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Full text of "Jahreshefte des Vereins f©r vaterl©Þndische Naturkunde in W©rttemberg"

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COMPAHATIYE    ZOÖLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 
iFounlielr  iij  jjcftoatc  subscrfptfon,  fn  1861. 

The  gift  of  LOUIS  AGASSIZ. 


No 


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JAHRESHEFTE 


des 


Vereins  für  vaterländische  Naturkunde 


Württemberg. 


Heraussresreben  von  dessen  Redactionscommission 


^ö^a 


Prof.  Dr.  H.  V.  Mohl  in  Tübingeu;  Prof.  Dr.  H.  v.  Fehling,  Prof. 

Dr.  O.  Fraas,  Prof.  Dr.  F.  Krauss,  Prof.  Dr.  P.  Zech 

in  Stuttgart. 


DREIUNDZWANZIGSTER  JAHRGANG. 

(Mit  sechs  Steintafeln.) 


Stuttgart. 

Verlag   von    Ebner    &   Seubert. 

1867. 


SchnellpressondruL'k  von  Aug;.  Wöriicr,  vormals  J.  O.  Sprnnilel ,  iu  Stuttgart. 


Inhalt. 


I.  Angelegenheiten  des  Vereins.  Seite 

Bericht  über  die  einundzwanzigste  Generalversammlung   den 

4,  October  1866   in  Heilbronn.     Von  Prof.  Dr.  Kr  aus  s         1 
1.  Eröffnungsrede     des    Geschäftsführers,    Oberamts- 
pfleger Titot 2 

■2.  Rechenschaftsbericht  für   1865 — 1866.     Von  Prof. 
Dr.  Krauss 3 

3.  Zuwachs  der  Vereinssammlung 6 

4.  Zuwachs  der  Vereinsbibliothek 14 

5.  Rechnungsabschluss  für  1865 — 1866.  Von  Hospital- 
Verwalter  Seyffardt 20 

6.  Wahl  der  Beamten 23 

7.  Abänderung  der  §§  18  und  24  der  Statuten  ...       25 

8.  Nekrolog  des  Prof.  Dr.  A.  Oppel.      Von  O.Stud.- 
Rath  V.  Kurr 26 

9.  Nekrolog  des  O.Med.-Raths  Dr.  G.  v.  Jäger.    Von 
O.Stud.-Rath  v.  Kurr 31 

II,  Vorträge  und  Abhandlungen. 

1.  Zoologie  und  Anatomie. 

Die    württembergischen   Kleinschmetterlinge.      Von  Dr. 

Steudel  in  Kochendorf 39 

Abnahme  der  Singvögel  im   südwestlichen   Deutschland. 

Von  Ob.Stud.-Rath  Dr.  v.  Kurr 75 

2.  Botanik. 

Lange  Dauer  derBlüthevon  Cypripedium  calceolus.    Von 
Hofrath  Dr.  v.  Veiel 77 


IV  Inlialt. 

Seite 
Die  Pflanzendecke  eines  rasirten  Waldstüclis  als  Beitrag 

zur    Veränderung    einer    Flora.      Von    Postrefcrendär 

F.  Karrer 131 

3.  Mineralogie,  Geognosie  und  Petrefactenkunde. 

Erfunde  an  der  Schussenquelle.    Von  Prof.  Dr.  O.  Fr  aas. 
(Hiezu  Tafel  II.) 49 

Dyoplax  arenaceus,  ein  neuer  Keupersaurier.  Von  Prof. 
Dr.  0.  Fraas.     (Hiezu  Tafel  I ) 108 

üeber  die  Varietäten  des  Kalkspathes  in  VP"ürttemberg. 
Von  Dr.  G.  Werner.     (Hiezu  Tafel  III.)     ....     113 

Geologisches  aus  dem  Orient.     Von  Prof.  Dr.  0.  Fraas. 

(Hiezu  Tafel  IV— VI.) 145 

4)  Physik,  Chemie  und  Meteorologie. 

Ueber  singende  Flammen.     Von  Prof.  Dr.  Reusch  .     .       48 

Die  wichtigeren  Gesteine  Württembergs,  deren  Verwitte- 
rungsproducte  und  die  daraus  entstandenen  Acker- 
erden, chemisch  untersucht  von  Prof.  Dr.  Wolff  in 
Hohenheim 78 

III.  Kleinere  Mittheilungen. 

üeber  einen  einaxigen  Glimmer   von  der  Somma.     Von   Dr. 

G.  Werner 140 

Mausjagd  eines  kleinen  Wiesels.     Von  Forstrath  Dr.  Nörd- 

linger  in  Hohenheim 363 

Bücheranzeige 142 

Druckfehler 144 


I.    Angelegeiilieiten  des  Vereins. 


Bericht  über  die  Yieruiidzwanzigste  Generalversammlung 
den  L  Oktober  1S66  in  Heilbronn. 

Yon  Prof.  Dr.  Kraus s. 

Die  politischen  Ereignisse  in  diesem  Sommer  verhinderten 
auch  unseren  Verein,  die  jährliche  General- Yersaromlung,  wie 
schon  seit  einer  langen  Reihe  von  Jahren ,  an  dem  Johannisfeier- 
tag  abzuhalten,  wesshalb  sie  bis  auf  ruhigere  Tage  vertagt  wer- 
den musste. 

Um  so  erfreulicher  war  es ,  als  sich  an  dem  schönen  Herbst- 
tage des  4.  Oktobers  über  70  Mitgheder  von  nah  und  fern  in 
•  der  gastlichen  Stadt  Heilbronn  einfanden ,  wo  sie  aufs  Freund- 
lichste aufgenommen  wurden. 

Die  Yersammlung  wurde  in  dem  festhch  geschmückten  Saale 
des  Gasthofs  zum  Falken  abgehalten.  In  einem  Nebensaal  hatten 
einige  Mitglieder  eine  kleine  Ausstellung  von  naturhistorischen 
Gegenständen  veranstaltet.  Unter  diesen  befanden  sich  schöne 
bei  Heilbronn  aufgefundene  Backenzähne  des  Mammuths  von  Ober- 
amtspfleger Titot,  eine  Sammlung  Land-  und  Süsswasserschnecken 
aus  der  Umgebung  Heilbronns  von  Dr.  Fricker,  Säugethierreste 
und  Vasen  aus  allemannischen  Gräbern  bei  Heilbronn  und  frische 
Parietaria  officinalis  von  Apotheker  Hoser,  verschiedene  Fische 
aus  dem  Neckar  von  Kaufmann  Fr.  Drautz,  Anhydrite  aus  dem 
Heilbronner  Tunnel  von  Apotheker  Dr.  Lindenmayer,  prachtvolle 
Steinsalz  Würfel  von  Bergrath  v.  Alberti  in  Friedrichshall,  ein 
Backenzahn  und  Bruchstücke    eines  Stosszahns  vom  Mammuth 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     Is  Heft.  \ 


-    2     - 

von  Oberamtsrichter  Ganzhorn  in  Neckarsulm,  ein  Mammuths- 
knochen  und  einige  seltene  Pflanzen  vom  Michelsberg  von  Apo- 
theker Yölter  in  Bönnigheim  u.  s.  vr. 

Die  Verhandlungen  begannen  wegen  eines  etwas  verspätet 
angekommenen  Eiseubahnzugs  erst  gegen  11  Uhr  und  wurden 
durch  den  Geschäftsführer,  Oberamtspfleger  Titot  mit  fol- 
gender Ansprache  eröfinet: 

Meine  Herren! 

Als  ich  am  1.  Mai  1847  zum  erstenmal  die  Ehre  hatte,  die 
Mitglieder  unseres  Vereins  in  meiner  Vaterstadt  zu  begrüssen, 
war  das  Häuflein  sehr  klein,  denn  Stuttgart,  welches  stets  das 
grösste  Contingent  stellt,  hatte  damals  seine  Brodkrawalle. 

Heute  sehe  ich  mit  Vergnügen,  dass  sich  eine  grössere  An- 
zahl eingefunden  hat,  und  ich  heisse  Sie  alle  im  Namen  der  Heil- 
bronner  auf's  Freundlichste  als  liebe  Gäste  willkommen. 

Heilbronn  ist  eine  Handels-  und  Gewerbestadt,  aber  es  wer- 
den hier  auch  die  Wissenschaften  nicht  vernachlässigt;  Heilbronn 
hat  schon  lange  ein  gutes  Gymnasium. 

Der  in  Tübingen  verstorbene  Professor  Gustav  Schübler  und 
sein  Bruder  der  Bergrath  Schübler  in  Stuttgart  waren  Heilbron- 
ner;  ebenso  August  von  Bruckmann,  Kreisbaumeister,  der  die  ar- 
tesischen Brunnen  in  Deutschland  eingeführt  und  mit  seinem 
Sohne  so  manche  Tiefe  in  Württemberg  durch  den  Erdbohrer  unter- 
sucht und  die  Kenntnisse  der  Geognosie  bereichert  hat,  und  noch 
weilt  unter  uns  Dr.  Med.  Robert  Mayer,  ein  tüchtiger  Physiker 
und  Astronom,  der  im  Jahr  1842  die  neuere  Wärme-Theorie  ent- 
deckt hat. 

Was  unsere  Gegend  betriff't,  so  wurde  vor  wenigen  Jahren 
im  nahen  Friedrichshall  ein  47  Fuss  mächtiger  Stock  reines  Stein- 
salz aufgeschlossen,  und  die  Anlegung  eines  Eisenbahntunnels 
zwischen  hier  und  Weinsberg  veranlasste  merkwürdige  Aufschlüsse 
über  unsere  Mergel-  und  Gypsschichtcn. 

Der  Sandstein,  der  dieselben  überlagert,  liefert  fortwährend 
beliebte  Bausteine  und  Monolithe,  von  deren  Grossartigkeit  schon 
lange  her  der  steinerne  Riese  auf  unserem  Hauptthurmc  und  die 


-    3    — 

24  Fuss  lange  Bank  unter  der  Freitreppe  des  Rathliauses  eine 
Anschauung  geben. 

Im  Thale  lagert  sich  weithin  eine  grosse  Masse  DiluTial- 
schuttes,  aus  welcher  oft  noch  Knochen  und  Zähne  vorweltlicher 
Thiere  ausgegraben  werden. 

Um  von  lebenden  Thieren  zu  reden,  welche  in  anderen  Ge- 
genden Württembergs  nicht  oder  nicht  so  häufig  vorkommen, 
so  entsteigen  jezt  noch  im  Augustmonat  grosse  Schwärme  weisser 
Eintagsfliegen  dem  Neckar ;  der  Hamster,  im  Anfange  dieses  Jahr- 
hunderts bei  Frankenbach  noch  selten,  verbreitete  sich  seither  in 
7  weiteren  Markungen  des  hiesigen  Oberamts;  nur  die  giftige 
Kreuzotter,  längst  schon  in  einem  kleinen  Theile  unseres  Stadt- 
waldes anzutreffen,  wdrd  seltener. 

Noch  habe  ich  zu  bemerken,  dass  in  unserem  warmen  und 
etwas  feuchten  Thal  die  exotischen  Bäume  im  Laufe  der  Zeit 
eine  ansehnliche  Grösse  erreicht  haben. 

Ich  würde  Ihnen,  meine  Herren,  gerne  einige  Prachtexem- 
plare in  unseren  Gärten  zeigen,  wenn  unsere  Zeit- nicht  sonst  in 
Anspruch  genommen  wäre. 

Schliesslich  habe  ich  den  Auftrag,  Ihnen  zu  eröffnen,  dass 
der  hiesige  Singkranz  heute  Nachmittag  eine  Herbstunterhaltung 
auf  der  Cäcilienwiese  feiert  und  Sie  dazu  einladet. 

Die  Versammlung  wählte  hierauf  Ob erstudienrath  Dr.  v.  Kurr 
zum  Vorsitzenden. 

Sodann  trug  der  Vereinssekretär,  Professor  Dr.  Krauss 
folgenden 

Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1865—66 

vor: 

Meine  Herren! 
Das  verflossene  Jahr  war  für  unseren  Verein ,  der  nun 
sein  22.  Jahr  zurückgelegt  hat,  ein  sehr  wichtiger  Zeitabschnitt. 
Ihr  Ausschuss  kann  Ihnen  die  gewiss  Allen  erfreuliche  Mit- 
theilung machen,  dass  unsere  nicht  unbedeutende  Sammlung, 
die  alle  drei  Reiche  der  Naturgeschichte  Württembergs  umfasst, 


_     4     — 

aus  dem  Staatsgebäude  hinter  der  K.  Thierarzneischule  in  die 
schönen  und  gut  eingerichteten  Käume  des  neu  erbauten  Flügels 
des  K.  Naturalienkabinets  vollständig  übergesiedelt  ist. 

Aus  unseren  früheren  Verhandlungen  ist  Ihnen  bekannt, 
dass  die  hohe  Centralstelle  für  die  Landwirthschaft  dem  Verein 
mit  der  Erlaubniss ,  seine  Sammlungen  in  dem  erwähnten  Lokal 
aufstellen  zu  dürfen,  zugleich  die  ehrenvolle  Obliegenheit  ver- 
knüpft hat,  ihre  schon  lange  vorher  daselbst  aufgestellte  vater- 
ländische Sammlung  unter  Bewilligung  eines  Staatsbeitrags  für 
Aufsicht  in  seine  Obhut  zu  nehmen. 

Wenn  auch  der  Verein  die  Ueberlassung  dieses  Lokals  stets 
dankbar  anerkannt  hat,  so  lag  inzwischen  in  dessen  grosser 
Entfernung  von  der  Stadt  ein  gewichtiges  Hinderniss  für  den 
Besuch  und  die  Benützung  der  Sammlung  durch  seine  Mitglieder 
wie  durch  das  Publikum.  Um  so  erwünschter  kam  ihr  daher 
die  Aufstellung  einer  württembergischen  Naturaliensamm- 
lung in  dem  neuen  Flügelanbau  des  K.  Naturalienkabinets,  bei 
welcher  Gelegenheit  dem  Verein  durch  ein  hohes  K.  Kultmini- 
sterium gestattet  wurde,  seine  Sammlungen  in  Verbindung  mit 
den  württembergischen  Naturalien  der  Staatssammlung,  die  durch 
Einverleibung  derjenigen  der  K.  Centralstelle  einen  namhaften 
Zuwachs  erhalten  hatte,  als  württembergische  Central-Naturalien- 
sammlung  aufzustellen. 

Diese  Sammlung  hat  nun  die  Aufgabe ,  für  den  Laien  wie 
für  den  Fachmann  aus  dem  engeren  Vaterland  die  Thiere  und 
Pflanzen  in  allen  ihren  Entwicklungsstufen  und  Formen  voll- 
ständig aufzustellen  und  von  den  Schichten  der  Gcbirgsformationcu 
mit  ihren  Mineralien  und  organischen  Ueberresten  ein  möglichst 
naturgetreues  Bild  zu  geben.  Zur  Erreichung  dieses  belehrenden 
Zweckes  ist  aber  ein  grosses  Material  erforderlich,  das,  wie  in 
der  Natur  der  Sache  liegt,  noch  nicht  in  dem  erwünschten 
Umfang  vorliegen  kann. 

Die  Naturaliensammlung  hat  zwar  im  verflossenen 
Jahr  abermals  durch  die  dankenswerthe  Stiftung  der  Sammlung 
des  Herrn  Grafen  Otto  von  Salm,  welche  in  ausgestopften 
Säugethieren,  Vögeln   und  Hirsch-    und   Rehgeweihen   bestand, 


_    5    - 

und  durch  die  Schenkungen  mehrerer  Mitglieder  und  Gönner 
einen  namhaften  Beitrag  erhalten,  der  im  nachstehenden  Zuwachs- 
verzeichniss  mitgetheilt  ist:  allein  sie  weist  immer  noch  so  viele 
Lücken  auf,  dass  die  Mitglieder  und  Freunde  des  Vereins  sich 
aufs  Dringendste  sollten  aufgefordert  fühlen  auch  ihrerseits 
dieses  verdienstliche  Unternehmen  ferner  freundlichst  zu  unter- 
stützen. Insbesondere  ist  es  die  entomologische  Sammlung,  die 
in  den  meisten  Ordnungen  schwach  oder  gar  nicht  vertreten  ist. 
Es  wäre  daher  sehr  zu  wünschen,  dass  sich  zur  Besorgung  der- 
selben bald  ein  Conservator  finden  möchte. 

Die  Yereinsbibliothek  ist  nun  ebenfalls  in  dem  Flügel 
des  K.  Naturalienkabinets  in  drei  grossen  Bücherschränken  unter- 
gebracht und  geordnet.  Wie  Ihnen  aus  den  Jahresberichten 
bekannt,  besteht  dieselbe  dem  grössten  Theil  nach  aus  perio- 
dischen Zeitschriften,  welche  wir  den  Yerbindungen  mit  etlichen 
70  auswärtigen  gelehrten  Gesellschaften  und  dem  daraus  folgen- 
den Austausch  gegen  unsere  Jahreshefte  zu  verdanken  haben. 
Unter  den  einzelnen  Schriften  haben  wir  heuer  die  Schenkung 
des  Herrn  Buchhändler  Albert  Ebner  zu  erwähnen,  der  uns 
alle  in  seinem  Verlag  erschienenen  naturwissenschaftlichen  Werke 
übergeben  hat.  AVelche  bedeutende  Vergrösserung  unsere  Biblio- 
thek nach  und  nach  erhalten  hat,  werden  Sie  aus  dem  im  21. 
Jahrgang  veröffentlichen  Catalog,  welchen  Ihr  Bibliothekar  im 
Auftrag  des  Ausschusses  ausgearbeitet  hat,  entnehmen  können. 
Mit  der  Ausdehnung  haben  sich  aber  auch  die  Arbeiten  für  die 
Bibliothek  selbst,  insbesondere  aber  die  Correspondenz  mit  den 
verschiedenen  Gesellschaften  bedeutend  vermehrt.  Ihr  Ausschuss 
hat  daher  dem  Bibliothekar  eine  Summe  zur  Verfügung  gestellt, 
um  sich  durch  fremde  Hülfe  unterstützen  zu  lassen. 

Die  Jahreshefte  sind  in  der  bisher  üblichen  Weise  er- 
schienen ,  und  das  zweite  und  dritte  Heft  des  einundzwanzigsten 
sowie  das  erste  des  zweiundzwanzigsten  Jahrganges  den  Mitglie- 
dern zugekommen;  das  Doppelheft  des  letzterwähnten  Jahrganges 
wird  in  thunlichster  Bälde  nachfolgen. 

Dem  Vereinsaufwärter  hat  der  Ausschuss  den  Gehalt 
auf  200  fl.  erhöht. 


—    6     - 

Die  seit  yielen  Jahren  üblichen  Winter  vortrage,  welche 
von  den  Mitgliedern  und  deren  Angehörigen  stets  mit  grösstem 
Dank  aufgenommen  werden,  waren  so  gefällig  zu  halten  die 
Herren : 

Prof.  Dr.  Zech,  über  Harmonie  und  Disharmonie, 
Prof,  Dr.  Fr  aas,  über  die  sogenannten  Mosesquellen, 
Geh.  Eath  Dr.  v.  Stubendorf,  Erinnerung  an  Sibirien, 
Graf  v.  Beroldingen,  über  Krystallographie, 
Prof.  Dr.  Köstlin,  über  das  Alter  des  Menschengeschlechtes. 

In  dem  Vereinsjahr  vom  24.  Juni  1865 — 1866  haben  wir 
folgende  Mitglieder  durch  den  Tod  verloren: 

ßauinspektor  Wintterlin, 

Staatsrath  Dr.  v.  Ludwig, 

Geh,  Finanzrath  v.  Gw inner. 
Es  bleibt  mir  jetzt  noch  die  angenehme  Pflicht  übrig,  unserem 
erhabenen  Protector,  Sr.  Majestät  jdem  König  und  Sr.  K. 
Hoheit  Prinz  Friedrich  für  die  der  Vereinssammlung  gemachten 
Schenkungen  den  ehrfurchtsvollsten  Dank  auszudrücken,  sowie 
auch  allen  Mitgliedern  und  Gönnern,  welche  die  Sammlung  be- 
reichert haben,  aufs  Wärmste  zu  danken.  Ihre  Namen  sind  bei 
der  Aufzählung  der  Geschenke  in  den  nachstehenden  Verzeich- 
nissen aufgeführt. 

Die  Vereinssammluug  hat  vom  24.  Juni  1865 — 66  fol- 
genden Zuwachs  erhalten: 

A.    Zoologische  Sammlung. 

(Zusammengestellt  von  F.  Krauss.) 

I.    Säugethiere. 

a)     Als  Geschenke: 
Cerviis  Dama  L..,  altes  AYeibchcn,  weisse  Varietät, 
Sius   scrofa  L.,   4  Frischlinge    beiderlei   Geschlechtes,  2—3  Tage  alt, 

von  Sr.  Majestät  dem  König; 
Cervits  Capreohis  L,,  vierjähriges  Männchen,   isabellfarbene  Varietät, 
Sus  scrofa  L.,  2  Frischlinge  beiderlei  Geschlechtes,    2—14  Tage  alt, 

von  Sr.  K.  Hoheit  Prinz  Friedrich; 


-     7     - 

Felis  Catus  L.,  altes  Männchen,  von  Ehningen, 
Canis  Vulpes  L.,  altes  Männchen,  von  Böblingen, 
Mustela  Foina  Briss..,  Männchen,  von  Oberstenfeld, 
Foetorius  Putorius  K,  und  J5/. ,  Männchen,  Schlotwiese, 
Foetorius  Erminea  K.  und  BL,  im  Uebergangskleid, 
Myoxiis   Glis  Z.,  von  Untermarchthal , 

2  Hirsch-  und  1  Damhirschgeweih, 

3  ausgestopfte  Köpfe  von  CeTVits  Capreolus  L.,  und  eine  sehr  schöne 

Sammlung  von  Rehgeweihen  aus  "Württemberg, 

als  Stiftung  von  Herrn  Grafen  Otto  von  Salm; 
Mus  minutus  Fall. ,  altes  Männchen  von  Wittlingen , 

von  Herrn  Dr.  Weinland; 
Sorex  pygmaeus  Fall. ,  Männchen , 

von  Herrn  Apotheker  Valet  in  Schussenried ; 
Sciuriis  vulgaris  L.  var.  nigra, 

von  Herrn  Forstmeister  Paulus  in  Zwiefalten; 
Cervus    Elaplms  L.,  etwa  4  Tage  alt, 

von  Herrn  Kevierförster  Pfizenmaier  in  Bebenhausen; 
Erinaceus  eiiropaeus  L.,  junges  Weibchen, 

von  Herrn  Revierförster  v.  Gaisberg  in  Steinheim; 
il/us  musculus  L.,  isabellfarbene  Varietät, 

von  Herrn  Apotheker  Reihlen; 
Myoxus  Glis  L.,  altes  Männchen, 

von  Heri'n  Wundarzt  Leibold  in  Kochendorf; 
Mus  musculus  L. ,  mit  eigenthümlicher  Haut , 

von  Herrn  Obermediciualrath  Dr.  v.  Hering; 
Arvicola  amphibius  K.  und  BL,  altes  Weibchen, 

von  Herrn  Dr.  Salzmann  in  Esslingen; 
Mus  musculus  L.,  Junge, 
Vespertilio  murinus  Schreb.,  Weibchen  mit  den  Jungen, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 

b)     Durch  Kauf: 
Cervus  Elaphus  L.,  Achtender  im  Bast,  5— 6jährig. 

IL    Yögel. 

a)     Als  Gesch  enke: 

Pandion  Haliaetus  Cuv.^  Männchen, 
Tinnunculus  alaudarius  Gray,  altes  Männchen, 


Otus  vulgaris  Flemm.,  von  Sersheim, 

Athene  Noctiia  Gouhl ,  Weibchen . 

Alcedo  ispida  L. ,  von  Miihlhausen , 

Cinclus  aquaticus  Bechst.,  jung, 

Oriolus  Galhula  L.,  altes  Männchen  und  Weibchen, 

Coccothraustes  vulgaris  Briss., 

Passer  domesticus  Briss.,  weissgeflecktes  Männchen, 

Gecinus  viridis  Boie,  Männchen, 

Cuculus  Canorus  L.,  altes  Männchen, 

Columha  Palumhis  L.,  altes  Männchen, 

Columha  Oenas  L,,  Männchen, 

Bonasia  sylvestris  Brehm,  Männchen, 

Botaurus  stellaris  Stejjh.,  junges  Männchen, 

Scolopax  riisticola  L.,  von  Bünnigheim, 

Ortygometra  Crex  Gm.,  von  Hemmingen, 

Anas  Boschas  L.  ,  Männchen  und  Weibchen, 

Mareca  Penolojoe  Gould,  junges  Männchen, 

Querquedula  crecca  Steph.,  Männchen  und  Weibchen, 

Nyroca  leucophthalma  Flemm. ,  Weibchen. 

Clangtda  Glaucion  Boie,  Männchen  und  Weibchen, 

Mergellus  albelliis  Selby,  Männchen, 

Mergiis  serratus  L. ,  junges  Weibchen , 

Podiceps  auritus  Lath.,  jung, 

Larus  canus  L.  von  Mühlhausen,  alle  Vögel  ausgestopft. 

als  Stiftung  von  Herrn  Grafen  Otto  v.  Salm; 
Hypotriorchis  suhbideo  Boie  ,  Weibchen, 
Falco  p)eregrinus  L. ,  altes  und  einjähriges  Männchen , 
Tinnuncidus  alaudarius  Gray .  altes  Männchen , 
Milvus  ater  Daud. ,  zwei  Männchen , 

von  Herrn  Grafen   Carl  von  Maldeghem  in  Stotzingsn; 
Corviis  glandarins  L.,  5  Nesthocker  sammt  Nest, 
Lanius  collurio  L.,  altes  und  junges  Männchen  und  2  Nester, 
Ardea  cinerea  L.,  3  Nesthocker  und  4  Eier, 
Buteo  vulgaris  Bechst.,  2  Nesthocker, 
Gecinus  viridis  Boie,  6  Nesthocker  mit  dem  Nest  in  einem  Abschnitt 

eines  Weisstannenstamms , 
Pyrrhida  rubicilla  Palt. ,  Nest  mit  vier  Eiern , 
Perdix  cinerea  L.,  Eier, 

von  Herrn  llevierfijrster  Huss  in  Lorch; 


—    9     - 

Ardea  minitta  L,,  junger  Vogel, 

von  Herrn    Kaufmann  Friedrich  Drautz    in    Heilbronn; 
Tinnunculus  alaudarms  Gray,  junges  und  altes  Männchen, 
Buteo  vulgaris  Bechst.,  junges  Männchen  und  Weibchen, 

von  Herrn  Forstmeister  Paulus  in  Z wiefalten; 
Milvus  regalis  Briss.,  Nesthocker, 

von  Herrn  Revierfürster  Brudy  in  Ellwangen; 
Nucifraga   caryocatactes  Briss.,  altes  Weibchen, 

von  Herrn  Revierförster  Graf  v.  Uxk  u  1 1  in  Schönmünzach; 
Buteo  vulgaris  Bechst.,  Weibchen,  weisse  Varietät, 
Botaurus  stellaris  Steph. ,  altes  Weibchen , 

von  Herrn  Revierförster  Rosshirt  in  Schrozberg; 
Podiceps  cristatus  Lath,,  junges  Weibchen, 
Buteo  vulgaris  Bechst.,  Weibchen,  weis«.liche  Varietät, 

von  Herrn  Revierförster  T ritschier  in  Schussenried; 
Pernis  aioivoriis  Linn.,  altes  Weibchen, 

von  Herrn  Kaufmann  Hermann  Reichert  in  Nagold; 
Picus  medius  L.,  altes  Männchen, 
Fringilla  montifringüla  L .,  altes  Männchen, 
Otus  vulgaris  Flemming ,  altes  Männchen, 
Garrulus  glandarius  Briss.,  altes  Männchen, 
Sylvia  rufa  Lath.,  altes  Männchen, 
Caprimidgus  eurojjaeus  L. ,  altes  Weibchen , 
Cuculus  Canorus  L.,  junges  Weibchen, 

von  Herrn  Hofrath  v.  Heuglin; 
Hypotriorchis  Aesalo7i  Boie ,  altes  Weibchen, 

von  Herrn  Forstverwalter  Stier  in  Tannheim; 
Archihuteo  lagopus  Gould,  altes  Weibchen, 
Pernis  apivorus  Linn.,  altes  Männchen, 
Circus  p)allidus  Sykes,  Weibchen,  bei  Waldsee, 

Philomaclius  ijugnax  Goidd ,   2  Männchen  in    verschiedenen  Kleidern, 
Muscicapa  grisola  L, ,  Nest, 
Sturnus  vulgaris  L.,  Häuschen  mit  Jungen  und  einem  alten  Männchen, 

von  Herrn  Apotheker  Valet  in  Schussenried; 
Coccothraustes  vulgaris  Briss.,  altes  Männchen, 
Cucidus  canorus  L, ,  altes  Männchen , 

von  Herrn  Revierförster  Laroche  in  Mergentheim; 
Certhia  familiär is  L, ,  altes  Männchen, 

von  H.  Zimmermann  Herre  in  Plieningen; 
Cuculus  canorus  L.,  altes  Männchen, 
Cinclus  aqiiaticus  L,,  altes  Weibchen  mit  Nest, 


-    10    — 

Corvus  Corax  L,,  junges  Männchen  und  Weibchen, 
Emheriza  citrinella  L.,  Nest  mit  4  Eiern, 
Anthus  arboreiis  L.,  Nest  mit  4  Eiern, 
Turtur  aurilus  Bay ,  altes  Weibchen , 

von  Herrn  Revierförster  Pfizenmayer  in  Bebenhausen; 
Buteo  vulgaris  Bechst. ,  2  junge  Nestvügel, 
Astur  palumbarius  Bechst.,  4  Junge  aus  einem  Nest, 
Turdus  musicus  L.,  4  Junge  mit  Nest,  Nester  mit  Eiern  von  7  andern  Vögeln, 

Ton  Herrn  Revierförster  Erlenmaie r  in  Ringingen; 
Turtur  auritus  Bay,  Nest  mit  Ei, 

Picus  major  L. ,  4  Junge  mit  Nest  in  einem  Buchenstamm , 
Picus  meclius  L.,  5  Junge  mit  Nest  in  einem  Aspenstamm, 
Columha  Oenas  L. ,  Eier, 

von  Herrn  Revierförster  Comm ereil  in  Maulbronn; 
Fringüla  serinus  L.,  altes  Männchen, 
Parus  palustris  L.,  Männchen  und  Weibchen, 
Parus  major  L.^  altes  Männchen  und  junges  Weibchen, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Krauss. 

b)    Durch  Kauf: 

Larus  marinus  L. ,  einjähriges  Weibchen , 
Corvus  frugilegus  L. ,  weissgeflecktes  Weibchen. 

III.     Reptilien. 

Als  Geschenk: 

Lacerta  (Zootoca  Wglr.)  vivipara  Jacq.,  altes  Weibchen, 
von  Herrn  Apotheker  Valet  in  Schussenried. 

IV.     Fische. 

Als  Geschenke: 

Carassius  vulgaris  Nils.,  var.  humilis  v.  Sieb. 
Leuciscus  rutdus  Val.,  vom  Itzelberger  See, 

von  Herrn  Dr.  Baur  in  Königsbronn; 
Trutta  Salar  {Linn.),  Weibchen,  im  Neckar,  unterhalb  des  Eingangs 
in  das  neue  Hafenbassin  bei  Heilbronn  gefangen, 

von  H,  Kaufmann  Friedr.  Drautz; 
Cobilis  taenia  L.,  aus  den  Altlachen  der  Donau  bei  Ulm, 

von  Herrn  Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein; 


-   11   - 

Tymallus  vulgaris  Nils,  aus  der  Nagold, 

von  Herrn  Kaufmann  Eu2:en  Stähl  in  in  Calw. 


V.     Crustaceen. 

Als  Geschenk: 

Ästacus  torrentnim  Schrmik,  aus  der  Nagold, 

von  Herrn  Fabrikant  Eugen  Stählin  in  Calw. 

YI.     Mollusken. 

Als  Geschenk: 

80  Spedes  und  Varietäten  Württemberg.  Land- und  Süsswasserconchylien, 
von  Herrn  Oberjustizrath  W.  Gmelin. 

VII.     Insecten. 

Als  Geschenke: 

55  Makrolepidopteren  in  41  Arten  aus  der  Gegend  von  Stuttgart, 
von  Herrn  Dr.  Julius  Hoffmaun; 
182  Makrolepidopteren  in  110  Arten  aus  Württemberg, 
von  Herrn  Particulier  .H.  Kohl; 
72  Makrolepidopteren  in  54  Arten  und 
270  Mikrolepidopteren  in  230  Arten, 

von  Herrn  Dr.  Steudel  in  Kochendorf, 
2  Makrolepidopteren  in  einer  Art, 

von  Herrn  Dr.  Heimerdinger. 

Yin.     Helminthen. 

Als  Geschenke: 

Cystocercus  cellulosa  Bud.  aus  dem  Schwein , 

von  Herrn  Obermedicinalrath  Dr.  v.  Hering. 

IX.     Petrefacten. 

Als  Geschenke: 

3  Pterozamites  aus  dem  Bonebedsandstein  von  Tübingen, 
von  Herrn  Baurath  Dr.  Bruckmann; 

6  Ammoniten  aus  dem  Jura  von  Heiningen, 

von  Herrn  Lehrer  Wittlinger  in  Unterböhringen ; 


—    12    - 

2  Keuporpflanzen  und   40  Stücke  Phytosaurus  aus  der  Sammlung  der 
verewigten  Frau  Kriegsministor  v.  Hügel, 

von  Forstmeister  Freiherrn  v.  Hügel; 
Schädel   vom  Torfstier  aus  Sindelfingen, 

von   Herrn  Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein. 

B.    Botanisclie  Sammlung. 

(Zusammengestellt  von  G.  v.  Martens.) 

Das  Vereinsherbar  erhielt  im  Laufe  dieses  Jahres  von  Herrn 
Baurath  Binder  in  Stuttgart  ein  ungewöhnlich  grosses  Exemplar  des 
Polyporus  versicolor  Fries  und  von  Herrn  Dr.  C.  G.  Calw  er,  Revier- 
förster auf  dem  Reichenberg,  zwei  für  unsere  Flora  neue  Schmarozer- 
pflanzen,  Orohanche  Picridis  und   O.  Teucrii  Schultz. 

Unser  freundlicher  Nachbar,  Herr  Albert  F  ricl<  hinger,  Apo- 
theker in  Nördlingen,  hat  die  Güte  gehabt,  uns  ein  Duzend  seltener, 
von  ihm  im  Gebiete  unserer  Flora  gefundenen  Pflanzen  mitzutheilen, 
von  welchen  Thesimn  aljiinimi  L.  und  Orcliis  samhucina  L.  unserem 
Herbar  noch  fehlten,  zwei  andere,  Vicia  cassiibica  L.  und  Salix 
bicolor  £hrli.,  selbst  für  unsere  Flora  neue  Entdeckungen  sind. 

Auch  unter  fünf  von  Herrn  Apotheker  Gärttner  ih  "Winnenden 
eingesandten  Pflanzen  fand  sich  eine,  das  bei  uns  ziemlich  seltene 
Pobjgcniiim  ihunetorwn  L,,  welche  die  Zahl  unserer  Desiderate  ver- 
mindert. 

Herr  Dr.  Friedrich  Hegelmaier,  Professor  der  Botanik  in 
Tübingen ,  macht  uns  zu  einer  Moosflora  von  Württemberg  Hofl"nung 
und  beschenkte  das  Vereinsherbar  mit  achtundvierzig  Arten  von  Laub- 
und Lebermoosen,  von  denen  fünfundzwanzig  für  die  Flora,  sechs 
weitere  wenigstens  für  das  Herbar  neu  sind,  als  Resultate  seiner  bis- 
herigen Forschungen. 

Zugleich  übergab  er  uns  androgynische  Exemplare  der  Salix 
anrita  L.  als  Belege  zu  seinem  in  der  Generalversammlung  unseres 
Vereins  vom  24.  Juni  1865  gehaltenen  Vortrags  (Jahreshefte,  Jahr- 
gang XXII.  Seite  30  bis  36)  und  fügte  zwei  für  uns  neue  mikrosko- 
pische Algen  bei,  Fleurococcus  miniatns  Nagelt  und  Gloeocapsa 
tepidariovum  A.  Braun. 

Von  Herrn  Pfarrer  Kern  ml  er  in  Donnstetten  erhielten  wir  nor- 
male Exemplare  derselben  geehrten  Weide  und  zwei  Gräser,  und  von 
Herrn  Ewald  Lechler,  Pharmaceuten  in  Pforzheim,  sechs  Pflanzen, 
darunter  die  bisher  in  unserem  Gebiete  vergebens  gesuchte]  Lindcrnia 
jprjxidaria  L.   von  den  flachen  Ufern   des    tiefen  Sees  bei  Maulbronn. 

Von  zwei  von  Herrn  Johann  Scheurlo,  Lehrer  in  Wolfegg,  ein- 


-     13     - 

gesandten  "Weiden  fehlte  Salix  graiidifolia  Seringe  noch  unserem 
Herbar  und  von  sechs  Pflanzen,  welche  Herr  Präceptor  Schoepfer  in 
Ludwigsburg  uns  mitzutheilen  die  Güte  hatte,  Lijthrum  hijssopifolium 
L.,  wahrscheinlich  mit  Kleesamen  eingeführt,  auch  unserer  Flora. 

Herr  Schullehrer  Seytter  in  Schietingen,  Oberamts  Nagold, 
sammelte  angezogen  durch  den  Anblick  der  üppigen,  im  ersten  Früh- 
linge  den  Phanerogamen  vorauseilenden  Moose  deren  dreissig  nebst 
ein  Paar  Flechten,  wenn  auch  keine  für  uns  neu,  doch  einige  darunter, 
welche  Schietingen  in  einer  künftigen  Moosflora  unter  die  Fundorte 
einführen  könnten. 

Herrn  Forstmeister  Tscherning  in  Bebenhausen  und  dessen 
Sohn  A.  Tscherning  verdanken  wir  eilf  Phanerogamen,  darunter  die 
im  Schönbuch  häufige  Digitalis  puvpurea  L.  und  die  nordische,  viel 
Wasser  und  wenig  "Wärme  verlangende  Calla  palustris  L.,  welche 
dem  vor  neunzehn  Jahren  gemachten  Versuch,  sie  aus  den  Moosen 
Oberschwabens  nach  Bebenhausen  zu  versetzen,  bisher  entsprochen  hat. 

Dass  eine  andere  für  Süddeutschland  sehr  seltene  Pflanze,  Osmunda 
regalis  L.,  welche  man  schon  vertilgt  glaubte,  immer  noch  bei  Wild- 
bad vorhanden  sei,  hat  Herr  Apotheker  Um  gelt  er  daselbst  am 
6.  September  1865  durch  gütigst  eingesandte  frische  Exemplare  nach- 
gewiesen. 

"Von  unserem  vieljährigen  Mitglied,  Herrn  Friedrich  Valet,  Apo- 
theker in  Schusseuried,  kamen  vier  Algen  ein,  wovon  Tetraspora 
explanata  Ag.  für  unsere  Flora  neu  ist. 

Herr  Professor  Dr.  G.  Veesenmeyer  von  Ulm  überbrachte  zwölf 
hübsche  Ulmerinnen. 

Herr  Apotheker  Weiss  in  Leutkirch  übersandte  uns  weitere 
Exemplare  des  im  vorigen  Jahre  von  Herrn  Finanzrath  Zeller  jpit- 
getheilten,  einst  als  Hauptausbeute  einer  britischen  Nordpolfahrt  viel- 
besprochenen rothen  Schnees ,  einer  mikroskopischen  Alge ,  welche  er 
am  10.  September  1863  bei  einem  starken  Regen  nach  vorangegange- 
nem Föhnwind  von  der  Dachrinne  seines  Hauses  erhielt  und  im  zweiten 
Hefte  von  Wittsteins  Vierteljahresschrift  für  praktische  Pharmacie 
beschrieben  hat. 

Herr  Finanzrath  Dr.  G.  Zeller  theilte  uns  eine  neue  Alge,  Chara- 
cium  Sieboldi  A.  Braun,  mit. 

Endlich  lieferte  der  Gustos  des  Herbars  eilf  Pflanzen,  meist  Miss-' 
bildungen  und  Wachsthumsstörungen  durch  lusecten,  darunter  die  im 
Herbst  1865  in  den  Sandgruben  des  Hasenbergs  aufgetretene  Peloria, 
der  Umschlag  einer  unregelmässigen  Blüthe  in  eine  regelmässige  mit 
allen  Uebergangsstufen. 


—    14    - 

Hieran  reiben  sich  noch  ein  ^om  HeiTn  Grafen  von  Mandelsloh 
mitgctheilter  bandfünniger  Zweig  einer  Esche,  ein  verkrümmter  Bucben- 
zweig  von  Herrn  Revierverweser  H.  Gawatz  in  Kirchen,  Oberamts 
Ehingen,  und  eine  wahrscheinlich  durch  künstliche  Verschlingung  des 
Hauptti'iebes  zu  einem  Knopfe  entstandene  sonderbare  Verkrümmung 
des  Stammes  einer  jungen  Föhre,  eingesandt  von  Herrn  Forstmeister 
Paulus  in  Z wiefalten. 

Der  Zuwaclis  des  Vereinsherbars  in  diesem  Jahre  beträgt  sonach 
66  Gefässpflanzen  und  89  Zellenpflanzen  (Moose,  Flechten,  Algen  und 
Pilze),  zusammen  155  Arten,  darunter  10.  bisher  zwar  als  württem- 
bergische erwähnte,  aber  dem  Herbar  noch  fehlende,  und  33  für  die 
Flora  von  Württemberg  neu  entdeckte. 

Inzwischen  ist  die  zweite  Auflage  der  Flora  von  Württemberg 
erschienen,  möge  sie  als  ein  die  vielen  wackern  Pflanzenforscher  des 
lieben  Vaterlandes  umschlingendes  Band  die  Liebe  zur  schönen  Wissen- 
schaft neu  anfachen,  durch  klare  üebersicht  dessen,  was  wir  haben 
und  was  wir  nicht  haben,  zu  ferneren  Forschungen  aufmuntern  und 
sich  so  als  ein  weiterer,  wenn  auch  kleiner.  Stein  in  den  grossen,  von 
tausend  Händen  geförderten  Bau  der  Naturwissenschaften  einfügen. 


Die  Yereinsbibliotbek  hat  folgenden  Zuwachs  erhalten: 

a)     Durch   Geschenke: 

14.    Jahresbericht  der  naturforschenden   Gesellschaft    zu  Hannover, 
von  Michaelis  1863—64     4». 
Von  der  Gesellschaft. 
Musee  Vrolik.     Catalogue   de  la  collcction  d'anatomie  humaine,  com- 
paree   et  palajontologique  de   G.  &  W.  Vrolik,   par  Dusseau. 
Amsterdam  1865.     8". 

Von  der  Familie  Vrolik. 
Annales  de  Tassociation  philomatique  Vogeso-rhenane,  faisant  suite  ä  la 
flore  d'Alsace  du  F.  Kirschlegcr.    Lin-ais.    4  &  5.    Strasbourg 
1805-66.     8«. 

Vom  Verfasser. 
Verzeichniss  aller  von  mir  zn  St.   Petersburg  beobachteten  Infusorien, 
Bacillarien  und  Räderthiere  von   Dr.  J.  F.  Weisse.     Moskau 
1863.     8«. 

Vom  Verfasser. 
Beiträge  zur  geologischen   Karte   der  Schweiz,    herausgeg.  von  der 
geologischen  Commission    der  schweizerischen  naturforschenden 


-    15    - 

Gesellschaft  auf  Kosten  der  Eidgenossenschaft.  Lieferung  1. 
Geologische  Karte  des  Basler  Jura  von  Dr.  A.  Müller.  Text 
und  Atlas  1862—63. 

Von  der  schweizerischen  geologischen  Commission. 
6.  Jahresbericht  des  naturhistorischen  Vereins    in  Passau,  über  die 
Jahre  1863  und  1864.     Passau  1865.     8". 
Vom  Verein. 
Flora  von  Württemberg  und   Holienzollern  von  G.   v.   Härtens  und 
C.  A.  Kemmler.     2.   ganz    umgearbeitete  Auflage  der  „Flora 
von  Württemberg  v.  Schübler  &  v.  Martens.«    Tübingen  1865.   8°. 
Von  den  Verfassern. 
Bronn's  Klassen  und  Ordnungen  des  Thierreichs,  wissenschaftlich  dar- 
gestellt in  Wort  und  Bild.  Fortgesetzt  von  W.  Keferstein.  Bd.  III. 
Liefening  37—45.     Leipzig,  Winter  1865.     8°.    Dasselbe  fortge- 
setzt von  Dr.  A.  Gerstäcker.     Bd.  V.  Arthropoda.    Lieferung  1. 
Leipzig,  Winter  1866.     S'\ 

Vom  Verleger,  zur  Anzeige  in  den  Jahresheften. 
Verhandlungen  des   naturhistorisch -medicinischen   Vereins  in  Heidel- 
berg.   Bd.  IV.  1.     1865.     8«. 
Vom  Verein. 
Einige  Bemerkungen  über  die  geognostischen  Karten  des  europäischen 
Russlands  von  Ed.  v.  Eichwald.     Moskau  1865.     8". 
Vom  Verfasser. 
Württember gische  naturwissenschaftliche  Jahreshefte  Jahrg.  XViL. 
Heft  1.     Stuttgart  1861.     8°. 
Vom  Verleger. 
Amtlicher  Bericht  über  die   39.  Versammlung  deutscher  Naturforscher 
und   Aerzte    in  Giessen    im   Sept.    1864.     Herausgeg.    von  den 
Geschäftsführern  Werner  und  Leuckart.     Giessen  1865.     4". 
Von  den  Verfassern. 
Aphorismen  über  Sensitivität  und  Od.     Von  Freiherrn  von  Reichen- 
bach.    Wien  1866.     8°. 
Vom  Verfasser. 
Vergleichende  chemische  Untersuchungen  über  das  Fleisch  verschiedener 
Thiere  von  Dr.  J.  E.   Schlossb  erger.     Stuttgart   1840.     8°. 
Natürliches  System    aller  Naturwissenschaften.     Aus    dem  Franz.  des 
A.  V.  Ampere  im  Auszug  bearbeitet  von  Dr.  G.  Widenmann- 
Stuttgart  1844.     8". 
Die  Heilquellen  des  Königr.  Württemberg,  mit  Einschluss  der  HohenzoU. 
Fürstenthümer ,   Badens,    des  Elsass  und  des  Wasgau,  von  Dr. 
Heyfelder,     2.  Auflage.     Stuttgart  1846.     8». 


-     IG     — 

Zur  Orientirung  in  der  Frage  von  den  Ersatzmitteln  des  Getreidemehls, 
besonders  in  der  Brodbereitung  etc.  v.  Dr.  J.  Öclilossberger. 

Stuttgart  1847.     8». 

Die  Bandwürmer  des  Menschen.  Von  Dr.  G.  Seeger.  Stuttgart 
1852.     8'^. 

Mittheilung  zweier  neuer  Methoden  fler  quantitativen  microscopischen 
und  chemischen  Analyse  der  Blutkörperchen  und  Blutflüssigkeit 
von  Dr.  Vierer  dt.     Stuttgart  1852.     8". 

Ueber  negativ-artesische  Brunnen  oder  absorbirende  Bohrbrannen  von 
Dr.  A.  E.  Bruckmann.     Stuttgart  1853.     8". 

Die  somnambulen  Tische.  Zur  Geschichte  und  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung von  Dr.  J.  Kerner.     Stuttgart  1853.     8**. 

Galileo  Galilei.  Zusammenstellung  der  Forschungen  und  Entdeckungen 
Galilei's  auf  dem  Gebiet  der  Naturwissenschaft  etc.,  von  Dr. 
R.  Caspar.     Stuttgart  1854.     S". 

Beiträge  zur  Lehre  von  den  durch  Parasiten  bedingten  Hautkrank- 
heiten von  Dr.  B.  Gudden.     Stuttgart  1855.     8°, 

Handbuch  der  Anatomie  der  Hausthiere.  Zum  Gebrauch  bei  Vor- 
lesungen und  zu  eigener  Belehrung  von  Fr.  A.  Leyh.  2.  Aufl. 
Stuttgart  1859.     8». 

"W.  Baumeist er's  Handbuch  der  landwirthschaftlichen  Thierkunde 
und  Thierzucht.     4.  Aufl.     Bd.  1—3.     Stuttgart  1863.     8». 

Die  Gestüte  und  Meiereien  Sr.  Majestät  des  Königs  von  "Württemberg. 
Herausgeg.  von  Freiherru  J.  v.  Hügel  und  Hofdom.-Rath 
Schmidt.     Stuttgart  1861.     S**. 

Abbildungen  der  Rindviehstämme  Württembergs.     Stuttgart  1862.    4". 

Die    land-    und  forstwirthSchaftliche  Akademie  Hohenheim.     Stuttgart 

1863.     8«. 
Paläontologische  Mittheilungen  von  Prof.  Dr.   A.  Oppel.     Bd.    1— o. 

Stuttgart  1862—63.    8". 

Das  Fleisch  als  menschliches  Nahrungsmittel,  von  Prof.  Dr.  A.  Rueff. 
Stuttgart  1866.     8°. 

Sämmtlich  vom  Vorleger,  Buchhändler  Albert  Ebner. 

25.  Bericht  über  das  Museum  F  rancisco-Carolinum.  Nebst  der 
20.  Lieferung  der  Beiträge  zur  Landeskunde  von  Oesterreich 
ob  der  Ena.     Linz  1855.     8'\ 

Geschenk  von  Carl  Ehrlich. 


17 


b)  Durch  Austausch  unserer  Jahreshefte,   als  Fortsetzung: 

Correspondenzblatt     des    Vereins    für    Naturkunde     zu    Pressburg. 

Jahrg.  II.     1863.     8^'. 
Schriften  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Danzig.     2^eue  Folge. 

Bd.  I.  Heft  2.     1865.     8". 
Der  zoologische  Garten.    Zeitschrift  für  Beobachtung,  Pflege  und  Zucht 

der  Thiere.     Jahrg.  6.  Nr.  1—12.   Frankfurt  a.  M.  1865.    8°. 
Bulletin  de  la  societe  geologique  de  France. 

2.  Serie.    T.  XXII.    Feuill.  8—36.    Paris  1864—65. 

„XXIII.  „       1—12.         „      1865—66.     8". 

t 
Zeitschrift    der    deutschen    geologischen     Gesellschaft.     Bd.    XVII. 

Heft  1.  2.  4.     Berlin  1864—65.     8«. 
Quarterly  Journal  of  the  .geological  Society  of  London.     Vol-.  XXII. 

Nr.  1.  2.  3.  4.     1865—66.     8». 
Verhandelingen  der  kon.  Akademie  van  Weteuschappen.     Deel  X.Am- 
sterdam 1864.     A". 
Verslagen  en  Mededeelingen  der  kon.  Akademie  van  Wetenschappen. 

Afdeeling  Natuurkunde.     Deel  XVII.     1865. 

.,  Letterkunde.         „        VIII.     1865.  Amsterdam.    8^ 

Jaarboek  van  de  kon.  Akademie  van  Wetenschappen  te  Amsterdam 

voor  1863.     1864.     S\ 
Annales  des  sciences  physiques  et  naturelles,  d'agriculture  et  d'industrie 

par    la  Societe  imper.   d'agriculture    etc.    de   Lyon.     3.    Serie. 

T.  Vn.     1863.     8«. 

Memoires  de  l'Academie  imper.  des  sciences,  belles-lettres  et  arts  de 
Lyon.     Classe  des  sciences  T.  XIII. 

„        „     lettres,  nouv.  Serie  T.  IX.     1862—1863.  8°. 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Chemie  und  verwandter  Theile 
anderer  "Wissenschaften,  unter  Mitwirkung  von  C.  Bohn  und 
Th.  Engelbach  herausgegeben  von  H.  "Will.  Für  1864.  Heft 
1.  2.     Giessen  1865.     8°. 

42.  Jahresbericht  der  Schiesischen  Gesellschaft  für  vaterländische 
Cultur.     Generalbericht  pro  1864.     Breslau  1865.    8". 

Abhandlungen    de-r    Schiesischen    Gesellschaft   für     vaterländische 
Cultur.     Abtlieiluug  für  Naturwissenschaft  &  Medicin.    1864. 
Philosophisch-historische  Äbtheil.  1864.  Heft  2.   Breslau  1864.  8«. 

11.  Bericht  der  Oberhessischen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heil- 
kunde.    Giessen  1865-     8^ 

Jahrbuch  der  K.  K.  geologischen  Reichsanstalt.  Bd.  XV. 
Nro.  1—4.     Wien  1865.     4°. 

Württemb.  naturw.  Jabreshefte.     1867.     Is  Keft.  2 


—    18    — 

Mittheilungen  der  K.  K.  geographischen  Gesellschaft.  Jahrgang 
VIII.     1864.     Heft  1.     Wien  1864.     8«. 

Jahresbericht  der  naturforschenden  Gesellschaft  Graubündens.  Neue 
Folge.     Bd.  X.  Jahrgang  1863  —  1864.     Chur  1865.     8«. 

Bulletins  de  TAcademie  royale  des  sciences,  des  iettres  et  des  beaux- 
arts  de  Belgique. 

33.  annee.     2.  Serie,     Tom.  XVIII.    1864. 

34.  „  „       „  „        XIX.  1865.  Bruxelle8l864— 65. 8«. 
Proceedings  of  the  zoological    Society  of  London.    "With  lUustrations. 

1861—64.  gebunden.     8». 

Smithsonian  contributions  to  knowledge.  Vol.  XIV.  Washington 
1865.     4". 

Results  of  meteorologiral  observations,  made  under  the  direction  of 
the  United  States  patent  office  and  the  Smithsonian  Insti- 
tution from  the  yeiir  1854 — 1859  incl.  being  a  report  of  the 
Commissioner  of  Patents  made  at  the  1.  Session  of  the  36.  con- 
gress.     Vol.  II.  Part.  1.     Washington  1864.     4«. 

Smithsonian  miscellanous  Collections,    Vol.  V.    Washington  1864.   8°. 

Annual  Report  of  the  board  of  regents  of  the  Smithsonian  Insti- 
tution etc.  for   1863.     Washington  1864.     8«. 

Annais  of  the  Lyceum  of  natural  history  of  New- York,  Vol.  VIII, 
Nro.  2.  3,     1864.     8«. 

Proceedings    of  the  Academy  of  natural  sciences    of  Philadelphia. 

1864.  Nr.  1-5.     8», 

Proceedings  of  the  Boston  Society  of  natural  history.    Vol.  VII.  sign. 

10—12.     Vol.  IX.  sign.  21— 25. 
Boston  Journal    of    natural    history.     Vol.   I.  II.  III.   und  Nro.  3.  4. 

von  Vol  IV.   1834—44.     8». 
Bulletin   de  la  societe  imperiale  des   naturalistes  de  Moscou,     Annee 

1865,  Nr,  1.  2.     Moscou  1865,     S». 

Natuurkundig  Tijdschrift  voor  Ncderlandsch  Indie,  uitgegeven  door  de 

kon,   natuurkundige  Verceniging  in   Ncderlandsch  Indie.     Decl 

XXVI- XXVIII  (=scsde  Serie.  Deell— 3.)  Batavia  1864— 65.  8^ 

Memoires  de  la  socißte  de  physique  et  d'histoire  naturelle  de  Geniive. 

T.  XVIII.  Part.  1.     Genfeve  1865.  4». 
Sitzungsberichte    der    Kais.  Akademie    der  Wissenschaften    in  Wien. 
Mathematisch-naturwissenschaftliche  Klasse. 
Abthoilungl.  1864.  Bd.50.  Heft  2— 5.  1865.  Bd.51.  Heft  1—3. 
.    „         II,  1864.  Bd,  50.     „    3—5.  1865.  Bd.51.  Heft  1—3. 
Register  zu  Bd.  43-50.     Wien  1865, 


—    19    — 

"Württembergisclie  Jahrbücher  für  Statistik  &  Landeskunde.  Hg. 
vom  K.  statistisch-topographischen  Bureau.     Jahrgang  1863. 

31.  Jahresbericht  des  Mannheimer  Vereins  für  Naturkunde.  Mann- 
heim 1865.     8«. 

Annales  de  Tobservatoire  physique  central  de  Russie  etc.  par  A.  T. 
Kupfer.     Annee  1862.     Nro.  1.  2.     1865.  4°. 

18.  Bericht  des  naturhistorischen  Vereins  in  Augsburg.  Veröffent- 
licht im  Jahr  1865.     S"* 

Berichte  über  die  Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu 
Frei  bürg  i.  Br.     Bd.  III.  Heft  3.  4.  1865.     8». 

Transactions  of  the  zoological   society   of  London.     Vol.  V.  Part  4. 

1865.    4». 

Proceedings  of  the  scientific  meetings  of  the  zoological  society  of  L  o  n- 

don  for  the  year  1864.     Part  1—3.     8^ 
Verhandlungen  des  naturforschenden  Vereins  in  Brunn.  Bd.  3.  1864.  8". 
Societe    des  sei ences  naturelles    du  Grand-Duche    de  Luxembourg. 

T.  VIII.    Annee  1865.     8°. 
Archiv  des    Vereins    der  Freunde    der  Naturgeschichte  in    Meklen- 

burg.     19.  Jahr.     1865.     8°. 
Schriften  der  k. physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königsberg. 

Jahrgang  5.     1864.     Abtheilung  2, 

„         6.     1865.  „  1.     4^ 

Norges  Ferskvandskrebsdyr.     Forste  Afsnit  Branchiopoda  I.    Cladocera 

ctenopoda  af  G.  0.  Sars.     Christiania  1865.     4''. 
Veiviser  ved  geologiske  excursioner  i  Christiania  Omegn.      Af  Lector 

Th.  Kjcrulf.     Christiania  1865.     4«, 
Om   de  i  Norge  forekommende   fossile  Dyrelevninger    fi-a  Quartaerpe- 

rioden ,    et   bidras  til    vor   Faunas    historie,    af  Dr.  M.  Sars. 

Christ.     1865.     4». 
Meteorologische    Beobachtungen.      Aufgezeichnet     auf    Christiania 

Observatorium.      Lief.    3.    4.      1848 — 55;    1.    Bd.    letzte    Lief. 

1837—63.     Christiania  1864—65.     4». 
Meteorologiske  Jagttagelser  paa  Christiania  Observatorium.  1864.  4", 
Bulletin  de    la  societe  Vaudoise    des    sciences    naturelles,     T.  VIII. 

Bull.  Nr.  53.    Lausanne  1865.     8«. 
Bulletin  de  la  societe  des  sciences  naturelles  de  Neuchatel. 

T.  VII.  cah.  1.     Neuchatel  1865.     8\ 
Correspondenzblatt  des  zoologisch-mineralogischen  Vereins  in  Regens- 

burg.     19.  Jahrgang.     1865.     8«. 


—    20    — 

Würzburger   naturwissenschaftliche    Zeitschrift,    herausg.   von    der 
physilcalisch-medicinischen  Gesellschaft.  Bd.  YI.  Heft  1.  1865.  8^. 

Tübinger  Universitätsschriften  aus  dem  Jahre  1865.     4°. 

12.     Zuwachsverzeichniss  der  k.  Universitätsbibliothek  zu  Tübingen 

1864-65.    4°. 
Theorie  der  Querschwingungen  eines  elastischen,   am  Ende  belasteten 

Stabs,  von  Karl  Zöppritz,  Phil.  Dr.     Tübingen  1865.     4<*. 

7  natur-wissenschaftliche  und  12  medicinische  Dissertationen  in  8*'. 

Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Basel.  Theil  IV. 
Heft  2.     Basel  1865.     8». 

Jahrbücher    des    Vereins    für   Isaturkunde    im   Herzogthum    Nassau. 
Heft  17.  18.     Wiesbaden  1862—63.     8°. 

Zeitschrift  für   die    gesammten  Naturwissenschaften,     Jahrgang   1865. 

Bd.  25.  26.     Berlin  1865.     8". 
Journal  of  the  geological  society  of  Dublin.     Vol.  I.  II.  VII.     8°. 
Physikalische  Abhandlungen  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  zu 

Berlin.     Aus  dem  Jahre  1864.     Berlin  1865.     i". 

Verhandlungen     des    naturhistorischen    Vereins     der     preussischen 
Rheinlande  und  Westphalens. 

22.  Jahrg.  S.Folge.    2.  Jahrg.  1.  &  2.  Hälfte.  Bonn  1865.  8". 

Journal  of  the  royal  geological  Society   of  Ireland.    Vol.  I.  Part  1. 

1864-65.     8°. 
List  of  the  geological  Society  of  London  31.  Dec.  1865.     8*. 

Der  Ver ein skassier,  Hospitalverwalter  Sey ff ar dt,  theilte 
folgenden 

Rechenschaf ts-Abschluss  für  das  Jahr  1865—66 

mit: 

Meine  Herren! 
Der  Kassenbericht,  welchen  ich  Ihnen  vorzutragen  die  Ehre 
habe,    umfasst    den    Zeitraum  vom   1.   Juli  1865/GG.    Nach    der 
revidirten  und  abgehörten  22.  Rechnung  betrugen  nämlich: 

die    Einnahmen: 

A.  Reste. 
Rechners  Kassenbestand 187  fl.  50  kr. 


-    21    - 

B.   Grundstock. 
Eine    Veränderung    kam    hier 

nicht  vor,  daher —  fl.  —  kr. 

C   Laufendes. 

1)  Activ-Kapital-Zinse    ...      225  fl.  30  kr. 

2)  Beitrcäge  von  den  Mitgliedern     1131  fl.  18  kr, 

3)  Ausserordentliches     ...         32  fl.  24  kr. 

1389  fl.  12  kr. 

Hauptsumme  der  Einnahmen 

—  ;•    1577  fl.  2  kr. 

Ausgaben: 

A.  Reste —  fl.  —  kr. 

B.  Grundstock —  fl,  —  kr. 

C.  Laufendes. 

1)  Für  Vermehrung  der  Samm- 
lungen      230  fl,  44  kr. 

2)  Buchdrucker-  und  Buchbin- 
derkosten (darunter  für  den 
Jahrgang  XXL  2.  u.  3.  Heft, 

XXII.  1.  Heft  529  fl.  49  kr.)       638  fl.  33  kr. 

3)  für  Mobilien 233  fl.  58  kr. 

4)  für  Schreibmaterialien,  Ko- 
pialien, Porti  etc.      ...        52  fl.  48  kr. 

5)  Bedienung,  Reinigungsko- 
sten, Saalmiethe  etc.     .     .       232  fl.  53  kr. 

6)  Steuern    . 11  fl.  29  kr. 

7)  Äusserer denthches     ...  2  fl.  25  kr. 

1402  fl.  50  kr. 

Hauptsumme  der  Ausgaben 

—  ;•    1402  fl.  50  kr. 

Werden  von  den  Einnahmen  im  Betrag  von     1577  fl.     2  kr. 
die  Ausgaben  mit 1402  fl.  50  kr. 


abgezogen,  so  erscheint  am  Schlüsse  des  Rech- 
nungsjahrs ein  Kassenvorrath  des  Rechners  von 
—  ••    174  fl.  12  kr. 


—    22    - 

Vermögens-Berechnung. 

Kapitalien 5436  fl.  —  kr. 

Kassenvorrath 174  fl.  12  kr. 

Der  Vermögensstand  beträgt  somit  am  Schlüsse 

des  Rechnungsjahrs 5610  fl.  12  kr. 

Da  derselbe  am  30.  Juni  1865  betrug     .     .     .     5623  fl.  50  kr. 

so  ergiebt  sich  mitbin  eine  Verniögens-Abnahme 
von  —  ;•    13  fl.  38  kr. 

Nach  der  vorhergehenden  Rechnung  war  die  Zahl  der 

Mitglieder 395 

Hiezu   die  neu  eingetretenen  Mitglieder,  nämlich  die 
Herren : 

Buchhalter  Frueth, 

Ingenieur  Fein, 

Professor  Dr.  Heller, 

Vikar  Ziegele, 

Bauinspektor  Wintt erlin, 

Schulinspektor  Winghofer  in  Kirchhausen, 

Regierungsrath  Kolb  in  Ulm, 

Diakonus  Steudel  in  Ravensburg, 

Dr.  Beinhauer  in  Cassel, 

Kaufmann  Friedrich  Drautz  in  Heilbronn, 

Baurath  Landauer, 

Baurath  Schlierholz, 

Professor  Dr.  Wintterlin, 

Apotheker  Weiss  in  Friedrichshafen, 

Christoph  Paulus  im  Salon  bei  Ludwigsburg, 

Professor  Funke  in  Hohenhcim, 

Professor  Dr.  Baur  daselbst, 

Banquier  Georg  Dörtenbach, 

Direktor  Werner  in  Hohenheim, 

Staatsrath  v.  Adelung, 

Fabrikant  Fr.  Münzing  in  Heilbronn, 

Eisenhändler  F.  Ed.  Mayer  von  da, 


-    23    - 

Uebertrag    395 
Mechanikus  Autenrieth  von  da, 

Professor  Dr.  Mährlen, 
Wiesenbaumeister  Jehle  von  Nürtingen, 
Baurath  Schenk, 
Kassier  Künstle, 
Dr.  A.  Fricker  in  Heilbronn, 
Fabrikant  J.  Wolff  von  da, 
Fabrikant  A.  v.  Rauch  von  da, 
Fabrikant  Eich.  Schäufelen  von  da, 
Kommerzienrath  J.  M.  Münzin g  von  da, 

Apotheker  Dr.  Lindenmaier  von  da    ...    33 

428 

Hievon    ab    die    ausgetretenen    Mitglieder,    und    zwar    die 
Herren : 

Kaufmann  Fr.  Sick, 

Graf  V.  Salm-Hoogstraeten, 

Geheimer  Rath  v.  Tittoff, 

Buchhändler  G.  Hoffmann, 

Graf  A.  v.  Pückler  in  Esslingen      ....     5 

Die  gestorbenen  Mitglieder,  nämlich  die  Herren: 
Particulier  Glocker, 
Professor  Dr.  v.  Holtzmann, 
Bauinspektor  Win tt erlin, 

Staatsrath  Dr.  v.  Ludwig 4 

9 


über  deren  Abzug  die  Zahl  der  Mitglieder  am  Rechnungsschluss 

beträgt 

— ;.    419, 

somit  Zunahme  gegen  fernd 

— ;.      24  Mitglieder. 

"Wahl  der  Beamten. 

Die  Generalversammlung  wählte  hierauf  durch  Acclamation 
für  das  Yereinsjahr  1866—1867  die  beiden  Vorstände: 


—         24:        — 

als  ersten  Vorstand: 

Professor  Dr.  W.  v.  Rapp  in  Tübingen, 
als  zweiten  Yorstand: 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr, 
und  für  diejenige  Hälfte  des  Ausschusses,  welche  nach  §.12 
der  Vereinsstatuten  diessmal  auszutreten  hat: 

Professor  C.  W.  B  a  u  r , 

Professor  Dr.  Blum, 

Finanzrath  Es  er, 

Professor  Dr.  Fr  aas, 

Oberjustizrath  W.  Gmelin, 

Professor  Dr.  Köstlin, 

Professor  Dr.  Marx, 

Finanzrath  Dr.  Zelle  r. 

Im  Ausschuss  bleiben  zurück: 
Geheimer  Hofrath  Dr.  v.  Fehling, 
Obermedicinalrath  Dr.  v.  Hering, 
Generalstabsarzt  Dr.  \.  Klein, 
Professor  Dr.  Krauss, 
Kanzleirath  Dr.  v.  Märten s, 
Director  v.   Schmidt, 
Hospitalverwalter  Seyffardt, 
Professor  Dr.  Zech. 

Zur    Verstärkung    des   Ausschusses    wurden     in    der 
Sitzung  vom  9.  November  nach  §.  14  der  Statuten  gewählt: 
Professor  Dr.  Ahles, 
Baurath  Binder, 
Professor  Dr.  Haas, 
Apotheker  Reihlen. 

In  derselben  Ausschusssitzung  wurden  unter  Dankesbezeu- 
gung  für    ihre    geleisteten  Dienste   im  verflossenen    Vereinsjahr 
wieder  gewählt: 
als  Secretäre: 

Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein, 

Professor  Dr.  Krauss, 


-    25    - 

letzterer  zugleich  als  Bibliothekar,  ferner: 
als  Kassier: 

Hospitalverwalter  S  e  y  f f a  r  d  t. 

Die  "Wahl  für  den  Ort  der  nächsten  Generalversammlung' 
am  Johannisfeiertag  1867  fiel  auf  Stuttgart  und  die  des  Ge- 
schäft sfiihr  er  s  auf  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr. 

Der  Antrag  zur  Abänderung  der  §§.  18  &  24  der  Statuten, 

welcher  in  der  vorjährigen  Generalversammlung  vom  Ausschuss 
übergeben  und  im  ersten  Heft  des  XXII.  Jahrgangs  bekannt  ge- 
macht worden  ist,  kam  nach  §.  22  der  Statuten  in  der  heutigen 
Yersammlung  zurBerathung  und  wurde,  nachdem  Prof.  Dr.  Krauss 
die  Gründe  wegen  dieser  Abänderung  noch  einmal  näher  erläu- 
tert hat,  durch  Acclamation  angenommen. 

Die  Fassung  dieser  Paragraphen  ist  also  jetzt  für 

§.  18. 

Der  Verein  besteht:  1)  aus  ordentlichen  Mitgliedern,  d.  h. 
solchen,  welche  Actien  besitzen,  und  2)  aus  correspondirenden 
oder  Ehrenmitgliedern. 

Die  correspondirenden  und  Ehrenmitglieder  sind,  ohne  Actien 
zu  besitzen,  zu  allen  denjenigen  Rechten  zugelassen,  welche  den 
ordentlichen  Mitgliedern  zustehen. 

§.  24. 

Mit  auswärtigen  Vereinen  ähnlicher  Tendenz  setzt  sich  der 
Verein  durch  Austausch  der  Gesellschaftsschrift  und  durch  Ein- 
ladung zu  den  allgemeinen  Versammlungen  in  Verbindung. 

Ausgezeichnete  um  die  Wissenschaft  verdiente  Männer  wer- 
den für  die  Interessen  des  Vereins  durch  Ernennung  zu  corre- 
spondirenden oder  zu  Ehrenmitgliedern  gewonnen. 

Hiemit  schloss  nach  1  Uhr  der  geschäftliche  Theil  der  Ver- 
sammlung. Nach  einem  heiteren  Mittagsmahl  begaben  sich  die 
Mitglieder  auf  die  Cäcilienwiese,  wohin  sie  durch  den  Heiibron- 
ner  Singkranz  in  freundlichster  Weise  zur  Herbstfeier  eingela- 
den waren. 


Nekrolog 

des 

Professor  Dr.  Alberl  Oppel. 

Von  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr. 

Abermals  habe  icb  die  traurige  Pflicht,  das  Andenken  eines 
allzufrühe  dahingeschiedenen  Freundes  und  Förderers  der  Wissen- 
schaft in  Ihrem  Kreise  zu  feiern,  welcher  eine  Zierde  unseres 
Vaterlandes  war  und  zu  genauerer  Kenntniss  desselben  vielfache 
Beiträge  gehefert  hat»  Wenn  ich  aber  das  Ehrengedächtniss. 
das  ich  ihm  hiemit  zu  stiften  beabsichtige,  kurz  fasse,  so  geschieht 
es  vornehmlich  desshalb,  weil  bereits  eine  geübtere  Feder*)  in 
der  Augsburger  Allg.  Zeitung  (Januar  1866)  und  in  dem  Jahr- 
buche der  k.  k.  geologischen  Eeichsanstalt  zu  Wien  (16.  Bd. 
p.  59 — 67)  eine  umfassende  Schilderung  seines  Schaffens  und 
Wirkens  veröffentlicht  hat, 

Dr.  Albert  Oppel  wurde  am  19.  Dez.  1831  zu  Hohenheim 
geboren,  wo  sein  Vater,  der  jetzige  Direktor  der  landwirth- 
schaftlichen  Centrals teile  zu  Stuttgart,  damals  als  Beamter  an 
der  landwirthschaftlichen  Akademie  wirkte. 

Die  erste  Schulbildung  empfing  er  in  der  Erziehungsanstalt 
zu  Stetten  im  Remsthal,  welche  damals  in  hohem  Flor  stand 
und  junge  Leute  aus  allen  deutschen  Landen  herbeizog. 

Später  trat  er  in  das  Obergymnasiura  zu  Stuttgart  und  dann 
in  die  polytechnische  Schule   daselbst  ein,   wo  es   mir  vergönnt 


*)  Dr.  Ferd.   v.   Ilochstetter,   Professor   am    k.   k.   Polytecbnicum 
in  Wien. 


-    27    - 

"war,  denselben  mehrere  Jahre  lang  unter  meinen  Schülern  zu 
haben.  Es  kann  einem  Lehrer  nichts  Erfreulicheres  begegnen, 
als  wenn  er  bemerken  darf,  wie  Wort  und  Lehre  auf  guten 
Boden  fallen,  und  in  der  That  gehörte  Oppel  zu  den  fleissigsten 
und  tüchtigsten  Zuhörern,  die  ich  je  gefunden  habe.  Insbeson- 
dere zog  ihn  zuvörderst  die  Oryktognosie  und  hier  wiederum  die 
Crystallographie,  sodann  die  Geognosie  und  die  Petrefaktenkunde 
an ,  obwohl  auch  die  andern  Zweige  der  Naturwissenschaft  nicht 
vernachlässigt  wurden,  und  seine  liebenswürdige  Bescheidenheit 
gewann  ihm  zugleich  die  Herzen  aller  seiner  Lehrer. 

Trefflich  vorbereitet  und  mit  den  solidesten  Kenntnissen 
ausgerüstet  bezog  er  1851  die  Universität  Tübingen,  wo  er 
hauptsächlich  an  Professor  v.  Quenstedt  den  Mann  fand,  der 
geeignet  war,  seine  Kenntnisse  zu  erweitern  und  seinen  Eifer 
zu  verdoppeln.  Schon  in  Stuttgart  hatte  er  angefangen,  sich 
eine  treffliche  Mineralien-  und  Petrefaktensammlung  anzulegen, 
und  in  Tübingen  steigerte  sich  sein  Sammeleifer  mehr  und  mehr, 
so  dass  er  während  seines  dreijährigen  Aufenthalts  daselbst 
eine  der  werthvoUsten  paläontologischen  Sammlungen  des  Landes 
zusammenbrachte.  Da  wurde  weder  Zeit  noch  Geld  gespart, 
wenn  es  sich  darum  handelte ,  über  irgend  ein  Petrefakt  oder 
einen  Schichtenkomplex  ins  Klare  zu  kommen;  aber  mit  dem 
Besitz  war  es  ihm  nicht  allein  gedient ,  sondern  er  war  nament- 
lich darauf  bedacht,  die  organischen  Einschlüsse  jedes  Formations- 
gliedes, jeder  Hauptschichte  zu  erforschen,  und  Hess  daher 
häufig  zu  diesem  Zwecke  eigene  Nachgrabungen  veranstalten. 

Als  die  philosophische  Fakultät  im  Jahr  1851  auf  Veran- 
lassung des  -Professor  Quenstedt  die  Preisaufgabe  stellte:  „eine 
genaue  Aufzählung  der  Schichten  des  mittleren  Lias  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  darin  lagernden  Versteinerungen" 
zu  liefern,  machte  sich  Oppel  alsbald  an  die  Arbeit  und  löste 
die  Aufgabe  so  vortrefflich,  dass  ihm  nicht  nur  der  Preis,  son- 
dern auch  die  philosophische  Doktorwürde  zuerkannt  wurde.  Der 
zehnte  Jahrgang  unserer  Jahreshefte  1854  enthält  von  Seite 
39 — 136  dieselbe  durch  vier  Steintafeln  erläutert.  Da  diese 
Arbeit  auch  als   besondere  Schrift   in   den  Buchhandel  kam,   so 


-    28    - 

wurde  der  Name  des  Verfassers  bald  bei  den  Geologen  des   In- 
und  Auslandes  bekannt. 

Kein  Wunder  daher,  wenn  er  auf  seinen  wissenschaftlichen 
Reisen  durch  Frankreich  und  England  überall  die  verdiente 
Anerkennung  und  die  wohlwollendste  Aufnahme  fand.  So  brachte 
er  1854  sieben  Monate  in  Frankreich  und  1855  vier  Monate  in 
England  zu,  wo  er  hauptsächlich  das  Studium  der  Juraformation 
zum  Ziele  seiner  Forschungen  machte.  Verschiedene  grössere 
und  kleinere  Ausflüge  in  die  Juragebirge  der  Schweiz  und 
Frankens  befähigten  ihn  vollends  zu  der  Lösung  seiner  Lebens- 
aufgabe, eine  vergleichende  Darstellung  der  Juraformation  dieser 
verschiedenen  Länder  zu  versuchen,  und  die  Ergebnisse  derselben 
sind  gleichfalls  in  unsern  Jahresheften  12. — 14.  Jahrgang  (1856, 
1857  und  1858)  niedergelegt,  übrigens  auch  als  besondere 
Schrift  erschienen:  „die  Juraformation  Englands,  Frankreichs 
und  des  südwestlichen  Deutschlands."  Mit  einer  geognostischen 
Karte.  Stuttgart  bei  Ebner  und  Seubert  1856—1858.  Hiemit 
war  sein  Ruf  im  In-  und  Auslande  begründet  und  König  Wilhelm 
verlieh  ihm  dafür  die  grosse  goldene  Medaille  für  Kunst  und 
Wissenschaft.  Wenn  es  das  Verdienst  Leopolds  von  Buch 
und  Quenstedts  ist,  die  Hauptetagen  der  württembergischen 
Juraformation  begründet  zu  haben,  so  kommt  Oppel  hauptsäch- 
lich das  zu,  dass  er  den  Nachweis  lieferte,  welche  Formations- 
glieder in  den  verschiedenen  Theilen  von  Centraleuropa  ver- 
breitet und  wie  sie  ausgeprägt  sind.  Ferner  hat  er  das  Auftreten 
der  eigentlichen  Leitmuscheln  genauer  festgestellt  und  die  ge- 
nauesten Details  der  Unterabtheilungen  mit  ihren  Einschlüssen 
erforscht.  Wenn  derselbe  sich  dadurch  vielleicht  zuweilen  ver- 
leiten liess,  Spielarten  von  Petrefakten  für  wirkliche  Arten  zu 
erklären  und  dadurch  bei  Manchen  in  den  Verdacht  der  Spezies- 
macherci  verfiel,  so  ist  dieses  begreiflich.  Er  hatte  einmal  ge- 
funden, dass  auch  verwandte  Formen  immer  nur  in  bestimmten 
Schichten  auftreten,  und  hielt  sich  daher  auch  für  berechtigt, 
nach  dem  Vorbild  seines  Gönners  und  Freundes  d'Orbigny 
dieselben  besonders  zu  benennen.  Dass  er  aber  seine  Arten  auch 
genau  zu  charakterisiren  wusste,   dafür  spricht   am   besten   sein 


-    29    - 

letztes  und  grösstes  Werk:  „Paläontologische  Mittheilungen", 
-welches  1863—1865  bei  Ebner  und  Seubert  in  Stuttgart  mit 
88  Yortrefflich  ausgeführten  Steintafeln  erläutert,  erschienen  ist, 
das  in  der  ersten  Abtheilung  neue  Krebse,  in  der  zweiten  haupt- 
sächlich Ammoniten  der  Juraformation  und  zumal  auch  solche 
aus  dem  Himalaya,  von  den  Gebrüdern  Schlagintweit  mitgebracht, 
darstellt.  Ausser  diesen  grösseren  Arbeiten  sind  auch  viele 
kleinere  in  verschiedenen  Zeitschriften,  zumal  auch  in  unsern 
Jahresheften,  Jahrgang  12 — 20  von  ihm  erschienen. 

Kaum  war  Oppel  von  seinen  Reisen  zurückgekehrt  und  mit 
seiner  vergleichenden  Darstellung  der  Juraformation  fertig  ge. 
worden,  so  wurde  er  (1858)  zum  Adjunkt  bei  der  paläonto- 
logischen Sammlung  in  München  angestellt,  wo  Andreas 
Wagner  als  Conservator  wirkte,  jedoch  bei  der  grossen  Aus- 
dehnung dieser  Sammlungen  kaum  im  Stande  war,  sie  zu  be- 
wältigen. Mit  desto  grösserem  Eifer  warf  sich  unser  Freund 
auf  die  Arbeit,  und  als  derselbe  1859  nach  Hausmanns  Tod 
einen  Ruf  als  ausserordentlicher  Professor  nach  Göttingen  er- 
hielt, wurde  er  in  gleicher  Eigenschaft  bei  der  Universität  in 
München  definitiv  angestellt  und  auch  zum  Mitglied  der  Akade- 
mie daselbst  erwählt.  Jetzt  hatte  er  auch  Vorlesungen  über 
Paläontologie  zu  halten  und  bald  sammelte  sich  ein  kleiner 
Kreis  fleissiger  Schüler  um  ihn,  die  er  nicht  nur  zu  belehren, 
sondern  auch  zu  begeistern  wusste. 

1861  starb  sein  Freund  und  College  Wagner  plötzlich,  und 
er  trat  nun  an  dessen  Stelle  als  Conservator  der  Sammlungen 
und  als  ordentlicher  Professor  der  Paläontologie.  In  diesem 
Jahr  verheirathete  er  sich  mit  Anna  Herbort  aus  Stuttgart, 
einer  Freundin  seiner  Schwester,  welche  ihm  zwei  Söhne 
schenkte  ,  wovon  der  jüngere  jedoch  schon  Anfangs  Dezember 
1865  ihm  durch  den  Tod  entrissen  wurde. 

Dieser  Verlust  ging  dem  zartfühlenden  Vater,  der  mit 
seiner  Gattin  in  der  glücklichsten  Ehe  lebte,  sehr  nahe,  und 
bei  der  Beerdigung  desselben  erkältete  er  sich  dermassen,  dass 
er  wenige  Tage  darauf  in  ein  typhöses  Fieber  verfiel,  welches 
sich  vom  10.  Tag  an  dermassen  steigerte,  dass  man  keine  Hoff- 


—    30    — 

nung  mehr  für  sein  Aufkommen  hatte  und  am  22,  Dezember 
Nachts  halb  10  Uhr  ein  sanfter  Tod  dem  jungen  Leben  ein 
Ende  machte,  viel  zu  früh  für  seine  Wittwe  mit  ihrem  drei- 
jährigen Knaben,  seinen  hochbetrübten  Vater,  seine  trauernden 
Geschwister  und  Freunde. 

Oppel  war  von  untersetzter  Statur  und  trug  das  Gepräge 
eines  gesunden  und  kräftigen  Mannes.  Von  Natur  aus  schweig- 
sam und  ernst,  konnte  er  in  der  Unterhaltung,  sobald  es 
sich  um  wissenschaftliche  Gegenstände  handelte,  lebhaft  und 
mittheilend  werden  und  immer  suchte  er  bei  solcher  Gelegenheit 
der  Sache  auf  den  Grund  zu  kommen.  Mit  einem  unermüdeten 
Fleiss  und  gründlichem  Wissen  verband  er  die  liebenswürdigste 
Bescheidenheit,  die  ihn  aber  auch  verhinderte,  öflfentlich  als 
Redner  aufzutreten.  Sein  redlicher  und  edler  Charakter  sprach 
sich  in  allem,  was  er  redete  oder  that  und  namentlich  auch  im 
wissenschaftlichen  Verkehr  aus,  denn  er  suchte  jedes  Verdienst 
nach  Recht  und  Billigkeit  anzuerkennen,  und  bei  allem  Eifer, 
seine  Sammlungen  zu  erweitern,  theilte  er  von  seinen  Schätzen 
gerne  und  in  uneigennützigster  Weise  mit.  Sein  Andenken 
wird  in  den  Herzen  der  Seinigen  und  seiner  Freunde  fortleben. 


Nekrolog 

des 

Obermedicinalraths  Dr.  Georg  Friedricli  v.  Jäger 

in  Stuttgart. 

Von  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr. 

Dr.  Georg  Friedrieh  v.  Jäger  wurde  zu  Stuttgart  deu  25.  De- 
zember 1785  geboren.  Sein  Vater  war  der  am  13.  Oktober 
1739  geborene  Dr.  Christian  Friedrich  Jäger,  welcher  den  7.  Sep- 
tember 3  808  in  Stuttgart  als  Leibarzt  des  Königs  und  Mitghed 
des  Medicinalkollegiums  starb,  nachdem  er  früher  als  ordentlicher 
Professor  der  Medicin,  Chemie  und  Botanik  erst  in  Tübingen 
und  sodann  an  der  hohen  Karlsschule  zu  Stuttgart  mit  Ehren 
gewirkt  hatte.  An  diesem  seinem  Vater,  sowie  an  dem  älteren 
Bruder,  Dr.  Carl  Christoph  Friedrich  v.  Jäger,  welcher  1828 
als  königl.  Leibarzt  imd  Obermedicinalrath  starb  und  sich  durch 
mehrere  naturhistorische  Schriften  berühmt  gemacht  hat,  wie  der- 
selbe auch  mehrere  Jahre  lang  dem  königl.  Naturalien  kabinet  vor- 
gestanden, hatte  derselbe  leuchtende  Vorbilder,  die  ihm  für 
sein  ganzes  Leben  zu  statten  kamen.  Er  besuchte,  nachdem  er 
das  Gymnasium  zu  Stuttgart  absolvirt  hatte,  von  1803—1807 
die  Universität  Tübingen  und  schrieb,  nachdem  er  ein  Jahr 
lang  unter  der  Anleitung  seines  Vaters  und  Bruders,  sowie  des 
Dr.  Hopfengärtner's  in  den  Krankenhäusern  seiner  Vaterstadt 
thätig.  gewesen  war,  seine  Inauguraldissertation:  De  effectibus 
Arsenici  albi  in  yarios  organismos  1808,  eine  Schrift,  welche 
durch  Gründhchkeit  und  Scharfsinn  ausgezeichnet  war  und  den 
künftigen  Naturforscher  zum  Voraus  ankündigte.  Noch  in 
demselben  Jahr  trat  er   eine  wissenschaftliche   Reise  nach  Göt- 


—    32    — 

tingen  und  Paris  an,  die  für  sein  ganzes  Leben  fruchtbar  wurde. 
Damals  stand  unter  den  Pariser  Gelehrten  Cuvier,  an  welchen 
er  empfohlen  war  und  der  ihn  auch  mit  besonderer  Freundlich- 
keit aufnahm,  in  hoher  Achtung,  und  unter  seinem  Einfluss 
hatten  auch  die  naturhistorischen  Sammlungen  der  franzö- 
sichen  Hauptstadt  sich  bedeutend  vermehrt,  so  dass  nament- 
lich die  Hilfsmittel  für  das  Studium  der  vergleichenden  Ana- 
tomie imd  der  fossilen  Wirbelthiere  reichlich  vertreten  waren. 
Kein  Wunder  daher,  wenn  Jäger  für  diese  Fächer  eine  beson- 
dere Vorliebe  gewann.  Die  Rückkehr  führte  ihn  über  das 
südliche  Frankreich  nach  Bern,  wo  er  unter  Tribolet  mehrere 
Monate  lang  den  Inselspital  besuchte.  Nach  seiner  Vaterstadt 
zurückgekehrt,  widmete  er  sich  der  ärztlichen  Praxis  mit  gutem 
Erfolg  und  1817  wurde  er  zum  Nachfolger  seines  Bruders  als 
Inspektor  des  k.  Naturalienkabinets  ernannt,  welche  Stelle  er 
bis  1856  mit  grossem  Fleiss  und  rühmlicher  Thätigkeit  beklei- 
dete. 1822  wurde  ihm  die  Professur  für  Chemie  und  Naturge- 
schichte am  oberen  Gymnasium  übertragen,  welche  er  bis  1842 
mit  Eifer  und  Strebsamkeit  versah.  1834  wurde  er  als  ausser- 
ordentliches, 1836  als  ordentliches  Mitglied  in  das  k.  Medi- 
cinalkollegium  berufen  und  1841  mit  dem  Titel  und  Eang 
eines  Obermedicinalraths  bedacht,  welche  Stelle  er  1852  seines 
vorgerückten  Alters  wegen  wieder  aufgab,  wobei  ihm  jedoch 
der  Rang  eines  Ehrenmitglieds  verblieb. 

Jäger  war  zweimal  verheirathet.  Seine  erste  Gattin,  Char- 
lotte geb.  Hoffmann,  starb  den  20.  November  1818;  sie  schenkte 
ihm  zwei  Söhne  und  zwei  Töchter,  wovon  ein  Sohn,  Ober- 
medicinalrath  Hermann  Jäger,  zu  seinem  grossen  Schmerz  1861 
starb.  Seine  zweite  Gattin,  Charlotte  geb.  Schwab,  eine  Schwester 
des  berühmten  Dichters  Gustav  Schwab ,  gab  ihm  vier  Söhne, 
wovon  noch  zwei  leben,  und  fünf  Töchter^  wovon  eine  dem 
Vater  vorangegangen  ist.  Ihr  war  es  vergönnt,  den  Gatten 
bis  an  das  Ende  seiner  Tage  durch  Freud  und  Leid  zu  begleiten 
und  zu  pflegen,  und  mit  ihr  trauern  neun  erwachsene  Kinder, 
24  Enkel  und  zwei  Urenkel  um  den  Dahingeschiedenen. 

Jäger  war  von  kräftiger  Konstitution  und  stattlicher  Grösse, 


seine  früh  gebleichten,  reichen  Locken  gaben  ihm  ein  ehrwür- 
diges Aussehen  und  seine  Züge  trugen  das  Gepräge  der  wohl- 
•wollendsten  Humanität.  Unbedeutende  Zufälle  ausgenommen, 
hatte  er  sich  bis  in  sein  hohes  Alter  der  besten  Gesundheit  zu 
erfreuen,  wozu  seine  nüchterne  und  regelmässige  Lebensweise 
wohl  auch  das  Ihrige  beigetragen  haben  mag^  nur  hatte  sich 
in  den  letzten  Deceunien  allmählig  eine  bedeutende  Schwer- 
hörigkeit eingestellt,  wozu  im  letzten  Jahr  auch  noch  eine  Ab- 
nahme des  Augenlichts  sich  gesellte.  Erst  in  den  letzten  Mo- 
naten zeigte  sich  ein  Blasenleiden,  das,  wie  die  Sektion  bestätigte, 
von  einem  Blasenstein  herrührte.  Eine  deshalb  im  Mai  d.  J. 
projektirte  Kurreise  ins  Wildbad  konnte  nicht  mehr  ausgeführt 
werden,  indem  eine  unterwegs  eingetretene  Diarrhoe  zur  Umkehr 
nöthigte.  Bald  traten  quälende  Schmerzen  ein,  die  jedoch  in 
den  letzten  fünf  Wochen  sich  allmählig  verminderten  und  zu- 
letzt ganz  aufhörten.  Dennoch  nahm  nach  und  nach  die  allge- 
meine Schwäche  überhand,  bis  er  den  10.  September  d.  J.  sanft 
entschlief,  nachdem  es  ihm  noch  vergönnt  gewesen  war,  wenige 
Tage  zuvor  seine  im  Ausland  weilenden  Söhne  im  Verein  mit 
den  im  Vaterland  befindlichen  Kindern  um  sich  versammelt  zu 
sehen,  was  er  mit  einem  fröhlichen  Dankgebet  zu  dem  gütigen 
Gott  erkannte. 

Wenden  wir  unsere  Blicke  nun  auf  die  wissenschaftliche 
Thätigkeit  unseres  Freundes,  so  tritt  uns  bei  einer  gewissen 
Vielseitigkeit  ein  lebhaftes  Interesse  für  alles,  was  Medicin  und 
Naturwissenschaft  im  weitesten  Sinne  des  Worts  betrifft,  und 
die  angestrengteste  Thätigkeit  entgegen.  Zwei  Dinge  sind  es 
hauptsächlich,  welche  ausser  den  natürlichen  Anlagen  bestimmend 
auf  die  Leistungen  und  die  Ausprägung  des  Mannes  überhaupt 
einwirken,  es  ist  die  Gunst  der  äusseren  Umstände  und  der 
Geist  der  Zeit.  In  erster  Beziehung  war  der  vortreffliche  Schul- 
unterricht, dessen  er  sich  zu  erfreuen  hatte,  schon  von  guter 
Vorbedeutung  und  damit  verband  sich  der  günstige  Einfluss, 
welchen  die  Anleitung  eines  in  jeder  Beziehung  ausgezeichneten 
Vaters,  sowie  des  durch  gleiche  Thätigkeit  berühmten  älteren 
Bruders  auf  den  Verewigten  üben  musste.    In  zweiter  Beziehung 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1S67.     Is  Heft.  g 


—    34    - 

fielen  seine  Bestrebungen  in  eine  Zeit,  wo  die  Naturwissen- 
schaften einen  neuen  Aufschwung  gewonnen  hatten  und  wo 
auch  die  Medicin  mehr  und  mehr  auf  wissenschaftliche  For- 
schungen und  naturhistorische  Thatsachen  sich  zu  stützen  bemüht 
war.  So  kam  es  denn,  dass  Jäger  im  Verlauf  seiner  mehr  als 
fünfzigjährigen  Thätigkeit  die  verschiedensten  Zweige  des  medi- 
cinischen  und  naturhistorischen  Wissens  in  den  Bereich  seiner 
Forschungen  zog  und  es  liegt  uns  ein  Verzeichniss  seiner  Schriften 
und  Aufsätze  vor,  welches  nicht  weniger  als  143  Nummern  um- 
fasst.  Insbesondere  waren  es  Untersuchungen  über  fossile 
Pflanzen  und  Tliiere,  die  in  Württemberg  vorkommen,  sodann 
über  die  Missbildung  der  Gewächse  und  krankhafte  Erscheinungen 
bei  Menschen  und  Thieren,  welche  er  in  grösseren  imd  kleineren 
Abhandlungen  bekannt  machte.  Die  umfassende  und  gediegene 
Arbeit  über  die  Missbildungen  der  Gewächse  erschien  als  be- 
sondere Schrift  (Stuttgart  1814  bei  Steinkopf),  und  brachte 
ihn  auch  unter  anderen  in  nähere  Verbindung  mit  Göthe,  welcher 
sich  damals  mit  der  Metamorphose  der  Gewächse  beschäftigte, 
lieber  Missbildungen  bei  Thieren  und  Menschen  lieferte  er  ver- 
schiedene Abhandlungen  in  medicinische  Journale.  Von  natur- 
historischen Schriften  führen  wir  an: 

1.  Eine  Abhandlung  über  fossile  Knochen,  welche  im 
Jahr  1819  und  20  zu  Stuttgart  und  Cannstatt  gefunden  wurden, 
in  den  württembergischen  Jahrbüchern  3.  Jahrgang  1821  und  22. 

2.  De  Ichthyosauri  sive  Proteosauri  speciminibiis  propc 
Soll  in  Wirtembergia  repertis.    Stuttgart  1824. 

3.  Ueber  das  Vorkommen  von  krystallisirtem  Zucker  in 
den  Blumen  des  Rhododendron  ponticum.  Zeitschrift  für  Phy- 
siologie von  Tiedemann  und  Treviranus.    11.  Bd. 

4.  Ueber  die  Pflanzenversteinerungen  des  Bausandsteins 
in  Stuttgart.     Stuttgart  bei  Metzler  1827. 

5.  Ueber  die  fossilen  Reptilien,  welche  in  Württemberg 
aufgefuriden  worden.     Ebendaselbst  1828. 

G.    Beiträge  zur  Anatomie  des  Löwen.    Mäckels  Archiv  1832. 
7.     Ueber  die  fossilen  Säugethiere,  welche  in  Württemberg 
aufgefunden  worden  sind.    Fol.  1835.  Abth.  1  und  2. 


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8.  lieber  den  relativen  Werth  der  Naturwissenschaften  für 
die  formelle  Bildung  der  Jugend.  Eine  am  27.  Dezember  1841 
gehaltene  Rede.     Stuttgart  bei  Metzler. 

9.  Betrachtung  über  Entwicklung  kryptogamischer  Ge- 
wächse in  der  Arseniksolution;  in  Buchner's  Repertorium  für 
Pharmazie.     2.  Reihe.     Bd.  13. 

10.  Beobachtungen  und  Untersuchungen  über  die  regel- 
mässigen Formen  der  Gebirgsarten ,  mit  sieben  lithographischen 
Tafeln.     Stuttgart  1846  bei  Schweizerbart. 

11.  lieber  den  Ursprung  und  die  Verbreitung  der  Haus- 
katze.   Württ.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte  10.  Jahrg. 

12.  Ueber  die  Fundorte  fossiler  Säugethiere  in  Stuttgart 
und  Umgebung.    Ebendaselbst  7.  Jahrg. 

13.  Ueber  die  Fortpflanzungsweise  des  Ichthyosaurus. 
Münchnej:  gelehrte  Anzeigen  1852. 

14.  Ueber  einige  fossile  Zähne  und  Knochen  von  Säuge- 
thieren  aus  dem  Diluvium  in  Langenbrunn  und  den  Bohnerz- 
gruben  der  schwäbischen  Alb.     Ebendaselbst  1853. 

15.  Ueber  die  Identität  des  europäischen  und  amerikanischen 
Bison's.     Württ.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte  Jahrg.  10. 

16.  Ueber  das  Verhältniss  der  parasitischen  Pflanzen  zu 
den  Meerpflanzen.     Ebendaselbst  Jahrg.  12. 

17.  Ueber  eine  neue  Species  von  Ichthyosaurus.  Nova 
acta  nat.  curiosorum.    Bd.  25. 

18.  Bemerkungen  über  die  Veränderungen  der  Zähne  von 
Säugethieren  im  Verlauf  ihrer  Entwicklung,  namentlich  bei  dem 
Narwal  und  Cachelot.    Bulletin  de  Moscou. 

19.  Ueber  fossile  Pflanzen  im  Keuper  und  deren  lebende 
Analoga  in  Chile.  Bericht  der  Naturforscherversammlung  in 
Bonn. 

20.  Ueber  eine  krankhafte  Veränderung  der  Blütenorgane 
der  Weintraube.     Flora  1860. 

21.  Bemerkungen  über  die  Sumpfschildkröte  im  fossilen 
Zustand.     Bulletin  de  Moscou. 

22.  Beobachtungen  über  rankende  Gewächse,  namentlich 
über  Epheu.    Württ.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte  Jahrg.  18. 


-    36    — 

23.  Bemerkungen  über  die  Organisation  des  Gavialis 
gangeticus.    Ebendaselbst  1863, 

24.  lieber  die  Wirkung  des  Arseniks  auf  Pflanzen  im 
Zusammenhang  mit  Physiologie,  Landwirthschaft  und  Medicinal- 
polizei.     Stuttgart  bei  Schweizerbart  1864. 

Indem  ich  mit  dieser  seiner  letzton  Arbeit  das  Verzeichniss 
seiner  naturhistorischen  Sclmften  abschliesse  und  die  Aufzählung 
der  in  das  Gebiet  der  Medicin  und  pathologischen  Anatomie 
gehörenden  einer  andern  Feder  überlasse,  erwähne  ich  noch  die 
von  ihm  verfassten  Gedächtnissreden,  womit  er  das  Andenken 
berühmter  Naturforscher  unseres  Vaterlandes  feierte : 

1.  Gedächtnissrede  auf  Staatsrath  v.  Kielmeyer.  Württ. 
naturwissenschaftliche  Jahreshefte  1.  Jahrg. 

2.  Vortrag  zum  Gedächtniss  seines  Freundes  Dr.  Gärtner 
in  Kalw.     Ebendaselbst  8.  Jahrg. 

3.  Ehrengedächtniss  des  Staatsraths  v.  Roser.  Ebenda- 
selbst 19.  Jahrg. 

Wenn  eine  solche  wissenschaftliche  Thätigkeit  nicht  nur  im 
Inland,  sondern  auch  im  fernsten  Auslande  die  entsprechende 
Anerkennung  fand  und  seinen  Ruhm  weit  über  die  Grenzen 
unseres  Vaterlandes  hinaus  verbreitete,  so  ist  dies  nicht  zu  ver- 
wundern. Nicht  nur  knüpfte  sich  ein  freundschaftliches  Ver- 
hältniss  mit  den  bedeutendsten  Naturforschern  unseres  Jahrhun- 
derts, eine  ausgedehnte  Korrespondenz  und  die  erfreuendsten 
persönlichen  Bekanntschaften  und  Besuche  an  dieselbe,  sondern 
es  liegen  auch  35  Diplome  gelehrter  Gesellschaften  und  Akade- 
mieen  vor,  welche  ihn  zum  ordentlichen,  correspondirenden  oder 
Ehrenmitglied  erwählten,  wovon  wir  nur  die  der  südafrikanischen 
literarischen  Gesellschaft  in  der  Kapstadt,  die  der  physikalisch- 
mathematischen Klasse  der  Akademie  zu  München,  der  Ac.  ro- 
yale  de  Mcdccine  zu  Paris,  der  Ac.  zu  Cutanea,  der  Socittc 
d'histoire  not.  zu  Strassburg,  der  kaiserlichen  Ac.  natur.  curio- 
soruni  und  die  Ernennung  zum  Adjunkt  derselben,  die  der 
holländischen  Societät  der  Wissenschaften  und  der  philosoph. 
Soc.  von  Philadelphia  aufzählen  wollen. 

Eine   besondere  Freude  machte   dem  Verewigten  die    1835 


—       Öi       — 

erfolgte  Ernennung  zum  Ehrenbürger  der  Stadt  Stuttgart,  welche 
ihm  von  den  bürgerlichen  Kollegien  der  Residenz  in  Folge  sei- 
ner Verdienste  um  die  Stadt  und  insbesondere  seiner  bei  der 
Versammlung  der  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte  zu  Stutt- 
gart 1848  entwickelten  Thätigkeit  zuerkannt  wurde. 

Aber  auch  an  höheren  Auszeichnungen  fehlte  es  nicht. 
Unser  hochverehrter  König  "Wilhelm  ertheilte  ihm  1850  das 
Ritterkreuz  des  Ordens  der  württembergischen  Krone,  der  König 
von  Baiern  dasjenige  vom  heil.  Michael. 

Ausserdem  tragen  verschiedene  fossile  Pflanzen-  und  Thier- 
liberreste  den  Namen  des  Verewigten,  wie  z.  B. 
Pterophyllum  Jaegeri  von   A.d.  Brogniart. 
Pecopteris  Jaegeri  und  andere. 
Mastodonsaurus  Jaegeri  von  Meyer. 
Lahyrinthodon  Jaegeri,  Owen. 

Auch  eine  lebende  von  Humboldt  und  Bonpland  mitgebrachte 
Pflanzengattung  erhielt  von  Kunth  den  Kamen  Jaegeria. 

Unsrem  Verein  gehörte  der  Verewigte  von  seinem  ersten 
Entstehen  an  mit  ganzem  Herzen  an.  Als  im  September  1833 
die  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte  den  Beschluss  fassten, 
die  nächste  Versammlung  in  Stuttgart  abzuhalten  und  den  Staats- 
rath  V.  Kielmeyer  zum  ersten,  unsern  Freund  zum  zweiten  Ge- 
schäftsführer derselben  ernannten,  war  es  dessen  erstes  Bestre- 
ben, einige  Stuttgarter  Naturforscher  zu  einem  Comite  zu  ver- 
einigen, welches  die  dazu  nöthigen  Vorbereitungen  zu  treffen 
hatte.  Es  ist  bekannt,  wie  glücklich  diese  Versammlung  aus- 
fiel und  wie  befriedigt  sich  alle  dabei  anwesenden  Mitglieder 
darüber  aussprachen.  Abgesehen  von  dem  freundlichen  Zusam- 
menwirken ausgezeichneter  Persönlichkeiten  aller  Classen  und 
der  huldvollen  Betheiligung  Sr.  Majestät  des  Königs  Wilhelm 
waren  es  hauptsächlich  die  zweckmässigen  Anordnungen  und 
Vorbereitungen,  welche  unter  Jäger's  Vorsitz  getroffen  waren, 
denen  man  das  Gelingen  verdankte.  In  jenem  Comite  hatten 
sich  aber  die  Naturforscher  der  Hauptstadt  näher  zusammenge- 
funden und  sie  beschlossen  auch  nachher,  ihre  Zusammenkünfte 
in  dem  natur historischen  Montagskranz  fortzusetzen,  so  dass  aus 


-     38    - 

ihrer  Mitte  später  die  Bildung  unseres  Vereins  hervorging.  "Welch 
reges  Interesse  der  Verewigte  stets  an  dessen  Angelegenheiten 
nahm,  bezeugen  am  besten  die  vielen  Aufsätze  und  Abhandlun- 
gen desselben,  welche  unsere  Jahreshefte  enthalten.*) 

Als  Jäger  1858  sein  fünfzigjähriges  Doctorjubiläum  feierte, 
war  es  uns  vergönnt,  dem  Nestor  der  württembergischen  Natur- 
forscher noch  in  voller  jugendlicher  Kraft  unsere  Huldigung 
darzubringen  und  von  allen  Seiten  war  man  bemüht,  dieses  Fest 
zu  verherrlichen.  Die  Universität  Hess  ihm  das  erneuerte  Doc- 
tordiplom  überreichen  und  die  Stuttgarter  naturforschenden 
Freunde  feierten  dasselbe  im  engeren  Kreise,  wobei  es  an  hei- 
teren Trinksprüchen  nicht  fehlte;  wir  schieden  damals  mit  dem 
Wunsche,  der  Verehrte  möchte  noch  lange  in  unserer  Mitte 
weilen  dürfen;  und  der  Wunsch  wurde  uns  gewährt,  denn  noch 
bis  vor  wenigen  Monaten  erschien  er,  obwohl  des  Augenlichts 
beinahe  beraubt,  in  unserer  Montagsgesellschaft  und  nahm  am 
geselligen  und  wissenschaftlichen  Verkehr  den  lebhaftesten  Antheil» 

Sein  Andenken  bleibe  im  Segen! 


*)  Das  ausführliche  Verzeichniss  derselben  findet  sich   in   unsem 
Jahresheften  20.  Bd.  1864.  S.  315  und  316. 


Vorträge. 


I.  Dr.  Steudel  in  Kochendorf  sprach  über  die  württem- 
bergischen  Kleinschmetterlinge  Folgendes: 

Wenn  ich  mir  heute  erlaube,  an  diese  verehrte  Versamm- 
lung einige  "Worte  zu  richten,  so  geschieht  es  hauptsächlich, 
um  auf  einen  Zweig  der  Insektenkunde  aufmerksam  zu  machen, 
der  bis  jetzt  in  Württemberg  nur  lückenhaft  durchforscht  wurde 
und  literarisch  kaum  vertreten  ist,  nämlich  auf  die  Kunde  der 
Kleinschmetterlinge  und  ihrer  Lebensweise.  Es  erschien  bis  jetzt 
in  Württemberg  ein  einziges  Werkchen  von  1828,  enumeratio 
tortricum  in  regno  Württembergico  indigenarum,  eine  Disser- 
tation von  Dr.  Fröhlich  in  Ellwangen,  während  in  unsern  Nach- 
barländern Bayern,  Baden,  der  Schweiz,  Frankfurt,  ebenso  im 
übrigen  Deutschland,  Frankreich  und  England  zahlreiche  Forscher 
dieses  Gebiet  mit  Vorliebe  betreiben  und  literarisch  bereichern. 
In  all  diesen  Schriften,  Monographien  und  kleineren  Aufsätzen 
erscheint  aber  unser  Land  als  eine  undurchforschte  Insel,  über 
deren  Reichthum  oder  Armuth  an  diesen  Thieren  Niemand  Aus- 
kunft giebt,  als  obiges  Schriftchen  über  die  einzige  Abtheilung 
der  Wickler.  Zwar  hat  die  Beobachtung  der  Grossschmetterlinge 
durch  den  Reiz  ihrer  Farbenpracht,  die  Mannigfaltigkeit  in  Form 
und  Zeichnung  und  die  merkwürdigen  Verwandlungen  von  jeher 
Sammler  und  Liebhaber  angezogen,  die  mit  der  Zeit  oft  ausge- 
zeichnete Forscher  wurden,  aber  es  ist  gewiss  viel  lohnender, 
im  Gebiete  des  Kleinen  die  Natur  zu  verfolgen,  wo  die  Mannig- 
faltigkeit in  Form,  Bau,  Lebensweise,  Auftreten  und  Vorkommen 
viel  grösser,   anziehender,   und  der  Beobachtung  neuer  und  un- 


-     40     - 

bekannter  Dinge  ein  viel  grösserer  Spielraum  gegeben  ist.  Die 
forracnreiche  und  -wechselvolle  "Welt  dieser  kleinen  Thiere  bietet 
dem  Foi-scher  eine  unendliche  Quelle  von  Freuden,  und  die 
unausbleiblichen  Täuschungen  und  misslungenen  Versuche  bei 
der  Erziehung  derselben  aus  den  Larven  sind  nur  ein  neuer 
Sporn  zur  Thcätigkeit  und  eine  neue  Quelle  der  Erfahrung.  So 
erhält  man  z.  B.  bei  der  Erziehung  aus  Raupen  eine  Menge 
von  Parasiten,  besonders  Ichneumonen  und  Pteromalinen,  um 
deren  Erforschung  in  den  einheimischen  Arten  neben  den  übrigen 
Insectenklassen  sich  unser  hochverehrtes  Vereinsmitglied,  der 
verstorbene  Staatsrath  v.  Roser  grosse  Verdienste  erworben  hat. 
Wenn  ich  auf  die  Anregung  eines  der  tüchtigsten  Entomo- 
logen Deutschlands,  des  kürzlich  verstorbenen  Senators  v.  Heyden 
in  Frankfurt  a.  M.,  dem  ich  für  Mittheilung  und  Bestimmung 
von  Insecten  und  schriftliche  Berathung  vielen  Dank  schuldig 
bin,  seit  etwa  5  Jahren  mit  dem  Studium  der  Kleinschmetterlinge 
mich  beschäftigt  und  vieles  Erfreuliche  dabei  erlebt  und  manches 
Interessante  beobachtet  habe,  so  fühle  ich  doch,  dass  bei  dem 
beschränkten  Raum,  der  mir  zu  durchforschen  möglich  ist,  und 
bei  der  beschränkten  Zeit  neben  einer  ärztlichen  Praxis,  eine 
anderweitige  Hülfe  auf  anderen  Formationen  und  Florengebieten 
"Württembergs,  insbesondere  auf  der  Alb,  dem  Schwarzwald  und 
den  Torfgebieten  des  Oberlandes  unumgänglich  uothwendig  ist,  um 
für  die  Herausgabe  einer  württembergischen  Fauna  oder  früher 
noch  eines  halbwegs  vollständigen  Verzeichnisses  dieser  Thiere 
in  den  Jahresheften  das  nothwendige  Material  zu  bekommen. 
Desshalb  richte  ich  an  Insectensammler  überhaupt,  und  besonders 
an  solche,  die  sich  bis  jetzt  mit  den  Grossschmetterlingen  abgegeben 
haben,  die  freundliche  Bitte,  mich  durch  fleissiges  Sammeln  und 
Beobachten  und  Mittheilung  des  Beobachteten  in  der  Erweiterung 
dieser  Studien  unterstützen  zu  wollen.  Ich  werde  gerne  bereit 
sein,  die  gefundenen  und  mir  zugeschickten  Arten  zu  bestimmen. 
Vielleicht  gelingt  es  mir  auch  durch  Vorzeigen  einiger  Proben 
aus  meiner  Sammlung  und  Vorführung  eines  Bildes  aus  der 
Lebensweise  dieser  Thiere  die  Liebe  zur  Beschäftigung  damit 
bei  Einigen  von  Ihnen  anzuregen. 


—     41     — 

Ich  wähle  hiezu  die  in  den  verscliiedenen  Faniilien  vor- 
kommenden und  mit  der  Kleinheit  der  Formen  immer  zahh-eicher 
werdenden  BJattminirer^  deren  Beobachtung  ich  vor  allen  anderen 
meine  Aufmerksamkeit  gewidmet  habe. 

Unter  Blattminirern  versteht  man  diejenigen  Larven,  welche 
zwischen  Epidermis  und  Hypodermis  der  Blätter  leben,  und  das 
Pareuchym  des  Blattes  verzehren,  ohne  das  Blatthäutchen  selbst 
wesentlich  zu  verletzen.  Diese  Lebensweise  führen  viele  Larven 
aus  den  Klassen  der  Hymenopteren,  Dipteren,  Coleopteren  und 
Lepidopteren,  so  dass  der  Sammler  manchmal,  wo  die  Larve 
nicht  näher  untersucht  werden  konnte ,  zu  seinem  Verdrusse 
einen  Käfer  oder  eine  Sägwespe  statt  eines  Falters  erzieht. 
Zunächst  interessiren  uns  nur  die  minirenden  Larven  der  Falter. 
Unter  den  Grossfaltern  werden  wohl  kaum  einzelne  Beispiele  *) 
von  dieser  Art  der  Lebensweise  vorliegen;  unter  den  Wicklern 
und  Zünslern  finden  sie  sich  nur  selten  und  ausnahmsweise, 
dagegen  häufig  unter  den  Tiueenraupen;  und  zwar  auch  hier 
um  so  häufiger,  je  kleiner  die  Dimensionen  der  Thiere  werden. 
Da  finden  wir  nun  solche,  welche  blos  in  der  ersten  Zeit  des 
Larvenlebens  diese  Gewohnheit  haben,  und  später  frei  leben; 
dahin  gehören  die  Arten  der  Gattungen  Bucculatrix,  Coleophora, 
ein  Theil  der  Gradlarien  und  manche  andere  kleinere  Gattungen 
oder  vereinzelte  Species.  Die  Arten  der  Gattung  Bucculatrix, 
Ton  denen  ich  bis  jetzt  6  in  der  Kochendorfer  Gegend  gefunden 
habe,  sind  sehr  kleine  zierliche  mit  dichtem  Haarbusch  auf  dem 
Kopf  versehene  Schaben,  deren  Raupen  bis  zur  ersten  Häutung 
kleine  schmale,  oft  zierlich  gewundene  oder  spiralfömige  Gänge 
unter  der  Epidermis  machen,  zur  ersten  Häutung,  die  wie  die 
folgenden  unter  einem  flachen  Cocon  (meist  in  der  Gabel  zweier 
Blattnerven)  vor  sich  geht,  die  Mine  verlassen  und  nun  frei  auf 
Ober-  oder  L^nterseite  des  Blattes  leben.  Das  Yerlassen  der 
Mine  geschieht,  wie  fast  bei  allen  Minirern  aus  den  verschie- 
densten Klassen,    durch    eine    halbkreisförmige  Klappe,    welche 


*)    Die  Raupen    der    bei    uns   lebenden  Atychia  globulariae   und 
staticis  leben  minirend  in  den  Blättern  der  Centaurea  scabiosa. 


_    42    - 

durch  (las  Herausbeissen  einer  äusserst  schmalen  halbkreisförmi- 
gen Spalte  aus  dem  Blatthäutchen  entsteht.  Nachdem  die  Buc- 
cw^afm'- Raupen  die  Mine  verlassen  haben,  fressen  sie  kleine 
rundliche  oder  eckige  Flecken  in  der  Art  aus  dem  Blatt 
heraus,  dass  sie  von  oben  fressend  das  Blatthäutchen  der 
Unterseite  verschonen,  oder  umgekehrt ;  die  ausgefressene  Lücke 
des  Blatts  bleibt  auf  diese  Weise  von  einer  trommelartig  aus- 
gespannten, durchscheinenden  Haut  geschlossen.  Ganz  anders 
fällt  die  Lebensweise  der  Coleophoren  aus,  die  eine  sehr  streng 
abgeschiedene  Gruppe  der  Microlepidopteren  bilden,  und  sich 
unter  anderem  dadurch  auszeichnen ,  dass  das  entwickelte  Insect 
in  der  Kühe  die  Fühler  in  einem  sanften  Bogen  nach  vorne 
ausgestreckt  trägt,  welche  Fühlerlage  nur  noch  die  sonst  sehr 
verschiedenen  Plutelliden  mit  ihnen  theilen.  Die  Coleophoren- 
raupen,  nachdem  sie  zuerst  auch  in  flachen  kleinen  Minen  gelebt 
haben,  verfertigen  sich  bald  aus  Stücken  des  Blatts,  das  sie 
bewohnen,  und  aus  ihrem  Gespinnste  einen  Sack  von  sehr  ver- 
schiedener Form  und  Farbe,  oft  mit  wunderlichen  Anhängen 
bekleidet.  In  diesem  Sack  stecken  die  Raupen,  verlängern  und 
vergrössern  ihn  mit  dem  Wachsthum  nach  Bedürfniss,  und 
strecken  beim  Gehen  nur  den  Kopf  und  die  4  ersten  Leibesringe 
mit  den  ersten  3  Fusspaaren  heraus.  Sie  haben  dabei  die  Ge- 
wohnheit des  Minirens  nicht  verloren,  sondern  pflegen  die  ge- 
wöhnlich kreisrunde  Oeffnung  des  Sacks  auf  die  Ober-  oder 
Unterseite  eines  Blatts  durch  Gespinnst  zu  befestigen,  und  fressen 
nun,  ein  entsprechend  rundes  Stück  des  Blatthäutchens  ganz 
verzehrend  oder  zur  Vergrösserung  ihres  Sacks  benützend,  zwi- 
schen beiden  Blatthäutchen  rings  um  den  Anheftungspunkt  des 
Sacks  herum  das  Parenchym  vollständig  auf.  Sie  kriechen  dabei 
aus  ihrem  Sack  so  weit  heraus,  dass  sie  nur  noch  mit  dem 
Afterring  den  Eingang  zum  Sack  berühren,  und  ziehen  sich, 
wenn  sie  gestört  werden  oder  das  Blatt  unsanft  bewegt  wird, 
Bchnell  in  den  Sack  zurück.  Ist  die  Umgebung  des  ersten  An- 
heftungspunktes  auf  diese  Art  abgeweidet,  so  schneiden  sie  die 
Mündung  des  Sacks  wieder  los,  wobei  er  wohl  auch  ein  wenig 
verlängert  wird,    suchen   eine  andere  passende  Stelle  aus,    und 


—    43    — 

treiben  ihr  seltsames  Aushöhlungsgeschäft  weiter.  Der  verlassene 
Fleck  stellt  sich  dann  regelmässig  als  ein  heller,  durchscheinen- 
der, oft  weisser  oder  brauner  Fleck  des  Blattes  dar,  der  bei 
genauer  Betrachtung  nur  aus  den  beiden  durch  Luft  getrennten 
Blatthäutchen  besteht,  von  denen  eines  ein  centrales  oder 
wenig  excentrisches  kreisrundes  Loch  besitzt.  Nie  ist  diese 
Höhle  mit  Excrementen  verunreinigt,  indem  diese  von  der 
Raupe  durch  das  klappenartige  Afterende  des  Sacks  nach  aussen 
entleert  werden.  Es  geschieht  dies  schon  in  ihrem  Jugendzustand, 
solange  sie  noch  keinen  Sack  hat,  durch  eine  besondere  Oeffnung 
im  Blatthäutchen,  die  dann  später  die  Mundöffnung  des  zu 
fertigenden  Sackes  bildet.  Von  den  Coleophoren  mit  ihren 
zahlreichen  Arten  habe  ich  in  unserer  Gegend  bis  jetzt  gegen 
20  Arten  aufgefunden. 

Auch  die  Gradlarien,  eine  andere  Sippe,  miniren  vollständig 
nur  in  ihrer  ersten  Lebenszeit.  Schon  der  Name,  den  die  zu 
dieser  Familie  gehörigen  Schaben  besitzen,  zeigt  uns,  dass  wir 
es  mit  einem  besonders  zierlich  gebauten  Theil  der  Microlepi- 
dopteren  zu  thun  haben.  Die  Haltung  in  der  Ruhe,  wobei  das 
Hinterende  der  dachförmig  zusammengelegten  Flügel  den  Boden 
berührt,  während  der  Kopf  und  die  Brust  auf  den  hochaufge- 
richteten 2  vorderen  Fusspaaren  ruhen,  die  langen  schmalen, 
meist  buntgefleckten  Flügel  mit  stark  befranztem  Afterwinkel, 
die  zierlichen,  oft  buntscheckigen  Beine  und  die  langen  Fühler 
verleihen  diesen  Thieren  einen  eigenthümlichen  Schmuck.  Ihre 
Larven  leben  in  der  Jugendzeit  in  flachen,  fleckenartigen ,  ganz 
geschlossenen  Minen,  wobei  sie  netzig-grubige  Lücken  in  das 
Parenchym  fressen.  Später  verlassen  sie  durch  eine  runde,  aus 
der  Epidermis  ausgenagte  Oeffnung  die  Mine  und  begeben  sich 
an  diesem  oder  einem  andern  Blatt  an  die  Spitze  oder  den 
Rand,  und  machen  sich  da  sonderbare  "Wohnungen  zurecht. 
Die  einen  biegen  blos  den  Blattrand  um  und  heften  ihn  dann 
mit  ihren  gesponnenen  Fäden  an  der  Blattfläche  an,  und  in  der 
so  gebildeten  halbmondförmigen  Höhle  fressen  sie  das  Parenchym 
mit  Schonung  der  äusseren  Epidermis.  Auch  die  Excremente 
bleiben  in  der  gleichen  Höhle,  meist  in  einer  geraden  schmalen 


—    44    — 

Linie  angehäuft.  Ist  die  erste  Höhle  ausgeweidet,  so  machen 
sie  an  einer  andern  Stelle  desselben  oder  eines  andern  Blatts 
eine  zweite,  wohl  auch  dritte,  und  fressen  nie  frei  an  der  Ober- 
fläche des  Blatts.  Andere  Arten  machen  sich  zierliche  Duten 
aus  einem  Theil  des  Blatts,  die  sie,  wenn  die  Innenseite  aus- 
gefressen ist,  ebenfalls  verlassen,  um  eine  grössere  anzulegen 
und  endlich  in  einem  glatten  ovalen  Cocon  sich  einzupuppen 
(an  einem  dürren  Blatt,  zwischen  Baumritzen  etc.).  Eine  Art, 
die  an  Liguster  lebt,  verpuppt  sich  regelmässig  in  der  Dute, 
und  eine  andere  verbleibt  bis  zur  Einpuppung  in  der  ursprüng- 
lichen Mine.  Die  Larven  der  Gracilaria  syringeUa  leben  in 
ihrer  Jugend  gesellig  in  einer  Mine  des  Blatts,  und  machen 
nachher  auch  gesellig  durch  Einbiegen  und  Aufrollen  der  Blatt- 
spitze eine  gemeinschaftliche  papierrollenartige  Wohnung.  Von 
dieser  Familie  erzog  ich  hier  18  verschiedene  Arten. 

Lassen  Sie  uns  nun  einige  Minirraupen  betrachten,  welche 
bis  zur  Verpuppungszeit  oder  bis  zum  Auskriechen  des  Schmet- 
terlings in  Minen  wohnen.  Die  grösseren  davon,  wie  Grapholitha 
nanana  und  comitana,  die  an  Fichtennadeln,  Acrolepia  pyg- 
maeana,  die  an  Solanum  dulcamara,  Atemelia  iorquatella,  die 
an  Birken,  Gelechia  hermannella  und  naeviferella ,  die  an 
Chenopodien  miniren,  und  viele  andere,  bewohnen  eine  Mine 
nur  eine  Zeitlang,  um  später  in  demselben  oder  einem  anderen 
Blatte  eine  neue  mit  fortschreitendem  Wachsthum  der  Raupe 
auch  grösser  ausfallende  Mine  anzulegen.  Die  vollkommenen 
Minirer  der  kleineren  Gattungen  LithocoUctis,  Nepticula,  Ti- 
scheria, Lyonetia  etc.  pflegen  nur  eine  einzige  Mine  zu  machen, 
in  welcher  sie  sich  entweder  verpuppen,  oder  welche  sie  erst 
vor  der  Einpuppung  verlassen.  Das  Leben  innerhalb  der  Minen, 
die  Anlage  und  der  Bau  derselben,  sowie  ihre  Form  und  Aus- 
breitung am  Blatt  bietet  vieles  Bemerkenswerthe  dar.  Die  meisten 
dieser  Thierchen  lassen  ihrcExcremente  in  der  Mine  stecken,  andere, 
wie  Bcdellia,  Tischeria  etc.  entleeren  ihren  Kotli  durch  eine  eigene 
zu  diesem  Zweck  angelegte  Oefi'nung  in  der  Epidermis.  Einige 
miniren  gesellig,  wie  Atemelia  torquatello ,  Lyonetia  prxmi- 
foliella;  erstere  verfertigen  sich,  nachdem  ein  Blatt  ausgehöhlt 


-    45    - 

ist,  ein  lockeres  verworrenes  Gespinnst  bis  zu  einem  andern 
Blatt  und  bohren  sich  dann  in  dieses  ein ;  je  grösser  sie  werden, 
um  so  mehr  zerstreut  sich  die  Gesellschaft,  so  dass  man  im 
Herbste  öfters  Einzelwohnuugen  antrifft.  Zur  Zeit  des  Bl.ätter- 
falls  machen  sich  diese  Raupen  ein  flaches  rundes  Cocon  in  der 
Blattmine  und  überwintern  in  dieser  geschützten  Wohnung.  Mit 
der  ersten  Frühjahrwärme  verlassen  sie  den  Cocon,  kriechen 
an  einem  Strauch  oder  Halm  in  die  Höhe  und  verpuppen  sich 
in  einem  dürftigen  lockeren  Gespinnst. 

Sehr  zahlreich  ist  das  Heer  der  kleinen  Minirer  aus  den  Gat- 
tungen Lithocolletis,  Nepticula,  Phyllocnistis,  Tischeria,  Lyonetia, 
Cemiostoma,  Flachist a  etc.  Die  einen  davon  verlassen  zur 
Verpuppung  ihre  Mine,  andere  erst  bei  der  Entwicklung  des 
Schmetterhngs.  Die  Tischerien  machen  in  ihre  flache,  weit  aus- 
gebreitete Wohnung  eine  oder  mehrere  klappenartige  Oeffnungen 
zur  Entleerung  des  Koths,  und  eine  Art  davon  spinnt  sich 
ein  dichtes  seidenes  uhrglasförmiges  Dach  im  Centrum  ihrer 
Mine,  gerade  gross  genug,  um  in  zusammengebogener  Stellung 
darunter  zu  ruhen.  Bei  jeder  Beunruhigung  und  unsanfter  Be- 
rührung des  Blattes  zieht  sich  die  am  Rande  der  Mine  fressende 
Raupe  alsbald  unter  dieses  Schutzdach  zurück,  wo  sie  wahi'- 
scheinlich  vor  dem  Stachel  der  schmarozenden  Hymenopteren 
sicherer  ist.  Von  Tischerien  fand  ich  um  Kochendorf  4  Arten^ 
darunter  die  vor  wenigen  Jahren  von  Herrn  v.  Heinemann  in 
Braunschweig  entdeckte  Tischeria  Heinemanni  Staudinger. 

Die  Lithocolletis-Raupen  machen  flach  ausgebreitete  Minen 
auf  der  Ober-  oder  Unterseite  der  Blätter  von  Bäumen  und 
Sträuchern  (selten  von  Kräutern),  wobei  sie  die  losgetrennte  Epi- 
dermis mit  zartem  Gespinnst  überspinnen,  das  dann  durch  Ver- 
schrumpfen das  Blatthäutchen  zusammenzieht  und  das  Blatt  an 
dieser  Stelle  zu  einer  erhabenen  Falte  zusammenbiegt.  In  die- 
ser geräumigen  Höhle  häufen  sie,  um  ihr  übriges  Haus  reinlich 
zu  halten,  ihre  Excremente  in  einem  besondern  Klumpen  auf, 
und  legen  gegen  das  andere  Ende  der  Mine^  wenn  sie  zur  Ver- 
puppung sich  anschicken,  ein  mehr  oder  weniger  vollständiges 
Cocon  an,  von  welchem  aus  beim  Ausschlüpfen  die  Puppe  ihre 


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Wohnung  mit  dem  scharf  zugespitzten  Kopfende  durchbricht. 
Die  leere  Hülse  bleibt  nach  der  Entwicklung  des  Schmetterlings 
in  der  Spalte  stecken.  Ich  bekam  bis  jetzt  durch  Raupenzucht 
in  hiesiger  Gegend  32  Spccies  dieses  Genus,  welche  Zahl  mit 
der  Zeit  vielleicht  noch  um  3 — 4  in  hiesiger  Gegend  und  um 
5 — 8  für  Württemberg  überhaupt  steigen  könnte. 

Andere  Minirr aupen  machen  längliche  oder  ganz  schmale 
bandförmige  Minen  oder  Gänge,  indem  sie  das  Parenchym  des 
Blatts  nur  nach  einer  Richtung  so  breit  herausfressen,  dass  der 
nachfolgende  Körper  bequem  Platz  in  der  Lücke  findet.  Die 
Cemios^owia* Raupen  erzeugen  aber  dennoch  eine  flache  Mine, 
indem  sie  in  Spiralgängen  fortfressen,  so  dass  der  äussere  Gang 
sich  jedesmal  an  den  zunächst  liegenden  inneren  auschliesst, 
wobei  nur  die  Richtung  der  zurückgelassenen  Kothstreifen  den 
ganzen  Gang  der  Raupe  während  seiner  Lebenszeit  andeutet. 
Einfache  gewundene  Gänge,  oft  in  abenteuerlichen  Formen,  die 
zum  Theil  auch  durch  die  Richtung  der  Blattnerven  bestimmt 
sind,  machen  die  Lyonetien,  ElacMsten  und  Nepticulen;  beson- 
ders bei  letzteren  ist  das  Studium  der  Minirwohnungen  anziehend, 
da  jede  Art  ihren  besonderen  Typus  in  der  Anlegung  der  Gänge 
und  in  der  Ablagerung  der  Excremente  in  denselben  einhält. 
Die  Reihen  der  letzteren  bilden  oft  sehr  zierliche  Zeichnungen_, 
wie  z.  B.  Nepticula  oxyacantliella  ihre  Excremente  in  Form 
einer  Reihe  von  Fächern,  die  sich  wie  concentrische  Bögen  folgen, 
absondert;  andere  Arten  setzen  eine  zusammenhängende  Strasse 
von  Koth  ab,  welche  wie  ein  schwarzer  Faden  die  Mitte  des 
Minengangs  durchzieht,,  während  die  Ränder  frei  und  durchschei- 
nend bleiben.  Die  meisten  Arten  der  hieher  gehörigen  Minir- 
geschlechter  verlassen  zum  Einpuppen  ihre  Mine,  indem  sie  am 
breiten  Ende  derselben  in  das  Blatthäutchen  einen  feinen  halb- 
kreisförmigen Schnitt  hincinbeissen,  und  sich  dadurch  eine  ela- 
stisch schliesscnde  klappenförmigc  Thüre  anlegen.  Die  Nepticulen 
verwandeln  sich  dann  in  zierlichen  flachen  ovalen  Cocons  am 
Boden  oder  an  Zweigen  und  Stämmen ,  zwischen  Blättern  etc.  *), 

*)  Einzelne  Nepticula-Arten  verpuppen   sieb  innerhalb   der  Mino, 


—    47     - 

•während  die  Lyonetien  ein  nach  Art  einer  Hängematte  an  vier 
Fäden  frei  hängendes  Gespinnst  anfertigen,  und  die  Elachisten, 
welche  nur  an  Gräsern  miniren,  eine  an  Form  den  Tagssclimet- 
terlingspuppen  ähnliche  frei  hängende  Puppe  haben.  Yom  Genus 
Lyonetia  und  Phyllocnistis  beobachtete  ich  in  der  Kochendorfer 
Gegend  bis  jetzt  je  zwei,  von  Cemiostoma  drei,  von  Elachista 
vier  Species.  Yon  letzterem  zahlreichen  Genus  Hesse  sich  mit 
der  Zeit  durch  eifriges  Suchen  wohl  eine  namhafte  Zahl  Arten 
in  Württemberg  auffinden;  von  Nepticula  beobachtete  ich  drei- 
unddreissig  Arten. 

Es  liesse  sich  noch  vieles  über  die  Lebensweise  der  Minir- 
raupen  anführen,  ich  begnüge  mich  aber  damit,  noch  über  die 
Eier  derselben  eine  Beobachtung  beizusetzen^  da  ich  über  diesen 
Punkt  in  der  Literatur  nichts  auffinden  konnte.  Von  allen  mi- 
nirenden  Schaben  pflegen  die  Eier  fest  auf  das  Blatt  an  der 
Stelle  angeklebt  zu  werden,  wo  der  Gang  später  seinen  Anfang 
nimmt.  Die  Stelle  ist  bei  den  in  linienförmigen  Gängen  miniren- 
den  Arten  leicht  aufzufinden,  da  sie  eben  das  dünnste  Ende  des 
Ganges  bildet;  bei  den  in  flachen  Minen  lebenden  Arten  muss 
die  ganze  Fläche  der  Mine  nach  dem  Ei  untersucht  werden. 
Unter  einer  scharfen  Loupe  entdeckt  man  dann  meistens  ein 
durchscheinendes  rundes  oder  ovales  uhrglasförmiges  Bläschen 
mit  gefärbtem  dickerem  Rande,  bald  auf  der  Unter-,  bald  auf 
der  Oberseite  des  Blattes,  nicht  immer  der  Seite  des  Ganges 
entsprechend,  im  Allgemeinen  meist  auf  der  Unterseite.  Dieses 
hohle  seifenblasenartige  durchsichtige  Bläschen  ist  aber  offenbar 
nicht  die  entleerte  Eihülle,  sondern  ein  erhärteter  Klebstoff,  der 
beim  Legen  des  Eies  dasselbe  umgibt  und  fest  an  das  Blatt  an- 
Tiittet.  Die  Eihülle  selbst  wird  ohne  Zweifel,  wie  bei  den  Rau- 
pen grösserer  Schmetterlinge,  nach  dem  Ausschlüpfen  meist  ver- 
zehrt, und  nur  der  erhärtete  Kitt  bleibt  als  die  beschriebene 
JBlase  zurück.     Eine  ähnliche  Bildung  beobachtete  ich  einmal  an 


bei  manchen  erweitert  sich  der  schmale  Gang  nach  kurzem  Verlauf  zu 
einer  breiten  Fläche.  Derartige  Abweichungen  vom  allgemeinen  Typus 
liess  ich  in  obiger  Skizze  unberücksichtigt. 


-    48    — 

einem  Ahornblatt,  auf  welchem  ein  aus  halbdurchsichtigen  zel- 
lenartig aneinandergereihten  Polygonen  bestehender  glasartiger 
Fleck  auf  der  Oberseite  zu  bemerken  war.  Ich  nahm  das  Blatt 
nach  Haus,  und  nach  einigen  Tagen  schlüpften  gegen  l'O  Räup- 
cheu  aus  den  5—6  eckigen  glasigen  Zellen  aus,  welche  offenbar 
die  erhärteten  Tröpfchen  des  die  Eier  umgebenden  KlebestofFs 
waren.  Ich  konnte  leider  die  ßäupchen  nicht  am  Leben  erhal- 
ten, vermuthe  aber,  dass  sie  der  Gelechia  scriptella  angehörten, 
deren  Raupen  ich  an  der  Fundstelle  der  Eier  öfters  beobachtet 
habe. 

Wenn  diese  wenigen  Proben  aus  dem  Leben  der  Microle- 
pidopterenlarven  Ihnen  gezeigt  haben ,  welch  reiches  Feld  der 
Beobachtung  diese  Thierclasse  darbietet,  und  wenn  sich  dadurch 
einige  unter  Ihnen  angeregt  fühlen_,  dieses  Feld  in  der  Gegend 
Ihres  Wohnortes  zu  cultiviren  und  zu  einiger  Vollständigkeit  in 
der  Bearbiitung  einer  württembergischen  Fauna  der  Microlepi- 
doptereu  Beiträge  zu  liefern^  so  habe  ich  meinen  Zweck  erreicht. 

lieber  technische  Yortheile  bei  der  Zucht  aus  Raupen  und 
beim  Aufspannen  und  Aufbewahren  der  vollendeten  Insecten  bin 
ich  den  Einzelnen  gerne  Auskunft  zu  geben  bereit,  oder  werde, 
wenn  es  gewünscht  wird_,  meine  Methode  des  Spannens  in  unse- 
rer Zeitschrift  ausführlich  beschreiben. 

II.  Prof.  Dr.  Reusch  in  Tübingen  sprach  über  singende 
Flammen  und  zeigte  Experimente  in  einer  Glasröhre  und  lan- 
gen Blechröhre. 

III.  Professor  Dr.  Oscar  Fr  aas  hielt  einen  Vortrag  über 

die  neuesten  Erfunde  an  der  Schüssen  quelle  bei  Schussen- 

r  i  e  d.  *) 

(Hiezu  Tafel  II.) 

*)  Professor  Fraas  war  unmittelbar  von  Scluissenried,  wo  Tags 
zuvor  dio  Ausgrabungen  boemligt  wurden,  zu  der  Versammlung  gereist 
und  hielt  den  Vortrag  unter  dem  unmittelbaren  Eindruck  der  eben 
vollendetL'U  Arbeit.  Nachstehendes  wurde  einige  Wochen  später  nach 
näherer  Untersuchung  der  Funde  niedergeschrieben  und  der  Gegen- 
stand ausführlicher  behandelt. 


—    49    - 

Um  über  das  Alter  und  die  Urgeschichte  des  Menschenge- 
schlechtes, diese  brennende  Frage  so  vieler  wissenschaftlichen 
Bestrebungen  zu  irgend  einem  Resultate  zu  kommen,  haben 
neuerdings  Archäologen  und  Paläontologen  im  Bunde  einen 
wahren  Wettlauf  begonnen ,  bei  dem  sich  das  Ziel  einer  endgil- 
tigen  Lösung  der  Frage  freilich  in  immer  weitere  Fernen  hinaus-  - 
rückt.  Man  spricht  bereits  von  Benthier-Menschen,  Höhlenbär- 
und  Mammuth -Menschen,  um  unter  diesen  Namen  diejenigen 
Menschen  zu  begreifen,  deren  Reste  mit  Renthier,  Höhlenbär 
und  Mammuth  unzweifelhaft  gleichzeitig  in  der  Erde  begraben 
wurden.  Wie  wenig  wir  aber  sonst  über  sie  zu  sagen  wissen, 
geht  schon  daraus  hervor,  dass  wir  sie  nicht  anders  zu  charak- 
terisiren  im  Stande  sind,  als  durch  das  Epitheton  eines  gleich- 
zeitig gelebt  habenden  Thieres.  Bei  der  grossen  Seltenheit 
derartiger  Funde  ist  jeder  sichere  und  zuverlässige  Beitrag 
von  Werth  und  bedarf  es  keiner  weiteren  Worte,  um  dem  Fund- 
platz von  Schussenried  unter  den  bekannteren  Fundplätzen  Eu- 
ropa's  den  ihm  gebührenden  Ehrenplatz  einzuräumen.  Der  Werth 
dieses  Platzes  wird  in  den  Augen  jedes  Sachkenners  dadurch 
noch  erhöht  werden,  dass  er  vom  Anfang  seiner  Entdeckung 
an  bis  zum  Ende  der  Ausgrabung  unter  der  streng  controliren- 
den  Aufsicht  von  Mitgliedern  unseres  Vereines  stund,  dass  fer- 
ner sein  ganzer  Inhalt  ausnahmslos  in  Eine  Hand  gelangte,  kei- 
nerlei Verschleuderungen,  wie  d-as  sonst  wohl  so  geht,  an  Samm- 
ler und  Liebhaber  statt  hatten  und  endlich  die  Durchwühlung 
der  Culturschichte  durch  die  Hände  zuverlässiger,  mit  derartigen 
Arbeiten  vertrauter  Männer  vorgenommen  wurde.  Der  Leser 
darf  somit  ein  durchaus  vollständiges  Bild  der  Fundgrube  er- 
warten, vollständig  —  sofern  Alles,  was  in  derselben  lag,  zur 
Untersuchung  beigezogen  werden  konnte,  vollständig  ferner  — 
sofern  die  Grube  ein  für  sich  abgeschlossenes  Ganzes  bildete, 
wenn  sie  auch,  wie  die  Untersuchung  zeigt,  nur  eine  Art  Ab- 
fallgrube  oder  Kehrichthaufen  war.  Das  Bild,  das  der  Leser 
gewinnen  soll,  wird  ihm  aus  dem  Sumpfe  des  Schussenweihers 
eine  Zeit  und  ein  Klima  vor  Augen  führen,  die  seither  als  geo- 
logische Periode  des  sogenannten  Diluviums  oder  der  Eiszeit  an- 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     Is  Heft.  4 


-    50    - 

erkannt  war,  die  aber  jetzt  in  Folge  der  zahlreichen  Spuren 
von  Menschenhänden   in   die  Zeit  der  Menschheit  sich  verlegt. 

In  erster  Linie  soll  meine  Aufgabe  sein,  ausführlich  die 
geognostischen  Verhältnisse  darzulegen,  um  allen  und  je- 
den Zweifel  abzuschneiden,  als  ob  vielleicht  die  üeberreste  älterer 
vormenschlicher  Zeiten  sieh  mit  den  Resten  späterer  Menschen- 
zeit in  Folge  irgend  eines  zufälligen  Naturereignisses  oder  gar 
in  Folge  späterer  Grabarbeiten  mit  einander  vermengt  haben 
könnten.  Glücklicherweise  sind  dort  die  natürlichen  Lagerungs- 
verhältnisse so  deutlich  und  überzeugend,  dass  keinem  Menschen 
mit  gesunden  Sinnen  und  vorurtheilsfreiem  Blick  derlei  Gedanken 
kommen  können,  wie  denn  auch  ein  jeder  der  zahlreichen  Be- 
sucher der  Schussenquellen,  die  im  Laufe  des  Herbstes  1866  da- 
von Einsicht  nahmen,  durch  einfache  Anschauung  der  überlagern- 
den Schichten  die  feste  Ueberzeugung  mitnahm ,  hier  eine  voll- 
kommen klare,  ruhige,  durchaus  ungestörte  und  ursprüngliche 
Ablagerung  vor  sich  zu  haben. 

Die  Fundgrube  an  der  Schussenquelle  versetzt  uns  an  die 
grosse  europäische  Wasserscheide,  die  sich  von  der  Adel- 
egg her  auf  wunderlichen  Wegen  durch  das  oberschwäbische 
Flachland  der  Moore  und  Riede  hindurchschlängelt,  um  die 
Quellen  der  Donau  zu  umgehen  und  dann  vom  Schwarzwalde 
her  den  Nordrand  der  Alb  zu  gewinnen.  20  Minuten  nördlich 
der  früheren  Prämonstratenser -Abtei  Schussenried  und  30  Mi- 
nuten vom  Bahnhof  entfernt,  entspringt  die  Schüssen,  die  in 
raschem  Lauf  über  Ravensburg  (1483')  in  südlicher  Richtung 
dem  Bodensee  (1370')  zueilt,  den  sie  nach  gerade  11  stündigem 
Laufe  erreicht.  Das  Niveau,  in  welchem  noch  vorigen  Jahres 
die  Schüssen  entsprang,  war  2011,5  württemb.  Fuss  ü.  d.  M., 
ein  Niveau,  das  durch  künstliche  Stauung  der  Quelle  in  einem 
kleinen  Weiher  um  sieben  Fuss  höher  gestellt  werden  konnte^ 
nehmlich  auf  2018,2  Fuss.  Der  Weiher  —  der  unter  dem 
Namen  des  oberen  Schusscnweilicrs  lauft  —  stammt  aus  den 
Zeiten  des  Klosters  und  ward,  wie  noch  die  Sage  geht,  zum 
Zwecke  der  Forellenzucht  von  den  Mönchen  angelegt,  wie  denn 
auch  heutzutage  noch  die  obere  Schüssen    ein  Forellenbach  ist. 


-    51    — 

Der  Schussenweiher  liegt  im  Hintergrnnd  eines  gegen  40'  hohen 
amphitheatralisch  die  Quelle  umschliessenden  Kiesrückens,  der  sich 
flach  gegen  Norden  hin  abdacht  und  mit  seiner  Höhe  die  Was- 
serscheide zwischen  Eiss  und  Schüssen  bildet.  Nördlich  dieser 
Wasserscheide  und  zwar  kaum  über  tausend  Schritte  von  dem 
Abfall  des  Kiesrückens  zur  Schussenquelle  entfernt  beginnt  die 
grosse  Moor-  und  Torffläche,  die  sich  vom  Steinhauser  Ried  zum 
Federsee  hinzieht.  Das  Grundwasser  dieser  Moorfläche,  zugleich 
der  Wasserspiegel  des  im  Centrum  der  Moore  liegenden  Feder- 
sees stellt  sich  auf  2010  w.  Fuss.  Die  unbedeutende  Difi'erenz 
von  15  Zoll,  um  welche  die  Schussenquelle  höher  angenommen 
wurde,  als  der  Federsee,  hat  ihren  Grund  darin,  dass  bei  der 
ersteren  der  Lattenaufsatz  auf  der  Oberfläche  der  Abzugsdohle 
als  Weihersohle  angenommen  wurde.  Es  wird  daher  von  einer 
Differenz  des  Wasserniveaus  auf  beiden  Seiten  der  Wasserscheide 
ganz  abgesehen  werden  können,  und  darf  man  sagen,  dass  die 
Quellbassins  für  Riss  und  Donau,  wie  für  Schüssen  und  Rhein 
sich  im  Lauf  der  Zeit  vollständig  in's  Niveau  gesetzt  hatten. 
Solches  ist  auch  a  priori  kaum  anders  denkbar,  da  das  Gebirge, 
das  beide  Quellgebiete  trennt,  aus  durchlassendem  Kies  und  Sand 
besteht  und  eine  Höherstellung  des  Wassers  auf  der  einen  oder 
andern  Seite  nicht  dulden  würde.  So  waren  die  natürlichen  hy- 
drographischen Verhältnisse  bis  zum  Jahr  1856,  da  die  K.  Fi- 
nanzverwaltung  die  Entwässerung  des  Steinhauser  Riedes  be- 
schloss,  um  den  Torf  zu  gewinnen  und  die  Locomotiven  der 
Südbahn  mit  Brennmaterial  zu  versorgen.  Zu  dem  Ende  wur- 
den 2  Hauptgräben  gezogen;  der  Riedschachengraben ,  der  das 
Moor  gegen  Norden  und  der  äussere  Riedgraben,  der  es  gegen 
Süden  begrenzt.  Rechtwinklich  auf  diese  Abzugscanäle  führen 
von  der  Mitte  des  Riedes  aus  die  Gräben.  Die  beiden  grossen 
Abzugscanäle  sind  auf  12'  Tiefe  angelegt,  der  äussere  Ried- 
graben im  reinen  Kies,  der  Riedschachengraben  zeigt  über  dem 
Kies  noch  fein  verwaschenen  Kies  mit  Kalktuff  gemengt  und 
einen  schwachen  Deckel  von  Torf.  Beide  Canäle  vereinigen 
sich  bei  der  Pfahlnummer  11,  auf  die  bei  den  nachfolgenden 
Rechtsstreitigkeiten    zwischen    den    Wasserberechtigten    an    der 


—    52    - 

Schüssen  und  der  Königlichen  Finanzverwaltung  oftmals  Bezug 
genommen  wurde.  Die  Pfahlnummer  11  ist  -von  der  Schussen- 
quelle  gerade  5000  w.  Fuss  entfernt.  Die  Entwässerung  des 
Riedes  ging  vor  sich,  und  floss  das  Riedwasser  nunmehr  in  den 
Federbach,  in  Riss  und  Donau  ab.  Aber  nicht  blos  die 
Riedwasser  flössen  ab,  sondern,  worauf  die  Wasserwerk- 
besitzer an  der  Schüssen  zum  Voraus  bedenklich  aufmerksam 
machten,  auch  die  "Wasser  der  Schussenquelle.  Zu  An- 
fang der  60er  Jahre  schon  verloren  der  Müller  von  Schussenried 
und  das  dortige  Hüttenwerk  sehr  auffällig  von  ihrem  seitheri- 
gen Wasser,  und  nahm  der  Verlust  von  Jahr  zu  Jahr  so  zu, 
dass  der  Müller  schon  im  Begriff  war,  seine  Mühle  zu  schliessen 
und  das  K.  Hüttenwerk,  um  den  Ofen  nicht  kalt  zu  legen,  sich 
genöthigt  sah,  eine  Dampfmaschine  aufzustellen  und  die  verlorene 
Wasserkraft  durch  Dampfkraft  zu  ersetzen.  Die  Beschwerden 
und  Klagen  des  Müllers  der  K.  Finanzverwaltung  gegenüber 
waren  vergeblich,  die  Wasser  wie  es  schien  verloren,  die  Sache 
des  Müllers  vom  Hüttenwerk  verlassen  —  aber  trotzdem  wagte 
er  noch  einen  letzten  Versuch  und  zwar  durch  Selbsthülfc  wieder 
zu  seinem  Wasser  zu  kommen.  „Kann  mein  Wasser",  calculirte 
der  Müller  viel  vernünftiger  als  der  Staatstechniker,  „zu  dir 
hinüberfliessen,  wenn  du  drüben  12  Fuss  tief  abgräbst,  so  kann  wohl 
auch  dein  Wasser  zu  mir  herüberkommen,  wenn  ich  hüben  noch 
tiefer  abgrabe  als  blos  12  Fuss."  Und  siehe  da,  frisch  gewagt  war 
halb  gewonnen.  Im  Jahr  1865  fing  Herr  Käs  von  Schussenried 
an,  seinen  Mühlgraben  tiefer  zu  legen  und  das  mögliche  Gefäll 
benützend  der  Schussenquelle  immer  näher  zu  rücken,  die  denn 
auch  im  Laufe  des  Frühjahrs  18G6  glücklich  unterfangen  wurde 
und  um  14'  9"  b'"  tiefer  gelegt  werden  konnte.  Die  Erwartun- 
gen des  Müllers  wurden  glänzend  gerechtfertigt  und  der  unter- 
nehmende Mann  für  seine  bedeutenden  Ausgaben,  die  er  an  das 
Werk  rückte,  reichlich  belohnt:  mehr  als  jemals  früher  fliesst 
jetzt  der  Mühle  Wasser  zu,  denn  nicht  blos  kehrten  die  ab- 
trünnig gewordenen  Schusseuwasser  wieder  zu  ihrer  Pflicht  zu- 
rück, gegen  den  Rhein  hin  zu  fliessen,  sondern  zeigten  auch 
einem  Theil    der   Riedwasserquellen    den    neuen   Weg.      Durch 


-    53    - 

den  äusseren  Riedgraben  aber  fliesst   nahezu   gar  kein  "Wasser 
mehr  ab. 

Die  Tieferlegung  der  Schussenquelle  ward  durch  einen  meh- 
rere 100'  langen  und  bis  zu  19'  tiefen  Graben  zu  Stande  ge- 
bracht, der  in  gerader  Linie  den  früheren  unteren  Schussenweiher 
durchschneidet,  anfangs  durch  Moorgrund  und  TufFsand  führt, 
hernach  aber  im  glacialen  Kies  einschneidet  und  auf  die  frühere 
Ablassdohle  des  obern  Schussenweihers  losgeht.  Es  rinnt  hier 
von  allen  Seiten  das  "Wasser  aus  dem  angeschnittenen  Kies  in 
den  Graben,  in  besonderer  Stärke  aber  am  Ende  des  Grabens 
aus  dem  Kiesrücken  der  "Wasserscheide.  Die  Quellen,  die  sich 
früher  15'  hoch  durch  den  Kies  heraufdrücken  mussten,  fanden 
jetzt  Luft  und  ergossen  sich  in  reichlicher  Fülle.  Durch  diese 
erfreulichen  Resultate  aufgemuntert  zog  nunmehr  Herr  Käs 
rechtwinklich  auf  den  Kanal  einen  weitereren  Graben  von  der 
gleichen  Tiefe  durch  den  Grund  des  oberen  Schussenweihers. 
Bei  diesem  Zuleitungsgraben  ging  der  Kies  nach  einigen  Ruthen 
Ächon  aus,  man  fuhr  in  Tuff  und  Torf  ein  und  gelangte  unter 
demselben  auf  einen  schwarzblauen  zähen  Schlamm,  auf  eine, 
wie  sich  bald  herausstellte,  sog.  Cultur schichte,  eine  4 — 5' 
mächtige  Ablagerung,  die  aus  zahlreichen  Knochen  und  Kno- 
chenresten, Geweihstücken,  bearbeiteten  Beinwerkzeugen,  Feuer- 
stein-Messern und  anderen  Spuren  menschlicher  Cultur  bestund, 
sammt  und  sonders  eingebettet  in  wohlerhaltenes  Moos,  das 
mit  "Wasser  getränkt,  sicherlich  seit  den  Zeiten  seines  "Wachs- 
thums  nie  trocken  gelegt  war,  und  mit  seiner  "Wasserfülle  zur 
Erhaltung  der  organischen  Reste  beitrug.  Ohne  Verzug  nahm 
sich  nun  der  Funde  Herr  Apotheker  "Valet  von  Schussenried  an  und 
sandte  im  Laufe  des  Sommers  1866  eine  Kiste  voll  Geweihe 
und  Knochen  dem  Verein  für  vaterl.  Naturkunde  ein.  So  wur- 
den die  aus  Anlass  der  Tieferlegung  der  Quelle  zufällig  gemach- 
ten Funde  durch  Herrn  Valet  der  "Wissenschaft  gerettet  und 
Veranlassung  gegeben,  einige  Zeit  darauf  zu  Anfang  und  Ende 
September  eine  Ausgrabung  eigens  für  die  genaueste  Durch- 
suchung der  Culturschichte  zu  veranstalten.  Die  Ausgrabung 
selbst  nahm  ich  im  Auftrag  der  Direction  des  K.  Naturalienca- 


--    54    - 

binets  selbst  in  die  Hand,  unterstützt  von  Herrn  Oberstudienrath 
Hassler,  dem  Couservator  für  Landcsalterthümcr.  Diess  die  hi- 
storische Einleitung,  absichtlich  etwas  ausführlich  behandelt,  da 
die  hydrographischen  Verhältnisse  an  und  für  sich  manches  In- 
teresse bieten  mögen. 

Figur  I  auf  Tafel  H  gibt  eine  Ansicht  dos  Grabenschlitzes 
in  der  Sohle  des  alten  Weihers,  dessen  nunmehr  trocken  geleg- 
ter Boden  von  dem  gemeinen  Schilfrohr  (Phragmites  communis 
Trin.J  dicht  überdeckt  ist.  Die  Ansicht  zeigt  zugleich  das  Ende 
des  Grabens,  der  am  Berge  resp.  dem  Kiesrücken  der  Wasser- 
scheide angekommen  ist.  Auf  der  Sohle  des  Grabens  brachen 
starke  Quellen  aus.  Ein  lichtes  4 — 5'  breites  Band  von  Tuff- 
sand zieht  sich  vom  Tag  anfangs  flach  und  dann  plötzlich  steil 
zui"  Tiefe  und  hat  sehr  augenfällig  im  Liegenden  Kies,  im 
Hangenden  Torf.  Das  geognostische  Profil  in  Figur  H  soll  das 
Bild  weiter  veranschaulichen.  Zuoberst  liegt  in  der  gewöhnlichen 
Mächtigkeit  der  Gegend  der  Torf,  derselbe  Torf,  der  südlich  im 
Bette  des  unteren  Schussenweihers  und  im  Mangenweiher  den 
Grund  der  Erdoberfläche  bildet,  im  Osten  gegen  die  Moore  des 
Olzreuter  Sees  sich  hinzieht  und  gegen  Norden  über  die  weite 
Fläche  der  Buchaue^  Moorgründe  sich  ausbreitet.  Der  Torf  liegt 
in  der  ganzen  Gegend  auf  einem  Art  Tuffsand,  auch  Alm  ge- 
nannt, dem  Kalkniederschlag  aus  den  kalkhaltigen  Wassern, 
gemengt  mit  dem  fein  verschwemmten  Detritus  des  Kieses.  Torf 
und  Tuff  liegt  sofort  auf  dem  Kies.  Auf  unserem  Profil  wird 
zugleich  das  Anlehnen  des  Torfes  an  den  Kiesrücken  der  Was- 
serscheidesichtbar, der  über  die  ganzeFläche  des  Torfes  hervorragt. 

Den  Torf,  über  den  weiter  Nichts  zu  bemerken  ist,  unter- 
teuft ein  4 — 5'  mächtiges  Lager  von  Kalktuff,  der  nur  an  Einer 
Stelle,  da  reichlicher  Wasser  quillt,  sich  zu  festerem  Tuff  erhär- 
tet hat,  sonst  aber  aus  feinem,  schwimmenden  Sande  besteht. 
Dieser  Tuffsand  ist  bald  blendend  weiss,  aus  reinem  kolilensaxi- 
ren  Kalk  bestehend,  bald  zeigt  er  einen  Stich  ins  Üokorgolbo 
und  ist  an  vielen  Stellen  durch  Schmitzen  von  Eisenoxydhydrat 
braun  marmorirt.  Er  unterscheidet  sich  in  keiner  Weise  von 
anderweitigen  Tuffbildungen,   die   heute  sich   an  Gehängen  nie- 


-    55    - 

derschlagen,  wo  kalkhaltige  Wasser  rieseln,  und  ist  das  unver- 
kennbare Produkt  derselben  Wasserquellen,  die  dem  Kiesrücken  ent- 
springen und  zur  Schussenquelle  sich  vereinigen.  Durch  Schlem- 
men und  Trocknen  des  Sandes  lassen  sich  mehrere  Arten  von 
Landschnecken  sammeln,  welche  den  Tuff  in  das  Alter  des  Lehms 
und  anderer  sogen,  diluvialer  Gebilde  stellen. 

Helix  pulchella  Drajy. 
„     hispida  Linn. 

Achatina  lubrica  Merk. 

Clausilia  obtusa  Pf. 

Pupa  muscorum  Nils. 

PiskUum  fontinale  Pf.  sind  die  gleichen  Arten,  die  wir 
aus  den  Tuffen  und  Lehmen  am  Sulzerrain  bei  Cannstatt  besitzen. 

Tom  Tuffe  scharf  getrennt  liegt  eine  dunkelbraune  Moos- 
schiehte  mit  einem  Stich  ins  Grüne,  die  auf  der  östlichen 
(rechten)  Seite  des  Profils  über  dem  Tuff,  auf  der  westlichen 
(linken)  Seite  unterhalb  der  Tuffbank  sich  hinzieht ,  und  durch 
die  vortreffliche  Erhaltung  des  Mooses  überrascht,  das  so  gut 
■wie  ein  lebendes  noch  eingelegt,  getrocknet  und  bestimmt  werden 
kann.  Die  genauere  Untersuchung  dieser  für  die  richtige  An- 
schauung von  dem  früheren  '  Clima  höchst  wichtigen  Pflanzen 
verdanken  wir  der  Gefcälligkeit  des  Herrn  Professors  Schimper 
in  Strassburg,  des  ersten  Mooskenners  unserer  Zeit.  Er  fand 
durchweg  nordische  oder  hochalpine  Formen,  ein  Re- 
sultat ,  das  auf  die  erfreulichste  Weise  zu  der  Thierwelt  stimmt, 
die  wir  aus  den  Knochenresten  kennen  lernen  werden.  Zu  oberst 
liegen  dichte  Rasenbänke  von  6  Fuss  Mächtigkeit,  die  sich  vom 
tiefsten  Grund  der  Schussenquelle  zu  beiden  Seiten  hinanziehen, 
es  ist  Hypnum  sarmentosum  Wahlenberg.  Wahlenberg  brachte 
diess  Moos  erstmals  von  Lappland  mit,  Schimper  fand  es  in 
Norwegen  bei  Sneehättan,  auf  der  Alpe  Dovrefjeld  an  der 
Grenze  des  ewigen  Schnees.  Auch  auf  den  höchsten  Bergen 
der  Sudeten  und  der  Tyroler  Alpen  (Rosskogel)  findet  es  sich, 
dessgleichen  wächst  es  in  Grönland,  Labrador  und  Canada, 
Laut  besondrer  brieflicher  Mittheilung  Schimpers  steigt  diess 
Moos  nur  auf  Spitzbergen,  Labrador  und  Grönland  in  die  Tiefe, 


-    56    - 

sonst  aber  ist  sein  Standort  in  den  Hochalpen  au  der  Schnee- 
gränze.  Am  Sneeliättan  fand  er  es  in  den  Tümpeln ,  in  welche 
das  Schneewasser  mit  seinem  feinen  Sande  abläuft,  ganze  Strecken 
überziehend.  Diese Hypnum-Art  beweist  am  allermeisten  die  niedere 
Temperatur  und  die  Nähe  von  Eis  und  Schnee  an  dem  Orte, 
wo  es  gewachsen.  Die  Culturschichte  ist  vielfach  von  handhohen 
Moosbänken  durchzogen,  die  namentlich  im  Liegenden  derselben 
den  Kies  überziehen.  DasMoos  ist  ausser  sar7nentosiim  1)  Hypnum 
adiincum  Hedw. ,  eine  schwierig  zu  entwirrende  Art,  die  unter 
einer  Menge  von  Formen  erscheint,  welche  von  der  Stammform 
mehr  oder  minder  abweichen.  Unsere  Form  vergleicht  Schimper 
mit  der  Yarietät  Ä'?i<'i/]^«  groenlandicum.  Andere  Formen  dieser 
Art  wachsen  heutzutage  in  den  Alpen  der  Schweiz  und  in  den 
sumpfigen  Ebenen  Norddeutschlands.  2)  Hypnum  fluitans  var. 
tenuissimum  heute  auf  sumpfigen  Wiesen  innerhalb  der  Alpen 
und  im  arktischen  Amerika.  Nur  einzelne  Moosschübel  sind  ohne 
Schichtung  hineingeworfen  oder  eingeklemmt  zwischen  Steinen, 
als  ob  sie  ausgediente  Lagerstätten  gewesen,  die  man  beseitigt. 
Das  meiste  Moos  aber  ist  offenbar  an  Oi't  und  Stelle  gewachsen 
und  von  Sand,  der  von  Regen-  und  Schneewasser  hereingewaschen 
wurde,  überdeckt. 

Moos  und  Sand  füllen  nehmlich  in  einer  ^Mächtigkeit  bis 
zu  5  Fuss  eine  Vertiefung  in  dem  Kies  und  bilden  zusammen 
mit  dem  Haufwerk  von  Knochen  abgeschlachteter  Thiere,  hinein- 
geworfener Steine  und  Artefakte,  was  wir  unter  dem  Ausdruck 
der  Culturschichte  begreifen.  Der  Sand,  welcher  die  Hauptmasse 
der  Culturschichte  ausmacht,  ist  ursprünglich  der  Detritus  des 
Kieses,  fein  geschlemmter  Qnarz-  und  Glimmorsand,  in  welchem 
sich  durch  die  stete  Befeuchtung  mit  kalkhaltigen  Wassern 
kohlensaurer  Kalk  in  fein  vertheilten  Körnchen  abgeschieden 
und  sozusagen  einen  Sinterüberzug  über  jedes  einzelne  Quarz- 
korn gebildet  hat.  Die  Farbe  dieser  Culturschichte  ist  die 
eines  frisch  geschöpften  Schlammes,  blauschwarz  bis  grau,  je 
nachdem  sie  durch  organische  Stoffe  geschwängert  ist,  deren 
Stickstoffgehalt  sich  durch  den  Modergeruch  hinlänglich  ankündet. 
Beim  Trocknen  lichtet  sich  die  Farbe  etwas  und   verbreitet   die 


—    57     - 

Moosschichte,  sobald  man  sie  anbricht,  jenen  eigenthümlichen 
veilchenartigen  Geruch,  wie  ihn  gewisse  Flechten  in  so  hohem 
Grade  an  sich  tragen.  Am  dunkelsten,  ja  geradezu  schwarz  fand 
sich  die  unterste  Lage  der  Culturschichte,  etwa  handhoch  über  dem 
Kies,  die  geradezu  ein  alter  Humusboden  genannt  werden  kann. 
Hier  lagen  in  grösster  Menge  die  scharfgeschlagenen  Feuer- 
steine, in  Gestalt  von  Messern  und  Lanzenspitzen ,  und  die  ab- 
gängigen Werkzeuge,  wie  Nadeln  und  Pfriemen  u.  s.  w.  Das 
genaue  Profil  der  Culturschichte  war  demnach  von  unten  nach 
oben: 

1)  hart   auf  dem  Kies  0'  4"  schwarzer,   humöser  Boden   mit 
zahlreichen  Artefakten, 

2)  0'  3"   best    erhaltene    Moosbank    vorherrschend  Hypnum 
gröiilandicum, 

3)  4'  Wechsel  von  Sand    und  Moos   mit    den  Knochenresten 
und  Geweihen.     Hauptlager, 

4)  0'  3"  torfartige  Moosschichte, 

5)  4'  Tufflager  mit  Schnecken  ohne  Moos, 

6)  6'  moderiges,  braungelbes  Moos  (vorherrschend  H.  sormen- 
tosum)  mit  vereinzelten  Knochen  und  Geweihresten, 

7)  der  Torf. 

Die  Culturschichte  füllt,  wie  das  plötzliche  Fallen  der  Lager 
ebenso  am  Längenprofil  Fig.  H  als  am  Querprofil  Fig.  III  zeigt, 
eine  ursprüngliche  Vertiefung  im  Kiese  aus.  Ob  diese  Ver- 
tiefung eine  natürliche,  von  den  Wassern  ausgespülte  Grube  war, 
oder  aber  eine  von  Menschenhand  gemachte,  lassen  wir  dahin 
gestellt.  Ich  würde  mich  bei  der  Wahl  zwischen  beiden  An- 
schauungen eher  zu  der  letzteren  hinneigen,  da  wir  nach  Aus- 
hebung der  Culturschichte  noch  einige  Versuche  da  und  dort 
im  Kiese  anstellten  und  bis  auf  1  und  V/2  Fuss  noch  im  Kiese 
Knochen-  und  Culturreste  fanden.  Dieselben  waren  aber  hier 
so  mürbe  und  bröckelig,  dass  weiteres  Nachgraben  sich  durch- 
aus nicht  lohnen  konnte.  Man  sah  ganz  deutlich,  dass  die  vor- 
treffliche Erhaltung  der  Reste  mit  dem  Moos  und  Sand  im 
engsten  Zusammenhang  stund.  Die  Moosbänke  gleichen  Wasser- 
getränkten Schwämmen,  welche  den  ohnehin  zur  Wasserhaltung 


-    58    - 

geneigten  Glimmersand  ewig  nass  und  ebendamit  alles,  was  in 
diesem  Lager  steckte,  hermetisch  von  aller  Luft  abgeschlossen 
hielt.  Sobald  aber  Sand  und  Moos  aufhörte,  im  Kies  darunter 
und  im  Tuff  darüber,  war's  mit  der  Erhaltung  aus  und  gingen 
die  organischen  Reste  zu  Grunde.  Ich  konnte  an  einigen  an 
der  Grenze  der  Moosschichte  liegenden  Geweihen  diese  Beobach- 
tung genau  machen.  So  weit  die  Geweihstange  im  Sand  und 
Moos  Stack,  war  sie  vortrefflich  erhalten,  sobald  sie  den  Tuff  oder 
Kies  berührte,  war  sie  so  mürbe  und  bröckelig,  dass  an  keine 
Erhaltung  zu  denken  war.  Eine  der  auffälligsten  Erscheinungen 
war  der  Fund  einer  starken,  halbbearbeiteten  Renthierstange,  die 
unter  einem  Gneisblock  von  vielleicht  5 — 6  Ctr.  Gewicht  lag. 
Dieser  erratische  Block  befand  sich  bereits  in  der  Nähe  des  Aus- 
gehenden der  Grube,  stund  etwas  aus  dem  Kiese  hervor  und  kam 
erst  am  Ende  der  Grabarbeiten  allmählich  zu  Tage,  nachdem 
über  ihm  und  um  ihn  herum  der  Sand  und  feine  Kies  abgegraben 
w^ar.  Er  wurde,  ohne  besondere  Absicht  ausgehoben,  da  er  zu- 
fällig einem  Wasserlauf  im  Wege  stund,  anfangs  der  Anstrengung 
der  Arbeiter  spottend,  wich  er  doch  endlich  mittelst  Hebeisen  und 
Pickel  und  siehe  da  —  ein  Instrument  aus  Renthierhorn  kam,  ob 
auch  in  2  Stücke  gebrochen,  unter  demselben  zum  Vorschein.  Diese 
Beobachtung  legte  den  Gedanken  an  alte  Menschenarbeiten  an 
diesem  Orte  nahe.  Der  Gneisblock  war  offenbar  zu  schwer, 
um  ohne  ordentliches  Handw^erkzeug  aus  der  Grube  geschafft 
zu  werden.  Er  wurde  in  seinem  Lager  verrückt,  kippte  wohl 
auch  um  und  begrub  eines  jener  embryonalen  Werkzeuge  aus 
Renthiergeweih,  das  möglicher  Weise  während  des  Versuchs,  den 
Stein  herauszuschaffen,  als  Hebel  gedient  hatte  und  dabei  ent- 
zweigebrochen war.  Ebenso  machte  auch  das  Ausgehende  der 
beiläufig  13  Quadratruthen  haltenden  Culturschichte  an  förm- 
lichen Wänden  von  Kies,  wie  das  Querprofil  Nro.  IV  zeigt, 
weniger  den  Eindruck  einer  von  Natur  gemachten  Vertiefung, 
etw'a  eines  Art  Trichters  im  erratischen  Kies,  wie  solche  nach 
Freund  Desors  gefälliger  Mittheilung  am  Gebiet  der  Gletscher- 
ablagerungen sich  finden,  als  vielmehr  einer  von  Menschenhand 
gegrabenen   Grube.     Die    genannte  Figur    stellt    den  Fundplatz 


-    59    - 

nach  der  Ausgrabung  dar,  darauf  die  ganze  Culturscliichte  ver- 
schwunden ist  und  nur  der  Kies  und  darüber  liegende  TufF 
übrig  geblieben  sind. 

Hienach  stelle  ich  mir  unsere  Culturschichte  vor  als  eine 
neben  einer  menschlichen  Wohnung  gelegene  Grube,  in  welcher 
die  Abfälle  der  Küche  ebenso,  als  die  des  täglichen  Lebens, 
kurz  Alles,  was  etwa  der  „waltenden  Hausfrau"  störend  fm 
Wege  lag,  einfach  beseitigt  wurde.  Diess  ist  mit  wenigen 
Worten  der  Endeindruck,  den  ich  nach  lOtägigem  Aufenthalt 
an  der  Schussenquelle  und  der  gewissenhaftesten,  gründlichen 
Beobachtung  davongetragen  habe.  Von  einer  natürlichen  Ab- 
lagerung dui'ch  Wasser  —  wie  es  sonst  wohl  der  Geognost 
aus  seinen  sedimentären  Schichten  gewohnt  ist,  kann  entfernt 
keine  Kede  sein,  die  Unregelmässigkeit  des  Bodens,  die  Art 
der  Anhäufung  der  Knochen,  dazwischen  liegende  Kohlen  und 
Aschen,  angebrannte  und  von  Glanzruss  geschwärzte  Steinplatten 
mitten  in  einer  Lage  schwarzen  humösen  Bodens,  einige  Hände 
voll  Sand  und  Schutt,  dann  wieder  ein  Arm  voll  Moos,  dazwischen 
abgebrochene  Beinnadeln,  Pfriemen  mit  ausgeschlitztem  Oehr, 
Feuerstein -Messer  und  Feuerstein -Knollen,  an  denen  erstere 
abgesplittert  wurden  und  zu  dem  Allem  fast  jeder  Knochen 
gewaltsam  beschädigt,  die  Schädel  zerschlagen,  die  Zahnalveolen 
der  ßenkälber  geöffnet,  die  Markröhreu  aufgeklopft,  die  Geweihe 
abgesägt  —  kurz  aus  jedem  einzelnen  Stücke  ebenso,  wie  aus 
der  Lage  aller  Stücke  zusammen  blickt  der  Mensch  und  in  Al- 
lem verräth  sich  seine  Hand. 

Versuchen  wir  es,  diesen  Mensehen  und  seine  Zeit  zu  bestim- 
men nach  den  ob  auch  noch  so  kümmerlichen  Resten,  welche 
nur  darum  in  der  Grube  an  der  Schussenquelle  unserem  Jahr- 
hundert erhalten  blieben,  weil  sie,  seit  sie  dort  in  die  Grube 
geworfen  wurden,  über  welche  die  Quelle  floss,  unter  Wasser 
geblieben  und  so  von  der  Berührung  mit  der  Luft  und  der  Zer- 
setzung ferne  gehalten  worden  sind.  Weitaus  an  Menge 
alle  anderen  Reste  übertreffend,  liegen  die  Reste  des  Ren- 
thiers,  Cervus  tarandus,  in  der  Culturschichte  begraben,  die 
Reste  von  jedenfalls  mehreren  hundert  Individuen.    Die  Zählung 


-     60    ~ 

der  Fundo  Eines  Arbeitstages  ergab    an  llenthierresten   folgen- 
des Eesultat: 

4  Scbädelstücke    mit  abgeschlagenen    Gesiehtsknoclien    und 
abgesägten  Geweihstumracln, 
62  Bruchstücke  von  Schädeln    mit    abgeschlagenen   Geweih- 
stummeln, 
22  rechte,  25  linke  mehr  minder  vollständige  abgeschlagene 
Geweihstücke, 

3  abgeworfene  Stangen,  gleichfalls  verstümmelt, 
16  Stück  Atlas, 

102  „  Halswirbel, 

150  „  Brustwirbel, 

64  „  Lendenwirbel, 

20  „  Kreuzbeine, 

15  „  Becken, 

28  „  Schulterblätter, 

4  „  Sterualknochen, 
120  „  Rippen, 

9  Oberarmkuochen,  \ 

3  Unterarmknochen,  f  vollständig,  daneben  über  100 

3  Oberschenkelknochen,     l   Stück  zerschlagener  Rohrbeine, 
8  Unterschenkelknochen,    j 
10  Astragalus, 
12  Fersenbeine, 

15  Fuss-  und  Handwurzelknochen, 
.  8  Fingerglieder. 
Alles  das  lag  bunt  durcheinander  und  aufeinander,  Knochen  von 
Knochen  getrennt,  dann  und  wann  nur  einige  zusammengehörige 
Wirbel  vom  Hals  oder  vom  Ziemer  noch  beieinander  oder  einige 
Fusswurzelknochen  vereint.  Es  w^ar  natürlich  ein  Leichtes ,  bei 
der  grossen  Auswahl  unter  den  Knochen  ein  Skelett  des  Ren- 
thiers  wieder  herzustellen,  das,  ob  auch  viele  Individuen  ihre 
Knochen  dazu  lieferten,  doch  ein  Bild  des  Thieres  wiedergibt, 
das  der  Menge  der  Reste  nach  zu  urtheilen  dem  Menschen  das 
wichtigste  und  werthvollste  war.  Das  restituirte  Skelett  wäre 
vollständig  zu  nennen,  wenn  nicht  abgeschlagene  Geweihsprossen 


-     61     - 

und  das  Fehlen  der  gleichfalls  abgeschlagenen  Gesichtsknochen 
den  Schädel  entstellte,  doch  zeigt  es  die  Gestalt  imd  Grosse 
deutlich  und  zeigt  namentlich  die  Yergleichung  mit  den  Skelet- 
ten lebender  Thiere  die  vollkommene  Uebereinstimmung  mit 
dem  Renthier  Grönlands,  von  welchem  unsere  zoologische  Samm- 
lung ein  vollständiges  Skelett  nebst  dem  Balg  und  einzelne  Schädel 
und  Geweihe  besitzt.  Auffallend  ist,  wie  wenig  Zähne  oder  gar 
vollständige  Gebisse  in  der  Grube  lagen :  kaum  ein  Dutzend  Ge- 
bisse ausgewachsener  Thiere  und  ein  halbes  Dutzend  junger 
Thiere  mit  Milchzähnen  *)  sind  unter  den  Resten  von  4 — 500 
Individuen  erhalten.  Es  scheint  fast,  dass  die  Zähne  zu  beson- 
dern uns  unbekannten  Zwecken  eine  Verwendung  fanden  und 
vielleicht  als  Schmuck  an  Riemen  getragen  wurden.  Keinesfalls 
erscheinen  sie  so  werthlos  wie  die  abgenagten  Knochen,  um 
blos  in  den  Kehricht  geworfen  zu  werden,  sonst  wären  sie  uns 
in  ganz  andern  Mengen  begegnet  und  hätten  wir  namentlich 
nicht  so  viele  Kieferfetzen  ohne  Zähne  gefunden. 

Ist  der  Mangel  an  Zähnen  vom  Een  auffallend,  so  fällt  an- 
dererseits die  grosse  Menge  für  werthlos  erachteter  Geweihe  auf. 
Man  wird  wohl  kaum  irgendwo  in  Museen  oder  sonst  einem  Orte 
unserer  gemässigten  Zone  eine  solche  Menge  Rengeweihe  bei 
einander  sehen,  als  sie  aus  dem  Loche  am  Schussenweiher  her- 
vorgezogen wurde,  eine  Menge,  die  zu  den  gefundenen  Knochen, 
geschweige  denn  zu  den  Zahngebissen  in  eigenthümlichem  Miss- 
verhältniss  steht.  Schädelstücke  mit  einfachen  Höckern  auf  dem 
Stirnbein  gehörten  den  jüngsten  Thieren  an;  zeigen  doch  die 
frisch    geborenen     Thiere    schon    Erhabenheiten    des    Schädels, 


*)  Denjenigen,  welche  sich  für  das  Zahnsystem  des  Renthiers  in- 
teressiren,  zur  Notiz,  dass  die  Milchzähne  in  ganz  auffallender  Weise 
die  Form  und  Gestalt  nicht  der  an  ihre  Stelle  tretenden  Praemolaren 
an  sich  tragen,  sondern  die  der  ächten  Molaren.  Namentlich  springt 
diess  an  dem  3.  untern  Milchbackzahn  in  die  Augen,  der  ein  durch- 
aus anderer  ist  an  Grösse  und  Gestalt,  al»  der  an  seine  Stelle  nach« 
wachsende  dritte  Vorbackenzahn.  Ebenso  sieht  im  Oberkiefer  der 
zweite  und  dritte  Milchbackzahn  mit  seinen  breiten  Doppelfalten  ganz 
einem  ächten  Backenzahn  gleich,  nicht  aber  dem  breiten  einfaltigen 
Vorbackenzahn. 


-    62    - 

•welche  bis  zum  ersten  Wechsel  zu  einfachen  Stangen  heran- 
wachsen mit  einfacher  Gabelung  am  Ende  der  0,34  Meter  lan- 
gen Stange.  Solche  Geweihe  entsprächen  denen  der  Spiesser. 
Nacli  diesen  einfachen  Stangen  liegen  andere  vor  uns  mit  Ei- 
nem Seitensprossen,  der  unter  einem  merkwürdig  stumpfen  Winkel 
von  i50 — 160"  von  der  einfach  gegabelten  Hauptstange  abwächst. 
Der  hart  über  der  Rose  aus  der  Stange  hervorwachsende  Au- 
gensprosse ist  erst  durch  eine  einfache  Erhöhung  angedeutet. 
Die  dritte  Form  sind  Geweihe,  an  welchen  ein  einfacher  Augen- 
sprosse gleichfalls  unter  ganz  stumpfem  Winkel  von  der  Haupt- 
stange abgezweigt  hat,  der  Seitensprosse  hat  sich  indess  einfach 
gegabelt,  und  die  früher  einfach  gegabelte  Hauptsprosse  weitere 
Zinken  erhalten.  Die  vierte  Form  zeigt  eine  fernere  Ausbildung 
des  Geweihs,  an  welchem  Augensprossen,  Seitensprossen  und 
Kronensprossen  in  verschiedener  Zahl  nachwachsen,  so  dass  wir 
schliesslich  die  Augensprossen  als  breite  aber  dünnwandige  Schau- 
feln mit  3,  4  bis  10  kleinen  Zinken,  die  Seitensprossen  mit 
4 — 6  Enden  vor  uns  haben  und  an  den  Kronen  immer  neue 
kühn  geschwungene  Gabelungen  der  am  vorangehenden  Holz 
noch  einfachen  Sprossen  erhalten.  Ausserdem  wachsen  noch  bei 
alten  Thieren  an  der  Hauptstange  zwischen  der  Krone  und  dem 
Seitensprossen  theilweise  recht  kräftige ,  wenn  auch  kurze  Ne- 
bensprossen. Mit  dem  vierten  Holz  ist  nach  den  Beobachtun- 
gen am  lebenden  Ren  die  Stange  vollendet,  d.  h.  es  hatte 
(cf.  Cuvier,  Tom.  IV.  Fig.  21)  ein  Renhirsch  aus  schwedisch  Lapp- 
land einen  mit  5  Zinken  versehenen  Augensprossen,  einen  zwei- 
zinkigen  Soitensprossen  und  eine  dreifache  Gabelung  der  Krone, 
während  dasselbe  Thier  im  zweiten  Holz  noch  einfache  Augen 
und  .Seitensprossen  und  nur  zweifache  Gabelung  des  Stangen- 
endes zeigte.  In  der  zoologischen  Sammlung  besitzen  wir  einen 
Schädel  aus  Grönland  (Barth  1845),  von  dem  leider  das  Alter 
des  Thieres  nicht  angegeben  ist,  mit  breiter  mehrzinkiger  Au- 
gensprosse, zwcizinkiger  Seitensprosse  und  doppelter  Gabelung 
von  4  Endzinken.  Alles  bisher  über  das  Geweih  Gesagte  be- 
zieht sich  auf  die  Stangen  der  rechten  Seite,  und  zwar  den 
Hirsch,  an  welchem  sich  die  Augensprosse  zur  mächtigen  Schau- 


—    63    - 

fei  ausbildet,  welche  am  Weibchen  entweder  fehlt  oder  nur 
durch  einfache  Zinken  vertreten  ist.  Die  linken  Staugen,  die 
vor  uns  liegen,  gleichen  in  den  ersten  beiden  Formen  den  rech- 
ten, nun  aber  stellt  sich  die  Verschiedenheit  heraus.  Im  dritten 
Holz  noch  ist  der  Augensprosse  ein  einfacher  kurzer  Zinken, 
der  Seitensprosse  ist  dagegen  schon  gegabelt  und  an  der  Haupt- 
stange zeigt  sich  schon  der  charakteristische  Nebensprosse,  von 
dem  aus  die  starke  Krümmung  des  Geweihs  nach  vorne  imd 
innen  beginnt.  Mit  dem  vierten  Holz  ist  ein  mehrzinkiger  Au- 
gensprosse zwar  vorhanden,  der  sich  aber  nie  zu  der  Schaufel 
der  rechten  Seite  ausbreitet,  dagegen  wird  der  Seitensprosse 
stärker  und  mehrzinkiger  und  endlich  bildet  sich  die  Krone  zu 
handbreiter  starker  Schaufel  aus,  von  der  lange  und  gewaltige 
Zinken,  einfach  anfangs  und  später  gegabelt,  abzweigen.  In 
welchem  genaueren  Zusammenhang  das  Alter  des  Thiers  mit 
der  Form  seines  Holzes  steht,  ist  unseres  Wissens  noch  nicht 
hinlänglich  beobachtet.  So  viel  weiss  man  jedoch,  dass  der 
Hirsch  nach  der  Brunftzeit  im  Monat  October  und  November 
abwirft,  das  Thier  erst  30  Wochen  später  im  Frühling,  nachdem 
es  1 — 2  Kälber  gesetzt  hat. 

Da  bekanntlich  das  Eenthier  der  einzige  Hirsch  ist,  der 
auch  als  Hausthier  verwendet  wird  und  den  Völkern  des  Nor- 
dens das  wichtigste,  unentbehrliche  Zug-,  Milch-  und  Schlachtthier 
geworden  ist  und  den  ganzen  Reichthum  des  Lappen,  Samoje- 
den  und  Tungusen  bildet,  und  ausserdem  als  Thier  der  Freiheit 
Gegenstand  der  Jagd  ist,  so  liegt  die  Frage  nahe,  ob  wohl  un- 
sere Funde  Reste  zahmer  Heerden  oder  gejagter  Thiere  wären. 
So  viel  wir  wissen,  gibt  es  am  Skelett  des  Renthiers  selber  kei- 
nerlei Merkmale,  um  das  wilde  oder  gezähmte  Thier  zu  erken- 
nen. Der  einzige  Anhaltspunkt  dürfte  das  Fehlen  des  Hundes 
(s.  unten)  sein,  der  zum  Einfangen  der  Thiere  und  zur  Hütung 
der  Heerden  nach  allen  Berichten  aus  den  Polarländern  ganz 
unentbehrlich  ist.  Mit  Rücksicht  darauf  möchten  wir  die  Reste 
aller  an  der  Schüssen  begrabenen  Renthiere  als  von  gejagten 
Thieren  abstammend  betrachten.  Möglich,  dass  gerade  die 
Menge  derselben  Jäger  aus   der  Ferne  anzogen   und    die   fetten 


—     G4     - 

Jagdgründe  dieselben  zur  Ansiedlung  an  der  Schüssen  ein- 
luden. , 

Von  andern  Hirschen  keine  Spur!  So  wenig  heutzutage  der 
Edelhirsch  je  mit  dem  Renhirsch  zusammenkommt,  so  wenig 
fand  sich  damals  derselbe  vor.  Wir  haben  an  der  Schüssen 
offenbar  ein  viel  reineres  richtigeres  Zeugniss,  als  die  französi- 
schen Höhlen  es  liefern,  innerhalb  deren  viel  eher  eine  Yermen- 
gung  älterer  und  späterer  Zeiten  denkbar  ist.  Ton  dorther  ci- 
tiren  die  Autoren  neben  dem  Ren  noch  den  Edelhirsch  und 
Pyrenäenhirsch. 

Nur  von  Einem  "Wiederkäuer,  und  zwar  nur  von  Einem 
Individium  eines  solchen ,  nehmlich  von  einem  kleinen  Ochsen 
fand  sich  ein  Rest  vor.  Der  Rest  ist  nicht  aber  einmal  vom 
Schädel  oder  Gebiss,  sondern  besteht  in  aufgeschlagenen  Rohr- 
beinen, beziehungsweise  deren  Enden,  so  dass  begreiflich  nichts 
Bestimmteres  über  das  Thier  selbst  gesagt  werden  kann. 

Das  einzige  entschiedene  Hausthier,  das  wir  an  der  Schüs- 
sen finden,  ist  das  Pferd,  achtes  Equus  caballus.  Die  gefun- 
denen Skeletttheile  weisen  auf  mehrere  abgeschlachtete  und  ver- 
speiste Individuen  hin:  auf  mindestens  drei  alte  Hengste  und 
ein  sehr  junges  Füllen,  Von  Einem  derselben  ist  der  noch 
vollständige  Schädel  erhalten,  der  aber  durchaus  nichts  Eigen- 
thümliches  zeigt,  höchstens  etwa  eine  grossköpfige  Race  ankün- 
digt, wie  auch  einzelne  Röhrenknochen  auf  starken  Knochenbau 
hinweisen. 

Nächst  dem  Ren  legen  wir  den  grössten  Werth  auf  den 
Fund  eines  Schädels  mit  eingeschlagener  Stirne  und  abgehack- 
tem Hinterhaupt  von  Gulo,  dem  Fiälfrass.  An  seinem  hinteren 
Backenzahn  erkennt  man  das  Geschlecht  auf  den  ersten  Blick. 
Die  Art  anbelangend,  übertrifft  unser  Exemplar  den  Gulo  borealis, 
den  wir  von  Labrador  besitzen,  so  auffallend,  dass  eine  Ver- 
gleichung  mit  einem  grösseren  Material  höchst  erwünscht  wäre, 
um  daraus  zu  erkennen,  ob  vielleicht  andere  lebende  Exemplare 
dem  unsrigen  gleichkämen.  Dessen  Grösse  stimmt  dagegen  auf 
ein  Haar  mit  dem  Schädel  von  Gnlo  spelaeus  Gf.,  dessen  Ori- 
ginal in  München  liegt  und  von  der  Gailenreuther  Höhle  stammt. 


-     65    — 

"Wir  besitzen  von  demselben  einen  Gypsabguss.  Freilich  wird 
Ton  verschiedenen  Paläontologen  die  specifische  Verschiedenheit 
■von  6r.  Spelaeus  und  borealis  angezweifelt  und  beschränken  auch 
wir  uns  einfach  auf  die  Constatirung  des  Geschlechtes,  das  unter 
allen  Umständen  ein  hochnordisches  Clima  ankündigt.  Einwen- 
den kann  man  nicht  wohl,  wie  sich  in  geschichtlicher  Zeit  ein- 
zelne Thiere  nach  Deutschland  verirrt  haben,  könnte  möglicher- 
weise auch  unser  Gulo  sich  nur  verirrt  haben,  denn  es  liegen 
von  2  Thieren  Reste  vor  uns :  von  einem  zweiten  viel  jüngeren 
aber  eben  so  grossen  Individium  besitzen  wir  den  Unterkieferast. 
Die  Zähne  sind  noch  ganz  frisch  und  ungebraucht,  während 
die  tief  abgenutzten  Zähne  des  ersten  Stückes  auf  ein  Thier  von 
beträchtlichem  Alter  hinweisen. 

Besondere  Aufmerksamkeit  verdient  ferner  der  Bär,  ob  sich 
gleich  nur  zwei  Unterkieferbruchstücke  vorfanden,  die  als  Reste 
von  Belang  sich  zur  Vergleichung  eignen  können.  Das  eine 
Stück  ist  eine  rechte  Unterkieferhälfte,  die  der  Länge  nach  ge- 
spalten ist,  offenbar  des  Markes  halber  und  einem  jungen  etwa 
halbjährigen  Thiere  angehörte.  Das  Andere  ist  das  Vorderende 
eines  Unterkiefers,  in  welchem  die  sechs  Schneidezähne,  zwei 
Eckzähne,  je  ein  Paar  Lückenzähne  und  die  vorderen  Backen- 
zähne noch  inne  stecken.  Letztere  und  die  Schneidezähne  sind 
bis  auf  die  Wurzeln  abgekaut  und  weisen  auf  ein  uraltes  Indi- 
viduum hin.  Am  rechten  Unterkieferast  zeigt  sich  ein  vernarb- 
ter Bruch  des  Kiefers,  der  nach  der  Callusbildung  zu  schliessen, 
schon  geraume  Zeit  (Jahre  lang  nach  der  Ansicht  eines  medici- 
nischen  Freundes)  vor  dem  Tode  des  Alten  geschehen  war.  Der 
linke  Unterkieferast  ist  hinter  dem  dritten  Backenzahn  gewalt- 
sam entzweigeschlagen,  und  doch  gingen  trotz  diesen  gewaltsamen 
Manipulationen  die  beiden  Unterkieferhälften  an  der  Symphyse 
nicht  auseinander.  Bloss  der  Grösse  nach  zu  urtheilen,  dürfte  man 
an  Höhlenbär  denken,  von  welchem  uns  zur  Vergleichung  das 
reiche  Material  aus  dem  Hohlenstein  vorliegt  (gegen  400  Unter- 
kiefer, Jahresh.  XVIII.  S.  170),  allein  ein  Blick  anf  die  4  Lücken- 
zähne, die  den  kurzen  Raum  von  38  Millim.  zwischen  demEck- 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1SG7.     Is.  Heft.  5 


—    66    - 

zahn  und  ersten  Backenzahn  ausfüllen,  lässt  allein  schon  den 
Gedanken  nicht  mehr  aufkommen,  ebensowenig  als  Form  und 
Grösse  des  ersten  wohlerhaltenen  Backenzahns,  der  beim  Höh- 
lenbären neben  der  vorderen  Hauptspitze  auf  der  Innenseite  zwei 
kleine  Hügel  zeigt.  Es  bleibt  somit  nur  Ursus  arctos  übrig, 
dessen  jetzt  lebende  Repräsentanten  unser  Schussenrieder  jedoch 
um  ein  Namhaftes  an  Grösse  übertrifft.  Leider  ist  uns  kein 
Material  von  Schädeln  wilder  nordischer  Bären  zur  Vergleichung 
bei  der  Hand.  Die  Schädel  des  Ursns  arctos  in  unserer  osteo- 
logischen  Sammlung  sind  sämmtlich  Schädel  von  Menagerie- 
bären. Ob  der  nordische  braune  Bär  unsern  Schussenrieder  an 
Grösse  erreicht,  oder  gleichfalls  kleiner  bleibt,  muss  daher  vor- 
läufig dahin  gestellt  bleiben.  Merkwürdig  immerhin ,  dass  eine 
Vergleichung  mit  Ursus  priscus  Gf.  gleichfalls  aus  den  bairi- 
schen  Höhlen  an  Grösse  unserem  Exemplar  ebenso  entspricht, 
als  dessen  Gulo  spelaeus.  Aber  auch  mit  Ursus  priscus  ist  es 
ganz  der  gleiche  Fall ,  dass  mit  vielem  Recht  die  specifische 
Verschiedenheit  von  Ursus  arctos  angezweifelt  wird.  Es  fehlt 
unsern  Sammlungen  noch  viel  zu  sehr  an  Material  von  nordi- 
schen Bären,  die  in  der  Freiheit  alt  geworden  und  nicht  in 
Menagerien  verkümmert  sind. 

Zu  der  Familie  der  Hunde  übergehend  ist  schon  darauf 
hingewiesen,  dass  der  Haushund  fehlt.  Wir  fanden  nur  Wolf 
und  Fuchs.  Natürlich  bleibt  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen, 
dass  der  Hund  in  der  Umgebung  des  Menschen  war,  dass  aber 
zufällig  in  unsere  Grube  kein  Ueberrest  desselben  geworfen 
worden  ist.  Bedenkt  man  jedoch,  dass  auch  in  Frankreich  noch 
nie  die  Spur  eines  Haushundes  bei  den  Knochen  der  Rentliiere 
gefunden  wurde,  bedenkt  man  ferner,  wie  selten  Rütimeyer  den 
Hund  in  den  Pfahlbauten  der  Schweiz  fand,  denselben  zwischen 
Jagdhund  und  Wachtelhund  mitten  inne  stehenden  Hund,  den 
wir  im  Torfe  finden,  also  in  jüngeren  Zeiten  als  unsere  Renzeit 
es  war,  und  endlich,  wie  der  Pfahlbauer  den  Hund  zu  essen 
so  wenig  verschmähte,  als  der  Eskimo  es  verschmäht,  abgängige 
Thiere  sich  noch  auf  diese  Weise  nutzbar  zu   machen,  so   sind 


—    67     - 

wir  doch  aus  dem  vollständigen  Fehlen  von  Hunderesten  unter 
unsern  Küchenab fällen  einigermassen  berechtigt,  das  Fehlen  des 
Hundes  zur  Eenzeit  als  höchst  wahrscheinlich  anzusehen. 

Yon  dem  Wolfe  liegt  vor  uns  der  Unterkiefer  eines  sehr 
alten,  aber  stattlichen  Thiers,  der  vollständig  zum  Gebiss  eines 
grönländischen  Wolfes  unserer  zoologischen  Sammlung  stimmt. 
Unsere  in  Central-Europa  geschossenen  Wölfe  sind  kleiner.  Um- 
gekehrt ist  es  jedoch  beim 

Fuchs.  Unser  gemeiner  Fuchs  hat  die  stärkeren  Eck-  und 
Reisszähne  und  namentlich  einen  breiteren  hinteren  Backenzahn. 
Von  ihm  kann  Canis  Jagopus,  der  Eisfuchs,  ohne  Schwierig- 
keit unterschieden  werden.  Die  Gaumenläuge  von  der  hinteren 
Choaneumündung  bis  zum  intermaxillare  misst  beim  Eisfuchs 
42 — 43  Millim.,  beim  gemeinen  Fuchs  55  Millim.  Hiemit  steht 
in  Zusammenhang,  dass  jeder  einzelne  Zahndes  ersteren  feiner  und 
kleiner,  beim  letzteren  kräftiger  und  stärker  wird.  In  der  Länge  des 
Eckzahns  sieht  man  den  Unterschied  zuerst  (13  und  18  Millim.) 
und  in  den  Massverhältnissen  der  ächten  Backenzähne,  während 
die  3  Yorbackenzähne  nur  wenig  differiren,  namentlich  liegt  ein 
ganz  auffälliger  Unterschied  in  der  Grösse  des  dritten  und  letz- 
ten Backenzahns,  der  beim  Eisfuchs  6  und  4  Millim.  misst,  am 
gemeinen  Fuchsgebiss  aber  8  und  6 — 7  Millim. 

In  der  Mitte  zwischen  diesen  beiden  Fuchsarten  steht  C. 
fulvus  nicht  ganz  von  der  Grösse  des  gemeinen  Fuchses,  aber 
doch  um  etwas  länger  in  der  Schnautze.  An  Grösse  der  ein- 
zelnen Zähne  übertrifft  er  den  Eisfuchs,  sein  letzter  Backenzahn 
misst  7  und  5  Millim. 

Vom  Eisfuchs  wie  vom  Goldfuchs  wurden  zwei  gewaltsam 
abgeschlagene  Gebisse  gefunden,  welche  mit  Exemplaren  lebender 
Thiere  von  Nain  in  Labrador  (Dr.  v.  Barth  1856)  vollständig 
stimmen.     Vom  gemeinen  Fuchs  fand  sich  keine  Spur. 

Endlich  fand  sich  noch  von  Vierfüsslern  der  Vorder-  und 
Hinterlauf  eines  Hasen,  an  denen  bekanntlich  nichts  zu  nagen 
und  zu  beisscn  ist.  Wie  fern  es  unser  Hase  Lepus  Umidus  oder 
die   nordische  Art   variahilis  ist,    muss    natürlich  dahingestellt 


-    68    - 

bleiben,  da  Niemand  im  Stande  sein  wird,  aus  dem  Vorderarm 
und  Unterfuss  eines  Hasen  dessen  Art  zu  bestimmen. 

Ausser  den  Resten  von  Säugethieren  fanden  sich  noch  Vögel, 
Frösche  und  Fische.  Der  beachtenswertheste  Vogel  dürfte 
der  Singschwan  sein,  Cygnus  musicus.  Den  Winter  bringt  er 
an  den  Seen  Griechenlands  zu  und  in  Nordafrika  und  zieht  im 
Frühling  nordwärts,  um  im  hohen  Norden  auf  Spitzbergen  und 
Lappland  zu  brüten.  Dem  Isländer  z.  B.  ist  die  Schwanenjagd 
von  hohem  Werth,  wegen  des  kostbaren  Schwancnpelzes  ebenso, 
als  der  Schmackhaftigkeit  des  Fleisches  junger  Thiere.  Von 
diesem  Schwan  liegen  eine  Reihe  unverwechselbarer  Reste  vor, 
deren  Zahl  hinreichend  den  möglichen  Einwand  widerlegt,  als 
hätten  die  Thiere  nur  zufällig  auf  ihrer  Wanderschaft  sich  ver- 
irrt, vielmehr  darf  man  wohl  Oberschwaben  als  alten  Brüteplatz 
dieser  Vögel  ansehen,  da  man  viel  leichter  den  Thieren  beikommen 
konnte  als  auf  ihrem  Zuge.  Weiter  finden  wir  die  Knochen 
mehrerer  Moorenten  (Fuligula).  Von  unseren  zwei  Arten  ist 
die  eine  grösser  als  F.  cristata,  unsere  Hauben-  oder  Reiherente, 
die  andere  um  Einiges  kleiner.  Die  Mehrzahl  unserer  europäischen 
Arten  bewohnt  den  Norden  der  alten  Welt  und  kommt  nm- 
während  des  Winters  nach  Deutschland  bis  zum  Mittelmeer. 
Reste  weiterer  kleiner  Vögel  sind  zu  unbedeutend  und  mangel- 
haft, um  Vieles  darüber  zu  berichten. 

Knöchlein  von  einem  Frosch,  die  im  Moose  lagen,  lassen 
unentschieden,  ob  derselbe  von  der  Tafel  der  Menschen  kam 
oder  sonst  wie  verunglückte.  Ihr  Vorkommen  reicht  bekanntlich 
innerhalb  Europas  von  Lappland  bis  Sizilien.  Endlich  weisen 
etliche  Wirbel  eines  stattlichen  Fisches  darauf  hin,  dass  unsere 
alten  Schussenauwohner  sich  recht  wohl  auf  den  Fischfang  ver- 
stunden und  Fischlieisch  zur  Abwechslung  mit  Wildfleisch  diente. 
Den  Fisch  näher  zu  bestimmen  gehört  zur  Unmöglichkeit,  da 
nicht  mehr  als  nur  einige  Wirbelkörpcr  vorliegen. 

Hiemit  ist  der  paläontologischc  Charakter  der  Schussenstatiou 
erschöpft.  Vergleichen  wir  denselben  mit  den  südfranzösischen 
Stationen,  so  finden  wir  auf  den  ersten  Blick  an  der  Schüssen 
den  viel  reineren   hochnordischen  Typus  als  imLangue- 


-    69    - 

doc.     Yogt  *)  charakterisirt  diesen  als  „so  ziemlich    festgestellt. 
Mammuth  und   Nashorn  höchst  selten,  die   grossen  Raubthiere 
verschwunden  und  ersetzt  durch  den  braunen  Bcär,  Serval,  Wolf, 
Luchs  und  Iltis.    Bison  und  Ur,  Edelhirsch,  Pyrenäenhirsch,  Reh 
und  Renthier  finden   sich  zusammen  mit  Gemse  und  Steinbock. 
Pferd  und  Esel,  Wildschwein   und  Hase,  Maulwurf  und   Feld- 
maus fehlen  nicht."     Vorausgesetzt,  dass  wirklich  auch  die  ver- 
zeichneten Höhlenfunde    Einer  Zeit    angehören    und  nicht   erst 
etwa  später  zu  den  Resten  der  nordischen  Bewohner  die  Thiere 
der  gemässigten  Zone  ihre  Beiträge   in  den  Ablagerungen   der 
Höhle  lieferten,  hat  sich  zum  Ren   schon  der  Hirsch,   das  Reh, 
das  Schwein,  der  Esel,  der  Maulwurf  und  die  Feldmaus  gesellt, 
von  Raubthieren  der  Serval,  Luchs  und  Iltis.    Alle  diese  Thiere 
fehlen  an  der  Schüssen  und  sind  statt  ihrer  der  Vielfrass,   der 
Eisfuchs  und  Goldfuchs  gefunden,  neben  Singschwan  und  Moor- 
ente.    Haben   wir    nun  in    dem  Schussenrieder   Kehrichthaufen 
eine  ob  auch  nur  annähernde  Repräsentation  der  Fauna,  so  darf 
man  getrost  die  Zeit  der  Schussenrieder  über  die   der  Langue- 
docer  hinausrücken,   wenn   man   nicht  annehmen  will,  dass   der 
climatische  Unterschied  zwischen  beiden  in  ihrer  geographischen 
Breite  zu  suchen  wäre.    Freilich  ist  es  immerhin  misslich,  posi- 
tive Urtheile  aufsustellen  und  Schlüsse  zu  ziehen,  da  alle  Vorder- 
sätze mehr  oder  minder  unvollständig  sind.    Wir  begnügen  uns 
daher,  ohne  auf  Vergleiche  mit  andern  Stationen  uns  einzulassen, 
mit  dem  Resultat,  das  wohl  Niemand  umzustossen    im  Stande 
ist,  dass  die  paläontologischen  Funde  in  Pflanzen-  und  Thierwelt 
ein  Clima  beweisen,   das  heute  unter   dem  70.  Grad  n.  Br.  be- 
ginnt oder  aber  in  unsern  Breiten  an   der  Grenze  des   ewigen 
Schnees  und  Eises  herrscht.     Die  ausgehobene  Schichte   an  der 
Schussenquelle  versetzt  uns,  um  mit  anderen  Worten  das  Gleiche 
zu  sagen,  in   eine  Zeit,   da   nur  eine  hochnordische   Flora   den 
Boden  deckte  und  nur  hochnordische  Thiere  die  oberschwäbische 
Hochebene  bevölkerten.    Sie  ist  ein  direkter  Beweis  für  die  seit 


*)  Ein  Blick  auf   die  Urzeiten    des  Menschengeschlechts.    Archiv 
für  Anthropol,     1.  Heft  1866. 


-     70    - 

Jahren  schon  aufgestellte  Theorie  der  Schweizer  Geologen,  dass 
vor  unsern  historischen  Zeiten  eine  Periode  der  Gletscher  und 
des  Eises  unsere  Breitengrade  charakterisirt.  In  dieser  Eis- 
zeit lebte   schon  der  Mensch. 

Ob  auch  vom  Skelette  des  Menschen  kein  Rest  in  der  Grube 
gefunden  wurde,  so  mögen  doch  die  Spuren  seiner  Hände  einiges 
Licht  werfen  auf  diese  ältesten  bekannten  Bew^ohner  Schwabens. 
Die  zahlreichsten  Spuren  sind  freilich  höchst  einfacher  Art,  in- 
dem sie  sich  auf  Stillung  des  Hungers  durch  Fleischmahlzeiten 
beziehen.  Die  geöfFneten  Markrühren  und  zerklopften  Schädel 
von  Wild  erzählen  uns  von  der  Thätigkeit  des  Menschen,  um 
Alles  zu  gewinnen,  was  nur  irgend  geniessbar  wäre.  Aber 
ausserdem  verewigte  er  sich  durch  Handarbeiten  in  Steinen  und 
Bein  ausgeführt,  auf  die  wir  zur  Vervollständigung  des  Bildes 
noch  kurz  unsere  Blicke  zu  richten  haben. 

Dass  von  Metallen  auch  nicht  Eine  Spur  sich  fand,  wird 
Jeder  bei  dem  hohen  Alter  des  Schüssen- Menschen  eigentlich 
selbstverständlich  finden.  Nicht  nur,  dass  kein  Metallrest  zu 
Tage  kam,  auch  nicht  im  oxydirtesten  Zustand,  sondern  dass 
auch  kein  einziger  Hieb  auf  einen  Schädel  oder  Knochen  des 
verspeisten  Wildes  geführt,  irgend  einen  scharfen  Rand  hinter- 
lassen hätte,  der  auf  ein  metallenes  Werkzeug  schlicsscn  liesse. 
Die  einzigen  Werkzeuge  waren  Steine  und  zwar  Feuersteine 
zum  Schneiden  und  gewöhnliche  Feldsteine  zum  Zerklopfen  der 
Knochen:  beiderlei  lagen  in  grossei"  Menge  in  der  Culturschichte 
zwischen  Moos  und  Knochen  im  Schlamm  und  war  jeder  schon 
in  der  Hand  von  Menschen,  um  zu  diesem  oder  jenem  Zweck 
zu  dienen. 

Der  zugerichteten  Feuersteine  lagen  600  Stücke  und 
darüber  zerstreut  herum,  namentlich  in  der  untersten  Lage,  die 
wir  die  alte  Humusdecke  nannten.  Sie  waren  von  grösseren 
Stücken  abgesplittert,  die  als  unbrauchbare  Reste  zahlreich  her- 
umlagen und  in  gar  verschiedenen  Grössen  und  Formen  ge- 
schlagen. Sämmtliche  Feuersteinwerkzeuge  sind  mittelst  einfa- 
cher Schläge  in  flach  muschligcm  Bruch  abgesplittert,  von  ge- 
dängelten  Rändern  ist  keine  Spur,  wie  Vogt  die  Steiuwaffen  der 


—    71    — 

Eenthierperiode  schildert.  Die  verschiedenen  Formen  in  Rubri- 
ken gebracht,  finden  wir  zwei  Hauptformeu:  lanzettförmige 
und  sägeblattförmige  Steine,  die  ersteren  mögen  vorzugsweise 
zur  Jagd  gedient  haben  als  Pfeil-  und  Lanzenspitzen,  die  letz- 
teren waren  offenbar  die  Instrumente,  um  die  Artefacte  aus 
Eenthierhorn  und  Knochen  darzustellen.  Kein  einziger  dieser 
Feuersteine  gleicht  einem  in  Schwaben  gefundenen:  von  einigen 
wenigen  könnte  man  sagen,  sie  entstammen  vielleicht  dem  Jura 
oder  gewissen  tertiären  Lagern  aus  der  Nähe  der  Bohnerze, 
aber  weitaus  die  grösste  Zahl  weist  auf  das  Ausland,  auf  die 
Feuersteine  der  Kreideformation.  Die  honiggelben  Flintsteine 
der  italienischen  Kreide  fehlen  zwar,  dagegen  erinnern  rotlie 
und  rothbraune  Jaspise  an  das  Südtirol,  die  Mehrzahl  der  grau- 
schwarzen und  graublauen  Steine  aber  an  Frankreich  oder  an 
Sachsen  und  Schlesien.  Der  Umstand,  dass  die  Werkzeuge  of- 
fenbar an  Ort  und  Stelle  gemacht  wurden,  weist  auf  einen  Be- 
zug des  Rohmaterials  von  weit  entfernten  Gegenden  hin. 

Die  meisten  der  an  Ort  und  Stelle  aufgelesenen  Feld- 
steine, nehmlich  der  Rollkiesel  und  erratische  Geschiebe  lassen 
den  Zweck,  dem  sie  dienten,  errathen.  In  erster  Linie  fanden 
sich  nicht  wenige  Steine,  Diorite,  Quarzschiefer  und  Sandsteine, 
recht  ordentlich  in  der  Gestalt  von  Hackmessern  zugeschlagen. 
Sie  haben  etwa  die  Grösse,  Breite  und  Dicke  einer  Hand  und 
laufen  in  ein  schmäleres  Stück  aus,  das  man  als  Griff  des  rohen 
Hackbeils  ansehen  kann.  Die  Steine  haben  in  der  Hand  ge- 
schwungen einen  solchen  Zug,  dass  mit  Leichtigkeit  ein  Schädel 
und  Rohrbein  Zerklopft  werden  kann.  In  zweiter  Linie  fanden 
sich  zahlreiche  sehr  hübsch  gerundete,  mit  Absicht  aus  dem 
Gletscherkies  zusammengelesene  R ollstücke  von  Alpenkalk, 
Diorit  und  ähnlichem  festen  Gestein  von  Faustgrösse  und  dar- 
über. Ich  ward  beim  ersten  Anblick  an  ein  indianisches  Instru- 
ment erinnert  ,  das  Freund  Jules  Marcou  im  Nebraskaland  bei 
einem  Indianerstamme  im  Brauche  fand,  dem  der  Gebrauch  des 
Eisens  noch  fremd  war.  Es  war  ein  ovaler  über  Faustgrosser 
Kiesel,  mit  Riemen  an  das  Ende  eines  Büffelschwanzes  eingenäht, 
der  als  wuchtiger   Steinhammer  die  Dienste   eines   sogenannten 


-    72    - 

Cassetetes  versah.  Denkt  man  sich  unsere  Eollkiesel  in  Riemen 
von  Renthierhaut  geschnürt,  so  kann  man  sie  als  Schleuder  an- 
sehen oder  als  Cassetete,  jedenfalls,  wenn  von  fertiger  Hand  ge- 
schwungen, als  eine  nicht  zu  verachtende  Waffe  im  Kampfe  mit 
den  nordischen  Raubthieren.  Die  dritte  Form  waren  Schiefer- 
und Sandsteinplatten  vom  Feuer  geschwärzt.  Die  Kohlen-  und 
Aschenreste,  die  vielfach  in  der  Grube  zerstreut  waren,  beweisen 
jedenfalls,  dass  gebratenes  Fleisch  in  jener  Zeit  schon  besser 
schmeckte,  als  rohes  Fleisch.  Da  nun  aber  auch  nicht  Ein 
Scherben  eines  Thougefässes  dort  lag,  auch  nicht  Ein  Bruchstück 
jener  rohen,  aus  der  Hand  geformten  und  nur  an  der  Sonne 
getrockneten  Schüsseln,  die  Jedem  aus  altgermanischen  Nieder- 
lassungen und  Pfahlbauten  wohl  bekannt  sind,  so  darf  man  doch 
wohl  den  Schluss  ziehen,  dass  überhaupt  die  Töpferei  nicht  ge- 
kannt oder,  wenn  auch  gekannt,  nicht  üblich  war  an  der  Schüssen. 
Am  vortrefflichsten  Material  von  plastischem  Thon  und  Quarz- 
sand hätte  es  wahrlich  nicht  gefehlt,  liegen  doch  in  nächster 
Nähe  die  grossen  Lehmgruben,  aus  denen  später  die  Bauten 
der  Abtei  Schussenried  entstunden,  und  die  heute  noch  die  Ziegel- 
hütten der  Gegend  versehen. 

Sicherlich  aber  wären,  darüber  wird  Jeder  mir  Recht  geben, 
wenn  Töpfergeschirre  benützt  worden  waren,  ebenso  viele,  ja 
noch  mehr  Reste  zerbrochener  Gefässe  und  Schüsseln  in  den 
Kehrichthaufen  gerathen  als  importirte  Feuersteine  oder  — 
was  die  Stelle  der  Schüsseln  und  Pfiinuen  vertrat,  die  flachen 
Schieferstücke  und  Sandsteintafeln.  Denn  Brandspuren  sind  an 
den  flachen,  abgeschieferten  Steinen  noch  so  wohl  erhalten,  dess- 
gleichen  an  stärkeren  flachen  Steinen  sichtbar,  die  offenbar  als 
Heerdsteine  fungirten,  dass  darüber  mir  kein  Zweifel  mehr 
ist.  Es  erinnerte  mich  an  die  primitiven  Feuerstellen ,  die  sich 
der  Beduine  der  arabischen  Wüste  des  Abends  neben  seinem 
Nachtlager  zurichtet  und  des  Morgens  wieder  verlässt;  dass  aber 
die  Scliwärzung  der  Steine  durch  den  Russ  nicht  verloren  ging 
im  langen  Laufe  der  Zeiten,  wird  Niemand  überraschen,  der  weiss, 
wie  absolut  unlöslich  der  Kohlenstoff  im  Wasser  ist. 


-    73    - 

Ausser  den  Steinen  wurde  Holz  und  Bein  zu  Werkzeugen 
verarbeitet.  Von  Holz  freilich  ist  nur  Eine  Nadel  gefunden 
worden,  genau  so  rund  und  glatt  geschabt  wie  die  Holzstrick- 
nadeln unserer  Frauen.  Das  Holz  scheint  mir  Eichenholz  zu 
sein,  doch  bin  ich  nicht  sicher.  Von  Bein  dagegen  liegt  eine 
Anzahl  Instrumente  vor,  und  eine  noch  grössere  Anzahl  von  Geweih- 
abfällen, aus  denen  die  Instrumente  herausgesägt  worden.  Die  stets 
halb  abgesägte,  halb  abgeschlagene  Stange  des  Eenthiers  wurde  für- 
unterschiedliche Zwecke  bearbeitet,  die  freilich  nicht  alle  mehr  klar 
sind.  Eine  Art  Instrument  ist  aus  der  ganzen  Stange  gemacht, 
der  die  Sprossen  sorgfältig  abgesägt  und  abgefeilt  sind.  Man 
denkt  am  ehesten  dabei  an  Ackerwerkzeuge,  jedenfalls  an  Hebel. 
Eine  andere  Art  Werkzeuge  ist  aus  der  Innenseite  der  Haupt- 
stange herausgeschnitten,  so  z.  B.  die  Nadeln  und  Pfriemen  und 
Angeln,  eine  dritte  Art  sind  Sprossen  und  Zinken,  die  geschickt 
in  der  Hand  liegen  und  als  Griffe  gedient  haben  mögen  für  die 
Feuersteine.  Leider  lag  von  all  diesen  Werkzeugen  nichts  Gu- 
tes in  der  Grube,  es  waren  auch  hier  nur  Abfälle  und  zerbro- 
chene Waare.  Den  Nadeln  war  die  Spitze  gebrochen^  den 
Pfriemen  das  Oehr  ausgeschlitzt,  der  Angel  der  Wiederhacken 
abgesprungen  u.  s.  f.,  ganz  ähnlich  wie  auch  die  Feuersteine  ent- 
weder abgebrochene  Spitzen  oder  vielfach  stumpfe  Sehneiden  haben. 
Man  warf  nichts  Brauchbares  weg,  weder  an  Nah- 
rungsmittel noch  an  Werkzeugen  und  so  ein  gutes  Stück 
im  Haufen  gefunden  wurde,  so  war  es  wohl  in  den  Schutthau- 
fen gekommen,  wie  heute  noch  manch  brauchbares  Stück  sich 
in  den  Kehrichthaufen  findet. 

Zum  Schlüsse  noch  die  Erwähnung  des  Fundes  von  Far- 
ben, welcher  sicherlich  zur  Culturgeschichte  des  Menschen- 
stammes an  der  Schüssen  ein  willkommener  Beitrag  ist.  Zu 
wiederholten  Malen  stach  der  Spaten  rot  he  Farbenknollen  an, 
und  zog  einen  rothen  Strich  über  die  ausgestochene  Scholle. 
Bei  näherer  Untersuchung  fanden  sich  Stückchen  dieser  künst- 
lich gemachten  Farbe  zerbröckelt  herumgestreut  oder  in  ein- 
zelnen bohnengrossen  gekneteten  Pasten.    Zwischen  den  Fingern 


-     74    — 

zerrieb  sich  die  Farbe  wie  Butter  und  färbte  idie  Pland  inten- 
siv eisenroth.  Die  Untersuchung  der  Farben,  die  ich  der  Ge- 
fälligkeit des  Herrn  Prof.  Haas  verdanke,  ergab  als  Bestandtheile 
Eisenoxyd  und  OxyJul.  An  der  nahen  Alb  darf  man  in  den 
Bohnerzgebieten  nicht  lange  nach  dem  tiefrothen  Bolus  und  den 
kirschrothen  Bohnerzletten  suchen,  wenn  man  nicht  an  die  ju- 
rassischen braun  Juraerze  am  Nordrand  der  Alb  denken  will. 
Keinesfalls  fehlt  es  am  Rohmaterial  zu  diesen  Farben,  die  wohl 
durch  Schlemraung  feingemacht  und  dann  etwa  mit  thierischem 
Fett  geknetet  wurden,  ehe  sie  zur  Benützung  kamen.  "Was  da- 
mit nun  gefärbt  wurde  ?  wohl  in  erster  Linie  Gesicht  und  Hände, 
wie  das  unter  Kaffern  und  Indianern  der  Fall  ist  und  wohl  auch 
noch  da  und  dort  unter  Civilisirten  vorkommen  soll. 

Mager  und  dürftig  bleiben  die  Züge  immerhin,  mit  denen 
wir  den  Schussenmenschen  und  seine  Zeit  zu  zeichnen  mochten, 
aber  zuverlässig.  Gegen  deren  "Wahrheit  wird  Niemand  gegrün- 
dete Einwendungen  zu  machen  im  Stande  sein.  Von  den  Schil- 
derungen der  Culturzustände  des  Renthiermenschen  in  Frankreich 
weicht  unser  Bild  jedenfalls  ab.  Die  künstlerischen  Anlagen 
des  französischen  Renthier-Menschen  ffincren  dem  schwäbischen 
ab;  damals  schon  war  die  französische  Industrie  der  deutschen 
überlegen,  deuten  doch  nach  Vogts  Urtheil  die  Verzierungen 
vieler  Töpfe  und  Instrumente  auf  einen  gewissen  Schönheits- 
sinn der  französischen  Ansiedler  und  erregen  die  gefundenen 
Thierzeichnungen  und  Bildhauerarbeiten  wirkliches  Staunen. 
Von  dem  Allem  in  Oberschwaben  keine  Spur:  höchstens  wäre 
Ein  stattliches  Rengeweih  in  Betracht  zu  ziehen,  auf  dessen 
Schaufel  verschiedene  Geschichten  eingekritzelt  sind.  Zufällig 
sind  die  Figuren  keines  Falls,  aus  denen  einige  Phantasie 
Rüben  oder  Rettiche  und  Zwiebel  construiren  kann.  Das  wären 
dann  Zeichnungen,  etwa  in  der  Langweile  einmal  eingekritzt, 
die  vollständig  im  Einklang  stünden  mit  den  gastronomischen 
Intentionen,  die  aus  jedem  Stücke  an  der  Schussenquellc  hervor- 
leuchten. 


-    75    - 

IV.  Oberstudienrath  Dr.  v.  Kurr  sprach  über  die  Abnahm e 
der  Singvögel  im  südwestlichen  Deutschland: 

Es  ist  eine  allgemeine  Klage,  dass  unerachtet  der  Bemühun- 
gen so  vieler  wohlmeinender  Privaten  und  Behörden  für  den  Schutz 
der  nützlichen  Vögel  und  ihrer  Nachkommenschaft  dennoch  die 
Zahl  derselben  immer  mehr  abnehme  und  dass  der  Schaden, 
welcher  durch  das  Ueberhandnehmen  schädlicher  Insekten  her- 
beigeführt wird,  eine  immer  bedenklicher  werdende  Höhe  erreicht;  die 
Frage  liegt  daher  nahe,  woran  die  Schuld  dieses  Uebelstandes 
liege  und  wie  man  demselben  begegnen  könne? 

Zuvörderst  wird  angenommen  werden  dürfen,  dass  die  weise 
Oekonomie,  welche  überall  in  der  Schöpfung  herrscht,  sich  auch 
dahin  erstrecke,  dass  kein  schädliches  Thier  in  die  Länge  so 
überhandnehmen  kann,  dass  es  Jahrzehnte  lang  zur  Landesplage 
wird,  denn  in  der  Regel  finden  wir  die  Massregeln  dagegen  so 
getroffen,  dass  dielnsektenvertilger,  wenn  der  Mensch  nicht  hemmend 
dagegen  auftritt,  in  gehöriger  Anzahl  vorhanden  sind. 

Ferner  ist  bei  der  gegenwärtigen  Cultur  anzunehmen,  dass 
die  Schonung  der  nützlichen  Vögel  eher  zu-  als  abgenommen 
hat,  und  wenn  es  auch  immer  noch  muth willige  Knaben  gibt, 
die  Vogelnester  plündern,  oder  Liebhaber  von  Singvögeln,  welche 
da  und  dort  einem  Vogel  nachstellen,  so  kann  dieses  unmöglich 
eine  erhebliche  Verminderung  derselben  zur  Folge  haben.  Es 
gibt  aber  eine  andere,  diesseits  der  Alpen  glücklicherweise  nicht 
sehr  bekannte  Methode,  die  Vögel  in  grossartigem  Massstabe  zu 
vermindern,  welche  jenseits  der  Alpen  ihr  Unwesen  treibt  und 
dem  südwestlichen  Deutschland  in  dieser  Beziehung  den  grössten 
Schaden  zufügt;  ich  meine  die  Einrichtung  und  den  Betrieb  der 
Vogelheerde,  wie  er  in  der  ganzen  Lombardei  in  wahrhaft 
erschreckender  Weise  gehandhabt  wird.  Es  gibt  dort  am  süd- 
lichen Abfall  der  Alpen  eine  Menge  Vogelsteller,  welche  zur 
Herbstzeit,  wenn  unsere  Singvögel  über  die  Alpen  ziehen,  in 
ihren  Vogelheerden  täglich  mehrere  Tausende  dieser  harmlosen 
Geschöpfe  wegfangen,  um  sie  zu  verkaufen  und  zu  verspei- 
sen, und  ich  kann  aus  Erfahrung  sagen,  dass  man  in  jedem 
Dorf,  in  jeder  Stadt  jeden  Abend  zur  Herbstzeit  gebratene  Vögel 


-     76    — 

(Uccelli)  in  Menge  zu  verspeisen  bekommt.  Und  zwar  bestehen 
dieselben  grösstentheils  in  solchen  Insekten  fressenden  Singvögeln, 
welche  bei  uns  am  meisten  g<5schont  werden,  weil  sie  am  meisten 
zur  Vertilgung  des  Ungeziefers  beitragen,  wie  Nachtigallen, 
Schwarzköpfe  und  andere  Sänger  überhaupt.  Nach  einer  Mit- 
theilung des  Freiherrn  v.  Weiden*)  steht  an  der  Ostseite 
des  Sees  von  Orta  beinahe  auf  jedem  Hügel  ein  Vogel- 
heerd  (hier  RoccoU  genannt)  und  während  6 — 8  Wochen  des 
Herbstes  wurden  in  19  derselben  62,136  Vögel  gefangen. 
Derselbe  nimmt  für  Oberitalien  3000  solcher  Yogelheerde  an, 
was  Herr  Dr.  v.  Martens  aber  noch  für  zu  niedrig  angeschlagen 
hält,  und  sie  allein  würden  gegen  10  Millionen  Vögel  wegfangen. 
Es  tritt  nach  diesem  die  Frage  an  uns  heran,  ob  jenem 
verderblichen  Treiben  der  italienischen  Vogelsteller  auf  irgend 
eine  Weise  abzuhelfen  sei,  und  wie  es  etwa  geschehen  könnte? 
Wir  glauben  kaum,  dass  auf  diplomatischem  Wege,  etwa  durch 
Verwendung  deutscher  Gesandten  an  dem  Hofe  des  Königs  von 
Italien  für  diese  Sache  viel  ausgerichtet  werden  dürfte,  indem 
die  K.  Regierung  kaum  sich  veranlasst  sehen  dürfte,  gegen  eine  solch 
eingewurzelte  Gewohnheit  des  Volks  ernstlich  aufzutreten,  indess 
schaden  könnte  der  Versuch  immerhin  nicht.  Für  wirksamer  möchte 
ich  es  aber  halten,  wenn  die  deutschen  Naturforscher  und  Aerzte 
bei  ihrer  nächstjährigen  Versammlung  in  Frankfurt  den  Beschluss 
fassten,  eine  Adresse  an  die  nächstfolgende  Versammlung  der 
italienischen  Naturforseher  zu  erlassen,  worin  das  Verderbliche 
jenes  Vogelfangs  gehörig  erörtert  und  die  Bitte  ausgesprochen 
würde,  dass  es  denselben  gefallen  möge,  die  Sache  in  ernste 
Erwägung  zu  ziehen  und  die  geeigneten  Schritte  bei  Regierung 
und  Volk  zu  thun,  um  dem  Uebel  thunlichst  zu  steuern.  Zu 
diesem  Ende  könnte  unser  Verein  dnrch  eines  seiner  Mitglieder 
seiner  Zeit  in  Frankfurt  einen  Antrag  stellen  lassen,  und  es  ist 
kaum  zu  zweifeln,  dass  ein  solcher  dort  den  erwünschten  Er- 
folg haben  würde. 


*)  S.  Martons  Italien  2.  Bd.,  286. 


—     77     — 

V.  Hofratli  Dr.  v.  Veiel  in  Cannstatt  theilte  über  die 
lange  Ausdauer  einer  Blüthe  von  Cypripedium  calceolus  Fol- 
gendes mit : 

„Einen  Beweis  für  die  Zähigkeit  und  lange  Dauer  einer 
und  derselben  Blüthe,  wenn  sie  den  rechten  Standpunkt  hat  und 
gehörig  gepflegt  wird,  gab  mir  eine  junge  Culturpflanze  von 
Cypripedium  calceolus.  Dieselbe  wurde  im  August  1865  etwas 
angetrieben  und  entwickelte  an  dem  vierblättrigen  9  Zoll  hohen 
Stengel  eine  kräftige  Blume. 

Dieselbe  wurde  in  ein-  kaltes  Gewächshaus  gebracht  in  die 
Nähe  eines  kleinen  Springbrunnens,  der  sie  stets  feucht  erhielt, 
und  so  gestellt,  dass  die  Sonne  sie  nur  spärlich  treffen  konnte. 
Dieselbe  Blume  blühte  von  October  bis  Februar,  fiag  erst  am 
4.  März  zu  welken  an  und  war  am  10.  März  verwelkt.  Es  er- 
hielt sich  somit  dieselbe  Blume  beinahe  6  Monate  blühend. 

Nachtrag:  In  diesem  Jahre  habe  ich  ein  zweites  Exem- 
plar, das  seit  dem  1.  October  seine  Blüthe  entwickelte,  in  der- 
selben Weise  situirt  und  bin  begierig,  wie  lange  sie  sich  bei 
der  sorgsamsten  Pflege  wird  erhalten  lassen." 

VI.  Theod.  Eulenstein  in  Cannstatt  forderte  zum  Ein- 
senden von  Diatomeenschlamm  auf. 


n.    Abhaii(lliiii2:en. 


Die  wichtigeren  Gesteine  Württembergs,  deren  Verwitterungs- 
producte  und  die  daraus  entstandenen  Ackererden. 

Chemisch  untersucht 
von  Dr.  E.  Wolff,  Professor  in  Hohenheim. 


II.     Der  bunte  Sandstein  nebst  dem  Verwitterungsboden 
der  oberen  plattenförraigen  Absonderungen. 

Aus  der  Formation  des  bunten  Sandsteins  sind  drei  Gesteins- 
und Erdproben  von  mir  untersucht  worden,  vrelche  Herr  Professor 
0.  Fraas  in  der  Nähe  von  Neuenbürg  auf  einem  ringsum  iso- 
lirten  kleinen  Plateau  unter  Verhältnissen  aufgenommen  hatte, 
die  klar  erkennen  liessen,  dass  eine  Vermischung  mit  Verwitte- 
rungsproducten  anderer  Gesteinsformationen  in  keiner  Weise 
hatte  stattfinden  können.     Dem  Aussehen  nach  ist 

Nr.  1  ein  feinkörniger,  hellröthlich  gefärbter  unverwitterter 
Sandstein  mit  ziemlich  zahlreichen,  aber  sehr  kleinen  Blättchen 
von  weissem  Glimmer,  überall  mit  braunrothen  Punkten  und 
Flecken  durchsetzt,  die  von  einer  mehr  thonigen  Masse  her- 
rühren ; 

Nr.  2  eine  braunroth  gefärbte  erdige,  fast  humusfreie  Masse 
—  Untergrund  des  Ackerlandes  —  von  ziemlich  gleichförmiger 
Beschaffenheit,  jedoch  untermischt  mit  kleinen  Steinen  und  Stein- 
chen, welche  auf  einem  Blechsieb  mit  Löchern  von  einem  Milli- 
meter Durchmesser  zurückblieben  und  deren  Masse  8,6  Procent 
von  dem  Gewichte  der  lufttrocknen  Erde  betrug; 


Procent. 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

61,77 

59,20 

63,28 

63,77 

9,73 

9,47 

9,79 

9,26 

9,23 

7,27 

8,99 

7,18 

19,27 

24,06 

17,94 

19,79 

—    79    - 

Nr.  3  eine  von  Humus  dunkelbraun  gefärbte  Ackerkrume, 
anscheinend  von  gleicher  mechanischer  Beschaffenheit  wie  Nr.  2 ; 
an  Steinchen  etc.  waren  7,4  Procent  von  dem  Gewichte  der  luft- 
trocknen Erde  zugegen. 

Einige  Schlämm -Analysen,  welche  mit  dem  Nöbel'schen 
Apparat  ausgeführt  wurden,  ergaben  für  die  abgesiebte  fein- 
körnige Masse  des  Untergrundes  und  der  Ackerkrume  durch- 
schnittlich die  folgenden  Kesultate: 

Lufttrocken.  Geglüht. 

Untergrund    Äckerkrume.  Untergrund.  Ackerkrume. 

a.  Sandige  Masse,  gröbere 

b.  „  „       feinere 

c.  „  „       feinste 

d.  Thonige  Substanz    .     . 

100,00       100,00       100,00      100,00 

Man  sieht,  dass  die  Ergebnisse  der  Schlamm-Analyse  für 
Untergrund  und  Ackerkrume  sehr  übereinstimmend  sind;  der 
einzige  Unterschied  besteht  darin,  dass  in  der  Ackerkrume  die 
feinsten  Gemongtheile  eine  höchst  unbedeutend  weiter  gehende 
Ztrtheilung  erlitten  haben ,  während  die  Gesammtmenge  des 
feinsten  Sandes  (c)  und  der  sog.  thonigen  Substanz  (d)  wiederum 
nahezu  dieselbe  ist,  nämlich,  auf  den  geglühten  Zustand  der 
Erde  berechnet,  beziehungsweise  26,93  und  26,97  Proc.  beträgt. 

Es  war  beabsichtigt,  wo  möglich  eine  und  dieselbe  Gebirgs- 
formation  in  drei  nach  dem  Grade  der  Verwitterung  verschiedenen 
Stufen  einer  ausführlichen  chemischen  Untersuchung  zu  unter- 
werfen^ und  bei  dem  Beginn  der  Arbeit  glaubte  ich  auch  in 
den  überlieferten  Proben  ein  dieser  Absicht  völlig  entsprechen- 
des Material  zu  besitzen.  Im  Verlaufe  der  Untersuchung  aber 
hat  sich  ergeben,  dass  nur  die  beiden  erdigen  Massen  (Unter- 
grund und  Ackerkrume)  einer  und  derselben  Schichte  ange- 
hören, nämlich  durch  Verwitterung  der  oberen  plattenför- 
migen  und  mehr  thonigen  Ablagerungen  der  bunten 
Sandsteinformation  entstanden  sind,  während  das  feste  Gestein 
aus  den  oberen  glimmerhaltigen  Schichten  des  eigent- 


_    80    — 

liehen  bunten  Sandsteins  herrührt,  jene  erdige  Massen 
also  nicht  das  unmittelbare  Product  der  Verwitterung  des  letz- 
teren sind.  Zur  Ergänzung  der  vorliegenden  Analysen  wird  es 
daher  wünschenswerth  sein,  eine  Ackererde  nebst  Untergrund  zu 
untersuchen,  welche  ohne  Mitwirkung  der  mehr  thonigen,  platten- 
förmigen  Ablagerungen  direct  aus  dem  eigentlichen  bunten  Sand- 
stein hervorgegangen  ist.  Was  den  Sandstein  selbst  betrifft,  so 
sind  die  unteren  Schichten  desselben  ärmer  an  Glimmerblättchen 
und  thonigen  Beimengungen  und  liefern  daher  bei  ihrem  Zer- 
fallen Ackererden  von  noch  geringerer  natürlicher  Fruchtbarkeit, 
als  der  hier  untersuchte  Saudstein  nach  der  gefundenen  Zusam- 
mensetzung anzudeuten  scheint. 

Gleichwohl  hat  die  genaue  chemische  Analyse  der  mir  zu 
Gebote  stehenden  Gesteins-  und  Erdproben  Resultate  ergeben, 
welche  geeignet  sind,  zur  Charakteristik  und  Formation  des 
bunten  Sandsteins  und  der  daraus  entstehenden  Ackererden 
werthvolle  Beiträge  zu  liefern.  Ausser  dem  festen  Sandstein, 
dem  Untergrund  und  der  Ackerkrume  wurden  auch  die 
von  der  feinerdigen  Masse  des  Untergrundes  durch  Absieben 
getrennten  Steinchen  einer  näheren  Untersuchung  unterworfen. 
Es  mag  hier  über  die  Zusammensetzung  dieser  Materialien  zu- 
nächst eine  procentische  Berechnung  folgen,  zu  welcher  die 
nöthigcn  Belege  im  Anhange  der  vorliegenden  Abhandlung  aus- 
führlich mitgetheilt  worden  sind. 

An  Kohlenstoff  und  Stickstoff  wurden  in  den  feinerdigen 
Substanzen  gefunden: 

Untergrund.  Ackerkrume. 

Stickstoff.      Kohlenstoff.     Stickstoff.      Kohlenstoff. 
Procent.  Procent.         Procent.  Procent. 

1.  .     .     0,0405      0,34GG      0,23G3       2,3071 

2.  .     .     0,0382      0,2991      0,2514      2,4396 

Mittel  0,0394      0,3229     0,2439      2,3734 

Das  Verhältniss  zwischen  Stickstoff  und  Kohlenstoff  ist  im 

Untergrunde    =    1  : 8,20,    in    der    Ackerkrume,    bei    fast    8mal 

grösserem  Kohlenstoffgehalt  =  1  :  9,73.    Wenn  man  als  annähernd 

richtig  annimmt,  dass  die  Humussubstanz  durchschnittlich  58  Proe, 


—    81     - 

Kohlenstoff  enthält,  so  berechnet  sich  die  Menge  des  reinen, 
Stickstoff-  und  wasserfreien  Humus  im  Untergrunde  auf  0,5567 
und  in  der  Ackerkrume  auf  3,9917  Proc.  Die  Differenz  endlich 
zwischen  dem  gefundenen  Glühverlust  der  bei  125°  C.  getrock- 
neten Substanz  und  dem  berechneten  »Humusgehalte  nebst  Stick- 
stoffmenge ergibt  annähernd  den  Gehalt  an  chemisch  oder  über- 
haupt sehr  fest  gebundenem  "Wasser.     Also: 


Sandstein. 
Procent. 

Wasser  bei  125  °  C.  ver- 
flüchtigt      0,3118 

Humussubstanz       ,     .     .  ] 

Stickstoff [  0,3118 

Fest  gebundenes  Wasser 


Feinerde 

steine  des 

des  Unter- 

der Unter- 

JntergTundes. 

grundes. 

krume. 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

1,1150 

2,2798 

4,5880 

1 

0,5567 

3,9917 

1,5040 

0,0394 

0,2439 

( 

1,7878 

2,1406 

Gesammt-Glühverlust    0,6236       2,6190        4,6637    10,9642 

Der  feste  Sandstein  und  ebenso  die  Steine  des  Untergrun- 
des wurden  vor  der  chemischen  Untersuchung  fein  gepulvert 
und  dadurch  in  einen  der  Feinerde  des  Untergrundes  und  der 
Ackerkrume  ähnlichen  mechanischen  Zustand  übergeführt.  Eine 
grössere  Quantität  des  zu  untersuchenden  Materials  (resp.  300 
und  450  Grm.)  behandelte  ich  zunächst  mit  kalter  concentrirter 
Salzsäure,  indem  die  Einwirkung  der  letzteren  auf  die  pulver- 
förmige  Substanz  unter  häufigem  Umschütteln  des  Ganzen  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  48  Stunden  lang  erfolgte.  Die  Menge 
der  auf  diese  Weise  in  die  Lösung  übergegangenen  Stoffe,  auf 
procentische  Verhältnisse  berechnet,  betrug: 

A.     Die  Substanz   mit  kalter  concentrirter  Salzsäure 
behandelt. 

Sandstein.     Untergrund.     Ackerkrume. 
Procent.         Procent.  Procent. 

Kieselsäure  in  der  Lösung   .     .     .     0,0083     0,0827      0,1393 

Eisenoxyd 1,0600      1,6867       1,4267 

Thonerde 0,0763      0,8814       0,9012 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.    1867.    Is  Heft.  Q 


-     82     - 

Sandstein.    Untergrund.  Äckerkrame. 

Procent.         Procent.  Procent. 

Manganoxyduloxyd ?           0,0646  0,0883 

Kohlensaurer  Kalk 0,0500      0,0583  0,1183 

Magnesia Spur       0,0462  0,0610 

Schwefelsäure 0,0084      0,0062  0,0272 

Phosphorsäure 0,0092      0,0219  0,0654 

Kali 0,0148      0,0360  0,0701 

Natron 0,0031      0,0038  0,0031 

1,2251      2,8878  2,9006 
Eine  neue   Portion    der    lufttrocknen   Substanz   (resp.   120, 
74  und  150  Grm.)  wurde  mit   dem   doppelten  Gewichte  concen- 
trirter   Salzsäure  1    Stunde   lang   gekocht  und    hierauf  in     der 
Lösung  gefunden: 

B.    Die  Substanz  mit  concentrirter  Salzsäure  gekocht. 

steine  des 

Sandstein.  Untergrundes.  Untergrund  Ackerkrume. 

Procent.          Procent.          Procent.  Procent. 

Kieselsäure  in  der  Lösung    0,0333     0,0566      0,1300  0,1280 

Eisenoxyd 1,0383      3,1732       2,0177  1,9470 

Thonerde       0,2772      0,9878       2,3392  2,2790 

Manganoxyduloxyd     .     .     0,0167      0,5078       0,1450  0,2083 

Kohlensaurer  Kalk     .     .    0,0854      0,0988       0,1050  0,2300 

Magnesia Spur       0,05 19       0,044G  0,0957 

Schwefelsäure     ....     0,0095      0,0093       0,0080  0,0304 

Phosphorsäure    ....     0,0249     0,0457       0,0498  0,0940 

Kali 0,0490     0,0783       0,1505  0,2007 

Natron 0,0064      0,0101       0,0063  0,0135 

1,5407      5,0195      4,9961  5^2266 
Kieselsäure ,    in    kohlen- 
saurem  Natron   löslich     0,5917      1,0043      3,0005  3,4605 
Rückstand,    als    geglüht 

berechnet 97,1475    91,3633     87,0480  80,0893 

Wasser-  und  Glühverlust    0,6236      2,6190      4,6637  10,9642 

99,b0i55 100,0061     99,7083  99,7466 


—    83    - 

C.  Der  Rückstand  von  B  mit  concentrirter  Schwefel- 

säure behandelt. 

Steine  des 
Sandstein.  Untergrundes.  Untergrund.  Ackerkrume. 

Procent.         Procent.           Procent.  Procent. 

Kieselsäure  in  der  Lösung    0,0983         —          0,0776  0,1445 

Eisenoxyd 0,4508      0,5718       1,0076  0,5993 

Thonerde 1,2892      3,5025       5,1333  4,2873 

Kalk 0,0109      0,0093       0,0274  0,0296 

Magnesia 0,0574      0,1365       0,0639  0,0709 

Kali 0,2852      0,6519       0,7703  0,6434 

Natron 0,0205      0,1149      0,0679  0,0442 

2,2123      4,9869   .    7,1480  5,8192 
Kieselsäure ,    in    kohlen- 
saurem  Natron   löslich     1,8717      5,0935       7,6761  5,3153 
Geglühter  Rückstand  .    .  93,0878    81,3337     72,3467  69,0557 

97,1718    91,4141     87,1708  80,1902 

D.  Der    Rückstand    von    C    mit   fiusssauren  Dämpfen 

behandelt. 

steine  des 
Sandstein.  Untergrundes.  Untergrund.  Ackerkrume. 

Procent.        Procent.           Procent.  Procent. 

Thonerde 2,1961      3,1249       2,2264  2,6977 

Kalk 0,0840      0,0783       0,0471  0,0862 

Magnesia  u.  Manganoxyd     0,0540      0,0671       0,0531  0,0501 

Kali 1,5583      2,0545       1,7291  1,8773 

Natron 0,0556      0,3170       0,2986  0,3282 

Kieselsäure 89,1398    75,6919     67,9924  64,0162 

93,0878    81,3337     72,3467  69,0557 

Die  durch  die  verschiedenen  Lösungsmittel   abgeschiedenen 

Antheile  der   lufttrocknen  Substanz  betragen   also  in  ihrer  Ge- 
sammtheit: 


84 


Steine  des 
Sandstein.    Untergrundes.  Untergrund.  Ackerkrume- 
Procent.           Procent.  Procent.  Procent. 

Wasser  und  organische 

Substanz  ....  0,6236  2,6190  4,6637  10,9642 
In  kalter  Salzsäure  lös-                  \                 r 

lieh 1,2251  /                1  2,8878  2,9006 

In  heisser  Salzsäure  lös-  (   5,01  Jo    < 

lieh 0,3156  )                (  2,1083  2,3260 

Kieselsäure ,   löslich  in 

kohlensaurem  Natron     0,5917       1,0043  3,0005  3,4665 

In  Schwefelsäure  löslich  2,2123  4,9869  7,1480  5,8192 
Kieselsäure ,    löslich   in 

kohlensaurem  Natron     1,8717       5,0935  7,6761  5,3153 

Sandiger  Rückstand     .  93,0878     81,3337  72,3467  69,0557 

99,9278  100,0569  99,8311  99,8475 

Berechnet  man  die  procentische  Zusammensetzung  der  Sub- 
stanz ohne  Rücksicht  auf  den  verschiedenen  Grad  der  Löslich- 
keit der  Bestandtheile,  so  erhält  man: 

Steine  des 

Sandstein.     Untergrundes.  Untergrund.  Ackerkrume. 

Procent.          Procent.  Procent.  Procent. 

Wasser  und  organische 

Substanz     ....     0,6236       2,6190  4,6637  10,9642 

Kieselsäure     ....  91,7348     81,84G3  78,8766  73,0505 

Thonerde 3,7425       7,6152  9,6989  9,1640 

Eisenoxyd       ....     1,4891       3,7450  3,0253  2,5463 

Manganoxyduloxyd       .     0,0167       0,5078  0,1450  0,2083 

Kohlensaurer  Kalk  .     .     0,0854       0,0988  0,1050  0,2300 

Kalk 0,0949       0,0876  0,0745  0,1158 

Magnesia 0,1114       0,2555  0,1616  0,2167 

Schwefelsäure      .     .     .    0,0095      0,0093  0,0080  0,0304 

Phosphorsäure     .     .     .     0,0249       0,0457  0,0498  0,0940* 

Kali 1,8925      2,7847  2,6499  2,7214 

Natron 0,0825      0,4420  0,3728  0,3859 

99,9078  100,0569  99,8311  99,7275 


—    85    - 

Eine  noch  bessere  Uebersicht  gewähren  diese  Zahlen,  wenn 
man  dieselben  auf  den  völlig  wasser-  und  humusfreien 
Zustand  der  Gesteins-  oder  Erdmasse  reducirt: 


Sandstein. 
Procent. 

Kieselsäure     ....  92,3962 

Thouerde 3,7695 

Eisenoxyd       ....  1,4998 

Manganoxyduloxyd       .  0,0168 

Kohlensaurer  Kalk  .     .  0,0860 

Kalk 0,0956 

Magnesia 0,1122 

Schwefelsäure      .     .     .  0,0096 

Phosphorsäure     .     .     .  0,0251 

KaU  ........  1,9061 

Natron 0,0831 


steine  des 

Untergrundes. 

Untergrund. 

Ackerkrume 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

83,9985 

82,8937 

82,2983 

7,8154 

10,1927 

10,3241 

3,8435 

3,1794 

2,8686 

0,5212 

0,1524 

0,2347 

0,1014 

0,1103 

0,2591 

0,0899 

0,0783 

0,1305 

0,2622 

0,1698 

0,2441 

0,0095 

0,0084 

0,0343 

0,0469 

0,0523 

0,1059 

2,8579 

2,7849 

3,0659 

0,4536 

0,3917 

0,4348 

100,0000  100,0000     100,0143    100,0003 

Von  der  als  wasser-  und  humusfrei  berechneten  Substanz 
waren  auflöslich  in: 

kalter  Salzsäure 
heisser        „ 
kohlensaurem  Natron 
Schwefelsäure      .     . 
kohlensaurem  Natron 


.     i,2337 

5,1568    ■ 

3,0344 

3,2623 

.     0,3178 

2,2154 

2,6169 

.     0,5958 

1,0317 

3,1528 

3,9001 

.     2,2278 

5,1233 

7,5109 

6,5471 

.     1,8848 

5,2328 

8,0648 

5,9800 

Im  Ganzen  löslieh  6,2599     16,5446       23,9783      22,3064 

Saudiger  Rückstand    93,7401     83,4554       76,0217      77,6936 


100,0000  100,0000     100,0000    100,0000 


Schlussfolgerungen. 

1.  Die  procentische  Zusammensetzung  der  ganzen  Gesteins- 
und Erdmasse  und  namentlich  die  Gesammtmenge  der  T hon- 
erde gewährt  einen  Anhalt  für  die  Beantwortung  der  Frage, 
ob  die  einzelnen  Gesteins-  und  Erdarten  in  einem  du-ekten  Zu- 


sammenhange  mit  einander  stehen,  ob  die  eine  Substanz  aus 
der  anderen  durch  fortschreitende  Verwitterung  ohne  wesent- 
liche Mitwirkung  irgend  eines  fremdartigen  Materials  entstanden 
ißt.  Man  sieht  sehr  deutlich,  dass  in  der  That  Ackerkrume 
und  Untergrund  einem  und  demselben  ursprünglichen  Gesteine 
angehören;  der  procentische  Gehalt  der  wasser-  und  humus- 
freien Masse  an  Thonerde  und  überhaupt  an  vorherrschenden 
Bestandtheilen  ist  sehr  nahe  übereinstimmend  und  auch  das 
sonstige  chemische  und  mechanische  Verhalten  deutet  mit  Be- 
stimmtheit darauf  hin,  dass  die  Ackerkrume  unmittelbar  und 
ohne  wesentliche  Beimischung  fremdartiger  Gesteinsmassen  aus 
dem  Untergrunde  hervorgegangen  ist.  Die  Steine  des  Unter- 
grundes ferner  enthalten  freilich  an  Gesammt-Thonerde  um 
reichlich  '/s  weniger  als  die  Feinerde  der  Ackerkrume  und  des 
Untergrundes;  das  ursprüngliche  Gestein  muss  also  in  .seiner 
ganzen  Masse  etwas  reicher  gewesen  sein  an  thonigen  Sub- 
stanzen als  die  jetzt  noch  vorhandenen  unverwitterten  Reste 
desselben.  Dennoch  aber  lässt  die  ganze  procentische  Zusammen- 
setzung dieser  Steinreste  keinen  Zweifel  darüber  obwalten,  dass 
dieselben  in  einem  nahen  und  unmittelbaren  Zusammenhange 
stehen  mit  der  Feinerde  der  Ackerkrume  und  des  Untergrundes ; 
der  einzige  wesentliche  Unterschied  besteht  eben  in  der  etwas 
thonigeren  Beschaffenheit  der  letzteren  und  es  ist  natürlich, 
dass  die  thonreicheren  Parthieen  des  ursprünglichen  Gesteins 
(obere  plattenförmige  Ablagerungen  der  Formation  des  bunten 
Sandsteins)  zunächst  zerbröckelt  sind  und  zur  Bildung  der  Fein- 
erde des  Untergrundes  und  der  Ackerkrume  das  nöthige  Mate- 
rial geliefert  haben.  Der  noch  völlig  unverwitterte  feste  Sand- 
stein dagegen  gehört  einem  anderen,  tiefer  liegenden  Gebilde 
der  bunten  Sandsteinformation  an;  dies  beweist  die  ganze  che- 
mische Zusammensetzung  desselben  und  namentlich  der  beträcht- 
lich geringere  öehult  an  Thonerde,  Eisenoxyd  und  an  kalircichon, 
d.  h.  feldspath-  und  glimmerartigen  Beimengungen.  Es  besteht 
daher  kein  direkter  Zusammenhang  zwischen  diesem  Sandstein 
und  dem  hier  untersuchten  Ackerboden;  gleichwohl  ist  auch  die 
nähere  chemische  Untersuchung  des   ersteren  von  Interesse  und 


-    87    - 

es  lassen  die  Eesultate  der  Analyse  im  Voraus  eine  genaue 
Charakteristik  der  Ackererde  entwerfen,  welche  durch  Zer- 
bröckeln und  Verwitterung  jenes  Sandsteins  entstehen  würde. 
Wir  betrachten  zunächst  die  Feinerde  der  Ackerkrume  und  des 
Untergrundes  nebst  den  noch  unverwitterten  Steinchen,  welche 
in  dem  letzteren  enthalten  sind. 

2.  Die  Steine  des  Untergrundes  enthalten  absolut  und  re- 
lativ, d.  h.  im  Verhältniss  zur  Menge  des  Thones ,  welcher  hier 
hauptsächlich  als  der  Träger  des  Eisenoxyds  betrachtet  werden 
muss,  mehr  Eisenoxyd  als  die  Feinerde  des  Untergrundes, 
diese  wiederum  mehr  als  die  Ackerkrume.  Es  findet  also  unter 
dem  Einfluss  der  atmosphärischen  Wasser  und  im  Verlaufe  des 
Verwitterungsprocesses  fortwährend  eine  Abnahme  des  Eisen- 
oxyds statt,  —  eine  Erscheinung,  welche  im  Einklänge  steht 
mit  anderweitigen  Beobachtungen,  die  bei  dem  allmähligen  Zer- 
fallen von  Sand-  und  Kalksteinen  gemacht  worden  sind.  Die 
Steinchen,  welche  auch  in  der  Ackerkrume  noch  vorhanden 
"Waren,  zeigten  auf  dem  Bruch  vielfach  eine  hellere,  weissliche 
Farbe,  es  war  bereits  das  Eisen  grossentheils  aufgelöst  und  aus- 
gewaschen worden,  während  die  Steinchen  des  Untergrunds 
durch  und  durch  noch  dunkel  braunroth  gefärbt  waren  mit  einer 
Nuance  ins  Bläuliche,  die  auf  eine  hier  in  der  That  vorhandene 
Beimischung  von  Manganoxyd  hinzuweisen  pflegt. 

3.  Das  Eisen  ist  offenbar  in  sämmtlichen  hier  untersuchten 
Gesteins-  und  Erdproben  grossentheils  als  freies  Eisenoxyd 
zugegen;  es  ist  im  Wesentlichen  weder  mit  Wasser  noch  auch 
mit  Kieselsäure  verbunden.  Dies  wird  schon  durch  die  intensiv 
rothe  Farbe  der  Steine  und  der  Feinerde  des  Untergrundes  bei 
einem  procentisch  keineswegs  sehr  hohen  Gehalt  an  Eisenoxyd 
angedeutet  und  ferner  durch  den  Umstand  bewiesen,  dass  aus 
dem  Sandsteinpulver  durch  Behandlung  desselben  mit  kalter 
Salzsäure  genau  dieselbe  Menge  Eisenoxyd  wie  durch  Einwir- 
kung der  kochendheisseu  concentrirten  Salzsäure,  aus  der  Fein- 
erde aber  des  Untergrundes  und  der  Ackerkrume  fast  ^ji  der 
letzteren  Menge  aufgelöst  wurde.  Ausserdem  hat  die  Analyse 
für  den  theils  durch  Salzsäure,  theils  durch  Schwefelsäure   auf- 


-     88    - 

schliessbaren  reinen  Thon  eine  solche  Zusammensetzung  er- 
geben, dass  von  der  in  alkalischen  Flüssigkeiten  auflöslichen 
Kieselsäure  für  das  Eisenoxyd  nichts  disponibel  sein  kann, 
während  andererseits  die  Resultate  der  Behandlung  des  Bodens 
mit  Weinsäurelösung  auf  die  Gegenwart  höchstens  nur  einer 
geringen  Menge  von  Thonerdehydrat  und  Eisenoxydhydrat  so- 
wohl in  der  Ackerkrume  wie  im  Untergrunde  hinzudeuten 
scheint.  ' 

Der  Thon  nämlich  hatte  die  folgende  Zusammensetzung: 

Steine  des 
Untergrundes.  Unterg^rund.  Ackerkrume. 

In  Salzsäure  löslich: 
Thonerde  .      0,9878=  48,7        2,3392=  42,8        2,2790=  38,8 
Kieselsäure       1,0609=  51,3        3,1305=  57,2         3,5945=  61,2 

2,0487=100,0        5,4607=100,0        5,8735=100,0 

In  Schwefelsäure  löslich: 
Thonerde  .•      3,5025=  40,7         5,1333=  40,0        4,2873=  43,9 
Kieselsäure      5,0935=  59,3        7,7537=  60,0        5,4598=  56,1 

8,5960=100,0       12,8870=100,0        9,7471=100,0 

Thon  im  Ganzen: 
Thonerde  .      4,4903=  42,2         7,4725=  40,7         6,5663=  42,0 
Kieselsäure       6,1544=  57,8       10,8842=  59,3         9,0543=  58,0 

10,6447=100,0       18,3567=100,0       15,6206=100,0 

In  dem  Muschelkalk  fand  ich*)  den  Gehalt  der  thonigen 
Substanz  an  Kieselsäure  beträchtlich  höher,  nämlich  in  den  ver- 
schiedenen Verwitterungsstufen  nahe  übereinstimmend  für  den 
durch  kochende  Salzsäure  aufschliessbaren  Thon  74,1  Proc.  und 
für  den  mit  Schwefelsäure  aufgeschlossenen  Thon  64,3  Proc. 
In  6  früher  von  mir  untersuchten  Ilohenheimer  Bodenarten  da- 
gegen enthielt  der  mit  Salzsäure  aufgeschlossene  Thon  61,2  Proc, 


*)  Vrgl.  „Württembergische  naturwissensehaftlicho  Jahreshefte," 
Jahrgang  1866,  S.  94.  Auch  die  Zeitschrift  „Laudwirthseha  ftlicho 
Versuchsstationen«,  1865,  S.  289. 


—    89    — 

der  mit  Schwefelsäure  aufgeschlossene  Thon  54,5  Proc.  Kiesel- 
säure, der  Thon  hatte  daher  im  Mittel  ziemlich  dieselbe  Zu- 
sammensetzung, wie  die  letztere  bei  den  obigen  Gesteins-  und 
Erdproben  aus  der  Formation  des  bunten  Sandsteins  gefunden 
wurde.  Charakteristisch  für  die  hier  untersuchten  Substanzen 
ist  es,  dass  der  mit  Salzsäure  aufgeschlossene  Thon  ziemlich  die- 
selbe procentische  Zusammensetzung  hatte,  wie  der  mit  Schwefel- 
säure aufgeschlossene,  während  sonst,  nach  den  bisher  vorliegen- 
den Analysen,  in  dem  ersteren  die  Kieselsäure  mehr  vorzuherr- 
schen  pflegt  oder  auch  ein  Theil  der  gefundenen  Kieselsäure 
anderweitig  (an  Eisenoxyd,  Kalk,  Kali  etc.)  gebunden  ist. 

Durch  Behandlung  der  Feinerde  des  Untergrundes  und  der 
Ackerkrume  mit  kochendheisser  Weinsäurelösung  unter  Zusatz 
von  etwas  Oxalsäure,  nach  der  von  Knop  *)  vorgeschlagenen 
Methode,  wurden  aus  dem  Untergrunde  nur  0,122  Proc.  Eisen- 
oxyd und  0,222  Proc.  Thonerde,  aus  der  Ackerkrume  0,178  Proc. 
Eisenoxyd  und  0,403  Proc.  Thonerde  aufgelöst;  jedenfalls  also 
waren  nur  verhältnissmässig  sehr  geringe  Mengen  von  Eisen- 
oxydhydrat zugegen.  Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  noch  er- 
wähnen, dass  beim  Schütteln  mit  einer  titrirten  Lösung  von 
salpetersaurem  Kalk,  nebst  Zusatz  einer  der  Salpetersäure  äqui- 
valenten Menge  Ammoniak  (Knop  **)  von  dem  Untergrunde  0,302 
Proc.  und  von  der  humosen  Ackerkrume  0,541  Proc.  Kalkerde 
absorbirt  wurden. 

4.  Für  die  Beurtheilung  der  Verwitterungsstufe  und  der 
natürlichen  Fruchtbarkeit  eines  Bodens  ist  die  absolute  Menge 
des  von  verschiedenen,  mehr  oder  weniger  kräftig  einwirkenden 
Lösungsmitteln  aufgenommenen  Kali's  von  grosser  Wichtig- 
keit; ausserdem  aber  muss  auch  das  Verhältniss  der  betreffen- 
den Kalimengen  unter  einander  und  namentlich  zu  der  in  Salz- 
säure und  Schwefelsäure  auflöslichen  Thonerde,  d.  h.  zu  dem 
im   Boden    vorhandenen    Thon    sorgfältige    Beachtunor    finden. 


*)  Landwirthschaftliche  Versuchsstationen,  1866,  S.  41. 
**)  Ebendaselbst  S.  40. 


-     90    - 

Diese   Zahlenverhältnisse  gestalten   sich   in   unserem  Falle    fol- 
ffendermassen : 

^  steine  des 

Untergrundes.     Untergrund.     Ackerkrume. 
Menge    des   Kali,   löslich   in  Procent.  Procem.  Procent. 

a.  kalter  Salzsäure  .....  —  0,0360  0,0701 

b.  heisser  und   kalter  Salzsäure  0,0783  0,1505  0,-^007 

c.  Schwefelsäure 0,(i519  0,7703  0,0434 

d.  Flusssäure 2,0545  1,7291  1,8773 

im  Ganzen    2,7847         2,6499         2,7214 

a.  in  Procenten  von  b       .     .     .        —  23,8  34,9 

b.  in  Procenten  von  b  +  c      .     .       10,7  16,3  23,8 

c.  in  Procenten  von  b  +  c+d      .       23,4  29,1  23,6 

Man  sieht  zunächst,  dass  die  in  kalter  und  in  heisser  Salz- 
säure lösliche  Kalimenge  im  Untergrund  und  mehr  noch  in 
den  Steinen  des  letzteren  beträchtlich  geringer  ist,  als  in  der 
Ackerkrume,  während  die  Gesammtmenge  des  Kali  und  die  in 
Schwefelsäure  auflösliche  Quantität  verhältnissmässig  nicht  sehr 
dififerirt.  Mit  der  fortschreitenden  Verwitterung  ist  daher  das 
Kali  theilweise  in  einen  leichter  löslichen  Zustand  übergegangen. 

Um  die  Grundlage  zu  einer  vergleichenden  Beurtheilung 
des  hier  in  Eede  stehenden  Bodens  zu  gewinnen ,  mögen  auch 
die  Zahlen  erwähnt  werden,  welche  ich  bei  der  Untersuchung 
von  6  Hohenheimer  Bodenarten  gefunden  habe,  von  denen  drei 
von  sandig  lehmiger  Beschaffenheit  sind  und  im  Thongehalte 
(15 — 17  Proc.)  dem  obigen  Boden  sehr  nahe  stehen,  drei  da- 
gegen durch  grösseren  Reichthum  an  thoniger  Substanz  sich 
auszeichnen,  nämlich  in  der  lufttrocknen  Masse  25 — 38  Proc. 
reinen  Thon  enthalten.  ,    .  „     , 

3  sandige        3  thonige         Diircn- 
Bodenarten.     Bodenarten,     scbnittlicb. 
Menge    des    Kali,    löslich    in  Procent.  Proccnt.  Procent. 

a.  kalter  Salzsäure 0,0396  0,07:^3  0,0565 

b.  kalter  und  heisser  Salzsäure     .  0,2463  0,6763  0,4613 
0.  Schwefelsäure 0,3753  0,7363  0,5558 

d.  Flusssäure       0,9925  0,6800  0,8295 

im  Ganzen    1,6139        2,0926       1,8466 


91    — 


3  sandige 

3  thonige 

Durch- 

Bodenarten. 

Bodenarten. 

schnittlich. 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

16,1 

10,8 

12,3 

39,6 

47,8 

45,4 

23,3 

35,2 

30,1 

a.  in  Procenten  von  b       .     . 

b.  in  Procenten  von  b+c 

c.  in  Procenten  von  b-fc+d 

Während  also  die  sandigen  Hohenheimer  Bodenarten, 
welche  der  Formation  des  Liassandsteins  angehören  und  einen 
demjenigen  des  hier  untersuchten  Bodens  aus  der  Formation 
des  bunten  Sandsteins  nahezu  gleichen  Thongehalt  besitzen, 
mit  dem  Untergrunde  des  letzteren  hinsichtlich  der  absoluten 
Menge  des  in  kalter  Salzsäure  löslichen  Kali's  allerdings  ziem- 
lich übereinstimmen,  ist  aber  die  absolute  und  relative  Menge 
des  in  heisser  Salzsäure  löslichen  Kali  bei  den  ersteren  ent- 
schieden grösser  und  die  Menge  des  in  Schwefelsäure  löslichen 
Kali  weit  geringer ;  der  Thon  befindet  sich  daher  in  den  Boden- 
arten des  Liassandsteins  in  einem  mehr  aufgeschlossenen,  das 
Kali  vermuthlich  in  einem  den  Pflanzen  leichter  zugänglichen 
Zustande  als  in  dem  Boden  des  bunten  Sandsteins.  Diese  Er- 
scheinung tritt  noch  deutlicher  hervor,  wenn  man  das  Yerhält- 
niss  des  Kali's  zur  Thonerde  und  der  Mengen  von  jedem  der 
beiden  Stoffe  unter  einander  in  Betracht  zieht. 


Löslich  in 
Salzsäure     .     .     . 

Schwefelsäure  .     , 

Salz-  u.  Schwefel 
säure   ... 


steine  des 
Untergrundes. 
Kali.      Thonerde. 


Untergrund. 
Kali.       Thonerde. 


Ackerkrume. 
Kali.      Thonerde. 


0,0783  0,9878  0,1505  2,3392  0,2007  2,2790 

1  :  12,6      1  :  15,5      1  :  11,4 

0,6519  3,5025  0,7703  5,1333  0,6434  4,2873 

1  :  5,4       1  :  6,7       1  :  6,7 


.     .     .    0,7302  4,4903  0,9208  7,4725  0,8441  6,5663 
1  :  6,1  1  :  8,1  1  :  7,8 

Aus   den   Analysen   der  Hohenheimer   Bodenarten    ergeben 
sich  die  folgenden  Zahlenverhältnisse: 


-    92    - 

3  sandige  3  thonige  Durch- 

Bodenarten. Bodenarten.  schnittlicb. 

T  •■   T    1     •  Kali.      Thonerde.      Kali.         Thonerde.       Kali.     Thonerde. 

Loslich  m 

Salzsäure    .     .     .    0,2463  3,1823  0,6763  6,1613  0,4613  4,6718 

1  :  12,9  1  :  9,1  1  :  10,1 

Schwefelsäure      .     0,3753  3,5230  0,7363  5,7243  0,5558  4,0237 

1  :  9,4                1  :  7,8  1  :  8,3 
Salz-  u.  Schwefel- 
säure      .     .     .     0,6216  6,7053  1,4126  11,8856  1,0171  9,2955 
1  :  10,8               1  :  8,4  1  :  9,1 

In  den  sandigen  Bodenarten  des  Liassandsteins  wird  durch- 
schnittlich eine  fast  ebenso  grosse  Menge  von  Thonerde  und 
73  so  viel  Kali  von  der  kochenden  Salzsäure  aufgelöst,  als  aus 
dem  Rückstande  von  dieser  Behandlung  durch  die  Schwefelsäure 
aufgenommen  wird;  dagegen  beträgt  dieses  Mcngenverhaltniss 
in  dem  Boden  der  obersten  Schichten  der  Formation  des  bunten 
Sandsteins 


steine  des 

Untergrundes, 

Untergrund. 

Ackerkrume. 

Durchschnittlich. 

für  die  Thonerde 

1  :  3,5 

1  :  2,2 

1  :  1,9 

1  ;  2,3 

,,    das  Kali   .     . 

1  :  8,3 

1   :  5,1 

1  :  3,2 

1   :  4,8 

Die  Löslichkeit  des  Thones  und  zugleich  des  Kali's  nimmt 
also  mit  dem  Fortschreiten  der  Verwitterung  fortwährend  zu 
und  ist  eine  weit  grössere  in  den  Bodenarten  des  Liassandsteins 
als  in  dem  hier  untersuchten  Boden  des  bunten  Sandsteins. 
Hiermit  steht,  wie  es  scheint,  auch  die  Thatsache  im  Zusam- 
menhange, dass  das  Verhältniss  der  in  Schwefelsäure  lös- 
lichen Thonerde  und  des  Kali's  für  die  Gebilde  des  bunten  Sand- 
steins ein  günstigeres  ist  als  für  die  Ackererden  des  Liassand- 
steins, während  das  Verhältniss  der  in  Salzsäure  löslichen 
Thonerde  zum  Kali  in  beiden  Formationen  ziemlich  gleich  und 
eher  in  dem  Boden  des  bunten  Sandsteins,  entschieden  nament- 
lich für  den  Untergrund,  hinsichtlich  des  Kali's  ein  weniger  gün- 
sticres  ist.  "Wenn  daher  in  dem  bunten  Sandstein  eine  weitere 
Verwitterung  der  mit  Schwefelsäure  aufschliessbaren  thonigen 
Masse    eintritt    und  damit    mehr  Kali    iu   den  löslichen  Zustand 


-    93    - 

übergeht,  so  wird  das  letztere  offenbar  verhältnissmässig  rasch 
wiederum  aus  dem  Boden  ausgewaschen,  das  leichtlösliche  Kali 
von  dem  gleichsam  noch  roheren,  nicht  vollständig  verwitterten 
und  fein  zertheilten  Thon  nur  schwach  absorbirt  und  zurückge- 
halten. Vielleicht  wird  hierdurch  die  Erscheinung  erklärt,  dass 
die  aus  dem  Terrain  des  bunten  Sandsteins  abfliessenden 
Quellen  im  Allgemeinen  zur  Bewässerung  der  Wiesen  mit  sehr 
günstigem  Erfolge  benutzt  werden  und  daher  vermuthlich  reich 
sind  an  aufgelöstem  Kali.  Auch  mögen  unter  den  durch  Schwe- 
felsäure aufschliessbaren  Gemengtheilen  des  Bodens  zahlreiche 
Blättchen  von  Kaliglimmer  vorhanden  sein  und  dadurch  das 
Verhältniss  zwischen  der  Thonerde  und  dem  Kali  zu  Gunsten 
des  letzteren  noch  erhöht  werden. 

5.  Die  absolute  Menge  der  im  Boden  des  bunten  Sand- 
steins enthaltenen  Phosphor  säure  ist  nicht  beträchtlich  und 
namentlich  deren  Leichtlöslichkeit  verhältnissmässig  gering. 


Steine  des 

Untergrundes. 

Untergrund. 

Ackerkrume. 

Procent. 

Phosphorsäure,  löslich  in 

Procent. 

Procent. 

a.  kalter  Salzsäure    1)     — 

0,0208 

0,0640 

2)     - 

0,0228 

0,0667 

Mittel   — 

0,0218 

0,0654 

b.   heisser  Salzsäure    0,0457 

0,0498 

0,0940 

a  in  Procenten  von  b        — 

43,8 

70,9 

In  den  verschiedenen,  von  mir  untersuchten  Verwitterungs- 
stufen des  Muschelkalkes  war  die  ganze  Menge  der  vorhandenen 
Phosphorsäure  schon  in  kalter  Salzsäure  auflöslich  und  in  den 
Hohenheimer  Bodenarten  ergab  sich: 


Phosphorsäure,  löslich  in 

a.  kalter  Salzsäure 

b.  heisser  Salzsäure 
a  in  Procenten  von 


3  sandige 

3  thonige 

Durch- 

Bodenarten. 

Bodenarten. 

schnittlich. 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

0,0943 

0,1019 

0,0981 

0,1257 

0,1280 

0,1268 

75,0 

79,6 

77,3 

^    94    — 

6.  Die  vorstehenden  Zahlen  zeigen,  dass  die  absolute 
Menge  und  ausserdem  die  Lösliclikeit  der  Phosphorsäure  in  der 
Ackerkrume  des  betreffenden  Bodens  eine  betrcächtlich  grössere 
ist,  als  in  dem  Untergrund.  Ein  ähnliches  Verhalten  wurde  be- 
reits oben  hinsichtlich  des  Kali's  nachgewiesen.  "Weiter  ersieht 
man  aus  der  Zusammenstellung  der  analytischen  Ergebnisse,  dass 
die  Ackerkrume  an  Kalk,  Magnesia  und  Schwefelsäure  entschie- 
den reicher  ist  als  der  Untergrund,  dass  somit  die  erstere  alle 
wichtigen  Pflanzennährstoffe  in  grösserer  Menge  und  Leichtlös- 
lichkeit enthält  als  der  letztere;  nämlich: 

Löslich  in  kalter  Löslich  in  heisser 

Salzsäure.  Salzsäure. 

Untergrund.     Ackerkrume.     Untergrund.     Ackerkrume. 

Kali 

Phosphorsäure     .     .     . 

Magnesia 0,0462 

Kohlensaurer  Kalk 
Schwefelsäure      .     . 

Ein  derartiges  Verhalten,  namentlich  bezüglich  der  Phos- 
phorsäure, des  Kalkes  und  der  Schwefelsäure,  wäre  unbegreif- 
lich, wenn  die  Kultur  des  Bodens  stets  in  einfacher  Stallmist- 
wirthschaft  und  ohne  alle  Zufuhr  von  Aussen  her  betrieben  wor- 
den wäre.  Es  hat  nämlich  hier  in  Folge  langer  Cultur  keine 
Erschöpfung  des  Bodens,  sondern  im  Gegentheil  eine  sehr  be- 
trächtliche Bereicherung  der  Ackerkrume  gegenüber  dem  Unter- 
grunde stattgefunden,  obgleich  ursprünglich  die  beiderlei  Boden- 
schichten aus  einem  und  demselben  Gestein  entstanden  sind  und 
daher  einen  völlig  gleichen  Gehalt  an  wirksamen  Pflanzon- 
nährstoffen  gehabt  haben.  Es  erklärt  sich  aber  die  Bereiche- 
rung des  Bodens  durch  den  Umstand,  dass  in  der  betreffenden 
Gegend  des  Schwarzwaldes  seit  Jahrhunderten  grosse  Massen 
von  Waldstrou  neben  dem  Stallmist  dem  Acker  zugeführt  wur- 
den und  auf  solche  Weise  nicht  allein  eine  beträchthchc  Menge 
von  stickstoffhaltigem  Humus  in  der  obersten  Schicht  des  Bodens, 
in  der  Ackerkrume  sich  ansammelte,  sondern   gleichzeitig  auch 


Procent. 

Procent. 

Procent. 

Procent. 

0,0360 

0,0701 

0,1505 

0,2007 

0,0219 

0,0654 

0,0498 

0,0940 

0,0462 

0,0610 

0,0446 

0,0957 

0,0583 

0,1183 

0,1050 

0,2300 

0,0062 

0,0272 

0,0080 

0,0304 

-     95    — 

nach  und  nach  der  procentische  Gehalt  derselben  an  Phosphor- 
säure, Kalk,  Schwefelsäure  etc.  sich  erhöhte.  Vielleicht  trägt 
auch  die  Vegetation  selbst  dazu  bei,  dass  gewisse  Nährstoffe 
dem  Untergrunde  entzogen  werden  und  im  Verlaufe  von  Jahr- 
hunderten in  der  Ackerkrume  immer  mehr  sich  concentriren. 

7.  Die  Zusammensetzung  der  rein  sandigen  (in  Salzsäure 
und  Schwefelsäure  unlöslichen)  Substanz  ist  in  den  Steinen  des 
Untergrundes,  sowie  in  der  Feinerde  des  letzteren  und  der  Acker- 
krume eine  sehr  nahe  übereinstimmende. 


Steine  des 

Untergrundes. 

Untergrund. 

Ackerkrume, 

Thonerde   . 

.     3,84 

3,08 

8,97 

Kalk      .     . 

.     0,09 

0,07 

0,12 

Magnesia  . 

.     0,08 

0,08 

0,07 

Kali      .     . 

.     2,53 

2,39 

2,72 

Natron 

.     0,39 

0,41 

0,47 

Kieselsäure 

.  93,07 

93,97 

92,65 

100,00  100,00         100,00 

Das  Verhältnis  der  Thonerde  zu  den  Alkalien  ist  von  der 
Art,  das  die  letzteren  zum  weitaus  grösseren  Theile  in  feld- 
spathartigen  Verbindungen  vorhanden  sein  müssen;  wenn 
daher  in  dem  festen  Gestein  und  auch  in  der  Feinerde  des  Un- 
tergrundes feine  weisse  Glimmerblättchen  sichtbar  sind,  so  wer- 
den diese  (als  Kali  glimm  er)  entweder  schon  durch  die  Be- 
handlung der  Masse  mit  Salzsäure  und  Schwefelsäure  zersetzt 
oder  die  Menge  des  Glimmers  ist,  gegenüber  derjenigen  des 
Feldspaths,  dem  Gewichte  nach  eine  nur  sehr  geringe.  Mag- 
nesiaglimmer, welcher  nicht  wie  der  Kaliglimmer  von  con- 
centrirten  Säuren  angegriflen  wird,  scheint  beinahe  ganz  zu 
fehlen,  da  in  der  sandigen  Substanz  nach  dem  Aufschliessen 
derselben  mit  Flusssäure  fast  nur  Spuren  von  Magnesia  nach- 
weisbar waren. 

Die  Berechnung  gibt  als  Gemengtheile  des  Sandes: 


96    — 


Steine  des 

Untergrundes. 

Untergrund. 

Ackerkrume. 

Kalifeldspath     .     . 

.     15,06 

14,20 

16,16 

Natronfeldspath 

.       3,30 

3,62 

4,15 

Thon 

.       0,97 

— 

0,28 

Quarzsand     .     .     . 

.     80,50 

82,03 

79,22 

Kalk  und  Magnesia 

.       0,17 

0,15 

0,19 

100,00         100,00       100,00 

Diese  Mengenverhältnisse  sind  namentlich  bezüglich  des 
Kalifeldspaths  für  einen  sandigen  Lehmboden  als  günstige  zu 
bezeichnen;  in  5  Hohenheimer  Bodenarten,  welche  sämmtlich 
der  Liasformation  angehörten  und  unter  sich  in  der  Zusammen- 
setzung der  sandigen  Gemengtheile  nahe  übereinstimmten,  fand 
ich,  nach  Abzug  kleiner  Mengen  von  Thon  und  von  Magnesia 
durchschnittlich  nur  10,16  Proc.  Kalifeldspath,  dagegen  12,07  Proc. 
Natronfeldspath  und  77,77  Proc.  Quarzsand,  während  freilich 
die  sandigen  Gemengtheile  des  Muschelkalkes  die  ungewöhnlich 
grosse  Quantität  von  über  50  Proc.  Kalifeldspath  enthielten. 

8.  Hinsichtlich  der  Steine  und  Steinchen,  welche  in 
nicht  sehr  beträchtlicher  Menge  dem  Untergrunde  beigemengt 
sind,  ist  schon  oben  auf  den  leicht  erklärlichen  geringeren  Ge- 
halt derselben  an  thonigen  Substanzen,  sowie  auf  den  grösseren 
Gehalt  an  Eisenoxyd  und  Manganoxyd  hingewiesen  worden; 
auch  wurde  bereits  hervorgehoben,  dass  die  einzelnen  Bostand- 
theile,  namentlich  das  Kali  und  die  Thonerde  (s.  unter  4)  in 
Salzsäure  entschieden  weniger  auflöslich  sind,  als  in  der  Fein- 
erde des  Untergrundes.  Dagegen  befindet  sich  die  Zusammen- 
setzung der  rein  sandigen,  noch  ganz  unverwitterten  Masse  in 
diesen  Steinen  im  fast  völligen  Einklänge  mit  derjenigen  der- 
selben Substanz  im  Untergrunde  und  in  der  Ackerkrume.  Das- 
selbe ist  hinsichtlich  der  absoluten  Mengenverhältnisse  der  Fall, 
in  welchen  die  verschiedenen  Pflanzennährstoffe  in  jenen 
Steinen  und  in  der  Feinerde   des  Untergrundes  vorhanden  sind: 


-    97     - 

Steine  Feinerde 

des  Untergrundes- 
Procent.  Procent. 

Kohlensaurer  Kalk  .  0,0988  0,1050 

Kalk 0,0876  0,0745 

Magnesia    ....  0,2555  0,1616 

Schwefelsäure.     .     .  0,0093  0,0080 

Phosphorsäure     .     .  0,0457  0,0498 

Kali 2,7847  2,6499 

:Natron 0,4420  0,3728 

Durch  allmählige  Verwitterung  der  Steine  muss  also  die  Fein- 
erde des  Untergrundes  vermehrt  werden,  ohne  dass  die  letztere  da- 
durch eine  wesentliche  Yeränderung  in  ihrer  Zusammensetzung, 
namentlich  hinsichtlich  der  eigentlichen  Pflanzennährstoffe,  erleidet. 

9.  Wenn  es  sich  darum  handelt,  über  die  Güte  und  na- 
türliche Fruchtbarkeit  des  Bodens  (Ackei-erde  und  Unter- 
grund), welcher  durch  Zerbröckeln  und  Verwitterung  der  oberen 
plattenförmigen  Ablagerungen  des  bunten  Sandsteins  entstanden 
ist,  ein  Urtheil  abzugeben,  so  würde  dieses  auf  Grund  der 
vorliegenden  analytischen  Ergebnisse  etwa  folgendermassen  sich 
gestalten. 

Die  physikalische  und  mechanische  Beschaffenheit  des  Bo- 
dens muss  im  Allgemeinen  als  eine  günstige  bezeichnet  werden. 
Die  Menge  der  Steine  und  Steinchen,  welche  mehr  als  1  Milli- 
meter Durchmesser  haben,  beträgt  nur  7,5  bis  8,5  Proc.  vom 
Gewichte  der  ganzen  Masse  und  in  der  Feinerde  herrscht  der 
etwas  gröbere  Sand  (a.  s.  S.  79)  entschieden  vor,  wodurch  ver- 
hindert wird,  dass  der  Boden  zu  dicht  und  fest  sich  zusammen- 
setzt und  in  seinen  feinen  Theilchen  leicht  verschlämmt.  Auch  der 
Thongehalt,  wie  derselbe  durch  die  mechanische  und  namentlich 
durch  die  chemische  Analyse  ermittelt  worden  ist,  entspricht 
durchaus  einem  lehmigen  Sandboden  von  guter  mittlerer  Be- 
schaffenheit. Dagegen  ist  zum  Nachtheil  des  Bodens  hervorzu- 
heben ,  dass  der  Thon ,  besonders  im  Untergrunde  in  einem 
gleichsam  noch  rohen  Zustande  sich  befindet,  in  welchem  er  die  vor- 
handenen Alkalien  chemisch  sehr  fest  bindet,  aber  noch  nicht  den 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     Is  Heft.  7 


—    98    — 

höchsten  Grad  der  Zertheilung  erlangt  hat  und  daher  auch  nicht  fähig 
ist,  grössere  Mengen  leichtlöshcher  PflanzennährstofFe  zu  absorbiren, 
vordem  Auswaschen  und  Durchsickern  zu  schützen.  Der  Boden  ist  da- 
her in  Wirklichkeit  von  leichterer,  mehr  sandiger  Beschaffenheit,  als 
deraufchemischemWegenachgewieseneThongehalt  andeuten  würde. 

Diese  rohe  Beschaffenheit  des  Thones  steht  jedenfalls  mit 
der  Thatsache  im  Zusammenhange,  dass  zwar  die  absolute  Menge 
des  Kali's  eine  sehr  beträchtliche  ist,  dagegen  aber  das  leichter 
(in  Salzsäure)  lösliche  Kali  zu  derGesammtmenge  desselben  im  Thone 
und  im  ganzen  Boden  in  einem  sehr  ungünstigen  Verhältniss  steht. 
Während  nämlich  das  in  Salzsäure  lösliche  Kali  bei  6Hohenheimer 
Bodenartendurchschuittlich45,4Proc.  vonderimThonund25,0Proc. 
von  der  im  Boden  überhaupt  enthaltenenGesammtmenge  des  Kali  be- 
trägt, ergaben  sich  diese  Zahlen  für  die  Steine  des  Untergrundes 
zu  beziehungsweise  10,7  und  2,8  Proc. ,  für  die  Feinerde  des 
Untergrundes  zu  16,3  und  5,7  Proc.  und  für  die  Ackerkrume 
zu  23,8  und  7,4  Procent. 

Die  sandigen  Gemengtheile  des  Bodens  sind  ziemlich  reich 
an  feldspathartigen  Verbindungen,  sie  enthalten  etwa  15  Proc. 
oder  der  ganze  Boden  im  lufttrocknen  Zustande  nahezu  1 1  Proc. 
Kalifeldspath.  Der  letztere  wird  vermuthlich  ziemlich  rasch  ver- 
wittern und  hiei'bei  fortwährend  eine  nicht  unbedeutende  Menge 
von  löslichem  Kali  liefern ,  welches  aber,  wie  erwähnt,  von  den 
übrigen  Gemengtheilen  des  Bodens  nicht  sehr  stark  absorbirt 
und  zurückgehalten  wird  und  daher  zur  Bildung  kalireicher 
Quellwasser  im  Terrain  der  Formation  des  bunten  Sandsteins 
Veranlassung  geben  möchte. 

In  der  Ackerkrume  hat  eine  reichliche  Menge  von  stick- 
stoffhaltigem Humus  in  Folge  einer  vielhundertjährigen  Vege- 
tation und  einer  langen  Cultur  eich  angesammelt  (4,2  Proc),  — 
Humus,  in  welchem  das  Verhältniss  zwischen  Stickstoff  und  Koh- 
lenstoff r^  1:  9,73  anzudeuten  scheint,  dass  die  organische  Sub- 
stanz einen  mittleren  Grad  der  Zersetzbarkeit  besitzt,  weder 
sehr  rasch,  noch  auch  sehr  langsam  dorn  Verwcsungsproecss  un- 
terliegt; es  ist  ein  milder,  ziemlich  fruchtbarer  Humus,  welcher 
offenbar  auf  die   physikalischen   und   namentlich    auch   auf   die 


—    99    - 

absorbirenden  Eigenschaften  der  Ackerkrume,  gegenüber  dem 
Untergründe,  einen  günstigen  Einfluss  ausübt. 

Auch  hinsichtlich  der  Menge  der  zunächst  disponible^  Pflan- 
zennährstoffe ist  die  Ackerkrume  entschieden  reicher  als  der 
Untergrund ;  sie  enthält  beträchtlich  mehr  an  in  kalter  und  in  heis- 
ser  Salzsäure  löslichem  Kali,  die  Menge  der  Phosphorsäure  und 
des  Kalkes  ist  doppelt  und  die  der  Schwefelsäure  sogar  4mal 
so  gross  als  im  Untergrund.  Der  letztere  aber  ist  verhältniss- 
mässig  arm  an  allen  wesentlichen ,  den  Pflanzen  hinreichend 
leicht  zugänglichen  Nährstoffen. 

Als  Resultat  der  sämmtlichen  angestellten  Untersuchungen 
und  Betrachtungen  kann  man  annehmen,  dass  der  Verwitte- 
rungsboden der  oberen  plattenförmigen  Ablagerungen 
des  bunten  Sandsteins  zwar  in  physikalischer  und 
mechanischer  Hinsicht  für  die  Erzielung  hoher 
Ernteerträge  kein  Hinderniss  darbietet,  dass  aber 
der  Boden  verhältnissmässig  arm  ist  an  sofort  oder 
in  nächster  Zeit  verwendbaren  Pflanzennährstoffen 
und  daher,  um  hohe  Erträge  zu  liefern,  viel  Dünger 
beansprucht,  auch  die  Anwendung  von  concentrirten 
Düngemitteln,  namentlich  von  Kalk  und  von  Phos- 
phaten reichlich  lohnen  möchte. 

10.  Die  Eigenschaften  und  Verhältnisse,  welche  es  be- 
dingen, dass  der  so  eben  beschriebene  Boden  als  ein  ziemlich 
armer  bezeichnet  werden  muss ,  würden  jn  noch  weit  höherem 
Grade  bei  einem  Boden  vorhanden  sein,  welcher  durch  Zer- 
bröckeln und  Verwitterung  des  festen  bunten  Sandsteins 
gebildet  wäre,  den  ich  ebenfalls  einer  ausführlichen  Untersuchung 
unterworfen  habe.  Der  Gehalt  des  Sandsteins  zunächst  an 
Phosphorsäure   ist  ein   sehr  niedriger;    es  wurde   gefunden: 

Procent. 

a.  in  kalter  Salzsäure  auflöslich  .     1)     0,0090 

2)     0,0103 


Mittel 

.     0,0096 

b.  in  heisser  Salzsäure  auflöslich  . 

.     0,0249 

a  in  Procenten  von  b       .... 

.      38,9 

—    100    - 

Die  Gesammtmenge  des  Kali's  ist  freilich  eine  ziemlich 
grosse  und  selbst  eine  etwas  grössere,  als  in  den  sonst  weit 
fruchtbareren  Bodenarten  des  Liassandsteins  vorhanden  zu  sein 
pflegt,  sie  beti'ägt  nämlich  1,8925  Proc.  vom  Gewichte  des  Ge- 
steins. Das  Kali  ist  aber  in  einem  sehr  fest  gebundenen  Zu- 
stande zugegen;  in  kalter  Salzsäui'e  sind  nur  0,0148  Proc,  in 
heisser  Salzsäure  0,0490  Proc.  des  Gesteins,  d.  h.  von  dem  im 
Thon  enthaltenen  Kali  4,4  und  14,7  Proc,  von  dem  Gesammt- 
kali  nur  0,8  und  2,6  Proc.  auflöslich. 

An  Thon  wurden  auf  chemischem  Wege  durch  Behandlung 
des  Steinpulvers  mit  concentrirter  Salzsäure  und  Schwefelsäure 
im  Ganzen  4,1614  Proc.  nachgewiesen,  während  die  Steine  des 
Untergrundes  10,64  und  die  Feinerde  des  letzteren  18,36  Proc. 
fertig  gebildeten  Thon  enthielten;  die  Menge  der  eigentlichen 
sandigen  Masse  betrug  in  diesen  drei  Materialien  beziehungs- 
weise 93,09 — 81,33  und  72,35  Proc.  der  lufftrocknen  Substanz. 
Die  procentische  Zusammensetzung  der  rein  sandigen  Masse 
ist  die  folgende: 

steine  des        Feinerde  des 
Sandstein.       Untergrundes.     Untergrundes. 

Thonerde 2,36  3,84  3,08 

Kalk 0,09  0,09  0,07 

Magnesia 0,06  0,08  0,08 

Kali 1,67  2,53  2,39 

JSfatron 0,06  0,39  0,41 

Kieselsäure      ....  95,76  93,07  93,97 

100,00         100,00        100,00 
Hieraus  berechnen  sich  die  Gemengtheile : 


Kalifeldspath  . 
Natronfeldspath 
Thon  .... 
Quarzsand  .  . 
Kalk  und  Magnesia 


9,91  15,06  14,20 

0,51  3,30  3,62 

1,13  0,97  — 

88,30  80,50  82,03 

0,15  0,17  0,15 


100,00         100,00        100,00 
Der    Gehalt    des  Sandsteins  an  feldspathartigen  Verbindnn- 


—    101    - 

gen  ist  also  entschieden  niedriger  als  der  des  Untergrundes  und 
der  in  letzterem  noch  vorhandenen  Steine,  dennoch  aber  ver- 
hältnissmässig  nicht  unbedeutend. 

Die  Verwitterung  des  Sandsteins  und  dessen  allmähliges 
Zerfallen  zu  einer  pulverigen  Masse  wird  dadurch  bewirkt,  dass 
ein  Theil  des  Eisenoxyds  von  den  atmosphärischen  Wassern  auf- 
gelöst und  ausgewaschen  wird  und  ausserdem  dadurch,  dass  die 
glimmer-  und  feldspathartigen  Mineralien  nach  und  nach  der 
Zersetzung  unterliegen.  In  Folge  des  zuletzt  erwähnten  Pro- 
zesses wird  die  Menge  der  Thonsubstanz  sich  etwas  erhöhen 
und  auch  das  Kali  theilweise  in  einen  leichter  löslichen,  den 
Pflanzen  mehr  zugänglichen  Zustand  übergehen;  jedenfalls  aber 
zeigt  der  niedrige  absolute  Gehalt  an  Kalk  und  Magnesia,  be- 
sonders aber  an  Phosphorsäure  und  Schwefelsäure  deutlich  ge- 
nug, dass  aus  dem  hier  untersuchten  bunten  Sandstein  ein 
sehr  leichter  Ackerboden  sich  bilden  muss,  welcher 
eine  nur  geringe  natürliche  Fruchtbarkeit  zu  ent- 
wickeln vermag. 


Anhang. 

Untersucliuiigsinetliodeii  und  analytische  Belege.  *) 

Zur  Bestimmung  der  sandigen  Gemengtheile  des  Bodens 
wurden  jedesmal  30  Grm.  lufttrockner  Substanz  in  dem  Nöbel- 
schen  Apparat  abgeschlämmt;  man  kochte  zu  diesem  Zweck  die 
abgewogene  Substanz  zunächst  stundenlang  mit  etwas  Wasser 
auf,  schüttete  dieselbe  hierauf  in  den  zweiten  Trichter  des 
Apparates  und  nachdem  die  sämmtlichen  Trichter  mit  Walser 
vollständig   angefüllt  und   luftdicht    mit  einander   und    mit  dem 


*)  Ueber  die  Methode  der  Analyse  vgl.  auch  die  Zeitschrift:  „Land- 
wirlhschaftliche  Versuchsstationen'-;  1865,  S.  2  96 — 302. 


-    102    - 

"Wasserbehälter  verbunden  waren,  wurden  9  Liter  Wasser  bei 
gleichförmig  regulirtem  Strome  in  der  Zeit  von  40 — 45  Mi- 
nuten durch  den  Apparat  hindurch  geleitet.  Die  gröberen  und 
feineren  sandigen  Massen  in  je  30  Grm.  der  von  Steinen  und 
Steinchen  abgesiebten  Feinerde  betrugen: 


Ackei 

■krume. 

Vntergrund. 

Gramme. 

Gramme. 

Gramme. 

Sandige  Substanz  a. 

17,91 

17,62 

18,53 

»             «          b. 

2,82 

2,86 

2,92 

c. 

2,24 

2,11 

2,77 

Nach  dem  Glühen  wogen  diese  Schlämmproben: 
Sandige  Substanz  a.     17,21        16,86         18,10 
„  „  b.       2,58  2,57  2,80 

„  „  c.       1,99  1,84  2,57 

In  933,3  Grm.  Untergrund  waren  80,3  Grm.  und  in  858,7  Grm. 
Ackerkrume  63,7  Grm,  Steine  und  Steinchen  enthalten.  Ueber- 
all  wurde  die  Feinerde  zur  Analyse  verwendet,  der  feste  bunte 
Sandstein  aber  und  die  Steine  des  Untergrundes  vor  der  Unter- 
suchung zu  einem  feinen  Pulver  zerstossen. 

Den  in  organischer  Yerbindung  (im  Humus)  vorhandenen 
Kohlenstoff  bestimmte  ich  auf  die  Weise,  dass  ich  die  betreffende 
Substanz  zuerst  mit  15  CG.  Wasser  und  dann  mit  30  CG.  con- 
centrirter  Schwefelsäure  in  einem  Kochfläschchen  übergoss,  hierauf 
nach  dem  Erkalten  der  Flüssigkeit  6 — 7  Grm.  von  gröblich  ge- 
stossenem  saurem  chromsaurem  Kali  hinzusetzte  und  unter  vor- 
sichtiger Erwärmung  einwirken  liess;  die  gebildete  Kohlensäure 
wurde  in  Kalilauge  aufgefangen  und  dem  Gewichte  nach  ermit- 
telt. Den  Stickstoff  des  Bodens  bestimmte  ich  durch  Verbrennen 
mit    Natronkalk    und    Auffangen    des    Ammoniaks    in    titrirter 


Schwefelsäure, 

Untergi 

rund. 

Ackerkrume. 

% 

1. 
Grm. 

Grm. 

1. 
Grm. 

Grm. 

Lufttrockne  Substanz 

10,223 

9,687 

5,739 

4,174 

Kohlensäure     .     .     . 

0,112 

0,123 

0,485 

0,373 

Lufttrockne  Substanz 

10,361 

12,819 

8,379 

6,126 

Stickstoff     .... 

0,0042 

0,0049 

0,0199 

0,0154 

-    103 


' 

Steine  des 

Sandstein. 

Untergrund. 

Ackerltrume. 

Untergrundes. 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

11,546 

10,571 

11,245 

5,651 

0,036 

0,241 

0,516 

0,063 

Lufttrockne     Substanz     11,546 
Verlust  bei  125  °  C.     . 
Weiterer  Verlust  durcb 

Glühen 0,036        0,252        0,717          0,085 

Von  dem  Pulver  des  Sandsteins  wurden  300  Grm.  mit 
1000  CC.  concentrirter  Salzsäure  und  von  der  Feinerde  des  Un- 
tergrundes und  der  Ackerkrume  450  Grm.  mit  1500  CC.  Salz- 
säure Übergossen  und  nachdem  die  Einwirkung  bei  gewöhnlicher 
Temperatur  unter  häufigem  Umschütteln  der  ganzen  Masse 
48  Stunden  lang  stattgefunden  hatte,  beziehungsweise  800  und 
1000  CC.  der  Flüssigkeit  zur  Abscheidung  und  Bestimmung  der 
darin  aufgelösten  Bodenbestandtheile  benutzt.  Diese  Flüssig- 
keitsmengen entsprechen  also  240  Grm.  des  Sandsteins  und  je 
300  Grm.  des  Untergrundes  und  der  Ackerkrume.  Ich  fand  in 
der  Lösung: 

Sandstein.     Untergrund      Ackerkrume. 
Grm.  Grm.  Grm. 

Kieselsäure 0,008        0,248        0,418 

Das  Filtrat  von  der  Kieselsäure  verdünnte  ich  auf  je  1000 
CC.  und  es  waren  enthalten: 

In  200  CC. 

Eisenoxyd  in  der  Hälfte  ....  0,2544  0,506  0,428 

Thonerde    „     „         „        .     .     .     .  0,0183  0,264  0,270 

Mauganoxyduloxyd ?  0,039  0,053 

Kohlensaurer  Kalk 0,024  0,035  0,073 

Pyrophosphorsaure  Magnesia     .     .  Spur  0,0773  0,102 

In  400  CC.  (Phosphorsäure) 

Pyrophosphorsaure  Magnesia  1)     ..  0,0135  0,039  0,120 

2)     .  0,0155  0,043  0,125 

In  800  CC. 

Schwefelsaure  Baryterde  ....  0,047  0,045  0,190 

Chloralkdhen 0,056  0,154  0,280 

Chlorkalium -Platinchlorid    .    .     .  0,147  0,4485  0,872 


—    104    - 

Bezüglich  des  Mangan's  ist  zu  bemerken,  dass  aus  der 
Lösung  zunächst  das  Eisenoxyd  und  die  Thonerde  nebst  der 
Phosphorsäure  nach  genügendem  Zusatz  von  kohlensaurem  und 
essigsaurem  Natron  durch  Aufkochen  ausgefällt  und  sodann  das 
Filtrat  unter  Erwärmen  mit  Chlorgas  gesättigt  wurde.  Das  hier- 
durch ausgeschiedene  Mangansuperoxyd  löste  ich  in  Salzsäure 
auf,  fällte  mit  kohlensaurem  Natron  und  bestimmte  das  Mangan 
nach  Abfiltriren,  Auswaschen  und  starkem  Glühen  des  Nieder- 
schlages als  Oxyduloxyd. 

Eine  neue  Portion  der  lufttrocknen  Substanz  wurde  mit  dem 
doppelten  Gewichte  von  concentrirter  Salzsäure  eine  Stunde  lang 
gekocht ,  der  Rückstand  abfiltrirt  und  ausgewaschen ,  die  Flüs- 
sigkeit eingedampft,  aus  der  eingetrockneten  Masse  durch  Be- 
handlung mit  salzsaurem  Wasser  die  Kieselsäure  abgeschieden 
und  das  Filtrat  wiederum  auf  1000  CG.  verdünnt. 

steine  des 
Sandstein.  Untergrund.  Ackerkrume.  Untergrundes. 
G 

Lufttrockne  Substanz  120 

Kieselsäure      .... 
In  CG.  der  Lösung: 

Eisenoxyd  in  der  Hälfte 

Thonerde   „      „       „     . 

Manganoxyduloxyd  .     . 

Kohlensaurer  Kalk  .     . 

Pyrop  hosphorsaureMag- 

Besia Spur 

In  GG.  der  Lösung: 

Schwefelsaure  Baryterde 

Pyrophosphorsaure  Mag- 
nesia (Phosphorsäure) 

Chloralkalien        .     .     . 

Chlorkalium -Platinchlo- 
rid      .....      0,183          0,703       0,938         0,210 
Der  Rückstand  von   der  Behandlung   mit    kochender   Salz- 
säure -wog  im 


Gramme. 

Gramme. 

Gramme. 

Gramme. 

120 

150 

150 

74,184 

0,040 

0,195 

0,192 

0,042 

400 

400 

400 

300 

0,2492 

0,6053 

0,5841 

0,3531 

0,0663 

0,7018 

0,6837 

0,1099 

0,003 

0,087 

0,125 

0,113 

0,041 

0,063 

0,138 

0,022 

Spur 

0,069 

0,160 

0,032 

600 

600 

600 

700 

0,020 

0,021 

0,0785 

0,014 

0,028 

0,070 

0,132 

0,037 

0,064 

0,225 

0,309 

0,074 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

139,15 

132,24 

69,582 

11,308 

11,158 

8,986 

0,331 

0,582 

0,124 

12,274 

12,360 

15,324 

0,397 

0,486 

0,164 

16,738 

18,311 

17,036 

-    105    - 

steine  des 
Sandstein.     Untergrund.     Ackerlirume.     Untergrundes. 
Grm. 

lufttrocknen  Zustande  .  117,93 

1.  Theil  des  Rück- 
standes       .     .     .     14,492 

Glühverlust      ....       0,079 

2.  Theil  des  Rück- 
standes       .     .     .     15,782 

Kieselsäure,  in  kohlen- 
saurem Natron  löslich       0,095 

3.  Theil  des  Rück- 
standes       .     .     .     20,952 

Mit  dem  Sfachen  Gewichte  concentrirter  Schwefelsäure  be- 
handelt : 

Kieselsäure  aus  der  Lö- 
sung     0,021 

Eisenoxyd 0,0961 

Thonerde 0,2749 

Kohlensaurer  Kalk    .     .       0,005 

Pyrophosphorsaure  Mag- 
nesia         0,034 

Chloralkalien   ....       0,104 

Chlorkalium -Platinchlo- 
rid        0,315 

unlöslicher     Rückstand 

(lufttrocken)      .     .     .     20,522 

1.  Theil  des  Rück- 
standes       .    .    .      7,858 

Glühverlust      ....       0,057 

2.  Theil  des  Rück- 
standes       .     .     .     12,664          6,688        7,992        8,363 

Kieselsäure  ,   in  kohlen- 
saurem jS'atron  löslich       0,324  0,840        0,829         0,574 
Ein  Theil  des  Rückstandes  von  der  Behandlung  mit  Schwefel- 
säure wurde  fein  gerieben  und  geschlämmt  und  nach  dem  Trock- 
nen und  Glühen  mit  flusssauren  Dämpfen  aufgeschlossen. 


0,014 

0,030 

— 

0,1818 

0,1246 

0,104 

0,9262 

0,8914 

0,637 

0,009 

0,011 

0,003 

0,032 

0,041 

0,069 

0,243 

0,229 

0,227 

0,721 

0,694 

0,615 

15,.338 

16,570 

16,153 

8,650 

8,381 

7,790 

0,202 

0,197 

0,121 

-    106    - 

Steine  des 
Sandstein.       Untergrund.  Ackerkrume.  Untergrundcs- 
Orm.  Grm.  Grm.  Grm. 

Geglühte  Substanz        .       3,850         4,053       2,916        3,796 

Unaufgeschlossen      .     .       0,027  0,102        0,117  — 

Kieselsäure,  in  kohlen- 
saurem Natron  löslich, 
nach  Berechnung       .       0,096  0,508        0,316         0,265 

Aufgeschlossener  reiner 

Sand 3,727         3,443        2,483        3,531 

Hierin  gefunden: 

Thonerde 0,088  0,107        0,097         0,132 

Kohlensaurer  Kalk   .     .       0,006  0,004        0,0055       0,006 

Pyrophosphorsaure  Mag- 
nesia   0,006  0,007        0,005         0,008 

Chloralkalien  ....       0,103  0,157        0,129         0,165 

Chlorkalium-Platinchlo- 
rid       0,324         0,427        0,350        0,457 

Eine  Portion  der  ursprünglichen  lufttrocknen  Substanz  des 
Untergrundes  und  der  Ackerkrume  wurde  nach  Knop  mit  der 
doppelten  Menge  (CC.)  einer  Flüssigkeit,  die  in  1  Liter  100  Grm. 
Weinsäure  und  10  Grm.  Oxalsäure  enthielt  und  mit  einem  mas- 
sigen Ueberschuss  von  Aetzammoniak  versetzt  war ,  1  Viertel- 
stunde lang  gekocht,  der  Rückstand  abfiltrirt  und  möglichst  gut 
ausgewaschen.     In  der  Weinsäurelösung  war  enthalten: 

Untergrund.     Ackerkrume. 
Gramme.  Gramme. 

Lufttrockne  Substanz  .50  40 

Thonerde 0,111         0,161 

Eisenoxyd 0,061         0,071 

Endlich  Hess  ich,  ebenfalls  nach  Knop,  auf  die  lufttrockno 
Substanz  die  doppelte  Anzahl  CC.  einer  titrirten  Lösung  von 
salpetersaurem  Kalk,  welche  in  200  CC.  1  Grm.  Kalk  und  eine 
der  Salpetersäure  äquivalente  Menge  Ammoniak  enthielt,  unter 
häufigem  Umschütteln  24  Stunden  einwirken. 


-    107     - 

Untergrund.  Ackerkrume. 

Lufttrockne  Substanz  50  Grm.  40        Grm. 

Titrirte  Kalklösung  .  100  CC.  80        CG. 

Hiervon  abfiltrirt .     .  65  „  40  „ 

Kohlensaurer  Kalk    .  0,405  Grm.  0,164  Grm. 

Aus  dieser  Menge  des  kohlensauren  Kalkes,  welche  aus  der 
erwähnten  CC.-Anzahl  der  Flüssigkeit  abgeschieden  worden  war, 
ergibt  sich,  dass  die  Feinerde  des  Untergrundes  im  Ganzen 
0,1510  Grm.  =  0,302  Proc,  die  Feinerde  der  Ackerkrume  aber 
0,2164  Grm.  =  0,541  Proc.  Kalk  absorbirt  hatte. 


Dyoplax ''"')  arcuaceus,  ein  neuer  Stuttgarter  Kcuper-Sauricr. 

Von  Professor  Dr.  Oscar  Fraas. 
(Hiezu  Tafel  I.) 

Eine  der  fruchtbarsten  Gegenden ,  was  fossile  Saurierfunde 
anbelangt,  ist  seit  Jahren  die  Gegend  um  Stuttgart.  Der  Grund 
hiefür  wird  weniger  in  einem  grösseren  Reichthum  des  Keupers 
an  abgelagerten  Saurierresten  zu  suchen  sein,  als  in  den  zahl- 
reichen Grabarbeiten,  die  Jahr  aus  Jahr  ein  Berg  und  Thal  um 
Stuttgart  durchwühlen.  Im  unteren  Keuper  bricht  der  Stutt- 
garter "Werkstein  oder  Schilfsandstein,  der  vorzugsweise  für  die 
zahlreichen  Neubauten  benutzt  wird.  Zuerst  fanden  sich  in 
dessen  unteren  Lagen  auf  der  Feuerbacher  Haide  wie  in  den 
oberen  Lagen  (Kienlen)  Schädel  und  Schilder  des  Mastodon- 
saurus  rohustus  und  Metopias  diagnosticus.  Hernach  kam  in 
den  oberen  rothen  Knollenmergeln  von  Degerloch  der  „schwä- 
bische Lindwurm'"',  Zanclodon  loevis,  zu  Tage  und  aus  den  dor- 
tigen Bonebedschichten  die  Zähne  und  Knochen  von  Termato- 
saurus  Albertii  und  Megalosaurus  cloacinus.  Im  letzten  Jahr- 
zehend  endlich  bei  Heslach  die  unvergleichlich  schönen  Reste 
der  Belodonten:  Phytosaurus  Kapffii  und  Plieningeri  und  Te- 
ratosaurus  suevicus.  Zu  diesen  acht  ganz  ausgezeichneten  Arten 
von  Sauriern  kam  im  Laufe  des  Sommers  ein  ganz  neues  Ge- 
schlecht, eine  kleine,  mit  ganz  eigenthümlichen  Panzerschuppen 
versehene  Echse,  die  auf  Tafel  I  abgebildet  ist.  Der  Fund 
war,  wie  es  oft  so  geht,  rein  zufällig.  Die  Arbeiter  im  Leins- 
schen  Steinbruch,  der  hart  vor  den  Thoren  Stuttgarts  am  Fuss 


*)  ovo  und  ttA«^  wcjjeii  der  Doppelreihe  der  Puuzer  platten. 


-    109    — 

des  Sonnenbergs  liegt,  richteten  einen  der  rothen  Mauersteine 
zu,  die  bereits  plattig  den  oberen  10  Fuss  des  über  30  Fuss 
mächtigen  Steinlagers  entstammen  und  zu  Quadersteinen  sich 
nicht  mehr  eignen,  als  das  Thier,  gerade  so  wie  es  abgebildet 
ist,  aus  dem  Stein  sich  schälte.  Der  Stein  mit  dem  Schwanz- 
ende war  Tags  zuvor  schon  abgeschrotet  worden  und  war  be- 
reits in  einem  Hause  vermauert. 

Der  Zustand,  in  welchem  das  Fossil  sich  befindet,  ist  ein 
ganz  eigentliümlicher ,  wie  er  sonst  nicht  leicht  sich  wieder  fin- 
den wird  und  wie  wenigstens  im  schwäbischen  Keuper  noch 
kein  Stück  gefunden  wurde.  Es  ist  nehmlich  von  einem  Körper, 
d.  h.  von  Knochen-  oder  Schuppenmasse  keine  Spur  mehr  vor- 
handen. Das  Ganze,  was  so  schön  in  die  Augen  fällt,  ist  lei- 
der nur  ein  ganz  feiner,  grüner  Thonschlick,  der  das  Bild  des 
Thieres  wiedergibt.  Wir  haben  somit  lediglich  nur  einen  Ab- 
klatsch der  Eidechse  in  feinem  Thon,  während  der  Körper  längst 
spurlos  verschwunden  ist.  Die  Hofi'nung,  durch  Präpariren  noch 
mehr  blos  legen  zu  können,  als  in  Folge  des  zufälligen  Ab" 
springens  von  der  Steinplatte  sichtbar  war,  ging  hienach  nicht 
in  Erfüllung:  man  musste  gerade  mit  dem  zufrieden  sein,  was 
der  Zufall  in  die  Hand  gespielt  hatte,  und  darf,  soll  der  Fund 
erhalten  bleiben,  niemals  mit  Schwamm  oder  Bürste  das  Stück 
"berühren.  Der  Thonschlick,  in  welchem  das  Bild  der  Eidechse 
wiedergegeben  ist,  ist  papierdünn;  unter  der  Thonlage  liegt 
alsbald  der  Sandstein,  der  in  die  Thonform  des  früheren  Kör- 
pers eingegossen  ist.  Das  Thier,  ein  augenscheinliches  Land- 
thier,  nach  seinem  Tod  ins  Wasser  getrieben,  strandete  auf 
einer  Sandbank,  sank  ein  im  Sand  und  ward  glücklicherweise 
mit  dem  feinsten  Schlamm  zugewaschen,  der  zunächst  die  Ober- 
seite des  Körpers  einhüllte.  Später  deckte  der  Sand  Alles  zu, 
das  Thier  verweste  drinnen  und  wäre  spurlos  verschwunden, 
wenn  seine  Form  nicht  in  dem  Thon  erhalten  gewesen  wäre. 
So  aber  drückte  sich  dann  der  Sand  in  alle  bei  der  Zersetzung 
des  Körpers  allmählig  leer  werdenden  Räume  ein  und  blieb  uns 
das  treue  Bild  wenigstens  erhalten,  das  eine  Echse  vorstellt, 
halb  Schuppenechse,  halb  Fanzerechse,  die  wie  so  viele  unserer 


—    110    - 

alten  Saurier  sich  in  keines  unserer  Systeme  einreihen  lassen 
will.  Leider  bietet  das  Bild  beim  Mangel  alles  Körpers,  Zähne, 
Knochen  u.  s.  w.  keine  Anhaltspunkte  zu  einer  vollständigeren 
Diagnose  und  kann  somit  auch  die  Beschreibung  nur  eine  höchst 
nothdürftige  sein:  und  doch  ist  andrerseits  das  Bild  so  reizend 
und  neu,  dass  es  ein  Unrecht  wäre,  es  nicht  zur  allgemeinen 
Kenntniss  zu  bringen. 

1.  Grössenverhältniss.  Die  Länge  des  im  Bilde  erhal- 
tenen Stückes,  das  Fig.  I  in  7^  natürlicher  Grösse  wiedergege- 
ben ist,  beträgt  0,625  Meter,  von  der  Schnauze  bis  zu  dem 
Anfang  des  Schwanzes  0,375  Meter.  Nach  Analogie  der  Teleo- 
saurier,  deren  Schwanz  die  Länge  des  übrigen  Körpers  erreicht, 
wäre  die  Totallänge  auf  0,750  Meter  zu  schätzen.  Annähernd 
mag  das  auch  richtig  sein,  den  Contourlinien  nach  zu  urtheilen, 
die  von  der  Bruchstelle  des  Schwanzes  an  verlängert  werden. 
Die  grösste  Körperdicke  am  Bauch  misst  0,064  Meter.  Die  Länge 
des  Kopfes  von  der  Schnauze  bis  zur  ersten  Schuppe  im  Nacken 
0,080,  seine  Breite  am  Hinterende  0,058. 

2.  Der  Kopf,  Fig.  II,  dessen  Länge  und  Breite  sich  wie 
10:7  verhält,  ist  nicht  der  Kopf  eines  Crocodiliners,  denn  Schläf- 
grube, Augenhöhle  und  Nasenloch  sind  deutlich  sichtbar  und 
sehen  wir  das  letztere  nicht  am  Vorderende  des  Oberschädels, 
sondern  zu  Anfang  des  ersten  Drittheils  der  ganzen  Kopflänge; 
es  kann  hicnach  von  einem  Crocodil  keine  Rede  sein. 
Vielmehr  denkt  man  unwillkührlich  beim  Anblick  des  Schädels  an 
Varanen.  Leider  ist  vom  Zahnbild  nicht  einmal,  geschweige  denn 
von  Zähnen  selber  eine  Spur.  Höchstens  mag  noch  der  Kno- 
chenrinnen Erwähnung  geschehen,  welche  die  Infraorbitalränder 
umgeben  und  ebenso  die  hintern  Schläfgruben  und  zwischen 
beiden  auf  der  Mitte  des  Scheitelbeins  zusammenlaufen,  wie 
solches  an  einem  egyptischen  Varanus  von  Ileuglin,  dem  Psa- 
mosaurus  griseus  Fitzr.  ganz  auf  dieselbe  Weise  sichtbar  ist. 
Vergeblich  sucht  man  jedoch  unter  den  Lacerten  des  Dyas  und 
Trias  nach  etwas  Aehnlichera.  Man  mag  vergleichen,  was  es 
gibt,  wie  Telerpedon,  Proterosaurus,  Palaeosaurus ,  Phanero- 
saurus  u.  A.,   das  Resultat  bleibt  immer  das  gleiche,   dass  wir 


—  111   - 

ein  noch  nicht  gekanntes  Bild  vor  uns  haben,  eine  Echse  mit 
monitor artigem  Kopfe. 

3.  Der  Rumpf.  Weiter  als  bis  zum  Kopfe  reicht  nun  aber 
der  Monitorcharakter  nicht.  Denn  der  ganze  Rücken  ist  von 
der  halbmondförmig  ausgeschnittenen  Nackenplatte  an  mit  einer 
Doppelreihe  oblonger  Panzerplatten  besetzt,  die  sich  zuucächst 
über  den  ganzen  Rumpfkörper  und  dann  mit  einigen  Aenderun- 
gen  über  den  Schwanz  hinziehen.  Hiemit  begegnet  uns  wieder 
der  Charakter  der  späteren  Teleosauren  und  theilweise  auch  der 
nach  der  Aufeinanderfolge  des  Gebirgs  nächst  liegenden  Belo- 
donten.  Indess  ist  die  Verschiedenheit  in  der  Anordnung  der 
Schilder  von  beiden  so  gross,  dass  nur  entfernt  von  einer  Aehn- 
lichkeit  gesprochen  werden  kann.  7  Paar  Halsschuppen  schei- 
nen die  7  Halswirbel  gedeckt  zu  haben,  wenigstens  zählt  man 
6  der  beilförmigen  Querfortsätze  an  der  Seite  des  Halses,  gedeckt 
von  der  gleichen  Zahl  oblonger  Schuppenplatten  (die  Atlas- 
schuppe nicht  mit  gerechnet),  die  paarweise  in  einer  Medianlinie 
aneinanderstossen.  Das  erste  Paar  Nackenschuppen  legt  sich 
halbmondförmig  in  das  ausgeschnittene  Hinterhaupt,  eine  Form, 
die  sich  durch  die  weit  nach  hinten  greifenden  Zitzeiibeine  er- 
giebt,  der  Atlas  trug  Querfortsätze,  aber  gleich  der  zweite 
"Wirbel  trägt  einen  starken ,  nach  hinten  greifenden  Fortsatz, 
über  dem  eine  zweite  Nackenplatte  sitzt,  deutlich  durch  eine 
kleine  seitliche  Verschiebung  von  dem  ersten,  wie  vom  dritten 
Schuppenpaar  getrennt.  So  zählen  wir  über  den  6  Querfort- 
sätzen an  den  Halswirbeln  7  Paar  Schilder  mit  feinen  Grüb- 
chen auf  ihrer  Oberfläche  (Fig.  II).  Unter  dem  achten  Paar 
liegt  ein  längerer  nach  hinten  gestreckter  Fortsatz,  welcher  der 
ersten  Rippe  entspräche,  die  am  achten  Wirbel  oder  erstem  Brust- 
wirbel articulirte.  Das  weitere  Zählen  der  Schuppenpaare  wird 
bei  der  Undeutlichkeit  der  Grenzen  ausserordentlich  erschwert. 
Man  glaubt  16—18  Rippen  mit  entsprechend  vielen  Rücken- 
panzerplatten zu  zählen  und  4 — 5  Lendenwirbelplatten.  Die 
Sculptur  auf  den  Platten,  beziehungsweise  die  grubenförmigen 
Eindrücke  sind  in  der  Lendengegend  am  deutlichsten,  die  daher 
auch  in  Fig.  HI  in  natürlicher  Grösse    dargestellt  wurde.     Am 


-     112    - 

Schwänze  zählt  man  noch  23  Schuppenplatten,  die  Felder  werden 
schmaler,  die  Medianlinie  weniger  deutlich  und  erheben  sich 
seitlich  Schuppengräthen  und  Nebcnlappen,  die,  wie  es  scheint, 
in  Folge  des  Gebirgsdrucks  aufgeklappt  wurden  und  zum  seit- 
lichen Schutz  des  Schwanzes  dienten  (Fig.  IV). 

Bei  der  Lage  des  Thiers  auf  dem  Bauche  und  der  Art  der 
Erhaltung  ist  von  der  Beschaffenheit  der  Bauchseite  nichts  mehr 
zu  sehen,  so  wenig  als  von  der  Unterseite  des  Kopfes  oder 
Schwanzes.  Die  Extremitäten,  vordere  wie  hintere,  wurden  von 
den  Arbeitern  bei  Zurichten  des  Bausteins  abgeschrotet  und  zer- 
stört. Sichtbar  ist  noch  auf  Fig.  II  das  Oberende  vom  Hume- 
rus  und  Fig.  III  von  Femur,  so  wie  einige  Spuren  des  Beckens. 

Somit  haben  wir  in  Dyoplax  arenaceus  eine  Echse  mit 
dem  Kopfe  einer  Lacerte  und  mit  dem  Panzer  eines 
dem  Gavial  am  nächsten  stehenden  Geschöpfes.  Hoffen  wir,  dass 
unser  Fund  der  glückliche  Vorläufer  anderer  Individuen  ist,  an 
denen  wir  dann  nicht  blos  einen  Thondruck  beobachteten,  sondern 
das  Thier  mit  Zähnen  und  Knochen  zur  Untersuchung  bekämen. 


Ueber  die  Varietäten  des  Kalkspaths  in  Württemberg. 

Von  Dr.  Gr.  Werner. 
(Hiezu  Tafel  III.) 

Unser  Land  ist  nicht  reich  an  edlen  Steinen  und  Erzen  und 
ebenso  wenig  an  solchen  Mineralien,  welche  in  oryktognostisch 
wissenschaftlicher  Beziehung  ein  hohes  Interesse  hätten.  Nichts 
desto  weniger  dürfte  es  sich  verlohnen,  wenigstens  das,  was  da 
ist,  zusammenzustellen,  wäre  es  auch  nur,  um  die  Aufmerksam- 
keit mehr,  als  es  bis  daher  der  Fall  war,  auf  diesen  Gegenstand 
zu  lenken.  Wenn  unsere  geognostischen  Formationen  mit  eben 
so  viel  Eifer  auf  Mineralien  durchsucht  würden,  wie  auf  Ver- 
steinerungen, die  freilich  durch  ihre  Häufigkeit  und  Mannigfal- 
tigkeit weit  mehr  dazu  einladen,  so  würde  sich  gewiss  auch  in 
dieser  Beziehung  noch  manches  Interessante  finden. 

Zu  den  am  allgemeinsten  auf  der  Erdoberfläche  verbreiteten 
Mineralien  gehört  vor  allen  der  Kalkspath.  Nicht  nur  bestehen 
ganze  Formationen  bei  weitem  der  Hauptmasse  nach  aus  koh- 
lensaurem Kalk,  sondern  es  entwickelt  der  Kalkspath  wie  nicht 
leicht  eine  andere  Mineralspecies  einen  ausserordentlichen  Reich- 
thum  von  krystallisirten  und  anderen  Formen  in  Drusen  und 
Ueberzügen  anderer  Art  auf  den  Kluftflächen  der  verschiedensten 
Gesteine.  Im  Folgenden  sollen  die  Vorkommnisse  des  Kalkspaths 
und  nebenbei  die  des  Arragonits  in  Württemberg  der  Reihe  nach 
durchgegangen  werden  und  wir  werden  dabei  am  besten  die 
geognostische  Ordnung  einhalten. 

Urgebirge.  Der  Kalkspath  bildet  keinen  Gemengtheil  der 
Urgebirgsarten  unseres  Schwarzwalds;  ebenso  wenig  kommt 
er  in  Form  von  Einlagerungen  als  weisser  Marmor  im  württem- 
bergischen Urgebirge    vor.    Nichts  destoweniger   wird    er  nicht 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     Is  Heft.  8 


_     114    _ 

selten  auf  Gängen  und  Klüften  des  Granits  krystallisirt  angetroffen. 
Als  untergeordnetes  Gangmineral  bildet  er  neben  Schwerspath, 
Flussspath,  Braunspath,  Quarz  u.  s.  w.  auf  den  Silber-  und  Kobalt- 
gängen des  mittleren  Schwarzwaldes  Krystalle  von  mitunter  ziem= 
lieh  ansehnlicher  Grösse  und  zwar  in  zweierlei  Form,     Die  eine  ist 

die  des  gewöhnlichen  Dreikantners  (a  :  -  :  —  :  c)  und  zwar  fin- 

den  sich  meist  Zwillinge  nach  dem  gewöhnlichen  Kalkspath- 
Zwillingsgesetz ,  bei  welchem  die  gemeinschaftliche  Fläche,  in 
welcher  die  beiden  Individuen  gegen  einander  verdreht  sind,  die 
Endfläche  ist.  Aus  grösseren  Individuen,  die  öfters  eine  Länge 
von  mehreren  Zollen  erreichen,  brechen  gewöhnlich  an  verschie- 
denen Stellen  der  Flächen  kleine  Parthieen  des  zweiten  Indivi- 
duums hervor,  die  zum  Hauptindividuum  in  Zwillingsstellung  sich 
befinden.  Aber  auch  kleine  nur  liniengrosse  Dreikantner  mit 
feiner  Endspitze  trifft  man  nicht  selten  auf  den  Erzgängen  an. 
Die  zweite  Krystallform,  welche  der  Kalkspath  auf  Erzgängen 
des  württembergischen  Gebiets  annimmt,  ist  die  des  ersten  stumpferen 
Rhomboeders  (2  a'  :  2  a'  :  c) ,  dessen  Seitenecken  durch  kurze 
Flächen  der  ersten  sechsseitigen  Säule  abgestumpft  sind.  Statt 
der  letzteren  tritt   oft  auch   ein   sehr  spitzes  Rhomboeder  (etwa 

a       a 

—  :  —  :  c)  auf,  dessen  Seitenkanten  gegen  die  Stelle  hin,  wo 
13     13  '  ^ 

sie  die  Flächen  des  stumpfen  Rhomboeders  in  horizontaler  Kante 
schneiden,  convergiren  (s.  Fig.  10,  11);  die  beiden  combinirten 
Rhomboeder  gehören  weithin  verschiedenen  Ordnungen  an. 
(Vielleicht  stellen  jene  Abstumpfungen,  die  man  für  die  erste 
sechsseitige  Säule  hält,  immer  ein  solches  spitzes  Rhomboeder 
dar;  da  dessen  Zickzackkanten  fast  einen  Winkel  von  120" 
haben,  so  täuscht  man  sich  leicht.)  Diese  Krystalle,  wie  sie  z.B. 
in  der  Reinerzau  mit  Schwerspath,  Braunspath  u.  s.  w.  vorkom- 
men, sind  in  der  Regel  von  schmutziggrüner  Farbe. 

Ein  weiteres  Vorkommen  von  kohlensaurem  Kalk  im  Granit 
des  Schwarzwaldes  ist  das  aus  den  Quellläufen  der  Wildbader 
Thermen.  Dort  ist  das  Granitgestein  durch  die  fortwährende 
Einwirkung   des    Wassers  zum  Theil    gänzlich    verändert.     Aus 


-     llo     - 

den  Bestandtheilen  des  Grauits,  Feldspath,  Quarz  und  Glimmer, 
welche  man  noch  deutlich  erkennt,  sind  Trümmergebilde  ent- 
standen ,  welch  eine  auffallende  Aehnlichkeit  theils  mit  der 
Arkose,  theils  mit  den  sandsteinartigen  Conglomeraten  des  Todt- 
liegenden  haben.  Im  letzteren  Fall  sind  sie  bald  lebhaft  roth, 
bald  mehr  grau  gefärbt.  Dieses  Trümmergestein  ist  durch 
Quarz  zusammengekittet,  theilweise  auch  überzogen  oder  durch- 
zogen von  einer  compacten  Quarzmasse,  welche  Abdrücke  eines 
tafelartigen  Minerals  zeigt.  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  es 
Tafeln  von  Schwerspath  waren,  welche  vom  Quarz  zuerst  über- 
sintert und  zuletzt  ganz  umschlossen  wurden  und  endlich,  nach- 
dem sie  wahrscheinlich  auf  nassem  Wege  wieder  entfernt  waren, 
ihre  hohle  Form  zurückliessen,  wie  denn  auch  späthige  Parthieen 
von  unverändertem  Schwerspath  an  einem  und  demselben  Hand- 
stück mit  jenen  Hohlräumen  vorkommen.  Die  Innenwände  der 
letzteren  sind  z.  Th.  selbst  wieder  mit  Quarz  überzogen.  Als 
Verwitterungsproduct  des  Feldspaths  tritt  eine  zerreibliche  bald 
grünliche,  bald  mehr  weissliche  oder  röthliche  Masse  auf,  deren 
Beschaffenheit  an  Steinmark  erinnert,  und  die  ebenfalls  häufig 
die  Eindrücke  der  Schwerspathtafeln  zeigt.  Der  Glimmer  zeigt 
alle  Uebergänge  vom  frischesten,  perlmutterglänzenden,  öfters 
grünlichen  Aussehen  bis  zum  matten,  rothbraunen,  zerreiblichen 
Zersetzungsproduct.  Den  obersten  und  jüngsten  Absatz  aus 
dem  Wasser,  aufsitzend  auf  den  von  Rotheisenrahm  durchschwärm- 
ten Dihexaederspitzen  des  Quarzes  bildet  in  der  Regel  ein  rein  weisser 
Kalksinter,  der  bald  mehlig,  bald  stalactitisch,  bald  in  zier- 
lich traubigen  oder  becherförmigen,  z.  Th.  etwas  durchscheinen- 
den Gestalten  nach  Art  der  Eisenblüthe  erscheint,  bald,  jedoch 
seltener,  feine  Krystallnadeln  aufweist.  Die  spiessige  Form  der 
letzteren,  sowie  das  Aufblähen  vor  dem  Löthrohr  scheint  dafür 
zu  sprechen ,  dass  diese  Krystalle  und  die  übrigen  Theile  des 
Sinters  aus  Arragonit  bestehen,  an  welchen  auch  die  heissen 
Quellen,  woraus  er  sich  niedergeschlagen,  mahnt.  Allein  eine 
genauere  Untersuchung  liefert  folgendes  Resultat.  Nimmt  man 
eine  jener  Krystallnadeln  vor's  Löthrohr,  so  schwillt  sie  aller- 
dings auf,  aber  man  bemerkt  leicht,  dass  sie  nicht  blos  aufschwillt, 


-    116    - 

sondern  unter  Schäumen  sogar  schmilzt.  Gleichzeitig  erhält  man 
eine  orangerothe  Färbung  der  Flamme.  In  Salzsäure  geworfen, 
brausen  die  Kryställchen  stark  auf,  aber  zuletzt  hinterbleibt  ein 
unlösliches  und  unschmelzbares  Skelett.  Hiernach  besteht  ohne 
Zweifel  die  ganze  Sinterbildung  zwar  der  Hauptmasse  nach  aus 
kohlensaurem  Kalk  (vielleicht  Arragonit,  vielleicht  auch  nicht), 
aber  sie  enthält  ausserdem  ein  zeolithisches  Mineral,  welches 
zum  Theil  in  feinen  Nadeln  auskrystallisirt  ist.  Es  ist  ebenso 
leicht  denkbar,  dass  zwischen  den  feinen  Zeolithnadeln  immer 
etwas  kohlensaurer  Kalk  in  anderer  Form  versteckt  ist,  und  dass 
es  desshalb  nicht  gelingt,  die  Kryställchen  ganz  zu  isoliren,  so 
dass  sie  immer  noch  brausen,  wenn  sie  mit  Salzsäure  in  Be- 
rührung kommen,  —  als  dass  die  Nadeln  aus  Arragonit  bestehen 
und  den  Arragonitkrystallen  immer  etwas  zeolithisches  Mehl  anhängt. 

Was  den  Ursprung  der  Kalkerde  im  XJrgebirge  betrifft,  die 
man  nicht  blos  in  der  Form  des  kohlensauren  Kalks,  son- 
dern auch  als  Gyps  nebst  Braunspath  auf  zersetzten  schwefel- 
haltigen Erzen  der  Gänge  im  Granit  findet,  so  scheint  nichts 
Anderes  als  die  Zersetzung  von  Oligoklas  zur  Erklärung  übrig 
zu  bleiben ,  der  neben  Orthoklas  den  Feldspathgehalt  des 
Schwarzwaldgranits  ausmacht.  (Eben  daher  mag  wohl  auch 
das  Calcium  des  Flussspaths  seinen  Ursprung  haben.)  Denn 
die  auf  Granit  lagernden  Flözgebirgsformationen: 

Das  Todtliegende  und  der  bunte  Sandstein  sind  sehr 
arm  an  Kalk.  Es  ist  in  der  That  auffallend,  wie  selten  im 
bunten  Sandstein  Kalksinter  angetrofi'en  werden,  die  doch  in 
den  Keupersandstcinen  so  häutig  sind.  Auch  die  bekannten 
Kalkspathkrystalle,  welche  im  bunten  Sandstein  des  südlichen 
Schwarzwaldcs,  dem  weissen  Mühlstein  von  Waldshut  am  Ehein, 
sich  finden  (s.  weiter  unten),  sind  bis  jetzt  im  württembergischon 
Buntsandstein  noch  nicht  gefunden  worden.  Im  Correspondenz- 
blatt  des  württcmb.  landwirthschaftl.  Vereins,  IH,  S.  147  wird 
ein  Vorkommen  von  Kalkspath  in  den  Kupfererzgängen  des  bun- 
ten Sandsteins  von  Ncubulach  als  „graulichweiss  und  blassberg- 
grün,  krystallisirt  in  wulstförmig  zusammengehäuften  Rliomben 
auf  Sandstein"  und  a.  a.  0.  S.  137  ein  anderes  aus  den  Braun- 


—    117    - 

eisensteingängen  von  Wittliusweiler  als  „graulichweiss  in  sechssei- 
tigen spitzwinkligen  Pyramiden  (Dreikantnern)  auf  Spatheisenstein" 
beschrieben.  Sinterartige  Ueberzüge  findet  man  auf  Spalten  und 
Höhlungen  besonders  der  oberen  Schichten  des  bunten  Sandsteins 
nicht  selten,  allein  sie  bestehen  meistens  aus  Quarz ;  und  wenn  Kalk- 
sinter vorkommen,  so  sind  sie  ganz  unansehnlich.  Erst  mit  der 
Muschelkalkformation  beginnt  der  Kalkreichthum  unse- 
rer geognostischen  Schichten  und  hier  finden  sich  auch  ver- 
hältnissmässig  zahlreichere  Varietäten  krystallisirten  Kalkspaths. 
Die  unterste  Abtheilung  dieser  Formation,  der  Wellendolo- 
rait,  enthält  neben  ungefähr  40  Procent  kohlensaurem  Kalk 
bedeutende  Mengen  von  kohlensaurer  Magnesia  und  Thon. 
Kleine  Kryställchen  von  Kalkspath  finden  sich,  verschiedentlich 
in  Bitterspath  und  Braunspath  übergehend,  auf  den  Hohl- 
räumen der  Brauneisensteingänge,  welche  vom  bunten  Sandstein 
herauf  reichen.  Aber  erst  im  Hauptmuschelkalk  wer- 
den deutliche  und  ansehnlichere  Krystalldrusen  von  Kalkspath 
häufiger.  Man  kann  ungefähr  vier  verschiedene  Formen  unter- 
scheiden. Bei  weitem  die  häufigste  ist  der  gewöhnliche  Drei- 
kantner  (a  :  —  :—  :  c,  Fig.  3),  welcher  von  jenen  kleinen  mit 
o     Z 

blossem  Auge  kaum  unterscheidbaren  Kryställchen  an,  die  die 
Steinkerne  und  Spurenkerne  der  Muscheln  überziehen,  bis  zu 
Krystallen  von  mehreren  Zollen  Länge  und  gewöhnlich  wein- 
gelber oder  grauer  Farbe  vorkommt ;  diese  grösseren  Krystalle 
findet  man  besonders  gross  in  den  Thonletten  zwischen  den 
Kalkbänken,  so  im  Neckarthal  von  Münster  unterhalb  Cannstatt 
an  abwärts,  im  Enzthal  bei  Bietigheim  und  in  andern  Thalein- 
schnitten, wo  die  Schichten  in  steilen  Abstürzen  zu  Tag  treten. 
Die  grösseren  Krystalle  sind  öfters  Zwillinge  nach  dem  ge- 
wöhnlichen Gesetz  (mit  der  Endfläche  als  Verwachsungsfläche), 
wie  man  an  den  dreimal  ein-  und  ausspringenden  Winkeln  rings 
um  den  Krystall  leicht  erkennt.  (Fig.  5).  Seltener  ist  das 
Vorkommen  anderweitiger  Krystallflächen,  welche  in  Combination 
mit  dem  Dreikantner  auftreten,  so  die  Abstumpfungsflächen  der 
Seitenecken   des    Dreikantners   (Fig.    6),  welche   scheinbar   der 


—    118    — 

ersten  sechsseitigen  Säule,  wahrscheinlicher  aber  einem  ausser- 
ordentlich spitzen  Rhoraboeder  angehören.  Die  Flächen  des 
Hauptrhomboeders  kommen  in  Combination  mit  dem  Dreikant- 
ner  (s.  Fig.  4)  bei  grossen  Krystallen  von  Münster  unterhalb 
Cannstatt  vor,  bedeckt  mit  einer  dünnen,  rostigen  Incrustation 
mit  einer  horizontalen  Streifung  versehen,  welche  ohne  Zweifel 
von  Zwillingseinschiebseln  herrührt.  Ob  diese  Flächen  natürlich 
oder  nur  dadurch,  dass  etwa  durch  einen  herabfallenden  Stein 
die  Spitze  abgeschlagen  wurde,  entstanden  und  nachher  über- 
sintert worden  sind,  möge  dahin  gestellt  bleiben.  So  wie  sie 
oben  beschrieben  sind,  wurden  sie  im  Lehm  in  Spalten  des 
Muschelkalks  gefunden.  Nicht  selten  sind  die  Dreikantner  an 
den  Enden  unvollständig  ausgebildet,  indem  sie  eine  Menge  von 
Einzelspitzen  in  Parallelstellung  haben.  Eine  zweite  Krystall- 
form   des  Kalkspaths   im  Hauptmuschelkalk   ist  die  des  zweiten 

schärferen   Rhomboeders  —  :  —  :  c    mit  einem   Winkel    von  65" 
4     4 

50'  in  den  Endkanten  (s.  Quenst,  Mineral.  2.  Auflage  S.  404); 
der  Blätterbruch  schärft  an  ihm  die  Endecke  von  den  Flächen 
aus,  der  gewöhnliche  Dreikantner  die  Endecken  zu. 

Eine  besonders  interessante  Kalkspathdruse  wurde  bei  Na- 
gold im  untern  Muschelkalk  gefunden.  Es  sind  kleine  gelbliche 
Rhomboeder,  welche  ihre  Endkanten  (vonimgefähr  80*^)  so  legen 
wie  das  blättrige  Hauptrhomboeder  die  Flächen.  Es  ist  hier- 
an a' 
nach  wahrscheinlich  das  nächste  schärfere  Rhomboeder  -^  :  5-  •  <*) 

das  auch  sonst  in  einfachen  Krystallen  im  Muschelkalk  vorkommt. 
Um  ein  mittleres  Individuum  gruppiren  sich  je  drei  weitere,  die 
mit  jenem  längs  der  Flächen  des  ßlätterbruchs  verwachsen  sind 
und  ihre  Flächen  denen  dos  mittleren  Individuums  zukehren, 
so  dass  letzteres  in  Gestalt  einer  dreiseitigen  Pyramide  aus  den 
drei  andern  hervorragt.  Es  sind  demnach  Vierlinge,  und  zwar 
nach  dem  seltenen  Gesetz,  nach  welchem  die  Fläche  des  Haupt- 
rhomboeders die  VerwachsungsHäche  bildet,  in  welcher  die  Kry- 
stalle  gegen  einander  verdreht  sind.  Jedes  einzelne  Individuum 
besteht  übrigens  aus  einer  ganzen  Menge  von  fast,   aber  nicht 


-    119    — 

ganz  parallel  stehenden  Parthien,  deren  Hauptaxen  nach  oben 
etwas  divergiren,  so  dass  eine  grosse  Zahl  dreiflächiger  Endecken 
entsteht.  (S.  Fig.  1  a,  welche  einen  solchen  Vierling  in  starker 
Vergrösserung,  und  Fig.  1  b,  die  ihn  in  natürlicher  Grösse  zeigt.) 
Ganz  genau  dieselbe  Vierlingsbildung  mit  derselben  Vielspitzig- 
keit  der  Einzelindividuen  kommt  bei  einem  röthlichen  Kalkspath 
zu  Andreasberg  am  Harz  vor.  In  der  oberen  Lettenkohle  findet 
man  ähnliche  Krystallisationen.  —  Endlich  kommt  der  Kalkspath 
in  der  Form  des  Gegenrhomboeders  (a'  :  a'  :  c,  Fig.  7.)  zum 
Hauptrhomboeder  vor;  man  findet  zuweilen  Kalksinter  bedeckt 
mit  zahllosen  kleinen  Krystallspitzen,  welche  diese  Form  darstellen. 
In  den  Dolomiten  über  dem  Hauptmuschelkalk  finden  sich 
in  kleinen  Höhlungen  öfters  sehr  kleine  ßhomboederchen,  welche 
mit  kalter  verdünnter  Salzsäure  ziemlich  stark  brausen,  also  je- 
denfalls nicht  reiner  Bitterspath  (Ca 0 CO 2  +  MgOC02)  sind, 
und  deren  Winkel,  soweit  man  dieselben  bei  der  ausserordentli- 
chen Kleinheit  schätzen  kann,  auf  das  fast  würfelförmige  Khom- 

2a'     2a ' 
boeder    -— -  :  -~-  :  c    zu  deuten  scheinen,   welches  grösser  und 
3         ö 

deutlicher  bei  Andreasberg,  sowie  mit  Ichthyophthalm  auf  den 
Paröerinseln  vorkommt.  (Vgl.  unten  die  Krystalldrusen  aus  den 
untersten  Keupermergeln.)  Jedenfalls  sind  die  Rhomboederchen 
von  verschiedener  Ordnung  mit  dem  Hauptrhomboeder;  ihre 
drusigen  und  etwas  gewölbten  Flächen  lassen  keine  Messung 
mit  dem  Reflexionsgoniometer  zu. 

Späthige  Massen  von  Kalkspath  finden  sich  ganz  gewöhn- 
lich als  Spaltenausfüllungen  im  Hauptmuschelkalk';  ihre  ausge- 
zeichnete gleichmässige  Spaltbarkeit  nach  drei  Richtungen,  welche 
sich  unter  gleichen  schiefen  Winkeln  (von  105"  5')  schneiden, 
lässt  sie,  abgesehen  von  dem  geringeren  specifischen  Gewicht, 
leicht  vom  Schwerspath  unterscheiden,  welcher  ebenfalls  zuwei- 
len im  Muschelkalk  sich  findet,  und  jenen  späthigen  Massen  von 
Kalkspath  in  der  röthlich-  oder  schneeweissen  Farbe  oft  ausser- 
ordentlich gleicht,  aber  vorzugsweise  nach  einer  Richtung,  in 
geringerem  Grade  nach  zwei  andern,  zu  jener  rechtwinkligen, 
unter  sich  schiefwinkligen  Richtungen  spalten  lässt.  —  Zuweilen 


—    120    - 

zeigen  die  Kalkspathausfüllungen  in  den  Kluftflächen  des  Muschel- 
kalks eine  stängliche  Absonderung  und  dann  nicht  selten  eine 
schwärzliche  von  Bitumen  herrührende  Farbe  (Nagold).  Die 
Richtung  der  stänglicheu  Absonderung  ist  der  Hauptaxe  des 
Kalkspaths  parallel  und  am  Ende  der  Stangen  findet  man  ent- 
weder gespaltene  Flächen  des  Hauptrhomboeders  oder  natürliche 
des  Gegenrhomboeders.  —  Als  feine  weisse  mehlige  Masse  findet 
sieh  der  kohlensaure  Kalk  im  Muschelkalk  unter  dem  Namen 
Montmilch  (Untertürkheim);  aber  auch  fasriger  Kalkspath  und 
Arragonit  fehlen  nicht  (Münster  bei  Cannstatt). 

Was  die  Kalksteine  der  Muschelkalkformation  selbst  betrifft, 
so  kann  man  dieselben,  wenn  man  von  den  eigentlichen  Dolo- 
miten absieht,  die  in  der  Regel  ausser  einem  sehr  wechselnden 
Gehalt  von  kohlensaurer  Magnesia  auch  bedeutende  Mengen  von 
Thon  enthalten,  hauptsächlich  in  zwei  Varietäten  trennen,  näm- 
lich in  eine  dichte  und  eine  krystallinische.  Der  dichte  Kalk- 
stein ist  spröder,  hat  einen  flachmuschligen  Bruch  mit  matter 
Bruchfläche  und  unterscheidet  sich  hinsichtlich  der  Bestandtheile 
von  dem  krystallinischen  durch  einen  bedeutenderen  Gehalt  an 
Thon  (bis  gegen  4  Procent)  und  durchschnittlich  auch  von  Mag- 
nesia (bis  über  5  Procent).  Die  krystallinische  Abänderung  be- 
steht aus  einzelnen  krystallinischen  Kalkspaththeilen ,  die  aber 
vollständig  unter  sich  verwachsen  sind,  so  dass  man  auf  dem 
Bruch  nur  die  kleinen  glasglänzenden  Spaltflächen  des  Kalk- 
spaths erkennt.  Der  sogenannte  Enkrinitenkalk  ist  ein  ähnlicher, 
nur  aus  grösseren  Kalkspathstükchen  bestehender  Kalkstein, 
indem  er  fast  ganz  aus  den  nach  den  Flächen  des  Hauptrhom- 
boeders spaltbaren  Enkrinitenstiel  -  Bruchstücken  zusammenge- 
setzt ist;  die  letzteren  erkennt  man  an  dem  elliptischen  Umriss 
der  Bruchflächen,  da  sie  einen  schiefen  Durchschnitt  durch  die 
cylindrische  Säule  des  Stiels  darstellen.  Im  Gegensatz  zu  den 
krystallinischen  Kalksteinen  zeigt  der  ächte  Dolomit,  namentlich 
derjenige,  welcher  zwischen  Hauptmuschelkalk  und  Lettenkohle 
gelagert  ist,  ein  Gefüge,  welches  lauter  einzelne  sehr  kleine 
Bitterspathkryställchen  erkennen  lässt,  die  durch  den  Perlmutter- 
glanz   ihrer     natürlichen     Flächen     jenes    charakteristische 


-     121    — 

schimmernde  Aussehen  des  Bruchs  hervorrufen.  Je  mehr  der 
Thongehalt  zunimmt,  desto  mehr  verschwindet  dieser  Schimmer, 
weil  sich  in  demselben  Maassstab  zwischen  die  Kryställchen 
kleine  glanzlose  Thonpartikelchen  legen,  so  dass  mau  bis  auf 
einen  gewissen  Grad  von  dem  Aussehen  der  Bruchflächen  auf 
den  Thongehalt  schliessen  kann.  —  In  seltenen  Fällen  nimmt 
der  Hauptmuschelkalk  eine  oolithische  Structur  an. 

Die  Letteukohlenformatiou  bietet  nicht  viel  Besonderes 
von  Vorkommnissen  des  kohlensauren  Kalks  dar;  doch  verdient 
Einiges  erwähnt  zu  werden.  In  Drusen  des  Lettenkohlen- 
sandsteins (Seebronn)  bildet  der  Kalkspath  spitze  Dreikantn er 

(a  :  -  :       :  c),    welche   um   einen   klaren  Kern  eine  milchartig 

trübe,  fasrig  aussehende  Hülle  haben.  Die  Endkanten  der  nur 
zur  Hälfte  ausgebildeten  aufgewachsenen  Krystalle  sind  un- 
scharf, so  dass  diese  fast  nur  kegelförmige  Spitzen  darstellen. 
Auch  graue  bituminöse  stängliche  Parthieen  von  Kalkspath  mit 
dreifachem  Blätterbruch  kommen  zuweilen  vor.  Besonders  cha- 
rakteristisch sind  in  den  obern  dolomitischen  Mergeln  der 
Lettenkohle  die  zahllosen  Mergeigeoden,  welche  im  Innern  mit 
kleinen  Krystallen  von  Kalkspath  (nicht  Dolomitspath ,  wie  ge- 
wöhnlich angegeben  wird)  austapezirt  sind.  Sie  sind  oberfläch- 
lich ebenfalls  milchweiss  oder  gelblich  und  stellen  das  Gegen- 
rhomboeder  (a'  :  a'  :  c)  zum  Hauptrhomboeder  dar,  wie  man 
sich  durch  Wegsprengen  der  Seitenecken  leicht  überzeugt 
(s.  Fig.  7);  hin  und  wieder  bilden  sie  auch  Zwillinge  nach  dem 
gewöhnlichen  Gesetz  (mit  gemeinschaftlicher  Endfläche).  In  den 
gleichen  Schichten  hat  man  mehrere  Zoll  bis  ^2  Fuss  lange 
und  über  V2  Zoll  dicke  Stängel  gefunden,  welche  äusserlich  rauh 
und  mit  kleinen  Kryställchen  der  eben  genannten  Art  bedeckt, 
im  Innern  regellos  mit  späthigem  Kalkspath  erfüllt  sind  (Korn- 
westheim). Die  Form  der  Stängel,  welche  sechskantig  sind  und 
rinnenartig  einspringende  Winkel  haben,  ist  so  eigenthümlich 
charakteristisch,  dass  man  unwillkürlich  an  die  Vierlinge,  Fünf- 
linge,  Sechslinge  der  Arragonite  von  Arragonien  denkt  und  sie 
als  Pseudomorphosen  nach  solchen  ansehen  möchte.     „Deutliche 


—    122    — 

Zwillinge'-  von  Arragonit  aus  der  schwäbischen  Lettenkohle 
werden  auch  sonst  (Quenstedt,  Mineral.  2.  Aufl.  p.  430)  ange- 
führt, und  feinfasriger  Arragonit  ist  in  den  dolomitischeu  Mergeln 
der  Lettenkohle  nicht  selten  (Kornwestheim).  —  Die  oben  aus 
dieser  Abtheilung  angeführten  Drusen  von  Kalkspath  im  Innern 
der  Mergeigeoden  stellen  sich  in  der 

Keuperformation  gleich  unten  in  den  Gypsmergeln 
genau  von  gleichem  Aussehen  und  mit  derselben  Krystallform 
wieder  ein ;  seltener  ist  das  Rhomboeder  von  fast  würfelförmiger 

Gestalt---  :  -—  :  c,    welches    mit    drusigen,    etwas    krummen 
3        3 

Flächen  hier  gefunden  wurde  (Stuttgart).  —  Auch  in  den  untern 
Sandsteinen  des  Keupers,  dem  Schilfsandstein,  Stuttgarter 
Bausandstein,  spielt  der  kohlensaure  Kalk  eine  viel  bedeutendere 
Rolle,  als  im  bunten  Sandstein,  Der  schönste  durchscheinende 
Faserkalk  überzieht  in  Krusten  von  mehreren  Zollen  Dicke  und 
mit  schimmernder  Oberfläche  die  Spalten  in  den  durch  ihre 
braunen  Flammenstreifen  so  charakteristisch  bezeichneten  rothen 
Sandsteinen  dieser  Region.  Aber  auch  Krystalle  von  Kalkspath 
finden  sich  hier.  Es  sind  meist  Krystalle  von  etlichen  Linien 
bis  1  Zoll  Länge,  die  auf  den  ersten  Anblick  dreiseitige  Säulen 
zu  sein  scheinen ,  welche  nach  oben  in  einen  Dreikantner  über- 
gehen. Das  sind  sie  aber  entschieden  nicht.  Die  feine  Feder- 
streifung  (s.  Fig.  2  a)  stellt  sich  unter  der  Loupe  als  eine  viel- 
fache Wiederholung  der  Zickzackkanten  eines  spitzen  Rhomboe- 
ders  heraus  (s.  Fig.  2  b),  dessen  rhombische  Flächen  oben  und 
unten  einen  Winkel  von  ungefähr  bö — 40"  haben,  und  da  die 
Endkanten  so  liegen,  wie  am  Hauptrhomboeder  die  Flächen 
(d.  h.  da  man  durch  Spaltung  die  Endecken  von  den  Kanten 
aus  zuschärfen  kann),  so  hat  man  hier  ohne  Zweifel  das  Rhom- 

a'     a' 
boeder    —  :  -   :  c  (mit    63'^  51'    in    den  Endkanten    und    emem 
5      5 

ebenen  Winkel  von  38"  auf  den  Flächen)  vor  sich.  Zu  den 
3  Seiten  brechen  unter  einem  Winkel  von  gegen  50",  welchen 
die  Hauptaxen  miteinander  machen,  weitere  Individuen  in  Zwil- 
lingsstellung zum  Ilauptindividuum  hervor,  welche  ihre  Flächen 


—    123    - 

den  Flächen  des  letzteren  zukehren,  so  dass  man  hier  vielleicht 

ein  Zwillingsgesetz  vor  sich  hat,  bei  welchem    die  Fläche   eines 

2a     2a 
Rhomboeders  —  :  — -  :  c  die  Zwillingsebene   ist  (und   wofür  die 
0       o 

Berechnung  eine  Neigung  der  Hauptaxen  zu  einander  von  44"  5' 
ergibt).  Doch  lässt  sich  die  Sache  nicht  wohl  sicher  entschei- 
den. Undeutliche  Krystalle  der  beschriebenen  Art  mit  stäng- 
licher  Absonderung  sind  sehr  häufig;  zuweilen  bilden  aber  auch 
kleine  Krystallnadeln  von  Kalkspath  concentrisch  radiale  Figuren, 
die  an  die  bekannten  Formen  des  Wawellits  erinnern  (Feuer- 
bacher Haide  bei  Stuttgart). 

Aus  den  mittlem  Keupermergeln  sind  die  Krystalle 
von  Dolomitspath  bekannt,  welche  mit  kammförmigen  fleisch- 
rothem  Schwerspath  in  den  sog.  Steinmergelu  (z.  B.  an  der 
Weinsteige  bei  Stuttgart)  sich  finden.  Reiner  Dolomitspath 
scheinen  auch  diese  nicht  zu  sein,  wenigstens  brausen  sie  in 
verdünnter  Salzsäure  viel  stärker  als  wirklicher  Dolomitspath. 
Dagegen  kommt  in  dieser  Region  auch  krystallisirter  Kalkspath 
vor ;  Drusen,  welche  das  erste  stumpfere  Rhomboeder  (2a' :  2a' :  c) 
mit  Abstumpfung  der  Seitenecken  in  deutlichen  Krystallen  zei- 
gen, überziehen  die  Innern  Wände  von  runden  Hohlräumen. 

Ausser  dem  untern  Keupersandstein  (Schilfsandstein)  ist  im 
Keuper  namentlich  der  Stubensandstein  (weisser  Sandstein) 
kalkführend.  Feste  Massen  dieses  grobkörnigen  Gesteins  haben 
öfters  ein  so  rein  kalkiges  Bindemittel,  dass  sie  in  kalte  ver^ 
dünnte  Salzsäure  geworfen  unter  heftigem  Aufbrausen  nach  und 
nach  gänzlich  auseinander  fallen.  Von  krystallisirtem  Kalkspath 
findet  man  vorzugsweise  zwei  Formen;  die  eine  ist  der  gewöhn- 
liche Dreikantner  (a  :—-:-—:  c),  von  dem  ansehnliche  trüb- 
o       2 

weisse  oder  röthliche  Exemplare  vorkommen  (Esslingen).  Die 
andere,  seltenere  Form  (Unter- Groningen  bei  Gaildorf,  Löwen- 
stein) erinnert  beim  ersten  Anblick  auffallend  an  die  Kalkspath- 
krystalle  des  bunten  Sandsteins  von  Waldshut  am  Rhein,  welche 
dort  mit  krystallisirtem  Milchquarz  und  den  durch  ihre  zier- 
lichen Aehtuudvierzigflächnerflächen  bekannten  wasserhellen  Fluss- 


-    124    - 

spathwürfel  vorkommen.  Nicht  nur  hat  der  Stubensandstein, 
in  dem  unsere  Krystalle  eingewachsen  sind,  ein  dem  Waldshuter 
Mühlstein  zum  Verwechseln  ähnliches  Aussehen,  sondern  auch 
der  Habitus  der  Krystalle  selbst  ist  dem  der  Waldshuter  Kalk- 
spathe  ausserordentlich  ähnlich.  Sie  stellen  nämlich,  wie  jene 
eine  Combination  des  ersten  stumpfern  Rhomboeders  (2a'  :  2a' :  c) 

.  ,      a'      a' 

mit  einem  sehr  spitzen  Rhomboeder  (vielleicht  p  :  —    :  c)  dar, 

welches  in  dieser  Verbindung  für  eine  sechsseitige  Säule  gehal- 
ten würde,  wenn  nicht  die  vermeintlichen  Säulenkanten  abwechs- 
lungsweise nach  oben  und  nach  unten  convergirten.  Aber 
während  bei  den  Krystallen  von  Waldshut  diese  Kanten  unter- 
halb der  pentagonalen  Flächen  des  stumpfen  Rhomboeders  nach 
oben  convergiren  (Fig.  10.),  sind  sie  bei  denen  aus  dem  Stuben- 
sandstein nach  unten  convergent  (Fig.  12.).  Mit  andern  Worten: 
Die  zwei  combinirten  Rhomboeder  sind  bei  jenen  Kalkspathen 
des  bunten  Sandsteins  verschiedener,  bei  denen  des  Stubensand- 
steins gleicher  Ordnung. 

Mit  dem  Lias  beginnt  wieder  eine  Kalkformation,  worin 
freilich  der  Kalk  stark  mit  Sand  und  Thon  verunreinigt  ist  im 
Vergleich  mit  dem  Muschelkalk.  In  den  untern  Schichten  gehen 
die  Kalksteine  durch  alle  Nuancen  in  Sandsteine  über.  Raum 
zu  Krystallisationen  gewähren  hauptsächlich  die  hohlen  Kammern 
der  Ammonitengehäuse,  deren  Wandungen  von  den  verschie- 
densten Mineralien  (Bergkrystall,  Braunspath,  Cölestin,  Schwer- 
spath,  sodann  Schwefelkies,  Blende  u.  s.  w.),  vor  allen  andern 
aber  von  feinspitzigen  kleinen  Kalkspathdreikantuern  ausge- 
kleidet werden.  —  Auf  Spalten  der  Kalke  und  Thone  des  Lias 
(Zell,  Ohmden  bei  Boll  Lias  S)  kommen  Krystalle  vor,  welche 
das  erste  stumpfere  Rhomboeder  (2a' :  2a' :  c)  entweder  für  sich 
oder  in  Combination  mit  einem  sehr  spitzen  Rhomboeder  ver- 
schiedener Ordnung,  also  die  gleiche  Combination  wie  die  ange- 
führten Krystalle  von  Waldshut  (Fig.  11.),  nur  grösser,  zeigen. 
In  den  Numismalismergeln  (Lias  y)  triff't  man  auf  Kalkspath- 
gängen  Drcikantner  von  l'/z  Zoll  Länge  und  obiges  stumpfe 
Rhomboeder  von   über    1    Zoll   Durchmesser    au.     (Die   letztge- 


—    125    — 

nannte  Form  bildet  in  gleicher  Grösse  Gänge  von  Kalkspath 
in  den  Posidonienschiefern  (Lias  s)  von  Vassy  jenseits  der  Vo- 
gesen.)  —  Von  eigentbümlichen  Vorkommnissen  des  kohlensauren 
Kalks  sind  namentlich  auch  die  Nagelkalke  oder  Dutenmergel 
zu  erwähnen,  jene  eigenthümlichen  Platten,  welche  auf  weite 
Strecken  im  untern  Lias  o:  verfolgt  werden  können  (Degerloch 
u.  s.  w.).  Sie  bestehen  fast  lediglich  aus  kegelförmigen  Zapfen 
(Nägeln),  welche  vertikal  stehend  von  oben  und  unten  sich  durch 
einander  stecken  und  leicht  einzeln  herausgeschlagen  werden 
können,  besonders  wenn  Verwitterung  zu  Hilfe  kommt.  Dass 
diese  Nägel  nichts  Anderes  sind  als  Bündel  von  unvollkommen 
ausgebildeten  Kalkspathstrahlen,  deren  Krystallaxe  senkrecht  zur 
Platte  steht,  das  beweist  der  schimmernde  Glanz  des  Querbruchs; 
denn  als  die  Ursache  desselben  gewahrt  man  mit  der  Loupe 
die  einzelnen  kleinen  Flächen  der  drei  Blätterbrüche.  Diese 
Blättrigkeit  am  Ende  der  Strahlen  ist,  wenn  auch  mit  dem 
blosen  Auge  nur  als  charakteristischer  Schimmer  bemerkbar,  ein 
sehr  gutes  Unterscheidungsmittel  zwischen  Kalkspath  und  Arra- 
gonit  im  sogenannten  Faserkalk.  Mit  letzterem  Namen  hat 
man  sich  gewöhnt,  im  Gegensatz  zum  Arragonit  die  aus  Kalk- 
spath bestehenden  fasrigen  Vorkommnisse  von  kohlensaurem 
Kalk  zu  bezeichnen.  Beide  finden  sich  im  Lias ,  in  der  Regel 
der  Faserkalk  von  gelber  und  brauner  Farbe  und  gröberer 
Faser,  der  Arragonit  meist  blendend  weiss,  höchst  feinfasrig 
und  seidenglänzend.  Zuweilen  findet  man  sogar  Sinterbildungen, 
welche  einen  Kern  von  durchscheinendem  fasrigem  Kalkspath 
einschliessen  und  ringsherum  aus  schneeweissem  Arragonit  mit 
zierlich  traubiger  Oberfläche  bestehen  (Kemnath  auf  den  Fil- 
dern).  Aber  auch  krystallisirter  Arragonit  kommt,  wenn  auch 
selten,  im  Lias  vor;  die  spiessigen  etliche  Linien  langen  Kry- 
stalle,  welche  sich  bei  Ellwangen  mit  Schwerspath  und  Braun- 
spath  auf  sandhaltigem  Liaskalk  finden,  haben  die  grösste  Aehn- 
lichkeit  mit  denen  vom  Aostathal  oder  von  Iberg  am  Harz,  an 
welch  letzterem  Ort  sie  ebenfalls  von  Schwerspath  begleitet 
sind.  Das  Aufschwellen  und  Zerfallen  beim  Glühen  vor  dem 
Löthrohr,   der  Mansrel  des  Blätterbruchs,   d.  h.  die  fast  musch- 


-    126    - 

lige  Beschaffenheit  des  Querbruchs  lässt  diese  Krystalle 
äusserst  leicht  und  sieher  als  Arragonit  erkennen.  Man  meint 
sogar  eine  Zwillingsgränze  längs  der  einen  Fläche  der  rhom- 
bischen Säulen  hinlaufen  zu  sehen.  —  Schwarzgefärbte  von  Bi- 
tumen durchdrungene  späthige  Massen  von  Kalkspath  (Anthra- 
konit)  sind  aus  dem  Lias  wohl  bekannt. 

Im  braunen  Jura  ist  die  Verbreitung  des  kolilensauren 
Kalks  eine  ganz  ähnliche  wie  im  Lias.  Krystallisationen  in  den 
Kammern  der  Cephalopodenschalen ,  fasrige  Sinterbildungcn  von 
Arragonit  und  Kalkspath  kommen  in  gleicher  Weise  vor ,  wie  im 
schwarzen  Jura.  In  den  Spalten  der  Wasseralfinger  Erze  (brauner 
Jura  ß)  findet  man  Kalkspath  in  baumförmigen  Gestalten,  die 
an  Eisenblüthe  erinnern.  Auch  Nagelkalk  fehlt  nicht;  er  findet 
sich  in  der  untersten  Abtheilung,  den  Opalinusthonen  (brauner 
Jura  a).  Als  Bildung  auf  organischem  Weg  sind  hier,  wie  im 
ganzen  Jura,  neben  den  Gehäusen  der  verschiedensten  Weich- 
thiere  insbesondere  die  Belemniten  von  Interesse,  deren  Kalk- 
spathmasse  von  Bitumen,  dem  Zersetsungsproduct  der  organischen 
Substanz  des  Thierleibes  durchdrungen ,  sich  in  concentrisch  ra- 
dialen Fasern  sich  rings  um  die  Medianlinie  gelegt  hat.  Die  Rich- 
tung der  Faser  ist  die  Hauptaxe  dieser  Mikrokrystalle  von  Kalkspath. 

Der  weisse  Jura  besteht  fast  ganz  aus  reinen  und  unreinen 
Kalksteinen  nebst  Dolomiten,  welche  sich  durch  ihre  hellere 
meist  gelblichweisse  Farbe  von  den  bituminösen  Kalksteinen  der 
Trias  und  des  untern  Jura  unterscheiden.  Dieselben  sind  theils 
dicht  mit  splittrigem  Bruch ,  theils  krystalliniscli  körnig  und  ooli- 
tisch  und  aus  den  obersten  Schichten  (weisser  Jura  S)  sind  die 
feinen  Kalkplatten  allgemein  bekannt,  welche  zwar  dem  geog- 
nostischen  Horizont  nach,  aber  nicht  in  derselben  Schönheit  in 
Württemberg  gefunden  worden  sind,  wie  bei  Solnhofen.  In  der 
Nähe  vulkanischer  Durchbrüche  zeigen  die  Kalksteine  zuweilen 
einen  hübschen  Farbenwechsel  von  gelb,  weisslichgclb,  röthlich- 
gclb,  bläulich  und  violett  und  solche  Abänderungen  haben  hin 
und  wieder  als  Marmor  Anwendung  gefunden.  Sie  sind  aber 
wohl  zu  unterscheiden  von  den  tertiären  Süsswasserkalken,  welche 
ähnliche  Farben  haben,   aber  nicht  hicher  gehören. 


—    127    — 

Auf  den  Spalten  des  vielfach  zerklüfteten  Gesteins  hatte  und 
hat  noch  der  kohlensaure  Kalk  Gelegenheit  zur  Krystallisation 
oder  zur  Bildung  sinterartiger  Ueberzüge.  Besonders  häufig  ist 
der  grobstängliche  ,  meist  ziemlich  klare  Kalkspath  (das  eigent- 
liche Muster  stänglichen  Kalkspaths),  der  hauptsächlich  in  den 
Bohnerzgruben  sich  findet  (Salmendingen).  Die  einzelnen  Strahlen 
sind  zwar  nicht  in  paralleler  Stellung  (bezüglich  der  Nebenaxen), 
aber  doch  lassen  sich  aus  der  Masse  leicht  kleine  Rhomboeder 
herausspalten,  deren  Hauptaxe  die  Längenrichtung  der  Strahlen 
ist.  Zuweilen  sind  die  Enden  der  stänglichen  Parthien  mit  na- 
türlichen Krystallflächen  besetzt,  die  verschiedenen  Rhomboedern 
angehören.  Als  solche  Endigungen  finden  sich  grosse  aber  un- 
scharfe Rhomboeder  (Heidenheim),  spitzer  und  nicht  von  der 
gleichen  Ordnung  wie  das  Hauptrhomboeder  (wahrscheinlich  das 

a'     a' 
erste  schärfere  "ö  :  o"  •  ^)  5  gewöhnlicher  ist  das  erste  stumpfere 

(2  a'  :  2  a'  :  c),  welches  scharf  ausgebildet  und  öfters  mit  einem 
sehr  spitzen  Rhomboeder  derselben  Ordnung  verbunden  in  Ammo- 
nitenkammern  vorkommt  (Anim.  Ulmensis  Opp.  w.  J.  S,  Ein- 
singen); dieselbe  Combination  (Fig.  12.),  welche  wir  oben  aus 
dem   Stubensandstein   beschrieben    haben.     Das    erste  schärfere 

/  a'     a'     A 
Rhomboeder  j  —  :  —  :c  J,  an  welchem  der  dreifache  Blätterbruch 

die  Endkanten  gerade  abstumpft,  bildet  in  scharf  ausgebildeten 
Krystallen  hübsche  Drusen,  so  bei  Königsbronn  im  weissen  Jura 
i  und  in  einem  grauen  Jurakalk  weisser  Jura  ö  von  Friedingen. 
An  letztgenanntem  Orte  finden  sich  in  demselben  grauen  Kalk- 
stein klare  Kalkspathkrystalle  von  mehreren  Linien  Durchmesser, 
welche  glatte  glänzende  Flächen  des  ersten  schärferen,  drusige 
Flächen  des  nächsten  stumpferen  Rhomboeders,  matte  Flächen 
des  obigen  sehr  spitzen  Rhomboeders,   endlich  sehr  deutlich  die 

a     a 
Flächen    des  gewöhnlichen  Dreikantners  a  •      :  —   :    c     zeigen, 

o     ^ 

welche  parallel  ihren  Zickzackkanten  fein  gestreift  sind.  — 
Endlich  wird  aus  den  Höhlen  der  schwäbischen  Alp  das  Haupt- 
rhomboeder  a  :  a  :  c    mit  glänzenden  Flächen   in   Verbindung 


—    128    — 

mit  einem  sehr  spitzen  Rhomboeder  verschiedener  Ordnung  an- 
gegeben. (Quenst.  Mineral.  2.  Aufl.  S.  406.)  —  Montmilch 
findet  man  in  den  Nestern  des  Jurakalks  (Hohenwittlingen). 

Aus  der  Tertiärformation  ist  fast  nur  der  roth  und  gelb 
gestreifte  Kalksinter  zu  erwähnen ,  eine  Süsswasserbildung, 
welche  in  der  Nähe  vulkanischer  Durchbrüche  bei  Böttingen 
OA.  Münsingen  vorkommt  und  unter  dem  Namen  Böttinger 
Marmor  bekannt  ist.  Im  Uebrigen  bieten  die  tertiären  Kalk- 
steine wenig  oryktognostisch  Bemerkenswerthes  dar,  Feinfasriger 
Arragonit  mit  traubiger  Oberfläche  findet  sich  in  Platten  im 
Steinheimer  tertiären  Süsswasserkalk,  und  ähnliche  in  hohem 
Grade  durchscheinende  Platten  hat  man  im  Sauerwasserkalk  des 
Diluviums  von  Cannstatt  gefunden,  deren  specifisches  Gewicht 
(2,69)  jedoch  für  Kalkspath  spricht.  Den  diluvialen  Kalktuffen 
von  Cannstatt  mit  ihren  zierlichen  Abgüssen  von  Blättern ,  Vogel- 
federn u,  s.  w.  sind  die  Tuffbildungen  an  der  schwäbischen  Alb, 
die  noch  heute  fortwachsen,  ganz  analog.  Diesen  wird  der  Kalk 
durch  Wasser,  welche  aus  dem  Jurakalk  kommen,  zugeführt 
und  in  ganz  ähnlicher  Weise  entstehen  Kalktuffe  mit  Blattab- 
drücken in  andern  Gegenden,  wo  die  aus  dem  Muschelkalk  kom- 
menden Wasser  das  Material  liefern  (Nagoldthal  unterhalb  Na- 
gold). Ebenso  sind  die  Tropfsteingebilde  in  den  Höhlen  des 
schwäbischen  Jura ,  wie  des  Muschelkalks  (Andreashöhle ,  im 
Munde  des  Volks  „Pommerlesloch"  bei  Mötzingen  OA.  Herren- 
berg) hieher  zu  rechnen.  Der  Kalk,  der  sich  in  amorphem  Zu- 
stande aus  dem  Wasser  abscheidet,  wird  nach  und  nach  kry- 
stallinisch,  so  dass  sich  aus  der  Mitte  der  Tropfsteine  vollkom- 
mene Rhomboeder   herausspalten  lassen. 

Der  Basalt,  wie  überhaupt  die  eigentlichen  vulkanischen 
Gesteine  unseres  Landes,  enthält  keinen  Kalkspath  als  wesent- 
lichen Bestandtheil.  Wohl  aber  stellt  sich  überall  auf  Spalten 
desselben  und  in  Schnüren  ein  Gemisch  von  Kalkspath ,  der  sich 
unter  Brausen  in  Salzsäure  löst,  und  einem  zeolithischen  Mineral 
ein ,  das  hierbei  zersetzt  wird  und  eine  Gallerte  von  Kieselsäure 
ausscheidet.  Ganz  ähnliche  Gebilde,  bald  mehr  von  mehliger, 
bald  mehr  von  feinfasriger   Beschaffenheit,  kommen  in   kleinen 


—     129    — 

Holilriiumen  der  Basalttuffe  vor  und  mit  diesen  finden  sieh  (im 
Bolle  bei  Owen)  öfters  kleine  Krystalle  von  starkem  Glanz  und 
ziemlicher  Klarheit  oder  doch  opalartiger  Durchscheinenheit.  Ihre 
Krystallform  (s,  Fig.  8.)  ist  von  Jnterresse:  Die  Flächen  des 
Hauptrhomboeders  (a  :  a  :  c)  und  seines  Gegenrhomboeders 
(a':a':c)  herrschen  vor;  ausser  diesen  ist  das  nächste  schärfere 

zum  Gegenrhomboeder  I  ^  :   -^^  ^  <?  I    i-^i^d   Andeutungen    eines 


(^^0 


Dreikantners  vorhanden ,  endlich  die  kurzen ,  aber  breiten  Flächen 
der  beiden  sechsseitigen  Säulen  (a  :  a  :  co  c  und  a  :  2  a :  oo  c) 
Diese  Krystalle  sind  zum  Theil  so  scharf  ausgebildet  und  die 
Flächen  aller  genannten  Körper  dieser  interessanten  Combination 
so  glatt,  dass  sie  äusserst  genaue  Messungen  mit  dem  Reflexions- 
goniometer zulassen.  Die  Resultate  solcher  Winkelmessungen, 
welche  zur  Ermittlung  der  krystallographischen  Formeln  jener 
einzelnen  Körper  angestellt  wurden,  haben  sehr  genau  mit  den 
berechneten  übereingestimmmt;  und  da  die  Krystalle  unter  star- 
kem Brausen  und  ohne  Hinterlassung  einer  Gallerte  sich  in  ver- 
dünnter Salzsäure  lösen,  so  kann  über  ihre  Kalkspathnatur  kein 
Zweifel  sein. 

Nachdem  im  Vorstehenden  Bekanntes  und  noch  nicht  Be- 
kanntes über  das  Vorkommen  von  Varietäten  des  kohlensauren 
Kalks  in  Württemberg  zusammengestellt  worden  ist,  möge  zum 
Schluss  an  diejenigen  Leser,  welche  Gelegenheit  zu  oryktogno- 
stischen  Beobachtungen  haben,  die  Aufforderung  gerichtet  sein, 
ihre  Aufmerksamkeit  diesem  Zweig  der  vaterländischen  Natui-' 
künde  zuzuwenden. 


Württemb.  naturw,  Jahresbefte.     1S67.     Is  Heft. 


—    130    — 
Erklärung  der  Figuren.    (Taf.  III.) 

Kalkspathkrystalle  aus  Württemberg. 

1.  Vierling  des  ersten  schärferen  Rhomboeders  --  :        :  c  aus  dem 

Muschelkalk,  a  vergrösscrt,  b  natürliche  Grösse.     (S.  118.) 

2.  Krystalle  aus  dem  Schilfsandstein  (Ö.  122.):  a  natürliche  Grösse, 
b  die  öpitze  vergrössert. 

3—6.    Dreikantner  D  :—  a  :  -„  :—:  c  aus  dem  Muschelkalk.  (S.  117. 118.) 

3.  einfacher  Dreikantner  D;  4.  desgl.  mit  natürlichen  Flächen 
des  Hauptrhomboeders  R  =  a  :  a  :  c.  5.  Dreikantnerzwilling 
nach  dem  gewöhnlichen  Gesetz.  6.  Dreikantner  D  mit  den 
Flächen  eines  sehr  spitzen  Rhomboeders  E. 

7.  Gegenrhomboeder  R'  =  a'  :  a'  :  c  zum  Hauptrhomboeder.  Die 
Seitenecken  sind  abgesprengt  und  dadurch  die  Flächen  des 
Hauptrhomboeders  als  ( schwarzgezeichnete)  Spaltflächen  hergestellt. 
Aus  der  obersten  Lettenkohlc  (S.  121.)  und  den  Gypsmergeln 
den  Keupers.     (S.  122.) 

8.  Krystalle  aus  dem  Basalttuff  vom  BöUe  bei  Owen  (S.  129.-),  stark 
vergrössert  darstellend  die  Combination: 

Hauptrhomboeder  R  =  a  :  a  :  c 
Gegenrhomboeder  R'  =  a'  :  a'  :  c 

Erstes  schärferes  Rhomb.  zum  Gegenrhomb.  r  =       :       !  c 

Erste  Säule  S  =^  a  :  a  :  oo   c 
Zweite  Siiule  S'  =  a  :  2  a  :  oo   e. 

9.  Erstes  stumpferes  Rhombueder  Q  -—  2a  :  2;i  :  c  mit  abge- 
sprengten Seitenecken,  so  dass  die  Flächen  des  Hauptrhomboe- 
ders als  (schwarzgezeichnete)  Spaltungsflächen  zum  Vorschein 
kommen  (wie  in  Figur  7.)  Lias  y — f.  (S.  124.1 

10.  11.  Erstes  stumpferes  Rhomboeder  Q  =  2a  :  2a  :  c  mit  einem 
sehr  spitzen  Rhomboeder  E  verschiedener  (dem  Hauptrhomboeder 
gleicher)  Ordnung.  Aus  den  Erzgängen  des  mittleren  Schwarz- 
waldes (S.  114),  dem  bunten  Sandstein  von  Waldshut  (S.  IIG  und 
124),  dem  mittleren  Lias  (S.  124). 
12.  Erstes  stumpfoires  Rhomboeder  Q  =  2a  :  2a  :  e  mit  einem 
sehr  spitzen  Rhomboeder  1/  gleicher  (dem  Hauptrhomboeder 
ungleicher)  Ordnung.  Aus  dem  Stubensandstein  (s.  124  )  inul 
dem  iiberen  weissen  Jura  ^S.   127.). 


Die  Pflanzendecke  eines  rasirteu  Waldstücks  als  Beitrag 
zur  Veränderung  einer  Flora. 

Von  Forstreferendär  Friedrich  Karrer. 

Der  9.  Mai  1865  war  für  alle  exponirt  liegenden  Wal- 
dungen von  beinahe  ganz  Württemberg  ein  verhängnissvoller  Tag. 

Ein  Gewittersturm  von  seltner  Stärke  setzte  sich  zur  Auf- 
gabe, mit  gewaltigem  Hauch  die  Theorien  der  Forstleute  weg- 
zublasen ,  indem  beinahe  wie  mit  dem  Kennerblick  eines  alten 
Försters  bald  eine  versäumte  Durchforstung  sammt  allen  auf- 
gewachsenen Zinsen  nachgeholt  wurde,  bald  ein  Kahlschlag  ins 
Werk  gesetzt,  welcher  erst  für  die  nächste  Periode  des  hölzer- 
nen Schubfachwerkes  vorgemerkt  war. 

Forche  und  Fichte  waren  es  vorzugsweise,  welche  dem  ge- 
waltigen Orkan  zum  Opfer  fielen,  jene  wegen  ihrer  Langschäf- 
tigkeit  und  büschligen  Krone,  diese  wegen  flachstreifender  Wurzel 
namentlich  wenn  die  Beastung  keine  tiefgehende  nnd  der  Boden 
flachgründig  war. 

Auf  dem  Plateau  zwischen  Jagst  und  Tauber  liegt  im  Forst- 
bezirk Mergentheim  der  Apfelhofer  Wald.  Auch  hier  blieb  es 
am  9.  Mai  nicht  beim  blosen  .,Flüstern"  der  Bäume,  sondern 
in  wenigen  Minuten  lagen  auf  einem  Areal  von  15  Morgen  der 
„Hofholzflur"  —  Fichten  und  Forchen  im  Betrage  von  mehreren 
hundert  Klaftern  zu  einem  Chaos  von  gräulichem  Anblick  zu- 
sammen gewürfelt. 

Diese  Waldabtheilung  „Hofholzflur'^  hat  zum  Untergrund 
durchweg  Haupt-Muschelkalk,  jene  Parthie,  welche  an  nördlichen 
und -westlichen  Lagen  ausgezeichnete  Verwitterung  zeigt,  deren 
Producte  sich  bis  zur  Lehmbildung  steigern  können  und  von 
ausserordentlicher  Fruchtbarkeit  sind,  an  südlicher  und  Südwest- 


-     132    — 

licher  Lage  aber  nur  unvollkommen  abwittern,  einen  steinigen, 
hitzigen  Boden  erzeugen,  welcher  flacligrüudig  ist  und  ausserhalb 
des  Waldes  oft  kaum  zu  ärmlicher  Schafweide  taugt.  Die  Lage 
unseres  Beobachtungsfeldes  selbst  ist  eben,  sanft  nach  Westen 
geneigt,  etwas  steinig  und  flachgründig,  aber  nirgends  undurch- 
lassend,  dem  Westwind  vollständig  ausgesetzt. 

Der  Holzbestand  war  ein  65 — SOjähriger  Fichtenhochwald, 
dessen  Gründung  noch  aus  Deutschordenszeiten  herrührte,  meist 
vollständig  geschlossen  mit  sehr  starkem  Moospolster  von  Hyp- 
num  Schreberi,  triquetrum  und  splendens.  Im  Schatten  des 
langschäftigen  Holzes  wuchsen  Convallaria  majalis  und  mnlii- 
flora,  Majanthemum  bifolium,  Cypripedium  Calceolvs,  Cepha- 
lanthera  p)aUens,  Asperula  odorata  u«d  andere  Schattenpflanzen. 

Nachdem  im  Winter  1864 — 65  eine  Durchforstung  einge- 
legt worden  war,  hatte  der  Sturm  Lücken  angetroffen,  in  welchen 
er  ungehemmt  von  seiner  ganzen  Stärke  einen  effektreichen 
Gebrauch  machen  konnte.  Was  der  9.  Mai  verschonte ,  wurde 
im  Februar  und  März  1866  durch  starke  Frühliugsstürme  noch- 
mals decimirt,  so  dass  vom  ursprünglichen  Holzbestande  zu  der 
Zeit,  als  ich  mit  Aufnahme  der  Pflanzendecke  begann,  blos  noch 
^/9  aufrecht  stand,  bestehend  aus  zähen,  unterdrückten  Fichten, 
starkbewurzelten  Forchen,  einzelnen  Raitel-Eichen  und  jüngeren 
Buchen. 

Die  Form  des  Waldstücks  war  ein  beinahe  rechtwinkliges 
Dreieck  mit  ungleich  langen  Katheten  und  etwas  eingedrückter 
Hypothenuse.  Gegen  Ost  an  älteres  Nadelholz  stossend,  davon 
aber  durch  einen  breiten  Grasweg  mit  Gräben  getrennt,  gegen 
Südwest  an  eine  jüngere  Nadelholzcultur,  welche  ehmals  Schaf- 
trieb war,  angrenzend,  aber  ebenfalls  davon  durch  einen  breiten 
Weg  geschieden,  gegen  West  offen  und  hier  mittelst  eines  15' 
breiten  Schaftrieb  und  einem  Fleck  Laubgebüscli  von  einer 
Parthie  stets  ärmlich  bestellter  steiniger  Aecker  getrennt ,  an 
der  untersten  Spitze  hart  an  eine  Wiese  grenzend. 

Wir  werden  in  der  Folge  sehen,  wie  wichtig  die  nachbar- 
lichen Culturverhältnisse   auf  die  Gestaltung  der  Flora   unseres 


i; 


Waldes    nach    dem  Windwurfe    in  Folge    der   Entblössung    des 
Bodens  waren. 

Von  der  Mitte  Mai  1866  an,  also  gerade  ein  Jahr  nachdem 
die  Entblössung  des  Bodens  durch  den  Sturm  bewerkstelligt 
wurde,  fieng  ich  au,  die  Pflanzenarteu  der  15  Morgen  grossen 
Hofholzflur  bis  in's  Detail  aufzunehmen.  Die  Resultate  dieser 
Aufnahme,  welche  bis  in  den  Juni  währte  und  wobei  auch  die 
jüngeren  Pflänzchen  berücksichtigt  wurden,  waren  folgende : 


2.  Monocotyledoneii. 

Poa  pratensis. 
Festuca  rubra. 
Brachypodium  pinnatum. 
Bromus  asper. 
Anthoxanthum  odoratum. 
Milium  effiisum. 
Dactylis  glomerata. 
Arrhenatherum  elatius. 
Seeale  cereale. 
Poa  annua. 
Carex  glauca. 

„      montana. 
Luzula  pilosa. 
Convallaria  majalis. 

„  multiflora. 

yiojanthenmm  bifoUum. 
Colchicum  autumnale. 
Cypripedium  Calceolus. 
Piatanthera  bifolia. 
Cephalanthera  pallens. 

3.  Dicotyle  Krautpflanzea. 

Asarum  europaeum.  Euphorbia  Cyparissias. 

Polygonum  Convolculus.  Plantago  lanceolata. 
Rumex  crispus.  „        media. 

Euphorbia  helioscopia.  '     „        major. 


1.  Sträiicher. 

Salix  Caprea. 
Juniperus  co  m  mu  n  is. 
Popiihis  tremula. 
Corylus  Avellana. 
Quercus  pedunculata. 
Cornus  sanguinea. 
Ligustrum  vulgare. 
Bhamnus  Frangula. 
Rosa  gallica. 
„     canina. 
Prunus  spinosa. 
„       Avium. 
Pyrus  Malus  sylvestris. 

„     communis  pyraster. 
Sorbus  torminalis. 
Rubus  Idaeus. 
Daphne  Mezer eum. 


134 


Primula  officinalis. 
Myosotis  arverisis. 
Lithos2)ermum  arvense. 
Veronica  hederaefolia. 

„         Chamaedrys. 

„         agrestis. 
Galiuni  verum. 

,,        Aparine. 

„        sylvaticum. 

„        mollugo 
Asperula  odorata. 
Pastinaca  sativa. 
Daucus  Carota. 
Pimpinella  magna. 
Sanicula  europaea. 
Heraclewn  Sphondylium. 


Campanula  rotundifolia. 


Senecio  sylvaticus. 

„       vulgaris. 

„  erucaefolius. 
Solidago  virgaurea. 
Chrysanthemum   Leucanthe- 

muin. 
Anlhemis  arvensis. 
Tnssilago  Farfara. 
Sonchus  arvensis. 
Achillea  millefbliwn. 
Crepis  biennis. 

„      praemorsa. 
Gnaphalium  sylvaticum. 
Taraxacum  officinale. 
Iragopogon  pratensis, 
liieracium  Auricula. 
,,  Pilosella. 


Hieracium  murocum. 
„        vulgatum. 
„        praealtum. 
Leontodon  hastilis. 
Cirsium  lanceolatum. 
„       arvense. 
,.       Eriophoru7n. 
Carduus  nutans. 
Centaurea  Jacea. 


Valerianella  olitoria. 
Scabiosa  arvensis. 


Trifolium  medium. 

„         repens. 
Melilotus  officinalis. 
Anthyllis  Vulneraria. 
Lathyrus  pratensis. 
Orohus  vernus. 

,,        iuherosus. 
Ervum  hirsutum. 
Hippocrepis  comosa. 
Onobrychis  sativa. 
Ononis  repens. 
Genista  germanica. 
Lotus  comiculatus. 
Vicia  sepium. 
Astragalus  glyciphyllos. 

Poterium  Satiguisorba. 
Alchemilla  arvensis. 
Agrimonia  Eupatorium. 
Fragaria  vesca. 
Potentilla  venia. 
Hypericum  perfovalum. 
Viola  hirta. 


—    135    — 


Viola  tricoJor  arvense. 

,,      canina. 
Polygalo  vulgaris. 
A renaria  serpyilifo lia. 
Holosteum  umbellatum. 
Papaver  Argemone. 

,.       Uhoeas. 
Fumaria  offtcinalis. 

Ajuga  genevensis. 

„      reptans. 
Thymus  Serpyllum. 
Melissa  Acinos. 
Galeopsis  tetrahit. 


Thlaspi  arvense. 

„       perfoliatum. 
Alyssum  calycinum. 


Capsella  bursa-pastoris. 
Erysimum  cheiranthoides. 
Brassica  Napus. 

Adonis  aesüvalis. 
A  quilegia  vulgaris. 
Anemone  nemorosa. 
Ranvnculus  arvensis. 

„  polyanfhemos. 

,,  acris. 

,.  repens. 

Hypnum  lutescens. 

„  cupressiforme. 
Funaria  hygrometrica. 
Ceratodon  purpureus. 

Cladonia  rangiferiiia. 


Ueberrascheiid  war  das  schnelle  Verschwinden  des  ursprüng- 
lich so  mächtigen  Moospolsters.  Der  heisse,  trockene  Sommer 
1865  trägt  wohl  die  meiste  Schuld  daran,  abgesehen  davon, 
dass  Beschattung  ein  Lebenseleraent  wenigstens  für  Hypnum 
splendens,  H.  triquetrum  und  //.  Schreberi  ist.  Zu  einem  kaum 
handdünnen  zusammengebrannten  Lager  sind  die  einst  so  mäch- 
tigen Polster  zusammengeschrumpft  im  Laufe  eines  Jahres,  blos 
am  Waldraude  hielt  sich  //.  lutescens  unverändert,  ebenso  das 
unter  allen  möglichen  Verhältnissen  vorkommende  //.  cupressi- 
forme auch  auf  der  Fläche. 

Die  Zahl  der  Arten,  welche  auf  dem  verhältnissmässig  klei- 
nen Raum  beieinander  wachsen,  beträgt  142,  Von  diesen  sind 
17  bäum-  oder  strauchartig  (Forche,  Fichte  und  Lerche  als 
Culturpflanzen  ausgeschlossen),  20  Monocetyledonen,  die  übrigen 
100  dicotyle  Krautpflanzen,  5  Moose  und  eine  Flechte. 

Welch'  ein  Pflanzenreichthum  des  freigestellten  Bodens  ge- 
genüber der  vorherigen  Flora  des  tiefschattigen  Fichtenwaldes! 


—     VX    — 

Unwillkührlit'h  drängt  sich  daher  die  Frage  nach  Herkunft 
und  dem  plötzlichen  Erscheinen  dieser  Menge  von  Pflanzin, 
welchL'  zum  grossen  Theile  dem  Nadelwald  fremd  sind,  auf. 
Mein  Hauptaugenmerk  gieng  nun  auch  darauf,  nicht  sowohl  die 
Einwanderer  selbst,  als  auch  die  Art  und  Weise  der  Einwan- 
derung zu  bestimmen.  Von  den  1 7  Holzpflanzen  waren  ausser 
1  Art  (Rosa  gallica)  alle  schon  ursprünglich,  wenn  auch  mehr 
oder  weniger  unterdrückt  und  daher  mit  krüppeligem  Wachs- 
thum,  vorhanden.  Rosa  (/((llira  erschien  durchaus  mit  frischf  n 
Wurzeltrieben,  weshalb  anzunehmen  ist,  dass  sie  -bei  der  Anlage 
des  Waldes  vorhanden  war,  und  erst  durch  die  emporwachsende 
Fichte  verdrängt  wurde,  ihr  Wurzelstock  aber  erhalten  blieb. 

Von  125  Mono-  und  Dicotyledonen ,  welche  sich  ähnlich 
wie  Rosa  gallica  verhielten ,  lassen  sich  auch  nach  meinen  an- 
derweitigen Beobachtungen  folgende  annehmen :  E'iiphorliia  ( 'y- 
parissias,  Galivni  verum,  (i.  Molhigo,  llrarhi/podiuin  pinna- 
tum,  Colchicum  nnlumualc,  Plotonthcra  bifolia,  Cephalanthe- 
ra  paUens,  Senecio  erucae('oliui<,  Tiissilago  Farfara,  ('entatirea 
Jacea,  Crepis  praemorsa,  Lathi/ris  pratensis,  Hippocrepis  co- 
mosa,  AnthylUs  Vulneraria,  Poterium  Sanguisorba,  AJuga 
geneuensis,  Ranimculus  acris.  Die  Floi'a  war  vor  dem  Sturme 
etwa  folgendermassen  zusammengesetzt :  Asarum  europaeum,  Ra- 
ntex  crispus,  Primula  officinalis,  Veronica  chamaedrys,  Galium 
sylvaticum ,  Aspenila  odorata ,  Poa  pratensis ,  Festiica  rubra, 
Bromus  asper,  Anflioudntlmm  odoratiim,  Milium  eff'itsum, 
Carex  glaxica,  C.  montana,  Luzula  pilosa,  Convallaria  maja- 
lis,  (J.  multijlora,  Majanihemum  bif'olium,  Cypripedittm  Cal- 
ceolus,  Pimpincllu  magna,  Sanicula  europaea,  Plantago  media, 
Herncieum  Sphondylium ,  Campanula  roinndifolia,  Solidago 
viryaurea,  Chrysatithemum  Leucanthemum,  Achillea  millcfo- 
lium,  Hieracium  murorum,  II.  vulgatum,  Trifolium  nudium, 
Tr.  repens,  Orobus  vernus,  ().  tiibcrosus,  Ononis  repens,  Ge~ 
nista  germanica,  Lotus  corniculatus,  Vicia  sepium,  Astragaltis 
glyciphyllos,  Agrimonia  Eupatorium ,  Fragaria  vesca ,  Polen- 
Ulla  cerna,  Thymus  Serptjllum,  Hypericum  perfordi um.  Viola 
hirfa,    V.  conino.  Pofygala  culgarifi.  Ajuga  rf'i)((i/(s.  A'iuilegin 


—    137    — 

wlgaris,  Anemone  nemorosa ,  Eaniinculiis  polyanfhejnos,  E. 
repens.  —  Hypnum  splendens,  H.  triqxietrum,  h.  Schreberi, 
H.  cupressi forme,  H.  lutescens,  Dicranum  scoparium,  Cladonia 
rangiferina.     (57  Arten,  dazu  noch  16  Sträuchei). 

Vollständige  Einwanderer  sind :  Polygonum  Convolvulus, 
Euphorbia  helioscopia,  Flantago  lanceolata,  Fl.  major,  Myo- 
sotis  arvensis,  Lithospermimi  arvense,  Veronica  hederaefoUa, 
V.  agrestis,  Galium  aparine,  Pastinaca  satica,  Daucus  Carola, 
Senecio  sylvaticus,  S.  vulgaris,  Gnaphalium  sylvaticum,  Cre- 
pis  bifnnis,  Leontodon  hastilis,  Anthemis  arcensis,  Sonchus arven- 
sis, Taraxacum  offidnale,  Hieracium  Auricida,  H.  PiloseUa,  H. 
praealtum,  Cirsium  lanreolatum,  C  arvense,  C.  Eriophoruni, 
Carduus  nutans,  Scabiosa  arvensis,  ValerianeUa  oUtoria,  Trago- 
pogon  pratensis,  Ervum  hirsutum,  Melilotus  officinalis,  Onobry- 
chissativa,AlchemiUa  arvensis,  Geraniumdissectum,,  Arenaria  ser- 
pyllifolia,  Holosteumumbellatum,  Papaver  Argemone,  P. Rhoeas, 
Fumaria  officincdis,  Melissa  Acinos,  Galeopsis  tetrahit,  Thlaspi 
arvense,  Th.  perfoliatum,  Alyssum  calycinum,  Capsella  bursa- 
pastoris,  Erysimum  cheiranthoides ,  Brassica  Napus,  Adonis 
aestivalis,  Banuneulus  arvensis,  Dactylis  glomerata ,  Avena 
elatior,  Seeale  cereale,  Poa  annua,  —  Ceratodon  purpureus, 
Funaria  hygrometrica.     (55  Arten). 

Von  diesen  Pflanzen  sind  18  Arten  Conipositae^  ihre  Ein- 
wanderung verdanken  sie  der  Beschaffenheit  ihres  Samens  (Pap- 
pus),  welchen  der  Wind  von  grossen  Entfernungen  herführen 
konnte.  So  kommt  Gnaphalium  sylvaticum  in  unmittelbarer 
Nähe  unseres  Beobachtungsortes  gar  nicht  vor ,  sondern  tritt 
erst  wie  Gnaphalium  dioicum  auf  den  oberen  kieseligen  Par- 
thien  des  Muschelkalkes  und  auf  der  Lettenkohle  auf.  In  der 
That  fand  ich  auch  nach  einigen  Excursionen  in  IV^  Stunden 
Entfernung  in  westlicher  Richtung  Gn.  sylvaticum  auf  Letten- 
kohle in  Menge  und  es  ist  am  Ende  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  hier  die  Mutterpflanzen  für  unser  Gnaphediuni  zu  suchen 
sind,  indem  der  Westwind,  wie  schon  erwähnt,  vollen  Zutritt 
zum  Beobachtungsort  hatte. 

Die  Zuhülfenahme  des  Windes  lässt  sich  ebenfalls  rechtfer- 


-     138    — 

tigen  bei  der  Einwanderung  von  Papaver  Rhoeas  und  Arijienw7iey 
Alchemilla  arvensis,  Arenaria  serpyllifolia,  Holosieum  umhel- 
latuni,  Aljjssum  calycinum,  Capsella  bursa-pastoris,  Erysiinvm 
dieiranihoides,  Geraniuni  dmectuin,  Plantayo  lanceolata^  Plan- 
tago  major,  Funaria  hygrometrica  und  Gerat odon  purpureus. 
(13  Arten). 

Kacli  sorgfältigen  Beobachtungen  brachten  die  Excremente 
der  Zugthiere  bei  Gelegenheit  der  Abfuhr  des  Windwurfliolzes 
Dactylis  glomerata,  Avena  elatior,  Poa  annua,  Veronica  liede- 
raefolia,  V.  agresüs,  Secalc  cereale,  Tldaspi  arvense,  Kanun- 
culus  arvensis,  Brassica  Napus.     (9  Arten). 

Die  übrigen  15  Arten,  bei  deren  Samenverbreitung  der 
Wind  wohl  keinen  Antheil  haben  konnte,  der  Schwere  halber, 
wie  bei  Lithospermuni  arvense,  Ervum  hirsutum,  Fumaria 
officinalis  etc.  deutet  jedoch  ein  weiterer  Umstand  die  Art  der 
Einschleppung  an.  Alle  diese  Pflanzen  finden  sich  stets  auf 
frisch  gerodeten  Stellen,  wo  die  Stöcke  der  geworfenen  Fichten 
dui'ch  die  Holzhauer  gegraben  wurden  oder  wo  durch  die  Ge- 
walt des  Sturmes  die  ausgerissenen,  flachstreichenden  Wurzelu 
lange  Furchen  zogen. 

Zieht  man  nun  in  Betracht,  dass  die  Holzhauer,  welche  geraume 
Zeit  und  in  grosser  Anzahl  bei  Aufbereitung  der  Windwürfe 
beschäftigt  waren,  dem  benachbarten  Dorfe  angehörig,  regel- 
mässig einen  Feldweg  passirten,  auch  über  die  steinigen  Aecker 
gehen  mussten,  um  auf  den  Arbeitsplatz  zu  gelangen,  so  wüd 
der  Ursprung  dieser  9—12  Arten,  w^elche  sämmtlich  Acker- 
unkräuter sind,  sofort  klar.  Sie  mögen  an  den  Stiefeln,  durch 
Anhängen  an  die  Kleider  und  Goräthschaften  etc.  etc.  herbei- 
geschleppt worden  sein. 

Was  wird  wohl  die  Zukunft  dieser  Einwanderer  sein  V  Schon 
nach  wenigen  Jahren  wird  jedenfalls  ihre  Zahl  beträchtlich  ver- 
mindert sein,  denn  schon  jetzt  wuchern  die  perennironden  Arten 
in  dem  humosen,  stellenweise  gelockerten  Boden  mit  grosser 
Ueppigkeit  und  gierig  senden  die  mit  Rhizom  versehenen  Arten 
ihre  Fangarme  auf  die  benachbarten  kahlen  Stellen  aus,  um  die 
dortigen  einjährigen  Insassen  zu  vertreiben   und    ihnen  langsam 


—    139    — 

aber  sicher  auch  den  letzten  Fleck  Existenz  zu  rauben.  Am 
längsten  werden  sich  noch  die  zweijährigen  Gewächse,  wie  Daucus 
Carola,  Pastinaca  sativa,  Cirshim  Eriophorwn  u.  A.  halten. 

Obendrein  ist  die  ganze  Fläche  jetzt  mit  Fichten  wiederum 
eingepflanzt  und  nach  einem  Jahrzehnt  dürfte  der  Kampf  zwischen 
Fichte  und  den  perennirenden  Krautpflanzen  ebenso  beginnen, 
wie  er  jetzt  schon  zwischen  Ferennla  und  An7iva  ausgebrochen 
ist.  Was  dann  unter  Druck  und  im  tiefen  Schatten  seine  Früchte 
reifen  und  das  Individuum  fortpflanzen  kann,  das  wird  Aussicht 
auf  bleibende  Existenz  haben.  Aber  auch  unter  der  Fichte 
wird  zu  gleicher  Zeit  ein  Kampf  stattfinden,  die  kräftigsten 
Exemplare  werden  siegen,  indem  alles  Schwächere,  was  nicht  im 
ungeschmälerten  Genuss  der  Atmosphärilien  ist,  unterdrückt 
werden  und  verdorren  wird. 

Die  hier  analysirte  Pflanzendecke  möge  zugleich  einen  Be- 
weis für  die  Fruchtbarkeit  des  Muschelkalks  und  die  Ueppig- 
keit  seiner  Waldvegetation  liefern,  wenigstens  habe  ich  bei  ähn- 
lichen, aber  zu  andern  Zwecken  unternommenen  Aufnahmen 
im  Keuper,  nie  so  hohe  Zahlenverhältnisse  erhalten  können. 


111.    Kleinere  Mittheilungen. 


Ueber  einen  einaxigen  Glimmer  von  der 
Somma. 

Von  Dr.  G.  Werne  r. 

Gliramerki'ystalle ,  welche  scharf  krystallisirfc  und  mit  hinreicliond 
glatten,  glänzenden  und  vollkommen  ebenen  Flächen  versehen  sind, 
um  mit  dem  Reflexionsgoniometer  gemessen  werden  zu  können,  gehören 
bekanntlich  zu  den  Seltenheiten.  Zuweilen,  jedoch  immerhin  selten, 
sind  die  Seitenflächen  der  sechsseitigen  Tafeln,  welche  die  Glimmer- 
krystalle  darstellen,  glatt  genug,  um  sich  zu  einer  Messung  zur  Noth 
zu  eignen;  aber  die  Endfläche  ist  wegen  ihrer  Blättrigkeit  krumm  ge- 
bogen und  gibt  am  Keflexionsgoniometer  kein  gutes  Bild;  oder  aber 
sind  die  Seitenflächen  zwar  glatt  und  glänzend ,  aber  so  stark  querge- 
streift, dass  dadurch  ebenfalls  die  Messung  unmöglich  wird.  So  ver- 
halten sich  z.  B.  die  schwarzen  Tyroler  Kiystalle,  welche  man  als  gut 
krystallisirteii  Glimmer  in  den  Sammlungen  findet. 

Unter  den  Glimmern  der  mineralogischen  Sammlung  der  polytech- 
nischen Schule  in  Stuttgart  befindet  sich  ein  Stück  eines  Somma- 
Auswürflings,  v.-elchem  eine  Dmse  von  Glimmerkrystallen  auf-  und  ein- 
gewachsen ist,  die  schon  durch  ihr  Aussehen  die  Aufmerksamkeit  auf 
sich  ziehen.  Sie  stellen  meist  sechsseitige  Tafeln  dar,  welche  '  i  bis 
gegen  2'' Durchmesser  haben  und  etwa  halb  so  hoch  sind.  Ihre  Farbe 
ist  die  honiggelbe  des  Humits,  der  auch  mit  vorkommt  und  unter 
dessen  Namen  jene  seinerzeit  verkauft  worden  sintl.  Die  Glimmerkry- 
stalle  sind  durchsichtig,  besonders  gegen  die  glasglänzenden  Seiten- 
flächen gesehen;  die  perlmutteiirlänzende  Fndiläche  zeigt  unter  der 
Loupe  einzelne  Newton'sche  Farbenringe,  herrührend  von  den  dünnen 
Luftlamellen,  welche  längs  der  wenigen  Sprünge  parallel  der  End- 
fläche eingedrungen  >ind. 

Dass  die  Combination,    wchdu-i  die  Krystallc  darstollou,   niolit  ein- 


—     141     — 

fach  die  einer  hexagouaieii  Säule  mit  Geiadendfläclie  i&t ,  davon  über- 
zeugt man  sich  leicht,  indem  man  schon  mit  dem  blossen  Auge  oder 
mit  der  Loupe  an  verschiedenen  Stellen  eine  Convergenz  der  schein- 
baren Säulenkanten  nach  unten  oder  oben  beobachtet,  obwohl  die 
scheinbaren  Säulenflächen  zum  Theil  so  ghttt  und  frei  von  Querstreifen 
sind,  dass  sie  am  Reflexionsgoniometer  vollkommen  scharfe,  wenn  auch 
wegen  ihrer  Kleinheit  liclitschwache  Bilder  geben.  Auch  erkennt  das 
Auge  wenigstens  an  einzelnen  der  scheinbaren  Säulenfläclien,  dass  der 
Winkel,  den  sie  mit  der  blättrigen  Endfläche  machen,  ein  spitzer,  be- 
ziehungsweise stumpffr  ist.  Die  Messung  ergibt  als  Neigung  zwischen 
den  Seitenflächen  und  der  Endfläche  sehr  verschiedene  Winkel,  die 
meist  sehr  erheblich  von  90"  abweichen;  an  einem  Krystall  wurden 
für  solche  Winkel  die  Werthe  96«  38';  99«  18';  107"  u.  s.  w.  gefun- 
den, so  dass  man  auf  die  Vermuthung  kommen  könnte,  die  Krystalle 
stellen  schiefrhombische  oder  schiefrhomboidisclie  Säulen  mit  Schief- 
endfläche dar,  gehören  somit  dem  zwei-  und  eingliedrigen  oder  ein- 
gliedrigen System  an.  Es  lässt  sich  aber  auch  der  Fall  denken ,  dass 
die  Krystalle  znm  sechsgliedrigen  System  gehören,  dass  somit  der  Blät- 
terbruch die  Geradendfiäche  dieses  Systems  sei  und  die  seitlichen  Flächen 
verschiedene  sehr  spitze  ßhomboeder  darstellen.  Jedenfalls  steht  als 
Resultat  der  Messung,  da  diese  bei  der  Schärfe  der  Bilder,  welche  die 
Flächen  geben,  mit  hinreichender  Genauigkeit  ausgeführt  werden  kann, 
soviel  fest,  dass  die  seitlichen  Flächen  nicht  die  einer  hexagonalen  Säule 
sind.  Auch  nähern  sich  zwar  die  Winkel  zwischen  den  letzteren  unter 
sich  120",  weichen  aber  dennoch  entschieden  um  V2  bis  1"  davon  ab. 
Betrachtet  man  die  Krystalle  als  Combination  von  spitzen  Rhom- 
boedern  mit  der  Geradendfläche  des  sechsgliedrigen  (beziehungsweise 
dreigliedrigen)  Systems,  so  sind  jedenfalls  von  ersteren  mehrere,  aber 
keines  vollständig  vorhanden;  denn  mau  erhält  fast  für  jede  dieser 
Flächen  einen  andern  Neigungswinkel  gegen  die  Endfläche.  Dennoch 
scheint  diese  Betrachtungsweise  entschieden  die  richtige  zu  sein ;  denn 
im  Polarisationsapparat  geben  die  Krystalle  vollkommen  deutlich  und 
regelmässig  das  Bild  der  optisch  einaxigen  Krystalle,  ein  schwarzes 
{beziehungsweise  helles)  Kreuz,  das  sich  bei  der  Drehung  des  Krystalls 
nicht  verändert,  mit  einem  System  kreisförmiger  Farbenringe.  Hier- 
mit stimmt  auch  eine  Messung  eines  vesuvischen  Glimmers  überein, 
welche    kürzlich    v.   K  0  k  s  c  h  a  r  0  w    in   Petersburg    ausgeführt   hat.  *) 


'1  Keues  Jahrb.  für  Mineralogie  u.  s.  w.  1866,  p.  351. 


—    142    - 

Er  gibt  als  Resultat  derselben  für  die  Neigung  von  Rhomboederflächen 
gegen  die  Endfläche  die  Werthe  an:  100"  0';  92"  32';  95"  53';  98" 
38';   101"  18';  107"  2';  114"  39';  121"  23'. 

Leider  ist  von  diesem  interessanten  Glimmer  nicht  s^o  viel  vor- 
handen, dass  damit  eine  chemische  Analyse  ausgeführt  werden  könnte. 
Löthrohrversuche  geben  Reaction  auf  Thonerde  und  Kali,  kaum  auf  Eisen. 

Die  Resultate,  welche  O.  Rose  *)  an  einem  schwärzlichgrünen 
Glimmer  vom  Vesuv  angestellt  hat  und  aus  welchen  er  als  das  Kry- 
stallsystem  derselben  das  zwei-  und  eingliedrige  ableitet,  könnten  viel- 
leicht ebenfalls  auf  die  oben  beschriebene  "Weise  gedeutet  werden. 


Bücheranzeige. 

Die  botanische  Systematik  in  ihrem  Yerhältniss  zur 
Morphologie.  Kritische  Vergleiehung  der  wichtigsten  äl- 
teren Pflanzensysteme,  nebst  Vorschlägen  zu  einem  natür- 
lichen Pflanzensysteme  nach  morphologischen  Grundsätzen, 
den  Fachgelehrten  zur  Beurtheilung  vorgelegt  von  Ernst 
Krause.  Weimar,  18G6.  Bernhard  Friedrich  Voigt.  8*". 
232  S. 

Der  Herr  Verfasser  gibt  sich  in  der  Vorrede  selbst  nicht  für  einen 
Fachmann,  sondern  für  einen  Liebhaber  der  Botanik  aus  und  hat  seine 
Schrift  in  einer  von  literarischen  Hülfsmittcln  entblössten  kleinen  Stadt, 
in  Düsseldorf  geschrieben. 

Im  ersten  Buch  gibt  er  eine  Uebersicht  der  künstlichen,  natürli- 
chen und  speculativen  Systeme  und  der  leitenden  Grundsätze,  nach 
welchen  sie  aufgestellt  wurden,  welelie  er  zugleich  einer  mehr  oder 
weniger  eingehenden  Kritik  unterzieht.  Nachdem  der  Verfasser  noch 
die  Darwin'sche  Lehre  von  der  natürlichen  Züchtung  und  die  Grund- 
züge der  Morphologie  dargestellt  hat,  kommt  er  zu  seinem 

2.  Buch:  Ableitung  eines  natürlichen  Reihensystems,  nach  mor- 
phologischen Principien. 

Im  ersten  Abschnitt  wird  der  Ilaupttypus  und  Organisationsplan 
der  Pflanze,  im  zweiton  das  Gesetz  der  Abwandlung  des  Grundtypus 
(die  Conjugation),    im    dritten    das    Gesetz   der  Vervollkommnung   des 


*)  Po^^end.  Animlei),  Bd.  Cl,  p    383. 


—     143    - 

Pflänzentypus ,  im  vierten  die  unregelmässige  Entwicklung,  im  fünften 
die  allgemeine  Entwicklung  und  die  Verwandtschaft  der  Gewächse  be- 
sprochen.    Dieses  führt  ihn  zu  dem 

3.  Buch,  die  Grundlinien  eines  natürlichen  Reihensystems  enthaltend. 

Um  den  Standpunkt,  welchen  der  Verfasser  in  diesem  Abschnitt 
einhält,  zu  verstehen,  wollen  wir  aus  dem  Vorigen  hervorheben,  vas 
er  über  charakteristische  Kennzeichen  und  Verwandtscliaften  dort  sagt. 
So  heisst  es  S.  146:  „Es  gibt  vorherrschende  und  weniger  wichtige 
Kennzeichen.  Als  solche  vorherrschende  Charaktere  für  die  Aufstel- 
lung der  Phanerogamen-Gruppen  habe  ich  bewährt  gefunden :  den 
anatomischen  Bau  und  die  Art  des  Wachstliums;  das  gegenseitige 
Zahlenverhältniss  der  Blüthenkreise,  zurückgeführt  .luf  seine  Elemente; 
die  Art  der  Keimung;  die  Beschaffenheit  der  Frucht  und  des  Samens; 
die  Nervatur  der  Blätter.  Als  leitende  Charaktere  für  die  Anordnung 
der  zu  demselben  Typus  gehörigen  Pflanzenfamilien  benützte  ich:  die 
regelmässige  Trennung  der  Geschlechter,  den  Vollständigkeitsgrad  der 
Blüthe,  die  Insertionsverhältnisse,  die  Stufe  der  Trennung  aller  Theile 
eines  Blüthenwirtels  von  einander,  das  Steigen  der  Zahlenverhältnisse." 

Ferner  unterscheidet  er  wahre  oder  Stanimverwandtschaft,  Stufen-, 
Anpassung^*  und  Zufalls  Verwandtschaft. 

Dass  der  Verfasser  aber  auch  der  Tracht  oder  dem  Habitus  der 
Pflanzen  eine  wichtige  Bedeutung  zuerkennt,  geht  aus  vielen  Stellen 
seines  letzten  Buchs  (S.  160 — 170)  hervor. 

Nachdem  er  die  einzelligen  Algen  (und  Pilze)  als  niederste  Stufe 
aufgestellt  hat,  reiht  er  in  der  zweiten  diejenigen  Pilze,  Flechten  und 
Algen  an ,  welche  in  der  ersten  Periode  einen  ungegliederten  Thallus 
und  sodann  Sporen  erzeugen.  Hierauf  lässt  er  die  Moose  und  höheren 
Algen,  sodann  die  P'arn  und  Schachtelhalme  folgen.  Auf  diese  etwas 
flüchtig  gehaltene  Eintheilung  der  Kiyptogamen  folgen  nun  die  Gruppen: 

I.  Die  Gruppe  der  Palmen  und  Gräser: 

Cycadeae  Eich.  Gramineae  Juss. 

Cyclantheae  Pott,  Centrolepideae  Desv. 

(Acorpideae  Äg.f)  Restiaceae  Bartl. 

Phytelephanteae  Nees.  Eriocauleae  Rieh. 

Palmae  Juss.  Junceae  Del. 

Pandaneae  RBr.  Xyrideae  Lindl. 

Typhaeeae  Juss.  Commeiineae  RBr. 

{Acthophylleae.)  {Phüydreat  RBr.  ?) 
Cyperoidcae  Juss. 


-     144     - 

II.  und  III.     Kcihoii  der  Wasserlilien  und  Arumartigen. 
II.  III. 

Ptstiacecie  Rieh.  Najadeae  Link. 

Aroideae  Juss.  Potameae  Juss. 

Taccaceae  Presl.  Podostemeae  Rieh. 

Dioseoreae  RBr.  (Ihjdroeharideae  Juss.) 

Tameae  Nees.  Juncagineae  Rieh. 

Sniilacineae  RBr.  Alismaeeae  LindL. 

Aspara'jeac  Kuiitli.  Butomeae  Rieh. 

(Asphodelear  Jvss..')  {Hydropeltideae  LindL) 

IV.  Reihe  der  Liliengewächse. 
Y.  Reihe  der  Gurkenartigen. 

VI.  u.  VII.  Reihen  der  Ganzblättrigen  und  Lorbeergewächse. 
VIII.  u.  IX.   Reihen  der  Gefiedertblättrjgcn   und  der  Drciknöpfigen. 
X.  Reihe  der  Ampfergewächse,  wozu  auch  die  Piperaceen,  sodann 
die  Tiliaceen  und  Malvaceen  gezogen  werden. 
XI.  Reihe  der  Salzkräuter  oder  Iselkengewächse. 
XII.  Reihe  der  Vielblumigen  mit  ihren  Nebenreihen. 
XIII. — XVII.  Xebenreihen,  die  von  dem  Tyi)up  der  vorigen  Gruppe 
abgeleitet  werden. 
XVIII.  Reihe  der  Kreuzblüthigen,   wo  unter  andern  audi  die  Saliei- 
neae  Rieh,   neben   den  Fumariaeeae  Del.   und  Papaveraeeae 
Juss.  eingereiht  werden. 
"Wir   haben   uns   im  Vorstehenden  begnügt,    nur  die    drei    ersten 
Reihen  des  Verfa^^sers  vollständig  aufzuzählen,   und  müssen  den  Leser 
—  was    die    weiteren   anbelangt  —  auf  die   Schrift    selbst    verweisen, 
welche  manches  Belehrende  und  Interessante  dnrbietet,    zucleich  aber 
auch   den  Beweis  liefert,   wie   schwierig  es  ist,   trotz  der  vielen   und 
gründlichen   Untersuchungen ,    welche  die  letzten    50  Jalire  im   Gebiet 
der  speciellen  Botanik  und  Systematik  geliefert  haben,  ein  den  wissen- 
schaftlichen Anforderungen  genügendes  natürliches  Pflaiizensystem  auf- 
zustellen. G.  K. 


ilriickl'cliler. 

Auf  der  ersten  Seite  zweite  Linie  niiiss  es  lieisseii :  e  i  n  uiidzwmiziL'ste  sSiitt:  vier- 
uncUwnnzigste 


Ansjesicben   im  Januar  \>>(\1. 


Württeir.'b,  Na'nrv.nRa    Jahr<;s"hefTe.  Jahr^an^  HUI.  1867. 


Tab.  I. 


Fi^.I 


:  f.  Sc'K.olter'becV.. 


H'iirifcmb  Xatiimms.  Jalirc.t/itru  Jahiy  XU//  /i'^Y. 


n^i 


Tafir 


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i^.  „L?^^ 


iS^^^^^M 


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/V^^äc>i'i:<i 


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^^  "^ 


^ezv?  Sc"hlorterbs* 


Bruckv  CHenzler   Sluttfail 


Wuraeml  nalumss.  Jahresliefte,  Jalir,^.  XM  186T. 


Tab.n 


Aohrdäm 


Z^tk-  r>  CirtZö^^.  Stizrljarz 


Geologisches  aus  dem  Orient. 

Yon  Professor  Dr.  Oskar  Fraas. 
(Hiezu  Tafel  IV- VI.) 

Nächst  der  eigenen  Heimat  übt  keine  Gegend  der  Welt  auf 
die  abendländischen  Völker  einen  gleichen  Reiz  aus,  als  der  Orient 
Ziehen  auch  nicht  mehr  Hunderttausende  von  Abendländern  aus, 
um  vom  „heiligen  Land"  Besitz  zu  ergreifen,  wie  zu  den  Zeiten 
Peters  von  Amiens,  so  sind  es  doch  immerhin  jährlich  Tausende, 
die  mit  Eisenbahn  und  Dampfschiff  die  Küste  von  Palästina  und 
Egj-pten  erreichen,  um  irgend  einem  innerlichen  Bedürfniss  Ge- 
nüge zu  leisten  und  die  berühmtesten  Orte  der  Welt  zu  sehen, 
die  als  Ideale  einem  Jeden  von  Jugend  auf  schon  bekannt  sind. 
Neunzig  unter  hundert  freilich  sind  Pilger,  daher  auch  jeder 
reisende  Europäer  vom  Syrier  als  „Hadschi"  begrüsst  wird;  die 
andern  sind  Touristen  von  der  gewöhnlichen  Sorte,  einige  dar- 
unter Künstler  und  Gelehrte,  Sprachforscher,  Historiker  und 
Archäologen,  höchst  selten  ein  Naturforscher.  Daher  kommt 
es,  dass,  so  zahlreich  auch  die  Orient- Literatur  ist  und  so 
Vieles  schon  über  die  Natur  der  Länder  am  rothen  Meer 
und  Jordan  geschrieben  worden ,  doch  das  Feld  der  For- 
schung noch  ein  sehr  grosses  ist.  Die  Ilesultate  einer  eigenen 
Beobachtung  können  daher  der  Wissenschaft  nur  willkommen 
sein,  die  sich  schliesslicli  aus  den  Beiträgen  Vieler  doch  noch 
ein  richtiges  Bild  des  Ganzen  construiren  wird. 

In  der  Natur  der  Sache  liegt  es,  dass  ein  einzelner  Reisen- 
der  oder   selbst    auch    eine    wissenschaftliche   Expedition    doch 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  n.  3s  Heft.  JQ 


—    14G    - 

nicht  mehr  als  einzehie  Beiträge  zu  liefern  im  Stande  ist.  Von 
systematischer  Behandlung  des  Ganzen  ist  noch  lange  keine 
Rede,  denn  es  fehlt  dem  Orient  an  all  den  nothwendigen  Vorbedin- 
gungen, wie  topographischen  Aufnahmen,  Karten,  statistischen 
Sammlungen  u.  dgl.,  ohne  welche  richtige  Uebersichten  über  na- 
türliche Verhältnisse  nicht  gegeben  werden  können.  Nur  in  ci- 
vilisirten,  nicht  aber  in  halbbarbarischen  Ländern  reifen  die  gol- 
denen Früchte  der  Wissenschaft. 

So  mögen  auch  die  nachstehenden  Blätter  als  eine  vater- 
ländische Studie  an  ausländischem  Material  betrachtet  werden, 
welches  der  Verfasser  während  des  "Wintersemesters  1864 — 65 
am  rothen  Meer,  am  Nil  und  zuletzt  noch  in  Palästina  ge- 
sammelt hat.  Hat  sich  doch  unwillkürlich  ein  jeder  Mensch 
seine  Lebensanschauung  nach  den  Sitten  und  Gewohnheiten  der 
Heimat  gebildet  und  wird  er  diese  als  Massstab  an  fremd- 
ländische Bräuche  und  Lebensweise  anlegen.  Seine  Schilderung 
eines  fremden  Landes  und  Volkes  wird  somit  stets  eine  be- 
stimmte Färbung  an  sich  tragen,  deren  Grundton  in  der  Heimat 
des  Reisenden  gesucht  werden  muss.  Mag  ein  Reisender  ein 
Volk  schildern  in  seinem  geistigen  Treiben  oder  seinem  tägli- 
chen Thun  und  Lassen,  in  seinen  Sitten,  Bräuchen  und  Gewohn- 
heiten, oder  mag  er  das  Land  zeichnen  nach  seiner  Oberfläche 
und  den  natürlichen  Verhältnissen,  welche  die  Pflanzen-  und  Thier- 
welt  bietet,  es  bleibt  sich  das  immer  gleich,  Dom  Geognosten  geht 
es  nicht  anders.  Rein  objectiv  zu  schildern,  wird  kaum  Jemand 
im  Stande  sein,  vielmehr  wird  er,  ohne  es  selber  zu  wissen, 
Voraussetzungen  machen  in  seiner  Schilderung,  bei  denen  er 
sich  unbewusst  auf  Bilder  der  Heimat  bezieht.  Mir  will  es  we- 
nigstens nicht  gelingen,  irgend  eine  Schilderung  aus  dem  Orient 
anschaulich  zu  machen,  wenn  ich  nicht  in  der  eigenen  An- 
schauung mich  auf  längst  bekannte  Landschaften  imd  längst  ge. 
wohnte  Erscheinungen  an  heimischen  Schichten  und  Böden  beziehe. 
Ich  bin  auch  der  festen  Ueberzeugung,  dass  einzelne  Landschafts- 
bildor  und  Gegenden  aus  fremden  Welttheilen  in  keiner  Weise 
verständlicher  und  anscliaulicher  geschildert  werden  können,  als 
<lurch  Vergleichung  mit  heimischen  Landschaften,  mit  denen  sie 


—     147     - 

die  Obcrflächcnform  und  den  Ch.irakter  der  Bildungswciso  ge- 
mein haben. 

Von  der  Ebene  Jesreel  kann  sich  Jedermann  eine  viel 
richtigere  Vorstellung  machen,  wenn  ich  sie  einfach  mit  dem 
Ries  vergleiche,  als  wenn  ich  mich  auf  ein  Detail  topogra- 
phischer Beschreibung  einliesse,  aus  der  man  sich  doch  immer 
nur  schwer  ein  Bild  abstrahirt.  "Wer  das  Ries  kennt,  diese 
Perle  Süddeutschlands,  der  kennt  auch  den  Wenneberg,  Spitz- 
berg und  Wallerstein,  die  sich  aus  der  fruchtbaren,  aus  vul- 
canischem  Schutte  gebildeten  Ebene  erheben ,  und  weiss ,  wie 
diese  Ebene  rings  umgeben  ist  von  einem  Rande  alten  Gebirges, 
das  einst  unter  vulcanischen  Schlägen  gesprengt  und  zerrissen 
wurde.  Ich  frage  Jeden,  der  auch  schon  auf  dem  kleinen  Hermon 
stund  oder  dem  gegenüberliegenden  Tabor  und  der  schon  das 
„grosse  Feld",  den  „Merdsch",  durchritt,  ob  er  auf  der  Welt 
eine  grössere  Achnlichkeit  der  Bergformen  und  Oberflächegestal- 
tung finden  kann  ?  Der  Bach  Kison  ist  die  Wörnitz  von  Esdrelom, 
der  den  Gebirgszug  des  Carmel-Nasirah  durchbricht,  um  zum 
Mittelmeer  hindurchzudringen,  wie  die  Wörnitz  bei  Harburg  durch 
den  fränkischen  Jura  zur  Donau  sich  zwängt.  Die  Ebene  ist  hier 
wie  dort  mit  fettem  rothbraunem  Boden  bedeckt,  der  keine  Schich- 
tenunterlago  durchblicken  lässt;  nur  an  den  Rändern  der  Ebene 
und  wo,  wie  der  Wenneberg  aus  dem  Ries,  der  kleine  Hermon 
aus  dem  Feld  von  ^Megiddo  sich  erhebt,  verrathen  hier  schwarze 
Basalte  und  Mandelsteine,  dort  trachytische  Laven  und  Tuflfe, 
dass  einst  die  Natur  bei  Bildung  beider  Landschaften  die  glei- 
chen Mittel  benützt  hat,  um  zu  ihrem  Zweck  zu  gelangen  und 
Ebenen  zu  bereiten,  die  aus  der  glücklichen  Mischung  aufge- 
schlossener Silikate  und  zerstörter  Kalkgebirge  bestehen.  Bis 
ins  Einzelne  Hesse  sich  der  Vergleich  ausmalen :  ist  doch  auch 
das  Ries,  wie  das  Feld  Jesreel,  das  Feld  der  Schlachten,  auf 
dem  von  den  ältesten  Zeiten  an  bis  in  unser  Jahrhundert  die 
Schicksale  der  Völker  entschieden  worden  sind. 

Oder  um  das  Gebirge  Juda  zu  schildern,  bedarf  es  nur  hin- 
zuweisen auf  die  Höhe  der  Alb,  des  fränkischen  Landrückens 
oder  auch  auf  den  hohen  Karst.    Man  wird  im  Einzelnen  gerade 


-    148    - 

mehr  als  im  grossen  Ganzen  Gruppen  und  Landschaftszüge  fin- 
den, die,  ob  sie  auf  dem  Gebirge  Juda  liegen,  oder  in  Deutsch- 
land sich  doch  zum  Verwechseln  ähnlich  sind,  Aehnlichkeiten, 
welche  sogar  namhafte  Kenner  der  natürlichen  Verhältnisse  und 
berühmte  Reisende  zu  der  Annahme  verleiteten,  man  müsse 
darum  auch  denselben  geognostischen  Horizont  (Jura)  hier  und 
dort  vor  sich  haben.  So  werden  wir  öfter  namentlich  bei  der 
orographischen  Schilderung  uns  auf  heimische  Bilder  beziehen, 
die,  ob  auch  jede  Vergleich ung  hinkt,  die  besten  Vorstellungen 
dem  Leser  zu  geben  im  Stande  sind.  —  Neben  solchen  Land- 
schaften gibt  es  freilich  auch  andere  Bilder  aus  dem  Orient,  die 
geradezu  unvergleichlich  sind;  es  sind  dicss  die  Bilder  der 
Wüste,  welche  das  rothe  Meer  umgibt,  und  die  kahlen,  zum 
Himmel  gethürmten  Berge  des  Sinai.  Die  Tinten  der  Land- 
schaft sind  es  hier  ebenso,  als  die  Zeichnung  der  Bergformen, 
was  diesen  Gegenden  einen  fremdartigen,  dem  Europäer  ganz 
neuen  Typus  anfdrückt. 

Anfangs  wollte  der  Verfasser  seine  Beobachtungen  nur  an 
der  Hand  eines  chronologisch  gehaltenen  Reiseberichts  geben 
und  somit  nur  sein  auf  der  ganzen  Reise  genau  geführtes  Tage- 
buch ausführlicher  behandeln,  allein  die  Gefahr,  in  welche  die 
meisten  Reiseberichte  verfallen,  lag  augenscheinlich  da:  die  Ge- 
fahr, dass  unwillkührlich  die  Beobachtungen  sich  um  die  Person 
des  Reisenden  drehen  und  diese  vor  dem  beobachteten  Objecti- 
ven  in  den  Vordergrund  tritt.  Um  dieses  zu  vermeiden,  wurden 
die  geologischen  Beiträge  zum  Orient  nach  der  geologischen 
Altersfolge  der  Gebirge  zusammengestellt,  wornach  mit  dem 
Sinai  als  dem  crystallinischen  Grund-  und  Kerngebirge  der  Ge- 
gend am  rotheu  Meer  begonnen  wird  und  hernach  die  seeun- 
därcn  und  tertiären  Ablagerungen  in  Palästina  und  in  Egypten 
an  die  Reihe  kommen  werden. 


—    149    — 
I.    Das  crystallinisclie  Grundgebirge. 

Der  Sinai. 

Die  wunderbaren  Formen  der  gewaltigen  Berge,  die  in  der 
Sinaikettc  unmittelbar  aus  der  Tiefebene  sich  zu  der  schwindeln- 
den Höhe  von  G — 8000  *)  Fuss  erheben,  sind  an  sich  schon  geeignet, 
die  erhabensten  Eindrücke  in  einem  menschlichen  Gcmüth  zu 
hinterlassen.  Kommt  dazu  noch  die  Erregung  der  Phantasie 
durch  die  Erinnerung  an  das  Ileiligthum  dieser  Berge  und  die 
geistige  Spannung,  in  der  der  Reisende  lebt  beim  Gedanken,  wie 
in  diesen  Bergen,  in  welchen  vor  4000  Jahren  das  Gottesbe- 
wusstsein  der  Menschheit  seinen  Anfang  nahm,  gewissermassen  die 
ganze  Weltgeschichte  gipfelt,  so  begreift  man  wohl  die  gehobene 
Sprache,  in  der  die  meisten  Reisenden  von  den  heiligen  Bergen  er- 
zählen. Zu  diesen  gewaltigen  Eindrücken  gesellt  sich  speciell  für  ein 
geognostisches  Auge  ein  Reiz,  der  den  europäischen  Bergen  fehlt, 
hier  aber  wie  sonst  kaum  anderswo  zu  Tage  tritt :  der  Reiz  einer 
nackten  mineralogischen  Schönheit.  Der  Geognost  begreift  es  nicht, 
wie  einzelne  Reisende  die  dürftige  Entwicklung  der  organischen  Na- 
tur, die  sich  überhaupt  nur  an  einigen  wenigen  Punkten  der  Wadis 
zeigt,  für  einen  „Abmangel  des  Sinai"  erklären  mögen.  Der  Mangel 
der  Vegetation  wird  weitaus  ersetzt  durch  die  blossgelegte,  von 
nichts  Organischem  verhüllte  Naturschönheit  der  Steine.  Es  ist 
wohl  wahr,  dass  mit  wenigen  Ausnahmen  kein  Grün  der  Wiesen  und 
Fluren  auch  nur  einen  Streifen  Farbe  in  die  Landschaft  wirft,  dafür 
erzeugen  aber  die  Steine  einen  um  so  reizenderen  Wechsel  der 
Farben.     Es  fehlt  den  Bergwänden  das  Grün  doch  nicht,   denn 


•=)  Höhe  des  Djebel  Catharina 8168  P.  F. 

„         „    Horeb 7097    „  „ 

„        „    Musa 5956    „  ,, 

„         „    Serbai 0342    „  „ 

„        „    Catharinenklostcrs 5115    „  ,, 

nach  Russeggers  und  Rüppels  Messungen. 

Höchste  Spitze  der  Om  Schomer 8300    ,.  ,, 

„        „     Centralgruppe,  Göseh  .     .     .  8700    ,,  „ 
nach  Russesrsers  Schätzungen. 


"OD^ 


—    150    — 

bald  ist  es  das  Lauchgrün  der  Hornblende,  bald  das  Pistazien- 
grün des  Epidots,  welche  in  gewaltigen  Stössen  und  in  Massenent- 
wicklung die  Berge  füllen  und  aus  der  Feme  gesehen  wie  Wiesen 
und  Wälder  sich  ausnehmen.  Vorherrschend  ist  freilich,  nament- 
lich im  Serbäl  und  Musa  das  Fleischroth  des  Feldspates  und  das 
frische  Ziegelroth  des  Porphyrs,  beide  geben  im  Wechsel  mit 
dem  Weissgrau  des  herrschenden  Gneises,  dem  dunkeln  Grau 
der  Syenite  und  dem  schon  genannten  Grün  der  Hornblenden 
so  unvergleichlich  merkwürdige  Tinten,  in  die  sich  die  Berge 
hüllen,  verschieden  je  nach  der  Nähe  oder  Ferne  und  nach  dem 
Stande  der  Sonne,  die  sich  im  Blätterbruch  der  Crystalle  spiegelt. 
Gerade  über  dem  Sinai  ist,  um  das  Bild  des  wunderbaren  Berges 
harmonisch  zu  machen,  der  Typus  der  Wüste  ausgebreitet,  wie 
über  der  ganzen  sinaitischen  Halbinsel,  aber  eben  in  der  Wüste 
liegt  der  grosse  Reiz  auch  für  den  Europäer;  er  fühlt  etwas 
davon,  was  ihren  freien  Sohn,  den  Beduinen  beseelt,  der  um 
keinen  Preis  der  Welt  sein  Leben  in  den  Wadis  gegen  den 
glänzendsten  Aufenthalt  in  den  Städten  vertauschte,  oder  die 
Beschäftigung  mit  seinen  Heerden  um  die  sogen.  Genüsse  eines 
civilisirten  Lebens  hingäbe.  Ist  doch  die  Wüste  zu  allen  Zeiten 
eine  reiche  Quelle  gewesen  innerer  Contcmplation  und  der  tiefsten 
Gedanken,  die  vielfach  bestimmend  und  massgebend  für  die  Be- 
wohner der  Culturländer  wurden.  Man  muss  diese  Berge  und 
Thäler  selber  gesehen  haben,  die  reine  würzige  Luft  geathmet 
und  in  dem  wohlthuenden,  behaglichen  Klima  Tage  und  JS'ächte 
zugebracht  haben,  um  die  Tausende  von  Anachoreten  zu  be- 
greifen, die  ein  langes  wunderliches  Menschenleben  in  den  Fels- 
schluchten des  Serbäls  und  Horebs  hinleben  mochten,  versunken 
in  eine  Welt  der  Gedanken  über  Menschenglück  und  sogenannte 
Herrlichkeit  der  Welt. 

Der  Menschenschlag,  der  gegenwärtig  die  Thäler  des  sinaiti- 
schen Gebirges  imic  hat,  besteht  aus  wandernden  Bcduiiienstämmcn, 
die  mit  ihren  Heerden  die  spärlichen  Flecke  abweiden,  wo  eine 
Quelle  Leben  verbreitet.  Der  Charakter  dieser  Beduinen  ist 
ein  durchaus  nobler:  das  gierige  Haschen  nach  Gold,  das  den 
egyptischen  Beduinen    so    verächtlich    macht,     ist    dem    Sinai- 


-     151    — 

beduinen  nicht  so  zur  andern  Natur  geworden,  wie  jenem: 
treu  und  zuverlässig,  sobald  er  den  Dienstvertrag  eingegangen 
hat,  beherzt,  muthig  und  voll  Aufujjferung  im  Augenblick  der 
Gefahr,  ist  er  ein  wirklich  angenehmer  Ileiscgefährte ,  im  Zelte 
nicht  lästig  und  aufdringlich  und  doch  voll  Aufmerksamkeit  für 
den  Reisenden.  Es  freut  ihn,  wenn  Fremde  seine  Berge  be- 
suchen und  namentlich  wenn  er  sieht,  dass  sie  auf  Dinge  achten, 
die  sich  im  Horizont  seines  "Wissens  bewegen ,  als  da  sind : 
Steine,  Kräuter  und  Thiere.  Dieser  Umstand,  es  am  Sinai  mit 
einer  natürlich  guten,  freundlich  gesinnten  Bevölkerung  zu  thun 
zu  haben,  erhöht  hier  wesentlich  die  Genüsse  des  Reisens« 
Weder  in  Egypten,  noch  in  Syrien  fand  ich  je  wieder  diesen 
prächtigen,  zutraulichen  Schlag  von  Menschen,  der  neben  den 
erhabensten  Eindrücken  der  Bergcolosse  den  lOtägigen  *)  Auf- 
enthalt in  den  "Wadis  der  Sinaikette  entschieden  zu  den  schönsten 
Tagen  der  ganzen  ömonatlichcn  Reise  im  Orient  machte. 

Nichts  ist  augenscheinlicher  auf  dem  Wege  vom  Meer  zum 
sinaitischen  Gebirge,  als  dass  alle  und  jede  Zwischenformation 
zwischen  dem  jüngsten  Meeresgebilde  am  Ufer  und  dem 
ältesten  crystallinischcn  Gebirge,  das  von  der  Meeresfläche 
zu  den  höchsten  Gipfeln  sich  erhebt,  absolut  fehlt  und  zu  allen 
Zeiten  auch  gefehlt  hat.  Yon  späteren  Hebungen  zu  paläozoischen 
Zeiten  oder  gar  im  zweiten  oder  dritten  Weltenalter  kann  hier  gar 
kein  Rede  sein;  starr  und  steil  in  ungestörter,  ruhiger  Majestät 
erhebt  sich  vom  Serbäl  bis  zum  Om-Schomar  und  von  Om-Schö- 
mar  bis  zum  Ras  Mehammed  in  verticaler  Zerklüftung  der  uran- 
fängliche Gneis  und  Granit,  oder,  um  mineralogisch  zu  sprechen, 
die  Masse  farblosen  Quarzes,  fleischrothen  Feldspats,  grünlicher 
Hornblenden  und  schwarzen  Glimmers.    Nie  seit  den  Zeiten  ihrer 


*)  Mein  "Weg  führte  mich  von  el  Tor  aus  über  die  6  Stunden 
breite  "W'üstenfläche  el  Qeah  oder  Qdnh  ins  Wadi  Hebrän,  vom  He- 
brän  in  das  Wadi  Selaf,  durchs  Wadi  Rim  auf  den  zweiten  nörd- 
lichen Gipfel  des  Serbais,  von  da  in  die  Wadi  Feinin,  Selaf,  el  Schech 
zum  Hakba  Haua,  Wadi  Haua  und  Jlusa.  !Nach  Besteigung  zweier 
Gipfel  am  Musa  ging  es  wieder  zuiück  auf  dem  gewöhnlichen  Weg 
vom  Catharinenkloster  nach  el  Tor. 


—    152    — 

Bildung  haben  diese  crystallinischen  Massen  irgend  eine  geo- 
logische Periode  mitgemacht,  von  Uranfang  der  Dinge  ragten 
ihre  Gipfel  aus  dem  Ocean,  unberührt  von  Silur  und  Devon,  von 
Dyas  und  Trias,  von  Jura  und  Kreide:  am  Fuss  nur  der  alten 
Bergfeste  hat  einestheils  das  rothe  Meer  einen  Kranz  von  Co- 
rallen  um  den  Sinai  gezogen,  und  mit  ihrer  Hilfe  in  jüngster 
Zeit  ein  Küstenland  geschaffen,  anderntheils  hat  das  Meer  zur 
Kreidezeit  im  Norden  das  Kalkplateau  der  Wüste  Tyh  ange- 
lagert (4000  Fuss  über  dem  Meer),  das  sich  über  ganz  Syrien 
bis  zum  Libanon  hinzieht. 

Grosse  Unterschiede  zu  machen  unter  den  crystallinischen 
Massen  der  Sinaikette,  die  sich  in  einer  Ausdehnung  von  etwa 
8  geogr.  Meilen  fast  über  1  Breitegrad  von  Nord  nach  Süden 
ziehen,  ist  kaum  möglich.  Das  ganze  Gebirge  bildet  Einen  cen- 
tralen Kern,  durchzogen  von  Dioriten  und  Porphyren.  Doch 
trenne  ich  der  Uebersicht  halber  die  nördliche  Gebirgsgruppe 
des  Serbäl  *) ,  die  mittlere  Gruppe  des  Hebran  und  el  Schech 
und  die  südliche  Gruppe  oder  den  Musastock. 

Am  Serbäl  herrscht  vor 

1.  ein  grauer  sehr  feinkörniger  Gneis,**)  dessen  Einzelbe- 
standtheile  sich  in  gleichmässigen  Körnern  vertheilen,  wobei 
der  Glimmer  das  Ganze  etwas  lagerhaft  macht.  Er  ist  vorherr- 
schend das  Massengestein  im  Wadi  Seläf  und  bildet  sozusagen 
den  Fuss  des  Serbals. 

2,  Ein  ganz  prachtvoller  rot  her  Granit,  an  welchem  der 
Glimmer  zurücktritt,  ja  meist  ganz  verschwindet.  Es  herrscht 
darin  ein  grobcrystallinischer  rother  Feldspat  vor  und  grosse  farb- 
lose Quarzkörner.  Dieser  porphyrische  Granit  bildet  über  dem 
grauen  Gneis  von  etwa  3000'  ü.  d.  M.  an  bis  auf  die  höchste 
Höhe  des  Serbals  das  Grundgebirge  und  tritt  in  dem  ganzen 
Wadi  Kim  und  der  furchtbar  wilden  Rimschlucht  an  der  last  senk- 
rechten Erhebung  des  eigentlichen  Serbälstockes  zu  Tage.    Einige 


*)  Unsere  Beduiiienführer  sprachen  immer  Sürbal  nie  Serbai, 
**)  Alle  hier  aufgeführton  Gebirgsarten  sind  in  formatisirton  lland- 
ßtücken  in  der  Sammlung  des  k.  Naturalienkabinets  aufbewahrt. 


—    153    — 

Abänderungen  bringen  stellenweise  einen  kleinen  "Wechsel  hervor: 
so  z.  B.  ein  Feldspat,  der  in  dem  Innern  Kern  seiner  einzelnen 
Crystalle  eine  dunkclrothe  (Eisenoxyd)  Färbung  zeigt,  oder 
aber  zur  dunkelgrünen,  epidotfarbigen  Masse  wird.  Ein  anderer 
lichtrother  bis  rosenrother  Feldspat  ist  pegmatitartig  von  farb- 
losem trübem  Quarz  durchzogen  und  wird  stellenweise  zum 
ächten  Pcgmatit.  Ein  drittes  Gestein  ist  blassrothcr  Feldspat 
und  weisser  trüber  Feldspat  mit  kleineren  Quarzkörnern. 

3.  In  diesem  Massengestein  des  Gneises  und  Granites  tritt  am 
häutigsten  ein  Dioritporphyr  gangförmig  auf,  von  welchem 
einige  Hauptformen  namhaft  zu  machen  sind  1)  ein  völlig  schwarzer 
Dioritporphyr,  beim  Schlag  in  Säulen  zerspringend,  rhombisch 
oder  rechtwinklig  ohne  Gesetz;  2)  ein  dunkelgi'üner,  etwas  schmu- 
tziger Diorit.  Weder  dieser  noch  der  erstere  zeigt  irgend  eine 
Spur  von  crystallinischer  Ausscheidung  und  kann  daher  als 
Aphanit  bezeichnet  werden.  3)  Die  schmutzig  grüne  Farbe  geht 
in  ein  schmutziges  Eöthlich  über  und  kleine  weisse  Albitcrystalle 
scheiden  sich  aus.  Man  wird  diese  Form  wohl  besser  schon  Por- 
phyrit  nennen;  4)  lichtrother,  polyedrischer  Porphyrit,  darin  sich 
vereinzelt  Albitkrystalle  ausscheiden  und  seltene  Quarzkörner 
5)  braunrother  bis  blutrother  Porphyrit,  rauh  und  körnig  anzu- 
fühlen; 6)  derselbe  unter  Ausscheidung  zolllanger  Oligoklase. 

Besonderer  Erwähnung  bedarf  das  Vorkommen  der  Türkise 
in  den  Spalten  der  Porphyre  des  Megärahthales.  Vor  Jahren 
hatte  ein  Engländer  Macdonald  die  Gruben  wieder  in  Betrieb 
gesetzt,  in  denen  der  vielgcsuchte  Stein*)  gewonnen  wird,  der 
wohl  an  keiner  arabischen  Hand  fehlt  und  selbst  vom  Aermsten 
in  Zinn  gefasst  getragen  wird.  Das  Vorkommen  der  Türkise 
hat  mit  dem  der  Bohnerze  ungemein  viel  Aehnlichkeit,  nament- 
lich der  sog.  Schalerze  und  der  Pisolite.  Der  Türkis  ist  in  den 
kleinsten  Körnchen  von  Vio  M.M.  bis  zur  Grösse  eines  Centimeters 


*)  Firuzeh  heisst  der  Stein  beim  Araber.  ^Er  wendet  das  Unglück 
ab  von  denen,  die  ihn  tragen,  er  stärket  das  Auge,  verschafft  die 
Gunst  der  Prinzen,  sichert  den  Sieg  und  verscheucht  die  bösen 
Träume." 


—    154     - 

und  darüber  in  einem  bald  härteren,  bald  mulmigen  Eisenoxyd- 
gestein eingesprengt  und  lässt   sich  das   schalige  und  traubige 

Gefüge  an  dem  Türkis  wie  an  dem 
Eisenerz  mit  blosem  Auge  schon, 
namentlich  aber  bei  einiger  Vergrös- 
scrung  deutlich  erkennen.  Dass  die 
Bildung  des  Türkis  und  des  Erzes 
ein  und  derselben  Zeit  angehört  und 
auf  ein  und  dieselbe  Weise  vor  sich 
ging,  folgt   daraus   von   selbst.     Das 

Türkis  im  Muttergestein. 

Eisenoxyd  m  seinem  Uebergang  zum 
Hydrat,  d.  h.  von  tief  rothbrauner  Farbe  zum  liehtgelben  Ocker 
ist  vollständig  schalig:  sobald  Raum  zwischen  den  Türkisen 
vorhanden,  concentrisch  schalig,  also  förmliches  Bohnerz.  Zwi- 
schen hinein  ist,  wie  unsere  Abbildung  zeigt,  der  Türkis  traubig, 
wolkig  und  schalig  eingesprengt,  unter  SOfacher  Yergrösserung 
schon  als  Aggregat  kleiner  Kügelchen  erkennbar.  Je  tiefer  roth 
das  Eisenoxyd,  um  so  blauer  ist  der  Stein,  je  brauner  das  Erz 
wird,  desto  mehr  bleicht  der  Stein  ab  und  wird  förmlich  berg- 
grün in  der  lichten  ockerfarbigen  Umgebung.  Dieses  Gemenge 
von  Türkis  und  Eisenerz  liegt  in  engeren  oder  weiteren  Spalten 
des  ächten  Scrbälporphyrs,  in  denen,  so  viel  wenigstens  ich  sah, 
nur  der  reinste  Raubbau  getrieben  wird  und  mit  grosser  Vor- 
sicht die  Gruben  wieder  zugeschüttet  werden,  dass  kein  Dritter 
um  die  Erwerbsquelle  wisse ,  die  wohl  dem  Einen  und  Andern 
auf  dem  Markte  zu  Cairo  einen  massigen  Erlös  schon  ge- 
währt hat. 

Die  genannten  Ganggesteine  sind  nur  die  Repräsentanten 
für  Duzende  verschieden  gefärbter  Diorite  und  Porphyre,  die 
ausserdem,  was  Korn  und  Grundmasse  anbetrifft,  immer  wieder 
etwas  unter  einander  abweichen.  Die  Gänge  selber  sind  vom 
Durchmesser  einiger  Zolle  bis  zu  Lachterstärke  und  darüber  und 
durclischneiden  das  Masscngcstein  auf  die  wunderlichste  Weise. 
Manchmal  schwellen  die  rothen  Porphyi'ite  zu  Stöcken  an  und 
senden  ein  Trum  in  verschiedenen  Richtungen  ab,  ein  andermal 
geht  ein  Gang  eine  Zeitlang  auseinander,  um  sich  später  wieder 


—    155    - 

zu  vereinigen,  und  das  Alles  ist  in  einer  Weise  aufgeschlossen, 
dass  man  nicht  etwa  blos  auf  hunderte  von  Lachteru,  nein  auf 
Stunden  weit  einen  Gang  zu  verfolgen  im  Stande  ist. 

Im  Wadi  Feirän,  wegen  seiner  vielen  köstlichen  Quellen 
die  „Perle  des  Sinais"  genannt,  begegnet  man  einer  solchen 
Menge  von  Gängen,    wie  man  sie  sicherlich  auf  keinem  andern 


^^^i. 


,M:9m, 

'  Gang  im  Wadi  Feiran  in  V20  natürl.  Grösse. 


Fleck  der  Erde  in  ähnlicher  Klarheit  und  Bestimmtheit  beob- 
achten kann.  Mein  Tagebuch  ist  voll  Skizzen  solcher  Gänge, 
von  denen  einer  in  '20  n.  Gr.  wiedergegeben  ist.  Derselbe 
liegt  im  Feirän  unterhalb  des  Palmenthals  gegenüber  dem  alten 
zerfallenen  Kloster  Hererät.  Er  streicht  genau  hora  3  mit 
einer  südlichen  Neigung  in  70  Grad.  ]\ran  sieht  an  demselben 
recht  gut,  wie  das  eigentliche  Grund-  und  Massengestein  der 
Glimmerschiefer  ist,  rother  Granit  schliesst  sich  zunächst  an 
den  Glimmerschiefer  an,  zwar  innig  mit  ihm  verwachsen,  aber 
doch  scharf  geti'ennt.  Ein  neuer  Absatz  bringt  Diorit,  in  dem 
Stücke  rothen  Granits  eingeschlossen  sind,  inmitten  des  Diorits 
endlich  ein  blassrother  Porphyrit,  nur  durch  Farbe,  nicht  aber 
durch  Grundmasse  vom  Diorit  verschieden.  Der  rothe  Porphyrit 
Nr.  4  unserer  aufgezählten  Ganggesteine  ist  nach  den  meisten 
Beobachtungen  der  jüngste  derselben,  nicht  nur,  dass  er  in 
Begleitung  dunkler  Diorite  ist,  im  Innern  Kern  derselben  steckt, 
sondern  deutlich  auch  den  dunkeln  Diorit  an  zahlreichen  Orten  ver- 
worfen hat.  Unser  Profil  ist  der  rechten  Thalseite  des  obern  Feiräns 
entnommen.  Auf  der  Höhe  der  unijefähr  100  Meter  hohen  Anhöhe 


—     156    - 

stehen  die  Ruinen  eines  Castells,  das  ohne  Zweifel  einst  den 
Eingang  ins  Feirän  beherrschte:  der  Porphyr  bildet  hier  einen 
gewaltigen  Stock  und  sendet  seine  Aeste  quer  durch  die  Diorit- 
gänge,  die  von  demselben  verworfen  werden.  Das  Streichen 
dieser  ist  hora  2'/2. 


Verwerfung  der  Dioritgänge  durch  Porphyr  im  Wadi  Feirän. 

Im  Wadi  Feirän,  wie  auch  im  Hebrän,  rinnt  längere  Zeit 
im  Jahr  ein  Bach,  der  freilich  nach  anhaltender  Dürre  auch 
wohl  verschwindet.  Dagegen  bleibt  immer  eine  gewisse  Feuch- 
tigkeit im  Boden,  so  dass  dieses  Thal  zu  den  gesegnetsten  Orten 
der  ganzen  Sinaihalbinsel  gehört,  um  dessen  Besitz  auch  seit 
Mosis  Zeiten  gestritten  wurde  (Exod.  17,  8).  Die  Thalsohle  ist 
durchweg  grün,  natürlich  nicht  von  Gras,  aber  doch  von  Ginster 
und  Kameelsdorn,  von  Coloquinten  und  Wüstenkürbis  und  von 
Sejäl,*)  Retem**)  undTarfa***)  und  über  dem  Gebüsch  erheben 
sich  bald  einzelne  Palmen,  schliesslich  ein  Palmenhain,  dazwischen 
Dattelpflaumen  und  Johannisbrod.  Die  Felsen  tragen  Inschriften,  die 
Höhen  sind  von  Ruinen  gekrönt,  überall  die  Spuren  der  Menschen- 
geschichte in  diesen  Oasen  inmitten  der  starren  Steinwüste.  Es 
braucht  wohl  kaum  gesagt  zu  werden,  dass  gerade  diese  es  ist, 
welche  die  Reize  der  Oase  erhöht  und  so  den  ächten  Charakter 
einer  orientalischen  Landschaft  hervorhebt,  der  in  dem  Contrast 
zwischen  Wüste  und  üppigem  Planzenleben  besteht. 


*)  Acacia  vera,  Schittinholz  der  Schrift ,  gibt  arabisches  Gummi. 
Lynch  p.  323. 

**)  Genista  mo7iospcrnui  nach  Lynch  p.  324. 
***)  Tdinarix  f/alUcu  mannifera  Ehrb.  die  Manna-Tamariske. 


—    157    — 

Was  die  Oasen  am  Sinai  ins  Dasein  ruft,  ist  ganz  ent- 
schieden der  Gneis,  namentlich  der  gUmmerreiche ,  in  seinen 
üebergängen  zum  Ghmmerschiefer.  Im  körnigen  und  feldspatreichen 
Granit,  im  Diorit  und  Porphyrit  sammelt  sich  das  Regenwasser  nie, 
erst  das  schuppige  Gliramerbliittchcn  hält  das  Wasser  auf  und 
so  darf  man  fast  sicher  darauf  zählen,  wo  der  Boden  feucht 
wird  und  Vegetation  gedeiht,  ein  Nest  von  glimmerreichem  Gneise 
unter  sich  zu  haben.  Selbst  an  dem  hohen  Serbai  wird  das 
klar,  wesshalb  ich  in  Kürze  unsere  Besteigung  dieses  herrlichen 
Berges  hier  einfüge:  denn  der  Weg  führt  über  drei  Oasen  in 
der  Grösse  einiger  Quadratruthen  bis  etwa  zu  der  eines  halben 
Morgens  vom  Wadi  Sehif  zur  Höhe  des  Serbäl.  Aus  einiger 
Ferne  schon  erkennt  man  sie  an  2 — 3  schlanken  Palmen  und  dem 
Tarfagebüsch  als  Unterholz:  an  Ort  und  Stelle  angekommen, 
bemerkt  man  alsbald  den  Grund  der  Wassersammlung,  einen 
Gneis,  der  sich  aus  dem  Granit  des  Serbais  herausgemacht  hat. 
Im  Wadi  Selaf  selber  war  bei  durchweg  herrschendem  Gneis 
ziemliche  Feuchtigkeit  und  ein  nothdürftiger  Kräuterwuchs  für 
den  Stamm  von  22  Zelten. 

Am  30.  Dezbr.  1864  5  Uhr  20  Min.  vor  Sonnenaufgang 
ward  mit  zwei  Führern  des  Stammes  nach  dem  Berge  auf- 
gebrochen. Drei  Viertelstunden  gings  in  einem  Seitenthal  des 
Seläf  noch  zu  Kameel  über  Irrblöcke  von  Gneis  und  Porphyr 
hinweg  zum  ersten  Wässerchen,  das  in  der  Stärke  eines  Bninnen- 
rohrs  über  einen  dunkeln  massigen  Gneisblock  herabläuft,  um 
nach  einigen  Schritten  im  Sande  des  Thals  zu  verrinnen.  Un- 
sere Beduinen  nannten  das  Thal  M'Tacheh,  in  dem  wir  etwa 
500'  über  die  Sohle  des  Wadi  Seläf,  2709  P.  F.  ü.  d.  M.  nach 
Russegger,  gestiegen  sein  mochten.  Von  hier  an  (6  Uhr  15)  ver- 
liessen  wir  das  feste,  anstehende  Gestein  nie  mehr.  Zunächst  führte 
der  Weg  über  einen  600'  hohen  Felskamm,  durchweg  aus  grauem 
quarzreichem  Gneis  bestehend,  in  hora  2 — 3  zerklüftet.  Der  Fels- 
kamm, der  dui'ch  einen  Dioritgang  (hora  6)  gebildet  wird,  ward  8  Uhr 
15  Min.  erreicht  und  lag  die  vollständige  Serbälkette  mit  ihren 
5  Gipfelgruppen  in  unvergleichlicher  Majestät  vor  uns.  Der  Morgen 
war  kühl  und  frisch  (10*^'  Reaum.),  zum  Steigen  einladend,   die 


-    158    — 

Luft  durchsichtig,  um  die  in  violetten  Farbentönen  sich  zeigenden 
Bergspitzen  zogen  leichte,  weisse  Nebelwolken.    8  Uhr  45  Min. 
war  ins  Wadi  Rim  hinabgestiegen   und  die  erste  Oase  erreicht, 
9  Uhr  30   Min.  die   zweite  Oase   am  Anfang  der  Kimschlucht. 
Hiemit  stunden    wir   vor   dem   eigentlichen  Massiv   des   Serbäls 
und  betraten  das  Gebiet  der  fleischrothen  Feldspate.    Einen  wun- 
derbaren Anblick  gewährt  ein  klafterbreiter  dunkler  Dioritgang, 
der  hora  SV^  den  rothen   Granit  durchsetzt  und  wie  ein  grünes 
Band  auf  rothem  Tuchkleid  im  Glänze   der  Sonne  sich  aushebt. 
Fürchterlich  steil  geht  es  von  nun  an  aufwärts,   und  muss  von 
Fels  zu  Fels  geklettert  werden.     An  einem  der  Grünsteingänge, 
der  hora  6  gerade  auf  dem  Wege    liegt,    geht  es   am   besten 
voran,  denn  hier  trifft  man  doch  harte,  scharfe  Kanten  und  Ecken, 
während    der  Graint    rund    abwittert    und    die  Feldspate   unter 
jedem  Tritt  zerbröckeln.     Um  11  Uhr  ward  die  dritte  Oase  er- 
reicht   mit  den    Resten  einer   zerfallenen   Steinliütte   und  einer 
höchst  dürftigen   Quelle,   die  ein  Gebüsch  der  Jassurstaude  ins 
Leben  rief,  aus  dem  uns  die  Führer  die  hochgeschätzten  „Moses- 
stäbe" schnitten.     Nach  kurzer  Rast  ging   es   in  einem  kleinen 
Teich  aufwärts  über  eine  Reihe  alter  Einsiedlerwohnungen,    die 
mit  Vorliebe   in  ausgehöhlten  Granitblöcken  zu   rechte  gemacht 
wurden.      Der    Granit   hat    hier    mehr  als    sonstwo  die   Eigen- 
thümlichkeit,  in  Kugelform  zu  verwittern.     In   den  riesigen,  oft 
hausgrossen  Blöcken ,   die  in  längst  vergangnen  Zeiten  von  den 
schwindelnden  Höhen  über  uns    herabgestürzt  waren,  fängt  die 
Verwitterung  von    innen   heraus  in    der  IMitto   des  Blockes   an. 
Diese  geht  in  einer  erstaunlichen  Regelmässigkeit   vor  sich  und 
bildet  dabei  Höhlen  und  Hohlkugeln,   dass   man  fast  an  Kunst 
zu    denken   versucht  ist.     Und  doch   ist  dem  nicht  so,   solche 
vollkommen  runden  Löcher   erblickt   man  auch   an  Höhen  über 
sich,   die  noch   nie  eines  Menschen  Hand    berührt  hat.     In  ein- 
zelnen dieser  ausgehöhlten  Steinblöcke  sieht  man  noch  die  Ein- 
richtung eines  Fcucrheerdcs,  geschwärzte  Decke,  rohe  Stoinbank, 
den  unvermeidlichen  Taubenschlag  und  Scherben  von  thönerncm 
Geschirr,   Wasserleitungsröhren   u.  dgl.     Es   wurde  Mittag,    bis 
die  Hochfläche  Segelji  erreicht  war,  wo  auf  dorn  Boden  Grund- 


-    159    - 

mauern  zerstörter  Wohnungen  und  verschiedener  Schutt  es  be- 
zeugten, dass  früher  bis  in  diese  Höhe  von  über  5000'  ü.  d.  M. 
Menschen  gewohnt  hatten.  Oder  war  hier  der  Platz,  wo  vor 
Jahrtausenden  Baalspriester  ihrem  Gotte  Opfer  brachten?  Ein 
geeigneterer  Platz  könnte  keinesfalls  sonst  wo  gefunden  werden, 
als  diese  hochgelegene  Fclsenplatte,  amphithoatralisch  von  der 
Natur  angelegt,  die  gegen  Westen  allein  einen  freien  Ausblick 
gewährt  über  einen  schauerlichen  Steilabfall  hinab  auf  das  rothe 
Meer  und  die  fernen  Borge  Afrika's,  sonst  aber  von  noch  höher 
aufgethürmten  Felsraassen  umschlossen  ist.  Gegen  Süden  stehen 
noch  2,  gegen  Nord  und  Nordost  noch  3,  zusammen  die  5  weithin 
sichtbaren  Gipfelgruppen  des  Serbäl  um  das  Felsennest  herum. 
Der  Yersuch,  an  der  Utächst  gelegenen  nördlichen  Gruppe  empor- 
zuklimmen, musste  um  12Vj  Uhr  aufgegeben  werden,  das  Klet- 
tern resp.  Kutschen  auf  diesen  schiefen  Ebenen  von  20 — 30  Gr. 
ward  lebensgefährlich,  darum  gings  rasch  wieder  zur  Segelji- 
platte  und  mit  der  letzten  Kraft  zu  einem  der  südlichen  Gipfel 
hinan.  Um  1  Uhr  30  Min.  war  er  erreicht,  einzig  nur  mit  Hilfe 
eines  Dioritgangs,  an  dessen  spitzen  Zacken  man  sich  empor- 
schwingen konnte. 

Der  Gipfel  verdankt  seine  Existenz  einem  10  Meter  breiten 
Dioritgang,  und  hat  beiläufig  diese  Dimension  nach  der  einen 
Richtung;  nach  der  andern  wird  er  schmäler,  dass  man  sich 
kaum  zu  stehen  getraut,  sondern  auf  allen  Vieren  den  Stütz- 
punkt sucht.  Der  von  uns  glücklich  erstiegene  Gipfel  war  üb- 
rigens eine  der  niedrigsten  Spitzen  in  dem  schauerlichen  Felsen- 
kranz. In  einem  Umkreis  von  beiläufig  1000  Meter  (eher  mehr  als 
weniger)  zählte  ich  von  unserer  Zinne  aus  47  Spitzen  oder,  wie  man 
an  den  nächstgelcgenen  deutlich  sah,  ebenso  viele  Dioritgänge, 
die  aus  der  Granitmasse  hervorstarren.  Der  Diorit  hat  im  Laufe 
der  unermesslichen  Zeiträume,  da  diese  Gipfel  zum  Luftraum 
ragen ,  der  Verwitterung  anders  Widerstand  geleistet ,  als  der 
Granit  mit  seinen  Feldspaten,  daher  ragen  jetzt  ebenso  viele 
Dioritzinken  aus  dem  Granitlager  des  Serbäl,  als  man  Spitzen 
an  dem  Berge  zählt. 

Die   Stunde   auf  dieser   Zinne  gehörte  in   der  vollsten  Be- 


-     160    — 

deutung  des  Wortes  zu  der  erhabensten  unseres  Lebens.  Nach 
3  Himmelsgegenden  lag  die  Gegend  offen,  nur  der  südliche  Aus- 
blick war  durch  vorgeschobene  Serbäl-Zinnen  und  den  noch 
höheren  Musastock  verdeckt.  Da  lagen  die  beiden  Arme  des 
rothen  Meers,  gegen  Osten  die  Akaba,  ein  Stück  des  fahlen 
Arabiens  und  das  unübersehbare  Wüstenplateau  Tyh  bis  zu  den 
fernen  Höhen  Petra's,  gegen  Norden  der  Busen  von  Sues  und 
der  Atäqah,  gegen  Westen  endlich,  nahe  als  gings  nur  über 
den  Bodensee  hinüber,  die  Berge  zwischen  dem  Nil  und  rothen 
Meer.  Jedem  von  uns  wird  diese  Stunde  unvergesslich  bleiben, 
die  nur  Einmal  in  einem  Menschenleben  erlebt  wird,  sie  glich 
all  die  Mühsale  des  Tages  wieder  aus  und  verlieh  dem  Körper 
eine  Spannkraft,  die  auch  in  der  That  zu  dem  gefahrvollen 
Heimwege  nöthig  war.  Noch  erinnere  ich  mich  mit  einem  ge- 
wissen Grauen  an  die  fürchterliche  Rimschlucht,  in  die  wieder 
an  der  Hand  der  scharfen  Dioritkanten  über  die  nackten  bröcke- 
ligen Granitwände  viel  mehr  gerutscht  als  geklettert  werden 
musste,  und  an  die  Lebensgefahr,  die  den  Freunden  drohte, 
wenn  Felsblöcke,  auf  denen  man  fassen  wollte,  sich  lösten  xmd 
lawinenartig  mit  fürchterlichem  Krachen  zur  Tiefe  stürzten.  Der 
aufopfernde  Muth  und  die  Hingebung  der  Beduinen  war  dabei 
rührend,  mit  der  sie  sich  eines  der  Freunde  annahmen ,  dem  es 
am  meisten  an  Uebung  im  Klettern  gebrach.  Der  Tag  ward  lang 
und  hart.  Erst  bei  tiefer  Nacht  um  OV^  Uhr  wurde  das  Lager 
im  Seläf  wieder  erreicht,  und  ohne  auf  kleine  Wunden  und 
Quetschungen  zu  achten,  mit  frohem  „Taib"  auf  das  unaufhörliche 
„Teibin  Chawadje"  *)  der  Beduinen  geantwortet. 

In  der  centralen  Sinaigruppe  des  Hebrän  und  El  Schech 
fehlen  die  grossen  Massenerhebungen.  Sie  stellt  ein  coupirtes 
Hochland  von  3—4000  Fuss  Erhebung  über  d.  M.  dar,  durch- 
schnitten in  hora  1 1  von  dem  eine  starke  Tagereise  langen  Wadi 
el  Schech,  das  bei  seinem  Austritt  ins  Feiran  am  schmälsten  und 
bei  seinem  Anfang  am  Fusse  des  Musa  am  breitesten  ist.  Auf 
diese  eigonthümlichc  Gestaltung  der  Sinaithäler  werden  wir  später 


')    Wio  geht  es  Herr?  —  Gut  geht  os. 


—    161    — 

zu  sprechen  kommen.  Parallel  mit  dorn  cl  Schech  lauft  eine 
Zeitlang  das  Selt'if,  beide  so  ziemlich  in  gleicher  Höhe  von  über 
2000';  rein  westlich  biegt  das  Ilcbrän  von  diesem  Gebirgsstock 
ab,  das  bei  seinem  Austritt  aus  dem  Gebirge  in  das  Küstenland 
nur  noch  700'  über  d.  M.  liegt.  Das  Hebrän  ist  bei  seinem 
starken  Gefiill  und  dem  beharrlichen  Zickzack,  in  dem  es  läuft, 
ein  entzückendes,  mit  jeder  Biegung  des  Weges  neue  Schönheiten 
entfaltendes  Thal,  ein  frisches  Bergwasser  rinnt  eine  Zeitlang  im 
Jahre,  *)  und  auf  der  eigentlichen  freilich  schmalen  Sohle  wächst 
Tarfagebüsch  und  einzelne  Palmen,  der  wolligen  Labiaten  und 
haarigen  Cniciferen  nicht  zu  gedenken,  die  neben  Aroideen  und 
Boragineen  am  Bache  wachsen.  Von  Zeit  zu  Zeit  erweitert  sich  das 
Thal  und  gewährt  die  "Weitung  einen  herrlichen  Ausblick  auf  die 
Bergriesen  im  Hintergrund,  unter  denen  der  stattliche  dreizinkige 
Goseh,  vonRussegger  auf  8700' geschätzt,  sich  aushebt.  Einförmiger 
wird  das  Reisen  in  den  beiden  Nord-Süd  streichenden  Thälern  Seläf 
und  el  Schech,  dunkle  Glimmerschiefer  und  tiefgraue  Granite,  welche 
stundenlang  die  abgerundeten  Höhen  bilden,  machen  dieselben 
unendlich  melancholisch.  Auch  der  Geognost  fängt  an  sich  in 
ihnen  zu  langweilen,  werden  doch  die  Gänge,  die  am  Serbäl 
und  Musa  entzücken,  immer  seltener.  Sie  fangen  an  parallel 
mit  dem  Thale  zu  streichen  und  lang  gezogene  Gräthe**)  und 
Kämme  zu  bilden,  an  denen  man  hinreitet.  Wo  ein  Dioritgang 
quer  das  Thal  schneidet,  muss  man  über  ihn  wie  über  eine  zer- 
fallene Mauer  setzen,  die  das  Thal  einst  sperrte. 

Als  Massengestein  dieser  centralen  Sinaigruppe  beobach- 
tet man 

1.   Einförmig   grauen  Gneis  von  trübseliger  Farbe.    Er 


*)  Die  einen  Reisenden  reden  von  fliessendem  'Wasser  im  Hebrän, 
die  andern  leugnen  es.  "Wir  fanden  am  28,  December  nur  in  den  Tüm- 
peln stehendes  Wasser,  dagegen  bei  der  Rückkehr  am  5.  Januar  einen 
fliessenden  Bach,  der  jedoch  das  Ende  des  Wadis  nicht  ganz  erreichte. 
Ohne  dass  wir  am  Musa  etwas  davon  bemerkten,  musste  es  indessen 
im  Hebrän  geregnet  haben. 

**)  Der  von  Russegger  in  Band  3.  p.  234  gezeichnete  Gang  fiel 
auch  uns  in  die  Augen. 

Würltemb.  naturw.  Jahreshefte.     ISG".    2s  n.  3s  Heft.  H 


-    162    - 

besteht  aus  weissem  Quarz,  einzelnen  weissen  Feldspatcrystalleu 
und  grauem  Glimmer,  der  lagerhaft  in  1 — 2  Linien  grossen 
schuppigen  Flecken  in  dem  weissen  Grundgestein  ausgebreitet 
ist.  An  einer  Reihe  von  Uebergängen  zum  grauen  Glimmer- 
schiefer fehlt  es  nicht. 

2.  Dunkelgrauer  Syenit,  auch  Sinai t  genannt,  aus  farblosem. 
Quarz,  weissem  Feldspat  und  dunkelgrüner  Hornblende  zusam- 
mengesetzt. Das  Gestein  ist  feinkörnig  und  die  3  Bestandtheile 
sehr  gleichmässig  vertheilt.  Accessorisch  treten  kleine  Körner 
von  Titanit  *)  hinzu. 


*)  Herr  Dr.  G.  Werner  hat  den  Sinait  näher  untersucht  und  theilt 
mir  Nachstehendes  über  denselben  mit: 

Neben  dem  weissen  und  dem  dunkelgrünen  Bestandlheil  erscheinen 
durch  die  ganze  Masse  kleine  Körner  von  zimmtbrauner  Farbe  und 
ziemlich  starkem  Glanz,  die  jedoch  höchstens  1  Quadratmillim.  Fläche  dar- 
bieten, meist  viel  kleiner  erscheinen.  Ausserdem  beobachtet  man  Blätt- 
chen von  schwarzem  Glimmer,  jedoch  in  viel  geringerer  Quantität  als  di& 
Hornblende.  Ein  DünnschhfF  zeigt  unter  dem  Mikroskop  in  der  weissen 
Masse  neben  dem  trüb  erscheinenden  Feldspat  auch  Quarz  in  erheblicher 
Menge,  den  man  an  der  klaren  Durchsichtigkeit  vom  Feldspat  sehr 
leicht  unterscheidet.  Für  den  Quarzgehalt  S[)richt  überdiess  der  Um- 
stand, dass  das  Gesteni  unt(^r  Umständen  am  Stahl  sehr  starke  Funken 
gibt,  während  bei  der  Betrachtung  mit  dem  blosen  Auge  und  mit  derLoupe 
der  Quarz  wegen  der  Kleinheit  des  Korns  nicht  so  deutlich  erkannt 
werden  kann.  Die  Hornblende  erscheint  unter  dem  Mikroskop  meist 
undurchsichtig  und  desshalb  schwarz;  nur  an  einzelnen  Stellen,  beson- 
ders an  den  lländern  der  Hornblendepartikeln  ist  sie  mit  lichtgrüner  Farbe 
durchsichtig.  Kleine  rundum  ausgebildete  Kryställchen  von  gleicher  Farbe 
und  von  zwei-  und  eingliedrigem  oder  einj;;liedrigem  Habitus  liegen  über- 
diess in  der  wasserklaren  Quarzmasse,  neben  den  faiblosen  durchsich- 
tigen spiessigen  Crystallen,  die  man  im  Quarz  der  Granite  unter  dem 
Mikroskop  immer  beobachtet.  —  Ferner  erscheinen  darin  schwarze,  un- 
regelmässige Körner,  die  ohne  Zweifel  aus  Magneteisen  bestehen.  Denn 
aus  dem  gepulverten  Gestein  lässt  sich  mittelst  des  Magnets  ein  an- 
sehnlicher Bart  von  Mugneleisenkörnern  ziehen,  die  indessen  für  sicli 
unter  das  Mikroskop  gebracht  keine  Krystallform  zeigen.  Ueberdiesa 
wirkt  das  Gestein  selbst  sehr  merklich  auf  die  Magnetnadel.  Das 
braune  Mineral  erscheint  unter  dem  Mikroskop  sehr  fein  gestreift  und 
durchscheinend. 


-    163    - 

3.  Dunkelgrauer  Granit  wechselt  mit  dem  Syenit.  Der 
farblose  Quarz  tritt  zurück,  der  Feldspat  ist  trüber  mit  einem 
Stieb  ins  Küthliche  und  schwarzer  Glimmer  ist  fein  vertheilt. 

4.  Rüthlicher  Granit  mit  schwach  rosenrothem  Orthoklas, 
farblosem  Quarz  und  schwarzem  Glimmer.  Die  Bestandtheile, 
sind  ziemlich  gleich  vertheilt. 

5.  Schiefriger  Amphibolit.  Die  Hornblende  ist  feinkörnig 
und  faserig  vertheilt,  von  feinen  Lagen  eines  farblosen  Quarzes 
durchzogen.  Dieses  Gestein  ist  im  oberen  Hebran  ausserordent- 
lich verbreitet  und  bildet  namentlich  den  Pass,  der  in  das 
untere  Selaf  führt. 

6.  Epidotgranit  bildet  im  mittleren  Ilebran  einen  wunder- 
schönen Fels.  Vorherrschend  ist  fleischrother,  prachtvoller  Feld- 
spat, dazwischen  ein  grauweisser  Quarz  in  liniengrossen  Körnern. 
Die  ganze  Masse  ist  von  lauchgrünem  bis  lichtgrünem  Epidotfels 
durchzogen.  Dieser  selbst  bildet  sehr  häufig  grosse  Knauer  und 
colossale  Stöcke  in  grauem  Gneis  wie  im  Glimmerschiefer,  die 
sich  aus  der  Ferne  gesehen  wie  üppige  Vegetationsplätze  aus- 
nehmen. 

Gangförmig  in  dem  Massengestein  haben  wir  wieder  wie  im 
Serbai  dunkelgrüne  und  rothe  Grundgesteine  mit  und  ohne  Ent- 
wicklung von  Crystallen.  Wir  nennen  zuerst  den  D  i  o  r  i  t ,  in  wel- 
chem wir  weissen  Feldspat  in  grösseren  Crystallen,  feinkörnigen 
fleischrothen  Feldspat  in  schmutziggrüner  Hornblende-Masse  un- 
terscheiden.   Die  Farbe  dieses  Diorits  ist  trübe  und  düster.    Dcr- 


Vor  dem  Lüthrohr  zeigt  das  braune  Mineral  den  Schmelzgrad 
3 — 4;  es  schmilzt  unter  lebhaftem  Sprühen  zu  einem  schwarzbrauneu 
matten  Glase,  während  der  ungeschmolzene  Theil  heller  wird  und  seine 
Farbe  in  die  spargelgrünc  umwandelt.  Im  Phosphorsalz  gibt  es  im 
Reductionsfeuer  eine  hellgelbe  Perle,  die  (besonders  bei  Zusatz  von 
Zinn)  beim  Erkalten  violett  wird.  Diese  Reactionen  stimmen  so  genau 
mit  denen  des  Sphen  oder  Titanit  überein,  dass  kein  Zweifel  sein  kauu, 
dass  das  braune  Mineral  Titanit  sei.  Ueber  die  Natur  des  Feldspats 
gibt  das  Verhalten  vor  dem  Lüthrohr,  da  er  von  den  andern  Mineralien 
nicht  vollständig  getrennt  werden  kann,  keinen  sicheren  Aufschluss. 

Es  ist  demnach  der  Sinait  ein  Syenitgranit  mit  beigemengtem  Ti- 
tanit und  Ma^rneteisen. 


-    164    - 

selbe  geht  unvermerkt  über  in  ein  Gestein,  das  man  besser 
Syenit  als  Diorit  nennt,  denn  es  bilden  sieb  die  Crystalle  aus, 
grauer  Quarz  mengt  sieb  bei  und  ausgebildete  Hornblenden. 

Daran  schliesst  sieb  ein  ausgezeiebneter  scbwarzer  Syenit- 
porpbyr  (Rose);  eine  scbwarze  glänzende  Grundmasse,  unter 
der  Loupe  grünlich  am  Bruche  durchscheinend  mit  kleinen  weissen 
Oligoklascrystallen,  bildet  er  einen  Gang  im  untern  Hebran.  Wie 
dieses  Gestein  an  die  Syenite  anknüpft,  so  an  die  röthlichen  Gra- 
nite ein  lebhaft  rother  Porphyrit  mit  eingesprengten  feinen 
Körnern  einer  licbtgrünen  Hornblende.  Derselbe  steht  am  Pass 
zum  Seläf  an ,  und  weist  bereits  auf  die  Serbälgruppe  hin ,  in 
der  die  Gänge  eine  so  ausgezeichnete  Entwicklung  gefunden 
haben. 

In  dem  eigentlichen  über  6  geogr.  Meilen  von  N.  nach  S. 
hinziehenden  Gebirgsstock  sind,  wie  schon  angedeutet,  die  Gänge 
bei  weitem  nicht  so  zahlreich.  Bei  dem  Hauptstreichen  der 
Gänge  in  Stunde  11,  das  mit  dem  Streichen  der  beiden  Haupt- 
Wadis  zusammenfällt,  begegnet  man  ihnen  wenigstens  seltener, 
dagegen  sieht  man  an  denselben  die  eigenthümliche  Begränzuug 
der  Bergketten  durch  schwarze  und  rothe  Gänge,  die  als  ein 
farbiger  Besatz  der  grauen  Berge  erscheinen,  auf  welche  nament- 
lich Eussegger  aufmerksam  gemacht  hat. 

Einer  Reihe  wunderlicher  Verwitterungen  in  dem  grauen 
Granit  geschehe  hier  noch  Erwähnung.  Etwa  in  der  Mitte  des 
Wadi  el  Schechs  bildet  der  bröckelige,  weiche  Granit  auf  mehr 
als  eine  Stunde  Wegs  phantastische  Formen,  nicht  blos  Säcke, 
Vollkugeln  und  Hohlkugeln,  Brillen  u.  s.  w.,  sondern  wirklich 
überraschende  Thiergestalten  und  Physiognomien.  Man  braucht 
seine  Phantasie  gar  nicht  anzustrengen,  so  sieht  man  einen  Ele- 
phantenkopf,  Affen,  Panther,  Kameele  und  dergleichen.  Formen, 
die  offenbar  seit  Jahrhunderten  die  Aufmerksamkeit  aller  Vor- 
überziehenden auf  sich  gezogen  haben.  Ist  irgendwo  hart  am 
Wege  eine  schöne  Granitwand,  etwas  härter  als  die  Umgebung, 
so  ist  sie  über  und  über  mit  alten  Inschriften  und  Charakteren 
versehen,  die  selten  über  Manneshöhe  in  den  Fels  gehauen  sind. 
Die  Archäologen  nennen  sie  die  sinaitischeu  Inschriften  und 


—    165    — 

geben  ilinen  verschiedenes  Alter.  Jo  nachdem  wären  3  Jahr- 
tausende oder  mehr  spurlos  an  diesen  Wänden  vorübergegangen 
und  hat  wohl  Moses  und  das  Volk  Israel  nicht  blos  diese  be- 
schriebenen Steine ,  sondern  alle  die  phantastischen  Felsen- 
köpfe bereits  in  der  gleichen  Gestalt  gesehen,  als  wir  sie  jetzt 
schauen. 

Die  Wadis  breiten  sich,  je  höher  man  in  ihnen  hinaufsteigt, 
um  so  mehr  zu  weiten  Thalgründen  aus,  so  breit  als  das  Neckar- 
tbal  bei  Canstatt.  Die  Berge  werden  immer  niedriger  und  er- 
reicht man,  bevor  die  Höhe  des  Musastockes  erstiegen  wird,  eine 
w^eite  Hochfläche,  in  der  ungeheure  Schuttmassen  den  Grund 
und  Boden  bilden,  aus  welchem  nur  hie  und  da  noch  ein  an- 
stehender Felsblock,  meist  röther  Porphyr,  herausschaut. 

In  senkrechten  riesigen  Wänden  erheben  sich  jetzt  breite 
Massen,  2000'  höher  als  die  schon  über  3000'  über  dem  Meere 
liegende  Hochfläche  el  Schech.     Es  ist  die  Gruppe  des  Horeb 


Ansiclit  des  Djebel  Musa  vom  Kntliarinenkloster  aus. 
Nach  einer  Zeichnung  von  U.  v.  Hcuglin. 


mit  dem  Mittelpunct   des  Djebel  Musa,    der   wenn   auch  nicht 
der  höchste,   so   doch  der  bedeutungsvollste  unter  allen  Bergen 


-    166    - 

der  "Welt  ist,  der  „Sinai"  im  engern  Sinne  des  "Worts.  Mit  dem 
Haua-Passe  ersteigt  man  in  1'/-'  Stunden  das  Gebirge,  das  vor 
allem  durch  seine  Doppelfarbe  grau  und  roth  in  billiges  Erstau- 
nen setzt.  Der  Gebirgsstock  besteht  zunächst  aus  grauem  Granit 
und  Syenit  mit  einem  Stich  ins  Grüne,  in  dem  Dioritporphyre 
und  Hornblenden  massenhaft  sich  einnisten.  Ueber  diesen  grauen 
Grundmassen  thürmen  sich  rosenrothe  körnige  Granitmassen  zu 
schwindelnden  Höhen  auf.  Somit  haben  wir  wieder  als  Grund- 
masse 1)  ächten  Syenit  mit  farblosen  Oligoklasen,  2)  schwarz- 
grünen ächten  Amphibolit,  bald  körnig,  bald  schieferig,  und 
3)  ächten  rothen  Granit  mit  fleischfarbigem  Feldspat,  farblosem 
Quarz  und  schwarzem  Glunmer. 

In  diesen  Grundmassen  des  Horeb  entwickeln  sich  in  bedeu- 
tender Mächtigkeit  Aphanite,  schmutzig  grün  von  Farbe,  ohne 
eine  Spur  von  Crystallausscheidung.  Man  weiss  nicht  recht,  wie 
man  sie  ansehen  soll.  Gänge  wie  im  Serbai  und  dem  Seläf  bil- 
den sie  nicht  mehr,  es  müssten  denn  Gänge  von  100  Meter  und 
darüber,  die  für  sich  ganze  Bergmassen  bilden,  noch  mit  diesem 
Ausdruck  zu  bezeichnen  sein.  Aehnlich  verhält  es  sich  mit  Diorit- 
porphyr  von  dunkelgrünem  bis  grauem  Grund,  in  dem  sich  Ku- 
geln von  weissgrüner  Feldspatmasse  ausscheiden  und  ebenso 
mit  dem  fleischrothen  bis  braunrothen  Granitporphyr,  der  die 
Kuppen  des  Musa,  Horeb  und  Catharina  bildet.  Sind  es  Gänge 
im  körnigen  Syenit  und  Granit,  so  ist  die  Analogie  mit  dem 
Serbäl  hergestellt,  wo  die  Gänge  nur  statt  hundert  Lachtern 
1  Lachter  und  darunter  mächtig  sind.  Sind  es  dagegen  Stöcke 
und  Stösse,  so  bleibt  immerhin  die  gerade  Linie  auffällig,  unter 
der  die  granitischen  und  porphyrischen  Gesteine  sich  an  einander 
lehnen.  Dass  accessorisch  hübsch  ausgebildete  Fcldspatcrystalle, 
Bergcrystalle  und  Granaten  in  einem  Schriftgranit  auftreten, 
ist  nicht  gerade  wichtig,  aber  doch  für  die  Musagruppe  be- 
zeichnend. 

Dass  es  auch  im  Centrum  des  Musastockes  nicht  an  Quellen 
fehlt ,  wo  das  Massiv  der  Borge  sich  in  tiefen  Klüften  und 
Schluchten  spaltet,  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Sobald  sich 
lagerhafte  Glimmer  und  Gneise   einstellen,   eignet  sich  das  Ge- 


-     167    — 

"birge  dazu,  die  obgleich  jederzeit  spärlichen  Meteorwasser  auf 
längere  Zeit  im  Jahr  zurückzuhalten  und  die  gesammelten  Wasser 
später  in  Folge  des  Gefälles  da  und  dort  zu  Tage  zu  drücken. 
Yom  Wohlgeschmack  der  Schwarzwaldwasser  und  von  der  Kühle 
europäischer  Bergwasser  rieselt  dann  ein  Bächlein  durch  den 
Sand  und  Schutt,  in  dem  es  freilieh  rasch  sich  wärmt  und  nach 
kurzer  Frist  im  Boden  verlauft  und  verdunstet.  Die  Gärten  im 
Wadi  Musa  und  seiner  Umgebung  liefern  hiezu  Belege.  Alle 
diese  Quellen  sind  natürliche  Brunnen,  die  sich  im  glimmerrcichen 
Gneise  sammeln  und  im  Grunde  des  Wadis  sich  herausdrücken. 
Doch  sind  auch  wohl  aus  uralten  Zeiten  her  künstliche  Brunnen 
angelegt,  unter  denen  einer  unsere  besondere  Aufmerksamkeit 
erregt.  Ich  meine  nicht  den  von  den  Mönchen  für  Mosis  Quelle 
ausgegebenen  Fels,  denn  wer  leichtgläubig  genug  ist,  einen  vom 
Musa  niedergestürzten  Granitblock  mit  einer  Porphyrader  und 
einigen  Drusenräuraen  für  denselben  zu  halten,  und  wer  gut- 
müthig  genug  ist,  dem  Mönche  nicht  ins  Gesicht  zu  lachen,  der 
alles  Ernstes  erzählt,  aus  den  Drusenlöchern,  deren  es  12  seien, 
sei  für  die  12  Stämme  Israels  das  Wasser  geflossen,  der  ist  zum 
Voraus  für  naturhistorische  Untersuchungen  verloren.  Wer  aber 
ohne  Begleitung  der  Mönche  *)  vorurtheilslos  in  den  Bergen  herum- 
klettert, der  mag  hier  noch  Manches  finden,  wovon  der  Kloster- 
bruder gar  keine  Ahnung  hat.  So  sieht  ein  scharfes  Auge  am 
Fusse  des  Horeb ,  wie  des  Musa  in  ziemlicher  Höhe  über  der 
Thalsohle  an  der  glatten,  kahlen  Bergwand  einzelne  grüne  Flecke 
in  schwindelnder  Höhe.  Anfangs  diese  Stellen  für  Stöcke  von 
Epidot  oder  Pistazit  erachtend,  welche  an  der  röthlichen  Granit- 
wand sich  breit  gemacht  hätten,  belehrte  mich  der  Beduine,  dass 
hier  oben  Wasser  wäre  und  gute  Jagdplätze  für  die  Steinhühner. 


*)  Es  ist  jedoch  bo  leicht  nicht,  sich  die  Mönche  vom  Leib  zu 
halten,  die  es  als  uraltes  Privilegium  in  Anspruch  nehmen,  die  Frem- 
den auf  den  heiligen  Bergen  zu  führen.  Ausser  mir  hat  schon  mancher 
Sinai-Ilcisende  die  Bemerkung  gemacht,  dass  man  hinter  den  griechi- 
schen Klostermauern  noch  gieriger  auf  das  Backschisch  sah,  als  im  Zelte 
«des  Arabers. 


-    168    - 


Auf  der  linken  Thalseite  des  Klosterthals  ward  nun  zu  einem 
der  nächstliegenden  grünen  Flecke  hinaufgeklettert.  Senkrecht 
erhebt  sich  hier  aus  dem  Gebirgsschutt  in  röthlichem  Farben- 
duft eine  Granitwand,  an  deren  Fuss  sich  zuerst  ein  Feigenbaum 
erkenntlich  macht  und  beim  Nähertreten  Buschwerk  und  grüne 
Kräuter  sich  zeigen,  hervorgerufen  durch  ein  kleines  Wasser- 
bassin, das  aus  einer  Quelle  in  unmittelbarster  Nähe  gespeist 
wird.  Diese  läuft  wunderlicher  Weise  aus  der  glatten  Granit- 
wand etwa  in  Brusthöhe  heraus,  sie  ist  zwar  nicht  stark,  etwa 
in  der  Stärke  eines  Stuttgarter  Brunnenrohrs,  aber  genügt,  das 
künstlich   angelegte  Bassin  am  Fuss   der  Wand   zu  füllen,   aus 

welchem    ein    kleines 
\^  \  S°"  <^lta^  terrassenförmig  ange- 

legtes Gärtchen  von 
einigen  Ruthen  Grösse 
gewässert  wird.  An 
und  für  sich  schon 
musste  es  auffallen, 
aus  der  glatten  Granit- 
wand eine  Quelle  flies- 
sen  zu  sehen,  das  Auf- 
fällige mehrte  sich,  als- 
sich  bei  näherer  Be- 
obachtung die  Oeff- 
eine  künstlich  ge- 
einifjen    Zoll    Durch- 


Mosis  Quelle  am  Djcbel  Slusa. 


nung,  aus  der  das  Wasser  floss,  als 
machte  herausstellte.  Ein  Loch  von 
messer  ist  hier  mittelst  eines  Schlag-Instrumentes,  dessen  Spuren 
man  deutlich  genug  noch  wahrnimmt,  in  die  Wand  getrieben 
und  wurde  damit  eine  beiläufig  halbschühige  Granitschalo  durch- 
gebrochen, hinter  welcher  ein  natürlicher  Quelllauf  ist,  der  nun- 
mehr durch  die  künstliche  Oeffnung  den  Weg  gefunden.  Ver- 
geblich sieht  man  sonst  sich  nach  Wasserspuren  an  der  Berg- 
wand um,  die  etwa  das  Vorhandensein  des  früher  hinter  der 
Granitwand  verborgenen  Quells  hätten  verrathcn  können:  au 
der  40'   hohen  Wand,   die   mit   den  Verticalklüftcu   des  ganzen 


-    169    — 

Musastockes  parallel  läuft,  spiegeln  nur  die  Blätterdurchgänge 
der  Feldspatcrystalle  im  heissen  Sonnenschein  und  keinerlei  An- 
zeichen verrieth  den  "Wasserschatz,  der  hinter  der  Wand  steckte. 
Die  Quelle  ist  von  Menschenhand  „aus  dem  Felsen  geschlagen" 
und  ob  auch  das  murmelnde  Wasser  sein  Geheimniss  nicht  ver- 
räth  und  kein  Sterblicher  es  je  erfahren  wird,  wer,  dasselbe  zu 
Tage  gelockt,  so  dachte  ich  doch  an  diesem  wunderbaren  Quell 
mit  einer  gewissen  Vorliebe  an  den  grossen  Kenner  der  Men- 
schen und  der  Berge ,  an  Moses ,  den  Knecht  Gottes ,  der  nach 
Exod.  17,  6  „einen  Fels  in  Horeb  schlug,  dass  Wasser  heraus- 
lief und  das  Volk  trank". 

Es  darf  hier  wohl  der  Ort  sein,  ein  Wort  über  den  Djebel 
Musa  und  seine  welthistorische  Bedeutung  zu  sagen.  Lepsius 
glaubt  den  wahren  „Sinai" ,  den  Berg  der  Gesetzgebung,  nicht 
im  Musa,  sondern  im  Serbäl  zu  erkennen  und  begründet  seine 
Ansicht  mit  der  Fruchtbarkeit  des  Wadi  Feirans,  das  am  Fusse 
jenes  Berges  liegt.  Während  am  Musa  nur  spärliche  Quellen 
und  kleine  feuchte  Strecken  sich  befinden,  eben  kaum  hinrei- 
chend, imi  die  beiden  Klostergärten  zu  befeuchten,  ist  das  Feiran 
ganz  anders  zum  Aufenthalt  eines  Volkes  von  der  Natur  ange- 
legt. Feiran  muss  Mose  schon  der  gesuchte  Mittelpunet  der 
ganzen  Halbinsel  gewesen  sein,  auf  den  er  zuerst  losging  und 
um  den  Israel  mit  Amalek  stritt.  Dazu  kommt  die  Nähe  des 
noch  guten  Seehafens  Abu  Zelimeh,  der  vom  Wadi  Schebekeh 
aus  mit  Wasser  versorgt  werden  konnte;  dahin  verlegt  Lepsius 
den  Lagerplatz  am  Schilfmeer,  der  hinter  Elim  lag  und  die  12 
Brunnen  und  70  Palmen  von  Elim.  Hier  nimmt  die  Wüste  einen 
andern  Charakter  an,  wesshalb  der  nördlich  gelegene  Theil  für 
die  Wüste  Sur,  der  südliche  für  die  Wüste  Sin  genommen  wird. 
Dann  lag  der  Serbai  als  der  Berg  in  der  Wüste  Sin  allerdings 
zunächst,  zugleich  war  er  wegen  der  Kupferminen  der  bekann- 
teste Berg  für  Egypten,  seit  alten  Zeiten  heilig,  von  Mose  längst 
gekannt,  der  von  Midian  aus  die  Schafe  des  Jethro  dort  wai- 
dete.  Dazu  die  sinaitischen  Inschriften,  vor  allem  aber  die  Frucht- 
barkeit des  Thaies,  in  welchem  ein  Unterhalt  für  das  Volk  mög- 


-     170    — 

lieh  war,  denn  am  Musa  könnten  heut  zu  Tage  kaum  zweitau- 
send Menschen  täglich  nur  das  Wasser  finden. 

Es  ist  wahr,  dass  dieses  Alles  für  den  Serbäl  spricht  und 
hat  Lepsius  vollkommen  Recht,  wenn  er  der  Mönchstradition, 
die  natürlich  den  Musa  für  den  Berg  Gottes  erklärt,  nicht  den 
geringsten  Werth  beilegt.  In  der  langen  Zeit  zwischen  der  Ge- 
setzgebung und  den  ersten  christlichen  Jahrhunderten  wird  der 
Sinai  nur  einmal  erwähnt  als  der  Berg  Gottes,  auf  den  sich 
Elias  zurückzieht,  und  da  weder  Griechen  noch  Römer  den  Berg 
kennen,  sind  wir  einzig  auf  die  Schrift  angewiesen  und  die  na- 
türlichen geographischen  Verhältnisse.  Diese  sind  aber  der  Art, 
dass  der  Serbäl  für  die  in  der  Schrift  erzählten  Umstände,  wie 
für  die  Sammlung  des  Volkes  am  Fusse  des  Berges,  dessen  Um- 
friedigung u.  s.  w.  nicht  passt;  in  dieser  Hinsicht  trifft  man  in 
der  That  in  der  ganzen  Sinaikette  keinen  zweiten  Berg,  der  so 
frei  und  isolirt  über  die  weite  Ebene  Rahab  sich  erhöbe  und 
dabei  so  majestätisch  vor  den  Menschen  im  Thale  stünde,  als  es 
beim  Musa  der  Fall  ist. 

So  fruchtbar  das  Feirän  heutzutage  ist,  so  ist  es  doch  nur 
ein  sehr  enges  Palmenthal,  in  welchem  viele  Menschen  sich  nicht 
aufhalten  können,  es  ist  nur  eine  Felsschlucht  gegenüber  der 
weiten  Fläche  des  Rahab,  ebenso  ist  der  Serbäl  ein  aus  etlich 
und  40  Einzelngipfeln  bestehendes  Zackengebirgo,  dessen  Spitzen 
nur  mit  Lebensgefahr  erklettert  werden  können,  während  der 
Musa  als  ein  massiger  Berg  in  einem  erhabenen  leicht  besteig- 
baren Ilöhepunct  gipfelt.  Es  widerstreitet  Einem  innerlich,  in 
dem  wilden  vielspitzigen  Felsgeklüfte  des  Serbäl  den  Ort  zu 
suchen,  da  die  Lehre  von  dem  Einen  ewigen  Gott  ausging;  zu 
solchen  Gedanken  passt  vielmehr  der  Eine  majestätische  Gipfel 
des  Musa. 

Lepsius  gründet,  wie  wir  sahen,  seine  Ansicht  hauptsächlich 
auf  die  natürliche  Beschaffenheit  des  Feiräns,  seine  Fruchtbar- 
keit und  seine  geographische  Lage.  Dabei  geht  er  von  der 
Voraussetzung  aus,  die  natürlichen  Verhältnisse  hatten  sich  seit 
Mosis  Zeit  nicht  wesentlich  verändert.  Die  Topographie  der 
sinaitischen  Halbinsel   freilich    ist  seit  länger  als  Mosis  Zeit  un- 


-    171    - 

verändert,  dagegen  ist  die  Annahme  ganz  unhaltbar,  dass 
auch  die  Oberflächenverhältnisse ,  die  Vorhältnisse  des  Was- 
sers, der  Vegetation,  der  Cultur  oder  allgemeiner  gesprochen 
des  Klimas  heute  noch  wären  wie  damals.  Heutzutage  leben 
auf  der  ganzen  beiläufig  450  DMeilen  grossen  Halbinsel  nur 
etwa  4000  Beduinen,  oft  genug  unter  einander  im  Hader  wegen 
der  Waideplätze  und  der  spärlichen  Wasserquellcn.  Die  Quelle 
im  Seläf  war  in  Folge  des  Besuchs  unserer  Karawane  am  Lager- 
platz der  Beduinen  nach  3  Tagen  erschöpft,  so  dass  der  würdige 
Schech  Nassar  uns  erklärte,  so  lieb  ihm  seine  Gäste  seien,  so 
müssen  wir  doch  bis  zum  Abend  anderswo  unser  Lager  auf- 
schlagen, CS  gebreche  so  schon  seinem  Stamme  an  Wasser.  In 
einem  Lande  mm,  das  durch  den  Einfall  von  auch  nur  1000 
Mann  buchstäblich  ausgesaugt  und  abgewaidet  wäre,  soll  sich 
Israel  Jahre  lang  aufgehalten  haben?  Das  zahlreiche  Volk 
Israel*)  hätte  in  wonigen  Tagen  das  Wasser  des  ganzen  heu- 
tigen Sinai  ausgeschöpft,  alle  Vegetation  abgewaidet  und  damit 
jedes  weitere  Lebensmittel  aufgezehrt  gehabt,  selbst  wenn  gar 
keine  einheimische  Bevölkerung  vorhanden  gewesen  wäre.  Statt 
dessen  finden  wir  die  verschiedenen  Stämme  in  Ordnung  ihre 
Züge  verfolgen ,  in  Schlachten  die  Ureinwohner  besiegen  und 
sicherlich  alle  Wadis  benützend,  dem  Centi-alstock  des  ganzen 
Gebirges,  dem  Djebel  Choreb  oder  Musa  geordnet  zuziehen,  wo 
in  grosser  Volksversammlung  das  Gesetz  verkündet  wurde.  Der 
Sinai  muss  damals  in  allen  Wadis  eine  fruchtbare  Alpenland- 
schaft gewesen  sein,  die  Berge  mit  Waiden  bedeckt;  an  eine 
Wüste,  wie  sie  jetzt  ist, , zu  denken,  ist  rein  unmöglich.  Unter 
der  Wüste,  welche  die  Schrift  nennt,  darf  man  nur  entweder  die 
gesalzenen  Steppen  am  Ufer  des  rothen  Meeres  verstehen  und 
etwa  noch  die  Felsenbezirke  im  Gebirge,  in  welchem  die  Wasser 
sich  nicht  sammeln  und  daher  vegetationsleere  Strecken  bilden 
konnten.  Heutzutage  ist  die  ganze  Halbinsel  eine  Wüste  und 
verschwinden  fast  die  Puncte  auf  einer  Karte,  auf  der  man  die 


*)  600,000  Mann   streitbarer  Männer,    Weiber    und  Kinder  nicht 
mitgerechnet,  zogen  von  Ramses  aus. 


-    172    — 

Vegetationsplätze  und  Wohnorte  von  Menschen  bezeichnen  wollte. 
Ohne  die  Annahme  einer  tiefgreifenden  klimatischen  Umgestal- 
tung, welche  in  historischen  Zeiten,  der  vorhistorischen  gar  nicht 
zu  denken,  Statt  gefunden  hat,  bleibt  uns  daher  die  ganze 
reiche  und  bedeutungsvolle  Geschichte  des  Sinais  ein  unerklär- 
liches Räthsel.  Auf  tiefgreifende  Klimaveränderungen  aber  weisen 
zwei  weitere  Beobachtungen  hin,  die  freilich  das  Räthsel  nichts 
weniger  als  zu  lösen  geeignet  sind,  aber  doch  einen  nicht  un- 
wichtigen Beitrag  zur  Geschichte  der  Sinaithäler  geben;  sie  be- 
ziehen sich  auf  ausgesprochene  Spuren  alter  Gletscher  am 
ganzen  Sinai  und  auf  ganz  eigenthümliche  Erosions-Ver- 
hältnisse der  Wadis. 

Die  Schuttmassen  von  Sand  und  Gerolle  werden  von  vielen 
Eeisenden  erwähnt,  namentlich  Russegger  *)  fielen  diese  massen- 
haften Anhäufungen  auf,  darunter  auch  Kalksteingeschiebe  bis 
zu  Kopfgrösse,  während  doch  auf  dem  ganzen  Wege  durchs 
Wadi  nirgends  Kalk  ansteht  und  somit  die  Geschiebe  auf  dem 
Wassertransport  vom  Berg  zu  Thal  nimmermehr  erklärt  werden 
können.  Russegger  vermuthet  daher  eine  locale  Auflagerung- 
dieses  dem  Gesteine  des  Tyh  ähnlichen  Kalksteins  auf  den  Por- 
phyrhauben. Davon  ist  aber  nirgends  etwas  bekannt,  im  Gegen- 
theil  wäre  eine  Bedeckung  der  Sinaiberge  durch  die  Kreide- 
gebirge von  Tyh  eine  ganz  undenkbare,  allen  übrigen  Beobach- 
tungen widersprechende  Thatsaehe.  Ohne  die  Gletscher  zu 
Hilfe  zu  nehmen ,  bleibt  diese  und  eine  Reihe  andrer  Erschei- 
nungen nicht  erklärt. 

Gleich  beim  Eintritt  in  das  Wadi  Hebran  thürmen  sich  am 
Rande  des  Gebirges  40 — 50'  mächtige  Schuttwälle  auf,  wie 
eine  ungeheure  Sandbarre  sich  quer  vor  das  Thal  lagernd,  durch 
die  sich  erst  das  Wasser  des  Wadis  seine  Bahn  gebrochen  hat. 
Dieser  ungeheure  Schuttwall  besteht  aus  dem  Detritus  des  sinai- 
tischen Gebirges,  er  enthält  Blöcke  von  1000  Cub.-Meter  bis  zur 
Grösse  einer  Hasolnuss,  Sand  der  gröbsten  Sorte  bis  zum  fein- 
sten Sandmehl,    das  Alles    aber   nicht  sortirt  und  Gleiches   zu 


*)  Reisen,  Band  3,  pair.  232. 


-     17.')     - 

Gleichem  gelegt,  sondern  bunt  und  wirr  durcheinander  gear- 
beitet, Feines  neben  Grobem,  Leichtes  neben  Schwerem,  wie  es 
ein  strömendes  Wasser  niemals  macht,  wie  es  vielmehr  allein 
nur  die  Gletscher  zu  schieben  pflegen.  Beim  Eingang  in  das 
Wadi  Ilebrän  erweckte  der  erste  Blick  auf  den  moränenartigen 
Schuttwall  den  Gedanken  an  Gletschcrschutt,  doch  wollte  ich 
denselben  unter  dem  Brande  der  afrikanischen  Sonne  als  gar  zu 
abenteuerlich  wieder  fallen  lassen,  bis  im  Wadi  selbst  der  bald 
rechts  bald  links  am  Gehänge  klebende  Schutt  und  namentlich 
die  Art,  wie  der  Schutt  bei  einer  Gabelung  des  Thals  sich  ein- 
lagerte, mehr  und  mehr  die  Ueberzeugung  befestigte,  dass  diese 
Erscheinungen  alle  auf  keine  andere  Weise  können  erklärt  wer- 
den, als  durch  die  Annahme  alter  Gletscher.  Wie  wenig  seit 
Menschenzeiten  sich  die  Form  der  Wadis  verändert  hat  und  selbst 
die  Gestalt  der  Bachbette  noch  dieselbe  blieb,  wie  sie  vor  Mosis 
Zeiten  war,  dafür  liefert  eben  der  Eingang  ins  Hebrän  ein  höchst 
anschauliches  Beispiel.  Ein  Ii-rblock  von  grauem  Granit  steht 
neben  dem  Wege  im  Sande  am  Bach.  Er  ist  über  und  über 
mit  alten  Inschriften  beschrieben,  die  mit  dem  Erdboden  parallel 
laufen  und  deutlich  zeigen,  dass  zur  Zeit  der  Inschrift  der  Block 
wie  der  Boden  schon  so  gestellt  und  geformt  war,  als  er  es 
jetzt  ist.  In  4  Jahrtausenden,  denn  so  alt  schätzen  die  Archäo- 
logen jene  Inschriften,  hat  kein  reissendes  Gebirgswasser,  das 
sicher  oft  genug  aus  dem  Thale  niederbrach,  den  Block  aus 
seiner  Lage  verrückt  oder  aber  in  Schutt  ihn  begraben,  noch 
die  Atmosphärilien  mehr  als  vielleicht  einige  Millimeter  von 
dem  Felsen  geleckt.  Die  Schuttwälle  selber,  von  denen  der 
Block  ein  Stück  ist,  haben  mit  den  Gebirgswassern  nichts  gemein, 
wurden  vielmehr  von  diesen  erst  in  späteren  Zeiten  durchnagt. 

Anfangs  wollte  ich  die  deutlichen  Spuren  der  Moränen  im 
Hebran  alle  verzeichnen,  fand  aber  bald,  dass  mit  jeder  Biegung 
des  Thaies  wieder  neue  erschienen,  die  bald  hüben  bald  drüben 
in  der  Regel  30 — 50'  hoch  an  der  Bergwand  hängen.  Das 
Hebrän  ist  von  seinem  Ausgang  in  die  Ebene  bis  zum  grossen 
Pass  in  das  Seläf  4  Kamcelstunden  lai  g,  sein  mittleres  Streichen 
ist  hora  2.    Am  Ende  des  ersten  .  rittheils  (nach  IV2  Stunden) 


-     714    - 

zweigt  rein  östlich  in  hora  7  ein  grosses  breites  Thal  ab,  in 
welchem  selber  keine  Spur  von  Schutt  ist,  dem  aber  das  schutt- 
führende Hauptthal  einen  Wall  quer  vor  seine  Mündung  gelegt 
hat.  In  der  Hälfte  (nach  2  Stunden)  zweigt  ein  anderes 
N.  30  '^  0.  streichendes  Thal  ab,  das  einen  eigenen  Schuttwall  hat 
und  diesen  mit  dem  Schutt  des  Hauptthals  vereinigt.  Nach 
2' 2  Stunden  wird  das  Thal  weit  und  die  Sohle  breit  und  zieht 
die  Moräne  auf  der  Ostseite  hin,  nach  3  Stunden  hat  man  sie 
im  Westen,  dann  aber  verliert  man  den  Schutt  vollständig,  nach- 
dem man  ein  weiteres  Seitenthal  passirt  hat.  Im  Uebrigen  weiss 
ich  nicht,  ob  wir  im  Hauptthal  oder  im  Seitenthal  blieben.  Je- 
denfalls hörte  von  hier  bis  ins  Wadi  Selaf  Schutt  und  Moräne 
auf,  um  aber  in  diesem  alsbald  wieder  sich  zu  zeigen  und 
hier,  namentlich  aber  im  Feirän  in  riesigen  Massen  sich  an  die 
Gehänge  zu  lehnen.  . 

Im  Feirän  sind  die  Schuttmassen  entsprechend  dem  herr- 
schenden Gestein  des  obern  Feiräns  und  Seläfs  feinkörnig,  der 
Grus  vorherrschend  von  Gneis  und  Glimmerschiefer.  Die  Massen 
steigen  über  100'  an  den  Wänden  hinan  imd  haben  durch  spä- 
tere Erosion    der  Atmosphärilien  überall  die  Zeltform   angenom- 


MorHnenschutt  im  Wadi  Feirän,  in  der  Nabe  der  Mündung 
des  Wadi  Selaf. 


men,  die  Wände  der  Schuttwälle  sind  Steilwände,  unersteiglich, 
theilwcise  reiner  Sand  horizontal  geschichtet,  wie  er  am  Ufer 
der  Gletscher-Seen  vom  schmelzenden  Eise  hingewascheu  wird. 
Ehe  der  Hauapass  erstiegen  wrd,    führt  der  Weg  zum  letzten- 


—    175    — 

mal  über  eine  und  vielleicht  die  ansehnlichste  aller  Moränen, 
die  durch  einen  alten,  längst  versiegten  Bach  durchbrochen,  ihre 
Steilwand  mit  ihrem  Sand  und  Grus  immer  frisch  und  steil  dem 
Wanderer  präsentirt. 

Die  gleichen  Erscheinungen  von  Detritusanhäufungcn  in 
lagerhaften  Bänken  begegnen  uns  somit  im  ganzen  sinaitischen 
Gebirge  vom  Eingang  in  dasselbe,  700'  ü.  d.  M.  bis  in  Höhen 
von  3 — 4000'  u.d.M.;  was  man  auch  zur  Erklärung  dieser  Erschei- 
nungen herbeiziehen  möchte,  Verstopfung  der  Thäler,  Stauung 
der  Wasser,  alte  Seen  u.  drgl.,  nichts  reicht  aus,  so  befriedi- 
gend sich  die  Sache  zum  Verständniss  zu  bringen ,  als  die  An- 
nahme von  Gletschern. 

Selbstredend  kommt  es  mir  nicht  in  den  Sinn,  hiebei  an  die 
europäische  Eiszeit  zu  denken  und  dieselbe  mit  der  Gletscher- 
periode unserer  Breiten  zusammenzustellen.  Uebcrhaupt  wage 
ich  es  gar  nicht,  irgendwie  über  die  Zeit  dieser  Sinaigletscher 
etwas  zu  sagen.  Bedenken  wir,  dass  di(;  ganze  Gebirgskette 
von  Uranfang  an  Festland  w-ar,  nie  vom  Ocean  bedeckt,  so  kön- 
nen es  ebenso  gut  Gletscher  aus  der  Silurzeit  sein,  als  wie  aus 
der  Zeit  des  Jura  oder  des  Tertiärs. 

In  welchen  Höhen  in  früheren  Zeiten  der  Erdgeschichte  die 
Spitzen  des  Sinais  stunden  und  w'elchen  Niveauschwankungen 
das  Gebirge  schon  ausgesetzt  war,  dafür  fehlen  uns  die  Anhalts- 
punkte. Eine  jedenfalls  auf  allerlei  Schwankungen  hinweisende 
Thatsache  ist  schliesslich  die  eigenthümlich  verkehrte  Erosions- 
gestalt der  Wadis.  Steil  und  senkrecht  wie  Eine  Fclsenwand 
steht  das  Gebirge  vor  dem  Reisenden,  der  vom  rothen  Meere 
herkommt,  die  Mündung  der  tiefen  Thäler  versteckt  sich  in  einer 
Weise,  dass  man  erst  unmittelbar  davor  den  Eingang  bemerkt, 
als  enge  und  tiefe  Schlucht.  So  eng  als  das  Thal  der  Dreisam 
zwischen  dem  sog.  Himmelreich  und  Höllensteig  ist  die  Schlucht 
des  Wadi  Hebrän  bei  seiner  Mündung  zur  rothen  Meer-Wüste; 
je  weiter  man  ins  Innere  des  Gebirges  eindringt,  um  so  breiter 
und  weiter  wird  es,  ohne  dass  der  Grund  für  diese  Erscheinung 
etwa  in  der  Beschaffenheit  des  Gesteins,  das  hier  leichter  als 
dort  verwitterte,  gefunden  werden  könnte.     Dasselbe  Verhältuiss 


-    176    - 

zeigt  das  Feirän,  enge  Schluchten  bei  seinem  Ende,  weite  "Wadis 
in  seinen  Anfängen,  die  kaum  merklich  mit  andern  ebenso  flachen 
Wadis  zusammenhängen.  Könnte  von  Wasserscheiden  überhaupt 
in  den  wasserlosen  Bergen  die  Rede  sein,  so  würden  flache 
Wasserscheiden  flache  weite  Thäler  scheiden,  von  denen  die  nach 
Westen  verlaufenden  immer  enger  werdend  in  ihrem  Ausgang 
nur  schmale  Schluchten  bilden,  durch  die  unmöglicher  Weise  das 
im  oberen  Thallauf  erodirte  Material  seinen  Ausweg  gefunden 
haben  konnte.  Gegen  Osten  aber  werden  die  im  Centralstock 
schon  weiten  Wadis  immer  ausgebreiteter,  bis  sie  ins  ofi'ene  Land 
der  Wüste  übergehen.  Existirten  genauere  Karten  über  das 
sinaitische  Gebirge,  so  läge  diese  Erscheinung  klar  vor  Jeder- 
manns Auge,  dass  die  Neigung  der  Wadis  in  frühern  Zeiten  und 
ebendamit  der  alte  Wasserlauf  entschieden  anders  gewesen  sein 
musste.  Vor  der  Bildung  der  Rothenmeer-Spalte,  die  wegen  des 
Fehlens  von  Kreide  und  älterem  Tertiär  höchst  wahrscheinlich 
von  späterem  Datum  ist,  hing  wohl  der  Sinai  und  der  Mens  por- 
phyrites  über  das  rothe  Meer  hin  zusammen  und  entsendete  letz- 
teres Gebirge  gegen  Norden  und  Osten  hin  seine  Wasser,*)  die  im 
natürlichen  Laufe  in  dieser  Richtung  das  Werk  der  Erosion  voll- 
führten nnd  den  Sinaithälern  Formen  gaben,  welche  auch  später 
bei  verändertem  Niveau  sich  erhielten,  um  so  mehr,  als  die 
erodirende  Kraft  mit  dem  Wasser  allmählig  verschwand  und  seit 
einigen  Jahrtausenden  gewissermassen  auf  Null  reducirt  ist. 


*)  Hieran  reihen  sich  auch  die  neuesten  Beobachtungen  über  die 
Tische  des  Jordans  und  des  See's  Genezareth,  die  nach  Tristrams  Be- 
obachtungen (natur.  history  review  1865  pag.  541)  einen  egyptischen 
Charakter  an  sich  tragen  und  auf  einen  früheren  Zusammenhang  von 
Jordan  und  Nil  hinweisen. 


—     177     — 

Das  Gebii'g:e  zwistlien  dem  rothen  Meei*  und  dem  Nil. 

An  das  sinaitische  Gebirge  reilit  sich  das  auf  afrikanischem 
Boden  gelegene  Grundgebirge  zwischen  dem  rothen  Meer  und 
dem  Nil,  das  sich  vom  Mons  porphjTites  an  weit  gegen  Süden 
erstreckt  und  schliesslich  mit  den  Granit-  und  Syenitbergen  von 
Assuan  in  Verbindung  steht.  Aehnlich  wie  Schwarzwald  und 
Vogesen,  obgleich  durch  das  breite  Rheinthal  getrennt,  doch  auf 
einerlei  Bildungsweise  hindeuten ,  so  auch  die  crystallinischen 
Berge  im  Osten  und  Westen  des  rothen  Meers.  Die  Ueberein- 
stimmung  der  geologischen  Verhältnisse  am  Rhein  wie  am  rothen 
Meer  lässt  sich  namentlich  auch  in  Betreff  der  Auflagerung  des 
jüngeren  Gebirgs  verfolgen  :  Wie  im  Westen  der  Vogesen  und 
im  Osten  des  Schwarzwalds  die  Trias  nnd  der  Jura  an  das  alte 
crystallinische  Gebirge  sich  anlegt,  so  im  Osten  des  Sinais  wie 
im  Westen  der  Nilberge  beiderseits  obere  Kreide  und  älteres 
Tertiär.  In  der  Spalte  des  rothen  Meers  selber  liegt  nur  jüng- 
stes Gebirge,  die  Gebilde  von  Hadj  Elma  und  Beda,  von  welchen 
später  die  Rede  sein  wird,  dessgleichen  die  Schwefelberge  von 
Gimscheh  und  die  Petrolriffe  vom  Djebel  Zeit  (s.  unten).  Dunkle 
Porphyrite  und  schwärzliche  Diorite  brechen  hier  ebenso  schroff 
und  steil  am  Ufer  ab,  als  gegenüber  auf  der  Sinaiseite  am  Ras 
Nakus. 

Das  ganze  Land  zwischen  dem  rothen  Meer  und  dem  Nil  ist 
absolut  unbewohnt:  es  fehlt  der  Regen  fast  ganz  und  die  tertiären 
Gebilde,  die  sich  ans  alte  Gebirge  lagern,  sind  vielfach  gesalzen, 
so  dass  die  spärlichen  Quellen,  die  da  und  dort  zusammenrinnen, 
grossentheils  ungeniessbar  sind.  So  muss  Cosseir,  das  wegen 
der  Sudanpilger,  die  sich  von  hier  nach  Djedda  übersetzen  las- 
sen, einer  der  wichtigsten  Plätze  am  rothen  Meere  ist,  täglich 
eine  Karawane  ins  Gebirge  schicken,  um  seinen  Bedarf  an 
Trinkwasser  zu  befriedigen,  denn  das  Wasser  in  den  Brunnen 
der  Stadt  ist  mehr  oder  minder  brackisch. 

Der  Weg  von  Cosseir  an  den  Nil,  der  zu  Kameel  in  5  Tagen 
zurückgelegt  wird,  liefert  ein  instructives  Profil  über  die  in  der 
allergrössten  Regelmässigkeit  auf  einander  folgenden  Schichten. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.    2s  u.  38  Heft.  12 


178 


In  Ermanglung  einer  graphischen  Darstellung  schildern  sich  auch 
die  geologischen  Verhältnisse  des  Profils  wohl  am  besten,  wenn 
ich  geradezu  der  ötägigen  Wüsten-Route  *)  folge. 

(1.  Tag.)  Unter  mächtigen  Schuttmassen  von  30 — 40'  ver- 
stecken sich  Sande  mit  Gyps  und  Steinsalz.  Folgen  Gyps- 
schichten  im  "Wechsel  mit  Thonen,  die  wellig  gebogen  sich  zwi- 
schen die  Gypse  legen  und  schliesslich  blendend  weisser  Gyps- 
fels.  In  der  Thalsohle  sind  Diorite  und  Dioritporphyre  entblösst. 
Südlich  von  der  Kameeistrasse  mündet  nach  1  Stunde  das  Telia 
el  Geheni,  in  welchem  ein  prachtvolles  altes  CorallenriflF  an  das 


Hornblendeschiefer  und  Diorit,  Korallenriff, 

im  Telia  el  Oeheni  bei  Cosseir. 


Gyps,  Salz  u.  Sand 


hora  7  zerklüftete  Hornblendegebirge  anlagert.  Das  Grundgebirge 
besteht  vorzugsweise  aus  Hornblendeschiefer,  durch  Gänge 
von  G  a b  b  r  0 ,  D  i  o  r  i  t  und  D  i  o  r  i  t  p  o  r  p  h  y  r  durchsetzt.  Obgleich 
das  aufgelagerte  gelbweisse  Kalkgebirge  mit  seinen  zahlreichen, 
oft  1  Fuss  im  Durchmesser  haltenden  Feuersteinkugeln  und  mit 
seinem  bald  crystallinischen  bald  oolitischen  Korn  den  Eindruck 
irgend  eines  alten  Kalkgebirgs  aus  der  sccundären  Periode 
macht,  so  kennzeichnen  es  eine  Menge  Muscheln  und  Corallon, 
die  noch  im  rothen  Meer  leben,  als  Bildung  der  jüngsten  Zeit. 
2  Stunden  führt  der  Weg  hin  bis  zum  eigentlichen  Anfang  dos 
Gebirgs,  das  man  durch  ein  Thal  betritt,  welches  durch  unge- 
heure Dioritmassen  durchgebrochen  ist.  Erste  Quelle  mit  Bitter- 
wasser, voll  Melanie  fasciata  Ol.,  das  trotz  seines  widerlichen 
Geschmacks  von  den  Kameelen  getrunken  wird.     Herr  Dr.  Klun- 


*)  Auf  der  Reise  benutzte  ich  die  grosse  Karte  von  Lepsius,  die 
ich  vollkommen  zuverlässig  fand. 


—     179     — 

zinger  von  Cosseir  versicherte  mich,  dass  selbst  die  Beduinen, 
die  dort  vereinzelt  leben,  es  trinken,  unter  denen  aber  in 
Folge  dieses  Genusses  sehr  häufig  die  Krankheit  der  Nachtblind- 
heit auftrete.  Nach  3  Stunden  grosse  Kreuzung  zweier  Thäler 
mitten  im  Dioritgebirge :  an  und  über  denselben  ist  allenthalben 
das  Riff,  Kalke  mit  Feuersteinen,  Dolomite,  körniger  Marmor  in 
horizontalen  Schichten.  Unsere  Araber  nennen  das  Gebirge  jetzt 
Beda,  vorher  Ambaga.  Mit  4V'2  Stunden  Nachtlager  am  Fusse 
lichter  Sandsteinfelsen  im  "Wadi  Beda  bei  den  „Gräbern  der 
Engländer."     Kein  Wasser. 

(2.  Tag.)  In  frühstem  Morgen  das  weite  3 '/  2  Stunden  lange 
Bcdathal  mit  seinen  horizontal  geschichteten  Sandsteinen  und 
Kalkfelsen  durchritten.  Von  Fossilen  keine  Spur.  Das  Thal 
endet  (8  Stunden  von  Cosseir)  mit  einem  Engpass  von  Horn- 
blendegestein,  an  das  sich  die  Bedaschichten  anlagern.  Habe 
ich  recht  beobachtet,  so  ist  hier  die  Wasserscheide  zwischen  roth 
Meer  und  Nil  (so  man  Wasser  hätte),  denn  von  hier  beginnt 
ein  sehr  merkliches  Gefäll  ins  Wadi  Rossäfa.  Nach  einer  hal- 
ben Stunde  durchsetzt  ein  grosser,  schneeweisser  Quarzstock 
gangförmig  in  hora  1  das  dunkle  Hornblendcgestein,  welches 
nunmehr  als  das  einzig  bemerkbare  Gestein  5  Stunden  lang 
anhält.  14  Stunden  v.  C.  liegt  der  Bihr  Inglese,  eine  80'  tiefe 
Cisterne  mit  Steintreppe,  die  ein  gutgesinnter  Engländer  für  den 
dürstenden  Wanderer  hatte  anlegen  lassen.  Ringsum  steht  weit 
und  breit  nur  Hornblendeschiefer  an,  Glimmerschiefer  und  graue 
Gneise.  Einzelne  Gänge  von  Diorit  und  Porphyr  bilden  ma- 
lerische Zacken  und  Zinken  in  den  Bergen.  Allmählig  aber 
erweitert  sich  das  Thal  zum  breiten  Wadi,  die  Gebirgsformeu 
runden  sich,  die  spitzen  Zacken  zwischen  hinein  werden  seltner. 
Mit  IG  Stunden  steigt  man  bedeutend  bergan  und  steht  am  Fuss 
eines  Berges  von  grauen  Grauitmassen.  Ein  Pass  ist  bald  er- 
stiegen und  damit  eine  Höhe  erreicht,  die  4  Stunden  breit  ist. 
Das  Terrain  auf  dieser  Höhe  ist  sehr  coupirt,  Talk-  und  Chlorit- 
schiefer  abwechselnd  mit  grauen  und  rosenrothen  Graniten  bil- 
den bunte  Gruppen   und  in  ihrer  Verwitterung  allerlei  groteske 


—     180     — 

Formen,   Nachtlager  au  der  Bethinquelle,  die  hart  am  westlichen 
Abhang  der  Granithöhe  20  Stunden  von  Cosseir  liegt. 

(3.  Tag.)  Bethin  ist  die  schönste  Oase  zwischen  dem  Nil 
und  rothen  Meer;  die  Quelle  liegt  in  einem  tiefen  Schrunde  in 
schwarzem,  von  lichten  Quarzadern  durchzogenem  Hornblende- 
fels, der  vielfach  in  gleichfarbigen  Syenit  übergeht.  Obgleich 
nach  15  Minuten  Laufes  die  "Wasser  wieder  im  Sand  und  Schutt 
verrinnen,  haben  sie  doch  eine  so  reiche  und  üppige  Vegetation 
geschaffen,  dass  tausende  von  Vögeln  hier  "Wohnungen  und 
Brüteplätze  gefunden  haben.  Der  Weg  führt  wieder  durch 
ein  offenes  Thal,  dessen  Gehänge  aus  Granit  und  Gneis  bestehen 
von  braunrother  und  dunkelrother  Farbe  im  "Wechsel  mit  einem 
düsteren  Grau.  Mit  22  Stunden  wird  eine  grossartige  Kreuzung 
von  2  Thälern  erreicht,  in  welcher  Trümmer  von  alten  Bauten 
liegen,  die  Ruinen  einer  alten  egyptischen  Stadt  Farauchi.  Die 
Felsen  werden  immer  dunkler  und  eigenthümlich  lagerhaft.  Mit 
23  Stunden  sind  wir  im  Hamamat  mit  seinem  prachtvollen  Sar- 
kophagengestein, mitten  in  den  altegyptischen  Steinbrüchen,  in 
deren  "Wände  wohlerhaltene  Inschriften  und  Ramsesfiguren  ein- 
gemeisselt  sind.  In  massigen  Lagern,  hora  G  nahezu  auf  dem 
Kopfe  stehend,  gehen  die  Felsen  zu  Tage,  die  man  Melaphyr- 
diorit  oder  Porphyr  zu  nennen  berechtigt  ist,  je  nachdem  sich 
Kern  oder  Masse  in  den  verschiedenen  Lagen  etwas  ändert. 
Riesige  Löcher  sind  in  den  Berg  gebrochen,  aus  dem  hier  das 
Material  geholt  wurde  für  die  bewundernswürdigen  Arbeiten  der 
Sarkophage  *)  und  Sphynxe ,  die  in  der  8  Tagereisen  entfernten 
Königsstadt  Theben  ebenso  wie  in  dem  90  Meilen  weiter  ent- 
fernten Memphis  und  Saqara  ihre  hauptsächlichste  Verwendung 
gefunden  haben. 

Dass  diese  Melaphyre  und  Porphyre  in  Lagern  abgesetzt 
sind,  ist  eine  unwiderlegliche  Thatsache.  An  einem  20'  hohen 
imd  über   30'  langen   und  breiten  Monolith,  der  schon  aus  dem 


*)  Reisehandbücher  oder  archäologische  "Werke  nennen  den  Stein 
vielfach  Basalt,  was  jedoch  petrographisch  ebenso  als  geognostisch  un- 
statthaft ist. 


—     181     — 

Steinbruch  herausgeschafft,  aber  nicht  weiter  transportirt  ist,  be- 
obachtet man  eckige  Bruchstücke  von  Hornstein,  die  in  horizon- 
talen Lagern  bandförmig  in  die  dunkelgrüne  Grundraasse  des 
Porphyrs  eingebacken  sind.  In  der  21.  Stunde  erweitert  sich 
das  interessante,  seit  4  Jahrtausenden  verlassene  Ilamamät,  jetzt 
die  vollendetste  "Wüste  und  sieht  man  die  Porphyre  aus  der 
Ferne  schon  von  horizontalen  lichtgclben  Schichten  bedeckt. 
Mit  der  25.  Stunde  tritt  man  diesen  Schichten  so  nahe,  dass  man 
den  Porphyr  in  grobes  Quarzconglomerat  übergehen  sieht,    das 


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Hornsteinporphyr   mit  auflagerndem  Sand-  und  Mergelgebirge 
am  Ende  des  Thaies  Hamamät. 


sich  zum  groben  Sandstein  gestaltet  und  nach  einem  Wechsel  mit 
farbigen  Mergeln  in  feinkörnigen  Sandstein  übergeht.  26,  Stunde: 
man  meint  in  einem  Keupergebirge  sich  zu  befinden :  das  Liegende, 
das  überall  noch  heraussticht,  ist  ein  violetter  Porphyr  mit  Horn- 
steingeschieben,  folgen  Geschiebe  von  Quarz  und  Hornstein,  deut- 
lich durch  das  Meer  geschoben  und  gerundet  und  durch  Sand- 
mergel gekittet,  hierauf  wechseln  mit  einander  Sandsteine  und 
bunte  Mergel  ab,  letztere  gelb,  grün  violett  und  ziegelroth, 
offenbar  das  Ganze  ein  Yerwitterungsproduct  der  liegenden  Por- 
phyre. Allmählich  betritt  man  (27.  Stunde)  das  Gebiet  des  Sand- 
steins, der  auf  den  äussern  Anblick  dem  sächsischen  Quader- 
sandstein viel  gleicht,  aber  ebenso  gut  auch  dem  Sandstein  von 
St.  Ouen  oder  Fontaineblau.  30.  Stunde:  Nachtlager  in  einer 
Sandsteinbucht  des  Djebel  Abu  Goueh. 

(4.  Tag.)     Der   Sandstein    beherrscht  meilenweit    die  ganze 


—     182    — 

Gegend.  Hier  lagen  alle  die  alten  Steinbrüche,  aus  denen  vor 
4 — 5  Jahrtausenden  das  Material  zum  Bau  der  Tempel  von  Karnak, 
Luqsor,  Medinet  Habu  und  der  alten  lOOthorigen  Königsstadt 
geholt  worden  ist.  Bis  zur  34.  Stunde  passirt  man  die  übrigens 
sanften  Pässe  des  Gebirgs,  das  sich  jetzt  allmählich  verflacht 
und  in  die  Ebene  Neschraschi  übergeht.  Statt  des  Sandsteins 
haben  wir  Sandmergel  und  Thone.  Am  Westende  der  grossen 
Ebene,  auf  welcher  wir  über  eine  Stunde  lang  das  Schauspiel 
einer  Fata  Morgana  hatten,  die  uns  das  Trugbild  eines  klaren 
mit  Bäumen  besetzten  Sees  vorspiegelte,  liegt  die  Station  Le- 
qita  oder  Laqeta,  die  mit  38  Stunden  erreicht  ist.  In  dem  Sand- 
mergel sind  Löcher  gegraben  von  3 — 6'  Tiefe,  welche  ein  frisches 
und  süsses  Wasser  liefern.  Ibrahim  Pascha  Hess  neben  den 
Quellen  ein  Kuppelgewölbe  zur  Aufnahme  der  Karawanen  erbauen. 
Gleich  in  der  Nähe  (38^2)  wäre  es  schon  nicht  mehr  möglich, 
süsses  Wasser  zu  bekommen,  die  Mergel  werden  ockergelb  und 
gesalzen.  Auf  eine  weite  Strecke  im  Umkreis  ist  der  Boden  auf 
1 — 2'  Tiefe  von  den  Nilanwohnern  auf  Salz  umgewühlt,  das  als 
eine  Art  Fasersalz  in  zölligen  Schnüren  die  gelben  Thonmergel 
durchsetzt.  Von  der  Salzebene  aus  fällt  das  Terrain  sanft  gegen 
Westen  und  sieht  man  aus  der  Ferne  die  Kalkberge  des  Nils, 
so  etwa  wie  von  den  Fildern  aus  die  schwäbische  Alb  vor  dem 
Auge  liegt,  mit  noch  ausgesprochenerem  Terrassenbau  und  mit 
Horizontalen,  die  so  weit  das  Auge  reicht,  wie  mit  dem  Lineal 
gezogen  sind.  Mit  41  ^/a  hört  das  Thon-  und  Mergelgebirge  auf 
imd  ist  man  auf  Kalkboden.  Bei  43  Nachtlager  mitten  in  der 
Kalkwüste  ohne  Wasser. 

(5.  Tag.)  Das  Kalkgebirge  wird  nicht  mehr  verlassen. 
Bei  Stunde  46  zahlreiche  Feuersteine,  die  vielfach  mit  schaligem 
Bruch  ausgesprungen  sind.  Es  war  in  der  Frühe  kurz  nach 
Sonnenaufgang,  als  die  Sonne  anfing  ihren  Jjinfluss  auf  den 
Boden  geltend  zu  machen,  dass  ich  an  einem  hart  vor  meinen 
Füssen  liegenden  Feuerstein,  (den  ich  natürlich  aufbewahre)  eine 
halbzöllige  kreisrunde  Schale  ausspringen  sah  und  einen  ent- 
sprechenden Ton  dabei  hörte.  Früher  schon  in  der  Sueswüste 
und  später  am  Nil   sah   ich  hundertmal  Feuersteine  liegen  mit 


—     183     — 

solchen  glatt  und  rund  ausgesprungonen  Schalen  und  überzeugte 
mich  mit  eigenen  Ohren  und  Augen,  dass  die  Sonne  allein  hie- 
zu*)  Veranlassung  gab.  Die  Sonne  zeigte  Morgens  10  Uhr 
schon  26  Grad  Reaum.;  wie  der  Thermometer  in  der  Nacht 
stund,  hatte  ich  zufällig  nicht  beobachtet,  aber  trotz  Mantel 
und  Decken  emi)fiudlich  gefroren.  In  der  47,  Stunde  sah  man 
in  weiter  Ferne  das  grüne  Nilthal,  ein  wunderbarer  Anblick  des 
schmalen  saftiggrünen  Streifens  mitten  durch  den  blendendweissen 
bis  gelbgraucn  Kalkboden:  den  Strom  selbst  sah  man  nicht, 
aber  2  Segel  kündeten  den  Strich  an,  den  der  Nil  durch  das 
grüne  Feld  zog.  49  Stunden  von  Cosseir  weg  trat  unser  Fuss 
über  den  ersten  Wassergraben  uud  soffen  sich  die  Kameele 
wieder  voll,  die  von  der  Bitterquelle  im  Ambaga  an  innerhalb 
5  Tagen  nur  2mal  an  der  Bethinquelle  und  zu  Leqita  Wasser 
erhalten  hatten. 

Die  Frage  über  das  Alter  der  Sandsteine  von  Abu  Goueh 
—  in  den  Handbüchern  gewöhnlich  der  nubische  Sandstein  ge- 
nannt —  lasse  ich  offen.  Trotz  eifrigsten  Forschens  fand  ich 
ausser  einigen  Cardien,  die  ein  tertiäres  Aussehen  haben,  auch 
keine  Spur.  Die  Fossile  aus  dem  Kalk  beschränken  sich  auf 
Eine  sehr  häufige  Muschelart,  die  ich  am  Asasifberg  bei  Theben 
zu  Dutzenden  fand,  und  auf  einzelne  fest  mit  Kalkstein  ver- 
wachsene Austern.  Letztere  eignen  sich  an  sich  nicht  zur 
Altersbestimmung  eines  Gebirgs  und  erstere  kann  als  Steinkern 
einer  bis  zu  2  und  2 '2  Zoll  grossen  Corbula  oder  Lucina  ge- 
deutet werden.  Im  Uebrigen  wäre  ich  geneigter,  beide  Glieder, 
die  des  Sandsteins  wie  des  Kalkes  für  tertiär  anzusehen,  als  für 
Kreide.  Von  älteren  Formationen  glaube  ich  kann  kaum  die  Rede 
sein,  obgleich  der  eine  und  andere  Reisende  von  Trias  gesprochen  hat. 


*)  Am  "Weßtufer  des  Nyassa  maclite  Livingstono  eine  ähnliche  Er- 
fahrung. Er  bezeichnet  zwar  die  Steine  nicht  näher,  hörte  aber  näclit- 
licher  Weile  das  Zerspringen  derselben,  wenn  sie  während  des  Tages 
gehörig  von  der  Sonne  erhitzt  waren.  Auch  Dr.  Wetzstein  schreibt 
der  Sonne  eine  beachtenswerthe  destructive  Wirkung  zu,  seit  er  öst- 
lich Damascus  die  erhitzten  Basalte  bei  der  Abkühlung  in  der  Morgen- 
früh  zerspringen  sah  und  hörte. 


—     184    — 

IL  Das  Kreidegebirge  Palästinas. 

Aus  dem  Gebirge  Juda. 

Wenn  wir  in  der  Heimat  einen  geologischen  Punct  nur 
einmal  sehen  und  später  etwa  dessen  Wichtigkeit  für  das  System 
erkennen,  so  wird  er  zum  zweiten  oder  dritten  Mal  besucht,  je- 
desmal wieder  etwas  Neues  an  ihm  gefunden  und  früher  gefasste 
Anschauungen  hienach  modificirt.  Ganz  anders  im  fremden,  un- 
bekannten Lande,  das  keine  richtige  Karte*)  hat,  und  dazu  in 
einem  Lande,  wo  eine  meist  feindselige  Bevölkerung  wohnt,  die 
jeden  Eeisenden  mit  Misstrauen  beobachtet  und  mit  doppeltem 
Misstrauen  den  controlirt,  der  auf  ihrem  Grunde  Steine  klopft, 
einen  Compass  führt  und  Notizen  zu  Papier  bringt!  Die  Auf- 
nahmen können  nur  höchst  oberflächlich  und  flüchtig  sein  und 
dürfen  sich  nur  einen  engen  Rahmen  stecken,  wenn  sie  einigen 
Werth  haben  sollen. 

Der  Hauptgrund,  Palästina  zu  sehen,  war  mir  die  Entschei- 
dung der  Frage,  mit  welchen  Juragliedern  wir  es  hier  zu  thun 
haben,  denn  dass  in  Palästina  die  Juraformation  die  Hauptgruppe 
der  Gebirge  bilde,  war  mir  nach  Allem,  was  ich  an  Literatur 
kannte,  eine  ausgemachte  Sache.  Hatten  doch  ausser  Russegger 
auch  die  nordamerikanischen  Expeditionen,  denen  wir  die  mei- 
sten neueren  und  schätzenswerthesten  Beobachtungen  verdanken, 
das  Vorhandensein  von  Jura  angenommen  und  war  in  keiner 
mir  bekannten  Publicatiou  irgend  etwas  Gegentheiliges  zu  lesen. 


*)  Auch  die  beste  Karte  von  Paliistina,  die  existirt,  die  von  Van 
der  Velde:  Map  of  tho  boly  land,  Gotha,  Justus  Perthes,  1858,  ist  im 
Einzelnen  falsch  und  für  geognostischo  Darstellung,  die  ein  richtiges 
Terrain  voraussetzt,  unbrauchbar.  Ich  bin  natürlich  weit  entfernt,  dem 
Herrn  Verf.  damit  auci»  nur  den  geringsten  Vorwurf  zu  machen.  Wer 
ein  Terrain  nur  u  la  vuo  construiren  niuss,  wobei  er  nur  auf  das  Au- 
genmass  angewiesen  ist  und  oft  auf  stundenweite  Entfernungen  liin  ein- 
facli  nur  schätzen  kann,  von  dem  kann  man  unmöglich  richtige  Resul- 
tate verlangen. 


—     185     — 

Schubert,  dem  die  Altraühl  und  der  fränkische  Jura  seine  theure 
Heimat  war,  glaubte  zuerst,  als  er  vom  Catharincnkloster  her 
über  Hebron  das  heilige  Land  betrat,  iu  den  dichten  Kalkfelsen 
und  ihrer  einförmigen  Oede,  in  der  Menge  Grotten  und  Höhlen, 
welche  die  Felsen  führen,  die  Formation  des  Jura  zu  erkennen, 
die  kurz  vorher  Leopold  v.  Buch  (Der  Jura  Deutschlands  183G), 
erstmals  in  ihren  allgemeinen  Zügen  dargestellt  hatte.  Schubert 
schloss  nur  aus  der  oberflächlicheu  Aehnlichkeit  der  Gesteine 
und  der  Gebirgsformen,  ohne  dass  die  freilich  nur  in  geringer 
Anzahl  gefundenen  Fossile  ihm  einen  Anhaltspunkt  zur  Begrün- 
dung seines  Urtheils  gegeben  hätten.  Auf  das  äussere  Aussehen 
und  einige,  wie  es  sich  jetzt  herausstellt,  unrichtig  bestimmte 
Muscheln  hin  spricht  auch  liuss  egg  er  von  Jura  in  Palästina: 
„Derselbe  bildet  in  grosser  Einförmigkeit  *)  das  ganze  Terrain, 
nur  die  Kuppen  einiger  Berge,  z.  B.  desjenigen,  worauf  Bethle- 
hem steht,  des  Oelbcrgs  bei  Jerusalem  u.  m.  a.  haben  hauben- 
förmige  Auflagerungen  von  weisser,  feuersteinreicher  Kreide. 
Mit  dem  Jurakalke  treten  sehr  häufig  mächtige  Massen  Dolomit 
auf,  der  besonders  das  Gestein  der  zahllosen  Höhlen  und  Grot- 
ten bildet.  Er  hat  ein  körniges  Gefüge,  crystallinische  Structur, 
röthlichbraune  Färbung  und  ist  versteinerungslos  und  durch  seine 
eingewachsenen  Bitterspatcrystalle  kenntlich.  Im  Nordosten  und 
Osten",  fährt  Russegger  fort,  „werden  die  Straten  des  Jura 
eisenschüssig  und  zeigen  die  Schichtenlagen  wellenförmige  Bie- 
gungen in  den  mannigfaltigsten  Richtungen;  sie  liegen  am  tod- 
ten  Meer  auf  einem  dunkelgrauen,  cidaritenreichen  **)  Kalkstein 
und  dürfen  als  die  untere,  der  dolomitreiche  Kalk  von  Jerusalem 
als  obere  Juragruppe  angesehen  werden.  Obere  weisse  Kreide 
bildet  darüber  ihre  Ablagerung,  bedeckt  aber  auch  in  den  tiefer 
liegenden  Punkten  den  Jura".  AVenn  endlich  auch  im  Jordan- 
thale    die   weisse  Kreide  nicht  nur  auf  den  Höhen,   sondern  im 


*)    Russegger,  Reisen.     Stuttgart  1847.     pag.  247. 
"♦)    Von   Cidariten    fanden    übrigens   am  todten  Meere  weder    die 
HH.  Lynch,  Anderson,   Dr.  Roth,   L.  Lartet  noch  ich  trotz  aufmerk- 
samer Beobachtung  eine  Spur. 


—     186     — 

Thale  selber  Hügelzüge  formirt,  so  sieht  Russegger  darin  Merk- 
male vulcanischer  Einwirkungen  auf  die  Gestaltung  des  Terrains. 

Wer  nur  irgend  mit  den  Schichten  des  Jura  und  der  Kreide 
vertraut  ist,  fühlt  aus  dieser  Beschreibung  eine  gewisse  Unsicher- 
heit heraus  und  der  hochverdiente  Reisende  gesteht  selbst,  man 
wisse  eigentlich  nicht,  mit  was  für  Gliedern  der  genannten  For- 
mationsreihe man  es  zu  thun  habe  (I,  763).  Es  sei  die  Bestim- 
mung des  geognostischen  Horizontes  um  so  schwieriger,  je  näher 
sich  beide  Formationen  stehen,  was  gerade  bei  Jura  und  Kreide 
der  Fall  sein  dürfe,  und  es  wäre  schwer,  mit  Bestimmtheit  an- 
zugeben, hier  höre  Jura  auf  und  fange  die  älteste  Kreide  an. 
Es  meint  Russegger,  zwischen  beiden  Gruppen  herrsche  ein  in- 
niger Uebergang  und  zur  Entscheidung  der  Frage  können  nur 
die  organischen  Reste  ais  Führer  dienen,  die  aber  leider  nur 
Steinkerne  seien,  und  schliesst  damit:  „ich  will  durchaus  nicht 
behaupten,  dass  eine  Schichte  jenes  Kalksteins,  die  wir  heute 
wegen  einer  Gryphaea  lirgula  oder  cymhiwn  für  Jura  ansehen, 
nicht  morgen  aus  vielen  andern  Gründen  für  Kreide  erklärt 
werde." 

Bei  dieser  Unsicherheit  der  Angaben  hätte  man  von  den  ame- 
rikanischen Untersuchungen,  die  sich  um  die  Topographie 
des  Landes  so  ausserordentliche  Verdienste  erworben  haben,  eine 
gründlichere  Kritik  erwarten  sollen.  Allein  Geologen,  die  ihre 
Kenntnisse  über  eine  Formation  nur  aus  Büchern  schöpfen  müs- 
sen und  nicht  aus  eigener  *)  Anschauung  eine  Formation  ken- 
nen, wird  es  ausserordentlich  schwer  fallen,  ein  richtiges  Urtheil 
über  den  fraglichen  Gegenstand  zu  bilden.  So  finden  wir  denn 
auch  in  dem  Of'ficiel  Report  of  the  U.  S.  Expedition  to  the 
dead  Sea  in  gutem  Glauben  die  indessen  von  allen  Roisenden 
getheilte  Ansicht  als  richtig  vorausgesetzt,  dass  man  Jura  in  Pa- 
lästina vor  sich  habe.     Freilich  fühlt  man  auch  dieser  Beschrei- 


*)  In  den  Vercmigtcn  Staaten  Nordamcrika's  fclilt  bekanntlich  der 
Jura  bis  auf  wenige  von  unserem  Freunde  Jules  Marcou  entdeckte 
Spuren ,  die  aber  eret  unter  dem  105,  Grad  wostl.  Länge  von  Paris 
und  zwischen  dem  30.  und  40.  Grad  nördl.  Breite  sich  vorfinden  und 
die  grosse  amerikanische  Wüste  bilden  (Petermann,  Juli  1855). 


—     187     — 

bung  die  Unsicherheit  allenthalben  an :  der  Verf.  des  of fidel  re- 
port  weiss  sich  aus  seiner  Verlegenheit,  einige  ächte  Kreide- 
fossile,  die  er  richtig  bestimmt  hat,  mit  sogenannten  jurassischen 
zusammenzufinden,  nicht  anders  zu  helfen,  als  dass  er  zu  der 
verzweifelten  Hypothese  greift,  das  jurassische  Oceanbette  wäre 
in  wiederholte  Schwankungen  gcrathen,  habe  sich  gehoben  und 
später  wieder  unter  das  Niveau  des  Kreidemeers  gesenkt,  wo 
schliesslich  auf  dem  Grunde  der  weiten  See  die  schon  fossilen 
Beste  des  Jura  sich  mit  den  noch  lebenden  Resten  der  Kreide 
gemengt  haben.  Den  Beweis  findet  Verf.  in  den  Exogyren  (K^reide), 
die  auf  den  zahlreichen  jurassischen  Steinkernen  (casts)  aufsitzen. 
Nach  Allem,  was  im  Herbste  1864  bekannt  war,  gab's  dem- 
nach für  einen  Jura-Geologen  in  Palästina  genug  zu  thun  und 
stellte  ich  mir  die  Aufgabe ,  als  ich  zu  Anfang  des  Februars 
1865  meinen  Fuss  auf  „heiliges  Land"  setzte,  den  geognostischen 
Horizont  festzustellen,  innerhalb  dessen  sich  die  Juraschichten 
Palästina's  bewegten.  Einem  im  „Paradiesland  des  Jura's",  wie 
Quenstedt  die  schwäbische  Alb  nennt,  geborenen  und  alt  gewor- 
denen Jura-Geognosten  sollte  es  doch  nicht  so  schwer  fallen, 
auf  einigen  gründlichen  Excursionen  und  einer  aufmerksamen 
Streife  durch  das  Wunderland  sich  in  seinen  gewohnten  Schichten 
zu  Orientiren. 

Geognostisches  Profil  von  Jaffa  zum  Ras  el  Feskah  am 
todten  öleer  über  Jerusalem. 

Ein  Querprofil  durch  das  Gebirge  Juda  vom  Mittelmeer  zum 


todten  Meer    theilt    sich  auf  natürliche   Weise   in   drei  Theile: 


—     188    — 

1)  in   der  Ebene    von  Jaflfa    bis    zum    Gebirge   (Thal    Ajalon), 

2)  von  Ajalon  bis  Jerusalem  oder  den  westlichen  Abfall,  3)  von 
Jerusalem  zum  todten  Meer  oder  den  östlichen  Abfall.  Die 
Wasserscheide  zwischen  dem  Mittelmeer  und  der  Jordanspalte 
zieht  im  Westen  der  Stadt,  10  Minuten  vom  Jaffathor  entfernt 
durch  das  Gebirge,  so  dass  die  Stadt  selbst  schon  zum  östlichen 
Abfall  gehört. 

I.     Die  Linie  Jaffa-Ajalon  oder  die  Ebene  Saron. 

Eine  der  grössten  Calamitäten  für  Syrien  ist  der  Mangel 
an  einem  Hafen.  Seit  urältesten  Zeiten  existirt  dieser  Uebel- 
stand  und  wird  wohl  auch  sobald  nicht  gehoben  werden,  wenig- 
stens nicht  unter  türkischem  Regiment.  Die  ganze  Küste  von 
Gaza  bis  zum  Carmel  bildet  Eine  gerade  Linie,  ohne  irgend  eine 
Bucht  oder  Vorsprung,  und  das  Ufer  ist  ein  flaches,  durch  Alluvion 
gebildetes  Land,  das  sich  nur  an  wenigen  Punkten,  wie  gerade  zu 
Jaffa,  lOOFuss  über  den  Spiegel  des  Meeres  erhebt  und  in  ebenso 
flachem  Grunde  in  das  Meer  verläuft.  Daher  die  europäischen  Schiffe 
sich  ungefähr  V^  Seemeile  vom  Ufer  fern  zu  halten  haben,  wenn  sie 
vor  Jaffa  den  Anker  auswerfen,  bei  unruhiger  See  aber  überhaupt 
nicht  anzuhalten  im  Stande  sind,  bis  der  Hafen  von  Beirut  Sicherheit 
gewährt.  Dass  diese  Küstenverhältnisse  mit  dem  geologischen  Bau 
zusammenhängen,  wird  Jedermann  klar  sein :  nirgends  tritt  Schich- 
tengebirge zu  Tage,  vielmehr  besteht  die  ganze  Ebene  vom  Gebirge 
an  bis  ins  Meer  aus  Schwemmland,  einem  röthlichen  Sand,  der 
stellenweise  wie  gerade  zu  Jaffa  zu  einem  harten  marinen  Muschel- 
sandstein cementirt  ist.  Die  Nachen,  auf  welchen  der  Reisende 
vom  Dampfer  ans  Land  schwankt,  müssen  durch  10  Fuss  hoch 
aus  dem  Wasser  ragende  Klippen  dieses  jungen  Meersandsteins 
hindurchschlüpfen  oder  gleiten  über  dem  Felsengrund  hin,  der 
mit  der  Ruderstange  erreicht  wird.  Mir  ist  unfasslich,  dass  je- 
mals an  demselben  Orte,  wo  jetzt  vor  Jaffa  gelandet  wird, 
jener  altberühmto  Hafen  sollte  bestanden  haben,  der  die  uralte 
Stadt  der  Pliönizier  zum  berühmten  Seeplatz  gestaltete,  zur  „drit- 
ten Stadt  nach  dem  Sündfluss,  der  zu  ^'^oe  Zeit  war."     Van  der 


—     189     — 

Velde  meint  zwar,  der  Hafen  von  Jaffa  sei  nur  durch  Verwahr- 
losung unter  türkischem  Scepter  geworden,  was  er  nun  ist,  ein 
versandetes  und  verschüttetes  Becken,  von  scharfen  Klippen  und 
Felsen  umschlossen,  welche  die  Einfahrt  selbst  Booten  gefährlich 
machen  und  welches  viel  zu  klein  ist,  um  grössere  Fahrzeuge 
als  arabische  Küstenschiffchen  aufzunehmen.  Ich  kann  den 
natürlichen  Klippen  nach  zu  urtheilen,  welche  gerade  am  jetzi- 
gen Landungsplatz  (denn  von  Hafen  ist  ja  gar  keine  Rede) 
das  Meer  gefährlich  macheu,  nicht  glauben,  dass  diese  Verhält- 
nisse je  seit  Menschenleben  wären  anders  gewesen.  Von  irgend 
einem  Schutze  gegen  das  offene  Meer  konnte  an  diesem  Orte, 
der  eigentlich  eine  Landspitze  der  syrischen  Küste  ist,  zu  keiner 
Zeit  die  Rede  gewesen  sein,  und  hätte  man  jedenfalls  vor  allem 
Andern  die  über  das  Wasser  ragenden  Klippen  entfernt,  welche 
jedem  Passagier  das  Landen  eigentlich  lebensgefährlich  machen. 
Nie  hätte  man  hier  das  Cedernholz  vom  Libanon,  das  (2  Chron. 
2,  16)  Salomo  nach  Japho  flössen  liess,  ans  Land  gebracht  oder 
hätten  die  Handelsflotten  von  Tartessus,  „die  man  von  der  Jaffa- 
Warte  aus  begrüsste",  hier  einen  Bergeplatz  gefunden,  um  ihre 
Schiffe  zu  lichten.  Cipheus  soll  Jaffa  gestiftet  haben,  seiner  Ge- 
mahlin Jope  zu  Ehren,  die  Aeolus  Tochter  war ;  an  den  Klippen 
von  Joppe  war  Andromeda  angeschmiedet,  die  von  Perseus  be- 
freit wurde.  Erzählt  doch  selbst  Plinius  noch  von  dem  Unge- 
heuer, das  ihr  Leben  bedrohte,  dessen  Rippe  41  Fuss  lang,  (ein 
gestrandeter  Wal?)  von  Joppe  nach  Rom  gebracht  wurde.  Jo- 
sephus  noch  preist  Hafen  und  Stadt,  die  beide  aber  seit  Römer- 
zeiten (da  Cäsarea  der  Haupthafen  für  Syrien  wurde)  vernach- 
lässigt vmrden.  —  Diese  ganze  uralte  Geschichte,  die  Jaffa  hat, 
weist  darauf  hin,  was  dem  aufmerksamen  Beobachter  der  dor- 
tigen Umgebung  nicht  entgehen  wird,  dass  diese  Veränderungen 
durch  langsame  Hebung  der  Küste  *)  vor  sich  gingen.  Der  alte 
Hafen  ist  zweifelsohne  im  Norden  der  Stadt  und  des  Landvor- 
sprungs  zu   suchen,   wo   die   berühmten   herrlichen   Gärten  und 


*)  Vergleiche  auch  den  Abschj;itt  über  Alexandria. 


—     190    — 

weiterhin  die  Sümpfe  *)  sich  befinden.  Gegen  den  prachtvollen 
Strom  Audjeh  hin,  wo  alte  Erdarbeiten,  freilich  längst  verfallen, 
überall  noch  sichtbar  sind,  concentrirte  sich  das  alte  Leben,  das 
jetzt  mit  der  Trockenlegung  der  Küste  in  Folge  der  secularen 
Hebung  und  andrerseits  der  Versumpfung  eine  ganz  andere 
Physiognomie  erhalten  hat.  Die  Ebene  um  Jaffa  ist  Ein  Gar- 
ten, ein  Dickicht  köstlicher  Bäume,  Sti-äucher  und  Opuntien, 
das  Jeden  überrascht,  doppelt  den,  der  von  der  egyptischen  Wüste 
her  den  Weg  machte,  wie  ich.  Anfangs  Februar  blühende 
Mandelbäume ,  Pfirsiche  und  Aprikosen  zwischen  dem  fetten 
Grün  der  Pomeranzen  und  Limonen,  deren  Aeste  unter  der 
Last  der  goldenen  Riesenfrüchte  fast  brechen.  Apfel-  und  Birn- 
bäume freilich,  die  man  in  den  letzten  Jahren  zu  cultiviren 
bemüht  war,  bleiben  krank  und  sind  mit  Flechten  über- 
deckt, lieber  den  10  Fuss  hohen  undurchdringlichen  und  un- 
übersteiglichen  Opuntienhecken  ragen  alte  prachtvolle  Sykomoren 
und  der  Boden  ist  mit  blühenden  Kräutern  überzogen. 

Was  dem  Geognosten  zuerst  auffällt,  ist  der  Mangel  an 
allem  und  jeglichem  Humus.  Der  Boden  ist  durchweg  ein 
röthlicher  Sand,  Quarzsand,  wie  das  Meer  ihn  schiebt  mit  röth- 
lichem  Thon  von  der  Farbe  der  Bohnerzthone.  Nichts  setzte 
mich  in  den  Gärten  um  Jaffa,  wohin  mich  Herr  Metzler  von  dort 
freundlichst  geleitete,  mehr  in  Erstaunen,  als  das  üppige  Wachs- 
thum  der  Bäume  in  diesem  Sand,  darin  jede  Spur  von  dunkelm 
humösen  Boden  fehlt.  Es  ist  dies  nur  mit  dem  Wüstensand 
des  Isthmus  zu  vergleichen,  wo,  sobald  Nilwasser  den  Sand  be- 
feuchtet, alsbald  die  üppigste  Vegetation  erspriesst  und  gleich- 
falls weit  und  breit  von  Humus  keine  Spur  sich  findet.  Dieser 
rothe  Sandboden  deckt  eine  Tagereise  lang  die  Ebene  Saron  bis 
Latrün,  Yalo  oder  zu  den  Quellen  des  Audjeh,  kurz  bis  das 
geschichtete  Gebirge  beginnt.  Ueber  die  grüne  Ebene  reitend, 
die   übersäet   ist  mit  Millionen  Blumen,   vermeinte  ich  auf  den 


*)  Hierüber  schreibt  C.  Schick  dd.  4.  Juni  186G:  In  der  Um- 
gegend von  Jaüa  fand  ich  mchroro  Sümpfe,  einen,  der  über  1  Stunde 
lang  und  '/-*  Stunde  breit  ist.  In  alter  Zeit  war  er  trocken,  aber  die 
Abzugscanülo  sind  verschlanimt  und  verschüttet. 


-    191    - 

grünen  Matten  Oberschwabens  in  der  Nähe  des  Bodensees  mich 
zu  befinden,  vor  uns  das  Gebirge  Juda,  wie  etwa  die  Gehänge 
des  Appenzeller  Landes  über  die  Fläche  der  Seegegend  sich  er- 
heben. Der  Weg  führt  über  die  grünen  Matten,  wie  unsere 
Fusswege  über  die  Rasen  der  schwäbischen  Alb,  die  bald  aus- 
einandergehen, bald  wieder  zusammenführen.  Jeder  Tritt  im 
röthliohen  Sand  bis  über  Ramleh  hinaus,  das  zu  deutsch  auch 
„Sand"  heisst.  1  Meile  nördlich  Jaffa  mündet  der  Audjeh,*) 
wie  alle  "Wasser  Judäas,  die  zum  Mittclmeer  führen,  reiner  Küsten- 
fluss,  d.  h.  im  Schwemmland  der  Küste  entspringend  und  rein 
nur  durch  Schwemmland  zum  Meere  fliessend.  Nach  der  Karte 
hätte  ich  sollen  meiner  geraden  Linie  folgend  über  verschiedene 
Wasser  kommen,  ich  sah  aber  trotz  der  Jahreszeit  nur  trockene 
Rinnsale,  dagegen  zeugen  die  zahllosen  Bäume  von  der  Küste  bis 
zum  Gebirge  von  einem  allgemein  vorhandenen  Grundwasser,  Diese 
Grundwasser  im  Schwemmland,  sowie  die  kurzen  Küstenströme,  wie 
der  Audjeh,  erinnern  ganz  an  den  Südrand  der  Alb  zur  ober- 
schwäbischen Ebene,  an  die  Kiesebenen  mit  ihrem  gemeinsamen 
Wasserspiegel,  an  Flüsse,  wie  Nau  oder  Blau,  die  als  Quellen- 
sammlcr  die  Wasser  entsenden,  die  auf  dem  Kalkgebirge  nieder- 
fallen und  erst  in  der  Ebene  zum  Ausfluss  kommen,  wo  Thone 
und  Sande  die  Wasser  halten. 

Mit  dem  embryonalen  Pflug,  vor  dem  2  magere  Kühe  an- 
gespannt sind  und  einem  Spiess  in  der  Hand,  statt  der  Peitsche, 
durchfurcht  der  Bauer  den  rothbraunen  Boden,  um  sein  Sommer- 
feld zu  bestellen.  Das  Terrain  erhebt  sich  unmerklich,  Hügel 
schieben  sich  vor:  statt  des  Sandes,  der  bis  el  Kubäb  anhält, 
kommen  jetzt  Geschiebe  imd  Steine  aus  den  Bergen  und  ein 
in  Schwaben  wohlbekanntes  Stoingebäckc,  Geschiebe  und  Schutt 
naher  Berge,  das  durch  kalkhaltige  Wasser  zu  einem  Conglome- 


*)  Der  Lauf  des  Audjeh  ist  nur  4  Stunden  lang.  Er  entspringt 
zu  Ras  el  Ain  in  einem  Sumpfe,  ist  aber  stärker  als  die  Donau  Lei 
Sigmaringen,  dass  er  nur  an  wenigen  Punkten  überschritten  werden 
kann.  Er  ist  nächst  dem  Jordan  der  bedeutendste  Fluss  des  Landes, 
treibt  viele  aus  alter  Zeit  herrührende  Mühlen  und  befruchtet  die 
ganze  Gegend.     C.  Schick,  Brief  von  1866. 


—     192     — 

rat,  dort  zu  Breccieii  verkittet  ist.  Die  Conglomevate  vou  el  Ku- 
bäb,  Latrün  u.  s.  w.  sind  röthliche  Kalkmergel,  -welche  eine 
Menge  runder  Geschiebe  von  Kalk  und  Feuerstein  einge- 
backen haben  und  nach  meinem  Dafürhalten  vom  Alter  soge- 
nannter diluvialer  Geschiebe  sein  dürften.  In  einem  der  Dörfer 
bemerkte  ich  einen  Schöpfbrunnen  in  solchem  Conglomerat,  das 
gleich  einem  Deckel  über  die  Grundwasser  angesehen  werden 
kann  und  einer  frühern,  wasserreicheren  Zeit  seinen  Ursprung 
verdankt,  in  der  zugleich  der  gesammte  Wasserspiegel  der  Gegend 
ein  tieferes,  dem  Meeresspiegel  näher  gerücktes  Niveau  einnahm. 
An  der  Ostseite  der  sanften  Höhe,  auf  der  Kubäb  hegt,  führt 
der  Weg,  auf  dem  man  wieder  zur  Ebene  herabsteigt,  in  das 
diluviale  Merdj  Beni  Omeir  mit  seinem  üppigen  Grün,  das  vor 
dem  Thale  Ajalon  (Wady  Yalo)*)  liegt.  An  diesem  Ostgehang 
sah  ich  die  erste  Schichte  des  heiligen  Landes  und  zwar  in 
hora  3  und  4  zerklüftete,  ziemlich  horizontale  Bänke  weissen 
Kreideniergeis;  Feuersteinknolleu  durchziehen  die  Bänke  wie 
anderswo  auch.  Undeutliche  Bivalvensteinkerne  gaben  keinen 
Anhaltspunkt  über  den  etwaigen  Horizont,  dagegen  fielen  bald 
auch  die  zierlichen  Massen  eines  Becherschwammes  auf,  den 
Mantell  Ventriculües  nennt.  Das  rostfarbige  Netz  und  Gitter- 
werk des  Fossils  stach  gegen  den  weissen  Grund  des  Gesteines 
ab.  Wie  schwer  die  Feststellung  einer  Species  bei  Spongien 
ist,  weiss  jeder  Paläontologe;  übrigens  ist  es  recht  wohl  mög- 
lich, dass  wir  hier  nichts  anders  vor  uns  haben,  als  den  ge- 
wöhnlichen V.  angustatus  Rom.  (Römer,  Verst.  d.  Norddeutschen 
Kreideg.  Taf.  3,  Fig.  5)  aus  dem  sächischen  Pläner.  Vergeblich 
sah  ich  nach  mukronaten  Belemniten  mich  um,  aber  trotzdem 
zweifelte  ich  nicht,  im  Horizont  der  weissen  Kreide,  dem  Seno- 
nien  der  Franzosen  mich  zu  befinden. 


*)  Dass  Wadi  Ydlo  das  Thal  Ajalon  sei,  in  dem  Josua  die  Amori- 
ten  schlug,  nehme  ich  wegen  der  günstigen  Lage  des  Merdj  zum  De- 
fil6e  nach  Oibcon  gerne  an  und  folge  hier  Robinson.  Ferner  nehme 
ich,  ohne  jedoch  im  Stande  zu  sein  Critik  zu  üben,  die  Ruine  Amwas 
auf  der  Höhe  des  Dörfchens  Latrün  für  das  bekannte  Emmaus  der  Schrift. 


-     193 


2.     Die  Linie  von  Ajalon  nach  Jerusalem,  oder  der 
Wcstabfall  dos  Gebirges  Juda. 

Am  Fuss  des  Gebirges  bei  Ajalon  und  Latrün,  wo  die  Kreide- 
schichten  beginnen,  ist  man  allmiihlig  zu  nahezu  1000'  gestiegen. 
Zum  ersten  Pass  Enub  geht  es  nun  in  Einem  Zug  weitere  1000'  hin- 
an, von  da  wieder  einige  hundert  Fuss  hinab  und  dann  zum  zweiten 
Pass  hinan,  der  etwas  höher  liegt  als  der  erste,  zum  Schlüsse  noch 
einmal  einige  hundert  Fuss  hinan  zur  „heiligen  Stadt"  (2610'  über 
dem  Meer).  Wir  haben  also  1600  Fuss  verticale  Entwicklung. 
Trotz  dieser  Mächtigkeit  bewegen  wir  uns  nur  in  Einem  geo- 
gnostischen  Horizont,  der  Zone  des  Ammonitcs  Rhotomagensis 
und  wird  selbst  in  den  tiefsten  Einschnitten  die  untere  Kreide 
oder  die  Neocomgruppe  nicht  erreicht.  Kalkmergel,  harte  Mar- 
morkalke und  dolomitische  Bänke  wechseln  mit  einander  ab  und 
bilden  die  prachtvollsten  Treppen  an  den  Bergen,  wie  ich  sie 
in  gleicher  Schönheit  noch  nirgends  gesehen  habe,  die  Stirnen 
der  3 — 10'  mächtigen  Bänke  nehmen  sich  wie  künstliche  Mauern 
aus,  welche  den  Berg  umziehen.  Oelbäume  und  frisches  Busch- 
werk schauen  von  diesen  natürlichen  Castellen  nieder,  während 
die  weicheren  Lagen  in  sanfter  Böschung  mit  "Wiesengrün  über- 
zogen sind,  das  in  der  feuchten  Thalsohio  am  saftigsten  sich 
ausnimmt.  So  steigt  man  über  eine  Stunde  am  Abhang  einer 
Thalschlucht  hinan  bis  zum  Passe  Enäb.  Eine  lange  Strecke 
geht  man  auf  der  Schichtenfläche  hin,  die  sich  dem  Gehänge  an- 
schmiegt, so  dass  der  eigentlichen  Treppen  nur  wenige  über- 
stiegen werden  müssen,  um  die  Höhe  zu  gewinnen.  Anfangs 
stärker,  dann  immer  schwächer  fallen  die  Schichten  gegen  "Westen 
ein,  die  zum  Oefteren  gemessene  Zerklüftung  des  Gebirgs  be- 
trägt hora  4  und  10.  Je  höher  man  am  zweiten  Pass  steigt  und 
am  dritten  zur  „Heiligen"  hinan,  desto  unwirthlicher  und  steinig- 
ter  wird  die  Gegend.  Das  "Wadi  Ghurab  trennt  den  ersten 
Pass  von  dem  zweiten,  hier  liegen  Steinkerne  von  Cardien  in 
den  Weinbergen,  den  ersten,  die  man  sieht,  und  den  einzigen, 
die  am  Wege  von  Jaffa  nach  Jerusalem  liegen.     Die  Reben  sind 

Würtlt-mb.  naturw.  Jahresuefte.     1S67.     2s  u.  38  Hi-ft.  13 


-    194    - 

in  Oelgärten  gepflanzt  und  dienen  die  Oelbäume  als  Pfähle  für 
die  Rebe!  —  aber  trotz  des  Mangels  an  gehörigem  Schnitt  ge- 
deihen sie  in  dem  steinigen  Boden  vortrefflich.  Die  Steine  sind 
durchweg  lichte  Kalke,  bald  etwas  dolomitisch  bald  marmorisch, 
und  die  hervorstehenden  Schichtenköpfe  mit  grauen  Steinflechten 
überzogen.  Auf  der  Höhe  des  zweiten  Passes,  zugleich  der  Höhe 
von  Nebi  Samuel ,  fand  ich  das  erste  entscheidende  Petrefact : 
Pecten  gryphaeatus  Schloth.  oder  Janira  quadricostata  d'Orb. 
leitend  für  die  Grünsande  Europa's  (Turongruppc)  und  am  letzten 
Pass  von  Jezzin  her  Amm.  MantelU  und  Rhotomagensis.  Auf- 
schlüsse, wie  wir  sie  in  unseren  civilisirten  Gegenden  gewöhnt 
sind,  fehlen  freilich  vollständig  auf  der  Linie.  Die  Gegend  ist 
öde  und  verlassen  und  das  Wort  „Poststrassc  nach  Jerusalem" 
ein  wahrer  Hohn  auf  den  Gebirgspfad,  der  über  Stock  und  Stein 
durch  Schluchten  und  über  Höhen  führt,  ohne  durch  etwas  An- 
deres bezeichnet  zu  sein  als  den  Tritt  der  Thiere,  denn  Wagen 
und  Wagengeleise  sind  dort  unbekannte  Begriffe.  Nach  Steinen 
zu  graben  kommt  Niemand  in  den  Sinn  und  natürliche  Aufrisse 
durch  Bäche  fehlen  ebenso,  weil  es  an  den  Bächen  fehlt,  die  über- 
haupt nur  einige  Tage  im  Jahr  fliessen.  Andrerseits  ist  doch  auch 
wieder  viel  mehr  aufgeschlossen,  als  in  unsern  Gegenden,  indem 
keinerlei  Humus  die  Schichten  zudeckt,  die  festeren  Bänke  alle 
zu  Tage  treten  und  nur  die  Zwischenschichten  mit  alten  Ver- 
witterungen und  einem  rothen  Lehm  bedeckt  sind.  Um  Jerusa- 
lem macht  sich  die  Sache  besser:  die  europäischen  Neubauten, 
z.  B.  des  russischen  Hospizes,  des  österreichischen  Hospizes,  der 
St.  Annakirchc  uud  der  Missionsanstalten  haben  in  der  nächsten 
Umgebung  der  Stadt  Arbeiten  in  Steinbrüchen  eröffnet,  dess- 
ffleichen  bieten  die  uralten  Katakomben  der  Stadt  unterirdische 
Einblicke  in  die  Schichten,  dass  die  Construction  eines  geogno- 
stischen  Profils,  das  einige  hundert  Fuss  Gebirge  umfasst,  nicht 
schwer  fällt. 

Die  erste  Excursion  galt  der  Stadtmauer  am  Damaseusthor 
und  der  40'  hohen,  künstlich  abgeschroteten  Steinwand,  der  sog. 
Jeremiasgrotto,  die  dem  Damaseusthor  gegenüber  liegt.  Ueberall 
ein  und  derselbe  lichte  Kalk,  homogen  marmorartig  oder  kiesclig 


—    195    - 

oder  dolomitisch;  die  Querschnitte  vieler  Pctrefacten  zeigen 
sich,  da  und  dort  klopfen  sich  Nerineen  heraus,  Dentalien  und 
Aetaeonellen.  So  sehr  das  Gestein  wie  weisser  Jura  dreinscliaut, 
so  begegnet  uns  doch  keine  einzige  jurassische  Form,  im 
Gegentheil  ganz  ausgesprochene  Kreidefossile.  Unter  der  Stadt- 
mauer 100  Schritte  östlich  vom  Damascusthor  und  der  grossen 
ausgemauerten  Felseucisterne  ist  durch  mannshohen  Schutt  und 
Steintrünimer  ein  Schlupf  in  die  sog.  Cottonhöhle  (das  Baum- 
wollenloch) oder  den  Anfiing  der  Katakomben  der  heiligen 
Stadt.  700'  lang  erstrecken  sich  unter  der  Stadt  die  unterirdischen 
Steinbrucharbeiten.  Der  Anfangs  weite  Raum  verliert  sich  in 
einzelnen  Gängen,  die  alle  in  einer  5'  mächtigen  Bank  schnee- 
weissen,  milden,  aber  körnigen  Gesteins  stehen.  Es  ist  der  Stein 
der  „Melekeh"  *)  der  Araber,  ein  geschätzter  Baustein,  so  weit  er 
im  Innern  der  Wohnungen  verwendet  wird.  Die  Klüfte,  welche 
die  prachtvolle  Steinbank  durchsetzen,  streichen  hora  4 — 5.  Der 
Stein  wurde,  wie  man  noch  deutlich  erkennt,  durch  Schrämm- 
arbeit  gewonnen.  Noch  sind  die  Spuren  der  Instrumente  am 
Dach  und  an  den  Wänden  sichtbar.  Der  Stein  wurde  mittelst 
scharfer,  4  Linien  oder  12  Millim.  breiter  Instrumente  geschrammt 
und  in  beliebiger  Grösse,  wie  man  ihn  gerade  nöthig  hatte,  aus- 
geschrotet. Das  Liegende  des  Sfüssigen  Melekeh  ist  ein  gröbe- 
rer Melekeh,  dessen  Mächtigkeit  nicht  ersehen  werden  kann. 
Rechtwinklig  auf  die  streichenden  Klüfte,  also  in  hora  10 — 11, 
durchsetzen  Lehmklüfte,  die  offenbar  zu  Tage  gehen,  den  schnee- 
weissen  Stein,  der  dadurch  in  ihrer  jSiähe  auf  ' -> — 1  Fuss  schön 
bohnerzroth  gefärbt  wird.  Nach  beiläufig  100  Schritten  ist  eine  in 
den  Stein  gehauene  Brunnenschale  zu  sehen,  in  welche  Wasser  vom 
Dach  durch  eine  sog.  Felsenorgel  herab  träufelt.  Dieser  Mele- 
keh ist  aus  den  Trümmern  von  Fossilen  zusammengesetzt,  der 
Structur  nach  wie  ein  Corallenrifffels  anzusehen,  in  welchem 
ausser  Schalen   von  Austern  Pecten,  Cardien  und  zahllose  Hip- 


*)  Zu  Deutsch:  „der  Königliche."  Der  ^ame  rührt  möglicher  Weise 
von  dem  Begräbnissplatz  der  Könige  her,  der  in  diesem  Gestein  sich 
befindet. 


—    196    — 

puriten  ihre  Beiträge  lieferten.  Es  ist  ein  ächter  Hippuriten- 
kalk,  vorherrschend  aus  Hippurites  Syriacus  Conr.  bestehend 
und  ist  für  die  Stadt  und  Umgegend  schon  insofern  das  wich- 
tigste Schichtenglied,  als  alle  die  unterirdischen  Bauten  ohne 
Ausnahme  in  diesem  Stein  ausgeführt  sind.  Seine  durchschnitt- 
liche Mächtigkeit  wird  sich  auf  30'  berechnen,  innerhalb  deren 
ein  poröser,  tufFartiger,  bald  milder,  bald  gröber  gestalteter  schnee- 
weisser  Kalkstein  sich  entwickelt  hat.  In  der  Regel  ist  er  so  milde, 
dass  er  sich  mit  dem  Messer  schneiden  lässt  und  dürfte  als  sol- 
cher am  ehesten  dem  Baustein  vom  St.  Petersberg  bei  Maastricht  *) 
zu  vergleichen  sein,  in  welchem  der  bekannte  Fossilreichthum 
sich  auch  nur  auf  einzelne  schmale  Bänder  beschränkt  und  die 
Hauptmasse  des  Gesteins  aus  lichtem  tuffartigem  Trümmerkalk 
besteht,  dem  mau  kaum  noch  seinen  Ursprung  aus  Kalkorganis- 
men anmerkt.  In  Melekeh  sind  nicht  blos  die  Katakomben 
der  Stadt,  sondern  alle  die  Tausende  von  Gräbern  eingehauen, 
in  denen  seit  Abrahams  Zeiten  die  Generationen  schliefen, 
die  dort  gelebt  und  gestorben ,  und  man  darf  wohl  sagen, 
ohne  diesen  Gräberstein,  der  leicht  zu  bearbeiten,  fiele  eines  der 
wichtigsten  Momente  für  die  wunderbare  Stadt  weg:  eben  die 
unterirdischen  Bauten  und  die  Gräber.  Auf  jeder  der  späteren 
Excursionen  ward  die  Bedeutung  des  „Melekeh"  besser  erkannt, 
sowohl  in  seiner  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Stadt,  als  in 
geognostischer  Hinsicht,  rücksichtlich  des  Horizontes,  der  nicht 
zu  übersehen  ist.  Der  höchste  Punkt,  wo  Melekeh  zu  Tage 
steht,  ist  im  Wadi  el  Jos,  noch  westlich  von  dem  Nabluser  Weg, 
die  Königsgräber  mit  ihren  labyrinthischen  Irrgängen  sind  alle 
in  diesem  Horizont  eingehauen.  Von  da  zieht  er  sich  um  die 
Stadt  herum,  wird  wohl  bei  der  Enge  der  Schlucht,  welche  das 
Kidronthal  bildet,  von  dem  höheren  Missih  überlagert,  tritt  aber 
im  Thal  Josaphat  bei  den  berühmten  Gräbern  wieder  auf.  Das  Dorf 
Siloah  ist  wieder  in  ihn  eingewühlt  und  die  Wasserleitung,  die 
vom  Brunnen  von  Siloah  zu  dem  Brunnen  der  Jungfrauen  führt, 


*)  Siehe  Esquisse  geologique  do  la  craie  tutl'euu  par  Jonkhr.  T.  T. 
Binkhorat  van  den  Binkborst.     Maastricht  1859. 


—     107     - 

in  ihm  ausgeführt.  Umgeht  man  weiter  die  Stadt,  sich  durch 
den  Gihonteicli  aufwärts  gegen  Westen  ziehend ,  so  finden  wir 
wieder  das  Gräbergebiet  des  Hackeldama  und  ebenso  gegenüber 
an  Davids  Grab  die  Schichte  vollständig  durchgraben.  Am  christ- 
lichen Kirchhof  liegt  er  am  höchsten  und  zieht  sich  von  da  un- 
ter dem  Zionsthor  bis  zum  Mistthor  hin,  an  welchem  er  auf 
beiden  Seiten  des  schluchtartigen  Thaies  wieder  zu  Tage  geht. 
Dass  die  Ilippuritenschichte  die  ganze  Stadt  untortcuft,  braucht 
nicht  weiter  gesagt  zu  werden:  wenn  sie  im  Norden  der  Stadt 
an  den  Königsgräbern,  und  im  Süden  im  Hinnonthale  wieder  auf- 
tritt, wenn  sie  in  den  unteiirdischen  Gängen  unter  dem  muha- 
medanischen  Stadtviertel  erkannt  ist,  so  fehlt  sie  auch  der  üb- 
rigen Stadt  nirgends.  Ein  directer  Beweis  liegt  in  der  Kirche 
der  Kreuzerfindung:  in  dieser  steigt  man  eine  Reihe  Stufen  un- 
ter Tag  und  tritt  in  einen  spärlich  von  trüben  Oellampen  be- 
leuchteten Kellerraum,  in  welchem  nach  der  Legende  die  Kai- 
serin Helene  das  Kreuz  Christi  mit  den  Kreuzen  der  2  Schacher 
fand.  Dieser  Raum  ist  gerade  wie  die  Gänge  der  Cottonhöhle 
ein  alter  Steinbruch  im  Melekeh.  Dieselben  Instrumente,  mit 
denen  in  wahrscheinlich  altjüdischer  Zeit  die  Steine  gebrochen 
wurden,  haben  auch  am  Dache  der  unterirdischen  Kammer,  in 
der  die  Kreuze  gelegen  haben  sollen,  ihre  Spuren  hinterlassen. 
Auf  weiter  folgenden  Excursionen  im  Norden  und  Nord- 
westen der  Stadt  über  die  grosse  Steinfläche  hin,  die  mit  zu 
Tage  gehenden  Felsblöcken  übersät  ist,  ward  die  über  dem 
Melekeh  gelegene  Gruppe  von  Marmorkalken  und  Kalkmergeln 
untersucht,  in  denen  gleichfalls  die  Spuren  uralter  Steinbruch- 
arbeiten (Quarry)  in  die  Augen  fallen.  Der  Araber  nennt  den 
Fels  Misseh  oder  Missih.  *)  Der  Raum  zwischen  der  Stadtmauer 
am  Damascusthor  und  der  Jeremiasgrotte  ist  evidenter  Weise 
in   alten  Zeiten  ausgebrochen   worden,   um  die  Quader   für  den 


*)  Laut  gef.  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Wolff  bedeutet  „missih," 
richtiger  „mizzij,"  eine  sehr  harte  Steinart.  Mizz  =--  dignitas,  praestantia, 
also  mizzij  der  „vortreffliche,  harte,"  wahrscheinlich  auch  mit  Rücksicht 
auf  seine  Verwendung  beim  Tempelbau  so  genannt. 


—    198    — 

Tcmpclbau   und    die  Mauern    zu   gewinnen,    die    man   an  ihrer 
colossalen  Grösse  (bis  zu  25'  lang,  8  breit,  3 — 4'  hoch)  im  Augen- 
blick erkennt.     Von  diesem   ausgebrochenen  Graben  aus  ziehen 
sie   sich   am   Herodesthor  vorüber  zum    Thale  des    Kidrons   in 
die  Schlucht   Josaphats.     Aus    diesem  harten  Marmor  sind    die 
Monolithe  des  Grabes  Absalons  und  Josaphats  ausgohauen,  dess- 
gleichen  die  Säulen   und  Ornamente   über  dem  Eingang  zu  den 
Gräbern.     Misseh   lagert   in  beiläufig  30  Fuss  Mächtigkeit  über 
dem  Melekeh,  von  lezterem  durch  eine  groboolitische  Kalkmergel- 
bank getrennt.    Es  bleibt  sich  aber  die  Güte  dieses  Marmors  nichts 
weniger  als  überall  gleich ,  wie  solches  z.  B.  in  dem  Vorhof  zu 
den  Königsgräbern,   an   den  glatt  gehauenen  Wänden  sichtbar 
ist.     Zu  diesem  25'  tief  gelegten,  viereckigen  Vorplatz,  der  aus 
dem  Misseh   ausgehauen  wurde,   auf  dass   der   liegende  weiche 
Gräberfels  des  Melekeh  erreicht  würde,  führte  eine  Felsentreppe 
hinab.     Das  geognostische  Profil  ist  von  oben  an  nach  unten 
5'  Schutt  und  Trümmer, 
1'  weisser  geschichteter  Marmor, 
10'  harter  geschichteter  Marmor,  in  welchen  das  bekannte 
Fries   der  Königsgräber   mit  Trauben  und  Reblaub 
eingehauen  ist. 
20'  grober  Oolit  und  Kalkmergel, 
Melekeh. 
Da  an  der  glatten  ausgehauenen  Felswand  an  den  Königs- 
gräbern keine   Detailuntersuchung  der   Schichten   möglich   war, 
wurde  sie  am  entsprechenden  Horizont  in  dem  nur  wenige  hun- 
dert Schritte    entfernten  Wadi  el  Jos   vorgenommen.    Es  ist  in 
dem  Steinbruch  an  Kadis   Landhaus,   der  nachstehendes   Profil 
liefert^  von  oben  nach  unten 

2'  harte,    lichte  Kalkbank    mit   Ncrinea  Rcquieniana 

d'Orb., 
3'  lichtgrauer,   harter  Marmor.    An  demselben   ausge- 
witterte Hippurites  sulcatus  Defr.  1 — 1,3  Zoll  Durch- 
messer.    Die  Ilippuriten  bilden  eine  förmliche  Bank 
im  Liegenden  der  Marmorschichte, 
3'  mergelige  Kalke  mit  groben  Ooliten, 


—     199    — 

1'  kieselige    Scbneckenbank :    steckt    voll    Actaeonella, 

TrocJms  und  Nerinea. 
h'  Wechsel    von    Kalken    und    Kalkmergeln    mit   grob 

oolitischen  Mergeln, 
4'  lichter  Marmor  mit  Nerineen, 
2'  roth  gefleckter  Nerineen-Marmor, 
G'  lichter    weisser,    theilweise    fein    gefleckter  Marmor, 
mit  Eadiolites  Mortoni  (pag.  230). 
Melekeh. 
An   diesen  Marmorbänken    lassen    sich    in    ausgezeichneter 
Schönheit  Stilolithen   aller  Arten  beobachten,  die  ganz  überein- 
stimmend mit  dem  Vorkommen  im  schwäbischen  Hauptmuschelkalk 
oder  dem   oberen  weissen  Jura  in  Schnüren  und  Bänkchen  den 
Marmor  durchziehen.    Liniendicke  Thonschmitzen  gaben  nament- 
lich zwischen  der  oberen  harten  Nerineenbauk  und  der  Sfüssigen 
Marmorbank  Anlass  zu   wirklich  prachtvollen  Stilolithen ,  deren 
Bildung  ganz  evident  dieselbe  ist,  wie  die  von  den  heimatlichen 
Bergen. 

Man  charakterisirt  den  Missih  am  besten  mit  dem  Namen 
Nerineenmarmor.  Ein  Hippuritenkalk,  Hipp,  sulcatus  Defr. 
lässt  sich  an  den  verwitterten  Wänden  des  Marmors  er- 
kennen, denn  nur  hier  war  es  möglich,  sich  Exemplare  zu  ver- 
schaffen: an  ein  Herausarbeiten  der  Schale  aus  dem  harten 
Gestein  ist  nicht  zu  denken.  Die  Hauptmasse  der  Fossile  aber 
besteht  aus  Gasteropoden,  namentlich  aber  Nerineen,  unter  denen 
2  europäische  Arten  der  dritten  Rudistenzone  sich  erkennen 
lassen:  Requieniana  d'Orb  und Fleuriausad'' Orh;  3  andere  sind 
dem  Orient  eigen.  Die  erste  N.  orientalis  Conr.  wurde  von  der 
Lynch'schen  Expedition  gefunden  und  in  New-York  bestimmt, 
die  andern  sind  neu  und  werden  unten  beschrieben  werden. 

Einer  der  überraschendsten  Funde,  der  mir  je  begegnet  ist 
und  mir  abermals  eine  Warnung  war,  sogenannte  feststehende 
geologische  Begrifi'e  mit  einer  gewissen  Vorsicht  aufzunehmen,  war 
der  Fund  zahlreicher  Nummuliten  (Taf.IV,  8  a — c)  in  der  unteren 
Missihbank.  Der  harte  Marmor  Hess  nur  gespaltene  Exemplare 
erkennen,  die  Aussenseite  verbirgt  sich  im  Gestein.     Das  Thier 


200 


ist  nicht  grösser  als  4  Millimeter  und  doch  zählt  man  mit  der 
Loupe  15  haarfeine  Umgänge  mit  dessgleichen  Wänden  zwischen 
den  Umgängen.  Es  ist  derjenige  Numulit,  der  unter  allen 
bekannten  die  gedrängteste  Lagerung  der  Kammern  und  der 
Zwischenwände  hat.  Die  Kammern  selbst  sind  begreiflich  sehr 
klein  und  undeutlich.  Die  Zellenwände  sitzen  rechtwinklig  auf 
der  Umgangswand.  Der  Gedanke  an  Cyclolina  oder  Cyclostega 
lag  natürlich  sehr  nahe,  aber  die  nähere  Untersuchung  der  spi- 
ralförmigen Umgänge  Hess  keinen  Zweifel  übrig.  (Vergl.  unten 
die  Beschreibung.) 

Hat  die  untere  Hippuritengruppe  oder  der  Melekeh  die 
grosse  Bedeutung  für  Jerusalems  unterirdische  Bauten,  für  die 
Tausende  von  Grabkammern,  Katakomben  und  Höhlen,  so  ist 
diese  obere  Hippuritengruppe,  Nerineenkalk  oder  Missih,  von  nicht 
geringerer  Bedeutung  für  alle  Tagbauten.  Xoch  liegen  am 
„Klageplatz  der  Juden",  dem  letzten  Reste  salomonischer  Herr- 
lichkeit, die  Riesenquader  des  Missih  über  einander  oder  haben 


Wand  von  Plattenkalk  und  Missili,  an  der  Jcremiasgrottc  vor  dem  Damascusthor. 
Nach  einer  photogr.  Aufnahme  von  Capt.  Wilson. 


sie   in   der    Stadtmauer,   den   Kirchen   und  Moscheen   ihre  Ver- 
wendung   vielleicht  zum   dritten    und    vierten    Male    gefunden. 


—    201     - 

Sind  doch  die  meisten  neueren  Bauten  immer  wieder  aus  den 
Resten  der  älteren  entstanden. 

Ueber  dem  Marmorkalke  liegt  ein  Plattenkalk,  auf  dem 
am  Damascusthor  die  Stadtmauer  aufgeführt  ist.  Die  neueren 
Photographien  geben  das  Bild  dieses  Wechsels  von  plattigen  und 
massigen  Marmoren  ausserordentlich  scharf  wieder.  Ausserdem 
sieht  man  ihn  schön  im  "Wady  Jos,  oberhalb  Siloah  und  an  an- 
dern Orten.  Der  Kalk  des  Plattengesteins  ist  sehr  homogen 
marmorisch  mit  vollständig  glattem  Bruch,  die  Zwischenbänke  sind 
oolitische  Kalkmergel.  *)  Vergeblich  suchte  ich  in  dieser  12 — 15' 
mächtigen  Bank  nach  einem  Fossil.  Interessant  ist  die  Ver- 
wendung dieses  glatt  springenden  Kalkes  als  Mosaikstein;  denn 
alle  die  alten  Mosaiksteine  von  1 — 2  Centimeter  im  Quadrat, 
die  an  den  alten  Bauten  noch  sichtbar  sind  oder  im  Schutte  des 
alten  Jerusalems  sich  finden,  hat  man  aus  dem  harten  lichten 
Plattengestein  herausgeklopft,  das  als  oberstes  Glied  der  Hippu- 
ritenformation  betrachtet  werden  muss. 

Was  am  Oelberg  (2724'  über  dem  Meer)  noch  darüber  liegt, 
ist  ein  milder  Kreidekalk,  der  auf  allen  Höhen  um  Jerusalem 
den  Untergrund  für  das  mächtige  Diluvium  bildet,  das  zunächst 
den  Boden  auf  der  Höhe  deckt.  Aus  diesem  Horizont  wird  heut- 
zutage der  meiste  Baustein  gewonnen  und  sind  daher  am  Ab- 
hang des  Oelbergs,  bei  Ain  es  Suani  oder  dem  Ursprung  des 
Kidrons,  oberhalb  Siloah,  bei  Bethanien,  am  Abu  Tor  oder  dem 
Berg  des  bösen  Raths,  sowie  im  Osten  Jerusalems  gegen  das 
Ghor  das  herrschende  Gestein. 

Hiemit  erst  ist  die  Zone  von  Ronen,  der  eigentliche  Grün- 
sand oder  die  chloritische  Kreide  erreicht:  die  Zone  des  Amm. 
varians,  Mantelli  u.  s.  w.,  über  welche  gar  kein  Zweifel  be- 
stehen kann.     Das    Gestein   ist  ein  milder  Kreidekalk,    zerreib- 


*)  Der  Araber  nennt  feie  „nareh,"  nach  Herrn  Wolff  richtiger  „narij." 
Das  Wort  bedeutet  einen  weichen  Stein,  der  am  Feuer  (nar)  erhärtet 
und  bei  der  Construction  der  Feuerherde  verwendet  wird.  Er  heisst 
somit  in  unserer  Sprache  der  „Feuerfeste",  obgleich  ihm  diese  Eigen. 
Bchaft  nach  unseren  technischen  Begriffen  nicht  ganz  zukommt. 


-    202    — 

lieh,  kann  mit  dem  Hammer  nicht  zugeschlagen  werden,  sondern 
muss  mit  der  Säge  oder  mit  schneidenden  Instrumenten  seine 
Bearbeitung  finden.  Eisen  färbt  ihn  durchweg  gelblich  und 
durchzieht  ihn  mit  Adern  und  Streifen  von  Oxyden  und  Oxyd- 
hydraten, die  dem  Stein  aus  der  Ferne  oft  einen  rosenrothen 
Teint  geben,  lieber  die  eigentliche  Mächtigkeit  dieser  Schichte 
in  das  Klare  zu  kommen,  war  mir  bei  den  wieclerholten  Stö- 
rungen der  Lagerungsverhältnisse  durch  Verwerfungen  nicht 
möglich.  Einige  hundert  Fuss  beträgt  die  Mächtigkeit  jeden- 
falls: eben  dieser  Umstand  aber  bringt  es  auch  mit  sich,  dass 
an  Einer  Localität  Hangendes  und  Liegendes  nirgends  über- 
blickt werden  kann.  Es  wechseln  mit  einander  härtere  und 
mildere  Schichten  ab  und  trifft  man  namentlich  vielmals  Bänke, 
die  äusserlich  ein  weicher  zerreiblicher  Stein  sind,  innerlich 
aber  von  grosser  Zähe  und  Härtigkeit,  dass  Handstücke  zu  ge- 
winnen zur  reinen  Unmöglichkeit  gehört. 

Praktisch  benützt  man  den  Stein  aus  der  nächsten  Nähe 
der  Stadt  als  modernen  Baustein;  er  kostet  nicht  viel  Bearbei- 
tung, und  hält  sich  schon  einige  Zeit  im  Mauerwerk  der  Häuser. 
Die  Moslem  benützen  ihn,  um  die  Denktafeln  auf  ihren  Kirch- 
höfen in  ihm  auszuführen.  Auf  diesen  Grabsteinen  ist  die  Schrift 
immer  die  Hauptsache  und  es  ist  bequem ,  bei  der  Menge  der 
angebrachten  Buchstaben  einen  weichen  Stein  zu  haben,  in 
welchem  die  Schriftzüge  einfach  mit  dem  Messer  eingeschnitten 
werden.  Der  Araber  nennt  heutzutage  den  Stein  Kakühle  oder 
Gakühli.  *)  In  Galiläa,  wo  der  gleiche  Horizont  sich  beobachten 
lässt,  heisst  er  Sultanch.  **) 


*)  Das  Wort  ist  rilthselhaft.  H.  üruhler  konnte  laut  Mittheilung 
dos  H.  Wolff  weder  von  einem  modernen  noch  einem  alten  Lehrer 
etwas  über  den  Namen  des  Steins  erfahren,  „kack"  bedeutetet  ein  rundes 
Brod;  wegen  der  kugelförmigen  Absonderungen  in  ihm  wäre  dann  der 
Name  ein  ähnlicher,  wie  im  Schwäbischen  „Laibstein". 

**)  Die  Bedeutung  „Sultaneh*'  ist  hier  offenbar  eine  andere,  als  die 
von  Petermann  (Reisen  im  Orient  II.  308)  citirte,  nach  wehhem  Sul- 
tani  ein  grauer  Stein  ist,  den  die  Frauen  auf  der  Brust  tragen,  um 
sich  zur  Beherrscherin  des  Mannes  zu  machen. 


-    203    - 

Das  Schlussglied  der  Schichten  ist  weisse  Kreide  mit  Feuer- 
steinen, die  unbedingt  zum  Schlussglied  des  ganzen  mächtigen 
Kreidegebirgs  zu  rechnen  ist,  denn  bereits  stellen  sich  in  den  ober- 
sten Feuersteinen  NwnmuUtes  variolaria  Sow.  ein,  so  dass  selbst 
die  neuesten  Forscher  wie  Lartet  am  Vorhandensein  von  Eocen 
nicht  zweifeln.  Schon  in  der  Nähe  von  Jerusalem  am  Oelberg, 
oder  am  Akabeh  es  Suan  sind  es  die  Feuersteine  dieser  Kreide, 
die  hier  das  Diluvium  bilden,  als  die  unzerstörbaren  Reste  der 
einstmals  viel  weiter  verbreiteten  Formation.  Erst  weiterhin 
gegen  Osten  stehen  die  Feuersteinschichten  an,  die  lichten  Kreide- 
gesteine sind  dann  von  den  Feuersteinbänken  wie  von  schwar- 
zen Bändern  durchzogen,  wesentlich  beitragend  zur  Erhöhung 
der  Reize  der  Landschaft.  Gleich  riesigen  Kränzen  schmiegen 
sich  diese  Bänke  aus  der  Ferne  gesehen  allen  Windungen  und 
Biegungen  der  Grebirgszüge  an  und  heben  sich  mit  ungewöhn- 
licher Schärfe  auf  den  vegetationsleeren  Bergen  ab.  Jüngere 
Scliichten  konnte  ich  nicht  mehr  beobachten ,  als  diese  Ueber- 
gangsstufe  von  Kreide  zu  Tertiär,  in  der  sich  noch  Ostrea  vesi- 
cularis  als  Repräsentant  der  Kreide,  bereits  aber  auch  Num- 
rtiulites  variolaria  als  Repräsentant  des  Eocen  sich  findet. 

3.     Linie  Jerusalem  zum  todten   Meere   oder  der 
Ostabfall  des  Gebirgs. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  von  unserer  Leitschieht  der  Hip- 
puriten  zu  den  tiefer  liegenden  Felsmassen,  die  in  nächster  Nähe 
von  Jerusalem  im  Hinnomthale  den  Melekeh  unterteufen.  Es 
sind  rothe  körnige  Fleckenmarmore,  die  am  Birket  Sultan  in 
4  Bänken  von  5 — 6  Fuss  Mächtigkeit  den  Hippuritenkalk  unter- 
teufen. Manchmal  tritt  an  den  abgewitterten  Stirnseiten  der 
Felsen  ein  Gasteropode  oder  eine  Bivalve  hervor,  sonst  konnte 
ich  kein  deutliches  Fossil  erkennen.  Diese  Fleckenmarmore 
ziehen  sich  im  ganzen  Hinnom,  dem  heutigen  Wadi  Rabäbi  un- 
ter Akeldama  und  der  alten  Todtenstadt  zum  Brunnen  Rogel, 
welcher  nach  Captain  Wilsons  Messung  in  einem  118  engl.  Fuss 
tiefen  Schacht  abgeteuft  ist.  DerFleckenraarmor,  hier  das  Liegende 


—    204    - 

des  Teiches,  wurde  durchsenkt,  wo  wahrscheinlich  auf  den  thon- 
reichen  Baculitenbänken  wassersammelnde  Schichten  angetroffen 
worden  sind.  Der  weitere  Verlauf  des  Profils  lässt  sich  erst 
auf  der  zweiten  Treppe  im  Kidronthal,  an  der  das  Kloster  Mar- 
säba  erbaut  ist,  ergänzen.  Bis  eine  halbe  Stunde  vor  dem  Klo- 
ster bleibt  man  im  Kakühle.  Ob  man  gleich  von  Rogel  (1996') 
aus  bis  dahin  (Marsaba  588')  zum  mindesten  10 — llOO  Fuss 
Gefälle  hat,  so  verlässt  man  doch  denselben  geologischen  Hori- 
zont des  Amm.  Mantelli  nicht.  Um  jede  der  scharfen  Ecken  des 
Kidronthals  biegend  ist  man  gespannt,  neue  Schichten  zu  treffen; 
allein  statt  derselben  trifft  man  zu  wiederholten  Malen  immer 
nur  die  altbekannten  vom  Oelberg  und  dem  Abu  Tor  und  kommt 
natürlich  über  eine  Reihe  von  Verwerfungsspalten,  die  in  der  ersten. 
Meile  von  Rogel  abwärts  hora  1  in  der  2.  und  3.  Meile  hora  2  strei- 
chen. So  kommt  man  über  eine  Reihe  von  Treppen  (vielleicht  ebenso 
viele  als  das  Kidronthal  scharfe  Biegungen  macht)  vor  Marsaba, 
das  wieder  gleich  der  Nekropolis  von  Jerusalem  in  den  milden 
Hippuritenkalk  eingenagt  ist.  Anders  kann  man  kaum  die  Bau- 
art dieses  wohl  einzig  in  seiner  Art  dastehenden  Klosters  be- 
zeichnen, das  in  den  ältesten  christlichen  Zeiten  allmählig  aus 
den  Grotten  und  Höhlen  der  zahlreichen  Anachoreten  entstund, 
die  in  dieser  Felsenwüste  ihr  Unwesen  trieben.  Denn  das  Kloster 
besteht  mit  Ausnahme  der  Kirche,  Refectorien  und  Fremden- 
zimmern nur  aus  einer  Anzahl  Höhlen,  in  denen  die  Mönche 
nisten.  Die  einzelnen  Zellen  gehen  in  den  Fels  hinein,  treten 
nur  mit  Einem  Fenster  und  einer  überhängenden  Altane  am 
Felsenhang  heraus  und  hängen  mittelst  in-  und  auswendig  an- 
gebrachter Felstrcppen  untereinander  zusammen.  Vom  Frem- 
denzimmer aus  gesehen,  denkt  man  unwillkürlich  an  Schwalben- 
nester, die  an  der  Mauer  kleben.  Die  Mauer  aber  ist  eine  viel- 
leicht 250'  hohe  fast  senkrechte  Felswand  von  Hipj)uritenkalk, 
die  aus  dem  Kidronthal  aufsteigt.  Ein  Sprung  im  Gebirge  kann 
auch  hier  gar  nicht  fehlen;  da  wo  eine  Stunde  vor  dem  Kloster 
der  Weg  nach  Jericho  abzweigt,  verengt  sich  plötzlich  das 
seither  weich  geformte  Kidronthal  zur  wilden  Felsschlucht,  wie 
mit  Einem  Strich  nach  hora  7'/2  gezogen,  fängt  statt  der  milden 


-    205    — 

Kreide  wieder  der  Fels  von  Jerusalem  an,  kieselige  harte  Kalk- 
bänke Missih  und  Melekeh,  deren  Verwitterung  in  abrupten 
Abstürzen  sich  bildete,  wenn  der  Kreidemergel  in  sanften  Berg- 
formen sich  kund  gibt.  Eine  Stunde  Wegs  unterhalb  des  Klosters 
hört  die  wilde  Felsenschlucht  mit  den  überhängenden  Bänken 
wieder  auf  und  macht  Mergeln  Platz,  deren  Verwitterung  selbst- 
verständlich andere  Contouren  der  Landschaft  nach  sich  zieht. 
Die  nächste  "Wegstunde  führt  durch  einen  Wechsel  von  Kreiden 
und  Kalken,  alle  noch  zum  System  des  Hippurites  sulcatus  ge- 
hörig, der  an  den  abgewitterten  Felsen  oft  recht  hübsch  sicht- 
bar wird,  bis  in  der  Nähe  eines  Beduinendorfes  von  vielleicht 
200  Zelten  ein  abermaliger  Wechsel  der  Landschaft  eintritt, 
natürlich  weil  ein  anderes  Gebirge  zu  Grunde  liegt.  Graue 
sandige  Mergel  stehen  7*  Stunde  östlich  vom  Beduinenlager  im 
Wadi  Kidron  an;  zwischendrin  liegen  schwarze  bituminöse  Kalk- 
bänke mit  einer  Menge  Baculiten  aus  dem  Horizont  des  mittlen 
Grünsandes  und  eben  hier  verflacht  sich  das  Wadi  zur  stunden- 
weiten grünen  Ebene.  Die  sanften  Gehänge,  welche  die  prächtige 
Fläche  umgeben,  sind  von  Heerden  besetzt,  überall  Leben  und 
Fruchtbarkeit.  Eine  Stunde  lang  geht  man  über  die  Fläche 
weg  und  nähert  sich  dem  Rande  umschliessender  Berghöhen, 
Geschiebe  aller  Art,  namentlich  Feuersteine  füllen  die  Ebene, 
zwischen  denen  überall  eine  Grasnarbe  sich  festgesetzt  hat.  Am 
Rande  angekommen  windet  sich  das  Kidronbette  etwas  nord- 
wärts und  sucht  in  einem  engen  Durchbruch  durch  die  umschlies- 
senden  Kreideberge  den  weiteren  Weg,  auf  dem  ihm  der  Mensch 
nicht  mehr  zu  folgen  im  Stande  ist.  Die  Kreideberge  zeigen 
ohne  Ausnahme  eine  so  vollkommen  horizontale,  ungestörte  Lage- 
rung, wie  man  sie  nur  aus  den  africanischen  Wüsten  kennt,  wo 
man  Tagelang  auf  einer  Bank  hinreitet,  ohne  an  irgend  einen 
Sprung  der  Schichte  oder  sonst  einen  Absatz  und  Wechsel  zu 
gelangen,  ihre  annähernd  geschätzte  höchste  Erhebung  über 
das  Wadi  mag  etwa  500'  betragen.  Durch  eine  wellenförmige 
Einsenkung  der  Hügelketten  hindurch  steigt  man  über  2  der- 
selben ohne  Mühe  hinan,  der  Boden  ist  von  frischem  Grün,  von 
Gras  und  Kräutern  und  Blumen  ohne  Zahl  überzogen  und  ist  man 


-    206    - 

nun  im  letzten  Wadi  angekommen,  von  dem  aus  man  seitlich  in 
einen  jähen  Schlund  des  Kidronbaches  blickt.  Noch  eine  kleine  An- 
höhe hinauf  und  man  steht  staunenden  Blickes  auf  schwindelnder 
Höhe  vor  dem  Abgrund  zum  todten  Meer.  Da  lag  der  fabel- 
hafte See  zu  unsern  Füssen  in  unvergleichlichem  Blau,  wie  etwa 
<ler  Meerbusen  von  Suez  vom  Atäkah  aus  oder  einer  der  europai- 
schen Seen,  der  Neuenburger  See  von  der  Höhe  des  Jura  oder  der 
Vierwaldstädter  See  von  Wäggis  her.  Der  Steilabfall  vom  Ras 
el  Feshkah,  auf  dessen  Höhe  wir  stunden,  ist  so  abrupt,  dass 
man  leicht  mit  der  Plinte  ins  Wasser  schiesst;  bei  der  tiefen 
Stille  der  Natur,  die  höchstens  durch  das  Lied  einer  Lerche 
unterbrochen  wird,  hört  man  unter  seinen  Füssen  die  Brandung 
rauschen  und  sieht  jede  der  tiefblauen  Wellen  silberweiss  ge- 
kräuselt; ein  frisches  Grün  umsäumt  das  blaue  Meer,  nur  die 
lichtgelben,  braun  anwitternden  Kreidefelsen  erheben  sich  in 
kahler,  starrer  Schönheit  von  der  reizenden  Landschaft  auf  dem 
Grunde.  Unser  Barometer  zeigte  uns  30,20  bei  70  °  F.  densel- 
ben Stand,  den  das  Barometer  am  Ufer  des  Mittelmeers   hat.*) 


*)  Im  April  1837  hatte  Schubert  den  ersten  Barometer  ans  todte 
Meer  gebracht.  Er  war  selbstverständlich  für  eine  solche  Tiefmessung 
unbrauchbar,  doch  scliiltzte  Schubort  den  Spiegel  des  Sees  194  Meter 
unter  dem  des  Meer.-^.  Einige  Monate  vor  Schubert  hatten  die  2  eng- 
lischen Reisenden  Moore  und  Beck  durch  tbcrmometrische  Berechnung 
eine  Depression  von  178  Meter  gefunden,  aber  ihre  Resultate  noch 
nicht  publicirt,  so  dass  beide,  Schubert  und  die  Engländer,  unabhängig 
von  einander  in  diesem  Jahr  die  Entdeckung  machten.  —  Im  nächst- 
folgenden Jahr  fand  Russeggor  435  Meter  Depression.  Es  sind  43 
Meter  zu  viel,  denn  auch  an  seinem  Barometer  war  die  Glasrühre  zu 
kurz  für  die  Quecksilbersäule.  —  Die  erste  trigonometrische  Bestimmung 
machte  der  englische  Schiffsheutenant  Symonds  mittelst  eines  ausge- 
zeichneten 7zülligen  Theodolits  und  fand  427  Meter,  doch  waren  die 
äusseren  Schwierigkeiten  so  gross,  dass  sich  die  Unrichtigkeit  dieser 
Zahl  leicht  erklären  lässt.  —  Die  amerikanische  Expedition  fand  412 
Meter.  —  Die  französische  unter  Herzog  von  Luynes  392  Meter,  llie- 
raü  stimmt  auch  die  Messung  des  Captain  Wilson ,  den  ich  auf  seiner 
ersten  Erforschungstour  zum  See  begleitete.  Die  Resultate  dieser  Beob- 
achtung sind: 


—    207     - 

Vor  uns  lag  ein  senkrechter  Steilabfall,  der  zum  "Wasserspiegel 
des  todten  Meeres  über  1300'  beträgt.  In  45  Minuten  stiegen 
wir  bequem  auf  einem  betretenen  Fusspfad,  an  dem  sich  die 
Spuren  von  Kameelen,  Schafen  und  Menschen  zeigten,  zum  See 
hinab.  Anfangs  ging  es  sehr  steil,  aber  für  einen  schwindel- 
freien "Wanderer  vollkommen  gefahrlos,  da  man  über  die  hori- 
zontalen, harten  und  festen  Kreidebäuke  Tritt  um  Tritt  wie 
auf  einer  Steintreppe  hinabsteigt.  (Von  der  Cheopspyramide 
herabzusteigen  war  viel  gefährlicher).  Der  Barometer  stieg 
auf  31,2,  als  die  jähe  Felsenwand  ein  Ende  hatte  und 
man  den  Schuttfiiss  des  Steilrandes  erreichte,  nehmlich  Schutt- 
Avälle  gerollter  Gesteine ,  die  in  Einem  Horizont  am  ganzen 
Meeresufer  sich  hinziehen.  Schätzungsweise  waren  wir  etwa 
900'  herabgestiegen,  als  das  Gerolle  anhub ,  durch  welches  der 
Kidron  eine  weite  und  tiefe  Schlucht  gerissen  hat,  und  hatten 
noch  über  300'  über  das  Geschiebe  zum  Strand  des  Bahr  Lut 
hinabzusteigen,  um  die  Hände  in  das  crystallhelle  Wasser  zu 
tauchen  und  die  Füsse  von  der  kräftigen  Welle  benetzen  zu  lassen, 
die  gleich  der  Meereswelle  am  Mittelmeer  oder  dem  rothen  Meer 
in  den  gewöhnlichen  Zwischenräumen  (3 — 4  in  der  Minute)  den 
flachen  Strand  bespült.  Der  Barometer  zeigte  31,59  bei  72  "  F. 
Die    Flutmarke    des    Sees    ist    durch    Treibholz    aller   Art    ge- 


Oerusalem,  Hotel 27,24  P,  Z.  bei  64  <>  Fahrenh. 

Quelle  Rogel 27,75    „     „      „    64  » 

Marsäba,  Abends 29,10   „     „      „    58 "        „ 

Morgens        29,12   „     „      „54« 

Ras  el  Feshkah,  Höhe    ....     30,20    „     „      „    70»         „ 
Alte  Fluthmarke  des  todten  Meers     31,20   „     ,,      „    73  °        „ 
Spiegel  des  Sees,  Morgens  .     .     .     31,59    „     .,      ,,    72 '^        „ 
„  „        „       Mittags     .     .     .     31,58    „     „      „    76  "         „ 

Sir  Henri  James  fand  am  12.  März  1865  eine  Depression  von 
1292  P.  F.,  am  7.  Juni  des  vorangehenden  Jahres  hatte  Vignes  1286 
P.  F.  gefunden,  eine  Differenz,  die  sich  auf  den  zur  Winter-  und 
Sommerzeit  verschiedenen  "Wasserstand  im  See  gründet.  —  Hienach 
können  1288  bis  1290  P.  F.  unter  dem  Mittelmeer  oder  rothen  Meer 
als  die  wahre  Tieflage  des  "Wasserspiegels  vom  todten  Meer  angenom- 
men werden. 


—    208    — 

kennzeichnet,  Stämme  von  Balsampappeln,  Nabak  und  Palmen, 
die  ihre  von  Salzkruste  überzogenen  Enden  und  Aeste  halb  im 
Ufer  begraben  gleich  gebleichten  Skeletten  in  die  Lüfte  strecken. 
Sand  existirt  keiner  am  Ufer,  was  die  Welle  auswirft  und  wie- 
der mit  sich  zieht,  sind  kleine  zertrümmerte  Splitter  und  Schiefer 
des  anstehenden  feuersteinhaltigen  Kreidegebirgs.  Dazwischen 
härteres  Kreidegestein  gerollt,  wie  es  am  eigentlichen  Rollstrand 
einen  Wall  zwischen  Ufer  und  Steilrand  bildet.  Am  Ras  el  Feshkah 
selber  tritt  der  Fels  senkrecht  ans  Meer  heran,  dass  von  einem 
Uferweg  keine  Rede  mehr  ist,  dort  brandet  das  Meer  so  kräftig 
als  an  dem  Ufer  des  rothen  Meers.  Bis  auf  wenige  Schritte 
vom  Ufer  entfernt  tritt  grünes  Buschwerk,  Gestrüppe  von  Mesem- 
brianthemum,  Salzpflanzen  mit  fleischigen  klebrigen  Blättern  und 
röthlich  grünen  Blüthen,  an  denen  die  Helix  Boissieri*)  zu  Hun- 
derten waidet.  Der  Boden  ist  mit  Kräutern  aller  Art  besät  und 
fand  ich  wenig  Unterschied  zwischen  der  Höhe  und  der  Tiefe: 
die  gleichen  Anemonen  und  Crocus  hier  unten  wie  droben.  Vögel 
schwirren  mit  munterem  Gesang  in  die  Luft  und  übers  Meer  und 
beleben  die  an  und  für  sich  freundliche,  mit  dem  Ausblick  auf 
ringsum  starrenden  Felsenschrofen  wirklich  grossartige  Landschaft. 
Wo  der  Kidronbach  mündet,  der  aber  nur  zur  Zeit  der  Regen- 
güsse Wasser  hat,  öffnet  sich  eine  grossartige  Schlucht,  die  im 
Vordergrund  die  alten  Geschiebe  durchbricht,  im  Plintergrund 
aber  in  vollkommen  horizontalen  Treppen  eines  harten  bräun- 
lich verwitternden  Kalkfelsens  zur  Höhe  hinansteigt.  Bänke 
von  30  und  40'  mit  senkrechtem  Abfall  machen  es  zur  Unmög- 
lichkeit, der  Kidronschlucht  ganz  zu  folgen.  So  weit  das  Auge 
reicht,  und  es  reicht  gegen  Süden  bis  zur  Landzunge  Mezraah 
und  gegen  Norden  bis  zur  flachen  Jordanmündung,  horizontale 
Schichten:  namentlich  zeigt  auch  das  gegenüber  liegende  Öst- 
liche Ufer  im  Glanz  der  Mittags-  und  der  Abendsonne  so  klare 
Contouren   der  Schichten,    dass  man  das  Profil  drüben  förmlich 


*)  Die  gesammelten  Schnecken  waren  alle  nach  drei  Monate 
langer  Reise  noch  lebendig  und  lebten  den  ganzen  Sommer  1865  in 
Stuttgart  fort. 


-    209    - 

abzulesen  im  Stande  ist.  3  schwarze  Bänke  in  der  Entfernung 
von  80 — 100'  markiren  sich  besonders  deutlich  in  dem  oberen 
Dritttheil  des  östlichen  Profils  und  hängen  organisch  mit  den 
Schichten  des  "Westufers  zusammen.  Aus  der  Ferne  gesehen 
heben  sich  3  Gruppen  im  Profil  aus:  1)  braune  Treppen  vom 
Strand  an  aufwärts  über  das  erste  Drittheil,  2)  eine  gelbe  Steil- 
wand, die  das  andere  Drittheil  bildet,  3)  das  obere  Drittheil 
von  glänzend  weissen  Kreidefelsen  gebildet  mit  den  schwarzen 
Feuersteinbändern,  alle  3  Gruppen  mit  ihren  100  Bänken  in  der 
ungestörtesten  Ruhe  horizontal  übereinandergelegt. 

Ich  war,  wie  es  wohl  jedem  Abendländer  nach  den  herr- 
schenden Begriffen  ergehen  musste,  mit  der  vorgefassten ,  sozu- 
sagen feststehenden  Ansicht  in  das  el  Gohr  herabgestiegen,  in 
ein  rein  vulcanisches  Gebiet  zu  gelangen,  in  eine  Region  der 
Laven  mit  Solfataren  und  Fumarolen,  welche  die  Luft  mit  übel- 
riechenden Gasen  verpesten,  gestehe  aber,  dass  ich  noch  nie  in 
meinem  Leben  so  enttäuscht  war,  als  am  Ufer  des  Bahr  Lüt. 
Van  derVelde's*)  „braune  Lavabrocken,  in  lothrechten  Wän- 
den aufeinander  gethürmt,  dort  in  flachen  Schichten  übereinander 
geschoben,  dann  wieder  in  fürchterliche  Risse  zerklüftet,  da- 
zwischen kraterförmige  Hügel  von  weisser,  gelber  und  grauer 
Farbe,  Alles  Erzeugnisse  des  unterirdischen  Feuers,"  ergaben 
sich  als  reine  Gebilde  einer  aufgeregten  Phantasie  und  der  geo- 
logischen Unkenntniss  und  verwandelten  sich  in  das  regulärste 
Flötzgebirge,  das  man  sich  nur  denken  mag,  das  durch  Verwit- 
terung und  Erosion  der  grossartigen  Felsmassen  Gestalten  an- 
genommen hat,  wie  sie  jeder  Geognost  aus  den  Kalkalpen  Süd- 
frankreichs, des  Karsts  oder  der  Tridentiner  Alpen  am  Garda- 
see  und  zahllosen  Orten  Europa's  kennt. 

Mit  Einem  Blick  waren  alle  Schauer  und  alle  Schrecken 
des  Todes  gewichen,  mit  denen  die  Phantasie  der  Abendländer 
ein  Meer  umgeben,   das  seit  den  Zeiten  der  Kreuzzüge   bis    in 


*)  Reise  durch  Syrien  und  Palästina  in  den  Jahren  1851  u.  1852. 
Leipzig  1856,  Bd.  II.  pag.  123. 

WürtUmb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  3i  Heft.  14 


—    210    - 

unsere  Jahrzehnte  *)  Niemand  sich  ruhig  ansah.  Hatten  doch 
überhaupt  die  wilden  Naturscenen  der  Steilwand,  die  Juda's 
Berge  vom  el  Ghor  trennt  und  die  alttestamentliche  Tradition 
von^Sodom  und  Gomorrha  im  Bunde  mit  der  seit  Jahrhunderten 
genährten  Angst  des  Reisenden  vor  dem  Beduinen  einen  grausigen 
Sagenkranz  erzeugt,  der  die  ruhigsten  und  vorurtheilsfrcisten 
Gemüther  im  Abendland  befangen  hielt.  Es  war  zwischen  Ras 
el  Feskah  und  dem  Ras  Ghuweir  und  gegenüber  an  der  Steil- 
wand der  Berge  Moabs  auch  nicht  Eine  Spur  weder  von  vul- 
canischem  Gestein  noch  von  Vulcanismus  im  weitesten  Sinne 
zu  sehen.  Keine  Störung  der  Schichten,  kein  Knick,  kein  Bruch, 
keine  Verwerfung  oder  Senkung,  sondern  die  einfachste  Erosions- 
erscheinung nach   der  in  ganz  Judäa  anhaltenden  Kluftrichtung 

hora  2  und  8. 

In  derselben  Weise  liegt  die  Steinsalzbank  von  Usdom, 
die  ich  zwar  selber  nicht  sah,  die  aber  von  L.  Lartet  (Bullet.  Juni 
1866)  so  klar  und  wahr  beschrieben  ist,  dass  sie  das  Interesse 
des  Naturforschers  kaum  noch  in  Anspruch  nimmt.  Ein  Fels- 
block von  beinahe  40  Fuss  Höhe,  Lots  Säule  vom  Ai-aber  ge- 
nannt, ist  von  der  Bank  durch  einen  alten  Abrutsch  getrennt 
und  springt  klippig  und  zackig  von  den  Atmosphärilien  zernagt 
vor  der  Bergwand  etwas  vor.  Mit  dem  Salzgehalt  des  Meeres 
(siehe  unten)  steht  dieser  reine  Chlor-Natriumfels  nicht  mehr  in 
Verbindung  als  die  übrigen  Kreideschichten,  welche  den  Kessel 

des  Sees  umgeben. 

Endlich  möge  hier  auch  noch  ein  Wort  über  das  Vorkommen 
von  Schwefel  beigefügt  werden,  der  von  den  meisten  Reisenden 
als  vom  todten  Meere  stammend  erwähnt  wird.  Mir  gelang  es 
nicht  trotz  eifrigsten  Suchens,  ein  Stückchen  Schwefel  am  Strand 
zn  erspähen;  ohne  gerade  auf  ein  solches  Vorkommen  besondern 
geologischen  Werth  legen  zu  wollen,  da  der  gediegene  Schwefel 
dem  jüngeren  Flötzgebirge  angehört  und  in  nicht  grosser  Ent- 


*)  Der  Erste,  dessen  Forschungen  das  todto  Meer  erschlossen,  war 
U.  J.  öectzen,  der  1806-07  über  1  Monat  lang  an  den  Ufern  des  Sees 
lebte  und  beobachtete. 


-    211    — 

feraung  am  Ras  el  Gimscheh  des  rotlien  Meeres  bricht,  wäre 
mir  von  Interesse  gewesen,  die  Richtigkeit  älterer  Beobachtun- 
gen zu  constatiren.  Ich  bat  daher  die  deutschen  Freunde  in 
Jerusalem,  bei  nächster  Gelegenheit  diesem  Gegenstand  ihre  be- 
sondere Aufmerksamkeit  zu  sckenken,  und  erhielt  auch  von 
Hrn.  Schneller  bald  die  gehörige  Auskunft.  „In  Jericho  schon," 
schreibt  mir  Hr.  Schneller,  „wo  wir  bei  einem  bekannten  Schech 
übernachteten,  thaten  wir  Nachfrage  nach  Schwefel  und  fanden 
überall  die  Leute  dessen  Vorhandensein  am  See  mit  Entschie- 
denheit behaupten.  Er  soll  weisslich  sein  und  werde  von  den 
Beduinen  zu  Schiesspulver  verarbeitet.  Setze  man  ihm  beim 
Schmelzen  etwas  Olivenöl  hinzu,  so  werde  er  gelb  und  auf  dem 
Markte  verkäuflich.  Wir  nahmen  die  Araber,  die  uns  diese 
Mittheilungen  machten,  an  das  todte  Meer  mit,  dort  erklärten 
sie  uns  aber,  am  todten  Meer  selber  finde  man  den  Schwefel 
nicht,  aber  weiter  oben  am  Jordan.  Sie  führten  uns  wirklich 
nach  einer  Stelle,  in  zerrissene  Hügel  im  Jordanthal  selber, 
nicht  weit  vom  Fluss,  wo  kleine  nussgrosse  Stücke  gediegenen, 
weisslich  gebleichten  Schwefels  herumliegen,  wie  ihn  der  Regen 
auswascht  und  verschwemmt.  So  mag  der  Jordan  auch  wohl 
manches  Stück  dem  Meere  zugeführt  haben,  von  wo  aus  es  die 
"Welle  ans  Ufer  spielte,  so  dass  man  der  Ansicht  werden  konnte, 
der  Schwefel  habe  dort  auch  sein  natürliches  Vorkommen." 

Das  Profil  von  der  Höhe  der  Wüste  Juda  zum  el  Ghor 
hinab  ist  ausserordentlich  arm  an  Fossilen.  Nur  an  Einer  Stelle 
traf  ich  noch  Reste  von  Baculiten  und  unbestimmbare  Steinkerne 
von  Bivalven.  Selbst  auf  der  Sohle  des  Ghors  halte  ich  den  geo- 
gnostischen  Horizont  für  keinen  andern  als  für  den  der  mittlem 
Kreide.  Man  dürfte  vielleicht  das  untere  Drittheil,  die  „brau- 
nen Treppen"  für  Cenomanien  d'Orb.  ansehen  nach  den  Austern, 
die  ich  zwar  nicht  selbst  gefunden,  aber  aus  der  Roth'schen 
Hinterlassenschaft  bekommen  habe:  Exogyra  Boussingaulti 
d'Orb.  468  und  densata  Conr.  cflf.  Rep.  18,  102.  zwischen  Kerak 
und  dem  Abfall  zum  todten  Meer  (Ostseite)  gesammelt.  (Siehe 
unten  pag.  230.) 


—    212    - 

Die  Berge  von  Samaria  und  Galiläa. 

Von  Jerusalem  aus  führt  die  Route  in  der  Richtung  von 
Nablus,  das  eine  starke  Tagereise  entfernt  ist,  über  einförmige 
Höhen  auf  der  Wasserscheide  hin  bis  zum  alten  Bethel  oder 
Beeroth.  Es  ist  immer  ein  und  derselbe  Charakter  der  Land- 
schaft und  des  Bodens,  wie  er  vor  den  Thoren  von  Jerusalem 
beobachtet  werden  kann:  namentlich  liegen  auf  der  Höhe 
von  Beeroth  die  grossartigsten  abgerissenen  und  abgewitterten 
Einzelblöcke  des  Hippuritenkalks ,  offenbare  Reste  einer  einst 
zusammenhängenden  Bank,  die  früher  in  höherem  Niveau  gele- 
gen durch  Zerstörung  der  unterlagernden  Schichten  ihren  Halt 
verloren  haben  und  in  sich  verstürzt  sind.  Von  Feldbau  ist 
wenig  zu  beobachten,  das  Land  ist  Waideland:  zwischen  den 
mit  grauen  Flechten  überzogenen  Felsen  sprossen  grüne  Kräu- 
ter und  wie  schon  zu  Jakobs  Zeiten  liegen  noch  die  Hirten  auf 
den  Felsblöcken  herum,  von  denen  aus  sie  ihre  Rinder  und 
Schafe  hüten.  Bei  Khan  Lubban  mit  seiner  reichen  Quelle  steigt 
man  von  den  Höhen  herab  in  das  Wassergebiet  des  Jordans  und 
folgt  einem  Thal e,  das  sich  gegen  Norden  zieht;  hiemit  hat  man 
das  Gebirge  verlassen  und  bewegt  sich  auf  einem  reich  bebau- 
ten grünen  Grund,  man  naht  den  fetten  Waiden  Sichems,  der 
Perle  des  heutigen  Palästina's,  dem  wasserreichen  Nablus.  Am 
Fusse  des  Garizim  auf  der  Wasserscheide  zwischen  Jordan  und 
Mittelmeer  liegt  der  altberühmte  Jakobsbrunnen,  ein  80'  tiefer 
ausgemauerter  Brunnenschacht,  dessen  Anlage  in  dem  wasser- 
reichen Thale  man  nicht  begreift,  und  sieht  hier  bereits  zahl- 
reiche Steinblöcke  mit  dem  Nuinmulites  arbienm  herumliegen, 
die  von  der  Höhe  des  Garizim  herabgestürzt  sind.  Diese  selbst 
wird  in  etwa  drei  Viertelstunden  erstiegen,  wobei  man  zunächst 
über  den  üppigen  Wäldern  von  Oliven-,  Mandel-,  Aprikosen- 
und  Citronenbäumen  steil  über  Kreidemergel  das  erste  Drittheil 
des  Weges  hinangeht;  folgen  lichte  Kalke  ohne  deutUche  Fos- 
sile, bis  im  oberen  Drittheil  dieselben  lichten  Kalke  mit  Num- 
muliten  sich  füllen.  Geognostisch  ist  es  durchaus  unstatthaft, 
in  diesen  letzteren  einen  andern  Horizont  zu  erbUcken,  als  den 


-    213    — 

der  oberen  Hippuriten,  und  verweise  ich  hiebei  auf  die  paläonto- 
logische Abhandlung  über  diesen  Gegenstand. 

Von  dem  Nabluser  Thal  bis  zur  Ebene  von  Jesreel  bleibt 
sich  über  die  Berge  von  Samaria  der  Charakter  des  Gebirgs 
abermals  ganz  ähnlich.  Petrographisch  ist  es  der  des  Gebirgs 
Ephraim  und  Juda,  paläontologisch  die  Zone  der  obern  Kreide, 
obgleich  der  Nummulites  arbiensis  überall  sich  eingestellt  hat 
und  geognostisch  Ein  ungestörtes  Schichtengebirge,  das  mit  den 
Bergen  von  Gilboa  plötzlich  abbricht.  Die  gewöhnliche  Route 
der  Reisenden  führt  bergauf  bergab  durch  ein  massig  cultivirtes 
Land  ohne  bestimmte  Höhezüge,  in  welchem  sich  Hügel  an 
Hügel  reiht,  indem  die  Thäler  in  den  weichen  Kreidemergel 
sich  eingenagt  haben.  Breccienartiges  Deckelgestein  bildet  al- 
lenthalben den  Untergrund.  Der  Sumpf  von  Ghurruk  ist  eine 
sanfte  Einsenkung  in  das  Gebirge,  von  dem  aus  das  malerisch 
am  Rande  der  Berge  gelegene  Genin  durch  ein  enges  Gebirgs- 
thal  erreicht  wird.  Mit  Genin,  dem  wasserreichen  Orte  im  Süden 
der  Ebene  Jesreel  und  mit  dieser  Ebene  selber  beginnt  auf 
den  ersten  Blick  eine  Wendung  im  Gebirgssystem.  Die  Schich- 
ten des  Kreidegebirges  brechen  ab  und  innerhalb  derselben 
breitet  sich  unübersehbar  die  Ebene  aus,  deren  rother  fetter 
Boden  mit  einzelnen  Stücken  schwarzen  Basaltes  sich  augen- 
blicklich als  basaltisches  Product  ankündigt.  Der  erste  Eindruck 
schon  beim  Betreten  der  Ebene,  noch  mehr  die  Vergleichung 
des  geognostischen  Details  Hess  in  der  Ebene  Jesreel  das  Sei- 
tenstück zu  der  Ebene  des  Rieses  erblicken.  Wir  haben  in  ihr 
dieselbe  fruchtbare  Fläche  wie  im  Ries,  aus  der  sich  der  basal- 
tische kleine  Hermon  als  Mittelpunkt  des  alten  Maars  erhebt, 
wie  dort  der  Wenneberg.  Leider  erlaubte  mir  ein  gräuliches 
Unwetter,  das  mich  in  den  Sümpfen  von  Jesreel  überfiel,  den 
Besuch  dieses  Berges  nicht,  doch  gab  mir  Herr  Zeller  von  Na- 
zareth,  der  auf  meine  angelegentliche  Bitte  den  Berg  eigens  um 
seines  geognostischen  Verhaltens  willen  besuchte,  in  einem 
Sehreiben  dd.  17.  März  1866  den  erwünschtesten  Aufschlüsse 
j,Von  Beisan  gegen  den  Tabor  ist  der  Boden  (wie  im  ganzen 
Jesreel)  mit  Basalt  bedeckt,   die  alten  Bauten,   wie  die  Ruinen 


-    214    — 

von  Um  el  Tajibeh  sind  sämratlich  aus  grossen,  schön  behaue- 
nen  Basaltblöeken  aufgeführt.  Auf  dem  (dem  Kreideberg  Tabor 
nächst  liegenden)  Tumrah  und  in  Endor  liegt  wieder  der  Kalkstein 
zu  Tage,  vermischt  mit  Basaltstücken.  In  Endor,  wo  die  vielen 
grossen  Höhlen  bekannt  sind,  ist  nur  Kalkstein.  Dagegen  ist 
Teil  Ajül,  ein  völlig  abgerundeter  Berg  westlich  von  Endor,  ein 
augenscheinlicher  Eruptionspunkt  des  Basaltes.  Nicht  nur  ist 
der  Berg  ringsum  mit  Basaltsteinen  besät,  sondern  liegt  auch  der 
Gipfel  voll  Basaltblöcken.  Nicht  Ein  Kalkstein  ist  hier  zu  sehen, 
der  jedoch  am  östlichen  Abhang  des  kleinen  Hermon  sich  wie- 
der vorfindet.  Der  kleine  Hermon  selber,  d.  h.  die  Spitze  mit  dem 
Weli  ist  wieder  augenscheinlicher  Ausbruchspunkt  des  Basaltes? 
bis  auf  die  höchste  Spitze  hinauf  besteht  er  aus  Basalt,  und  je 
höher  hinauf,  je  grösser  werden  die  Blöcke.  Die  Schlucht,  die 
von  Naiu  zum  Berge  hinauf  führt,  trennt  die  Basaltregion  von 
der  östlich  gelegenen  Kalkpartie.  Die  Spitze  des  Hermon  bietet 
nur  Raum  für  das  "Weli  und  einen  kleinen  Begräbnissplatz  und 
ist  durch  einen  Einschnitt  vom  östlichen  Bergrücken  des  kleinen 
Hermon  unterschieden,  der  wieder  Kalkstein  führt,  ohne  dass 
man  jedoch  eine  ursprüngliche  Lagerung  des  Gesteins  beobach- 
ten könnte.  Diese  ist  ebenso  wenig  am  Fusse  des  Berges  bei 
Nain  zu  unterscheiden,  wo  Kalk  und  Basalt  vermischt  erscheint. 
Die  grossen  Blöcke  Basaltes,  die  den  kleinen  Hermon  bedecken, 
sind  mit  weissen  Flechten  überwachsen ,  welche  von  ferne  ge- 
sehen dem  Gestein  eine  dem  Kalk  ähnliche  Farbe  verleihen. 
Sonst  hätte  sicher  die  auffällige  Natur  des  kleinen  Hermon  die 
Aufmerksamkeit  der  Reisenden  auf  sich  gezogen.  Die  Aussicht 
von  der  Spitze  des  Berges  ist  viel  schöner  als  z.  B.  die  vom  Tabor, 
denn  auf  dem  Hermon  befindet  man  sich  mitten  in  der  Ebene 
Jesreel  und  ist  die  Aussicht  durch  keine  Bergfläche  gehemmt. 

Herrn  Zellers  Mittheilung  über  die  basaltische  Beschaffen- 
heit des  Hermon  bestätigt  nur  die  Construction  der  Gegend,  wie 
sie  der  Gcognost  a  priori  aufführt,  dem  basaltische  Gegenden, 
wie  solche  in  der  Eifel,  das  Höhgau,  Riesgau  und  andere  be- 
kannt sind.  Leider  treten  auf  den  Karten  diese  plastischen 
Verhältnisse  der  Ebene  Jesreel  mit  ihrem  centralen  Mittelpunkt 


-    215    ~ 

gar  nicht  zu  Tage ,  ob  sich  gleich  in  der  Natur  das  Bild  so  vor- 
trefflich zeichnet.  Vom  Tabor  aus,  bis  an  dessen  Fuss  die  ba- 
saltische Ebene  sich  erstreckt,  sieht  man  ganz  deutlich  die  Er- 
streckung der  Basaltfläche  bis  zum  See  von  Tiberias,  an  dessen 
Ostufer  erst  sich  die  weissen  geschichteten  Kreideberge  wieder 
erheben,  um  hinter  sich  aufs  neue  unübersehbaren  Basalt- 
flächen in  der  Ledscha  und  dem  Hauran  Platz  zu  machen.  Mit 
dem  Tabor  hat  man  wieder  das  normale,  horizontale  Gebirge 
erreicht,  ob  es  gleich  ein  schwaches,  östliches  Einfallen  zeigt. 
Auf  der  Höhe  beobachtet  man  starke,  derbe  Kreidekalkbänke, 
am  ehesten  dem  Maastrichter  Kalke  zu  vergleichen.  Sie  verwit- 
tern zu  einem  sog.  Schrattenkalk,  in  welchem  wie  mit  dem 
Messer  eingeschnittene  Risse  und  Vertiefungen  sich  erzeugen. 
Die  Cisternen  auf  der  Fläche  des  Berges,  der  einstigen  Haupt- 
feste des  jüdischen  Landes,  welche  das  fruchtbare  Jesreel  be- 
herrschte, sind  durch  die  10 — 15'  mächtigen  harten  Kreidefelsen 
in  die  weicheren  Kreidemergel  eingehauen.  Einsam  und  ver- 
lassen steht  seit  Jahresfrist  jetzt  ein  griechisches  Convent  mit 
1  Priester  und  4  Mönchen  auf  der  östlichen  Höhe  und  erinnert 
durch  seine  Lage  und  Fernsicht  viel  an  den  Dreifaltigkeitsberg 
auf  der  Spaichinger  Alb.  Im  Westen  wird  die  basaltische  Ebene 
von  den  Bergen  von  Nazaret  und  dem  Carmelzuge  umschlossen, 
durch  welche  der  Kishon  sich  einen  Durchbruch  zum  Meere  ge- 
bahnt hat.  Sobald  der  Durchbruch  beginnt,  hat  der  Basalt  sein 
Ende  erreicht. 

Lb  Norden  der  Ebene  beginnt  wieder  bis  zum  Libanon  die- 
selbe Einförmigkeit  des  Kreidegebirgs ,  wie  wir  sie  im  Süden 
derselben  kenneu,  und  bildet  somit  die  Ebene  von  Jesreel  im 
ganzen  Lande  Palästina  mit  geognostischem  Auge  angesehen, 
den  einzigen  Ruhepunkt  in  der  untröstlichen  Einförmigkeit  des 
Kreidegebirges. 


-    216    - 

Die  Lagernngsverhältnisse  der  Schichten. 

Dass  wir  nur  mit  den  wenigen  Schichten  der  Turon-  und 
Senongruppe  zu  thun  haben,  dass  weder  yon  älterer  Kreide  noch 
von  Tertiär,  geschweige  denn  von  Juraformation  oder  sonst  einem 
secundären  Gebirge  die  Eede  ist,  glauben  wir  an  der  Hand  lei- 
tender Fossile  zur  Genüge  beweisen  zu  können.  Ein  Gang  vom 
Mittelmeer  zum  todten  Meer  führt  uns  bis  zur  Wasserscheide 
bei  el  Kuds  zu  einer  Höhe  von  2700  P.  F.  über  dem  Meer 
hinan  und  von  da  zum  Spiegel  des  todten  Meeres  zu  1360  P.  F. 
unter  dem  Meer  wieder  hinab.  Wir  haben  also  4060  Fuss, 
innerhalb  deren  sich  unsere  Schichten  bewegen. 

Zum  erstenmal  treffen  wir  weisse  Kreidemergel  mit  Feuer- 
steinzügen am  Fuss  des  Gebirgs  bei  982'  über  dem  Meer  in  der 
Nähe  von  Latrün,  dann  tausend  Fuss  höher  bei  1989'  am  Passe 
Enäb  und  zum  drittenmal  abermals  achthundert  Fuss  höher  auf 
dem  Oelberg.  Von  da  fallen  sie,  und  wir  finden  sie  wieder 
auf  den  Bergen  zwischen  Jerusalem  und  Marsaba  bei  circa  2000' 
über  dem  Meer,  im  Thal  oberhalb  Marsaba  bei  circa  1000'  über 
dem  Meer,  auf  der  Spitze  des  Ras  el  Feskah  im  Niveau  des 
Mittelmeers  und  mittelst  Visirung  am  Ostufer  sieht  man  die 
schwarzen  Feuersteinbänke,  die  das  weisse  Kreidegestein  durch- 
ziehen, unter  das  Niveau  des  Mittelmeers  hinabgreifen.  Ebenso 
geht  es  mit  den  Hippuritenkalken.  Auf  der  Höhe  von  Nebi 
Samuel  liegen  sie  2649',  ziemlich  in  gleichem  Niveau  noch  bei 
Jerusalem,  bei  Marsaba  2000'  tiefer,  am  Abfall  zum  todten 
Meer  im  oberen  Drittheil  des  Absturzes,  also  immerhin  einige 
100'  unter  dem  Meeresspiegel. 

Die  Schichten,  die  zu  Tage  treten,  liegen  nun  aber  bei  all  diesen 
enormen  N  i  v  e  a  u  d  i  f  f  e  r  e  n  z  e  n  nahezu  horizontal.  Am  Ausgehen- 
den der  Berge  und  an  Thalgehängen  fehlt  es,  wie  sich  das  von  selbst 
versteht,  an  Biegungen  und  Ausweichungen  nicht,  aber  der  Art 
sind  sie  nicht,  dass  wir  Gewölbe  an  den  Schichten  beobachteten,  was 
nothwendige  Folge  einer  Schichtenverbiegung  wäre,  die  auf  einige 
Stunden  horizontaler  Entfernung  gegen  3000'  Differenz  in  ihrem 
Niveau  zur  Folge    hat.     Ich  kann    hienach  die  Ansicht  Lartets 


-    217    - 

nicht  theilen,  welcher  sein  Profil  in  der  Weise  zeichnet,  dass  er 
ein  Gewölbe  von  Kreideschichten  construirt,  das  sein  Widerlager 
im  Westen  und  Osten  des  Gebirges  Juda  hat  und  den  First  in 
Jerusalem,  ich  vermuthe,  dass,  wie  das  so  leicht  einem  Touristen 
in  jenem  Lande  begegnet,  manche  Aufnahme  aus  der  Ferne 
geschah,  wobei  die  diluvialen  Deckelsteine,  die  gewölbartig  die 
Berge  decken,  für  Schichten  angesehen  worden  sind.  Wo  wir 
namentlich  im  Osten  von  Jerusalem  offene  Schichten  getroffen 
haben,  lagen  sie  auch  horizontal  und  zwar  auf  Stunden  weit  hori- 
zontal, dann  kam  plötzlich  unmotivirt  durch  die  Oberfläche  der 
Gegend  ein  Wechsel,  beziehungsweise  eine  Wiederholung  jüngerer 
Kreideschichten,  die  sich  neben  der  altern  in  Ein  Niveau  gelegt 
hatten.  Diese  Erscheinungen  können  ohne  Annahme  von  Sprün- 
gen und  Verwerfungsklüften  Ein-  für  alle  mal  nicht  erklärt 
werden,  die  denn  auch  nicht  blos  als  nothwendig  angenommen 
zu  werden  brauchen,  sondern  in  Wirklichkeit  zu  beobachten 
sind.  Es  fehlt  nirgends  an  Klüften,  welche  mit  dem  Kompass 
gemessen  einen  Parallelisimus  zeigen  und  ebendamit  auf  eine 
gemeinsame  Ursache  hinweisen ,  die  keine  andere  sein  kann, 
als  welche  den  Abfall  des  Mittelmeersgrundes  einerseits  und  and- 
rerseits die  Jordanspalte  im  weiteren  Sinn,  (die  bis  zum  Ras 
Muhamed  reicht)  zur  Folge  hatte. 

Die  Jordanspalte  mit  ihrer  tiefsten  Versenkung  in  der 
Mitte  des  todten  Meeres  hängt  mit  der  Bildung  des  ganzen 
Landes  so  eng  zusammen,  dass  der  Gedanke  Niemand  mehr 
kommen  kann,  das  todte  Meer  wäre  das  Resultat  einer  späteren 
vulcanischen  Bildung,  oder  auch,  es  wäre  etwa  später  zu  histo- 
rischen Zeiten  eine  wesentliche  Veränderung  mit  dem  See,  wie 
z.  B.  die  Versalzung  des  Wassers  vor  sich  gegangen.  Vielmehr 
ist  die  ganze  Jordanspalte  mit  der  Versenkung  des  todten  Meers 
älter,  als  die  Ablagerung  des  Tertiärs,  das  in  der  ganzen  Gegend 
vom  Libanon  bis  nach  Egypten  fehlt.  Mit  dem  Fehlen  des  Tertiärs 
aber  ist  der  Beweis  hergestellt,  dass  vom  Ende  der  Kreideperiode 
an  in  Palästina  keine  marine  Bildung  mehr  statt  fand,  sondern 
einzig  nur  die  Einflüsse  der  Atmosphäre  auf  die  Oberfläche  des 
Landes  sich  geltend  machten,   die  jedoch  eine  wesentliche  Ver- 


—    218    — 

änderuDg  derselben  nimmermehr  zu  erzeugen  im  Stande  sind. 
Lartet  meint  sogar,  seit  den  Zeiten  der  feldspatreichen  Porphyre, 
welche  zwischen  Petra  und  dem  todten  Meere  die  Richtung  der 
tiefen  Erdspalte  ankündigen,  also  lange  vor  der  Bildung  der 
Kreidebänke  habe  jene  Erdspalte  in  ihrer  Nord-Süd-Erstreckung 
existirt  und  das  todte  Meer  habe  zu  keiner  Zeit  in  irgend  einem 
Zusammenhang  mit  dem  Ocean  gestanden. 

Das  todte  Meer  war  zu  allen  Zeiten  und  von  Urbeginn  ein 
Sammelbassin  der  Regenwasser  aus  der  ganzen  Gegend. 
Um  sich  davon  zu  überzeugen,  braucht  man  nur  die  tiefen 
Schluchten  der  Wadi's  sich  anzusehen,  welche  der  Andrang  der 
Wasser  ausgehöhlt,  und  das  Haufwerk  alten  Schuttes  an  den 
Thalwänden,  welches  die  früheren  Wasser  aus  der  Ferne  zu- 
sammengetragen, und  endlich  die  Geschiebemassen,  die,  bis  zu 
300  Fuss  über  dem  Spiegel  des  Sees  an  den  Uferwänden  han- 
gend, auf  einen  ganz  andern  Wasserstand  hinweisen  und  ganz 
andere  Niveauverhältnisse  voraussetzen,  als  die  heutigen  sind. 

Wenn  geologisch  etwas  festgestellt  werden  kann,  so  ist  es 
die  Thatsache  eines  viel  höheren  Wasserstandes  in  der  Spalte 
des  Jordans  und  des  todten  Meeres,  einer  am  Ufer  mindestens 
100  Meter  höher  angeschwellten,  nach  Süden  einige  Meilen, 
nach  Norden  aber  bis  in  die  Nähe  des  Tiberias-Sees  weit  aus- 
gedehnten Wasserfläche.  So  weit  haben  sich  die  Schichten  von 
Ligan,  wie  sie  Lartet  ganz  gut  bezeichnet,  verbreitet;  eine 
Fluthmarke  des  früheren  Wasserstandes  aber  hat  sich  bis  zu 
diesem  Augenblick  erhalten. 

Längst  vergangen  sind  die  Tage,  in  denen  das  Wasser  so 
hoch  stand ;  es  sind  wohl  dieselben,  in  denen  noch  Gletscher  am 
Sinai  und  am  Libanon  hingen,  in  denen  das  Mittelmeer  ganz 
Egypten  deckte  bis  Assuan,  und,  um  ein  Beispiel  aus  der  Hei- 
mat zu  citiren ,  das  schwarze  Meer  noch  heraufgriff  bis  au  den 
Rand  der  schwäbischen  Alb  und  das  Land  der  Donau  von  Ulm 
an  abwärts  unter  Wasser  stund.  Als  in  Europa  und  im  nörd- 
lichen Afrika,  auf  der  ganzen  arktischen  Halbkugel  unserer  Erde, 
das  Klima  sich  änderte,  da  sank  auch  allmälig  der  Spiegel  des 
todten   Meeres;    die   Zuflüsse    verminderten    sich    und    die  Ter- 


—    219    — 

dunstung  steigerte  sich  in  demselben  Mass.  Die  Wasser  con- 
centrirten  sich  nach  und  nach  und  wurden  immer  laugenhafter, 
je  länger  die  Verdunstung  in  den  Felsenkesseln  anhielt. 

Die  Folge  davon  ist  leicht  erkennbar.  Das  todte  Meer  musste 
sich  schliesslich  sättigen*)  mit  den  Salzen,  welche  die  Meteor- 
wasser aus  den  Schichten    lösten;    und    so    hat    sich   jetzt   eine 


*)  Abgesehen  von  den  zufliessenden  Quellen  führt  der  Jordan  dem 
todten  Meere  schätzungsweise  6  Millionen  Tonnen  (ä  1000  Kilo)  Wasser 
im  Laufe  von  24  Stunden  zu  (beiläufig  den  dritten  Theil  des  Neckar- 
wassers an  der  wiirttembergischen  Landesgreuze).  Die  Beduinen  sind 
noch  des  Glaubens,  wie  schon  Bruder  Brocardus  1283  meldet,  das 
Wasser  werde  von  der  Erde  verschlungen.  Es  hat  auch  in  neuerer 
Zeit  nicht  an  Ansichten  gefehlt,  welche  eine  unterirdische  Communi- 
cation  mit  dem  Meere  nicht  gerade  für  eine  physische  Unmöglichkeit 
erklären  wollten.  Der  Atmosphiirendruck  auf  den  1300'  unter  dem 
Meeresniveau  gelegenen  Seespiegel  sollte  das  unterirdische  Einströmen 
des  Meerwassers  in  den  Kessel  des  todten  Meeres  verhindern.  Man 
hat  jedoch  sicherlich  keinen  nöthigenden  Grund,  sich  den  Wasserver- 
lust anders  als  durch  blosse  Verdunstung  zu  erklären,  um  so  mehr, 
als  ohne  dieselbe  die  Concentration  der  Laugenwasser  gar  nicht  erklärt 
werden  kann.  Herr  Professor  Zech  in  Stuttgart  hat  berechnet,  dass 
täglich  —  soll  die  Wasserzufuhr  des  Jordan  den  Kessel  des  todten 
Meeres  von  8  geographischen  Quadratmeilen  nicht  überfüllen  —  eine 
Wasserschichte  von  13^/2  Millim.  Höhe  verdampfen  muss.  Eine  (solche 
Verdampfung  ist  nun  in  Europa  allerdings  unbekannt.  In  Württemberg 
war  1866  die  grösste  Verdunstungshöhe  in  24  Stunden  in 

Stuttgart  am  24.  März  .     .     .     2,03  Par.  Lin. 

Heilbronn  am  19,  Mai  .     .     .     2,07      „ 

Freudenstadt  am  28.  April      .     2,37      „ 

Ulm  am  4.  Juni 8,04      „ 

Schopfloch  am  24.  September    2,32      „ 

Heidenheim  am  29.  April  .     .     2,37      „ 

Isny  am  29.  April  ....  2,17  „ 
Die  Versuche  über  Verdunstung,  die  im  IVIittel  6  Millim.  geben,  ge- 
schehen aber  im  Schatten;  bei  Gefässen,  welche  der  Luft  und  dem 
Sonnenschein  ausgesetzt  sind,  wird  das  Verhältniss  ein  anderes  werden. 
So  fand  Sauvanan  1858  zu  St.  Rambert  bei  Paris  als  Mittel  von  146 
heitern  Tagen  6,51  Millim.  In  Californien  beobachtete  man  an  den 
Blake  Tulare  Lakes  täglich  7,6  Millim.  In  Palermo  betrug  die  mittlere 
Verdunstungshöhe  in  24  Stunden  in  der  Sonne  im 


—    220    — 

Salzlauge  gebildet,  welche  den  gewöhnlichen  Salzgehalt  des 
Meeres  weit  übertrifift,  in  dieser  Beziehung  aber  mit  andern 
Salzseen  der  Erde  zu  vergleichen  ist. 

Eine  merkwürdige,  bis  jetzt  noch  nicht  bekannte  Thatsache 
ist  die  Ungleichheit  des  Salzgehaltes,  je  nachdem  man, 
nicht  in  der  Mitte  oder  an  den  Ufern,  sondern  an  der  Ober- 
fläche oder  in  einer  gewissen  Tiefe  schöpft.  Bereits  1848  fand 
die  amerikanische  Expedition  unter  Lynch  eine  Fortsetzung  der 
Jordanströmung  von  Nord  nach  Süd  so  ziemlich  in  der  Mitte 
des  Sees,  eine  Strömung,  die  sich  mit  jener  des  Rheins  im 
Bodensee  vergleichen  lässt.  Aber  erst  die  französische  Expedition 
schöpfte  auch  in  verschiedenen  Tiefen  mit  dem  von  Daubre  ver- 
besserten Aime'schen  Apparat  zum  Wasserschöpfen  in  beliebigen 
Tiefen,  ein  Apparat,  den  ein  sehr  sensibler  Dichtigkeitsmesser 
besonders  brauchbar  macht. 

Mit  diesem  Apparat  fand  man  namentlich  eine  Zunahme  von 
Brom,*)  die  sich  von  0,16  pro  mille  auf  3  p.  m.  in  20  Meter 
Tiefe,  auf  5  in  120,  und  auf  7  in  300  Meter  Tiefe  steigerte. 
In  demselben  Verhältniss  steigerte  sich  die  Zunahme  von  Chlor, 
nämlich  von  17  und  19  p.  m.  auf  174  in  der  Tiefe  von  300 
Meter,  Beide  Körper  bildeten  Bromide  und  Chloride  mit  Natrium, 
Magnesium,  Kalium  und  Calcium. 

Der  Chemiker  erkennt  mit  Recht  in  der  starken  Versalzung 
der  Wasser  das  Zeichen  einer  lange  fortgesetzten  Concentration ; 
namentlich  liefert  der  ausnehmende  Reichthum  an  Brom  und 
Chlorkalium   den   directen   Beweis  für    das,   ich  möchte   sagen, 


Mai      .     .     5,76  Millim. 

Juni     .     .     7,23       „ 

Juli      .     .     7,82       „ 

August      .     7,46       „ 

September     5,68       „      u.  s.  w.       (Mitth.  v.  Zech.) 
Obgleich   directe  Verdunstungsversuche  am   todten  Meer  noch    felilen, 
80  wird   in   Anbetracht   der  Lage   des  Sees  zwischen    den    lichtgelben 
Kalkfelsen,   der   geringen   Niederschiiigo   und    der    trockenen  Südwinde 
eine  Verdnnstungshöho  von  13,5  Millim.  sehr  begreiflich  erscheinen. 
*)  Siehe  die  folgende  Seite. 


-    221    - 


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-    222    - 

vorweltliche  Alter  des  Sees.  In  seinem  Wasser  hat  sich  eine 
natürliche  Mutterlauge  gebildet,  von  welcher  das  animalische 
Leben  zerstört  wird.  Es  ist  nicht  nöthig,  den  Grund  für  die 
Unmöglichkeit  des  organischen  Lebens  von  diesem  oder  jenem 
Körper  abzuleiten,  z.  B.  vom  Brom  oder  vom  Brom-Magnesium, 
wie  die  französichen  Gelehrten  meinen,  da  schon  die  Thatsache, 
dass  jene  Lauge  1  '/-tmal  schwerer  ist  als  reines  Wasser,  und  bis 
28  Procente  Chemikalien  enthält,  vollständig  dazu  ausreicht* 
Wie  in  unsern  württembergischen  Flüssen  und  Bächen  die  Fische 
verschwinden,  wo  Chlorverbindungen  oder  andere  Laugen  einer 
chemischen  Fabrik  ins  Wasser  fliessen,  so  erstirbt  auch  das 
Leben  in  der  Lauge  des  todten  Meeres.  *) 

In  der  Nähe  solcher  Spalten  gehen  stets  unterirdische  Be- 
wegungen vor  sich,  die  nothwendig  mit  Niveauschwankungen 
verknüpft  werden  müssen,  vulcanische  Erscheinungen  im  weite- 
sten Sinne  des  Wortes,  die  sich,  seit  die  Chroniken  Meldung 
thun,  in  den  fürchterlichsten  Erdbeben  kund  gethan  haben. 
Von  den  Zeiten  Abrahams  an,  da  grosse  volkreiche  Städte  ihren 
Untergang  fanden  (Gen.  19,  24.  25)  bis  auf  unsre  Zeit  ist  das 
Jordanthal  Zeuge  verheerender  Bewegungen  der  Erde.  Strabo 
erwähnt  eines  Erdbebens,  das  eine  ganze  Stadt  verschüttete, 
Josefus  erzählt  von  einem  andern  unter  Herodes,  das  10,000 
Menschen  den  Tod  brachte.  1759  den  30.  October,  3  Uhr  45  Min. 
in  der  Früh,  fingen  Stösso  an,  die  sich  3  Monate  lang  wieder- 
holten und  einer  Menge  Städte  Syriens  und  Tausenden  von 
Menschen  den  Untergang  brachten.  1834,  namentlich  aber  1837 
war  das  letzte  verhängnissvolle  Jahr,  in  welchem  ein  fürchter- 
licher Stoss  längs  der  Axe  der  Jordan-  und  Todte -Meer- Spalte 


*)  Von  Interesse  ist  der  Versuch  des  Herzogs  von  Luynes.  Im 
Norden  von  Usdom  ist  eine  häufig  vom  Meer  überschwemmte,  durch 
eine  heisse  Salzquelle  gespeiste  Laguno.  Obgleicli  in  Geschmack  und 
Dichtigkeit  das  Wasser  dem  des  todten  Meeres  ähnelt,  so  lebt  darin 
doch  eine  Anzahl  kleiner  Fische,  Ctjjrrinodon  Moseas  Cuv.  und  lunatus 
Ehrb.  Diese  Fische,  mit  Sorgfalt  gefangen  und  in  einer  Schüssel  mit 
Lagunenwasser  am  Leben  erhalten,  starben  augenblicklich,  als  man 
sie  in  eine  Schüssel  mit  "Wasser  aus  dem  todten  Meer  setzte. 


—    223    - 

sich  hinzog,  die  Stadt  Tiberias  fast  ganz  zerstörte  und  6000 
Menschen  den  Tod  brachte.  Wenn  sich  bei  solchen  Katastrophen 
nicht  auch  die  Niveau's  der  Oberfläche  veränderten,  wäre  eine 
verwunderliche  Sache.  Es  liegt  diess  so  sehr  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  dagegen  kein  Zweifel  erhoben  werden  wird. 

Für  die  durchgreifende  Zerklüftung  des  gesammten  Gebirges 
sprechen  besonders  die  zahlreichen  Höhlen  im  Gebirge  Juda, 
Ephraim  und  längs  des  Jordanlaufes,  die  theilweise  als  unter- 
irdische Thäler,  jedenfalls  als  alte  Wasserläufe  angesehen  wer- 
den können.  Eines  der  belehrendsten  Thäler  in  dieser  Hinsieht 
ist  das  grotten-  und  höhlenreiche  Chareitün,  das  ich  auf  einer 
Tour  vom  todten  Meer  nach  Bethlehem  durchzog.  Die  Land- 
schaft ist  überaus  grossartig  und  wegen  des  steten  Wechsels 
reizend.  Nur  an  wenigen  Stellen  verengt  sich  das  Thal,  wie 
das  Kidronthal  bei  Marsaba;  im  Allgemeinen  ist  es  tiefer  ein- 
gerissen, darum  auch  weiter  und  grossartiger.  Die  Thalkrüm- 
mungen sind  ausserordentlich  kurz,  meist  rechtwinklig  an  ein- 
ander abbiegend.  Diese  Biegungen  folgen  so  rasch  aufeinander, 
dass  man  selten  weiter  als  einige  hundert  Schritte  weit  vor  sich 
hinsieht,  in  stetem  Zickzack  durch  das  Thal  gelangt  und  mit 
jeder  Biegung  durch  neue  Ansichten  überrascht  wird,  welche 
durch  überhängende  Felsen,  Grotten  und  Höhlenöffnungen  be- 
sonders malerisch  gemacht  sind.  Das  Profil  des  Thalgehängs 
ist  schätzungsweise  folgendes : 

60  '  mergelige  bröckelige  Kreidemergel  mit  Feuersteinbänken, 

30 '  massiger  Fels  mit  Grotten  und  Höhlen, 

50'  harte,  geschichtete  Bänke, 
100 '  rauhe,  mir  halbgeschichtete  Kalkbänke,  theilweise  cry- 

stallinisch  und  massig, 
500  '  Wechsel  verschiedener  Kalkschichten ,  bald  schwächer, 
bald  stärker,  deren  äusserer  Anblick  keine  Unterschei- 
dungsmerkmale bietet. 

Der  Grottenfels,  wie  ich  die  bei  30'  mächtige  Felsenlage 
der  oberen  Partie  nenne,  ist  mit  seinen  Nischen,  Höhlen  und 
Gängen  der  Wohnort  einer  Anzahl  Beduinenfamilien;  neben 
diesen  modernen  Wohnungen  zeugen  alte  Gemäuer  und  Cister- 


-    224    - 


nen  von  verschwundenen  Wohnorten.  Von  einer  alten  Trümmer- 
stadt klettert  man  einige  hundert  Schritte  auf  schmalem  Fuss- 
pfad  über  riesige  Felsblöcke  weg  oder  schlüpft  man  unter 
überhängenden  Felsen  durch  und  gelangt  schliesslich  zu  einem 
8'  hohen  Steinblock,  von  dem  aus  man  mittelst  eines  Schrittes 
in  den  5'  hohen  und  3'  breiten  Eingang  der  altberühmten 
AduUamhöhle  kommt,  die  gewöhnlich  das  Labyrinth  von  Cha- 
reitün  heisst.  Mittelst  Compass  und  Schreitens  fertigte  ich  bei- 
stehenden Grundriss 
der  Höhle,  aus  dem 
klar  wird,  wie  die 
ganze  Höhle  eigentlich 
nur  aus  erweiterten 
Sprungklüften  des  Ge- 
birgs  besteht,  die  pa- 
rallel mit  der  Axe  des 
Thaies  laufen.  Die 
Höhle  ist  ein  förmliches 
System  von  Corrido- 
ren  und  Quergängen, 
welche  durch  die  Erosion  in  früheren  wasserreicheren  Zeiten 
ausgenagt  wurden.  Zuerst  war  nur  ein  System  einfacher  Sprünge 
im  Gestein  vorhanden,  das  fliessende  Wasser  erweiterte  sie  im 
Lauf  der  Jahrhunderte  und  erodirte  die  Gänge  im  Stile  der 
Spitzbögen,  so  dass  der  erste  Eindruck  auf  den  Besucher  leicht 
die  Täuschung  hervorrufen  kann,  als  wäre  durch  Kunst  die 
Höhle  gebildet  oder  wenigstens  künstlich  ihr  nachgeholfen  wor- 
den. Diess  ist  jedoch  entschieden  nicht  der  Fall.  Das  Wasser 
war  der  einzige  Künstler,  das  mittelst  regelloser  Rinnen  in  dem 
harten  Kreidegestein  wirre  Sculpturen  an  den  Wänden  anbrachte 
nnd  am  Dache  der  Höhle  Vorsprünge,  Zinken  und  Zacken  bil- 
dete, an  denen  Tausende  von  Fledermäusen  gleich  Kronleuch- 
tern in  gräulichen  Klumpen  hängen.  Der  Eingang  führt  mit 
drei  Schritten  in  einen  Längsgang,  von  dem  nach  einigen  Schrit- 
ten wieder  ein  Quergang  rechtwinklig  abbiegt,  um  in  den  zwei- 
ten, mit  dem  ersten   parallel  laufenden   Längsgang  zu   führen, 


Grundriss  des  Labyrinths  von  Chareitün. 


-    225    — 

sofort  der  dritte  Quergang  in  den  dritten  Längsgang,  von  dem 
aus  man  in  die  grosse  Halle  gelangt,  in  der  bequem  400  Mann 
sich  aufhalten  mögen.  Die  Quergangspalte,  welche  zur  Halle 
führt,  setzt  auf  der  Bergseite  fort  und  führt  wieder  in  neue 
Längsgänge,  die  durch  Quergänge  verbunden,  sich  noch  lange 
in  den  Berg  verlieren.  Weiter  in  dem  förmlichen  Labyrinth  der 
Corridore  vorzudringen,  als  in  der  Skizze  verzeichnet,  schien 
wegen  Mangels  an  Lichtern,  wie  an  einem  Ariadnefaden  nicht 
rathsam.  Die  begleitenden  Beduinen  hatten  ohnehin  längst 
Angst  und  wollten  der  bösen  Geister  halber  keinen  Schritt  wei- 
ter thun  und  ist  mir  daher  sehr  glaublich,  was  die  Beduinen 
versichern,  das  Ende  der  Höhle  sei  noch  von  Niemand  erforscht. 
Es  bot  auch  in  der  That  der  sich  immer  wiederholende  Paral- 
lehsmus  der  Bei'gklüfte  im  weitern  Yerlauf  der  Gänge  nichts 
Neues  dar.  Tropfsteine  sind  keine  in  der  Höhle,  Hängendes 
und  Liegendes  ist  Fels,  der  überall  die  Spuren  des  nagenden 
Wassers  an  sich  trägt:  das  Eine  wie  das  Andere  bestätigt  die 
schon  ausgesprochene  Ansicht,  dass  das  ganze  Labyrinth  weiter 
nichts  als  ein  alter  unterirdischer  Quelllauf  im  Gebirge  war,  in 
einer  Zeit  freilich,  in  welcher  selbstverständlich  noch  andere 
Verhältnisse  der  Oberfläche  bestunden,  als  gegenwärtig  zu  be- 
obachten sind. 


Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  3s  Heft.  15 


-    226    - 

Paläontologische  Bestimmung  der  Schichten 
Palästina's. 

In  der  geognostischen  Beschreibung  des  Profils  ward  schon 
auf  die  leitenden  Fossile  hingewiesen,  welche  für  das  Urtheil 
massgebend  sind,  dass  wir  auf  der  ganzen  Linie  von  Jaffa  bis 
zum  todten  Meer  uns  in  der  Turon-  und  Senongruppe  oder  der 
oberen  Kreide  bewegen.  Die  nähere  Bestimmung  der  gesammel- 
ten Fossile,  sowie  die  Vergleichimg  der  seitherigen  PubUcationen 
hat  unser  Urtheil  nur  bestätigt  und  stimmt  in  dieser  Hinsicht 
wesentlich  mit  Louis  Lartets*)  Note  über  die  Formationen 
des  todten  Meeres  überein,  welche  dieser  ebenso  scharfsinnige 
Beobachter  als  gewissenhafte  Berichterstatter  vorläufig  über  seine 
geologischen  Beobachtungen  als  Begleiter  des  Herzogs  von  Luy- 
nes  (1864)  gegeben  hat. 

Amorphozoen. 

Ventriculites  angustatus  Rom.  Kreide.  Taf.  I,  Fig.  5 
(Ocellaria  Lam.).  Der  Schwamm,  dessen  Gewebe  durch  Eisen- 
oxydhydrat stark  gefärbt  ist,  zeigt  dasselbe  regelmässige  Faden- 
gewebe, wie  die  Fossile  von  Sachsen  oder  von  Rügen,  die 
Form  des  Schwamms  ist  die  eines  Trichters.  In  England  leitend 
für  Upper  Chalk,  in  Deutschland  für  Pläner  und  weisse 
Kreide. 

Fundort:  Latrün  in  weissem  Kreidemergel. 

Foraminiferen. 

Nummulites  variolaria  Sow.  var.  prima.  Sow.  Min. 
Conch.  538,  2.  d'Arch.  foss.  des  Indes  IX,  13.  Diese  Art, 
welche  wir  in  Europa  nur  aus  dem  Horizont  des  eocenen  Ge- 
birges kennen  (Stubbington,  Brüssel  und  Seinebecken)  und  welche 
d'Archiac  auch  von  Kleinasien  und  Kurdistan  citirt,  findet  sich 
östlich  von  Jerusalem  in  grauen  Feuersteinen,  die  gänzlich  von 


*)  Note  sur  la  formation  du  bassin  de  la  mer  Morte  etc.   Bull.  d. 
1.  BOG.  geologique  do  France.    Tom.  22  Feuilles  27—36.     1865. 


—    227    — 

den  ausgezeichnet  erhaltenen  kleinen  Gehäusen  erfüllt  sind.  Die 
3V2  Millim.  messende  Schale  hat  5  Umgänge,  die  sich  um  eine 
centrale  Blase  legen.  Der  Fund  stammt  von  Dr.  Eoth  und  lie- 
gen die  Originale  in  München. 

Dieselbe  Art  füllt  auch  die  Kalke  am  Fuss  der  Pyramiden, 
dessgleichen  fand  ich  sie  zu  Benihassan,  wo  sie  wie  in  Europa 
jüngere  tertiäre  Schichten  füllt.  Um  Jerusalem  steigt  sie  aber 
in  die  obere  Kreide  herunter,  wesshalb  ich  ihr  den  Zusatz 
var.  prima  gebe. 

N.  cretacea  Taf.  11,  Fig.  8  a,  b,  c.  Wäre  das  Stück,  in 
welchem  diese  Nummuliten  stecken,  nicht  eigenhändig  von  mir 
aus  den  festen,  anstehenden  Hippuritenkalken  des  Wadi  Jos 
geschlagen  worden,  so  hätte  ich  grossen  Anstand  genommen, 
mich  einer  derartigen  geologischen  Häresie  schuldig  zu  machen 
und  Nummuliten  in  die  Kreide  zu  versetzen,  oder  vielmehr  ein 
Gebirge  Kreide  zu  nennen,  das  Nummuliten  führt.  Aber  die 
Sache  ist  einmal  so.  Nicht  nur,  dass  auf  ein  und  demselben 
Handstück  Hippuritenfetzen  mit  den  Nummuliten  liegen,  sondern 
dass  an  ein  und  derselben  Felswand  über  den  Nummuliten  noch 
Hippuriten  und  weiterhin  Ammoniten  sich  finden.  Ich  gestehe, 
dass  mich  diese  höchst  ungewohnte  Thatsache  höchlich  über- 
raschte, fast  unangenehm  berührte  und  da  ich  auch  fernerhin  in 
Syrien  Nummuliten  begegnete,  wo  ich  des  übrigen  geognosti- 
schen  Horizontes  halber  noch  keine  vermuthete,  so  konnte  ich 
mich  dem  Vorhandensein  von  Kreide  -  Nummuliten  nicht  mehr 
verschliessen  und  schliesse  mich  in  dieser  Hinsicht  viel  lieber  der 
amerikanischen  Auffassung  im  off.  Report  an,  als  an  L.  Lartet 
(1.  c.  pag.  444),  der  von  unmerklichen  Uebergängen  der  eocenen 
Kalke  in  die  Kreidekalke  spricht  und  zu  dem  Ende  die  mir 
gleichfalls  bekannten  Orte  von  Samaria  citirt,  wo  Nummuliten 
unter  ganz  ähnlichen  Verhältnissen  wie  um  Jerusalem  in  Kreide- 
schichten sich  mengen. 

Die  grössten  Exemplare  von  Nummulites  cretacea  messen 
4  Millim.  im  Durchschnitt  und  nicht  ganz  2  Millim.  im  Querdurch- 
messer. Eine  Aussenseite  Hess  sich  noch  nicht  beobachten,  sie 
ist  zu  innig  mit  dem  Kalkstein  verwachsen:  es  liegen  somit  nur 


—    228    — 

gespaltene  Exemplare  vor.  Auf  der  Breitseite  zählt  man  15 
haarfeine  Umgänge  und  dessgleichen  Wände  zwischen  den  Um- 
gängen. Ich  kenne  keine  zweite  Art ,  welche  eine  gedrängtere 
Lagerung  der  Kammern  und  der  Zwischenwände  zeigte.  Die 
Kammern  selbst  sind  klein  und  undeutlich.  Die  Zellenwände 
sitzen  rechtwinkhg  auf  der  Umgangswand  auf. 

N.  arbiensis  Conr.  off.  Rep.  22,  126.  Die  Amerikaner 
stellen  ihn  zum  Chalk.  Ich  habe  ihn  von  den  Bergen  des  alten 
Samariens,  jetzt  Sebastieh,  und  vom  Berg  Garizim,  an  dessen 
halbem  Gehäng  (el  Tor)  er  ganze  Bänke  erfüllt.  Zugleich  traf 
ich  dort  Pyramidella  canaliculata  d'Orb.  Diese  zweite  Kreide- 
species  hat  mit  N.  biaritzensis  d'Arch.  sehr  viel  Aehnlichkeit. 
Ich  möchte  fast  sagen,  es  seien  beide  identisch.  Bei  8 — 10 
Millim.  Durchmesser  zeigt  die  Aussenseite  ein  wahres  Gewirre 
der  Zellengänge,  die  an  Nautilus  Zickzack  erinnern.  Zu  Beni- 
hassan  traf  ich  die  gleiche  Art  mit  N.  variolaria.  Ich  hätte 
unbedingt  den  älteren  d'Archiac'schen  Namen  auf  unser  syrisches 
Fossil  übertragen,  wenn  derselbe  nicht  für  eine  ächte  Tertiärart 
geschaffen  worden  wäre,  dieses  aber  zum  System  der  Kreide 
gehört. 

Zoophyten. 

Sarcinula  auleticon  Gf.  von  Nebi  Samuel.  An  sich  ist 
der  Erhaltungszustand  der  Koralle  der  Art,  dass  eine  genaue 
Bestimmung  kaum  möglich  ist.  Im  Uebrigen  gleicht  sie  der 
Goldfuss'schen  Art,  die  aus  der  Kreide  von  JüHch  stammt,  auf- 
fallend und  darf  bis  auf  Weiteres  wohl  mit  ihr  vereinigt  werden. 

Echiuodermen. 

Discoidea  cylindrica  Ag.  Eine  in  Europa  sehr  gemeine 
Art,  z.  B.  im  untern  Pläner  von  Rettem  in  Braunschweig,  in  der 
craie  marneuse  von  Ronen  u.  a.  a.  0.  Ein  Exemplar  dieses 
Echinoderm  bewahrt  die  literary  society  in  Jerusalem  aus  dem 
dortigen  Melekeh. 

Galerites  albogalerus  Lam.  und  zwar  die  Form  angu- 
losus  Desor  Synops.  pag.  183  aus  dem  Melekeh  des  Wadi  Jos. 


-    229    — 

Brachiopodeu  (Eudisten). 

Hippurites  syriacus  Conr.  {off.  Rep.  16,  84)  Taf.  IV,  Fig.  7. 
Bereits  wurde  erwähnt,  wie  schwer  es  halte,  die  zahlreich  überall 
an  den  Felswänden  sichtbaren  Hippuriten  zu  sammeln.  Viele 
Duzende  sah  ich,  aber  vergeblich  war  die  Mühe,  sie  vom  Fels  loszu- 
schälen ;  schliesslich  musste  ich  mich  mit  Einem  miserabeln  Stücke 
zufrieden  geben.  H.  Syriacus  gleicht  auf  den  ersten  Blick  einem 
Cyathophyllum  aus  dem  Uebergangsgebirge,  so  schmal  und 
schlank  wachsen  die  einzelnen  Schalen.  Sie  sind  gebildet  aus 
concentrischen  wie  aus  radialen  Anwachsstreifen,  die  beide  mit- 
einander auf  der  Aussenseite  ein  ausgezeichnetes  feines  Gitterwerk 
erzeugen.  Die  einzelnen  Stücke  sind  nicht  höher  als  5 — 6  Centim. 
und  haben  am  Oberende  l'/a  Centim.  Durchmesser;  in  halber  Höhe 
der  Sehale  wachsen  junge  Seitensprossen.  Ich  hätte  vielleicht 
ohne  den  Vorgang  Conrads,  welcher  den  Namen  syriacus  machte, 
Desmoulins  alten  Namen  H.  organisans  auf  die  syrische  Form 
übertragen.  Jedenfalls  stellt  sich  diese  der  genannten  europäischen 
Art  am  nächsten. 

Zahlreich  im  Missih  des  Wadi  Jos.  In  der  Roth'schen 
Sammlung  liegen  Stücke  aus  den  kieseligen  Bänken  des  Missih's, 
in  welchen  nur  noch  der  Hohlraum  erhalten  ist,  den  einst  der 
Hippurit  füllte.  Mittelst  Guttapercha  wru'den  Abgüsse  von  diesen 
Höhlungen  erhalten,  welche  jetzt  die  Oberfläche  der  Schale  vor- 
trefflich wieder  geben.  Unsere  Figur  gibt  einen  solchen  Abguss 
wieder  und  zeigt  viel  besser  als  die  Conrad'sche  Abbildung  das 
Netzwerk  auf  der  Aussenseite  der  Schale. 

Hippurites  sulcatus  Defr.  (d'Orb.^:)a/. /"ra^if.  pl.  531).  Bei 
dem  Mangel  an  vollständigen  Esemplaren  und  dem  Umstand, 
dass  die  Beobachtung  und  rasche  Skizzirung  an  den  unwirth- 
lichen  Felswänden  des  Kidronthales  geschah,  möchte  ich  auf  die 
richtige  Bestimmung  der  Art  nicht  zu  viel  Gewicht  legen. 
Eben  so  gut  dürfte  man  nennen 

Radiolites  angeiodes  Lam.  (d'Orb.  pl.  549)  undR.  acuti- 
costata  d'Orb.  (d'Orb.  pl.  550)  ausserordentlich  variable  Muscheln, 
deren    Schalen    von    tiefeingeschnittenen    Rippen   bedeckt   sind. 


—    230    — 

Im  untern  Kidronthale,  1  Stunde  unterhalb  Marsäba  sitzen  sie 
in  ganzen  Colonien  wie  Buschwerk  im  Felsen  und  entspringen 
6 — 8  Individuen  Einer  Wurzel. 

Radiolites  Mortoni  Mant.  Zittel,  Biv.  d.  Gosau  Tab.  XXV, 
Fig.  1—3,  pag.  72,  Taf.  IV,  Fig.  15.  Ganze  Felsen  des  Missih  be- 
stehen bei  genauer  Betrachtung  aus  den  zertrümmerten  Schalen 
eines  Rudisten,  an  dem  das  kleinste  Stück  die  Zusammensetzung 
der  Schale  aus  kleinen  viereckigen  Zellen  zeigt.  Die  Form  und 
Grösse  der  Muschel  kann  nicht  mehr  bestimmt  werden,  doch 
weisen  die  Bruchstücke  auf  bedeutenden  Umfang  hin.  Die  dicke 
Schale  besteht  aus  horizontalen  und  verticalen  Lamellen,  die  in 
Abständen  von  '/^ — ^/^  Millim.  über  einander  liegen,  eine  Struc- 
tur,  die  zu  R.  Mortoni  passt.  Unsere  Figur  zeigt  die  Structur 
der  Schale  unter  der  Loupe  vergrössert. 

Zittel  führt  dieses  Fossill,  das  Mantell  aus  der  weissen 
Kreide  von  Kent  und  Sussex  beschreibt,  von  Auster  in  Texas  an 
und  aus  der  obern  Kreide  von  Alabama.  Er  selbst  fand  es  im 
Gosauthal. 

Lamellibranchiaten.    Monomyarier. 

Ostrea  (Exogyra)  Boussingaulti  d'Orb.  pl.  468  pag.  702, 
eine  französische  Neocomspecies,  von  Dr.  Roth  auf  der  Ostseite 
des  todten  Meers  bei  Kerak  gesammelt  und  vielfach  auch  von 
dem  offic.  Rep.  erwähnt,  als  vom  Libanon  und  Bhamdün  stam- 
mend, wo  sie  auf  jurassischen  (?)  Stücken  wie  Amman.  Syria- 
cus  und  Trigonia  Syriaca  aufsitzen  und  zum  Beweise  dienen 
soU,  wie  jurassische  Petrcfacten  ins  Kreidemeer  gerathen  und  so 
zu  sagen  zum  zweiten  Mal  versteinert  seien. 

Ostrea  Matheroniana  d'Orb.  pl.  485  pag.  737  =  den- 
sata  Conr.  off.  Rep.  18,  102,  gleichfalls  von  Dr.  Roth  im  Osten 
des  Bahr  Lut  gesammelt.  Die  Amerikaner  fanden  die  Muschel 
ebendort  im  Gebirge  Moab;  so  weit  man  aus  der  Zeichnung 
Bchliessen  darf,  ist  die  Species  dcnsata  mit  der  französischen 
Art  identisch.  d'Orbigny  hatte  die  Grenzen  dieser  Art  nicht  zu 
enge  gezogen  und  glatte,  gerunzelte  und  mit  Höckern  vei'sehene 
Exemplare  darunter  begriffen,  die  jedoch  Einen  Gesammthabitus 


—    231    — 

in  der  eigenthümlichen  Krümmung  der  Schale  und  der  diceras- 
ähnlichen  Drehung  des  "Wirbels  an  sieh  tragen.  Neuerdings 
veröffentlichte  *)  Herr  A.  Kunth  in  Berlin  die  von  Gerhard  Eohlfs 
zwischen  Tripoli  und  Ghadames  gesammelten  Versteinerungen, 
darunter  die  d'Orbigny'sche  Art  und  zwar  eine  zwischen  pl.  485 
Fig.  4  und  5  inne  stehende  Mittelform,  die  mit  unsern  moabiti- 
schen Exemplaren  vollständig  übereinstimmen.  Hieher  gehört  wohl 
auch  die  noch  von  L.  v.  Buch  bestimmte  Exog.  Overwegi,  welche 
dieser  Keisende  auf  dem  Hammada  von  Tripolis  in  grosser 
Menge  **)  gesammelt  hatte.  Durch  diese  Funde  an  so  entlege- 
nen Theilen  der  Erde  (in  Frankreich  in  der  Charente,  Bouches 
du  Rhone,  Var,  Vaucluse  und  Dordogne,  in  Portugal  von  Agoas 
livres  da  outra  Banda,  in  der  Provinz  Constantine  nach  Coquand, 
im  Süden  von  Tripolis  und  schliesslich  im  Osten  des  Jordans), 
gewinnt  diese  Muschel  als  bezeichnend  für  das  Senon-Alter  der 
Erde  wesentlich  an  Bedeutung. 

In  diese  Gesellschaft  von  Exogyren  gehören  Allem  nach 
auch  die  für  jurassisch  ausgegebenen  Arten  Ostrea  virgata  Gf. 
off.  Rep.  1,  6 — 8.  vom  Libanon  und  Bhamdün.  Es  ist  in  der 
That  schwer  zu  begreifen,  wie  der  off.  Rep.  diese  von  Goldfuss 
Tab.  76,  7  ausdrücklich  als  von  Gretz  und  Tongern  in  Brabant 
stammende  tertiäre  Muschel  als  fossil  of  the  oolotic  period 
bezeichnen  mag.  Allerdings  hat  die  syrische  Auster  viele  Aehn- 
lichkeit  mit  der  Goldfuss'schen  Art,  aber  Jeder  weiss  auch,  wie 
vielgestaltig  gerade  die  gefalteten  Austern  werden  und  wie  we- 
nig sie  sich  zur  Feststellung  eines  geologischen  Horizontes  eig- 
nen. Auf  solch  schwachen  Füssen  stehen  die  Beweise  für  eine 
Juraformation  in  Palästina,  dass  sie  bei  Licht  betrachtet  gerade 
das  Gegentheil  beweisen.  Ostrea  Syriaca  off.  Rep.  2,  12  ge- 
hört auch  hieher,  im  Uebrigen  hat  die  glatte  runzlige  Schale 
dieser  Auster  überhaupt  nichts  Charakteristisches  an  sich.  "Wei- 
ter werden  angeführt  0.  scapha  Rom.  Nordd.  Ool.  Geb.  59,  3,^ 
der  eine  glatte,  langgestreckte,  mit  concentrischen  Anwachsringen 


*)  Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Ges.  XVIII.  2.  pag.  281. 
**)  Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Ges.  IV.  1.  pag.  152. 


-    232    - 

behaftete  Auster  von  Bhamdün  und  Muktära  sehr  ähnlich,  wenn 
nicht  identisch  sein  soll,  und  O.  linguloides  off.  Rep.  2,  13. 
Der  Verfasser  des  off.  Rep.  vergleicht  diese  Art  selbst  lieber 
mit  O.  cretacea  Morton  „but  ü  is  evidently  a  jurassic  species." 
Geht  man  mit  so  vorgefassten  Meinungen  an  eine  Untersuchung, 
kann  man  freilich  unbefangene  Urtheile  und  objective  Resultate 
nicht  mehr  erwarten. 

Ostrea  vesicularis  Lam.  ist  sehr  häufig.  Namentlich  die 
Formen,  die  d'Orbigny  pl.  487,  Fig.  4 — 9  abbildet.  Als  Varietät 
derselben  sehe  ich  O.  corticosa  off.  Rep.  Appendix  1,  7  an, 
eine  zollgrosse  rundliche  Auster  mit  rauhen  concentrischen  An- 
wachsstreifen. 

Fundort:  Abu  Tor  und  Kidronthal. 

Wie  weit  Gruphaea  capuloides  Conr.  von  Sileh  in  Samaria 
(off.  Rep.  18,  103)  eine  eigene  Art  ist  oder  nur  eine  junge  vesi- 
cularis, ist  schwer  zu  sagen.  Dagegen  erwähne  ich  noch  als 
zu  den  gryphaeenartigen  Austern  der  Senongruppe  gehörig  die 
von  Captain  Wilson  am  Berge  Quärantana  bei  Jericho  aufgelesene 
und  mir  mitgetheilte 

Ostrea  biauriculata  Lam.,  die  vollständig  zu  d'Orb. 
pl.  476  stimmt.  Ich  fand  sie  auch  im  mittleren  Kidronthal  ober- 
halb Marsäba. 

Plicatula  aspera  Sow.  d'Orb.  pl.  463  aus  der  Roth'schen 
Hinterlassenschaft,  ohne  nähere  Bezeichnung  des  Orts,  dem  Ge- 
stein nach  aus  der  Zone  der  Ammoniten. 

Spondylus,  Steinkern.  Ein  4  Zoll  langes  und  ebenso 
breites  Stück,  an  dem  sich  einzelne  stärkere  Rippen  unter 
schwächeren  erheben,  gehört  möglicher  Weise  zu  Sp.  striato- 
costatus  d'Orb.  aus  der  unteren  Kreide.  Roth'sche  Sammlung 
von  Jerusalem. 

Pecten  gryphaeatus  Schi.  (J anira  quadricostata  d'Orh. 
pl.  447)  ist  als  Hauptleitmuschel  für  die  Turongruppe  von  gros- 
ser Wichtigkeit. 

Fundort:  Nebi  Samuel. 

Pecten  Nilsoni  Gf.  Synon.:  P.  delumbis  Conr.  off.  Rep. 
19,  40,  ein  glatter,  halbzollgrosser  Pecten  von  Dr.  Roth  aus  der 


—    233    - 

„Wüste  Jutla",  von  den  Amerikanern  aus  der  Gegend  von  Mar- 
säba  und  von  Safed  (Galiläa)  gesammelt.  Ausserdem  erwähnt 
der  off.  Eep.  noch  des  gestreiften  Pecten  ohrutus  Conr,  Taf.  19, 
114  vom  Habitus  der  Textoriusgruppe. 

Ohne  Zweifel  gehört  hieher  auch  die  sog.  Avicula  Sama- 
riensis  off.  Rep.  12^  107  vom  "Wadi  Burkin,  ein  2  Centim.  grosser 
Eindruck  auf  Stein  mit  5 — 6  radialen  Rippen,  die  in  ihrer  Gleich- 
mässigkeit  viel  eher  auf  Pecten  weisen,  als  auf  Avicula. 

Dimyarier. 

Area  securis  Leym.  d'Orb.  pl.  309,  Fig.  9  und  10.  Eine 
ebenso  häufige  als  wichtige  Muschel,  die  in  England  im  Lover 
Greensend  sich  findet,  d'Orbigny  aber  aus  dem-Neocomien  der 
Haute-Marne  beschreibt.  Nach  Grösse,  nach  Längsrippen  und 
Querstreifen  stimmt  die  Muschel  ausgezeichnet  zu  der  vonMar- 
säba,  Abu  Tor,  Berg  des  bösen  Raths  u.  a.  0. 

Area  cenomanensis  d'Orb.  pl.  316  Fig.  1 — 4  begleitet 
die  A.  securis,  nur  weniger  häufig.  Im  Departement  der  Sarthe 
bezeichnend  für  die  untere  Turongruppe. 

Fundort:  Marsäba. 

Der  off.  Report  erwähnt  noch  einer  ganzen  Reihe  von 
Area;  unter  denselben  ist  A.  parallela  17,  98  identisch  mit 
securis  und  A.  lintea  17,  95  mit  cenojiianiensis.  Die  Amerika- 
ner fanden  sie  zwischen  Marsaba  und  dem  todten  See.  A.  subro- 
tandata  17,  94  vom  Kidronthal  und  A.  fabiformis  17,  97  eben- 
daher mögen  schliesslich  noch  als  eigene  Arten  gelten.  Die  in 
den  Jura  versetzte  A.  brevifrons  (5,  31)  von  Bhamdun  stimmt 
auffallend  mit  A.  Passyana  d'Orb.,  pl.  327,  1 — 2,  welche  in 
Frankreich  in  der  chloritischen  Kreide  vorkommt.  Die  übrigen 
sind  entweder  unbestimmbare  Steinkerne,  über  die  man  nichts 
sagen  kann,  wie  A.  indurata  5,  33,  orientalis  5,  36,  accUvis 
5,  35,  oder  es  sind  gar  keine  Arcakerne,  wie  A.  Syriaca  5,  30, 
was  viel  eher  dem  Steinkern  einer  Venericardia  gleicht ;  declives 
5,  32  kann  gar  keine  Area  sein,  sondern  scheint  einer  3Iya  an- 
zugehören, und  A.  subrotundata  5,  34  gleicht  eher  einem  Car- 
dium.    Ebenso  werthlos  erscheinen  die  Namen  Area  longa  App. 


-    234    — 

3,  18,  Bhambdunenses  3,  19,  cuneus  3,  21,  opiformis  3,  22. 
Alle  diese  Muschelkerne  stammen  aus  dem  Norden  Syriens,  vom 
Libanon,  von  Bhambdün,  Aklim  u.  s.  w.  und  werden  wunderli- 
cher Weise  dem  Jura  zugetheilt,  wozu,  wie  schon  mehrmal  be- 
merkt, lediglich  gar  kein  Grund  vorliegt.  " 

Astarte  sub striata  Leym.  d'Orb.  263,  5 — 8,  eine  sicher 
zu  bestimmende  Art  von  Marsaba,  3  Centim.  hoch,  272  breit, 
mit  starker  Schale  und  dem  dreieckigen  Zahn  der  Astarte.  Auf 
der  Schale  feine  Streifen  zwischen  den  concentrischen  Falten, 
Im  off.  Rep.  geschieht  dieser  schönen  Muschel  keine  Erwähnung, 
wohl  aber  einer  Astarte  undulosa  17,  80  und  16,  81  aus 
der  Wüste  Juda,  die  ich  als  A,  formosa  Fitton  d'Orb.  262,  10 
bis  12  bestimmt  habe.  Diese  Art  ist  im  Kakuhle  von  Jerusalem 
ziemlich  gemein  und  prägen  sich  Zahn  und  Zahnleisten  sehr 
deutlich  auf  dem  Steinkern  aus. 

Fundort:  Akabeh  el  Suän  im  Westen  des  Oelbergs. 

Der  off.  Rep.  erwähnt  noch  A.  mucronata  Conr.  17,  88 
von  ausgeprägter  dreieckiger  Gestalt  aus  dem  Kidronthal.  Aus- 
serdem 7  Arten  Steinkerne,  A.  lucinoides,  suhcordata,  Syriaca, 
Orientalis,  j^ervetus,  engonata  und  arrtata,  die  jeder  Paläonto- 
loge als  unbestimmbare  Kerne  bei  Seite  legen  wird.  In  erster 
Linie  ist  höchst  zweifelhaft,  ob  es  nur  Steinkerne  von  Astarten 
sind ;  möglicherweise  gehören  sie  zu  ganz  andern  Geschlechtern. 

Crassatella  Rothii  Frs.,  Taf.  II,  Fig.  9.  Länge  der 
Muschel  1,5  Centim.,  Breite  1 — 1,2  Centim.,  die  Schale  mit  fei- 
nen concentrischen  Streifen  bedeckt,  die  in  einem  schmalen, 
aber  scharf  abgetrennten  Arealraum  verlaufen.  Der  letztere 
Umstand  ist  der  Grund,  die  Muschel  nicht  zu  Astarte  zu  stel- 
len. Das  Schloss  Hess  sich  nicht  erkennen.  Dr.  Roth  sammelte 
deren  „im  Kidron "  eine  grosse  Menge,  dessen  Andenken  diese 
zierliche  Muschel  gewidmet  ist. 

Unser  abgebildetes  Exemplar  stammt  vom  Djcbol  Tor  bei 
Jerusalem. 

Der  off.  Rep.  bildet  noch  ab  Crassatella  syriaca  von  Mar- 
saba (17,  100),  eine  4  Centim.  lange  und  3  Centim.  breite  Mu- 


—    235    — 

schel,  an  welcher  ein  entsprechend  grösserer  Arealraum  ist,  als 
bei  C  Rothii. 

Cardium  Hillanum  Sow.  14,  1.  Diese  ausgezeichnete 
Muschel,  die  an  ihren  vielen  concentrischen,  oben  radial  gestell- 
ten Rippen  auf  den  ersten  Blick  sich  erkennen  lässt,  würde  für 
sich  allein  schon  hinreichend  den  geognostischen  Horizont  be- 
zeichnen, wenn  auch  die  übrigen  Kreidebegleiter  fehlten.  Wie 
sie  im  sächsischen  Quader,  im  englischen  Blackdown-Greensand 
und  in  der  französischen  Chloritkreide  ebenso  wie  auch  am  Rio 
grande  in  Texas  häufig  genug  sich  findet ,  so  ist  sie  im 
Kakühle  von  Jerusalem  und  um  Marsaba  ganz  gemein.  Eben- 
so ist  es  eine  sehr  häufige  Muschel  am  Libanon  und  zu 
Bhamdün.  —  Soll  die  Paläontologie  einen  Werth  haben  für 
geognostische  Bestimmung,  so  dürfen  so  ausgezeichnete  For- 
men, wie  die  der  Hillanen  oder  Protocardien  nicht  übersehen 
werden,  und  ist  es  Pflicht,  auf  derartige  Vorkommnisse  hinzu- 
weisen. Um  so  betrübender  ist  es,  wenn  der  off.  Rep.  einen 
neuen  Namen  macht:  C  biseriatuni  (6,  38 — 40)  und  trotzdem, 
dass  der  Verf.  selber  auf  die  Aehnlichkeit  mit  hillanum  auf- 
merksam macht,  wegen  der  etwas  längeren  Schale  und  breiteren 
Furchen  die  Muschel  als  eigne  Species  in  den  Jura  versetzt. 
"Wo  nur  auf  der  Welt  kennt  man  aus  dem  Jura  Hillane-Car- 
dien?  Endlich  wird,  um  die  Inconsequenz  bei  der  Bestimmimg 
der  Species  im  vollsten  Maasse  zu  zeigen,  die  gleiche  Muschel 
als  Cardium  bellum,  App.  1,  3  von  Marsaba  (nur  etwas  ovaler 
als  biseriatum,)  auch  in  den  Chalk  versetzt. 

Fundort:  Oelberg,  Bethanien,  Marsaba. 

Cardium  crebriechinatum  Conr.  offic.  Rep.  41 — 43. 
App.  2,  16  von  Bhamdün.  Unter  diesem  Namen  sind  zweierlei 
Arten  Steinkerne  vereinigt,  ein  glatter  ohne  jede  Spur  von 
Schaleneindrücken,  eine  Form,  die  auch  in  der  Roth'schen 
Sammlung  aus  der  Umgegend  von  Jerusalem  liegt.  Hiemit 
scheint  mir  auch  der  Steinkern  von  C.  Syriacum,  off.  Rep.  7, 
45  vereinigt  werden  zu  können.  Die  zweite  Form  des  cerebrie- 
chinatum  ist  mit  feinen  Streifen  überdeckt  und  gleicht  dem  C. 
Montonianum  d'Orb.  248  gar  sehr.    Hieher  gehört  wohl   auch 


—    236    — 

C.  Hermonense  von  der  Spitze  des  Hermon.  3  Arten  von  Opis 
kommen,  als  auf  blosse  Steinkerne  von  gewisser  Dreiecksgestalt 
gegründet,  kaum  in  Betracht;  es  sind  O.  aequalis  2,  9,  orienta- 
lis  2,  10,  obrutus  2,  12. 

Corbula  striatula  Sow.  Min.  Conch.  572,  2  und  3, 
d'Orb.  terr.  cret.  388,  9 — 13.  In  Frankreich  aus  dem  Aptien, 
in  England  aus  Lover  Greensand:  nicht  selten  zuMarsaba.  Der 
off.  Bep.  bildet  sie  unter  dem  neuen  Namen  C.  suhlineolata 
(16,  83)  aus  dem  Kidronthal  ab.  Ebenso  wenig  scheint  mir  C. 
Syriaca  von  Safed  (21,  125)  verschieden  zu  sein.  Corbula  con- 
gesta  endlich  (5,  37),  die  wieder  jurassisch  sein  soll  (warum? 
ist  jedoch  nie  gesagt),  ist  ein  nach  der  blossen  Zeichnung  un- 
bestimmbarer Steinkern. 

Leda  (Nucula)  scapha  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  301,  Fig.  1,  2, 
2  Centim.  lang,  1  Centim.  breit,  fein  concentrisch  gestreift. 
Diese  ebenso  zierliche  als  charakteristische  Muschel  für  den  Lo- 
wer  Greensand  Englands  kann  um  Marsaba  und  am  Oelberg  zu 
Tausenden  gesammelt  werden.  Sie  bildet  mit  den  nächstfolgen- 
den Arten,  die  theilweise  mit  ihr  zusammenfallen  mögen,  wahre 
Ledanester,  dass  der  Stein  fast  aus  nichts  Anderem  besteht,  als 
den  ganzen  oder  halben  Schalen  dieser  hübschen,  feingezahnten 
Nussmuschel.  "Warum  der  off.  liep.  sie  N.  j)erdita  (17,  96) 
nennt,  ist  nicht  einzusehen.  Ebenso  fällt  dessen  Nucula  crebri- 
lineata  (17,  92  u.  93)  zusammen  mit 

Leda  subrecurva  d'Orb.  terr.  cret.  301,  Fig.  7 — 11.  Der 
Wirbel  steht  hier  nahezu  in  der  Mitte,  die  Ausschweifung  der 
Unterseite  am  Vorderrand  der  Muschel  ist  nur  unbedeutend. 
Vorkommen  das  gleiche  wie  bei  scopha.  Die  Schale  gleichfalls 
fein  concentrisch  gestreift. 

Leda  Ecnauxiana  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  304,  Fig.  7 — 9. 
Der  Wirbel  nach  unten  gerückt,  dass  die  Schale  eine  dreieckige 
Gestalt  erliält,  gleichfalls  fein  concentrisch  gestreift.  Vorkom- 
men mit  den  vorigen.  Syn.:  Nucula  ahrupia  off.  lirp.  App. 
3,  20. 

Fundort:  Marsaba. 

Leda  Cornoueliana  d'Orb.  terr.  cn't.  pl.  ."^00,  Fig.  6 — 10. 


-    237    - 

Eine  glattschalige  Muschel,  der  Wirbel  bedeutend  nach  unten 
gerückt.  Gehört  zu  dem  Typus  der  Ovalen,  der  im  untern  Jura 
so  häufig  ist.     Vorkommen  mit  den  vorigen. 

Diese  vier  Arten  sind  die  häufigeren.  Der  off.  Report  er- 
wähnt noch  einer  zoUgrossen,  concentrisch  feingestreiften  Muschel 
vom  Kidron,  die  N.  perovata  17,  9  genannt  wird.  Ausser  die- 
ser auf  Grund  von  Steinkernen  fünf  Arten  vom  Libanon  und 
von  Bhamdun,  nämlich  N.  submucronata  2,  14,  parallela  2,  15, 
syriaca  2,  16,  myiformis  2,  17  und  perohliqua  3,  18.  Als  die 
ausgezeichnetste  Art  unter  denselben  wird  Nucula  myifoTmis 
angesehen,  eine  2  Centim.  lange  und  1  Centim.  breite  glatte 
Art  aus  der  Gruppe  der  Ovalen. 

Lucina  campaniensis  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  283  Fig.  11  nenne 
ich  eine  ganz  ausgezeichnete,  3,5  Centim.  lange,  2,5  Centim. 
breite  Lucina  mit  starken  concentrischen  Rippen  aus  dem  Leda- 
lager  von  Marsäba.  Der  off.  Rep.  kennt  sie  nicht,  was  er  Lu- 
cina syriaca  10,  57  und  suhtruncata  15,  76  nennt,  sind  Stein- 
kerne von  ganz  andern  Muscheln.  Aehnlich  ist  Lucina  Safe- 
densis  19,  115,  eine  fast  kreisrunde,  mit  groben  concentrischen 
Rippen  bedeckte  Lucina. 

Trigonia  distans  Conr.  (off.  Rep.  App.  4,  27),  Taf.  II, 
Fig.  14,  4  Centim.  hoch,  3V'2  Centim.  breit,  mit  breitem,  glat- 
tem Arealrand,  der  mit  einem  glatten  Kiel  an  den  starken  con- 
centrischen Rippen  aufhört.  Die  Wirbel  sind  stark  nach  hinten 
gekrümmt.  Aechtes  Trigoniaschloss,  die  Schale  dick  und  stark. 
Diese  Muschel  von  Marsäba  steht  der  europäischen  Tr.  Coquan- 
diana  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  294  Fig.  1 — 4  am  nächsten,  die  sich 
in  der  Turongruppe  von  Castellane  (Basses  alpes)  findet,  doch 
unterscheidet  sich  distans  durch  ihre  dreieckige  Form,  den  Kiel, 
der  die  Rippengegend  von  dem  Arealraum  trennt,  specifisch  von 
Coquandiana,  dass  ich  gerne  den  Namen  des  off.  Rep.  auf- 
nehme, womit  diese  jedenfalls  typische  Kreidemuschel  bezeichnet 
wird. 

Fundort:  Marsäba. 

Der  off.  Rep.  hat  noch  weitere  Trigonien  aufgeführt,  die  ich 
nicht  fand,  namentlich  fällt  Tr.  sinuata  Park,  auf  (App.  4,  26), 


—    238    - 

6k  sie  gleich  mit  einem  neuen  Namen  Tr.  syriaca  belegt  wird. 
Die  vielen  Steinkerne  vom  Libanon  und  von  Bhamdün  werden 
unter  den  Namen  Tr.  syriaca  3,  19—23,  alta  4,  24,  cuneifor- 
mis  3,  21  gegeben  und  wieder  in  Jura  versetzt.  Obgleich  Stein- 
kerne, sehen  die  Exemplare  nichts  weniger  als  jurassisch  aus, 
haben  vielmehr  mit  der  Gruppe  der  scabrae  Aehnlichkeit.  Tr. 
cuneiformis  z.  B.  scheint  mit  caudata  Agassiz  zu  stimmen. 

Cyprina  inornata  d'Orb.  terr.  cret.  272,  1—2.  Roth'sche 
Sammlung  von  Ain  Kerm  beim  St. -Johann -Kloster.  Isocardia 
crenatxda  Conr.  off.  Eep.  4,  26  von  Aklim  el  Jurd  und  von 
Bhamdun  scheint  mir  das  gleiche  zu  sein. 

Pholadomya  fabrina  Ag.  d'Orb.  terr.  cret.  368,  6  u.  7. 
Oblonge,  nur  wenig  aufgeblähte  Muschel,  engstehende  radiale 
Rippen  kreuzen  mit  Anwachsstreifen.  Grösse  und  Aufblähung 
stimmt  mit  der  französischen  Art  von  Perte  du  Rhone.  Roth- 
sche  Sammlung  von  Jerusalem.  Dem  Gestein  nach  aus  dem 
Lager  des  Ammonites  rhotomagensis.  Vgl.  Ph.  syriaca  off. 
Rep.  2,  17. 

Ausser  den  genannten  Bivalven,  die  mir  sämmtlich  durch 
die  Hände  gingen,  finde  ich  im  off.  Rep.  erwähnt: 

Inoceramus  aratus  19,  113  von  Nebi  Musa,  den  ich  ge- 
radezu J.  Lamarki  nennen  möchte,  als  bekannte  Leitmuschel 
für  obere  Kreide;  ausserdem  noch 

J.  syriacus  2,  14  und  elevatus  2,  15  von  Aleih.  Dagegen 
ist  J.  Lynchii  8,  47  eher  alles  Andere,  nur  kein  Inoceramus. 

Mactra  petrosa  8,  48  Bhamdhün,  pervetus  8,  49  Akltm, 
areif ormis  8,  50  Bhamdün,  syriaca  8,  51  Bhamdün  sind  sammt 
und  sonders  unbestimmbare  Steinkerne  von  etwas  verschiedener 
Form,  beiläufig  1  Zoll  gross.  Es  ist  ebenso  zweifelhaft,  ob  sie 
nur  zum  Geschlecht  Mactra  gehören,  als  sich  Venus  syriaca  9, 
52  und  indurata  9 ,  53  von  el  Jurd  oder  perovalis  App.  1 ,  2 
von  Kerak  nur  halbwegs  mit  Sicherheit  bestimmen  lassen. 

Von  Bhamdün  wird  ferner  erwähnt  Pholadomya  decisa  7, 
44,  die  mit  Ph.  Archiacana  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  364  viele  Aehn- 
lichkeit hat  und  Panopaea  pectorosa  7,  46  und  orientalis  4,  28 
Steinkerno,  die  nach  der  blossen  Zeichnung  nicht  zu  bestimmen 


-    239    - 

sind.  Sie  sieht  ebenso  gut  -wie  ein  Myacites  aus  dem  Muschel- 
kalk aus  und  kann  lediglich  nichts  entscheiden.  Eine  der  ge- 
meinsten Muscheln  soll  Tellina  syriaca  sein  10,  59 — 61,  aber 
nie  anders  denn  als  Steinkern.  Fundort  Bhamdün  und  Mezraah. 
Endlich  ist  noch  von  Lithodomus  cretaceus  17,  101  die  Rede, 
von  Nablus  am  Garizim,  in  Gesellschaft  von  Nummuliten. 

Gasteropoden. 

Dentalium  syriaeum  Conr.  Safed  (off.  Rep.  App.  1,  1), 
4 — 5  Centim.  lange  Eöhre,  stark  gekrümmt  und  bei  seiner 
schwachen  Schale  stets  zerdrückt  im  Gestein.  Anwachsrunzeln 
beobachtet  man  kaum,  sonst  würde  ich  die  Muschel  ohne  An- 
stand D.  Mosae  Bronn.  Gf.  166,  10  nennen,  mit  welchem  sy- 
riaeum jedenfalls  viele  Aehnlichkeit  hat. 

Dentalium  Wilsoni  Frs.  Taf.  IV,  12.  Die  dünne  Schale 
widersteht  dem  Druck  im  Gebirge  nicht,  wir  finden  daher  meist 
zusammengedrückte  Röhren,  doch  ist  bei  einigen  eine  entschie- 
den ovale  Mundöfl&iung  zu  beobachten;  gestruppte  Falten  be- 
decken in  concentrischen  Ringen  die  Röhre.  Ich  fand  diese 
gleichfalls  zur  Gruppe  des  D.  Mosae  gehörige  Muschel  auf  dem 
südlichen  Berge  bei  Marsäba  gemeinsam  mit  Captain  Wilson, 
nach  welchem  ich  die  Muschel  benenne. 

Dentalium  octocostatum  Frs.  Taf.  lY,  Fig  13.  Schale 
stärker  als  die  vorangehenden;  der  ganzen  Röhre  entlang  zie- 
hen sich  mit  grosser  Regelmässigkeit  8  Gräthe,  die  hart  bis 
zum  Mundsaum  verlaufen;  neben  diesen  radialen  Rippen  decken 
übrigens  auch  feine  concentrische  Streifen  die  Schale.  Fig.  1  a 
Mundöffhung,  b  ein  Querschnitt  der  Röhre. 

Fundort:  Ledabänke  von  Marsäba. 

Actaeonella  syriaca  Conr.  off.  Eep.  App.  5,  40  vom 
Sabbate  river  am  Libanon.  Die  Abbildung  ist  übrigens  so 
mangelhaft,  dass  eine  bessere  folgt  Taf.  I,  Fig.  2.  Die  Schale 
ist  glatt  und  länghch  oval,  4  Umgänge  nehmen  V*  Raum,  der 
letzte  Umgang  ^4  ein.  Die  MundöflFnung  bildet  einen  geraden 
Längsschnitt  und  endet  in  einem  rückwärts  gebogenen  Canal. 
Die   Spindel   hat   3   starke  Falten.    Die  Schale  selbst  ist  ver- 


—    240    — 

schwunden ,  aber  der  Hohlraum  ,  in  dem  sie  gelegen ,  gibt  in 
Guttapercha  die  Form  deutlich  wieder. 

Fundort:  Feuersteinbänke  des  Wadi  Jos. 

Actaeonella  Salomonis  Frs.  Taf.  IV,  Fig.  1.  6  Centira. 
lang.  Der  letzte  der  6  Umgänge  nimmt  V^,  die  5  andern  's 
des  Schalenrandes  ein.  Auch  hier  können  die  3  Falten  an  der 
Innenseite  der  Spindel  nicht  übersehen  werden,  welche  die 
Muschel  in  die  Nähe  der  gleichfalls  ausgestorbenen  Nerineen 
bringt.  —  Beide  Arten  von  Actaeonellen  lassen  sich  zwar  mit 
europäischen  Formen  nicht  vereinigen,  aber  die  Existenz  von 
Actaeonellen  überhaupt  ist  wichtig  genug,  die  (d'Orb.  pal.  franc. 
gast.  terr.  cret.  pag.  108)  bis  jetzt  aus  keiner  andern  Periode 
als  der  Kreidezeit  und  speciell  der  chloritischen  Kreide  bekannt 
sind.  d'Orbigny  nennt  sie  daher  eine  ebenso  geologisch  als 
zoologisch  festgestellte  Gruppe. 

Fundort:  Feuersteinbänke  des  Wadi  Jos. 

Phasianella  Absalonis  Frs.  Taf.  IV,  Fig.  3.  Möglicher 
Weise  auch  ein  anderes  Geschlecht,  das  nach  dem  Hohlraum, 
den  die  Schale  einst  im  Feuerstein  gelassen  hat,  nur  schwer 
noch  herzustellen  ist.  Die  Form  der  Schale  stimmt  im  Allge- 
meinen mit  Pli.  gaultiana  d'Orb.,  nur  zeigt  sich  bei  Absalonis 
noch  eine  kleine  Treppe  an  der  Naht  und  feine  Längsstreifen 
auf  den  Umgängen. 

Fundort:  Feuersteinbänke  im  Missih  des  Wadi  J6s. 

Trochus  Astierianus  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  176,  Fig.  16. 
Es  stimmt,  was  Form  und  Gestalt  der  Muschel  betrifft,  voll- 
ständig diese  französische  Neocom-Art  mit  der  sehr  häufig  in 
den  Kieselbänken  des  Hippuritenmarmors  befindlichen  Art.  Nur 
ist  letztere  um  1  Centim.  kleiner,  sie  misst  nämlich  nur  15 
Millim.,  während  die  französische  Form  25  Millim.  beträgt. 
Doch  nehme  ich  keinen  Anstand  durch  Adoption  des  Namens 
auf  die  innige  Verwandtschaft  beider  Muscheln  hinzuweisen, 

Fundort :  Feuersteinbänke  im  Missih  vor  dem  Damascusthor. 

Nerinea  Requieniana  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  163,  Fig.  1 — 3 
ist  die  gewöhnlichste  Nerinee  im  harten  Hippuritenkalk  rings 
um  Jerusalem:  ja   sie  geht  selbst  in  den   milden   Melekeh   des 


—    241    — 

Wadi  Jos  hinab.  In  letzterem  lässt  sich  die  glatte  Aussenseite 
der  Muschel  biosiegen,  im  ersteren  liegen  nur  Steinkerne,  -welche 
angeschliffen  die  Spindelfalten  zeigen.  Jede  Windung  hat  2 
äussere  und  3  innere  Falten,  ganz  und  gar  mit  der  d'Orbigny'- 
schen  Zeichnung  übereinstimmend.  d'Orbigny  bezeichnet  diese 
Art  als  wichtige  Leitmuschel  für  die  mittlere  Partie  der  chlori- 
tischen  Kreide,  die  er  stets  in  seiner  dritten  Rudistenzone  im 
Gebiet  des  Mittelmeers  und  der  Pyrenäen  gefunden  hat.  Herr 
Lefebre  soll  sie  auch  aus  Egypten  mitgebracht  haben.  Mit  ihr 
findet  sich 

Nerinea  Fleuriausa  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  160,  f.  6 — 7, 
an  den  verschlungenen  Falten  der  Windung  zu  erkennen,  ob- 
gleich die  syrische  Form  kürzer  und  dicker  ist,  als  die  französische. 
Aus  der  Roth'schen  Sammlung  „von  Jerusalem." 

Nerinea  Coquandiana  d'Orb.  terr  cret.  pl.  156,  f.  3 — 4 
ist  nur  als  Hohlraum  noch  in  den  Missihkalken  vom  Mamilla- 
teich  enthalten.  Von  Spindelfalten  kann  somit  leider  nichts 
beobachtet  werden.  Indessen  stimmt  die  Aussenseite  der  Schale 
mit  der  Zeichnung  bei  d'Orbigny  überein. 

Fundort:  Missihkalk  vom  Mamillateich. 

Nerinea  abbreviata  Conr.  off.  Rep.  App.  5,  36  könnte  man 
äusserlich  mit  Trochus  Astierianus  verwechseln.  2  gleich  grosse 
Falten  an  der  Spindel  und  eine  schwache ,  etwas  schief  auf  die 
Naht  gestellte  Streifung  der  Schale  stellen  die  Muschel  zu 
Nerinea.  Die  Amerikaner  fanden  sie  zu  Ain  Anüb  am  Libanon, 
unsere  Exemplare  sind  aus  dem  Schneckenfels  des  Wadi  Jos, 
wo  sie  sehr  häufig  sind.  Vergl.  übrigens  N.  uchauxiana  d'Orb. 
pl.  164,  1  aus  der  mittleren  chloritischen  Kreide  von  Uchaux 
(Vaucluse). 

Fundort:  Wadi  Jos. 

Nerinea  Mamillae  Frs.  Taf  IV,  Fig.  6.  Herr  Missionar  C. 
Schick  hat  mir  diese  ganz  ausgezeichnete,  ob  auch  nur  im  Hohl- 
raum erhaltene  Muschel  vom  Teich  Mamilla  im  Westen  der 
Stadt  zugesandt.  Sie  schliesst  sich  an  N.  Coquandiana  an,  ver- 
dient   aber   wegen   der  mangelnden  Knoten,    die    nur   auf   den 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  3s  Heft.  16 


-    242    - 

ersten  Umgängen  etwas  angedeutet  sind,  einen  eigenen  Namen. 
Spindelfalten  leider  nicht  sichtbar. 

Fundort:  Missihkalk  vom  Mamillateich. 

Nerinea  Schickii  Frs.  Taf.  IV,  Fig.  11.  Eine  sehr  cylin- 
drische  Muschel  mit  schmalen  versenkten  Umgängen,  so  dass 
die  Nähte  scharf  vorspringen.  Drei  schmale  innere  Falten  und 
Eine  breite  äussei-e  Falte  zeichnen  diese  schöne,  um  Jerusalem 
vielfach  zu  findende  Art  aus. 

Fundort:  Jeremiasgrotte  und  Birket  Mamilla.  Der  Name 
ist  dem  um  die  Kenntniss  der  Stadt  und  Umgegend  von  Jeru- 
salem so  hoch  verdienten  Herrn  C.  Schick  zu  Ehren  gegeben. 

Ueber  die  Nerineen  des  off.  Reports  ist  wenig  zu  sagen. 
N.  syriaca  12,  72  sieht  allerdings  der  K.  Gosac  Rom.  aus  dem 
obern  Jura  etwas  gleich,  nur  ist  sie  viel  länger  gestreckt,  als 
die  jurassische  Art.  Ner.  cretacea  16,  85  von  Nebi  Samuel 
hat  feine  Perlen  über  der  Naht.  N.  chochleaeformis  4,  29 
und  Orientalis  8,  32  von  Ain  Anüb  sind  zu  undeutlich  gezeich- 
net und  ungenügend  beschrieben,  dass  man  nichts  nach  ihnen 
bestimmen  kann.  Auffallender  Weise  haben  sie  die  im  Marmor- 
kalk im  Westen  der  Stadt  so  häufigen  dünnen  cylindrischen 
Nerineen  nicht  gefunden,  auf  die  vielleicht  wegen  des  geolog. 
Horizontes  das  grösste  Gewicht  zu  legen  ist:  N.  longissima 
Reuss. 

Nerinea  longissima  Reuss.  Taf.  IV,  Fig.  10.  Bei  35  Millim. 
Länge  hat  die  Schale  an  der  Mundüffnung  doch  nur  5  Millim. 
Durchmesser,  die  Umgänge  sind  schief  gestellt  und  mit  3  Punkt- 
reihen besetzt.  Eine  schwache  äussere  Falte  ist  sichtbar,  da- 
gegen ist  von  Spindelfalten  nichts  zu  sehen,  da  nur  Hohlräume 
vorliegen.  Reuss  hat  sie  aus  dem  unteren  Pläner;  möglich,  dass 
N.  suhaequalis  d'Orb.  aus  Pons  (Charente  inferieure)  dieselbe 
Art  ist.     d'Orbigny  kennt  sie  nämlich  nur  als  Steinkern. 

Fundort:  Birket  Mamilla  im  harten  Hippuritenmarmor  sehr 
häufig. 

Tnrritella  Adullani  Frs.  Taf.  IV,  Fig.  5.  Eine  Turritella 
mit  versenkter  Naht  und  gewölbtem  Umgang,  auf  welchem 
2 — 3    nur   schwach    angedeutete    Längsstreifen    sich    hinziehen. 


-    243    — 

Die  Mundöffnung  kreisrund.  Die  Muschel  ist  in  Feuerstein  ver- 
wandelt und  ward  von  mir  eine  ganze  Bank  füllend  auf  der 
Höhe  zwischen  dem  todten  Meer  und  Bethlehem  gefunden,  in 
der  Nähe  der  Höhle  Adullam,  nach  der  ich  sie  nenne.  Sie 
scheint  mir  dort  einen  Horizont  im  obern  Turonien  zu  bilden 
und  finden  sieh  dabei  noch  gestreifte  Nucula  und  die  Schalen- 
trümmer einer  Pinna  oder  Pholadomya  neben  andern  Gastero- 
poden.  Auch  im  kieseligen  Schneckenfels  vom  Wadi  Jos  liegt 
sie  versteckt,  freilich  nur  als  Hohlraum  erhalten.  Turr.  syriaca 
off.  Bep.  5,  42  fand  ich  dagegen  nicht,  sie  ist  kürzer  und 
deutlicher  gestreift.  Ebenso  kenne  ich  Turr.  magnicostata  nicht 
Qoff'.  Bep.  10,  63)  von  Jezzin,  welche  viele  Aehnhchkeit  mit 
der  Melania  Escheri  aus  den  miocenen  Schneckenkalken  Deutsch- 
lands hat.  Turr.  peralveata  20,  120  von  Bhamdün  endlich  gleicht 
auf  Ein  Haar  den  eocenen  Turritellen  Egyptens  (s.  unten). 

Scalaria  Rauliniana  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  155,  Fig.  1 — 4, 
stark  convexe  Umgänge  mit  zarten  Längsrippen  und  stärkeren 
Querrippen  bedeckt.  In  Europa  im  Sandstein  des  Gaults  ge- 
funden. 

Fundort:  Oestlich  Marsäba  in  dem  schwarzen  bituminösen 
Baculitenkalk  und  Nebi  Musa  oberhalb  Jericho. 

Natica  lyrata  Sow.  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  172.  Fig.  5.  An 
dieser  glatten  Schnecke  mit  ovalem  Mund  sind  die  Umgänge 
rechtwinklig  auf  einander  aufgesetzt.  Gesammtlänge  16  Millim. 
Fundort:  der  schwarze  bituminöse  Baculitenkalk,  sog.  Mosisstein 
am  Westrand  des  tothen  Meers.  Vergl.  damit  N.  scalaris  off. 
Bep.  7,  50.  Der  off.  Bep.  erwähnt  2  grosser  Steinkerne  eines 
gross  genabelten  N.  indurata  11,  65  und  eines  weniger  ge- 
nabelten, aber  gleich  grossen  N.  syriaca  12,  70  von  Muktära, 
Libanon,  Jezzin  und  esh  Shüf,  die  mir  unbekannt  blieben. 

Chemnitzia  Syriaca  Frs.  Taf.  IV,  Fig.  4  nenne  ich  eine 
Chemnitzia  mit  zarten  schiefgestellten  Querstreifen  auf  den  Um- 
gängen. 

Fundort:  "Westrand  des  todten  Meers. 

Rostellaria  carinella  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  207  Fig.  7 
bis  8   ist    eine    sehr    charakteristische  Schnecke,    die    an    ihren 


—    244    — 

breiten  glatten  Umgängen,  auf  welchen  in  scharfem  Winkel 
eine  Gräthe  sich  erhebt,  leicht  erkannt  wird. 

Fundort:  Ledabänke  von  Marsaba. 

Rostellaria  inornata  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  210,  Fig.  4 
bis  5  vollständig  glatte  Oberfläche  der  Schale,  nähert  sich  seinem 
Aussehen  nach  bereits  den  eocenen  Arten,  d'Orb.  beschreibt  sie 
vom  St.  Catei'ine  bei  Ronen,  unser  Stück  ist  von  Marsaba. 
Der  Zeichnung  nach  off.  Rep.  10,  62  ist  Chenopus  turriculoides 
von  Bhamdün  identisch.  Viel  grösser  und  einem  Strombus  ähn- 
lich ist  Ch.  induratus  11,  69  von  Bhamdün  und  Ch.  syriacus 
12,  71  ebendaher  3  Zoll  lang  und  gestreckter  in  seinen  Win- 
dungen, gleichfalls  Steinkern. 

Ein  Strombus  pervetus  13,  73  kann  mit  der  eocenen  Art 
des  Kressenbergs  und  Mocattams  verglichen  werden. 

Ausser  den  aufgeführten  Gasteropoden  erwähne  ich  noch 
den  Steinkern  einer  Pyramidella.,  vom  Chan  Lubban  in  Samaria, 
wo  man  vom  Gebirge  Juda  in  die  fruchtbare  grüne  Ebene  Sama- 
riens  niedersteigt.  Unsere  Schnecke  sieht  der  P.  canaliculata 
d'Orb.  etwas  ähnlich,  nur  sind  die  Umgänge  regelmässig  convex 
und  nicht  so  treppenartig  aufgesetzt.  Die  Arten  des  off.  Eep. 
betreffend  ist  ein  Phorus  syriacus  off.  Rep.  1 1 ,  66  von  Bham- 
dün ein  an  sich  unbestimmbarer  Steiukern.  Ausserdem  ist  noch 
die  Rede  von  Cerithum  bilineaturn  5,  39  und  von  Cancellaria 
petrosa  3,  43.  Fusus  Ellerii  16,  82  wird  als  eine  feine  Species 
vom  off.  Rep.  geschildert,  dasselbe  hat  viele  Aehnlichkeit  mit 
T.  Renaunianus  d'Orb.  223,  10.  Aehnliche  Dinge,  die  aber 
vermöge  ihrer  Undeutlichkeit  nicht  näher  zu  bestimmen  sind, 
fand  ich  in  dem  Kakühle  von  Jerusalem. 

Ueberhaupt  Hessen  sich  noch  eine  Anzahl  unbestimmbarer 
Steinkerne  von  Bivalvcn  und  Univalvcn  anführen,  die  den  harten 
Marmor  und  den  weichen  Kreidekalk  füllen,  aber  bedeutungslos 
sind  für  unsere  nächsten  Zwecke,  die  geognostische  Feststellung 
des  Horizontes,  in  dem  sich  die  Schichten  von  Palästina  be- 
wegen.    Der  Hauptwerth  ruht  in  den 


-    245    — 

Cephalopoden. 

Namentlich  sind  es  die  Ammoniten,  die  wie  wenige  andere 
Fossile  geeignet  sind  zur  Orientirung.  Der  Fund  eines  einzigen 
acht  jurassischen  Ammoniten  hätte  die  Frage,  ob  wirklich  die 
Juraformation  in  Judäa  zu  finden  wäre,  endgiltig  gelöst.  Aber  auch 
nicht  eine  Spur  von  einem  Jura-Ammoniten,  weder  aus 
eigener  Anschauung,  noch  aus  irgend  einer  Sammlung  eines 
Palästina-Reisenden.  Und  wenn  der  officiel  Report  of  the  U.  S. 
Expedition  to  the  dead  Sea  T.  14,  74  den  Animon.  Syriacus 
ti.  V.  Buch  (Ueber  Ceratiten.  Berlin  1848.  T.  VI,  1)  zu  einem 
Jura-Ammoniten  stempelt,  so  beweist  dies  nur,  wie  wenig  der  ame- 
ricanische  Verfasser  mit  dem  Standpunkt  des  europäischen  Wissens 
vertraut  war.  Und  doch  hatte,  wie  H.  v.  Buch  ausdrücklich  in 
seiner  Beschreibung  des  A.  Syriacus  sagt,  dieser  Ammonit  von 
Beirut  nach  Berlin  den  Umweg  über  Newyork  gemacht.  Der 
Missionar  Schmidt,  der  in  Begleitung  von  Robinson  den  Libanon 
besuchte,  hatte  ihn  in  grosser  Menge  zu  Bhamdün  gesammelt 
und  dem  Mineralienhändler  Shepard  in  New-York  übergeben, 
durch  welchen  dieser  erste  Ammonit  Palästina's  erstmals  nach 
Europa  kam  und  von  H.  v.  Buch,  ob  er  gleich  mit  Ceratiten- 
loben  versehen  war,  dennoch  ganz  richtig  in  das  System  des 
Neocoms  gestellt  wurde. 

Mit  besonderem  Interesse  wird  jedes  weitere  Stück  aufzu- 
nehmen sein,  um  so  mehr,  als  die  Mehrzahl  derselben  sich  voll- 
ständig an  die  europäischen  Arten  anschliesst.  Die  Arten  wur- 
den theils  von  mir  selbst  gefunden,  theils  von  Herrn  C.  Schick 
in  Jerusalem  gesammelt,  der  die  Freundlichkeit  gehabt  hatte, 
mich  auf  einigen  meiner  Excursionen  zu  begleiten  und  vermöge 
seiner  Bekanntschaft  mit  Land  und  Leuten  im  Stande  war, 
grosse  bis  zu  2'  Durchmesser  haltende  Stücke  sammeln  zu  las- 
sen. Einige  Ammoniten  liegen  in  der  Dr.  Roth'schen  Sammlung 
in  München,  die  mir  meia  leider  zu  früh  verstorbener  Freund 
Oppel  zur  Untersuchung  und  Bestimmung  mitgetheilt  hatte.  So 
wurden  sämmtliche  Bestimmungen  nach  Originalien  gemacht,  die 
mit  Ausnahme  der  Roth'schen  Stücke  in  der  K.  Staatssammlung 


—    24G     - 

zu  Stuttgart  von  mir  niedergelegt  wurden.  Die  zahlreichsten, 
zugleich  am  sichersten  leitenden  Formen  sind  die  Ammoniten 
mit  den  ausgeprägten  Kielknoten,  wie  sie  an  dem  am  meisten 
gekannten  A.  rhotomagensis  hervortreten.  Die  zweite  Gruppe 
umfasst  die  Ammoniten  mit  scharfem  Kiel,  wie  ihn  A.  varians 
zeigt,  und  die  dritte  ist  die  Gruppe  der  Mantelli,  bei  denen 
jeder  Kiel  verschwindet  und  die  Rippen  gleich  Schnüren 
über  den  gerundeten  Rücken  laufen. 

1)  Ammonites  Rhotomagensis  Brgn.  Sow.  515,  d'Orb. 
105,  Quenst.  17,  5  ist  in  Centraleuropa  die  Hauptleitmuschel 
der  chloritischen  Kreide  (Rouen,  Mt.  Sainte  Catherine)  oder  des 
Chalkmarl  (Sussex,  daher  auch  Sussexianus  Mantell),  ebenso 
findet  er  sich  in  der  chloritischen  Kreide  von  Castellane  und 
Bareme  (Basse  Alpes)  und  vielen  andern  Orten.  Unser  Exem- 
plar, das  Dr.  Roth  beim  Kreuzkloster  zu  Jerusalem  fand,  stimmt 
weniger  mit  dem  Sowerby'schen  Original  überein  oder  dem  d'Or- 
bigny's,  die  von  England  und  Nordfrankreich  stammen,  als  mit 
der  südfranzösischen  Form,  die  Quenstedt  von  Syn  zwischen 
Castellane  und  Escragnolle  abbildet.  An  der  englisch-französi- 
schen Form  gehen  einfache  Rippen  von  der  Naht  zum  Rücken 
hin,  während  der  südfranzösische  Typus  einige  Rippen  einfach 
gespalten  zeigt.  So  ist  denn  auch  unser  Rhotomagensis  von 
Jerusalem.  Mundöffnung  oblong,  jede  Hauptrippe  trägt  auf  der 
Naht  einen  rundlichen  Knoten,  von  dem  aus  sich  einige  der 
Hauptrippen  einfach  gabeln.  Ehe  die  Wölbung  zum  Rücken 
hin  anfängt,  erhebt  sich  auf  jeder  Ri})pe,  auch  den  durch  Gab- 
lung entstandenen  Nebenrippen,  ein  zweiter  Knoten  und  ein 
dritter  länglichter  Knoten  auf  dem  Rücken.  So  erhalten  wir 
3  Paare  Knoten,  die  auf  den  Rippen  anschwellen.  Eine  weitere 
unpaarige  Knotenreihe  läuft  über  dem  Sipho  hin.  Der  Ammonit 
ist  so  involut,  dass  nur  die  erste  seitliche  Knotoureihe  sichtbar 
ist.  Von  Loben  sieht  man  leider  nichts.  Den  gleichen  Ammo- 
niten sah  ich  in  Händen  des  Captain  Wilson,  der  ihn  vor  dem 
Thore  an  der  Jaffastrasse  gelegentlich  seiner  Messungen  auf  dem 
Felde  fand;  auch  vergleicht  der  o/f.  Eep.  den  Anmi.  Safedensis 
Taf.  21,  124  mit  dem  Ammoniten  von  Rouen,  indess  stimmt  die 


—    247    — 

dortige  Zeichnung  mehr  mit  Amm.  varians,  der  sich  in  Gesellschaft 
des  rhotomagensis  ebenso  bei  Jerusalem  findet,  als  anderswo  in 
Europa.  Wenn  dieser  Ammonit  auch  in  St.  Fe  de  Bogota  in 
Südamerika  sich  findet,  woher  H.  v.  Buch  ihn  citirt,  so  erhöht 
diess  den  Werth  dieser  Leitmuschel  nur  und  wird  der  Geognost 
in  den  Horizont  der  chloritischen  Kreide  und  des  oberen  Grün- 
sandes eingeführt,  ob  auch  keine  Spur  von  Chloritkörnern  petro- 
graphisch  den  Horizont  ankündigt. 

Fundort:  Jerusalem. 

Ammonit  es  rusticus  Sow.  pl.  177  (d'Orbigny's  rusti- 
€us  pl.  111  ist  ein  entschieden  anderer  Ammonit)  ist,  wie  es 
scheint,  der  gewöhnlichste  Ammonit  um  Jerusalem,  von  dem 
mehrere  Exemplare  vorliegen.  Eines  fand  ich  selbst  in  dem 
Kreidesteinbruch  (Kakühle),  der  am  Fussweg  von  Bethanien 
nach  der  Stadt  führt,  die  anderen  sammelte  mir  H.  Schick  auf 
der  Ostseite  des  Oelbergs;  der  Horizont  ist  ein  etwas  höherer, 
als  auf  der  Jaffastrasse  mit  A.  rhotomagensis. 

Dieser  Ammonit  wird  von  Bronn  (Lethäa  722)  und  nach 
ihm  von  Quenstedt  (Cephalop.  215)  nur  als  Varietät  von  A. 
rhotomagensis  angesehen.  Möglich!  Eine  Varietät,  die  in  einer 
bestimmten  Gegend  constant  wird,  verdient  jedenfalls  einen  eig- 
nen Namen  und  erhebt  sich  zur  Selbständigkeit  einer  besonde- 
ren Art.  Der  Ammonit  ist  evolut,  während  rhotomagensis  ent- 
schieden involut  ist.  Einfache,  niemals  gespaltene  Rippen,  von 
einander  abstehend,  tragen  je  2  rundliche  Knoten.  Sobald  die 
Schale  grösser  wird  und  1  Fuss  Durchmesser  erreicht,  verschwin- 
den die  Rippen,  aber  rohe  grosse  Knoten  bleiben  auf  der  glat- 
ten Schale  sitzen.  Die  unpaarige  Knotenlinie  zieht  sich  über 
den  Rücken,  so  dass  die  ganze  Ammonitenschale  mit  5  Knoten- 
reihen bedeckt  ist.  Die  Loben  sind  massig  und  breit,  viel  ge- 
zackt, aber  nicht  tief  gespalten  und  ebendamit  ganz  andere,  als 
die  mageren,  tief  gespaltenen  Loben  des  rhotomagensis,  so  dass 
wir  vollends  keinen  Austand  zu  nehmen  brauchen,  den  Sowerby- 
schen  rusticus  als  besondere  Species  beizubehalten. 

Ammonites  Lyelli  Leymerie  d'Orb.  pl.  74,  Quenst.  Ceph. 
10,  3   ist  eine  so  ausgezeichnete  Art,   dass  sie  nicht  wohl  ver- 


-    248    - 

kannt  werden  mag.  Eine  unpaarige  Knotenreihe  über  dem  Rü- 
cken, drei  paarige  auf  den  Seiten,  die  auf  einfachen  Rippen 
aufsitzen,  knüpfen  wieder  an  A.  rhotomagensis  an,  dessen  Vor- 
läufer im  untern  Gault  unser  Ammonit  in  Europa  ist.  Im  Nor- 
den und  Süden  Frankreichs  charakterisirt  er  den  untern  Grün- 
sand (rhotomagensis  den  oberen),  bleibt  übrigens  immer  klein, 
ist  verkiest  und  in  ausgewachsenen  Exemplaren  nicht  bekannt. 
Am  Oelberg  findet  er  sich  über  fussgross  in  Gesellschaft  des  A. 
rusticus,  varians  etc.  Ausser  der  europäischen  Form  mit  den 
drei  Paar  seitlichen  Knotenreihen  finden  wir  eine  weitere  mit 
vier  resp.  fünf  Paar  solcher  Knotenreihen  neben  der  unpaarigen 
Rückenknotenreihe.  Die  Loben  stehen  aber  so  ziemlich  in  Einer 
Linie. 

Unser  grösstes  Exemplar  (gegen  11  Zoll),  das  wir  Herrn 
Schick  verdanken,  zählt  auf  seinem  letzten  Umgang,  der  bereits 
einen  Theil  der  Wohnkammer  bildet,  5  Paar  Knoten  auf  jeder 
Seite,  die  nur  durch  schwache  Rippen  untereinander  verbunden 
sind,  also  11  Knoten  auf  der  Windung.  Die  3  ersten  Knoten 
sind  rundlich,  die  4.  und  5.,  wie  auch  die  Rückenknoten  lang 
gestreckt. 

Fundort:  Oelberg  bei  Jerusalem. 

2)  Ammonites  varians  Sow.  Min.  Conch.  pl.  176,  Quenst. 
Ceph.  17,  4,  d'Orb.  pl.  92,  2.  Mit  diesem  Ammoniten  beginnt 
die  Gruppe  derjenigen  Formen,  welche  einen  scharfen  markirten 
Kiel  auf  dem  Rücken  tragen.  Die  Rippen,  die  sich  gerne  spalten, 
fangen  au  der  Naht  mit  einem  Knötchen  an  und  bilden  durch 
weitere  Knotenbildung  am  Spaltungspimkt  und  am  Ende  der 
Rippe  eine  ganze  Reihe  manchfaltiger  Formen  und  Uebergänge 
von  einer  hochmündigen  knotenlosen  Spielart  an  bis  zur  breit- 
mündigen, stachligen  Form. 

Wir  haben  aus  der  Dr.  Roth'schen  Hinterlassenschaft  in 
München  eine  der  hochmündigen  Formen  von  „Jerusalem"  zur 
Untersuchung  erhalten.  Das  Gestein  ist  hart,  ganz  ähnlich 
dem,  in  welchem  A.  rhotomagensis  steckt.  Die  Rippen  fangen 
mit   einem  Knoten   an   und   dieser   Knoten   bildet    zugleich   den 


—    249    — 

Ausgang  für  die  Spaltung  der  Rippen,  die  von  hier  aus  sich  ein 
wenig  nach  vorne  schwingend  zum  gekielten  Eücken  hinziehen. 

Ammonites  rostratus  Sow.  pl.  173  schliesst  sich 
ebenso  an  varians  an,  wie  rusticus  an  rhotomagensis.  2  Kno- 
tenpaare entstehen  auf  den  Seiten  und  erheben  sich  auf  den 
Rippen,  die  jedoch  mit  dem  Wachsthum  der  Schale  fast  ver- 
schwinden. Ob  Sowerby's  rostratus,  wie  d'Orbigny  glaubt,  nur 
eine  Spielart  von  varians  sei,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein;  der 
Ammonit  vom  Oelberg,  der,  wenn  er  irgend  einer  europäischen 
Art  verglichen  wird,  nicht  mit  varians,  aber  mit  rostratus  Sow. 
stimmt,  ist  jedenfalls  eine  ganz  ausgeprägte  Form,  die  mit  kei- 
ner andern  verwechselt  werden  kann.  Die  Windungen  greifen 
nur  so  wenig  übereinander,  dass  beide  Seitenknoten  noch  sicht- 
bar sind.  Die  Loben  sind  breit,  aber  doch  tief  gespalten.  Der 
erste  Seitenlobus  überragt  die  übrigen  an  Grösse  und  schiebt 
sich  zwischen  den  beiden  Seitenknoten  hinein.  Von  A.  rostra- 
tus liegen  zwei  Exemplare  vor  uns,  einer  vom  Oelberg,  der  an- 
dere vom  nahen  „Berg  des  bösen  Raths" ;  eines  der  Stücke 
misst  1  Fuss  und  hat  in  dieser  Grösse  noch  keine  Wohnkammer 
angesetzt,  so  dass  der  ausgewachsene  Ammonit  zum  mindesten 
auf  172  Fuss  Grösse  geschätzt  werden  mag. 

Ammonites  Goliath  Taf.  IV,  Fig.  18  a.  b.  Der  Riese 
unter  den  Ammoniten,  der  über  2  Fuss  erreicht.  Die  Schale  ist 
flach,  die  Windungen  evolut,  die  Mündung  fast  dreimal  so  hoch 
als  breit,  der  Kiel  scharf.  Die  inneren  Windungen  sind  nur 
wenig  von  der  letzten  äusseren  verschieden.  Die  Windungszu- 
nahme der  drei  letzten  Umgänge  ist  1  :  2^2  :  6.  Die  Schale  ist 
nicht  glatt,  aber  ist  auch  nicht  gerippt,  nur  leichte,  wellenför- 
mige Erhabenheiten  decken  die  Seiten  und  leichte,  rundliche 
Anschwellungen  beobachtet  man  an  Stelle  der  Knoten.  Auf  den 
inneren  Umgängen  könnte  man  etwa  noch  von  Rippen  reden, 
aber  mit  dem  Wachsthum  verschwinden  sie  mehr  und  mehr, 
um  den  leichten  Erhebungen  Platz  zu  machen,  die  von  der  Naht 
über  die  Seite  hinziehen  und  in  einer  leichten  Knotenanschwel- 
lung endigen.  Das  letzte  Viertheil  der  Seite,  das  zum  Kiel 
verläuft,  ist  glatt  und  mit  eigenthümlichen  Längsstreifen  bedeckt, 


-    250    — 

wie'  wir  sie  von  liasischen  Ammoniten  her,  z.  B.  A.  striatus, 
kennen. 

Unter  dem  scharfen  Kiele,  wie  ihn  z.  B.  die  Falciferen 
und  Cristaten  tragen,  läuft  der  Sipho  mit  seiner  braunen  horn- 
artigen  Hülle  hin,  der  sich  aus  dem  lichten,  mehligen  Kreide- 
kalk an  den  Bruchstellen  als  scharfes  Band  aushebt.  Anfangs 
dachte  ich  an  eine  Grössenentwicklung  des  A.  varians,  die  in 
Europa  nicht  bekannt  wäre,  doch  ist  an  ^1.  variam-  eine  Längs- 
streifung  der  Schale  noch  nicht  beobachtet  worden,  wie  andrer- 
seits bei  A.  Goliath  sich  nie  eine  Spaltung  der  Rippen  beob- 
achten lässt,  die  dem  A.  varians  eigeuthümlich  ist,  so  wenig 
als  die  schiefe  Stellung  der  Rippen  auf  dem  Umgang,  wie  sie 
A.  varians  zeigt.  Die  Rippen  und  Wellen  stehen  vielmehr  alle 
radial  zum  Mittelpunkt  des  Ammoniten,  beziehungsweise  recht- 
winklig auf  der  Nahtlinie.  d'Orbigny  bildet  pl.  94  einen  Amm. 
Goupilianus  aus  der  chloritischen  Kreide  von  Mondragon  ab. 
An  diese  Art  erinnert  A.  Goliath  etwas,  nur  unterscheidet  sich 
dieselbe  durch  involute  Form  und  falciferenartigen  Charakter 
der  Rippen,  was  letzterem  fehlt.  Loben  sind  leider  au  beiden 
Exemplaren,  die  vor  uns  liegen,  nur  unvollständig  zu  beobach- 
ten. Der  zweite  Seitenlobus  ist  gross  und  tief  gespalten  und 
hängt  in  zwei  Gabeln  herab  als  Anfang  des  Kahtlobus;  der 
erste  Seitenlobus  ist  verhältuissmässig  kleiner  und  kürzer,  ein 
Verhältniss,  das  an  die  Lobenform  des  A.  angulatus  im  Lias 
erinnert. 

Der  Fundort  ist  der  Oelberg,  der  Ammonit  findet  sich  in 
demselben  Steinbruch  wie  rusticiis,  rostraius  u.  A.,  das  ankle- 
bende Gestein  ist  der  sog.  Kakühleh. 

3)  Ammonitcs  Mantelli  Sow.  pl,  55,  Quenst,  Ceph.  17,  8. 
Dieser  wie  der  nächstfolgende  Ammonit  bildet  wieder  eine  neue 
Gruppe,  die  mit  den  vorangehenden  nichts  mehr  gemein  hat,  weder 
Kiel  noch  Kielknoten,  sondern  schuurartigo  Rippen,  die  über 
den  rundlichen  Rücken  sich  hinziehen.  Es  liegt  zwar  nur  ein 
Umgang  dieses  Ammoniten  vor,  den  Hr.  Schick  vom  „Berg  des 
bösen  Raths"  gesammelt  hat,  aber  die  Art  stimmt.  Die  Rippen 
sind  einfach,  beginnen  an  der  Naht  mit  einem  schwachen  Kno- 


—    251    — 

ten  und  laufen  mit  kaum  merklicher  Knotung  zum  Rücken,  wo 
eine  schwache  Siphonaldepression  auch  die  Rippen  erfasst. 

Fundort:  Berg  des  bösen  Raths  bei  Jerusalem. 

Ammonites  fissicostatus  Phil.  d'Orb.  pl.  76  schliesst 
sich  an  Martelli  an,  dessgleichen  an  A.  navicularis  Mant.  (Sow. 
555)  und  kann  man  schliesslich  über  die  Berechtigung  der  Art 
streiten.  Jedenfalls  stimmt  unser  Jerusalemite  ganz  ausgezeich- 
net zu  fissicostatus.  Ich  habe  ihn  selbst  am  Weg  von  Jezzin 
nach  der  Stadt  gefunden,  wo  er  im  gleichen  harten  Kalkstein 
steckt,  wie  A.  rhoiomagensis. 

Fundort:  Zwischen  Jerusalem  und  dem  Dorf  Jezzin. 

d'Orbigny  spricht  von  einer  aufgeblähten  und  einer  schmal 
gedrückten  Form,  letztere  mit  oblonger  Mundöflfnung.  Diess  ist 
unsere  Form.  30  Rippen  laufen  gleich  dicken  Schnüren  über 
den  Rücken  und  entspringen  auf  der  Naht  je  zwei  aus  Einem 
Knoten,  Als  verwandt  kann  auch  A.  Mületianus  d'Orb.  pl.  77 
verglichen  werden,  eine  Art,  die  ich  im  Besitze  des  Captain 
Wilson  gesehen  habe. 

Ammonites  bicurvatus  Mich.  d'Orb.  pl.  84,  pag.  286. 
Dieser  comprimirte  Ammonit  mit  länglicht  ovaler  Mundöflfnung 
hat  noch  seine  Schale,  deren  charakteristische  Sreifung  über  die 
Identität  der  Art  keinen  Zweifel  lässt.  Das  Exemplar  ist  zwar 
nicht  vollständig,  stellt  aber  ein  4V2  Zoll  Durchmesser  haltendes 
Thier  vor,  dessen  äusserer  Umgang  glatt  ist  mit  kaum  ange- 
deuteten Streifen,  während  die  innere  Windung  deutlicher  vom 
Nabel  aus  sichelförmig  über  die  Seite  hinziehende  Rippen  zeigt. 
Auch  diese  Rippen  sind  nur  leichte,  1  Millim.  dicke  Erhebun- 
gen, die  erst  wieder  gegen  den  schneidenden  Kiel  hin  sichtbarer 
hervortreten. 

Die  Species  ist  eine  ganz  ächte,  nicht  zu  verwechselnde 
Kreidespecies  aus  dem  Departement  Aube  und  Ardennes  und 
wurde  von  mir  selbst  aus  den  Kakühlebänken  zwischen  dem 
Oelberg  und  Bethanien  herausgeklopft. 

Der  off.  Rep.  kennt  auffälliger  Weise  keinen  dieser  Ammo- 
niten  (über  A.  Safedensis  s.  o.  pag.  246),  ein  Amfn.  Ubanensis 


—    252    — 

6,  46  ist  erwähnt,  indessen  will  die  rohe  Zeichnung  bei  dem 
Mangel  einer  Beschreibung  Nichts  sagen. 

Baculites  anceps  Lam.  d'Orb.  terr,  cret.  Ceph.  pl.  139, 
Fig.  1 — 7  ist  bei  der  grossen  Häufigkeit,  in  der  er  sich  am 
Westgehänge  des  todten  Meers  und  im  unteren  Kidronthal  findet, 
vielleicht  das  wichtigste  aller  bisher  genannten  Fossile,  denn  man 
kennt  bis  jetzt  sein  Vorkommen  noch  aus  keiner  anderen 
Schichte,  als  aus  der  mittleren  chloritischen  Kreide 
im  Gebiet  des  europäischen  Mittelmeers.  Nach 
d'Orbigny's  Untersuchung  findet  der  alte  Lamarck'sche  Name 
B.  vertebralis  auf  unsere  Art  keine  Anwendung  und  verstand 
Lamarck  unter  B.  vertebralis  nicht  unsere  der  chloritischen 
Kreide  entstammende  Art  mit  dem  ovalen  Querschnitt  und  der 
glatten  Schale,  auf  der  sich  wellige  Anwachsstreifen  bauchig 
zum  Rücken  hinziehen. 

üeber  die  Identität  der  Art  von  Frankreich  und  vom  todten 
Meer  ist  mir  kein  Zweifel.  Unsere  Figur  Taf.  IV,  Fig.  15  a.  b. 
in  natürlicher  Grösse,  mit  Loben  und  Querschnitt  zeigt  zur  Ge- 
nüge die  Identität  der  syrischen  und  europäischen  Art,  die  bis 
auf  den  Loben  hinaus  übereinstimmen.  Auch  darf  der  Umstand 
sicher  nicht  unterschätzt  werden,  dass  in  Europa  die  Art  ganz 
strenge  den  Horizont  der  mittleren  chloritischen  Kreide  einhält. 

Das  Hauptvorkommen  des  Bac.  anceps  beginnt  unterhalb 
Marsäba  mit  den  bituminösen  Kalken,  aus  denen  im  Sonnen- 
brand das  Erdpech  schwitzt  und  den  specifischen  Petrolgeruch 
der  Luft  mittheilt,  den  so  viele  Reisende,  selbst  einige  [der 
neuesten  Forscher  nicht  ausgenommen,  mit  vulcanischen  Gas- 
ausströmungen verwechselt  haben.  Man  darf  fast  sicher  darauf 
rechnen,  dass  der  Baculit  sich  findet,  sobald  der  schwarze  Stink- 
stein bricht.  Da  und  dort  ist  er  in  Feuerstein  verwandelt,  wie 
Fig.  17  zeigt.  Ein  zierliches  Stück,  an  welchem  die  welligen  An- 
wachsstreifen seitlich  einen  breiten  Knoten  bekommen.  Ich  zog 
es  selbst  aus  dem  Wasser  des  todten  Meers,  dem  es  ohne  Zweifel 
der  Kidron  einst  zugeführt  hat,  wenn  er  über  die  bituminösen 
Bänke  und  Nester  der  tiefen  Schlucht  zustürzt,   die  freilich  nur 


—    253    — 

das  Auge    erreicht,    nie   aber    der  Hammer    des   Geognosten  je 
untersuchen  wird. 

Fische. 

Die  grösste  Ausbeute  von  Fischzähnen,  "Wirbeln  u.  dergl. 
hat  Dr.  Roth  gemacht.  Seine  Etiketten  geben  als  Fundort 
einfach  „el  Kuds"  an,  nach  neuerlicher  Nachforschung  in  Jeru- 
salem, wo  Dr.  Roth  gesammelt  habe,  ward  mir  der  Berg  Abn 
Tor  auf  dem  Wege  vom  Hinnom  nach  Bethlehem  genannt.  Es 
gelang  mir  jedoch  nicht,  den  rechten  Platz  zu  treffen,  indem 
ich  nur  wenige  Zähnchen  mit  Mühe  fand,  während  in  der  Roth- 
schen  Sammlung  ganze  Schachteln  voll  liegen.  Unter  denselben 
hebe  ich  aus: 

Ptychodus  polygyrus  Ag.  recherch.  sur  les  poiss.  foss. 
3,  23.  Die  Art  gehört  zwar  der  weissen  Kreide  von  Brighton 
an,  doch  wird  man  das  Vorkommen  von  Ptychodus  überhaupt 
als  wichtig  erachten,  der  bis  jetzt  noch  aus  keiner  andern  For- 
mation gefunden  wurde,  als  der  Kreide. 

Corax  heterodon  Reuss.  Böhm.  Kr.  T.  3,  f.  49 — 71  (fal- 
catus  Ag.).  Seine  schiefen  Zähne  mit  der  gesägten  Schmelz- 
kante sind  nicht  zu  verkennen. 

Lamna  subulata  Ag.,  ein  ächter  Haifischzahn,  der  mit 
denen  im  Grünsand  von  Regensburg  und  andern  Quedlinburgern 
Kreidemergeln  übereinstimmt. 

Lamna  elegans  Ag.  ist  eine  eocene  Art  und  im  Londonclay, 
wie  im  unteren  Grobkalk  des  Pariser  Beckens  zu  finden.  In 
Jerusalem  vermengt  sich  dieselbe  mit  den  genannten  ächten 
Kreidearten;  dieser  Fisch  begleitete,  wie  es  scheint,  die  Num- 
muliten,  die  gleichfalls  die  Formationsfragen  missachteud  vom 
Eocen  in  die  Kreide  herabgestiegen  sind. 


—    254    — 
III.    Die  Tertiärländer  am  Nil. 

Das  eocene  Gebirge. 

Da,  wo  die  schmale  Brücke  des  Isthmus  die  beiden  ältesten 
Erdtheile  Asien  und  Afrika  verbindet,  wo  der  älteste  Völker- 
weg, den  die  Geschichte  kennt,  heutzutage  durch  Salzsteppen 
und  Wüstensand  hinführt,  da  schliessen  auch  die  Kreidegebirge 
Palästina's,  die  vom  Libanon  bis  zur  Kalkwüste  Tyh  sich  fast 
unverändert  gleichen,  an  die  egyptische  Eocene  an.  Sues  mit 
dem  etwa  2600'  hohen  Ataq ah  bildet  den  geologischen  Anknü- 
pfungspunct. 

Am  Fuss  des  Ataqah  brechen  gegenwärtig  die  Franzosen 
Steine  für  die  Quaibauten  des  Sueshafens.  Der  lichte,  grau- 
weisse  Marmorkalk  enthält  nach  der  Mittheilung  des  Herrn  Leon 
Vaillant  (Bullet,  de  la  soc.  geol.  1864)  noch  Hippuriten,  *)  während 
das  Massiv  des  eigentlichen  Gebirges  bereits  der  Nummuliten- 
Etage  angehört. 

Der  Ataqah  ist  ein  Gebirge  von  wunderbarer  Wüsten- 
schönheit,  das  kein  Reisender  von  Sues  aus  unbesucht  lassen 
sollte,  das  reinste  Bild  einer  Felsenwüste  und  des  ewigen  Todes. 
Ausser  einigen  Jerichorosen  in  den  vertrockneten  Giessbächen 
am  Fuss  des  Berges  und  wenigem  Buschwerk  von  Kameelsdorn 
und  Ginster  (gleiclifalls  noch  in  der  Ebene)  fehlt  dem  ganzen 
Felsenzug  von  einigen  geographischen  Meilen  Grundfläche  alle 
und  jede  Spur  von  Vegetation.  Nicht  einmal  Flechten  haben 
an  den  braunen  glatten  Marmorwänden  sich  angesetzt,  geschweige 
eine  höher  organisirte  Pflanze.  Von  einheimischen  Thieren  ist 
natürlich  auch  keine  Rede;   ausser  einem  Seeadler,   der  in  den 


*)  Nach  einer  Mitthoilung  meines  Freundes  J.  Marcou  vom  18; 
Jan.  1866  ist  auch  nach  Baylcs  und  Deshaycs  Ansicht  kein  Zweifel, 
dass  es  echte  Hippurlton  sind,  -welche  Herr  Vaillant  vom  Atdqah  mit- 
brachte. Dagegen  sind  die  Caprotinen,  von  welchen  er  ausserdem 
spricht,  die  Steinkerne  der   Östren,  Overwegi  von  Buch.  (pag.  23Ü). 


—    255    — 

Felsen  nistet,  oder  vom  "Winde  hergetriebenen  Mücken  und  Heu- 
schrecken trifft  man  keine  Spur  von  Leben,  aus  dem  ganzen 
Berge  versuchte  man  umsonst  aucli  nur  Einen  Tropfen  Wassers 
herauszupressen.  In  fast  senkrechten  Abstürzen  thürmt  sich 
Felswand  auf  Felswand,  ghänzend  braun  mit  violetter  Färbung. 
Einzelne  schneeweisse  Bänke  heben  sich  aus  dem  Dunkel  der 
Farben  in  der  zweiten  Hälfte  der  Höhe  mit  grosser  Bestimmt- 
heit ab. 

Es  kostet  schon  Mühe  und  Anstrengung,  über  die  colossa- 
len  Schuttmassen  zu  klettern,  die  in  der  Ebene  liegen  und  als 
breiter  Gürtel  den  Fuss  des  Berges  umgränzen.  Sie  liegen  da 
wie  Trümmerhaufen  eingestürzter  Burgen  und  Städte,  als  Zeu- 
gen früherer  Wasserströme,  die  vor  Zeiten  mit  furchtbarer  Ge- 
walt aus  den  Schrunden  des  Ataqah  hervorstürzten  und  ihr 
Zerstörungswerk  am  Berge  übten.  Längst  vergangen  sind  diese 
Zeiten,  glatt  und  glänzend  und  heiss  anzufühlen  liegen  braun 
wie  ein  angerauchter  Meerschaumkopf  die  Marmorfelsen  überein- 
ander mit  scharfen  Kanten  und  Zacken,  wie  sie  einst  aus  dem 
Lager  im  Berge  ausgebrochen  waren.  Ist  endlich  der  2  Kilo- 
meter breite  Trümmerwall  überstiegen,  so  gilt  es,  über  die  za- 
ckigen Schrofen  und  Schrunde  hinanzuklimmen  und  Terrasse 
um  Terrasse  zu  ersteigen.  Die  Bänke  des  Gebirgs  sind  nach 
hora  12  vertical  zerklüftet  und  erhebt  sich  jede  einzelne  Bank 
senkrecht  bis  zur  Schichtenfläche,  die  treppenartig  wieder  etwas 
zurücktritt.  Die  Bänke  sind  von  ungleicher  Mächtigkeit,  selten 
aber  dicker  als  2V2  Fuss,  so  dass  man  beharrlich  wie  auf  einer 
steilen  Treppe,  theilweise  auf  allen  Vieren  hinansteigt.  Nach 
dem  ersten  Drittheil  der  Erhebung  betritt  man  eine  breite  Treppe; 
der  tiefe  Felsenschrund,  in  dessen  Nähe  man  aufsteigt,  erweitert 
sich  zum  breiten  Wadi,  in  welchem  der  Weg  zur  Spitze  des 
Berges  nahezu  eine  Stunde  lang  sich  hinzieht.  Weichere,  mer- 
gelige Bänke  gaben  Anlass  zu  der  Erweiterung,  Nummuliten, 
Cerithien,  Austern,  Anthophyllen,  von  denen  zwar  nur  die  Hohl- 
räume existiren,  die  Schale  selber  aber  verloren  ging,  kenn- 
zeichnen hinreichend  den  eocenen  Charakter  des  Gebirgs.  Yon 
dem  Wadi  aus,  in  welchem  man  die  eigentliche  Spitze  des  Berges 


-    256    - 

umgehen  muss,  um  sie  von  hinten  zu  ersteigen  (von  vorne  ist 
gar  keine  Möghchkeit),  thürmen  sich  immer  neue  Felsschründe 
übereinander,  die  gegen  das  Thal  abfallen.  In  einem  derselben 
sieht  man  einen  2'  mächtigen  Gang  von  Kalkspat  und  rothem 
Wurstmarmor ;  letzterer  ist  der  gleiche,  den  man  in  den  Ruinen 
von  Alexandria  und  den  Tempelresten  von  Memphis  von  den 
alten  Egyptern  verarbeitet  trifft.  Zur  Spitze  des  Atäqah 
geht  es  schliesslich  nicht  anders  als  wie  am  Ostermontag  am 
Basler  Münster  hinan:  es  gilt,  sich  von  Felsenknauf  zu  Felsen- 
knauf hinanzuschwingen,  unter  sich  eine  jähe  Tiefe  von  einigen 
hundert  Füssen,  in  welche  die  abgelösten  Felsen  mit  unheimli- 
chem Echo  in  der  öden  Stille  hinabdonnern. 


Cairo 
Hokattam 


Oeneffe 

Sues 


Timgah 


Rothes  Meer 


Der  Isthmus  von  Sues  aus  der  Vogfelperspcctive  vom  Atäijah  aus. 


Aber   wie   lohnend   ist   der  Ausblick  hier  oben!     In  unver- 
gleichlicher Pracht  liegt  unter  uns  das  blaue  Meer  und  sind  die 


-    257    - 

fernen  Berge  Arabiens  bis  zum  Serbäl  und  Sinai  in  violette  Tinten 
gehüllt.  Wie  aus  der  Vogelperspective  überschaut  man  den 
Isthmus  von  der  Bai  von  Sues  an  bis  zum  fernen  Menzaleh,  in 
welchen  die  Arme  der  östlichen  Nilcanäle  verlaufen.  Kleine 
dunkle  Puncto  liegt  Ain  Musa  und  Sues  im  "Westen  der  Bucht, 
in  welche  im  Osten  der  Süsswassercanal  als  glänzender  Faden 
mündet,  der  vom  Geneffe  herüber  läuft. 

Auch  geologisch  hat  man  oben  auf  dem  Atäqah  die  Ueb er- 
sieht über  das  weite  Tertiärland,  das  im  Norden  sich  aus- 
breitet, und  sieht  man  die  alten  eocenen  Felsen  aus  der  miocenen 
und  pliocenen  Sand-  und  Mergelebene  hervorschauen. 

Liegt  der  Atäqah  gleich  dem  Mokattamgebirge  bei  Cairo 
noch  wesentlich  ungestört  und  horizontal,  so  sind  dagegen  alle 
die  nördlichen  Ausläufer  der  Schichten  verstürzt  und  abgebro- 
chen und  ragen  im  Norden  der  Linie  Cairo-Sues  nur  noch  ein- 
zelne Schichtenköpfe  nackt  und  starr  zu  Tage, 

Im  Süden  dieser  Linie  aber  ziehen  sich  die  eocenen  Bänke 
im  Wesentlichen  ungestört  und  sich  gleich  bleibend  über  sechs 
Breitegrade  bis  zu  den  Katarakten  des  Niles  hin.  Mitten  hinein 
an  diess  Gebirge  ist  der  riesige  Spalt  gesprungen,  der  dem 
rothen  Meere  parallel  läuft  und  in  einer  ähnlichen  Breite  wie 
das  rothe  Meer  mit  dem  Nilgrund  ausgefüllt  und  vom  süssen 
Wasser  des  Sudans  gespeist  ist. 

Die  Landschaft  des  Eocen  ist,  was  sich  von  Jetzt  an  von 
selbst  versteht,  eine  Wüstenlandschaft,  aber  eben  darum  ein  um 
so  ausgeprägteres  Terrassengebirge,  in  welchem  Schichte  über 
Schichte  lagert  und  jedesmal  die  weichere  Bank  die  Treppe  zur 
nächsten  festeren  bildet.  Eine  fabelhafte  Menge  von  Nummu- 
liten  kennzeichnet  das  Gebirge  auf  den  ersten  Blick.  Ich  Hess 
es  mir  angelegen  sein,  durch  Aufnahme  von  Profilen  wie  durch 
eifriges  Sammeln  von  Fossilen  die  Parallele  mit  dem  in  Europa 
am  gründlichsten  studirten  und  am  besten  bekannten  eocenen 
Becken  von  Paris  zu  ziehen,  das  mir  durch  eigene  Anschauung 
wohl  bekannt  ist,  fand  aber  bald,  dass  die  Züge  nur  im  grossen 
Ganzen  stimmen,  im  Einzelnen  aber  sich  unbekümmert  um  die 
französische  Chablone  frei  entwickelt  haben.    Die  Gleichartigkeit 

Württemb.  natnrw.  Jahreshefte.     1867.     2s  n.  3s  Heft.  17 


-    258    — 

des  Gesteins  ist  es  namentlich,  welche  die  Orientirung  namhaft 
erschwert,  indem  von  unten  bis  oben,  d.  h.  von  den  tiefst  gele- 
genen Krebsbänken  an  bis  zum  kieseligen  Sandstein,  der  dem 
grcs  de  Beauchamp  und  St.  Oiien  entspricht,  nur  ein  und  der- 
selbe lichtgelbe  bis  lichtgraue  Kalkstein  herrscht.  Nur  an  sehr 
wenigen  Stellen  finden  sich  auch  graue  Thone  und  Gypse. 
Ebenso  fehlen  zwischenliegende  Süsswasserbildungen,  wie  solche 
im  englischen  und  französischen  Eocen  gewöhnlich  sind,  voll- 
ständig. 

1.      Untere    Lagen.      Callianassa-Bänke    oder 

Schichten  des  Nummulites  planulata  d'Orb. 

In  Frankreich  ttag e  suessonien. 

Um  Cairo  traf  ich  an  zwei  Stellen  die  untersten  Lagen  des 
Eocens,  die  sich  in  höheren  Schichten  nicht  mehr  wiederholten: 
an  der  Station  Nro.  8,  der  ersten  Haltstation  von  Cairo  nach 
Sues,  und  im  Schachte  Mehamed-Alis  im  Wadi  Chascab.  Am 
ersteren  Puncto,  wohl  dem  tiefsten  um  Cairo,  wo  Eocen  zu 
Tage  tritt,  wurde  im  "Winter  1865  für  die  Canalbauten  eine 
vierschühige  lichte  Kalkbank,  hora  3  gegen  N.  fallend,  ausge- 
hoben. An  sie  lehnen  sich  horizontale  Gypsthone  und  Sande 
an.  Die  Kalke  sind  von  schmutziggelber  Farbe  und  stecken 
über  und  über  voll  Scheerenballen ,  die  auf  den  ersten  Anblick 
an  die  Callianassa  Fmtjasi  von  Maastricht  erinnern.  Bald  zeigen 
sich  jedoch  wesentliche  Verschiedenheiten  dieser  Scheeren  und 
mitvorkommende  Nummulües  planulata  d'Orb.  verweisen  die 
Kalke  in  den  Horizont  der  untern  Eoceno.  Aus  den  gleichen 
Lagen  mögen  die  Stücke  vom  Bihr  el  Fachmeh  (Kohlenbrunncn) 
sein  (s.  unten). 

Unter  den  von  Alfonse  Milne  Edward*)  beschriebenen 
Krebsen  des  Pariser  Eocens  scheint  zwar  die  so  ausführlieh 
behandelte  Callianassa  Ileherti  von  Gue-a-Trcsmcs  zu  fehlen, 
dagegen    stimmt     wohl     die     langfingrige    Art    Callianassa 


*)  Annales  des  sciences  natur.  IV.  Ser.   Tom.  XIV.  1860,  p.  301. 


-    259    - 

macrodactyla  A.  Milne  Edw.  pl.  12,  2  pag.  314.  Den  ge- 
fundenen Stücken  fehlt  leider  immer  der  bewegliche  Daumen, 
Hand  und  Zeigfinger  dagegen  kommen  mit  den  Exemplaren 
des  Pariser  Beckens  überein.  Auch  Callianassa  prisca  Milne 
Edw.  pl.  13  Fig.  2  pag.  319  aus  dem  Grobkalk  des  Departe- 
ments Eure  erkennt  man  wieder.  Neu  dagegen  ist  Callianassa 
nilotica  Frs.  Taf.  V,  Fig.  11  vom  Todtenberg  bei  Assiüt, 
dessen  oberste  Schichten  von  Fossilen  wimmeln ,  während 
die  darunter  liegenden  5 — 600'  schneeweissen,  milden  Kalke 
keine  Anhaltspuncte  bieten.  Hier  liegen  Callianassascheeren 
und  Nummuliten,  dass  man  wörtlich  damit  Taschen  füllen  kann. 
Die  Hand  ist  nahezu  viereckig,  auf  der  Aussenseite  gewölbter 
als  auf  den  inneren:  der  untere  Rand,  der  sich  zum  unbeweg- 
lichen Finger  verlängert,  ist  schneidend  scharf  und  fein  gezähnt, 
der  obere  Rand  abgerundet  und  von  wenigen  Wärzchen  besetzt. 
Auf  der  Innen-  wie  auf  der  Aussenseite  der  Scheerenhand  sind 
feine  "Wärzchen  angebracht  und  vertiefte  Gruben  umgeben  die 
Charniergegend,  wo  der  lange  bewegliche  Daumen  eingefügt  ist. 
Einzelne  feine  Poren  bemerkt  man  an  den  Fingern,  in  welchen 
nach  Milne  Edwards  Bemerkung  Borsten  stecken. 

Nicht  minder  wichtig  ist  das  Vorkommen  von  Nummulites 
planulata  d'Orb.  (d'Archiac  et  Haimes,  Monogr.  d.  Numm.  Paris 
1858  pl.  IX,  5—10  p.  142)  am  Bihr  el  Fachmeh  in  der  Wüste 
Chascab  4  Stunden  östlich  Cairo.  Wir  kennen  diesen  zierlichen 
und  kleinsten  aller  Nummuliten  meist  aus  dem  Sande,  der  aus 
den  in  allen  Sammlungen  verbreiteten  Neritina  conoidea  oder 
ScJimideli  von  Guise  la  Motte  zwischen  Soissons  und  Com- 
piegne  ausfällt.  In  jeder  dieser  Schnecken  stecken  Hunderte 
von  Individuen  zugleich  mit  Alveolina  ohlonga  d'Orb.  und  einer 
zierlichen  Schneckenbrut:  ihr  Durchmesser  schwankt  zwischen 
V2  Millim.  und  3 — 4  Millim.  Die  Schalen  sind  flach  scheiben- 
förmig und  die  kleineren  Individuen  linsenförmig.  Auf  der  glat_ 
ten  Schale  schimmern  lichte  Streifen  durch,  die  sichelförmig  vom 
Mittelpunct  ausstrahlen.  Diese  Art  füllt  nun  auch  an  den  Hal- 
den des  Mehamed-Ali'schen  Kohlenschachtes  einen  grauen,  bitu- 
minösen Stinkmergel,   auf  dem  sich   die  papierdünnen  Schalen 


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des  Nummuliten  als  ebensoviele  schneeweisse  Puncte  ausheben. 
Die  3 — 4  Umgänge  erkennt  man  deutlich,  von  denen  der  äus- 
sere wie  ein  dünner  Hauch  erscheint.  Die  einzelnen  Zellen 
nehmen  sich  aus  wie  die  Kammern  eines  Cephalopoden. 

Diese  Nummulitenmergel  liegen  auf  dem  Haldensturz  des 
Schachtes  zuoberst,  sind  also  ohne  allen  Zweifel  aus  den  unter- 
sten durchsunkenen  Lagen.  Im  März  1844  wurde  nämlich  auf 
den  Rath  eines  französischen  Geologen  in  dem  Theil  der  Wüste 
Tih,  welcher  unter  den  Europäern  als  „der  grosse  versteinerte 
Wald"  bekannt  ist  (zum  Unterschied  vom  „versteinerten  Wald" 
anderthalb  Stunden  von  Cairo  entfernt)  auf  Befehl  des  Pascha's 
regelrecht  nach  Steinkohle  geschürft  und  328  Par.  Fuss  tief  ge- 
gangen. *)  Da  der  Schacht  auf  der  Grenze  des  muschelreichen 
Grobkalks  und  des  kieseligen  Sandsteins  begonnen  wurde  und 
die  untersten  Schichten  auf  der  Sohle  die  Callianassabänke  und 
ältesten  Nummuliten  erreichen,  so  haben  wir  mit  den  328'  die 
ganze  Mächtigkeit  des  NummuHtengebirgos ,  was  mit  der  am 
Mokattam  zu  Tage  liegenden  Mächtigkeit  der  Schichten  genau 
stimmt.  Der  Bihr  el  Fachmeh  hat,  wie  das  sich  kaum  anders 
erwarten  Hess,  genau  dieselben  Schichten  durchsenkt,  die  am 
Ausgehenden  des  Mokattamgebirges  zu  Tage  gehen.  Nach  dem 
Nivellement  des  französischen  Ingenieurs  soll  die  Schachtsohle 
einige  Fuss  unter  dem  Spiegel  des  Nils  liegen.  Auch  der  Schutt- 
halde nach  zu  urtheilen,  die  nach  20  Jahren  noch  frisch  und 
unverwittert  daliegt,  ward  mit  Ausnahme  der  Callianassabänke 
keine  andere  Schichte  durchsenkt,  als  die  auch  am  Mokattam 
zu  Tage  geht.  Die  Callianassabank  aber  liegt  um  Cairo  bereits 
unter  Sand  und  Schutt  versteckt. 

Ausser  diesen  beiden  leitenden  Fossilen  nenne  ich  nur  noch 
Turritella  imbricataria  Lam.  Desh.  Taf.  35,  Fig.  1  u.  2  die 
"Varietät  mit  3  hervorspringenden  Rippen.  Es  ist  auch  diese 
Muschel  für  unteres  Eocen  (Suessonien)  bezeichnend  und  begleitet 
die  Krebsscheeren.    Am  Todtenberge  von  Assiüt  ist  sie  so  gemein 


*)  Journal  of  the  Bombay  Branch  of  the  Royal  Society  for  July 
1845,  the  Egyptian  Deaert  by  A.  B.  Orlebar. 


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—    261    — 

als  jene.  Noch  manche  andere  Muschel  Hesse  sich  anführen, 
da  sie  sich  aber  auch  in  jüngeren  Schichten  wiederholt,  so  er- 
wähnen wir  sie  nur  in  der  Uebersicht  über  die  sämmtlichen 
Eocenfossile  Egyptens.  Dagegen  muss  noch  auf  einen  Crinoiden 
hingewiesen  werden  aus  der  Gruppe  der  Spatangoiden,  der  von 
Niemand  übersehen  werden  kann:  Periaster  obesus  Leym. 
Desor  p.  387.  Es  ist  ein  kleiner  aufgeblähter  Seeigel  mit  tiefen, 
ungleichen  Fühlerblättern  und  einem  doppelten  Band,  das  ein- 
mal die  Fühlerblätter  umgibt  und  dann  in  einem  Winkel  ab- 
zweigend sich  um  den  After  schlägt.  P.  obesus  misst  29  und 
30  bis  44  und  45  Millim.  Der  Scheitel  ist  nahezu  central,  das 
vordere  Fühlerblatt  zieht  sich  in  tiefer  Furche  zum  Mund,  an 
dem  aufgeblähten  Eande  eine  entsprechende  Ausbuchtung  ver- 
ursachend. Er  findet  sich  sehr  zahlreich  am  Djebel  Geneffe, 
namentlich  aber  auch  am  Fuss  der  Cheopspyramide  und  am 
Todtenberg  zu  Assiüt. 

2.    Der  Baustein  von  Cairo.     Horizont  des  Ceri- 
thium  giganteum  und  der  Cancriden. 

Am  Mokattam  zieht  gleich  zuunterst  hinter  den  Kalifen- 
gräbern eine  3'  mächtige  eisenschüssige,  lichtgelbe  Kalkbank 
die  Augen  auf  sich,  als  Deckel  zu  einem  harten  Nummuliten- 
kalk.  Die  lichtgelbe  thonreiche  Kalkbank  schliesst  in  Menge 
Stacheln  und  Asseln  von  Porocidaris  serrata  d'Arch.  (Desor 
Synopsis  VII,  20)  ein,  besteht  theilweise  aus  einem  Gebäcke 
von  lauter  Cidarisresten  Taf.  VI,  Fig.  3,  das  verwitternd  die 
zarten  schmalen  Stacheln  in  ausgezeichneter  Schönheit  wieder- 
gibt. Auf  der  gegenüberliegenden  Seite  des  Nilthaies,  am  Fusse 
der  Pyramiden,  wiederholt  sich  die  Bank,  wohl  ganz  in  der 
gleichen  Höhe  wie  am  Mokattam,  wenn  man  vom  Cafra  aus  auf 
die  Cheopspyramide  losgeht.  Darunter  streckt  noch  ein  einige 
Meter  mächtiger,  harter,  compacter  Nummulitenkalk  mit  Peria- 
ster obesus  seinen  Kopf  zu  Tag.  Der  Nummulit  ist  vorherr- 
schend N.  Bamondi  und  Guettardi.  Beide  Arten  sind  kleine 
linsenförmige  Körner  voll  radialer  Streifen  auf  der  Aussenseite 
und  keinerlei  Körnelung.     N.  Ramondi  Defr.  d'Arch.    pl.  VH, 


-    262    - 

Fig.  13  von  6  Millim.  Durchmesser  und  2  Millim.  Dicke.  Ich 
zähle  8 — 9  Umgänge  an  den  gespaltenen  Linsen.  Eine  centrale 
Blase  beobachtet  man  an  dieser  Art  nicht,  dagegen  an  der  mit- 
vorkommenden N.  Guettardi  d'Arch.  pl.  VII,  Fig.  18.  Die 
Art  ist  ausserdem  kleiner,  selten  über  3  Millim.  messend. 

Diese  Nummulitenkalke  mit  den  Cidariten  sehe  ich  als  das 
Hangende  der  unteren  Schichten  an  und  erhebt  sich  darüber 
am  Mokattam  ein  10  Meter  mächtiger  Baustein,  der  seit  Jahr- 
hunderten das  Material  für  die  Bauten  von  Cairo  abgibt.  Von 
10  zu  10  Fuss  ist  ein  Abgang  in  den  Schichten,  vrodurch  sich 
eine  Gliederung  des  .Steins  in  untere,  mittlere  und  obere  Lagen 
ergibt,  die  übrigens  Ein  untrennbares  Ganzes  bilden.     Auf  der 


Die  natürliche  Sehichtenlag^e  an  der  Sphinx  nach  einer  Photographie. 


Westseite  des  Nils  ist  die  Sphinx  das  entsprechende  Schichten- 
glied, die  in  jener  Gegend  allein  noch  übrig  ist  von  dem  künst- 
lich entfernten  Gebirge,  das  in  der  ganzen  Höhe  der  Sphinx 
einst  anstund.  Die  Sphinx  selbst,  das  älteste  Götzenbild  der 
Welt,  der  grossen  Gottheit  Hu  (Horcm-hu)  zu  Ehren  erbaut, 
auch  „der  Vater  des  Schreckens"  genannt,  ist  177  Par.  Fuss 
lang  und  60  Fuss  hoch.  In  dieser  Mächtigkeit  und  Ausdehnung 
Hess  man  bei  der  Anlage  des  Bildes  die  Schichten  stehen,  die 
zwischen  der  Sphinx  und  dem  Fuss  der  Pyramide  ausgebrochen 


-    263    — 

wurden.  Wo  die  Grenzen  der  Bänke  durchlaufen,  ist  das  Bild 
verwittert.  Am  Kopf  und  Hals  ist  in  Folge  fortschreitender 
Verwitterung  die  discordante  Lagerung  der  Schichtenlinien  be- 
sonders deutlich  hervorgetreten,  was  auf  unserem  nach  einer 
Photographie  angelegten  Holzschnitt  sehr  gut  wiedergegeben  ist. 
In  den  Steinbrüchen  des  Mokattam  ist  eines  der  gewöhnlich- 
sten Vorkommnisse  der  schon  vielbeschriebene  Krabbe,  dem  A. 
Eeuss  neuerdings  (1859  Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  17  p.  38) 
den  Namen  Lohocarcinus  gegeben;  die  Art  hatte  früher  Meyer 
zum  Andenken  an  Herzog  Paul  von  Württemberg  Paulo- Württetn- 
bergicus  genannt.  Der  mitvorkommende  ISTummulit  ist  Ramondi 
Defr.  Schon  mit  den  Krabben,  gewöhnlich  aber  in  der  Mitte 
ist  Cerithium  giganteum  Lam.  und  Nautilus  imperialis  Sow. 
Das  Gestein  ist  ein  lichter,  erdiger  Kalk,  aus  dem  sich  die  Fossile 
in  grosser  Schönheit  herausschälen  lassen;  namentlich  sind  die 
Lohocarcinus  mit  ihrer  schneeweissen  Schale  wunderbar  gut  er- 
halten. Eine  ganz  eigenthümliche  Erscheinung  an  den  Schalen 
der  Muscheln  ist  die  Umwandlung  des  kohlensauren  Kalks  in 
Cölestin,  der  ausserdem  in  Drusen  und  Kammern  der  Nautileen 
crystallisirt  sich  findet  (s.  unten  pag.  267). 

3.     Horizont   der   Couoelypus   und   der  grossen 
Nummuliten  (Nummulites  gyzehensis  und  nummiformis) . 

Am  Mokattam  beginnt  mit  den  grossen  Nummuliten  und 
den  Conoclypen  eine  ausgesprochene  Terrasse,  welche  an  und 
für  sich  zu  einem  geognostischen  Horizont  einladet.  Das  Ge- 
stein wird  härter,  rauher,  durch  Thon-  und  Gypsschnüre  un- 
gleichartiger und  füllt  sich  mit  Bivalven  aller  Art,  unter  denen 
Lucinen  die  Hauptrolle  spielen.  Ich  mass  25  Meter  für  diesen 
Horizont.  Die  untere  Hälfte  ist  viel  thonreicher  als  die  obere; 
hier  liegt  auch  die  Hauptmasse  der  Gypse,  während  die  oberen 
Bänke,  6 — 8  an  der  Zahl,  sich  mit  Muscheln  füllen.  Jede  dieser 
Abtheilungen,  die  hinter  den  Steinbrüchen  in  Einem  Profil  bis 
zur  Spitze  des  Mokattam  sich  erheben,  bildet  im  Innern  des 
Gebirgs,  wie  im  Wadi  el  Tih  oder  gegen  Süden  zum  Turrage- 
birge,  auf  weite  Entfernungen  hin  Ebenen,  die  zu  überschreiten 


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man  Stunden  braucht,  bis  eino  andere  Terrasse  von  nur  weni- 
gen Fuss  eine  neue  Treppe  bildet.  In  dieser  Beziehung  ist  eine 
Excursion  vom  Süden  der  Stadt  aus,  vom  Thor  imterhalb  der 
Citadelle,  ins  Wadi  el  Tih  lohnender,  als  der  gewöhnliche  Weg 
über  die  Kalifengräber  im  Norden.  Die  erste  halbe  Stunde  *) 
führt  über   die  Todtenstadt   von  Cairo   an   den   zerfallenen   und 


Der  Todtenberg  bei  Cairo  am  Südende  des  Mokattam  nach  einer  Photographie. 

zerfallenden  Grabmälern  und  Moscheen  vorbei  in  dem  stunden- 
breiten, wüsten  Wadi  hin.  Man  ist  hier  noch  im  Horizont  des 
Bausteins  von  Cairo.  Bei  dem  ob  auch  noch  so  schwachen  Fal- 
len der  Schichten  gegen  Osten  braucht  man  doch  eine  weitere 
Stunde,  um  über  dessen  Horizont  wegzukommen.  Sobald  man 
über  die  letzten  rauhen  Bänke  weg  ist,  befindet  man  sich  auf 
einer  weiten,  endlos  scheinenden  Ebene,  dem  Horizont  der  Thonc. 
Den  Untergrund  dieser  Fläche  bilden  gelbbraune  fette  Thon- 
mergel,  der  in  zahllosen  Gruben  für  technische  Zwecke   ausge- 


*)  Bei  allen  Entfernungen  in  Egypten  ist  der  Eselschritt  zu  Grunde 
wenn   nicht   ausdrücklich   von  einer  Excursion   zu    Fusse   die 
Rede  ist. 


—    265    - 

graben  wird.  Er  wird  in  Cairo  zu  Töpferwaaren,  Pfeifenköpfen 
und  als  Walkerde  verwendet  und  sieht  äusserlich  den  oberen 
Thonmergeln  unserer  schwäbischen  Lettenkohle  am  ähnlichsten. 
Crystallinischer  Gyps  durchzieht  in  Adern  und  Schnüren  den 
Thon  nach  allen  Richtungen  und  häuft  sich  an  einzelnen  Orten 
zu  wirklichen  Stöcken;  die  ganze  Oberfläche  hat  sich  nun  mit 
Gypscrystallen  bedeckt,  welche  von  der  Sonne  beleuchtet  die 
grosse  Ebene  wie  Einen  Spiegel  glänzen  lassen.  Der  Eindruck 
ist  wirklich  ein  magischer,  Luftspieglungen  aller  Art  erzeugen 
sich,  doch  fühlt,  da  die  beiden  die  Ebene  begränzenden  Gebirge 
des  Mokattam  und  Turra  in  grellem  Weiss  beleuchtet  sind,  das 
Auge  nur  zu  bald,  dass  es  nicht  darauf  eingerichtet  ist,  eine 
solche  Masse  von  Licht  in  sich  aufzunehmen.  Endlich  kündi- 
gen einzelne  Hügelgruppen  von  einigen  Meter  Höhe  das  Ende 
der  Thonbank  an,  sie  haben  eine  flache  Kappe  *)  auf,  regelmässig 
durch  eine  Austernbank  gebildet.  Der  Hügel  selbst  besteht 
noch  aus  den  Gypsthonen  und  entging  einzig  nur  unter  dem 
Schutze  der  deckenden  Austernkappe  der  Verwitterung  und  der 
Zerstörung.  Am  Ende  der  Ebene  häufen  Anfangs  sich  diese 
Hügel,  werden  breiter  und  ausgedehnter  und  hängen  schliesslich 
zu  Einer  Treppe  zusammen,  über  die  man  steigt,  um  nun  auf 
der  Fläche  der  Austernbank  eine  neue  Ebene  vor  sich  zu  ha- 
ben. Die  Gypse  hören  ganz  auf,  statt  ihrer  geht  man  auf  den 
Kalklamellen  der  Austernschalen  bei  einer  halben  Stunde  lang, 
bis  eine  neue  Treppe  von  nur  2 — 3  Fuss  auf  eine  neue  Fläche 
oder  in  eine  höhere  Schichte  führt. 

Diess  ist  der  Charakter  der  sämmtlichen  Nilberge,  dass  ein- 
zelne Schichtenglieder  alsbald  stundenlange  Ebenen  bilden,  über 
die  sich  jüngere  Schichten  wieder  treppenförmig  erheben.  Die 
Treppe  kündigt  sich  immer  durch  Vorposten  vereinzelter  Hügel 
an,  von  denen  einer  wie  der  andere  aussieht,  Anfangs  von  ein- 
facher Mützenform,  hernach  noch  einen  Rest  der  nächsten  Treppe 
auf  sich   tragend,   was  die  Tafelform   erzeugt.     Unsere  Abthei- 


*)  Siehe  den  nächsten  Holzschnitt. 


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lung  des  Eocen  oder  der  Horizont  der  grossen  Nummuliton  bil- 
det zwischen  den  berühmten  Zuckerfabriken  des  Paschahs  und 


Erosionserscbeinnngen  am  oberen  Eocen  im  Wadi  el  Tih. 

Benihassan  die  Flächen  der  Nilufer.  Die  Königsgräber  von 
Benihassan  werden  in  der  Regel  von  den  Toui-isten  besucht  und 
sicherlich  vergisst  Keiner,  der  diese  Tour  gemacht  hat,  den 
halbstündigen  Spaziergang  vom  Nilufer  zu  den  Felsen,  wobei 
man  im  vollen  Sinn  des  Worts  auf  nichts  Anderes  tritt  als  auf 
ausgewitterte  Nummuliten;  die  meisten  Stücke  haben  sich 
durch  Auswitterung  von  Eisenoxyd  blassrosa  gefärbt,  was  einen 
ganz  eigenthümlichen  Eindruck"  macht.  Treppenförmig  steigt 
am  Rand  des  erweiterten  Nilthals  das  Nummulitengebirge  an, 
viel  mächtiger  angeschwollen  als  am  Mokattam,  denn  über  100 
Meter  haben  sich  mit  Austern  und  Turritellen  gefüllt,  die  im 
Wadi  el  Tih  kaum  über  10  Meter  betrag'en. 

4.     Obere  Lagen.     Austernbänke   und   Turritellen- 
schichten.     Horizont  des  Schizaster  africanus. 

Im  Wadi  el  Tih  ist  dieser  obere  Horizont  des  Eoeens  wohl 
am  deutlichsten  biosgelegt :  indem  wir  die  einzelnen  Bänke  nicht 
bloss  an  den  Schichtenköpfen  im  Profil,  sondern  in  auseinander- 
gezogenen Treppenflächen  beobachten  können.  Unter  der  schon 
erwähnten  Austernbank  füllt  sich  ein  Lager  mit  Gasteropoden 
und  Bivalven,  von  welchen  viele  noch  ihre  Schale  haben  und 
zu  genauerer  Bestimmung  der  Art  sich  eignen.  Sie  sind  zu 
einem  festen  Kalkstein  zusammengebacken,  der  am  Bihr  el 
Fachmeh  von  einer  Glanzkohle  durelulrungen  ist,  die  seiner 
Zeit  die  Hoffnungen  auf  Flötze  rege  gemacht  und  zur  Anlage 
des  Kohlenschachtes   (s.  oben   pag.  260)  Veranlassung  gegeben 


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hatte.  Ausser  diesem  Bitumen,  das  die  Hohlräimie  der  Fossile 
oder  Drusen  im  Gestein  füllt,  schliesst  die  Bank  Cölestin-Cry- 
stalle  ein,  in  welche  Cidaritenstacheln,  Muscheltrümmer  von 
Pecten,  Austern  u.  dgl.  eingebacken  sind.  Zuoberst  endlich 
kommt  eine  rauhe  Bank,  in  welcher  Schizaster  africanus  Loriol 
leitend  ist,  zwischen  inne  füllt  sich  eine  Bank  mit  Tiirritella 
oder  Scalaria  irtipar,  meist  unbestimmbaren  Steinkernen  von 
Bivalven  und  Austern.  Hiemit  hört  das  Nummulitengebirge  auf, 
Quarzsande  stellen  sich  ein,  rothe  und  braune  Farben  statt  der 
lichten,  der  Kieselsandstein  des  Achmargebirges,  der  ohne  allen 
Zweifel  dem  Sandstein  von  Fontainebleau  entspricht. 

Cölestin  bildet  schon,  wie  wir  sahen,  in  den  unteren  Lagen 
des  Mokattam  das  Versteinerungsmittel  der  Muscheln.  Hier  treten 
die  Crsytalle  frei  ausgebildet  in  Drusenräumen  der  Kalkbänke  auf. 
Dieselben  zeigen  nach  Herrn  Dr.  Werner  genau,  wie  die  Cry- 
stalle  von  Girgenti  die  Combination: 

Gradeendfläche  P  =  co  a  :  co  b  :  c  (erster  Blätterbruch), 

Rhombensäule  MM  =  a  :  b  co  e  (2.  und  3.  Blätterbruch), 

Quersäule   oo  :  co  a  :  b  :  c, 
„  dd  :  2  a  :  CO  b  :  c. 

Vorherrschend  sind  o  M  und  P,  am  untergeordnetsten  d« 
Säulenartige  Verlänge- 
rung in  der  Richtung 
der  Zone  der  Flächen 
o  und  P,  die  Krystalle 
erreichen  in  dieser  Rich- 
tung eine  Länge  von  8,c 
Centim.  bei  einer  Dicke 
von  2,5  Centim. 

Der  2.  und  3.  Blät- 
terbruch lässt  f  ausser- 
ordentlich leicht  darstellen,   viel   leichter  als  bei  den  Crystallen 
von  Girgenti. 

Herr  A.  Sadebeck  berichtete  im  XVIH.  Band  der  Zeitschrift 
der  geol.  Gesellschaft  in  Berlin  pag.  652  über  diese  Crystalle, 
die  ihm  von  dem   verstorbenen  Dr.  Steudner  ohne  weitere  Be- 


Oölestin-Crystall    aus    dem   Wadi   el   Tih    mit 

eingebackenen  Fossilresten,  Cidaritenstacheln, 

Cardien  und  Kummuliten. 


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Zeichnung  des  Fundorts  aus  Egypten  zugekommen  waren.  Herr 
Sadebeck  nennt  sie  Schwerspatcrystalle  5  „durch  das  Löthrohr 
war  bei  diesen  Crystallen  ein  Gehalt  an  Strontian  zu  erkennen, 
welches  schon  nach  den  gemessenen  "Winkeln  zu  vermuthen  war. 
Die  "Winkel  liegen  nämlich  zwischen  denen  des  Schwerspats  und 
des  Cölestins.  Bei  den  Crystallen  sind  vorwiegend  ausgebildet 
die  Fläche  0  (co  a  :  b  :  c);  in  derselben  Zone  liegt  noch  k 
(c©  a  :  CO  b  :  c),  und  die  Endigung  bildendie  Flächen  d  (a  :  co  b  :  c), 
s  (a  :  CO  b  :  CO  c)  und  M  (a  :  b  :  co  c)." 

lieber  die  Identität  der  von  mir  am  Mokattam  und  am  Bihr 
el  Fachmeh  gesammelten  Crystalle  konnte  kein  Zweifel  sein 
und  hatte  nun  Herr  Dr.  \Yerner  die  Güte,  einen  der  losen 
Crystalle  vom  letztern  Fundort  zu  messen.  Es  ergab  sich 
folgendes  Eesultat: 


Stumpfer  Winkel 

1 

Schwerspat 

Mokattam-Crystalle 

Cölestin 

1 

1         in  der  Säule 

t      M  =  a  :  b  :  CO  c 

101 0    40- 

103" 

1040 

des  Paares 
0  =  eo  :  b  :  c 

105"     24- 

104"                                   103° 

1 

log  a  = 

log  b  = 

a  :  b  :  c  = 

9,7927893 

9,8818386 

0,620568:0,701796 

9,7934150 

9,8928098 

0,621463:0,7812855:1 

9,7934150 

9,9006052 

0,621463:0,795436:1 

Die  Untersuchung  im  Spectralapparat  liefert  neben  den  Li- 
nien des  Strontiums  auch  die  des  Calciums;  auch  zeigen  die 
Crystalle,  in  Salzsäure  geworfen,  ein  schwaches  Aufbrausen, 
was,  sowie  der  Calciumgchalt,  von  kleinen,  dem  Auge  öfters  nicht 
mehr  sichtbaren,  Fragmenten  der  eingeschlossenen  Muscheltrüm- 
mer herrührt.  Diese,  die  grösseren  Muschclrestc  selbst,  bestehen 
nämlich  aus  kohlensaurem  Kalk  und  Quarz,  in  den  sie  theilweise 
umgewandelt  sind.  In  Salzsäure  geworfen,  brausen  sie  sehr 
stark   und   hinterlassen   ein   zartes   Skelett,    das    nur   noch   aus 


-    269    — 

Kieselerde  besteht.  Strontian  enthalten  dagegen  die  Muschel- 
bruchstücke, wie  die  Untersuchung  im  Spectralapparat  zeigt, 
nicht.  Als  eine  Art  von  Steinkernbildung  findet  man  hie  und  da 
innerhalb  der  Muschelschalen  eine  poröse  Masse,  die  in  Salzsäure 
sich  unter  Brausen  löst  und  nur  wenig  rostigen  Schlamm  neben 
feinen  Quarztheilchen  hinterlässt,  mithin  nur  aus  feinen  zertrüm- 
merten Muschelfragmenten  besteht. 

Zur  gleichen  Zeit  sah  Hr.  Bergrath  Jenzsch  aus  Gotha  bei 
mir  die  fraglichen  Crystalle  vom  Wadi  el  Tih.  Mit  Rücksicht 
auf  die  Notiz  des  Hrn.  Sadebeck  unterwarf  er  sie  einer  ein- 
gehenden Analyse  und  hatte  die  Freundlichkeit,  mir  Folgendes 
hierüber  mitzutheilen: 

Der  Cölestin  aus  dem  Innern  eines  Nautilus  Zickzack  von 
der  Mokattamer  Wüste  ist  in  dünnen  Splittern  und  Blättchen 
wasserhell  imd  vollkommen  durchsichtig,  grössere  Stücke  sehen 
dagegen  weiss  und  gelblichweiss  aus  und  sind  weniger  durch- 
sichtig. 

Die  Härte  ergab  sich  zu  3,25  nach  zehntheiliger  Scala. 

Bei  den  kleinen  Crystallen  sind  die  Flächen  *)  von  o  cha- 
grinartig  und  nicht  sonderlich  glänzend,  m,  d  und  c  dagegen 
gut  spiegelnd.  Ausserdem  bemerkt  man  noch  als  Abstumpfung 
der  Combinationskanten  von  d  und  c  die  zwar  glänzende,  aber 
unebene  Fläche  l  und  sehr  klein  und  rauh  trianguläre  Flächen, 
welche  dem  Pyramidoeder  y  angehören  dürften. 

Vollkommen  spaltbar  nach  c,  weniger  vollkommen  nach  m. 

Da  die  kleinen  Crystalle  beziehungsweise  Crystallbruchstücke 
sich  als  äusserst  porös  erwiesen,  habe  ich  das  specifische  Ge- 
wicht derselben  auf  doppelte  Weise  bestimmt  und  dasselbe  (auf 
4"  C.  reducirt)  für  Crystallbruchstückchen  =  3,952  und  für  fei- 
nes Pulver  =  3,986  gefunden. 

Die  zahlreichen  Poren  scheinen,  wenigstens  zum  Theil,  mit 
Flüssigkeit  erfüllt  zu  sein ;  im  Kölbchen  decrepitirte  das  Mineral 
heftig  und  gab  etwas  Wasser,  welches  jedoch  weder  auf  rothes 
noch  auf  blaues  Lackmuspapier  reagirte.    Bei  Anwendung  ganz 


*)  Zur  Bezeichnung  wurden  die  Miller'schen  Buchstaben  gewählt. 


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wasserheller  Stückchen  konnte  ich  keinen  empyreumatischen 
Geruch  bemerken,  wie  solchen  die  übrigens  ebenfalls  aus  Cö- 
lestin  bestehenden  bräunlichen  Schalenstücke  des  Ncmtilus  unter 
schliesslicher  Entfärbung  entwickeln. 

Das  Mineral  als  solches  scheint  wasserfrei  zu  sein,  denn 
das  bei  wenigen  Graden  über  100°  C.  getrocknete  Cölestinpulver 
verlor  beim  Glühen  nur  0,04  Procent  und  wäre  dieser  höchst 
geringe  Glühverlust  möglicher  Weise  einer  organischen  Substanz 
zuzuschreiben,  durch  deren  Annahme  auch  die  gelblich  weisse 
Farbe  mancher  Stücke  erklärt  würde. 

Vor  dem  Löthrohre  in  der  Pincette  schmilzt  der  Mokattamer 
Cölestin  zur  weissen  undurchsichtigen  Kugel  und  färbt,  mit  der 
Spitze  der  blauen  Flamme  berührt,  die  äussere  Flamme  purpur- 
roth,  jedoch  mit  einem  Stich  ins  Gelbroth  (Strontian  und  Kalk). 
Pulverisirt  mit  Soda  gemengt  gibt  er  im  Reductionsfeuer 
auf  Kohle  eine  weisse,  undurchsichtige  Schmelze,  die  zum  gröss- 
ten  Theil  in  die  Kohle  geht.  Namentlich  an  den  Jahresringen 
bleibt  aber  eine  weisse  Substanz  zurück,  die  beim  Anblasen 
mit  der  Oxydationsflamme  lebhaft  leuchtet  (sehr  charakteristisch 
für  Kalk). 

Die  Analyse  führte  ich  nach  der  von  H.  Rose  verbesserten 
Stromeyer'schen  Methode  aus  und  erhielt 

Schwefelsäure     .     .     43,87, 

Strontian   ....     55,56, 

Kalk 0,68, 

Glühverlust    .     .     .       0,64, 


Summa  100,15. 

Das  Mokattamer  Mineral  erweist  sich  sonach  als  ein  etwas 
schwefelsauren  Kalk  haltiger  Cölestin. 

Am  Mokattam  beobachtet  man  dieselben  Verhältnisse  wie 
im  Wadi  el  Tih:  der  Kalk  wird  hier  wie  dort  rauh,  thonig 
und  sandig;  die  Fossile  sind  meist  ausgewittert,  ockeriger 
Thoneisenstein  färbt  ihn,  an  einzelnen  Nestern  von  Salz  und 
Gyps  fehlt  es  nie,  bis  auf  der  Höhe  Kicselsandsteino  und  Kiesel 
das  Profil    decken.     Das   Profil    beträgt    hier   gegen   15  Meter. 


-    271    — 

Dass  am  Achmar,  nördlich  der  Steinbrüche  des  Mokattam,  die 
Grenze  der  Nummuliten  zu  dem  Sandstein  in  ganz  anderem 
Niveau  liegt,  als  am  Mokattam  und  dem  Wadi  el  Tih,  darf  Nie- 
mand wundern,  indem  der  Achmar  als  der  nördlichste  Vorberg 
des  Nilgebirges  bereits  an  der  Versenkung  des  Gebirges  zum 
Mittelmeer  hin  Theil  nimmt.  Hier,  also  im  Norden  des  Mokat- 
tam, führt  der  Weg  über  eine  Stunde  lang  über  gelbe  Kalk- 
mergel, bis  zum  Eingang  in  die  enge  Schlucht,  in  welcher  ein 
schwacher  Quell  (auch  Mosesquelle  genannt)  eine  kleine  Oase 
bildet.  An  der  linken  Thalseite,  ehe  man  in  die  Schlucht  zur 
Mosesquelle  einbiegt,  kann  man  an  einer  kleinen  Wand  Schild- 
kröten- und  Knochenreste  sammeln,  dieselben  sind  aber,  weil 
in  dem  gesalzenen  Mergel  liegend,  so  bröckelig  und  mürbe,  dass 
eine  Erhaltung  kaum  möglich  ist.  Die  Knochen  gehören  Allem 
nach  zu  einer  Halianassa-Art.  Nach  oben  (beiläufig  nach  12 
Meter)  bilden  angehäufte  Muscheltrümmer  eine  2 — Sschuhige 
gelbe  Kalkbank,  aus  der  gefaltete  Austern  und  die  Kerne  des 
Schizaster  africanus  herausfallen.  Diese  Bank  ist  auch  hier  die 
letzte  Kalkbank,  denn  über  ihr  wird  das  Gebirge  sandig,  roth 
gefärbt  und  liegen  verkieselte  Holzstämme  verschiedener  Grösse 
im  Sand,  womit  der  Horizont  des  Achmargebirges  beginnt. 


—    272    — 


Paläontologische   Beschreibung  des  egyp- 
tischen   Eocens. 

Pflanzen. 

Apeibopsis  (Cucumites  Bowerb.)  gigantea  Frs.  In  den 
Steinbrüchen  des  Mottakam  zugleich  mit  den  Krabben  schält 
sich  nicht  selten  eine  kugelrunde  Frucht  aus  dem  Gestein  9  bis 
10  Centim.  im  Durchmesser.  Anfangs  hielt  ich  sie  für  eine 
Spongie,  allein  die  Ansatzstelle  für  den  Fruchtstiel,  die  regel- 
mässige Theilung  in  16  Fächer  veranlassen  mich,  das  Fossil  in 
die  Gruppe  der  Bowerbank'schen  Cucumites  von  der  Insel 
Wight  zu  stellen,  welche  Heer  neuerdings  in  die  Nähe  der 
amerikanischen  Apeiha  stellt.  Auch  die  in  Heer  Tert.  fl.  T.  118 
Fig.  22  abgebildete  A.  Haidingeri  zählt  16  Fächer,  die  egyp- 
tische  übertrifft  sie  aber  um  mehr  als  das  Doppelte  an  Grösse. 
Das  Vorhandensein  dieser  Früchte  im  älteren  Tertiär  ist  inner- 
halb Europa's  constatirt,  und  wenn  auch  die  egyptische  Art 
nicht  geradezu  mit  den  europäischen  übereinstimmt,  so  bleibt 
doch  die  Uebereinstimmung  des  Geschlechts  eine  erfreuliche 
Thatsache. 

Fundort:  Mokattam  im  Baustein  von  Cairo. 

Amoi'phozoeu. 

Manon  nummuliticum  Frs.  Ein  ächter  Manon  1 — 3  Ct. 
im  Durchmesser,  aus  einem  Haufwerk  von  Röhrenbüscheln  be- 
stehend, die  sich  radial  gegen  die  Oberfläche  des  unregclmäs- 
sige  Knollen  bildenden  Schwammes  hinziehen  und  dort  in  eben 
so  vielen  Oeffnungen  hervortreten. 

Fundort:  Benihassan.  Sehr  gewöhnlich,  zugleich  mit  iVwmTTj. 
perforatus  und  Lyelli. 

Foraminiferen. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Nummulitcn  der  Pyramiden  in  äl- 
tester Zeit  schon  die  Aufmerksamkeit  rege  machten.  Unter  den 
Geschichtschreibern  des  Alterthums  ist  zwar  nicht  Hcrodot,  wie 


i 


—    273    — 

man  oft  fälschlich  liest,  wohl  aber  Strabo  der  Berichterstatter 
über  die  von  ihm  selber  gemachten  Beobachtungen.  Dabei  cor- 
rigirt  er  den  vulgären  Glauben,  als  ob  die  nach  Form  und 
Grösse  wie  Linsen  aussehenden  Körperchen  versteinerte  Reste 
von  den  Lebensmitteln  der  Pyramidenarbeiter  wären.  „Denn 
auch  wir",  sagt  er,  „haben  zu  Hause  (in  Amasis,  jetzt  Amassya 
am  schwarzen  Meere)  einen  Hügel,  der  mit  denselben  kleinen 
Linsensteinen  angefüllt  ist."  Eine  Beobachtung,  die  sich  nach 
den  Untersuchungen  Tchihatchefs  vollkommen  bewahrheitet  hat. 

Nummulites  orbiculata  Schafh.  Leth.  bav.  Taf.  V,  1. 
XH,  4.  pag.  101.  Dufrenoyi  d'Arch.  pl.  I  Fig.  4  p.  89.  Diesen 
von  Schafhäutl  mit  so  grosser  Liebe  beschriebenen  Nummuliten 
besitze  ich  aus  Europa  am  schönsten  vom  Steinwang  der  Schrat- 
tenfluhe  bei  Luzern  in  einem  Scheibendurchmesser  von  44  Millim. 
und  einer  Dicke  von  4  Millim.  44  Umgänge  zähle  ich  auf  dem 
Radius.  Die  gleichen  Maasse  finde  ich  an  einem  Stücke,  das 
ich  am  Fusse  der  Kephrenpyramide  selbst  aus  dem  Gestein  ge- 
schlagen. 

[N^ummulites  Gyzehensis  Ehrbg.  d'Arch.  T.  H,  Fig.  6 — 8 
p.  94.  Hummiformis  nach  Caillaud.  Der  gewöhnlichste  Nummulite 
am  Mokattam  und  an  den  Pp"amiden  von  Gyzeh.  Mein  grösstes 
Exemplar  misst  40  Millim.  bei  5  Millim.  Dicke.  Oberfläche  glatt, 
doch  seheinen  bei  einiger  Abwitterung  die  wellenförmigen  unre- 
gelmässigen Zellengänge  durch.  Auf  den  entzweigegangenen 
Scheiben  zählt  man  bis  zu  40  Umgänge,  die  gegen  das  Centrum 
und  gegen  den  Rand  hin  gedrängter  stehen,  als  in  der  Hälfte 
des  Radius.  Die  Scheibe  ist  selten  regelmässig,  öfter  verbogen 
und  mit  welligem  Rande.  Ihr  geognostischer  Horizont  ist  über 
dem  Baustein  von  Cairo  und  über  den  bereits  genannten  iSfum- 
muliten.     Ihr  Begleiter  ist  N.  curvispira. 

J^ummulites  Lyelli  d'Arch.  pl.  HI,  Fig.  1  p.  95  schliesst 
sich  an  N.  gyzehensis  enge  an,  wird  nur  noch  grösser  bis  zu 
50  Millim.,  ohne  an  Dicke  zuzunehmen,  und  hat  einen  schnei- 
denden Rand.  Die  Stücke  liegen  nicht  gerade  häufig  in  der 
Gesellschaft  der  vorigen  Art. 

Cafra  am  Fuss  der  Pyramiden. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1S67.     2s  u.  3s  Heft.  18 


—      Z<4      — 

Nummulites  perforata  d'Orb.  d'Arch.  pl.  YI,  1 — 12 
p.  115,  dicke,  aufgeblähte  Schalen  von  20 — 25  Millim.  Scheiben- 
durchmesser und  5— G  Dicke,  die  Umgänge  ausserordentlich  dicht 
gedrängt  und  kaum  zu  zählen,  der  Scheibenrand  abgerundet 
wie  bei  keiner  andern  Art. 

Beuihassan,  Route  zu  den  Königsgräbern. 

Nummulites  Lucasaua  Defr.  d'Arch.  pl.  7,  5  p.  124, 
kleine  Linsen  von  5  und  3  Millim.  und  6  Umgängen.  Die  grosse 
Centralblase  und  eine  fein  puuctirte  Ausseuseite  lassen  die  Art 
leicht  erkennen. 

Findet  sich  reichlich  in  einer  Schiclite  über  der  Sphinx  am 
Fuss  der  grossen  Pyramide  bei  Gyzeh. 

Nummulites  curvispira  Meneghini.  Arch.  pl.  YI,  15 
a — d  pag.  127.  5 — 6  Millim.  Durchmesser,  mit  eben  so  vielen 
Umgängen  um  eine  grosse  Centralblase.  Dicke  2  Millim.,  die 
Kammern  sind  lang  und  gekrümmt.  Die  Stücke  spalten  leicht, 
so  dass  die  mit  Puncten  getupfte  Aussenfläche  nur  selten  sicht- 
bar wird.  Xach  aussen  zu  werden  die  Kammern  kleiner  und 
stehen  gedrängter.  Im  Viertheil  des  dritten  Umgangs  zählt 
man  8,  aussen  12  Kammern.  Die  ^Vand  zwischen  den  Um- 
gängen beträgt  V^ — \'i  der  Windungshühe. 

Sehr  gemein  an  den  Pyramiden  mit  N.  Gyiehensis. 

Nummulites  Kamondi  Defr.  Mokattam.  pag.  20 1. 

Nummulites  Guettardi  d'Arch.     Mokattam.    pag.  262. 

Nummulites  Biaritzensis  d'Arch.  pl.  YIII,  Fig.  4 
pag.  131.,  8 — 10  Millim.  Durchmesser,  zeigt  auf  der  Aussenseite 
ein  wahres  Gewirre  der  Zellengänge ,  die  an  die  Kammern  von 
Nautilus  Zickzack  erinnern. 

Findet  sich  zugleich  mit  JS'.  cariolaria  Sow.  zu  Beuihassan, 
an  den  Grabnischen  der  XI  Dynastien  und  am  Todtenberg  von 
Assiüt. 

Nummulites  discorbina  Schloth.  d'Arch.  pl.IX,  Fig.  2 
pag.  140.  Misst  8  und  3  Millim.  Die  Schale  spaltet  nicht 
gern,  schiefert  dagegen  leicht  ab.  Die  ^Vände  zwischen  den 
Umgängen  sind  so  dick,  als  die  Kammern  hoch  sind.  Die 
Kammern    sind    innen   am   kleinsten    und   gedrängtesten,   gegen 


—    275    — 

aussen  werden  sie  weiter.  Im  dritten  Umgang  liegen  10,  im 
äussern  20  auf  einem  Yiertheil.  Die  Aussenwand  ist  mit  den 
sichelförmig  verlaufenden  Zellenwänden  bedeckt. 

Nummulites  planulata  d'Orb.     S.  oben  pag.  259. 

Fundort:  Bihr  el  Fachmeli.     Todtenberg  von  Assiüt. 

Nummulites  variolaria  Sow.  d'Arch.  pl.  IX,  Fig.  13 
pag.  146.  Misst  3  und  V'2  Millim.  5—6  Umgänge  um  ein  cen- 
trales Bläschen.  Auf  der  Aussenseite  werden  Streifen  sichtbar, 
die  sichelförmig  vom  Centrum  zu  dem  abgerundeten  Rande  ver- 
laufen. 

Fundort :  Benihassan  und  das  Hangende  am  Fuss  der  Cheops- 
pyramide. 

Nummulites  spira  de  Roissy  d'Arch.  pl.  XI,  Fig.  1 
pag.  153.  Ganz  flache,  dünne  Schale.  15  Millim.  Scheiben- 
durchmesser. 2  Millim.  in  die  Dicke.  10  Umgänge.  Die  Loben 
ganz  eigenthümlich :  stehen  anfangs  senkrecht  zum  Centrum  und 
biegen  dann  rasch  im  letzten  Drittheil  ihrer  Windungshöhe  nach 
hinten.  Diese  Thiere  gehören  wegeii  ihrer  deutlichen  und  regel- 
mässigen Kammerung  und  den  doppelt  abgetrennten  Umgängen 
zu  einer  ganz  besonderen  Gruppe  der  Xumniuliten,  wenn  es 
nicht  vielleicht  rathsamer  ist,  sie  zu  einem  besonderen  Geschlecht 
zu  erheben. 

Fundort:  Benihassan  bei  den  Königsgräbern. 

Zu  den  aufgeführten  13  Arten  von  Xummulites  kommen 
noch  die 

Hymenocyclus  papyraceus  Boub.,  die  in  den  Alpen 
z.  B.  in  den  Taminabergen  bei  Pfeffers  eine  so  grosse  Rolle 
spielen.  Der  Baustein  von  Cairo  und  namentlich  der  Baustein 
von  Geneffe,  der  am  Canal  seine  Verwendung  findet,  führt  das 
genannte  Fossil  stellenweise   in  grosser  Häufigkeit. 

Zoophyten. 

Lobophyllia  (Mussa)  Cheopis  Frs.  Steinkernbildung, 
die  uns  nur  das  Negativ  der  Coralle  hinterlassen  hat.  Die 
schwach  gekrümmte  Achse,  von  der  aus  büschelförmig  getheilte 
Lamellen    strahlen,    misst   5   Centim.,    am    Steinkern    liegt    die 


—   27(;    — 

Achse  im  Scheitel  der  Coralle,  währond  sie  in  Wirklichkeit  in 
der  Tiefe  liegt.  Die  Tiefe  der  Coralle  beträgt  35  Millim.  Der 
Rand  der  Coralle  ist  wellenförmig,  entsprechend  der  Krümmung 
der  Achse.  Man  kann  am  Fuss  der  Cheopspyramide  grosse 
Stöcke  dieser  schönen  Coralle  im  Gestein  beobachten,  doch  hält 
es  schwer,  sich  die  Stücke  selber  aus  dem  Felsen  zu  schlagen. 
Diess  mag  der  Grund  sein,  dass  sie  bisher  der  Beobachtung^ 
entging  und  in  keiner  Beschreibung  erwähnt  ist. 

Turbinolia  elliptica  Gf.  Gleichfalls  Steinkern  einer 
Turbinolia,  die  der  T.  elliptica  des  europäischen  Grobkalks  sehr 
ähnlich  ist,  aber  sie  an  Grösse  weit  übertrifft. 

Astrocoenia  Caillaudi  Mich.  Taf.  63,  •'3.  So  nannte 
Michelin  eine  Sterncoralle  von  Palarea  (Nizza),  mit  welcher  ein 
vom  Wüstensand  geglättetes  und  ebendamit  sehr  undeutlich 
gewordenes  Stück  aus  der  Wüste  Tih  am  ehesten  stimmt. 

Im  Uebrigen  ist  an  Corallen  ein  auffallender  Mangel. 

Echinodermen. 

Porocidaris  serrata  d'Arch.  Desor  Syn.  T.  YII,  F.  23 
pag.  47.  Dieses  bislang  nur  aus  dem  Valle  Dominico  bei  Ve- 
rona und  von  Biaritz  bekannte  Geschlecht  hat  in  dem  Kranz 
von  feinen  Poren,  der  die  Warzen  umgibt,  ein  so  deutlich  er- 
kennbares Merkmal,  dass  man  nicht  fehlgreifen  kann.  Am  Mo- 
kattam  füllt  sich  ein  ganzes  Lager  mit  Asseln  und  Stacheln  von 
P.  serrata.  Bei  dieser  Art  ist  das  Wärzchen  von  einem  ge- 
kerbten Halsring  umgeben,  an  welchem  ich  9  Kerben  zähle. 
Die  bis  zu  G  Ctm.  langen  Stacheln  sind  mit  eben  so  vielen 
Kerben  an  der  Gelenkfläche  umgeben,  der  Hals  ist  oben  gleich- 
falls gekerbt.  Der  Stamm  überall  mit  feinen,  nur  unter  der 
Loupe  sichtbaren  Streifen  bedeckt,  auf  denen  an  der  Basis  runde 
Wärzchen  aufsitzen,  nach  oben  werden  die  Streifen  sichtbar, 
die  in  Absätzen  zu  kleinen  Dürnchen  sich  erheben.  Die  beiden 
Ränder  des  flach  gedrückten  Stammes  sind  sügeförmig  gezähnt. 
d'Archiac  beschreibt  diese  Art  von  Biaritz,  ohne  jedoch  die  Ge- 
Icnkflächcn  zu  kennen,  weshalb  ich  Taf.  YI,  3  diese  ebenso 
charakteristische  als  schöne  Art  abbilde. 


—    277    — 

Bei  dieser  Gelegenheit  spreche  ich  bescheidene  Zweifel  aus, 
ob  ähnliche  höchst  wahrscheinlich  zu  Cidaris  tripterus  gehörige 
Stacheln  aus  unserem  weissem  Jura  diesem  eigeuthümlichen  Ge- 
schlechte angehören,  das  denn  doch  der  Nummulitenzeit  entschie- 
den zugewiesen  werden  muss,  wo  es  namentlich  im  Gebiet  der 
Mittelmeergegend  seine  Heimath  gehabt  zu  haben  scheint.  Das 
Profil  ist  für  die  unteren  Lagen  des  Grobkalks  im  Osten  und 
Westen  von  Cairo  sehr  charakteristisch. 

Fundort:  Cairo  hinter  den  Kalifengräbern  und  am  Fuss  der 
Pyramiden  von  Gyzeh, 

Pseudodiadema  Ruppelii  Desor  Syn.  p.  73.  Desor 
führt  zwar  die  Art  als  eine  Kreideart  von  Egypten  an,  doch 
wird  diese  Notiz  auf  der  früheren  Anschauung  beruhen ,  als  ob 
die  Berge  um  Cairo  wegen  ihres  weissen  kreidigen  Kalksteins 
zu  jener  Formation  gehörten.  Das  Stück,  das  wir  Hrn.  v.  Heuglin 
vom  Mokattam  verdanken,  hat  95  Millim,  im  Durchmesser,  bei 
einer  Höhe  von  50  Millim.  Die  Zahl  der  an  Grösse  sich  ziem- 
lich gleichbleibenden  Wärzchen  schwillt  in  der  grössten  Breite 
der  Fühlergänge  auf  6,  in  den  Zwischenfühlergängen  auf 
16  an. 

Conoclypus  conoideus  Ag.  Ech.  X,  Fig.  14.  Des. 
Syn.  p.  319.  So  erfreulich  es  ist,  in  Egypten  das  Geschlecht 
des  Conoclypus  wiederzufinden,  das  namentlich  in  dem  alpinen 
Eocen  eine  so  bedeutende  Rolle  spielt,  so  haben  die  egyptischen 
Arten  doch  immer  einen  gewissen  abweichenden  Typus.  Er 
weicht  nicht  so  weit  ab,  dass  eigene  Arten  gerechtfertigt  wären, 
aber  doch  ist  die  Verschiedenheit  so  gross,  dass  ein  Unterschied 
zwischen  europäischen  und  afrikanischen  Formen  der  gleichen 
Art  plötzlich  auffällt.  So  fehlt  z.  B.  bei  C.  conoideus  gerade 
die  am  Kressenberg  und  in  der  Schweiz  so  gewöhnliche  Form, 
welche  der  Agassiz'schen  Beschreibung  zu  Grunde  liegt,  die  Form, 
die  mit  kreisförmiger  Unterseite  wie  eine  Grenadiermütze  zuge- 
spitzt ist.  Vielmehr  herrschen  die  ovalen  Formen  vor  var.  ga- 
lerus  Schafh.  Leth.  bav,  T.  XVI,  Fig.  1  p.  121  und  var.  acu- 
minatus  Schafh.  T.  XVI,  Fig.  2  p.  122,  welche  ich  bei  den  viel- 
fachen Uebergängen  in  den  typischen  conoideus  nur  als  Unter- 


—    278    — 

art  anzusehen  veranlasst  bin,  dessgleiehen  scheint  mir  Lucac 
Des.  p.  322  eine  ovale,  regeluiässig  bombirte  Form  von  conoideus 
zu  sein.  Das  aus  dem  Westen  Egyptens  citirte  Vorkommen 
dürfte  übrigens  nicht  in  die  Miocene  zu  verlegen  sein,  wie  es 
von  Desor  geschieht. 

Fundort:  Fuss  der  Cheopspyramide  und  Sphinx. 
Conoclypus    Bouei    Ag.    Gf.   41,    7    stimmt    noch  am 
besten  mit  dem  egyptischen  Vorkommen.    Es  sind  hemisphärische 
Formen,    von    denen    Desor    selber    glaubt,    es    könnten    mög- 
licherweise sexuelle  Verschiedenheiten  sein. 
Fundort :  Cheopspyramide  und  Sphinx. 
Conoclypus    Osiris   Desor.     Die  Schale  ist  verlängert, 
mit  abgerundetem  Rand,  die  Porenzonen  breit.     Bei  einer  Höhe 
von  4  Centim.  misst  das  Thier   9  Centim.  in   der  Länge,   G  in 
der  Breite. 

Fundort:  Cheopspyramide. 

Echinolampas  Studeri  Ag.  Echin.  Tab.  IX,  Fig.  4. 
Die  am  Yberg  so  häufige  Form  stimmt  sehr  gut  mit  der  egyp- 
tischen, die  ich  am  Mokattam  auflas. 

Echinolampas  Escheri  Ag.  Ech.  Tab.  IX,  Fig.  7 
ist  auch  am  Mokattam  der  Begleiter  der  vorangehenden  Art, 
wie  am  Kressenberg  und  im  Canton  Schwyz  und  Appenzell. 

Echinolampas  amygdala  Des.  Syn.  pag.  304  würd 
von  Desor  erwähnt  als  von  Egypten  stammend  und  dem  C\ 
hrevis  Ag.  sehr  ähnlich.  Desor  konnte  darunter  wohl  keine 
andere  Art  begreifen,  als  eine  kleine  20 — 25  Millim.  messende 
Art  in  den  oberen  Schichten  des  Mokattams,  dem  AVadi  el  Tih 
und  dem  Geneffe.  E.  suhsimilis  d'Arch.  konnte  ich  dagegen 
nicht  finden. 

Periaster  obesus  Leym.  Des.  Syn.  pag.  387.  Vom  Fuss 
der  Cheopspyramide  ist  oben  (pag.  261)  schon  erwähnt. 

Periaster  subglobosus  Lm.  Es  geht  mir  mit  dieser 
Art,  wie  mit  den  Conoclypen.  Wenn  mau  auch  möchte,  ist  es 
doch  kaum  thunlich,  die  egyptische  Form  von  der  europäischen 
Art  zu  trennen.  Der  einzige  Unterschied  ist,  dass  der  Scheitel 
des    egyptischen   P.    sub(/lobosus   nahezu    central    ist,    während 


—    279    — 

derselbe  an  den  Stücken  vom  Kressenberg  und  Yberg  mehr  nach 
vorne  rückt. 

Liegt  in  grosser  Menge  im  Osten  von  Cairo,  bei  der  Moses- 
quelle im  Chascab,  Wadi  el  Tih,  Bihr  el  Fachmeh,  Geneffe 
u.  s.  w.  sehr  hänfig  glatt  gescheuert  vom  Wüstensand  und  von 
den  Südstürmen  mit  dem  Sand  fortge^-eht. 

Schizaster  africanus  de  Loriol.  So  nannte  Loriol  eine 
grössere  Art,  die  auf  den  ersten  Anblick  mit  P.  ohesus  identisch 
zu  sein  scheint,  aber  als  Schizaster  mit  einem  nach  hinten  ge- 
rückten Scheitel  und  einem  über  den  After  überhängenden  Rücken 
als  eigene  Art  zu  betrachten  ist. 

Eupatagus  formosus  de  Loriol.  Desor  behält  hiefür 
den  Namen  von  Defrance:  E.  ornatus  bei,  obgleich  (Taf.  V, 
Fig.  G)  des  Bandes,  welches  die  Eupatagen  vor  den  Spatangen 
kennzeichnet,  weder  in  der  Tafel  noch  im  Text  Erwähnung  ge- 
than  ist.  Desor  setzt  das  Band  bei  den  Originalen  voraus  und 
dessgleichen  einen  Irrthum  in  Betreff  der  Versetzung  des  Ori- 
ginals in  die  Kreide.  Es  ist  möglich,  aber  bis  die  L'rthümer 
bewiesen  sind,  ziehen  wir  den  Namen  de  Loriols  vor.  Die  Art 
findet  sich  gar  nicht  selten  am  Mokattam  und  eingebackene 
Niimm.  discorhina  und  cunispira  lassen  über  den  Horizont  in 
der  oberen  Hälfte  des  Eocens  auch  keinen  Zweifel  übrig. 

Eupatagus  tuberosus  Frs.  Taf.  YI,  Fig.  8.  So  nenne 
ich  eine  ganz  ausgeprägte  Species  mit  grossen  Poren  und  dicken 
grossen  Warzen,  deren  jede  in  einer  tiefen  runden  Grube  liegt. 
Die  4  Interambulacralfelder  sind  mit  diesen  ringförmigen  Gruben 
dicht  besetzt.  Ich  verdanke  diese  Art  Hrn.  Dr.  Reil  in  Cairo,  der  sie 
jedoch  nur  in  Einem  fragmentarischen  Exemplar  besass,  das  er 
in  der  Wüste  Tih  aufgelesen.  Die  Fühlergänge  sind  nach  Art 
der  ächten  Eupatagen  geschlossen.  Li  jeder  der  2 — 4  Millim. 
grossen  Grube  auf  den  Interambulacralfeldern  sitzt  ein  durch- 
bohrtes Wärzchen.  In  der  Anordnung  der  Gruben  ist  eine  ge- 
wisse Symmetrie  zu  beobachten,  indem  4  Paare  regelmässig 
neben  einander  liegen,  die  unpaarige  neunte  Grube  aber  neben 
aussen  gesetzt  ist. 

Scutella    subrotundata   Lam.      An    der   Identität  der 


-    280    ^ 

Art  ist  kein  Zweifel,  dagegen  bin  ich  nicht  sicher,  ob  das  Stück, 
das  ich  von  einem  Dritten  erwarb,  aus  dem  Eoeeu  vom  Mokattam 
wirklich  auch  stammt.  Dem  Gestein  nach  könnte  es  sein,  in 
Europa  ist  aber  die  Art  entschieden  miocen  und  so  wäre  auch 
in  unserem  Fall  ein  miocener  Ursprung  leicht  denkbar. 

Sismondia  planulata  Des.  Syn.  pag.  225,  Eckinocya- 
7711(8  Sulzbergensis  Schafh.  Taf.  45,  4  fand  ich  in  den  unteren 
Lagen  des  Mokattam.  Nicht  häufig.  In  Europa  wird  sie  aus 
dem  Nummulitgebirge  von  Biarritz  beschrieben,  findet  sich  aber 
auch  am  Kressenberg,  denn  einen  Unterschied  von  Schäfhäutls 
Echinoc.  Sulzb.  finde  ich  nicht. 

Sismondia  Logothetii  Frs.  Taf.  VI  Fig.  9,  a — b  bildet 
eine  kleinere  fast  kreisförmige  Art,  von  9—10  Millim.  Durchmesser. 
Die  Fühlerblätter  sind  schmäler,  aber  ebenso  wenig  geschlossen, 
als  bei  planulata.  Der  Scheitel  steht  erhöht,  während  er  bei 
der  vorangehenden  Art  niedergedrückt  ist.  Diese  zierliche  feine 
Art  ist  am  Todtenberge  von  Assiut  mit  den  Numm.  Biariizensis 
und  den  Callianassen  sehr  häufig.  Mein  treuer  Reisegefährte 
und  verehrter  Freund,  Graf  Zdenko  Logotheti,  dessen  Namen  sie 
trägt,  fand  sie  dort  auf. 

Brachiopodeu, 

Terebratella  pyramidarum  Frs.  Taf.  VI,  Fig.  4,  ab. 
Von  dieser  schönen  Tcrebratcl  fand  ich  zwar  nur  ein  einziges 
Stück  bei  den  Pyramiden.  Eigentlich  sollte  man  auf  den  Fund 
von  nur  Einem  Stück  keine  neue  Art  begründen,  aber  die  Muschel 
ist  so  einladend  und  das  Vorkommen  von  Terebrateln  im  Eocen 
so  selten,  dass  sie  wobl  verdient,  aufgeführt  zu  werden. 

Die  Terebratel  schliesst  sich  auffallend  an  die  Gruppe  der 
Loricaten  von  Buch  an.  Die  Schale  besteht  aus  den  feinsten 
concentrischeu  Anwachsrippen,  welche  durch  radiale  Streifen  zu 
einem  zierlichen  Netzwerk  gekreuzt  werden.  Auf  dorn  Rücken 
sieht  man  Eine  kräftige  Medianfalte  zwischen  zwei  Buchten  und 
denselben  entsprechend  auf  der  Bauchschale  2  Falten  und  Eine 
mediane  Bucht.     Neben  der  Hauptfalte   treten  auf  der  Rücken- 


—    281    — 

schale  noch  2  seitliche  Nebenfalten  auf,  denen  wiederum  2  Ne- 
benbuchten auf  dem  Bauch  gegenüberliegen.  Auf  den  Falten 
treten  die  concentrischen ,  in  den  Buchten  die  radialen  Zeich- 
nungen der  Schale  hervor,  so  stark,  dass  hier  die  concentrischen 
und  dort  die  radialen  Streifen  für  das  unbewaffnete  Auge  ver- 
schwinden und  die  Schale  mit  zweierlei  Streifung  überdeckt 
erscheint. 

Da  nur  Ein  Exemplar  vorliegt,  mochte  ich  es  nicht  öffnen, 
um  das  noch  unbekannte  Knochengerüste  zu  untersuchen. 

Monomyarier. 

Anomia  placunoides  Orleb.  pl.  VII,  pag.  17.  Eine 
Ikluschel,  die  weder  übersehen  noch  verwechselt  werden  kann, 
denn  sie  ist  eben  so  gemein  im  Eocengebirge,  als  sie  gross  und 
stattlich  ist.  Schon  Cailliaud  bildet  sie  pl.  45,  Fig.  11  ab,  gibt 
ihr  aber  fälschlicherweise  den  Namen  der  lebenden  indischen 
Fensterscheibe  Placuna  j)laccnia  Lam.  Exemplare  von  100 
Millim.  und  darüber  sind  nicht  selten,  in  der  Regel  misst  jedoch 
die  Muschel  70 — 80  Millim.  Die  Schale  ist  ausserordentlich 
schiefrig  und  blätterig,  beide  Klappen  zart  gestreift.  Die  Ober- 
schale trägt  einen  grossen,  auf  die  Seite  geschlagenen  Zahn, 
unter  dem  ein  eirundes  Loch  die  Schale  durchbohrt.  Der 
Unterschied  von  dem  miocenen  ^4..  ephippium  L.  ist  keineswegs 
gross. 

Fundort:  Mokattam,  Cafra,  Wadi  el  Tih. 

Ostrea  Suessoniensis  Arch.  pl.  84,  Fig.  13  pag.  116 
aus  den  untern  Sauden  des  Pariser  Beckens  lässt  sich  an  der 
Dicke  ihrer  Schale,  ihrer  hervorragenden  Grösse  und  ihrer 
feinen  Fältelung  wohl  erkennen.  Cailliaud  hatte  sie  als  0.  fla- 
hellula  Lmk.  in  seinem  Werke  über  Egypten  abgebildet,  die 
jedoch  nie  diese  Grösse  erreicht  und  eine  ganz  andere  Falten- 
bildung auf  der  Schale  zeigt. 

Fundort:  Mokattam. 

Ostrea  dorsata  Desh.  pl.  LV,  9 — 10,  pag.  102.  In 
der  Mitte  der  Unterschale  erhehrt  sich  ein  Höcker,  von  dem 
aus    eine  Gräthe   über  die  Schale  lauft,   die  im  Uebrigen   glatt 


—    282    — 

und  ohne  Falten  ist.  Von  der  Identität  der  Art  bin  ich  jedocb 
nicht  ganz  überzeugt,  jedenfalls  besteht  grosse  Aehnlichkeit 
zwischen  der  französischen  Muschel  aus  den  mittleren  Sauden 
und  der  egyptischen. 

Fundort:  Mokattam. 

Ostrea  flabellula  Lam.  Desh.  LXIII,  Fig.  5  pag.  120 
erwähnen  BelLirdi  und  Andere  von  Cairo.  Sie  soll  ebenso  in 
Indien,  als  in  Amerika  sich  finden. 

Fundort:  Mokattam  und  Wadi  el  Tih.     Benihassan. 

Ostrea  Pieilii  Frs.  T.  YI,  Fig.  5,  a — b  bildet  entschie- 
den eine  von  fkiheUuIa  abzutrennende,  neue  Art,  die  ebenso- 
zahlreich sich  findet  in  der  arabischen  Wüste  östlich  von  CairOy. 
als  sie  constant  in  ihrer  Form  ist.  Die  Auster  ist  sehr  unsym- 
metrisch und  gehört  zu  der  Untergattung  Exogyra.  Ueber  die 
Mitte  der  Unterschale  lauft  vom  Wirbel  aus  eine  Gräthe,  von 
der  gedrängte  Falten  nach  beiden  Richtungen  seitwärts  abgehen. 
Einzelne  der  Falten  schuppen  sich  und  bilden  vereinzelte  schup- 
pige Warzen  oder  Erhöhungen,  namentlich  auf  der  Ilauptgräthe 
und  an  den  Rändern  der  Schale.  Die  Oberschale  ist  von  con- 
centrischen  Streifen  bedeckt,  von  irgend  radialer  Form  ist  keine 
Spur.  Es  fällt  auf,  wie  fest  beide  Klappen  an  einander  halten,. 
denn  nur  selten  fand  ich  Ober-  und  Unterschale  isolirt,  immer 
ist  die  ganze  Muschel  erhalten.  Ich  nenne  die  Austern  nach  HerrD 
Dr.  Reil  in  Cairo,  dem  ebenso  liebenswürdigen  Manne  als  geist- 
vollen Beobachter  der  natürlichen  Verhältnisse  Egyptens,  in 
dessen  reicher  Sammlung  egyptischer  Fossile  ich  zuerst  cauf  diese 
Art  aufmerksam  wurde,  die  seither  ohne  Zweifel  als  O.  flobel-^ 
lula  lief.  Unsere  Figur  gibt  die  beiden  gewöhnlichen  Grössen 
wieder. 

Fundort:  Wadi  ol  Tih. 

Ostrea  heteroclita  Dcfr,  Desh.  LXIII.  Fig.  2—4. 
pag.  102  wird  aucli  von  Bellardi  erwähnt  und  stimmt. 

Fundort:  C'jifra  bei  Gyzeh.  Mokattam. 

Spondylus  radula  Lam.  Desh.  XLVI,  1—5,  pag.  90 
findet  sich  niclit  selten  im  Thal  der  Yerirruiig.  Ebenso  Sp. 
asperulus  Mot.    (Gf.  lOG,   0),   den    ich  wegen    der  bei    Goldfuss 


—    283    — 

angegebenen  unbedeutenden  Unterschiede  nur  als  eine  Abart  von 
radula  ansehe.  Die  Kressenberger  Form  stimmt  auch  hier 
wieder  mit  der  egyptischen. 

Fundort:  Wadi  el  Tih.  Mokattam. 

Yulsella  lingulata  Caill.  pl.  45  Fig.  11.  Tom.  lY, 
pag.  2GG  bildet  Cailliaud  diese  prachtvolle  Muschel,  die  keinem 
Sammler  entgehen  kann  wegen  der  Häufigkeit  ihres  Vorkom- 
mens, sehr  gut  ab.  Auffallend  ist  nur  ihr  Fehlen  im  europäi- 
schen Eocen. 

Fundort:  Wadi  el  Tih,  Mokattam,  Cäfra. 

Y.  angusta  Desh.  pl.  76  13 — 15  pag.  52  stimmt  ziemlich 
gut  mit  dem  egj-ptischen  Yorkommen. 

Fundort:  Mokattam. 

Die  Yulsellen  liegen  am  Mokattam  sehr  zahreich  in  einer 
eigenen  Bank  hart  über  den  22  Fuss  mächtigen  Bausteinen,  in 
welchen  unten  Lohocarcinus  und  oben  Cerith.  giganteum  liegt. 
Der  Fellah,  dem  die  Fossile  so  wenig  entgehen,  als  dem  deut- 
schen Steinbrecher,  nennt  die  Steine  mit  den  Yulsellen  „luigar 
mtUieh." 

Dimyai'ier. 

Area  planicosta  Desh.  pl.  32,  1 — 2,  p.  204.  Exemplare 
von  50  Millim.  Länge  und  30  Breite.  Die  Form  ist  sehr  wenig 
aufgebläht,  vom  Wirbel  aus  lauft  eine  schwache  Bucht  über  die 
Schale,  die  über  und  über  mit  zarten ,  flachen  Radialstreifen 
überdeckt  ist,  welche  in  der  Wirbelgegend  verschwinden.  Drei 
bis  vier  concentrische  Falten  kreuzen  die  Streifen.  Die  Art  zieht 
sich  mit  einigen  unwesentlichen  Yariationen  durch  das  ganze 
französische  Eocen,  hat  aber  in  den  mittleren  Sanden  den  Haupt- 
sitz. Yon  England  wird  sie  dessgleichen  citirt;  auch  unter  den 
Kressenberger  Steinkernen  kann  man  Steinkerne  mit  ihr  ver- 
gleichen. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

Avicula  stampinensis  Desh.  pl.  78,  1 — 4  p.  47.  Exem- 
plar von  20  Millim.  in  Länge  und  Breite.  Die  Beschreibung 
stimmt  mit  Deshayes,  der  die  Muschel  in  die  oberen  Sande  ver- 


—    284    — 

setzt,   welche   nach  Sandberger   an  die  unteren  Cyrenen-Mergel 
von  Offenbach  streifen. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

Cardita  nach  Deshayes  spielt  eine  grosse  Rolle,  nament- 
lich die  Untergattung  Venericardia. 

C.  lata  Schafh.  Taf.  41  Fig.  1.  Schafhäutl  bildet  unter  diesem 
Namen  Steinkerne  vom  Kressenberg  ab;  mit  diesen  stimmen  die 
in  ganz  ungewöhnlicher  Monge  am  Mokattam  oft  Felsen  bilden- 
den Steinkerne.  Ob  Cardita  lata  eine  eigene  Art  wirklich  bildet, 
oder  ob  nicht  vielmehr  Cardita  imhricata,  junge  planicosta  und 
andere  hieher  zu  ziehen  sind,  lässt  sich  bei  dem  Charakter  der 
Steinkerne  überhaupt  nicht  recht  sagen. 

Fundort:  Mittlere  und  obere  Lagen  am  Mokattam  und  bei 
den  Pyramiden  von  Gyzeh. 

C.  complanata  Desh.  p.  760  pl.  XXVI,  Fig.  5— G.  Zu- 
gleich mit  den  Steinkernen  von  Cardita  lata  finden  sich  die  von 
complanata,  die  auch  am  Kressenberg  nicht  selten  sich  finden. 
Durch  Abgüsse  der  Hohlmuschel  mit  Guttapercha  erhielt  ich 
das  vollständige  Bild  der  zerstörten  Schale  wieder,  das  mit  dem 
Bild  der  französischen  Exemplare  aus  den  mittleren  Sauden 
stimmt.  Im  Wadi  el  Tih  fand  ich  auch  Exemplare  mit  theil- 
weise  erhaltener  Schale. 

Fundort:  Mittlere  und  obere  Lagen  am  Mokattam.  Wadi 
el  Tih. 

C.  multicostata  Lam.  Desh.  26,  1  reiht  sich  an  die  vo- 
rige Art  an.  Bellardi  übertrug  Lamarcks  Namen  auf  die  egyp- 
tische  Form,  dem  ich  gerne  folge,  obgleich  eine  vollständige 
Uebereinstimmung  nicht  herrscht. 

Fundort:  Mokattam  und  Wadi  el  Tih. 

C.  divergens  Desh.  pl.  60  Fig.  13.  Ohne  von  der  Iden- 
tität der  französischen  Art  aus  den  mittleren  Sauden  mit  der 
egyptischen  überzeugt  zu  sein,  übertrage  ich  den  Namen  der 
französischen  Muschel  auf  die  zahllosen  Steinkerne,  die  am  Mo- 
kattam und  an  den  Pyi-amiden  Einem  überall  aufstosson.  Sie 
sind  im  höchsten  Fall  20  Millira.  lang  und  15  breit,  gewöhnlich 
um  ein  Drittheil  kleiner,  und  sind  auf  den  ersten  Blick  an  den 


-    285    — 

8 — 10  starken   radialen  Streifen    zu    erkennen.     Vergl.  Cardita 
paucicosta  Sandb.     Mainz.  T.  B.  Taf.  24,  6. 

Fundort:  Mokattam,  Pyramiden,  Wadi  el  Tih,  Geneife. 

Card  iura  fand  ich,  wie  schon  Bellardi,  in  drei  Arten 
repräsentirt.  Zwei  davon  lassen  sich  auf  europäische  Arten 
zurückführen. 

C.  obliquum  Lam.  Desh,  XXX,  8 — 11  p.  568.  Diese  im 
ganzen  europäischen  Eocen  so  häufige  Muschel,  die  von  den 
unteren  Sauden  durch  den  Grobkalk  bis  in  die  oberen  Lagen 
auftritt,  ist  auch  in  Egypten  eine  der  gemeinsten  Muscheln. 

Fundort:  Mokattam,  Cafra  bei  Gyzeh  u.  a.  0. 

C  tenuisulcatum  Nyst.  Desh.  56,  15  p.  562,  sehr  ver- 
breitet in  den  oberen  Sauden  von  Fontainebleau.  Die  leidige 
Steinkernbildung  erschwert  das  Erkennen  am  Mokattam,  dage- 
gen zeigen  andere  Stücke  vom  Thal  der  Verirrung  noch  theil- 
weise  Schale,  dass  die  Identität  der  Art  bewiesen  ist. 

C.  egyptiacum  Frs.  Taf.  VI,  Fig.  6  ähnelt  zwar  der 
Cardita  oblonga  Sow.  M.  C.  pl.  289,  die  von  Morris  (Catal. 
p.  191)  ins  mittle  Eocen  gestellt  worden  ist,  doch  ist  die  eng- 
lische Muschel  bombirter,  dickschaliger  und  weniger  gerippt. 
Die  egyptische  Art,  die  unendlich  gemein  ist,  mit  der  die  Kin- 
der von  Siut  spielen,  wird  höchstens  18  Millim.  lang  und  15 
breit,  gewöhnlich  nur  8  und  10  und  darunter.  Die  Schalen 
sind  auffallend  flach  und  17  bis  18  feine,  mit  zierlichen  Perlen 
besetzte  Rippen  strahlen  vom  "Wirbel  bis  zum  Rand  der  Schale. 

Fundort:  Nilwüste  bei  Siut,  untere  Lagen  des  Eocen. 

Corbula  gallica  Lam.  Desh.  VII,  1—3  p.  213.  Eine 
der  verbreitetsten  Bivalven  nicht  blos  im  französischen  und  eng- 
lischen Eocen,  sondern  auch  in  Belgien  wie  um  Nizza  zu  fin- 
den; fehlt  auch  in  Egypten  nicht. 

Fundort:  Cäfra  bei  Gyzeh. 

Corbula  Steinkerne  erinnern  an  Corbula  exarata  d'Arch. 
oder  gaJlicula  Desh. 

Cyprina  scutellaria  Desh.  pl.  XX,  1 — 3,  I  p.  123. 
Die  grösste  Form  misst  60  Millim.  in  der  Länge  und  55  in  der 


—    286    — 

Breite,  die  kleinste  nur  die  Hälfte.  Obgleich  blos  Steinkern, 
zweifle  ich  an  der  Identität  der  Art  nicht. 

Vorkommen:  Mokattam  und  Cafra. 

Cyprina  sp.  Eine  Reihe  kleinerer  Steinkerne,  flache  For- 
men lassen  sich  nicht  wohl  mit  Sicherheit  bestimmen.  Man 
vergleiche  C.  lunulata  Desh.  Bellardi  erwähnt  eine  Cyprina 
tiimlda  Nyst.  Ich  getraue  mir  jedoch  nicht,  Xamen  zu  geben, 
und  erwähne  nur,  dass  auch  der  Kressenberg  ähnliche  unbe- 
stimmbare Formen  führt. 

Luc  in  a.  Dieses  Geschlecht  hat,  wie  bekannt,  im  Eocen 
seine  höchste  Entwicklung  gefunden  und  bietet  auch  in  Egypten 
weitaus  die  grösste  Artenmenge  unter  sämmtlichen  Bivalven. 
Bellardi  zählt  10  Arten  auf:  ich  fand  12,  von  denen  doch  8  auf 
französische  Formen  zurückgeführt  werden  können. 

L.  Defrancei  Desh,  pl.  39,  0-11  p.  644.  Obgleich  nur 
Steinkern,  stimmt  doch  Form  und  Grösse  der  Muschel  und  die 
Streifung  des  Steinkerns  in  Folge  der  inneren  Schaleneindrücke ; 
die  beiden  Bandstützen  treten  besonders  stark  hervor,  über 
welche  der  Wirbel  nur  wenig  hervorsieht, 

Fundort:  Mokattam, 

L.  concinna  Desh.  40,  4 — G  p.  654.  Unter  diesem  Xa- 
raen  begreife  ich  die  fast  kreisrunden,  30 — 33  Millim.  messen- 
den, flach  gestreiften  Steinkerne,  welche  zu  den  gewöhnlichsten 
Muschelkernen  in  Egypten  zählen.  Eine  deutliche  Furche  trennt 
stets  den  hinteren  Theil  der  Schale  ab. 

Fundort:  Mokattam. 

L.  Menardi  Desh.  pl.  XVI,  13  p.  640.  Ich  folge  hier 
Bellardi,  obgleich  die  Steinkerne  die  Grösse  des  von  Deshayes 
abgebildeten  Exemplars  nicht  erreichen ;  möglich,  dass  sie  auch 
zu  L.  suhrircvlaris  gehören. 

Fundort:  Mokattam. 

L.  subcircularis  Desh.  40,  23  p,  630.  Eine  ausgezeich- 
nete Form  mit  der  Schale. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

L,  detrita  Desh,  40,  7 — 10  p.  054.  Die  Grösse  übertrifft 
die  französischen  Formen  um  10  Millim.,  die  kreisiundo,  aufge- 


—    287    — 

blähte  Form,  ganz  feine  Radialstreifen  und  die  Eindrücke  von 
concentriscben  Runzeln  laden  zur  Vergleichung  der  französischen 
Art  ein.  Bellardi  hat  mit  seiner  L.  orbicularis  wohl  unsere 
Form  gemeint. 

Fundort :  Mokattam. 

L.  mutabilis  Desh.  pl.  XIY,  Fig.  6  u.  7  p.  635.  Die 
Orösse  der  von  Deshayes  abgebildeten  Form  stimmt  zwar  nicht, 
wohl  aber  die  innere  Streifung,  die  schiefe  Gestalt  und  der 
Muskeleindruck.  Bei  der  grossen  Verbreitung  dieser  Art  über 
die  Mittelmeergegenden  dürfte  der  Name  wohl  auf  die  egypti- 
schen  Steinkerne  übertragen  werden. 

Fundort:  Mokattam. 

L.  Fortisiana  Defr.  Desh.  17,  10—11  p.  641.  Auch  Des- 
hayes erwähnt  die  Muschel  von  Cairo.  Gewöhnlich  sind  die  Mu- 
scheln etwas  kleiner,  glücklicherweise  existiren  von  ihr  Schalen, 
•die  aus  dem  Thal  der  Verirr ung  stammen.  An  den  durch  Fur- 
chen abgegrenzten  Vorder-  und  Hinterstücken  erkennt  man  sie 
leicht. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

L.  evanida  Desh.  pl.  41,  10 — 11.  Die  Beschreibung  die- 
ser von  Deshayes  abgebildeten  Art  fehlt,  die  Abbildung  stimmt 
jedoch  gut.     Die  Sehale  ist  erhalten. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

L.  bialata  Bellardi.  Unter  diesem  Namen  begreift  wohl 
Bellardi  die  3.5  Millim.  langen,  dagegen  nur  iö  Millim.  breiten 
Schalen,  an  denen  die  Schlosslinie  flügelartig  hervorsteht.  Die 
Form  ist  sehr  charakteristisch  und  häufig  und  scheint  Egypten 
eigenthümlich  zu  sein. 

Fundort:  Mokattam  und  Wadi  el  Tih. 

Ausser  den  genannten  finden  sich  noch  3 — 4  weitere  Arten, 
deren  Bestimmung  ich  mir  nicht  getraue.  An  europäische  Formen 
schliessen  sie  nicht  recht  an  und  eigene  Namen  verdienen  die 
erbärmlichen  Steinkerne  nicht. 

Lutraria  sp.  Unbestimmbare  Steinkerne  von  28  Millim. 
Länge  und  13  in  der  Breite.  Der  grosse  Zahneindruck  spricht 
für  Lutraria. 


—    288    — 

Fundort:  Mokattam. 

Modiola  acuminata  Desh.  pl.  40,  9 — 11,  II,  22.  25  Millira. 
lang,  10  und  15  Millim.  breit,  je  nachdem  unten  oder  oben  ge- 
messen wird.     Die  Schale  vortreflflich  erhalten. 

Fundort:  AVadi  el  Tih. 

Pholadomya  Koninckii  Nyst.  Desh.  p.  246,  pl.  9,  13  u. 
14.  Grösse  und  Form  stimmt,  nur  erheben  sich  auf  der  Kreu- 
zung der  radialen  und  concentrischen  Streifen  stärkere  Knoten, 
als  am  abgebildeten  Exemplar. 

Tellina  Nystii  Desh.  pl.  25,  5—6  p.  336.  Obgleich  nur 
Steinkern,  zweifle  ich  an  der  Identität  der  Art  nicht. 

Fundort:  Mokattam. 

Solen  obliquus  Sow.  Desh.  7,  1—3  p.  153.  Steinkern, 
an  dem  Schloss-  und  Schaleneindrücke  stimmen. 

Fundort:  Mokattam. 

Gasteropoden. 

Cerithium  giganteum  Lam.  Desh.  pl.  42,  Fig.  1,  2  p.  300 
stellen  wir  mit  Recht  oben  hin  als  die  auffälligste  Muschel,  die 
uns  im  Baustein  von  Cairo  begegnet,  nach  welcher  wir  zugleich 
den  zweiten  Horizont  in  dem  gesammten  Schiehtencomplex  des 
Mokattam  festgestellt  haben.  Gestalt  und  Grösse  unterscheidet 
sich  von  der  der  französischen  Exemplare  nicht.  Die  Schale 
der  Muschel,  die  bis  zu  1  Centim.  dick  wird,  ist  durch  einen 
höchst  merkwürdigen  Umwandlungsprocess  in  schwefelsauren 
Strontian  übergeführt,  an  dessen  Blätterdurchgängen  man  deut- 
lich M  und  o  einspiegeln  sieht,  so  zwar,  dass  die  Kante  zwi- 
schen beiden  Spiegelflächen  auf  der  Aussenseite  der  AVindung 
liegt.  Die  Schale  finden  wir  auf  die  gleiche  Weise  von  Anne- 
liden angebohrt,  als  die  Kalkschalen  der  Pariser  Cerithieu 
(s.  unten  pag.  293).  Die  Umwandlung  der  Schale  in  Cölcstin 
bringt  es  mit  sich,  dass  dieser  leicht  vom  Steinkern  abspringt 
und  so  viel  mehr  glatt  ausgesprungenc  Kerne  gefunden  werden 
(tirebotichonj,  als  erhaltene,  wenn  auch  umgewandelte  Schalen. 

Fundort:  Steinbrüche  des  Mokattam. 

An  die  Bestimmung   anderer,   kleinerer  Cerithien   aus  dem 


—    289    - 

Wadi  el  Tih  wage  ich  mich  nicht.  Die  Stücke  sind  zu  unbe- 
deutend und  zu  schlecht  erhalten,  um  mit  Namen  genannt  zu 
werden.  Dagegen  überraschen  riesige  Formen  anderer  Ge- 
schlechter, wie  z.  B.  Nafica  und  Pyrula  zu  einer  anderswo  un- 
bekannten Grösse  anschwillt.  Im  europäischen  Eocen,  in  wel- 
chem die  Arten  zwar  nicht  fehlten,  hat  man  doch  von  solcher 
riesigen  Entwicklung  keine  Ahnung. 

Strombus  giganteus  Münst.  Goldf.  Petref.  Germ.  T.  169 
ist  eine  im  Eocen  des  Kressenbergs  und  Grüntens  sehr  gewöhn- 
liche Schnecke,  die  in  der  Regel  6 — 10  Centim.  lang  wird.  Am 
Mokattam  wird  sie  um  das  Doppelte  grösser.  Von  einem  Flü- 
gel, wie  ihn  Schal'häutl  (Leth,  bav.  48,  2)  zeichnet,  konnte  ich 
übrigens  nichts  beobachten:  mein  grösstes  Exemplar  aus  dem 
Baustein  von  Cairo  misst  16  Centim.  in  der  Länge  und  12  in 
der  Breite.  Im  Uebrigen  hat  die  Schnecke  mit  andern  Ge- 
schlechtern als  Strombus  viel  mehr  Aehnlichkeit ;  ich  würde  mit 
Münster  sie  unbedingt  zu  Conus  stellen,  wenn  nicht  eine  ge- 
schwungene Gestalt  der  Mundöffnung  und  eine  starke  Spindel 
auf  das  Geschlecht  Strombus  oder  am  Ende  eher  noch  auf  Py- 
rula hinwiese. 

Fundort:  Steinbrüche  des  Mokattam. 

Natica  spirata  Desh^  pl.  21,  1 — 2.  1.  pag.  76  neuerdings 
nach  d'Orbigny  Suessoniensis  genannt,  mit  deutlichen  Streifen 
auf  dem  letzten  Umgang.  Im  Pariser  Becken  zu  den  Selten- 
heiten gehörig  wird  diese  Muschel  in  Oberitalien  gewöhnlich 
(Castelgamberto,  Monteviale,  wo  wir  sie  selber  gesammelt  haben) 
und  verbreitet  sich,  wie  es  scheint,  weiter  in  den  Mittelmeer- 
gegendeu.  Wie  weit  Natica  hybrida  Lam.  (Desh.  pl.  71,  1 — 2 
pag.  75),  die  sich  zur  Riesengrösse  unter  den  Schnecken  aus- 
bildet, als  besondere  Art  abzutrennen  ist,  oder  als  blosse  Abart 
hieher  gestellt  werden  muss,  lassen  wir  unentschieden.  Die 
Verwandtschaft  beider  ist  jedenfalls  gross.  Stücke  von  0,15  Mill. 
Länge  und  0,09  Breite  sind  am  Mokattam  gar  nicht  unge- 
wöhnlich. 

Fundort:  Mokattam. 

Natica    patula  Lam,     Desh.  21,  3 — 5    pag.  63.     Diese 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     18G7.     23  Ji,.  33  Heft.  19 


—    290    — 

Muschel  mit  der  durchbrochnen  Spindel  und  dem  weit  geöffneten 
Munde  stimmt  ausgezeichnet.     Auch  Bellardi  erwähnt  sie. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

Natica  sigaretina  Desh.  pl.  21,  5 — 6  pag.  63  gehört 
in  die  Nähe  yon  patula  und  stimmt  auch. 

Fundort:  Mokattam. 

Natica  Willemeti  Desh.  pl.  17,  11—12  pag  73  mit 
zarten,  zierlichen  Umgängen  sieht  dem  französischen  Vorkommen 
auch  ganz  gleich. 

Fundort:  Wadi  el  Tih.    Mokattam. 

Natica  cochleata  Schafh.  Tab.  50,  Fig.  6  zeigt  ebenso 
wie  die  andere  Schafliäutlische  Art  N.  oostoma  Tab.  46,  4, 
dass  die  Kressenbergformen  sich  immer  gerne  in  Egypten  finden. 
Im  Uebrigen  lege  ich  auf  beide  Arten  nur  wenig  Werth,  da 
wir  hier  wie  dort  es  nur  mit  rauhen  Steinkernen  zu  thun 
haben. 

Nerita  Schmideliana  Chemn.  Desh.  pl.  XYIII.  pag.  18 
nennt  jetzt  Deshayes,  zurückgehend  auf  den  alten  Chemuitz'schen 
Namen  die  früher  als  N.  conoidea  bekannte  ebenso  schöne  als 
in  Frankreich  seltene  Muschel.  Um  Cairo  gehört  sie  zu  den 
gewöhnlichsten  Funden,  ebenso  im  Osten  der  Stadt  in  der  ara- 
bischen Wüste,  als  im  Westen  in  der  Nähe  der  Pyramiden. 

Fundort:  Mokattam,  Cafra. 

Cassis  tricarinata  Schafh.  Tab.  XLIX,  Fig.  3.  Stein- 
kern vom  Kressenberg  stimmt  abermals  zu  den  nur  um  ein 
Geringeres  grösseren,  sehr  zahlreichen  Steinkernen  um  Cairo. 

Fundort:  Mokattam. 

Ausser  dieser  Art  liegen  noch  zwei  Cassis  als  Steinkerne 
vor,  eine  grosse  Art  mit  Einem  starken  Windungsrand  und 
eine  kleinere  mit  2  Kändern  von  länglichter  Form. 

Fusus  scalaris  Lam.  Desh.  pl.  72,  13 — 14  pag.  257. 
In  Frankreich  und  England  eine  gewöhnliche  Muschel^  fand  ich 
dieselbe  in  Egypten  nur  einmal,  jedoch  in  guter  Uebereinstim- 
stimmung  der  Art. 

Fundort:  Wadi  ol  Tih. 

Cypraea  elegans   Defr.  Desli.  97,   Fig.  3 — 6  pag.  566. 


-    291    — 

In  den  Mittelraeergegenden  und  Armenien  verbreitet,  findet 
sich  die  Muschel  in  Egypten  ziemlich  häufig  und  stimmt  gut. 

Fundort:  Wadi  el  Tih.    Mokattam. 

Fusus  ficulneus  Lam.  Desh.  pl.  73,  21—22  pag.  289 
wurde  ausser  Europa  auch  in  der  Krimm  gefunden. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

Rostellaria  fissurella  Lam.  Desh.  18,  2 — 4;  84,5 — 6 
pag.  458.  Diese  unter  den  Rostellarien  so  typische  Art  erkennt 
man  zuerst,  wie  sie  denn  auch  Bellardi  erwähnt.  Auch  sie  ist 
von  England  bis  Armenien  verbreitet. 

Fundort:  Mokattam, 

Rostellaria  Murchisoni  Desh.  pag.  92,  1.  2.  pag.  453. 
Unter  diesem  Namen  begreife  ich  eine  zur  Gruppe  der  Macrop- 
teren  gehörige  Art,  die  im  Kressenberg  ilire  Verwandten  hat. 
Schafhäutl  hat  sie  als  d'Orbigny'sche  Kreidespecies  beschrieben 
und  R.  inornata  d'Orb.  genannt.  Von  Kreide  kann  hier  natürlich 
keine  Rede  sein.  Ueberdiess  lässt  das  Fossil  viel  zu  wünschen 
übrig  und  eignet  sich  nicht  zur  genauen  Beschreibung  der  Art. 

Fundort:  Mokattam. 

Patella  cairensis  Frs.  Taf.  VI,  Fig.  1 .  Eine  Patella 
von  solcher  Grösse  wurde  noch  nie  fossil  gefunden,  und  wird 
selbst  von  den  grössten  lebenden  Arten  Neuhollands,  Brasiliens 
und  des  Caps  nicht  übertroflfen,  weshalb  sie  eine  besondere  Be- 
nennung und  Beschreibung  verdient.  Die  Schale  misst  11  Centim. 
in  der  Länge,  S^h  Centim.  in  der  Breite  und  5  Centim.  in  der 
Höhe.  Die  Dicke  der  Schale  beträgt,  wo  sie  auch  beobachtet 
werden  kann,  nirgends  mehr  als  1  Millim.  Unsere  Figur  ist 
einem  Ausguss  der  Innenseite  der  Schale  entnommen,  da  die 
Aussenseite  aufs  innigste  mit  dem  Gebirge  verwachsen  ist  und 
keine  Ansicht  bietet.  Einzelne  abgesprengte  Stückchen  zeigten 
keinerlei  Streifung  oder  Zeichnung,  vielmehr  eine  glatte  Ober- 
fläche. Um  so  mehr  ist  die  Innenseite  von  concentrischen  Streifen 
und  Falten  erfüllt,  die  namentlich  auf  der  Kopfseite  des  Thiers, 
gegen  welche  sich  der  Wirbel  neigt,  scharf  ausgeprägt  sind,  die 
gegenüberliegende  Seite  ist  fast  glatt.     Am  Rande  ist  die  Schale 


-    292    - 

umgesclilagen ,   wodurch   sich    gewissermassen  ein  Fuss   für   die 
Schnecke  bildet. 

Tundort:  Steinbrüche  des  Mokattam,  im  Horizont  der  Krebse. 
Das  ausgezeichnete  Stück  ist  ein  Geschenk  des  Herrn  Dr,  Reil 
in  Cairo. 

Rostella ria  finden  sich  ausser  den  genannten  noch  übrige 
weitere  Arten,  Bellardi  erwähnt  sieben.  So  viele  fand  ich  nicht 
und  eignet  sich  jedenfalls  keine  zur  Bestimmung. 

Solarium  plicatum  Lam.  Desh.  pl.  24,  16 — 18  pag.  219 
ist  noch  mit  der  Schale  erhalten  und  stimmt  mit  der  englisch- 
französischen Art. 

Fundort:  Wadi  el  Tih. 

Terebellum.     Steinkern. 

Fundort:  Mokattam. 

Turritella  fasciculataLmk.  "Weitaus  der  verbreitetste  Ga- 
steropode  des  egyptischen  Eocens.  Deshayes  hat  dieser  Art  nicht 
•weniger  als  24  Figuren  gewidmet,  um  die  manchfachen  Ueber- 
gänge  der  Varietäten  zu  zeigen.  Am  häufigsten  ist  die  Varietät, 
die  pl.  39,  17,  28  abgebildet  ist,  dann  kommt  die  Spielart 
Fig.  5  und  6,  schliesslich  findet  sich  noch  eine  Varietät,  bei 
der  die  Umgänge  so  tief  liegen,  dass  treppenförmige  Einschnü- 
rungen entstehen. 

Die  Oberregion  des  Grobkalks  wimmelt  von  dieser  Schnecke, 
ebenso  an  den  Pyramiden,  als  in  der  Wüste  Tih  und  am  Mo- 
kattam. 

T.  imbricataria  Lam.  stimmt  zwar  nicht  ganz,  indem 
sich  die  Streifung  der  Umgänge  an  der  egyptischen  Art  stärker 
macht,  als  an  der  französischen. 

Fundort:  Todtenberg  bei  Assiüt. 

T.  Lamarkii  Defr.  Dcsh.pl.  15,  6—8  glaubt  man  an  den 
5  markirten  Kielen  und  an  der  Art  zu  erkennen,  wie  die  Um- 
gänge an  einander  schliessen. 

Fundort:  Assiüt. 

T.  uniangularis  Desh.  pl.  40  Fig.  28,  29  ist  nicht  selten  am 
Mokattam. 

Fundort :  Mokattam. 


-    293    — 

Ausser  diesen  4  Arten  wimmelt  es  von  Steinkernen,  welche 
auf  weitere  Arten  hinweisen,  die  ich  jedoch  nicht  zu  bestimmen 
wage.     Bellardi  nannte  eine  Art  T,  egyptiaca. 

Voluta  labiella  Lam.  Desh,  pl.  91,  2 — 6.  Die  Stein- 
kerne von  conusartiger  Gestalt  mit  4 — 5  inneren  Spindelfalten 
sind  gar  nicht  selten.  lieber  die  Identität  der  egyptischen  und 
französischen  Art  könnte  man  zwar  streiten,  da  Steinkerne 
überhaupt  wenig  zu  sicheren  Bestimmungen  sich  eignen,  doch 
stehen  beide  jedenfalls  nach  Form  und  Grösse  sich  sehr  nahe. 

Fundort:  Mokattam  untere  Steinbrüche. 

Mitra  turriculata  Schafh.  Leth.  bavar.  52,  4.  Die  Ge- 
stalt und  Grösse  dieses  Kressenberger  Steinkerns  stimmt  voll- 
ständig mit  denen  des  Mokattam  überein. 

Fundort:  Mokattam  oben  und  am  Fuss  der  Pyramiden. 

Anneliden.  • 

Vioa  Cerithii  Frs.  Tab.  VI,  Fig.  2.  Vioa  nannte 
Nardo  in  Venedig  die  bohrenden  Anneliden,  die  in  der  Kalk- 
schale der  Muscheln  leben,  sich  innerhalb  derselben  Höhlungen 
von  verschiedener  Form  und  Grösse  schaffen  und  von  diesen  aus 
feine  runde  Oeffnungen  zur  Aussenfläche  der  Schale  bohren, 
um  durch  dieselben  die  verarbeiteten  Kalkschalen  hinauszu- 
schaffen. Er  stellte  sie  wie  auch  Michelin  zu  den  Zoophyten 
(cf.  Michelin  Iconogr.  zoophyt.  pag.  322),  wovon  jedoch  keine 
Rede  sein  kann.  In  2  Arten  bildet  er  die  Oberfläche  von  Mu- 
schelschalen ab,  aber  ebendamit  nur  die  kreisrunden  Abzugs- 
schläuche;  die  eigentliche  Wohnung  des  Thiers  beschreibt  er 
nicht,  die  man  erst  nach  vorsichtigem  Absprengen  der  Kalk- 
^  schale  zu  sehen  bekommt.  Jene  runden  Oeffnungen  kennt 
sicherHch  Jedermann,  je  dicker  die  Schalen  von  Muscheln  sind, 
um  so  reicher  sind  sie  an  diesen  Parasiten,  selten  aber  wird  es 
gelingen,  in  so  glücklicher  Weise  deren  Höhlungen  zu  sehen  als 
an  den  Schalen  des  Cerith.  giganteum  in  den  Steinbrüchen  des 
Mokattams.  Die  Schale  ist  nemlich  hier  durch  eigenthümlichen 
Umwandlungsprocess  in  Cölestin  übergeführt,  dessen  Blätter- 
bruch M.  sogar  auf  der  Aussenseite  der  Schale  einspiegelt.    Diese 


-    294    — 

Cölestiue  shid  von  Kalkröhren  durchzogen,  die  von  Zeit  zu  Zeit 
anschwellen  und  neue  Röhren  seitlich  entsenden.  Die  Röhren 
sind  mit  demselben  Kalk  ausgefüllt,  welcher  die  Schnecke  selber 
angefüllt  hat.  Die  Cölestine  springen  sehr  leicht  von  dem 
Steinkeru  der  Sehnecke  ab  und  lassen  sich  auch  zwischen  den  Röh- 
ren mit  der  Nadel  vorsichtig  absprengen,  so  dass  diese  biosgelegt 
werden  köunen.  Die  Oberschale  ist  wie  von  Nadelstichen  durch- 
bohrt, jedoch  ohne  Ordnung,  das  einemal  sind  die  Punkte  ge- 
drängter, das  anderemal  weiter  auseinander  (siehe  unsere  Figur). 
Jede  Oeffnung  führt  alsbald  durch  ein  dünnes  Röhrchen  in  eine 
erweiterte  Höhlung.  Die  oberste  Höhlung  sendet  eine,  wohl  auch 
zwei  Seitenröhrchen  ab,  die  nach  kurzem  Zwischenraum  wieder 
zu  einer  Höhlung  anschwellen  und  zugleich  eine  Hauptröhre  ins 
Innere  der  Schale.  Auch  hier  schwillt  sie  wieder  zur  Höhlung 
an,  bildet  an  den  dickeren  Stellen  der  Schale  noch  eine  dritte 
Höhlung,  um  von  da  in  einem  ähnlichen  feinen  Abzugsrohr  die 
innere  "Wandung  der  Schale  zu  durchbohren. 

Die  Pariser  Cerithien  zeigen  in  auffälliger  Uebereinstimmung 
dieselbe  Erscheinung,  die  Deshayes  in  der  Zeichnung  seiner 
Tafeln  nicht  entgangen  ist,  deren  er  aber  im  Text  keinerlei 
nähere  Erwähnung  thut.  Es  hält  jedoch  bei  der  Härte  der 
Schale  ausserordentlich  schwer,  mit  dem  Messer  Präparate  zu 
machen.  Nur  durch  Anschleifen  gelingt  es,  die  Höhlungen  des 
Thiers  bloszulegen,  das  aber  in  Damery  und  Parncs  die  gleiche 
Minirarbeit  trieb,  wie  am  Mokattam. 

Crustaceen. 

Lobocarcinus  Paulino - Württembergicus  von  Mey. 
Bp.  Reuss  1857. 

Cancer  Paulino   Würfembergensis  Mey.  1851. 

Carpilius  of  thc  egyptian  desert.     Orlebar  1845. 

Trotz  der  Häufigkeit  seines  Vorkommens  ist  dieser  ausge- 
zeichnete Krabbe  noch  sehr  mangelhaft  beschrieben,  so  dass  ein 
genaueres  Eingehen  auf  diese  schöne  Art  und  die  Widmung  einer 
eigenen  Tafel  gerechtfertigt  sein  wird.  Unbegreiflicherweise  ist 
Russegger  dieses  Fossil  entgangen,  also  dass  in  Europa  die  erste 


-    295    - 

Publication*j  erst  sehr  späterfolgte,  1847 — 51  auf  Grund  zweier 
höchst  unvollständiger  Stücke,  die  Herzog  Paul  von  Württemberg 
aus  Afrika  mitgebracht  hatte ,  dem  zu  Ehren  Meyer  den  Namen 
gab.  Vorher  hatte  Orlebar**)  in  Bombay  den  Krebs  sehr  kennt- 
lich abgebildet  und  kurz  beschrieben  als  ^Carpilius  aus  der 
egyptischen  "Wüste".  Sein  abgebildetes  Stück  misst  0,07  Millim. 
in  der  Länge,  0,130  in  der  Breite  und  gehört  zu  den  grössten 
Formen  des  Mokattams.  Das  von  Meyer  1847  beschriebene  ^ 
misst  nur  0,059  in  der  Länge,  0,092  in  der  Breite  und  0^023  in 
der  Höhe.  Obgleich  Meyer  auch  noch  ein  Exemplar  (5)  von 
Mannheim,  und  einige  Stücke  aus  der  Zschokke'sehen  Sammlung 
in  Aarau  zur  Verfügung  hatte,  so  war  doch  an  den  Exemplaren 
von  Scheeren,  Füssen,  Maul,  Kieferfüssen  u.  dergl.  nichts  zu 
sehen,  so  dass  Reuss  ***j  nach  seinen  4  vorliegenden  Exemplaren 
1857  die  Meyer'sche  Beschreibung  wesentlich  vervollständigen 
konnte.  Unter  diesen  4  Stücken  sind  3  Männchen  von  0,078 
bis  0,080  Länge  und  0,115  bis  0,120  Breite.  Ein  Weibchen  ist 
nur  0,048  lang  und  0,076  breit.  Doch  auch  diese  Beiträge  lassen 
noch  vieles  zu  wünschen  übrig.  Zum  Zweck  einer  vollständigen 
Beschreibung  musste  ein  noch  viel  umfassenderes  Material  ge- 
sammelt werden  und  zwar  an  Ort  und  Stelle.  Unter  der  Hand 
des  Arabers  fallen  die  Fossile  selbstverständlich  mehr  oder  minder 
beschädigt  und  zerbrochen  aus  den  Steinen,  es  handelte  sich 
daher  darum ,  dieselben  mitsammt  dem  umgebenden  Gestein  zu 
sammeln  und  sie  zu  Hause  mit  Müsse  zu  präpariren.  Glück- 
licherweise sind  sie  im  untern  Mokattamsteinbruch  hinter  den 
Kalifengräbern  bei  Cairo  so  häufig,  dass  ich  auf  wenigen  Gängen 
einige  Duzende  sammeln  konnte.  Ein  sehr  vollständiges  Exem- 
plar danke  ich  Hrn.  Dr.  Reil  in  der  Abassie,    zwei  andere  sehr 


*)  Dunker  und  Meyer,  Paläontogr.  I.  2.  Lief.  1847. 
**)  Some  observations  on   the  Geology  of  the  Egyptian  Desert  by 
A.  B.  Orlebar  Journal  of  the  Bombay  1845. 

***)  Zur  Kenntniss   foss.  Krabben.     Denkschr,  d.  "Wiener  Akade- 
mie 17.  1859.  p.  38. 


—    296    — 

schöne  Stücke  hatte  schon  1859  Herr  Th.  y.  Heuglin  unserer 
Sammlung  geschenkt. 

Auf  Grund  dieser  Exemplare  geben  wir  auf  Taf.  V  einige 
Beiträge  zur  genaueren  Kenntniss  unseres  Krabben, 

1)  Der  Cephalothorax.  Derselbe  misst  an  unserem  grössten 
Exemplare  ^  0,075  in  der  Länge,  0,125  in  der  Breite,  0,024  in 
der  Höhe.  Drei  andere  Stücke,  gleichfalls  5  messen  0,070  in  der 
Länge  und  0,120  in  der  Breite.  Ein  Duzend  weiterer  Männchen 
messen  —  die  nur  wenige  Millimeter  diflferirenden  Maasse  gegen- 
einander ausgeglichen  —  0,064  in  der  Länge,  0,108  in  der 
Breite. 

Die  Schalen  der  Männchen  erkennt  man  bei  einiger  Uebung^ 
bald  schon  an  der  Oberseite,  welche  entschieden  flacher  und 
glatter  ist,  als  die  der  Weibchen.  Der  Thorax  des  Weibchens 
ist  gewölbter,  als  es  bei  irgend  einem  Männchen  der  Fall  ist 
und  ausserdem  durch  die  Warzen  und  Erhöhungen  bezeichnet, 
welche  höher  und  auffälliger  sind  als  am  männlichen  Thorax. 
Unser  grösstes  Weibchen  misst  0,058  in  der  Länge,  0,104  Inder 
Breite,  0,038  in  der  Höhe.  Die  gewöhnliche  Grösse  ist  jedoch 
geringer  und  durchschnittlich  die  des  Fig.  9,  ab  abgebildeten 
Exemplars.  Eine  Anzahl  Stücke  9  niessen  0,055  in  der  Länge 
und  0,090  in  der  Breite.  Das  kleinste  vor  mir  liegende  9  sogar 
nur  0,045  in  der  Länge,  0,072  in  der  Breite. 

Noch  kleinere  Exemplare  gehören  offenbar  jungen  Individuen 
an,  was  man  schon  der  schlecht  erhaltenen  weichen  Schale  an- 
sieht. Das  überhaupt  kleinste  Stück  ist  nur  0,035  lang  und 
0,058  breit,  das  somit  bereits  das  gleiche  Verhältuiss  der  Länge 
zur  Breite  zeigt,  wie  auch  die  ausgewachsenen  Schilder  der 
Männchen  wie  der  Weibchen. 

Die  Stirngegend  des  Ccphalthorax  (Fig.  4)  betreffend  ist 
in  erster  Linie  die  Bemerkung  von  Rcuss,  der  Stirnrand  sei  mit 
vier  spitzigen  Zähnen  besetzt,  dahin  abzuändern,  dass  sechs 
solcher  Zähne  vorhanden  sind.  Zwei  dieser  Zähne  sind  kleiner 
und  verstecken  sich  leicht  im  Gestein ,  so  dass  in  diesem  Fall 
nur  4  sichtbar  sind.  Bei  sorgfältiger  Reinigung  werden  jedoch 
sicherlich  immer  6  Spitzen  zu  Tage  treten,  je  3  und  3  in  einen 


-     297    — 

kleinen  Bogen  zusammengestellt,  in  welchen  sich  die  Antennen 
legen.  Im  Anschluss  an  die  3  Spitzen  der  Stirne  umgibt  ein 
hervorstehender  eckiger  Augenbrauenrand  die  Augenhöhle,  in 
welchem  theilweise  noch  die  Reste  eines  gestilten  Auges  liegen. 
Der  Augenbrauenrand  ist  in  2  ungleiche  Theile  getheilt,  der 
grössere  derselben,  welcher  der  Stirne  zunächst  liegt,  hat  3 — 4 
zarte  Höcker,  der  kleinere,  der  Lebergegend  zugewandte,  hat  Eine 
Hauptspitze  und  eine  kleine  Nebenspitze.  Wenden  wir  den 
Thorax  um  und  sehen  ihn  von  unten  an  Fig.  5,  so  legt  sich  das 
Epistoma  als  ein  kleines  Züngehen  vor  die  Scheidewand  der  An- 
tennen. Rechts  und  links  von  ihm  liegt  die  Basis  der  inneren 
Antennen,  und  dann,  getrennt  durch  ein  weiteres  dreieckiges 
Plättchen,  die  Basis  der  äusseren  Antenne.  Von  diesen  selbst 
ist  nur  einmal  ein  Fetzen  erhalten. 

Auch  die  Maulgegend  ist  in  Fig.  5  abgebildet.  Das  Präparat 
wurde  durch  vorsichtiges  Absprengen  der  Kieferfüsse  erhalten, 
um  auf  den  Grund  der  Unterseite  des  Brustschildes  zu  kommen, 
und  zeigt  am  oberen  Rande  das  Epistoma  und  das  Paar  Schild- 
plättchen  an  der  Basis  der  Antennen,  darunter  einen  Xförmigen 
Mundspalt,  der  durch  zwei  gleiche,  einander  gegenüberliegende 
dreieckige  Platten  gebildet  ist  und  zwei  ungleiche,  die  in  der 
Richtung  der  Längenaxe  liegen.  Unterhalb  des  Mundspaltes 
beobachtet  man  noch  2  härtere,  in  Kalkspat  umgewandelte  Kie- 
ferplatten. Alle  diese  Organe  sieht  man  nur,  wenn  man  sich 
entschliesst,  die  Kieferfüsse,  die  z.  B.  Fig.  9,  6  noch  sichtbar  sind, 
mit  der  Nadel  wegzunehmen.  Der  äussere  Ast  des  Kieferfusses 
legt  sich  nie  an  den  innern  glatt  an,  sondern  steht  aufrecht  auf 
dem  Basilartheil,  der  innere  aus  2  Artikeln  bestehende  Ast  da- 
gegen birgt  sich  gegen  die  Mediane  desThiers;  den  beweglichen 
Finger  konnte  ich  jedoch  leider  nie  beobachten,  er  scheint  von 
weicherer  Substanz  gewesen  zu  sein  und  somit  keinen  richtigen 
Versteinerungsprocess  durchgemacht  zu  haben. 

2)  Das  Abdomen  des  männlichen  Krabben  hat  Reuss  1.  c. 
T.  VI  F.  2  abgebildet  und  die  6  Segmente  genau  beschrieben,  dass 
hierüber  nichts  Weiteres  zu  sagen  ist,  dagegen  wurde  bis  jetzt 
das  Abdomen  des  Weibchens  noch  nie  abgebildet.    Ich  liess  es 


—    298    - 

daher  Fig.  9,  b.  genau  darstellen.  Die  4  ersten  Segmente  sind 
gleich  hoch,  nehralich  je  3  Millimeter  und  werden  breit  von  10 
zu  14  Millim.  Das  5te  Segment  kommt  dem  5ten  des  Männchens 
am  nächsten,  oder  unterscheidet  sich  vielmehr  gar  nicht  von  dem- 
selben, dagegen  übertrifft  das  letzte,  sechste  an  Grösse  wie  an 
Gestalt  das  entsprechende  Glied  am  Männchen.  Die  Gesammt- 
länge  des  Hinterleibs  beträgt  35  Millim.,  während  der  eines  un- 
geßihr  gleich  grossen  Männchens  nur  25  Millim.  misst.  In 
Fig.  10  sieht  man  das  vom  Abdomen  befreite  weibliche  Sternum, 
in  welches  sich  der  Hinterleib  hineinlegt.  Der  Unterschied 
zwischen  Männchen  und  Weibchen  ist  nur  der,  dass  bei  diesem 
das  Sternum  bis  zum  ersten  Sternalring  vom  Hinterleib  bedeckt 
ist,  während  bei  jenem  das  Sternum  vom  Iten  bis  3ten  Ring 
frei  vor  Augen  liegt.  Sprengt  man  nun  beim  Weibchen  mit 
Vorsicht  den  Hinterleib  vom  Sternum  ab,  so  sieht  man  zwischen 
dem  4ten  und  5ten  Sternalring  3  kleine  rundliche  Oeffnungen, 
die  Eileiter,  von  denen  2  seitlich,  eine  grössere  in  der  Median- 
linie liegt. 

3)  Die  Füsse  und  Scheeren  waren  weder  H.  v.  Meyer  noch 
Reuss  bekannt,  schliessen  sich  übrigens  enge  an  das  lebende  Ge- 
schlecht Carpilius  an.  Vom  Kieferfusspaar  war  bereits  die  Rede, 
dessen  Basilartheil  sich  an  den  ersten  Ring  des  Sternums  legt. 
Dieses  Basilar  legt  sich  zwischen  die  Sternalseite  des  Thorax 
und  das  Sternum  hinein  und  bildet  die  Basis  sowohl  des  äusseren 
Astes,  als  des  zweiten  Artikels  des  inneren  Astes. 

Anschliessend  an  das  Basilare  des  Kieferfusses  fügen  sich 
der  Reihe  nach  die  Basilartheilc  der  5  Paar  Füsse  an,  unter 
denen  nur  das  erste  Paar  ein  Scheerenpaar  ist.  In  Fig.  4  ist 
das  Scheerenpaar  von  oben  zu  sehen  mit  seinen  Dornen  und 
Warzen  an  Finger,  Hand  und  Vorderarm,  während  Fig.  G  eine 
einzelne  vollständige  Scheere  von  der  Unterseite  aus  sehen  lässt. 
Der  Scapulartheil  des  Schcerenfusses  ist  dessen  erstes  Glied,  in 
dieses  fügt  sich  der  Trochanter  mit  2  Charnicrplättchen,  der 
Arm  ist  kurz  und  kräftig,  dessgleichen  der  Vorderarm.  Das 
grössto  und  stärkste  Glied  ist  jedoch  die  Hand.  Auf  der  Uuter- 
resp.  Innenseite   ist   die   Schale   sämmtUcher   Thcile   des   Fusses 


—    299    — 

glatt,  die  Ober-  oder  Aussenseite  mit  einer  Eeihe  spitziger 
Dornen  besetzt.  Die  beiden  Finger,  der  bewegliche  wie  der 
unbewegliche,  tragen  auf  der  Innenseite  8 — 9  abgerundete  Höcker. 
Die  4  übrigen  Füsse  (Fig.  8)  sind  dem  Scheerenfuss  gegenüber 
von  verschwindender  Grösse,  die  letzten  Glieder  einfach,  wie  bei 
CarpUlus.  Ihre  Präparation  kostet  viele  Mühe,  da  sie  sich  gleich  im 
Gestein  verstecken,  daher  auch  bisher  noch  nicht  gekannt  waren. 

lieber  die  Oberfläche  des  Schildes  und  Beschaffenheit  der 
in  milchweissem  Zustand  befindlichen  Schale  ist  nur  noch  beizu- 
fügen, dass  dieselbe  über  und  über  mit  dem  feinsten  punctirten 
Chagrin  überzogen  ist,  der  an  den  warzenförmigen  Erhöhungen 
sich  häuft,  wie  solches  an  Fig.  7  unter  der  Loupe  gezeichnet 
ist.  An  den  beiden  Exemplaren  4  und  9  sind  die  grösseren 
Warzen  und  Dornen,  auch  die  beiden  stilförmigen  am  Hinter- 
ende des  Schildes  sehr  genau  nach  Form  und  Zahl  erkennbar. 

Fundort:  Der  untere  Steinbruch  am  Mokattam  hinter  den 
Kalifengräbern  östlich  Cairo, 

Lobocarcinus  Cairensis  Frs.  Taf.  HI,  Fig.  1  —  3. 
Ein  Blick  auf  die  Zeichnung  genügt,  um  die  Uebereinstimmung 
des  Geschlechtes,  aber  die  Verschiedenheit  der  Art  zu  erkennen. 
Der  Krebs  ist  um  mehr  als  das  Doppelte  breiter  als  lang,  er 
misst  nämlich  54  Millim.  in  der  Länge  und  128  Millim.  in  der 
Breite.  Der  gezahnte  Rand,  der  Reuss  zur  Aufstellung  des 
Geschlechtes  Lobocarcinus  Anlass  gab,  ist  von  dem  des  L.  Paulino- 
Württembergicus  wenig  verschieden.  Nur  in  der  Kiemengegend 
weicht  die  Stellung  und  Form  der  Dornen  ab.  Es  hängt  diess 
mit  der  Höhe  des  Thorax  zusammen,  die  beim  Paulino-Würt- 
tembergicus  am  Anfang  der  Herzgegend  am  grössten  ist.  Der 
Hinterrand  des  Thorax  und  der  Dornenrand  fallen  hier  nicht 
wie  bei  L.  cairensis  zusammen,  vielmehr  fällt,  wie  Reuss  und 
Meyer  diess  gezeigt  haben,  die  hintere  glatte  Gegend  steil  von 
dem  Dornenrand  zum  Hinterende  des  Thorax  ab. 

Die  Oberfläche  der  Schale  bietet  bei  L.  cairensis  ein  ganz 
anderes  Bild  als  hei  Paulino  -  Württembergicus,  indem  Herz  und 
Bauchgegend  durch  tiefe  Rinnen  umzeichnet  sind  und  spitze 
"Warzen  die  einzelnen  Gegenden  scharf  markiren.    Dadurch  tritt 


-    300    — 

bei  Coirensis  eine  ganz  bestimmte  Zeichnung  von  Vertiefungen 
und  Erhabenheiten  zu  Tage,  deren  Schönheit  durch  die  ausser- 
ordentlich feine  und  zarte  Punctation  der  Schale  noch  erhöht  ist. 

Fig.  2  lässt  die  Scheerenballen  mit  dem  beweglichen  Finger- 
von  aussen  sehen,  der  dem  gleichen  Individuum  angehört. 
Sämmtliche  Dornen  sind  schlanker  und  spitziger  und  neben  der 
oberen  Reihe  lauft  in  der  Mitte  des  Ballens  eine  zweite  mit 
feineren  vornen  her,  die  Höcker  auf  der  Innenseite  der  Finger 
sind  klein,  aber  spitz,  nicht  abgerundet,  wie  in  Fig.  6. 

Dass  auch  die  Füsse  wesentlich  verschieden  und  viel  grösser 
sind,  als  bei  der  verwandten  Art,  zeigt  Fig.  3,  in  welcher  eine 
Sternumhälfte  mit  der  Basis  der  5  Füsse  abgebildet  ist.  Die 
Füsse  selber  sind  breit  und  kräftig,  leider  aber  das  äussere 
Fingerglied  nicht  erhalten. 

Fundort:  Bihr  el  Fachmeh. 

Atergatis  Boscii  Desmar. 

Paläocarpüius  macrocheilus  Milne  Edw. 

Brachyurites  antiquus  Schi. 

Mit  Recht  nennt  man  diesen  Krabben  einen  tertiären  Kos- 
mopoliten, denn  er  ist  an  aller  Welt  Enden  das  Hauptfossil 
der  Nummulitenetage.  Allerdings  am  Mokattam  nicht  häufig, 
aber  doch  vorhanden.  Wenn  Reuss  loc.  cit.  pag.  35  sagt: 
das  Schlotheim'sche  Originalexemplar  soll  zwar  nach  dessen  aus- 
drücklicher Versicherung  aus  den  Bausteinen  der  egyptischen 
Pyramiden  stammen,  die  vollkommene  Uebereinstimmung  mit 
den  vicentinischen,  sowie  der  Umstand,  dass  seither  aus  Egypten 
nichts  weiter  bekannt  geworden,  machen  es  sehr  wahrscheinlich 
dass  in  Betreff  des  Fundorts  eine  Täuschung  unterlaufen  und 
auch  das  Schlotheim'sche  Exemplar  bei  Vicenza  gefunden  —  so 
ist  diese  Annahme  unrichtig  und  dagegen  Schlotheims  Angabe 
vollständig  gerechtfertigt. 

Fundort:  Baustein  am  Mokattam, 

Callianassa  macrodactyla  Milne  Edw. 
„  prisca  Milne  Edw. 

„  nilotica  Jahresh.  Taf.  III,  Fig.  11. 

Deren  nähere  Beschreibung  siehe  oben  pag.  259. 


—    301    - 

2.    Das  miocene  Gebirge. 

Droben  in  Oberegypten  zwischen  den  Königsgräbern  von 
Theben  und  den  Tempelresten  von  Luqsor  steht  mitten  im  Klee- 
feld und  den  Waizenäckern  „das  Memnonsbilderpaar,  das  traurig- 
holde, das  seit  Jahrtausenden  im  jungen  Golde  vom  Erstlings- 
kuss  der  Morgensonne  tönt."  Es  sind  die  beiden  Bildsäulen 
von  Amenopht  und  Ramses,  das  Gesicht  dem  Aufgang  der  Sonne 
zugewandt,  zwei  Monolithe  von  70  Fuss  Höhe,  am  Postament 
17  Fuss  allweg  messend.  Der  Stein  ist  ein  kieseliger  braun- 
rother  Sandstein,  klingendhart  *),  und  stammt  ohne  allen  Zweifel 
aus  dem  Djebel  Achmar  bei  Cairo.  (Wenigstens  muss  Jeder, 
der  die  Achmarsteine  mit  dem  Gestein  der  beiden  Monolithe 
vergleicht,  beide  für  identisch  erklären.)  Es  ist  der  Mühlstein, 
der  auch  im  Becken  von  Paris  das  Hangende  des  dortigen  Eo- 
cenen  bildet,  dessen  Auflagerung  auf  die  Schizasterbank  im  Mo- 
kattam  bei  jeder  Excursion  im  Osten  des  Gebirges  beobachtet 
werden  kann  und  am  Djebel  Achmar  eine  besonders  mächtige 
Entwicklung  gefunden  hat.  Von  einer  vulcanischen  Einwirkung 
auf  den  Berg,  wie  Russegger  wegen  der  ,, rothgebrannten,  ver- 
glasten" Gesteine  wähnt,  ist  natürlich  entfernt  keine  Rede.  Denn 
in   vollständig   horizontalen   Bänken   lagern   die   Sandsteine   auf 


*)  Der  Stein  klingt  unter  dem  Hammer  wie  eine  Solnhofer  Platte. 
Der  nördlich  stehende  Koloss  ist  die  berühmte  klingende  Statue,  an 
welchen  die  Griechen  die  liebliche  Sage  vom  schönen  Memnon  knüpften, 
der  alle  Morgen  bei  Sonnenaufgang  seine  Mutter  Aurora  begrüsste. 
Nach  Letronne  bildet  sich  die  Sage  erst  27  a.  C,  als  die  Statue  bei 
einem  Erdbeben  zersprang.  Jetzt  klafft  sie  weit  und  ist  durch  Unter- 
bau und  Einbau  nur  nothdürftig  geflickt.  14  Fuss  tief  steckt  sie  im 
Saatfeld.  Ein  Schlingel  von  Beduinen-Junge  klettert,  so  oft  F'remde 
kommen,  an  dem  tiefen  Sprung  in  dem  Koloss  bis  in  Brusthöhe  des 
sitzenden  Königs  hinan  und  lässt  durch  Anschlagen  mit  einem  Hammer 
oder  Beil,  das  er  dort  versteckt  hält,  gegen  ein  Trinkgeld  die  Säule 
tönen !  '  Hatte  wohl  das  Tönen ,  das  durch  eine  Menge  griechischer 
und  römischer  Inschriften  am  Fuss  der  Säule  bezeugt  ist,  damals  schon 
in  einer  derartigen  Manipulation  seinen  Grund  ? 


—    302    — 

den  Kalkmergeln ,  die  denn  auch  seit  vielen  Jahrtausenden  für 
die  verschiedenartigsten  Zwecke  ausgebrochen  wurden.  Diese 
Steinbrucharbeiten  im  Achmar,  na'mentlioh  jene  altegyptischen, 
w^elche  alsbald  Monolithe  von  80,000  Cubikfuss  dort  hoben,  ha- 
ben dem  Achmar  eine  Gestalt  gegeben,  die  auf  den  ersten  Blick 
an  einen  ausgebrannten  Krater  erinnert.  Der  Haldensturz  mit 
seinen  schwarzbraunen,  glasartigen  Sandsteinblöcken  gleicht  dem 
des  Vesuvs  und  ist  es  zum  Mindesten  ebenso  beschwerlich, 
über  denselben  zum  Eand  hinanzuklettern.  Von  da  geht  es  in 
den  ausgebrochenen  Steinbruch  hinab,  den  man,  ohne  die  Phan- 
tasie sehr  in  Anspruch  zu  nehmen,  einem  Krater  vergleichen 
mag. 

Auf  dem  Wege  von  der  Abbasseye  bei  Cairo  zum  Djebel 
Chascab,  der  mit  zu  den  lohnendsten  Excursionen  von  der 
Stadt  aus  gehört,  lässt  man  die  Schutthalden  des  Achmar  rechts 
liegen  und  reitet  in  der  Ebene,  beiläufig  auf  der  Grenze  zwi- 
schen Eoeen  und  Miocen,  eine  Stunde  lang  gegen  Osten.  Eine 
enge  Schlucht  bildet  hier  den  Eingang  zu  einer  kleinen  Oase, 
bestehend  aus  einer  einsamen  Sykomore  und  einigen  mageren 
Pflanzen  aus  der  Familie  der  Asclepias  und  des  Ginsters.  Die 
Quelle  heisst  natürlich  auch  „Ain  Musa*^,  wie  es  wohl  überhaupt 
zwischen  dem  Nil  und  dem  Sinai  keinen  Quell  gibt,  der  nicht 
Mosis  Namen  trüge.  An  der  linken  Seite  der  Schlucht  stehen 
gelbbraune,  stark  gesalzene  Kalkmergel  an,  einige  Fuss  mäch- 
tig, aus  denen  man  mit  leichter  Mühe  Knochen  und  Schilder 
herausgrubelt.  Man  erkennt  die  starken  Eippen  von  Cetaceen, 
ähnlich  dem  Halitherium^  unserer  deutschen  Molasse  und  Schil- 
der von  Chelydra.  Letztere  hat  sehr  viel  Aehnlichkeit,  soweit 
ich  nach  den  Bruchstücken  urtheilen  kann,  die  ich  auf  einer  Ex- 
cursion  zu  mir  steckte,  mit  Chelydra  MurcMsoni  v.  Mey., 
die  im  schwäbischen  Tertiär,  z.  B.  in  Steinheim,  so  schön  ge- 
funden wird.  Ueber  diesem  Mergelgebirge  mit  G}'psschnüren 
durchsetzt  und  von  Fasersalz  durchdrungen  wird  das  Gebirge 
sandig  und  kieselig,  roth  gefärbt  und  beginnt  der  Horizont  der 
verkieselten  Holzstämme. 

Seit  den  Zeiten  der  napoleonischen  Expedition  ist  der  „ver- 


-    303    - 

steinerte  Wald  bei  Cairo",  wie  man  in  Handbüchern  und 
Keisebüchern  die  Locaiitcät  des  Djebel  Chascab  nennt,  zu  einem 
"Wunder  Egyptens  geworden ,  zu  dem  jeder  Reisende  pilgert. 
Von  Cairo  sind  es  1^2  Stunden  Kameelzeit;  Dragomana,  Frem- 
denführer und  Eselsbuben  dringen  in  jeden  Reisenden,  das 
"Wunder  zu  besehen,  das  je  nachdem  den  Einen  überrascht  und 
höchlich  befriedigt,  den  Andern  aber  enttäuscht.  Hunderte  von 
zerbrochenen  Weinflaschen  und  zerrissenen  Conservebüchsen, 
die  zwischen  den  Kieselstämmen  des  versteinerten  Waldes  zer- 
streut liegen,  zeugen  jedenfalls  von  dem  zahlreichen  Zuspruch, 
den  der  Wald  Seitens  der  Europäer  gefunden,  und  der  rück- 
sichtsvollen Fürsorge  der  Führer  und  Gastwirthe,  ihre  Gast- 
freunde  keinen  Mangel  leiden  zu  lassen  in  der  Wüste.  Der 
Eindruck,  den  der  Djebel  Chascab  auf  mich  machte,  war  der- 
selbe, den  ein  mitteldeutsches  Braunkohlenflötz  macht.  Zahl- 
reiche gewaltige  Stämme  eines  Balsambaumes  liegen  die  Kreuz 
und  die  Quer  im  Sand,  beziehungsweise  in  dem  Liegenden  des 
miocenen  Sandsteingebirges.  Nach  Unger  gehören  die  zahlrei- 
chen Proben,  die  ihm  Reisende  aller  Art  zur  Untersuchung  ge- 
bracht haben,  nur  Einer  Art  an,  die  er  Nicolia  egyptiaea*) 
nennt.  Der  anatomische  Charakter  dieses  Holzes  ist  folgender: 
Jahresringe  fehlen,  das  Holz  aus  Prosenchym-  und  Parenchym- 
zellen  in  mannigfaltiger  Vertheilung,  diese  dick-  und  dünnwan- 
dig. Getüpfelte  Gefässe  zerstreut,  mit  Zellen  erfüllt,  einzeln 
oder   zu   mehreren  vereint,   kurzgliederig.     Die  Tüpfeln  behoft, 


*)  Cf.  Sitzungsb.  d.  kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  33 ,  pag.  299. 
Obgleich  auf  den  ersten  Blick  am  Querbruch  der  Stämme  eine  concen- 
trisehe  Streifung  scheinbar  Jahresringe  der  Hölzer  erkennen  lässt,  so 
stellt  sich  bei  den  Schliffen  doch  heraus,  dass  diese  scheinbaren  Ringe 
nur  Folge  der  Pressung  sind,  indem  gequetschte  und  normalbeschaffene 
Holzschichten  mit  einander  abwechseln.  —  Durch  H.  v.  Heuglin  erhielt 
Unger  (Sitzungsbericht  vom  12.  Juli  1866)  die  vollständig  gleiche  Art 
fossilen  Holzes  aus  Woro-Heimano  unfern  der  Festung  Magdala,  etwas 
nördlich  von  Schoa  und  dem  Wollo-Galla-Land  aus  einer  Höhe  von 
ungefähr  10,000  Fuss  über  dem  Meer.  Basalte,  Pechsteine  und  heisse 
Quellen  sind  dort  in  der  I^ähe. 


-    304    - 

an  allen  Wänden  gleich  oder  an  den  äussern  Wänden  ohne 
Höfe,  Markstrahlen  verlängert  aus  1 — 4  nebeneinanderliegenden 
Reihen  Parenchymzellen.  Die  Yergleichung  mit  lebenden  Höl- 
zern zeigt,  dass  die  Gefässe  von  Stercidea  und  Astrapaea-Arien 
ebenso  gruppirt  sind,  und  hält  es  Unger  nicht  für  zu  gewagt, 
das  Holz  der  NicoUa  als  einer  Büttneriacee  oder  Sterculiacee 
angehörig  zu  betrachten. 

Diese  Nicolienstämme  liegen  nun  nicht  etwa  zu  Duzenden 
oder  gar  zu  Hunderten,  sondern  vielmehr  in  Wahrheit  zu  Tau- 
senden in  der  Wüste  Chascab  zu  Tage.  Wo  der  Sandstein 
verwitterte  und  im  Laufe  der  Zeiten  das  Material  für  den  Wü- 
stensand abgab,  da  witterten  zugleich  aus  den  Sandbänken,  darin 
sie  als  in  ihrem  Flötze  lagen,  die  verkieselten  Stämme  heraus 
und  decken  über  2 — 3  Meilen  hin  im  „kleinen",  noch  weit  mehr 
aber  im  „grossen"  Chascab  die  Oberfläche.  Die  Touristen  be- 
suchen nur  den  kleinen  versteinerten  Wald,  der  grosse  liegt 
7  Stunden  östlich  Cairo  und  beansprucht  dessen  Besuch  eine 
starke  Tagereise.  Hier  erst  kann  man  im  vollsten  Sinne  von 
einem  „gefällten  Walde"  reden.  In  der  Nähe  des  Bihr  el  Fach- 
meh  liegt  die  Wüste  in  Wahrheit  so  voll  Baumstämmen,  dass 
ausser  dem  feinen  Saud  der  Wüste  kein  anderer  Stein  mehr 
sichtbar  ist  als  der  Feuerstein,  in  welchen  die  Nicolien  verwan- 
delt sind.  Ich  mass  Stämme  von  1  Meter  Durchmesser  au  der 
Basis  und  20 — 30  Meter  Länge.  Für  Reisende,  denen  der  An- 
blick von  Kohlenflötzen  unbekannt  ist,  sind  das  überraschende 
Thatsachen,  über  welche  die  abenteuerlichsten  Phantasien  schon 
niedergeschrieben  worden  sind.  Der  Geognost  sieht  darin  nichts 
Anderes,  als  was  ihm  jede  Kohlengrube  aus  der  Miocenzeit  bie- 
tet, mit  dem  einzigen  Unterschied,  dass  sich  unter  den  Wassern 
Deutschlands  Kohlenstoff  und  Pflanzenfaser  erhielt,  während 
unter  dem  Einfluss  des  kieseligen  Sandsteins  im  Mokattam  die 
Holzfaser  sich  in  Kieselsäure  verwandelt.  Die  climatischen  Ver- 
änderungen aber,  welche  seit  der  Zeit  der  Miocene  mit  den 
Nilländern  vor  sich  gingen,  sind  offenbar  keine  andern,  als  die 
auch  innerhalb  Deutschlands   sich  bemerkbar   machen,   wo  Bai- 


—    305    — 

sampappeln   und  Cypressen  vorherrsclieud  das  Material  für  die 
deutsche  Braunkohle  lieferten. 

Ausserdem  stimmt  gar  Manches,  was  wir  im  heimatlichen 
Tertiär  zu  sehen  und  zu  finden  gewohnt  sind,  so  zum  Beispiel 
die  Aubohrung  der  alten  Schichten  am  Ufer  des  miocenen  Meers 
durch  die  Arbeit  der  Pholaden  und  ähnlicher  Minirer.  In 
Schwaben  macht  es  uns,  seit  wir  auf  der  grossen  geognostischen 
Laudeskarte  die  Grenzen  des  Ulmer  Tertiärs  zum  weissen  Jura 
der  Alb  festzustellen  bemüht  sind,  grosse  Freude,  in  ganz  be- 
stimmten Linien  das  alte  Meeresufer  eintragen  zu  können,  in 
Linien,  die  sich  aus  dem  Vorhandensein  von  Pholadenlöchern 
an  den  Felsen  des  Jura's  ergeben.  Wer  solche  besonders  schön 
sehen  will,  der  gehe  z.  B.  nach  Heldenfingen  oder  Altheim  auf 
der  Ulmer  Alb ;  am  Rande  der  tertiären  Ebene,  die  Ein  grosses 
Kornfeld  bildet,  erheben  sich  an  den  genannten  Orten  in  stei- 
lem Absturz  die  plumpen  Felsenkalke  des  weissen  Jura's.  Auf 
der  Seite  gegen  die  Ebene  sind  sie  gleich  den  Felsenklippen 
au  dem  Ufer  der  Meere  über  und  über  durchlöchert  und  durch- 
nagt, zum  unwiderstehlichen  Beweis,  dass  hier  einst  die  Fluth- 
marke  des  miocenen  Meeres  gewesen  und  diese  Felsen  zwischen 
Ebbe  und  Fluth  jenes  Meeres  gestanden.  In  den  Löchern  der 
Pholaden  steckt  Sand,  Schlamm  und  theilweise  die  Schalen  mi- 


Eocene  Bänke  von  Miocener  Sand  und  Schutt. 

Pholaden  angebohrt. 

Profil  hinter  den  Kalifengräbem  von  Cairo. 


ocener  Muscheln.  Die  Schalen  der  bohrenden  Muscheln  selber 
sind  dagegen  meist  verschwunden.  Ganz  die  gleiche  Geschichte 
vor  den  Thoren  von  Cairo.     Geht  man   vom  Bab  el  Nagr  über 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  3s  Heft.  20 


-     306    — 

die  Schutthügel  des  alten  Cairo  hin  zu  den  altberühmten  Grä- 
bern der  Kalifen,  diesen  muselmännischen  Heiligthümern  im 
edelsten  Saracenenstyl,  so  befindet  man  sich  bereits  mitten  in  der 
Sandwüste.  Einige  hundert  Schritte  hinter  den  Gräbern  erhebt 
sich  schwach  ansteigend  ein  Sandsteinhügel,  in  dem  man  bald 
den  Ursprung  des  Wüstensandes  erkennt.  Dasselbe  Korn,  die- 
selben gerollten  durchsichtigen  Quarze,  dieselben  farbigen  Kiesel, 
und  denselben  feinen  Staub  erkennt  man  in  der  Schichte,  die 
gelöst  den  AVüstensand  und  Wüstenstaub  bilden.  Kochsalz 
durchdringt  die  Schichten  durch  und  durch,  mit  dessen  Hilfe 
die  Schichte  an  ihrer  Oberfläche  stets  frisch  zersetzt,  von  \9el- 
cher  der  Wind  immer  frischen  Staub  und  Sand  wegfegt  und 
neuen  Flugsand  zu  dem  schon  vorhandenen  häuft.  Dieses  ge- 
salzene Sandgebirge  kennzeichnet  sich  bald  als  miocenes  Ge- 
birge durch  seine  Austern ,  Balanen  und  Schildigel  und  lagert 
an  die  Steilwände  des  Nummulitenkalkes  in  einer  Weise  an, 
dass  dessen  Felsriflfe  als  altes  Ufer  des  miocenen  Meeres  sich 
erkennen  lassen.  Die  ganze  hora  9  zerklüftete  Nummuliten- 
wand  ist  derart  von  Pholaden  und  Lithodomen  zernagt  und  de- 
ren Hohlräume  mit  miocenem  Sand  angefüllt,  dass  in  Wirklich- 
keit keine,  auch  nur  handgrosse  Platte  frei  bleibt',  welche  die 
Pholaden  sich  nicht  zu  ihren  Wohnungen  auserlesen  hätten. 
Die  Vergleichung  dieser  Pholadenlöcher  mit  denen  Schwabens 
lässt  keinen  Unterschied  bemerken;  ich  nehme  daher  keinen 
Anstand,  sie  geradezu  Pholas  riigosa  Broc.  zu  nennen,  wie 
wohl  unsere  schwäbische  Bohrmuschel  am  richtigsten  genannt 
wird.  Die  Löcher  sind  langgestreckt,  birnförmig;  die  grössten 
messen  18  Centim.  Länge  und  3 — 4  Centim.  Durchmesser;  ge- 
wöhnlich beträgt  der  Durchmesser  nur  1 — 2  Centim.,  ungefähr 
bei  Fingerslänge.  Von  den  Schalen  der  Bohrmuscheln  ist  auch 
hier  nichts  sichtbar,  dagegen  klebt  hart  am  Nuramulitcnfels  eine 
Trümmerschichte  von  Muschelschalen  und  Quarzsand,  wie  man 
heutzutage  noch  am  Fasse  von  Felsenklippen  die  Trümmer  von 
Meerthieren  findet,  welche  die  Brandung  an  der  Klippe  zer- 
schellte.     Ostrea   undata   Of.    und    Pccten   Dunkcri   May.    mit 


-     307     - 

Baianusfetzen  herrschen   unter  dem   zertrümmerten  Material  bei 
weitem  vor. 

Auf  der  "Westseite  des  Nilthals  wiederholt  sich  amFuss 
der  alten  Xummulitenfelsen  der  Sand,  der  Pholadenstrand.  Der 
mioceue  Sand  bildet  hier  die  lybische  Wüste,  wie  im  Osten  von 
Cairo  der  arabische,  und  erstreckt  sich  hüben  wie  drüben  weit- 
hin gegen  Norden  bis  zum  Mittelmeer.  Südlich  von  dem  uralten 
Pflasterweg,  der  von  den  Piuinen  des  alten  Memphis  schnurge- 
gerade  auf  die  Cheopspyramide  zuführt,  schauen  aus  dem  Wü- 
stensand milde,  weissgelbe  Kalkbänke;  sie  sind  das  Hangende 
der  grossen  Sphynx  und  bilden  einen  12  M.  mächtigen  milden 
Baustein,  der  mit  der  Turitellenbank  (pag.  292)  abschliesst. 
Diese  Bank,  als  oberstes  Glied  des  Bergrückens  ist  gerade  so 
wie  die  Bänke  am  Mokattam  von  Pholaden  zernagt,  mit  Austern 
besetzt  und  mit  Meersand  und  Quarzgeschieben  belagert.  Diess 
zieht  sich  auf  der  Route  nach  Saqara  gegen  eine  Stunde  weit 
nach  Süden,  immer  dem  Rande  des  Nilthals  entlang.  Allmäh- 
lich verflachen  sich  die  Hügel  und  treten  gegen  Westen  zurück, 
ausserordentlich  weiche,  abgerundete  Formen  bildend,  aus  denen 
nur  da  und  dort  ein  grauer,  vom  Wüstensand  glatt  polirter 
eocener  Kalkkopf  hervorschaut.  Der  ganze  Nilthalrand  und  die 
Hügel  sind  wieder  jener  jüngere  Meersand,  der  sich  stellenweise 
mit  den  schönsten  Fossilen  füllt.  Denn  hier  liegen  die  berühmten 
„Clypeaster  von  Gyzeh,"  wie  man  sie  längst  in  den  euro- 
päischen Kabineten  kennt.  Kein  Besucher  der  Pyramiden  kann 
sich  dieser  Clypeaster  erwehren,  die  von  den  fremdenführenden 
Beduinen  fast  jedem  Reisenden  gegen  das  unvermeidliche  Bak- 
schich  förmlich  aufgedrungen  werden.  So  kommt  es,  dass  in  fast 
keiner  europäischen  Petrefactensammlung  die  Clypeaster  von 
Gyzeh  fehlen,  aber  Niemand  kannte  die  Localität  oder  die  Art 
ihres  Vorkommens:  „angeblich,"  sagt  Freiherr  A.  von  Barnim,  *) 
„brachten  uns  die  Araber  diese  Petrefakten  aus  der  lybischen 
Wüste.     Alle    unsere   Versuche   jedoch,    die    Fundstätte    dieser 


*)  Reise  des  Freiherrn  Ä.  v.  Barnim  durch  Nordost-Afrika.    Berlin 
1863.  pag.  44. 


-    308    - 

Organismen  kennen  zu  lernen,  welche  von  den  Eingebornen 
einem  strengen  Monopolsystem  unterworfen  sind,  waren  vergeb- 
lich." Es  lag  mir  begreiflich  viel  daran,  einmal  an  Ort  und  Stelle 
das  Vorkommen  dieser  prächtigen  Echinodermen  zu  beobachten  und 
gab  ich  mir  alle  Mühe,  die  sonst  immer  dienstfertigen  Beduinen 
zu  bestimmen,  mich  an  den  Platz  zu  führen,  wo  sie  gefunden 
werden.  „Wir  bringen  Dir  hundert  Stücke,''  war  die  Antwort, 
„aber  Du  kannst  nicht  in  die  "Wüste.  Die  Gefahr  ist  zu  gross, 
und  müssten  wir  büssen,  wenn  Du  deinen  Kopf  verlörest".  In 
der  That  musste  ich  bei  zweimaligem  Besuche  der  Pyramiden 
von  der  Erfüllung  dieses  sehnlichen  Wunsches  abstehen.  Das 
drittemal  endlich  gelang  es,  2  Monate  nach  den  ersten  vergeb- 
lichen Versuchen  mit  Hülfe  des  befreundeten  Beduans ,  der 
indess  in  meinen  Diensten  über  die  sinaitische  Halbinsel  an  den 
obern  Nil  mich  begleitet  hatte.  Von  der  Sphinx  aus  gingen  wir 
in  rein  südlicher  Richtung  45  Minuten  hart  am  Rande  der  Wüste 
im  Nilthal  hin.  Gegen  Westen  lag  nun  ein  flacher  kaum 
20  Meter  hoher  Hügel  vor  uns,  an  dessen  Westrand  die  Schichten 
von  den  Wüstenstürmen  frei  gefegt  waren  und  ihre  ursprüng- 
lichen Lagen  unter  dem  Sande  sehen  Hessen.  Es  war  die  Stelle  : 
denn  am  ganzen  Hügel  ward  schon  von  den  Beduinen  gewühlt 
und  lagen  die  Trümmer  der  Fossile  in  unglaublicher  Menge 
umher.  Pecten  und  Austern  sind  noch  zahlreicher  vorhanden 
als  die  Clypeaster,  um  erstere  kümmert  sich  aber  der  Beduine 
nicht,  nur  den  Schildigel  nimmt  er  mit.  So  viel  nur  immer 
möglich  war,  wurde  natürlich  beigesteckt  und  die  besten 
und  lehrreichsten  Stücke  ausgewählt;  namentlich  gehören  die 
inneren  Kalkstützen  der  Schale  und  die  durch  Verwitterung 
macerirten  Porenstrassen  und  Tafeln  mit  zu  dem  Interessantesten, 
was  an  diesen  Fossilen  beobachtet  werden  kann. 

Das  Vorkommen  des  Geschlechts  Clypeaster  ist  sehr  be- 
zeichnend und  wichtig.  Durch  das  Mitvorkommen  von  Nummu- 
litenkalken,  die  als  Geschiebe  oder  Riffe  im  Hügel  stecken,  darf 
man  sich  nicht  beirren  lassen.  Beide  sind  durch  lange  Zeiträume 
von  einander  getrennt  und  Clypeaster  eines  der  leitendsten 
Fossile  des  raiocenen  Gebirges.    Nach  Bronns  Lothäa  bestimmte 


-    309    — 

man  die  Art  in  Deutschland  gewöhnlich  als  Cl.  grandiflorus 
(crassKs  Agass.),  doch  passt  weder  Beschreibung  noch  Abbil- 
dung ganz.  Die  Arten  alle  sehen  auf  den  ersten  Blick  einan- 
der sehr  ähnlich,  doch  weicht  bei  genauerer  Betrachtung  die 
Stellung  der  Eierlöcher  und  der  Augen  so  bedeutend  ab  (cf.  Dr. 
Philippi  Paläontogr.  I.  T.  38 — 40),  dass  der  Name  C.  egyptiacus, 
der  in  Frankreich  üblich  sein  soll  (eine  Publication  hierüber  ist 
mir  nicht  bekannt),  zur  Bezeichnung  dieser  ebenso  schönen  als 
wichtigen  Art  gerechtfertigt  erscheint. 

Auf  Taf.  YI,  Fig.  11  ist  ein  Schnitz  aus  unserem  Seeigel 
abgezeichnet,  und  Fig.  12,  a — c  das  wohlerhaltene  Perisoma 
mit  je  1  Paar  Fühlergängen  und  Zwischenfühlergängen.  In 
Schnitze  wie  Fig.  11  bricht  die  Schale  am  liebsten  auseinander: 
in  der  Regel  sieht  man  auch  an  demselben  im  Scheitel  das 
Intergenitalloch  (Fig.  12),  durch  das  der  Schnee  heraustritt,  dess- 
gleichen  den  Rand  von  2  seitlichen  Eierlöchern.  Die  einzelnen 
Tafeln,  33  vom  Scheitel  bis  zum  Rande,  12  vom  Rand  zur 
Mundöffnung  sieht  man  kaum  (Fig.  13),  so  sehr  ist  die  ganze 
Oberfläche  der  Schale  von  Tuberkeln  über  und  über  bedeckt. 
Nach  dem  Abstehen  des  Thiers  waren  die  Schalen  länger  oder 
kürzer  einem  Macerationsprocess  ausgesetzt,  ehe  sie  versteinerten. 
Dieser  Process  wirkte  zunächst  auf  die  Ränder  der  einzelnen 
Kalktafeln  und  griff  die  Platten  am  stärksten  auf  der  breiten 
Fuge  an ,  dann  kam  es  an  die  schmale  Fuge  und  ging  der 
Process  in  eigenthümlichen  Absätzen  vor  sich,  die  ohne  Zweifel 
dem  Process  des  Wachsthums  analog  sind.  Bereits  treten  einzelne 
Gefässgänge  von  der  Grösse  der  Porenlöcher  zu  Tage,  je  weiter 
die  Maceration  vorschreitet,  um  so  zahlreicher  beobachtet  man 
sie,  bis  endlich  die  ganze  Perisoma  schichte  abfault  und  das 
innere  durchbrochene  Kalkskelet  sichtbar  wird.  Die  Kalkschale 
zeigt  überall  den  Blätterdurchgang  des  Kalkspats,  die  Axen  der 
Rhomboeder  stellen  sich  jedoch  regellos ,  ohne  eine  bestimmte 
Lage  zur  Schalenoberfläche  oder  zum  Scheitel  des  Thieres  ein- 
zunehmen. 

Auf  Fig.  14  liess  ich,  um  das  System  der  Kalktafeln  vom 
ßande  des  Igels  bis  zu  dem  Beginn  der  Fühlergänge  zu  zeigen? 


-    310    - 

•eines  der  längst  vor  der  Versteinerung  macerirten  Exemplare 
abbilden,  das  dem  nicht  macerirten  Stücke  in  Fig.  1 1  entspricht, 
während  die  Seitenansicht  von  Fig.  11  in  Fig.  13  einen  Einblick 
in  das  innere  Kalkgerüste  des  Thieres  gewährt. 

Nächst  den  Schildigeln  ist  es  Pecten  Dunkeri  Myr. 
Azoren  V,  29,  der  an  unserem  Fundplatz  in  der  lybischen  Wüste 
entschieden  die  gewöhnlichste  Muschel  ist,  aber  auch  am  Mo- 
kattam  und  GenefFe  nicht  fehlt.  Er  unterscheidet  sich  von  dem 
lebenden  P.  vola  Klein  nur  unbedeutend,  wie  solches  Mayer  ge- 
zeigt hat.  Zwischenhinein  liegt  P.  asperulus.  Seltener,  aber 
nicht  zu  verwechseln  ist  der  noch  lebende  Pecten  pleuronectes, 
den  auch  das  "Wiener  Becken  enthält. 

An  Austern  mangelt  es  ebenso  wenig:  meist  grobgerippte 
Formen,  die  an  Ostrea  undata  Gf.  78,  2  pag.  18  erinnern 
oder  wohl  mit  dieser  Art  zusammenfallen. 

Cytherea  erycina  Link,  ist  eine  sehr  charakteristische 
Muschel,  von  Becken  in  Wien  und  Bordeaux  her  wohl  be- 
kannt.    Ich  fand  sie  an  der  Station  14  bei  Suez  im  Sandstein. 

Baianus  sulcatus  Lmk.  füllt  immer  mit  seinen  Trümmern 
in  der  nächsten  Nähe  der  eocenen  Klippe  die  Sande  und  bildet 
noch  wie  einst  ganze  Krusten  über  die  Kalke.  Man  findet  ausser 
der  Art  des  sulcatus  wohl  auch  noch  andere. 

Ausserordentlich  verbreitet  ist  S  y  u  d  o  s  m  y  a  a  p  e  1  i  n  a  Ren. 
Hörn.  VIII,  4  pag.  78,  eine  kleine  10— 12Millim.  lange  Muschel, 
mit  sehr  dünnem  Gehäuse,  die  am  Ufer  des  Mittelmeers  noch 
lebt,  übrigens  ebenso  bekannt  ist  aus  den  neogenen  Schichten 
von  Rhodus,  Sicilien,  der  Lombardei  und   dem  Wiener  Becken. 

Westlich  dem  Dorfe  Saqara,  am  Rande  des  Nilthals  zur 
Wüste  gehen  einzelne  Sandsteinbänke  zu  Tage,  die  von  der 
kleinen  Muschel  förmlich  erfüllt  sind. 

Unter  den  Gasteropoden  begegnet  mau  im  Sande  überall  den 
Steinkernen  von  zwei  Strombus,  einem  mit  Knoten  versehenen 
und  einem  knotcnlosen.  Die  eine  knotige  Art  ist  Strombus 
coronatus  Defr.  Hörn.  Taf.  17  Fig.  1,  ein  im  Neogon  der 
ganzen  Mittelmeergegend  häufiges  Fossil,  das  im  indischen 
Meere  noch  seine  verwandte  lobende  Form  erhalten  hat.    Höchst 


-    311    - 

■wahrscheinlich  ist  Str.  Bonelli  Ergn.  Hörn.  17,  2  damit  zu 
vereinigen,  der  sich  in  der  That  nur  durch  den  Mangel  an 
Knoten  von  coronatus  unterscheidet  und  durch  Uebergänge  sich 
durchführen  lässt.  Beide  Formen  sind  am  Rande  des  Nilthals 
und  am  Fusse  des  eocenen  Felsen  zwischen  Gyzeh  und  Saqara 
sehr  häufig.  Gleichfalls  nur  Steinkern  trifft  man  noch  eine 
Cassis,  die  mit  C.  crumena  Lam.  so  viele  Aehnlichkeit  hat, 
dass  man  bis  auf  weiteres  sich  des  Namens  wohl  bedienen  darf. 
Während  sich  am  Rande  des  abgebrochenen  Nummuliten- 
gebirges  das  miocene  Ufergebilde  angelagert  hat,  macht  es  sich 
im  Norden  des  Gebirges  breit  und  flach,  alsTaggebirge  am  Isth- 
mus und  als  Unterlage  der  Jüngern  Schichten  in  Unteregvpten. 
Die  Aufschlüsse  der  Eisenbahn  von  Cairo  nach  Sues  und  die 
frisch  aufgedeckten  Profile  am  Suescanal  sind  hiefür  massgebend, 
Auf  der  Station  YIII  schneidet  die  Bahn  noch  in  die  Krabben- 
bänke des  untern  Eocen  ein,  hart  daneben  aber  sind  schon 
Gyps-  und  Mergelbäuke.  An  der  Station  XIV  ragen  treppen- 
förmig  die  Nummulitenschichten  aus  miocenem  Sand  und  Mergel, 
deren  Alter  durch   Pecten   und   Clypeaster   gekennzeichnet    ist 


Proül  an  der  Station  XIV  zwischen  Cairo  und  Sue«.    Nummu'.itenbänke 
ragen  treppenfijrmig  aus  miocenem  Sand  heraus. 


Der  Aufenthalt  auf  den  Stationen  ist  zu  kurz,  um  Yieles  zu 
sammeln.  Doch  genügte  das  "Wenige  und  ein  Besuch  der 
■Schichten  an  der  Böschung,  um  sich  davon  zu  überzeugen,  dass 
dieselben  Verhältnisse  hier  herrschen,  wie  an  den  Böschungen 
des  Canals  bis  Ismaila,  wo  man  viel  bequemer  und  sicherer  seine 
Beobachtungen  machen  kann.  In  Sues  miethet  man  eine  Barke 
und    ein    Kameel,    was    die    französische    Canalverwaltung  auf& 


—    312    — 

Bereitwilligste  zur  Verfügung   stellt  und  wird  nun   im  Kameei- 
schritt durch  den  Süsswassercanal*)  gezogen.   Ein  Gefälle  des- 


*)  Lange  vor  Christus  schon  unter  den  alten  Pharaonen  existirten 
Verbindungen  zwischen  Mittelmeer  und  rothem  Meer  (unter  Sesostris 
1400  V.  Chr.),  die  Jahrhunderte  lang  benützt  wurden,  aber  wieder 
zerfielen.  Schildert  doch  Ilerodot  den  Canal,  den  Darius  ausführen 
Hess  (um  500  v.  Chr.),  in  einer  Genauigkeit,  dass  an  dessen  Existenz 
gar  nicht  zu  zweifeln  ist.  Herodot  befuhr  ihn  wohl  selbst,  denn  er 
beschreibt  die  Fahrt  als  4  Tage  dauernd  und  den  Canal  als  einen  vom 
Nil  gespeisten,  der  zuerst  gegen  Osten  am  Fuss  des  Gebirges  über 
Bubastis  führe  und  dann  nach  Süden  abbiege.  Wann  dieser  Darius- 
canal  unbrauchbar  und  wieder  verlassen  wurde,  weiss  man  nicht; 
sicher  ist,  dass  Ptolemäus  Philadelphus  um  250  v.  Chr.  zur  Zeit  des 
neuaufblühenden  Egypterreichs,  eine  ganz  neue  Canalanlase  durchführte, 
welche  nahezu  den^elbenWeg  einschlug  als  der  gegenwärtig  in  Arbeit 
stehende  Canal  des  H.  v.  Lesseps.  Zu  den  Zeiten  der  Rümerherrschaft 
wurde  er  noch  benützt,  zerfiel  aber  später,  gleich  den  meisten  alten 
Kunstwerken,  und  geschah  unter  muselmännischer  Regentschaft  selbst- 
verständlich nichts,  jene  alten  Bauten  zu  erneuern.  1799  war  Napo- 
leon wieder  der  Erste,  der  den  alten  Plan  aufgriff  und  den  Ingenieur 
Lepere  mit  den  Nivellements  beauftragte.  Dieser  fand  das  eigenthüm- 
liche  Resultat,  dass  der  Spiegel  des  rothen  Meers  30'  •>  Par.  Fuss  höher 
stehe  als  der  des  Mittelmeers,  zweifelte  aber  selber  die  Richtigkeit 
des  Resultats  an,  da  die  Arbeiten  im  Drange  der  Zeit  und  unter  zahl- 
losen Beunruhigungen  durch  feindliche  Araberstämme  gemacht  worden, 
und  es  wurde,  wie  bekannt,  im  Drange  der  Napoleonischen  Sturm- 
periode das  Friedenswerk  des  Suescanals  auch  gänzlich  vergessen  und 
verschoben.  Erst  den  40er  und  50er  Jahren  war  es  vorbehalten,  die 
richtigen  Vorarbeiten  für  dieses  Werk  zu  trefl'en  und  zunächst  richtig 
zu  nivelliren.  Fünf  Nivellements,  von  Engländern  und  Franzosen 
ausgeführt,  weichen  nur  um  94  Centim.  von  einander  ab  und  ergaben 
einen  fast  unmerklichen  Unterschied  des  mittleren  Wasserstandes  bei- 
der Meere  von  nicht  ganz  4  Par.  Fuss.  —  Im  Jahr  1859  wurden  nach 
jahrelangen  Verhandlungen  der  sog.  internationalen  Commission  mit 
der  egyptischen  Regierung  die  Arbeiten  begonnen,  welche  zuuäclist  dar- 
auf gerichtet  sein  musstefi,  die  jeglichen  Süsswasscrs  entbehrende 
Landenge  mit  solchem  zu  versehen.  Musste  doch  die  Stadt  Sues  durch 
tägliche  Wasserzüge  von  Cairo  aus  ihren  Lebensbedarf  beziehen  und 
beliefen  sich  die  Auggaben  der  Compagnie  einzig  nur  für  die  Beifuhr 
von  Trinkwasser  für  <lie  Arbeiter  bei  el  Guisr  während  6  Monaten  auf 
600,000  Fr.     Die  Compagnie   kaufte    sich  zunächst  um   2  Mill.  Fr.  in 


-    313    - 

Wassers  beobachtet  man  nicht,  so  unbedeutend  ist  es  (1  Millim. 
von  Timsah  zur  Suesschleusse),  der  Canal  ist  am  Wasserspiegel 
12,5  Meter  breit,  in  der  Tiefe  7,7  Meter,  die  Höhe  der  Bö- 
schung 1 — 2  Meter,  (der  tiefste  Einschnitt  am  ganzen  Canal 
überhaupt  10  M.  bei  der  Schwelle  von  el  Guisr.)  Das  Kameel 
zieht  in  13  Minuten  per  Kilo  die  Barke,  so  dass  man  gehörig 
Zeit  hat,  aufmerksam  die  Aufschlüsse  zu  beobachten,  auszu- 
steigen ,  wenn  man  will  und  streckenweise  auf  dem  Leitpfad 
neben  dem  Canal  zu  Fusse  zu  gehen.  Von  Sues  an,  wo  zum 
Behuf  des  grossen  Schleussenbaus  auflO  Meter  Tiefe  der  Grund 
und  Boden  ausgehoben  wurde  ,  bis  zum  Kilometerstein  Ko.  65 
treten  lediglich  nur  grünlichgraue  und  graue  Gypsmergel  mit 
Gypsschnüren  durchzogen  an  den  Tag.     Die  Schnüre   erreichen 


dem  Ras  el  Wadi,  dem  alten  Lande  Gosen  au,  anschliessend  an  den 
östlichsten  Punct,  bis  zu  welchem  die  Süsswasser  des  Nils  »eführt 
waren.  Durch  dieses  Wadi  wurde  anfänglich  ein  von  Zagazig  aus- 
gehender Canal  bis  zu  dem  brackischen  Timsahsee  geführt  und  im 
Laufe  des  Januars  und  Februars  1865  zur  Verstärkung  des  Canal- 
wassers  ein  neuer  Canal  von  Cairo  bis  ins  Wadi  gegraben.  Nach  nun- 
mehr fünfjähriger  Arbeit  ist  der  seither  wasserlose,  unbewohnte  Isth- 
mus reichlich  mit  Süsswasser  versorgt,  das  von  Cairo  und  Zagazig  aus 
in  einem  natürlichen  Gefäll  von  1  Millim.  auf  1  Meter  bis  Timsah  läuft 
und  von  da  aus  als  von  einer  künstlichen  "Wasserscheide  nach  Norden 
bis  Port  Said,  nach  Süden  bis  Sues  geführt  wird.  Am  Timsahsee 
erstund  bereits  Ismaila,  eine  ansehnliche  Franzosenstadt  von  3000 
Einwohnern ,  mit  Cafifeehäusern ,  Arena  und  Theater,  längs  der  Canäle 
durchs  Wadi  sind  nur  bis  Ismaila  60,000  Morgen  Landes  meist  mit 
Baumwolle  angepflanzt  und  sollen  dem  ganzen  Canal  entlang  über 
100,000  Morgen,  vor  Kurzem  noch  "Wüste,  in  Culturland  übergeführt 
werden  können.  Jedenfalls  war  der  29.  Dec.  1863  ein  rührendes 
Freuden-  und  Friedensfest,  als  in  Sues  zum  erstenmal  die  Schleuse 
geöfihet  wurde  und  der  Nil  sein  "Wasser  ins  rothe  Meer  ergoss.  Von 
weiter  Ferne  her  kamen  die  "Wüstenbewohner  mit  ihren  Kameelen 
und  schwelgten  im  heiligen  "Wasser.  Sie  küs^sten  dem  Franken  Knie 
und  Hände,  denn  „Ihr  seid  Söhne  Ahahs,  Ihr  seid  unsere  Brüder". 
Man  darf  wahrlich  die  hohe  Bedeutung  des  nunmehr  vollendeten  Süss- 
wassercanals  nicht  unterschätzen,  als  wahren  Segen  für  den  Isthmus, 
als  eine  der  glänzendsten  Eroberungen  Frankreichs  in  der  egyptischen 
"Wüste.     (Siehe  hiezu  den  Holzschnitt  pag.  256.) 


—    314    — 

theilweise  eine  Stärke  von  0,06  Meter,  deutliche  Klüfte  im  Ge- 
stein, die  sich  von  den  Seiten  her  mit  plattigera  Fasergyps  ge- 
füllt haben.  Das  Einemal  bricht  der  Gyps  recht  winklich 
zu  dem  Blätterbruche  P.  Selbst  handdicke  Stücke  sind  noch 
durchsichtig  und  scheint  der  Faserbruch  T,  der  hier  ganz  ent- 
schieden den  Fasergyps  gebildet  hat,  durch  den  Blätterbruch 
durch.  Endlich  schneidet  der  nmschlige  Bruch  bei  jedem  Schlag 
den  Faserbruoh  durch.  Theilweise  nimmt  der  Faserbruch  einen 
weissen  Seideglanz  an,  der  sich  in  die  gelbbraune  transparente 
Perlmutterfläche  aushebt.  Das  andere  Mal  lauft  der  Blätterbruch 
parallel  mit  dem  Gang  oder  haben  sich  eine  Reihe  einzelner 
wasserklarer  Krystallindividuen  zu  Einem  ganzen  Agglomerat 
zusammengemacht,  wobei  auch  noch  einzelne  Thonstücke  und 
Schlammpartikel  zugleich  mit  dem  Krystall  umschlossen  und  mit- 
einander zur  Bildung  eines  andern  umfassenden  Krystalls  mit- 
gerissen wurden.  Bei  Kilo  65,  dem  Lagerplatz  Chalouf,  kommt 
der  erste  und  einzige  Wechsel  der  Schichte,  ein  Kalkfels  durch 
Eisenerde  roth  und  braun  gefärbt.  Nach  oben  weich  und  zer- 
reiblich,  ist  er  bereits  in  Eisenocker  übergegangen,  in  der  Tiefe 
aber  sehr  hart  und  den  Ingenieuren  höchst  unbequem.  Ich  sah 
diese  Bank  nur  am  Süsswassercanal ,  am  grossen  Canal  ward 
zur  Zeit  meines  Besuches  noch  nicht  gearbeitet,  doch  verdanke 
ich  die  genauesten  Beobachtungen  hierüber  meinem  verehrten 
Freunde  und  eifrigen  Geologen,  Herrn  Dr.  Heil,  der  im  Mai 
18G6,  als  die  Cholera  unter  den  Arbeitern  ausbrach,  als  Arzt 
den  Isthmus  bereiste  und  bei  seineu  geognostischen  Aufnahmen 
jede  Unterstützung  der  Ingenieure  genoss.  Gerade  damals 
wurden  die  Gypsthone  mit  der  überlagernden  Kalkbank  in  einer 
Tiefe  von  11,37  und  einer  Breite  von  60  Meter  ausgehoben. 
Die  Kalkbank  erreicht  eine  Dicke  von  2,25  Meter,  keilt  aber 
nach  oben  bis  zu  0,88  aus.  Im  Liegenden  der  Bank  findet  sich 
ein  Lager  von  Haifischzähnen  (Carcharodon  megalodon  Ag.) ; 
dieselben,  die  aufSicilien  und  auf  Malta  so  reichlich  vorkommen 
und  dort  dem  Miocen  angehören ,  während  im  Hängenden  Pho- 
laden,  Crocodilzähne  und  ausgezeichnete  Reste  grosser  Wasser- 
säugethiere  sich  finden.     Beim  Abbau  dieser  Kalkbank,  der  ein- 


—    315    - 


Böschung  am  Suescanal  bei  Chalouf. 
g  Gypsletten,  c  miocene  Kalkbänke 
gesalzen  ,  P  Pholadenbobrungen  mit 
Haifischzähnen,  Pecten  und  Austern, 
S  Sand 


zigen  festen  Schichte  am  ganzen  Canal,  machte  man  eigenthüm- 
liche  Erfahrungen.  Die  Kalkbauk  lagert  auf  den  undurchlassen- 
den  gypsführenden  Thonen, 

die     man     nur     anzufühlen    -^^y.rr^=^=^»^ — ^^-y-^^^^s:::^ — %^-^'-^r^i^üs 
braucht,  um  sich  von  ihrem 
hygroscopischen     Charakter 
zu  überzeugen.  Da  man  sich 
in  dieser  Gegend  schon  unter 
dem     Spiegel     des     rothen 
Meeres     befindet    und    der 
Thon  eine  wassergesättigte, 
undurchlassende       Schichte 
bildet,   so  erklärte  sich  da- 
durch   leicht    die    Beobachtung,    beim    Anbruch    der    Kalkbank 
Seewasser  von    doppeltem  Salzgehalt    hervorbrechen    zu    sehen, 
welches    so    mächtig   quillt,    dass     es    durch    Pumpen    entfernt 
werden  muss  und  in   den  alten  Pharaonencanal  abgeleitet  wird. 

Die  Kalkbank  ist  ein  zu  Tage  leicht  verwitternder,  von  Salz 
und  Gyps  durchdrungener  Kalkfels,  der  sich  als  die  reinste 
Meeresbildung  kundgibt,  denn  abgesehen  von  den  in  seinem 
Liegenden  so  häufig  beobachteten  Zähnen  und  Wirbeln  von  Car- 
charadon  finden  sich  in  ihm  selbst  zahlreiche  Schalen  von  ßi- 
valven  und  Bryozoenresten,  die  bei  seiner  raschen  Verwitterung 
zu  Tage  aus  ihm  herausfallen.  Ich  nenne  unter  den  Zwei- 
schalern: 

Pecten  scabrellus  Gf.  (Taf.  95,  Fig.  5),  ohne  jedoch 
von  der  Identität  der  Art  ganz  überzeugt  zu  sein,  und  compo- 
situs  Gf.  Tab.  97,  Fig.  3,  der  besser  stimmt.  Die  Valven  einer 
kleinen  nur  12 — 13  Millira.  grossen  Art,  welche  am  häufigsten 
auswittern,  rechne  ich  zu  P.  asperulus  Mst.  Gf.  95,  8,  der 
sehr  gut  stimmt,  und  endlich  eine  fast  glatte,  nur  ganz  schwach 
gerippte  Art  P.  semicostatus  Gf.  Tab.  98  Fig.  7,  die  zuerst 
in  Bünde  beobachtet  wurde. 

Mytilus  socialis  A.  Braun.  (Fdb.  Tab.  30  Fig.  6)  und 
Ostrea  cyathula  Lam.  weisen  mit  dem  übrigen  Vorkommen 
auf  miocenes  Tertiär  hin. 


-    316    — 

Pecten  Dunker i.  May.  findet  sich  hier  ebenso,  wie  bei 
Saqära  (pag.  310),  nur  etwas  kleiner. 

Dazu  kommen  noch  prachtvolle  Bryozoen,  wie  Reptescha- 
ripora,  Escharipora,  Corymbosa  und  andere,  über  die  ich  wegen 
mangelnder  Kenntniss  der  Arten  und  unzureichenden  wissenschaft- 
lichen Hilfsmitteln  nichts  Näheres  zu  sagen  im  Stande  bin. 

Zunächst  über  der  Kalkbank  folgt  loser  Sand.  Eine  dünne 
Schichte  reich  an  Schalentrümmern  von  bohrenden  Conchylien 
und  an  Crocodilzähnen  ist  zugleich  das  Lager  von  Knochen  und 
Zähnen  grosser  Quadrupeden,  Cetaceen  und  Haifische. 

Bezeichnend  vor  Allem  ist:  Hippopotamus.  Herr  Dr. 
Eeil  hatte  die  Gefälligkeit ,  mir  nicht  bloss  genaue  Zeichnungen 
von  2  bei  Chalouf  gefundenen  Unterkiefern,  sondern  auch  einen 
letzten  unteren  Backenzahn  zu  übersenden.  Von  dem  rechten 
Unterkiefer  eines  ausgewachsenen  Individuums  sind  ausser  dem 
5  Centim.  dicken  Schneidezahn  noch  4  Backenzähne  vorhanden. 
Die  Höhe  des  Kiefers  am  ersten  Zahn  gemessen  beträgt  13  Ctm., 
die  andere  Zeichnung  stellt  das  hintere  Kieferstück  eines  jungen 
Individuums  dar,  bei  dem  der  hinterste  Zahn  noch  in  der  Al- 
veole versteckt  ist,  ebendahin  gehört  auch  der  Zahn  selber,  den 
ich  in  Händen  habe.  Ich  kann  zwischen  demselben  und  den 
Zähnen  lebender  Nilpferde,  H.  amphihius  L,,  die  wir  hier  in 
unsern  Sammlungen  besitzen,  keinen  Unterschied  finden.  Im 
Uebrigen  fehlt  es  mir  an  Material  zur  Vergleichung  mit  den 
Hippopotamuszähnen  von  Palermo,  welche  man  in  2  Arten  //. 
PenÜandi  und  major  C.  trennt. 

Dr.  Schweinfurt  sah  (Gl.  VI,  2)  bei  den  Ausgrabungen  zu 
el  Guisr  das  Schädelfragment  eines  Phacochaerus.  Dieses 
Vorkommen  würde  ganz  gut  zu  dem  des  Hippopotamus  passen 
und  uns  in  jenes  Clima  der  Mitteltertiärzeit  versetzen,  da  diese 
plumpen,  hässlichen  Dickhäuter  nicht  blos  bis  in  den  Norden 
Afrika's,  sondern  weiterhin  über  einen  grossen  Theil  von  Europa 
verbreitet  waren. 

Endlich  erhielt  ich  theils  in  Zeichnungen,  theils  in  Natur 
Rippen   und  Wirbel   von  Halianassa  v.  M.     Die  Reste   dieses 


—     oi<      — 

Dugongs  sehen  den  Vorkommnissen  von  Flonheim  und  Wein- 
heim  ausserordentlich  ähnlich,  die  man  H.  Schinzü  genannt  hat. 
Diese  junge  Tertiärbildung  erstreckt  sich  am  Fusse  des 
alten  eocenen  Gebirges  über  den  ganzen  Isthmus  hin.  Aus  ihm 
erst  ragt  das  ältere  Tertiär  hervor.  Kommt  man  vom  Mittel- 
meer her  auf  dem  Canal,  so  ist  der  Djebel  GeneflPe  das  erste 
ältere  Gebirge  —  !N'ummulitengebirge  —  dessen  Schichtencom- 
plex  von  gegen  150  M.  in  Stunde  8  streicht  und  in  Stunde  12  gegen 
Süden  einfällt,  so  dass  der  Berg  seine  Stirne  mit  dem  Steilab- 
fall gegen  ^Norden  streckt.  Südlich  vom  GenefFe  folgt  unter 
denselben  Verhältnissen  h.  7  streichend  der  Djebel  Awebet  an 
der  Station  Nro.  14  und  als  dritter  höchster  Zug  das  Mokattam- 
gebirge,  wie  man  den  ganzen  Höhenzug,  der  von  Cairo  in  süd- 
östlicher Richtung  sich  nach  Sues  zieht,  zu  nennen  pflegt.  Der- 
selbe gipfelt  im  Atäquah  in  einer  Höhe  von  nahezu  1000  M.  ü. 
d.  M.  So  haben  wir  3  hinter  einander  gelegene  Treppen,  in 
denen  das  hohe  Gebirge,  das  Nil  und  rothes  Meer  von  einander 
trennt,  gegen  Niederegypten  abfällt.  Sämmltliche  3  Treppen 
sind  älteres,  eocenes  Tertiär;  was  zwischen  den  Treppen  liegt, 
ist  junges  Tertiär ,  was  die  geologische  Action  der  Treppenbil- 
dung und  wahrscheinlich  des  Anfangs  der  Bildung  des  damals 
erweiterten  Mittelmeers  in  die  Zeit  nach  der  Eocene  verlegt. 


318    — 


IV.    Jüngere  Meeresbilclungen. 

Das  Tlior,  durch  welches  ein  Europäer  gegenwärtig  Egypteo 
betritt,  ist  Alexandria.  Die  Excursionen,  die  ein  Geoguost 
von  hier  aus  machen  kann,  führen  allein  nur  an  die  Meeres- 
küste. Denn  im  Binnenland  hören  Schichten  und  Steine  auf 
und  haben  die  Alluvionen  des  Nils  ältere  Schichtenglieder  zu- 
gedeckt. Wo  aber  die  starke  Brandung,  die  donnernd  an  den 
Felsenklippen  der  flachen  Küste  sich  bricht,  am  Ufer  nagt,  da 
tritt  auch  die  Unterlage  des  Bodens  von  Alexandria  zu  Tage, 
die  in  den  Steinbrüchen  von  Mex  eine  Mächtigkeit  von  10  Me- 
tern gewinnt.  Das  erste  volle  Interesse  des  Fremden  nimmt 
wohl  der  Schutt  des  alten  Alexandriens  in  Anspruch,  der  berge- 
hoch an  der  Küste  aufgehäuft  ist.  Derselbe  entstammt  mitunter 
der  ältesten  Zeit  der  egyptischen  Reiche,  nächstens  der  Geologie- 
verfallen  und  bildet  wahre  Alterthumssammlungen  von  Baustei- 
nen und  Ornamenten,  welche  die  Meereswelle  dem  Besucher 
zurichtet.  Alle  mineralogischen  Herrlichkeiten  des  alten  Egyp- 
tens,  die  der  grosse  Alexander  einst  aus  den  Nilländern  ebenso 
wie  aus  Griechenland  und  Asien  zum  Euhme  seiner  Stadt  her- 
beischaffen liess,  liegen  jetzt  zertrümmert  in  den  40  Fuss  mäch- 
tigen Schuttbergen,  an  denen  die  Welle  täglich  leckt.  Man 
kann  sich  halbe  Tage  lang  mit  immer  neuem  Interesse  am 
Strande  herumtreiben  und  kann  nicht  ohne  Rührung  die  Trüm- 
mer anschauen,  die  von  der  Welle  bespritzt  sich  immer  frisch 
glänzend  in  den  bleichen  Meeressand  ausheben.  Hier  liegt  eine 
5  Meter  lange  corinthische  Säule  mit  noch  prachtvoll  erhaltenem 
Capital,  auf  die  jedes  Palais  in  Europa  stolz  wäre,  dort  die 
Scherben  einer  Porphyrschale  von  Antico  rosso,  die  in  ihren 
Scherben  noch  Bewunderung  erregt.  Die  Syenite  und  Granite 
von  den  Nilcataracten ,  die  Diorite  und  Melaphyre  des  Savko- 
phagensteins ,  die  prachtvollsten  Porphyre  von  Tiefroth,  Ziogcl- 
roth  und  Fleischfarbe,  oder  die  dunkelgrünen  Porpliyre  mit  den 
weissen  Feldspatcrystallen ,  Alles,  was  der  Mons  porphyrites 
und   die   sinaitische   Halbinsel    an   Schraucksteincn    aufzubieten 


—    319    - 

hatte  —  alle  sind  hier  dem  Geognosten  ausgewaschen  mitsammt 
den  farbigen  Marmoren  aus  der  ganzen  alten  Welt.  Die  Mar- 
more von  Faros  und  Naxos  erkennt  man  ebenso  noch  in  ihren 
zerschlagenen  Säulen,  als  die  grünen  und  weissen  Marmorplatten 
von  Lacedämon.  Sogenannter  Wurstmarmor  und  Puddingstein, 
durchscheinende  arragonitische  Kalke  und  Alabasters,  alle  ver- 
künden die  vergangene  Pracht  und  Herrlichkeit,  die  hier  im 
Staube  ruht.  Dazyvischen  findet  wohl  auch  ein  scharfes  Auge 
kleinere  Kunstgegenstände  von  Metall,  Münzen  u.  dgl.  Doch 
gibt  es  für  derlei  Dinge  Liebhaber  genug  und  werden  sie  dess- 
halb  eifrigst  von  Alt  und  Jung,  von  Weissen  und  Farbigen  ge- 
sammelt. Die  Steine  aber  lässt  diese  Sorte  von  Sammlern  lie- 
gen und  findet  ein  geognostischer  Liebhaber  hier  eine  Auswahl, 
wie  vielleicht  an  keinem  andern  Puncto  der  Welt.  Eine  Stunde 
lang  zieht  sich  östlich  vom  alten  Hafen  das  Schuttfeld  des  alten 
Alexandriens  hin  und  sieht  man  hier  weit  und  breit  keine  an- 
dern als  fremde,  von  Menschenhand  aus  aller  Welt  herbeige- 
führte Steine. 

Der  eigentliche  Boden  und  Untergrund  Alexandriens  ist  ein 
junger  Küstensandstein.  Um  ihn  zu  studiren,  geht  man 
am  besten  am  neuen  Hafen  vorbei  über  den  Canal  und  die 
arabische  Vorstadt  nach  den  Steinbrüchen  von  Mex.  Diese 
Steinbrüche  heissen  sonst  auch  die  Catacomben  von  Alexandria 
oder  noch  hochtönender  die  Bäder  der  Cleopatra.  Der  Stein, 
der  hier  neuerdings  stark  ausgebeutet  wird,  nicht  nur  für  zahl- 
reiche Neubauten  von  Alexandria,  sondern  hauptsächlich  von 
der  Suescanal-Compagnie  für  die  Hafenbauten  von  Port-Said, 
ist  ein  bald  feiner,  bald  gröberer  Kalksandstein,  der  im  Grunde 
nur  aus  dem  Detritus  von  Conchylienschalen  besteht  und  zum 
kleineren  Theile  aus  feinem,  farblosen  Quarzsand.  Gegenwärtig 
bricht  man  unter  der  Leitung  französischer  Ingenieure  die  vor 
Alters  schon  für  Zwecke  der  Todtenbestattung  durchwühlten 
Felsen  vollends  aus  und  legt  damit  die  alten  Gänge,  Hallen 
und  Grabnischen  blos.  Der  feinere  Muschelsandstein  gehört  zu 
den  oberen  Schichten,  regelmässige  Bänke  bildend  von  einigen 
Fuss  Mächtigkeit.     Er  macht   keinen    andern  Eindruck  als  den 


-     320    - 

eines  festgewordenen  Dünensandes  und  besteht  fast  nur  aus 
reinem  Kalksand,  der  unter  der  Loupe  wie  fein  zerstossene 
Muschelschalen  aussieht.  In  Salzsäure  löst  er  sich  fast  ganz 
auf  und  bleiben  im  Rückstand  nur  einige  Körner  farblosen 
Quarzes.  Was  mich  am  meisten  an  diesem  Sande  überraschte, 
waren  zahlreiche  kleine  Helix  candidula  Stud.*),  welche  den- 
selben füllten  und  ihm  das  deutliche  Gepräge  einer  zwischen 
dem  Einfluss  des  Festlandes  und  des  Wassers,  getheilten  Bildung 
geben.  Die  gröberen  tieferen  Bänke  bestehen  gleichfalls  aus 
zertrümmertem  Muschelwerk,  in  einer  Weise,  dass  an  der  Struc- 
tur  der  Schalen  sich  theilweise  noch  die  Gattung  der  Cardien, 
Pecten,  Patella,  Natica  u.  s.  w.  erkennen  lässt.  Heliceen  beob- 
achtete ich  in  diesen  unteren  Lagen  nicht.  Ganz  in  Ueberein- 
stimmung  mit  diesem  Küstenkalk  ist  der  heutige  Meeressand 
von  Alexandria.  Er  ist  unter  der  Loupe  das  Gleiche,  was  jener 
ist  und  ist  auch  in  seinem  chemischen  Verhalten  eigentlich 
nicht  verschieden**)  von  dem  des  Muschelsandsteins,  wie  folgende 
Analyse  von  Kalkstein  von  Mex  und  von  Dünensand  östlich 
der  Steinbrüche  von  Mex  zeigte 

Kalkstein     Dünensand 

Kohlensaurer  Kalk 95,827 

Kohlensaure  Bittererde     .... 

Schwefelsaurer  Kalk 

Kieselerde  und  Eisenoxyd     .     .     . 
Unlöslicher  Rest  (Kiesel  und  Thon) 

99,368  99,805 
Der  Ursprung  des  Dünensandes  aus  dem  dermaligen  Küsten- 
kalk scheint  mir  unwiderleglich  zu  sein,  um  so  so  mehr  als  die 
genauesten  Untersuchungen  der  französischen  und  englischen 
Techniker  an  der  ganzen  Nordküste  Egyptens  den  innigsten 
Zusammenhang  zwischen  dem  Dünensand   und  dem  anstehenden 


95,827 

90,570 

1,300 

3,948 

0,070 

0,430 

0,980 

1,057 

1,191 

3,800 

*)  Es  ist  diese  Schnecke  die  gleiche,  die  in  Europa  noch  lebt  und 
2.  B.  im  Lehm  von  Cannstatt  vielfach  sich  findet. 

**)  Cf.  rapport  de  M.  John  Havrksliaw  sur  les  travaux  du  cmial  de 
Sues  Alex    18G3.  pag.  XV. 


-    321    - 

Küstengestein  dargethan  haben.  Der  Küsteukalk  von  Alexandria 
zieht  sich  nur  bis  zum  Westende  der  Bai  von  Abukir  hin.  In 
der  Bai  selbst  ist  er  verschwunden  undi^bei  Raschid,  der  sog. 
Rosettemündung,  weist  die  Analyse  des  Dünensandes  auf 

Kohlensaurer  Kalk    .     .     .  0,405 

Kohlensaure  Bittererde      .  0,107 

Kieselerde   und  Eisenoxyd  1,130 

Unlöslicher  Rest  ....  97,958 


99,600 


In  ähnlicher  Zusammensetzung  ist  der  Sand  von  Damiette, 
der  94,607,  und  der  von  Port  Said,  der  96,680  unlösliche  Be- 
standtheile  enthält,  stets  entsprechend  dem  anstehenden  Küsten- 
gestein. 

Der  Uferstreifen,  der  sich  von  den  Steinbrüchen  bei  Mex 
in  nordöstlicher  Richtung  bis  zum  Fort  Abukir  hinzieht,  ist  im 
Gebiet  des  ganzen  Deltas  der  einzige  Kalkfels,  der  seinen  Ursprung 
einer  Zeit  verdankt,  in  welcher  noch  Helix  candidula,  eine  in- 
dessen längst  nach  Norden  gewanderte  Schnecke,  sich  auf  der 
afrikanischen  Düne  wohl  fühlte.  Von  einer  jüngeren  Bildung, 
oder  wie  man  vielfach  lesen  kann,  von  einer  noch  heute 
fortgesetzten  Landbildung  am  Ufer  Egyptens  ist 
entfernt  keine  Rede  und  ebenso  unbegründet  ist  es,  wenn 
man  die  Küste  Alexandria's  in  irgend  eine,  ob  auch  längst  ver- 
gangene Verbindung  mit  dem  Nil  bringen  will.  Von  einer  neuen 
Landbildung  in  Unteregypten  ist  überhaupt  längst  keine  Spur 
mehr  zu  sehen,  und  modificirten  sich  meine  Begriffe  von  der  Nildelta- 
bildung auf  Grund  der  Aufnahmen  und  Beobachtungen  europäischer 
Ingenieure  sehr  wesentlich.  Die  Techniker  fanden  namentlich 
um  Alexandria  keine  andere  als  eine  das  Land  erodirende  und 
allmählich  verschlingende  Wii'kung  des  Meers,  Von  Ramleh  bis 
Mex,  d.  h.  eben  etwa  auf  dem  Gebiete,  das  einst  die  alte  Welt- 
stadt mit  ihren  Bauten  bedeckte,  greift  die  Brandung  die  Felsen- 
unterlage des  Bodens  in  einer  Weise  an,  dass  z.  B.  die  alten 
Gräber,  welche  in  den  Fels  gehauen  waren,  zum  grössern  Theil 
schon  versehwunden  und  die  Trümmer   der  Stadt  mit  ins  Meer 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     18G7.     2s  n.  3s  Heft.  2l 


-    322    - 

hinein  geführt  sind.  Der  Grund  hiefür  ist  unschwer  zu  erkennen, 
sobald  man  nur  ein  wenig  aufmerksam  zur  Ebbezeit  den  Strand 
begeht:  bekanntlich  ha^  Alexandria  einen  alten  und  einen  neuen 
Hafen:  der  alte  ist  heutzutage  absolut  unbrauchbar,  die  licht- 
grüne  See  und  die  schäumende  Welle  künden  die  allgemeine 
Untiefe  an  und  an  ganzen  Zügen  von  Riffen  bricht  sich  allent- 
halben die  tosende  Brandung.  Wo  der  alte  Hafendamm  sich 
ans  Ufer  anschliesst  und  die  halbverfallenen  arabischen  Forts 
geisterhaft  aus  der  See  hervorragen,  wo  die  Welle  alle  15 — 20 
Secunden  das  Ufer  peitscht,  da  liegen  Gallerien  von  Backstein- 
bauten, cementirte  Estriche,  gepflasterte  Wege  blos,  die  bereits 
mehr  oder  minder  alle  unter  dem  Meeresspiegel  der  Ebbe- 
zeit liegen.  Dazu  —  wie  oben  gesagt,  das  Meer,  das  in  die 
alten  Grabgänge  eindringt,  die  Schwierigkeit  der  Einfahrt  aller 
Schiffe  auch  in  den  neuen  Hafen  und  namentlich  auch  der 
brackische  Mareotis,*)  der  trotz  aller  Mühe  Mehämmed-Ali's 
nicht  mehr  trocken  gelegt  werden  kann  —  Alles  das  lehrt  un- 
widersprechlich,  dass  wir  mit  einer  sinkenden  Meeresküste 
zu  thun  haben. 

Diess  ist  eine  Thatsache,  die  an  sich  mehr  als  alle  andern 
Umstsände  das  Gelingen  des  Isthmusdurchstiches  in  sichere 
Aussicht  stellt  und  alle  die  von  neidischen  Interessenten  ausge- 
streuten Fabeln  von  Versandung  der  Canäle  und  von  Ver- 
stopfung der  Nilmündungen  durch  Nilschutt  u.  s.  w.  zu  Schanden 
macht.  Dergleichen  Dinge  wurden  noch  vor  wenigen  Jahren 
allgemein  geglaubt  und  als  Grund  gegen  die  mögliche  Ausfüh- 
rung des  Canals  geltend  gemacht;  wer  je  an  Ort  und  Stelle  sich 
von  dem  wirklichen  Sachverhalt  überzeugt  hat,  dem  kommen 
derartige  Gedanken  gar  nimmer  in  den  Sinn.  Was  der  Nil 
schliesslich   noch   ins  Meer  führt,    nachdem   er  vorher   auf  100 


*)  Die  Franzosen  trafen  bei  ihrer  Landung  den  Marcotis  ausge- 
trocknet, bis  auf  wenige  Süsswassertümiicl.  Seit  die  Engländer  im 
April  1807  unter  Sir  Ralph  Abcrcrombic  die  Landzunge  zwischen  dt-r 
See  und  dem  Mareotis  durchstachen,  um  die  Franzosen  des  süssen 
Wassers  zu  berauben,  ist  er  nie  wieder  gctrofknet. 


—       O^Ö       — 

Meilen  langem  Lauf  von  seinem  Bette  abgeleitet  und  in  mehr 
als  tausend  Canälen  angezapft  und  angesaugt  worden  ist,  ver- 
schwindet fast  vollständig  als  geologisches  Moment.  Bei  Cairo 
steigt  der  Nil  noch  zur  Zeit  seines  höchsten  Wasserstandes  um 
8  Meter,  bei  Damiette  und  Rosette  beträgt  das  Steigen  nur 
1  Meter.  Der  grössere  Theil  des  Wassers,  das  durch  die  zahl- 
losen Canäle  die  Culturfelder  Niederegyptens  befeuchtet,  ver- 
dunstet oder  verlauft  in  die  seichten  Lagunen  des  Menzaleh, 
Burlos,  Edku  und  Mariut.  Ein  Gefäll  des  Wassers  ist  kaum 
noch  zu  beobachten.  Yon  Geschieben  ist  ohnehin  keine  Rede, 
da  das  Wasser  nicht  Einen  Stein  mehr  wälzt  und  bei  seinem 
trägen  Lauf  durch  das  untere  Delta  mehr  und  mehr  sich  klärt. 
Von  irgend  einem  Einfluss  der  Nilabsätze  auf  den  Ufergrund  des 
Meers  fanden  die  untersuchenden  Ingenieure  der  Suescanalcom- 
pagnie  auch  nicht  die  Spur.  Der  französische  Ingenieur  Mougel- 
Bey,  der  namentlich  im  Jahr  1860  und  61  im  Auftrage  des 
Vicekönigs  die  Nilmündungen  aufgenommen  und  gerade  mit 
Rücksicht  auf  ihre  Absätze  am  Ufer  studirt  hat,  weist  überzeu- 
gend nach,  wie  ausser  dem  feinsten  Thonschlick  und  dem  zar- 
testen Sande  die  Nilarme  Nichts  mit  zum  Meere  bringen  und 
dass  der  englische  Capitän  Spratt  entschieden  im  Unrecht  sei, 
wenn  er  z.  B.  zahlreiche  kleinere  Kunstproducte  und  die 
Scherben  von  Töpfergeschirr,  mit  denen  die  Welle  am  ganzen 
Ufer  von  Niederegypten  spielt,  auf  den  Nil  zurückführen  will. 
Die  meisten  Scherben  und  fremdartige  Steintrümmer  fand  man 
gerade  da,  wo  niemalen  der  Nil  gemündet,  zwischen  dem  Thurm 
der  Araber  und  Abukir,  weit  weniger  trifft  man  an  der  Mün- 
dung der  Nilarme  selber  und  erklärt  sich  das  Vorhandensein  der 
Scherben  vielmehr  aus  den  in  alten  und  neuen  Zeiten  unterge- 
gangenen Ortschaften  und  der  vieltausendjährigen  Sitte,  Ufer- 
strassen zu  gehen,  auf  denen  natürlich  das  Trinkwasser  mitge- 
führt wurde.  (Hat  doch  heute  noch  wie  zu  den  Zeiten  der 
Pharaonen  jeder  Reisende  seine  Gullah  [Wasserflasche]  bei  sich.) 
Somit  werden  derartige  Erscheinungen  gewiss  richtiger  Weise 
auf  die  einfachste    und  ebendamit  natürlichste  Weise  zurückge- 


—    324    — 

führt,  dass  diese  menschlichen  Spuren,  namentlich  Geschirr  und 
Töpferreste  einfach  im  Lauf  der  Jahrtausende  vom  Ufer  aus  ins 
Meer  gericthen,  ohne  dabei  die  Hülfe  des  Nils  in  Anspruch  zu 
nehmen. 

Die  Ingenieure  finden,  meist  zu  ihrem  grossen  Leidwesen, 
als  Untergrund  unter  dem  egyptischen  Culturbodcn  einen  losen, 
schwimmenden  Meersand,  über  den  sich  erst  der  zarte  Mlschlick 
ausgebreitet  hat.  Keinem  aber  derselben  kommt  es  in  den  Sinn, 
die  Sande  in  der  Bai  von  Pelusium  und  die  Barren  von  Port- 
Said  irgendwie  mit  dem  Nil  in  Verbindung  zu  bringen.  Viel- 
mehr wascht  das  Meer  von  den  alten  miocenen  Dünen,  als  der 
Unterlage  des  egyptischen  Grund  und  Bodens  den  Quarzsand 
aus,  wo  die  Düne  aus  Quarzsand  besteht,  oder  aber  den  Kalk- 
sand, wo  sie  wie  zu  Alexandria  durch  diesen  gebildet  ist  und 
verschlingt  so  von  dem  sinkenden  Strande,  was  ihm  nach  den 
Gesetzen  der  Physik  geboten  wird. 

Solche  Bildungen  des  gegenwärtigen  Meeres  kann  man  von 
Sues  an  längs  der  ganzen  Küste  des  rothen  Meers  bis  zur  Breite 
von  Assuan  verfolgen.  Wo  auch  unsere  Barke  das  Land  gewann 
und  Steine  am  Ufer  ihr  Zeugniss  ablegten,  hatte  man  nur  entweder 
altes  crystalliuisches  Gebirge  unter  den  Händen  oder  modernen 
Meeressandstein  und  Riffkalke.  Gleich  die  Bucht  von  Sues  wird,  ehe 
das  miocene  Isthmus-Gestein  anfängt  und  sich  bis  zum  Durchstich 
von  el  Guisr  an  den  Fuss  der  eocenen  Felsen  lagert,  von  einem 
jüngsten  Tertiär,  sogen,  modernen  Meeressandstein,  begränzt, 
dessen  Felsen  10 — 12  Fuss  über  der  Fluthmarke  liegen.  Im 
Norden  der  Suesbucht ,  bei  der  Einmündung  des  maritimen 
Canals  bricht  man  zur  Ebbezeit  einen  zur  Fluthzeit  unter  Wasser 
gelegten  harten  Felsen  aus,  der  aus  Rollstücken  und  Meermu- 
scheln zusammengesetzt  ist.  Die  Arten  der  Muscheln,  die  ich 
beobachtete,  werden  heute  noch  von  der  Fluth  an  den  Strand 
geworfen  und  gehören  zu  der  jetzigen  Fauna  des  rothen  Meeres, 
Weiter  leckt  die  Welle  am  Ufer  eine  Wand  von  10  Fuss  Höhe 
blos,  die  aus  dem  feinsten  gelben  Sand  besteht,  ofienbar  einem 
alten  Flugsand,  und  von  einer  Lage  Muschelschalen  und  Gyps- 
crystallen  bedeckt  ist,  die  zum  Theil  zu  einer   Art  Brcccie  zu- 


-    325    — 

sammeugebacken  sind  und  vielfach  an  gleichartige  Dinge  unseres 
oberschwäbischen  Tertiärs  erinnern.  Gebleichte  Muschelschalen, 
Gypscrystalle  und  Salz  sind  rings  um  Sues  und  weithin  auf  dem 
Isthmus  der  Grund  und  Boden  der  Gegend.  Einen  trostloseren 
Anblick  von  einer  Erdoberfläche  kann  sich  kaum  Jemand  denken. 
Von  einer  Vegetation  ist  überhaupt  gar  keine  Spur,  selbst  die 
hartstengligen  Wüstengräser  oder  die  stachligen  und  klebrigen 
Wüstenkräuter  können  in  dem  gesalzenen  Gypsboden  nicht  exi- 
stiren,  der  unter  dem  Fusse  kracht  und  mit  dem  Perlmutter- 
bruch seiner  Gypscrystalle  im  Sonnenglanz  spiegelt. 

Mitten  in  dieser  öden  Wüste,  die  ein  Europäer,  wenn  es  nicht 
so  heiss  wäre,  am  liebsten  einer  eisigen  Winterlandschaft  ver- 
gleichen möchte,  erhebt  sich  ein  grüner  Fleck,  der  einzige  auf 
eine  Entfernung  von  Tagereisen  hin,  Ain  Musa  mit  seinen 
merkwürdigen  Quellen.  Früher  war  Ain  Musa  eine  der  wich- 
tigsten Wasserstationen  der  Karawanen,  die  von  Egypten  nach 
Arabien  zogen,  jetzt  —  da  der  Süsswassercanal  des  Hrn.  v.  Lesseps 
das  viel  bessere  Mlwasser  nach  Sues  bringt,  hat  Ain  Musa 
diesen  seinen  geographischen  Werth  ganz  verloren,  in  nichts 
aber  an  seinem  geologischen  Interesse  eingebüsst,  das  die  Quellen 
dem  Forscher  bieten.  Diese  Quellen  kommen  nehmlich  auf  der 
Spitze  isolirter  4 — 5  Meter  hoher  kegelförmiger  Hügel  zum 
Vorschein*)  und  ist  eine  beträchtlich  Anzahl  derselben  auf  dem 
Eaume  einer  halben  englischen  Quadratmeile  vereinigt.  Die 
Quellen  gaben  zur  Cultivirung  des  umliegenden  Bodens  Anlass 
und  sind  gegenwärtig  auf  einem  Eaum  von  einigen  Morgen 
Gärten  angelegt  und  Landsitze  wohlhabender  Europäer  errichtet. 
Die  Temperatur  und  Beschaffenheit  dieser  Quellen  ist  verschie- 
den, erstere  varirt  zwischen  17  und  23*^  R. ,  letztere  zwischen 
einem  kaum  merklich  gesalzenen  Trinkwasser  und  einem  unge- 
niessbaren  Bitterwasser.  Die  Quellen  selber  brechen  innerhalb 
der  Gärten,  wo  die  Cultur  die  natürlichen  Hügel  geebnet  hat, 
aus    trichterförmigen  Bassins,    innerhalb    deren   das  Wasser  in 


>=)  Petermaniis  Mittheilung,     1861.     Taf.   14. 


-    326    - 

zahlreichen  Einzelquellen  wie  durch  Mauslöcher  aufquillt  und 
jedes  Loch,  das  man  mit  dem  Stock  in  den  weichen  Boden 
sticht,  wird  zum  neuen  Quellrohr.  Doch  lassen  sich  die  natür- 
lichen Verhältnisse  besser  als  innerhalb  der  Gärten  ausserhalb 
des  Opuntia-Haages  in  der  Wüste  erkennen.  Tausend  Schritte 
östlich  von  der  Oase  steht  eine  einsame  Palme  am  Fussc   eines 


Quell  bei  der  Oase  Ain  Musa  in  der  Sueswüste. 
Nach  einer  Zeichnung  von  Max  Eyth. 


5  Meter  über  die  Ebene  aufsteigenden  Hügels :  auf  dessen  Spitze 
steht  eine  Wasserlache  von  1,3  M.  Durchmesser  und  0,5  M.  Tiefe. 
Das  Wasser  ist  ungeniessbar  gesalzen  und  bitter,  sowie  17  "  R. 
warm,  ein  dintenschwarzor  Schlamm  deckt  den  Boden.  Der  Ab- 
fluss  geschieht  in  einer  handbreiten  Rinne,  doch  erreicht  das 
Wasser  kaum  die  Ebene,  indem  der  Wüstensand  am  Fusse  des 
Hügels  alsbald  das  Wasser  wieder  verschlingt.  Zahlreiche 
Wasserkäfer,  die  sich  an  der  Hand  festbeissen,  Melanien  (.17. 
fasciolata  Oliv.),  die  lustig  im  lauen  Wasser  herumkriechen  und 
wie  ich  bald  zu  meiner  Freude  bemerkte,  Hunderttausende  von 
durchsichtigen  Pinselflöhen  (Ci/pris  dchcta  Müll.)  füllton  das 
kleine  Bassin.  Mit  der  hohlen  Hand  Wasser  schöpfend,  fing  ich 
Duzende,   die  mit  ihren  gefranzten  Fühlern  horumruderteu  und 


-    327     - 

schliesslich  auf  der  Hand  strandeten.  Bald  auch  zeigten  sich 
im  Schlamme  zahllose  undurchsichtig  gewordene  Schalen  abge- 
standener Thiere  und  schliesslich  erwies  sich  der  Fels,  der  den 
Hügel  umsehliesst,  durchgängig  von  Cyprisschalen  gebildet. 
Die  Sache  lag  klar  vor  Augen:  die  Cypridinen  bauten  den 
Hügel,  die  Millionen  Thierchen  cementirten  mit 
ihren  Kalkschalen  im  Laufe  der  Zeit  den  Sand,  durch 
den  die  Quelle  aufsteigt,  und  bauten  schliesslich  die  Quelle  ein, 
zunächst  so  hoch  sie  stauend,  als  es  überhaupt  nach  physika- 
lischen Gesetzen  möglich  war,  hernach  aber  sie  förmlich  ab- 
schUessend,  so  dass  ein  Theil  der  früheren  Quellen  gar  keinen 
Ausfluss  aus  der  Cyprismauer  mehr  findet.  Dazu  zeigt  die 
mikroskopische  Untersuchung  des  Schlammes  Diatomeen*)  in 
ungeheurer  Menge,  die  den  eigentlichen  Quellabsatz  repräsen- 
tiren.  Ausser  den  Diatomeen  fanden  sich  auch  Infusorien  und 
Insektenreste,  die  mit  kohlensaurem  Kalk  den  Schlamm  bilden. 
Der  Druck  auf  das  "Wasser  stammt  offenbar  aus  dem,  wenn  auch 
2—3  Meilen  entfernten  Rahah-Gebirge.  In  den  schwach  gegen 
das  Meer  geneigten  Schichten  lauft  und  sammelt  sich  das ,  ob 
auch  spärliche  Wasser ,  das  an  der  Abbruchstelle  zu  Tage  tritt, 
•wo  die  Schichten  steil  gegen  die  rothe  Meer-Spalte  abfallen. 
Eine  im  Süden  der  Oase  zu  Tage  tretende  Schichte  tertiären 
Kalkes  zeigt  Streichen  und  Fallen  der  Bänke  deutlich.  Ruhig 
aber  wären  von  jeher  die  Wasser  im  Sande  verronnen,  wenn 
nicht  das  organische  Leben,  speciell  also  die  Schalen  der  Cypris 
allmählich  die  Quellgänge  eingemauert  und   an   einigen  Stellen 


*)  Herr  Eulenstein,  der  sich  für  diese  mitgebrachten  Schlammpro- 
"ben  interessirte,  fand: 

Epithemia  gibba,  Pinnularia  viridis, 

„  argus,  Orthosina  arenaria, 

Denticula  tenuis,  Mastogloia  Smithii. 

Fragilaria  capiicina, 
Die  Arten  der   Gattung   Mastogloia  kommen  mit   Ausnahme   der  M. 
Smithii  im  Brack   oder  Meerwasser  vor.     Diese  findet  sich  meist  im 
Süsswasser,   bisweilen  aber  auch  im  Brackwasser.     Die  übrigen  ange- 
führten Arten  sind  ächte  Süsswasserarten. 


-    328    - 

bis  zu  12  und  15  Meter  über  die  Ebene  der  Wüste  und  30  M. 
über  die  Fluthmarken  getrieben  hätten.  Mit  Stock  und  Hammer 
liess  sich  leicht  die  Probe  machen ,  dass  alle  diese  Hügel  mit 
ihrem  Wassertümpel  auf  der  Höhe  auch  seitlich  angezapft  werden 
konnten,  worauf  das  Wasser  mit  Gewalt  zu  der  eingetriebenen 
Seitenöffuung  ausfloss. 

Solcherlei  Bildungen  können  als  moderne,  jetzt  noch  fort- 
dauernde angesehen  werden,  wie  auch  die  Niederschläge  aus- 
laugender, mit  Salz  und  Gyps  gesättigter  Wasser,  die  da  und 
dort  am  Canalbau  die  oberflächlichen  Lagen  der  beweglichen 
Sande  unter  einander  verkitten. 

Weitaus  die  wichtigste  Rolle  unter  den  Jüngern  Meeresbil- 
dungen spielen  die  KorallrifPe,  die  ich  am  Hadjar  el  Ma  nördlich 
el  Tor,  und  auf  der  africanischen  Seite  hinter  Cosseir,  im  Ambaga  zu 
beobachten  Gelegenheit  fand  und  die  ausserdem  noch  über  Tage- 
reisen hin  am  Ufer  des  Meeres  zu  Tage  gehen.  Bevor  das  fossile  Riff 
zur  Untersuchung  mir  zum  Verständniss  kam,  bot  das  moderne 
Riff  alle  seine  Reize  auf,  um  mich  zu  fesseln  und  mir  zum  ersten- 
mal das  unvergessliche  Schauspiel  des  südlichen  Lebens  zu  zeigen, 
das  auf  den  vorherrschend  aus  Madreporen,  Alcyonen,  Milleporen 
und  Astraeen  bestehenden  Corallenbänken  sich  entfaltet.  Längs 
des  ganzen  rothen  Meeres  zieht  an  den  Ufern  in  der  Bi-eite  von 
einigen  100  Schritten  das  Saumriff  hin,  an  dem  die  Brandung 
Jahr  aus  Jahr  ein  tost  und  von  dem  jede  Barke,  wohlwissend 
warum,  in  respectvoller  Entfernung  bleibt.  Von  einer  benach- 
barten Höhe  aus,  wie  von  der  des  Atäqah,  erkennt  man  das 
Riff  an  der  lichtgrünen  Farbe  des  Wassers,  die  durch  den  Sil- 
berstreifen der  Brandung  getrennt  von  dem  dunkeln  Tiolcttblau 
der  Tiefe  sich  aufs  schärfste  abhebt.  Wo  nun  längs  der  Küste 
irgend  ein  Tagwasser  in  das  Meer  mündet,  das  jetzt  vielleicht 
nur  noch  einige  Stunden  im  Jahr  fliesst,  aber  wohl  in  früheren 
Zeiten  noch  reichlicher  floss,  da  ist  das  Riff  unterbrochen.  Eine 
Lücke,  je  nachdem  nur  von  10  Metern,  aber  auch  bis  zu  100 
Meter  und  darüber  öffnet  sich  und  bietet  der  gebrechlichen  Barke 
des  Rothenmeer-Schiffers  den  gesuchten  Landungsplatz  und  ruhige 
Bergeplätzc  vor  den  oft  recht  gewaltigen  Stürmen,  denen  dieses 


-    329    — 

schmale  Biuueumeer  ausgesetzt  ist.  Der  Schiffer  kennt  diese 
Lücken  im  Riffe  wohl  alle,  hier  nur  ist  es  zur  Ebbezeit  vom 
Lande  aus  möglich,  wenn  auch  nicht  trockenen  Fusses,  aber 
ohne  erhebliche  Schwierigkeiten  das  Eiff  zu  begehen.  Ich  be- 
suchte es  zu  el  Tor  und  hinter  Cos seir.  Die  Breite  des  Riffes 
ist  wechselnd  bis  zu  einigen  hundert  Schritten.  In  der  ganzen 
Breite  des  Riffes  ist  die  Coralle  abgestanden,  nur  am  Saum  des- 
selben, wo  es  gegen  die  hohe  See  abfällt,  ist  das  wunderliche 
Leben  der  Stöcke  zu  beobachten.  Ohne  zu  tauchen  ist  es  je- 
doch nicht  möglich,  sich  derselben  zu  bemächtigen,  dagegen  ist 
das  Wasser  so  wunderbar  klar,  dass  man  versucht  ist,  nach 
denselben  zu  greifen,  obwohl  die  Entfernung  4 — 6  Meter  be- 
trägt. Das  Riff  ist  in  seiner  Breite  vom  Ufer  bis  zum  Saum 
einer  Kalk -Felsenplatte  mit  rauher  Oberfläche  zu  vergleichen, 
an  der  man  äusserlich  keine  Spur  von  Corallenbau  mehr  er- 
blickt. Erst  wenn  man  mit  dem  Hammer  ein  Stück  des  körnigen 
Kalkes  abschlägt,  sieht  man  die  Corallenstructur  des  Felsen. 
Was  für  ein  Leben  nun  auf  diesem  Riff!  Keine  nur  handgrosse 
Stelle,  wo  es  sich  nicht  regt  und  zuckt  und  die  Kruster  und 
Anneliden  ebenso  als  die  Mollusken  und  Crinoideen  gruppen- 
weise bei  einander  ihr  Stillleben  führen.  So  neu  dem  Europäer 
der  Anblick  eines  solchen  südliehen  Corallenriffes  ist,  so  ist  es 
doch  dem  Jurageognosten  gewissermassen  bekannt.  Ich  ver- 
meinte in  der  That  oft  auf  einem  Weiss-Jura-Felsen  bei  Neres- 
lieim  oderNattheim  zu  stehen.  So  überraschend  ähnlich  ist  der 
Gesammteindruck,  den  das  jurassische  und  das  moderne  Riff 
macht.  Die  einzelnen  Arten,  die  das  Riff  beleben,  treten  immer 
in  Mengen  auf,  dass  der  Werth  des  Individuums  kein  anderer 
däucht,  als  der  des  Sandkorns  oder  des  W^assertropfens.  Die 
Menge  der  Individuen  ist  um  so  auffälliger,  als  einige  Arten 
stets  für  sich  leben  und  ihre  bescheidenen  Lebensbezirke 
haben,  die  sie  nicht  verlassen  und  die  ihnen,  wie  es  scheint, 
auch  nicht  streitig  gemacht  werden  von  Concurrenten. 

Die  ersten  Schritte  auf  das  Riff*)   vom  sandigen  Ufer  weg 


Die  nachfolgende   Schilderung  des  Riffs  bezieht  sich  auf  das 


-    330    - 

führen  an  einen  Wald  braungrüner  Algen,  in  dessen  Schatten 
Patellen  und  Neriten  sich  wohl  fühlen.  Dieser  erste  Bezirk 
ist  über  10  Schritte  breit  und  bildet  gewissermassen  einen  Saum 
ums  Riff  gegen  den  Strand.  Neben  der  Patella  sp.  sitzt  Kerita 
albicilla  Lm.,  Columhella  mendicaria  Lm.  und  OUva  funehralis 
Lm.  In  den  Löchern  des  Riffs,  in  denen  das  Wasser  über  die 
Zeit  der  Ebbe  stehen  bleibt,  haben  sich  handgrosse  violette 
Ophiocomen  festgekneipt,  die  sich  lieber  Glied  um  Glied  vom 
Leibe  reissen  lassen,  als  dass  sie  ihren  Schlupf  verliessen,  irgend 
ein  altes  Pholadenloch ,  das  Sand  und  Wasser  mit  der  Zeit  er- 
weitert hat.  Dazwischen  tummelt  sich  geschäftig  ein  Grapsus 
oder  Gclasimus  um,  der  von  Tümpel  zu  Tümpel  springt,  um 
nachzusehen,  ob  nirgends  ein  Cadaver  liegt,  der  zu  beseitigen 
wäre.  Der  zweite  Rayon  beginnt  damit,  dass  becherförmige 
kürzere  Algen  jene  erstem  verdrängen.  Vereinzelt  findet  sich 
nur  noch  Columhella ,  an  Stelle  der  anderen  trifft  man  Natica 
melanostoma  Lm.,  Cerithiwn  tnaculosum  Lk.,  Strombus  pihhe- 
rulus  Lk.  und  floridus  Lk.  und  Turbinella  cornigera  Lk.  Auch 
hier  nur  ein  Streifen  von  wenigen  Schritten,  um  dem  dritten 
Lebensbezirk  Platz  zu  machen.  Die  Algen  werden  seltner  und 
sind  violett  und  carminroth,  einzelne  prachtvoll  anilinblau, 
prangen  aber  nur  unter  Wasser  in  diesem  Farbenschmuck.  Hier 
ist  die  Heimath  des  Echinus  und  des  unnahbaren  Diadema,  der 
mir  brennende  Wunden  versetzte,  als  ich  mich  seiner  bemäch- 
tigen wollte.  Dazwischen  liegen  anscheinend  leblos  unförmliche 
Ascidien,  Phallusien  und  Pyrosomen,  und  sind  Pinnen  und  Me- 
leagrinen  halb  begraben  in  den  Löchern.  Freier  bewegen  sich 
die  Gasteropoden ,  die  durch  Dolium  pomum  Lk.,  Terebra  cae- 
rulesccns  Lk. ,  Eicinula  tuberculata  Bl.  und  kleine  Trochus 
vertreten  sind.    In  flachem  Gefäll  neigt  sich  die  Oberfläche  des 


eine  halbe  Stunde  südlich  Cosseir  gelegene  Riff,  das  ich  mit  meinem 
werthen  Freund  und  Landsmann ,  dem  Dr.  Klunzingcr,  besuchte.  Der- 
selbe ist  nunmehr  seit  4  Jahren  an  dem  dortigen  iSpitale  als  K.  türkischer 
Sanitätsrath  angestellt  und  ist  von  ihm  bald  eine  genaue  Beschreibung 
der  Fauna  von  Cosseir  zu  erwarten. 


—    331    — 

Eiffs  gegen  die  See,  so  dass  bei  der  Ebbe  der  Reihe  nach  der 
erste,  zweite,  dritte  Lebensbezirk  vom  Wasser  frei  wird.  Der 
erste  ist  somit  nahezu  volle  6  Stunden  ausser  dem  Wasser,  der 
zweite  schon  kürzere  Zeit  u.  s.  w.  Man  versteht  es  daher  bald, 
wozu  der  Algenwald  am  Ufer  dient,  und  warum  gerade  Patellen 
und  Neriten  dort  leben,  die  mit  ihren  festgeschlossenen  Woh- 
nungen den  ßstündigen  Sonnenschein  zu  ertragen  im  Stande 
sind.  Mit  der  Annäherung  an  die  hohe  See  nehmen  die  Thiere 
zu,  deren  Bau  eine  kürzere  Frist  ausserhalb  des  Wassers  ver- 
langt. Wir  sind  150 — 200  Schritte  vom  Ufer  dem  zurückwei- 
chenden Meere  folgend  und  treten  in  einen  neuen  vierten  Bezirk 
der  Balanen,  der  Chama  und  der  Austern.  Der  feste  Wohnplatz 
dieser  Thiere  ist  so  gelegen,  dass  sie  auch  zur  Zeit  der  nie- 
dersten Ebbe  doch  von  jeder  strandenden  Welle*)  benetzt  wer- 
den und  so  zu  sagen  in  beständigem  Sturzbad  leben.  Mit  be- 
sonderer Vorliebe  sitzen  sie  um  die  Brunnen  auf  dem  Riff, 
wie  ich  die  Löcher  nenne,  die  in  der  Nähe  des  Randes  durch 
Rohre  mit  der  See  eommuniciren.  Durch  diese  Gänge  im  Riff 
wogt  das  Wasser,  so  oft  sich  die  Welle  hebt,  im  Meer  und  im 
selben  Augenblick,  wo  sich  die  Welle  am  Riffe  bricht,  stürzt 
aus  dem  Rohr  ein  Strahl  vom  Durchmesser  des  Loches  hervor, 
so  dass  bis  zur  Wiederkehr  der  Fluth  jedes  der  Löcher  einem 
intermittirenden  Sprudel  zu  vergleichen  ist.  Fehlen  die  Sprudel 
oder  die  immerwährende  Benetzung  des  Grundes  durch  die 
Sturzwelle,  so  begegnen  wir  in  den  Tümpeln  des  Riffes  dem 
grossen  Strombus  tricornis,  mit  seinem  wahrhaft  komischen 
Laufen,  beziehungsweise  Springen,  seinem  braunen  hornigen 
Pantoffel  am  Fuss  und  den  lebhaften,  glänzenden  Augen.  — 
Wir  sind  jetzt  am  Rande  des  Riffs,  dem  fünften  Lebensbezirk, 
doch  wird  hier   dem  Beobachter   nicht  mehr   recht  heimelig  zu 


*)  Den  14.  März  zählte  ich  in  einer  müssigen  Stunde  bei  ganz 
ruhiger  See  die  Zwischenräume  zwischen  den  wiederkehrenden  Wellen 
mit  der  Secundenuhr  und  fand  folgende  Intervallen:  5,  15,  25,  32,  40, 
50,  55,  59,  8,  13,  25,  33,  39,  46,  55,  4,  9,  15,  25,  31,  36,  59,  5'j,  3, 
10,  20,  31,  40,  50,  2,  10,  20,  27,  34,  40,  52  u.  s.  w. 


-    332    — 

Muthe.  In  zähem  Absturz  geht  es  in  die  dunkelblaue  Tiefe 
hinab  und  ängstlich  weicht  man  der  sich  brechenden  Woge  aus, 
die  drohend  bis  zum  Rand  kommt,  als  wollte  sie  den  Fremdling 
mit  in  die  Tiefe  reissen.  Hier  am  Rand  sitzen  riesige  Holo- 
thurien  und  Actinien  nnd  zwischen  den  Aesten  der  Madreporen 
klafft  die  Tridacna  gigas  Lk.  Der  Fels,  der  bis  hieher  abge- 
standen ist,  scheint  durch  und  durch  Leben  zu  bekommen,  denn 
so  weit  man  zur  Tiefe  blickt,  zuckt  es  an  ihm  tausendfach  und 
spielen  die  Fühler  der  Corallen  flimmernd  in  dem  ewig  klaren 
Wasser.  Ohne  die  Plülfe  eines  tauchenden  Negers,  der  mit 
einem  Hebel  die  Corallen  losbricht,  ist  es  nicht  möglich,  hier 
weiter  zu  beobachten. 

Von  dem  Riffe  lebender  Corallen,  dessen  abgestandener 
Fels  ziemlich  genau  den  mittleren  Meeresspiegel  darstellen  wird, 
treten  wir  wieder  an  das  Ufer  landeinwärts,  wo  wir  bald  dem- 
selben Riffe  in  verschiedener  Höhe  über  dem  jetzigen  Meer  be- 
gegnen. Das  überraschendste  ist  bei  Cosseir  das  Ambaga  und 
am  Hadj  el  Ma  bei  Tor. 

An  alte  Hornblendeschiefer  und  Diorite  lehnt  sich  bis  zu 
mehreren  100  Meter  über  dem  Meere  das  Riff  an,  petrographisch 
zum  reinsten  Kalkstein  geworden,  hier  marmorisch,  dort  körnig 
crystallinisch,  scheinbar  dolomitisch,  in  welchem  factisch  an- 
nähernd dieselbe  Fauna  beobachtet  wird,  wie  im  modernen  Riff 
am  Ufer.  Gyps  liegt  theilweise  darüber,  theilweise  darunter. 
Am  Hadjar  el  Ma  liegt  über  40  '  Gypsmassen ,  welche  im  Ni- 
veau des  Meeres  beginnen,  ein  poröser  Kalkfels  mit  unzähligen 
Steinkernen  von  Corallen  und  Mollusken;  A'ielfach  ist  an  ihm 
die  Corallenstructur  verschwunden,  doch  zeugen  Millionen  Stein- 
kerne von  Lithodomen,  Ciavagellen  und  Pholadcn,  dass  vor  Zeiten 
schon  wie  heutzutage  diese  Minirer  das  Riff  nach  allen  Seiten  hin 
durchnagton.  Die  Höhe  des  Berges  schätzte  ich  auf  300  Meter 
und  hat  man  nur  zwischen  zwei  Anschauungen  die  Wahl:  ent- 
weder stund  in  den  Zeiten  der  Bildung  dieses  Riffes  das  rothe 
Meer  300  Meter  höher,  als  es  jetzt  stellt  und  zog  sich  im  Laufe 
der  Zeit  zurück,   oder   aber  hob   eich   seither   der  Meeresgrund 


-    333    - 

300  Meter  über  seinen  früheren  Meeresspiegel.  Ein  Drittes  gibt 
es  nicht. 

Näher  auf  die  einzelnen  Arten  einzugehen,  lohnt  sich  der 
Mühe  nicht,  die  von  mir  gesammelten  20—30  Species  bieten  ein  zu 
unvollständiges  Bild  der  Fauna  und  die  Untersuchung  dieser  oder 
jener  Art  auf  eine  etwaige  Abweichung  von  der  lebenden  Form 
hin  kann  nur  durch  einen  an  Ort  und  Stelle  sich  aufhaltenden 
Gelehrten  geschehen,  der  sich  täglich  ein  reiches  Material  zu 
verschaffen  im  Stande  ist. 

Namentlich  ist  es  mit  den  grössten  Schwierigkeiten  der  Un- 
tersuchung verknüpft,  die  Corallenstücke  noch  bestimmen  zu 
wollen,  von  denen  etwa  ein  Duzend  vorliegt.  Die  einzige  Po- 
raraea  fenestrata  Edw.  und  Haime  lässt  sich  mit  Sicherheit 
vergleichen,  es  ist  dieselbe  Art,  welche  am  Riff  von  Cosseir 
besonders  zahlreich  ist,  vom  Taucher  in  faust-  bis  kopfgrossen 
Stücken  abgerissen  wird  und  stets  eine  Menge  schmarotzender 
Mollusken  und  Cruster  in  sich  beherbergt. 

Auf  Taf.  YI,  Fig.  15  ist  zur  Vergleichung  der  subfossilen 
Art  mit  der  lebenden  abgebildet 

Laganum  depressum  Lesk.  var.  sinaitica  Frs.  Unsere 
Form  von  dem  alten  100  M.  über  dem  jetzigen  Meeresspiegel 
gelegenen  Riff  unterscheidet  sich  einmal  durch  die  ovale  Gestalt 
der  Schale  von  der  lebenden,  z.  B.  an  der  Insel  Bourbon.  Die 
Gestalt  der  lebenden  ist  mehr  pentagonal.  Ausserdem  ist  auf 
der  Unterseite  der  östrahlige  Stern,  der  um  den  Mund  sitzt, 
ausgeprägt.  Die  einzelnen  Strahlen  des  Sternes  gleichen  lanzett- 
förmigen Blättern,  zwischen  welchen  weitere  fünf  Strahlen  ge- 
drängter, regelmässig  gestellter  Wärzchen  vom  Mund  zum 
Rand  laufen.  Auf  der  Oberseite  unterscheiden  weder  Fühler- 
gänge noch  die  Genitalplatte  unsere  subfossile  Art  von  der  le- 
benden. 

Sehr  häufig  findet  sich  Pecten  radula  Lk.  var.  subfos- 
silis.  Es  stimmt  namentlich  die  Spaltung  der  Rippen.  Im 
Uebrigen  vergleiche  auch  den  ausserordentlich  nahe  stehenden 
Pecten  bifidus  Mstr.  Gf.  97,  10  von  der  Wilhelmshöhe  bei  Cassel. 
Ras  Mungar  ist  ein  Vorgebirge  auf  africanischer  Seite,  zwischen 


—    334    — 

dem  Schwefclberg  und  Cosseir,  wo  wir  landeten  und  eine  Nacht 
zubrachten.  Das  Gebirge  besteht  dort  aus  marinem  Sandstein 
und  Sandgebäcke,  in  welchem  dieser  Pecten  so  vorherrscht, 
dass  er  vor  allen  andern  Muscheln  als  Felsenbildner  erscheint. 

Pecten  Reissii  Bronn.  Mayer,  Madeira  V,  32.  Eine 
gestreifte  Schale,  auf  der  gröbere  und  feinere  Rippen  mit  ein- 
ander abwechseln.  Auf  den  gröberen  sitzen  Runzeln,  die  kleine 
Erhabenheiten  machen. 

Fundort:  Hadjar  el  Ma. 

Häufiger  als  jede  andere  Muschel  klopft  mau  am  Hadjar  el 
Ma  die  Steinkerne  von  bohrenden  Bivalven  aus,  von  Pholaden, 
Clavagellen  und  Lithodomen ,  die  fast  mit  jedem  Hammerschlag 
aus  den  Corallenfelsen  herausfallen. 

Lithodomus  Lyellanus  C.  Mayer,  Mad.  T.  lY,  F.  23. 
Die  grosse  2  Zoll  lange  Art  vom  Hadjar  el  Ma  mag  wohl  mit 
der  Mayer'schen  Art  von  Madeira  übereinstimmen.  Eine  zweite 
ist  der  Kreidespecies  d'Orbignys  ohtusus,  Terr.  cretaces  pl.  345, 
Fig.  11 — 13  sehr  ähnlich,  eine  dritte,  von  den  Arabern  Dattelkern 
genannt,  wegen  der  Aehnlichkeit  mit  diesem  Theile  der  dort  am 
meisten  benützten  Frucht  der  Belah. 

Clavagella  ist  gleichfalls  vielfach  vorhanden.  Man  er- 
kennt das  Geschlecht  an  den  concentrischen  Streifen,  welche 
auf  den  Steinkernen  eingedrückt  sind.  Sie  sitzt  stets  in  Corallen- 
stöcken,  deren  Höhlungen  ihr  Steinkern  ausfüllt. 

Pholas  Sinaitica  Frs.  Taf.  VI,  Fig.  7.  Steinkern.  Die  Art 
der  Versteinerung  dieser  ächten  Pholade  ist  zu  charakteristisch, 
als  dass  wir  nicht  näher  darauf  eingingen.  Sehr  zahlreich  finden 
sich  die  birnförmigen  Knauer,  die  an  ihrem  schmalen  Ende  stets 
eine  Ansatzflächo  beziehungsweise  eine  Bruchfläche  zeigen.  Das 
Stück  ist  über  und  über  besetzt  mit  den  Reliefs  einzelner  Co- 
rallen,  so  dass  man  auf  den  ersten  Anblick  irgend  einen  birn- 
förmigen Corallenstock  vor  sich  zu  haben  wähnt.  Ein  Schlag 
auf  den  Knauer  öffnet  denselben  und  schält  sich  der  Schalen- 
eindruck der  Pholas  heraus  mit  der  charakteristischen  Radial- 
bucht, die  vom  Wirbel  zum  Schalenrand  hinläuft.  Man  sieht 
jetzt  den  Pholadensteinkern  deutlich  umgeben  von  einer  linien- 


-    335    - 

dicken  Kalkschichte  ohne  organische  Structur,  offenbar  dem 
Kalkschlamm,  in  welchem  das  Thier  lebte  und  den  es  selbst 
mittelst  seiner  Bohrarbeit  täglich  förderte.  Der  Schlamm  drang 
natürlich  in  die  Hohlräume  des  Corallenstockes  ein  und  bildet 
jetzt  nach  der  Versteinerung  des  Ganzen  die  Ausgüsse  der  Co- 
rallenhöhlungen  oder  die  Coralle  in  erhabener  Weise  ab.  "Wir 
haben  gewissermassen  das  Negativ  der  Corallen,  abgedruckt  im 
Kalkschlamm  der  Pholade,  in  deren  Mitte  die  Schale  steckt. 

Die  Steinkerne  der  übrigen  Lamellibranchier  übergehen  wir, 
es  sind  Arten  wie  Tridacna,  Mactra,  Lucina,  Cardium,  Car- 
dita, Corbula.    Die  der  Gasteropoden  sind  seltner. 

In  der  innigsten  Verbindung  mit  dem  Corallriflf  steht  das 
Vorkommen  von  Erdöl,  das  an  dem  Djebel  Zeit  geschöpft 
wird.  Die  Erdölquellen  liegen  el  Tor  gegenüber  auf  africani- 
schem  Ufer  und  sind  wie  auch  der  südlicher  gelegene  Schwefel 
vom  Ras  Gimscheh  an  den  Marquese  de  Bassano  verliehen ,  der 
beide  Körper  industriell  zu  verwerthen  sucht  und  einiges  Leben 
an  die  todten  Küsten  des  rothen  Meeres  bringt.  Die  grossen 
Schwierigkeiten  liegen  immer  im  Mangel  an  Landungsplätzen. 
So  kann  z.  B.  wegen  des  Riffes  selbst  eine  arabische  Barke, 
ein  grösseres  europäisches  Schiff  schon  gar  nicht,  nur  3  Viertel- 
stunden von  den  Petrolquellen  an  das  Ufer  kommen.  Ueber 
einen  öden  Strandweg,  der  nur  Gyps-  und  Salzstaub  und  die 
Trümmer  von  abgestandenen  Corallen  aufweist,  gelangt  man  am 
Fuss  einer  dunkeln  Porphyrwand  zu  den  Gruben.  Die  Petrol- 
gruben  sind  Löcher,  die  in  das  Riff  gegraben  sind,  wenige 
Schritte  vom  Ufer  entfernt,  in  welchen  das  Seewasser  im  Niveau 
des  Meeres  steht.  Auf  dem  Wasser,  das  höchst  widerlich 
Schwefelwasserstoffgase  aushaucht,  lagert  handhoch  eine  grün- 
braune,  irisirende  Schmiere,  die  von  den  Beduinen  der  Gegend  in 
tragbare  Glasballons  (halb  so  gross  als  Schwefelsäureballons)  ab- 
geschöpft und  an  den  Landungsplatz  geschleppt  wird.  Die  ge- 
ladene Barke  fährt  dann  nach  Sues,  wozu  sie  aber  bei  anhal- 
tendem Nordwind    oft    Wochen   nöthig  hat,    von    wo    aus    das 


-    336    - 

Rohöl  durch  den  Canal  *j  in  einen  französischen  Hafen  geschafft 
wird. 

Das  Petrol  quillt  ganz  augenscheinlich  aus  dem  C oral  1- 
riff.  Mir  fiel  nicht  ein,  an  irgend  einen  andern  Ursprung  des 
Oels  zu  denken,  als  an  den  aus  zersetzten  organischen  Körpern 
im  Rifie  selbst  und  der  Lagune.  Das  nächst  dem  Meer  gelegene 
Riff  erscheint  wie  von  Bitumen  durchdrungen,  das  Oel  schwitzt 
tropfenweise  aus  und  wird  von  dem  bis  zu  25  "  R.  erwärmten 
Seewasser  als  specifisch  leichter  nach  oben  genommen,  auf  wel- 
chem es  schliesslich  schwimmend  stehen  bleibt.  —  Der  Eindruck, 
den  die  Bildung  des  Oels  auf  mich  machte,  war  der  eines  höchst 
einfachen  Vorgangs:  ich  brachte  ihn  mit  der  Zersetzung  des  or- 
ganischen Körpers  in  der  Lagune  in  Zusammenhang,  welche  so 
lange  fortdauert,  als  das  Leben  in  der  Lagune  währt.  Diese 
Lagunen  aber,  mit  ihrem  Wasser,  dessen  Temperatur  nie  unter 
18  °  R.  fällt,  (den  Tag  über  hatten  wir  in  der  Mitte  Januar 
22 — 24"  Lufttemperatur,  in  der  Nacht  sank  dieselbe  allerdings 
auf  12  "^  und  darunter,  aber  die  Meertemperatur  sank  auch  in 
solchen  Nächten  nicht  unter  18  ")  sind  wahre  Brüteplätze  des 
Lebens,  darin  jeder  Quadratfuss  Meeresgrund  sich  regt  und  be- 
wegt und  das  Auge,  wo  es  sich  hinwendet,  Zuckungen  des 
Lebens  beobachtet.  So  todt  die  Küste  ist  und  so  wüste  der 
Strand,  so  belebt  ist  das  Meer  und  entschädigt  sich  die  Natur 
im  Leben  des  Salzwassers  für  das  mangelnde  Leben  aller  der 
Organismen,  die  süsses  Wasser  für  ihr  Dasein  nöthig  haben. 
Bei  solchen  Massen  von  Thierindividuon  hält  selbstverständlich 
der  Tod  seine  reiche  Ernte.  Der  beste  Beweis  dafür  ist  die 
Menge  von  Krabben,  diesen  Todtengräbern  der  Meere,  die  „Abu 
Kalambo"  des  Arabers,  der  wohl  eben  wegen  ihrer  Nahrungsweise 
keines  dieser  Thiere  geniesst.  Tausende  und  aber  Tausende  von 
Geschöpfen  treten  täglich  auf  den  Schauplatz  des  Lebens  in  der 
Lagune  und  ebenso  viele  gehen  täglich  ab,  die  Zersetzung  geht 
im  seichten,    lauen  Wasser  mit   begreiflicher   Schnelligkeit   vor 


*)  Im  Januar  1867   fuliren   die  Schiffe   des   Marquis  erstmals   von 
Sucs  na'h  Port-Said. 


-    337    - 

sich,  nur  ein  Theil  der  Gase,  die  sich  beim  Verwesen  entwickeln, 
entweicht  in  die  Luft,  der  andere  condensirt  sich  zu  sogenannten 
schweren  Kohlenwasserstoffen,  die  sich  in  das  abgestandene 
Kalkriff  hineinsetzen,  in  dem  dortigen  porösen  Kalk  wahrschein- 
lich noch  weitere  Condensation  erfahren  und  einmal  zu  Oel- 
tropfen  coagulirt,  in  den  Gruben  des  Riffes  sich  sammeln.  Fran- 
zösische Ingenieure  hatten  in  der  Nähe  der  Petroltümpel  am 
Meer,  offenbar  von  ganz  irrigen  geologischen  Voraussetzungen 
getragen,  grossartige  Schürfe  landeinwärts  gemacht  und  bis  zu 
30'  tiefe  Schlitze  in  das  alte  Riff  getrieben.  Ganz  vergeblich! 
Im  alten  zu  den  Porphyren  im  Hintergrund  ansteigenden  Riffe 
schwitzt  nicht  ein  Tropfen  Oel  aus,  dringt  aber  auch  kein 
Wasser  durchs  Riff,  so  fest  schliesst  der  Corallenfels  das  Meer 
ab,  dass  in  einer  Entfernung  von  100  Schritt  von  der  Fluth- 
marke  kein  "Wasser  mehr  in  die  10  Meter  unter  dem  "Wasserspiegel 
geführten  Schlitze  eindringt.  Staubtrocken  ist  es  in  ihnen  und 
rechts  und  links  stehen  nur  schneeweisse  Corallenwände  an. 
Der  leitende  Ingenieur  war,  wie  mir  schien,  von  der  Ansicht 
ausgegangen,  der  Ursprung  des  Oels  wäre  nicht  im  Riff,  sondern 
hinter  demselben  am  Rand  der  Phorphyre,  darum  schlitzte  er 
das  Riff  gegen  die  Porphyrwand  hin  und  hoffte,  die  Quellen 
durch  den  1  Meter  breiten  und  10  Meter  tiefen  Graben  gegen 
das  Ufer  zu  leiten.  Und  doch  ist  ganz  deutlich,  wie  nur  in 
nächster  Nähe  des  Ufers,  soweit  das  Lagunenwasser  eindringt, 
Oel  aus  dem  Riff  schwitzt. 

Diese  täglich  vor  sich  gehende  Neubildung  von  Oel  greift 
selbstverständlich  in  die  frühesten  Zeiten  zurück.  Ist  doch  im 
ganzen  Gebiet  des  rothen  Meers  ,  dessgleichen  in  dem  Tertiär 
von  Egypten  und  dem  Kreidegebirge  Palästina's  eine  Menge  Ge- 
stein von  Bitumen  durchdrungen.  Die  Schwefelwasser  des  Hammam 
bei  Tor,  im  Gurrhundel,  bei  Sues  kommen  alle  aus  dem  alten 
Riff  und  liegt  vielleicht  gerade  in  dem  Bitumen  der  Steine  der 
Grund  für  die  erhöhte  Temperatur,  welche  den  meisten  dieser 
Wässer  eigenthümlich  ist. 

Dass  zugleich  mit  dem  Bitumen  imflier  auch  Chlor-Natrium 
sich  findet,   ist   nur   ein  weiterer  Beweis   für   den  gemeinsamen 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  Ss  Heft-  22 


—    338    — 

Ursprung  beider  aus  der  gesalzenen*)  und  zugleich  an  organi- 
schen Bestandtheilen  überreichen  Lagune.  Ausser  denselben  ge- 
hört aber,  vom  geognostischen  Standpunkt  aus  entschieden  auch 
der  Schwefel  in  den  Bereich  dieser  jüngsten  marinen  Bildung. 
Eine  halbe  Tagereise  südlich  Djebel-Zeit  ist  das  alte  crystallinische 
Porphyr-  und  Dioritgebirge  fern  vom  Ufer  zurückgetreten.  Auf 
mehrere  Meilen  landeinwärts  ist  das  Ufer  flach,  der  ganze  Strand 
junges  Meergebilde.  Ein  niederes,  höchstens  25  Meter  hohes 
Vorgebirge  springt  aus  der  Fläche  hervor.  Es  ist  das  Eas  el 
Gimscheh  mit  dem  berühmten  Schwefelberg  oder  wie  der  Araber 
es  nennt:  Djebel  Keprit.  Südlich  dem  Vorgebirge  ist  eine  kleine 
Bucht,  in  welche  die  Barke  durch  eine  schmale  Lücke  im  Riff 
hereinschlüpft.  Ein  europäisches  Fahrzeug  kann  hier  gar  nicht 
landen,  ausserdem  ist  die  genaueste  Ortskenntniss  nöthig,  die 
nur  der  Anwohner  am  rothen  Meere  besitzt,  ob  er  gleich  von 
Compass  und  Logbrett  keine  Ahnung  hat.  Halbbegraben  im 
Sande  liegen  einige  Duzend  Wasserfässer,  vom  Marquese  für 
seine  Arbeiter  in  den  Schwefclgruben  aus  Sues  herbeigeführt, 
sonst  keine  Spur  von  Ansiedlung,  2  verwitterte  Beduinen  waren 
die  einzigen  lebenden  Wesen,  die  vom  Marquese  bezahlt,  in  der 
Nähe  der  Gruben  sich  aufhalten,  um  die  Schwefelfässer  und  die 
Haufen  ausgeschmolzenen  Schwefels  am  Strande  zu  bewachen. 
Der  Schwefelberg  besteht  aus  gesalzenem  Gyps,  Gyps  und 
Schwefel :  so  zwar ,  dass  der  lagerhafte  schneeweisse  Gyps ,  der 
aber  von  Chlornatriura  vollständig  durchdrungen  ist,  das  untere 
Dritttheil  (beiläufig  von  25'  Mächtigkeit)  bildet.  Dieser  Salzgyps 
verwittert  zu  einem  weissen  Mehl,  das  den  Schuttfuss  des  Felsens 
bildet,  Windwehen  haben  es  platt  gelegt  wie  Schnee  und  sinkt 


*)  Die  Schichten  um  Ain  Musa,  aiif  denen  die  Wasser  zu  Tage 
treten  (s.  oben  pag.  325)  sind  von  Bitumen  durchdrungen,  das  sich 
beim  Erhitzen  deutheh  durch  seinen  Geruch  zu  erkennen  gibt.  Die 
Analyse,  die  Professor  Marx  in  seinem  Laboratorium  von  dem  Ge- 
stein machen  Hess,  zeigt,  dass  dasselbe  ein  Gemenge  ist  von  Thon  und 
kohlensaurem  Kalk  der  Hauptsache  nach,  vermengt  mit  sehr  wenig 
phosphorsaurcni  Kalk  und  schwefelsaurem  Strontian,  durchdrungen  von 
Bitumen,  Chlomatrium  und  Chlorkalium. 


—    339    — 

man  drin  bis  über  die  Kniee  ein,  ehe  man  auf  schmalen  Tritten 
über  den  Gypsfelsen  hinan  klimmt.  Im  zweiten  Dritttheil  liegt 
der  Schwefel  im  Gyps,  im  oberen  Drittheil  ist  wieder  Gyps. 
In  offenem  Tagbau  bricht  man  nun  das  Mittelstück  des  Berges 
aus,  allwo  der  Schwefel  den  Gyps  vollständig  durchdringt,  auch 
ganze  Lager  und  Nester  gediegenen  Schwefels  aufsitzen.  In  dem 
oberen  Abraum  ziehen  wohl  auch  einzelne  Adern  durch  den 
Gypsfels  (namentlich  sind  hier  die  schönsten  Einzelcrystalle), 
aber  die  Verhüttung  lohnt  sich  hier  nicht.  Somit  fällt  der  obere 
Gyps  in  den  Abraum  und  nur  der  mittlere  von  Schwefel  durch- 
drungene wird  ausgebeutet.  In  den  unteren  Gyps  aber  sind  die 
einfachen  Oefen  eingehauen,  in  welchen  der  Schwefel  aus  den 
Gypsen  abgesaigert  wird. 

Die  Gypse,  mit  welchen  der  Schwefel  vorkömmt,  sind 
durchweg  crystallinisch  und  blendend  weiss.  Ueberall  spiegelt 
der  Perlmutterbruch  entgegen.  Zwischen  hinein  heben  sich  die 
Schwefelcrystalle  ab,  oder  durchziehen  compacte  Massen  lager- 
haft die  Bänke  des  Gypses.  Der  Besehreibung  nach  muss  das 
Vorkommen  am  Gimscheh  von  dem  in  Sicilien  kaum  verschieden 
sein,  wenn  auch  der  sicilianische  Schwefel  einer  älteren  Tertiär- 
bildung angehört,  jedenfalls  kommen  die  Flächen  der  Schwefel- 
crystalle alle  auch  am  Girgentischwefel  vor.  Hier  aber  wie  dort 
wird  in  dem  Faulen  von  thierischen  Substanzen  der  Ursprung 
der  schwefelsauren  Salze  ebenso,  als  des  gediegenen  Schwefels 
zu  suchen  sein. 


—    340    - 


V.  Schuttbildung  und  Schwemmland  im  Orient. 

Ob  es  auch  Jedem  das  eigene  Nachdenken  bald  sagen  wird, 
dass  sich  die  Verwitterungen  der  Gesteine  unter  einem  fast 
regenlosen  Himmel  nothwendig  anders  gestalten  werden,  als  in 
der  gemässigten  Zone,  so  wird  man  doch,  weil  an  europäische 
Verwitterungsverhältnisse  gewöhnt,  über  die  eine  und  andere 
Erscheinung  betroffen,  die  uns  Abendländern  ganz  fremd  ist. 
Hiezu  rechne  ich  vor  Allem  den  Mangel  an  Humus.  Weder 
in  den  Gärten  von  Rhoda  und  Schubra,  noch  in  den  Palmen- 
hainen des  Feirans,  weder  in  der  Ebene  Saron  noch  auf  den 
Bergen  Juda's  ist  auch  nur  eine  Spur  jener  schwarzen  mulmi- 
gen Erde,  die  vorzugsweise  aus  den  modernden  Pflanzenresten 
oder  aus  animalischen  Aschen  besteht  und  erst  in  Folge  der 
Cultur  sich  mit  den  mineralischen  Bestandtheilen  des  Bodens 
vermengt.  Wie  ganz  anders  macht  sich  der  Boden  etwa  auf 
der  Höhe  der  schwäbischen  Alb,  die  äusserlich  so  viele  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Bei'gen  Juda's  hat!  Auf  den  höchsten  kahlen 
Gipfeln  der  Berge  liegen  doch  immer  einige  Fuss  oder  wenig- 
stens einige  Zoll  schwarzer  humöser  Erde  unter  dem  kurzgescho- 
renen Rasen,  welcher  den  Fels  deckt.  Der  Humus  ist  eine 
Art  organischer  Schichtendecke,  deren  Bestimmung  im  Haushalt 
der  Natur  ist,  den  Boden  feucht  *)  und  warm  zu  halten. 

Die  Entstehung   des  Humus   ist   nach   meiner  Ansicht   ab- 
hängig  von   einem   Winter,    in    welchem  das   Wachsthum   der 


*)  Nach 

Rossmässler   saugen   Flüssi, 

jkeit 

aus 

der 

Luft 

auf 

(bei 

12» 

R.)  50  Quadrf 

tzoU 

Reiner  Quarzsand . 

.       0  Gr. 

Kalksand  .... 

.       2 

n 

Ackererde     .     .     . 

16 

n 

Feine  Kalkerdc 

26 

)i 

Grauer  Thon    .     .     . 

37 

V 

Feine  Bittererdc    .     . 

69 

fl 

Humus 

80 

)' 

-    341    — 

Pflanze   stille  steht,   die  Blätter  der  Bäume  fallen   und  die  der 
Kräuter  und  Gräser  welk  zu  Boden  sinken.    Unter  der  Schnee- 
decke   oder  wenigstens   bei    erniedrigter   Temperatur    geht    der 
Zersetzungsprocess    der    Pflanzentheile    nur    langsam    vor    sich, 
bleibt  theilweise   auf  dem  Stadium  der   sauren  Gährung  stehen 
und  bildet  sich  ein  Pflanzenmoder,  eine  mulmige  Masse  aus  der 
unvollständigen    Zersetzung    hervorgegangen.     Wenn    mit    dem 
Frühling  der  Stock  wieder  rasch  in  die  Stengel  schiesst  und  der 
Wald  sieh  belaubt,  wird  der  zu  Boden  liegende  halbfaule  Pflanzen- 
rest des  vorigen  Jahres  rasch  überwuchert,  vor  dem  zersetzenden 
Einfluss   des  Lichtes    und   der  Einwirkung   der  Sonnenstrahlen 
geschützt  und  wächst  im  Lauf  der  Jahre   unter  dem  Easen  die 
schwarze    erdige  Schichtendecke,    die   in    unsern    europäischen 
Culturländern  den  Wieswaehs  bedingt  und  den  Bau   aller  Fut- 
terkräuter fördert.     Ganz  anders  in  den  Ländern,   die  nur  we- 
nige Regentage  im   Jahre   haben,    wie   Egypten   und  Arabien, 
oder  wo,   wie  in  Palästina,   zwischen  den   beiden  regnerischen 
Jahreszeiten   (dem  sog.  Frühregen  im  November  und  December 
und  dem  Spatregen  im  März  und  April)  5  —  6  regenlose  heisse 
Monate  liegen,  wo  es  Jahre  ansteht,  bis  das  Thermometer  auf 
den  Gefrierpunct  sinkt,  dagegen  Temperaturen   von  über   30° 
R.   sehr  häufig    sind.     Der    Stillstand    der  Pflanze   fällt 
hier    in    die    heisse  Periode,    das   Grün   trocknet  ab,    die 
Pflanzenfaser  zerstaubt,  der  Zersetzungsprocess  aller  vegetabili- 
schen Reste,   beziehungsweise  die  Ueberführung  aller  Kohlen- 
stoffverbindungen in  Gase  geht  viel  rascher  vor  sich,  ein  Pflan- 
zenmoder existirt  gar  nicht,  noch  viel  weniger  bildet  er  Decken 
über  die  Schichten  und  nur  auf  dem  Libanon  und  Hermon  fängt 
ein  grüner  Rasen  an,  wie  ihn  der  Europäer  von  seinen  heimat- 
lichen Wiesen  her  gewohnt  ist.    Wiesen  im  Sinne  unserer  Wie- 
sen,  d.  h.  jene  Flächen,   auf  denen   perennirende  Gräser   vor- 
herrschen und   einen   soliden  Rasen  bilden,   habe   ich  nirgends 
getroff'en. 

Selbst  die  grüne  Ebene  zwischen  Meer  und  Gebirge,  die 
Ebene  Saron  und  Esdrelon  bietet  wohl  den  lieblichsten  Anblick 
und  gewährt  namentlich   dem  Wüstereisenden   doppeltes  Entzü- 


-    342    - 

cken,  nachdem  er  Monde  lang  des  Reizes  entbehrt  hatte  — 
aber  von  Rasenvegetation  ist  keine  Rede.  Es  ist  vielmehr  eine 
kräuterreiche  Stoppenvogetation ,  üppig  zwar  in  der  Niederung, 
entzückend  durch  hundertfache  Farbennüancen  von  Anemonen 
und  Lilien,  durch  Kreuzblüthler  und  Labiaceen,  aber  immer 
tritt  der  Fuss  zwischen  den  Kräutern  auf  nackten  Boden,  auf 
Sand  in  allen  Farben,  auf  rothen  und  braunen  Lehm,  der  über 
den  Kalken  liegt,  auf  lichte  Mengungen  von  Kalk  und  Kreide, 
auf  weisse  Kreideverwitterungen  oder  aber  auf  Gyps,  in  Galiläa 
zwischenhinein  auf  Basalt-  und  Mandelsteinverwitterungen,  kurz 
auf  alle  möglichen  petrographischen  Bodennüancen,  nur  nicht 
auf  unsern  europäischen  Grasboden.  Damit  hängt  zusammen 
das  Fehlen  des  Waldes :  wohl  sieht  man  aus  der  Ferne  da  und 
dort  dunkle  grüne  Flecke  an  den  Gehängen,  die  wie  Wald  aus- 
schauen, wie  z.  B.  am  Carmelzug  landeinwärts;  kommt  man 
aber  näher,  so  schrumpft  er  zu  miserablem  Gestrüppe  zusam- 
men, aus  dem  sich  höchstens  da  und  dort  eine  Knuppereiche 
oder  ein  knorriger  Oelbaum  erhebt. 

Das  muss  einst  anders  gewesen  sein,  wenn  man  den  alten 
Ruhm  Palästina's  begreifen  will;  ein  gelobtes  Land,  „da  Milch 
und  Honig  fleusst",  muss  Wiesen  haben  und  Holz,  der  Libanon 
Wälder  haben  von  Cedern  und  der  Hermon  von  Cypressen,  wenn 
Salomo  zu  seinen  Flotten  dort  das  Schiffsholz  holte,  das  heute  von 
Triest  her  und  von  Marseille  muss  zugeführt  werden.  Heutzu- 
tage reicht  das  einheimische  Holz,  das  in  Juda  wächst,  nicht 
einmal  mehr  für  Särge  aus,  die  Todten  zu  bestatten,  geschweige 
denn  für  Bauholz  irgend  einer  Art.  Am  Carmel  ist  kein  Wald 
mehr,  aus  dem  Bären  brechen,  kein  Wald  Hareth  in  Juda,  da 
sich  einst  David  versteckte.  Die  Gesetze,  die  Moses  einst  gab 
(Deut.  19,  5.):  „wenn  Jemand  mit  seinem  Nachbar  in  den  Wald 
geht"  wären  heutzutage  nicht  mehr  nöthig,  trifft  man  doch  um 
Gibeon  keine  5  Bäume  mehr,  um,  wie  Josua  that  (Jos.  5),  die 
5  Könige  Canaans  daran  aufzuhängen,  noch  versteht  man,  wie 
es  einst  sich  verlohnte,  die  Einwohnerschaft  der  volkreichen, 
streitbaren  Stadt  Gibeon  zu  Holzhaokern  und  Wasserträgern  zu 
machen.     Wenn  ferner  von  den  Rinderheerdon  Abrahams,  Lots 


—    343    — 

und  Jacobs  die  Rede  ist,  wenn  nach  dem  Sieg  über  die  Midia- 
niter  72,000  Rinder,  61,000  Esel  und  675,000  Schafe  zur  Ver- 
theilung  kamen  und  der  König  Josia  noch  zum  Passah  3000 
Rinder  zum  Morgenopfer  darbrachte,  muss  sich  Jeder  sagen, 
dass  zu  solch  einem  Viehstand  ein  glänzender  "Wieswachs  erste 
Voraussetzung  ist,  der  ohnehin  nicht  unter  türkischer  Misswirth- 
schaft,aber  selbst  mit  Hilfe  europäischer  Musterwirthschaft  nimmer- 
mehr hergestellt  werden  kann.  "Waren  nun  einst  Wiesen  und  "Wälder 
in  Juda,  so  gab's  auch  einst  Humus ;  gab's  aber  Humus ,  so  gab 
es  auch  einen  Wechsel  von  Sommer  und  Winter,  es  war  mit 
andern  Worten  das  Clima  ein  anderes.  Diese  Aenderung 
des  Clima's  aber  konnte  der  Mensch  durch  Cultur  und  Raubbau, 
durch  Devastation  der  Wälder  allein  nicht  vollbringen.  Dazu 
gehörten  noch  andere  Factoren,  aber  jedenfalls  die  wichtigsten 
in  ihren  Consequenzen,  es  sind  diess  die  Mveauveränderungen 
der  Erdoberfläche,  die  zu  allen  Zeiten,  ob  auch  jeder  Zeit  un- 
bemerkt von  den  Menschen,  wirken  und  die  Richtung  der  Winde 
und  Wolken,  der  atmosphärischen  Niederschläge,  die  Vertheilung 
der  Sonnenwärme  u.  s.  w.  bedingen. 

Für  geognostische  Untersuchung  gewährt  nun  freilich  der 
Mangel  an  Humus  und  die  nur  sparsame  Pflanzenbedeckung 
bedeutende  Vortheile.  Ueberall  treten  beim  nächsten  besten 
Oehäng  die  Schichtenköpfe  hervor,  während  die  sanfteren  Ge- 
hänge und  die  Sohlen  der  Niederung  von  Diluvialgebilden  der 
eigenthümlichsten  Art  bedeckt  sind.  Vor  Allem  ist  auf  die  ganz 
eigenthümliche  Verwitterungsweise  der  Gesteine  aufmerk- 
sam zu  machen,  die  in  der  regenlosen  Gegend  Egyptens  zu 
beobachten  ist,  und  auch  wieder  einen  der  vielen  Gegensätze 
zwischen  Morgenland  und  Abendland  bildet,  denen  wir  täglich 
im  Orient  begegneten.  In  unserem  vom  Regen  wiederholt  be- 
feuchteten Schwaben  z.  B.  wittern  die  Steine  von  aussen  nach 
innen  ab,  die  Regentropfen  ziehen  Furchen  über  die  Kalksteine 
der  Alb,  machen  Rinnen  und  Vertiefungen  in  allen  unseren 
Schichtenköpfen,  die  zwischen  der  Pflanzendecke  hervorschauen 
oder  als  Feldsteine  sporadisch  herumliegen.  Schlägt  man  die 
Steine  entzwei,  so  sieht  man  das  Vorschreiten  der  Verwitterung 


—    344    — 

Ton  aussen  nach  innen  deutlich  genug,  der  Kern  ist  noch 
unverändert,  gegen  den  Rand  hin  ist  das  Gestein  je  mehr 
und  mehr  ausgelaugt,  pulverig,  mit  mangelndem  Zusammen- 
hang. Ganz  anders  am  Ataqah  bei  Sues,  Cairo  und  am  ganzen 
Nil,  theilweise  auch  am  todten  Meer.  Eine  harte,  glänzende 
Kruste  hat  sich  über  den  Stein  gelegt,  meist  braungelb  bis 
braun,  oder  lichtgelb  bis  grau.  Man  hält  die  Steine  auf  den 
ersten  Anblick  alle  für  Kieselgesteine,  aber  bald  findet  man 
durch  einen  Schlag  mit  dem  Hammer,  dass  wir  nur  Krusten 
vor  uns  haben  über  milde,  weiche  Tertiärgesteine.  Der  Schlag 
auf  den  Stein  zersplittert  ihn  nicht,  sondern  macht  einfach  ein 
Loch  in  denselben,  aus  welchem  pulverig  verwittertes  Gestein 
herausstäubt.  In  Schwaben  haben  wir  nur  da  und  dort,  in  der 
Region  der  Lettenkohle  oder  der  Gypsmergel,  ein  Gestein,  das 
wir  annähernd  damit  vergleichen  können.  Im  Prozinzialausdruck 
nennt  man  es  gerne  Pelzkappensteine,  indem  sie  um  keinen 
Preis  splittern  und  ein  Schlag  auf  sie  dröhnt,  als  ob  man  auf 
Leder  oder  einen  Sack  schlüge  ohne  weiteren  Effect.  Der  Art 
sind  die  meisten  zu  Tag  gehenden  Tertiärgesteine  der  Nilländer. 
Die  Verwitterung  geht  deutlich  von  innen  nach  aussen  vor  sich 
und  nimmt  ihre  Härte  und  Zusammenhang  von  aussen  nach 
innen  entschieden  ab.  Es  macht  einen  ganz  eigenthümlichen 
Eindruck  am  Geneffe  oder  Mokattam  auf  die  vom  Wüstensand 
glatt  gescheuerten  und  glänzend  gefegten  Nummulitenkalke  mit 
dem  Hammer  einen  Schlag  zu  führen.  Der  Schlag  dröhnt,  als 
schlüge  man  auf  eine  Höhlung,  durch  die  äussere  kieselartig 
anzusehende  und  anzufühlende  Kruste  fährt  ein  Loch  und  ist 
der  Stein  inwendig  mergelig  weich  und  pulverig,  ausgelaugt. 
Ich  vermag  den  Grund  für  dieses  Verhalten  nicht  genügend  zu 
erklären,  möchte  aber  entschieden  die  seltenen  oft  erst  nach 
8 — 10  Monaten  auftretenden  Regengüsse  als  Grund  dafür  an- 
nehmen, beziehungsweise  den  beharrlichen  Sonnenbrand,  der 
die  Steine  durchglüht  und  den  nach  Monaten  einmal  befeuchteten 
Stein  plötzlich  wieder  an  der  Oberfläche  trocknet.  Ich  möchte 
damit  auch  noch  ein  anderes  auffälliges  Phänomen  in  Verbin- 
dung bringen :  der  Verwitterung  des  Marmors  in  ganz  Egyptcn. 


—    345    — 

Während  doch  bekanntlich  die  Silicate  nahezu  unvergänglich  und 
Ton  den  Atmosphärilien  sozusagen  unangreifbar  sind,  also  dass 
4000jährige  Sculpturen  auf  Granit  und  Syenit  so  gut  wie  nichts 
an  ihrer  Frische  verloren  haben,  also  dass  die  Hieroglyphen  auf 
.den  Obelisken  und  die  Ramsesfiguren  nahezu  aussehen,  als  ob 
vor  wenigen  Jahren  sie  in  den  Fels  gehauen  worden  wären,  — 
während  so  den  Silicaten  das  trockene  heisse  Clima  Egyptens 
vollkommen  zuträglich  ist,  gehen  sämmtliche  Carbonate  mit 
Riesenschritten  ihrem  Ende  durch  Verwitterung  entgegen, 
Carrarische  Marmorplatten,  in  den  20er  und  30er  Jahren  nach 
Egypten  gebracht,  um  etwa  auf  dem  christlichen  Friedhofe  von 
Cairo  das  Andenken  eines  Europäers  zu  bewahren,  sind  bereits 
so  bröckelig,  dass  man  mit  der  Hand  Stücke  wegbricht,  an 
allen  Wohnungen  und  Moscheen  in  Cairo,  die  aus  dem  eocenen 
Baustein  vom  Mokattam  erbaut  sind,  bröckelt  es  ab  und  ein- 
gestürzter Häuser  und  Ruinen  gibt  es  in  und  um  Cairo  bald 
eben  so  viele,  als  noch  feste  stehen.  Einen  besonderen  Grund 
für  die  rasch  fortschreitende  Zersetzung  der  Carbonate  sehe  ich  in 
der  grossen  Menge  Chlor-Natrium,  welche  alle  Steine  durchdringt, 
überall  ausblüht  und  die  ganze  Luft  erfüllt.  Ein  Wüstensturm 
am  ^i\  führt  nahezu  eben  so  viel  Salzstaub  mit  sich,  als  ein 
Seesturm  auf  eine  englische  Meile  landeinwärts  das  Ufer  ver- 
salzt und  fast  an  jeder  zu  Tage  gehenden  Kalkbank  des  Mo- 
kattam kann  man  Chlor-Natrium  ausblühen  sehen.  Ich  habe 
hier  in  der  Stuttgarter  Sammlung  Stücke  Kalkmergel  von  dort 
liegen,  die,  obgleich  Tage  lang  im  Süsswasser  gelegen,  obgleich 
3-  und  4mal  abgewaschen  und  abgebürstet,  aufs  neue  immer 
noch  Chlor-Natrium  ausblühen  lassen  und  über  und  über  mit 
einer  Salzkruste  sich  überziehen.  Offenbar  ist  die  mit  Chlor- 
Natrium  erfüllte  Luft  Egyptens  auch  daran  Schuld,  dass  Krank- 
heiten der  Respirationsorgane,  Katarrh  und  Schnupfen  in  Egypten 
gar  nicht  vorkommen  und  brustleidende  Europäer  am  Nil  wieder 
genesen.  Hienach  scheint  das  Chlor-Natrium  bei  Zersetzen  der 
Kalksteine  seine  Rolle  zu  spielen,  das  zersetzte  Aeussere  aber 
auf  eine  mir  noch  unerklärliche  Weise  zu  einer  Kruste  zu  backen, 
die  sich  über  die  Steine  legt. 


—    346    — 

Schon  oben  war  von  den  Conglomeratfelsen  und  Breccien  die 
Rede,  welche  in  der  Nähe  der  ersten  Erhebung  des  Gebirges  aus  der 
Ebene  Saron  das  Taggebirge  bilden.  Dieses  Conglomeratge- 
stein  wird  im  ganzen  Gebirge  Juda  unabhängig  von  der  Erhebung 
über  das  Meer  zur  Regel  und  deckt  in  mächtigen,  den  Bergconturen 
sich  anschmiegenden  Bänken  deckelartig  die  Schichten  der  Kreide. 
In  ganz  besonderer  Klarheit  ist  zwischen  dem  Oelberg  und 
Bethanien  das  Yerhältniss  der  Deckelgesteine  aufgeschlossen. 
Die  alten  Kreideschichten  liegen  dort  oben  horizontal  und  die 
Thäler  nagten  sich  in  alten  Zeiten  schon  in  die  Schichten  ein. 
lieber  Berg  und  Thal  legte  sich  hernach  der  Schutt,  der  zu- 
sammenbuck  und  jetzt  die  Schichtenbänke  als  ein  Deckel  über- 
lagert.    Die  Schuttfelsen    sind   ein   Gemengsei  von  verhärtetem 


Kreideschichten  am  Oelberg  bei  Jerusalem  von  Cong-lomeratgestein  bedeckt. 


Kreidemergel,  eckigen  scharfkantigen  Stücken  von  Kreidekalk 
und  von  gleichfalls  scharfkantigen  Feuersteinen,  die  in  allen  Lagen 
und  Richtungen  wie  in  einen  Kalktaig  eingeknetet  worden  sind. 
Die  Bildung  dieser  Breccien  ist  immer  etwas  räthselhaft  und 
hat,  so  viel  mir  bekannt  ist,  in  den  Kreidebergen  Frankreichs 
und  Englands  nichts  Aehnliches.  Wohl  finden  wir  in  unsern 
Kalkgebirgen  der  Alb  ähnliche  Gebilde  am  Fusse  von  Bergen, 
aus  denen  Wasser  quellen,  oder  am  Rande  tertiärer  Becken,  aber 
in  dieser  merkwürdigen  Verbreitung  wie  im  Gebirge  Juda,  in 
dieser  Ausdehnung  über  Höhen  und  Niederungen ,  in  dieser 
Felsmassen  bildenden  Mächtifjrkeit  war  mir  die  Erscheinung  neu 


—    347    — 

und  unerklärlich.  Auf  den  ersten  Anblick  hielt  ich  die  Felsen- 
deckel für  alte  Schichten  und  staunte  über  die  Biegungen  und 
Faltungen  derselben,  die  etwa  durch  vulcanische  Kräfte  von 
Senkungen  und  Biegungen  erzeugt  wären,  bald  aber  sah  ich 
unter  den  gewölbeartig  aufgebauten  Bänken  die  Kreidebänke  in 
ungestörter  Lagerung  und  erkannte  alle  die  massenhaften,  decken- 
den Gebirge  als  verhältuissmässig  junge  Bildungen,  die  aber 
mit  Bestimmtheit  grossen  Wasserreichthum  voraussetzen,  ohne 
welche  sie  gar  nicht  denkbar  wären. 

Auf  ähnliche  Vorgänge  in  alten  geologischen  Zeiten  weisen 
die  Felsenmeere  auf  den  Höhen.  Gleich  auf  den  Höhen 
westlich  Jerusalem,  wo  sich  die  "Wasserscheide  hinzieht  zwischen 
Mittelmeer  und  rothem  Meer,  liegen  die  colossalsten  Felsen- 
blöcke regellos  umher,  mächtige  Schichtenreste  von  Hippuriten- 
marmor,  der  sicherlich  an  der  gleichen  Stelle  einst  in  der 
Schichte  gelegen,  nur  im  Niveau  etwas  höher,  also  dass  er  nach 
abgewaschenem  Unterlager  sank  und  stürzte.  Von  der  Höhe 
oberhalb  Jerusalem  ziehen  sich  derartige  zu  Tage  liegende  Fels- 
blöcke, die  aussehen,  als  wären  sie  vom  Himmel  gefallen,  im 
Süden  gegen  Hebron,  im  Norden  gegen  Samarien  über  das 
ganze  Gebirge  Juda.  Besonders  auffällig  waren  mir  die  Fels- 
blöcke von  Bethel  (Beitin),  an  der  Grenze  von  Juda  und  Ephraim, 
wohin  man  Jacobs  Vision  von  der  Himmelsleiter  verlegt.  Hun- 
derte abgewitterter,  riesiger  Felsblöcke  liegen  hier  zerstreut  ohne 
Eegel,  zwischen  den  einzelnen  Marmorfelsen  hindiu-ch  sieht  man 
den  Weg  zum  ersten  Thalgrund,  der  weiterhin  zu  dem  Haupt- 
thale  führt,  mit  welchen  die  grünen  Ebenen  Samariens  erreicht 
werden.  Auch  auf  dem  Garizim  bei  Nablus  und  dem  Mt.  Ebal 
gegenüber  liegen  auf  den  höchsten  Höhen  derartige  lose  Fels- 
blöcke zerstreut,  in  den  alten  Zeiten  als  Opfersteine  benutzt, 
die  noch  an  den  eingemeisselten  Rinnen  sich  erkennen  lassen, 
durch  die  das  Blut  der  Opferthiere  abfloss. 

Diese  Steine  alle  weisen  offenbar  auf  eine  lange  Zeit  hin, 
vrährend  welcher  das  Gebirge  Juda  nach  dem  Rücktritt  des  Kreide 
bildenden  Meeres  als  Festland  existirte,  während  welcher  bereits 
die  Oberfläche  Palästina's   in   ihren  Grundzügen  fertig  war  und 


—    348    - 

in  feuchtem,  wasserreichem  Clima  die  Abwitterungen ,  Breccien 
und  Conglomerate  sich  bildeten,  deren  Incrustation  ohne  mine- 
ralische Quellen  oder  wenigstens  ohne  tropische  Regengüsse  und 
darauf  folgende  Sonnengluth  kaum  denkbar  ist. 

Endlich  ist  noch  ein  Blick  auf  die  alten  Geschiebe  zu 
werfen,  die  in  Einem  Niveau  als  Schuttkranz  das  todte  Meer 
umgeben  und  den  gegenwärtigen  Seegrund  bilden.  Diese  Ge- 
schiebe entstammen,  so  weit  ich  sie  beobachtete,  nur  aus  den 
nächsten  Bergen  ums  Meer,  aus  lichtem  bis  dunklem  Hippuriten- 
kalk,  dem  bituminösen  Mosesstein,  aus  Feuerstein  und  ähnlichen 
Kreidegesteinen.  Sie  bilden  dieselbe  Art  von  Geschieben,  wie 
sie  heute  noch  am  Ufer  der  Meere  in  der  Nähe  felsiger  Küsten 
oder  an  der  Mündung  Steine  schiebender  Flüsse  sich  finden, 
dieselben  Geschiebe,  wie  sie  der  Rhein  in  den  Bodensee  wirft 
oder  der  Jordan  ins  Bahr  Lüt.  Dass  der  Barometer  an  der 
Grenze  dieser  alten  Geschiebe  auf  31,20  bei  73"  Fahrenh.  stund, 
ist  schon  gesagt,  während  der  Spiegel  des  Sees  bei  76  '^  Fahrenh. 
31,58  zeigte.  Hienach  hätten  wir  in  früheren  Zeiten  einen  alten, 
300  Fuss  höheren  Wasserstand  des  todten  Meers  und  dazu  noch 
die  Flächen  gerechnet  im  Norden  und  Süden  des  Meeres,  die 
nur  aus  diesen  Geschieben  bestehen,  eine  um  einige  DMeilen 
grössere  Ausbreitung  der  Wasserfläche. 

Auf  diesen  Kranz  alter  Geschiebe  wurde  ausser  jüngsthin 
von  Lartet  noch  nicht  in  gebührender  Weise  aufmerksam  ge- 
macht, und  doch  ist  das  Yerständniss  des  el  Ghors  ohne  die 
Beachtung  dieser  Umstände  gar  nicht  möglich.  Wie  ganz  Palä- 
stina eines  der  ältesten  Festländer  der  Erde  in  dem  Sinne  ist,  dass 
es  seit  den  Zeiten  der  Kreide  dem  schichtenbildenden  Meere  ent- 
stiegen blieb  und  kein  anderer  Einfluss  auf  dessen  Oberfläche 
sich  geltend  machte,  als  der  der  Atmosphärilien,  so  können  wir 
das  todte  Meer  einen  der  geologisch  ältesten  Seen  der  Erde 
nennen,  der  in  seiner  Abgeschlossenheit,  d.  h.  ohne  irgend 
welche  Communication  mit  dem  Ocean  in  geologische  Perioden 
zurückgreift.  Von  grosser  Wichtigkeit  ist  es,  die  höchsten 
Wasserstände  an  diesem  aus  der  alten  Tertiärzeit  in  unsere 
Tage    hereingreifenden    Reservoir    der    atmosphärischen  Nieder- 


—    349    — 

schlüge  kennen  zu  lernen;  es  gibt  die  Wassermasse  im  todten 
Meer  heute  noch  das  Maass  ab  für  die  jährlichen  Niederschläge. 
In  feuchten  Jahren  und  nach  grösseren  Schneefällen  auf  dem 
Libanon  steigt  der  "Wasserspiegel  um  4,  ja  6  Fuss,  um  welche 
die  Fluthmarke  über  die  der  trockenen  Jahrgänge  sich  erhebt; 
bemerken  wir  nun  am  Ufer  eine  alte,  den  jetzigen  Wasserspiegel 
um  300'  überragende  Fluthmarke,  so  ist  der  Schluss  auf  frühere 
bedeutendere  Niederschläge  sehr  einfach.  Louis  Lartets  Beob- 
achtungen im  Süden  des  todten  Meers  bestätigen  vollständig  diese 
Anschauung,  er  fand  die  Niederschläge  des  Meeres  aus  früheren 
Zeiten  auf  und  an  der  Halbinsel  von  Lisän  am  mächtigsten  und 
schönsten  entwickelt  imd  nennt  sie  desswegen  „die  Niederschläge 
von  Lisan".  Es  sind  zahllose  lichtgraue  Mergelbänkchen  im 
Wechsel  mit  dünnen  Schichtchen  Salz,  Salzthon  und  Gypslinsen, 
deren  Aussehen  das  eines  vollständig  gebänderten  Gebirges  ist; 
zwischen  die  Schichten  hinein  legen  sich  Bänke  von  Feuerstein- 
geschieben, oder  wie  im  Wadi  Aräbah  von  Feldspatgestein  und 
Porphyr.  Diese  Niederschläge,  die  Lartet  auch  am  Südufer  des 
Tiberias-Sees  in  analoger  Weise  wieder  gefunden  hat,  erweisen 
sich  als  moderne  Niederschläge,  wie  sie  die  Sonde*)  des  Herrn 
Yignes  zwischen  Ghuweir  und  Zerka  Main  aus  der  Tiefe  des 
Sees  hervorgeholt  hat.  Fossilreste  hat  Lartet  in  diesen  modernen 
Niederschlägen  so  wenig  gefunden,  als  er  unter  den  Geschieben 
irgend  eine  Spur  vulcanischen  Gesteins  traf  und  schliesst  daraus 
wohl  mit  vollem  Recht  1)  dass  diese  Niederschläge  den  vulcani- 
schen Perioden  vorausgingen,  welche  im  Osten  des  todten  Meers 
und  im  Haurän  eine  so  gewaltige  Umgestaltung  des  Bodens 
zur  Folge  hatten,  2)  dass  schon  in  jenen  frühsten  Zeiten  das 
Wasser  in  einer  Weise  versalzen  war,  welche  die  Existenz 
lebender  Wesen  unmöglich  machte. 

Hält  man  alle  diese  Erscheinungen  zusammen,   die   tiefein- 
genagten  zahlreichen  Wadi's  mit  ihren  Geschiebemassen,  die  heut 


*)  Die  Sonde  brachte  Mergel  und  Thone  zu  Tage,  von  graublauer 
Farbe,  mit  eingesprengten  cubischen  Salzcrystallen  und  Gypslinsen, 
vollständig  analog  den  Niederschlägen  von  Lisän. 


-    350    — 

zu  Tage  Jahr  aus  Jahr  ein  trocken  liegen,  und  den  früheren 
hohen  Wasserstand  im  Gohr,  so  bedarf  es  der  Annahme  tief- 
greifender climatischer  Umwandlungen  in  diesen  asiatischen 
Ländern,  um  den  Contrast  der  Jetzigen  Wasserarmuth  und  Dürre 
des  Landes  zu  erklären.  Unter  den  biblischen  Personen  war 
Abraham,  Jacob,  Josua  bis  in  die  Zeiten  der  Propheten  noch 
Zeuge  dieses  Reichthums  an  "Wasser,  der  aber  schon  zu  Christi 
Zeiten  in  einer  Weise  abnahm,  dass  bereits  die  Bildung  der 
Steppe  und  Wüste  begann,  die  denn  auch  im  Laufe  von  18 
Jahrhunderten,  gefördert  durch  die  elendeste  Wirthschaft  der 
Menschen,  in  kläglicher  Weise  zugenommen  hat. 

Ganz  dieselben  Resultate  liefert  ein  Blick  auf  die  Länder 
am  rothenMeer  und  am  Nil,  in  welchen  die  Bildung  der 
Wüste  als  eine  vollendete  anzusehen  ist.  Hier  ist  es  einzig  nur 
der  „heilige  Nil",  der  die  süssen  Wasser  des  Sudans  durch  die 
kahle  Steinwüste  wälzt  und  nur  so  weit,  als  sein  Wasser  dringt, 
Leben  imd  Segen  verbreitet.  Nirgends  deutlicher  als  in  der 
Wüste,  wo  keinerlei  Vegetation  den  Blick  beirrt,  tritt  die  ero- 
dirende  und  Schuttmassen  bildende  Kraft  früherer  Wasserströme 
und  einer  vergangenen  regenreichen  Zeit  dem  Auge  entgegen. 
Wenn  im  Wadi  el  Tih  östlich  Cairo  das  Ausgehende  der  Schich- 
ten  die  Gestalt  der  beistehenden  Figur   angenommen  hat,   die 


Erosionserscheinungen  am  oberen  Eocen  im  Wadi  el  Tih. 

sich  hundertmal  im  Kleinen  wie  im  Grossen  wiederholt,  so  weiss 
Jedermann,  dass  keine  andere  Kraft  als  die  des  Regens  resp. 
des  fliessenden  Wassers  solche  Formen  zu  schaffen  im  Stande 
ist.  Alle  Thäler  der  Wüste  sind  alte  Wasserläufe,  alle  Fels- 
platten, Zinnen  und  Zacken  an  den  Bergen  sind  Reste  alter 
Wasserstürze,  und  die  ganze  Sinaihalbinsel,  wie  die  ungeheure 
Länderfläche  im  Osten  und  Westen  des  Niles  gibt  auf  jedem 
Schritt  und  Tritt  hiezu  Belege. 

Je   greller   nun   aber  gerade   am  Nil   der  Contrast  ist  zwi- 


-    351    — 

sehen  der  Wüste  und  dem  Culturland,  um  so  mehr  richtet  sich 
Sinn  und  Auge  auf  den  belebenden  Strom,  welcher  der  Schöpfer 
und  Erhalter  von  ganz  Egypten  ist  und  ohne  den  das  Land 
von  Chartüm  bis  Alexandria  in  wenigen  Wochen  todtgebrannt 
und  vollständigst  alles  Lebens  entblöst  wäre.  Wenn  man  hier 
von  dem  Contraste  zwischen  Wüste  und  Culturland  redet,  so  ist 
es  keinerlei  Uebertreibung,  zu  sagen,  man  könne  mit  Einem 
Schritt  von  der  Wüste  ins  grüne  Land  treten.  Es  ist  der 
Schritt  über  den  letzten  Bewässerungsgraben,  der  sich  nach 
physicalisöhen  Gesetzen  noch  mit  Nilwaser  füllen  lässt.  IS^ilein- 
wärts  von  dem  Graben  ist  das  grüne  Kleefeld  oder  Weizenfeld, 
drüben  über  dem  Graben  ist  die  Wüste.  Das  ganze  Bewässe- 
rungssystem aber  ist  künstlich,  seit  Jahrtausenden  von  Menschen- 
hand ausgeführt  und  auch  heute  noch  durch  anhaltende  Arbeit 
des  fleissigen  Fellahs  aufs  Neue  immer  im  Stande  gehalten.  Die 
stete,  nie  aufhörende  Arbeit  besteht  in  der  Anlage  von  Brun- 
nen, C analen  und  Dämmen.  Die  ersteren  sind  überall  in 
einiger  Entfernung  vom  Nil  und  seinen  Canälen  gegraben  und 
liefern  das  unterirdische  Nilwasser,  das  überall,  so  weit  nicht 
die  alten  Schichten  zu  Tage  treten,  als  klares  filtrirtes  Wasser 
in  einem  Niveau  getroffen  wird,  welches  dem  niederen  Wasser- 
spiegel des  Nils  entspricht.  Max  Eyth  *)  spricht  von  50,000 
solcher  Brunnen,  die  nur  allein  im  Delta  sich  befinden  sollen; 
sie  werden  durch  Versenkung  eines  ringförmigen  Gemäuers  auf 
entsprechendem  hölzernen  Stiefel  in  die  Tiefe  von  durchschnitt- 
lich 10  Meter  hergestellt.  Aus  diesen  Brunnen  wird  das  Was- 
ser, das  landwirthschaftlich  benützt  werden  soll,  auf  eine  Höhe 
gehoben,   die  je  nach  der  Jahreszeit**)  im   untern  Delta  zwi- 


*)  Das  Agricultur-Maschinenwesen  in  Egypten  von  Max  Eyth,  Chef- 
ingenieur des  Erbprinzen  Halim  Pascha.  Stuttgart,  Metzler  1867. 
Wir  verweisen  mit  Vergnügen  Jeden,  der  sich  für  egyptische  Verhält- 
nisse interessirt,  auf  dieses  mit  ebenso  lebendiger  Frische,  als  in  vortreff- 
licher Klarheit  geschriebene  Buch  unseres  unermüdlichen  geistreichen 
Landsmanns,  der  den  Dampfpflug,  den  tr  an  den  Ufern  des  Nils  ein- 
geführt hat,  gegenwärtig  an  die  Gestade  des  Mississippi  verpflanzt. 

**j  "Während  des  grösseren  Theils  im  Jahr,  von  Mitte  Januar  bis 


—    352    - 

sehen  V2  Meter  und  8  Meter,  in  Oberegyptcn  bis  zu  11  Meter 
schwankt.  Der  gewöhnliche  Apparat  für  die  Hebung  der  Was- 
ser ist  die  Sakkie,  die  allen  Reisenden  wohl  bekannte  Maschine 
eines  durch  einen  Ochsen  oder  ein  Kameel  in  Bewegung  gesetz- 
ten Schöpfrades  mit  angehängten  Wassertöpfen,  die  nie  ge- 
schmiert weithin  ihr  Krächzen  und  Pfeifen  ertönen  lässt.  — 
Neben  den  Brunnen  bestehen'  die  Arbeiten  der  Fellahs  in  der 
Anlage  von  Canälen  und  Dämmen,  die  sich  in  die  graueste 
Vorzeit  Egyptens  zurückdatiren.  Erstere  haben  die  vom  Haupt- 
strom abgelegenen  Landestheile  mit  Wasser  zu  verseben,  letz- 
tere das  Land  zur  Ueberschwemmungszeit  zu  schützen.  Na- 
mentlich ist  ganz  Unteregypten  auf  diese  Weise  angelegt,  dass 
alle  Canäle  zwischen  2  Dämmen  von  2—3  Meter  Höhe  laufen 
und  ausserdem  jeder  Gütercomplex ,  ja  meist  die  einzelnen  Fel- 
der mit  Dämmen  umzogen  sind.     An   einem  von  der  Regierung 


Ende  Juni  wälzt  der  Nil  seine  gelben  Massen  mit  geringen  Schwan- 
kungen des  Niveaus  ruhig  durch  das  gewaltige  Thal.  Das  Wasser 
ist  immer  trüb,  indem  es  stets  in  feiner  Auflösung  Schlamm  mit  sich 
führt.  Erst  Ende  Mai  und  Anfang  Juni,  wo  der  Strom  sein  niederstes 
Niveau  erreicht ,  klärt  sich  das  Wasser  und  bleibt  hell  bis  Ende  Juni. 
Dann  nimmt  es  eine  klargrüne  Farbe  an,  die  nach  3 — 4  Tagen  in 
ein  eigenthümliches  trübes  Roth  übergeht  —  das  erste  Signal,  dass 
das  grosse  Ereigniss  des  Jahrs,  an  dem  Egyptens  Fruchtbarkeit  hängt, 
einzutreten  beginnt.  Ein  rascheres  Strömen  und  ein  nun  bemerkliches 
Steigen  des  Niveaus  macht  sich  in  den  ersten  Tagen  des  JuU  fühlbar, 
die  Farbe  des  Wassers  wird  dickgelb.  Erst  langsam,  1 — 3  Centim. 
im  Tag,  dann  rascher  und  rascher,  schliesslich  50—60  Centim.  in  24 
Stunden  schwillt  die  Masse,  bis  sie  in  den  ersten  Tagen  des  August 
über  die  Uferränder  tritt  und  das  ganze  Land  in  einen  See  verwandelt. 
Langsamer,  in  Folge  der  plötzlich  erreichten  Breite  aber  immer  noch 
merklich  steigt  der  Strom  bis  Ende  September,  wobei  das  ruhig  flies- 
sende Wasser  den  Schlamm,  mit  dem  es  förmlich  gesättigt  zu  sein 
scheint,  mit  ziemUcher  Willkür  hier,  wo  Niederungen  sind,  in  grossen 
Massen,  dort,  wo  lebhaftere  Strömungen  stattfinden,  wenig  oder  gar 
nicht  absetzt.  Im  Lauf  des  Januars  endlieh  tritt  der  Fluss  in  sein 
altes  Bett,  das  gewöhnlich  mannigfach  verändert  ist,  zurück  und  sinkt 
stetig,  bis  er  mit  dem  Juni  wieder  sein  tiefstes  Niveau  erreicht.  Siehe 
M.  Eyth  im  citirten  Werke  pag.  5. 


-    353    -- 

bestimmten  Tag,  der  meist  in  die  ersten  Augusttage  fällt,  wer- 
den die  zuvor  abgedämmten  Hauptcanäle  geöffnet  und  damit 
die  hundert  \md  aberhundert  Lebensadern  des  Landes  gefüllt. 
Das  Land  selbst  bleibt  trocken,  dagegen  wird  ganz  nach  Belie- 
ben und  Bedürfniss  wochen-  oder  monatweise  das  einzelne  Feld 
unter  Wasser  gesetzt.  Wird  die  Schleuse  geschlossen,  so  ist 
nach  wenigen  Tagen  schon  das  Wasser  verdampft  und  das  Feld 
für  den  Pflug  bereit, 

Yiel  tausendmal  hat  sich,  seit  die  Pyramiden  von  Memphis 
stehen,  dieser  landwirthschaftliche  Process  wiederholt  und  wurde 
vom  Wasser  und  von  den  Menschen  das  Unterste  der  durch- 
schnittlich 10  Meter  mächtigen  Thonbank  zu  oberst  gekehrt  und 
das,  was  vorher  oben  war,  unten  wieder  begraben.  Hand  in 
Hand  mit  dieser  mechanischen  Ortsbewegung  des  Schlammes 
ging  auch  chemisch  eine  Veränderung  desselben  vor,  wie  aus 
Eegnaults  Untersuchung  erhellt: 

Frischer  Nilschlamm     Alter  Nilschlamm 
enthält 

an  kohlensaurem  Kalk  ,     .  18Vo  lO^o 

„  kohlensaurer  Bittererde  4  „  1  „ 

„  schwefelsaurem  Kalk     .  0  „  3  „ 

„  Eisenoxyd 6  „  3  „ 

Unlösliches  und  Wasser  63  „  76  „ 

Organische  Theile    .     .  9  „  7  „ 

Der  Xilschlamm  *)  besteht,  unter  einer  massigen  Vergrösse- 


*]  Der  Nilschlamm  lässt  sich  neben  keinen  europäischen  Boden 
stehen  und  scheint  überhaupt  ganz  einzig  auf  der  Erde  dazustehen; 
Nigerschlamm  z.  B.  auf  der  "Westküste  von  Afrika  geholt,  in  welchen 
sich  ein  Lepidosiren  eingeschlagen  hatte,  verhält  sich  schon  wieder 
ganz  anders.  Er  enthält  2,7  kohlensauren  Kalk,  keine  Bittererde  und 
gleicht  in  seinem  mechanischen  Verhalten  dem  europäischen  Lehm  und 
LÖSS.  —  Eine  der  practischen  Bodenproben,  wie  ich  sie  seit  vielen 
Jahren  mit  württembergischen  Böden  vorgenommen  habe,  auf  den  Nil- 
boden angewandt,  wird  das  Gesagte  bestätigen.  Die  practische  Probe 
besteht  einfach  darin,  dass  ich  10  Gramme  abwäge  und  in  einem  halb 
mit  "Wasser  gefüllten  Titrirglase  schüttle,    bis   sich  der  Boden   gelöst 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1867.     2s  u.  3s  Heft.  23 


—    354    — 

rung  betrachtet,  aus  vollkommen  gleichartigem  Korn,  der  frische 
vom  Steilufer  des  Stroms  genommene  aus  Minimaltheilen  von 
1/30 — Vi""  ^lilli'i^-?  höchst  selten  bemerkt  man  ein  Körnchen  von 
Vio  Millim.  Ausser  den  oben  bezeichneten  löslichen  Theilen 
besteht  das  Unlösliche  aus  Sand  und  Thon.  Der  Sand  ist  farb- 
loser, durchsichtiger  Quarz,  trüber,  milchiger  Quarz,  rother  und 
brauner  homogener  Kiesel,  gelber  Kiesel,  Feldspat,  Hornblende, 
Epidot  u.  s.  w.:  er  bildet  bei  durchfallendem  Licht  ein  wahres 
Kaleidoskop,  so  reizend  bunt  sind  in  allen  Farben  die  Sand- 
körner der  genannten  Minerale  umhergestreut,  die  zusammen- 
geballt der  ganzen  Masse  die  braungraue  Farbe  geben,  in  wel- 
cher ganz  Egypten  sich  dem  Auge  des  Reisenden  präsentirt. 
Der  10  M.  mächtige  Nilschiaro m  ruht  in  ganz  Egypten  auf 
einem  Lager  von  Meersand,  der  im  Bette  des  Flusses  und  auf 
dem  Grund  der  Brunnen  vom  Wasser  berührt  alsbald  in  Bewe- 
gung geräth  und  ein  Nachstürzen  der  darüber  liegenden  Thon- 
schichten  zur  Folge  hat.  Im  Allgemeinen  macht  das  ganze 
Schichtenpacket  des  Nillandes,  wo  es  im  ursprünglichen  Zustand 
beobachtet  werden  kann,  den  Eindruck  einer  geologischen 
Schichte,  nicht  den  einer  Alluvion.  Das  ganze  Land  zwischen 
den  Katarakten  und  dem  Mittelmeer  war  ehedem  ein  negatives 
Delta,  eine  schmale  Meeresbucht,  die  sich  wohl  zur  Zeit  der 
Pliocene  allmählig  mit  Lagunenschlick  füllte,  der  von  dem  cry- 


hat.    Nach  10  Minuten  Ruhe  werden  die  Niederschläge  des  Schlammes 
im  Glase  gemessen  und  ergeben  z    B. 
Luxe  von  Beimerstetten  12  Cubikcentimeter  (4  Sand,  8  Thon), 
Lehm  von  Ilochdorf  11,5  CG.  (7,5  Sand,  4  Thon), 
Waldbodeii  auf  Schilfsand  von  Bothnang  12  CG.  (5  Sand,  7  Thon), 
Krautäcker    von   Bothnang,    schwarzer   Thonboden    auf   Gypsletten 

19  CG.  (7  Sandmergel,  12  Thon), 
Lehm  von  Zazenhausen  (kalter  Boden)  10  GG.  (4  Sand,  6  Thon), 
Lehm  ebendaher  (heisser  Boden)  13  CG.  (4V2  Sand,  8'/«  Thon), 
"Weisser  Boden  vom  Jägerhaus  bei  Hemmingen  11  GG.  (4  Sand,  7  Thon), 
Lehm  von  Weissach  11  GG.  (8  feinster  Sand,  3  Thon), 
Nilboden  von  Schubra  ( Baumwollenfclder)  22  CG     Die  ganze  Masse 
gleichmüssig  vcrtheilt,  dass  zwischen  Sand  und  Thon  kein  Un- 
terschied gemacht  werden  kann. 


r-     355     - 

stallinischen  Habesch  und  Sudan  in  die  Meeresbucht  eingewa- 
scheu  wurde.  Späterhin,  nach  der  Erhebung  Egyptens  aus  dem 
Meer,  grub  sich  der  Strom  in  diesen  Schlamm ,  der  bei  der 
leichten  Löslichkeit  hier  losgesch-wemmt  wurde,  um  dort  sich 
wieder  zu  setzen.  Müd  und  träge  schleicht  der  Strom  von  As- 
suan  zum  Meere  mit  einem  Gefäll  von  1 1  Cent.  pr.  Kilometer 
bis  Cairo  und  von  nur  4  Cent,  von  Cairo  abwärts,  also  dass 
man  am  Flusse  selber  niemals  die  Stromrichtung  zu  beurtheilen 
im  Stande  ist.  Bald  sinken  selbstverständlich  die  suspendirten 
Schlammtheile  bei  diesem  trägen  Laufe  nieder  und  würde  er 
gar  bald  sich  vollständig  klären,  wenn  nicht  auf  jeder  Weg- 
strecke, die  er  zurücklegt,  aufs  Neue  immer  wieder  ihm  Gele- 
genheit geboten  wäre,  mit  frischem  Schlamm  sich  zu  speisen, 
der  an  jedem  Ufer  abgewaschen  wird.  Einen  interessanten  Be- 
leg hiezu  bietet  die  Stadt  Girgeh  in  Mittelegypten ,  deren  An- 
blick wohl  jedem  Reisenden  unvergesslich  bleibt.  Der  Nil  nagt 
den  Grund  und  Boden,  auf  dem  die  Stadt  steht,  mehr  und  mehr 
weg,  Moscheen  und  Häuser  stüi'zen  ein  und  es  decken  auf  pitto- 
reske "Weise  die  gestürzten,  halb  noch  stehenden,  halb  geneig- 
ten Granitsäulen  eines  Tempels,  das  Mauerwerk  von  entzwei- 
gespaltenen Wohnhäusern  die  Böschung,  ebenso  ein  Denkmal 
des  nagenden  Nils  als  der  unbegreiflichen  Ruhe  des  Arabers, 
der  sein  Haus  noch  nicht  verlässt,  ob  es  auch  zur  Hälfte  in 
den  Strom  gestürzt  ist. 

An  solchen  Stellen  wie  bei  Girgeh  und  auch  sonst  vielfach 
am  Steilufer  des  Stromes  sieht  man  von  der  Barke  aus  den  al- 
ten „gewachsenen"  Boden  des  Nillands,  10 — 12  Schichten  von 
verschiedener  Mächtigkeit,  einige  zöllig,  andere  mehrere  Fuss 
stark,  welche  bei  niederem  Wasserstand  eine  25 — 30'  hohe  Ein- 
böschung  des  Stromes  bilden.  Dieses  alte  Ufer  macht  nnn  gar 
nicht  den  Eindruck  einer  Alluvion,  eines  geschlossenen  Lehm- 
oder Lössgrundes,  als  vielmehr  mit  seinen  regelmässigen 
Klüften  und  Abhängen  den  einer  alten  geologischen  Schich- 
tenbildung. Erst  unten  im  Delta  und  zwar  an  Orten,  wo  früher 
etwa  der  Strom  hef,  im  Lauf  der  Zeit  aber  den  Lauf  verändert 
und  das  alte  Bett  wieder  zugeschwemmt  hat,  erst  da   sind  die 


—    356    — 

kartenblattdicken  Lagen  im  Schlamm  und  haben  wir  nicht  den 
alten  ursprünglichen,  sondern  den  umgebackenen  Nilschlamm  vor 
uns,  der  mittelst  Dämmen  und  Canälen  an  beliebigen  Orten,  in 
beliebiger  Stärke  von  den  Bauern  niedergeschlagen  wurde.  Wer 
nun  aus  der  Zahl  dieser  Schlammkartenblätter,  ähnlich  wie  man 
das  Alter  des  Baums  an  den  Jahresringen  erkennt,  auf  das 
Alter  egyptischer  Cultur  Schlüsse  ziehen  will,  begeht  in  Wahr- 
heit einen  unverzeihlichen  Leichtsinn.  Weil  man  —  ist  der 
fatale  Schluss  —  1854  beim  Brunnen  von  Heliopolis  in  20  M. 
Tiefe  noch  Scherben  von  Töpfen  fand,  weil  man  ferner  im  Jahr 
eine  halbe  Linie  Schlammniederschlag  beobachtet  (?) ,  so  thut 
das  6  Zoll  aufs  Jahrhundert  und  resultiren  aus  den  20  Metern 
Schlamm  12,000  Jahre,  vor  denen  man  in  Egypten  schon  Töpfe 
brannte!  Andere  bringen  nach  ihren  Beobachtungen  blos  2*  2 
Zoll  heraus  pro  Jahrhundert  (sehr  begreiflich,  denn  diese  hat- 
ten Nilschlamm  von  solchen  Feldern,  auf  denen  der  Bauer  das 
Wasser  nicht  so  lange  stehen  liess  als  ein  anderer!),  thut  30 
Jahrtausende!  Es  wäre  wahrlich  an  der  Zeit,  dass  dieser  hun- 
dertmal in  den  Lehrbüchern  der  Geologie  wiedergekäute  Unsinn 
ein-  für  allemal  ausgemerzt  und  vor  den  Augen  der  Wissen- 
schaft nie  mehr  ein  Argument  citirt  würde,  mit  dem  mau  höch- 
stens noch  einen  leichtgläubigen  Laien  berücken  mag. 

Ich  freue  mich,  dass  Hr.  Ingenieur  Eyth  hierin  vollständig 
meine  Ansicht  theilt.  Er  schreibt  in  dem  schon  erwähnten 
Werke  pag.  6:  „Ueber  das  Quantitative  der  Bodenerhühung  im 
Delta  liegen  keine  sicheren  Daten  vor  und  beruht  alle  und  jede 
chronologische  Berechnung  hinsichtlich  der  im  Nilschlamm  be- 
grabenen Monumente  auf  einem  vollständigen  Missverstehen  der 
Verhältnisse.  Vor  Allem  lagert  sich  in  Folge  wechselnder  Strö- 
mungen die  Thalsohle  nicht  ganz  flach  ab,  so  dass  in  einem 
Jahr  ein  sanfter  Hügel  entsteht  —  vielleicht  durch  zufällige 
Anpflanzung  von  Gesträuchen,  die  den  Schlamm  aufhalten  — , 
wo  im  nächsten  Jahr  bei  höherem  Wasserstand  und  kräftigerer 
Strömung  Hügel  sammt  Gesträuch  wieder  verschwindet  und  einer 
ausgewaschenen  Mulde  Platz  macht.  Besonders  aber  wird,  wo 
Menschenhand  eingreift  (und  diess  ist  überall  der  Fall,  wo  der 


—    357    - 

eigentliclie  Culturboden  liegt),  jede  derartige  Berechnung  un- 
möglich, indem  das  Anschwemmen  als  ein  wesentliches  Moment 
in  der  Landwirthschaft  benützt  und  mit  Leichtigkeit  geleitet 
werden  kann.  Es  kann  der  Fellah,  der  einen  Damm  um  das 
Unterende  seines  Felde»  zieht,  in  einem  einzigen  Jahr  ein  paar 
Jahrtausende  mehr  in  die  scharfsinnigste  Berechnung  eines  eu- 
ropäischen Gelehrten  hineinschwemmen. " 

Wir  lassen  darum  die  schwindelnden  Jahrtausende  bei  Seite, 
die  sich  aus  dem  Nilschlamm  nach  Belieben  ausrechnen  lassen. 
Das  Alter  der  egyptischen  Culturzeit  muss  sich  selber  bestim- 
men aus  den  Werken  der  Cultur,  aus  den  Inschriften,  Zahlen 
und  Bildwerken  auf  Stein.  Welch  ein  ehrwürdiges  Alter  nur 
die  Todtenstadt  von  Saqära  hat,  um  vom  Alter  der  Sphinx  zu 
schweigen,  geht  schon  aus  dem  ganz  andern  Clima  und  ganz 
andern  Lebensgewohnheiten,  Sitten  und  Bräuchen  hervor,  welche 
die  bemalten  und  behauenen  Wände  „des  ewigen  Hauses'-,  wie 
die  Inschrift  zu  dieser  Todtenstadt  heisst,  voraussetzen  und  ver- 
kündigen. Die  neusten  Ausgrabungen  Mariette-Bey's,  des  uner- 
müdlichen Forschers  und  Begründers  des  Museums  von  Bulaq, 
haben  mit  Einemmale  ganz  neue  Blicke  in  die  Vergangenheit 
eröffnet,  die  nur  denen  verglichen  werden  können,  welche  uns 
neuerdings  die  Entdeckungen  in  den  deutschen  Sümpfen  und 
Mooren  eröffnet  haben.  Auch  hier  entstehen  aus  dem  Sumpf  alte 
Generationen  wieder,  die  so  zu  sagen  einer  ganz  andern  Welt 
angehören,  da  wir  die  Brücke  noch  nicht  fanden,  welche  aus  dieser 
Urgeschichte  zur  wirklichen  Geschichte  führt.  So  viel  steht  bis 
jetzt  hier  wie  dort  fest:  ein  vollständig  verändertes 
Clima  bezeichnet  jene  Zeit,  die  sich  in  Deutschland  durch 
Gletscher  nebst  Renthier  und  Bär  charakterisirt,  während  in 
Egypten  das  Fehlen  der  Wüste  zur  nothwendigen  Voraus- 
setzung wird.  Auf  der  Sinaihalbinsel  schon  hatte  ich  einigemale 
Veranlassung,  auf  frühere  wasserreiche  Zeiten  hinzuweisen,  dess- 
gleichen  die  absolute  Unmöglichkeit  darzuthun,  dass  einst,  wenn 
die  Wüste  schon  bestanden  hätte,  aus  der  Wüste  von  Hamamat 
und  Abu  Goueh  die  Steincolosse  zu  den  thebaischen  Bauten 
hätten  geliefert  werden  können.    Diese  Bauten  von  Theben  er- 


—    358    — 

reichen  nun  nahezu  das  Jahr  3000  vor  Christus;  lange  vor  ihnen 
aber  stunden  schon  die  Pyramiden  und  die  TodtenstUdte  von 
Memphis,  die  nach  den  neuerstandenen  Bildern  und  Inschriften 
den  Mittelpunct  darstellen  eines  alten  Reiches  mit  vollendeter 
Gesittung  und  entwickelten  Yolksgebräochen,  das  ganz  Egypten 
beherrschte.  Es  versäume  doch  Niemand,  dem  es  möglich  ist, 
einen  Gang  zu  machen  durch  die  älteste  bekannte  Todtenstadt 
d  e  r  W  e  1 1 ,  durch  das  frisch  eröffnete  S  a  q  ii  r  a ,  namentlich  um  den 
Contrast  zu  den  thebai sehen  Königsgräbern  zu  fühlen.  In  Theben 
sind  überall  schon  die  zahlreichen  Bilder  eines  priesterlichen  Rituals 
in  die  Todtenkammern  eingedrungen,  Isis  und  Osiris  schmücken 
die  Wände;  abergläubische  Schauderbilder  aus  der  Unterwelt 
weisen  darauf  hin,  dass  der  Priester  die  Oberhand  gewonnen 
hat  und  die  Macht  besitzt,  die  Prüfungen  der  Seele  abzukürzen. 
Von  dem  Allem  hat  Saqära  noch  nichts.  Hier  ist  der  Todte  in 
Mitten  seiner  Frau  und  Kinder,  seiner  Diener,  Hunde  und  grü- 
nen Affen.  In  Basrelief  ist  das  Bild  des  Todten  vielfach  an 
den  Ehrenplätzen  angebracht  mit  seinen  Titeln,  seiner  Lebens- 
geschichte, mit  auffallenden  Gebrechen  oder  sonst  einem  kennt- 
lichen Signalement.  Er  lebt  auf  dem  Bauernhof,  in  leichten  auf 
Säulen  gestellten  Bauten.  Seine  Hausthiere  sind  Ochsen ,  Esel, 
Hunde,  Affen,  Antilopen,  Gazellen,  Gänse,  Kraniche,  Enten, 
Storchen  und  Turteltauben.  Keine  Spur  in  der  ganzen 
Todtenstadt  vom  Kameel,  dem  unentbehrlichen  Hausthier 
Egyptens,  seit  die  Wüste  besteht,  kein  Bild  noch  von  Pferd, 
Giraffe,  Elephant,  Schaf  oder  Huhn.  In  die  häuslichen  Einzel- 
heiten, die  ein  harmloses  landwirthschaftliches  Leben  bekunden, 
mischen  sich  Erinnerungen  an  die  Laufbahn  des  Todten,  an 
seine  Reisen,  seinen  Handel,  Spiele  und  Tänze,  niemals  eine 
Spur  kriegerischen  Lebens  (wenigstens  vor  der  12.  Dynastie) 
und  sehr  wenig  religiöses  Ritual.  Das  „ewige  Haus"  ist  noch 
keine  Gott  geweihte  Capelle,  in  der  Osiris  herrscht,  sondern 
der  Todto  selber  ist  in  seinem  Hause  Herr  und  Meister,  der 
Hausgott,  auf  den  sich  Alles  bezieht,  und  seine  Todtenkammer 
ist  die  Stätte,  wo  er  seine  Gewohnheiton  und  Behaglichkeiten 
des  Lebens  findet. 


-    359    — 

"Welch  ein  Unterschied  zwischen  dieser  Lebensanschauung 
des  ältesten  Egyptens,  genommen  aus  der  Todtenstadt  von  Sa- 
qära  und  den  Pyramiden,  und  der  Lebensanschauung  des  thebai- 
schen  Egyptens,  genommen  aus  den  Königsgräbern  von  Qürna 
und  Medinet  Habu !  Man  weiss  nicht,  was  längere  Zeit  zur  Ein- 
führung braucht,  ein  so  veränderter  Volksglaube  oder  die  Ein- 
führung und  Verbreitung  neuer  Hausthiere.  Das  Kameel  fehlt 
selbst  noch  auf  den  Tempelwänden  von  Theben  und  war  sicher- 
lich zur  Zeit  der  Gründung  von  Theben  nicht  eingeführt,  denn 
es  gab  noch  keine  Wüste;  Prachtbauten,  wie  im  Assassifberge 
oder  in  Denderah  und  die  Riesenbauten  der  "Welt,  zu  denen  wir 
heute  nur  im  tiefsten  Gefühl  eigener  Armseligkeit  hinanblicken, 
solche  Bauten  setzt  man  in  keine  "V^ste  abseits,  in  die  man 
nur  mit  Noth  und  Mühe  gelangt.  Tausende  von  Wänden  be- 
deckt man  nicht  vom  Boden  bis  zum  Plafond  über  und  über 
mit  Inschriften,  Malereien  und  Sculpturen,  dass  sie  ungesehen  in 
Grabesnacht  bleiben,  sondern  dass  man  die-  Schrift  liest  und  die 
Kunstwerke  sieht.  Die  Reste  des  ältesten  und  des  alten  Egyp- 
tens reden  so  laut  von  dem  veränderten  Clima  der  Nilländer, 
als  das  Gerolle  in  den  Wadi's  der  lybischen  Wüste  von  Was- 
serfluthen  Zeugniss  gibt,  ob  auch  heute  jahraus  jahrein  kein 
Tropfen  mehr  fliesst. 

Wir  kamen  unvermerkt  von  der  BodenbeschafFenheit  der 
egyptischen  Berge  auf  das  Leben  zu  sprechen,  das  einst  auf 
diesem  Boden  gewachsen  ist,  und  glauben  nicht  missverstanden 
zu  werden,  wenn  wir  auch  dieser  geistigen  Blüthe  des  Bodens 
zum  Schluss  unsere  Beachtung  schenkten.  Steht  doch  thatsächlich 
immer  die  geistige  Kraft  eines  Volkes  im  engsten  Zusammenhang 
mit  dem  Clima.  Heutzutage  erlahmt  die  Energie  selbst  eines  kräf- 
tigen Europäers  unter  der  Sonne  von  Egypten;  von  einem  gei- 
stigen Arbeiten,  von  Studien,  wie  wir  sie  in  Europa  gewohnt 
sind,  ist  in  Afrika  geradezu  keine  Rede.  Man  erschlafft,  wird 
träge  und  faul,  man  fängt  an  zu  bummeln  und  macht  es,  wie 
es  jeder  Orientale  macht,  denn  man  fühlt,  dass  das  natürlich 
ist  und  der  Luft  entspricht,  in  der  man  lebt.  Eine  geistige  Thä- 
tigkeit,    wie   zu   den   Zeiten    der   Griechen,    da  Alexandria  der 


—    360    - 

Mittelpunct  aller  Künste  und  Wissenscliaften,  eine  wahre  Welt- 
universität mit  der  reichsten  Bibliothek  der  Erde  war,  oder  wie 
zu  den  Zeiten  der  Platoniker  bis  in  die  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderte, da  die  tiefsten  Denker  der  Kirche,  ein  Gnostiker  Ori- 
genes,  ihre  religiös-philosophischen  Systeme  entwickelten  —  ein 
derartiges  Schaffen  der  Gedanken  setzt  ganz  nothwendig  ein 
anderes  Clima,  eine  feuchtere  Luft  in  Egypten  voraus.  Auf  dem 
gegenwärtigen  Boden  des  Nillandes  wird  kein  philosophisches 
System  mehr  erblühen  und  mit  keiner  Macht  der  Welt  könnte 
man  eine  Universität,  die  nur  entfernt  einer  europäischen  gliche, 
dorten  erstehen  lassen. 

So  nahe  daher  auch  wegen  seiner  Geschichte  der  Orient 
dem  Abendländer  steht  ipd  so  heimisch  wir  uns  geistiger  Weise 
gemacht  haben  in  den  Bergen  und  Thälern  der  Sinaihalbinsel 
und  Palästina's,  so  nahe  endlich  auch  der  Naturforscher  die 
Schichten  des  Orients  mit  europäischen  in  Verbindung  bringt, 
so  unerklärt  bleibt  doch  immer  die  ganze  grosse  Vergangenheit 
dieser  Stätten  ohne  die  Voraussetzung  der  tiefgreifendsten  cli- 
matischen  Veränderungen,  die  ebensowohl  in  geologischen  Ni- 
veauschwankungen als  in  cosmischen  Wandlungen  ihre  letztere 
Ursache  haben. 


Erklärung  der  Tafeln. 


Tafel  IV. 

1.  Actaeonella  Salomonis  Fraas,  aus  dem  Wadi  Jos  bei  Jerusalem 
pag.  240. 

2.  Actaeonella  syriaca  Conr.,  ebendaher  pag.  239. 

3.  Phasiamlla  Ahsalonis  Fraas,  ebendaher  pag.  240, 

4.  Chemnitzia  syriaca  Conr.,  aus  dem  Baculitenkalk  am  Bahr  Lut 
pag.  243. 

5.  Tv.rritella  Adidlam  Fraas,  AduUamthal  zwischen  Marsäba  und 
Bethlehem  pag.  242. 

6.  Nerinea  Mamülae  Fraas,  Kreidekalk  von  Mamilla  pag.  241. 

7.  Hippurites  syriacus  Conr.,  "Wadi  Jos  bei  Jerusalem  pag.  229. 

8.  Nummulina  cretacea  Fraas,  aus  dem  Hippuritenkalk  bei  Jerusa- 
lem pag.  227,  a.  natürliche  Grösse,  b.  die  Hälfte  des  Querschnitts 
4mal  vergrössert,  c.  ein  Viertheil  des  Scheibenschnitts  8mal  vergr. 

9.  Crassatella  Rotliii  Fraas,  Kreidemergel  vom  Djebel  Tor  bei  Je- 
rusalem pag.  234. 

10.  Nerinea  longissima  Reuss,  Mamillateich  pag.  242, 

11.  „        Schickii  Fraas,  Mamillateich  pag.  242. 

12.  Dentalium  Wilso7ii  Fraas,  Marsaba  pag.  239. 

13.  „  octocostatum  Fraas,  ebendaher  pag.  239. 

14.  Trigonia  distans  Conr.,  ebendaher  pag.  237. 

15.  Badiolites  Mortoni  Zittel,  "Wadi  Jos  pag.  230,  unter  der  Loupe 
vergrössert. 

16.  ßacuUtes  anceps  Lmk. ,  Kidronthal  oberhalb  der  Bahr  Lüt. 
pag.  252.  a,  Seitenansicht,  b.  Querschnitt. 

17.  Ditto  vom  Bahr  Lüt  p.  252. 

18.  Ammonites  Goliath  Fraas ,  Oelberg  bei  Jerusalem  pag.  249. 
a.  Seitenansicht,  b.  Rückenansicht. 


Tafel  V. 

1.  Lohocarcinns  Cairensis  Fraas.  ^  von  Bihr  el  Fachmeh  östl.  Cairo. 
pag.  299, 

2.  Scheere  von  demselben  Individuum  von  aussen  gesehen  pag.  300. 

3.  Sternum  mit  der  Basis  der  Füsse  von  dems.  Individuum  pag.  300. 


—    362    — 

4.  Lohocarcinus  Paidinc-Württe)iihergicits  v.  Mey,  ^^  vollständigstes 
Exemplar  von  oben  gesehen,  aus  den  Steinbrüchen  des  Mokattam 
bei  Cairo  pag.  296. 

5.  Derselbe:  Maulgegend  mit  den  Kiefern,  die  Kieferfüsse  sind  abge- 
sprengt ■worden. 

6.  Derselbe:  vollständiger  Scheercnfuss. 

7.  Derselbe:  ein  Stück  Schale,  unter  der  Loupe  vergrössert. 

8.  Derselbe:  Endglieder  derFüsse,  von  der  Seite  des  Thorax  gesehen. 

9.  Lohocarcinus  PanUno-Wurttcmherijiciis  v.  Mey,  O  a.  von  oben 
gesehen,  b.  von  unten,  mit  blosgelegtem  Abdomen  und  Sternum 
imd  dem  Kieferfusspaar  pag.  298. 

10.  Derselbe:  Sternum  mit  den  Ovarien,  das  Abdomen  wurde  abge- 
sprengt. 

11.  Callianassa  nilotica  Fraas,  Scheerenballen  vom  Todtenberg  bei 
Assiüt:  a.  der  bewegliche  Finger,  b.  von  innen,  c.  von  aussen  an- 
gesehen pag.  259. 

Tafel  VI. 

1.  Patella  caire7isis  Fraas,  Ausguss  der  Innenseite  der  Schale,  aus 
dem  unteren  Steinbruch  des  Mokattam  bei  Cairo  pag.  291. 

2.  Vioa  Cerithn  Fraas,  Mokattam  pag.  293. 

3.  Porocidaris  serrata  Arch.,  Mokattam  p.  261. 

4.  a.  b.   Terebratella  2:>'jrainidar)(m  Fraas  bei  den  Pyramiden  p.  280. 

5.  a.  b.  Ostrca  JReiliiFraaa,  Mokattam  von  oben  und  unten  gesehen 
pag.  282. 

6.  Cardium  egyptiacum  Fraas,  Assiüt  pag.  285. 

7.  Pholas  Sinaitica  Fraas,  Steinkern  vom  Hadjar  el  Ma  pag.  334. 

8.  Eiqjatagus  Uihei'culosns  Fraas,  Wüste  el  Tih  pag.  279. 

9.  Sismondia  Logothetii  Fraas,  Assiüt.  a.  von  oben,  b.  von  unten 
gesehen  pag.  280. 

10.  Serpula  Kephren  Fraas,  am  Fuss  der  Kephrenpyramide.  *) 
11—14.  Clypeaster  egyptiaciis  Coqu. ,    ein  Fünftheil  des  Schildes  mit 
den  Fühlergängen.     Lybische  Wüsto  bei  Saqara  pag.  208. 

12.  a— c.  Das  Perisoma,  13.  zeigt  die  Innenseite  des  Schildes,  14.  die 
Kalktafeln  in  einem  Zustand  der  Maceration  pag.  309. 

15.  Laganniii  dcprcssum  Lesk.  var.  sinaiticdin  Fraas,  vom  Djebel  Zeit 
100  M.  ü.  d.  M.  pag.  333. 


*)  Diese  Art,  die  im  Text  vergessen  wurde,    aufgeführt  zu  werden,    füllt  am  Fus» 
der  Kephrenpyramide  vollständig  eine  Schichte  im  Gebirg. 


Kleinere  Mittlieilungen, 


Mausjagd  eines  kleiueu  Wiesels. 

Von  Forstrath  Dr.  Nördlinger  in  Hohenheim. 

An  einem  trüben  Kovembertage  trieb  sich  vor  meinem  Fenster 
ein  kleines  Wiesel,  Miistela  vulgaris,  herum.  Einen  Balustradeneckstein 
umfliegend  und  flatternd  bezeichneten  ein  Dutzend  Sperlinge  und  etliche 
Finken  das  ungefähre  Versteck  des  kleinen  Raubthieres.  Dieses  stürzte 
plötzlich  hersor,  mitten  unter  die  beflügelten  Gaffer,  welche  sich  der- 
massen  keck  in  seine  Kähe  wagten,  dass  ich  mich  jeden  Augenblick  versah, 
einen  derselben  zur  Beute  des  Wiesels  werden  zu  sehen.  Auf  kaum 
Meterentfernung  Hessen  sie  sich  auf  der  Strasse,  dem  niedrigsten  Ge- 
büsche, der  Balustrade  nieder,  ofi'enbar  neugierig  den  raschen  Aus- 
fällen des  Wiesels  zuschauend.  Von  diesem  konnte  man  nicht  sagen,  dass 
es  den  genannten  Vögeln  nachgestellt  hätte,  obgleich  es  doch  sicher- 
lich einen  allzudummen  oder  allzukecken  Spatzen  nicht  wohl  ver- 
schmäht haben  würde.  Nach  einer  Recognoscirung  in  der  Richtung 
des  nahen  Fohlengartens  überschritt  das  Wiesel  den  breiten  Weg  und 
versteckte  sich  unter  hohen  Grasbüschen  an  den  dicken  Zaunpfosten. 
Jeden  Augenblick  streckte  es  den  Kopf  vor  und  machte  Männchen, 
um  besser  zu  sehen  und  zu  horchen.  Die  beobachtenden  Sperlinge 
und  Finken  legten  auch  jetzt  wieder  grosse  Sorglosigkeit  an  den  Tag. 
Einer  der  letzteren,  der  eben  das  Wiesel  umschwärmt  hatte,  vergass 
so  schnell  die  Gefahr,  dass  er  sich  auf  die  vorüberziehende  Strasse 
niederliess  und  Körner  suchte,  wo  ihn  das  unter  den  Grasbüschen  so 
bequem  verborgene  Wiesel   hätte  mit  Leichtigkeit  erreichen   können. 


-    364    - 

Indessen  sprang  eine  starke  Feldmaus  in  der  Nähe  des  Wiesels  durch 
das  Gras  und  Laub  und  gleich  darauf  seiner  Fährte  nach  in  grossen 
Sätzen  das  Wiesel,  so  dass  ich  denken  musste,  die  Sprünge  gelten  der 
Maus,  diese  konnte  jedoch,  ohne  erreicht  zu  werden,  sich  verbergen, 
■während  das  Wiesel  vielleicht  durch  die  Unbekanntschaft  mit  der 
Oertlichkeit  oder  durch  Annäherung  einiger  des  Wegs  kommenden 
Personen  bestimmt,  sich  wieder  nach  dem  Verstecke  zurückzog.  Wieder 
aber  wurde  die  Maus  fast  an  derselben  offenen  Stelle  sichtbar,  und 
alsbald  stürzte  ihr  das  Wiesel  in  gleicher  Weise  wie  vorhin  nach. 
Im  Nu  war  ihr  der  Process  gemacht,  denn  obgleich  das  Wiesel  sich 
sogleich  von  Neuem  unter  einen  Grasbusch  flüchtete,  lag  schon  die 
Maus  zappelnd  auf  dem  Rücken,  von  einem  der  zuschauenden  Sperlinge, 
qiä  faisait  le  Saint  esjJrit,  wie  der  Franzose  sagt,  neugierig  über- 
flattert, jedoch  nach  wenigen  Secunden  vom  Wieselchen  abgeholt  und 
mit  hochgebogenem  Hals  sicher  über  die  Strasse  hinüber  unter  den 
ursprünglichen  Balustradenstein  getragen.  Von  hier  aus  wäre  das 
Wiesel  gern  in  entgegengesetzter  Richtung,  der  Vorderseite  des  Schlosses 
entlang  weiter  gegangen.  Es  stellte  in  der  That  bald  mit,  bald  ohne  Maus 
Excursionen  in  dieser  Richtung  an.  Doch  schien  es  ihm  nicht  gerathen, 
mit  seiner  Beute  so  gar  öff'entlich  auf  der  breiten  Strasse  seinem  ver- 
muthlichen  gewöhnlichen  Aufenthaltsorte  zuzuwandern.  Es  entschloss 
sich  desshalb,  eine  Zeitlang  noch  durcli  Sperlinge  verrathen,  dann  aber 
unberufen  im  Schutze  der  Balustrade  auf  einem  Umweg  nach  dem- 
selben Ziele  zu  gehen. 

Merkwürdig  schien  mir  die  geschilderte  Dreistigkeit  der  Sperlinge 
und  Finken  gegenüber  dem  Wieselchen  und  dass  dieselben  durchaus 
das  Lärmgeschrei  nicht  erhoben,  womit  kleine  Vögel  ihre  befiederten 
grösseren  Feinde,  wie  Sperber,  Eulen  und  dgl.  zu  verfolgen  pflegen. 


Ausgegeben  im  August  1867. 


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Druck  V"  C  Heniler,  Siutt^art. 


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Gei   a.Iilkv  F  S'.Kbttrfeck. 


JJruA  IT  C  lemltr,  Stuttgart 


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