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COMPAHATIYE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
iFounlielr iij jjcftoatc subscrfptfon, fn 1861.
The gift of LOUIS AGASSIZ.
No
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JAHRESHEFTE
des
Vereins für vaterländische Naturkunde
Württemberg.
Heraussresreben von dessen Redactionscommission
^ö^a
Prof. Dr. H. V. Mohl in Tübingeu; Prof. Dr. H. v. Fehling, Prof.
Dr. O. Fraas, Prof. Dr. F. Krauss, Prof. Dr. P. Zech
in Stuttgart.
DREIUNDZWANZIGSTER JAHRGANG.
(Mit sechs Steintafeln.)
Stuttgart.
Verlag von Ebner & Seubert.
1867.
SchnellpressondruL'k von Aug;. Wöriicr, vormals J. O. Sprnnilel , iu Stuttgart.
Inhalt.
I. Angelegenheiten des Vereins. Seite
Bericht über die einundzwanzigste Generalversammlung den
4, October 1866 in Heilbronn. Von Prof. Dr. Kr aus s 1
1. Eröffnungsrede des Geschäftsführers, Oberamts-
pfleger Titot 2
■2. Rechenschaftsbericht für 1865 — 1866. Von Prof.
Dr. Krauss 3
3. Zuwachs der Vereinssammlung 6
4. Zuwachs der Vereinsbibliothek 14
5. Rechnungsabschluss für 1865 — 1866. Von Hospital-
Verwalter Seyffardt 20
6. Wahl der Beamten 23
7. Abänderung der §§ 18 und 24 der Statuten ... 25
8. Nekrolog des Prof. Dr. A. Oppel. Von O.Stud.-
Rath V. Kurr 26
9. Nekrolog des O.Med.-Raths Dr. G. v. Jäger. Von
O.Stud.-Rath v. Kurr 31
II, Vorträge und Abhandlungen.
1. Zoologie und Anatomie.
Die württembergischen Kleinschmetterlinge. Von Dr.
Steudel in Kochendorf 39
Abnahme der Singvögel im südwestlichen Deutschland.
Von Ob.Stud.-Rath Dr. v. Kurr 75
2. Botanik.
Lange Dauer derBlüthevon Cypripedium calceolus. Von
Hofrath Dr. v. Veiel 77
IV Inlialt.
Seite
Die Pflanzendecke eines rasirten Waldstüclis als Beitrag
zur Veränderung einer Flora. Von Postrefcrendär
F. Karrer 131
3. Mineralogie, Geognosie und Petrefactenkunde.
Erfunde an der Schussenquelle. Von Prof. Dr. O. Fr aas.
(Hiezu Tafel II.) 49
Dyoplax arenaceus, ein neuer Keupersaurier. Von Prof.
Dr. 0. Fraas. (Hiezu Tafel I ) 108
üeber die Varietäten des Kalkspathes in VP"ürttemberg.
Von Dr. G. Werner. (Hiezu Tafel III.) .... 113
Geologisches aus dem Orient. Von Prof. Dr. 0. Fraas.
(Hiezu Tafel IV— VI.) 145
4) Physik, Chemie und Meteorologie.
Ueber singende Flammen. Von Prof. Dr. Reusch . . 48
Die wichtigeren Gesteine Württembergs, deren Verwitte-
rungsproducte und die daraus entstandenen Acker-
erden, chemisch untersucht von Prof. Dr. Wolff in
Hohenheim 78
III. Kleinere Mittheilungen.
üeber einen einaxigen Glimmer von der Somma. Von Dr.
G. Werner 140
Mausjagd eines kleinen Wiesels. Von Forstrath Dr. Nörd-
linger in Hohenheim 363
Bücheranzeige 142
Druckfehler 144
I. Angelegeiilieiten des Vereins.
Bericht über die Yieruiidzwanzigste Generalversammlung
den L Oktober 1S66 in Heilbronn.
Yon Prof. Dr. Kraus s.
Die politischen Ereignisse in diesem Sommer verhinderten
auch unseren Verein, die jährliche General- Yersaromlung, wie
schon seit einer langen Reihe von Jahren , an dem Johannisfeier-
tag abzuhalten, wesshalb sie bis auf ruhigere Tage vertagt wer-
den musste.
Um so erfreulicher war es , als sich an dem schönen Herbst-
tage des 4. Oktobers über 70 Mitgheder von nah und fern in
• der gastlichen Stadt Heilbronn einfanden , wo sie aufs Freund-
lichste aufgenommen wurden.
Die Yersammlung wurde in dem festhch geschmückten Saale
des Gasthofs zum Falken abgehalten. In einem Nebensaal hatten
einige Mitglieder eine kleine Ausstellung von naturhistorischen
Gegenständen veranstaltet. Unter diesen befanden sich schöne
bei Heilbronn aufgefundene Backenzähne des Mammuths von Ober-
amtspfleger Titot, eine Sammlung Land- und Süsswasserschnecken
aus der Umgebung Heilbronns von Dr. Fricker, Säugethierreste
und Vasen aus allemannischen Gräbern bei Heilbronn und frische
Parietaria officinalis von Apotheker Hoser, verschiedene Fische
aus dem Neckar von Kaufmann Fr. Drautz, Anhydrite aus dem
Heilbronner Tunnel von Apotheker Dr. Lindenmayer, prachtvolle
Steinsalz Würfel von Bergrath v. Alberti in Friedrichshall, ein
Backenzahn und Bruchstücke eines Stosszahns vom Mammuth
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. Is Heft. \
- 2 -
von Oberamtsrichter Ganzhorn in Neckarsulm, ein Mammuths-
knochen und einige seltene Pflanzen vom Michelsberg von Apo-
theker Yölter in Bönnigheim u. s. vr.
Die Verhandlungen begannen wegen eines etwas verspätet
angekommenen Eiseubahnzugs erst gegen 11 Uhr und wurden
durch den Geschäftsführer, Oberamtspfleger Titot mit fol-
gender Ansprache eröfinet:
Meine Herren!
Als ich am 1. Mai 1847 zum erstenmal die Ehre hatte, die
Mitglieder unseres Vereins in meiner Vaterstadt zu begrüssen,
war das Häuflein sehr klein, denn Stuttgart, welches stets das
grösste Contingent stellt, hatte damals seine Brodkrawalle.
Heute sehe ich mit Vergnügen, dass sich eine grössere An-
zahl eingefunden hat, und ich heisse Sie alle im Namen der Heil-
bronner auf's Freundlichste als liebe Gäste willkommen.
Heilbronn ist eine Handels- und Gewerbestadt, aber es wer-
den hier auch die Wissenschaften nicht vernachlässigt; Heilbronn
hat schon lange ein gutes Gymnasium.
Der in Tübingen verstorbene Professor Gustav Schübler und
sein Bruder der Bergrath Schübler in Stuttgart waren Heilbron-
ner; ebenso August von Bruckmann, Kreisbaumeister, der die ar-
tesischen Brunnen in Deutschland eingeführt und mit seinem
Sohne so manche Tiefe in Württemberg durch den Erdbohrer unter-
sucht und die Kenntnisse der Geognosie bereichert hat, und noch
weilt unter uns Dr. Med. Robert Mayer, ein tüchtiger Physiker
und Astronom, der im Jahr 1842 die neuere Wärme-Theorie ent-
deckt hat.
Was unsere Gegend betriff't, so wurde vor wenigen Jahren
im nahen Friedrichshall ein 47 Fuss mächtiger Stock reines Stein-
salz aufgeschlossen, und die Anlegung eines Eisenbahntunnels
zwischen hier und Weinsberg veranlasste merkwürdige Aufschlüsse
über unsere Mergel- und Gypsschichtcn.
Der Sandstein, der dieselben überlagert, liefert fortwährend
beliebte Bausteine und Monolithe, von deren Grossartigkeit schon
lange her der steinerne Riese auf unserem Hauptthurmc und die
- 3 —
24 Fuss lange Bank unter der Freitreppe des Rathliauses eine
Anschauung geben.
Im Thale lagert sich weithin eine grosse Masse DiluTial-
schuttes, aus welcher oft noch Knochen und Zähne vorweltlicher
Thiere ausgegraben werden.
Um von lebenden Thieren zu reden, welche in anderen Ge-
genden Württembergs nicht oder nicht so häufig vorkommen,
so entsteigen jezt noch im Augustmonat grosse Schwärme weisser
Eintagsfliegen dem Neckar ; der Hamster, im Anfange dieses Jahr-
hunderts bei Frankenbach noch selten, verbreitete sich seither in
7 weiteren Markungen des hiesigen Oberamts; nur die giftige
Kreuzotter, längst schon in einem kleinen Theile unseres Stadt-
waldes anzutreffen, wdrd seltener.
Noch habe ich zu bemerken, dass in unserem warmen und
etwas feuchten Thal die exotischen Bäume im Laufe der Zeit
eine ansehnliche Grösse erreicht haben.
Ich würde Ihnen, meine Herren, gerne einige Prachtexem-
plare in unseren Gärten zeigen, wenn unsere Zeit- nicht sonst in
Anspruch genommen wäre.
Schliesslich habe ich den Auftrag, Ihnen zu eröffnen, dass
der hiesige Singkranz heute Nachmittag eine Herbstunterhaltung
auf der Cäcilienwiese feiert und Sie dazu einladet.
Die Versammlung wählte hierauf Ob erstudienrath Dr. v. Kurr
zum Vorsitzenden.
Sodann trug der Vereinssekretär, Professor Dr. Krauss
folgenden
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1865—66
vor:
Meine Herren!
Das verflossene Jahr war für unseren Verein , der nun
sein 22. Jahr zurückgelegt hat, ein sehr wichtiger Zeitabschnitt.
Ihr Ausschuss kann Ihnen die gewiss Allen erfreuliche Mit-
theilung machen, dass unsere nicht unbedeutende Sammlung,
die alle drei Reiche der Naturgeschichte Württembergs umfasst,
_ 4 —
aus dem Staatsgebäude hinter der K. Thierarzneischule in die
schönen und gut eingerichteten Käume des neu erbauten Flügels
des K. Naturalienkabinets vollständig übergesiedelt ist.
Aus unseren früheren Verhandlungen ist Ihnen bekannt,
dass die hohe Centralstelle für die Landwirthschaft dem Verein
mit der Erlaubniss , seine Sammlungen in dem erwähnten Lokal
aufstellen zu dürfen, zugleich die ehrenvolle Obliegenheit ver-
knüpft hat, ihre schon lange vorher daselbst aufgestellte vater-
ländische Sammlung unter Bewilligung eines Staatsbeitrags für
Aufsicht in seine Obhut zu nehmen.
Wenn auch der Verein die Ueberlassung dieses Lokals stets
dankbar anerkannt hat, so lag inzwischen in dessen grosser
Entfernung von der Stadt ein gewichtiges Hinderniss für den
Besuch und die Benützung der Sammlung durch seine Mitglieder
wie durch das Publikum. Um so erwünschter kam ihr daher
die Aufstellung einer württembergischen Naturaliensamm-
lung in dem neuen Flügelanbau des K. Naturalienkabinets, bei
welcher Gelegenheit dem Verein durch ein hohes K. Kultmini-
sterium gestattet wurde, seine Sammlungen in Verbindung mit
den württembergischen Naturalien der Staatssammlung, die durch
Einverleibung derjenigen der K. Centralstelle einen namhaften
Zuwachs erhalten hatte, als württembergische Central-Naturalien-
sammlung aufzustellen.
Diese Sammlung hat nun die Aufgabe , für den Laien wie
für den Fachmann aus dem engeren Vaterland die Thiere und
Pflanzen in allen ihren Entwicklungsstufen und Formen voll-
ständig aufzustellen und von den Schichten der Gcbirgsformationcu
mit ihren Mineralien und organischen Ueberresten ein möglichst
naturgetreues Bild zu geben. Zur Erreichung dieses belehrenden
Zweckes ist aber ein grosses Material erforderlich, das, wie in
der Natur der Sache liegt, noch nicht in dem erwünschten
Umfang vorliegen kann.
Die Naturaliensammlung hat zwar im verflossenen
Jahr abermals durch die dankenswerthe Stiftung der Sammlung
des Herrn Grafen Otto von Salm, welche in ausgestopften
Säugethieren, Vögeln und Hirsch- und Rehgeweihen bestand,
_ 5 -
und durch die Schenkungen mehrerer Mitglieder und Gönner
einen namhaften Beitrag erhalten, der im nachstehenden Zuwachs-
verzeichniss mitgetheilt ist: allein sie weist immer noch so viele
Lücken auf, dass die Mitglieder und Freunde des Vereins sich
aufs Dringendste sollten aufgefordert fühlen auch ihrerseits
dieses verdienstliche Unternehmen ferner freundlichst zu unter-
stützen. Insbesondere ist es die entomologische Sammlung, die
in den meisten Ordnungen schwach oder gar nicht vertreten ist.
Es wäre daher sehr zu wünschen, dass sich zur Besorgung der-
selben bald ein Conservator finden möchte.
Die Yereinsbibliothek ist nun ebenfalls in dem Flügel
des K. Naturalienkabinets in drei grossen Bücherschränken unter-
gebracht und geordnet. Wie Ihnen aus den Jahresberichten
bekannt, besteht dieselbe dem grössten Theil nach aus perio-
dischen Zeitschriften, welche wir den Yerbindungen mit etlichen
70 auswärtigen gelehrten Gesellschaften und dem daraus folgen-
den Austausch gegen unsere Jahreshefte zu verdanken haben.
Unter den einzelnen Schriften haben wir heuer die Schenkung
des Herrn Buchhändler Albert Ebner zu erwähnen, der uns
alle in seinem Verlag erschienenen naturwissenschaftlichen Werke
übergeben hat. AVelche bedeutende Vergrösserung unsere Biblio-
thek nach und nach erhalten hat, werden Sie aus dem im 21.
Jahrgang veröffentlichen Catalog, welchen Ihr Bibliothekar im
Auftrag des Ausschusses ausgearbeitet hat, entnehmen können.
Mit der Ausdehnung haben sich aber auch die Arbeiten für die
Bibliothek selbst, insbesondere aber die Correspondenz mit den
verschiedenen Gesellschaften bedeutend vermehrt. Ihr Ausschuss
hat daher dem Bibliothekar eine Summe zur Verfügung gestellt,
um sich durch fremde Hülfe unterstützen zu lassen.
Die Jahreshefte sind in der bisher üblichen Weise er-
schienen , und das zweite und dritte Heft des einundzwanzigsten
sowie das erste des zweiundzwanzigsten Jahrganges den Mitglie-
dern zugekommen; das Doppelheft des letzterwähnten Jahrganges
wird in thunlichster Bälde nachfolgen.
Dem Vereinsaufwärter hat der Ausschuss den Gehalt
auf 200 fl. erhöht.
— 6 -
Die seit yielen Jahren üblichen Winter vortrage, welche
von den Mitgliedern und deren Angehörigen stets mit grösstem
Dank aufgenommen werden, waren so gefällig zu halten die
Herren :
Prof. Dr. Zech, über Harmonie und Disharmonie,
Prof, Dr. Fr aas, über die sogenannten Mosesquellen,
Geh. Eath Dr. v. Stubendorf, Erinnerung an Sibirien,
Graf v. Beroldingen, über Krystallographie,
Prof. Dr. Köstlin, über das Alter des Menschengeschlechtes.
In dem Vereinsjahr vom 24. Juni 1865 — 1866 haben wir
folgende Mitglieder durch den Tod verloren:
ßauinspektor Wintterlin,
Staatsrath Dr. v. Ludwig,
Geh, Finanzrath v. Gw inner.
Es bleibt mir jetzt noch die angenehme Pflicht übrig, unserem
erhabenen Protector, Sr. Majestät jdem König und Sr. K.
Hoheit Prinz Friedrich für die der Vereinssammlung gemachten
Schenkungen den ehrfurchtsvollsten Dank auszudrücken, sowie
auch allen Mitgliedern und Gönnern, welche die Sammlung be-
reichert haben, aufs Wärmste zu danken. Ihre Namen sind bei
der Aufzählung der Geschenke in den nachstehenden Verzeich-
nissen aufgeführt.
Die Vereinssammluug hat vom 24. Juni 1865 — 66 fol-
genden Zuwachs erhalten:
A. Zoologische Sammlung.
(Zusammengestellt von F. Krauss.)
I. Säugethiere.
a) Als Geschenke:
Cerviis Dama L.., altes AYeibchcn, weisse Varietät,
Sius scrofa L., 4 Frischlinge beiderlei Geschlechtes, 2—3 Tage alt,
von Sr. Majestät dem König;
Cervits Capreohis L,, vierjähriges Männchen, isabellfarbene Varietät,
Sus scrofa L., 2 Frischlinge beiderlei Geschlechtes, 2—14 Tage alt,
von Sr. K. Hoheit Prinz Friedrich;
- 7 -
Felis Catus L., altes Männchen, von Ehningen,
Canis Vulpes L., altes Männchen, von Böblingen,
Mustela Foina Briss.., Männchen, von Oberstenfeld,
Foetorius Putorius K, und J5/. , Männchen, Schlotwiese,
Foetorius Erminea K. und BL, im Uebergangskleid,
Myoxiis Glis Z., von Untermarchthal ,
2 Hirsch- und 1 Damhirschgeweih,
3 ausgestopfte Köpfe von CeTVits Capreolus L., und eine sehr schöne
Sammlung von Rehgeweihen aus "Württemberg,
als Stiftung von Herrn Grafen Otto von Salm;
Mus minutus Fall. , altes Männchen von Wittlingen ,
von Herrn Dr. Weinland;
Sorex pygmaeus Fall. , Männchen ,
von Herrn Apotheker Valet in Schussenried ;
Sciuriis vulgaris L. var. nigra,
von Herrn Forstmeister Paulus in Zwiefalten;
Cervus Elaplms L., etwa 4 Tage alt,
von Herrn Kevierförster Pfizenmaier in Bebenhausen;
Erinaceus eiiropaeus L., junges Weibchen,
von Herrn Revierförster v. Gaisberg in Steinheim;
il/us musculus L., isabellfarbene Varietät,
von Herrn Apotheker Reihlen;
Myoxus Glis L., altes Männchen,
von Heri'n Wundarzt Leibold in Kochendorf;
Mus musculus L. , mit eigenthümlicher Haut ,
von Herrn Obermediciualrath Dr. v. Hering;
Arvicola amphibius K. und BL, altes Weibchen,
von Herrn Dr. Salzmann in Esslingen;
Mus musculus L., Junge,
Vespertilio murinus Schreb., Weibchen mit den Jungen,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
b) Durch Kauf:
Cervus Elaphus L., Achtender im Bast, 5— 6jährig.
IL Yögel.
a) Als Gesch enke:
Pandion Haliaetus Cuv.^ Männchen,
Tinnunculus alaudarius Gray, altes Männchen,
Otus vulgaris Flemm., von Sersheim,
Athene Noctiia Gouhl , Weibchen .
Alcedo ispida L. , von Miihlhausen ,
Cinclus aquaticus Bechst., jung,
Oriolus Galhula L., altes Männchen und Weibchen,
Coccothraustes vulgaris Briss.,
Passer domesticus Briss., weissgeflecktes Männchen,
Gecinus viridis Boie, Männchen,
Cuculus Canorus L., altes Männchen,
Columha Palumhis L., altes Männchen,
Columha Oenas L,, Männchen,
Bonasia sylvestris Brehm, Männchen,
Botaurus stellaris Stejjh., junges Männchen,
Scolopax riisticola L., von Bünnigheim,
Ortygometra Crex Gm., von Hemmingen,
Anas Boschas L. , Männchen und Weibchen,
Mareca Penolojoe Gould, junges Männchen,
Querquedula crecca Steph., Männchen und Weibchen,
Nyroca leucophthalma Flemm. , Weibchen.
Clangtda Glaucion Boie, Männchen und Weibchen,
Mergellus albelliis Selby, Männchen,
Mergiis serratus L. , junges Weibchen ,
Podiceps auritus Lath., jung,
Larus canus L. von Mühlhausen, alle Vögel ausgestopft.
als Stiftung von Herrn Grafen Otto v. Salm;
Hypotriorchis suhbideo Boie , Weibchen,
Falco p)eregrinus L. , altes und einjähriges Männchen ,
Tinnuncidus alaudarius Gray . altes Männchen ,
Milvus ater Daud. , zwei Männchen ,
von Herrn Grafen Carl von Maldeghem in Stotzingsn;
Corviis glandarins L., 5 Nesthocker sammt Nest,
Lanius collurio L., altes und junges Männchen und 2 Nester,
Ardea cinerea L., 3 Nesthocker und 4 Eier,
Buteo vulgaris Bechst., 2 Nesthocker,
Gecinus viridis Boie, 6 Nesthocker mit dem Nest in einem Abschnitt
eines Weisstannenstamms ,
Pyrrhida rubicilla Palt. , Nest mit vier Eiern ,
Perdix cinerea L., Eier,
von Herrn llevierfijrster Huss in Lorch;
— 9 -
Ardea minitta L,, junger Vogel,
von Herrn Kaufmann Friedrich Drautz in Heilbronn;
Tinnunculus alaudarms Gray, junges und altes Männchen,
Buteo vulgaris Bechst., junges Männchen und Weibchen,
von Herrn Forstmeister Paulus in Z wiefalten;
Milvus regalis Briss., Nesthocker,
von Herrn Revierfürster Brudy in Ellwangen;
Nucifraga caryocatactes Briss., altes Weibchen,
von Herrn Revierförster Graf v. Uxk u 1 1 in Schönmünzach;
Buteo vulgaris Bechst., Weibchen, weisse Varietät,
Botaurus stellaris Steph. , altes Weibchen ,
von Herrn Revierförster Rosshirt in Schrozberg;
Podiceps cristatus Lath,, junges Weibchen,
Buteo vulgaris Bechst., Weibchen, weis«.liche Varietät,
von Herrn Revierförster T ritschier in Schussenried;
Pernis aioivoriis Linn., altes Weibchen,
von Herrn Kaufmann Hermann Reichert in Nagold;
Picus medius L., altes Männchen,
Fringilla montifringüla L ., altes Männchen,
Otus vulgaris Flemming , altes Männchen,
Garrulus glandarius Briss., altes Männchen,
Sylvia rufa Lath., altes Männchen,
Caprimidgus eurojjaeus L. , altes Weibchen ,
Cuculus Canorus L., junges Weibchen,
von Herrn Hofrath v. Heuglin;
Hypotriorchis Aesalo7i Boie , altes Weibchen,
von Herrn Forstverwalter Stier in Tannheim;
Archihuteo lagopus Gould, altes Weibchen,
Pernis apivorus Linn., altes Männchen,
Circus p)allidus Sykes, Weibchen, bei Waldsee,
Philomaclius ijugnax Goidd , 2 Männchen in verschiedenen Kleidern,
Muscicapa grisola L, , Nest,
Sturnus vulgaris L., Häuschen mit Jungen und einem alten Männchen,
von Herrn Apotheker Valet in Schussenried;
Coccothraustes vulgaris Briss., altes Männchen,
Cucidus canorus L, , altes Männchen ,
von Herrn Revierförster Laroche in Mergentheim;
Certhia familiär is L, , altes Männchen,
von H. Zimmermann Herre in Plieningen;
Cuculus canorus L., altes Männchen,
Cinclus aqiiaticus L,, altes Weibchen mit Nest,
- 10 —
Corvus Corax L,, junges Männchen und Weibchen,
Emheriza citrinella L., Nest mit 4 Eiern,
Anthus arboreiis L., Nest mit 4 Eiern,
Turtur aurilus Bay , altes Weibchen ,
von Herrn Revierförster Pfizenmayer in Bebenhausen;
Buteo vulgaris Bechst. , 2 junge Nestvügel,
Astur palumbarius Bechst., 4 Junge aus einem Nest,
Turdus musicus L., 4 Junge mit Nest, Nester mit Eiern von 7 andern Vögeln,
Ton Herrn Revierförster Erlenmaie r in Ringingen;
Turtur auritus Bay, Nest mit Ei,
Picus major L. , 4 Junge mit Nest in einem Buchenstamm ,
Picus meclius L., 5 Junge mit Nest in einem Aspenstamm,
Columha Oenas L. , Eier,
von Herrn Revierförster Comm ereil in Maulbronn;
Fringüla serinus L., altes Männchen,
Parus palustris L., Männchen und Weibchen,
Parus major L.^ altes Männchen und junges Weibchen,
von Herrn Prof. Dr. Krauss.
b) Durch Kauf:
Larus marinus L. , einjähriges Weibchen ,
Corvus frugilegus L. , weissgeflecktes Weibchen.
III. Reptilien.
Als Geschenk:
Lacerta (Zootoca Wglr.) vivipara Jacq., altes Weibchen,
von Herrn Apotheker Valet in Schussenried.
IV. Fische.
Als Geschenke:
Carassius vulgaris Nils., var. humilis v. Sieb.
Leuciscus rutdus Val., vom Itzelberger See,
von Herrn Dr. Baur in Königsbronn;
Trutta Salar {Linn.), Weibchen, im Neckar, unterhalb des Eingangs
in das neue Hafenbassin bei Heilbronn gefangen,
von H, Kaufmann Friedr. Drautz;
Cobilis taenia L., aus den Altlachen der Donau bei Ulm,
von Herrn Generalstabsarzt Dr. v. Klein;
- 11 -
Tymallus vulgaris Nils, aus der Nagold,
von Herrn Kaufmann Eu2:en Stähl in in Calw.
V. Crustaceen.
Als Geschenk:
Ästacus torrentnim Schrmik, aus der Nagold,
von Herrn Fabrikant Eugen Stählin in Calw.
YI. Mollusken.
Als Geschenk:
80 Spedes und Varietäten Württemberg. Land- und Süsswasserconchylien,
von Herrn Oberjustizrath W. Gmelin.
VII. Insecten.
Als Geschenke:
55 Makrolepidopteren in 41 Arten aus der Gegend von Stuttgart,
von Herrn Dr. Julius Hoffmaun;
182 Makrolepidopteren in 110 Arten aus Württemberg,
von Herrn Particulier .H. Kohl;
72 Makrolepidopteren in 54 Arten und
270 Mikrolepidopteren in 230 Arten,
von Herrn Dr. Steudel in Kochendorf,
2 Makrolepidopteren in einer Art,
von Herrn Dr. Heimerdinger.
Yin. Helminthen.
Als Geschenke:
Cystocercus cellulosa Bud. aus dem Schwein ,
von Herrn Obermedicinalrath Dr. v. Hering.
IX. Petrefacten.
Als Geschenke:
3 Pterozamites aus dem Bonebedsandstein von Tübingen,
von Herrn Baurath Dr. Bruckmann;
6 Ammoniten aus dem Jura von Heiningen,
von Herrn Lehrer Wittlinger in Unterböhringen ;
— 12 -
2 Keuporpflanzen und 40 Stücke Phytosaurus aus der Sammlung der
verewigten Frau Kriegsministor v. Hügel,
von Forstmeister Freiherrn v. Hügel;
Schädel vom Torfstier aus Sindelfingen,
von Herrn Generalstabsarzt Dr. v. Klein.
B. Botanisclie Sammlung.
(Zusammengestellt von G. v. Martens.)
Das Vereinsherbar erhielt im Laufe dieses Jahres von Herrn
Baurath Binder in Stuttgart ein ungewöhnlich grosses Exemplar des
Polyporus versicolor Fries und von Herrn Dr. C. G. Calw er, Revier-
förster auf dem Reichenberg, zwei für unsere Flora neue Schmarozer-
pflanzen, Orohanche Picridis und O. Teucrii Schultz.
Unser freundlicher Nachbar, Herr Albert F ricl< hinger, Apo-
theker in Nördlingen, hat die Güte gehabt, uns ein Duzend seltener,
von ihm im Gebiete unserer Flora gefundenen Pflanzen mitzutheilen,
von welchen Thesimn aljiinimi L. und Orcliis samhucina L. unserem
Herbar noch fehlten, zwei andere, Vicia cassiibica L. und Salix
bicolor £hrli., selbst für unsere Flora neue Entdeckungen sind.
Auch unter fünf von Herrn Apotheker Gärttner ih "Winnenden
eingesandten Pflanzen fand sich eine, das bei uns ziemlich seltene
Pobjgcniiim ihunetorwn L,, welche die Zahl unserer Desiderate ver-
mindert.
Herr Dr. Friedrich Hegelmaier, Professor der Botanik in
Tübingen , macht uns zu einer Moosflora von Württemberg Hofl"nung
und beschenkte das Vereinsherbar mit achtundvierzig Arten von Laub-
und Lebermoosen, von denen fünfundzwanzig für die Flora, sechs
weitere wenigstens für das Herbar neu sind, als Resultate seiner bis-
herigen Forschungen.
Zugleich übergab er uns androgynische Exemplare der Salix
anrita L. als Belege zu seinem in der Generalversammlung unseres
Vereins vom 24. Juni 1865 gehaltenen Vortrags (Jahreshefte, Jahr-
gang XXII. Seite 30 bis 36) und fügte zwei für uns neue mikrosko-
pische Algen bei, Fleurococcus miniatns Nagelt und Gloeocapsa
tepidariovum A. Braun.
Von Herrn Pfarrer Kern ml er in Donnstetten erhielten wir nor-
male Exemplare derselben geehrten Weide und zwei Gräser, und von
Herrn Ewald Lechler, Pharmaceuten in Pforzheim, sechs Pflanzen,
darunter die bisher in unserem Gebiete vergebens gesuchte] Lindcrnia
jprjxidaria L. von den flachen Ufern des tiefen Sees bei Maulbronn.
Von zwei von Herrn Johann Scheurlo, Lehrer in Wolfegg, ein-
- 13 -
gesandten "Weiden fehlte Salix graiidifolia Seringe noch unserem
Herbar und von sechs Pflanzen, welche Herr Präceptor Schoepfer in
Ludwigsburg uns mitzutheilen die Güte hatte, Lijthrum hijssopifolium
L., wahrscheinlich mit Kleesamen eingeführt, auch unserer Flora.
Herr Schullehrer Seytter in Schietingen, Oberamts Nagold,
sammelte angezogen durch den Anblick der üppigen, im ersten Früh-
linge den Phanerogamen vorauseilenden Moose deren dreissig nebst
ein Paar Flechten, wenn auch keine für uns neu, doch einige darunter,
welche Schietingen in einer künftigen Moosflora unter die Fundorte
einführen könnten.
Herrn Forstmeister Tscherning in Bebenhausen und dessen
Sohn A. Tscherning verdanken wir eilf Phanerogamen, darunter die
im Schönbuch häufige Digitalis puvpurea L. und die nordische, viel
Wasser und wenig "Wärme verlangende Calla palustris L., welche
dem vor neunzehn Jahren gemachten Versuch, sie aus den Moosen
Oberschwabens nach Bebenhausen zu versetzen, bisher entsprochen hat.
Dass eine andere für Süddeutschland sehr seltene Pflanze, Osmunda
regalis L., welche man schon vertilgt glaubte, immer noch bei Wild-
bad vorhanden sei, hat Herr Apotheker Um gelt er daselbst am
6. September 1865 durch gütigst eingesandte frische Exemplare nach-
gewiesen.
"Von unserem vieljährigen Mitglied, Herrn Friedrich Valet, Apo-
theker in Schusseuried, kamen vier Algen ein, wovon Tetraspora
explanata Ag. für unsere Flora neu ist.
Herr Professor Dr. G. Veesenmeyer von Ulm überbrachte zwölf
hübsche Ulmerinnen.
Herr Apotheker Weiss in Leutkirch übersandte uns weitere
Exemplare des im vorigen Jahre von Herrn Finanzrath Zeller jpit-
getheilten, einst als Hauptausbeute einer britischen Nordpolfahrt viel-
besprochenen rothen Schnees , einer mikroskopischen Alge , welche er
am 10. September 1863 bei einem starken Regen nach vorangegange-
nem Föhnwind von der Dachrinne seines Hauses erhielt und im zweiten
Hefte von Wittsteins Vierteljahresschrift für praktische Pharmacie
beschrieben hat.
Herr Finanzrath Dr. G. Zeller theilte uns eine neue Alge, Chara-
cium Sieboldi A. Braun, mit.
Endlich lieferte der Gustos des Herbars eilf Pflanzen, meist Miss-'
bildungen und Wachsthumsstörungen durch lusecten, darunter die im
Herbst 1865 in den Sandgruben des Hasenbergs aufgetretene Peloria,
der Umschlag einer unregelmässigen Blüthe in eine regelmässige mit
allen Uebergangsstufen.
— 14 -
Hieran reiben sich noch ein ^om HeiTn Grafen von Mandelsloh
mitgctheilter bandfünniger Zweig einer Esche, ein verkrümmter Bucben-
zweig von Herrn Revierverweser H. Gawatz in Kirchen, Oberamts
Ehingen, und eine wahrscheinlich durch künstliche Verschlingung des
Hauptti'iebes zu einem Knopfe entstandene sonderbare Verkrümmung
des Stammes einer jungen Föhre, eingesandt von Herrn Forstmeister
Paulus in Z wiefalten.
Der Zuwaclis des Vereinsherbars in diesem Jahre beträgt sonach
66 Gefässpflanzen und 89 Zellenpflanzen (Moose, Flechten, Algen und
Pilze), zusammen 155 Arten, darunter 10. bisher zwar als württem-
bergische erwähnte, aber dem Herbar noch fehlende, und 33 für die
Flora von Württemberg neu entdeckte.
Inzwischen ist die zweite Auflage der Flora von Württemberg
erschienen, möge sie als ein die vielen wackern Pflanzenforscher des
lieben Vaterlandes umschlingendes Band die Liebe zur schönen Wissen-
schaft neu anfachen, durch klare üebersicht dessen, was wir haben
und was wir nicht haben, zu ferneren Forschungen aufmuntern und
sich so als ein weiterer, wenn auch kleiner. Stein in den grossen, von
tausend Händen geförderten Bau der Naturwissenschaften einfügen.
Die Yereinsbibliotbek hat folgenden Zuwachs erhalten:
a) Durch Geschenke:
14. Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft zu Hannover,
von Michaelis 1863—64 4».
Von der Gesellschaft.
Musee Vrolik. Catalogue de la collcction d'anatomie humaine, com-
paree et palajontologique de G. & W. Vrolik, par Dusseau.
Amsterdam 1865. 8".
Von der Familie Vrolik.
Annales de Tassociation philomatique Vogeso-rhenane, faisant suite ä la
flore d'Alsace du F. Kirschlegcr. Lin-ais. 4 & 5. Strasbourg
1805-66. 8«.
Vom Verfasser.
Verzeichniss aller von mir zn St. Petersburg beobachteten Infusorien,
Bacillarien und Räderthiere von Dr. J. F. Weisse. Moskau
1863. 8«.
Vom Verfasser.
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, herausgeg. von der
geologischen Commission der schweizerischen naturforschenden
- 15 -
Gesellschaft auf Kosten der Eidgenossenschaft. Lieferung 1.
Geologische Karte des Basler Jura von Dr. A. Müller. Text
und Atlas 1862—63.
Von der schweizerischen geologischen Commission.
6. Jahresbericht des naturhistorischen Vereins in Passau, über die
Jahre 1863 und 1864. Passau 1865. 8".
Vom Verein.
Flora von Württemberg und Holienzollern von G. v. Härtens und
C. A. Kemmler. 2. ganz umgearbeitete Auflage der „Flora
von Württemberg v. Schübler & v. Martens.« Tübingen 1865. 8°.
Von den Verfassern.
Bronn's Klassen und Ordnungen des Thierreichs, wissenschaftlich dar-
gestellt in Wort und Bild. Fortgesetzt von W. Keferstein. Bd. III.
Liefening 37—45. Leipzig, Winter 1865. 8°. Dasselbe fortge-
setzt von Dr. A. Gerstäcker. Bd. V. Arthropoda. Lieferung 1.
Leipzig, Winter 1866. S'\
Vom Verleger, zur Anzeige in den Jahresheften.
Verhandlungen des naturhistorisch -medicinischen Vereins in Heidel-
berg. Bd. IV. 1. 1865. 8«.
Vom Verein.
Einige Bemerkungen über die geognostischen Karten des europäischen
Russlands von Ed. v. Eichwald. Moskau 1865. 8".
Vom Verfasser.
Württember gische naturwissenschaftliche Jahreshefte Jahrg. XViL.
Heft 1. Stuttgart 1861. 8°.
Vom Verleger.
Amtlicher Bericht über die 39. Versammlung deutscher Naturforscher
und Aerzte in Giessen im Sept. 1864. Herausgeg. von den
Geschäftsführern Werner und Leuckart. Giessen 1865. 4".
Von den Verfassern.
Aphorismen über Sensitivität und Od. Von Freiherrn von Reichen-
bach. Wien 1866. 8°.
Vom Verfasser.
Vergleichende chemische Untersuchungen über das Fleisch verschiedener
Thiere von Dr. J. E. Schlossb erger. Stuttgart 1840. 8°.
Natürliches System aller Naturwissenschaften. Aus dem Franz. des
A. V. Ampere im Auszug bearbeitet von Dr. G. Widenmann-
Stuttgart 1844. 8".
Die Heilquellen des Königr. Württemberg, mit Einschluss der HohenzoU.
Fürstenthümer , Badens, des Elsass und des Wasgau, von Dr.
Heyfelder, 2. Auflage. Stuttgart 1846. 8».
- IG —
Zur Orientirung in der Frage von den Ersatzmitteln des Getreidemehls,
besonders in der Brodbereitung etc. v. Dr. J. Öclilossberger.
Stuttgart 1847. 8».
Die Bandwürmer des Menschen. Von Dr. G. Seeger. Stuttgart
1852. 8'^.
Mittheilung zweier neuer Methoden fler quantitativen microscopischen
und chemischen Analyse der Blutkörperchen und Blutflüssigkeit
von Dr. Vierer dt. Stuttgart 1852. 8".
Ueber negativ-artesische Brunnen oder absorbirende Bohrbrannen von
Dr. A. E. Bruckmann. Stuttgart 1853. 8".
Die somnambulen Tische. Zur Geschichte und Erklärung dieser Er-
scheinung von Dr. J. Kerner. Stuttgart 1853. 8**.
Galileo Galilei. Zusammenstellung der Forschungen und Entdeckungen
Galilei's auf dem Gebiet der Naturwissenschaft etc., von Dr.
R. Caspar. Stuttgart 1854. S".
Beiträge zur Lehre von den durch Parasiten bedingten Hautkrank-
heiten von Dr. B. Gudden. Stuttgart 1855. 8°,
Handbuch der Anatomie der Hausthiere. Zum Gebrauch bei Vor-
lesungen und zu eigener Belehrung von Fr. A. Leyh. 2. Aufl.
Stuttgart 1859. 8».
"W. Baumeist er's Handbuch der landwirthschaftlichen Thierkunde
und Thierzucht. 4. Aufl. Bd. 1—3. Stuttgart 1863. 8».
Die Gestüte und Meiereien Sr. Majestät des Königs von "Württemberg.
Herausgeg. von Freiherru J. v. Hügel und Hofdom.-Rath
Schmidt. Stuttgart 1861. S**.
Abbildungen der Rindviehstämme Württembergs. Stuttgart 1862. 4".
Die land- und forstwirthSchaftliche Akademie Hohenheim. Stuttgart
1863. 8«.
Paläontologische Mittheilungen von Prof. Dr. A. Oppel. Bd. 1— o.
Stuttgart 1862—63. 8".
Das Fleisch als menschliches Nahrungsmittel, von Prof. Dr. A. Rueff.
Stuttgart 1866. 8°.
Sämmtlich vom Vorleger, Buchhändler Albert Ebner.
25. Bericht über das Museum F rancisco-Carolinum. Nebst der
20. Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich
ob der Ena. Linz 1855. 8'\
Geschenk von Carl Ehrlich.
17
b) Durch Austausch unserer Jahreshefte, als Fortsetzung:
Correspondenzblatt des Vereins für Naturkunde zu Pressburg.
Jahrg. II. 1863. 8^'.
Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. 2^eue Folge.
Bd. I. Heft 2. 1865. 8".
Der zoologische Garten. Zeitschrift für Beobachtung, Pflege und Zucht
der Thiere. Jahrg. 6. Nr. 1—12. Frankfurt a. M. 1865. 8°.
Bulletin de la societe geologique de France.
2. Serie. T. XXII. Feuill. 8—36. Paris 1864—65.
„XXIII. „ 1—12. „ 1865—66. 8".
t
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XVII.
Heft 1. 2. 4. Berlin 1864—65. 8«.
Quarterly Journal of the .geological Society of London. Vol-. XXII.
Nr. 1. 2. 3. 4. 1865—66. 8».
Verhandelingen der kon. Akademie van Weteuschappen. Deel X.Am-
sterdam 1864. A".
Verslagen en Mededeelingen der kon. Akademie van Wetenschappen.
Afdeeling Natuurkunde. Deel XVII. 1865.
., Letterkunde. „ VIII. 1865. Amsterdam. 8^
Jaarboek van de kon. Akademie van Wetenschappen te Amsterdam
voor 1863. 1864. S\
Annales des sciences physiques et naturelles, d'agriculture et d'industrie
par la Societe imper. d'agriculture etc. de Lyon. 3. Serie.
T. Vn. 1863. 8«.
Memoires de l'Academie imper. des sciences, belles-lettres et arts de
Lyon. Classe des sciences T. XIII.
„ „ lettres, nouv. Serie T. IX. 1862—1863. 8°.
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Theile
anderer "Wissenschaften, unter Mitwirkung von C. Bohn und
Th. Engelbach herausgegeben von H. "Will. Für 1864. Heft
1. 2. Giessen 1865. 8°.
42. Jahresbericht der Schiesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur. Generalbericht pro 1864. Breslau 1865. 8".
Abhandlungen de-r Schiesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur. Abtlieiluug für Naturwissenschaft & Medicin. 1864.
Philosophisch-historische Äbtheil. 1864. Heft 2. Breslau 1864. 8«.
11. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heil-
kunde. Giessen 1865- 8^
Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt. Bd. XV.
Nro. 1—4. Wien 1865. 4°.
Württemb. naturw. Jabreshefte. 1867. Is Keft. 2
— 18 —
Mittheilungen der K. K. geographischen Gesellschaft. Jahrgang
VIII. 1864. Heft 1. Wien 1864. 8«.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Neue
Folge. Bd. X. Jahrgang 1863 — 1864. Chur 1865. 8«.
Bulletins de TAcademie royale des sciences, des iettres et des beaux-
arts de Belgique.
33. annee. 2. Serie, Tom. XVIII. 1864.
34. „ „ „ „ XIX. 1865. Bruxelle8l864— 65. 8«.
Proceedings of the zoological Society of London. "With lUustrations.
1861—64. gebunden. 8».
Smithsonian contributions to knowledge. Vol. XIV. Washington
1865. 4".
Results of meteorologiral observations, made under the direction of
the United States patent office and the Smithsonian Insti-
tution from the yeiir 1854 — 1859 incl. being a report of the
Commissioner of Patents made at the 1. Session of the 36. con-
gress. Vol. II. Part. 1. Washington 1864. 4«.
Smithsonian miscellanous Collections, Vol. V. Washington 1864. 8°.
Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Insti-
tution etc. for 1863. Washington 1864. 8«.
Annais of the Lyceum of natural history of New- York, Vol. VIII,
Nro. 2. 3, 1864. 8«.
Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia.
1864. Nr. 1-5. 8»,
Proceedings of the Boston Society of natural history. Vol. VII. sign.
10—12. Vol. IX. sign. 21— 25.
Boston Journal of natural history. Vol. I. II. III. und Nro. 3. 4.
von Vol IV. 1834—44. 8».
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou, Annee
1865, Nr, 1. 2. Moscou 1865, S».
Natuurkundig Tijdschrift voor Ncderlandsch Indie, uitgegeven door de
kon, natuurkundige Verceniging in Ncderlandsch Indie. Decl
XXVI- XXVIII (=scsde Serie. Deell— 3.) Batavia 1864— 65. 8^
Memoires de la socißte de physique et d'histoire naturelle de Geniive.
T. XVIII. Part. 1. Genfeve 1865. 4».
Sitzungsberichte der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse.
Abthoilungl. 1864. Bd.50. Heft 2— 5. 1865. Bd.51. Heft 1—3.
. „ II, 1864. Bd, 50. „ 3—5. 1865. Bd.51. Heft 1—3.
Register zu Bd. 43-50. Wien 1865,
— 19 —
"Württembergisclie Jahrbücher für Statistik & Landeskunde. Hg.
vom K. statistisch-topographischen Bureau. Jahrgang 1863.
31. Jahresbericht des Mannheimer Vereins für Naturkunde. Mann-
heim 1865. 8«.
Annales de Tobservatoire physique central de Russie etc. par A. T.
Kupfer. Annee 1862. Nro. 1. 2. 1865. 4°.
18. Bericht des naturhistorischen Vereins in Augsburg. Veröffent-
licht im Jahr 1865. S"*
Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu
Frei bürg i. Br. Bd. III. Heft 3. 4. 1865. 8».
Transactions of the zoological society of London. Vol. V. Part 4.
1865. 4».
Proceedings of the scientific meetings of the zoological society of L o n-
don for the year 1864. Part 1—3. 8^
Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brunn. Bd. 3. 1864. 8".
Societe des sei ences naturelles du Grand-Duche de Luxembourg.
T. VIII. Annee 1865. 8°.
Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklen-
burg. 19. Jahr. 1865. 8°.
Schriften der k. physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg.
Jahrgang 5. 1864. Abtheilung 2,
„ 6. 1865. „ 1. 4^
Norges Ferskvandskrebsdyr. Forste Afsnit Branchiopoda I. Cladocera
ctenopoda af G. 0. Sars. Christiania 1865. 4''.
Veiviser ved geologiske excursioner i Christiania Omegn. Af Lector
Th. Kjcrulf. Christiania 1865. 4«,
Om de i Norge forekommende fossile Dyrelevninger fi-a Quartaerpe-
rioden , et bidras til vor Faunas historie, af Dr. M. Sars.
Christ. 1865. 4».
Meteorologische Beobachtungen. Aufgezeichnet auf Christiania
Observatorium. Lief. 3. 4. 1848 — 55; 1. Bd. letzte Lief.
1837—63. Christiania 1864—65. 4».
Meteorologiske Jagttagelser paa Christiania Observatorium. 1864. 4",
Bulletin de la societe Vaudoise des sciences naturelles, T. VIII.
Bull. Nr. 53. Lausanne 1865. 8«.
Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchatel.
T. VII. cah. 1. Neuchatel 1865. 8\
Correspondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereins in Regens-
burg. 19. Jahrgang. 1865. 8«.
— 20 —
Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift, herausg. von der
physilcalisch-medicinischen Gesellschaft. Bd. YI. Heft 1. 1865. 8^.
Tübinger Universitätsschriften aus dem Jahre 1865. 4°.
12. Zuwachsverzeichniss der k. Universitätsbibliothek zu Tübingen
1864-65. 4°.
Theorie der Querschwingungen eines elastischen, am Ende belasteten
Stabs, von Karl Zöppritz, Phil. Dr. Tübingen 1865. 4<*.
7 natur-wissenschaftliche und 12 medicinische Dissertationen in 8*'.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Theil IV.
Heft 2. Basel 1865. 8».
Jahrbücher des Vereins für Isaturkunde im Herzogthum Nassau.
Heft 17. 18. Wiesbaden 1862—63. 8°.
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften, Jahrgang 1865.
Bd. 25. 26. Berlin 1865. 8".
Journal of the geological society of Dublin. Vol. I. II. VII. 8°.
Physikalische Abhandlungen der k. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin. Aus dem Jahre 1864. Berlin 1865. i".
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen
Rheinlande und Westphalens.
22. Jahrg. S.Folge. 2. Jahrg. 1. & 2. Hälfte. Bonn 1865. 8".
Journal of the royal geological Society of Ireland. Vol. I. Part 1.
1864-65. 8°.
List of the geological Society of London 31. Dec. 1865. 8*.
Der Ver ein skassier, Hospitalverwalter Sey ff ar dt, theilte
folgenden
Rechenschaf ts-Abschluss für das Jahr 1865—66
mit:
Meine Herren!
Der Kassenbericht, welchen ich Ihnen vorzutragen die Ehre
habe, umfasst den Zeitraum vom 1. Juli 1865/GG. Nach der
revidirten und abgehörten 22. Rechnung betrugen nämlich:
die Einnahmen:
A. Reste.
Rechners Kassenbestand 187 fl. 50 kr.
- 21 -
B. Grundstock.
Eine Veränderung kam hier
nicht vor, daher — fl. — kr.
C Laufendes.
1) Activ-Kapital-Zinse ... 225 fl. 30 kr.
2) Beitrcäge von den Mitgliedern 1131 fl. 18 kr,
3) Ausserordentliches ... 32 fl. 24 kr.
1389 fl. 12 kr.
Hauptsumme der Einnahmen
— ;• 1577 fl. 2 kr.
Ausgaben:
A. Reste — fl. — kr.
B. Grundstock — fl, — kr.
C. Laufendes.
1) Für Vermehrung der Samm-
lungen 230 fl, 44 kr.
2) Buchdrucker- und Buchbin-
derkosten (darunter für den
Jahrgang XXL 2. u. 3. Heft,
XXII. 1. Heft 529 fl. 49 kr.) 638 fl. 33 kr.
3) für Mobilien 233 fl. 58 kr.
4) für Schreibmaterialien, Ko-
pialien, Porti etc. ... 52 fl. 48 kr.
5) Bedienung, Reinigungsko-
sten, Saalmiethe etc. . . 232 fl. 53 kr.
6) Steuern . 11 fl. 29 kr.
7) Äusserer denthches ... 2 fl. 25 kr.
1402 fl. 50 kr.
Hauptsumme der Ausgaben
— ;• 1402 fl. 50 kr.
Werden von den Einnahmen im Betrag von 1577 fl. 2 kr.
die Ausgaben mit 1402 fl. 50 kr.
abgezogen, so erscheint am Schlüsse des Rech-
nungsjahrs ein Kassenvorrath des Rechners von
— •• 174 fl. 12 kr.
— 22 -
Vermögens-Berechnung.
Kapitalien 5436 fl. — kr.
Kassenvorrath 174 fl. 12 kr.
Der Vermögensstand beträgt somit am Schlüsse
des Rechnungsjahrs 5610 fl. 12 kr.
Da derselbe am 30. Juni 1865 betrug . . . 5623 fl. 50 kr.
so ergiebt sich mitbin eine Verniögens-Abnahme
von — ;• 13 fl. 38 kr.
Nach der vorhergehenden Rechnung war die Zahl der
Mitglieder 395
Hiezu die neu eingetretenen Mitglieder, nämlich die
Herren :
Buchhalter Frueth,
Ingenieur Fein,
Professor Dr. Heller,
Vikar Ziegele,
Bauinspektor Wintt erlin,
Schulinspektor Winghofer in Kirchhausen,
Regierungsrath Kolb in Ulm,
Diakonus Steudel in Ravensburg,
Dr. Beinhauer in Cassel,
Kaufmann Friedrich Drautz in Heilbronn,
Baurath Landauer,
Baurath Schlierholz,
Professor Dr. Wintterlin,
Apotheker Weiss in Friedrichshafen,
Christoph Paulus im Salon bei Ludwigsburg,
Professor Funke in Hohenhcim,
Professor Dr. Baur daselbst,
Banquier Georg Dörtenbach,
Direktor Werner in Hohenheim,
Staatsrath v. Adelung,
Fabrikant Fr. Münzing in Heilbronn,
Eisenhändler F. Ed. Mayer von da,
- 23 -
Uebertrag 395
Mechanikus Autenrieth von da,
Professor Dr. Mährlen,
Wiesenbaumeister Jehle von Nürtingen,
Baurath Schenk,
Kassier Künstle,
Dr. A. Fricker in Heilbronn,
Fabrikant J. Wolff von da,
Fabrikant A. v. Rauch von da,
Fabrikant Eich. Schäufelen von da,
Kommerzienrath J. M. Münzin g von da,
Apotheker Dr. Lindenmaier von da ... 33
428
Hievon ab die ausgetretenen Mitglieder, und zwar die
Herren :
Kaufmann Fr. Sick,
Graf V. Salm-Hoogstraeten,
Geheimer Rath v. Tittoff,
Buchhändler G. Hoffmann,
Graf A. v. Pückler in Esslingen .... 5
Die gestorbenen Mitglieder, nämlich die Herren:
Particulier Glocker,
Professor Dr. v. Holtzmann,
Bauinspektor Win tt erlin,
Staatsrath Dr. v. Ludwig 4
9
über deren Abzug die Zahl der Mitglieder am Rechnungsschluss
beträgt
— ;. 419,
somit Zunahme gegen fernd
— ;. 24 Mitglieder.
"Wahl der Beamten.
Die Generalversammlung wählte hierauf durch Acclamation
für das Yereinsjahr 1866—1867 die beiden Vorstände:
— 24: —
als ersten Vorstand:
Professor Dr. W. v. Rapp in Tübingen,
als zweiten Yorstand:
Oberstudienrath Dr. v. Kurr,
und für diejenige Hälfte des Ausschusses, welche nach §.12
der Vereinsstatuten diessmal auszutreten hat:
Professor C. W. B a u r ,
Professor Dr. Blum,
Finanzrath Es er,
Professor Dr. Fr aas,
Oberjustizrath W. Gmelin,
Professor Dr. Köstlin,
Professor Dr. Marx,
Finanzrath Dr. Zelle r.
Im Ausschuss bleiben zurück:
Geheimer Hofrath Dr. v. Fehling,
Obermedicinalrath Dr. v. Hering,
Generalstabsarzt Dr. \. Klein,
Professor Dr. Krauss,
Kanzleirath Dr. v. Märten s,
Director v. Schmidt,
Hospitalverwalter Seyffardt,
Professor Dr. Zech.
Zur Verstärkung des Ausschusses wurden in der
Sitzung vom 9. November nach §. 14 der Statuten gewählt:
Professor Dr. Ahles,
Baurath Binder,
Professor Dr. Haas,
Apotheker Reihlen.
In derselben Ausschusssitzung wurden unter Dankesbezeu-
gung für ihre geleisteten Dienste im verflossenen Vereinsjahr
wieder gewählt:
als Secretäre:
Generalstabsarzt Dr. v. Klein,
Professor Dr. Krauss,
- 25 -
letzterer zugleich als Bibliothekar, ferner:
als Kassier:
Hospitalverwalter S e y f f a r d t.
Die "Wahl für den Ort der nächsten Generalversammlung'
am Johannisfeiertag 1867 fiel auf Stuttgart und die des Ge-
schäft sfiihr er s auf Oberstudienrath Dr. v. Kurr.
Der Antrag zur Abänderung der §§. 18 & 24 der Statuten,
welcher in der vorjährigen Generalversammlung vom Ausschuss
übergeben und im ersten Heft des XXII. Jahrgangs bekannt ge-
macht worden ist, kam nach §. 22 der Statuten in der heutigen
Yersammlung zurBerathung und wurde, nachdem Prof. Dr. Krauss
die Gründe wegen dieser Abänderung noch einmal näher erläu-
tert hat, durch Acclamation angenommen.
Die Fassung dieser Paragraphen ist also jetzt für
§. 18.
Der Verein besteht: 1) aus ordentlichen Mitgliedern, d. h.
solchen, welche Actien besitzen, und 2) aus correspondirenden
oder Ehrenmitgliedern.
Die correspondirenden und Ehrenmitglieder sind, ohne Actien
zu besitzen, zu allen denjenigen Rechten zugelassen, welche den
ordentlichen Mitgliedern zustehen.
§. 24.
Mit auswärtigen Vereinen ähnlicher Tendenz setzt sich der
Verein durch Austausch der Gesellschaftsschrift und durch Ein-
ladung zu den allgemeinen Versammlungen in Verbindung.
Ausgezeichnete um die Wissenschaft verdiente Männer wer-
den für die Interessen des Vereins durch Ernennung zu corre-
spondirenden oder zu Ehrenmitgliedern gewonnen.
Hiemit schloss nach 1 Uhr der geschäftliche Theil der Ver-
sammlung. Nach einem heiteren Mittagsmahl begaben sich die
Mitglieder auf die Cäcilienwiese, wohin sie durch den Heiibron-
ner Singkranz in freundlichster Weise zur Herbstfeier eingela-
den waren.
Nekrolog
des
Professor Dr. Alberl Oppel.
Von Oberstudienrath Dr. v. Kurr.
Abermals habe icb die traurige Pflicht, das Andenken eines
allzufrühe dahingeschiedenen Freundes und Förderers der Wissen-
schaft in Ihrem Kreise zu feiern, welcher eine Zierde unseres
Vaterlandes war und zu genauerer Kenntniss desselben vielfache
Beiträge gehefert hat» Wenn ich aber das Ehrengedächtniss.
das ich ihm hiemit zu stiften beabsichtige, kurz fasse, so geschieht
es vornehmlich desshalb, weil bereits eine geübtere Feder*) in
der Augsburger Allg. Zeitung (Januar 1866) und in dem Jahr-
buche der k. k. geologischen Eeichsanstalt zu Wien (16. Bd.
p. 59 — 67) eine umfassende Schilderung seines Schaffens und
Wirkens veröffentlicht hat,
Dr. Albert Oppel wurde am 19. Dez. 1831 zu Hohenheim
geboren, wo sein Vater, der jetzige Direktor der landwirth-
schaftlichen Centrals teile zu Stuttgart, damals als Beamter an
der landwirthschaftlichen Akademie wirkte.
Die erste Schulbildung empfing er in der Erziehungsanstalt
zu Stetten im Remsthal, welche damals in hohem Flor stand
und junge Leute aus allen deutschen Landen herbeizog.
Später trat er in das Obergymnasiura zu Stuttgart und dann
in die polytechnische Schule daselbst ein, wo es mir vergönnt
*) Dr. Ferd. v. Ilochstetter, Professor am k. k. Polytecbnicum
in Wien.
- 27 -
"war, denselben mehrere Jahre lang unter meinen Schülern zu
haben. Es kann einem Lehrer nichts Erfreulicheres begegnen,
als wenn er bemerken darf, wie Wort und Lehre auf guten
Boden fallen, und in der That gehörte Oppel zu den fleissigsten
und tüchtigsten Zuhörern, die ich je gefunden habe. Insbeson-
dere zog ihn zuvörderst die Oryktognosie und hier wiederum die
Crystallographie, sodann die Geognosie und die Petrefaktenkunde
an , obwohl auch die andern Zweige der Naturwissenschaft nicht
vernachlässigt wurden, und seine liebenswürdige Bescheidenheit
gewann ihm zugleich die Herzen aller seiner Lehrer.
Trefflich vorbereitet und mit den solidesten Kenntnissen
ausgerüstet bezog er 1851 die Universität Tübingen, wo er
hauptsächlich an Professor v. Quenstedt den Mann fand, der
geeignet war, seine Kenntnisse zu erweitern und seinen Eifer
zu verdoppeln. Schon in Stuttgart hatte er angefangen, sich
eine treffliche Mineralien- und Petrefaktensammlung anzulegen,
und in Tübingen steigerte sich sein Sammeleifer mehr und mehr,
so dass er während seines dreijährigen Aufenthalts daselbst
eine der werthvoUsten paläontologischen Sammlungen des Landes
zusammenbrachte. Da wurde weder Zeit noch Geld gespart,
wenn es sich darum handelte , über irgend ein Petrefakt oder
einen Schichtenkomplex ins Klare zu kommen; aber mit dem
Besitz war es ihm nicht allein gedient , sondern er war nament-
lich darauf bedacht, die organischen Einschlüsse jedes Formations-
gliedes, jeder Hauptschichte zu erforschen, und Hess daher
häufig zu diesem Zwecke eigene Nachgrabungen veranstalten.
Als die philosophische Fakultät im Jahr 1851 auf Veran-
lassung des -Professor Quenstedt die Preisaufgabe stellte: „eine
genaue Aufzählung der Schichten des mittleren Lias mit beson-
derer Berücksichtigung der darin lagernden Versteinerungen"
zu liefern, machte sich Oppel alsbald an die Arbeit und löste
die Aufgabe so vortrefflich, dass ihm nicht nur der Preis, son-
dern auch die philosophische Doktorwürde zuerkannt wurde. Der
zehnte Jahrgang unserer Jahreshefte 1854 enthält von Seite
39 — 136 dieselbe durch vier Steintafeln erläutert. Da diese
Arbeit auch als besondere Schrift in den Buchhandel kam, so
- 28 -
wurde der Name des Verfassers bald bei den Geologen des In-
und Auslandes bekannt.
Kein Wunder daher, wenn er auf seinen wissenschaftlichen
Reisen durch Frankreich und England überall die verdiente
Anerkennung und die wohlwollendste Aufnahme fand. So brachte
er 1854 sieben Monate in Frankreich und 1855 vier Monate in
England zu, wo er hauptsächlich das Studium der Juraformation
zum Ziele seiner Forschungen machte. Verschiedene grössere
und kleinere Ausflüge in die Juragebirge der Schweiz und
Frankens befähigten ihn vollends zu der Lösung seiner Lebens-
aufgabe, eine vergleichende Darstellung der Juraformation dieser
verschiedenen Länder zu versuchen, und die Ergebnisse derselben
sind gleichfalls in unsern Jahresheften 12. — 14. Jahrgang (1856,
1857 und 1858) niedergelegt, übrigens auch als besondere
Schrift erschienen: „die Juraformation Englands, Frankreichs
und des südwestlichen Deutschlands." Mit einer geognostischen
Karte. Stuttgart bei Ebner und Seubert 1856—1858. Hiemit
war sein Ruf im In- und Auslande begründet und König Wilhelm
verlieh ihm dafür die grosse goldene Medaille für Kunst und
Wissenschaft. Wenn es das Verdienst Leopolds von Buch
und Quenstedts ist, die Hauptetagen der württembergischen
Juraformation begründet zu haben, so kommt Oppel hauptsäch-
lich das zu, dass er den Nachweis lieferte, welche Formations-
glieder in den verschiedenen Theilen von Centraleuropa ver-
breitet und wie sie ausgeprägt sind. Ferner hat er das Auftreten
der eigentlichen Leitmuscheln genauer festgestellt und die ge-
nauesten Details der Unterabtheilungen mit ihren Einschlüssen
erforscht. Wenn derselbe sich dadurch vielleicht zuweilen ver-
leiten liess, Spielarten von Petrefakten für wirkliche Arten zu
erklären und dadurch bei Manchen in den Verdacht der Spezies-
macherci verfiel, so ist dieses begreiflich. Er hatte einmal ge-
funden, dass auch verwandte Formen immer nur in bestimmten
Schichten auftreten, und hielt sich daher auch für berechtigt,
nach dem Vorbild seines Gönners und Freundes d'Orbigny
dieselben besonders zu benennen. Dass er aber seine Arten auch
genau zu charakterisiren wusste, dafür spricht am besten sein
- 29 -
letztes und grösstes Werk: „Paläontologische Mittheilungen",
-welches 1863—1865 bei Ebner und Seubert in Stuttgart mit
88 Yortrefflich ausgeführten Steintafeln erläutert, erschienen ist,
das in der ersten Abtheilung neue Krebse, in der zweiten haupt-
sächlich Ammoniten der Juraformation und zumal auch solche
aus dem Himalaya, von den Gebrüdern Schlagintweit mitgebracht,
darstellt. Ausser diesen grösseren Arbeiten sind auch viele
kleinere in verschiedenen Zeitschriften, zumal auch in unsern
Jahresheften, Jahrgang 12 — 20 von ihm erschienen.
Kaum war Oppel von seinen Reisen zurückgekehrt und mit
seiner vergleichenden Darstellung der Juraformation fertig ge.
worden, so wurde er (1858) zum Adjunkt bei der paläonto-
logischen Sammlung in München angestellt, wo Andreas
Wagner als Conservator wirkte, jedoch bei der grossen Aus-
dehnung dieser Sammlungen kaum im Stande war, sie zu be-
wältigen. Mit desto grösserem Eifer warf sich unser Freund
auf die Arbeit, und als derselbe 1859 nach Hausmanns Tod
einen Ruf als ausserordentlicher Professor nach Göttingen er-
hielt, wurde er in gleicher Eigenschaft bei der Universität in
München definitiv angestellt und auch zum Mitglied der Akade-
mie daselbst erwählt. Jetzt hatte er auch Vorlesungen über
Paläontologie zu halten und bald sammelte sich ein kleiner
Kreis fleissiger Schüler um ihn, die er nicht nur zu belehren,
sondern auch zu begeistern wusste.
1861 starb sein Freund und College Wagner plötzlich, und
er trat nun an dessen Stelle als Conservator der Sammlungen
und als ordentlicher Professor der Paläontologie. In diesem
Jahr verheirathete er sich mit Anna Herbort aus Stuttgart,
einer Freundin seiner Schwester, welche ihm zwei Söhne
schenkte , wovon der jüngere jedoch schon Anfangs Dezember
1865 ihm durch den Tod entrissen wurde.
Dieser Verlust ging dem zartfühlenden Vater, der mit
seiner Gattin in der glücklichsten Ehe lebte, sehr nahe, und
bei der Beerdigung desselben erkältete er sich dermassen, dass
er wenige Tage darauf in ein typhöses Fieber verfiel, welches
sich vom 10. Tag an dermassen steigerte, dass man keine Hoff-
— 30 —
nung mehr für sein Aufkommen hatte und am 22, Dezember
Nachts halb 10 Uhr ein sanfter Tod dem jungen Leben ein
Ende machte, viel zu früh für seine Wittwe mit ihrem drei-
jährigen Knaben, seinen hochbetrübten Vater, seine trauernden
Geschwister und Freunde.
Oppel war von untersetzter Statur und trug das Gepräge
eines gesunden und kräftigen Mannes. Von Natur aus schweig-
sam und ernst, konnte er in der Unterhaltung, sobald es
sich um wissenschaftliche Gegenstände handelte, lebhaft und
mittheilend werden und immer suchte er bei solcher Gelegenheit
der Sache auf den Grund zu kommen. Mit einem unermüdeten
Fleiss und gründlichem Wissen verband er die liebenswürdigste
Bescheidenheit, die ihn aber auch verhinderte, öflfentlich als
Redner aufzutreten. Sein redlicher und edler Charakter sprach
sich in allem, was er redete oder that und namentlich auch im
wissenschaftlichen Verkehr aus, denn er suchte jedes Verdienst
nach Recht und Billigkeit anzuerkennen, und bei allem Eifer,
seine Sammlungen zu erweitern, theilte er von seinen Schätzen
gerne und in uneigennützigster Weise mit. Sein Andenken
wird in den Herzen der Seinigen und seiner Freunde fortleben.
Nekrolog
des
Obermedicinalraths Dr. Georg Friedricli v. Jäger
in Stuttgart.
Von Oberstudienrath Dr. v. Kurr.
Dr. Georg Friedrieh v. Jäger wurde zu Stuttgart deu 25. De-
zember 1785 geboren. Sein Vater war der am 13. Oktober
1739 geborene Dr. Christian Friedrich Jäger, welcher den 7. Sep-
tember 3 808 in Stuttgart als Leibarzt des Königs und Mitghed
des Medicinalkollegiums starb, nachdem er früher als ordentlicher
Professor der Medicin, Chemie und Botanik erst in Tübingen
und sodann an der hohen Karlsschule zu Stuttgart mit Ehren
gewirkt hatte. An diesem seinem Vater, sowie an dem älteren
Bruder, Dr. Carl Christoph Friedrich v. Jäger, welcher 1828
als königl. Leibarzt imd Obermedicinalrath starb und sich durch
mehrere naturhistorische Schriften berühmt gemacht hat, wie der-
selbe auch mehrere Jahre lang dem königl. Naturalien kabinet vor-
gestanden, hatte derselbe leuchtende Vorbilder, die ihm für
sein ganzes Leben zu statten kamen. Er besuchte, nachdem er
das Gymnasium zu Stuttgart absolvirt hatte, von 1803—1807
die Universität Tübingen und schrieb, nachdem er ein Jahr
lang unter der Anleitung seines Vaters und Bruders, sowie des
Dr. Hopfengärtner's in den Krankenhäusern seiner Vaterstadt
thätig. gewesen war, seine Inauguraldissertation: De effectibus
Arsenici albi in yarios organismos 1808, eine Schrift, welche
durch Gründhchkeit und Scharfsinn ausgezeichnet war und den
künftigen Naturforscher zum Voraus ankündigte. Noch in
demselben Jahr trat er eine wissenschaftliche Reise nach Göt-
— 32 —
tingen und Paris an, die für sein ganzes Leben fruchtbar wurde.
Damals stand unter den Pariser Gelehrten Cuvier, an welchen
er empfohlen war und der ihn auch mit besonderer Freundlich-
keit aufnahm, in hoher Achtung, und unter seinem Einfluss
hatten auch die naturhistorischen Sammlungen der franzö-
sichen Hauptstadt sich bedeutend vermehrt, so dass nament-
lich die Hilfsmittel für das Studium der vergleichenden Ana-
tomie imd der fossilen Wirbelthiere reichlich vertreten waren.
Kein Wunder daher, wenn Jäger für diese Fächer eine beson-
dere Vorliebe gewann. Die Rückkehr führte ihn über das
südliche Frankreich nach Bern, wo er unter Tribolet mehrere
Monate lang den Inselspital besuchte. Nach seiner Vaterstadt
zurückgekehrt, widmete er sich der ärztlichen Praxis mit gutem
Erfolg und 1817 wurde er zum Nachfolger seines Bruders als
Inspektor des k. Naturalienkabinets ernannt, welche Stelle er
bis 1856 mit grossem Fleiss und rühmlicher Thätigkeit beklei-
dete. 1822 wurde ihm die Professur für Chemie und Naturge-
schichte am oberen Gymnasium übertragen, welche er bis 1842
mit Eifer und Strebsamkeit versah. 1834 wurde er als ausser-
ordentliches, 1836 als ordentliches Mitglied in das k. Medi-
cinalkollegium berufen und 1841 mit dem Titel und Eang
eines Obermedicinalraths bedacht, welche Stelle er 1852 seines
vorgerückten Alters wegen wieder aufgab, wobei ihm jedoch
der Rang eines Ehrenmitglieds verblieb.
Jäger war zweimal verheirathet. Seine erste Gattin, Char-
lotte geb. Hoffmann, starb den 20. November 1818; sie schenkte
ihm zwei Söhne und zwei Töchter, wovon ein Sohn, Ober-
medicinalrath Hermann Jäger, zu seinem grossen Schmerz 1861
starb. Seine zweite Gattin, Charlotte geb. Schwab, eine Schwester
des berühmten Dichters Gustav Schwab , gab ihm vier Söhne,
wovon noch zwei leben, und fünf Töchter^ wovon eine dem
Vater vorangegangen ist. Ihr war es vergönnt, den Gatten
bis an das Ende seiner Tage durch Freud und Leid zu begleiten
und zu pflegen, und mit ihr trauern neun erwachsene Kinder,
24 Enkel und zwei Urenkel um den Dahingeschiedenen.
Jäger war von kräftiger Konstitution und stattlicher Grösse,
seine früh gebleichten, reichen Locken gaben ihm ein ehrwür-
diges Aussehen und seine Züge trugen das Gepräge der wohl-
•wollendsten Humanität. Unbedeutende Zufälle ausgenommen,
hatte er sich bis in sein hohes Alter der besten Gesundheit zu
erfreuen, wozu seine nüchterne und regelmässige Lebensweise
wohl auch das Ihrige beigetragen haben mag^ nur hatte sich
in den letzten Deceunien allmählig eine bedeutende Schwer-
hörigkeit eingestellt, wozu im letzten Jahr auch noch eine Ab-
nahme des Augenlichts sich gesellte. Erst in den letzten Mo-
naten zeigte sich ein Blasenleiden, das, wie die Sektion bestätigte,
von einem Blasenstein herrührte. Eine deshalb im Mai d. J.
projektirte Kurreise ins Wildbad konnte nicht mehr ausgeführt
werden, indem eine unterwegs eingetretene Diarrhoe zur Umkehr
nöthigte. Bald traten quälende Schmerzen ein, die jedoch in
den letzten fünf Wochen sich allmählig verminderten und zu-
letzt ganz aufhörten. Dennoch nahm nach und nach die allge-
meine Schwäche überhand, bis er den 10. September d. J. sanft
entschlief, nachdem es ihm noch vergönnt gewesen war, wenige
Tage zuvor seine im Ausland weilenden Söhne im Verein mit
den im Vaterland befindlichen Kindern um sich versammelt zu
sehen, was er mit einem fröhlichen Dankgebet zu dem gütigen
Gott erkannte.
Wenden wir unsere Blicke nun auf die wissenschaftliche
Thätigkeit unseres Freundes, so tritt uns bei einer gewissen
Vielseitigkeit ein lebhaftes Interesse für alles, was Medicin und
Naturwissenschaft im weitesten Sinne des Worts betrifft, und
die angestrengteste Thätigkeit entgegen. Zwei Dinge sind es
hauptsächlich, welche ausser den natürlichen Anlagen bestimmend
auf die Leistungen und die Ausprägung des Mannes überhaupt
einwirken, es ist die Gunst der äusseren Umstände und der
Geist der Zeit. In erster Beziehung war der vortreffliche Schul-
unterricht, dessen er sich zu erfreuen hatte, schon von guter
Vorbedeutung und damit verband sich der günstige Einfluss,
welchen die Anleitung eines in jeder Beziehung ausgezeichneten
Vaters, sowie des durch gleiche Thätigkeit berühmten älteren
Bruders auf den Verewigten üben musste. In zweiter Beziehung
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1S67. Is Heft. g
— 34 -
fielen seine Bestrebungen in eine Zeit, wo die Naturwissen-
schaften einen neuen Aufschwung gewonnen hatten und wo
auch die Medicin mehr und mehr auf wissenschaftliche For-
schungen und naturhistorische Thatsachen sich zu stützen bemüht
war. So kam es denn, dass Jäger im Verlauf seiner mehr als
fünfzigjährigen Thätigkeit die verschiedensten Zweige des medi-
cinischen und naturhistorischen Wissens in den Bereich seiner
Forschungen zog und es liegt uns ein Verzeichniss seiner Schriften
und Aufsätze vor, welches nicht weniger als 143 Nummern um-
fasst. Insbesondere waren es Untersuchungen über fossile
Pflanzen und Tliiere, die in Württemberg vorkommen, sodann
über die Missbildung der Gewächse und krankhafte Erscheinungen
bei Menschen und Thieren, welche er in grösseren imd kleineren
Abhandlungen bekannt machte. Die umfassende und gediegene
Arbeit über die Missbildungen der Gewächse erschien als be-
sondere Schrift (Stuttgart 1814 bei Steinkopf), und brachte
ihn auch unter anderen in nähere Verbindung mit Göthe, welcher
sich damals mit der Metamorphose der Gewächse beschäftigte,
lieber Missbildungen bei Thieren und Menschen lieferte er ver-
schiedene Abhandlungen in medicinische Journale. Von natur-
historischen Schriften führen wir an:
1. Eine Abhandlung über fossile Knochen, welche im
Jahr 1819 und 20 zu Stuttgart und Cannstatt gefunden wurden,
in den württembergischen Jahrbüchern 3. Jahrgang 1821 und 22.
2. De Ichthyosauri sive Proteosauri speciminibiis propc
Soll in Wirtembergia repertis. Stuttgart 1824.
3. Ueber das Vorkommen von krystallisirtem Zucker in
den Blumen des Rhododendron ponticum. Zeitschrift für Phy-
siologie von Tiedemann und Treviranus. 11. Bd.
4. Ueber die Pflanzenversteinerungen des Bausandsteins
in Stuttgart. Stuttgart bei Metzler 1827.
5. Ueber die fossilen Reptilien, welche in Württemberg
aufgefuriden worden. Ebendaselbst 1828.
G. Beiträge zur Anatomie des Löwen. Mäckels Archiv 1832.
7. Ueber die fossilen Säugethiere, welche in Württemberg
aufgefunden worden sind. Fol. 1835. Abth. 1 und 2.
— 35 —
8. lieber den relativen Werth der Naturwissenschaften für
die formelle Bildung der Jugend. Eine am 27. Dezember 1841
gehaltene Rede. Stuttgart bei Metzler.
9. Betrachtung über Entwicklung kryptogamischer Ge-
wächse in der Arseniksolution; in Buchner's Repertorium für
Pharmazie. 2. Reihe. Bd. 13.
10. Beobachtungen und Untersuchungen über die regel-
mässigen Formen der Gebirgsarten , mit sieben lithographischen
Tafeln. Stuttgart 1846 bei Schweizerbart.
11. lieber den Ursprung und die Verbreitung der Haus-
katze. Württ. naturwissenschaftliche Jahreshefte 10. Jahrg.
12. Ueber die Fundorte fossiler Säugethiere in Stuttgart
und Umgebung. Ebendaselbst 7. Jahrg.
13. Ueber die Fortpflanzungsweise des Ichthyosaurus.
Münchnej: gelehrte Anzeigen 1852.
14. Ueber einige fossile Zähne und Knochen von Säuge-
thieren aus dem Diluvium in Langenbrunn und den Bohnerz-
gruben der schwäbischen Alb. Ebendaselbst 1853.
15. Ueber die Identität des europäischen und amerikanischen
Bison's. Württ. naturwissenschaftliche Jahreshefte Jahrg. 10.
16. Ueber das Verhältniss der parasitischen Pflanzen zu
den Meerpflanzen. Ebendaselbst Jahrg. 12.
17. Ueber eine neue Species von Ichthyosaurus. Nova
acta nat. curiosorum. Bd. 25.
18. Bemerkungen über die Veränderungen der Zähne von
Säugethieren im Verlauf ihrer Entwicklung, namentlich bei dem
Narwal und Cachelot. Bulletin de Moscou.
19. Ueber fossile Pflanzen im Keuper und deren lebende
Analoga in Chile. Bericht der Naturforscherversammlung in
Bonn.
20. Ueber eine krankhafte Veränderung der Blütenorgane
der Weintraube. Flora 1860.
21. Bemerkungen über die Sumpfschildkröte im fossilen
Zustand. Bulletin de Moscou.
22. Beobachtungen über rankende Gewächse, namentlich
über Epheu. Württ. naturwissenschaftliche Jahreshefte Jahrg. 18.
- 36 —
23. Bemerkungen über die Organisation des Gavialis
gangeticus. Ebendaselbst 1863,
24. lieber die Wirkung des Arseniks auf Pflanzen im
Zusammenhang mit Physiologie, Landwirthschaft und Medicinal-
polizei. Stuttgart bei Schweizerbart 1864.
Indem ich mit dieser seiner letzton Arbeit das Verzeichniss
seiner naturhistorischen Sclmften abschliesse und die Aufzählung
der in das Gebiet der Medicin und pathologischen Anatomie
gehörenden einer andern Feder überlasse, erwähne ich noch die
von ihm verfassten Gedächtnissreden, womit er das Andenken
berühmter Naturforscher unseres Vaterlandes feierte :
1. Gedächtnissrede auf Staatsrath v. Kielmeyer. Württ.
naturwissenschaftliche Jahreshefte 1. Jahrg.
2. Vortrag zum Gedächtniss seines Freundes Dr. Gärtner
in Kalw. Ebendaselbst 8. Jahrg.
3. Ehrengedächtniss des Staatsraths v. Roser. Ebenda-
selbst 19. Jahrg.
Wenn eine solche wissenschaftliche Thätigkeit nicht nur im
Inland, sondern auch im fernsten Auslande die entsprechende
Anerkennung fand und seinen Ruhm weit über die Grenzen
unseres Vaterlandes hinaus verbreitete, so ist dies nicht zu ver-
wundern. Nicht nur knüpfte sich ein freundschaftliches Ver-
hältniss mit den bedeutendsten Naturforschern unseres Jahrhun-
derts, eine ausgedehnte Korrespondenz und die erfreuendsten
persönlichen Bekanntschaften und Besuche an dieselbe, sondern
es liegen auch 35 Diplome gelehrter Gesellschaften und Akade-
mieen vor, welche ihn zum ordentlichen, correspondirenden oder
Ehrenmitglied erwählten, wovon wir nur die der südafrikanischen
literarischen Gesellschaft in der Kapstadt, die der physikalisch-
mathematischen Klasse der Akademie zu München, der Ac. ro-
yale de Mcdccine zu Paris, der Ac. zu Cutanea, der Socittc
d'histoire not. zu Strassburg, der kaiserlichen Ac. natur. curio-
soruni und die Ernennung zum Adjunkt derselben, die der
holländischen Societät der Wissenschaften und der philosoph.
Soc. von Philadelphia aufzählen wollen.
Eine besondere Freude machte dem Verewigten die 1835
— Öi —
erfolgte Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Stuttgart, welche
ihm von den bürgerlichen Kollegien der Residenz in Folge sei-
ner Verdienste um die Stadt und insbesondere seiner bei der
Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte zu Stutt-
gart 1848 entwickelten Thätigkeit zuerkannt wurde.
Aber auch an höheren Auszeichnungen fehlte es nicht.
Unser hochverehrter König "Wilhelm ertheilte ihm 1850 das
Ritterkreuz des Ordens der württembergischen Krone, der König
von Baiern dasjenige vom heil. Michael.
Ausserdem tragen verschiedene fossile Pflanzen- und Thier-
liberreste den Namen des Verewigten, wie z. B.
Pterophyllum Jaegeri von A.d. Brogniart.
Pecopteris Jaegeri und andere.
Mastodonsaurus Jaegeri von Meyer.
Lahyrinthodon Jaegeri, Owen.
Auch eine lebende von Humboldt und Bonpland mitgebrachte
Pflanzengattung erhielt von Kunth den Kamen Jaegeria.
Unsrem Verein gehörte der Verewigte von seinem ersten
Entstehen an mit ganzem Herzen an. Als im September 1833
die deutschen Naturforscher und Aerzte den Beschluss fassten,
die nächste Versammlung in Stuttgart abzuhalten und den Staats-
rath V. Kielmeyer zum ersten, unsern Freund zum zweiten Ge-
schäftsführer derselben ernannten, war es dessen erstes Bestre-
ben, einige Stuttgarter Naturforscher zu einem Comite zu ver-
einigen, welches die dazu nöthigen Vorbereitungen zu treffen
hatte. Es ist bekannt, wie glücklich diese Versammlung aus-
fiel und wie befriedigt sich alle dabei anwesenden Mitglieder
darüber aussprachen. Abgesehen von dem freundlichen Zusam-
menwirken ausgezeichneter Persönlichkeiten aller Classen und
der huldvollen Betheiligung Sr. Majestät des Königs Wilhelm
waren es hauptsächlich die zweckmässigen Anordnungen und
Vorbereitungen, welche unter Jäger's Vorsitz getroffen waren,
denen man das Gelingen verdankte. In jenem Comite hatten
sich aber die Naturforscher der Hauptstadt näher zusammenge-
funden und sie beschlossen auch nachher, ihre Zusammenkünfte
in dem natur historischen Montagskranz fortzusetzen, so dass aus
- 38 -
ihrer Mitte später die Bildung unseres Vereins hervorging. "Welch
reges Interesse der Verewigte stets an dessen Angelegenheiten
nahm, bezeugen am besten die vielen Aufsätze und Abhandlun-
gen desselben, welche unsere Jahreshefte enthalten.*)
Als Jäger 1858 sein fünfzigjähriges Doctorjubiläum feierte,
war es uns vergönnt, dem Nestor der württembergischen Natur-
forscher noch in voller jugendlicher Kraft unsere Huldigung
darzubringen und von allen Seiten war man bemüht, dieses Fest
zu verherrlichen. Die Universität Hess ihm das erneuerte Doc-
tordiplom überreichen und die Stuttgarter naturforschenden
Freunde feierten dasselbe im engeren Kreise, wobei es an hei-
teren Trinksprüchen nicht fehlte; wir schieden damals mit dem
Wunsche, der Verehrte möchte noch lange in unserer Mitte
weilen dürfen; und der Wunsch wurde uns gewährt, denn noch
bis vor wenigen Monaten erschien er, obwohl des Augenlichts
beinahe beraubt, in unserer Montagsgesellschaft und nahm am
geselligen und wissenschaftlichen Verkehr den lebhaftesten Antheil»
Sein Andenken bleibe im Segen!
*) Das ausführliche Verzeichniss derselben findet sich in unsem
Jahresheften 20. Bd. 1864. S. 315 und 316.
Vorträge.
I. Dr. Steudel in Kochendorf sprach über die württem-
bergischen Kleinschmetterlinge Folgendes:
Wenn ich mir heute erlaube, an diese verehrte Versamm-
lung einige "Worte zu richten, so geschieht es hauptsächlich,
um auf einen Zweig der Insektenkunde aufmerksam zu machen,
der bis jetzt in Württemberg nur lückenhaft durchforscht wurde
und literarisch kaum vertreten ist, nämlich auf die Kunde der
Kleinschmetterlinge und ihrer Lebensweise. Es erschien bis jetzt
in Württemberg ein einziges Werkchen von 1828, enumeratio
tortricum in regno Württembergico indigenarum, eine Disser-
tation von Dr. Fröhlich in Ellwangen, während in unsern Nach-
barländern Bayern, Baden, der Schweiz, Frankfurt, ebenso im
übrigen Deutschland, Frankreich und England zahlreiche Forscher
dieses Gebiet mit Vorliebe betreiben und literarisch bereichern.
In all diesen Schriften, Monographien und kleineren Aufsätzen
erscheint aber unser Land als eine undurchforschte Insel, über
deren Reichthum oder Armuth an diesen Thieren Niemand Aus-
kunft giebt, als obiges Schriftchen über die einzige Abtheilung
der Wickler. Zwar hat die Beobachtung der Grossschmetterlinge
durch den Reiz ihrer Farbenpracht, die Mannigfaltigkeit in Form
und Zeichnung und die merkwürdigen Verwandlungen von jeher
Sammler und Liebhaber angezogen, die mit der Zeit oft ausge-
zeichnete Forscher wurden, aber es ist gewiss viel lohnender,
im Gebiete des Kleinen die Natur zu verfolgen, wo die Mannig-
faltigkeit in Form, Bau, Lebensweise, Auftreten und Vorkommen
viel grösser, anziehender, und der Beobachtung neuer und un-
- 40 -
bekannter Dinge ein viel grösserer Spielraum gegeben ist. Die
forracnreiche und -wechselvolle "Welt dieser kleinen Thiere bietet
dem Foi-scher eine unendliche Quelle von Freuden, und die
unausbleiblichen Täuschungen und misslungenen Versuche bei
der Erziehung derselben aus den Larven sind nur ein neuer
Sporn zur Thcätigkeit und eine neue Quelle der Erfahrung. So
erhält man z. B. bei der Erziehung aus Raupen eine Menge
von Parasiten, besonders Ichneumonen und Pteromalinen, um
deren Erforschung in den einheimischen Arten neben den übrigen
Insectenklassen sich unser hochverehrtes Vereinsmitglied, der
verstorbene Staatsrath v. Roser grosse Verdienste erworben hat.
Wenn ich auf die Anregung eines der tüchtigsten Entomo-
logen Deutschlands, des kürzlich verstorbenen Senators v. Heyden
in Frankfurt a. M., dem ich für Mittheilung und Bestimmung
von Insecten und schriftliche Berathung vielen Dank schuldig
bin, seit etwa 5 Jahren mit dem Studium der Kleinschmetterlinge
mich beschäftigt und vieles Erfreuliche dabei erlebt und manches
Interessante beobachtet habe, so fühle ich doch, dass bei dem
beschränkten Raum, der mir zu durchforschen möglich ist, und
bei der beschränkten Zeit neben einer ärztlichen Praxis, eine
anderweitige Hülfe auf anderen Formationen und Florengebieten
"Württembergs, insbesondere auf der Alb, dem Schwarzwald und
den Torfgebieten des Oberlandes unumgänglich uothwendig ist, um
für die Herausgabe einer württembergischen Fauna oder früher
noch eines halbwegs vollständigen Verzeichnisses dieser Thiere
in den Jahresheften das nothwendige Material zu bekommen.
Desshalb richte ich an Insectensammler überhaupt, und besonders
an solche, die sich bis jetzt mit den Grossschmetterlingen abgegeben
haben, die freundliche Bitte, mich durch fleissiges Sammeln und
Beobachten und Mittheilung des Beobachteten in der Erweiterung
dieser Studien unterstützen zu wollen. Ich werde gerne bereit
sein, die gefundenen und mir zugeschickten Arten zu bestimmen.
Vielleicht gelingt es mir auch durch Vorzeigen einiger Proben
aus meiner Sammlung und Vorführung eines Bildes aus der
Lebensweise dieser Thiere die Liebe zur Beschäftigung damit
bei Einigen von Ihnen anzuregen.
— 41 —
Ich wähle hiezu die in den verscliiedenen Faniilien vor-
kommenden und mit der Kleinheit der Formen immer zahh-eicher
werdenden BJattminirer^ deren Beobachtung ich vor allen anderen
meine Aufmerksamkeit gewidmet habe.
Unter Blattminirern versteht man diejenigen Larven, welche
zwischen Epidermis und Hypodermis der Blätter leben, und das
Pareuchym des Blattes verzehren, ohne das Blatthäutchen selbst
wesentlich zu verletzen. Diese Lebensweise führen viele Larven
aus den Klassen der Hymenopteren, Dipteren, Coleopteren und
Lepidopteren, so dass der Sammler manchmal, wo die Larve
nicht näher untersucht werden konnte , zu seinem Verdrusse
einen Käfer oder eine Sägwespe statt eines Falters erzieht.
Zunächst interessiren uns nur die minirenden Larven der Falter.
Unter den Grossfaltern werden wohl kaum einzelne Beispiele *)
von dieser Art der Lebensweise vorliegen; unter den Wicklern
und Zünslern finden sie sich nur selten und ausnahmsweise,
dagegen häufig unter den Tiueenraupen; und zwar auch hier
um so häufiger, je kleiner die Dimensionen der Thiere werden.
Da finden wir nun solche, welche blos in der ersten Zeit des
Larvenlebens diese Gewohnheit haben, und später frei leben;
dahin gehören die Arten der Gattungen Bucculatrix, Coleophora,
ein Theil der Gradlarien und manche andere kleinere Gattungen
oder vereinzelte Species. Die Arten der Gattung Bucculatrix,
Ton denen ich bis jetzt 6 in der Kochendorfer Gegend gefunden
habe, sind sehr kleine zierliche mit dichtem Haarbusch auf dem
Kopf versehene Schaben, deren Raupen bis zur ersten Häutung
kleine schmale, oft zierlich gewundene oder spiralfömige Gänge
unter der Epidermis machen, zur ersten Häutung, die wie die
folgenden unter einem flachen Cocon (meist in der Gabel zweier
Blattnerven) vor sich geht, die Mine verlassen und nun frei auf
Ober- oder L^nterseite des Blattes leben. Das Yerlassen der
Mine geschieht, wie fast bei allen Minirern aus den verschie-
densten Klassen, durch eine halbkreisförmige Klappe, welche
*) Die Raupen der bei uns lebenden Atychia globulariae und
staticis leben minirend in den Blättern der Centaurea scabiosa.
_ 42 -
durch (las Herausbeissen einer äusserst schmalen halbkreisförmi-
gen Spalte aus dem Blatthäutchen entsteht. Nachdem die Buc-
cw^afm'- Raupen die Mine verlassen haben, fressen sie kleine
rundliche oder eckige Flecken in der Art aus dem Blatt
heraus, dass sie von oben fressend das Blatthäutchen der
Unterseite verschonen, oder umgekehrt ; die ausgefressene Lücke
des Blatts bleibt auf diese Weise von einer trommelartig aus-
gespannten, durchscheinenden Haut geschlossen. Ganz anders
fällt die Lebensweise der Coleophoren aus, die eine sehr streng
abgeschiedene Gruppe der Microlepidopteren bilden, und sich
unter anderem dadurch auszeichnen , dass das entwickelte Insect
in der Kühe die Fühler in einem sanften Bogen nach vorne
ausgestreckt trägt, welche Fühlerlage nur noch die sonst sehr
verschiedenen Plutelliden mit ihnen theilen. Die Coleophoren-
raupen, nachdem sie zuerst auch in flachen kleinen Minen gelebt
haben, verfertigen sich bald aus Stücken des Blatts, das sie
bewohnen, und aus ihrem Gespinnste einen Sack von sehr ver-
schiedener Form und Farbe, oft mit wunderlichen Anhängen
bekleidet. In diesem Sack stecken die Raupen, verlängern und
vergrössern ihn mit dem Wachsthum nach Bedürfniss, und
strecken beim Gehen nur den Kopf und die 4 ersten Leibesringe
mit den ersten 3 Fusspaaren heraus. Sie haben dabei die Ge-
wohnheit des Minirens nicht verloren, sondern pflegen die ge-
wöhnlich kreisrunde Oeffnung des Sacks auf die Ober- oder
Unterseite eines Blatts durch Gespinnst zu befestigen, und fressen
nun, ein entsprechend rundes Stück des Blatthäutchens ganz
verzehrend oder zur Vergrösserung ihres Sacks benützend, zwi-
schen beiden Blatthäutchen rings um den Anheftungspunkt des
Sacks herum das Parenchym vollständig auf. Sie kriechen dabei
aus ihrem Sack so weit heraus, dass sie nur noch mit dem
Afterring den Eingang zum Sack berühren, und ziehen sich,
wenn sie gestört werden oder das Blatt unsanft bewegt wird,
Bchnell in den Sack zurück. Ist die Umgebung des ersten An-
heftungspunktes auf diese Art abgeweidet, so schneiden sie die
Mündung des Sacks wieder los, wobei er wohl auch ein wenig
verlängert wird, suchen eine andere passende Stelle aus, und
— 43 —
treiben ihr seltsames Aushöhlungsgeschäft weiter. Der verlassene
Fleck stellt sich dann regelmässig als ein heller, durchscheinen-
der, oft weisser oder brauner Fleck des Blattes dar, der bei
genauer Betrachtung nur aus den beiden durch Luft getrennten
Blatthäutchen besteht, von denen eines ein centrales oder
wenig excentrisches kreisrundes Loch besitzt. Nie ist diese
Höhle mit Excrementen verunreinigt, indem diese von der
Raupe durch das klappenartige Afterende des Sacks nach aussen
entleert werden. Es geschieht dies schon in ihrem Jugendzustand,
solange sie noch keinen Sack hat, durch eine besondere Oeffnung
im Blatthäutchen, die dann später die Mundöffnung des zu
fertigenden Sackes bildet. Von den Coleophoren mit ihren
zahlreichen Arten habe ich in unserer Gegend bis jetzt gegen
20 Arten aufgefunden.
Auch die Gradlarien, eine andere Sippe, miniren vollständig
nur in ihrer ersten Lebenszeit. Schon der Name, den die zu
dieser Familie gehörigen Schaben besitzen, zeigt uns, dass wir
es mit einem besonders zierlich gebauten Theil der Microlepi-
dopteren zu thun haben. Die Haltung in der Ruhe, wobei das
Hinterende der dachförmig zusammengelegten Flügel den Boden
berührt, während der Kopf und die Brust auf den hochaufge-
richteten 2 vorderen Fusspaaren ruhen, die langen schmalen,
meist buntgefleckten Flügel mit stark befranztem Afterwinkel,
die zierlichen, oft buntscheckigen Beine und die langen Fühler
verleihen diesen Thieren einen eigenthümlichen Schmuck. Ihre
Larven leben in der Jugendzeit in flachen, fleckenartigen , ganz
geschlossenen Minen, wobei sie netzig-grubige Lücken in das
Parenchym fressen. Später verlassen sie durch eine runde, aus
der Epidermis ausgenagte Oeffnung die Mine und begeben sich
an diesem oder einem andern Blatt an die Spitze oder den
Rand, und machen sich da sonderbare "Wohnungen zurecht.
Die einen biegen blos den Blattrand um und heften ihn dann
mit ihren gesponnenen Fäden an der Blattfläche an, und in der
so gebildeten halbmondförmigen Höhle fressen sie das Parenchym
mit Schonung der äusseren Epidermis. Auch die Excremente
bleiben in der gleichen Höhle, meist in einer geraden schmalen
— 44 —
Linie angehäuft. Ist die erste Höhle ausgeweidet, so machen
sie an einer andern Stelle desselben oder eines andern Blatts
eine zweite, wohl auch dritte, und fressen nie frei an der Ober-
fläche des Blatts. Andere Arten machen sich zierliche Duten
aus einem Theil des Blatts, die sie, wenn die Innenseite aus-
gefressen ist, ebenfalls verlassen, um eine grössere anzulegen
und endlich in einem glatten ovalen Cocon sich einzupuppen
(an einem dürren Blatt, zwischen Baumritzen etc.). Eine Art,
die an Liguster lebt, verpuppt sich regelmässig in der Dute,
und eine andere verbleibt bis zur Einpuppung in der ursprüng-
lichen Mine. Die Larven der Gracilaria syringeUa leben in
ihrer Jugend gesellig in einer Mine des Blatts, und machen
nachher auch gesellig durch Einbiegen und Aufrollen der Blatt-
spitze eine gemeinschaftliche papierrollenartige Wohnung. Von
dieser Familie erzog ich hier 18 verschiedene Arten.
Lassen Sie uns nun einige Minirraupen betrachten, welche
bis zur Verpuppungszeit oder bis zum Auskriechen des Schmet-
terlings in Minen wohnen. Die grösseren davon, wie Grapholitha
nanana und comitana, die an Fichtennadeln, Acrolepia pyg-
maeana, die an Solanum dulcamara, Atemelia iorquatella, die
an Birken, Gelechia hermannella und naeviferella , die an
Chenopodien miniren, und viele andere, bewohnen eine Mine
nur eine Zeitlang, um später in demselben oder einem anderen
Blatte eine neue mit fortschreitendem Wachsthum der Raupe
auch grösser ausfallende Mine anzulegen. Die vollkommenen
Minirer der kleineren Gattungen LithocoUctis, Nepticula, Ti-
scheria, Lyonetia etc. pflegen nur eine einzige Mine zu machen,
in welcher sie sich entweder verpuppen, oder welche sie erst
vor der Einpuppung verlassen. Das Leben innerhalb der Minen,
die Anlage und der Bau derselben, sowie ihre Form und Aus-
breitung am Blatt bietet vieles Bemerkenswerthe dar. Die meisten
dieser Thierchen lassen ihrcExcremente in der Mine stecken, andere,
wie Bcdellia, Tischeria etc. entleeren ihren Kotli durch eine eigene
zu diesem Zweck angelegte Oefi'nung in der Epidermis. Einige
miniren gesellig, wie Atemelia torquatello , Lyonetia prxmi-
foliella; erstere verfertigen sich, nachdem ein Blatt ausgehöhlt
- 45 -
ist, ein lockeres verworrenes Gespinnst bis zu einem andern
Blatt und bohren sich dann in dieses ein ; je grösser sie werden,
um so mehr zerstreut sich die Gesellschaft, so dass man im
Herbste öfters Einzelwohnuugen antrifft. Zur Zeit des Bl.ätter-
falls machen sich diese Raupen ein flaches rundes Cocon in der
Blattmine und überwintern in dieser geschützten Wohnung. Mit
der ersten Frühjahrwärme verlassen sie den Cocon, kriechen
an einem Strauch oder Halm in die Höhe und verpuppen sich
in einem dürftigen lockeren Gespinnst.
Sehr zahlreich ist das Heer der kleinen Minirer aus den Gat-
tungen Lithocolletis, Nepticula, Phyllocnistis, Tischeria, Lyonetia,
Cemiostoma, Flachist a etc. Die einen davon verlassen zur
Verpuppung ihre Mine, andere erst bei der Entwicklung des
Schmetterhngs. Die Tischerien machen in ihre flache, weit aus-
gebreitete Wohnung eine oder mehrere klappenartige Oeffnungen
zur Entleerung des Koths, und eine Art davon spinnt sich
ein dichtes seidenes uhrglasförmiges Dach im Centrum ihrer
Mine, gerade gross genug, um in zusammengebogener Stellung
darunter zu ruhen. Bei jeder Beunruhigung und unsanfter Be-
rührung des Blattes zieht sich die am Rande der Mine fressende
Raupe alsbald unter dieses Schutzdach zurück, wo sie wahi'-
scheinlich vor dem Stachel der schmarozenden Hymenopteren
sicherer ist. Von Tischerien fand ich um Kochendorf 4 Arten^
darunter die vor wenigen Jahren von Herrn v. Heinemann in
Braunschweig entdeckte Tischeria Heinemanni Staudinger.
Die Lithocolletis-Raupen machen flach ausgebreitete Minen
auf der Ober- oder Unterseite der Blätter von Bäumen und
Sträuchern (selten von Kräutern), wobei sie die losgetrennte Epi-
dermis mit zartem Gespinnst überspinnen, das dann durch Ver-
schrumpfen das Blatthäutchen zusammenzieht und das Blatt an
dieser Stelle zu einer erhabenen Falte zusammenbiegt. In die-
ser geräumigen Höhle häufen sie, um ihr übriges Haus reinlich
zu halten, ihre Excremente in einem besondern Klumpen auf,
und legen gegen das andere Ende der Mine^ wenn sie zur Ver-
puppung sich anschicken, ein mehr oder weniger vollständiges
Cocon an, von welchem aus beim Ausschlüpfen die Puppe ihre
— 46 -
Wohnung mit dem scharf zugespitzten Kopfende durchbricht.
Die leere Hülse bleibt nach der Entwicklung des Schmetterlings
in der Spalte stecken. Ich bekam bis jetzt durch Raupenzucht
in hiesiger Gegend 32 Spccies dieses Genus, welche Zahl mit
der Zeit vielleicht noch um 3 — 4 in hiesiger Gegend und um
5 — 8 für Württemberg überhaupt steigen könnte.
Andere Minirr aupen machen längliche oder ganz schmale
bandförmige Minen oder Gänge, indem sie das Parenchym des
Blatts nur nach einer Richtung so breit herausfressen, dass der
nachfolgende Körper bequem Platz in der Lücke findet. Die
Cemios^owia* Raupen erzeugen aber dennoch eine flache Mine,
indem sie in Spiralgängen fortfressen, so dass der äussere Gang
sich jedesmal an den zunächst liegenden inneren auschliesst,
wobei nur die Richtung der zurückgelassenen Kothstreifen den
ganzen Gang der Raupe während seiner Lebenszeit andeutet.
Einfache gewundene Gänge, oft in abenteuerlichen Formen, die
zum Theil auch durch die Richtung der Blattnerven bestimmt
sind, machen die Lyonetien, ElacMsten und Nepticulen; beson-
ders bei letzteren ist das Studium der Minirwohnungen anziehend,
da jede Art ihren besonderen Typus in der Anlegung der Gänge
und in der Ablagerung der Excremente in denselben einhält.
Die Reihen der letzteren bilden oft sehr zierliche Zeichnungen_,
wie z. B. Nepticula oxyacantliella ihre Excremente in Form
einer Reihe von Fächern, die sich wie concentrische Bögen folgen,
absondert; andere Arten setzen eine zusammenhängende Strasse
von Koth ab, welche wie ein schwarzer Faden die Mitte des
Minengangs durchzieht,, während die Ränder frei und durchschei-
nend bleiben. Die meisten Arten der hieher gehörigen Minir-
geschlechter verlassen zum Einpuppen ihre Mine, indem sie am
breiten Ende derselben in das Blatthäutchen einen feinen halb-
kreisförmigen Schnitt hincinbeissen, und sich dadurch eine ela-
stisch schliesscnde klappenförmigc Thüre anlegen. Die Nepticulen
verwandeln sich dann in zierlichen flachen ovalen Cocons am
Boden oder an Zweigen und Stämmen , zwischen Blättern etc. *),
*) Einzelne Nepticula-Arten verpuppen sieb innerhalb der Mino,
— 47 -
•während die Lyonetien ein nach Art einer Hängematte an vier
Fäden frei hängendes Gespinnst anfertigen, und die Elachisten,
welche nur an Gräsern miniren, eine an Form den Tagssclimet-
terlingspuppen ähnliche frei hängende Puppe haben. Yom Genus
Lyonetia und Phyllocnistis beobachtete ich in der Kochendorfer
Gegend bis jetzt je zwei, von Cemiostoma drei, von Elachista
vier Species. Yon letzterem zahlreichen Genus Hesse sich mit
der Zeit durch eifriges Suchen wohl eine namhafte Zahl Arten
in Württemberg auffinden; von Nepticula beobachtete ich drei-
unddreissig Arten.
Es liesse sich noch vieles über die Lebensweise der Minir-
raupen anführen, ich begnüge mich aber damit, noch über die
Eier derselben eine Beobachtung beizusetzen^ da ich über diesen
Punkt in der Literatur nichts auffinden konnte. Von allen mi-
nirenden Schaben pflegen die Eier fest auf das Blatt an der
Stelle angeklebt zu werden, wo der Gang später seinen Anfang
nimmt. Die Stelle ist bei den in linienförmigen Gängen miniren-
den Arten leicht aufzufinden, da sie eben das dünnste Ende des
Ganges bildet; bei den in flachen Minen lebenden Arten muss
die ganze Fläche der Mine nach dem Ei untersucht werden.
Unter einer scharfen Loupe entdeckt man dann meistens ein
durchscheinendes rundes oder ovales uhrglasförmiges Bläschen
mit gefärbtem dickerem Rande, bald auf der Unter-, bald auf
der Oberseite des Blattes, nicht immer der Seite des Ganges
entsprechend, im Allgemeinen meist auf der Unterseite. Dieses
hohle seifenblasenartige durchsichtige Bläschen ist aber offenbar
nicht die entleerte Eihülle, sondern ein erhärteter Klebstoff, der
beim Legen des Eies dasselbe umgibt und fest an das Blatt an-
Tiittet. Die Eihülle selbst wird ohne Zweifel, wie bei den Rau-
pen grösserer Schmetterlinge, nach dem Ausschlüpfen meist ver-
zehrt, und nur der erhärtete Kitt bleibt als die beschriebene
JBlase zurück. Eine ähnliche Bildung beobachtete ich einmal an
bei manchen erweitert sich der schmale Gang nach kurzem Verlauf zu
einer breiten Fläche. Derartige Abweichungen vom allgemeinen Typus
liess ich in obiger Skizze unberücksichtigt.
- 48 —
einem Ahornblatt, auf welchem ein aus halbdurchsichtigen zel-
lenartig aneinandergereihten Polygonen bestehender glasartiger
Fleck auf der Oberseite zu bemerken war. Ich nahm das Blatt
nach Haus, und nach einigen Tagen schlüpften gegen l'O Räup-
cheu aus den 5—6 eckigen glasigen Zellen aus, welche offenbar
die erhärteten Tröpfchen des die Eier umgebenden KlebestofFs
waren. Ich konnte leider die ßäupchen nicht am Leben erhal-
ten, vermuthe aber, dass sie der Gelechia scriptella angehörten,
deren Raupen ich an der Fundstelle der Eier öfters beobachtet
habe.
Wenn diese wenigen Proben aus dem Leben der Microle-
pidopterenlarven Ihnen gezeigt haben , welch reiches Feld der
Beobachtung diese Thierclasse darbietet, und wenn sich dadurch
einige unter Ihnen angeregt fühlen_, dieses Feld in der Gegend
Ihres Wohnortes zu cultiviren und zu einiger Vollständigkeit in
der Bearbiitung einer württembergischen Fauna der Microlepi-
doptereu Beiträge zu liefern^ so habe ich meinen Zweck erreicht.
lieber technische Yortheile bei der Zucht aus Raupen und
beim Aufspannen und Aufbewahren der vollendeten Insecten bin
ich den Einzelnen gerne Auskunft zu geben bereit, oder werde,
wenn es gewünscht wird_, meine Methode des Spannens in unse-
rer Zeitschrift ausführlich beschreiben.
II. Prof. Dr. Reusch in Tübingen sprach über singende
Flammen und zeigte Experimente in einer Glasröhre und lan-
gen Blechröhre.
III. Professor Dr. Oscar Fr aas hielt einen Vortrag über
die neuesten Erfunde an der Schüssen quelle bei Schussen-
r i e d. *)
(Hiezu Tafel II.)
*) Professor Fraas war unmittelbar von Scluissenried, wo Tags
zuvor dio Ausgrabungen boemligt wurden, zu der Versammlung gereist
und hielt den Vortrag unter dem unmittelbaren Eindruck der eben
vollendetL'U Arbeit. Nachstehendes wurde einige Wochen später nach
näherer Untersuchung der Funde niedergeschrieben und der Gegen-
stand ausführlicher behandelt.
— 49 -
Um über das Alter und die Urgeschichte des Menschenge-
schlechtes, diese brennende Frage so vieler wissenschaftlichen
Bestrebungen zu irgend einem Resultate zu kommen, haben
neuerdings Archäologen und Paläontologen im Bunde einen
wahren Wettlauf begonnen , bei dem sich das Ziel einer endgil-
tigen Lösung der Frage freilich in immer weitere Fernen hinaus- -
rückt. Man spricht bereits von Benthier-Menschen, Höhlenbär-
und Mammuth -Menschen, um unter diesen Namen diejenigen
Menschen zu begreifen, deren Reste mit Renthier, Höhlenbär
und Mammuth unzweifelhaft gleichzeitig in der Erde begraben
wurden. Wie wenig wir aber sonst über sie zu sagen wissen,
geht schon daraus hervor, dass wir sie nicht anders zu charak-
terisiren im Stande sind, als durch das Epitheton eines gleich-
zeitig gelebt habenden Thieres. Bei der grossen Seltenheit
derartiger Funde ist jeder sichere und zuverlässige Beitrag
von Werth und bedarf es keiner weiteren Worte, um dem Fund-
platz von Schussenried unter den bekannteren Fundplätzen Eu-
ropa's den ihm gebührenden Ehrenplatz einzuräumen. Der Werth
dieses Platzes wird in den Augen jedes Sachkenners dadurch
noch erhöht werden, dass er vom Anfang seiner Entdeckung
an bis zum Ende der Ausgrabung unter der streng controliren-
den Aufsicht von Mitgliedern unseres Vereines stund, dass fer-
ner sein ganzer Inhalt ausnahmslos in Eine Hand gelangte, kei-
nerlei Verschleuderungen, wie d-as sonst wohl so geht, an Samm-
ler und Liebhaber statt hatten und endlich die Durchwühlung
der Culturschichte durch die Hände zuverlässiger, mit derartigen
Arbeiten vertrauter Männer vorgenommen wurde. Der Leser
darf somit ein durchaus vollständiges Bild der Fundgrube er-
warten, vollständig — sofern Alles, was in derselben lag, zur
Untersuchung beigezogen werden konnte, vollständig ferner —
sofern die Grube ein für sich abgeschlossenes Ganzes bildete,
wenn sie auch, wie die Untersuchung zeigt, nur eine Art Ab-
fallgrube oder Kehrichthaufen war. Das Bild, das der Leser
gewinnen soll, wird ihm aus dem Sumpfe des Schussenweihers
eine Zeit und ein Klima vor Augen führen, die seither als geo-
logische Periode des sogenannten Diluviums oder der Eiszeit an-
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. Is Heft. 4
- 50 -
erkannt war, die aber jetzt in Folge der zahlreichen Spuren
von Menschenhänden in die Zeit der Menschheit sich verlegt.
In erster Linie soll meine Aufgabe sein, ausführlich die
geognostischen Verhältnisse darzulegen, um allen und je-
den Zweifel abzuschneiden, als ob vielleicht die üeberreste älterer
vormenschlicher Zeiten sieh mit den Resten späterer Menschen-
zeit in Folge irgend eines zufälligen Naturereignisses oder gar
in Folge späterer Grabarbeiten mit einander vermengt haben
könnten. Glücklicherweise sind dort die natürlichen Lagerungs-
verhältnisse so deutlich und überzeugend, dass keinem Menschen
mit gesunden Sinnen und vorurtheilsfreiem Blick derlei Gedanken
kommen können, wie denn auch ein jeder der zahlreichen Be-
sucher der Schussenquellen, die im Laufe des Herbstes 1866 da-
von Einsicht nahmen, durch einfache Anschauung der überlagern-
den Schichten die feste Ueberzeugung mitnahm , hier eine voll-
kommen klare, ruhige, durchaus ungestörte und ursprüngliche
Ablagerung vor sich zu haben.
Die Fundgrube an der Schussenquelle versetzt uns an die
grosse europäische Wasserscheide, die sich von der Adel-
egg her auf wunderlichen Wegen durch das oberschwäbische
Flachland der Moore und Riede hindurchschlängelt, um die
Quellen der Donau zu umgehen und dann vom Schwarzwalde
her den Nordrand der Alb zu gewinnen. 20 Minuten nördlich
der früheren Prämonstratenser -Abtei Schussenried und 30 Mi-
nuten vom Bahnhof entfernt, entspringt die Schüssen, die in
raschem Lauf über Ravensburg (1483') in südlicher Richtung
dem Bodensee (1370') zueilt, den sie nach gerade 11 stündigem
Laufe erreicht. Das Niveau, in welchem noch vorigen Jahres
die Schüssen entsprang, war 2011,5 württemb. Fuss ü. d. M.,
ein Niveau, das durch künstliche Stauung der Quelle in einem
kleinen Weiher um sieben Fuss höher gestellt werden konnte^
nehmlich auf 2018,2 Fuss. Der Weiher — der unter dem
Namen des oberen Schusscnweilicrs lauft — stammt aus den
Zeiten des Klosters und ward, wie noch die Sage geht, zum
Zwecke der Forellenzucht von den Mönchen angelegt, wie denn
auch heutzutage noch die obere Schüssen ein Forellenbach ist.
- 51 —
Der Schussenweiher liegt im Hintergrnnd eines gegen 40' hohen
amphitheatralisch die Quelle umschliessenden Kiesrückens, der sich
flach gegen Norden hin abdacht und mit seiner Höhe die Was-
serscheide zwischen Eiss und Schüssen bildet. Nördlich dieser
Wasserscheide und zwar kaum über tausend Schritte von dem
Abfall des Kiesrückens zur Schussenquelle entfernt beginnt die
grosse Moor- und Torffläche, die sich vom Steinhauser Ried zum
Federsee hinzieht. Das Grundwasser dieser Moorfläche, zugleich
der Wasserspiegel des im Centrum der Moore liegenden Feder-
sees stellt sich auf 2010 w. Fuss. Die unbedeutende Difi'erenz
von 15 Zoll, um welche die Schussenquelle höher angenommen
wurde, als der Federsee, hat ihren Grund darin, dass bei der
ersteren der Lattenaufsatz auf der Oberfläche der Abzugsdohle
als Weihersohle angenommen wurde. Es wird daher von einer
Differenz des Wasserniveaus auf beiden Seiten der Wasserscheide
ganz abgesehen werden können, und darf man sagen, dass die
Quellbassins für Riss und Donau, wie für Schüssen und Rhein
sich im Lauf der Zeit vollständig in's Niveau gesetzt hatten.
Solches ist auch a priori kaum anders denkbar, da das Gebirge,
das beide Quellgebiete trennt, aus durchlassendem Kies und Sand
besteht und eine Höherstellung des Wassers auf der einen oder
andern Seite nicht dulden würde. So waren die natürlichen hy-
drographischen Verhältnisse bis zum Jahr 1856, da die K. Fi-
nanzverwaltung die Entwässerung des Steinhauser Riedes be-
schloss, um den Torf zu gewinnen und die Locomotiven der
Südbahn mit Brennmaterial zu versorgen. Zu dem Ende wur-
den 2 Hauptgräben gezogen; der Riedschachengraben , der das
Moor gegen Norden und der äussere Riedgraben, der es gegen
Süden begrenzt. Rechtwinklich auf diese Abzugscanäle führen
von der Mitte des Riedes aus die Gräben. Die beiden grossen
Abzugscanäle sind auf 12' Tiefe angelegt, der äussere Ried-
graben im reinen Kies, der Riedschachengraben zeigt über dem
Kies noch fein verwaschenen Kies mit Kalktuff gemengt und
einen schwachen Deckel von Torf. Beide Canäle vereinigen
sich bei der Pfahlnummer 11, auf die bei den nachfolgenden
Rechtsstreitigkeiten zwischen den Wasserberechtigten an der
— 52 -
Schüssen und der Königlichen Finanzverwaltung oftmals Bezug
genommen wurde. Die Pfahlnummer 11 ist -von der Schussen-
quelle gerade 5000 w. Fuss entfernt. Die Entwässerung des
Riedes ging vor sich, und floss das Riedwasser nunmehr in den
Federbach, in Riss und Donau ab. Aber nicht blos die
Riedwasser flössen ab, sondern, worauf die Wasserwerk-
besitzer an der Schüssen zum Voraus bedenklich aufmerksam
machten, auch die "Wasser der Schussenquelle. Zu An-
fang der 60er Jahre schon verloren der Müller von Schussenried
und das dortige Hüttenwerk sehr auffällig von ihrem seitheri-
gen Wasser, und nahm der Verlust von Jahr zu Jahr so zu,
dass der Müller schon im Begriff war, seine Mühle zu schliessen
und das K. Hüttenwerk, um den Ofen nicht kalt zu legen, sich
genöthigt sah, eine Dampfmaschine aufzustellen und die verlorene
Wasserkraft durch Dampfkraft zu ersetzen. Die Beschwerden
und Klagen des Müllers der K. Finanzverwaltung gegenüber
waren vergeblich, die Wasser wie es schien verloren, die Sache
des Müllers vom Hüttenwerk verlassen — aber trotzdem wagte
er noch einen letzten Versuch und zwar durch Selbsthülfc wieder
zu seinem Wasser zu kommen. „Kann mein Wasser", calculirte
der Müller viel vernünftiger als der Staatstechniker, „zu dir
hinüberfliessen, wenn du drüben 12 Fuss tief abgräbst, so kann wohl
auch dein Wasser zu mir herüberkommen, wenn ich hüben noch
tiefer abgrabe als blos 12 Fuss." Und siehe da, frisch gewagt war
halb gewonnen. Im Jahr 1865 fing Herr Käs von Schussenried
an, seinen Mühlgraben tiefer zu legen und das mögliche Gefäll
benützend der Schussenquelle immer näher zu rücken, die denn
auch im Laufe des Frühjahrs 18G6 glücklich unterfangen wurde
und um 14' 9" b'" tiefer gelegt werden konnte. Die Erwartun-
gen des Müllers wurden glänzend gerechtfertigt und der unter-
nehmende Mann für seine bedeutenden Ausgaben, die er an das
Werk rückte, reichlich belohnt: mehr als jemals früher fliesst
jetzt der Mühle Wasser zu, denn nicht blos kehrten die ab-
trünnig gewordenen Schusseuwasser wieder zu ihrer Pflicht zu-
rück, gegen den Rhein hin zu fliessen, sondern zeigten auch
einem Theil der Riedwasserquellen den neuen Weg. Durch
- 53 -
den äusseren Riedgraben aber fliesst nahezu gar kein "Wasser
mehr ab.
Die Tieferlegung der Schussenquelle ward durch einen meh-
rere 100' langen und bis zu 19' tiefen Graben zu Stande ge-
bracht, der in gerader Linie den früheren unteren Schussenweiher
durchschneidet, anfangs durch Moorgrund und TufFsand führt,
hernach aber im glacialen Kies einschneidet und auf die frühere
Ablassdohle des obern Schussenweihers losgeht. Es rinnt hier
von allen Seiten das "Wasser aus dem angeschnittenen Kies in
den Graben, in besonderer Stärke aber am Ende des Grabens
aus dem Kiesrücken der "Wasserscheide. Die Quellen, die sich
früher 15' hoch durch den Kies heraufdrücken mussten, fanden
jetzt Luft und ergossen sich in reichlicher Fülle. Durch diese
erfreulichen Resultate aufgemuntert zog nunmehr Herr Käs
rechtwinklich auf den Kanal einen weitereren Graben von der
gleichen Tiefe durch den Grund des oberen Schussenweihers.
Bei diesem Zuleitungsgraben ging der Kies nach einigen Ruthen
Ächon aus, man fuhr in Tuff und Torf ein und gelangte unter
demselben auf einen schwarzblauen zähen Schlamm, auf eine,
wie sich bald herausstellte, sog. Cultur schichte, eine 4 — 5'
mächtige Ablagerung, die aus zahlreichen Knochen und Kno-
chenresten, Geweihstücken, bearbeiteten Beinwerkzeugen, Feuer-
stein-Messern und anderen Spuren menschlicher Cultur bestund,
sammt und sonders eingebettet in wohlerhaltenes Moos, das
mit "Wasser getränkt, sicherlich seit den Zeiten seines "Wachs-
thums nie trocken gelegt war, und mit seiner "Wasserfülle zur
Erhaltung der organischen Reste beitrug. Ohne Verzug nahm
sich nun der Funde Herr Apotheker "Valet von Schussenried an und
sandte im Laufe des Sommers 1866 eine Kiste voll Geweihe
und Knochen dem Verein für vaterl. Naturkunde ein. So wur-
den die aus Anlass der Tieferlegung der Quelle zufällig gemach-
ten Funde durch Herrn Valet der "Wissenschaft gerettet und
Veranlassung gegeben, einige Zeit darauf zu Anfang und Ende
September eine Ausgrabung eigens für die genaueste Durch-
suchung der Culturschichte zu veranstalten. Die Ausgrabung
selbst nahm ich im Auftrag der Direction des K. Naturalienca-
-- 54 -
binets selbst in die Hand, unterstützt von Herrn Oberstudienrath
Hassler, dem Couservator für Landcsalterthümcr. Diess die hi-
storische Einleitung, absichtlich etwas ausführlich behandelt, da
die hydrographischen Verhältnisse an und für sich manches In-
teresse bieten mögen.
Figur I auf Tafel H gibt eine Ansicht dos Grabenschlitzes
in der Sohle des alten Weihers, dessen nunmehr trocken geleg-
ter Boden von dem gemeinen Schilfrohr (Phragmites communis
Trin.J dicht überdeckt ist. Die Ansicht zeigt zugleich das Ende
des Grabens, der am Berge resp. dem Kiesrücken der Wasser-
scheide angekommen ist. Auf der Sohle des Grabens brachen
starke Quellen aus. Ein lichtes 4 — 5' breites Band von Tuff-
sand zieht sich vom Tag anfangs flach und dann plötzlich steil
zui" Tiefe und hat sehr augenfällig im Liegenden Kies, im
Hangenden Torf. Das geognostische Profil in Figur H soll das
Bild weiter veranschaulichen. Zuoberst liegt in der gewöhnlichen
Mächtigkeit der Gegend der Torf, derselbe Torf, der südlich im
Bette des unteren Schussenweihers und im Mangenweiher den
Grund der Erdoberfläche bildet, im Osten gegen die Moore des
Olzreuter Sees sich hinzieht und gegen Norden über die weite
Fläche der Buchaue^ Moorgründe sich ausbreitet. Der Torf liegt
in der ganzen Gegend auf einem Art Tuffsand, auch Alm ge-
nannt, dem Kalkniederschlag aus den kalkhaltigen Wassern,
gemengt mit dem fein verschwemmten Detritus des Kieses. Torf
und Tuff liegt sofort auf dem Kies. Auf unserem Profil wird
zugleich das Anlehnen des Torfes an den Kiesrücken der Was-
serscheidesichtbar, der über die ganzeFläche des Torfes hervorragt.
Den Torf, über den weiter Nichts zu bemerken ist, unter-
teuft ein 4 — 5' mächtiges Lager von Kalktuff, der nur an Einer
Stelle, da reichlicher Wasser quillt, sich zu festerem Tuff erhär-
tet hat, sonst aber aus feinem, schwimmenden Sande besteht.
Dieser Tuffsand ist bald blendend weiss, aus reinem kolilensaxi-
ren Kalk bestehend, bald zeigt er einen Stich ins Üokorgolbo
und ist an vielen Stellen durch Schmitzen von Eisenoxydhydrat
braun marmorirt. Er unterscheidet sich in keiner Weise von
anderweitigen Tuffbildungen, die heute sich an Gehängen nie-
- 55 -
derschlagen, wo kalkhaltige Wasser rieseln, und ist das unver-
kennbare Produkt derselben Wasserquellen, die dem Kiesrücken ent-
springen und zur Schussenquelle sich vereinigen. Durch Schlem-
men und Trocknen des Sandes lassen sich mehrere Arten von
Landschnecken sammeln, welche den Tuff in das Alter des Lehms
und anderer sogen, diluvialer Gebilde stellen.
Helix pulchella Drajy.
„ hispida Linn.
Achatina lubrica Merk.
Clausilia obtusa Pf.
Pupa muscorum Nils.
PiskUum fontinale Pf. sind die gleichen Arten, die wir
aus den Tuffen und Lehmen am Sulzerrain bei Cannstatt besitzen.
Tom Tuffe scharf getrennt liegt eine dunkelbraune Moos-
schiehte mit einem Stich ins Grüne, die auf der östlichen
(rechten) Seite des Profils über dem Tuff, auf der westlichen
(linken) Seite unterhalb der Tuffbank sich hinzieht , und durch
die vortreffliche Erhaltung des Mooses überrascht, das so gut
■wie ein lebendes noch eingelegt, getrocknet und bestimmt werden
kann. Die genauere Untersuchung dieser für die richtige An-
schauung von dem früheren ' Clima höchst wichtigen Pflanzen
verdanken wir der Gefcälligkeit des Herrn Professors Schimper
in Strassburg, des ersten Mooskenners unserer Zeit. Er fand
durchweg nordische oder hochalpine Formen, ein Re-
sultat , das auf die erfreulichste Weise zu der Thierwelt stimmt,
die wir aus den Knochenresten kennen lernen werden. Zu oberst
liegen dichte Rasenbänke von 6 Fuss Mächtigkeit, die sich vom
tiefsten Grund der Schussenquelle zu beiden Seiten hinanziehen,
es ist Hypnum sarmentosum Wahlenberg. Wahlenberg brachte
diess Moos erstmals von Lappland mit, Schimper fand es in
Norwegen bei Sneehättan, auf der Alpe Dovrefjeld an der
Grenze des ewigen Schnees. Auch auf den höchsten Bergen
der Sudeten und der Tyroler Alpen (Rosskogel) findet es sich,
dessgleichen wächst es in Grönland, Labrador und Canada,
Laut besondrer brieflicher Mittheilung Schimpers steigt diess
Moos nur auf Spitzbergen, Labrador und Grönland in die Tiefe,
- 56 -
sonst aber ist sein Standort in den Hochalpen au der Schnee-
gränze. Am Sneeliättan fand er es in den Tümpeln , in welche
das Schneewasser mit seinem feinen Sande abläuft, ganze Strecken
überziehend. Diese Hypnum-Art beweist am allermeisten die niedere
Temperatur und die Nähe von Eis und Schnee an dem Orte,
wo es gewachsen. Die Culturschichte ist vielfach von handhohen
Moosbänken durchzogen, die namentlich im Liegenden derselben
den Kies überziehen. DasMoos ist ausser sar7nentosiim 1) Hypnum
adiincum Hedw. , eine schwierig zu entwirrende Art, die unter
einer Menge von Formen erscheint, welche von der Stammform
mehr oder minder abweichen. Unsere Form vergleicht Schimper
mit der Yarietät Ä'?i<'i/]^« groenlandicum. Andere Formen dieser
Art wachsen heutzutage in den Alpen der Schweiz und in den
sumpfigen Ebenen Norddeutschlands. 2) Hypnum fluitans var.
tenuissimum heute auf sumpfigen Wiesen innerhalb der Alpen
und im arktischen Amerika. Nur einzelne Moosschübel sind ohne
Schichtung hineingeworfen oder eingeklemmt zwischen Steinen,
als ob sie ausgediente Lagerstätten gewesen, die man beseitigt.
Das meiste Moos aber ist offenbar an Oi't und Stelle gewachsen
und von Sand, der von Regen- und Schneewasser hereingewaschen
wurde, überdeckt.
Moos und Sand füllen nehmlich in einer ^Mächtigkeit bis
zu 5 Fuss eine Vertiefung in dem Kies und bilden zusammen
mit dem Haufwerk von Knochen abgeschlachteter Thiere, hinein-
geworfener Steine und Artefakte, was wir unter dem Ausdruck
der Culturschichte begreifen. Der Sand, welcher die Hauptmasse
der Culturschichte ausmacht, ist ursprünglich der Detritus des
Kieses, fein geschlemmter Qnarz- und Glimmorsand, in welchem
sich durch die stete Befeuchtung mit kalkhaltigen Wassern
kohlensaurer Kalk in fein vertheilten Körnchen abgeschieden
und sozusagen einen Sinterüberzug über jedes einzelne Quarz-
korn gebildet hat. Die Farbe dieser Culturschichte ist die
eines frisch geschöpften Schlammes, blauschwarz bis grau, je
nachdem sie durch organische Stoffe geschwängert ist, deren
Stickstoffgehalt sich durch den Modergeruch hinlänglich ankündet.
Beim Trocknen lichtet sich die Farbe etwas und verbreitet die
— 57 -
Moosschichte, sobald man sie anbricht, jenen eigenthümlichen
veilchenartigen Geruch, wie ihn gewisse Flechten in so hohem
Grade an sich tragen. Am dunkelsten, ja geradezu schwarz fand
sich die unterste Lage der Culturschichte, etwa handhoch über dem
Kies, die geradezu ein alter Humusboden genannt werden kann.
Hier lagen in grösster Menge die scharfgeschlagenen Feuer-
steine, in Gestalt von Messern und Lanzenspitzen , und die ab-
gängigen Werkzeuge, wie Nadeln und Pfriemen u. s. w. Das
genaue Profil der Culturschichte war demnach von unten nach
oben:
1) hart auf dem Kies 0' 4" schwarzer, humöser Boden mit
zahlreichen Artefakten,
2) 0' 3" best erhaltene Moosbank vorherrschend Hypnum
gröiilandicum,
3) 4' Wechsel von Sand und Moos mit den Knochenresten
und Geweihen. Hauptlager,
4) 0' 3" torfartige Moosschichte,
5) 4' Tufflager mit Schnecken ohne Moos,
6) 6' moderiges, braungelbes Moos (vorherrschend H. sormen-
tosum) mit vereinzelten Knochen und Geweihresten,
7) der Torf.
Die Culturschichte füllt, wie das plötzliche Fallen der Lager
ebenso am Längenprofil Fig. H als am Querprofil Fig. III zeigt,
eine ursprüngliche Vertiefung im Kiese aus. Ob diese Ver-
tiefung eine natürliche, von den Wassern ausgespülte Grube war,
oder aber eine von Menschenhand gemachte, lassen wir dahin
gestellt. Ich würde mich bei der Wahl zwischen beiden An-
schauungen eher zu der letzteren hinneigen, da wir nach Aus-
hebung der Culturschichte noch einige Versuche da und dort
im Kiese anstellten und bis auf 1 und V/2 Fuss noch im Kiese
Knochen- und Culturreste fanden. Dieselben waren aber hier
so mürbe und bröckelig, dass weiteres Nachgraben sich durch-
aus nicht lohnen konnte. Man sah ganz deutlich, dass die vor-
treffliche Erhaltung der Reste mit dem Moos und Sand im
engsten Zusammenhang stund. Die Moosbänke gleichen Wasser-
getränkten Schwämmen, welche den ohnehin zur Wasserhaltung
- 58 -
geneigten Glimmersand ewig nass und ebendamit alles, was in
diesem Lager steckte, hermetisch von aller Luft abgeschlossen
hielt. Sobald aber Sand und Moos aufhörte, im Kies darunter
und im Tuff darüber, war's mit der Erhaltung aus und gingen
die organischen Reste zu Grunde. Ich konnte an einigen an
der Grenze der Moosschichte liegenden Geweihen diese Beobach-
tung genau machen. So weit die Geweihstange im Sand und
Moos Stack, war sie vortrefflich erhalten, sobald sie den Tuff oder
Kies berührte, war sie so mürbe und bröckelig, dass an keine
Erhaltung zu denken war. Eine der auffälligsten Erscheinungen
war der Fund einer starken, halbbearbeiteten Renthierstange, die
unter einem Gneisblock von vielleicht 5 — 6 Ctr. Gewicht lag.
Dieser erratische Block befand sich bereits in der Nähe des Aus-
gehenden der Grube, stund etwas aus dem Kiese hervor und kam
erst am Ende der Grabarbeiten allmählich zu Tage, nachdem
über ihm und um ihn herum der Sand und feine Kies abgegraben
w^ar. Er wurde, ohne besondere Absicht ausgehoben, da er zu-
fällig einem Wasserlauf im Wege stund, anfangs der Anstrengung
der Arbeiter spottend, wich er doch endlich mittelst Hebeisen und
Pickel und siehe da — ein Instrument aus Renthierhorn kam, ob
auch in 2 Stücke gebrochen, unter demselben zum Vorschein. Diese
Beobachtung legte den Gedanken an alte Menschenarbeiten an
diesem Orte nahe. Der Gneisblock war offenbar zu schwer,
um ohne ordentliches Handw^erkzeug aus der Grube geschafft
zu werden. Er wurde in seinem Lager verrückt, kippte wohl
auch um und begrub eines jener embryonalen Werkzeuge aus
Renthiergeweih, das möglicher Weise während des Versuchs, den
Stein herauszuschaffen, als Hebel gedient hatte und dabei ent-
zweigebrochen war. Ebenso machte auch das Ausgehende der
beiläufig 13 Quadratruthen haltenden Culturschichte an förm-
lichen Wänden von Kies, wie das Querprofil Nro. IV zeigt,
weniger den Eindruck einer von Natur gemachten Vertiefung,
etw'a eines Art Trichters im erratischen Kies, wie solche nach
Freund Desors gefälliger Mittheilung am Gebiet der Gletscher-
ablagerungen sich finden, als vielmehr einer von Menschenhand
gegrabenen Grube. Die genannte Figur stellt den Fundplatz
- 59 -
nach der Ausgrabung dar, darauf die ganze Culturscliichte ver-
schwunden ist und nur der Kies und darüber liegende TufF
übrig geblieben sind.
Hienach stelle ich mir unsere Culturschichte vor als eine
neben einer menschlichen Wohnung gelegene Grube, in welcher
die Abfälle der Küche ebenso, als die des täglichen Lebens,
kurz Alles, was etwa der „waltenden Hausfrau" störend fm
Wege lag, einfach beseitigt wurde. Diess ist mit wenigen
Worten der Endeindruck, den ich nach lOtägigem Aufenthalt
an der Schussenquelle und der gewissenhaftesten, gründlichen
Beobachtung davongetragen habe. Von einer natürlichen Ab-
lagerung dui'ch Wasser — wie es sonst wohl der Geognost
aus seinen sedimentären Schichten gewohnt ist, kann entfernt
keine Kede sein, die Unregelmässigkeit des Bodens, die Art
der Anhäufung der Knochen, dazwischen liegende Kohlen und
Aschen, angebrannte und von Glanzruss geschwärzte Steinplatten
mitten in einer Lage schwarzen humösen Bodens, einige Hände
voll Sand und Schutt, dann wieder ein Arm voll Moos, dazwischen
abgebrochene Beinnadeln, Pfriemen mit ausgeschlitztem Oehr,
Feuerstein -Messer und Feuerstein -Knollen, an denen erstere
abgesplittert wurden und zu dem Allem fast jeder Knochen
gewaltsam beschädigt, die Schädel zerschlagen, die Zahnalveolen
der ßenkälber geöffnet, die Markröhreu aufgeklopft, die Geweihe
abgesägt — kurz aus jedem einzelnen Stücke ebenso, wie aus
der Lage aller Stücke zusammen blickt der Mensch und in Al-
lem verräth sich seine Hand.
Versuchen wir es, diesen Mensehen und seine Zeit zu bestim-
men nach den ob auch noch so kümmerlichen Resten, welche
nur darum in der Grube an der Schussenquelle unserem Jahr-
hundert erhalten blieben, weil sie, seit sie dort in die Grube
geworfen wurden, über welche die Quelle floss, unter Wasser
geblieben und so von der Berührung mit der Luft und der Zer-
setzung ferne gehalten worden sind. Weitaus an Menge
alle anderen Reste übertreffend, liegen die Reste des Ren-
thiers, Cervus tarandus, in der Culturschichte begraben, die
Reste von jedenfalls mehreren hundert Individuen. Die Zählung
- 60 ~
der Fundo Eines Arbeitstages ergab an llenthierresten folgen-
des Eesultat:
4 Scbädelstücke mit abgeschlagenen Gesiehtsknoclien und
abgesägten Geweihstumracln,
62 Bruchstücke von Schädeln mit abgeschlagenen Geweih-
stummeln,
22 rechte, 25 linke mehr minder vollständige abgeschlagene
Geweihstücke,
3 abgeworfene Stangen, gleichfalls verstümmelt,
16 Stück Atlas,
102 „ Halswirbel,
150 „ Brustwirbel,
64 „ Lendenwirbel,
20 „ Kreuzbeine,
15 „ Becken,
28 „ Schulterblätter,
4 „ Sterualknochen,
120 „ Rippen,
9 Oberarmkuochen, \
3 Unterarmknochen, f vollständig, daneben über 100
3 Oberschenkelknochen, l Stück zerschlagener Rohrbeine,
8 Unterschenkelknochen, j
10 Astragalus,
12 Fersenbeine,
15 Fuss- und Handwurzelknochen,
. 8 Fingerglieder.
Alles das lag bunt durcheinander und aufeinander, Knochen von
Knochen getrennt, dann und wann nur einige zusammengehörige
Wirbel vom Hals oder vom Ziemer noch beieinander oder einige
Fusswurzelknochen vereint. Es w^ar natürlich ein Leichtes , bei
der grossen Auswahl unter den Knochen ein Skelett des Ren-
thiers wieder herzustellen, das, ob auch viele Individuen ihre
Knochen dazu lieferten, doch ein Bild des Thieres wiedergibt,
das der Menge der Reste nach zu urtheilen dem Menschen das
wichtigste und werthvollste war. Das restituirte Skelett wäre
vollständig zu nennen, wenn nicht abgeschlagene Geweihsprossen
- 61 -
und das Fehlen der gleichfalls abgeschlagenen Gesichtsknochen
den Schädel entstellte, doch zeigt es die Gestalt imd Grosse
deutlich und zeigt namentlich die Yergleichung mit den Skelet-
ten lebender Thiere die vollkommene Uebereinstimmung mit
dem Renthier Grönlands, von welchem unsere zoologische Samm-
lung ein vollständiges Skelett nebst dem Balg und einzelne Schädel
und Geweihe besitzt. Auffallend ist, wie wenig Zähne oder gar
vollständige Gebisse in der Grube lagen : kaum ein Dutzend Ge-
bisse ausgewachsener Thiere und ein halbes Dutzend junger
Thiere mit Milchzähnen *) sind unter den Resten von 4 — 500
Individuen erhalten. Es scheint fast, dass die Zähne zu beson-
dern uns unbekannten Zwecken eine Verwendung fanden und
vielleicht als Schmuck an Riemen getragen wurden. Keinesfalls
erscheinen sie so werthlos wie die abgenagten Knochen, um
blos in den Kehricht geworfen zu werden, sonst wären sie uns
in ganz andern Mengen begegnet und hätten wir namentlich
nicht so viele Kieferfetzen ohne Zähne gefunden.
Ist der Mangel an Zähnen vom Een auffallend, so fällt an-
dererseits die grosse Menge für werthlos erachteter Geweihe auf.
Man wird wohl kaum irgendwo in Museen oder sonst einem Orte
unserer gemässigten Zone eine solche Menge Rengeweihe bei
einander sehen, als sie aus dem Loche am Schussenweiher her-
vorgezogen wurde, eine Menge, die zu den gefundenen Knochen,
geschweige denn zu den Zahngebissen in eigenthümlichem Miss-
verhältniss steht. Schädelstücke mit einfachen Höckern auf dem
Stirnbein gehörten den jüngsten Thieren an; zeigen doch die
frisch geborenen Thiere schon Erhabenheiten des Schädels,
*) Denjenigen, welche sich für das Zahnsystem des Renthiers in-
teressiren, zur Notiz, dass die Milchzähne in ganz auffallender Weise
die Form und Gestalt nicht der an ihre Stelle tretenden Praemolaren
an sich tragen, sondern die der ächten Molaren. Namentlich springt
diess an dem 3. untern Milchbackzahn in die Augen, der ein durch-
aus anderer ist an Grösse und Gestalt, al» der an seine Stelle nach«
wachsende dritte Vorbackenzahn. Ebenso sieht im Oberkiefer der
zweite und dritte Milchbackzahn mit seinen breiten Doppelfalten ganz
einem ächten Backenzahn gleich, nicht aber dem breiten einfaltigen
Vorbackenzahn.
- 62 -
•welche bis zum ersten Wechsel zu einfachen Stangen heran-
wachsen mit einfacher Gabelung am Ende der 0,34 Meter lan-
gen Stange. Solche Geweihe entsprächen denen der Spiesser.
Nacli diesen einfachen Stangen liegen andere vor uns mit Ei-
nem Seitensprossen, der unter einem merkwürdig stumpfen Winkel
von i50 — 160" von der einfach gegabelten Hauptstange abwächst.
Der hart über der Rose aus der Stange hervorwachsende Au-
gensprosse ist erst durch eine einfache Erhöhung angedeutet.
Die dritte Form sind Geweihe, an welchen ein einfacher Augen-
sprosse gleichfalls unter ganz stumpfem Winkel von der Haupt-
stange abgezweigt hat, der Seitensprosse hat sich indess einfach
gegabelt, und die früher einfach gegabelte Hauptsprosse weitere
Zinken erhalten. Die vierte Form zeigt eine fernere Ausbildung
des Geweihs, an welchem Augensprossen, Seitensprossen und
Kronensprossen in verschiedener Zahl nachwachsen, so dass wir
schliesslich die Augensprossen als breite aber dünnwandige Schau-
feln mit 3, 4 bis 10 kleinen Zinken, die Seitensprossen mit
4 — 6 Enden vor uns haben und an den Kronen immer neue
kühn geschwungene Gabelungen der am vorangehenden Holz
noch einfachen Sprossen erhalten. Ausserdem wachsen noch bei
alten Thieren an der Hauptstange zwischen der Krone und dem
Seitensprossen theilweise recht kräftige , wenn auch kurze Ne-
bensprossen. Mit dem vierten Holz ist nach den Beobachtun-
gen am lebenden Ren die Stange vollendet, d. h. es hatte
(cf. Cuvier, Tom. IV. Fig. 21) ein Renhirsch aus schwedisch Lapp-
land einen mit 5 Zinken versehenen Augensprossen, einen zwei-
zinkigen Soitensprossen und eine dreifache Gabelung der Krone,
während dasselbe Thier im zweiten Holz noch einfache Augen
und .Seitensprossen und nur zweifache Gabelung des Stangen-
endes zeigte. In der zoologischen Sammlung besitzen wir einen
Schädel aus Grönland (Barth 1845), von dem leider das Alter
des Thieres nicht angegeben ist, mit breiter mehrzinkiger Au-
gensprosse, zwcizinkiger Seitensprosse und doppelter Gabelung
von 4 Endzinken. Alles bisher über das Geweih Gesagte be-
zieht sich auf die Stangen der rechten Seite, und zwar den
Hirsch, an welchem sich die Augensprosse zur mächtigen Schau-
— 63 -
fei ausbildet, welche am Weibchen entweder fehlt oder nur
durch einfache Zinken vertreten ist. Die linken Staugen, die
vor uns liegen, gleichen in den ersten beiden Formen den rech-
ten, nun aber stellt sich die Verschiedenheit heraus. Im dritten
Holz noch ist der Augensprosse ein einfacher kurzer Zinken,
der Seitensprosse ist dagegen schon gegabelt und an der Haupt-
stange zeigt sich schon der charakteristische Nebensprosse, von
dem aus die starke Krümmung des Geweihs nach vorne imd
innen beginnt. Mit dem vierten Holz ist ein mehrzinkiger Au-
gensprosse zwar vorhanden, der sich aber nie zu der Schaufel
der rechten Seite ausbreitet, dagegen wird der Seitensprosse
stärker und mehrzinkiger und endlich bildet sich die Krone zu
handbreiter starker Schaufel aus, von der lange und gewaltige
Zinken, einfach anfangs und später gegabelt, abzweigen. In
welchem genaueren Zusammenhang das Alter des Thiers mit
der Form seines Holzes steht, ist unseres Wissens noch nicht
hinlänglich beobachtet. So viel weiss man jedoch, dass der
Hirsch nach der Brunftzeit im Monat October und November
abwirft, das Thier erst 30 Wochen später im Frühling, nachdem
es 1 — 2 Kälber gesetzt hat.
Da bekanntlich das Eenthier der einzige Hirsch ist, der
auch als Hausthier verwendet wird und den Völkern des Nor-
dens das wichtigste, unentbehrliche Zug-, Milch- und Schlachtthier
geworden ist und den ganzen Reichthum des Lappen, Samoje-
den und Tungusen bildet, und ausserdem als Thier der Freiheit
Gegenstand der Jagd ist, so liegt die Frage nahe, ob wohl un-
sere Funde Reste zahmer Heerden oder gejagter Thiere wären.
So viel wir wissen, gibt es am Skelett des Renthiers selber kei-
nerlei Merkmale, um das wilde oder gezähmte Thier zu erken-
nen. Der einzige Anhaltspunkt dürfte das Fehlen des Hundes
(s. unten) sein, der zum Einfangen der Thiere und zur Hütung
der Heerden nach allen Berichten aus den Polarländern ganz
unentbehrlich ist. Mit Rücksicht darauf möchten wir die Reste
aller an der Schüssen begrabenen Renthiere als von gejagten
Thieren abstammend betrachten. Möglich, dass gerade die
Menge derselben Jäger aus der Ferne anzogen und die fetten
— G4 -
Jagdgründe dieselben zur Ansiedlung an der Schüssen ein-
luden. ,
Von andern Hirschen keine Spur! So wenig heutzutage der
Edelhirsch je mit dem Renhirsch zusammenkommt, so wenig
fand sich damals derselbe vor. Wir haben an der Schüssen
offenbar ein viel reineres richtigeres Zeugniss, als die französi-
schen Höhlen es liefern, innerhalb deren viel eher eine Yermen-
gung älterer und späterer Zeiten denkbar ist. Ton dorther ci-
tiren die Autoren neben dem Ren noch den Edelhirsch und
Pyrenäenhirsch.
Nur von Einem "Wiederkäuer, und zwar nur von Einem
Individium eines solchen , nehmlich von einem kleinen Ochsen
fand sich ein Rest vor. Der Rest ist nicht aber einmal vom
Schädel oder Gebiss, sondern besteht in aufgeschlagenen Rohr-
beinen, beziehungsweise deren Enden, so dass begreiflich nichts
Bestimmteres über das Thier selbst gesagt werden kann.
Das einzige entschiedene Hausthier, das wir an der Schüs-
sen finden, ist das Pferd, achtes Equus caballus. Die gefun-
denen Skeletttheile weisen auf mehrere abgeschlachtete und ver-
speiste Individuen hin: auf mindestens drei alte Hengste und
ein sehr junges Füllen, Von Einem derselben ist der noch
vollständige Schädel erhalten, der aber durchaus nichts Eigen-
thümliches zeigt, höchstens etwa eine grossköpfige Race ankün-
digt, wie auch einzelne Röhrenknochen auf starken Knochenbau
hinweisen.
Nächst dem Ren legen wir den grössten Werth auf den
Fund eines Schädels mit eingeschlagener Stirne und abgehack-
tem Hinterhaupt von Gulo, dem Fiälfrass. An seinem hinteren
Backenzahn erkennt man das Geschlecht auf den ersten Blick.
Die Art anbelangend, übertrifft unser Exemplar den Gulo borealis,
den wir von Labrador besitzen, so auffallend, dass eine Ver-
gleichung mit einem grösseren Material höchst erwünscht wäre,
um daraus zu erkennen, ob vielleicht andere lebende Exemplare
dem unsrigen gleichkämen. Dessen Grösse stimmt dagegen auf
ein Haar mit dem Schädel von Gnlo spelaeus Gf., dessen Ori-
ginal in München liegt und von der Gailenreuther Höhle stammt.
- 65 —
"Wir besitzen von demselben einen Gypsabguss. Freilich wird
Ton verschiedenen Paläontologen die specifische Verschiedenheit
■von 6r. Spelaeus und borealis angezweifelt und beschränken auch
wir uns einfach auf die Constatirung des Geschlechtes, das unter
allen Umständen ein hochnordisches Clima ankündigt. Einwen-
den kann man nicht wohl, wie sich in geschichtlicher Zeit ein-
zelne Thiere nach Deutschland verirrt haben, könnte möglicher-
weise auch unser Gulo sich nur verirrt haben, denn es liegen
von 2 Thieren Reste vor uns : von einem zweiten viel jüngeren
aber eben so grossen Individium besitzen wir den Unterkieferast.
Die Zähne sind noch ganz frisch und ungebraucht, während
die tief abgenutzten Zähne des ersten Stückes auf ein Thier von
beträchtlichem Alter hinweisen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient ferner der Bär, ob sich
gleich nur zwei Unterkieferbruchstücke vorfanden, die als Reste
von Belang sich zur Vergleichung eignen können. Das eine
Stück ist eine rechte Unterkieferhälfte, die der Länge nach ge-
spalten ist, offenbar des Markes halber und einem jungen etwa
halbjährigen Thiere angehörte. Das Andere ist das Vorderende
eines Unterkiefers, in welchem die sechs Schneidezähne, zwei
Eckzähne, je ein Paar Lückenzähne und die vorderen Backen-
zähne noch inne stecken. Letztere und die Schneidezähne sind
bis auf die Wurzeln abgekaut und weisen auf ein uraltes Indi-
viduum hin. Am rechten Unterkieferast zeigt sich ein vernarb-
ter Bruch des Kiefers, der nach der Callusbildung zu schliessen,
schon geraume Zeit (Jahre lang nach der Ansicht eines medici-
nischen Freundes) vor dem Tode des Alten geschehen war. Der
linke Unterkieferast ist hinter dem dritten Backenzahn gewalt-
sam entzweigeschlagen, und doch gingen trotz diesen gewaltsamen
Manipulationen die beiden Unterkieferhälften an der Symphyse
nicht auseinander. Bloss der Grösse nach zu urtheilen, dürfte man
an Höhlenbär denken, von welchem uns zur Vergleichung das
reiche Material aus dem Hohlenstein vorliegt (gegen 400 Unter-
kiefer, Jahresh. XVIII. S. 170), allein ein Blick anf die 4 Lücken-
zähne, die den kurzen Raum von 38 Millim. zwischen demEck-
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1SG7. Is. Heft. 5
— 66 -
zahn und ersten Backenzahn ausfüllen, lässt allein schon den
Gedanken nicht mehr aufkommen, ebensowenig als Form und
Grösse des ersten wohlerhaltenen Backenzahns, der beim Höh-
lenbären neben der vorderen Hauptspitze auf der Innenseite zwei
kleine Hügel zeigt. Es bleibt somit nur Ursus arctos übrig,
dessen jetzt lebende Repräsentanten unser Schussenrieder jedoch
um ein Namhaftes an Grösse übertrifft. Leider ist uns kein
Material von Schädeln wilder nordischer Bären zur Vergleichung
bei der Hand. Die Schädel des Ursns arctos in unserer osteo-
logischen Sammlung sind sämmtlich Schädel von Menagerie-
bären. Ob der nordische braune Bär unsern Schussenrieder an
Grösse erreicht, oder gleichfalls kleiner bleibt, muss daher vor-
läufig dahin gestellt bleiben. Merkwürdig immerhin , dass eine
Vergleichung mit Ursus priscus Gf. gleichfalls aus den bairi-
schen Höhlen an Grösse unserem Exemplar ebenso entspricht,
als dessen Gulo spelaeus. Aber auch mit Ursus priscus ist es
ganz der gleiche Fall , dass mit vielem Recht die specifische
Verschiedenheit von Ursus arctos angezweifelt wird. Es fehlt
unsern Sammlungen noch viel zu sehr an Material von nordi-
schen Bären, die in der Freiheit alt geworden und nicht in
Menagerien verkümmert sind.
Zu der Familie der Hunde übergehend ist schon darauf
hingewiesen, dass der Haushund fehlt. Wir fanden nur Wolf
und Fuchs. Natürlich bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
dass der Hund in der Umgebung des Menschen war, dass aber
zufällig in unsere Grube kein Ueberrest desselben geworfen
worden ist. Bedenkt man jedoch, dass auch in Frankreich noch
nie die Spur eines Haushundes bei den Knochen der Rentliiere
gefunden wurde, bedenkt man ferner, wie selten Rütimeyer den
Hund in den Pfahlbauten der Schweiz fand, denselben zwischen
Jagdhund und Wachtelhund mitten inne stehenden Hund, den
wir im Torfe finden, also in jüngeren Zeiten als unsere Renzeit
es war, und endlich, wie der Pfahlbauer den Hund zu essen
so wenig verschmähte, als der Eskimo es verschmäht, abgängige
Thiere sich noch auf diese Weise nutzbar zu machen, so sind
— 67 -
wir doch aus dem vollständigen Fehlen von Hunderesten unter
unsern Küchenab fällen einigermassen berechtigt, das Fehlen des
Hundes zur Eenzeit als höchst wahrscheinlich anzusehen.
Yon dem Wolfe liegt vor uns der Unterkiefer eines sehr
alten, aber stattlichen Thiers, der vollständig zum Gebiss eines
grönländischen Wolfes unserer zoologischen Sammlung stimmt.
Unsere in Central-Europa geschossenen Wölfe sind kleiner. Um-
gekehrt ist es jedoch beim
Fuchs. Unser gemeiner Fuchs hat die stärkeren Eck- und
Reisszähne und namentlich einen breiteren hinteren Backenzahn.
Von ihm kann Canis Jagopus, der Eisfuchs, ohne Schwierig-
keit unterschieden werden. Die Gaumenläuge von der hinteren
Choaneumündung bis zum intermaxillare misst beim Eisfuchs
42 — 43 Millim., beim gemeinen Fuchs 55 Millim. Hiemit steht
in Zusammenhang, dass jeder einzelne Zahndes ersteren feiner und
kleiner, beim letzteren kräftiger und stärker wird. In der Länge des
Eckzahns sieht man den Unterschied zuerst (13 und 18 Millim.)
und in den Massverhältnissen der ächten Backenzähne, während
die 3 Yorbackenzähne nur wenig differiren, namentlich liegt ein
ganz auffälliger Unterschied in der Grösse des dritten und letz-
ten Backenzahns, der beim Eisfuchs 6 und 4 Millim. misst, am
gemeinen Fuchsgebiss aber 8 und 6 — 7 Millim.
In der Mitte zwischen diesen beiden Fuchsarten steht C.
fulvus nicht ganz von der Grösse des gemeinen Fuchses, aber
doch um etwas länger in der Schnautze. An Grösse der ein-
zelnen Zähne übertrifft er den Eisfuchs, sein letzter Backenzahn
misst 7 und 5 Millim.
Vom Eisfuchs wie vom Goldfuchs wurden zwei gewaltsam
abgeschlagene Gebisse gefunden, welche mit Exemplaren lebender
Thiere von Nain in Labrador (Dr. v. Barth 1856) vollständig
stimmen. Vom gemeinen Fuchs fand sich keine Spur.
Endlich fand sich noch von Vierfüsslern der Vorder- und
Hinterlauf eines Hasen, an denen bekanntlich nichts zu nagen
und zu beisscn ist. Wie fern es unser Hase Lepus Umidus oder
die nordische Art variahilis ist, muss natürlich dahingestellt
- 68 -
bleiben, da Niemand im Stande sein wird, aus dem Vorderarm
und Unterfuss eines Hasen dessen Art zu bestimmen.
Ausser den Resten von Säugethieren fanden sich noch Vögel,
Frösche und Fische. Der beachtenswertheste Vogel dürfte
der Singschwan sein, Cygnus musicus. Den Winter bringt er
an den Seen Griechenlands zu und in Nordafrika und zieht im
Frühling nordwärts, um im hohen Norden auf Spitzbergen und
Lappland zu brüten. Dem Isländer z. B. ist die Schwanenjagd
von hohem Werth, wegen des kostbaren Schwancnpelzes ebenso,
als der Schmackhaftigkeit des Fleisches junger Thiere. Von
diesem Schwan liegen eine Reihe unverwechselbarer Reste vor,
deren Zahl hinreichend den möglichen Einwand widerlegt, als
hätten die Thiere nur zufällig auf ihrer Wanderschaft sich ver-
irrt, vielmehr darf man wohl Oberschwaben als alten Brüteplatz
dieser Vögel ansehen, da man viel leichter den Thieren beikommen
konnte als auf ihrem Zuge. Weiter finden wir die Knochen
mehrerer Moorenten (Fuligula). Von unseren zwei Arten ist
die eine grösser als F. cristata, unsere Hauben- oder Reiherente,
die andere um Einiges kleiner. Die Mehrzahl unserer europäischen
Arten bewohnt den Norden der alten Welt und kommt nm-
während des Winters nach Deutschland bis zum Mittelmeer.
Reste weiterer kleiner Vögel sind zu unbedeutend und mangel-
haft, um Vieles darüber zu berichten.
Knöchlein von einem Frosch, die im Moose lagen, lassen
unentschieden, ob derselbe von der Tafel der Menschen kam
oder sonst wie verunglückte. Ihr Vorkommen reicht bekanntlich
innerhalb Europas von Lappland bis Sizilien. Endlich weisen
etliche Wirbel eines stattlichen Fisches darauf hin, dass unsere
alten Schussenauwohner sich recht wohl auf den Fischfang ver-
stunden und Fischlieisch zur Abwechslung mit Wildfleisch diente.
Den Fisch näher zu bestimmen gehört zur Unmöglichkeit, da
nicht mehr als nur einige Wirbelkörpcr vorliegen.
Hiemit ist der paläontologischc Charakter der Schussenstatiou
erschöpft. Vergleichen wir denselben mit den südfranzösischen
Stationen, so finden wir auf den ersten Blick an der Schüssen
den viel reineren hochnordischen Typus als imLangue-
- 69 -
doc. Yogt *) charakterisirt diesen als „so ziemlich festgestellt.
Mammuth und Nashorn höchst selten, die grossen Raubthiere
verschwunden und ersetzt durch den braunen Bcär, Serval, Wolf,
Luchs und Iltis. Bison und Ur, Edelhirsch, Pyrenäenhirsch, Reh
und Renthier finden sich zusammen mit Gemse und Steinbock.
Pferd und Esel, Wildschwein und Hase, Maulwurf und Feld-
maus fehlen nicht." Vorausgesetzt, dass wirklich auch die ver-
zeichneten Höhlenfunde Einer Zeit angehören und nicht erst
etwa später zu den Resten der nordischen Bewohner die Thiere
der gemässigten Zone ihre Beiträge in den Ablagerungen der
Höhle lieferten, hat sich zum Ren schon der Hirsch, das Reh,
das Schwein, der Esel, der Maulwurf und die Feldmaus gesellt,
von Raubthieren der Serval, Luchs und Iltis. Alle diese Thiere
fehlen an der Schüssen und sind statt ihrer der Vielfrass, der
Eisfuchs und Goldfuchs gefunden, neben Singschwan und Moor-
ente. Haben wir nun in dem Schussenrieder Kehrichthaufen
eine ob auch nur annähernde Repräsentation der Fauna, so darf
man getrost die Zeit der Schussenrieder über die der Langue-
docer hinausrücken, wenn man nicht annehmen will, dass der
climatische Unterschied zwischen beiden in ihrer geographischen
Breite zu suchen wäre. Freilich ist es immerhin misslich, posi-
tive Urtheile aufsustellen und Schlüsse zu ziehen, da alle Vorder-
sätze mehr oder minder unvollständig sind. Wir begnügen uns
daher, ohne auf Vergleiche mit andern Stationen uns einzulassen,
mit dem Resultat, das wohl Niemand umzustossen im Stande
ist, dass die paläontologischen Funde in Pflanzen- und Thierwelt
ein Clima beweisen, das heute unter dem 70. Grad n. Br. be-
ginnt oder aber in unsern Breiten an der Grenze des ewigen
Schnees und Eises herrscht. Die ausgehobene Schichte an der
Schussenquelle versetzt uns, um mit anderen Worten das Gleiche
zu sagen, in eine Zeit, da nur eine hochnordische Flora den
Boden deckte und nur hochnordische Thiere die oberschwäbische
Hochebene bevölkerten. Sie ist ein direkter Beweis für die seit
*) Ein Blick auf die Urzeiten des Menschengeschlechts. Archiv
für Anthropol, 1. Heft 1866.
- 70 -
Jahren schon aufgestellte Theorie der Schweizer Geologen, dass
vor unsern historischen Zeiten eine Periode der Gletscher und
des Eises unsere Breitengrade charakterisirt. In dieser Eis-
zeit lebte schon der Mensch.
Ob auch vom Skelette des Menschen kein Rest in der Grube
gefunden wurde, so mögen doch die Spuren seiner Hände einiges
Licht werfen auf diese ältesten bekannten Bew^ohner Schwabens.
Die zahlreichsten Spuren sind freilich höchst einfacher Art, in-
dem sie sich auf Stillung des Hungers durch Fleischmahlzeiten
beziehen. Die geöfFneten Markrühren und zerklopften Schädel
von Wild erzählen uns von der Thätigkeit des Menschen, um
Alles zu gewinnen, was nur irgend geniessbar wäre. Aber
ausserdem verewigte er sich durch Handarbeiten in Steinen und
Bein ausgeführt, auf die wir zur Vervollständigung des Bildes
noch kurz unsere Blicke zu richten haben.
Dass von Metallen auch nicht Eine Spur sich fand, wird
Jeder bei dem hohen Alter des Schüssen- Menschen eigentlich
selbstverständlich finden. Nicht nur, dass kein Metallrest zu
Tage kam, auch nicht im oxydirtesten Zustand, sondern dass
auch kein einziger Hieb auf einen Schädel oder Knochen des
verspeisten Wildes geführt, irgend einen scharfen Rand hinter-
lassen hätte, der auf ein metallenes Werkzeug schlicsscn liesse.
Die einzigen Werkzeuge waren Steine und zwar Feuersteine
zum Schneiden und gewöhnliche Feldsteine zum Zerklopfen der
Knochen: beiderlei lagen in grossei" Menge in der Culturschichte
zwischen Moos und Knochen im Schlamm und war jeder schon
in der Hand von Menschen, um zu diesem oder jenem Zweck
zu dienen.
Der zugerichteten Feuersteine lagen 600 Stücke und
darüber zerstreut herum, namentlich in der untersten Lage, die
wir die alte Humusdecke nannten. Sie waren von grösseren
Stücken abgesplittert, die als unbrauchbare Reste zahlreich her-
umlagen und in gar verschiedenen Grössen und Formen ge-
schlagen. Sämmtliche Feuersteinwerkzeuge sind mittelst einfa-
cher Schläge in flach muschligcm Bruch abgesplittert, von ge-
dängelten Rändern ist keine Spur, wie Vogt die Steiuwaffen der
— 71 —
Eenthierperiode schildert. Die verschiedenen Formen in Rubri-
ken gebracht, finden wir zwei Hauptformeu: lanzettförmige
und sägeblattförmige Steine, die ersteren mögen vorzugsweise
zur Jagd gedient haben als Pfeil- und Lanzenspitzen, die letz-
teren waren offenbar die Instrumente, um die Artefacte aus
Eenthierhorn und Knochen darzustellen. Kein einziger dieser
Feuersteine gleicht einem in Schwaben gefundenen: von einigen
wenigen könnte man sagen, sie entstammen vielleicht dem Jura
oder gewissen tertiären Lagern aus der Nähe der Bohnerze,
aber weitaus die grösste Zahl weist auf das Ausland, auf die
Feuersteine der Kreideformation. Die honiggelben Flintsteine
der italienischen Kreide fehlen zwar, dagegen erinnern rotlie
und rothbraune Jaspise an das Südtirol, die Mehrzahl der grau-
schwarzen und graublauen Steine aber an Frankreich oder an
Sachsen und Schlesien. Der Umstand, dass die Werkzeuge of-
fenbar an Ort und Stelle gemacht wurden, weist auf einen Be-
zug des Rohmaterials von weit entfernten Gegenden hin.
Die meisten der an Ort und Stelle aufgelesenen Feld-
steine, nehmlich der Rollkiesel und erratische Geschiebe lassen
den Zweck, dem sie dienten, errathen. In erster Linie fanden
sich nicht wenige Steine, Diorite, Quarzschiefer und Sandsteine,
recht ordentlich in der Gestalt von Hackmessern zugeschlagen.
Sie haben etwa die Grösse, Breite und Dicke einer Hand und
laufen in ein schmäleres Stück aus, das man als Griff des rohen
Hackbeils ansehen kann. Die Steine haben in der Hand ge-
schwungen einen solchen Zug, dass mit Leichtigkeit ein Schädel
und Rohrbein Zerklopft werden kann. In zweiter Linie fanden
sich zahlreiche sehr hübsch gerundete, mit Absicht aus dem
Gletscherkies zusammengelesene R ollstücke von Alpenkalk,
Diorit und ähnlichem festen Gestein von Faustgrösse und dar-
über. Ich ward beim ersten Anblick an ein indianisches Instru-
ment erinnert , das Freund Jules Marcou im Nebraskaland bei
einem Indianerstamme im Brauche fand, dem der Gebrauch des
Eisens noch fremd war. Es war ein ovaler über Faustgrosser
Kiesel, mit Riemen an das Ende eines Büffelschwanzes eingenäht,
der als wuchtiger Steinhammer die Dienste eines sogenannten
- 72 -
Cassetetes versah. Denkt man sich unsere Eollkiesel in Riemen
von Renthierhaut geschnürt, so kann man sie als Schleuder an-
sehen oder als Cassetete, jedenfalls, wenn von fertiger Hand ge-
schwungen, als eine nicht zu verachtende Waffe im Kampfe mit
den nordischen Raubthieren. Die dritte Form waren Schiefer-
und Sandsteinplatten vom Feuer geschwärzt. Die Kohlen- und
Aschenreste, die vielfach in der Grube zerstreut waren, beweisen
jedenfalls, dass gebratenes Fleisch in jener Zeit schon besser
schmeckte, als rohes Fleisch. Da nun aber auch nicht Ein
Scherben eines Thougefässes dort lag, auch nicht Ein Bruchstück
jener rohen, aus der Hand geformten und nur an der Sonne
getrockneten Schüsseln, die Jedem aus altgermanischen Nieder-
lassungen und Pfahlbauten wohl bekannt sind, so darf man doch
wohl den Schluss ziehen, dass überhaupt die Töpferei nicht ge-
kannt oder, wenn auch gekannt, nicht üblich war an der Schüssen.
Am vortrefflichsten Material von plastischem Thon und Quarz-
sand hätte es wahrlich nicht gefehlt, liegen doch in nächster
Nähe die grossen Lehmgruben, aus denen später die Bauten
der Abtei Schussenried entstunden, und die heute noch die Ziegel-
hütten der Gegend versehen.
Sicherlich aber wären, darüber wird Jeder mir Recht geben,
wenn Töpfergeschirre benützt worden waren, ebenso viele, ja
noch mehr Reste zerbrochener Gefässe und Schüsseln in den
Kehrichthaufen gerathen als importirte Feuersteine oder —
was die Stelle der Schüsseln und Pfiinuen vertrat, die flachen
Schieferstücke und Sandsteintafeln. Denn Brandspuren sind an
den flachen, abgeschieferten Steinen noch so wohl erhalten, dess-
gleichen an stärkeren flachen Steinen sichtbar, die offenbar als
Heerdsteine fungirten, dass darüber mir kein Zweifel mehr
ist. Es erinnerte mich an die primitiven Feuerstellen , die sich
der Beduine der arabischen Wüste des Abends neben seinem
Nachtlager zurichtet und des Morgens wieder verlässt; dass aber
die Scliwärzung der Steine durch den Russ nicht verloren ging
im langen Laufe der Zeiten, wird Niemand überraschen, der weiss,
wie absolut unlöslich der Kohlenstoff im Wasser ist.
- 73 -
Ausser den Steinen wurde Holz und Bein zu Werkzeugen
verarbeitet. Von Holz freilich ist nur Eine Nadel gefunden
worden, genau so rund und glatt geschabt wie die Holzstrick-
nadeln unserer Frauen. Das Holz scheint mir Eichenholz zu
sein, doch bin ich nicht sicher. Von Bein dagegen liegt eine
Anzahl Instrumente vor, und eine noch grössere Anzahl von Geweih-
abfällen, aus denen die Instrumente herausgesägt worden. Die stets
halb abgesägte, halb abgeschlagene Stange des Eenthiers wurde für-
unterschiedliche Zwecke bearbeitet, die freilich nicht alle mehr klar
sind. Eine Art Instrument ist aus der ganzen Stange gemacht,
der die Sprossen sorgfältig abgesägt und abgefeilt sind. Man
denkt am ehesten dabei an Ackerwerkzeuge, jedenfalls an Hebel.
Eine andere Art Werkzeuge ist aus der Innenseite der Haupt-
stange herausgeschnitten, so z. B. die Nadeln und Pfriemen und
Angeln, eine dritte Art sind Sprossen und Zinken, die geschickt
in der Hand liegen und als Griffe gedient haben mögen für die
Feuersteine. Leider lag von all diesen Werkzeugen nichts Gu-
tes in der Grube, es waren auch hier nur Abfälle und zerbro-
chene Waare. Den Nadeln war die Spitze gebrochen^ den
Pfriemen das Oehr ausgeschlitzt, der Angel der Wiederhacken
abgesprungen u. s. f., ganz ähnlich wie auch die Feuersteine ent-
weder abgebrochene Spitzen oder vielfach stumpfe Sehneiden haben.
Man warf nichts Brauchbares weg, weder an Nah-
rungsmittel noch an Werkzeugen und so ein gutes Stück
im Haufen gefunden wurde, so war es wohl in den Schutthau-
fen gekommen, wie heute noch manch brauchbares Stück sich
in den Kehrichthaufen findet.
Zum Schlüsse noch die Erwähnung des Fundes von Far-
ben, welcher sicherlich zur Culturgeschichte des Menschen-
stammes an der Schüssen ein willkommener Beitrag ist. Zu
wiederholten Malen stach der Spaten rot he Farbenknollen an,
und zog einen rothen Strich über die ausgestochene Scholle.
Bei näherer Untersuchung fanden sich Stückchen dieser künst-
lich gemachten Farbe zerbröckelt herumgestreut oder in ein-
zelnen bohnengrossen gekneteten Pasten. Zwischen den Fingern
- 74 —
zerrieb sich die Farbe wie Butter und färbte idie Pland inten-
siv eisenroth. Die Untersuchung der Farben, die ich der Ge-
fälligkeit des Herrn Prof. Haas verdanke, ergab als Bestandtheile
Eisenoxyd und OxyJul. An der nahen Alb darf man in den
Bohnerzgebieten nicht lange nach dem tiefrothen Bolus und den
kirschrothen Bohnerzletten suchen, wenn man nicht an die ju-
rassischen braun Juraerze am Nordrand der Alb denken will.
Keinesfalls fehlt es am Rohmaterial zu diesen Farben, die wohl
durch Schlemraung feingemacht und dann etwa mit thierischem
Fett geknetet wurden, ehe sie zur Benützung kamen. "Was da-
mit nun gefärbt wurde ? wohl in erster Linie Gesicht und Hände,
wie das unter Kaffern und Indianern der Fall ist und wohl auch
noch da und dort unter Civilisirten vorkommen soll.
Mager und dürftig bleiben die Züge immerhin, mit denen
wir den Schussenmenschen und seine Zeit zu zeichnen mochten,
aber zuverlässig. Gegen deren "Wahrheit wird Niemand gegrün-
dete Einwendungen zu machen im Stande sein. Von den Schil-
derungen der Culturzustände des Renthiermenschen in Frankreich
weicht unser Bild jedenfalls ab. Die künstlerischen Anlagen
des französischen Renthier-Menschen ffincren dem schwäbischen
ab; damals schon war die französische Industrie der deutschen
überlegen, deuten doch nach Vogts Urtheil die Verzierungen
vieler Töpfe und Instrumente auf einen gewissen Schönheits-
sinn der französischen Ansiedler und erregen die gefundenen
Thierzeichnungen und Bildhauerarbeiten wirkliches Staunen.
Von dem Allem in Oberschwaben keine Spur: höchstens wäre
Ein stattliches Rengeweih in Betracht zu ziehen, auf dessen
Schaufel verschiedene Geschichten eingekritzelt sind. Zufällig
sind die Figuren keines Falls, aus denen einige Phantasie
Rüben oder Rettiche und Zwiebel construiren kann. Das wären
dann Zeichnungen, etwa in der Langweile einmal eingekritzt,
die vollständig im Einklang stünden mit den gastronomischen
Intentionen, die aus jedem Stücke an der Schussenquellc hervor-
leuchten.
- 75 -
IV. Oberstudienrath Dr. v. Kurr sprach über die Abnahm e
der Singvögel im südwestlichen Deutschland:
Es ist eine allgemeine Klage, dass unerachtet der Bemühun-
gen so vieler wohlmeinender Privaten und Behörden für den Schutz
der nützlichen Vögel und ihrer Nachkommenschaft dennoch die
Zahl derselben immer mehr abnehme und dass der Schaden,
welcher durch das Ueberhandnehmen schädlicher Insekten her-
beigeführt wird, eine immer bedenklicher werdende Höhe erreicht; die
Frage liegt daher nahe, woran die Schuld dieses Uebelstandes
liege und wie man demselben begegnen könne?
Zuvörderst wird angenommen werden dürfen, dass die weise
Oekonomie, welche überall in der Schöpfung herrscht, sich auch
dahin erstrecke, dass kein schädliches Thier in die Länge so
überhandnehmen kann, dass es Jahrzehnte lang zur Landesplage
wird, denn in der Regel finden wir die Massregeln dagegen so
getroffen, dass dielnsektenvertilger, wenn der Mensch nicht hemmend
dagegen auftritt, in gehöriger Anzahl vorhanden sind.
Ferner ist bei der gegenwärtigen Cultur anzunehmen, dass
die Schonung der nützlichen Vögel eher zu- als abgenommen
hat, und wenn es auch immer noch muth willige Knaben gibt,
die Vogelnester plündern, oder Liebhaber von Singvögeln, welche
da und dort einem Vogel nachstellen, so kann dieses unmöglich
eine erhebliche Verminderung derselben zur Folge haben. Es
gibt aber eine andere, diesseits der Alpen glücklicherweise nicht
sehr bekannte Methode, die Vögel in grossartigem Massstabe zu
vermindern, welche jenseits der Alpen ihr Unwesen treibt und
dem südwestlichen Deutschland in dieser Beziehung den grössten
Schaden zufügt; ich meine die Einrichtung und den Betrieb der
Vogelheerde, wie er in der ganzen Lombardei in wahrhaft
erschreckender Weise gehandhabt wird. Es gibt dort am süd-
lichen Abfall der Alpen eine Menge Vogelsteller, welche zur
Herbstzeit, wenn unsere Singvögel über die Alpen ziehen, in
ihren Vogelheerden täglich mehrere Tausende dieser harmlosen
Geschöpfe wegfangen, um sie zu verkaufen und zu verspei-
sen, und ich kann aus Erfahrung sagen, dass man in jedem
Dorf, in jeder Stadt jeden Abend zur Herbstzeit gebratene Vögel
- 76 —
(Uccelli) in Menge zu verspeisen bekommt. Und zwar bestehen
dieselben grösstentheils in solchen Insekten fressenden Singvögeln,
welche bei uns am meisten g<5schont werden, weil sie am meisten
zur Vertilgung des Ungeziefers beitragen, wie Nachtigallen,
Schwarzköpfe und andere Sänger überhaupt. Nach einer Mit-
theilung des Freiherrn v. Weiden*) steht an der Ostseite
des Sees von Orta beinahe auf jedem Hügel ein Vogel-
heerd (hier RoccoU genannt) und während 6 — 8 Wochen des
Herbstes wurden in 19 derselben 62,136 Vögel gefangen.
Derselbe nimmt für Oberitalien 3000 solcher Yogelheerde an,
was Herr Dr. v. Martens aber noch für zu niedrig angeschlagen
hält, und sie allein würden gegen 10 Millionen Vögel wegfangen.
Es tritt nach diesem die Frage an uns heran, ob jenem
verderblichen Treiben der italienischen Vogelsteller auf irgend
eine Weise abzuhelfen sei, und wie es etwa geschehen könnte?
Wir glauben kaum, dass auf diplomatischem Wege, etwa durch
Verwendung deutscher Gesandten an dem Hofe des Königs von
Italien für diese Sache viel ausgerichtet werden dürfte, indem
die K. Regierung kaum sich veranlasst sehen dürfte, gegen eine solch
eingewurzelte Gewohnheit des Volks ernstlich aufzutreten, indess
schaden könnte der Versuch immerhin nicht. Für wirksamer möchte
ich es aber halten, wenn die deutschen Naturforscher und Aerzte
bei ihrer nächstjährigen Versammlung in Frankfurt den Beschluss
fassten, eine Adresse an die nächstfolgende Versammlung der
italienischen Naturforseher zu erlassen, worin das Verderbliche
jenes Vogelfangs gehörig erörtert und die Bitte ausgesprochen
würde, dass es denselben gefallen möge, die Sache in ernste
Erwägung zu ziehen und die geeigneten Schritte bei Regierung
und Volk zu thun, um dem Uebel thunlichst zu steuern. Zu
diesem Ende könnte unser Verein dnrch eines seiner Mitglieder
seiner Zeit in Frankfurt einen Antrag stellen lassen, und es ist
kaum zu zweifeln, dass ein solcher dort den erwünschten Er-
folg haben würde.
*) S. Martons Italien 2. Bd., 286.
— 77 —
V. Hofratli Dr. v. Veiel in Cannstatt theilte über die
lange Ausdauer einer Blüthe von Cypripedium calceolus Fol-
gendes mit :
„Einen Beweis für die Zähigkeit und lange Dauer einer
und derselben Blüthe, wenn sie den rechten Standpunkt hat und
gehörig gepflegt wird, gab mir eine junge Culturpflanze von
Cypripedium calceolus. Dieselbe wurde im August 1865 etwas
angetrieben und entwickelte an dem vierblättrigen 9 Zoll hohen
Stengel eine kräftige Blume.
Dieselbe wurde in ein- kaltes Gewächshaus gebracht in die
Nähe eines kleinen Springbrunnens, der sie stets feucht erhielt,
und so gestellt, dass die Sonne sie nur spärlich treffen konnte.
Dieselbe Blume blühte von October bis Februar, fiag erst am
4. März zu welken an und war am 10. März verwelkt. Es er-
hielt sich somit dieselbe Blume beinahe 6 Monate blühend.
Nachtrag: In diesem Jahre habe ich ein zweites Exem-
plar, das seit dem 1. October seine Blüthe entwickelte, in der-
selben Weise situirt und bin begierig, wie lange sie sich bei
der sorgsamsten Pflege wird erhalten lassen."
VI. Theod. Eulenstein in Cannstatt forderte zum Ein-
senden von Diatomeenschlamm auf.
n. Abhaii(lliiii2:en.
Die wichtigeren Gesteine Württembergs, deren Verwitterungs-
producte und die daraus entstandenen Ackererden.
Chemisch untersucht
von Dr. E. Wolff, Professor in Hohenheim.
II. Der bunte Sandstein nebst dem Verwitterungsboden
der oberen plattenförraigen Absonderungen.
Aus der Formation des bunten Sandsteins sind drei Gesteins-
und Erdproben von mir untersucht worden, vrelche Herr Professor
0. Fraas in der Nähe von Neuenbürg auf einem ringsum iso-
lirten kleinen Plateau unter Verhältnissen aufgenommen hatte,
die klar erkennen liessen, dass eine Vermischung mit Verwitte-
rungsproducten anderer Gesteinsformationen in keiner Weise
hatte stattfinden können. Dem Aussehen nach ist
Nr. 1 ein feinkörniger, hellröthlich gefärbter unverwitterter
Sandstein mit ziemlich zahlreichen, aber sehr kleinen Blättchen
von weissem Glimmer, überall mit braunrothen Punkten und
Flecken durchsetzt, die von einer mehr thonigen Masse her-
rühren ;
Nr. 2 eine braunroth gefärbte erdige, fast humusfreie Masse
— Untergrund des Ackerlandes — von ziemlich gleichförmiger
Beschaffenheit, jedoch untermischt mit kleinen Steinen und Stein-
chen, welche auf einem Blechsieb mit Löchern von einem Milli-
meter Durchmesser zurückblieben und deren Masse 8,6 Procent
von dem Gewichte der lufttrocknen Erde betrug;
Procent.
Procent.
Procent.
Procent.
61,77
59,20
63,28
63,77
9,73
9,47
9,79
9,26
9,23
7,27
8,99
7,18
19,27
24,06
17,94
19,79
— 79 -
Nr. 3 eine von Humus dunkelbraun gefärbte Ackerkrume,
anscheinend von gleicher mechanischer Beschaffenheit wie Nr. 2 ;
an Steinchen etc. waren 7,4 Procent von dem Gewichte der luft-
trocknen Erde zugegen.
Einige Schlämm -Analysen, welche mit dem Nöbel'schen
Apparat ausgeführt wurden, ergaben für die abgesiebte fein-
körnige Masse des Untergrundes und der Ackerkrume durch-
schnittlich die folgenden Kesultate:
Lufttrocken. Geglüht.
Untergrund Äckerkrume. Untergrund. Ackerkrume.
a. Sandige Masse, gröbere
b. „ „ feinere
c. „ „ feinste
d. Thonige Substanz . .
100,00 100,00 100,00 100,00
Man sieht, dass die Ergebnisse der Schlamm-Analyse für
Untergrund und Ackerkrume sehr übereinstimmend sind; der
einzige Unterschied besteht darin, dass in der Ackerkrume die
feinsten Gemongtheile eine höchst unbedeutend weiter gehende
Ztrtheilung erlitten haben , während die Gesammtmenge des
feinsten Sandes (c) und der sog. thonigen Substanz (d) wiederum
nahezu dieselbe ist, nämlich, auf den geglühten Zustand der
Erde berechnet, beziehungsweise 26,93 und 26,97 Proc. beträgt.
Es war beabsichtigt, wo möglich eine und dieselbe Gebirgs-
formation in drei nach dem Grade der Verwitterung verschiedenen
Stufen einer ausführlichen chemischen Untersuchung zu unter-
werfen^ und bei dem Beginn der Arbeit glaubte ich auch in
den überlieferten Proben ein dieser Absicht völlig entsprechen-
des Material zu besitzen. Im Verlaufe der Untersuchung aber
hat sich ergeben, dass nur die beiden erdigen Massen (Unter-
grund und Ackerkrume) einer und derselben Schichte ange-
hören, nämlich durch Verwitterung der oberen plattenför-
migen und mehr thonigen Ablagerungen der bunten
Sandsteinformation entstanden sind, während das feste Gestein
aus den oberen glimmerhaltigen Schichten des eigent-
_ 80 —
liehen bunten Sandsteins herrührt, jene erdige Massen
also nicht das unmittelbare Product der Verwitterung des letz-
teren sind. Zur Ergänzung der vorliegenden Analysen wird es
daher wünschenswerth sein, eine Ackererde nebst Untergrund zu
untersuchen, welche ohne Mitwirkung der mehr thonigen, platten-
förmigen Ablagerungen direct aus dem eigentlichen bunten Sand-
stein hervorgegangen ist. Was den Sandstein selbst betrifft, so
sind die unteren Schichten desselben ärmer an Glimmerblättchen
und thonigen Beimengungen und liefern daher bei ihrem Zer-
fallen Ackererden von noch geringerer natürlicher Fruchtbarkeit,
als der hier untersuchte Saudstein nach der gefundenen Zusam-
mensetzung anzudeuten scheint.
Gleichwohl hat die genaue chemische Analyse der mir zu
Gebote stehenden Gesteins- und Erdproben Resultate ergeben,
welche geeignet sind, zur Charakteristik und Formation des
bunten Sandsteins und der daraus entstehenden Ackererden
werthvolle Beiträge zu liefern. Ausser dem festen Sandstein,
dem Untergrund und der Ackerkrume wurden auch die
von der feinerdigen Masse des Untergrundes durch Absieben
getrennten Steinchen einer näheren Untersuchung unterworfen.
Es mag hier über die Zusammensetzung dieser Materialien zu-
nächst eine procentische Berechnung folgen, zu welcher die
nöthigcn Belege im Anhange der vorliegenden Abhandlung aus-
führlich mitgetheilt worden sind.
An Kohlenstoff und Stickstoff wurden in den feinerdigen
Substanzen gefunden:
Untergrund. Ackerkrume.
Stickstoff. Kohlenstoff. Stickstoff. Kohlenstoff.
Procent. Procent. Procent. Procent.
1. . . 0,0405 0,34GG 0,23G3 2,3071
2. . . 0,0382 0,2991 0,2514 2,4396
Mittel 0,0394 0,3229 0,2439 2,3734
Das Verhältniss zwischen Stickstoff und Kohlenstoff ist im
Untergrunde = 1 : 8,20, in der Ackerkrume, bei fast 8mal
grösserem Kohlenstoffgehalt = 1 : 9,73. Wenn man als annähernd
richtig annimmt, dass die Humussubstanz durchschnittlich 58 Proe,
— 81 -
Kohlenstoff enthält, so berechnet sich die Menge des reinen,
Stickstoff- und wasserfreien Humus im Untergrunde auf 0,5567
und in der Ackerkrume auf 3,9917 Proc. Die Differenz endlich
zwischen dem gefundenen Glühverlust der bei 125° C. getrock-
neten Substanz und dem berechneten »Humusgehalte nebst Stick-
stoffmenge ergibt annähernd den Gehalt an chemisch oder über-
haupt sehr fest gebundenem "Wasser. Also:
Sandstein.
Procent.
Wasser bei 125 ° C. ver-
flüchtigt 0,3118
Humussubstanz , . . ]
Stickstoff [ 0,3118
Fest gebundenes Wasser
Feinerde
steine des
des Unter-
der Unter-
JntergTundes.
grundes.
krume.
Procent.
Procent.
Procent.
1,1150
2,2798
4,5880
1
0,5567
3,9917
1,5040
0,0394
0,2439
(
1,7878
2,1406
Gesammt-Glühverlust 0,6236 2,6190 4,6637 10,9642
Der feste Sandstein und ebenso die Steine des Untergrun-
des wurden vor der chemischen Untersuchung fein gepulvert
und dadurch in einen der Feinerde des Untergrundes und der
Ackerkrume ähnlichen mechanischen Zustand übergeführt. Eine
grössere Quantität des zu untersuchenden Materials (resp. 300
und 450 Grm.) behandelte ich zunächst mit kalter concentrirter
Salzsäure, indem die Einwirkung der letzteren auf die pulver-
förmige Substanz unter häufigem Umschütteln des Ganzen bei
gewöhnlicher Temperatur 48 Stunden lang erfolgte. Die Menge
der auf diese Weise in die Lösung übergegangenen Stoffe, auf
procentische Verhältnisse berechnet, betrug:
A. Die Substanz mit kalter concentrirter Salzsäure
behandelt.
Sandstein. Untergrund. Ackerkrume.
Procent. Procent. Procent.
Kieselsäure in der Lösung . . . 0,0083 0,0827 0,1393
Eisenoxyd 1,0600 1,6867 1,4267
Thonerde 0,0763 0,8814 0,9012
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. Is Heft. Q
- 82 -
Sandstein. Untergrund. Äckerkrame.
Procent. Procent. Procent.
Manganoxyduloxyd ? 0,0646 0,0883
Kohlensaurer Kalk 0,0500 0,0583 0,1183
Magnesia Spur 0,0462 0,0610
Schwefelsäure 0,0084 0,0062 0,0272
Phosphorsäure 0,0092 0,0219 0,0654
Kali 0,0148 0,0360 0,0701
Natron 0,0031 0,0038 0,0031
1,2251 2,8878 2,9006
Eine neue Portion der lufttrocknen Substanz (resp. 120,
74 und 150 Grm.) wurde mit dem doppelten Gewichte concen-
trirter Salzsäure 1 Stunde lang gekocht und hierauf in der
Lösung gefunden:
B. Die Substanz mit concentrirter Salzsäure gekocht.
steine des
Sandstein. Untergrundes. Untergrund Ackerkrume.
Procent. Procent. Procent. Procent.
Kieselsäure in der Lösung 0,0333 0,0566 0,1300 0,1280
Eisenoxyd 1,0383 3,1732 2,0177 1,9470
Thonerde 0,2772 0,9878 2,3392 2,2790
Manganoxyduloxyd . . 0,0167 0,5078 0,1450 0,2083
Kohlensaurer Kalk . . 0,0854 0,0988 0,1050 0,2300
Magnesia Spur 0,05 19 0,044G 0,0957
Schwefelsäure .... 0,0095 0,0093 0,0080 0,0304
Phosphorsäure .... 0,0249 0,0457 0,0498 0,0940
Kali 0,0490 0,0783 0,1505 0,2007
Natron 0,0064 0,0101 0,0063 0,0135
1,5407 5,0195 4,9961 5^2266
Kieselsäure , in kohlen-
saurem Natron löslich 0,5917 1,0043 3,0005 3,4605
Rückstand, als geglüht
berechnet 97,1475 91,3633 87,0480 80,0893
Wasser- und Glühverlust 0,6236 2,6190 4,6637 10,9642
99,b0i55 100,0061 99,7083 99,7466
— 83 -
C. Der Rückstand von B mit concentrirter Schwefel-
säure behandelt.
Steine des
Sandstein. Untergrundes. Untergrund. Ackerkrume.
Procent. Procent. Procent. Procent.
Kieselsäure in der Lösung 0,0983 — 0,0776 0,1445
Eisenoxyd 0,4508 0,5718 1,0076 0,5993
Thonerde 1,2892 3,5025 5,1333 4,2873
Kalk 0,0109 0,0093 0,0274 0,0296
Magnesia 0,0574 0,1365 0,0639 0,0709
Kali 0,2852 0,6519 0,7703 0,6434
Natron 0,0205 0,1149 0,0679 0,0442
2,2123 4,9869 . 7,1480 5,8192
Kieselsäure , in kohlen-
saurem Natron löslich 1,8717 5,0935 7,6761 5,3153
Geglühter Rückstand . . 93,0878 81,3337 72,3467 69,0557
97,1718 91,4141 87,1708 80,1902
D. Der Rückstand von C mit fiusssauren Dämpfen
behandelt.
steine des
Sandstein. Untergrundes. Untergrund. Ackerkrume.
Procent. Procent. Procent. Procent.
Thonerde 2,1961 3,1249 2,2264 2,6977
Kalk 0,0840 0,0783 0,0471 0,0862
Magnesia u. Manganoxyd 0,0540 0,0671 0,0531 0,0501
Kali 1,5583 2,0545 1,7291 1,8773
Natron 0,0556 0,3170 0,2986 0,3282
Kieselsäure 89,1398 75,6919 67,9924 64,0162
93,0878 81,3337 72,3467 69,0557
Die durch die verschiedenen Lösungsmittel abgeschiedenen
Antheile der lufttrocknen Substanz betragen also in ihrer Ge-
sammtheit:
84
Steine des
Sandstein. Untergrundes. Untergrund. Ackerkrume-
Procent. Procent. Procent. Procent.
Wasser und organische
Substanz .... 0,6236 2,6190 4,6637 10,9642
In kalter Salzsäure lös- \ r
lieh 1,2251 / 1 2,8878 2,9006
In heisser Salzsäure lös- ( 5,01 Jo <
lieh 0,3156 ) ( 2,1083 2,3260
Kieselsäure , löslich in
kohlensaurem Natron 0,5917 1,0043 3,0005 3,4665
In Schwefelsäure löslich 2,2123 4,9869 7,1480 5,8192
Kieselsäure , löslich in
kohlensaurem Natron 1,8717 5,0935 7,6761 5,3153
Sandiger Rückstand . 93,0878 81,3337 72,3467 69,0557
99,9278 100,0569 99,8311 99,8475
Berechnet man die procentische Zusammensetzung der Sub-
stanz ohne Rücksicht auf den verschiedenen Grad der Löslich-
keit der Bestandtheile, so erhält man:
Steine des
Sandstein. Untergrundes. Untergrund. Ackerkrume.
Procent. Procent. Procent. Procent.
Wasser und organische
Substanz .... 0,6236 2,6190 4,6637 10,9642
Kieselsäure .... 91,7348 81,84G3 78,8766 73,0505
Thonerde 3,7425 7,6152 9,6989 9,1640
Eisenoxyd .... 1,4891 3,7450 3,0253 2,5463
Manganoxyduloxyd . 0,0167 0,5078 0,1450 0,2083
Kohlensaurer Kalk . . 0,0854 0,0988 0,1050 0,2300
Kalk 0,0949 0,0876 0,0745 0,1158
Magnesia 0,1114 0,2555 0,1616 0,2167
Schwefelsäure . . . 0,0095 0,0093 0,0080 0,0304
Phosphorsäure . . . 0,0249 0,0457 0,0498 0,0940*
Kali 1,8925 2,7847 2,6499 2,7214
Natron 0,0825 0,4420 0,3728 0,3859
99,9078 100,0569 99,8311 99,7275
— 85 -
Eine noch bessere Uebersicht gewähren diese Zahlen, wenn
man dieselben auf den völlig wasser- und humusfreien
Zustand der Gesteins- oder Erdmasse reducirt:
Sandstein.
Procent.
Kieselsäure .... 92,3962
Thouerde 3,7695
Eisenoxyd .... 1,4998
Manganoxyduloxyd . 0,0168
Kohlensaurer Kalk . . 0,0860
Kalk 0,0956
Magnesia 0,1122
Schwefelsäure . . . 0,0096
Phosphorsäure . . . 0,0251
KaU ........ 1,9061
Natron 0,0831
steine des
Untergrundes.
Untergrund.
Ackerkrume
Procent.
Procent.
Procent.
83,9985
82,8937
82,2983
7,8154
10,1927
10,3241
3,8435
3,1794
2,8686
0,5212
0,1524
0,2347
0,1014
0,1103
0,2591
0,0899
0,0783
0,1305
0,2622
0,1698
0,2441
0,0095
0,0084
0,0343
0,0469
0,0523
0,1059
2,8579
2,7849
3,0659
0,4536
0,3917
0,4348
100,0000 100,0000 100,0143 100,0003
Von der als wasser- und humusfrei berechneten Substanz
waren auflöslich in:
kalter Salzsäure
heisser „
kohlensaurem Natron
Schwefelsäure . .
kohlensaurem Natron
. i,2337
5,1568 ■
3,0344
3,2623
. 0,3178
2,2154
2,6169
. 0,5958
1,0317
3,1528
3,9001
. 2,2278
5,1233
7,5109
6,5471
. 1,8848
5,2328
8,0648
5,9800
Im Ganzen löslieh 6,2599 16,5446 23,9783 22,3064
Saudiger Rückstand 93,7401 83,4554 76,0217 77,6936
100,0000 100,0000 100,0000 100,0000
Schlussfolgerungen.
1. Die procentische Zusammensetzung der ganzen Gesteins-
und Erdmasse und namentlich die Gesammtmenge der T hon-
erde gewährt einen Anhalt für die Beantwortung der Frage,
ob die einzelnen Gesteins- und Erdarten in einem du-ekten Zu-
sammenhange mit einander stehen, ob die eine Substanz aus
der anderen durch fortschreitende Verwitterung ohne wesent-
liche Mitwirkung irgend eines fremdartigen Materials entstanden
ißt. Man sieht sehr deutlich, dass in der That Ackerkrume
und Untergrund einem und demselben ursprünglichen Gesteine
angehören; der procentische Gehalt der wasser- und humus-
freien Masse an Thonerde und überhaupt an vorherrschenden
Bestandtheilen ist sehr nahe übereinstimmend und auch das
sonstige chemische und mechanische Verhalten deutet mit Be-
stimmtheit darauf hin, dass die Ackerkrume unmittelbar und
ohne wesentliche Beimischung fremdartiger Gesteinsmassen aus
dem Untergrunde hervorgegangen ist. Die Steine des Unter-
grundes ferner enthalten freilich an Gesammt-Thonerde um
reichlich '/s weniger als die Feinerde der Ackerkrume und des
Untergrundes; das ursprüngliche Gestein muss also in .seiner
ganzen Masse etwas reicher gewesen sein an thonigen Sub-
stanzen als die jetzt noch vorhandenen unverwitterten Reste
desselben. Dennoch aber lässt die ganze procentische Zusammen-
setzung dieser Steinreste keinen Zweifel darüber obwalten, dass
dieselben in einem nahen und unmittelbaren Zusammenhange
stehen mit der Feinerde der Ackerkrume und des Untergrundes ;
der einzige wesentliche Unterschied besteht eben in der etwas
thonigeren Beschaffenheit der letzteren und es ist natürlich,
dass die thonreicheren Parthieen des ursprünglichen Gesteins
(obere plattenförmige Ablagerungen der Formation des bunten
Sandsteins) zunächst zerbröckelt sind und zur Bildung der Fein-
erde des Untergrundes und der Ackerkrume das nöthige Mate-
rial geliefert haben. Der noch völlig unverwitterte feste Sand-
stein dagegen gehört einem anderen, tiefer liegenden Gebilde
der bunten Sandsteinformation an; dies beweist die ganze che-
mische Zusammensetzung desselben und namentlich der beträcht-
lich geringere öehult an Thonerde, Eisenoxyd und an kalircichon,
d. h. feldspath- und glimmerartigen Beimengungen. Es besteht
daher kein direkter Zusammenhang zwischen diesem Sandstein
und dem hier untersuchten Ackerboden; gleichwohl ist auch die
nähere chemische Untersuchung des ersteren von Interesse und
- 87 -
es lassen die Eesultate der Analyse im Voraus eine genaue
Charakteristik der Ackererde entwerfen, welche durch Zer-
bröckeln und Verwitterung jenes Sandsteins entstehen würde.
Wir betrachten zunächst die Feinerde der Ackerkrume und des
Untergrundes nebst den noch unverwitterten Steinchen, welche
in dem letzteren enthalten sind.
2. Die Steine des Untergrundes enthalten absolut und re-
lativ, d. h. im Verhältniss zur Menge des Thones , welcher hier
hauptsächlich als der Träger des Eisenoxyds betrachtet werden
muss, mehr Eisenoxyd als die Feinerde des Untergrundes,
diese wiederum mehr als die Ackerkrume. Es findet also unter
dem Einfluss der atmosphärischen Wasser und im Verlaufe des
Verwitterungsprocesses fortwährend eine Abnahme des Eisen-
oxyds statt, — eine Erscheinung, welche im Einklänge steht
mit anderweitigen Beobachtungen, die bei dem allmähligen Zer-
fallen von Sand- und Kalksteinen gemacht worden sind. Die
Steinchen, welche auch in der Ackerkrume noch vorhanden
"Waren, zeigten auf dem Bruch vielfach eine hellere, weissliche
Farbe, es war bereits das Eisen grossentheils aufgelöst und aus-
gewaschen worden, während die Steinchen des Untergrunds
durch und durch noch dunkel braunroth gefärbt waren mit einer
Nuance ins Bläuliche, die auf eine hier in der That vorhandene
Beimischung von Manganoxyd hinzuweisen pflegt.
3. Das Eisen ist offenbar in sämmtlichen hier untersuchten
Gesteins- und Erdproben grossentheils als freies Eisenoxyd
zugegen; es ist im Wesentlichen weder mit Wasser noch auch
mit Kieselsäure verbunden. Dies wird schon durch die intensiv
rothe Farbe der Steine und der Feinerde des Untergrundes bei
einem procentisch keineswegs sehr hohen Gehalt an Eisenoxyd
angedeutet und ferner durch den Umstand bewiesen, dass aus
dem Sandsteinpulver durch Behandlung desselben mit kalter
Salzsäure genau dieselbe Menge Eisenoxyd wie durch Einwir-
kung der kochendheisseu concentrirten Salzsäure, aus der Fein-
erde aber des Untergrundes und der Ackerkrume fast ^ji der
letzteren Menge aufgelöst wurde. Ausserdem hat die Analyse
für den theils durch Salzsäure, theils durch Schwefelsäure auf-
- 88 -
schliessbaren reinen Thon eine solche Zusammensetzung er-
geben, dass von der in alkalischen Flüssigkeiten auflöslichen
Kieselsäure für das Eisenoxyd nichts disponibel sein kann,
während andererseits die Resultate der Behandlung des Bodens
mit Weinsäurelösung auf die Gegenwart höchstens nur einer
geringen Menge von Thonerdehydrat und Eisenoxydhydrat so-
wohl in der Ackerkrume wie im Untergrunde hinzudeuten
scheint. '
Der Thon nämlich hatte die folgende Zusammensetzung:
Steine des
Untergrundes. Unterg^rund. Ackerkrume.
In Salzsäure löslich:
Thonerde . 0,9878= 48,7 2,3392= 42,8 2,2790= 38,8
Kieselsäure 1,0609= 51,3 3,1305= 57,2 3,5945= 61,2
2,0487=100,0 5,4607=100,0 5,8735=100,0
In Schwefelsäure löslich:
Thonerde .• 3,5025= 40,7 5,1333= 40,0 4,2873= 43,9
Kieselsäure 5,0935= 59,3 7,7537= 60,0 5,4598= 56,1
8,5960=100,0 12,8870=100,0 9,7471=100,0
Thon im Ganzen:
Thonerde . 4,4903= 42,2 7,4725= 40,7 6,5663= 42,0
Kieselsäure 6,1544= 57,8 10,8842= 59,3 9,0543= 58,0
10,6447=100,0 18,3567=100,0 15,6206=100,0
In dem Muschelkalk fand ich*) den Gehalt der thonigen
Substanz an Kieselsäure beträchtlich höher, nämlich in den ver-
schiedenen Verwitterungsstufen nahe übereinstimmend für den
durch kochende Salzsäure aufschliessbaren Thon 74,1 Proc. und
für den mit Schwefelsäure aufgeschlossenen Thon 64,3 Proc.
In 6 früher von mir untersuchten Ilohenheimer Bodenarten da-
gegen enthielt der mit Salzsäure aufgeschlossene Thon 61,2 Proc,
*) Vrgl. „Württembergische naturwissensehaftlicho Jahreshefte,"
Jahrgang 1866, S. 94. Auch die Zeitschrift „Laudwirthseha ftlicho
Versuchsstationen«, 1865, S. 289.
— 89 —
der mit Schwefelsäure aufgeschlossene Thon 54,5 Proc. Kiesel-
säure, der Thon hatte daher im Mittel ziemlich dieselbe Zu-
sammensetzung, wie die letztere bei den obigen Gesteins- und
Erdproben aus der Formation des bunten Sandsteins gefunden
wurde. Charakteristisch für die hier untersuchten Substanzen
ist es, dass der mit Salzsäure aufgeschlossene Thon ziemlich die-
selbe procentische Zusammensetzung hatte, wie der mit Schwefel-
säure aufgeschlossene, während sonst, nach den bisher vorliegen-
den Analysen, in dem ersteren die Kieselsäure mehr vorzuherr-
schen pflegt oder auch ein Theil der gefundenen Kieselsäure
anderweitig (an Eisenoxyd, Kalk, Kali etc.) gebunden ist.
Durch Behandlung der Feinerde des Untergrundes und der
Ackerkrume mit kochendheisser Weinsäurelösung unter Zusatz
von etwas Oxalsäure, nach der von Knop *) vorgeschlagenen
Methode, wurden aus dem Untergrunde nur 0,122 Proc. Eisen-
oxyd und 0,222 Proc. Thonerde, aus der Ackerkrume 0,178 Proc.
Eisenoxyd und 0,403 Proc. Thonerde aufgelöst; jedenfalls also
waren nur verhältnissmässig sehr geringe Mengen von Eisen-
oxydhydrat zugegen. Bei dieser Gelegenheit will ich noch er-
wähnen, dass beim Schütteln mit einer titrirten Lösung von
salpetersaurem Kalk, nebst Zusatz einer der Salpetersäure äqui-
valenten Menge Ammoniak (Knop **) von dem Untergrunde 0,302
Proc. und von der humosen Ackerkrume 0,541 Proc. Kalkerde
absorbirt wurden.
4. Für die Beurtheilung der Verwitterungsstufe und der
natürlichen Fruchtbarkeit eines Bodens ist die absolute Menge
des von verschiedenen, mehr oder weniger kräftig einwirkenden
Lösungsmitteln aufgenommenen Kali's von grosser Wichtig-
keit; ausserdem aber muss auch das Verhältniss der betreffen-
den Kalimengen unter einander und namentlich zu der in Salz-
säure und Schwefelsäure auflöslichen Thonerde, d. h. zu dem
im Boden vorhandenen Thon sorgfältige Beachtunor finden.
*) Landwirthschaftliche Versuchsstationen, 1866, S. 41.
**) Ebendaselbst S. 40.
- 90 -
Diese Zahlenverhältnisse gestalten sich in unserem Falle fol-
ffendermassen :
^ steine des
Untergrundes. Untergrund. Ackerkrume.
Menge des Kali, löslich in Procent. Procem. Procent.
a. kalter Salzsäure ..... — 0,0360 0,0701
b. heisser und kalter Salzsäure 0,0783 0,1505 0,-^007
c. Schwefelsäure 0,(i519 0,7703 0,0434
d. Flusssäure 2,0545 1,7291 1,8773
im Ganzen 2,7847 2,6499 2,7214
a. in Procenten von b . . . — 23,8 34,9
b. in Procenten von b + c . . 10,7 16,3 23,8
c. in Procenten von b + c+d . 23,4 29,1 23,6
Man sieht zunächst, dass die in kalter und in heisser Salz-
säure lösliche Kalimenge im Untergrund und mehr noch in
den Steinen des letzteren beträchtlich geringer ist, als in der
Ackerkrume, während die Gesammtmenge des Kali und die in
Schwefelsäure auflösliche Quantität verhältnissmässig nicht sehr
dififerirt. Mit der fortschreitenden Verwitterung ist daher das
Kali theilweise in einen leichter löslichen Zustand übergegangen.
Um die Grundlage zu einer vergleichenden Beurtheilung
des hier in Eede stehenden Bodens zu gewinnen , mögen auch
die Zahlen erwähnt werden, welche ich bei der Untersuchung
von 6 Hohenheimer Bodenarten gefunden habe, von denen drei
von sandig lehmiger Beschaffenheit sind und im Thongehalte
(15 — 17 Proc.) dem obigen Boden sehr nahe stehen, drei da-
gegen durch grösseren Reichthum an thoniger Substanz sich
auszeichnen, nämlich in der lufttrocknen Masse 25 — 38 Proc.
reinen Thon enthalten. , . „ ,
3 sandige 3 thonige Diircn-
Bodenarten. Bodenarten, scbnittlicb.
Menge des Kali, löslich in Procent. Proccnt. Procent.
a. kalter Salzsäure 0,0396 0,07:^3 0,0565
b. kalter und heisser Salzsäure . 0,2463 0,6763 0,4613
0. Schwefelsäure 0,3753 0,7363 0,5558
d. Flusssäure 0,9925 0,6800 0,8295
im Ganzen 1,6139 2,0926 1,8466
91 —
3 sandige
3 thonige
Durch-
Bodenarten.
Bodenarten.
schnittlich.
Procent.
Procent.
Procent.
16,1
10,8
12,3
39,6
47,8
45,4
23,3
35,2
30,1
a. in Procenten von b . .
b. in Procenten von b+c
c. in Procenten von b-fc+d
Während also die sandigen Hohenheimer Bodenarten,
welche der Formation des Liassandsteins angehören und einen
demjenigen des hier untersuchten Bodens aus der Formation
des bunten Sandsteins nahezu gleichen Thongehalt besitzen,
mit dem Untergrunde des letzteren hinsichtlich der absoluten
Menge des in kalter Salzsäure löslichen Kali's allerdings ziem-
lich übereinstimmen, ist aber die absolute und relative Menge
des in heisser Salzsäure löslichen Kali bei den ersteren ent-
schieden grösser und die Menge des in Schwefelsäure löslichen
Kali weit geringer ; der Thon befindet sich daher in den Boden-
arten des Liassandsteins in einem mehr aufgeschlossenen, das
Kali vermuthlich in einem den Pflanzen leichter zugänglichen
Zustande als in dem Boden des bunten Sandsteins. Diese Er-
scheinung tritt noch deutlicher hervor, wenn man das Yerhält-
niss des Kali's zur Thonerde und der Mengen von jedem der
beiden Stoffe unter einander in Betracht zieht.
Löslich in
Salzsäure . . .
Schwefelsäure . ,
Salz- u. Schwefel
säure ...
steine des
Untergrundes.
Kali. Thonerde.
Untergrund.
Kali. Thonerde.
Ackerkrume.
Kali. Thonerde.
0,0783 0,9878 0,1505 2,3392 0,2007 2,2790
1 : 12,6 1 : 15,5 1 : 11,4
0,6519 3,5025 0,7703 5,1333 0,6434 4,2873
1 : 5,4 1 : 6,7 1 : 6,7
. . . 0,7302 4,4903 0,9208 7,4725 0,8441 6,5663
1 : 6,1 1 : 8,1 1 : 7,8
Aus den Analysen der Hohenheimer Bodenarten ergeben
sich die folgenden Zahlenverhältnisse:
- 92 -
3 sandige 3 thonige Durch-
Bodenarten. Bodenarten. schnittlicb.
T •■ T 1 • Kali. Thonerde. Kali. Thonerde. Kali. Thonerde.
Loslich m
Salzsäure . . . 0,2463 3,1823 0,6763 6,1613 0,4613 4,6718
1 : 12,9 1 : 9,1 1 : 10,1
Schwefelsäure . 0,3753 3,5230 0,7363 5,7243 0,5558 4,0237
1 : 9,4 1 : 7,8 1 : 8,3
Salz- u. Schwefel-
säure . . . 0,6216 6,7053 1,4126 11,8856 1,0171 9,2955
1 : 10,8 1 : 8,4 1 : 9,1
In den sandigen Bodenarten des Liassandsteins wird durch-
schnittlich eine fast ebenso grosse Menge von Thonerde und
73 so viel Kali von der kochenden Salzsäure aufgelöst, als aus
dem Rückstande von dieser Behandlung durch die Schwefelsäure
aufgenommen wird; dagegen beträgt dieses Mcngenverhaltniss
in dem Boden der obersten Schichten der Formation des bunten
Sandsteins
steine des
Untergrundes,
Untergrund.
Ackerkrume.
Durchschnittlich.
für die Thonerde
1 : 3,5
1 : 2,2
1 : 1,9
1 ; 2,3
,, das Kali . .
1 : 8,3
1 : 5,1
1 : 3,2
1 : 4,8
Die Löslichkeit des Thones und zugleich des Kali's nimmt
also mit dem Fortschreiten der Verwitterung fortwährend zu
und ist eine weit grössere in den Bodenarten des Liassandsteins
als in dem hier untersuchten Boden des bunten Sandsteins.
Hiermit steht, wie es scheint, auch die Thatsache im Zusam-
menhange, dass das Verhältniss der in Schwefelsäure lös-
lichen Thonerde und des Kali's für die Gebilde des bunten Sand-
steins ein günstigeres ist als für die Ackererden des Liassand-
steins, während das Verhältniss der in Salzsäure löslichen
Thonerde zum Kali in beiden Formationen ziemlich gleich und
eher in dem Boden des bunten Sandsteins, entschieden nament-
lich für den Untergrund, hinsichtlich des Kali's ein weniger gün-
sticres ist. "Wenn daher in dem bunten Sandstein eine weitere
Verwitterung der mit Schwefelsäure aufschliessbaren thonigen
Masse eintritt und damit mehr Kali iu den löslichen Zustand
- 93 -
übergeht, so wird das letztere offenbar verhältnissmässig rasch
wiederum aus dem Boden ausgewaschen, das leichtlösliche Kali
von dem gleichsam noch roheren, nicht vollständig verwitterten
und fein zertheilten Thon nur schwach absorbirt und zurückge-
halten. Vielleicht wird hierdurch die Erscheinung erklärt, dass
die aus dem Terrain des bunten Sandsteins abfliessenden
Quellen im Allgemeinen zur Bewässerung der Wiesen mit sehr
günstigem Erfolge benutzt werden und daher vermuthlich reich
sind an aufgelöstem Kali. Auch mögen unter den durch Schwe-
felsäure aufschliessbaren Gemengtheilen des Bodens zahlreiche
Blättchen von Kaliglimmer vorhanden sein und dadurch das
Verhältniss zwischen der Thonerde und dem Kali zu Gunsten
des letzteren noch erhöht werden.
5. Die absolute Menge der im Boden des bunten Sand-
steins enthaltenen Phosphor säure ist nicht beträchtlich und
namentlich deren Leichtlöslichkeit verhältnissmässig gering.
Steine des
Untergrundes.
Untergrund.
Ackerkrume.
Procent.
Phosphorsäure, löslich in
Procent.
Procent.
a. kalter Salzsäure 1) —
0,0208
0,0640
2) -
0,0228
0,0667
Mittel —
0,0218
0,0654
b. heisser Salzsäure 0,0457
0,0498
0,0940
a in Procenten von b —
43,8
70,9
In den verschiedenen, von mir untersuchten Verwitterungs-
stufen des Muschelkalkes war die ganze Menge der vorhandenen
Phosphorsäure schon in kalter Salzsäure auflöslich und in den
Hohenheimer Bodenarten ergab sich:
Phosphorsäure, löslich in
a. kalter Salzsäure
b. heisser Salzsäure
a in Procenten von
3 sandige
3 thonige
Durch-
Bodenarten.
Bodenarten.
schnittlich.
Procent.
Procent.
Procent.
0,0943
0,1019
0,0981
0,1257
0,1280
0,1268
75,0
79,6
77,3
^ 94 —
6. Die vorstehenden Zahlen zeigen, dass die absolute
Menge und ausserdem die Lösliclikeit der Phosphorsäure in der
Ackerkrume des betreffenden Bodens eine betrcächtlich grössere
ist, als in dem Untergrund. Ein ähnliches Verhalten wurde be-
reits oben hinsichtlich des Kali's nachgewiesen. "Weiter ersieht
man aus der Zusammenstellung der analytischen Ergebnisse, dass
die Ackerkrume an Kalk, Magnesia und Schwefelsäure entschie-
den reicher ist als der Untergrund, dass somit die erstere alle
wichtigen Pflanzennährstoffe in grösserer Menge und Leichtlös-
lichkeit enthält als der letztere; nämlich:
Löslich in kalter Löslich in heisser
Salzsäure. Salzsäure.
Untergrund. Ackerkrume. Untergrund. Ackerkrume.
Kali
Phosphorsäure . . .
Magnesia 0,0462
Kohlensaurer Kalk
Schwefelsäure . .
Ein derartiges Verhalten, namentlich bezüglich der Phos-
phorsäure, des Kalkes und der Schwefelsäure, wäre unbegreif-
lich, wenn die Kultur des Bodens stets in einfacher Stallmist-
wirthschaft und ohne alle Zufuhr von Aussen her betrieben wor-
den wäre. Es hat nämlich hier in Folge langer Cultur keine
Erschöpfung des Bodens, sondern im Gegentheil eine sehr be-
trächtliche Bereicherung der Ackerkrume gegenüber dem Unter-
grunde stattgefunden, obgleich ursprünglich die beiderlei Boden-
schichten aus einem und demselben Gestein entstanden sind und
daher einen völlig gleichen Gehalt an wirksamen Pflanzon-
nährstoffen gehabt haben. Es erklärt sich aber die Bereiche-
rung des Bodens durch den Umstand, dass in der betreffenden
Gegend des Schwarzwaldes seit Jahrhunderten grosse Massen
von Waldstrou neben dem Stallmist dem Acker zugeführt wur-
den und auf solche Weise nicht allein eine beträchthchc Menge
von stickstoffhaltigem Humus in der obersten Schicht des Bodens,
in der Ackerkrume sich ansammelte, sondern gleichzeitig auch
Procent.
Procent.
Procent.
Procent.
0,0360
0,0701
0,1505
0,2007
0,0219
0,0654
0,0498
0,0940
0,0462
0,0610
0,0446
0,0957
0,0583
0,1183
0,1050
0,2300
0,0062
0,0272
0,0080
0,0304
- 95 —
nach und nach der procentische Gehalt derselben an Phosphor-
säure, Kalk, Schwefelsäure etc. sich erhöhte. Vielleicht trägt
auch die Vegetation selbst dazu bei, dass gewisse Nährstoffe
dem Untergrunde entzogen werden und im Verlaufe von Jahr-
hunderten in der Ackerkrume immer mehr sich concentriren.
7. Die Zusammensetzung der rein sandigen (in Salzsäure
und Schwefelsäure unlöslichen) Substanz ist in den Steinen des
Untergrundes, sowie in der Feinerde des letzteren und der Acker-
krume eine sehr nahe übereinstimmende.
Steine des
Untergrundes.
Untergrund.
Ackerkrume,
Thonerde .
. 3,84
3,08
8,97
Kalk . .
. 0,09
0,07
0,12
Magnesia .
. 0,08
0,08
0,07
Kali . .
. 2,53
2,39
2,72
Natron
. 0,39
0,41
0,47
Kieselsäure
. 93,07
93,97
92,65
100,00 100,00 100,00
Das Verhältnis der Thonerde zu den Alkalien ist von der
Art, das die letzteren zum weitaus grösseren Theile in feld-
spathartigen Verbindungen vorhanden sein müssen; wenn
daher in dem festen Gestein und auch in der Feinerde des Un-
tergrundes feine weisse Glimmerblättchen sichtbar sind, so wer-
den diese (als Kali glimm er) entweder schon durch die Be-
handlung der Masse mit Salzsäure und Schwefelsäure zersetzt
oder die Menge des Glimmers ist, gegenüber derjenigen des
Feldspaths, dem Gewichte nach eine nur sehr geringe. Mag-
nesiaglimmer, welcher nicht wie der Kaliglimmer von con-
centrirten Säuren angegriflen wird, scheint beinahe ganz zu
fehlen, da in der sandigen Substanz nach dem Aufschliessen
derselben mit Flusssäure fast nur Spuren von Magnesia nach-
weisbar waren.
Die Berechnung gibt als Gemengtheile des Sandes:
96 —
Steine des
Untergrundes.
Untergrund.
Ackerkrume.
Kalifeldspath . .
. 15,06
14,20
16,16
Natronfeldspath
. 3,30
3,62
4,15
Thon
. 0,97
—
0,28
Quarzsand . . .
. 80,50
82,03
79,22
Kalk und Magnesia
. 0,17
0,15
0,19
100,00 100,00 100,00
Diese Mengenverhältnisse sind namentlich bezüglich des
Kalifeldspaths für einen sandigen Lehmboden als günstige zu
bezeichnen; in 5 Hohenheimer Bodenarten, welche sämmtlich
der Liasformation angehörten und unter sich in der Zusammen-
setzung der sandigen Gemengtheile nahe übereinstimmten, fand
ich, nach Abzug kleiner Mengen von Thon und von Magnesia
durchschnittlich nur 10,16 Proc. Kalifeldspath, dagegen 12,07 Proc.
Natronfeldspath und 77,77 Proc. Quarzsand, während freilich
die sandigen Gemengtheile des Muschelkalkes die ungewöhnlich
grosse Quantität von über 50 Proc. Kalifeldspath enthielten.
8. Hinsichtlich der Steine und Steinchen, welche in
nicht sehr beträchtlicher Menge dem Untergrunde beigemengt
sind, ist schon oben auf den leicht erklärlichen geringeren Ge-
halt derselben an thonigen Substanzen, sowie auf den grösseren
Gehalt an Eisenoxyd und Manganoxyd hingewiesen worden;
auch wurde bereits hervorgehoben, dass die einzelnen Bostand-
theile, namentlich das Kali und die Thonerde (s. unter 4) in
Salzsäure entschieden weniger auflöslich sind, als in der Fein-
erde des Untergrundes. Dagegen befindet sich die Zusammen-
setzung der rein sandigen, noch ganz unverwitterten Masse in
diesen Steinen im fast völligen Einklänge mit derjenigen der-
selben Substanz im Untergrunde und in der Ackerkrume. Das-
selbe ist hinsichtlich der absoluten Mengenverhältnisse der Fall,
in welchen die verschiedenen Pflanzennährstoffe in jenen
Steinen und in der Feinerde des Untergrundes vorhanden sind:
- 97 -
Steine Feinerde
des Untergrundes-
Procent. Procent.
Kohlensaurer Kalk . 0,0988 0,1050
Kalk 0,0876 0,0745
Magnesia .... 0,2555 0,1616
Schwefelsäure. . . 0,0093 0,0080
Phosphorsäure . . 0,0457 0,0498
Kali 2,7847 2,6499
:Natron 0,4420 0,3728
Durch allmählige Verwitterung der Steine muss also die Fein-
erde des Untergrundes vermehrt werden, ohne dass die letztere da-
durch eine wesentliche Yeränderung in ihrer Zusammensetzung,
namentlich hinsichtlich der eigentlichen Pflanzennährstoffe, erleidet.
9. Wenn es sich darum handelt, über die Güte und na-
türliche Fruchtbarkeit des Bodens (Ackei-erde und Unter-
grund), welcher durch Zerbröckeln und Verwitterung der oberen
plattenförmigen Ablagerungen des bunten Sandsteins entstanden
ist, ein Urtheil abzugeben, so würde dieses auf Grund der
vorliegenden analytischen Ergebnisse etwa folgendermassen sich
gestalten.
Die physikalische und mechanische Beschaffenheit des Bo-
dens muss im Allgemeinen als eine günstige bezeichnet werden.
Die Menge der Steine und Steinchen, welche mehr als 1 Milli-
meter Durchmesser haben, beträgt nur 7,5 bis 8,5 Proc. vom
Gewichte der ganzen Masse und in der Feinerde herrscht der
etwas gröbere Sand (a. s. S. 79) entschieden vor, wodurch ver-
hindert wird, dass der Boden zu dicht und fest sich zusammen-
setzt und in seinen feinen Theilchen leicht verschlämmt. Auch der
Thongehalt, wie derselbe durch die mechanische und namentlich
durch die chemische Analyse ermittelt worden ist, entspricht
durchaus einem lehmigen Sandboden von guter mittlerer Be-
schaffenheit. Dagegen ist zum Nachtheil des Bodens hervorzu-
heben , dass der Thon , besonders im Untergrunde in einem
gleichsam noch rohen Zustande sich befindet, in welchem er die vor-
handenen Alkalien chemisch sehr fest bindet, aber noch nicht den
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. Is Heft. 7
— 98 —
höchsten Grad der Zertheilung erlangt hat und daher auch nicht fähig
ist, grössere Mengen leichtlöshcher PflanzennährstofFe zu absorbiren,
vordem Auswaschen und Durchsickern zu schützen. Der Boden ist da-
her in Wirklichkeit von leichterer, mehr sandiger Beschaffenheit, als
deraufchemischemWegenachgewieseneThongehalt andeuten würde.
Diese rohe Beschaffenheit des Thones steht jedenfalls mit
der Thatsache im Zusammenhange, dass zwar die absolute Menge
des Kali's eine sehr beträchtliche ist, dagegen aber das leichter
(in Salzsäure) lösliche Kali zu derGesammtmenge desselben im Thone
und im ganzen Boden in einem sehr ungünstigen Verhältniss steht.
Während nämlich das in Salzsäure lösliche Kali bei 6Hohenheimer
Bodenartendurchschuittlich45,4Proc. vonderimThonund25,0Proc.
von der im Boden überhaupt enthaltenenGesammtmenge des Kali be-
trägt, ergaben sich diese Zahlen für die Steine des Untergrundes
zu beziehungsweise 10,7 und 2,8 Proc. , für die Feinerde des
Untergrundes zu 16,3 und 5,7 Proc. und für die Ackerkrume
zu 23,8 und 7,4 Procent.
Die sandigen Gemengtheile des Bodens sind ziemlich reich
an feldspathartigen Verbindungen, sie enthalten etwa 15 Proc.
oder der ganze Boden im lufttrocknen Zustande nahezu 1 1 Proc.
Kalifeldspath. Der letztere wird vermuthlich ziemlich rasch ver-
wittern und hiei'bei fortwährend eine nicht unbedeutende Menge
von löslichem Kali liefern , welches aber, wie erwähnt, von den
übrigen Gemengtheilen des Bodens nicht sehr stark absorbirt
und zurückgehalten wird und daher zur Bildung kalireicher
Quellwasser im Terrain der Formation des bunten Sandsteins
Veranlassung geben möchte.
In der Ackerkrume hat eine reichliche Menge von stick-
stoffhaltigem Humus in Folge einer vielhundertjährigen Vege-
tation und einer langen Cultur eich angesammelt (4,2 Proc), —
Humus, in welchem das Verhältniss zwischen Stickstoff und Koh-
lenstoff r^ 1: 9,73 anzudeuten scheint, dass die organische Sub-
stanz einen mittleren Grad der Zersetzbarkeit besitzt, weder
sehr rasch, noch auch sehr langsam dorn Verwcsungsproecss un-
terliegt; es ist ein milder, ziemlich fruchtbarer Humus, welcher
offenbar auf die physikalischen und namentlich auch auf die
— 99 -
absorbirenden Eigenschaften der Ackerkrume, gegenüber dem
Untergründe, einen günstigen Einfluss ausübt.
Auch hinsichtlich der Menge der zunächst disponible^ Pflan-
zennährstoffe ist die Ackerkrume entschieden reicher als der
Untergrund ; sie enthält beträchtlich mehr an in kalter und in heis-
ser Salzsäure löslichem Kali, die Menge der Phosphorsäure und
des Kalkes ist doppelt und die der Schwefelsäure sogar 4mal
so gross als im Untergrund. Der letztere aber ist verhältniss-
mässig arm an allen wesentlichen , den Pflanzen hinreichend
leicht zugänglichen Nährstoffen.
Als Resultat der sämmtlichen angestellten Untersuchungen
und Betrachtungen kann man annehmen, dass der Verwitte-
rungsboden der oberen plattenförmigen Ablagerungen
des bunten Sandsteins zwar in physikalischer und
mechanischer Hinsicht für die Erzielung hoher
Ernteerträge kein Hinderniss darbietet, dass aber
der Boden verhältnissmässig arm ist an sofort oder
in nächster Zeit verwendbaren Pflanzennährstoffen
und daher, um hohe Erträge zu liefern, viel Dünger
beansprucht, auch die Anwendung von concentrirten
Düngemitteln, namentlich von Kalk und von Phos-
phaten reichlich lohnen möchte.
10. Die Eigenschaften und Verhältnisse, welche es be-
dingen, dass der so eben beschriebene Boden als ein ziemlich
armer bezeichnet werden muss , würden jn noch weit höherem
Grade bei einem Boden vorhanden sein, welcher durch Zer-
bröckeln und Verwitterung des festen bunten Sandsteins
gebildet wäre, den ich ebenfalls einer ausführlichen Untersuchung
unterworfen habe. Der Gehalt des Sandsteins zunächst an
Phosphorsäure ist ein sehr niedriger; es wurde gefunden:
Procent.
a. in kalter Salzsäure auflöslich . 1) 0,0090
2) 0,0103
Mittel
. 0,0096
b. in heisser Salzsäure auflöslich .
. 0,0249
a in Procenten von b ....
. 38,9
— 100 -
Die Gesammtmenge des Kali's ist freilich eine ziemlich
grosse und selbst eine etwas grössere, als in den sonst weit
fruchtbareren Bodenarten des Liassandsteins vorhanden zu sein
pflegt, sie beti'ägt nämlich 1,8925 Proc. vom Gewichte des Ge-
steins. Das Kali ist aber in einem sehr fest gebundenen Zu-
stande zugegen; in kalter Salzsäui'e sind nur 0,0148 Proc, in
heisser Salzsäure 0,0490 Proc. des Gesteins, d. h. von dem im
Thon enthaltenen Kali 4,4 und 14,7 Proc, von dem Gesammt-
kali nur 0,8 und 2,6 Proc. auflöslich.
An Thon wurden auf chemischem Wege durch Behandlung
des Steinpulvers mit concentrirter Salzsäure und Schwefelsäure
im Ganzen 4,1614 Proc. nachgewiesen, während die Steine des
Untergrundes 10,64 und die Feinerde des letzteren 18,36 Proc.
fertig gebildeten Thon enthielten; die Menge der eigentlichen
sandigen Masse betrug in diesen drei Materialien beziehungs-
weise 93,09 — 81,33 und 72,35 Proc. der lufftrocknen Substanz.
Die procentische Zusammensetzung der rein sandigen Masse
ist die folgende:
steine des Feinerde des
Sandstein. Untergrundes. Untergrundes.
Thonerde 2,36 3,84 3,08
Kalk 0,09 0,09 0,07
Magnesia 0,06 0,08 0,08
Kali 1,67 2,53 2,39
JSfatron 0,06 0,39 0,41
Kieselsäure .... 95,76 93,07 93,97
100,00 100,00 100,00
Hieraus berechnen sich die Gemengtheile :
Kalifeldspath .
Natronfeldspath
Thon ....
Quarzsand . .
Kalk und Magnesia
9,91 15,06 14,20
0,51 3,30 3,62
1,13 0,97 —
88,30 80,50 82,03
0,15 0,17 0,15
100,00 100,00 100,00
Der Gehalt des Sandsteins an feldspathartigen Verbindnn-
— 101 -
gen ist also entschieden niedriger als der des Untergrundes und
der in letzterem noch vorhandenen Steine, dennoch aber ver-
hältnissmässig nicht unbedeutend.
Die Verwitterung des Sandsteins und dessen allmähliges
Zerfallen zu einer pulverigen Masse wird dadurch bewirkt, dass
ein Theil des Eisenoxyds von den atmosphärischen Wassern auf-
gelöst und ausgewaschen wird und ausserdem dadurch, dass die
glimmer- und feldspathartigen Mineralien nach und nach der
Zersetzung unterliegen. In Folge des zuletzt erwähnten Pro-
zesses wird die Menge der Thonsubstanz sich etwas erhöhen
und auch das Kali theilweise in einen leichter löslichen, den
Pflanzen mehr zugänglichen Zustand übergehen; jedenfalls aber
zeigt der niedrige absolute Gehalt an Kalk und Magnesia, be-
sonders aber an Phosphorsäure und Schwefelsäure deutlich ge-
nug, dass aus dem hier untersuchten bunten Sandstein ein
sehr leichter Ackerboden sich bilden muss, welcher
eine nur geringe natürliche Fruchtbarkeit zu ent-
wickeln vermag.
Anhang.
Untersucliuiigsinetliodeii und analytische Belege. *)
Zur Bestimmung der sandigen Gemengtheile des Bodens
wurden jedesmal 30 Grm. lufttrockner Substanz in dem Nöbel-
schen Apparat abgeschlämmt; man kochte zu diesem Zweck die
abgewogene Substanz zunächst stundenlang mit etwas Wasser
auf, schüttete dieselbe hierauf in den zweiten Trichter des
Apparates und nachdem die sämmtlichen Trichter mit Walser
vollständig angefüllt und luftdicht mit einander und mit dem
*) Ueber die Methode der Analyse vgl. auch die Zeitschrift: „Land-
wirlhschaftliche Versuchsstationen'-; 1865, S. 2 96 — 302.
- 102 -
"Wasserbehälter verbunden waren, wurden 9 Liter Wasser bei
gleichförmig regulirtem Strome in der Zeit von 40 — 45 Mi-
nuten durch den Apparat hindurch geleitet. Die gröberen und
feineren sandigen Massen in je 30 Grm. der von Steinen und
Steinchen abgesiebten Feinerde betrugen:
Ackei
■krume.
Vntergrund.
Gramme.
Gramme.
Gramme.
Sandige Substanz a.
17,91
17,62
18,53
» « b.
2,82
2,86
2,92
c.
2,24
2,11
2,77
Nach dem Glühen wogen diese Schlämmproben:
Sandige Substanz a. 17,21 16,86 18,10
„ „ b. 2,58 2,57 2,80
„ „ c. 1,99 1,84 2,57
In 933,3 Grm. Untergrund waren 80,3 Grm. und in 858,7 Grm.
Ackerkrume 63,7 Grm, Steine und Steinchen enthalten. Ueber-
all wurde die Feinerde zur Analyse verwendet, der feste bunte
Sandstein aber und die Steine des Untergrundes vor der Unter-
suchung zu einem feinen Pulver zerstossen.
Den in organischer Yerbindung (im Humus) vorhandenen
Kohlenstoff bestimmte ich auf die Weise, dass ich die betreffende
Substanz zuerst mit 15 CG. Wasser und dann mit 30 CG. con-
centrirter Schwefelsäure in einem Kochfläschchen übergoss, hierauf
nach dem Erkalten der Flüssigkeit 6 — 7 Grm. von gröblich ge-
stossenem saurem chromsaurem Kali hinzusetzte und unter vor-
sichtiger Erwärmung einwirken liess; die gebildete Kohlensäure
wurde in Kalilauge aufgefangen und dem Gewichte nach ermit-
telt. Den Stickstoff des Bodens bestimmte ich durch Verbrennen
mit Natronkalk und Auffangen des Ammoniaks in titrirter
Schwefelsäure,
Untergi
rund.
Ackerkrume.
%
1.
Grm.
Grm.
1.
Grm.
Grm.
Lufttrockne Substanz
10,223
9,687
5,739
4,174
Kohlensäure . . .
0,112
0,123
0,485
0,373
Lufttrockne Substanz
10,361
12,819
8,379
6,126
Stickstoff ....
0,0042
0,0049
0,0199
0,0154
- 103
'
Steine des
Sandstein.
Untergrund.
Ackerltrume.
Untergrundes.
Grm.
Grm.
Grm.
Grm.
11,546
10,571
11,245
5,651
0,036
0,241
0,516
0,063
Lufttrockne Substanz 11,546
Verlust bei 125 ° C. .
Weiterer Verlust durcb
Glühen 0,036 0,252 0,717 0,085
Von dem Pulver des Sandsteins wurden 300 Grm. mit
1000 CC. concentrirter Salzsäure und von der Feinerde des Un-
tergrundes und der Ackerkrume 450 Grm. mit 1500 CC. Salz-
säure Übergossen und nachdem die Einwirkung bei gewöhnlicher
Temperatur unter häufigem Umschütteln der ganzen Masse
48 Stunden lang stattgefunden hatte, beziehungsweise 800 und
1000 CC. der Flüssigkeit zur Abscheidung und Bestimmung der
darin aufgelösten Bodenbestandtheile benutzt. Diese Flüssig-
keitsmengen entsprechen also 240 Grm. des Sandsteins und je
300 Grm. des Untergrundes und der Ackerkrume. Ich fand in
der Lösung:
Sandstein. Untergrund Ackerkrume.
Grm. Grm. Grm.
Kieselsäure 0,008 0,248 0,418
Das Filtrat von der Kieselsäure verdünnte ich auf je 1000
CC. und es waren enthalten:
In 200 CC.
Eisenoxyd in der Hälfte .... 0,2544 0,506 0,428
Thonerde „ „ „ . . . . 0,0183 0,264 0,270
Mauganoxyduloxyd ? 0,039 0,053
Kohlensaurer Kalk 0,024 0,035 0,073
Pyrophosphorsaure Magnesia . . Spur 0,0773 0,102
In 400 CC. (Phosphorsäure)
Pyrophosphorsaure Magnesia 1) .. 0,0135 0,039 0,120
2) . 0,0155 0,043 0,125
In 800 CC.
Schwefelsaure Baryterde .... 0,047 0,045 0,190
Chloralkdhen 0,056 0,154 0,280
Chlorkalium -Platinchlorid . . . 0,147 0,4485 0,872
— 104 -
Bezüglich des Mangan's ist zu bemerken, dass aus der
Lösung zunächst das Eisenoxyd und die Thonerde nebst der
Phosphorsäure nach genügendem Zusatz von kohlensaurem und
essigsaurem Natron durch Aufkochen ausgefällt und sodann das
Filtrat unter Erwärmen mit Chlorgas gesättigt wurde. Das hier-
durch ausgeschiedene Mangansuperoxyd löste ich in Salzsäure
auf, fällte mit kohlensaurem Natron und bestimmte das Mangan
nach Abfiltriren, Auswaschen und starkem Glühen des Nieder-
schlages als Oxyduloxyd.
Eine neue Portion der lufttrocknen Substanz wurde mit dem
doppelten Gewichte von concentrirter Salzsäure eine Stunde lang
gekocht , der Rückstand abfiltrirt und ausgewaschen , die Flüs-
sigkeit eingedampft, aus der eingetrockneten Masse durch Be-
handlung mit salzsaurem Wasser die Kieselsäure abgeschieden
und das Filtrat wiederum auf 1000 CG. verdünnt.
steine des
Sandstein. Untergrund. Ackerkrume. Untergrundes.
G
Lufttrockne Substanz 120
Kieselsäure ....
In CG. der Lösung:
Eisenoxyd in der Hälfte
Thonerde „ „ „ .
Manganoxyduloxyd . .
Kohlensaurer Kalk . .
Pyrop hosphorsaureMag-
Besia Spur
In GG. der Lösung:
Schwefelsaure Baryterde
Pyrophosphorsaure Mag-
nesia (Phosphorsäure)
Chloralkalien . . .
Chlorkalium -Platinchlo-
rid ..... 0,183 0,703 0,938 0,210
Der Rückstand von der Behandlung mit kochender Salz-
säure -wog im
Gramme.
Gramme.
Gramme.
Gramme.
120
150
150
74,184
0,040
0,195
0,192
0,042
400
400
400
300
0,2492
0,6053
0,5841
0,3531
0,0663
0,7018
0,6837
0,1099
0,003
0,087
0,125
0,113
0,041
0,063
0,138
0,022
Spur
0,069
0,160
0,032
600
600
600
700
0,020
0,021
0,0785
0,014
0,028
0,070
0,132
0,037
0,064
0,225
0,309
0,074
Grm.
Grm.
Grm.
139,15
132,24
69,582
11,308
11,158
8,986
0,331
0,582
0,124
12,274
12,360
15,324
0,397
0,486
0,164
16,738
18,311
17,036
- 105 -
steine des
Sandstein. Untergrund. Ackerlirume. Untergrundes.
Grm.
lufttrocknen Zustande . 117,93
1. Theil des Rück-
standes . . . 14,492
Glühverlust .... 0,079
2. Theil des Rück-
standes . . . 15,782
Kieselsäure, in kohlen-
saurem Natron löslich 0,095
3. Theil des Rück-
standes . . . 20,952
Mit dem Sfachen Gewichte concentrirter Schwefelsäure be-
handelt :
Kieselsäure aus der Lö-
sung 0,021
Eisenoxyd 0,0961
Thonerde 0,2749
Kohlensaurer Kalk . . 0,005
Pyrophosphorsaure Mag-
nesia 0,034
Chloralkalien .... 0,104
Chlorkalium -Platinchlo-
rid 0,315
unlöslicher Rückstand
(lufttrocken) . . . 20,522
1. Theil des Rück-
standes . . . 7,858
Glühverlust .... 0,057
2. Theil des Rück-
standes . . . 12,664 6,688 7,992 8,363
Kieselsäure , in kohlen-
saurem jS'atron löslich 0,324 0,840 0,829 0,574
Ein Theil des Rückstandes von der Behandlung mit Schwefel-
säure wurde fein gerieben und geschlämmt und nach dem Trock-
nen und Glühen mit flusssauren Dämpfen aufgeschlossen.
0,014
0,030
—
0,1818
0,1246
0,104
0,9262
0,8914
0,637
0,009
0,011
0,003
0,032
0,041
0,069
0,243
0,229
0,227
0,721
0,694
0,615
15,.338
16,570
16,153
8,650
8,381
7,790
0,202
0,197
0,121
- 106 -
Steine des
Sandstein. Untergrund. Ackerkrume. Untergrundcs-
Orm. Grm. Grm. Grm.
Geglühte Substanz . 3,850 4,053 2,916 3,796
Unaufgeschlossen . . 0,027 0,102 0,117 —
Kieselsäure, in kohlen-
saurem Natron löslich,
nach Berechnung . 0,096 0,508 0,316 0,265
Aufgeschlossener reiner
Sand 3,727 3,443 2,483 3,531
Hierin gefunden:
Thonerde 0,088 0,107 0,097 0,132
Kohlensaurer Kalk . . 0,006 0,004 0,0055 0,006
Pyrophosphorsaure Mag-
nesia 0,006 0,007 0,005 0,008
Chloralkalien .... 0,103 0,157 0,129 0,165
Chlorkalium-Platinchlo-
rid 0,324 0,427 0,350 0,457
Eine Portion der ursprünglichen lufttrocknen Substanz des
Untergrundes und der Ackerkrume wurde nach Knop mit der
doppelten Menge (CC.) einer Flüssigkeit, die in 1 Liter 100 Grm.
Weinsäure und 10 Grm. Oxalsäure enthielt und mit einem mas-
sigen Ueberschuss von Aetzammoniak versetzt war , 1 Viertel-
stunde lang gekocht, der Rückstand abfiltrirt und möglichst gut
ausgewaschen. In der Weinsäurelösung war enthalten:
Untergrund. Ackerkrume.
Gramme. Gramme.
Lufttrockne Substanz .50 40
Thonerde 0,111 0,161
Eisenoxyd 0,061 0,071
Endlich Hess ich, ebenfalls nach Knop, auf die lufttrockno
Substanz die doppelte Anzahl CC. einer titrirten Lösung von
salpetersaurem Kalk, welche in 200 CC. 1 Grm. Kalk und eine
der Salpetersäure äquivalente Menge Ammoniak enthielt, unter
häufigem Umschütteln 24 Stunden einwirken.
- 107 -
Untergrund. Ackerkrume.
Lufttrockne Substanz 50 Grm. 40 Grm.
Titrirte Kalklösung . 100 CC. 80 CG.
Hiervon abfiltrirt . . 65 „ 40 „
Kohlensaurer Kalk . 0,405 Grm. 0,164 Grm.
Aus dieser Menge des kohlensauren Kalkes, welche aus der
erwähnten CC.-Anzahl der Flüssigkeit abgeschieden worden war,
ergibt sich, dass die Feinerde des Untergrundes im Ganzen
0,1510 Grm. = 0,302 Proc, die Feinerde der Ackerkrume aber
0,2164 Grm. = 0,541 Proc. Kalk absorbirt hatte.
Dyoplax ''"') arcuaceus, ein neuer Stuttgarter Kcuper-Sauricr.
Von Professor Dr. Oscar Fraas.
(Hiezu Tafel I.)
Eine der fruchtbarsten Gegenden , was fossile Saurierfunde
anbelangt, ist seit Jahren die Gegend um Stuttgart. Der Grund
hiefür wird weniger in einem grösseren Reichthum des Keupers
an abgelagerten Saurierresten zu suchen sein, als in den zahl-
reichen Grabarbeiten, die Jahr aus Jahr ein Berg und Thal um
Stuttgart durchwühlen. Im unteren Keuper bricht der Stutt-
garter "Werkstein oder Schilfsandstein, der vorzugsweise für die
zahlreichen Neubauten benutzt wird. Zuerst fanden sich in
dessen unteren Lagen auf der Feuerbacher Haide wie in den
oberen Lagen (Kienlen) Schädel und Schilder des Mastodon-
saurus rohustus und Metopias diagnosticus. Hernach kam in
den oberen rothen Knollenmergeln von Degerloch der „schwä-
bische Lindwurm'"', Zanclodon loevis, zu Tage und aus den dor-
tigen Bonebedschichten die Zähne und Knochen von Termato-
saurus Albertii und Megalosaurus cloacinus. Im letzten Jahr-
zehend endlich bei Heslach die unvergleichlich schönen Reste
der Belodonten: Phytosaurus Kapffii und Plieningeri und Te-
ratosaurus suevicus. Zu diesen acht ganz ausgezeichneten Arten
von Sauriern kam im Laufe des Sommers ein ganz neues Ge-
schlecht, eine kleine, mit ganz eigenthümlichen Panzerschuppen
versehene Echse, die auf Tafel I abgebildet ist. Der Fund
war, wie es oft so geht, rein zufällig. Die Arbeiter im Leins-
schen Steinbruch, der hart vor den Thoren Stuttgarts am Fuss
*) ovo und ttA«^ wcjjeii der Doppelreihe der Puuzer platten.
- 109 —
des Sonnenbergs liegt, richteten einen der rothen Mauersteine
zu, die bereits plattig den oberen 10 Fuss des über 30 Fuss
mächtigen Steinlagers entstammen und zu Quadersteinen sich
nicht mehr eignen, als das Thier, gerade so wie es abgebildet
ist, aus dem Stein sich schälte. Der Stein mit dem Schwanz-
ende war Tags zuvor schon abgeschrotet worden und war be-
reits in einem Hause vermauert.
Der Zustand, in welchem das Fossil sich befindet, ist ein
ganz eigentliümlicher , wie er sonst nicht leicht sich wieder fin-
den wird und wie wenigstens im schwäbischen Keuper noch
kein Stück gefunden wurde. Es ist nehmlich von einem Körper,
d. h. von Knochen- oder Schuppenmasse keine Spur mehr vor-
handen. Das Ganze, was so schön in die Augen fällt, ist lei-
der nur ein ganz feiner, grüner Thonschlick, der das Bild des
Thieres wiedergibt. Wir haben somit lediglich nur einen Ab-
klatsch der Eidechse in feinem Thon, während der Körper längst
spurlos verschwunden ist. Die Hofi'nung, durch Präpariren noch
mehr blos legen zu können, als in Folge des zufälligen Ab"
springens von der Steinplatte sichtbar war, ging hienach nicht
in Erfüllung: man musste gerade mit dem zufrieden sein, was
der Zufall in die Hand gespielt hatte, und darf, soll der Fund
erhalten bleiben, niemals mit Schwamm oder Bürste das Stück
"berühren. Der Thonschlick, in welchem das Bild der Eidechse
wiedergegeben ist, ist papierdünn; unter der Thonlage liegt
alsbald der Sandstein, der in die Thonform des früheren Kör-
pers eingegossen ist. Das Thier, ein augenscheinliches Land-
thier, nach seinem Tod ins Wasser getrieben, strandete auf
einer Sandbank, sank ein im Sand und ward glücklicherweise
mit dem feinsten Schlamm zugewaschen, der zunächst die Ober-
seite des Körpers einhüllte. Später deckte der Sand Alles zu,
das Thier verweste drinnen und wäre spurlos verschwunden,
wenn seine Form nicht in dem Thon erhalten gewesen wäre.
So aber drückte sich dann der Sand in alle bei der Zersetzung
des Körpers allmählig leer werdenden Räume ein und blieb uns
das treue Bild wenigstens erhalten, das eine Echse vorstellt,
halb Schuppenechse, halb Fanzerechse, die wie so viele unserer
— 110 -
alten Saurier sich in keines unserer Systeme einreihen lassen
will. Leider bietet das Bild beim Mangel alles Körpers, Zähne,
Knochen u. s. w. keine Anhaltspunkte zu einer vollständigeren
Diagnose und kann somit auch die Beschreibung nur eine höchst
nothdürftige sein: und doch ist andrerseits das Bild so reizend
und neu, dass es ein Unrecht wäre, es nicht zur allgemeinen
Kenntniss zu bringen.
1. Grössenverhältniss. Die Länge des im Bilde erhal-
tenen Stückes, das Fig. I in 7^ natürlicher Grösse wiedergege-
ben ist, beträgt 0,625 Meter, von der Schnauze bis zu dem
Anfang des Schwanzes 0,375 Meter. Nach Analogie der Teleo-
saurier, deren Schwanz die Länge des übrigen Körpers erreicht,
wäre die Totallänge auf 0,750 Meter zu schätzen. Annähernd
mag das auch richtig sein, den Contourlinien nach zu urtheilen,
die von der Bruchstelle des Schwanzes an verlängert werden.
Die grösste Körperdicke am Bauch misst 0,064 Meter. Die Länge
des Kopfes von der Schnauze bis zur ersten Schuppe im Nacken
0,080, seine Breite am Hinterende 0,058.
2. Der Kopf, Fig. II, dessen Länge und Breite sich wie
10:7 verhält, ist nicht der Kopf eines Crocodiliners, denn Schläf-
grube, Augenhöhle und Nasenloch sind deutlich sichtbar und
sehen wir das letztere nicht am Vorderende des Oberschädels,
sondern zu Anfang des ersten Drittheils der ganzen Kopflänge;
es kann hicnach von einem Crocodil keine Rede sein.
Vielmehr denkt man unwillkührlich beim Anblick des Schädels an
Varanen. Leider ist vom Zahnbild nicht einmal, geschweige denn
von Zähnen selber eine Spur. Höchstens mag noch der Kno-
chenrinnen Erwähnung geschehen, welche die Infraorbitalränder
umgeben und ebenso die hintern Schläfgruben und zwischen
beiden auf der Mitte des Scheitelbeins zusammenlaufen, wie
solches an einem egyptischen Varanus von Ileuglin, dem Psa-
mosaurus griseus Fitzr. ganz auf dieselbe Weise sichtbar ist.
Vergeblich sucht man jedoch unter den Lacerten des Dyas und
Trias nach etwas Aehnlichera. Man mag vergleichen, was es
gibt, wie Telerpedon, Proterosaurus, Palaeosaurus , Phanero-
saurus u. A., das Resultat bleibt immer das gleiche, dass wir
— 111 -
ein noch nicht gekanntes Bild vor uns haben, eine Echse mit
monitor artigem Kopfe.
3. Der Rumpf. Weiter als bis zum Kopfe reicht nun aber
der Monitorcharakter nicht. Denn der ganze Rücken ist von
der halbmondförmig ausgeschnittenen Nackenplatte an mit einer
Doppelreihe oblonger Panzerplatten besetzt, die sich zuucächst
über den ganzen Rumpfkörper und dann mit einigen Aenderun-
gen über den Schwanz hinziehen. Hiemit begegnet uns wieder
der Charakter der späteren Teleosauren und theilweise auch der
nach der Aufeinanderfolge des Gebirgs nächst liegenden Belo-
donten. Indess ist die Verschiedenheit in der Anordnung der
Schilder von beiden so gross, dass nur entfernt von einer Aehn-
lichkeit gesprochen werden kann. 7 Paar Halsschuppen schei-
nen die 7 Halswirbel gedeckt zu haben, wenigstens zählt man
6 der beilförmigen Querfortsätze an der Seite des Halses, gedeckt
von der gleichen Zahl oblonger Schuppenplatten (die Atlas-
schuppe nicht mit gerechnet), die paarweise in einer Medianlinie
aneinanderstossen. Das erste Paar Nackenschuppen legt sich
halbmondförmig in das ausgeschnittene Hinterhaupt, eine Form,
die sich durch die weit nach hinten greifenden Zitzeiibeine er-
giebt, der Atlas trug Querfortsätze, aber gleich der zweite
"Wirbel trägt einen starken , nach hinten greifenden Fortsatz,
über dem eine zweite Nackenplatte sitzt, deutlich durch eine
kleine seitliche Verschiebung von dem ersten, wie vom dritten
Schuppenpaar getrennt. So zählen wir über den 6 Querfort-
sätzen an den Halswirbeln 7 Paar Schilder mit feinen Grüb-
chen auf ihrer Oberfläche (Fig. II). Unter dem achten Paar
liegt ein längerer nach hinten gestreckter Fortsatz, welcher der
ersten Rippe entspräche, die am achten Wirbel oder erstem Brust-
wirbel articulirte. Das weitere Zählen der Schuppenpaare wird
bei der Undeutlichkeit der Grenzen ausserordentlich erschwert.
Man glaubt 16—18 Rippen mit entsprechend vielen Rücken-
panzerplatten zu zählen und 4 — 5 Lendenwirbelplatten. Die
Sculptur auf den Platten, beziehungsweise die grubenförmigen
Eindrücke sind in der Lendengegend am deutlichsten, die daher
auch in Fig. HI in natürlicher Grösse dargestellt wurde. Am
- 112 -
Schwänze zählt man noch 23 Schuppenplatten, die Felder werden
schmaler, die Medianlinie weniger deutlich und erheben sich
seitlich Schuppengräthen und Nebcnlappen, die, wie es scheint,
in Folge des Gebirgsdrucks aufgeklappt wurden und zum seit-
lichen Schutz des Schwanzes dienten (Fig. IV).
Bei der Lage des Thiers auf dem Bauche und der Art der
Erhaltung ist von der Beschaffenheit der Bauchseite nichts mehr
zu sehen, so wenig als von der Unterseite des Kopfes oder
Schwanzes. Die Extremitäten, vordere wie hintere, wurden von
den Arbeitern bei Zurichten des Bausteins abgeschrotet und zer-
stört. Sichtbar ist noch auf Fig. II das Oberende vom Hume-
rus und Fig. III von Femur, so wie einige Spuren des Beckens.
Somit haben wir in Dyoplax arenaceus eine Echse mit
dem Kopfe einer Lacerte und mit dem Panzer eines
dem Gavial am nächsten stehenden Geschöpfes. Hoffen wir, dass
unser Fund der glückliche Vorläufer anderer Individuen ist, an
denen wir dann nicht blos einen Thondruck beobachteten, sondern
das Thier mit Zähnen und Knochen zur Untersuchung bekämen.
Ueber die Varietäten des Kalkspaths in Württemberg.
Von Dr. Gr. Werner.
(Hiezu Tafel III.)
Unser Land ist nicht reich an edlen Steinen und Erzen und
ebenso wenig an solchen Mineralien, welche in oryktognostisch
wissenschaftlicher Beziehung ein hohes Interesse hätten. Nichts
desto weniger dürfte es sich verlohnen, wenigstens das, was da
ist, zusammenzustellen, wäre es auch nur, um die Aufmerksam-
keit mehr, als es bis daher der Fall war, auf diesen Gegenstand
zu lenken. Wenn unsere geognostischen Formationen mit eben
so viel Eifer auf Mineralien durchsucht würden, wie auf Ver-
steinerungen, die freilich durch ihre Häufigkeit und Mannigfal-
tigkeit weit mehr dazu einladen, so würde sich gewiss auch in
dieser Beziehung noch manches Interessante finden.
Zu den am allgemeinsten auf der Erdoberfläche verbreiteten
Mineralien gehört vor allen der Kalkspath. Nicht nur bestehen
ganze Formationen bei weitem der Hauptmasse nach aus koh-
lensaurem Kalk, sondern es entwickelt der Kalkspath wie nicht
leicht eine andere Mineralspecies einen ausserordentlichen Reich-
thum von krystallisirten und anderen Formen in Drusen und
Ueberzügen anderer Art auf den Kluftflächen der verschiedensten
Gesteine. Im Folgenden sollen die Vorkommnisse des Kalkspaths
und nebenbei die des Arragonits in Württemberg der Reihe nach
durchgegangen werden und wir werden dabei am besten die
geognostische Ordnung einhalten.
Urgebirge. Der Kalkspath bildet keinen Gemengtheil der
Urgebirgsarten unseres Schwarzwalds; ebenso wenig kommt
er in Form von Einlagerungen als weisser Marmor im württem-
bergischen Urgebirge vor. Nichts destoweniger wird er nicht
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. Is Heft. 8
_ 114 _
selten auf Gängen und Klüften des Granits krystallisirt angetroffen.
Als untergeordnetes Gangmineral bildet er neben Schwerspath,
Flussspath, Braunspath, Quarz u. s. w. auf den Silber- und Kobalt-
gängen des mittleren Schwarzwaldes Krystalle von mitunter ziem=
lieh ansehnlicher Grösse und zwar in zweierlei Form, Die eine ist
die des gewöhnlichen Dreikantners (a : - : — : c) und zwar fin-
den sich meist Zwillinge nach dem gewöhnlichen Kalkspath-
Zwillingsgesetz , bei welchem die gemeinschaftliche Fläche, in
welcher die beiden Individuen gegen einander verdreht sind, die
Endfläche ist. Aus grösseren Individuen, die öfters eine Länge
von mehreren Zollen erreichen, brechen gewöhnlich an verschie-
denen Stellen der Flächen kleine Parthieen des zweiten Indivi-
duums hervor, die zum Hauptindividuum in Zwillingsstellung sich
befinden. Aber auch kleine nur liniengrosse Dreikantner mit
feiner Endspitze trifft man nicht selten auf den Erzgängen an.
Die zweite Krystallform, welche der Kalkspath auf Erzgängen
des württembergischen Gebiets annimmt, ist die des ersten stumpferen
Rhomboeders (2 a' : 2 a' : c) , dessen Seitenecken durch kurze
Flächen der ersten sechsseitigen Säule abgestumpft sind. Statt
der letzteren tritt oft auch ein sehr spitzes Rhomboeder (etwa
a a
— : — : c) auf, dessen Seitenkanten gegen die Stelle hin, wo
13 13 ' ^
sie die Flächen des stumpfen Rhomboeders in horizontaler Kante
schneiden, convergiren (s. Fig. 10, 11); die beiden combinirten
Rhomboeder gehören weithin verschiedenen Ordnungen an.
(Vielleicht stellen jene Abstumpfungen, die man für die erste
sechsseitige Säule hält, immer ein solches spitzes Rhomboeder
dar; da dessen Zickzackkanten fast einen Winkel von 120"
haben, so täuscht man sich leicht.) Diese Krystalle, wie sie z.B.
in der Reinerzau mit Schwerspath, Braunspath u. s. w. vorkom-
men, sind in der Regel von schmutziggrüner Farbe.
Ein weiteres Vorkommen von kohlensaurem Kalk im Granit
des Schwarzwaldes ist das aus den Quellläufen der Wildbader
Thermen. Dort ist das Granitgestein durch die fortwährende
Einwirkung des Wassers zum Theil gänzlich verändert. Aus
- llo -
den Bestandtheilen des Grauits, Feldspath, Quarz und Glimmer,
welche man noch deutlich erkennt, sind Trümmergebilde ent-
standen , welch eine auffallende Aehnlichkeit theils mit der
Arkose, theils mit den sandsteinartigen Conglomeraten des Todt-
liegenden haben. Im letzteren Fall sind sie bald lebhaft roth,
bald mehr grau gefärbt. Dieses Trümmergestein ist durch
Quarz zusammengekittet, theilweise auch überzogen oder durch-
zogen von einer compacten Quarzmasse, welche Abdrücke eines
tafelartigen Minerals zeigt. Es ist wohl kein Zweifel, dass es
Tafeln von Schwerspath waren, welche vom Quarz zuerst über-
sintert und zuletzt ganz umschlossen wurden und endlich, nach-
dem sie wahrscheinlich auf nassem Wege wieder entfernt waren,
ihre hohle Form zurückliessen, wie denn auch späthige Parthieen
von unverändertem Schwerspath an einem und demselben Hand-
stück mit jenen Hohlräumen vorkommen. Die Innenwände der
letzteren sind z. Th. selbst wieder mit Quarz überzogen. Als
Verwitterungsproduct des Feldspaths tritt eine zerreibliche bald
grünliche, bald mehr weissliche oder röthliche Masse auf, deren
Beschaffenheit an Steinmark erinnert, und die ebenfalls häufig
die Eindrücke der Schwerspathtafeln zeigt. Der Glimmer zeigt
alle Uebergänge vom frischesten, perlmutterglänzenden, öfters
grünlichen Aussehen bis zum matten, rothbraunen, zerreiblichen
Zersetzungsproduct. Den obersten und jüngsten Absatz aus
dem Wasser, aufsitzend auf den von Rotheisenrahm durchschwärm-
ten Dihexaederspitzen des Quarzes bildet in der Regel ein rein weisser
Kalksinter, der bald mehlig, bald stalactitisch, bald in zier-
lich traubigen oder becherförmigen, z. Th. etwas durchscheinen-
den Gestalten nach Art der Eisenblüthe erscheint, bald, jedoch
seltener, feine Krystallnadeln aufweist. Die spiessige Form der
letzteren, sowie das Aufblähen vor dem Löthrohr scheint dafür
zu sprechen , dass diese Krystalle und die übrigen Theile des
Sinters aus Arragonit bestehen, an welchen auch die heissen
Quellen, woraus er sich niedergeschlagen, mahnt. Allein eine
genauere Untersuchung liefert folgendes Resultat. Nimmt man
eine jener Krystallnadeln vor's Löthrohr, so schwillt sie aller-
dings auf, aber man bemerkt leicht, dass sie nicht blos aufschwillt,
- 116 -
sondern unter Schäumen sogar schmilzt. Gleichzeitig erhält man
eine orangerothe Färbung der Flamme. In Salzsäure geworfen,
brausen die Kryställchen stark auf, aber zuletzt hinterbleibt ein
unlösliches und unschmelzbares Skelett. Hiernach besteht ohne
Zweifel die ganze Sinterbildung zwar der Hauptmasse nach aus
kohlensaurem Kalk (vielleicht Arragonit, vielleicht auch nicht),
aber sie enthält ausserdem ein zeolithisches Mineral, welches
zum Theil in feinen Nadeln auskrystallisirt ist. Es ist ebenso
leicht denkbar, dass zwischen den feinen Zeolithnadeln immer
etwas kohlensaurer Kalk in anderer Form versteckt ist, und dass
es desshalb nicht gelingt, die Kryställchen ganz zu isoliren, so
dass sie immer noch brausen, wenn sie mit Salzsäure in Be-
rührung kommen, — als dass die Nadeln aus Arragonit bestehen
und den Arragonitkrystallen immer etwas zeolithisches Mehl anhängt.
Was den Ursprung der Kalkerde im XJrgebirge betrifft, die
man nicht blos in der Form des kohlensauren Kalks, son-
dern auch als Gyps nebst Braunspath auf zersetzten schwefel-
haltigen Erzen der Gänge im Granit findet, so scheint nichts
Anderes als die Zersetzung von Oligoklas zur Erklärung übrig
zu bleiben , der neben Orthoklas den Feldspathgehalt des
Schwarzwaldgranits ausmacht. (Eben daher mag wohl auch
das Calcium des Flussspaths seinen Ursprung haben.) Denn
die auf Granit lagernden Flözgebirgsformationen:
Das Todtliegende und der bunte Sandstein sind sehr
arm an Kalk. Es ist in der That auffallend, wie selten im
bunten Sandstein Kalksinter angetrofi'en werden, die doch in
den Keupersandstcinen so häutig sind. Auch die bekannten
Kalkspathkrystalle, welche im bunten Sandstein des südlichen
Schwarzwaldcs, dem weissen Mühlstein von Waldshut am Ehein,
sich finden (s. weiter unten), sind bis jetzt im württembergischon
Buntsandstein noch nicht gefunden worden. Im Correspondenz-
blatt des württcmb. landwirthschaftl. Vereins, IH, S. 147 wird
ein Vorkommen von Kalkspath in den Kupfererzgängen des bun-
ten Sandsteins von Ncubulach als „graulichweiss und blassberg-
grün, krystallisirt in wulstförmig zusammengehäuften Rliomben
auf Sandstein" und a. a. 0. S. 137 ein anderes aus den Braun-
— 117 -
eisensteingängen von Wittliusweiler als „graulichweiss in sechssei-
tigen spitzwinkligen Pyramiden (Dreikantnern) auf Spatheisenstein"
beschrieben. Sinterartige Ueberzüge findet man auf Spalten und
Höhlungen besonders der oberen Schichten des bunten Sandsteins
nicht selten, allein sie bestehen meistens aus Quarz ; und wenn Kalk-
sinter vorkommen, so sind sie ganz unansehnlich. Erst mit der
Muschelkalkformation beginnt der Kalkreichthum unse-
rer geognostischen Schichten und hier finden sich auch ver-
hältnissmässig zahlreichere Varietäten krystallisirten Kalkspaths.
Die unterste Abtheilung dieser Formation, der Wellendolo-
rait, enthält neben ungefähr 40 Procent kohlensaurem Kalk
bedeutende Mengen von kohlensaurer Magnesia und Thon.
Kleine Kryställchen von Kalkspath finden sich, verschiedentlich
in Bitterspath und Braunspath übergehend, auf den Hohl-
räumen der Brauneisensteingänge, welche vom bunten Sandstein
herauf reichen. Aber erst im Hauptmuschelkalk wer-
den deutliche und ansehnlichere Krystalldrusen von Kalkspath
häufiger. Man kann ungefähr vier verschiedene Formen unter-
scheiden. Bei weitem die häufigste ist der gewöhnliche Drei-
kantner (a : — :— : c, Fig. 3), welcher von jenen kleinen mit
o Z
blossem Auge kaum unterscheidbaren Kryställchen an, die die
Steinkerne und Spurenkerne der Muscheln überziehen, bis zu
Krystallen von mehreren Zollen Länge und gewöhnlich wein-
gelber oder grauer Farbe vorkommt ; diese grösseren Krystalle
findet man besonders gross in den Thonletten zwischen den
Kalkbänken, so im Neckarthal von Münster unterhalb Cannstatt
an abwärts, im Enzthal bei Bietigheim und in andern Thalein-
schnitten, wo die Schichten in steilen Abstürzen zu Tag treten.
Die grösseren Krystalle sind öfters Zwillinge nach dem ge-
wöhnlichen Gesetz (mit der Endfläche als Verwachsungsfläche),
wie man an den dreimal ein- und ausspringenden Winkeln rings
um den Krystall leicht erkennt. (Fig. 5). Seltener ist das
Vorkommen anderweitiger Krystallflächen, welche in Combination
mit dem Dreikantner auftreten, so die Abstumpfungsflächen der
Seitenecken des Dreikantners (Fig. 6), welche scheinbar der
— 118 —
ersten sechsseitigen Säule, wahrscheinlicher aber einem ausser-
ordentlich spitzen Rhoraboeder angehören. Die Flächen des
Hauptrhomboeders kommen in Combination mit dem Dreikant-
ner (s. Fig. 4) bei grossen Krystallen von Münster unterhalb
Cannstatt vor, bedeckt mit einer dünnen, rostigen Incrustation
mit einer horizontalen Streifung versehen, welche ohne Zweifel
von Zwillingseinschiebseln herrührt. Ob diese Flächen natürlich
oder nur dadurch, dass etwa durch einen herabfallenden Stein
die Spitze abgeschlagen wurde, entstanden und nachher über-
sintert worden sind, möge dahin gestellt bleiben. So wie sie
oben beschrieben sind, wurden sie im Lehm in Spalten des
Muschelkalks gefunden. Nicht selten sind die Dreikantner an
den Enden unvollständig ausgebildet, indem sie eine Menge von
Einzelspitzen in Parallelstellung haben. Eine zweite Krystall-
form des Kalkspaths im Hauptmuschelkalk ist die des zweiten
schärferen Rhomboeders — : — : c mit einem Winkel von 65"
4 4
50' in den Endkanten (s. Quenst, Mineral. 2. Auflage S. 404);
der Blätterbruch schärft an ihm die Endecke von den Flächen
aus, der gewöhnliche Dreikantner die Endecken zu.
Eine besonders interessante Kalkspathdruse wurde bei Na-
gold im untern Muschelkalk gefunden. Es sind kleine gelbliche
Rhomboeder, welche ihre Endkanten (vonimgefähr 80*^) so legen
wie das blättrige Hauptrhomboeder die Flächen. Es ist hier-
an a'
nach wahrscheinlich das nächste schärfere Rhomboeder -^ : 5- • <*)
das auch sonst in einfachen Krystallen im Muschelkalk vorkommt.
Um ein mittleres Individuum gruppiren sich je drei weitere, die
mit jenem längs der Flächen des ßlätterbruchs verwachsen sind
und ihre Flächen denen dos mittleren Individuums zukehren,
so dass letzteres in Gestalt einer dreiseitigen Pyramide aus den
drei andern hervorragt. Es sind demnach Vierlinge, und zwar
nach dem seltenen Gesetz, nach welchem die Fläche des Haupt-
rhomboeders die VerwachsungsHäche bildet, in welcher die Kry-
stalle gegen einander verdreht sind. Jedes einzelne Individuum
besteht übrigens aus einer ganzen Menge von fast, aber nicht
- 119 —
ganz parallel stehenden Parthien, deren Hauptaxen nach oben
etwas divergiren, so dass eine grosse Zahl dreiflächiger Endecken
entsteht. (S. Fig. 1 a, welche einen solchen Vierling in starker
Vergrösserung, und Fig. 1 b, die ihn in natürlicher Grösse zeigt.)
Ganz genau dieselbe Vierlingsbildung mit derselben Vielspitzig-
keit der Einzelindividuen kommt bei einem röthlichen Kalkspath
zu Andreasberg am Harz vor. In der oberen Lettenkohle findet
man ähnliche Krystallisationen. — Endlich kommt der Kalkspath
in der Form des Gegenrhomboeders (a' : a' : c, Fig. 7.) zum
Hauptrhomboeder vor; man findet zuweilen Kalksinter bedeckt
mit zahllosen kleinen Krystallspitzen, welche diese Form darstellen.
In den Dolomiten über dem Hauptmuschelkalk finden sich
in kleinen Höhlungen öfters sehr kleine ßhomboederchen, welche
mit kalter verdünnter Salzsäure ziemlich stark brausen, also je-
denfalls nicht reiner Bitterspath (Ca 0 CO 2 + MgOC02) sind,
und deren Winkel, soweit man dieselben bei der ausserordentli-
chen Kleinheit schätzen kann, auf das fast würfelförmige Khom-
2a' 2a '
boeder -— - : -~- : c zu deuten scheinen, welches grösser und
3 ö
deutlicher bei Andreasberg, sowie mit Ichthyophthalm auf den
Paröerinseln vorkommt. (Vgl. unten die Krystalldrusen aus den
untersten Keupermergeln.) Jedenfalls sind die Rhomboederchen
von verschiedener Ordnung mit dem Hauptrhomboeder; ihre
drusigen und etwas gewölbten Flächen lassen keine Messung
mit dem Reflexionsgoniometer zu.
Späthige Massen von Kalkspath finden sich ganz gewöhn-
lich als Spaltenausfüllungen im Hauptmuschelkalk'; ihre ausge-
zeichnete gleichmässige Spaltbarkeit nach drei Richtungen, welche
sich unter gleichen schiefen Winkeln (von 105" 5') schneiden,
lässt sie, abgesehen von dem geringeren specifischen Gewicht,
leicht vom Schwerspath unterscheiden, welcher ebenfalls zuwei-
len im Muschelkalk sich findet, und jenen späthigen Massen von
Kalkspath in der röthlich- oder schneeweissen Farbe oft ausser-
ordentlich gleicht, aber vorzugsweise nach einer Richtung, in
geringerem Grade nach zwei andern, zu jener rechtwinkligen,
unter sich schiefwinkligen Richtungen spalten lässt. — Zuweilen
— 120 -
zeigen die Kalkspathausfüllungen in den Kluftflächen des Muschel-
kalks eine stängliche Absonderung und dann nicht selten eine
schwärzliche von Bitumen herrührende Farbe (Nagold). Die
Richtung der stänglicheu Absonderung ist der Hauptaxe des
Kalkspaths parallel und am Ende der Stangen findet man ent-
weder gespaltene Flächen des Hauptrhomboeders oder natürliche
des Gegenrhomboeders. — Als feine weisse mehlige Masse findet
sieh der kohlensaure Kalk im Muschelkalk unter dem Namen
Montmilch (Untertürkheim); aber auch fasriger Kalkspath und
Arragonit fehlen nicht (Münster bei Cannstatt).
Was die Kalksteine der Muschelkalkformation selbst betrifft,
so kann man dieselben, wenn man von den eigentlichen Dolo-
miten absieht, die in der Regel ausser einem sehr wechselnden
Gehalt von kohlensaurer Magnesia auch bedeutende Mengen von
Thon enthalten, hauptsächlich in zwei Varietäten trennen, näm-
lich in eine dichte und eine krystallinische. Der dichte Kalk-
stein ist spröder, hat einen flachmuschligen Bruch mit matter
Bruchfläche und unterscheidet sich hinsichtlich der Bestandtheile
von dem krystallinischen durch einen bedeutenderen Gehalt an
Thon (bis gegen 4 Procent) und durchschnittlich auch von Mag-
nesia (bis über 5 Procent). Die krystallinische Abänderung be-
steht aus einzelnen krystallinischen Kalkspaththeilen , die aber
vollständig unter sich verwachsen sind, so dass man auf dem
Bruch nur die kleinen glasglänzenden Spaltflächen des Kalk-
spaths erkennt. Der sogenannte Enkrinitenkalk ist ein ähnlicher,
nur aus grösseren Kalkspathstükchen bestehender Kalkstein,
indem er fast ganz aus den nach den Flächen des Hauptrhom-
boeders spaltbaren Enkrinitenstiel - Bruchstücken zusammenge-
setzt ist; die letzteren erkennt man an dem elliptischen Umriss
der Bruchflächen, da sie einen schiefen Durchschnitt durch die
cylindrische Säule des Stiels darstellen. Im Gegensatz zu den
krystallinischen Kalksteinen zeigt der ächte Dolomit, namentlich
derjenige, welcher zwischen Hauptmuschelkalk und Lettenkohle
gelagert ist, ein Gefüge, welches lauter einzelne sehr kleine
Bitterspathkryställchen erkennen lässt, die durch den Perlmutter-
glanz ihrer natürlichen Flächen jenes charakteristische
- 121 —
schimmernde Aussehen des Bruchs hervorrufen. Je mehr der
Thongehalt zunimmt, desto mehr verschwindet dieser Schimmer,
weil sich in demselben Maassstab zwischen die Kryställchen
kleine glanzlose Thonpartikelchen legen, so dass mau bis auf
einen gewissen Grad von dem Aussehen der Bruchflächen auf
den Thongehalt schliessen kann. — In seltenen Fällen nimmt
der Hauptmuschelkalk eine oolithische Structur an.
Die Letteukohlenformatiou bietet nicht viel Besonderes
von Vorkommnissen des kohlensauren Kalks dar; doch verdient
Einiges erwähnt zu werden. In Drusen des Lettenkohlen-
sandsteins (Seebronn) bildet der Kalkspath spitze Dreikantn er
(a : - : : c), welche um einen klaren Kern eine milchartig
trübe, fasrig aussehende Hülle haben. Die Endkanten der nur
zur Hälfte ausgebildeten aufgewachsenen Krystalle sind un-
scharf, so dass diese fast nur kegelförmige Spitzen darstellen.
Auch graue bituminöse stängliche Parthieen von Kalkspath mit
dreifachem Blätterbruch kommen zuweilen vor. Besonders cha-
rakteristisch sind in den obern dolomitischen Mergeln der
Lettenkohle die zahllosen Mergeigeoden, welche im Innern mit
kleinen Krystallen von Kalkspath (nicht Dolomitspath , wie ge-
wöhnlich angegeben wird) austapezirt sind. Sie sind oberfläch-
lich ebenfalls milchweiss oder gelblich und stellen das Gegen-
rhomboeder (a' : a' : c) zum Hauptrhomboeder dar, wie man
sich durch Wegsprengen der Seitenecken leicht überzeugt
(s. Fig. 7); hin und wieder bilden sie auch Zwillinge nach dem
gewöhnlichen Gesetz (mit gemeinschaftlicher Endfläche). In den
gleichen Schichten hat man mehrere Zoll bis ^2 Fuss lange
und über V2 Zoll dicke Stängel gefunden, welche äusserlich rauh
und mit kleinen Kryställchen der eben genannten Art bedeckt,
im Innern regellos mit späthigem Kalkspath erfüllt sind (Korn-
westheim). Die Form der Stängel, welche sechskantig sind und
rinnenartig einspringende Winkel haben, ist so eigenthümlich
charakteristisch, dass man unwillkürlich an die Vierlinge, Fünf-
linge, Sechslinge der Arragonite von Arragonien denkt und sie
als Pseudomorphosen nach solchen ansehen möchte. „Deutliche
— 122 —
Zwillinge'- von Arragonit aus der schwäbischen Lettenkohle
werden auch sonst (Quenstedt, Mineral. 2. Aufl. p. 430) ange-
führt, und feinfasriger Arragonit ist in den dolomitischeu Mergeln
der Lettenkohle nicht selten (Kornwestheim). — Die oben aus
dieser Abtheilung angeführten Drusen von Kalkspath im Innern
der Mergeigeoden stellen sich in der
Keuperformation gleich unten in den Gypsmergeln
genau von gleichem Aussehen und mit derselben Krystallform
wieder ein ; seltener ist das Rhomboeder von fast würfelförmiger
Gestalt--- : -— : c, welches mit drusigen, etwas krummen
3 3
Flächen hier gefunden wurde (Stuttgart). — Auch in den untern
Sandsteinen des Keupers, dem Schilfsandstein, Stuttgarter
Bausandstein, spielt der kohlensaure Kalk eine viel bedeutendere
Rolle, als im bunten Sandstein, Der schönste durchscheinende
Faserkalk überzieht in Krusten von mehreren Zollen Dicke und
mit schimmernder Oberfläche die Spalten in den durch ihre
braunen Flammenstreifen so charakteristisch bezeichneten rothen
Sandsteinen dieser Region. Aber auch Krystalle von Kalkspath
finden sich hier. Es sind meist Krystalle von etlichen Linien
bis 1 Zoll Länge, die auf den ersten Anblick dreiseitige Säulen
zu sein scheinen , welche nach oben in einen Dreikantner über-
gehen. Das sind sie aber entschieden nicht. Die feine Feder-
streifung (s. Fig. 2 a) stellt sich unter der Loupe als eine viel-
fache Wiederholung der Zickzackkanten eines spitzen Rhomboe-
ders heraus (s. Fig. 2 b), dessen rhombische Flächen oben und
unten einen Winkel von ungefähr bö — 40" haben, und da die
Endkanten so liegen, wie am Hauptrhomboeder die Flächen
(d. h. da man durch Spaltung die Endecken von den Kanten
aus zuschärfen kann), so hat man hier ohne Zweifel das Rhom-
a' a'
boeder — : - : c (mit 63'^ 51' in den Endkanten und emem
5 5
ebenen Winkel von 38" auf den Flächen) vor sich. Zu den
3 Seiten brechen unter einem Winkel von gegen 50", welchen
die Hauptaxen miteinander machen, weitere Individuen in Zwil-
lingsstellung zum Ilauptindividuum hervor, welche ihre Flächen
— 123 -
den Flächen des letzteren zukehren, so dass man hier vielleicht
ein Zwillingsgesetz vor sich hat, bei welchem die Fläche eines
2a 2a
Rhomboeders — : — - : c die Zwillingsebene ist (und wofür die
0 o
Berechnung eine Neigung der Hauptaxen zu einander von 44" 5'
ergibt). Doch lässt sich die Sache nicht wohl sicher entschei-
den. Undeutliche Krystalle der beschriebenen Art mit stäng-
licher Absonderung sind sehr häufig; zuweilen bilden aber auch
kleine Krystallnadeln von Kalkspath concentrisch radiale Figuren,
die an die bekannten Formen des Wawellits erinnern (Feuer-
bacher Haide bei Stuttgart).
Aus den mittlem Keupermergeln sind die Krystalle
von Dolomitspath bekannt, welche mit kammförmigen fleisch-
rothem Schwerspath in den sog. Steinmergelu (z. B. an der
Weinsteige bei Stuttgart) sich finden. Reiner Dolomitspath
scheinen auch diese nicht zu sein, wenigstens brausen sie in
verdünnter Salzsäure viel stärker als wirklicher Dolomitspath.
Dagegen kommt in dieser Region auch krystallisirter Kalkspath
vor ; Drusen, welche das erste stumpfere Rhomboeder (2a' : 2a' : c)
mit Abstumpfung der Seitenecken in deutlichen Krystallen zei-
gen, überziehen die Innern Wände von runden Hohlräumen.
Ausser dem untern Keupersandstein (Schilfsandstein) ist im
Keuper namentlich der Stubensandstein (weisser Sandstein)
kalkführend. Feste Massen dieses grobkörnigen Gesteins haben
öfters ein so rein kalkiges Bindemittel, dass sie in kalte ver^
dünnte Salzsäure geworfen unter heftigem Aufbrausen nach und
nach gänzlich auseinander fallen. Von krystallisirtem Kalkspath
findet man vorzugsweise zwei Formen; die eine ist der gewöhn-
liche Dreikantner (a :—-:-—: c), von dem ansehnliche trüb-
o 2
weisse oder röthliche Exemplare vorkommen (Esslingen). Die
andere, seltenere Form (Unter- Groningen bei Gaildorf, Löwen-
stein) erinnert beim ersten Anblick auffallend an die Kalkspath-
krystalle des bunten Sandsteins von Waldshut am Rhein, welche
dort mit krystallisirtem Milchquarz und den durch ihre zier-
lichen Aehtuudvierzigflächnerflächen bekannten wasserhellen Fluss-
- 124 -
spathwürfel vorkommen. Nicht nur hat der Stubensandstein,
in dem unsere Krystalle eingewachsen sind, ein dem Waldshuter
Mühlstein zum Verwechseln ähnliches Aussehen, sondern auch
der Habitus der Krystalle selbst ist dem der Waldshuter Kalk-
spathe ausserordentlich ähnlich. Sie stellen nämlich, wie jene
eine Combination des ersten stumpfern Rhomboeders (2a' : 2a' : c)
. , a' a'
mit einem sehr spitzen Rhomboeder (vielleicht p : — : c) dar,
welches in dieser Verbindung für eine sechsseitige Säule gehal-
ten würde, wenn nicht die vermeintlichen Säulenkanten abwechs-
lungsweise nach oben und nach unten convergirten. Aber
während bei den Krystallen von Waldshut diese Kanten unter-
halb der pentagonalen Flächen des stumpfen Rhomboeders nach
oben convergiren (Fig. 10.), sind sie bei denen aus dem Stuben-
sandstein nach unten convergent (Fig. 12.). Mit andern Worten:
Die zwei combinirten Rhomboeder sind bei jenen Kalkspathen
des bunten Sandsteins verschiedener, bei denen des Stubensand-
steins gleicher Ordnung.
Mit dem Lias beginnt wieder eine Kalkformation, worin
freilich der Kalk stark mit Sand und Thon verunreinigt ist im
Vergleich mit dem Muschelkalk. In den untern Schichten gehen
die Kalksteine durch alle Nuancen in Sandsteine über. Raum
zu Krystallisationen gewähren hauptsächlich die hohlen Kammern
der Ammonitengehäuse, deren Wandungen von den verschie-
densten Mineralien (Bergkrystall, Braunspath, Cölestin, Schwer-
spath, sodann Schwefelkies, Blende u. s. w.), vor allen andern
aber von feinspitzigen kleinen Kalkspathdreikantuern ausge-
kleidet werden. — Auf Spalten der Kalke und Thone des Lias
(Zell, Ohmden bei Boll Lias S) kommen Krystalle vor, welche
das erste stumpfere Rhomboeder (2a' : 2a' : c) entweder für sich
oder in Combination mit einem sehr spitzen Rhomboeder ver-
schiedener Ordnung, also die gleiche Combination wie die ange-
führten Krystalle von Waldshut (Fig. 11.), nur grösser, zeigen.
In den Numismalismergeln (Lias y) triff't man auf Kalkspath-
gängen Drcikantner von l'/z Zoll Länge und obiges stumpfe
Rhomboeder von über 1 Zoll Durchmesser au. (Die letztge-
— 125 —
nannte Form bildet in gleicher Grösse Gänge von Kalkspath
in den Posidonienschiefern (Lias s) von Vassy jenseits der Vo-
gesen.) — Von eigentbümlichen Vorkommnissen des kohlensauren
Kalks sind namentlich auch die Nagelkalke oder Dutenmergel
zu erwähnen, jene eigenthümlichen Platten, welche auf weite
Strecken im untern Lias o: verfolgt werden können (Degerloch
u. s. w.). Sie bestehen fast lediglich aus kegelförmigen Zapfen
(Nägeln), welche vertikal stehend von oben und unten sich durch
einander stecken und leicht einzeln herausgeschlagen werden
können, besonders wenn Verwitterung zu Hilfe kommt. Dass
diese Nägel nichts Anderes sind als Bündel von unvollkommen
ausgebildeten Kalkspathstrahlen, deren Krystallaxe senkrecht zur
Platte steht, das beweist der schimmernde Glanz des Querbruchs;
denn als die Ursache desselben gewahrt man mit der Loupe
die einzelnen kleinen Flächen der drei Blätterbrüche. Diese
Blättrigkeit am Ende der Strahlen ist, wenn auch mit dem
blosen Auge nur als charakteristischer Schimmer bemerkbar, ein
sehr gutes Unterscheidungsmittel zwischen Kalkspath und Arra-
gonit im sogenannten Faserkalk. Mit letzterem Namen hat
man sich gewöhnt, im Gegensatz zum Arragonit die aus Kalk-
spath bestehenden fasrigen Vorkommnisse von kohlensaurem
Kalk zu bezeichnen. Beide finden sich im Lias , in der Regel
der Faserkalk von gelber und brauner Farbe und gröberer
Faser, der Arragonit meist blendend weiss, höchst feinfasrig
und seidenglänzend. Zuweilen findet man sogar Sinterbildungen,
welche einen Kern von durchscheinendem fasrigem Kalkspath
einschliessen und ringsherum aus schneeweissem Arragonit mit
zierlich traubiger Oberfläche bestehen (Kemnath auf den Fil-
dern). Aber auch krystallisirter Arragonit kommt, wenn auch
selten, im Lias vor; die spiessigen etliche Linien langen Kry-
stalle, welche sich bei Ellwangen mit Schwerspath und Braun-
spath auf sandhaltigem Liaskalk finden, haben die grösste Aehn-
lichkeit mit denen vom Aostathal oder von Iberg am Harz, an
welch letzterem Ort sie ebenfalls von Schwerspath begleitet
sind. Das Aufschwellen und Zerfallen beim Glühen vor dem
Löthrohr, der Mansrel des Blätterbruchs, d. h. die fast musch-
- 126 -
lige Beschaffenheit des Querbruchs lässt diese Krystalle
äusserst leicht und sieher als Arragonit erkennen. Man meint
sogar eine Zwillingsgränze längs der einen Fläche der rhom-
bischen Säulen hinlaufen zu sehen. — Schwarzgefärbte von Bi-
tumen durchdrungene späthige Massen von Kalkspath (Anthra-
konit) sind aus dem Lias wohl bekannt.
Im braunen Jura ist die Verbreitung des kolilensauren
Kalks eine ganz ähnliche wie im Lias. Krystallisationen in den
Kammern der Cephalopodenschalen , fasrige Sinterbildungcn von
Arragonit und Kalkspath kommen in gleicher Weise vor , wie im
schwarzen Jura. In den Spalten der Wasseralfinger Erze (brauner
Jura ß) findet man Kalkspath in baumförmigen Gestalten, die
an Eisenblüthe erinnern. Auch Nagelkalk fehlt nicht; er findet
sich in der untersten Abtheilung, den Opalinusthonen (brauner
Jura a). Als Bildung auf organischem Weg sind hier, wie im
ganzen Jura, neben den Gehäusen der verschiedensten Weich-
thiere insbesondere die Belemniten von Interesse, deren Kalk-
spathmasse von Bitumen, dem Zersetsungsproduct der organischen
Substanz des Thierleibes durchdrungen , sich in concentrisch ra-
dialen Fasern sich rings um die Medianlinie gelegt hat. Die Rich-
tung der Faser ist die Hauptaxe dieser Mikrokrystalle von Kalkspath.
Der weisse Jura besteht fast ganz aus reinen und unreinen
Kalksteinen nebst Dolomiten, welche sich durch ihre hellere
meist gelblichweisse Farbe von den bituminösen Kalksteinen der
Trias und des untern Jura unterscheiden. Dieselben sind theils
dicht mit splittrigem Bruch , theils krystalliniscli körnig und ooli-
tisch und aus den obersten Schichten (weisser Jura S) sind die
feinen Kalkplatten allgemein bekannt, welche zwar dem geog-
nostischen Horizont nach, aber nicht in derselben Schönheit in
Württemberg gefunden worden sind, wie bei Solnhofen. In der
Nähe vulkanischer Durchbrüche zeigen die Kalksteine zuweilen
einen hübschen Farbenwechsel von gelb, weisslichgclb, röthlich-
gclb, bläulich und violett und solche Abänderungen haben hin
und wieder als Marmor Anwendung gefunden. Sie sind aber
wohl zu unterscheiden von den tertiären Süsswasserkalken, welche
ähnliche Farben haben, aber nicht hicher gehören.
— 127 —
Auf den Spalten des vielfach zerklüfteten Gesteins hatte und
hat noch der kohlensaure Kalk Gelegenheit zur Krystallisation
oder zur Bildung sinterartiger Ueberzüge. Besonders häufig ist
der grobstängliche , meist ziemlich klare Kalkspath (das eigent-
liche Muster stänglichen Kalkspaths), der hauptsächlich in den
Bohnerzgruben sich findet (Salmendingen). Die einzelnen Strahlen
sind zwar nicht in paralleler Stellung (bezüglich der Nebenaxen),
aber doch lassen sich aus der Masse leicht kleine Rhomboeder
herausspalten, deren Hauptaxe die Längenrichtung der Strahlen
ist. Zuweilen sind die Enden der stänglichen Parthien mit na-
türlichen Krystallflächen besetzt, die verschiedenen Rhomboedern
angehören. Als solche Endigungen finden sich grosse aber un-
scharfe Rhomboeder (Heidenheim), spitzer und nicht von der
gleichen Ordnung wie das Hauptrhomboeder (wahrscheinlich das
a' a'
erste schärfere "ö : o" • ^) 5 gewöhnlicher ist das erste stumpfere
(2 a' : 2 a' : c), welches scharf ausgebildet und öfters mit einem
sehr spitzen Rhomboeder derselben Ordnung verbunden in Ammo-
nitenkammern vorkommt (Anim. Ulmensis Opp. w. J. S, Ein-
singen); dieselbe Combination (Fig. 12.), welche wir oben aus
dem Stubensandstein beschrieben haben. Das erste schärfere
/ a' a' A
Rhomboeder j — : — :c J, an welchem der dreifache Blätterbruch
die Endkanten gerade abstumpft, bildet in scharf ausgebildeten
Krystallen hübsche Drusen, so bei Königsbronn im weissen Jura
i und in einem grauen Jurakalk weisser Jura ö von Friedingen.
An letztgenanntem Orte finden sich in demselben grauen Kalk-
stein klare Kalkspathkrystalle von mehreren Linien Durchmesser,
welche glatte glänzende Flächen des ersten schärferen, drusige
Flächen des nächsten stumpferen Rhomboeders, matte Flächen
des obigen sehr spitzen Rhomboeders, endlich sehr deutlich die
a a
Flächen des gewöhnlichen Dreikantners a • : — : c zeigen,
o ^
welche parallel ihren Zickzackkanten fein gestreift sind. —
Endlich wird aus den Höhlen der schwäbischen Alp das Haupt-
rhomboeder a : a : c mit glänzenden Flächen in Verbindung
— 128 —
mit einem sehr spitzen Rhomboeder verschiedener Ordnung an-
gegeben. (Quenst. Mineral. 2. Aufl. S. 406.) — Montmilch
findet man in den Nestern des Jurakalks (Hohenwittlingen).
Aus der Tertiärformation ist fast nur der roth und gelb
gestreifte Kalksinter zu erwähnen , eine Süsswasserbildung,
welche in der Nähe vulkanischer Durchbrüche bei Böttingen
OA. Münsingen vorkommt und unter dem Namen Böttinger
Marmor bekannt ist. Im Uebrigen bieten die tertiären Kalk-
steine wenig oryktognostisch Bemerkenswerthes dar, Feinfasriger
Arragonit mit traubiger Oberfläche findet sich in Platten im
Steinheimer tertiären Süsswasserkalk, und ähnliche in hohem
Grade durchscheinende Platten hat man im Sauerwasserkalk des
Diluviums von Cannstatt gefunden, deren specifisches Gewicht
(2,69) jedoch für Kalkspath spricht. Den diluvialen Kalktuffen
von Cannstatt mit ihren zierlichen Abgüssen von Blättern , Vogel-
federn u, s. w. sind die Tuffbildungen an der schwäbischen Alb,
die noch heute fortwachsen, ganz analog. Diesen wird der Kalk
durch Wasser, welche aus dem Jurakalk kommen, zugeführt
und in ganz ähnlicher Weise entstehen Kalktuffe mit Blattab-
drücken in andern Gegenden, wo die aus dem Muschelkalk kom-
menden Wasser das Material liefern (Nagoldthal unterhalb Na-
gold). Ebenso sind die Tropfsteingebilde in den Höhlen des
schwäbischen Jura , wie des Muschelkalks (Andreashöhle , im
Munde des Volks „Pommerlesloch" bei Mötzingen OA. Herren-
berg) hieher zu rechnen. Der Kalk, der sich in amorphem Zu-
stande aus dem Wasser abscheidet, wird nach und nach kry-
stallinisch, so dass sich aus der Mitte der Tropfsteine vollkom-
mene Rhomboeder herausspalten lassen.
Der Basalt, wie überhaupt die eigentlichen vulkanischen
Gesteine unseres Landes, enthält keinen Kalkspath als wesent-
lichen Bestandtheil. Wohl aber stellt sich überall auf Spalten
desselben und in Schnüren ein Gemisch von Kalkspath , der sich
unter Brausen in Salzsäure löst, und einem zeolithischen Mineral
ein , das hierbei zersetzt wird und eine Gallerte von Kieselsäure
ausscheidet. Ganz ähnliche Gebilde, bald mehr von mehliger,
bald mehr von feinfasriger Beschaffenheit, kommen in kleinen
— 129 —
Holilriiumen der Basalttuffe vor und mit diesen finden sieh (im
Bolle bei Owen) öfters kleine Krystalle von starkem Glanz und
ziemlicher Klarheit oder doch opalartiger Durchscheinenheit. Ihre
Krystallform (s, Fig. 8.) ist von Jnterresse: Die Flächen des
Hauptrhomboeders (a : a : c) und seines Gegenrhomboeders
(a':a':c) herrschen vor; ausser diesen ist das nächste schärfere
zum Gegenrhomboeder I ^ : -^^ ^ <? I i-^i^d Andeutungen eines
(^^0
Dreikantners vorhanden , endlich die kurzen , aber breiten Flächen
der beiden sechsseitigen Säulen (a : a : co c und a : 2 a : oo c)
Diese Krystalle sind zum Theil so scharf ausgebildet und die
Flächen aller genannten Körper dieser interessanten Combination
so glatt, dass sie äusserst genaue Messungen mit dem Reflexions-
goniometer zulassen. Die Resultate solcher Winkelmessungen,
welche zur Ermittlung der krystallographischen Formeln jener
einzelnen Körper angestellt wurden, haben sehr genau mit den
berechneten übereingestimmmt; und da die Krystalle unter star-
kem Brausen und ohne Hinterlassung einer Gallerte sich in ver-
dünnter Salzsäure lösen, so kann über ihre Kalkspathnatur kein
Zweifel sein.
Nachdem im Vorstehenden Bekanntes und noch nicht Be-
kanntes über das Vorkommen von Varietäten des kohlensauren
Kalks in Württemberg zusammengestellt worden ist, möge zum
Schluss an diejenigen Leser, welche Gelegenheit zu oryktogno-
stischen Beobachtungen haben, die Aufforderung gerichtet sein,
ihre Aufmerksamkeit diesem Zweig der vaterländischen Natui-'
künde zuzuwenden.
Württemb. naturw, Jahresbefte. 1S67. Is Heft.
— 130 —
Erklärung der Figuren. (Taf. III.)
Kalkspathkrystalle aus Württemberg.
1. Vierling des ersten schärferen Rhomboeders -- : : c aus dem
Muschelkalk, a vergrösscrt, b natürliche Grösse. (S. 118.)
2. Krystalle aus dem Schilfsandstein (Ö. 122.): a natürliche Grösse,
b die öpitze vergrössert.
3—6. Dreikantner D :— a : -„ :—: c aus dem Muschelkalk. (S. 117. 118.)
3. einfacher Dreikantner D; 4. desgl. mit natürlichen Flächen
des Hauptrhomboeders R = a : a : c. 5. Dreikantnerzwilling
nach dem gewöhnlichen Gesetz. 6. Dreikantner D mit den
Flächen eines sehr spitzen Rhomboeders E.
7. Gegenrhomboeder R' = a' : a' : c zum Hauptrhomboeder. Die
Seitenecken sind abgesprengt und dadurch die Flächen des
Hauptrhomboeders als ( schwarzgezeichnete) Spaltflächen hergestellt.
Aus der obersten Lettenkohlc (S. 121.) und den Gypsmergeln
den Keupers. (S. 122.)
8. Krystalle aus dem Basalttuff vom BöUe bei Owen (S. 129.-), stark
vergrössert darstellend die Combination:
Hauptrhomboeder R = a : a : c
Gegenrhomboeder R' = a' : a' : c
Erstes schärferes Rhomb. zum Gegenrhomb. r = : ! c
Erste Säule S =^ a : a : oo c
Zweite Siiule S' = a : 2 a : oo e.
9. Erstes stumpferes Rhombueder Q -— 2a : 2;i : c mit abge-
sprengten Seitenecken, so dass die Flächen des Hauptrhomboe-
ders als (schwarzgezeichnete) Spaltungsflächen zum Vorschein
kommen (wie in Figur 7.) Lias y — f. (S. 124.1
10. 11. Erstes stumpferes Rhomboeder Q = 2a : 2a : c mit einem
sehr spitzen Rhomboeder E verschiedener (dem Hauptrhomboeder
gleicher) Ordnung. Aus den Erzgängen des mittleren Schwarz-
waldes (S. 114), dem bunten Sandstein von Waldshut (S. IIG und
124), dem mittleren Lias (S. 124).
12. Erstes stumpfoires Rhomboeder Q = 2a : 2a : e mit einem
sehr spitzen Rhomboeder 1/ gleicher (dem Hauptrhomboeder
ungleicher) Ordnung. Aus dem Stubensandstein (s. 124 ) inul
dem iiberen weissen Jura ^S. 127.).
Die Pflanzendecke eines rasirteu Waldstücks als Beitrag
zur Veränderung einer Flora.
Von Forstreferendär Friedrich Karrer.
Der 9. Mai 1865 war für alle exponirt liegenden Wal-
dungen von beinahe ganz Württemberg ein verhängnissvoller Tag.
Ein Gewittersturm von seltner Stärke setzte sich zur Auf-
gabe, mit gewaltigem Hauch die Theorien der Forstleute weg-
zublasen , indem beinahe wie mit dem Kennerblick eines alten
Försters bald eine versäumte Durchforstung sammt allen auf-
gewachsenen Zinsen nachgeholt wurde, bald ein Kahlschlag ins
Werk gesetzt, welcher erst für die nächste Periode des hölzer-
nen Schubfachwerkes vorgemerkt war.
Forche und Fichte waren es vorzugsweise, welche dem ge-
waltigen Orkan zum Opfer fielen, jene wegen ihrer Langschäf-
tigkeit und büschligen Krone, diese wegen flachstreifender Wurzel
namentlich wenn die Beastung keine tiefgehende nnd der Boden
flachgründig war.
Auf dem Plateau zwischen Jagst und Tauber liegt im Forst-
bezirk Mergentheim der Apfelhofer Wald. Auch hier blieb es
am 9. Mai nicht beim blosen .,Flüstern" der Bäume, sondern
in wenigen Minuten lagen auf einem Areal von 15 Morgen der
„Hofholzflur" — Fichten und Forchen im Betrage von mehreren
hundert Klaftern zu einem Chaos von gräulichem Anblick zu-
sammen gewürfelt.
Diese Waldabtheilung „Hofholzflur'^ hat zum Untergrund
durchweg Haupt-Muschelkalk, jene Parthie, welche an nördlichen
und -westlichen Lagen ausgezeichnete Verwitterung zeigt, deren
Producte sich bis zur Lehmbildung steigern können und von
ausserordentlicher Fruchtbarkeit sind, an südlicher und Südwest-
- 132 —
licher Lage aber nur unvollkommen abwittern, einen steinigen,
hitzigen Boden erzeugen, welcher flacligrüudig ist und ausserhalb
des Waldes oft kaum zu ärmlicher Schafweide taugt. Die Lage
unseres Beobachtungsfeldes selbst ist eben, sanft nach Westen
geneigt, etwas steinig und flachgründig, aber nirgends undurch-
lassend, dem Westwind vollständig ausgesetzt.
Der Holzbestand war ein 65 — SOjähriger Fichtenhochwald,
dessen Gründung noch aus Deutschordenszeiten herrührte, meist
vollständig geschlossen mit sehr starkem Moospolster von Hyp-
num Schreberi, triquetrum und splendens. Im Schatten des
langschäftigen Holzes wuchsen Convallaria majalis und mnlii-
flora, Majanthemum bifolium, Cypripedium Calceolvs, Cepha-
lanthera p)aUens, Asperula odorata u«d andere Schattenpflanzen.
Nachdem im Winter 1864 — 65 eine Durchforstung einge-
legt worden war, hatte der Sturm Lücken angetroffen, in welchen
er ungehemmt von seiner ganzen Stärke einen effektreichen
Gebrauch machen konnte. Was der 9. Mai verschonte , wurde
im Februar und März 1866 durch starke Frühliugsstürme noch-
mals decimirt, so dass vom ursprünglichen Holzbestande zu der
Zeit, als ich mit Aufnahme der Pflanzendecke begann, blos noch
^/9 aufrecht stand, bestehend aus zähen, unterdrückten Fichten,
starkbewurzelten Forchen, einzelnen Raitel-Eichen und jüngeren
Buchen.
Die Form des Waldstücks war ein beinahe rechtwinkliges
Dreieck mit ungleich langen Katheten und etwas eingedrückter
Hypothenuse. Gegen Ost an älteres Nadelholz stossend, davon
aber durch einen breiten Grasweg mit Gräben getrennt, gegen
Südwest an eine jüngere Nadelholzcultur, welche ehmals Schaf-
trieb war, angrenzend, aber ebenfalls davon durch einen breiten
Weg geschieden, gegen West offen und hier mittelst eines 15'
breiten Schaftrieb und einem Fleck Laubgebüscli von einer
Parthie stets ärmlich bestellter steiniger Aecker getrennt , an
der untersten Spitze hart an eine Wiese grenzend.
Wir werden in der Folge sehen, wie wichtig die nachbar-
lichen Culturverhältnisse auf die Gestaltung der Flora unseres
i;
Waldes nach dem Windwurfe in Folge der Entblössung des
Bodens waren.
Von der Mitte Mai 1866 an, also gerade ein Jahr nachdem
die Entblössung des Bodens durch den Sturm bewerkstelligt
wurde, fieng ich au, die Pflanzenarteu der 15 Morgen grossen
Hofholzflur bis in's Detail aufzunehmen. Die Resultate dieser
Aufnahme, welche bis in den Juni währte und wobei auch die
jüngeren Pflänzchen berücksichtigt wurden, waren folgende :
2. Monocotyledoneii.
Poa pratensis.
Festuca rubra.
Brachypodium pinnatum.
Bromus asper.
Anthoxanthum odoratum.
Milium effiisum.
Dactylis glomerata.
Arrhenatherum elatius.
Seeale cereale.
Poa annua.
Carex glauca.
„ montana.
Luzula pilosa.
Convallaria majalis.
„ multiflora.
yiojanthenmm bifoUum.
Colchicum autumnale.
Cypripedium Calceolus.
Piatanthera bifolia.
Cephalanthera pallens.
3. Dicotyle Krautpflanzea.
Asarum europaeum. Euphorbia Cyparissias.
Polygonum Convolculus. Plantago lanceolata.
Rumex crispus. „ media.
Euphorbia helioscopia. ' „ major.
1. Sträiicher.
Salix Caprea.
Juniperus co m mu n is.
Popiihis tremula.
Corylus Avellana.
Quercus pedunculata.
Cornus sanguinea.
Ligustrum vulgare.
Bhamnus Frangula.
Rosa gallica.
„ canina.
Prunus spinosa.
„ Avium.
Pyrus Malus sylvestris.
„ communis pyraster.
Sorbus torminalis.
Rubus Idaeus.
Daphne Mezer eum.
134
Primula officinalis.
Myosotis arverisis.
Lithos2)ermum arvense.
Veronica hederaefolia.
„ Chamaedrys.
„ agrestis.
Galiuni verum.
,, Aparine.
„ sylvaticum.
„ mollugo
Asperula odorata.
Pastinaca sativa.
Daucus Carota.
Pimpinella magna.
Sanicula europaea.
Heraclewn Sphondylium.
Campanula rotundifolia.
Senecio sylvaticus.
„ vulgaris.
„ erucaefolius.
Solidago virgaurea.
Chrysanthemum Leucanthe-
muin.
Anlhemis arvensis.
Tnssilago Farfara.
Sonchus arvensis.
Achillea millefbliwn.
Crepis biennis.
„ praemorsa.
Gnaphalium sylvaticum.
Taraxacum officinale.
Iragopogon pratensis,
liieracium Auricula.
,, Pilosella.
Hieracium murocum.
„ vulgatum.
„ praealtum.
Leontodon hastilis.
Cirsium lanceolatum.
„ arvense.
,. Eriophoru7n.
Carduus nutans.
Centaurea Jacea.
Valerianella olitoria.
Scabiosa arvensis.
Trifolium medium.
„ repens.
Melilotus officinalis.
Anthyllis Vulneraria.
Lathyrus pratensis.
Orohus vernus.
,, iuherosus.
Ervum hirsutum.
Hippocrepis comosa.
Onobrychis sativa.
Ononis repens.
Genista germanica.
Lotus comiculatus.
Vicia sepium.
Astragalus glyciphyllos.
Poterium Satiguisorba.
Alchemilla arvensis.
Agrimonia Eupatorium.
Fragaria vesca.
Potentilla venia.
Hypericum perfovalum.
Viola hirta.
— 135 —
Viola tricoJor arvense.
,, canina.
Polygalo vulgaris.
A renaria serpyilifo lia.
Holosteum umbellatum.
Papaver Argemone.
,. Uhoeas.
Fumaria offtcinalis.
Ajuga genevensis.
„ reptans.
Thymus Serpyllum.
Melissa Acinos.
Galeopsis tetrahit.
Thlaspi arvense.
„ perfoliatum.
Alyssum calycinum.
Capsella bursa-pastoris.
Erysimum cheiranthoides.
Brassica Napus.
Adonis aesüvalis.
A quilegia vulgaris.
Anemone nemorosa.
Ranvnculus arvensis.
„ polyanfhemos.
,, acris.
,. repens.
Hypnum lutescens.
„ cupressiforme.
Funaria hygrometrica.
Ceratodon purpureus.
Cladonia rangiferiiia.
Ueberrascheiid war das schnelle Verschwinden des ursprüng-
lich so mächtigen Moospolsters. Der heisse, trockene Sommer
1865 trägt wohl die meiste Schuld daran, abgesehen davon,
dass Beschattung ein Lebenseleraent wenigstens für Hypnum
splendens, H. triquetrum und //. Schreberi ist. Zu einem kaum
handdünnen zusammengebrannten Lager sind die einst so mäch-
tigen Polster zusammengeschrumpft im Laufe eines Jahres, blos
am Waldraude hielt sich //. lutescens unverändert, ebenso das
unter allen möglichen Verhältnissen vorkommende //. cupressi-
forme auch auf der Fläche.
Die Zahl der Arten, welche auf dem verhältnissmässig klei-
nen Raum beieinander wachsen, beträgt 142, Von diesen sind
17 bäum- oder strauchartig (Forche, Fichte und Lerche als
Culturpflanzen ausgeschlossen), 20 Monocetyledonen, die übrigen
100 dicotyle Krautpflanzen, 5 Moose und eine Flechte.
Welch' ein Pflanzenreichthum des freigestellten Bodens ge-
genüber der vorherigen Flora des tiefschattigen Fichtenwaldes!
— VX —
Unwillkührlit'h drängt sich daher die Frage nach Herkunft
und dem plötzlichen Erscheinen dieser Menge von Pflanzin,
welchL' zum grossen Theile dem Nadelwald fremd sind, auf.
Mein Hauptaugenmerk gieng nun auch darauf, nicht sowohl die
Einwanderer selbst, als auch die Art und Weise der Einwan-
derung zu bestimmen. Von den 1 7 Holzpflanzen waren ausser
1 Art (Rosa gallica) alle schon ursprünglich, wenn auch mehr
oder weniger unterdrückt und daher mit krüppeligem Wachs-
thum, vorhanden. Rosa (/((llira erschien durchaus mit frischf n
Wurzeltrieben, weshalb anzunehmen ist, dass sie -bei der Anlage
des Waldes vorhanden war, und erst durch die emporwachsende
Fichte verdrängt wurde, ihr Wurzelstock aber erhalten blieb.
Von 125 Mono- und Dicotyledonen , welche sich ähnlich
wie Rosa gallica verhielten , lassen sich auch nach meinen an-
derweitigen Beobachtungen folgende annehmen : E'iiphorliia ( 'y-
parissias, Galivni verum, (i. Molhigo, llrarhi/podiuin pinna-
tum, Colchicum nnlumualc, Plotonthcra bifolia, Cephalanthe-
ra paUens, Senecio erucae('oliui<, Tiissilago Farfara, ('entatirea
Jacea, Crepis praemorsa, Lathi/ris pratensis, Hippocrepis co-
mosa, AnthylUs Vulneraria, Poterium Sanguisorba, AJuga
geneuensis, Ranimculus acris. Die Floi'a war vor dem Sturme
etwa folgendermassen zusammengesetzt : Asarum europaeum, Ra-
ntex crispus, Primula officinalis, Veronica chamaedrys, Galium
sylvaticum , Aspenila odorata , Poa pratensis , Festiica rubra,
Bromus asper, Anflioudntlmm odoratiim, Milium eff'itsum,
Carex glaxica, C. montana, Luzula pilosa, Convallaria maja-
lis, (J. multijlora, Majanihemum bif'olium, Cypripedittm Cal-
ceolus, Pimpincllu magna, Sanicula europaea, Plantago media,
Herncieum Sphondylium , Campanula roinndifolia, Solidago
viryaurea, Chrysatithemum Leucanthemum, Achillea millcfo-
lium, Hieracium murorum, II. vulgatum, Trifolium nudium,
Tr. repens, Orobus vernus, (). tiibcrosus, Ononis repens, Ge~
nista germanica, Lotus corniculatus, Vicia sepium, Astragaltis
glyciphyllos, Agrimonia Eupatorium , Fragaria vesca , Polen-
Ulla cerna, Thymus Serptjllum, Hypericum perfordi um. Viola
hirfa, V. conino. Pofygala culgarifi. Ajuga rf'i)((i/(s. A'iuilegin
— 137 —
wlgaris, Anemone nemorosa , Eaniinculiis polyanfhejnos, E.
repens. — Hypnum splendens, H. triqxietrum, h. Schreberi,
H. cupressi forme, H. lutescens, Dicranum scoparium, Cladonia
rangiferina. (57 Arten, dazu noch 16 Sträuchei).
Vollständige Einwanderer sind : Polygonum Convolvulus,
Euphorbia helioscopia, Flantago lanceolata, Fl. major, Myo-
sotis arvensis, Lithospermimi arvense, Veronica hederaefoUa,
V. agrestis, Galium aparine, Pastinaca satica, Daucus Carola,
Senecio sylvaticus, S. vulgaris, Gnaphalium sylvaticum, Cre-
pis bifnnis, Leontodon hastilis, Anthemis arcensis, Sonchus arven-
sis, Taraxacum offidnale, Hieracium Auricida, H. PiloseUa, H.
praealtum, Cirsium lanreolatum, C arvense, C. Eriophoruni,
Carduus nutans, Scabiosa arvensis, ValerianeUa oUtoria, Trago-
pogon pratensis, Ervum hirsutum, Melilotus officinalis, Onobry-
chissativa,AlchemiUa arvensis, Geraniumdissectum,, Arenaria ser-
pyllifolia, Holosteumumbellatum, Papaver Argemone, P. Rhoeas,
Fumaria officincdis, Melissa Acinos, Galeopsis tetrahit, Thlaspi
arvense, Th. perfoliatum, Alyssum calycinum, Capsella bursa-
pastoris, Erysimum cheiranthoides , Brassica Napus, Adonis
aestivalis, Banuneulus arvensis, Dactylis glomerata , Avena
elatior, Seeale cereale, Poa annua, — Ceratodon purpureus,
Funaria hygrometrica. (55 Arten).
Von diesen Pflanzen sind 18 Arten Conipositae^ ihre Ein-
wanderung verdanken sie der Beschaffenheit ihres Samens (Pap-
pus), welchen der Wind von grossen Entfernungen herführen
konnte. So kommt Gnaphalium sylvaticum in unmittelbarer
Nähe unseres Beobachtungsortes gar nicht vor , sondern tritt
erst wie Gnaphalium dioicum auf den oberen kieseligen Par-
thien des Muschelkalkes und auf der Lettenkohle auf. In der
That fand ich auch nach einigen Excursionen in IV^ Stunden
Entfernung in westlicher Richtung Gn. sylvaticum auf Letten-
kohle in Menge und es ist am Ende nicht unwahrscheinlich,
dass hier die Mutterpflanzen für unser Gnaphediuni zu suchen
sind, indem der Westwind, wie schon erwähnt, vollen Zutritt
zum Beobachtungsort hatte.
Die Zuhülfenahme des Windes lässt sich ebenfalls rechtfer-
- 138 —
tigen bei der Einwanderung von Papaver Rhoeas und Arijienw7iey
Alchemilla arvensis, Arenaria serpyllifolia, Holosieum umhel-
latuni, Aljjssum calycinum, Capsella bursa-pastoris, Erysiinvm
dieiranihoides, Geraniuni dmectuin, Plantayo lanceolata^ Plan-
tago major, Funaria hygrometrica und Gerat odon purpureus.
(13 Arten).
Kacli sorgfältigen Beobachtungen brachten die Excremente
der Zugthiere bei Gelegenheit der Abfuhr des Windwurfliolzes
Dactylis glomerata, Avena elatior, Poa annua, Veronica liede-
raefolia, V. agresüs, Secalc cereale, Tldaspi arvense, Kanun-
culus arvensis, Brassica Napus. (9 Arten).
Die übrigen 15 Arten, bei deren Samenverbreitung der
Wind wohl keinen Antheil haben konnte, der Schwere halber,
wie bei Lithospermuni arvense, Ervum hirsutum, Fumaria
officinalis etc. deutet jedoch ein weiterer Umstand die Art der
Einschleppung an. Alle diese Pflanzen finden sich stets auf
frisch gerodeten Stellen, wo die Stöcke der geworfenen Fichten
dui'ch die Holzhauer gegraben wurden oder wo durch die Ge-
walt des Sturmes die ausgerissenen, flachstreichenden Wurzelu
lange Furchen zogen.
Zieht man nun in Betracht, dass die Holzhauer, welche geraume
Zeit und in grosser Anzahl bei Aufbereitung der Windwürfe
beschäftigt waren, dem benachbarten Dorfe angehörig, regel-
mässig einen Feldweg passirten, auch über die steinigen Aecker
gehen mussten, um auf den Arbeitsplatz zu gelangen, so wüd
der Ursprung dieser 9—12 Arten, w^elche sämmtlich Acker-
unkräuter sind, sofort klar. Sie mögen an den Stiefeln, durch
Anhängen an die Kleider und Goräthschaften etc. etc. herbei-
geschleppt worden sein.
Was wird wohl die Zukunft dieser Einwanderer sein V Schon
nach wenigen Jahren wird jedenfalls ihre Zahl beträchtlich ver-
mindert sein, denn schon jetzt wuchern die perennironden Arten
in dem humosen, stellenweise gelockerten Boden mit grosser
Ueppigkeit und gierig senden die mit Rhizom versehenen Arten
ihre Fangarme auf die benachbarten kahlen Stellen aus, um die
dortigen einjährigen Insassen zu vertreiben und ihnen langsam
— 139 —
aber sicher auch den letzten Fleck Existenz zu rauben. Am
längsten werden sich noch die zweijährigen Gewächse, wie Daucus
Carola, Pastinaca sativa, Cirshim Eriophorwn u. A. halten.
Obendrein ist die ganze Fläche jetzt mit Fichten wiederum
eingepflanzt und nach einem Jahrzehnt dürfte der Kampf zwischen
Fichte und den perennirenden Krautpflanzen ebenso beginnen,
wie er jetzt schon zwischen Ferennla und An7iva ausgebrochen
ist. Was dann unter Druck und im tiefen Schatten seine Früchte
reifen und das Individuum fortpflanzen kann, das wird Aussicht
auf bleibende Existenz haben. Aber auch unter der Fichte
wird zu gleicher Zeit ein Kampf stattfinden, die kräftigsten
Exemplare werden siegen, indem alles Schwächere, was nicht im
ungeschmälerten Genuss der Atmosphärilien ist, unterdrückt
werden und verdorren wird.
Die hier analysirte Pflanzendecke möge zugleich einen Be-
weis für die Fruchtbarkeit des Muschelkalks und die Ueppig-
keit seiner Waldvegetation liefern, wenigstens habe ich bei ähn-
lichen, aber zu andern Zwecken unternommenen Aufnahmen
im Keuper, nie so hohe Zahlenverhältnisse erhalten können.
111. Kleinere Mittheilungen.
Ueber einen einaxigen Glimmer von der
Somma.
Von Dr. G. Werne r.
Gliramerki'ystalle , welche scharf krystallisirfc und mit hinreicliond
glatten, glänzenden und vollkommen ebenen Flächen versehen sind,
um mit dem Reflexionsgoniometer gemessen werden zu können, gehören
bekanntlich zu den Seltenheiten. Zuweilen, jedoch immerhin selten,
sind die Seitenflächen der sechsseitigen Tafeln, welche die Glimmer-
krystalle darstellen, glatt genug, um sich zu einer Messung zur Noth
zu eignen; aber die Endfläche ist wegen ihrer Blättrigkeit krumm ge-
bogen und gibt am Keflexionsgoniometer kein gutes Bild; oder aber
sind die Seitenflächen zwar glatt und glänzend , aber so stark querge-
streift, dass dadurch ebenfalls die Messung unmöglich wird. So ver-
halten sich z. B. die schwarzen Tyroler Kiystalle, welche man als gut
krystallisirteii Glimmer in den Sammlungen findet.
Unter den Glimmern der mineralogischen Sammlung der polytech-
nischen Schule in Stuttgart befindet sich ein Stück eines Somma-
Auswürflings, v.-elchem eine Dmse von Glimmerkrystallen auf- und ein-
gewachsen ist, die schon durch ihr Aussehen die Aufmerksamkeit auf
sich ziehen. Sie stellen meist sechsseitige Tafeln dar, welche ' i bis
gegen 2'' Durchmesser haben und etwa halb so hoch sind. Ihre Farbe
ist die honiggelbe des Humits, der auch mit vorkommt und unter
dessen Namen jene seinerzeit verkauft worden sintl. Die Glimmerkry-
stalle sind durchsichtig, besonders gegen die glasglänzenden Seiten-
flächen gesehen; die perlmutteiirlänzende Fndiläche zeigt unter der
Loupe einzelne Newton'sche Farbenringe, herrührend von den dünnen
Luftlamellen, welche längs der wenigen Sprünge parallel der End-
fläche eingedrungen >ind.
Dass die Combination, wchdu-i die Krystallc darstollou, niolit ein-
— 141 —
fach die einer hexagouaieii Säule mit Geiadendfläclie i&t , davon über-
zeugt man sich leicht, indem man schon mit dem blossen Auge oder
mit der Loupe an verschiedenen Stellen eine Convergenz der schein-
baren Säulenkanten nach unten oder oben beobachtet, obwohl die
scheinbaren Säulenflächen zum Theil so ghttt und frei von Querstreifen
sind, dass sie am Reflexionsgoniometer vollkommen scharfe, wenn auch
wegen ihrer Kleinheit liclitschwache Bilder geben. Auch erkennt das
Auge wenigstens an einzelnen der scheinbaren Säulenfläclien, dass der
Winkel, den sie mit der blättrigen Endfläche machen, ein spitzer, be-
ziehungsweise stumpffr ist. Die Messung ergibt als Neigung zwischen
den Seitenflächen und der Endfläche sehr verschiedene Winkel, die
meist sehr erheblich von 90" abweichen; an einem Krystall wurden
für solche Winkel die Werthe 96« 38'; 99« 18'; 107" u. s. w. gefun-
den, so dass man auf die Vermuthung kommen könnte, die Krystalle
stellen schiefrhombische oder schiefrhomboidisclie Säulen mit Schief-
endfläche dar, gehören somit dem zwei- und eingliedrigen oder ein-
gliedrigen System an. Es lässt sich aber auch der Fall denken , dass
die Krystalle znm sechsgliedrigen System gehören, dass somit der Blät-
terbruch die Geradendfiäche dieses Systems sei und die seitlichen Flächen
verschiedene sehr spitze ßhomboeder darstellen. Jedenfalls steht als
Resultat der Messung, da diese bei der Schärfe der Bilder, welche die
Flächen geben, mit hinreichender Genauigkeit ausgeführt werden kann,
soviel fest, dass die seitlichen Flächen nicht die einer hexagonalen Säule
sind. Auch nähern sich zwar die Winkel zwischen den letzteren unter
sich 120", weichen aber dennoch entschieden um V2 bis 1" davon ab.
Betrachtet man die Krystalle als Combination von spitzen Rhom-
boedern mit der Geradendfläche des sechsgliedrigen (beziehungsweise
dreigliedrigen) Systems, so sind jedenfalls von ersteren mehrere, aber
keines vollständig vorhanden; denn mau erhält fast für jede dieser
Flächen einen andern Neigungswinkel gegen die Endfläche. Dennoch
scheint diese Betrachtungsweise entschieden die richtige zu sein ; denn
im Polarisationsapparat geben die Krystalle vollkommen deutlich und
regelmässig das Bild der optisch einaxigen Krystalle, ein schwarzes
{beziehungsweise helles) Kreuz, das sich bei der Drehung des Krystalls
nicht verändert, mit einem System kreisförmiger Farbenringe. Hier-
mit stimmt auch eine Messung eines vesuvischen Glimmers überein,
welche kürzlich v. K 0 k s c h a r 0 w in Petersburg ausgeführt hat. *)
'1 Keues Jahrb. für Mineralogie u. s. w. 1866, p. 351.
— 142 -
Er gibt als Resultat derselben für die Neigung von Rhomboederflächen
gegen die Endfläche die Werthe an: 100" 0'; 92" 32'; 95" 53'; 98"
38'; 101" 18'; 107" 2'; 114" 39'; 121" 23'.
Leider ist von diesem interessanten Glimmer nicht s^o viel vor-
handen, dass damit eine chemische Analyse ausgeführt werden könnte.
Löthrohrversuche geben Reaction auf Thonerde und Kali, kaum auf Eisen.
Die Resultate, welche O. Rose *) an einem schwärzlichgrünen
Glimmer vom Vesuv angestellt hat und aus welchen er als das Kry-
stallsystem derselben das zwei- und eingliedrige ableitet, könnten viel-
leicht ebenfalls auf die oben beschriebene "Weise gedeutet werden.
Bücheranzeige.
Die botanische Systematik in ihrem Yerhältniss zur
Morphologie. Kritische Vergleiehung der wichtigsten äl-
teren Pflanzensysteme, nebst Vorschlägen zu einem natür-
lichen Pflanzensysteme nach morphologischen Grundsätzen,
den Fachgelehrten zur Beurtheilung vorgelegt von Ernst
Krause. Weimar, 18G6. Bernhard Friedrich Voigt. 8*".
232 S.
Der Herr Verfasser gibt sich in der Vorrede selbst nicht für einen
Fachmann, sondern für einen Liebhaber der Botanik aus und hat seine
Schrift in einer von literarischen Hülfsmittcln entblössten kleinen Stadt,
in Düsseldorf geschrieben.
Im ersten Buch gibt er eine Uebersicht der künstlichen, natürli-
chen und speculativen Systeme und der leitenden Grundsätze, nach
welchen sie aufgestellt wurden, welelie er zugleich einer mehr oder
weniger eingehenden Kritik unterzieht. Nachdem der Verfasser noch
die Darwin'sche Lehre von der natürlichen Züchtung und die Grund-
züge der Morphologie dargestellt hat, kommt er zu seinem
2. Buch: Ableitung eines natürlichen Reihensystems, nach mor-
phologischen Principien.
Im ersten Abschnitt wird der Ilaupttypus und Organisationsplan
der Pflanze, im zweiton das Gesetz der Abwandlung des Grundtypus
(die Conjugation), im dritten das Gesetz der Vervollkommnung des
*) Po^^end. Animlei), Bd. Cl, p 383.
— 143 -
Pflänzentypus , im vierten die unregelmässige Entwicklung, im fünften
die allgemeine Entwicklung und die Verwandtschaft der Gewächse be-
sprochen. Dieses führt ihn zu dem
3. Buch, die Grundlinien eines natürlichen Reihensystems enthaltend.
Um den Standpunkt, welchen der Verfasser in diesem Abschnitt
einhält, zu verstehen, wollen wir aus dem Vorigen hervorheben, vas
er über charakteristische Kennzeichen und Verwandtscliaften dort sagt.
So heisst es S. 146: „Es gibt vorherrschende und weniger wichtige
Kennzeichen. Als solche vorherrschende Charaktere für die Aufstel-
lung der Phanerogamen-Gruppen habe ich bewährt gefunden : den
anatomischen Bau und die Art des Wachstliums; das gegenseitige
Zahlenverhältniss der Blüthenkreise, zurückgeführt .luf seine Elemente;
die Art der Keimung; die Beschaffenheit der Frucht und des Samens;
die Nervatur der Blätter. Als leitende Charaktere für die Anordnung
der zu demselben Typus gehörigen Pflanzenfamilien benützte ich: die
regelmässige Trennung der Geschlechter, den Vollständigkeitsgrad der
Blüthe, die Insertionsverhältnisse, die Stufe der Trennung aller Theile
eines Blüthenwirtels von einander, das Steigen der Zahlenverhältnisse."
Ferner unterscheidet er wahre oder Stanimverwandtschaft, Stufen-,
Anpassung^* und Zufalls Verwandtschaft.
Dass der Verfasser aber auch der Tracht oder dem Habitus der
Pflanzen eine wichtige Bedeutung zuerkennt, geht aus vielen Stellen
seines letzten Buchs (S. 160 — 170) hervor.
Nachdem er die einzelligen Algen (und Pilze) als niederste Stufe
aufgestellt hat, reiht er in der zweiten diejenigen Pilze, Flechten und
Algen an , welche in der ersten Periode einen ungegliederten Thallus
und sodann Sporen erzeugen. Hierauf lässt er die Moose und höheren
Algen, sodann die P'arn und Schachtelhalme folgen. Auf diese etwas
flüchtig gehaltene Eintheilung der Kiyptogamen folgen nun die Gruppen:
I. Die Gruppe der Palmen und Gräser:
Cycadeae Eich. Gramineae Juss.
Cyclantheae Pott, Centrolepideae Desv.
(Acorpideae Äg.f) Restiaceae Bartl.
Phytelephanteae Nees. Eriocauleae Rieh.
Palmae Juss. Junceae Del.
Pandaneae RBr. Xyrideae Lindl.
Typhaeeae Juss. Commeiineae RBr.
{Acthophylleae.) {Phüydreat RBr. ?)
Cyperoidcae Juss.
- 144 -
II. und III. Kcihoii der Wasserlilien und Arumartigen.
II. III.
Ptstiacecie Rieh. Najadeae Link.
Aroideae Juss. Potameae Juss.
Taccaceae Presl. Podostemeae Rieh.
Dioseoreae RBr. (Ihjdroeharideae Juss.)
Tameae Nees. Juncagineae Rieh.
Sniilacineae RBr. Alismaeeae LindL.
Aspara'jeac Kuiitli. Butomeae Rieh.
(Asphodelear Jvss..') {Hydropeltideae LindL)
IV. Reihe der Liliengewächse.
Y. Reihe der Gurkenartigen.
VI. u. VII. Reihen der Ganzblättrigen und Lorbeergewächse.
VIII. u. IX. Reihen der Gefiedertblättrjgcn und der Drciknöpfigen.
X. Reihe der Ampfergewächse, wozu auch die Piperaceen, sodann
die Tiliaceen und Malvaceen gezogen werden.
XI. Reihe der Salzkräuter oder Iselkengewächse.
XII. Reihe der Vielblumigen mit ihren Nebenreihen.
XIII. — XVII. Xebenreihen, die von dem Tyi)up der vorigen Gruppe
abgeleitet werden.
XVIII. Reihe der Kreuzblüthigen, wo unter andern audi die Saliei-
neae Rieh, neben den Fumariaeeae Del. und Papaveraeeae
Juss. eingereiht werden.
"Wir haben uns im Vorstehenden begnügt, nur die drei ersten
Reihen des Verfa^^sers vollständig aufzuzählen, und müssen den Leser
— was die weiteren anbelangt — auf die Schrift selbst verweisen,
welche manches Belehrende und Interessante dnrbietet, zucleich aber
auch den Beweis liefert, wie schwierig es ist, trotz der vielen und
gründlichen Untersuchungen , welche die letzten 50 Jalire im Gebiet
der speciellen Botanik und Systematik geliefert haben, ein den wissen-
schaftlichen Anforderungen genügendes natürliches Pflaiizensystem auf-
zustellen. G. K.
ilriickl'cliler.
Auf der ersten Seite zweite Linie niiiss es lieisseii : e i n uiidzwmiziL'ste sSiitt: vier-
uncUwnnzigste
Ansjesicben im Januar \>>(\1.
Württeir.'b, Na'nrv.nRa Jahr<;s"hefTe. Jahr^an^ HUI. 1867.
Tab. I.
Fi^.I
: f. Sc'K.olter'becV..
H'iirifcmb Xatiimms. Jalirc.t/itru Jahiy XU// /i'^Y.
n^i
Tafir
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^ezv? Sc"hlorterbs*
Bruckv CHenzler Sluttfail
Wuraeml nalumss. Jahresliefte, Jalir,^. XM 186T.
Tab.n
Aohrdäm
Z^tk- r> CirtZö^^. Stizrljarz
Geologisches aus dem Orient.
Yon Professor Dr. Oskar Fraas.
(Hiezu Tafel IV- VI.)
Nächst der eigenen Heimat übt keine Gegend der Welt auf
die abendländischen Völker einen gleichen Reiz aus, als der Orient
Ziehen auch nicht mehr Hunderttausende von Abendländern aus,
um vom „heiligen Land" Besitz zu ergreifen, wie zu den Zeiten
Peters von Amiens, so sind es doch immerhin jährlich Tausende,
die mit Eisenbahn und Dampfschiff die Küste von Palästina und
Egj-pten erreichen, um irgend einem innerlichen Bedürfniss Ge-
nüge zu leisten und die berühmtesten Orte der Welt zu sehen,
die als Ideale einem Jeden von Jugend auf schon bekannt sind.
Neunzig unter hundert freilich sind Pilger, daher auch jeder
reisende Europäer vom Syrier als „Hadschi" begrüsst wird; die
andern sind Touristen von der gewöhnlichen Sorte, einige dar-
unter Künstler und Gelehrte, Sprachforscher, Historiker und
Archäologen, höchst selten ein Naturforscher. Daher kommt
es, dass, so zahlreich auch die Orient- Literatur ist und so
Vieles schon über die Natur der Länder am rothen Meer
und Jordan geschrieben worden , doch das Feld der For-
schung noch ein sehr grosses ist. Die Ilesultate einer eigenen
Beobachtung können daher der Wissenschaft nur willkommen
sein, die sich schliesslicli aus den Beiträgen Vieler doch noch
ein richtiges Bild des Ganzen construiren wird.
In der Natur der Sache liegt es, dass ein einzelner Reisen-
der oder selbst auch eine wissenschaftliche Expedition doch
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s n. 3s Heft. JQ
— 14G -
nicht mehr als einzehie Beiträge zu liefern im Stande ist. Von
systematischer Behandlung des Ganzen ist noch lange keine
Rede, denn es fehlt dem Orient an all den nothwendigen Vorbedin-
gungen, wie topographischen Aufnahmen, Karten, statistischen
Sammlungen u. dgl., ohne welche richtige Uebersichten über na-
türliche Verhältnisse nicht gegeben werden können. Nur in ci-
vilisirten, nicht aber in halbbarbarischen Ländern reifen die gol-
denen Früchte der Wissenschaft.
So mögen auch die nachstehenden Blätter als eine vater-
ländische Studie an ausländischem Material betrachtet werden,
welches der Verfasser während des "Wintersemesters 1864 — 65
am rothen Meer, am Nil und zuletzt noch in Palästina ge-
sammelt hat. Hat sich doch unwillkürlich ein jeder Mensch
seine Lebensanschauung nach den Sitten und Gewohnheiten der
Heimat gebildet und wird er diese als Massstab an fremd-
ländische Bräuche und Lebensweise anlegen. Seine Schilderung
eines fremden Landes und Volkes wird somit stets eine be-
stimmte Färbung an sich tragen, deren Grundton in der Heimat
des Reisenden gesucht werden muss. Mag ein Reisender ein
Volk schildern in seinem geistigen Treiben oder seinem tägli-
chen Thun und Lassen, in seinen Sitten, Bräuchen und Gewohn-
heiten, oder mag er das Land zeichnen nach seiner Oberfläche
und den natürlichen Verhältnissen, welche die Pflanzen- und Thier-
welt bietet, es bleibt sich das immer gleich, Dom Geognosten geht
es nicht anders. Rein objectiv zu schildern, wird kaum Jemand
im Stande sein, vielmehr wird er, ohne es selber zu wissen,
Voraussetzungen machen in seiner Schilderung, bei denen er
sich unbewusst auf Bilder der Heimat bezieht. Mir will es we-
nigstens nicht gelingen, irgend eine Schilderung aus dem Orient
anschaulich zu machen, wenn ich nicht in der eigenen An-
schauung mich auf längst bekannte Landschaften imd längst ge.
wohnte Erscheinungen an heimischen Schichten und Böden beziehe.
Ich bin auch der festen Ueberzeugung, dass einzelne Landschafts-
bildor und Gegenden aus fremden Welttheilen in keiner Weise
verständlicher und anscliaulicher geschildert werden können, als
<lurch Vergleichung mit heimischen Landschaften, mit denen sie
— 147 -
die Obcrflächcnform und den Ch.irakter der Bildungswciso ge-
mein haben.
Von der Ebene Jesreel kann sich Jedermann eine viel
richtigere Vorstellung machen, wenn ich sie einfach mit dem
Ries vergleiche, als wenn ich mich auf ein Detail topogra-
phischer Beschreibung einliesse, aus der man sich doch immer
nur schwer ein Bild abstrahirt. "Wer das Ries kennt, diese
Perle Süddeutschlands, der kennt auch den Wenneberg, Spitz-
berg und Wallerstein, die sich aus der fruchtbaren, aus vul-
canischem Schutte gebildeten Ebene erheben , und weiss , wie
diese Ebene rings umgeben ist von einem Rande alten Gebirges,
das einst unter vulcanischen Schlägen gesprengt und zerrissen
wurde. Ich frage Jeden, der auch schon auf dem kleinen Hermon
stund oder dem gegenüberliegenden Tabor und der schon das
„grosse Feld", den „Merdsch", durchritt, ob er auf der Welt
eine grössere Achnlichkeit der Bergformen und Oberflächegestal-
tung finden kann ? Der Bach Kison ist die Wörnitz von Esdrelom,
der den Gebirgszug des Carmel-Nasirah durchbricht, um zum
Mittelmeer hindurchzudringen, wie die Wörnitz bei Harburg durch
den fränkischen Jura zur Donau sich zwängt. Die Ebene ist hier
wie dort mit fettem rothbraunem Boden bedeckt, der keine Schich-
tenunterlago durchblicken lässt; nur an den Rändern der Ebene
und wo, wie der Wenneberg aus dem Ries, der kleine Hermon
aus dem Feld von ^Megiddo sich erhebt, verrathen hier schwarze
Basalte und Mandelsteine, dort trachytische Laven und Tuflfe,
dass einst die Natur bei Bildung beider Landschaften die glei-
chen Mittel benützt hat, um zu ihrem Zweck zu gelangen und
Ebenen zu bereiten, die aus der glücklichen Mischung aufge-
schlossener Silikate und zerstörter Kalkgebirge bestehen. Bis
ins Einzelne Hesse sich der Vergleich ausmalen : ist doch auch
das Ries, wie das Feld Jesreel, das Feld der Schlachten, auf
dem von den ältesten Zeiten an bis in unser Jahrhundert die
Schicksale der Völker entschieden worden sind.
Oder um das Gebirge Juda zu schildern, bedarf es nur hin-
zuweisen auf die Höhe der Alb, des fränkischen Landrückens
oder auch auf den hohen Karst. Man wird im Einzelnen gerade
- 148 -
mehr als im grossen Ganzen Gruppen und Landschaftszüge fin-
den, die, ob sie auf dem Gebirge Juda liegen, oder in Deutsch-
land sich doch zum Verwechseln ähnlich sind, Aehnlichkeiten,
welche sogar namhafte Kenner der natürlichen Verhältnisse und
berühmte Reisende zu der Annahme verleiteten, man müsse
darum auch denselben geognostischen Horizont (Jura) hier und
dort vor sich haben. So werden wir öfter namentlich bei der
orographischen Schilderung uns auf heimische Bilder beziehen,
die, ob auch jede Vergleich ung hinkt, die besten Vorstellungen
dem Leser zu geben im Stande sind. — Neben solchen Land-
schaften gibt es freilich auch andere Bilder aus dem Orient, die
geradezu unvergleichlich sind; es sind dicss die Bilder der
Wüste, welche das rothe Meer umgibt, und die kahlen, zum
Himmel gethürmten Berge des Sinai. Die Tinten der Land-
schaft sind es hier ebenso, als die Zeichnung der Bergformen,
was diesen Gegenden einen fremdartigen, dem Europäer ganz
neuen Typus anfdrückt.
Anfangs wollte der Verfasser seine Beobachtungen nur an
der Hand eines chronologisch gehaltenen Reiseberichts geben
und somit nur sein auf der ganzen Reise genau geführtes Tage-
buch ausführlicher behandeln, allein die Gefahr, in welche die
meisten Reiseberichte verfallen, lag augenscheinlich da: die Ge-
fahr, dass unwillkührlich die Beobachtungen sich um die Person
des Reisenden drehen und diese vor dem beobachteten Objecti-
ven in den Vordergrund tritt. Um dieses zu vermeiden, wurden
die geologischen Beiträge zum Orient nach der geologischen
Altersfolge der Gebirge zusammengestellt, wornach mit dem
Sinai als dem crystallinischen Grund- und Kerngebirge der Ge-
gend am rotheu Meer begonnen wird und hernach die seeun-
därcn und tertiären Ablagerungen in Palästina und in Egypten
an die Reihe kommen werden.
— 149 —
I. Das crystallinisclie Grundgebirge.
Der Sinai.
Die wunderbaren Formen der gewaltigen Berge, die in der
Sinaikettc unmittelbar aus der Tiefebene sich zu der schwindeln-
den Höhe von G — 8000 *) Fuss erheben, sind an sich schon geeignet,
die erhabensten Eindrücke in einem menschlichen Gcmüth zu
hinterlassen. Kommt dazu noch die Erregung der Phantasie
durch die Erinnerung an das Ileiligthum dieser Berge und die
geistige Spannung, in der der Reisende lebt beim Gedanken, wie
in diesen Bergen, in welchen vor 4000 Jahren das Gottesbe-
wusstsein der Menschheit seinen Anfang nahm, gewissermassen die
ganze Weltgeschichte gipfelt, so begreift man wohl die gehobene
Sprache, in der die meisten Reisenden von den heiligen Bergen er-
zählen. Zu diesen gewaltigen Eindrücken gesellt sich speciell für ein
geognostisches Auge ein Reiz, der den europäischen Bergen fehlt,
hier aber wie sonst kaum anderswo zu Tage tritt : der Reiz einer
nackten mineralogischen Schönheit. Der Geognost begreift es nicht,
wie einzelne Reisende die dürftige Entwicklung der organischen Na-
tur, die sich überhaupt nur an einigen wenigen Punkten der Wadis
zeigt, für einen „Abmangel des Sinai" erklären mögen. Der Mangel
der Vegetation wird weitaus ersetzt durch die blossgelegte, von
nichts Organischem verhüllte Naturschönheit der Steine. Es ist
wohl wahr, dass mit wenigen Ausnahmen kein Grün der Wiesen und
Fluren auch nur einen Streifen Farbe in die Landschaft wirft, dafür
erzeugen aber die Steine einen um so reizenderen Wechsel der
Farben. Es fehlt den Bergwänden das Grün doch nicht, denn
•=) Höhe des Djebel Catharina 8168 P. F.
„ „ Horeb 7097 „ „
„ „ Musa 5956 „ ,,
„ „ Serbai 0342 „ „
„ „ Catharinenklostcrs 5115 „ ,,
nach Russeggers und Rüppels Messungen.
Höchste Spitze der Om Schomer 8300 ,. ,,
„ „ Centralgruppe, Göseh . . . 8700 ,, „
nach Russesrsers Schätzungen.
"OD^
— 150 —
bald ist es das Lauchgrün der Hornblende, bald das Pistazien-
grün des Epidots, welche in gewaltigen Stössen und in Massenent-
wicklung die Berge füllen und aus der Feme gesehen wie Wiesen
und Wälder sich ausnehmen. Vorherrschend ist freilich, nament-
lich im Serbäl und Musa das Fleischroth des Feldspates und das
frische Ziegelroth des Porphyrs, beide geben im Wechsel mit
dem Weissgrau des herrschenden Gneises, dem dunkeln Grau
der Syenite und dem schon genannten Grün der Hornblenden
so unvergleichlich merkwürdige Tinten, in die sich die Berge
hüllen, verschieden je nach der Nähe oder Ferne und nach dem
Stande der Sonne, die sich im Blätterbruch der Crystalle spiegelt.
Gerade über dem Sinai ist, um das Bild des wunderbaren Berges
harmonisch zu machen, der Typus der Wüste ausgebreitet, wie
über der ganzen sinaitischen Halbinsel, aber eben in der Wüste
liegt der grosse Reiz auch für den Europäer; er fühlt etwas
davon, was ihren freien Sohn, den Beduinen beseelt, der um
keinen Preis der Welt sein Leben in den Wadis gegen den
glänzendsten Aufenthalt in den Städten vertauschte, oder die
Beschäftigung mit seinen Heerden um die sogen. Genüsse eines
civilisirten Lebens hingäbe. Ist doch die Wüste zu allen Zeiten
eine reiche Quelle gewesen innerer Contcmplation und der tiefsten
Gedanken, die vielfach bestimmend und massgebend für die Be-
wohner der Culturländer wurden. Man muss diese Berge und
Thäler selber gesehen haben, die reine würzige Luft geathmet
und in dem wohlthuenden, behaglichen Klima Tage und JS'ächte
zugebracht haben, um die Tausende von Anachoreten zu be-
greifen, die ein langes wunderliches Menschenleben in den Fels-
schluchten des Serbäls und Horebs hinleben mochten, versunken
in eine Welt der Gedanken über Menschenglück und sogenannte
Herrlichkeit der Welt.
Der Menschenschlag, der gegenwärtig die Thäler des sinaiti-
schen Gebirges imic hat, besteht aus wandernden Bcduiiienstämmcn,
die mit ihren Heerden die spärlichen Flecke abweiden, wo eine
Quelle Leben verbreitet. Der Charakter dieser Beduinen ist
ein durchaus nobler: das gierige Haschen nach Gold, das den
egyptischen Beduinen so verächtlich macht, ist dem Sinai-
- 151 —
beduinen nicht so zur andern Natur geworden, wie jenem:
treu und zuverlässig, sobald er den Dienstvertrag eingegangen
hat, beherzt, muthig und voll Aufujjferung im Augenblick der
Gefahr, ist er ein wirklich angenehmer Ileiscgefährte , im Zelte
nicht lästig und aufdringlich und doch voll Aufmerksamkeit für
den Reisenden. Es freut ihn, wenn Fremde seine Berge be-
suchen und namentlich wenn er sieht, dass sie auf Dinge achten,
die sich im Horizont seines "Wissens bewegen , als da sind :
Steine, Kräuter und Thiere. Dieser Umstand, es am Sinai mit
einer natürlich guten, freundlich gesinnten Bevölkerung zu thun
zu haben, erhöht hier wesentlich die Genüsse des Reisens«
Weder in Egypten, noch in Syrien fand ich je wieder diesen
prächtigen, zutraulichen Schlag von Menschen, der neben den
erhabensten Eindrücken der Bergcolosse den lOtägigen *) Auf-
enthalt in den "Wadis der Sinaikette entschieden zu den schönsten
Tagen der ganzen ömonatlichcn Reise im Orient machte.
Nichts ist augenscheinlicher auf dem Wege vom Meer zum
sinaitischen Gebirge, als dass alle und jede Zwischenformation
zwischen dem jüngsten Meeresgebilde am Ufer und dem
ältesten crystallinischcn Gebirge, das von der Meeresfläche
zu den höchsten Gipfeln sich erhebt, absolut fehlt und zu allen
Zeiten auch gefehlt hat. Yon späteren Hebungen zu paläozoischen
Zeiten oder gar im zweiten oder dritten Weltenalter kann hier gar
kein Rede sein; starr und steil in ungestörter, ruhiger Majestät
erhebt sich vom Serbäl bis zum Om-Schomar und von Om-Schö-
mar bis zum Ras Mehammed in verticaler Zerklüftung der uran-
fängliche Gneis und Granit, oder, um mineralogisch zu sprechen,
die Masse farblosen Quarzes, fleischrothen Feldspats, grünlicher
Hornblenden und schwarzen Glimmers. Nie seit den Zeiten ihrer
*) Mein "Weg führte mich von el Tor aus über die 6 Stunden
breite "W'üstenfläche el Qeah oder Qdnh ins Wadi Hebrän, vom He-
brän in das Wadi Selaf, durchs Wadi Rim auf den zweiten nörd-
lichen Gipfel des Serbais, von da in die Wadi Feinin, Selaf, el Schech
zum Hakba Haua, Wadi Haua und Jlusa. !Nach Besteigung zweier
Gipfel am Musa ging es wieder zuiück auf dem gewöhnlichen Weg
vom Catharinenkloster nach el Tor.
— 152 —
Bildung haben diese crystallinischen Massen irgend eine geo-
logische Periode mitgemacht, von Uranfang der Dinge ragten
ihre Gipfel aus dem Ocean, unberührt von Silur und Devon, von
Dyas und Trias, von Jura und Kreide: am Fuss nur der alten
Bergfeste hat einestheils das rothe Meer einen Kranz von Co-
rallen um den Sinai gezogen, und mit ihrer Hilfe in jüngster
Zeit ein Küstenland geschaffen, anderntheils hat das Meer zur
Kreidezeit im Norden das Kalkplateau der Wüste Tyh ange-
lagert (4000 Fuss über dem Meer), das sich über ganz Syrien
bis zum Libanon hinzieht.
Grosse Unterschiede zu machen unter den crystallinischen
Massen der Sinaikette, die sich in einer Ausdehnung von etwa
8 geogr. Meilen fast über 1 Breitegrad von Nord nach Süden
ziehen, ist kaum möglich. Das ganze Gebirge bildet Einen cen-
tralen Kern, durchzogen von Dioriten und Porphyren. Doch
trenne ich der Uebersicht halber die nördliche Gebirgsgruppe
des Serbäl *) , die mittlere Gruppe des Hebran und el Schech
und die südliche Gruppe oder den Musastock.
Am Serbäl herrscht vor
1. ein grauer sehr feinkörniger Gneis,**) dessen Einzelbe-
standtheile sich in gleichmässigen Körnern vertheilen, wobei
der Glimmer das Ganze etwas lagerhaft macht. Er ist vorherr-
schend das Massengestein im Wadi Seläf und bildet sozusagen
den Fuss des Serbals.
2, Ein ganz prachtvoller rot her Granit, an welchem der
Glimmer zurücktritt, ja meist ganz verschwindet. Es herrscht
darin ein grobcrystallinischer rother Feldspat vor und grosse farb-
lose Quarzkörner. Dieser porphyrische Granit bildet über dem
grauen Gneis von etwa 3000' ü. d. M. an bis auf die höchste
Höhe des Serbals das Grundgebirge und tritt in dem ganzen
Wadi Kim und der furchtbar wilden Rimschlucht an der last senk-
rechten Erhebung des eigentlichen Serbälstockes zu Tage. Einige
*) Unsere Beduiiienführer sprachen immer Sürbal nie Serbai,
**) Alle hier aufgeführton Gebirgsarten sind in formatisirton lland-
ßtücken in der Sammlung des k. Naturalienkabinets aufbewahrt.
— 153 —
Abänderungen bringen stellenweise einen kleinen "Wechsel hervor:
so z. B. ein Feldspat, der in dem Innern Kern seiner einzelnen
Crystalle eine dunkclrothe (Eisenoxyd) Färbung zeigt, oder
aber zur dunkelgrünen, epidotfarbigen Masse wird. Ein anderer
lichtrother bis rosenrother Feldspat ist pegmatitartig von farb-
losem trübem Quarz durchzogen und wird stellenweise zum
ächten Pcgmatit. Ein drittes Gestein ist blassrothcr Feldspat
und weisser trüber Feldspat mit kleineren Quarzkörnern.
3. In diesem Massengestein des Gneises und Granites tritt am
häutigsten ein Dioritporphyr gangförmig auf, von welchem
einige Hauptformen namhaft zu machen sind 1) ein völlig schwarzer
Dioritporphyr, beim Schlag in Säulen zerspringend, rhombisch
oder rechtwinklig ohne Gesetz; 2) ein dunkelgi'üner, etwas schmu-
tziger Diorit. Weder dieser noch der erstere zeigt irgend eine
Spur von crystallinischer Ausscheidung und kann daher als
Aphanit bezeichnet werden. 3) Die schmutzig grüne Farbe geht
in ein schmutziges Eöthlich über und kleine weisse Albitcrystalle
scheiden sich aus. Man wird diese Form wohl besser schon Por-
phyrit nennen; 4) lichtrother, polyedrischer Porphyrit, darin sich
vereinzelt Albitkrystalle ausscheiden und seltene Quarzkörner
5) braunrother bis blutrother Porphyrit, rauh und körnig anzu-
fühlen; 6) derselbe unter Ausscheidung zolllanger Oligoklase.
Besonderer Erwähnung bedarf das Vorkommen der Türkise
in den Spalten der Porphyre des Megärahthales. Vor Jahren
hatte ein Engländer Macdonald die Gruben wieder in Betrieb
gesetzt, in denen der vielgcsuchte Stein*) gewonnen wird, der
wohl an keiner arabischen Hand fehlt und selbst vom Aermsten
in Zinn gefasst getragen wird. Das Vorkommen der Türkise
hat mit dem der Bohnerze ungemein viel Aehnlichkeit, nament-
lich der sog. Schalerze und der Pisolite. Der Türkis ist in den
kleinsten Körnchen von Vio M.M. bis zur Grösse eines Centimeters
*) Firuzeh heisst der Stein beim Araber. ^Er wendet das Unglück
ab von denen, die ihn tragen, er stärket das Auge, verschafft die
Gunst der Prinzen, sichert den Sieg und verscheucht die bösen
Träume."
— 154 -
und darüber in einem bald härteren, bald mulmigen Eisenoxyd-
gestein eingesprengt und lässt sich das schalige und traubige
Gefüge an dem Türkis wie an dem
Eisenerz mit blosem Auge schon,
namentlich aber bei einiger Vergrös-
scrung deutlich erkennen. Dass die
Bildung des Türkis und des Erzes
ein und derselben Zeit angehört und
auf ein und dieselbe Weise vor sich
ging, folgt daraus von selbst. Das
Türkis im Muttergestein.
Eisenoxyd m seinem Uebergang zum
Hydrat, d. h. von tief rothbrauner Farbe zum liehtgelben Ocker
ist vollständig schalig: sobald Raum zwischen den Türkisen
vorhanden, concentrisch schalig, also förmliches Bohnerz. Zwi-
schen hinein ist, wie unsere Abbildung zeigt, der Türkis traubig,
wolkig und schalig eingesprengt, unter SOfacher Yergrösserung
schon als Aggregat kleiner Kügelchen erkennbar. Je tiefer roth
das Eisenoxyd, um so blauer ist der Stein, je brauner das Erz
wird, desto mehr bleicht der Stein ab und wird förmlich berg-
grün in der lichten ockerfarbigen Umgebung. Dieses Gemenge
von Türkis und Eisenerz liegt in engeren oder weiteren Spalten
des ächten Scrbälporphyrs, in denen, so viel wenigstens ich sah,
nur der reinste Raubbau getrieben wird und mit grosser Vor-
sicht die Gruben wieder zugeschüttet werden, dass kein Dritter
um die Erwerbsquelle wisse , die wohl dem Einen und Andern
auf dem Markte zu Cairo einen massigen Erlös schon ge-
währt hat.
Die genannten Ganggesteine sind nur die Repräsentanten
für Duzende verschieden gefärbter Diorite und Porphyre, die
ausserdem, was Korn und Grundmasse anbetrifft, immer wieder
etwas unter einander abweichen. Die Gänge selber sind vom
Durchmesser einiger Zolle bis zu Lachterstärke und darüber und
durclischneiden das Masscngcstein auf die wunderlichste Weise.
Manchmal schwellen die rothen Porphyi'ite zu Stöcken an und
senden ein Trum in verschiedenen Richtungen ab, ein andermal
geht ein Gang eine Zeitlang auseinander, um sich später wieder
— 155 -
zu vereinigen, und das Alles ist in einer Weise aufgeschlossen,
dass man nicht etwa blos auf hunderte von Lachteru, nein auf
Stunden weit einen Gang zu verfolgen im Stande ist.
Im Wadi Feirän, wegen seiner vielen köstlichen Quellen
die „Perle des Sinais" genannt, begegnet man einer solchen
Menge von Gängen, wie man sie sicherlich auf keinem andern
^^^i.
,M:9m,
' Gang im Wadi Feiran in V20 natürl. Grösse.
Fleck der Erde in ähnlicher Klarheit und Bestimmtheit beob-
achten kann. Mein Tagebuch ist voll Skizzen solcher Gänge,
von denen einer in '20 n. Gr. wiedergegeben ist. Derselbe
liegt im Feirän unterhalb des Palmenthals gegenüber dem alten
zerfallenen Kloster Hererät. Er streicht genau hora 3 mit
einer südlichen Neigung in 70 Grad. ]\ran sieht an demselben
recht gut, wie das eigentliche Grund- und Massengestein der
Glimmerschiefer ist, rother Granit schliesst sich zunächst an
den Glimmerschiefer an, zwar innig mit ihm verwachsen, aber
doch scharf geti'ennt. Ein neuer Absatz bringt Diorit, in dem
Stücke rothen Granits eingeschlossen sind, inmitten des Diorits
endlich ein blassrother Porphyrit, nur durch Farbe, nicht aber
durch Grundmasse vom Diorit verschieden. Der rothe Porphyrit
Nr. 4 unserer aufgezählten Ganggesteine ist nach den meisten
Beobachtungen der jüngste derselben, nicht nur, dass er in
Begleitung dunkler Diorite ist, im Innern Kern derselben steckt,
sondern deutlich auch den dunkeln Diorit an zahlreichen Orten ver-
worfen hat. Unser Profil ist der rechten Thalseite des obern Feiräns
entnommen. Auf der Höhe der unijefähr 100 Meter hohen Anhöhe
— 156 -
stehen die Ruinen eines Castells, das ohne Zweifel einst den
Eingang ins Feirän beherrschte: der Porphyr bildet hier einen
gewaltigen Stock und sendet seine Aeste quer durch die Diorit-
gänge, die von demselben verworfen werden. Das Streichen
dieser ist hora 2'/2.
Verwerfung der Dioritgänge durch Porphyr im Wadi Feirän.
Im Wadi Feirän, wie auch im Hebrän, rinnt längere Zeit
im Jahr ein Bach, der freilich nach anhaltender Dürre auch
wohl verschwindet. Dagegen bleibt immer eine gewisse Feuch-
tigkeit im Boden, so dass dieses Thal zu den gesegnetsten Orten
der ganzen Sinaihalbinsel gehört, um dessen Besitz auch seit
Mosis Zeiten gestritten wurde (Exod. 17, 8). Die Thalsohle ist
durchweg grün, natürlich nicht von Gras, aber doch von Ginster
und Kameelsdorn, von Coloquinten und Wüstenkürbis und von
Sejäl,*) Retem**) undTarfa***) und über dem Gebüsch erheben
sich bald einzelne Palmen, schliesslich ein Palmenhain, dazwischen
Dattelpflaumen und Johannisbrod. Die Felsen tragen Inschriften, die
Höhen sind von Ruinen gekrönt, überall die Spuren der Menschen-
geschichte in diesen Oasen inmitten der starren Steinwüste. Es
braucht wohl kaum gesagt zu werden, dass gerade diese es ist,
welche die Reize der Oase erhöht und so den ächten Charakter
einer orientalischen Landschaft hervorhebt, der in dem Contrast
zwischen Wüste und üppigem Planzenleben besteht.
*) Acacia vera, Schittinholz der Schrift , gibt arabisches Gummi.
Lynch p. 323.
**) Genista mo7iospcrnui nach Lynch p. 324.
***) Tdinarix f/alUcu mannifera Ehrb. die Manna-Tamariske.
— 157 —
Was die Oasen am Sinai ins Dasein ruft, ist ganz ent-
schieden der Gneis, namentlich der gUmmerreiche , in seinen
üebergängen zum Ghmmerschiefer. Im körnigen und feldspatreichen
Granit, im Diorit und Porphyrit sammelt sich das Regenwasser nie,
erst das schuppige Gliramerbliittchcn hält das Wasser auf und
so darf man fast sicher darauf zählen, wo der Boden feucht
wird und Vegetation gedeiht, ein Nest von glimmerreichem Gneise
unter sich zu haben. Selbst an dem hohen Serbai wird das
klar, wesshalb ich in Kürze unsere Besteigung dieses herrlichen
Berges hier einfüge: denn der Weg führt über drei Oasen in
der Grösse einiger Quadratruthen bis etwa zu der eines halben
Morgens vom Wadi Sehif zur Höhe des Serbäl. Aus einiger
Ferne schon erkennt man sie an 2 — 3 schlanken Palmen und dem
Tarfagebüsch als Unterholz: an Ort und Stelle angekommen,
bemerkt man alsbald den Grund der Wassersammlung, einen
Gneis, der sich aus dem Granit des Serbais herausgemacht hat.
Im Wadi Selaf selber war bei durchweg herrschendem Gneis
ziemliche Feuchtigkeit und ein nothdürftiger Kräuterwuchs für
den Stamm von 22 Zelten.
Am 30. Dezbr. 1864 5 Uhr 20 Min. vor Sonnenaufgang
ward mit zwei Führern des Stammes nach dem Berge auf-
gebrochen. Drei Viertelstunden gings in einem Seitenthal des
Seläf noch zu Kameel über Irrblöcke von Gneis und Porphyr
hinweg zum ersten Wässerchen, das in der Stärke eines Bninnen-
rohrs über einen dunkeln massigen Gneisblock herabläuft, um
nach einigen Schritten im Sande des Thals zu verrinnen. Un-
sere Beduinen nannten das Thal M'Tacheh, in dem wir etwa
500' über die Sohle des Wadi Seläf, 2709 P. F. ü. d. M. nach
Russegger, gestiegen sein mochten. Von hier an (6 Uhr 15) ver-
liessen wir das feste, anstehende Gestein nie mehr. Zunächst führte
der Weg über einen 600' hohen Felskamm, durchweg aus grauem
quarzreichem Gneis bestehend, in hora 2 — 3 zerklüftet. Der Fels-
kamm, der dui'ch einen Dioritgang (hora 6) gebildet wird, ward 8 Uhr
15 Min. erreicht und lag die vollständige Serbälkette mit ihren
5 Gipfelgruppen in unvergleichlicher Majestät vor uns. Der Morgen
war kühl und frisch (10*^' Reaum.), zum Steigen einladend, die
- 158 —
Luft durchsichtig, um die in violetten Farbentönen sich zeigenden
Bergspitzen zogen leichte, weisse Nebelwolken. 8 Uhr 45 Min.
war ins Wadi Rim hinabgestiegen und die erste Oase erreicht,
9 Uhr 30 Min. die zweite Oase am Anfang der Kimschlucht.
Hiemit stunden wir vor dem eigentlichen Massiv des Serbäls
und betraten das Gebiet der fleischrothen Feldspate. Einen wun-
derbaren Anblick gewährt ein klafterbreiter dunkler Dioritgang,
der hora SV^ den rothen Granit durchsetzt und wie ein grünes
Band auf rothem Tuchkleid im Glänze der Sonne sich aushebt.
Fürchterlich steil geht es von nun an aufwärts, und muss von
Fels zu Fels geklettert werden. An einem der Grünsteingänge,
der hora 6 gerade auf dem Wege liegt, geht es am besten
voran, denn hier trifft man doch harte, scharfe Kanten und Ecken,
während der Graint rund abwittert und die Feldspate unter
jedem Tritt zerbröckeln. Um 11 Uhr ward die dritte Oase er-
reicht mit den Resten einer zerfallenen Steinliütte und einer
höchst dürftigen Quelle, die ein Gebüsch der Jassurstaude ins
Leben rief, aus dem uns die Führer die hochgeschätzten „Moses-
stäbe" schnitten. Nach kurzer Rast ging es in einem kleinen
Teich aufwärts über eine Reihe alter Einsiedlerwohnungen, die
mit Vorliebe in ausgehöhlten Granitblöcken zu rechte gemacht
wurden. Der Granit hat hier mehr als sonstwo die Eigen-
thümlichkeit, in Kugelform zu verwittern. In den riesigen, oft
hausgrossen Blöcken , die in längst vergangnen Zeiten von den
schwindelnden Höhen über uns herabgestürzt waren, fängt die
Verwitterung von innen heraus in der IMitto des Blockes an.
Diese geht in einer erstaunlichen Regelmässigkeit vor sich und
bildet dabei Höhlen und Hohlkugeln, dass man fast an Kunst
zu denken versucht ist. Und doch ist dem nicht so, solche
vollkommen runden Löcher erblickt man auch an Höhen über
sich, die noch nie eines Menschen Hand berührt hat. In ein-
zelnen dieser ausgehöhlten Steinblöcke sieht man noch die Ein-
richtung eines Fcucrheerdcs, geschwärzte Decke, rohe Stoinbank,
den unvermeidlichen Taubenschlag und Scherben von thönerncm
Geschirr, Wasserleitungsröhren u. dgl. Es wurde Mittag, bis
die Hochfläche Segelji erreicht war, wo auf dorn Boden Grund-
- 159 -
mauern zerstörter Wohnungen und verschiedener Schutt es be-
zeugten, dass früher bis in diese Höhe von über 5000' ü. d. M.
Menschen gewohnt hatten. Oder war hier der Platz, wo vor
Jahrtausenden Baalspriester ihrem Gotte Opfer brachten? Ein
geeigneterer Platz könnte keinesfalls sonst wo gefunden werden,
als diese hochgelegene Fclsenplatte, amphithoatralisch von der
Natur angelegt, die gegen Westen allein einen freien Ausblick
gewährt über einen schauerlichen Steilabfall hinab auf das rothe
Meer und die fernen Borge Afrika's, sonst aber von noch höher
aufgethürmten Felsraassen umschlossen ist. Gegen Süden stehen
noch 2, gegen Nord und Nordost noch 3, zusammen die 5 weithin
sichtbaren Gipfelgruppen des Serbäl um das Felsennest herum.
Der Yersuch, an der Utächst gelegenen nördlichen Gruppe empor-
zuklimmen, musste um 12Vj Uhr aufgegeben werden, das Klet-
tern resp. Kutschen auf diesen schiefen Ebenen von 20 — 30 Gr.
ward lebensgefährlich, darum gings rasch wieder zur Segelji-
platte und mit der letzten Kraft zu einem der südlichen Gipfel
hinan. Um 1 Uhr 30 Min. war er erreicht, einzig nur mit Hilfe
eines Dioritgangs, an dessen spitzen Zacken man sich empor-
schwingen konnte.
Der Gipfel verdankt seine Existenz einem 10 Meter breiten
Dioritgang, und hat beiläufig diese Dimension nach der einen
Richtung; nach der andern wird er schmäler, dass man sich
kaum zu stehen getraut, sondern auf allen Vieren den Stütz-
punkt sucht. Der von uns glücklich erstiegene Gipfel war üb-
rigens eine der niedrigsten Spitzen in dem schauerlichen Felsen-
kranz. In einem Umkreis von beiläufig 1000 Meter (eher mehr als
weniger) zählte ich von unserer Zinne aus 47 Spitzen oder, wie man
an den nächstgelcgenen deutlich sah, ebenso viele Dioritgänge,
die aus der Granitmasse hervorstarren. Der Diorit hat im Laufe
der unermesslichen Zeiträume, da diese Gipfel zum Luftraum
ragen , der Verwitterung anders Widerstand geleistet , als der
Granit mit seinen Feldspaten, daher ragen jetzt ebenso viele
Dioritzinken aus dem Granitlager des Serbäl, als man Spitzen
an dem Berge zählt.
Die Stunde auf dieser Zinne gehörte in der vollsten Be-
- 160 —
deutung des Wortes zu der erhabensten unseres Lebens. Nach
3 Himmelsgegenden lag die Gegend offen, nur der südliche Aus-
blick war durch vorgeschobene Serbäl-Zinnen und den noch
höheren Musastock verdeckt. Da lagen die beiden Arme des
rothen Meers, gegen Osten die Akaba, ein Stück des fahlen
Arabiens und das unübersehbare Wüstenplateau Tyh bis zu den
fernen Höhen Petra's, gegen Norden der Busen von Sues und
der Atäqah, gegen Westen endlich, nahe als gings nur über
den Bodensee hinüber, die Berge zwischen dem Nil und rothen
Meer. Jedem von uns wird diese Stunde unvergesslich bleiben,
die nur Einmal in einem Menschenleben erlebt wird, sie glich
all die Mühsale des Tages wieder aus und verlieh dem Körper
eine Spannkraft, die auch in der That zu dem gefahrvollen
Heimwege nöthig war. Noch erinnere ich mich mit einem ge-
wissen Grauen an die fürchterliche Rimschlucht, in die wieder
an der Hand der scharfen Dioritkanten über die nackten bröcke-
ligen Granitwände viel mehr gerutscht als geklettert werden
musste, und an die Lebensgefahr, die den Freunden drohte,
wenn Felsblöcke, auf denen man fassen wollte, sich lösten xmd
lawinenartig mit fürchterlichem Krachen zur Tiefe stürzten. Der
aufopfernde Muth und die Hingebung der Beduinen war dabei
rührend, mit der sie sich eines der Freunde annahmen , dem es
am meisten an Uebung im Klettern gebrach. Der Tag ward lang
und hart. Erst bei tiefer Nacht um OV^ Uhr wurde das Lager
im Seläf wieder erreicht, und ohne auf kleine Wunden und
Quetschungen zu achten, mit frohem „Taib" auf das unaufhörliche
„Teibin Chawadje" *) der Beduinen geantwortet.
In der centralen Sinaigruppe des Hebrän und El Schech
fehlen die grossen Massenerhebungen. Sie stellt ein coupirtes
Hochland von 3—4000 Fuss Erhebung über d. M. dar, durch-
schnitten in hora 1 1 von dem eine starke Tagereise langen Wadi
el Schech, das bei seinem Austritt ins Feiran am schmälsten und
bei seinem Anfang am Fusse des Musa am breitesten ist. Auf
diese eigonthümlichc Gestaltung der Sinaithäler werden wir später
') Wio geht es Herr? — Gut geht os.
— 161 —
zu sprechen kommen. Parallel mit dorn cl Schech lauft eine
Zeitlang das Selt'if, beide so ziemlich in gleicher Höhe von über
2000'; rein westlich biegt das Ilcbrän von diesem Gebirgsstock
ab, das bei seinem Austritt aus dem Gebirge in das Küstenland
nur noch 700' über d. M. liegt. Das Hebrän ist bei seinem
starken Gefiill und dem beharrlichen Zickzack, in dem es läuft,
ein entzückendes, mit jeder Biegung des Weges neue Schönheiten
entfaltendes Thal, ein frisches Bergwasser rinnt eine Zeitlang im
Jahre, *) und auf der eigentlichen freilich schmalen Sohle wächst
Tarfagebüsch und einzelne Palmen, der wolligen Labiaten und
haarigen Cniciferen nicht zu gedenken, die neben Aroideen und
Boragineen am Bache wachsen. Von Zeit zu Zeit erweitert sich das
Thal und gewährt die "Weitung einen herrlichen Ausblick auf die
Bergriesen im Hintergrund, unter denen der stattliche dreizinkige
Goseh, vonRussegger auf 8700' geschätzt, sich aushebt. Einförmiger
wird das Reisen in den beiden Nord-Süd streichenden Thälern Seläf
und el Schech, dunkle Glimmerschiefer und tiefgraue Granite, welche
stundenlang die abgerundeten Höhen bilden, machen dieselben
unendlich melancholisch. Auch der Geognost fängt an sich in
ihnen zu langweilen, werden doch die Gänge, die am Serbäl
und Musa entzücken, immer seltener. Sie fangen an parallel
mit dem Thale zu streichen und lang gezogene Gräthe**) und
Kämme zu bilden, an denen man hinreitet. Wo ein Dioritgang
quer das Thal schneidet, muss man über ihn wie über eine zer-
fallene Mauer setzen, die das Thal einst sperrte.
Als Massengestein dieser centralen Sinaigruppe beobach-
tet man
1. Einförmig grauen Gneis von trübseliger Farbe. Er
*) Die einen Reisenden reden von fliessendem 'Wasser im Hebrän,
die andern leugnen es. "Wir fanden am 28, December nur in den Tüm-
peln stehendes Wasser, dagegen bei der Rückkehr am 5. Januar einen
fliessenden Bach, der jedoch das Ende des Wadis nicht ganz erreichte.
Ohne dass wir am Musa etwas davon bemerkten, musste es indessen
im Hebrän geregnet haben.
**) Der von Russegger in Band 3. p. 234 gezeichnete Gang fiel
auch uns in die Augen.
Würltemb. naturw. Jahreshefte. ISG". 2s n. 3s Heft. H
- 162 -
besteht aus weissem Quarz, einzelnen weissen Feldspatcrystalleu
und grauem Glimmer, der lagerhaft in 1 — 2 Linien grossen
schuppigen Flecken in dem weissen Grundgestein ausgebreitet
ist. An einer Reihe von Uebergängen zum grauen Glimmer-
schiefer fehlt es nicht.
2. Dunkelgrauer Syenit, auch Sinai t genannt, aus farblosem.
Quarz, weissem Feldspat und dunkelgrüner Hornblende zusam-
mengesetzt. Das Gestein ist feinkörnig und die 3 Bestandtheile
sehr gleichmässig vertheilt. Accessorisch treten kleine Körner
von Titanit *) hinzu.
*) Herr Dr. G. Werner hat den Sinait näher untersucht und theilt
mir Nachstehendes über denselben mit:
Neben dem weissen und dem dunkelgrünen Bestandlheil erscheinen
durch die ganze Masse kleine Körner von zimmtbrauner Farbe und
ziemlich starkem Glanz, die jedoch höchstens 1 Quadratmillim. Fläche dar-
bieten, meist viel kleiner erscheinen. Ausserdem beobachtet man Blätt-
chen von schwarzem Glimmer, jedoch in viel geringerer Quantität als di&
Hornblende. Ein DünnschhfF zeigt unter dem Mikroskop in der weissen
Masse neben dem trüb erscheinenden Feldspat auch Quarz in erheblicher
Menge, den man an der klaren Durchsichtigkeit vom Feldspat sehr
leicht unterscheidet. Für den Quarzgehalt S[)richt überdiess der Um-
stand, dass das Gesteni unt(^r Umständen am Stahl sehr starke Funken
gibt, während bei der Betrachtung mit dem blosen Auge und mit derLoupe
der Quarz wegen der Kleinheit des Korns nicht so deutlich erkannt
werden kann. Die Hornblende erscheint unter dem Mikroskop meist
undurchsichtig und desshalb schwarz; nur an einzelnen Stellen, beson-
ders an den lländern der Hornblendepartikeln ist sie mit lichtgrüner Farbe
durchsichtig. Kleine rundum ausgebildete Kryställchen von gleicher Farbe
und von zwei- und eingliedrigem oder einj;;liedrigem Habitus liegen über-
diess in der wasserklaren Quarzmasse, neben den faiblosen durchsich-
tigen spiessigen Crystallen, die man im Quarz der Granite unter dem
Mikroskop immer beobachtet. — Ferner erscheinen darin schwarze, un-
regelmässige Körner, die ohne Zweifel aus Magneteisen bestehen. Denn
aus dem gepulverten Gestein lässt sich mittelst des Magnets ein an-
sehnlicher Bart von Mugneleisenkörnern ziehen, die indessen für sicli
unter das Mikroskop gebracht keine Krystallform zeigen. Ueberdiesa
wirkt das Gestein selbst sehr merklich auf die Magnetnadel. Das
braune Mineral erscheint unter dem Mikroskop sehr fein gestreift und
durchscheinend.
- 163 -
3. Dunkelgrauer Granit wechselt mit dem Syenit. Der
farblose Quarz tritt zurück, der Feldspat ist trüber mit einem
Stieb ins Küthliche und schwarzer Glimmer ist fein vertheilt.
4. Rüthlicher Granit mit schwach rosenrothem Orthoklas,
farblosem Quarz und schwarzem Glimmer. Die Bestandtheile,
sind ziemlich gleich vertheilt.
5. Schiefriger Amphibolit. Die Hornblende ist feinkörnig
und faserig vertheilt, von feinen Lagen eines farblosen Quarzes
durchzogen. Dieses Gestein ist im oberen Hebran ausserordent-
lich verbreitet und bildet namentlich den Pass, der in das
untere Selaf führt.
6. Epidotgranit bildet im mittleren Ilebran einen wunder-
schönen Fels. Vorherrschend ist fleischrother, prachtvoller Feld-
spat, dazwischen ein grauweisser Quarz in liniengrossen Körnern.
Die ganze Masse ist von lauchgrünem bis lichtgrünem Epidotfels
durchzogen. Dieser selbst bildet sehr häufig grosse Knauer und
colossale Stöcke in grauem Gneis wie im Glimmerschiefer, die
sich aus der Ferne gesehen wie üppige Vegetationsplätze aus-
nehmen.
Gangförmig in dem Massengestein haben wir wieder wie im
Serbai dunkelgrüne und rothe Grundgesteine mit und ohne Ent-
wicklung von Crystallen. Wir nennen zuerst den D i o r i t , in wel-
chem wir weissen Feldspat in grösseren Crystallen, feinkörnigen
fleischrothen Feldspat in schmutziggrüner Hornblende-Masse un-
terscheiden. Die Farbe dieses Diorits ist trübe und düster. Dcr-
Vor dem Lüthrohr zeigt das braune Mineral den Schmelzgrad
3 — 4; es schmilzt unter lebhaftem Sprühen zu einem schwarzbrauneu
matten Glase, während der ungeschmolzene Theil heller wird und seine
Farbe in die spargelgrünc umwandelt. Im Phosphorsalz gibt es im
Reductionsfeuer eine hellgelbe Perle, die (besonders bei Zusatz von
Zinn) beim Erkalten violett wird. Diese Reactionen stimmen so genau
mit denen des Sphen oder Titanit überein, dass kein Zweifel sein kauu,
dass das braune Mineral Titanit sei. Ueber die Natur des Feldspats
gibt das Verhalten vor dem Lüthrohr, da er von den andern Mineralien
nicht vollständig getrennt werden kann, keinen sicheren Aufschluss.
Es ist demnach der Sinait ein Syenitgranit mit beigemengtem Ti-
tanit und Ma^rneteisen.
- 164 -
selbe geht unvermerkt über in ein Gestein, das man besser
Syenit als Diorit nennt, denn es bilden sieb die Crystalle aus,
grauer Quarz mengt sieb bei und ausgebildete Hornblenden.
Daran schliesst sieb ein ausgezeiebneter scbwarzer Syenit-
porpbyr (Rose); eine scbwarze glänzende Grundmasse, unter
der Loupe grünlich am Bruche durchscheinend mit kleinen weissen
Oligoklascrystallen, bildet er einen Gang im untern Hebran. Wie
dieses Gestein an die Syenite anknüpft, so an die röthlichen Gra-
nite ein lebhaft rother Porphyrit mit eingesprengten feinen
Körnern einer licbtgrünen Hornblende. Derselbe steht am Pass
zum Seläf an , und weist bereits auf die Serbälgruppe hin , in
der die Gänge eine so ausgezeichnete Entwicklung gefunden
haben.
In dem eigentlichen über 6 geogr. Meilen von N. nach S.
hinziehenden Gebirgsstock sind, wie schon angedeutet, die Gänge
bei weitem nicht so zahlreich. Bei dem Hauptstreichen der
Gänge in Stunde 11, das mit dem Streichen der beiden Haupt-
Wadis zusammenfällt, begegnet man ihnen wenigstens seltener,
dagegen sieht man an denselben die eigenthümliche Begränzuug
der Bergketten durch schwarze und rothe Gänge, die als ein
farbiger Besatz der grauen Berge erscheinen, auf welche nament-
lich Eussegger aufmerksam gemacht hat.
Einer Reihe wunderlicher Verwitterungen in dem grauen
Granit geschehe hier noch Erwähnung. Etwa in der Mitte des
Wadi el Schechs bildet der bröckelige, weiche Granit auf mehr
als eine Stunde Wegs phantastische Formen, nicht blos Säcke,
Vollkugeln und Hohlkugeln, Brillen u. s. w., sondern wirklich
überraschende Thiergestalten und Physiognomien. Man braucht
seine Phantasie gar nicht anzustrengen, so sieht man einen Ele-
phantenkopf, Affen, Panther, Kameele und dergleichen. Formen,
die offenbar seit Jahrhunderten die Aufmerksamkeit aller Vor-
überziehenden auf sich gezogen haben. Ist irgendwo hart am
Wege eine schöne Granitwand, etwas härter als die Umgebung,
so ist sie über und über mit alten Inschriften und Charakteren
versehen, die selten über Manneshöhe in den Fels gehauen sind.
Die Archäologen nennen sie die sinaitischeu Inschriften und
— 165 —
geben ilinen verschiedenes Alter. Jo nachdem wären 3 Jahr-
tausende oder mehr spurlos an diesen Wänden vorübergegangen
und hat wohl Moses und das Volk Israel nicht blos diese be-
schriebenen Steine , sondern alle die phantastischen Felsen-
köpfe bereits in der gleichen Gestalt gesehen, als wir sie jetzt
schauen.
Die Wadis breiten sich, je höher man in ihnen hinaufsteigt,
um so mehr zu weiten Thalgründen aus, so breit als das Neckar-
tbal bei Canstatt. Die Berge werden immer niedriger und er-
reicht man, bevor die Höhe des Musastockes erstiegen wird, eine
w^eite Hochfläche, in der ungeheure Schuttmassen den Grund
und Boden bilden, aus welchem nur hie und da noch ein an-
stehender Felsblock, meist röther Porphyr, herausschaut.
In senkrechten riesigen Wänden erheben sich jetzt breite
Massen, 2000' höher als die schon über 3000' über dem Meere
liegende Hochfläche el Schech. Es ist die Gruppe des Horeb
Ansiclit des Djebel Musa vom Kntliarinenkloster aus.
Nach einer Zeichnung von U. v. Hcuglin.
mit dem Mittelpunct des Djebel Musa, der wenn auch nicht
der höchste, so doch der bedeutungsvollste unter allen Bergen
- 166 -
der "Welt ist, der „Sinai" im engern Sinne des "Worts. Mit dem
Haua-Passe ersteigt man in 1'/-' Stunden das Gebirge, das vor
allem durch seine Doppelfarbe grau und roth in billiges Erstau-
nen setzt. Der Gebirgsstock besteht zunächst aus grauem Granit
und Syenit mit einem Stich ins Grüne, in dem Dioritporphyre
und Hornblenden massenhaft sich einnisten. Ueber diesen grauen
Grundmassen thürmen sich rosenrothe körnige Granitmassen zu
schwindelnden Höhen auf. Somit haben wir wieder als Grund-
masse 1) ächten Syenit mit farblosen Oligoklasen, 2) schwarz-
grünen ächten Amphibolit, bald körnig, bald schieferig, und
3) ächten rothen Granit mit fleischfarbigem Feldspat, farblosem
Quarz und schwarzem Glunmer.
In diesen Grundmassen des Horeb entwickeln sich in bedeu-
tender Mächtigkeit Aphanite, schmutzig grün von Farbe, ohne
eine Spur von Crystallausscheidung. Man weiss nicht recht, wie
man sie ansehen soll. Gänge wie im Serbai und dem Seläf bil-
den sie nicht mehr, es müssten denn Gänge von 100 Meter und
darüber, die für sich ganze Bergmassen bilden, noch mit diesem
Ausdruck zu bezeichnen sein. Aehnlich verhält es sich mit Diorit-
porphyr von dunkelgrünem bis grauem Grund, in dem sich Ku-
geln von weissgrüner Feldspatmasse ausscheiden und ebenso
mit dem fleischrothen bis braunrothen Granitporphyr, der die
Kuppen des Musa, Horeb und Catharina bildet. Sind es Gänge
im körnigen Syenit und Granit, so ist die Analogie mit dem
Serbäl hergestellt, wo die Gänge nur statt hundert Lachtern
1 Lachter und darunter mächtig sind. Sind es dagegen Stöcke
und Stösse, so bleibt immerhin die gerade Linie auffällig, unter
der die granitischen und porphyrischen Gesteine sich an einander
lehnen. Dass accessorisch hübsch ausgebildete Fcldspatcrystalle,
Bergcrystalle und Granaten in einem Schriftgranit auftreten,
ist nicht gerade wichtig, aber doch für die Musagruppe be-
zeichnend.
Dass es auch im Centrum des Musastockes nicht an Quellen
fehlt , wo das Massiv der Borge sich in tiefen Klüften und
Schluchten spaltet, liegt in der Natur der Sache. Sobald sich
lagerhafte Glimmer und Gneise einstellen, eignet sich das Ge-
- 167 —
"birge dazu, die obgleich jederzeit spärlichen Meteorwasser auf
längere Zeit im Jahr zurückzuhalten und die gesammelten Wasser
später in Folge des Gefälles da und dort zu Tage zu drücken.
Yom Wohlgeschmack der Schwarzwaldwasser und von der Kühle
europäischer Bergwasser rieselt dann ein Bächlein durch den
Sand und Schutt, in dem es freilieh rasch sich wärmt und nach
kurzer Frist im Boden verlauft und verdunstet. Die Gärten im
Wadi Musa und seiner Umgebung liefern hiezu Belege. Alle
diese Quellen sind natürliche Brunnen, die sich im glimmerrcichen
Gneise sammeln und im Grunde des Wadis sich herausdrücken.
Doch sind auch wohl aus uralten Zeiten her künstliche Brunnen
angelegt, unter denen einer unsere besondere Aufmerksamkeit
erregt. Ich meine nicht den von den Mönchen für Mosis Quelle
ausgegebenen Fels, denn wer leichtgläubig genug ist, einen vom
Musa niedergestürzten Granitblock mit einer Porphyrader und
einigen Drusenräuraen für denselben zu halten, und wer gut-
müthig genug ist, dem Mönche nicht ins Gesicht zu lachen, der
alles Ernstes erzählt, aus den Drusenlöchern, deren es 12 seien,
sei für die 12 Stämme Israels das Wasser geflossen, der ist zum
Voraus für naturhistorische Untersuchungen verloren. Wer aber
ohne Begleitung der Mönche *) vorurtheilslos in den Bergen herum-
klettert, der mag hier noch Manches finden, wovon der Kloster-
bruder gar keine Ahnung hat. So sieht ein scharfes Auge am
Fusse des Horeb , wie des Musa in ziemlicher Höhe über der
Thalsohle an der glatten, kahlen Bergwand einzelne grüne Flecke
in schwindelnder Höhe. Anfangs diese Stellen für Stöcke von
Epidot oder Pistazit erachtend, welche an der röthlichen Granit-
wand sich breit gemacht hätten, belehrte mich der Beduine, dass
hier oben Wasser wäre und gute Jagdplätze für die Steinhühner.
*) Es ist jedoch bo leicht nicht, sich die Mönche vom Leib zu
halten, die es als uraltes Privilegium in Anspruch nehmen, die Frem-
den auf den heiligen Bergen zu führen. Ausser mir hat schon mancher
Sinai-Ilcisende die Bemerkung gemacht, dass man hinter den griechi-
schen Klostermauern noch gieriger auf das Backschisch sah, als im Zelte
«des Arabers.
- 168 -
Auf der linken Thalseite des Klosterthals ward nun zu einem
der nächstliegenden grünen Flecke hinaufgeklettert. Senkrecht
erhebt sich hier aus dem Gebirgsschutt in röthlichem Farben-
duft eine Granitwand, an deren Fuss sich zuerst ein Feigenbaum
erkenntlich macht und beim Nähertreten Buschwerk und grüne
Kräuter sich zeigen, hervorgerufen durch ein kleines Wasser-
bassin, das aus einer Quelle in unmittelbarster Nähe gespeist
wird. Diese läuft wunderlicher Weise aus der glatten Granit-
wand etwa in Brusthöhe heraus, sie ist zwar nicht stark, etwa
in der Stärke eines Stuttgarter Brunnenrohrs, aber genügt, das
künstlich angelegte Bassin am Fuss der Wand zu füllen, aus
welchem ein kleines
\^ \ S°" <^lta^ terrassenförmig ange-
legtes Gärtchen von
einigen Ruthen Grösse
gewässert wird. An
und für sich schon
musste es auffallen,
aus der glatten Granit-
wand eine Quelle flies-
sen zu sehen, das Auf-
fällige mehrte sich, als-
sich bei näherer Be-
obachtung die Oeff-
eine künstlich ge-
einifjen Zoll Durch-
Mosis Quelle am Djcbel Slusa.
nung, aus der das Wasser floss, als
machte herausstellte. Ein Loch von
messer ist hier mittelst eines Schlag-Instrumentes, dessen Spuren
man deutlich genug noch wahrnimmt, in die Wand getrieben
und wurde damit eine beiläufig halbschühige Granitschalo durch-
gebrochen, hinter welcher ein natürlicher Quelllauf ist, der nun-
mehr durch die künstliche Oeffnung den Weg gefunden. Ver-
geblich sieht man sonst sich nach Wasserspuren an der Berg-
wand um, die etwa das Vorhandensein des früher hinter der
Granitwand verborgenen Quells hätten verrathcn können: au
der 40' hohen Wand, die mit den Verticalklüftcu des ganzen
- 169 —
Musastockes parallel läuft, spiegeln nur die Blätterdurchgänge
der Feldspatcrystalle im heissen Sonnenschein und keinerlei An-
zeichen verrieth den "Wasserschatz, der hinter der Wand steckte.
Die Quelle ist von Menschenhand „aus dem Felsen geschlagen"
und ob auch das murmelnde Wasser sein Geheimniss nicht ver-
räth und kein Sterblicher es je erfahren wird, wer, dasselbe zu
Tage gelockt, so dachte ich doch an diesem wunderbaren Quell
mit einer gewissen Vorliebe an den grossen Kenner der Men-
schen und der Berge , an Moses , den Knecht Gottes , der nach
Exod. 17, 6 „einen Fels in Horeb schlug, dass Wasser heraus-
lief und das Volk trank".
Es darf hier wohl der Ort sein, ein Wort über den Djebel
Musa und seine welthistorische Bedeutung zu sagen. Lepsius
glaubt den wahren „Sinai" , den Berg der Gesetzgebung, nicht
im Musa, sondern im Serbäl zu erkennen und begründet seine
Ansicht mit der Fruchtbarkeit des Wadi Feirans, das am Fusse
jenes Berges liegt. Während am Musa nur spärliche Quellen
und kleine feuchte Strecken sich befinden, eben kaum hinrei-
chend, imi die beiden Klostergärten zu befeuchten, ist das Feiran
ganz anders zum Aufenthalt eines Volkes von der Natur ange-
legt. Feiran muss Mose schon der gesuchte Mittelpunet der
ganzen Halbinsel gewesen sein, auf den er zuerst losging und
um den Israel mit Amalek stritt. Dazu kommt die Nähe des
noch guten Seehafens Abu Zelimeh, der vom Wadi Schebekeh
aus mit Wasser versorgt werden konnte; dahin verlegt Lepsius
den Lagerplatz am Schilfmeer, der hinter Elim lag und die 12
Brunnen und 70 Palmen von Elim. Hier nimmt die Wüste einen
andern Charakter an, wesshalb der nördlich gelegene Theil für
die Wüste Sur, der südliche für die Wüste Sin genommen wird.
Dann lag der Serbai als der Berg in der Wüste Sin allerdings
zunächst, zugleich war er wegen der Kupferminen der bekann-
teste Berg für Egypten, seit alten Zeiten heilig, von Mose längst
gekannt, der von Midian aus die Schafe des Jethro dort wai-
dete. Dazu die sinaitischen Inschriften, vor allem aber die Frucht-
barkeit des Thaies, in welchem ein Unterhalt für das Volk mög-
- 170 —
lieh war, denn am Musa könnten heut zu Tage kaum zweitau-
send Menschen täglich nur das Wasser finden.
Es ist wahr, dass dieses Alles für den Serbäl spricht und
hat Lepsius vollkommen Recht, wenn er der Mönchstradition,
die natürlich den Musa für den Berg Gottes erklärt, nicht den
geringsten Werth beilegt. In der langen Zeit zwischen der Ge-
setzgebung und den ersten christlichen Jahrhunderten wird der
Sinai nur einmal erwähnt als der Berg Gottes, auf den sich
Elias zurückzieht, und da weder Griechen noch Römer den Berg
kennen, sind wir einzig auf die Schrift angewiesen und die na-
türlichen geographischen Verhältnisse. Diese sind aber der Art,
dass der Serbäl für die in der Schrift erzählten Umstände, wie
für die Sammlung des Volkes am Fusse des Berges, dessen Um-
friedigung u. s. w. nicht passt; in dieser Hinsicht trifft man in
der That in der ganzen Sinaikette keinen zweiten Berg, der so
frei und isolirt über die weite Ebene Rahab sich erhöbe und
dabei so majestätisch vor den Menschen im Thale stünde, als es
beim Musa der Fall ist.
So fruchtbar das Feirän heutzutage ist, so ist es doch nur
ein sehr enges Palmenthal, in welchem viele Menschen sich nicht
aufhalten können, es ist nur eine Felsschlucht gegenüber der
weiten Fläche des Rahab, ebenso ist der Serbäl ein aus etlich
und 40 Einzelngipfeln bestehendes Zackengebirgo, dessen Spitzen
nur mit Lebensgefahr erklettert werden können, während der
Musa als ein massiger Berg in einem erhabenen leicht besteig-
baren Ilöhepunct gipfelt. Es widerstreitet Einem innerlich, in
dem wilden vielspitzigen Felsgeklüfte des Serbäl den Ort zu
suchen, da die Lehre von dem Einen ewigen Gott ausging; zu
solchen Gedanken passt vielmehr der Eine majestätische Gipfel
des Musa.
Lepsius gründet, wie wir sahen, seine Ansicht hauptsächlich
auf die natürliche Beschaffenheit des Feiräns, seine Fruchtbar-
keit und seine geographische Lage. Dabei geht er von der
Voraussetzung aus, die natürlichen Verhältnisse hatten sich seit
Mosis Zeit nicht wesentlich verändert. Die Topographie der
sinaitischen Halbinsel freilich ist seit länger als Mosis Zeit un-
- 171 -
verändert, dagegen ist die Annahme ganz unhaltbar, dass
auch die Oberflächenverhältnisse , die Vorhältnisse des Was-
sers, der Vegetation, der Cultur oder allgemeiner gesprochen
des Klimas heute noch wären wie damals. Heutzutage leben
auf der ganzen beiläufig 450 DMeilen grossen Halbinsel nur
etwa 4000 Beduinen, oft genug unter einander im Hader wegen
der Waideplätze und der spärlichen Wasserquellcn. Die Quelle
im Seläf war in Folge des Besuchs unserer Karawane am Lager-
platz der Beduinen nach 3 Tagen erschöpft, so dass der würdige
Schech Nassar uns erklärte, so lieb ihm seine Gäste seien, so
müssen wir doch bis zum Abend anderswo unser Lager auf-
schlagen, CS gebreche so schon seinem Stamme an Wasser. In
einem Lande mm, das durch den Einfall von auch nur 1000
Mann buchstäblich ausgesaugt und abgewaidet wäre, soll sich
Israel Jahre lang aufgehalten haben? Das zahlreiche Volk
Israel*) hätte in wonigen Tagen das Wasser des ganzen heu-
tigen Sinai ausgeschöpft, alle Vegetation abgewaidet und damit
jedes weitere Lebensmittel aufgezehrt gehabt, selbst wenn gar
keine einheimische Bevölkerung vorhanden gewesen wäre. Statt
dessen finden wir die verschiedenen Stämme in Ordnung ihre
Züge verfolgen , in Schlachten die Ureinwohner besiegen und
sicherlich alle Wadis benützend, dem Centi-alstock des ganzen
Gebirges, dem Djebel Choreb oder Musa geordnet zuziehen, wo
in grosser Volksversammlung das Gesetz verkündet wurde. Der
Sinai muss damals in allen Wadis eine fruchtbare Alpenland-
schaft gewesen sein, die Berge mit Waiden bedeckt; an eine
Wüste, wie sie jetzt ist, , zu denken, ist rein unmöglich. Unter
der Wüste, welche die Schrift nennt, darf man nur entweder die
gesalzenen Steppen am Ufer des rothen Meeres verstehen und
etwa noch die Felsenbezirke im Gebirge, in welchem die Wasser
sich nicht sammeln und daher vegetationsleere Strecken bilden
konnten. Heutzutage ist die ganze Halbinsel eine Wüste und
verschwinden fast die Puncte auf einer Karte, auf der man die
*) 600,000 Mann streitbarer Männer, Weiber und Kinder nicht
mitgerechnet, zogen von Ramses aus.
- 172 —
Vegetationsplätze und Wohnorte von Menschen bezeichnen wollte.
Ohne die Annahme einer tiefgreifenden klimatischen Umgestal-
tung, welche in historischen Zeiten, der vorhistorischen gar nicht
zu denken, Statt gefunden hat, bleibt uns daher die ganze
reiche und bedeutungsvolle Geschichte des Sinais ein unerklär-
liches Räthsel. Auf tiefgreifende Klimaveränderungen aber weisen
zwei weitere Beobachtungen hin, die freilich das Räthsel nichts
weniger als zu lösen geeignet sind, aber doch einen nicht un-
wichtigen Beitrag zur Geschichte der Sinaithäler geben; sie be-
ziehen sich auf ausgesprochene Spuren alter Gletscher am
ganzen Sinai und auf ganz eigenthümliche Erosions-Ver-
hältnisse der Wadis.
Die Schuttmassen von Sand und Gerolle werden von vielen
Eeisenden erwähnt, namentlich Russegger *) fielen diese massen-
haften Anhäufungen auf, darunter auch Kalksteingeschiebe bis
zu Kopfgrösse, während doch auf dem ganzen Wege durchs
Wadi nirgends Kalk ansteht und somit die Geschiebe auf dem
Wassertransport vom Berg zu Thal nimmermehr erklärt werden
können. Russegger vermuthet daher eine locale Auflagerung-
dieses dem Gesteine des Tyh ähnlichen Kalksteins auf den Por-
phyrhauben. Davon ist aber nirgends etwas bekannt, im Gegen-
theil wäre eine Bedeckung der Sinaiberge durch die Kreide-
gebirge von Tyh eine ganz undenkbare, allen übrigen Beobach-
tungen widersprechende Thatsaehe. Ohne die Gletscher zu
Hilfe zu nehmen , bleibt diese und eine Reihe andrer Erschei-
nungen nicht erklärt.
Gleich beim Eintritt in das Wadi Hebran thürmen sich am
Rande des Gebirges 40 — 50' mächtige Schuttwälle auf, wie
eine ungeheure Sandbarre sich quer vor das Thal lagernd, durch
die sich erst das Wasser des Wadis seine Bahn gebrochen hat.
Dieser ungeheure Schuttwall besteht aus dem Detritus des sinai-
tischen Gebirges, er enthält Blöcke von 1000 Cub.-Meter bis zur
Grösse einer Hasolnuss, Sand der gröbsten Sorte bis zum fein-
sten Sandmehl, das Alles aber nicht sortirt und Gleiches zu
*) Reisen, Band 3, pair. 232.
- 17.') -
Gleichem gelegt, sondern bunt und wirr durcheinander gear-
beitet, Feines neben Grobem, Leichtes neben Schwerem, wie es
ein strömendes Wasser niemals macht, wie es vielmehr allein
nur die Gletscher zu schieben pflegen. Beim Eingang in das
Wadi Ilebrän erweckte der erste Blick auf den moränenartigen
Schuttwall den Gedanken an Gletschcrschutt, doch wollte ich
denselben unter dem Brande der afrikanischen Sonne als gar zu
abenteuerlich wieder fallen lassen, bis im Wadi selbst der bald
rechts bald links am Gehänge klebende Schutt und namentlich
die Art, wie der Schutt bei einer Gabelung des Thals sich ein-
lagerte, mehr und mehr die Ueberzeugung befestigte, dass diese
Erscheinungen alle auf keine andere Weise können erklärt wer-
den, als durch die Annahme alter Gletscher. Wie wenig seit
Menschenzeiten sich die Form der Wadis verändert hat und selbst
die Gestalt der Bachbette noch dieselbe blieb, wie sie vor Mosis
Zeiten war, dafür liefert eben der Eingang ins Hebrän ein höchst
anschauliches Beispiel. Ein Ii-rblock von grauem Granit steht
neben dem Wege im Sande am Bach. Er ist über und über
mit alten Inschriften beschrieben, die mit dem Erdboden parallel
laufen und deutlich zeigen, dass zur Zeit der Inschrift der Block
wie der Boden schon so gestellt und geformt war, als er es
jetzt ist. In 4 Jahrtausenden, denn so alt schätzen die Archäo-
logen jene Inschriften, hat kein reissendes Gebirgswasser, das
sicher oft genug aus dem Thale niederbrach, den Block aus
seiner Lage verrückt oder aber in Schutt ihn begraben, noch
die Atmosphärilien mehr als vielleicht einige Millimeter von
dem Felsen geleckt. Die Schuttwälle selber, von denen der
Block ein Stück ist, haben mit den Gebirgswassern nichts gemein,
wurden vielmehr von diesen erst in späteren Zeiten durchnagt.
Anfangs wollte ich die deutlichen Spuren der Moränen im
Hebran alle verzeichnen, fand aber bald, dass mit jeder Biegung
des Thaies wieder neue erschienen, die bald hüben bald drüben
in der Regel 30 — 50' hoch an der Bergwand hängen. Das
Hebrän ist von seinem Ausgang in die Ebene bis zum grossen
Pass in das Seläf 4 Kamcelstunden lai g, sein mittleres Streichen
ist hora 2. Am Ende des ersten . rittheils (nach IV2 Stunden)
- 714 -
zweigt rein östlich in hora 7 ein grosses breites Thal ab, in
welchem selber keine Spur von Schutt ist, dem aber das schutt-
führende Hauptthal einen Wall quer vor seine Mündung gelegt
hat. In der Hälfte (nach 2 Stunden) zweigt ein anderes
N. 30 '^ 0. streichendes Thal ab, das einen eigenen Schuttwall hat
und diesen mit dem Schutt des Hauptthals vereinigt. Nach
2' 2 Stunden wird das Thal weit und die Sohle breit und zieht
die Moräne auf der Ostseite hin, nach 3 Stunden hat man sie
im Westen, dann aber verliert man den Schutt vollständig, nach-
dem man ein weiteres Seitenthal passirt hat. Im Uebrigen weiss
ich nicht, ob wir im Hauptthal oder im Seitenthal blieben. Je-
denfalls hörte von hier bis ins Wadi Selaf Schutt und Moräne
auf, um aber in diesem alsbald wieder sich zu zeigen und
hier, namentlich aber im Feirän in riesigen Massen sich an die
Gehänge zu lehnen. .
Im Feirän sind die Schuttmassen entsprechend dem herr-
schenden Gestein des obern Feiräns und Seläfs feinkörnig, der
Grus vorherrschend von Gneis und Glimmerschiefer. Die Massen
steigen über 100' an den Wänden hinan imd haben durch spä-
tere Erosion der Atmosphärilien überall die Zeltform angenom-
MorHnenschutt im Wadi Feirän, in der Nabe der Mündung
des Wadi Selaf.
men, die Wände der Schuttwälle sind Steilwände, unersteiglich,
theilwcise reiner Sand horizontal geschichtet, wie er am Ufer
der Gletscher-Seen vom schmelzenden Eise hingewascheu wird.
Ehe der Hauapass erstiegen wrd, führt der Weg zum letzten-
— 175 —
mal über eine und vielleicht die ansehnlichste aller Moränen,
die durch einen alten, längst versiegten Bach durchbrochen, ihre
Steilwand mit ihrem Sand und Grus immer frisch und steil dem
Wanderer präsentirt.
Die gleichen Erscheinungen von Detritusanhäufungcn in
lagerhaften Bänken begegnen uns somit im ganzen sinaitischen
Gebirge vom Eingang in dasselbe, 700' ü. d. M. bis in Höhen
von 3 — 4000' u.d.M.; was man auch zur Erklärung dieser Erschei-
nungen herbeiziehen möchte, Verstopfung der Thäler, Stauung
der Wasser, alte Seen u. drgl., nichts reicht aus, so befriedi-
gend sich die Sache zum Verständniss zu bringen , als die An-
nahme von Gletschern.
Selbstredend kommt es mir nicht in den Sinn, hiebei an die
europäische Eiszeit zu denken und dieselbe mit der Gletscher-
periode unserer Breiten zusammenzustellen. Uebcrhaupt wage
ich es gar nicht, irgendwie über die Zeit dieser Sinaigletscher
etwas zu sagen. Bedenken wir, dass di(; ganze Gebirgskette
von Uranfang an Festland w-ar, nie vom Ocean bedeckt, so kön-
nen es ebenso gut Gletscher aus der Silurzeit sein, als wie aus
der Zeit des Jura oder des Tertiärs.
In welchen Höhen in früheren Zeiten der Erdgeschichte die
Spitzen des Sinais stunden und w'elchen Niveauschwankungen
das Gebirge schon ausgesetzt war, dafür fehlen uns die Anhalts-
punkte. Eine jedenfalls auf allerlei Schwankungen hinweisende
Thatsache ist schliesslich die eigenthümlich verkehrte Erosions-
gestalt der Wadis. Steil und senkrecht wie Eine Fclsenwand
steht das Gebirge vor dem Reisenden, der vom rothen Meere
herkommt, die Mündung der tiefen Thäler versteckt sich in einer
Weise, dass man erst unmittelbar davor den Eingang bemerkt,
als enge und tiefe Schlucht. So eng als das Thal der Dreisam
zwischen dem sog. Himmelreich und Höllensteig ist die Schlucht
des Wadi Hebrän bei seiner Mündung zur rothen Meer-Wüste;
je weiter man ins Innere des Gebirges eindringt, um so breiter
und weiter wird es, ohne dass der Grund für diese Erscheinung
etwa in der Beschaffenheit des Gesteins, das hier leichter als
dort verwitterte, gefunden werden könnte. Dasselbe Verhältuiss
- 176 -
zeigt das Feirän, enge Schluchten bei seinem Ende, weite "Wadis
in seinen Anfängen, die kaum merklich mit andern ebenso flachen
Wadis zusammenhängen. Könnte von Wasserscheiden überhaupt
in den wasserlosen Bergen die Rede sein, so würden flache
Wasserscheiden flache weite Thäler scheiden, von denen die nach
Westen verlaufenden immer enger werdend in ihrem Ausgang
nur schmale Schluchten bilden, durch die unmöglicher Weise das
im oberen Thallauf erodirte Material seinen Ausweg gefunden
haben konnte. Gegen Osten aber werden die im Centralstock
schon weiten Wadis immer ausgebreiteter, bis sie ins ofi'ene Land
der Wüste übergehen. Existirten genauere Karten über das
sinaitische Gebirge, so läge diese Erscheinung klar vor Jeder-
manns Auge, dass die Neigung der Wadis in frühern Zeiten und
ebendamit der alte Wasserlauf entschieden anders gewesen sein
musste. Vor der Bildung der Rothenmeer-Spalte, die wegen des
Fehlens von Kreide und älterem Tertiär höchst wahrscheinlich
von späterem Datum ist, hing wohl der Sinai und der Mens por-
phyrites über das rothe Meer hin zusammen und entsendete letz-
teres Gebirge gegen Norden und Osten hin seine Wasser,*) die im
natürlichen Laufe in dieser Richtung das Werk der Erosion voll-
führten nnd den Sinaithälern Formen gaben, welche auch später
bei verändertem Niveau sich erhielten, um so mehr, als die
erodirende Kraft mit dem Wasser allmählig verschwand und seit
einigen Jahrtausenden gewissermassen auf Null reducirt ist.
*) Hieran reihen sich auch die neuesten Beobachtungen über die
Tische des Jordans und des See's Genezareth, die nach Tristrams Be-
obachtungen (natur. history review 1865 pag. 541) einen egyptischen
Charakter an sich tragen und auf einen früheren Zusammenhang von
Jordan und Nil hinweisen.
— 177 —
Das Gebii'g:e zwistlien dem rothen Meei* und dem Nil.
An das sinaitische Gebirge reilit sich das auf afrikanischem
Boden gelegene Grundgebirge zwischen dem rothen Meer und
dem Nil, das sich vom Mons porphjTites an weit gegen Süden
erstreckt und schliesslich mit den Granit- und Syenitbergen von
Assuan in Verbindung steht. Aehnlich wie Schwarzwald und
Vogesen, obgleich durch das breite Rheinthal getrennt, doch auf
einerlei Bildungsweise hindeuten , so auch die crystallinischen
Berge im Osten und Westen des rothen Meers. Die Ueberein-
stimmung der geologischen Verhältnisse am Rhein wie am rothen
Meer lässt sich namentlich auch in Betreff der Auflagerung des
jüngeren Gebirgs verfolgen : Wie im Westen der Vogesen und
im Osten des Schwarzwalds die Trias nnd der Jura an das alte
crystallinische Gebirge sich anlegt, so im Osten des Sinais wie
im Westen der Nilberge beiderseits obere Kreide und älteres
Tertiär. In der Spalte des rothen Meers selber liegt nur jüng-
stes Gebirge, die Gebilde von Hadj Elma und Beda, von welchen
später die Rede sein wird, dessgleichen die Schwefelberge von
Gimscheh und die Petrolriffe vom Djebel Zeit (s. unten). Dunkle
Porphyrite und schwärzliche Diorite brechen hier ebenso schroff
und steil am Ufer ab, als gegenüber auf der Sinaiseite am Ras
Nakus.
Das ganze Land zwischen dem rothen Meer und dem Nil ist
absolut unbewohnt: es fehlt der Regen fast ganz und die tertiären
Gebilde, die sich ans alte Gebirge lagern, sind vielfach gesalzen,
so dass die spärlichen Quellen, die da und dort zusammenrinnen,
grossentheils ungeniessbar sind. So muss Cosseir, das wegen
der Sudanpilger, die sich von hier nach Djedda übersetzen las-
sen, einer der wichtigsten Plätze am rothen Meere ist, täglich
eine Karawane ins Gebirge schicken, um seinen Bedarf an
Trinkwasser zu befriedigen, denn das Wasser in den Brunnen
der Stadt ist mehr oder minder brackisch.
Der Weg von Cosseir an den Nil, der zu Kameel in 5 Tagen
zurückgelegt wird, liefert ein instructives Profil über die in der
allergrössten Regelmässigkeit auf einander folgenden Schichten.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 38 Heft. 12
178
In Ermanglung einer graphischen Darstellung schildern sich auch
die geologischen Verhältnisse des Profils wohl am besten, wenn
ich geradezu der ötägigen Wüsten-Route *) folge.
(1. Tag.) Unter mächtigen Schuttmassen von 30 — 40' ver-
stecken sich Sande mit Gyps und Steinsalz. Folgen Gyps-
schichten im "Wechsel mit Thonen, die wellig gebogen sich zwi-
schen die Gypse legen und schliesslich blendend weisser Gyps-
fels. In der Thalsohle sind Diorite und Dioritporphyre entblösst.
Südlich von der Kameeistrasse mündet nach 1 Stunde das Telia
el Geheni, in welchem ein prachtvolles altes CorallenriflF an das
Hornblendeschiefer und Diorit, Korallenriff,
im Telia el Oeheni bei Cosseir.
Gyps, Salz u. Sand
hora 7 zerklüftete Hornblendegebirge anlagert. Das Grundgebirge
besteht vorzugsweise aus Hornblendeschiefer, durch Gänge
von G a b b r 0 , D i o r i t und D i o r i t p o r p h y r durchsetzt. Obgleich
das aufgelagerte gelbweisse Kalkgebirge mit seinen zahlreichen,
oft 1 Fuss im Durchmesser haltenden Feuersteinkugeln und mit
seinem bald crystallinischen bald oolitischen Korn den Eindruck
irgend eines alten Kalkgebirgs aus der sccundären Periode
macht, so kennzeichnen es eine Menge Muscheln und Corallon,
die noch im rothen Meer leben, als Bildung der jüngsten Zeit.
2 Stunden führt der Weg hin bis zum eigentlichen Anfang dos
Gebirgs, das man durch ein Thal betritt, welches durch unge-
heure Dioritmassen durchgebrochen ist. Erste Quelle mit Bitter-
wasser, voll Melanie fasciata Ol., das trotz seines widerlichen
Geschmacks von den Kameelen getrunken wird. Herr Dr. Klun-
*) Auf der Reise benutzte ich die grosse Karte von Lepsius, die
ich vollkommen zuverlässig fand.
— 179 —
zinger von Cosseir versicherte mich, dass selbst die Beduinen,
die dort vereinzelt leben, es trinken, unter denen aber in
Folge dieses Genusses sehr häufig die Krankheit der Nachtblind-
heit auftrete. Nach 3 Stunden grosse Kreuzung zweier Thäler
mitten im Dioritgebirge : an und über denselben ist allenthalben
das Riff, Kalke mit Feuersteinen, Dolomite, körniger Marmor in
horizontalen Schichten. Unsere Araber nennen das Gebirge jetzt
Beda, vorher Ambaga. Mit 4V'2 Stunden Nachtlager am Fusse
lichter Sandsteinfelsen im "Wadi Beda bei den „Gräbern der
Engländer." Kein Wasser.
(2. Tag.) In frühstem Morgen das weite 3 '/ 2 Stunden lange
Bcdathal mit seinen horizontal geschichteten Sandsteinen und
Kalkfelsen durchritten. Von Fossilen keine Spur. Das Thal
endet (8 Stunden von Cosseir) mit einem Engpass von Horn-
blendegestein, an das sich die Bedaschichten anlagern. Habe
ich recht beobachtet, so ist hier die Wasserscheide zwischen roth
Meer und Nil (so man Wasser hätte), denn von hier beginnt
ein sehr merkliches Gefäll ins Wadi Rossäfa. Nach einer hal-
ben Stunde durchsetzt ein grosser, schneeweisser Quarzstock
gangförmig in hora 1 das dunkle Hornblendcgestein, welches
nunmehr als das einzig bemerkbare Gestein 5 Stunden lang
anhält. 14 Stunden v. C. liegt der Bihr Inglese, eine 80' tiefe
Cisterne mit Steintreppe, die ein gutgesinnter Engländer für den
dürstenden Wanderer hatte anlegen lassen. Ringsum steht weit
und breit nur Hornblendeschiefer an, Glimmerschiefer und graue
Gneise. Einzelne Gänge von Diorit und Porphyr bilden ma-
lerische Zacken und Zinken in den Bergen. Allmählig aber
erweitert sich das Thal zum breiten Wadi, die Gebirgsformeu
runden sich, die spitzen Zacken zwischen hinein werden seltner.
Mit IG Stunden steigt man bedeutend bergan und steht am Fuss
eines Berges von grauen Grauitmassen. Ein Pass ist bald er-
stiegen und damit eine Höhe erreicht, die 4 Stunden breit ist.
Das Terrain auf dieser Höhe ist sehr coupirt, Talk- und Chlorit-
schiefer abwechselnd mit grauen und rosenrothen Graniten bil-
den bunte Gruppen und in ihrer Verwitterung allerlei groteske
— 180 —
Formen, Nachtlager au der Bethinquelle, die hart am westlichen
Abhang der Granithöhe 20 Stunden von Cosseir liegt.
(3. Tag.) Bethin ist die schönste Oase zwischen dem Nil
und rothen Meer; die Quelle liegt in einem tiefen Schrunde in
schwarzem, von lichten Quarzadern durchzogenem Hornblende-
fels, der vielfach in gleichfarbigen Syenit übergeht. Obgleich
nach 15 Minuten Laufes die "Wasser wieder im Sand und Schutt
verrinnen, haben sie doch eine so reiche und üppige Vegetation
geschaffen, dass tausende von Vögeln hier "Wohnungen und
Brüteplätze gefunden haben. Der Weg führt wieder durch
ein offenes Thal, dessen Gehänge aus Granit und Gneis bestehen
von braunrother und dunkelrother Farbe im "Wechsel mit einem
düsteren Grau. Mit 22 Stunden wird eine grossartige Kreuzung
von 2 Thälern erreicht, in welcher Trümmer von alten Bauten
liegen, die Ruinen einer alten egyptischen Stadt Farauchi. Die
Felsen werden immer dunkler und eigenthümlich lagerhaft. Mit
23 Stunden sind wir im Hamamat mit seinem prachtvollen Sar-
kophagengestein, mitten in den altegyptischen Steinbrüchen, in
deren "Wände wohlerhaltene Inschriften und Ramsesfiguren ein-
gemeisselt sind. In massigen Lagern, hora G nahezu auf dem
Kopfe stehend, gehen die Felsen zu Tage, die man Melaphyr-
diorit oder Porphyr zu nennen berechtigt ist, je nachdem sich
Kern oder Masse in den verschiedenen Lagen etwas ändert.
Riesige Löcher sind in den Berg gebrochen, aus dem hier das
Material geholt wurde für die bewundernswürdigen Arbeiten der
Sarkophage *) und Sphynxe , die in der 8 Tagereisen entfernten
Königsstadt Theben ebenso wie in dem 90 Meilen weiter ent-
fernten Memphis und Saqara ihre hauptsächlichste Verwendung
gefunden haben.
Dass diese Melaphyre und Porphyre in Lagern abgesetzt
sind, ist eine unwiderlegliche Thatsache. An einem 20' hohen
imd über 30' langen und breiten Monolith, der schon aus dem
*) Reisehandbücher oder archäologische "Werke nennen den Stein
vielfach Basalt, was jedoch petrographisch ebenso als geognostisch un-
statthaft ist.
— 181 —
Steinbruch herausgeschafft, aber nicht weiter transportirt ist, be-
obachtet man eckige Bruchstücke von Hornstein, die in horizon-
talen Lagern bandförmig in die dunkelgrüne Grundraasse des
Porphyrs eingebacken sind. In der 21. Stunde erweitert sich
das interessante, seit 4 Jahrtausenden verlassene Ilamamät, jetzt
die vollendetste "Wüste und sieht man die Porphyre aus der
Ferne schon von horizontalen lichtgclben Schichten bedeckt.
Mit der 25. Stunde tritt man diesen Schichten so nahe, dass man
den Porphyr in grobes Quarzconglomerat übergehen sieht, das
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Hornsteinporphyr mit auflagerndem Sand- und Mergelgebirge
am Ende des Thaies Hamamät.
sich zum groben Sandstein gestaltet und nach einem Wechsel mit
farbigen Mergeln in feinkörnigen Sandstein übergeht. 26, Stunde:
man meint in einem Keupergebirge sich zu befinden : das Liegende,
das überall noch heraussticht, ist ein violetter Porphyr mit Horn-
steingeschieben, folgen Geschiebe von Quarz und Hornstein, deut-
lich durch das Meer geschoben und gerundet und durch Sand-
mergel gekittet, hierauf wechseln mit einander Sandsteine und
bunte Mergel ab, letztere gelb, grün violett und ziegelroth,
offenbar das Ganze ein Yerwitterungsproduct der liegenden Por-
phyre. Allmählich betritt man (27. Stunde) das Gebiet des Sand-
steins, der auf den äussern Anblick dem sächsischen Quader-
sandstein viel gleicht, aber ebenso gut auch dem Sandstein von
St. Ouen oder Fontaineblau. 30. Stunde: Nachtlager in einer
Sandsteinbucht des Djebel Abu Goueh.
(4. Tag.) Der Sandstein beherrscht meilenweit die ganze
— 182 —
Gegend. Hier lagen alle die alten Steinbrüche, aus denen vor
4 — 5 Jahrtausenden das Material zum Bau der Tempel von Karnak,
Luqsor, Medinet Habu und der alten lOOthorigen Königsstadt
geholt worden ist. Bis zur 34. Stunde passirt man die übrigens
sanften Pässe des Gebirgs, das sich jetzt allmählich verflacht
und in die Ebene Neschraschi übergeht. Statt des Sandsteins
haben wir Sandmergel und Thone. Am Westende der grossen
Ebene, auf welcher wir über eine Stunde lang das Schauspiel
einer Fata Morgana hatten, die uns das Trugbild eines klaren
mit Bäumen besetzten Sees vorspiegelte, liegt die Station Le-
qita oder Laqeta, die mit 38 Stunden erreicht ist. In dem Sand-
mergel sind Löcher gegraben von 3 — 6' Tiefe, welche ein frisches
und süsses Wasser liefern. Ibrahim Pascha Hess neben den
Quellen ein Kuppelgewölbe zur Aufnahme der Karawanen erbauen.
Gleich in der Nähe (38^2) wäre es schon nicht mehr möglich,
süsses Wasser zu bekommen, die Mergel werden ockergelb und
gesalzen. Auf eine weite Strecke im Umkreis ist der Boden auf
1 — 2' Tiefe von den Nilanwohnern auf Salz umgewühlt, das als
eine Art Fasersalz in zölligen Schnüren die gelben Thonmergel
durchsetzt. Von der Salzebene aus fällt das Terrain sanft gegen
Westen und sieht man aus der Ferne die Kalkberge des Nils,
so etwa wie von den Fildern aus die schwäbische Alb vor dem
Auge liegt, mit noch ausgesprochenerem Terrassenbau und mit
Horizontalen, die so weit das Auge reicht, wie mit dem Lineal
gezogen sind. Mit 41 ^/a hört das Thon- und Mergelgebirge auf
imd ist man auf Kalkboden. Bei 43 Nachtlager mitten in der
Kalkwüste ohne Wasser.
(5. Tag.) Das Kalkgebirge wird nicht mehr verlassen.
Bei Stunde 46 zahlreiche Feuersteine, die vielfach mit schaligem
Bruch ausgesprungen sind. Es war in der Frühe kurz nach
Sonnenaufgang, als die Sonne anfing ihren Jjinfluss auf den
Boden geltend zu machen, dass ich an einem hart vor meinen
Füssen liegenden Feuerstein, (den ich natürlich aufbewahre) eine
halbzöllige kreisrunde Schale ausspringen sah und einen ent-
sprechenden Ton dabei hörte. Früher schon in der Sueswüste
und später am Nil sah ich hundertmal Feuersteine liegen mit
— 183 —
solchen glatt und rund ausgesprungonen Schalen und überzeugte
mich mit eigenen Ohren und Augen, dass die Sonne allein hie-
zu*) Veranlassung gab. Die Sonne zeigte Morgens 10 Uhr
schon 26 Grad Reaum.; wie der Thermometer in der Nacht
stund, hatte ich zufällig nicht beobachtet, aber trotz Mantel
und Decken emi)fiudlich gefroren. In der 47, Stunde sah man
in weiter Ferne das grüne Nilthal, ein wunderbarer Anblick des
schmalen saftiggrünen Streifens mitten durch den blendendweissen
bis gelbgraucn Kalkboden: den Strom selbst sah man nicht,
aber 2 Segel kündeten den Strich an, den der Nil durch das
grüne Feld zog. 49 Stunden von Cosseir weg trat unser Fuss
über den ersten Wassergraben uud soffen sich die Kameele
wieder voll, die von der Bitterquelle im Ambaga an innerhalb
5 Tagen nur 2mal an der Bethinquelle und zu Leqita Wasser
erhalten hatten.
Die Frage über das Alter der Sandsteine von Abu Goueh
— in den Handbüchern gewöhnlich der nubische Sandstein ge-
nannt — lasse ich offen. Trotz eifrigsten Forschens fand ich
ausser einigen Cardien, die ein tertiäres Aussehen haben, auch
keine Spur. Die Fossile aus dem Kalk beschränken sich auf
Eine sehr häufige Muschelart, die ich am Asasifberg bei Theben
zu Dutzenden fand, und auf einzelne fest mit Kalkstein ver-
wachsene Austern. Letztere eignen sich an sich nicht zur
Altersbestimmung eines Gebirgs und erstere kann als Steinkern
einer bis zu 2 und 2 '2 Zoll grossen Corbula oder Lucina ge-
deutet werden. Im Uebrigen wäre ich geneigter, beide Glieder,
die des Sandsteins wie des Kalkes für tertiär anzusehen, als für
Kreide. Von älteren Formationen glaube ich kann kaum die Rede
sein, obgleich der eine und andere Reisende von Trias gesprochen hat.
*) Am "Weßtufer des Nyassa maclite Livingstono eine ähnliche Er-
fahrung. Er bezeichnet zwar die Steine nicht näher, hörte aber näclit-
licher Weile das Zerspringen derselben, wenn sie während des Tages
gehörig von der Sonne erhitzt waren. Auch Dr. Wetzstein schreibt
der Sonne eine beachtenswerthe destructive Wirkung zu, seit er öst-
lich Damascus die erhitzten Basalte bei der Abkühlung in der Morgen-
früh zerspringen sah und hörte.
— 184 —
IL Das Kreidegebirge Palästinas.
Aus dem Gebirge Juda.
Wenn wir in der Heimat einen geologischen Punct nur
einmal sehen und später etwa dessen Wichtigkeit für das System
erkennen, so wird er zum zweiten oder dritten Mal besucht, je-
desmal wieder etwas Neues an ihm gefunden und früher gefasste
Anschauungen hienach modificirt. Ganz anders im fremden, un-
bekannten Lande, das keine richtige Karte*) hat, und dazu in
einem Lande, wo eine meist feindselige Bevölkerung wohnt, die
jeden Eeisenden mit Misstrauen beobachtet und mit doppeltem
Misstrauen den controlirt, der auf ihrem Grunde Steine klopft,
einen Compass führt und Notizen zu Papier bringt! Die Auf-
nahmen können nur höchst oberflächlich und flüchtig sein und
dürfen sich nur einen engen Rahmen stecken, wenn sie einigen
Werth haben sollen.
Der Hauptgrund, Palästina zu sehen, war mir die Entschei-
dung der Frage, mit welchen Juragliedern wir es hier zu thun
haben, denn dass in Palästina die Juraformation die Hauptgruppe
der Gebirge bilde, war mir nach Allem, was ich an Literatur
kannte, eine ausgemachte Sache. Hatten doch ausser Russegger
auch die nordamerikanischen Expeditionen, denen wir die mei-
sten neueren und schätzenswerthesten Beobachtungen verdanken,
das Vorhandensein von Jura angenommen und war in keiner
mir bekannten Publicatiou irgend etwas Gegentheiliges zu lesen.
*) Auch die beste Karte von Paliistina, die existirt, die von Van
der Velde: Map of tho boly land, Gotha, Justus Perthes, 1858, ist im
Einzelnen falsch und für geognostischo Darstellung, die ein richtiges
Terrain voraussetzt, unbrauchbar. Ich bin natürlich weit entfernt, dem
Herrn Verf. damit auci» nur den geringsten Vorwurf zu machen. Wer
ein Terrain nur u la vuo construiren niuss, wobei er nur auf das Au-
genmass angewiesen ist und oft auf stundenweite Entfernungen liin ein-
facli nur schätzen kann, von dem kann man unmöglich richtige Resul-
tate verlangen.
— 185 —
Schubert, dem die Altraühl und der fränkische Jura seine theure
Heimat war, glaubte zuerst, als er vom Catharincnkloster her
über Hebron das heilige Land betrat, iu den dichten Kalkfelsen
und ihrer einförmigen Oede, in der Menge Grotten und Höhlen,
welche die Felsen führen, die Formation des Jura zu erkennen,
die kurz vorher Leopold v. Buch (Der Jura Deutschlands 183G),
erstmals in ihren allgemeinen Zügen dargestellt hatte. Schubert
schloss nur aus der oberflächlicheu Aehnlichkeit der Gesteine
und der Gebirgsformen, ohne dass die freilich nur in geringer
Anzahl gefundenen Fossile ihm einen Anhaltspunkt zur Begrün-
dung seines Urtheils gegeben hätten. Auf das äussere Aussehen
und einige, wie es sich jetzt herausstellt, unrichtig bestimmte
Muscheln hin spricht auch liuss egg er von Jura in Palästina:
„Derselbe bildet in grosser Einförmigkeit *) das ganze Terrain,
nur die Kuppen einiger Berge, z. B. desjenigen, worauf Bethle-
hem steht, des Oelbcrgs bei Jerusalem u. m. a. haben hauben-
förmige Auflagerungen von weisser, feuersteinreicher Kreide.
Mit dem Jurakalke treten sehr häufig mächtige Massen Dolomit
auf, der besonders das Gestein der zahllosen Höhlen und Grot-
ten bildet. Er hat ein körniges Gefüge, crystallinische Structur,
röthlichbraune Färbung und ist versteinerungslos und durch seine
eingewachsenen Bitterspatcrystalle kenntlich. Im Nordosten und
Osten", fährt Russegger fort, „werden die Straten des Jura
eisenschüssig und zeigen die Schichtenlagen wellenförmige Bie-
gungen in den mannigfaltigsten Richtungen; sie liegen am tod-
ten Meer auf einem dunkelgrauen, cidaritenreichen **) Kalkstein
und dürfen als die untere, der dolomitreiche Kalk von Jerusalem
als obere Juragruppe angesehen werden. Obere weisse Kreide
bildet darüber ihre Ablagerung, bedeckt aber auch in den tiefer
liegenden Punkten den Jura". AVenn endlich auch im Jordan-
thale die weisse Kreide nicht nur auf den Höhen, sondern im
*) Russegger, Reisen. Stuttgart 1847. pag. 247.
"♦) Von Cidariten fanden übrigens am todten Meere weder die
HH. Lynch, Anderson, Dr. Roth, L. Lartet noch ich trotz aufmerk-
samer Beobachtung eine Spur.
— 186 —
Thale selber Hügelzüge formirt, so sieht Russegger darin Merk-
male vulcanischer Einwirkungen auf die Gestaltung des Terrains.
Wer nur irgend mit den Schichten des Jura und der Kreide
vertraut ist, fühlt aus dieser Beschreibung eine gewisse Unsicher-
heit heraus und der hochverdiente Reisende gesteht selbst, man
wisse eigentlich nicht, mit was für Gliedern der genannten For-
mationsreihe man es zu thun habe (I, 763). Es sei die Bestim-
mung des geognostischen Horizontes um so schwieriger, je näher
sich beide Formationen stehen, was gerade bei Jura und Kreide
der Fall sein dürfe, und es wäre schwer, mit Bestimmtheit an-
zugeben, hier höre Jura auf und fange die älteste Kreide an.
Es meint Russegger, zwischen beiden Gruppen herrsche ein in-
niger Uebergang und zur Entscheidung der Frage können nur
die organischen Reste ais Führer dienen, die aber leider nur
Steinkerne seien, und schliesst damit: „ich will durchaus nicht
behaupten, dass eine Schichte jenes Kalksteins, die wir heute
wegen einer Gryphaea lirgula oder cymhiwn für Jura ansehen,
nicht morgen aus vielen andern Gründen für Kreide erklärt
werde."
Bei dieser Unsicherheit der Angaben hätte man von den ame-
rikanischen Untersuchungen, die sich um die Topographie
des Landes so ausserordentliche Verdienste erworben haben, eine
gründlichere Kritik erwarten sollen. Allein Geologen, die ihre
Kenntnisse über eine Formation nur aus Büchern schöpfen müs-
sen und nicht aus eigener *) Anschauung eine Formation ken-
nen, wird es ausserordentlich schwer fallen, ein richtiges Urtheil
über den fraglichen Gegenstand zu bilden. So finden wir denn
auch in dem Of'ficiel Report of the U. S. Expedition to the
dead Sea in gutem Glauben die indessen von allen Roisenden
getheilte Ansicht als richtig vorausgesetzt, dass man Jura in Pa-
lästina vor sich habe. Freilich fühlt man auch dieser Beschrei-
*) In den Vercmigtcn Staaten Nordamcrika's fclilt bekanntlich der
Jura bis auf wenige von unserem Freunde Jules Marcou entdeckte
Spuren , die aber eret unter dem 105, Grad wostl. Länge von Paris
und zwischen dem 30. und 40. Grad nördl. Breite sich vorfinden und
die grosse amerikanische Wüste bilden (Petermann, Juli 1855).
— 187 —
bung die Unsicherheit allenthalben an : der Verf. des of fidel re-
port weiss sich aus seiner Verlegenheit, einige ächte Kreide-
fossile, die er richtig bestimmt hat, mit sogenannten jurassischen
zusammenzufinden, nicht anders zu helfen, als dass er zu der
verzweifelten Hypothese greift, das jurassische Oceanbette wäre
in wiederholte Schwankungen gcrathen, habe sich gehoben und
später wieder unter das Niveau des Kreidemeers gesenkt, wo
schliesslich auf dem Grunde der weiten See die schon fossilen
Beste des Jura sich mit den noch lebenden Resten der Kreide
gemengt haben. Den Beweis findet Verf. in den Exogyren (K^reide),
die auf den zahlreichen jurassischen Steinkernen (casts) aufsitzen.
Nach Allem, was im Herbste 1864 bekannt war, gab's dem-
nach für einen Jura-Geologen in Palästina genug zu thun und
stellte ich mir die Aufgabe , als ich zu Anfang des Februars
1865 meinen Fuss auf „heiliges Land" setzte, den geognostischen
Horizont festzustellen, innerhalb dessen sich die Juraschichten
Palästina's bewegten. Einem im „Paradiesland des Jura's", wie
Quenstedt die schwäbische Alb nennt, geborenen und alt gewor-
denen Jura-Geognosten sollte es doch nicht so schwer fallen,
auf einigen gründlichen Excursionen und einer aufmerksamen
Streife durch das Wunderland sich in seinen gewohnten Schichten
zu Orientiren.
Geognostisches Profil von Jaffa zum Ras el Feskah am
todten öleer über Jerusalem.
Ein Querprofil durch das Gebirge Juda vom Mittelmeer zum
todten Meer theilt sich auf natürliche Weise in drei Theile:
— 188 —
1) in der Ebene von Jaflfa bis zum Gebirge (Thal Ajalon),
2) von Ajalon bis Jerusalem oder den westlichen Abfall, 3) von
Jerusalem zum todten Meer oder den östlichen Abfall. Die
Wasserscheide zwischen dem Mittelmeer und der Jordanspalte
zieht im Westen der Stadt, 10 Minuten vom Jaffathor entfernt
durch das Gebirge, so dass die Stadt selbst schon zum östlichen
Abfall gehört.
I. Die Linie Jaffa-Ajalon oder die Ebene Saron.
Eine der grössten Calamitäten für Syrien ist der Mangel
an einem Hafen. Seit urältesten Zeiten existirt dieser Uebel-
stand und wird wohl auch sobald nicht gehoben werden, wenig-
stens nicht unter türkischem Regiment. Die ganze Küste von
Gaza bis zum Carmel bildet Eine gerade Linie, ohne irgend eine
Bucht oder Vorsprung, und das Ufer ist ein flaches, durch Alluvion
gebildetes Land, das sich nur an wenigen Punkten, wie gerade zu
Jaffa, lOOFuss über den Spiegel des Meeres erhebt und in ebenso
flachem Grunde in das Meer verläuft. Daher die europäischen Schiffe
sich ungefähr V^ Seemeile vom Ufer fern zu halten haben, wenn sie
vor Jaffa den Anker auswerfen, bei unruhiger See aber überhaupt
nicht anzuhalten im Stande sind, bis der Hafen von Beirut Sicherheit
gewährt. Dass diese Küstenverhältnisse mit dem geologischen Bau
zusammenhängen, wird Jedermann klar sein : nirgends tritt Schich-
tengebirge zu Tage, vielmehr besteht die ganze Ebene vom Gebirge
an bis ins Meer aus Schwemmland, einem röthlichen Sand, der
stellenweise wie gerade zu Jaffa zu einem harten marinen Muschel-
sandstein cementirt ist. Die Nachen, auf welchen der Reisende
vom Dampfer ans Land schwankt, müssen durch 10 Fuss hoch
aus dem Wasser ragende Klippen dieses jungen Meersandsteins
hindurchschlüpfen oder gleiten über dem Felsengrund hin, der
mit der Ruderstange erreicht wird. Mir ist unfasslich, dass je-
mals an demselben Orte, wo jetzt vor Jaffa gelandet wird,
jener altberühmto Hafen sollte bestanden haben, der die uralte
Stadt der Pliönizier zum berühmten Seeplatz gestaltete, zur „drit-
ten Stadt nach dem Sündfluss, der zu ^'^oe Zeit war." Van der
— 189 —
Velde meint zwar, der Hafen von Jaffa sei nur durch Verwahr-
losung unter türkischem Scepter geworden, was er nun ist, ein
versandetes und verschüttetes Becken, von scharfen Klippen und
Felsen umschlossen, welche die Einfahrt selbst Booten gefährlich
machen und welches viel zu klein ist, um grössere Fahrzeuge
als arabische Küstenschiffchen aufzunehmen. Ich kann den
natürlichen Klippen nach zu urtheilen, welche gerade am jetzi-
gen Landungsplatz (denn von Hafen ist ja gar keine Rede)
das Meer gefährlich macheu, nicht glauben, dass diese Verhält-
nisse je seit Menschenleben wären anders gewesen. Von irgend
einem Schutze gegen das offene Meer konnte an diesem Orte,
der eigentlich eine Landspitze der syrischen Küste ist, zu keiner
Zeit die Rede gewesen sein, und hätte man jedenfalls vor allem
Andern die über das Wasser ragenden Klippen entfernt, welche
jedem Passagier das Landen eigentlich lebensgefährlich machen.
Nie hätte man hier das Cedernholz vom Libanon, das (2 Chron.
2, 16) Salomo nach Japho flössen liess, ans Land gebracht oder
hätten die Handelsflotten von Tartessus, „die man von der Jaffa-
Warte aus begrüsste", hier einen Bergeplatz gefunden, um ihre
Schiffe zu lichten. Cipheus soll Jaffa gestiftet haben, seiner Ge-
mahlin Jope zu Ehren, die Aeolus Tochter war ; an den Klippen
von Joppe war Andromeda angeschmiedet, die von Perseus be-
freit wurde. Erzählt doch selbst Plinius noch von dem Unge-
heuer, das ihr Leben bedrohte, dessen Rippe 41 Fuss lang, (ein
gestrandeter Wal?) von Joppe nach Rom gebracht wurde. Jo-
sephus noch preist Hafen und Stadt, die beide aber seit Römer-
zeiten (da Cäsarea der Haupthafen für Syrien wurde) vernach-
lässigt vmrden. — Diese ganze uralte Geschichte, die Jaffa hat,
weist darauf hin, was dem aufmerksamen Beobachter der dor-
tigen Umgebung nicht entgehen wird, dass diese Veränderungen
durch langsame Hebung der Küste *) vor sich gingen. Der alte
Hafen ist zweifelsohne im Norden der Stadt und des Landvor-
sprungs zu suchen, wo die berühmten herrlichen Gärten und
*) Vergleiche auch den Abschj;itt über Alexandria.
— 190 —
weiterhin die Sümpfe *) sich befinden. Gegen den prachtvollen
Strom Audjeh hin, wo alte Erdarbeiten, freilich längst verfallen,
überall noch sichtbar sind, concentrirte sich das alte Leben, das
jetzt mit der Trockenlegung der Küste in Folge der secularen
Hebung und andrerseits der Versumpfung eine ganz andere
Physiognomie erhalten hat. Die Ebene um Jaffa ist Ein Gar-
ten, ein Dickicht köstlicher Bäume, Sti-äucher und Opuntien,
das Jeden überrascht, doppelt den, der von der egyptischen Wüste
her den Weg machte, wie ich. Anfangs Februar blühende
Mandelbäume , Pfirsiche und Aprikosen zwischen dem fetten
Grün der Pomeranzen und Limonen, deren Aeste unter der
Last der goldenen Riesenfrüchte fast brechen. Apfel- und Birn-
bäume freilich, die man in den letzten Jahren zu cultiviren
bemüht war, bleiben krank und sind mit Flechten über-
deckt, lieber den 10 Fuss hohen undurchdringlichen und un-
übersteiglichen Opuntienhecken ragen alte prachtvolle Sykomoren
und der Boden ist mit blühenden Kräutern überzogen.
Was dem Geognosten zuerst auffällt, ist der Mangel an
allem und jeglichem Humus. Der Boden ist durchweg ein
röthlicher Sand, Quarzsand, wie das Meer ihn schiebt mit röth-
lichem Thon von der Farbe der Bohnerzthone. Nichts setzte
mich in den Gärten um Jaffa, wohin mich Herr Metzler von dort
freundlichst geleitete, mehr in Erstaunen, als das üppige Wachs-
thum der Bäume in diesem Sand, darin jede Spur von dunkelm
humösen Boden fehlt. Es ist dies nur mit dem Wüstensand
des Isthmus zu vergleichen, wo, sobald Nilwasser den Sand be-
feuchtet, alsbald die üppigste Vegetation erspriesst und gleich-
falls weit und breit von Humus keine Spur sich findet. Dieser
rothe Sandboden deckt eine Tagereise lang die Ebene Saron bis
Latrün, Yalo oder zu den Quellen des Audjeh, kurz bis das
geschichtete Gebirge beginnt. Ueber die grüne Ebene reitend,
die übersäet ist mit Millionen Blumen, vermeinte ich auf den
*) Hierüber schreibt C. Schick dd. 4. Juni 186G: In der Um-
gegend von Jaüa fand ich mchroro Sümpfe, einen, der über 1 Stunde
lang und '/-* Stunde breit ist. In alter Zeit war er trocken, aber die
Abzugscanülo sind verschlanimt und verschüttet.
- 191 -
grünen Matten Oberschwabens in der Nähe des Bodensees mich
zu befinden, vor uns das Gebirge Juda, wie etwa die Gehänge
des Appenzeller Landes über die Fläche der Seegegend sich er-
heben. Der Weg führt über die grünen Matten, wie unsere
Fusswege über die Rasen der schwäbischen Alb, die bald aus-
einandergehen, bald wieder zusammenführen. Jeder Tritt im
röthliohen Sand bis über Ramleh hinaus, das zu deutsch auch
„Sand" heisst. 1 Meile nördlich Jaffa mündet der Audjeh,*)
wie alle "Wasser Judäas, die zum Mittclmeer führen, reiner Küsten-
fluss, d. h. im Schwemmland der Küste entspringend und rein
nur durch Schwemmland zum Meere fliessend. Nach der Karte
hätte ich sollen meiner geraden Linie folgend über verschiedene
Wasser kommen, ich sah aber trotz der Jahreszeit nur trockene
Rinnsale, dagegen zeugen die zahllosen Bäume von der Küste bis
zum Gebirge von einem allgemein vorhandenen Grundwasser, Diese
Grundwasser im Schwemmland, sowie die kurzen Küstenströme, wie
der Audjeh, erinnern ganz an den Südrand der Alb zur ober-
schwäbischen Ebene, an die Kiesebenen mit ihrem gemeinsamen
Wasserspiegel, an Flüsse, wie Nau oder Blau, die als Quellen-
sammlcr die Wasser entsenden, die auf dem Kalkgebirge nieder-
fallen und erst in der Ebene zum Ausfluss kommen, wo Thone
und Sande die Wasser halten.
Mit dem embryonalen Pflug, vor dem 2 magere Kühe an-
gespannt sind und einem Spiess in der Hand, statt der Peitsche,
durchfurcht der Bauer den rothbraunen Boden, um sein Sommer-
feld zu bestellen. Das Terrain erhebt sich unmerklich, Hügel
schieben sich vor: statt des Sandes, der bis el Kubäb anhält,
kommen jetzt Geschiebe imd Steine aus den Bergen und ein
in Schwaben wohlbekanntes Stoingebäckc, Geschiebe und Schutt
naher Berge, das durch kalkhaltige Wasser zu einem Conglome-
*) Der Lauf des Audjeh ist nur 4 Stunden lang. Er entspringt
zu Ras el Ain in einem Sumpfe, ist aber stärker als die Donau Lei
Sigmaringen, dass er nur an wenigen Punkten überschritten werden
kann. Er ist nächst dem Jordan der bedeutendste Fluss des Landes,
treibt viele aus alter Zeit herrührende Mühlen und befruchtet die
ganze Gegend. C. Schick, Brief von 1866.
— 192 —
rat, dort zu Breccieii verkittet ist. Die Conglomevate vou el Ku-
bäb, Latrün u. s. w. sind röthliche Kalkmergel, -welche eine
Menge runder Geschiebe von Kalk und Feuerstein einge-
backen haben und nach meinem Dafürhalten vom Alter soge-
nannter diluvialer Geschiebe sein dürften. In einem der Dörfer
bemerkte ich einen Schöpfbrunnen in solchem Conglomerat, das
gleich einem Deckel über die Grundwasser angesehen werden
kann und einer frühern, wasserreicheren Zeit seinen Ursprung
verdankt, in der zugleich der gesammte Wasserspiegel der Gegend
ein tieferes, dem Meeresspiegel näher gerücktes Niveau einnahm.
An der Ostseite der sanften Höhe, auf der Kubäb hegt, führt
der Weg, auf dem man wieder zur Ebene herabsteigt, in das
diluviale Merdj Beni Omeir mit seinem üppigen Grün, das vor
dem Thale Ajalon (Wady Yalo)*) liegt. An diesem Ostgehang
sah ich die erste Schichte des heiligen Landes und zwar in
hora 3 und 4 zerklüftete, ziemlich horizontale Bänke weissen
Kreideniergeis; Feuersteinknolleu durchziehen die Bänke wie
anderswo auch. Undeutliche Bivalvensteinkerne gaben keinen
Anhaltspunkt über den etwaigen Horizont, dagegen fielen bald
auch die zierlichen Massen eines Becherschwammes auf, den
Mantell Ventriculües nennt. Das rostfarbige Netz und Gitter-
werk des Fossils stach gegen den weissen Grund des Gesteines
ab. Wie schwer die Feststellung einer Species bei Spongien
ist, weiss jeder Paläontologe; übrigens ist es recht wohl mög-
lich, dass wir hier nichts anders vor uns haben, als den ge-
wöhnlichen V. angustatus Rom. (Römer, Verst. d. Norddeutschen
Kreideg. Taf. 3, Fig. 5) aus dem sächischen Pläner. Vergeblich
sah ich nach mukronaten Belemniten mich um, aber trotzdem
zweifelte ich nicht, im Horizont der weissen Kreide, dem Seno-
nien der Franzosen mich zu befinden.
*) Dass Wadi Ydlo das Thal Ajalon sei, in dem Josua die Amori-
ten schlug, nehme ich wegen der günstigen Lage des Merdj zum De-
fil6e nach Oibcon gerne an und folge hier Robinson. Ferner nehme
ich, ohne jedoch im Stande zu sein Critik zu üben, die Ruine Amwas
auf der Höhe des Dörfchens Latrün für das bekannte Emmaus der Schrift.
- 193
2. Die Linie von Ajalon nach Jerusalem, oder der
Wcstabfall dos Gebirges Juda.
Am Fuss des Gebirges bei Ajalon und Latrün, wo die Kreide-
schichten beginnen, ist man allmiihlig zu nahezu 1000' gestiegen.
Zum ersten Pass Enub geht es nun in Einem Zug weitere 1000' hin-
an, von da wieder einige hundert Fuss hinab und dann zum zweiten
Pass hinan, der etwas höher liegt als der erste, zum Schlüsse noch
einmal einige hundert Fuss hinan zur „heiligen Stadt" (2610' über
dem Meer). Wir haben also 1600 Fuss verticale Entwicklung.
Trotz dieser Mächtigkeit bewegen wir uns nur in Einem geo-
gnostischen Horizont, der Zone des Ammonitcs Rhotomagensis
und wird selbst in den tiefsten Einschnitten die untere Kreide
oder die Neocomgruppe nicht erreicht. Kalkmergel, harte Mar-
morkalke und dolomitische Bänke wechseln mit einander ab und
bilden die prachtvollsten Treppen an den Bergen, wie ich sie
in gleicher Schönheit noch nirgends gesehen habe, die Stirnen
der 3 — 10' mächtigen Bänke nehmen sich wie künstliche Mauern
aus, welche den Berg umziehen. Oelbäume und frisches Busch-
werk schauen von diesen natürlichen Castellen nieder, während
die weicheren Lagen in sanfter Böschung mit "Wiesengrün über-
zogen sind, das in der feuchten Thalsohio am saftigsten sich
ausnimmt. So steigt man über eine Stunde am Abhang einer
Thalschlucht hinan bis zum Passe Enäb. Eine lange Strecke
geht man auf der Schichtenfläche hin, die sich dem Gehänge an-
schmiegt, so dass der eigentlichen Treppen nur wenige über-
stiegen werden müssen, um die Höhe zu gewinnen. Anfangs
stärker, dann immer schwächer fallen die Schichten gegen "Westen
ein, die zum Oefteren gemessene Zerklüftung des Gebirgs be-
trägt hora 4 und 10. Je höher man am zweiten Pass steigt und
am dritten zur „Heiligen" hinan, desto unwirthlicher und steinig-
ter wird die Gegend. Das "Wadi Ghurab trennt den ersten
Pass von dem zweiten, hier liegen Steinkerne von Cardien in
den Weinbergen, den ersten, die man sieht, und den einzigen,
die am Wege von Jaffa nach Jerusalem liegen. Die Reben sind
Würtlt-mb. naturw. Jahresuefte. 1S67. 2s u. 38 Hi-ft. 13
- 194 -
in Oelgärten gepflanzt und dienen die Oelbäume als Pfähle für
die Rebe! — aber trotz des Mangels an gehörigem Schnitt ge-
deihen sie in dem steinigen Boden vortrefflich. Die Steine sind
durchweg lichte Kalke, bald etwas dolomitisch bald marmorisch,
und die hervorstehenden Schichtenköpfe mit grauen Steinflechten
überzogen. Auf der Höhe des zweiten Passes, zugleich der Höhe
von Nebi Samuel , fand ich das erste entscheidende Petrefact :
Pecten gryphaeatus Schloth. oder Janira quadricostata d'Orb.
leitend für die Grünsande Europa's (Turongruppc) und am letzten
Pass von Jezzin her Amm. MantelU und Rhotomagensis. Auf-
schlüsse, wie wir sie in unseren civilisirten Gegenden gewöhnt
sind, fehlen freilich vollständig auf der Linie. Die Gegend ist
öde und verlassen und das Wort „Poststrassc nach Jerusalem"
ein wahrer Hohn auf den Gebirgspfad, der über Stock und Stein
durch Schluchten und über Höhen führt, ohne durch etwas An-
deres bezeichnet zu sein als den Tritt der Thiere, denn Wagen
und Wagengeleise sind dort unbekannte Begriffe. Nach Steinen
zu graben kommt Niemand in den Sinn und natürliche Aufrisse
durch Bäche fehlen ebenso, weil es an den Bächen fehlt, die über-
haupt nur einige Tage im Jahr fliessen. Andrerseits ist doch auch
wieder viel mehr aufgeschlossen, als in unsern Gegenden, indem
keinerlei Humus die Schichten zudeckt, die festeren Bänke alle
zu Tage treten und nur die Zwischenschichten mit alten Ver-
witterungen und einem rothen Lehm bedeckt sind. Um Jerusa-
lem macht sich die Sache besser: die europäischen Neubauten,
z. B. des russischen Hospizes, des österreichischen Hospizes, der
St. Annakirchc uud der Missionsanstalten haben in der nächsten
Umgebung der Stadt Arbeiten in Steinbrüchen eröffnet, dess-
ffleichen bieten die uralten Katakomben der Stadt unterirdische
Einblicke in die Schichten, dass die Construction eines geogno-
stischen Profils, das einige hundert Fuss Gebirge umfasst, nicht
schwer fällt.
Die erste Excursion galt der Stadtmauer am Damaseusthor
und der 40' hohen, künstlich abgeschroteten Steinwand, der sog.
Jeremiasgrotto, die dem Damaseusthor gegenüber liegt. Ueberall
ein und derselbe lichte Kalk, homogen marmorartig oder kiesclig
— 195 -
oder dolomitisch; die Querschnitte vieler Pctrefacten zeigen
sich, da und dort klopfen sich Nerineen heraus, Dentalien und
Aetaeonellen. So sehr das Gestein wie weisser Jura dreinscliaut,
so begegnet uns doch keine einzige jurassische Form, im
Gegentheil ganz ausgesprochene Kreidefossile. Unter der Stadt-
mauer 100 Schritte östlich vom Damascusthor und der grossen
ausgemauerten Felseucisterne ist durch mannshohen Schutt und
Steintrünimer ein Schlupf in die sog. Cottonhöhle (das Baum-
wollenloch) oder den Anfiing der Katakomben der heiligen
Stadt. 700' lang erstrecken sich unter der Stadt die unterirdischen
Steinbrucharbeiten. Der Anfangs weite Raum verliert sich in
einzelnen Gängen, die alle in einer 5' mächtigen Bank schnee-
weissen, milden, aber körnigen Gesteins stehen. Es ist der Stein
der „Melekeh" *) der Araber, ein geschätzter Baustein, so weit er
im Innern der Wohnungen verwendet wird. Die Klüfte, welche
die prachtvolle Steinbank durchsetzen, streichen hora 4 — 5. Der
Stein wurde, wie man noch deutlich erkennt, durch Schrämm-
arbeit gewonnen. Noch sind die Spuren der Instrumente am
Dach und an den Wänden sichtbar. Der Stein wurde mittelst
scharfer, 4 Linien oder 12 Millim. breiter Instrumente geschrammt
und in beliebiger Grösse, wie man ihn gerade nöthig hatte, aus-
geschrotet. Das Liegende des Sfüssigen Melekeh ist ein gröbe-
rer Melekeh, dessen Mächtigkeit nicht ersehen werden kann.
Rechtwinklig auf die streichenden Klüfte, also in hora 10 — 11,
durchsetzen Lehmklüfte, die offenbar zu Tage gehen, den schnee-
weissen Stein, der dadurch in ihrer jSiähe auf ' -> — 1 Fuss schön
bohnerzroth gefärbt wird. Nach beiläufig 100 Schritten ist eine in
den Stein gehauene Brunnenschale zu sehen, in welche Wasser vom
Dach durch eine sog. Felsenorgel herab träufelt. Dieser Mele-
keh ist aus den Trümmern von Fossilen zusammengesetzt, der
Structur nach wie ein Corallenrifffels anzusehen, in welchem
ausser Schalen von Austern Pecten, Cardien und zahllose Hip-
*) Zu Deutsch: „der Königliche." Der ^ame rührt möglicher Weise
von dem Begräbnissplatz der Könige her, der in diesem Gestein sich
befindet.
— 196 —
puriten ihre Beiträge lieferten. Es ist ein ächter Hippuriten-
kalk, vorherrschend aus Hippurites Syriacus Conr. bestehend
und ist für die Stadt und Umgegend schon insofern das wich-
tigste Schichtenglied, als alle die unterirdischen Bauten ohne
Ausnahme in diesem Stein ausgeführt sind. Seine durchschnitt-
liche Mächtigkeit wird sich auf 30' berechnen, innerhalb deren
ein poröser, tufFartiger, bald milder, bald gröber gestalteter schnee-
weisser Kalkstein sich entwickelt hat. In der Regel ist er so milde,
dass er sich mit dem Messer schneiden lässt und dürfte als sol-
cher am ehesten dem Baustein vom St. Petersberg bei Maastricht *)
zu vergleichen sein, in welchem der bekannte Fossilreichthum
sich auch nur auf einzelne schmale Bänder beschränkt und die
Hauptmasse des Gesteins aus lichtem tuffartigem Trümmerkalk
besteht, dem mau kaum noch seinen Ursprung aus Kalkorganis-
men anmerkt. In Melekeh sind nicht blos die Katakomben
der Stadt, sondern alle die Tausende von Gräbern eingehauen,
in denen seit Abrahams Zeiten die Generationen schliefen,
die dort gelebt und gestorben , und man darf wohl sagen,
ohne diesen Gräberstein, der leicht zu bearbeiten, fiele eines der
wichtigsten Momente für die wunderbare Stadt weg: eben die
unterirdischen Bauten und die Gräber. Auf jeder der späteren
Excursionen ward die Bedeutung des „Melekeh" besser erkannt,
sowohl in seiner Bedeutung für die Geschichte der Stadt, als in
geognostischer Hinsicht, rücksichtlich des Horizontes, der nicht
zu übersehen ist. Der höchste Punkt, wo Melekeh zu Tage
steht, ist im Wadi el Jos, noch westlich von dem Nabluser Weg,
die Königsgräber mit ihren labyrinthischen Irrgängen sind alle
in diesem Horizont eingehauen. Von da zieht er sich um die
Stadt herum, wird wohl bei der Enge der Schlucht, welche das
Kidronthal bildet, von dem höheren Missih überlagert, tritt aber
im Thal Josaphat bei den berühmten Gräbern wieder auf. Das Dorf
Siloah ist wieder in ihn eingewühlt und die Wasserleitung, die
vom Brunnen von Siloah zu dem Brunnen der Jungfrauen führt,
*) Siehe Esquisse geologique do la craie tutl'euu par Jonkhr. T. T.
Binkhorat van den Binkborst. Maastricht 1859.
— 107 -
in ihm ausgeführt. Umgeht man weiter die Stadt, sich durch
den Gihonteicli aufwärts gegen Westen ziehend , so finden wir
wieder das Gräbergebiet des Hackeldama und ebenso gegenüber
an Davids Grab die Schichte vollständig durchgraben. Am christ-
lichen Kirchhof liegt er am höchsten und zieht sich von da un-
ter dem Zionsthor bis zum Mistthor hin, an welchem er auf
beiden Seiten des schluchtartigen Thaies wieder zu Tage geht.
Dass die Ilippuritenschichte die ganze Stadt untortcuft, braucht
nicht weiter gesagt zu werden: wenn sie im Norden der Stadt
an den Königsgräbern, und im Süden im Hinnonthale wieder auf-
tritt, wenn sie in den unteiirdischen Gängen unter dem muha-
medanischen Stadtviertel erkannt ist, so fehlt sie auch der üb-
rigen Stadt nirgends. Ein directer Beweis liegt in der Kirche
der Kreuzerfindung: in dieser steigt man eine Reihe Stufen un-
ter Tag und tritt in einen spärlich von trüben Oellampen be-
leuchteten Kellerraum, in welchem nach der Legende die Kai-
serin Helene das Kreuz Christi mit den Kreuzen der 2 Schacher
fand. Dieser Raum ist gerade wie die Gänge der Cottonhöhle
ein alter Steinbruch im Melekeh. Dieselben Instrumente, mit
denen in wahrscheinlich altjüdischer Zeit die Steine gebrochen
wurden, haben auch am Dache der unterirdischen Kammer, in
der die Kreuze gelegen haben sollen, ihre Spuren hinterlassen.
Auf weiter folgenden Excursionen im Norden und Nord-
westen der Stadt über die grosse Steinfläche hin, die mit zu
Tage gehenden Felsblöcken übersät ist, ward die über dem
Melekeh gelegene Gruppe von Marmorkalken und Kalkmergeln
untersucht, in denen gleichfalls die Spuren uralter Steinbruch-
arbeiten (Quarry) in die Augen fallen. Der Araber nennt den
Fels Misseh oder Missih. *) Der Raum zwischen der Stadtmauer
am Damascusthor und der Jeremiasgrotte ist evidenter Weise
in alten Zeiten ausgebrochen worden, um die Quader für den
*) Laut gef. Mittheilung des Herrn Dr. Wolff bedeutet „missih,"
richtiger „mizzij," eine sehr harte Steinart. Mizz =-- dignitas, praestantia,
also mizzij der „vortreffliche, harte," wahrscheinlich auch mit Rücksicht
auf seine Verwendung beim Tempelbau so genannt.
— 198 —
Tcmpclbau und die Mauern zu gewinnen, die man an ihrer
colossalen Grösse (bis zu 25' lang, 8 breit, 3 — 4' hoch) im Augen-
blick erkennt. Von diesem ausgebrochenen Graben aus ziehen
sie sich am Herodesthor vorüber zum Thale des Kidrons in
die Schlucht Josaphats. Aus diesem harten Marmor sind die
Monolithe des Grabes Absalons und Josaphats ausgohauen, dess-
gleichen die Säulen und Ornamente über dem Eingang zu den
Gräbern. Misseh lagert in beiläufig 30 Fuss Mächtigkeit über
dem Melekeh, von lezterem durch eine groboolitische Kalkmergel-
bank getrennt. Es bleibt sich aber die Güte dieses Marmors nichts
weniger als überall gleich , wie solches z. B. in dem Vorhof zu
den Königsgräbern, an den glatt gehauenen Wänden sichtbar
ist. Zu diesem 25' tief gelegten, viereckigen Vorplatz, der aus
dem Misseh ausgehauen wurde, auf dass der liegende weiche
Gräberfels des Melekeh erreicht würde, führte eine Felsentreppe
hinab. Das geognostische Profil ist von oben an nach unten
5' Schutt und Trümmer,
1' weisser geschichteter Marmor,
10' harter geschichteter Marmor, in welchen das bekannte
Fries der Königsgräber mit Trauben und Reblaub
eingehauen ist.
20' grober Oolit und Kalkmergel,
Melekeh.
Da an der glatten ausgehauenen Felswand an den Königs-
gräbern keine Detailuntersuchung der Schichten möglich war,
wurde sie am entsprechenden Horizont in dem nur wenige hun-
dert Schritte entfernten Wadi el Jos vorgenommen. Es ist in
dem Steinbruch an Kadis Landhaus, der nachstehendes Profil
liefert^ von oben nach unten
2' harte, lichte Kalkbank mit Ncrinea Rcquieniana
d'Orb.,
3' lichtgrauer, harter Marmor. An demselben ausge-
witterte Hippurites sulcatus Defr. 1 — 1,3 Zoll Durch-
messer. Die Ilippuriten bilden eine förmliche Bank
im Liegenden der Marmorschichte,
3' mergelige Kalke mit groben Ooliten,
— 199 —
1' kieselige Scbneckenbank : steckt voll Actaeonella,
TrocJms und Nerinea.
h' Wechsel von Kalken und Kalkmergeln mit grob
oolitischen Mergeln,
4' lichter Marmor mit Nerineen,
2' roth gefleckter Nerineen-Marmor,
G' lichter weisser, theilweise fein gefleckter Marmor,
mit Eadiolites Mortoni (pag. 230).
Melekeh.
An diesen Marmorbänken lassen sich in ausgezeichneter
Schönheit Stilolithen aller Arten beobachten, die ganz überein-
stimmend mit dem Vorkommen im schwäbischen Hauptmuschelkalk
oder dem oberen weissen Jura in Schnüren und Bänkchen den
Marmor durchziehen. Liniendicke Thonschmitzen gaben nament-
lich zwischen der oberen harten Nerineenbauk und der Sfüssigen
Marmorbank Anlass zu wirklich prachtvollen Stilolithen , deren
Bildung ganz evident dieselbe ist, wie die von den heimatlichen
Bergen.
Man charakterisirt den Missih am besten mit dem Namen
Nerineenmarmor. Ein Hippuritenkalk, Hipp, sulcatus Defr.
lässt sich an den verwitterten Wänden des Marmors er-
kennen, denn nur hier war es möglich, sich Exemplare zu ver-
schaffen: an ein Herausarbeiten der Schale aus dem harten
Gestein ist nicht zu denken. Die Hauptmasse der Fossile aber
besteht aus Gasteropoden, namentlich aber Nerineen, unter denen
2 europäische Arten der dritten Rudistenzone sich erkennen
lassen: Requieniana d'Orb und Fleuriausad'' Orh; 3 andere sind
dem Orient eigen. Die erste N. orientalis Conr. wurde von der
Lynch'schen Expedition gefunden und in New-York bestimmt,
die andern sind neu und werden unten beschrieben werden.
Einer der überraschendsten Funde, der mir je begegnet ist
und mir abermals eine Warnung war, sogenannte feststehende
geologische Begrifi'e mit einer gewissen Vorsicht aufzunehmen, war
der Fund zahlreicher Nummuliten (Taf.IV, 8 a — c) in der unteren
Missihbank. Der harte Marmor Hess nur gespaltene Exemplare
erkennen, die Aussenseite verbirgt sich im Gestein. Das Thier
200
ist nicht grösser als 4 Millimeter und doch zählt man mit der
Loupe 15 haarfeine Umgänge mit dessgleichen Wänden zwischen
den Umgängen. Es ist derjenige Numulit, der unter allen
bekannten die gedrängteste Lagerung der Kammern und der
Zwischenwände hat. Die Kammern selbst sind begreiflich sehr
klein und undeutlich. Die Zellenwände sitzen rechtwinklig auf
der Umgangswand. Der Gedanke an Cyclolina oder Cyclostega
lag natürlich sehr nahe, aber die nähere Untersuchung der spi-
ralförmigen Umgänge Hess keinen Zweifel übrig. (Vergl. unten
die Beschreibung.)
Hat die untere Hippuritengruppe oder der Melekeh die
grosse Bedeutung für Jerusalems unterirdische Bauten, für die
Tausende von Grabkammern, Katakomben und Höhlen, so ist
diese obere Hippuritengruppe, Nerineenkalk oder Missih, von nicht
geringerer Bedeutung für alle Tagbauten. Xoch liegen am
„Klageplatz der Juden", dem letzten Reste salomonischer Herr-
lichkeit, die Riesenquader des Missih über einander oder haben
Wand von Plattenkalk und Missili, an der Jcremiasgrottc vor dem Damascusthor.
Nach einer photogr. Aufnahme von Capt. Wilson.
sie in der Stadtmauer, den Kirchen und Moscheen ihre Ver-
wendung vielleicht zum dritten und vierten Male gefunden.
— 201 -
Sind doch die meisten neueren Bauten immer wieder aus den
Resten der älteren entstanden.
Ueber dem Marmorkalke liegt ein Plattenkalk, auf dem
am Damascusthor die Stadtmauer aufgeführt ist. Die neueren
Photographien geben das Bild dieses Wechsels von plattigen und
massigen Marmoren ausserordentlich scharf wieder. Ausserdem
sieht man ihn schön im "Wady Jos, oberhalb Siloah und an an-
dern Orten. Der Kalk des Plattengesteins ist sehr homogen
marmorisch mit vollständig glattem Bruch, die Zwischenbänke sind
oolitische Kalkmergel. *) Vergeblich suchte ich in dieser 12 — 15'
mächtigen Bank nach einem Fossil. Interessant ist die Ver-
wendung dieses glatt springenden Kalkes als Mosaikstein; denn
alle die alten Mosaiksteine von 1 — 2 Centimeter im Quadrat,
die an den alten Bauten noch sichtbar sind oder im Schutte des
alten Jerusalems sich finden, hat man aus dem harten lichten
Plattengestein herausgeklopft, das als oberstes Glied der Hippu-
ritenformation betrachtet werden muss.
Was am Oelberg (2724' über dem Meer) noch darüber liegt,
ist ein milder Kreidekalk, der auf allen Höhen um Jerusalem
den Untergrund für das mächtige Diluvium bildet, das zunächst
den Boden auf der Höhe deckt. Aus diesem Horizont wird heut-
zutage der meiste Baustein gewonnen und sind daher am Ab-
hang des Oelbergs, bei Ain es Suani oder dem Ursprung des
Kidrons, oberhalb Siloah, bei Bethanien, am Abu Tor oder dem
Berg des bösen Raths, sowie im Osten Jerusalems gegen das
Ghor das herrschende Gestein.
Hiemit erst ist die Zone von Ronen, der eigentliche Grün-
sand oder die chloritische Kreide erreicht: die Zone des Amm.
varians, Mantelli u. s. w., über welche gar kein Zweifel be-
stehen kann. Das Gestein ist ein milder Kreidekalk, zerreib-
*) Der Araber nennt feie „nareh," nach Herrn Wolff richtiger „narij."
Das Wort bedeutet einen weichen Stein, der am Feuer (nar) erhärtet
und bei der Construction der Feuerherde verwendet wird. Er heisst
somit in unserer Sprache der „Feuerfeste", obgleich ihm diese Eigen.
Bchaft nach unseren technischen Begriffen nicht ganz zukommt.
- 202 —
lieh, kann mit dem Hammer nicht zugeschlagen werden, sondern
muss mit der Säge oder mit schneidenden Instrumenten seine
Bearbeitung finden. Eisen färbt ihn durchweg gelblich und
durchzieht ihn mit Adern und Streifen von Oxyden und Oxyd-
hydraten, die dem Stein aus der Ferne oft einen rosenrothen
Teint geben, lieber die eigentliche Mächtigkeit dieser Schichte
in das Klare zu kommen, war mir bei den wieclerholten Stö-
rungen der Lagerungsverhältnisse durch Verwerfungen nicht
möglich. Einige hundert Fuss beträgt die Mächtigkeit jeden-
falls: eben dieser Umstand aber bringt es auch mit sich, dass
an Einer Localität Hangendes und Liegendes nirgends über-
blickt werden kann. Es wechseln mit einander härtere und
mildere Schichten ab und trifft man namentlich vielmals Bänke,
die äusserlich ein weicher zerreiblicher Stein sind, innerlich
aber von grosser Zähe und Härtigkeit, dass Handstücke zu ge-
winnen zur reinen Unmöglichkeit gehört.
Praktisch benützt man den Stein aus der nächsten Nähe
der Stadt als modernen Baustein; er kostet nicht viel Bearbei-
tung, und hält sich schon einige Zeit im Mauerwerk der Häuser.
Die Moslem benützen ihn, um die Denktafeln auf ihren Kirch-
höfen in ihm auszuführen. Auf diesen Grabsteinen ist die Schrift
immer die Hauptsache und es ist bequem , bei der Menge der
angebrachten Buchstaben einen weichen Stein zu haben, in
welchem die Schriftzüge einfach mit dem Messer eingeschnitten
werden. Der Araber nennt heutzutage den Stein Kakühle oder
Gakühli. *) In Galiläa, wo der gleiche Horizont sich beobachten
lässt, heisst er Sultanch. **)
*) Das Wort ist rilthselhaft. H. üruhler konnte laut Mittheilung
dos H. Wolff weder von einem modernen noch einem alten Lehrer
etwas über den Namen des Steins erfahren, „kack" bedeutetet ein rundes
Brod; wegen der kugelförmigen Absonderungen in ihm wäre dann der
Name ein ähnlicher, wie im Schwäbischen „Laibstein".
**) Die Bedeutung „Sultaneh*' ist hier offenbar eine andere, als die
von Petermann (Reisen im Orient II. 308) citirte, nach wehhem Sul-
tani ein grauer Stein ist, den die Frauen auf der Brust tragen, um
sich zur Beherrscherin des Mannes zu machen.
- 203 -
Das Schlussglied der Schichten ist weisse Kreide mit Feuer-
steinen, die unbedingt zum Schlussglied des ganzen mächtigen
Kreidegebirgs zu rechnen ist, denn bereits stellen sich in den ober-
sten Feuersteinen NwnmuUtes variolaria Sow. ein, so dass selbst
die neuesten Forscher wie Lartet am Vorhandensein von Eocen
nicht zweifeln. Schon in der Nähe von Jerusalem am Oelberg,
oder am Akabeh es Suan sind es die Feuersteine dieser Kreide,
die hier das Diluvium bilden, als die unzerstörbaren Reste der
einstmals viel weiter verbreiteten Formation. Erst weiterhin
gegen Osten stehen die Feuersteinschichten an, die lichten Kreide-
gesteine sind dann von den Feuersteinbänken wie von schwar-
zen Bändern durchzogen, wesentlich beitragend zur Erhöhung
der Reize der Landschaft. Gleich riesigen Kränzen schmiegen
sich diese Bänke aus der Ferne gesehen allen Windungen und
Biegungen der Grebirgszüge an und heben sich mit ungewöhn-
licher Schärfe auf den vegetationsleeren Bergen ab. Jüngere
Scliichten konnte ich nicht mehr beobachten , als diese Ueber-
gangsstufe von Kreide zu Tertiär, in der sich noch Ostrea vesi-
cularis als Repräsentant der Kreide, bereits aber auch Num-
rtiulites variolaria als Repräsentant des Eocen sich findet.
3. Linie Jerusalem zum todten Meere oder der
Ostabfall des Gebirgs.
Wir wenden uns nunmehr von unserer Leitschieht der Hip-
puriten zu den tiefer liegenden Felsmassen, die in nächster Nähe
von Jerusalem im Hinnomthale den Melekeh unterteufen. Es
sind rothe körnige Fleckenmarmore, die am Birket Sultan in
4 Bänken von 5 — 6 Fuss Mächtigkeit den Hippuritenkalk unter-
teufen. Manchmal tritt an den abgewitterten Stirnseiten der
Felsen ein Gasteropode oder eine Bivalve hervor, sonst konnte
ich kein deutliches Fossil erkennen. Diese Fleckenmarmore
ziehen sich im ganzen Hinnom, dem heutigen Wadi Rabäbi un-
ter Akeldama und der alten Todtenstadt zum Brunnen Rogel,
welcher nach Captain Wilsons Messung in einem 118 engl. Fuss
tiefen Schacht abgeteuft ist. DerFleckenraarmor, hier das Liegende
— 204 -
des Teiches, wurde durchsenkt, wo wahrscheinlich auf den thon-
reichen Baculitenbänken wassersammelnde Schichten angetroffen
worden sind. Der weitere Verlauf des Profils lässt sich erst
auf der zweiten Treppe im Kidronthal, an der das Kloster Mar-
säba erbaut ist, ergänzen. Bis eine halbe Stunde vor dem Klo-
ster bleibt man im Kakühle. Ob man gleich von Rogel (1996')
aus bis dahin (Marsaba 588') zum mindesten 10 — llOO Fuss
Gefälle hat, so verlässt man doch denselben geologischen Hori-
zont des Amm. Mantelli nicht. Um jede der scharfen Ecken des
Kidronthals biegend ist man gespannt, neue Schichten zu treffen;
allein statt derselben trifft man zu wiederholten Malen immer
nur die altbekannten vom Oelberg und dem Abu Tor und kommt
natürlich über eine Reihe von Verwerfungsspalten, die in der ersten.
Meile von Rogel abwärts hora 1 in der 2. und 3. Meile hora 2 strei-
chen. So kommt man über eine Reihe von Treppen (vielleicht ebenso
viele als das Kidronthal scharfe Biegungen macht) vor Marsaba,
das wieder gleich der Nekropolis von Jerusalem in den milden
Hippuritenkalk eingenagt ist. Anders kann man kaum die Bau-
art dieses wohl einzig in seiner Art dastehenden Klosters be-
zeichnen, das in den ältesten christlichen Zeiten allmählig aus
den Grotten und Höhlen der zahlreichen Anachoreten entstund,
die in dieser Felsenwüste ihr Unwesen trieben. Denn das Kloster
besteht mit Ausnahme der Kirche, Refectorien und Fremden-
zimmern nur aus einer Anzahl Höhlen, in denen die Mönche
nisten. Die einzelnen Zellen gehen in den Fels hinein, treten
nur mit Einem Fenster und einer überhängenden Altane am
Felsenhang heraus und hängen mittelst in- und auswendig an-
gebrachter Felstrcppen untereinander zusammen. Vom Frem-
denzimmer aus gesehen, denkt man unwillkürlich an Schwalben-
nester, die an der Mauer kleben. Die Mauer aber ist eine viel-
leicht 250' hohe fast senkrechte Felswand von Hipj)uritenkalk,
die aus dem Kidronthal aufsteigt. Ein Sprung im Gebirge kann
auch hier gar nicht fehlen; da wo eine Stunde vor dem Kloster
der Weg nach Jericho abzweigt, verengt sich plötzlich das
seither weich geformte Kidronthal zur wilden Felsschlucht, wie
mit Einem Strich nach hora 7'/2 gezogen, fängt statt der milden
- 205 —
Kreide wieder der Fels von Jerusalem an, kieselige harte Kalk-
bänke Missih und Melekeh, deren Verwitterung in abrupten
Abstürzen sich bildete, wenn der Kreidemergel in sanften Berg-
formen sich kund gibt. Eine Stunde Wegs unterhalb des Klosters
hört die wilde Felsenschlucht mit den überhängenden Bänken
wieder auf und macht Mergeln Platz, deren Verwitterung selbst-
verständlich andere Contouren der Landschaft nach sich zieht.
Die nächste "Wegstunde führt durch einen Wechsel von Kreiden
und Kalken, alle noch zum System des Hippurites sulcatus ge-
hörig, der an den abgewitterten Felsen oft recht hübsch sicht-
bar wird, bis in der Nähe eines Beduinendorfes von vielleicht
200 Zelten ein abermaliger Wechsel der Landschaft eintritt,
natürlich weil ein anderes Gebirge zu Grunde liegt. Graue
sandige Mergel stehen 7* Stunde östlich vom Beduinenlager im
Wadi Kidron an; zwischendrin liegen schwarze bituminöse Kalk-
bänke mit einer Menge Baculiten aus dem Horizont des mittlen
Grünsandes und eben hier verflacht sich das Wadi zur stunden-
weiten grünen Ebene. Die sanften Gehänge, welche die prächtige
Fläche umgeben, sind von Heerden besetzt, überall Leben und
Fruchtbarkeit. Eine Stunde lang geht man über die Fläche
weg und nähert sich dem Rande umschliessender Berghöhen,
Geschiebe aller Art, namentlich Feuersteine füllen die Ebene,
zwischen denen überall eine Grasnarbe sich festgesetzt hat. Am
Rande angekommen windet sich das Kidronbette etwas nord-
wärts und sucht in einem engen Durchbruch durch die umschlies-
senden Kreideberge den weiteren Weg, auf dem ihm der Mensch
nicht mehr zu folgen im Stande ist. Die Kreideberge zeigen
ohne Ausnahme eine so vollkommen horizontale, ungestörte Lage-
rung, wie man sie nur aus den africanischen Wüsten kennt, wo
man Tagelang auf einer Bank hinreitet, ohne an irgend einen
Sprung der Schichte oder sonst einen Absatz und Wechsel zu
gelangen, ihre annähernd geschätzte höchste Erhebung über
das Wadi mag etwa 500' betragen. Durch eine wellenförmige
Einsenkung der Hügelketten hindurch steigt man über 2 der-
selben ohne Mühe hinan, der Boden ist von frischem Grün, von
Gras und Kräutern und Blumen ohne Zahl überzogen und ist man
- 206 -
nun im letzten Wadi angekommen, von dem aus man seitlich in
einen jähen Schlund des Kidronbaches blickt. Noch eine kleine An-
höhe hinauf und man steht staunenden Blickes auf schwindelnder
Höhe vor dem Abgrund zum todten Meer. Da lag der fabel-
hafte See zu unsern Füssen in unvergleichlichem Blau, wie etwa
<ler Meerbusen von Suez vom Atäkah aus oder einer der europai-
schen Seen, der Neuenburger See von der Höhe des Jura oder der
Vierwaldstädter See von Wäggis her. Der Steilabfall vom Ras
el Feshkah, auf dessen Höhe wir stunden, ist so abrupt, dass
man leicht mit der Plinte ins Wasser schiesst; bei der tiefen
Stille der Natur, die höchstens durch das Lied einer Lerche
unterbrochen wird, hört man unter seinen Füssen die Brandung
rauschen und sieht jede der tiefblauen Wellen silberweiss ge-
kräuselt; ein frisches Grün umsäumt das blaue Meer, nur die
lichtgelben, braun anwitternden Kreidefelsen erheben sich in
kahler, starrer Schönheit von der reizenden Landschaft auf dem
Grunde. Unser Barometer zeigte uns 30,20 bei 70 ° F. densel-
ben Stand, den das Barometer am Ufer des Mittelmeers hat.*)
*) Im April 1837 hatte Schubert den ersten Barometer ans todte
Meer gebracht. Er war selbstverständlich für eine solche Tiefmessung
unbrauchbar, doch scliiltzte Schubort den Spiegel des Sees 194 Meter
unter dem des Meer.-^. Einige Monate vor Schubert hatten die 2 eng-
lischen Reisenden Moore und Beck durch tbcrmometrische Berechnung
eine Depression von 178 Meter gefunden, aber ihre Resultate noch
nicht publicirt, so dass beide, Schubert und die Engländer, unabhängig
von einander in diesem Jahr die Entdeckung machten. — Im nächst-
folgenden Jahr fand Russeggor 435 Meter Depression. Es sind 43
Meter zu viel, denn auch an seinem Barometer war die Glasrühre zu
kurz für die Quecksilbersäule. — Die erste trigonometrische Bestimmung
machte der englische Schiffsheutenant Symonds mittelst eines ausge-
zeichneten 7zülligen Theodolits und fand 427 Meter, doch waren die
äusseren Schwierigkeiten so gross, dass sich die Unrichtigkeit dieser
Zahl leicht erklären lässt. — Die amerikanische Expedition fand 412
Meter. — Die französische unter Herzog von Luynes 392 Meter, llie-
raü stimmt auch die Messung des Captain Wilson , den ich auf seiner
ersten Erforschungstour zum See begleitete. Die Resultate dieser Beob-
achtung sind:
— 207 -
Vor uns lag ein senkrechter Steilabfall, der zum "Wasserspiegel
des todten Meeres über 1300' beträgt. In 45 Minuten stiegen
wir bequem auf einem betretenen Fusspfad, an dem sich die
Spuren von Kameelen, Schafen und Menschen zeigten, zum See
hinab. Anfangs ging es sehr steil, aber für einen schwindel-
freien "Wanderer vollkommen gefahrlos, da man über die hori-
zontalen, harten und festen Kreidebäuke Tritt um Tritt wie
auf einer Steintreppe hinabsteigt. (Von der Cheopspyramide
herabzusteigen war viel gefährlicher). Der Barometer stieg
auf 31,2, als die jähe Felsenwand ein Ende hatte und
man den Schuttfiiss des Steilrandes erreichte, nehmlich Schutt-
Avälle gerollter Gesteine , die in Einem Horizont am ganzen
Meeresufer sich hinziehen. Schätzungsweise waren wir etwa
900' herabgestiegen, als das Gerolle anhub , durch welches der
Kidron eine weite und tiefe Schlucht gerissen hat, und hatten
noch über 300' über das Geschiebe zum Strand des Bahr Lut
hinabzusteigen, um die Hände in das crystallhelle Wasser zu
tauchen und die Füsse von der kräftigen Welle benetzen zu lassen,
die gleich der Meereswelle am Mittelmeer oder dem rothen Meer
in den gewöhnlichen Zwischenräumen (3 — 4 in der Minute) den
flachen Strand bespült. Der Barometer zeigte 31,59 bei 72 " F.
Die Flutmarke des Sees ist durch Treibholz aller Art ge-
Oerusalem, Hotel 27,24 P, Z. bei 64 <> Fahrenh.
Quelle Rogel 27,75 „ „ „ 64 »
Marsäba, Abends 29,10 „ „ „ 58 " „
Morgens 29,12 „ „ „54«
Ras el Feshkah, Höhe .... 30,20 „ „ „ 70» „
Alte Fluthmarke des todten Meers 31,20 „ ,, „ 73 ° „
Spiegel des Sees, Morgens . . . 31,59 „ ., ,, 72 '^ „
„ „ „ Mittags . . . 31,58 „ „ „ 76 " „
Sir Henri James fand am 12. März 1865 eine Depression von
1292 P. F., am 7. Juni des vorangehenden Jahres hatte Vignes 1286
P. F. gefunden, eine Differenz, die sich auf den zur Winter- und
Sommerzeit verschiedenen "Wasserstand im See gründet. — Hienach
können 1288 bis 1290 P. F. unter dem Mittelmeer oder rothen Meer
als die wahre Tieflage des "Wasserspiegels vom todten Meer angenom-
men werden.
— 208 —
kennzeichnet, Stämme von Balsampappeln, Nabak und Palmen,
die ihre von Salzkruste überzogenen Enden und Aeste halb im
Ufer begraben gleich gebleichten Skeletten in die Lüfte strecken.
Sand existirt keiner am Ufer, was die Welle auswirft und wie-
der mit sich zieht, sind kleine zertrümmerte Splitter und Schiefer
des anstehenden feuersteinhaltigen Kreidegebirgs. Dazwischen
härteres Kreidegestein gerollt, wie es am eigentlichen Rollstrand
einen Wall zwischen Ufer und Steilrand bildet. Am Ras el Feshkah
selber tritt der Fels senkrecht ans Meer heran, dass von einem
Uferweg keine Rede mehr ist, dort brandet das Meer so kräftig
als an dem Ufer des rothen Meers. Bis auf wenige Schritte
vom Ufer entfernt tritt grünes Buschwerk, Gestrüppe von Mesem-
brianthemum, Salzpflanzen mit fleischigen klebrigen Blättern und
röthlich grünen Blüthen, an denen die Helix Boissieri*) zu Hun-
derten waidet. Der Boden ist mit Kräutern aller Art besät und
fand ich wenig Unterschied zwischen der Höhe und der Tiefe:
die gleichen Anemonen und Crocus hier unten wie droben. Vögel
schwirren mit munterem Gesang in die Luft und übers Meer und
beleben die an und für sich freundliche, mit dem Ausblick auf
ringsum starrenden Felsenschrofen wirklich grossartige Landschaft.
Wo der Kidronbach mündet, der aber nur zur Zeit der Regen-
güsse Wasser hat, öffnet sich eine grossartige Schlucht, die im
Vordergrund die alten Geschiebe durchbricht, im Plintergrund
aber in vollkommen horizontalen Treppen eines harten bräun-
lich verwitternden Kalkfelsens zur Höhe hinansteigt. Bänke
von 30 und 40' mit senkrechtem Abfall machen es zur Unmög-
lichkeit, der Kidronschlucht ganz zu folgen. So weit das Auge
reicht, und es reicht gegen Süden bis zur Landzunge Mezraah
und gegen Norden bis zur flachen Jordanmündung, horizontale
Schichten: namentlich zeigt auch das gegenüber liegende Öst-
liche Ufer im Glanz der Mittags- und der Abendsonne so klare
Contouren der Schichten, dass man das Profil drüben förmlich
*) Die gesammelten Schnecken waren alle nach drei Monate
langer Reise noch lebendig und lebten den ganzen Sommer 1865 in
Stuttgart fort.
- 209 -
abzulesen im Stande ist. 3 schwarze Bänke in der Entfernung
von 80 — 100' markiren sich besonders deutlich in dem oberen
Dritttheil des östlichen Profils und hängen organisch mit den
Schichten des "Westufers zusammen. Aus der Ferne gesehen
heben sich 3 Gruppen im Profil aus: 1) braune Treppen vom
Strand an aufwärts über das erste Drittheil, 2) eine gelbe Steil-
wand, die das andere Drittheil bildet, 3) das obere Drittheil
von glänzend weissen Kreidefelsen gebildet mit den schwarzen
Feuersteinbändern, alle 3 Gruppen mit ihren 100 Bänken in der
ungestörtesten Ruhe horizontal übereinandergelegt.
Ich war, wie es wohl jedem Abendländer nach den herr-
schenden Begriffen ergehen musste, mit der vorgefassten , sozu-
sagen feststehenden Ansicht in das el Gohr herabgestiegen, in
ein rein vulcanisches Gebiet zu gelangen, in eine Region der
Laven mit Solfataren und Fumarolen, welche die Luft mit übel-
riechenden Gasen verpesten, gestehe aber, dass ich noch nie in
meinem Leben so enttäuscht war, als am Ufer des Bahr Lüt.
Van derVelde's*) „braune Lavabrocken, in lothrechten Wän-
den aufeinander gethürmt, dort in flachen Schichten übereinander
geschoben, dann wieder in fürchterliche Risse zerklüftet, da-
zwischen kraterförmige Hügel von weisser, gelber und grauer
Farbe, Alles Erzeugnisse des unterirdischen Feuers," ergaben
sich als reine Gebilde einer aufgeregten Phantasie und der geo-
logischen Unkenntniss und verwandelten sich in das regulärste
Flötzgebirge, das man sich nur denken mag, das durch Verwit-
terung und Erosion der grossartigen Felsmassen Gestalten an-
genommen hat, wie sie jeder Geognost aus den Kalkalpen Süd-
frankreichs, des Karsts oder der Tridentiner Alpen am Garda-
see und zahllosen Orten Europa's kennt.
Mit Einem Blick waren alle Schauer und alle Schrecken
des Todes gewichen, mit denen die Phantasie der Abendländer
ein Meer umgeben, das seit den Zeiten der Kreuzzüge bis in
*) Reise durch Syrien und Palästina in den Jahren 1851 u. 1852.
Leipzig 1856, Bd. II. pag. 123.
WürtUmb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 3i Heft. 14
— 210 -
unsere Jahrzehnte *) Niemand sich ruhig ansah. Hatten doch
überhaupt die wilden Naturscenen der Steilwand, die Juda's
Berge vom el Ghor trennt und die alttestamentliche Tradition
von^Sodom und Gomorrha im Bunde mit der seit Jahrhunderten
genährten Angst des Reisenden vor dem Beduinen einen grausigen
Sagenkranz erzeugt, der die ruhigsten und vorurtheilsfrcisten
Gemüther im Abendland befangen hielt. Es war zwischen Ras
el Feskah und dem Ras Ghuweir und gegenüber an der Steil-
wand der Berge Moabs auch nicht Eine Spur weder von vul-
canischem Gestein noch von Vulcanismus im weitesten Sinne
zu sehen. Keine Störung der Schichten, kein Knick, kein Bruch,
keine Verwerfung oder Senkung, sondern die einfachste Erosions-
erscheinung nach der in ganz Judäa anhaltenden Kluftrichtung
hora 2 und 8.
In derselben Weise liegt die Steinsalzbank von Usdom,
die ich zwar selber nicht sah, die aber von L. Lartet (Bullet. Juni
1866) so klar und wahr beschrieben ist, dass sie das Interesse
des Naturforschers kaum noch in Anspruch nimmt. Ein Fels-
block von beinahe 40 Fuss Höhe, Lots Säule vom Ai-aber ge-
nannt, ist von der Bank durch einen alten Abrutsch getrennt
und springt klippig und zackig von den Atmosphärilien zernagt
vor der Bergwand etwas vor. Mit dem Salzgehalt des Meeres
(siehe unten) steht dieser reine Chlor-Natriumfels nicht mehr in
Verbindung als die übrigen Kreideschichten, welche den Kessel
des Sees umgeben.
Endlich möge hier auch noch ein Wort über das Vorkommen
von Schwefel beigefügt werden, der von den meisten Reisenden
als vom todten Meere stammend erwähnt wird. Mir gelang es
nicht trotz eifrigsten Suchens, ein Stückchen Schwefel am Strand
zn erspähen; ohne gerade auf ein solches Vorkommen besondern
geologischen Werth legen zu wollen, da der gediegene Schwefel
dem jüngeren Flötzgebirge angehört und in nicht grosser Ent-
*) Der Erste, dessen Forschungen das todto Meer erschlossen, war
U. J. öectzen, der 1806-07 über 1 Monat lang an den Ufern des Sees
lebte und beobachtete.
- 211 —
feraung am Ras el Gimscheh des rotlien Meeres bricht, wäre
mir von Interesse gewesen, die Richtigkeit älterer Beobachtun-
gen zu constatiren. Ich bat daher die deutschen Freunde in
Jerusalem, bei nächster Gelegenheit diesem Gegenstand ihre be-
sondere Aufmerksamkeit zu sckenken, und erhielt auch von
Hrn. Schneller bald die gehörige Auskunft. „In Jericho schon,"
schreibt mir Hr. Schneller, „wo wir bei einem bekannten Schech
übernachteten, thaten wir Nachfrage nach Schwefel und fanden
überall die Leute dessen Vorhandensein am See mit Entschie-
denheit behaupten. Er soll weisslich sein und werde von den
Beduinen zu Schiesspulver verarbeitet. Setze man ihm beim
Schmelzen etwas Olivenöl hinzu, so werde er gelb und auf dem
Markte verkäuflich. Wir nahmen die Araber, die uns diese
Mittheilungen machten, an das todte Meer mit, dort erklärten
sie uns aber, am todten Meer selber finde man den Schwefel
nicht, aber weiter oben am Jordan. Sie führten uns wirklich
nach einer Stelle, in zerrissene Hügel im Jordanthal selber,
nicht weit vom Fluss, wo kleine nussgrosse Stücke gediegenen,
weisslich gebleichten Schwefels herumliegen, wie ihn der Regen
auswascht und verschwemmt. So mag der Jordan auch wohl
manches Stück dem Meere zugeführt haben, von wo aus es die
"Welle ans Ufer spielte, so dass man der Ansicht werden konnte,
der Schwefel habe dort auch sein natürliches Vorkommen."
Das Profil von der Höhe der Wüste Juda zum el Ghor
hinab ist ausserordentlich arm an Fossilen. Nur an Einer Stelle
traf ich noch Reste von Baculiten und unbestimmbare Steinkerne
von Bivalven. Selbst auf der Sohle des Ghors halte ich den geo-
gnostischen Horizont für keinen andern als für den der mittlem
Kreide. Man dürfte vielleicht das untere Drittheil, die „brau-
nen Treppen" für Cenomanien d'Orb. ansehen nach den Austern,
die ich zwar nicht selbst gefunden, aber aus der Roth'schen
Hinterlassenschaft bekommen habe: Exogyra Boussingaulti
d'Orb. 468 und densata Conr. cflf. Rep. 18, 102. zwischen Kerak
und dem Abfall zum todten Meer (Ostseite) gesammelt. (Siehe
unten pag. 230.)
— 212 -
Die Berge von Samaria und Galiläa.
Von Jerusalem aus führt die Route in der Richtung von
Nablus, das eine starke Tagereise entfernt ist, über einförmige
Höhen auf der Wasserscheide hin bis zum alten Bethel oder
Beeroth. Es ist immer ein und derselbe Charakter der Land-
schaft und des Bodens, wie er vor den Thoren von Jerusalem
beobachtet werden kann: namentlich liegen auf der Höhe
von Beeroth die grossartigsten abgerissenen und abgewitterten
Einzelblöcke des Hippuritenkalks , offenbare Reste einer einst
zusammenhängenden Bank, die früher in höherem Niveau gele-
gen durch Zerstörung der unterlagernden Schichten ihren Halt
verloren haben und in sich verstürzt sind. Von Feldbau ist
wenig zu beobachten, das Land ist Waideland: zwischen den
mit grauen Flechten überzogenen Felsen sprossen grüne Kräu-
ter und wie schon zu Jakobs Zeiten liegen noch die Hirten auf
den Felsblöcken herum, von denen aus sie ihre Rinder und
Schafe hüten. Bei Khan Lubban mit seiner reichen Quelle steigt
man von den Höhen herab in das Wassergebiet des Jordans und
folgt einem Thal e, das sich gegen Norden zieht; hiemit hat man
das Gebirge verlassen und bewegt sich auf einem reich bebau-
ten grünen Grund, man naht den fetten Waiden Sichems, der
Perle des heutigen Palästina's, dem wasserreichen Nablus. Am
Fusse des Garizim auf der Wasserscheide zwischen Jordan und
Mittelmeer liegt der altberühmte Jakobsbrunnen, ein 80' tiefer
ausgemauerter Brunnenschacht, dessen Anlage in dem wasser-
reichen Thale man nicht begreift, und sieht hier bereits zahl-
reiche Steinblöcke mit dem Nuinmulites arbienm herumliegen,
die von der Höhe des Garizim herabgestürzt sind. Diese selbst
wird in etwa drei Viertelstunden erstiegen, wobei man zunächst
über den üppigen Wäldern von Oliven-, Mandel-, Aprikosen-
und Citronenbäumen steil über Kreidemergel das erste Drittheil
des Weges hinangeht; folgen lichte Kalke ohne deutUche Fos-
sile, bis im oberen Drittheil dieselben lichten Kalke mit Num-
muliten sich füllen. Geognostisch ist es durchaus unstatthaft,
in diesen letzteren einen andern Horizont zu erbUcken, als den
- 213 —
der oberen Hippuriten, und verweise ich hiebei auf die paläonto-
logische Abhandlung über diesen Gegenstand.
Von dem Nabluser Thal bis zur Ebene von Jesreel bleibt
sich über die Berge von Samaria der Charakter des Gebirgs
abermals ganz ähnlich. Petrographisch ist es der des Gebirgs
Ephraim und Juda, paläontologisch die Zone der obern Kreide,
obgleich der Nummulites arbiensis überall sich eingestellt hat
und geognostisch Ein ungestörtes Schichtengebirge, das mit den
Bergen von Gilboa plötzlich abbricht. Die gewöhnliche Route
der Reisenden führt bergauf bergab durch ein massig cultivirtes
Land ohne bestimmte Höhezüge, in welchem sich Hügel an
Hügel reiht, indem die Thäler in den weichen Kreidemergel
sich eingenagt haben. Breccienartiges Deckelgestein bildet al-
lenthalben den Untergrund. Der Sumpf von Ghurruk ist eine
sanfte Einsenkung in das Gebirge, von dem aus das malerisch
am Rande der Berge gelegene Genin durch ein enges Gebirgs-
thal erreicht wird. Mit Genin, dem wasserreichen Orte im Süden
der Ebene Jesreel und mit dieser Ebene selber beginnt auf
den ersten Blick eine Wendung im Gebirgssystem. Die Schich-
ten des Kreidegebirges brechen ab und innerhalb derselben
breitet sich unübersehbar die Ebene aus, deren rother fetter
Boden mit einzelnen Stücken schwarzen Basaltes sich augen-
blicklich als basaltisches Product ankündigt. Der erste Eindruck
schon beim Betreten der Ebene, noch mehr die Vergleichung
des geognostischen Details Hess in der Ebene Jesreel das Sei-
tenstück zu der Ebene des Rieses erblicken. Wir haben in ihr
dieselbe fruchtbare Fläche wie im Ries, aus der sich der basal-
tische kleine Hermon als Mittelpunkt des alten Maars erhebt,
wie dort der Wenneberg. Leider erlaubte mir ein gräuliches
Unwetter, das mich in den Sümpfen von Jesreel überfiel, den
Besuch dieses Berges nicht, doch gab mir Herr Zeller von Na-
zareth, der auf meine angelegentliche Bitte den Berg eigens um
seines geognostischen Verhaltens willen besuchte, in einem
Sehreiben dd. 17. März 1866 den erwünschtesten Aufschlüsse
j,Von Beisan gegen den Tabor ist der Boden (wie im ganzen
Jesreel) mit Basalt bedeckt, die alten Bauten, wie die Ruinen
- 214 —
von Um el Tajibeh sind sämratlich aus grossen, schön behaue-
nen Basaltblöeken aufgeführt. Auf dem (dem Kreideberg Tabor
nächst liegenden) Tumrah und in Endor liegt wieder der Kalkstein
zu Tage, vermischt mit Basaltstücken. In Endor, wo die vielen
grossen Höhlen bekannt sind, ist nur Kalkstein. Dagegen ist
Teil Ajül, ein völlig abgerundeter Berg westlich von Endor, ein
augenscheinlicher Eruptionspunkt des Basaltes. Nicht nur ist
der Berg ringsum mit Basaltsteinen besät, sondern liegt auch der
Gipfel voll Basaltblöcken. Nicht Ein Kalkstein ist hier zu sehen,
der jedoch am östlichen Abhang des kleinen Hermon sich wie-
der vorfindet. Der kleine Hermon selber, d. h. die Spitze mit dem
Weli ist wieder augenscheinlicher Ausbruchspunkt des Basaltes?
bis auf die höchste Spitze hinauf besteht er aus Basalt, und je
höher hinauf, je grösser werden die Blöcke. Die Schlucht, die
von Naiu zum Berge hinauf führt, trennt die Basaltregion von
der östlich gelegenen Kalkpartie. Die Spitze des Hermon bietet
nur Raum für das "Weli und einen kleinen Begräbnissplatz und
ist durch einen Einschnitt vom östlichen Bergrücken des kleinen
Hermon unterschieden, der wieder Kalkstein führt, ohne dass
man jedoch eine ursprüngliche Lagerung des Gesteins beobach-
ten könnte. Diese ist ebenso wenig am Fusse des Berges bei
Nain zu unterscheiden, wo Kalk und Basalt vermischt erscheint.
Die grossen Blöcke Basaltes, die den kleinen Hermon bedecken,
sind mit weissen Flechten überwachsen , welche von ferne ge-
sehen dem Gestein eine dem Kalk ähnliche Farbe verleihen.
Sonst hätte sicher die auffällige Natur des kleinen Hermon die
Aufmerksamkeit der Reisenden auf sich gezogen. Die Aussicht
von der Spitze des Berges ist viel schöner als z. B. die vom Tabor,
denn auf dem Hermon befindet man sich mitten in der Ebene
Jesreel und ist die Aussicht durch keine Bergfläche gehemmt.
Herrn Zellers Mittheilung über die basaltische Beschaffen-
heit des Hermon bestätigt nur die Construction der Gegend, wie
sie der Gcognost a priori aufführt, dem basaltische Gegenden,
wie solche in der Eifel, das Höhgau, Riesgau und andere be-
kannt sind. Leider treten auf den Karten diese plastischen
Verhältnisse der Ebene Jesreel mit ihrem centralen Mittelpunkt
- 215 ~
gar nicht zu Tage , ob sich gleich in der Natur das Bild so vor-
trefflich zeichnet. Vom Tabor aus, bis an dessen Fuss die ba-
saltische Ebene sich erstreckt, sieht man ganz deutlich die Er-
streckung der Basaltfläche bis zum See von Tiberias, an dessen
Ostufer erst sich die weissen geschichteten Kreideberge wieder
erheben, um hinter sich aufs neue unübersehbaren Basalt-
flächen in der Ledscha und dem Hauran Platz zu machen. Mit
dem Tabor hat man wieder das normale, horizontale Gebirge
erreicht, ob es gleich ein schwaches, östliches Einfallen zeigt.
Auf der Höhe beobachtet man starke, derbe Kreidekalkbänke,
am ehesten dem Maastrichter Kalke zu vergleichen. Sie verwit-
tern zu einem sog. Schrattenkalk, in welchem wie mit dem
Messer eingeschnittene Risse und Vertiefungen sich erzeugen.
Die Cisternen auf der Fläche des Berges, der einstigen Haupt-
feste des jüdischen Landes, welche das fruchtbare Jesreel be-
herrschte, sind durch die 10 — 15' mächtigen harten Kreidefelsen
in die weicheren Kreidemergel eingehauen. Einsam und ver-
lassen steht seit Jahresfrist jetzt ein griechisches Convent mit
1 Priester und 4 Mönchen auf der östlichen Höhe und erinnert
durch seine Lage und Fernsicht viel an den Dreifaltigkeitsberg
auf der Spaichinger Alb. Im Westen wird die basaltische Ebene
von den Bergen von Nazaret und dem Carmelzuge umschlossen,
durch welche der Kishon sich einen Durchbruch zum Meere ge-
bahnt hat. Sobald der Durchbruch beginnt, hat der Basalt sein
Ende erreicht.
Lb Norden der Ebene beginnt wieder bis zum Libanon die-
selbe Einförmigkeit des Kreidegebirgs , wie wir sie im Süden
derselben kenneu, und bildet somit die Ebene von Jesreel im
ganzen Lande Palästina mit geognostischem Auge angesehen,
den einzigen Ruhepunkt in der untröstlichen Einförmigkeit des
Kreidegebirges.
- 216 -
Die Lagernngsverhältnisse der Schichten.
Dass wir nur mit den wenigen Schichten der Turon- und
Senongruppe zu thun haben, dass weder yon älterer Kreide noch
von Tertiär, geschweige denn von Juraformation oder sonst einem
secundären Gebirge die Eede ist, glauben wir an der Hand lei-
tender Fossile zur Genüge beweisen zu können. Ein Gang vom
Mittelmeer zum todten Meer führt uns bis zur Wasserscheide
bei el Kuds zu einer Höhe von 2700 P. F. über dem Meer
hinan und von da zum Spiegel des todten Meeres zu 1360 P. F.
unter dem Meer wieder hinab. Wir haben also 4060 Fuss,
innerhalb deren sich unsere Schichten bewegen.
Zum erstenmal treffen wir weisse Kreidemergel mit Feuer-
steinzügen am Fuss des Gebirgs bei 982' über dem Meer in der
Nähe von Latrün, dann tausend Fuss höher bei 1989' am Passe
Enäb und zum drittenmal abermals achthundert Fuss höher auf
dem Oelberg. Von da fallen sie, und wir finden sie wieder
auf den Bergen zwischen Jerusalem und Marsaba bei circa 2000'
über dem Meer, im Thal oberhalb Marsaba bei circa 1000' über
dem Meer, auf der Spitze des Ras el Feskah im Niveau des
Mittelmeers und mittelst Visirung am Ostufer sieht man die
schwarzen Feuersteinbänke, die das weisse Kreidegestein durch-
ziehen, unter das Niveau des Mittelmeers hinabgreifen. Ebenso
geht es mit den Hippuritenkalken. Auf der Höhe von Nebi
Samuel liegen sie 2649', ziemlich in gleichem Niveau noch bei
Jerusalem, bei Marsaba 2000' tiefer, am Abfall zum todten
Meer im oberen Drittheil des Absturzes, also immerhin einige
100' unter dem Meeresspiegel.
Die Schichten, die zu Tage treten, liegen nun aber bei all diesen
enormen N i v e a u d i f f e r e n z e n nahezu horizontal. Am Ausgehen-
den der Berge und an Thalgehängen fehlt es, wie sich das von selbst
versteht, an Biegungen und Ausweichungen nicht, aber der Art
sind sie nicht, dass wir Gewölbe an den Schichten beobachteten, was
nothwendige Folge einer Schichtenverbiegung wäre, die auf einige
Stunden horizontaler Entfernung gegen 3000' Differenz in ihrem
Niveau zur Folge hat. Ich kann hienach die Ansicht Lartets
- 217 -
nicht theilen, welcher sein Profil in der Weise zeichnet, dass er
ein Gewölbe von Kreideschichten construirt, das sein Widerlager
im Westen und Osten des Gebirges Juda hat und den First in
Jerusalem, ich vermuthe, dass, wie das so leicht einem Touristen
in jenem Lande begegnet, manche Aufnahme aus der Ferne
geschah, wobei die diluvialen Deckelsteine, die gewölbartig die
Berge decken, für Schichten angesehen worden sind. Wo wir
namentlich im Osten von Jerusalem offene Schichten getroffen
haben, lagen sie auch horizontal und zwar auf Stunden weit hori-
zontal, dann kam plötzlich unmotivirt durch die Oberfläche der
Gegend ein Wechsel, beziehungsweise eine Wiederholung jüngerer
Kreideschichten, die sich neben der altern in Ein Niveau gelegt
hatten. Diese Erscheinungen können ohne Annahme von Sprün-
gen und Verwerfungsklüften Ein- für alle mal nicht erklärt
werden, die denn auch nicht blos als nothwendig angenommen
zu werden brauchen, sondern in Wirklichkeit zu beobachten
sind. Es fehlt nirgends an Klüften, welche mit dem Kompass
gemessen einen Parallelisimus zeigen und ebendamit auf eine
gemeinsame Ursache hinweisen , die keine andere sein kann,
als welche den Abfall des Mittelmeersgrundes einerseits und and-
rerseits die Jordanspalte im weiteren Sinn, (die bis zum Ras
Muhamed reicht) zur Folge hatte.
Die Jordanspalte mit ihrer tiefsten Versenkung in der
Mitte des todten Meeres hängt mit der Bildung des ganzen
Landes so eng zusammen, dass der Gedanke Niemand mehr
kommen kann, das todte Meer wäre das Resultat einer späteren
vulcanischen Bildung, oder auch, es wäre etwa später zu histo-
rischen Zeiten eine wesentliche Veränderung mit dem See, wie
z. B. die Versalzung des Wassers vor sich gegangen. Vielmehr
ist die ganze Jordanspalte mit der Versenkung des todten Meers
älter, als die Ablagerung des Tertiärs, das in der ganzen Gegend
vom Libanon bis nach Egypten fehlt. Mit dem Fehlen des Tertiärs
aber ist der Beweis hergestellt, dass vom Ende der Kreideperiode
an in Palästina keine marine Bildung mehr statt fand, sondern
einzig nur die Einflüsse der Atmosphäre auf die Oberfläche des
Landes sich geltend machten, die jedoch eine wesentliche Ver-
— 218 —
änderuDg derselben nimmermehr zu erzeugen im Stande sind.
Lartet meint sogar, seit den Zeiten der feldspatreichen Porphyre,
welche zwischen Petra und dem todten Meere die Richtung der
tiefen Erdspalte ankündigen, also lange vor der Bildung der
Kreidebänke habe jene Erdspalte in ihrer Nord-Süd-Erstreckung
existirt und das todte Meer habe zu keiner Zeit in irgend einem
Zusammenhang mit dem Ocean gestanden.
Das todte Meer war zu allen Zeiten und von Urbeginn ein
Sammelbassin der Regenwasser aus der ganzen Gegend.
Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur die tiefen
Schluchten der Wadi's sich anzusehen, welche der Andrang der
Wasser ausgehöhlt, und das Haufwerk alten Schuttes an den
Thalwänden, welches die früheren Wasser aus der Ferne zu-
sammengetragen, und endlich die Geschiebemassen, die, bis zu
300 Fuss über dem Spiegel des Sees an den Uferwänden han-
gend, auf einen ganz andern Wasserstand hinweisen und ganz
andere Niveauverhältnisse voraussetzen, als die heutigen sind.
Wenn geologisch etwas festgestellt werden kann, so ist es
die Thatsache eines viel höheren Wasserstandes in der Spalte
des Jordans und des todten Meeres, einer am Ufer mindestens
100 Meter höher angeschwellten, nach Süden einige Meilen,
nach Norden aber bis in die Nähe des Tiberias-Sees weit aus-
gedehnten Wasserfläche. So weit haben sich die Schichten von
Ligan, wie sie Lartet ganz gut bezeichnet, verbreitet; eine
Fluthmarke des früheren Wasserstandes aber hat sich bis zu
diesem Augenblick erhalten.
Längst vergangen sind die Tage, in denen das Wasser so
hoch stand ; es sind wohl dieselben, in denen noch Gletscher am
Sinai und am Libanon hingen, in denen das Mittelmeer ganz
Egypten deckte bis Assuan, und, um ein Beispiel aus der Hei-
mat zu citiren , das schwarze Meer noch heraufgriff bis au den
Rand der schwäbischen Alb und das Land der Donau von Ulm
an abwärts unter Wasser stund. Als in Europa und im nörd-
lichen Afrika, auf der ganzen arktischen Halbkugel unserer Erde,
das Klima sich änderte, da sank auch allmälig der Spiegel des
todten Meeres; die Zuflüsse verminderten sich und die Ter-
— 219 —
dunstung steigerte sich in demselben Mass. Die Wasser con-
centrirten sich nach und nach und wurden immer laugenhafter,
je länger die Verdunstung in den Felsenkesseln anhielt.
Die Folge davon ist leicht erkennbar. Das todte Meer musste
sich schliesslich sättigen*) mit den Salzen, welche die Meteor-
wasser aus den Schichten lösten; und so hat sich jetzt eine
*) Abgesehen von den zufliessenden Quellen führt der Jordan dem
todten Meere schätzungsweise 6 Millionen Tonnen (ä 1000 Kilo) Wasser
im Laufe von 24 Stunden zu (beiläufig den dritten Theil des Neckar-
wassers an der wiirttembergischen Landesgreuze). Die Beduinen sind
noch des Glaubens, wie schon Bruder Brocardus 1283 meldet, das
Wasser werde von der Erde verschlungen. Es hat auch in neuerer
Zeit nicht an Ansichten gefehlt, welche eine unterirdische Communi-
cation mit dem Meere nicht gerade für eine physische Unmöglichkeit
erklären wollten. Der Atmosphiirendruck auf den 1300' unter dem
Meeresniveau gelegenen Seespiegel sollte das unterirdische Einströmen
des Meerwassers in den Kessel des todten Meeres verhindern. Man
hat jedoch sicherlich keinen nöthigenden Grund, sich den Wasserver-
lust anders als durch blosse Verdunstung zu erklären, um so mehr,
als ohne dieselbe die Concentration der Laugenwasser gar nicht erklärt
werden kann. Herr Professor Zech in Stuttgart hat berechnet, dass
täglich — soll die Wasserzufuhr des Jordan den Kessel des todten
Meeres von 8 geographischen Quadratmeilen nicht überfüllen — eine
Wasserschichte von 13^/2 Millim. Höhe verdampfen muss. Eine (solche
Verdampfung ist nun in Europa allerdings unbekannt. In Württemberg
war 1866 die grösste Verdunstungshöhe in 24 Stunden in
Stuttgart am 24. März . . . 2,03 Par. Lin.
Heilbronn am 19, Mai . . . 2,07 „
Freudenstadt am 28. April . 2,37 „
Ulm am 4. Juni 8,04 „
Schopfloch am 24. September 2,32 „
Heidenheim am 29. April . . 2,37 „
Isny am 29. April .... 2,17 „
Die Versuche über Verdunstung, die im IVIittel 6 Millim. geben, ge-
schehen aber im Schatten; bei Gefässen, welche der Luft und dem
Sonnenschein ausgesetzt sind, wird das Verhältniss ein anderes werden.
So fand Sauvanan 1858 zu St. Rambert bei Paris als Mittel von 146
heitern Tagen 6,51 Millim. In Californien beobachtete man an den
Blake Tulare Lakes täglich 7,6 Millim. In Palermo betrug die mittlere
Verdunstungshöhe in 24 Stunden in der Sonne im
— 220 —
Salzlauge gebildet, welche den gewöhnlichen Salzgehalt des
Meeres weit übertrifift, in dieser Beziehung aber mit andern
Salzseen der Erde zu vergleichen ist.
Eine merkwürdige, bis jetzt noch nicht bekannte Thatsache
ist die Ungleichheit des Salzgehaltes, je nachdem man,
nicht in der Mitte oder an den Ufern, sondern an der Ober-
fläche oder in einer gewissen Tiefe schöpft. Bereits 1848 fand
die amerikanische Expedition unter Lynch eine Fortsetzung der
Jordanströmung von Nord nach Süd so ziemlich in der Mitte
des Sees, eine Strömung, die sich mit jener des Rheins im
Bodensee vergleichen lässt. Aber erst die französische Expedition
schöpfte auch in verschiedenen Tiefen mit dem von Daubre ver-
besserten Aime'schen Apparat zum Wasserschöpfen in beliebigen
Tiefen, ein Apparat, den ein sehr sensibler Dichtigkeitsmesser
besonders brauchbar macht.
Mit diesem Apparat fand man namentlich eine Zunahme von
Brom,*) die sich von 0,16 pro mille auf 3 p. m. in 20 Meter
Tiefe, auf 5 in 120, und auf 7 in 300 Meter Tiefe steigerte.
In demselben Verhältniss steigerte sich die Zunahme von Chlor,
nämlich von 17 und 19 p. m. auf 174 in der Tiefe von 300
Meter, Beide Körper bildeten Bromide und Chloride mit Natrium,
Magnesium, Kalium und Calcium.
Der Chemiker erkennt mit Recht in der starken Versalzung
der Wasser das Zeichen einer lange fortgesetzten Concentration ;
namentlich liefert der ausnehmende Reichthum an Brom und
Chlorkalium den directen Beweis für das, ich möchte sagen,
Mai . . 5,76 Millim.
Juni . . 7,23 „
Juli . . 7,82 „
August . 7,46 „
September 5,68 „ u. s. w. (Mitth. v. Zech.)
Obgleich directe Verdunstungsversuche am todten Meer noch felilen,
80 wird in Anbetracht der Lage des Sees zwischen den lichtgelben
Kalkfelsen, der geringen Niederschiiigo und der trockenen Südwinde
eine Verdnnstungshöho von 13,5 Millim. sehr begreiflich erscheinen.
*) Siehe die folgende Seite.
- 221 -
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- 222 -
vorweltliche Alter des Sees. In seinem Wasser hat sich eine
natürliche Mutterlauge gebildet, von welcher das animalische
Leben zerstört wird. Es ist nicht nöthig, den Grund für die
Unmöglichkeit des organischen Lebens von diesem oder jenem
Körper abzuleiten, z. B. vom Brom oder vom Brom-Magnesium,
wie die französichen Gelehrten meinen, da schon die Thatsache,
dass jene Lauge 1 '/-tmal schwerer ist als reines Wasser, und bis
28 Procente Chemikalien enthält, vollständig dazu ausreicht*
Wie in unsern württembergischen Flüssen und Bächen die Fische
verschwinden, wo Chlorverbindungen oder andere Laugen einer
chemischen Fabrik ins Wasser fliessen, so erstirbt auch das
Leben in der Lauge des todten Meeres. *)
In der Nähe solcher Spalten gehen stets unterirdische Be-
wegungen vor sich, die nothwendig mit Niveauschwankungen
verknüpft werden müssen, vulcanische Erscheinungen im weite-
sten Sinne des Wortes, die sich, seit die Chroniken Meldung
thun, in den fürchterlichsten Erdbeben kund gethan haben.
Von den Zeiten Abrahams an, da grosse volkreiche Städte ihren
Untergang fanden (Gen. 19, 24. 25) bis auf unsre Zeit ist das
Jordanthal Zeuge verheerender Bewegungen der Erde. Strabo
erwähnt eines Erdbebens, das eine ganze Stadt verschüttete,
Josefus erzählt von einem andern unter Herodes, das 10,000
Menschen den Tod brachte. 1759 den 30. October, 3 Uhr 45 Min.
in der Früh, fingen Stösso an, die sich 3 Monate lang wieder-
holten und einer Menge Städte Syriens und Tausenden von
Menschen den Untergang brachten. 1834, namentlich aber 1837
war das letzte verhängnissvolle Jahr, in welchem ein fürchter-
licher Stoss längs der Axe der Jordan- und Todte -Meer- Spalte
*) Von Interesse ist der Versuch des Herzogs von Luynes. Im
Norden von Usdom ist eine häufig vom Meer überschwemmte, durch
eine heisse Salzquelle gespeiste Laguno. Obgleicli in Geschmack und
Dichtigkeit das Wasser dem des todten Meeres ähnelt, so lebt darin
doch eine Anzahl kleiner Fische, Ctjjrrinodon Moseas Cuv. und lunatus
Ehrb. Diese Fische, mit Sorgfalt gefangen und in einer Schüssel mit
Lagunenwasser am Leben erhalten, starben augenblicklich, als man
sie in eine Schüssel mit "Wasser aus dem todten Meer setzte.
— 223 -
sich hinzog, die Stadt Tiberias fast ganz zerstörte und 6000
Menschen den Tod brachte. Wenn sich bei solchen Katastrophen
nicht auch die Niveau's der Oberfläche veränderten, wäre eine
verwunderliche Sache. Es liegt diess so sehr in der Natur der
Sache, dass dagegen kein Zweifel erhoben werden wird.
Für die durchgreifende Zerklüftung des gesammten Gebirges
sprechen besonders die zahlreichen Höhlen im Gebirge Juda,
Ephraim und längs des Jordanlaufes, die theilweise als unter-
irdische Thäler, jedenfalls als alte Wasserläufe angesehen wer-
den können. Eines der belehrendsten Thäler in dieser Hinsieht
ist das grotten- und höhlenreiche Chareitün, das ich auf einer
Tour vom todten Meer nach Bethlehem durchzog. Die Land-
schaft ist überaus grossartig und wegen des steten Wechsels
reizend. Nur an wenigen Stellen verengt sich das Thal, wie
das Kidronthal bei Marsaba; im Allgemeinen ist es tiefer ein-
gerissen, darum auch weiter und grossartiger. Die Thalkrüm-
mungen sind ausserordentlich kurz, meist rechtwinklig an ein-
ander abbiegend. Diese Biegungen folgen so rasch aufeinander,
dass man selten weiter als einige hundert Schritte weit vor sich
hinsieht, in stetem Zickzack durch das Thal gelangt und mit
jeder Biegung durch neue Ansichten überrascht wird, welche
durch überhängende Felsen, Grotten und Höhlenöffnungen be-
sonders malerisch gemacht sind. Das Profil des Thalgehängs
ist schätzungsweise folgendes :
60 ' mergelige bröckelige Kreidemergel mit Feuersteinbänken,
30 ' massiger Fels mit Grotten und Höhlen,
50' harte, geschichtete Bänke,
100 ' rauhe, mir halbgeschichtete Kalkbänke, theilweise cry-
stallinisch und massig,
500 ' Wechsel verschiedener Kalkschichten , bald schwächer,
bald stärker, deren äusserer Anblick keine Unterschei-
dungsmerkmale bietet.
Der Grottenfels, wie ich die bei 30' mächtige Felsenlage
der oberen Partie nenne, ist mit seinen Nischen, Höhlen und
Gängen der Wohnort einer Anzahl Beduinenfamilien; neben
diesen modernen Wohnungen zeugen alte Gemäuer und Cister-
- 224 -
nen von verschwundenen Wohnorten. Von einer alten Trümmer-
stadt klettert man einige hundert Schritte auf schmalem Fuss-
pfad über riesige Felsblöcke weg oder schlüpft man unter
überhängenden Felsen durch und gelangt schliesslich zu einem
8' hohen Steinblock, von dem aus man mittelst eines Schrittes
in den 5' hohen und 3' breiten Eingang der altberühmten
AduUamhöhle kommt, die gewöhnlich das Labyrinth von Cha-
reitün heisst. Mittelst Compass und Schreitens fertigte ich bei-
stehenden Grundriss
der Höhle, aus dem
klar wird, wie die
ganze Höhle eigentlich
nur aus erweiterten
Sprungklüften des Ge-
birgs besteht, die pa-
rallel mit der Axe des
Thaies laufen. Die
Höhle ist ein förmliches
System von Corrido-
ren und Quergängen,
welche durch die Erosion in früheren wasserreicheren Zeiten
ausgenagt wurden. Zuerst war nur ein System einfacher Sprünge
im Gestein vorhanden, das fliessende Wasser erweiterte sie im
Lauf der Jahrhunderte und erodirte die Gänge im Stile der
Spitzbögen, so dass der erste Eindruck auf den Besucher leicht
die Täuschung hervorrufen kann, als wäre durch Kunst die
Höhle gebildet oder wenigstens künstlich ihr nachgeholfen wor-
den. Diess ist jedoch entschieden nicht der Fall. Das Wasser
war der einzige Künstler, das mittelst regelloser Rinnen in dem
harten Kreidegestein wirre Sculpturen an den Wänden anbrachte
nnd am Dache der Höhle Vorsprünge, Zinken und Zacken bil-
dete, an denen Tausende von Fledermäusen gleich Kronleuch-
tern in gräulichen Klumpen hängen. Der Eingang führt mit
drei Schritten in einen Längsgang, von dem nach einigen Schrit-
ten wieder ein Quergang rechtwinklig abbiegt, um in den zwei-
ten, mit dem ersten parallel laufenden Längsgang zu führen,
Grundriss des Labyrinths von Chareitün.
- 225 —
sofort der dritte Quergang in den dritten Längsgang, von dem
aus man in die grosse Halle gelangt, in der bequem 400 Mann
sich aufhalten mögen. Die Quergangspalte, welche zur Halle
führt, setzt auf der Bergseite fort und führt wieder in neue
Längsgänge, die durch Quergänge verbunden, sich noch lange
in den Berg verlieren. Weiter in dem förmlichen Labyrinth der
Corridore vorzudringen, als in der Skizze verzeichnet, schien
wegen Mangels an Lichtern, wie an einem Ariadnefaden nicht
rathsam. Die begleitenden Beduinen hatten ohnehin längst
Angst und wollten der bösen Geister halber keinen Schritt wei-
ter thun und ist mir daher sehr glaublich, was die Beduinen
versichern, das Ende der Höhle sei noch von Niemand erforscht.
Es bot auch in der That der sich immer wiederholende Paral-
lehsmus der Bei'gklüfte im weitern Yerlauf der Gänge nichts
Neues dar. Tropfsteine sind keine in der Höhle, Hängendes
und Liegendes ist Fels, der überall die Spuren des nagenden
Wassers an sich trägt: das Eine wie das Andere bestätigt die
schon ausgesprochene Ansicht, dass das ganze Labyrinth weiter
nichts als ein alter unterirdischer Quelllauf im Gebirge war, in
einer Zeit freilich, in welcher selbstverständlich noch andere
Verhältnisse der Oberfläche bestunden, als gegenwärtig zu be-
obachten sind.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 3s Heft. 15
- 226 -
Paläontologische Bestimmung der Schichten
Palästina's.
In der geognostischen Beschreibung des Profils ward schon
auf die leitenden Fossile hingewiesen, welche für das Urtheil
massgebend sind, dass wir auf der ganzen Linie von Jaffa bis
zum todten Meer uns in der Turon- und Senongruppe oder der
oberen Kreide bewegen. Die nähere Bestimmung der gesammel-
ten Fossile, sowie die Vergleichimg der seitherigen PubUcationen
hat unser Urtheil nur bestätigt und stimmt in dieser Hinsicht
wesentlich mit Louis Lartets*) Note über die Formationen
des todten Meeres überein, welche dieser ebenso scharfsinnige
Beobachter als gewissenhafte Berichterstatter vorläufig über seine
geologischen Beobachtungen als Begleiter des Herzogs von Luy-
nes (1864) gegeben hat.
Amorphozoen.
Ventriculites angustatus Rom. Kreide. Taf. I, Fig. 5
(Ocellaria Lam.). Der Schwamm, dessen Gewebe durch Eisen-
oxydhydrat stark gefärbt ist, zeigt dasselbe regelmässige Faden-
gewebe, wie die Fossile von Sachsen oder von Rügen, die
Form des Schwamms ist die eines Trichters. In England leitend
für Upper Chalk, in Deutschland für Pläner und weisse
Kreide.
Fundort: Latrün in weissem Kreidemergel.
Foraminiferen.
Nummulites variolaria Sow. var. prima. Sow. Min.
Conch. 538, 2. d'Arch. foss. des Indes IX, 13. Diese Art,
welche wir in Europa nur aus dem Horizont des eocenen Ge-
birges kennen (Stubbington, Brüssel und Seinebecken) und welche
d'Archiac auch von Kleinasien und Kurdistan citirt, findet sich
östlich von Jerusalem in grauen Feuersteinen, die gänzlich von
*) Note sur la formation du bassin de la mer Morte etc. Bull. d.
1. BOG. geologique do France. Tom. 22 Feuilles 27—36. 1865.
— 227 —
den ausgezeichnet erhaltenen kleinen Gehäusen erfüllt sind. Die
3V2 Millim. messende Schale hat 5 Umgänge, die sich um eine
centrale Blase legen. Der Fund stammt von Dr. Eoth und lie-
gen die Originale in München.
Dieselbe Art füllt auch die Kalke am Fuss der Pyramiden,
dessgleichen fand ich sie zu Benihassan, wo sie wie in Europa
jüngere tertiäre Schichten füllt. Um Jerusalem steigt sie aber
in die obere Kreide herunter, wesshalb ich ihr den Zusatz
var. prima gebe.
N. cretacea Taf. 11, Fig. 8 a, b, c. Wäre das Stück, in
welchem diese Nummuliten stecken, nicht eigenhändig von mir
aus den festen, anstehenden Hippuritenkalken des Wadi Jos
geschlagen worden, so hätte ich grossen Anstand genommen,
mich einer derartigen geologischen Häresie schuldig zu machen
und Nummuliten in die Kreide zu versetzen, oder vielmehr ein
Gebirge Kreide zu nennen, das Nummuliten führt. Aber die
Sache ist einmal so. Nicht nur, dass auf ein und demselben
Handstück Hippuritenfetzen mit den Nummuliten liegen, sondern
dass an ein und derselben Felswand über den Nummuliten noch
Hippuriten und weiterhin Ammoniten sich finden. Ich gestehe,
dass mich diese höchst ungewohnte Thatsache höchlich über-
raschte, fast unangenehm berührte und da ich auch fernerhin in
Syrien Nummuliten begegnete, wo ich des übrigen geognosti-
schen Horizontes halber noch keine vermuthete, so konnte ich
mich dem Vorhandensein von Kreide - Nummuliten nicht mehr
verschliessen und schliesse mich in dieser Hinsicht viel lieber der
amerikanischen Auffassung im off. Report an, als an L. Lartet
(1. c. pag. 444), der von unmerklichen Uebergängen der eocenen
Kalke in die Kreidekalke spricht und zu dem Ende die mir
gleichfalls bekannten Orte von Samaria citirt, wo Nummuliten
unter ganz ähnlichen Verhältnissen wie um Jerusalem in Kreide-
schichten sich mengen.
Die grössten Exemplare von Nummulites cretacea messen
4 Millim. im Durchschnitt und nicht ganz 2 Millim. im Querdurch-
messer. Eine Aussenseite Hess sich noch nicht beobachten, sie
ist zu innig mit dem Kalkstein verwachsen: es liegen somit nur
— 228 —
gespaltene Exemplare vor. Auf der Breitseite zählt man 15
haarfeine Umgänge und dessgleichen Wände zwischen den Um-
gängen. Ich kenne keine zweite Art , welche eine gedrängtere
Lagerung der Kammern und der Zwischenwände zeigte. Die
Kammern selbst sind klein und undeutlich. Die Zellenwände
sitzen rechtwinkhg auf der Umgangswand auf.
N. arbiensis Conr. off. Rep. 22, 126. Die Amerikaner
stellen ihn zum Chalk. Ich habe ihn von den Bergen des alten
Samariens, jetzt Sebastieh, und vom Berg Garizim, an dessen
halbem Gehäng (el Tor) er ganze Bänke erfüllt. Zugleich traf
ich dort Pyramidella canaliculata d'Orb. Diese zweite Kreide-
species hat mit N. biaritzensis d'Arch. sehr viel Aehnlichkeit.
Ich möchte fast sagen, es seien beide identisch. Bei 8 — 10
Millim. Durchmesser zeigt die Aussenseite ein wahres Gewirre
der Zellengänge, die an Nautilus Zickzack erinnern. Zu Beni-
hassan traf ich die gleiche Art mit N. variolaria. Ich hätte
unbedingt den älteren d'Archiac'schen Namen auf unser syrisches
Fossil übertragen, wenn derselbe nicht für eine ächte Tertiärart
geschaffen worden wäre, dieses aber zum System der Kreide
gehört.
Zoophyten.
Sarcinula auleticon Gf. von Nebi Samuel. An sich ist
der Erhaltungszustand der Koralle der Art, dass eine genaue
Bestimmung kaum möglich ist. Im Uebrigen gleicht sie der
Goldfuss'schen Art, die aus der Kreide von JüHch stammt, auf-
fallend und darf bis auf Weiteres wohl mit ihr vereinigt werden.
Echiuodermen.
Discoidea cylindrica Ag. Eine in Europa sehr gemeine
Art, z. B. im untern Pläner von Rettem in Braunschweig, in der
craie marneuse von Ronen u. a. a. 0. Ein Exemplar dieses
Echinoderm bewahrt die literary society in Jerusalem aus dem
dortigen Melekeh.
Galerites albogalerus Lam. und zwar die Form angu-
losus Desor Synops. pag. 183 aus dem Melekeh des Wadi Jos.
- 229 —
Brachiopodeu (Eudisten).
Hippurites syriacus Conr. {off. Rep. 16, 84) Taf. IV, Fig. 7.
Bereits wurde erwähnt, wie schwer es halte, die zahlreich überall
an den Felswänden sichtbaren Hippuriten zu sammeln. Viele
Duzende sah ich, aber vergeblich war die Mühe, sie vom Fels loszu-
schälen ; schliesslich musste ich mich mit Einem miserabeln Stücke
zufrieden geben. H. Syriacus gleicht auf den ersten Blick einem
Cyathophyllum aus dem Uebergangsgebirge, so schmal und
schlank wachsen die einzelnen Schalen. Sie sind gebildet aus
concentrischen wie aus radialen Anwachsstreifen, die beide mit-
einander auf der Aussenseite ein ausgezeichnetes feines Gitterwerk
erzeugen. Die einzelnen Stücke sind nicht höher als 5 — 6 Centim.
und haben am Oberende l'/a Centim. Durchmesser; in halber Höhe
der Sehale wachsen junge Seitensprossen. Ich hätte vielleicht
ohne den Vorgang Conrads, welcher den Namen syriacus machte,
Desmoulins alten Namen H. organisans auf die syrische Form
übertragen. Jedenfalls stellt sich diese der genannten europäischen
Art am nächsten.
Zahlreich im Missih des Wadi Jos. In der Roth'schen
Sammlung liegen Stücke aus den kieseligen Bänken des Missih's,
in welchen nur noch der Hohlraum erhalten ist, den einst der
Hippurit füllte. Mittelst Guttapercha wru'den Abgüsse von diesen
Höhlungen erhalten, welche jetzt die Oberfläche der Schale vor-
trefflich wieder geben. Unsere Figur gibt einen solchen Abguss
wieder und zeigt viel besser als die Conrad'sche Abbildung das
Netzwerk auf der Aussenseite der Schale.
Hippurites sulcatus Defr. (d'Orb.^:)a/. /"ra^if. pl. 531). Bei
dem Mangel an vollständigen Esemplaren und dem Umstand,
dass die Beobachtung und rasche Skizzirung an den unwirth-
lichen Felswänden des Kidronthales geschah, möchte ich auf die
richtige Bestimmung der Art nicht zu viel Gewicht legen.
Eben so gut dürfte man nennen
Radiolites angeiodes Lam. (d'Orb. pl. 549) undR. acuti-
costata d'Orb. (d'Orb. pl. 550) ausserordentlich variable Muscheln,
deren Schalen von tiefeingeschnittenen Rippen bedeckt sind.
— 230 —
Im untern Kidronthale, 1 Stunde unterhalb Marsäba sitzen sie
in ganzen Colonien wie Buschwerk im Felsen und entspringen
6 — 8 Individuen Einer Wurzel.
Radiolites Mortoni Mant. Zittel, Biv. d. Gosau Tab. XXV,
Fig. 1—3, pag. 72, Taf. IV, Fig. 15. Ganze Felsen des Missih be-
stehen bei genauer Betrachtung aus den zertrümmerten Schalen
eines Rudisten, an dem das kleinste Stück die Zusammensetzung
der Schale aus kleinen viereckigen Zellen zeigt. Die Form und
Grösse der Muschel kann nicht mehr bestimmt werden, doch
weisen die Bruchstücke auf bedeutenden Umfang hin. Die dicke
Schale besteht aus horizontalen und verticalen Lamellen, die in
Abständen von '/^ — ^/^ Millim. über einander liegen, eine Struc-
tur, die zu R. Mortoni passt. Unsere Figur zeigt die Structur
der Schale unter der Loupe vergrössert.
Zittel führt dieses Fossill, das Mantell aus der weissen
Kreide von Kent und Sussex beschreibt, von Auster in Texas an
und aus der obern Kreide von Alabama. Er selbst fand es im
Gosauthal.
Lamellibranchiaten. Monomyarier.
Ostrea (Exogyra) Boussingaulti d'Orb. pl. 468 pag. 702,
eine französische Neocomspecies, von Dr. Roth auf der Ostseite
des todten Meers bei Kerak gesammelt und vielfach auch von
dem offic. Rep. erwähnt, als vom Libanon und Bhamdün stam-
mend, wo sie auf jurassischen (?) Stücken wie Amman. Syria-
cus und Trigonia Syriaca aufsitzen und zum Beweise dienen
soU, wie jurassische Petrcfacten ins Kreidemeer gerathen und so
zu sagen zum zweiten Mal versteinert seien.
Ostrea Matheroniana d'Orb. pl. 485 pag. 737 = den-
sata Conr. off. Rep. 18, 102, gleichfalls von Dr. Roth im Osten
des Bahr Lut gesammelt. Die Amerikaner fanden die Muschel
ebendort im Gebirge Moab; so weit man aus der Zeichnung
Bchliessen darf, ist die Species dcnsata mit der französischen
Art identisch. d'Orbigny hatte die Grenzen dieser Art nicht zu
enge gezogen und glatte, gerunzelte und mit Höckern vei'sehene
Exemplare darunter begriffen, die jedoch Einen Gesammthabitus
— 231 —
in der eigenthümlichen Krümmung der Schale und der diceras-
ähnlichen Drehung des "Wirbels an sieh tragen. Neuerdings
veröffentlichte *) Herr A. Kunth in Berlin die von Gerhard Eohlfs
zwischen Tripoli und Ghadames gesammelten Versteinerungen,
darunter die d'Orbigny'sche Art und zwar eine zwischen pl. 485
Fig. 4 und 5 inne stehende Mittelform, die mit unsern moabiti-
schen Exemplaren vollständig übereinstimmen. Hieher gehört wohl
auch die noch von L. v. Buch bestimmte Exog. Overwegi, welche
dieser Keisende auf dem Hammada von Tripolis in grosser
Menge **) gesammelt hatte. Durch diese Funde an so entlege-
nen Theilen der Erde (in Frankreich in der Charente, Bouches
du Rhone, Var, Vaucluse und Dordogne, in Portugal von Agoas
livres da outra Banda, in der Provinz Constantine nach Coquand,
im Süden von Tripolis und schliesslich im Osten des Jordans),
gewinnt diese Muschel als bezeichnend für das Senon-Alter der
Erde wesentlich an Bedeutung.
In diese Gesellschaft von Exogyren gehören Allem nach
auch die für jurassisch ausgegebenen Arten Ostrea virgata Gf.
off. Rep. 1, 6 — 8. vom Libanon und Bhamdün. Es ist in der
That schwer zu begreifen, wie der off. Rep. diese von Goldfuss
Tab. 76, 7 ausdrücklich als von Gretz und Tongern in Brabant
stammende tertiäre Muschel als fossil of the oolotic period
bezeichnen mag. Allerdings hat die syrische Auster viele Aehn-
lichkeit mit der Goldfuss'schen Art, aber Jeder weiss auch, wie
vielgestaltig gerade die gefalteten Austern werden und wie we-
nig sie sich zur Feststellung eines geologischen Horizontes eig-
nen. Auf solch schwachen Füssen stehen die Beweise für eine
Juraformation in Palästina, dass sie bei Licht betrachtet gerade
das Gegentheil beweisen. Ostrea Syriaca off. Rep. 2, 12 ge-
hört auch hieher, im Uebrigen hat die glatte runzlige Schale
dieser Auster überhaupt nichts Charakteristisches an sich. "Wei-
ter werden angeführt 0. scapha Rom. Nordd. Ool. Geb. 59, 3,^
der eine glatte, langgestreckte, mit concentrischen Anwachsringen
*) Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. XVIII. 2. pag. 281.
**) Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. IV. 1. pag. 152.
- 232 -
behaftete Auster von Bhamdün und Muktära sehr ähnlich, wenn
nicht identisch sein soll, und O. linguloides off. Rep. 2, 13.
Der Verfasser des off. Rep. vergleicht diese Art selbst lieber
mit O. cretacea Morton „but ü is evidently a jurassic species."
Geht man mit so vorgefassten Meinungen an eine Untersuchung,
kann man freilich unbefangene Urtheile und objective Resultate
nicht mehr erwarten.
Ostrea vesicularis Lam. ist sehr häufig. Namentlich die
Formen, die d'Orbigny pl. 487, Fig. 4 — 9 abbildet. Als Varietät
derselben sehe ich O. corticosa off. Rep. Appendix 1, 7 an,
eine zollgrosse rundliche Auster mit rauhen concentrischen An-
wachsstreifen.
Fundort: Abu Tor und Kidronthal.
Wie weit Gruphaea capuloides Conr. von Sileh in Samaria
(off. Rep. 18, 103) eine eigene Art ist oder nur eine junge vesi-
cularis, ist schwer zu sagen. Dagegen erwähne ich noch als
zu den gryphaeenartigen Austern der Senongruppe gehörig die
von Captain Wilson am Berge Quärantana bei Jericho aufgelesene
und mir mitgetheilte
Ostrea biauriculata Lam., die vollständig zu d'Orb.
pl. 476 stimmt. Ich fand sie auch im mittleren Kidronthal ober-
halb Marsäba.
Plicatula aspera Sow. d'Orb. pl. 463 aus der Roth'schen
Hinterlassenschaft, ohne nähere Bezeichnung des Orts, dem Ge-
stein nach aus der Zone der Ammoniten.
Spondylus, Steinkern. Ein 4 Zoll langes und ebenso
breites Stück, an dem sich einzelne stärkere Rippen unter
schwächeren erheben, gehört möglicher Weise zu Sp. striato-
costatus d'Orb. aus der unteren Kreide. Roth'sche Sammlung
von Jerusalem.
Pecten gryphaeatus Schi. (J anira quadricostata d'Orh.
pl. 447) ist als Hauptleitmuschel für die Turongruppe von gros-
ser Wichtigkeit.
Fundort: Nebi Samuel.
Pecten Nilsoni Gf. Synon.: P. delumbis Conr. off. Rep.
19, 40, ein glatter, halbzollgrosser Pecten von Dr. Roth aus der
— 233 -
„Wüste Jutla", von den Amerikanern aus der Gegend von Mar-
säba und von Safed (Galiläa) gesammelt. Ausserdem erwähnt
der off. Eep. noch des gestreiften Pecten ohrutus Conr, Taf. 19,
114 vom Habitus der Textoriusgruppe.
Ohne Zweifel gehört hieher auch die sog. Avicula Sama-
riensis off. Rep. 12^ 107 vom "Wadi Burkin, ein 2 Centim. grosser
Eindruck auf Stein mit 5 — 6 radialen Rippen, die in ihrer Gleich-
mässigkeit viel eher auf Pecten weisen, als auf Avicula.
Dimyarier.
Area securis Leym. d'Orb. pl. 309, Fig. 9 und 10. Eine
ebenso häufige als wichtige Muschel, die in England im Lover
Greensend sich findet, d'Orbigny aber aus dem-Neocomien der
Haute-Marne beschreibt. Nach Grösse, nach Längsrippen und
Querstreifen stimmt die Muschel ausgezeichnet zu der vonMar-
säba, Abu Tor, Berg des bösen Raths u. a. 0.
Area cenomanensis d'Orb. pl. 316 Fig. 1 — 4 begleitet
die A. securis, nur weniger häufig. Im Departement der Sarthe
bezeichnend für die untere Turongruppe.
Fundort: Marsäba.
Der off. Report erwähnt noch einer ganzen Reihe von
Area; unter denselben ist A. parallela 17, 98 identisch mit
securis und A. lintea 17, 95 mit cenojiianiensis. Die Amerika-
ner fanden sie zwischen Marsaba und dem todten See. A. subro-
tandata 17, 94 vom Kidronthal und A. fabiformis 17, 97 eben-
daher mögen schliesslich noch als eigene Arten gelten. Die in
den Jura versetzte A. brevifrons (5, 31) von Bhamdun stimmt
auffallend mit A. Passyana d'Orb., pl. 327, 1 — 2, welche in
Frankreich in der chloritischen Kreide vorkommt. Die übrigen
sind entweder unbestimmbare Steinkerne, über die man nichts
sagen kann, wie A. indurata 5, 33, orientalis 5, 36, accUvis
5, 35, oder es sind gar keine Arcakerne, wie A. Syriaca 5, 30,
was viel eher dem Steinkern einer Venericardia gleicht ; declives
5, 32 kann gar keine Area sein, sondern scheint einer 3Iya an-
zugehören, und A. subrotundata 5, 34 gleicht eher einem Car-
dium. Ebenso werthlos erscheinen die Namen Area longa App.
- 234 —
3, 18, Bhambdunenses 3, 19, cuneus 3, 21, opiformis 3, 22.
Alle diese Muschelkerne stammen aus dem Norden Syriens, vom
Libanon, von Bhambdün, Aklim u. s. w. und werden wunderli-
cher Weise dem Jura zugetheilt, wozu, wie schon mehrmal be-
merkt, lediglich gar kein Grund vorliegt. "
Astarte sub striata Leym. d'Orb. 263, 5 — 8, eine sicher
zu bestimmende Art von Marsaba, 3 Centim. hoch, 272 breit,
mit starker Schale und dem dreieckigen Zahn der Astarte. Auf
der Schale feine Streifen zwischen den concentrischen Falten,
Im off. Rep. geschieht dieser schönen Muschel keine Erwähnung,
wohl aber einer Astarte undulosa 17, 80 und 16, 81 aus
der Wüste Juda, die ich als A, formosa Fitton d'Orb. 262, 10
bis 12 bestimmt habe. Diese Art ist im Kakuhle von Jerusalem
ziemlich gemein und prägen sich Zahn und Zahnleisten sehr
deutlich auf dem Steinkern aus.
Fundort: Akabeh el Suän im Westen des Oelbergs.
Der off. Rep. erwähnt noch A. mucronata Conr. 17, 88
von ausgeprägter dreieckiger Gestalt aus dem Kidronthal. Aus-
serdem 7 Arten Steinkerne, A. lucinoides, suhcordata, Syriaca,
Orientalis, j^ervetus, engonata und arrtata, die jeder Paläonto-
loge als unbestimmbare Kerne bei Seite legen wird. In erster
Linie ist höchst zweifelhaft, ob es nur Steinkerne von Astarten
sind ; möglicherweise gehören sie zu ganz andern Geschlechtern.
Crassatella Rothii Frs., Taf. II, Fig. 9. Länge der
Muschel 1,5 Centim., Breite 1 — 1,2 Centim., die Schale mit fei-
nen concentrischen Streifen bedeckt, die in einem schmalen,
aber scharf abgetrennten Arealraum verlaufen. Der letztere
Umstand ist der Grund, die Muschel nicht zu Astarte zu stel-
len. Das Schloss Hess sich nicht erkennen. Dr. Roth sammelte
deren „im Kidron " eine grosse Menge, dessen Andenken diese
zierliche Muschel gewidmet ist.
Unser abgebildetes Exemplar stammt vom Djcbol Tor bei
Jerusalem.
Der off. Rep. bildet noch ab Crassatella syriaca von Mar-
saba (17, 100), eine 4 Centim. lange und 3 Centim. breite Mu-
— 235 —
schel, an welcher ein entsprechend grösserer Arealraum ist, als
bei C Rothii.
Cardium Hillanum Sow. 14, 1. Diese ausgezeichnete
Muschel, die an ihren vielen concentrischen, oben radial gestell-
ten Rippen auf den ersten Blick sich erkennen lässt, würde für
sich allein schon hinreichend den geognostischen Horizont be-
zeichnen, wenn auch die übrigen Kreidebegleiter fehlten. Wie
sie im sächsischen Quader, im englischen Blackdown-Greensand
und in der französischen Chloritkreide ebenso wie auch am Rio
grande in Texas häufig genug sich findet , so ist sie im
Kakühle von Jerusalem und um Marsaba ganz gemein. Eben-
so ist es eine sehr häufige Muschel am Libanon und zu
Bhamdün. — Soll die Paläontologie einen Werth haben für
geognostische Bestimmung, so dürfen so ausgezeichnete For-
men, wie die der Hillanen oder Protocardien nicht übersehen
werden, und ist es Pflicht, auf derartige Vorkommnisse hinzu-
weisen. Um so betrübender ist es, wenn der off. Rep. einen
neuen Namen macht: C biseriatuni (6, 38 — 40) und trotzdem,
dass der Verf. selber auf die Aehnlichkeit mit hillanum auf-
merksam macht, wegen der etwas längeren Schale und breiteren
Furchen die Muschel als eigne Species in den Jura versetzt.
"Wo nur auf der Welt kennt man aus dem Jura Hillane-Car-
dien? Endlich wird, um die Inconsequenz bei der Bestimmimg
der Species im vollsten Maasse zu zeigen, die gleiche Muschel
als Cardium bellum, App. 1, 3 von Marsaba (nur etwas ovaler
als biseriatum,) auch in den Chalk versetzt.
Fundort: Oelberg, Bethanien, Marsaba.
Cardium crebriechinatum Conr. offic. Rep. 41 — 43.
App. 2, 16 von Bhamdün. Unter diesem Namen sind zweierlei
Arten Steinkerne vereinigt, ein glatter ohne jede Spur von
Schaleneindrücken, eine Form, die auch in der Roth'schen
Sammlung aus der Umgegend von Jerusalem liegt. Hiemit
scheint mir auch der Steinkern von C. Syriacum, off. Rep. 7,
45 vereinigt werden zu können. Die zweite Form des cerebrie-
chinatum ist mit feinen Streifen überdeckt und gleicht dem C.
Montonianum d'Orb. 248 gar sehr. Hieher gehört wohl auch
— 236 —
C. Hermonense von der Spitze des Hermon. 3 Arten von Opis
kommen, als auf blosse Steinkerne von gewisser Dreiecksgestalt
gegründet, kaum in Betracht; es sind O. aequalis 2, 9, orienta-
lis 2, 10, obrutus 2, 12.
Corbula striatula Sow. Min. Conch. 572, 2 und 3,
d'Orb. terr. cret. 388, 9 — 13. In Frankreich aus dem Aptien,
in England aus Lover Greensand: nicht selten zuMarsaba. Der
off. Bep. bildet sie unter dem neuen Namen C. suhlineolata
(16, 83) aus dem Kidronthal ab. Ebenso wenig scheint mir C.
Syriaca von Safed (21, 125) verschieden zu sein. Corbula con-
gesta endlich (5, 37), die wieder jurassisch sein soll (warum?
ist jedoch nie gesagt), ist ein nach der blossen Zeichnung un-
bestimmbarer Steinkern.
Leda (Nucula) scapha d'Orb. terr. cret. pl. 301, Fig. 1, 2,
2 Centim. lang, 1 Centim. breit, fein concentrisch gestreift.
Diese ebenso zierliche als charakteristische Muschel für den Lo-
wer Greensand Englands kann um Marsaba und am Oelberg zu
Tausenden gesammelt werden. Sie bildet mit den nächstfolgen-
den Arten, die theilweise mit ihr zusammenfallen mögen, wahre
Ledanester, dass der Stein fast aus nichts Anderem besteht, als
den ganzen oder halben Schalen dieser hübschen, feingezahnten
Nussmuschel. "Warum der off. liep. sie N. j)erdita (17, 96)
nennt, ist nicht einzusehen. Ebenso fällt dessen Nucula crebri-
lineata (17, 92 u. 93) zusammen mit
Leda subrecurva d'Orb. terr. cret. 301, Fig. 7 — 11. Der
Wirbel steht hier nahezu in der Mitte, die Ausschweifung der
Unterseite am Vorderrand der Muschel ist nur unbedeutend.
Vorkommen das gleiche wie bei scopha. Die Schale gleichfalls
fein concentrisch gestreift.
Leda Ecnauxiana d'Orb. terr. cret. pl. 304, Fig. 7 — 9.
Der Wirbel nach unten gerückt, dass die Schale eine dreieckige
Gestalt erliält, gleichfalls fein concentrisch gestreift. Vorkom-
men mit den vorigen. Syn.: Nucula ahrupia off. lirp. App.
3, 20.
Fundort: Marsaba.
Leda Cornoueliana d'Orb. terr. cn't. pl. ."^00, Fig. 6 — 10.
- 237 -
Eine glattschalige Muschel, der Wirbel bedeutend nach unten
gerückt. Gehört zu dem Typus der Ovalen, der im untern Jura
so häufig ist. Vorkommen mit den vorigen.
Diese vier Arten sind die häufigeren. Der off. Report er-
wähnt noch einer zoUgrossen, concentrisch feingestreiften Muschel
vom Kidron, die N. perovata 17, 9 genannt wird. Ausser die-
ser auf Grund von Steinkernen fünf Arten vom Libanon und
von Bhamdun, nämlich N. submucronata 2, 14, parallela 2, 15,
syriaca 2, 16, myiformis 2, 17 und perohliqua 3, 18. Als die
ausgezeichnetste Art unter denselben wird Nucula myifoTmis
angesehen, eine 2 Centim. lange und 1 Centim. breite glatte
Art aus der Gruppe der Ovalen.
Lucina campaniensis d'Orb. terr. cret. pl. 283 Fig. 11 nenne
ich eine ganz ausgezeichnete, 3,5 Centim. lange, 2,5 Centim.
breite Lucina mit starken concentrischen Rippen aus dem Leda-
lager von Marsäba. Der off. Rep. kennt sie nicht, was er Lu-
cina syriaca 10, 57 und suhtruncata 15, 76 nennt, sind Stein-
kerne von ganz andern Muscheln. Aehnlich ist Lucina Safe-
densis 19, 115, eine fast kreisrunde, mit groben concentrischen
Rippen bedeckte Lucina.
Trigonia distans Conr. (off. Rep. App. 4, 27), Taf. II,
Fig. 14, 4 Centim. hoch, 3V'2 Centim. breit, mit breitem, glat-
tem Arealrand, der mit einem glatten Kiel an den starken con-
centrischen Rippen aufhört. Die Wirbel sind stark nach hinten
gekrümmt. Aechtes Trigoniaschloss, die Schale dick und stark.
Diese Muschel von Marsäba steht der europäischen Tr. Coquan-
diana d'Orb. terr. cret. pl. 294 Fig. 1 — 4 am nächsten, die sich
in der Turongruppe von Castellane (Basses alpes) findet, doch
unterscheidet sich distans durch ihre dreieckige Form, den Kiel,
der die Rippengegend von dem Arealraum trennt, specifisch von
Coquandiana, dass ich gerne den Namen des off. Rep. auf-
nehme, womit diese jedenfalls typische Kreidemuschel bezeichnet
wird.
Fundort: Marsäba.
Der off. Rep. hat noch weitere Trigonien aufgeführt, die ich
nicht fand, namentlich fällt Tr. sinuata Park, auf (App. 4, 26),
— 238 -
6k sie gleich mit einem neuen Namen Tr. syriaca belegt wird.
Die vielen Steinkerne vom Libanon und von Bhamdün werden
unter den Namen Tr. syriaca 3, 19—23, alta 4, 24, cuneifor-
mis 3, 21 gegeben und wieder in Jura versetzt. Obgleich Stein-
kerne, sehen die Exemplare nichts weniger als jurassisch aus,
haben vielmehr mit der Gruppe der scabrae Aehnlichkeit. Tr.
cuneiformis z. B. scheint mit caudata Agassiz zu stimmen.
Cyprina inornata d'Orb. terr. cret. 272, 1—2. Roth'sche
Sammlung von Ain Kerm beim St. -Johann -Kloster. Isocardia
crenatxda Conr. off. Eep. 4, 26 von Aklim el Jurd und von
Bhamdun scheint mir das gleiche zu sein.
Pholadomya fabrina Ag. d'Orb. terr. cret. 368, 6 u. 7.
Oblonge, nur wenig aufgeblähte Muschel, engstehende radiale
Rippen kreuzen mit Anwachsstreifen. Grösse und Aufblähung
stimmt mit der französischen Art von Perte du Rhone. Roth-
sche Sammlung von Jerusalem. Dem Gestein nach aus dem
Lager des Ammonites rhotomagensis. Vgl. Ph. syriaca off.
Rep. 2, 17.
Ausser den genannten Bivalven, die mir sämmtlich durch
die Hände gingen, finde ich im off. Rep. erwähnt:
Inoceramus aratus 19, 113 von Nebi Musa, den ich ge-
radezu J. Lamarki nennen möchte, als bekannte Leitmuschel
für obere Kreide; ausserdem noch
J. syriacus 2, 14 und elevatus 2, 15 von Aleih. Dagegen
ist J. Lynchii 8, 47 eher alles Andere, nur kein Inoceramus.
Mactra petrosa 8, 48 Bhamdhün, pervetus 8, 49 Akltm,
areif ormis 8, 50 Bhamdün, syriaca 8, 51 Bhamdün sind sammt
und sonders unbestimmbare Steinkerne von etwas verschiedener
Form, beiläufig 1 Zoll gross. Es ist ebenso zweifelhaft, ob sie
nur zum Geschlecht Mactra gehören, als sich Venus syriaca 9,
52 und indurata 9 , 53 von el Jurd oder perovalis App. 1 , 2
von Kerak nur halbwegs mit Sicherheit bestimmen lassen.
Von Bhamdün wird ferner erwähnt Pholadomya decisa 7,
44, die mit Ph. Archiacana d'Orb. terr. cret. pl. 364 viele Aehn-
lichkeit hat und Panopaea pectorosa 7, 46 und orientalis 4, 28
Steinkerno, die nach der blossen Zeichnung nicht zu bestimmen
- 239 -
sind. Sie sieht ebenso gut -wie ein Myacites aus dem Muschel-
kalk aus und kann lediglich nichts entscheiden. Eine der ge-
meinsten Muscheln soll Tellina syriaca sein 10, 59 — 61, aber
nie anders denn als Steinkern. Fundort Bhamdün und Mezraah.
Endlich ist noch von Lithodomus cretaceus 17, 101 die Rede,
von Nablus am Garizim, in Gesellschaft von Nummuliten.
Gasteropoden.
Dentalium syriaeum Conr. Safed (off. Rep. App. 1, 1),
4 — 5 Centim. lange Eöhre, stark gekrümmt und bei seiner
schwachen Schale stets zerdrückt im Gestein. Anwachsrunzeln
beobachtet man kaum, sonst würde ich die Muschel ohne An-
stand D. Mosae Bronn. Gf. 166, 10 nennen, mit welchem sy-
riaeum jedenfalls viele Aehnlichkeit hat.
Dentalium Wilsoni Frs. Taf. IV, 12. Die dünne Schale
widersteht dem Druck im Gebirge nicht, wir finden daher meist
zusammengedrückte Röhren, doch ist bei einigen eine entschie-
den ovale Mundöfl&iung zu beobachten; gestruppte Falten be-
decken in concentrischen Ringen die Röhre. Ich fand diese
gleichfalls zur Gruppe des D. Mosae gehörige Muschel auf dem
südlichen Berge bei Marsäba gemeinsam mit Captain Wilson,
nach welchem ich die Muschel benenne.
Dentalium octocostatum Frs. Taf. lY, Fig 13. Schale
stärker als die vorangehenden; der ganzen Röhre entlang zie-
hen sich mit grosser Regelmässigkeit 8 Gräthe, die hart bis
zum Mundsaum verlaufen; neben diesen radialen Rippen decken
übrigens auch feine concentrische Streifen die Schale. Fig. 1 a
Mundöffhung, b ein Querschnitt der Röhre.
Fundort: Ledabänke von Marsäba.
Actaeonella syriaca Conr. off. Eep. App. 5, 40 vom
Sabbate river am Libanon. Die Abbildung ist übrigens so
mangelhaft, dass eine bessere folgt Taf. I, Fig. 2. Die Schale
ist glatt und länghch oval, 4 Umgänge nehmen V* Raum, der
letzte Umgang ^4 ein. Die MundöflFnung bildet einen geraden
Längsschnitt und endet in einem rückwärts gebogenen Canal.
Die Spindel hat 3 starke Falten. Die Schale selbst ist ver-
— 240 —
schwunden , aber der Hohlraum , in dem sie gelegen , gibt in
Guttapercha die Form deutlich wieder.
Fundort: Feuersteinbänke des Wadi Jos.
Actaeonella Salomonis Frs. Taf. IV, Fig. 1. 6 Centira.
lang. Der letzte der 6 Umgänge nimmt V^, die 5 andern 's
des Schalenrandes ein. Auch hier können die 3 Falten an der
Innenseite der Spindel nicht übersehen werden, welche die
Muschel in die Nähe der gleichfalls ausgestorbenen Nerineen
bringt. — Beide Arten von Actaeonellen lassen sich zwar mit
europäischen Formen nicht vereinigen, aber die Existenz von
Actaeonellen überhaupt ist wichtig genug, die (d'Orb. pal. franc.
gast. terr. cret. pag. 108) bis jetzt aus keiner andern Periode
als der Kreidezeit und speciell der chloritischen Kreide bekannt
sind. d'Orbigny nennt sie daher eine ebenso geologisch als
zoologisch festgestellte Gruppe.
Fundort: Feuersteinbänke des Wadi Jos.
Phasianella Absalonis Frs. Taf. IV, Fig. 3. Möglicher
Weise auch ein anderes Geschlecht, das nach dem Hohlraum,
den die Schale einst im Feuerstein gelassen hat, nur schwer
noch herzustellen ist. Die Form der Schale stimmt im Allge-
meinen mit Pli. gaultiana d'Orb., nur zeigt sich bei Absalonis
noch eine kleine Treppe an der Naht und feine Längsstreifen
auf den Umgängen.
Fundort: Feuersteinbänke im Missih des Wadi J6s.
Trochus Astierianus d'Orb. terr. cret. pl. 176, Fig. 16.
Es stimmt, was Form und Gestalt der Muschel betrifft, voll-
ständig diese französische Neocom-Art mit der sehr häufig in
den Kieselbänken des Hippuritenmarmors befindlichen Art. Nur
ist letztere um 1 Centim. kleiner, sie misst nämlich nur 15
Millim., während die französische Form 25 Millim. beträgt.
Doch nehme ich keinen Anstand durch Adoption des Namens
auf die innige Verwandtschaft beider Muscheln hinzuweisen,
Fundort : Feuersteinbänke im Missih vor dem Damascusthor.
Nerinea Requieniana d'Orb. terr. cret. pl. 163, Fig. 1 — 3
ist die gewöhnlichste Nerinee im harten Hippuritenkalk rings
um Jerusalem: ja sie geht selbst in den milden Melekeh des
— 241 —
Wadi Jos hinab. In letzterem lässt sich die glatte Aussenseite
der Muschel biosiegen, im ersteren liegen nur Steinkerne, -welche
angeschliffen die Spindelfalten zeigen. Jede Windung hat 2
äussere und 3 innere Falten, ganz und gar mit der d'Orbigny'-
schen Zeichnung übereinstimmend. d'Orbigny bezeichnet diese
Art als wichtige Leitmuschel für die mittlere Partie der chlori-
tischen Kreide, die er stets in seiner dritten Rudistenzone im
Gebiet des Mittelmeers und der Pyrenäen gefunden hat. Herr
Lefebre soll sie auch aus Egypten mitgebracht haben. Mit ihr
findet sich
Nerinea Fleuriausa d'Orb. terr. cret. pl. 160, f. 6 — 7,
an den verschlungenen Falten der Windung zu erkennen, ob-
gleich die syrische Form kürzer und dicker ist, als die französische.
Aus der Roth'schen Sammlung „von Jerusalem."
Nerinea Coquandiana d'Orb. terr cret. pl. 156, f. 3 — 4
ist nur als Hohlraum noch in den Missihkalken vom Mamilla-
teich enthalten. Von Spindelfalten kann somit leider nichts
beobachtet werden. Indessen stimmt die Aussenseite der Schale
mit der Zeichnung bei d'Orbigny überein.
Fundort: Missihkalk vom Mamillateich.
Nerinea abbreviata Conr. off. Rep. App. 5, 36 könnte man
äusserlich mit Trochus Astierianus verwechseln. 2 gleich grosse
Falten an der Spindel und eine schwache , etwas schief auf die
Naht gestellte Streifung der Schale stellen die Muschel zu
Nerinea. Die Amerikaner fanden sie zu Ain Anüb am Libanon,
unsere Exemplare sind aus dem Schneckenfels des Wadi Jos,
wo sie sehr häufig sind. Vergl. übrigens N. uchauxiana d'Orb.
pl. 164, 1 aus der mittleren chloritischen Kreide von Uchaux
(Vaucluse).
Fundort: Wadi Jos.
Nerinea Mamillae Frs. Taf IV, Fig. 6. Herr Missionar C.
Schick hat mir diese ganz ausgezeichnete, ob auch nur im Hohl-
raum erhaltene Muschel vom Teich Mamilla im Westen der
Stadt zugesandt. Sie schliesst sich an N. Coquandiana an, ver-
dient aber wegen der mangelnden Knoten, die nur auf den
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 3s Heft. 16
- 242 -
ersten Umgängen etwas angedeutet sind, einen eigenen Namen.
Spindelfalten leider nicht sichtbar.
Fundort: Missihkalk vom Mamillateich.
Nerinea Schickii Frs. Taf. IV, Fig. 11. Eine sehr cylin-
drische Muschel mit schmalen versenkten Umgängen, so dass
die Nähte scharf vorspringen. Drei schmale innere Falten und
Eine breite äussei-e Falte zeichnen diese schöne, um Jerusalem
vielfach zu findende Art aus.
Fundort: Jeremiasgrotte und Birket Mamilla. Der Name
ist dem um die Kenntniss der Stadt und Umgegend von Jeru-
salem so hoch verdienten Herrn C. Schick zu Ehren gegeben.
Ueber die Nerineen des off. Reports ist wenig zu sagen.
N. syriaca 12, 72 sieht allerdings der K. Gosac Rom. aus dem
obern Jura etwas gleich, nur ist sie viel länger gestreckt, als
die jurassische Art. Ner. cretacea 16, 85 von Nebi Samuel
hat feine Perlen über der Naht. N. chochleaeformis 4, 29
und Orientalis 8, 32 von Ain Anüb sind zu undeutlich gezeich-
net und ungenügend beschrieben, dass man nichts nach ihnen
bestimmen kann. Auffallender Weise haben sie die im Marmor-
kalk im Westen der Stadt so häufigen dünnen cylindrischen
Nerineen nicht gefunden, auf die vielleicht wegen des geolog.
Horizontes das grösste Gewicht zu legen ist: N. longissima
Reuss.
Nerinea longissima Reuss. Taf. IV, Fig. 10. Bei 35 Millim.
Länge hat die Schale an der Mundüffnung doch nur 5 Millim.
Durchmesser, die Umgänge sind schief gestellt und mit 3 Punkt-
reihen besetzt. Eine schwache äussere Falte ist sichtbar, da-
gegen ist von Spindelfalten nichts zu sehen, da nur Hohlräume
vorliegen. Reuss hat sie aus dem unteren Pläner; möglich, dass
N. suhaequalis d'Orb. aus Pons (Charente inferieure) dieselbe
Art ist. d'Orbigny kennt sie nämlich nur als Steinkern.
Fundort: Birket Mamilla im harten Hippuritenmarmor sehr
häufig.
Tnrritella Adullani Frs. Taf. IV, Fig. 5. Eine Turritella
mit versenkter Naht und gewölbtem Umgang, auf welchem
2 — 3 nur schwach angedeutete Längsstreifen sich hinziehen.
- 243 —
Die Mundöffnung kreisrund. Die Muschel ist in Feuerstein ver-
wandelt und ward von mir eine ganze Bank füllend auf der
Höhe zwischen dem todten Meer und Bethlehem gefunden, in
der Nähe der Höhle Adullam, nach der ich sie nenne. Sie
scheint mir dort einen Horizont im obern Turonien zu bilden
und finden sieh dabei noch gestreifte Nucula und die Schalen-
trümmer einer Pinna oder Pholadomya neben andern Gastero-
poden. Auch im kieseligen Schneckenfels vom Wadi Jos liegt
sie versteckt, freilich nur als Hohlraum erhalten. Turr. syriaca
off. Bep. 5, 42 fand ich dagegen nicht, sie ist kürzer und
deutlicher gestreift. Ebenso kenne ich Turr. magnicostata nicht
Qoff'. Bep. 10, 63) von Jezzin, welche viele Aehnhchkeit mit
der Melania Escheri aus den miocenen Schneckenkalken Deutsch-
lands hat. Turr. peralveata 20, 120 von Bhamdün endlich gleicht
auf Ein Haar den eocenen Turritellen Egyptens (s. unten).
Scalaria Rauliniana d'Orb. terr. cret. pl. 155, Fig. 1 — 4,
stark convexe Umgänge mit zarten Längsrippen und stärkeren
Querrippen bedeckt. In Europa im Sandstein des Gaults ge-
funden.
Fundort: Oestlich Marsäba in dem schwarzen bituminösen
Baculitenkalk und Nebi Musa oberhalb Jericho.
Natica lyrata Sow. d'Orb. terr. cret. pl. 172. Fig. 5. An
dieser glatten Schnecke mit ovalem Mund sind die Umgänge
rechtwinklig auf einander aufgesetzt. Gesammtlänge 16 Millim.
Fundort: der schwarze bituminöse Baculitenkalk, sog. Mosisstein
am Westrand des tothen Meers. Vergl. damit N. scalaris off.
Bep. 7, 50. Der off. Bep. erwähnt 2 grosser Steinkerne eines
gross genabelten N. indurata 11, 65 und eines weniger ge-
nabelten, aber gleich grossen N. syriaca 12, 70 von Muktära,
Libanon, Jezzin und esh Shüf, die mir unbekannt blieben.
Chemnitzia Syriaca Frs. Taf. IV, Fig. 4 nenne ich eine
Chemnitzia mit zarten schiefgestellten Querstreifen auf den Um-
gängen.
Fundort: "Westrand des todten Meers.
Rostellaria carinella d'Orb. terr. cret. pl. 207 Fig. 7
bis 8 ist eine sehr charakteristische Schnecke, die an ihren
— 244 —
breiten glatten Umgängen, auf welchen in scharfem Winkel
eine Gräthe sich erhebt, leicht erkannt wird.
Fundort: Ledabänke von Marsaba.
Rostellaria inornata d'Orb. terr. cret. pl. 210, Fig. 4
bis 5 vollständig glatte Oberfläche der Schale, nähert sich seinem
Aussehen nach bereits den eocenen Arten, d'Orb. beschreibt sie
vom St. Catei'ine bei Ronen, unser Stück ist von Marsaba.
Der Zeichnung nach off. Rep. 10, 62 ist Chenopus turriculoides
von Bhamdün identisch. Viel grösser und einem Strombus ähn-
lich ist Ch. induratus 11, 69 von Bhamdün und Ch. syriacus
12, 71 ebendaher 3 Zoll lang und gestreckter in seinen Win-
dungen, gleichfalls Steinkern.
Ein Strombus pervetus 13, 73 kann mit der eocenen Art
des Kressenbergs und Mocattams verglichen werden.
Ausser den aufgeführten Gasteropoden erwähne ich noch
den Steinkern einer Pyramidella., vom Chan Lubban in Samaria,
wo man vom Gebirge Juda in die fruchtbare grüne Ebene Sama-
riens niedersteigt. Unsere Schnecke sieht der P. canaliculata
d'Orb. etwas ähnlich, nur sind die Umgänge regelmässig convex
und nicht so treppenartig aufgesetzt. Die Arten des off. Eep.
betreffend ist ein Phorus syriacus off. Rep. 1 1 , 66 von Bham-
dün ein an sich unbestimmbarer Steiukern. Ausserdem ist noch
die Rede von Cerithum bilineaturn 5, 39 und von Cancellaria
petrosa 3, 43. Fusus Ellerii 16, 82 wird als eine feine Species
vom off. Rep. geschildert, dasselbe hat viele Aehnlichkeit mit
T. Renaunianus d'Orb. 223, 10. Aehnliche Dinge, die aber
vermöge ihrer Undeutlichkeit nicht näher zu bestimmen sind,
fand ich in dem Kakühle von Jerusalem.
Ueberhaupt Hessen sich noch eine Anzahl unbestimmbarer
Steinkerne von Bivalvcn und Univalvcn anführen, die den harten
Marmor und den weichen Kreidekalk füllen, aber bedeutungslos
sind für unsere nächsten Zwecke, die geognostische Feststellung
des Horizontes, in dem sich die Schichten von Palästina be-
wegen. Der Hauptwerth ruht in den
- 245 —
Cephalopoden.
Namentlich sind es die Ammoniten, die wie wenige andere
Fossile geeignet sind zur Orientirung. Der Fund eines einzigen
acht jurassischen Ammoniten hätte die Frage, ob wirklich die
Juraformation in Judäa zu finden wäre, endgiltig gelöst. Aber auch
nicht eine Spur von einem Jura-Ammoniten, weder aus
eigener Anschauung, noch aus irgend einer Sammlung eines
Palästina-Reisenden. Und wenn der officiel Report of the U. S.
Expedition to the dead Sea T. 14, 74 den Animon. Syriacus
ti. V. Buch (Ueber Ceratiten. Berlin 1848. T. VI, 1) zu einem
Jura-Ammoniten stempelt, so beweist dies nur, wie wenig der ame-
ricanische Verfasser mit dem Standpunkt des europäischen Wissens
vertraut war. Und doch hatte, wie H. v. Buch ausdrücklich in
seiner Beschreibung des A. Syriacus sagt, dieser Ammonit von
Beirut nach Berlin den Umweg über Newyork gemacht. Der
Missionar Schmidt, der in Begleitung von Robinson den Libanon
besuchte, hatte ihn in grosser Menge zu Bhamdün gesammelt
und dem Mineralienhändler Shepard in New-York übergeben,
durch welchen dieser erste Ammonit Palästina's erstmals nach
Europa kam und von H. v. Buch, ob er gleich mit Ceratiten-
loben versehen war, dennoch ganz richtig in das System des
Neocoms gestellt wurde.
Mit besonderem Interesse wird jedes weitere Stück aufzu-
nehmen sein, um so mehr, als die Mehrzahl derselben sich voll-
ständig an die europäischen Arten anschliesst. Die Arten wur-
den theils von mir selbst gefunden, theils von Herrn C. Schick
in Jerusalem gesammelt, der die Freundlichkeit gehabt hatte,
mich auf einigen meiner Excursionen zu begleiten und vermöge
seiner Bekanntschaft mit Land und Leuten im Stande war,
grosse bis zu 2' Durchmesser haltende Stücke sammeln zu las-
sen. Einige Ammoniten liegen in der Dr. Roth'schen Sammlung
in München, die mir meia leider zu früh verstorbener Freund
Oppel zur Untersuchung und Bestimmung mitgetheilt hatte. So
wurden sämmtliche Bestimmungen nach Originalien gemacht, die
mit Ausnahme der Roth'schen Stücke in der K. Staatssammlung
— 24G -
zu Stuttgart von mir niedergelegt wurden. Die zahlreichsten,
zugleich am sichersten leitenden Formen sind die Ammoniten
mit den ausgeprägten Kielknoten, wie sie an dem am meisten
gekannten A. rhotomagensis hervortreten. Die zweite Gruppe
umfasst die Ammoniten mit scharfem Kiel, wie ihn A. varians
zeigt, und die dritte ist die Gruppe der Mantelli, bei denen
jeder Kiel verschwindet und die Rippen gleich Schnüren
über den gerundeten Rücken laufen.
1) Ammonites Rhotomagensis Brgn. Sow. 515, d'Orb.
105, Quenst. 17, 5 ist in Centraleuropa die Hauptleitmuschel
der chloritischen Kreide (Rouen, Mt. Sainte Catherine) oder des
Chalkmarl (Sussex, daher auch Sussexianus Mantell), ebenso
findet er sich in der chloritischen Kreide von Castellane und
Bareme (Basse Alpes) und vielen andern Orten. Unser Exem-
plar, das Dr. Roth beim Kreuzkloster zu Jerusalem fand, stimmt
weniger mit dem Sowerby'schen Original überein oder dem d'Or-
bigny's, die von England und Nordfrankreich stammen, als mit
der südfranzösischen Form, die Quenstedt von Syn zwischen
Castellane und Escragnolle abbildet. An der englisch-französi-
schen Form gehen einfache Rippen von der Naht zum Rücken
hin, während der südfranzösische Typus einige Rippen einfach
gespalten zeigt. So ist denn auch unser Rhotomagensis von
Jerusalem. Mundöffnung oblong, jede Hauptrippe trägt auf der
Naht einen rundlichen Knoten, von dem aus sich einige der
Hauptrippen einfach gabeln. Ehe die Wölbung zum Rücken
hin anfängt, erhebt sich auf jeder Ri})pe, auch den durch Gab-
lung entstandenen Nebenrippen, ein zweiter Knoten und ein
dritter länglichter Knoten auf dem Rücken. So erhalten wir
3 Paare Knoten, die auf den Rippen anschwellen. Eine weitere
unpaarige Knotenreihe läuft über dem Sipho hin. Der Ammonit
ist so involut, dass nur die erste seitliche Knotoureihe sichtbar
ist. Von Loben sieht man leider nichts. Den gleichen Ammo-
niten sah ich in Händen des Captain Wilson, der ihn vor dem
Thore an der Jaffastrasse gelegentlich seiner Messungen auf dem
Felde fand; auch vergleicht der o/f. Eep. den Anmi. Safedensis
Taf. 21, 124 mit dem Ammoniten von Rouen, indess stimmt die
— 247 —
dortige Zeichnung mehr mit Amm. varians, der sich in Gesellschaft
des rhotomagensis ebenso bei Jerusalem findet, als anderswo in
Europa. Wenn dieser Ammonit auch in St. Fe de Bogota in
Südamerika sich findet, woher H. v. Buch ihn citirt, so erhöht
diess den Werth dieser Leitmuschel nur und wird der Geognost
in den Horizont der chloritischen Kreide und des oberen Grün-
sandes eingeführt, ob auch keine Spur von Chloritkörnern petro-
graphisch den Horizont ankündigt.
Fundort: Jerusalem.
Ammonit es rusticus Sow. pl. 177 (d'Orbigny's rusti-
€us pl. 111 ist ein entschieden anderer Ammonit) ist, wie es
scheint, der gewöhnlichste Ammonit um Jerusalem, von dem
mehrere Exemplare vorliegen. Eines fand ich selbst in dem
Kreidesteinbruch (Kakühle), der am Fussweg von Bethanien
nach der Stadt führt, die anderen sammelte mir H. Schick auf
der Ostseite des Oelbergs; der Horizont ist ein etwas höherer,
als auf der Jaffastrasse mit A. rhotomagensis.
Dieser Ammonit wird von Bronn (Lethäa 722) und nach
ihm von Quenstedt (Cephalop. 215) nur als Varietät von A.
rhotomagensis angesehen. Möglich! Eine Varietät, die in einer
bestimmten Gegend constant wird, verdient jedenfalls einen eig-
nen Namen und erhebt sich zur Selbständigkeit einer besonde-
ren Art. Der Ammonit ist evolut, während rhotomagensis ent-
schieden involut ist. Einfache, niemals gespaltene Rippen, von
einander abstehend, tragen je 2 rundliche Knoten. Sobald die
Schale grösser wird und 1 Fuss Durchmesser erreicht, verschwin-
den die Rippen, aber rohe grosse Knoten bleiben auf der glat-
ten Schale sitzen. Die unpaarige Knotenlinie zieht sich über
den Rücken, so dass die ganze Ammonitenschale mit 5 Knoten-
reihen bedeckt ist. Die Loben sind massig und breit, viel ge-
zackt, aber nicht tief gespalten und ebendamit ganz andere, als
die mageren, tief gespaltenen Loben des rhotomagensis, so dass
wir vollends keinen Austand zu nehmen brauchen, den Sowerby-
schen rusticus als besondere Species beizubehalten.
Ammonites Lyelli Leymerie d'Orb. pl. 74, Quenst. Ceph.
10, 3 ist eine so ausgezeichnete Art, dass sie nicht wohl ver-
- 248 -
kannt werden mag. Eine unpaarige Knotenreihe über dem Rü-
cken, drei paarige auf den Seiten, die auf einfachen Rippen
aufsitzen, knüpfen wieder an A. rhotomagensis an, dessen Vor-
läufer im untern Gault unser Ammonit in Europa ist. Im Nor-
den und Süden Frankreichs charakterisirt er den untern Grün-
sand (rhotomagensis den oberen), bleibt übrigens immer klein,
ist verkiest und in ausgewachsenen Exemplaren nicht bekannt.
Am Oelberg findet er sich über fussgross in Gesellschaft des A.
rusticus, varians etc. Ausser der europäischen Form mit den
drei Paar seitlichen Knotenreihen finden wir eine weitere mit
vier resp. fünf Paar solcher Knotenreihen neben der unpaarigen
Rückenknotenreihe. Die Loben stehen aber so ziemlich in Einer
Linie.
Unser grösstes Exemplar (gegen 11 Zoll), das wir Herrn
Schick verdanken, zählt auf seinem letzten Umgang, der bereits
einen Theil der Wohnkammer bildet, 5 Paar Knoten auf jeder
Seite, die nur durch schwache Rippen untereinander verbunden
sind, also 11 Knoten auf der Windung. Die 3 ersten Knoten
sind rundlich, die 4. und 5., wie auch die Rückenknoten lang
gestreckt.
Fundort: Oelberg bei Jerusalem.
2) Ammonites varians Sow. Min. Conch. pl. 176, Quenst.
Ceph. 17, 4, d'Orb. pl. 92, 2. Mit diesem Ammoniten beginnt
die Gruppe derjenigen Formen, welche einen scharfen markirten
Kiel auf dem Rücken tragen. Die Rippen, die sich gerne spalten,
fangen au der Naht mit einem Knötchen an und bilden durch
weitere Knotenbildung am Spaltungspimkt und am Ende der
Rippe eine ganze Reihe manchfaltiger Formen und Uebergänge
von einer hochmündigen knotenlosen Spielart an bis zur breit-
mündigen, stachligen Form.
Wir haben aus der Dr. Roth'schen Hinterlassenschaft in
München eine der hochmündigen Formen von „Jerusalem" zur
Untersuchung erhalten. Das Gestein ist hart, ganz ähnlich
dem, in welchem A. rhotomagensis steckt. Die Rippen fangen
mit einem Knoten an und dieser Knoten bildet zugleich den
— 249 —
Ausgang für die Spaltung der Rippen, die von hier aus sich ein
wenig nach vorne schwingend zum gekielten Eücken hinziehen.
Ammonites rostratus Sow. pl. 173 schliesst sich
ebenso an varians an, wie rusticus an rhotomagensis. 2 Kno-
tenpaare entstehen auf den Seiten und erheben sich auf den
Rippen, die jedoch mit dem Wachsthum der Schale fast ver-
schwinden. Ob Sowerby's rostratus, wie d'Orbigny glaubt, nur
eine Spielart von varians sei, lasse ich dahin gestellt sein; der
Ammonit vom Oelberg, der, wenn er irgend einer europäischen
Art verglichen wird, nicht mit varians, aber mit rostratus Sow.
stimmt, ist jedenfalls eine ganz ausgeprägte Form, die mit kei-
ner andern verwechselt werden kann. Die Windungen greifen
nur so wenig übereinander, dass beide Seitenknoten noch sicht-
bar sind. Die Loben sind breit, aber doch tief gespalten. Der
erste Seitenlobus überragt die übrigen an Grösse und schiebt
sich zwischen den beiden Seitenknoten hinein. Von A. rostra-
tus liegen zwei Exemplare vor uns, einer vom Oelberg, der an-
dere vom nahen „Berg des bösen Raths" ; eines der Stücke
misst 1 Fuss und hat in dieser Grösse noch keine Wohnkammer
angesetzt, so dass der ausgewachsene Ammonit zum mindesten
auf 172 Fuss Grösse geschätzt werden mag.
Ammonites Goliath Taf. IV, Fig. 18 a. b. Der Riese
unter den Ammoniten, der über 2 Fuss erreicht. Die Schale ist
flach, die Windungen evolut, die Mündung fast dreimal so hoch
als breit, der Kiel scharf. Die inneren Windungen sind nur
wenig von der letzten äusseren verschieden. Die Windungszu-
nahme der drei letzten Umgänge ist 1 : 2^2 : 6. Die Schale ist
nicht glatt, aber ist auch nicht gerippt, nur leichte, wellenför-
mige Erhabenheiten decken die Seiten und leichte, rundliche
Anschwellungen beobachtet man an Stelle der Knoten. Auf den
inneren Umgängen könnte man etwa noch von Rippen reden,
aber mit dem Wachsthum verschwinden sie mehr und mehr,
um den leichten Erhebungen Platz zu machen, die von der Naht
über die Seite hinziehen und in einer leichten Knotenanschwel-
lung endigen. Das letzte Viertheil der Seite, das zum Kiel
verläuft, ist glatt und mit eigenthümlichen Längsstreifen bedeckt,
- 250 —
wie' wir sie von liasischen Ammoniten her, z. B. A. striatus,
kennen.
Unter dem scharfen Kiele, wie ihn z. B. die Falciferen
und Cristaten tragen, läuft der Sipho mit seiner braunen horn-
artigen Hülle hin, der sich aus dem lichten, mehligen Kreide-
kalk an den Bruchstellen als scharfes Band aushebt. Anfangs
dachte ich an eine Grössenentwicklung des A. varians, die in
Europa nicht bekannt wäre, doch ist an ^1. variam- eine Längs-
streifung der Schale noch nicht beobachtet worden, wie andrer-
seits bei A. Goliath sich nie eine Spaltung der Rippen beob-
achten lässt, die dem A. varians eigeuthümlich ist, so wenig
als die schiefe Stellung der Rippen auf dem Umgang, wie sie
A. varians zeigt. Die Rippen und Wellen stehen vielmehr alle
radial zum Mittelpunkt des Ammoniten, beziehungsweise recht-
winklig auf der Nahtlinie. d'Orbigny bildet pl. 94 einen Amm.
Goupilianus aus der chloritischen Kreide von Mondragon ab.
An diese Art erinnert A. Goliath etwas, nur unterscheidet sich
dieselbe durch involute Form und falciferenartigen Charakter
der Rippen, was letzterem fehlt. Loben sind leider au beiden
Exemplaren, die vor uns liegen, nur unvollständig zu beobach-
ten. Der zweite Seitenlobus ist gross und tief gespalten und
hängt in zwei Gabeln herab als Anfang des Kahtlobus; der
erste Seitenlobus ist verhältuissmässig kleiner und kürzer, ein
Verhältniss, das an die Lobenform des A. angulatus im Lias
erinnert.
Der Fundort ist der Oelberg, der Ammonit findet sich in
demselben Steinbruch wie rusticiis, rostraius u. A., das ankle-
bende Gestein ist der sog. Kakühleh.
3) Ammonitcs Mantelli Sow. pl, 55, Quenst, Ceph. 17, 8.
Dieser wie der nächstfolgende Ammonit bildet wieder eine neue
Gruppe, die mit den vorangehenden nichts mehr gemein hat, weder
Kiel noch Kielknoten, sondern schuurartigo Rippen, die über
den rundlichen Rücken sich hinziehen. Es liegt zwar nur ein
Umgang dieses Ammoniten vor, den Hr. Schick vom „Berg des
bösen Raths" gesammelt hat, aber die Art stimmt. Die Rippen
sind einfach, beginnen an der Naht mit einem schwachen Kno-
— 251 —
ten und laufen mit kaum merklicher Knotung zum Rücken, wo
eine schwache Siphonaldepression auch die Rippen erfasst.
Fundort: Berg des bösen Raths bei Jerusalem.
Ammonites fissicostatus Phil. d'Orb. pl. 76 schliesst
sich an Martelli an, dessgleichen an A. navicularis Mant. (Sow.
555) und kann man schliesslich über die Berechtigung der Art
streiten. Jedenfalls stimmt unser Jerusalemite ganz ausgezeich-
net zu fissicostatus. Ich habe ihn selbst am Weg von Jezzin
nach der Stadt gefunden, wo er im gleichen harten Kalkstein
steckt, wie A. rhoiomagensis.
Fundort: Zwischen Jerusalem und dem Dorf Jezzin.
d'Orbigny spricht von einer aufgeblähten und einer schmal
gedrückten Form, letztere mit oblonger Mundöflfnung. Diess ist
unsere Form. 30 Rippen laufen gleich dicken Schnüren über
den Rücken und entspringen auf der Naht je zwei aus Einem
Knoten, Als verwandt kann auch A. Mületianus d'Orb. pl. 77
verglichen werden, eine Art, die ich im Besitze des Captain
Wilson gesehen habe.
Ammonites bicurvatus Mich. d'Orb. pl. 84, pag. 286.
Dieser comprimirte Ammonit mit länglicht ovaler Mundöflfnung
hat noch seine Schale, deren charakteristische Sreifung über die
Identität der Art keinen Zweifel lässt. Das Exemplar ist zwar
nicht vollständig, stellt aber ein 4V2 Zoll Durchmesser haltendes
Thier vor, dessen äusserer Umgang glatt ist mit kaum ange-
deuteten Streifen, während die innere Windung deutlicher vom
Nabel aus sichelförmig über die Seite hinziehende Rippen zeigt.
Auch diese Rippen sind nur leichte, 1 Millim. dicke Erhebun-
gen, die erst wieder gegen den schneidenden Kiel hin sichtbarer
hervortreten.
Die Species ist eine ganz ächte, nicht zu verwechselnde
Kreidespecies aus dem Departement Aube und Ardennes und
wurde von mir selbst aus den Kakühlebänken zwischen dem
Oelberg und Bethanien herausgeklopft.
Der off. Rep. kennt auffälliger Weise keinen dieser Ammo-
niten (über A. Safedensis s. o. pag. 246), ein Amfn. Ubanensis
— 252 —
6, 46 ist erwähnt, indessen will die rohe Zeichnung bei dem
Mangel einer Beschreibung Nichts sagen.
Baculites anceps Lam. d'Orb. terr, cret. Ceph. pl. 139,
Fig. 1 — 7 ist bei der grossen Häufigkeit, in der er sich am
Westgehänge des todten Meers und im unteren Kidronthal findet,
vielleicht das wichtigste aller bisher genannten Fossile, denn man
kennt bis jetzt sein Vorkommen noch aus keiner anderen
Schichte, als aus der mittleren chloritischen Kreide
im Gebiet des europäischen Mittelmeers. Nach
d'Orbigny's Untersuchung findet der alte Lamarck'sche Name
B. vertebralis auf unsere Art keine Anwendung und verstand
Lamarck unter B. vertebralis nicht unsere der chloritischen
Kreide entstammende Art mit dem ovalen Querschnitt und der
glatten Schale, auf der sich wellige Anwachsstreifen bauchig
zum Rücken hinziehen.
üeber die Identität der Art von Frankreich und vom todten
Meer ist mir kein Zweifel. Unsere Figur Taf. IV, Fig. 15 a. b.
in natürlicher Grösse, mit Loben und Querschnitt zeigt zur Ge-
nüge die Identität der syrischen und europäischen Art, die bis
auf den Loben hinaus übereinstimmen. Auch darf der Umstand
sicher nicht unterschätzt werden, dass in Europa die Art ganz
strenge den Horizont der mittleren chloritischen Kreide einhält.
Das Hauptvorkommen des Bac. anceps beginnt unterhalb
Marsäba mit den bituminösen Kalken, aus denen im Sonnen-
brand das Erdpech schwitzt und den specifischen Petrolgeruch
der Luft mittheilt, den so viele Reisende, selbst einige [der
neuesten Forscher nicht ausgenommen, mit vulcanischen Gas-
ausströmungen verwechselt haben. Man darf fast sicher darauf
rechnen, dass der Baculit sich findet, sobald der schwarze Stink-
stein bricht. Da und dort ist er in Feuerstein verwandelt, wie
Fig. 17 zeigt. Ein zierliches Stück, an welchem die welligen An-
wachsstreifen seitlich einen breiten Knoten bekommen. Ich zog
es selbst aus dem Wasser des todten Meers, dem es ohne Zweifel
der Kidron einst zugeführt hat, wenn er über die bituminösen
Bänke und Nester der tiefen Schlucht zustürzt, die freilich nur
— 253 —
das Auge erreicht, nie aber der Hammer des Geognosten je
untersuchen wird.
Fische.
Die grösste Ausbeute von Fischzähnen, "Wirbeln u. dergl.
hat Dr. Roth gemacht. Seine Etiketten geben als Fundort
einfach „el Kuds" an, nach neuerlicher Nachforschung in Jeru-
salem, wo Dr. Roth gesammelt habe, ward mir der Berg Abn
Tor auf dem Wege vom Hinnom nach Bethlehem genannt. Es
gelang mir jedoch nicht, den rechten Platz zu treffen, indem
ich nur wenige Zähnchen mit Mühe fand, während in der Roth-
schen Sammlung ganze Schachteln voll liegen. Unter denselben
hebe ich aus:
Ptychodus polygyrus Ag. recherch. sur les poiss. foss.
3, 23. Die Art gehört zwar der weissen Kreide von Brighton
an, doch wird man das Vorkommen von Ptychodus überhaupt
als wichtig erachten, der bis jetzt noch aus keiner andern For-
mation gefunden wurde, als der Kreide.
Corax heterodon Reuss. Böhm. Kr. T. 3, f. 49 — 71 (fal-
catus Ag.). Seine schiefen Zähne mit der gesägten Schmelz-
kante sind nicht zu verkennen.
Lamna subulata Ag., ein ächter Haifischzahn, der mit
denen im Grünsand von Regensburg und andern Quedlinburgern
Kreidemergeln übereinstimmt.
Lamna elegans Ag. ist eine eocene Art und im Londonclay,
wie im unteren Grobkalk des Pariser Beckens zu finden. In
Jerusalem vermengt sich dieselbe mit den genannten ächten
Kreidearten; dieser Fisch begleitete, wie es scheint, die Num-
muliten, die gleichfalls die Formationsfragen missachteud vom
Eocen in die Kreide herabgestiegen sind.
— 254 —
III. Die Tertiärländer am Nil.
Das eocene Gebirge.
Da, wo die schmale Brücke des Isthmus die beiden ältesten
Erdtheile Asien und Afrika verbindet, wo der älteste Völker-
weg, den die Geschichte kennt, heutzutage durch Salzsteppen
und Wüstensand hinführt, da schliessen auch die Kreidegebirge
Palästina's, die vom Libanon bis zur Kalkwüste Tyh sich fast
unverändert gleichen, an die egyptische Eocene an. Sues mit
dem etwa 2600' hohen Ataq ah bildet den geologischen Anknü-
pfungspunct.
Am Fuss des Ataqah brechen gegenwärtig die Franzosen
Steine für die Quaibauten des Sueshafens. Der lichte, grau-
weisse Marmorkalk enthält nach der Mittheilung des Herrn Leon
Vaillant (Bullet, de la soc. geol. 1864) noch Hippuriten, *) während
das Massiv des eigentlichen Gebirges bereits der Nummuliten-
Etage angehört.
Der Ataqah ist ein Gebirge von wunderbarer Wüsten-
schönheit, das kein Reisender von Sues aus unbesucht lassen
sollte, das reinste Bild einer Felsenwüste und des ewigen Todes.
Ausser einigen Jerichorosen in den vertrockneten Giessbächen
am Fuss des Berges und wenigem Buschwerk von Kameelsdorn
und Ginster (gleiclifalls noch in der Ebene) fehlt dem ganzen
Felsenzug von einigen geographischen Meilen Grundfläche alle
und jede Spur von Vegetation. Nicht einmal Flechten haben
an den braunen glatten Marmorwänden sich angesetzt, geschweige
eine höher organisirte Pflanze. Von einheimischen Thieren ist
natürlich auch keine Rede; ausser einem Seeadler, der in den
*) Nach einer Mitthoilung meines Freundes J. Marcou vom 18;
Jan. 1866 ist auch nach Baylcs und Deshaycs Ansicht kein Zweifel,
dass es echte Hippurlton sind, -welche Herr Vaillant vom Atdqah mit-
brachte. Dagegen sind die Caprotinen, von welchen er ausserdem
spricht, die Steinkerne der Östren, Overwegi von Buch. (pag. 23Ü).
— 255 —
Felsen nistet, oder vom "Winde hergetriebenen Mücken und Heu-
schrecken trifft man keine Spur von Leben, aus dem ganzen
Berge versuchte man umsonst aucli nur Einen Tropfen Wassers
herauszupressen. In fast senkrechten Abstürzen thürmt sich
Felswand auf Felswand, ghänzend braun mit violetter Färbung.
Einzelne schneeweisse Bänke heben sich aus dem Dunkel der
Farben in der zweiten Hälfte der Höhe mit grosser Bestimmt-
heit ab.
Es kostet schon Mühe und Anstrengung, über die colossa-
len Schuttmassen zu klettern, die in der Ebene liegen und als
breiter Gürtel den Fuss des Berges umgränzen. Sie liegen da
wie Trümmerhaufen eingestürzter Burgen und Städte, als Zeu-
gen früherer Wasserströme, die vor Zeiten mit furchtbarer Ge-
walt aus den Schrunden des Ataqah hervorstürzten und ihr
Zerstörungswerk am Berge übten. Längst vergangen sind diese
Zeiten, glatt und glänzend und heiss anzufühlen liegen braun
wie ein angerauchter Meerschaumkopf die Marmorfelsen überein-
ander mit scharfen Kanten und Zacken, wie sie einst aus dem
Lager im Berge ausgebrochen waren. Ist endlich der 2 Kilo-
meter breite Trümmerwall überstiegen, so gilt es, über die za-
ckigen Schrofen und Schrunde hinanzuklimmen und Terrasse
um Terrasse zu ersteigen. Die Bänke des Gebirgs sind nach
hora 12 vertical zerklüftet und erhebt sich jede einzelne Bank
senkrecht bis zur Schichtenfläche, die treppenartig wieder etwas
zurücktritt. Die Bänke sind von ungleicher Mächtigkeit, selten
aber dicker als 2V2 Fuss, so dass man beharrlich wie auf einer
steilen Treppe, theilweise auf allen Vieren hinansteigt. Nach
dem ersten Drittheil der Erhebung betritt man eine breite Treppe;
der tiefe Felsenschrund, in dessen Nähe man aufsteigt, erweitert
sich zum breiten Wadi, in welchem der Weg zur Spitze des
Berges nahezu eine Stunde lang sich hinzieht. Weichere, mer-
gelige Bänke gaben Anlass zu der Erweiterung, Nummuliten,
Cerithien, Austern, Anthophyllen, von denen zwar nur die Hohl-
räume existiren, die Schale selber aber verloren ging, kenn-
zeichnen hinreichend den eocenen Charakter des Gebirgs. Yon
dem Wadi aus, in welchem man die eigentliche Spitze des Berges
- 256 -
umgehen muss, um sie von hinten zu ersteigen (von vorne ist
gar keine Möghchkeit), thürmen sich immer neue Felsschründe
übereinander, die gegen das Thal abfallen. In einem derselben
sieht man einen 2' mächtigen Gang von Kalkspat und rothem
Wurstmarmor ; letzterer ist der gleiche, den man in den Ruinen
von Alexandria und den Tempelresten von Memphis von den
alten Egyptern verarbeitet trifft. Zur Spitze des Atäqah
geht es schliesslich nicht anders als wie am Ostermontag am
Basler Münster hinan: es gilt, sich von Felsenknauf zu Felsen-
knauf hinanzuschwingen, unter sich eine jähe Tiefe von einigen
hundert Füssen, in welche die abgelösten Felsen mit unheimli-
chem Echo in der öden Stille hinabdonnern.
Cairo
Hokattam
Oeneffe
Sues
Timgah
Rothes Meer
Der Isthmus von Sues aus der Vogfelperspcctive vom Atäijah aus.
Aber wie lohnend ist der Ausblick hier oben! In unver-
gleichlicher Pracht liegt unter uns das blaue Meer und sind die
- 257 -
fernen Berge Arabiens bis zum Serbäl und Sinai in violette Tinten
gehüllt. Wie aus der Vogelperspective überschaut man den
Isthmus von der Bai von Sues an bis zum fernen Menzaleh, in
welchen die Arme der östlichen Nilcanäle verlaufen. Kleine
dunkle Puncto liegt Ain Musa und Sues im "Westen der Bucht,
in welche im Osten der Süsswassercanal als glänzender Faden
mündet, der vom Geneffe herüber läuft.
Auch geologisch hat man oben auf dem Atäqah die Ueb er-
sieht über das weite Tertiärland, das im Norden sich aus-
breitet, und sieht man die alten eocenen Felsen aus der miocenen
und pliocenen Sand- und Mergelebene hervorschauen.
Liegt der Atäqah gleich dem Mokattamgebirge bei Cairo
noch wesentlich ungestört und horizontal, so sind dagegen alle
die nördlichen Ausläufer der Schichten verstürzt und abgebro-
chen und ragen im Norden der Linie Cairo-Sues nur noch ein-
zelne Schichtenköpfe nackt und starr zu Tage,
Im Süden dieser Linie aber ziehen sich die eocenen Bänke
im Wesentlichen ungestört und sich gleich bleibend über sechs
Breitegrade bis zu den Katarakten des Niles hin. Mitten hinein
an diess Gebirge ist der riesige Spalt gesprungen, der dem
rothen Meere parallel läuft und in einer ähnlichen Breite wie
das rothe Meer mit dem Nilgrund ausgefüllt und vom süssen
Wasser des Sudans gespeist ist.
Die Landschaft des Eocen ist, was sich von Jetzt an von
selbst versteht, eine Wüstenlandschaft, aber eben darum ein um
so ausgeprägteres Terrassengebirge, in welchem Schichte über
Schichte lagert und jedesmal die weichere Bank die Treppe zur
nächsten festeren bildet. Eine fabelhafte Menge von Nummu-
liten kennzeichnet das Gebirge auf den ersten Blick. Ich Hess
es mir angelegen sein, durch Aufnahme von Profilen wie durch
eifriges Sammeln von Fossilen die Parallele mit dem in Europa
am gründlichsten studirten und am besten bekannten eocenen
Becken von Paris zu ziehen, das mir durch eigene Anschauung
wohl bekannt ist, fand aber bald, dass die Züge nur im grossen
Ganzen stimmen, im Einzelnen aber sich unbekümmert um die
französische Chablone frei entwickelt haben. Die Gleichartigkeit
Württemb. natnrw. Jahreshefte. 1867. 2s n. 3s Heft. 17
- 258 —
des Gesteins ist es namentlich, welche die Orientirung namhaft
erschwert, indem von unten bis oben, d. h. von den tiefst gele-
genen Krebsbänken an bis zum kieseligen Sandstein, der dem
grcs de Beauchamp und St. Oiien entspricht, nur ein und der-
selbe lichtgelbe bis lichtgraue Kalkstein herrscht. Nur an sehr
wenigen Stellen finden sich auch graue Thone und Gypse.
Ebenso fehlen zwischenliegende Süsswasserbildungen, wie solche
im englischen und französischen Eocen gewöhnlich sind, voll-
ständig.
1. Untere Lagen. Callianassa-Bänke oder
Schichten des Nummulites planulata d'Orb.
In Frankreich ttag e suessonien.
Um Cairo traf ich an zwei Stellen die untersten Lagen des
Eocens, die sich in höheren Schichten nicht mehr wiederholten:
an der Station Nro. 8, der ersten Haltstation von Cairo nach
Sues, und im Schachte Mehamed-Alis im Wadi Chascab. Am
ersteren Puncto, wohl dem tiefsten um Cairo, wo Eocen zu
Tage tritt, wurde im "Winter 1865 für die Canalbauten eine
vierschühige lichte Kalkbank, hora 3 gegen N. fallend, ausge-
hoben. An sie lehnen sich horizontale Gypsthone und Sande
an. Die Kalke sind von schmutziggelber Farbe und stecken
über und über voll Scheerenballen , die auf den ersten Anblick
an die Callianassa Fmtjasi von Maastricht erinnern. Bald zeigen
sich jedoch wesentliche Verschiedenheiten dieser Scheeren und
mitvorkommende Nummulües planulata d'Orb. verweisen die
Kalke in den Horizont der untern Eoceno. Aus den gleichen
Lagen mögen die Stücke vom Bihr el Fachmeh (Kohlenbrunncn)
sein (s. unten).
Unter den von Alfonse Milne Edward*) beschriebenen
Krebsen des Pariser Eocens scheint zwar die so ausführlieh
behandelte Callianassa Ileherti von Gue-a-Trcsmcs zu fehlen,
dagegen stimmt wohl die langfingrige Art Callianassa
*) Annales des sciences natur. IV. Ser. Tom. XIV. 1860, p. 301.
- 259 -
macrodactyla A. Milne Edw. pl. 12, 2 pag. 314. Den ge-
fundenen Stücken fehlt leider immer der bewegliche Daumen,
Hand und Zeigfinger dagegen kommen mit den Exemplaren
des Pariser Beckens überein. Auch Callianassa prisca Milne
Edw. pl. 13 Fig. 2 pag. 319 aus dem Grobkalk des Departe-
ments Eure erkennt man wieder. Neu dagegen ist Callianassa
nilotica Frs. Taf. V, Fig. 11 vom Todtenberg bei Assiüt,
dessen oberste Schichten von Fossilen wimmeln , während
die darunter liegenden 5 — 600' schneeweissen, milden Kalke
keine Anhaltspuncte bieten. Hier liegen Callianassascheeren
und Nummuliten, dass man wörtlich damit Taschen füllen kann.
Die Hand ist nahezu viereckig, auf der Aussenseite gewölbter
als auf den inneren: der untere Rand, der sich zum unbeweg-
lichen Finger verlängert, ist schneidend scharf und fein gezähnt,
der obere Rand abgerundet und von wenigen Wärzchen besetzt.
Auf der Innen- wie auf der Aussenseite der Scheerenhand sind
feine "Wärzchen angebracht und vertiefte Gruben umgeben die
Charniergegend, wo der lange bewegliche Daumen eingefügt ist.
Einzelne feine Poren bemerkt man an den Fingern, in welchen
nach Milne Edwards Bemerkung Borsten stecken.
Nicht minder wichtig ist das Vorkommen von Nummulites
planulata d'Orb. (d'Archiac et Haimes, Monogr. d. Numm. Paris
1858 pl. IX, 5—10 p. 142) am Bihr el Fachmeh in der Wüste
Chascab 4 Stunden östlich Cairo. Wir kennen diesen zierlichen
und kleinsten aller Nummuliten meist aus dem Sande, der aus
den in allen Sammlungen verbreiteten Neritina conoidea oder
ScJimideli von Guise la Motte zwischen Soissons und Com-
piegne ausfällt. In jeder dieser Schnecken stecken Hunderte
von Individuen zugleich mit Alveolina ohlonga d'Orb. und einer
zierlichen Schneckenbrut: ihr Durchmesser schwankt zwischen
V2 Millim. und 3 — 4 Millim. Die Schalen sind flach scheiben-
förmig und die kleineren Individuen linsenförmig. Auf der glat_
ten Schale schimmern lichte Streifen durch, die sichelförmig vom
Mittelpunct ausstrahlen. Diese Art füllt nun auch an den Hal-
den des Mehamed-Ali'schen Kohlenschachtes einen grauen, bitu-
minösen Stinkmergel, auf dem sich die papierdünnen Schalen
- 260 -
des Nummuliten als ebensoviele schneeweisse Puncte ausheben.
Die 3 — 4 Umgänge erkennt man deutlich, von denen der äus-
sere wie ein dünner Hauch erscheint. Die einzelnen Zellen
nehmen sich aus wie die Kammern eines Cephalopoden.
Diese Nummulitenmergel liegen auf dem Haldensturz des
Schachtes zuoberst, sind also ohne allen Zweifel aus den unter-
sten durchsunkenen Lagen. Im März 1844 wurde nämlich auf
den Rath eines französischen Geologen in dem Theil der Wüste
Tih, welcher unter den Europäern als „der grosse versteinerte
Wald" bekannt ist (zum Unterschied vom „versteinerten Wald"
anderthalb Stunden von Cairo entfernt) auf Befehl des Pascha's
regelrecht nach Steinkohle geschürft und 328 Par. Fuss tief ge-
gangen. *) Da der Schacht auf der Grenze des muschelreichen
Grobkalks und des kieseligen Sandsteins begonnen wurde und
die untersten Schichten auf der Sohle die Callianassabänke und
ältesten Nummuliten erreichen, so haben wir mit den 328' die
ganze Mächtigkeit des NummuHtengebirgos , was mit der am
Mokattam zu Tage liegenden Mächtigkeit der Schichten genau
stimmt. Der Bihr el Fachmeh hat, wie das sich kaum anders
erwarten Hess, genau dieselben Schichten durchsenkt, die am
Ausgehenden des Mokattamgebirges zu Tage gehen. Nach dem
Nivellement des französischen Ingenieurs soll die Schachtsohle
einige Fuss unter dem Spiegel des Nils liegen. Auch der Schutt-
halde nach zu urtheilen, die nach 20 Jahren noch frisch und
unverwittert daliegt, ward mit Ausnahme der Callianassabänke
keine andere Schichte durchsenkt, als die auch am Mokattam
zu Tage geht. Die Callianassabank aber liegt um Cairo bereits
unter Sand und Schutt versteckt.
Ausser diesen beiden leitenden Fossilen nenne ich nur noch
Turritella imbricataria Lam. Desh. Taf. 35, Fig. 1 u. 2 die
"Varietät mit 3 hervorspringenden Rippen. Es ist auch diese
Muschel für unteres Eocen (Suessonien) bezeichnend und begleitet
die Krebsscheeren. Am Todtenberge von Assiüt ist sie so gemein
*) Journal of the Bombay Branch of the Royal Society for July
1845, the Egyptian Deaert by A. B. Orlebar.
I
— 261 —
als jene. Noch manche andere Muschel Hesse sich anführen,
da sie sich aber auch in jüngeren Schichten wiederholt, so er-
wähnen wir sie nur in der Uebersicht über die sämmtlichen
Eocenfossile Egyptens. Dagegen muss noch auf einen Crinoiden
hingewiesen werden aus der Gruppe der Spatangoiden, der von
Niemand übersehen werden kann: Periaster obesus Leym.
Desor p. 387. Es ist ein kleiner aufgeblähter Seeigel mit tiefen,
ungleichen Fühlerblättern und einem doppelten Band, das ein-
mal die Fühlerblätter umgibt und dann in einem Winkel ab-
zweigend sich um den After schlägt. P. obesus misst 29 und
30 bis 44 und 45 Millim. Der Scheitel ist nahezu central, das
vordere Fühlerblatt zieht sich in tiefer Furche zum Mund, an
dem aufgeblähten Eande eine entsprechende Ausbuchtung ver-
ursachend. Er findet sich sehr zahlreich am Djebel Geneffe,
namentlich aber auch am Fuss der Cheopspyramide und am
Todtenberg zu Assiüt.
2. Der Baustein von Cairo. Horizont des Ceri-
thium giganteum und der Cancriden.
Am Mokattam zieht gleich zuunterst hinter den Kalifen-
gräbern eine 3' mächtige eisenschüssige, lichtgelbe Kalkbank
die Augen auf sich, als Deckel zu einem harten Nummuliten-
kalk. Die lichtgelbe thonreiche Kalkbank schliesst in Menge
Stacheln und Asseln von Porocidaris serrata d'Arch. (Desor
Synopsis VII, 20) ein, besteht theilweise aus einem Gebäcke
von lauter Cidarisresten Taf. VI, Fig. 3, das verwitternd die
zarten schmalen Stacheln in ausgezeichneter Schönheit wieder-
gibt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Nilthaies, am Fusse
der Pyramiden, wiederholt sich die Bank, wohl ganz in der
gleichen Höhe wie am Mokattam, wenn man vom Cafra aus auf
die Cheopspyramide losgeht. Darunter streckt noch ein einige
Meter mächtiger, harter, compacter Nummulitenkalk mit Peria-
ster obesus seinen Kopf zu Tag. Der Nummulit ist vorherr-
schend N. Bamondi und Guettardi. Beide Arten sind kleine
linsenförmige Körner voll radialer Streifen auf der Aussenseite
und keinerlei Körnelung. N. Ramondi Defr. d'Arch. pl. VH,
- 262 -
Fig. 13 von 6 Millim. Durchmesser und 2 Millim. Dicke. Ich
zähle 8 — 9 Umgänge an den gespaltenen Linsen. Eine centrale
Blase beobachtet man an dieser Art nicht, dagegen an der mit-
vorkommenden N. Guettardi d'Arch. pl. VII, Fig. 18. Die
Art ist ausserdem kleiner, selten über 3 Millim. messend.
Diese Nummulitenkalke mit den Cidariten sehe ich als das
Hangende der unteren Schichten an und erhebt sich darüber
am Mokattam ein 10 Meter mächtiger Baustein, der seit Jahr-
hunderten das Material für die Bauten von Cairo abgibt. Von
10 zu 10 Fuss ist ein Abgang in den Schichten, vrodurch sich
eine Gliederung des .Steins in untere, mittlere und obere Lagen
ergibt, die übrigens Ein untrennbares Ganzes bilden. Auf der
Die natürliche Sehichtenlag^e an der Sphinx nach einer Photographie.
Westseite des Nils ist die Sphinx das entsprechende Schichten-
glied, die in jener Gegend allein noch übrig ist von dem künst-
lich entfernten Gebirge, das in der ganzen Höhe der Sphinx
einst anstund. Die Sphinx selbst, das älteste Götzenbild der
Welt, der grossen Gottheit Hu (Horcm-hu) zu Ehren erbaut,
auch „der Vater des Schreckens" genannt, ist 177 Par. Fuss
lang und 60 Fuss hoch. In dieser Mächtigkeit und Ausdehnung
Hess man bei der Anlage des Bildes die Schichten stehen, die
zwischen der Sphinx und dem Fuss der Pyramide ausgebrochen
- 263 —
wurden. Wo die Grenzen der Bänke durchlaufen, ist das Bild
verwittert. Am Kopf und Hals ist in Folge fortschreitender
Verwitterung die discordante Lagerung der Schichtenlinien be-
sonders deutlich hervorgetreten, was auf unserem nach einer
Photographie angelegten Holzschnitt sehr gut wiedergegeben ist.
In den Steinbrüchen des Mokattam ist eines der gewöhnlich-
sten Vorkommnisse der schon vielbeschriebene Krabbe, dem A.
Eeuss neuerdings (1859 Denkschr. d. Wiener Akad. 17 p. 38)
den Namen Lohocarcinus gegeben; die Art hatte früher Meyer
zum Andenken an Herzog Paul von Württemberg Paulo- Württetn-
bergicus genannt. Der mitvorkommende ISTummulit ist Ramondi
Defr. Schon mit den Krabben, gewöhnlich aber in der Mitte
ist Cerithium giganteum Lam. und Nautilus imperialis Sow.
Das Gestein ist ein lichter, erdiger Kalk, aus dem sich die Fossile
in grosser Schönheit herausschälen lassen; namentlich sind die
Lohocarcinus mit ihrer schneeweissen Schale wunderbar gut er-
halten. Eine ganz eigenthümliche Erscheinung an den Schalen
der Muscheln ist die Umwandlung des kohlensauren Kalks in
Cölestin, der ausserdem in Drusen und Kammern der Nautileen
crystallisirt sich findet (s. unten pag. 267).
3. Horizont der Couoelypus und der grossen
Nummuliten (Nummulites gyzehensis und nummiformis) .
Am Mokattam beginnt mit den grossen Nummuliten und
den Conoclypen eine ausgesprochene Terrasse, welche an und
für sich zu einem geognostischen Horizont einladet. Das Ge-
stein wird härter, rauher, durch Thon- und Gypsschnüre un-
gleichartiger und füllt sich mit Bivalven aller Art, unter denen
Lucinen die Hauptrolle spielen. Ich mass 25 Meter für diesen
Horizont. Die untere Hälfte ist viel thonreicher als die obere;
hier liegt auch die Hauptmasse der Gypse, während die oberen
Bänke, 6 — 8 an der Zahl, sich mit Muscheln füllen. Jede dieser
Abtheilungen, die hinter den Steinbrüchen in Einem Profil bis
zur Spitze des Mokattam sich erheben, bildet im Innern des
Gebirgs, wie im Wadi el Tih oder gegen Süden zum Turrage-
birge, auf weite Entfernungen hin Ebenen, die zu überschreiten
- 264 -
man Stunden braucht, bis eino andere Terrasse von nur weni-
gen Fuss eine neue Treppe bildet. In dieser Beziehung ist eine
Excursion vom Süden der Stadt aus, vom Thor imterhalb der
Citadelle, ins Wadi el Tih lohnender, als der gewöhnliche Weg
über die Kalifengräber im Norden. Die erste halbe Stunde *)
führt über die Todtenstadt von Cairo an den zerfallenen und
Der Todtenberg bei Cairo am Südende des Mokattam nach einer Photographie.
zerfallenden Grabmälern und Moscheen vorbei in dem stunden-
breiten, wüsten Wadi hin. Man ist hier noch im Horizont des
Bausteins von Cairo. Bei dem ob auch noch so schwachen Fal-
len der Schichten gegen Osten braucht man doch eine weitere
Stunde, um über dessen Horizont wegzukommen. Sobald man
über die letzten rauhen Bänke weg ist, befindet man sich auf
einer weiten, endlos scheinenden Ebene, dem Horizont der Thonc.
Den Untergrund dieser Fläche bilden gelbbraune fette Thon-
mergel, der in zahllosen Gruben für technische Zwecke ausge-
*) Bei allen Entfernungen in Egypten ist der Eselschritt zu Grunde
wenn nicht ausdrücklich von einer Excursion zu Fusse die
Rede ist.
— 265 -
graben wird. Er wird in Cairo zu Töpferwaaren, Pfeifenköpfen
und als Walkerde verwendet und sieht äusserlich den oberen
Thonmergeln unserer schwäbischen Lettenkohle am ähnlichsten.
Crystallinischer Gyps durchzieht in Adern und Schnüren den
Thon nach allen Richtungen und häuft sich an einzelnen Orten
zu wirklichen Stöcken; die ganze Oberfläche hat sich nun mit
Gypscrystallen bedeckt, welche von der Sonne beleuchtet die
grosse Ebene wie Einen Spiegel glänzen lassen. Der Eindruck
ist wirklich ein magischer, Luftspieglungen aller Art erzeugen
sich, doch fühlt, da die beiden die Ebene begränzenden Gebirge
des Mokattam und Turra in grellem Weiss beleuchtet sind, das
Auge nur zu bald, dass es nicht darauf eingerichtet ist, eine
solche Masse von Licht in sich aufzunehmen. Endlich kündi-
gen einzelne Hügelgruppen von einigen Meter Höhe das Ende
der Thonbank an, sie haben eine flache Kappe *) auf, regelmässig
durch eine Austernbank gebildet. Der Hügel selbst besteht
noch aus den Gypsthonen und entging einzig nur unter dem
Schutze der deckenden Austernkappe der Verwitterung und der
Zerstörung. Am Ende der Ebene häufen Anfangs sich diese
Hügel, werden breiter und ausgedehnter und hängen schliesslich
zu Einer Treppe zusammen, über die man steigt, um nun auf
der Fläche der Austernbank eine neue Ebene vor sich zu ha-
ben. Die Gypse hören ganz auf, statt ihrer geht man auf den
Kalklamellen der Austernschalen bei einer halben Stunde lang,
bis eine neue Treppe von nur 2 — 3 Fuss auf eine neue Fläche
oder in eine höhere Schichte führt.
Diess ist der Charakter der sämmtlichen Nilberge, dass ein-
zelne Schichtenglieder alsbald stundenlange Ebenen bilden, über
die sich jüngere Schichten wieder treppenförmig erheben. Die
Treppe kündigt sich immer durch Vorposten vereinzelter Hügel
an, von denen einer wie der andere aussieht, Anfangs von ein-
facher Mützenform, hernach noch einen Rest der nächsten Treppe
auf sich tragend, was die Tafelform erzeugt. Unsere Abthei-
*) Siehe den nächsten Holzschnitt.
- 266 -
lung des Eocen oder der Horizont der grossen Nummuliton bil-
det zwischen den berühmten Zuckerfabriken des Paschahs und
Erosionserscbeinnngen am oberen Eocen im Wadi el Tih.
Benihassan die Flächen der Nilufer. Die Königsgräber von
Benihassan werden in der Regel von den Toui-isten besucht und
sicherlich vergisst Keiner, der diese Tour gemacht hat, den
halbstündigen Spaziergang vom Nilufer zu den Felsen, wobei
man im vollen Sinn des Worts auf nichts Anderes tritt als auf
ausgewitterte Nummuliten; die meisten Stücke haben sich
durch Auswitterung von Eisenoxyd blassrosa gefärbt, was einen
ganz eigenthümlichen Eindruck" macht. Treppenförmig steigt
am Rand des erweiterten Nilthals das Nummulitengebirge an,
viel mächtiger angeschwollen als am Mokattam, denn über 100
Meter haben sich mit Austern und Turritellen gefüllt, die im
Wadi el Tih kaum über 10 Meter betrag'en.
4. Obere Lagen. Austernbänke und Turritellen-
schichten. Horizont des Schizaster africanus.
Im Wadi el Tih ist dieser obere Horizont des Eoeens wohl
am deutlichsten biosgelegt : indem wir die einzelnen Bänke nicht
bloss an den Schichtenköpfen im Profil, sondern in auseinander-
gezogenen Treppenflächen beobachten können. Unter der schon
erwähnten Austernbank füllt sich ein Lager mit Gasteropoden
und Bivalven, von welchen viele noch ihre Schale haben und
zu genauerer Bestimmung der Art sich eignen. Sie sind zu
einem festen Kalkstein zusammengebacken, der am Bihr el
Fachmeh von einer Glanzkohle durelulrungen ist, die seiner
Zeit die Hoffnungen auf Flötze rege gemacht und zur Anlage
des Kohlenschachtes (s. oben pag. 260) Veranlassung gegeben
- 267 -
hatte. Ausser diesem Bitumen, das die Hohlräimie der Fossile
oder Drusen im Gestein füllt, schliesst die Bank Cölestin-Cry-
stalle ein, in welche Cidaritenstacheln, Muscheltrümmer von
Pecten, Austern u. dgl. eingebacken sind. Zuoberst endlich
kommt eine rauhe Bank, in welcher Schizaster africanus Loriol
leitend ist, zwischen inne füllt sich eine Bank mit Tiirritella
oder Scalaria irtipar, meist unbestimmbaren Steinkernen von
Bivalven und Austern. Hiemit hört das Nummulitengebirge auf,
Quarzsande stellen sich ein, rothe und braune Farben statt der
lichten, der Kieselsandstein des Achmargebirges, der ohne allen
Zweifel dem Sandstein von Fontainebleau entspricht.
Cölestin bildet schon, wie wir sahen, in den unteren Lagen
des Mokattam das Versteinerungsmittel der Muscheln. Hier treten
die Crsytalle frei ausgebildet in Drusenräumen der Kalkbänke auf.
Dieselben zeigen nach Herrn Dr. Werner genau, wie die Cry-
stalle von Girgenti die Combination:
Gradeendfläche P = co a : co b : c (erster Blätterbruch),
Rhombensäule MM = a : b co e (2. und 3. Blätterbruch),
Quersäule oo : co a : b : c,
„ dd : 2 a : CO b : c.
Vorherrschend sind o M und P, am untergeordnetsten d«
Säulenartige Verlänge-
rung in der Richtung
der Zone der Flächen
o und P, die Krystalle
erreichen in dieser Rich-
tung eine Länge von 8,c
Centim. bei einer Dicke
von 2,5 Centim.
Der 2. und 3. Blät-
terbruch lässt f ausser-
ordentlich leicht darstellen, viel leichter als bei den Crystallen
von Girgenti.
Herr A. Sadebeck berichtete im XVIH. Band der Zeitschrift
der geol. Gesellschaft in Berlin pag. 652 über diese Crystalle,
die ihm von dem verstorbenen Dr. Steudner ohne weitere Be-
Oölestin-Crystall aus dem Wadi el Tih mit
eingebackenen Fossilresten, Cidaritenstacheln,
Cardien und Kummuliten.
— 268 —
Zeichnung des Fundorts aus Egypten zugekommen waren. Herr
Sadebeck nennt sie Schwerspatcrystalle 5 „durch das Löthrohr
war bei diesen Crystallen ein Gehalt an Strontian zu erkennen,
welches schon nach den gemessenen "Winkeln zu vermuthen war.
Die "Winkel liegen nämlich zwischen denen des Schwerspats und
des Cölestins. Bei den Crystallen sind vorwiegend ausgebildet
die Fläche 0 (co a : b : c); in derselben Zone liegt noch k
(c© a : CO b : c), und die Endigung bildendie Flächen d (a : co b : c),
s (a : CO b : CO c) und M (a : b : co c)."
lieber die Identität der von mir am Mokattam und am Bihr
el Fachmeh gesammelten Crystalle konnte kein Zweifel sein
und hatte nun Herr Dr. \Yerner die Güte, einen der losen
Crystalle vom letztern Fundort zu messen. Es ergab sich
folgendes Eesultat:
Stumpfer Winkel
1
Schwerspat
Mokattam-Crystalle
Cölestin
1
1 in der Säule
t M = a : b : CO c
101 0 40-
103"
1040
des Paares
0 = eo : b : c
105" 24-
104" 103°
1
log a =
log b =
a : b : c =
9,7927893
9,8818386
0,620568:0,701796
9,7934150
9,8928098
0,621463:0,7812855:1
9,7934150
9,9006052
0,621463:0,795436:1
Die Untersuchung im Spectralapparat liefert neben den Li-
nien des Strontiums auch die des Calciums; auch zeigen die
Crystalle, in Salzsäure geworfen, ein schwaches Aufbrausen,
was, sowie der Calciumgchalt, von kleinen, dem Auge öfters nicht
mehr sichtbaren, Fragmenten der eingeschlossenen Muscheltrüm-
mer herrührt. Diese, die grösseren Muschclrestc selbst, bestehen
nämlich aus kohlensaurem Kalk und Quarz, in den sie theilweise
umgewandelt sind. In Salzsäure geworfen, brausen sie sehr
stark und hinterlassen ein zartes Skelett, das nur noch aus
- 269 —
Kieselerde besteht. Strontian enthalten dagegen die Muschel-
bruchstücke, wie die Untersuchung im Spectralapparat zeigt,
nicht. Als eine Art von Steinkernbildung findet man hie und da
innerhalb der Muschelschalen eine poröse Masse, die in Salzsäure
sich unter Brausen löst und nur wenig rostigen Schlamm neben
feinen Quarztheilchen hinterlässt, mithin nur aus feinen zertrüm-
merten Muschelfragmenten besteht.
Zur gleichen Zeit sah Hr. Bergrath Jenzsch aus Gotha bei
mir die fraglichen Crystalle vom Wadi el Tih. Mit Rücksicht
auf die Notiz des Hrn. Sadebeck unterwarf er sie einer ein-
gehenden Analyse und hatte die Freundlichkeit, mir Folgendes
hierüber mitzutheilen:
Der Cölestin aus dem Innern eines Nautilus Zickzack von
der Mokattamer Wüste ist in dünnen Splittern und Blättchen
wasserhell imd vollkommen durchsichtig, grössere Stücke sehen
dagegen weiss und gelblichweiss aus und sind weniger durch-
sichtig.
Die Härte ergab sich zu 3,25 nach zehntheiliger Scala.
Bei den kleinen Crystallen sind die Flächen *) von o cha-
grinartig und nicht sonderlich glänzend, m, d und c dagegen
gut spiegelnd. Ausserdem bemerkt man noch als Abstumpfung
der Combinationskanten von d und c die zwar glänzende, aber
unebene Fläche l und sehr klein und rauh trianguläre Flächen,
welche dem Pyramidoeder y angehören dürften.
Vollkommen spaltbar nach c, weniger vollkommen nach m.
Da die kleinen Crystalle beziehungsweise Crystallbruchstücke
sich als äusserst porös erwiesen, habe ich das specifische Ge-
wicht derselben auf doppelte Weise bestimmt und dasselbe (auf
4" C. reducirt) für Crystallbruchstückchen = 3,952 und für fei-
nes Pulver = 3,986 gefunden.
Die zahlreichen Poren scheinen, wenigstens zum Theil, mit
Flüssigkeit erfüllt zu sein ; im Kölbchen decrepitirte das Mineral
heftig und gab etwas Wasser, welches jedoch weder auf rothes
noch auf blaues Lackmuspapier reagirte. Bei Anwendung ganz
*) Zur Bezeichnung wurden die Miller'schen Buchstaben gewählt.
- 270 -
wasserheller Stückchen konnte ich keinen empyreumatischen
Geruch bemerken, wie solchen die übrigens ebenfalls aus Cö-
lestin bestehenden bräunlichen Schalenstücke des Ncmtilus unter
schliesslicher Entfärbung entwickeln.
Das Mineral als solches scheint wasserfrei zu sein, denn
das bei wenigen Graden über 100° C. getrocknete Cölestinpulver
verlor beim Glühen nur 0,04 Procent und wäre dieser höchst
geringe Glühverlust möglicher Weise einer organischen Substanz
zuzuschreiben, durch deren Annahme auch die gelblich weisse
Farbe mancher Stücke erklärt würde.
Vor dem Löthrohre in der Pincette schmilzt der Mokattamer
Cölestin zur weissen undurchsichtigen Kugel und färbt, mit der
Spitze der blauen Flamme berührt, die äussere Flamme purpur-
roth, jedoch mit einem Stich ins Gelbroth (Strontian und Kalk).
Pulverisirt mit Soda gemengt gibt er im Reductionsfeuer
auf Kohle eine weisse, undurchsichtige Schmelze, die zum gröss-
ten Theil in die Kohle geht. Namentlich an den Jahresringen
bleibt aber eine weisse Substanz zurück, die beim Anblasen
mit der Oxydationsflamme lebhaft leuchtet (sehr charakteristisch
für Kalk).
Die Analyse führte ich nach der von H. Rose verbesserten
Stromeyer'schen Methode aus und erhielt
Schwefelsäure . . 43,87,
Strontian .... 55,56,
Kalk 0,68,
Glühverlust . . . 0,64,
Summa 100,15.
Das Mokattamer Mineral erweist sich sonach als ein etwas
schwefelsauren Kalk haltiger Cölestin.
Am Mokattam beobachtet man dieselben Verhältnisse wie
im Wadi el Tih: der Kalk wird hier wie dort rauh, thonig
und sandig; die Fossile sind meist ausgewittert, ockeriger
Thoneisenstein färbt ihn, an einzelnen Nestern von Salz und
Gyps fehlt es nie, bis auf der Höhe Kicselsandsteino und Kiesel
das Profil decken. Das Profil beträgt hier gegen 15 Meter.
- 271 —
Dass am Achmar, nördlich der Steinbrüche des Mokattam, die
Grenze der Nummuliten zu dem Sandstein in ganz anderem
Niveau liegt, als am Mokattam und dem Wadi el Tih, darf Nie-
mand wundern, indem der Achmar als der nördlichste Vorberg
des Nilgebirges bereits an der Versenkung des Gebirges zum
Mittelmeer hin Theil nimmt. Hier, also im Norden des Mokat-
tam, führt der Weg über eine Stunde lang über gelbe Kalk-
mergel, bis zum Eingang in die enge Schlucht, in welcher ein
schwacher Quell (auch Mosesquelle genannt) eine kleine Oase
bildet. An der linken Thalseite, ehe man in die Schlucht zur
Mosesquelle einbiegt, kann man an einer kleinen Wand Schild-
kröten- und Knochenreste sammeln, dieselben sind aber, weil
in dem gesalzenen Mergel liegend, so bröckelig und mürbe, dass
eine Erhaltung kaum möglich ist. Die Knochen gehören Allem
nach zu einer Halianassa-Art. Nach oben (beiläufig nach 12
Meter) bilden angehäufte Muscheltrümmer eine 2 — Sschuhige
gelbe Kalkbank, aus der gefaltete Austern und die Kerne des
Schizaster africanus herausfallen. Diese Bank ist auch hier die
letzte Kalkbank, denn über ihr wird das Gebirge sandig, roth
gefärbt und liegen verkieselte Holzstämme verschiedener Grösse
im Sand, womit der Horizont des Achmargebirges beginnt.
— 272 —
Paläontologische Beschreibung des egyp-
tischen Eocens.
Pflanzen.
Apeibopsis (Cucumites Bowerb.) gigantea Frs. In den
Steinbrüchen des Mottakam zugleich mit den Krabben schält
sich nicht selten eine kugelrunde Frucht aus dem Gestein 9 bis
10 Centim. im Durchmesser. Anfangs hielt ich sie für eine
Spongie, allein die Ansatzstelle für den Fruchtstiel, die regel-
mässige Theilung in 16 Fächer veranlassen mich, das Fossil in
die Gruppe der Bowerbank'schen Cucumites von der Insel
Wight zu stellen, welche Heer neuerdings in die Nähe der
amerikanischen Apeiha stellt. Auch die in Heer Tert. fl. T. 118
Fig. 22 abgebildete A. Haidingeri zählt 16 Fächer, die egyp-
tische übertrifft sie aber um mehr als das Doppelte an Grösse.
Das Vorhandensein dieser Früchte im älteren Tertiär ist inner-
halb Europa's constatirt, und wenn auch die egyptische Art
nicht geradezu mit den europäischen übereinstimmt, so bleibt
doch die Uebereinstimmung des Geschlechts eine erfreuliche
Thatsache.
Fundort: Mokattam im Baustein von Cairo.
Amoi'phozoeu.
Manon nummuliticum Frs. Ein ächter Manon 1 — 3 Ct.
im Durchmesser, aus einem Haufwerk von Röhrenbüscheln be-
stehend, die sich radial gegen die Oberfläche des unregclmäs-
sige Knollen bildenden Schwammes hinziehen und dort in eben
so vielen Oeffnungen hervortreten.
Fundort: Benihassan. Sehr gewöhnlich, zugleich mit iVwmTTj.
perforatus und Lyelli.
Foraminiferen.
Es ist bekannt, dass die Nummulitcn der Pyramiden in äl-
tester Zeit schon die Aufmerksamkeit rege machten. Unter den
Geschichtschreibern des Alterthums ist zwar nicht Hcrodot, wie
i
— 273 —
man oft fälschlich liest, wohl aber Strabo der Berichterstatter
über die von ihm selber gemachten Beobachtungen. Dabei cor-
rigirt er den vulgären Glauben, als ob die nach Form und
Grösse wie Linsen aussehenden Körperchen versteinerte Reste
von den Lebensmitteln der Pyramidenarbeiter wären. „Denn
auch wir", sagt er, „haben zu Hause (in Amasis, jetzt Amassya
am schwarzen Meere) einen Hügel, der mit denselben kleinen
Linsensteinen angefüllt ist." Eine Beobachtung, die sich nach
den Untersuchungen Tchihatchefs vollkommen bewahrheitet hat.
Nummulites orbiculata Schafh. Leth. bav. Taf. V, 1.
XH, 4. pag. 101. Dufrenoyi d'Arch. pl. I Fig. 4 p. 89. Diesen
von Schafhäutl mit so grosser Liebe beschriebenen Nummuliten
besitze ich aus Europa am schönsten vom Steinwang der Schrat-
tenfluhe bei Luzern in einem Scheibendurchmesser von 44 Millim.
und einer Dicke von 4 Millim. 44 Umgänge zähle ich auf dem
Radius. Die gleichen Maasse finde ich an einem Stücke, das
ich am Fusse der Kephrenpyramide selbst aus dem Gestein ge-
schlagen.
[N^ummulites Gyzehensis Ehrbg. d'Arch. T. H, Fig. 6 — 8
p. 94. Hummiformis nach Caillaud. Der gewöhnlichste Nummulite
am Mokattam und an den Pp"amiden von Gyzeh. Mein grösstes
Exemplar misst 40 Millim. bei 5 Millim. Dicke. Oberfläche glatt,
doch seheinen bei einiger Abwitterung die wellenförmigen unre-
gelmässigen Zellengänge durch. Auf den entzweigegangenen
Scheiben zählt man bis zu 40 Umgänge, die gegen das Centrum
und gegen den Rand hin gedrängter stehen, als in der Hälfte
des Radius. Die Scheibe ist selten regelmässig, öfter verbogen
und mit welligem Rande. Ihr geognostischer Horizont ist über
dem Baustein von Cairo und über den bereits genannten iSfum-
muliten. Ihr Begleiter ist N. curvispira.
J^ummulites Lyelli d'Arch. pl. HI, Fig. 1 p. 95 schliesst
sich an N. gyzehensis enge an, wird nur noch grösser bis zu
50 Millim., ohne an Dicke zuzunehmen, und hat einen schnei-
denden Rand. Die Stücke liegen nicht gerade häufig in der
Gesellschaft der vorigen Art.
Cafra am Fuss der Pyramiden.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1S67. 2s u. 3s Heft. 18
— Z<4 —
Nummulites perforata d'Orb. d'Arch. pl. YI, 1 — 12
p. 115, dicke, aufgeblähte Schalen von 20 — 25 Millim. Scheiben-
durchmesser und 5— G Dicke, die Umgänge ausserordentlich dicht
gedrängt und kaum zu zählen, der Scheibenrand abgerundet
wie bei keiner andern Art.
Beuihassan, Route zu den Königsgräbern.
Nummulites Lucasaua Defr. d'Arch. pl. 7, 5 p. 124,
kleine Linsen von 5 und 3 Millim. und 6 Umgängen. Die grosse
Centralblase und eine fein puuctirte Ausseuseite lassen die Art
leicht erkennen.
Findet sich reichlich in einer Schiclite über der Sphinx am
Fuss der grossen Pyramide bei Gyzeh.
Nummulites curvispira Meneghini. Arch. pl. YI, 15
a — d pag. 127. 5 — 6 Millim. Durchmesser, mit eben so vielen
Umgängen um eine grosse Centralblase. Dicke 2 Millim., die
Kammern sind lang und gekrümmt. Die Stücke spalten leicht,
so dass die mit Puncten getupfte Aussenfläche nur selten sicht-
bar wird. Xach aussen zu werden die Kammern kleiner und
stehen gedrängter. Im Viertheil des dritten Umgangs zählt
man 8, aussen 12 Kammern. Die ^Vand zwischen den Um-
gängen beträgt V^ — \'i der Windungshühe.
Sehr gemein an den Pyramiden mit N. Gyiehensis.
Nummulites Kamondi Defr. Mokattam. pag. 20 1.
Nummulites Guettardi d'Arch. Mokattam. pag. 262.
Nummulites Biaritzensis d'Arch. pl. YIII, Fig. 4
pag. 131., 8 — 10 Millim. Durchmesser, zeigt auf der Aussenseite
ein wahres Gewirre der Zellengänge , die an die Kammern von
Nautilus Zickzack erinnern.
Findet sich zugleich mit JS'. cariolaria Sow. zu Beuihassan,
an den Grabnischen der XI Dynastien und am Todtenberg von
Assiüt.
Nummulites discorbina Schloth. d'Arch. pl.IX, Fig. 2
pag. 140. Misst 8 und 3 Millim. Die Schale spaltet nicht
gern, schiefert dagegen leicht ab. Die ^Vände zwischen den
Umgängen sind so dick, als die Kammern hoch sind. Die
Kammern sind innen am kleinsten und gedrängtesten, gegen
— 275 —
aussen werden sie weiter. Im dritten Umgang liegen 10, im
äussern 20 auf einem Yiertheil. Die Aussenwand ist mit den
sichelförmig verlaufenden Zellenwänden bedeckt.
Nummulites planulata d'Orb. S. oben pag. 259.
Fundort: Bihr el Fachmeli. Todtenberg von Assiüt.
Nummulites variolaria Sow. d'Arch. pl. IX, Fig. 13
pag. 146. Misst 3 und V'2 Millim. 5—6 Umgänge um ein cen-
trales Bläschen. Auf der Aussenseite werden Streifen sichtbar,
die sichelförmig vom Centrum zu dem abgerundeten Rande ver-
laufen.
Fundort : Benihassan und das Hangende am Fuss der Cheops-
pyramide.
Nummulites spira de Roissy d'Arch. pl. XI, Fig. 1
pag. 153. Ganz flache, dünne Schale. 15 Millim. Scheiben-
durchmesser. 2 Millim. in die Dicke. 10 Umgänge. Die Loben
ganz eigenthümlich : stehen anfangs senkrecht zum Centrum und
biegen dann rasch im letzten Drittheil ihrer Windungshöhe nach
hinten. Diese Thiere gehören wegeii ihrer deutlichen und regel-
mässigen Kammerung und den doppelt abgetrennten Umgängen
zu einer ganz besonderen Gruppe der Xumniuliten, wenn es
nicht vielleicht rathsamer ist, sie zu einem besonderen Geschlecht
zu erheben.
Fundort: Benihassan bei den Königsgräbern.
Zu den aufgeführten 13 Arten von Xummulites kommen
noch die
Hymenocyclus papyraceus Boub., die in den Alpen
z. B. in den Taminabergen bei Pfeffers eine so grosse Rolle
spielen. Der Baustein von Cairo und namentlich der Baustein
von Geneffe, der am Canal seine Verwendung findet, führt das
genannte Fossil stellenweise in grosser Häufigkeit.
Zoophyten.
Lobophyllia (Mussa) Cheopis Frs. Steinkernbildung,
die uns nur das Negativ der Coralle hinterlassen hat. Die
schwach gekrümmte Achse, von der aus büschelförmig getheilte
Lamellen strahlen, misst 5 Centim., am Steinkern liegt die
— 27(; —
Achse im Scheitel der Coralle, währond sie in Wirklichkeit in
der Tiefe liegt. Die Tiefe der Coralle beträgt 35 Millim. Der
Rand der Coralle ist wellenförmig, entsprechend der Krümmung
der Achse. Man kann am Fuss der Cheopspyramide grosse
Stöcke dieser schönen Coralle im Gestein beobachten, doch hält
es schwer, sich die Stücke selber aus dem Felsen zu schlagen.
Diess mag der Grund sein, dass sie bisher der Beobachtung^
entging und in keiner Beschreibung erwähnt ist.
Turbinolia elliptica Gf. Gleichfalls Steinkern einer
Turbinolia, die der T. elliptica des europäischen Grobkalks sehr
ähnlich ist, aber sie an Grösse weit übertrifft.
Astrocoenia Caillaudi Mich. Taf. 63, •'3. So nannte
Michelin eine Sterncoralle von Palarea (Nizza), mit welcher ein
vom Wüstensand geglättetes und ebendamit sehr undeutlich
gewordenes Stück aus der Wüste Tih am ehesten stimmt.
Im Uebrigen ist an Corallen ein auffallender Mangel.
Echinodermen.
Porocidaris serrata d'Arch. Desor Syn. T. YII, F. 23
pag. 47. Dieses bislang nur aus dem Valle Dominico bei Ve-
rona und von Biaritz bekannte Geschlecht hat in dem Kranz
von feinen Poren, der die Warzen umgibt, ein so deutlich er-
kennbares Merkmal, dass man nicht fehlgreifen kann. Am Mo-
kattam füllt sich ein ganzes Lager mit Asseln und Stacheln von
P. serrata. Bei dieser Art ist das Wärzchen von einem ge-
kerbten Halsring umgeben, an welchem ich 9 Kerben zähle.
Die bis zu G Ctm. langen Stacheln sind mit eben so vielen
Kerben an der Gelenkfläche umgeben, der Hals ist oben gleich-
falls gekerbt. Der Stamm überall mit feinen, nur unter der
Loupe sichtbaren Streifen bedeckt, auf denen an der Basis runde
Wärzchen aufsitzen, nach oben werden die Streifen sichtbar,
die in Absätzen zu kleinen Dürnchen sich erheben. Die beiden
Ränder des flach gedrückten Stammes sind sügeförmig gezähnt.
d'Archiac beschreibt diese Art von Biaritz, ohne jedoch die Ge-
Icnkflächcn zu kennen, weshalb ich Taf. YI, 3 diese ebenso
charakteristische als schöne Art abbilde.
— 277 —
Bei dieser Gelegenheit spreche ich bescheidene Zweifel aus,
ob ähnliche höchst wahrscheinlich zu Cidaris tripterus gehörige
Stacheln aus unserem weissem Jura diesem eigeuthümlichen Ge-
schlechte angehören, das denn doch der Nummulitenzeit entschie-
den zugewiesen werden muss, wo es namentlich im Gebiet der
Mittelmeergegend seine Heimath gehabt zu haben scheint. Das
Profil ist für die unteren Lagen des Grobkalks im Osten und
Westen von Cairo sehr charakteristisch.
Fundort: Cairo hinter den Kalifengräbern und am Fuss der
Pyramiden von Gyzeh,
Pseudodiadema Ruppelii Desor Syn. p. 73. Desor
führt zwar die Art als eine Kreideart von Egypten an, doch
wird diese Notiz auf der früheren Anschauung beruhen , als ob
die Berge um Cairo wegen ihres weissen kreidigen Kalksteins
zu jener Formation gehörten. Das Stück, das wir Hrn. v. Heuglin
vom Mokattam verdanken, hat 95 Millim, im Durchmesser, bei
einer Höhe von 50 Millim. Die Zahl der an Grösse sich ziem-
lich gleichbleibenden Wärzchen schwillt in der grössten Breite
der Fühlergänge auf 6, in den Zwischenfühlergängen auf
16 an.
Conoclypus conoideus Ag. Ech. X, Fig. 14. Des.
Syn. p. 319. So erfreulich es ist, in Egypten das Geschlecht
des Conoclypus wiederzufinden, das namentlich in dem alpinen
Eocen eine so bedeutende Rolle spielt, so haben die egyptischen
Arten doch immer einen gewissen abweichenden Typus. Er
weicht nicht so weit ab, dass eigene Arten gerechtfertigt wären,
aber doch ist die Verschiedenheit so gross, dass ein Unterschied
zwischen europäischen und afrikanischen Formen der gleichen
Art plötzlich auffällt. So fehlt z. B. bei C. conoideus gerade
die am Kressenberg und in der Schweiz so gewöhnliche Form,
welche der Agassiz'schen Beschreibung zu Grunde liegt, die Form,
die mit kreisförmiger Unterseite wie eine Grenadiermütze zuge-
spitzt ist. Vielmehr herrschen die ovalen Formen vor var. ga-
lerus Schafh. Leth. bav, T. XVI, Fig. 1 p. 121 und var. acu-
minatus Schafh. T. XVI, Fig. 2 p. 122, welche ich bei den viel-
fachen Uebergängen in den typischen conoideus nur als Unter-
— 278 —
art anzusehen veranlasst bin, dessgleiehen scheint mir Lucac
Des. p. 322 eine ovale, regeluiässig bombirte Form von conoideus
zu sein. Das aus dem Westen Egyptens citirte Vorkommen
dürfte übrigens nicht in die Miocene zu verlegen sein, wie es
von Desor geschieht.
Fundort: Fuss der Cheopspyramide und Sphinx.
Conoclypus Bouei Ag. Gf. 41, 7 stimmt noch am
besten mit dem egyptischen Vorkommen. Es sind hemisphärische
Formen, von denen Desor selber glaubt, es könnten mög-
licherweise sexuelle Verschiedenheiten sein.
Fundort : Cheopspyramide und Sphinx.
Conoclypus Osiris Desor. Die Schale ist verlängert,
mit abgerundetem Rand, die Porenzonen breit. Bei einer Höhe
von 4 Centim. misst das Thier 9 Centim. in der Länge, G in
der Breite.
Fundort: Cheopspyramide.
Echinolampas Studeri Ag. Echin. Tab. IX, Fig. 4.
Die am Yberg so häufige Form stimmt sehr gut mit der egyp-
tischen, die ich am Mokattam auflas.
Echinolampas Escheri Ag. Ech. Tab. IX, Fig. 7
ist auch am Mokattam der Begleiter der vorangehenden Art,
wie am Kressenberg und im Canton Schwyz und Appenzell.
Echinolampas amygdala Des. Syn. pag. 304 würd
von Desor erwähnt als von Egypten stammend und dem C\
hrevis Ag. sehr ähnlich. Desor konnte darunter wohl keine
andere Art begreifen, als eine kleine 20 — 25 Millim. messende
Art in den oberen Schichten des Mokattams, dem AVadi el Tih
und dem Geneffe. E. suhsimilis d'Arch. konnte ich dagegen
nicht finden.
Periaster obesus Leym. Des. Syn. pag. 387. Vom Fuss
der Cheopspyramide ist oben (pag. 261) schon erwähnt.
Periaster subglobosus Lm. Es geht mir mit dieser
Art, wie mit den Conoclypen. Wenn mau auch möchte, ist es
doch kaum thunlich, die egyptische Form von der europäischen
Art zu trennen. Der einzige Unterschied ist, dass der Scheitel
des egyptischen P. sub(/lobosus nahezu central ist, während
— 279 —
derselbe an den Stücken vom Kressenberg und Yberg mehr nach
vorne rückt.
Liegt in grosser Menge im Osten von Cairo, bei der Moses-
quelle im Chascab, Wadi el Tih, Bihr el Fachmeh, Geneffe
u. s. w. sehr hänfig glatt gescheuert vom Wüstensand und von
den Südstürmen mit dem Sand fortge^-eht.
Schizaster africanus de Loriol. So nannte Loriol eine
grössere Art, die auf den ersten Anblick mit P. ohesus identisch
zu sein scheint, aber als Schizaster mit einem nach hinten ge-
rückten Scheitel und einem über den After überhängenden Rücken
als eigene Art zu betrachten ist.
Eupatagus formosus de Loriol. Desor behält hiefür
den Namen von Defrance: E. ornatus bei, obgleich (Taf. V,
Fig. G) des Bandes, welches die Eupatagen vor den Spatangen
kennzeichnet, weder in der Tafel noch im Text Erwähnung ge-
than ist. Desor setzt das Band bei den Originalen voraus und
dessgleichen einen Irrthum in Betreff der Versetzung des Ori-
ginals in die Kreide. Es ist möglich, aber bis die L'rthümer
bewiesen sind, ziehen wir den Namen de Loriols vor. Die Art
findet sich gar nicht selten am Mokattam und eingebackene
Niimm. discorhina und cunispira lassen über den Horizont in
der oberen Hälfte des Eocens auch keinen Zweifel übrig.
Eupatagus tuberosus Frs. Taf. YI, Fig. 8. So nenne
ich eine ganz ausgeprägte Species mit grossen Poren und dicken
grossen Warzen, deren jede in einer tiefen runden Grube liegt.
Die 4 Interambulacralfelder sind mit diesen ringförmigen Gruben
dicht besetzt. Ich verdanke diese Art Hrn. Dr. Reil in Cairo, der sie
jedoch nur in Einem fragmentarischen Exemplar besass, das er
in der Wüste Tih aufgelesen. Die Fühlergänge sind nach Art
der ächten Eupatagen geschlossen. Li jeder der 2 — 4 Millim.
grossen Grube auf den Interambulacralfeldern sitzt ein durch-
bohrtes Wärzchen. In der Anordnung der Gruben ist eine ge-
wisse Symmetrie zu beobachten, indem 4 Paare regelmässig
neben einander liegen, die unpaarige neunte Grube aber neben
aussen gesetzt ist.
Scutella subrotundata Lam. An der Identität der
- 280 ^
Art ist kein Zweifel, dagegen bin ich nicht sicher, ob das Stück,
das ich von einem Dritten erwarb, aus dem Eoeeu vom Mokattam
wirklich auch stammt. Dem Gestein nach könnte es sein, in
Europa ist aber die Art entschieden miocen und so wäre auch
in unserem Fall ein miocener Ursprung leicht denkbar.
Sismondia planulata Des. Syn. pag. 225, Eckinocya-
7711(8 Sulzbergensis Schafh. Taf. 45, 4 fand ich in den unteren
Lagen des Mokattam. Nicht häufig. In Europa wird sie aus
dem Nummulitgebirge von Biarritz beschrieben, findet sich aber
auch am Kressenberg, denn einen Unterschied von Schäfhäutls
Echinoc. Sulzb. finde ich nicht.
Sismondia Logothetii Frs. Taf. VI Fig. 9, a — b bildet
eine kleinere fast kreisförmige Art, von 9—10 Millim. Durchmesser.
Die Fühlerblätter sind schmäler, aber ebenso wenig geschlossen,
als bei planulata. Der Scheitel steht erhöht, während er bei
der vorangehenden Art niedergedrückt ist. Diese zierliche feine
Art ist am Todtenberge von Assiut mit den Numm. Biariizensis
und den Callianassen sehr häufig. Mein treuer Reisegefährte
und verehrter Freund, Graf Zdenko Logotheti, dessen Namen sie
trägt, fand sie dort auf.
Brachiopodeu,
Terebratella pyramidarum Frs. Taf. VI, Fig. 4, ab.
Von dieser schönen Tcrebratcl fand ich zwar nur ein einziges
Stück bei den Pyramiden. Eigentlich sollte man auf den Fund
von nur Einem Stück keine neue Art begründen, aber die Muschel
ist so einladend und das Vorkommen von Terebrateln im Eocen
so selten, dass sie wobl verdient, aufgeführt zu werden.
Die Terebratel schliesst sich auffallend an die Gruppe der
Loricaten von Buch an. Die Schale besteht aus den feinsten
concentrischeu Anwachsrippen, welche durch radiale Streifen zu
einem zierlichen Netzwerk gekreuzt werden. Auf dorn Rücken
sieht man Eine kräftige Medianfalte zwischen zwei Buchten und
denselben entsprechend auf der Bauchschale 2 Falten und Eine
mediane Bucht. Neben der Hauptfalte treten auf der Rücken-
— 281 —
schale noch 2 seitliche Nebenfalten auf, denen wiederum 2 Ne-
benbuchten auf dem Bauch gegenüberliegen. Auf den Falten
treten die concentrischen , in den Buchten die radialen Zeich-
nungen der Schale hervor, so stark, dass hier die concentrischen
und dort die radialen Streifen für das unbewaffnete Auge ver-
schwinden und die Schale mit zweierlei Streifung überdeckt
erscheint.
Da nur Ein Exemplar vorliegt, mochte ich es nicht öffnen,
um das noch unbekannte Knochengerüste zu untersuchen.
Monomyarier.
Anomia placunoides Orleb. pl. VII, pag. 17. Eine
Ikluschel, die weder übersehen noch verwechselt werden kann,
denn sie ist eben so gemein im Eocengebirge, als sie gross und
stattlich ist. Schon Cailliaud bildet sie pl. 45, Fig. 11 ab, gibt
ihr aber fälschlicherweise den Namen der lebenden indischen
Fensterscheibe Placuna j)laccnia Lam. Exemplare von 100
Millim. und darüber sind nicht selten, in der Regel misst jedoch
die Muschel 70 — 80 Millim. Die Schale ist ausserordentlich
schiefrig und blätterig, beide Klappen zart gestreift. Die Ober-
schale trägt einen grossen, auf die Seite geschlagenen Zahn,
unter dem ein eirundes Loch die Schale durchbohrt. Der
Unterschied von dem miocenen ^4.. ephippium L. ist keineswegs
gross.
Fundort: Mokattam, Cafra, Wadi el Tih.
Ostrea Suessoniensis Arch. pl. 84, Fig. 13 pag. 116
aus den untern Sauden des Pariser Beckens lässt sich an der
Dicke ihrer Schale, ihrer hervorragenden Grösse und ihrer
feinen Fältelung wohl erkennen. Cailliaud hatte sie als 0. fla-
hellula Lmk. in seinem Werke über Egypten abgebildet, die
jedoch nie diese Grösse erreicht und eine ganz andere Falten-
bildung auf der Schale zeigt.
Fundort: Mokattam.
Ostrea dorsata Desh. pl. LV, 9 — 10, pag. 102. In
der Mitte der Unterschale erhehrt sich ein Höcker, von dem
aus eine Gräthe über die Schale lauft, die im Uebrigen glatt
— 282 —
und ohne Falten ist. Von der Identität der Art bin ich jedocb
nicht ganz überzeugt, jedenfalls besteht grosse Aehnlichkeit
zwischen der französischen Muschel aus den mittleren Sauden
und der egyptischen.
Fundort: Mokattam.
Ostrea flabellula Lam. Desh. LXIII, Fig. 5 pag. 120
erwähnen BelLirdi und Andere von Cairo. Sie soll ebenso in
Indien, als in Amerika sich finden.
Fundort: Mokattam und Wadi el Tih. Benihassan.
Ostrea Pieilii Frs. T. YI, Fig. 5, a — b bildet entschie-
den eine von fkiheUuIa abzutrennende, neue Art, die ebenso-
zahlreich sich findet in der arabischen Wüste östlich von CairOy.
als sie constant in ihrer Form ist. Die Auster ist sehr unsym-
metrisch und gehört zu der Untergattung Exogyra. Ueber die
Mitte der Unterschale lauft vom Wirbel aus eine Gräthe, von
der gedrängte Falten nach beiden Richtungen seitwärts abgehen.
Einzelne der Falten schuppen sich und bilden vereinzelte schup-
pige Warzen oder Erhöhungen, namentlich auf der Ilauptgräthe
und an den Rändern der Schale. Die Oberschale ist von con-
centrischen Streifen bedeckt, von irgend radialer Form ist keine
Spur. Es fällt auf, wie fest beide Klappen an einander halten,.
denn nur selten fand ich Ober- und Unterschale isolirt, immer
ist die ganze Muschel erhalten. Ich nenne die Austern nach HerrD
Dr. Reil in Cairo, dem ebenso liebenswürdigen Manne als geist-
vollen Beobachter der natürlichen Verhältnisse Egyptens, in
dessen reicher Sammlung egyptischer Fossile ich zuerst cauf diese
Art aufmerksam wurde, die seither ohne Zweifel als O. flobel-^
lula lief. Unsere Figur gibt die beiden gewöhnlichen Grössen
wieder.
Fundort: Wadi ol Tih.
Ostrea heteroclita Dcfr, Desh. LXIII. Fig. 2—4.
pag. 102 wird aucli von Bellardi erwähnt und stimmt.
Fundort: C'jifra bei Gyzeh. Mokattam.
Spondylus radula Lam. Desh. XLVI, 1—5, pag. 90
findet sich niclit selten im Thal der Yerirruiig. Ebenso Sp.
asperulus Mot. (Gf. lOG, 0), den ich wegen der bei Goldfuss
— 283 —
angegebenen unbedeutenden Unterschiede nur als eine Abart von
radula ansehe. Die Kressenberger Form stimmt auch hier
wieder mit der egyptischen.
Fundort: Wadi el Tih. Mokattam.
Yulsella lingulata Caill. pl. 45 Fig. 11. Tom. lY,
pag. 2GG bildet Cailliaud diese prachtvolle Muschel, die keinem
Sammler entgehen kann wegen der Häufigkeit ihres Vorkom-
mens, sehr gut ab. Auffallend ist nur ihr Fehlen im europäi-
schen Eocen.
Fundort: Wadi el Tih, Mokattam, Cäfra.
Y. angusta Desh. pl. 76 13 — 15 pag. 52 stimmt ziemlich
gut mit dem egj-ptischen Yorkommen.
Fundort: Mokattam.
Die Yulsellen liegen am Mokattam sehr zahreich in einer
eigenen Bank hart über den 22 Fuss mächtigen Bausteinen, in
welchen unten Lohocarcinus und oben Cerith. giganteum liegt.
Der Fellah, dem die Fossile so wenig entgehen, als dem deut-
schen Steinbrecher, nennt die Steine mit den Yulsellen „luigar
mtUieh."
Dimyai'ier.
Area planicosta Desh. pl. 32, 1 — 2, p. 204. Exemplare
von 50 Millim. Länge und 30 Breite. Die Form ist sehr wenig
aufgebläht, vom Wirbel aus lauft eine schwache Bucht über die
Schale, die über und über mit zarten , flachen Radialstreifen
überdeckt ist, welche in der Wirbelgegend verschwinden. Drei
bis vier concentrische Falten kreuzen die Streifen. Die Art zieht
sich mit einigen unwesentlichen Yariationen durch das ganze
französische Eocen, hat aber in den mittleren Sanden den Haupt-
sitz. Yon England wird sie dessgleichen citirt; auch unter den
Kressenberger Steinkernen kann man Steinkerne mit ihr ver-
gleichen.
Fundort: Wadi el Tih.
Avicula stampinensis Desh. pl. 78, 1 — 4 p. 47. Exem-
plar von 20 Millim. in Länge und Breite. Die Beschreibung
stimmt mit Deshayes, der die Muschel in die oberen Sande ver-
— 284 —
setzt, welche nach Sandberger an die unteren Cyrenen-Mergel
von Offenbach streifen.
Fundort: Wadi el Tih.
Cardita nach Deshayes spielt eine grosse Rolle, nament-
lich die Untergattung Venericardia.
C. lata Schafh. Taf. 41 Fig. 1. Schafhäutl bildet unter diesem
Namen Steinkerne vom Kressenberg ab; mit diesen stimmen die
in ganz ungewöhnlicher Monge am Mokattam oft Felsen bilden-
den Steinkerne. Ob Cardita lata eine eigene Art wirklich bildet,
oder ob nicht vielmehr Cardita imhricata, junge planicosta und
andere hieher zu ziehen sind, lässt sich bei dem Charakter der
Steinkerne überhaupt nicht recht sagen.
Fundort: Mittlere und obere Lagen am Mokattam und bei
den Pyramiden von Gyzeh.
C. complanata Desh. p. 760 pl. XXVI, Fig. 5— G. Zu-
gleich mit den Steinkernen von Cardita lata finden sich die von
complanata, die auch am Kressenberg nicht selten sich finden.
Durch Abgüsse der Hohlmuschel mit Guttapercha erhielt ich
das vollständige Bild der zerstörten Schale wieder, das mit dem
Bild der französischen Exemplare aus den mittleren Sauden
stimmt. Im Wadi el Tih fand ich auch Exemplare mit theil-
weise erhaltener Schale.
Fundort: Mittlere und obere Lagen am Mokattam. Wadi
el Tih.
C. multicostata Lam. Desh. 26, 1 reiht sich an die vo-
rige Art an. Bellardi übertrug Lamarcks Namen auf die egyp-
tische Form, dem ich gerne folge, obgleich eine vollständige
Uebereinstimmung nicht herrscht.
Fundort: Mokattam und Wadi el Tih.
C. divergens Desh. pl. 60 Fig. 13. Ohne von der Iden-
tität der französischen Art aus den mittleren Sauden mit der
egyptischen überzeugt zu sein, übertrage ich den Namen der
französischen Muschel auf die zahllosen Steinkerne, die am Mo-
kattam und an den Pyi-amiden Einem überall aufstosson. Sie
sind im höchsten Fall 20 Millira. lang und 15 breit, gewöhnlich
um ein Drittheil kleiner, und sind auf den ersten Blick an den
- 285 —
8 — 10 starken radialen Streifen zu erkennen. Vergl. Cardita
paucicosta Sandb. Mainz. T. B. Taf. 24, 6.
Fundort: Mokattam, Pyramiden, Wadi el Tih, Geneife.
Card iura fand ich, wie schon Bellardi, in drei Arten
repräsentirt. Zwei davon lassen sich auf europäische Arten
zurückführen.
C. obliquum Lam. Desh, XXX, 8 — 11 p. 568. Diese im
ganzen europäischen Eocen so häufige Muschel, die von den
unteren Sauden durch den Grobkalk bis in die oberen Lagen
auftritt, ist auch in Egypten eine der gemeinsten Muscheln.
Fundort: Mokattam, Cafra bei Gyzeh u. a. 0.
C tenuisulcatum Nyst. Desh. 56, 15 p. 562, sehr ver-
breitet in den oberen Sauden von Fontainebleau. Die leidige
Steinkernbildung erschwert das Erkennen am Mokattam, dage-
gen zeigen andere Stücke vom Thal der Verirrung noch theil-
weise Schale, dass die Identität der Art bewiesen ist.
C. egyptiacum Frs. Taf. VI, Fig. 6 ähnelt zwar der
Cardita oblonga Sow. M. C. pl. 289, die von Morris (Catal.
p. 191) ins mittle Eocen gestellt worden ist, doch ist die eng-
lische Muschel bombirter, dickschaliger und weniger gerippt.
Die egyptische Art, die unendlich gemein ist, mit der die Kin-
der von Siut spielen, wird höchstens 18 Millim. lang und 15
breit, gewöhnlich nur 8 und 10 und darunter. Die Schalen
sind auffallend flach und 17 bis 18 feine, mit zierlichen Perlen
besetzte Rippen strahlen vom "Wirbel bis zum Rand der Schale.
Fundort: Nilwüste bei Siut, untere Lagen des Eocen.
Corbula gallica Lam. Desh. VII, 1—3 p. 213. Eine
der verbreitetsten Bivalven nicht blos im französischen und eng-
lischen Eocen, sondern auch in Belgien wie um Nizza zu fin-
den; fehlt auch in Egypten nicht.
Fundort: Cäfra bei Gyzeh.
Corbula Steinkerne erinnern an Corbula exarata d'Arch.
oder gaJlicula Desh.
Cyprina scutellaria Desh. pl. XX, 1 — 3, I p. 123.
Die grösste Form misst 60 Millim. in der Länge und 55 in der
— 286 —
Breite, die kleinste nur die Hälfte. Obgleich blos Steinkern,
zweifle ich an der Identität der Art nicht.
Vorkommen: Mokattam und Cafra.
Cyprina sp. Eine Reihe kleinerer Steinkerne, flache For-
men lassen sich nicht wohl mit Sicherheit bestimmen. Man
vergleiche C. lunulata Desh. Bellardi erwähnt eine Cyprina
tiimlda Nyst. Ich getraue mir jedoch nicht, Xamen zu geben,
und erwähne nur, dass auch der Kressenberg ähnliche unbe-
stimmbare Formen führt.
Luc in a. Dieses Geschlecht hat, wie bekannt, im Eocen
seine höchste Entwicklung gefunden und bietet auch in Egypten
weitaus die grösste Artenmenge unter sämmtlichen Bivalven.
Bellardi zählt 10 Arten auf: ich fand 12, von denen doch 8 auf
französische Formen zurückgeführt werden können.
L. Defrancei Desh, pl. 39, 0-11 p. 644. Obgleich nur
Steinkern, stimmt doch Form und Grösse der Muschel und die
Streifung des Steinkerns in Folge der inneren Schaleneindrücke ;
die beiden Bandstützen treten besonders stark hervor, über
welche der Wirbel nur wenig hervorsieht,
Fundort: Mokattam,
L. concinna Desh. 40, 4 — G p. 654. Unter diesem Xa-
raen begreife ich die fast kreisrunden, 30 — 33 Millim. messen-
den, flach gestreiften Steinkerne, welche zu den gewöhnlichsten
Muschelkernen in Egypten zählen. Eine deutliche Furche trennt
stets den hinteren Theil der Schale ab.
Fundort: Mokattam.
L. Menardi Desh. pl. XVI, 13 p. 640. Ich folge hier
Bellardi, obgleich die Steinkerne die Grösse des von Deshayes
abgebildeten Exemplars nicht erreichen ; möglich, dass sie auch
zu L. suhrircvlaris gehören.
Fundort: Mokattam.
L. subcircularis Desh. 40, 23 p, 630. Eine ausgezeich-
nete Form mit der Schale.
Fundort: Wadi el Tih.
L, detrita Desh, 40, 7 — 10 p. 054. Die Grösse übertrifft
die französischen Formen um 10 Millim., die kreisiundo, aufge-
— 287 —
blähte Form, ganz feine Radialstreifen und die Eindrücke von
concentriscben Runzeln laden zur Vergleichung der französischen
Art ein. Bellardi hat mit seiner L. orbicularis wohl unsere
Form gemeint.
Fundort : Mokattam.
L. mutabilis Desh. pl. XIY, Fig. 6 u. 7 p. 635. Die
Orösse der von Deshayes abgebildeten Form stimmt zwar nicht,
wohl aber die innere Streifung, die schiefe Gestalt und der
Muskeleindruck. Bei der grossen Verbreitung dieser Art über
die Mittelmeergegenden dürfte der Name wohl auf die egypti-
schen Steinkerne übertragen werden.
Fundort: Mokattam.
L. Fortisiana Defr. Desh. 17, 10—11 p. 641. Auch Des-
hayes erwähnt die Muschel von Cairo. Gewöhnlich sind die Mu-
scheln etwas kleiner, glücklicherweise existiren von ihr Schalen,
•die aus dem Thal der Verirr ung stammen. An den durch Fur-
chen abgegrenzten Vorder- und Hinterstücken erkennt man sie
leicht.
Fundort: Wadi el Tih.
L. evanida Desh. pl. 41, 10 — 11. Die Beschreibung die-
ser von Deshayes abgebildeten Art fehlt, die Abbildung stimmt
jedoch gut. Die Sehale ist erhalten.
Fundort: Wadi el Tih.
L. bialata Bellardi. Unter diesem Namen begreift wohl
Bellardi die 3.5 Millim. langen, dagegen nur iö Millim. breiten
Schalen, an denen die Schlosslinie flügelartig hervorsteht. Die
Form ist sehr charakteristisch und häufig und scheint Egypten
eigenthümlich zu sein.
Fundort: Mokattam und Wadi el Tih.
Ausser den genannten finden sich noch 3 — 4 weitere Arten,
deren Bestimmung ich mir nicht getraue. An europäische Formen
schliessen sie nicht recht an und eigene Namen verdienen die
erbärmlichen Steinkerne nicht.
Lutraria sp. Unbestimmbare Steinkerne von 28 Millim.
Länge und 13 in der Breite. Der grosse Zahneindruck spricht
für Lutraria.
— 288 —
Fundort: Mokattam.
Modiola acuminata Desh. pl. 40, 9 — 11, II, 22. 25 Millira.
lang, 10 und 15 Millim. breit, je nachdem unten oder oben ge-
messen wird. Die Schale vortreflflich erhalten.
Fundort: AVadi el Tih.
Pholadomya Koninckii Nyst. Desh. p. 246, pl. 9, 13 u.
14. Grösse und Form stimmt, nur erheben sich auf der Kreu-
zung der radialen und concentrischen Streifen stärkere Knoten,
als am abgebildeten Exemplar.
Tellina Nystii Desh. pl. 25, 5—6 p. 336. Obgleich nur
Steinkern, zweifle ich an der Identität der Art nicht.
Fundort: Mokattam.
Solen obliquus Sow. Desh. 7, 1—3 p. 153. Steinkern,
an dem Schloss- und Schaleneindrücke stimmen.
Fundort: Mokattam.
Gasteropoden.
Cerithium giganteum Lam. Desh. pl. 42, Fig. 1, 2 p. 300
stellen wir mit Recht oben hin als die auffälligste Muschel, die
uns im Baustein von Cairo begegnet, nach welcher wir zugleich
den zweiten Horizont in dem gesammten Schiehtencomplex des
Mokattam festgestellt haben. Gestalt und Grösse unterscheidet
sich von der der französischen Exemplare nicht. Die Schale
der Muschel, die bis zu 1 Centim. dick wird, ist durch einen
höchst merkwürdigen Umwandlungsprocess in schwefelsauren
Strontian übergeführt, an dessen Blätterdurchgängen man deut-
lich M und o einspiegeln sieht, so zwar, dass die Kante zwi-
schen beiden Spiegelflächen auf der Aussenseite der AVindung
liegt. Die Schale finden wir auf die gleiche Weise von Anne-
liden angebohrt, als die Kalkschalen der Pariser Cerithieu
(s. unten pag. 293). Die Umwandlung der Schale in Cölcstin
bringt es mit sich, dass dieser leicht vom Steinkern abspringt
und so viel mehr glatt ausgesprungenc Kerne gefunden werden
(tirebotichonj, als erhaltene, wenn auch umgewandelte Schalen.
Fundort: Steinbrüche des Mokattam.
An die Bestimmung anderer, kleinerer Cerithien aus dem
— 289 -
Wadi el Tih wage ich mich nicht. Die Stücke sind zu unbe-
deutend und zu schlecht erhalten, um mit Namen genannt zu
werden. Dagegen überraschen riesige Formen anderer Ge-
schlechter, wie z. B. Nafica und Pyrula zu einer anderswo un-
bekannten Grösse anschwillt. Im europäischen Eocen, in wel-
chem die Arten zwar nicht fehlten, hat man doch von solcher
riesigen Entwicklung keine Ahnung.
Strombus giganteus Münst. Goldf. Petref. Germ. T. 169
ist eine im Eocen des Kressenbergs und Grüntens sehr gewöhn-
liche Schnecke, die in der Regel 6 — 10 Centim. lang wird. Am
Mokattam wird sie um das Doppelte grösser. Von einem Flü-
gel, wie ihn Schal'häutl (Leth, bav. 48, 2) zeichnet, konnte ich
übrigens nichts beobachten: mein grösstes Exemplar aus dem
Baustein von Cairo misst 16 Centim. in der Länge und 12 in
der Breite. Im Uebrigen hat die Schnecke mit andern Ge-
schlechtern als Strombus viel mehr Aehnlichkeit ; ich würde mit
Münster sie unbedingt zu Conus stellen, wenn nicht eine ge-
schwungene Gestalt der Mundöffnung und eine starke Spindel
auf das Geschlecht Strombus oder am Ende eher noch auf Py-
rula hinwiese.
Fundort: Steinbrüche des Mokattam.
Natica spirata Desh^ pl. 21, 1 — 2. 1. pag. 76 neuerdings
nach d'Orbigny Suessoniensis genannt, mit deutlichen Streifen
auf dem letzten Umgang. Im Pariser Becken zu den Selten-
heiten gehörig wird diese Muschel in Oberitalien gewöhnlich
(Castelgamberto, Monteviale, wo wir sie selber gesammelt haben)
und verbreitet sich, wie es scheint, weiter in den Mittelmeer-
gegendeu. Wie weit Natica hybrida Lam. (Desh. pl. 71, 1 — 2
pag. 75), die sich zur Riesengrösse unter den Schnecken aus-
bildet, als besondere Art abzutrennen ist, oder als blosse Abart
hieher gestellt werden muss, lassen wir unentschieden. Die
Verwandtschaft beider ist jedenfalls gross. Stücke von 0,15 Mill.
Länge und 0,09 Breite sind am Mokattam gar nicht unge-
wöhnlich.
Fundort: Mokattam.
Natica patula Lam, Desh. 21, 3 — 5 pag. 63. Diese
Württemb. naturw. Jahreshefte. 18G7. 23 Ji,. 33 Heft. 19
— 290 —
Muschel mit der durchbrochnen Spindel und dem weit geöffneten
Munde stimmt ausgezeichnet. Auch Bellardi erwähnt sie.
Fundort: Wadi el Tih.
Natica sigaretina Desh. pl. 21, 5 — 6 pag. 63 gehört
in die Nähe yon patula und stimmt auch.
Fundort: Mokattam.
Natica Willemeti Desh. pl. 17, 11—12 pag 73 mit
zarten, zierlichen Umgängen sieht dem französischen Vorkommen
auch ganz gleich.
Fundort: Wadi el Tih. Mokattam.
Natica cochleata Schafh. Tab. 50, Fig. 6 zeigt ebenso
wie die andere Schafliäutlische Art N. oostoma Tab. 46, 4,
dass die Kressenbergformen sich immer gerne in Egypten finden.
Im Uebrigen lege ich auf beide Arten nur wenig Werth, da
wir hier wie dort es nur mit rauhen Steinkernen zu thun
haben.
Nerita Schmideliana Chemn. Desh. pl. XYIII. pag. 18
nennt jetzt Deshayes, zurückgehend auf den alten Chemuitz'schen
Namen die früher als N. conoidea bekannte ebenso schöne als
in Frankreich seltene Muschel. Um Cairo gehört sie zu den
gewöhnlichsten Funden, ebenso im Osten der Stadt in der ara-
bischen Wüste, als im Westen in der Nähe der Pyramiden.
Fundort: Mokattam, Cafra.
Cassis tricarinata Schafh. Tab. XLIX, Fig. 3. Stein-
kern vom Kressenberg stimmt abermals zu den nur um ein
Geringeres grösseren, sehr zahlreichen Steinkernen um Cairo.
Fundort: Mokattam.
Ausser dieser Art liegen noch zwei Cassis als Steinkerne
vor, eine grosse Art mit Einem starken Windungsrand und
eine kleinere mit 2 Kändern von länglichter Form.
Fusus scalaris Lam. Desh. pl. 72, 13 — 14 pag. 257.
In Frankreich und England eine gewöhnliche Muschel^ fand ich
dieselbe in Egypten nur einmal, jedoch in guter Uebereinstim-
stimmung der Art.
Fundort: Wadi ol Tih.
Cypraea elegans Defr. Desli. 97, Fig. 3 — 6 pag. 566.
- 291 —
In den Mittelraeergegenden und Armenien verbreitet, findet
sich die Muschel in Egypten ziemlich häufig und stimmt gut.
Fundort: Wadi el Tih. Mokattam.
Fusus ficulneus Lam. Desh. pl. 73, 21—22 pag. 289
wurde ausser Europa auch in der Krimm gefunden.
Fundort: Wadi el Tih.
Rostellaria fissurella Lam. Desh. 18, 2 — 4; 84,5 — 6
pag. 458. Diese unter den Rostellarien so typische Art erkennt
man zuerst, wie sie denn auch Bellardi erwähnt. Auch sie ist
von England bis Armenien verbreitet.
Fundort: Mokattam,
Rostellaria Murchisoni Desh. pag. 92, 1. 2. pag. 453.
Unter diesem Namen begreife ich eine zur Gruppe der Macrop-
teren gehörige Art, die im Kressenberg ilire Verwandten hat.
Schafhäutl hat sie als d'Orbigny'sche Kreidespecies beschrieben
und R. inornata d'Orb. genannt. Von Kreide kann hier natürlich
keine Rede sein. Ueberdiess lässt das Fossil viel zu wünschen
übrig und eignet sich nicht zur genauen Beschreibung der Art.
Fundort: Mokattam.
Patella cairensis Frs. Taf. VI, Fig. 1 . Eine Patella
von solcher Grösse wurde noch nie fossil gefunden, und wird
selbst von den grössten lebenden Arten Neuhollands, Brasiliens
und des Caps nicht übertroflfen, weshalb sie eine besondere Be-
nennung und Beschreibung verdient. Die Schale misst 11 Centim.
in der Länge, S^h Centim. in der Breite und 5 Centim. in der
Höhe. Die Dicke der Schale beträgt, wo sie auch beobachtet
werden kann, nirgends mehr als 1 Millim. Unsere Figur ist
einem Ausguss der Innenseite der Schale entnommen, da die
Aussenseite aufs innigste mit dem Gebirge verwachsen ist und
keine Ansicht bietet. Einzelne abgesprengte Stückchen zeigten
keinerlei Streifung oder Zeichnung, vielmehr eine glatte Ober-
fläche. Um so mehr ist die Innenseite von concentrischen Streifen
und Falten erfüllt, die namentlich auf der Kopfseite des Thiers,
gegen welche sich der Wirbel neigt, scharf ausgeprägt sind, die
gegenüberliegende Seite ist fast glatt. Am Rande ist die Schale
- 292 -
umgesclilagen , wodurch sich gewissermassen ein Fuss für die
Schnecke bildet.
Tundort: Steinbrüche des Mokattam, im Horizont der Krebse.
Das ausgezeichnete Stück ist ein Geschenk des Herrn Dr, Reil
in Cairo.
Rostella ria finden sich ausser den genannten noch übrige
weitere Arten, Bellardi erwähnt sieben. So viele fand ich nicht
und eignet sich jedenfalls keine zur Bestimmung.
Solarium plicatum Lam. Desh. pl. 24, 16 — 18 pag. 219
ist noch mit der Schale erhalten und stimmt mit der englisch-
französischen Art.
Fundort: Wadi el Tih.
Terebellum. Steinkern.
Fundort: Mokattam.
Turritella fasciculataLmk. "Weitaus der verbreitetste Ga-
steropode des egyptischen Eocens. Deshayes hat dieser Art nicht
•weniger als 24 Figuren gewidmet, um die manchfachen Ueber-
gänge der Varietäten zu zeigen. Am häufigsten ist die Varietät,
die pl. 39, 17, 28 abgebildet ist, dann kommt die Spielart
Fig. 5 und 6, schliesslich findet sich noch eine Varietät, bei
der die Umgänge so tief liegen, dass treppenförmige Einschnü-
rungen entstehen.
Die Oberregion des Grobkalks wimmelt von dieser Schnecke,
ebenso an den Pyramiden, als in der Wüste Tih und am Mo-
kattam.
T. imbricataria Lam. stimmt zwar nicht ganz, indem
sich die Streifung der Umgänge an der egyptischen Art stärker
macht, als an der französischen.
Fundort: Todtenberg bei Assiüt.
T. Lamarkii Defr. Dcsh.pl. 15, 6—8 glaubt man an den
5 markirten Kielen und an der Art zu erkennen, wie die Um-
gänge an einander schliessen.
Fundort: Assiüt.
T. uniangularis Desh. pl. 40 Fig. 28, 29 ist nicht selten am
Mokattam.
Fundort : Mokattam.
- 293 —
Ausser diesen 4 Arten wimmelt es von Steinkernen, welche
auf weitere Arten hinweisen, die ich jedoch nicht zu bestimmen
wage. Bellardi nannte eine Art T, egyptiaca.
Voluta labiella Lam. Desh, pl. 91, 2 — 6. Die Stein-
kerne von conusartiger Gestalt mit 4 — 5 inneren Spindelfalten
sind gar nicht selten. lieber die Identität der egyptischen und
französischen Art könnte man zwar streiten, da Steinkerne
überhaupt wenig zu sicheren Bestimmungen sich eignen, doch
stehen beide jedenfalls nach Form und Grösse sich sehr nahe.
Fundort: Mokattam untere Steinbrüche.
Mitra turriculata Schafh. Leth. bavar. 52, 4. Die Ge-
stalt und Grösse dieses Kressenberger Steinkerns stimmt voll-
ständig mit denen des Mokattam überein.
Fundort: Mokattam oben und am Fuss der Pyramiden.
Anneliden. •
Vioa Cerithii Frs. Tab. VI, Fig. 2. Vioa nannte
Nardo in Venedig die bohrenden Anneliden, die in der Kalk-
schale der Muscheln leben, sich innerhalb derselben Höhlungen
von verschiedener Form und Grösse schaffen und von diesen aus
feine runde Oeffnungen zur Aussenfläche der Schale bohren,
um durch dieselben die verarbeiteten Kalkschalen hinauszu-
schaffen. Er stellte sie wie auch Michelin zu den Zoophyten
(cf. Michelin Iconogr. zoophyt. pag. 322), wovon jedoch keine
Rede sein kann. In 2 Arten bildet er die Oberfläche von Mu-
schelschalen ab, aber ebendamit nur die kreisrunden Abzugs-
schläuche; die eigentliche Wohnung des Thiers beschreibt er
nicht, die man erst nach vorsichtigem Absprengen der Kalk-
^ schale zu sehen bekommt. Jene runden Oeffnungen kennt
sicherHch Jedermann, je dicker die Schalen von Muscheln sind,
um so reicher sind sie an diesen Parasiten, selten aber wird es
gelingen, in so glücklicher Weise deren Höhlungen zu sehen als
an den Schalen des Cerith. giganteum in den Steinbrüchen des
Mokattams. Die Schale ist nemlich hier durch eigenthümlichen
Umwandlungsprocess in Cölestin übergeführt, dessen Blätter-
bruch M. sogar auf der Aussenseite der Schale einspiegelt. Diese
- 294 —
Cölestiue shid von Kalkröhren durchzogen, die von Zeit zu Zeit
anschwellen und neue Röhren seitlich entsenden. Die Röhren
sind mit demselben Kalk ausgefüllt, welcher die Schnecke selber
angefüllt hat. Die Cölestine springen sehr leicht von dem
Steinkeru der Sehnecke ab und lassen sich auch zwischen den Röh-
ren mit der Nadel vorsichtig absprengen, so dass diese biosgelegt
werden köunen. Die Oberschale ist wie von Nadelstichen durch-
bohrt, jedoch ohne Ordnung, das einemal sind die Punkte ge-
drängter, das anderemal weiter auseinander (siehe unsere Figur).
Jede Oeffnung führt alsbald durch ein dünnes Röhrchen in eine
erweiterte Höhlung. Die oberste Höhlung sendet eine, wohl auch
zwei Seitenröhrchen ab, die nach kurzem Zwischenraum wieder
zu einer Höhlung anschwellen und zugleich eine Hauptröhre ins
Innere der Schale. Auch hier schwillt sie wieder zur Höhlung
an, bildet an den dickeren Stellen der Schale noch eine dritte
Höhlung, um von da in einem ähnlichen feinen Abzugsrohr die
innere "Wandung der Schale zu durchbohren.
Die Pariser Cerithien zeigen in auffälliger Uebereinstimmung
dieselbe Erscheinung, die Deshayes in der Zeichnung seiner
Tafeln nicht entgangen ist, deren er aber im Text keinerlei
nähere Erwähnung thut. Es hält jedoch bei der Härte der
Schale ausserordentlich schwer, mit dem Messer Präparate zu
machen. Nur durch Anschleifen gelingt es, die Höhlungen des
Thiers bloszulegen, das aber in Damery und Parncs die gleiche
Minirarbeit trieb, wie am Mokattam.
Crustaceen.
Lobocarcinus Paulino - Württembergicus von Mey.
Bp. Reuss 1857.
Cancer Paulino Würfembergensis Mey. 1851.
Carpilius of thc egyptian desert. Orlebar 1845.
Trotz der Häufigkeit seines Vorkommens ist dieser ausge-
zeichnete Krabbe noch sehr mangelhaft beschrieben, so dass ein
genaueres Eingehen auf diese schöne Art und die Widmung einer
eigenen Tafel gerechtfertigt sein wird. Unbegreiflicherweise ist
Russegger dieses Fossil entgangen, also dass in Europa die erste
- 295 -
Publication*j erst sehr späterfolgte, 1847 — 51 auf Grund zweier
höchst unvollständiger Stücke, die Herzog Paul von Württemberg
aus Afrika mitgebracht hatte , dem zu Ehren Meyer den Namen
gab. Vorher hatte Orlebar**) in Bombay den Krebs sehr kennt-
lich abgebildet und kurz beschrieben als ^Carpilius aus der
egyptischen "Wüste". Sein abgebildetes Stück misst 0,07 Millim.
in der Länge, 0,130 in der Breite und gehört zu den grössten
Formen des Mokattams. Das von Meyer 1847 beschriebene ^
misst nur 0,059 in der Länge, 0,092 in der Breite und 0^023 in
der Höhe. Obgleich Meyer auch noch ein Exemplar (5) von
Mannheim, und einige Stücke aus der Zschokke'sehen Sammlung
in Aarau zur Verfügung hatte, so war doch an den Exemplaren
von Scheeren, Füssen, Maul, Kieferfüssen u. dergl. nichts zu
sehen, so dass Reuss ***j nach seinen 4 vorliegenden Exemplaren
1857 die Meyer'sche Beschreibung wesentlich vervollständigen
konnte. Unter diesen 4 Stücken sind 3 Männchen von 0,078
bis 0,080 Länge und 0,115 bis 0,120 Breite. Ein Weibchen ist
nur 0,048 lang und 0,076 breit. Doch auch diese Beiträge lassen
noch vieles zu wünschen übrig. Zum Zweck einer vollständigen
Beschreibung musste ein noch viel umfassenderes Material ge-
sammelt werden und zwar an Ort und Stelle. Unter der Hand
des Arabers fallen die Fossile selbstverständlich mehr oder minder
beschädigt und zerbrochen aus den Steinen, es handelte sich
daher darum , dieselben mitsammt dem umgebenden Gestein zu
sammeln und sie zu Hause mit Müsse zu präpariren. Glück-
licherweise sind sie im untern Mokattamsteinbruch hinter den
Kalifengräbern bei Cairo so häufig, dass ich auf wenigen Gängen
einige Duzende sammeln konnte. Ein sehr vollständiges Exem-
plar danke ich Hrn. Dr. Reil in der Abassie, zwei andere sehr
*) Dunker und Meyer, Paläontogr. I. 2. Lief. 1847.
**) Some observations on the Geology of the Egyptian Desert by
A. B. Orlebar Journal of the Bombay 1845.
***) Zur Kenntniss foss. Krabben. Denkschr, d. "Wiener Akade-
mie 17. 1859. p. 38.
— 296 —
schöne Stücke hatte schon 1859 Herr Th. y. Heuglin unserer
Sammlung geschenkt.
Auf Grund dieser Exemplare geben wir auf Taf. V einige
Beiträge zur genaueren Kenntniss unseres Krabben,
1) Der Cephalothorax. Derselbe misst an unserem grössten
Exemplare ^ 0,075 in der Länge, 0,125 in der Breite, 0,024 in
der Höhe. Drei andere Stücke, gleichfalls 5 messen 0,070 in der
Länge und 0,120 in der Breite. Ein Duzend weiterer Männchen
messen — die nur wenige Millimeter diflferirenden Maasse gegen-
einander ausgeglichen — 0,064 in der Länge, 0,108 in der
Breite.
Die Schalen der Männchen erkennt man bei einiger Uebung^
bald schon an der Oberseite, welche entschieden flacher und
glatter ist, als die der Weibchen. Der Thorax des Weibchens
ist gewölbter, als es bei irgend einem Männchen der Fall ist
und ausserdem durch die Warzen und Erhöhungen bezeichnet,
welche höher und auffälliger sind als am männlichen Thorax.
Unser grösstes Weibchen misst 0,058 in der Länge, 0,104 Inder
Breite, 0,038 in der Höhe. Die gewöhnliche Grösse ist jedoch
geringer und durchschnittlich die des Fig. 9, ab abgebildeten
Exemplars. Eine Anzahl Stücke 9 niessen 0,055 in der Länge
und 0,090 in der Breite. Das kleinste vor mir liegende 9 sogar
nur 0,045 in der Länge, 0,072 in der Breite.
Noch kleinere Exemplare gehören offenbar jungen Individuen
an, was man schon der schlecht erhaltenen weichen Schale an-
sieht. Das überhaupt kleinste Stück ist nur 0,035 lang und
0,058 breit, das somit bereits das gleiche Verhältuiss der Länge
zur Breite zeigt, wie auch die ausgewachsenen Schilder der
Männchen wie der Weibchen.
Die Stirngegend des Ccphalthorax (Fig. 4) betreffend ist
in erster Linie die Bemerkung von Rcuss, der Stirnrand sei mit
vier spitzigen Zähnen besetzt, dahin abzuändern, dass sechs
solcher Zähne vorhanden sind. Zwei dieser Zähne sind kleiner
und verstecken sich leicht im Gestein , so dass in diesem Fall
nur 4 sichtbar sind. Bei sorgfältiger Reinigung werden jedoch
sicherlich immer 6 Spitzen zu Tage treten, je 3 und 3 in einen
- 297 —
kleinen Bogen zusammengestellt, in welchen sich die Antennen
legen. Im Anschluss an die 3 Spitzen der Stirne umgibt ein
hervorstehender eckiger Augenbrauenrand die Augenhöhle, in
welchem theilweise noch die Reste eines gestilten Auges liegen.
Der Augenbrauenrand ist in 2 ungleiche Theile getheilt, der
grössere derselben, welcher der Stirne zunächst liegt, hat 3 — 4
zarte Höcker, der kleinere, der Lebergegend zugewandte, hat Eine
Hauptspitze und eine kleine Nebenspitze. Wenden wir den
Thorax um und sehen ihn von unten an Fig. 5, so legt sich das
Epistoma als ein kleines Züngehen vor die Scheidewand der An-
tennen. Rechts und links von ihm liegt die Basis der inneren
Antennen, und dann, getrennt durch ein weiteres dreieckiges
Plättchen, die Basis der äusseren Antenne. Von diesen selbst
ist nur einmal ein Fetzen erhalten.
Auch die Maulgegend ist in Fig. 5 abgebildet. Das Präparat
wurde durch vorsichtiges Absprengen der Kieferfüsse erhalten,
um auf den Grund der Unterseite des Brustschildes zu kommen,
und zeigt am oberen Rande das Epistoma und das Paar Schild-
plättchen an der Basis der Antennen, darunter einen Xförmigen
Mundspalt, der durch zwei gleiche, einander gegenüberliegende
dreieckige Platten gebildet ist und zwei ungleiche, die in der
Richtung der Längenaxe liegen. Unterhalb des Mundspaltes
beobachtet man noch 2 härtere, in Kalkspat umgewandelte Kie-
ferplatten. Alle diese Organe sieht man nur, wenn man sich
entschliesst, die Kieferfüsse, die z. B. Fig. 9, 6 noch sichtbar sind,
mit der Nadel wegzunehmen. Der äussere Ast des Kieferfusses
legt sich nie an den innern glatt an, sondern steht aufrecht auf
dem Basilartheil, der innere aus 2 Artikeln bestehende Ast da-
gegen birgt sich gegen die Mediane desThiers; den beweglichen
Finger konnte ich jedoch leider nie beobachten, er scheint von
weicherer Substanz gewesen zu sein und somit keinen richtigen
Versteinerungsprocess durchgemacht zu haben.
2) Das Abdomen des männlichen Krabben hat Reuss 1. c.
T. VI F. 2 abgebildet und die 6 Segmente genau beschrieben, dass
hierüber nichts Weiteres zu sagen ist, dagegen wurde bis jetzt
das Abdomen des Weibchens noch nie abgebildet. Ich liess es
— 298 -
daher Fig. 9, b. genau darstellen. Die 4 ersten Segmente sind
gleich hoch, nehralich je 3 Millimeter und werden breit von 10
zu 14 Millim. Das 5te Segment kommt dem 5ten des Männchens
am nächsten, oder unterscheidet sich vielmehr gar nicht von dem-
selben, dagegen übertrifft das letzte, sechste an Grösse wie an
Gestalt das entsprechende Glied am Männchen. Die Gesammt-
länge des Hinterleibs beträgt 35 Millim., während der eines un-
geßihr gleich grossen Männchens nur 25 Millim. misst. In
Fig. 10 sieht man das vom Abdomen befreite weibliche Sternum,
in welches sich der Hinterleib hineinlegt. Der Unterschied
zwischen Männchen und Weibchen ist nur der, dass bei diesem
das Sternum bis zum ersten Sternalring vom Hinterleib bedeckt
ist, während bei jenem das Sternum vom Iten bis 3ten Ring
frei vor Augen liegt. Sprengt man nun beim Weibchen mit
Vorsicht den Hinterleib vom Sternum ab, so sieht man zwischen
dem 4ten und 5ten Sternalring 3 kleine rundliche Oeffnungen,
die Eileiter, von denen 2 seitlich, eine grössere in der Median-
linie liegt.
3) Die Füsse und Scheeren waren weder H. v. Meyer noch
Reuss bekannt, schliessen sich übrigens enge an das lebende Ge-
schlecht Carpilius an. Vom Kieferfusspaar war bereits die Rede,
dessen Basilartheil sich an den ersten Ring des Sternums legt.
Dieses Basilar legt sich zwischen die Sternalseite des Thorax
und das Sternum hinein und bildet die Basis sowohl des äusseren
Astes, als des zweiten Artikels des inneren Astes.
Anschliessend an das Basilare des Kieferfusses fügen sich
der Reihe nach die Basilartheilc der 5 Paar Füsse an, unter
denen nur das erste Paar ein Scheerenpaar ist. In Fig. 4 ist
das Scheerenpaar von oben zu sehen mit seinen Dornen und
Warzen an Finger, Hand und Vorderarm, während Fig. G eine
einzelne vollständige Scheere von der Unterseite aus sehen lässt.
Der Scapulartheil des Schcerenfusses ist dessen erstes Glied, in
dieses fügt sich der Trochanter mit 2 Charnicrplättchen, der
Arm ist kurz und kräftig, dessgleichen der Vorderarm. Das
grössto und stärkste Glied ist jedoch die Hand. Auf der Uuter-
resp. Innenseite ist die Schale sämmtUcher Thcile des Fusses
— 299 —
glatt, die Ober- oder Aussenseite mit einer Eeihe spitziger
Dornen besetzt. Die beiden Finger, der bewegliche wie der
unbewegliche, tragen auf der Innenseite 8 — 9 abgerundete Höcker.
Die 4 übrigen Füsse (Fig. 8) sind dem Scheerenfuss gegenüber
von verschwindender Grösse, die letzten Glieder einfach, wie bei
CarpUlus. Ihre Präparation kostet viele Mühe, da sie sich gleich im
Gestein verstecken, daher auch bisher noch nicht gekannt waren.
lieber die Oberfläche des Schildes und Beschaffenheit der
in milchweissem Zustand befindlichen Schale ist nur noch beizu-
fügen, dass dieselbe über und über mit dem feinsten punctirten
Chagrin überzogen ist, der an den warzenförmigen Erhöhungen
sich häuft, wie solches an Fig. 7 unter der Loupe gezeichnet
ist. An den beiden Exemplaren 4 und 9 sind die grösseren
Warzen und Dornen, auch die beiden stilförmigen am Hinter-
ende des Schildes sehr genau nach Form und Zahl erkennbar.
Fundort: Der untere Steinbruch am Mokattam hinter den
Kalifengräbern östlich Cairo,
Lobocarcinus Cairensis Frs. Taf. HI, Fig. 1 — 3.
Ein Blick auf die Zeichnung genügt, um die Uebereinstimmung
des Geschlechtes, aber die Verschiedenheit der Art zu erkennen.
Der Krebs ist um mehr als das Doppelte breiter als lang, er
misst nämlich 54 Millim. in der Länge und 128 Millim. in der
Breite. Der gezahnte Rand, der Reuss zur Aufstellung des
Geschlechtes Lobocarcinus Anlass gab, ist von dem des L. Paulino-
Württembergicus wenig verschieden. Nur in der Kiemengegend
weicht die Stellung und Form der Dornen ab. Es hängt diess
mit der Höhe des Thorax zusammen, die beim Paulino-Würt-
tembergicus am Anfang der Herzgegend am grössten ist. Der
Hinterrand des Thorax und der Dornenrand fallen hier nicht
wie bei L. cairensis zusammen, vielmehr fällt, wie Reuss und
Meyer diess gezeigt haben, die hintere glatte Gegend steil von
dem Dornenrand zum Hinterende des Thorax ab.
Die Oberfläche der Schale bietet bei L. cairensis ein ganz
anderes Bild als hei Paulino - Württembergicus, indem Herz und
Bauchgegend durch tiefe Rinnen umzeichnet sind und spitze
"Warzen die einzelnen Gegenden scharf markiren. Dadurch tritt
- 300 —
bei Coirensis eine ganz bestimmte Zeichnung von Vertiefungen
und Erhabenheiten zu Tage, deren Schönheit durch die ausser-
ordentlich feine und zarte Punctation der Schale noch erhöht ist.
Fig. 2 lässt die Scheerenballen mit dem beweglichen Finger-
von aussen sehen, der dem gleichen Individuum angehört.
Sämmtliche Dornen sind schlanker und spitziger und neben der
oberen Reihe lauft in der Mitte des Ballens eine zweite mit
feineren vornen her, die Höcker auf der Innenseite der Finger
sind klein, aber spitz, nicht abgerundet, wie in Fig. 6.
Dass auch die Füsse wesentlich verschieden und viel grösser
sind, als bei der verwandten Art, zeigt Fig. 3, in welcher eine
Sternumhälfte mit der Basis der 5 Füsse abgebildet ist. Die
Füsse selber sind breit und kräftig, leider aber das äussere
Fingerglied nicht erhalten.
Fundort: Bihr el Fachmeh.
Atergatis Boscii Desmar.
Paläocarpüius macrocheilus Milne Edw.
Brachyurites antiquus Schi.
Mit Recht nennt man diesen Krabben einen tertiären Kos-
mopoliten, denn er ist an aller Welt Enden das Hauptfossil
der Nummulitenetage. Allerdings am Mokattam nicht häufig,
aber doch vorhanden. Wenn Reuss loc. cit. pag. 35 sagt:
das Schlotheim'sche Originalexemplar soll zwar nach dessen aus-
drücklicher Versicherung aus den Bausteinen der egyptischen
Pyramiden stammen, die vollkommene Uebereinstimmung mit
den vicentinischen, sowie der Umstand, dass seither aus Egypten
nichts weiter bekannt geworden, machen es sehr wahrscheinlich
dass in Betreff des Fundorts eine Täuschung unterlaufen und
auch das Schlotheim'sche Exemplar bei Vicenza gefunden — so
ist diese Annahme unrichtig und dagegen Schlotheims Angabe
vollständig gerechtfertigt.
Fundort: Baustein am Mokattam,
Callianassa macrodactyla Milne Edw.
„ prisca Milne Edw.
„ nilotica Jahresh. Taf. III, Fig. 11.
Deren nähere Beschreibung siehe oben pag. 259.
— 301 -
2. Das miocene Gebirge.
Droben in Oberegypten zwischen den Königsgräbern von
Theben und den Tempelresten von Luqsor steht mitten im Klee-
feld und den Waizenäckern „das Memnonsbilderpaar, das traurig-
holde, das seit Jahrtausenden im jungen Golde vom Erstlings-
kuss der Morgensonne tönt." Es sind die beiden Bildsäulen
von Amenopht und Ramses, das Gesicht dem Aufgang der Sonne
zugewandt, zwei Monolithe von 70 Fuss Höhe, am Postament
17 Fuss allweg messend. Der Stein ist ein kieseliger braun-
rother Sandstein, klingendhart *), und stammt ohne allen Zweifel
aus dem Djebel Achmar bei Cairo. (Wenigstens muss Jeder,
der die Achmarsteine mit dem Gestein der beiden Monolithe
vergleicht, beide für identisch erklären.) Es ist der Mühlstein,
der auch im Becken von Paris das Hangende des dortigen Eo-
cenen bildet, dessen Auflagerung auf die Schizasterbank im Mo-
kattam bei jeder Excursion im Osten des Gebirges beobachtet
werden kann und am Djebel Achmar eine besonders mächtige
Entwicklung gefunden hat. Von einer vulcanischen Einwirkung
auf den Berg, wie Russegger wegen der ,, rothgebrannten, ver-
glasten" Gesteine wähnt, ist natürlich entfernt keine Rede. Denn
in vollständig horizontalen Bänken lagern die Sandsteine auf
*) Der Stein klingt unter dem Hammer wie eine Solnhofer Platte.
Der nördlich stehende Koloss ist die berühmte klingende Statue, an
welchen die Griechen die liebliche Sage vom schönen Memnon knüpften,
der alle Morgen bei Sonnenaufgang seine Mutter Aurora begrüsste.
Nach Letronne bildet sich die Sage erst 27 a. C, als die Statue bei
einem Erdbeben zersprang. Jetzt klafft sie weit und ist durch Unter-
bau und Einbau nur nothdürftig geflickt. 14 Fuss tief steckt sie im
Saatfeld. Ein Schlingel von Beduinen-Junge klettert, so oft F'remde
kommen, an dem tiefen Sprung in dem Koloss bis in Brusthöhe des
sitzenden Königs hinan und lässt durch Anschlagen mit einem Hammer
oder Beil, das er dort versteckt hält, gegen ein Trinkgeld die Säule
tönen ! ' Hatte wohl das Tönen , das durch eine Menge griechischer
und römischer Inschriften am Fuss der Säule bezeugt ist, damals schon
in einer derartigen Manipulation seinen Grund ?
— 302 —
den Kalkmergeln , die denn auch seit vielen Jahrtausenden für
die verschiedenartigsten Zwecke ausgebrochen wurden. Diese
Steinbrucharbeiten im Achmar, na'mentlioh jene altegyptischen,
w^elche alsbald Monolithe von 80,000 Cubikfuss dort hoben, ha-
ben dem Achmar eine Gestalt gegeben, die auf den ersten Blick
an einen ausgebrannten Krater erinnert. Der Haldensturz mit
seinen schwarzbraunen, glasartigen Sandsteinblöcken gleicht dem
des Vesuvs und ist es zum Mindesten ebenso beschwerlich,
über denselben zum Eand hinanzuklettern. Von da geht es in
den ausgebrochenen Steinbruch hinab, den man, ohne die Phan-
tasie sehr in Anspruch zu nehmen, einem Krater vergleichen
mag.
Auf dem Wege von der Abbasseye bei Cairo zum Djebel
Chascab, der mit zu den lohnendsten Excursionen von der
Stadt aus gehört, lässt man die Schutthalden des Achmar rechts
liegen und reitet in der Ebene, beiläufig auf der Grenze zwi-
schen Eoeen und Miocen, eine Stunde lang gegen Osten. Eine
enge Schlucht bildet hier den Eingang zu einer kleinen Oase,
bestehend aus einer einsamen Sykomore und einigen mageren
Pflanzen aus der Familie der Asclepias und des Ginsters. Die
Quelle heisst natürlich auch „Ain Musa*^, wie es wohl überhaupt
zwischen dem Nil und dem Sinai keinen Quell gibt, der nicht
Mosis Namen trüge. An der linken Seite der Schlucht stehen
gelbbraune, stark gesalzene Kalkmergel an, einige Fuss mäch-
tig, aus denen man mit leichter Mühe Knochen und Schilder
herausgrubelt. Man erkennt die starken Eippen von Cetaceen,
ähnlich dem Halitherium^ unserer deutschen Molasse und Schil-
der von Chelydra. Letztere hat sehr viel Aehnlichkeit, soweit
ich nach den Bruchstücken urtheilen kann, die ich auf einer Ex-
cursion zu mir steckte, mit Chelydra MurcMsoni v. Mey.,
die im schwäbischen Tertiär, z. B. in Steinheim, so schön ge-
funden wird. Ueber diesem Mergelgebirge mit G}'psschnüren
durchsetzt und von Fasersalz durchdrungen wird das Gebirge
sandig und kieselig, roth gefärbt und beginnt der Horizont der
verkieselten Holzstämme.
Seit den Zeiten der napoleonischen Expedition ist der „ver-
- 303 -
steinerte Wald bei Cairo", wie man in Handbüchern und
Keisebüchern die Locaiitcät des Djebel Chascab nennt, zu einem
"Wunder Egyptens geworden , zu dem jeder Reisende pilgert.
Von Cairo sind es 1^2 Stunden Kameelzeit; Dragomana, Frem-
denführer und Eselsbuben dringen in jeden Reisenden, das
"Wunder zu besehen, das je nachdem den Einen überrascht und
höchlich befriedigt, den Andern aber enttäuscht. Hunderte von
zerbrochenen Weinflaschen und zerrissenen Conservebüchsen,
die zwischen den Kieselstämmen des versteinerten Waldes zer-
streut liegen, zeugen jedenfalls von dem zahlreichen Zuspruch,
den der Wald Seitens der Europäer gefunden, und der rück-
sichtsvollen Fürsorge der Führer und Gastwirthe, ihre Gast-
freunde keinen Mangel leiden zu lassen in der Wüste. Der
Eindruck, den der Djebel Chascab auf mich machte, war der-
selbe, den ein mitteldeutsches Braunkohlenflötz macht. Zahl-
reiche gewaltige Stämme eines Balsambaumes liegen die Kreuz
und die Quer im Sand, beziehungsweise in dem Liegenden des
miocenen Sandsteingebirges. Nach Unger gehören die zahlrei-
chen Proben, die ihm Reisende aller Art zur Untersuchung ge-
bracht haben, nur Einer Art an, die er Nicolia egyptiaea*)
nennt. Der anatomische Charakter dieses Holzes ist folgender:
Jahresringe fehlen, das Holz aus Prosenchym- und Parenchym-
zellen in mannigfaltiger Vertheilung, diese dick- und dünnwan-
dig. Getüpfelte Gefässe zerstreut, mit Zellen erfüllt, einzeln
oder zu mehreren vereint, kurzgliederig. Die Tüpfeln behoft,
*) Cf. Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 33 , pag. 299.
Obgleich auf den ersten Blick am Querbruch der Stämme eine concen-
trisehe Streifung scheinbar Jahresringe der Hölzer erkennen lässt, so
stellt sich bei den Schliffen doch heraus, dass diese scheinbaren Ringe
nur Folge der Pressung sind, indem gequetschte und normalbeschaffene
Holzschichten mit einander abwechseln. — Durch H. v. Heuglin erhielt
Unger (Sitzungsbericht vom 12. Juli 1866) die vollständig gleiche Art
fossilen Holzes aus Woro-Heimano unfern der Festung Magdala, etwas
nördlich von Schoa und dem Wollo-Galla-Land aus einer Höhe von
ungefähr 10,000 Fuss über dem Meer. Basalte, Pechsteine und heisse
Quellen sind dort in der I^ähe.
- 304 -
an allen Wänden gleich oder an den äussern Wänden ohne
Höfe, Markstrahlen verlängert aus 1 — 4 nebeneinanderliegenden
Reihen Parenchymzellen. Die Yergleichung mit lebenden Höl-
zern zeigt, dass die Gefässe von Stercidea und Astrapaea-Arien
ebenso gruppirt sind, und hält es Unger nicht für zu gewagt,
das Holz der NicoUa als einer Büttneriacee oder Sterculiacee
angehörig zu betrachten.
Diese Nicolienstämme liegen nun nicht etwa zu Duzenden
oder gar zu Hunderten, sondern vielmehr in Wahrheit zu Tau-
senden in der Wüste Chascab zu Tage. Wo der Sandstein
verwitterte und im Laufe der Zeiten das Material für den Wü-
stensand abgab, da witterten zugleich aus den Sandbänken, darin
sie als in ihrem Flötze lagen, die verkieselten Stämme heraus
und decken über 2 — 3 Meilen hin im „kleinen", noch weit mehr
aber im „grossen" Chascab die Oberfläche. Die Touristen be-
suchen nur den kleinen versteinerten Wald, der grosse liegt
7 Stunden östlich Cairo und beansprucht dessen Besuch eine
starke Tagereise. Hier erst kann man im vollsten Sinne von
einem „gefällten Walde" reden. In der Nähe des Bihr el Fach-
meh liegt die Wüste in Wahrheit so voll Baumstämmen, dass
ausser dem feinen Saud der Wüste kein anderer Stein mehr
sichtbar ist als der Feuerstein, in welchen die Nicolien verwan-
delt sind. Ich mass Stämme von 1 Meter Durchmesser au der
Basis und 20 — 30 Meter Länge. Für Reisende, denen der An-
blick von Kohlenflötzen unbekannt ist, sind das überraschende
Thatsachen, über welche die abenteuerlichsten Phantasien schon
niedergeschrieben worden sind. Der Geognost sieht darin nichts
Anderes, als was ihm jede Kohlengrube aus der Miocenzeit bie-
tet, mit dem einzigen Unterschied, dass sich unter den Wassern
Deutschlands Kohlenstoff und Pflanzenfaser erhielt, während
unter dem Einfluss des kieseligen Sandsteins im Mokattam die
Holzfaser sich in Kieselsäure verwandelt. Die climatischen Ver-
änderungen aber, welche seit der Zeit der Miocene mit den
Nilländern vor sich gingen, sind offenbar keine andern, als die
auch innerhalb Deutschlands sich bemerkbar machen, wo Bai-
— 305 —
sampappeln und Cypressen vorherrsclieud das Material für die
deutsche Braunkohle lieferten.
Ausserdem stimmt gar Manches, was wir im heimatlichen
Tertiär zu sehen und zu finden gewohnt sind, so zum Beispiel
die Aubohrung der alten Schichten am Ufer des miocenen Meers
durch die Arbeit der Pholaden und ähnlicher Minirer. In
Schwaben macht es uns, seit wir auf der grossen geognostischen
Laudeskarte die Grenzen des Ulmer Tertiärs zum weissen Jura
der Alb festzustellen bemüht sind, grosse Freude, in ganz be-
stimmten Linien das alte Meeresufer eintragen zu können, in
Linien, die sich aus dem Vorhandensein von Pholadenlöchern
an den Felsen des Jura's ergeben. Wer solche besonders schön
sehen will, der gehe z. B. nach Heldenfingen oder Altheim auf
der Ulmer Alb ; am Rande der tertiären Ebene, die Ein grosses
Kornfeld bildet, erheben sich an den genannten Orten in stei-
lem Absturz die plumpen Felsenkalke des weissen Jura's. Auf
der Seite gegen die Ebene sind sie gleich den Felsenklippen
au dem Ufer der Meere über und über durchlöchert und durch-
nagt, zum unwiderstehlichen Beweis, dass hier einst die Fluth-
marke des miocenen Meeres gewesen und diese Felsen zwischen
Ebbe und Fluth jenes Meeres gestanden. In den Löchern der
Pholaden steckt Sand, Schlamm und theilweise die Schalen mi-
Eocene Bänke von Miocener Sand und Schutt.
Pholaden angebohrt.
Profil hinter den Kalifengräbem von Cairo.
ocener Muscheln. Die Schalen der bohrenden Muscheln selber
sind dagegen meist verschwunden. Ganz die gleiche Geschichte
vor den Thoren von Cairo. Geht man vom Bab el Nagr über
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 3s Heft. 20
- 306 —
die Schutthügel des alten Cairo hin zu den altberühmten Grä-
bern der Kalifen, diesen muselmännischen Heiligthümern im
edelsten Saracenenstyl, so befindet man sich bereits mitten in der
Sandwüste. Einige hundert Schritte hinter den Gräbern erhebt
sich schwach ansteigend ein Sandsteinhügel, in dem man bald
den Ursprung des Wüstensandes erkennt. Dasselbe Korn, die-
selben gerollten durchsichtigen Quarze, dieselben farbigen Kiesel,
und denselben feinen Staub erkennt man in der Schichte, die
gelöst den AVüstensand und Wüstenstaub bilden. Kochsalz
durchdringt die Schichten durch und durch, mit dessen Hilfe
die Schichte an ihrer Oberfläche stets frisch zersetzt, von \9el-
cher der Wind immer frischen Staub und Sand wegfegt und
neuen Flugsand zu dem schon vorhandenen häuft. Dieses ge-
salzene Sandgebirge kennzeichnet sich bald als miocenes Ge-
birge durch seine Austern , Balanen und Schildigel und lagert
an die Steilwände des Nummulitenkalkes in einer Weise an,
dass dessen Felsriflfe als altes Ufer des miocenen Meeres sich
erkennen lassen. Die ganze hora 9 zerklüftete Nummuliten-
wand ist derart von Pholaden und Lithodomen zernagt und de-
ren Hohlräume mit miocenem Sand angefüllt, dass in Wirklich-
keit keine, auch nur handgrosse Platte frei bleibt', welche die
Pholaden sich nicht zu ihren Wohnungen auserlesen hätten.
Die Vergleichung dieser Pholadenlöcher mit denen Schwabens
lässt keinen Unterschied bemerken; ich nehme daher keinen
Anstand, sie geradezu Pholas riigosa Broc. zu nennen, wie
wohl unsere schwäbische Bohrmuschel am richtigsten genannt
wird. Die Löcher sind langgestreckt, birnförmig; die grössten
messen 18 Centim. Länge und 3 — 4 Centim. Durchmesser; ge-
wöhnlich beträgt der Durchmesser nur 1 — 2 Centim., ungefähr
bei Fingerslänge. Von den Schalen der Bohrmuscheln ist auch
hier nichts sichtbar, dagegen klebt hart am Nuramulitcnfels eine
Trümmerschichte von Muschelschalen und Quarzsand, wie man
heutzutage noch am Fasse von Felsenklippen die Trümmer von
Meerthieren findet, welche die Brandung an der Klippe zer-
schellte. Ostrea undata Of. und Pccten Dunkcri May. mit
- 307 -
Baianusfetzen herrschen unter dem zertrümmerten Material bei
weitem vor.
Auf der "Westseite des Nilthals wiederholt sich amFuss
der alten Xummulitenfelsen der Sand, der Pholadenstrand. Der
mioceue Sand bildet hier die lybische Wüste, wie im Osten von
Cairo der arabische, und erstreckt sich hüben wie drüben weit-
hin gegen Norden bis zum Mittelmeer. Südlich von dem uralten
Pflasterweg, der von den Piuinen des alten Memphis schnurge-
gerade auf die Cheopspyramide zuführt, schauen aus dem Wü-
stensand milde, weissgelbe Kalkbänke; sie sind das Hangende
der grossen Sphynx und bilden einen 12 M. mächtigen milden
Baustein, der mit der Turitellenbank (pag. 292) abschliesst.
Diese Bank, als oberstes Glied des Bergrückens ist gerade so
wie die Bänke am Mokattam von Pholaden zernagt, mit Austern
besetzt und mit Meersand und Quarzgeschieben belagert. Diess
zieht sich auf der Route nach Saqara gegen eine Stunde weit
nach Süden, immer dem Rande des Nilthals entlang. Allmäh-
lich verflachen sich die Hügel und treten gegen Westen zurück,
ausserordentlich weiche, abgerundete Formen bildend, aus denen
nur da und dort ein grauer, vom Wüstensand glatt polirter
eocener Kalkkopf hervorschaut. Der ganze Nilthalrand und die
Hügel sind wieder jener jüngere Meersand, der sich stellenweise
mit den schönsten Fossilen füllt. Denn hier liegen die berühmten
„Clypeaster von Gyzeh," wie man sie längst in den euro-
päischen Kabineten kennt. Kein Besucher der Pyramiden kann
sich dieser Clypeaster erwehren, die von den fremdenführenden
Beduinen fast jedem Reisenden gegen das unvermeidliche Bak-
schich förmlich aufgedrungen werden. So kommt es, dass in fast
keiner europäischen Petrefactensammlung die Clypeaster von
Gyzeh fehlen, aber Niemand kannte die Localität oder die Art
ihres Vorkommens: „angeblich," sagt Freiherr A. von Barnim, *)
„brachten uns die Araber diese Petrefakten aus der lybischen
Wüste. Alle unsere Versuche jedoch, die Fundstätte dieser
*) Reise des Freiherrn Ä. v. Barnim durch Nordost-Afrika. Berlin
1863. pag. 44.
- 308 -
Organismen kennen zu lernen, welche von den Eingebornen
einem strengen Monopolsystem unterworfen sind, waren vergeb-
lich." Es lag mir begreiflich viel daran, einmal an Ort und Stelle
das Vorkommen dieser prächtigen Echinodermen zu beobachten und
gab ich mir alle Mühe, die sonst immer dienstfertigen Beduinen
zu bestimmen, mich an den Platz zu führen, wo sie gefunden
werden. „Wir bringen Dir hundert Stücke,'' war die Antwort,
„aber Du kannst nicht in die "Wüste. Die Gefahr ist zu gross,
und müssten wir büssen, wenn Du deinen Kopf verlörest". In
der That musste ich bei zweimaligem Besuche der Pyramiden
von der Erfüllung dieses sehnlichen Wunsches abstehen. Das
drittemal endlich gelang es, 2 Monate nach den ersten vergeb-
lichen Versuchen mit Hülfe des befreundeten Beduans , der
indess in meinen Diensten über die sinaitische Halbinsel an den
obern Nil mich begleitet hatte. Von der Sphinx aus gingen wir
in rein südlicher Richtung 45 Minuten hart am Rande der Wüste
im Nilthal hin. Gegen Westen lag nun ein flacher kaum
20 Meter hoher Hügel vor uns, an dessen Westrand die Schichten
von den Wüstenstürmen frei gefegt waren und ihre ursprüng-
lichen Lagen unter dem Sande sehen Hessen. Es war die Stelle :
denn am ganzen Hügel ward schon von den Beduinen gewühlt
und lagen die Trümmer der Fossile in unglaublicher Menge
umher. Pecten und Austern sind noch zahlreicher vorhanden
als die Clypeaster, um erstere kümmert sich aber der Beduine
nicht, nur den Schildigel nimmt er mit. So viel nur immer
möglich war, wurde natürlich beigesteckt und die besten
und lehrreichsten Stücke ausgewählt; namentlich gehören die
inneren Kalkstützen der Schale und die durch Verwitterung
macerirten Porenstrassen und Tafeln mit zu dem Interessantesten,
was an diesen Fossilen beobachtet werden kann.
Das Vorkommen des Geschlechts Clypeaster ist sehr be-
zeichnend und wichtig. Durch das Mitvorkommen von Nummu-
litenkalken, die als Geschiebe oder Riffe im Hügel stecken, darf
man sich nicht beirren lassen. Beide sind durch lange Zeiträume
von einander getrennt und Clypeaster eines der leitendsten
Fossile des raiocenen Gebirges. Nach Bronns Lothäa bestimmte
- 309 —
man die Art in Deutschland gewöhnlich als Cl. grandiflorus
(crassKs Agass.), doch passt weder Beschreibung noch Abbil-
dung ganz. Die Arten alle sehen auf den ersten Blick einan-
der sehr ähnlich, doch weicht bei genauerer Betrachtung die
Stellung der Eierlöcher und der Augen so bedeutend ab (cf. Dr.
Philippi Paläontogr. I. T. 38 — 40), dass der Name C. egyptiacus,
der in Frankreich üblich sein soll (eine Publication hierüber ist
mir nicht bekannt), zur Bezeichnung dieser ebenso schönen als
wichtigen Art gerechtfertigt erscheint.
Auf Taf. YI, Fig. 11 ist ein Schnitz aus unserem Seeigel
abgezeichnet, und Fig. 12, a — c das wohlerhaltene Perisoma
mit je 1 Paar Fühlergängen und Zwischenfühlergängen. In
Schnitze wie Fig. 11 bricht die Schale am liebsten auseinander:
in der Regel sieht man auch an demselben im Scheitel das
Intergenitalloch (Fig. 12), durch das der Schnee heraustritt, dess-
gleichen den Rand von 2 seitlichen Eierlöchern. Die einzelnen
Tafeln, 33 vom Scheitel bis zum Rande, 12 vom Rand zur
Mundöffnung sieht man kaum (Fig. 13), so sehr ist die ganze
Oberfläche der Schale von Tuberkeln über und über bedeckt.
Nach dem Abstehen des Thiers waren die Schalen länger oder
kürzer einem Macerationsprocess ausgesetzt, ehe sie versteinerten.
Dieser Process wirkte zunächst auf die Ränder der einzelnen
Kalktafeln und griff die Platten am stärksten auf der breiten
Fuge an , dann kam es an die schmale Fuge und ging der
Process in eigenthümlichen Absätzen vor sich, die ohne Zweifel
dem Process des Wachsthums analog sind. Bereits treten einzelne
Gefässgänge von der Grösse der Porenlöcher zu Tage, je weiter
die Maceration vorschreitet, um so zahlreicher beobachtet man
sie, bis endlich die ganze Perisoma schichte abfault und das
innere durchbrochene Kalkskelet sichtbar wird. Die Kalkschale
zeigt überall den Blätterdurchgang des Kalkspats, die Axen der
Rhomboeder stellen sich jedoch regellos , ohne eine bestimmte
Lage zur Schalenoberfläche oder zum Scheitel des Thieres ein-
zunehmen.
Auf Fig. 14 liess ich, um das System der Kalktafeln vom
ßande des Igels bis zu dem Beginn der Fühlergänge zu zeigen?
- 310 -
•eines der längst vor der Versteinerung macerirten Exemplare
abbilden, das dem nicht macerirten Stücke in Fig. 1 1 entspricht,
während die Seitenansicht von Fig. 11 in Fig. 13 einen Einblick
in das innere Kalkgerüste des Thieres gewährt.
Nächst den Schildigeln ist es Pecten Dunkeri Myr.
Azoren V, 29, der an unserem Fundplatz in der lybischen Wüste
entschieden die gewöhnlichste Muschel ist, aber auch am Mo-
kattam und GenefFe nicht fehlt. Er unterscheidet sich von dem
lebenden P. vola Klein nur unbedeutend, wie solches Mayer ge-
zeigt hat. Zwischenhinein liegt P. asperulus. Seltener, aber
nicht zu verwechseln ist der noch lebende Pecten pleuronectes,
den auch das "Wiener Becken enthält.
An Austern mangelt es ebenso wenig: meist grobgerippte
Formen, die an Ostrea undata Gf. 78, 2 pag. 18 erinnern
oder wohl mit dieser Art zusammenfallen.
Cytherea erycina Link, ist eine sehr charakteristische
Muschel, von Becken in Wien und Bordeaux her wohl be-
kannt. Ich fand sie an der Station 14 bei Suez im Sandstein.
Baianus sulcatus Lmk. füllt immer mit seinen Trümmern
in der nächsten Nähe der eocenen Klippe die Sande und bildet
noch wie einst ganze Krusten über die Kalke. Man findet ausser
der Art des sulcatus wohl auch noch andere.
Ausserordentlich verbreitet ist S y u d o s m y a a p e 1 i n a Ren.
Hörn. VIII, 4 pag. 78, eine kleine 10— 12Millim. lange Muschel,
mit sehr dünnem Gehäuse, die am Ufer des Mittelmeers noch
lebt, übrigens ebenso bekannt ist aus den neogenen Schichten
von Rhodus, Sicilien, der Lombardei und dem Wiener Becken.
Westlich dem Dorfe Saqara, am Rande des Nilthals zur
Wüste gehen einzelne Sandsteinbänke zu Tage, die von der
kleinen Muschel förmlich erfüllt sind.
Unter den Gasteropoden begegnet mau im Sande überall den
Steinkernen von zwei Strombus, einem mit Knoten versehenen
und einem knotcnlosen. Die eine knotige Art ist Strombus
coronatus Defr. Hörn. Taf. 17 Fig. 1, ein im Neogon der
ganzen Mittelmeergegend häufiges Fossil, das im indischen
Meere noch seine verwandte lobende Form erhalten hat. Höchst
- 311 -
■wahrscheinlich ist Str. Bonelli Ergn. Hörn. 17, 2 damit zu
vereinigen, der sich in der That nur durch den Mangel an
Knoten von coronatus unterscheidet und durch Uebergänge sich
durchführen lässt. Beide Formen sind am Rande des Nilthals
und am Fusse des eocenen Felsen zwischen Gyzeh und Saqara
sehr häufig. Gleichfalls nur Steinkern trifft man noch eine
Cassis, die mit C. crumena Lam. so viele Aehnlichkeit hat,
dass man bis auf weiteres sich des Namens wohl bedienen darf.
Während sich am Rande des abgebrochenen Nummuliten-
gebirges das miocene Ufergebilde angelagert hat, macht es sich
im Norden des Gebirges breit und flach, alsTaggebirge am Isth-
mus und als Unterlage der Jüngern Schichten in Unteregvpten.
Die Aufschlüsse der Eisenbahn von Cairo nach Sues und die
frisch aufgedeckten Profile am Suescanal sind hiefür massgebend,
Auf der Station YIII schneidet die Bahn noch in die Krabben-
bänke des untern Eocen ein, hart daneben aber sind schon
Gyps- und Mergelbäuke. An der Station XIV ragen treppen-
förmig die Nummulitenschichten aus miocenem Sand und Mergel,
deren Alter durch Pecten und Clypeaster gekennzeichnet ist
Proül an der Station XIV zwischen Cairo und Sue«. Nummu'.itenbänke
ragen treppenfijrmig aus miocenem Sand heraus.
Der Aufenthalt auf den Stationen ist zu kurz, um Yieles zu
sammeln. Doch genügte das "Wenige und ein Besuch der
■Schichten an der Böschung, um sich davon zu überzeugen, dass
dieselben Verhältnisse hier herrschen, wie an den Böschungen
des Canals bis Ismaila, wo man viel bequemer und sicherer seine
Beobachtungen machen kann. In Sues miethet man eine Barke
und ein Kameel, was die französische Canalverwaltung auf&
— 312 —
Bereitwilligste zur Verfügung stellt und wird nun im Kameei-
schritt durch den Süsswassercanal*) gezogen. Ein Gefälle des-
*) Lange vor Christus schon unter den alten Pharaonen existirten
Verbindungen zwischen Mittelmeer und rothem Meer (unter Sesostris
1400 V. Chr.), die Jahrhunderte lang benützt wurden, aber wieder
zerfielen. Schildert doch Ilerodot den Canal, den Darius ausführen
Hess (um 500 v. Chr.), in einer Genauigkeit, dass an dessen Existenz
gar nicht zu zweifeln ist. Herodot befuhr ihn wohl selbst, denn er
beschreibt die Fahrt als 4 Tage dauernd und den Canal als einen vom
Nil gespeisten, der zuerst gegen Osten am Fuss des Gebirges über
Bubastis führe und dann nach Süden abbiege. Wann dieser Darius-
canal unbrauchbar und wieder verlassen wurde, weiss man nicht;
sicher ist, dass Ptolemäus Philadelphus um 250 v. Chr. zur Zeit des
neuaufblühenden Egypterreichs, eine ganz neue Canalanlase durchführte,
welche nahezu den^elbenWeg einschlug als der gegenwärtig in Arbeit
stehende Canal des H. v. Lesseps. Zu den Zeiten der Rümerherrschaft
wurde er noch benützt, zerfiel aber später, gleich den meisten alten
Kunstwerken, und geschah unter muselmännischer Regentschaft selbst-
verständlich nichts, jene alten Bauten zu erneuern. 1799 war Napo-
leon wieder der Erste, der den alten Plan aufgriff und den Ingenieur
Lepere mit den Nivellements beauftragte. Dieser fand das eigenthüm-
liche Resultat, dass der Spiegel des rothen Meers 30' •> Par. Fuss höher
stehe als der des Mittelmeers, zweifelte aber selber die Richtigkeit
des Resultats an, da die Arbeiten im Drange der Zeit und unter zahl-
losen Beunruhigungen durch feindliche Araberstämme gemacht worden,
und es wurde, wie bekannt, im Drange der Napoleonischen Sturm-
periode das Friedenswerk des Suescanals auch gänzlich vergessen und
verschoben. Erst den 40er und 50er Jahren war es vorbehalten, die
richtigen Vorarbeiten für dieses Werk zu trefl'en und zunächst richtig
zu nivelliren. Fünf Nivellements, von Engländern und Franzosen
ausgeführt, weichen nur um 94 Centim. von einander ab und ergaben
einen fast unmerklichen Unterschied des mittleren Wasserstandes bei-
der Meere von nicht ganz 4 Par. Fuss. — Im Jahr 1859 wurden nach
jahrelangen Verhandlungen der sog. internationalen Commission mit
der egyptischen Regierung die Arbeiten begonnen, welche zuuäclist dar-
auf gerichtet sein musstefi, die jeglichen Süsswasscrs entbehrende
Landenge mit solchem zu versehen. Musste doch die Stadt Sues durch
tägliche Wasserzüge von Cairo aus ihren Lebensbedarf beziehen und
beliefen sich die Auggaben der Compagnie einzig nur für die Beifuhr
von Trinkwasser für <lie Arbeiter bei el Guisr während 6 Monaten auf
600,000 Fr. Die Compagnie kaufte sich zunächst um 2 Mill. Fr. in
- 313 -
Wassers beobachtet man nicht, so unbedeutend ist es (1 Millim.
von Timsah zur Suesschleusse), der Canal ist am Wasserspiegel
12,5 Meter breit, in der Tiefe 7,7 Meter, die Höhe der Bö-
schung 1 — 2 Meter, (der tiefste Einschnitt am ganzen Canal
überhaupt 10 M. bei der Schwelle von el Guisr.) Das Kameel
zieht in 13 Minuten per Kilo die Barke, so dass man gehörig
Zeit hat, aufmerksam die Aufschlüsse zu beobachten, auszu-
steigen , wenn man will und streckenweise auf dem Leitpfad
neben dem Canal zu Fusse zu gehen. Von Sues an, wo zum
Behuf des grossen Schleussenbaus auflO Meter Tiefe der Grund
und Boden ausgehoben wurde , bis zum Kilometerstein Ko. 65
treten lediglich nur grünlichgraue und graue Gypsmergel mit
Gypsschnüren durchzogen an den Tag. Die Schnüre erreichen
dem Ras el Wadi, dem alten Lande Gosen au, anschliessend an den
östlichsten Punct, bis zu welchem die Süsswasser des Nils »eführt
waren. Durch dieses Wadi wurde anfänglich ein von Zagazig aus-
gehender Canal bis zu dem brackischen Timsahsee geführt und im
Laufe des Januars und Februars 1865 zur Verstärkung des Canal-
wassers ein neuer Canal von Cairo bis ins Wadi gegraben. Nach nun-
mehr fünfjähriger Arbeit ist der seither wasserlose, unbewohnte Isth-
mus reichlich mit Süsswasser versorgt, das von Cairo und Zagazig aus
in einem natürlichen Gefäll von 1 Millim. auf 1 Meter bis Timsah läuft
und von da aus als von einer künstlichen "Wasserscheide nach Norden
bis Port Said, nach Süden bis Sues geführt wird. Am Timsahsee
erstund bereits Ismaila, eine ansehnliche Franzosenstadt von 3000
Einwohnern , mit Cafifeehäusern , Arena und Theater, längs der Canäle
durchs Wadi sind nur bis Ismaila 60,000 Morgen Landes meist mit
Baumwolle angepflanzt und sollen dem ganzen Canal entlang über
100,000 Morgen, vor Kurzem noch "Wüste, in Culturland übergeführt
werden können. Jedenfalls war der 29. Dec. 1863 ein rührendes
Freuden- und Friedensfest, als in Sues zum erstenmal die Schleuse
geöfihet wurde und der Nil sein "Wasser ins rothe Meer ergoss. Von
weiter Ferne her kamen die "Wüstenbewohner mit ihren Kameelen
und schwelgten im heiligen "Wasser. Sie küs^sten dem Franken Knie
und Hände, denn „Ihr seid Söhne Ahahs, Ihr seid unsere Brüder".
Man darf wahrlich die hohe Bedeutung des nunmehr vollendeten Süss-
wassercanals nicht unterschätzen, als wahren Segen für den Isthmus,
als eine der glänzendsten Eroberungen Frankreichs in der egyptischen
"Wüste. (Siehe hiezu den Holzschnitt pag. 256.)
— 314 —
theilweise eine Stärke von 0,06 Meter, deutliche Klüfte im Ge-
stein, die sich von den Seiten her mit plattigera Fasergyps ge-
füllt haben. Das Einemal bricht der Gyps recht winklich
zu dem Blätterbruche P. Selbst handdicke Stücke sind noch
durchsichtig und scheint der Faserbruch T, der hier ganz ent-
schieden den Fasergyps gebildet hat, durch den Blätterbruch
durch. Endlich schneidet der nmschlige Bruch bei jedem Schlag
den Faserbruoh durch. Theilweise nimmt der Faserbruch einen
weissen Seideglanz an, der sich in die gelbbraune transparente
Perlmutterfläche aushebt. Das andere Mal lauft der Blätterbruch
parallel mit dem Gang oder haben sich eine Reihe einzelner
wasserklarer Krystallindividuen zu Einem ganzen Agglomerat
zusammengemacht, wobei auch noch einzelne Thonstücke und
Schlammpartikel zugleich mit dem Krystall umschlossen und mit-
einander zur Bildung eines andern umfassenden Krystalls mit-
gerissen wurden. Bei Kilo 65, dem Lagerplatz Chalouf, kommt
der erste und einzige Wechsel der Schichte, ein Kalkfels durch
Eisenerde roth und braun gefärbt. Nach oben weich und zer-
reiblich, ist er bereits in Eisenocker übergegangen, in der Tiefe
aber sehr hart und den Ingenieuren höchst unbequem. Ich sah
diese Bank nur am Süsswassercanal , am grossen Canal ward
zur Zeit meines Besuches noch nicht gearbeitet, doch verdanke
ich die genauesten Beobachtungen hierüber meinem verehrten
Freunde und eifrigen Geologen, Herrn Dr. Heil, der im Mai
18G6, als die Cholera unter den Arbeitern ausbrach, als Arzt
den Isthmus bereiste und bei seineu geognostischen Aufnahmen
jede Unterstützung der Ingenieure genoss. Gerade damals
wurden die Gypsthone mit der überlagernden Kalkbank in einer
Tiefe von 11,37 und einer Breite von 60 Meter ausgehoben.
Die Kalkbank erreicht eine Dicke von 2,25 Meter, keilt aber
nach oben bis zu 0,88 aus. Im Liegenden der Bank findet sich
ein Lager von Haifischzähnen (Carcharodon megalodon Ag.) ;
dieselben, die aufSicilien und auf Malta so reichlich vorkommen
und dort dem Miocen angehören , während im Hängenden Pho-
laden, Crocodilzähne und ausgezeichnete Reste grosser Wasser-
säugethiere sich finden. Beim Abbau dieser Kalkbank, der ein-
— 315 -
Böschung am Suescanal bei Chalouf.
g Gypsletten, c miocene Kalkbänke
gesalzen , P Pholadenbobrungen mit
Haifischzähnen, Pecten und Austern,
S Sand
zigen festen Schichte am ganzen Canal, machte man eigenthüm-
liche Erfahrungen. Die Kalkbauk lagert auf den undurchlassen-
den gypsführenden Thonen,
die man nur anzufühlen -^^y.rr^=^=^»^ — ^^-y-^^^^s:::^ — %^-^'-^r^i^üs
braucht, um sich von ihrem
hygroscopischen Charakter
zu überzeugen. Da man sich
in dieser Gegend schon unter
dem Spiegel des rothen
Meeres befindet und der
Thon eine wassergesättigte,
undurchlassende Schichte
bildet, so erklärte sich da-
durch leicht die Beobachtung, beim Anbruch der Kalkbank
Seewasser von doppeltem Salzgehalt hervorbrechen zu sehen,
welches so mächtig quillt, dass es durch Pumpen entfernt
werden muss und in den alten Pharaonencanal abgeleitet wird.
Die Kalkbank ist ein zu Tage leicht verwitternder, von Salz
und Gyps durchdrungener Kalkfels, der sich als die reinste
Meeresbildung kundgibt, denn abgesehen von den in seinem
Liegenden so häufig beobachteten Zähnen und Wirbeln von Car-
charadon finden sich in ihm selbst zahlreiche Schalen von ßi-
valven und Bryozoenresten, die bei seiner raschen Verwitterung
zu Tage aus ihm herausfallen. Ich nenne unter den Zwei-
schalern:
Pecten scabrellus Gf. (Taf. 95, Fig. 5), ohne jedoch
von der Identität der Art ganz überzeugt zu sein, und compo-
situs Gf. Tab. 97, Fig. 3, der besser stimmt. Die Valven einer
kleinen nur 12 — 13 Millira. grossen Art, welche am häufigsten
auswittern, rechne ich zu P. asperulus Mst. Gf. 95, 8, der
sehr gut stimmt, und endlich eine fast glatte, nur ganz schwach
gerippte Art P. semicostatus Gf. Tab. 98 Fig. 7, die zuerst
in Bünde beobachtet wurde.
Mytilus socialis A. Braun. (Fdb. Tab. 30 Fig. 6) und
Ostrea cyathula Lam. weisen mit dem übrigen Vorkommen
auf miocenes Tertiär hin.
- 316 —
Pecten Dunker i. May. findet sich hier ebenso, wie bei
Saqära (pag. 310), nur etwas kleiner.
Dazu kommen noch prachtvolle Bryozoen, wie Reptescha-
ripora, Escharipora, Corymbosa und andere, über die ich wegen
mangelnder Kenntniss der Arten und unzureichenden wissenschaft-
lichen Hilfsmitteln nichts Näheres zu sagen im Stande bin.
Zunächst über der Kalkbank folgt loser Sand. Eine dünne
Schichte reich an Schalentrümmern von bohrenden Conchylien
und an Crocodilzähnen ist zugleich das Lager von Knochen und
Zähnen grosser Quadrupeden, Cetaceen und Haifische.
Bezeichnend vor Allem ist: Hippopotamus. Herr Dr.
Eeil hatte die Gefälligkeit , mir nicht bloss genaue Zeichnungen
von 2 bei Chalouf gefundenen Unterkiefern, sondern auch einen
letzten unteren Backenzahn zu übersenden. Von dem rechten
Unterkiefer eines ausgewachsenen Individuums sind ausser dem
5 Centim. dicken Schneidezahn noch 4 Backenzähne vorhanden.
Die Höhe des Kiefers am ersten Zahn gemessen beträgt 13 Ctm.,
die andere Zeichnung stellt das hintere Kieferstück eines jungen
Individuums dar, bei dem der hinterste Zahn noch in der Al-
veole versteckt ist, ebendahin gehört auch der Zahn selber, den
ich in Händen habe. Ich kann zwischen demselben und den
Zähnen lebender Nilpferde, H. amphihius L,, die wir hier in
unsern Sammlungen besitzen, keinen Unterschied finden. Im
Uebrigen fehlt es mir an Material zur Vergleichung mit den
Hippopotamuszähnen von Palermo, welche man in 2 Arten //.
PenÜandi und major C. trennt.
Dr. Schweinfurt sah (Gl. VI, 2) bei den Ausgrabungen zu
el Guisr das Schädelfragment eines Phacochaerus. Dieses
Vorkommen würde ganz gut zu dem des Hippopotamus passen
und uns in jenes Clima der Mitteltertiärzeit versetzen, da diese
plumpen, hässlichen Dickhäuter nicht blos bis in den Norden
Afrika's, sondern weiterhin über einen grossen Theil von Europa
verbreitet waren.
Endlich erhielt ich theils in Zeichnungen, theils in Natur
Rippen und Wirbel von Halianassa v. M. Die Reste dieses
— oi< —
Dugongs sehen den Vorkommnissen von Flonheim und Wein-
heim ausserordentlich ähnlich, die man H. Schinzü genannt hat.
Diese junge Tertiärbildung erstreckt sich am Fusse des
alten eocenen Gebirges über den ganzen Isthmus hin. Aus ihm
erst ragt das ältere Tertiär hervor. Kommt man vom Mittel-
meer her auf dem Canal, so ist der Djebel GeneflPe das erste
ältere Gebirge — !N'ummulitengebirge — dessen Schichtencom-
plex von gegen 150 M. in Stunde 8 streicht und in Stunde 12 gegen
Süden einfällt, so dass der Berg seine Stirne mit dem Steilab-
fall gegen ^Norden streckt. Südlich vom GenefFe folgt unter
denselben Verhältnissen h. 7 streichend der Djebel Awebet an
der Station Nro. 14 und als dritter höchster Zug das Mokattam-
gebirge, wie man den ganzen Höhenzug, der von Cairo in süd-
östlicher Richtung sich nach Sues zieht, zu nennen pflegt. Der-
selbe gipfelt im Atäquah in einer Höhe von nahezu 1000 M. ü.
d. M. So haben wir 3 hinter einander gelegene Treppen, in
denen das hohe Gebirge, das Nil und rothes Meer von einander
trennt, gegen Niederegypten abfällt. Sämmltliche 3 Treppen
sind älteres, eocenes Tertiär; was zwischen den Treppen liegt,
ist junges Tertiär , was die geologische Action der Treppenbil-
dung und wahrscheinlich des Anfangs der Bildung des damals
erweiterten Mittelmeers in die Zeit nach der Eocene verlegt.
318 —
IV. Jüngere Meeresbilclungen.
Das Tlior, durch welches ein Europäer gegenwärtig Egypteo
betritt, ist Alexandria. Die Excursionen, die ein Geoguost
von hier aus machen kann, führen allein nur an die Meeres-
küste. Denn im Binnenland hören Schichten und Steine auf
und haben die Alluvionen des Nils ältere Schichtenglieder zu-
gedeckt. Wo aber die starke Brandung, die donnernd an den
Felsenklippen der flachen Küste sich bricht, am Ufer nagt, da
tritt auch die Unterlage des Bodens von Alexandria zu Tage,
die in den Steinbrüchen von Mex eine Mächtigkeit von 10 Me-
tern gewinnt. Das erste volle Interesse des Fremden nimmt
wohl der Schutt des alten Alexandriens in Anspruch, der berge-
hoch an der Küste aufgehäuft ist. Derselbe entstammt mitunter
der ältesten Zeit der egyptischen Reiche, nächstens der Geologie-
verfallen und bildet wahre Alterthumssammlungen von Baustei-
nen und Ornamenten, welche die Meereswelle dem Besucher
zurichtet. Alle mineralogischen Herrlichkeiten des alten Egyp-
tens, die der grosse Alexander einst aus den Nilländern ebenso
wie aus Griechenland und Asien zum Euhme seiner Stadt her-
beischaffen liess, liegen jetzt zertrümmert in den 40 Fuss mäch-
tigen Schuttbergen, an denen die Welle täglich leckt. Man
kann sich halbe Tage lang mit immer neuem Interesse am
Strande herumtreiben und kann nicht ohne Rührung die Trüm-
mer anschauen, die von der Welle bespritzt sich immer frisch
glänzend in den bleichen Meeressand ausheben. Hier liegt eine
5 Meter lange corinthische Säule mit noch prachtvoll erhaltenem
Capital, auf die jedes Palais in Europa stolz wäre, dort die
Scherben einer Porphyrschale von Antico rosso, die in ihren
Scherben noch Bewunderung erregt. Die Syenite und Granite
von den Nilcataracten , die Diorite und Melaphyre des Savko-
phagensteins , die prachtvollsten Porphyre von Tiefroth, Ziogcl-
roth und Fleischfarbe, oder die dunkelgrünen Porpliyre mit den
weissen Feldspatcrystallen , Alles, was der Mons porphyrites
und die sinaitische Halbinsel an Schraucksteincn aufzubieten
— 319 -
hatte — alle sind hier dem Geognosten ausgewaschen mitsammt
den farbigen Marmoren aus der ganzen alten Welt. Die Mar-
more von Faros und Naxos erkennt man ebenso noch in ihren
zerschlagenen Säulen, als die grünen und weissen Marmorplatten
von Lacedämon. Sogenannter Wurstmarmor und Puddingstein,
durchscheinende arragonitische Kalke und Alabasters, alle ver-
künden die vergangene Pracht und Herrlichkeit, die hier im
Staube ruht. Dazyvischen findet wohl auch ein scharfes Auge
kleinere Kunstgegenstände von Metall, Münzen u. dgl. Doch
gibt es für derlei Dinge Liebhaber genug und werden sie dess-
halb eifrigst von Alt und Jung, von Weissen und Farbigen ge-
sammelt. Die Steine aber lässt diese Sorte von Sammlern lie-
gen und findet ein geognostischer Liebhaber hier eine Auswahl,
wie vielleicht an keinem andern Puncto der Welt. Eine Stunde
lang zieht sich östlich vom alten Hafen das Schuttfeld des alten
Alexandriens hin und sieht man hier weit und breit keine an-
dern als fremde, von Menschenhand aus aller Welt herbeige-
führte Steine.
Der eigentliche Boden und Untergrund Alexandriens ist ein
junger Küstensandstein. Um ihn zu studiren, geht man
am besten am neuen Hafen vorbei über den Canal und die
arabische Vorstadt nach den Steinbrüchen von Mex. Diese
Steinbrüche heissen sonst auch die Catacomben von Alexandria
oder noch hochtönender die Bäder der Cleopatra. Der Stein,
der hier neuerdings stark ausgebeutet wird, nicht nur für zahl-
reiche Neubauten von Alexandria, sondern hauptsächlich von
der Suescanal-Compagnie für die Hafenbauten von Port-Said,
ist ein bald feiner, bald gröberer Kalksandstein, der im Grunde
nur aus dem Detritus von Conchylienschalen besteht und zum
kleineren Theile aus feinem, farblosen Quarzsand. Gegenwärtig
bricht man unter der Leitung französischer Ingenieure die vor
Alters schon für Zwecke der Todtenbestattung durchwühlten
Felsen vollends aus und legt damit die alten Gänge, Hallen
und Grabnischen blos. Der feinere Muschelsandstein gehört zu
den oberen Schichten, regelmässige Bänke bildend von einigen
Fuss Mächtigkeit. Er macht keinen andern Eindruck als den
- 320 -
eines festgewordenen Dünensandes und besteht fast nur aus
reinem Kalksand, der unter der Loupe wie fein zerstossene
Muschelschalen aussieht. In Salzsäure löst er sich fast ganz
auf und bleiben im Rückstand nur einige Körner farblosen
Quarzes. Was mich am meisten an diesem Sande überraschte,
waren zahlreiche kleine Helix candidula Stud.*), welche den-
selben füllten und ihm das deutliche Gepräge einer zwischen
dem Einfluss des Festlandes und des Wassers, getheilten Bildung
geben. Die gröberen tieferen Bänke bestehen gleichfalls aus
zertrümmertem Muschelwerk, in einer Weise, dass an der Struc-
tur der Schalen sich theilweise noch die Gattung der Cardien,
Pecten, Patella, Natica u. s. w. erkennen lässt. Heliceen beob-
achtete ich in diesen unteren Lagen nicht. Ganz in Ueberein-
stimmung mit diesem Küstenkalk ist der heutige Meeressand
von Alexandria. Er ist unter der Loupe das Gleiche, was jener
ist und ist auch in seinem chemischen Verhalten eigentlich
nicht verschieden**) von dem des Muschelsandsteins, wie folgende
Analyse von Kalkstein von Mex und von Dünensand östlich
der Steinbrüche von Mex zeigte
Kalkstein Dünensand
Kohlensaurer Kalk 95,827
Kohlensaure Bittererde ....
Schwefelsaurer Kalk
Kieselerde und Eisenoxyd . . .
Unlöslicher Rest (Kiesel und Thon)
99,368 99,805
Der Ursprung des Dünensandes aus dem dermaligen Küsten-
kalk scheint mir unwiderleglich zu sein, um so so mehr als die
genauesten Untersuchungen der französischen und englischen
Techniker an der ganzen Nordküste Egyptens den innigsten
Zusammenhang zwischen dem Dünensand und dem anstehenden
95,827
90,570
1,300
3,948
0,070
0,430
0,980
1,057
1,191
3,800
*) Es ist diese Schnecke die gleiche, die in Europa noch lebt und
2. B. im Lehm von Cannstatt vielfach sich findet.
**) Cf. rapport de M. John Havrksliaw sur les travaux du cmial de
Sues Alex 18G3. pag. XV.
- 321 -
Küstengestein dargethan haben. Der Küsteukalk von Alexandria
zieht sich nur bis zum Westende der Bai von Abukir hin. In
der Bai selbst ist er verschwunden undi^bei Raschid, der sog.
Rosettemündung, weist die Analyse des Dünensandes auf
Kohlensaurer Kalk . . . 0,405
Kohlensaure Bittererde . 0,107
Kieselerde und Eisenoxyd 1,130
Unlöslicher Rest .... 97,958
99,600
In ähnlicher Zusammensetzung ist der Sand von Damiette,
der 94,607, und der von Port Said, der 96,680 unlösliche Be-
standtheile enthält, stets entsprechend dem anstehenden Küsten-
gestein.
Der Uferstreifen, der sich von den Steinbrüchen bei Mex
in nordöstlicher Richtung bis zum Fort Abukir hinzieht, ist im
Gebiet des ganzen Deltas der einzige Kalkfels, der seinen Ursprung
einer Zeit verdankt, in welcher noch Helix candidula, eine in-
dessen längst nach Norden gewanderte Schnecke, sich auf der
afrikanischen Düne wohl fühlte. Von einer jüngeren Bildung,
oder wie man vielfach lesen kann, von einer noch heute
fortgesetzten Landbildung am Ufer Egyptens ist
entfernt keine Rede und ebenso unbegründet ist es, wenn
man die Küste Alexandria's in irgend eine, ob auch längst ver-
gangene Verbindung mit dem Nil bringen will. Von einer neuen
Landbildung in Unteregypten ist überhaupt längst keine Spur
mehr zu sehen, und modificirten sich meine Begriffe von der Nildelta-
bildung auf Grund der Aufnahmen und Beobachtungen europäischer
Ingenieure sehr wesentlich. Die Techniker fanden namentlich
um Alexandria keine andere als eine das Land erodirende und
allmählich verschlingende Wii'kung des Meers, Von Ramleh bis
Mex, d. h. eben etwa auf dem Gebiete, das einst die alte Welt-
stadt mit ihren Bauten bedeckte, greift die Brandung die Felsen-
unterlage des Bodens in einer Weise an, dass z. B. die alten
Gräber, welche in den Fels gehauen waren, zum grössern Theil
schon versehwunden und die Trümmer der Stadt mit ins Meer
Württemb. naturw. Jahreshefte. 18G7. 2s n. 3s Heft. 2l
- 322 -
hinein geführt sind. Der Grund hiefür ist unschwer zu erkennen,
sobald man nur ein wenig aufmerksam zur Ebbezeit den Strand
begeht: bekanntlich ha^ Alexandria einen alten und einen neuen
Hafen: der alte ist heutzutage absolut unbrauchbar, die licht-
grüne See und die schäumende Welle künden die allgemeine
Untiefe an und an ganzen Zügen von Riffen bricht sich allent-
halben die tosende Brandung. Wo der alte Hafendamm sich
ans Ufer anschliesst und die halbverfallenen arabischen Forts
geisterhaft aus der See hervorragen, wo die Welle alle 15 — 20
Secunden das Ufer peitscht, da liegen Gallerien von Backstein-
bauten, cementirte Estriche, gepflasterte Wege blos, die bereits
mehr oder minder alle unter dem Meeresspiegel der Ebbe-
zeit liegen. Dazu — wie oben gesagt, das Meer, das in die
alten Grabgänge eindringt, die Schwierigkeit der Einfahrt aller
Schiffe auch in den neuen Hafen und namentlich auch der
brackische Mareotis,*) der trotz aller Mühe Mehämmed-Ali's
nicht mehr trocken gelegt werden kann — Alles das lehrt un-
widersprechlich, dass wir mit einer sinkenden Meeresküste
zu thun haben.
Diess ist eine Thatsache, die an sich mehr als alle andern
Umstsände das Gelingen des Isthmusdurchstiches in sichere
Aussicht stellt und alle die von neidischen Interessenten ausge-
streuten Fabeln von Versandung der Canäle und von Ver-
stopfung der Nilmündungen durch Nilschutt u. s. w. zu Schanden
macht. Dergleichen Dinge wurden noch vor wenigen Jahren
allgemein geglaubt und als Grund gegen die mögliche Ausfüh-
rung des Canals geltend gemacht; wer je an Ort und Stelle sich
von dem wirklichen Sachverhalt überzeugt hat, dem kommen
derartige Gedanken gar nimmer in den Sinn. Was der Nil
schliesslich noch ins Meer führt, nachdem er vorher auf 100
*) Die Franzosen trafen bei ihrer Landung den Marcotis ausge-
trocknet, bis auf wenige Süsswassertümiicl. Seit die Engländer im
April 1807 unter Sir Ralph Abcrcrombic die Landzunge zwischen dt-r
See und dem Mareotis durchstachen, um die Franzosen des süssen
Wassers zu berauben, ist er nie wieder gctrofknet.
— O^Ö —
Meilen langem Lauf von seinem Bette abgeleitet und in mehr
als tausend Canälen angezapft und angesaugt worden ist, ver-
schwindet fast vollständig als geologisches Moment. Bei Cairo
steigt der Nil noch zur Zeit seines höchsten Wasserstandes um
8 Meter, bei Damiette und Rosette beträgt das Steigen nur
1 Meter. Der grössere Theil des Wassers, das durch die zahl-
losen Canäle die Culturfelder Niederegyptens befeuchtet, ver-
dunstet oder verlauft in die seichten Lagunen des Menzaleh,
Burlos, Edku und Mariut. Ein Gefäll des Wassers ist kaum
noch zu beobachten. Yon Geschieben ist ohnehin keine Rede,
da das Wasser nicht Einen Stein mehr wälzt und bei seinem
trägen Lauf durch das untere Delta mehr und mehr sich klärt.
Von irgend einem Einfluss der Nilabsätze auf den Ufergrund des
Meers fanden die untersuchenden Ingenieure der Suescanalcom-
pagnie auch nicht die Spur. Der französische Ingenieur Mougel-
Bey, der namentlich im Jahr 1860 und 61 im Auftrage des
Vicekönigs die Nilmündungen aufgenommen und gerade mit
Rücksicht auf ihre Absätze am Ufer studirt hat, weist überzeu-
gend nach, wie ausser dem feinsten Thonschlick und dem zar-
testen Sande die Nilarme Nichts mit zum Meere bringen und
dass der englische Capitän Spratt entschieden im Unrecht sei,
wenn er z. B. zahlreiche kleinere Kunstproducte und die
Scherben von Töpfergeschirr, mit denen die Welle am ganzen
Ufer von Niederegypten spielt, auf den Nil zurückführen will.
Die meisten Scherben und fremdartige Steintrümmer fand man
gerade da, wo niemalen der Nil gemündet, zwischen dem Thurm
der Araber und Abukir, weit weniger trifft man an der Mün-
dung der Nilarme selber und erklärt sich das Vorhandensein der
Scherben vielmehr aus den in alten und neuen Zeiten unterge-
gangenen Ortschaften und der vieltausendjährigen Sitte, Ufer-
strassen zu gehen, auf denen natürlich das Trinkwasser mitge-
führt wurde. (Hat doch heute noch wie zu den Zeiten der
Pharaonen jeder Reisende seine Gullah [Wasserflasche] bei sich.)
Somit werden derartige Erscheinungen gewiss richtiger Weise
auf die einfachste und ebendamit natürlichste Weise zurückge-
— 324 —
führt, dass diese menschlichen Spuren, namentlich Geschirr und
Töpferreste einfach im Lauf der Jahrtausende vom Ufer aus ins
Meer gericthen, ohne dabei die Hülfe des Nils in Anspruch zu
nehmen.
Die Ingenieure finden, meist zu ihrem grossen Leidwesen,
als Untergrund unter dem egyptischen Culturbodcn einen losen,
schwimmenden Meersand, über den sich erst der zarte Mlschlick
ausgebreitet hat. Keinem aber derselben kommt es in den Sinn,
die Sande in der Bai von Pelusium und die Barren von Port-
Said irgendwie mit dem Nil in Verbindung zu bringen. Viel-
mehr wascht das Meer von den alten miocenen Dünen, als der
Unterlage des egyptischen Grund und Bodens den Quarzsand
aus, wo die Düne aus Quarzsand besteht, oder aber den Kalk-
sand, wo sie wie zu Alexandria durch diesen gebildet ist und
verschlingt so von dem sinkenden Strande, was ihm nach den
Gesetzen der Physik geboten wird.
Solche Bildungen des gegenwärtigen Meeres kann man von
Sues an längs der ganzen Küste des rothen Meers bis zur Breite
von Assuan verfolgen. Wo auch unsere Barke das Land gewann
und Steine am Ufer ihr Zeugniss ablegten, hatte man nur entweder
altes crystalliuisches Gebirge unter den Händen oder modernen
Meeressandstein und Riffkalke. Gleich die Bucht von Sues wird, ehe
das miocene Isthmus-Gestein anfängt und sich bis zum Durchstich
von el Guisr an den Fuss der eocenen Felsen lagert, von einem
jüngsten Tertiär, sogen, modernen Meeressandstein, begränzt,
dessen Felsen 10 — 12 Fuss über der Fluthmarke liegen. Im
Norden der Suesbucht , bei der Einmündung des maritimen
Canals bricht man zur Ebbezeit einen zur Fluthzeit unter Wasser
gelegten harten Felsen aus, der aus Rollstücken und Meermu-
scheln zusammengesetzt ist. Die Arten der Muscheln, die ich
beobachtete, werden heute noch von der Fluth an den Strand
geworfen und gehören zu der jetzigen Fauna des rothen Meeres,
Weiter leckt die Welle am Ufer eine Wand von 10 Fuss Höhe
blos, die aus dem feinsten gelben Sand besteht, ofienbar einem
alten Flugsand, und von einer Lage Muschelschalen und Gyps-
crystallen bedeckt ist, die zum Theil zu einer Art Brcccie zu-
- 325 —
sammeugebacken sind und vielfach an gleichartige Dinge unseres
oberschwäbischen Tertiärs erinnern. Gebleichte Muschelschalen,
Gypscrystalle und Salz sind rings um Sues und weithin auf dem
Isthmus der Grund und Boden der Gegend. Einen trostloseren
Anblick von einer Erdoberfläche kann sich kaum Jemand denken.
Von einer Vegetation ist überhaupt gar keine Spur, selbst die
hartstengligen Wüstengräser oder die stachligen und klebrigen
Wüstenkräuter können in dem gesalzenen Gypsboden nicht exi-
stiren, der unter dem Fusse kracht und mit dem Perlmutter-
bruch seiner Gypscrystalle im Sonnenglanz spiegelt.
Mitten in dieser öden Wüste, die ein Europäer, wenn es nicht
so heiss wäre, am liebsten einer eisigen Winterlandschaft ver-
gleichen möchte, erhebt sich ein grüner Fleck, der einzige auf
eine Entfernung von Tagereisen hin, Ain Musa mit seinen
merkwürdigen Quellen. Früher war Ain Musa eine der wich-
tigsten Wasserstationen der Karawanen, die von Egypten nach
Arabien zogen, jetzt — da der Süsswassercanal des Hrn. v. Lesseps
das viel bessere Mlwasser nach Sues bringt, hat Ain Musa
diesen seinen geographischen Werth ganz verloren, in nichts
aber an seinem geologischen Interesse eingebüsst, das die Quellen
dem Forscher bieten. Diese Quellen kommen nehmlich auf der
Spitze isolirter 4 — 5 Meter hoher kegelförmiger Hügel zum
Vorschein*) und ist eine beträchtlich Anzahl derselben auf dem
Eaume einer halben englischen Quadratmeile vereinigt. Die
Quellen gaben zur Cultivirung des umliegenden Bodens Anlass
und sind gegenwärtig auf einem Eaum von einigen Morgen
Gärten angelegt und Landsitze wohlhabender Europäer errichtet.
Die Temperatur und Beschaffenheit dieser Quellen ist verschie-
den, erstere varirt zwischen 17 und 23*^ R. , letztere zwischen
einem kaum merklich gesalzenen Trinkwasser und einem unge-
niessbaren Bitterwasser. Die Quellen selber brechen innerhalb
der Gärten, wo die Cultur die natürlichen Hügel geebnet hat,
aus trichterförmigen Bassins, innerhalb deren das Wasser in
>=) Petermaniis Mittheilung, 1861. Taf. 14.
- 326 -
zahlreichen Einzelquellen wie durch Mauslöcher aufquillt und
jedes Loch, das man mit dem Stock in den weichen Boden
sticht, wird zum neuen Quellrohr. Doch lassen sich die natür-
lichen Verhältnisse besser als innerhalb der Gärten ausserhalb
des Opuntia-Haages in der Wüste erkennen. Tausend Schritte
östlich von der Oase steht eine einsame Palme am Fussc eines
Quell bei der Oase Ain Musa in der Sueswüste.
Nach einer Zeichnung von Max Eyth.
5 Meter über die Ebene aufsteigenden Hügels : auf dessen Spitze
steht eine Wasserlache von 1,3 M. Durchmesser und 0,5 M. Tiefe.
Das Wasser ist ungeniessbar gesalzen und bitter, sowie 17 " R.
warm, ein dintenschwarzor Schlamm deckt den Boden. Der Ab-
fluss geschieht in einer handbreiten Rinne, doch erreicht das
Wasser kaum die Ebene, indem der Wüstensand am Fusse des
Hügels alsbald das Wasser wieder verschlingt. Zahlreiche
Wasserkäfer, die sich an der Hand festbeissen, Melanien (.17.
fasciolata Oliv.), die lustig im lauen Wasser herumkriechen und
wie ich bald zu meiner Freude bemerkte, Hunderttausende von
durchsichtigen Pinselflöhen (Ci/pris dchcta Müll.) füllton das
kleine Bassin. Mit der hohlen Hand Wasser schöpfend, fing ich
Duzende, die mit ihren gefranzten Fühlern horumruderteu und
- 327 -
schliesslich auf der Hand strandeten. Bald auch zeigten sich
im Schlamme zahllose undurchsichtig gewordene Schalen abge-
standener Thiere und schliesslich erwies sich der Fels, der den
Hügel umsehliesst, durchgängig von Cyprisschalen gebildet.
Die Sache lag klar vor Augen: die Cypridinen bauten den
Hügel, die Millionen Thierchen cementirten mit
ihren Kalkschalen im Laufe der Zeit den Sand, durch
den die Quelle aufsteigt, und bauten schliesslich die Quelle ein,
zunächst so hoch sie stauend, als es überhaupt nach physika-
lischen Gesetzen möglich war, hernach aber sie förmlich ab-
schUessend, so dass ein Theil der früheren Quellen gar keinen
Ausfluss aus der Cyprismauer mehr findet. Dazu zeigt die
mikroskopische Untersuchung des Schlammes Diatomeen*) in
ungeheurer Menge, die den eigentlichen Quellabsatz repräsen-
tiren. Ausser den Diatomeen fanden sich auch Infusorien und
Insektenreste, die mit kohlensaurem Kalk den Schlamm bilden.
Der Druck auf das "Wasser stammt offenbar aus dem, wenn auch
2—3 Meilen entfernten Rahah-Gebirge. In den schwach gegen
das Meer geneigten Schichten lauft und sammelt sich das , ob
auch spärliche Wasser , das an der Abbruchstelle zu Tage tritt,
•wo die Schichten steil gegen die rothe Meer-Spalte abfallen.
Eine im Süden der Oase zu Tage tretende Schichte tertiären
Kalkes zeigt Streichen und Fallen der Bänke deutlich. Ruhig
aber wären von jeher die Wasser im Sande verronnen, wenn
nicht das organische Leben, speciell also die Schalen der Cypris
allmählich die Quellgänge eingemauert und an einigen Stellen
*) Herr Eulenstein, der sich für diese mitgebrachten Schlammpro-
"ben interessirte, fand:
Epithemia gibba, Pinnularia viridis,
„ argus, Orthosina arenaria,
Denticula tenuis, Mastogloia Smithii.
Fragilaria capiicina,
Die Arten der Gattung Mastogloia kommen mit Ausnahme der M.
Smithii im Brack oder Meerwasser vor. Diese findet sich meist im
Süsswasser, bisweilen aber auch im Brackwasser. Die übrigen ange-
führten Arten sind ächte Süsswasserarten.
- 328 -
bis zu 12 und 15 Meter über die Ebene der Wüste und 30 M.
über die Fluthmarken getrieben hätten. Mit Stock und Hammer
liess sich leicht die Probe machen , dass alle diese Hügel mit
ihrem Wassertümpel auf der Höhe auch seitlich angezapft werden
konnten, worauf das Wasser mit Gewalt zu der eingetriebenen
Seitenöffuung ausfloss.
Solcherlei Bildungen können als moderne, jetzt noch fort-
dauernde angesehen werden, wie auch die Niederschläge aus-
laugender, mit Salz und Gyps gesättigter Wasser, die da und
dort am Canalbau die oberflächlichen Lagen der beweglichen
Sande unter einander verkitten.
Weitaus die wichtigste Rolle unter den Jüngern Meeresbil-
dungen spielen die KorallrifPe, die ich am Hadjar el Ma nördlich
el Tor, und auf der africanischen Seite hinter Cosseir, im Ambaga zu
beobachten Gelegenheit fand und die ausserdem noch über Tage-
reisen hin am Ufer des Meeres zu Tage gehen. Bevor das fossile Riff
zur Untersuchung mir zum Verständniss kam, bot das moderne
Riff alle seine Reize auf, um mich zu fesseln und mir zum ersten-
mal das unvergessliche Schauspiel des südlichen Lebens zu zeigen,
das auf den vorherrschend aus Madreporen, Alcyonen, Milleporen
und Astraeen bestehenden Corallenbänken sich entfaltet. Längs
des ganzen rothen Meeres zieht an den Ufern in der Bi-eite von
einigen 100 Schritten das Saumriff hin, an dem die Brandung
Jahr aus Jahr ein tost und von dem jede Barke, wohlwissend
warum, in respectvoller Entfernung bleibt. Von einer benach-
barten Höhe aus, wie von der des Atäqah, erkennt man das
Riff an der lichtgrünen Farbe des Wassers, die durch den Sil-
berstreifen der Brandung getrennt von dem dunkeln Tiolcttblau
der Tiefe sich aufs schärfste abhebt. Wo nun längs der Küste
irgend ein Tagwasser in das Meer mündet, das jetzt vielleicht
nur noch einige Stunden im Jahr fliesst, aber wohl in früheren
Zeiten noch reichlicher floss, da ist das Riff unterbrochen. Eine
Lücke, je nachdem nur von 10 Metern, aber auch bis zu 100
Meter und darüber öffnet sich und bietet der gebrechlichen Barke
des Rothenmeer-Schiffers den gesuchten Landungsplatz und ruhige
Bergeplätzc vor den oft recht gewaltigen Stürmen, denen dieses
- 329 —
schmale Biuueumeer ausgesetzt ist. Der Schiffer kennt diese
Lücken im Riffe wohl alle, hier nur ist es zur Ebbezeit vom
Lande aus möglich, wenn auch nicht trockenen Fusses, aber
ohne erhebliche Schwierigkeiten das Eiff zu begehen. Ich be-
suchte es zu el Tor und hinter Cos seir. Die Breite des Riffes
ist wechselnd bis zu einigen hundert Schritten. In der ganzen
Breite des Riffes ist die Coralle abgestanden, nur am Saum des-
selben, wo es gegen die hohe See abfällt, ist das wunderliche
Leben der Stöcke zu beobachten. Ohne zu tauchen ist es je-
doch nicht möglich, sich derselben zu bemächtigen, dagegen ist
das Wasser so wunderbar klar, dass man versucht ist, nach
denselben zu greifen, obwohl die Entfernung 4 — 6 Meter be-
trägt. Das Riff ist in seiner Breite vom Ufer bis zum Saum
einer Kalk -Felsenplatte mit rauher Oberfläche zu vergleichen,
an der man äusserlich keine Spur von Corallenbau mehr er-
blickt. Erst wenn man mit dem Hammer ein Stück des körnigen
Kalkes abschlägt, sieht man die Corallenstructur des Felsen.
Was für ein Leben nun auf diesem Riff! Keine nur handgrosse
Stelle, wo es sich nicht regt und zuckt und die Kruster und
Anneliden ebenso als die Mollusken und Crinoideen gruppen-
weise bei einander ihr Stillleben führen. So neu dem Europäer
der Anblick eines solchen südliehen Corallenriffes ist, so ist es
doch dem Jurageognosten gewissermassen bekannt. Ich ver-
meinte in der That oft auf einem Weiss-Jura-Felsen bei Neres-
lieim oderNattheim zu stehen. So überraschend ähnlich ist der
Gesammteindruck, den das jurassische und das moderne Riff
macht. Die einzelnen Arten, die das Riff beleben, treten immer
in Mengen auf, dass der Werth des Individuums kein anderer
däucht, als der des Sandkorns oder des W^assertropfens. Die
Menge der Individuen ist um so auffälliger, als einige Arten
stets für sich leben und ihre bescheidenen Lebensbezirke
haben, die sie nicht verlassen und die ihnen, wie es scheint,
auch nicht streitig gemacht werden von Concurrenten.
Die ersten Schritte auf das Riff*) vom sandigen Ufer weg
Die nachfolgende Schilderung des Riffs bezieht sich auf das
- 330 -
führen an einen Wald braungrüner Algen, in dessen Schatten
Patellen und Neriten sich wohl fühlen. Dieser erste Bezirk
ist über 10 Schritte breit und bildet gewissermassen einen Saum
ums Riff gegen den Strand. Neben der Patella sp. sitzt Kerita
albicilla Lm., Columhella mendicaria Lm. und OUva funehralis
Lm. In den Löchern des Riffs, in denen das Wasser über die
Zeit der Ebbe stehen bleibt, haben sich handgrosse violette
Ophiocomen festgekneipt, die sich lieber Glied um Glied vom
Leibe reissen lassen, als dass sie ihren Schlupf verliessen, irgend
ein altes Pholadenloch , das Sand und Wasser mit der Zeit er-
weitert hat. Dazwischen tummelt sich geschäftig ein Grapsus
oder Gclasimus um, der von Tümpel zu Tümpel springt, um
nachzusehen, ob nirgends ein Cadaver liegt, der zu beseitigen
wäre. Der zweite Rayon beginnt damit, dass becherförmige
kürzere Algen jene erstem verdrängen. Vereinzelt findet sich
nur noch Columhella , an Stelle der anderen trifft man Natica
melanostoma Lm., Cerithiwn tnaculosum Lk., Strombus pihhe-
rulus Lk. und floridus Lk. und Turbinella cornigera Lk. Auch
hier nur ein Streifen von wenigen Schritten, um dem dritten
Lebensbezirk Platz zu machen. Die Algen werden seltner und
sind violett und carminroth, einzelne prachtvoll anilinblau,
prangen aber nur unter Wasser in diesem Farbenschmuck. Hier
ist die Heimath des Echinus und des unnahbaren Diadema, der
mir brennende Wunden versetzte, als ich mich seiner bemäch-
tigen wollte. Dazwischen liegen anscheinend leblos unförmliche
Ascidien, Phallusien und Pyrosomen, und sind Pinnen und Me-
leagrinen halb begraben in den Löchern. Freier bewegen sich
die Gasteropoden , die durch Dolium pomum Lk., Terebra cae-
rulesccns Lk. , Eicinula tuberculata Bl. und kleine Trochus
vertreten sind. In flachem Gefäll neigt sich die Oberfläche des
eine halbe Stunde südlich Cosseir gelegene Riff, das ich mit meinem
werthen Freund und Landsmann , dem Dr. Klunzingcr, besuchte. Der-
selbe ist nunmehr seit 4 Jahren an dem dortigen iSpitale als K. türkischer
Sanitätsrath angestellt und ist von ihm bald eine genaue Beschreibung
der Fauna von Cosseir zu erwarten.
— 331 —
Eiffs gegen die See, so dass bei der Ebbe der Reihe nach der
erste, zweite, dritte Lebensbezirk vom Wasser frei wird. Der
erste ist somit nahezu volle 6 Stunden ausser dem Wasser, der
zweite schon kürzere Zeit u. s. w. Man versteht es daher bald,
wozu der Algenwald am Ufer dient, und warum gerade Patellen
und Neriten dort leben, die mit ihren festgeschlossenen Woh-
nungen den ßstündigen Sonnenschein zu ertragen im Stande
sind. Mit der Annäherung an die hohe See nehmen die Thiere
zu, deren Bau eine kürzere Frist ausserhalb des Wassers ver-
langt. Wir sind 150 — 200 Schritte vom Ufer dem zurückwei-
chenden Meere folgend und treten in einen neuen vierten Bezirk
der Balanen, der Chama und der Austern. Der feste Wohnplatz
dieser Thiere ist so gelegen, dass sie auch zur Zeit der nie-
dersten Ebbe doch von jeder strandenden Welle*) benetzt wer-
den und so zu sagen in beständigem Sturzbad leben. Mit be-
sonderer Vorliebe sitzen sie um die Brunnen auf dem Riff,
wie ich die Löcher nenne, die in der Nähe des Randes durch
Rohre mit der See eommuniciren. Durch diese Gänge im Riff
wogt das Wasser, so oft sich die Welle hebt, im Meer und im
selben Augenblick, wo sich die Welle am Riffe bricht, stürzt
aus dem Rohr ein Strahl vom Durchmesser des Loches hervor,
so dass bis zur Wiederkehr der Fluth jedes der Löcher einem
intermittirenden Sprudel zu vergleichen ist. Fehlen die Sprudel
oder die immerwährende Benetzung des Grundes durch die
Sturzwelle, so begegnen wir in den Tümpeln des Riffes dem
grossen Strombus tricornis, mit seinem wahrhaft komischen
Laufen, beziehungsweise Springen, seinem braunen hornigen
Pantoffel am Fuss und den lebhaften, glänzenden Augen. —
Wir sind jetzt am Rande des Riffs, dem fünften Lebensbezirk,
doch wird hier dem Beobachter nicht mehr recht heimelig zu
*) Den 14. März zählte ich in einer müssigen Stunde bei ganz
ruhiger See die Zwischenräume zwischen den wiederkehrenden Wellen
mit der Secundenuhr und fand folgende Intervallen: 5, 15, 25, 32, 40,
50, 55, 59, 8, 13, 25, 33, 39, 46, 55, 4, 9, 15, 25, 31, 36, 59, 5'j, 3,
10, 20, 31, 40, 50, 2, 10, 20, 27, 34, 40, 52 u. s. w.
- 332 —
Muthe. In zähem Absturz geht es in die dunkelblaue Tiefe
hinab und ängstlich weicht man der sich brechenden Woge aus,
die drohend bis zum Rand kommt, als wollte sie den Fremdling
mit in die Tiefe reissen. Hier am Rand sitzen riesige Holo-
thurien und Actinien nnd zwischen den Aesten der Madreporen
klafft die Tridacna gigas Lk. Der Fels, der bis hieher abge-
standen ist, scheint durch und durch Leben zu bekommen, denn
so weit man zur Tiefe blickt, zuckt es an ihm tausendfach und
spielen die Fühler der Corallen flimmernd in dem ewig klaren
Wasser. Ohne die Plülfe eines tauchenden Negers, der mit
einem Hebel die Corallen losbricht, ist es nicht möglich, hier
weiter zu beobachten.
Von dem Riffe lebender Corallen, dessen abgestandener
Fels ziemlich genau den mittleren Meeresspiegel darstellen wird,
treten wir wieder an das Ufer landeinwärts, wo wir bald dem-
selben Riffe in verschiedener Höhe über dem jetzigen Meer be-
gegnen. Das überraschendste ist bei Cosseir das Ambaga und
am Hadj el Ma bei Tor.
An alte Hornblendeschiefer und Diorite lehnt sich bis zu
mehreren 100 Meter über dem Meere das Riff an, petrographisch
zum reinsten Kalkstein geworden, hier marmorisch, dort körnig
crystallinisch, scheinbar dolomitisch, in welchem factisch an-
nähernd dieselbe Fauna beobachtet wird, wie im modernen Riff
am Ufer. Gyps liegt theilweise darüber, theilweise darunter.
Am Hadjar el Ma liegt über 40 ' Gypsmassen , welche im Ni-
veau des Meeres beginnen, ein poröser Kalkfels mit unzähligen
Steinkernen von Corallen und Mollusken; A'ielfach ist an ihm
die Corallenstructur verschwunden, doch zeugen Millionen Stein-
kerne von Lithodomen, Ciavagellen und Pholadcn, dass vor Zeiten
schon wie heutzutage diese Minirer das Riff nach allen Seiten hin
durchnagton. Die Höhe des Berges schätzte ich auf 300 Meter
und hat man nur zwischen zwei Anschauungen die Wahl: ent-
weder stund in den Zeiten der Bildung dieses Riffes das rothe
Meer 300 Meter höher, als es jetzt stellt und zog sich im Laufe
der Zeit zurück, oder aber hob eich seither der Meeresgrund
- 333 -
300 Meter über seinen früheren Meeresspiegel. Ein Drittes gibt
es nicht.
Näher auf die einzelnen Arten einzugehen, lohnt sich der
Mühe nicht, die von mir gesammelten 20—30 Species bieten ein zu
unvollständiges Bild der Fauna und die Untersuchung dieser oder
jener Art auf eine etwaige Abweichung von der lebenden Form
hin kann nur durch einen an Ort und Stelle sich aufhaltenden
Gelehrten geschehen, der sich täglich ein reiches Material zu
verschaffen im Stande ist.
Namentlich ist es mit den grössten Schwierigkeiten der Un-
tersuchung verknüpft, die Corallenstücke noch bestimmen zu
wollen, von denen etwa ein Duzend vorliegt. Die einzige Po-
raraea fenestrata Edw. und Haime lässt sich mit Sicherheit
vergleichen, es ist dieselbe Art, welche am Riff von Cosseir
besonders zahlreich ist, vom Taucher in faust- bis kopfgrossen
Stücken abgerissen wird und stets eine Menge schmarotzender
Mollusken und Cruster in sich beherbergt.
Auf Taf. YI, Fig. 15 ist zur Vergleichung der subfossilen
Art mit der lebenden abgebildet
Laganum depressum Lesk. var. sinaitica Frs. Unsere
Form von dem alten 100 M. über dem jetzigen Meeresspiegel
gelegenen Riff unterscheidet sich einmal durch die ovale Gestalt
der Schale von der lebenden, z. B. an der Insel Bourbon. Die
Gestalt der lebenden ist mehr pentagonal. Ausserdem ist auf
der Unterseite der östrahlige Stern, der um den Mund sitzt,
ausgeprägt. Die einzelnen Strahlen des Sternes gleichen lanzett-
förmigen Blättern, zwischen welchen weitere fünf Strahlen ge-
drängter, regelmässig gestellter Wärzchen vom Mund zum
Rand laufen. Auf der Oberseite unterscheiden weder Fühler-
gänge noch die Genitalplatte unsere subfossile Art von der le-
benden.
Sehr häufig findet sich Pecten radula Lk. var. subfos-
silis. Es stimmt namentlich die Spaltung der Rippen. Im
Uebrigen vergleiche auch den ausserordentlich nahe stehenden
Pecten bifidus Mstr. Gf. 97, 10 von der Wilhelmshöhe bei Cassel.
Ras Mungar ist ein Vorgebirge auf africanischer Seite, zwischen
— 334 —
dem Schwefclberg und Cosseir, wo wir landeten und eine Nacht
zubrachten. Das Gebirge besteht dort aus marinem Sandstein
und Sandgebäcke, in welchem dieser Pecten so vorherrscht,
dass er vor allen andern Muscheln als Felsenbildner erscheint.
Pecten Reissii Bronn. Mayer, Madeira V, 32. Eine
gestreifte Schale, auf der gröbere und feinere Rippen mit ein-
ander abwechseln. Auf den gröberen sitzen Runzeln, die kleine
Erhabenheiten machen.
Fundort: Hadjar el Ma.
Häufiger als jede andere Muschel klopft mau am Hadjar el
Ma die Steinkerne von bohrenden Bivalven aus, von Pholaden,
Clavagellen und Lithodomen , die fast mit jedem Hammerschlag
aus den Corallenfelsen herausfallen.
Lithodomus Lyellanus C. Mayer, Mad. T. lY, F. 23.
Die grosse 2 Zoll lange Art vom Hadjar el Ma mag wohl mit
der Mayer'schen Art von Madeira übereinstimmen. Eine zweite
ist der Kreidespecies d'Orbignys ohtusus, Terr. cretaces pl. 345,
Fig. 11 — 13 sehr ähnlich, eine dritte, von den Arabern Dattelkern
genannt, wegen der Aehnlichkeit mit diesem Theile der dort am
meisten benützten Frucht der Belah.
Clavagella ist gleichfalls vielfach vorhanden. Man er-
kennt das Geschlecht an den concentrischen Streifen, welche
auf den Steinkernen eingedrückt sind. Sie sitzt stets in Corallen-
stöcken, deren Höhlungen ihr Steinkern ausfüllt.
Pholas Sinaitica Frs. Taf. VI, Fig. 7. Steinkern. Die Art
der Versteinerung dieser ächten Pholade ist zu charakteristisch,
als dass wir nicht näher darauf eingingen. Sehr zahlreich finden
sich die birnförmigen Knauer, die an ihrem schmalen Ende stets
eine Ansatzflächo beziehungsweise eine Bruchfläche zeigen. Das
Stück ist über und über besetzt mit den Reliefs einzelner Co-
rallen, so dass man auf den ersten Anblick irgend einen birn-
förmigen Corallenstock vor sich zu haben wähnt. Ein Schlag
auf den Knauer öffnet denselben und schält sich der Schalen-
eindruck der Pholas heraus mit der charakteristischen Radial-
bucht, die vom Wirbel zum Schalenrand hinläuft. Man sieht
jetzt den Pholadensteinkern deutlich umgeben von einer linien-
- 335 -
dicken Kalkschichte ohne organische Structur, offenbar dem
Kalkschlamm, in welchem das Thier lebte und den es selbst
mittelst seiner Bohrarbeit täglich förderte. Der Schlamm drang
natürlich in die Hohlräume des Corallenstockes ein und bildet
jetzt nach der Versteinerung des Ganzen die Ausgüsse der Co-
rallenhöhlungen oder die Coralle in erhabener Weise ab. "Wir
haben gewissermassen das Negativ der Corallen, abgedruckt im
Kalkschlamm der Pholade, in deren Mitte die Schale steckt.
Die Steinkerne der übrigen Lamellibranchier übergehen wir,
es sind Arten wie Tridacna, Mactra, Lucina, Cardium, Car-
dita, Corbula. Die der Gasteropoden sind seltner.
In der innigsten Verbindung mit dem Corallriflf steht das
Vorkommen von Erdöl, das an dem Djebel Zeit geschöpft
wird. Die Erdölquellen liegen el Tor gegenüber auf africani-
schem Ufer und sind wie auch der südlicher gelegene Schwefel
vom Ras Gimscheh an den Marquese de Bassano verliehen , der
beide Körper industriell zu verwerthen sucht und einiges Leben
an die todten Küsten des rothen Meeres bringt. Die grossen
Schwierigkeiten liegen immer im Mangel an Landungsplätzen.
So kann z. B. wegen des Riffes selbst eine arabische Barke,
ein grösseres europäisches Schiff schon gar nicht, nur 3 Viertel-
stunden von den Petrolquellen an das Ufer kommen. Ueber
einen öden Strandweg, der nur Gyps- und Salzstaub und die
Trümmer von abgestandenen Corallen aufweist, gelangt man am
Fuss einer dunkeln Porphyrwand zu den Gruben. Die Petrol-
gruben sind Löcher, die in das Riff gegraben sind, wenige
Schritte vom Ufer entfernt, in welchen das Seewasser im Niveau
des Meeres steht. Auf dem Wasser, das höchst widerlich
Schwefelwasserstoffgase aushaucht, lagert handhoch eine grün-
braune, irisirende Schmiere, die von den Beduinen der Gegend in
tragbare Glasballons (halb so gross als Schwefelsäureballons) ab-
geschöpft und an den Landungsplatz geschleppt wird. Die ge-
ladene Barke fährt dann nach Sues, wozu sie aber bei anhal-
tendem Nordwind oft Wochen nöthig hat, von wo aus das
- 336 -
Rohöl durch den Canal *j in einen französischen Hafen geschafft
wird.
Das Petrol quillt ganz augenscheinlich aus dem C oral 1-
riff. Mir fiel nicht ein, an irgend einen andern Ursprung des
Oels zu denken, als an den aus zersetzten organischen Körpern
im Rifie selbst und der Lagune. Das nächst dem Meer gelegene
Riff erscheint wie von Bitumen durchdrungen, das Oel schwitzt
tropfenweise aus und wird von dem bis zu 25 " R. erwärmten
Seewasser als specifisch leichter nach oben genommen, auf wel-
chem es schliesslich schwimmend stehen bleibt. — Der Eindruck,
den die Bildung des Oels auf mich machte, war der eines höchst
einfachen Vorgangs: ich brachte ihn mit der Zersetzung des or-
ganischen Körpers in der Lagune in Zusammenhang, welche so
lange fortdauert, als das Leben in der Lagune währt. Diese
Lagunen aber, mit ihrem Wasser, dessen Temperatur nie unter
18 ° R. fällt, (den Tag über hatten wir in der Mitte Januar
22 — 24" Lufttemperatur, in der Nacht sank dieselbe allerdings
auf 12 "^ und darunter, aber die Meertemperatur sank auch in
solchen Nächten nicht unter 18 ") sind wahre Brüteplätze des
Lebens, darin jeder Quadratfuss Meeresgrund sich regt und be-
wegt und das Auge, wo es sich hinwendet, Zuckungen des
Lebens beobachtet. So todt die Küste ist und so wüste der
Strand, so belebt ist das Meer und entschädigt sich die Natur
im Leben des Salzwassers für das mangelnde Leben aller der
Organismen, die süsses Wasser für ihr Dasein nöthig haben.
Bei solchen Massen von Thierindividuon hält selbstverständlich
der Tod seine reiche Ernte. Der beste Beweis dafür ist die
Menge von Krabben, diesen Todtengräbern der Meere, die „Abu
Kalambo" des Arabers, der wohl eben wegen ihrer Nahrungsweise
keines dieser Thiere geniesst. Tausende und aber Tausende von
Geschöpfen treten täglich auf den Schauplatz des Lebens in der
Lagune und ebenso viele gehen täglich ab, die Zersetzung geht
im seichten, lauen Wasser mit begreiflicher Schnelligkeit vor
*) Im Januar 1867 fuliren die Schiffe des Marquis erstmals von
Sucs na'h Port-Said.
- 337 -
sich, nur ein Theil der Gase, die sich beim Verwesen entwickeln,
entweicht in die Luft, der andere condensirt sich zu sogenannten
schweren Kohlenwasserstoffen, die sich in das abgestandene
Kalkriff hineinsetzen, in dem dortigen porösen Kalk wahrschein-
lich noch weitere Condensation erfahren und einmal zu Oel-
tropfen coagulirt, in den Gruben des Riffes sich sammeln. Fran-
zösische Ingenieure hatten in der Nähe der Petroltümpel am
Meer, offenbar von ganz irrigen geologischen Voraussetzungen
getragen, grossartige Schürfe landeinwärts gemacht und bis zu
30' tiefe Schlitze in das alte Riff getrieben. Ganz vergeblich!
Im alten zu den Porphyren im Hintergrund ansteigenden Riffe
schwitzt nicht ein Tropfen Oel aus, dringt aber auch kein
Wasser durchs Riff, so fest schliesst der Corallenfels das Meer
ab, dass in einer Entfernung von 100 Schritt von der Fluth-
marke kein "Wasser mehr in die 10 Meter unter dem "Wasserspiegel
geführten Schlitze eindringt. Staubtrocken ist es in ihnen und
rechts und links stehen nur schneeweisse Corallenwände an.
Der leitende Ingenieur war, wie mir schien, von der Ansicht
ausgegangen, der Ursprung des Oels wäre nicht im Riff, sondern
hinter demselben am Rand der Phorphyre, darum schlitzte er
das Riff gegen die Porphyrwand hin und hoffte, die Quellen
durch den 1 Meter breiten und 10 Meter tiefen Graben gegen
das Ufer zu leiten. Und doch ist ganz deutlich, wie nur in
nächster Nähe des Ufers, soweit das Lagunenwasser eindringt,
Oel aus dem Riff schwitzt.
Diese täglich vor sich gehende Neubildung von Oel greift
selbstverständlich in die frühesten Zeiten zurück. Ist doch im
ganzen Gebiet des rothen Meers , dessgleichen in dem Tertiär
von Egypten und dem Kreidegebirge Palästina's eine Menge Ge-
stein von Bitumen durchdrungen. Die Schwefelwasser des Hammam
bei Tor, im Gurrhundel, bei Sues kommen alle aus dem alten
Riff und liegt vielleicht gerade in dem Bitumen der Steine der
Grund für die erhöhte Temperatur, welche den meisten dieser
Wässer eigenthümlich ist.
Dass zugleich mit dem Bitumen imflier auch Chlor-Natrium
sich findet, ist nur ein weiterer Beweis für den gemeinsamen
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. Ss Heft- 22
— 338 —
Ursprung beider aus der gesalzenen*) und zugleich an organi-
schen Bestandtheilen überreichen Lagune. Ausser denselben ge-
hört aber, vom geognostischen Standpunkt aus entschieden auch
der Schwefel in den Bereich dieser jüngsten marinen Bildung.
Eine halbe Tagereise südlich Djebel-Zeit ist das alte crystallinische
Porphyr- und Dioritgebirge fern vom Ufer zurückgetreten. Auf
mehrere Meilen landeinwärts ist das Ufer flach, der ganze Strand
junges Meergebilde. Ein niederes, höchstens 25 Meter hohes
Vorgebirge springt aus der Fläche hervor. Es ist das Eas el
Gimscheh mit dem berühmten Schwefelberg oder wie der Araber
es nennt: Djebel Keprit. Südlich dem Vorgebirge ist eine kleine
Bucht, in welche die Barke durch eine schmale Lücke im Riff
hereinschlüpft. Ein europäisches Fahrzeug kann hier gar nicht
landen, ausserdem ist die genaueste Ortskenntniss nöthig, die
nur der Anwohner am rothen Meere besitzt, ob er gleich von
Compass und Logbrett keine Ahnung hat. Halbbegraben im
Sande liegen einige Duzend Wasserfässer, vom Marquese für
seine Arbeiter in den Schwefclgruben aus Sues herbeigeführt,
sonst keine Spur von Ansiedlung, 2 verwitterte Beduinen waren
die einzigen lebenden Wesen, die vom Marquese bezahlt, in der
Nähe der Gruben sich aufhalten, um die Schwefelfässer und die
Haufen ausgeschmolzenen Schwefels am Strande zu bewachen.
Der Schwefelberg besteht aus gesalzenem Gyps, Gyps und
Schwefel : so zwar , dass der lagerhafte schneeweisse Gyps , der
aber von Chlornatriura vollständig durchdrungen ist, das untere
Dritttheil (beiläufig von 25' Mächtigkeit) bildet. Dieser Salzgyps
verwittert zu einem weissen Mehl, das den Schuttfuss des Felsens
bildet, Windwehen haben es platt gelegt wie Schnee und sinkt
*) Die Schichten um Ain Musa, aiif denen die Wasser zu Tage
treten (s. oben pag. 325) sind von Bitumen durchdrungen, das sich
beim Erhitzen deutheh durch seinen Geruch zu erkennen gibt. Die
Analyse, die Professor Marx in seinem Laboratorium von dem Ge-
stein machen Hess, zeigt, dass dasselbe ein Gemenge ist von Thon und
kohlensaurem Kalk der Hauptsache nach, vermengt mit sehr wenig
phosphorsaurcni Kalk und schwefelsaurem Strontian, durchdrungen von
Bitumen, Chlomatrium und Chlorkalium.
— 339 —
man drin bis über die Kniee ein, ehe man auf schmalen Tritten
über den Gypsfelsen hinan klimmt. Im zweiten Dritttheil liegt
der Schwefel im Gyps, im oberen Drittheil ist wieder Gyps.
In offenem Tagbau bricht man nun das Mittelstück des Berges
aus, allwo der Schwefel den Gyps vollständig durchdringt, auch
ganze Lager und Nester gediegenen Schwefels aufsitzen. In dem
oberen Abraum ziehen wohl auch einzelne Adern durch den
Gypsfels (namentlich sind hier die schönsten Einzelcrystalle),
aber die Verhüttung lohnt sich hier nicht. Somit fällt der obere
Gyps in den Abraum und nur der mittlere von Schwefel durch-
drungene wird ausgebeutet. In den unteren Gyps aber sind die
einfachen Oefen eingehauen, in welchen der Schwefel aus den
Gypsen abgesaigert wird.
Die Gypse, mit welchen der Schwefel vorkömmt, sind
durchweg crystallinisch und blendend weiss. Ueberall spiegelt
der Perlmutterbruch entgegen. Zwischen hinein heben sich die
Schwefelcrystalle ab, oder durchziehen compacte Massen lager-
haft die Bänke des Gypses. Der Besehreibung nach muss das
Vorkommen am Gimscheh von dem in Sicilien kaum verschieden
sein, wenn auch der sicilianische Schwefel einer älteren Tertiär-
bildung angehört, jedenfalls kommen die Flächen der Schwefel-
crystalle alle auch am Girgentischwefel vor. Hier aber wie dort
wird in dem Faulen von thierischen Substanzen der Ursprung
der schwefelsauren Salze ebenso, als des gediegenen Schwefels
zu suchen sein.
— 340 -
V. Schuttbildung und Schwemmland im Orient.
Ob es auch Jedem das eigene Nachdenken bald sagen wird,
dass sich die Verwitterungen der Gesteine unter einem fast
regenlosen Himmel nothwendig anders gestalten werden, als in
der gemässigten Zone, so wird man doch, weil an europäische
Verwitterungsverhältnisse gewöhnt, über die eine und andere
Erscheinung betroffen, die uns Abendländern ganz fremd ist.
Hiezu rechne ich vor Allem den Mangel an Humus. Weder
in den Gärten von Rhoda und Schubra, noch in den Palmen-
hainen des Feirans, weder in der Ebene Saron noch auf den
Bergen Juda's ist auch nur eine Spur jener schwarzen mulmi-
gen Erde, die vorzugsweise aus den modernden Pflanzenresten
oder aus animalischen Aschen besteht und erst in Folge der
Cultur sich mit den mineralischen Bestandtheilen des Bodens
vermengt. Wie ganz anders macht sich der Boden etwa auf
der Höhe der schwäbischen Alb, die äusserlich so viele Aehn-
lichkeit mit den Bei'gen Juda's hat! Auf den höchsten kahlen
Gipfeln der Berge liegen doch immer einige Fuss oder wenig-
stens einige Zoll schwarzer humöser Erde unter dem kurzgescho-
renen Rasen, welcher den Fels deckt. Der Humus ist eine
Art organischer Schichtendecke, deren Bestimmung im Haushalt
der Natur ist, den Boden feucht *) und warm zu halten.
Die Entstehung des Humus ist nach meiner Ansicht ab-
hängig von einem Winter, in welchem das Wachsthum der
*) Nach
Rossmässler saugen Flüssi,
jkeit
aus
der
Luft
auf
(bei
12»
R.) 50 Quadrf
tzoU
Reiner Quarzsand .
. 0 Gr.
Kalksand ....
. 2
n
Ackererde . . .
16
n
Feine Kalkerdc
26
)i
Grauer Thon . . .
37
V
Feine Bittererdc . .
69
fl
Humus
80
)'
- 341 —
Pflanze stille steht, die Blätter der Bäume fallen und die der
Kräuter und Gräser welk zu Boden sinken. Unter der Schnee-
decke oder wenigstens bei erniedrigter Temperatur geht der
Zersetzungsprocess der Pflanzentheile nur langsam vor sich,
bleibt theilweise auf dem Stadium der sauren Gährung stehen
und bildet sich ein Pflanzenmoder, eine mulmige Masse aus der
unvollständigen Zersetzung hervorgegangen. Wenn mit dem
Frühling der Stock wieder rasch in die Stengel schiesst und der
Wald sieh belaubt, wird der zu Boden liegende halbfaule Pflanzen-
rest des vorigen Jahres rasch überwuchert, vor dem zersetzenden
Einfluss des Lichtes und der Einwirkung der Sonnenstrahlen
geschützt und wächst im Lauf der Jahre unter dem Easen die
schwarze erdige Schichtendecke, die in unsern europäischen
Culturländern den Wieswaehs bedingt und den Bau aller Fut-
terkräuter fördert. Ganz anders in den Ländern, die nur we-
nige Regentage im Jahre haben, wie Egypten und Arabien,
oder wo, wie in Palästina, zwischen den beiden regnerischen
Jahreszeiten (dem sog. Frühregen im November und December
und dem Spatregen im März und April) 5 — 6 regenlose heisse
Monate liegen, wo es Jahre ansteht, bis das Thermometer auf
den Gefrierpunct sinkt, dagegen Temperaturen von über 30°
R. sehr häufig sind. Der Stillstand der Pflanze fällt
hier in die heisse Periode, das Grün trocknet ab, die
Pflanzenfaser zerstaubt, der Zersetzungsprocess aller vegetabili-
schen Reste, beziehungsweise die Ueberführung aller Kohlen-
stoffverbindungen in Gase geht viel rascher vor sich, ein Pflan-
zenmoder existirt gar nicht, noch viel weniger bildet er Decken
über die Schichten und nur auf dem Libanon und Hermon fängt
ein grüner Rasen an, wie ihn der Europäer von seinen heimat-
lichen Wiesen her gewohnt ist. Wiesen im Sinne unserer Wie-
sen, d. h. jene Flächen, auf denen perennirende Gräser vor-
herrschen und einen soliden Rasen bilden, habe ich nirgends
getroff'en.
Selbst die grüne Ebene zwischen Meer und Gebirge, die
Ebene Saron und Esdrelon bietet wohl den lieblichsten Anblick
und gewährt namentlich dem Wüstereisenden doppeltes Entzü-
- 342 -
cken, nachdem er Monde lang des Reizes entbehrt hatte —
aber von Rasenvegetation ist keine Rede. Es ist vielmehr eine
kräuterreiche Stoppenvogetation , üppig zwar in der Niederung,
entzückend durch hundertfache Farbennüancen von Anemonen
und Lilien, durch Kreuzblüthler und Labiaceen, aber immer
tritt der Fuss zwischen den Kräutern auf nackten Boden, auf
Sand in allen Farben, auf rothen und braunen Lehm, der über
den Kalken liegt, auf lichte Mengungen von Kalk und Kreide,
auf weisse Kreideverwitterungen oder aber auf Gyps, in Galiläa
zwischenhinein auf Basalt- und Mandelsteinverwitterungen, kurz
auf alle möglichen petrographischen Bodennüancen, nur nicht
auf unsern europäischen Grasboden. Damit hängt zusammen
das Fehlen des Waldes : wohl sieht man aus der Ferne da und
dort dunkle grüne Flecke an den Gehängen, die wie Wald aus-
schauen, wie z. B. am Carmelzug landeinwärts; kommt man
aber näher, so schrumpft er zu miserablem Gestrüppe zusam-
men, aus dem sich höchstens da und dort eine Knuppereiche
oder ein knorriger Oelbaum erhebt.
Das muss einst anders gewesen sein, wenn man den alten
Ruhm Palästina's begreifen will; ein gelobtes Land, „da Milch
und Honig fleusst", muss Wiesen haben und Holz, der Libanon
Wälder haben von Cedern und der Hermon von Cypressen, wenn
Salomo zu seinen Flotten dort das Schiffsholz holte, das heute von
Triest her und von Marseille muss zugeführt werden. Heutzu-
tage reicht das einheimische Holz, das in Juda wächst, nicht
einmal mehr für Särge aus, die Todten zu bestatten, geschweige
denn für Bauholz irgend einer Art. Am Carmel ist kein Wald
mehr, aus dem Bären brechen, kein Wald Hareth in Juda, da
sich einst David versteckte. Die Gesetze, die Moses einst gab
(Deut. 19, 5.): „wenn Jemand mit seinem Nachbar in den Wald
geht" wären heutzutage nicht mehr nöthig, trifft man doch um
Gibeon keine 5 Bäume mehr, um, wie Josua that (Jos. 5), die
5 Könige Canaans daran aufzuhängen, noch versteht man, wie
es einst sich verlohnte, die Einwohnerschaft der volkreichen,
streitbaren Stadt Gibeon zu Holzhaokern und Wasserträgern zu
machen. Wenn ferner von den Rinderheerdon Abrahams, Lots
— 343 —
und Jacobs die Rede ist, wenn nach dem Sieg über die Midia-
niter 72,000 Rinder, 61,000 Esel und 675,000 Schafe zur Ver-
theilung kamen und der König Josia noch zum Passah 3000
Rinder zum Morgenopfer darbrachte, muss sich Jeder sagen,
dass zu solch einem Viehstand ein glänzender "Wieswachs erste
Voraussetzung ist, der ohnehin nicht unter türkischer Misswirth-
schaft,aber selbst mit Hilfe europäischer Musterwirthschaft nimmer-
mehr hergestellt werden kann. "Waren nun einst Wiesen und "Wälder
in Juda, so gab's auch einst Humus ; gab's aber Humus , so gab
es auch einen Wechsel von Sommer und Winter, es war mit
andern Worten das Clima ein anderes. Diese Aenderung
des Clima's aber konnte der Mensch durch Cultur und Raubbau,
durch Devastation der Wälder allein nicht vollbringen. Dazu
gehörten noch andere Factoren, aber jedenfalls die wichtigsten
in ihren Consequenzen, es sind diess die Mveauveränderungen
der Erdoberfläche, die zu allen Zeiten, ob auch jeder Zeit un-
bemerkt von den Menschen, wirken und die Richtung der Winde
und Wolken, der atmosphärischen Niederschläge, die Vertheilung
der Sonnenwärme u. s. w. bedingen.
Für geognostische Untersuchung gewährt nun freilich der
Mangel an Humus und die nur sparsame Pflanzenbedeckung
bedeutende Vortheile. Ueberall treten beim nächsten besten
Oehäng die Schichtenköpfe hervor, während die sanfteren Ge-
hänge und die Sohlen der Niederung von Diluvialgebilden der
eigenthümlichsten Art bedeckt sind. Vor Allem ist auf die ganz
eigenthümliche Verwitterungsweise der Gesteine aufmerk-
sam zu machen, die in der regenlosen Gegend Egyptens zu
beobachten ist, und auch wieder einen der vielen Gegensätze
zwischen Morgenland und Abendland bildet, denen wir täglich
im Orient begegneten. In unserem vom Regen wiederholt be-
feuchteten Schwaben z. B. wittern die Steine von aussen nach
innen ab, die Regentropfen ziehen Furchen über die Kalksteine
der Alb, machen Rinnen und Vertiefungen in allen unseren
Schichtenköpfen, die zwischen der Pflanzendecke hervorschauen
oder als Feldsteine sporadisch herumliegen. Schlägt man die
Steine entzwei, so sieht man das Vorschreiten der Verwitterung
— 344 —
Ton aussen nach innen deutlich genug, der Kern ist noch
unverändert, gegen den Rand hin ist das Gestein je mehr
und mehr ausgelaugt, pulverig, mit mangelndem Zusammen-
hang. Ganz anders am Ataqah bei Sues, Cairo und am ganzen
Nil, theilweise auch am todten Meer. Eine harte, glänzende
Kruste hat sich über den Stein gelegt, meist braungelb bis
braun, oder lichtgelb bis grau. Man hält die Steine auf den
ersten Anblick alle für Kieselgesteine, aber bald findet man
durch einen Schlag mit dem Hammer, dass wir nur Krusten
vor uns haben über milde, weiche Tertiärgesteine. Der Schlag
auf den Stein zersplittert ihn nicht, sondern macht einfach ein
Loch in denselben, aus welchem pulverig verwittertes Gestein
herausstäubt. In Schwaben haben wir nur da und dort, in der
Region der Lettenkohle oder der Gypsmergel, ein Gestein, das
wir annähernd damit vergleichen können. Im Prozinzialausdruck
nennt man es gerne Pelzkappensteine, indem sie um keinen
Preis splittern und ein Schlag auf sie dröhnt, als ob man auf
Leder oder einen Sack schlüge ohne weiteren Effect. Der Art
sind die meisten zu Tag gehenden Tertiärgesteine der Nilländer.
Die Verwitterung geht deutlich von innen nach aussen vor sich
und nimmt ihre Härte und Zusammenhang von aussen nach
innen entschieden ab. Es macht einen ganz eigenthümlichen
Eindruck am Geneffe oder Mokattam auf die vom Wüstensand
glatt gescheuerten und glänzend gefegten Nummulitenkalke mit
dem Hammer einen Schlag zu führen. Der Schlag dröhnt, als
schlüge man auf eine Höhlung, durch die äussere kieselartig
anzusehende und anzufühlende Kruste fährt ein Loch und ist
der Stein inwendig mergelig weich und pulverig, ausgelaugt.
Ich vermag den Grund für dieses Verhalten nicht genügend zu
erklären, möchte aber entschieden die seltenen oft erst nach
8 — 10 Monaten auftretenden Regengüsse als Grund dafür an-
nehmen, beziehungsweise den beharrlichen Sonnenbrand, der
die Steine durchglüht und den nach Monaten einmal befeuchteten
Stein plötzlich wieder an der Oberfläche trocknet. Ich möchte
damit auch noch ein anderes auffälliges Phänomen in Verbin-
dung bringen : der Verwitterung des Marmors in ganz Egyptcn.
— 345 —
Während doch bekanntlich die Silicate nahezu unvergänglich und
Ton den Atmosphärilien sozusagen unangreifbar sind, also dass
4000jährige Sculpturen auf Granit und Syenit so gut wie nichts
an ihrer Frische verloren haben, also dass die Hieroglyphen auf
.den Obelisken und die Ramsesfiguren nahezu aussehen, als ob
vor wenigen Jahren sie in den Fels gehauen worden wären, —
während so den Silicaten das trockene heisse Clima Egyptens
vollkommen zuträglich ist, gehen sämmtliche Carbonate mit
Riesenschritten ihrem Ende durch Verwitterung entgegen,
Carrarische Marmorplatten, in den 20er und 30er Jahren nach
Egypten gebracht, um etwa auf dem christlichen Friedhofe von
Cairo das Andenken eines Europäers zu bewahren, sind bereits
so bröckelig, dass man mit der Hand Stücke wegbricht, an
allen Wohnungen und Moscheen in Cairo, die aus dem eocenen
Baustein vom Mokattam erbaut sind, bröckelt es ab und ein-
gestürzter Häuser und Ruinen gibt es in und um Cairo bald
eben so viele, als noch feste stehen. Einen besonderen Grund
für die rasch fortschreitende Zersetzung der Carbonate sehe ich in
der grossen Menge Chlor-Natrium, welche alle Steine durchdringt,
überall ausblüht und die ganze Luft erfüllt. Ein Wüstensturm
am ^i\ führt nahezu eben so viel Salzstaub mit sich, als ein
Seesturm auf eine englische Meile landeinwärts das Ufer ver-
salzt und fast an jeder zu Tage gehenden Kalkbank des Mo-
kattam kann man Chlor-Natrium ausblühen sehen. Ich habe
hier in der Stuttgarter Sammlung Stücke Kalkmergel von dort
liegen, die, obgleich Tage lang im Süsswasser gelegen, obgleich
3- und 4mal abgewaschen und abgebürstet, aufs neue immer
noch Chlor-Natrium ausblühen lassen und über und über mit
einer Salzkruste sich überziehen. Offenbar ist die mit Chlor-
Natrium erfüllte Luft Egyptens auch daran Schuld, dass Krank-
heiten der Respirationsorgane, Katarrh und Schnupfen in Egypten
gar nicht vorkommen und brustleidende Europäer am Nil wieder
genesen. Hienach scheint das Chlor-Natrium bei Zersetzen der
Kalksteine seine Rolle zu spielen, das zersetzte Aeussere aber
auf eine mir noch unerklärliche Weise zu einer Kruste zu backen,
die sich über die Steine legt.
— 346 —
Schon oben war von den Conglomeratfelsen und Breccien die
Rede, welche in der Nähe der ersten Erhebung des Gebirges aus der
Ebene Saron das Taggebirge bilden. Dieses Conglomeratge-
stein wird im ganzen Gebirge Juda unabhängig von der Erhebung
über das Meer zur Regel und deckt in mächtigen, den Bergconturen
sich anschmiegenden Bänken deckelartig die Schichten der Kreide.
In ganz besonderer Klarheit ist zwischen dem Oelberg und
Bethanien das Yerhältniss der Deckelgesteine aufgeschlossen.
Die alten Kreideschichten liegen dort oben horizontal und die
Thäler nagten sich in alten Zeiten schon in die Schichten ein.
lieber Berg und Thal legte sich hernach der Schutt, der zu-
sammenbuck und jetzt die Schichtenbänke als ein Deckel über-
lagert. Die Schuttfelsen sind ein Gemengsei von verhärtetem
Kreideschichten am Oelberg bei Jerusalem von Cong-lomeratgestein bedeckt.
Kreidemergel, eckigen scharfkantigen Stücken von Kreidekalk
und von gleichfalls scharfkantigen Feuersteinen, die in allen Lagen
und Richtungen wie in einen Kalktaig eingeknetet worden sind.
Die Bildung dieser Breccien ist immer etwas räthselhaft und
hat, so viel mir bekannt ist, in den Kreidebergen Frankreichs
und Englands nichts Aehnliches. Wohl finden wir in unsern
Kalkgebirgen der Alb ähnliche Gebilde am Fusse von Bergen,
aus denen Wasser quellen, oder am Rande tertiärer Becken, aber
in dieser merkwürdigen Verbreitung wie im Gebirge Juda, in
dieser Ausdehnung über Höhen und Niederungen , in dieser
Felsmassen bildenden Mächtifjrkeit war mir die Erscheinung neu
— 347 —
und unerklärlich. Auf den ersten Anblick hielt ich die Felsen-
deckel für alte Schichten und staunte über die Biegungen und
Faltungen derselben, die etwa durch vulcanische Kräfte von
Senkungen und Biegungen erzeugt wären, bald aber sah ich
unter den gewölbeartig aufgebauten Bänken die Kreidebänke in
ungestörter Lagerung und erkannte alle die massenhaften, decken-
den Gebirge als verhältuissmässig junge Bildungen, die aber
mit Bestimmtheit grossen Wasserreichthum voraussetzen, ohne
welche sie gar nicht denkbar wären.
Auf ähnliche Vorgänge in alten geologischen Zeiten weisen
die Felsenmeere auf den Höhen. Gleich auf den Höhen
westlich Jerusalem, wo sich die "Wasserscheide hinzieht zwischen
Mittelmeer und rothem Meer, liegen die colossalsten Felsen-
blöcke regellos umher, mächtige Schichtenreste von Hippuriten-
marmor, der sicherlich an der gleichen Stelle einst in der
Schichte gelegen, nur im Niveau etwas höher, also dass er nach
abgewaschenem Unterlager sank und stürzte. Von der Höhe
oberhalb Jerusalem ziehen sich derartige zu Tage liegende Fels-
blöcke, die aussehen, als wären sie vom Himmel gefallen, im
Süden gegen Hebron, im Norden gegen Samarien über das
ganze Gebirge Juda. Besonders auffällig waren mir die Fels-
blöcke von Bethel (Beitin), an der Grenze von Juda und Ephraim,
wohin man Jacobs Vision von der Himmelsleiter verlegt. Hun-
derte abgewitterter, riesiger Felsblöcke liegen hier zerstreut ohne
Eegel, zwischen den einzelnen Marmorfelsen hindiu-ch sieht man
den Weg zum ersten Thalgrund, der weiterhin zu dem Haupt-
thale führt, mit welchen die grünen Ebenen Samariens erreicht
werden. Auch auf dem Garizim bei Nablus und dem Mt. Ebal
gegenüber liegen auf den höchsten Höhen derartige lose Fels-
blöcke zerstreut, in den alten Zeiten als Opfersteine benutzt,
die noch an den eingemeisselten Rinnen sich erkennen lassen,
durch die das Blut der Opferthiere abfloss.
Diese Steine alle weisen offenbar auf eine lange Zeit hin,
vrährend welcher das Gebirge Juda nach dem Rücktritt des Kreide
bildenden Meeres als Festland existirte, während welcher bereits
die Oberfläche Palästina's in ihren Grundzügen fertig war und
— 348 -
in feuchtem, wasserreichem Clima die Abwitterungen , Breccien
und Conglomerate sich bildeten, deren Incrustation ohne mine-
ralische Quellen oder wenigstens ohne tropische Regengüsse und
darauf folgende Sonnengluth kaum denkbar ist.
Endlich ist noch ein Blick auf die alten Geschiebe zu
werfen, die in Einem Niveau als Schuttkranz das todte Meer
umgeben und den gegenwärtigen Seegrund bilden. Diese Ge-
schiebe entstammen, so weit ich sie beobachtete, nur aus den
nächsten Bergen ums Meer, aus lichtem bis dunklem Hippuriten-
kalk, dem bituminösen Mosesstein, aus Feuerstein und ähnlichen
Kreidegesteinen. Sie bilden dieselbe Art von Geschieben, wie
sie heute noch am Ufer der Meere in der Nähe felsiger Küsten
oder an der Mündung Steine schiebender Flüsse sich finden,
dieselben Geschiebe, wie sie der Rhein in den Bodensee wirft
oder der Jordan ins Bahr Lüt. Dass der Barometer an der
Grenze dieser alten Geschiebe auf 31,20 bei 73" Fahrenh. stund,
ist schon gesagt, während der Spiegel des Sees bei 76 '^ Fahrenh.
31,58 zeigte. Hienach hätten wir in früheren Zeiten einen alten,
300 Fuss höheren Wasserstand des todten Meers und dazu noch
die Flächen gerechnet im Norden und Süden des Meeres, die
nur aus diesen Geschieben bestehen, eine um einige DMeilen
grössere Ausbreitung der Wasserfläche.
Auf diesen Kranz alter Geschiebe wurde ausser jüngsthin
von Lartet noch nicht in gebührender Weise aufmerksam ge-
macht, und doch ist das Yerständniss des el Ghors ohne die
Beachtung dieser Umstände gar nicht möglich. Wie ganz Palä-
stina eines der ältesten Festländer der Erde in dem Sinne ist, dass
es seit den Zeiten der Kreide dem schichtenbildenden Meere ent-
stiegen blieb und kein anderer Einfluss auf dessen Oberfläche
sich geltend machte, als der der Atmosphärilien, so können wir
das todte Meer einen der geologisch ältesten Seen der Erde
nennen, der in seiner Abgeschlossenheit, d. h. ohne irgend
welche Communication mit dem Ocean in geologische Perioden
zurückgreift. Von grosser Wichtigkeit ist es, die höchsten
Wasserstände an diesem aus der alten Tertiärzeit in unsere
Tage hereingreifenden Reservoir der atmosphärischen Nieder-
— 349 —
schlüge kennen zu lernen; es gibt die Wassermasse im todten
Meer heute noch das Maass ab für die jährlichen Niederschläge.
In feuchten Jahren und nach grösseren Schneefällen auf dem
Libanon steigt der "Wasserspiegel um 4, ja 6 Fuss, um welche
die Fluthmarke über die der trockenen Jahrgänge sich erhebt;
bemerken wir nun am Ufer eine alte, den jetzigen Wasserspiegel
um 300' überragende Fluthmarke, so ist der Schluss auf frühere
bedeutendere Niederschläge sehr einfach. Louis Lartets Beob-
achtungen im Süden des todten Meers bestätigen vollständig diese
Anschauung, er fand die Niederschläge des Meeres aus früheren
Zeiten auf und an der Halbinsel von Lisän am mächtigsten und
schönsten entwickelt imd nennt sie desswegen „die Niederschläge
von Lisan". Es sind zahllose lichtgraue Mergelbänkchen im
Wechsel mit dünnen Schichtchen Salz, Salzthon und Gypslinsen,
deren Aussehen das eines vollständig gebänderten Gebirges ist;
zwischen die Schichten hinein legen sich Bänke von Feuerstein-
geschieben, oder wie im Wadi Aräbah von Feldspatgestein und
Porphyr. Diese Niederschläge, die Lartet auch am Südufer des
Tiberias-Sees in analoger Weise wieder gefunden hat, erweisen
sich als moderne Niederschläge, wie sie die Sonde*) des Herrn
Yignes zwischen Ghuweir und Zerka Main aus der Tiefe des
Sees hervorgeholt hat. Fossilreste hat Lartet in diesen modernen
Niederschlägen so wenig gefunden, als er unter den Geschieben
irgend eine Spur vulcanischen Gesteins traf und schliesst daraus
wohl mit vollem Recht 1) dass diese Niederschläge den vulcani-
schen Perioden vorausgingen, welche im Osten des todten Meers
und im Haurän eine so gewaltige Umgestaltung des Bodens
zur Folge hatten, 2) dass schon in jenen frühsten Zeiten das
Wasser in einer Weise versalzen war, welche die Existenz
lebender Wesen unmöglich machte.
Hält man alle diese Erscheinungen zusammen, die tiefein-
genagten zahlreichen Wadi's mit ihren Geschiebemassen, die heut
*) Die Sonde brachte Mergel und Thone zu Tage, von graublauer
Farbe, mit eingesprengten cubischen Salzcrystallen und Gypslinsen,
vollständig analog den Niederschlägen von Lisän.
- 350 —
zu Tage Jahr aus Jahr ein trocken liegen, und den früheren
hohen Wasserstand im Gohr, so bedarf es der Annahme tief-
greifender climatischer Umwandlungen in diesen asiatischen
Ländern, um den Contrast der Jetzigen Wasserarmuth und Dürre
des Landes zu erklären. Unter den biblischen Personen war
Abraham, Jacob, Josua bis in die Zeiten der Propheten noch
Zeuge dieses Reichthums an "Wasser, der aber schon zu Christi
Zeiten in einer Weise abnahm, dass bereits die Bildung der
Steppe und Wüste begann, die denn auch im Laufe von 18
Jahrhunderten, gefördert durch die elendeste Wirthschaft der
Menschen, in kläglicher Weise zugenommen hat.
Ganz dieselben Resultate liefert ein Blick auf die Länder
am rothenMeer und am Nil, in welchen die Bildung der
Wüste als eine vollendete anzusehen ist. Hier ist es einzig nur
der „heilige Nil", der die süssen Wasser des Sudans durch die
kahle Steinwüste wälzt und nur so weit, als sein Wasser dringt,
Leben imd Segen verbreitet. Nirgends deutlicher als in der
Wüste, wo keinerlei Vegetation den Blick beirrt, tritt die ero-
dirende und Schuttmassen bildende Kraft früherer Wasserströme
und einer vergangenen regenreichen Zeit dem Auge entgegen.
Wenn im Wadi el Tih östlich Cairo das Ausgehende der Schich-
ten die Gestalt der beistehenden Figur angenommen hat, die
Erosionserscheinungen am oberen Eocen im Wadi el Tih.
sich hundertmal im Kleinen wie im Grossen wiederholt, so weiss
Jedermann, dass keine andere Kraft als die des Regens resp.
des fliessenden Wassers solche Formen zu schaffen im Stande
ist. Alle Thäler der Wüste sind alte Wasserläufe, alle Fels-
platten, Zinnen und Zacken an den Bergen sind Reste alter
Wasserstürze, und die ganze Sinaihalbinsel, wie die ungeheure
Länderfläche im Osten und Westen des Niles gibt auf jedem
Schritt und Tritt hiezu Belege.
Je greller nun aber gerade am Nil der Contrast ist zwi-
- 351 —
sehen der Wüste und dem Culturland, um so mehr richtet sich
Sinn und Auge auf den belebenden Strom, welcher der Schöpfer
und Erhalter von ganz Egypten ist und ohne den das Land
von Chartüm bis Alexandria in wenigen Wochen todtgebrannt
und vollständigst alles Lebens entblöst wäre. Wenn man hier
von dem Contraste zwischen Wüste und Culturland redet, so ist
es keinerlei Uebertreibung, zu sagen, man könne mit Einem
Schritt von der Wüste ins grüne Land treten. Es ist der
Schritt über den letzten Bewässerungsgraben, der sich nach
physicalisöhen Gesetzen noch mit Nilwaser füllen lässt. IS^ilein-
wärts von dem Graben ist das grüne Kleefeld oder Weizenfeld,
drüben über dem Graben ist die Wüste. Das ganze Bewässe-
rungssystem aber ist künstlich, seit Jahrtausenden von Menschen-
hand ausgeführt und auch heute noch durch anhaltende Arbeit
des fleissigen Fellahs aufs Neue immer im Stande gehalten. Die
stete, nie aufhörende Arbeit besteht in der Anlage von Brun-
nen, C analen und Dämmen. Die ersteren sind überall in
einiger Entfernung vom Nil und seinen Canälen gegraben und
liefern das unterirdische Nilwasser, das überall, so weit nicht
die alten Schichten zu Tage treten, als klares filtrirtes Wasser
in einem Niveau getroffen wird, welches dem niederen Wasser-
spiegel des Nils entspricht. Max Eyth *) spricht von 50,000
solcher Brunnen, die nur allein im Delta sich befinden sollen;
sie werden durch Versenkung eines ringförmigen Gemäuers auf
entsprechendem hölzernen Stiefel in die Tiefe von durchschnitt-
lich 10 Meter hergestellt. Aus diesen Brunnen wird das Was-
ser, das landwirthschaftlich benützt werden soll, auf eine Höhe
gehoben, die je nach der Jahreszeit**) im untern Delta zwi-
*) Das Agricultur-Maschinenwesen in Egypten von Max Eyth, Chef-
ingenieur des Erbprinzen Halim Pascha. Stuttgart, Metzler 1867.
Wir verweisen mit Vergnügen Jeden, der sich für egyptische Verhält-
nisse interessirt, auf dieses mit ebenso lebendiger Frische, als in vortreff-
licher Klarheit geschriebene Buch unseres unermüdlichen geistreichen
Landsmanns, der den Dampfpflug, den tr an den Ufern des Nils ein-
geführt hat, gegenwärtig an die Gestade des Mississippi verpflanzt.
**j "Während des grösseren Theils im Jahr, von Mitte Januar bis
— 352 -
sehen V2 Meter und 8 Meter, in Oberegyptcn bis zu 11 Meter
schwankt. Der gewöhnliche Apparat für die Hebung der Was-
ser ist die Sakkie, die allen Reisenden wohl bekannte Maschine
eines durch einen Ochsen oder ein Kameel in Bewegung gesetz-
ten Schöpfrades mit angehängten Wassertöpfen, die nie ge-
schmiert weithin ihr Krächzen und Pfeifen ertönen lässt. —
Neben den Brunnen bestehen' die Arbeiten der Fellahs in der
Anlage von Canälen und Dämmen, die sich in die graueste
Vorzeit Egyptens zurückdatiren. Erstere haben die vom Haupt-
strom abgelegenen Landestheile mit Wasser zu verseben, letz-
tere das Land zur Ueberschwemmungszeit zu schützen. Na-
mentlich ist ganz Unteregypten auf diese Weise angelegt, dass
alle Canäle zwischen 2 Dämmen von 2—3 Meter Höhe laufen
und ausserdem jeder Gütercomplex , ja meist die einzelnen Fel-
der mit Dämmen umzogen sind. An einem von der Regierung
Ende Juni wälzt der Nil seine gelben Massen mit geringen Schwan-
kungen des Niveaus ruhig durch das gewaltige Thal. Das Wasser
ist immer trüb, indem es stets in feiner Auflösung Schlamm mit sich
führt. Erst Ende Mai und Anfang Juni, wo der Strom sein niederstes
Niveau erreicht , klärt sich das Wasser und bleibt hell bis Ende Juni.
Dann nimmt es eine klargrüne Farbe an, die nach 3 — 4 Tagen in
ein eigenthümliches trübes Roth übergeht — das erste Signal, dass
das grosse Ereigniss des Jahrs, an dem Egyptens Fruchtbarkeit hängt,
einzutreten beginnt. Ein rascheres Strömen und ein nun bemerkliches
Steigen des Niveaus macht sich in den ersten Tagen des JuU fühlbar,
die Farbe des Wassers wird dickgelb. Erst langsam, 1 — 3 Centim.
im Tag, dann rascher und rascher, schliesslich 50—60 Centim. in 24
Stunden schwillt die Masse, bis sie in den ersten Tagen des August
über die Uferränder tritt und das ganze Land in einen See verwandelt.
Langsamer, in Folge der plötzlich erreichten Breite aber immer noch
merklich steigt der Strom bis Ende September, wobei das ruhig flies-
sende Wasser den Schlamm, mit dem es förmlich gesättigt zu sein
scheint, mit ziemUcher Willkür hier, wo Niederungen sind, in grossen
Massen, dort, wo lebhaftere Strömungen stattfinden, wenig oder gar
nicht absetzt. Im Lauf des Januars endlieh tritt der Fluss in sein
altes Bett, das gewöhnlich mannigfach verändert ist, zurück und sinkt
stetig, bis er mit dem Juni wieder sein tiefstes Niveau erreicht. Siehe
M. Eyth im citirten Werke pag. 5.
- 353 --
bestimmten Tag, der meist in die ersten Augusttage fällt, wer-
den die zuvor abgedämmten Hauptcanäle geöffnet und damit
die hundert \md aberhundert Lebensadern des Landes gefüllt.
Das Land selbst bleibt trocken, dagegen wird ganz nach Belie-
ben und Bedürfniss wochen- oder monatweise das einzelne Feld
unter Wasser gesetzt. Wird die Schleuse geschlossen, so ist
nach wenigen Tagen schon das Wasser verdampft und das Feld
für den Pflug bereit,
Yiel tausendmal hat sich, seit die Pyramiden von Memphis
stehen, dieser landwirthschaftliche Process wiederholt und wurde
vom Wasser und von den Menschen das Unterste der durch-
schnittlich 10 Meter mächtigen Thonbank zu oberst gekehrt und
das, was vorher oben war, unten wieder begraben. Hand in
Hand mit dieser mechanischen Ortsbewegung des Schlammes
ging auch chemisch eine Veränderung desselben vor, wie aus
Eegnaults Untersuchung erhellt:
Frischer Nilschlamm Alter Nilschlamm
enthält
an kohlensaurem Kalk , . 18Vo lO^o
„ kohlensaurer Bittererde 4 „ 1 „
„ schwefelsaurem Kalk . 0 „ 3 „
„ Eisenoxyd 6 „ 3 „
Unlösliches und Wasser 63 „ 76 „
Organische Theile . . 9 „ 7 „
Der Xilschlamm *) besteht, unter einer massigen Vergrösse-
*] Der Nilschlamm lässt sich neben keinen europäischen Boden
stehen und scheint überhaupt ganz einzig auf der Erde dazustehen;
Nigerschlamm z. B. auf der "Westküste von Afrika geholt, in welchen
sich ein Lepidosiren eingeschlagen hatte, verhält sich schon wieder
ganz anders. Er enthält 2,7 kohlensauren Kalk, keine Bittererde und
gleicht in seinem mechanischen Verhalten dem europäischen Lehm und
LÖSS. — Eine der practischen Bodenproben, wie ich sie seit vielen
Jahren mit württembergischen Böden vorgenommen habe, auf den Nil-
boden angewandt, wird das Gesagte bestätigen. Die practische Probe
besteht einfach darin, dass ich 10 Gramme abwäge und in einem halb
mit "Wasser gefüllten Titrirglase schüttle, bis sich der Boden gelöst
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1867. 2s u. 3s Heft. 23
— 354 —
rung betrachtet, aus vollkommen gleichartigem Korn, der frische
vom Steilufer des Stroms genommene aus Minimaltheilen von
1/30 — Vi"" ^lilli'i^-? höchst selten bemerkt man ein Körnchen von
Vio Millim. Ausser den oben bezeichneten löslichen Theilen
besteht das Unlösliche aus Sand und Thon. Der Sand ist farb-
loser, durchsichtiger Quarz, trüber, milchiger Quarz, rother und
brauner homogener Kiesel, gelber Kiesel, Feldspat, Hornblende,
Epidot u. s. w.: er bildet bei durchfallendem Licht ein wahres
Kaleidoskop, so reizend bunt sind in allen Farben die Sand-
körner der genannten Minerale umhergestreut, die zusammen-
geballt der ganzen Masse die braungraue Farbe geben, in wel-
cher ganz Egypten sich dem Auge des Reisenden präsentirt.
Der 10 M. mächtige Nilschiaro m ruht in ganz Egypten auf
einem Lager von Meersand, der im Bette des Flusses und auf
dem Grund der Brunnen vom Wasser berührt alsbald in Bewe-
gung geräth und ein Nachstürzen der darüber liegenden Thon-
schichten zur Folge hat. Im Allgemeinen macht das ganze
Schichtenpacket des Nillandes, wo es im ursprünglichen Zustand
beobachtet werden kann, den Eindruck einer geologischen
Schichte, nicht den einer Alluvion. Das ganze Land zwischen
den Katarakten und dem Mittelmeer war ehedem ein negatives
Delta, eine schmale Meeresbucht, die sich wohl zur Zeit der
Pliocene allmählig mit Lagunenschlick füllte, der von dem cry-
hat. Nach 10 Minuten Ruhe werden die Niederschläge des Schlammes
im Glase gemessen und ergeben z B.
Luxe von Beimerstetten 12 Cubikcentimeter (4 Sand, 8 Thon),
Lehm von Ilochdorf 11,5 CG. (7,5 Sand, 4 Thon),
Waldbodeii auf Schilfsand von Bothnang 12 CG. (5 Sand, 7 Thon),
Krautäcker von Bothnang, schwarzer Thonboden auf Gypsletten
19 CG. (7 Sandmergel, 12 Thon),
Lehm von Zazenhausen (kalter Boden) 10 GG. (4 Sand, 6 Thon),
Lehm ebendaher (heisser Boden) 13 CG. (4V2 Sand, 8'/« Thon),
"Weisser Boden vom Jägerhaus bei Hemmingen 11 GG. (4 Sand, 7 Thon),
Lehm von Weissach 11 GG. (8 feinster Sand, 3 Thon),
Nilboden von Schubra ( Baumwollenfclder) 22 CG Die ganze Masse
gleichmüssig vcrtheilt, dass zwischen Sand und Thon kein Un-
terschied gemacht werden kann.
r- 355 -
stallinischen Habesch und Sudan in die Meeresbucht eingewa-
scheu wurde. Späterhin, nach der Erhebung Egyptens aus dem
Meer, grub sich der Strom in diesen Schlamm , der bei der
leichten Löslichkeit hier losgesch-wemmt wurde, um dort sich
wieder zu setzen. Müd und träge schleicht der Strom von As-
suan zum Meere mit einem Gefäll von 1 1 Cent. pr. Kilometer
bis Cairo und von nur 4 Cent, von Cairo abwärts, also dass
man am Flusse selber niemals die Stromrichtung zu beurtheilen
im Stande ist. Bald sinken selbstverständlich die suspendirten
Schlammtheile bei diesem trägen Laufe nieder und würde er
gar bald sich vollständig klären, wenn nicht auf jeder Weg-
strecke, die er zurücklegt, aufs Neue immer wieder ihm Gele-
genheit geboten wäre, mit frischem Schlamm sich zu speisen,
der an jedem Ufer abgewaschen wird. Einen interessanten Be-
leg hiezu bietet die Stadt Girgeh in Mittelegypten , deren An-
blick wohl jedem Reisenden unvergesslich bleibt. Der Nil nagt
den Grund und Boden, auf dem die Stadt steht, mehr und mehr
weg, Moscheen und Häuser stüi'zen ein und es decken auf pitto-
reske "Weise die gestürzten, halb noch stehenden, halb geneig-
ten Granitsäulen eines Tempels, das Mauerwerk von entzwei-
gespaltenen Wohnhäusern die Böschung, ebenso ein Denkmal
des nagenden Nils als der unbegreiflichen Ruhe des Arabers,
der sein Haus noch nicht verlässt, ob es auch zur Hälfte in
den Strom gestürzt ist.
An solchen Stellen wie bei Girgeh und auch sonst vielfach
am Steilufer des Stromes sieht man von der Barke aus den al-
ten „gewachsenen" Boden des Nillands, 10 — 12 Schichten von
verschiedener Mächtigkeit, einige zöllig, andere mehrere Fuss
stark, welche bei niederem Wasserstand eine 25 — 30' hohe Ein-
böschung des Stromes bilden. Dieses alte Ufer macht nnn gar
nicht den Eindruck einer Alluvion, eines geschlossenen Lehm-
oder Lössgrundes, als vielmehr mit seinen regelmässigen
Klüften und Abhängen den einer alten geologischen Schich-
tenbildung. Erst unten im Delta und zwar an Orten, wo früher
etwa der Strom hef, im Lauf der Zeit aber den Lauf verändert
und das alte Bett wieder zugeschwemmt hat, erst da sind die
— 356 —
kartenblattdicken Lagen im Schlamm und haben wir nicht den
alten ursprünglichen, sondern den umgebackenen Nilschlamm vor
uns, der mittelst Dämmen und Canälen an beliebigen Orten, in
beliebiger Stärke von den Bauern niedergeschlagen wurde. Wer
nun aus der Zahl dieser Schlammkartenblätter, ähnlich wie man
das Alter des Baums an den Jahresringen erkennt, auf das
Alter egyptischer Cultur Schlüsse ziehen will, begeht in Wahr-
heit einen unverzeihlichen Leichtsinn. Weil man — ist der
fatale Schluss — 1854 beim Brunnen von Heliopolis in 20 M.
Tiefe noch Scherben von Töpfen fand, weil man ferner im Jahr
eine halbe Linie Schlammniederschlag beobachtet (?) , so thut
das 6 Zoll aufs Jahrhundert und resultiren aus den 20 Metern
Schlamm 12,000 Jahre, vor denen man in Egypten schon Töpfe
brannte! Andere bringen nach ihren Beobachtungen blos 2* 2
Zoll heraus pro Jahrhundert (sehr begreiflich, denn diese hat-
ten Nilschlamm von solchen Feldern, auf denen der Bauer das
Wasser nicht so lange stehen liess als ein anderer!), thut 30
Jahrtausende! Es wäre wahrlich an der Zeit, dass dieser hun-
dertmal in den Lehrbüchern der Geologie wiedergekäute Unsinn
ein- für allemal ausgemerzt und vor den Augen der Wissen-
schaft nie mehr ein Argument citirt würde, mit dem mau höch-
stens noch einen leichtgläubigen Laien berücken mag.
Ich freue mich, dass Hr. Ingenieur Eyth hierin vollständig
meine Ansicht theilt. Er schreibt in dem schon erwähnten
Werke pag. 6: „Ueber das Quantitative der Bodenerhühung im
Delta liegen keine sicheren Daten vor und beruht alle und jede
chronologische Berechnung hinsichtlich der im Nilschlamm be-
grabenen Monumente auf einem vollständigen Missverstehen der
Verhältnisse. Vor Allem lagert sich in Folge wechselnder Strö-
mungen die Thalsohle nicht ganz flach ab, so dass in einem
Jahr ein sanfter Hügel entsteht — vielleicht durch zufällige
Anpflanzung von Gesträuchen, die den Schlamm aufhalten — ,
wo im nächsten Jahr bei höherem Wasserstand und kräftigerer
Strömung Hügel sammt Gesträuch wieder verschwindet und einer
ausgewaschenen Mulde Platz macht. Besonders aber wird, wo
Menschenhand eingreift (und diess ist überall der Fall, wo der
— 357 -
eigentliclie Culturboden liegt), jede derartige Berechnung un-
möglich, indem das Anschwemmen als ein wesentliches Moment
in der Landwirthschaft benützt und mit Leichtigkeit geleitet
werden kann. Es kann der Fellah, der einen Damm um das
Unterende seines Felde» zieht, in einem einzigen Jahr ein paar
Jahrtausende mehr in die scharfsinnigste Berechnung eines eu-
ropäischen Gelehrten hineinschwemmen. "
Wir lassen darum die schwindelnden Jahrtausende bei Seite,
die sich aus dem Nilschlamm nach Belieben ausrechnen lassen.
Das Alter der egyptischen Culturzeit muss sich selber bestim-
men aus den Werken der Cultur, aus den Inschriften, Zahlen
und Bildwerken auf Stein. Welch ein ehrwürdiges Alter nur
die Todtenstadt von Saqära hat, um vom Alter der Sphinx zu
schweigen, geht schon aus dem ganz andern Clima und ganz
andern Lebensgewohnheiten, Sitten und Bräuchen hervor, welche
die bemalten und behauenen Wände „des ewigen Hauses'-, wie
die Inschrift zu dieser Todtenstadt heisst, voraussetzen und ver-
kündigen. Die neusten Ausgrabungen Mariette-Bey's, des uner-
müdlichen Forschers und Begründers des Museums von Bulaq,
haben mit Einemmale ganz neue Blicke in die Vergangenheit
eröffnet, die nur denen verglichen werden können, welche uns
neuerdings die Entdeckungen in den deutschen Sümpfen und
Mooren eröffnet haben. Auch hier entstehen aus dem Sumpf alte
Generationen wieder, die so zu sagen einer ganz andern Welt
angehören, da wir die Brücke noch nicht fanden, welche aus dieser
Urgeschichte zur wirklichen Geschichte führt. So viel steht bis
jetzt hier wie dort fest: ein vollständig verändertes
Clima bezeichnet jene Zeit, die sich in Deutschland durch
Gletscher nebst Renthier und Bär charakterisirt, während in
Egypten das Fehlen der Wüste zur nothwendigen Voraus-
setzung wird. Auf der Sinaihalbinsel schon hatte ich einigemale
Veranlassung, auf frühere wasserreiche Zeiten hinzuweisen, dess-
gleichen die absolute Unmöglichkeit darzuthun, dass einst, wenn
die Wüste schon bestanden hätte, aus der Wüste von Hamamat
und Abu Goueh die Steincolosse zu den thebaischen Bauten
hätten geliefert werden können. Diese Bauten von Theben er-
— 358 —
reichen nun nahezu das Jahr 3000 vor Christus; lange vor ihnen
aber stunden schon die Pyramiden und die TodtenstUdte von
Memphis, die nach den neuerstandenen Bildern und Inschriften
den Mittelpunct darstellen eines alten Reiches mit vollendeter
Gesittung und entwickelten Yolksgebräochen, das ganz Egypten
beherrschte. Es versäume doch Niemand, dem es möglich ist,
einen Gang zu machen durch die älteste bekannte Todtenstadt
d e r W e 1 1 , durch das frisch eröffnete S a q ii r a , namentlich um den
Contrast zu den thebai sehen Königsgräbern zu fühlen. In Theben
sind überall schon die zahlreichen Bilder eines priesterlichen Rituals
in die Todtenkammern eingedrungen, Isis und Osiris schmücken
die Wände; abergläubische Schauderbilder aus der Unterwelt
weisen darauf hin, dass der Priester die Oberhand gewonnen
hat und die Macht besitzt, die Prüfungen der Seele abzukürzen.
Von dem Allem hat Saqära noch nichts. Hier ist der Todte in
Mitten seiner Frau und Kinder, seiner Diener, Hunde und grü-
nen Affen. In Basrelief ist das Bild des Todten vielfach an
den Ehrenplätzen angebracht mit seinen Titeln, seiner Lebens-
geschichte, mit auffallenden Gebrechen oder sonst einem kennt-
lichen Signalement. Er lebt auf dem Bauernhof, in leichten auf
Säulen gestellten Bauten. Seine Hausthiere sind Ochsen , Esel,
Hunde, Affen, Antilopen, Gazellen, Gänse, Kraniche, Enten,
Storchen und Turteltauben. Keine Spur in der ganzen
Todtenstadt vom Kameel, dem unentbehrlichen Hausthier
Egyptens, seit die Wüste besteht, kein Bild noch von Pferd,
Giraffe, Elephant, Schaf oder Huhn. In die häuslichen Einzel-
heiten, die ein harmloses landwirthschaftliches Leben bekunden,
mischen sich Erinnerungen an die Laufbahn des Todten, an
seine Reisen, seinen Handel, Spiele und Tänze, niemals eine
Spur kriegerischen Lebens (wenigstens vor der 12. Dynastie)
und sehr wenig religiöses Ritual. Das „ewige Haus" ist noch
keine Gott geweihte Capelle, in der Osiris herrscht, sondern
der Todto selber ist in seinem Hause Herr und Meister, der
Hausgott, auf den sich Alles bezieht, und seine Todtenkammer
ist die Stätte, wo er seine Gewohnheiton und Behaglichkeiten
des Lebens findet.
- 359 —
"Welch ein Unterschied zwischen dieser Lebensanschauung
des ältesten Egyptens, genommen aus der Todtenstadt von Sa-
qära und den Pyramiden, und der Lebensanschauung des thebai-
schen Egyptens, genommen aus den Königsgräbern von Qürna
und Medinet Habu ! Man weiss nicht, was längere Zeit zur Ein-
führung braucht, ein so veränderter Volksglaube oder die Ein-
führung und Verbreitung neuer Hausthiere. Das Kameel fehlt
selbst noch auf den Tempelwänden von Theben und war sicher-
lich zur Zeit der Gründung von Theben nicht eingeführt, denn
es gab noch keine Wüste; Prachtbauten, wie im Assassifberge
oder in Denderah und die Riesenbauten der "Welt, zu denen wir
heute nur im tiefsten Gefühl eigener Armseligkeit hinanblicken,
solche Bauten setzt man in keine "V^ste abseits, in die man
nur mit Noth und Mühe gelangt. Tausende von Wänden be-
deckt man nicht vom Boden bis zum Plafond über und über
mit Inschriften, Malereien und Sculpturen, dass sie ungesehen in
Grabesnacht bleiben, sondern dass man die- Schrift liest und die
Kunstwerke sieht. Die Reste des ältesten und des alten Egyp-
tens reden so laut von dem veränderten Clima der Nilländer,
als das Gerolle in den Wadi's der lybischen Wüste von Was-
serfluthen Zeugniss gibt, ob auch heute jahraus jahrein kein
Tropfen mehr fliesst.
Wir kamen unvermerkt von der BodenbeschafFenheit der
egyptischen Berge auf das Leben zu sprechen, das einst auf
diesem Boden gewachsen ist, und glauben nicht missverstanden
zu werden, wenn wir auch dieser geistigen Blüthe des Bodens
zum Schluss unsere Beachtung schenkten. Steht doch thatsächlich
immer die geistige Kraft eines Volkes im engsten Zusammenhang
mit dem Clima. Heutzutage erlahmt die Energie selbst eines kräf-
tigen Europäers unter der Sonne von Egypten; von einem gei-
stigen Arbeiten, von Studien, wie wir sie in Europa gewohnt
sind, ist in Afrika geradezu keine Rede. Man erschlafft, wird
träge und faul, man fängt an zu bummeln und macht es, wie
es jeder Orientale macht, denn man fühlt, dass das natürlich
ist und der Luft entspricht, in der man lebt. Eine geistige Thä-
tigkeit, wie zu den Zeiten der Griechen, da Alexandria der
— 360 -
Mittelpunct aller Künste und Wissenscliaften, eine wahre Welt-
universität mit der reichsten Bibliothek der Erde war, oder wie
zu den Zeiten der Platoniker bis in die ersten christlichen Jahr-
hunderte, da die tiefsten Denker der Kirche, ein Gnostiker Ori-
genes, ihre religiös-philosophischen Systeme entwickelten — ein
derartiges Schaffen der Gedanken setzt ganz nothwendig ein
anderes Clima, eine feuchtere Luft in Egypten voraus. Auf dem
gegenwärtigen Boden des Nillandes wird kein philosophisches
System mehr erblühen und mit keiner Macht der Welt könnte
man eine Universität, die nur entfernt einer europäischen gliche,
dorten erstehen lassen.
So nahe daher auch wegen seiner Geschichte der Orient
dem Abendländer steht ipd so heimisch wir uns geistiger Weise
gemacht haben in den Bergen und Thälern der Sinaihalbinsel
und Palästina's, so nahe endlich auch der Naturforscher die
Schichten des Orients mit europäischen in Verbindung bringt,
so unerklärt bleibt doch immer die ganze grosse Vergangenheit
dieser Stätten ohne die Voraussetzung der tiefgreifendsten cli-
matischen Veränderungen, die ebensowohl in geologischen Ni-
veauschwankungen als in cosmischen Wandlungen ihre letztere
Ursache haben.
Erklärung der Tafeln.
Tafel IV.
1. Actaeonella Salomonis Fraas, aus dem Wadi Jos bei Jerusalem
pag. 240.
2. Actaeonella syriaca Conr., ebendaher pag. 239.
3. Phasiamlla Ahsalonis Fraas, ebendaher pag. 240,
4. Chemnitzia syriaca Conr., aus dem Baculitenkalk am Bahr Lut
pag. 243.
5. Tv.rritella Adidlam Fraas, AduUamthal zwischen Marsäba und
Bethlehem pag. 242.
6. Nerinea Mamülae Fraas, Kreidekalk von Mamilla pag. 241.
7. Hippurites syriacus Conr., "Wadi Jos bei Jerusalem pag. 229.
8. Nummulina cretacea Fraas, aus dem Hippuritenkalk bei Jerusa-
lem pag. 227, a. natürliche Grösse, b. die Hälfte des Querschnitts
4mal vergrössert, c. ein Viertheil des Scheibenschnitts 8mal vergr.
9. Crassatella Rotliii Fraas, Kreidemergel vom Djebel Tor bei Je-
rusalem pag. 234.
10. Nerinea longissima Reuss, Mamillateich pag. 242,
11. „ Schickii Fraas, Mamillateich pag. 242.
12. Dentalium Wilso7ii Fraas, Marsaba pag. 239.
13. „ octocostatum Fraas, ebendaher pag. 239.
14. Trigonia distans Conr., ebendaher pag. 237.
15. Badiolites Mortoni Zittel, "Wadi Jos pag. 230, unter der Loupe
vergrössert.
16. ßacuUtes anceps Lmk. , Kidronthal oberhalb der Bahr Lüt.
pag. 252. a, Seitenansicht, b. Querschnitt.
17. Ditto vom Bahr Lüt p. 252.
18. Ammonites Goliath Fraas , Oelberg bei Jerusalem pag. 249.
a. Seitenansicht, b. Rückenansicht.
Tafel V.
1. Lohocarcinns Cairensis Fraas. ^ von Bihr el Fachmeh östl. Cairo.
pag. 299,
2. Scheere von demselben Individuum von aussen gesehen pag. 300.
3. Sternum mit der Basis der Füsse von dems. Individuum pag. 300.
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4. Lohocarcinus Paidinc-Württe)iihergicits v. Mey, ^^ vollständigstes
Exemplar von oben gesehen, aus den Steinbrüchen des Mokattam
bei Cairo pag. 296.
5. Derselbe: Maulgegend mit den Kiefern, die Kieferfüsse sind abge-
sprengt ■worden.
6. Derselbe: vollständiger Scheercnfuss.
7. Derselbe: ein Stück Schale, unter der Loupe vergrössert.
8. Derselbe: Endglieder derFüsse, von der Seite des Thorax gesehen.
9. Lohocarcinus PanUno-Wurttcmherijiciis v. Mey, O a. von oben
gesehen, b. von unten, mit blosgelegtem Abdomen und Sternum
imd dem Kieferfusspaar pag. 298.
10. Derselbe: Sternum mit den Ovarien, das Abdomen wurde abge-
sprengt.
11. Callianassa nilotica Fraas, Scheerenballen vom Todtenberg bei
Assiüt: a. der bewegliche Finger, b. von innen, c. von aussen an-
gesehen pag. 259.
Tafel VI.
1. Patella caire7isis Fraas, Ausguss der Innenseite der Schale, aus
dem unteren Steinbruch des Mokattam bei Cairo pag. 291.
2. Vioa Cerithn Fraas, Mokattam pag. 293.
3. Porocidaris serrata Arch., Mokattam p. 261.
4. a. b. Terebratella 2:>'jrainidar)(m Fraas bei den Pyramiden p. 280.
5. a. b. Ostrca JReiliiFraaa, Mokattam von oben und unten gesehen
pag. 282.
6. Cardium egyptiacum Fraas, Assiüt pag. 285.
7. Pholas Sinaitica Fraas, Steinkern vom Hadjar el Ma pag. 334.
8. Eiqjatagus Uihei'culosns Fraas, Wüste el Tih pag. 279.
9. Sismondia Logothetii Fraas, Assiüt. a. von oben, b. von unten
gesehen pag. 280.
10. Serpula Kephren Fraas, am Fuss der Kephrenpyramide. *)
11—14. Clypeaster egyptiaciis Coqu. , ein Fünftheil des Schildes mit
den Fühlergängen. Lybische Wüsto bei Saqara pag. 208.
12. a— c. Das Perisoma, 13. zeigt die Innenseite des Schildes, 14. die
Kalktafeln in einem Zustand der Maceration pag. 309.
15. Laganniii dcprcssum Lesk. var. sinaiticdin Fraas, vom Djebel Zeit
100 M. ü. d. M. pag. 333.
*) Diese Art, die im Text vergessen wurde, aufgeführt zu werden, füllt am Fus»
der Kephrenpyramide vollständig eine Schichte im Gebirg.
Kleinere Mittlieilungen,
Mausjagd eines kleiueu Wiesels.
Von Forstrath Dr. Nördlinger in Hohenheim.
An einem trüben Kovembertage trieb sich vor meinem Fenster
ein kleines Wiesel, Miistela vulgaris, herum. Einen Balustradeneckstein
umfliegend und flatternd bezeichneten ein Dutzend Sperlinge und etliche
Finken das ungefähre Versteck des kleinen Raubthieres. Dieses stürzte
plötzlich hersor, mitten unter die beflügelten Gaffer, welche sich der-
massen keck in seine Kähe wagten, dass ich mich jeden Augenblick versah,
einen derselben zur Beute des Wiesels werden zu sehen. Auf kaum
Meterentfernung Hessen sie sich auf der Strasse, dem niedrigsten Ge-
büsche, der Balustrade nieder, ofi'enbar neugierig den raschen Aus-
fällen des Wiesels zuschauend. Von diesem konnte man nicht sagen, dass
es den genannten Vögeln nachgestellt hätte, obgleich es doch sicher-
lich einen allzudummen oder allzukecken Spatzen nicht wohl ver-
schmäht haben würde. Nach einer Recognoscirung in der Richtung
des nahen Fohlengartens überschritt das Wiesel den breiten Weg und
versteckte sich unter hohen Grasbüschen an den dicken Zaunpfosten.
Jeden Augenblick streckte es den Kopf vor und machte Männchen,
um besser zu sehen und zu horchen. Die beobachtenden Sperlinge
und Finken legten auch jetzt wieder grosse Sorglosigkeit an den Tag.
Einer der letzteren, der eben das Wiesel umschwärmt hatte, vergass
so schnell die Gefahr, dass er sich auf die vorüberziehende Strasse
niederliess und Körner suchte, wo ihn das unter den Grasbüschen so
bequem verborgene Wiesel hätte mit Leichtigkeit erreichen können.
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Indessen sprang eine starke Feldmaus in der Nähe des Wiesels durch
das Gras und Laub und gleich darauf seiner Fährte nach in grossen
Sätzen das Wiesel, so dass ich denken musste, die Sprünge gelten der
Maus, diese konnte jedoch, ohne erreicht zu werden, sich verbergen,
■während das Wiesel vielleicht durch die Unbekanntschaft mit der
Oertlichkeit oder durch Annäherung einiger des Wegs kommenden
Personen bestimmt, sich wieder nach dem Verstecke zurückzog. Wieder
aber wurde die Maus fast an derselben offenen Stelle sichtbar, und
alsbald stürzte ihr das Wiesel in gleicher Weise wie vorhin nach.
Im Nu war ihr der Process gemacht, denn obgleich das Wiesel sich
sogleich von Neuem unter einen Grasbusch flüchtete, lag schon die
Maus zappelnd auf dem Rücken, von einem der zuschauenden Sperlinge,
qiä faisait le Saint esjJrit, wie der Franzose sagt, neugierig über-
flattert, jedoch nach wenigen Secunden vom Wieselchen abgeholt und
mit hochgebogenem Hals sicher über die Strasse hinüber unter den
ursprünglichen Balustradenstein getragen. Von hier aus wäre das
Wiesel gern in entgegengesetzter Richtung, der Vorderseite des Schlosses
entlang weiter gegangen. Es stellte in der That bald mit, bald ohne Maus
Excursionen in dieser Richtung an. Doch schien es ihm nicht gerathen,
mit seiner Beute so gar öff'entlich auf der breiten Strasse seinem ver-
muthlichen gewöhnlichen Aufenthaltsorte zuzuwandern. Es entschloss
sich desshalb, eine Zeitlang noch durcli Sperlinge verrathen, dann aber
unberufen im Schutze der Balustrade auf einem Umweg nach dem-
selben Ziele zu gehen.
Merkwürdig schien mir die geschilderte Dreistigkeit der Sperlinge
und Finken gegenüber dem Wieselchen und dass dieselben durchaus
das Lärmgeschrei nicht erhoben, womit kleine Vögel ihre befiederten
grösseren Feinde, wie Sperber, Eulen und dgl. zu verfolgen pflegen.
Ausgegeben im August 1867.
1 2 3
Ta/://:
. u. J;th. V y ScUortgriec^
Druck V" C Heniler, Siutt^art.
3
Gei a.Iilkv F S'.Kbttrfeck.
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Cei 'j.lith v.F Schlottert eck.
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