  Ehe  wir  die  Methode  und  Detail- 
Ergebnisse  unserer  Versuche  beschreiben,  halten  wir  folgende 
einleitende  Bemerkungen  für  unerlässlich. 

Es  ist  bei  Analj^sen  des  Gehirns  die  Rücksicht  auf  die 
Todesart  des  Thieres  offenbar  von  Bedeutung,  insofern  die- 
selbe auf  den  Blutreichthum  jenes  Organs  verschiedenen  Einfluss 
ausüben  kann.  Wir  wählten,  wo  es  irgendwie  anging,  die  der 
Verblutung,  und  zwar  durch  Halsabschneiden.  Da  hiebei  die 
sämmtlichen  Halsgefässe'durchschnitten  werden,  also  keine  vis 
a  Tergo  mehr  vorhanden  ist,  da  ferner  die  Schädelhöhle  einen 
hermetisch  geschlossenen  Raum  darstellt ,  der  Luftdruck  somit 
keinen  Einfluss  auf  das  Gehirn  und  seine  Theile  ausübt,  so  wird 
eben  nicht  mehr  Blut  in  dem  Gehirn  zurückbleiben,  als  die  nor- 
male Menge,  welche  sich  beim  Durchschneiden  der  Halsgefässe 


—     101     - 

darin  befand.  Eben  so  wichtig  ist  die  Inbelraohlnahme  der  Zeit, 
welche  von  der  Tödtung  bis  zur  Untersuchung  verstrich ;  wo 
immer  nur  möglich,  wurden  die  Thiere,  namentlich  die  Vögel, 
Amphibien  und  Fische,  unmittelbar  nach  der  ersteren ,  in  den  an- 
deren Fällen  (ausser  natürlich  beim  Menschen)  längstens  drei  Stun- 
den hernach  untersucht  und  diese  Zeit  genau  angemerkt.  Das 
Aller  wurde  so  sicher  als  möglich  zu  eruiren  gesucht.  Alle  aus- 
gewählten Thiere  befanden  sich,  soweit  ermittelt  werden  konnte, 
in  voller  G  esundheit  und  waren  nicht  gemästet.  Die  Jahres- 
zeit der  Untersuchung  fiel  in  die  späteren  Sommermonate. 

II.  Untersuchung  auf  den  Wassergehalt  der 
weissen  und  grauen  Substanz. 

Nach  sorgfältiger  Entfernung  der  Gehirnhäute  wurde  für  die 
graue  Substanz  der  Ueberzug  der  beiden  Hemisphären 
gewählt  und  mit  der  Scheere  von  der  unterliegenden  weissen 
rein  wegpräparirt.  Bei  einigen  Thieren  war  diese  Trennung  wegen 
der  grossen  Dünne  der  grauen  Substanz  äusserst  schwierig,  bei 
anderen,  wie  wir  im  Verlaufe  sehen  werden,  unmöglich.  Die 
weisse  Substanz  entnahmen  wir  dem  Corpus  callosiim;  wo  das- 
selbe nicht  ausreichte ,  da  von  jedem  Gehirn  wo  möglich  mehrere 
Controleversuche  angestellt  wurden,  nahmen  wir  zu  der  dem  Bal- 
ken zunächst  gelegenen  weissen  Substanz,  nämlich  der  Decke 
des  Seitenventrikels,  unsere  Zuflucht.  In  manchen  Fällen  war 
auch  diese  Präparation  schwierig  und  so  zeitraubend,  dass  ein 
Wasserverlust  durch  Abdunslung  unvermeidlich  erschien ;  wir 
beobachteten  nämlich  in  unseren  Voruntersuchungen,  dass  in 
acht  Minuten  freilich  im  Juli  bei  20^  K.  aus  J  Gramm  Substanz 
10— 12  Milligramm  Wasser  verdunsteten,  woraus  sich  die  Nothwend- 
igkeit  der  schleunigsten  Wägung  nach  der  Präparation  ergibt. 

Die  Trocknung  selbst  ist  keineswegs  eine  leichte  und 
schnelle  Operation.  Es  ist  in  der  Thal  auffallend,  mit  welcher 
Hartnäckigkeit  eine  so  kleine  Hirnmasse  (wir  operirten,  wo  es  an- 
ging, mit  ^  —  1  Gramm)  einen  Theil  ihres  Wassers  zurückhält; 
daher  auch  (wegen  zum  Theil  ungenügender  Trocknungen)  manche 
bedeutende  Differenzen  in  den  Angaben  früherer  Chemiker  über 
den    Wassergehalt  des  Gehirns.     Die    in    kleine  Stückchen    ver- 


—     102 


theillen  und  scHnell  gewogenen  Portionen  wurden  in  einem  leicht 
zu  regulirenden  kupfernen  Luftbad  (ganz  in  der  Art  der  bekannten 
Oelbäder)  drei  volle  Stunden  lang  auf  der  konstanten  Temperatur 
von  120*^  erhalten;  erst  nach  dieser  Zeit  blieb  das  Gewicht  unverän- 
dert. Glücklicherweise  fanden  wir  die  getrocknete  Substanz  bei 
eigens  angestellten  Versuchen    nicht  sehr  hygroskopisch. 

Nach  dem  Austrocknen  erschienen  beide  Substanzen  grau 
gefärbt,  zeigten  aber  unter  sich  folgende  bemerkenswerthe  Ver- 
schiedenheiten: die  graue  Substanz  ist  spröde  und  brüchig, 
leicht  und  beinahe  ohne  Rückstand  vom  Uhrglas  zu  entfernen; 
die  weisse  dagegen  zähe,  resistent,  wie  mitOel  ge- 
tränkt, so  dass  sie  schon  auf  den  ersten  Blick  einen  grösseren 
Fettreichthum  vermuthen  lässt.  Beim  Zerreiben  entwickelt  die 
graue  Substanz  einen  eigenthümlichen ,  dem  Muskelosma- 
zom  ähnlichen  Geruch,  während  die  getrocknete  weisse 
Substanz,  die  sich  nicht  pulvern  lässt,  beinahe  geruchlos 
ist.  Bei  gemischten  Substanzen  lässt  sich  aus  der  Berücksichti- 
gung dieser  Unterschiede  das  Ueberwiegen  der  einen  oder  anderen 
ziemlich  erschliessen. 

Wir  lassen  nun  in  Tab.  I.  und  IL  unsere  Ergebnisse  folgen  ; 
als  graue  Substanz  ist  nur  solche  bezeichnet,  welche  mit  Sicher- 
heit von  der  weissen  hatte  getrennt  werden  können. 

Tab.  L     Wassergehall  (in   100  Theilen)  der  beiden 
Substanzen  bei  verschiedenen  Thieren: 


Erwachsene 
Thiere. 

Weisse     Graue 
Substanz. 

Junge 
Thiere. 

Weisse     Graue   i   Einzelne   Ge- 
Substanz,            hirntheile. 

Katze 
(1  Jahr  alt). 

67,14 

82,83 
82,67 

Katze 

(ijahralt) 

71,90 

81,01 
81,00 

med.    oblon- 
gata    (Katze) 

72,20 
72,07 

Rind 

(2  Jahr). 

70,77 
67,58 

82,47 
79,50 

Kalb 
(3  Woch.) 

74,81 
74,63 

85,45 
86,33 

corpus    stria- 
tum   (Kalb) 

81,26 

Hund 

(3  Jahr). 

67,28 
66,66 

81,03 
82,35 

Kalb 

(14  Tage) 

76,23 

84,62 
83,70 

nerv,  olfactor. 
(Hund) 

80,07 

Schaf 
(3  Jahr). 

68,53 
69,67 

82,96 
82,80 

Kaninchen 
(1  Jahr). 

66,24 

80,00 

med.    oblong. 
(Kaninchen) 

71,06 

Kaninchen 

(1    Jahr, 

2.  Exemplar) 

67,37 

81,04 
80,06 

nerv,  olfactor 
(Kaninchen) 

79,16 

103 


Tab.  II.     Wassergehalt  in  verschiedenen  Th  e i  1  e n 


von  zwe 

i  Mensch  engehirnen: 

Gehirn  1. 

Gehirn  2. 

i            '         !         i 

Gehirn  1.  GehirnJ., 

1                      i                                1 

Corpus    cal- 

70,61  '  70,81 

Corp. 

79,84 

Beide  Gehirne  stam- 

losiim 

70,34 

69,66 

striatum 

80,36 

men  von  Erwachse- 

70,68 
70,60 
69,61 

Aibor 
vitae 

81,36 
80.24 
80,96 
81,23 

79,94 

nen.  ]Nr.  1  erhielten 
wir  von  der  hiesigen 
Klinik  aus  d.  Leich- 

Subst. corti- 

86,38 

85,00 

nam  eines  an  Pneu- 
monie Verstorbenen, 
30 Stunden  nach  dem 

calis 

85,76 
85,26 
86.64 

84,84 

Pons  va- 

75,54 

72,09 

roli 

73,49 

70,00 

Tod.      Das     andere 

85,90 

stammte  aus  der  hie- 
sigen Anatomie. 

Thalam. 

76,32 

75,34 

Med.    ob- 

69,74 

72,78 

optic. 

78,26 

79.28 

long. 

69,17 

71,00 

Als  J-^olgerung  aus  diesen  Versuchen  ergibt  sich  als  aus- 
nahmsloses Gesetz,  dass  die  weisse  Substanz  ganz  be- 
deutend (um  10  — 14%)  wasserärmer  ist  als  die 
graue. 

Das  Maximum  des  Wassergehaltes  der  weissen  Substanz  liegt 
beim  erwachsenen  Menschen  und  den  erwachsenen  Thieren  unter 
71  7o'  ^6'  jungen  Thieren  steigt  es  bis  76  %,  während  das  Mini- 
mum desselben  bei  der  grauen  Substanz  bei  den  erwachsenen 
Thieren  etwa  79,  bei  den  jungen  81  beträgt.  Das  menschliche 
Gehirn  des  Erwachsenen  zeigt  eine  merkwürdige  Aehnlichkeit  mit 
dem  von  jungen  Thieren,  besonders  rücksichtlich  des  Wasser- 
gehaltes der  grauen  Substanz.  Für  die  Gehirntheile  mit  gemisch- 
ten Substanzen  ergeben  sich  mannigfache  Zw  isch  en  zahlen, 
je  nach  dem  Vorherrschen  der  einen  oder  anderen  Substanz. 
Leider  konnten  wir  bis  jetzt  kein  frisches  Gehirn  eines  Neuge- 
borenen zur  Untersuchung  bekommen. 

111.  Fettgehalt  der  verschiedenen  Substanzen 
und  Gehirntheile. 

Die  vollständig  getrockneten  Gehirnparthieen ,  die  in  Nro.  II. 
erhalten  worden  ,  wurden  im  Achatmörser  möglichst  zertheilt  und 
sodann  mit  einem  grossen  Ueberschuss  von  Aether  in  verschlos- 
senen Gefässen  extrahirt.     Nach  zwölfstündiger  Digestion,  wenn 


—     104    — 

die  übersiehende  Flüssigkeit  klar  ge\\orden,  wurde  dieselbe  mit 
Vorsicht  am  Glasstab  abgegossen  und  mit  dem  Ungelösten  die- 
selben Operationen  bis  zur  völligen  Erschöpfung  wiederholt. 
Während  der  Verdunstung  der  ätherischen  Auszüge  bemerkten 
wir,  dass  die  Lösung  aus  der  weissen  Substanz  sich  sehr  bald 
flockig  trübt,  während  dieses  bei  dem  Auszuge  aus  der  grauen 
nicht  der  Fall  ist,  so  dass  man  auch  auf  diese  Art  beide  Sub- 
stanzen von  einander  unterscheiden  kann.  Der  Verdunstungs- 
rückstand der  Aetherlösungen  wurde  zwei  Stunden  bei  120*^  ge- 
trocknet, worauf  das  Gewicht  konstant  blieb. 

Es  erscheint  dann  derselbe  aus  beiden  Substanzen  braun- 
gelb gefärbt,  indem  die  vom  Aether  gelösten  Stoffe  sich  an  der 
Luft  immer  dunkler  färben;  unter  dem  Mikroskop  erkannte  man 
darin  hellere  und  dunklere,  oft  gleichsam*  gestreifte  Fetttropfen 
(Cholesterin  konnten  wir  nicht  darin  auf  diese  Art  wahrnehmen). 


Die  Zahlen    für  die  Fett  mengen 


in 


der  grauen  und 
weissen  Substanz  von  Thiergehirnen  haben  wir  in 
Tab.  in. ,  diejenigen  für  die  Fettquantitäten  in  verschiedenen 
Gehirntheilen  des  Menschen  in  Tab.  IV.  zusammengestellt. 


Tab.  in.     (Fett  in   100  Theilen  Gehirn): 


Erwachsene 
Thiere. 

Katze        1 
(1  Jahr). 

Rind 
(2  Jalire). 

Hund        I 
(3  Jahre).    | 

Schaf       I 
(3  Jahre).    I 

Kaninchen 
(1  Jahr).     I 

Kaninchen   i 

(1  Jahr).     1 


Subst. 
meduU. 


Subst. 
cortic. 


20,78 
21,07 

17.23 
20,00 

20,62 
17,15 

18,24 
20,38 

19,85 
19,85 


6,25 
5,99 


6,18 
7,33 

6,27 


Junge 
Thiere. 


Subst. 
medull. 


Subst. 
cortic. 


Katze 


Kalb 
(3  Woch.) 

Kalb 
7,14   (14  Tage). 

6,52 
6,41 

7,03 
7,25 

7,03  I 


17,35 


4.43 
5,01  ! 
I 
4,04 
5,14  , 


6,32 
6,30 

4,84 
4,55 

5,71 
5,37 


Einzelne  Ge- 
hirntheile. 


medull.    ob- 
long.  (Katze) 

corp.  striat. 
(Kalb) 

nerv,  olfactor. 
(Hund) 


'med.    oblong. 
j  (Kaninchen) 

nerv,  olfactor. 
(Kaninchen) 


15,83 
16,51 

8,02 


10,34 

18,23 
5,87 


105 


Tab.  IV.     (Fett  im  erwachsenen  Menschen  hirn) 


Hirn  1. 

Hirn  2. 

Hirn  1. 

Hirn  l 

Corpus  callosum. 

15,41 

14,90 

Corp.  striatuui. 

8,69 

15,37 
15,32 
14,94 

14,30 

Arbor  vitac. 

7,73 
6,06 

6,88 

5,96 

Subst.  eorfical. 

16,98 

4,84 

4,86 

6,35 

5,84 

4,98 
5,08 
4,84 

4,76 

Pons  Varoli. 

11,74 
13,65 

13,88 
14,96 

Thalam.  optic. 

4,75 

10,31 
10,37 

11,26 
9,30 

Medulla  oblongata. 

15,21 
12,86 

15,12 
15,5  0 

Wir  ziehen  hieraus  den  Schluss,  dass  die  weisse  Sub- 
stanz überall  bedeutend  fettreicher  ist,  als  die 
graue,  und  zwar  merkwürdigerweise  ziemlich  in  demsel- 
ben Verhältniss,  in  welchem  sie  wasserärmer  als 
letztere  ist.  Die  Differenzen  im  Fettgehalte  beider  Substan- 
zen betragen  durchschnittlich  1,0  — 14%,  als  Maximum  des  Fet- 
tes in  der  weissen  Substanz  erscheint  die  Zahl  21  (%),  in  der 
grauen  7.  In  dem  Maasse,  als  bei  jungen  Thieren  der  Wasser- 
gehalt zunimmt,  fällt  in  beiden  Substanzen  der  Fettgehalt.  Für 
gen»i sehte  Gehirntheile  ergeben  sich  wieder  verschiedene 
Zwischenzahlen. 

IV.  Vergleichung  des  Wasser-  und  Fettgehaltes 
bei  Thieren  verschiedener  Klassen  und  Ordnungen. 

Bei  dieser  Aufgabe,  auf  die  wir  besondere  Mühe  verwen- 
deten, begannen  wir  mit  solchen  Säugelhieren,  deren  Gehirn- 
Substanzen  deutlich  isolirbar  waren.  Es  stellte  sich  dabei  das 
merkwürdige  Resultat  heraus ,  dass  sich  weder  in  Bezug 
auf  das  W^  asser,    noch  in  Betreff  des  Fettes  bei 


—     106     — 

Thieren  sehr  verschiedener  Klassen  und  Ord- 
nungen irgend  sehr  erhebliche  Differenzen 
ergeben,  so  wie  man  gleiche  Substanzen  und  dieselben  Ge- 
hirnlheile  analysirt ,  ebenso  fanden  Schlossberg  er  und 
Schütz  bei  ihren  Untersuchungen  über  die  Muskeln  ,  v.  B  i  b  r  a 
bei  den  Analysen  der  Knochen  verschiedener  Wirbellhiere  keine 
Verschiedenheiten  von  grossem  Belang  in  der  quantitativen  Zu- 
sammensetzung. 

Bei  manchen  Säugethieren,  z.  B.  Mäusen,  dann  bei  den 
Vögeln,  Amphibien  und  Fischen  war  es  unmöglich,  die  beiden 
Substanzen  zu  trennen.  Wir  sahen  uns  daher  bei  allen  diesen 
Thieren  genöthigt,  ein  beliebiges  Stück  gemischter  Hirnmasse 
zu  untersuchen.  Schon  die  absolute  Kleinheit  des  Gehirns  bei 
den  aus  diesen  Abiheilungen  uns  zu  Gebote  stehenden  Thieren 
veranlasste  uns,  bei  ihnen  den  oberen  Theil  einer  ganzen  Hemi- 
sphäre auszuwählen,  so  dass  der  tiefste  Queerschnitt  derselben 
beiläufig  etwas  unter  die  Mitte  derselben  fiel.  Wir  erhielten  so 
natürlich  Ergebnisse  aus  gemischter  Substanz.  Es  ist  be- 
kannt, dass  bei  niederen  Wirbelthieren  die  Ganglionsubstanz 
den  grösseren  Theil  des  Gehirns  ausmacht,  dass  die  Ausstrah- 
lung der  beiden  Hirnschenkel  so  fein  und  sparsam  ist,  dass  sie 
kaum  in  Betracht  kommen  kann  und  selbst  die  weisse  Substanz 
graulich  aussieht.  Es  hat  sich  dieser  anatomische  Erfund  sowohl 
in  den  physikalischen,  als  in  den  quantitativen  chemischen  Ergeb- 
nissen zur  Genüge  bestätigt ,  insofern  die  für  Wasser  und 
Fett  gefundenen  Zahlen  denen  der  grauen 
Substanz  bei  höheren  Thieren  und  voluminöseren 
Gehirnen  sich  auffallend  nähern.  Der  hohe  Fett- 
gehalt des  Fischgehirns  erklärt  sich  aus  seiner  Umgebung  mit 
einer  Art  von  Thran ,  von  welchem  es  sich  auf  keine  Weise 
völlig  trennen  lässt. 

In  den  nachstehenden  Tabellen  V.  und  VI.  finden  sich  die 
untersuchten  Thiergehirne  aufgestellt.  Der  Wasser-  und  Fett- 
gehalt des  menschlichen  Gehirns  (in  Tab.  II.  und  IV.)  möge 
damit  verglichen  werden. 


107 


Tab.  V.     A.  Erwachsene  Säugelhiere. 


Wasser. 

Fett. 

Subst. 

Subst. 

Subst. 

Subst. 

medull. 

cortic. 

medull. 

cortie. 

Rind. 

70,97 

82,47 

17,23 

6,18 

67,58 

79,50 

20,00 

7,33 

Schaf. 

68,53 

82,96 

17,97 

6,41 

69,67 

82,80 

18,24 

6,52 

Hund. 

67,28 

81,03 

20,62 

6,27 

66,66 

82,35 

17,15 

7,14 

Katze. 

67,14 

82,83 

21,07 

5,99 

— 

82,67 

20,78 

6,25 

Kaninchen. 

67,37 

87,04 

19,85 

7,25 

66,24 

80,00 

20,38 

7,03 

Graue  und  weisse  Substanz  nicht  isolirbar. 


Maus  (in  mehre- 
ren Exemplaren). 


78,64 
79,31 
77,34 
76,00 


7,52  I 
8,65  j 
8,86 


B.    Junge   Säugelhiere. 


Wasser. 

Fett. 

Subst. 

Subst. 

Subst. 

Subst. 

medull. 

cortic. 

medull. 

cortic. 

Katze  (1  Jahr). 

71,90 

81,01 

17,35 

6,32 

— 

81,00 

— 

6,30 

Kalb  (3  Wochen). 

74,81 

85,45 

14,43 

4,84 

74,63 

86,33 

15,01 

4,55 

Kalb  (14  Tage). 

76,28 

83,70 

14,04 

5,71 

72,87 

84,62 

15,14 

5,37 

108 


Tab.  VI.    C.  Erwachsene  Vögel  und  Amphibien. 


. 

Wasser. 

Fett. 

Rabe  (^  Jahr). 

80,40 

5,54 

thalam.  optic.  desselben. 

80,09 

6,12 

79,58  Wasser  u.  8,19  Fett. 

Taube  (2  Jahr). 

80,98 

6,14 

thal.  optic.  76,15  W.u.  9,34  Fett. 

80,18 

5,37 

ccrebellum  70,70  W.  u.  5,94  Fett. 

Taube  (1  Jahr). 

81,83 

5,27 

thal.  optic.  79,16W.  u.  7,86  Fett. 

82,18 

5,08 

cerebell.  70,93  W.  u.  7,83  Fett. 

Rana  tempor. 

80,00 

7,27 

(verschiedene  Exem- 

84,05 

7,24 

plare.) 

86,44 

5,08 

85,25 

6,57 

86,40 

6,15 

D.      Junge     Vögel. 


Wasser. 

Fett. 

Fringilia  coelebs 

81,86 

6,59 

12  Tage  alt. 

82,79 

5,91 

Fringilla  chloris 

85,36 

5,48 

\ 

5  Tage  alt. 

86,52 

4,00 

1    wurde  erst  24  Stunden  nach 

86,63 

4,21 

i    der  Tödtung  untersucht. 

85,78 

4,21 

' 

Fringilla  chloris 
6  Tage  alt. 

86,73 
85,93 
86,48 
86,30 

4,08 
4,63 
4,38 
4,00 

'    wurde  erdrosselt. 

Lanius  colhirio. 

81,25 

5,84 

Taube  (14  Tage  alt).| 


5,24 

5,88 


—     109     — 

Hinsichtlich  des  Wasser-  und  Fettgehaltes  derselben  Gehirn- 
theile  und  Substanzen  in  verschiedenen  Alters- 
stufen derselben  Thierspecies  haben  wir  bis  jetzt  nur  relativ 
wenigere  Versuche  anstellen  können,  namentlich  bedauern  wir, 
dass  wir  noch  nicht  das  Gehirn  eines  Neugebornen  analysiren 
konnten.  Schon  auf  den  ersten  Blick  zeigt  das  embryonale  Ge- 
hirn, ja  selbst  noch  das  des  Neugebornen  bedeutende  Verschie- 
denheiten in  der  Consistenz  von  dem  des  Erwachsenen;  ersleres 
ist  durch  breiartige  Weichheit  ausgezeichnet,  letzteres  fester  und 
resistenter.  Einen  analogen  Unterschied  zeigen  die  beiden  Sub- 
stanzen (zwischen  einander)  im  Gehirn  des  Erwachsenen ,  indem 
hier  die  graue  Substanz  viel  weicher  und  wässeriger  ist.  Beim 
menschlichen  Embrvo  sind  bis  zum  siebenten  Monat  nach  Farbe 
und  Konsistenz  die  beiden  Substanzen  nicht  zu  unterscheiden, 
und  es  verhält  sich  daher  das  embryonale  Gehirn  des  Menschen 
in  der  Art  des  Hirnes  erwachsener  niederer  Wirbelthiere.  Lässt 
sich  da  nun  nicht  auch  eine  Parallele  im  Wasser-  und  Fettge- 
halt schon  im  Voraus  vermuthen  ?  Folge  davon  wäre  vermehr- 
ter Wasser-  und  verringerter  Fettgehalt  im  jungen  Gehirn 
der  höheren  Säugethiere  (s.  die  Tabellen)  und  des  Menschen. 

Wollte  man  aber  einen  bestimmten  Ausspruch  wagen  über 
die  allgemeinen  Differenzen  in  der  quantitativen  Mischung  des 
jungen  und  alten  Gehirns  überhaupt,  so  müsste  zuvor  bestimmt 
werden  können ,  zu  welcher  Zeit  man  das  Gehirn  eines  Thieres 
als  ausgebildet  und  erwachsen  anzusehen  berechtigt  sei,  und  ob 
auch  das  erwachsene  Gehirn  noch  mit  zunehmendem  Alter  physio- 
logische Mischungs  -Abänderungen  erleide,  worauf  gewisse  physi- 
kalische Veränderungen  hinzudeuten  scheinen.  Auf  diese  Fra- 
gen kann  gegenwärtig  der  Anatom  so  wenig  als  der  Chemiker 
sichere  Antworten  erlheilen.  Eine  systematische,  in  dieser  Hin- 
sicht an  den  Gehirnen  vieler  Thiere  derselben  Art,  aber  von  den 
verschiedensten  Lebensaltern  unternommene  Analyse  dürfte  übri- 
gens nach  unseren  Vorarbeiten  bald  hierüber  den  erwünschten 
Aufschluss  ertheilen. 

Literatur. 

Die  meisten  Chemiker,  die  über  das  Gehirn  quantitative 
Untersuchungen    angestellt    haben,    beschränkten    sich    auf    das 


—     110    — 

menschliche  Gehirn ;  öfters  sind  ihre  Angaben  ohne  Werth, 
weil  nicht  angegeben  ist,  welche  Substanz  oder  welcher  Hirntheil 
zur  Anal^'se  diente;  ebenso  ist  fast  nie  auf  Alter,  Todesart  etc. 
Rücksicht  genommen.  Zuweilen  dürften  auch  die  Trocknungen 
bei  100**  geschehen  sein,  wobei  weitaus  nicht  alles  Wasser  ent- 
fernt wird.  Wir  stellen  hier  die  uns  zugänglichen  Erfunde  ande- 
rer Chemiker  in  der  Schlusstabelle  zusammen: 


Wasser. 


Fett. 


Bibra  fand  in  der  Subst.  cortic. 
„  „       ,,      ,,        yy       medull. 

(Gehirn  eines  75jäh. Mannes.) 
„         fand  in  der  Subst.  cortic, 
„      „      „         „       medull. 
(Gehirn  eines  17jähr.  Mannes) 
,,         fand  in  der  Subst.  medull. 
(Gehirn    eines  Kretinen) 
Couerbe  fand  im  Allgemeinen  (im 

menschlichen  Gehirn) 
Denis  im  Gehirn  eines  20jähiigen 
,,       ,7            »     78jährigen 
Fremy  im  menschlichen  Gehirn 
Lassaigne  in  der  Subst.  cortic 
„     „         »     medull 
Simon  durchschnittlich.     .     . 
Vauquelin    durchschnittlich  . 
John    in    der  Subst.    cortic.    des  \ 
Kalbsgehirns i 


89,46 
65,61 

85,26 
67,20 

84,39 


80,0 
78,0 
76,0 
88,0 
85,0 
73,0 
80,0 
80,0 

75-80 


6,47 
24,26 

7,69 
23,60 

6,10 


5,0 

12,4 

13,1 

5,0 

4,7 

14,8 

5,23 


[Vgl.Wirkungen 
des  Schwefel- 
äthers V.  Bibra 
u.Harless.  Er- 
langen 1847, 
p.   175  u.  f 


Compt.  rend.  IX. 
703.  XI.  763. 


Zusatz. 

Ich  habe  vorliegender  Arbeit,  die  zwei  meiner  tüchtigsten 
Schüler  auf  meine  specielle  Aufforderung  unternommen  und  mit 
regstem  wissenschaftlichem  Eifer  und  grosser  Sorgfalt  durchge- 
führt haben,  nur  Weniges  beizufügen.  Bei  unsern  selbst  nach 
Fremy 's  neuen  Untersuchungen  so  sehr  lückenhaften  und  dürf- 
tigen Kenntnissen  über  die  eigentliche  Zusammensetzung  des 
höchsten  und  interessantesten  Organs  des  thierischen  Organis- 
mus schien  es  mir  von  entschiedener  Wichtigkeit,  vorläufig  nur 


—   111   - 

einmal  über  zwei  hochwichtige  Faktoren  seiner  Mischung  Zahlen 
festzustellen,  über  zwei  Faktoren ,  die  schon  heutzutage  sich  mit 
Genauigkeit  bestimmen  lassen ,  nämlich  über  das  Wasser  und  den 
Gehalt  an  in  Aether  löslichen  Stoffen.  Durch  die  genaue  Er- 
mittlung ihrer  Werlhe  kann  auch  die  Gesammtmenge  der  eiweiss- 
arligen  Materien  sammt  den  Exlractivsloffen  und  Mineralbestand- 
theilen  annähernd  erschlossen  werden.  Es  wurden  so  einige 
eben  so  interessante,  als  unerwartete  allgemeine  Thatsachen  ge- 
wonnen, die  auch  in  einer  künftigen  Zeit,  wenn  die  qualitative 
chemische  Konstitution  der  Nervenmaterie  besser  erforscht  sein 
wird,  ihren  Werlh  behalten  dürften.  Für  den  Anatomen  und 
Physiologen  dürfte  aus  vorliegender  Arbeit  die  Möglichkeit  er- 
wachsen, durch  genaue  Analysen  in  der  angedeuteten  Richtung 
jetzt  schon  auszumachen ,  in  welchem  Verhältnisse 
gemischte  Gehirn  theile  graue  oder  weisse 
Substanzen  enthalten,  eine  Bestimmung,  die  für 
eine  künftige  Hirn-  und  Nerven-Physiologie, 
wenn  mehr  über  die  specielle  Bedeutung  und  Funktion  der  ver- 
schiedenen Substanzen  bekannt  sein  wird,  sicher  nicht  ohne 
Belang  sein  kann.  Für  die  vergleichende  T  h  i  e  r  c  h  e- 
mie,  eine  Wissenschaft,  die  neben  ihrer  älteren  Schwester, 
der  vergleichenden  Anatomie,  noch  gar  stiefmütterlich  behandelt 
und  bisher  wie  verkümmert  erscheint,  geht  eine  merkwürdige 
Thatsache  aus  vorliegenden  Untersuchungen  hervor;  nämlich  die, 
dass  das  Gehirn  bei  physisch  und  namentlich  in  geistiger  Bega- 
bung höchst  verschiedenen  Thieren  eine  sehr  analoge 
quantitative  Mischung  besitzt,  wenigstens  in  Betreff  des  Wasser- 
und  Fettgehaltes.  Kommt  uns  hier  nicht  in  späterer  Zeit  der 
Nachweis  bedeutender  qualitativer  Differenzen  zu  Hülfe,  so 
bleibt  rücksichtlich  des  materiellen  Substrates  für  die  Hirnfunktio- 
nen und  Geistesthätigkeiten  wenig  Aufklärung  für  eine  ver- 
gleichende Psychologie  zu  hoffen  ;  offenbar  bestimmt 
dann  weit  mehr  die  Form,  die  specielle  Organisation  und  anato- 
mische Entwicklung  die  Fähigkeit  der  Nervenmaterie  zu  höheren 
oder  geringeren  Leistungen.  Schliesslich  möchte  ich  noch  sehr 
zu  vergleichenden  Aschenanalysen  und  Sticksloff- 
bestimmungen  der  Gehirntheile  derselben  und  verschiede- 
ner Menschen  und  Thiere  auffordern;  erst  wenn  auch  sie  gelie- 
fert sein  werden,  kann  an  erspriessliche  Folgerungen  (aus  chemi- 
schen Analysen)  auch  für  die  Pathologie  des  Nervensystems  eher 
gedacht  werden. 

Tübingen,  den  1 .  September  1852. 

Prof.   J.  Schlossberge r. 


6.    Der  Bergsclilipf  von  Ratlisliausen. 

Von  Pfarrverweser  Dr.  0.  Fr  aas  zu  Lauffen,  OA.  Balingen. 

Samstag  den  11.  October  1851  kam  einer  meiner  Sammler 
zu  mir  mit  der  Nachricht ,  zu  Rathshausen  komme  der  Berg  ins 
Thal  hinab,  die  Leute  wandern  in  jähem  Schrecken  aus  und 
fürchten  nichts  weniger,  als  den  Einsturz  des  Felsen  und  Zer- 
störung ihres  Dorfs.  Ich  machte  mich  alsbald  auf  den  Weg  nach 
dem  Plettenberg  und  sah  an  der  rechten  Thalwand  von  Raths- 
hausen anfangs  nur  eine  grosse  Verwüstung  und  ein  wildes  Chaos 
von  Baumstämmen,  Niederholz,  Waiden  und  Feldern,  die,  in  eine 
Schlammmasse  eingerührt,  in  langsamem  FIuss  sich  den  Berg 
hinabwälzten,  bald  aber  mir  höchst  interessante  Erscheinungen, 
die  im  Gefolge  dieses  ausgedehnten  Bergschlipfes  sich  zeigten. 
Indesss  ist  die  Kunde  von  dem  grossen  „Bergsturz"  durch  öffent- 
liche Blätter  verbreitet  worden  und  hat  wohl  in  Manchem  den 
Wunsch  erregt,  ein  Näheres  über  eine  Erscheinung  zu  hören, 
die  zwar  häutig  in  kleinem  Maassstab  auftritt  und  heuer  vielleicht 
in  jedem  Orte,  ob  auch  nur  an  Rainen,  Strassen  und  Weinberg- 
Mauern,  beobachtet  wurde,  aber  in  solcher  Ausdehnung  bei  uns 
wohl  nur  alle  Jahrhunderte  gesehen  werden  kann.  Die  Veran- 
lassung zu  dem  Bergschlipf  war  natürlich  der  wasserreiche  Sommer 
dieses  Jahrs,  der  innere  Grund  aber  liegt  in  der  Beschaffenheit 
des  Terrains,  der  starken  Entwickelung  von  Thonen,  der  Enge 
des  Thals,  der  Höhe  und  Plattenform  des  Bergs.  Zum  Ver- 
ständniss  des  Ereignisses  ist  daher  ein  Bild  der  topographischen 
Beschaffenheit  dieser  Localität  unentbehrlich. 

Zwischen  zwei  der  höchsten  Berge  der  schwäbischen  Alb, 
zwischen  dem  3498'  hohen  Plettenberg  und  dem  noch  um  14' 
höheren  Ortenberg  liegt  in   liefern  Thaleinschnitt   das  Dörfchen 


=-     113    - 

Rathshausen.  Die  Höhen  beider  Berge  liegen  nur  9000'  aus- 
einander, in  welchem  sehmalen  Raum  die  Schlichem,  die  hier 
in  raschem  Fall  der  Ebene  zueilt,  ihr  tiefes  Bette  gegraben  hat. 
Rathshausen  selbst  liegt  2360'  über  dem  Meer.  Die  Berghöhen 
an  den  zwei  Thalwänden  ragen  somit  1138' einerseits  und  1152' 
andererseits  steil  über  das  Dorf  empor.  Diese  Höhen  ,  an  sich 
nicht  unbeträchtlich,  werden  dadurch  gefährlich,  dass  die  Kalk- 
bänke, welche  sie  bilden,  von  Thonen  getragen  werden.  Thone 
sind  unten  im  Thal,  Thone  an  den  Abhängen,  Thone  am  Fusse 
des  Felsen,  lieber  die  sandigen  Thone  des  untern  braunen  Jura 
stürzt  sich  die  Schlichem  in  der  Tiefe  des  Thaies  hin,  sie  selbst 
ragen  noch  bei  300'  an  den  Wänden  empor.  Die  Sandstein- 
bänke im  ß  haben  sich  zu  allem  Glück  an  3  Orten  bedeutender 
entwickelt  und  Erhebungen  gebildet ,  die  als  3  Rücken  an  der 
Thalwand  hervortreten  und  einige  100  Schritte  von  einander 
entfernt  sind.  Ich  sage  zu  allem  Glück  —  denn  diese  3  Rücken 
haben  das  allgemeine  Weichen  des  Berges  verhindert,  den  oben 
zusammenhängenden  Schlipf  in  3  Theile  getheilt  und  dessen 
Kraft  gebrochen,  lieber  den  Sandsteinen  erhebt  sich  der  mittlere 
und  obere  braune  Jura,  ebenfalls  fast  aus  lauter  Thonen  bestehend, 
nur  von  wenigen  schwachen  Bänken  durchzogen.  Diese  Thone 
stehen  so  steil  an,  dass  z.  B.  die  Ornaten-  und  Parkinsoni-Thone, 
die  etwa  80'  mächtig  sind,  auf  der  Karte  des  topographischen 
Bureaus  kaum  können  eingezeichnet  werden  und  doch  ist  der 
Maassstab  der  Karte  1  :  50,000.  Ganz  regelmässig  stehen  nun 
über  den  Ornatenthonen  die  Schichten  des  untern  weissen  Jura 
(a)  an,  abermals  Thone,  und  werden  sofort  von  den  wohlge- 
schichteten Kalkbänken  {ß)  überlagert,  welche  zur  Höhe  des  Plet- 
tenberges  hinaufreichen  und  dem  Berge  Form  und  Namen  (Plat- 
tenberg) gegeben  haben.  Kein  anderer  isolirter  Berg  Württembergs 
nimmt  einen  so  grossen  Flächenraum  ein,  denn  er  ist  gegen  N. 
und  S.  4000'  breit  und  gegen  W.  und  0.  8000'  und  12,000' 
lang.  Nach  allen  Richtungen  entquellen  ihm  Wasser ,  wie  es 
sich  bei  der  grossen  Oberfläche  des  Bergs  und  den  mächtigen 
Thonlagern  nicht  anders  erwarten  lässt,  denn  sämmtliche  atmo- 
sphärische Feuchtigkeit  dringt  durch  die  Kalke  durch,  wird  erst 
von  den  wasserdichten  Thonlagern  gesammelt  und  in  der  Höhe 
Wörtterab  .  naturw.  Jahreshefle.  1853.  Is  Heft,  8 


—    114    -^ 

der  Thonbänke  in  zahllosen  Quellen  ausgesondert.  Auf  der 
Rathshauser  Seite  zählten  die  Leute  zum  mindesten  8  Brunnen 
und  ein  Bach  floss  Sommer  und  Winter  von  den  bewaldeten 
Höhen  ins  Thal  hinab.  Mit  dem  Anfang  des  weissen  Jura  bildet 
nämlich  ein  Kranz  von  Wald  die  Vegetation  des  Berges,  während 
Waiden  und  Allmandtheile  den  oberen  und  fruchtbare  Aecker 
und  Felder  den  mittlem  und  untern  braunen  Jura  characterisiren. 
Letztere  waren  zu  Anfang  Oclober  theils  schon  bestellt  fürs 
künftige  Jahr,  theils  mit  der  Haber-    und  Einkornernte  bedeckt. 

Diese  Felder  zu  besehen ,  gingen  Sonntag  den  5.  Oktober 
Bürger  von  Rathshausen  spazieren.  Da  hörten  sie  mit  Staunen 
aus  dem  Wald  über  ihnen  Töne,  ein  Haken  und  Krachen,  als 
ob  Holzmacher  aufs  eifrigste  drin  arbeiteten,  zugleich  sahen  sie 
an  verschiedenen  Orten  in  langgezogenen  Rissen  den  Boden 
bersten.  Es  fing  nämlich  der  Boden  zu  weichen  an  und  das 
Abreissen  der  Baumwurzeln  verursachte  jene  Töne.  Tags  darauf 
bemerkte  man ,  dass  der  Bach  ausblieb  und  die  Brunnen  am 
Walde  nicht  mehr  flössen.  Das  Krachen  im  Wald  und  das 
Bersten  des  Bodens  hielt  an  bis  Donnerstag  den  9.  October. 
In  der  Nacht  auf  den  Freitag  trat  endlich  das  vorbereitete  Er- 
eigniss  ein,  es  trennte  sich  der  bewaldete  Fuss  des  Berges  auf 
etwa  3000'  vom  Bergkörper  los  und  rutschte  an  demselben 
nieder.  Mit  Entsetzen  sahen  des  Morgens  die  Bewohner  des 
Dorfs  da,  wo  sonst  ihr  Wald  an  den  Berg  sich  lehnte,  einen 
nackten  Fels  und  den  Wald  in  wilder  Zerstörung  auf  ihre  Felder 
und  Waiden  herabsinken. 

75  Morgen  Wald  auf  Rathshauser,  50  Morgen  Stadtwald  auf 
Schömberger  Markung,  das  ganze  Alpha  des  weissen  Jura  längs 
der  Südabdachung  des  Plettenbergs  war  um  60  Fuss  gerutscht 
und  hatte  die  fetten,  eingeweichten  Thone  des  obern  braunen 
Jura  aus  ihrem  Lager  gedrückt ,  welche  nun  als  weiche  Masse 
sich  ins  Thal  hinabwälzten  und  über  200  Morgen  eingeschätztes 
Land  theils  überströmten,  theils  mit  zum  Weichen  brachten. 
Ein  grosses  Glück  war,  wie  schon  gesagt,  dass  der  untere  braune 
Jura  3  Bergrücken  bildete ,  welche  dem  zusammenhängenden 
Rutschen  des  Bodens  Widerstand  leisteten  und  die  Massen  in 
3  Ströme  theilten.    Die  Geschwindigkeit,  mit  der  die  Masse  ins 


—     115     — 

Thal  rutschte,  nahm  mit  jedem  Tag  ab,  vom  Freitag  auf  den 
Samstag  zählte  man  30  Fuss,  in  der  Nacht  vom  Sonntag  auf 
den  Montag  elwa  12  Fuss.  In  einer  Höhe  von  etwa  300'  über 
dem  Dorf  hat  nun  die  Masse  Halt  gemacht,  nachdem  sie  etwa 
14  Tage  lang  in  Bewegung  gewesen.  Auf  wie  lange  ?  ist  eine 
andere  Frage,  denn  die  Wasser  vom  Berge  haben  noch  keinen 
Ausweg  gefunden,  rieseln  am  Felsen  herab  und  versinken  in 
dem  Bergschlipf. 

Solche  Thatsachen  liegen  offen  vor  Jedermann.  Die  schauer- 
liche Zerstörung  lockt  Hunderte  von  Fremden  herbei,  welche  die 
Schrunde  und  Spalten  betrachten  und  den  verslürzten  Wald,  wo 
kein  Baum  mehr  gerade  steht  und  in  malerischer  Unordnung 
niedergestürzte  oder  entzweigebrochene  Stämme  wechseln  mit 
solchen,  denen  die  Krone  im  Schlamme  steckt  und  die  Wurzeln 
emporschauen.  Ich  möchte  jetzt  nur  noch  auf  2  Erscheinungen 
aufmerksam  machen,  deren  Beobachtung  mir  grosse  Freude  ge- 
macht hat,  auf  die  Schliff-Flächen  und  auf  die  Art  der 
Verslürzung. 

Auf  den  Thonen  des  braunen  Jura  ^  und  t,  über  welche 
die  Masse  hinabgleitete,  ist  eine  wahre  Schleifbahn  entstanden. 
Dieselben  waren  mit  einer  Humuslage  oder  mit  Weiss-Jura-GerÖll 
bedeckt,  nun  aber  ist  diese  Decke  durch  die  wegrutschende  Last 
abgeschunden  und  dadurch  Schliff-Flächen  entstanden,  die  ich 
nicht  besser  beschreiben  kann,  als  wenn  ich  sie  den  Fahrleisen 
vergleiche ,  welche  der  breite  Radschuh  eines  schwerbeladenen 
Güterwagens  auf  einer  Steige  hinterlässt.  Diese  Schleifbahn 
folgt  allen  Biegungen  und  Krümmungen  des  Thals  und  bildet 
gleichsam  das  Bette  des  Schlammstromes ;  genau  betrachtet  sind 
es  lauter  feinere  oder  gröbere  Längsstreifen ,  entsprechend  den 
Unebenheiten  der  Gegenstände,  die  in  der  rutschenden  Masse 
zu  Unterst  lagen  und  Eindrücke  auf  die  Rutschbahn  hinterliessen. 
Eindrücke  von  Felskanten  lassen  sich  als  tiefere  Rinnen  oft  weithin 
verfolgen.  Besonders  schön  lassen  sich  die  Schliffflächen  an  den 
beiden  Seiten,  gleichsam  den  Ufern  des  Stroms,  beobachten  und 
zeigen  den  Seitendruck  der  Masse,  an  steileren  Stellen  ist  je- 
doch auch  die  Sohle  ganz  entblösst,  Sonst  ist  die  Mitte  der 
Bahn  noch  von  Schlamm,  Felstrümmern  u.  dergl.  bedeckt.  Als 
t  S  * 


116    - 


ich  zuletzt  noch  von  der  Höhe  des  Berges  das  Ganze  überblickte, 
musste  ich  unwillkührlich  der  Gletscher  gedenken,  und  sah  vor  mir  3 
Schlammglelscher  von  einem  Schneefeld  ausgehend,  die  in  maje- 
stätischer Ruhe  ins  Thal  hinabrückten;  die  SchlifFflächen  bezeich- 
neten ihre  Grenzen,  Rasenstücke,  die  von  den  Wänden  losrissen, 
ihre  Moränen,  der  Gletscherspalten  wären  zahllose  sichtbar, 
kleinere  und  grössere  Falten,  Ogiven,  Rinnen,  alles  konnte  ver- 
gleichsweise beobachtet  werden.  Natürlich  !  ist  doch  das  Gesetz 
dasselbe,  nach  welchem  eine  erstarrte  Wassermasse  oder  eine 
erweichte  Erdmasse  in  ihrem  Laufe  sich  bewegt. 

Das  Interessanteste  aber  bleibt  immer  die  am  Fusse  des 
Berges  stattgehabte  Verstürzung.  Schon  oben  habe  ich  gesagt, 
dass  der  bewaldete  Fuss  des  Berges,  das  Alpha  des  weissen  Jura, 
um  60'  gewichen  sei.  Es  lehnte  sich  nämlich  in  einem  Winkel 
von  etwa  30—40  Grad  der  Wald  an  den  Berg  an,  ruhend  auf 
den  Thonbänken,  die  in  den  Berg  einschiessen.  Wald  und  Thone 
trennten  sich  nun  fast  senkrecht  vom  Berg  ab,  rutschten  an  ihm 
hinunter  und  dies  so,  dass  die  untersten  Bänke  hinausgedrückt 
wurden  und  die  oberen  hart  am  untersten  Theil  des  Berges 
liegen.  Die  Schichten  des  ganzen  abgerissenen  Stückes  zeigen 
sich  nun  als  auf  dem  Kopfe  liegend,  wie  beigedruckte  Zeichnung 
vor  Augen  stellt. 


Vor  dem  Rutsch. 


Nach  dem  Rutsch. 


q  ist  die  Grenze  zwischen  a  und  ß,  hier  beginnt  die   Ver- 
werfung und  hier  rieseln  nun  die  Quellen  an  der  kahlen  Wand 


—     117    — 

herab  und  versinken  im  Boden  bei  r,  ohne  bis  jetzt  noch 
irgendwo  an  das  Tageslicht  zu  treten. 

Am  Fusse  des  Berges  hat  sich  durch  diese  Verstürzung 
ein  Wall  gebildet,  der  an  die  steile  Bergwand  hinanreicht,  der 
Punkt  q  ist  unerreichbar  geworden,  der  zuvor  mit  leichter  Mühe 
auf  dem  Waldrücken  erstiegen  werden  konnte.  Diese  Beobach- 
tung hat  mich  auf  einmal  über  so  manche  ganz  ähnliche  Er- 
scheinungen an  andern  Bergen  der  Alb  aufgeklärt.  Wer  hat 
diese  wallartigen  Vorberge  am  Fusse  unserer  Alb  nicht  schon 
beobachtet?  Von  den  Thälern  aus  werden  sie  gewöhnlich  über- 
sehen, will  man  aber  eine  Berghöhe  ersteigen  und  ist  über  den 
braunen  Jura  vorgedrungen,  um  auf  dem  Boden  des  weissen  in 
die  Höhe  zu  steigen,  so  trifft  man  in  der  Regel  zuvor  noch  eine 
Terrasse,  einen  W^all  meist  mit  herabgestürzten  Felsblöcken  besät 
und  erst  von  diesem  Vorberg  an  geht  es  vollends  ununterbrochen 
die  Höhe  hinan.  In  meiner  Umgebung  bieten  der  Gräbeinberg, 
das  Hörn,  der  Zillhauser  Berg  u.  A.  Gelegenheit  zu  solchen 
Beobachtungen.  Eben  an  ihnen  ist  der  Steilabfall  des  weissen 
Jura  besonders  markirt  und  sind  die  braunen  Jurathone  nirgends 
mehr  an  Ort  und  Stelle,  sondern  hinabgerutscht  bis  zum  a  des 
braunen  Jura. 

Ausserdem  gibt  der  Bergschlipf  Manches  zu  denken  für  den, 
der  von  den  Erscheinungen  der  Jetztwelt  auf  die  Bildung  der 
Erdoberfläche  in  der  Vorwelt  schliessen  will.  Denn  der  aufmerk- 
same Beobachter  wird  bald  an  Orten  ,  wo  der  Fluss  der  Masse 
Widerstand  fand  und  vom  Nachschiebenden  gedrängt  sich  auf- 
staute, die  schönsten  Hebungen,  an  anderen  Orten  Senkungen, 
überall,  wenn  auch  nur  en  miniature  Vorgänge  finden,  deren 
Analogieen  er  im  Grossen,  z.  B.  in  den  Verhältnissen  der  Alpen 
oft  treu  wiedergegeben  sieht. 


7.    Einiges   über   die  Zertrümmerungen  fester 

Körper,  sowie  besonders  über  die  Vermutliung 

der  Astronomen ,  dass  die  Gruppe  der  kleinen 

Planeten  die   Trümmerstücke  eines 

einzigen  seien. 

Von  Schullehrer  Brenner   in  Tuttlingen. 

Eine  grosse  Menge  der  Naturkörper  ist,  wie  wir  dies  aus 
der  täglichen  Erfahrung  wissen,  unaufhörlich  den  verschiedensten 
Veränderungen  unterworfen.  Zu  diesen  Veränderungen  gehören 
unter  Anderm  die  Zertrümmerungen  fester  Körper,  und  es  bieten 
die  letztem  nicht  selten  eine  solche  Menge  von  interessanten 
Erscheinungen  dar,  dass  man  sich  verwundern  muss,  wie  die 
Wissenschaft,  die  man  die  höhere  Mechanik  nennt,  diesen  Zweig 
bis  jetzt  so  sehr  vernachlässigen  konnte.  Zugkräfte ,  Druck, 
Centrifugalkräfte,  Stosskräfte,  Explosionen,  Elektricität  haben  die 
verschiedensten  Wirkungen  dieser  Art  im  Gefolge,  und  kennt 
man  ausser  der  Ursache  auch  den  Hergang  der  Zertrümmerungen, 
die  Form  und  Zahl  der  Trümmer  u.  s.  w. ,  so  kann  dies  selbst 
von  praktischem  W^erthe  sein ,  indem  man  dadurch  eher  die 
Mittel  ausfindig  zu  machen  im  Stande  ist,  manchen  verderblichen 
Zerstörungen  vorzubeugen.  Man  denke  nur  an  das  Springen  von 
Schleifsteinen  und  Schwungrädern. 

Das  Zerspringen  und  Zersprengen  eines  festen  Körpers  ist 
nichts  anders,  als  die  Aufhebung  der  Cohäsion  nach  gewissen 
Richtungen  oder  vielmehr  in  gewissen  Flächen.  Dabei  spielt 
jedoch  auch  die  Dichtigkeit  eine  Rolle.  Körper,  die  eine 
völlig  unregelmässige  Cohäsion  und  Dichtigkeit  besilzen,  zer- 
trümmern   nach  Zahl    und  Form    in  ungleiche  Stücke,    worüber 


—    119    — 

sich  weiter  nichts  mehr  sagen  lässt.  Hat  aber  ein  Körper  eine 
solide  Masse,  d.  h.  eine  Masse  von  durchaus  gleicher  Cohäsion 
und  Dichtigkeit,  oder  aber  auch,  befolgen  die  letztern  ein  ge- 
wisses Gesetz,  so  muss  derselbe  (der  Körper)  in  seinen  Zertrüm- 
merungen eine  gewisse  Regelmässigkeit  befolgen,  die  sich  im 
Voraus  bestimmen  lässt.  Wie  in  der  ganzen  Physik,  Chemie 
und  Mechanik  der  Satz  noch  immer  seine  Bewährung  gefunden 
hat,  dass  unter  übrig ens  gleichen  Umständen,  gleiche 
Ursachen  auch  gleiche  Wirkungen  erzeugen,  so  gilt 
dieser  Salz  nicht  minder  auch  in  Beziehung  auf  die  Zertrüm- 
merung der  Körper.  Zwar  gibt  es,  im  strengsten  Sinne  des 
Wortes,  gar  keinen  soliden  festen  Körper;  haben  wir  aber  ein- 
mal unsere  Sätze  für  solide  Körper  aufgestellt,  so  werden  wir 
dieselben  für  mehr  oder  minder  solide  Körper  modificiren  kön- 
nen, nach  dem  Satz,  der  nur  wenige  Ausnahmen  duldet:  Gleiche 
Ursachen  bringen  unter  beinahe  gleichen  Umstän- 
den auch  beinahe  dieselben  W^irkungen  hervor. 

Der  Zweck  dieser  Zeilen  ist  jedoch  nicht,  eine  systema- 
tische Lehre  über  Zertrümmerungen  aufzustellen,  noch  einige 
detaillirte  Untersuchungen  über  das  Springen  von  vollen  und  ring- 
förmigen Scheiben  (Schleifstein ,  Schwungrad)  zu  veröffentlichen, 
sondern  ein  Resultat  mitzutheilen,  welches  das  Interesse  der 
Astronomen  auf  sich  ziehen  dürfte.  Im  Hinblick  auf  die  Gruppe 
der  kleinen  Planeten  gewann  Verfasser  durch  mehrjährige  For- 
schung, Beobachtung*)  und  endlich  durch  ein  eigens  angestelltes 
Experiment**)  die  Ueberzeugung:  dass  jede,  nach  Cohäsion  und 
Dichtigkeit  homogene  Kugel,  oder  auch  jede  Kugel,  in  der  sich 
Cohäsion  und  Dichtigkeit  um  das  Centrum  gleichmässig  lagern, 
vermittelst  einer  durch  ein  elastisches  Fluidum  (Pulver-  oder 
Wasserdampf)  bewirkte  Explosion  vom  Mittelpunkt  aus  in  vier 
gleiche  Stücke  zersprengt  wird,    und  zwar  spitzen  sich  die 


*")  Beim  Sprengen  des  Gesteins  in  den  Steinbrüchen. 
*'•')  Die  von  einem  ganz    unschadhaften  Stein  —  einer  guten  Masse 
von  Jurakalk  —  angefertigte  Kugel  hatte  16  Zoll   im  Durchmesser    und 
sprang  durch  eine  Explosion  vom  Mittelpunkt  aus  in  vier  beinahe  gleiche 
Stücke  ohne  Splitter. 


—     120    — 

vier  Stücke  im  Cenlrum  dreiseitig  pyramidenförmig  zu,  so  dass 
die  Bruchflächen  wirkliche  Ebenen  sind  und  die  Kugeloberfläche 
in  ihrer  Zerreissung  genau  das  lelraedrische  Kugelnetz  zeigt; 
ferner,  dass  kleinere  Abweichungen  nach  Cohäsion  und  Dichtig- 
keit dennoch  vier,  aber  etwas  ungleiche  Hauptstücke,  und  in 
vielen  Fällen  eine  Menge  kleiner  Splitter  liefern;  endlich  dass, 
wenn  die  Explosion  nicht  vom  Centrum  aus  geht,  dennoch  nur 
vier,  jedoch  ungleiche  Stücke  entstehen,  worunter  ein  Fall,  der 
ein  kleineres  und  drei  grössere  aber  gleiche  Stücke  aufweist. 

Gesetzt  nun,  es  sei  die  Stelle  der  kleinen  Planeten  vor 
Zeiten  von  einem  einzigen  und  durchaus  aus  fester  Masse  be- 
stehenden Planeten  ausgefüllt  gewesen,  der  durch  eine  innere 
Explosion  zertrümmert  wurde ,  so  entstanden  dafür  vier  Planeten, 
von  denen  jeder  —  selbst  bei  der  vorausgesetzten  festen 
Masse*)  —  sich  mit  Nothwendigkeit  wieder  in  eine  Kugel  ballen 
musste.  Doch  die  Neigung  dieser  Stücke  zum  Explodiren,  die 
ihnen  einmal  inne  wohnte,  wuchs  mit  der  Zeit,  und  so  sprang 
wieder  eines  der  vier  Hauptstücke  in  vier  Stücke,  und  es  waren 
nun  sieben.  Später  sprang  ein  zweites  der  vier  Hauptstücke  und 
es  waren  zehn,  und  später  das  dritte,  und  es  waren  13  Planeten. 
War  der  erste  Planet  in  ein  kleines  und  drei  grössere  Haupt- 
slücke gesprungen,  und  nahm  mit  der  Grösse  auch  die  Neigung 
zum  Explodiren  ab,  so  dass  keine  weitere  Explosion  mehr  er- 
folgte, so  haben  wir  wirklich  nur  13  Asteroiden.  Ist  aber  auch 
das  vierte  Hauptstück  zertrümmert ,  wie  die  andern ,  so  setzt 
sich  die  Zahl  auf  16  fest;  somit  hat  die  Zahl  16  eine  ebenso 
grosse,  vielleicht  noch  grössere  Wahrscheinlichkeit,  als  die 
Zahl  13.  Schluss:  entdeckt  man  noch  einen  Planeten, 
der  zur  Gruppe  der  kleinen  gehört,  so  müssen 
noch  zwei  weitere  vorhanden  sein;  denn  13  sind  be- 
reits bekannt. 

*)  Bekanntlich  wird  vermuthet,  dass  das  Innere  oder  Innerste  des 
Erdkerns ,  trotz  des  hohen  Hitzgrades  ,  dennoch  starr  sein  könnte  — 
wegen  der  ungeheuren  Pressung.  Die  gleiche  Voraussetzung  bezüglich 
unseres  betrachteten  Planeten  Hesse  nach  der  Sprengung  einen  grossen 
Theil  eines  jeden  Hauptstückes  augenblickh'ch  in  FIuss  gerathen,  wodurch 
die  Kugelballung  sehr  erleichtert  würde. 


~     121     — 

Die  Vermuthung  der  Astronomen ,  dass  die  kleinen  Planeten 
die  Trümmerslücke  eines  einzigen  seien ,  gründete  sich  auf  die 
zwei  Thatsachen,  dass  dieselben  sehr  klein  sind  und  dass  sie  un- 
gefähr gleiche  Entfernungen  von  der  Sonne  aufweisen.  Unser 
Satz  aber,  nämlich  der  Satz  der  Zertrümmerung  in  vier 
Stücke,  erhebt,  wofern  sich  eine  der  Zahlen  13  oder  16,  als 
Anzahl  der  kleinen  Planeten  festsetzt,  die  seitherige  Vermuthung 
zur  evidenten  Wahrheit.  —  Ferner,  da  zu  vermuthen  ist,  dass 
ausser  den  bekannten  13  Asteroiden  noch  drei  weitere  existiren, 
so  ist  dies  eine  Aufforderung  für  die  Astronomen,  noch  ferner 
zu  suchen.  Haben  sie  aber  die  Zahl  16  voll  gemacht,  so  ist 
nur  noch  geringe  Wahrscheinlichkeil  für  die  Existenz  noch  meh- 
rerer Planelen  vorhanden. 

Noch  mehr :  Theoretischer  Calcul  und  Beobachtung  zeigen 
im  Einklang,  dass  die  losgetrennten  Splitter  mit  grosser  Ge- 
schwindigkeit fortgeschleudert  werden,  während  die  Hauptstücke 
weit  geringere  Stösse  erleiden.  Daraus  folgt,  dass  die  Splitter 
der  Asteroiden  in  den  weiten  Himmelsraum  hinausgeschleudert 
wurden,  so  dass  eine  Menge  derselben  in  gedrückten  Ellipsen 
um  die  Sonne  lauft,  die  Bahnen  der  übrigen  Planeten  vielfältig 
durchschneidet  und  von  letztern  im  Laufe  oft  sehr  bedeutend 
gestört  wird.  Treten  sie  aber  in  den  Dunstkreis  eines  Planeten 
ein,  so  beschreiben  sie  von  diesem  Augenblicke  an  eine  spiral- 
förmige Bahn  und  nähern  sich  jenem  Planeten  fortwährend.  Ihre 
Neigung  zum  Explodiren  —  jedoch  anderer  Art  —  erwacht  plötz- 
lich ,  wahrscheinlich  durch  die  Wirkung  unserer  Luflelektricität, 
welche  sie  zugleich  auch  erhitzt  und  leuchten  lässt,  und  so 
springen  sie  wirklich  durch  eine  solche  Explosion  in  viele  — 
und  nicht  gerade  in  vier  —  Stücke,  weil  bekanntlich  die  Elek- 
tricität  auf  ganz  andere  Weise  zertrümmert,  als  ein  elastisches 
Fluidum.  So  hätten  wir  unsere  Meteore  und  namentlich  den 
Steinregen  und  wären  durch  diese  Communication  mit  andern 
Himmelskörpern  vielleicht  in  den  Stand  gesetzt,  die  Dichtigkeit 
und  den  Stoff  der  Asteroiden  zu  bestimmen. 

Wahr  ist  es,  dass  es  bis  jetzt  dem  Verfasser  noch  nicht 
ganz  gelungen  ist,  die  Wahrheit  der  ausgesprochenen  Sätze  durch 
die  Gesetze  der  Mechanik  mit  Evidenz  zu  beweisen.   Allein,  ab- 


-     122     - 

gesehen  davon,  dass  es  ihm  vielleicht  an  der  Kraft  gebrechen 
möchte,  sein  angestrebtes  Ziel  vollkommen  zu  erreichen,  so 
ermangelt  ihm  mehr  und  mehr  die  Zeit  zu  mathematischen 
Forschungen,  und  so  mochte  er  das,  jedenfalls  über  allen  Zweifel 
erhabene  Resultat  der  Vieriheilung  durch  Explosion  einem  Publi- 
kum nicht  länger  vorenthalten,  das  sich  dafür  interessirt  —  in 
der  Hoffnung  und  mit  dem  Wunsche,  dass  eine  Kraft,  die  dem 
Problem  gewachsen  ist,  dasselbe  in  die  Hände  nehmen  und  der 
erwünschten  Lösung  entgegenführen  möchte.  Dem  Verfasser  wird 
alsdann  doch  wenigstens  die  Beruhigung  und  die  Freude  werden, 
einen  Gegenstand  in  Anregung  gebracht  zu  haben,  der  die  Wissen- 
schaft in  Etwas  bereichern  dürfte. 

Zum  Schluss  macht  Verfasser  bei  Gelegenheit  der  Correk- 
tion  dieser  Zeilen  noch  folgende  Bemerkung : 

Der  geneigte  Leser  wird  nicht  erst  darauf  aufmerksam  zu 
machen  sein,  dass  dieser  Aufsatz  zu  einer  Zeit  (April  d.  1.  J.) 
geschrieben  wurde,  da  nur  13  Asteroiden  bekannt  waren.  Nimmt 
man  jedoch  eine  Forlsetzung  der  Sprengungen  an ,  so  erleidet 
die  dargelegte  Theorie  keine  wesentliche  Veränderung.  Nur  ist 
zu  vermulhen,  dass  die  Anzahl  der  Asteroiden  sehr  bedeutend 
sein  wird ,  und  hat  die  Zahl  64  eine  etwas  grössere  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  als  die  Zahlen  4,  7,  10,  13,  16,  19,  22,  25, 
28  u.  s.  w. 


III*    Kleinere  Jflittlieiluiigeii. 


1.   Eine  eigenthümliche  Erscheinung  von  Reprodiictions- 

kraft   au  einem  Samen -Kohlraben   (Brassica  oleracea 

gongylodes^. 

Von  Direktor  von  Seyffer. 

In  dem  Königl.  Küchougarteu  hier  wurden  vergangenes  Frühjahr 
mehrere  überwinterte  Kohlraben,  wie  gewöhnlich  ins  freie  Land  gesetzt 
um  Samen  daraus  zu  ziehen.  Einer  von  diesen,  der  einen  Durchmesser 
von  4^  Zoll  hatte,  entwickelte  an  der  Krone  oben  am  sogenannten  Herz 
keine  Blätter  und  keine  Blüthenstengel,  sondern  auf  der  Seite  drei  Zweige 
von  der  gleichen  Beschaffenheit  an  der  Rinde  und  innern  faserig-holz- 
artigen Textur  wie  der  Strunk  eines  Kohlrabens  zwischen  der  Wurzel 
und  dem  Kohlraben.  Einer  dieser  Zweige,  der  oberste  war  4A  Zoll 
lang,    theilte    sich    dann    in    drei    Aeste,    wovon    zwei    eine   Lange   von 

1  Zoll  und  an  ihren  Enden  je  einen  kleinen  Kohlraben  von  je  1  Zoll 
Durchmesser  mit  Blättern  hatten  ,  der  dritte  Ast  war  4  Zoll  lang  und 
hatte  an  seiner  Spitze  einen  gleich  grossen  Kohlraben  mit  Blättern,  wie 
alle  nachfolgenden.  Der  auf  der  Seite  der  Mutterpflanze  weiter  unten 
herausgewachsene  zweite  Zweig  war  der  stärkste  und  längste  unter  allen 
drei,  hatte  eine  Länge  von  1  Fuss  1\  Zoll  und  an  der  Mutterpflanze 
einen  Durchmesser  von  5,  an  seinem  Ende  von  3  Linien.  An  diesem 
Hauptzweig  zeigte  sich  ein  Nebenzweig  von  1  Fuss  4^  Zoll  Lange,  aber 
nur  2  Linien  dick  an  seinem  Ende  mit  einem  Kohlraben  von  5  Li- 
nien im  Durchmesser,  und  ein  zweiter  Seitenast  von  1  Fuss  Länge  mit 
einem  gleich  grossen  Kohlraben  an  seinem  Ende.  5  Zoll  vom  Mutter- 
stock entfernt  war  an  diesem  Hauptzweig  ein  Seitenast  von  3  Linien 
Dicke  und  4  Zoll  Länge  ,  an  dessen  Ende  ein  Kohlraben  von  24  Zoll 
Durchmesser  war.  Von  diesem  Seitenast  an  gerechnet  hatte  der  Haupt- 
zweig nach  einer  Länge  von  11  Zoll  unmittelbar  auf  sich  somit  ohne 
einen  Seitenast  einen  Kohlraben  von  3  Zoll  Durchmesser,  erstreckte  sich 
dann  weiter   und   hatte    einen  Kohlraben    von  3i^  Zoll   an  seinem  Ende. 

2  Zoll  unter  gedachtem  Hauptzweig  war  der  dritte  von  4  Linien  dick, 
bog  sich  etwas  gegen  den  Gartenboden  und  trieb  einige  Wurzeln,  theilte 
sich  nach  einer  Länge  von  4  Zoll  in  drei  Aeste,  wovon  zwei  eine  Länge 
von  3  Zoll  und  der  dritte  von  4^  Zoll  hatte,  an  deren  Enden  je  ein  Kohl- 
rabe von  je  3  Zoll  im  Durchmesser  sich  befand. 


—     124    — 

Diesem  nach  siud  aus  der  Seite  eines  zum  Samenzieben  bestimmten 
Kohlrabens  statt  Samensprösslinge  Aeste  ausgewachsen,  an  denen  sich 
11  Kohlraben  befanden,  die  nicht  faserig,  vielmehr  ganz  mild,  wie  junge 
Kohlraben  zum  Essen  waren. 


2.    Neuer  Standort  der  Potentilla  alba  L. 

Von  Apotheker  Barth  in  Leonberg. 

Nach  cfer  Württemb.  Flora  ist  die  Potentilla  alba  L.  nur  in  einigen 
Laubholzwäldern  bei  Tübingen  gefunden  worden,  auch  ist  mir  ausserdem 
nicht  bekannt,  dass  sie  an  irgend  einem  andern  Orte  in  Württemberg 
bis  jetzt  entdeckt  wurde.  Ich  glaube  daher  nicht  unterlassen  zu  dürfen, 
die  Botaniker  auf  einen  neuen  Standort  dieser  schönen  Pflanze  aufmerk- 
sam zu  machen.  Anfangs  Juni  dieses  Jahres  fand  ich  sie  im  Leonberger 
Wald  „Steinenfürst"  gleich  oberhalb  des  Seehauses,  welches  gut  ^Stunden 
von  hier  im  Glemsthal  liegt.  Die  Solitude  liegt  in  gerader  Richtung 
etwa  eine  halbe  Stunde  nordöstlich.  Hier  kommt  sie  nun  am  ganzen 
Bergabhang  an  lichten  Stellen  des  Waldes  in  ziemlicher  Ausdehnung  und 
grosser  Menge  vor.  Leider  fand  ich  aber  nur  noch  drei  blühende  Exem- 
plare, da  sie  schon  im  April  und  Mai  blüht,  dagegen  waren  die  Wurzel- 
blätter Fuss  hoch  und  sehr  schön  entwickelt.  Der  Blüthenstiel  verwelkt 
bald  nach  dem  Verblühen  und  ich  konnte  denselben  oft  kaum  mehr  auf- 
finden ;  übrigens  waren  eine  Menge  Pflanzen  ohne  jede  Spur  von  Blüthen- 
stiele.  Verblühte  Exemplare  könnte  ich  jetzt  schon  Freunden  der  Botanik 
abo-eben  ,  nächstes  Frühjahr  gedenke  ich  sie  aber  bei  Zeiten  zu  sammeln 
und  bin  gerne  bereit,  dann  davon  mitzutheilen,  auch  durch  Eintausch 
anderer  Pflanzen.  Die  Thatsache ,  dass  diese  Potentilla  nur  an  den  bei- 
den äussersten  Endpunkten  des  Schönbuchs  oder  vielmehr  seiner  Aus- 
läufer aufgefunden  ist,  lässt  mit  Grund  vermuthen,  dass  sie  noch  an 
mehreren  Orten  der  Keuperformation  wachsen  könnte.  Ueberhaupt  schei- 
nen mir  diese  Wälder,  obgleich  in  der  Nähe  von  Stuttgart  und  die  eine 
Menge  schöner  Pflanzen  bergen,  noch  immer  nicht  gehörig  durchforscht 
zu  sein.  Ich  habe  ferner  noch  anzuführen,  dass  Phytenma  ovale  Hoppe 
seu  nigrum  Schmidt,  vom  Seehaus  an  bis  gegen  Vaihingen  auf  den  Fil- 
dern  an  sehr  vielen  Stellen  in  Menge  wächst. 

Anmerkung.  Die  Vermuthung  des  Herrn  Apothekers  Barthj 
dass  Potentilla  alba,  welche  schon  Johann  Georg  Duvernoy  1722 
am  Spitzberg  in  summis  et  mediis  montis  dumetis  angibt,  noch  an  mehreren 
Stellen  der  Keuperformation  wachsen  könne,  hat  sich  bereits  bestätigt, 
indeYn  sie  von  Herrn  Wilhelm  Roser  in  Mehrzahl  bei  Ehningen  im 
Schönbuch  gefunden  worden  ist.  A.  Gmelin  hat  sie  nach  Erscheinung 
der  Flora  auch  auf  der  Fläche  des  Sankt  ürsulaberges  bei  Pfullingen 
und  unterhalb  des  Lichtensteiner  Schlosses  gegen  das  Honauer  Thal  an* 


^   -     125    - 

gegeben.  Die  Angabe  in  von  Scb  reckcns  t  ei  n' s  Flora  der  Gegend  um 
den  Ursprung  der  Donau  und  des  Neckars,  Bd.  IV,  S.  237 ,  dass  sie  um 
Waiblingen  wachse,  beruht  wohl  auf  einem  Missverständnisse,  indem 
wahrscheinlich  die  dem  Verfasser  jener  Flora  von  Herrn  Apotheker 
Dem  1er  in  Waiblingen  mitgetheilten  Exemplare  von  Tübingen  stammten. 

V.  M  a  r  t  e  n  s. 


3.    Analyse  des  Bopserbruünen  bei  Stuttgart,  angestellt 

im  Mai  1850. 

Prlitgetheill  von  Prof.  Dr.  Fehling. 

Das  Wasser  ist  klar,    es   gilt   in  Stuttgart    als   besonders    gut   und 
erfrischend. 

Nach  der  gleichzeitigen  Untersuchung    von    van  Groningen    und 
Klett  enthalten:    1000    Gramm    Wasser 

van    Groningen  Klett 

Kohlensauren  Kalk 0.2160  0.2110 

Kohlensaure  Bittererde       ....         0.1270  0.1311 

Kohlensaures  Eisenoxydul  mit  Thonerde  0.0040  0.0034 

Kieselerde 0.0146  0.0114 

Schwefelsaure  Bittererde    ....         0.0503  0.0516 

Schwefelsaures  Natron        ....         0.0074  0.0061 

^';;^^"^;"""      1 0.0429  0.0421 

Chlorkalium        ' 

Organische  Substanzen       ....         Spur  Spur 

0.4622  0.4567 

Luftbestandtheile  und  freie  Kohlensäure  nicht  bestimmt  — 

Specif.  Gewicht  des  Wassers  bei  lö*'  R.     1.00170  1.00178 
In  einem  Pfund  Wasser  =  7680  Gran  ist  also  enthalten: 

vanGroningen  Klett 

Kohlensaurer  Kalk 1.658  Gran  1.624  Gran 

Kohlensaure  Bittererde 0.975      „  1.008    „ 

Kohlensaures  Eisenoxydul  mitThonerde  0.030      „  0.026     „ 

Kieselerde 0.112      „  0.084     „ 

Schwefelsaure  Bittererde    ....         0.386      „  0.396     „ 

Schwefelsaures  Natron       ....         0.057      „  0.047     „ 

Chlornalrium  ,                   ^32^  0  3j3     ^^ 

Chlorkalium    ^ 

Organische  Substanzen      ....         Spur  Spur 

3.547  Gran.  3.507  Gran. 
Die  Temperatur  des  Brunnens   betrug   am  Mittag  ll*'  R.   bei   einer 
Lufttemperatur  von  15^  R. 


—    126    — 

Klett  fand  weiter,  dass  nach  Regenwetter  sich  die  Menge  der  Salze 
im  Wasser  vermindere:    1000  Gramm  klares  Wasser  enthielt 
vor  dem  Regenwetter     .     .     .     0.464  Gramm  Salze  ; 
nach  mehrtägigem  Regen  ,     .     0.450  Gramm. 


Büclieranzeigeii. 

C.  G.  Gieb  e  1 ,  Gaea  excursoria  germanica.  Deutschlands  Geologie, 
Geognosie  und  Paläontologie.     Ein  unentbehrlicher  Leitfaden 
auf  Excursionen  und  beim  Selbstunterricht;  mit  24  lithogra- 
phirten  Tafeln.    Leipzig.    Ambr.  Abel  1851.    klein  8.  510  S. 
Der  Herr  Verfasser  hat  in  dieser,    auch  durch   das  Format   bequem 
gehaltenen  Schrift  auf  eine  einfache  und  klare  Weise  die  Hauptabschnitte 
der  Geologie  abgehandelt,    ohne    bestrittene    oder   vereinzelte  Ansichten 
und  Thatsachen  herbeizuziehen  .  wodurch  bei  Anfängern  und  Laien  leicht 
Zweifel  und  Irrthümer  erzeugt  werden,  und  beschränkt  sich  dabei,  wie 
schon  der  Titel  besagt,  auf  die  geologischen  Verhältnisse  Deutschlands. 
Nach  einer  die  Schöpfungstheorie,  die  Kunstausdrücke ,  die  Perioden  der 
Erdbildung  und  des  organischen  Lebens  auf  der  Erde  behandelnden  Ein- 
leitung, folgt  die  Geognosie  Deutschlands,    wovon  der  erste  Ab- 
schnitt die  Topographie,    nämlich    in    der  Orographie    die  Hauptgebirge 
Deutschlands,  das  Hügel-  und  Flachland,  der  zweite  in  der  Hydrographie 
das  Meer,  die  Hauptflüsse,  Binnenseen  und  Mineralquellen  enthält. 

In  dem  zweiten  Abschnitt,  der  Stratographie  werden  der  Reihe  nach 
das  krystallinische  Gebirge,  plutonische  und  vulkanische  Gesteine,  so« 
dann  die  geschichteten  Gesteine  abgehandelt.  Letztere  zerfallen  L  in 
primäre:  Grauwacken-,  Steinkohlen-  und  Kupferschiefergebirge  j  H.  in 
secundäre:  von  buntem  Sandstein  bis  zur  Kreide;  HL  in  tertiäre:  Braun- 
kohlen bis  Diluvialgebirge;  IV.  die  gegenwärtigen  Bildungen,  das  Allu- 
vium. Bei  jeder  Hauptformation  ist  die  Charakteristik  in  den  allgemeinen 
Eigenschaften,  der  Gliederung  und  Verbreitung  der  Hauptschichten  und 
der  untergeordneten  Schichten  und  Einlagerung,  sodann  eine  Aufzählung 
der  wichtigsten  Versteinerungen  grossentheils  durch  Abbildungen  ver- 
sinnlicht  gegeben.  Letztere  auf  24  Steintafeln  desselben  Formats,  sind 
nach  den  Formationen  geordnet  und  mit  Ausnahme  der  meisten  Cepha- 
lopoden  (T.  9 — 12)  ziemlich  richtig  gezeichnet. 
^  Der  zweite  Theil,    die    Geologie    Deutschlands    behandelt   in  der 

ersten  Periode  die  Entstehung  der  primären  (oder  ältesten  Flötz-)  Gebirge, 
und  das  thierische  VVasserleben ;  in  der  zweiten  das  secundäre  Gebirge 
und  das  amphibiotische  Thierleben ;  in  der  dritten  das  Tertiärgebirge 
oder  die  Periode  des  thierischen  Land-  und  Luftlebens:  in  der  vierten 
die  gegenwärtigen  Bildungen,  oder  die  Periode  des  geistig  bewussten 
Lebens.     In  dem  Anhang  ist  noch  eine  Anleitung  zum  Beobachten,  eine 


==-    127    — 

Uebersicht  der  geognostischen  Formationen,  die  Literatur  über  einzelne 
Gebirge  Deutschlands  sammt  Angabe  von  Excursionen  und  Plätzen  für 
das  Sammeln  von  Petrefakten  enthalten.  Ein  doppeltes  Register  und  Er- 
klärungen der  Steintafeln  beschliessen  das  Ganze.  Die  zwei  letzten 
Tafeln  21  —  22  liefern  Durchschnitte  von  Schichtenablagerungen  und 
Hebungen  aus  verschiedenen  deutschen  Gebirgen. 

Wenn  vt^ir  nun  auch  nicht  alles  unterschreiben  können,  was  der 
Herr  Verfasser  in  dieser  Schrift  angibt,  wie  z.B.  dass  Equiselwn  arrense 
im  weissen  Jura  vorkomme,  dass  das  Dinotherium  das  älteste  Säugethier 
Deutschlands  sei.  dass  er  die  Süsswasserkalksteine  von  Pfullingen, 
welche  dem  Alluvium  angehören,  mit  denen  von  Cannstatt,  welche  dilu- 
vial sind,  und  denen  von  Ulm  und  Steinheim,  welche  wenigstens  miocen 
sind,  zusammenfasst,  so  erklären  wir  doch  gerne,  dass  die  ganze  An- 
ordnung des  Buches  unsern  Beifall  hat,  und  dass  es  Anfängern  und 
Solchen,  welchen  keine  geognostische  Bibliothek  zu  Diensten  steht,  mit 
Recht  empfohlen  werden  kann.  Dr.  K. 

Dr.  Chr.  Fr.  Hänle,  die  Ursache  der  inneren  Erdwärme,  die 
Entstehung  des  Erdplaneten,  der  Feuerkugeln,  Sternschnuppen 
und  Meteorsteine.  Lahr,  Verlag  von  Joh.  Hein  r.  Geiger. 
1851.    78  S.    8. 

Der  Herr  Verfasser  bespricht  in  dieser  kleinen  Schrift  die  auf  dem 
Titel  angegebeneu  Gegenstände  in  einer  leicht  fasslichen  Darstellung, 
wozu  er  die  Briefform  gewählt  hat.  Das  Erscheinen  von  Humboldt's 
Kosmos  hat,  wie  er  in  dem  Vorwort  sagt,  seine  auf  der  Wirksamkeit 
des  Chemismus  beruhende  Ansicht  über  die  Erdbildung  u.  s.  w.  nur  be- 
stätigt und  ihn  ermuntert,  dieselbe  in  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen. 

In  dem  ersten  Brief,  mit  der  Ueberschrift  Gasball  und  Licht- 
nebel, bespricht  er  die  verschiedenen  bis  jetzt  aufgestellten  Theorien 
über  die  Entstehung  der  Erde  und  der  Himmelskörper  überhaupt  5  in 
dem  zweiten  die  innere  Erdwärme,  wobei  er  die  Unhaltbarkeit  von  den 
hohen  Hitzgradeu,  die  man  der  Erde  innen  zuschreibt,  nachzuweisen 
sucht 5  in  dem  dritten  die  chemischen  Elemente,  aus  denen  die  Erde  be- 
steht, und  zählt  sie  der  Reihe  nach  auf.  Hiebei  spricht  er  seine  eigene 
Ansicht  dahin  aus,  dass  die  Ursache  der  innern  Erdwärme  in  der  Wärme- 
entwicklung durch  chemische  Thätigkeit  (Verbindung)  der  Elemente  be- 
ruhe. Der  vierte  Brief  bespricht  diese  Elemente  in  ihren  Verbindungen 
und  führt  ihre  Hauptverbindungen  auf.  Der  fünfte  Brief  gibt  ein  Bild 
der  Erdentstehung;  die  Elemente  befanden  sich  bei  der  Schöpfung 
in  Gasgestalt  und  bildeten  demnach  einen  (ungeheuren)  Gasball.  Es 
entstand  plötzlich  ein  allgemeiner  Oxydations-  oder  Verbrennungsprozess 
mit  ebenso  schneller  Verdichtung  der  verbrannten  Stoffe  verbunden,  wo- 
bei die  nicht  verbrannten  Metalle  sich  zu  einer  flüssigen  Masse  ausschieden. 


—     128    — 

Das  Resultat  davon  war  die  Bildung  von  Wasserdunst,  Metalloxydcn, 
Schvvefel-j  Chlor-  Fluorverbiiidungen  und  Silikaten:  die  hiebei  entwickelte 
Elektrizität  veranlasste  die  Pvotation  des  nunmehr  verdichteten  Erdkörpers 
und  in  der  schmelzenden  Masse  wurden  in  Folge  der  Centrifugalkraft 
die  schweren  Metalle  und  ihre  Erze  gegen  die  Oberfläche  getrieben,  wo 
sie  nach  dem  Verfasser  allein  befindlich  sein  sollten ,  weil  die  vulkani- 
schen Auswürfe  uns  nur  Verbindungen  der  leichten  Metalle  (nebst  etwas 
Eisen,  Kupfer-  und  Kobaltoxyden)  liefern.  Die  Ursache  jener  gross- 
artigen Naturerscheinung  lag  also  in  der  gegenseitigen  Einwirkung  un- 
gleichnamig elektrischer  Elemente.  Wie  gross  dabei  die  Zusanimen- 
schrumpfung  des  Gasballes  gewesen  sein  müsse ,  sucht  er  dadurch  an- 
schaulich zu  macheu,  dass  er  anführt,  wie  zwei  Maass  Wasserstoffgas 
und  ein  Maass  Sauerstoffgas  bei  der  Verdichtung  nur  einen  Tropfen 
Wasser  geben. 

Der  sechste  Brief  bespricht  die  Bildung  des  Granits  und  die  Ent- 
stehung der  Gebirge.  Er  weist  zuerst  die  Aehnlichkeit  sämmtlicher  sog. 
Urgebirgsarten  nach,  und  wie  auf  einer  von  Säuren  zerfressenen  Metall- 
platte sich  Salzkrusten  bilden,  die  sich  später  theilweise  lostrennen, 
zerbersten  und  aufwerfen,  so  soll  das  in  die  Erdkruste  eindringende 
Wasser  —  indem  es  neue  Verbindungen  mit  den  im  Innern  noch  vorhan- 
denen Elementen  einging  —  neue  Oxydationen  und  Erhebungen  veran- 
lasst haben  ,  indem  der  dabei  entstandene  Wasserdampf,  um  entweichen 
zu  können,  Durchbrüche  veranlasste,  deren  Hebungen  voraus  oder  pa- 
rallel gingen. 

Im  siebenten  Brief  wird  die  Entstehung  des  Thierreichs,  des  Flötz- 
gebirges  (aus  Detritus),  das  Steinkohlenlager  (aus  einer  brandigen  Gäh- 
rung  zusammengehäufter  Pflanzentheile)  besprochen. 

Im  achten  folgt  die  Süsswasserformation  und  die  Lehre  vom  Vulka- 
nismus. Das  Innere  der  Erde  soll  jetzt  noch  aus  den  Metallen  der  Al- 
kalien und  Erden  bestehen  ,  wie  dies  die  Produkte  der  Vulkane  beweisen. 

Der  neunte  Brief  spricht  von  dem  Ende  der  Erdbildung.  Nachdem 
die  Konsumtion  des  Wassers  durch  endliche  Oxydation  aller  jener  Metalle 
im  Innern  und  mit  ihr  alle  elektrische  und  chemische  Thätigkeit  aufge- 
hört, stirbt  die  Erde  ab,  die  elektromagnetische  Anziehung  zur  Sonne 
hört  auf  und  es  steht  ein  neuer  Planet  in  Aussicht,  welcher  die  Erde 
sammt  dem  Monde  ins  Schlepptau  nimmt  und  mit  sich  um  die  Sonne 
führt.  Der  Mond  war  früher  auch  ein  Planet,  ist  aber  abgestorben  und 
die  Erde  daher  erst  nach  ihm  entstanden. 

Der  zehnte  Brief  behandelt  die  Feuerkugeln,  Sternschnuppen  und 
Meteorsteine.  Er  hält  sie  für  kosmischen  Ursprungs  und  betrachtet  sie 
wie  kleine  Erdbildungen,  welche  jedoch  gewöhnlich  zerplatzen  in  Folge 
theilweise  eingegangener  chemischer  Verbindungen  ihrer  Elemente,  und 
in  die  Erdbahn  gelangen.  Dr.  K. 


I«    Aufsätze  uucl  Abliaiidluii^eii. 


1.    Ueber   einige  fossile  Knochen    und   Zähne 
des  Donauthals, 

I.     Aus   dem  Diluvial-   oder  älteren  Alluvialboden   bei 

Langenbrunn.     IL  Aus  einigen  Bohnerzgruben  der 

schwäbischen  Alb. 

Von    Dr.     G.    Jage  r.  *) 
(Mit  Taf.  II.  und  III.) 


I.     FossiUen  von  Langenbrunn. 

Herr  Baron  von  Meyen fisch  in  Sigmaringen  halte  die 
Güte  mir  im  April  und  Juni  1851  eine  Anzahl  fossiler  Knochen 
und  Zähne  aus  der  zuerst  genannten  Formation  zur  Bestimmung 
zu  übersenden.  Da  jene  zum  Theil  an  und  für  sich  ein  besonderes 
Interesse    darbieten,    so    glaubte    ich    einzelne    derselben    näher 


*)  In  Beziehung  auf  die  Citation  der  früher  von  mir  über  die  fos- 
silen Säugethiere  Württembergs  herausgegebenen  Scliriften  bemerke  ich, 
dass  ich  durch  die  Versetzung  des  Buchstabens  A  auf  das  grössere  Werk: 
Ueber  die  fossilen  Säugethiere,  welche  in  Württemberg  in  verschiedenen 
Formationen  vorkommen  in  zwei  Abtheilungen,  1835  u.  1839,  mit 
XX.  Tafeln  Folio  ;  durch  Vorsetzung  des  Buchstabens  B  auf  die  Nach- 
träge  zu  diesem  Werke:  Uebersicht  der  fossilen  Säugethiere,  weichein 
Württemberg  in  verschiedenen  Formationen  vorkommen,  in  den  Nova  Acta 
Naturae  Curios.  Tom.  XXII.  P.  2.  p.  768  mit  V  Tafeln  mich  beziehe. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  2s  Heft.  9 


--     130    - 

beschreiben  und  abbilden  lassen  zu  sollen.  Ein  Theil  der  an- 
geblich aus  dem  Steinbruche  bei  Langenbrunn  im  Donaulhaie 
gefundenen  Ueberreste  gehört  höchst  wahrscheinlich  dem  Diluvial- 
boden zu*)  namentlich  ein  grösseres  Bruchstück  der  rechten  Hälfte 


")  Diese  Vermutliuiig;  fand  ich  bestätigt  bei  einer  Besichtigung  des 
Fundorts  im  November  1852,  bei  welcher  ich  mich  der  Führung  des  Hrn. 
Barons  v.  Meyenfisch  zu  erfreuen  hatte.  Von  der  Sohle  des  Donau- 
thals, in  welchem  die  Donau  sich  mehrfach  Durchbrüche  zwischen  mäch- 
tigen Felsen  von  Jurakalk  geöffnet  hat,  zieht  sich  in  der  Nähe  von 
Langenbrunn  eine  Schlucht  durch  den  die  linke  Seite  des  Thals  begrän- 
zenden  Bergabhang.  Sie  ist  zwar  nicht  wie  andere  mit  ihr  gleichlaufende 
Schluchten  an  ihrem  Ausgange  durch  eine  Pforte  von  Jurakalkfclsen  ge- 
schlossen, indessen  mag  denn  doch  in  früheren  Zeiten  ein  Aufstauen 
des  Wassers  der  Donau  selbst  und  damit  eine  Stagnation  des  Wassers 
der  Donau  und  des  in  jener  Schlucht  gesammelten  Wassers  statt  gefunden 
haben,  das  ohne  Zweifel  in  einem  durch  Kalkblöcke  und  Gerolle,  Mo- 
lassesand und  eisenhaltigen  Thonboden  gebildeten  Kessel  abgeschlossen 
blieb.  Indem  dieser  bei  Ueberschwemmungen  mit  Wasser  sich  füllte, 
das  mehr  oder  weniger  Schlamm  mit  sich  führte  und  nachher  theilweise 
verdunstete,  nahm  der  Kalkgehalt  des  Wassers  in  Folge  der  Auflösung 
des  Kalks  der  Oberfläche  der  Felsmassen  selbst  und  der  grösseren  und 
kleineren  Gerolle  zu ,  welche  durch  den  Gehalt  des  Schlamms  an  Eisen- 
oxyd oder  Eisenoxydul  begünstigt  sein  mochte.  Es  erfolgte  damit  die 
Ausscheidung  des  Kalks  aus  dem  Wasser  in  der  Form  von  Süsswasser- 
kalk  oder  Tuffstein,  der  dem  sonst  auf  der  Alb  häufig  vorkommenden 
KalktufF  ähnlich  aber  härter  ist;  und  daher  nicht  mit  der  Säge,  sondern 
mit  dem  Meisel  und  Hammer,  wie  der  Mineralwasserkalk  von  Cannstatt 
zu  Bausteinen  verarbeitet  wird.  Wie  dieser  bildet  er  leere  oder 
in  der  Tiefe  mit  einem  braungrauen  Mergel  ausgefüllte  grössere  und 
kleinere  Höhlungen.  Der  ganze  Hügel  der  aus  solchen  Süsswasserkalk- 
massen  gebildet  ist,  und  sich  unmittelbar  an  den  Abhang  des  Jurakalks 
anlehnt,  hat  ungefähr  eine  Länge  von  200  F.  und  eine  Höhe  von  60 — 80  F. 
bis  zur  Thalsohle.  Etwa  20  F.  unter  seiner  Oberfläche  zieht  sich  unter 
den  Felsen  von  KalktufF  eine  mit  Mergel  ausgefüllte  Höhlung  in  ziem- 
lich horizontaler  Richtung  fort.  In  ihr  werden  vorzugsweise  die  fossilen 
Knochen  gefunden.  Ausser  den  von  Hrn.  Baron  v.  Meye  n  fisch  früher 
erhaltenen  Ueberresten  fand  ich  an  Ort  und  Stelle  1)  Bruchstücke  des 
Oberkiefers  eines  Wolfs  mit  dem  Eckzahne  und  dem  vierten,  fünften  und 
sechsten  Backzahne,  welche  die  eines  95  Lin.  langen  frischen  Schädels  an 
Grösse  übertrafen;  2)  Bruchstücke  des  Unterkiefers  eines  jungen  Wolfs ; 
3)  ein  Bruchstück  eines  Backzahns  des  Ursus  spelaeus  ;  4)  die  untere  Hälfte 
des  Oberarmknochens  des  Murmelthiers;    5)  den  vierten  oberen  Backzahn 


—     131     — 

des  Unterkiefers  mit  dem  Eckzahne  und  ersten  Backzahne  von 
einem  sehr  grossen  Ursus  spelaeus ,  indem  der  Eckzahn  die 
Grösse  des  (A.  Tab.  XII.  Fig.  18)  von  mir  abgebildeten  hat, 
zu  welchem  auch  ein  sehr  tief  abgeriebener  vierter  oberer  rechter 
Backzahn  und  auch  wohl  ein  paar  Schneidezähne  passen  würden. 
Zwei  andere  noch  nicht  abgeriebene  Backzähne  gehören  einem 
jüngeren  Thiere  zu.  Ebenso  gehören  vielleicht  einige  Zähne 
des  gemeinen  Pferds  dem  oberen  Boden  an;  der  eisenhaltige 
Sand  des  aus  einer  Mischung  von  Diluvialboden  und  Molasse 
bestehenden  Mergels  klebt  ihnen  jedoch  zum  Theil  fest  an ,  so 
wie  mehreren  andern  Ueberreslen,  indess  andere  durch  diesen 
Sand  nur  eine  Färbung  ins  Röthlichgelbe  oder  auch  ins  Graue 
erhallen  haben,  wie  namentlich  ein  Theil  der  zahlreich  vorgefun- 
denen Zähne  und  Kieferbruchstücke  einer  dem  Hypudaeus  aquaticus 
und  arvalis  verwandten  Mäuseart,  so  dass  das  äussere  Ansehen 
kein  bestimmtes  Kennzeichen  des  Fundorts  abgibt,  und  also  die 
folgenden  Ueberreste  wohl  grösstentheils  mit  Recht  als  in  dem 
mit  Molassesande  gemischten  Diluvial-  oder  älteren  Alluvialboden 
gefunden  anzunehmen  sein  dürften. 

A.  Von  reissenden  Thieren  fanden  sich  in  den  von 
Hrn.  von  Me^^en fisch  erhaltenen  Sendungen  von  Langenbrunn, 
ausser  den 

1)  zuvor  angeführten  Ueberresten  von  zwei  Individuen 
des   Vrsus  spelaeus  \ 


einer  Hirschart  von  der  Grösse  des  Axishirsclis;  6)  den  unteren  Theil 
des  Oberarmknocliens  eines  etwas  grösseren  Kirschs,  der  auch  wohl  dem 
gemeinen  Hirsche  zugehört  haben  könnte,  aber  mehr  das  Ansehen  fos- 
siler Knochen  hat,  als  die  entschieden  dem  gemeinen  Hirsche  zuge- 
hörigen Geweihstücke  ;  7)  mehrere  Ueberreste  namentlich  ein  Schädelbruch- 
stück  des  Stiers  klebten  stark  an  der  Zunge;  8)  in  grösserer  Zahl  kamen. 
Zähne  und  Knochen  des  Pferds,  namentlich  auch  Mittelfussknochen  (wie 
^bei  Cannstatt)  vor,  und  darunter  zeichnete  sich  ein  vollständig  erhaltener 
linker  Calcaneus  durch  seine  Grösse  aus:  9)  ausser  mehreren  Bruch- 
stücken von  Röhrenknochen,  namentlich  von  Oberarmknochen  fand  man 
einen  vollständig  erhaltenen  linken  Astragalus  des  Rhinoceros  tichorhinus, 
folglich  nahezu  Ueberreste  sämmtlicher  sonst  in  dem  Diluvialboden  oder 
älteren  Alluvialboden  gewöhnlich  vorkommenden  Säugethiere. 


—    132    — 

2)  von  Hyaena  spelaea  ein  sehr  tief  abgeriebener  zweiter 
linker  unlerer  Backzahn,  Taf.  II,  Fig.  1,  2,  der  zu  einem 
Bruchstücke  der  linken  Oberkieferhälfte  mit  einem  ebenso 
tief  abgeriebenen  dritten  Backzahne  und  einem  etwas  verstüm- 
melten vierten  Backzahne  passt,  die  somit  einem  sehr  grossen 
alten  Thiere  angehörten,  das  jedoch  etwas  kleiner  war  als  das 
Thier,  welchem  das  (A.  Tab.  XIV.  Fig.  5  u.  6)  abgebildete  Bruch- 
stück des  Oberkiefers  von  Cannstatt  angehört  halte.  —  Einem 
zweiten  Individuum,  das  mit  jenem  ziemlich  gleiche  Grösse  ge- 
habt haben  mochte,  gehört  ein  Bruchstück  der  rechten  Hälfte 
des  Oberkiefers  an,  in  welchem  der  dritte  und  vierte  Backzahn 
erhalten  ist.  Der  dritte  Backzahn  ist  etwas  weniger,  der  vierte 
etwas  tiefer  abgerieben,  als  bei  dem  vorigen  Exemplar,  doch 
wäre  es  immerhin  möglich,  dass  beide  Exemplare  einem  Thiere 
zugehört  hätten.  Dies  ist  ausser  Zweifel  bei  zwei  Bruchstücken 
der  rechten  und  linken  Hälfte  des  Oberkiefers,  von  welchen  die 
rechte  den  schon  tief  abgeriebenen  Eckzahn  und  die  zwei  fol- 
genden Backzähne  enthält,  der  vordere  linke  dagegen  fehlt.  Ein 
Bruchstück  des  vierten  rechten  Backzahns  könnte  gleichfalls  zu 
diesem  Thiere  gehört  haben,  dessen  Zähne  in  Grösse  und  Form 
fast  ganz  mit  denen  eines  grossen  vom  Cap  erhaltenen  Schädels 
der  Hyaena  crocuta  übereinkommen.  Zu  diesen  zwei  bis  drei 
alten  Thieren  zugehörigen  Exemplaren  kommt  nun  ein  Bruch- 
stück der  rechten  Oberkieferhälfte  eines  jungen  Thiers,  *)  in 
welchem  der  zweite  und  dritte  Backzahn  vollständig  erhalten 
ist  (Taf.  II.  Fig.  3,  4).  Der  letztere  ist  ziemlich  abge- 
rieben, zugleich  fängt  aber  der  erste  Ersalzbackzahn  an,  aus 
der  Alveole  hervorzutreten.  Ausserdem  gehören  diesem  Thiere 
der  loose  erste  obere  linke  Backzahn  und  ein  Bruchstück  des 
Keims  eines  vorletzten  unleren  Backzahns  zu.  Dieses  Kiefer- 
bruchstück bietet  insofern  ein  besonderes  Interesse  dar,  als  es 
auf  die  Yergleichung  des  Backzahns  von  Amphicyon  Eseri  Ptien. 


*)  Owen  (British  fossil  Mammals)  theilt  p.  157,  Fig.  61  die  Abbil- 
dung des  Unterkiefers  einer  jungen  Hyäne  aus  der  Kentshöhle  mit,  wo 
ebenso,  wie  in  den  Höhlen  von  Kirkdale  und  Oreston  Ueberreste  von 
jungen  Hyänen  gefunden  wurden. 


,      —     133    ~ 

führt,  welchen  ich  (B.  Tab.  LXXII.  Fig.2t)  copiren  Hess  und  dessen 
Verschiedenheit  von  dem  entsprechenden  Backzahne  des  Amphi- 
cyon  minor  und  intermedius  so  wie  mehrerer  ^rwandter  reissen- 
der  Thiere  ich  ebend.  p.  820  aus  einander  setzte,  und  jetzt  die 
Vermulhung  beifüge,  dass  jener  Zahn  von  Amph,  Eseri  vielleicht 
mit  dem  hier  angeführten  Milchzahne  der  Hyäne  übereinkomme. 

3)  a.  Der  vorletzte  obere  rechteBackzahnTaf.il.  Fig.  5  kommt 
in  der  Form  ganz  mit  dem  der  verschiedenen  Arten  der  Gattung 
Canis  und  in  Grösse  mit  dem  eines  Wolfs  überein ,  dessen  Schä- 
del eine  Länge  von  85'"  hat.  b.  Einem  etwas  grösseren  Schä- 
del von  95'"  Länge  des  gewöhnlichen  Wolfs  entspricht  das  später 
in  meiner  Gegenwart  aufgefundene  Bruchstück  der  rechten  Ober- 
kieferhälfte Taf.  in.  Fig.  62  mit  dem  dritten,  vierten  und  fünften 
Backzahne,  die  ich  der  vollständigeren  Vergleichung  wegen  von 
der  innern  Seite  zeichnen  liess.  Zu  diesem  Oberkiefer  gehört 
auch  der  vollkommen  erhaltene  rechte  Eckzahn,  Taf.  III,  Fig.  63, 64. 
Diese  Exemplare  geben  mit  Bestimmtheit  zu  erkennen,  dass  die 
Grösse  des  fossilen  Wolfs  auch  von  dem  jetzt  lebenden  noch 
erreicht  werden  kann. 

4)  Einem  kleineren  Wolfe  oder  Hunde,  etwas  grösser  als 
der  Canis  anthus,  dessen  Schädel  73'"  lang  ist,  gehört  der  erste 
obere  rechte  Backzahn  Taf.  II.  Fig.  6  zu,  so  wie  der  äussere 
obere  rechte  Schneidezahn  Fig.  7  u.  8,  der  jedoch  etwas  schmäler 
und  höher  als  bei  dem  C.  anthus  ist,  und  zu  dem  eines  Wind- 
spiels passt,  dessen  Schädel  eine  Länge  von  66"'  hat.  Er  könnte 
also  wohl  einem  jungen  Wolfe  angehört  haben,  von  welchem 
ich  später  Bruchstücke  des  Unterkiefers  mit  einigen  Zähnen  in 
Langenbrunn  fand. 

5)  Der  untere  Eckzahn  Fig. 9, 10  ist  nur  wenig  kleiner  als  der 
des  Schädels  eines  Fuchses  von  60'"  Länge,  ungefähr  von  der 
Grösse  des  unteren  Eckzahns  von  C.  pallidus.  Zu  diesem  Zahne 
würden 

6)  zwei  obere  Zähne  Taf.  IL  Fig.  11—12  in  Absicht  auf 
Grösse  ziemlich  passen,  jedoch  sind  sie  etwas  schmäler  und  die 
Kronen  nur  halb  so  lang  als  bei  dem  Canis  pallidus,  sie  kommen 
indess  sehr  nahe  mit  den  äusseren   oberen  Schneidezähnen  des 


-    134    — 

bemerkten  Schädels    eines  Fuchses    überein,    die  sie   nur  wenig 
an  Grösse  übertreffen.     Ebenso  dürften 

7)  als  die  ä^^sseren  oberen  Schneidezähne  einer  Hundeart 
anzusehen  sein  zwei  beinahe  gleichgrosse,  von  beiden  Seiten 
nach  hinten  zusammengedrückte  und  eine  scharfe  Kante  nach 
hinten  bildende  Zähne  Taf.  II.  Fig.  13,  14,  indem  sie  mit 
denen  eines  Windspiels  (von  66'"  Schädellänge)  übereinkommen, 
da  an  den  verschiedenen  Schädeln  von  Hunden  und  Füchsen  die 
kleinen  Modificationen  in  Form  und  Grösse,  welche  in  den 
voranstehenden  Beispielen  bemerkt  wurden,  ihre  entsprechenden 
Repräsentanten  finden. 

8)  Mehrere  Backzähne  Taf.  II.  Fig.  15,  16  gehören  entschie- 
den einer  Katzenart  zu;  darunter  waren  drei  hinterste  untere 
rechte  Backzähne,  die  in  Grösse  etwas  verschieden  aber  von 
völlig  gleicher  Form  und  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass  der 
hintere  Absatz  an  demselben  Zahne  stärker  entwickelt  ist,  als  bei 
den  Katzen,  namentlich  an  dem  in  Grösse  nahezu  übereinkom- 
menden hinteren  Backzahne  des  Luchses,  und  von  der  mittleren 
Erhöhung  getrennt  frei  hervorragt.  Für  die  Abbildung  ist  der 
in  Grösse  mittlere  der  drei  Backzähne  gewählt  worden.  Ent- 
schieden demselben  Thiere  gehören  zwei  in  Grösse  nur  sehr 
wenig  verschiedenen  Exemplare  des  zweiten  unteren  Backzahns, 
Taf.  II.  Fig.  17,  18,  welche  in  Grösse  und  Form  demselben 
Zahne  des  Luchses  sehr  ähnlich  sind,  jedoch  auch  mit  etwas 
stärkerer  Entwicklung  des  hintern  Ansatzes. 

9)  Das  Bruchstück  der  rechten  Unterkieferhälfte  Taf.  IL 
Fig.  19,  20  mit  dem  letzten  und  vorletzten  Backzahne  gehört 
ohne  Zweifel  dem  Agnotherium  antiquum  Kaup  an,  von  welchem 
ich  (A.  Tab.  IX.  Fig.  48,  49)  ein  Bruchstück  eines  vorletzten 
unteren  Backzahns  aus  den  Bohnerzgruben  am  Ochsenberg  bei 
Ehingen  habe  abbilden  lassen.  Diese  Zähne  haben  nahezu  die 
Grösse  der  Zähne  eines  Löwenschädels  von  115"'  Länge,  sie 
weichen  jedoch  in  Form  merklich  von  diesen  ab,  und  insbeson- 
dere ist  die  Form  der  einzelnen  Abtheilungen  des  vorletzten 
Backzahns  charakteristisch  für  Agnotherium  antiquum. 

10)  In  der  linken  Unterkieferhälfte  Taf.  II.  Fig.  21  eines 
Wiesels  (Mustela  vulgaris')  ist  der  kleine  höckerige  Backzahn, 


—    135    — 

so  wie  der  Fleischzahn  und  der  vor  diesem  stehende  dritte  Back- 
zahn erhalten.  Der  Knochen  und  die  Zähne  haben  zwar  kein 
frisches  Ansehen,  dürften  aber  doch  wohl  neueren  Ursprungs 
sein.     Dagegen  zeichnet  sich 

11)  der  Keim  eines  oberen  Backzahns  Taf.  II.  Fig.  22,  23, 
der  wegen  seiner  Aehnlichkeit  mit  dem  des  Ursus  americanus  als 
der  vorletzte  obere  linke  eines  zu  der  Familie  der  Suhursini  gehö- 
rigen Thiers  anzusehen  sein  möchte,  durch  seine  gleichförmige 
braune  Farbe  aus;  er  ist  indess  um  die  Hälfte  kleiner,  als  der 
des  amerikanischen  Bars,  also  ungefähr  von  der  Grösse  desselben 
Zahns  an  dem  Schädel  des  Dachses,  dem  er  aber,  so  wie  dem 
aller  anderen  Subursi  weniger  ähnlich  ist  als  dem  des  amerikani- 
schen Bars,  mit  Ausnahme  vielleicht  des  Diabolus  ursinus  von  Yan 
Diemensland  der  Cynogale  CPotamophilus) ,  sowie  des  ArcHctis  bin- 
turong,  deren  Schädel  ich  aber  nicht  in  der  Natur  vergleichen  konnte. 

B.     Von  Nagethieren  kam 

1)  eine  grosse  Zahl  von  Ober-  und  Unterkiefern  des  Hypu- 
daeus  amphibms  vor,  einige  gehören  vielleicht  auch  dem  Hypu- 
daeus  arvalis  zu.  Sie  schienen  relativ  neueren  Ursprungs  zu 
sein,  als  die  gleichnamigen  bei  Cannstatt  gefundenen  Ueberreste 
(A.  Tab.  XV.  Fig.  20—42).  Aus  fast  allen  sind  die  Backzähne 
ausgefallen  und  die  Kiefer  selbst  mehr  oder  weniger  beschädigt, 
so  dass  ich  blos  einen  beinahe  vollständig  erhaltenen  Unterkiefer 
Taf.  II.  Fig.  24  vorfand.  Während  die  Backzähne  Fig.  25  über 
die  Gattung  Hypudaeus  keinen  Zweifel  übrig  lassen,  geben  die 
Schneidezähne  und  die  Fortsätze  des  Unterkiefers  unzweifelhaft 
die  Aehnlichkeit  mit  den  übrigen  Nagern  und  namentlich  mit  den 
Mäusen  zu  erkennen.     Diesen  schliessl  sich  noch  bestimmter 

2)  das  Bruchstück  einer  linken  Unterkieferhälfte  Taf.  II. 
Fig.  26  mit  den  drei  Backzähnen  an ,  welche  wenig  in  Absicht 
auf  Form  von  denen  des  Hamsters  (Cricetus  frumentarius) 
abweichen,  aber  ebenso,  wie  das  Bruchstück  eines  oberen  Schneide- 
zahns Fig.  32  auf  eine  Grösse  des  Thiers  hinweisen,  welche  die 
gewöhnlichen  des  Hamsters  nahezu  um  ein  Drittheil  übertrifft, 
wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  dieselbe  bei  verschiedenen 
Individuen  auch  bei  sonst  normaler  Beschaffenheit  sehr  variirt. 
Mehrere  Ueberreste  setzen 


—     136    — 

3)  das  Vorkommen  des  Murmel thiers  (Arctomys  alpinus) 
ausser  Zweifel.  Das  Bruchstück  der  rechten  Unterkieferhälfle 
mit  den  vollkommen  erhaltenen  Zähnen  Taf.  II.  Fig.  27,  28  über- 
trifft den  Unterkiefer  eines  34'"  langen  Schädels  des  Alpenmur- 
melthiers  nur  wenig  an  Grösse,  doch  stimmt  die  Grösse  des 
Unterkieferbruchstücks  sowohl  als  eines  einzelnen  Schneidezahns 
des  rechten  Ober-  (Fig.  29)  und  Unterkiefers  (Fig.  30)  und  des 
dazu  gehörigen  Bruchstücks  einer  zweiten  rechten  Unterkiefer- 
hälfte mehr  zu  dem  vollständig  erhaltenen  Unterkiefer  des  Mur- 
melthiers  aus  der  Molasse  von  Eppelsheim  {Arctomys  primigenius 
Kaup),  das  selbst  wieder  etwas  kleiner  ist,  als  das  in  dem  san- 
digen LÖSS  von  Aachen  gefundene  Murmelthier  {Arctomys  aquis- 
granensis  Debey),  welche  ich  beide  nach  Originalien  vergleichen 
konnte,  die  ich  der  Gefälligkeit  der  Herren  Kaup  und  Debey 
verdanke.  Die  Länge  des  bei  Eppelsheim  gefundenen  Schädels 
beträgt  37'".  Ausser  den  angeführten  Bruchstücken  kamen  auch  noch 
ein  oberer  (Fig.  31)  und  ein  unterer  (Fig.  32)  Schneidezahn  vor, 
welche  nicht  einmal  die  Grösse  der  Schneidezähne  des  frischen 
Schädels  haben.  Es  dürfte  demnach  mit  Recht  zu  zweifeln  sein, 
ob  die  bisher  in  fossilem  Zustande  aufgefundenen  Ueberreste 
wirklich  auf  eine  oder  gar  zwei  Arten  von  Arctomys  zu  deuten 
seien,  welche  von  der  jetzt  noch  lebenden  verschieden  waren, 
indem  unter  drei  Schädeln  des  letzteren  die  Länge  32,  33 74'"  und 
36'"  beträgt,  unerachtet  die  gleichartige  Beschaffenheit  derSuturen 
auf  ein  beinahe  gleiches  Aller  schliessen  lässt,  so  dass  also  der 
Eppelsheimer  Schädel  nur  um  1'"  länger  ist,  als  der  zuletzt  an- 
geführte Schädel  eines  Alpenmurmelthiers.  Sehr  erwünscht  war 
mir  zu  weiterer  Vergleichung  der  an  verschiedenen  Fundorten 
gefundenen  Ueberreste  von  Murmelthieren  noch  die  auf  p.  130 
Note  *  bemerkte  untere  Hälfte  des  linken  Oberarmknochens  des 
Murmelthiers  Taf.  III.  Fig.  66  zu  erhalten,  indem  ich  denselben 
nicht  nur  mit  dem  zweier  Scelelte  erwachsener  Alpenmurmel- 
thiere  Fig.  65,- sondern  auch  mit  einem  vollständigen  Oberarm- 
knochen von  Eppelsheim  Fig.  67  und  mit  der  fast  an  der  gleichen 
Stelle  der  Diaphyse  abgebrochenen  unteren  (linken  und  rechten) 
Hälfte  zweier  Oberarmknochen  von  Aachen  Fig.  68,  69  verglei- 
chen konnte.     Es  ergibt  sich  daraus,  dass  die  Breite  des  untern 


—     137    — 

Gelenksendes  an  dem  linken  Knochen  vonLangenbrunn  von  Fig.  66 
a  bis  b  =  IOV4'",  ^"  ^^^  einen  von  Aachen  am  bedeutendsten 
=  I2V4'"  ist,  an  dem  (hier  auch  als  linken  gezeichneten)  rechten 
ebendaher  nur  10'"  beträgt,  bei  dem  Fig.  71  linken  von  Eppels- 
heim  dagegen  IIV2'".  An  den  zwei  Sceletten  lebender  Murmel- 
thiere  beträgt  die  Breite  derselben  an  dem  zu  dem  Schädel  von 
36"'  Länge  gehörigen  Oberarmknochen  Fig.  66  10'",  an  dem 
des  andern  Sceletts  mit  33"'  Schädellänge  nur  8V2'"-  Di-  zu 
der  äussern  Seite  der  Diaphyse  sich  heraufziehende  dünne  Gräthe 
ist  bei  den  fossilen  Knochen  etwas  mehr  entwickelt,  als  bei  den 
frischen  Knochen,  jedoch  ist  der  Unterschied  sehr  gering,  und 
verliert  dadurch  an  Bedeutung ,  dass  seine  Entwicklung  mit  dem 
Alter  zuzunehmen  scheint,  indem  er  an  dem  kleineren  rechten 
Oberarmknochen  von  Aachen  und  an  dem  kleineren  frischen 
Scelett  weniger  entwickelt  ist.  Allen  fossilen  und  frischen  Knochen 
ist  die  kleine  Oeffnung  der  Scheidewand  zwischen  der  vordem 
und  hintern  Gelenksgrube  gemein,  sie  fehlte  jedoch  vielleicht  an  dem 
linken  Oberarmknochen  Fig.  68;  bei  den  Knochen  von  Eppelsheim 
und  Aachen  ist  der  nach  dem  Innern  Gelenkshöcker  von  dem 
untern  Theil  der  Diaphysc  abgehende,  bei  dem  Knochen  von 
Langenbrunn  und  den  frischen  Knochen  fast  wie  bei  den  Katzen- 
arten abgesonderte  und  eine  Brücke  bildende  Fortsatz  c  nicht 
durch  einen  Zwischraum  von  dem  Knochen  getrennt,  sondern 
nur  durch  eine  entsprechende  Erhöhung  angedeutet.  Ob  letzterer 
Unterschied  bei  der  vollkommenen  Uebereinstimmung  in  der 
Form  anderer  Knochen,  z.  B.  des  Femur,  Cubitus ,  des  Becken- 
theils mit  der  Pfanne,  die  ich  vergleichen  konnte,  einen  speci- 
fischen  Unterschied  zwischen  den  Murmelthieren  der  drei  Fund- 
orte begründen  könnte,  muss  ich  bezweifeln;  jedenfalls  fällt  er 
zwischen  dem  Murmelthier  von  Langenbrunn  und  dem  Alpen- 
murmelthier  weg.  Des  Vorkommens  des  Murmelthiers  in  dem 
Diluvial-  oder  älteren  Alluvialboden  von  Cannstatt  habe  ich  zu- 
erst 1845  im  zweiten  Hefte  des  ersten  Jahrg.  der  würtlemb. 
naturw.  Jahreshefte  nach  einem  von  der  im  Jahr  1700  gemachten 
Ausgrabung  herrührenden  Lendenwirbel  erwähnt,  und  wiewohl 
diese  Deutung  nach  Hrn.  v.  Meyer's  Ausdruck  (Jahrb.  f.  Mi- 
neralogie 1847,  p.  184)  etwas  kühn  gewesen  sein  mag,  so  dürfte 


—     138    ~ 

sie  doch  durch  die  B.  pag.  889.  Tab.  LXXI.  Fig.  9-11)  mit- 
getheilte  Beschreibung  und  Abbildung  hinlänglich  begründet  sein. 
Sie  hat  überdies  durch  die  ebendaselbst  von  Hrn  v.  Meyer 
angeführte  Beobachtungen  über  das  Vorkommen  des  gewöhnlichen 
Murmelthiers  in  dem  Diluvium  von  Mosbach  bei  Wiesbaden  und 
sogar  von  mehreren  Exemplaren  aus  einem  Schachte  von  Käslrich, 
aus  dem  Diluvium  bei  Olmüz  im  Voigtlande  von  Kaup  und  aus 
einer  Höhle  bei  Schlangenberg  von  Fischer  von  Waldheim 
eine  Bestätigung  erhalten.  Es  liefert  somit  das  Vorkommen  der 
Ueberreste  des  Murmelthiers  bei  Langenbrunn,  einen  weiteren 
Beleg  für  die  weite  Verbreitung  dieses  Thiers  in  den  Ablage- 
rungen des  Diluviums  oder  älteren  Alluviums,  die  sich  eben 
damit  den  neueren  Ablagerungen  anschliessen  und  auf  eine  grös- 
sere Ausdehnung  der  Fauna  der  Alpen  und  durch  das  gleichzeitige 
Vorkommen  der  Ueberreste  des  Rennthiers  auf  eine  grössere  Aus- 
dehnung der  Fauna  des  Nordens  in  einer  früheren  Zeit  hinweisen. 
C.  Wiederkäuer. 
1)  a.  Das  vollständigste  Exemplar  ist  das  Bruchstück  der  linken 
Oberkieferhälfte  mit  dem  zweiten,  dritten  und  vierten  linken  Back- 
zahn Taf.  II.  Fig.  33,  34.  Der  Grad  der  Abreibung  der  Kronen  nimmt 
von  vornen  nach  hinten  ab,  so  dass  die  hintere  Hälfte  des  vierten 
Backzahns  nur  eine  Spur  von  Abreibung  zeigt.  Diese  fehlt  da- 
gegen ganz  an  dem  Keime  eines  wahrscheinlich  fünften  rechten 
Backzahns  Fig.  35,  36  (welchen  ich  als  linken  zeichnen  Hess, 
um  ihn  in  eine  Reihe  mit  den  vorigen  stellen  zu  können),  der 
ganz  in  die  am  hinleren  Theile  des  Kieferbruchslücks  befindliche 
Höhlung  der  noch  übrigen  Wand  der  Alveole  passt.  In  x4bsicht 
auf  Form  und  Grösse  kommen  diese  Zähne  ganz  mit  denen  eines 
Renthierschädels  von  123"'  Länge  überein,  an  welchem 
auch  nur  vier  Zähne  im  Gebrauche  waren,  und  die  zwei  hinteren 
noch  in  den  Alveolen  verborgen  sind.  *) 

*)  Dieser  Schädel  zeigt  noch  eine  eigenthüraliche  Beschaffenheit  der 
Geweihe,  die  in  der  von  Cuvier  Tom.  IV.  Tab.  4  mitgetheilten  Ueber- 
sicht  der  Geweihabänderungen  des  Rennthiers  nicht  dargestellt  ist.  Es 
fehlen  nämlich  an  beiden  Stangen  die  Augensprossen,  und  jene  theilen 
sich  erst  8 — 9"  über  ihrem  Ursprünge  gabelförmig  in  2  Sprossen,  von 
welchen  die  eine  den  Anfang  einer  weiteren  Theilung  zeigt. 


—     139     — 

b.  Das  Bruchstück  des  Stirnbeins  mit  dem  untern  Theile 
des  Geweihs  ebenfalls  ohne  Augensprossen  Taf.  II.  Fig.  37  scheint 
gleichfalls  dem  Rennthier,  etwa  Cervus  tarandus  Schottii  zuzu- 
gehören,  ist  aber  um  V3  etwa  dicker  als  das  des  oben  bemerkten 
Schädels  des  Rennthiers ;  es  gehörte  also  wahrscheinlich  einem 
älteren  Thiere  zu ,  als  das  Bruchstück  des  Oberkiefers.  Die  Be- 
schafTenheit  des  Geweihs  des  oben  bemerkten  Schädels  muss 
übrigens  zur  Vorsicht  in  Betreff  der  Schätzung  des  Werths  der 
Geweihstücke  für  die  Bestimmung  der  Species  von  Hirschen  auf- 
fordern. Hiezu  kommt  nun  noch  c)  der  untere  Gelenkstheil  des 
Oberarms  und  ein  vierter  oberer  Backzahn  eines  Hirschs  von  der 
Grösse  des  Dammhirschs,  wie  oben  schon  bemerkt. 

2)  Ein  Bruchstück  der  rechten  Unterkieferhälfte  mit  dem 
zweiten,  dritten,  vierten,  fünften  Backzähne  gehört  ohne  Zweifel 
dem  Schaafe  zu;  die  einzelnen  Zähne  kommen  in  Form  und 
Grösse  mit  denen  eines  100'"  langen  Schädels  eines  gemeinen 
Schaafs  überein;  der  Knochen  klebt  jedoch  ziemlich  stark  an  der 
Zunge.  Die  Zahnkronen  sind  tief  abgerieben  und  es  könnte  da- 
her ein  vierter  linker  oberer  Backzahn  wohl  zu  demselben  Thiere 
gehört  haben,  indess  ein  noch  fast  gar  nicht  abgeriebener  vierter 
oberer  rechter  einem  merklich  jüngeren  Thiere,  Schaaf  oder 
Ziege,  zugehört  haben  mochte.  Einem  dritten  Thiere  gehörte 
ein  Bruchstück  der  linken  Unterkieferhalfle  mit  den  zwei  hinteren 
ziemlich  tief  abgeriebenen  Backzähnen  zu.  Die  Grösse  der  letz- 
teren ist  merklich  geringer  als  die  derselben  Zähne  des  76'" 
langen  Schädels  einer  jungen  Ziege,  welchen  sie  übrigens  in 
Absicht  auf  Form  und  insbesondere  auch  in  Absicht  auf  die  sehr 
lange  Wurzel  ähnlich  sind. 

3)  Ein  frischeres  Ansehen  hat  der  vollständig  erhaltene  erste 
rechte  obere  Backzahn  eines  Stiers ,  der  durch  die  geringere 
Breite  von  innen  nach  aussen  und  die  grössere  Länge  seiner 
Krone  sich  von  dem  sonst  ähnlichen  Zahne  aus  den  Bohnerz- 
gruben  von  YöhringendorfT  Taf.  III.  Fig.  25 — 27  unterscheidet. 

4)  Ein  sehr  tief  abgeriebener  erster  rechter  unterer  Schneide- 
zahn Taf.  II.  Fig.  38,  39  kann  ebensowohl  einem  grossen  Stier  als 
einem  grossen  Hirsche  zugeschrieben  werden.  Für  erstere  Annahme 
spricht    die    beinahe    völlige    Uebereinstimmung    der   Form    der 


—     140     — 

vorderen  Seite  der  Krone  und  der  Abreibungsfläche  mit  dem 
ersten  rechten  unteren  Schneidezahn  eines  Bisonschädels  von 
17"  Länge;  nur  ist  der  fossile  Zahn  noch  etwas  grösser;  die 
schwärzliche  Färbung  des  Schmelzes  der  Krone  und  die  schwärz- 
lich braune  Farbe  der  Wurzel  entspricht  der  anderer  entschieden 
fossiler  Zähne  dieser  Ablagerung,  welchen  er  also  wohl  zuzu- 
zählen sein  dürfte,  wenn  er  gleich  nur  wenig  an  der  Zunge 
klebt,  wie  dies  der  Fall  ist  bei  dem  (A.  Tab.  V.  Fig.  59—61) 
abgebildeten  noch  grösseren  Schneidezahn  aus  den  Bohnerz- 
gruben,  den  ich  desshalb  nur  zweifelhaft  A.  pag.  22  den  Zähnen 
einer  grossen  Antilope  anreihte,  weil  er  mit  den  Schneidezähnen 
eines  Cervus  macrotus  am  meisten  Aehnlichkeit  hat.  Für  die 
zweite  Annahme,  dass  dieser  Schneidezahn  einer  sehr  grossen 
Hirschart  zugehört  habe,  könnte  angeführt  werden,  dass 

5)  bei  Grabung  eines  Brunnens  in  Sigmaringendorf  in  einer 
Tiefe  von  45'  ein  Bruchstück  des  rechten  Oberkieferknochens 
mit  den  zwei  hintersten  Backzähnen  und  der  geöffneten  Alveole 
des  vor  ihnen  stehenden  Backzahns  gefunden  wurde,  welche 
entschieden  einer  grossen  Hirschart  zugehört.  Der  Kiefer- 
knochen ist  von  grauer,  die  Zähne  von  bläulich  grauer  Farbe. 
An  letzteren  ist  die  äussere  Tafel,  von  dem  hintersten  Zahne  auch 
ein  Theil  des  hinteren  Bogens  weggebrochen.  In  Grösse  kommen 
sie  mit  den  bei  Cannstatt  gefundenen  oberen  Backzähnen  (A.  Tab. 
XVII.  Fig.  5)  überein.  Der  vorletzte  Zahn  zeichnet  sich  durch 
den  starken  Zapfen  in  der  Mitte  zwischen  den  zwei  Halbmonden 
aus,  gleichfalls  entsprechend  dem  fünften  oberen  rechten  Back- 
zahn (A.  Tab.  XVII.  Fig.  7)  von  Cannstatt.  Letzterer  ist  jedoch 
etwas  kleiner  als  der  des  Exemplars  Fig.  5  und  als  der  des 
Exemplars  von  Sigmaringendorf,  welches  ohne  Zweifel  dem 
Cervus  dama  giganteus  zugehört,  von  welchem  wenigstens  ein 
Bruchstück  eines  Geweihs  in  der  fürstlichen  Sammlung  zu  Sig- 
maringen aufbewahrt  ist,  das  wahrscheinlich  auch  in  der  Um- 
gegend gefunden  worden  war,  indess  kein  näherer  Grund  vor- 
vorliegt, das  in  Sigmaringendorf  gefundene  Kieferbruchstück 
dem  Cervus  strongyloceros  elaphus  zuzuschreiben  ,  dem  da- 
gegen der  untere  Theil  eines  sehr  grossen  Geweihs  zugehören 
könnte,    das  in  Grösse  das  Geweih  eines  Achtzehnenders  über- 


-     141     — 

trifft,  und  mit  der  des  Geweihs  eines  ausgewachsenen  canadisehen 
Hirschs  übereinkommt.  Mit  dem  gemeinen  Hirsche  hat  es  das 
nahe  Beisammenstehen  der  zwei  ersten  Sprossen,  deren  Anfang 
erhalten  ist,  gemein,  indess  es  dem  Geweihe  des  canadisehen 
Hirsches  durch  die  fast  ebene  Fläche  der  innern  Seite  ähnlicher 
ist  und  darin  auch  mit  den  in  Stuttgart  und  bei  Cannstatt  ge- 
fundenen Geweihstücken  (A.  p.  153.  Tab.  XVH.  Fig.  10—12) 
übereinkommt,  wesshalb  ich  die  Abbildung  von  Nr.  5  und  6 
hier  unterlasse,  indem  ich  dieselbe  einer  speciellen  Yergleichung 
der  in  den  verschiedenen  Formationen  Württembergs  vorkom- 
menden Wiederkäuer  vorbehalte. 
D.  Dickhäuter. 

1)  Von  dem  gewöhnlichen  Pferde  fanden  sich  in  dem 
eisenschüssigen  sandigen  Mergel  bei  Langenbrunn  mehrere  sehr 
gut  erhaltene,  schon  ziemlich  abgeriebene  obere  Backzähne,  die 
auf  eine  grosse  Rasse  schliessen  lassen,  ebenso  wie  der  Keim 
des  ersten  linken  oberen  und  des  ersten  rechten  unteren  Back- 
zahns, von  welchen  letzterer  eine  gelblichbraune,  ersterer  eine 
schwärzlichbraune  Farbe  zeigt,  die  bei  einem  tief  abgeriebenen 
dritten  linken  oberen  Backzahne  ins  Schwarzbraune  übergeht,  welche 
Farbe  auch 

2)  einem  Paar  weniger  gut  erhaltenen  Backzähne  (wahrschein- 
lich jedoch  nicht  bei  Langenbrunn  aufgefunden)  des  Hippotherium 
gracile  zukommt ,  die  dadurch  und  durch  ihre  Abrollung  den  in 
den  Bohnerzablagerungen  aufgefundenen  Zähnen  dieser  Gattung 
entsprechen.  Ein  vollkommen  erhaltener  Hufknochen  eines  Pferds 
hat  dagegen  die  gleichförmige  blass  ockergelbe  Farbe  mit  den 
oben  bemerkten  Geweihstücken  und  den  Bruchstücken  von  Kie- 
fern der  oben  unter  C  1  und  2  angeführten  Wiederkauern,  und 
den  unter  A.  2  angeführten  Kieferbruchstücke  der  Hyäne  gemein. 
Die  soeben,  sowie  die  oben  pag.  130  Note  *  angeführte  Knochen 
deuten  zum  Theil  auf  grosse  Pferde,  jedoch  fand  ich  keinen 
Knochen,  der  die  Grösse  der  auf  dem  Rosenslein  gefundenen 
erreicht;  vielmehr  zeigen  auch  die  hier  gefundenen  Ueberreste 
des  Pferds  eine  Abstufung  der  Grösse,  wie  die  bei  Cannstatt 
gefundenen.  Ein  kleines  Bruchstück  von  der  Krone  eines  Back- 
zahns   des    gewöhnlichen    Schweins    hatte    dieselbe    bläulichte 


—     142     - 

Färbung,  wie  ähnliche  mit  den  Bohnerzen  der  Alb  aufgefundenen 
Bruchstücke. 

4)  Die  aufgefundenen  Zähne  von  Rhinoceros  gehören 
wohl  dem  Rhinoceros  tichorhinus  zu,  wiewohl  sie  durchgängig 
kleiner  sind,  als  die  im  Diluvium,  z.  B.  bei  Cannstalt  aufgefun- 
denen Backzähne.  Letztere  zeigen  übrigens  ziemlich  verschie- 
dene Grössenverhältnisse ,  wie  die  zwei  vollständige  Zahnreihen 
des  Oberkiefers  eines  sehr  grossen  Schädels  des  Rhin.  tichorhinus 
beweisen,  w^elche  in  neuerer  Zeit  in  der  Nähe  von  Stuttgart 
aufgefunden  wurden,  indem  die  Zähne  gleichfalls  kleiner  sind, 
als  die  sonst  bei  Stuttgart  und  Cannstatt  aufgefundenen.  Ausser 
einem  zweiten  und  dritten  rechten  oberen  Backzahne,  welche 
noch  in  einem  bei  Hellingen  gefundenen  Bruchstücke  des  Kiefers 
Taf.  II.  Fig.  40  stecken,  fand  sich  der  zweite  obere  und  der 
vierte  obere  linke,  ersterer  weniger,  letzterer  ungefähr  ebenso 
stark  abgerieben  als  die  noch  in  dem  Kieferbruchslücke  steckende, 
sodann  der  Keim  eines  dritten  oder  vierten  oberen  rechten  Back- 
zahns Taf.  II.  Fig.  41  grösser  als  der  Keim  des  zweiten  oberen 
Backzahns  des  Rhin.  tichorhinus  von  Cannstatt.  Interessant  war 
mir  insbesondere  der  noch  sehr  junge  Keim  eines  wahrscheinlich 
dritten  oberen  linken  Backzahns  Fig.  42  zur  Vergleichung  mit 
dem  (A.  Taf.  IL  Fig.  15,  iß)  abgebildeten  schon  gebrauchten  Zahne 
des  Rhinoceros  von  Steinheim ,  da  der  Keim  von  Langenbrunn 
mit  diesem  fast  gleiche  Grösse  hat,  aber  ebenso  wie  von  dem 
A.  Taf.  IL  Fig.  13  u.  14  abgebildeten  Keime  des  fünften  oberen 
rechten  Backzahns  des  Rhinoceros  von  Steinheim,  das  noch 
etwas  kleiner  als  Rhin.  minutus  ist,  in  der  Form  abweicht.  Bei 
der  durchgreifenden  Verschiedenheit  der  Zähne  von  Langenbrunn 
von  denen  des  Rhin.  incisivus  und  minutus  und  ihrer  grossen 
Aehnlichkeit  mit  denen  des  Rhin.  tichorhinus  nehme  ich  keinen 
Anstand,  die  Identität  derselben  mit  letzterer  Species,  jedoch 
mit  der  Bemerkung  auszusprechen,  dass  sie  kleineren  Thieren 
angehörten ,  als  die  sonst  im  Diluvium  aufgefundenen  Zähne  des 
Rhin.  tichorhinus,  da  sie  nicht  wohl  als  Milchzähne  angenommen 
werden  können.  Immerhin  dürfte  es  nicht  unwahrscheinlich 
sein,  dass  jene  Zähne  von  Langenbrunn  ursprünglich  dem  Dilu- 
vialboden angehört  haben.     Das  ausschliessliche  oder  wenigstens 


-     143    — 

unzweifelhafte  Vorkommen  des  Rhin.  tichorhinus  bei  Langenbrunn 
besläligle  sich  mir  auch  durch  die  oben  angeführten  Knochen, 
namentlich  Oberarmknochen,  Radius,  Tibia,  und  den  vollkommen 
erhaltenen  linken  Astragalus  des  Rhin.  tichorhinus ,  der  die  frühern 
bei  Cannslatt  und  Stuttgart  gefundenen  noch  etwas  an  Grösse 
übertrifft. 

5)  Vom  Elephanlen,  Elephas  primigenius ,  fand  man  ein 
paar  kleine  Bruchstücke  eines  Stosszahns  oder  vielmehr  des  dich- 
teren Kerns  desselben  gegen  die  Spitze  zu.  Die  Länge  des 
grössten  desselben  beträgt  nur  2^2^»  und  der  längere  Durch- 
messer desselben  13'",  der  kürzere  10'".  Die  äussere  der  Länge 
nach  gestreifte  und  mit  dem  Kerne  concentrische  Schale  ist 
172'"  dick.  Zugleich  wurde  ein  durch  seine  Kleinheit  ausge- 
zeichneter Backzahn  des  Elephanten  Taf.  IL  Fig.  43  überschickt. 
Seine  Länge  beträgt  nur  2%",  die  grösste  Breite  nur  15"'. 
Wie  der  eine  der  von  Giebel  beschriebenen  Backzähne  seines 
Elephas  minimus  hat  der  fragliche  Zahn  9  Querlamellen,  von 
welchen  6  in  Abreibung  begriffene  zusammen  eine  2"  lange  und 
10'"  breite  Fläche  bilden.  Der  Zahn  ist,  wie  bei  den  grösseren 
Zähnen  des  Elephas  primigenius  mit  einer  an  den  Seiten  der 
abgebrochenen  Wurzel  2'"  dicken  Cämentschichte  bedeckt,  und 
gleicht  in  der  ganzen  Form,  der  Zunahme  der  Höhe  und  Dicke 
nach  hinten  und  den  noch  nicht  zur  Abreibung  gekommenen 
zwei  hintersten  Lamellen  ganz  den  in  gleicher  Stellung  befind- 
lichen Backzähnen  des  Mammuth  (Elephas  primigenius).  Er  hat 
also  ungefähr  die  Grösse  der  von  Buckland*)  dargestellten 
Backzähne,  und  ist  allerdings  das  kleinste  Exemplar,  das  mir 
unter  den  vielen  im  Diluvium  aufgefundenen  Backzähnen  vorge- 
kommen ist.  Das  von  Buckland  1.  c.  Fig.  2  abgebildete  Exem- 
plar ist  jedoch  noch  bedeutend  kleiner.  Buckland  leitet  aber 
auch  die  ungewöhnliche  Kleinheit  des  Zahns  von  der  Jugend 
des  Thiers  ab,  und  es  erscheint  diese  grosse  Differenz  in  der 
Grösse  allerdings  bei  den  Backzähnen  des  Mammuths  weniger 
unerwartet,  da  ihre  Erneurung  den  Elephanten  durch  das  ganze 
Leben  hindurch  zu  begleiten  scheint,    und  also  die  verschieden 


*)  Reliquiae  diluviauae  2d.  Edit.  pag.  18.    Tab.  7.    Fig.  1. 


—     144    - 

grossen  Backzähne  mit  dem  Alter  des  Thiers  und  dem  Wachs- 
Ihum  der  Kiefer  im  Verhältniss  stehen  dürften.  Es  scheint  über- 
dies nach  den  von  Fairholme*)  mitgetheilten  Beobachtungen 
eine  bedeutende  Verschiedenheit  der  Grösse  von  Elephanten  statt 
zu  finden ,  je  nach  dem  Vaterland.  Ein  solcher  aus  Ceylon  in 
dem  Regentsparke  zu  London  befindlicher  Elephant  war  nicht 
grösser  als  ein  kleiner  hochschotlischer  Ochs,  ohne  dass  speci- 
fische  Verschiedenheiten  zwischen  jenem  und  einem  indischen 
Elephanten  angegeben  sind,  der  gleichzeitig  daselbst  sich  befand. 
Auch  konnte  ich  keine  nähere  Verwandtschaft  mit  den  von 
Fischer  v.  Wald  heim  **)  und  Eichwald***)  aufgestellten, 
immerhin  noch  zweifelhaften  Arten  finden,  noch  auch  mit  einem 
vollkommen  ausgebildeten  Backzahne  von  SVg"  Länge  und  bei- 
läufig 18'"  Breite  der  Malmfläche ,  welcher  angeblich  aus  Sibirien 
und  mit  der  Bezeichnung  Eleph.  panicus  in  die  Sammlung  des 
Bergraths  Dr.  Hehl  gekommen  war,  und  dessen  äusseres  An- 
sehen sowohl  als  die  vollkommene  Ausbildung  der  Wurzeln  es 
wahrscheinlich  macht,  dass  er  einem  ausgewachsenen  Thiere  zu- 
gehört habe.  Allein  für  die  Annahme  einer  eigenen  kleineren 
Species  von  Mammuth  lässt  sich  immerhin  die  vollkommene 
Ausbildung  dieser  kleinen  Zähne,  die  namentlich  in  Russland 
häufiger  vorzukommen  scheinen ,  anführen.  Die  kleinere  Zahl 
lebender  Species  von  Elephanten  lässt  übrigens  der  Analogie  nach 
auf  eine  kleinere  Zahl  der  fossilen  Species  schliessen,  wie  die 
grössere  Zahl  fossiler  Species  von  Rhinoceros  mit  einer  grösseren 
Zahl  lebender  Species  zusammentrifft,  welche  erst  in  neuerer 
Zeit  noch  eine  Ergänzung  erfahren  hat. 

6)  Die  ziemlich  abgerollte  Krone  des  Backzahns  Taf.  IL  Fig.  44 
ist  mit  einer  dünnen  Schichte  Cämentsubstanz  umgeben,  und 
lässt  (Fig.  45)  auf  der  Kaufläche  die  querstehenden  durch  Cäment- 
substanz, wie  bei  dem  Elephanten  getrennten  Schmelzlamellen 
erkennen.     Man  könnte  daher   wohl  geneigt    sein,    diesen  Zahn 

'0  Froriep  Notizen  XLI,  Bd.  Nr.  893. 
**)  Nouveaux  Memoires  de  la  Societe  des  Natur,  de  Moscou  Tom.  1. 
"•'"'•=)  Nova  Acta  Nat.  Curios  Tom.  XVII.  Par.  2.     Weitere  genaue  Auf- 
schlüsse wird  hierüber  das  eben  begonnene  Werk  Eichwald  „Lethaea 
Rossica"  gewähren. 


—    146    — 

für  den  ersten  des  Ober-  oder  Unterkiefers  eines  jungen  Ele- 
phanten  anzusehen,  -wie  ihn  Blainville  von  dem  asiatischen 
und  afrikanischen  Elephanten  (Odontographie  Tab.  VII.  und  IX.) 
abgebildet  hat.  Die  näheren  Angaben  Blainville's  pag.  60— 66 
über  die  Schmelzlamellen,  die  Wurzeln  und  selbst  die  Verhält- 
nisse der  Grösse  lassen  diese  Annahme  nicht  wohl  zu  und  führen 
vielmehr  auf  die  Vermuthung,  dass  der  Zahn  einem  den  Pha- 
cochaerus  aethiopicus  ähnlichen  Säugethiere  zugehört  haben  dürfte, 
da  ausser  Phacochaerus  kein  anderes  Säugelhier  dem  Elephanten 
in  der  Stellung  der  Schmelzlamellen  der  Backzähne  ähnlich  ist. 
Die  hinterste  derselben  Fig,  45  a  hat  eine  hufeisenförmige  Biegung, 
die  zweite  b  schliesst  eine  unregelmässige  eiförmige  Verliefung 
ein ,  die  vorderste  c  eine  ähnliche  aber  breitere.  Ausser  der 
Stellung  der  Schmelzlamellen  kommt  auch  die  eigenthümliche 
Form  und  Richtung  der  hintern  Wurzel  der  des  dritten  oberen 
Backzahns  eines  jungen  Sus  (Phacochaerus)  aethiopicus  sehr 
nahe,  dessen  Schädel  Home*)  abgebildet  hat.  Bei  der  Versamm- 
lung der  Naturforscher  und  Aerzle  Deutschlands  in  Wiesbaden 
wurde  mir  indess  die  Gelegenheit  zu  Theil,  den  Schädel  eines 
neugeborenen  oder  wenigstens  sehr  jungen  indischen  Elephanten 
zu  untersuchen.  Es  ergab  sich,  dass  die  Krone  des  ersten  oberen, 
noch  mehr  aber  die  des  ersten  unteren  Backzahns  der  des  fos- 
silen sehr  ähnlich  ist,  aber  ihn  in  Dicke  und  besonders  in  Länge 
merklich  übertrifft,  wenn  man  auch  einige  Verminderung  der 
Dimensionen  des  fossilen  Zahns  in  Folge  der  Abreibung  in  Rech- 
nung bringt.  Die  Beschaffenheit  der  Wurzeln  der  vordersten 
Backzähne  des  indischen  Elephantenschädels  konnte  ich  jedoch 
nicht  untersuchen.  —  Zugleich  war  mir  Gelegenheit  gegeben, 
einige  dem  Elephas  primigenius  entsprechende  Backzähne  aus  den 
Höhlen  des  Dolomits  in  der  Gegend  von  Weilburg  im  Lahnthale 
zu  vergleichen,  welche  bei  aller  sonstigen  Aehnlichkeit  doch  noch 
kleiner  sind,  als  der  oben  unter  Nr.  5  angeführte  Backzahn  und 
gleichfalls  in  Verbindung  mit  häufigen  Ueberreslen  von  Hyaena 
spelaea  und  Rhinoceros  tichorhinus  vorkommen. 

Aus  dem  Alluvialboden  erhielt  ich  von  Schälzburg  ein  Bruch- 


*)  Lectures  on  comparative  Anatomy  Tab.  XXXIX.    Fig.  1. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.  2s  Heft.  10 


-    146    - 

stück  der  Jinken  Unterkieferhälfle  eines  jungen  Schweins,  von 
Inzighofen  eine  rechte  Unterkieferhälfte  des  Schweins  mit  vier 
Milchbackzähnen,  und  eben  daher  ein  Bruchstück  der  linken 
Unterkieferhälfle  mit  dem  hintersten  Backzahne  eines  Stiers  von 
mittlerer  Grösse. 

Abgesehen  von  dem  zuletzt  genannten  Fundorte,  bietet  die 
Ablagerung  von  Langenbrunn  ein  besonderes  Interesse  durch 
folgende  Resultate  über  das  Vorkommen  mehrerer  bisher  nicht  in 
unserer  Nähe  aufgefundenen  Säugethierarten  dar,  wobei  ich  nur 
zu  bedauern  habe,  dass  bei  einigen  derselben  nicht  mit  Gewiss- 
heil angegeben  werden  kann,  ob  sie  dem  oberen  Boden  (Dilu- 
vium oder  älteren  Alluvium)  oder  dem  Molassesande  ursprünglich 
angehören,  der  mit  Eisen  gefärbt,  wohl  auch  eine  Vermischung 
mit  der  Bohnerzablagerung  vermuthen  lassen  konnte,  indem 
manche  fossile  Ueberreste ,  wie  das  Agnotherium  bisher  blos  mit 
den  Bohnerzen  in  Württemberg,  in  ähnlichen  Zahnbruchstücken 
gefunden  worden  sind,  wie  in  der  Molasseablagerung  bei  Eppels- 
heim.  Auf  der  andern  Seile  haben  die  Ueberreste  mehrerer 
Hyänen  dieselbe  bestimmt  auf  ihr  Vorkommen  in  dem  eisenhal- 
tigen Molassesand  hinweisende  gelbe  Färbung,  unerachtet  sie 
bisher  nur  in  dem  Diluvium  oder  älteren  Alluvium  in  der  Gegend 
von  Cannstatt,  nicht  aber  in  den  Bohnerzablagerungen  der  schwä- 
bischen Alb  gefunden  worden  sind,  und  auch  in  der  Molasse- 
ablagerung von  Eppelsheim  zu  fehlen  scheinen.  Es  muss  auf- 
fallen, dass  hier  in  einem  verhältnissweise  kleinen  Räume  die 
Ueberreste  mehrerer  Individuen  von  Hyänen  gefunden  wurden, 
indess  ihre  Zahl  auch  in  dem  Diluvium  bei  Cannstatt  etc.  ver- 
hällnissweise  sehr  gering  ist.  Das  Vorkommen  des  Kiefers  einer 
jungen,  gerade  im  Zahnwechsel  begriffenen  Hyäne  deutet  wohl 
neben  der  guten  Erhaltung  des  Kieferbruchslücks  darauf,  dass 
die  Thiere  in  der  Nähe  lebten ,  obgleich  bis  jetzt  die  Hyaena 
spelaea  noch  nicht  neben  dem  Ursus  spelaeus  in  der  Erpfinger 
Höhle  aufgefunden  worden  ist.  Die  Zähne  von  Felis  deuten  auf 
das  ziemlich  häufige  Vorkommen  einer  Katzenart  von  der  Grösse 
des  Serval  oder  des  Luchs,  so  wie  andere  Zähne  kleineren  Arten 
des  Hunde-  oder  Fuchsgeschlechts  zuzuschreiben  sein  mögen, 
und  ein  grosser  Backzahn  sowie  das  später  gefundene  Bruchstück 


—     147    — 

des  Oberkiefers  höchst  wahrscheinlich  dem  gewöhnlichen  Wolfe 
zugehört.  Dabei  muss  die  verhällnissweise  grössere  Zahl  von 
Ueberresten  reissender  Thiere  hervorgehoben  werden,  die,  wenn 
auch  die  unter  3  u.  7  angeführten  Ueberreste  von  Canis  und 
die  unter  8  angeführten  Ueberreste  einer  Katzenarl  je  nur  für 
einer  einzigen  Species  zugehörig  angenommen  werden,  doch  auf 
7  Species  hinweist.  Sie  steht  insbesondere  nicht  in  dem  sonst 
beobachteten  Verhälluisse  mit  der  Zahl  der  Ueberreste  pflanzen- 
fressender Thiere.  Unter  diesen  gehört  das  Murmelthier  ohne 
Zweifel  dem  gewöhnlichen  Alpenmurmelthiere  zu.  Von  letzterem 
ist  vielleicht  das  in  der  Molasse  bei  Eppelsheim  und  dem  san- 
digen Löss  bei  Aachen  gefundene,  nicht  specifisch  verschieden, 
es  kommt  indess  im  Ganzen  nur  selten  und  nur  in  einzelnen 
sparsamen  Ueberresten  mit  denen  des  Rennthiers  in  dem  Dilu- 
vium vor.  Das  Murmelthier  und  Rennthier  begleiten  also  auch 
in  der  Ablagerung  von  Langenbrunn  andere  grössere  Hirsch- 
arten, welche  auch  an  andern  Orten  dem  Diluvium  nicht  fehlen. 
—  Ebenso  theilt  die  Ablagerung  von  Langenbrunn 'mit  dem  Di- 
luvium das  Vorkommen  des  Pferds,  des  Rhinoceros  tichorhinus, 
des  Elephanten,  indess  die  beiden  letzteren  Pach^dermen  durch 
ihre  kleineren  Dimensionen  vielleicht  etwas  Eigenthümliches  haben. 
Die  dem  Luchs  in  Grösse  ungefähr  gleiche  Katzenart,  und  viel- 
leicht ein  zu  den  Subursinis  gehöriges  Raubthier  würden  als 
Zuwachs  zu  der  bisher  bekannten  fossilen  Fauna  unserer  Gegen- 
den anzusehen  sein,  indess  sehr  ergiebige,  den  bisher  bekannten 
entsprechende  Fundorte,  welche  in  neuerer  Zeit  aufgeschlossen 
worden  sind,  zwar  einen  sehr  grossen  Reichthum  an  Individuen 
bereits  bekannter  Arten  beurkunden,  aber  ohne  einen  bedeuten- 
den Zuwachs  neuerer  Arten  oder  Gattungen  zu  liefern.  Es  gilt 
dies  insbesondere  von  der  Bohnerzablagerung  von  Frohnsletten, 
während  die  Bohnerzablagerung  bei  Vöhringendorff  eine  verhält- 
nissweise reichere  Ausbeute  von  Gattungen  und  Arten  gewährt 
hat  und  darin  mehr  der  früheren  in  meinem  Werke  erwähnten 
Bohnerzgruben  von  Salmendingen  u.  s.  w.  entspricht. 


10* 


-    148    - 

II.     üeberresle  von  Säiigethieren  aus  einigen  Bohnerz- 
gruben  der  schwäbischen  Alb.  '^) 

A)  lieber  die  aus  der  Bohnerz  ablagerung  vonVöhrin- 
gendorff  erhaltenen  Ueberreste  habe  ich  zuerst  im  Allgemeinen 
zu  bemerken,  dass  sie  sich  durch  ihre  blassgelbe  Farbe  und  die 
zugleich  mehr  oder  minder  ausgedehnte  Flecken  oder  auch  un- 
regelmässige dendritische  Figuren  von  schwarzer  Farbe  von  den 
durchweg  ockergelb  gefärbten  Knochen  und  Zahnwurzeln  und  den 
fast  durchaus  dunkelkastanienbraun  gefärbten  und  zugleich  polirten 
Zahnkronen  von  Frohnstetten  auszeichnen.  Es  kamen  in  Vöhrin- 
gendorff  ferner  nur  wenige  Exemplare  von  Palaeotherien  und 
Anoplotherien  vor,  die  dagegen  von  Frohnstetten  in  überwiegen- 
der Zahl  erhalten  wurden,  wo  dagegen  nur  wenige  der  in  Vöh- 
ringendorff  gefundenen,  anderen  Säugethierabtheilungen  angehö- 
rigen  Ueberreste  gefunden  wurden,  namentlich  gilt  dies 

A.  von  den  Ueberresten  reissender  Thiere. 

1)  Die  beiden  Schwanzwirbel  a  und  b  Taf.  III.  Fig.  1  u.  2  ge- 
hören ohne  Zweifel  einer  Katzena  rt  zu,  welche  etwas  grösser 
war,  als  eine  erwachsene  Felis  onca,  deren  Schädel  von  dem 
vorderen  Rande  des  Hinterhauptslochs  bis  zum  hinteren  Alveolar- 
rande  der  Schneidezähne  eine  Länge  von  SOVa'"  1^^^- 

a)  Die  Länge  des  Schwanzwirbels  Fig.  1  von  der  vordem  m 
zur  hinteren  n  Gelenksfläche  beträgt  17  V2",  bei  der  Felis  onca 
13'";  er  hat,  wie  bei  dieser  Fig.  1.  vornen  sechs,  hinten  drei 
Apophysen  um  die  betreffende  Gelenksfläche  des  Wirbelkörpers. 

b)  Der  zweite  Schwanzwirbel  Fig.  2  ist  in  der  Mitte  abge- 
brochen; das  wahrscheinlich  hintere  Enden  des  Wirbelkörpers 
hat  nur  vier  Hervorragungen  um  das  Gelenk.  Unerachtet  des 
etwas  frischeren  Ansehens  kleben  doch  beide  Knochen  stark  an 
der  Zunge.     Der  Wirbel  Fig.  1  unterscheidet  sich  von  dem  des 


*)  Vgl.  darüber  a)  den  Vortrag  des  Hrn.  Pfarrverwesers  Fr  aas 
über  tertiäre  Ablagerungen  auf  den  Höhen  des  Heuberges.  Württemb. 
Jahresb.  VHI.  Bd.  1.  H.  p.  56.  b)  desselben  Beiträge  zu  der  Palaeo- 
therienformation  das  2.  Heft  p.  218.     Mit  Tab.  VI.  u.  VIL 

Quenstedt  württemb.  naturw.  Jahresh.  VI.  Jahrg.  2tes  Heft, 
p.  164  und  Handbuch  der  Petrefaktenkunde  1852. 


—    149    — 

Hunds  und  Wolfs  nicht  nur  durch  seine  verhältnissweise  grössere 
Länge,  indem  die  Länge  des  sechsten,  siebenten  und  achten 
Schwanzwirbels  eines  jungen  Wolfs,  die  etwa  dem  fossilen  Wirbel 
entsprechen  könnten,  nur  11'"  oder  etwas  weniger  beträgt,  in- 
dess  die  angeführten  und  die  folgenden  Schwanzwirbel  durch  die 
mehr  runde  cylindrische  Form  ihres  mittleren  Theils  von  dem 
fossilen  abweichen,  der  dagegen  durch  die  von  oben  nach  unten 
etwas  zusammengedrückte  Form  mehr  mit  den  entsprechenden 
W^irbeln  der  Katzen  übereinkommt.  Dass  dabei  übrigens  nicht 
an  den  Luchs  gedacht  werden  kann,  von  welchem  in  der 
Willlinger  Höhle  ein  grosser  Theil  des  Sceletts  von  Herrn 
Forstrath  Grafen  v.  Mandelslohe  aufgefunden  wurde  (vgl. 
A.  p.  96)  und  vor  einigen  Jahren  sogar  ein  ausgezeichnetes 
Exemplar  bei  Wiesenstaig  geschossen  wurde*),  braucht  bei  der 
Kürze  seines  Schwanzes  und  der  einzelnen  Schwanzwirbel  kaum 
erinnert  zu  werden.  Dasselbe  gilt  von  dem  Bären  und  wenn 
auch  in  minderem  Maasse  von  der  Hyäne.  An  dem  Scelett  eines 
längere  Zeit  in  einer  Menagerie  erhaltenen  Leoparden,  an  wel- 
chem jedoch  die  an  mehreren  Röhrenknochen  befindlichen  Knochen- 
auswüchse eine  krankhafte  Beschaffenheil  zu  erkennen  geben,  hat 
ein  Schwanzwirbel  zwar  gleiche  Länge  mit  dem  ihm  entsprechen- 
den fossilen  a,  ist  aber  merklich  dicker.  Die  Annäherung  beider 
Knochen  in  Absicht  auf  Form  und  Grösse  ist  jedoch  insofern  zu 
bemerken,  als  der  Leopard  allein  unter  den  grösseren  Katzenarten 
möglicherweise  über  einen  Theil  Südeuropas  verbreitet  gewesen 
sein,  oder  zeitweise  südeuropäische  Länder  besucht  haben  könnte, 
so  lange  diese  noch  nicht  von  Afrika  durch  Meer  getrennt  waren. 

c)  Durch  eine  mehr  gelbe  Farbe  unterscheiden  sich  von 
den  Schwanzwirbeln  die  zwei  Phalangen  c.  d.  Fig.  3,  4,  welche 
jedoch  vermöge  ihrer  Form  gleichfalls  einer  Katzenart  zugehören, 
namentlich  gilt  dies  von  der  hinteren  Phalanx  c.  Taf.  HI.  Fig.  3, 
welche  die  gleiche  Länge  mit  der  ersten  Phalanx  der  kleinen 
Zehe  des  Jaguar  (Felis  onca)  hat,  deren  vorderes  Gelenk  dagegen 
breiter  ist,  als  das  der  fossilen  Phalanx. 

d)  Die  andere  erste  Phalanx  Fig.  4  übertrifft  an  verhältniss- 


*)  Vgl.  Jahreshefte  2ter  Jahrg.  2.  H.  p.  123. 


—     150    — 

weiser  Breite  merklich  die  der  Katzen  und  anderer  reissenden 
Thiere  und  sie  dürfte  vielmehr  einem  Sohlengänger  und  selbst 
vielleicht  einem  Dickhäuter ,  namentlich  einem  Anoplotherium 
zuzuschreiben  sein,  deren  Phalangenform  der  der  reissenden 
Thiere  nicht  so  ferne  steht,  als  die  Entfernung  der  sonstigen 
zoologischen  Charaktere  erwarten  lässt.  Die  folgenden  Zähne 
und  Knochen  scheinen  dagegen  einem  anderen  reissenden  Thiere 
angehört  zu  haben.     Von  ersteren  kommt 

a)  der  vorletzte  linke  obere  Backzahn  Fig.  5  in  der  Zahl 
von  drei  Wurzeln  und  der  Form  der  Krone  und  ihrer  einzelnen 
Theile  vollkommen  mit  dem  entsprechenden  Zahne  eines  5"  lan- 
gen Schädels  des  gemeinen  Fuchs  überein,  nur  ist  er  etwas 
breiler  von  aussen  nach  innen  und  sein  Gaumentheil  etwas 
schmäler,  als  der  des  Fuchses,  und  er  nähert  sich  dadurch  einiger- 
maassen  dem  entsprechenden  Zahne  der  Yiverren  und  Herpestes. 

b)  der  obere  Theil  eines  rechten  Eckzahns  Fig.  6  kommt 
gleichfalls  mit  dem  unleren  Eckzahne  des  Fuchsschädels  auch  in 
der  kleinen  Abreibung  seiner  Spitze  überein. 

c)  Ein  kleineres  Bruchstück  eines  linken  Eckzahns  Fig.  7 
könnte  wohl  derselben  Art  und  sogar  demselben  Individuum  zu- 
gehört haben.  Beide  Eckzähne  b  und  c  unterscheiden  sich 
übrigens  von  denen  des  Hundes  und  Fuchses  durch  die  etwas 
mehr  als  bei  diesen  hervorstehenden  hinteren  Kante. 

d)  Das  obere  Ende  eines  Radius  Fig.  8  weicht  von  dem  des 
Scelelts  eines  Fuchses  nur  durch  etwas  grössere  Breite  und  Dicke  ab. 

e)  Ein  vollständig  erhaltener  linker  Calcaneus  Fig.  9  misst 
auf  seiner  äusseren  Seite  von  der  vorderen  Gelenksfläche  bis 
zur  Spitze  des  Fersenfortsatzes  ITVj'",  der  des  Fuchses  15%'"' 
eines  erwachsenen  Wolfs  25 V4'",  der  Felis  onca  28'". 

f)  Ein  dazu  gehöriger  Astragalus  ist  Fig.  10  ungefähr  in 
gleichem  Verhältnisse,  wie  der  Calcaneus  grösser  als  der  des 
Fuchses. 

g)  Von  drei  ohne  Zweifel  demselben  Thiere  angehörigen 
hinteren  Phalangen  ist  nur  eine  Fig.  11,  ab  ganz  erhalten,  von 
zwei  andern  aber  nur  der  obere  Theil  mit  der  Gelenksfläche. 
Die  grössere  Aehnlichkeit  derselben  mit  der  der  Katzen  gegen- 
über  von   der  des  Fuchses    insbesondere   ist   auffallend,    sofern 


-    151    — 

bei  letzterem  die  hintere  Plialanx  überhaupt  etwas  schmächtiger 
und  -weniger  breit  und  von  oben  nach  unten  zusammengedrückt 
ist.  Die  Länge  der  ganzen  fossilen  Phalanx  beträgt  9'",  bei 
der  Felis  onca  15'".  Somit  dürfte  sich  wohl  als  Resultat  er- 
geben, dass  die  unter  Nr.  2  a — g  angeführten  Zähne  und  Knochen 
einem  Kaubthiere  zugehört  haben,  das  etwas  grösser  als  der 
Fuchs  und  im  Zahnbau  ihm  ähnlich  war,  in  dem  Bau  der  Ex- 
tremitäten sich  aber  mehr  den  Katzen  und  Viverren  näherte; 
vielleicht  also  Amphicyon  Eseri? 

B.  Das  Vorkommen  von  Nagern  geben  folgende  Ueber- 
reste  zu  erkennen,  von  welchen  der  erste 

1)  ungefähr  die  Grösse  eines  grossen  Eichhorns  gehabt  haben 
mochte,  dessen  Scelett  auch  die  von  Hrn.  Prof.  Quenstedt, 
Handbuch  Taf.  IH.  Fig.  17—23  und  27,  abgebildete  Knochen  sehr 
ähnlich  sind,  sowie  die  damit  nahezu  übereinstimmende,  welche 
ich  vergleichen  konnte,  und  damit  stimmen  denn  auch  wohl  die 
Zähne  überein,  welche  Quenstedt  ebendaselbst  Fig.  24 — 26 
abbildet.  Wenn  auch  die  von  mir  untersuchten  Knochen  etwas 
grösser  als  die  von  Quenstedt  untersuchten  sein  dürften,  so 
sind  sie  doch  beträchtlich  kleiner,  als  die  des  Murmelthiers, 
zwischen  das  und  das  Eichhorn  Quenstedt  1.  c.  p.  43  die  in 
den  sigmaringischen  Bohnerzen  in  grosser  Zahl  vorkommenden 
Nagerknochen  seiner  Sciurini  stellt,  deren  Bestimmung  auch  durch 
die  von  ihm  abgebildeten  Zähne  des  Ober-  und  Unterkiefers  be- 
stätigt zu  werden  scheint,  welche  ich  nicht  in  der  Natur  ver- 
gleichen konnte.     Von  den  hieher  gehörigen  Knochen  kommt 

a)  das  obere  Ende  des  rechten  Schenkelknochens  Taf.  III. 
Fig.  12,  m— n  mit  dem  der  Cavia  acuti  in  der  Form  sehr  nahe 
überein.  Damit  ist  jedoch  keineswegs  die  Vermuthung  ausge- 
sprochen, dass  das  fossile  Thier  dieser  Galtung  zugehören  möchte. 
Der  Schenkelknochen  Fig.  12  ist  grösser  als  der  von  Quen- 
stedt I.e.  Taf.  III.  Fig.  21  abgebildete,  dagegen  ist  die  Pfanne 
Fig.  13  gleich  gross  mit  der  Fig.  18  bei  Quenstedt,  welche 
der  Kopf  des  Schenkelknochens  Fig.  21  nicht  ganz  ausfüllen 
würde.     Dazu  passt  vollkommen 

b)  die  an  dem  Bruchstücke  der  linken  Beckenhälfte  befind- 
liche Pfanne  Fig.  13.     Ferner 


—     152    — 

c)  der  obere  Theil  des  linken  Radius  Fig.  14  ist  gleichfalls 
grösser  als  der  Radius  Quenstedt's  Fig.  20, 

d)  die  rechte  und  linke  Tibia  mit  dem  untern  Gelenke  Fig.  15 
stimmt  in  dem  Verhältnisse  der  Grösse  mit  c  zusammen. 

2)  Merklich  kleiner  und  kaum  von  der  Grösse  der  Ratte 
oder  des  Bathyergus  capensis  sind 

a)  zwei  Bruchstücke  des  Oberarmknochens  Fig.  16,  17  mit 
ziemlich  vollständig  erhaltenem  unterem  Gelenke,  dessen  Grube 
eine  kleine  Oeffnung  zeigt,  wie  dies  auch  an  dem  Oberarmknochen 
der  Cavia  acuti  in  auffallendem  Grade  der  Fall  ist,  deren  Cubitus 
und  Radius,  sowie  der  Astragalus  und  der  Calcaneus  mit 
den  entsprechenden  fossilen  b,  c,  d,  e  Fig.  18,  19,  20,  21  in  Ab- 
sicht auf  die  Form  mehr  Aehnlichkeit  haben,  als  mit  denjenigen 
anderer  Nager. 

b)  Mit  diesen  Knochen  kam  ein  Bruchstück  eines  Unter- 
kiefers Fig.  22  mit  einem  Bruchstücke  des  Schneidezahns  vor, 
der  wie  Fig.  23  ziemlich  breit  und  plattgedrückt  ist,  indess 

c)  der  untere  Schneidezahn  Fig.  24  merklich  schmäler  und 
spitziger  ist,  und  darin  mit  dem  von  Mus  decumanus  ziemlich 
übereinkommt.  Es  ist  übrigens  zu  bemerken,  dass  das  obere 
Ende  des  Schenkelknochens  Nr.  1,  a  Fig.  12  dem  mancher  reis- 
sender  Thiere,  namentlich  Viverra  zibetha  sehr  ähnlich  ist.  Durch 
den  tieferen  Einschnitt  zwischen  dem  Trochanter  major  und  dem 
Gelenkskopfe  aber  mehr  mit  einigen  Nagern ,  z.  B.  Cavia  über- 
einkommt. Das  Becken  1  b  Fig.  13  ist  durch  den  bedeutend 
hervorragenden  Höcker  oberhalb  der  Pfanne,  sowie  durch  die 
Vertiefung  auf  der  Innern  Seite  des  Beckens  dem  den  Nagern 
ähnlicher,  als  dem  der  reissenden  Thiere. 

C.     Wiederkäuer. 

1)  Der  erste  obere  linke  Backzahn  Taf.  III.  Fig.  25 --27  von 
noch  frischerem  Ansehen  und  nicht  an  der  Zunge  klebend,  kommt, 
die  etwas  geringere  Grösse  abgerechnet,  beinahe  ganz  mit  dem 
(A.  Tab.  V.  Fig.  46  abgebildeten)  Zahn  von  Antilope  major  überein. 
Für  die  Annahme  des  Vorkommens  eines  den  Antilopen  zu- 
nächst stehenden  oder  damit  übereinkommenden  Wiederkäuers  in 
den  Bohnerzgruben  konnten  früher  mehrere,  wie  mir  auch  jetzt 
noch  scheint,  unzweifelhafte  Belege  (vgl.  oben  p.  139  Nr.  3  u.  4, 


—    153    — 

A.  p.  22  Tab.  V.  Fig.  46—56  und  pag  72  Tab.  X.  Fig.  48,  49) 
angeführt  werden,  indess  der  vorliegende  Zahn  allerdings  Zweifel 
gegen  die  Richtigkeit  dieser  Bestimmung  erregen  könnte;  ich 
gestehe  jedoch,  dass  ich  ihn  keinem  andern  Wiederkäuer  zuzu- 
weisen wüsste,  da  er  mit  keinem  der  bei  uns  lebenden  Wieder- 
käuer übereinkommt» 

2)  Die  folgenden  Zähne,  nämlich 

a)  der  Keim  des  fünften  oberen  rechten  Backzahns 
Fig.  28,  29  und 

b)  die  unteren  Backzähne,  wovon  drei  Fig.  30,  31,  32  von 
aussen,  Fig.  33, 34  von  innen  gezeichnet  sind,  gehören  ohne  Zweifel 
dem  Palaeomeryx  minimus  zu,  wie  sich  aus  Vergleichung  der- 
selben mit  den  Abbildungen  (B.  Tab.  LXXII.  Fig.  27—32)  ergibt, 
und  damit  würden  zu  vereinigen  sein 

c)  das  untere  Ende  eines  rechten  Oberarmknochens  Fig.  36, 
an  welchem  die  beiden  Gruben  hinler  dem  untern  Gelenke  aller- 
dings tiefer  als  bei  den  Hirscharten  sind  ,  und  deren  Scheide- 
wand sogar  durchbrochen  ist,  ohne  Zweifel  jedoch  nicht  ursprüng- 
lich, sondern  in  Folge  des  Versuchs  die  in  den  Gruben  fest- 
sitzenden Bohnerzkörner  zu  entfernen. 

d)  Dazu  könnte  ein  Radius  gehören,  an  welchem  jedoch 
beide  Gelenksenden  abgebrochen  sind,  ferner 

e)  ein  linker  Astragalus  Fig.  37,  38,  der  mit  dem  der  Jnti- 
lope  pygmaea  gleiche  Länge  hat,  aber  etwas  schmäler  ist,  und 
mit  dem  des  Palaeomeryx  minimus  aus  der  Ablagerung  des 
Mainzer  Beckens  vollkommen  übereinkommt,  wovon  ich  mehrere 
Exemplare  der  gefälligen  Miltheilung  des  Hrn.  Prof.  v.  Klipp- 
stein verdanke,  indess 

f)  eine  mittlere  Phalanx  Fig.  39  etwas  länger  und  dicker 
ist,  als  die  des  Vorderfusses  einer  Antilope  pygmaea, 

3)  Die  noch  in  einem  Bruchstücke  des  rechten  Oberkiefer- 
knochens steckenden  zwei  letzten  Backzähne,  wovon  Fig.  40  die 
natürliche  Grösse,  Fig.  41,  42  die  etwa  zweimalige  Yergrösserung 
angibt  und  das  untere  Gelenk  einer  Tibia  weisen  auf  ein  Thier 
hin,  das  etwa  von  der  Grösse  des  Moschus  javanicus,  aber  noch 
kleiner  als  das  Microtherium  Rengyeri  von  Weisenau  gewesen 
sein  möchte.     Bei    der  Aehnlichkeit   der  Zähne    mit  denen  von 


—    154     - 

Palaeomenjx  wird  es  wahrscheinlich,  dass  jene  einer  noch  kleinern 
Art  als  P.minimus  zugehört  haben,  welche  ungefähr  die  Grösse 
des  Anoplotherium  murinum  gehabt  haben  würde.  Dabei  ist  selbst 
auf  die  Aehnlichkeit  in  dem  Bau  der  Zähne  der  angeführten 
Wiederkäuer  mit  denen  von  Anoplotherium  um  so  mehr  hinzu- 
weisen,  als  nach  der  Bemerkung  Blainville's  (1.  c.  Anoplo- 
therium pag.  132)  über  die  Stellung  des  Anoploth.  leporinum 
noch  Zweifel  obwalten,  und  er  sogar  bei  dem  nach  einem  Unter- 
kiefer aufgestellten  Anopl.  minimum  oder  murinum  eine  Verwechs- 
lung mit  dem  Unterkiefer  eines  sehr  kleinen  Wiederkäuers  annimmt. 
D.  Von  Dickhäutern  wurden  mir  nur  wenige  und  nicht 
gut  erhaltene  Ueberreste  von  Vöhringendorff  angeboten,  und  ich 
übergehe  sie  daher  und  erwähne  nur  kurz  der  mir  von  Baron 
V.  M  eye  n  fisch  mitgelheilten  Erfunde  von  einigen  andern  Bohn- 
erzgruben,    namentlich 

B)  die  Bohnerzgrube  bei  Schmeien,  aus  welcher  ich 
Zähne  von  Acerotherium  incisivum ,  Rhino cer o s  minutus ,  sowie 

C)  aus  der  Bohnerzgrube  beiThiergarten  ein  Bruchstück 
des  Unterkiefers  mit  einem  Backzahne  des  Rhinoceros  minutus,  und 

D)  aus  der  auch  schon  in  meinem  1835  erschienenen  Werke 
erwähnten  Bohnerzgrube  von  Melchingen,  einen  vorletzten 
oberen  Backzahn  des  Anoplotherium  commune  und  Bruchslücke 
von  Zähnen  des  Mastodon  angustidens,  Rhinoceros  minutus,  Acero- 
therium  incisivum  und  Hippotherium  gracile.  Dazu  füge  ich  nun 
noch  einige  mir  neuerdings  zugekommene 

E)  Ueberreste  der  Bohnerzgrube  von  Ne  uh  au  s  en,  welche 
früher  (A.  p.  44)  als  vorzugsweise  Fundgrube  der  Ueberreste 
von  Palaeotherien  und  Anoplotherien  bezeichnet  worden  waren. 
Sie  erhielten  ein  neues  Interesse  durch  die  Entdeckung 

F)  der  reichen  Fundgrube  fossiler  Säugethiere  in  Frohn- 
s leiten  durch  Herrn  Pfarrverweser  Dr.  Fraas  in  Laufen.  In- 
dem ich  dessen  Bekanntmachung  hierüber  folge,  bemerke  ich 
zunächst,  dass  einige  Zähne  von  Neuhausen  sowohl  als  von  Frohn- 
stetten  wohl  dafür  sprechen  dürften,  dass  das  Palaeolherium 
magnum  Cuv.  als  besondere  Species  anzunehmen  sei.  Ebendess- 
halb  habe  ich  auch  einige  Zähne  desselben  abbilden  lassen. 
Dahin  gehören 


—     155     — 

a)  die  Schneidezähne  Taf.  III.  Fig.  45—49,  von  welchen 
der  Schneidezahn  Fig.  47,  49  von  Neiihausen  schon  (A.  Tab.  VIII. 
Fig.  36)  abgebildet  wurde,  der  Schneidezahn  Taf.  III.  Fig.  45 
von  Frohnstetten  durch  die  tiefe  Abreibung  seiner  Kaufläche 
Fig.  46  ausgezeichnet  ist.  Ebendaselbst  wurden  auch  mehrere 
Schneidezähne  gefunden,  welche  die  früher  von  Neuhausen  er- 
haltenen an  Grösse  übertreffen,  wie  der  von  Hrn.  Fraas  1.  c. 
Tab.  VI.  Fig.  2  u.  3  abgebildete  Schneidezahn,  welchen  er  jedoch 
als  dem  PaL  medium  Cuv.  zugehörig  bezeichnet.    Ebenso  könnten 

b)  die  (A.  Tab.  VIII.  Fig.  16—21  abgebildeten  Eckzähne  zu 
PaL  magnum  gerechnet  werden ,  sowie  einige  der  früher  erhal- 
tenen Bruchstücke  von  Backzähnen  von  Nenhausen,  welche  den 
oberen  Backzahn  Taf.  III.  Fig.  43,  44  und  die  unteren  Backzähne 
Taf.  III.  Fig.  50,  51,  52  noch  an  Grösse  übertreffen,  und  die  von 
mir  später  (B.  pag.  808  Nr.  25)  erwähnten  und  Tab.  LXXII. 
Fig.  5  u.  6  abgebildeten  unteren  Backzähnen  von  Neuhausen, 
welche  der  von  Cuvier  Tom.  III.  Tab.  43  abgebildeten  Zahn- 
reihe des  PaL  magnum  sich  vollkommen  anschliessen.  Inzwischen 
hat  man  so  viel  mir  bekannt,  keine  ganze  Zahnreihen  dieser 
Grössestufe  weder  bei  Neuhausen  noch  bei  Frohnstetten  gefunden, 
und  es  finden  von  ihr  so  allmählige  Uebergänge  zu  der  Grössen- 
stufe  der  Zähne  von  Neuhausen  statt ,  welche  ich  früher  dem 
PaL  medium  zuschrieb  und  welchen  sich  auch  die  meisten  der 
Zähne  von  Frohnstetten  anreihen,  so  dass  eine  Scheidung  der 
beiden  Arten  wo  nicht  überhaupt,  so  doch  für  die  von  den  ge- 
nannten Fundgruben  erhaltenen  Zähne  zweifelhaft  wird.  *)  Wohl 
aber  möchte  die  Annahme  Blainville's  (Odontographie  Palaeo- 
therium  pag.  71)  zu  weit  gehen,  wenn  er  PaL  magnum,  medium, 
crassum  und  latum,  vielleicht  auch  PaL  curtum  nur  als  Verschie- 
denheiten   in    der  Grösse    einer   und  derselben  Art  ansieht.     Es 


*)  Die  dem  Palaeotheriuin  magnum  zugesctiriebenen  Zähne  von  Nen- 
hausen und  Frohnstetten  stehen  jedoch  noch  bedeutend  zurück  gegen 
die  am  Missouri  gefundenen  Ueberreste  eines  Palaeotherium,  dessen 
hinterster  unterer  Backzahn  eine  Länge  von  4yo"  hat,  und  das  also 
wohl  den  Namen  Palaeotherium  giganteum  verdiente.  (Description  of  a 
fossil  maxillary  Bone  of  a  Palaeotherium  from  near  White-River  by 
H.  A,  Prout,  Sillimann  American  Journal  2d.  Series  March  1847.  p.  249. 


—     156     — 

hat  vielmehr  für  die  vier  bis  fünf  constanleren  Grössestufen  der 
Zähne,  welche  ich  früher  nach  dem  mir  von  Neuhausen  gebotenen 
Material  mit  Benützung  einiger  durch  die  Verschiedenheit  der 
Form  der  Zähne  und  Knochen  gegründeten  Charaktere  auf  ver- 
schiedene Arten  von  Palaeotherien  deuten  zu  dürfen  glaubte, 
das  viel  reichere  Material  von  Frohnstetten  noch  bestimmtere 
Charaktere  geliefert,  welche  von  den  Herren  Fraas  und  Quen- 
stedt  auf  eine  überzeugende  Weise  dargelegt  worden  sind. 
Indem  ich  der  Mittheilung  von  Originalien  dieses  Fundorts,  welche 
Hr.  Fraas  an  mehrere  öffentliche  und  Privatsammlungen  gemacht 
hat,  die  Gelegenheit  zu  Vergleichung  derselben  verdanke,  beziehe 
ich  mich  auf  die  oben  angeführte  von  Hrn.  Fraas  und  Quen- 
stedt  bekannt  gemachten  Beobachtungen  und  beschränke  mich 
daher  auf  wenige  Bemerkungen.  Hr.  Dr.  Fraas  führt  (2.  Jah- 
resheft Vni.  Jahrg.)  und  in  einem  Verzeichnisse  seiner  Samm- 
lung, welches  er  mir  milzutheilen  die  Güte  hatte,  als  Ergebniss 
seiner  Untersuchungen  folgende  Thiere  an,  deren  Ueberreste  er 
bei  Frohnstetten  gefunden  hat. 

1)  Palaeotherium  medium  Cuv.  (commune  Blalnville),  dessen 
Zähne  durch  den  Mangel  des  Kronen-Cäments  und  des  Halskragens 
ausgezeichnet  sind. 

2)  Pal.  latum  Cuv.  (mit  dem  er  PaL  velaunum  Cuv.  und  Pal. 
magnum  Cuv.  vereinigt),  indem  die  Zähne  dieser  von  Cuvier 
aufgestellten  Arten  zwar  des  Kronen-Cäments  entbehren,  aber  mit 
einem  Halskragen  versehen  sind.  Dem  oben  Gesagten  zu  Folge 
könnte  indess  als  dritte  Species  der  überwiegenden  Grösse  wegen 
getrennt  werden. 

3)  Das  Palaeotherium  magnum.  Von  der  zweiten  Abtheilung 
der  Palaeotherienzähne  mit  Kronen-Cäment  führt  Herr  Fraas 

4)  Pal.  minus  und  curtum  Cuv.  an,  welche  Hr.  Fraas  mit 
einander  vereinigt,  indem  er  Pal.  curtum  als  den  Jugendzustand 
von  Pal.  medium  ansieht  und  annimmt,  dass  Cuvier  von  einem 
und  demselben  Thiere  den  Oberkiefer  curtum,  den  Unterkiefer 
minus  genannt  habe.  Ausserdem  würde  auch ,  wenn  der  Grund- 
satz Blainville's,  dass  die  Grösse  bei  sonst  gleicher  Zahnform 
keine  Differenz  begründe,  nach  Hrn.  Fraas  Bemerkung 

5)  Pal.  hippoides  oder  equinum  Lartets  mit  minus  zusammen- 


-     157    — 

fallen.  Die  Entscheidung  darüber  würde  die  Vergleichung  der 
betreffenden  Originalieu  nothwendig  machen,  inzwischen  scheint 
mir  ausser  Zweifel  zu  sein,  dass  ein  Theil  der  Zähne  von  Neu- 
hausen sowohl  als  von  Frohnstetten  auch  nach  Hrn.  Fraas  Be- 
merkung genau  mit  denen  des 

6)  Paloplotherium  annectens  Owens  übereinkommen,  wohin 
namentlich  die  schon  (A.  p.  41.  Nr.  1—4.  Tab.  VIII.  Fig.  45— 48) 
als  dem  Pal.  minus  zugehörig  angeführte  Zähne  von  Neuhausen 
gehören  dürften.  Blainville  (Tom  V.  Palaeolh.  p.  75)  hält  Pa/. 
hippoides ,  monspesulanum  und  aurelianense  für  eine  Species,  der 
auch  wohl  die  früher  von  mir  dem  Pal.  aurelianense  von  Neu- 
hausen zugeschriebenen  Zähne  zum  Theil  zugehören  mögen,  welche 
Species  nach  Owens  Bestimmung  als  eigene  Gattung  Paloplo- 
therium aufzustellen  wäre.  In  merklich  geringerer  Zahl  wurden, 
in  Frohnstetten,  wie  früher  in  Neuhausen  die  Ueberreste  von 
Anoplotherien  gefunden,  und  zwar 

7)  von  Anoplotherium  commune  Cuv. , 

8)  von  Anoploth.  leporinum  Cuv.y  Dicholune  Cuv.y 

9)  von  Anoploth.  murinum    Cuv. ,  Dicholune  Cuv. 

Dazu  kommt  nun  noch  Herrn  Fraas  Vermuthung  zu  Folge 

10)  Dichodon  cuspidatus  Owen,  welcher  Galtung  vielleicht 
der  (A.  Tab.  VIII.  Fig.  81 ,  82)  dargestellte  Schneidezahn  von 
Neuhausen  gleichfalls  zugehören  könnte,  welchen  ich  (A.  p.  56), 
nur  zweifelhaft  dem  Anopl.  commune  oder  secundarium  mit  der 
Bemerkung  zuschrieb,  dass  er  vielleicht  einer  andern  Art  oder 
selbst  einer  andern  Gattung  angehören  könnte.  Zu  dieser  Reihe 
von  9 — 10  Arten  der  Familie  der  Palaeolherien  und  Anoplotherien 
angehörigen  Dickhäuter  kommen  nun  noch 

11)  das  Dinotherium  giganteum  Kaup  hinzu,  von  welchem 
das  Tübinger  Cabinet  insbesondere  eine  prachtvolle  Reihe  von 
Zähnen  besitzt,  deren  nähere  Beschreibung  wir  wohl  bald  von 
Hrn.  Prof.  Quenstedt  hoffen  dürfen,  da  ausserdem  bis  jetzt 
nur  in  der  Sammlung  des  durch  seinen  Eifer  und  seine  Kennt- 
nisse sich  auszeichnenden  Hrn.  Cand.  Oppel  sich  zum  Theil 
sehr  gut  erhaltene  Zähne  dieses  Thiers  finden.  In  den  Bohn- 
erzgruben  von  Neuhausen  sind  meines  Wissens  von  diesem  Thiere 
keine  Ueberreste  gefunden  worden,    die  denn   doch  schon  ihrer 


-     158    - 

Grösse  wegen  weniger  der  Aufmerksamkeit  entgangen  sein  wür- 
den. Es  ist  indess  zu  bemerken,  dass  die  fossilen  Ueberreste 
bei  Neuhausen  nur  bei  Gelegenheit  der  Bohnerzausbeutung  und 
nicht  durch  eigens  auf  sie  gerichtete  Ausgrabungen,  wie  bei 
Frohnstetten  gewonnen  worden  sind.  Es  ist  daher  auch  nicht 
zu  verwundern  ,  dass  auch  von  den  bei  Frohnstetten  sparsamer 
aufgefundenen  in  der  Fr  aas' sehen  Sammlung  befindlichen  Ueber- 
reste reissender  Thiere,  nämlich 

12)  eines  Hyaenodon,  und 

13)  einer  Viverre  bei  Neuhausen  keine  Ueberreste  gefunden 
worden  sind,  sowie  von  den  bei  Frohnstetten  gefundenen  Ueber- 
resten 

14)  eines  Crocodils  und 

15)  von  Schildkröten  (vielleicht  zwei  bis  drei  Arten)  keine 
Spur  bei  Neuhausen  aufgefunden  worden  ist,  zu  deren  Verfolgung 
auch  in  andern  Bohnerzgruben  allerdings  die  bei  Frohnstetten 
gewonnenen  Ergebnisse  auffordern  dürften.  Hr.  v.  Me^er  be- 
merkt,"^') dass  es  ihm  vor  Kurzem  gelungen  sei,  auch  für  Würt- 
temberg (Frohnstetten)  Ueberreste  der  unter  Hyaenodon  begriffenen 
Thiergattung  von  der  Gestalt  unserer  grösseren  Raubthiere  nach- 
zuweisen, ohne  jedoch  anzugeben,  welcher  der  bis  jetzt  aufge- 
stellten Arten  von  Hyaenodon  dieselbe  zugehören.  Ich  füge  da- 
her die  Beschreibung  eines  mir  von  Hrn.  Fraas  im  Dec.  1852 
mitgetheilten  Zahnes  hier  vorläufig  bei,  dessen  Abbildung  Herr 
Fraas  sich  vorbehalten  hat,  da  er  mit  keinem  Zahne  der  mir 
bisher  aus  den  Frohnstetter  oder  anderen  Bohnerzgruben  der 
schwäbischen  Alb  bekannt  gewordenen  Zähnen  übereinkommt, 
ausser  in  der  bräunlichgelben  Farbe  des  Schmelzes,  der  Krone 
und  der  weissen  Farbe  des  noch  übrigen  Theils  der  Wurzel. 
Die  Wurzel  ist  getheilt,  ungefähr  auf  ähnliche  Weise,  wie  an 
dem  drittletzten  Backzahne  des  Fuchses,  mit  dessen  Krone  auch 
der  fossile  Backzahn  fast  gleiche  Grösse  und  auf  den  ersten 
Blick  grosse  Aehnlichkeit  der  Form  zeigt,  den  ich  daher  auch 
zur  Yergleichung  mit  demselben  wähle.    An  dem  Unterkiefer  eines 


*)  üeber    die  Reptilien    und    Säugetliiere    der   verschiedenen    Zeiten 
der  Erde  1852.    pag.  76. 


—     159    — 

48'"  langen  Schcädels  eines  Fuchses,  dessen  Zähne  vollkommen 
ausgebildet  sind,  hat  der  Fleischzahn  unmittelbar  über  der  Wurzel 
auf  der  äusseren  Seite  6'^'  ebenso  der  fossile  6V2'"  Länge.  Die 
Breite  des  hinteren  Absatzes  beträgt  beim  Fuchs  2V2'",  ebenso 
die  des  fossilen.  Die  mittlere  Pyramide  des  fossilen  Zahns  ist 
etwas  spitziger,  imerachtet  die  Spitze  und  der  oberste  Theil  der 
hinteren  und  vorderen  Kante  mehr  abgerieben  ist,  als  bei  dem 
Zahne  des  Fuchses,  ebenso  zeigt  die  Spitze  des  vorderen  Höckers 
bei  beiden  eine  kleine  Abreibung.  Die  drei  kleinen  Erhöhungen 
auf  dem  hintern  Rande  des  Zahns  sind  bei  beiden  Zähnen  gleich, 
an  dem  Zahne  des  Fuchses  befindet  sich  aber  auf  der  Innern 
Seite  noch  eine  kleine  dem  fossilen  Zahne  fehlende  Erhöhung 
zwischen  der  innern  Erhöhung  des  Randes  und  der  innern  Py- 
ramide des  Zahns,  welche  an  dem  fossilen  Zahne  stärker  und 
höher  ist.  Ausserdem  stellt  der  vordere  Absatz  des  Zahns  auf 
der  innern  Seile  einen  mehr  nach  vornen  geneigten  Conus  dar, 
während  er  bei  dem  Fuchs  fast  senkrecht  ist.  In  diesen  Be- 
ziehungen gleicht  der  fossile  Zahn  vielmehr  dem  drittletzten  Back- 
zahne des  Nycteractes  viverrinus,  der  jedoch  nur  eine  Länge 
von  5"'  hat  und  auch  in  den  andern  Verhältnissen  entsprechende 
kleinere  Dimensionen  zeigt.  Die  allerdings  etwas  stärkere  Ent- 
wicklung der  einzelnen,  namentlich  der  mittleren  conischen  Er- 
höhungen, Hess  mich  anfangs  vermuthen,  dass  der  Zahn  einem 
Insektenfresser  oder  einem  der  fleischfressenden  Beutelthiere 
zugehören  möchte.  Von  diesen  sind  aber  die  Backzähne  der 
Didelphijs  cancrivora,  namentlich  durch  die  an  der  äussern 
Fläche  der  vordem  Abtheilung  der  unlern  Backzähne  vorhandene 
Vertiefung  oder  Aushöhlung  von  dem  fossilen  Zahne  bedeutend 
verschieden.  Er  nähert  sich  dagegen  dem  vorletzten  Backzahne 
des  Dasyurus  3Iaugei,  bei  welchem  jedoch  die  Spitze  der  innern 
mittleren  Erhöhung  ganz  getrennt  ist.  Dies  ist  ebenso  der  Fall 
bei  dem  FleischzahHe  des  jungen  Fuchses  vor  dem  Zahnwechsel, 
wenn  auch  nicht  in  gleichem  Grade.  Bei  dem  fossilen  Zahne 
zieht  sich  gegen  die  mittlere  äussere  Pyramide  eine  quer  stehende 
Schneide  hin,  die  nur  mit  ihrem  obersten  Theile  von  jener  ge- 
trennt ist,  nach  unten  aber  mit  ihr  zusammenfliesst.  —  Den 
voranstehenden  Bemerkungen  zu  Folge  kommt   der  fossile  Zahn 


—     160    — 

verhältnissweise  am  meisten  mit  demselben  Zahne  des  Fuchses 
und  anderer  verwandter  Hundearten  überein,  und  würde  daher 
vielleicht  unter  die  Gattung  Amphicyon  zu  ordnen  sein ,  von  der 
mehrere  Arten,  wie  es  scheint,  den  tertiären  Ablagerungen  eigen- 
thümlich  sind.  Namentlich  wurde  aus  den  Süsswasserkalken  der 
Umgegend  von  Ulm  eine  Species  Amphicyon  Eseri  schon  früher 
von  Hrn.  Prof.  Plieninger*)  angeführt,  worüber  ich  mich  (B.  820) 
erklärt  habe.  Auch  spricht  die  leichte  Abreibung  auf  der  äusseren 
Seite  der  Krone  dafür,  dass  der  obere  Reisszahn  mit  seiner 
inneren  Fläche  sich  an  dem  äusseren  des  untern  Zahnes  rieb, 
wie  dies  bei  Raubthieren  gewöhnlich  ist.  Möglicherweise  könnte 
der  von  Hrn.  Dr.  Fr  aas  1.  c.  Tab.YI.  Fig.  39  dargestellte  Schneide- 
zahn demselben  Thiere  zugehört  haben,  indess  der  ebendaselbst 
abgebildete  Eckzahn  nur  etwa  als  Milchzahn  hieher  gezogen  wer- 
den könnte.  Dass  der  vorliegende  Backzahn  mit  dem  folgenden 
Eckzahne  in  Verbindung  gesetzt  werden  könne,  ist  mir  sehr 
unwahrscheinlich.  Abgesehen  von  dem  Missverhältniss  der  Grösse 
des  vorliegenden  Backzahns  und  des  Eckzahns  zeigt  letzterer  am 
ehesten  unter  Raubthieren  Aehnlichkeit  mit  dem  unteren  Eck- 
zahne der  Nasua  socialis  durch  die  starke  Krümmung  die  Ab- 
reibung der  hinteren  Seite,  und  einer  auch  bei  der  Nasua  mehr 
als  bei  andern  Raubthieren  ausgezeichneten  Rinne  auf  der  inneren 
Seite,  allein  gerade  der  Fleischzahn  der  Nasua  weicht  in  der 
Form  mehr  von  dem  fossilen  Zahne  ab,  als  der  aller  anderer 
Fleischfresser,  welche  ich  vergleichen  konnte. 

17)  An  den  noch  zweifelhaften  Zahn  Nr.  16  schliesse  ich  die 
Beschreibung  des  zuvor  erwähnten  einzelnen  Eckzahns  von 
Frohnstetten  an,  Taf.  HI.  Fig.  53,  54,  den  ich  zugleich  vergrössert 
Fig.  55  u.  56  darstellen  liess.  Nach  der  Analogie  mit  den  Eckzähnen 
der  Palaeotherien,  wie  sich  aus  der  Vergleichung  mit  dem  linken 
unleren  Eckzahn  des  Pal.curtum  Fig.  57, 58  ergibt,  ist  der  fragliche 
Eckzahn  als  der  rechte  des  Unterkiefers  anzusehen,  sofern  er 
eine  Spur  der  Abreibung  an  der  äusseren  hinteren  Kante  zeigt. 
Bei  seiner  sonstigen  Uebereinslimmung  mit  den  Zähnen  der  Pa- 
laeotherien in  Absicht  auf  Färbung  der  Wurzel  und  Krone,  und 


'*)  Naturwiss.  Jahreshefte    V.  Bd.    2.  H.    p.  216.    Tab.  1.   Fig.  9. 


—     161     - 

in  Absicht  auf  Grösse  insbesondere  mit  den  Eckzähnen  des  Pal. 
minus  ist  er  jedoch  durch  seine  mehr  hackenförmige  Krümmung 
sowohl,  als  durch  die  feinen,  von  der  vorderen  Kante  über  die 
äussere  Fläche  sich  ausbreitenden  gebogenen  Linien  oder  Strahlen 
der  Schmelzsubstanz  von  den  Eckzähnen  der  Palaeotherien  und 
sogar  aller  mir  bis  jetzt  bekannten  Säugethiere  verschieden.  Die 
genannten  feinen  Strahlen  ziehen  sich  auch  nach  der  Innern 
ebenen  Seite,  jedoch  nicht  weiter  als  bis  an  den  Rand  einer 
Rinne,  welche  Fig.  54  u.  56  a.  b  auf  dieser  Seite  von  dem  oberen 
Theil  der  Wurzel  beginnend,  allmählig  etwas  tiefer  und  breiter 
wird  und  dann  sich  etwas  verengend  an  der  Spitze  des  Zahns 
ausmündet.  In  Absicht  auf  Krümmung  und  Grösse  kommt  der 
Zahn  so  genau  mit  dem  unteren  Eckzahne  des  Tenrec  (Centetes 
ecaudatus)  von  Madagascar  nach  der  von  Owen  (Odontography 
Tab.  HO,  Fig.  6)  mitgetheilten  Abbildung  überein,  dass  er  letz- 
tere fast  vollkommen  deckt.  *)  Owen  bemerkt  1.  c.  pag.  420, 
dass  die  Eckzähne  des  Tenrec  lang  und  stark  (large)  zusammen- 
gedrückt, scharf  zugespitzt,  rückwärts  gebogen  und  einwurzelig 
seien,  und  also  den  typischen  Charakter  der  Fleischfresser  haben. 
Ueber  eine  eigenthümliche  Zeichnung  der  Schmelzsubstanz  und 
eine  Rinne  auf  der  Innern  Seite  des  Zahns  des  Tenrec  ist  von 
Owen  nichts  bemerkt:  aber  in  Absicht  auf  die  Lebensweise  der 
Tenrecs  angeführt,  dass  sie  mehr  von  Schlangen  und  Eidechsen 
als  von  Insekten  leben  und  somit  den  eigentlichen  Fleischfressern 
sowohl  in  der  Lebensweise  als  in  der  Beschaffenheit  der  Zähne 
sich  nähern.  Blainville  sagt  dasselbe  in  der  Abhandlung  über 
die  Inseclivoren  (Osteographie  Tom.  VI.  pag.  61),  und  bemerkt 
zugleich,  dass  der  Typus  des  Gebisses  des  Tenrecs  nach  seiner 
Untersuchung  von  Exemplaren    verschiedenen  Alters    sich  gleich 


*)  Damit  soll  jedoch  kehieswegs  eine  bestimmte  Deutung  des  vor- 
liegenden Zahns  auf  ein  den  Tenrecs  ähnliches  Raubthier  versucht  wer- 
den,  für  welche  zu  w^enige  Vergleichungshilfsmittel  und  Analogieen  vor- 
liegen, wenn  gleich  Blainville  1.  c.  pag.  105  Ueberreste  eines  Eri- 
naceus  (Centetes)  fossilis  aus  der  Süsswasserablagcrung  der  Auvergne 
erwähnt.  Es  sind  vielmehr  blos  einige  Analogieen  in  den  folgenden 
Bemerkungen  angeführt,  zu  welchen  die  Eigenthümlichkeit  der  Form  des 
Zahns  selbst  Veranlassung  gibt. 

Würltemb.  naturw.   Jahreshefte.    1853.    2s  Heft.  1 1 


~     162^   —     - 

bleibe.  Merkwürdig  ist  die  von  Meckel*)  angeführte  vor  dem 
oberen  Eckzahne  befindliche  liefe  und  weite  Grube  an  der  Stelle, 
wo  der  Oberkiefer  und  der  Zwischenkiefer-Knochen  zusammen- 
treffen, in  welche  der  untere  Eckzahn  aufgenommen  wird,  wie 
dies  auch  in  Blainville's  Osteographie  Tom  II.  Tab.  4  deut- 
lich ausgedrückt  ist ,  womit  denn  eine  Analogie  mit  dem  Kiefer- 
bau der  Crocodile  angedeutet  ist.  Auf  der  Innenseite  des  untern 
Eckzahns  des  Tenrec  findet  sich  zwar  eine  Längsfurche,  bei  dem 
fossilen  Zahne  dagegen  vielmehr  eine  so  tiefe  Rinne,  dass  sie 
zu  Aufnahme  eines  Kanals  oder  Ausführungsganges  einer  Drüse 
bestimmt  gewesen  zu  sein  scheint.  Er  würde  darin  dem  Gift- 
zahne des  Oberkiefers  der  Schlangen  entsprechen.  Bei  diesen 
öffnet  sich  jedoch  das  Ende  des  Kanals,  welcher  von  der  Gift- 
drüse aus  in  die  Basis  des  Giftzahns  des  Oberkiefers  tritt,  zur 
Seite  der  Spitze  des  Giftzahns,  indess  die  Zähne  des  Oberkiefers 
anderer  Schlangen  nur  eine  mehr  oder  weniger  liefe  Furche  auf 
der  vorderen  Seite  des  Zahns  zeigen,  welche,  wie  es  scheint, 
auch  zur  Einführung  des  Gifts  in  die  gemachte  Wunde  dient.**) 
Bei  dem  Dasypus  novemcinctus  habe  ich  indess  eine  der  der 
Schlangen  entsprechende  Blase  in  den  Speicheldrüsen  1818  ent- 
deckt***) und  Owen  dieselbe  bei  Dasypus  sexcinctus  gefunden, 
deren  Ausführnngsgang  sich  unter  der  Zunge  öffnet,  welche  zu- 
nächst mit  dem  in  ihm  enthaltenen  klebrichten  dickflüssigen 
Safte  überzogen  wird.  Möglicherweise  könnte  also  das  Thier, 
welchem  der  fossile  Zahn  angehörte,  eine  ähnliche  Organisation 
der  Speicheldrüsen  wie  der  Tatu  gehabt  haben ,  wozu  noch  die 
weitere  Eigenthümlichkeit  hinzugekommen  sein  könnte,  dass  der 
vielleicht  an  der  Basis  des  untern  Eckzakns  sich  öffnende  oder 
sogar  vielleicht  in  seine  Rinne  fortgesetzte  Speichelgang  die 
darin  enthaltene  vielleicht  giftige  Flüssigkeit  unmittelbar  in  die 
Bisswunde    ergossen    hätte.     Damit   wäre   eine  weitere  Analogie 


*)  Beiträge  zur  vergleiclienden  Anat.    I.  Bd.    p.  42.  Tab.  IV. 

*")  Untersuchungen  über  die  Giftwerkzeuge  der  Schlangen.  Diss. 
inaug.  von  Biichtold,  Praeside  v.  Rapp.    Tüb.  1833.  pag.  11. 

''**)  Winker,  Präs.  W.  Rapp,  Diss.  inaug.  sistens  Observationes 
anatomicas  de  Tatu  novemcincto,  Tüb.  1826.  pag.  14.  v.  Rapp,  Eden- 
taten, erste  Ausg.  p.  54,    2te  Ausg.    p.  75.    Tab.  VII. 


—    163    - 

mit  dem  bei  den  Reptilien  vorkommenden  Bildungstypus  gegeben, 
welche  durch  die  für  die  Aufnahme  des  untern  Eckzahns  be- 
stimmte oben  erwähnten  Grube  nur  angedeutet  ist.  Die  Form 
des  vorliegenden  Eckzahns  entspricht  sowohl  an  sich,  als  durch 
die  Art  seiner  Abreibung  auf  der  hintern  Fläche,  wie  oben  be- 
merkt, mehr  dem  bei  den  Palaeotherien  und  Schweinen  statt- 
findenden Verhältnisse  des  untern  Eckzahns  gegenüber  von  dem 
des  Oberkiefers.  Wenn  also  das  fossile  Thier  etwa  den  Typus 
mehrerer  Classen  von  Wirbellhieren  und  mehrerer  Abtheilungen 
der  Säugetbiere  insbesondere  in  sich  vereinigt,  so  lässt  sich  dafür 
als  Analogon  das  Schnabelthier  anführen,  bei  welchem  sogar  die 
ganz  ungewöhnliche  Versetzung  einer  dem  Giftapparate  der  Schlan- 
gen gewissermaassen  analogen  Einrichtung  in  den  Sporn  der 
Hinterfüsse  des  Männchens  eingetreten  ist.  Mit  den  Eckzähnen 
der  eigentlichen  Raubthiere  verglichen,  kommt  der  fossile  Eck- 
zahn am  meisten  mit  dem  unteren  Eckzahn  der  Nasua  socialis 
in  Absicht  auf  Krümmung  und  Abreibung  der  hinteren  Fläche 
oder  Kante  überein ;  auch  zeigt  der  Eckzahn  der  Nasua  auf  der 
inneren  Seite  der  Krone  eine  bis  zur  Spitze  gehende  Rinne,  die 
wenigstens  mehr  ausgedrückt  ist,  als  bei  irgend  einem  mir  be- 
kannten Raubthiere,  jedoch  weniger  tief  als  bei  dem  fossilen 
Zahn  ist,  bei  welchem  sie  sich  überdies  noch  flach  über  die 
Wurzel  fortsetzt.  Von  der  der  Krone  des  fossilen  Zahns  eigen- 
thümlichen  Zeichnung  findet  sich  übrigens  bei  der  Nasua  keine 
Spur.  Dabei  dürfte  wohl  auch  darauf  hingewiesen  werden,  dass 
vielleicht  bei  dem  Bisse  vieler  Raubthiere,  insbesondere  das  durch 
die  Form  der  Eckzähne  erleichterte  gleichzeitige  Eindringen  des 
Speichels  die  mechanische  Wirkung  des  Bisses  verschlimmert, 
zumal  da  der  Biss  doch  meistens  in  einem  Zustande  der  Auf- 
regung erfolgt.  Es  ist  dieses  Verhältniss  um  so  mehr  in  Anschlag 
zu  nehmen,  als  ein  höherer  Grad  von  Aufregung  selbst  dem 
Speichel  des  Menschen  bisweilen  giftige  Eigenschaft  verleiht,  die 
er  ohnehin  bekanntlich  bei  der  sogenannten  Hundswuth  annimmt. 
Eine  Vergleichung  der  Eckzähne  verschiedener  solcher  Thiere, 
welche  dieselbe  vorzugsweise  zum  Angriff  anderer  Thiere  ge- 
brauchen ,  dürfte  nicht  ohne  physiologisches  Interesse  sein.  Sie 
dürfte  vielleicht  auch  zu  genauerer  Bestimmung  des  vorliegenden 

11  * 


-     164    — 

Zahnes  führen,  bei  dessen  Beschreibung  ich  mich  desshalb  länger 
aufgehalten  habe,  weil  meines  Wissens  nur  noch  ein  Bruchstück 
eines  gleichen  Zahns  für  die  Sammlung  der  Universität  Tübingen 
gewonnen  worden  ist,  und  derselbe  auch  den  bei  der  Versammlung 
in  Wiesbaden  anwesenden  Anatomen  und  Palaeontologen  nicht 
bekannt  war.  Die  Deutung  auf  eine  Klaue  eines  reissenden  Thiers 
wird,  wie  mir  scheint,  durch  die  Abbildung  und  Beschreibung 
desselben  hinlänglich  widerlegt,  und  für  die  Deutung  auf  einen 
Milchzahn  spricht  weder  Erfahrung  noch  Analogie ,  wenn  gleich 
bemerkt  werden  muss  ,  dass  an  den  Backzähnen  mehrerer  Dick- 
häuter, namentlich  Rhinoceros,  Palaeotherium  und  Anoplotherium 
nicht  selten  eine  feine  horizontale  Streifung  der  Schmelzsubstanz 
erkenntlich  ist,  wie  sie  an  dem  einzelnen  etwas  vergrösserlen  Back- 
zahne von  Anoplotherium  leporinum  Taf.  III.  Fig.  58  angedeutet, 
an  den  meisten  Backzähnen  aus  den  Bohnerzgruben  aber  in 
Folge  der  Abrollung  verwischt  ist.  Den  Eckzähnen  der  Palaeo- 
therien  fehlt  aber  eine  solche  Streifung,  und  der  fragliche  Zahn 
hat  mit  den  unteren  Eckzähnen  der  Palaeotherien  nur  die  Ab- 
reibung der  Spitze  auf  der  hinteren  Seite  gemein.  Bei  den 
Bradypus  (didactylus)  sind  zwar  die  Eckzähne  auf  ähnliche  Weise 
abgerieben,  wie  bei  den  Palaeotherien,  aber  bei  jenen  ist  der 
obere  Eckzahn  auf  der  hinteren,  der  untere  auf  der  vorderen 
Seite  abgerieben ,  was  sich  bei  den  Palaeotherien  gerade  umge- 
kehrt verhält.   —  Als  zweifelhaft  habe  ich  noch  anzuführen 

18)  eine  vorderste  Phalanx  Tab.  III.  Fig.  59  (mit  der  darüber 
gezeichneten  Gelenksfläche),  welche  zwar  die  grösste  Aehnlich- 
keit  mit  der  vordersten  Phalanx  der  inneren  Zehe  des  Vorder- 
fusses  des  Anoplotherium  commune  hat,  aber  von  ihr  durch 
merklich  geringere  Breite  und  dagegen  verhältnissweise  grössere 
Länge  und  Wölbung  abweicht.  Sie  dürfte  daher  vielleicht  dem 
Anopl.  secundarium  oder  gracile  zuzuschreiben  sein ,  mit  deren 
Grösse  dieselbe  wenigstens  ziemlich  im  Verhältniss  stünde. 

19)  Ein  erster  oberer  linker  und  ein  fünfter  oberer  rechter 
Backzahn  des  gewöhnlichen  Pferds  haben  zwar  den  Ueberzug 
von  eisenhaltigem  Sande  und  die  ockergelbe  Farbe  mit  entschie- 
den fossilen  Zähnen  von  Frohnstetten  gemein ;  aber  sie  zeigen 
weder  das  Kleben  an  der  Zunge,  noch  die  sonstige  Veränderungen, 


-    165    -"  - 

welche  bei  den  Zähnen  der  Palaeotherien  u.  s.  w.  beobachtet  wer- 
den, so  dass  sie  wohl  ebenso  wenig  für  wirklich  fossil  gelten  können, 
als  mehrere  in  der  Nähe  von  Neuhausen  gefundene  Pferdezähne, 

Resultate  und  allgemeine  Bemerkungen. 

1)  In  Beziehung  auf  die  Veränderungen,  welche  die  in 
den  Bohnerzgruben  von  Neuhauseu  und  Frohnsletten  gefundenen 
Zähne  und  Knochen  urweltlicher  Thiere  erlitten  haben,  und  in 
Beziehung  auf  den  Zustand ,  in  welchem  sie  aus  denselben  ge- 
wonnen wurden,  kann  im  Allgemeinen  bemerkt  werden.  Die 
Zähne  und  Knochen  sind  zum  Theil  noch  mit  Bohnerzmasse 
überzogen  oder  von  ihr  eingehüllt,  und  sie  ist  daher  auch  in 
die  Vertiefungen  und  Höhlungen  derselben  eingedrungen.  Die 
Wurzeln  der  Schneide-  und  Eckzähne  sind  häufig  erhallen,  die 
schwächeren  Wurzeln  der  Backzähne,  namentlich  der  oberen 
sind  fast  immer  abgebrochen,  indess  von  den  verhältnissweise 
stärkeren  und  breiteren  querstehenden  Wurzeln  der  untern  Back- 
zähne häufiger  die  eine  oder  auch  beide  ziemlich  unversehrt  er- 
halten sind.  Ebenso  sind  von  den  Knochen  die  Astragali  und 
Calcanei  und  andere  Fusswuzelknochen  meistens,  die  Mittelfuss- 
knochen  und  Phalangen  häufig  unverletzt,  oder  verhältnissweise 
weniger  beschädigt,  als  andere  Knochen.  Der  Grad  der  Beschä- 
digung scheint  daher  mit  der  durch  die  Form  und  Substanz  ge- 
gebenen Widerslandskraft  bei  der  gewaltigen  Bewegung  und 
Abrollung,  welcher  diese  Ueberresle  ausgesetzt  waren,  im  Ver- 
hältnisse zu  stehen. 

2)  Ueber  die  Art,  wie  diese  Ueberresle  in  die  Spalten  des 
Jura  gelangt  seien,  habe  ich  schon  früher  (A.  pag.  207  und  B. 
pag.  923  u.  folg.)  die  Vermuthung  geäussert,  dass  ihre  Ablagerung 
mit  der  Bildung  der  Bohnerze  selbst  und  mit  den  vulkanischen  Ver- 
änderungen in  Verbindung  zu  setzen  sein  möchte,  welche  die  Alb 
erfahren  hat.  Dieser  Ansicht  dienen  ausser  den  daselbst  angeführ- 
ten Gründen  gewichtige  Autoritäten  zur  Stütze,  die  ich  zum  Theil 
schon  früher  genannt  habe  und  welche  zum  Theil*)  erst  in  neuerer 
Zeit  über  diesen  Gegenstand  sich  ausgesprochen  haben. 


*)  Vgl.  die  von  Gressly  im  IV.  Bande  der  neuen  Denkschriften  der 
allgemeinen  Schweizerischen  Gesellschaft  für  die  gesammte  Naturwissen- 


—    166    — 

Für  diese  Ansicht  der  Eruption  von  heissen  Quellen  und 
Schlamm ,  mit  theilweise  mechanischer  und  chemischer  Auflösung 
der  Abreibung  und  Zerreibung  der  die  Spalten  des  Jura  füllenden 
Substanzen  könnten  auch  ein  paar  aus  den  Bohnerzgruben  von 
Vöhringendorff  erhaltene  Massen  von  Kalk  (Süsswasserkalk?)  an- 
geführt werden,  der  mit  Bohnerzmasse  gemischt,  kaum  V"  dicke 
gebogene  neben  einander  laufende  Streifen  von  Kalk  und  Bohn- 
erzmasse zeigt,  wie  sie  etwa  ein  mit  Bohnerzmasse  gemischter 
und  durch  einander  gerührter  Kalkbrei  nach  dem  Trocknen  bilden 
würde.  Hin  und  wieder  bildet  die  Bohnerzmasse  auf  der  Ober- 
fläche und  auch  im  Innern  der  Masse  eine  dünne  Kruste.  In 
einem  andern  Stücke  bilden  die  Streifen  zugleich  unregelmässige 
kugliche  Absonderungen  und  somit  ein  mehrfaches  Ineinander- 
greifen der  Slreifnngen,  wie  dies  bei  einer  zähen  durch  Dämpfe 
oder  mechanische  Gewalt  bewegten  Masse  der  Fall  sein  würde, 
welche  unter  Fortdauer  einer  breiartigen  Consistenz  der  Ruhe 
und  somit  der  Molecularanziehung  der  gleichartigen  Stoffe  über- 
lassen worden  wäre. 

3)  Die  Gleichartigkeit  des  Ansehens  und  der  sonstigen  Be- 
schaffenheit  der   in  Neuhausen    und  Frohnstelten    aufgefundenen 


Schäften,  Neucliafel  1840.  pag.  89  u.  291  durchgeführte  Meinung-,  dass 
die  Bohnerzablagiiungen  dem  Hervorströmen  heisser,  eisenhaltiger,  man- 
clierlei  andere  Substanzen  führender,  auf  die  umgebenden  Kalksteine 
chemisch  einwirkender  Mineralquellen  entstanden  seien ,  und  zwar  wahr- 
scheinlich noch  zu  Ende  der  jurassischen  Bildungsepoche.  Peter  Me- 
rian  äussert  über  diese  Meinung  (welche  er  mit  den  voranstehenden 
Worten  im  IX.  Berichte  über  die  Verhandlungen  der  naturhistorischen 
Gesellsch.  zu  Basel  nach  einem  d.  20.  Sept.  1848  gehaltenen  Vortrage 
mittheilt),  dass  sie  allerdings  solche  Erscheinungen  am  genügendsten 
erkläre.  (Vgl.  auch  den  Auszug  hievon  in  Frorieps  Tagsbericht  1851, 
Nro.  391).  Eine  Menge  von  Beispielen  solcher  Ausbrüche  mit  den  hic- 
her  bezüglichen  Erscheinungen  führt  Alberti  in  seiner  halurgischen 
Geologie  und  in  dem  neuesten  Aufsatz,  Württemb.  naturw.  Jahresh. 
IV.  Jahrg.  1  H.  p.  76  an.  Dafür  kann  auch  angeführt  werden,  dass  bei 
einem  unter  starker  vulkanischer  Erschütterung  d.  14.  April  1852  bei 
Sondershausen  in  Thüringen  erfolgten  Hervordringen  einer  kochenden 
mineralischen  Quelle  unter  den  ausgeworfenen  Holzstücken  und  Stei- 
nen auch  ein  Mammuthszahn  sich  befinden  soll.  Augsb.  Allgem.  Zeit.  1852. 
Beil.  V.  23.  April. 


—     167    — 

thierischen  Ueberreste ,  und  die  Uebereinstimmung  der  in  beiden 
Fundorten  aufgefundenen  gleichen  Arten  von  Thieren,  namentlich 
der  überwiegenden  Zahl  von  Palaeotherien-  und  Anoplotherien, 
spricht  sehr  für  die  Gleichartigkeit  der  Umstände ,  unter  welchen 
die  Ablagerung  der  Ueberreste  in  den  genannten  Fundorten  er- 
folgt sein  mag.  Es  ist  in  dieser  Beziehung  insbesondere  die 
unbedeutende  gegen  die  Menge  der  Zähne  und  Knochen  von 
Dickhäutern  fast  verschwindende  Zahl  der  Ueberreste  von  Thieren 
anderer  Familien  hervorzuheben,  namentlich  von  Wiederkäuern 
undRaubthieren,  welche  denn  doch  ohne  Zweifel  mit  den  in  ganzen 
Heerden  vereinigten  Dickhäutern  zusammenlebten ,  auf  welche 
die  an  diesen  Fundorten  gefundene  grosse  Zahl  von  Ueberresten 
derselben  schliessen  lässt,  die  in  Masse  zusammengedrängt,  zu 
Grunde  gegangen  zu  sein  scheinen. 

4)  In  den  übrigen  Bohnerzgruben  der  schwäbischen  Alb, 
Vöhringendorff,  Salmendingen,  Willmadingen  u.  s.  w.  kommen 
dieselben  Thiere  zum  Theil  zwar  auch  vor,  jedoch  mehr  einzeln, 
und  in  Gesellschaft  von  einer  grossen  Zahl  anderer  Säugethiere 
aus  den  Familien  der  Fleischfresser,  Nager,  Wiederkäuer  und 
Dickhäuter,  und  sie  sind  zugleich  von  einigen  Meeresbewohnern, 
Phocen  und  Halianassa  begleitet ,  wie  namentlich  in  der  Ablage- 
rung von  Mösskirch.  Das  Ansehen  der  Ueberreste  der  letzteren 
Ablagerung  weicht  ebenso  wohl  von  dem  der  Ueberreste  aus  den 
Ablagerungen  von  Neuhausen  und  Frohnstetten,  wie  von  dem  der 
übrigen  oben  bemerkten  Fundorte  von  Vöhringendorff'  u.  s.  w.  ab. 

5)  Die  Umstände,  welche  diesen  Ablagerungen  vorausge- 
gangen sind,  scheinen  daher  ebenso ,  wie  die  Umstände,  unter 
welchen  sie  erfolgt  sind,  verschieden  von  denen  der  vorzugs- 
weisen Ablagerung  der  Palaeotherien  und  Anoplotherien  gewesen 
zu  sein,  und  mehr  durch  die  Zerstörung  und  Ablagerung  von 
Repräsentanten  der  gesammten  Fauna  der  damaligen  Periode  be- 
dingt worden   zu  sein. 

6)  In  der  früher  dargelegten  Fauna  der  Bohnerzgruben  von 
Salmendingen  u.  s.  w. ,  welche  wohl  mehr  als  60  erschiedene 
Arten  von  Säugethieren  umfasst,  hat  die  entsprechende  Fauna 
von  VöhringendorfT  noch  einigen  Zuwachs  geliefert ;  sie  ist  je- 
doch zu  wenig  ausgebeutet,  als  dass  sie  vollständig  in  Parallele 


^-    168    — 

mit  jenen  Ablagerungen  gestellt  werden  könnte ,  ausser  in  dem 
äussern  Ansehen  und  der  sonstigen  Beschaffenheil  der  in  beider- 
lei Fundorten  aufgefundenen  Ueberreste. 

7)  Allen  diesen  Ablagerungen  ist  indess  der  mehr  oder  we- 
niger zertrümmerte  Zustand  der  Ueberreste,  und  der  Mangel 
derselben  in  der  äusseren  Umgebung  der  Bohnerzgruben  gemein, 
und  es  spricht  daher  dieses  allen  Fundorten  gemeinschaftliche 
Verhältniss  auch  auf  ein  mehr  oder  weniger  übereinstimmendes 
Verhältniss  der  Ablagerung  sämmtlicher  Ueberreste  in  sämmt- 
lichen  Bohnerzablagerungen  unbeschadet  derModificationen,  welche 
bei  den  einzelnen  stattgefunden  haben  mögen. 

8)  Aehnliche  Modificationen  finden  auch  bei  anderen  Abla- 
gerungen statt,  welche  im  Wesentlichen  doch  einer  Epoche  an- 
gehören und  durch  sehr  analoge  äussere  Umstände  veranlasst 
worden  sein  dürften.  In  dieser  Beziehung  ist  die  Ablagerung 
von  Langenbrunn  mit  den  andern  Ablagerungen  von  Diluvium  oder 
älterem  Alluvium  in  Parallele  zu  stellen.  Jene  zeichnet  sich  indess 
namentlich  durch  das  häufigere  Vorkommen  der  Ueberreste  des 
Murmelthiers  aus,  von  welchen  die  Ablagerung  von  Cannstatl  nur 
einzelne  Spuren  aufweist.  Es  entspricht  dies  dem  durch  die 
äusseren  Verhältnisse  erleichterten  Aufenthalt .  dieses  Alpenbe- 
wohners in  dem  höher  gelegenen  Juragebirge,  gegenüber  von 
den  Niederungen  des  Neckargebiets.  An  beiden  Orten  erscheint 
indess  die  Diluvialfauna  im  Uebergange  zu  der  jetzt  in  diesen 
Gegenden  einheimischen,  wogegen  die  Fauna  der  so  nahen  Bohn- 
erzgruben auf  eine  sehr  entfernte  Epoche  zurückweist,  in  wel- 
cher dieselbe  oder  eine  verwandte  Fauna  eine  sehr  grosse  Ver- 
breitung hatte,  und  daher  auch  ihre  Spuren  ebenso  in  den  Spalten 
des  Jura,  wie  in  dem  G^'pse  von  Hohenhoewen,  und  den  Süss- 
wasserbildungen  der  Alb,  sowie  in  den  Molassegebilden  der 
Schweiz  und  Oberschwabens  und  in  den  Ablagerungen  des  Rhein- 
thals nur  in  verschiedenen  durch  die  Lokalverhältnisse  zum  Theil 
bedingten  Modificationen  zurückgelassen  hat ,  für  welche  weniger 
in  einer  allmähligen  Beschränkung  der  Fauna  oder  einem  all- 
mähligen  Uebergange  zu  einer  andern  Combination  derselben,  als 
in  gewaltsameren  Veränderungen  eine  Erklärung  gesucht  werden 
muss ,    da    die   Zeit   des  Untergangs  jener  Fauna    uns    zu   ferne 


■=-     169    — 

liegt,  als  dass  der  Maassstab  der  uns  historisch  bekannten  Ver- 
hältnisse an  jene  urweltlichen  Verhältnisse  mit  einiger  Sicherheit 
angelegt  werden  könnte,  wenn  gleich  an  einer  Uebereinstimmung 
der  Ursachen  und  Wirkungen  innerhalb  gewisser  Gränzen  kaum 
gezweifelt  werden  kann.  In  dieser  Beziehung  stimmen  wir  daher 
vollkommen  mit  Hrn.  v.  Meyer*)  der  von  Kielmeyer*^) 
schon  vor  einem  halben  Jahrhundert  in  seinen  Vorlesungen  aus- 
gesprochenen Ansicht  bei,  dass  nämlich  bei  der  Entwicklung  der 
Erde  und  der  organischen  Naiur  einzelne  Organismen  sich  ver- 
lebt haben,  oder  wie  die  Milchzähne  oder  irgend  ein  anderes 
Organ  ausgefallen  oder  ausgestorben  seien,  wenn  ihre  Funktion 
aufgehört  habe.  Die  Entwicklung  des  Organismus  der  Erde  ist 
aber  wie  es  scheint,  zum  Theil  unter  gewaltsamen  Erschütter- 
ungen erfolgt,  welche  jetzt  seltener  und  in  beschränkterem  Um- 
fange den  ruhigen  und  stetigen  Gang  derselben  unierbrechen, 
bei  welchen  in  der  Diluvialzeit  eine  Fauna  ausgestorben  ist, 
welche  früher  in  den  Polarländern  von  Europa,  Asien  und  Amerika 
am  meisten  entwickelt  gewesen  zu  sein  scheint,  ***)  die  aber 
jetzt  nur  noch  in  Afrika  und  Asien  in  einzelnen  entsprechenden 
Arten  fortlebt. 


*)  Ueber  die  PveptilicMi  und  Säugetliiere  in  den  verschiedenen  Zeiten 
der  Erde  1852  p.  123. 

*•)  Ehrengedächtniss  des  k.  württemb,  Staatsrath  v.  Kielmeyer 
von  Dr.  G.  Jäger.     Acta  Caesar.   Leop.  Nat.  Cur.  Vol.  XXI.  P.  2.  p.  34. 

'■"'•"'0  Darauf  deuten  die  in  verliältnissweise  grösserer  Zahl  und  Voll- 
ständigkeit (abgesehen  von  der  durch  die  niedere  Temperatur  der  Fund- 
orte bedingten  besseren  Erhaltung)  aufgefundenen  fossilen  Ueberreste 
hin,  welche  Pallas,  Fischer  von  Waldheim,  Eichwald  und  die 
Verfasser  der  aus  Veranlassung  der  Nordpolexpeditionen  zu  Aufsuchung 
von  Capitain  Franklin  unternommenen  Untersuchungen  beschrieben 
haben,  von  welchen  wir  hier  nur  die  Fossil  Mammals  von  Richardson 
in  dem  1852  erschienenen  Werke,  the  Zoology  of  the  Voyage  of  H.  M.  S. 
Herald  anführen,  sowie  als  Seitenstiick  die  Entdeckungen  Walter 
Man  teils  in  dem  der  Südpolregion  nahen  Neu-Seeland;  indem  diesen 
Concentrationspunkten  einer  untergegangenen,  aber  an  die  jetzige  Fauna 
sich  anreihenden  Fauna  von  Wirbelthieren  kein  ähnlicher  im  Osten  und 
Westen  der  Erde  zu  entsprechen  scheint. 


—     170    — 

Erklärung   der   Tafeln. 
Taf.  II.     Erfunde  von  Langenbrunn ,  dazu  Taf.  III.  Fig.  62—66. 

Fig.  1.     Tief  abgeriebener  zweiter  unterer  linker  Backzahn   der  Hyaena 

spclaea. 
„      2.     Abreibungsfläche  desselben. 

„      3.     Bruchstück  des  Oberkiefers  einer  jungen  Hyäne  von  der  äusseren, 
,7~   4.     von  der  inneren  Seite. 

„      5.     Vorletzter  oberer  rechter  Backzahn  des  Wolfs. 
„      6.     Erster  oberer  rechter  Backzahn  (Praemolaris)  einer  Hundeart. 
„      7    u.    8.     Aeusserer  oberer  rechter  Schneidezahn  eines  jungen  Wolfs. 
„       9  u.  10.     Unterer  Eckzahn  eines  Fuchses. 

„  Hu.   12.     Aeussere  obere  Schneidezähne  des  Fuchses. 

„  13  u.   14.     Aeussere  obere  Schneidezähne  einer  Hundeart. 

„  15  u.   16.     Hinterster  unterer  rechter  Backzahn  einer  Katzenart, 

„  17  u.  18.     Zweiter  unterer  rechter  Backzahn  einer  Katzenart. 

„  19.     Bruchstück  der  rechten  Unterkieferhälfte  des  Agnotherium  anti- 

quum  Kaup  von  der  äusseren, 

„  20.     von  der  inneren  Seite. 

„  21,     Unterkieferhälfte  eines  Wiesels  (rechts  statt  links  gezeichnet). 

„  22  u,  23.    Keim  eines  oberen  Backzahns  eines  reissenden  den  Subursi 

verwandten  Thiers. 

„  24.     Unterkieferhälfte  von  Hypudaeus  aniphibius. 

„  25.     Zahnreihe  desselben. 

„  26.     Bruchstück  der  linken  Unterkieferhälfte  des  Hamsters. 

„  27.     Bruchstück  der  rechten  Unterkieferhälfte  des  Murmelthiers. 

„  28.     (Arctomys  alpinus) ,  äussere  und  innere  Seite. 

„  29.     Oberer  Schneidezahn  desselben. 

„  30.     Unterer  eines  kleineren  Thiers. 

„  31.     Oberer  dessgl. 

„  32.     Unterer  eines  noch  kleineren  Thiers. 

„  33  u,  34.     Bruchstück  des  Oberkiefers  eines  Wiederkäuers  (Rennthier). 

„  35  u.  36,     Keim  eines  oberen  Backzahns  von  demselben. 

„  37.     Bruchstück  des  Geweihs  von  Cervus  tarandus  Schottii. 

„  38  u.  39.     Tief  abgeriebener  Schneidezahn   eines  Wiederkäuers. 

,,  40.     Bruchstück  des  Oberkiefers  des  Rliinoceros  tichorhinus. 

„  41.     Dritter  oder  vierter  rechter  oberer  Backzahn  desselben. 

„  42.     Selir  junger  Keim  des  dritten  oberen  linken  Backzahns  desselben. 

„  43.     Backzahn  des  Elephas  primigenius? 

„  44.     Zweifelhafter  Zahn, 

,,  45.     Vergrösserte  Kaufläche  desselben. 


Wurlbniturwiss  Jahrcskfic  IX  Jahr^ 


TafM 


■kl  u  lilh  V.  Hummd 


ijcdrYÖ.Küslaer^ 


171     — 


Taf.  III. 

g.  i.     Schwanzwirbel  einer  Katzenart  von  Vöh  r  in  gen  dorff. 
1.     Obere  Fläche  desselben. 

2  u.  n    ein  kleinerer  dessgleichen   (verkehrt  gezeichnet),     n  untere 
Fläclie  desselben. 

3.  Phalanx  einer  Katzenart. 

4.  Zweifelhafte  Phalanx. 

5.  Vorletzter  linker  oberer  Backzahn  dem  des  Fuchses  sehr  ähnlich. 

6.  Oberer  Theil  eines  Eckzahns  des  Fuchses. 

7.  Dessgleichen. 

8.  Oberer  Theil  des  Radius  desselben. 

9.  Calcaneus  desselben. 

10.  Astragalus  desselben. 

11.  a)  Phalanx  desselben  von  der  oberen,    b)  von  der  unteren  Seite. 

12.  Oberer    Theil    des    Schenkelknochens    eines     ersten     Nagers 
(Sciurus?),    m.  Schenkelkopf,    n.  Trochanter  major. 

13.  Bruchstück  des  Beckens. 

14.  Radius. 

15.  Tibia. 

16.  Oberarmknochen  eines  zweiten  Nagers. 

17.  Unterer  Gelenkstheil  desselben. 

18.  Bruckstück  des  Cubitus, 

19.  des  Radius. 

20.  Astragalus. 

21.  Calcaneus. 

,    22.     Bruchstück  des  Unterkiefers. 

,    23.     Schneidezahn. 

,    24.     Unterer  Schneidezahn  eines  Nagers. 

25,  26  u.  27.     Erster  oberer  linker  Backzahn  eines  Wiederkäuers. 
,    28  u.  29.     Oberer  Backzahn  von  Palaeomeryx    minimus. 

30  —  35.     Untere  Backzähne. 
,36.     Unteres  Ende  des  rechten  Oberarmknochens. 
,    37  u.  38.     Astragalus. 
,    39.     Phalanx. 

40.     Andeutung  der  natürlichen  Grösse  des  Kieferbruchstücks. 

41   u.  42.     Kieferbruchstück  eines  sehr  kleinen  Wiederkäuers. 
,    43  u.  44.     Oberer  Backzahn  des  Palaeotherium  magnum    von    Neu- 

hausen. 
,    45  u.  46.     Sehr  tief  abgeriebener  Schneidezahn  von  Fr  o  h  n  s  t  et  ten. 

46.    Kaufläche  desselben,  ebendaselbst. 

47  —  49.     Unterer  Schneidezahn  desselben,  von  Neuhausen. 
,    50  —  52.     Untere  Backzähne  desselben,   ebendas. 


-     172     - 

Fig-.  53  u.  54.  Eckzahn  eines  unbekannten  Säugethiers,  Fig.  53  von  der 
äusseren,   Fig.  54  von  der  inneru  Seite,  von  Fr  ohn  s  te  tt  en. 

„    55  u.  56.     Derselbe  Zahn  vergrössert. 

„  57  u.  58.  Bruchstück  des  Unterkiefers  von  Anoplotherium  leporinum 
von  Frohn  st  e  tten. 

„    58  a.     Ein  vergrösserter  Zahn  desselben. 

„  59.  Vordere  Phalanx  eines  Anoplotherium  von  Fr  o  h  n  s  t  e  1 1  en  , 
Gelenksfläche  desselben. 

„  60  u.  61.  Eckzahn  von  Palaeotherium  curtum.  Fig.  61  äussere, 
Fig.  60  innere  flache  Seite  der  Krone,  ebend. 

„  62.  Bruchstück  der  rechten  Oberkieferhälfte  eines  Wolfs  von  Lan- 
ge nb  ru  n  n. 

„  63  u.  64.  Dazu  gehöriger  Eckzahn,  Fig.  63  von  der  äusseren,  Fig.  64 
von  der  Innern  Seite. 

„    65.     Oberarmknochen  des  Alpenmurmelthiers. 

„    66.     Derselbe  von  Langenbrunn. 

„    67.^     Derselbe  von  Eppelsheim. 

„    68  u.  69.     Derselbe  von  Aachen. 


Wurlb  nalurwiss  Jihrcshefle  IX  Jahr^ 


Taf  in. 


Gez.u.lilk.v.  Huramd. 


Gedr.  v.G.  Küslner 


2.     Negative  artesische  Brunnen 

(absorbirende  Bohrbrunnen)  im  Molassen-   und  Jurage- 
birge, zur  Ableitung  des  Wassers  aus  den  Gräflich  von 
Maldeg he m' sehen  Lagerbierkellern  in  Stetten 
ob  Lonthal. 

Ausgeführt   und    mitgetheilt    vom   Ingenieur   und    Geologen 
Dr.    Bruckmann. 

(Mit  einem  Situalionsplan  auf  Tafel  IV.) 


Die  Idee,  durch  Bergbohrungen  Schichten  zu  erreichen, 
mittelst  welcher  versumpfte  Grundstücke,  zum  Theil  auch  Teiche 
und  Seen  trocken  gelegt ,  überhaupt  lästige  NVässer  permanent 
entfernt  werden  können,  ist  keine  ganz  neue;  mein  nunmehr  ver- 
storbener Vater  hat  schon  in  den  I820ger  Jahren  diesen  Gegen- 
stand ins  Auge  gefasst,  A.  Chevalier  berichtet  im  Jahre  1835 
in  dem  Journal  des  connaissances  usuelles  über  die  Ableitung 
übelriechender  und  für  die  Gesundheit  nachtheiliger  Flüssigkeiten 
in  unterirdische  Wasserströmungen,  und  J.  Degousee  liefert 
in  seinem  „Guide  du  sondeur"  etc.  (Paris,  1847)  eine  Abhand- 
lung über  Senkbrunnen  und  ihren  Nutzen ;  —  allein  die  An- 
legung absorbirender  Bohrbrunnen  oder  Bohrlöcher  wurde  bei 
Weitem  nicht  so  häufig  realisirt,  als  die  Etablirung  artesischer 
Brunnen,*-)  obgleich  sich  manche  Gebirgsformationen  und  Lo- 
kalitäten tretTIich  zur  Ausführung  wasserabführender  Bohrlöcher 


*)  Mein  „Wegweiser  durcli  den  Berg-  und  Brunnenbolirwald'-  Darm- 
stadt, 1852,  Verlag  der  Hofbuclihandlung  von  G.  Jon  gh  au  s  —  entliält 
das  Wesentlrcliste  der  Literatur  über  artesische  Brunnen  u.  s.  w.  mit 
kritischen  Bemerkungen. 


—     174    - 

eignen.  Wie  manche  nutzlose  Bohrversuche  auf  Springquellen 
wurden  schon  in  hochliegenden  Gegenden  und  in  klüftigen  For- 
malionen aus  Mangel  an  Sachkenntniss  unternommen,  so  dass 
man  die  Summen  bedauern  muss,  welche  auf  derartige  Werke 
verwendet  worden  sind,  weil  man  statt  Sleigwasser  zu  erhalten, 
nicht  selten  absorbirende  Schichten  erschrotet  hat,  die  das  hin 
und  wieder  im  oberen  Terraine  erbohrte  Wasser  verschlungen 
und  in  die  Tiefe  geführt  haben ! 

Als  ich  die  artesischen  Brunnen  in  Baiern  eingeführt  halte, 
wurde  ich  u.  A.  nach  Gösweinstein  im  K.  Landgerichte  Potten- 
stein  berufen,  weil  man  beabsichtigte,  daselbst  eine  Bohrung 
auf  Springquellen  vorzunehmen ;  ich  rielh  von  dem  Unternehmen 
ab,  indem  ich  die  Unmöglichkeit  des  Gelingens  nachwies;  — 
Gösweinstein  hat  ungefähr  eine  Lage  wie  unser  romantischer 
Lichtenstein,  die  vorherrschende  Formation  ist,  wie  dort  klüf- 
tiger Korallenkalk  und  am  Fusse  des  Berges  in  der  Thalsohle 
entspringen  äusserst  mächtige  Süsswasserquellen ,  analog  dem  Ur- 
sprünge der  Echatz  unweit  Honau  bei  Lichtenstein,  des  Blautopfes 
bei  Blaubeuren,  der  Brenz  bei  Königsbronn  u.  s.  w.  Aehnlichen 
Verhältnissen  begegnete  ich  s.  Z.  in  dem  auf  oberem  Muschel- 
kalke ruhenden  hochliegenden  Rottenburg  an  der  Tauber  und 
a.  a.  0.,  wo  ich  mich  naiürlich  gleichfalls  gegen  das  Gelingen 
artesischer  Brunnen  aussprechen   musste. 

Es  wäre  in  solchen  Fällen  Thorheit ,  ja  den  Unternehmern 
gegenüber  gewissenlos  gewesen ,  wenn  ich  auch  nur  einige 
Hoffnung  ausgesprochen  hätte,  dass  Bohrungen  auf  Springquellen 
gelingen  werden  ;  die  dort  verhandenen  tiefer  liegenden  mäch- 
tigen Quellausbrüche  sind  die  Resultate  der  auf  den  Plaleau's 
der  Umgegend  sich  condensirenden ,  niederschlagenden  und  in- 
filtrirenden  H^drometeore ,  welche  in  den  Klüften  des  Gesteins, 
so  tief  niedersinken^  bis  sie  auf  ein  Hinderniss  —  eine  wasser- 
haltige Basis  —  stossen ,  die  ihrem  noch  tieferen  Eindringen 
ein  Ziel  setzt  und  sie  zum  natürlichen  Ausbruche  nöthiget;  das 
Gebirge  selbst  ist  demnach  vom  Plateau  bis  zur  Thalsohle  ab- 
gezapft. 

Wie  unter  solchen  Verhältnissen,  d.  h.  in  Formationen  und 
Lagen,  in  welchen  das  Gelingen  artesischer  Brunnen  unmöglich 


—     175     — 

ist,  dennoch  Trinkwasser  beigeschafft  werden  kann  (Anlegung 
gebohrter  Pump-  oder  Schöpfbrunnen  auf  Hochebenen  und  Ber- 
gen, *)  oder  je  nach  Umständen  in  den  oberen  oft  jüngeren 
Terrainsschichten  Schachtabteufungen,  Etablirung  von  Brunnen- 
stuben, Eintreibung  von  Stollen  u.  s.  w.)  gehört  nicht  in  den 
Bereich  der  gegenwärtigen  Schilderungen;  es  mögen  in  diesem 
Betrachte  meine  bisher  veröffentlichten  Schriften  nachgelesen 
und  meine  praktischen  Werke  kennen  gelernt  werden. 

Wenn  nun  aber  z.  B.  unmittelbar  im  klüftigen  oberen 
Jurakalke  (Korallenkalke)  und  unter  gewissen  Localverhältnissen 
keine  Springquellen  erbohrt  werden  können,  so  ist  er,  abgesehen 
von  seiner  technischen  Verwendung,  dennoch  zu  etwas  Weite- 
rem nütze,  nämlich  zur  dauernden  Ableitung  lästiger  Wässer, 
welche  sich  in  dem  zuweilen  auf  ihm  abgelagerten  jüngeren, 
thonigen   und  mergeligen  Terraine  ansammeln. 

In  Nachstehendem  werde  ich  nun  nach  einigen  vorange- 
schickten Vorerinnerungen  zwei  gelungene  negative  artesische 
Brunnen  schildern,  die  ich  kürzlich  mit  meinem  eigenen  Berg- 
bohrapparate ausgeführt  habe. 

Seine  Excellenz  der  Herr  Graf  von  Maldeghem,  Grund- 
herr von  Niederstotzingen  etc.  beabsichtigte  im  Spätjahre  1852 
in  seinem  Schlossgarten  zu  Niederstotzingen  einen  artesischen 
Brunnen  anlegen  zu  lassen,  nachdem  eine  frühere  von  einem 
Anderen  daselbst  auf  Springwasser  vorgenommene  Bohrung  gänz- 
lich fehlgeschlagen  hatte;  Hochderselbe  wünschte  vor  allen  Din- 
gen den  Rath  eines  geprüften  und  erfahrenen  Sachkundigen  zu 
vernehmen  und  hat  mich  auf  eine  freundliche  Empfehlung  des 
hochgeehrten  Herrn  Bergraths  von  Schübler  in  Stuttgart  hin 
eingeladen,  von  Darmstadl  aus,  wo  ich  mich  gerade  aufhielt, 
nach  Niederstotzingen  zu  reisen,  um  die  nöthigen  geognostisch- 
hydrographischen  Voruntersuchungen  vorzunehmen,  die  ich  in 
Gegenwart  des  Herrn  Grafen  vollführte.    Leider  konnte  ich  keine 


*)  S.  z.  B.  den  Bericht  an  die  Gesellscliaft  für  Bohrung  artesischer 
Brunnen  im  Herzogtlium  Altenburg-,  nebst  drei  von  mir  ausgestellten,  die 
geognostischen  Verhältnisse  dieses  Landes  und  besonders  die  Bohrver- 
suche auf  Wasser  betreffenden  Relationen.  Altenburg,  gedruckt  in  der 
Hofbuchdruckerei.    1833. 


—    176    -- 

Hoffnung  des  Gelingens  geben,  denn  der  etwas  erhöhte  Schloss- 
garten, obgleich  mit  geringmächtigen  miocenen  Süsswasser-  und 
Molassemergeln  bedeckt,  hat  den  klüftigen  und  wasserabführen- 
den Korallenkalk*)  zur  Basis,  und  ich  habe  desshalb  auf  das 
Entschiedenste  von  der  Ausführung  abgerathen.  Um  indessen 
für  den  Schlossgarten  dennoch  das  gewünschte  fliessende  Wasser 
zur  Speisung  eines  Teiches,  was  die  Hauptabsicht  war,  zu  er- 
halten, bezeichnete  ich  in  dem  rückwärts  und  nördlich  anstei- 
genden Molassehügel,**)  an  welchem  ohnehin  einige  gefasste 
Quellen  liegen,  zwei  Stellen,  wo  Brunnenstuben  mit  gutem  Er- 
folge angelegt  werden  könnten,  von  welchen  das  Wasser  aus 
geringer  Entfernung,  in  Röhren  nach  dem  Schlossgarten  zu 
leiten  wäre.  Diese  Ausführung  steht  zwar  noch  zu  erwarten, 
allein  ihr  Gelingen  hat  noch  mehr  Wahrscheinlichkeil  für  sich, 
als  dies  bei  meiner  im  Jahre  1836  auf  der  Königlichen  Hof- 
domäne Zwirtemberg  angelegten  Brunnenstube  ***)  der  Fall  war, 
welche  dennoch  dem  Zwecke  vollkommen  entsprach,  indem  sie 
viel  gutes  Wasser  aus  unbeträchtlicher  Entfernung  nach  dem 
Hofgute  führt. 

Herr  Graf  von  Maid eghem  geleitete  mich  auch  nach  dem 
eine  halbe  Stunde  von  Niederstotzingen  entfernten  und  höher 
gelegenen  Dorfe  Stetten  ob  Lonthal,  wo  Er  u.  A.  eine 
grosse  Bierbrauerei  besitzt,  deren  ausgezeichneter  Stoff  in  hohem 


*)  Derselbe  ist  an  etlichen  Stellen  auch  von  mergeligem  Portlander- 
kalke überlagert,  welchen  Quenstedt  mit  dem  lithographischen  Kalke 
parallelisirt  und  Krebsscheerenkalk  nennt. 

'•'*)  Bekannt  ist  diese  Lokalität  wegen  ihres  Petrefaktenrcichthumsj 
die  Bivalven  kommen  zwar  äusserst  selten  doppelschalig  vor  und  von 
Cardien  und  Cythereen  fand  ich  nur  Steinkerne;  zum  Theil  schön  er- 
halten sind  daselbst:  Östren  longirostris  Lmrk.  sehr  häufig:  0.  cyathula 
Lmrk,;  0.  flabelliila  Lmrk,;  0.  mutabilis  Desh,;  Pecten  crassicostatus 
Dhr.;  P.  Hermcintiseni  Dhr, 

'•'*")  Vergl.  S.  10  meiner  neueren  Schrift:  5,Der  wasserreiche  arte- 
sische Brunnen  im  alpiniscben  Diluvium  des  oberschwäbischen  Hoch- 
landes zu  Isny,  in  geognostisch  -  hydrographischer  und  construktiver 
Hinsicht.  Nebst  einem  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Diluvialgerölle  der 
Bodenseegegend.  Mit  einer  lith.  Gebirgsdurchschnittszeiehnung.  Stutt- 
gart.   E.  Seh weizerbart'sche  Verlagshandlung  und  Druckerei.  1851," 


—     177     — 

Grade  labend  und  unter  dem  Namen  „Stolzinger  Bier"  im  ganzen 
Lande  vortheilhaft  bekannt  ist. 

In  Stetten  angekommen,  machte  mich  der  Herr  Graf  auf 
den  fatalen  Umstand  aufmerksam,  dass  in  seine  beiden  grossen 
Lagerbierkeller  immerwährend  Wasser  eindringe,  welches  in 
kurzen  Intervallen  auf  zeitraubende  und  kostspielige  Weise 
theils  ausgepumpt,  theils  in  Fässern  ausgehoben  werden  müsse, 
und  noch  anderweitige  nicht  unbedeutende  Nachtheile  verursache, 
—  Nachtheile,  die  alle  nassen  Bierkeller  in  sich  vereinigen. 

Es  ist  wesentlich  und  von  Wichtigkeit,  auf  den  durch  Erfah- 
rung ermittelten  Umstand  aufmerksam  zu  machen,  dass  sich  in 
einem  Wasser-führenden  Keller  Schimmel  an  den  Fässern  ansetzt, 
was  die  Festigkeit  des  Holzes  nach  und  nach  beeinträchtiget; 
dass  hölzerne  Reife  mürbe  werden,  zerbrechen  und  abfallen;  — 
durch  das  Eindringen  von  Wasser  in  Kellerräume  wird  ferner 
die  Temperatur  in  denselben  erhöhet,  *)  was  in  doppelter  Be- 
ziehung verderblich  auf  das  Bier  einwirkt,  denn 

1)  zehrt  die  Ausdünstung  des  Wassers  an  der  Qualität  des 
Biers,  wodurch  es  krank  wird,  seine  Haltbarkeit  verliert  und 
umschlägt,  d.  h.  trübe  wird; 

2)  soll  in  einem  Lagerbierkeller  im  Sommer  keine  höhere 
Temperatur  als  -f  5  bis  6^  Reaum.  herrschen,  während  sie  in 
einem  Winterbierkeller  nöthigen  Falles  auf  8  bis  10^  steigen 
darf,   um  dem  Bier  noch  keinen  Schaden  zuzufügen;   —   öffnet 


'•')  Bekannt  ist  die  von  meinem  Vater  in  den  1820ger  Jahren  ent- 
deckte Nutzanwendung  des  Wassers  der  artesisclien  Brunnen  zur  Er- 
wärmung von  Arbeitssüälen  und  gänzliclien  FreiiiaJtung  der  Wasserräder 
vom  Eise-,  s.  S.  26-63  unseres  Werkes:  „Vollständige  Anleitung  zur 
Anlage,  Fertigung  und  neueren  Nutzanwendung  der  gebohrten  oder  so- 
genannten artesischen  Brunnen.  Grösstentheils  auf  eigene  Erfalirung 
gegründet  und  für  die  praktisclie  Ausführung  bearbeitet.  Mit  neun 
Steintafeln.  Zweite  Auflage.  Heilbronn  am  Neckar,  J.  D.  Class'sche 
Buchhandlung.  1838."  Es  ist  in  dieser  Abhandlung  auch  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  mittelst  des  Wassers  von  artesischen  Brunnen 
Gewächshäuser  erwärmt  und  Wintergärten  angelegt  werden  können,  und 
dass  man  umgekehrt  das  Wasser  in  Teichen  und  Seen  im  Sommer,  wenn 
es  zu  warm  ist,  abkühlen  kann,  um  das  Abstehen  der  Fische  zu  ver- 
hindern, wenn  man  Bohrbrunnenwasser  in  erstere  strömen  lässt,  u.  s.  w. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    i853,    2s  Heft,  12 


-     178     - 

man  ja  doch  im  Winter  die  Luftlöcher  der  Lagerbierkeller,  um  ihre 
Temperatur  wo  möglich  auf  Null  zu  bringen,  oder  wie  sich  die 
Brauer  auszudrücken  pflegen,  um  die  Keller  ausfrieren  zu  lassen! 

Die  sogenannte  und  den  Fässern  immer  in  hohem  Grade 
nachtheilige,  ja  das  Fassholz  nach  und  nach  zerstörende  Trocken- 
fäule (Schwamm)  bildet  sich  leicht  in  jedem  zu  warmen ,  wenn 
auch  trockenen  Keller,  selbst  wenn  die  Fassdauben  aus  ganz 
gesundem  Holze  bestehen ,  übrigens  kann  sie  durch  Luftzug  bei 
geeigneter  Temperatur,  in  den  meisten  Fällen  und  Terrains- 
arien verhindert  werden.  In  letzterem  Betrachte  kam  mir  in 
meiner  Praxis  einmal  ein  so  interessanter  Fall  vor,  dass  er  einer 
kurzen  Miltheilung  werth  ist. 

Nicht  weit  von  Constanz ,  am  Ufer  des  Bodensee's  (Ueber- 
linger  See's)  war  ein  ausgedehnter  Lagerbierkeller  —  Felsen- 
Keller  —  in  lockerer  trockener  Molasse  ausgehauen,  welcher  in 
der  ersten  Zeit  seiner  Existenz  zu  den  besten  Kellern  der  Um- 
gegend gehörte;  bald  aber  machte  der  Eigenthümer  S.  desselben 
—  er  hat  sich  seit  etlichen  Jahren  mit  vielem  Glücke  als  Brauer 
in  Nordamerika  etablirt  —  die  unerfreuliche  Wahrnehmung,  dass 
sich  die  Trockenfäule  an  den  Fässern  einzustellen  begann,  und 
da  ich  in  dieser  Periode  (in  den  I840ger  Jahren)  in  Constanz 
als  Stadtbaumeister  und  Lehrer  an  der  dortigen  Gewerbeschule 
lebte,  so  wurde  ich  von  ihm  angegangen,  die  Sache  zu  unter- 
suchen und  dem  grossen  Uebelstande  wo  möglich  abzuhelfen, 
denn  die  Zerstörungen  der  Trockenfäule  sind  bekannt.  Ich  be- 
gab mich  mit  dem  Eigenthümer  an  Ort  und  Stelle;  auf  der  Nord- 
seite des  Kellereinganges  waren  am  Boden  links  und  rechts  zwei 
Luftlöcher  angebracht,  welche  nach  Belieben  geöffnet  und  ge- 
schlossen werden  konnten;  in  der  Mitte  des  frei  aus  dem  Sand- 
felsen (Molasse)  gehauenen  Kellergewölbes  befand  sich  ein  weiter 
Luftschlauch,  der,  wie  mir  vorgegeben  worden,  bis  über  Tag 
reiche,  nämlich  in's  freie  Ackerfeld  ausmünde.  Gleich  beim 
Eintritte  in  diesen  Felsenkeller  fiel  mir  die  dumpfe  Luft  auf, 
welche  in  demselben  herrschte;  die  Luftlöcher  der  Nordseite 
waren  geöffnet,  wir  halten  Fackeln,  Lichter  bei  uns,  aber  nicht 
die  geringste  Bewegung  der  Flammen  war  wahrzunehmen,  — 
Kein  Luftzug  im  ganzen  grossen  Kellerraume ! 


—    179    — 

Diese  Wahrnehmung  liess  mich  sogleich  vermuthen,  dass 
der  obere  Luftschlauch  gänzlich  verstopft  sein  werde;  der  Eigen- 
Ihümer  protestirte  gegen  meine  Ansicht,  erklärte  sogar  die  Ver- 
stopfung für  eine  Unmöglichkeit,  indem  er  bemerkte,  dass  der 
Schlauch  oben  auf  dem  freien  Felde  (Ackerlande)  gehörig  offen 
gehalten  und  verwahrt  sei.  Dessen  ungeachtet  bestand  ich  auf 
genauer  Untersuchung  dieses  Luftschlauches ;  es  wurden  Leitern 
beigebracht,  derselbe  bestiegen,  und  was  entdeckte  ich?  —  der 
Schlauch  war  mit  Dielenstücken  dicht  überdeckt  und  auf  letztere 
eine  Schichte  Ackererde  geworfen,  über  welche  sogar  der  Pflug 
des  Landmanns  gegangen  war,  kurz  er  ist  hermetisch  ver- 
schlossen gewesen. 

Nunmehr  war  das  bisherige  Räthsel  zur  vollsten  Beruhigung 
des  Eigenlhümers  gelöst,  es  wurde  in  Zukunft  für  Offenhaltung 
des  Luftschlauchs  Sorge  getragen,  die  Trockenfäule  verschwand, 
und  der  Felsenkeller  gehörte  von  dieser  Zeit  an  wieder  zu  den 
trefflichsten  Etablissements  dieser  Art. 

Der  Herr  Graf  vonMaldeghem,die  Vortheile  trockener 
und  die  Nachtheile  nasser  Kellerräume  wohl  erwägend,  stellte 
an  mich  die  Anfrage,  ob  wohl  das  in  seine  beiden  Bierkeller 
dringende  lästige  Wasser  auf  irgend  eine  dauernde  Weise  ent- 
fernt werden  könnte?  —  eine  Frage,  die  ich  mit  „ja"  beant- 
wortete, indem  ich  die  Anlegung  absorbirender  Bohrbrunnen  vor 
denselben  vorsehlug,  und  nachdem  ich  mich  über  die  Wahr- 
scheinlichkeit des  Gelingens  der  letzleren  in  einer  Relation  aus- 
gesprochen hatte,  wurde  ich  ersucht,  zur  Ausführung  zu  schreiten. 
Bevor  ich  die  ausgeführten  und  gelungenen  Bohrwerke  selbst 
schildere,  soll  eine  geognoslische  und  hydrographische  Beschrei- 
bung von  Stellen  nach  Massgabe  meiner  eigenen  Beobachtungen 
vorangehen. 

Stellen  ob  Lonthal,  ein  katholisches  Pfarrdorf  mit  350 
Einwohnern  im  hochgelegenen  K.  Oberamisbezirke  Ulm,  gehört 
im  Allgemeinen  der  südlichen  sanften  Abdachung  der  jurassischen 
rauhen  Alp  an,  und  es  breitet  sich  in  geringer  Entfernung  das 
Gebiet  der  Donau,  vorherrschend  daselbst  eine  Kiedebene,  gegen 
Bayern  hin  aus;  in  der  Nähe  befindet  sich  das  tiefer  gelegene 
ziemlich  schmale  Lonthal,  von  einem  Flüsschen,  der  Lone,  auch 

12* 


—     180    - 

Lonlel  genannt,  durchschlängelt,  welches  den  Oberamtsbezirk 
von  Westen  nach  Osten  durchzieht.  Im  Einzelnen  liegt  der  Ort 
theils  am  westlichen  terrassenförmigen  Abhänge  der  sogenannten 
Gemeinde  (einer  Hügelansteigung),  theils  in  einem  engen  Thäl- 
chen,  von  welchem  aus  sich  in  westlicher  Richtung  der  höhere 
Stumphau ,  weiter  hinten  aber  der  schon  ziemlich  hoch  gelegene 
Alport  Bissingen  erhebt;  gegen  Osten  geht  die  Ansteigung  der 
sogenannten  Gemeinde,  —  des  Hügels,  auf  dessen  Rande 
die  beiden  Gräflichen  Lagerbierkeller  stehen  —  in 
das  Plateau  eines  Tannenwaldes  über,  dessen  Terrain  sich  mit 
geringer  Ansteigung ,  etwa  25Fuss,  allmählig  in  das  sogenannte 
Sandfeld  —  die  schon  berührte  Niederstotzinger  Molasse  —  ver- 
liert; letztere  Lokalität,  eine  halbe  Stunde  nördlich  von  Nieder- 
stotzingen,  liegt  1855  würltemb.  Fuss  über  dem  Meere  und 
gegen  200  Fuss  über  der  nachbarlichen  Donau,  so  dass  die 
Meereshöhe  der  fraglichen  Sommerbierkeller  annähernd  zu  1830 
Fuss  angenommen  werden  darf. 

Gegen  Süden  zieht  sich  das  Ortslhälchen  zuerst  steigend, 
dann  fallend  zwischen  Asselfingen  und  Oberstotzingen  hin,  und 
verflächt  sich  mit  dem  übrigen  Terraine  sanft  gegen  die  Donau- 
ebene ;  gegen  Norden  fällt  das  enge  Thal  in  der  sogenannten 
Wiese  unter  dem  Schlosse  und  dem  Niederfelde  allmählig  nach 
dem  Lonthale  ab. 

Vom  nördlichen  Ende  des  Ortes  aus  zieht  sich  in  östlicher 
Richtung  ein  schmales  Thälchen  —  Reitschule  und  Brunnen- 
wiese —  muldenförmig  eine  Viertelstunde  bis  zum  Sparrenwalde 
aufwärts  und  geht  nach  und  nach  in  das  Plateau  des  Sandfeldes 
über,  wo,  wie  wir  bereits  wissen,  die  Niederstotzinger  (Meeres-) 
Molasse  mit  ihren  grossen  Ostraciten  etc.  abgelagert  ist ;  begeht 
man  dieses  Thälchen  vom  Orte  aus  in  aufsteigender  Richtung, 
so  finden  wir  es  rechts  (südlich)  vom  Tannenwalde,  links  (nörd- 
lich) aber  vom  Stehberge,  Büschelesberge  u.  s.w.  begrenzt,  die 
sich  weiter  oben  sämmtlich  in  das  Sandfeld  verlaufen. 

Am  Fusse  des  Stehberges  und  eine  kleine  Strecke  weit  auch 
an  dem  des  Tannenwaldes  steht  harter  klüftiger  Korallenkalk  zu 
Tage  an;  dasselbe  Gestein  beisst  am  westlichen  und  nördlichen 
Fusse   der   sogenannten  Gemeinde    (des  Hügels)   aus,    und    man 


—     181     =- 

sieht  es  am  nördlichen  Abhänge  Iheilweise  auch  von  festem  mit 
Mergeln  wechsellagerndem  Porllandkalke  überdeckt;  die  mittlere 
Abtheilung  dieses  Hügels,  auf  welchem  die  Bohrversuche  unter- 
nommen worden ,  ist  aus  Süsswassergebilden  und  die  obere  aus 
Meeresmolasse  conslituirt,  welch*  letztere  sich  vom  Sandfelde 
aus  in  geringer  Mächtigkeit  noch  hierher  erstreckt.  Im  Uebrigen 
bestehen  die  Hügel  und  Berge  der  Umgegend  vorherrschend  aus 
Korallenkalk,  welcher  z.  ß.  in  dem  grossen  Steinbruche  des 
nahen  Oberstotzingen,  von  Portlandstein  überlagert,  schön  auf- 
geschlossen ist,  zuweilen  auch,  wie  bei  Schnaitheim,  oolithisch 
wird,  und  ausser  den  bekannten  bezeichnenden  Versteinerungen 
(ich  selbst  fand  bei  Oberstotzingen  Astraea  alveolata  Gold  f., 
Terebratula  biplicata  Sow.,  T.  difformis  Lmrk.y  Pecten-  und 
Nerinea-species)  Hornsteinnieren ,  Quarz-  und  Chalcedondrusen 
einschliesst. 

Der  vorherrschende  Charakter  des  Korallenkalkes  der  ganzen 
Umgegend,  welcher  weissliche,  grauliche  und  gelbliche,  seltener 
aber  röthliche*)  Färbung  zeigt  und  zuweilen  Kalkspathadern  ent- 
hält, ist:  ungemeine  Härte,  starke  irreguläre  Zerklüftung,  Höh- 
lenbildung und  Erdfälle.  Im  tieferen  Theile  des  Dorfes  Stetten 
selbst  sind  in  und  bei  der  Ziegelhülte  sogenannte  Erdfälle  (nach 
meiner  Wahrnehmung  Klüfte  im  Korallenkalk)  bekannt,  in  denen 
sich  theils  beiströmendes  Regenwasser  theils  absichtlich  einge- 
gossenes Wasser  niederstürzt ,  um  für  immer  zu  verschwinden 
und  sich  wahrscheinlich  mit  dem  Quellensysteme  des  noch  tiefer 
liegenden  Lonlhales  zu  vereinigen.  Unter  den  grösseren  Höhlen 
in  diesem  Kalke  zeichnet  sich  der  sogenannte  hohle  Stein  und 
der  Stadel  auf  Asselfinger  Markung  eine  halbe  Stunde  von  Stetten 
aus;  aber  auch  näher  beim  Orte  befindet  sich  in  nordwestlicher 
Richtung  eine  niedere  etwas  ausgedehnte  Höhle  mit  Stalaktiten- 
bildungen, am  sogenannten  Vogelherde  auf  dem  Wege  nach 
Bissingen. 


*)  Bei  der  Kaltenburg  finden  sich  gelbliche  und  röthliche  marmor- 
artig gefleckte  Massen,  sogen,  wilder  Marmor.  Das  Belvedere  im 
Schlossgarten  zu  Niederstotzingen  ist  vorherrschend  aus  diesem  Mate- 
rial erbaut. 


—     182    — 

Am  nördlichen  Ende  von  Stetten  liegt  das  Gräfliche  Schloss, 
die  Kirche,  das  Bräuhaus,  romantisch  auf  einem  steil  nach  dem 
Thale,  —  der  Wiese  —  abstürzenden  Korallenfels. 

Das  Gefälle  der  sogenannten  Gemeinde  ,  deren  Meereshöhe 
wir  zu  1830  Fuss  angegeben  haben,  beträgt,  von  den  Lagerbier- 
kellern an  in  westlicher  Richtung  gemessen,  bei  einer  horizon- 
talen Ausdehnung  von  700  Fuss  bis  zum  Schulhause  70  Fuss; 
es  findet  aber  von  dort  aus  noch  ein  weiteres  Abfallen  des  Ter- 
rains im  Orte  nach  der  Ziegelhütle  u.  s.  w.  überhaupt  bis  zum 
eigentlichen  Ortsthälchen  statt.  Der  Korallenkalk  umgibt  den 
westlichen  und  nördlichen  Fuss  des  Gemeindehügels  gürtelförmig, 
er  fällt  in  der  Richtung  von  Südwest  nach  Nordost  in  flachem 
Winkel  jedoch  divergirend  ein ,  und  die  Molasse  sammt  ihren 
untergeordneten  Süsswasserbildungen  scheint  sich  an  ihm  ange- 
staut zu  haben;  in  dem  Bohrloche  vor  dem  neuen  Bierkeller 
z.  B.  wurde  er  erst  bei  76  Fuss  1  Zoll  8  Lin.  erreicht,  wäh- 
rend  er    am  Fusse    der   sogenannten  Gemeinde   höher  aufsteigt. 

Die  Plateau's  und  Bergabhänge  der  nächsten  Umgebung  von 
Stetten  sind  mit  ausgedehnten  Eichenwäldern,  seltener  mit  Buchen 
und  Tannen  bedeckt;  der  vorhandene  Waldwuchs  bedingt  jeden- 
falls die  Niederschlagung  und  Infiltrirung  einer  Masse  von  Was- 
serdünsten (Hydromcteoren),  und  diesem  Umstände  schreibe  ich 
das  Vorhandensein  der  Quellen  zu,  welche  sich  in  den  oberen 
und  jüngeren  Terrainsschichten  bei  Stellen  bewegen,  wie  so- 
gleich' näher  gezeigt  werden  wird;  auch  das  lästige  Eindringen 
von  Sickerwasser  in  beide  Bierkeller  hat  in  dieser  Grundur- 
sache seinen  Sitz.  Welch'  mächtigen  Einfluss  die  Wälder  auf 
Quellenbildungen  ausüben  und  welch'  nachtheilige  Einwirkung  das 
Ausrollen  und  Vertilgen  der  Wälder  auf  die  Quellen  äussert, 
hierüber  habe  ich  in  meinen  Schriften  schlagende  Beweise  bei- 
gebracht, auf  die  ich  der  Kürze  halber  verweise;  man  hüte  sich 
indessen  bei  solchen  Betrachtungen  unorganische  Quellen 
mit  organischen*)  zu  verwechseln,  da  letztere  von  den  Ve- 


*)  Meine  anfängliche  Auffassung  von  unorganischen  und  organischen 
Quellen  ist  in  meinem  Anhange  der  deutschen  Ausgabe  von  „Viollet's 
Theorie  der  artesischen  Brunnen  etc."   aufgezeichnet. 


—    183    -» 

getationsverhältnissen    und    den    Hydrometeoren    einer    Gegend 
gänzlich  unabhängig  sind. 

Stellen  erfreut  sich  einer  VVohlthat,  deren  wenige  Alporle 
Iheilhaftig  sind,  nämlich  eines  reinen,  gesunden  und  reichlich 
fliessenden  Trinkwassers.  Von  fünf  durch  Brunnensluben  ge- 
fassle  Quellen,  welche  dem  Orle  und  dem  Gräflichen  Bräuhause 
miltelst  einer  Röhrenfahrt  das  Wasser  zuführen,  liegen  vier  nahe 
am  neuen  Lagerbierkeller,  am  nördlichen  Saume  des  dortigen 
Tannenwaldes,  und  zwar  um  Weniges  liefer,  als  die  obere  Boden- 
fläche des  Kellers.  Diese  Quellen  entspringen  sämmtlich  aus 
Molasseschichlen  zwischen  Sandslein  und  Mergel  und  führen  zu- 
weilen Sand  mit,  den  sie  absetzen.  Etwas  weiter  oben  ist  der 
Teichelweiher,  welcher  durch  kleine  Quellen  gespeist  wird,  die 
gleichfalls  aus  Molasseschichten  nördlich  eindringen ;  dieser  Tei- 
chelweiher dient,  abgesehen  von  Aufbewahrung  hölzerner  Wasser- 
leitungsröhren,  als  Wasserbehälter  für  den  Fall  einer  Feuers- 
brunst im  Dorfe.  Zehn  Minuten  in  nordöstlicher  Kichtung  vom 
neuen  Keller  entfernt,  entspringt  die  Schlossfeldquelle  im  soge- 
nannten Büschelesteich  aus  gleicher  Formation,  ist,  in  einer 
Brunnenstube  gefasst,  durch  Röhren  milden  übrigen  vereiniget 
und  liegt  so  ziemlich  in  gleicher  Höhe  mit  diesem  Sommer- 
bierkeller. 

Das  Abwasser  der  Brunnen  von  Stellen  und  des  Teichel- 
weihers  schlängelt  sich  durch  das  Niederfelder  Thälchen  dem 
Lonthale  zu;  sonst  findet  sich  zunächst  beim  Orle,  die  Lone  im 
Lonthale  ausgenommen,  kein  fliessendes  Wasser. 

Diese  Quellen  bilden  ein  eigenes  System,  indem  sie  alle 
aus  der  Grenzscheide  der  Molasse  und  der  sie  begleitenden  Süss- 
wasserkalkformalion  hervortreten  und  in  gar  keinem  Zusammen- 
hange mit  dem  den  Untergrund,  das  Liegende  bildenden  Jura- 
gebirge stehen.  Die  gegen  mich  ausgesprochene  Befürchtung, 
„es  könnten  vielleicht  durch  meine  Bohrungen  die  fraglichen 
Quellen  in  ihrem  Quantum  beeinträchtigt  werden  oder  wohl  gar 
versiegen",  konnte  ich  zum  Voraus  auf  beruhigende  Weise  an- 
nulliren  und  wie  die  Erfahrung  gelehrt  hat,  mit  dem  vollsten 
Rechte.  Es  würde  mich  zu  weit  führen,  diesen  Gegenstand 
hier  specieller  ins  Auge  zu  fassen  und  durch  Profile  zu  erläutern, 


—    184    ~ 

ich  kann  mich  jedoch  der  Andeutung  nicht  enthalten,  dass  es 
bei  projektirten  Wassergewinnungen  unter  gewissen  geologischen 
Verhältnissen  in  mehreren  Fällen  sehr  zu  rathen  ist ,  sich  nur 
in  den  oberen  Terrainsschichten  zu  bewegen,  statt  in  grössere 
Tiefe  niederzugehen. 

Nun  zur  Schilderung  der  absorbirenden  Bohrbrunnen. 

Beiliegender  Situationsplan  (Taf.  IV.)  macht  die  Lage  der  beiden 
Gräflichen  Lagerbierkeller  deutlich,  wovon  der  alte  im  Jahre  1832, 
der  neue  aber  1834  erbaut  worden  war;  sie  stehen  am  oberen 
Rande  der  sogenannten  Gemeinde,  wo  das  Plateau  des  Tannen- 
waldes beginnt,  und  zwar  bei  einer  Meereshöhe  von  1830', 
wie  wir  wissen,  70'  über  der  Bodenfläche  des  Schulhauses  in 
Stetten  erhaben,  und  in  horizontaler  Richtung  700'  von  dem- 
selben entfernt.  Das  lästige  und  permanente  Eindringen  des 
Sickerwassers  in  die  Kellerräume  fand  von  der  Ostseite  des 
Tannenwaldes  her  statt,  während  von  Westen  aus  gar  keine 
W^assereinsickerung  wahrgenommen  werden  konnte ,  und  an  den 
Süd-  und  Nordseiten  der  Keller  kaum  Spuren  zu  entdecken  waren. 
Unter  diesen  Verhältnissen  hielt  ich  es  für  das  Zweckmässigste, 
das  Sickerwasser  durch  eine  östlich  gelegte  Schachtabteufung 
ausserhalb  des  neuen  Bierkellers  abzuschneiden  und  abzufangen, 
bevor  ich  mit  Niedertreibung  des  Bohrloches  begann,  in  welchem 
das  Wasser  sich  niederstürzen  und  versenken  sollte.  Am  27ten 
September  1852  traf  ich  Behufs  der  Ausführung  der  beabsich- 
tigten Werke  in  Stetten  ein,  nachdem  mein  Bergbohrapparat 
bereits  daselbst  angelangt  war,  und  ertheilte  sogleich  die  nöthi- 
gen  Instruktionen  zu  den  Vorarbeiten.  Obgleich  die  Bohrung 
im  alten  Sommerbierkeller  während  der  Schachtabteufung  am 
neuen  Keller  vollführt  wurde,  so  finde  ich  doch  für  gut,  die 
Ausführung  beim  neuen  Lagerbierkeller  in  der  Beschreibung  vor- 
anzustellen, indem  sie  die  wesentlichere  und  wichtigere  ist. 

Absorbirender    Bohrbriiniien    am    neuen   Lager- 
bierkeller. 

Sechs    Fuss    von    der    östlichen  27'  3"    hohen  Schildmauer 
desselben    entfernt    und    in   ihrer   Miltelrichtung    wurde   ein   im 


Wiif  tb-iiatuiwi8S:  Jabeskefle  llJaln-g . 


TqfiW. 


SITIIATIONSPLAN 

r/er 

Gra/ltch  voiv^Mald^ffhem  &chen    Lagerhier 
Keller  zu  Jh/ten  oh  Lonthxil . 


Alter  Keller 


JEinc/ancf 


Süd 


, ;...                                 1 

i    ^       il 

..........       ,  ^ 

di 

W^ 

W 

icfcm^ 


Mrd 


^ 


Neuer    Keller 


TANNEN     WALD 


+--+-4-^ 


200Fu, 


I        I         I         I        1         I         I 


Dr Bruckmann   ad  not  fec  ■ 


-    185    - 

Lichte  allewege  6'  weiter  Schacht,  33'  tief  auf  ganz  solide 
Weise  abgeteuft*),  um  die  hohe  und  nahe  liegende  Schildinauer 
in  ihrer  Festigkeit  nicht  zu  beeinträchtigen ;  die  Sohle  des 
Schachtes  kam  also  nahezu  6'  unter  den  Kellerboden  zu  liegen. 
Eine  Aufzeichnung  der  durchsunkenen  Schichten  wird  weiter 
hinten  folgen  und  ich  führe  hier  nur  vorläufig  an,  dass  bei  19' 
Tiefe  das  erste  von  Osten  her  eindringende  Sickerwasser  ent- 
deckt wurde,  welches  sich  mit  Zunahme  der  Teufe  vermehrte; 
das  Wasser  träufelte  aber  nur  zwischen  19  und  25'  Tiefe  aus 
einer  Süsswassermergel-Ablagerung  hervor,  während  das  Gebirge 
weiter  oben  und  weiter  unten  sich  trocken  zeigte.  Nachdem 
über  20'  tief  niedergegangen  war,  sammelten  sich  über  Nacht 
gewöhnlich  45  bis  78  Kubik-Fuss  Wasser  im  Schachte  an,  welches 
jeweils  ausgehoben  werden  musste,  um  die  Schachtabteufung 
fortsetzen  zu  können;  später  verringerte  sich  dieses  Quantum 
auf  13  Kubik-Fuss  101  Kubik-Zoll,  und  in  der  Nacht  vom  fg. 
Oktober,  nachdem  der  Schacht  bei  33'  Tiefe  schon  vollendet 
und  auf  seiner  Sohle  eine  Sammelgrube  angelegt  war,  waren 
nur  9  Kub.-Fuss  Wasser  in  ihn  gedrungen,  ein  Mass,  das  sich 
fernerhin  ziemlich  constant  blieb  und  sich  später  nur  durch 
anhaltende  und  heftige  Regengüsse  vermehrte,  an  welchen  das 
Späfjahr  1852  bekannter  Massen  sehr  reich  war. 

Die  auffallende  Abnahme  des  Wassers  gab  anfänglich  der 
Vermuthung  Raum,  als  hätten  die  unten  abgelagerten  Süsswas- 
sermergel  bereits  die  Eigenschaft,  einen  Theil  des  Wassers  zu 
absorbiren ;  allein  diese  Ansicht  bestätigte  sich  nicht,  die  frag- 
lichen Thonmergel  waren  dicht  und  nicht  im  mindesten  sandig, 
und  ich  erkläre  den  Grund  dieser  Erscheinung  auf  folgende  ein- 
fache Weise. 

Durch  meine  Schachtabteufung  wurde  dem  östlich  eindrin- 
genden Sickerwasser  zuvörderst  der  Lebensnerv  abgeschnitten ; 
der  rückwärts  liegende  Terrainsklotz  des  Tannenwaldes  war  von 
19  bis  25'  Tiefe  satt  mit  Wasser  angeschwängert,    welches   an 


*)  Im  Allgemeinen  nach  Massgabe  meiner  Abhandlung  auf  S.  64  — 72 
in:  „Vollständige  Anleitung  zur  Anlage  etc.  der  artesischen  Brunnen. 
Zweite  Auflage.  Heilbronn  am  Neckar,  J.  D.  Classische  Buchhand- 
lung,  1838." 


—    186    — 

der  Schildmauer  des  Kellers  einen,  wenn  auch  nicht  ganz  dicht 
geschlossenen  Damm  fand.  Anfangs  konnte  sich  nun  das  Wasser 
in  seinem  vollsten  Quantum  in  den  Schacht  ergiessen,  weil  die 
Terrainsmasse  auf  6'  Weite  schnell  und  senkrecht  durch  den 
Schachtbau  entblösst  worden  ist,  dieses  Sickerwasser  musste  sich 
aber  nach  und  nach  und  so  lange  bei  anhaltender  Entleerung 
oder  Abzapfung  der  betreffenden  Schichte  vermindern,  bis  ein 
normaler  Beharrungszustand  im  Laufe  der  Zeit  eintreten  konnte. 

Schon  während  der  Abteufung  des  Schachtes  und  namentlich 
als  mit  ihm  unter  die  Tiefe  des  Kellerbodens  niedergekommen 
war,  gewahrte  man  eine  Abnahme  des  Wassers  im  Keller,  welches 
sonst  immer  durch  die  Fugen  der  Schildmauer  an  verschiedenen 
Stellen  eindrang,  in  die  bei  b  angebrachte  Grube  lief  und  von 
dort  sehr  häufig  ausgepumpt  werden  musste.  Mehrere  früher 
nasse  Stellen  dieser  Schildmauer  fingen  bereits  zu  trocknen  an, 
während  das  eindringende  Wasser  bisher  den  Mörtel  theilweise 
wegspülte  und  offenbar  der  Festigkeit  des  Mauerwerkes  schadete. 

Mit  dem  Bohren  wurde  jetzt  auf  der  Sohle  der  unten  im 
Schachte  eingehauenen  Sammelgrube  begonnen  und  zwar  in 
Thonmergeln  der  Süsswasserkalkformation ,  die  viele  Jurakalk- 
gerölle  einschlössen;  ich  wollte  dieses  zum  Nachstürzen  sehr 
geneigte  Terrain  sachgerecht  mittelst  Abtreibens  hölzerner  Bohr- 
teucher  durchsenken ,  allein  der  dazu  benöthigte  eiserne  Röhren- 
schuh, wozu  ich  Zeichnung  und  Detailvorschrift  gegeben,  ver- 
unglückte leider  zum  zweilen  Male  in  einem  nachbarlichen  Gross- 
hammerwerke, und  ich  konnte  mich  der  Zeitersparniss  halber  in 
diesem  Falle  nicht  mehr  an  die  von  mir  S.  21  meiner  neueren 
Schrift  *)  citirte  und  bewährte  Quelle  halten.  In  dieser  nicht 
geringen  Verlegenheit  setzte  ich  die  Holzröhren  ohne  Schuh  stumpf 
auf  das  Terrain ,  und  da  ich  sie  dem  zu  Folge  nicht  niedertreiben 
konnte,  so  fing  ich  mit  der  Bohrung  auf  gut  Glück  um  so  eher 
an,  als  ich  ohnehin  vorhatte,  das  Bohrloch  nach  seiner  Vollen- 
dung noch  mit  Metallröhren  zu  schützen. 

Ich  will  den  Leser  nicht  durch  technische  Details  ermüden; 


*)  Der    wasserreiclie  artesisclie    Brunnen    zu    Isny   etc.      Stuttgart, 
E.  Seh  weizerbart'sche  Verlagshandlung  1851. 


—    187    — 

kurz  gesagt:  die  während  der  möglichst  beschleunigten  Bohr- 
arbeiten in  dem  vier  Decimalzoll  weiten  Bohrloche  vorgekommenen 
Terrainsnachstürze  wurden  jeweils  schnell  gewältiget,  das  Wasser 
im  Schachte,  welches  im  Verlaufe  des  Bohrens  nicht  mehr  zu 
Tage  gefördert  wurde,  sammelte  sich  ziemlich  mächtig  und  stieg, 
wie  zu  erwarten  war,  allmählig  so  hoch  an,  dass  es  selbst  wie- 
der durch  die  Schildmauer  auf  den  Boden  des  Kellers  drang. 

Als  am  26.  November  früh  fünf  Uhr  von  Tag  (von  der 
Hängebank  des  Schachtes)  an  eine  Tiefe  von  66'  7"  3"'  erreicht 
war,  sank  der  Bohrer,  den  ich  gerade  eigenhändig  dirigirte, 
schnell  durch  eine  3'  hohe  mit  Sand  und  Kalkgeröllen  ausge- 
füllte Schichte  nieder,  und  in  demselben  Augenblicke  fing  die 
Wassersäule  im  Schachte  niederzusinken  an  und  verlor  sich  nach 
lind  nach  gänzlich  aus  selbigem  mit  abnehmender  Geschwindigkeit, 
übrigens  so,  dass  es  in  der  Nacht  vom  |f .  Nov.  vollständig  aus 
dem  Schachte  verschwand.  Dass  das  Wasser  vom  Schachte  aus 
in  das  Bohrloch  dringen  konnte,  hat  seinen  Grund  darin,  weil 
die  Holzröhren  vor  ihrer  Einsetzung  absichtlich  durchlöchert 
worden  sind. 

Nun  hatten  wir  die  gesuchte  wasserabführende  Schichte  er- 
bohrt, oder  richtiger  gesagt,  sind  einer  unterirdischen  Wasser- 
strömung begegnet,  welche  das  Schachtwasser,  d.  h.  das  ein- 
dringende Sickerwasser  für  immer  verschlingt;  es  ist  wesentlich 
zu  bemerken,  dass  sich  diese  absorbirende  Schichte,  deren  reale 
Durchschnittshöhe  3'  beträgt,  auf  der  Grenze  zwischen  dem 
Süsswassergebilde  und  oberen  Jura  befindet,  wodurch  meine 
schon  längst  und  öfters  aufgestellte  Behauptung:  „Dass  sich  so- 
wohl positive  als  negative,  d.  h.  wasserliefernde  und  wasser- 
abführende Schichten  gewöhnlich  zwischen  den  Auflagerungs- 
flächen heterogener  Gebirgsarten  vorfinden"  neue  Bestätigung 
gewinnt. 

Wären  wir  nicht  so  bald  und  in  so  unbedeutender  Tiefe 
dieser  erwünschten  und  erfreulichen  Erscheinung  begegnet ,  so 
hätte  ich  mit  dem  vollsten  Vertrauen  fortgebohrt ,  um  im  Korallen- 
kalke selbst  mit  Sicherheit  eine  kräftig  absorbirende  Kluft  zu 
erschroten ;  welcher  erfahrene  Gebirgskundige  würde  wohl  bei 
den    geognostischen    Verhältnissen    von    Sletten,    die    ich    satt- 


—     188    »- 

sam  geschildert,    über    das  Gelingen  dieses  Werkes  Zweifel   er- 
hoben haben? 

Nunmehr  habe  ich,  da  die  unterirdische  Wasserströmung 
viel  Sand  und  Jurakalkgerölle  in  das  Bohrloch  warf,  für  gut  ge- 
funden,  nur  noch  den  Portlandkalk  zu  durchsenken  und  ein 
Weniges  in  den  harten  Korallenfels  einzudringen,  um  bei  dieser 
Gelegenheit  die  Schichte  von  den  hinderlichen  Geschieben  und 
dem  Sande  zu  befreien,  und  dadurch  einer  künftigen  Verstopfung 
derselben  vorzubeugen.  Die  möglichst  gründliche  Reinigung  dieser 
Schichte  war  für  die  Zukunft  von  gleicher  Wichtigkeit,  wie  dies 
seiner  Zeit  bei  meinem  im  alpinischen  Diluvialgerölle  stehenden 
artesischen  Brunnen  zu  Isny  der  Fall  war. 

Da  das  Wasser  aus  dem  Schachte  und  Bohrloche  mit  ab- 
nehmender Geschwindigkeit  in  die  absorbirende  Schichte  abzog, 
und  auch  dies  nicht  in  einem  gleichmässigen  Verhältnisse  (wohl 
durch  den  Geschiebe-Andrang  veranlasst) ,  da  ferner  wegen  sehr 
regnerischer  Witterung  sich  das  eindringende  Sickerwasser  ver- 
mehrte, so  ist  es  schwierig,  ja  unmöglich,  ein  richtiges  arith- 
metisches Mittel  über  das  Quantum  des  fortgehenden  Wassers 
zu  fixiren ,  obgleich  ich  verschiedene  sehr  genaue  Messungen 
vorgenommen  habe.  Folgende  Probe  gibt  einen  allgemeinen 
Ueberblick. 

Wir  haben,  um  uns  von  der  Nachhaltigkeit  der  Absorption 
der  in  Frage  stehenden  Schichte  zu  überzeugen,  am  30.  Nov. 
Nachmittags  zwei  Uhr  5  Eimer  Wasser  =  62  Kub.-Fuss  500 
Kuh. -Zoll  beiführen  und  mittelst  eines  Schlauches  schnell  in  das 
Bohrloch  laufen  lassen,  worauf  es  sich  im  Schachte  32'  8"  V" 
unter  Tag  stellte,  also  um  Weniges  über  die  Sohle  desselben 
erhob;  nach  den  ersten  vier  Minuten  waren  7  Kub.-Fuss  350 
Kuh. -Zoll,  sechszehn  Minuten  später  aber  4  Kub.-Fuss  900  Kub.- 
Zoll  Wasser  verschwunden.  In  2^  Stunden  zogen  19  Kub.-Fuss 
110  Kub.-Zoll  eingegossenen  Wassers  ab,  wobei  aber  zu  erinnern 
ist,  dass  in  Folge  starker  Regengüsse  in  dieser  Zeit  sehr  viel 
Sickerwasser  in  den  Schacht  drang,  welches  mit  fortgehen  mussie; 
auf  der  Schachtsohle  war  bald  wieder  kein  Wasser  mehr  wahr- 
zunehmen. 

Diesem  Versuche  wohnte  in  Abwesenheit  des  Herrn  Grafen 


—     189     - 

von  Maldeghem,  Hochdessen  ebenso  intelligenter  als  Ihä- 
tiger  Renlamtmann,  Herr  Sladtschultheiss  Keller  in  Nieder- 
slotzingen ,  an ,  welcher  überhaupt  die  Nützlichkeit  und  den 
wahrscheinlich  guten  Erfolg  meiner  von  mehreren  Laien  für 
gewagt  gehaltenen  Bohrunternehmungen  einsah,  und  dieselben 
auch  von  Anfang  bis  zu  Ende  nach  allen  Kräften  unterstützte. 

Als  es  nun  constalirt  war,  dass  die  erbohrte  negative  Schichte 
ungleich  mehr  Wasser  zu  absorbiren  fähig  sei,  als  je  selbst  bei 
abnormen  Witterungs- Verhältnissen  in  den  Schacht  eindringen 
könne,  so  war  die  Hauptaufgabe  gelöst  und  ich  schritt  rasch  zur 
Erweiterung  des  Bohrloches,  dessen  Gesammttiefe  von  Tag  an 
76' 8"  2"'  beträgt;  die  Nachweitung  wurde  auf  5"  Diameter  be- 
werkstelliget, alsdann  aber  eine  an  den  geeigneten  Stellen  fein 
durchlöcherte  Röhre  von  starkem  Weissblech  *)  zur  Schützung 
der  Terrainswände  gegen  ferneren  Nachsturz  eingesenkt,  was 
schnell  und  ohne  der  Erwähnung  werthe ,  nur  durch  Terrains- 
nachslürze  bedingte  Störungen  von  Statten  ging.  Um  aber  für 
die  Zukunft  sicher  gestellt  zu  sein,  nämlich  den  Terrainsklotz 
zwischen  dem  Schachte  und  der  Schildmauer  des  neuen  Lager- 
bierkellers möglichst  vollständig  und  dauernd  abzuzapfen  und 
trocken  zu  legen,  habe  ich  in  der  zwischen  19  und  25'  Tiefe 
gelegenen  wasserführenden  Mergelmasse  vom  Schachte  aus  in 
divergirender  Richtung  noch  drei  sanft  ansteigende  Seitenlöcher 
bis  an  die  Schildmauer  stossen  lassen  (vergl.  Situationsplan), 
was  von  dem  besten  Erfolge  begleitet  war,  indem  sie  gleich- 
falls einiges  Sickerwasser  in  den  Schacht  leiteten. 

So  ist  nun  dieses  Bohrwerk  vollendet  und  vollständig  ge- 
lungen ,  und  es  bleibt  jetzt  nur  noch  die  Aufführung  eines  der 
Zeit  trotzbielenden  Steinschachtes  bei  allmähliger  Herausnahme 
der  Verzimmerung  des  gegenwärtigen  Schachtes  übrig,  wozu 
ich  vor  meinem  Abgange  von  Stetten,  welcher  am  10.  Dec.  1852 
erfolgte,  Detailvorschriften  gegeben  habe. 

Die  durch  das  eindringende  Sickerwasser  bedingte  und  im- 
mer sich  erneuernde  Wassersäule  im  Bohrloche  fällt  nicht  ganz 


*)   Kupferblech    hätte   zwar   den  Vorzug   verdient,    allein  es  wurde 
der  grösseren  Kostspieligkeit  wegen  vermieden. 


—    190    - 

bis  zur  absorbirenden  Schichte  zurück,  sondern  ihr  Niveau  hat 
nach  nnehreren  Schwankungen  noch  zur  Zeit  meiner  Anwesen- 
heit nach  und  nach  einen  normalen  Stand  von  58'  5"  unter 
der  Erdfläche  angenommen;  in  der  erbohrten  negativen  Schichte 
bewegt  sich  ein  Wasserstrom,  und  wenn  wir  denselben  mit  einer 
communicirenden  Röhre  parallejisiren,  so  stellt  unser  Bohrloch 
einen  Piezometer  *)  dar,  welcher  bei  anderen  Lokalverhältnissen 
sehr  leicht  einen  artesischen  Brunnen  hätte  abgeben  können! 
Das  Wasser  dieser  absorbirenden  Schichte  scheint  mit  den  Quell- 
ausbrüchen des  tieferen  Lonthales,  oder  weiter  gegriffen  viel- 
leicht mit  der  mächtigen  Buchquelle  **)  am  Fusse  des  nur  eine 
Stunde  entfernten  Burgberger  Schlosses  in  Verbindung  zu  stehen, 
welche  auf  ähnliche  W^eise  wie  die  Eingangs  berührten  Quellen 
bei  Honau,  Blaubeuren,  Königsbronn,  in  der  Thalsohle  aus  einem 
Korallenfels  mit  Vehemenz  hervortritt. 

Die  bei  der  bisher  beschriebenen  und  am  neuen  Lagerbier- 
keller bewerkstelligten  Ausführung  durchsunkenen  Terrainsschich- 
ten sind  von  Tag  (der  Erdfläche  oder  Hängebank  des  Schachtes) 
an  in  absteigender  Reihenfolge  aufgezählt,  folgende: 

Allu  viu  m. 

Bauschutt 2' 5" 

Miocene  Meeresmolasse. 

Rostbrauner  Letten,  gegen  unten  in  lockeren 
grünlichbraunen  Sandstein  (Molasse^)  übergehend  ;  ein 

Strich  der  Niederstotzinger  Molasse 10'  5" 

Süsswassergebilde  der  Molasse. 

Fester  bröckeliger  gelblichgrauer  Kalkmergel  mit 
rostgelben  Streifen,  eingeschlossenen  Jurakalk-  (Ko- 
rallenkalk)-Gerollen  und  sehr  wenigen  fragmentari- 
schen Spuren  von  Land-  und  Süsswasserconch^'lien   .    16' 


'•')  Vergl.  meine  mit  Zusätzen  vermehrte  deutsche  Ausgabe  von 
Vi  oll  et' s  Theorie  etc.  der  artesischen  Brunnen.     Ulm,   1842. 

"■'"•')  Der  ehrenwerthe  Herr  Pfarrer  Richter  zu  Lonthal  machte  mich 
bei  seinem  regen  Sinne  für  Naturwissenschaften  gleich  nach  meinem 
Eintreffen  in  Stetten  auf  die  hydrographischen  Verhältnisse  seiner  Ge- 
gend aufmerksam  und  war  auch  so  gefällig,  mich  an  die  Buchciuelle  zu 
begleiten. 


—     191     — 

Gedrängtes  Haufwerk  von  festen  weisslichen 
Mergelstücken,  die  Zwischenräume  mit  graulichweis- 
sem  zähen  Thone  ausgefüllt;  Uebergang  in  festen 
Thonmergel  mit  Hornsteinnieren 25' 

NB.  Aus  dieser  Masse  drang  von  19'  Tiefe  an 
das  Sickerwasser  östlich  in  den  Schacht,  während  das 
folgende  Gebirge  unterhalb  25'  sich    trocken  erwies. 

Fester  bläulichgrauer  dichter  Thonmergel ,  rost- 
braun und  rostgelb  gefleckt,*)  mit  sehr  vielen  klei- 
neren und  grösseren  Jurakalkstücken,  Hornsteinnieren 
und  einigen  verkieselten  (regenerirten,  sonst  jurassi- 
sehen)  Scyphien.  Kein  Wasser  führend.  Die  Kalk- 
stücke und  Gerolle  wurden  mit  Zunahme  der  Tiefe 
grösser 32'  9"  2'" 

Etwas  lockerer  bläulichgrauer  und  gelb  gefleck- 
ter (trockener)  Thonmergel  mit  Ei-  und  faust-grossen 
Jurakalk-  und  Hornstein-Gerollen,  welche  conglome- 
ratartig  zusammengedrängt  waren 37'  9"  2'" 

Poröser  rostgelber  und  röthlich  geflammter  Stein- 
mergel      38'  4"  3'" 

Poröser  gelblicher  und  röthlich  geflammter  Stein- 
mergel mit  wenigen  kleinen  Jurakalkgeröllen;  über- 
gehend in  erbsengelben,  bläulichgrau  gefleckten  Thon- 
mergel,  der  einige  kleine  Jura-  (Korallenkalk)  -  Ge- 
rolle enthielt.  Sehr  zähe  und  nicht  im  mindesten 
sandig 48'  9"  9'" 

Fester  weisslicher  Thonkalk(Süsswasserkalk)  ohne 
Gerolle 50'  7"  9'" 

Erbsengelber,  bläulichgrau  gefleckter  zäher  Thon- 
mergel mit  Jurakalkgeröllen 53'  7"  9"' 

Fester  weisslicher  Thonkalk 55'  2"  7'" 


")  Uebereinstiimiiend  mit  mehreren  Mergeln  der  Süsswasserkalk- 
formation  5  die  ich  s.  Z.  zu  Ober-Dischingen  durchbohrte;  vergl.  meine 
Schrift:  „Die  denkwürdigen  artesischen  Brunnen  zu  Ober-Dischingen 
in  Württemberg,  in  geognostisch  -  hydrographischer  und  constructiver 
Beziehung.  Mit  einer  Steintafcl.  Heilbronn  am  Neckar,  J.  D.  Cl assische 
Buchhandlung.    1836." 


--     192    — 

Zäher  gelblicher  Thonmergel 55'  5"  7"' 

Fester  Thonkalk  mit  harter  Endsohle  ....    57'  8'' 
Bläulicher,  gelblich  gefleckter  feinsandiger  Thon- 
mergel mit  kleinen  Kalkgeröllen 58'  8" 

Harter  Steinmergel  (Süsswasserkalk)  ....  59'  0"  9'" 
Zäher  gelblicher  Thonmergel,  übergehend  in 
festen  Steinmergel  mit  Jurakalkgeröllen,  von  welchen 
bei  62'  7"  Tiefe  mehrere  nachstürzten  und  den 
Bohrer  fest  einklemmten,  den  ich  aber  jeweils  in 
wenigen  Minuten  wieder  frei  hatte;  es  wurden  einige 
eigros^se  Korallenkalkgerölle  ausgelöffelt      ....    63'  2"  l"' 

Fester  zäher  Thonmergel;  gelbliche  Färbung 
vorherrschend,  wenige  bläuliche  Flecken  ....  66'  3"  3'" 
Harter  Mergelschiefer  (schläfriger  Süsswasserkalk)  66'  7"  3'" 
Absorbirende  Schichte  oder  unterir- 
dische Wasserströmung,  welche  der  Bohrer 
schnell  durchfuhr;  mit  Sand-  und  Jurakalkgeröllen, 
auch  einigen  nachgestürlzlen  Thonmergelstücken  aus- 
gefüllt. Das  im  Schachte  aufgestaute  Wasser  fieng 
urplötzlich  niederzusinken  an  und  war  bald  verschwun- 
den; wegen  Reinigung  dieser  Schichte  wurden  viele 
Gerolle  nebst  Sand  mit  dem  Löilel  zu  Tage  gefördert    69'  7"  2'" 

Juraformation. 

A.     Portlandbildungen. 

Harter  weisslicher  Steinmergel 70'  1"  3'" 

Zäher  graulichweisser  Thonmergel       ....  72'  5"  5"' 

Fester  weisslicher  Steinmergel 73'  7"  5'" 

Zäher  graulichweisser  Thonmergel       ....  74'  8"  2'" 
Sehr  fester  weisslicher  Steinmergel,  übergehend 
in  sehr  zähen  graulichweissen  Thonmergel  mit  klei- 
nen Jurakalkgeröllen 76'  1"  8" 

B.     Korallenkalk. 

Sehr  harter  Korallenkalk;  Endsohle     ....     76' 8"  2'" 

Die  Mächtigkeit  der  einzelnen  Schichten  kann  Jeder  durch 

einfache  Substraclionen  selbst  ermitteln.  —  Die  bei  der  Schacht- 


—     193    ~ 

abteufung  ausgehobene  Mergelmasse  wurde  am  nördlichen  Fahr- 
wege des  Tannenwaldes  auf  einen  Haufen  geschlagen,  in  der 
Absicht,  sie  bei  geeigneter  Gelegenheit  zur  Düngung  sumpfiger 
Wiesen  zu  verwenden. 

Absorbirender  Bohrbriiiiiien  im  alten  Lagerbierkeller. 

Es  wurde  schon  bemerkt,  dass  diese  Bohrung  während  der 
Schachtabteufung  am  neuen  Keller  vorgenommen  worden  ist; 
sie  musste  beschleunigt  werden,  da  der  alte  Keller  jeweils  zu- 
erst mit  Bier  gefüllt  wird,  und  es  handelte  sich  bei  dieser 
Aufgabe  zunächst  darum,  durch  eine  Bohrung  im  Keller  selbst 
versuchsweise  darzuthun,  ob  durch  letzlere  eine  Versenkung 
des  längs  der  östlichen  Widerlagermauer  eindringenden  Sicker- 
wassers möglich  sei  oder  nicht,  weil  die  Entfernung  des  Wassers 
auf  diese  Weise  immer  auch  vortheilhaft  und  nützlich  wäre. 
Bisher  war  nämlich  im  alten  Keller  bei  a  eine  Sammelgrube 
angebracht,  welche  das  eindringende  Wasser,  (ähnlich  wie  im 
neuen  Keller)  bei  geeignetem  Gefälle  des  Bodens  aufnahm,  in- 
dem es  in  Kinnensteinen  in  dasselbe  floss;  dort  wurde  es,  wenn 
die  Grube  voll  war,  in  Fässer  geschöpft,  letztere  sind  auf  dem 
Kellerboden  von  a  nach  c  gewälzt  und  in  der  zum  Einlassen 
und  Ausziehen  der  Bierfässer  bestimmten  AufzugsöfTnung  c  mit- 
telst eines  oben  siehenden  Krahnen  zu  Tage  gefördert  und  aus- 
geleert worden.  Wurde  diese  zeitraubende  und  lästige  Ma- 
nipulation nicht  immer  rechtzeitig  vorgenommen,  so  ist  der 
Kellerboden  allmählig  mit  stagnirendem  Wasser  überdeckt  wor- 
den, welches  einen  eckelhaften  Geruch  verbreitete;  *)  eben  so 
erging  es  zuweilen  dem  neuen  Keller,  wenn  das  Auspumpen 
des  Wassers  aus  der  Grube  b  ausser  Acht  gelassen  worden  war. 

Demnach  ist  hier,  wie  schon  angedeutet  worden,  von  einer 
Bohrung  unmittelbar  im  alten  Lagerbierkeller  selbst  die  Rede, 
ob  ich  gleich  mit  dieser  Procedur  nicht  vollkommen  einverstan- 
den war,  denn  ich  hätte  rationaler  Weise  vorgezogen,  zuvörderst 
das  Resultat  am  neuen  Keller  abzuwarten  und  dann  jeden  Falles, 

*)  Nach    dortiger  Angabe:    Das  Wasser  wurde  kahnig,    mit    einem 
leichten  Schimmel  überzogen. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  2s  Heft.  13 


^    194    — 

wie  dort,  das  Wasser  von  aussen  abzufangen  und  abzuschneiden, 
in  die  Tiefe  zu  leiten,  und  somit  auch  diesen  Kellerraum  mög- 
lichst trocken  zu  legen.  Je  nun,  die  obwaltenden  Verhältnisse 
rechtfertigten  einigermassen  diese  Ausführung,  sie  wurde  na- 
mentlich dringend  von  mir  gewünscht,  das  vorläufig  vorgesteckte 
Ziel  ist  auch  hier  erreicht  worden,  und  eine  weitere  Vervoll- 
kommnung des  Werkes  kann  ja  der  Zukunft  anheim  gestellt 
werden.  Also  zur  Darstellung  der  Ausführung  und  des  erzielten 
Resultates. 

Vor  allen  Dingen  liess  ich  auf  dem  Kellerboden  und  zwar 
senkrecht  unter  dem  Mittelpunkte  der  AufzugsöfTnung  c,  also 
im  Vorkeller,  eine  allewege  4'  weite,  3'  8"  tiefe  Grube  aus- 
hauen, in  welcher  ein  Bohrteucher  stumpf  aufgesetzt  und  senk- 
recht verspannt  worden  ist;  dies  war  die  geeignetste  Stelle  für 
den  Bohrversuch  in  diesem  Keller,  denn  die  22'  4"  3"'  tiefe 
Aufzugsöffnung ,  über  welcher  noch  eine  Vorhalle  sich  befindet, 
gab  hinreichenden  Raum  zum  Einlassen  und  Ausziehen  des 
Bohrgestänges  und  der  oben  zum  Transporte  der  Bierfässer  auf- 
gestellte Krahnen  konnte  trefflich  als  Hebmaschine  für  das  Ge- 
stänge benützt  werden. 

Die  neue  Sammel  -  und  Senkgrube  bei  c  steht  in  einem 
graulichweissen,  zuweilen  von  grünlichgrauen  Letläderchen  durch- 
zogenen festen  Thonkalke ,  einem  eigentlichen  Süsswasserkalke, 
der  aber  keine  Spur  von  Petrefakten  wahrnehmen  liess,  während 
letztere  im  Süsswasserkalke  der  Umgegend,  selbst  bei  dem  nahen 
Niederstolzingen,  durch  die  Geschlechter:  Helios,  Planorbis, 
Cyclostoma,  Limnaeus  etc.  ziemlich  zahlreich  vertreten  sind.  Der 
Süsswasserkalk  mit  seinen  Mergeln  (er  selbst  ist  grösslentheils 
ja  nur  ein  Steinmergel)  constituirt  bekannter  Massen  die  äus- 
sersten  südlichen  Hügel  und  Berge  der  Ulmer  Alp  und  der  an- 
grenzenden Bergebenen. 

Während  der  Boden  des  neuen  Kellers  an  seiner  östlichen 
Schildmauer  27'  3"  unter  Tag  gelegen  ist,  befindet  sich  der 
des  alten  Kellers  nur  22'  4"  3'"  an  der  Aufzugsöffnung  unter 
der  Erdfläche  und  die  horizontale  Entfernung  der  Bohrstelle  bei 
ersterem  beträgt  nach  der  in  letzterem,  wie  aus  dem  Situations- 
plane zu  entnehmen,  in  südwestlicher  Richtung  133'. 


-     195     - 

Am  12.  Oktober  1852  begann  die  Bohrung  im  alten  Keller 
und  zwar  in  der  Süsswasserkalkformation.  Ich  muss  voraus- 
schicken ,  dass  in  diesen  Keller  verhältnissmässig  viel  weniger 
Wasser  (gleichfalls  von  der  Ostseile  des  Tannenwaldes  her)  ein- 
dringt, als  früher  in  den  neuen  sickerte,  und  der  Wasseran- 
drang in  ersterem  vermehrte  sich  nur  auffallend  bei  Regengüssen, 
da.  es  dem  alten  Keller  zur  Zeit  an  einer  Verleitung  und  guten 
Besetzung  längs  der  Stockmauer,  so  wie  an  einer  Dachrinne 
gebricht.  Am  stärksten  drang  das  Regenwasser  nach  meinen 
eigenen  Wahrnehmungen  immer  an  der  Stelle  d  ein  und  lief 
samml  dem  übrigen  Sickerwasser  auf  dem  Boden  fort  nach  der 
Sammelgrube  a,  welche,  beiläufig  bemerkt,  eine  sehr  unprak- 
tische Lage  hatte  und  nach  Vollendung  der  Bohrung  kassirt 
worden  ist. 

Als  zwischen  28'  7"  3'"  und  38'  4"  3"'  Tiefe  (von  Tag  an 
gerechnet)  feste  weissliche  Steinmergel  durchsunken  waren, 
in  denen  sich,  wie  aus  der  weiter  hinten  folgenden  Aufzeich- 
nung der  einzelnen  Schichten  zu  ersehen,  eine  Höhlung  von 
1"  Höhe  vorgefunden,  so  fieng  das  in  das  Bohrloch  gegossene 
Wasser  bereits  allmählig  niederzusinken  an;  es  wurde  nun  die 
neue  Sammelgrube  bis  zum  Ueberlaufen  mit  Wasser  gefüllt  und 
ich  machte  die  Wahrnehmung,  dass  auch  dieses  Wasser  in  sechs 
Tagen  gänzlich  verschwunden  war.  Diese  langsame  Absorption 
genügte  natürlich  nicht,  und  bei  Fortsetzung  der  Bohrung  wurde 
nach  Durchsenkung  eines  äusserst  harten  Süsswasserkalkes  (in 
Härte  manchem  Korallenkalk  nicht  nachstehend)  in  einer  Tiefe 
von  43'  V"  ein  sandiger  Mergel  von  2'  5"  2'"  Mächtigkeit 
aufgeschlossen ,  in  welchem  die  Hauptabsorption  des  Wassers 
von  Statten  geht,  obgleich  das  Bohrloch  bis  auf  eine  Gesammt- 
tiefe  von  52'  8"  4'"  vollführt  worden  ist. 

Ich  stellte  über  das  Verhalten  des  jeweils  eingegossenen 
Wassers  manche  Versuche  an ,  muss  mich  aber  darauf  beschrän- 
ken, hier  nur  die  wesentlichsten  Resultate  mitzulheilen. 

Am  28.  Oktober  wurde  Nachmittags  1 J  Uhr  so  viel  Wasser 
in  das  Bohrloch  geschüttet,  dass  der  Spiegel  der  eingegossenen 
Wassersäule  27'  2"  3'"  unter  Tag  stand;  dieselbe  sank  bis 
Abends  8  Uhr  auf  35'  2"  3'"  nieder  und  am  29.  Oktober  früh 

13* 


-     196    — 

6  Uhr  stand  der  Wasserspiegel  37'  \"  3"'  lief  unter  der  Erd- 
fläche. Wir  sehen,  dass  auch  hier  das  Niedersinken  des  Wassers 
mit  abnehmender  Geschwindigkeit  vor  sich  ging. 

Das  am  29.  Oktober  Abends  6  Uhr  in  das  Bohrloch  ge- 
gossene Wasser  stellte  sich  36'  5"  8'"  unter  Tag,  fiel  aber 
über  Nacht  3'  4"  nieder,  es  versenkten  sich  also  bei  4"  Bohr- 
lochsweite 427  Kubikzoll  40  Kubiklinien  Wasser,  während  sich 
in  demselben  Zeiträume  in  der  alten  Grube  a  nur  194  Kubikzoll 
481  Kubiklinien  Sickerwasser  ansammelten ;  es  sind  also  in  dieser 
Nacht  232  Kubikzoll  559  Kubiklinien  Wasser  mehr  im  Bohrloche 
entwichen,  als  in  der  allen  Sammelgrube  nachgestiegen.  Diese 
Rechnung  liefert  übrigens  nur  ein  approximatives  Resultat,  denn 
das  im  Borloche  absorbirte  Wasserquantum  musste  bedeutender 
sein  ,  weil  die  neue  Senkgrube  gleichzeitig  auch  das  bei  d  im- 
mer eingedrungene  Sickerwasser  aufgenommen  und  in  das  Bohr- 
loch geleitet  hat. 

Nach  solch'  willkommenen  Erscheinungen,  obgleich  sie  nicht 
dem  überaus  günstigen  Resultate  am  neuen  Sommerbierkeller 
an  die  Seile  gestellt  werden  können,  Hess  ich  am  2.  November 
alles  im  Keller  sich  ansammelnde  Wasser  einstweilen  provi- 
sorisch in  die  neue  Senkgrube  und  somit  in  das  Bohrloch  leiten, 
wobei  die  Einrichtung  getroffen  wurde,  dass  kein  Tropfen  Was- 
sers mehr  in  die  alte  Grube  a  dringen  konnte;  zu  dem  wurde 
die  neue  Senkgrube ,  somit  also  auch  das  Bohrloch  wieder  voll 
Wasser  gegossen ,  und  es  sind  in  einer  Stunde  947  Kubik- 
zoll 100  Kubiklinien  vereinigten  Wassers  aus  der  Grube  fortge- 
gangen ;  die  Wassersäule  sank  allmählig  40  bis  43'  tief  unter 
Tag  nieder,  und  schwankte  bei  diesem  Stande  langsam  hin 
und   her. 

Bei  diesen  Nachweisungen,  welchen  theils  Herr  Graf  von 
Maldeghem,  theils  Hochdessen  Rentbeamter,  Herr  Keller,  bei- 
zuwohnen Gelegenheit  hatten,  durfte  angenommen  werden,  dass 
die  Absorption  des  Bohrloches,  obgleich  eine  langsame,  dennoch 
eine  genügende  sei ,  selbst  wenn  sich  durch  besondere  Zufälle 
das  Sickerwasser  im  Keller  in  seinem  Quantum  verdoppeln  oder 
verdreifachen  sollte.  Am  6.  November  wurden  nun  die  Bohr- 
arbeilen geschlossen,  die  Ausführung  am  neuen  Keller,  worüber 


—    197    — 

wir  bereits  orientirt  sind ,  nach  vollendeter  Schachtabteufung 
vor  selbigem  in  Angriff  genommen ;  gleichzeitig  ist  aber  der 
Boden  des  alten  Kellers  in  der  Art  corrigirt  worden,  dass  in 
Rinnensteinen  mit  leichtem  Gefälle  alles  Sickerwasser  der  neuen 
Senkgrube  bei  c,  d.  h.  dem  ßohrloche  direkt  zufliesst,  wodurch 
die  alte  ohnehin  sehr  unbequem  gelegene  Sammelgrube  a,  als 
nunmehr  gänzlich  entbehrlich  zugeworfen  und  dem  Kellerboden 
gleich   mit  Steinplatten  überdeckt  worden  ist. 

Die  im  alten  Keller  durchbohrten  Terrainsschichten  zeigten 
sich  ziemlich  stabil ,  wesshalb  es  vorderhand  unterlassen  wurde, 
ein  durchlöchertes  Schutzrohr  in  das  Bohrloch  zu  senken;  um 
aber  einer  Verschlammung  des  letzteren  durch  eindringendes 
unreines  Wasser  möglichst  vorzubeugen,  liess  ich  ein  3'  langes 
fein  durchlöchertes  Zylinderrohr  von  Kupferblech ,  oben  mit 
einem  Handgriffe  und  Halse,  unten  aber  mit  einem  Klappventile 
nach  Art  der  Schmandlöffel  anfertigen ,  welches  auf  der  Sohle 
der  neuen  Senkgrube  in  das  Bohrloch  gehängt  worden  ist  und 
die  Bestimmung  hat,  die  Schlammlheile  des  einfliessend^n  Was- 
sers aufzufangen,  um  dann  von  Zeit  zu  Zeit  ausgehoben  und 
gereiniget  zu  werden,  welch'  Letzteres  in  Folge  des  angebrachten 
Ventils  leicht  und  schnell  geschehen  kann. 

Allerdings  könnte  es  im  Laufe  der  Zeit  vorkommen ,  dass 
durch  allmählige  Erweichung  der  durchbohrten  Mergel  eine 
grössere  Verschlammung  im  Bohrloche  entstände,  wodurch  eine 
Auslöffelung  desselben  nöthig  werden  möchte  ;  in  diesem 
Falle  wäre  ein  Schutz  des  Bohrloches  mit  Metallröhren  absolut 
erforderlich,  und  ich  kann  diese  Ausführung  überhaupt,  ob- 
gleich dem  Zwecke  vorderhand  entsprechend,  vom  rein  tech- 
nischen Gesichtspunkte  ausgegangen,  nur  als  eine  provisorische 
betrachten  und  erklären. 

Zur  Zeit  meiner  Anwesenheit  in  Stetten,  also  bis  zum 
10.  December  1852  ist  es  nie  vorgekommen,  dass  sich  die  neue 
Senkgrube  mit  Sickerwasser  vollgefüllt  hat.  so  dass  man  ge- 
nölhiget  gewesen  wäre,  das  Wasser  aus  selbiger  in  Fässern  zu 
Tage  zu  fördern ,  was  übrigens  bei  der  dermaligen  Lage  der 
neuen  Senkgrube  (bei  c)  viel  leichler  und  schneller  geschehen 
könnte,    als    es   früher    der    Fall    war.      Das    Bohrloch   hat    das 


—    1^8    — 

eindringende  Sickerwasser  immer  verschluckt  und  fortgeführt, 
allein  ich  habe  doch  die  Wahrnehmung  gemacht,  dass  in  Folge 
der  fast  anhaltenden  und  starken  Regengüsse  im  Monate  No- 
vember und  des  dadurch  veranlassten  überaus  starken  Eindringens 
von  Sickerwasser  in  den  Keller  und  in  das  Bohrloch,  die  Wasser- 
säule in  letzterem  allmählig  immer  höher  aufstieg  und  dass  sich 
zu  Anfange  des  Decembers  (1852)  sogar  in  der  neuen  Senk- 
grube selbst  einiges  Wasser  aufgestaut  hatte;  letzteres  scheint 
indessen  nie  den  oberen  Rand  der  Grube  erreicht  zu  haben, 
sondern  nach  und  nach  —  ohne  allen  Zweifel  durch  eingetretene 
Verminderung  des  Regens  —  wieder  zurückgefallen  und  über- 
haupt das  Bohrloch,  selbst  bei  aussergewöhnlicher  Regenzeit, 
genügend  wasserabführend  zu  sein ,  denn  als  ich  mich  unter'm 
28.  Januar  1853  bei  dem  Gräflichen  Rentamtmann  Herrn  Keller 
in  Niederstotzigen  über  das  Schicksal  meiner  hydrotechnischen 
Ausführungen  erkundigte,  habe  ich  von  ihm  am  3.  Februar  d.  J. 
folgende  erfreuliche  Mittheilung  erhalten : 

„Mit  dem  Verhalten  Ihrer  Bohrwerke  in  Stetlen 
bin  ich  sehr  zufrieden.  Die  Senkgrube  im  alten 
Keller  leitet  das  Wasser  immer  gehörig  ab,  und 
das  Bohrloch  am  neuen  Keller  ist  der  Art  per- 
manent absorbirend,  dass  im  Innern  des  Kellers 
bisher  kein  Sickerw asser  mehr  wahrzunehmen 
w  a  r." 

Wie  wir  wissen  ist  das  Bohrloch  im  alten  Keller  von  dem 
am  neuen  Lagerbierkeller  in  südwestlicher  Richtung  133'  ent- 
fernt und  sonach  ersteres  dem  oberen  Rande  der  sogenannten 
Gemeinde  (der  mehrfach  besprochenen  Hügelansteigung ,  die  sich 
von  Stetten  nach  dem  Plateau  des  Tannenwaldes  hinzieht)  etwas 
näher  als  letzteres;  man  hätte  bei  diesem  geringen  Distanz- 
unterschiede eine  ziemliche  Uebereinstimmung  der  an  beiden 
Stellen  durchbohrten  Terrainsschichten  erwarten  sollen,  allein 
dem  war  nicht  so,  obgleich  der  allgemeine  Charakter  der 
dortigen  Gebirgsformation  —  der  Meeresmolasse  untergeordnetes 
Süss  Wassergebilde  —  ein  durchgreifender  war,  und  wobei  noch 
bemerkt  werden  muss,  dass  die  obere  Bodenfläche  beider  Keller 
in  gleichem  Niveau  gelegen  ist. 


—    199    - 

Ich   gehe   zur  Schilderung    der    im    alten  Sommerbierkeller 
durchfahrenen  Schichten  über: 

Beim  Ausgraben  des  Kellerraumes  hat  man  sei- 
ner Zeit  angeblich  Thonmergel  mit  eingelagerten 
Kalkstücken  gefunden ,  von  Tag  an  gerechnet  bis  auf 
eine  Tiefe  von • 18' 

Hier  begann  der  weiter  vornen  erwähnte  gräulich- 
weisse  feste  und  petrefaktenleere  Thonkalk  (Süss- 
wasserkalk)  von  einigen  grünlich-grauen  Lettäderchen 
durchsetzt,  aus  dem  die  Sohle  des  Kellers  besteht 
und  in  welchem  auch  die  neue  Senkgrube  ausgehauen 
wurde 28'  7"  3"' 

Fester  weisslicher  Steinmergel  mit  eingelagerten 
harten  Kalkstücken 35'  7"  3'" 

Höhlung  von  1"  Höhe,  in  welcher  der  Bohrer 
schnell  niederstürzte;  erste  aber  langsame  Ab- 
sorption des  W  as  se  rs      35' 8"  3'" 

Fester  weisslicher  Steinmergel 38'  4"  3'" 

Aeusserst  harter  in's  Röthliche  ziehender  Süss- 
wasserkalk,  auf  welchem  der  Bohrer  stark  abprallte 
und  ebenso  langsam  eindrang ,  wie  im  härtesten  Ko- 
rallenfels; es  erfolgte  jedoch  kein  Bohrerbruch    .     .     43' 0"  1"' 

Fester  weisslicher  Mergel,  übergehend  in  bläu- 
lichen und  gelblich-gefleckten  feins  an  digen  Thon- 
mergel, mit  eingeschlossenen  kleinen  Jurakalkstücken  ; 
zweite  und  Hauptabsorption  des  Wassers 
in  dieser  Schichte 45' 5"  3'" 

Zäher  bläulicher  und  gelb-geflammter  Letten  mit 
kleinen  Jurakalkstücken 46'  5"  3'" 

Harter  Steinmergel  (Süsswasserkalk)    ....    47'  4"  3'" 

Gelblich-grauer  fester  Thonmergel       ....    49'  5"  6'" 

Aeusserst  harter  Süsswasserkalk,  wie  weiter  oben 
zwischen  38'  4"  3'"  und  43'  1"'  Tiefe;    Endsohle  .    52' 8"  4'" 

Noch  mache  ich  auf  den  Umstand  aufmerksam ,  dass  sich 
während  der  Ausführung  beider  Bohrwerke  keine  Communication 
des  Wassers  im  Schachte  am  neuen  Keller  mit  der  Wassersäule 
des  Bohrloches  im  alten  Bierkeller  wahrnehmen  Hess,    während 


—    200    — 

ich  eine  solche  bei  der  geringen  Entfernung  beider  Punkte  an- 
fänglich erwartet  hatte;  so  stand  z.  B.  am  23.  Oktober  früh 
6  Uhr  der  Wasserspiegel  im  Bohrloche  des  alten  Kellers  37'  1"  8'" 
unter  Tag,  während  in  demselben  Zeitpunkte  der  Spiegel  des 
Schachtwassers  am  neuen  Keller  einen  Abstand  von  28'  6"  unter 
der  Erdfläche  hatte,  was  bei  dieser  Messung  eine  Differenz 
von  8'  5"  8"'  ergibt,  —  eine  Erscheinung,  die  ihren  Grund  in 
der  Heterogenität  der  Schichtungsverhältnisse  beider  Lokalitäten 
hat.  —  Ferner  füge  ich  bei,  dass  die  an  beiden  Punkten  erbohr- 
ten absorbirenden  Schichten  nicht  im  Mindesten  eine  Influenz 
auf  die  Quellen  und  laufenden  Brunnen  von  Stetten  ausüben, 
wie  ich  übrigens  nach  Durchforschung  der  geognostisch-hydro- 
graphischen  Verhältnisse  des  Ortes  vorausgesagt  halte. 

So  hätte  ich  nun  das  Wesentlichste  der  gelungenen  nega- 
tiven Bohrbrunnen  zu  Stetten  geschildert,  die  Zeit  wird  auch 
fernerhin  den  Nutzen  und  die  Wohlthat  dieser  Bohrwerke  bestä- 
tigen und  zugleich  darlegen,  dass  jede  andere  technische  Ver- 
fahrungsweise,  z.  B.  die  Eintreibung  eines  Stollens  an  der  soge- 
nannten Gemeinde  —  ein  Projekt ,  an  welches  früher  auch  ge- 
dacht worden  —  bei  der  Formation  dieses  Hügels  und  der  durch 
den  Schachtbau  nunmehr  genau  ermittelten  hydrographischen 
Constitution  desselben,  keinen  so  guten  Erfolg  hätte  haben  kön- 
nen und  jeden  Falles  ungleich  kostspieliger  gewesen  wäre,  als 
meine  schnell  vollführten  Bohrwerke,  bei  denen  sich  kein  Unfall 
ereignete.  Beide  Ausführungen  nahmen  mit  Inbegriff  aller  Vor- 
arbeiten und  des  Schachtbaues  nur  die  Zeit  vom  27.  September 
bis  10.  December  1852  in  Anspruch. 

Ich  hege  den  Wunsch,  dass  sich  der  Herr  Graf  von  Mal- 
deghem  noch  dazu  verstehen  möge,  auch  vor  dem  alten  Lager- 
bierkeller eine  ähnliche  Ausführung  wie  am  neuen  bewerkstelligen 
zu  lassen  ;  denn  obgleich  für  das  Versenken  des  Wassers  in  letz- 
terem jetzt  Sorge  gelragen  ist  und  sich  keine  Stagnation  des- 
selben mehr  bilden  kann,  so  ist  damit  das  Eindringen  des  Sicker- 
wassers   durch    die    östliche    103'    lange    Widerlagermauer   *) 


*)  Es  niuss  bemerkt  werden,  dass  sich  das  Wasser  jeweils  nur  an 
der  Strecke  ef  durchdrängt,  und  die  Seite  f  g  trocken  blieb. 


—    201     - 

dennoch  nicht  abgehalten,  und  der  alte  Keller  kann  aus  diesem 
Grunde  nicht  in  so  vollem  Masse  die  Vorlheile  geniessen,  deren 
jetzt  der  neue  Keller  theilhaftig  geworden  ist.  Zudem  wäre  am 
alten  Keller  eine  vollkommen  entsprechende  Ausführung  —  aller- 
dings wegen  anderer  Massverhältnisse  unter  Beobachtung  einer 
anderen  Gestaltung  des  Schachtes  —  schon  desswegen  weniger 
kostspielig,  weil  der  alte  Sommerbierkeller  eine  geringere  Tiefe 
als  der  neue  hat.  Erinnert  man  sich  übrigens  dessen,  was  ich 
Eingangs  über  die  Nachtheile  nasser  Keller,  der  Erfahrung  ent- 
nommen, dargethan,  so  würde  selbst  ein  grosses  Geldopfer  in 
keinem  unrichtigen  Verhältnisse  mit  dem  Nutzen  und  den  An- 
nehmlichkeiten stehen  ,    welche  trockene  Kellerräume  gewähren. 

Es  finde  noch  folgende  Schlussbemerkung  Platz. 

In  gewissen  Fällen  und  bei  stark  und  nachhaltig  eindringen- 
dem Sickerwasser  können  bei  Anlegung  absorbirender  Bohr- 
brunnen gleichzeitig  Pumpbrunnen  etablirt  werden ;  man  dürfte 
nur  nach  Abteufung  eines  Schachtes  auf  der  Sohle  desselben 
eine  wasserdichte  Röhre,  einen  Bohrteucher,  eine  Strecke  tief 
im  Terrain  dicht  anschliessend  niedertreiben;  hat  sich  nun  das 
Schachtwasser  bis  auf  eine  gewisse  Höhe  aufgestaut  und  ist  das 
absorbirende  Bohrloch  vollendet,  so  wäre  an  der  geeigneten 
Stelle,  welche  aber  z.  B.  nie  das  Niveau  eines  Kellerbodens  er- 
reichen oder  übersteigen  dürfte,  die  eingesetzte  Röhre  seitwärts 
anzubohren,  so  dass  sich  durch  die  eingebohrte  OefTnung  (oder 
auch  mehrere)  nur  das  Uebereich  des  einträufelnden  Sickerwassers 
in  das  absorbirende  Bohrloch  ergiessen  würde;  die  übrige  auf 
der  Schachtsohle  zurückbleibende  und  sich  immer  erneuernde 
Wassermasse,  deren  Quantum  von  der  mehr  oder  minder  grossen 
Tiefe  des  Schachtes  abhängig  ist,  könnte  dann  jeweils  immer 
nach  Bedarf  durch  eine  besonders  eingesetzte,  an  einer  Wand 
des  Schachtes  anliegende  Pumpe  zu  Tage  gefördert  werden. 

Auf  eine  solche  öfters  gewiss  sehr  erwünschte  und  prak- 
tisch nützliche  Combination,  die  meines  Wissens  noch  nirgends 
in's  Leben  getreten  ist,  habe  ich  während  der  Schachtabteufung 
am  neuen  Lagerbierkeller  aufmerksam  gemacht  und  den  Fall 
durch  eine  Zeichnung  erläutert ,  da  es  mir  sehr  willkommen  ge- 
wesen wäre,    diese  meine  neue  Idee  dort  realisiren  zu  können; 


—     202    --- 

allein  es  wurde  auf  die  Ausführung  Verzicht  geleistet,  theils 
weil  das  Quantum  des  in  den  Schacht  sich  entleerenden  Sicker- 
wassers nicht  nachhaltig  und  constant  genug  erschien,  theils  weil 
man  auf  den  Besitz  eines  Pumpbrunnens  an  dieser  Stelle  zu 
wenig  Werth  legte.  Dass  ich  übrigens  im  Falle  der  Effektuirung 
eines  derartigen  Werkes  hinsichtlich  der  Teucherröhren  andere 
technische  Massregeln  zu  ergreifen  gehabt  hätte,  als  die  von 
mir  am  neuen  Lagerbierkeller  getroffenen,  bedarf  kaum  einer 
Erwähnung. 


3.     Conchylien    der   Süsswasserkalkformation 
Württembergs. 

Von  Dr.  Klein. 

(Hiezu  Tafel  V.) 

Genauere  Untersuchungen  der  Süsswasserkalkablagerung  in 
der  Nähe  von  Zwiefalten  ,  denen  sich  seil  einigen  Jahren  Herr 
Revierförster  v.  Zell  mit  unermüdlichem  Eifer  unterzog,  haben 
eine  sehr  grosse  Menge  von  Conchylien  geliefert,  welche  mir 
derselbe  mit  dankenswerther  Bereitwilligkeit  zur  Bestimmung 
überlassen,  und  mich  in  den  Stand  gesetzt  hat,  zu  den  im  zweiten 
Jahrgang  der  Würltembergischen  naturwissenschaftlichen  Jahres- 
hefte 1846  S.  60  und  im  achten  Jahrgang  1852,  S.  157  ge- 
gebenen Beschreibungen  und  Abbildungen  der  bei  uns  aufgefun- 
denen Conch^flien  der  Süsswasserkalkformation  einen  reichhal- 
tigen Zuwachs  zu  liefern. 

Die  Verhältnisse  der  Ablagerung,  die  sich  von  Zwiefalten- 
dorf  bei  der  Birk,  in  120'  Höhe  über  der  Donau,  über  Mör- 
singen  und  den  Deutschen-Hof  bis  zum  Andelfinger-Berg  in  200' 
Höhe,  der  südwestlichen  Abdachung  der  Alp  gegen  die  Donau, 
hinzieht,  sind  nach  der  Beschreibung  des  v.  Zell  ähnlich  den 
bei  Ulm  und  Ehingen  aufgedeckten  Süsswasserkalkschichten,  mit 
dem  Unterschied  ,  dass  die  derben  plattenartigen  Kalkschichten, 
die  z.  B.  am  Andelfinger-Berg  zu  Bausteinen  ausgebrochen  wer- 
den, weniger  mächtig,  nur  bis  zu  20' ,  sind  und  von  einer  Schichte 
Lehm  und  Süsswasserkalkschult  überlagert  werden ,  die  sehr 
reichhaltig  an  Petrefacten  ist,  oder  dass,  wie  bei  Mörsingen, 
die  ganze  Ablagerung  in  einer  nur  6—8'  mächtigen  Schichte 
graulichweisser  Süsswasserkalkbrocken  besteht,  die  in  einem  mit 
Kalkkies  gemischten  Taig  eingebacken  sind. 


_     204     - 

Auffallend  ist,  dass  auf  dieser  ungefähr  IJ  Stunden  betra- 
genden Entfernung  die  einzelnen  Species  nach  der  Angabe  des 
V.  Zell  nicht  gleichförmig  vertheilt  sind,  sondern  Localverhält- 
nisse  eintreten,  so  dass  an  einem  Orte  der  Ablagerungsschichte 
nur  bestimmte  Conchylien  vorkommen;  so  finden  sich  bei  der 
Birk  und  Mörsingen,  dem  südwestlichen  Theil  der  Ablagerung, 
die  Heliceen,  Pupen,  Achatinen,  Planorben,  beim  Deutschen-Hof 
Melania,  Melanopsis  und  Nerüina,  am  Andelfinger-Berg  ,  dem 
nordöstlichen  Ende,  die  Testacella,  Clausilien,  Limnaeen  und 
Paludinen. 

Die  Conchylien,  welche  bis  jetzt  in  dieser  Gegend  durch 
V.Zell  aufgefunden  wurden,  sind: 

Ancyhis   deperditiis  Desm. 

Klein,    württ.  naturw.  Jalireshefte  1846,  p.  64,  Taf.  1.  Fig-.  1. 
Selten. 

Testacella  Zellii  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  1. 

T.  testet  solida,  auriculari ,  depr esset ,  subsulcato-striata, 
apice  distincta,  elevata;  apertura  magna,  ovata;  margine  dextro 
simplici ,  acuto,  sinistro  reßexo,  incrassato.     Alt.  |'" ,    tat.  b^'". 

Gehäuse  stark,  ohrförmig,  fast  furchig  gestreift,  niederge- 
drückt mit  deutlich  abgegränzter  Spitze  ,  die  am  hintern  Ende 
des  linken  Mundsaumrandes  sitzt,  etwas  eingerollt,  von  der 
Schale  durch  eine  tiefe  Furche  gelrennt  ist  und  von  dem  linken 
Ende  des  mehr  platten  hintern  Randes  hervorragt.  Die  Oeffnung 
ist  gross,  eiförmig  mit  rundlichem  vordem  und  hintern  Ende. 
Der  rechte  Rand  der  Oeffnung  ist  einfach,  scharf;  der  linke 
sehr  verdickt  und  einwärts  gebogen,  den  Rand  selbst  aber  be- 
deckt eine  nach  aussen  umgeschlagene  glatte  Platte.  Die  innere 
Fläche  der  Schale  ist  glatt,  glänzend  und  zeigt  gegen  das  hintere 
Ende  und  den  linken  Rand  hin  zwei  leicht  erhabene  kleine  Falten. 

Der  Form  nach  ist  sie  der  T.  Maugeria  Gray  ähnlich,  aber 
viel  grösser  und  die  Spitze  mehr  abgesondert  und  hervorragend. 

Bis  jetzt  wurde  nur  ein  Exemplar  am  Andelfinger-Berg  ge- 
funden. 


~     205     — 

Succinea  minima  mihi. 

S.  testa  parva,  imperforata,  elongata,  nitida;  anfractibus 
3,  ultimo  multo  majori,  elongato;  apertura  elongata;  columella 
libera,  margine  columellari  fere  nullo.     Alt  2\"' ,  tat.  V", 

Gehäuse  klein,  undurchbohrt,  verlängert,  glänzend.  Von 
den  3  Umgängen  sind  die  oberen  2  sehr  klein,  der  letzte  weit 
grössere,  verlängerte  bildet  fast  allein  die  Höhe  der  Schale.  Die 
Spindel  ist  frei,  der  Spindelrand  fehlt  fast  ganz. 

Sie  ist  der  S.  Pfeifferi  Rossm.  ähnlich ,  aber  viel  kleiner 
und  unterscheidet  sich  von  dieser  durch  das  Verhältniss  der  3 
Umgänge  zu  einander,  die  2  obern  bilden  nur  eine  kurze  Spitze 
auf  dem  verlängerten  letzten  Umgang. 

Selten,  bei  Mörsingen. 

Helix  Lion. 
Helicogena. 

Helix  silvestrina  v.  Ziet. 

Klein   a.  a.  0.  p.  66,  Taf.   1.  Fig.  4. 
Häufig  bei  der  Birk  und  bei  Mörsingen. 

Helix   silvana  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  2. 

H.  testa  imperforata,  subgloboso-depressa,  striata,  fasciata ; 
anfractibus  5  conv exius cutis ,  ultimo  vix  subcarinato ,  basi  con- 
vexo,  antice  descendente ,  aperluram  versus  dilatato;  apertura 
oblique  lunata ;  peristomale  reßexo,  labiato,  incrassato;  margine 
columellari  basi  adnato,  calloso;  pariete  aperturali  subcalloso. 
Alt.  ^"',  lat.  1\"'. 

Gehäuse  undurchbohrt,  gedrückt,  wenig  kuglig,  leicht  ge- 
streift, meistens  mit  3 — 5  braunen  Bändern.  Die  5  Umgänge 
sind  leicht  convex-,  nehmen  allmählig  zu,  der  letzte  ist  leicht 
gekielt,  auf  der  untern  Fläche  gewölbt,  gegen  die  Mundöffnung 
hin  etwas  erweitert  und  gegen  die  Basis  versenkt.  Die  Mund- 
öffnung ist  schief  halbmondförmig,  in  die  Breite  gezogen,  breiter 
als  hoch  und  schief  abwärts  gerichtet.  Der  Mundsaum  ist  stumpf, 
stark  lippenförmig  umgeschlagen  und  erweitert  dadurch  die  Mund- 
öffnung bedeutend.     Der   innere  Rand   ist  mit   der  Spindelsäule 


-     206    — 

verwachsen,  gegen  die  Stelle  des  Nabels  schwielig  ausgebreitet 
und  als  dünne  Lamelle  umgeschlagen.  Die  Mündungswand 
ist  mit  einem  dünnen  Callus  bedeckt. 

Sie  unterscheidet  sich  \on  Helix  silvestrina  v.  Ziet.  durch 
die  gedrückte,  kleinere,  mehr  in  die  Länge  gezogene  Form ,  den 
leichten  Kiel  am  letzten  Umgang  ,  die  mehr  in  die  Breite  ge- 
zogene nicht  so  hohe  Mundöffnung  und  den  viel  stärker  lippen- 
förmig  nach  aussen  umgelegten  Mundsaum ,  der  nicht  scharf, 
sondern  verdickt  ist. 

Von  Helia;  Maguntina  D  e  s  h.  (T  h  o  m  ä ,  Jahrb.  des  Ver- 
eins für  Naturkunde  in  Nassau  1845,  p.  132,  Tab.  IL  Fig.  6) 
unterscheidet  sie  sich  sowohl  durch  die  gedrückte  Form,  als 
durch  die  Mündung,  die  bei  jener  weit,  mondförmig,  und  den 
Mundsaum,  der  bei  jener  scharf  ist;  die  untere  Fläche  des  letz- 
ten Umgangs  ist  abgeplattet,  während  sie  bei  Helix  silvana  con- 
vex  ist. 

Eine  allgemeine  Aehnlichkeit  hat  diese  Species  mit  Helix 
splendida  Drap.,  die  aber  flacher  in  der  Thürmung,  runder  im 
Umfang  ist,  deren  Mundsaum  wenig,  fast  nicht  umgeschlagen 
und  deren  Mündung  runder  ist. 

Seltener. 

Helix  coarctata  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  3. 

H.  testa  imperforata,  depressa,  spira  parum  convexa,  subius 
convexa,  siibtilissime  striata;  anfractibus  5^  convexis ,  sensim 
crescentibus ,  ultimo  antice  coarctato;  apertura  oblique  lunata; 
peristomate  reflexo,  acuto;  pariete  aperturali  non  calloso. 

Alt.  3"S  lat.  b-^'". 

Gehäuse  ungenabelt,  zusammengedrückt  mit  leicht  convexer 
Spindel,  sehr  fein  gestreift;  die  5^  Umgänge  sind  convex,  nehmen 
allmählig  zu ,  der  letzte  ist  auf  der  Basis  gewölbt,  weicht  vorne 
nicht  nach  unten  ab  und  zeigt  vor  dem  umgeschlagenen  Mund- 
sanm  eine  Einschnürung.  Die  Mundöffnung  ist  schief  halbmond- 
förmig;  der  Innenrand  des  Mundsaumes  ist  viel  länger,  als  der 
äussere  und  geht  in  die  Spindel  über.  Die  Mündungswand  ist 
glatt,  ohne  Callus. 


—     207     — 

Auch  die  vorhandenen  Steinkerne  sind  ganz  ungenabelt. 

Ist  der  Form  nach  Helia;  Giengensis  Kr  aus  s  ähnlich,  aber 
ganz  ungenabelt ,  mehr  convex  und  durch  die  Einschnürung  am 
letzten  Umgang  unterschieden. 

Findet  sich,  aber  selten,  bei  Mörsingen. 

Helix  pachystoma  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  4. 

H.  testa  imperforata,  depressa,  subconoidea,  sublus  suhplana, 
striata  \  anfractibus  4\  convexis ,  sensim  crescentibus ,  ultimo 
anlice  descendente ;  apertura  oblique  lunata,  ad  basin  conversa 
(subhorizontali) ;  peristomate  recto  ^  supra  provecto,  margine 
inferiore  retracto,  incrassato,  aperturam  coarctante,  brevissime 
reflexiusculo ;  margine  columellari  basi  adnato ;  pariete  apertu- 
rali  purum  calloso.     Alt.  3"',  lat.  6'". 

Gehäuse  ungenabelt,  niedergedrückt,  wenig  conisch  mit  fast 
platter  Basis  und  leicht  erhabener  Spitze  ;  die  4J  Umgänge  sind 
convex,  nehmen  allmählig  zu,  der  letzte  ist  vorne  etwas  gegen 
die  Basis  versenkt.  Die  Mundöffnung  ist  schief  halbmondförmig 
und  gegen  die  Basis  gerichtet,  ihr  innerer  Rand  zurückgezogen. 
Der  äussere  Theil  des  Mundsaumes  ist  gerade,  scharf,  der  untere 
dagegen  breit,  sehr  verdickt  und  nach  einwärts  gerollt,  wodurch 
die  Mundöffnung  verengt  wird;  wo  dieser  in  den  äussern  Theil 
übergeht,  hat  er  eine  leicht  und  kurz  nach  aussen  umgelegte 
Platte.  Die  Mündungswand  ist  mit  einem  ganz  leichten  Callus 
bedeckt.     Die  Sleinkerne  sind  völlig  ungenabelt. 

Einige  Aehnlichkeit  hat  diese  Species  mit  Helix  globularis 
Ziegl.,  ist  aber  viel  flacher  und  kleiner. 

Ziemlich  selten  und  bis  jetzt  nur  in  einem  Wasserriss  ge- 
funden, der  sich  vom  Emerberg  nach  Ober-Wilzingen  herabzieht 
und  in  Kalkschutt,  Kies  und  Grand  lauft. 

Helicella. 

Helix  Ehingensis  mihi. 

Klein  a.  a.  0.  p.  65,  Taf.  I.  Fig.  3. 
Seltener. 


Häufig. 


Seilen. 


—    208    — 
Helix  inflexa  v.  Mart. 

Klein  a.  a.  O.  p.  11,  Taf.  I.  .Fig.  12. 

Helix   orbiciilaris  mihi. 

Klein  a.  a.  O.  p.  71,  Taf.  I.  Fig.  13. 


Helix   cariniilata  mihi. 
Taf.  V.    Fig  5. 

H,  testa  semiohtecte  umhilicata,  subconoidea,  subtus  convexa, 
subcarinata;  anfractibus  5\  convexiusculis ,  sensim  crescentibus, 
subtilissime  striatis;  apertura  ovato-lunata ;  peristomate  acuto, 
recto;  margine  columellari  reflexiusculo ;  pariete  aperturali  non 
calloso.     Alt.  2—3'",  lat  3—4'". 

Gehäuse  conisch  mit  breiter  Basis  und  niederer  Spitze,  auf 
der  untern  Fläche  convex.  Die  b\  Umgänge  sind  wenig  con- 
vex,  werden  allmählig  grösser  und  sind  leicht  gestreift,  der  letzte 
hat  einen  leichten  Kiel  und  wird  ,  ohne  dass  sein  oberer  Rand 
sich  senkt,  auf  der  Basis  dicker.  Die  Mundöffnung  ist  halb- 
mondförmig, nach  innen  und  unten  verlängert.  Der  Mundsaum 
ist  einfach,  scharf  und  nur  der  innere  Rand,  der  sich  an  die 
Spindel  anlegt,  am  Nabel,  den  er  bis  zur  Spalte  verengt,  leicht 
umgeschlagen  ;  die  Mündungswand  ist  glatt,  ohne  Callus. 

Die  Sleinkerne  sind  eng  genabelt  und  der  Nabel  schon  durch 
das  Ende  des  letzten  Umgangs  verengt. 

Ziemlich  häufig,  bei  Mörsingen. 

Ist  mit  keiner  lebenden  Species  zu  vergleichen. 

Helix  incrassata  mihi. 
Taf.  V.  Fig.  6. 
H.  testa  crassa ,  semiobtecte  umbilicata ,  depresse  globosOy 
subtus  convexa,  subtilissime  striata;  anfractibus  5  convexis,  ul- 
timo aperturam  versus  dilatato ;  apertura  oblique  lunata;  peri- 
stomate reflexo ,  incrassato;  pariete  aperturali  non  calloso. 
Alt.  5'"  ,    lat  8'". 

Gehäuse  halb  bedeckt  —  genabelt,  zusammengedrückt  kuglig, 
die  untere  Fläche  gewölbt,  die  Umgänge  zu  einer  ziemlich  gleich- 


^trtb'.  iiadlirwiss:  JaJiieslißfte  lUalir^ . 


7h/:v 


]itli..v:HiomiLel . 


—    209    - 

förmigen  flachen  Kuppel  erhoben,  an  der  Spitze  platter,  dick- 
schalig, fein  gestreift.  Die  5  Umgänge  sind  gewölbt,  durch 
seichte  Nähte  getrennt,  nehmen  gleichförmig  zu,  der  letzte  wird 
gegen  die  Mündung  hin  etwas  breiter  und  weicht  leicht  nach 
unten  ab.  Die  Mundöffnung  ist  halbmondförmig,  aber  etwas 
nach  aussen  gezogen.  Der  Mundsaum  ist  umgeschlagen,  sehr 
verdickt;  der  Spindelrand  ist  stark  umgelegt  und  verengt  den 
Nabel,  jedoch  ist  dieser  umgeschlagene  Theil  nicht  über  den 
Nabel  gelegt,  sondern  gerade  abwärts  abstehend.  Die  Mündungs- 
wand ist  glatt,  ohne  Callus. 

Ist  mit  keiner  lebenden  Species  zu  vergleichen. 

Sehr  selten. 

Helix  Giengensis  Krauss. 

Klein  a.  a.  0.  p.  69,  Taf.  I.  Fig.  9. 

Kommt  häufig,  namentlich  bei  Mörsingen  vor,  daher  jetzt 
eine  genauere  Beschreibung  möglich  ist. 

H.  testa  umbilicata,  depressa,  spira  tnx  elevata,  subtus  sub- 
plana,  subtUissime  striata;  afifractibus  5.|  convexis,  sensim  cres- 
centibus ;  peristomate  reflexo,  undatim  labiato,  margine  columel- 
lari  umbilicum  coarctante ;  p artete  aper tur alt  callo  tenui  obtecto  ; 
apertura  oblique  lunata.     Alt.  2 — 3"',  tat.  4 — 5^'". 

Gehäuse  genabelt,  niedergedrückt  mit  kaum  erhabener  Spin- 
del, auf  der  untern  Fläche  nur  leicht  gewölbt,  sehr  fein  gestreift. 
Die  5.^  Umgänge  sind  convex,  nehmen  sehr  allmählig  zu 
und  sind  durch  deutliche  Nähte  von  einander  getrennt.  Der 
Mundsaum  ist  lippenförmig  umgeschlagen,  der  umgeschlagene 
Rand  endet  scharf;  der  Innenrand  ist  leicht  wellenförmig  und 
verengt  den  Nabel  etwas.  Die  Mündungswand  ist  mit  einem 
dünnen  Callus  bedeckt.  Die  Mundöffnung  schief  halbmond- 
förmig. 

Sie  steht  Helix  osculum  Thomae  (a.  a.  0.  p.  137,  Tab.  III. 
Fig.  4)  nahe,  bildet  aber  keine  „ebenmässige  Kuppel",  sondern 
ist  platter,  jeder  innere  Umgang  steht  zwar  etwas  höher,  aber 
in  Absätzen  und  nicht  kuglig ,  auch  die  untere  Fläche  ist  viel 
platter,  so  dass  sie  ganze  Thürmung,  die  flache  Form  oben  und 
unten  sie  von  der  kugligen  Helix  osculum   sehr   deutlich  unter- 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  2s  Heft.  14 


—    210    — 

scheidet.  Der  Nabel  ist  weiter  offen ;  der  innere  Rand  des 
Mundsaumes  bildet  gegen  die  Spindel  hin  eine  leichte  Einbuch- 
tung, die  aber  nur  am  lippenförmig  umgeschlagenen  Theil 
sichtbar  ist  und  keinen  Einfluss  auf  die  Oeffnung  selbst  hat; 
der  äussere  und  obere  Theil  des  Mundsaumes  ist  mehr  abge- 
rundet. Die  Mundöffnung  ist  halbmondförmig,  etwas  schief  nach 
aussen  gezogen.  Je  grösser  die  Exemplare  sind,  desto  weniger 
sind  sie  kuglig,  oder  kuppeiförmig,  desto  mehr  zusammenge- 
drückt mit  nur  leicht  convexer  Mitte. 
Die  Steinkerne  sind  tief  genabelt. 

Helix  subnitens  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  7. 

H.  testa  aperte  umbilicata,  depressn ,  planiuscula ,  glabra, 
nitida;  anfractibus  4\  convexis,  sensim  crescentibus,  ultimo  an- 
tice  subdilatato;  apertura  ovato-lunata;  peristomate  simpHci,  acuto; 
pariete  aperturali  non  calloso.     Alt.   1 — \\"' y  lat.  2 — 3'". 

Gehäuse  offen  aber  massig  weit  genabelt,  niedergedrückt, 
oben  fast  flach,  auch  auf  der  untern  Fläche  ziemlich  platt,  glatt, 
glänzend.  Die  4k  Umgänge  sind  gewölbt,  nehmen  langsam  zu, 
der  letzte  ist  etwas  breiter  als  hoch  und  erweitert  sich  etwas 
gegen  die  Mundöffnung,  der  obere  Rand  desselben  weicht  nicht 
nach  unten  ab,  aber  der  unlere  Theil  bildet  auf  der  Basis  eine 
Hervorragung.  Die  Mundöffnung  ist  eiförmig,  nach  oben  etwas 
verlängert  und  schmäler ,  durch  die  Mündungswand  am  obern 
Theil  halbmondförmig  ausgeschnitten,  der  untere  Theil  rundlich. 
Der  Mundsaum  einfach,  scharf. 

Ist  Helix  cellaria  Müll,  ähnlich  aber  kleiner,  auf  der  untern 
Fläche  etwas  gewölbter;  der  letzte  Umgang  mehr  erweitert,  doch 
nicht  wie  bei  Helix  nitens  Mich.,  die  Mundöffnung  ist  nicht 
schief  nach  aussen  gezogen,  mehr  rundlich  als  bei  Helix  cellaria. 

Thomae  beschreibt  a.  a.  0.  p.  144  eine  Species  unter  dem 
Namen  Helix  subcellaria,  die  aber  viel  grösser,  auf  der  obern 
und  namentlich  auf  der  untern  Fläche  viel  convexer  ist  und  eine 
schiefe  am  Innenrande  merklich  erweiterte  Mundöffnung  und  mit 
dieser  Species  gar  keine  Aehnlichkeit  hat. 

Selten. 


—    211    — 

Helix  involuta  Thomae.     (Drepanosloma  Porro). 
Thomae    a.  a.  0.  p.  144,    Taf.  II.  Fig.  8. 

Taf.  V.    Fig.  8. 

H.  testa  orbiculato-discoidea ,  depressa ,  utrinque  concava, 
arcte  obvoluta,  subtus  perspective  umbilicata,  spira  demersa, 
leviter  striata;  apertura  afiguste  lunata;  peristomate  reßexo, 
flexuoso ;  anfractibus  5.     Alt.   i'" ,  lat.  2'". 

Gehäuse  scheibenförmig -kreisrund,  gedrückt,  auf  beiden 
Seilen  concav,  enggewunden,  unten  perspeklivisch-genabelt,  oben 
mit  vertieftem  wendeltreppenarlig  absteigendem  Gewinde,  leicht 
gestreift;  Mündung  eng,  schmal,  mondförmig;  Mundsaum  zurück- 
geschlagen, bogig  (Thomae). 

Es  ist  nur  ein  Exemplar  bis  jetzt  gefunden  worden,  das  auf 
der  obern  Fläche  nur  leicht  vertieft  ist;  der  letzte  Umgang  ist 
vor  dem  umgeschlagenen  Rande  eingeschnürt  und  weicht  vorne 
etwas  gegen  die  Basis  hin  ab,  so  dass  der  obere  Rand  der  Mund- 
öffnung etwas  tiefer  steht,  als  der  vorletzte  Umgang ;  dagegen 
ragt  der  untere  Rand  auf  der  Basis  hervor  und  ist  etwas  zurück- 
gezogen.   Die  Mündungswand  ist  mit  einem  zartem  Callus  bedekt. 

Helix   gyrorbis  mihi. 

Die  Beschreibung  dieser  Species  konnte  a.  a.  0.  p.  72 
Taf.  I.  Fig.  14.  wegen  der  Unvollständigkeit  des  Exemplars  nicht 
genau  gegeben  werden,  was  ich  jetzt  durch  einige  bei  der  Birk 
aufgefundene,  vollkommene  Exemplare  zu  ergänzen  im  Stande  bin. 

ü.  testa  perspective  umbilicata,  depressa,  arctispira,  spira 
parum  convexa,  eleganter  costulato-striata ,  subtus  glabra;  an- 
fractibus 7—9  teretibus ,  lente  crescentibus;  apertura  lunala; 
peristomate  acuto,  simplici,  recto.     Alt.  |"' ,  lat.  2 — 3'". 

Gehäuse  perspectivisch-genabelt,  niedergedrückt  mit  leicht 
convexer  Spindel ,  unten  fast  platt.  Die  7—9  Umgänge  sind 
sehr  eng  gewunden,  nehmen  langsam  zu,  sind  fein  und  regel- 
mässig gerippt,  die  Rippen  selbst  sind  gekrümmt;  die  innersten 
Umgänge  sind  glatt;  die  untere  Fläche  ist  glatt,  glänzend.  Die 
Mundöffnung  halbmondförmig,  durch  den  vorletzten  Umgang  aus- 
geschnitten ;  die  Mündungswand  ist  glatt,  ohne  Callus.  Der 
Mundsaum  gerade,  einfach,  scharf. 

14* 


-    212    — 

Steht  der  Helios  rotundata  Müll,  nahe,  ist  aber  grösser, 
flacher,  hat  mehr  Umgänge,  die  keine  Andeutung  eines  Kiels 
haben,  die  Rippen  sind  sehr  deutlich ,  stärker ,  regelmässig  und 
eng  gestellt. 

Ebenso  unterscheidet  sie  sich  durch  den  völligen  Mangel 
eines  Kiels  und  durch  die  grössere  Anzahl  von  Umgängen  von 
Helix  multicostata  Thomae  (a.  a.  0.  p.   143). 

Bulimus  minutus  mihi. 

Taf.  V.    Fig.  9. 

B.  testa  parva,  suhrimata,  turrita,  apice  obtusa;  anfractibus 
6  convexis,  sensim  crescentibus,  subtilissime  striatis,  suturis  pro- 
fundis;  apertura  ovato-oblonga ;  peristomate  recto ,  acuto,  mar- 
ginibus  inaequalibiis ;  cohimella  recta,  basi  integra ,  in  marginem 
columellarem  brevissime  reflexiusculo  transeunte.  Alt.  2\; — 3'"; 
lat.  V". 

Gehäuse  klein,  kaum  geritzt,  Ihurmförmig  mit  abgestumpfter 
Spitze;  die  6  Umgänge  sind  convex,  durch  tiefe  Nähte  von  ein- 
ander getrennt,  nehmen  sehr  langsam  zu  und  sind  fein  gestreift. 
Die  Mundöffnung  ist  verlängert-eiförmig  ,  oben  zugespitzt.  Der 
Mundsaum  ist  gerade ,  scharf,  die  Ränder  desselben  ungleich 
lang;  der  Innenrand  setzt  sich  in  die  gerade  Spindel,  die  nicht 
abgestutzt  ist,  fort  und  ist  vor  der  feinen  Nabelspalte  kurz  und 
fein  umgeschlagen. 

Diese  Species  ist  mit  keiner  lebenden  zu  vergleichen,  hat 
höchstens  als  Miniaturgebilde  eine  entfernte  Aehnlichkeit  mit 
Bulimus  acutus  ßrug. ,  hat  aber  ausser  der  bedeutenden  Ver- 
schiedenheit der  Grösse  weniger  Umgänge  und  eine  mehr  in 
die  Länge  gezogene  ovale  Mundöffnung. 

Sehr  selten. 

Glandina   (Achatiiia)  antiqua  mihi. 

Klein  a.  a.  0.  1852.  p.  162,   Taf.  lll.  Fig.  9. 

Selten. 

In  den  Annal.  des  sciences  natur.  Zoolog.  T.  IL,  p.  179 
(1843)  hat  Marc,  de  Serres  t'm^  Achatina  F«a/a22  beschrieben, 
welche  in  derSüsswasserkalkablagerung  von  Castelnaudary  (im  süd- 


-    213     ~ 

liehen  Frankreich)  gefunden  wurde  ,  die  der  Beschreibung  und 
Abbildung  nach  zu  urtheilen,  im  Allgemeinen  viel  Aehnlichkeit 
mit  dieser  Glandina  haben  dürfte,  sich  aber  jedenfalls  durch  be- 
deutendere Grösse  und  Umfang  und  die  Anzahl  der  Umgänge 
(es  sind  6)  von  ihr  unterscheidet. 

Glandina  (Acliatina)  eburnea  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  10. 

Gl.  testa  imperforata,  oblong o-fusi formt,  obtusiuscula,  polita; 
anfractibus  5  convexiusculis,  ultimo  §  testae  aequante,  basi  alte^ 
nuato ;  apertura  partem  dimidiam  testae  aequante,  acutissime 
ovata,  basi  attenuata;  columella  basi  anirorsum  arcuata,  inflexa, 
basi  truncata ,  callo  tenui  obtecta;  peristomate  simplici,  aciito. 
Alt  5^"^  lat.  2'". 

Gehäuse  undurchbohrt,  verlängert-spindelförmig,  oben  etwas 
stumpf,  glatt,  glänzend.  Die  5  Umgänge  sind  leicht  convex,  der 
letzte  fast  noch  einmal  so  lang  ,  als  die  andern  zusammen  ,  in 
der  Milte  etwas  breiter,  als  der  vierte,  nach  unten  verschmälert. 
Die  Nähte  sind  wenig  vertieft ,  unter  der  letzten  läuft  mit  ihr 
parallel  eine  feine  Furche.  Die  Mundöffnung  ist  eiförmig,  nach 
oben  scharf  zugespitzt,  beträgt  ungefähr  die  Hälfte  der  Schale. 
Die  Spindel  ist  einwärts  gerollt,  unten  nach  vorne  gebogen,  am 
Ende  abgestutzt,  mit  einem  zarten  Callus  bedeckt  und  bildet  für 
sich  den  innern  Rand  der  Mundöffnung.  Der  Mundsaum  ist 
scharf,  einfach. 

Die  Schnecke  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  der  lebenden  Oliva 
eburnea  Lam.,   was  zu  der  Benennung  Veranlassung  gab. 

Sie  steht  der  Achatina  Sandbergeri  Thomae  a.  a.  0.  p.  151, 
Tab.  III.  Fig.  11  nahe,  ist  aber  kleiner,  nicht  so  gestreckt,  nicht 
gestreift,  an  den  Nähten  nicht  feinkörnig  gerandet,  die  4  obern 
Umgänge  sind  kürzer,  der  letzte  ist  etwas  bauchiger,  die  Mund- 
öffnung länger  gezogen. 

Ziemlich  häufig  bei  der  Birk  und  bei  Mörsingen. 

Unter  den  Schalen  finden  sich  Exemplare,  vielleicht  Junge 
dieser  Species ,  die  für  eine  besondere  Art  gehalten  werden 
könnten,  was  ich  aber  wegen  der  Totalform  nicht  gewagt  habe. 
Sie  sind  kleiner,    haben  4  Umgänge,    von  denen    der  letzte  im 


—    214     -- 

Verhältniss  zu  den  sehr  kleinen  drei  oberen  viel  grösser  ist, 
22'",  während  die  ganze  Schale  nur  3'"  Höhe  hat.  Die  Spitze 
der  Mundöffnung  reicht  fast  bis  zum  3.  Umgang,  ist  verhältniss- 
mässig  viel  höher  und  beträgt  f  der  Schale. 

Achatiiia   elegans  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  11. 

A.  testa  imperforata ,  elongato-fusiformi ,  costulato-striata  ; 
anfractibiis  4\ ,  superiorihus  convexis ,  duobus  inferioribus  pla- 
nulatis ,  ultimo  elongato;  suturis  profundis ;  apertura  acutissime 
ovata;  columella  intorta,  vix  arcuata ,  basi  subtruncata ,  non 
callosa;  peristomate  smplici,  acuto.     Alt.  i'",  tat.    V", 

Gehäuse  undurchbohrt ,  sehr  gestreckt,  fein  gerippt,  die 
Rippen  besonders  gegen  die  Naht  deutlich.  Von  den  4J  Um- 
gängen sind  die  oberen  convex,  der  erste  ganz  klein,  beide 
glatt,  die  zwei  untern  gestreckt,  flach,  alle  durch  tiefe  Nähte 
von  einander  getrennt;  der  letzte  nicht  bauchiger,  sondern  sehr 
gestreckt.  Die  Mundöffnung  ist  spitz-eiförmig.  Die  Spindel  ein- 
wärts gerollt,  nur  ganz  leicht  gebogen,  an  der  Basis  kaum  ab- 
gestutzt, an  der  MundöfTnung  glatt,  ohne  Callus.  Der  Mundsaum 
einfach,  scharf. 

Sie  ist  viel  kleiner  als  Achatina  Sandberg  er  i  Thomae,  ge- 
strekler,  schmaler,  die  Spindel  an  der  Basis  kaum  abgestuzt,  ohne 
Callus  an  der  Mündungswand. 

Erinnert  an  die  zierlichen  Formen  von  Jamaica. 

Sehr  selten. 

Achatina    loxostoma    mihi. 
Taf.  V.    Fig.   12. 

A.  testa  parva ,  rimata ,  ovato-oblonga ,  apice  obtusa,  laevi, 
nitida;  anfractibus  6  convexiusculis ,  sensim  crescentibus ;  aper- 
tura obliqua,  acute  ovata;  columella  arcuata,  basi  integra;  peri- 
stomate recto ,  incrassato ,  inferiore  parte  antrorsum  provecto, 
margine  columellari  brevissime  reflexiusculo.  Alt.  2  —  2h'" ^ 
tat.    V". 

Gehäuse  klein,  geritzt,  länglich- eiförmig  mit  stumpfer  Spitze, 
glatt,  glänzend.     Die  6  Umgänge  sind  flach  convex,    eng  anein- 


_    215    — 

ander  liegend,  nehmen  allmählig  zu,  der  5.  und  6.  jedoch 
schneller.  Die  Spindel  ist  vorwärts  gebogen,  an  der  Basis  nicht 
abgestutzt.  Der  Mundsaum  gerade,  der  äussere  Rand  einfach, 
der  innere  Spindelrand  ist  zu  einer  leichten  und  kurzen  Falte 
umgeschlagen,  legt  sich  an  die  Spindel  an  und  bildet  so  eine 
feine  Ritze;  der  untere  Theil  ist  verdickt,  vorwärts  gezogen  und 
deckt  so  etwas  die  Mundötfnung,  welche  schief  eiförmig  ist,  am 
breitesten  am  Spindelrand,  spitz,  wo  sich  der  äussere  Rand  des 
Mundsaumes  an    den  letzten  Umgang  anlegt. 

Da  die  Spindel  an  ihrer  Basis  nicht  abgestutzt  ist,  so  wäre 
vielleicht  nicht  gerechtfertigt ,  dieselbe  zum  Genus  Achatina  zu 
rechnen,  wenn  sie  nicht  in  der  ganzen  Form  der  lebenden  Acha- 
Hna  lubrica  M  e  n  k  e  sehr  ähnlich  und  gerade  bei  dieser  die  Spindel 
ebenfalls  nicht  abgestutzt  wäre,  so  dass,  wenn  diese  zu  Achatina 
gehört,    die  andere  ebenfalls    dazu    gerechnet  werden  muss. 

Von  Achatina  lubrica  unterscheidet  sie  sich  aber  ausser  der 
etwas  geringern  Grösse  deutlich  durch  die  auf  eigene  Art  ver- 
zogene Mundöffnung,  den  lippenartig  vorspringenden,  verdickten 
Mundsaum  und  die  deutliche  Ritze  hinter  der  Spindel. 

Nicht  sehr  selten  bei  der  Birk  und  Mörsingen. 

Achatina  acicula  Lam.  ? 

A.  testa  parva,  imperforata,  fusiformi-oblonga,  apice  atte- 
nuata,  obtusa;  anfractibus  5  planulatis,  ultimo  elongato,  circiter 
dimidiam  testae  partem  aequante;  columella  basi  truncata. 

Von  dieser  kleinen  Achatina ,  welche  der  lebenden  acicula 
ähnlich,  nur  etwas  kleiner  ist,  hat  sich  bis  jetzt  nur  ein  Exem- 
plar bei  der  Birk  gefunden  und  dieses  im  festen  Kalk  so  ein- 
gewachsen, dass  der  Rücken  nach  aussen  liegt,  Mundöffnung 
und  Mundsaum  aber  nicht  zu  bestimmen  sind.  Sie  ist  nicht 
ganz  2'"  lang  und  kaum  i"'  breit. 

Clausula   grandis  mihi. 

Klein    a.  a.  O.  1846,    p.  73,  Taf.  I.  Fig.  16. 

Am  Andelfinger  Berg  nicht  sehr  selten,  mit  sehr  deutlicher 
Mundöffnung  und  Zahnbildung. 


—    216    — 

P  u  p  a  Drap. 
Piip  a  nov.  spec? 

P.  testa  subritnatiif  fusiformi,  apice  obtusa ;  anfractibus  8  sub- 
planis,  suturis  vix  excavatis ,  cervice  producta,  compressa;  aper- 
tura  ovata;  peristomate  reßexo.     Alt.  i'",  lat.  \l'" . 

Gehäuse  länglich,  spindelförmig,  unten  schmäler,  am  7. 
Umgang  am  dicksten,  nach  oben  schnell  schmäler,  oben  abge- 
stumpft. Die  8  Umgänge  sind  platt,  durch  sehr  seichte  Nähte 
von  einander  getrennt.  Der  Hals  ist  vorgeschoben,  von  beiden 
Seiten  zusammengedrückt;  die  Mundöffnung  eiförmig,  der  Mund- 
saum leicht  umgeschlagen. 

Die  Schnecke  war  in  festen  Kalk  eingewachsen,  die  Schale 
ist  beim  Herausmeiseln  hängen  geblieben,  wesshalb  nicht  zu  be- 
stimmen ist,  ob  dieselbe  glatt  oder  gestreift  ist.  Die  Mundöff- 
nung ist  so  ausgefüllt,  dass  sie  nicht  gereinigt  und  nicht  bestimmt 
werden  kann,  ob  und  welche  Zähne  vorhanden  sind. 

Sie  steht  in  Hinsicht  auf  Form  der  Pupa  Schübleri  (Klein 
a.  a.  0.  1846,  p.  74,  Tab.  I.  Fig.  18.)  nahe,  ist  aber  grösser 
und  dicker,  der  Hals  ist  von  beiden  Seiten  zusammengedrückt; 
die  Mundöffnung  erscheint  schmäler.  Das  Vorhandensein  und 
der  Stand  der  Zähne  sind  nicht  zu  beurtheilen. 

Weitere  Untersuchungen  können  erst  über  die  Species  ent- 
scheiden. 

Pupa   quadrident ata  mihi. 
Taf.  V.    Fig.   13. 

P.  testa  parva,  subtüiter  rimata ,  ovato-conoidea,  obtusius- 
cula;  anfractibus  5  convexis,  superioribus  celeriter  decrescentibus, 
ultimo  subtus  attenuato;  cervice  producta,  compressa,  callo  albido 
cincfa;  columella  unidentata ,  duobus  alteris  dentibus  in  margine 
externo  peristomafis  immer sis ;  pariete  aperturali  uniplicato; 
peristomate  reflexiusculo;  apertura  ovato  -  rotundata ,  patula. 
Alt.   11'",  lat.  J"'. 

Gehäuse  klein,  fein  geritzt,  ei-kugelförmig,  nach  oben  ver- 
schmälert mit  stumpfer  Spitze.  Die  5  Umgänge  sind  convex, 
durch    tiefe  Nähte    von    einander   getrennt,    die    obern    nehmen 


-■    217    — 

schneller  ab,  der  letzte  verschmälert  sich  gegen  die  Basis  hin. 
Der  Hals  ist  vorgeschoben,  an  der  innern  Seile  etwas  zusammen- 
gedrückt, mit  einem  weissen  Callus  umgeben.  Die  Mundöffnung  ist 
weit,  rundlich-eiförmig.  Der  Mundsaum  ist  leicht  umgeschlagen. 
An  der  Spindel  sitzt  ein  kleiner  Zahn,  gegenüber  an  der  äussern 
Wand,  etwas  verlieft,  zwei  Zähne  und  an  der  M""dungswand  eine 
Falte,  die  sich  unter  einem  spitzigen  Winkel  mit  dem  anliegen- 
den innern  Rande  des  Mundsaumes  verbindet. 

Sie  zeigt  in  der  allgemeinen  Form  einige  Aehnlichkeit  mit 
Pupa  pagodula  Desmoul.,  ist  aber  durch  die  geringere  Anzahl 
der  Umgänge  und  besonders  durch  die  ganz  andere  Bildung 
des  Mundsaumes,  der  Mundöffnung  und  der  Zähne  völlig  von 
ihr  unterschieden. 

Ziemlich  häufig  bei  der  Birk  und  Mörsingen. 

Cyclostoma   bisulcatum  v.  Ziet. 

Klein    a.  a.  O.    p.  76,    Taf.  I.  Fig.  21. 
Häufig  bei  Mörsingen. 

Cyclostoma   coniciim  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  14. 

C.  testa  imperforata,  conoidea,  costis  sulcata,  subtillissime 
decussata;  anfracühus  5\  convexis,  sensim  crescentibus,  suturis 
profundis;  apertura  perpendiculari ,  subcirculari ;  perütomate 
continuo,  acuto,  reflexiusciilo.  Operculo  solido  ,  piano ,  quadri- 
spiro.     Alt   5"',  lat,  4'". 

Gehäuse  nicht  durchbohrt,  conisch;  die  5^  Umgänge  sind 
rund,  durch  tiefe  Nähte  von  einander  getrennt,  die  beiden  obern 
sind  glatt,  die  andern  haben  zahlreiche  feine  Längsrippen  mit 
denen  sich  sehr  feine  Linien  kreuzen,  gegen  die  Mitte  des  letzten 
Umgangs  werden  auch  die  Längsrippen  undeutlicher,  an  der 
Basis  desselben  sind  sie  dagegen  wieder  sehr  deutlich  und  stark. 
Die  obern  Umgänge  nehmen  schneller  ab,  der  letzte  ist  nicht 
bauchig,  nur  an  der  Mundöffnung  etwas  vorgezogen,  die  ganze 
Form  ist  so  mehr  gestreckt.  Die  Mundöflnung  ist  kreisförmig, 
nur  wenig  nach  oben  zugespitzt ;  der  Mundsaum  zusammenhängend, 
nur  sehr  leicht  umgeschlagen.  Der  Deckel  ist  stark,  flach  und 
hat  4  Windungen. 


—    218    — 

Sie  steht  der  Cyclostoma  elegans  Drap,  sehr  nahe,  ist  aber 
kleiner,  schlanker,  die  Umgänge,  besonders  der  letzte,  sind 
weniger  bauchig ,  die  Mundöffnung  rundlicher.  Das  Gegitterte 
der  Schale  tritt  durch  die  geringere  Entwicklung  der  Querstreifen 
weniger  hervor,  die  Längsstreifen  sind  ungleich. 

Planofbis    pseudammonius  Yoltz. 

Klein  a.  a.  0.  p.  77,    Taf.  I.  Fig.  23. 
Bei  der  Birk  hauptsächlich  und  dort  häufig. 

Planorbis  corniculum  Thomae. 

Thomae  a.  a.  O.  p.  154,  Taf.  IV.  Fig.  7. 

P.  testa  discoidea,  utrinque  siibaequaliter  concava ,  striata; 
an  fructibus  5  subangulato-cylindraceis ;  apertura  rotundato-lu- 
nata;  peristomate  smplici,  recto.     Alt  2 — 2^'",  lat.  6 — 8'". 

Gehäuse  scheibenförmig,  auf  beiden  Seiten  fast  gleich  tief 
beim  Cenlrum  eingesenkt,  doch  in  der  Regel  oben  etwas  tiefer, 
gestreift;  Umgänge  cylindrisch,  der  letzte  durch  erhabene  paral- 
lele Längslinien  etwas  kantig;  Mündung  gerundet- mondförmig. 
Mundsaum  einfach,  scharf.     (Thomae). 

Unter  den  vielen  Exemplaren  von  Planorbis  pseudammonius 
finden  sich,  aber  nur  selten,  solche,  die  den  Originalen,  welche 
ich  von  Planorbis  corniculum  besitze,  ganz  gleich  sind. 

Sie  unterscheiden  sich  von  Planorbis  pseudammonius,  dem 
sie  aber  sehr  nahe  stehen,  durch  die  geringere  Grösse,  das 
umgekehrte  Verhältniss  der  Vertiefung,  indem  sie  oben  etwas 
tiefer  eingesenkt ,  unten  weniger  concav  sind  und  durch  das 
Kantige  des  letzten  Umgangs.  Die  Mundöffnung  ist  am  untern 
Rand  weniger  zurückgezogen;  der  Callus,  welcher  bei  jenem 
den  Mundsaum  eigentlich  zusammenhängend  macht,  fehlt  hier, 
die  Mündungswand  ist  unbedeckt. 

Planorbis  applanatus  Thomae.   (PI.  declivis  A.  Braun). 

Thomae    a.  a.  0.  p.  155. 

Taf.  V.    Fig.  15. 
P.  testa  parva,    depressa,    in  ferne  carinata ,    supra  piano- 
convexa,  in  media  vix  immersa,  subtus  concava,  nitida,  subtilissime 
striata;  apertura  obliqua,  cordata;  anfractibus  4.     Alt  ^'" ,  lat. 
U— 2'". 


—    219    — 

Gehäuse  klein,  plattgedrückt,  nicht  auf  der  Mitte  der  Peri- 
pherie ,  sondern  unten  gekielt ,  oben  flach  convex ,  im  Mittel- 
punkt etwas  verlieft,  unten  flach  concav  und  wie  auf  der  oberen 
Fläche  alle  Umgänge  sichtbar ,  glänzend ,  äusserst  fein  gestreift. 
Die  Umgänge  nehmen,  besonders  der  letzte  ziemlich  rasch  zu, 
und  dieser  wird  durch  den  Kiel  in  zwei  ungleiche  Hälften  ge- 
theilt,  wovon  die  über  dem  Kiel  grösser,  gewölbter,  die  auf  der 
untern  Seile  aber  kleiner  und  flacher  ist.  Mündung  schief,  herz- 
förmig.    (Thomae). 

Unterscheidet  sich  von  Planorbis  laevis  mihi  Klein  a.  a.  0. 
p.  79,  Taf.  I.  Fig.  26  durch  den  Kiel  des  letzten  schneller  zu- 
nehmenden Umgangs,  der  bei  diesem  rund,  ohne  Andeutung  eines 
Kiels  ist  und  wie  die  andern  langsam  zunimmt. 

Häufig  bei  Mörsingen. 

Planorbis  platystoma  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  16. 

P.  testa  parva,  supra  concava,  in  medio  immer sa ,  infra 
plana,  glabra;  anfractibus  3\  convexis ,  celeriter  crescentibus, 
internis  in  superiore  testae  fade  immersis ,  ultimo  multo  majori, 
convexo,  supra  prominente,  reliquos  involvente ;  apertura  dilatato- 
ovata;  peristomate  simplici,  acuto.     Alt.   V" ,  lat.  2'". 

Gehäuse  klein,  auf  der  obern  Fläche  concav,  in  der  Mitte 
vertieft,  unten  platt,  glatt.  Die  3J  Umgänge  sind  höher  als  dick, 
der  äussere  viel  grösser  und  höher,  als  die  andern,  ragt  auf 
der  obern  Fläche  stark  hervor,  während  die  Innern  ganz  ver- 
senkt sind,  auf  der  untern  Fläche  dagegen  sind  alle  sichtbar, 
liegen  in  einer  Ebene  und  sind  durch  tiefe  Nähte  getrennt.  Die 
Mundöffnung  ist  weit,  in  die  Quere  gestellt,  eiförmig  und  weit 
auf  beiden  Seiten  der  Schale  hervorragend;  die  Mündungswand 
ist  ohne  Callus,  der  Mundsaum  einfach,  scharf. 

Bei  Mörsingen,  ziemlich  selten. 

Limnaeus  Drap. 
Von  Limnaeen  finden  sich  zwar,  namentlich  am  Andelfinger- 
berg,    eine  ziemliche  Anzahl,    allein  die   Unvollkommenheit    der 
einzelnen    Schalen    und    die   Schwierigkeit    der  Bestimmung   der 


-     220     - 

einzelnen  Species  ohne  eine  grössere  Anzahl  zur  Vergleichung 
zu  besitzen,  machten  bei  den  vielen  Modificationen  und  Ueber- 
gängen,  welche  bei  diesem  Genus  vorkommen,  bis  jetzt  die  ge- 
nauere Trennung  derselben  unmöglich. 

Unter  ihnen  findet  sich  entschieden  Limnaeus  Kurrii  mihi, 
(Klein  a.  a.  0.  p.  84,  Taf.  II.  Fig.  7),  Yiahrscheinlich  Limnaeus 
ellipticus  Kurr,  p.  83,  Taf.  II.  Fig.  5. 

Eine  andere  Form  ist  sehr  ähnlich  dem  Limnaeus  pereger 
Drap,  aber  grösser,  während  eine  andere  Anzahl  demselben  eben- 
falls ähnlich,  aber  kleiner  ist.  Weitere  Nachforschungen  und  ge- 
naue Untersuchungen  können  hier  erst  später  entscheiden. 

Ausgezeichnet  durch  die  ganz  verschiedene  Form  ist  aber: 

Limnaeus   turritus  mihi. 
Taf.  V.    Fig.   17. 

L.  testa  parva,  turrita,  apice  acuta,  glabra,  imperforata; 
anfractibus  4^  convexis,  sensim  crescentibus ,  suturis  profundis, 
ultimo  anfractu  elongato;  apertura  elongato  -ovata;  peristomate 
acuto ,  margine  columellari  brevissime  reflexiusculo.  Alt.  2^'", 
lat.  V*', 

Gehäuse  klein,  ungenabelt ,  schlank,  thurmförmig,  oben  zu- 
gespitzt, glatt.  Von  den  4.J^  Umgängen  sind  die  oberen  rundlich, 
durch  tiefe  Nähte  von  einander  getrennt,  der  letzte  länglich, 
gestreckt.  Die  Mundöffnung  ist  länglich-eiförmig ;  der  Mundsaum 
scharf,  an  der  Spindel  leicht  und  kurz  umgeschlagen. 

Sehr  selten. 

Melania   turrita  mihi. 

Klein    a.  a.  O.  1852,  p.  159,  Taf.  III.  Fig.   10. 
Sehr    häufig    am  deutschen  Hof,   wo  sie  meistens  in  einer 
Hülse  von  Kalksinter  eingeschlossen    vorkommen.     Siehe  p.  222 
dieser  Beschreibung. 

Melanopsis  praerosa  L. 

Klein   a.  a.  O.  p.  161,  Taf.  III.  Fig.   12. 
Sehr   häufig   beim  deutschen  Hof,  auch  diese  ist  in  Hülsen 
von  Kalksinter  eingeschlossen. 


-     221     — 
Paludiiia  tentaculata  L. 

Krauss  württ.  naturw.  Jahreshefte  1852,  p.  140. 
Häufig  am  Andelfingerberg. 

Neritina  crenulata  mihi. 
Taf.  V.    Fig.  18. 

iV.  testa  globosa ,  angiilato-ovata,  basi  dilatata ,  fransversim 
striata f  subnitida,  picturis  pinnatis,  reticulatis  varie  ornata;  spira 
brevi ,  obtusa ,  subcentrali;  apertura  lunata ;  columella  plana, 
subplicato- crenulata.     Alt.  3'",   lat.  4—5'".     Anfractibus  3. 

Gehäuse  kuglig,  winklig-eiförmig,  an  der  Mündung  sehr  aus- 
gebreitet, fein  quergestreift  mit  mannigfaltiger  Zeichnung,  röth- 
lich,  violet,  netzförmig  gefiedert  mit  weissen  Flecken,  ungleichen 
Zickzacklinien.  Gewinde  kurz,  sehr  stumpf;  3  Umgänge,  der 
letzte  sehr  ausgebreitet,  besonders  nach  der  untern  Seile  des 
Mundsaums  ausgezogen.  Die  stumpfe  Spitze  steht  etwas  auf 
der  Seite.  Die  Spindel  ist  flach,  am  Rande  sanft  concav,  fein 
gefältelt  eingekerbt  am  Rande. 

Sie  ist  im  Allgemeinen  der  Neritina  fluviatilis  L.  ähnlich, 
aber  flacher,  namentlich  sind  die  obern  Umgänge  flacher,  und 
unterscheidet  sich  von  ihr  durch  die  Spindellinie,  die  leicht  ver- 
tieft, concav  ist  und  eine  Reihe  feiner  Fällchen,  die  am  Rande 
Einkerbungen  bilden,  zeigt. 

Häufig  am  deutschen  Hof. 

Melania  grossecostata  mihi. 

Klein  a.  a.  0.   1852.    p.  158,    Taf.  III.    Fig.  11. 
Taf.  V.  Fig.  19. 

Durch  die  Güte  des  Herrn  Finanzrath  Eser  erhielt  ich  jetzt 
endlich  zwei  Exemplare  mit  vollständiger  Mundöff'nung  und  Mund- 
saum, die  ebenfalls  am  Michelsberg  bei  Ulm  gefunden  wurden, 
nach  welchen  jetzt  als  Zusatz  zu  der  p.  158  gegebenen  Be- 
schreibung zu  setzen  ist: 

Apertura  ovata;  labio  externo  peristomatis  acuto,  protractOy 
inferne  et  superne  sinu  distincto. 

Die  Mundöffnung  ist  im  Allgemeinen   eiförmig,    aber    ganz 


~    222    — 

unregelmässig,  denn  der  Spindelrand  geht  zwar  unmittelbar,  ohne 
abgestutzt  zu  sein,  in  den  untern  Rand  des  Mundsaumes  über, 
aber  dieser  bildet  eine  leicht  rückwärtsgerichtete  Bucht,  ebenso 
wird  an  der  Spitze  des  Mundsaumes,  ehe  sich  dieser  an  den 
Umgang  anlegt  und  in  den  die  Mündungswand  bedeckenden  Callus 
übergeht,  eine  zweite^  nach  aussen  gerichtete  Bucht  gebildet; 
der  äussere  Rand  selbst  ist  scharf,  bedeutend  verlängert  und 
ohrförmig  nach  unten  und  aussen  vorgezogen. 

Durch  diese  doppelte  Bucht  würde  sich  diese  Species  dem 
Genus  Pyrena  Lam.  annähern,  nur  ist  die  Spindel  nicht  gegen 
den  untern  Rand  des  Mundsaums  gekrümmt  und  die  Ausbuch- 
tungen sind  nicht  so  stark. 

Wenn  die  Zeichnung  Dunker's  in  seinen  Palaeontographica 
Tab.  XXI.  Fig.  2  richtig  ist,  so  wäre  damit  vollends  der  beslimmte 
Unterschied  dieser  Species  gegeben ,  denn  bei  dieser  Melania 
Wetzleri  ist  die  Mundöffnung  länglich  eiförmig,  beinahe  elliptisch, 
nach  unten  und  oben  ausgezogen  und  von  einer  solchen  dop- 
pellen Ausbuchtung  nichts  angegeben  und  auch  in  der  Beschrei- 
bung p.   157  nichts  enthalten. 

Ebenso  unterschieden  ist  sie  von  Melania  turrita  mihi,  (von 
der  ich  jetzt  ein  Exemplar  mit  14  Umgängen  besitze)  Jahrg.  1852. 
p.  159,  bei  welcher  die  Mundöffnung  eiförmig,  aber  nach  oben 
und  unten  etwas  ausgezogen  ist  und  der  Mundsaum  keine  solche 
Ausbuchtungen  zeigt. 

Fassen  wir  die  Beschreibung  der  bis  jetzt  im  altern  Süss- 
wasserkalk  Württembergs  aufgefundenen  Conchylien  zusammen, 
so  findet  sich  ein  höchst  auffallendes  Missverhältniss  zwischen 
den  Gasteropoden  und  Acephalen,  denn  während  bis  jetzt  von 
den  ersteren  1  Species  Ancylus,  1  Testacella,  1  Succinea,  21  vom 
Genus  Helios  (8  Helicogenen,  13  Helicellen) ,  1  Bulimus ,  2  von 
Glandina,  3  von  Achatina,  2  von  Clausilia,  4  von  Pupa,  2  von 
Cyclostoma,  10  von  Planorbis,  7  von  Limnaeus,  3  von  Melania, 
1  Melanopsis,  4  von  Paludina,  1  Valvata,  1  Neritina,  somit  65 
Species  bestimmt  werden  konnten,  haben  sich  im  Süsswasser- 
kalk  selbst  (die  Formation  von  Oberkirchberg  somit  ausgeschlos» 


—     223     — 

sen)  nur  2  Species  von  Acephalen  gefunden,  1  Cyclas  und 
1  Anodonta.  Eben  so  gross  ist  der  Unterschied  der  Zahl  nach, 
von  Cyclas  wurde  nur  ein  Exemplar  gefunden,  Anodonlen  sind 
häufiger,  allein  die  Anzahl  der  Exemplare  von  Einschaligen  ist 
eine  ganz  andere,  hat  doch  v.  Zell  allein  bei  Zwiefalten  meh- 
rere Tausend  gesammelt.  Um  einen  Beweis  der  Häufigkeit  der 
einzelnen  Species,  die  dort  sich  finden,  zu  geben,  mögen  hier 
einige  Beispiele  folgen ,  die  ich  der  Güte  des  Herrn  v.  Zell 
verdanke. 

Melania  turrita  in  506  Exemplaren,  Melanopsis  ^\\,  Cyclo- 
Stoma  bisnlcatum  196,  Helix  silvestrina  178^  H.  Giengensis  114, 
H.  inflexa  114,  H.  Ehingensis  35,  Clausilia  grandis  44  u.  s.  w. 

Ebenso  auffallend  ist  die  Vertheilung  der  einzelnen  Genera 
und  Species.  Ueberall  finden  sich  einzelne  Species  des  Genus 
Helix,  aber  die  einzelnen  Species  meistens  beschränkt  auf  ein- 
zelne Localitäten,  wie  auch  z.  B.  3  neue  Species  von  Heiicogenen 
und  4  Helicellen  bis  jetzt  bei  Zwiefalten  allein  gefunden  wurden, 
während  Helix  Giengensis  und  gyrorhis  ebenfalls  sich  hier  finden. 

Neu  für  die  Fauna  jener  Zeit  in  unserem  Lande  sind  Suc- 
cinea,  Achatina  und  Bulimiis,  wonach  die  Angabe  Jahrg.  1846. 
p.  94  jetzt  zu  berichtigen  ist. 

Ebenso  findet  durch  das  Auffinden  einer  Testacella,  2  Species 
von  Glandina  und  der  Melanopsis  der  p.  93  ausgesprochene 
Satz  eine  Berichtigung,  dass  kein  Geschlecht  in  unserem  tertiären 
Kalk  sich  finde,  das  nicht  auch  noch  lebend  bei  uns  gefunden 
wurde,  der  aber  schon  durch  die  Melanien,  von  denen  jetzt 
3  Species  bekannt  sind,  eine  Ausnahme  erlitten  hatte  und  hätte 
heissen  sollen,  kein  Geschlecht,  das  nicht  noch  lebend  gefunden 
wurde,  wenn  auch  nicht  bei  uns.  Neues  Geschlecht  aber  über- 
haupt ist  auch  bis  jetzt  in  unserer  Süsswasserkalkformation  nicht 
aufgefunden  worden.  — 


—    224    — 

III.    Kleinere  ]?Iittlieiluiigeii. 

Beiträge  zur  Fauna  Württembergs  von  Dr.  A.  Günther. 

Rhinolophus  hipposideros  Bechst.  ist  in  alten  Gebäuden  Tübingens 
nicht  selten, 

Vespertilio  discolor  Kiibl  (V.  serotinus  Pall.)  wurde  im  Februar 
1852  in  einem  Gebäude  in  Stuttgart  gesellig  mit  Vespertilio  pipislrellus 
gefunden. 

Die  bei  uns  wie  im  südlichen  Europa  überhaupt,  so  seltene  Strix  (eng- 
tnalmi  L.  (St.  dasypus  B  e  ch  st.)  schoss  Med.  stud.  Jäger  im  Frühjahre 
1851  in  der  Umgegend  von  Stuttgart. 

Corvus  caryocatactes  L.  erschien  im  Okt.  1850  in  zahlreichen  Schaaren 
allerorts  im  Unterlande  und  auf  dem  Schwarzwalde ;  das  Jahr  darauf 
liessen  sich  nur  vereinzelte  Individuen  sehen.  Besonders  häufig  finden 
sich  bei  den  rabenartigen  Vögeln  Missbildungen  des  Schnabels  ;  abge- 
sehen von  den  mancherlei  Diflferenzen  in  Bezug  auf  dessen  Länge  und 
Dicke,  welche  durch  das  Alter  der  Individuen  bedingt  sind.  Ich  beob- 
achtete dies  besonders  auch  beim  Nussheher;  ein  Exemplar  hatte  einen 
in  ähnlicher  Weise,  wiewohl  in  schwächerem  Grade  gebildeten  Schnabel 
wie  Loxia  curvirostra;  dadurch  war  auch  die  Art  seiner  Nahrung  modi- 
ficirt,  indem  es  eine  ganze  Maus  verschlungen  hatte. 

Von  Pyrrhocorax  alpiniis  Cuv.  traf  ich  am  4.  März  1851,  zu  welcher 
Zeit  noch  eine  beträchtliche  Kälte  mit  Schnee  eingetreten  war,  2  Stücke 
bei  Tübingen  an. 

Ampelis  garnila  erschien  im  Frühjahre  1851  schaarenweise  im  Unter- 
lande. 

Muscicapa  luctuosa  Temrn.  schoss  ich  im  April  1852,  als  sie  während 
dreier  Tage  zur  Abendzeit  aufwärts  am  Ufer  des  Neckars  bei  Tübingen 
strichen;  die  einjährigen  Männchen  waren  in  der  Farbe  kaum  von  den 
Weibchen  unterschieden. 

Anlhus  aquaticus'^)  und  pratensis  Bechst.  ist  jedes  Jahr  gesellig 
vom  Okt.  bis  Ende  Winters  an  der  Steinlach  bei  Tübingen  anzutreflFen. 

Anadotita  pisci7ialis  Rossm.  fand  ich  im  Jan.  1853  im  Sande  an  den 
Ufern  des  Bodensees  bei  Langenargen,  nach  einem  heftigen  anhaltenden 
Sturme  und  sammelte  die  verschiedenen  Altersstufen  dieser  Muschel. 
Zugleich  mit  ihr  traf  ich 

Limnaeus  auricularis  Dr.  variet.  ampla  Hartm.  an,  jedoch  nur  das 
Gehäuse  ohne  das  Thier. 


*)  Bei  der  Sektion  eines  dieser  Vögel,  fand  ich  im  November  in  der  Bauchhöhle  auf 
der  dem  Ovarium  entgegengesetzten  Seite  einen  fremdartigen  Körper,  der  sich  bei  der 
näheren  Untersuchung  als  ein  Ei  ergab,  welches  nicht  in  den  Oviduct  gelangt  war:  eine 
graviditas  extrauterina  bei  einem  Vogel.  Die  membrana  vitellii  war  sehr  verdickt ,  auf 
der  Oberfläche  einige  Blutgefässe  sichtbar;  der  Dotter,  zu  einer  zähen  Masse  geronnen, 
löste  sich  leicht  von  der  ihn  umgebenden  Haut  ab.  Das  Ganze  von  der  Grösse  eines 
normalen  Eis  war  durch  keine  Haut  an  ein  Organ  des  Unterleibs  befestigt. 


1.    Die  Fische  des  Neckars. 

Uniersucht  und  beschrieben  von  Dr.  Albert  Günther. 

(Mit  Taf.  VI.) 


Einleitung. 

Man  könnle  bei  dem  ersten  Blicke  auf  vorliegende  Arbeit 
sich  fragen,  ob  hier  nicht  ein  Theil  unserer  Fauna  untersucht 
worden  sei,  der  schon  längst  seine  Bearbeiter  und  durch  diese 
eine  Aufklärung  gefunden  habe,  welche  die  Erreichung  neuer 
Resultate  nicht  mehr  hoffen  Hess,  mit  einem  AVorle,  man  könnte 
fragen,  ob  der  Verfasser  sich  nicht  der  Gefahr,  seine  Zeil  unnütz 
zu  verschwenden,  ausgesetzt  habe.  Und  das  nicht  ohne  Grund. 
Denn  schon  seit  Jahren  wird  durch  vielfache  Kräfte  vereint 
an  der  vollständigen  Kenntniss  der  württembergischen  Natur- 
produkte gearbeitet,  doch  sind  es  eben  nur  die  unter  der  Erde 
verborgenen  Schätze  oder  es  ist  das  in  seiner  unendlichen  Mannig- 
faltigkeit nur  theilweise  bekannte  Heer  der  wirbellosen  Thiere, 
das  den  grössten  Theil  der  Forscher  durch  die  beinahe  täglich 
sich  wiederholenden  Funde  in  ununterbrochener  Thätigkeit  erhält. 
Aber  insbesondere  waren  durch  Professor  Seh  übler  in  Tübingen 
in  der  ersten  Ausgabe  der  Beschreibung  von  Württemberg  durch 
Memminger,  Stuttg.  1820,  und  durch  G.  v.  Marie ns  im 
landwirthsch.  Correspondenzblatte,  März  1830,  und  später  durch 
denselben  in  der  dritten  Auflage  der  Beschreibung  von  Würt- 
temberg durch  Memminger,  Stuttg.  1841,  in  einem  voU- 
ständigen  Verzeichnisse  der  württembergischen  Fauna  die  bei 
uns  vorkommenden  Fische,  mit  genauer  Angabe  ihrer  Verbreitung 
und  der  Trivialnamen,  ausführlich  aufgezählt  worden.     Eine  Be- 

Würtlemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    3s  Heft.  15 


—    226    - 

Schreibung  ward  nicht  beigegeben :  was  auch  damals  für  unnöthig 
gelten  konnte,  sofern  bei  der  weniger  strengen  Scheidung  der 
einzelnen  Arten  noch  die  Diagnosen  Arledi's  und  Linne's 
einen  sichern  Hallpunkl  gaben ;  zumal  wenn  man  noch  die  Ab- 
bildungen Bloch's  und  Meidinger's,  verbunden  mit  ihren 
Angaben,  zur  Hand  hatte.  Und  nach  diesen  Quellen,  welche 
noch  vor  einigen  Jahren  die  einzigen  Auctoritäten  waren,  wurden 
die  Fische  des  Neckars  untersucht,  in  unseren  Sammlungen  be- 
stimmt und  in  die  Verzeichnisse  der  würltembergischen  Fauna 
namentlich  aufgenommen. 

Das  konnte  nun  aber  nicht  mehr  genügen,  seit  durch 
Agassiz,  Joh.  Müller,  Bonaparte  und  Valenciennes 
eine  neue  Methode  in  der  Ichthyologie  in  Anwendung  gebracht 
worden  war,  eine  Methode,  welche  es  sich  zur  Aufgabe  gestellt 
hat,  die  an  der  Menge  der  einzelnen  Individuen  bemerkbaren 
Abänderungen  so  streng  als  möglich  auseinander  zu  halten,  und 
deren  Resultat  die  Entscheidung  der  Frage  sein  wird,  welchen 
Abänderungen  Wichtigkeit  genug  zuzusprechen  sei,  um  ihret- 
wegen die  Species  zu  unterscheiden.  Die  zweite  Aufgabe 
dieser  Methode  ist,  zu  berücksichtigen,  ob  gewisse  Abänderungen 
einem  bestimmt  abgegrenzten  Gebiete  eigenthümlich  oder  ob  sie 
in  verschiedenen  Gegenden  zu  finden  seien;  kurz  jene  Methode 
bestrebt  sich  zugleich  über  die  Verbreitung  der  Abänderung 
ins  Reine  zu  kommen.  Und  dieses  ist  von  so  grossem  Werthe, 
als  gerade  durch  die  Kenntniss  der  Art  der  Verbreitung  jene 
Frage    um    so    leichter   und  sicherer   beantwortet  werden  kann. 

So  finden  wir  nun  schon  in  dieser  Weise  die  Fische  Italiens, 
Frankreichs,  Belgiens,  eines  Theils  der  Schweiz,  Oberöster- 
reichs etc.  aufs  neue  untersucht;  und  dieser  Theil  der  Fauna 
Schwabens  bedarf  einer  neuen  Ueberarbeitung  um  so  mehr,  als 
wir  überhaupt  unser  Vaterland  von  Naturforschern,  welche  die 
gesammte  Ichthyologie  bearbeiteten,  in  dieser  Beziehung  etwas 
vernachlässigt  finden.  Ausserdem  hatv.  Märten s  insbesondere 
nur  die  Fische  des  Donaugebiets  zu  untersuchen  Gelegenheit 
gehabt.  Die  Aufnahme  meiner  Untersuchungen  war  somit  durch 
ein  besonderes  vaterländisches,  wie  durch  ein  allge- 
meines wissenschaftliches  Interesse  veranlasst. 


-     227     — 

In  obigem  ist  nun  schon  die  eigentliche  Aufgabe  der  Arbeit 
ausgesprochen:  sie  ist  die  Unterscheidung  und  Beschrei- 
bung der  Fischarten,  welche  sich  im  Neckar  finden. 
Nicht  alle  aufgeführten  Arten  sind  in  diesem  Flusse  einhei- 
misch, vielmehr  zerfallen  die  Fische  eines  Landes,  wie  die 
Vögel,    in  Bezug  auf   die  Art  ihres  Vorkommens  in  3  Classen: 

1)  in  solche,    welche  als  Eingeborene  beständig  zu  finden  sind, 

2)  in  solche,  welche  in  Folge  eines  in  regelmässigen  Zwischen- 
räumen wiederkehrenden  Triebs  zu  bestimmten  Zeiten  kommen, 
um  dann  nach  Befriedigung  desselben  wieder  zu  verschwinden, 
und  3)  in  solche ,  welche  nur  aus  zufälligen  Veranlassungen 
selten  erscheinen.  Ich  habe  aber  alle  in  diese  Arbeit  herein- 
gezogen und  bei  der  einzelnen  Species  die  Art  ihres  Vorkommens 
bezeichnet. 

Im  Allgemeinen  ist  der  Neckar  nicht  besonders  fischreich, 
und  im  Vergleich  zu  ihm  zeigt  unser  zweites  Flusssystem,  das 
der  Donau*),  der  Zahl  der  Individuen  nach  einen  bei  weitem 
grösseren  Reichthum  an  Fischen.  Es  lassen  sich  für  diese  That- 
sache  mehrere  Gründe  anführen.  Einmal  hat  die  Donau  nur 
einen  halb  so  starken  Fall,  als  der  Neckar,  und  wenn  sie  auch 
nicht  so  viel  Wasser  führt,  als  dieser,  doch  ein  viel  tieferes 
Bett,  was  für  die  Entwicklung  der  Fische  von  der  grössten  Be- 
deutung ist,  besonders  derjenigen  Flussfische,  welche  für  die 
schmackhaftem  gehalten  werden.  Daraus  ergibt  sich  überdies, 
dass  die  Fischerei  an  der  Donau  für  diejenigen,  welche  sie  aus- 
üben, viel  einträglicher  ist  und  von  ihnen  mit  grösserer  Sorg- 
falt gepflegt  wird.  Ausserdem  betreiben  die  Donaufischer,  meist 
durch  anderweitige  Beschäftigungen,  z.  B.  die  SchifTfahrt,  wohl- 
habende Leute ,  den  Fischfang  nur  zu  gewissen  Jahreszeiten, 
während  am  Neckar  das  ganze  Jahr  kleine  Fische  wie  grosse 
gefangen  werden,  was  natürlich  mit  der  Zeit  einen  Mangel  an 
Fischen  herbeiführen  musste.  Nicht  weniger  wird  die  Fischerei 
beeinträchtigt  durch  die  Correctionen,  welche  der  Neckar  aller- 
orts wegen  der  jährlich  wiederkehrenden,  die  Ufer  verheerenden 
Ueberschwemmungen  nöthig  macht.    Durch  eine  solche  Correclion, 

*)  Icti  spreclie  hier  von  beiden  Flussgebieten,  soweit  sie  Württem- 
berg angehören. 

15* 


-    228    — 

-welche  meist  in  der  bessern  Jahreszeit,  zur  Zeit  der  Laiche,  vor- 
genommen wird,  kann  die  ganze  Brut  in  einem  Distrikte  gestört 
und  völlig  zu  Grunde  gerichtet  werden.  Kann  sich  aber  auch 
der  Neckar  nicht  mit  der  Donau  messen  in  Bezug  auf  seinen 
Fischreichthum  der  Zahl  der  Individuen  nach,  so  wird  die  Zahl 
der  Arten  in  beiden  Gebieten  doch  gleich  gross  sein.  In  den 
zu  beiden  Seiten  des  Neckars  sich  findenden  sogenannten  Alt- 
wassern, den  Resten  von  dem  Flussbette  in  früheren  Zeiten, 
meist  tiefen,  stillen,  klaren  Wassern  mit  schlammigem  Grunde, 
finden  wir  Fische,  welche  im  eigentlichen  Flusse  nur  selten,  in 
der  Donau  dagegen  häufiger  angetroffen  werden.  Es  erreichen 
jedoch  die  Fische  in  diesen  Allwassern  nie  die  beträchtliche 
Grösse  ihrer  Artverwandten  in  der  Donau,  zunächst  darum,  weil 
der  Raum  ihres  Aufenthalts  immer  sehr  beschränkt  ist  und  auch 
weil  ihnen  zu  rücksichtslos  nachgestellt  wird.  Von  nicht  zu 
verachtender  Wichtigkeit  für  die  Fischerei,  wenigstens  am  untern 
Neckar  war  die  alljährlich  wiederkehrende  Ankunft  von  vortreff- 
lichen Fischen  aus  dem  Rheine  und  dem  Meere.  Aber  auch 
diese  Quelle  wird  durch  die  emporgekommene  Dampfschifffahrt 
mehr  und  mehr  zurückgedrängt,  wie  man  denn  auch  an  den 
Theilen  des  Bodensees,  welche  mit  Dampfschiffen  befahren  wer- 
den, die  Bemerkung  gemacht  hat,  dass  dadurch  die  Fische  ver- 
scheucht werden.  Somit  steht  auch  nicht  zu  erwarten,  dass 
überhaupt  eine  qualitative  Verbesserung  der  Neckarfischerei  ein- 
geleitet werden  kann,  die  Hindernisse  liegen  in  der  natürlichen 
Beschaffenheit  dieses  Flusses  und  in  seiner  Benützung  zu  wich- 
tigern industriellen  Interessen.  Eine  Cultur  der  bessern  Fische 
in  den  oben  erwähnten  Altwassern  ist  desshalb  nicht  von  einem 
günstigen  Erfolge  begleitet,  weil  diese  von  den  Ueberschwem- 
mungen  berührt  und  dadurch  der  grössten  Zahl  ihrer  Bewohner 
entvölkert  werden.  Nur  die  kleinern  See  und  Weiher  des  Unter- 
landes lassen  sich  mit  geringer  Mühe  und  Aufwand  zu  diesem 
Zwecke  vortheilhaft  benützen,  wie  dies  einzelne  Besitzer  solcher 
Wasser  erfahren  haben.  Hiebei  verweise  ich  noch  auf  die  der 
Beschreibung  des  Brachsen  beigefügten  Bemerkungen. 

Gemäss  dem  speciellen  Charakter  dieser  Arbeit  bin  ich  auch 
auf  anatomische  Einzelnheiten  eingegangen,  und  das  nicht  ohne 


-    229     — 

Erfolg;  indem  ich  auf  Manches  aufmerksam  gemacht  zu  haben 
glaube,  was  man  bisher  übergangen  hatte,  auch  fand  ich  bei 
dieser  geringen  Zahl  von  Untersuchungen  die  Behauptung  be- 
stätigt, dass  man  die  Verschiedenheit  zweier  Species  viel  sicherer 
auf  anatomischem,  als  auf  zoologischem  Wege  ermitteln  könne. 
Dagegen  habe  ich  nur  vorsichtig  physiologische  Einzeln- 
heiten aufgeführt;  auch  wären  hiezu  langjährige  Beobachtungen 
nothwendig  gewesen.  Das  Wichtigste  habe  ich,  der  Vollständig- 
keit wegen,  bei  jedem  Fische  erwähnt,  soweit  ich  es  von  Andern 
bekannt  gemacht,  durch  eigene  Erfahrungen  bestätigt  gefun- 
den habe. 

Von  Entozoen  führe  ich  nur  diejenigen  an,  welche  einem 
bestimmten  Fische  eigenthümlich  sind,  oder  welche  ich  in  einer 
bestimmten  Jahreszeit,  vom  Ende  des  Sommers  bis  Anfang  des 
Frühjahrs,  gefunden  habe.  Auffallend  ist  die  im  Allgemeinen 
beobachtete  Armuth  der  Fische  an  Parasiten  während  dieser 
Jahreszeit. 

Meine  Aufgabe  war  die  Unterscheidung  der  Arten. 
Ich  glaube  in  dieser  Hinsicht  ruhig  jedem  Urlheile  entgegensehen 
zu  können,  indem  mich  nur  die  Untersuchung  einer  grossen  Zahl 
von  Individuen,  die  genaue  Vergleichung  mit  Beschreibungen 
Anderer  und  mit  Exemplaren  aus  anderen  Gegenden,  das  Ferne- 
halten jeder  Neuerungssucht  bestimmte  und  leitete. 

Meine  Aufgabe  war  die  Beschreibung  der  unterschie- 
denen Arten.  Man  wird  finden,  dass  ich  die  Beschreibungen 
nach  einem  Schema  gemacht  habe;  oft  kehren  dieselben  Worte 
wieder.  Die  Nothwendigkeit  und  Nützlichkeit  dieser  Methode 
lernt  man  durch  die  unendHche  Schwierigkeit  einsehen,  mit  der 
man  sich  durch  den  Wust  von  Worten  in  Valenciennes's  Be- 
schreibungen, von  denen  keine  der  andern  gleicht,  durcharbeiten 
muss.  Seine  Beschreibungen  sind  nicht  vergleichend,  und  doch 
kann  man  keinen  Fisch  bestimmen,  ohne  dass  man  mehrere 
Beschreibungen  mit  einander  vergleicht.  Von  allen  Fischen  bieten 
in  der  Unterscheidung  uud  Bestimmung  die  Cyprinoiden  und 
Salmoniden  bei  weitem  die  meisten  Schwierigkeiten.  In  dieser 
Arbeit   kommen    nur    die    ersteren    in  Betracht,    und   man  wird 


—    230    — 

finden,  dass  ich  sie  mit  einer  ungleichmässig  besondern  und  ins 
Einzelne  gehenden  Aufmerksamkeit  behandelt  habe. 

Den  sichersten  Halt  bei  einer  Beschreibung  gibt  die  Angabe 
der  verschiedenen  Zahlen-  und  Massverhältnisse  ,  welche ,  wenn 
sie  einzeln  auch  bei  einer  und  derselben  Art  in  einer  bestimmten 
Breite  variiren,  doch  zusammen  genommen  die  sicherste  Vor- 
stellung des  Fisches  geben.  Einiges  ist  noch  über  die  Art,  wie 
ich  gezählt  oder  gemessen,  vorzumerken. 

Als  Mass  habe  ich  das  pariser  Duodecimalmass  angewendet. 

Unter  Höhe  des  Leibs  verstehe  ich  den  vom  vordem 
Ende  der  Insertion  der  Rückenflosse  auf  die  ventrale  Linie  ge- 
fällten Perpendikel. 

Die  Länge  des  Kopfs  ist  seitlich  zu  messen,  sie  ist 
die  Linie  von  der  Schnauzenspitze  bis  zum  hintersten  Punkte 
des  Operculums. 

Bei  der  Angabe  der  Flossenstrahlen  habe  ich  stets 
auch  den  kleinsten  bemerkbaren  Stachel  gezählt,  was  namentlich 
bei  der  Rücken-  und  Afterflosse  der  Cyprini  zu  merken  ist, 
wo  sich  als  erster  Strahl  ein  kleiner  beinahe  unter  der  Haut 
verborgener  Zacken  findet ;  bei  diesen  beiden  Flossen  ist  der 
letzte  Strahl  bis  auf  die  Basis  der  Flosse  gespalten  und  es  könnte 
dieser  Strahl  doppelt  gezählt  werden.  Beide  Zweige  sitzen  aber 
nur  auf  einem  Stiele  und  sind  als  ein  Strahl  zu  betrachten. 
Die  Strahlen  der  Schwanzflosse  dagegen  zähle  ich  nur  vom 
obersten  längsten  bis  zum  untersten  längsten;  die  Rudimente 
zur  Seite  dieser  beiden  Strahlen  haben,  da  sie  der  Zahl  nach 
variiren,  keine  Bedeutung. 

Bei  der  Rücken-  und  Afterflosse  ist  unter  der  Höhe  die 
Länge  ihres  längsten  Strahls,  unter  der  Länge  die  Länge  ihrer 
Basis  zu  verstehen.  Gegensatz  von  jener  Bezeichnung  ist  niedrig, 
von  dieser  kurz. 

Querschuppenreihe  habe  ich  diejenige  Reihe  von 
Schuppen  genannt,  welche  continuirlich  vom  Anfange  der  In- 
sertion der  Rückenflosse  schief  nach  unten  und  hinten  gegen  den 
Bauch  verlauft  und  welche  also  die  Seitenlinie  schneidet.  Wenn 
ich  die  Zahl  der  Schuppen  über  und  unter  der  Seitenlinie  an- 
gebe, so  zähle  ich  immer  die  Schuppen  dieser  Reihe.    Diejenige 


-    231    ~ 

Schuppe,  welche  der  Seitenlinie  und  Querschuppenreihe  gemein- 
schaftlich ist,  nenne  ich  der  Kürze  halber  Mittelschuppe. 

Auf  diese  beiden  letzten  Verhältnisse  hat  meines  Wissens 
noch  Niemand  Rücksicht  genommen,  allein  wie  man  gewohnt  ist, 
in  der  Beschreibung  eines  Fisches  den  Verlauf  der  Seitenlinie 
zu  bestimmen,  so  ist  es  nicht  weniger  wesentUch,  die  Richtung 
der  Querschuppenreihe  anzugeben.  Bei  der  Vergleichung  nur 
weniger  verwandten  Fische  wird  man  sehen,  wie  oft  diese  Reihe 
in  ganz  verschiedener  Richtung  vom  Rücken  gegen  den  Bauch 
zieht.  Ausserdem  wird  dadurch  nicht  allein  die  Stellung  der 
Rückenflosse,  des  Afters  und  der  Afterflosse  zu  einander  aufs 
Genaueste  angegeben,  sondern  überhaupt  die  Lage  dieser  Theile, 
indem  ich  durch  Bestimmung  der  Mittelschuppe  sage,  wie  weit 
sie  vom  Kopfe  und  vom  Schwänze  entfernt  sind.  Es  wird  da- 
durch das  Bild  des  Fisches  beinahe  mathematisch  durch  Linien 
vollständig  entworfen.  Auch  hat  man  in  der  Querschuppenreihe 
die  sicherste  Norm,  die  Zahl  der  Längsschuppenreihen  über  und 
unter  der  Seitenlinie  zu  bestimmen. 

Die  Grössenverhältnisse  einiger  Körpertheile  zu  einander 
variiren  ausserordentlich  nach  den  verschiedenen  Altersstufen 
der  Fische.  Besonders  habe  ich  dieses  am  Auge  bemerkt,  es 
ist  dieses  bei  einem  jungen  Individuum  verhäitnissmässig  viel 
grösser,  als  bei  einem  allen.  Nichtsdestoweniger  habe  ich  das 
Verhältniss  des  Augdurchmessers  zur  Länge  des  Kopfes  ange- 
geben, es  sind  aber  meine  Angaben  immer  auf  Beobachtungen 
an  alten  Individuen  zu  beziehen.  Dagegen  wachsen  die  Schup- 
pen im  gleichen  Verhältnisse,  wie  der  übrige  Körper  des  Fisches. 
Ich  fand  es  nun  bequem,  die  Grösse  der  Schuppen  im  Vergleich 
mit  der  Grösse  des  Auges  anzugeben;  da  aber  dieses  Verhält- 
niss nach  den  Altersstufen  wechselt,  so  bekäme  man  auch  von 
der  Grösse  der  Schuppen  eine  unrichtige  Vorstellung,  wenn  ich 
auch  hier  nicht  immer  meine  Angaben  nach  den  Beobachtungen 
an  alten  Individuen  gemacht  hätte,  wodurch  man  dann  doch 
ein  sicheres  Resultat  erhält. 

Bei  der  strengen  Methode,  die  Arten  der  Fische  ausein- 
ander zu  halten,  wird  es  freilich  schwer,  in  alter  Weise  Linne's 
eine  Diagnose    zu    geben,    durch    welche    die  Art  von    allen 


—    232    — 

andern  unterschieden  wird.  Es  muss  hier  immer  eine  ins  ein- 
zelngehende Beschreibung  ergänzend  zu  Hilfe  kommen.  Wenn 
ich  nun  der  Beschreibung  immer  eine  Diagnose  voranschicke, 
so  soll  sie  nicht  darauf  Anspruch  machen,  den  Fisch  von  allen 
andern  zu  unterscheiden,  sondern  nur  von  seinen  Verwandten, 
welche  sich  innerhalb  der  Grenzen  Schwabens  finden. 

Die  Publication  dieser  Arbeit  hat  der  Verein  für  vaterlän- 
dische Naturkunde  in  Württemberg  übernommen.  Um  die  Kosten 
derselben  einigermassen  zu  ermässigen,  wurde  bestimmt,  dass 
nur  für  diejenigen  Mitglieder  des  Vereins,  welche  sich  in  be- 
sonderer Weise  für  die  Arbeit  interessiren,  die  beigegebene  Tafel 
illuminirt  ausgegeben  werde.  Die  Exemplare ,  welche  aus  der 
Vereinsschrift  abgedruckt  noch  besonders  in  den  Buchhandel 
kommen,  werden  jedoch  mit  illuminirten  Tafeln  versehen. 

Schliesslich  halte  ich  mich  stets  verpflichtet  allen  denen, 
welche  mich  bei  meinen  Untersuchungen  unterstützten ;  insbe- 
sondere kann  ich  aber  hier,  wie  überall,  es  nicht  unterlassen, 
meinen  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  W.  von  Rapp,  der 
mich  zu  diesem  Unternehmen  aufforderte  und  mich  unermüdet 
mit  der  hieher  gehörigen  Literatur  bekannt  machte  und  versah, 
ein  Zeichen  meines  innigsten  Dankes  für  seine  mir  von  jeher 
erwiesene  Sorge  zu  setzen. 

Stuttgart,  am  Osterfeste  1853. 

Günther. 


—    233 


Literatur. 


Artedi,  Genera  piscium.     Lugd.  1738.  8. 
— ■         Synonymia.     Lugd,  1738.  8. 

—         Descriptioiies  specierum  piscium.     Lugd.   1738.  8. 
Groll  0  vi i,  Museum  ichthyologicum.     Lugd.   1754.  fol. 
Seil  äffer,  piscium  Bavarico-Ratisbonensiura  peiitas.     1761.  4. 
Linnaei,  Systema  naturae,  cur,  Gmelin.    Edit.  XIIL     Lips.  1788.  8. 
Artedi,  Synonymia  piscium,  auct.  Schneider.     Lips.  1789.  4. 
Bloch,  Naturgeschichte  der  Fische  Deutschlands.     Berl.  1782.  4. 
Meidinger,  Icones  piscium  Austriae.     1785—94.  fol. 
Jurine,  Poissons  du  Lac  Lenian.    1825.  4. 
V.  Martens,  Ueber  Württembergs  Fauna,  aus  dem  Correspondenzblatte 

des  landwirthschaftlichen  Vereins  besonders  abgedruckt.    1830,  März, 
Cuvier,  Das  Thierreich,  übersetzt  von  Voigt.     Leipz.  1832.  8, 
Ekströnij    Die    Fische    in    den    Scheereu    von    Mörkö,    übersetzt    von 

Creplin.     Berl.  1835.  8. 
Fries  och  Ekström,  Skandinaviens  fiskar.     Stockh.  1836.  4. 
Bon  aparte,    Iconografia    della    fauna    italica.      T.    III.    Pesci.    Roma 

1832-41.  fol. 
Rosenthal,  Ichthyotomische  Tafeln,    fol.  Berl.  1839. 
Memminge  r,  Beschreibung  von  Württemberg.    3,  Aufl.  Stuttg.  1841.  8. 
Yarrell,  natural  history  of  british  fishes.    Lond.  1841.  8. 
Cuvier  etValenciennes,  histoire  naturelle  des  poissons.  Paris  1844.  4. 
Schmid,  Fr.  Chr.,  Ueber  die  Leber  und  das  Pfortadersystem  der  Fische. 

Augsb.  1849.  8. 
Girard,  A  monograph  of  the  Cottoids  of  North- America  in  Smithsonian 

Contributions  to  Knowledge.     Washington.  1851.  4. 
Yarrell,    A  history  of  british  fishes.  two  Volumes.    2de  edit.    London 

1851.  8. 
Agassiz,   L.  bist.  nat.  des  poissons  d'eau  douce   de  l'Europe  centrale, 

Ire  Livr.  Neufchatel  1839.  fol. 
J.  J,  He  ekel,  Ichthyologie  in  Russeger's  Reisen.    Stuttg.  1843.  8. 


—    234    — 


Von  den  Slachelflossern  finden  sich  nur  folgende  wenige 
Arten,  im  Gebiete  des  Neckars. 


P  e  r  c  a    Ciivier. 

Die  Bauchflossen  sitzen  unter  den  Brustflossen.  Das  Prae- 
operculum  ist  gezähnelt.  Feine  Bürstenzähnchen  im  Zwischen- 
kiefer, Unterkiefer,  Vomer,  Gaumenbein,  auf  den  Kiemenbogen 
und  den  oberen  und  unteren  Schlundkieferknochen;  aber  keine 
Zähne  auf  der  Zunge.  7  Kiemenslrahlen;  die  Rückenflosse  in 
2  Abtheilungen  gespalten. 

Perca  fluviatilis  L. 

Fries  och  Ekström,   Skandinaviens  fiskar.     pl.   1. 

Jurine,  poiss.  du  lac  Leman.     pl.  3. 

Bloch,  Fische  Deutschlands,    t.  52. 

Schaff  er,  piscium  Bavar.  Ratisbonens.  pentas. 

Bonaparte,  Fauna  italica. 

Yarell,  british  fishes.     S.  1. 

Barsch.         Bärschig.         Perche.         Perch. 

An  denSeiten  meist  einige  dunkle  Querbinden. 
Die  erste  Rückenflosse  hinten  mit  einem  schwar- 
zen Fleck.  Bauchflossen  roth.  Die  Wangen,  Oper- 
culum  und  Suboperculum  beschuppt. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet  sehr  breit,  und 
zwar  schon  unmittelbar  hinter  dem  Kopfe,  dabei  aber  doch, 
besonders  an  der  hintern  Hälfte  etwas  in  die  Länge  gestreckt ; 
von  oben  ist  er  schmal ,  von  unten  breiter.  Der  Rücken  steigt 
hinter  dem  Kopfe  sehr  steil  an  und  biegt  sich  bis  zur  Rücken- 


—    235    -= 

flösse  in  einer  starken  Curve.  An  der  Basis  der  ersten  Rücken- 
flosse senkt  er  sich  allniählig  nach  hinten,  erhebt  sich  vor  der 
zweiten  wieder  etwas,  fällt  dann  an  der  Basis  derselben  in  ge- 
rader steiler  Linie  ab,  um  dann  vollends  bis  zur  Schwanzflosse 
horizontal  zu  verlaufen.  Der  abgerundete  Bauch  bildet  vom 
Kopfe  bis  zur  Schwanzflosse  eine  schwache  Convexitat. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  gleich  der  Länge  des  Kopfs, 
und  3Jmal  in  der  Totallänge  enthalten. 

Das  obere  Längenprofil  des  Kopfes  ist  etwas  concav.  Die 
Distanz  der  Augen  ist  etwas  über  Smal  in  der  Länge  des  Kopfes 
enthalten ;  die  Entfernung  des  Augs  von  der  Schnauzenspitze 
gleich  IJ  Augdurchmessern.  Die  Pupille  quer-oval.  Das  Maul 
gross  und  breit,  Oberkiefer  kaum  länger  als  der  untere.  Auf 
jeder  Seite  des  Kopfes  findet  sich  zwischen  Auge  und  Schnauzen- 
spitze eine  Reihe  von  4  Schleimporen. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  14  — 15  Strahlen,  sie  sind  etwas 
kürzer  als  die  Bauchflossen,  und  wenn  man  sie  ausspannt,  bei- 
nahe kreisrund. 

Die  Bauch  flössen  haben  einen  Stachel  und  5  Strahlen, 
sie  sind  länger,  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  nimmt  beinahe  die  ganze  Länge  des 
Rückens  ein  und  besteht  aus  2  Abiheilungen.  Die  erste  hat  14 
Stacheln,  von  welchen  der  längste  beinahe  so  lang  als  die  Pec- 
toralis  ist.  Zwischen  der  ersten  und  zweiten  Abiheilung  finden 
sich  oft  2  kleine  Stacheln.  Letztere  hat  einen  harten  und 
13 — 14  weiche  Strahlen.  Beide  Rückenflossen  sind  am  obern 
Rande  convex. 

Die  Aft  er  flösse  besteht  aus  2  Stacheln  und  8—9  Strahlen, 
sie  ist  höher  als  lang  und  hat  einen  geraden  unteren  Rand. 

Die  Schwanzflosse  mit  17  Strahlen  und  einem  sehr 
seichten  Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  senkt  sich  nicht  wie  bei  den  Cyprinoiden 
gegen  den  Bauch,  sondern  macht  einen  Bogen  gegen  den  Rücken ; 
über  der  Analis  angekommen,  verlauft  sie  vollends  in  der  Mittel- 
linie des  Schwanzes,  gerade  bis  zur  Caudalis.  Unter  dem  An- 
fange   der  Dorsalis    ist    sie   vom  Bauche   noch    einmal    so    weit 


—     236     — 

entfernt,  als  vom  Rücken  ^  sie  entspringt  zwischen  den  säge- 
förmig  eingeschnittenen,  schuppenartigen  Schulterblättern  und 
besteht  aus  etwa  65  Schuppen,  von  denen  die  letzten,  schon 
den  Schwanz  bedeckenden  nicht  mehr  von  den  Ausführungs- 
gängen der  seitlichen  Schleimdrüse  durchbohrt  sind.  Ihre  Er- 
habenheiten sind  sehr  wenig  markirt. 

Que  rs  chupp  en  rei  h  e.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  8,  unter  ihr  16  —  17  Schuppenreihen. 
Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  8.  der  Seitenlinie. 

Die  Schuppen  sind  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt, 
nicht  gestreift,  hart,  schwer  biegsam,  am  hervorragenden  Rande 
fein  gekerbt ,  am  Wurzelrande  zu  Blättchen  eingeschnitten,  viel 
kleiner,  als  das  Auge. 

Farbe.  Der  Rücken  und  die  Seiten  sind  in  verschiedenen 
Nuancen  grün,  golden  schimmernd.  Meist  finden  sich  an  den 
Seiten  5 — 7  schwarze,  unregelmässige  Querbinden.  Die  erste 
Rückenflosse  hat  hinten  einen  schwarzen  Fleck.  Bauch-,  After- 
und  unterer  Theil  der  Schwanzflosse  roth,  Brustflossen  röthlich 
angeflogen. 

Grösse.  Der  Barsch  scheint  im  Neckar  nicht  viel  über 
V  lang  zu  werden. 

Skelett.  Ausser  dem  Praeoperculum  ist  noch  gezähnt 
das  Suboperculum  auf  der  vordem  Strecke  seines  unteren  Randes, 
das  Schulterblatt  und  Ueberschulterblatt,  der  Humerus  an  seinem 
hintern  untern  Winkel.  Auch  der  erste  sehr  grosse  Suborbital- 
knochen zeigt  an  seinem  untern  hintern  Rande  einige  Einschnitte, 
welche  jedoch  bei  alten  Individuen  nicht  mehr  deutlich  sind. 
Der  Kiemendeckel  hat  nach  hinten  einen  spitzigen  Fortsatz  und 
das  Suboperculum  ist  sehr  in  die  Länge  gezogen.  —  Dem  Rumpfe 
gehören  21,  dem  Schwänze  20 — 21  Wirbel  an.  Von  den  20 
Rippen  sind  einige  der  vordem  gegabelt,  d.  h.  es  geht  von 
ihrer  hinleren  Seite  ein  rippenartiger  Fortsatz  ab.  Die  hintern 
befestigen  sich  nicht  mehr  unmittelbar  am  Wirbelkörper,  sondern 
am  Querfortsatze. 

Von  der  Anatomie  der  Weicht  heile,  welche  schon  von 
dem  grossen  Artedi  mit  bewundernswerther  Genauigkeit  beschrie- 
ben und  seit    ihm   so  oft  wieder   gegeben  wurde  ,  erwähne   ich 


—     237     — 

nur  das  Wichtigste.  Die  Zunge  ist  ein  wenig  frei;  hinter  dem 
Magen  finden  sich  3  Blinddärme  ;  der  Darmkanal  ist  kurz,  mit 
einer  obern  und  untern  Windung;  die  Leber  ist  in  2  Lappen 
getheilt,  von  welchen  der  linke  der  grössere  ist;  die  Gallenblase 
ist  gross,  und  der  ductus  choledochus  mündet  am  Eintritt  des 
untern  Blinddarms ;  Milz  von  länglicher  Form.  Es  findet  sich 
nur  ein  sehr  grosses  Ovarium,  dagegen  sind  die  Testikel  doppelt. 
Die  Schwimmblase  ist  sehr  gross  und  nimmt  die  ganze  Länge 
und  Breite  der  Bauchhöhle  ein,  an  die  sie  festgewachsen  ist; 
sie  mündet  sich  nicht  durch  einen  Ausführungsgang  in  den 
Schlund. 

Die  Nahrung  des  Barsches  besteht  nur  in  animalischen 
Substanzen,  Insekten,  Würmern,  Fischbrut. 

In  seinen  Eingeweiden  finden  sich  sehr  viele  Entozoen, 
besonders  Cucullanus  elegans,  Echinorhynchus  proteus.  Ascaris 
truncatula  bewohnt  auch  noch  andere  Körpertheile. 

Merkwürdig  ist  dieser  Fisch  durch  die  Art  seiner  Fort- 
pflanzung; er  setzt  seine  Eier  in  3 — 4'  langen  Schnüren  an 
hervorstehende  Gegenstände  im  Wasser  ab*)  und  da  er  eine 
unglaubliche  Menge  Eier  legt,  so  würde  sich  der  Barsch  schnell 
vermehren,  wenn  nicht  der  grösste  Theil  seiner  Brut  durch  Zu- 
fall,  durch  das  Fehlen  der  Befruchtung,  durch  Schwimmvögel, 
Raubfische,  besonders  durch  ihn  selbst  zu  Grunde  ginge. 

Da  der  Barsch  ein  helles,  etwas  tiefes,  langsam  fliessendes 
Wasser  liebt ,  so  ist  er  im  oberen  Neckar  seltener  zu  finden, 
als  im  untern.  Doch  fehlt  er  nie  ganz,  und  an  einzelnen  ge- 
eigneten Stellen,  namentlich  in  der  Blaulach**)  ist  er  sogar 
häufig.  Er  hält  sich  immer  in  einer  bestimmten  Höhe,  etwa 
2  —3'  unter  dem  Wasserspiegel,  und  kann  ausserordentlich  schnell 
schwimmen.     Er  hat  ein  sehr  zähes  Leben. 

Obgleich  er  der  Fischbrut  sehr  schadet,  so  ist  dies  doch 
nicht  in  Anschlag  zu  bringen  gegen  den  Nutzen  ,  welchen  sein 
gesundes,  schmackhaftes,  nicht  besonders  fettes  Fleisch  gewährt. 


*)  Schon  Aristoteles  bist,  animal.  1.  VI.,  c.  14  sagt,    dass  die  TieQyLii 
ihre  Eier,  wie  die  Frösche  in  Schnüren  lege. 

*")  Eines  der  bedeutendsten  Altwasser  des  Neckars  bei  Tübingen, 


-    238    — 

A  c  e  r  i  n  a  Cuvier. 

Die  Bauchflossen  sitzen  unter  den  Brustflossen.  Am  Kiemen- 
deckel undPraeoperculum  finden  sich  kleine  ungezähnelte  Dornen. 
Zähne  wie  bei  Perca.  7  Kiemenstrahlen ;  nur  eine  zusammen- 
hängende Rückenflosse.     Gruben  an  den  Kopfknochen. 

Acerina  vulgaris  *)  Cuv. 

Perca  cernua  L. 

Seil  äffe  r,  pisc.  Bavar.  Ratisbonensium  pentas. 

Bloch,     t.  53,  f.  2. 

Fries  och  Ekström.     pl.   1. 

Cuvier  et  Val  en  ci  e  nne  s  ,  hist.  nat.  des  poiss.     pl.  41. 

Cernua  fluviatilis  Flem. 

Yarrell.     S.  17. 

Kaulbarsch    (Pfaffenlaus).         Gremille.         Ruffe. 

Olivengrün  mit  verwischten  braunen  Flecken; 
Rücken-  und  Schwanzflosse  braun  geflekt;  Kopf 
nicht  bes  chupp  t. 

Die  Körperform  dieses  Fisches  gleicht  der  des  Barsches. 
Der  Leib  ist  von  der  Seite  betrachtet,  sogleich  hinter  dem  Kopfe 
unter  dem  Anfange  der  Rückenflosse  sehr  breit,  dabei  aber  doch, 
besonders  an  der  hintern  Hälfte  in  die  Länge  gestreckt.  Von 
oben  ist  er  schmal,  wird  aber  gegen  den  Bauch  breiter.  Der 
Rücken  steigt  hinter  dem  Kopfe  steil  an,  und  biegt  sich  bis  zur 
Rückenflosse  in  einer  starken  Curve.  Mit  der  Rückenflosse  senkt 
er  sich  allmählig  und  verlauft  von  ihrem  Ende  bis  zur  Schwanz- 
flosse beinahe  horizontal.  Der  abgerundete  Bauch  bildet  vom 
Kopfe  bis  zur  Schwanzflosse  eine  schwache  Convexität. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  4Jmal  in  der  Totallänge  ent- 
halten; die  Länge  des  Kopfs  ist  etwas  bedeutender  als  die 
Körperhöhe  und  gleich  der  öfachen  Distanz  der  Augen.  Eine 
Reihe  Gruben    lauft    von    der  Schnauzenspitze  unter   dem  Auge 


*)  Es  glückte  mir  nicht,  von  dieser  Art  frische  Exemplare  aus 
dem  Neckar  zu  erhalten;  und  ich  musste  meine  Beschreibung  nach  3  in 
Weingeist  conservirten  Individuen  machen.  Auch  hatte  ich  keine  Ge- 
legenheitj  die  Anatomie  dieses  Fisches  selbst  zu  untersuchen. 


-     239     - 

weg  bis  zum'Praeoperculum,  eine  zweite  am  Unterkiefer  und  auf 
dem  Praeoperculum. 

Die  Augen  stehen  nahe  beieinander,  oben  am  Kopfe,  und 
machen  in  das  seilliche  Profil  der  Stirne  einen  Einschnitt;  ihre 
Entfernung  von  der  Schnauzenspitze  ist  etwas  grösser,  als  ihr 
Durchmesser. 

Das  Maul  ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt ,  der 
Oberkiefer  etwas  länger  als  der  untere. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  14  Strahlen,  sind  etwas  kürzer 
als  die  Bauchflossen ,  und  wenn  man  sie  ausspannt ,  beinahe 
kreisrund. 

Die  Bauch  flössen  haben  einen  Stachel  und  5  Strahlen, 
und  sind  länger,  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse*)  nimmt  beinahe  die  ganze  Länge 
des  Rückens  ein  und  hat  14— 15  Stacheln  und  12  Strahlen. 
Die  ersten  Strahlen  sind  länger  als  die  lezten  Stacheln,  und  die 
Flosse  zeigt  an  ihrem  obern  Rande  2  Convexitäten. 

Die  Afterflosse  besteht  aus  2  Stacheln  und  6**)  Strahlen, 
von  welchen  der  letzte  bis  auf  die  Basis  gespalten  ist;  sie  ist 
etwas  höher  als  lang. 

Die  Seh  wanzflosse  mit  17  Strahlen  und  einem  sehr 
seichten  Ausschnitt. 


*)  Der  Unterschied,  ob  sich  zwei  oder  eine  Rückenflosse  finden, 
ist  bei  diesen  Percoiden  so  unwesentlich ,  dass ,  wenn  er  auch  einen 
vortrefflichen  specifischen  Charakter  abgiebt ,  er  kaum  als  Merkmal  in 
die  Diagnose  eines  Genus  aufgenommen  zu  werden  verdient;  auch  habe 
ich  ihn  oben  nur  wegen  des  Vorgangs  von  Artedi  und  Cuvier  auf- 
genommen. Wir  haben  schon  gesehen,  dass  sich  beim  Barsch  beide 
Abtheilungen  oft  durch  einige  in  der  Mitte  liegende  Stacheln  verbinden, 
wenn  auch  nicht  eine  Haut  von  der  ersten  zur  zweiten  hinüberreicht. 
Auf  der  andern  Seite  kann  man  dagegen  auch  beim  Kaulbarsch  deutlich 
2  Flossen  unterscheiden:  eine  Stachel-  und  eine  Strahlenflosse.  Die  Aehn- 
lichkeit  geht  sogar  soweit,  dass  wie  beim  Barsch  die  Strahlenflosse  noch 
durch  einen  Stachel  gestüzt  wird ,  so  auch  hier  vor  den  Strahlen  ein 
Stachel  steht,  der  länger  ist,  als  die  vor  ihm  stehenden  und  offenbar 
zur  Strahlenabtheilung  gehört. 

"")  Valenciennes   und  Ekström  geben  mit  Entschiedenheit  nur 
5  weiche  Strahlen  an. 


—     240    — 

Die  Seitenlinie  beschreibt  einen  Bogen  gegen  den 
Rücken  vom  Kopfe  bis  zur  Schwanzflosse.  Unter  dem  Anfange 
der  Dorsalis  ist  sie  vom  Bauche  noch  einmal  soweit  entfernt, 
als  vom  Rücken.  Die  Ausführungsgänge  der  Schleimdrüse  sind 
so  gross,  dass  durch  sie  die  Schuppen  der  Seitenlinie  nicht  ein- 
fach durchbort,  sondern,  namentlich  die  vordem,  beinahe  ganz 
zur  Bildung  eines  Kanals  verwendet  werden.  Die  Entwicklung 
dieser  Organe  deutet  auf  eine  starke  Schleimsecretion  hin,  und 
es  ist  dieser  Fisch  im  Leben  auch  ganz  von  einem  zähen  Schleime 
überzogen.  Die  Schuppen  der  Seitenlinie  sind  auch  nicht  wohl 
zu  zählen;  in  einer  andern  Längsreihe  finden  sich  55  bis  60 
Schuppen. 

Quer  schuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zähle 
ich  über  der  Seitenlinie  7,  unter  ihr  17  bis  18  Schuppenreihen. 

Die  Schuppen  sind  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt, 
nicht  gestreift,  schwer  biegsam,  am  hervorragenden  Rande  fein 
gekerbt ,  am  Wurzelrande  zu  vielen  Blättchen  eingeschnitten 
(gefingert) ;  viel  kleiner  als  das  Auge. 

Farbe.  Oben  olivengrün  mit  einem  Stich  ins  Braunliche, 
nach  unten  silberig;  auf  dem  Kopfe  und  Rücken  kleine  braune 
Flecken;  die  Rückenflosse  ist  schwarz  gefleckt,  an  der  Stachel- 
abtheilung fallen  die  Flecken  auf  die  zwischen  den  Stacheln  aus- 
gespannte Membran,  an  der  Strahlenabtheilung  und  der  Schwanz- 
flosse auf  die  Strahlen.  Die  Brustflossen  sind  hie  und  da  auch 
gefleckt.     Die  Iris  ist  messinggelb,  oben  mit  einem  dunklen  Fleck. 

Grösse:  höchstens  7 — 8". 

Skelett.  Valenciennes  schreibt  diesem  Fische  15 
Bauch-  und  22  Schwanzwirbel  zu  ;   die  Rippen  sind  einfach. 

Die  Weichtheile  zeigen  keine  erhebliche  Abweichung 
von  denen  des  Barsches. 

Seine  Nahrung  besteht  in  Insekten,  Würmern  etc.;  der 
Fischbrut  scheint  er  nicht  zu  schaden. 

Vorkommen.  Der  Kaulbarsch  gehört  hauptsächlich  nur 
dem  nördlichen  Europa  an,  und  Schwaben  scheint  einen  Theil 
der  äussersten  Grenze  seines  Vorkommens  gegen  Süden  zu 
bilden.  In  der  Donau  bei  Ulm  ist  er  noch  so  häufig,  dass  man 
ihn    daselbst    unter  dem  Namen  „Pfaffenlaus"   wohl  kennt.     Da- 


—    241     — 

gegen  sind  mir  nur  2  Fälle  bekannt,  dass  er  im  Neckar  gefangen 
wurde,  obgleich  er  im  Rheine,  besonders  an  den  Mündungen 
der  Nebenflüsse  noch  häufig  ist.  1844  schickte  Hr.  Stadtschultheiss 
Titot  von  Heilbronn  ein  daselbst  gefangenes  Exemplar  der  Samm- 
lung des  vaterländischen  Vereins  für  Naturkunde.  Ausserdem 
berichtet  G.  von  Märten  s  in  Memminge  r's  Beschreibung 
von  Württemberg  (3.  Aufl.  p.  314)  dass  der  Kaulbarsch  im 
Juni  1834  an  der  untern  Mündung  des  Wilhelm -Canals  bei 
Heilbronn  in  geringer  Anzahl  gefangen  worden  sei.  Stellen  wir 
nun  diese  Beobachtung  mit  denen  von  Ek  ström  (Fische  von 
Mörkö  p.  105,  106)  zusammen :  dass  der  Kaulbarsch  am  Ende 
des  Mai  laiche,  dass  der  sonst  träge  und  vereinzelt  lebende 
Fisch  zu  dieser  Zeit  grosse  Lebhaftigkeit  zeige,  sich  in  kleine 
Truppen  zusammenschaare  und  steinige  und  tiefe  Flüsse  aufsuche: 
—  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  jene  Exemplare  nur  um 
zu  laichen  aus  dem  Rheine  in  den  Neckar  heraufgestiegen  seien. 
Dieser  Fisch  hat  ein  ausserordentlich  zähes  Leben;  da,  wo 
er  häufiger  gefangen  wird,  ist  er  wegen  seines  Fleisches  noch 
geschätzter,  als  der  Barsch. 

Cottiis  Arledi. 

Die  Bauchflossen  sitzen  unter  den  Brustflossen.  Das  Prae- 
operculum  ist  mit  Stacheln  versehen.  Feine  Bürstenzähnchen  im 
Zwischenkiefer,  Unterkiefer,  auf  dem  Sparren  des  Pflugschaar- 
beins,  auf  den  Kiemenbögen,  den  Schlundkieferknochen,  aber 
keine  auf  dem  Gaumenbein  und  der  Zunge.  6  Kiemenstrahlen. 
2  Rückenflossen.     Kopf  breit,  niedergedrückt.     Keine  Schuppen. 


Cottus  gobio  L. 
Bloch,  t.  39. 
Jurine,  pl.  2. 
C.  affinis,  pöcilopus  et  microstomus  He  ekel  in  den  Annalen  des 

Wiener  Museums  Bd.  H.  1839.  p.  145.  T.  VIH. 
Fries  och  Ekström  pl.  7. 

Gruppe,   Kaulkopf.     Chabot  de  riviere.     Bull-head. 
Oben    dunkel    gefärbt,    mit    unregelmässigen 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.  3s  Heft.  16 


-     242    — 

Flecken.  Kopf  breiter  als  der  Leib;  das  Praeoper- 
culum  hinten  mit  einem  gekrümmten  spitzigen  Dorne. 

Der  Körper  der  Gruppe  ist  von  der  Seite  betrachtet,  sehr 
schmal  und  in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  und  von  unten 
sehr  breit,  zwischen  den  Brustflossen  am  breitesten.  In  der  Mitte 
des  Bauchs  verläuft  von  den  Bauchflossen  bis  zum  After  eine 
Furche.  Das  obere  und  untere  Profil  sind  bis  zur  Schwanzflosse 
beinahe  gerade. 

Die  grössteHöhe  und  Dicke  des  Leibs  hinter  den  Brust- 
flossen sind  einander  gleich,  wechseln  aber  im  Verhältniss  zur 
Totallänge,  indem  sie  in  dieser  6J  — 8mal  enthalten  sind.  Ebenso 
verhält  es  sich  mit  der  geringsten  Höhe  vor  der  Schwanzflosse, 
welche  15— 18mal  in  der  Totallänge  enthalten  ist.  Die  Länge 
des  Kopfs  beträgt  ^  —  i  der  Totallänge.  Der  breiteste  Theil 
am  ganzen  Fische  ist  der  von  oben  nach  unten  deprimirte, 
stumpf  abgerundete  Kopf.  Durch  seine  Gestalt  ist  auch  die  Lage 
der  nach  oben  gerichteten,  um  einen  ihrer  Durchmesser  ausein- 
anderstehenden Augen  bedingt.  Die  Pupille  hat  einen  Winkel 
nach  vorne  und  ist  quer  oval.  Die  grosse  quere  Mundspalte 
liegt  vorne  am  Kopfe,  seitlich  erreicht  sie  nur  den  vordem  Rand 
der  Augen,  ist  aber  breiter  als  die  Entfernung  der  beiden  untern 
Augenränder.     Ober-    und  Unterkiefer  sind  beinahe  gleich  lang. 

Der  äussere  membranöse  Opercularrand  befestigt  den  Kiemen- 
deckel durch  eine  breite  Hautfalte  an  das  Schulterblatt. 

Die  sehr  grossen  abgerundeten  Brustflossen  haben  14, 
seltener  15  Strahlen,  welche  ungegabelt  sind,  nur  hie  und  da 
zeigen  1 — 3  der  mittleren  eine  einfache  Spaltung.  Bei  solchen 
Individuen  bemerkt  man  dann  immer  auch,  dass  einige  Strahlen 
der  zweiten  Rückenflosse  und  der  Afterflosse  gegabelt  sind.  Die 
zwischen  den  Sirahlen  ausgespannte  Membran  reicht  an  den  7—8 
untern  nicht  bis  an  ihr  äusserstes  Ende.  Die  Brustflossen  reichen 
zurückgelegt  bis  zum  zweiten  oder  dritten  Strahl  der  hintern 
Dorsalis. 

Die  Bauchflossen  sind  sehr  schmal,  viel  kürzer  als  die 
Pectorales  und  reichen  kaum  bis  zum  Anus.  Sie  haben  4  Strahlen, 
von  denen  der  äussere  viel  dicker  als  die  andern  ist;  wenn  man 
aber  diesen  von  seiner  membranösen  Umhüllung  befreit,  so  kommt 


—    243    — 

neben  einem  längeren  Strahl  noch  ein  kleinerer,  stacheliger  zum 
Vorschein.  Wiewohl  He  ekel  sie  als  gesondert  zählt,  so  sind 
sie  doch  nur  als  ein  Strahl  zu  betrachten.  Von  den  4  Strahlen  sind 
die  beiden  mittleren  die  längsten,  die  beiden  äussern  gleich  lang. 

Die  Rückenflosse  besteht  aus  2  Abtheilungen,  welche 
kaum  durch  einen  niedrigen  Hautsaum  mit  einander  verbunden 
sind.  Die  erste  mit  7  —  8  biegsamen  Stacheln  beginnt  etwas 
hinter  den  Bauchflossen,  ist  sehr  niedrig  und  hat  einen  stark 
convexen  Rand,  indem  die  Strahlen  gegen  die  Mitte  an  Länge 
zunehmen.  Die  zweite  ist  höher  und  über  noch  einmal  so 
lang  als  die  vordere;  mit  IG — 17  ungegabelten  Strahlen. 

Die  Afterflosse  beginnt  unter  dem  dritten  Strahl  der 
hintern  Dorsalis,  hinter  dem  Anus,  welcher  in  der  Mitte  der 
Körperlänge,  die  Schwanzflosse  nicht  mitgerechnet,  liegt.  Ihre 
Höhe  ist  bedeutender  als  die  der  hintern  Dorsalis,  aber  geringer 
als  die  Länge  der  Ventrales.  Die  12  ungegabelten  Strahlen  sind 
durch  die  zwischen  ihnen  ausgespannte  Haut  nicht  in  ihrer  ganzen 
Länge  mit  einander  verbunden,  sondern  ihre  Enden  sind  frei. 

Die  an  ihrem  hinteren  Rande  abgerundete  Schwanzflosse 
ohne  Ausschnitt  ist  in  der  Totallänge  6mal  enthalten  und  besteht, 
wenn  man  auch  die  rudimentären  zählt,  aus  17  Strahlen,  von 
welchen  die  mittleren  gegabelt  sind. 

Die  Seitenlinie,  welche  über  der  halben  Körperhöhe 
entspringt  und  bis  zur  Schwanzflosse  in  der  Mittellinie  verläuft, 
besteht  aus  33  Oefl'nungen  der  Schleimdrüse ;  sie  setzt  sich  in 
einer  Porenreihe  oben  auf  dem  Kopfe  fort. 

Farbe.  Die  Gruppe  ist  in  verschiedenen  Nuancen  grün- 
lichgrau oder  braun,  schwarz  marmorirt;  unten  ist  sie  ungefärbt 
oder  wegen  des  durchscheinenden  Muskelfleisches  etwas  bläulich. 
Die  Strahlen  der  Flossen,  mit  Ausnahme  der  Bauch-  und  After- 
flosse, sind  braungefleckt.  Die  Bauchflossen ,  wie  die  ganze 
untere  Seite  weisslich.  Die  Iris  von  der  Farbe  des  Rückens, 
um  die  Pupille  zieht  sich  ein  feiner  goldener  Ring   herum. 

Grösse:  höchstens  4 — 5'^  lang- 

Es  ist  hier  Einiges  über  die  Abänderungen  der  Gruppe, 
welche  man  an  verschiedenen  Orten  Europas  beobachtete,  ein- 
zuschalten. 

16* 


—    244    - 

Der  von  Artedi,  Liniie  und  Ekström  beschriebene  skan- 
dinavische Cottus  gohio  unterscheidet  sich  von  dem  bei  uns  sich 
findenden  dadurch,  dass  die  Strahlen  der  Bauchflossen  mit  Ausnahme 
des  letzten  zweilheilig  sind  und  die  Analis  13,  höchst  selten  14 
Strahlen  habe  (vorausgesetzt  dass  Ekström  den  letzten  bis  auf 
die  Basis  gespaltenen  als  einfach  zählte).  He  ekel  unterscheidet 
diese  Abänderung  in  den  Annalen  des  Wiener  Museums  Bd.  II. 
1839.  p.  150  als  eigene  Species  unter  dem  Namen  Cottus  affinis. 
Müsste  sie  aber  wirklich  als  eigene  Art  anerkannt  werden,  so 
ist  ihr  die  Benennung  gobio  zu  lassen,  da  sie  allein  von  Ar- 
tedi und  Linne  gekannt  und  zuerst  mit  diesem  Namen  be- 
zeichnet wurde. 

Dagegen  finden  wir  nun  schon  bei  Gronovius  (Museum 
ichthyol.  T.  II.  p.  14),  welcher  den  Cottus  gobio  zu  den  Urano- 
scopus  stellt,  eine  Beschreibung  desselben,  welche  ganz  mit  der 
unsrigen  übereinstimmt,  indem  er  insbesondere  sagt:  Pinnae 
ventrales  —  ossiculorum  quatuor  crassissimorum ,  simplicium, 
quorum  intermedia  longissima.  Zu  beachten  ist  hiebei,  dass 
Gronov  in  Leyden  lebte  und  von  der  Gruppe  sagt,  sie  bewohne 
die  Nordsee :  wir  hätten  also  hier  eine  Form  von  der  holländi- 
schen Küste,  welche  mit  der  bei  uns  einheimischen  überein- 
stimmt. Auch  Ekström  bestätigt,  dass  die  Gruppe  im  Meere 
sich  finde. 

Nicht  weniger  stimmt  die  Beschreibung  Blochs  mit  der 
unsrigen  überein,  denn  wenn  er  auch  sagt  „von  den  Strahlen  in 
der  Brustflosse  sind  nur  wenige  an  der  Spitze  getheilt,"  so  lassl 
sich  dies  ebensowohl  auf  unsern  Cottus,  als  auf  den  Cottus  von 
Valenciennes,  über  den  weiter  unten  die  Rede  sein  wird, 
beziehen.  So  würde  also  der  Cottus  im  Lande  Preussen  mit 
dem  unsrigen  übereinstimmen. 

Von  besonderem  Interesse  wäre  eine  ins  einzeln  gehende 
Beschreibung  des  Cottus  gobio  von  Pallas  gewesen,  allein  er 
sagt  ganz  allgemein,  die  Strahlen  der  Flossen  seien  ungetheilt: 
ventrales  albae,  quinqueradiatae.  Ausserdem  meint  er,  die  Gruppe 
habe  7  Kiemenstrahlen,  was  eine  so  bedeutende  Abweichung  von 
allen  andern  Abänderungen  wäre,  dass  meine  Vermuthung,  Pallas 
habe  das   schmale    strahlenartige  Subopercuium  für  einen  Strahl 


—    245    - 

angesehen,  nicht  ungegründet  sein  wird.  (Zoographia  rosso-asia- 
tica  Bd.  III.  p.  125,  126). 

Den  Anlass  zu  diesen  Untersuchungen  hat  aber  die  Auf- 
slelking  zwei  neuer  Arten  gegeben,  von  denen  He  ekel  sehr 
werlhvolle  Beschreibungen  am  angezeigten  Orte  gegeben  hat. 
Er  hatte  aus  den  Karpathen  Individuen  mit  gefleckten  Bauch- 
flossen erhalten  und  sie  C.  poecilopus  genannt.  Dieser  Cottus 
hat  mit  dem  unsrigen  die  nur  selten  sich  findende  Spaltung  der 
Brustflossenstrahlen  gemein,  unterscheidet  sich  aber  dadurch, 
dass  der  breite  Mund  bis  unter  die  Mitte  der  Augen  gespalten 
jst,  die  etwas  kleinern  Brustflossen  nur  bis  zum  Anfange  der 
hintern  Dorsalis  reichen,  der  innere  Strahl  der  Bauchflosse  nur 
i  so  lang  ist,  als  der  dicke  äussere,  die  Dorsalis  und  Analis  je 
einen  Strahl  mehr  haben  und  dass  die  Seitenlinie  nur  aus  27 
Erhabenheiten  besteht;  aber  lauter  Differenzen,  so  leicht,  dass, 
zumal  wenn  man  die  überraschende  Aehnlichkeit  des  ganzen 
Habitus  in  Rechnung  zieht,  man  dieselben  wohl  nur  als  durch 
cHmatische  Verhältnisse  gegebene  betrachten  kann.  Zwar  gibt 
Heckel  noch  an,  dass  er  beim  Männchen  5  Blinddärme  gefunden 
habe;  ob  diese  Abweichung  durch  mehrere  Beobachtungen  con- 
statirt  ist,  wird  nicht  gesagt. 

Die  zweite  Abänderung ,  aus  der  Umgebung  von  Krakau  wird 
von  Heckel  Cottus  microstomus  genannt.  Wir  bemerken  an  ihr 
Eigenthümlichkeiten,  durch  welche  sie  an  unsern  Cottus  gohio ,  an 
den  von  Valenciennes  beschriebenen  und  an  den  C.  pöcilopus 
erinnert,  —  bemerkenswerth,  wenn  sich  eine  Form  auffinden  lässt, 
welche  Merkmale  von  zwei  andern  in  sich  vereinigt!  Sie  soll  sich 
auszeichnen  durch  das  kleinere  Maul,  das  wie  bei  unserem  Gobio 
nur  den  vordem  Augenrand  erreicht  und  durch  die  geringe  Höhe 
des  Schwanzes,  welche  nur  den  20.  Theil  der  Totallänge  betrage, 
ein  Verhältniss,  das  jedenfalls  bedeutenden  Variationen  unter- 
worfen ist.  Die  Seitenlinie  mit  34  —  35  Erhabenheiten  (unser 
gobio).  Die  Brustflossen  reichen  nur  bis  zum  Anfange  der  hintern 
Dorsalis  (pöcilopus) ;  ihre  obern  8  Strahlen  gespalten  (gobio  Val.). 
Die  Bauchflossen  reichen  nur  bis  f  zum  Anus  (ungefähr  wie  beim 
unsrigen).  Die  vordere  Rückenflosse  beginnt  hinter  den  Ven- 
trales (pöcilopus) ;  die  hintere   mit  19  Strahlen  ist  höher  als  der 


—    246    - 

niedrige  Körpertheil  unter  ihr.  Ein  besonderes  Gewicht  könnte 
man  hier  auf  das  kleine  Maul  legen,  das  aber,  wie  ich  glaube,  nur 
desshalb  so  klein  erscheint  und  den  Rand  der  Augen  nicht  erreicht, 
weil  überhaupt  die  Schnauze  etwas  gestreckter  ist.  Welche  Eigen- 
thümlichkeiten  aber  sich  am  Schädel  dieser  Art  aussprechen,  ist 
nicht  gesagt,  wie  überhaupt  die  Zahl  der  beobachteten  Individuen 
gering  zu  sein  scheint. 

Wichtiger  könnten  die  Unterschiede  erscheinen ,  welche  sich 
bei  einer  Vergleichung  der  Beschreibung  Val  en  ci  enn  es's,  der 
den  Co/^ws  ^'0620  Frankreichs ,  wahrscheinlich  den  der  Seine ,  vor 
Augen  hatte ;  herausstellen.  Im  Allgemeinen  gibt  er  die  Mass- 
verhältnisse der  einzelnen  Theile  zu  einander  so  an,  dass  sein 
goUo  viel  dicker  und  plumper  erscheint,  als  der  unsrige,  der  Habi- 
tus desselben  ein  anderer  wäre.  Es  variiren  jedoch  diese  Ver- 
hältnisse, wie  ich  durch  eine  Menge  Untersuchungen  gefunden 
habe,  zu  sehr,  und  es  ist  zu  beachten,  dass  Valenciennes  die 
Beschreibung  vieler,  auch  der  bekanntern  Fische,  nur  nach  einem 
Exemplar  gemacht  zu  haben  scheint,  wie  wir  uns  weiter  unten 
noch  einmal  zu  überzeugen  Gelegenheit  finden  werden.  Die 
Distanz  der  Augen  beträgt  bei  seinem  gobio  zwei  ihrer  Durch- 
messer, doch  sei  sie  bei  Männchen  geringer.  Es  muss  aber,  da 
diese  Differenz  eine  bedeutende  erscheint,  die  Schwierigkeit  in 
Rechnung  gezogen  werden,  genau  die  Grenze  zwischen  Auge 
und  Stirne  zu  finden,  da  die  allgemeine  Bedeckung  über  das 
Auge  weggeht  und  nur  unmerklich  die  undurchsichtige  des  Kopfes 
in  die  durchsichtige  der  Augen  übergeht;  das  Beste  ist,  wenn 
man  die  Distanz  am  Schädel  bestimmt.  Ferner  zählt  zwar  Valen- 
ciennes nur  3  Strahlen  der  Bauchflossen,  sagt  aber  dabei  „leur 
epine  est  grossie  et  alongee  par  son  enveloppe  membraneuse." 
Dieser  dicke  Strahl  lässt  sich  wahrscheinlich  ebenso,  wie  bei  den 
andern  Abänderungen  des  gohio  in  zwei  Theile  spalten,  und  seine 
Dicke  ist  eben  dadurch  bedingt,  dass  in  der  häutigen  Umhüllung 
zwei  Strahlen  verborgen  sind.  Mit  demselben  Rechte,  mit  welchem 
He  ekel  dem  gohio  Ekströms,  der  nur  von  4  Strahlen  redet, 
5  Strahlen  vindicirt,  können  wir  dem  Valen  cien  nes's  4  geben, 
dieser  Unterschied  wäre  also  wieder  kein  bedeutender.    Andere 


—    247    — 

sind  noch,  dass  die  vordere  Dorsalis  über  der  Basis  der  Brust- 
flossen beginne    und   die  Zahl   ihrer  Strahlen  von  6  —  9  variire. 

Girard  erwähnt  kurz  in  seiner  Monographie  der  nord- 
amerikanischen Cottus  zweier  in  England  sich  findenden  Arten, 
von  welcher  die  eine  4  Strahlen  der  Bauchflossen  und  die  der 
Brustflossen  ungegabelt  haben  soll;  da  mir  jedoch  eine  nähere 
Beschreibung  derselben  nicht  bekannt  ist,  so  begnüge  ich  mich 
zu  sagen,  dass  diese  näher  bestimmte  Varietät  mit  unserem 
Cottus  gobio  sehr  nahe  verwandt  sein  muss  *). 

Charles  Girard  hat  in  den  Smithsonian  Contributions  to 
Knowledge  „a  monograph  of  the  Cottoids  of  North  America" 
gegeben,  wobei  er  vollständig  dem  Principe  huldigt,  nach  den 
unbedeutendsten  Merkmalen  Arten  zu  unterscheiden.  Eine  Ver- 
gleichung  derselben  mit  den  europäischen  wird  aber  erst  dann 
die  daran  gewendete  Zeit  belohnen,  wenn  wir  letztere  umfassen- 
der kennen  werden. 

Die  wichtigste  Abweichung  der  angegebenen  Arten  besteht 
in  der  mehr  oder  weniger  ausgesprochenen  Spaltung  der  Strahlen. 
Ich  kann  mich  aber  noch  nicht  davon  überzeugen,  dass  dieser 
Differenz  specifisches  Gewicht  beigemessen  werden  kann,  weil 
bei  denjenigen  Abänderungen,  welche  gewöhnlich  die  Strahlen 
ungetheilt  haben,  ein  Streben  zu  einer  wenn  auch  erst  später 
mit  dem  Alter  eintretenden  Spaltung  sich  nicht  verkennen  lässt. 
Wenn  nun  schon  Individuen  von  den  bis  jetzt  bekannten  Ab- 
änderungen —  und  es  sind  die  Cottus  bis  jetzt  nur  in  wenigen 
Gegenden  Europas  hinlänglich  untersucht  —  Uebergänge  von  der 
einen  zur  andern  Form  zeigen,  so  ist  gewiss  zu  erwarten,  dass 
man  noch  viel  deutlicher  vermittelnde  Formen  auffindet.  Auf 
der  andern  Seite  sind  auch  die  von  He  ekel  beobachteten  noch 
zu  wenig  untersucht,  als  dass  man  jene  Unterschiede  als  constante 
betrachten  könnte.  Ferner  finden  wir  bei  weitem  bei  der  grössten 
Zahl  der  Knochenfische  die  Strahlen  der  Brustflossen  gegabelt, 
es  hat  aber  den  Anschein,  als  ob  die  Natur  nicht  immer  dem 
Streben,  nach  diesem  T^^pus  zu  bilden,  folgen  könne.  Analogieen 
hiefür  lassen  sich  aus  allen  Thierklassen  anführen,  und  zwar  nicht 

*)  Die    von  Yarell    s.  71    gegebene   Abbildung   und   Beschreibung 
ermangeln  der  nöthigen  Genauigkeit. 


~    248    — 

allein  dafür,  dass  sich  dieses  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  be- 
gleitete Ringen  in  einer  Reihe  auf  verschiedener  Entwicklungs- 
stufe stehender  Species  kund  gibt,  sondern  auch  an  Individuen 
derselben  Art.  Wenn  wir  zum  Beispiele  bei  manchen  Karauschen 
die  Entwicklung  eines  Barifadens  beobachten,  so  ist  dieses  eine 
unvollkommene  Nachbildung  des  T^^pus,  den  wir  beim  Karpfen 
ausgesprochen  finden.  Niemand  wird  aber  solche  Karauschen  für 
besondere  Species  halten.  Wenn  wir  bei  manchen  Reptilien, 
welche  den  Uebergang  von  den  Sauriern  zu  den  Schlangen  bilden, 
beobachten,  dass  bei  einem  Individuum  das  Rudiment  der  Extre- 
mität beinahe  ganz  von  der  allgemeinen  Bedeckung  überzogen 
ist,  bei  einem  andern  einer  und  derselben  Species  es  merklich 
über  dieselbe  hervorragt,  so  ist  dies  eine  mehr  oder  weniger 
vollkommene  Nachbildung  des  Typus,  den  wir  bei  den  ächten 
Sauriern  mit  4  beweglichen  Extremitäten  ausgesprochen  finden. 
Natürlich  ist  aber  bei  diesen  sogenannten  zufälligen  Verschieden- 
heiten mehrerer  Individuen  wohl  zu  beachten,  ob  der  übrige  Bau 
übereinstimmt,  oder  ob  sie  von  wichtigern  constanten  Unter- 
schieden begleitet  werden. 

In  ähnlicher  Weise  sind  die  Differenzen,  ob  4  oder  5  Strahlen 
in  der  Bauchflosse,  ob  12  oder  14  in  der  Analis  etc.  vorhanden 
sind,  zu  würdigen.  Was  endUch  die  eigenthümliche  Färbung  der 
Bauchflossen  bei  C.  pöcilopus  betrifft,  welcher  Charakter  von 
He  ekel  für  so  wichtig  gehalten  wird,  dass  er  ihn  sogar  in  die 
Diagnose  aufnimmt,  so  ist  es  ja  bekannt  genug,  wie  sehr  die 
Farbe  bei  einer  und  derselben  Species  beinahe  durch  alle  Thier- 
klassen  hindurch  nach  dem  Aufenthalte  und  der  Jahreszeit  variirt. 

Alle  die  angegebenen  Abänderungen  stimmen  zu  sehr  mit 
einander  in  ihrem  Habitus,  ihrer  Farbe,  ihrem  Aufenthalte  und 
soviel  es  bekannt  ist,  ihren  Eigenschaften  überein,  als  dass  man 
sie  für  so  verschiedene  Arien  halten  könnte,  wie,  um  mich  gerade 
des  Ausdrucks  von  He  ekel  zu  bedienen,  den  Aspro  vulgaris 
und  zingel.  Ausserdem  ist  es  ein  alter,  durch  zuverlässige  Er- 
fahrungen wohlbegründeter  Satz  in  der  Zoologie,  dass  eine  Art 
desto  mehr  variirt,  je  weiter  sie  verbreitet  ist,  und  diess  lässt 
sich  in  der  vollsten  Ausdehnung  auf  Cottus  gobio  anwenden.  Denn 
beinahe  jede  Gegend,  in  welcher  er  bis  jetzt  beobachtet  wurde, 


-    249    - 

hat  eine  besondere  Abänderung  aufzuweisen;  von  keinem  Orte 
aber  ist  mir  bekannt,  dass  an  ihm  zwei  Varietäten  zugleich 
vorkommen. 

Ich  kann  also  bis  jetzt  die  angegebenen  Arten  nur  als  Varie- 
täten derselben  Species  betrachten,  welche  aber  wichtig  und 
interessant  genug  sind,  auseinander  gehalten  und  mit  ihren  aus- 
zeichnenden Eigenthümlichkeiten  aufgeführt  zu  werden  *). 

Cottus  gobio. 

I.  In  den  Brustflossen  7—8  gegabelte  Strahlen, 

A.  drei  (vier)  Strahlen  in  der  Bauchflosse, 
Nr.  1.  C.  gobio  Valenc.  Frankreich**). 

B.  Fünf  Strahlen  in  der  Bauchflosse, 

Nr.  2.  C.  microstomus  Heck.  Krakau. 
II.  Die  Strahlen  der  Brustflossen  ungegabelt, 

A.  Strahlen  der  Bauchflossen  gegabelt, 

Nr.  3.  C,  gobio  Artedi,   Linne,   Ek ström  oder 
C.  afßnis  Heck.  Skandinavien. 

B.  Strahlen  der  Bauchflossen  ungegabelt, 

a)  Bauchflossen  gefleckt, 

Nr.  4.  C.  pöcilopus  Heck.  Karpathen, 

b)  Bauchflossen  ungefärbt, 

Nr.  5.  Cottus  gobio  Deutschlands  (holländische  Küste  ?). 

Da  mir  eine  Beschreibung  des  Skeletts  der  Gruppe  nicht 
bekannt  ist   (mit  Ausnahme   der  durch  Girard  am  angezeigten 

*)  Meine  oben  ausgesprochene  Ansicht,  über  den  Werth  der  an  der 
Gruppe  bemerkbaren  Abänderungen  fand  ich  bestätigt  bei  der  Unter- 
suchung von  drei  weitern  mir  während  des  Drucks  dieser  Arbeit  zuge- 
kommenen Exemplaren  aus  der  Lombardei.  Gemeinsam  war  ihnen, 
dass  sie  in  den  ßauchflossen  einen  dicken  und  drei  dünnere  Strahlen 
hatten;  die  Bauchflossen  gefleckt.  Bei  zwei  Individuen  waren 
alle  Strahlen  in  den  Flossen  einfach,  beim  dritten  in  den  Brustflossen 
die  6  obern ,  in  den  Bauchflossen  der  zweite  einfach  gespalten.  Im 
übrigen  stimmten  sie  vollkommen  mit  einander  überein. 

"'0  He  ekel  begeht  die  Ungenauigkeit  und  stellt  den  Cottus  gobio 
von  Valenciennes  in  die  Abtheilung  mit  5  Strahlen  in  den  Bauch- 
flossen, obgleich  dieser  ausdrücklich  mit  Worten  sagt ;  „elles  n'ont  que 
trois  rayons  mous." 


—    250    — 

Orte  gegebenen  von  C.  viscosus,  einer  nordamerikanischen,  der 
unsern  nahe  verwandten  Art),  so  versuche  ich  es,  die  Eigen- 
thümlichkeiten  desselben  etwas  ausführlicher  darzustellen. 

Den  grössten  Theil  der  Schädeldecke  bilden  die  Hauptstirn- 
beine, welche  in  den  Zwischenraum  zwischen  den  Augen  hinein- 
reichen und  daselbst  an  der  Seite  für  die  Aufnahme  des  Auges 
halbmondförmig  ausgeschnitten  sind.  Die  geringste  Distanz  der 
Augen  beträgt  ^  der  Entfernung  der  beiden  hintern  obern  Augen- 
winkel, welche  auf  jeder  Seite  durch  einen  Fortsatz  des  Stirn- 
beins bezeichnet  sind.  Das  Siebbein  ist  unpaar,  während  die 
kleinen  eigentlichen  Nasenbeine  paarig  sind.  Bis  zu  den  Stirn- 
beinen reicht  eine  breite  dünne  Platte  des  obern  Hinterhaupt- 
beins. Zur  Seite  von  diesem  liegen  die  Scheitelbeine,  dünne 
biegsame  Knochenlamellen,  und  die  äussern  Hinterhauptsbeine, 
welche  mit  einem  Fortsatze  für  die  Insertion  des  Ueberschulter- 
blatts  versehen  sind.  Dieses  hat  unten  einen  rückwärts  nach 
oben  gehenden  Hacken  und  befestigt  sich  an  zwei  vom  Schädel 
abgehende  Fortsätze,  an  den  einen  mit  seinem  obern  Ende,  an 
den  andern  mit  seinem  Hacken;  es  wird  dadurch  ein  vollstän- 
diger Knochenring  um  eine  tiefe  am  Schädel  befindliche  Grube 
gebildet.  Girard  hat,  was  bis  jetzt  als  Eigenthümlichkeit  der 
Sciänoiden  bekannt  war,  auch  bei  den  Cottoiden  Hohlcanäle  in 
den  Knochen  des  Schädels  entdeckt. 

Das  Gaumenbein,  ein  länglicher,  vielwinkliger,  nach  unten 
spitziger  Knochen,  trägt  keine  Zähne;  das  Pflugschaarbein  besteht 
aus  dem  Sparren,  dem  vordem,  dicken,  transversalen  Knochen- 
stücke mit  Zähnchen,  und  einer  lanzettförmigen,  nach  hinten  sehr 
spitz  sich  endenden  dünnen  Lamelle.  Der  Oberkiefer  ist  nur  ein 
einziger  Knochen,  der  oben  mit  einem  Gelenkskopfe  versehen  ist, 
unten  spateiförmig,  frei  in  der  Haut  endigt.  Der  Zwischenkiefer 
begrenzt  den  vordem  obern  Theil  des  Mauls,  und  besteht  aus 
den  zwei  seitlichen  Hälften,  welche  mit  feinen  bürstenförmigen 
Zähnchen  besetzt  sind,  nach  unten  frei  endigen,  ohne  bis  zum 
Unterkiefer  hinabzureichen.  An  der  Verbindungsstelle  beider 
Hälften  geht  von  jeder  ein  breiter  Fortsatz  nach  hinten  ab,  an 
welchem  sich  ein  länglicher  Knochen  befestigt.  Von  beiden  Seiten 
legen  sich  nun  diese  Knochen  aneinander  in  eine  zwischen  den 


—    251     - 

Hälften  des  Oberkiefers  befindliche  Rinne  und  vermitteln  das 
Vorwärts-  und  Zurückschieben  des  Zwischenkiefers.  Das  Zahn- 
bein des  Unterkiefers  ist  mit  feinen  Zähnchen  besetzt  und  nicht 
seiner  ganzen  Länge  nach  mit  dem  Gelenkbeine  verwachsen, 
so  dass  der  Unterkiefer  gabelig  gespalten  erscheint. 

Die  Infrabrbitalplalten  schliessen  die  Augenhöhle  nicht  zu 
einem  vollkommenen  Ringe  ab,  sondern  die  hinterste  Platte  be- 
festigt sich  unter  der  Augenhöhle,  da  wo  vom  Praeoperculum  der 
Dorn  abgeht.  Es  finden  sich  3  Jochbeinplatten,  die  vordere  arti- 
culirt  mit  dem  Vorderstirnbein  und  legt  sich  an  den  Oberkiefer 
an;  die  mittlere  kleinste  von  dreieckiger  Form;  die  hintere  ist 
länger  als  beide  andern  zusammengenommen  und  befestigt  sich 
am  erwähnten  Orte. 

Der  Kiemendeckel  bildet  ein  mit  der  Spitze  nach  hinten 
gelegenes  Dreieck;  Sub-  und  Interoperculum  sind  schmale  läng- 
liche Knochen;  ersteres  an  seinem  vordem  untern  Ende  mit 
einem  spitzigen  Sporne,  welcher  aber  kleiner  als  der  des  Prae- 
operculum ist.  Das  Praeoperculum  bildet  einen  schmalen  Bogen, 
in  welchem  nach  vorne  eine  dünne,  etwas  faltige  Knochenlamelle 
ausgespannt  ist  und  welcher  hinten  einen  starken  spitzigen  ge- 
krümmten Sporn,  der  oft  die  allgemeine  Bedeckung  durchbohrt, 
trägt.  Die  4  Kiemenbögen  sind  in  bestimmten  Zwischenräumen 
mit  Höckerchen  besetzt,  auf  welchen,  so  wie  auf  den  Schlund- 
kieferknochen, Zähnchen  sitzen. 

Die  ossa  innominata  sind  hinten  und  vorne  aneinander  und 
an  dem  Schultergürtel  in  seinem  untern  Winkel  befestigt. 

Ich  zähle  33  Wirbel,  von  welchen  10  dem  Rumpfe,  23  dem 
Schwänze  angehören ;  ihre  obern  Dornfortsätze  sind  etwas  nieder- 
gedrückt, was  durch  die  geringe  Höhe  des  Fisches  bedingt  ist. 
Es  finden  sich  10 — 13  Rippenpaare,  von  welchen  einige  sogar 
noch  an  Schwanzwirbel  befestigt  sind.  Von  den  letzten  Bauch- 
wirbeln tragen  einige  2  Rippenpaare.  Die  Rippen  sind  nicht  nach 
unten,  sondern  nach  rückwärts  und  etwas  nach  oben  gebogen. 

Weicht  heile.  Die  breite  Zunge  ist  ein  wenig  frei.  Hinter 
dem  abgerundeten,  vom  Darmcanale  deutlich  unterschiedenen  Magen 
finden  sich  4  Blinddärme;  unter  den  vielen  untersuchten  Exem- 
plaren hatte  nur  einmal  ein  Weibchen  drei.    Der  Darmcanal  macht 


-^    252    — 

2  Windungen  und  ist  sehr  kurz,  viel  kürzer  als  das  Thier.  Die 
Leber  nicht  gelappt,  der  grössere  Theil  liegt  auf  der  linken  Seite. 
Die  grosse  Gallenblase  liegt  rechts.  Die  Fortpflanzungsorgane 
sind  zwar  paarig,  an  ihrem  hintern  Ende  aber  mit  einander  ver- 
schmolzen;  der  Theil  des  Peritoneums,  von  dem  sie  umgeben 
werden,  ist  besonders  dunkel  pigmentirt.  Schwimmblase  fehlt. 
Es  findet  sich  aber  ein  harnblasenähnliches  Organ  auf  der  rechten 
Seite,  das  eine  in  Menge  abgesonderte,  wässrige  Flüssigkeit  durch 
eine  unmittelbar  hinler  dem  After  etwas  frei  hervorragende  Röhre 
ergiesst.  Die  zwar  paarige,  aber  zusammengewachsene  Niere  ist 
nicht  so  fest,  wie  bei  den  Cyprinoiden  an  die  Wirbelsäule  ange- 
wachsen und  ragt  etwas  frei  in  die  Bauchhöhle  herein.  Sie  ver- 
läuft zuerst  an  der  rechten  Seite  der  Wirbelsäule,  schlägt  sich 
aber  weiter  unten  nach  links  um  und  ist  an  ihrem  untern  Ende 
etwas  massiger. 

Die  Nahrung  der  Gruppe  besteht  hauptsächlich  in  Wasser- 
insekten, Käfern  und  dergl.  Sie  ist  ein  sehr  raubgieriger  Fisch, 
und  ich  fand  auch  im  Winter  seinen  Magen  mit  Nahrung  ge- 
füllter, als  bei  andern  Fischen. 

Von  Entozoen  wird  dieser  Fisch  nicht  sehr  geplagt;  doch 
wurden  schon,  nicht  von  mir,  Echinorhynchus  proteus  und  an- 
gustatus  in  ihm  gefunden. 

lieber  die  Laichzeit  der  Gruppe  weiss  ich  nichts  genaues 
anzugeben.  Auf  einer  Verwechslung  mit  einer  verwandten  Art 
aus  dem  Meere  scheint  die  Angabe  Marsigli's  und  Linne's 
zu  beruhen,  nach  welcher  das  Männchen  die  Eier  bewachen  oder 
bebrüten  soll.  Unsere  Fischer  wissen  davon  nichts  und  Ek ström 
(Fische  von  Mörkö)  fand  den  Fisch  in  der  Nähe  seines  Laichs 
ebenso  furchtsam  als  sonst.    Die  Eier  werden  auf  Steine  abgesetzt. 

Wo  der  Neckar  über  einen  steinigen  Grund  fliesst,  findet 
sich  die  Gruppe  sehr  häufig;  an  schlammigen  Orten  dagegen  wird 
man  sie  vergebens  suchen.  Sie  hält  sich  in  Höhlungen  unter 
Steinen  auf,  schiesst  von  da  auf  ihren  Raub  hervor  und  entflieht 
aufgescheucht  mit  ausserordentlicher  Geschwindigkeit.  Nimmt 
man  sie  aus  dem  Wasser,  so  lassen  sie  oft  einen  schnurrenden 
Ton  hören. 

Ihr  Fleisch   wird   weniger   zur  Speise  benutzt,    als  es  ver- 


-    253    - 

diente,  da  es  wohlschmeckend  und  gesund  ist;  die  allgemeine 
Behauptung,  dass  es  durch  Kochen  roth  werde,  finde  ich  bei 
den  Gruppen  unserer  Gegend  nicht  bestätigt.  Da  die  Gruppe 
eine  Lieblingsspeise  für  den  Hecht  und  Aal  ist,  so  kann  sie  mit 
Vorlheil  als  Köder  für  diese  Fische  angewendet  werden. 

Gasterosteus  Artedi. 

Die  Bauchflossen  sitzen  hinter  den  Brustflossen;  die  Becken- 
knochen sind  aber  doch  mit  dem  Schultergerüste  verbunden 
und  bilden  mit  diesem  eine  Art  Panzer;  die  Wangen  durch  die 
entwickelten  Infraorbitalknochen,  die  Seiten  des  Leibs  durch 
Schilder  bepanzert.  3  Kiemenstrahlen.  Auf  dem  Rücken  freie 
Stacheln;  die  Bauchflossen  beinahe  auf  einen  Stachel  reducirt. 

G.  leiurus  Cuv.  '^•') 

Cuvier   et   Valencienn  e  s.     T.  98. 

G.  gymnurus  Cuv.     Thierreich,  übersetzt  von  Voigt,     p.  235. 
Memoires  des  Sciences  Savants  J^trangers.     T,  X.  1848. 
Yarrell  I.     S.  95. 

Stichling,     Stachelfisch.         Epinoche.         Stickle-back. 

4  bis  7  Schienen  am  vordem  Theile  des  Leibs; 
Schwanz    nackt. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  etwas  schmal 
und  in  die  Länge  gestreckt,  bei  trächtigen  Weibchen  aber  breit; 
von  oben  ist  er  schmal,  seitlich  zusammengedrückt,  von  unten 
breiter.  Der  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe  etwas  ab ,  und  bildet 
bis  zur  Schwanzflosse  eine  Curve;  auch  die  Bauchlinie  ist  convex. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  in  der  Totallänge  4Jmal  ent- 
halten, und  geringer  als  die  Länge  des  Kopfs,  welche  nur  i 
der  Totallänge  ist.  Die  Augen  sitzen  soweit  oben  an  der 
Stirne,  dass  sie  in  deren  seitliches  Profil  einen  seichten  Aus- 
schnitt machen,  sie  stehen  nahe  bei  einander  und  ihre  Distanz 
ist  in  der  Länge  des  Kopfes  4mal  enthalten.  Der  Durchmesser 
ist  grösser,  als  ihre  Distanz,  aber  kleiner  als  ihre  Entfernung 
von  der  Schnauzenspitze. 

*)  Ich  citire  nicht  als  synonym  G.  aculeatus  von  Linne,  da  dieser 
offenbar  nur  G,  trachurus,  nicht  aber  auch  diese  Art  gekannt  hat. 


—    254     - 

Das  Maul  ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt,  schief 
nach  oben  gespalten  ;  der  Unterkiefer  überragt  den  obern.  Unten 
und  oben  Zähne. 

Die  abgerundeten  Brustflossen  haben  10  ungegabelte 
Strahlen  und  sind  halb  so  lang  als  der  Kopf. 

Die  Bauch  flössen  sind  auf  einen  kantigen,  rauhen 
Stachel  reducirt,  welcher  mit  dem  Becken  durch  ein  Gelenk  sich 
verbindet;  beinahe  so  lang  als  die  Brustflosse  ist,  und  durch  eine 
Membran  mit  einem  viel  kleinern  Strahle  zusammenhängt.  Die  In- 
sertion der  Bauchflosse  entspricht  dem  Zwischenräume  zwischen 
den  beiden  ersten  dorsalen  Stacheln. 

Von  diesen  kann  man  jeden  als  eigene  Rückenflosse 
betrachten,  während  der  dritte  offenbar  zur  slrahligen  Flosse  ge- 
hört, mit  dieser  oft  durch  eine  Membran  zusammenhängt  und 
sie  stützt.  Der  erste  Stachel  ist  vom  zweiten  so  weit  entfernt, 
als  vom  Kopfe;  beide  sind  kürzer  als  der  ventrale.  Die  eigent- 
liche Rückenflosse  besteht  aus  einem  kleinen  Stachel,  welcher 
gewöhnlich  als  dritter  isolirter  angegeben  wird,  und  11  — 12  un- 
gegabellen  Strahlen.  Sie  hat  einen  obern  convexen  Rand  und 
ist  höher  als  die  beiden  vordem  Stacheln. 

Die  Afterflosse  besteht  aus  einem  kleinen  Stachel  und 
8  ungegabelten  Strahlen;  sie  ist  ungefähr  so  hoch  als  die  Dor- 
salis,  und  die  Enden  beider  Flossen  fallen  aufeinander. 

Die  abgerundete  Schwanzflosse  ohne  Ausschnitt  hat 
11 — 12  Strahlen,  von  denen  die  mittlem  gewöhnlich  einfach 
gegabelt  sind. 

Die  Seitenlinie  liegt  nahe  dem  Rücken  und  ist  bei- 
nahe gerade. 

Die  eigenthümliche  Bedeckung  und  Bewaffnung  zeich- 
net den  Slichling  vor  allen  andern  Fischen  unseres  Vaterlandes 
aus.  Oben  auf  dem  Kopfe  bilden  die  frei  zu  Tage  liegenden 
Schädelknochen  eine  schützende,  feste  Decke,  die  Wangen  sind 
durch  den  dritten,  sehr  entwickelten  Suborbitalknochen  gedeckt, 
weiter  nach  hinten  wird  der  feste  Bau  des  Schultergürtels  noch 
durch  eine  auf  dem  Oberarm  liegende  lange  Knochenleiste  ver- 
stärkt. Auf  dem  Rücken  haben  sich  die  Interspinalknochen  zu 
5  Platten  entwickelt,   von   denen   die  zweite,   dritte  und  fünfte 


—    255    — 

Stacheln  tragen,  welche  mit  Kraft  aufgerichtet  werden  können. 
Die  untere  Seite  wird  bedeckt  durch  2  lange  Knochen ,  welche 
vom  Unterarm  abgehen  und  zwischen  sich  einen  freien  Raum 
lassend,  sich  mit  dem  frei  daliegenden  Becken  verbinden.  Dieses 
bildet  durch  die  Vereinigung  seiner  beiden  paarigen  Knochen 
einen  Seckigen  Schild,  von  welchem  aufwärts  an  den  Seiten  des 
Bauches  ein  starker  breiter  Knochenfortsatz  abgeht.  Im  hintern 
Winkel  zwischen  diesem  und  dem  Schilde  stehen  die  langen 
Bauchstacheln. 

Endlich  legen  sich  zwischen  den  schützenden  Apparat  am 
Rücken  und  den  Bauchschild  noch  seitlich  fest  aneinanderlie- 
gende Knochenschienen  an  und  vervollständigen  den  Panzergürtel. 
Er  erinnert  an  die  schützende  Bedeckung,  wie  wir  sie  bei 
den  Gürtellhieren  und  den  Schildkröten  finden.  Ist  sie  aber 
bei  diesen  ausschliesslich  entweder  nur  Hautbildung  oder  nur 
ein  eigenthümlicher  Bau  des  Skeletts,  so  haben  bei  Gasterosteus 
Haut  und  Skelett  Antheil  an  der  Bildung  des  Panzers. 

Fügen  wir  diesem  noch  einige  am  Skelette  bemerkens- 
werthe  Einzelnheiten  bei.  Feine  Zähnchen  finden  sich  im  Zwischen- 
und  Unterkiefer,  aber  auch  auf  den  obern  Schlundkieferknochen, 
was  ich  sonst  nirgends  erwähnt  finde.  Der  Infraorbitalring  besteht 
aus  3  Knochen,  von  welchen  der  hinterste  der  grösste  und  mit 
dem  Praeoperculum  verbunden  ist.  Der  mittlere  ist  der  kleinste. 
Das  Operculum  gross,  abgerundet ;  das  Suboperculum  bildet  um 
den  untern  Rand  des  Operculums  einen  schmalen,  runden  Bogen, 
so  dass  man  es  für  einen  Kiemenstrahl  halten  könnte;  das  Inter- 
operculum  hat  die  Gestalt  eines  langen  pfeilförmigen  Stiels,  der 
seine  Spitze  nach  vorne  kehrt.  Die  2  schmalen  Schenkel  des 
Praeoperculums,  stehen  in  einem  rechten  Winkel  zu  einander. 

Ich  zähle  15  Rumpf-  und  16  Schwanzwirbel.  9  *)  Rippen, 
von  welchen  einige  mittlere  doppelt  sind. 

Ein  Ueberschulterblatt  kann  nicht  gefunden  werden ,  die 
übrigen  Knochen  des  Schultergürtels  sind  ausserordentlich  breit. 

Das  Becken  der  Cyprinoiden  besteht  aus  2  seitlichen  Rücken, 
von  welchen  jedes  einen  langen,  vordem  gabelförmig  gespaltenen 


*)  Nach  Bloch  15. 


—    256    — 

und  einen  kurzen  hinteren  Fortsatz  hat.  Die  beiden  Aeste  des 
vorderen  Fortsatzes  sind  nach  vorne  in  paralleler  Linie  gerichtet 
und  nahezu  gleich  lang.  Sodann  ist  die  Symphyse  der  beiden 
seitlichen  Stücke  durch  Knorpel  bewerkstelligt.  Bei  Gastero- 
steus  dagegen  sind  sie  fest  miteinander  zu  einem  dreieckigen 
Schilde  verwachsen,  und  erst  gekocht,  lassen  sie  sich  trennen, 
indem  eine  Sutur,  wie  an  den  Knochen  des  Schildkrötenpanzers 
sichtbar  wird.  Sodann  sind  hier  die  Aeste  des  vordem  Fort- 
satzes in  ihrer  Richtung  auseinandergerückt.  Der  äussere  steigt 
an  den  Seiten  des  Leibes  herauf;  der  innere  ist  viel  kürzer, 
rund,  liegt  nach  vorne  und  vermittelt  die  Verbindung  des  Beckens 
mit  dem  Schultergürtel.  Der  ventrale  Stachel  hat  eine  Gelenks- 
grube, in  welche  ein  am  Becken  befindlicher  Gelenkskopf  passt; 
die  Gelenksgrube  wird  gebildet  durch  2  kleine  Fortsätze. 

Die  Platten,  welche  den  Rücken  decken,  entsprechen  den 
Inlerspinalknochen,  welche  sich  seitlich  zu  zwei  breiten  Flügeln 
entwickelt  haben.  Unter  einander  verbinden  sie  sich  durch  spitze  in- 
einandergreifende Fortsätze;  nach  unten  gehen  von  ihnen  zwischen 
die  Rückenmuskeln  gegen  die  Dornforlsätze  der  Wirbel  Leisten 
ab;  oben  wird  die  Articulation  der  Stacheln  auf  dieselbe  Weise 
wie  bei  der  Bauchflosse  vermittelt. 

Die  schindelartigen  Lamellen  an  den  Seiten  des  Leibs  ge- 
hören nicht  zum  Skelett,  es  sind  Hautbildungen,  modificirte 
Schuppen.  Jede  Schindel  hat  am  Rande  einen  mehr  oder 
weniger  deutlichen  Zahn,  welcher  in  einen  Ausschnitt  der  be- 
nachbarten passt.  Diese  Einrichtung,  welche  an  Ganoidenschuppen 
erinnert,  vermehrt  die  Festigkeit. 

Weichtheile.  Der  Magen  ist  gross,  eirund,  deutlich 
vom  übrigen  Verdauungskanal  unterschieden ;  der  Darmkanal  ist 
kurz,  viel  kürzer  als  das  Thier,  verlauft  beinahe  gerade,  und 
macht  nur  an  seinem  untern  Ende  eine  kleine  Schlinge.  Die 
bucheichelförmige  Milz  liegt  an  der  linken  Seite  hinter  dem 
Magen.  Die  Leber  ist  Slappig,  der  linke  Lappen  sehr  klein, 
der  rechte  steigt  beinahe  bis  in  die  Mitte  der  Bauchhöhle 
herab.  Die  Ovarien  sind ,  wie  die  Testikel  paarig,  gross,  nicht 
wegen  der  Menge  der  Eier,  denn  ihre  Zahl  beläuft  sich  in  einer 
Hälfte  nur  auf  etwa  90,    sondern  wegen   der  verhältnissmässig 


—    25?     - 

bedeutenden  Grösse  der  Eier.  Der  gemeinschaftliche  Ausfüh- 
rungsgang der  Eierstöcke  liegt  hinter  dem  Anus.  Die  Nieren 
sind  wie  bei  den  Cyprinoiden  verschmolzen  und  liegen  zu  beiden 
Seiten  der  Wirbelsäule.     Die  Schwimmblase  ist  ungetheilt. 

Farbe.  Der  Rücken  ist  meistens  graulich  grün,  unregel- 
mässige solche  Flecke  und  Bänder  ziehen  an  der  Seile  herunter; 
übrigens  ist  der  ganze  Fisch  silberig.  Selten  werden  schön  ge- 
färbte Individuen  mit  rother  Kehle  und  Brust  angetroffen. 

Grösse:  höchstens  3''. 

Nahrung.  Der  Slichling  nährt  sich  nur  von  animalischen 
Substanzen,  Würmern,  Insekten,  Fischbrut.  So  klein  er  ist,  so 
schädlich  ist  er:  was  man  aus  einer  freilich  vielleicht  etwas  über- 
triebenen Angabe  von  Henri  Backer  ermessen  kann,  welcher 
einen  Stichling  innerhalb  5  Stunden  64  kleine  Leuciscus  ver- 
schlingen sah.  Desshalb  darf  der  Stichling  auch  nie  in  Weihern 
geduldet  werden. 

Durch  Entozoen  ist  er  sehr  geplagt:  Cucullanus  elegans, 
Distoma  appendiculatum,  Echinorhynchus  clavaeceps  und  angu- 
Status.  Auffallend  ist  es,  dass  der  so  häufig  im  Norden  von 
Europa  in  der  Bauchhöhle  der  Slichlinge  sich  findende  Schisto- 
cephalus  dimorphus  (Bothriocephalus  solidus)  in  den  Individuen 
unserer  Gegend  nie  beobachtet  wurde. 

Der  Slichling  ist  noch  durch  zwei  ph;)'s{oIogische  Thalsachen 
besonders  merkwürdig,  welche  wahrscheinlich  in  engem  Zusam- 
menhange zu  einander  stehen:  es  ist  dies  die  Sorge  für  seine 
Brut  und  seine  zeitweise  ungeheure  Vermehrung.  Coste*)hat 
über  das  erste  höchst  schätzbare  Unlersuchungen  angestellt.  Nach 
ihm  baut  das  Männchen  ein  kugliches  hohles  Nest,  in  welches 
sodann  mehrere  Weibchen  ihre  Eier  legen.  Diese  werden  vom 
Männchen  befruchtet,  gepflegt  und  gegen  Feinde  vertheidigt ,  ja 
es  setzt  noch  seine  Sorge  eine  Zeit  lang  auf  die  ausgekommene 
Brut  fort.  Wie  in  ein  Nest  mehrere  Weibchen  legen,  so  setzt 
ein  Weibchen  auch  in  mehrere  Nester  seinen  Rogen  ab,  vom 
März    bis    zum  August.     Die    Brut    des  Slichlings    ist   also   viel 


*)  Nidification    des    epinoches  et    des  epinochettes  in  den  Memoires 
de  l'acad.  des  Scienc,  Savants  Etrangers.     Tome  X.  1848. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  3s  Heft,  17 


-    258    - 

weniger  Gefahren  ausgesetzt,  als  die  anderer  Fische;  überdies 
sind  auch  die  Erwachsenen  vor  den  Nachstellungen  grösserer 
Fische  durch  ihre  Bewaffnung  ziemlich  sicher,  und  so  wird  es 
denn  begreiflich,  dass  seine  Vermehrung  zu  Zeiten  so  zunimmt, 
dass  mit  der  Menge  der  Gefangenen  Felder  gedüngt  und  Schweine 
gemästet  werden. 

Auffallend  ist  es,  dass  man  bei  uns  weder  diese  eigen- 
thümliche  Fortpflanzungsweise  noch  eine  starke  Vermehrung 
beobachten  konnte.  Das  letzte  liesse  sich  aus  dem  ersten  er- 
klären: aber  warum  tragen  unsere  Slichlinge  nicht  dieselbe  Sorge 
für  ihre  Brut?  Coste  hat  seine  Untersuchungen  ebenfalls  an 
G.  leiurus  angestellt,  wie  man  aus  seinen  Abbildungen  sieht. 

Vorkommen.  Im  offenen  Neckar  wird  man  den  Stichling 
selten  finden;  er  liebt  sanft  fliessende  Stellen  mit  schlammigem 
Grunde  und  grasigem  Ufer,  daher  er  sich  an  die  Einmündungen 
kleinerer  Bäche  und  in  diese,  wenn  sie  ihm  obige  Bedingungen 
erfüllen,  auch  wohl  in  Altwasser  zurückzieht.  Er  lebt  in  kleinen 
Truppen,  ist  ausserordentlich  lebhaft,  seine  Brustflossen  sind  in 
einer  steten,  beinahe  wimpernden  Bewegung.  Bei  eintretender 
Kälte  zieht  er  sich  unter  die  Ufer  zurück. 

Nutzen  gewährt  er  uns  gar  keinen,  während  der  Schaden, 
den  er  da,  wo  er  in  grösserer  Anzahl  sich  findet,  stiftet,  gewiss 
nicht  unerheblich  ist. 

Anmerkung.  Gasferosteus  trachurus  ist  meines  Wissens 
in  Württemberg  noch  nicht  gefunden  worden;  er  gehört  mehr 
dem  Norden  an  und  ist  von  Artedi,  Linne,  Ekström  als 
aculeatus  beschrieben.  Dagegen  gehört  leiurus  dem  Süden  an ; 
im  mittleren  Europa,  wie  im  nördlichen  Frankreich  stossen  beide 
Arten  zusammen  und  finden  sich  mit  einander.  Sollte  diese  Art 
der  Verbreitung  nicht  die  Vermuthung  Cuvier's  bestätigen,  dass 
dem  Mangel  der  Schienen  am  Schwänze  wirklich  der  Werth 
eines  specifischen  Charakters  zuzuschreiben  sei?*) 


*)  Van  der  Höven  sagt  in  seiner  so  eben  erschienenen  Zoologie. 
Bd.  II.  Ste.  193:  „Mit  niannigfaclien  Uebergängen  erstrecken  sich  die 
Knochenschilder  bald  mehr,  bald  minder  weit  über  den  Schwanz;  wess- 
halb  denn  auch  die  Unterscheidung  zweier  besonderer  Arten  kaum  zu- 
lässig erscheint." 


^    259    — 

Bei  weitem  die  grössle  Anzahl  der  Neckarfische  hat  jedoch 
weiche  Flossenstrahlen.  Die  meisten  gehören  der  Familie 
der  Cyprinoiden  (Cyprinus  L.J  an  und  sind  leicht  zu  erkennen 
an  den  zahnlosen  Kinnladen  und  den  3  Kiemenstrahlen.  Man 
theilt  diese  Familie  in  mehrere  Genera. 

Cyprinus    Cuv. 

Die  Bauchflossen  sitzen  weit  hinter  den  Brustflossen,  ohne 
mit  dem  übrigen  Skelette  zusammenzuhängen.  Die  Rückenflosse 
ist  länger  als  hoch  und  wie  die  Afterflosse  vorne  durch  einen 
starken,  sägeförmig  eingeschnittenen  Stachel  gestützt. 

Cyprinus  carpio    L. 

Bloch,  t.  16.  17. 

Meidinger,  pisc.  Austr.  t.  41. 

Juri  n  e,  pl.  9. 

Yarrelj,  brit.  fishes  (p.  305*)  s.  349. 

Bon  aparte,  fauna  ital.  pl. 

Carpio  vulgaris. 

Karpfen.         Carpe.         Carp. 

An  jeder  Seite  des  Munds  2  Bartfäden.  After- 
flosse mit  8  Strahlen. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet  breit,  doch  etwas 
in  die  Länge  gestreckt;  von  oben  erscheint  der  Rücken  kantig, 
wird  aber  gegen  den  Bauch  hin  breit;  er  steigt  hinter  dem  Kopfe 
steil  an  und  verläuft  schwach  convex  bis  zur  Schwanzflosse.  Das 
Profil  des  Bauchs  ist  wie  das  des  Rückens,  vom  Kopfe  bis  zum 
Ende  der  Afterflosse  convex,  von  da  bis  zur  Schwanzflosse  gerade. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  über  3Jmal  in  der  Totallänge 
enthalten,  die  Länge  des  Kopfes  beinahe  5mal,  oder  letztere 
ist  gleich  Smal  die  Distanz  der  Augen  genommen.  Der  Durch- 
messer des  Auges  ist  in  der  Kopflänge  6mal  enthalten;  seine 
Entfernung  von  der  Schnauzenspitze  ist  gleich  2-J  Augdurch- 
messern.    Das  Maul  ist  klein,  mit  2  Bartfäden  auf  jeder  Seite: 


*)  Die    eingeklammerten  Seitenzahlen    beziehen    sich    auf  die    erste 
Ausgabe  dieses  Werks. 

17* 


-     260     - 

der  längere  sitzt  im  Mundwinkel  vor  dem  Oberkieferknochen, 
der  kürzere  weiter  oben  auf  demselben.  Der  Oberkiefer  überragt 
den  untern.  Ein  Kranz  von  Poren  umgibt  das  Auge  und  den 
vor  ihm  liegenden  Suborbitalknochen ;  eine  zweite  Reihe  verläuft 
am  Unterkiefer  und  Praeoperculum;  eine  dritte  am  hintern  obern 
Rande  des  Schädels  bildet  die  Fortsetzung  der  Porenreihe  in 
der  Seitenlinie.  Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist 
stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  16  Strahlen;  ihre  Länge  über- 
ragt die  Höhe  der  Dorsalis. 

Die  Bauch  flössen  haben  gewöhnlich,  wie  bei  den  ver- 
wandten Fischen,  9  Strahlen,  Gronovius  fand  mehreremal  8, 
ich  bei  einem  Spiegelkarpfen  nur  7.  Die  Länge  dieser  Flossen 
überragt  die  Höhe  der  Analis. 

Die  Rückenflosse  zeichnet  sich  aus  durch  ihre  beträcht- 
liche Länge  und  einen  starken  sägeförmig  eingeschnittenen  Stachel; 
vor  ihm  sitzen  zwei  kleinere  Stacheln,    hinter  ihm   19  Strahlen. 

Durch  einen  ähnlichen  Stachel  wird  die  Afterflosse  ge- 
stützt; vor  ihm  finden  sich  noch  2  kleinere  Stacheln,  hinter  ihm 
5  Strahlen. 

Die  Schw  anzfl  osse  mit  19  Strahlen  und  einem  Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  verläuft  beinahe  gerade  und  in  der  Mittel- 
linie des  Leibs  ;  ich  zähle  auf  ihr  36  Schuppen,  von  welchen  die 
meisten  an  ihrem  Rande  da,  wo  sie  auf  die  Erhabenheit  der 
nächsten  Schuppe  stossen,  einen  Ausschnitt  haben. 

Querschuppenreihe,  lieber  und  unter  der  Seitenlinie 
zähle  ich  5  Schuppenreihen.  Die  Schuppen  sind  gross,  viel 
grösser  als  das  Auge. 

Anmerkung.  Die  vielen  Varietäten  des  Karpfen  bestehen 
hauptsächlich  in  eigenthümlichen  Modificationen  der  Schuppen- 
bedeckung. Da  sie  jedoch  selten  oder  nie  im  Neckar  beobachtet 
■werden,  so  erwähnen  wir  sie  nur  kurz  : 

1)  der  ganze  Fisch  ist  mit  Schuppen  bedeckt,  welche  aber 
viel  grösser  sind,  so  dass  in  der  Seitenlinie  nur  28,  in  der 
Querschuppenreihe  7  Schuppen  stehen. 

2)  Am  ehesten  mag  noch  im  Neckar  der  Spiegelkarpfen 
gefunden  werden:  an  der  Seite  des  Leibs  finden  sich  nur.  1 — 2 


—    261    — 

Längsstreffen  ausserordentlich  grosser  Schuppen;  über  und  unter 
diesen  nackte  Hautstellen.  Diese  Abart  hat  verschiedene  Be- 
nennungen erhalten:  Cyprinus  specularis  Lacepede,  macrolepi- 
dotus  Meidinger,  Carpio  rex  cyprinorum  Bloch,  und  ist  von 
Bloch  und  Meidinger  1.  c.  abgebildet. 

3)  Die  Haut  ist  ganz  nackt:  Lederkarpfen,  C.  coriaceus Lacep. 

Farbe.  Der  ganze  Fisch  ist  dunkelgrün,  mit  bläulichem 
Schimmer;  die  Seiten  zeigen  oft  einen  goldigen  Schein. 

Obgleich  der  Karpfen  bei  einem  passenden  Aufenthalte  die 
beträchtliche  Grösse  von  3 — 4'  erreicht,  so  werden  doch  die  im 
Neckar  angetroffenen  nicht  leicht  die  Länge  von  1 — 2' überschreiten. 

Von  dem  Skelette  gibt  Valenciennes  eine  ausführliche 
Beschreibung,  von  dem  Schädel  Yarrell  s.  354  die  Abbildung: 
es  finden  sich  5  Schlundkieferzähne ,  welche  gegen  eine  rhom- 
boidale Platte  mit  einem  vordem  stumpfen  und  hintern  spitzen 
Winkel  wirken.  Die  Zähne  stehen  in  3  Reihen,  in  der  Innern 
3,  von  welchen  2  dentes  compositi  sind,  in  der  mittleren  und 
äussern  je  einer.  Es  finden  sich  am  Rumpfe  20,  am  Schwänze 
16 — 17  Wirbel.     16  Rippenpaare. 

Weichtheile.  Der  längliche  Magen  reicht  beinahe  bis 
zum  Anus;  der  Darmkanal  ist  ziemlich  lang  und  macht  mehrere 
W^indungen.  Die  Leber  steht  auf  einer  sehr  niedrigen  Stufe  der 
Ausbildung.  Ihr  Haupttheil  bedeckt  zwar  den  Magen,  aber  sie 
ist  in  viele  Lappen  zerfallen,  welche  die  3  obern  und  die  3  untern 
Schlingen  des  Darmkanals  begleiten ,  welche  Zwischenräume  zwi- 
schen ihnen  ausfüllen  und  an  einigen  Stellen  sich  wieder  aufwärts  in 
die  Höhe  schlagen.  Ihre  Lobuli  sind  vielgestaltig,  nicht  rundlich, 
sondern  eckig.  Gallenblase  gross.  Die  Milz  von  beträchtlicher 
Ausdehnung  und  gelappt.  Schwimmblase  eingeschnürt.  Die  Zunge 
ist  sehr  klein  und  wenig  beweglich;  was  man  gewöhnlich  Karpfen- 
zunge nennt,  ist  ein  sehr  weicher,  nervenreicher  Körper  am  obern 
hintern  Theile  der  Mundhöhle. 

Der  Karpfen  nährt  sich  besonders  von  Schlamm,  in  welchem 
sich  organische  Substanzen  zersetzen;  darum  liebt  er  auch  stille 
Wasser  mit  schlammigem  Grunde.  Im  obern  Neckar  ist  er  daher 
gar  nicht  zu  finden,  im  untern  selten.  Eher  trifft  man  ihn  noch 
in  Altwassern  an :  wo  er  sich  auch,  was  im  Neckar  nie  der  Fall 
ist,  fortpflanzt. 


—    262    — 


Cyprinus  carassius  L. 

Bloch,  t.  11. 

Fries  och  Ekström,  t.  31. 
Cuv.  et  Valenc.  pl.  459. 
Yarrel  1,  s.  355. 

Karausche    (Bauernkarpfe).       Carassin.       Crucian. 

Kein  Bartfaden;    Afterflosse  mit  9  Strahlen. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  ausserordentlich 
breit ;  von  oben  erscheint  er  schmal  und  seitlich  zusammenge- 
drückt. Der  scharfkantige  Rücken  steigt  gleich  hinter  dem  Kopfe 
sehr  steil  an,  und  bildet  bis  zur  Schwanzflosse  einen  stark  ge- 
krümmten Bogen.     Das  Profil   des  Bauches   ist  weniger  convex. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  in  der  Tolallänge  3mal,  die 
Länge  des  Kopfes  4^mal  enthalten;  oder  letztere  ist  gleich  der 
doppelten  Distanz  der  Augen.  Das  Auge  liegt  oben  am  Kopfe, 
ist  um  i^  —  2  Durchmesser  von  der  Schnauzenspitze  entfernt. 
In  der  Länge   des  Kopfs    ist    sein  Durchmesser   6mal  enthalten. 

Das  Maul  ist  klein;  nur  selten  findet  sich  eine  kaum  be- 
merkbare Andeutung  eines  Barifadens.  Der  Unterkiefer  steigt 
beinahe  senkrecht  nach  oben,  so  dass,  obgleich  bei  geschlossenem 
Maule  der  Oberkiefer  der  längere  ist,  bei  geöffnetem  der  untere 
weit  vorragt. 

Auch  bei  der  Karausche  finden  sich  auf  dem  Kopfe  Schleim- 
poren, welche  in  derselben  Weise,  wie  beim  Karpfen  angeord- 
net sind. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  14 — 16  Strahlen  und  sind  kürzer 
als  die  Dorsalis  hoch  ist. 

Die  Bauch  flössen  sind  9strahlig  und  viel  länger  als  die 
Analis  hoch  ist.  An  ihrer  Innern  Ansalzstelle  findet  sich  eine 
eigenthümlich  modificirte  Schuppe  von  länglicher  Form,  wie  wir 
sie  noch  deutlicher  allgemein  bei   den  Leuciscus  finden   werden. 

Die  lange  Kücken  flösse  ist  wieder  ausgezeichnet  durch 
einen  gezahnten  Stachel,  an  dem  man  aber  deutlich  die  Gliede- 


—    263     — 

rung  wahrnehmen  kann;  vor  ihm  stehen  2  kleine  Stacheln,  hinter 
ihm  16—17  Strahlen. 

Die  kleine  Afterflosse  mit  einem  gezahnten  Stachel; 
vor  ihm  zwei  kleine  Stacheln,  hinter  ihm  6  Strahlen. 

Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  sehr  seichten 
Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  verläuft  beinahe  gerade  und  in  der  Mittel- 
linie des  Leibs;  es  stehen  in  ihr  31 — 33  Schuppen,  deren  läng- 
liche Erhabenheiten  nicht  besonders  stark  markirt  sind. 

Querschuppenreihe.  Ich  zähle  über  der  Seitenlinie  7, 
unter  ihr  5 — 6  Schuppenreihen.  Das  untere  Ende  der  Quer- 
schuppenreihe fällt  in  die  Mitte  zwischen  Bauchflossen  und  Anus. 

Die  Schuppen  sind  gross,  die  Mittelschuppe  beinahe  3mal 
so  gross,  als  das   Auge. 

Farbe.  Oben  dunkelgrün,  an  den  Seiten  und  unten  mit 
Goldschimmer.    Die  untern  Flossen  zeigen  einen  rölhlichen  Anflug. 

Grösse.     Die  Karausche  wird  seilen  über  V  lang. 

Die  einzelnen  Theile  des  Skeletts  gleichen  sehr  denen 
des  Karpfens;  es  finden  sich  aber  nur  4*)  Schlundkieferzähne 
in  einer  Reihe.  Wie  der  Karpfen  hat  die  Karausche  19  Rumpf-, 
dagegen  aber  nur  13  Schwanzwirbel.  16  Rippenpaare.  Die  ge- 
drungenere Gestalt  der  Karausche  ist  nicht  durch  eine  Verkürzung 
der  Wirbelkörper  bedingt,  sondern  durch  eine  Verminderung  der 
Zahl  der  Wirbel ,  besonders  der  Schwanzwirbel.  Dazu  kommt 
noch  eine  im  Vergleich  zum  Karpfen  bedeutendere  Länge  der 
Dornfortsätze  und  der  Rippen. 

Die  Weichtheile  zeigen  denselben  Bau,  wie  beim  Karpfen. 

Die  Nahrung  der  Karausche  besteht  ebensowohl  in  ani- 
malischen als  vegetabilischen  Substanzen,  doch  mehr  in  Schlamm, 
in  welchem  sich  organische  Stoff"e  zersetzen,  als  in  Insekten, 
W^ürmern  etc. 

Ich  selbst  hatte  keine  Gelegenheit,  Entozoen  in  ihr  zu 
beobachten;    sie    soll  aber  nach  Creplin  **)  von    einer  Ligula, 


*)  Nach  Linne  und  Blocli  5. 
*")  Ekström,  Fisclie  von  Mörkö,  p.  61. 


—     264     — 

\\'elche  von    der   simplicissima    verschieden    sei,    sehr   heimge- 
sucht sein. 

Wie  alle  hochgebauten  Karpfen  liebt  die  Karausche  stille 
Wasser  mit  schlammigem  Grunde,  sie  ist  desshalb  mehr  See- 
ais Flussfisch.  Im  Neckar  kommt  sie  zwar  allenthalben,  jedoch 
überall  so  seilen  vor,  dass  sie  für  die  Neckarfischerei  von  keiner 
Bedeutnng  ist.  Auch  wird  sie  sich  kaum  im  Neckar  fortpflan- 
zen. Unter  allen  ihren  Verwandten  hat  sie  das  zäheste  Leben. 
Ihr  Fleisch  ist  geschätzt  und  gesund. 


Wir  kommen  nun  zu  denjenigen  Fischen ,  welche  als  Ein- 
geborene des  Neckars,  an  allen  Orten  mehr  oder  weniger  häufig 
zu  treffen  sind. 

Barbiis   Cuv. 

Die  Bauchflossen  sitzen  weit  hinter  den  Brustflossen.  Die 
Rückenflosse  höher  als  lang  und  vorne  durch  einen  starken  säge- 
förmig  eingeschnittenen  Stachel   gestützt. 

Barbus   fluviatilis  Flemming. 

Cyprinus  barbus  L. 
Bloch,  t.  18. 
Meidinger,   II.  t.   11. 
Yarell,  s.  367. 

Barben.         Barbeau.         Bärbel. 

2  Bartfäden  vorne  an  der  Schnauze  und  2  am 
Mundwinkel. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  sehr  schmal  und 
in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  und  unten  breit.  Der  Rücken 
ist  abgerundet,  mit  einem  vor  der  Rückenflosse  etwas  vorstehen- 
den Kiel,  der  Bauch  platt,  mit  einer  Furche  in  der  Mitte.  Der 
Rücken  setzt  sich  kaum  vom  Kopfe  ab  und  sein  Profil  steigt  vom 
Kopfe  und  von  der  Schwanzflosse  gegen  die  Dorsalis  nur  wenig 
und  allmählig  in  beinahe  gerader  Linie  an;  ebensowenig  convex 
ist  die  Bauchseite, 


-    265    — 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  über  ö^mal  in  der  Totallänge 
enthalten,  die  Länge  des  Kopfs  über  4^/2mal,  oder  diese  ist 
gleich  der  Sfachen  Distanz  der  Augen.  Die  Augen  sind  sehr 
klein  und  von  der  Schnauzenspitze  etwas  weiter  entfernt,  als 
vom  hintern  Winkel  des  Kiemendeckels;  sie  stehen  ganz  oben 
an  den  Seiten  des  Kopfes.  Die  Pupille  hat  einen  Winkel 
nach   vorne. 

Die  Mundspalte  ist  halbmondförmig,  und  da  der  Ober- 
kiefer den  untern  weit  überragt,  ganz  an  die  untere  Seite  gerückt. 
An  jeder  Seite  hängen  2  Barifäden;  der  eine,  kleinere  vorne  an 
der  Schnauze,  oben  am  Oberkieferknochen,  der  andere,  welcher  so 
lang  als  das  Maul  breit  ist,  ist  unten  an  diesem  Knochen  befestigt. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  nicht  besonders 
stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  17 — 18  Strahlen  und  sind  etwas 
kürzer  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  hie  und  da  auch  etwas  länger. 

Die  Bauchflossen,  mit  9  Strahlen,  sind  kürzer  als  die 
Pectorales,  aber  länger  als  die  Afterflosse  hoch  ist.  In  ihrer 
innern  Ansatzstelle  findet  sich  eine  eigenthümliche,  durch  ihre 
längliche  Gestalt  von  den  andern  unterschiedene  Schuppe. 

Die  Rückenflosse  steht  mit  ihrem  vordem  Insertions- 
punkte  etwas  vor  den  Ventrales,  mit  dem  hintern  hinter  ihnen; 
ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist  etwas  geringer  als  die  vom  Schwänze, 
seltener  sind  beide  Entfernungen  gleich.  Der  längste  Strahl  ist 
dick  und  hart,  wie  ein  Stachel,  aber  gegliedert,  vor  ihm  stehen 
3  kleine  Stacheln,  hinler  ihm  8 — 9  Strahlen.  Der  obere  Rand 
ihrer  Flosse  ist  steil  abschüssig  und  concav. 

Die  Afterflosse  gleicht  in  der  Form  nicht  der  Dorsalis; 
sie  ist  beinahe  noch  einmal  so  hoch  als  lang,  mit  8 — 9  Strahlen 
und  einem  untern  abgerundeten  Rande. 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  tiefen 
Einschnitt;  einzelne  Exemplare  hatten  an  dieser  Flosse  einen 
obern  spitzigen  und  einen  untern  abgerundeten  Lappen.  —  Alle 
Flossen  sind  etwas  wulstig,  was  von  der  Dicke  der  zwischen  den 
Strahlen  ausgespannten  Membran  herrührt. 

Die  Seitenlinie  entspringt  etwas  über  der  halben  Körper- 
höhe und    verläuft    beinahe    gerade    und   in    der  Millellinie  des 


-     266    — 

Leibs.  Sie  besteht  aus  60  —  66  Schuppen,  deren  punktförmige 
Erhabenheiten  schwach  niarkirt  sind  und  an  welchen  selten  ein 
Ausschnitt  bemerkbar  ist. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zähle 
ich  über  der  Seitenlinie  12,  unter  ihr  10—12  Schuppenreihen. 
Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  30.  der  Seitenlinie,  und  die 
Querschuppenreihe  endigt  sich  unten  am  Anfange  des  hintern 
Drittels  der  Distanz  zwischen  Bauch-  und  Afterflosse. 

Die  Schuppen  sind  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches 
klein,  viel  länger  als  hoch,  und  ragen  nur  etwa  zur  Hälfte  frei 
an  die  Oberfläche  hervor.  Bei  alten  Individuen  bedeckt  die  Mittel- 
schuppe beinahe  das  kleine  Auge. 

Farbe.  Der  Rücken  isabellfarbig  mit  messinggelbem  Glänze, 
die  Seiten  heller,  gelblich,  metallisch  glänzend;  unten  weiss.  Die 
Flossen  sind  gegen  den  Rand  röthlich  angeflogen  und  zeigen  hie 
und  da  verloschene  schwärzliche  Flecken.  Die  Iris  silberig,  oben 
und  um  die  Pupille  messinggelb. 

Der  Barben  erreicht  eine  bedeutende  Grösse;  es  werden 
nicht  selten  3'  lange  gefangen  und  er  wird  bis   10  Pfd.  schwer. 

Die  konischen  Schi  undkieferzähne  mit  einem  spitzigen 
Haken  stehen  in  drei  Reihen,  in  der  äussern  5,  in  der  mittlem 
3  und  in  der  innern  2  Zähne.  Die  Platte,  gegen  welche  sie 
wirken,  ist  dreieckig  und  man  kann  an  ihr  3  Abtheilungen  unter- 
sclieiden,  ein  paar  vordere,  von  denen  jede  2  Falten  hat,  und 
ein  glattes,  rundliches,  hinteres  Stück. 

Skelett.  Die  Schädelknochen  überhaupt  sind  breit,  be- 
sonders aber  das  Ethmoidalbein,  das  sich  zu  einer  beträchtlichen 
Ausdehnung  entwickelt  hat.  Die  Verlängerung  der  Schnauze  ist 
besonders  durch  die  Gesichtsknochen  bedingt.  Eine  eigenthüm- 
liche  Anordnung  haben  die  Infraorbitalknochen  erlitten;  nur  die 
3  hintern  bilden  den  sehr  flachen  Jochbogen;  die  2  hintersten 
sind  lang  und  schmal,  während  der  vor  ihnen  liegende  sehr  klein 
ist.  Der  vorderste,  mit  diesem  kleinen  verbundene  hat  sich  zu- 
gleich mit  der  Schnauze  ausserordentlich  verlängert ;  nach  vorne 
legt  er  sich  an  den  Oberkieferknochen  an.  Ich  fand  am  Rumpfe 
26,  am  Schwänze  21  Wirbel,  18—21  Rippen,  von  denen  jedoch 


-     267     - 

die  letzten  in  der  Haut  stecken.  Vor  der  Rückenflosse  finden 
sich  10  kleine  Interspinalknochen  mit  einem  Fortsatze  nach  unten. 
Der  Darmkanal  macht  im  Ganzen  6  Windungen,  3  obere 
und  3  untere,  die  erste  untere  liegt  beinahe  am  untern  Ende 
der  Bauchhöhle,  von  den  andern  ist  keine  unter  die  Mitte  der- 
selben herabgerückt. 

Nahrung.  Wie  der  Grässling  muss  der  Barben  ganz  be- 
sonders schnell  und  vollständig  verdauen,  ich  konnte  wenigstens 
nie  aus  dem  Darmcontentum  ersehen,  was  er  gefressen  hatte. 
Auch  finde  ich  darüber  in  andern  Beschreibungen  keine  genaue 
Belehrung.  Dass  er  von  faulenden  animalischen  Substanzen  und 
Würmern  lebt,  ist  gewiss;  in  wie  weit  aber  vegetabilische  Sub- 
stanzen ihm  zur  Nahrung  dienen,  wäre  noch  zu  ermitteln.  Der 
complicirtere  Bau  seines  Verdauungsapparates  Hesse  schliessen, 
dass  er  besonders  auf  diese  Kost  angewiesen  sei. 

Von  Entozoen  ist  der  Barben  sehr  heimgesucht.  Echino- 
rhynchus  proteus  findet  sich  das  ganze  Jahr  über  klumpenweise 
besonders  in  der  Nähe  der  Windungen  des  Darmkanals;  Bothrio- 
cephalus  rectangulum  erreicht  die  Länge  von  3",  wenigstens  wäh- 
rend des  Sommers,  im  Winter  fand  ich  selten  nur  junge  Indi- 
viduen ;  nicht  minder  häufig  ist  Ascaris  dentata. 

Die  Laichzeit  dauert  vom  Mai  bis  in  den  Juli,  der  Rogen 
wird  an  Steine  abgesetzt.  Die  Männchen  scheinen  viel  bälder 
geschlechtsreif  zu  sein,  als  die  Weibchen.  Jene  geben  schon, 
wenn  sie  nur  7 — 8"  lang  sind,  Milch  von  sich  und  verfolgen  in 
Schaaren  das  einzelne  Weibchen.  Daher  fängt  man  in  der  Laich- 
zeit mit  einem  Weibchen  immer  zugleich  mehrere  Männchen, 
die  Zahl  von  diesen  scheint  die  jener  zu  übersteigen:  welches 
Verhältniss  bei  andern  Fischen,  z.  B.  beim  Barsch,  nach  den 
Behauptungen  Einiger  sich  umkehrt. 

Da  der  Barben  ein  reines,  schnellfliessendes  Wasser  mit  stei- 
nigem Grunde  liebt,  so  ist  der  Neckar  der  geeignete  Aufenthall 
für  ihn:  daher  ist  er  auch  so  häufig  und  in  einer  so  beträcht- 
lichen Grösse  zu  finden.  Für  die  Neckarfischerei  ist  er  von 
grosser  Bedeutung.  Obgleich  sein  weiches  und  grätiges  Fleisch 
nicht  in  hohem  Werthe  steht,  so  wird  es  doch  dem  des  Schupp- 
und  Weissfisches  vorgezogen. 


—    268     - 

Von  Einigen  wird  zwar  noch  geläugnet,  dass  sein  Rogen 
wenigstens  in  gewissen  Jahreszeiten  Zufälle  von  Vergiftung  her- 
beiführt, es  scheint  dies  aber  doch  so  weit  ausgemacht  zu  sein, 
dass  es  fernerhin  unnöthig  ist,  sich  durch  wiederholte  Versuche 
jener  Gefahr  auszusetzen. 


Leuciscus  Klein. 

Die  Bauchflossen  stehen  weit  hinter  den  Brustflossen.  Die 
Rücken-  und  Afterflosse  sind  höher  als  lang,  ohne  durch  einen 
starken  Stachel  gestützt  zu  sein. 

Grosse  Verwandtschaft  mit  dem  Barben  durch  die  Gestalt 
des  Leibes  und  Kopfes ,  sowie  durch  das  Vorhandensein  von 
Bartfäden  zeigt 

Leuciscus  gobio.  *) 

Cyprinus  gobio  L. 

Bloci),  8.  f.  2. 

Meidinger,  III.  t.  23. 

Ju  r  in  e,  pl.  14. 

Gobio  fluviatilis  (Rondelet)  C  u  v. 

Yarrell,  (p.  325)  s.  371. 

Cuvier  et  V  a  1  e  n  ci  en  n  e  s,  t.  481. 

Gobio  obtusirostris  V  a  1. 

Bonaparte,  fauna  ital. 

Grässling.  Goujon.         Gudgeon. 

An  jedem  Mundwinkel  ein  Bartfaden;  der 
Oberkiefer    überragt    den    untern    soweit,    dass   die 


*)  Der  Grund,  warum  ich  das  Genus  Gobio  Cuv.  nicht  beibelialte, 
ist  in  der  Unzulänglichkeit  der  Bartfäden  als  generischen  Charakters  zu 
suchen.  Wenn  dieser  Charakter  schon  bei  der  geringen  Anzahl  unserer 
Cyprinoiden  kaum  bemerkbare  üebergänge  von  seinem  Vorhandensein 
bis  zum  gänzlichen-  Fehlen  darbietet,  so  dass  beim  Barben  und  Karpfen 
sich  4j  beim  Grässling  2,  bei  der  Schleihe  2  ganz  kleine  Bartfäden,  bei 
der  Karausche  hie  und  da  eine  Andeutung  derselben  finden:  so  ist  er 
zur  Feststellung  eines  Genus  unbrauchbar.  Bekommt  er  aber  so  nur  die 
Wichtigkeit  eines  specifischen  Charakters,  so  unterscheidet  sich  der  Gräss- 
ling überhaupt  nur  specifisch  von  den  übrigen  Leuciscus-Arten. 


—    269    — 

Mun  dspalte   ganz    an    die    untere    Seite    des  Kopfes 
gerückt   ist. 

Der  Körper  dieses  Fisches  ist  von  der  Seite  betrachtet 
sehr  schmal  und  langgestreckt,  von  oben  und  von  unten  sehr 
breit.  Der  Rücken  fangt  beinahe  in  derselben  Linie  mit  dem 
Kopfe  an,  erhebt  sich  hinter  diesem  bis  zur  Rückenflosse,  wo 
er  am  höchsten  ist,  nur  allmählig  und  verläuft  dann  breit,  ab- 
gerundet, in  gerader  Linie  bis  zur  Schwanzflosse.  Der  Bauch 
ist  breit,  zwischen  den  Pectorales  am  breitesten,  platt,  mit  einer 
in  der  Mittellinie  bis  zu  den  Bauchflossen  sich  hinziehenden 
Furche.     Der  Schwanz  ist  unten  dick,  abgerundet. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  sechsmal  in  der  Totallänge 
enthalten. 

Das  Verhältniss  der  Länge  des  Kopfes  zu  der  Total- 
länge difl'erirt  bei  diesem  Fische  sehr.  Valenciennes  gibt  bei 
Gobio  fluviatilis  an,  dass  die  Länge  seines  Kopfes  beinahe  viermal 
in  der  Totallänge  enthalten  sei;  bei  andern  Individuen  fand  er 
sie  aber  beinahe  nur  i  von  dieser.  Diese  letztern  mit  kleinerem 
Kopfe  nennt  er  Gobio  obtusirostris ;  ich  halte  aber  diese  Species, 
zumal  da  die  andern  Merkmale,  welche  er  bei  ihr  angibt,  sehr 
unwesentlich  und  auch  bei  andern  Fischen  Differenzen  ausgesetzt 
sind,  für  unbegründet,  die  Untersuchung  vieler  Individuen  ergab, 
dass  die  Länge  des  Kopfes  bald  4,  bald  4J,  bald  4i,  bald  4j, 
bald  beinahe  5mal  in  der  Totallänge  enthalten  ist. 

Ebenso  und  in  keiner  gesetzmässigen  Beziehung  zu  den 
angegebenen  Differenzen  wechselt  das  Verhältniss  der  Distanz 
der  Augen  zur  Kopflänge;  jene  ist  in  dieser  3J — 3|mal 
enthalten. 

Der  Kopf  hat  eine  längliche,  eckige  Gestalt.  Der  Oberkiefer 
überragt  weit  die  Unterkinnlade,  so  dass  das  Maul  ganz  ander 
untern  Seite  des  Kopfes  liegt,  es  ahmt  die  breite  Gestalt  des 
Kopfes  nach  und  ist  halbmondförmig.  An  jedem  Mundwinkel 
befindet  sich  ein  Bartfaden,  der  sich  am  unlern  Ende  des 
Oberkieferknochens  befestigt  und  etwa  halb  so  lang  ist,  als  das 
Maul  breit. 


—     270     — 

Das  Auge  ist  klein,  seine  Pupille  hat  einen  Winkel  nach 
unten  oder  nach  vorne  ;  es  liegt  ganz  oben  an  der  Seite  des 
Kopfes  und  macht  noch  einen  seichten  Ausschnitt  in  das  seitliche 
Profil  der  Stirne ;  es  ist  beinahe  ebensoweit  von  der  Schnauze 
entfernt  als  vom  hintern  Winkel   des  Kiemendeckels. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  ziemlich  stark 
entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  16  Strahlen  und  sind  gewöhn- 
lich so  lang  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  länger  als  die  Ven- 
trales. Wenn  man  sie  ausspannt,  erscheinen  sie  sehr  breit,  mit 
etwas  convexem  Rande. 

Die  Bauchflossen  haben  8*)  Strahlen,  sind  abgerundet 
und  länger  als  die  Analis  hoch  ist.  In  ihrer  Innern  Ansatzstelle 
findet  sich  eine  eigenthÜFnliche,  durch  ihre  längliche,  spitze  Gestalt 
von  den  andern  unterschiedene  Schuppe.  **) 

Die  Rückenflosse,  deren  Höhe  in  wechselndem  Verhält- 
nisse immer  um  vieles  bedeutender  als  die  Länge  ist,  steht  mit 
dem  vordem  Insertionspunkte  vor  den  Bauchflossen,  mit  dem 
hintern  hinter  ihnen.  Ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist  viel  geringer 
als  die  vom  Schwänze.  Sie  hat  immer  10  Strahlen:  der  erste 
ist  ganz  rudimentär,  beinahe  unter  der  allgemeinen  Bedeckung 
verborgen;  der  zweite,  ungegabelt,  ist  nicht  ganz  halb  so  hoch 
als  der  dritte;  dieser,  ebenfalls  ungegabelt,  ist  einer  der 
längsten  Strahlen;  erst  der  vierte  spaltet  sich.  ***)  Der  obere 
Rand  dieser  Flosse  ist  gerade. 


*)  Nach  Gronov  6,  nach  Valenciennes  7,    nach  Linne  und 
Bloch  9. 

**)  Diese  Schuppe  findet  sich  allgemein  bei  allen  Leuciscus  und 
Abramis,  es  wird  in  der  Folge  nicht  mehr  besonders  bei  den  einzelnen 
Arten  angegeben  werden. 

***)  Dieses  Verhältniss,  wie  es  sich  übrigens  beinahe  bei  allen  Cypri- 
noiden  findet,  ist  hier  desshalb  so  genau  angeführt,  weil  Valenciennes 
in  seiner  Beschreibung  des  Gobio  fluviatilis  sagt:  0\\  conipte  9  rayons 
(de  la  dorsale)  dont  le  dernier  est  double;  le  premier  est  simple,  presque 
osseux,  et  n'atteint  que  la  moitie  de  la  hauteur  du  second,  qui  est  ra- 
m  e  u  X  et  articule.  —  In  der  Beschreibung  von  G.  obtusirostris  wird  dieses 
Verhältniss  nicht  weiter  berücksichtigt. 


—     271     — 

Die  Afterflosse  ist  sehr  klein,  viel  kleiner  als  die  Dor- 
salis,  der  sie  auch  in  der  Form  nicht  sehr  gleicht;  ihre  Länge 
ist  ungefähr  um  die  Hälfte  geringer  als  die  Höhe;  sie  hat  8, 
selten  9  Strahlen:  der  erste  ist  klein  und  mit  dem  zweiten  so 
verwachsen,  dass  man  beide  nur  als  einen  einzigen  ansehen 
könnte;  der  zweite  ist  lang,  ungegabell;  der  dritte  der  längste 
und  gespalten.  Der  untere  Rand  dieser  Flosse  ist  etwas  concav. 
Sie  liegt  nicht,  wie  bei  andern  Cyprinoiden,  unmittelbar  hinter 
dem  Anus,  sondern  ist  von  ihm  so  weit  weggerückt,  dass  er 
etwa  in  der  Mitte  zwischen  ihr  und  den  Bauchflossen  liegt. 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  verläuft  von  der  Schuller,  wo  sie  über 
der  halben  Körperhöhe  entspringt,  anfangs  in  gerader  Richtung, 
macht  dann  über  der  Bauchflosse  einen  Bogen  nach  oben,  um 
in  der  Mittellinie  des  Schwanzes  vollends  gerade  bis  zur  Schwanz- 
flosse zu  verlaufen.  Sie  besteht  aus  40—43  Schuppen,  deren 
Erhabenheiten  nicht  besonders  stark  markirt  sind  und  an  denen 
kein  Ausschnitt  bemerkbar  ist. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  6,  unter  ihr  5  Schuppenreihen.  Die 
Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  löte  der  Seitenlinie,  und  die 
Querschuppenreihe  endigt  sich  gerade  am  Anus,  seltener  etwas 
vor  ihm. 

Die  Schuppen  sind  sehr  fein  und  zart,  ohne  jedoch  leicht 
abzugehen;  ihre  Grösse  ist  der  des  Fisches  proportionirt ;  sie 
sind  höher  als  lang  und  die  Grösse  der  Mittelschuppe  beträgt 
dem  Flächeninhalte  nach  ungefähr  ^  von  der  des  Augs. 

Die  Stelle  zwischen  den  Brustflossen  ist  unbeschuppt. 

Farbe.  Der  Rücken  ist  bräunlich,  grün  und  gelb  metallisch 
glänzend,  mit  unregelmässigen  schwarzen  Flecken.  Jede  Schuppe 
der  Seitenlinie  hat  um  ihre  Erhabenheit  schwarze  Flecken,  wie 
bei  Ahr.  bipunctatus.  Hält  man  den  Fisch  i-n  schräger  Richtung, 
so  kommt  oft  an  der  Seitenlinie  eine  auf  dunklem  Grunde  metal- 
lisch glänzende  Binde  zum  Vorschein.  Unter  der  Seitenlinie 
silberig;  die  ventrale  Seite  von  dem  durchscheinenden  Fleische 
etwas   bläulich.     Die  Strahlen    der  Rücken-   und   Schwanzflosse 


—     272     — 

sind  schwarz  gefleckt,  die  andern  Flossen  etwas  gelblich  ange- 
flogen. Bei  manchen  Individuen  ist  der  Kopf  mit  runden  schwarzen 
Flecken  besät.  Um  die  Pupille  ein  safrangelber  Ring,  der  aber 
oft  nicht  besonders  deutlich  ist ;  die  obere  Hälfte  der  Iris  von 
der  Farbe  des  Rückens,  die  untere  silberig. 

Grösse:  höchstens  6 — 7". 

Schlundkiefer.  Auf  jeder  Seite  finden  sich  zwei  Reihen 
kleiner  gekrümmter,  etwas  gezähneller  Zähne;  die  äussere  besteht 
aus  5  Zähnen,  die  innere  aus  2  viel  kleinern,  welche  in  der 
Schleimhaut  beinahe  ganz  verborgen  sind.  Diese  Zähne  wirken 
gegen  eine  kleine,  dreieckige,  etwas  rauhe  Platte. 

Skelett.  Der  Schädel  zeigt  sehr  viel  Aehnlichkeit  mit  dem 
des  Barben,  besonders  durch  die  Entwicklung  des  Ethmoidal- 
knochens,  welcher  wenig  abschüssig  nach  vorne,  platt,  viereckig, 
die  verlängerte  Form  des  Schädels  bedingt.  Ebenso  ist  auch 
der  erste  Infraorbitalknochen  sehr  in  die  Länge  gezogen.  Der 
Jochbeinbogen  ist  sehr  flach  und  wird  gebildet  durch  die  3  hintern, 
länglichen,  nahezu  gleich  langen  Infraorbitalknochen.  Der  Supra- 
orbitalknochen  (Surorbitaire)  ist  klein  und  weiter  nach  vorne 
gerückt,  als  bei  andern  Cyprinoiden.  Ich  habe  die  Zahl  der  Wir- 
bel zwischen  37  und  41  differirend  gefunden,  bei  einem  Indi- 
viduum mit  39  Wirbeln  gehörten  21  dem  Rumpfe  und  18  dem 
Schwänze  an.  Die  Zahl  der  Rippen  ist  im  Vergleiche  zu  der 
der  Rumpfwirbel  gering,  es  finden  sich  nur  13 — 16. 

Weichtheile.  Der  Darmkanal  ist  sehr  kurz,  nicht  länger 
als  der  Körper  des  Fisches,  Kopf  und  Schwanz  nicht  mitgerech- 
net. Nachdem  er  bis  zur  Hälfte  der  Bauchhöhle  herabgestiegen 
ist,  wendet  er  sich  wieder  nach  oben,  erreicht  aber  nicht  das 
obere  Ende  der  Bauchhöhle,  sondern  biegt  sich  bald  wieder  nach 
links  und  hinten,  um  vollends  gerade  bis  zum  Anus  zu  verlaufen. 
Die  Leber  ist  in  4  Lappen  getheilt ;  der  eine,  auf  den  man  von 
der  Bauchseite  zunächst  stösst,  liegt  in  der  ersten  Windung  des 
Darmkanals;  der  zweite  längste,  an  dessen  oberem  Theile  die 
Gallenblase  befestigt  ist,  liegt  an  der  rechten  Bauchhöhlenwand 
an  und  schlägt  sich  mit  seinem  untern  Ende  nach  links  zum 
letzten  Viertel  des  Darms  herum;  ein  driller  ganz  kurzer  Lappen 


—    2^3    — 

auf  der  linken  Seite  endet  unter  der  obern  Windung  des  Darm- 
kanals; der  vierte  endlich  liegt  zwischen  den  Geschlechtsorganen 
und  dem  gerade  verlaufenden  letzten  Theile  des  Darms.  Die 
Schwimmblase  weicht  von  der  der  übrigen  Leuciscus  nur  unbe- 
deutend ab;  die  hintere  Abtheilung  ist  nicht  ganz  doppelt  so 
lang  als   die  vordere  und  im  Vergleiche  zu  dieser  sehr  schmal. 

Nahrung.  Der  Grässling  muss  ausserordentlich  schnell 
verdauen,  da  ich  meist  das  Conlenlum  schon  so  verarbeitet  fand, 
dass  selten  das  Gefressene  noch  erkannt  werden  konnte.  Seine 
Nahrung  scheint  beinahe  allein  in  animalischen  Substanzen,  In- 
sekten, Würmern  u.  dergl.  zu  bestehen.  Dass  er  der  Fischbrut 
besonders  nachstelle,  bezweifle  ich,  da  ich  nie  eine  Spur  davon 
bemerken  konnte. 

Von  Entozoen,  welche  übrigens  im  Herbste  selten  bei 
ihm  zu  finden  sind,  ist  besonders  der  Filaria  ovata  zu  gedenken. 
Sie  findet  sich  in  der  Bauchhöhle,  gewöhnlich  mehrere  bei  ein- 
ander, und  erreicht  die  Dicke  und  Länge  eines  Gordius  aquaticus. 
Unter  10  untersuchten  Grässlingen  fand  ich  sie  einmal.  Am 
ganzen  Neckar  ist  sie  den  Fischern  sehr  wohl  bekannt,  welche 
sie  einstimmig  für  einen  jungen  Aal  erklären. 

Der  Grässling  laicht  vom  Mai  bis  in  den  Juni  und  setzt 
seine  Eier  auf  Steine  ab.  Er  findet  sich  heerdenweise  überall 
im  Neckar  häufig,  über  steinigem  und  schlammigem  Grunde.  Er 
hat  ein  zähes  Leben,  man  kann  ihn  in  frischem  Wasser  längere 
Zeit  aufbewahren,  und  ausser  dem  Wasser  lebt  er  noch  gegen 
eine  Stunde  fort.  Wegen  dieser  Lebenszähigkeit  gebraucht  man 
ihn  gerne  an  der  Angel  als  Köder,  besonders  da  ihn  alle  Raub- 
fische sehr  gerne  fressen.  Uebrigens  verdiente  der  Grässling 
seines  sehr  wohlschmeckenden,  gesunden  Fleisches  wegen  mehr 
Berücksichtigung,  als  dass  er  nur  hie  und  da  ausnahmsweise  zur 
Speise  benützt  wird. 


Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.  3s  Heft.  18 


274 


Leuciscus  tinca.  *) 

Cyprinus  tinca  L. 

Bloch,  t.  14. 

Mleidinger,  II.  t.  13. 

Tinca  vulgaris  C  u  v.  et  Val.  t.  484. 

Yarrell,  (s.328)  s.  375.  ( 

Jurine,  pl.  10. 

Fries  och  Ekström,  pl.  52. 

Tinca  chrysitis  Agass. 

Bon  aparte,  fauna  italica. 

Schleihe.         Tanche.         Tench 


j  Bartfaden  vergessen. 


An  jedem  Mundwinkel  ein  sehr  kleiner  Barl- 
faden.     Schuppen  ausserordentlich  klein. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet  sehr  breit,  dabei 
aber  doch  etwas  in  die  Länge  gestreckt,  wie  beim  Karpfen,  von 
oben  und  von  unten  ist  er  gegen  den  Kopf  hin  breit,  nach  hinten 
aber  bald  schmal  werdend.  Der  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe 
nur  wenig  ab  und  bildet  bis  zur  Rückenflosse  eine  ziemlich  starke 
Curve,  schon  vom  Anfange  der  Rückenflosse  senkt  er  sich  aber 
sehr  rasch  in  gerader  Linie  bis  vor  die  Caudalis,  gegen  welche 
er  noch  einmal  während  einer  kurzen  Strecke  ansteigt.  Das 
untere  Profil  ist  vom  Kopfe  bis  hinter  die  Afterflosse  nicht  be- 
sonders stark  gebogen  und  von  da  bis  zur  Caudalis  gerade. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  3Jmal  in  der  Totallänge  ent- 
halten, die  Länge  des  Kopfs  5mal,  oder  diese  ist  gleich  2imal 
die  Distanz  der  Augen  genommen.  Der  Kopf  ist  also  sehr  breit, 
dem  von  Leuciscus  dobiila  vergleichbar.  Die  Schnauze  und  das 
Maul  sind  breit,  der  Oberkiefer  länger  als  der  untere;  der 
Mund  ist  mehr  quer  als  seitlich  nach  hinten  gespalten ;  im  Mund- 


'•')  Der  Grund,  warum  ich  auch  das  Genus  Ti  nca  von  Cuvier  nicht 
beibehalten  habe,  ist  derselbe,  den  ich  oben  bei  Leuciscus  gobio  angab. 
Die  kleinen  Schuppen  sind  ebenso  wenig  als  die  Bartfäden  ein  generi- 
scher  Charakter,  da  auch  hier  sich  üebergänge  von  den  grössten  zu  den 
kleinsten  Schuppen  nachweisen  lassen. 


—    275    — 

Winkel,  am  untern  Ende  des  Oberkieferknochens  findet  sich  ein 
ganz  kleiner  Bartfaden. 

Der  Durchmesser  des  Augs  ist  in  der  Länge  des  Kopfs 
7— 8mal,  bei  jungen  Individuen  nur  6mal  enthalten.  Die  Pupille 
ist  nahezu  rund;  die  Entfernung  des  Augs  von  der  Schnauzen- 
spitze  gleicht  der  Distanz  der  Augen. 

Am  Kopfe  finden  sich  mehrere  Reihen  von  Schleimporen. 
Die  eine,  welche  als  Fortsetzung  der  Seitenlinie  betrachtet  wer- 
den kann,  zieht  sich  oben  auf  dem  Schädel  gegen  die  Schnauze, 
biegt  sich  herunter  um  das  Nasenloch  und  den  untern  Rand  des 
Auges  herum  und  kehrt  hinten  am  Schädel  wieder  zu  ihrem 
Anfang  zurück ;  eine  weitere  Reihe  verläuft  auf  dem  Praeoper- 
culum.  Der  Verlauf  dieser  Porenreihen  ist  auch  an  den  Schädel- 
knochen durch  vorragende  Röhrchen  oder  Löcher  deutlich  zu 
erkennen:  so  auch  beim  Karpfen,  der  Karausche,  dem  Brachsen. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  ausserordent- 
lich breit. 

Die  Flossen  sind  etwas  dick  und  abgerundet.  Die  Brust- 
flossen haben  15 — 18  Strahlen  und  einen  etwas  schlangen- 
linienförmig  gebogenen  Rand;  ihre  Länge  gleicht  der  der  Ven- 
trales und  der  Höhe  der  Dorsalis. 

Die  Bauch  flössen  hatten  bei  meinen  Exemplaren  nur 
10  Strahlen,  während  Bloch  und  Ekström  ihnen  11  zuschreiben. 
Bei  einigen  Individuen  war  der  erste  ungegabelte  Strahl  ausser- 
ordentlich dick,  wie  es  auch  an  der  Abbildung  von  Fries  und 
Ekström  ersichtlich  ist  und  von  Ekström*)  als  allgemeine 
Beobachtung  angegeben  wird.  Bon  aparte  und  Vale  nciennes 
sagen  hievon  weder  etwas  in  ihrer  Beschreibung,  noch  stellen 
sie  es  in  ihren  Abbildungen  dar.  Als  Resultat  verschiedener 
Untersuchungen  ergab  es  sich,  dass  die  Individuen  mit 
dickem  Strahle  Männchen,  die  andern  Weibchen 
sind.     Die  Bauchflossen  sind  länger  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  inserirt  sich  unmittelbar  hinter  oder 
noch  über  der  Insertion  der  Ventrales  und  ist  vom  Kopfe  weiter 
entfernt  als  von  der  Schwanzflosse.     Sie  hat   12  Strahlen,    von 


•)  Fische  von  Mörkö,  p.  69. 

18* 


—    276     — 

welchen  die  beiden  ersten  ganz  rudimentär  sind,  der  dritte  halb 
so  hoch  als  der  vierte ,  dieser  ungegabelt  und  erst  der  fünfte 
gespalten  ist. 

Die  Afterflosse  gleicht  in  der  Form  der  Dorsalis;  sie 
hat  11  Strahlen,  von  welchen  die  beiden  ersten  ganz  rudimentär 
sind;  der  dritte  ist  um  |  kürzer  als  der  vierte,  ungegabelte, 
erst  der  fünfte  ist  gespalten. 

Die  oben  und  unten  abgerundete  Schwanzflosse  hat 
19  Strahlen,  keinen  Ausschnitt,  sondern  einen  geraden  Rand. 

Die  Seitenlinie  senkt  sich  von  der  Höhe  der  Schulter 
in  seichtem  Bogen  unter  die  Mittellinie  des  Leibs  bis  zum  letzten 
Drittel  der  Körperlänge  und  verläuft  vollends  gerade  und  in  der 
Mittellinie  des  Schwanzes  bis  zur  Caudalis.  Sie  besteht  aus 
etwa  95  Schuppen,  welche  wegen  ihrer  Kleinheit  und  des  sie 
bedeckenden  zähen  Schleimes  schwierig  zu  zählen  sind. 

Q  u  e  r  s  c  h  u  p  p  e  n  r  e  i  h  e.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  etwa  30  über  und  18  —  22  Schuppenreihen  unter  der  Seitenlinie. 

Die  Schuppen  sind  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches 
ausserordentlich  klein,  viel  länger  als  hoch  und  gleichen  der 
Form  nach  Schmetteriingsschuppen;  sie  liegen  aber  etwa  nur  zu 
i  ihrer  Länge  frei  an  der  Oberfläche.  Die  Fortsätze  der  Haut, 
in  welcher  sie  stecken,  ragen  sehr  weit  zwischen  den  einzelnen 
Schuppen  hervor  in  eine  ausserordentlich  dicke  und  zähe  Schleim- 
schicht hinein,  von  welcher  der  ganze  Fisch  überzogen  ist.  Die 
Mittelschuppe  ist  etwa  so  hoch  als  der  Durchmesser  der  Pupille, 
aber  noch  einmal  so  lang. 

Farbe.  Die  Schleihe  ist  gewöhnlich  oben  dunkelgrün, 
metallisch  glänzend,  an  der  Seite  mit  goldenem  Schimmer,  unten 
heller  mit  vielen  schwarzen  Pigmentflecken.  Die  Flossen  sind 
schwarz.  Die  Iris  roth  mit  goldenem  Glänze.  Es  ist  mir  nicht 
bekannt,  dass  die  Varietät  der  Goldschleihe  (Bloch  t.  15)  im 
Neckargebiete  gefunden  wurde. 

Grösse.  Obgleich  die  Schleihe  unter  günstigen  Verhält- 
nissen ein  Gewicht  von  7  —  8  Pfd.  erreichen  soll,  so  sind  die 
im  Neckar  gefangenen  selten  über  IJ  Pfd.  schwer. 

Schlundkieferzähne  finden  sich  nur  5  dicke,  welche 
in  einer  Reihe  gedrängt  an  einander  stehen. 


—    277    — 

Am  Skelette  zähle  ich  40  Wirbel,  von  welchen  22  dem 
Rumpfe  und  18  dem  Schwänze  angehören;  19  Rippen. 

Weicht  heile.  Der  Darmkanal  zeigt  in  seinem  Verlaufe 
keine  Abweichung  von  der  bei  den  Leuciscus  gewöhnlichen  An- 
ordnung. Die  Leber  ist  sehr  gross,  nicht  nur  ist  die  obere 
Verbindungsbrücke  der  Lappen  von  ungewöhnlicher  Mächtigkeit, 
sondern  ein  Lappen  reicht  sogar  bis  an  das  untere  Ende  der 
Bauchhöhle.  Die  Milz  gross,  nach  hinten  schmal,  in  eine  Spitze 
auslaufend;  die  Gallenblase  langgestreckt,  dickwandig,  innen  mit 
Längsfalten.  Die  Eier  sind  ausserordentlich  klein.  Die  Testikel 
fand  ich  wenigstens  im  Herbste  klein  und  schmal.  Schwimm- 
blase  kurz,  aber  sehr  dick. 

Die  Nahrung  der  Schi  ei  he  besteht  hauptsächlich  in 
Schlamm,  in  welchem  sich  organische  Reste  zersetzen,  aber  auch 
in  Pflanzen,  Insekten,  Würmern  etc.  Sie  laicht  im  Juni  und 
setzt  ihre  kleinen  Eier  an  Pflanzen  im  Wasser  ab.  Ich  glaube 
jedoch  nicht,  dass  sie  sich  im  Neckar  fortpflanzt,  sie  liebt  nur 
ganz  ruhige  Wasser  mit  schlammigem  Grunde.  In  den  Altwassern 
des  Neckars  ist  sie  häufig  und  von  da  gelangt  sie  selten  in  den 
Neckar.  Sie  hat  ein  sehr  zähes  Leben  und  kann  Tage  lang 
ausserhalb  des  Wassers  aushalten.  Ihr  Fleisch  ist  nicht  verachtet, 
da  es  von  Gräten  frei  ist,  obgleich  es  meist  einen  modrigen 
Beigeschmack  hat  und  schwer  verdaulich  ist. 

Leuciscus  phoxinus  Cuv. 

Cyprinus  phoxinus  L. 
Bloch,  t.  8.  f.  5  (zu  lang). 
Meidin  ger,  t.  39. 
Cypr.  rivularis  Fall, 
Juri  n  e,  pl.  14. 
Yarrell,  (s.  372.)  s.  423. 
Phoxinus  laevis  Agass. 

Pfeile.  Veron.  Minow  or  Pink. 

Schuppen  sehr  klein,  in  der  Seitenlinie  über 
80;  kein  Bartfaden. 

Der  Körper  dieses  Fischchens  ist  von  rundlicher,  beinahe 


-    278    — 

cylindrischer  Gestalt;  von  der  Seite  betrachtet  sehr  schmal  und 
in  die  Länge  gestreckt.  Der  Rücken  dagegen  erscheint  von  oben 
sehr  breit,  abgerundet,  mit  einer  Furche,  welche  sich  vom  Kopfe 
bis  zur  Rückenflosse  erstreckt;  er  ist  hinter  dem  Kopfe  deutlich 
abgesetzt  und  verlauft,  nur  schwach  sich  gegen  die  Rückenflosse 
erhebend ,  beinahe  gerade  bis  zur  Caudalis.  Auch  das  untere 
Profil  ist  ziemlich  gerade.  Das  ganze  Thier  ist  mit  einer  dicken, 
nach  dem  Tode  abtragbaren  Schleimschicht  überzogen. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  gleich  der  Länge  des  Kopfs  und 
nicht  ganz  6mal  in  der  Totallänge  enthalten,  die  Distanz  der 
Augen  in  der  Kopflänge  2.^mal.  Die  Schnauze  dick,  abgerun- 
det; der  Oberkiefer  überragt  kaum  den  untern;  das  Maul  ist  mehr 
quer  als  seitlich  nach  hinten  gespalten.  Der  Durchmesser  des 
Augs  beträgt  i  der  Kopflänge;  die  Pupille  mit  einem  Winkel 
nach  vorne.  Die  Entfernung  des  Augs  von  der  Schnauzenspitze 
ist  3Jmal  in  der  Länge  des  Kopfes  enthalten. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  sehr  entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  15  Strahlen  und  einen  stark 
gebogenen  Rand ;  sie  sind  länger  als  die  Bauchflossen  und  als 
die  Dorsalis  hoch  ist. 

Die  Bauch  flössen  haben  8  Strahlen,  sind  abgerundet 
und  nicht  so  lang  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  inserirt  sich  zwischen  Bauch-  und 
Afterflosse  und  ist  vom  Kopfe  ebenso  weit  entfernt  als  von  der 
Caudalis.     Ihr  oberer  Rand  ist  etwas  convex.     10  Strahlen. 

Die  Afterflosse,  so  lang  und  so  hoch  als  die  vorige, 
mit  etwas  convexem  unterem  Rande.  Sie  gleicht  in  der  Form 
der  Dorsalis  und  hat  wie  diese   10  Strahlen. 

Die  Schwanzflosse  hat  19  Strahlen,  ihr  Einschnitt  ist 
nicht  besonders  tief. 

Die  Seitenlinie  ist  etwas  nach  unten  gebogen,  verläuft 
aber  sonst  ziemlich  gerade,  mit  Ausnahme  einiger  unbedeutender 
und  unregelmässiger  Ausbiegungen;  sie  besteht  aus  etwa  84 
Schuppen,  welche  wegen  ihrer  Kleinheit  etwas  schwer  zu  zählen 
sind  und  von  welchen  die  letzten  15 — 20  nicht  mehr  durch  die 
Ausführungsgänge  der  Schleimdrüse  durchbohrt  werden. 


—    279    — 

Querschlippen  reihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zähle 
ich  etwa  15  Schuppenreihen  über  und   14  unter  der  Seilenlinie. 

Die  Schuppen  sind  sehr  klein  und  an  manchen  Stellen, 
wie  auf  dem  Rücken,  so  dünne,  dass  man  anfangs  diese  Par- 
thieen  für  nackt  hält,  und  erst  wenn  man  sie  getrocknet  hat,  ihre 
Beschuppung  erkennen  kann.  Die  Schuppen  fehlen  aber  zwischen 
den  Brustflossen.  Die  Mittelschuppe  ist  viel  kleiner  als  die  Pupille. 

Die  Pfeile  variirt  ungemein  in  der  Färbung,  so  dass  kaum 
2  Beschreibungen ,  zumal  wenn  sie  nach  Exemplaren  aus  ver- 
schiedenen Gegenden  gemacht  sind,  mit  einander  übereinstimmen 
werden.  Auch  verschwindet  oder  verändert,  sich  die  lebhafte 
Färbung  sogleich  nach  dem  Tode.  Oben  ist  die  Pfeile  oliven- 
grün oder  isabellfarbig,  die  Seiten  und  der  Bauch  silberglänzend. 
In  der  vertieften  Mitte  des  Rückens  findet  sich  meist  eine  bald 
schwärzliche,  bald  gelbliche  Binde.  Betrachtet  man  den  Fisch 
in  schräger  Richtung,  so  erscheint  über  der  Seitenlinie  ein  gold- 
glänzendes breites  Band.  Bei  manchen  Individuen  finden  sich 
viele  unregelmässige  schwarze  Querbinden  an  den  Seiten  des 
Leibs.  Oft  sieht  man  an  der  Basis  der  unpaaren  Flossen,  be- 
sonders der  Schwanzflosse  einen  schwarzen  Fleck.  Die  Schuppen 
sind  mit  schwarzen  Pigmentfleckchen  besät,  was  unter  der  Loupe 
noch  deutlicher  wird.  Die  Iris  ist  weiss,  hie  und  da  oben 
etwas  gelblich. 

Die  Pfeile  erreicht  weniger  im  offenen  Neckar  als  an  Stellen, 
wo  Bäche  mit  schlammigem  Grunde  sich  in  ihn  ergiessen,  eine 
beträchtliche  Grösse.  Gewöhnlich  wird  sie  nur  3J"  gross; 
das  grösste  Exemplar,  welches  Valenciennes  sah,  halte  4"  2'". 
An  der  Einmündungsslelle  der  Ammer  in  den  Neckar  bei  Tübingen 
wurden  2  Exemplare  gefangen,  von  welchen  das  eine  4"  1'", 
das  andere  4"  4'"  rnass. 

Es  finden  sich  2  Reihen  Schlundkieferzähne;  in 
der  äussern  5  gekrümmte,  nicht  sägeförmig  eingeschnittene,  in 
der  Innern  2  viel  kleinere.  Die  obere  Platte  besteht  aus  einem 
vordem ,  mit  Höckern  versehenen,  doppelherzförmigen  ,  mit  der 
Spitze  nach  vorwärts  gerichteten  Stücke  und  einer  hintern  kleinern 
nabeiförmig  hervorragenden  Erhabenheit. 


-     280    — 

Skelett.  Die  Schädeldecke  ist  abgerundet  und  glatt; 
das  Ethmoidalbein  ist  oblongal,  aber  nicht  wie  bei  andern  Leu- 
ciscus  mit  der  breiten  Seite  gegen  die  Schnaulze  gekehrt,  son- 
dern mit  der  schmalen.  Der  Supraorbitalknochen  ist  sehr  gross 
und  begränzt  beinahe  den  ganzen  obern  Augenkreis.  Der  obere 
hintere  Winkel  des  Kiemendeckels  verlängert  sich  nach  oben, 
so  dass  dieser  oben  halbmondförmig  ausgeschweift  erscheint. 
Der  Humerus  sehr  breit,  wenigstens  sein  aufsteigender  Ast;  das 
os  innominatum  nur  bis  zur  Hälfte  gespalten.  Es  finden  sich 
40  Wirbel,  von  welchen  21  dem  Rumpfe,  19  dem  Schwänze  an- 
gehören.    15 — 16   Rippen. 

W  e  i  c  h  t  h  e  i  1  e.  Der  Darmkanal  mit  seinen  2  Windungen 
zeigt  keine  Abweichung  von  der  bei  den  Leuciscus  gewöhnlichen 
Bildung.  Das  Peritoneum  ist  ein  wenig  schwarz  pigmentirt:  die 
hintere  Abtheilung  der  grossen  Schwimmblase  ist  an  beiden  Enden 
abgerundet,  so  dass  das  hintere  dicker  ist  als  das  vordere;  in 
der  Mitte  schnürt  sich  diese  Abtheilung  ein  wenig  ein. 

Nahrung.  Dieser  kleine  Fisch  ist  sehr  gefrässig  und 
beisst  an  der  Angel  an,  sobald  er  den  daran  befestigten  Regen- 
wurm gewahr  wird.  Er  nährt  sich  ausserdem  von  Insekten, 
kleinen  Helix,  Samenkörnern  und  andern  vegetabilischen  Stoffen. 

E  n  t  0  z  0  e  n.  Das  ganze  Jahr  finden  sich  in  seinen  Ein- 
geweiden nicht  selten  verschiedene  Arten  von  Echinorhynchus. 

Die  Pfeile  laicht  erst,  wenn  es  schon  recht  warm  ist, 
etwa  im  Juni,  und  zwar  längere  Zeit  hindurch.  Die  Eier  werden 
auf  steinigem  Grunde   abgesetzt. 

Sie  hält  sich  am  liebsten  auf  an  klaren  Stellen  mit  kie- 
sigem oder  sandigem  Grunde  ,  wo  zugleich  das  Ufer  mit  Gras 
bewachsen  ist.  Sie  lebt  hier  gesellig  in  grossen  Schaaren  und 
ist  einer  der  häufigsten  Fische  des  Neckars.  Dass  sie  die  Ge- 
sellschaft anderer  Fische  meide,  wie  Bloch  angibt,  kann  ich 
nicht  bestätigen,  indem  ich  zugleich  mit  der  Pfeile  beinahe  alle 
andern  Leuciscus  gefangen  habe.  Sie  hat  ein  zartes  Leben, 
doch  kann  man  sie,  wenn  sie  täglich  mit  frischem  W^asser  ver- 
sehen wird,  lange  Zeit  am  Leben  erhalten. 

Obgleich   ihr   Fleisch   sehr    wohlschmeckend   sein    soll,    so 


n:-sh?ü  !X  Mr« 


Tuf  \7 


»■ 


^1^^^^^ .  y^^,i,^.^^.r^/^y'f'4^'r^\ 


Neckar 


Gedr.v.G  Kusiner 


—    281     - 

wird  sie  doch  bei  uns  nicht  gegessen,  da  der  kleine  Fisch  die 
Mühe  einer  besonderen  Zubereitung  nicht  verlohnt.  Dieser  be- 
darf er  aber,  indem  die  Gallenblase,  welche  das  Fleisch  durch 
ihren  bitlern  Geschmack  ungeniessbar  macht,  entfernt  werden 
muss.  Der  Nutzen  der  Pfeile  besteht,  um  mich  eines  stehenden 
Ausdrucks  älterer  Naturforscher  zu  bedienen,  nur  darin,  dass 
sie  andern  Fischen  zur  Nahrung  dient. 

Leuciscus  muticellus    B  o  n  a  p. 

Hiezu  die  Abbildung. 

Bonaparte,    Fauna  ital.  Pesci.   t.   116. 

Hasel  in  Tübingen;         Gangfisch  in  Heilbronn. 

Auf  der  Seitenlinie  54  bis  60  Schuppen;  After- 
flosse  12strahlig;  Schlundkieferzähne,  in  der  äus- 
sern Reihe  5,  in  der  innern  2;  über  der  Seiten- 
linie eine  dunkle  Binde. 

Der  Körper  dieses  Fisches  ist  von  der  Seite  betrachtet, 
schmal  und  langgestreckt,  von  oben  und  unten  erscheint  er  breit. 
Der  Kücken  steigt  sogleich  hinter  dem  Kopfe  ziemlich  steil  an, 
und  verläuft  dann  breit,  abgerundet  und  ziemlich  gerade  bis  zur 
Schwanzflosse.     Aehnlich  das  unlere  Profil. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  über  5mal  in  der  Totallänge 
enthalten,  bei  einem  9"  langen  Exemplar  sogar  6mal.  Aber  wie 
bei  andern  Fischen  ist  während  der  Laichzeit ,  besonders  bei 
Weibchen  die  Höhe  im  Allgemeinen  bedeutender. 

Die  Länge  des  Kopfs  ist  5J— 5|mal  in  der  Totallänge 
enthalten,  oder  etwas  geringer,  als  die  Sfache  Distanz  der  Augen. 
Das  Maul  ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt,  seine  seit- 
lichen Händer  stehen  beinahe  horizontal;  der  Oberkiefer  über- 
ragt deutlich  den  untern,  bei  6"  langen  Exemplaren  um  1"'  und 
gibt  der  Schnauze  eine  zugespitzte  Form. 

Der  Durchmesser  des  Augs  ist  in  der  Länge  des  Kopfs 
5mal  enthalten;  seine  Entfernung  von  der  Schnauze  ist  gleich  der 
Distanz  der   Augen.     Die  Pupille  hat  einen  Winkel  nach  unten. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  nicht  besonders 
stark  entwickelt. 


—    282     — 

Die  Brustflossen  haben  15  — 16  Strahlen,  ihre  Länge 
übertrifft  die  der  Ventrales  und  die  Höhe  der  Dorsalis ;  sie 
sind  schmal,  mit  sehr  wenig  convexem  Rande. 

Die  abgerundeten  Bauch  flössen  sind  9 — lOstrahlig  und 
länger,  als  die  Analis  hoch   ist. 

Die  Rückenflosse  steht  über  oder  unmittelbar  hinter 
der  Insertion  der  Ventrales.  Ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist 
gleich  der  von  der  Schwanzflosse,  oder  es  sind  beide  nur  um 
ein  Unbedeutendes  verschieden  und  zwar  dann  immer  so,  dass 
die  Dorsalis  dem  Kopfe  etwas  näher  gerückt  ist.  Sie  hat  meist 
10,  selten   11  Strahlen  und  ihr  oberer  Rand  ist  gerade. 

Die  Länge  der  Afterflosse  fand  ich  meist  gleich  der 
der  Rückenflosse,  hie  und  da  etwas  geringer.  Sie  ist  aber  nicht 
so  hoch  als  diese,  gleicht  ihr  jedoch  in  der  Form.  Bei  weitem 
am  häufigsten  fand  ich  als  Zahl  der  Strahlen  12,  einigemal  nur 
10  und  11,  einmal  13.  Der  untere  Rand  der  Flosse  ist  etwas 
convex. 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  Aus- 
schnitt. 

Die  Seite  nli  nie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  dem 
Kiemendeckel  beginnt,  in  einem  schwachen  Bogen  sich  krümmend, 
ganz  allmählig  ab,, und  verläuft  in  diesem  Bogen,  etwas  unter 
der  Mittellinie  des  Leibs,  bis  zur  Afterflosse.  Von  da  an  ist 
ihre  Richtung  gerade  und  in  der  Mittellinie  des  Schwanzes  bis 
zur  Caudalis.  Sie  besteht  aus  54  —  60  Schuppen,  deren  Erhaben- 
heiten nicht  besonders  stark  markirt  sind,  und  welche  meist  da, 
wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die  Erhabenheil  der  nächsten  Schuppe 
stossen,  einen  Ausschnitt  haben. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  9 — 10,  selten  11,  unter  ihr  5 — 6,  selten 
7  Schuppenreihen.  Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  30.  der 
Seitenlinie,  und  das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  auf 
den  Anfang  des  hintern  Drittels  der  Distanz  zwischen  Bauch- 
und  Afterflosse. 

Die  Schuppen  sind  klein,  mit  vielen  Streifen  versehen, 
so  hoch  als  lang.  Die  Mittelschuppe  bedeckt  gerade  die  Pupille 
und  den  sie  umgebenden  gelben  Ring. 


—     283     — 

Farbe.  Der  Rücken  ist  dunkel  bleifarbig,  die  Seiten  heller, 
der  Bauch  weiss;  über  der  Seitenlinie  findet  sich  eine  dunkle 
metallisch  glänzende  Binde  ,  welche  aus  vielen  schwarzen  Pig- 
mentflecken zusammengesetzt  ist ;  sie  setzt  sich  auf  dem  Kiemcn- 
deckel  fort  und  ist  hier  am  dunkelsten.  Die  Seitenlinie  ist  gelb, 
welche  Färbung  von  gelben  Flecken  herrührt,  von  denen  je  einer 
auf  den  Schuppen  der  Seitenlinie  sitzt.  Ein  solcher  Fleck  ist 
da  am  intensivsten,  wo  die  Oeffnungen  der  Schleimdrüse  liegen. 
Die  Basis  der  unlern  Flossen  gelb,  seltener  auch  die  der  Rücken- 
und  Schwanzflosse.  Um  die  Pupille  ein  orangegelber  Ring, 
der  äussere  Theil  der  Iris  dunkel  pigmentirt.  Die  Spalte  zwischen 
Kiemendeckel  und  Praeoperculum  gelb. 

Grösse.  Dieser  Fisch  erreicht  gewöhnlich  nur  die  Länge 
von  6—7",  selten  trifft  man  Individuen  von  9";  letztere  er- 
hielt   ich   von  Heilbronn. 

S  c  h  1  u  n  d  k  i  e  f  e  r.  Auf  jeder  Reihe  stehen  2  Reihen  von  Zäh- 
nen. In  der  äussern  stehen  5,  welche  sämmtlich  eine  nach  innen 
gekrümmte  Spitze  haben,  und  von  denen  die  grösseren  gezähnelt 
sind;  in  der  innern  2  viel  kleinere.  Oft  finden  sich  ringsum 
in  der  Schleimhaut  die  Ersatzzähnchen,  an  welchen  die  Zähne- 
lung  noch  deutlicher  erscheint.  —  Die  Platte,  gegen  welche  die 
Schlundkiefer  wirken,  ist  länglich-oval  und  höckerig. 

Die  Nahrung  dieses  Fisches  besteht  ebenso  aus  vegeta- 
bilischen, als  animalischen  Substanzen.  Unter  anderem  fand  ich 
in  seinem  Magen  Laufkäfer  und  kleine  Mollusken. 

Von  Entozoen  habe  ich  nur  im  Oktober  den  Echino- 
rhynchus  proteus  häufig  angetroffen. 

Er  laicht  im  April,  nur  während  3—4  Tage,  und  setzt 
seine  Eier  auf  Steine  ab.  Dabei  ist  es  eigenthümlich  ,  dass  er 
sich  in  dieser  kurzen  Zeit  mit  der  Nase  (Chondrostoma  nasus) 
zusammenhält  und  gemeinschaftlich  mit  den  Schaaren  dieser 
Art  sein  Fortpflanzungsgeschäft  verrichtet.  Er  ist  im  ganzen 
Neckar  ziemlich  häufig,  von  den  Fischern  aber  sehr  verachtet. 
Zur  Speise  wird  er  gar  nicht  benützt  und  nur  als  Futter  für 
andere  Fische,  besonders  auch  für  die  Krebse  gefangen. 

Auffallend  ist  es,    dass  die  Kenntniss    dieses  Fisches    trotz 


—    284    =- 

seiner  Häufigkeit  eine  so  unsichere  geblieben  ist.  Entweder 
war  er  denen,  welche  bis  jetzt  die  Neckarfische  untersucht  haben, 
ganz  unbekannt,  da  er  von  den  Fischern  als  nutzloser  Fisch  nicht 
gefangen  wird;  oder  wurde  er  mit  Cypr.  leuciscus  zusammen- 
geworfen, mit  welchem  er,  zumal  da  nach  dem  Tode  die  Farben 
bald  verbleichen,  verwechselt  werden  könnte,  von  dem  er  sich 
aber  hinlänglich  durch  die  gestrecktere  Körperform,  die  viel 
kleinern  Schuppen  und  das  schwarze  Peritoneum  unterscheidet. 
Doch  mögen  zu  einer  Verwechslung  mit  diesem,  sehr  viel  seine 
Trivialnamen  „Hasel  und  Gang  fisch"  beigetragen  haben. 
Diese  sind  nämlich  als  Colleclivnamen  zu  betrachten,  mit  welchen 
keine  besondere  Species  bezeichnet  wird;  sondern  es  werden 
durch  sie  mehrere  kleinere,  nutzlosere  Fische  umfasst.  So  be- 
nennt man  mit  dem  ersten  Namen  in  Nord-Deutschland  den 
Cypr.  dohula  oder  unsern  Schuppfisch,  am  Bodensee  und  an  der 
Donau  den  Cypr.  leuciscus,  am  obern  Neckar  unsere  Art  von 
Leuciscus.  „Gangfisch"  bezeichnet  eine  Menge  kleinerer  Fische 
aus  ganz  verschiedenen  Familien:  am  Bodensee  wird  so  der 
junge  Blaufelchen  (Coregonus  lavarettis)  und  oft  auch  Cypr. 
alburnus  genannt,  am  untern  Neckar  wird  darunter  Cypr.  leu- 
ciscus und  unsere  Art  von  Leuciscus  zusammengeworfen. 

Im  Naturalienkabinete  zu  Tübingen  findet  sich  ein  ausge- 
stopftes Exemplar  unseres  Fisches,  mit  der  Benennung  Cypr. 
dobula,  ein  anderes  unter  dem  Namen  Cypr.  aphya,  welche  beide 
wahrscheinlich  aus  der  alten  Schübler'schen  Sammlung  her- 
stammen und  auch  daher  ihre  Etiquette  gebracht  haben.  C. 
aphya  ist  eine  oft  gebrauchte  und  für  viele  Arten  gemissbrauchte 
Benennung  vonLinne  für  einen  kleinen  Fisch,  der  nicht  mehr 
bestimmt  werden  kann,  den  aber  Valenciennes  für  C.  phoxi- 
nus  hält.  C.  aphya  von  Bloch  wird  von  Valenciennes 
für  seinen  Leuciscus  iris  angesprochen.  >Vie  dem  sei,  C.  aphya 
von  Linne  oder  Bloch  kann  nicht  auf  unsern  Fisch  bezogen 
werden.  Dagegen  beschreibt  Valenciennes  einen  Leuciscus 
Agassizii  und  bildet  ihn  Tab.  495  ab,  welcher  in  manchem  mit 
unserer  Art  übereinstimmt,  besonders  nach  der  beigpgebenen  Ab- 
bildung. Leider  stimmt  aber  diese  nicht  mit  dem  Texte  über- 
ein :    nach  der  Abbildung    hatte    der  Fisch    wie   der   unsrige  54 


—    285    — 

Schuppen  in  der  Seitenlinie,  nach  dem  Texte  aber  nur  43.*) 
Da  ausserdem  Valenciennes  ausdrücklich  für  seinen  Leucis- 
cus  Agassizii  in  der  äussern  Schlundkieferreihe  nur  4  Zähne,  in 
der  innern  nur  einen  als  besondere  Eigenthümüchkeit  beansprucht, 
so  kann  unsere  Art  von  jenem  verschieden  sein. 

Vergleicht  man  meine  Beschreibung  und  Abbildung  mit  der 
von  Bonaparte,  so  wird  man,  schon  in  der  Diagnose,  auf  Unter- 
schiede aufmerksam  gemacht,  welche  vermulhen  Hessen,  dass 
unser  Neckarfisch  von  dem  Bonaparte's  specifisch  verschieden 
sei.  Trotz  aller  Verwandtschaft  bleibt  doch  die  bedeutende  Länge 
der  paarigen  Flossen  ,  besonders  der  Pectorales,  welche  die  Basis 
der  Ventrales  erreichen,  bei  L.  muticellus  Bonap.  höchst  auf- 
fallend; und  ich  hielt  mich  lange  Zeit  nach  sorgfältiger  Prüfung 
für  berechtigt,  den  Fisch  des  Neckars  als  eigene  Species  zu 
betrachten,  hatte  ihm  auch  wegen  seines  schwarz  -  pigmentirten 
Peritoneums  den  Namen  L.  melanoticus  bestimmt.  Ein  leichterer 
Unterschied  war,  dass  der  Fisch  Bonaparte's  nach  der  An- 
gabe von  Valenciennes  in  der  innern  Reihe  der  Schlund- 
kieferzähne 3  Zähne  hat,  während  ich  bei  dem  des  Neckars  nur 
2  fand.  Entscheidend  musste  eine  genaue  unmittelbare  Ver- 
gleichung  der  Fische  aus  beiden  Ländern  sein,  und  die  Herrn 
Conservatoren  des  zoologischen  Museums  in  Stuttgart  hatten 
auf  meinen  Wunsch  die  Güte  ,  nebst  andern  Fischen  auch  dea 
L.  muticellus  Bonap.  aus  der  Lombardei  sich  zu  verschaffen. 

Die  angekommenen  Exemplare  stimmten  nun  anatomisch 
vollkommen  mit  den  unsrigen  überein,  in  zoolo- 
gischer Beziehung  mehr,  als  mit  dem  von  Bonaparte;  die 
Länge  ihrer  Flossen  war  nicht  bedeutender,  als  bei  den  unsern  : 
somit  scheint  schon  in  Italien  dieser  Charakter  zu  variiren ;  es 
fanden  sich  auch  nur  2  Schlundkieferzähne  in  der  innern 
Keihe;  das  Peritoneum  schwarz.  Dagegen  sind  bei  ihnen  die 
Schuppen  etwas  grösser,  in  der  Seitenlinie  finden  sich  nur  48 — 50. 
Bei    der  Beurtheilung    der    angegebenen   Unterschiede   kam  mir 


'■')  Es  könnte  jedoch  die  Frage  entstellen,  ob  das  quarante-trois  nicht 
durch  ein  Versehen  des  Schreibers  oder  Druckers  aus  einem  cinquante- 
trois  entstanden  ist. 


—     286    — 

die  Untersuchung  des  Leuciscus  eryfhrophthalmus  sehr  zu  stalten; 
hier  finden  wir,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden,  die  Länge 
der  Brustflossen  und  die  Zahl  der  Schlundkieferzähne  in  der- 
selben Weise  variirend.  Nach  diesen  mir  vorliegenden  That- 
sachen  halte  ich  diesen  Leuciscus  des  Neckars  mit  dem  Italiens 
für  identisch,  und  die  von  Bonaparte  beschriebene  Art  für 
eine  Varietät  mit  verlängerten  Flossen.  Nur  dann,  wenn  an 
Ort  und  Stelle  diese  Varietät  und  die  mir  zugekommenen  Exem- 
plare aus  der  Lombardei  als  verschiedene  Species  erkannt  wür- 
den, müsste  ich  auch  den  von  mir  beschriebenen  Fisch  als  eigene 
Art  mit  dem  angegebenen  Namen  aufrecht  erhalten.  So  aber 
bleibt  mir  nichts  anderes  übrig  als  den  von  B  on  a  par  t  e,  wenn 
auch   nur  für  eine  Varietät  gewählten  Namen  beizubehalten. 

Zu  vergleichen  wäre  sodann  noch  der  Squalius  UklivaUecl..*) 
welchen  ich  nach  seiner  hier  beigefügten  Beschreibung  ebenfalls 
mit  unserem  Neckarfische  für  identisch  halte  : 

„Squalius  Ukliva.  Körper  etwas  comprimirt ;  Kopf  kurz, 
„dick,  stumpf,  y\  der  Gesammtlänge  oder  ^  der  grössten  Körper- 
„höhe  gleich.  Nase  dick,  vorragend;  Mund  klein.  11  Schuppen- 
„reihen  über,  6  unter  der,  aus  64  Schuppen  bestehenden  Lin. 
„tat.  ;  Rückenflosse  perpendikulär  über  den  Bauchflossen 
„entspringend;  D  :  3  |  7.  A  |  3  |  8.  Gelblich-silbern  mit  schwärz- 
„lich-grünem  Kücken  und  einem  schwärzlichen  breiten,  oft  aber 
„kaum  sichtbaren  Längsstreif  an  jeder  Seile ;  Basis  der  Flos- 
„s  e  n  orange,  (wie  an  der  vorbeschriebenen  Art,  von  welcher  er 
„sich  vorzüglich  durch  höheren  Körper ,  kürzeren  Kopf  und 
„grössere  Schuppen  unterscheidet).  Länge  6".  Im  Flusse 
„Cetlina." 

Wir  haben  noch  einiges  über  die  Anatomie  dieses  Fisches 
beizufügen ,  die  sich  jedoch  im  Wesentlichen  von  der  seiner 
Galtungsverwandten  nicht  unterscheidet. 

Der  Zwischenkiefer  ist  schmäler,  als  der  obere,  reicht  aber 
soweit  herunter  als  dieser  und  befestigt  sich  zugleich  mit  ihm 
an  dem  breiten  aufsteigenden  Aste  des  Unterkiefers.  Die  vor- 
dere   Jochbeinplatte     liegt    zwischen    Vorderstirnbein    und    dem 


*)  Russegger's  Reisen.  Bd.  I.  p.  1042. 


—     287    — 

Oberkiefer  und  hat  eine  schuppenförmige  Gestalt,  unten  mit 
abgerundetem  Rande;  mit  ihrer  obern  concaven  Seite  bildet  sie 
einen  Theil  des  Randes  der  Nasenhöhle.  Mit  der  zweiten  Platte 
beginnt  eigentlich  erst  der  Infraorbitalbogen  ;  sie  ist  länglich  mit 
vorderem  breitem  Ende,  nach  hinten  sich  verschmälernd,  und 
der  Jochbogen  ist  da,  wo  die  2.  und  3.  Platte  sich  vereinigen, 
am  schmälsten.  Die  3.  ist  vorne  schmal  und  nach  hinten  breiter; 
sichelförmig  gebogen  mit  unterem  convexem  und  oberem  con- 
cavem  Rande  bildet  sie  schon  einen  Theil  des  aufsteigenden 
hinlern  Astes  des  Jochbogens.  Er  wird  geschlossen  durch  die 
4.  Platte,  welche  gleichmässig  oblongal  ist  und  sich  durch  Ver- 
mittlung eines  ganz  kleinen  Knochens  mit  dem  Hauptstirnbeine 
verbindet.  Wie  überhaupt  bei  den  Cyprinus  sind  alle  diese 
Platten  ihrer  ganzen  Länge  nach  von  einer  Röhre  durchzogen, 
welche  mit  den  Schleimcanälen  und  Poren  der  Weichtheile  im 
Zusammenhange  steht.  Der  Supraorbitalknochen  ist  lang,  schmal, 
legt  sich  an  die  Seiten  der  Stirnbeine  an  und  bildet  den  vordem 
obern  freien  Rand  der  Augenhöhle.  Der  Kiemendeckel  ist  ein 
unregelmässiges  Trapez :  die  an  das  Praeoperculum  stossende 
vordere  Seite  ist  die  längste,  die  obere  ausgeschweifte  die 
kleinste,  die  beiden  andern  beinahe  gleich  lang.  Das  sensen- 
förmige  Suboperculum  hat  einen  untern  abgerundeten  Rand, 
nach  hinten  endet  es  in  eine  stumpfe  Spitze,  mit  einer  schmalen 
Seite  legt  es  sich  an  das  Interoperculum  an.  Die  beiden  Aeste 
des  Praeoperculum  stehen  beinahe  unter  einem  rechten  "W^inkel 
auf  einander,  der  Winkel  ist  abgerundet,  und  nach  innen  ist 
zwischen  dem  horizontalen  und  senkrechten  Aste  eine  dünne 
Knochenlamelle  ausgespannt.  Der  untere  Rand  des  Interoper- 
culum bildet  einen  seichten  Bogen ,  der  obere  ist  etwas  tiefer 
ausgeschnitten  ;  es  ist  ein  länglicher  Knochen ,  der  nach  vorne 
sich  spitz  endet.  Die  Knochenleisten  auf  dem  Zwischenscheitel- 
beine und  am  Hinlerhaupte  sind  stark  entwickelt. 

Der  erste  von  vorne  nach  hinten  zusammengedrückte  Wirbel 
hat  2  sehr  dünne  Querfortsälze  ,  welche  nicht  länger  sind,  als 
der  Körper  breit  ist.  Die  Querfortsälze  des  zweiten  Wirbels  sind 
viel  länger,  an  der  Basis  breit,  am  Ende  spitz  ;  die  Bögen  dieser 
beiden  W  irbel  sind  unter  sich,  aber  nicht  mit  ihren  Körpern  ver- 


-^    288    — 

wachsen.  Der  dritte  mit  2  sehr  kleinen  Querforlsätzen  hat  einen 
obern  gabelförmigen  zu  2  breiten  Flügeln  entwickelten  Dornfort- 
satz; an  dem  vierten  mit  einfachem  oberem  Dornfortsatze  und 
2  langen  den  Uebergang  zu  den  Rippen  bildenden  Querforlsätzen, 
befestigen  sich  unten  2  stielförmige,  gegen  einander  gebogene 
Knochen,  an  welchen  sich  die  Schwimmblase  befesligt.  Ausser 
diesen  finden  sich  am  Rumpfe  noch  20,  am  Schwänze  19 — 20 
Wirbel.  16  — 18  Rippen,  von  denen  die  letzte  meist  nur  in 
den  Muskeln  steckt.  Die  Länge  der  ziemlich  starken  Rippen 
ist  etwas  über  4mal  in  der  Länge  der  Wirbelsäule  enthalten, 
wenn  man  die  fächerartige  Ausbreitung  des  letzten  Wirbels  nicht 
in  Rechnung  bringt.  Die  Dornfortsätze  der  Wirbel  sind  dünn 
und  schwach  und  die  Länge  des  grössten  beträgt  nicht  einmal 
die  halbe  Länge  der  grössten  Rippe.  Das  Os  innominatum  ist 
beinahe  bis  zur  Hälfte  gespalten ,  die  Aeste  der  Gabel  sind 
sehr  dünne. 

W  e  i  c  h  t  h  e  i  1  e.  Die  Zunge  ist  ganz  auf  dem  Boden  der  Mund- 
höhle festgewachsen.  Der  Magen  ist  vom  Darmkanale  nur  undeut- 
lich abgesetzt;  gleich  hinter  ihm  mündet  der  sehr  kurze  ductus 
choledochus.  Der  Darmkanal  steigt  bis  zum  letzten  Drittel  der 
Bauchhöhle  herab,  wendet  sich  sodann  nach  links  und  oben ;  oben 
angekommen ,  macht  er  eine  zweite  Windung,  um  dann  vollends 
an  der  linken  Seite  bis  zum  Anus  gerade  zu  verlaufen;  er  ist 
gleich  der  Totallänge  des  Thiers,  Von  den  3  Lappen  der  Leber 
ist  der  rechte  der  dickste  und  grösste,  mit  seinem  untern  Theile 
schlägt  er  sich  nach  links  um  und  kommt  zwischen  Darmkanal 
und  Ovarium  zu  liegen ,  an  ihm  ist  die  grosse  ovale  Gallen- 
blase, welche  die  dunkelgrüne  Galle  enthält,  befestigt;  der  linke 
Lappen  ist  der  kleinste;  der  mittlere  ist  schmal  und  begleitet 
den  Darmkanal  bis  zu  seiner  untern  Windung.  Die  Eier  sind 
ziemlich  gross,  für  beide  Ovarien  lässl  sich  ihre  Zahl  auf  6000 
berechnen.  An  den  Nieren  ist  eine  Querleiste  bemerkbar,  welche 
in  die  Einschnürung  der  Schwimmblase  passt.  Diese  ist  wie 
der  Leib  schmal  und  in  die  Länge  gestreckt,  die  hintere  und 
vordere  Abtheilung  sind  gleich  dick,  die  erstere  aber  über  noch 
einmal  so  lang  als  die  vordere.  Eine  besondere  Eigenthümlich- 
keit  dieses  Fisches  ist  die  intensiv  schwarze  Färbung    des  Peri- 


-    289    - 

toneums;  er  hat  dies,  wenigstens  unter  den  Cyprinoiden,  meines 
Wissens  nur  mit  der  Nase  (Chondrostoma  nasus)  gemein. 


Leuciscus  vulgaris  Fiemm. 

Cyprinus  leuciscus  L. 

Bloch,  t.  97,  f.  1  schlecht. 

Cyprinus  dobula.  *) 

Cyprinus  jaculus  Jur ine,  pl.  14  (der  Unterkiefer  zu  lang). 

Yarrell,  (p.  358)  s.  404. 

Leuciscus  argenteus  Agassiz, 

Springer,     Gangfisch,     Hasel.         Vandoise.         Dace. 

Auf  der  Seitenlinie  49  bis  52  Schuppen.  After- 
flosse llstrahlig.     An  den  Seiten  silberglänzend. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  nicht  sehr  schmal, 
dabei  aber  etwas  in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  und  unten 
ist  er  breit.  Der  abgerundete  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe  nur 
wenig  ab,  und  biegt  sich  in  einer  schwachen  Curve  bis  zur 
Rückenflosse,  wo  er  am  höchsten  ist.  Der  Schwanz  ist  oben 
ziemlich  breit  und  abgerundet,  sein  Profil  ist  nur  hinter  der 
Dorsalis  schwach  convex  gebogen.  Die  untere  Seite  bildet  vom 
Kopfe  bis  zum  Schwänze  eine  ziemlich  starke  Curve. 

Die  Höhe  des  Le  ibs  ist  bei  Weibchen  in  der  Total- 
länge 4J,  bei  Männchen  weniger  als  5mal  enthalten;  jüngere 
Individuen  sind  noch  niedriger. 

Der  oben  abgerundete,  an  den  Seiten  aber  platte  Kopf  ist 
in  der  Totallänge  über  5mal  enthalten,  oder  seine  Länge  ist 
gleich  der  dreifachen  Distanz  der  Augen.  Das  Maul  ist  schmal, 
der  Oberkiefer  überragt  bei  weitem  den  untern,  die  Ränder 
beider  Kiefer  decken  sich  aber  nicht  vollständig,  so  dass  eine 
dreieckige  Spalte  offen  bleibt.  Der  Durchmesser  des  Augs 
ist  in  der  Länge    des  Kopfs  weniger   als  5mal  enthalten,    seine 


*)  Unter  diesem  Namen  wurde  dieser  Fisch  bisher  in  den  Verzeich- 
nissen unserer  Fauna  aufgeführt:  mit  welchem  Rechte,  darüber  s.  das 
Weitere  bei  der  nächsten  Art. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    3s  Heft.  19 


—    290    — 

Entfernung  Von  der  Schnauzenspitze  beträgt  1^  seiner  Durch- 
messer. Die  Pupille  hat  einen  Winkel  nach  unten  oder  nach 
vorne. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  ziemlich  stark 
entwickelt. 

Die  Brustflossen  haben  16— 19  Strahlen,  sie  sind  bald 
etwas  kürzer,  bald  etwas  länger,  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  bald 
dieser  gleich,  aber  immer  länger  als  die  Bauchflossen.  Ihre  Länge 
ist  meistens  nicht  ganz  7mal,  in  einem  einzigen  Falle  T^mal  in 
der  Totallänge  enthalten.  *)  Sie  haben  einen  schlangenlinienför- 
migen  Rand. 

Die  Bauchflossen  mit  9  Strahlen  und  beinahe  geradem 
Rande  sind  so  lang,  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  steht  über,  selten  unmittelbar  hinter 
der  Insertion  der  Ventrales;  sie  ist  vom  Kopfe  und  der  Schwanz- 
flosse gleich  weit  entfernt,  oder  wenn  die  Distanzen  verschieden 
sind,  ist  die  Differenz  eine  ganz  unbedeutende.  10  Strahlen; 
der  obere  Rand  etwas  ausgeschweift. 

Die  Länge  der  Afterflosse  ist  geringer  als  die  der 
Dorsalis,  und  wird  durch  die  eigene  Höhe  um  vieles  übertrof- 
fen.**) Sie  hat  11,  selten  10  Strahlen,  und  einen  untern  etwas 
concaven  Rand. 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  Aus- 
schnitt. 

Die  Seitenlinie  senkt  sich  von  der  Schulter,  wo  sie  über 
der    halben   Körperhöhe    entspringt,    in    einem    seichten    Bogen 


*)  Ich  führe  dieses  Verhältniss  hier  an,  weil  Valenciennes  aus- 
drücklich sagt:  cette  nageoire  est  petite  et  obtuse;  sa  longueur  ne  fait 
que  le  huitieme  de  celle  du  corps. 

**)  Auch  hier  weicht  wieder  die  Beschreibung  von  Valenciennes 
wesentlich  ab,  wenn  er  sagt:  sa  longueur  egale  sa  hauteur.  Uebrigens 
scheint  seine  Beschreibung  nur  nach  einem  Exemplare,  das  diese  Diffe- 
renzen vielleicht  zufällig  zeigte,  gemacht  zu  sein.  Man  könnte  dies  aus  den 
Worten  schliessen :  Voici  une  description  faite  avec  details  sur  un  individu 
pris  au  moraent,  oü  il  sortait  des  eaux  de  la  Seine.  —  Ware  dem  so,  so 
verlören  seine  Beschreibungen  einen  grossen  Theil  ihres  Werthes. 


—    291    — 

gegen  den  Bauch  und  verläuft  dann  gerade  und  unter  der  Mittel- 
linie des  Leibs  bis  zur  Schwanzflosse.  Sie  besteht  aus  49 — 52 
Schuppen,  deren  Erhabenheiten  ziemlich  stark  markirt  sind,  und 
von  welchen  selten  eine  einen  Ausschnitt  zeigt. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  8,  selten  9,  unter  ihr  5  Schuppenreihen. 
Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  26.  der  Seitenlinie;  und  das 
untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  auf  den  Anfang  des 
letzten  Drittels  der  Distanz  zwischen  Bauch-  und  Afterflosse, 
selten  unmittelbar  vor  den  Anus. 

Die  Schuppen  sind  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt 
und  zeigen  4 — 8  radiale  Streifen.  Die  Mittelschuppe  ist  höher 
als  lang  ,    und  bedeckt  das  Auge  zur  Hälfte  oder  zu  2  Dritteln. 

Farbe.  Rücken  dunkelgrün,  metallisch-glänzend,  die  Seiten 
matt  Silber-glänzend,  oft  mit  einem  bläulichen  Schimmer.  Be- 
sonders bei  Männchen  sind  an  den  Seiten  die  zwischen  den 
Schuppen  hervorragenden  membranosen  Fortsätze  mit  kleinen 
schwarzen  Pigmentflecken  besät.  Untere  Seite  weiss.  Rücken- 
und  Schwanzflosse  von  der  Farbe  des  Rückens,  die  untern  Flossen 
etwas  röthlichgelb  angeflogen.  Iris  bald  gelbroth,  wie  beim 
Rothauge,  bald  nur  messinggelb. 

Dieser  Fisch  erreicht  nur  die  Grösse  von   10". 

Auf  jeder  Seite  finden  sich  2  Reihen  Schlundki  efer- 
zähne  :  in  der  äussern  stehen  5,  welche  an  der  Spitze  gekrümmt 
und  nicht  gezahnt  sind;  doch  kann  man  bei  Zahnkeimen  Spuren 
einer  schwachen  Zähnelung  wahrnehmen.  Die  innere  Reihe 
besteht  aus  2  viel  kleinern  Zähnchen.  Die  Platte,  gegen  welche 
sie  wirken,  besteht  aus  2,  der  Grösse  nach  ungleichen  Stücken, 
die  jedoch  nicht  so  scharf  geschieden  sind,  wie  bei  andern  ver- 
wandten Arten.  Das  vordere  grössere  Stück  ist  rauh,  dreieckig, 
mit  der  Basis  nach  hinten  gekehrt,  das  hintere  kleine  ist  rund, 
nabeiförmig. 

Anatomie.  Am  Rumpfe  finden  sich  23—24,  am  Schwänze 
19_20  Wirbel.  20  Rippen.  Die  Weichtheile  zeigen  keine 
besondere  Eigenthümlichkeit. 

19* 


—    292    — 

Der  Springer  nährl  sich  Iheils  von  Würmern  u.  dgl.,  theils 
von  vegetabilischen  Substanzen.  Ich  habe  gefunden,  dass  Exem- 
plare aus  dem  Neckar,  welche  hauptsächlich  von  animalischen 
Substanzen  sich  nährten,  viel  besser  genährt  waren,  als  solche 
aus  der  Blaulach  ,  wo  sie  beinahe  nur  auf  vegetabilische  Kost 
angewiesen  sind.  Die  erstem  hatten  ein  ganz  anderes  Ansehen 
bekommen ,  so  dass  man  sie  auf  den  ersten  Blick  für  eine  an- 
dere Art  halten  konnte,  namentlich  erschien  der  Kopf  breit  und 
abgerundet.  Andere,  als  Formdifferenzen,  waren  aber  nicht  vor- 
handen. 

Enlozoen.  Bis  in  den  Winter  finden  sich  häufig  EcÄmo- 
rhynchi.  Einmal  fand  ich  in  der  Bauchhöhle  die  sonst  dem 
Cyprinus  gobio  eigenthümliche  Filaria  ovata ,  welche  von  den 
Fischern  allgemein  für  einen  jungen  Aal  gehalten  wird. 

Fortpflanzung.  Die  Eier,  deren  er  eine  ausserordent- 
liche grosse  Anzahl  legt,  setzt  er  auf  einmal  an  Steine  ab,  so- 
bald im  Frühjahre  wärmeres  Wetter  eintritt.  Seine  Brut  scheint 
aber  vielen  Gefahren  ausgesetzt  zu  sein,  da  er  trotz  der  Menge 
seines  Rogens  nicht,  wie  man  aus  der  Benennung  vulgaris 
schliessen  könnte,  sich  häufiger,  als  seine  Verwandten  findet. 
Den  stehenden  Altwassern,  in  welchen  er  übrigens  immer  zu 
finden  ist,  zieht  er  das  fliessende  Wasser  vor,  wo  er  sich  besonders 
gerne  an  etwas  rasch  strömenden  Stellen  aufhält.  Bei  guter 
Witterung  schnellt  er  häufig,  im  Sommer,  wie  im  Winter,  über 
die  Oberfläche  des  Wassers  empor,  was  man  bei  andern  Fischen 
nur  zur  Laichzeit  bemerkt.  Daher  die  bei  uns  gewöhnliche 
Benennung  „Springer".  Schon  bei  allen  Schriftstellern  finden 
wir  ihn  als  „Jaculus''  bezeichnet ;  in  Frankreich  heisst  er  in 
manchen  Gegenden  Bard,  was  beides  einen  Wurfspiess  bedeutet. 
Auch  schwimmt  dieser  Fisch  sehr  schnell. 

Gefangen  wird  er  das  ganze  Jahr  zugleich  mit  andern  Fischen. 

Der  Nutzen  dieses  Fisches  wird  sehr  gering  anzuschlagen 
sein;  gewöhnlich  wird  er  wegen  seines  grätigen  Fleisches  und 
seiner  unbedeutenden  Grösse  auch  vom  gemeinen  Manne  nicht 
gegessen.  Da  er  jedoch  der  Brut  nützlicherer  Fische  durchaus 
nicht  schadet,  so  ist  er  auch  als  unschädlich  zu  bezeichnen. 


—    293 


Leuciscus  dobula  (Cuvier)  V  a  1. 

Cypriniis  cephalus  auct. 

Cyprinus  dobula  Cuv. 

Bloch,  t.  5. 

Yarrell,  (p.  346)  s.  397. 

C.  jeses  Jurine,  pl.  11. 

C.  jeses  Fries   och  Ekström,  pl.  13. 

Schuppfisch,  Dickkopf,  (Alet).         Chevaine,  Meunier. 

Die  Nomenclatur,  welche  bisher  in  den  Verzeichnissen 
unserer  Fauna  angewendet  wurde,  habe  ich  verlassen  zu  müssen 
geglaubt.  C.  dobula  wurde  bisher  als  Name  der  vorhergehenden 
Art  gegeben,  welche  entschieden  der  C.  leuciscus  des  Linne 
ist;  es  fragt  sich  nun  aber,  was  er  unter  seinem  C.  dobula  und 
cephalus  verstanden  habe. 

Zu  keinem  Ziele  würde  es  führen,  wenn  wir  auf  Angaben 
vor  Arte  di,  welche  etwa  hieher  bezogen  werden  könnten,  zurück- 
gingen. Artedi  führt  in  seinen  Genera  piscium  Nro.  12  und 
in  den  Descriptiones  Nro.  10  einen  Cyprinus  auf:  oblongus, 
macrolepidotus,  pinna  ani  ossiculorum  11:  welche  Diagnose  ganz 
auf  unsern  Schuppfisch  passte  und  die  Beibehaltung  der  diesem 
Fische  A  r  t  e  d  i  s  von  Linne  gegebenen  Benennung  cephalus  recht- 
fertigte, wenn  er  ihm  nicht  9  Strahlen  für  die  Bückenflosse  zu- 
schriebe und  Synon^-me  aufführte,  welche  offenbar  auf  C.  jeses 
und  andere  zu  beziehen  sind.  Dagegen  wird  von  Valenciennes 
auf  unsern  Schuppfisch  die  Art  Nro.  17  in  den  Descriptiones 
Artedi's  bezogen:  pedalis,  gracilis,  oblongus,  crassiusculus, 
dorso  crasso,  pinna  ani  ossiculorum  9  :  welcher  Fisch  von  Linne 
in  sein  Systema  naturae  mit  dem  Namen  C.  dobula  eingeführt 
wurde.  Valenciennes  hat  sich  hier  offenbar  getäuscht;  die 
Hälfte  der  Charaktere,  welche  Artedi  seiner  17.  Art  gibt, 
passt  nicht  auf  den  Schuppfisch.  Nichts  destoweniger  behalte 
ich  aber  die  Benennung  von  Valenciennes  bei;  einmal  weil, 
wie  oben  bemerkt  wurde,  unter  dem  Namen  cephalus  schon 
von    Artedi   und    Linne    mehrere    Arten    vermengt   wurden; 


-    294    - 

zweitens  weil  nicht  nachgewiesen  werden  kann,  welchen  andern 
Fisch  Artedi  unter  Nro.  17  und  Linne  unter  dem  Namen 
dobula  verstanden;  in  keinem  Falle  den  Leuciscus  vulgaris,  da 
sie  diesen  unter  einem  andern  besondern  Namen  aufführen ; 
drittens  weil  es  bei  der  grossen  Verwirrung  nothwendig  ist, 
sich  an  eine  bestimmte  Nomenclatur  zu  halten,  Valenciennes 
aber  wegen  seiner  zahlreichen,  in  der  Mitte  des  umfassendsten 
Materials  angestellten  Untersuchungen  am  ehesten  darauf  An- 
spruch machen  kann. 

Die  Breite  des  Kopfs  beinahe  nur  um  die  Hälfte 
geringer,  als  seineLänge.  In  der  Seit  en  linie  42—46 
Schuppen.     Rücken-    und  Afterflosse  llstrahlig. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  schmal  und  in 
die  Länge  gezogen,  der  Rücken  abgerundet  und  breit,  entspre- 
chend der  Breite  des  Kopfs.  Das  obere  Profil  steigt  vom  Kopfe 
und  von  der  Schwanzflosse  gegen  die  Dorsalis  nur  ganz  all- 
mählig  an.  Unten  ist  der  Fisch  zwischen  den  Brustflossen  am 
breitesten.  Das  Profil  des  Bauchs  ist  nur  wenig  convex,  das 
des  Schwanzes  gerade. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  f)mal  in  der  Totallänge  enthalten, 
die  Länge  des  Kopfs  4Jmal,  oder  wenn  man  die  Schwanzflosse 
nicht  in  Rechnung  bringt,  4mal.  Der  Kopf  ist  sehr  breit,  denn 
die  Distanz  der  Augen  ist  nur  2Jmal  in  seiner  Länge,  welche 
im  Verhältniss  zu  der  des  Körpers  bedeutend  ist.  enthalten.  Das 
Maul  ist  sehr  gross  und  nach  der  Dicke  des  Kopfes,  sehr  breit; 
die  Distanz  der  Mundwinkel  ist  etwa  um  J  geringer  als  die  der 
Augen;  die  seitlichen  Maulränder  gehen  etwas  schief  von  hinten 
und  unten  nach  vorne  und  oben.  Der  Oberkiefer  überragt 
gerade  den  untern. 

Der  Durchmesser  des  Augs  ist  in  der  Länge  des  Kopfes 
5mal  enthalten,  und  seine  Entfernung  von  der  Schnauzenspitze 
beträgt  weniger  als  ein  Drittel  jener  Länge.  Die  Pupille  hat 
einen  Winkel  nach  unten  oder  nach  vorne. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  sehr  stark  ent- 
wickelt, bei  Individuen  von  V  Länge  beinahe  2'"  breit. 

Die  Brustflossen  haben  16 — 18  Strahlen,  sind  so  lang, 


—    295    - 

als  die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  länger  als  die  Bauchflossen.  Aus- 
gespannt zeigen  sie  einen  schlangenlinienförmigen  Rand. 

Die  Bauchflossen  sind  so  lang,  als  die  Analis  hoch  ist; 
mit  9  Strahlen  und  einem  sehr  convexen  Rande. 

Die  Rückenflosse,  deren  Höhe  sich  zur  Länge  =  3:2 
verhält,  steht  unmittelbar  hinter  der  Insertion  der  Bauchflossen; 
ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist  bedeutender,  als  die  von  der 
Caudalis.     Mit  11  Strahlen  und  oberem  geradem  Rande. 

Die  Afterflosse  gleicht  in  der  Form  sehr  der  Dorsalis, 
obgleich  ihr  unterer  Rand  etwas  convex  ist;  11  Strahlen,  äusserst 
selten  12. 

Die  Schwanzflosse  hat  19  Strahlen  und  ist  sehr  seicht 
ausgeschnitten ,  bei  jungen  Individuen  ist  der  Einschnitt  noch 
merklicher. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  der 
halben  Körperhöhe  entspringt,  in  einem  schwachen  Bogen  gegen 
den  Bauch  hin  ab ,  und  verläuft  unter  der  Mittellinie  parallel 
dem  Bauchrande  bis  zur  Afterflosse,  von  da  ganz  gerade  bis  zur 
Caudalis.  Sie  besteht  aus  42 — 46  Schuppen,  deren  Erhaben- 
heiten nicht  besonders  stark  markirt  sind  ,  und  welche  oft  da, 
wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die  Erhabenheit  der  nächsten  Schuppe 
stossen,  einen  Ausschnitt  zeigen. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zähle 
ich  über  der  Seitenlinie  7 — 8,  unter  ihr  4 — 5  Schuppenreihen ; 
die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  21.  der  Seitenlinie,  und  das 
unlere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  in  die  Mitte  zwischen 
Anus  und  Bauchflossen. 

Die  Schuppen  sind  gross;  wie  sehr  das  Verhältniss  ihrer 
Grösse  zu  der  des  Augs  sich  ändert,  habe  ich  an  diesem  Fische 
genau  beobachten  können.  Bei  6 — 7"  langen  Männchen  ist  die 
Mittelschuppe  so  lang  als  hoch  und  bedeckt  das  Auge  zur  Hälfte; 
bei  7J— 8J"  langen  Männchen  ist  sie  so  lang  als  hoch,  bedeckt 
aber  das  Auge  zu  |^;  bei  einem  9^"  langen  Weibchen  ist  sie 
so  lang  als  hoch ,  bedeckt  aber  gerade  das  Auge  ;  endlich  bei 
einem  lli"  langen  Weibchen  ist  sie  etwas  höher  als  lang  und 
grösser  als  das  Auge. 


-    296    - 

Farbe.  Der  Rücken  ist  dunkel  bronzefarbig,  metallisch 
gräri-glänzend,  Seiten  silberig,  etwas  gelblich,  Bauch  weiss.  An 
den  Seiten  sind  die  membranosen,  zwischen  den  Schuppen  her- 
vorragenden Fortsätze  dunkel  wie  der  Rücken  gefärbt,  unter 
der  Seitenlinie  nur  noch  mit  schwärzlichen  Pigmenlflecken  be- 
sät, lieber  der  Seitenlinie  sind  auch  die  freien  Ränder  der 
Schuppen  pigmentirt.  Die  Rücken-  und  Schwanzflosse  von  der 
Farbe  des  Rückens,  die  Brustflossen  etwas  rölhlich  angeflogen, 
Bauch-  und  Afterflosse  schon  bei  jungen  Individuen  roth.  Die 
Iris  ist  über  der  Pupille  dunkel,  wie  der  Rücken,  unter  ihr 
silberig;  die  Pupille  mit  einem  citrongelben  Ringe  umgeben. 

Grösse.  Unter  den  Leuciscus  im  Neckar  erreicht  der 
Schuppfisch  die  bedeutendste  Grösse:  er  wird  bis  zu  5  Pfund 
schwer  gefangen. 

Auf  jeder  Seite  finden  sich  2  Reihen  Schlundkiefer- 
zähne. Die  äussere  besteht  aus  5  langen,  c^^lindrischen,  dicken 
Zähnen  ,  welche  oben  eine  etwas  nach  innen  gekrümmte  Spitze 
haben  und  wenig  gezähnelt  sind.  Die  innere  Reihe  besteht  aus 
2  (nach  Yalenciennes  aus  3)  kleineren  gekrümmten  und 
sägeförmig  eingeschnittenen  Zähnchen.  An  der  obern  Platte 
lässt  sich  eine  vordere ,  mit  Erhabenheiten  versehene ,  doppel- 
herzförmige ,  mit  der  Spitze  nach  vorne  gerichtete  Abtheilung 
und  ein  hinteres,  kleineres,  nabeiförmig  hervorragendes  Stück 
unterscheiden. 

Skelett.  Der  Schädel  zeichnet  sich  aus  durch  die  Schmäch- 
tigkeit der  Gesichtsknochen,  was  um  so  auffallender  ist,  als  seine 
übrigen  Theile  sehr  mächtig  und  breit  sind.  Namentlich  ist  das 
Ethmoidalbein  noch  einmal  so  breit  als  lang.  Der  Supraorbital- 
und  der  hinterste  Infraorbilalknochen,  der  sonst  bei  andern  Leu- 
ciscus sehr  klein  bleibt,  sind  hier  sehr  entwickelt  und  von  gleicher 
Grösse.  Auch  die  zum  Kiemenapparat  gehörigen  Knochen  sind 
sehr  breit,  vor  allem  die  Kiemenstrahlen.  Schmal,  lang  und  in 
der  Form  eines  g  gestreckt  sind  die  untern  Schlundkiefer- 
knochen. 25  Rumpf-,  19  Schwanzwirbel,  17 — 20  Rippen.  Das 
Os  innominatum  ist  bis  auf  das  hintere  Viertel  in  2  schmächtige 
Stiele  gespalten. 


—    297     — 

Weichtheile.  Der  Darmkanal  beugt  sich,  wie  gewöhn- 
lich bei  den  Leuciscus,  ist  aber  mit  seiner  oberen  Windung 
noch  etwas  gegen  die  linke  Seite  hinübergeschlagen ,  wodurch 
seine  Länge  vergrössert  wird;  er  ist  um  ^  länger,  als  das  ganze 
Thier.  An  der  Leber  lassen  sich  4  Lappen  unterscheiden,  näm- 
lich ausser  dem  grössten  dicken  rechten,  dem  kleineren  linken 
und  dem  schmalen  in  der  Mitte,  noch  ein  oberer  kleiner  von 
etwas  dreieckiger  Gestalt. 

Nahrung.  Schon  der  kräftige  Schlundkieferapparat ,  weist 
darauf  hin,  dass  der  Schuppfisch  ein  starker  Fresser  ist.  Seine 
Hauptnahrung  sind  Sommers,  namentlich  bei  Ueberschwemmungen 
Regenwürmer,  von  welchen  ich  im  Darmkanal  7—9"  langer  In- 
dividuen oft  gegen  50  der  grössten  fand  ;  sodann  Coleopteren, 
Libellenlarven ,  Ohrwürmer  (Forficula),  Aas,  vegetabilische  Sub- 
stanzen ,  Gras,  Fischbrut.  Sogar  Vogelexcremente  verschmäht 
er  nicht.  Im  Magen  eines  10"  langen  Individuums  fand  sich 
ausser  einer  beträchtlichen  Anzahl  der  grössten  Regenwürmer 
und  Bockkäfer  eine  halbverdante  Feldmaus  CArvicola  arvalis); 
schon  Gesner  sagt,  dass  man  ihn  bei  Strassburg  „Mausesser" 
nenne,  weil  man  glaubt,  er  fresse  Wasserratten. 

Er  ist  wenigstens  im  Herbste  nicht  sehr  von  Entozoen  ge- 
plagt ;  ich  fand  in  ihm  zu  dieser  Jahreszeit  nur  den  Echino- 
rhynchus  proteus. 

Seine  Laichzeit  fällt  in  den  Juni  und  dauert  14  Tage; 
sie  laichen  gesellschaftlich  und  setzen  ihre  Eier  auf  Steine  ab. 
In  dieser  Zeit  bekommt  der  männliche  Fisch  auf  dem  Kopfe 
kleine  Höcker  und  schwarze  Flecken,  welche  letzlere  auch  noch 
lange  nachher,  oft  bis  in  den  Winter  sichtbar  bleiben.  Beson- 
ders gerne  hält  er  sich  an  hellen  Stellen  mit  starker  Strömung 
\  auf,  im  Winter  zieht  er  sich  gesellschaftlich  in  Ausbuchtungen 
unter  das  Ufer  zurück.  Er  wird  das  ganze  Jahr  hindurch  ge- 
fangen, beisst  aber  in  der  kalten  Jahreszeit  trotz  seiner  Gefrässig- 
keit  nicht  an  die  Angel.  Dies  ist  auch  bei  andern  Fischen  zu 
beobachten,  und  der  Grund  davon  ist  zu  suchen  in  der  durch 
die  niedrigere  Temperatur  gehemmten  Schnelligkeit  der  Verdau- 
ung und  der  dadurch    verminderten  Fresslust.     Der  Schuppfisch 


—    298    — 

hat  ein  zartes  Leben  und  ist  besonders  gegen  Wärme  empfind- 
lich. Er  ist  unter  allen  Leuciscus  derjenige,  welcher  am  häufigsten 
zur  Nahrung  dient.  Sein  Fleisch  ist  zwar  trocken  und  grätig, 
jedoch  gesund  und  in  gewissen  Jahreszeiten  wegen  seiner  Wohl- 
feilheit eine  bei  dem  Volke  beliebte  Speise.  Man  kann  ihn  daher 
wohl  als  einen  sehr  nützlichen  Fisch  betrachten :  seine 
Gefrässigkeit  bringt  auch  keinen  besonders  grossen  Schaden,  da 
er  mit  Allem  fürlieb  nimmt,  und  namentlich  Fischbrut  fand  ich 
verhältnissmässig  selten  in  seinem  Magen. 


Leuciscus  rutilus  Val. 

Cyprinus  rutilus  L. 

Bloch,  t.  2. 

Mei  din  ger,  t.  26. 

Fries  och  Ekström,    pl.  15. 

(Jurine,    pl.  13  ist  wie  er  selbst  sagt,  nicht  nach 

C.   rutilus  gemacht.) 
Yarrell,  S.  399. 

Rothauge.  *)         Gardon.         Roach. 

In  der  Seitenlinie  42—44  Schuppen;  After- 
flosse 13 strahlig;  dieRückenflosse  steht  über 
den  Bauchflossen. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet  breit,  von  oben 
und  von  unten  schmal,  seitlich  zusammengedrückt.  Der  Rücken 
steigt  hinler  dem  Kopfe  plötzlich  an,  und  bildet  bis  zur  Rücken- 
flosse eine  starke  Convexilät,  hinter  ihr  fällt  er  in  gerader  oder 
etwas  wellenförmiger  Linie  gegen  die  Caudalis  ab ;  der  Bauch 
macht  vom  Kopfe  bis  zum  hintern  Ende  der  Afterflosse  einen 
starken  Bogen,  von  da  bis  zur  Caudalis  ist  sein  Profil  gerade. 


*)  Dies  ist  der  einzige  Name  ,  welcher  am  Neckar  dem  L.  rutilus 
gegeben  wird,  erythrophthalmus  wird  als  zu  selten  von  ihm  nicht  nament- 
lich unterschieden.  El)enso  ist  das  französische  Rosse  für  beide  gemein- 
schaftlich; an  der  Donau  hat  jedoch  rutilus  den  besondern  Namen  „Halb- 
üsch".     Die  Benennung  „Plötze"  kennt  man  nirgends  in  Schwaben. 


-    299    — 

Das  Alter  scheint  bei  diesem  Fische  von  grossem  Einfluss 
auf  das  Verhäilniss  der  K  ö  r  p  e  r  h  ö  h  e  zur  Tolallänge  zu  sein. 
Bei  Exemplaren  von  5 — 6"  Länge  ist  jene  in  dieser  4mal  ent- 
halten, meist  etwas  mehr,  seltener  etwas  weniger  ;  bei  grössern 
Individuen  nur  3J  und  3|^mal;  und  in  der  Laichzeit  ist  die  Höhe, 
besonders  bei  Weibchen  noch  bedeutender.  So  in  die  Länge 
gestreckt,  wie  der  Halbfisch  der  Donau,  und  wie  er  von  andern 
beschrieben  und  abgebildet  wird,  ist  der  L.  rutilus  des  Neckars 
nie,  vielmehr  würde  er  der  äussern  Körperform  nach  ganz  mit 
L.  erythrophthalmus  übereinstimmen.  In  dieser  Beziehung  passt 
auch  keine  der  oben  citirten  Abbildungen  auf  unsern  rutilus. 

Die  Länge  des  Kopfs  ist  S^mal  in  der  Totallänge  ent- 
halten, selten  etwas  weniger,  oder  sie  ist  gleich  2|^mal  die 
Distanz  der  Augen  genommen.  Das  Maul  ist  im  Verhäilniss 
zur  Grösse  des  Fisches  klein,  in  dem  zum  Kopfe  gross  genug; 
geschlossen  steht  sein  hinterer  Winkel  weiter  nach  unten  ,  als 
der  vordere  Rand  des  Mauls.  Die  Schnauze  ist  abgerundet, 
der  Oberkiefer  länger  als  der  unlere.  Das  Auge  wächst  nicht 
im  gleichen  Verhältniss  mit  dem  Kopfe,  dies  ist  bei  diesem  Fische 
besonders  auffallend,  sein  Durchmesser  ist  in  der  Kopflänge  3J, 
4,  4^,  5mal  enthalten;  seine  Entfernung  von  der  Schnauzen- 
spitze ist  beinahe  gleich  li  seiner  Durchmesser.  Die  Pupille 
hat  einen  Winkel  nach  vorne  und  nach  unten ,  oder  nur  einen 
von  diesen. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  sehr  stark  ent- 
wickelt. 

Die  Brustflossen  mit  15  —  18  Strahlen  und  convexem 
Rande,  sind  kürzer  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  auch  etwas  kürzer 
oder  wenigstens  eben  so  lang,  als  die  B  a  uchf  loss  en.  Diese 
mit  9  Strahlen  und  convexem  Rande  sind  länger,  als  die  Analis 
hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  steht  über  der  Insertion  der  Bauch- 
flossen ,  jedoch  bald  mehr  gegen  das  vordere,  bald  mehr  gegen 
das  hintere  Ende  dieser  Insertion  gerückt ;  dem  Kopfe  ist  sie 
ganz  unbedeutend  näher,  als  der  Schwanzflosse.  Mit  Ausnahme 
zweier  Fälle  fand  ich  sie  bei  der  Menge  untersuchter  Exemplare, 


—    300    - 

Männchen  und  Weibchen,  immer  13slrahlig:  somit  lässt  sich 
auf  unsere  Rothaugen  nicht  die  Beobachtung  Ekströms*)  be- 
ziehen, nach  welcher  das  Männchen  immer  12  Strahlen  hat, 
das  Weibchen  dagegen  öfters,  wenn  auch  nicht  immer  13.  Der 
obere  Rand  dieser  Flosse  ist  gerade. 

Die  Afterflosse  ist  nicht  ganz  so  lang,  und  um  i  niedriger, 
als  die  Dorsalis,  welcher  sie  übrigens  in  der  Form  sehr  gleicht ; 
ihr  unterer  Rand  ist  etwas  concav.  Am  häufigsten  fand  ich  als 
Zahl  der  Strahlen  13  und  14,  einigemal  auch  nur  12.  **) 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  hat  einen  starken 
Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  in  oder 
etwas  über  der  halben  Körperhöhe  entspringt,  steil  gegen  den 
Bauch  hin  ab,  und  verläuft  dann  bis  zum  Anfange  des  Schwanzes 
unter  der  Mittellinie  des  Leibs  ziemlich  parallel  dem  Bauch- 
rande, ist  also  bei  Weibchen  während  der  Laichzeit  stärker  ge- 
bogen. Auf  dem  Schwänze  ist  ihr  Verlauf  ein  gerader.  Sie  be- 
steht aus  42  — 44  Schuppen,  welche  eine  markirle  längliche  Er- 
habenheil zeigen,  und  oft  da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die 
Erhabenheit  der  nächsten  Schuppe  stossen ,  einen  Ausschnitt 
haben. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs 
finden  sich  über  der  Seitenlinie  8,  seltener  9,  unter  ihr  4  Schuppen- 
reihon.  Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  20.  der  Seitenlinie 
und  das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  ist  noch  um  4 
Reihen  vom  Anus  entfernt. 

Die  Schuppen  sind  gross,  die  Mittelschuppe  bedeckt 
nahezu  das  Auge. 

Farbe.  Der  Rücken  ist  dunkel  saftgrün,  die  Seiten  matt 
silberig  mit  etwas  bläulichem  Schimmer,  Bauch  weiss;  an  den 
Seilen  sind    die  membranosen  Fortsätze,    welche  zwischen    den 


*)  Fische  von  Mörkö,  p.  15. 
■"'*)  Bloch  (Naturgeschichte    der  Fische   Deutschlands)  ist  hier  sehr 
ungenau,  zweimal   gibt  er  als  Zahl   12,  und    zweimal  14  an ;  wahrschein- 
lich hat  er  12  gezählt. 


—    301     — 

Schuppen  hervorragen,  mit  schwärzlichen  Pigmentflecken  besät. 
Rücken-  und  Schwanzflosse  von  der  Farbe  des  Rückens,  und 
nur  bei  ganz  alten  Individuen  dunkel  -  kirschroth  angeflogen; 
Rrustflossen  weisslich  in's  Gelbliche ,  Bauch-  und  Afterflossen 
schön  rothgelb ;  die  Iris,  besonders  an  ihrem  obern  Theile  roth 
mit  Goldglanze.  Die  letztem  lebhaften  Farben  werden  aber 
erst  mit  dem  Alter  intensiv.  Von  einer  rothen  Färbung  der 
Lippen  *)  konnte  ich  nie  eine  Spur  bemerken. 

Grösse.  Das  Rothauge  erreicht  im  Neckar  keine  be- 
deutende Grösse;  das  grössle  von  mir  darin  gefundene  Exem- 
plar, war  1"  3"'  lang ;  in  den  Altwassern  dagegen  erreicht  es 
eine  Länge  von  1'.  Nach  M  a  r  t  e  n  s  **)  verhält  es  sich  mit 
den  Rothaugen  des  Donaugebiets  gerade  umgekehrt ,  indem  sie 
dort  im  rascher  fliessenden  Strome  ein  Gewicht  von  2 — 3  Pfund 
erreichen,  aber  in  den  Bächen,  wie  der  Blau  und  Brenz,  von 
welchen  die  erstere  einem  Altwasser  verglichen  werden  kann, 
stets  kleiner  bleiben. 

Auf  jeder  Seite  finden  sich  5  bis  6  Schlundkiefer- 
zähne in  einer  Reihe,  welche  mit  der  Spitze  einwärts  ge- 
krümmt sind  und  den  Rand  mehr  oder  weniger  gezähnelt  zeigen; 
der  vorderste  ist  der  kleinste,  konisch;  nach  hinten  werden  die 
Zähne  schmäler  und  immer  deutlicher  gezahnt.  Doch  sind  oft 
alle  Zähne  so  abgeschliffen,  dass  sie  weder  von  der  gekrümmten 
Spitze  noch  von  der  Zähnelung  eine  Spur  zeigen.  Bei  den 
meisten  Exemplaren  aus  der  Blaulach,  aus  dem  Neckar  bei  Tüb- 
ingen und  Heilbronn  standen  in  der  linken  Reihe  6 ,  in  der 
rechten  5  Zähne.  Hinter  der  im  Gebrauche  stehenden  Reihe 
eingekeilter  Zähne  liegt  gewöhnlich  in  der  Schleimhaut  eine 
Reihe  Zahnkeime,  welche  die  Zähnelung  besonders  deutlich  zeigen. 
Oft  sind  die  Zähne  mit  einer  starken  schwarzen  Kruste,  wie  bei 
den  Wiederkäuern  bedeckt ,  was  von  der  Pflanzennahrung  her- 
rührt.    Die  obere  Platte  ist  länglich  oval,  gleichmässig  glatt. 

*)  Bloch,  Naturgeschichte  der  Fische  Deutschlands,  T.  I.  p.  32  und 
Cuvier,  das  Thierreich,  übersetzt  von  Voigt.     Bd.  II.  p.  371, 

**)  Reise  nach  Venedig,  p.  54. 


—    302    — 

Skelett.  Die  Gesichtsknochen  sind  sehr  schmächtig,  be- 
sonders bildet  der  Zwischenkiefer  nur  einen  schmalen  Knochen- 
streifen, welcher  aber  zugleich  mit  dem  Oberkiefer  bis  zum  auf- 
steigenden Aste  des  Unterkiefers  herabreicht.  Die  untern  Schlund- 
kieferknochen sind  sehr  dick.  Der  Kumpftheil  der  Wirbelsäule 
besteht  aus  22—23,  der  Schwanztheil  aus  17—18  Wirbeln; 
16 — 17  starke  breite  Rippen.  8  vordere  Interspinalknochen, 
von  welchen  der  erste  breite  und  lange  in  der  Gabel  des  breiten 
Dornfortsatzes  des  zweiten  Halswirbels  ruht.  Das  Os  innomi- 
natum  ist  bis  auf  das  hintere  Drittel  gespalten.  Da  der  rutilus 
des  Neckars  so  hoch  gebaut  ist,  so  wäre  eine  Vergleichung  des- 
selben mit  Abänderungen  anderer  Gegenden  in  Bezug  auf  die 
Länge  der  Rippen  und  Dornfortsätze  nicht  ohne  Interesse.  Bei 
unseren  Exemplaren ,  deren  Wirbelsäule  (die  fächerartige  Aus- 
breitung des  letzten  Schwanzwirbels  nicht  in  Rechnung  gebracht) 
6"  8'"  lang  ist,  beträgt  die  Länge  des  grössten  vor  der  Rücken- 
flosse stehenden  Dornfortsatzes  10^'",  die  der  grössten  (dritten) 
Rippe  21.V". 

Der  Darmkanal  macht  zwar  die  bei  den  Leuciscus  ge- 
wöhnlichen 2  Windungen,  schlägt  sich  aber,  wie  wir  dies  auch 
bei  L.  dohula  sahen,  mit  seiner  oberen  W^indung  gegen  links  um, 
wodurch  seine  Länge  vergrössert  wird;  er  übertrifft  um  -i  die 
Totallänge  des  Thiers. 

Das  Rothauge  nährt  sich  hauptsächlich  von  vegetabilischen 
Substanzen,  doch  finden  sich  in  seinem  Darmkanal,  wiewohl 
seltener  Insekten,  Käfer  und  deren  Larven,  Regenwürmer. 

Auffallend  ist  die  Armuth  dieses  Fisches  an  Entozoen, 
ich  selbst  habe  noch  nie  welche  in  ihm  angetroffen. 

Fortpflanzung.  Das  Rothauge  ist  äusserst  fruchtbar, 
daraus  sich  auch  seine  Häufigkeit  im  Neckar*)  erklären  lässt. 
Seine  Laichzeit  fällt  in  den  Anfang  des  Sommers. 

Sein  Fleisch  ist  grätig  und  wenig  geachtet,  obgleich  es  ge- 


*> 


■')  V.  Martens  sagt  zwar  (Memmi  n  g  er,  Beschreibung  von  Würt- 
temberg 3.  Aufl.  Stuttgart  1841,  p.  313),  dass  C.  rulilus  im  Neckar  sel- 
tener sei,  er  könnte  aber  den  rulilus  des  Neckars  mit  C.  erythrophthalmus 
verwechselt  haben. 


—    303    — 

sund  ist.     Die  grössern  Rothaugen  aus  den  Altwassern  sind  aber 
in  derselben  Weise  gesucht,  wie  der  Schuppfisch. 

Schon  bei  einer  oberflächlichen  Vergleichung  unserer  Be- 
schreibung mit  denen  von  Valenciennes  u.  a.  Ichthyologen 
wird  es  ersichtlich,  dass  sie  in  vielen  Punkten  mehr  oder  weni- 
ger abweicht.  Uebergehen  wir  jedoch  leichtere  Differenzen  in 
der  Angabe  der  Grösse  der  Augen  ,  der  Höhe  und  Länge  der 
Flossenstrahlen,  so  bleiben  doch  noch  zwei  wichtige  Eigenthüm- 
lichkeiten  unseres  Rolhauges  übrig,  welche  es  auffallend  dem  L. 
erythrophthalmus  nahe  stellen;  es  ist  dies  die  bedeutende  Höhe 
des  Leibs,  von  der  wir  schon  oben  sprachen,  und  die  Zähnelung 
der  Schlundkieferzähne.  Was  das  erstere  betrifft,  so  ist  zu  be- 
merken, dass  Heckel  eines  „dem  L.  rutilus  ähnlichen"  Fisches 
aus  dem  Plattensee  und  der  Marizza  erwähnt  ;*)  „er  unterscheide 
sich  leicht  durch  einen  höhern,  am  Rücken  mehr  comprimirten, 
fast  Äbramis-dirügen  Körper."  Dies  passt  ganz  auf  die  Abänderung 
des  rutilus  im  Neckar,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass  dieser  L. 
lividus  Heck,  mit  ihr  identisch  ist.  Auf  das  letztere  als  specifisch 
unterscheidendes  Merkmal  legt  Valenciennes  bei  L.  erythroph- 
thalmus das  grösste  Gewicht :  dem  rutilus  spricht  er  eine  Zähne- 
lung entschieden  ab :  „aucune  de  ces  dents  n'a  le  bord  deutele" 
„les  germes  des  dents  n'ont  aussi  aucune  denlelure".  **)  Es 
ist  also  entweder  der  rutilus  des  Neckars  eine  von  dem  der 
Auetoren  verschiedene  Art,  oder  ist  der  Zähnelung  der  Schlund- 
kiefer nicht  der  Werth  eines  specifischen  Merkmals  beizulegen. 
Valenciennes  würde  sich  für  das  erste  entscheiden,  sofern 
er  von  rutilus  zwei  andere  Arten  aus  der  Gegend  von  Gent, 
welche  ebenfalls  die  Zähne  sägeförmig  eingeschnitten  haben,  spe- 
cifisch unterscheidet;  den  Leuciscus  rutiloides  Se\y  s  (Cuvier 
und  Valenc.  t.  493)  und  den  Leuciscus  ciffinis,  auch  bei  ersterem 
ausdrücklich   sagt   „les   differences    dans   les    dents   m'ont  paru 

'■')  Russegge r's  Reisen.  Bd.  1.  p.  1039. 
"*)  V.  Rapp  fand  jedoch  bei  dem  L.  rulilus  aus  der  Donau  bei  V\m, 
der    in    seinem   Habitus   mit    dem  rutilus    auct.    übereinstimmt,    ebenfalls 
auf  der   rechten  Seite  5,    auf  der  linken    6  Schlundkieferzähne,  welche 
auch  gezahnt  waren. 


—    304    — 

avoir  assez  d'importance  —  pour  determiner  celte  espfece".  Es 
könnte  sich  nun  fragen ,  ob  unser  rutilus  nicht  identisch  mit 
einer  dieser  letztem  Arten  wäre :  allein  es  wäre  gewagt,  diese 
Frage  nur  durch  Vergleichung  der  unbestimmten  und  magern 
von  Valenciennes  gegebene  Beschreibung  zu  entscheiden. 


Leuciscus  erythrophthalmus  Val.  *) 

Cyprinus  erythrophthalmus  L. 
Bloch,  t.  1. 
Meidinger,  III.  t.  24. 
Yarrell,  (p.  361)  s.  412. 
Ju  rine  ,  pl.  12. 
Fries  och  Ek  ström,  t.  16. 

Scardinius    erythrophthalmus    Bonaparte,    Fauna 
ital.  t.  115  und  116. 

Rothauge.  Rolengle.         Red-eye ,    Rudd. 

In  der  Seit  enl  inie  40— 42  S  c  hu  pp  en.  Afterflosse 
14strahlig.  Die  Rückenflosse  steht  hinter  den 
Bauch  flössen. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  breil,  am  Schwänze 
etwas  in  die  Länge  gestreckt ,  von  oben  erscheint  er  schmal, 
seitlich  zusammengedrückt ,  von  unten  noch  schmäler.  Der 
Rücken  steigt  hinler  dem  Kopfe  plötzlich  an,  und  bildet  bis  zur 
Dorsalis  eine  starke  Convexität,  hinler  ihr  fällt  er  in  einer  etwas 
wellenförmigen  Linie  gegen  die  Schwanzflosse  ab.  Die  Bauch- 
linie senkt  sich  anfangs  hinler  dem  Kopfe  in  einem  Bogen,  läuft 
aber  dann  bis  zur  Analis  gerade  aus,  an  deren  Basis  sie  wieder 


*)  Da  ich  nie  Gelegenheit  hatte,  diese  Art  im  Neckar  zu  beobachten, 
so  ist  folgende  Beschreibung  nach  frischen  7—8"  langen  Individuen, 
welche  Herr  Prof.  v.  Kapp  aus  der  Donau  bei  Ulm  erhalten  hatte,  gemacht. 
Später  untersuchte  ich  noch  zwei  Exemplare  des  Stuttgarter  Naturalien- 
kabinets,  welche  nach  einer  Tradition  vielleicht  aus  dem  Neckar  sein 
können.  Von  den  Exemplaren  aus  der  Donau  unterscheiden  sie  sich 
nur  durch  einen  längeren  Kopf,  der  in  der  Totallänge  5mal  enthalten 
ist,  durch  längere  Brustflossen,  welche  länger  sind,  als  die  Dorsalis 
hoch  ist,  und  die  Insertion  der  Ventrales  überreichen,  durch  die  Zahl 
der  Schlundkieferzähne,  indem  in  der  äussern  5,  in  der  innern  3  stehen. 


—    305    — 

gerade  ansteigt.     Das  Profil    des    übrigen  Schwanzes    ist  gerade 
und  horizontal. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  3^mal,  nach  Valenciennes 
3— 4mal,  die  Länge  des  Kopfs  5|mal  in  der  Totallänge 
enthalten,  oder  letztere  ist  gleich  24^mal  die  Distanz  der  Augen 
genommen.  Das  Maul  ist  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches 
klein,  in  dem  zum  Kopfe  gross  genug;  geschlossen  steht  sein 
hinterer  Winkel  viel  weiter  nach  unten,  als  sein  vorderer  Rand, 
so  dass,  obgleich  bei  geschlossenem  Maule  die  Kinnladen  gleich 
lang  sind  ,  bei  geöffnetem  der  Unterkiefer  den  obern  weit  über- 
ragt. Die  seitliche  Maulspalte  ist  also  viel  schiefer  gerichtet, 
als  dies  bei  rutilus  der  Fall  ist,  und  das  Maul  des  erythrophthal- 
mus  nähert  sich  dem  der  Karausche.  Die  Schnauze  ist  abge- 
rundet. Der  Durchmesser  des  Augs  ist  über  4mal  in  der  Kopf- 
länge enthalten,  und  etwas  kleiner,  als  die  Entfernung  des  Augs 
von  der  Schnauzenspitze.     Die  Pupille  ist  nahezu  rund. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  B  rustf  los  sen  mit  16  Strahlen  und  beinahe  geradem 
Rande  sind  so  lang  als  die  Dorsalis  hoch  ist ,  aber  länger  als 
die  Bauchflossen;  diese,  mit  8 — 9  Strahlen  und  wenig  con- 
vexem  Rande,  sind  länger  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse  steht  um  J  ihrer  Länge  hinter  der 
Insertion  der  Ventrales  ;  vom  Kopfe  ist  sie  viel  weiter  entfernt, 
als  von  der  Schwanzflosse;  11 — 12  Strahlen;  mit  oberem  ge- 
radem Rande. 

Die  Afterflosse  ist  länger  aber  niedriger  als  die  Dor- 
salis, welcher  sie  übrigens  in  der  Form  sehr  gleicht;  ihr  un- 
terer Rand  ist  beinahe  gerade.     14  Strahlen. 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  hat  einen  starken 
Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  fallt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  der 
halben  Körperhöhe  entspringt ,  steil  gegen  den  Bauch  hin  ab, 
und  verläuft  dann  bis  zum  Anfange  des  Schwanzes  unter  der 
Mittellinie  des  Leibs  ziemlich  parallel  dem  Bauchrande.  Auf 
dem  Schwänze  ist  ihr  Verlauf  ein  gerader.  Sie  besteht  aus 
40 — 42  Schuppen ,  welche  eine  markirte  punktförmige  Erhaben- 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  3s  Heft.  20 


—     306     — 

heit  zeigen,  und  nur  selten  da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf 
die  Erhabenheit  der  nächsten  Schuppe  stossen,  einen  Aus- 
schnitt haben. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  finden 
sich  über  der  Seitenlinie  8,  unter  ihr  4 — 5  Schuppenreihen. 
Die  Mittelschuppe  ist  die  20.  der  Seitenlinie,  und  das  untere 
Ende  der  Querschuppenreihe  liegt  etwas  vor  dem  Anus. 

Die  Schuppen  sind  gross;  die  Mittelschuppe  ist  um  die 
Hälfte  grösser,  als  das  Auge. 

Farbe.  Der  Rücken  ist  dunkelsaftgrün,  die  Seilen  matt- 
silberig mit  etwas  bläulichem  Schimmer,  Bauch  weiss.  An  den 
Seiten  sind  die  membranosen  Fortsätze,  welche  zwischen  den 
Schuppen  hervorragen,  wie  der  Rücken  gefärbt.  Rücken-  und 
Schwanzflosse  sind  von  der  Farbe  des  Rückens,  roth  angeflogen, 
Brustflossen  gelblich,  Bauch-  und  Afterflossen  intensiv  dunkel- 
roth.     Die  Iris  ist  rothgelb  mit  Goldglanz. 

Von  der  vorhergehenden  Art  und  allen  ihren  Verwandten 
unterscheidet  sich  L.  erythrophthalmus  durch  seine  Schlund- 
kieferzähne,  welche  in  zwei  Reihen  stehen,  in  der  äussern 
4,  in  der  innern  2  kleinere.  Alle  sind  stark  sägeförmig  einge- 
schnitten, lang,  schmal,  lanzeltartig. 

Skelett.  Der  Schädel  zeigt  mit  dem  des  ruHlus  die  grösste 
Aehnlichkeit,  ist  aber  oben  leicht  ausgeschweift,  während  der 
des  rutilus  etwas  convex  ist.  Es  finden  sich  21  Rumpf-  und  18 
Schwanzwirbel ;  die  Länge  der  grössten  Rippe  ist  in  der  Wirbel- 
säule, die  fächerartige  Ausbreitung  des  letzten  Schwanzwirbels 
nicht  in  Rechnung  gebracht ,  3f  mal  enthalten ,  die  Länge  des 
grössten  Dornfortsatzes  in  der  Länge  der  grössten  Rippe  2^mal. 
Sonst  finde  ich  keine  Abweichung  von  dem  Skelette  des  rutilus. 

Dieses  Rothauge  wird  gegen  l'lang  und  ist  im  grössten  Theile 
Yon  Deutschland,  da  es  sich  stark  vermehrt,  sehr  häufig  zu  finden, 
nach  Bloch  in  Seen  und  Flüssen  mit  sandigem  Grunde.  Um  so 
auffallender  ist  seine  Seltenheit  im  Neckar  :  zwar  wird  es  von 
Sc  hüb  1er*)  als  Neckarfisch  bezeichnet,  es  könnte  dies  aber  auf 


*)  In  Memnii  n  ger's  Beschreibung  von  Württemberg.     1.  Auflage 
Stuttgart  1820,  p.  234. 


—    307    — 

einer  Verwechslung  mit  L.  rutilus  beruhen.  Ich  wenigstens  habe 
noch  nie  ein  Exemplar  aus  dem  Neckar  mir  verschaffen  können,  am 
ehesten  dürfte  dieser  Fisch  noch  in  den  Allwassern  zu  finden  sein. 


Abramis   Cuv. 

Die  Bauchflossen  sitzen  weit  hinter  den  Brustflossen,  After- 
flosse länger  als  hoch. 

Abramis  bipunctatus.  *) 

Cyprinus  bipunctatus  Bloch,    t.  8.  f.  1  (ein  schlechtes 

Bild,  die  Schuppen  viel  zu  klein). 
Ju  ri  n  e,  pl.  14. 
Aspius  bipunctatus  Agass. 
Leuciscus  bipunctatus  V  a  I. 

Breit -Bleck.        flperlan. 

Beide  Kinnladen  gleichlang;  Afterflosse  16— 18 
strahlig. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  etwas  breit,  wie 
der  eines  jungen  Rothauges,  dabei  aber  zugleich  ein  wenig  in  die 
Länge  gestreckt,  doch  weniger  als  der  des  verwandten  alburnus. 
Von  oben  und  von  unten  ist  er  schmal.  Der  Rücken  steigt  vom 
Kopfe  bis  zur  Rückenflosse  in  ziemlich  gleichmässiger  Curve  an, 
und  senkt  sich  hinter  ihr  in  gerader  Linie  bis  zur  Caudalis.  Das 
untere  Profil  bildet  vom  Kopfe  bis  zum  Ende  der  Afterflosse 
eine  starke  convexe  Linie. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  etwas  über  4mal  in  der  Total- 
länge enthalten,  bei  Jüngern  Individuen  ist  der  Körper  jedoch 
niedriger,  bei  einem  Exemplar  fand  ich  sogar  das  Verhältniss 
der  Höhe  zur  Länge  =  1  : 5}. 

Die   Länge   des  Kopfs   ist   über   5mal   in   der   Totallänge 


•)  Wenn  ich  diese  und  die  folgende  Art  nicht,  wie  dies  gewöhnlich 
geschieht,  zu  den  Leuciscus^  sondern  zu  Abramis  stelle,  so  thue  ich  es, 
weil  die  dem  Geschlechte  Abramis  von  Cuvier  gegebenen  Charaktere 
vollkommen  auf  diese  Arten  passen.  Yalenciennes  stellt  jedoch  die 
Brachsen  überhaupt  unter  das  Geschlecht  Leuciscus. 

K     20* 


-     308    - 

enthalten,  oder  sie  ist  gleich  der  Sfachen  Distanz  der  Augen. 
Das  Maul  ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt,  und  ziem- 
lich weit  nach  hinten  gespalten ;  Ober-  und  Unterkiefer  sind 
gleich  lang  ,  bei  geöffnetem  Maule  steht  aber  der  letztere  vor. 
Der  Durchmesser  des  Auges  ist  nicht  ganz  J  der  Kopflänge 
und  gleicht  der  Entfernung  des  Auges  von  der  Schnauzenspitze. 
Die  Pupille  ist  nahezu  kreisrund. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  Brustfloss  e  n  mit  sehr  wenig  convexem  Rande  haben 
meist  nur  14,  selten  15—16  Strahlen,  und  sind  so  lang  oder 
etwas  kürzer  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  länger,  als  die 
Bauchflossen.  Diese,  abgerundet,  mit  sehr  convexem  Rande 
und  9 — 10  Strahlen  sind  so  lang  oder  etwas  kürzer  als  die 
Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse,  welche  viel,  oft  um  das  Doppelte 
höher  als  lang  ist,  steht  hinter  den  Ventrales,  vor  der  Analis; 
ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist  bald  bedeutender,  bald  gleich, 
bald  geringer,  als  von  der  Schwanzflosse  ;  sie  hat  einen  obern 
geraden  Rand  und  11   Strahlen. 

Die  Afterflosse,  deren  Länge  beinahe  der  Höhe  der 
Dorsalis  gleichkommt,  hat  einen  untern  geraden  Rand  und  16 — 18 
Strahlen. 

Die  Schwanzflosse  mit  einem  Ausschnitt  und  19  Strahlen. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  der 
halben  Körperhöhe  entspringt,  in  gerader  Linie  sehr  steil  gegen 
den  Bauch  hin  ab,  macht  über  den  Ventrales  einen  Winkel,  und 
verläuft  weit  unter  der  Mittellinie  des  Leibs  gerade  bis  zur 
Schwanzflosse.  Ihr  Winkel  ist  vom  Rücken  noch  einmal  so  weit 
entfernt  als  von  der  Bauchseite.  Sie  besteht  aus  44 — 49  Schuppen, 
deren  längliche  Erhabenheiten  nicht  besonders  stark  markirt  sind, 
und  welche  meist  da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die  Erhaben- 
heit der  nächsten  Schuppe  stossen,  einen  Ausschnitt  zeigen. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  9 — 10,  unter  ihr  3 — 4  Reihen.  Die 
Mitlelschuppe  ist  ungefähr  die  22.  der  Seitenlinie,  und  das  untere 
Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  gerade  über  den  Anus. 

Die    Schuppen    sind    ausserordentlich    zart    und    dünn, 


—    309    — 

höher  als  lang ;  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches  gross 
genug,  in  dem  zu  dem  grossen  Auge  aber  klein ;  die  Mittelschuppe 
bedeckt  nur  die  Pupille  und  den  sie  umgebenden  gelblichen  Ring. 
Sie  sind  nicht  so  regelmässig  gebaut  und  angeordnet,  wie  bei 
den  andern  Cyprinus. 

Farbe.  Rücken  bräunlichgrün,  metallisch  glänzend,  Seiten 
silberig  mit  gelblichem  Schimmer;  auf  der  Gränze  zwischen 
diesen  beiden  Färbungen  findet  sich  eine  glänzende  Binde,  welche 
durch  viele  schwarze  Pigmentflecken  bezeichnet  ist;  die  untere 
Seite  weiss.  Wenn  nach  dem  Tode  der  Fisch  abtrocknet,  kommen 
auf  jeder  Schuppe  der  Seitenlinie  an  den  Erhabenheiten  schwarze 
Punkte ,  welche  durch  viele  Pigmentfleckchen  zusammengesetzt 
sind ,  zum  Vorschein.  *)  Die  Basis  der  untern  Flossen  gelb, 
seltener  auch  die  der  Rückenflosse.  Iris  oben  von  der  Farbe 
des  Rückens,  unten  silberig ;  um  die  Pupille  ein  gelblicher  Ring. 

Grösse.     Höchstens  5 — 6". 

Auf  jeder  Seite  finden  sich  2  Reihen  Schlundkief  er - 
zahne.  Die  äussere  Reihe  besteht  aus  4  —  5  Zähnen,  welche 
an  der  Spitze  stark  gekrümmt,  und  von  denen  einige  etwas  ge- 
zahnt sind.  Die  innere  besteht  aus  2  viel  kleinern.  An  der 
Platte  gegen  welche  sie  wirken,  kann  man  eine  vordere  grössere, 
doppelherzförmige,  mit  der  Spitze  nach  vorne  gekehrte  Abthei- 
lung und  ein  hinteres  kleineres   rundliches  Stück  unterscheiden. 

Skelett.  Ich  finde  am  Schädel  keine  Abweichung  von 
dem  des  Ä.  alburnus,  es  ist  aber  das  Ethmoidalbein  viel  breiter, 
als  bei  diesem  und  der  bei  alburnus  an  der  Symphyse  beider 
Unterkieferknochen  bemerkliche  Höcker  fehlt.  Dem  Rumpfe 
gehören  18,  dem  Schwänze  22  Wirbel  an,  im  Ganzen  habe  ich 
nie  weniger  als  38  gezählt.  Valenciennes  gibt  33  Wirbel 
und  15  Rippen  an,  was  er  wahrscheinlich  von  Bloch  entlehnt 
hat.     13—14  Rippen. 

Nahrung.  Dieses  kleine  Fischchen  gehört  schon  zu 
den  Raubfischen  seiner  Familie ,  welche  sich  durch  eine  vor- 
stehende Unterkinnlade  auszeichnen  ;  es  ist  ausserordentlich  ge- 
frässig,  und  nährt  sich  weniger  von  Vegetabilien,  als  von  Insekten, 

*)  Die  von  Bloch  und  Voigt  angegebene  rothe  Färbung  der  Seiten- 
linie findet  sich  bei  unsern  Exemplaren  nicht. 


—     310     ~ 

Regenwürmern ,  kleinen  Conch^lien ,  Laich  von  Limnaeus,  sogar 
Vogelexcremente  verschluckt  er.  Gewiss  wird  er  auch  der  an- 
dern Fischbrut  nachtheilig,  welcher  Schaden  sich  jedoch  aus- 
gleicht, da  er  häufig  genug  andern  Fischen  zur  Beute  wird. 

Enlozoen  habe  ich  in  der  kältern  Jahreszeit  nie  in  ihm 
bemerkt. 

Der  Bleck  laicht  im  Juni,  und  legt  sehr  viele  Eier,  wess- 
halb  er  auch  einer  der  häufigsten  Fische  des  Neckars  ist.  Schaaren- 
weise  schwimmt  er  mit  A.  alburnus  nahe  an  der  Oberfläche  des 
Wassers,  besonders  gerne  an  ruhigen  Stellen  ,  über  denen  ein 
starker  Zug  des  Wassers,  der  ihm  immer  neue  Nahrung  zuführt, 
sich  findet.  Auch  beisst  er  gierig  an  den  an  der  Angel  be- 
festigten Wurm.     Gegessen  wird  er  nicht. 


Abramis  alburnus  Nilsson. 

Cyprinus  alburnus  L. 
Bloch,  t.  8.  f.  4  schlecht. 
M  e  i  d  i  n  g  e  r,  t.  30. 
Jurine,  pl.  14. 
Yarrell,  (p.  368)  s.  419. 
Fries  och  Ekström,  pl.  51. 

Aspius  alburnus.    Bonaparte,  Fauna  ital.  bildet 
ihn  zu  hoch  und  mit  zu  kurzer  Afterflosse  ab. 
Leuciscus  alburnus  Val. 

Silberling  ,    Lang  -  Bleck.         Ableite.         Bleak. 

Oberkiefer  kürzer  als  der  untere;  After- 
flosse   18— 22s  trahli  g. 

Der  Körper  ist  von  der  Seile  betrachtet,  sehr  schmal  und 
in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  erscheint  er  schmal,  von  unten 
noch  schmäler,  und  von  den  Bauchflossen  bis  zum  Ende  der 
Analis  scharfkantig.  *)  Der  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe  etwas 
ab ,  und  verläuft  bis  zur  Dorsalis  in  einer  äusserst  schwachen 
Curve,  beinahe  gerade,  von  da  an  senkt  er  sich  nur  unbedeutend, 
in  gerader  Linie  bis  zur  Schwanzflosse.  Das  untere  Profil  vom 
Kopfe  bis  zum  Ende  der  Analis  ist  dagegen  ziemlich  gebogen. 


*)  Auch  dies  zeigt  die  Verwandschaft  mit  Ahr.  blicca  und  brama. 


-     311     - 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  meist  etwas  über  5Jmal  in  der 
Totallänge  enthalten,  die  Länge  des  Kopfs  5fmal,  oder  diese 
ist  gleich  3^mal  die  Distanz  der  Augen  genommen.  Das  Maul 
ist  der  Grösse  des  Fisches  proporlionirt,  seine  seitlichen  Ränder 
steigen  schief  von  hinten  und  unten  nach  vorne  und  oben.  Der 
Unterkiefer,  länger  als  der  obere,  hat  vorne  eine  Andeutung  eines 
wulstigen  Hackens ,  welche  in  eine  Verliefung  des  Oberkiefers 
passt.  Der  Durchmesser  des  grossen  Auges  ist  nahezu  gleich 
der  Entfernung  desselben  von  der  Schnauzenspitze  und  3^ — 4mal 
in  der  Länge  des  Kopfs  enthalten.  Die  Pupille  ist  beinahe 
kreisrund. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  mit  15 — 16  Strahlen  und  wenig  con- 
vexem  Rande ,  sind  länger  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  und  noch 
länger,  als  die  Bauchflossen.  Diese  mit  9  —  10  Strahlen 
und  convexem  Rande  sind  länger  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse,  deren  Höhe  die  eigene  Länge  weit 
übertrifft ,  steht  weit  hinter  den  Ventrales ,  das  hintere  Ende 
ihrer  Insertion  fällt  noch  auf  das  vordere  der  Afterflosse  ;  ihre 
Entfernung  vom  Kopfe  ist  schon  auf  den  ersten  Blick  eine  be- 
deutendere, als  die  von  der  Schwanzflosse.  Nur  einmal  fand 
ich  9,  sonst  immer  10  Strahlen,  und  zwar  war  der  bei  den 
Cyprinoiden  sonst  gewöhnliche  rudimentäre  Stachel  nicht  be- 
merkbar. Der  erste  Strahl  ist  um  f  kleiner,  als  der  zweite 
höchste.  ^')     Der  obere  Rand  dieser  Flosse  ist  gerade. 

Die  Afterflosse,  deren  Länge  meist  die  Höhe  der  Dor- 
salis übertrifft,  hat  einen  untern  etwas  schlangenlinienförmigen 
oder  beinahe  geraden  Rand  und  18 — 22**)  Strahlen. 

Die  Schwanzflosse  mit  einem  Ausschnitt  und  19  Strahlen ; 
ihr  oberer  Lappen  ist  oft  kürzer  als  der  untere. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  der 
halben  Körperhöhe  entspringt  in  einem  Bogen  gegen  die  Bauch- 
flossen hin  ab,  steigt  in  demselben  Bogen  wieder    in  die  Höhe, 


*)  Ekström    (Fische    v.    Möikö    p.    54)    schweigt     sogar   von    dem 
ersten,  der  um  §  kleiner,    als  der  zweite  ist,  und  zählt  nur  9  Strahlen, 
**)  Der  bei  Angabe  der  Differenzen  in  der  Zahl  der  Flosseustrahlen 
so  genaue  Gronovius  gibt  als  Minimum  für  die  Afterflosse  20  an. 


—     312     — 

und  verläuft  dann  auf  dem  Schwänze  unter  der  Mittellinie  ge- 
rade bis  zur  Caudalis.  Sie  besteht  aus  48 — 51  Schuppen,  deren 
Erhabenheiten  vorne  stärker  markirt  sind  ,  als  hinten  ,  und  von 
welchen  einige  da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die  Erhabenheit 
der  nächsten  Schuppe  stossen,   einen  seichten  Ausschnitt  zeigen. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  zählte 
ich  über  der  Seitenlinie  8,  selten  9,  unter  ihr  4,  seltener  3 
Schuppenreihen.  Die  Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  28.  der 
Seitenlinie ,  und  das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt 
auf  den  Anfang  der  Afterflosse. 

Die  Schuppen  sind  sehr  zart  und  dünn,  gehen  auch 
sehr  leicht  ab;  sie  sind  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches 
gross  genug ,  höher  als  lang ;  die  Mittelschuppe  bedeckt  -J  des 
Auges. 

Farbe.  Rücken  grün,  metallisch  glänzend;  die  Seiten 
vom  reinsten  Silberglanze ,  selten  mit  vereinzelten  schwarzen 
Pigmentflecken.  Die  Flossen  ungefärbt ;  Iris  silberig,  manchmal 
gelblich  angeflogen,  oben  etwas  dunkel  pigmentirt. 

Grösse.     Höchstens  etwas  über  7"  lang. 

Auf  jeder  Seite  finden  sich  2  Reihen  Schlundkiefer- 
zähne; die  äussere  besteht  aus  5  lanzettförmigen  Zähnen, 
welche  an  ihrer  Spitze  mit  einem  Hacken  versehen  und  bei- 
nahe in  ihrer  ganzen  Länge  gezahnt  sind  ;  in  der  innern  2  viel 
kleinere  Zähnchen.  An  der  obern  Platte  lässt  sich  eine  vordere 
grössere,  doppelherzförmige,  etwas  rauhe,  mit  der  Spitze  nach 
vorne  gewendete  Abtheilung  und  ein  hinteres  kleineres,  rund- 
liches Stück  unterscheiden. 

Obgleich  das  Skelett  dieses  Fisches  sehr  wenig  und  ganz 
unwesentliche  Abweichungen  von  dem  seiner  Verwandten  zeigt,  so 
bemerke  ich  doch  einiges,  wodurch  er  sich  von  der  vorhergehen- 
den und  der  folgenden  Art  unterscheidet.  So  unbedeutend  diese 
Differenzen  erscheinen  mögen,  so  habe  ich  sie  doch  immer  con- 
stant  gefunden.  Vor  allem  macht  sich  der  Unterkiefer  bemerk- 
lich vor  dem  der  andern  Cyprinoiden  (mit  Ausnahme  der  Aspius 
Agassi  z)  durch  seine  Stärke;  gegen  die  S^'mphyse  beider 
seitlichen  Knochen  ist  er  ein  klein  wenig  aufwärts  gebogen  und 
nach  unten  und  vorne  verlängert  er  sich  in  einen  kleinen  Höcker. 


—    313    — 

Der  Schädel  erscheint  von  oben  lang ,  hauptsächlich  wegen  des 
verlängerten  Ethmoidalbeins,  das  zur  Bildung  der  Nasenhöhle 
einen  tiefen  halbmondförmigen  Ausschnitt  an  seinen  beiden  Seilen 
zeigt,  an  seinem  schmälsten  Theile  nur  halb  so  breit,  an  seinem 
breitesten  immer  noch  schmäler,  als  lang  ist.  Die  3  Infraorbital- 
knochen  ,  welche  den  Jochbogen  bilden  ,  sind  ausserordentlich 
schmal  und  lang  gestreckt,  der  hintere  ist  4mal  so  lang  als  breit. 
Das  Zungenbein  ist  ein  gleichmässiger  langer  Stiel.  Der  alburmis 
ist  viel  mehr  in  die  Länge  gestreckt,  als  der  bipunctatus ,  und 
die  Zahl  der  Wirbel  ist  bei  ihm  vergrössert,  auffallenderweise 
aber  nur  die  der  Rumpfwirbel. 

Ich  zähle  am  Rumpfe  20 — 22 ,  am  Schwänze  22  Wirbel, 
15 — 16  Rippen.  Der  Radius  ist  eine  sehr  breite  und  dünne  Platte; 
die  Platten  beider  Seilen  legen  sich  mit  ihrer  Fläche  an  einander. 
Das  Os  innominatum  ist  bis  auf  die  Hälfte  gespalten. 

Die  W' ei  cht  heile  zeigen  nichts  besonderes. 

Nahrung.  Der  Silberling  ist  ausserordentlich  gefrässig 
und  auch  durch  seinen  aufwärts  über  den  Oberkiefer  auslaufen- 
den Unterkiefer  dem  Raubfische  unter  unsern  Cyprinoiden,  dem  C. 
aspius  nahe  verwandt ;  er  nährt  sich  beinahe  ausschliesslich  von 
animalischen  Substanzen,  und  wird  der  Brut  anderer  Fische  ge- 
fährlich und  darum  schädlich. 

Von  Entozoen  fand  ich  während  des  Herbstes  häufig  in 
ihm  Echinorhynchus  proteus ,  nicht  nur  im  Darmkanal,  sondern 
einmal  sogar  im  Ovarium. 

Seine  Laichzeit  hängt  von  der  Temperatur  ab,  sie  kann 
schon  im  Frühjahr  beginnen  ,  sich  aber  auch  bis  zum  Anfange 
des  Sommers  verzögern  ;  der  Rogen  wird  auf  Steine  abgesetzt. 
Er  findet  sich  im  Neckar  ausserordentlich  häufig  und  in  keinem 
andern  Flusse  wird  er  eine  bedeutendere  Grösse  erreichen.  W^ie 
die  vorige  Art  schwimmt  er  gerne  bei  Sonnenschein  an  der 
Oberfläche  des  W'assers,  und  ist  stets  in  Gesellschaft  von  dieser 
und  seines  gleichen  zu  finden.  Ebenso  gierig  beisst  er  an  die 
Angel,  daher  schon  Ausonius  V.  126  von  ihm  sagt: 
Quis  non  —  Tincas 
Norit,  et  Alburnos  praedam  puerilibus  hamis  ? 

Nutzen  kann    nicht  viel   von   ihm  gezogen    werden;   sein 


--    314    — 

Fleisch  wird  nicht  gegessen,  soll  aber  eine  Lieblingsnahrung  der 
Hechte  und  Barsche  sein,  daher  er  als  Köder  für  diese  gebraucht 
wird.  Bekannt  ist,  dass  in  Frankreich  seine  mit  silberglänzen- 
der Substanz  überzogenen  Schuppen  zur  Fabrication  falscher 
Perlen  benützt  wurden. 

Wir  kommen  nun  zu  der  Beschreibung  eines  Fisches,  welcher 
zwar  dem  Habitus  nach  so  sehr  dem  alburniis  gleicht,  dass  man 
ihn  nur  für  ein  ausserordentlich  grosses  Exemplar  dieser  Art 
halten  könnte ,  welcher  aber  durch  die  viel  geringere  Länge 
seiner  Afterflosse  sich  in  so  auffallender  Weise  von  jenem  unter- 
scheidet, dass  ich  keinen  Anstand  nähme,  ihn  als  besondere  Art 
zu  bezeichnen,  wenn  ich  ihn  durch  seine  verschiedenen  Alters- 
stufen hätte  verfolgen  können.  So  aber  erhielt  ich  nur  4  Exem- 
plare, welche  ihrer  Grösse  nach  nur  durch  das  Alter  eines  Jahres 
verschieden  waren  ,  und  unter  nahezu  100  beobachteten  Silber- 
lingen  fand  sich  nie  ein  jüngeres  Individuum  mit  einer  kurzen 
Afterflosse. 

In  der  histoire  des  poissons  von  V  alen  ciennes  findeich 
einen  Fisch,  welcher  dem  Maas-  und  Moselgebiete  angehört, 
und  wegen  der  kurzen  Afterflosse  ebenfalls  als  eigene  Art  unter 
dem  Namen  Leuciscus  dolabrafus  von  H  oll  and  re  unterschieden 
wurde;  ob  er  identisch  mit  dem  unsrigen  ist,  wage  ich  nach 
seiner  kurzen  Beschreibung  nicht  zu  entscheiden.  Die  ange- 
gebenen wesentlichen  Merkmale  würden  auf  unsern  Fisch  passen. 

Abramis   — 

alburni  varietas  ? 
Leuciscus  dolabratus   Hollandre. 

Silberling  in  Tübingen. 

Oberkiefer  kürzer  als  der  untere.  Afterflosse 
14— 15strahlig. 

Der  Körper  dieses  Fisches  ist  von  der  Seite  betrachtet, 
schmal  und  in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  ist  er  etwas  breit, 
von  unten  schmal  und  von  den  Bauchflossen  bis  zum  Ende  der 
Analis  scharfkantig.  Der  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe  etwas 
ab  und  biegt  sich  in  einer  sehr  schwachen  Curve  bis  zur  Rücken- 


—    315    - 

flösse.  Von  da  an  senkt  sich  sein  Profil  in  einer  schwach  convexen 
Linie  bis  zur  Caudalis.  Der  Bauch  bildet  wie  bei  alburnus  vom 
Kopfe  bis  zum  Ende  der  Afterflosse  eine  ziemlich  convexe  Linie. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  5mal  in  der  Totallänge 
enthalten,  die  Länge  des  Kopfs  5|mal,  oder  diese 
ist  gleich  3^mal  die  Distanz  der  Augen  genom- 
men.*) Das  Maul  ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt, 
es  hat  die  Gestalt,  wie  bei  alburnus,  und  erinnert ,  vielleicht 
aber  nur  wegen  der  beträchtlichem  Grösse  des  Fisches,  noch 
mehr  an  das  Maul  des  C.  aspius.  Seine  seitlichen  Ränder  steigen 
schief  von  hinten  und  unten  nach  vorne  und  oben;  der  Unter- 
kiefer ist  länger  als  der  obere  und  hat  vorne  eine  Andeutung 
eines  wulstigen  Hackens,  welche  in  eine  Vertiefung  des  Ober- 
kiefers passt :  gerade  so  wie  wir  es  bei  halb  ausgewachsenen 
Männchen  des  Salmo  lacustris  finden. 

Der  Durchmesser  des  A  u  g  s  ist  in  der  Kopflänge  nicht 
ganz  5mal  enthalten,  **)  seine  Entfernung  von  der  Schnauzen- 
spitze beträgt  IJ  seiner  Durchmesser. 

Die  Br  u  st  f  1  0  s  s  e  n  mit  17  Strahlen  und  schlangenlinien- 
förmigem  Rande  sind  bald  etwas  länger,  bald  etwas  kürzer  als 
die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  um  ein  beträchtliches  länger,  als  die 
Bauch  flössen.  Diese,  mit  9  oder  11  Strahlen  und  con- 
vexem  Rande  sind  so  lang,  als  die  Analis  hoch  ist. 

Die  Rückenflosse,  welche  viel  höher  als  lang  ist, 
steht  hinter  den  Ventrales;  das  hintere  Ende  ihrer  In- 
sertion fällt  vor  den  Anus;  ihre  Entfernung  vom  Kopfe 
ist  schon  auf  den  ersten  Blick  eine  bedeutendere,  als  die  von 
der  Schwanzflosse.  Sie  hat  10  Strahlen,  doch  ist  manchmal  noch 
ein  kleiner  rudimentärer  Stachel  vor  dem  ersten  ungegabelten 
halbhohen  bemerkbar.     Ihr  oberer  Rand  ist  gerade. 

Die  Afterflosse,  derenLänge  gleich  der  eigenen 


*)  Die    wiclitigsten    Differenzen    von    alburnus   sind   mit    gesperrter 
Sclirift  gedruckt. 

**)  Audi  dies  könnte  als  untersclieidendes  Merkmal  von  alburnus  be- 
zeicliuet  werden,  wenn  niclit  nach  meinen  Beobaclitungen  bei  jungem 
und  Icleinern  Individuen  das  Auge  verhältnissmässig  viel  grösser  wäre, 
als  bei  altern  und  grössern  derselben  Species, 


-     316    — 

Höhe  oder  sogar  noch  geringer  ist,  und  welche  um 
vieles  kürzer,  als  dieDorsalis  hoch  ist,  hat  einen  untern 
beinahe  geraden  Rand.    Sie  hat  nur  14  oder  15  Strahlen. 

Die  Seh  w  anzf  losse  hat  einen  Anschnitt  und  19  Sirahlen, 
der  obere  Lappen  ist  etwas  kürzer,  als  der  untere. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  über  der 
halben  Körperhöhe  entspringt,  in  einem  Bogen  gegen  die  Bauch- 
flossen ab,  steigt  in  demselben  Bogen  wieder  in  die  Höhe,  und 
verläuft  auf  dem  Schwänze  unter  der  Mittellinie  gerade  bis  zur 
Caudalis.  Sie  besteht  aus  45  Schuppen,  deren  Erhaben- 
heiten vorne   punktförmig,  nach  hinten   zu  etwas  länglich  sind. 

Qu e rs  c hupp  en  reihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  finden 
sich  über  der  Seitenlinie  8,  unter  ihr  4  Reihen.  Die  Mittel- 
schuppe ist  ungefähr  die  23.  der  Seitenlinie  und 
das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  un- 
mittelbar vor  den  Anus. 

Die  Schuppen  sind  zwar  etwas  fein,  aber  viel 
stärker,  als  die  von  alburnus  und  gehen  nicht  beson- 
ders leicht  ab;*)  im  Vergleich  mit  denen  von  alburnus 
sind  sie  grösser,  höher  als  lang;  die  Mittelschuppe  bedeckt 
J  des  Augs. 

Farbe.  Rücken  grün,  metallisch  glänzend;  Seiten  silberig, 
die  zwischen  den  Schuppen  hervorragenden  membranosen  Fort- 
sätze sind  schwarz  pigmentirt ;  die  Flossen  ungefärbt ,  die  Iris 
blassgelb,  oben  etwas  dunkel  pigmentirt. 

Grösse.  Das  kleinste  Individuum,  das  ich  bis 
jetzt  erhallen  konnte,  mass  7"  5'",  das  grösste  gegen  9", 
eine  Länge  wie  sie  jedenfalls  von  A.  alburnus  noch  nie  beob- 
achtet worden  wäre. 

Schlundkiefer.  Auf  jeder  Seite  finden  sich  2  Reihen; 
die  äussere  Reihe  besteht  aus  5  lanzettförmigen  Zähnen,  welche 
an  der  Spitze  mit  einem  Hacken  versehen  und  beinahe  in  ihrer 
ganzen  Länge  gezähnelt  sind ;  die  innere  besteht  aus  2  viel 
kleineren  Zähnchen.  Die  Gestalt  der  oberen  Platte  ist  wie  die 
bei  alburnus. 


*)  Dies  könnte  jedoch  auch  Folge  des  höhereu  Alters  sein. 


—     317     — 

Skelett.  Der  Schädel  erscheint  von  oben  kür- 
zer, als  der  des  alburnus.  DasEthmoidalbein  näm- 
lich, welches  an  den  Seiten  nur  einen  sehr  flachen 
Ausschnitt  zeigt,  ist  nachVerhältniss  noch  breiter 
als  bei  bipunctatus  ,  und  an  seiner  schmälsten  Stelle 
höchstens  eben  so  breit,  als  lang.  Seine  grösste 
Breite  übertrifft  seine  Länge.  Dieinfraorbitalplatten 
sind  breit,  der  hinterste  höchstens  noch  einmal  so 
lang  als  breit.     22  Rumpf-,  21  Schwanz wirbel,  16  Rippen. 

Die  Nahrung  hat  er  mit  alburnus  gemein,  auch  beisst  er 
ebenso  gierig  ,  wie  dieser  an  die  Angel.  In  seinem  Darmkanal 
fand  ich  auch  noch  Reste  von  Pflaumen. 

Echinorhynchus  proteus  erreicht  in  ihm  eine  bedeutende 
Grösse. 

Bis  jetzt  habe  ich  diese  Art  nur  aus  dem  Neckar  bei  Tüb- 
ingen bekommen  können. 

Seltener  oder  nur  in  einem  gewissen  Theile  des  Neckars 
finden  sich  die  hochgebauten  Abramis. 

Abramis   blicca  C  u  v. 

C.  blicca  und  björkna  L. 

C.  latus  Gmel. 

Bloch,  t.  10. 

Meidinge  r,  t.  7  fälschlich  als  C.  ballerus. 

Fries  och  Ek  ström,  pl.  12. 

Leuciscus  blicca  Val. 

Ekström,  Fischer  von  Mörkö,  pl.  IV. 

Yarrell,  S.  387. 

Bordeliere  und  Harriot.  *)         Breamflat. 

Oberkiefer  überragt  den  untern.  After- 
flosse   25  strahlig. 

*)  Ich  mag  nicht  den  von  Märten  s  angegebenen  Trivialnamen 
„Blättle",  welcher  diesem  Fische  im  Neckargebiete  angehören  soll,  an- 
führen, da  die  Fischer  überhaupt  keine  Kenntniss  von  dem  Fische,  also 
noch  weniger  von  einem  Namen  desselben  haben.  Wenigstens  konnte 
ich  nie  etwas  von  ihm  erfahren. 


—    318    — 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  ausserordentlich 
breit,  von  oben  und  von  unten  sehr  schmal  und  seitlich  zu- 
sammengedrückt; zwischen  den  Bauchflossen  und  dem  Anus  bildet 
der  Bauch  eine  so  scharfe  Kante,  dass  die  Schuppen  beider 
Seilen  nicht  in  einander  greifen.  Das  obere  Profil  schweift  sich 
am  Kopfe  sattelförmig  aus ;  der  Rücken  setzt  sich  vom  Kopfe 
nur  wenig  ab  und  bildet  bis  zur  Schwanzflosse  einen  stark  con- 
vexen  Bogen,  dessen  höchster  Punkt  mit  dem  Anfange  der  Dor- 
salis  zusammenfällt.  Die  Bauchlinie  senkt  sich  anfangs  hinter 
dem  Kopfe  in  einem  Bogen,  läuft  aber  dann  bis  zur  Analis  ge- 
rade aus,  an  deren  Basis  sie  wieder  gerade  ansteigt.  Das  Pro- 
fil des  übrigen  Schwanzes  ist  gerade  und  horizontal. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  etwas  über  3mal  in  der  Total- 
länge enthalten,  die  Länge  des  Kopfs  5Jmal,  oder  diese  ist 
gleich  der  Sfachen  Distanz  der  Augen.  Der  Durchmesser  des 
Augs  ist  3|mal    in    der  Kopflänge  enthalten. 

Der  erste  vordere  Infraorbitalknochen  ist  viel  kleiner  als 
das  Auge.  Das  Maul  ist  im  Verhällniss  zur  Grösse  des  Fisches 
klein ,  sein  Mundwinkel  erreicht  bei  weitem  nicht  den  vorderen 
Rand  des  Auges ;  der  Oberkiefer  überragt  den  untern.  Die 
Porenreihe  der  Seitenlinie  setzt  sich  oben  auf  dem  Kopfe  fort, 
umgeht  das  Nasenloch,  verläuft  auf  dem  Infraorbitalring  und  geht 
oben  hinter  dem  Auge  wieder  in  ihren  Anfang  zurück. 

Die  Brustflossen,  mit  16  Strahlen  und  wenig  con- 
vexem  Rande  sind  kürzer,  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  bei- 
nahe gleich  lang  mit  den  Bauchflossen.  Diese,  9strahlig, 
wenig  abgerundet,  sind  etwas  länger,  als  die  Analis  hoch  ist-,  in 
der  Innern  Insertionsstelle  findet  sich  eine  von  den  übrigen 
durch  ihre  lange  Gestalt  unterschiedene  Schuppe. 

In  der  Rückenflosse  zähle  ich  11  Strahlen,  doch  ist 
manchmal  der  erste  rudimentäre  Stachel  nicht  bemerkbar.  Sie 
ist  beinahe  noch  einmal  so  hoch  als  lang,  und  hat  einen  ab- 
schüssigen geraden  obern  Rand.  Ihr  vorderes  Ende  steht  in 
der  Mitte  zwischen  Bauch-  und  Afterflosse,  und  vom  Kopfe  ist 
sie  viel  weiter  entfernt  als  von  der  Caudalis. 

Die  Afterflosse  mit  25  Strahlen  und  unterem  con- 
cavem  Rande. 


—    319    — 

Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  tiefem  Aus- 
schnitte. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  weit 
über  der  halben  Körperhöhe  entspringt,  ziemlich  gerade  gegen 
den  Bauch  hin  ab ,  und  verläuft  gerade  und  unter  der  Mittel- 
linie bis  zur  Schwanzflosse.  43 — 45  Schuppen,  von  denen  einige 
da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande  auf  die  Erhabenheit  der  nächsten 
Schuppe  stossen ,  einen  Ausschnitt  zeigen. 

Querschuppenreihe,  lieber  der  Seitenlinie  finden  sich 
8,  unter  ihr  7  Schuppenreihen  ;  die  Mittelschuppe  ist  ungefähr 
die  26.  der  Seilenlinie,  und  das  untere  Ende  der  Querschuppen- 
reihe liegt  am  Anus. 

Die  Schuppen  sind  ziemlich  gross;  die  Mittelschuppe 
höher  als  lang,  bedeckt  f  des  Auges. 

Farbe.  Oben  grünlich,  die  Seiten  silberig;  Brust-  und 
Bauchflossen  sind  nach  dem  Alter  des  Fisches  mehr  oder  weniger 
intensiv  roth,  die  übrigen  von  der  Farbe  des  Rückens. 

Die  bedeutendste  Grösse  ist  die  von  1'. 

Die  Schlundkieferzähne  stehen  in  2  Reihen,  in  der 
äussern  5,  in  der  Innern  2. 

Dieser  Fisch  nährt  sich  von  vegetabilischen  und  animali- 
schen Substanzen  ;  er  laiche  vom  Mai  bis  Ende  Juni  in  verschie- 
denen Perioden  an  grasigen  Plätzen ,  wo  er  seinen  Rogen  an 
Pflanzen  absetze.  Ob  er  im  Neckar  laiche,  weiss  ich  nicht.  Er 
muss  in  diesem  Flusse  sehr  selten  sein  ,  doch  findet  sich  im 
Stuttgarter  Naturalienkabinete  ein  Exemplar,  das  als  daher  stam- 
mend bezeichnet  ist.  Im  obern  Neckar  z.  B.  bei  Tübingen  findet 
er  sich  gewiss  nicht,  eher  mag  dies  noch  der  Fall  sein  im  untern 
und  in  den  daran  stossenden  Altwassern. 


-     320    — 
Abramis  brama  C  u  v. 

Cyprinus  brama  L. 
Bloch,  t.  13. 
Meidinger,  IV.  t.  43. 
Leuciscus  brama  Val. 
Fries  och  Eck  ström,  t.  53. 
Yarrell,  S.  382. 

Brachsen,  Bressem.         Breme.         Bream. 

Oberkiefer  länger  als  der  untere.  Afterflosse 
27-29strahlig. 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  sehr  breit,  oval, 
nur  der  Schwanz  ist  hinter  der  Afterflosse  etwas  schmal ;  von 
oben  und  von  unten  erscheint  er  seitlich  zusammengedrückt  und 
ausserordentlich  schmal.  Zwischen  Bauchflossen  und  Anus  bildet 
der  Bauch  eine  so  scharfe  Kante  ,  dass  die  Schuppen  beider 
Seiten  nicht  mehr  in  einander  greifen.  Der  etwas  kantige  Rücken 
steigt  hinter  dem  Kopfe  sehr  steil  an  und  bildet  bis  zum  An- 
fange der  Rückenflosse  einen  starken  Bogen ;  von  da  bis  zur 
Caudalis  fällt  er  ziemlich  steil  und  gerade  ab.  Die  Bauchlinie 
senkt  sich  hinter  dem  Kopfe  anfangs  in  einen  Bogen  ;  läuft  aber 
dann  bis  zur  Afterflosse  gerade  aus,  an  deren  Basis  sie  gerade 
■wieder  ansteigt.  Das  Profil  des  übrigen  Schwanzes  ist  gerade 
und  horizontal. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  in  der  Totallänge  3|mal,  die 
Länge  des  Kopfs  5^mal  enthalten  oder  diese  ist  gleich  der 
Sfachen  Distanz  der  Augen.  Der  Durchmesser  des  Augs  ist 
in  der  Kopflänge  4 — 5mal  enthalten,  und  etwas  kleiner,  als  die 
Entfernung  des  Augs  von  der  Schnauzenspitze.  Der  erste  In- 
fraorbitalknochen  ist  viel  kleiner  als  das  Auge.  Das  Maul  ist 
im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches  klein  ,  der  Mundwinkel 
erreicht  bei  weitem  nicht  den  vordem  Rand  des  Auges.  Ober- 
kiefer länger  als  der  untere. 

Die  P  0  r  en  r  e  i  h  e  der  Seitenlinie  setzt  sich  oben  auf  dem 
Kopfe  fort,  umgeht  das  Nasenloch,  verläuft  auf  dem  Infraorbital- 
ring,  und  geht  oben,  hinter  dem  Auge,  wieder  in  ihren  Anfang 
zurück. 


—    321    —      ' 

Der  membranose  äussere  Opercularrand  ist  nicht  besonders 
stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  mit  17  Strahlen  und  wenig  convexem 
Rande  sind  kürzer  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  aber  länger  als  die 
Bauchflossen.  Diese  mit  9  Strahlen  und  wenig  convexem 
Rande  sind  so  lang ,  als  die  Analis  hoch  ist.  In  ihrer  Innern 
Insertionsstelle  findet  sich  eine  durch  ihre  längliche  Gestalt  von 
den  andern  unterschiedene  Schuppe. 

Die  Rückenflosse,  12strahlig,  beinahe  noch  einmal 
so  hoch  als  lang,  mit  oberem  geradem  abschüssigem  Rande,  ist 
vom  Kopfe  viel  weiter  als  von  der  Schwanzflosse  entfernt ;  ihr 
vorderes  Ende  steht  mitten  zwischen  Bauch-  und  Afterflosse. 

Afterflosse  mit  27 — 29  Strahlen  und  unterem  con- 
cavem  Rande;  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem 
tiefen  Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  fällt  von  der  Schulter,  wo  sie  weit 
über  der  halben  Körperhöhe  entspringt ,  ziemlich  gerade  gegen 
den  Bauch  hin  ab,  und  verläuft  dann  unter  der  Mittellinie  gerade 
bis  zur  Schwanzflosse.  Sie  besieht  aus  54—55  Schuppen,  von 
welchen  einige  da  wo  sie  auf  die  Erhabenheit  der  nächsten 
Schuppe  stossen,  einen  Ausschnitt  zeigen. 

Querschuppenreihe,  lieber  der  Seitenlinie  zählte 
ich  12  oder  14,  unter  ihr  8  Schuppenreihen.  Die  Mittelschuppe 
ist  die  28.  der  Seitenlinie ,  und  das  untere  Ende  der  Quer- 
schuppenreihe fällt  an  den  Anus. 

Die  Schuppen  sind  höher  als  lang,  die  Mittelschuppe  be- 
deckt das  Auge  bei  jüngeren  Individuen  zur  Hälfte,  bei  altern  ganz. 

Farbe.  Rücken  bräunlichgrün,  Seiten  heller,  messinggelb 
glänzend  ,  unten  weiss ,  nach  dem  Tode  etwas  röthlich.  Die 
Flossen  schwärzlich ,  Bauch-  und  Brustflossen  etwas  röthlich 
angeflogen. 

Grösse.  Der  Brachsen  erreicht  eine  beträchtliche  Grösse 
von  2 — 3' Länge  und  15  Pfund  Gewicht;  so  gross  wird  er  aber 
schwerlich  im  Neckar  gefunden  werden ;  das  grösste  mir  bekannte 
Exemplar  war  unter  Heilbronn  gefangen  worden,  und  mass  nicht 
ganz  li';  gewöhnlich  fängt  man  Brachsen  von  nur  8 — 10". 

5  schmale,  schwache  Schlundkieferzähne  in  einer  Reihe. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.  1853.  3s  Heft.  21 


-     322    - 

Von  dem  Skelette  hat  Rosen  thal  in  seinen  ichthyo- 
tomischen  Tafeln  eine  Abbildung  gegeben.  Der  Schädel  (s.  auch 
Yarrell  S.  386)  ist  an  seiner  hintern  obern  Decke  stark  gewölbt, 
verschmälert  sich  nach  hinten  und  setzt  sich  in  die  crista  des 
OS  interparietale  fort;  das  obere  Profil  des  Schädels  und  dieser 
crista  steigt  gleichmässig  an  und  es  wird  dadurch  die  starke  Er- 
höhung des  Rückens  bedingt.  Die  crista  des  Hinterhaupts  ist 
auf  Kosten  des  Dornfortsatzes  am  zweiten  Wirbel  entwickelt, 
indem  dieser  im  Vergleich  mit  andern  C^^prinoiden  viel  schmä- 
ler ist. 

Der  obere  Rand  des  Operculums  ausgeschweift.  Ich  zähle 
21  Rumpf-  und  22  Schwanzwirbel ;  15 — 17  Rippen.  Die  untern 
und  obern  Dornfortsätze  ausserordentlich  lang.  10  Interspinal- 
knochen  vor  der  Rückenflosse.     Die  Beckenknochen  sind  schmal. 

Die  Weichtheile  zeigen  eine  etwas  andere  Anordnung, 
als  bei  den  vorigen  Arten.  Der  Darmkanal  macht  3  Windungen 
und  ist  so  lang  als  der  Fisch ;  der  rechte  und  linke  Leberlappen 
sind  nur  durch  einen  Streifen  des  Parenchyms  und  einige  Ge- 
fässstämme  mit  einander  verbunden.  Die  Gestalt  der  Schwimm- 
blase hat  sich  nach  der  Form  des  Leibs  und  der  Bauchhöhle 
modificirt,  sie  ist  seitlich  etwas  zusammengedrückt,  die  vordere 
Abtheilung  doppelherzförmig ,  mit  der  Spitze  nach  vorne  ge- 
wendet; die  hintere  ist  im  Verhältniss  zur  vordem  nicht  be- 
sonders gross ,  und  wie  die  hinlere  Abtheilung  der  Bauchhöhle 
abwärts  gegen  den  Anus  gebogen,  so  dass  die  der  Wirbelsäule 
zugekehrte  Seite  convex,  die  gegen  die  Eingeweide  concav  ist. 
Nach  hinten  läuft  sie  in  eine  Spitze  aus. 

Die  Nahrung  hat  er  mit  dem  Karpfen  gemein,  sie  be- 
steht vor  allem  in  Schlamm;  auch  scheint  er  mehr  von  vege- 
tabilischen Substanzen,  Gras  etc.  als  von  animalischen  zu  leben. 

Von  Entozoen  ist  zu  erwähnen  der  Echinorhynchus  cla- 
vaeceps  und  Distoma  globiporum ,  einmal  fand  ich  Holostoma 
CO  chle  anforme. 

Der  Brachsen  laicht  zu  Anfang  des  Sommers  und  setzt 
seinen  Rogen  an  Wasserpflanzen  ab.  Seine  Vermehrung  ist 
sehr  stark ,  und  es  ist  der  Grund  davon  zu  suchen  einmal  in 
der  grossen  Zahl  seiner  Eier ,   in  seiner  sehr  bald  eintretenden 


-     323    — 

Geschlechtsreife  und  in  dem  Umstände,  dass  der  Rogen  in  ver- 
schiedenen Perioden  abgesetzt  wird  ,  von  den  ältesten  nämlich 
zuerst,  von  den  jüngsten  zuletzt ;  so  dass,  wenn  auch  die  eine 
oder  andere  Laiche  wTgen  der  Witterung  nicht  gedeiht ,  die 
andern  unter  um  so  günstigem  Verhältnissen  angestellt  werden. 
Die  Laichzeit  des  einzelnen  Brachsen  dauert  jedoch  nicht  länger 
als  4  Tage. 

Der  Brachsen,  obgleich  er  in  Oberschwaben  ,  in  Seen  und 
Flüssen  und  im  Rheine  häufig  gefangen  wird,  schien  bis  jetzt 
dem  Neckar  zu  fehlen.  Er  wird  jedoch  das  ganze  Jahr  noch 
bei  Heilbronn  gefangen,  und  ist,  da  er  nicht  selten  und  manch- 
mal in  beträchtlicherer  Grösse  vorkommt,  für  die  dortige  Fischerei 
nicht  ohne  Bedeutung,  früher  noch  mehr  als  jetzt,  da  er  durch 
die  Dampfschifffahrt  in  den  Rhein  oder  wenigstens  in  den  un- 
tersten Neckar  zurückgescheucht  wird,  lieber  Heilbronn  kann 
der  Brachsen  wegen  der  dort  angebrachten  Wöhrde ,  so  wenig 
als  der  Maifisch  heraufsteigen.  Der  Brachsen  könnte  ganz  ge- 
wiss mit  Leichtigkeit  in  die  Weiher  und  Altwasser  des  Unter- 
lands verpflanzt  werden.  Er  fordert  nicht  mehr  Pflege  als  der 
Karpfen,  dagegen  wäre  die  Anschaffung  seiner  Brut  (etwa  von 
Ulm)  mit  bei  weitem  weniger  Kosten  verbunden.  Seine  starke 
Vermehrung,  sein  rasches  Wachsthum,  sein  gutes  und  gesundes 
Fleisch  empfehlen  ihn  ganz  besonders  zu  einem  Teichfische. 


Chondrostoma  Agassiz. 

Der  Oberkiefer  ist  verdickt,  aufgetrieben  und  tritt  weit  über  das 
Maul  hervor;  auf  der  Unterlippe  ein  harter  knorpeliger  Ueberzug* 

Chondrostoma  nasus  Agassiz. 

Cyprinus  nasus  L. 
Bloch,  t.  3. 
Meid  in  g  er,  II.  t.  12. 
Leuciscus  nasus  Cuv. 

Nase,   Weissfisch.         Nez. 

Das    Maul    an  der   untern    Seite    des    Kopfs, 
quer    gespalten,    gerade. 

21* 


—    324    - 

Der  Körper  ist  von  der  Seite  betrachtet,  etwas  schmal 
und  in  die  Länge  gestreckt,  von  oben  und  von  unten  etwas 
breit.  Der  Rücken  steigt  gleich  hinter  dem  Kopfe  ziemlich  steil 
an,  verläuft  breit  abgerundet,  anfangs  in  stärkerem  Bogen,  etwas 
convex  bis  zur  Rückenflosse  ;  von  da  an  ist  sein  Profil  bis  zur 
Caudalis  gerade.  Die  Bauchlinie  bildet  vom  Kopfe  bis  zum 
Ende  der  Afterflosse,  besonders  bei  Weibchen,  eine  starke  Curve. 

Die  Höhe  des  Leibs  ist  in  der  Totallänge  enthalten  bei 
alten  Weibchen  4mal,  bei  alten  Männchen  4|^mal,  bei  jungen 
Individuen  5Jmal. 

Die  Länge  des  kleinen ,  oben  breiten  und  abgerundeten 
Kopfes  ist  5^mal  in  der  Totallänge  enthalten,  oder  sie  ist 
=  2Jmal  die  Distanz  der  Augen  genommen. 

Das  Maul  liegt  wegen  der  überragenden  Oberkinnlade  ganz 
an  der  untern  Seite  des  Kopfes ;  seine  Entfernung  vom  vorderen 
Ende  der  Schnauze  beträgt  bei  Exemplaren  von  1'  Länge  einen 
halben  Zoll ;  es  bildet  eine  beinahe  gerade  Spalte ,  welche  die 
ganze  Breite  des  vorderen  untern  Theils  des  Kopfes  einnimmt. 
Die  Unterlippe  ist  mit  einer  eigenthümlichen  etwas  hornartigen 
Knorpelplatte  bedeckt,  welche  sich  bei  macerirenden  oder  in 
Weingeist  gelegenen  Exemplaren  leicht  abnehmen  lässt. 

Der  Durchmesser  des  Augs  ist  in  der  Kopflänge  öjmal 
enthalten  oder  gleich  der  halben  Entfernung  desselben  von  der 
Schauzenspitze. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  nicht  besonders 
stark  entwickelt. 

Die  Brustflossen  mit  17  Strahlen  und  wenig  convexem 
Rande  sind  kürzer  als  die  Dorsalis  hoch  ist,  und  etwas  länger 
als  die  B  a  u  eh  floss  en.  Diese  haben  einen  wenig  convexen 
Rand,  10  Strahlen  und  sind  nur  wenig  länger,  als  die  After- 
flosse hoch  ist. 

Die  Rücken  floss  e,  deren  Höhe  sich  zur  Länge  =  3:2 
verhält,  steht  entweder  über  oder  unmittelbar  hinter  der  Inser- 
tion der  Bauchflossen.  Ihre  Entfernung  vom  Kopfe  ist  gleich  der 
von  der  Caudalis  und  wenn  sie  verschieden  ist,  so  ist  die  Dilferenz 
nur  eine  unbedeutende.     12  Strahlen ;    der  obere  Rand  gerade. 

Die  Afterflosse  ist  beinahe   so  lang,    aber   um  ein  Be- 


—    325    — 

trächtlicheres  niedriger,  als  die  Dorsalis.  13,  selten  14  Strahlen, 
der  untere  Rand  gerade. 

Schwanzflosse  mit  19  Strahlen    und  einem  Ausschnitt. 

Die  Seitenlinie  entspringt  etwas  über  der  halben  Kör- 
perhöhe, senkt  sich  in  einem  schwachen  Bogen  gegen  den  Bauch 
und  verläuft  unter  der  Mittellinie  beinahe  gerade  bis  zur  Schwanz- 
flosse. Sie  besteht  aus  58  —  60  Schuppen,  deren  Erhabenheiten 
auf  den  vordem  Schuppen  markirt  und  länglich,  auf  den  hintern 
punktförmig  sind  und  welche  alle  da,  wo  sie  mit  ihrem  Rande 
auf  die  Erhabenheit  der  nächsten  Schuppe  stossen,  einen  Aus- 
schnitt zeigen. 

Querschuppenreihe.  Nach  der  Höhe  des  Leibs  finden 
sich  über  der  Seitenlinie  9,  unter  ihr  6 — 7  Schuppenreihen.  Die 
Mittelschuppe  ist  ungefähr  die  30.  der  Seitenlinie,  und  das  un- 
tere Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  weit  entfernt  vom  Anus 
meist  in  die  Mitte  zwischen  diesen  und  die  Bauchflossen. 

Die  Schuppen  sind  klein,  nahezu  so  hoch  als  lang;  bei 
alten  Individuen  bedeckt  die  Mittelschuppe  das  Auge  vollständig, 
bei  jungen  ist  sie  etwas  kleiner. 

Farbe.  Rücken  dunkel,  beinahe  schwarz  mit  grünem  Me- 
tallglanze,  die  Seiten  silberig  mit  vielen  schwarzen  Pigment- 
flecken; unten  weiss.  Rücken  und  Schwanzflosse  von  der  Farbe 
des  Rückens;  die  untern  Flossen,  bei  alten  Individuen  auch  der 
untere  Theil  der  Schwanzflosse,  schön  intensiv  roth.  Um  die 
Pupille  ein  citrongelber  Ring;  Iris  oben  von  der  Farbe  des 
Rückens,  unten  silberig.  Das  Operculum  dunkel  pigmentirt.  Die 
Spalte  zwischen  Kiemendeckel  und  Praeoperculum  gelb.  Bei 
altern  Fischen  auf  jeder  Schuppe  der  Seitenlinie  an  der  Erha- 
benheit ein  schwarzer  Flecken.  —  Eine  sehr  schöne  Varietät 
der  Nase  hat  kaff'eebraune  Schuppen,  von  welchen  die  den  Rücken 
und  den  Schwanz  bedeckenden  am  intensivsten  gefärbt  sind. 
Dabei  schimmern  sie  in  prächtigem  Goldglanze,  und  jede  Schuppe 
hat  einen  scharf  abgegrenzten,  silberigen  Rand.  Das  Exemplar, 
welches  bei  Tübingen  gefangen  wurde ,  hatte  auch  grössere 
Schuppen  als  gewöhnlich,  in  der  Seitenlinie  57;  über  und  unter 
ihr  nur  7  Längsschuppenreihen ;  die  Mittelschuppe  die  26.  der 
Seitenlinie. 


-    326    -~ 

Die  Nase  erreicht  eine  Länge  von  1^^'  und  ein  Gewicht 
von  3  Pfund. 

Die  6  grossen,  sehr  schmalen,  messerförmigen  S  chl  und - 
kieferzähne  stehen  in  einer  Reihe;  selbst  die  Zahnlieime  sind 
nicht  gezahnt.  Die  Platte,  gegen  welche  sie  wirken,  ist  gross, 
glatt,  elliptisch. 

Skelett.  Am  Schädel  ist  besonders  der  Bau  der  Gesichts- 
knochen bemerkenswerth  ,  wie  wir  ihn  bei  keinem  andern  un- 
serer Fische  finden,  und  welcher  der  äussern  eigenthümlichen 
Form  der  Schnauze  entspricht.  Sie  sind  im  Allgemeinen  viel 
breiter,  als  bei  den  andern  Cyprinoiden,  gebaut,  der  Oberkiefer 
oben  blasig  aufgetrieben,  der  Zwischenkiefer  in  einem  Winkel 
umgebogen;  der  Unterkiefer,  von  oben  nach  unten  zusammen- 
gedrückt, biegt  sich  nicht  in  einem  Bogen  nach  vorne  allmählig 
um,  sondern  ist  eckig  umgeschlagen,  um  vorne  eine  gerade 
Fronte  zu  bilden;  sein  aufsteigender  Ast  ist  an  ihm  weiter  vor- 
wärts gerückt,  als  bei  andern  Cyprinoiden.  Von  den  Infraorbital- 
plalten  bilden  die  2.,  3.  und  4.  den  stark  gebogenen  Augenring; 
.  hinter  ihnen  liegt  noch  eine  fünfte ,  durch  welche  sie  sich  am 
Schädel  befestigen.  Mit  Ausnahme  der  ersten  sind  sie  sehr 
schmal.  Der  Kiemendeckel  verlängert  sich  gegen  seinen  Arti- 
kulationswinkel. Der  hintere  lange  Fortsatz  am  Basilartheil  des 
Hinterhaupts  ist  nicht,  wie  bei  andern  Cyprinoiden,  seitlich  zu- 
sammengedrückt, sondern  von  oben  nach  unten  deprimirt,  breit, 
spateiförmig,  oben  mit  einer  Concavität.  Die  Schlundkiefer- 
knochen sind,  entsprechend  den  starken  Zähnen,  welche  sie 
tragen,  dick  und  stark  gekrümmt.  Das  os  innominatum  ist  über 
die  Hälfte  gespalten. 

Dem  Rumpfe  gehören  27,  dem  Schwänze  21  Wirbel  an; 
21  Rippen,  von  welchen  die  letzten  2  nur  in  den  Bauchmus- 
keln stecken. 

Weicht  heile.  Schon  der  Schlundkieferapparat  ist  bei 
diesem  Fische  sehr  entwickelt,  ebenso  finden  wir  auch,  wie  bei 
keinem  andern  unserer  Cyprinus,  das  übrige  Verdauungssystem 
ausgebildet.  Der  Darmkanal  ist  beinahe  dreimal  so  lang  als  der 
ganze  Fisch;  er  verläuft  vom  Schlünde  in  der  Mittellinie  der 
Bauchhöhle  gerade   bis   zum  letzten  Drittel  des  Abdomens,    wo 


—    327    — 

er  sich  nach  links  umschlägt  und  an  der  linken  Bauchwandung 
nach  oben  steigt.  Er  bildet  sodann  eine  Spirale  mit  3  obern 
und  3  untern  Windungen,  und  nachdem  er  die  letzte  obere 
Biegung  gemacht  hat,  verläuft  er  ziemlich  gerade  zuerst  etwas 
auf  der  linken  Seite,  dann  in  der  Mittellinie  bis  zum  Anus. 

Von  den  zwei  Leberlappen  liegt  der  längste  und  grösste  auf 
der  rechten  Seite,  oben  ist  er  von  den  Windungen  des  Darm- 
kanals bedeckt,  mit  seinem  untern  Theile  tritt  er  Überdieseiben 
herauf  und  schlägt  sich  um  sie  schief  abwärts  nach  links  herum; 
von  seiner  obern  Abtheilung  geht  eine  breite  Brücke  von  ihm 
ab,  welche  in  einem  Einschnitt  des  rechten  Testikels  oder  Ova- 
riums  liegt,  und  durch  die  er  sich  mit  dem  viel  kürzern,  aber 
dickern  Lappen  der  linken  Seite  vereinigt.  Dieser  Leberlappen 
hat  Eindrücke,  worin  die  Windungen  des  Darmkanals,  an  denen 
er  liegt,  aufgenommen  werden.  Der  ganze  lange  Darmkanal 
wird  von  der  Leber  umgeben. 

An  der  obern  Abtheilung  des  rechten  Lappens  ist  die  grosse, 
sehr  in  die  Länge  gezogene,  hellgelbe  Gallenblase  befestigt.  Die 
blutrothe ,  lange  Milz  ist  in  eine  obere  und  untere  zerfallen  und 
liegt  an  der  linken  Seite  des  Magens.  Der  hintere  Theil  der 
Schwimmblase  ist  noch  einmal  so  gross  als  der  vordere  und 
gleichmässig  dick,  an  seinem  hinlern  Ende  sich  allmählig  ab- 
schnürend. 

Das  Peritoneum  ist  schwarz  gefärbt. 

Schon  der  lange  Darmkanal  lässt  vermuthen ,  dass  die  Nase 
hauptsächlich  auf  Pflanzennahrung  hingewiesen  ist,  doch 
frisst  sie  auch  animalische  Substanzen  und  geht  an  den  an  der 
Angel  befestigten  Regenwurm. 

Ich  erinnere  mich  nicht,  je  zu  dieser  Jahreszeit  Ento- 
zoen  in  ihr  gefunden  zu  haben,  nicht  einmal  einen  Echino- 
rhynchus,  welche  Gattung  in  andern  Fischen  den  ganzen  Winter 
über  aushält. 

Das  Fortpflanzungsgeschäft  fällt  bei  der  Nase  in  den 
April;  sie  ist  einer  unserer  Fische,  welche  am  bäldeslen  laichen, 
und  wenn,  wie  dies  in  den  letzten  Jahren  der  Fall  war,  eine 
schlechte  Witterung  zu  dieser  Zeit  lange  anhält,  so  wird  die 
Laiche  gehemmt;    es   geht  nicht   nur   vieler  Rogen   zu  Grunde, 


—    328    — 

sondern  auch  die  alten  werden  krank  und  stehen  ab.  Es  wird 
daher  in  den  nächsten  Jahren  bei  uns  ein  Abgang  in  der  Häu- 
figkeit dieses  Fisches  fühlbar  werden.  Die  Laiche  wird  gewöhn- 
lich schaarenweise  und  mit  der  oben  als  Leuciscus  muticellus 
beschriebenen  Art  angestellt.  Unsere  Fischer  behaupten,  dass 
die  Nase  in  dieser  Zeit  stromaufwärts  ziehe. 

Die  Nase  ist  ein  einheimischer  Fisch  des  Neckars,  aber 
nur  wegen  ihrer  Häufigkeit  und  beträchtlichen  Grösse  von  Be- 
deutung für  unsere  Fischerei.  Denn  unter  allen  unsern  Fischen, 
welche  gegessen  werden,  hat  sie  das  schlechteste,  am  meisten 
mit  Gräten  durchzogene  Fleisch:  doch  ist  sie  für  Leute,  welche 
auf  eine  wohlfeile  und  massige  Nahrung  sehen,  eine  leckere 
Speise. 


Es  sind  mehr  anatomische,  als  zoologische  Merkmale,  welche 
die  Grundein  von  den  übrigen  Cyprinoiden  generisch  unterschei- 
den.    Dem  Flusssysteme    des  Neckars   gehört   nur    eine  Art  an. 

Cobitis   Artedi. 

Die  Bauchflossen  sitzen  weit  hinter  den  Brustflossen,  der 
kleine  zahnlose  Mund  ist  mit  vielen  Bartfäden,  der  cylindrische 
Körper  mit  kleinen  Schuppen  besetzt.  Wie  bei  den  andern 
Cyprinoiden  nur  3  Kiemenstrahlen.  Die  kleine  Schwimmblase 
ist  in  eine  knöcherne  Kapsel  eingeschlossen. 

Cobitis  barbatula  L. 

Bloch,  t.  31.  f.  3. 

Jurine,  pl.  2. 

Yarrell,  (s.  376)  s.  427  nicht  gut. 

Fries  och  Ekström,  t.  53. 

Cuvier  et  V  alencien  ne  s,  pl.  520. 

Gründet.         Loche  franche.         Loach  or  Loche. 

6  Bartfäden,  die  Wangen  glatt. 
Der  cylindrische  Körper  erscheint,  von  der  Seite  betrach- 
tet, ausserordentlich  schmal  und  in  die  Lange  gestreckt,  überall 


—    329    — 

beinahe  gleich  hoch,  von  oben  und  von  unten  sehr  breit;  seine 
Höhe  ist  in  der  Länge  9mal  oder  noch  mehr  enthalten,  die 
Länge  des  Kopfs  6mal;  oder  letztere  ist  nicht  ganz  gleich  der 
4fachen  Distanz  der  Augen. 

Das  sehr  kleine  Maul  liegt  an  der  Unterseite  des  Kopfes; 
die  Oberlippe  bildet  eine  Querfalte,  die  untere  ist  in  der  Mitte 
durch  einen  Einschnitt  in  zwei  Abtheilungen  gespalten,  von 
welchen  jede  wieder  eingeschnitten  ist.  Der  Oberkiefer  über- 
ragt weit  den  untern.  Am  Oberkiefer,  vorne  an  der  abgerun- 
deten Schnauze,  finden  sich  4  in  einer  Reihe  stehende  Bart- 
fäden, von  welchen  die  2  mittlem  kleiner  sind  als  die  äussern; 
am  Mundwinkel  jeder  Seite  steht  noch  ein  Bartfaden,  der  etwa 
so  lang,  als  die  grössern  obern  ist. 

Die  kleinen  Augen  liegen  in  dem  Winkel,  welchen  die 
obere  Fläche  des  viereckigen  Kopfes  mit  der  Seite  bildet,  und 
sind  von  der  Schnauzenspitze  soweit  als  vom  hintern  Rande  des 
Kiemendeckels  entfernt. 

Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  dick,  aber  nicht 
besonders  stark  entwickelt. 

Ueber  und  unter  dem  Auge  ist  deutlich  eine  Porenreihe 
bemerkbar,  welche  als  Fortsetzung  der  Seitenlinie  zu  betrach- 
ten ist. 

Alle  Flossen  sind  abgerundet  und  keine  zeichnet  sich 
durch  Grösse  u.  dergl.  aus.  Die  Rückenflosse,  mit  10  Strahlen, 
steht  über  den  Ventrales  und  ist  dem  Kopfe  etwas  näher  ge- 
rückt als  dem  Schwänze.  Afterflosse  mit  8 ,  Brustflossen  mit 
14,  ßauchflossen  mit  7  Strahlen.  An  der  innern  Insertionsstelle 
der  letztern  findet  sich  ein  spitziger,  membranoser  Fortsatz.  Die 
Schwanzflosse  mit  16 — 17  Strahlen,  ohne  Ausschnitt. 

Die  Schuppen  sind  nur  mit  Hülfe  einer  stark  vergrössern- 
den  Loupe  oder  an  einem  getrockneten  Fische  zu  bemerken. 
Die  Seitenlinie  verläuft  gerade,  beinahe  in  derMittellinie  des  Leibs. 

Farbe.  Die  Gründet  ist  grünlich- grau,  an  den  Seiten  und 
auf  dem  Rücken  mit  unregelmässigen  Flecken  und  Punkten.  Von 
den  Flossen  sind  beinahe  immer  die  Rücken-  und  Schwanzflosse 
schwarz  gefleckt. 

Grösse.     4 — 5''. 


—    330     -^ 

Die  Schlundkieferknochen  tragen  8— 10  Zähne  in  einer 
Reihe. 

Anatomie.  Der  Schädel  unterscheidet  sich  von  dem  der 
andern  C^'prinoiden  durch  den  Mangel  des  Jochbogens;  vor  dem 
Auge  findet  sich  jedoch  ein  einziger  Infraorbilalknochen.  Ich 
zähle  39  Wirbel,  von  welchen  16  dem  Schwänze  angehören, 
und  15  Rippen.  Am  zweiten  und  dritten  Wirbel  sind  seitlich 
zwei  knöcherne  Blasen  angebracht,  in  welchen  die  doppelte 
Schwimmblase  liegt  (s.  Rosenthal's  ichthyotom.  Tafeln  t.  X. 
f.  8.  und  Yarrell,  s.  431.).  Die  seitlichen  Blasen  sind  durch 
eine  querlaufende  Röhre  mit  einander  verbunden.  Beide  Abthei- 
lungen der  Schwimmblase  liegen  also  nicht  hinter  einander,  son- 
dern neben  einander ;  übrigens  stimmt  die  Einrichtung  der 
Schwimmblase  doch  dadurch  mit  der  der  Cyprinoiden  überein, 
dass  sie  durch  einen  feinen  Kanal  mit  der  Speiseröhre  com- 
municirt. 

Am  Verdauungsapparat  ist  deutlich  der  sackartige  Magen 
von  dem  beinahe  gerade  verlaufenden  Darmkanale  zu  unterschei- 
den. Von  der  Leber  steigt  ein  grösserer,  mit  Einschnitten  ver- 
sehener Lappen  ziemlich  in  der  Mittellinie  der  Bauchhöhle  herab, 
ein  viel  kleinerer  schmaler  liegt  auf  der  linken  Seite.  Die  Nieren 
sind  verschmolzen  und  ragen  in  die  Bauchhöhle  herein;  ein 
kleines  Stück  der  Niere  liegt  noch  über  der  Brücke,  welche  die 
beiden  Schwimmblasen  mit  einander  verbindet. 

Die  Gründet  nährt  sich  ausschliesslich  von  animalischen 
Substanzen,  Insekten,  Würmern.  Von  Entozoen  fand  ich  den 
Echinorhynchus  clavaeceps  und  im  März  Distoma  globiporum. 
Sie  laicht  bei  warmer  Witterung  bis  in  den  August  und  setzt 
ihren  feinen  Rogen  auf  Steine  ab.  Ihre  Vermehrung  ist  eine 
sehr  starke;  daher  sie  auch  im  ganzen  Neckar  und  seinen  Zu- 
flüssen, aber  nur  auf  steinigem  oder  sandigem  Grunde  häufig 
angetroffen  wird.  Da  die  Gründet  eines  frischen,  klaren  Wassers 
bedarf,  so  hält  sie  sich  nur  an  strömenden  Stellen  auf.  In 
einem  stillen  Wasser  oder  in  einem  Gefässe  steht  sie  bald  ab; 
doch  gelang  es  mir,  kleine  Individuen  in  einem  grossen  Fisch- 
kolben Winters  mehrere  Tage  zu  erhalten.  Nimmt  man  sie  aus 
dem  Wasser,  so  lassen  sie  oft   einen  schnurrenden  Ton   hören. 


—    331     — 

Es  kann  derselbe  nicht  durch  Ausströmen  von  Luft  aus  der 
Schwimmblase  erklärt  werden ,  weil  zwischen  der  Schwimmblase 
und  der  umhüllenden  knöchernen  Kapsel  ein  luftleerer  Raum 
entstünde.  Auch  habe  ich  diesen  Ton  bei  Cotlus  gohio  bemerkt, 
der  gar  keine  Schwimmblase  besitzt. 

Die  Gründet  wird  häufig  mit  einem  besondern  engmaschigen 
Hamen  ,  dem  Grundelhamen ,  gefangen  ,  da  sie  wegen  ihres  wohl- 
schmeckenden Fleisches  gesucht  ist. 


Esox   Artedi. 

Die  Bauchflossen  stehen  weit  hinter  den  Brustflossen. 
Schnauze  lang,  breit,  stumpf,  niedergedrückt.  Zähne  im  Zwi- 
schenkiefer, auf  dem  Vomer,  den  Gaumenbeinen,  der  Zunge, 
den  Schlundkiefern,  den  Kiemenbögen  und  im  Unterkiefer.  Die 
Rückenflosse  steht  der  Afterflosse  gegenüber.     Keine  Fettflosse. 

Esox  lucius  L. 

Bio  eil,  t.  32. 

Heidin  ger,  t.   10. 

Jurine,  pl.  15. 

Fries  och  Ekström,  pl.  10. 

Yarrell,  s.  434. 

Hecht.         Brochet.         Pike. 

Der  Körper  erscheint,  von  der  Seite  betrachtet,  schmal 
und  langgestreckt  und  bis  hinter  die  Afterflosse  beinahe  gleich 
hoch,  von  oben  breit  und  platt,  von  unten  schmäler;  sein  Profil 
ist  beinahe  gerade.  Die  Höhe  beträgt  nur  i  oder  ^  der  Total- 
länge. Die  Länge  des  Kopfs  ist  gleich  der  doppelten  Körper- 
höhe oder  gleich  der  Stachen  Distanz  der  Augen.  Die  breite, 
spateiförmige  Schnauze  ist  vom  übrigen  Kopfe  nicht  abgesetzt; 
der  ausserordentlich  grosse  Rachen  erreicht  nach  hinten  beinahe 
den  vordem  Rand  des  Auges.  Der  lange  Unterkiefer  überragt 
den  Obern  und  biegt  sich  über  denselben  aufwärts.  Das  Auge 
liegt  oben  an  der  Stirne,  in  der  Mitte  des  Kopfes.  Die  Seiten 
des  Kopfes   sind  über   dem  Kiemendeckel    und  an  den  Wangen 


—    332    — 

beschuppt.  Zwei  Reihen  weit  aus  einander  stehender  Poren 
verlaufen  oben  auf  dem  Kopfe ,  eine  weitere  auf  der  untern 
Seite  des  Unterkiefers  und  auf  dem  Praeoperculum. 

Flossen.  Die  Länge  der  kleinen  Brustflossen,  mit  16 
Strahlen,  beträgt  nur  den  dritten  Theil  der  Kopflänge.  Ebenso- 
lang sind  die  Bauchflossen,  welche  etwas  vor  der  Mitte  des 
Leibs  stehen  und  10 — 11  Strahlen  haben.  Die  Rückenflosse  ist 
weit  nach  hinten  gerückt ,  so  dass  ihre  Entfernung  von  der 
Schwanzflosse  nur  i  oder  ^  der  Entfernung  vom  Kopfe  beträgt. 
Sie  ist  von  viereckiger  Gestalt,  so  hoch  als  lang  und  hat  20 
Strahlen,  von  welchen  die  ersten  6  oder  7  ungegabelt  sind  und 
bis  zum  achten  an  Grösse  zunehmen.  Gerade  unter  ihr  beginnt 
die  Insertion  der  Afterflosse,  welche  abgerundeter  als  die  Dor- 
salis  und  höher  als  lang  ist;  sie  hat  18  Strahlen,  von  welchen 
die  ersten  7  ungegabelt  sind  und  bis  zum  achten  an  Länge  zu- 
nehmen. Die  Schwanzflosse  mit  19  Strahlen  und  einem  Aus- 
schnitt. —  Die  zusammengerückte  Stellung  der  vertikalen  Flossen 
auf  den  hintern  Theil  des  Leibes  verleiht  dem  Hechte  die  Fähig- 
keit, schnelle  und  starke  Bewegungen  nach  vorwärts  zu  machen 

Die  Schuppen  sind  klein,  stecken  zum  grössten  Theile 
unter  der  Haut,  länger  als  hoch  und  bedecken  ungefähr  die 
Pupille.  Die  Seilenlinie  ist  kaum  zu  bezeichnen,  sie  verläuft 
gerade  und  besteht  aus  120 — 130  Schuppen.  In  der  Quer- 
schnppenreihe  zähle  ich  26  —  30  Schuppen.  Viele  Schuppen 
sind  tief  eingeschnitten. 

Farbe.  Der  Hecht  ist  graulich  -  grün ,  gegen  den  Rücken 
dunkler,  gegen  den  Bauch  heller;  an  den  Seiten  grosse,  un- 
regelmässige, hellere  Flecken;  unten  weiss.  Die  unpaaren  Flossen 
gelblich  mit  dunklen  Flecken,  die  paarigen  hell  einfarbig. 

Grösse.  Der  Hecht  würde  im  Neckar  eine  beträchtliche 
Grösse  erreichen,  wenn  er  sich  nicht  immer  nur  an  bestimm- 
ten, ihm  zusagenden  Orten  aufhielte,  welche  den  Fischern  be- 
kannt sind,  so  dass  er  leicht  eine  Beute  seiner  Verfolger  wird. 
Er  wird  höchstens  bis  zu  4  Pfund  schwer  gefangen. 

Von  dem  Skelette  des  Hechtes  hat  Valenciennes  eine 
genügende  Beschreibung   und   Rosenthal    (Ichthyotom.  Tafeln 


—    333    — 

{.  7)  eine  Abbildung  *)  gegeben.  —  Der  Schädel  ist  oben  platt, 
nach  vorne  in  die  Länge  gestreckt,  was  von  den  ausserordent- 
lich verlängerten  Gesichtsknochen,  welche  die  Hälfte  der  Kopf- 
länge ausmachen,  herrührl.  Zur  Bildung  der  breiten  Schnauze 
trägt  der  bis  zu  ihrem  vordem  Rande  vorgeschobene  Sparren 
des  Pflugschaarbeins  das  Meiste  bei.  Zu  seinen  beiden  Seiten 
liegen  die  kleinen ,  mit  schwachen ,  hecheiförmigen  Zähnen  be- 
setzten Zwischenkieferknochen.  Ganz  an  die  Seite  gerückt  ist 
der  säbelförmige,  zahnlose,  nach  hinten  frei  sich  endigende 
Oberkiefer;  er  trägt  an  seiner  hintern  Hälfte  noch  einen  schma- 
len, länglichen  Knochen.  Der  Infraorbitalbogen  ist  aus  4  Knochen 
zusammengesetzt,  von  welchen  der  vordere,  wie  überhaupt  die 
Gesichtskuochen,  ausserordentlich  in  die  Länge  gezogen  ist;  er 
trägt  zur  Bildung  des  Jochbogens  mehr  bei,  als  wir  dies  bei 
den  Cyprinoiden  gefunden  haben,  doch  erstreckt  er  sich  nicht 
so  weit  nach  hinten,  als  nach  vorne.  Wie  bei  den  Cyprinoiden 
findet  sich  beim  Hecht  ein  os  supraorbitale.  Die  Zahl  der 
Kiemenstrahlen  wechselt,  oft  bei  demselben  Individuum,  von 
14 — 16.  Bei  einem  Exemplar  fand  ich  auf  einer  Seite  nur  11, 
auf  der  andern  16.  --  Die  Wirbelsäule  zeigt  einen  sehr  starken 
Bau,  was  den  Fisch  zu  seinen  kräftigen,  durch  den  starken 
Schwanz  hervorgebrachten  Bewegungen  und  Angriffen  geschickt 
macht.  Ich  zähle  am  Rumpfe  39,  am  Schwänze  21  Wirbel;  die 
obern  Dornfortsätze  der  dem  Kopfe  zunächststehenden  Wirbel 
sind  stark,  breit  und  fest  mit  einander  verbunden;  nach  hinten 
werden  die  Dornfortsätze  immer  schmaler.  Die  Rippen,  38  an 
der  Zahl,  sind  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Fisches  und  zur 
Massenhaftigkeit  der  Wirbel  auffallend  klein.  —  Von  den  Kno- 
chen des  Schultergürlels  zeichnet  sich  besonders  der  Oberarm 
aus,  der  eine  lange,  dünne,  halbmondförmige,  am  concaven 
Rande  abgerundete  und  dicke,  am  convexen  schneidende  und 
dünne  Knochenplatte  bildet.  Das  os  innominatum  ist  nach  dem- 
selben Typus  gebaut;  es  ist  ungegabelt,  gerade,  dünn,  am  äus- 
sern Rande  abgerundet  und  dick,  am  innern  schneidend  und  dünne. 
Weichtheile.     Der  Magen,  welcher  bis  in  die  Mitte  der 


'')  Die  jedoch  Vieles  zu  wünschen  übrig  lässt. 


—    334    — 

Bauchhöhle  hinabsteigt,  setzt  sich  kaum  vom  übrigen  Darmkanal 
ab.  Dieser  macht  2  Windungen  und  seine  Länge  ist  um  i  be- 
deutender als  die  des  Körpers.  Die  einfache,  ungelappte  Leber 
liegt  an  der  linken  Seite,  und  an  ihrer  obern  Abtheilung  be- 
festigt sich  die  Gallenblase.  Die  dreieckige  Milz  von  dunkel- 
rolher  Färbung  liegt  in  der  Nähe  des  Pvlorus.  Die  grosse  ein- 
fache Schwimmblase  erstreckt  sich  längs  der  ganzen  Bauchhöhle, 
an  deren  Wandungen  sie  angewachsen  ist,  so  jedoch,  dass  sie 
leicht  abgelöst  werden  kann;  durch  einen  kurzen  Kanal  com- 
municirt  sie  mit  dem  Schlünde.  Die  Nieren,  anfangs  dünne, 
vereinigen  sich  nach  hinten  zu  einem  dicken  Lappen. 

Der  Hecht  ist  der  gefrässigste  Baubfisch  des  Neckars,  in- 
dem er  keines  andern  Fisches,  den  er  überwältigen  und  ver- 
schlingen kann,  selbst  seiner  eigenen  Art  nicht,  verschont. 
Auch  Frösche,  Mäuse,  Balten,  kleine  oder  junge  Wasservögel, 
Aas  werden  gierig  von  ihm  ergriffen.  Sogar  ausserhalb  des 
Wassers  schnappt  er  nach  einem  vorgehaltenen  Gegenstande  oder 
der  Hand. 

Seine  Laichzeit  fällt  in  den  Anfang  des  April  und  währt 
nur  einige  Tage.  Der  Bogen  wird  nicht  auf  den  Grund ,  son- 
dern an  Hecken,  Gesträuche  etc.  abgesetzt.  Wie  überhaupt  der 
Hecht  vereinzelt  lebt,  so  stellt  er  auch  seine  Laiche  nie  schaa- 
renweise  an;  meist  findet  sich  nur  ein  Paar  zusammen,  höch- 
stens 2 — 3  Männchen  bei  einem  Weibchen.  Jene  sind  immer 
viel  kleiner  als  dieses,  und  sind  auch  vielleicht  bälder  geschlechts- 
reif. Er  legt  ausserordentlich  viele  Eier  und  würde  sich  bei 
genügender  Nahrungsmenge  und  einer  weniger  starken  Verfol- 
gung sehr  stark  vermehren. 

Der  Hecht  liebt  ein  stilles  Wasser  mit  weichem  Grunde  und 
grasigem  Ufer:  daher  hat  er  sich  auch  besonders  in  die  Alt- 
wasser zurückgezogen,  wo  er  häufig  angetroffen  wird.  Da  er 
sehr  schnell  wächst,  so  werden  schon  zweijährige  Individuen, 
welche  sich  noch  nicht  einmal  fortgepflanzt  haben ,  gefangen  und 
verkauft.  Wegen  seines  zähen  Lebens  kann  man  ihn  weit  zum 
Versetzen  transportiren.  Er  ist  wegen  seines  Fleisches  sehr  ge- 
schätzt und  kann  nur  als  ein  sehr  nützlicher  Fisch  bezeichnet 
"werden;   denn   der  Schaden,    welchen    er   durch  seine  Nahrung 


—    335    — 

zu  verursachen  scheint,  wird  reichlich  durch  ihn  selbst  ersetzt, 
sobald  die  Häufigkeit  seines  Vorkommens  in  ein  richtiges  Ver- 
hältniss  zu  der  Menge  der  andern  Fische  gesetzt  ist.  Dies 
sehen  auch  die  Besitzer  von  Teichen ,  in  welchen  hauptsäch- 
lich pflanzenfressende  Fische  gezogen  werden,  wohl  ein,  in- 
dem sie ,  sobald  bei  einer  zu  starken  Vermehrung  dieser  Fische 
die  vorhandene  Nahrung  zu  gering  erscheint,  einige  Hechte 
einsetzen. 


Salmo   Artedi. 

Die  Bauchflossen  stehen  weit  hinter  denBrustflossen.  Hin- 
ter der  Rückenflosse  eine  Fettflosse.  Zähne  im  Ober-,  Zwischen- 
und  Unterkiefer,  auf  dem  Gaumenbein,  Pflugschaarbein,  auf  der 
Zunge  und  den  Schlundkieferknochen.     10 — 12  Kiemenstrahlen. 

Salmo  salar  L.  *) 

/ 

Bloch,   20.  98. 

Salmo  salmo  Va  le  n  cien  n  es,  t.  614. 
Agassi/,  poissons  d'eau  douce,  t.  1 — 2. 
Yarrell,  IL  s.  1. 

Lachs.         Saumon.         Salmon. 

Auf  dem  Sparren  des  Vomer  2 — 3  Zähne,  keine 
auf  dem  Körper;  Afterflosse  13strahlig;  Seiten- 
linie 120—130  Schuppen. 

Der  Körper  erscheint,  von  der  Seite  betrachtet,  sehr 
schmal  und  langgestreckt;  von  oben  breit,  von  unten  etwas 
schmäler.  Sein  oberes  Profil  ist  beinahe  gerade,  sein  unteres 
etwas  mehr  convex.  Die  Höhe  des  Leibs  ist  6mal  in  der  Total- 
länge enthalten  und  gleich  der  Länge  des  Kopfs.   Die  Schnauze 

*)  Ich  hatte  nie  Gelegenheit,  ein  im  Neckar  gefangenes  Exemplar 
des  Lachses  zu  sehen.  Das  einzige,  was  sich  mir  zur  Untersuchung- 
darbot,  war  ein  ausgestopftes,  3'  langes  Männchen  aus  dem  Rhein, 
welches  dem  Tübinger  Cabinete  angehört.  Meine  Beschreibung  ist  da- 
her aus  derVergleichung  desselben  mit  den  Angaben  von  Valencienn  es, 
Bloch,  Ekström    und  Agassiz    entstanden. 


—    336    — 

ist  abgerundet;  beim  Männchen  ist  der  Unterkiefer  vorne  zu 
einem  hackenartigen  Ansatz  verdickt,  er  tritt  aber  bei  geschlos- 
senem Munde  hinter  die  Schnauze  zurück.  Das  Auge  steht  der 
Schnauzenspitze  näher  als  dem  hintern  Rande  des  Kiemendeckels; 
sein  Durchmesser  beträgt  ^  der  Kopflänge.  Die  Pupille  hat 
einen  stumpfen  Winkel  nach  vorne. 

Flossen.  Die  Brustflossen  haben  14  Strahlen  und  sind 
länger  als  die  Dorsalis  hoch  ist ;  die  Bauchflossen  mit  10  Strah- 
len;  an  ihrer  innern  Ansatzstelle  findet  sich  eine  längliche, 
spitzige  Schuppe;  die  Rückenflosse  steht  dem  Kopfe  näher  als 
der  Caudalis ,  gerade  über  den  Ventrales,  sie  ist  länger  als  hoch 
und  hat  15  Strahlen.  Die  Feltflosse  steht  dem  Ende  der  After- 
flosse gegenüber,'  letztere  mit  13  Strahlen.  Schwanzflosse  mit 
einem  sehr  seichten  Ausschnitt  und  19  Strahlen. 

Schuppen  klein;  die  Seitenlinie  verläuft  ganz  gerade, 
etwas  über  der  Mittellinie  des  Leibs ;  sie  besteht  aus  ungefähr 
120  Schuppen,  wenn  man  die  kleinen  auf  dem  Schwänze  stehen- 
den nicht  rechnet;  über  ihr  zähle  ich  26,  unter  ihr  18  Schuppen- 
reihen. Das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  hinler  die 
Bauchflossen,  weit  entfernt  vom  Anus. 

Farbe.  Oben  dunkel  grünlichblau,  gegen  die  Seiten  sil- 
berig, unten  weiss;  rundliche,  grosse,  schwarze  Flecken  finden 
sich  oben  auf  dem  Kopfe  und  auf  dem  Kiemendeckel,  kleinere 
auf  der  Rückenflosse ;  an  den  Seiten  über  der  Seilenlinie  stehen 
die  Flecken  in  Reihen  und  sind  aus  Vierecken  zusammengesetzt. 

Grösse.  Der  Lachs  soll  eine  Länge  von  5'  erreichen; 
das  grösste  bekannte  ,  im  Neckar  gefangene  Exemplar  wog 
36  Pfund. 

Das  Skelett  ist  mir  nur  durch  Yarrell,  IL  s.  70  und 
Rosenlhal  (ichth^otom.  Tafeln  t.  6)  bekannt,  welcher  letztere 
an  dem  Rumpfe  34,  am  Schwänze  25  Wirbel  zählt,  von  wel- 
chen die  letzten  5  in  die  fächerartige  Ausbreitung  des  letzten 
Schwanzwirbels    hineinragen.     32   Rippen.     11    Kiemenstrahlen. 

W  e  i  ch  t  h  e  i  1  e.  Der  Darmkanal  macht  2  Windungen ;  Schlund, 
Magen  und  Darm  sind  beinahe  von  gleicher  Dicke.  Unmittelbar 
hinter  dem  Pylorus  liegen  die  zu  einem  Bündel  vereinigten  Blind- 


~    337    - 

därme,  ungefähr  60  an  der  Zahl.  Nach  Schmid  *)  ist  die 
Leber  einlappig,  allein  Valenciennes  beschreibt  ausser  dem 
grossen,  ungetheilten  Lappen  auf  der  linken  Seite  noch  einen 
kleinen,  der  quer  gegen  rechts  gelagert  und  unter  dem  Dia- 
phragma befestigt  ist.  Die  Gallenblase  ist  ausserordentlich  gross, 
ganz  von  der  Leber  getrennt  und  zwischen  ihr  und  der  ersten 
Windung  des  Darmkanals  gelagert.  Die  einfache  Schwimmblase 
und  die  Nieren  nehmen  die  ganze  hintere  Parthie  der  Bauch- 
höhle ein. 

Die  Nahrung  des  Lachses  besteht  aus  Würmern,  Insekten 
und  deren  Larven,  sodann  auch  aus  kleinern  Fischen.  Der 
Lachs  ist  ein  Seefisch,  der  nur  der  Fortpflanzung  wegen  in 
die  Flüsse  zur  Zeit  des  Frühjahrs  heraufsteigt  und  gegen  den 
Herbst  wieder  in  das  Meer  zurückkehrt.  Die  Brut  bleibt  den 
Winter  über  in  den  Flüssen.  In  den  Neckar  gelangt  er  verein- 
zelt nur  bei  sehr  hohem  Wasserstande;  früher  war  dies  viel- 
leicht häufiger  der  Fall  als  gegenwärtig,  da  der  Neckar  durch 
Dampfschiffe  zu  sehr  beunruhigt  wird.  In  Heilbronn  weiss  man 
sich  nicht  mehr  zu  erinnern,  dass  je  ein  Lachs  gefangen  wurde, 
dagegen  erwähnt  Sc  hü  hier  **)  eines  im  Jahre  1790  daselbst 
gefangenen  36  Pfund  schweren  Lachses. 


Salmo  fario  L. 

Bloch,  t.  22. 

Salar  ausonii  Valenciennes,   pl.  618. 
Agassiz,  poiss.  d'eau  douce,  t.  3—5. 
Yarrell,  II.  s.  85  u.  ff. 

Forelle.         Truile.         Trout. 

Zwei  Reihen  Zähne  auf  dem  Körper,  eine  ein- 
fache, querlaufende  Reihe  auf  dem  Sparren  des 
Pflugschaarbeins. 

Der  Körper  ist,  von  der  Seite  betrachtet,  schmal  und 
langgestreckt,    von   oben    und   unten  schmal.     Das    obere    Profil 


*)  lieber  die  Leber  und  das  Pfortadersystein  der  Fische,  p.  8. 
*")  Memminger,  Beschreibung  von  Württemberg.  1.  Ausg.  p.  233. 
Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1853.    3s  Heft.  22 


—    338    — 

erhebt  sich  vom  Kopfe  bis  zum  Anfange  der  Rückenflosse  in 
schwach  gebogener  Linie,  von  da  an  senkt  es  sich  bis  zur 
Schwanzflosse  etwas  wellenförmig,  beinahe  gerade.  Das  untere 
Profil  ist  schwach  convex.  Die  Höhe  des  Leibs  ist  in  der  Total- 
länge 4Jmal  enthalten  und  gleich  der  Länge  des  Kopfs;  diese 
letztere  ist  gleich  S^mal  die  Distanz  der  Augen  genommen.  Die 
Schnauze  ist  abgerundet,  der  Rachen  gross,  seine  seitliche  Spalte 
erreicht  den  vordem  Rand  des  Auges;  Oberkiefer  länger  als  der 
untere;  der  Oberkieferknochen  überreicht  etwas  den  hintern 
Rand  des  Auges.  Die  Entfernung  des  Auges  von  der  Schnauzen- 
spitze beträgt  IJ  seiner  Durchmesser,  dieser  ist  5mal  in  der 
Länge  des  Kopfes  enthalten.  Die  Pupille  hat  einen  stumpfen 
W'inkel  nach  unten  oder  nach  vorne;  vor  dem  Auge  liegt  das 
den  Salmoniden  eigenthümliche  adipose  Augenlid.  Oben  auf 
dem  Kopfe  zieht  sich  eine  Längsleiste  hin,  zu  deren  beiden 
Seiten  eine  Reihe  Poren  sichtbar  ist. 

Flossen.  Die  Rrustflossen  sind  etwas  länger,  als  die 
Dorsalis  hoch  ist,  haben  14  Strahlen  und  einen  beinahe  gera- 
den Rand.  Die  Rauchflossen  sind  kürzer  als  die  Pectorales,  aber 
beinahe  so  lang  als  die  Analis  hoch  ist;  9  Strahlen  und  einen 
wenig  convexen  Rand.  In  der  Mitte  zwischen  ihnen  und  an 
ihrer  Innern  Insertionsstelle  finden  sich  längliche  spitzige  Schup- 
pen. Die  Rückenflosse  steht  gerade  den  Ventrales  gegenüber, 
dem  Kopfe  etwas  näher  als  der  Schwanzflosse,  oder  sie  ist  von 
dem  einen  soweit  entfernt  als  von  der  andern;  mit  15  Strahlen 
und  einem  geraden  Rande;  beinahe  ebenso  lang  als  hoch.  Die 
Fettflosse  steht  dem  hintern  Ende  der  Analis  gegenüber  und  ist 
von  der  Dorsalis  noch  einmal  so  weit  entfernt,  als  von  der  Cau- 
dalis.  Afterflosse  höher  als  lang,  mit  12  Strahlen  und  einem 
etwas  convexen  Rande.  Die  Schwanzflosse  ist  19— 20strahlig 
und  nur  seicht  ausgeschnitten. 

Die  Schuppen  sind  klein,  länger  als  hoch  und  bedecken 
nur  den  vierten  Theil  der  Pupille.  Die  Seitenlinie  verläuft  ge- 
rade, etwas  über  der  Mittellinie  des  Leibs  und  besteht  aus  120 
Schuppen;  über  ihr  zähle  ich  26,  unter  ihr  32  Schuppenreihen. 
Das  untere  Ende  der  Querschuppenreihe  fällt  unmittelbar  hinter 
die  Bauchflossen. 


—    339    — 

Farbe  und  Grösse.  Ich  habe  bis  jelzt  nur  2  Exemplare 
der  Forelle  aus  dem  Neckar  erhalten,  welche  beide  bei  Tübin- 
gen gefangen  wurden. 

Das  eine  am  18.  Seplbr.  1852  bei  sehr  hohem  Wasserstande 
gefangene  war  6j"  lang.  Oben  isabellfarbig  graulich-gelb  mit 
unregelmässigen  dunkeln  Flecken  und  Streifen ,  auf  der  Seite 
hellgelblich  mit  runden  rothen  Flecken;  unten  weiss;  Rücken- 
flosse von  der  Farbe  des  Rückens,  gelb  gesäumt,  die  untern 
Flossen  gelb,  Schwanzflosse  mit  unterem  rothem  Saume. 

Das  andere  am  23.  Oct.  1852  bei"  sehr  niedrigem  Wasser- 
stande gefangene  war  9V'  lang.  Oben  dunkelbläulichgrün  mit 
vielen  dunkleren  Flecken,  welche  dadurch  entstehen,  dass  4 — 7 
neben  einander  liegende  Schuppen  besonders  am  Rande  schwarz 
pigmenlirt  sind.  Oben  auf  dem  Kopfe,  auf  der  Rücken-  und 
Feltflosse,  auf  dem  Operculum  rundliche  schwarze  Flecken ;  an 
den  Seiten  zerstreute,  wenige,  rundliche,  grosse,  röthliche 
Flecken,  über  der  Seitenlinie  mehr  als  unter  ihr.  Seiten  des 
Bauches  gelblich  angeflogen;  unten  weiss,  obere  Flossen  von 
der  Farbe  des  Rückens ,  untere  gelblich.  Iris  schwärzlichgrau, 
röthlich  angeflogen. 

Skelett.  Der  Schädel  ist  von  gedrungener,  abgerundeter 
Gestalt;  an  seiner  obern  Fläche  ist  eine  Längsleiste,  durch  das 
Zusammenstossen  beider  seitlichen  Stirnbeine  gebildet.  Der  vor- 
dere Rand  der  Schnauze  wird  durch  die  grossen ,  mit  Zähnen 
bewaffneten  Zwischenkieferknochen  gebildet,  der  seitliche  durch 
die  in  die  Länge  gestreckten  Oberkieferknochen,  welche  an  dem 
hintern  Drittel  ihrer  Länge  oben  einen  kleinen  länglichen  Knochen 
tragen.  Das  Zungenbein  ist  gross  und  stark  ,  etwas  gekrümmt, 
unten  seiner  ganzen  Länge  nach  mit  einer  Rinne  versehen  ;  an 
jeder  Seite  trägt  es  3  (nach  Valenciennes  4 — 5)  Zähne,  die 
stärksten  von  allen  Zähnen.  Der  Unterkiefer  gross  und  stark, 
wie  beim  Hecht.  4  Infraorbitalknochen.  10 — 11  Kiemenstrah- 
len. An  der  Wirbelsäule  zähle  ich  33  Rumpf-  und  23  Schwanz- 
wirbel,  von  welchen  die  letzten  6  in  den  Fächer  der  Schwanz- 
flossenknochen hineinragen  und  nach  oben  sich  beugen.  Es  ist 
dies  eine  Eigenthümlichkeit  der  Salmoniden  und  erinnert  an  die 
Homocerci.    30  schwache  Rippen,  von  welchen  sich  die  6  letz- 

22* 


~    340    — 

ten  nur  noch  an  die  untern  Dornfortsätze  der  Wirbel  befestigen ; 
wie  bei  allen  Salmoniden  tragen  die  Rumpfwirbel  noch  Nebenrippen. 

Das  Ueberschulterblatt  trägt  an  seiner  untern  Abiheilung 
innen  einen  stielförmigen  Fortsatz ,  von  welchem  zum  Hinter- 
hauptsbein eine  Sehne  geht;  dieser  Fortsatz  scheint  sich  bei 
allen  Arten  des  Genus  Salmo  zu  finden.  Das  Schulterblatt  ist 
sehr  lang  und  reicht  beinahe  bis  an  die  untere  Seite  des  Schä- 
dels. Das  OS  innominatum  ein  einfacher,  vorne  slielförmiger 
Knochen. 

Weichtheil  e.  Der  Magen  ist  stark  ausdehnbar  und  deut- 
lich vom  übrigen  Darmkanal  unterschieden.  An  dem  Individuum, 
das  ich  secirte,  zählte  ich  53  (Valencienn  es  39)  Blinddärme; 
der  Darmkanal  macht  2  Windungen.  Die  Leber  einfach,  auf  der 
linken  Seite;  Gallenblase  gross.  Die  einfache  Schwimmblase 
erstreckt  sich  nach  der  ganzen  Länge  der  Bauchhöhle  und  com- 
municirl  mit  dem  Schlünde. 

Die  Forelle  ist  ein  ausserordentlich  gefrässiger  Fisch;  ihre 
Nahrung  besteht  ausser  in  den  verschiedenen  Insekten  und 
deren  Larven  und  Würmern  noch  besonders  in  Fischbrut.  Im 
Magen  des  ersten  angeführten  Exemplars  fand  ich  4  drei  Zoll 
lange  junge  Leuciscus ,  doch  wird  der  dadurch  angerichtete 
Schaden  immerhin  durch  sie  selbst  ersetzt. 

Die  Forelle  wurde  bis  jetzt  noch  nicht  unter  den  Neckar- 
fischen erwähnt,  auch  glaube  ich  nicht,  dass  sie  bis  in  den 
untern  Neckar,  wo  das  Wasser  nicht  mehr  so  helle  ist,  gelangt. 
Jedoch  ist  sie  als  einheimischer  Fisch  des  Neckars  zu  bezeich- 
nen, da  sie  im  obern  Neckar  zu  jeder  Jahreszeit,  obwohl  nicht 
häufig,  gefangen  wird.  Besonders  versicherten  mich  die  Fischer, 
dass  auch  im  Anfange  des  Winters  laichende  Forellen  gefangen 
worden  seien :  was  mir  auch  nicht  unwahrscheinlich  vorkommt, 
da  es  im  obern  Neckar  viele  reissende  Stellen  gibt  mit  klarem 
Wasser  und  Löchern  in  den  Ufern ,  in  welche  sich  die  Forelle 
gerne  verbirgt.  Trotz  des  hohen  W'erthes,  in  welchem  das  Fleisch 
der  Forelle  steht,  ist  der  Fang  derselben,  weil  er  bei  der  Selten- 
heit des  Fisches  immer  nur  ein  zufälliger  ist,  von  keiner  Be- 
deutung für  die  Neckarfischerei. 


—    341    — 

Stadtschultheiss  Tilol  in  Heilbronn  erwähnt*)  einer  am 
20.  Novbr.  1846  im  Mühlkanale  daselbst  gefangenen,  8^  Pfund 
schweren  Lachsforelle.  Da  jedoch  dieser  Fall  zu  vereinzelt 
dasteht,  auch  nicht  näher  bestimmt  ist,  ob  das  Exemplar  Salmo 
trutta  oder  lacustris  gewesen,  so  begnüge  ich  mich,  desselben 
erwähnt  zu  haben. 


Thymallus  Cuvier. 

Die  Bauchflossen  sitzen  weit  hinter  den  Brustflossen.  Hinter 
der  Rückenflosse  noch  eine  Fettflosse.  Die  erste  Rückenflosse 
lang  und  hoch.  Sehr  kleine  Zähne  auf  den  Kieferknochen,  dem 
Sparren  des  Pflugschaarbeins  und  vorne  auf  den  Gaumenbeinen. 
7 — 8  Kiemenstrahlen. 

Thymallus  gymnothorax    Valenciennes. 

Salmo  thymallus  in  Schübler's  und  Martens's  Verzeichniss. 
Cuvier  et  Valenciennes,  pl.  625. 
(Agassiz,  Poiss.  d'eau  douce,  t.  16—17.) 

Asch.         Ombre.         Grayling. 

Zwischen  den  Brustflossen  eine  nackte  Stelle, 
welche  sich  bis  auf  die  Hälfte  der  Entfernung  von 
den  Bauchflossen  erstreckt. 

Der  Körper  erscheint,  von  der  Seite  betrachtet,  schmal 
und  langgestreckt ,  von  oben  und  von  unten  ist  er  schmal,  der 
Rücken  vor  der  Dorsalis  etwas  kantig.  Die  Höhe  des  Leibs  ist 
4| — öjmal  in  der  Totallänge  enthalten.  Der  Rücken  ist  kaum 
vom  Kopfe  abgesetzt  und  steigt  in  einem  schwachen  Bogen  bis 
zur  Rückenflosse,  von  da  an  senkt  er  sich  allmählig  in  ziemlich 
gerader  Linie  bis  zur  Caudalis.  Das  untere  Profil  ist  nur  wenig 
convex. 


*)  Württembergische  naturwissenschaftliehe  Jahreshefte,     Jahrg.  III. 
Heft  1.  1847.  p.  134. 


-    342    — 

Die  Distanz  der  Augen  ist  3^mal  in  der  Länge  des  Kopfes 
enthalten,  und  letztere  beträgt  nur  ^  der  Totaliänge.  Das  Maul 
ist  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt,  viel  kleiner  als  bei 
Salmo,  indem  die  Mundspalte  nicht  einmal  den  vordem  Rand 
des  Auges  erreicht;  der  Oberkiefer  überragt  kaum  den  untern. 
Der  Durchmesser  des  Augs  ist  in  der  Kopflänge  4^mal  enthal- 
ten; seine  Entfernung  von  der  Schnauzenspitze  ist  etwas  grösser 
als  sein  Durchmesser.  Vor  dem  Auge  findet  sich ,  wie  bei  Salmo, 
ein  Feltaugenlid;  Pupille  mit  einem  spitzigen  Winkel  nach  vorne. 
Oben  auf  dem  Kopfe  sind  zwei  Reihen  von  Poren  bemerkbar. 
Der  äussere  membranose  Opercularrand  ist  nur  schwach  ent- 
wickelt. 

Flossen.  Die  Brustflossen  sind  so  lang  oder  etwas  kür- 
zer als  die  Dorsalis  hoch  ist,  mit  16  Strahlen.  Die  Bauchflossen, 
von  der  Länge  der  Pectorales,  inseriren  sich  hinter  der  Mitte 
der  Dorsalis;  mit  10—11  Strahlen;  in  ihrer  Innern  Ansatzstelle 
findet  sich  eine  lange,  spitzige  Schuppe.  Die  Rückenflosse  mit 
22 — 23  Strahlen,  ist  beinahe  noch  einmal  so  lang  als  hoch; 
ihre  Entfernung  vom  Kopfe  gleicht  der  von  der  Fettflosse;  letz- 
tere ist  von  der  Dorsalis  noch  einmal  soweit  entfernt  als  von 
der  Caudalis.  Die  Afterflosse  mit  13 — 16  Strahlen,  ist  nied- 
riger als  die  Bauchflossen  lang  sind;  ihr  Ende  steht  der  Fett- 
flosse gegenüber.  Die  Schwanzflosse  hat  19  Strahlen  und 
einen  Ausschnitt,  ihre  Strahlen  sind  auf  einem  grossen  Theil 
ihrer  Länge  mit  Schuppen  bedeckt ;  der  untere  Lappen  etwas 
länger. 

Die  Schuppen  sind  grösser  als  bei  Salmo,  ebenso  lang 
als  hoch,  die  Mittelschuppe  ist  grösser  als  die  Pupille;  es  sind 
jedoch  die  Schuppen  der  Seitenlinie  etwas  kleiner  als  die  in  den 
andern  Längsreihen.  Jene  zeigen  auch  einen  geraden  Wurzel- 
rand mit  einem  einzigen  vorstehenden  Läppchen  in  der  Mitte, 
diese  dagegen  sind  zu  3  —  4  Läppchen  eingeschnitten.  Die 
Schuppen  zeigen,  so  lange  sie  die  Bedeckung  des  Fisches  zu- 
sammensetzen, ein  eigenthümliches,  eckiges  Ansehen:  es  ist 
dies  in  den  Abbildungen  von  Vale  nci  en  n  es  ganz  vernachlässigt, 
dagegen  in  der  von  Jurine  (pl.  6),  welche  Abbildung  jedoch 
den  Thymallus  vexülifer   darstellt,   etwas   zu    derb  ausgedrückt. 


—    343    — 

Gegen  die  Bauchseite  hin  werden  die  Schuppen  immer  kleiner, 
aber  in  der  Mittellinie  des  Bauches  findet  sich  eine  Reihe  grös- 
serer Schuppen,  welche  nach  vorne  an  Grösse  abnehmen.  Diese 
Reihe  erstreckt  sich  in  eine  ganz  nackte  Stelle  hinein,  welche 
zwischen  den  Brustflossen  beginnt  und  bis  zum  Ende  der  an 
den  Rumpf  angelegten  Brustflossen  hinabreicht.  Der  Zwischen- 
raum zwischen  der  Kiemenspalte  und  den  Brustflossen  ist  von 
kleinen  Schuppen  bedeckt. 

Die  Seitenlinie  entspringt  an  der  Schulter  über  der 
halben  Körperhöhe,  und  verläuft  über  der  Mittellinie  des  Rumpfes, 
aber  in  der  Mitte  des  Schwanzes  gerade  bis  zur  Schwanzflosse. 
Die  Erhabenheiten  sind  punktförmig  und  ich  zähle  in  ihr  76 — 84 
Schuppen  (nach  Valenciennes  nur  70 — 75).  Ueber  ihr  fin- 
den sich  8,  unter  ihr  14 — 16  Schuppenreihen.  Die  Mittelschuppe 
ist  die  22.  der  Seitenlinie ,  und  das  untere  Ende  der  Quer- 
schuppenreihe fällt  vor  die  Bauchflossen. 

Farbe.  Rücken  dunkel  grünlich,  an  den  Seiten  heller, 
vorne  mit  einzelnen  wenigen  runden,  schwarzen  Flecken ;  unten 
weiss.  Rückenflosse  violett,  mit  röthlichen  Flecken  besät.  Iris 
goldgelb  mit  schwarzen  Pigmentflecken. 

Grösse.     Gewöhnlich  1',  höchstens  IJ'  lang. 

Skelett.  Wie  die  Zähne  im  Vergleich  zu  denen  der 
Salmones  schwach  sind,  so  sind  auch  die  Knochen,  welche  sie 
tragen,  viel  schmächtiger ;  dagegen  sind  viele  Knochen  des  Schä- 
dels breit  und  hoch  gebaut.  Der  vordere  obere  Rand  der 
Schnauze  wird  durch  die  Zwischenkiefer  gebildet,  der  seitliche 
durch  den  wenig  langen  Oberkieferknochen ,  welcher  oben  auf 
den  hintern  zwei  Dritteln  seiner  Länge  einen  schmalen  Knochen 
trägt;  hinten  endet  er  frei  in  der  Haut.  Der  Unterkiefer  ist 
schwach,  aber  hoch,  besonders  das  Zahnbein.  Der  Infraorbilal- 
bogen  bildet  einen  vollständigen  Halbkreis  und  besteht  aus  5 
breiten  dünnen  Knochenplatten ,  durch  welche  eine  Schleim- 
röhre verläuft.  So  lange  der  Jochbogen  noch  durch  die  Haut 
bedeckt  ist,  könnte  man  diese  Röhre  für  die  Grenze  zweier 
neben  einander  verlaufenden  Reihen  von  Knochenplatten  halten. 
Die  Wirbelsäule  besteht  aus  39  Rumpf-  und  22  Schwanzwirbeln, 


-     344    — 

von  welchen  die  8  letzten  in  den  Fächer  der  Schwanzflos^en- 
knochen  hineinreichen.  36  Rippen,  die  8  letzten  sind  nur  noch 
an  die  untern  Dornfortsätze  der  Wirbel  befestigt.  Die  Neben- 
rippen stark  entwickelt ;  die  ossa  interspinalia  slielförmig. 

Die  Knochen  des  Schultergerüstes  sind  sehr  stark  und  breit ; 
das  os  innominatum  bildet,  wie  bei  den  Salmones  nur  einen 
einfachen  Stiel. 

Weichtheile.  Der  Magen  schlägt  sich  hufeisenförmig  um, 
ist  sehr  stark  ausdehnbar  und  vor  dem  Pförtner  mit  ih'"  dicken 
Wandungen  versehen ;  hinter  den  22  Blinddärmen  wendet  sich 
der  Darmkanal  nach  unten  und  verläuft  gerade  bis  zum  After, 
Die  kleine  Leber  ist  nicht  gelappt,  nur  in  der  Mitte  hat  sie 
einen  unbedeutenden  Einschnitt;  sie  liegt  ganz  oben  unter  dem 
Diaphragma  ,  ohne  sich  in  die  Bauchhöhle  herab  zu  erstrecken. 
Die  Schwimmblase  ist  ausserordentlich  gross,  an  die  Bauchwan- 
dungen angewachsen ;  vorne  endet  sie  sich  in  eine  Spitze  und 
schickt  einen  kurzen  mit  einer  Windung  versehenen  Ausführungs- 
gang zum  Schlünde.  Die  in  die  Länge  gezogene  Milz  liegt 
unter  dem  Magen  und  erstreckt  sich  schief  von  oben  und  rechts 
nach  unten  und  links  ;  unten  ist  sie  massiger.  Die  Testikel  sind 
ausserordentlich  klein  und  schmal  und  reichen  vom  obern  An- 
fange der  Bauchhöhle  nur  bis  in  die  Mitte.  Die  paarigen  Nieren 
liegen  platt  in  der  Bauchhöhle,  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule 
und  nehmen  die  ganze  Länge  des  Abdomens  ein. 

lieber  die  Lebensweise,  die  For  tpflan  zu  ng  etc.  des 
Asches  ist  mir  sehr  wenig  bekannt.  Im  Winter  scheint  er  nicht, 
wie  die  Salmones  und  Coregoni  zu  laichen,  da  ich  zu  dieser 
Zeit  die  Geschlechtsorgane  auf  das  kleinste  Volumen  redu- 
cirt  fand.  Bloch  sagt,  er  steige  im  Frühjahre  in  die  Flüsse 
um  dort  zu  laichen  und  kehre  im  Herbste  in  das  Meer  zu- 
rück; dagegen  wurden  gerade  jetzt,  im  December  1852,  und 
Januar  1853  zwischen  Tübingen  und  Roltenburg  mehrere  Indi- 
viduen gefangen.  Er  vermehre  sich  nicht  stark.  Der  Asch 
nährt  sich  ausser  von  Insekten,  Würmern,  Phryganeen-Larven, 
Laich,  Fischbrut  hauptsächlich  von  kleinen  Conchylien ,  wie  die 
verwandten  Coregoni,  in  deren  Magen  Rapp  hauptsächlich  kleine 
Limnaeus  u.  dgl.  fand.     VonEntozoen  waren  im  Magen  viele 


—    345    - 

Exemplare  der  Ascaris  capsularia  R  u  d.  oder  Cucullamis  salaris 
G  ö  z  e.  NViewohl  der  Asch  sich  aus  dem  Neckar  gerne  in  die 
reissenden  aus  dem  Schwarzwalde  herabkommenden  Nebenflüsse, 
die  Nagold,  die  Enz  hinaufzieht,  so  gelangt  er  doch  nicht  selten 
in  den  obern  Neckar,  da  besonders  bei  Rottenburg  beinahe  jedes 
Jahr  einzelne  Exemplare  gefangen  werden.  Da  er  geschickt  und 
schnelle  den  Netzen  auszuweichen  versteht,  so  werden  überdies 
nur  wenige  in  die  Hände  unserer  Fischer  gelangen. 


Clupea  Artedi. 

Die  Bauchflossen  stehen  weit  hinter  den  Brustflossen.  Keine 
Fettflosse.  Die  Zähne  sind  sehr  klein  und  die  Bezahnung  ist 
nur  eine  mehr  oder  weniger  vollständige.  Der  zusammengedrückte 
Bauch  mit  schneidender,  sägeförmig  eingeschnittener  Kante. 

Clupea   alosa  L.  *) 

Bloch,  t.  30.  f.  1.  schlecht. 

Alosa  vulgaris  Val  en  ciennes,  t.  604. 

Yarrell,  II.  213. 

Maifisch.         Alose.         Shad. 

In  der  obern  Kinnlade  vorne  ein  Auss  chnitt ; 
Zähne  ausserordentlich  klein,  keine  Zähne  auf  der 
Zunge  und   den  Gaumenbeinen. 

Der  Körper  gleicht  von  der  Seite  betrachtet,  dem  des 
Cyprinus  leuciscus,  er  ist  nicht  besonders  schmal,  dabei  aber 
etwas  in  die  Länge  gestreckt;  von  oben  erscheint  er  zusammen- 
gedrückt und  schmal;  der  Bauch  von  unten  schmal,  und  bis 
zum  Anfange   der  Afterflosse    scharfkantig    und  sägeförmig    ein- 


*)  Ausser  einem  ausgestopften  Exemplar  des  Tübinger  Naturalien- 
kabinets  habe  ich  kein  Individuum  dieser  Art  zu  untersuchen  Gelegen- 
heit gehabt.  Zwar  standen  mir  Exemplare  aus  dem  mittelländischen 
Meere  zu  Gebot,  allein  nach  diesen  eine  ausführliche  Beschreibung  zu 
machen,  hätte  dem  Zwecke  dieser  Arbeit  nicht  entsprochen. 


—    346    — 

geschnitten.     Die  Hohe   des    Leibs   ist  4mal   in    der  Totallänge 
enthalten. 

Die  Länge  des  Kopfes  beträgt  i  der  Totallänge.  Das 
Maul  ist  gross,  seine  Spalte  erreicht  den  vordem  Rand  des 
Auges  ;  der  Oberkiefer  hat  in  der  Mitte  vorne  einen  Ausschnitt, 
in  welchen  der  kielförmig,  über  den  obern  vorspringende  Unter- 
kiefer passt;  bei  geöffnetem  Maule  ist  letzterer  länger  als  der 
obere.  Das  Auge  steht  oben  an  den  Seiten  des  Kopfes,  um 
1^  seiner  Durchmesser  von  der  Schnauzenspitze  entfernt. 

Flossen.  Die  grossen  Brustflossen  sind  länger,  als  die 
Dorsalis  hoch  ist,  und  haben  16  Strahlen.  Die  kleinen  Bauch- 
flossen sind  viel  kürzer  als  die  Pectorales,  aber  länger,  als  die 
Analis  hoch  ist ;  sie  inseriren  sich  unter  dem  Anfange  der  Dor- 
salis;  zu  beiden  Seiten  ihrer  Insertion,  oben  und  unten  findet 
sich  eine  längliche  spitze  Schuppe ;  9  Strahlen.  Die  Rücken- 
flosse mit  20  Strahlen,  steht  dem  Kopfe  näher,  als  der  Caudalis 
und  ist  beinahe  noch  einmal  so  lang  als  hoch.  Die  niedrige, 
aber  sehr  lange  Afterflosse  hat  24  Strahlen.  Schwanzflosse 
mit  19  Strahlen  und  einem  tiefen  Ausschnitt;  ihre  Strahlen 
sind  auf  einen  grossen  Theil  ihrer  Länge  mit  kleinen  Schuppen 
bedeckt. 

Die  Schuppen  sind  der  Grösse  des  Fisches  proportionirt, 
in  der  Seitenlinie  stehen  80,  in  der  Querschuppenreihe  22.  Die 
sägeförmige  Kante  des  Bauches  wird  durch  eine  Reihe  horn- 
artiger  Schuppen  gebildet ,  welche  in  der  Mitte  so  gebrochen 
sind,  dass  eine  scharfe  Kante  entsteht.  Diese  Kante  setzt  sich 
nach  hinten  in  eine  vorstehende  scharfe  Spitze  fort.  Von  den 
seitlichen  Rändern  dieser  Schuppen  geht  ein  rippenartiger  Fort- 
satz ab,  der  bis  zum  Ende  der  eigentlichen  Rippen  hinaufreicht. 
Es  ist  dies  zwar  keine  Nachbildung  des  bei  höhern  Thieren  sich 
findenden  T^^pus,  man  könnte  aber  doch  die  hornartigen  Schuppen 
mit  einem  Sternum  und  die  rippenartigen  Fortsätze  mit  den 
Rippenknorpeln  vergleichen.  Dagegen  erinnert  diese  Einrichtung 
an  die  Bauchrippen  der  Krokodile. 

Farbe.  Oben  blaulichgrün ,  an  den  Seilen  silberig,  unten 
weiss.    Bei  den  Exemplaren  des  Neckars  sollen  die  schwarzen  run- 


—    347    — 

den  Flecken  an  der  Seite  fehlen  ;    hinter  den  Kiemen    auf  dem 
Schultergürlel  ein  unregelmässiger  schwarzer  Fleck. 

Grösse.     2 — 3'  lang  und  3 — 4  Pfund  schwer. 

Skelett.  Die  kleinen  Zwischenkiefer  sind  durch  einen 
Ausschnitt  von  einander  getrennt  und  bilden  den  vordem  Rand 
der  Oberkinnlade.  Der  seitliche  Rand  wird  durch  den  Ober- 
kieferknochen begrenzt ,  der  der  Form  nach  dem  von  Thy- 
mallus  gleicht ,  aber  aus  3  Stücken  zusammengesetzt  ist.  Der 
Unterkiefer  ist  hoch ,  besonders  an  seiner  hintern  Abtheilung. 
Bei  jungen  Individuen  finden  sich  in  diesen  Knochen  Zähne, 
welche  jedoch  mit  dem  Aller  zu  verschwinden  scheinen.  Der 
Infraorbitalbogen  wird  aus  6  Stücken  zusammengesetzt.  Die 
Kiemendeckel  sind  breit ,  gross,  dünne  ,  biegsam.  Die  Kiemen- 
bögen  tragen  lange,  kammarlig  gestellte  Zähne.  8  Kiemenstrahlen. 
Die  Wirbelsäule  zeichnet  sich  aus  durch  die  Menge  an  ihr  be- 
festigter Gräten.  Ausser  den  ausserordentlich  dünnen,  borsten- 
artigen Rippen  und  Dornfortsätzen  trägt  die  vordere  Hälfte  der 
Rumpfwirbel  an  jeder  Seite  noch  2  Gräte,  welche  man  als 
Nebenrippen  oder  als  Dornfortsätze  bezeichnen  kann.  An  den 
andern  Wirbeln  ist  nur  eine  einfache  Reihe  von  Gräten  befestigt. 
33  Rumpf-  und  25  Schwanzwirbel. 

Weicht  heile.  Der  Darmkanal  macht  2  Windungen,  ist 
hinter  dem  Magen  mit  einer  unzähligen  (?)  Menge  Blinddärme  be- 
setzt und  zeigt  im  Innern  querlaufende  Falten ;  beim  Weibchen 
sind  die  Blinddärme  kürzer  und  weniger  zahlreich.  Die  Leber 
ist  in  2  Lappen  getheilt,  von  denen  der  rechte  wieder  in  2 
kleinere  zerfällt ;  an  ihm  befestigt  sich  die  grosse ,  dunkelgrüne 
Gallenblase.  Die  Fortpflanzungsorgane  sind  ausserordentlich  ent- 
wickelt. Die  einfache  grosse  Schwimmblase  ist  an  ihren  beiden 
Enden  in  2  lange  Spitzen  ausgezogen;  sie  communicirt  mit  dem 
Magen  durch  einen  sehr  kurzen  und  dicken  Canal.  (Valen- 
cie  n  n  es). 

Der  Maifisch  ist  ein  Bewohner  des  Meeres ,  der  aber  im 
Frühjahre  in  die  Süsswasser  sich  begibt,  um  zu  laichen.  Durch 
den  Rhein  kommt  er  zu  uns  bis  nach  Heilbronn;  wie  aber  über- 
haupt die  Häringe  nur  geringe  Kraft  im   Schwimmen  zeigen,  so 


—    348    — 

kann  auch  der  Maifisch  die  daselbst  befindlichen  Wöhrde  nicht 
überspringen ;  ja  er  weicht  sogar  unbedeutenden  Stromschnellen 
aus.  So  lange  er  im  Meere  ist,  wird  sein  Fleisch  wenig  ge- 
achtet, sobald  er  aber  in  die  Zeit  der  Laiche  tritt  und  in  das 
Süsswasser  sich  begibt ,  ist  es  wohlschmeckend.  Daher  wird 
ihm  im  Frühjahre  eifrig  am  untern  Neckar  nachgestellt ,  um  so 
mehr,  da  nicht  selten  Individuen  von  2'  gefangen  werden. 

Die  Nahrung  des  Maifisches  besteht  hauptsächlich  in 
Würmern  und  Insekten;  er  soll  jedoch  auch  mit  gekochten  Erbsen 
gefangen  werden  können. 


Lota  Ciivier. 

Die  Bauchflossen  sitzen  an  der  Kehle  vor  den  Brustflossen 
und  endigen  sich  in  eine  Spitze.  2  Rückenflossen;  eine  After- 
flosse. In  den  Kinnladen  und  auf  dem  vordem  Theile  des  Pflug- 
schaarbeins  feine  Zähne,  welche  in  Form  einer  Hechel  gestellt  sind. 

Lota  vulgaris  Cuvier. 

Gadus  lota  L. 

Bloch,  t.  70. 

Fries  och  Ekström,  t.  41. 

J  u  ri  n  e,  pl.  2. 

Molva  lota  Fl  e  mm. 

Yarrell,  II.  p.  (183)  267. 

Treische ,     Aalraupe.         Lotte.         Burbot. 

Am  Kinn  ein  einziger  Bartfaden;  gelb,  schwarz 
marmo  r  i  r  t. 

Die  Treische  ist  langgestreckt ,  walzenförmig  ;  der  Rumpf 
beinahe  so  hoch  als  breit ;  der  Schwanz  ist  um  die  Hälfte  länger 
als  der  Rumpf,  und  besonders  nach  hinten  zu  seitlich  zusammen- 
gedrückt. Der  Kopf  etwas  breit,  niedergedrückt,  und  ein  weniges 
über  halb  so  lang,  als  der  Rumpf.  Das  Maul  breit,  Kiefer  von 
gleicher  Länge;  der  Barifaden  beinahe  so  lang,  als  die  Distanz  der 


—    349    - 

Augen.     Die    Kiemenstrahlenhaut   ist   unten    von   beiden  Seiten 
zusammengewachsen. 

Flossen.  Die  abgerundeten  Brustflossen  mit  21  Strahlen; 
von  den  7  Strahlen  der  Bauchflossen  verlängern  sich  die  2 
ersten  in  eine  häutige  Spitze,  die  zweite  ist  viel  länger,  als  die 
erste.  Auf  dem  Rücken  stehen  unmittelbar  hintereinander  2 
Flossen,  von  denen  die  erste  in  der  Mitte  des  Rumpfes  anfängt, 
sehr  kurz  ist  und  13  Strahlen  hat ;  die  zweite  sehr  lange  er- 
streckt sich  bis  zur  Schwanzflosse  und  hat  73 — 75  Strahlen. 
Die  lange  Afterflosse  reicht  vom  Anus  bis  zum  Anfange  der 
Caudalis  ,  70 — 71  Strahlen.  Die  ovale  Schwanzflosse  umgiebl 
rings  das  Ende  des  Schwanzes  und  hat  ungefähr  40  Strahlen. 

Die  Schuppen  wurden  wegen  ihrer  ausserordentlichen 
Kleinheit  oft  übersehen,  sie  sind  in  dem  zähen  Schleime,  welcher 
den  ganzen  Fisch  bedeckt ,  verborgen.  Die  Seitenlinie  verläuft 
gerade,  dem  Rücken  näher,  als  dem  Bauche,  sie  geht  nur  bis 
in  die  Mitte  des  Schwanzes  hinunter. 

Grösse.     Bei  uns  nicht  über  2'  lang. 

Skelett.  Die  Gestalt  des  Schädels  entspricht  seiner  äus- 
sern Form,  er  ist  breit  und  niedergedrückt ;  er  ist  ausgezeichnet 
durch  seine  vielgestalteten  Knochen,  die  mit  Furchen,  Vertief- 
ungen,  kantigen  Vorsprüngen  etc.  versehen  sind.  Der  obere 
Rand  des  Rachens  wird  durch  den  dicken,  seiner  ganzen  Länge 
nach  mit  Zähnchen  besetzten  Zwischenkieferknochen  begrenzt; 
an  seinem  untern  Ende  spaltet  er  sich  in  zwei  Theile,  in  einen 
vordem  stärkern  und  längern,  und  in  einen  hintern  kürzern,  der 
nicht  mit  Zähnen  besetzt  ist.  Der  lange,  schmale,  zahnlose 
Oberkiefer  wird  an  seinem  untern  Ende  ,  mit  dem  er  sich  an 
den  aufsteigenden  Ast  des  Zahnbeins  anlegt,  plötzlich  noch  ein- 
mal so  breit,  als  er  in  der  Mitte  ist.  Der  mit  Zähnchen  ver- 
sehene Unterkiefer  ist  nicht  ganz  halb  so  lang,  als  der  Schädel; 
an  der  Aussenseite  zeigt  er  viele  scharfe  Kanten  ,  unten  eine 
tiefe  und  breite  Längsfurche ;  das  Zahnbein  entfernt  sich  mit 
seinem  hintern  obern  Theile  vom  Gelenksbeine  und  legt  sich 
nicht  mehr  an  dasselbe  an.  Am  Vomer  ist  der  breite  starke, 
halbmondförmige,  mit  ausserordentlich  vielen  Zähnchen  besetzte 


—    350    — 

Sparren  der  bedeutendste  Theil ;  der  Körper  ist  nur  eine  dünne, 
nach  hinten  in  eine  feine  Spitze  sich  endigende  Platte.  Die 
Gaumenbeine  sind  dünne  und  schwach  und  tragen  keine  Zähne. 
Die  obern  runden  Schlundkieferknochen  sind ,  wie  die  untern 
etwas  länglichen ,  mit  feinen  Zähnen  besetzt.  Der  Infraorbital- 
bogen  wird  durch  6  Knochen  gebildet,  von  welchen  die  vordem 
sich  in  zwei  weit  auseinander  stehende  Lamellen  spalten  ,  die 
hintern  mit  unregelmässigen  Vertiefungen  versehen  sind ;  der 
erste  ist  so  lang,  als  die  übrigen  zusammengenommen  ,  gerade, 
stützt  sich  vorne  auf  den  Oberkiefer,  erreicht  nach  hinten  nicht 
ganz  die  Mitte  des  Augenkreises  und  arlikulirt  durch  einen 
nach  oben  abgehenden  Fortsatz  mit  dem  Vorderstirnbeine.  Das 
vielwinklige  Zizenbein  mit  zwei  Löchern  zum  Durchtritt  von 
Nerven  hat  ringsum  6  Fortsätze,  von  welchen  drei  breit  und  hohl 
sind.  Die  obern  Schädelknochen  sind  besonders  nach  vorne 
mit  Gruben  und  Furchen ,  welche  durch  vorspringende  dünne 
Knochenlamellen  gebildet  werden ,  versehen.  Das  Operculum 
mit  einer  länglichen  Gelenkshöhle,  ist  etwas  convex  ,  an  seiner 
hinlern  untern  Seite  stark  ausgeschweift ,  so  dass  zwei  Lappen 
entstehen ;  mit  dem  Rande  des  vordem  legt  es  sich  an  den 
obern  Rand  des  Suboperculums ,  mit  der  Fläche  des  hintern 
auf  die  Fläche  desselben.  Das  Suboperculum  ist  ebenfalls 
etwas  convex,  breit,  von  elliptischer  Gestalt,  der  obere  und 
unlere  Rand  gebogen ,  der  obere  etwas  weniger  und  verdickt, 
der  unlere  schneidend.  Das  Interoperculum  länglich-nagelförmig, 
hinten  wo  es  mit  dem  Suboperculum  articulirt,  dick,  nach  vorne 
und  den  Seiten  dünner  werdend.  Das  Praeoperculum  besteht 
aus  zwei  Lamellen,  einer  äussern  schmälern  und  innern  brei- 
lern, welche  mit  hinlern  freien  etwas  aus  einander  stehenden  con- 
Texen  Rändern  versehen  ,  vorne  aber  mit  einander  verwachsen 
sind ;  es  lässt  sich  an  diesem  Knochen  ein  aufsteigender  und 
ein  horizontaler  Ast  unterscheiden,  im  Winkel,  in  dem  beide 
zusammenstossen  ,  liegt  ein  breiter,  vorne  mit  einer  Spitze  ver- 
sehener Fortsatz. 

8  Kiemenstrahlen ,  von  slielförmiger  Gestalt ,  welche  von 
vorne  nach  hinten  an  Länge  und  etwas  an  Breite  zunehmen. 

Die  Schulterblätter  schmal ,    das  untere    etwas  länger   und 


—    351    — 

dicker  als  das  obere ;  der  Humerus  mit  einem  aufsteigenden 
kurzen  und  einem  horizontalen  langen  ,  gegen  das  Zungenbein 
sich  erstreckenden  Aste  ;  beide  stossen  unter  einem  etwas 
stumpfen  Winkel  aneinander.  Die  Unterarmknochen  sehr  breit, 
blattartig.  Das  os  innominatum,  an  der  Basis  dünne  und  breit, 
befestigt  sich  mit  einem  langen  hohlen  Fortsatze  am  vordem 
untern  Theile  des  Humerus;  ein  zweiter  kleinerer,  ebenfalls 
hohler  Fortsalz  geht  nach  innen ,  zu  dem  entsprechenden  der 
andern  Seite. 

Die  Wirbel  sind  sehr  dick  und  massig;  21  gehören  dem 
Rumpfe,  38  dem  Schwänze  an.  Die  Rumpfwirbel  tragen  starke, 
nach  hinten  gelegte  Dornforlsätze,  an  den  hintern  finden  sich 
immer  längere  Querfortsätze,  welche  zum  Ansätze  für  die  Rippen 
dienen.  Die  Schwanzwirbel  tragen  lange  obere  und  untere 
Dornfortsätze;  die  Interspinalknochen  dagegen  sind  sehr  schwach. 
17  kurze  Rippen. 

W  ei  ch  theile.  Der  Schlund  und  Magen  sind  weit,  mit 
Längsfalten  versehen  und  ausserordentlich  ausdehnbar ;  hinter 
dem  Magen  30  Blinddärme  von  verschiedener  Länge  ;  der  Darm- 
kanal macht  2  Biegungen.  Die  Schwimmblase  ist  gross  mit 
dicken  Wandungen. 

Die  Treische  nimmt  ausserordentlich  viel  Nahrung  zu 
sich ;  ausser  den  kleineren  Insekten  ,  Würmern  und  Fischbrut 
verschlingt  sie  verhältnissmässig  sehr  grosse  Fische. 

Von  E n to  z 0 e n  ist  sie  sehr  geplagt :  im  Februar  und  October 
fand  ich  die  Leber  aller  untersuchten  Exemplare  voll  von  Cysten, 
in  denen  sich  grosse  noch  nicht  vollkommen  ausgebildete  Indi- 
viduen des  Triaenophorus  nodulosus  befanden;  in  den  Einge- 
weiden  war  ein  noch  unbestimmter  Strongylus. 

Nur  seilen  wird  sie  im  untern  Neckar  angetroffen,  am  obern 
ist  sie  ganz  unbekannt.  Ob  dies  nur  verirrte  Exemplare  sind, 
oder  ob  sie  sich  im  Neckar  fortpflanzt ,  was  in  der  Mitte  des 
Winters  geschieht,  weiss  ich  nicht  anzugeben.  Sie  ist  allgemein 
wegen  ihres  Fleisches  geschätzt ;  besonders  wird  die  grosse 
Leber  für  eine  Leckerei  gehalten,  was  wohl  bei  einer  allgemeinern 
Kenntniss  ihrer  Bewohner  weniger  der  Fall  wäre. 


—    352    - 


Anguilla  Thunberg. 

Bauchflossen  fehlen;  eine  kleine  Kiemenspalte  unter  den 
Brustflossen.     Rücken-,  Schwanz-  und  Afterflosse  vereinigt. 

Anguilla  vulgaris  *)    F 1  e  m  m  i  n  g. 

Muraena  anguilla  L. 
Bloch,  III.  pl.  73. 
Juri  ne,  pl.  1. 
Yarrell,  II.  p.  381  etc. 

Aal.         Anguille.         Eel. 

Rückenflosse  beginnt  weit  hinter  den  Brust- 
flossen; Unterkiefer   länger. 

Die  schlangenförmige,  vorne  c^^lindrische,  gegen  den  Schwanz 
seillich  zusammengedrückte  Gestalt  des  Körpers  ist  bekannt. 

Kopf.  Die  Distanz  der  untern  Augenränder  ist  gleich  der 
Entfernung,  gemessen  von  der  Oberkieferspitze  bis  in  die  zwischen 
den  Augen  liegende  Mitte  der  Stirne.  Der  Unterkiefer  über- 
ragt etwas  den  obern ;  die  Maulspalte  erreicht  den  hintern  Rand 
des  Auges;  misst  man  die  Entfernung  von  der  Schnauzenspitze 
bis  zur  Insertion  der  Brustflosse  ,  so  ist  die  Länge  der  Unter- 
kinnlade in  ihr  4mal  enthalten  ;  auf  jeder  Seite  finden  sich  an 
der  Unterkinnlade  8  Poren. 

Flossen.  Die  Rückenflosse  fängt  vor  dem  After  an,  die 
Entfernung  ihres  Anfanges  vom  After  ist  gleich  der  Distanz 
zwischen  der  Schnauzenspitze  und  dem  Anfange  der  Rücken- 
flosse;  die  Afterflosse  beginnt  gleich  hinter  dem  Anus,    dessen 


*)  Zwar  unterscheidet  schon  Cuv.  im  R6gne  animal  e\mn  Anguille 
long-bec  und  einen  Anguille  plat-^bec,  einen  Aal  mit  spitziger,  und  einen 
wit  stumpfer  Schnauze,  und  Risso  benennt  beide  als  Anguilla  acuti- 
rostris  und  laliroslris,  oder  später  Ekström  als  Muraena  oxyrhina  und 
plafyrhina:  ich  konnte  übrigens  nie  mit  Gewissheit  unsere  Aale  zur  einen 
oder  andern  Form  bringen,  doch  würde  die  Besclireibung ,  wenn  wirk- 
lich diese  Arten  unterschieden  werden  müssten ,  am  ehesten  zu  platy- 
rhina  passen  ;  und  im  Vergleiche  mit  Aalen  aus  dem  Nil  (Anguilla  nilotica 
H  e  c  k.)  erscheint  bei  unsern  Exemplaren  die  Schnauze  sehr  abgestumpft. 


_    353    — 

Entfernung  von  der  Schnauzenspitze  sich  zu  der  von  dem  Schwanz* 
ende  verhält  =  2:3.  Die  Brustflossen  sind  abgerundet  und 
haben   19  Strahlen. 

Die  Schuppen  sind  ausserordentlich  klein,  so  dass  man 
sie  nur  durch  Hülfe  der  Loupe  oder  an  einem  getrockneten 
Fische  erkennen  kann. 

Farbe.     Oben  schwärzlichgrün,  unten  bläulichweiss. 

Grösse.  Der  Aal  soll  ein  Gewicht  von  12  Pfund  er- 
reichen, das  grösste  im  Neckar  gefangene  Exemplar,  von  dem 
ich  weiss,  wog  5  Pfund. 

Skelett.  Kleine  Zähne  stehen  im  Oberkiefer,  Zwischen- 
kiefer, Unterkiefer,  den  Schlundkiefern  und  auf  dem  vordem 
Theile  des  Pflugschaarbeins.  Die  Kiemenstrahlen  sind  ausser- 
ordentlich dünn ,  fadenförmig ,  beinahe  in  einem  Kreise  aufge- 
rollt,  12  an  der  Zahl;  ich  zähle  nur  110  Wirbel,  Arledi  gibt 
deren  116  an.  Die  sehr  kurzen  Rippen  befestigen  sich  schwach 
an  den  Apophysen  der  Rumpfwirbel ;  die  obern  Dornfortsätze 
nehmen  nach  hinten  an  Länge  zu. 

\V eicht h e  ile.  Der  Magen  ist  durch  eine  Curvatur  leicht 
bemerklich  ;  keine  Blinddärme  ;  der  Darmkanal  verläuft  beinahe 
gerade.  Die  Leber  theilt  sich  in  zwei  Lappen ,  von  denen  der 
linke  der  grössere  ist;  die  Gallenblase  liegt  etwas  von  der 
Leber  getrennt.  Die  einfache  Schwimmblase  ist  an  der  Wirbel- 
säule befestigt  und  hat  an  ihrer  obern  Abtheilung  einen  grossen 
weilen  Ausführungsgang.  Die  Ausführungsgänge  der  Nieren  er- 
weitern sich  am  After  in  eine  Art  Harnblase. 

Fortpflanzung.  Bekannt  ist  es,  dass  man  lange  Zeit 
über  das  Geschlecht  der  Aale  ungewiss  war ,  indem  man  zwar 
ein  langes,  vielfach  gefaltetes  und  eingeschnittenes  an  beiden 
Seiten  der  Bauchhöhle  herabsteigendes  Organ  als  Fortpflanzungs- 
werkzeug erkannte ,  in  demselben  aber  nur  einen  Testikel  sah, 
bis  man  endlich  durch  Hilfe  des  Microscops  bemerkte ,  dass  in 
demselben  bei  einigen  Individuen  auch  Eier  sich  fänden  ;  dem 
unbewaffneten  Auge  gibt  sich  diese  Masse  nur  als  eine  bei  Männ- 
chen und  Weibchen  gleichförmige  fette  Substanz  zu  erkennen. 
Spermatozoen  wurden  übrigens  auch  in  den  als  Testikel  erkannten 
Organen  noch  nicht  beobachtet,  und  sie  werden  wohl  auch  nur 
Württemb.  naturw.  Jahreshefle.    1853.    3s  Heft.  23 


-     354    — 

bei  Aalen  gefunden  werden,  welche  man  während  der  Fortpflanz- 
ung im  Meere  gefangen  hat.  Die  Samenflüssigkeit  und  die 
Eier  fallen  wie  bei  den  Salmoniden,  bei  Cobilis  etc.  in  die 
Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  besondere  Oefl'nung  am 
After  nach  aussen.  *) 

Der  Umstand,  dass  man  bei  uns  noch  nie  die  Fortpflanzung 
des  Aals  beobachten  konnte,  sowie  dass  man  nie  einen  jungen 
Aal  gefangen  hat,  hat  zu  den  verschiedenen  Fabeln  Veranlassung 
gegeben,  von  welchen  die  bei  uns  verbreitetste  ist,  dass  die 
in  der  Bauchhöhle  des  Leuciscus  gobio  sich  findende  Filaria 
ovata  die  Brut  des  Aales  sei.  Der  Aal  laicht  nur  im  Meere 
und  zwar  legt  er  Eier,  wie  Ek ström  u.  A.  beobachtet  haben. 
Die  Aalbrut  steigt,  nachdem  sie  das  Ei  verlassen,  in  unsäglicher 
Menge  in  die  Süsswasser.  **)  Diese  Reise  muss  aber  sehr 
langsam  von  Statten  gehen ,  indem  man  im  Neckar  noch  nie 
einen  Aal  von  weniger  als  1'  Länge  gesehen  hat.  Nach  einer 
mündlichen  Mittheilung  traf  Georg  v.  Marlons  auf  einer 
während  des  Herbstes  angestellten  Reise,  je  weiter  er  den  Rhein 
stromaufwärts  kam,  immer  grössere  Aale  an,  so  dass  die  in  der 
Nähe  des  Meeres  gefangenen  etwa  fingerslang  ,  die  in  Köln  ge- 
sehenen schon  1'  lang  waren.  Die  Zeit  des  Winters,  vom 
November  bis  in  den  April  bringt  der  Aal  in  einen  Winter- 
schlaf versunken ,  im  Schlamme  versteckt  in  den  Flüssen  und 
Seen  zu.  Auch  im  Frühjahre  kehren  nicht  alle  Aale  in  das 
Meer  der  Forlpflanzung  wegen  zurück,  da  man  zu  jeder  Zeit 
erwachsene  Individuen  fängt.  Den  Tag  über  hält  der  Aal  sich 
ruhig  in  einer  meist  selbst  gebohrten  Höhlung  im  Schlamme 
verborgen ,  nur  eine  ungewöhnliche  Hitze  oder  ein  Gewitter 
veranlasst  ihn,  unruhig  hin  und  her  zu  schwimmen.  Allein  nicht 
nur  bei  Nacht ,  sondern  auch  bei  sehr  trübem  Wetter  am 
Tage  geht  er  seiner  Nahrung  nach,  welche  in  Fischlaich, 
Fischbrut,  Insekten,  Würmern  und  Aas    besteht.     Im    freien  Zu- 


*)  Die  Geschlechtsorgane  des  Aals  finden  sich  beschrieben  und  ab- 
gebildet in  der  Dissert,  inaugur.  von  Hohnbaum-Hornschuch  „de  anguil- 
larum  sexu  ac  generatione"  Gryph.  1842. 

**)  G.  V.  Marie  HS  Italien.     Bd.  II.  p.  334. 


-    355    — 

Stande  verlässl  der  Aal,  wie  man  früher  allgemein  glaubte,  nie 
das  Wasser;  befindet  er  sich  in  einem  kleinen  Räume,  wo  das 
Wasser  durch  die  Hitze  leicht  erwärmt  wird  ,  so  sucht  er  sich 
entweder  immer  tiefer  in  den  Schlamm  zu  vergraben,  oder  wenn 
dies  nicht  möglich  ist  ,  kommt  er  an  die  Oberfläche  und  stirbt. 
Gefangene  Aale  dagegen  suchen  häufig  aus  einem  engen  Be- 
hälter zu  entkommen;  auch  ist  es  Thatsache,  dass  ein  aus  dem 
Wasser  an's  Land  geworfener  Aal  durch  schlangenähnliche  Be- 
wegungen directe  dem  Wasser  schnell  genug  zukriecht.  Der 
Aal  hat  ein  ausserordentlich  zähes  Leben  und  kann  tagelang  ohne 
Wasser  bei  kühler  Witterung  aushallen,  wobei  ihm  namentlich 
die  enge  Kiemenspalle  dienlich  ist,  welche  ein  schnelles  Ver- 
trocknen der  Kiemen  verhindert. 

Der  Aal  findet  sich  nicht  selten  im  Neckar,  an  schlammigen 
Stellen ,  wo  die  Ufer  mit  Gras  bewachsen  sind  ;  wegen  seines 
wohlschmeckenden  Fleisches  wird  er  aber  eifrig  verfolgt ,  und 
gehört  unter  die  am  besten  bezahlten  Fische. 


Die  im  Nekar  sich  findenden  wenigen  Knorpelfische 
gehören  der  Familie  der  Ctjclostomata  hyperoartia  an. 

Petromyzon   Dumeril. 

Extremitäten  fehlen.  Der  Mund  wird  durch  einen  mit  Zähnen 
besetzten  Saugnapf  gebildet ,  der  mit  einer  einen  vollständigen 
Kreis  bildenden  Lippe  umgeben  ist.  Oben  auf  dem  Kopfe  ein 
unpaares  Nasenloch.  Hinter  dem  Auge  7  Kiemenspalten.  Der 
Leib  c^lindrisch,  aalförmig,  unbeschuppt. 

Petromyzon  marinus  L. 

Bloch,  t.  77. 
Yarrell,  s.  598. 

Das  grosse  Neunauge.         Lamproye.         Lamprey. 

Der  Saugnapf  mit  5 — 6  concentrisch  gestellten 
Ringen  von  Zähnen  besetzt. 

23* 


—    356     - 

Die  Länge  des  Schwanzes  ist  in  der  übrigen  Länge  über 
3mal  enlhallen.  Die  Lippe  ist  mit  3—4  Reihen  Frenzen  be- 
setzt. Die  Zähne,  welche  an  der  innern  Fläche  des  Saugnapfes 
in  5 — 6  concentrischen  Ringen  gestellt  sind,  sind  mit  einer  sehr 
harten  hornartigen ,  ablösbaren  Substanz  bedeckte  Höckerchen. 
Im  Allgemeinen  sind  die  Zähne  des  innersten  Ringes  die  grössten, 
nach  aussen  werden  sie  immer  kleiner.  Der  innerste  Ring  be- 
steht nur  aus  2  Zähnen  ,  von  welchen  aber  der  unlere  beinahe 
einen  Halbkreis  bildet  und  7  Zacken  trägt,  der  obere  ist  zwei- 
spitzig. In  der  zweiten  Reihe  finden  sich  auf  jeder  Seite  des 
letztern  noch  4  zweispilzige  Zähne.  Alle  andern  Zähne  bestehen 
nur  aus  einem  Zacken.  Auch  auf  der  Zunge  finden  sich  2 
Reihen  mehrspilziger  Zähne.  Die  Zunge  kann  bewegt  werden 
und  wirkt  wie  ein  Stempel ,  um  die  Luft  aus  dem  Saugnapfe 
auszupumpen ,  vielleicht  auch  um  mit  den  darauf  sitzenden 
Zähnen  in  das  Thier,  an  das  sich  das  Neunauge  festgesaugt 
hat,  einzubohren.  Das  Auge  ist  vom  ersten  Kiemenloche  noch 
einmal  so  weit  entfernt,  als  ein  Kiemenloch  vom  andern. 
Oben  zwischen  den  Augen  findet  sich  das  unpaare  Nasenloch, 
fälschlich  Spritzloch  genannt.  Es  finden  sich  zwei  von  einander 
etwas  entfernt  stehende  Rückenflossen.  Schon  hinter  dem  Nasen- 
loch fängt  sich  die  Haut  etwas  zu  erheben  an ,  die  erste 
Rückenflosse  ist  aber  niedriger  als  die  zweite ,  welche  mit  der 
Caudalis  vereinigt  ist. 

Dieses  Neunauge  ist  gelblich,  grau  marmorirt  und  wird  bis 
3'  lang. 

In  Bezug  auf  das  Skelett  stehen  die  Neunaugen  überhaupt 
auf  der  niedrigsten  Stufe  unter  allen  Wirbelthieren ;  ihre  Wirbel- 
säule besteht  nur  aus  einer  faserknorpligen  Röhre,  welche  innen 
mit  einer  gelalinösen  Masse  gefüllt  ist;  über  ihr  liegt  das  Rücken- 
mark. Der  trichterförmige  Mund  wird  durch  einen  knorpligen 
Maxillarring  gestützt ,  welcher  aus  der  Vereinigung  der  Kiefer- 
und  Gaumenknochen  entstanden  zu  sein  scheint.  Den  7  Kiemen- 
löchern entsprechen  7  Kiemensäcke  ,  von  welchen  jeder  durch 
einen  besonderen  Canal  mit  einer  Röhre  communicirt ,  welche 
unpaar  unter  dem  Schlünde  liegt ,  hinten  blind  geschlossen  ist, 
vorne  sich   in    die  Mundhöhle   öffnet.     Das    unpaare  Nasenloch 


—    357    — 

an  der  obern  Seite  des  Kopfes  durchbohrt  den  harten  Gaumen, 
ist  aber  nicht  zum  Ausspritzen  von  Wasser  bestimmt,  sondern 
vielmehr  durch  eine  Schleimhaut  von  der  Rachenhöhle  abge- 
schlossen. Der  Darmkanal,  mit  einer  Spiralklappe,  verläuft  ganz 
gerade  ;  die  kleine  Leber  besteht  nur  aus  einem  einzigen  Lap- 
pen. Die  Geschlechtsorgane  sind  paarig  und  nehmen  die  ganze 
Länge  der  Bauchhöhle  ein;  die  Ovarien  lassen  sich  in  dünne 
Blätter  zerlegen.  Die  Nieren  erstrecken  sich  von  der  Mitte 
der  Bauchhöhle  bis  zum  Anus ,  in  dessen  Nähe  sich  die  Ureteren 
in  eine  auch  äusserlich  sichtbare  Köhre  vereinigen:  in  diese 
Röhre  münden  auch  die  beiden  Fori  abdominales.  Schwimm- 
blase, Harnblase,  Gallenblase  und  Mesenterium  fehlen.*) 

Die  Nahrung  des  Neunauges  besteht  ausser  Würmern,  In- 
sekten etc.  noch  in  Fischen,  sowohl  kleinern,  als  grössern,  an 
welche  sie  sich  wie  an  Steine  festsaugen.  Solche  angegriffene 
Fische  können  sich  ihres  Feindes  nicht  entledigen,  da  die  Zähig- 
keit, mit  der  er  sich  festhält,  so  gross  ist,  dass  man  das  Neun- 
auge sammt  dem  Gegenstande  ,  an  den  es  sich  angesaugt  hat, 
und  wenn  er  auch  mehrere  Pfunde  schwer  ist,  in  die  Höhe 
heben  kann. 

Beinahe  jedes  Jahr  fängt  man  diesen  Fisch  im  Frühjahre 
bei  Heilbronn  und  sogar  in  der  Enz,  zum  Theil  von  beträcht- 
licher Grösse.  Allgemein  behauptet  man,  dass  das  Neunauge 
um  diese  Zeit  in  die  Flüsse  steige,  um  zu  laichen.  Es  schwimmt 
jedoch  zu  schlecht,  als  dass  man  begreifen  könnte,  wie  es  in 
so  kurzer  Zeit  den  bedeutenden  Weg  zurückzulegen  vermag. 
Ich  halte  es  daher  für  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  so  hoch 
in  den  Flüssen  gefangenen  Neunaugen  sich  an  andere  Meerfische 
angesaugt  haben  und  mit  diesen  heraufgekommen  sind.  Dafür 
spricht,  dass  das  Neunauge  immer  zugleich  mit  dem  Lachse 
und  dem  Maifische  ankommt  und  dass  man  meines  Wissens  noch 
nie  eine  Brut  von  ihm  im  Neckar  angetroffen  hat. 

Das  Fleisch  des  Neunauges  ist  besonders  im  Frühjahre  gleich 

*)  Die  Anatomie  der  andern  Arten  von  Petromyzon  zeigt  zu  wenig 
Abweichungen,  als  dass  eine  besondere  Beschreibung  derselben  nöthig 
wäre. 


—    358     - 

dem   des  Aales  geschätzt;   doch   wird  es  zu  vereinzelt  gefangen, 
als  dass  mai 
ben  könnte. 


als  dass  man  ihm  für  unsere  Fischerei  eine  Bedeutung  zuschrei- 


Petromyzon  fluviatilis  L. 

Bloch,  t.  78.  f.  1. 
Yarrell,   s.  604. 

Kleines  Neunauge.         Lampern. 

Die  Zähne  stehen  nur  in  einem  Ringe.  Zwei 
Rückenflossen,  welche  durch  einen  Zwischenraum 
von  einander  getrennt   sind. 

Die  Länge  des  Schwanzes  ist  in  der  übrigen  Länge  2^mal 
enthalten.  Die  Zähne  stehen  in  einem  einzigen  Ringe,  welcher 
den  Eingang  in  den  Schlund  umgibt;  der  unterste,  ein  Drittel 
des  Ringes  bildende  Zahn  besteht  aus  7  stumpfen  Höckerchen; 
oben  im  Ringe  stehen  zwei  hervorragendere,  von  einander  ge- 
trennte Zähne;  zu  jeder  Seite  des  ersten  siebenzackigen  ist  noch 
ein  kleiner  stumpfer  Höcker  bemerkbar;  die,Zähne  auf  der  Zunge, 
wie  bei  P.  marinus.  Das  Auge  ist  vom  ersten  Kiemenloche  noch 
einmal  so  weit  entfernt ,  als  ein  Kiemenloch  vom  andern.  Das 
Nasenloch  liegt  oben  auf  dem  Kopfe  vor  den  Augen.  Es  finden 
sich  zwei  von  einander  etwas  entfernt  stehende  Rückenflossen; 
die  erste  beginnt  in  der  Mitte  der  Totallänge  und  ist  viel  nied- 
riger als  die  zweite ,   welche  mit  der  Caudalis  vereinigt  ist. 

Dieses  Neunauge  wird  1|'  lang  und  ist  oben  einfarbig 
olivengrau. 

Die  Nahrung  hat  es  mit  P.  marinus  gemein.  Es  ist  aber 
ein  einheimischer  Fisch,  mehr  jedoch  der  Nebenflüsse,  als  des 
Neckars  selbst;  doch  wurde  es  auch  bei  Heilbronn  im  Jahre 
1838  gefangen.  *)  Es  ist  seltener  als  die  beiden  folgenden 
Arten.     Nach  Bloch  laicht  es  im  Anfange  des  Frühjahrs ,  setzt 

*)  Memminger,   Beschreibung  von  Württemberg.    3.  Aufl.  p.  315. 


—     359     — 

seinen  Hogen  an  Steine  ab  und  vermehrt  sich  sehr  stark.  Zur 
Nahrung  wird  es  bei  uns  nicht  verwendet ,  da  es  auch  selten 
die  oben  angegebene  Länge  erreicht. 

% 

Petromyzon  planer i  Bloch. 

Bloch,  t.  78.   f.  3  ist  ein  junger  P.  fluviatilis. 
Yarrell,  p.  607.  (Zähne  unrichtig.) 

Die  Zähne  stehen  nur  in  einem  Ringe.  Zwei 
Rückenflossen,  welche  kaum  von  einander  getrennt 
sind  und  darum  als  eine  betrachtet  werden  können. 

Es  wäre  unnöthig  ,  eine  besondere  Beschreibung  dieses  Fi- 
sches zu  geben,  da  er  von  dem  vorigen  nur  in  dem  angegebe- 
nen Punkte  abweicht.  Ausserdem  wird  er  nur  etwa  9"  lang. 
Im  Neckar  selbst  wurde  er  zwar  noch  nicht  aufgefunden,  da- 
gegen ist  er  in  der  Ammer,  einem  Nebenflüsschen  des  Neckars, 
bei  Tübingen  nicht   selten. 


Ammocötes   Diimeril 

unterscheidet  sich  von  Petromyzon  dadurch,  dass  die  Lippe  des 
Saugnapfes  nur  einen  Halbkreis  bildet  und  dass  keine  Zähne 
vorhanden   sind. 

Ammocötes  branchialis  Dumeril. 

Petromyzon  branchialis  L. 
Blochj  t.  78.  f.  2. 
Yarrell,  s.  609. 

Kleines  Neunauge.         Lamprillon.         Sandpride. 

Die  Länge  des  Schwanzes  ist  in  der  übrigen  Länge  2imal 
enthalten.  Das  Maul  mit  einer  Reihe  kurzer  häutiger  Cirrhen 
eingefasst.  Das  Auge  ist  vom  ersten  Kiemenloch  noch  einmal 
so  weit  entfernt,  als  eine  Kiemenspalte  von  der  andern;  die 
Kiemenlöcher  sind  nicht  so  frei  wie  bei  Petromyzon,  sondern 
in   einer  Längsfurche    verborgen.     Das   Nasenloch   liegt    in   der 


—     360    — 

Mitte  zwischen  Schnauzenspilze  und  Augen  oben  auf  dem  Kopfe 
und  durchbohrt  den  harten  Gaumen  nicht.  Es  findet  sich  nur 
eine  niedrige,  etwas  ausgeschweifte,  mit  der  Caudalis  verbun- 
dene Rückenflosse,  welche  in  der  Mitte  der  Totallänge  beginnt. 

Oben  graulich  braun.     7  —  8"  lang. 

In  anatomischer  Beziehung  unterscheidet  sich  dieser  Fisch 
von  dem  eigentlichen  Petromyzon  durch  die  noch  grössere  Weich- 
heit seines  Skeletts  und  das  Fehlen  der  unpaaren  Röhre ,  mit 
der  die  Kiemensäcke  communiciren.  Hier  erhalten  die  Kiemen, 
wie  gewöhnlich,  unmittelbar  durch  den  Schlund  das  Wasser.  Im 
Darme  keine  Spiralklappe. 

Dieser  Fisch  findet  sich  im  ganzen  Gebiete  des  Neckars 
und  ist  unter  allen  unsern  Knorpelfischen  der  häufigste.  Er  liebt 
ein  reines,  stilles  Wasser  mit  schlammigem  Grunde,  in  den  er 
sich  besonders  im  Winter  vergräbt ,  um  diese  Zeit  in  Erstarrung 
zuzubringen.  In  Folge  seines  abweichenden  Baus  des  Mauls  ist 
er  nicht  mehr  im  Stande,  sich  an  Gegenstände  anzusaugen; 
seine  Nahrung  besteht  in  Würmern,  Insekten,  überhaupt  in  ani- 
malischen Substanzen.  Er  hat  ein  sehr  zähes  Leben  und  kann 
längere  Zeit  in  der  Gefangenschaft  erhalten  werden.  Bei  uns 
wird  er  nicht  so  häufig  gefangen  als  in  Norddeutschland  ,  und 
auch  nicht  zur  Speise  benützt. 


VfetbmaturwissJalireaHte  IlJahr^. 


Taf'.vn 


^. 


«^i^i* 


\]\h.  V  Iiöffler 


2.     Ueber  einen  Sebnaitheimer  Lepidotus- 

kiefer. 

Von  Prof.  Dr.  Q  u  e  n  s  t  e  d  t. 
(Mit  Taf.  VII.) 

In  meinem  Handbuche  der  Petrefaktenkunde  p.  198  ist 
nachgewiesen,  dass  die  Sphaerodus  -  Zähne  des  Agassiz  einem 
gigantischen  Lepidotiis  angehören,  dessen  Schuppen  sich  mit  den 
Zähnen  zusammen  finden.  Verschiedene  Formen  dieser  sog. 
Sphaerodonten  von  Schnaitheim  sind  längst  bekannt  (Flözgeb. 
Würt.  p.  493),  später  haben  sich  wiederholt  ganze  Kieferstücke 
mit  deutlichen  Knochenresten  gefunden  ,  doch  dürften  sich  nur 
wenige  mit  den  unsrigen  (Fig.  1)  an  Schönheit  messen.  Wahr- 
scheinlich gehört  dies  Stück  dem  Obermaule  an,  von  dem  der 
rechte  Kieferrand  abbrach  ,  aber  zwischen  den  53  gebliebenen 
Zähnen  scheint  kein  einziger  heraus  zu  fehlen.  Zur  Orientirung 
wurde  die  vermeintliche  Medianlinie  11  gezogen;  darnach  würde 
man  dem  Vomer  16  Zähne  zutheilen,  die  in  5  Reihen  von-hinten 
nach  vorne  zu  2  +  2  +  34-4  +  5  stehen,  von  denen  nur  der 
äusserste  vorn  rechts  uns  fehlen  würde.  Die  hintersten  beiden 
Vomeralzähne  sind  am  grössten  ,  glattesten  ,  und  zeigen  kaum 
eine  Spitze,  namentlich  wenn  sie  schon  lange  abgenutzt  sind. 
Nach  vorne  werden  sie  kleiner,  und  hier  tritt  auch  der  Gipfel- 
punkt stärker  hervor.  Die  Kand  zahne,  welche  auf  Kiefer 
und  Zwischenkiefer  kämen ,  stehen  zweireihig  und  sind  am 
spitzigsten.  Sie  zeichnen  sich  auf  unserem  Stück  sämmllich 
durch  dunklere  Farbe  aus.  Wir  zählen  im  Ganzen  29,  nur  in 
der  Ecke  des  Maules  wird  die  Zweireihigkeit  etwas  gestört. 
Unserer  Medianlinie  zu  Folge  würde  einer  der  Hinterreihen  un- 
paarig sein,    und   jederseits  24  stehen.     Sie  sind  die  kleinsten 


-    362     — 

und  spitzigsten  von  allen.  Endlich  blieben  zwischen  Vomer  und 
Oberkiefer  noch  die  Gaumenbeinzähne,  10  Stück  in  zwei 
Reihen,  und  an  jedem  Ende  ein  unpaariger.  Auch  der  Grösse 
nach  stehen  sie  zwischen  beiden  inne,  die  4  Innern  deren  Vomer 
nachbarlicher,  sind  am  grössten.  Im  Ganzen  würden  wir  also 
16  _j_  2  .  10  +  49  =  85  Zähne  zählen ,  wenn  der  Kiefer  voll- 
ständig und  genau  symmetrisch  wäre,  wovon  der  Medianlinie  3 
und  jeder  Seite  41  angehörten.  Das  Zahnpflaster  misst  in  der 
Mitte  2|^",  und  würde  im  Ganzen  hinten  4i"  Par.  breit  gewor- 
den sein.  Uebrigens  gelingt  es  nicht ,  alle  Bruchstücke  mit 
diesem  schön  symmetrischen  Bilde  in  Uebereinstimmung  zu 
bringen.  Es  mag  im  Einzelnen  manche  Abweichung  Statt  finden, 
auch  kommen  viel  grössere  Kieferreste  vor. 

Die  Ersatzzähne  bilden  eine  weitere  Merkwürdigkeit. 
Schon  längst  kenne  ich  einzelne  Zahnhaufen  mit  langen  Wurzeln, 
unter  welchen  Schmelzkapseln  in  entgegengesetzter  Stellung 
liegen.  Ich  hielt,  wiewohl  zweifelhaft  (Handbuch  der  Petrefakten 
p.  199),  die  einen  für  Unterkiefer-,  die  andern  für  Oberkiefer- 
zähne. Doch  fällt  es  auf,  dass  die  unter  den  Wurzeln  stets 
blos  die  Schmelzkapseln ,  und  niemals  Wurzelansätze  zeigen. 
Endlich  erhielt  ich  im  vorigen  Sommer  ein  prachtvolles  Vomer- 
bein  mit  10  Pflasterzähnen,  in  dem  sehr  grobzelligen  Beine 
liegen  eine  Menge  halbkugeliger  Schmelzkeime,  alle  in  verkehrter 
Stellung,  die  Convexilät  nach  unten  und  die  ofTene  Halbkugel 
nach  oben  gekehrt.  Aus  der  grossen  Zahl  der  Schmelzkeime 
geht  hervor,  dass  die  Zähne  häufig  ersetzt  werden  mussten. 
Bei  ihrem  Herauftreten  machten  sie  eine  völlige  Halbkreisdrehung. 
Die  Keime  sind  übrigens  meist  schon  so  fest  und  wohl  gebildet, 
dass  ihnen  nichts  weiter  als  der  gestreifte  Hals  und  die  Wurzel 
fehlt.  Denn  auch  die  alten  Zähne  gleichen  einer  hohlen  Bombe, 
die  oben  vom  Schmelz  mit  einer  innern  Lage  von  Zahnbein, 
unten  aber  von  einer  etwas  länglichen  Wurzel  geschlossen  wird, 
die  rings  mit  dem  Knochen  verwächst.  Die  Keime  der  Ersatzzähne 
erzeugen  sich  nicht  genau  unter  der  Höhle  der  alten  Zähne, 
sondern  etwas  excentrisch ,  und  fressen  in  ihrem  Wachslhume 
die  Wurzel  des  Zahnes  von  einem  Aussenpunkt  an.  Diese  Er- 
satzzähne finden  wir  nun  auch    an  unserem  Prachtstück  in  aus- 


-     363     - 

gezeichneter  Weise  wieder:  es  sind  wenigstens  eben  so  viel  unter 
den  Wurzeln  vorhanden,  als  Zähne  im  Kiefer  stehen.  Sie  zeichnen 
sich  alle  durch  eine  schneeweisse  Farbe  aus,  und  trotz  ihrer 
scheinbar  vollkommenen  Ausbildung  hat  der  Schmelz  doch  noch 
nicht  seine  nolhwendige  Härte  erreicht.  Wir  sehen  am  Hinter- 
rande unserer  Figur  1.  a  Ersatzzähne  hinter  den  beiden  letzten 
Vomer-  und  Gaumenbeinzähne  bereits  in  verlicaler  Stellung  an 
die  Oberfläche  treten,  sie  haben  also  schon  eine  Yiertelkreis- 
drehung  gemacht,  und  auch  zwischen  den  andern  fand  ich  hin  und 
wieder  einen  in  solcher  Lage  ,  die  aber  beim  Zusammenleimen 
wieder  verkittet  werden  mussten.  Nur  die  hintern  4  Kieferzähne 
habe  ich  abgehoben  gelassen,  um  die  mehr  horizontale  Lage  der 
Schmelzkapseln  (Fig.  1  c)  unter  den  Wurzeln  zeigen  zu  können. 
Uebrigens  liegen  die  zahlreichen  Keime  unter  den  andern  Zähnen 
so  durcheinander ,  mit  ihren  wohlerhaltenen  Spitzen  bald  hier 
bald  dorthin  gekehrt,  dass  es  schwer  hält,  darin  das  Gesetz  und 
den  Weg  zu  finden,  auf  welchen  sie  zur  Oberfläche  treten.  Doch 
kehren  sie  im  Allgemeinen  die  Spitze  nach  unten.  Der  grob- 
cellulöse  Bau  des  Knochens ,  beim  Fischknochen  so  ungewöhn- 
lich, scheint  besonders  dazu  geschaffen,  in  allen  seinen  Punkten 
neue  Keime  entwickeln  zu  sollen,  und  der  Fisch  mochte  wie  die 
Haifische,  die  alten  schon  durch  neue  ersetzen,  ehe  sie  nur 
abgenutzt  waren.  Daher  finden  sich  auch  so  selten  angekaute 
Exemplare. 

Nach  diesen  Bemerkungen  wird  es  nun  leicht,  folgende  3 
Stadien  in  der  Zahnentwicklung  dieses  schönsten  aller  Schuppen- 
ganoiden  zu  unterscheiden  : 

1)  Keimzähne  (Fig.  3).  Sie  gleichen  einer  in  allen 
Theilen  etwa  gleich  dicken  hohlen  Halbkugel ,  nur  am  Gipfel 
zeigt  sich  ein  schwacher  Zitzen  und  auf  der  Innenseite  eine  mar- 
kirte  Grube.  Im  Wesentlichen  besteht  sie  in  allen  Theilen  aus 
Schmelz,  der  aber  schon  so  hart  ist,  dass  es  gelingt,  die 
ganze  Kapsel  mit  einer  Nadel  zu  putzen.  Das  muss  in  der 
That  dem  praktisch  bewanderten  Petrefaktologen  sehr  auf- 
fallen, da  nur  bei  wenigen  Versteinerungen  von  solcher  Dicke 
ein  solches  Geschäft  gelingt ,  ohne  dass  die  Sache  zerbräche. 
Wegen  der  untern  grossen   Kreisöfl'nung  sind    die  Kapseln  stets 


-    364     - 

mit  Bergmittel  erfüllt.  Früher  glaubte  ich,  es  wären  Schmelz- 
büchsen ,  die  sich  abgelöst  hätten ;  es  ist  aber  vielleicht  bei 
keinem  der  Fall.  Der  Schmelzniederschlag  war  also  das  erste, 
was  sich  bildete ,  und  namentlich  findet  sich  am  Rande  noch 
nicht  die  Halsschichte.  Nach  und  nach  muss  sich  in  dieser 
Büchse  Zahnbeinsubstanz  ausgebildet  haben,  so  entstanden 

2)  Reife  Zähne.  Bei  diesen  gewahrt  man  unler  dem  Schmelz 
einen  markirten  Ringstreifen  (Hals),  der  sich  durch  seine  Farbe 
stark  auszeichnet,  zwar  noch  Schmelzglanz  hat ,  aber  nur  aus 
einer  sehr  dünnen  Lage  besteht.  Das  ganze  Innere  der  Schmelz- 
kapsel  sammt  dem  Halsringe  ist  mit  Zahnbein  dick  erfüllt,  nur 
im  Centrum  bleibt  eine  halbkugelige  mit  Bergmitlei  versehene 
Pulpahöhle  (Fig.  4).  Der  Halsring  ist  überdies  durch  sehr 
markirte  senkrechte  Linien  ( Cämentplatten  ?)  ausgezeichnet, 
•welche  von  unten  herein  dringen.  Die  Ausfüllungsmasse  der 
Schmelzbüchse  färbt  sich  häufig  verschieden  :  das  Innere  meist 
dunklere  muss  ohne  Zweifel  Zahnsubstanz  sein ,  und  darüber 
lagert  sich  ein  matteres  Gewebe,  vielleicht  Cäment  bildend.  In 
letzterem  findet  sich  eine  Furche  ,  nach  welcher  der  Zahn  sich 
leicht  ablöst,  denn  er  war  in  diesem  Stadium  noch  nicht  mit 
dem  Knochen  des  Kiefers  verwachsen ,  sondern  hing  in  dem 
Momente,  wo  er  zum  Kauen  verwendet  werden  sollte  ,  noch 
durch  eine  Haut  am  Kiefer.  Nach  und  nach  verwuchs  der  Ring 
auf  das  Innigste   mit  dem  Kieferknochen  ,   so    entstanden  zuletzt 

3)  Ueberreife  Zähne  (Fig.  5  der  obere).  Vom  Kiefer 
herab  erhebt  sich  nämlich  ein  mehr  oder  weniger  langer  Knochen- 
cylinder,  der  mit  seinem  Endrande  um  so  inniger  mit  der  Furche 
unter  dem  Halsringe  verwächst,  je  älter  der  Zahn  wird.  An- 
fangs zeigt  der  Rand  noch  eine  Neigung  zur  Ablösung  von  dieser 
Knochenbasis  ,  zuletzt  findet  auch  dies  nicht  mehr  statt.  Zum 
Theil  mag  die  Basis  noch  aus  Zahnbein  bestehen,  wie  man  aus 
der  inneren  dunklern  Farbe  schliessen  möchte.  So  lange  die 
Zahnbasis  vom  folgenden  Ersatzzahn  nicht  angegriffen  wird,  bleibt 
innen  ein  grosser  rings  geschlossener  Raum,  der  nur  vom  zelligen 
Kiefer  her  einige  unregelmässige  porige  Zugänge  hat.  In  diesem 
Falle  zeigt  sich  der  fossile  Zahn  entweder  hohl,  wie  die  meisten 
unseres  Kiefers,  oder  es  finden    sich  Kristallisationen  von  Kalk- 


—    365     - 

spath  darin,  der  durch  die  Wände  durchfillrirte.  Erst,  wenn 
die  Höhle  ein  Loch  bekam,  konnte  Bergmillel  eindringen,  und 
solche  findet  man  öfter  im  Gebirge  vereinzelt,  es  sind  abge- 
stossene  oder  zufällig  abgebrochene  Zähne. 

Erklärung    der  Tafel  YII. 

Fig.  1.  Lepidotusgiganteus,  linke  Oberkieferliälfte?  aus  dem  Oolith 
des  Weiss.  Jura  e  von  Schnaitbeim  :  a.  Ansicht  von  Oben,  binten 
einige  Ersatzzäbne  siebtbar;  b.  Ansiebt  von  vorn  ;  c.  vier  Er- 
satzzäbne  unter  den  vier  letzten  in  der  bintern  Ecke  rechts  ge- 
legen; d.  das  Stück  1.  c.  von  der  Seite,  unten  die  beiden  Er- 
satzzäbne. 
„     2.     ditto,  daher  Vonier,  das  ganze  Stück  besteht  blos  aus  Knochen 

b.  idealer 
Durcbschnitt. 

5,      4.     Reifer  Zabn,  a.  von  unten,  b.  idealer  Durchschnitt. 

,,  5.  Ueberreifer  Zahn,  der  obere  bat  eine  kräftige  Wurzel,  und 
unmittelbar  darunter  liegt  der  ganz  ausgebildete  Keimzabn, 
noch  gänzlich  von  der  Wurzel  durch  Bergmasse  getrennt. 

„      6.     Ein  Zahn,  unten  mit  geschlossener  Wurzel. 

„  7.  ditto,  aufgebrochen,  vi'odurch  die  innere  Höhlung  zum  Vorschein 
kommt. 

5,  8.  Kieferstück,  blos  Knochen  und  Zähne,  oben  die  Zähne  welche 
in  Thätigkeit  waren,  unten  Ersatzzähne. 

,,  9  u.  10.  Dinotherium  giganteum,  (siehe  die  Beschreibung 
in  diesem  Jahrgänge,  p.  66),  fig.  9  vorderster  Backenzahn  des 
Unterkiefers,  a.  von  der  Seite,  b.  von  oben;  10  vorderster 
Backenzahn    des  Oberkiefers  :    a.  von  oben,  b.  von  hinten. 

„  11.  Vermeintlicher  Men  seh  en  zab  n,  I.  c.  p.  67,  aus  den  Bohnen- 
erzgruben auf  der  Alb   südlich  Tübingen  ,  von  der  Kronenseite. 

„      12.  ditto,  sehr  gross,  von  oben. 

„  13.  ditto,  a.  von  oben,  b.  von  unten,  darüber  und  darunter,  mit 
Seitenansichten,  13  c.  doppelt  vergrössert. 


3.    Iris  germanica  und  florentina. 

Von  G.  von  Marien s. 


Bekannllich  zeigt  sich  bei  Thieren  und  Pflanzen,  welche 
unter  wärmeren  Himmelsstrichen  mit  lebhaften  Farben  geschmückt 
sind,  in  Gegenden,  wo  die  ganze  Natur,  oft  auf  längere  Zeit, 
ein  weisses  Kleid  anzieht,  eine  Neigung  zur  weissen  Färbung, 
also  an  der  Polargrenze  ihres  natürlichen  Verbreitungskreises 
und  noch  auffallender,  wenn  sie  jenseits  derselben  künstlich 
versetzt  werden. 

Diese  Neigung  zum  Ausbleichen  zeigen  am  entschiedensten 
die  Blumen,  deren  Farbe  zwischen  blau  und  roth  liegt,  weniger 
die  ganz  rein  blauen  oder  rothen,  am  wenigsten  die  der  gelben 
Farbe  angehörenden.  So  haben  wir  in  unsern  Gärten  weisse 
Campanula  persicifolia ,  Medium  und  Trachelium,  H^'acinthen, 
Nelken,  Rosen,  Gichtrosen,  Levkojen,  Fritillaria  Meleagris,  La- 
Vater a  trimestris,  Alcea  rosea,  Dahlia  variabilis,  Chrysanthemum 
indicum,  und  selbst  unter  den  freien  Kindern  der  würltember- 
gischen  Flora  weisse  Polygala  vulgaris,  Campanula  glomerata, 
Geranium  rohertianum,  Heidelbeeren,  Orchis  conopsea.  Es  war 
daher  eine  schon  längst  von  mir  angenommene  Ansicht,  dass 
auch  die  vielbesprochene  Iris  florentina  L.  nichts  als  eine  er- 
blasste  Iris  germanica  L.  sei  eine  Ansicht,  welche  der  wackere 
Naturforscher  Fresenius  schon  1830  in  der  Regensburger 
botanischen  Zeitung  Seile  426  öfTenllich  aussprach,  während 
auch  die  tüchtigsten  Pflanzenforscher,  wie  Sa  vi,  Decandolle, 


—     367    — 

Reichenbach,  Koch,  Berloloni,  fortfahren,  beide  als  gute 
Arten  aufzuführen. 

Als  ich  nun  am  8.  Juni  1853  mit  meiner  Tochter  die  lange 
schöne  Platanen-Allee  des  Stuttgarter  Schlossgartens  durchstrich, 
fand  ich,  leider  einen  verspäteten  Sommer  verkündigend,  zu 
beiden  Seiten  beide  Schwertlilien  in  voller  Blüthe;  wir  unter- 
hielten uns,  von  Blume  zu  Blume  wandelnd,  mit  einer  Ver- 
gleichung  derselben,  aber  von  allen  von  dem  trefflichen  Koch 
(Synopsis  flor.  germ.  Ed.  2da  pag.  507)  angeführten  Unterschie- 
den wollte  die  Färbung  ausgenommen  keines  passen,  die  Blätter 
der  weissen  waren  weder  breiter  noch  weniger  zugespitzt,  die 
inneren  Blumenblätter  nicht  schmäler,  die  Narben  des  Griffels 
weder  breiter  noch  ihre  Spitzen  gerader,  der  Geruch  nicht 
stärker,  Unterschiede,  von  denen  wohl  die  meisten  auf  eine 
Verwechslung  mit  Iris  pallida  Lamarck  hinweisen,  nichts  blieb 
übrig,  als  die  milchweise  Farbe  der  Blume,  welche  sich,  wie 
bei  so  vielen  andern  Pflanzen  schon  in  den  etwas  lichteren 
Blättern,  Stengeln  und  Spathen  leise  ankündigte,  alles  bestärkte 
mich  in  meiner  früheren  Ansicht,  dass  der  gute  Linne  von 
Micheli  verleitet,  zwei  Farbenspielarten  als  Species  aufge- 
stellt habe,  aber  der  Forscher  hat  zuweilen  eine  Frage  an  den 
Schöpfer  frei  und  so  sollte  auch  mir  diesmal  sichere  Antwort 
werden. 

In  einer  Reihe  von  Büschen  bemerkten  wir  beide  zugleich 
einen,  an  welchem  mehrere  Stengel  zwei  bis  vier  Blumen  und 
noch  einige  Knospen  hatten,  der  uns  nächste  halte  drei  offene 
Blumen,  die  beiden  oberen  milchweiss,  wie  die  der  übrigen 
Stengel,  die  unterste  aber  theilweise  dunkelviolett  gefärbt. 

Diese  wurde  sogleich  genau  untersucht  und  es  fand  sich,  dass 

1)  von  den,  wie  bei  allen  Irideen  und  Liliaceen  den  Kelch 
darstellenden  drei  Blättern  des  äusseren  Kreises  das  gegen  Süd- 
südwest gewendete  vollkommen  die  dunkelblauvioletle  Farbe  der 
Iris  germanica  mit  derselben  bräunlichen  Zeichnung  am  Schlünde 
und  demselben  gelberen  Bart  halte ,  nur  zog  sich  vom  Rande 
nach  Innen  ein  weisses  Dreieck,  ohngefähr  den  sechsten  Theil 
des  Bialtes  einnehmend,  in  die  dunkle  Fläche  hinein,  das  gegen 


—    368    — 

Osten  gewendete  aber  war  durch  eine  scharfe  genau  in  dessen 
Mitte  laufende  Linie  in  zwei  Hälften  gelheilt ,  wovon  die  süd- 
lichere blauviolett,  die  nördlichere  milchweiss  war  und  das 
nordwestliche  ganz  milchweiss;  wo  die  Blätter  weiss  waren, 
war  auch  der  Bart  bleich  und  von  der  braunen  Aderung  nur 
die  gelbe  Grundfarbe  beibehalten ,  blau  und  roth  ausgebleicht. 

Am  inneren  Kreise  der  drei  aufwärts  eingebogenen  Blu- 
menblätter wiederholte  sich  dieselbe  Erscheinung,  aber  in  um- 
gekehrter Ordnung ,  von  links  nach  rechts  oder  mit  der  Sonne 
statt  von  rechts  nach  links  oder  gegen  die  Sonne  wie  bei 
dem  äussern  Kreise;  das  nach  Südsüdost  gewendete  Blatt  war 
ganz  blauviolelt,  das  nach  Westen  gekehrte  auf  der  südlichen 
Hälfte  ebenso,  auf  der  nördlichen  Hälfte  milchweiss  und  das 
nordöstliche  ganz  milchweiss.  Dieselbe  Farbentheilung  wieder- 
holte sich  zum  dritten  Mal  an  den  blattförmigen  Theilen  der 
Narbe,  so  dass  diese  überall  die  Farbe  des  darunter  liegenden 
äusseren  Blumenblattes,  nur  lichter  hatte.  So  theilte  eine  von 
Osten  nach  Westen  haarscharf  gezogene  Linie  die  Blumen  in 
zwei  gleiche  Hälften  und  hätte  man  sie  mit  dem  Messer  nach 
dieser  Linie  getheilt ,  so  hätte  auch  der  geübteste  Botaniker  die 
südliche  Hälfte  für  Iris  germanica,  die  nördliche  für  Iris  floren- 
tina  erklärt,  ich  hatte  den  direkten  Beweis  dass  beide  nur  eine 
Art  bilden,  von  denen  die  /.  germanica  die  Stammart,  /.  floren- 
tina  nicht  einmal  Abart  im  Linn eischen  Sinne  ist. 

Merkwürdig  war  mir  auch  die  Theilung  durch  zwei  bei  der 
durch  drei  getheilten  Blume ,  so  dass  von  jedem  Kreise  ander- 
halb Blätter  auf  jede  Farbe  fielen  und  die  Richtung  wechselte, 
um  die  gleiche  Grenze  einzuhalten,  ich  habe  zwar  schon  solche 
halbgefärbte  Blumen  bei  Nelken  und  Mirabilis  Jalapa  beobach- 
tet ,  allein  dort  fielen  sie  weniger  auf,  weil  die  andern  Blumen 
gesprenkelt  waren  und  so  alle  Uebergänge  darboten.  Normal 
tritt  eine  solche  Theilung  der  Farbe  durch  zwei  bei  drei-  oder 
fünflheiligen  Blumen  nie  auf,  sondern  beschränkt  sich  stets  auf 
eine  bestimmte  Blätterzahl,  wie  bei  Viola  tricolor  und  mehreren 
Pelargonien  auf  2  zu  3,  hei  Lathyrus  odoratus  und  der  Zucker- 
erbse auf  1  zu  4. 


—    369    — 

Noch  bliebe  die  Frage  zu  erörlern  ,  ob  es  nicht  neben  der 
gewöhnlichen  eine  andere  Iris  florentina  gebe.  Herr  Professor 
Tausch  unterschied  nehmlich  in  der  Regensburger  bot.  Zeit. 
1828  S.  236  und  237  zwei  weissblühende  Spielarten  blauer 
Schwertlilien,  7m  florentina  a  L.  als  weisse  Iris  pallida  Lam. 
und  Iris  florentina  ß  L.  als  unsere  weisse  Iris  germanica ,  und 
stellte  dann  daselbst  S.  671  die  erstere  als  selbslständige  Art 
auf.  Allein  diese  Iris  florentina  Tausch  würde  sich  nach 
seiner  Beschreibung  nur  durch  ungestielte  Blumen  von  der  ge- 
wöhnlichen, seiner  zweiten,  Iris  florentina  unterscheiden,  denn 
die  lichte  Stellung  der  Blätterbüschel  zeigt  auch  diese  im  Stutt- 
garter Schlossgarlen  an  den  schattigsten  Standorten,  und  mir 
sind  bis  jetzt  wohl  unter  den  bartlosen  (Iris  Sibirica  L.  und 
/.  Xiphium  L.),  nie  aber  unter  andern  bärtigen  Schwertlilien 
weissblühende  vorgekommen. 


Wiirlteml).  iialurw.  Jahresheflo.  1853.  3s  Heft.  24 


III.    Hleiiiere  ]flittlieiliiiigeii. 


Ueber  den  Versuch  einer  Berechnung  der  Wassermengen 
einiger  wiirttemhergischen  Flüsse. 

Von  Repetent  Zech  in  Urach. 

Wer  die  Beilage  C  zu  Mein  in  Inge  rs  Beschreibung  von  Württem- 
berg (1841)  —  dhs  letzte  Blatt  des  Buches  —  näher  ansieht,  wird  leicht 
finden  ,  dass  die  Wasseruiasse  der  angeführten  Flüsse  unter  der  Annahme 
berechnet  ist,  dass  durcli  jeden  Fluss  eine  Menge  Wasser  abfliesse,  die 
die  Fläche  des  Flussgebietes   175  württ.  Zoll  tief  bedecken  würde. 

Kommen  nämlich  21?ü797io  Eimer  auf  229 '/o  Quadratmeilen  (beim 
Neckar),  so  kommen  —  die  Meile  zu  2G000  württ.  Fuss  ,  den  Eimer  zu 
12'/2  württ.  Kubikfuss  gerechnet  —  17.5  Kubikfuss  Wasser  auf  einen 
Quadratfuss.  Das  Wasser  stände  also  175  württ.  Zoll  über  der  Fläche. 
Dieses  Wasser  wird  geliefert  durch  den  jährlichen  wässrigen  Nieder- 
schlag. Doch  wird  bekanntlich  nicht  der  gesammtc  Niederschlag  durch 
das  fliessende  Wasser  abgeführt,  sondern  nur  etwa  die  Hälfte,  da  die 
andere  Hälfte  hauptsächlich  durch  Veidunstung  für  die  Flüsse  verloren 
geht.  Der  jährliche  Niederschlag  müsste  also  350  württ.  Zolle  betragen 
oder  370  pariser  Zolle,  d.  h.  Württemberg  würde  3  bis  4  mal  soviel 
Regen   haben,  als  die  nassesten   Gegenden   unter  den  Tropen! 

Ferner:  Rechnet  man  das  Jahr  zu  365  Tagen,  so  würde  der  Neckar 
an  der  Grenze  von  Württemberg  in  jeder  Sekunde  86050  württ.  Kubik- 
fuss oder  59027  pariser  Kubikfuss  Wasser  abgeben.  Nach  Berg  haus 
schüttet  der  Rhein  bei  seiner  Spaltung  zum  Delta  64160  pariser  Kubik- 
fuss, also  blos  um  '/j^  weiter,  während  ihm  längst  die  Wassermasse 
de«  Neckars   und   noch   grösserer  Flüsse  zugeführt  ist! 

Es  ist  also  klar,  dass  die  Berechnung  viel  zu  hoch  greift.  In  der 
That:  der  Regenfall  für  Stuttgart  ist  23,2  par.  Zoll,  für  Freudenstadt 
48,4  par.  Zoll  (das  Minimum  und  Maximum  des  Regenfalls,  soweit  er 
in  Memmingers  Beschreibung  angegeben  ist):  das  Mittel  ist  35,8; 
nehmen  wir  dies  als  mittlem  Regenfull  für  Württemberg,  obgleich  es 
zu  viel  sein  wird  (mittlerer  Regenfall  für  Deutschland  27),  so  würde  da- 
von in  die  Flüsse  abfliessen  16,8,  d.  h.  ungefähr  '/jo  der  oben  angege- 
benen Menge.  Der  Neckar  würde  also  an  der  Grenze  in  jeder  Sekunde 
abgeben  ungefähr  8600  württ.  Kubikfuss.  Auch  dies  wird  noch  zuviel 
seinj  denn  nimmt  man  für  den  Neckar,  wo  er  Württemberg  verlässt, 
eine  Tiefe  von   6',    eine  Breite  von  700'  und  eine  Geschwindigkeit  von 


—    371     - 

2'  in  der  Sekunde  an,  was  {gewiss  durchweg  zuviel  ist.  so  erhält  man 
erst  8400  Kubikfuss. 

Alle  Resultate  der  Tabelle  müssen  daher  allerwenigstens  auf  '/,„ 
redutirt  werden.  Ausserdem  ist  zu  bemerken,  dass  die  Tabelle  insofern 
auch  sehr  mangelhaft  ist,  als  auf  den  verschiedenen  Regenfall  in  den 
verschiedenen  Flussgebieten  durchaus  keine  Rücksicht  genommen  ist. 
Bei  Schwarzwald-  Alp-  und  Unterlandflüssen  ist  offenbar  in  dieser  Hin- 
sicht eine  grosse  Verschiedenheit,  die  eben  berücksichtigt  werden  sollte, 
weil  Wasserreichthum  bei  kleinem  Flussgebiet  und  das  Umgekehrte  für 
einen  Fluss  sehr  charakteristisch  ist. 

Nach  all  dem  scheint  es,  dass  diese  Tabelle  dem  sonst  so  schätzens- 
werthen  Buche  keine  besondere  Ehre  macht. 


BücJieranzeigen. 

Additamenle  zur  Flora  des  Quadergebirges  in  der  Gegend 
um  Dresden  und  Dippoldiswalde ,  enthaltend  meist  noch 
nicht  oder  wenig  bel^annte  fossile  Pflanzen.  Von  Ernst 
von  Otto,  Ehrenmilglied  der  naturforschenden  Gesellschaft 
„Isis"  in  Dresden.  Mit  7  Sieindrucktafeln.  Dippoldiswalde, 
Verlag  von  Carl  Jehne.    4. 

Wir  übernehmen  gerne  die  Anzeige  dieser  Schrift,  indem  sie  eben- 
sowohl von  dem  wissenschaftlichen  Interesse,  als  von  der  Bescheidenheit 
des  Verf.  zeugt.  Nach  einer  kurzen  Schilderung  des  hauptsächlichsten 
Fundorts  der  betreffenden  Petrefakte  geht  er  zur  Beschreibung  derselben 
über  und  fügt  Bemerkungen  über  ihre  naturhistorische  Bestimmung  zum 
Theil  unter  Bezugnahme  auf  die  früher  von  Glocker,  Göppert  und 
Geinitz  beschriebenen  fossilen  Pflanzen  des  Quadersandsteins  bei.  Den 
von  diesen  Paläonthologen  mitgetheilten  Abbildungen  reihen  sich  die 
des  Verf.  in  Absicht  auf  ilire  gute  Ausführung  an,  und  sie  werden  da- 
her füglich  dazu  beitragen  können,  durch  genauere  Vergleichung  der 
von  den  verschiedenen  Verfassern  gelieferten  Beschreibungen  und  Ab- 
bildungen mit  den  Originalien  zu  einer  festeren  Charakteristik  und  sy- 
stematischen Bestimmung  der  interessanten  Flora  des  Quadersandsteins 
zu  gelangen.  Dr.  G.  J. 

Die  allgemeine  Formenlehre  der  Natur  als  Vorschule 
der  Naturgeschichte  von  Dr.  C.  G.  Nees  von  Esenbeck, 
Präsidenten  der  Kais.  Leopoldinisch  -  Carolinischen  Akademie 
der  Naturforscher.  Mi!  275  in  den  Text  gedruckten  Holz- 
schnitten und  6  lithogr.  Tafeln.  Breslau  1852.  8. 
In   diesem  auch  durch  äussere  Ausstattung  sich  auszeichnenden  Werke 

hat  der  Verf.  die  verschiedenen   Formen   der  Naturkörper  in   allgemeiner 

24* 


-     371     - 

Darstellung  aber  mit  Bemitzung  specieller  Beispiele  entwickelt,  und  durch 
zahlreiche,  in  den  Text  eingedruckte  Holzschnitte  mit  888  einzelnen  Fi- 
guren und  6  lithographirten  zum  Theil  colorirten  Tafeln  erläutert.  Der 
genauen  Bestimmung  dieser  Foinien  steht  die  Entwicklung  ihrer  Bezeich- 
nung oder  Benennung,  oder  einer  wissenschaftlichen  Terminologie  zur 
Seite,  und  zugleich  wird  die  Methode  angegeben,  nach  welcher  diese 
Formenlehre  der  Natur  heim  Unterrichte  benutzt  werden  soll.  Ausser 
den  Formsverhältnissen  berührt  der  Verf.  auch  die  übrigen  Eigenschaften 
der  Naturkörper,  Farbe,  Geruch  u.  s.  w.  Wenn  dabei  vielleicht  in  Ab- 
sicht auf  die  Vertheilung  derselben  auf  der  Oberfläche  der  Erde  der  Po- 
laritätslehre eine  zu  grosse  Bedeutung  eingeräumt  ist,  so  ist  damit  jeden- 
falls ein  Beispiel  der  vom  Einzelnen  zu  immer  allgemeineren  Vergleich- 
ungen  aufsteigenden  Methode  gegeben,  welche  der  Naturforscher  zu  be- 
folgen hat,  dem  es  um  eine  feste  Basis  für  seine  Wissenschaft  zu  thun 
ist,  bei  der  am  Ende  wohl  auch  das  Wagniss  von  Hypothesen  gestattet 
ist,  wenn  sie  an  die  höheren  geistigen  Vermögen  sich  anschliessen,  deren 
Beziehung  zu  der  Naturforschung  der  Verf.  noch  andeutet.  Die  Benützung 
des  Werks  zum  Handgebrauche  bei  der  Untersuchung  einzelner  Gegen- 
stände ist  durch  die  zahlreichen  Abbildungen  und  ein  vollständiges  deut- 
sches und  lateinisches  Register,  sowie  durch  das  übersichtliche  Inhalts- 
verzeichniss  sehr  erleichtert.  Seinen  Hauptnutzen  wird  es  aber  zum 
Selbststudium  für  höher  strebende  Naturforscher  und  für  Lehrer  haben, 
welche  bei  ihren  Schülern  mit  der  Genauigkeit  der  Untersuchung  natur- 
historischer Gegenstande  auch  den  Geist  der  allgemeinen  Auffassung  zu 
wecken  beabsichtigen,  der  denn  auch  die  jugendliche  Frische  der  wis- 
senschaftlichen Untersuchungen  zu  erhalten  vermag,  für  welche  auch 
dieses  Werk  des  Verf.  Zeugniss  gibt,  der  ein  Greis  von  78  Jahren  da- 
mit ein  neues  Verdienst  den  vielen  Verdiensten  um  die  Wissenschaft 
beigefügt  hat,  die  er  mit  Vorliebe  und  seltener  Ausdauer  unter  harten 
Schlägen  des  Schicksals  gepflegt  hat.  Dr.  G.  J. 

Ansicht  der  Nalur,  populäre  Erklärung  ihrer  grossen  Er- 
scheinungen und  Wirkungen  ,  nebsl  physischen  und  mathe- 
matischen Beweisen  der  Entstehung  der  Weltkörper  und 
der  Veränderungen ,  welche  die  Erde  erleidet.  Von  J.  W. 
Schmitz.     Köln.   1853.  8. 


3  2044   106  260  821