m:
^
^
V^-^ V
■•W . . ■ : ^*^/SJ
Tütn)
%(\b
.\ö
^ibrarn of Ifj^ glus^um
OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
The gift of
JAHRESHEFTE
des
Vereins für vaterländische Naturkunde
Württemberg.
Herausgegeben von dessen Redaktionskommission
Prof. Dr. 0. Fraas, Prof. Dr. F. v. Krauss, Prof. Dr. C. v. Marx,
Prof. Dr. P. V. Zech in Stuttgart.
FUNFUNDVIERZIGSTER JAHRGANG.
Mit 8 Tafeln.
Stuttgart.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Kocli).
K. Hofbuchdruokerei Zu Guttenberg (Carl Grüninger) in Stuttgart.
Inhalt.
I. Angelegenheiten des Vereins.
Seite
Bericht über die dreiundvierzigste Generalversammlung vom 24. Juni 1888
in Crailsheim. Von Oberstudienrat Dr. v. Krauss 1
1. Rechenschaftsbericht für das Jahr 1887 — 1888. Von Oberstudienrat
Dr. V. Krauss 5
2. Zuwachsverzeichnisse der Vereinssammlungen:
A. Zoologische Sammlung. Von Oberstudienrat Dr. v. Krauss. . 9
B. Botanische Sammlung. Von Professor Dr. v. Ahles . . . . 12
C. Vereinsbibliothek. Von Oberstudienrat Dr. v. Krauss . . . . 12
3. Rechnungsabschluss für das Jahr 1887 — 1888. Von Hofrat Ed.
Seyffardt 24
4. Wahl der Beamten und des Versammlungsorts 28
Nekrolog des Grafen Kurt von Degen feld-Schonburg. Von Dr.
Engel in Eislingen 30
Nekrolog des Hofapothekers Anton Ducke. Von Prof. Dr. F r a a s . . 34
„ „ Pfarrer Dr. Karl Albert Kemmler. Von Pfarrer K.
Kemmler 36
II. Vorträge und Abhandlungen.
1. Zoologie.
Naturwissenschaftlicher Jahresbericht 1887. Von Dr. Freiherr Richard
Koenig-W arthausen 139
Über die Fortpflanzung des Proteus anguineus und seine Larve. Von Me-
dizinalrat Dr. Z e 1 1 e r in Winnenthal. (Mit Taf. III.) . . . .64.131
Über die Kreuzschnäbel und ihre Fortpflanzung. Eine monographische
Studie. Von Dr. Freiherr Richard Ko enig-Warthau sen . . 241
Beiträge zur Fauna der Umgebung von Tübingen. Von Dr. C, Fickert
in Tübingen 361
2. Mineralogie, Geologie, Palaeontologie und Geophysik.
Über einige Gegenstände aus dem Gebiete der Geophysik. Von Dr. J. Probst
in Essendorf 65
Beiträge zur Mineralogie Württembergs. II. Die Versteinerungs- und Ver-
erzungsmittel der schwäbischen Petrefakten. Von Prof. Dr. Leuze 40
IV Inhalt.
Seite
Über Grenzlinien in der Trias. Von Prof. Dr. 0. Fr aas 56
Einiges zur Geologie des Muschelkalks und der Lettenkohle. Von Amts-
richter Dr. Bertsch in Hall 58
Psammochelijs Keuperina. Von Prof. Dr. Fr. Aug. v. Quenstedt in
Tübingen. (Mit Taf. I. II.) 120
Loliginites (Geotheutis) Zitteli Eb. Fraas. Ein vollständig erhaltener Di-
branchiate aus den Laibsteinen des Lias e. Von Dr. Eberhard
Fraas. (Mit Taf. IV. V.) 217
Kopfstacheln von Hybodus und Äcrodus, sog. Ceratodus heteromorphus Ag.
Von Dr. Eberhard Fraas. (Mit Taf. V.) 233
Über ein angebliches Vorkommen gediegenen Zinns und über das spezifische
Gewicht der Zinnbleilegierungen. Von Prof. Dr. Friedrich Nies
in Hohenheim 292
Die Mineralien und Pseudomorphosen des Roseneggs. Von Prof. Dr. Leuze.
(Mit Taf. VI. VII.) 305
Beitrag zur Kenntnis der pleistocänen Fauna Oberschwabens. Von Reg.-
Baumeister Dittus in Kisslegg 359
Erdbebenkommission.
Übersicht über die in Württemberg und Hohenzollern in der Zeit vom 1. März
1888 bis zum 28. Februar 1889 wahrgenommenen Erderschütterungen.
Von Prof. Dr. H. v. E c k. (Mit Taf. VIII.) 341
1. Angelegenheiten des Vereins.
Bericht über die dreiimdvierzigste Greneralyersammluiig
vom 24. Juni 1888 in Crailsheim.
Von Oberstudienrat Dr. F. v. Krauss.
Es war nach der bisherigen Gewohnheit an der Reihe , die
jährliche Zusammenkunft auch einmal wieder im Norden des Landes
zu halten. Die im vorigen Jahre in Spaichingen tagenden Vereins-
mitglieder haben es daher mit Freuden begrüsst , als an sie eine
freundliche Einladung zum Jahresfest von den Mitgliedern in Crails-
heim erging, und beschlossen bereitwilHgst, die Generalversammlung
im Jahre 1888 in Crailsheim zu halten und die Geschäftsführung
dem Oberamtsarzt Dr. Mülb erger zu übertragen.
Die Versammlung, an der ich leider aus Gesundheitsrücksichten
nicht teilnehmen konnte, fand in dem Festsaal des Gasthofs zum
Lamm statt und war von den Mitgliedern aus allen Teilen des Lan-
des, selbst vom fernen Oberschwaben, besucht.
Oberamtsarzt Dr. Mülb er g er und Apotheker R. Blezinger
hatten die Gäste empfangen und für eine Ausstellung von natur-
hi.storischen Gegenständen und mit Hilfe von Gärtner Volz für die
Ausschmückung der Räumlichkeiten aufs trefflichste gesorgt. Alles,
was Crailsheim zu bieten vermochte, war in dem Saal vereinigt, um
ein Bild des wissenschafthchen Lebens und Strebens zu geben, das
sich an den Ufern der Jagst konzentriert.
Nach den gütigen Mitteilungen der beiden erstgenannten eifrigen
Mitglieder waren folgende Sammlungen ausgestellt :
Oberamtsarzt Dr. Mülb erger hatte eine kleine zoologische Samm-
lung arrangiert; insbesondere ausgestopfte Vögel, etwa 70 Arten,
.Jahreshefte <1. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 1
— 2 —
sämtlich aus der hiesigen Gegend; als besonders bemerkenswert,
heben wir hervor : Äquila clanga und Ampelis garrultis, ferner eine
hübsche Gruppe sämtlicher Rabenvögel mit Ausnahme von Corvus
corax. Lebendig vertreten waren die deutschen Saurier Lacerta
viridis, iimralis, cu/ilis und vivipara, nnd Änguis fragilis ; auch die
4 Salaraandrinen des Unterlandes Triton cristatus, alpestris , tae-
matus und Salamandra macidata waren in zahlreichen lebenden
Exemplaren vorhanden. Eine stattliche Kolonie von lebenden
spanischen Fliegen (Lijtta vesicatoria) auf Eschenzweigen erregte
allgemeines Interesse.
Gärtner W. Volz brachte eine lebendige Gruppe von ihm selbst
gesammelter, in dem Crailsheimer Bezirke wild wachsender Farne
und Bärlappen, von ersteren 16, von letzteren 4 verschiedene
Arten zur Ausstellung.
Apotheker R, Blezinger gab durch Aufstellung von Corydalis lutea,
Äconicum Lycodonum, Erysimum crepidifolium, Iris sibirica, JBu-
tomus umhellatus, Sagittaria sagittifolia, Oenanthe ßstulosa, Nym-
phaea alba und biradiata und Nuphar lutewu u. a. ein Bild der
phanerogamen Flora des Bezirkes. Aus der Umgegend von Ell-
wangen war Miniulus luteus aufgelegt.
Die von Apotheker R. Blezinger ausgestellte geognostische Samm-
lung erstreckte sich auf alle geognostischen Vorkommnisse des
Bezirkes ; sie enthielt zahlreiche Repräsentanten aus den Enkriniten-
schichten, einzelne Kronen von Encrinus lilüformis und Platten
mit mehreren solchen Kronen darauf, Stacheln und x\sseln von
Cidaris grandae'dus, seltene Exemplare von Stylolithen mit oben
aufsitzender Asterias Weismanni. Aus dem oberen Hauptmuschel-
kalk enthielt sie an Pflanzen Äraucaria Weismanni, an Echino-
dermen die sonst noch nirgends als in gleicher Art vorkommend
bekannte Opliiiira scutellata, an Bivalven Gervillia socialis, Lima
striata, Myophoria vidgaris und Goldfussii, Mytilus eduliformis,
Ostraea spondyloides , decemcostata und sessilis, Pecten laevigatus,
von Brachiopoden Terebratula vidgaris und Lingula tenuissima,
von Cephalopoden Ceratites nodosus und semipartitus , Nautilus
hidorsaius, dessen Schnäbel und Siphonalduten , von Gastropoden
lurritella scalata und grosse Exemplare von Melania Schlotheimii,
von Arthropoden Femphix Sueurii. Aus den gleichen Schichten
und namentlich aus der Lettenkohle mit dem bekannten Crails-
heimer Bonebed waren darin vertreten an Vertebraten die Saurier
Notosaurus mirabilis, Simosaurus Gaillardoti und Placodus gigas
— 3 —
und SauricMliys acuminatus, auch gut erhaltene. Knochen, Rippen,
Wirbel, Zähne und Schädelfragmente ; die Panzerlurche Mastodon-
saurus giganteus Jaeger , Mastodonsaurus granulosus E. Fraäs
durch ebensolche Reste, einen Atlas, Brust- und Seitenschilder;
ferner durch Schuppen, Zähne, Zahnpflaster und Stachelflossen die
Fische Semionotus letticus , Gyrolepis Albert i, Geratodus Kaupii
und runcinatus , Tholodus miiiutus , Hyhodus temiis ^ rugosiis und
longiconus , Strophodus- und Äcrodus- Arten. Aus dem Letten-
kohlensandstein waren einige Farne und ansehnliche Exemplare
von Equisetum columnarc und Calamites arenaceus und aus dem
unteren Keupergips Platten mit massenhaften Schaltieren, nament-
lich Gervillien , Trigonien und Myophoria Goldfusm aufgestellt.
Kieferstücke von Elephas primigenius, Halswirbel von Bos priscus,
Zähne von Bhinoceros tichorJiinus repräsentierten darin das Dilu-
vium. Die Sammlung enthielt ferner riesige Septarien, verkieselte
und in Schwefelkies umgewandelte Hölzer, Kiesel aus den Streit-
berger glazialen Sauden, Zinkblende in Muschelkalk und Krystall-
drusen von Kalkspat und Gips.
Diese interessante und lehrreiche Ausstellung, nur ein Teil der
reichen Ble zinger'schen Petrefakten-Sammlung, fand den ver-
dienten Beifall.
Lehrer Scheuerle von Frittlingen hatte eine Zeichnung eingesandt,
auf welcher sämtliche einheimische Weidenarten in Form eines
Stammbaumes sehr anschaulich und übersichtlich zusammen-
gestellt waren.
Die Verhandlungen wurden kurz nach 10 ühr durch den Ge-
schäftsführer Oberamtsarzt Dr. Mülberger mit folgender Rede
eröffnet :
Meine Herren ! Es gereicht mir zur besonderen Ehre, die Teil-
nehmer an der 43. Jahresversammlung des „Vereins für vaterländische
Naturkunde in Württemberg" hier in Crailsheim willkommen heis-
sen zu dürfen. Zwar beschleicht mich und meine hiesigen Freunde
ein gewisses Gefühl des Unvermögens, wenn ich so sagen darf, ob
wir auch im stände sein werden, den Erwartungen, welche der
Verein billigerweise seiner Jahresversammlung entgegenbringt , ganz
und voll zu entsprechen. Allein das Band, das uns alle, die wir
hier versammelt sind, umschlingt — die Liebe zur Natur und das
Streben nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis — ist ein so festes
und starkes, dass kein Gefühl der Entmutigung oder Schwäche auf-
kommen kann. Sie sind nicht zu uns gekommen, um aus den be-
1*
_ 4 —
scheidenen Gaben, die wir Ihnen zu bieten haben, eine Vermehrung
Ihres „Wissens" und „Könnens" mit nach Hause zu nehmen. Sie^
sind gekommen , um die Leuchte der Naturerkenntnis auch in die
Gegenden unserer Heimat zu tragen, welche bis jetzt leider ziemlich
unberührt von ihr geblieben sind!
Wir stellen uns deshalb mutig und ohne Scheu mit Ihnen in
Reih und Glied und richten die freundliche Bitte an Sie, neben den
naturwissenschaftlichen Bestrebungen allgemeineren Inhalts, welche
Sie heute beschäftigen werden , auch für diejenigen Angebinde ein
Auge zu haben, welche von uns aufgestellt und dazu bestimmt sind,
die natürlichen Verhältnisse des hiesigen Bezirks in gedrängter Über-
sicht zu veranschaulichen. Wenn Sie uns einfach und schlicht das
Zeugnis ausstellen , dass wir uns unseres Fleisses nicht zu schämen
brauchen , so sind wir überreichlich belohnt. Und so lade ich Sie
ein, die Sammlungen , welche im Lammsaale aufgestellt sind , nach
den Verhandlungen in aller Müsse zu besichtigen.
Was zunächst die geognostische Sammlung des Herrn Apo-
theker Blezinger betrifft , so reicht schon ein kurzer Blick auf
dieselbe hin, um sie als eine hochbedeutende zu erkennen. Es ist
nicht meine Aufgabe, hier auf die einzelnen Prachtstücke derselben
hinzuweisen. Als Kenner, die Sie sind, werden Sie dieselben zu fin-
den und zu würdigen wissen. Ich weise nur auf die Thatsache hin,
dass Muschelkalk und Letten kohle mit dem zwischenliegenden
Bonebed gerade in unserem Bezirke eine palaeontologische Aus-
beute gewähren , wie kaum irgendwo in Württemberg. Sie wissen,
dass die Vereinssammlung in Stuttgart aus dem Weismann'scheu
Nachlass schon seit lange interessante Typen aus diesen Formationen
enthält. Nun, ich denke, Herr Blezinger hat Ihnen den Beweis
geliefert, dass bei uns noch mehr und noch Schöneres zu holen ist.
Auch die Kinder unserer Flora entbieten Ihnen ihren freund-
lichen Gruss. Wir haben uns erlaubt, eine kleine Sammlung leben-
der Charakterpflanzen der hiesigen Gegend für Sie aufzustellen, wie
es die Jahreszeit erlaubte. Sie werden auch mit Freude die hübsche
Sammlung lebender Farne und Bärlappen sich ansehen, welche Herr-
Gärtner Volz dahier mit anerkennenswertem Eifer für die Versamm-
lung zusammengetragen hat. Die Gruppe enthält sämtliche hier
vorkommende Arten. Von der Ausstellung getrockneter Pflanzen
haben wir aus guten Gründen Abstand genommen.
Die Fauna unseres Bezirks möchte auch nicht ganz unbe-
achtet bleiben, wenngleich, wie Sie wissen, eine nennenswerte Aus-
— 5 —
Stellung von Tieren ihre ganz besonderen Schwierigkeiten hat. Nun,
wir haben so ziemlich alles zusammengestellt, was aufzutreiben war,
und Sie werden manches Exemplar aus der Vogelwelt sehen, das
Ihnen Freude macht. Auch das Terrarium mit den 5 deutschen
Sauriern, alle in schönen lebenden Exemplaren, wird Ihr Interesse
erregen , nicht minder die Kolonie von lebenden Lytta vesicatoria,
welche von der bayrischen Grenze stammt.
Meine Herren ! Ich halte es für die Hauptaufgabe unseres
vaterländischen Vereins , darauf hinzuwirken , dass allenthalben in
unserer schönen Heimat das Interesse für die Naturwissenschaften
sich regt. Der einzig richtige Weg hierzu dünkt mir insbesondere
der, die lokale Initiative wachzurufen. Gibt es doch keinen
Fleck unserer Mutter Erde , wo die naturwissenschaftlichen E'or-
schungen nicht ansetzen und zu bedeutsamen Kesultaten kommen
können. Nichts gibt mehr Mut, Ausdauer und Selbstvertrauen für
solche Bestrebungen, als die sich sehr bald aufdrängende Überzeugung,
-dass jede Gegend ihre Eigentümlichkeiten hat, deren volles Verständ-
nis eben ganz besonders dem zugänglich ist, welcher gerade auf die-
ser Scholle lebt. Deshalb ist jedermann berufen, an dem grossen
Baue der Naturerkenntnis mitzuwirken und nichts gehört dazu, als
ein offener Sinn und ein offenes Auge. Nun, ich denke, dass gerade
die Jahresversammlungen unseres Vereins berufen sind, dieses lokale
Interesse zu wecken und immer mehr Jünger um unsere Fahne zu
scharen.
Indem ich Sie nochmals von Herzen willkommen heisse, gebe
ich zugleich dem lebhaften Wunsche Ausdruck, dass auch die heuti-
gen Verhandlungen sich als ersprie'ssliche erweisen und dazu bei-
tragen mögen, unsere Sache zu fördern.
Zum Vorsitzenden für die Versammlung wurde für den ab-
wesenden Oberstudienrat Dr. v. Krauss der 2. Vorstand, Professor
Dr. 0. Fr aas, durch Akklamation gewählt.
Der Vorsitzende verlas alsdann den von Oberstudienrat Dr.
V. Krauss ve-rfassten
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1887 — 1888.
Hochgeehrte Herren !
Bei dem geregelten Fortgang kann ich mich über die laufen-
den Geschäfte im verflossenen 43. Vereinsjahre kurz fassen.
Dem Verein sind 26 neue Mitglieder beigetreten, von wel-
— 6 —
chen 5 dem Oberschwäbischen- und 3 dem Schwarzwälder Zweig-
verein angehören.
Zum Ehrenmitglied hat Ihr Ausschuss den Baron Dr. Fer-
dinand von Müller, Governments Botanist in Melbourne, ernannt,
in Anerkennung seiner ausgezeichneten Leistungen für die Flora in
Australien und der vielen wertvollen Geschenke botanischer Werke,
welcher sich unser Verein schon seit Jahren zu erfreuen hatte.
Der Zuwachs zur vaterländischen Naturalien-Sammlung
besteht im verflossenen Vereinsjahr aus 2 Säugetieren, 11 Vögeln,
36 Eiern, 7 Nestern, 4 Fischen, 31 Arten Mollusken in vielen Stü-
cken, 250 Arten Insekten in 630 Stücken, 1 Mineral, 6 Gebirgsarten,
29 Arten Fetrefakten in 96 Stücken, 5 Hölzern, 28 Arten Phanero-
gamen und 3 Kryptogamen.
Die Vereinsbibliothek hat wieder um 528 Schriften und
10 Karten zugenommen. Diese bedeutende Vermehrung hat der Ver-
ein den vielen Geschenken und vorzugsweise den 160 Tauschverbin-
dungen mit naturwissenschaftlichen Gesellschaften und Akademien
aller Weltteile zu danken.
Die Benützung der Vereinsbibliothek steht jedem Mitglied gegen
Einsendung einer Quittung jederzeit zu Diensten.
In neue Verbindungen durch Austausch gegen unsere Jahres-
hefte ist der Verein durch Vermittelung Ihres Bibliothekars getreten mit
Wagner Free Institute of Seiend^ at Philadelphia,
U. St. Commission of Fish and Fisheries at Washington,
Naturhistorischer Verein zu Passau.
Von den Vereinsjahresheften ist der 44. Jahrgang in di&
Hände der Mitglieder gelangt. Sie werden daraus ersehen haben,
dass er neben den zoologischen, mineralogischen, palaeontologischen
etc. Abhandlungen diesmal auch mehrere botanische Arbeiten ent-
hält, welche für die Naturgeschichte des engeren Vaterlandes von
Interesse sind. Auch die Erdbeben-Kommission hat wichtige Mit-
teilungen gemacht. Der vorjährige naturwissenschaftliche Jahres-
bericht konnte wegen Unwohlseins des bisherigen Verfassers nicht
mehr im 44. Jahrgang aufgenommen werden und wird daher im
nächsten erscheinen.
Wie alle Jahre ist Seiner Majestät dem König, dem hohen
Protektor des Vereins, auch der 44. Jahrgang vorgelegt worden.
Darauf erhielt der 1. Vorstand nachstehendes gnädiges Schreiben,
das er zur Kenntnis der Mitglieder zu bringen hat. E's lautet:
— 7 —
Kabinett S. M. des Königs
von Württemberg. Euer Hochwohlgeboren
"beehre ich mich auf die geschätzte Zuschrift vom gestrigen Tage
ergebenst mitzuteilen, dass ich nicht verfehlte, den mir damit für
Seine Majestät den König übersandten 44. Jahrgang der Jahres-
hefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg
höchsten Orts zu unterbreiten.
Seine Majestät haben das Buch mit lebhaftem Interesse entgegen-
zunehmen und mir aufzutragen geruht, Euer Hochwohlgeboren für die
dem König durch die Einsendung der anregenden Druckschrift bethätigte
Aufmerksamkeit den gnädigsten Allerhöchsten Dank auszusprechen.
Indem ich Euer Hochwohlgeboren ersuchen darf, hiervon auch
den übrigen Mitgliedern der Redaktions-Kommission und des Vereins
Kenntnis geben zu wollen, benütze ich gerne diesen Anlass zur er-
neuerten Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Stuttgart, den 27. Mai 1888. Der Kabinetts-Chef:
Herrn Oberstudienrat Dr. v. Kraus s hier. Griesinger.
Die alljährlich von den Mitgliedern und ihren Damen dankbar
aufgenommenen Wintervorträge haben die Freundlichkeit gehabt
zu halten :
Dr. Eberh ar d Fr aas über die vorsintflutlichen Bewohner
Schwabens,
Dr. Lampert über die Tiere des Meeres,
Dr. Nebel über den elektrischen Lichtbogen und seine
praktischen Anwendungen.
Die Vorträge mit Demonstrationen, welche in den wissen-
schaftlichen Abenden jeden Monats, in diesem Jahre unter
dem Vorsitz des Prof. Dr. v. Eck, gehalten wurden, sind:
13. Oktober 1887, Dr. E. Hof mann über geselhg lebende Wespen
und ihre Bauten mit Vorlage biologischer Präparate und der Ne-
ster der in Württemberg heimischen Vespa- Arten ; Dr. Lam-
pert: Das Parietalauge der Reptilien; Prof. Dr. v. Eck über
angebliche Gletscherschliffe im nördlichen Schwarzwald.
10. November 1887, Prof. Dr. Nies über die am 6. März 1886 statt-
gefundene Eruption des Vulkans Kilauea aufHawai; 0. Stange
über die neu entdeckten australischen Silberminen in den „Bro-
ken Hills" unter Vorlage zahlreicher Handstücke; Prof. Dr. Klun-
zinger demonstriert mikroskopische Präparate aus der zoologi-
schen Station in Neapel.
8. Dezember 1887, Prof. Dr. Klunzinger über die verschiedenen
am Bodensee gebräuchlichen Methoden des Fischfangs ; Dr. Fünf-
stück über einige Sonderhnge unter den pflanzUchen Parasiten.
12. Januar 1888, J. Eichler über die Kolanuss : Prof. Dr. v. Eck
über einige im Schwarzwald neu aufgefundene Gesteine ; Prof.
Dr. Nies legt die auf den Gotthardtunnel bezügliche Litteratur
vor und bespricht dieselbe.
15. Februar 1888, Dr. M. Graf von Zeppelin über die Vogel weit Helgo-
lands; Prof. Dr. A. Schmidt über Wellenbewegung und Erd-
beben; Prof. Dr. V. Reusch über die optischen Erscheinungen
in der Atmosphäre.
8. März 1888, Prof. Dr. v. Eeusch über die optischen P]rschei-
nungen in der Atmosphäre (Fortsetzung) : Prof. Dr. Hell über
Kondensation der Gase.
12. April 1888, Prof. Dr. 0. Schmidt über neuere Arzneistoffe der
Salicylsäurereihe ; Prof. Dr. Kirchner erläutert einen von ihm
für Unterrichtszwecke hergestellten „Stammbaum des Pflanzen-
reiches".
9. Mai 1888, Prof. Dr. Klunzinger über die zoologische Station
in Neapel ; Dr. E b e r h. F r a a s über Pressungserscheinungen an
Holz und Steinen; Prof. Dr. Nies legt eine Sammlung metal-
lurgisch interessanter Münzen vor und bespricht dieselbe ; Prof.
Dr. V. Eck zeigt einen spezifisch nicht näher bestimmbaren Farn
aus den Porphyrtuffen des mittleren Rothliegenden von Oberthal vor.
14. Juni 1888, Dr. Lampert über einige Sinnesorgane bei niederen
Tieren und über die Leuchtorgane der Fische ; Prof. Dr. Klun-
zinger über die in Württemberg vorkommenden Nacktschnecken
mit Demonstration konservierten und lebenden Materials ; Prof.
Dr. Nies zeigt einen Gips aus der Barbarossa-Höhle mit Fal-
tungserscheinungen vor.
Der Verein hat im verflossenen Jahre leider viele Mitglieder
durch den Tod verloren , unter ihnen sind als älteste schon seit
1845 dem Verein beigetreten: Obermedizinalrat Dr. v. Schäffer in
Cannstatt, Fabrikant Schauber in Calw, Kaufmann W. Spring in
Stuttgart. Über Graf Kurt von Degenfeld-Schonburg werden
Sie in diesem Jahrgang Worte der Erinnerung vernehmen.
Unter seinen korrespondierenden Mitgliedern hat der Ver-
ein den Tod von Dr. E. V. Ha y den, U. St. Geologist, und Sp. T.
Baird, Sekretär und Direktor der Smithsonian Institution, beide in
Washington, zu beklagen.
- 9 —
Schliesslich ist es Ihrem Ausschuss eine angenehme Pflicht,
alle Mitglieder und Gönner des Vereins bekannt zu machen, welche
die vaterländische Naturalien-Sammlung und die Bibliothek durch
Geschenke bereichert haben, und ihnen im Namen des Vereins den
verbindlichsten Dank auszudrücken.
Ihre Namen sind auf den Gegenständen erwähnt, sowie in den
nachstehenden
Zu\vaehsverzeiehnissen.
A. Zoologische Sammlung.
(Zusammengestellt von Oberstudienrat Dr. F. v. Krauss.)
I. Säugetiere.
Als Geschenke:
Mustela foina Beiss., altes Männchen im Sommerkleid,
von Dr. Freiherrn Richard König-Warthausen:
Myoxus avellanarius L., Männchen,
von Herrn Forstwart Gawatz in Zwiefalten.
II. Vögel.
Als Geschenke:
Pernis apivorus L., altes Weibchen bei Welzheim,
von Herrn Forstrat S p e i d e 1 ;
Nucifraga caryocatades L., einjähriges Weibchen v. Nov. 1887,
von Herrn Oberförster Gasser in Esslingen;
Bernicla hrenta Fall., Männchen vom Itzelberger See,
von Herrn Hüttenverwalter Wepfer in Königsbronn;
Anthus spinoletta L., altes Weibchen, im Winter,
von Freiherrn Fritz König-Warthausen;
Piciis major L., altes Männchen im Winterkleid,
Fringiüa coelebs L., altes Weibchen im Frühjahr,
Fringüla montifringilla L., altes Weibchen im Frühjahr,
Emheriza schoeniclus L., altes Weibchen im Frühjahr,
Gelege von 3 Eiern von Accipiter nisus L.,
Gelege von 4 Eiern von Buteo vulgaris Bechst.,
Gelege von 5 Eiern von CercJmeis tinnunculus L.,
Nest von Luscinia vera Sund., im Epheu,
Nest mit Angelschnüren von Enneoctonus coUurio L.,
Nest mit 6 Eiern von Enneoctonus collurio L.,
Nest mit 5 Eiern von Accentor modularis L.,
Nest mit 6 Eiern von Motacüla boarula L. {sulphurea Bechst.),
Nest mit 4 Eiern von PhyJloscopus frochüus L.,
von Herrn Fabrikant Ludwig Link in Heilbronn;
JNest mit 3 Eiern von Butco vulgaris Leach,
von Herrn Forstmeister Herdegen in Leonberg.
— 10 —
Durch Kauf und Tausch:
Corvus corone L., var. cinereofusca, Weibchen, Stuttgart,
Aquila naevia Meyer, alt, Oberndorf 1841,
Gecinus viridis Boie, Weibchen, Varietät, Kirchheim u. T.
III. Fische.
Als Geschenke:
Scardinius erytliropldliahnus L., aus der Jagst,
von Herrn Oberamtsarzt Dr. Mül berger in Crailsheim;
Coregonus fera Jubine, jung, aus dem Bodensee,
von Herrn Kaufmann H. Lanz in Friedrichshafen;
Squalius leucisciis L., gross, aus dem Neckar,
von Herrn Kaufmann Friedrich Drautz in Heilbronn.
Dur ch Kauf:
Anguilla viägaris Flemm., jung, neuer Kanal bei Berg.
IV. Mollusken.
Als Geschenke :
Helicogena pomatia L., var. grandis, auf Lias s,
von Fräulein Gertrud Kr aus s in Kirchheim u. T.,
Bythinia Schmidtü Chaep., aus den Krumbachquellen,
von Herrn Forstamtsassistent R e u s s in Ochsenhausen.
Eine Sammlung von 24 Arten und Varietäten von Land- und Süss-
wasserschnecken mit Angabe der Gebirgsformationen , darunter
bemerkenswert Fruticola liberta Westerl. und Fr. strigella Drap.^
ferner 5 Arten Unioniden,
von Herrn Lehrer Geyer in Neckarthailfingen.
V. Insekten.
Als Geschenke:
Hymenopteren, 10 Arten in 20 Stücken,
von Herrn Postsekretär Hösle;
Bienenwaben mit abnormer Zellenbildung,
von Herrn Oberlehrer Traub;
Dipterenminen an Stechpalmen und MetalUstes atomar ius Ol.,
von Herrn Pfarrer Ziegele in FeldrennaCh;
Vespa media de G. und germanica F., Nester von Cannstatt,
von Herrn Dr. L a m p e r t ;
Vespa germanica F., Nest mit vielen Wespen und V. saxonica F. von:
Gablenberg,
von Herrn Präparator Oberdörfer;
Vespa germanica F., Wespen,
von Herrn Professor Fr aas, Präparator Kerz und
Dekorateur Scheiffele;
Vespa germanica F., Nest mit vielen lebenden Männchen, Weibchen und
Arbeitern,
von Herrn Kustos Dr. E. Hofmann;
— 11 —
Pollistes gallica F. und Vespa germanica F. , Nester mit vielen Wespen,
von Herrn Professor Strebel in Hohenheini;
Vespa vulgaris L. , saxonica F. , Nester und ein künstlich zusammen-
gestellter Bienenschwarm,
von Herrn Konditor Leyrer;
Hi/lotonia rusaruni L. und 8 Bienen von Palästina,
von Herrn Landgerichtsi'at Beck;
Hypocampa Mühlliauseri F., eine lebende Raupe,
von Herrn Christ. Kurz;
Lepidopteren 10 Arten in 30 St., Hymenopteren 20 Arten in 30 St,
Koleopteren 12 Arten in 14 St., Dipteren 6 Arten in 15 St.,
von Herrn Sanitätsrat Dr. Steudel;
Änlax rhoeaclis Bouch., Larven in den Köpfen von Papaver rhoeas,
von Herrn Lehrer Geyer in Neckarthailfingen ;
Nematus pcduncuU Klug und N. VaUsnieriae Het., Gallen an Weiden,
von Herrn Lehrer Scheuerle in Frittlingen ;
Vespa rufa L., Nest bei Horb an einer Böschung,
von Herrn Eisenbahnkondukteur Reiser in Tübingen;
Vespa media Deg,, Nest an Schwarzdorn,
von Herrn Flaschner Albrecht in Tübingen;
Vespa saxonica F., Nest an einem Backofen,
von Herrn Pfarrer Dr. Probst in Unter-Essendorf;
Koleopteren, 3 Arten in 3 Stücken, neu für die Sammlung,
von Herrn Privatier Keller in Reutlingen ;
Parnassius Mnemosyne L. , Raupe von Corydalis cava vom Reissenstein,
von Herrn Studiosus Heinz;
LiheUtüa pedemontana All., aus Friedrichshafen,
von Herrn Buchhändler Max Schreiber in Esslingen.
Dur c h Kauf:
Koleopteren 40 Arten in 76 St., Lepidopteren 24 Arten in 39 St., Hy-
menopteren 60 Arten in 210 St., Dipteren 21 Arten in 80 St.,
Orthopteren 10 Arten in 34 St.
VI. Mineralien.
Als Geschenke:
Barytkrystalle , farblose und blaue , aus den Zementbrüchen von All-
mendingen,
von Herrn Chemiker Karl Krauss.
VII. Gebirgsarten.
Als Geschenke:
6 Stücke aus der unteren Lettenkohle,
von Herrn Apotheker Blezinger in Crailsheim.
VIII. Petrefakten.
Als Geschenke:
Ammonites ulmensis Oppel, aus dem Weissen Jura L,
von Herrn Dr. G. L e u b e in Ulm ;
— 12 —
Ophiura loricata Güldf., in 6 vollkommenen Stücken,
25 Arten Fisch- und Saurierreste in 87 Stücken,
von Herrn Apotheker Blezinger in Crailsheim;
Kieselholz aus dem Tertiär,
von Herrn Revierförster Karr er in Dietenheim.
B. Botanische Sammlung.
Als Geschenke:
a) Hölzer:
Stammstück von Firnis ahies Dukoi mit korkartiger Rinde,
tJberwallter Stammabschnitt der uralten Klosterlinde, T. grandißora Eheh.,
beide von Lorch,
von Herrn Oberförster Gott schick I. in Cannstatt;
Stammstück von Betida pnbescens Ehkh. , mit Zweigen als Stammaus-
schlag vom Sommer,
von Herrn Oberförster v. Biberstein in Weil im Schönbuch;
Fasciationen einer 25 jährigen Plmis nigricans Host vom Donnersberg,
von Herrn Oberförster Fribolin in Bietigheim ;
Fichtenstamm mit 2 grossen Schwarzspecht-Löchern , welche im Nov.
1887 von 3 Uhr abends bis 11 Uhr vormittags des folgenden
Tages eingehackt worden sind,
von Herrn Forstrat Burkardt in Ochsenhausen.
b) Herbarium.
Salicineen 17 Spez. vom OA. Spaichingen,
von Herrn Lehrer Scheuerle in Frittlingen ;
Fuccinia malvacearum Mont., auf Blättern von Altliaea rosea L.,
von Herrn Prof. Dr. Fr aas;
Gnomonia erythrostoma Fuckel , auf Blättern von Süsskirschen von
Kirchheim,
von Herrn Assistent J. Eichler;
Phanerogamen 11 Spez. aus Württemberg,
Asplenium viride Huds. bei Stuttgart,
von Herrn Professoratskandidat Rieb er.
C. Die Yereinsbibliotliek
hat folgenden durch Dr. F. v. Krauss verzeichneten Zuwachs erhalten:
a. Durch Geschenke:
Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg.
Jahrg. 44. 1888.
Von Herrn Staatsrat v. Köstlin.
Dieselben, Jahrg. 21—43. 1865 — 1886.
Von Herrn Professor B r o n n e r.
Dieselben, Jahrg. 19. 20. 22. 23. 26—31. 33 — 34. 35. 1862—1880.
Von Herrn Oberamtsarzt Dr. Kieser in Gmünd.
Dieselben, Jahrg. 7 — 10. 11 — 14. 22—39. 1866—1887. (Ohne Tafeln.)
Von Herrn Oberamtsarzt Dr. Höring in Weinsberg.
— 13 —
Dieselben, Jahrg. 31 — 39. 1875 — 1883.
Von Herrn Dr. med. Ray in Wurzach.
Dieselben, Jahrg. 25—33. (Ohne Tafeln.) 1869—1877.
Von Herrn Medizinalrat Dr. Zell er in Winnenden,
Dieselben, Jahrg. 24—43. 18G8— 1887 (ohne Festschrift).
Von Herrn Kanzleirat Liesching.
Dieselben, Jahrg. 37 — 43. 1881 — 1887.
Von Herrn Finanzrat Pf äff.
Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins. Jahrg. 1886.
Bd. 17. 8".
Mittheilungen desselben Vereins. Jahrg. 1886. 4°.
Wright, L. , the practical poultry Keeper: a complete and Standard
guide to the management of poultry. London. 3. Edit. 8^.
Hulme, E., familiär wild flowers. Prt. 1 — 42. London.
Hibberd, Shirley familiär garden flowers. Prt. 1 — 19. London. 8**.
Pynaert, E. , die Fruchthäuser. Eine vollständige Abhandlung über
die Treib- und die künstliche Kultur der Obstbäume und der
Beerensträucher unter Glasschutz. Stuttgart. 1874. 8**.
W es seih oft, J., der Rosenfreund. 4. vermehrte Aufl. 1878. 8°.
Hübner, J. G., Pflanzen-Atlas. 5. Aufl. mit 32 Taf. Heilbronn, gr. fol.
Jaeger, H., der Obstbaumschnitt. Neueste Methode zur Behandlung
der feineren Obstsorten am Spalier, sowie in allen andern ge-
bräuchlichen Formen. Nach J. A. Hardy. Leipzig. 1867. 8^.
Kilian, W., notes geologiques sur le Jura du Doubs. 4. Part.: Les Fora-
miniferes de l'oxfordien des environs de Montbelliard par W. Deeke.
Montbeliard. 1886. 8^
Kinkelin, F., die Tertiärletten und -Mergel in der Baugrube des
Frankfurter Hafens. Sep.-Abdr. der Senckenb. naturf. Ges. 1885.
Derselbe, geologische Tektonik der Umgebung von Frankfurt a. M. ;
Derselbe, über die Corbicula-Sande in der Nähe von Frankfurt a. M. ;
Derselbe, Senkungen im Gebiete des Untermainthaies unterhalb Frank-
furts und des Unterniedthaies;
Derselbe, die Pliocänschichten im Untermainthal. Ebendaselbst 1885. 8°.
Koenen, A. v. , über das Mittel-Oligocän von Aarhus in Jütland.
Sep.-Abdr. Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 38. Bd. 4°.
Derselbe, über die ältesten und jüngsten Tertiärbildungen bei Kassel.
Sep.-Abdr. Nachr. K. Gesellsch. Göttingen. 1887. 8^
Derselbe , über postglaciale Dislokationen. Sep.-Abdr. Jahrb. geol.
Landesanst. 1886. 8°.
Hahn, 0., die Philosophie des Bewussten. Grundzüge der Natur-
philosophie der Gegenwart unter Berücksichtigung der Kirchen-
lehren. Tübingen. 1887. 8^
Gartenzeitung, illustrirte , eine monatliche Zeitschrift für Garten-
bau, Blumenzucht und Obstbau. Jahrg. 30. Nr. 7 — 12. 1886.
Jahrg. 31. 1887. 8".
Klunzinger, B., die Fische des Rothen Meeres. 1. Teil. Acanthoptera.
Stuttgart. 1884. fol.
— 14 —
Bjuf, F., om Floran Skänes kolforande Bildningar. Forst Haftet.
Stockholm. 1875. 4".
Hagenow, F., die Bryozoen der Maastricditer Kreidebildung mit
12 Tafeln. Kassel. 1851. 4''.
S t i 1 11 n g , J., pseudo-isochromatisclie Tafeln für die Prüfung des Farben-
sinnes. Mit 8 Tafeln. Kassel. 1866. 8°.
Hai 11 er und Rochleder, die Pflanze. Hildburghausen. 1866. 8^.
Spengel, J. W., die DAEWiN'sche Theorie. Verzeichnis über dieselbe
in Deutschland, England, Amerika, Frankreich, Italien, Holland,
Belgien und den Skandinavischen Reichen erschienenen Schriften
und Aufsätze. Berlin. 1872. 8^.
"Willkomm et Lange, prodromus flnrae Hispanicae. Vol. III. prt. 4.
1880. 8**.
Karten: Die Rheinlande nach ihren geologischen Beziehungen von
Murchison, bearbeitet von G. Leonhaed. 1844.
Geognostische Reisekarte von der Umgegend von Heidelberg, Engen,
Sinsheim, Dresden und Baden.
Geognostisches Bild des Harzes.
F romherz, die urweltlichen Seen des Schv^arzwaldes.
Von Herrn Buchhändler Eduard Koch.
Hofmann, E. , die Gross-Schmetterlinge von Europa. Lief. 22 mit
Index u. Titel. 1888. 4^
Pomologische Monatshefte. Zeitschrift für Förderung und Hebung der
Obstkunde, Obstkultur und Obstbenützung. Jahrg. XIII. Heft 6 — -12.
Jahrg. XIV. Heft. 1 — 4. 1887—1888. 8°.
Von Herrn Kustos Dr. E. Hof mann.
Bronn, Klassen und Ordnungen des Tierreichs in Wort und Bild.
Bd. 6. Abt. 3. Reptilien. Lief. 56—60.
Dasselbe, Bd. 1, Lief. 35 — 45, neu bearbeitet von Bütschli. Win-
ter'sche Verlagshandlung. Leipzig u. Heidelberg.
Vom Herrn Verleger zur Rezension.
Donna dieu, A. L. , les veritables origines de la question Phylloxe-
rique. Paris. 1887. 8**.
Detille,. J., les Turdins ou l'art d'embellir les paysages poeme. Lon-
don. 1801. 8".
Keek ermann, B., contemplatio gemina. Hannoviae. 1811. 8^.
Leonhard, der Förster und Jäger in seinen monatlichen Amtsver-
richtungen. Leipzig. 1828. 8°.
Daubenton, traitesurlamaniered'empaillerlesanimaux. Paris. 1787. 8^.
Jester, F. E. , über die kleine Jagd. Zum Gebrauch angehender
Jagdliebhaber. Königsberg. 1793. 8*^.
Von Herrn Professor Kurtz in Ellwangen.
Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Alpenreisen. Bei-
lage zur Zeitschr. des deutsch. -österr. Alpenvereins. 1. — 5. Abt.
Kirchhoff, A., Bericht der Zentral-Kommission für wissenschaftliche
Landeskunde von Deutschland. Sep.-Abdr. Verh. deutsch. Geo-
graphentags in Karlsruhe. 1887. 8*^.
Vom Herrn Privatier Karl Faber.
— 15 —
Ploss, H. , das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropolo-
gische Studien. 2. stark vermehrte Auflage von Dr. Max Bar-
tels. Th. Griebens Verlag. Leipzig. 1887. 8^
Vom Herrn Verleger zur Rezension.
Mayr, G., überEciton-Lebidus. Sep.-Abdr. Wien. ent. Zeitschr. 1886. 8*^.
Derselbe, Südamerikanische Formiciden ; Notizen über die Formiciden-
Sammlung des Brit. Museums in London; die Formiciden der
Ver. St. Nordamerikas. Sep.-Abdr. der Verh. zool.-bot. Vereins
in Wien 1886. 1887.
Vom Herrn Verfasser.
Klo SS, J. H. , Die ältesten Sedimente des nördlichen Schwarzwaldes
und die in denselben eingelagerten Eruptivgesteine. Sep.-Abdr.
Verh. Braunschweig. 1886—1887.
Wünsche, 0., das Mineralreich. 5. Aufl. des 5. Bandes der gemein-
nützlichen Naturgeschichte von Prof. Dr. 0. Lenz. Gotha. 1887. 8^.
Von der E. F. Thienemann'schen Hofbuchhandlung zur Rezension.
Weber van Bosse, A. Madm. , etudes sur les alges parasites des
Paresseux. Sep.-Abdr. Naturk. Verh. Holl. Maatsch. Wet. Amster-
dam. 1887.
Von der Frau Verfasserin.
Kegel mann, Wassermessungen in und an dem Bodensee zu Kress-
bronn. Sep.-Abdr. Württ. Jahrb. für Statistik. 1886. 4°.
Kaidt u. Ritter, die Kur- und Badeanstalt zu Niedernau. Stutt-
gart. 1853. 8^
Ritter, R., Geschichte der Kur- und Badeanstalt Imnau. 1869. 8*^.
Derselbe, Niedernau und seine Mineralquellen, worunter auch die Karls-
und Römerquelle. 1838. 8^
Derselbe, Niedernau, Kur- und Badeanstalt im Königreich Württemberg.
1869. 8°.
Derselbe, die Kur- und Badeanstalt Imnau vormals und izt. 1880. 8".
Derselbe, über die Ermittlung von Blut-, Samen- und Exkrementenflecken
in Kriminalfällen. 2. Aufl. Würzburg. 1854. 8".
Meck , Urtheile über Imnau und seine Heilquellen aus alter Zeit. 1881. 8°.
Raidt, über die Sauerquellen von Niedernau und ihren Gebrauch.
1815. 8^
Von Herrn Hofrat Dr. Ritter in Rottenburg.
Katze rwsky, W. , die meteorologischen Aufzeichnungen des Leit-
meritzer Rathsverwandten A. G. Schmidt aus den Jahren 1500
— 1761. Prag. 8°.
Vom Herrn Verfasser zur Rezension.
The Geological Magazine , or Monthly Journal of Geology. New Ser.
Dec. m. Vol. IV. No. 8.
Von Herrn Professor Zink.
Weirauch, K., Privatbeobachtungen der Regenstation Alswig i. J. 1886.
Dorpat. 1887.
Vom Herrn Verfasser.
Die geognostische Profilierung der württemb. Eisenbahnlinien, herausg.
vom K. Statist. Landesamt. 4. Lief. VII: Die Gäu-Kinzigbahn
— 16 —
von Stuttgart nach Scliiltach. Von Eb. Fr aas. Mit einem Profil
in Farbendruck.
Vom Herrn Verfasser.
Geology of the vegetable creek tin-mining field, New England district^
New South Wales with maps and sections by T. W. Edgeworth
David. Department of Miner. Geolog. Survey of New South
Wales. 1887. Sydney. 4°.
Geological Survey of New South Wales.
b. Durch Ankauf.
Annales de lasocieteentomologique de France. 6 Ser. T. VII. Paris 1887. 8",
Entomologische Nachrichten. Jahrg. XIII. Heft 9 — 24. Jahrg. XIV,
Heft 1—19. Berlin 1887. 1888. 8^
Der zoologische Garten. Zeitschr. für Beobachtung, Pflege und Zucht
der Tiere. Jahrg. XXVHI. No. 4—12. Jahrg. XXIX. No. 1—8,
Frankfurt a. M. 1887 — 1888. 8«.
Taschenberg, 0., Bibliotheca zoologica. Verzeichnis der Schriften
über Zoologie, erschienen von 1861 — 1880. Lief. 3. 4. 1887. 8°.
Stäl, recensio Orthopterorum, revue critique des Orthopteres descript,
par LiNNE, DE Geer et Thunbeeg. 1 — 3. Stockholm. 8^.
Stettiner entomologische Zeitung. Jahrg. 48. 1887. Jahrg. 49. No. 1 — 9.
1888. 8^.
Proceedings of the Dublin university zoological and botanical asso-
ciation. Vol. I. prt. 1. 1858. 8°.
Andre, species Hymenopteres. T. III. fasc. 27. T. IV. fasc. 28 — 31. S*'.
Puton, Catalogue des Hemipteres de la Faune palearctique. 3. Ed,
1887. 8*^.
Burmeister, Handbuch der Entomologie. 4, Bd. 2. Abt. 8*^.
c. Durch Austausch unserer Jahreshefte als Fortsetzung,
Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Phy-
sikalische, aus dem Jahre 1886. 1885. 4*^.
Abhandlungen der natarforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Bd. XIX,
1887. 8*^.
Abhandlungen, herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Verein in
Bremen. Bd. IX. Heft 4. Bd. X. Heft 1 — 2. 1887—1888. 8°.
Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. XVI.
Heft 4. 1886. 8^
Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, herausgegeben
vom naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg. Bd. X. Fest-
schrift zur Feier des 50 jährigen Bestehens des Vereins. 1887. 4*^.
Abhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Bd. XI.
2. Abth. Stur, D., Die Calamarien der Carbon-Flora der Schatz-
larer Schichten. 1887. Fol.
Abhandlungen und Jahresbericht der naturhistorischen Gesellschaft zu
Nürnberg. Bd. VIII. Bog. 4 — 5. 1887. 8*^.
Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurlands, herausgegeben
— 17 —
von der Dorpater Naturforscher-Gesellschaft. 1. Ser. Bd. IX.
Lief. 4. 1887. 8^
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. 24, Lief, enthalten auf
Blatt XIII Karte von Interlaken, Sarnen, Stanz, bearbeitet von
Kaufmann, Baltzer und Mösch. Lief. 21. Farben und
Zeichen. Erklärung der geologischen Karte. Blatt V. Verzeich-
nis der Ortsbenennungen in verschiedenen Sprachen. Lief. 25.
Höhen der vorzüglichsten Punkte. Titelblatt 1859—1887. Lief. 22.
Description geologique des prealpes du Canton de Vaud et du
Chablais jusqu'ä la dranse et de la chaine des Dents du Midi.
Par E. Favre et H. Schardt. 1887. Lief. 24. IL Teil. Bei-
lage : Systematisches Verzeichnis der Kreide- und Tertiär- Ver-
steinerungen der Umgegend von Thun, nebst Beschreibung der
neuen Arten von Prof. Dr. K. Mayer-Eymar. Bern. 1887. 4°.
Bericht des naturwissenschaftlichen Vereins in Augsburg. 29. Be-
richt im Jahre 1887. 8^
Bericht des naturforschenden Vereins zu Bamberg. 14. 1887. 8^.
Bericht über die Thätigkeit des Vereins für Naturkunde in Offenbach.
Heft 26—28. 1884—1887. 8".
Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen naturwissenschaft-
lichen Gesellschaft während der Vereinsjahre 1885 — 1886. 8*^.
Bericht des naturwissenschaftlich-medizinischen Vereins in Innsbruck.
16. 1886—87.
Bericht der Wetterauischen Gesellschaft für die gesamte Naturkunde
zu Hanau vom April 1885 bis März 1887. 8°.
Berichte der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. Bd. I.
1886. 8^
Bericht über das Museum Francisco-Carolinum nebst Beiträgen zur
Landeskunde von Österreich ob der Enns. 45. — 46. nebst 39. Lief,
der Beiträge etc. 1887—88. Linz. 8".
Bericht über die Sitzungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle
im Jahre 1885 und 1886. 8*^.
Correspondenzblatt des Naturforscher-Vereins zu Riga. Jahrg. 30.
1887. 8°.
Correspondenzblatt des naturwissenschaftlichen Vereins in Regens bürg.
Jahrg. XX. 1887. 8°.
Denkschriften, neue, der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für
die gesamten Naturwissenschaften. Bd. 20. Heft 1; 1880. Bern. 4^^.
Dissertationen, naturwissenschaftliche der Universität Tübingen. 6 che-
mische, 4 physikalische, 1 geologische und 1 botanische. 1887. 8".
Földtani Közlöny (Geologische Mitteilungen der Ungarischen geo-
logischen Gesellschaft). Jahrg. 17. Heft 1 — 4. Budapest. 1887. 8°.
Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg. 1887.
Bd. 37. Heft 1—2. 8°.
Jahrbücher des Vereins für Naturkunde im Herzogtum Nassau. Jahr-
gang 40. 1887. Wiesbaden. 8^
Jahrbuch der k. Preuss. Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin
für das Jahr 1887. 8°.
Jabreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 2
— 18 —
Jahrbücher, württembergische , für Statistik und Landeskunde heraus-
gegeben vom k. Statist. Landesamt. Jahrg. 1886. Bd. 1 — 2 und
Supplementband. Stuttgart, gr. 8°.
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Teile
anderer Wissenschaften. Herausg. von F. Fittica für das Jahr
1884, 5. Heft; für das Jahr 1885, Heft 2, 3. Giessen. 8".
Jahresbericht, medizinisch-statistischer, über die Stadt Stuttgart,
herausg. vom ärztlichen Verein. Jahrg. 14 vom Jahr 1886. 8^.
Jahresbericht des Westfälischen Frovinzial- Vereins für Wissenschaft
und Kunst. 15. Jahresbericht pro 1886. Münster. 8°.
Jahresbericht der k. Ungarischen geologischen Anstalt für 1886.
Budapest. 8°.
Jahresbericht der naturforschenden Gesellschaft Graubündens. Neue
Folge. Jahrg. 30, Vereinsjahr 1886—1887. Chur. 8^
Jahresbericht der Pollichia , eines naturwissenschaftlichen Vereins der
bayr. Pfalz. 43—46. Dürkheim. 1888. 8".
Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.
24. mit Ergänzungsheft: Krebs, Zacharias Allerts Tagebuch von
1627. Breslau. 1887. 8^
Leopoldina, amtliches Organ der Kais. Leo p oldinisch -Caroli-
nischen deutschen Akademie der Naturforscher. Heft 22. Jahrg.
1887. Halle a. S. S*'.
Lotos, Jahrbuch für Naturwissenschaft im Auftrag des Vereins »Lotos«.
Neue Folge. 8. Bd. (der ganzen Reihe 36. Bd.). Prag. 1888. 8°.
Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark.
Jahrg. 1886 (der ganzen Reihe 23. Heft). Graz. 8*^.
Mitteilungen aus dem naturwissenschaftlichen Verein von Neu-Vor-
pommern und Rügen. Jahrg. 18. Greifswalde. 1886. 8*^.
Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Halle a. S. Jahrg. 1887. 8°.
Mitteilungen aus der zoologischen Station zu Neapel, zugleich ein
Repertorium für Mittelmeerkunde. Bd. 7. Heft 2—4, Bd. 8. Heft 1,
1888. 8*^.
Mitteilungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien. Jahrg. 20.
(30. Bd.) 1887. 8°.
Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre
1886 No. 1143 — 1168, aus dem Jahre 1887 No. 1169—1194. 8^
Mitteilungen der Schweizerschen entomologischen Gesellschaft. Bd. VH.
Heft 8—10. Bern. 1887. 8^
Mitteilungen aus dem Jahrbuch der K. ungarischen geologischen An-
stalt in Budapest. Bd. VIL Heft 6. Bd. VHI. Heft 5. 1887. 8''.
Naturforscher , der , Wochenblatt zur Verbreitung der Fortschritte in
den Naturwissenschaften. Jahrg. 20. No. 1 — 52. Tübingen. 1887. 4".
Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue Folge.
Bd. VL Heft 4. Bd. VIL Heft 1. 1888. 8°.
Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt-
nisse in Wien. Bd. 26. 1886—87. 8'^.
Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig- Hol-
stein. Bd. VH. Heft 1. 1888. 8".
— 19 —
Schriften der k physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königs-
bero-. Jahrg. 27. 1886. 8^.
Sitzungsberichte der Naturforscher-Gesellschaft bei der Universität Dor-
pat. Bd. 8. Heft 1. 1887. 8°.
Sitzungsberichte der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Abt. I,
Bd. 93. Heft 4— 5. 1886. Bd. 94. 1886; Abt. II, Bd. 93. Heft
3—5. Bd. 94. 1886 — 87. Bd. 95. Heft 1—2. 1887; Abt. III,
Bd. 93. 1886. Bd. 94. 1886. 8*^.
Sitzungsberichte der physikalisch-medizinischen Gesellschaft zu Würz-
burg. Jahrg. 1887. 8°.
Sitzungsberichte der k. preussischen Akademie der Wissenschaften.
1887. 1 — 54. Berlin. 1887. 8».
Sitzungsber. d. Gesellsch. naturforsch. Freunde in Berlin. Jahrg. 1887. 8".
Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturwissenschaftlichen Gesell-
schaft Isis zu Dresden. Jahrg. 1886. 8^.
Tübinger Universitätsschriften aus dem Jahre 1886 — 1887. 4°.
Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. VIII. Teil.
Heft 2. 1887. 8*^.
Verhandlungen des botanischen Vereins für die Provinz Branden-
burg. Jahrg. 27—28. 1885. 1886. 8".
Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brunn. Bd. 24. 1885.
Hiebei : 4. Bericht der meteorologischen Kommission in den Jah-
ren 1884. 1886. 8".
Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidel-
berg. Neue Folge. Bd. 4. Heft 1. 1887. 8".
Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Jahrg.
1887. No. 2—8. Jahrg. 1888. No. 1 — 5. 8^
Verhandlungen des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung zu
Hamburg. Bd. VI. 1883—1887. 8^
Verhandlungen der physikal.-medizin. Gesellschaft in Würzburg.
Neue Folge. Bd. 20—21. 1887—1888. 8*^.
"Verhandlungen und Mitteilungen des siebenbürgischen Vereins für Na-
turwissenschaften in He r manns t a d t. Jahrg. 37. 1887. 8°.
Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft.
70. Versammlung in Frauenfeld. August 1887. Compte rendu
des travaux etc. 1887. 8.
Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien.
Jahrg. 1887. Bd. 37. 8*^.
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin. Bd. 40.
Heft 1. 1887—88. 8''.
Zeitschrift für Naturwissenschaften. Originalabhandlungen und Berichte,
heiiiusgegeben im Auftrage des naturwissenschaftlichen Vereins
lü: Sichsen md Thüringen. 59. Bd. Heft6. 60. Bd. 61. Bd.
Heu 1—5. 1886—1887. Halle. 8°.
Zeitschrift, deutsche entomologische, herausgegeben von dem entomo-
logischen Verein in Berlin. Bd. 31. 1887. 8^
Zeitschrift, deutsche entomologische, herausgegeben von Dr. Kratz.
Bd. 31. Berlin. 1887. 8^
2*
— 20 -
Actas de la Academia nacional de ciencias en Cordova. Tom. V,
Entr. 3. 1886. Buenos Aires, fol.
Annales de la societe entomologlque deBelgique. Tom. XXX. 1886.
Hierzu: Tables generales des Annales I — XXX par A. Lameere.
Bruxelles. 1887. 8^
Annales de la societe geologique de Belgique ä Liege. Tom. XIL
1884—1885. 8^^.
Annales, Memoires et Bulletins de la societe malacologique de Bel-
gique. Tom. XXI. (4. Ser. T. I.) Bruxelles. 1886. 8°. Hierzu:
Proces-verbaux des seeances etc. T. XV. 1886. T. XVI. 1886. 8".
Annaleii des physikalischen Zentralobservatoriums herausgegeben von.
H. Wild. Jahrg. 1886. 1—2. St. Petersburg. 4<^.
Annali del Museo civico di storia naturali di Genova. Ser. 2. VoL
III. IV. V. 1886—1888. 8^.
Annual report of the colonial museum and laboratory of the Survey
of New Zealand. 20. 21. 22. Wellington. 1884—1887. 8^
Annual report of the bureau of Ethnology to the secretary of the
Smithsonian Institution by J. W. Powell, fourth pro 1882
—1883. Washington. 8".
Annual report of the department of mines of New South Wales
for the year 1886. Sydney. 1887. 4^
Annual report of the United States geological Survey to the secretary
of the interior by J. W. Powell. Sixth. 1884—1885. Wa-
shington. 8".
Annual report of the board of regents of the Smithsonian Insti-
tution for the year 1885. Prt. 1. Washington. 8^.
Annais of the New York Academy of sciences. Vol. III. No. 11 — 12.
1886. Vol. IV. No. 1 — 2. New York. 1887. 8^.
Annuaire de l'academie royale des sciences des lettres et des beaux
arts deBelgique. Annee 52— 53. 1886—1887. Bruxelles. 8°.
Archives Neerlandaises des sciences exactes et naturelles publiees par
la societe holland. des sciences ä Harlem. Vol. XXI. Livr. 5.
Vol. XXII. Livr. 1—3. 1887. 8".
Archives du Musee Teyler. Ser. IL Vol. IIP Prt. 1. 1887. Hierzu:
Catalogue de la bibliotheque par C. Ekama. Livr. 5 — 6. 1886.
Harlem. gr. 8°.
Archives du Museum d'histoire naturelle de Lyon. Tom. 4. fol.
Archivos do Museu nacional do Rio de Janeiro. Vol. VI. Tr. 1 — 4..
1885. 4^.
Atti della societä toscana di scienze naturali residente in Pisa. Vol.
VIII. fasc. 2. 1887. Hierzu: Processi verbali. Vol. V— VI. Pisa.
1887 — 1889. 8°.
Atti della R. accademia della scienze di Tor in o. Vol. XXII. Disp.
10—15. Vol. XXIII. Disp. 1—8. 1887. Torino. 8^
Atti della societä Veneto-Trentina di scienze naturali residente in Pa-
dova. Vol. XL Fasc. 1. 1887. 8".
Atti dell' accademia Pontificia de nuovi Lincei di Roma. Anno XXXVIL
Sess. 6—8. 1882. Anno XXXVIIL Sess. 1—4. 1884—85. 4°.
— 21 —
Atti della R. Accademia dei Lincei di Roma. Ser. 4. Rendiconti.
Vol. II. Fase. 10. Vol. III. Fase. 8—13. 2. Semestr. Fase. 1—13.
Vol. IV. 1. Sem. Fase. 1. 2. Sem. Fase. 2 — 10. Roma. 1886
— 1888. 8".
Boletin de la Academia nacional de eiencias en Cordova. Tom. IX.
1886. Tom. X. Entreg. 1. 1887. Buenos Aires. 8^
Bolletino del R. comitato geologico d'Italia a Roma. Anno XVII.
1887. 8".
Bolletino della societä Adriatica di scienze natural! in Trieste.
Vol. X. 1887. 8^
Bolletino dell' osservatoria della regia universitä di Torino. Anno
XXI. 1887. 8^
Bulletino della soeietä Ven et o - Tren tina di scienze naturali. Anno
1887. Tom. IV. No. 1. Padova. 8°.
Bulletin de l'academie royale des sciences, des lettres et des beaux
arts de Belgique. Annee 54—57. 1885—1887. Bruxelles. 8".
Bulletin de la societe geologique de Franee. 3. Ser- Vol. XV.
No. 4—9. Vol. XVI. No. 1—4. 1887 — 1888. Paris. 8^
Bulletin mensuel de la soeiete Linneenne du Nord de la France.
Tom. VII. Annee 14. No. 139 — 162. Tom. VIII. Annee 15.
No. 163—174. Amiens. 1885—1886. 8^
Bulletin de la societe d'histoire naturelle de Metz. Cahier XVII.
(2. Ser.) 1887. 8°.
Bulletin de la societe zoologique de France ä Paris. Vol. XI.
Annee 11. 1887. Vol. XII. Annee 12. No. 1. 1887. 8°.
Bulletin du Comite geologique de St. P e t er s bourg. T, VI. No. 4 — 10.
Suppl. V. T. VI. 1887. 8".
Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. Annee
1887. No. 2—4. Annee 1888. No. 1. 8^ Hierzu: Table generale
et systematique des matieres contenues dans les premiers 56 Vo-
lumes du Bulletin etc. (1829—1881) par E. Ballion. 8°.
Bulletin de la societe des sciences naturelles deNeuchatel. T. XV.
1886. 8".
Bulletin des seances de la soeiete Vaudoise des sciences naturelles.
3. Ser. Vol. XXII. No. 95. Vol. XXIII. No. 96. 1887. Lausanne. 8*^.
Bulletin of the Brooklyn entomologieal soeiety. Entomologica ame-
ricana, a monthly Journal. Vol. II. 1886 — 1887. Vol. III. 1887
—1888. 8^.
Bulletin of the Museum of comparative zoology at Harvard College at
Cambridge. Vol. XIII. No. 4—8. 1887 — 1888. Whole Ser.
Vol. XVI. No. 1. 1888. Hierzu: Annual report of the curator
of the Museum etc. 1886 — 1887.
Bulletin of the Buffalo soeiety of natural sciences. Vol. V. No. 2.
1886. 8*^.
Bulletin of the California Academy of sciences. Vol. IL No. 6 — 7.
San Francisco. 1887. 8^
Bulletin of the United States geological Survey. No. 34 — 39.
Washington. 1886—87. 8°.
— 22 —
Christiania K. Universität. Sc hüb 1er, viridarum norvegicum. I. Bd.
2. Heft.; II. Bd. 1. Heft. 188G. 4°. Norske Nordhavs Expedi-
tion. XVII. Zoology. Danielsen, Alcyonida. 1887. XVIII. Me-
teorologi. Nordhavets dybdor teniperaturog stromninger ved
H. Mohn. 1887. Christiania. fol.
Geological and natural history of Canada. Report of progress for
the year 1863; Palaeozoic fossils Vol. III. prt. 1. Mesozoic
fossils. Vol. I. prt. 3. 1884. 8*^. Catalogue of Canadian plants^
Prt. III. Apetalae by Macoun. Montreal. 1886. 8*^.
Jaarboek van de K. Akademie van Wetenschappen gevestigd te Amster-
dam voor 1885. 8°.
Journal of the society of natural history at Cincinnati. Vol. XI.
No. 1. 1888. 8°.
Journal of the College of science imperial University. Vol. IL Part.
1—3. 1888. Tokio. 4«.
Journal of the Linnean society of London. Botany. Vol. XXII —
XXIV. No. 145 — 158. Zoology. Vol. XIX— XXI. No. 114—129.
1886 — 1887. 8*^.
Journal and Proceedings of the Royal society of New South Wales.
Vol. XXI. 1887. Sydney. 8".
Journal of the Asiatic society of Bengal. New Series. Vol. LV.
Prt 1. No. 1 — 3. 1886. Vol. LV. Prt. II. No. 1—5. Calcutta.
1886—1887. 8^
Journal of the geological society of Ireland. Vol. VIII. Prt. 1.
Dublin. 1887. 8^.
Journal, Quaiterly, of the geological society of London. Vol. XLIII.
Prt. 2—4. Vol XLIV. Prt. 1. No. 170—173. 1887—1888. 8",
Memoires de la societe des sciences physiques et naturelles de Bor-
deaux. 3. Ser. Tom. 2. Cahier 2. 1886. 8^
Memoires du comite geologique. Vol. II— IV. 1887. St. Petersbourg. 4*^.
Memoires de la societe de physique et d'hisioire naturelle deGeneve.
Vol. XXIV. Prt. 2. 1886 — 1887. 4^
Memoires de la societe royale des sciences de Liege. 2. Ser. Tom.
XIV. 1887. 8".
Memoirs of the Museum of comparative zoology at Harvard College
in Cambridge, Vol. XVI. No. 1—2. 1887. Vol. XV. 1887. 4^
Memoirs of the American Academy of arts and sciences at Boston.
Centenial Volume. Vol. XL Prt. IV. No. 5—6. 1886—1887. 4°.
Memorie dell' Accademia della scienze dell' istituto di Bologna. Ser.
III. Tom. VH. 1886—1887. 4^.
Monographs of the United States Geological Survey by
J. W. Powell. Vol. X. Dinocerata, a monograph of an extinct
Order of gigantic mammals by 0. Ch. Marsh. Washington.
1886. 4».
Naturaleza. Periodico cientifico de la sociedad M exicana de historia
natural. Vol. VII. Entr. 19 — 24. 2. Ser. T. I. 1887. Mexico, gr. 8".
Observations meteorologiques faites par Mayene 1854 — 83. Milano.
1886. 8".
— 23 —
Proceedings of the American Academy of arts and sciences. Vol. XXII.
New Ser. Vol. XIV. 1886—87. Boston and Cambridge. 8".
Proceedings of the Linnean society in London from Nov. 1883 — Jan.
1887. 8°.
Proceedings of the American philosophical society held at Philadel-
phia. Vol. XXIV. No. 125—126. 1887. 8°.
Proceedings and Transactions of the natural history society of Glas-
gow. New Ser. Vol. I. Prt. 3. 1885—86. 8*^.
Proceedings of the Linnean society of New South Wales. 2. Ser.
Vol. I. Sydney. 1887. 8^
Proceedings of the Royal physical society at Edinburgh. Vol. IX.
Prt. 2. Sess. 1886—1887. 8°.
Proceedings of the American association for the advancement of
science. 34. Meeting held Ann Ar bor, Mich. 1885. 35. Mee-
ting held Buffalo, New York. 1886. 1887. Salem. 8".
Proceedings, scientific, of the Royal Dublin society. New Ser. Vol. V.
Prt. 7—8. 1887. 8^
Proceedings of the scientific meetings of the zoological society of Lon-
don for the year 1887. 8°.
Proceedings of the academy of natural sciences of Philadelphia.
Prt. 3. 1886. Prt. 1 — 2. 1887. 8^.
Repertorium für Meteorologie herausgeg. von der K. Akademie der
Wissenschaften in St. Petersburg. Bd. X. 1887. Hierzu: Sup-
plementband V. Wild, Die Regenverhältnisse des russ. Reiches.
1887. 4^ und Atlas in Folio.
Reports of geological explorations of the colonial Museum and geolo-
gical survey of New Zealand during 1885 — 1887. Welling-
ton. 8^. Hierzu: Index to the reports of the geological Survey
of New Zealand from 1865—1885. 8°. Studies in Biology
for New Zealand students. No. 3. 1887. 8".
Rendiconti della Reale IstitutoLombardo discienze e lett. Ser. II. Vol. XIX.
Rendiconto dell Accademia della scienze fisiche e matematiche diNa-
poli. Anno XXV. Fase. 4—12. 1886. 4«.
Rendiconti delle sessioni dell' Accademia delle scienze dell' istituto
di Bologna. Anno accademico 1879 — 1887. 8*^.
Smithsonian miscellaneous collections. Vol. XXVIII — XXX. 1887.
Washington. 8°.
Tijdschrift der N e d e rlan dsc h e Dierkundige Vereeniging in Leiden.
2. Ser. Deel 1. Aft. 3 — 4. 1886—87. Deel II. Aft. 1—2. 1888. 8^.
Tijdschrift, natuurkundige, voor Ne e d erl a nd sehe Indie. Uitgegeven
door de natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie. Deel
XLVL (8. Ser. Deel 7.) 1887. Batavia. 8°.
Transactions of the zoological society of London. Vol. XII. Prt.
4—6. 1886—87. 4".
Transactions, scientific, of the Royal Dublin society. New Ser. Vol. III.
No. 1—13. Dublin. 1886—87. 4".
Transactions of the New York Academy of sciences. Vol. V. No. 7 — 8.
Vol. IV. 1884—1885. Vol. VL 1886 — 1887. 8^
— 24 —
Transactions and Proceedings of the New Zealand Institute. Vol.
XIX. 1886. Wellington. 8°.
Transactions of the geological society of Edinburgh. Vol. IV.
Prt. 2—3. 1882—83. Vol. V. Prt. 1—3. 1885 — 1887. 8*^.
United states geological survey by J. W. Powell. Calendar years
1885—1886. Division of mining, statistics, technology. Wa-
shington. 1886. 8^
Verhandelingen der K. Akademie van Wetenschappen. Deel 25. Amster-
dam. 1886. 8**. Hierzu: Judas Machabaeus. Nupta ad amicam,
Carmina etc.
A'erhandelingen , natuurkundige , der HoUandsche Maatschappy der
Wetenschappen to Haar lern. IV. Deel. No. 4. 4*^. Hierzu:
Everth, J. d. , nieuwe naamlijst van Nederlandsche Schilds-
leugelige Insecten (Coleoptera).
Verslagen en Mededeelingen der K. Akademie van Wetenschappen. Afdeel.
Natuurkunde. 3. Reeks. Deel II. 1886. Afdeel. Letterkunde.
3. Reeks. Deel III. 1887. Amsterdam. 8^.
d. Durch neu eingeleiteten Austausch.
Jahresberichte des naturhistorischen Vereins in P a s s a u.
Public library, Museum and national gallery of Victoria at Melbourne.
Iconography of Australian species of Acacia cognate genera by
Baron Dr. F. v. Müller; Decade I— XI. 1887 — 1888; Prodro-
mus of the zoology of Victoria. (Natural history of Victoria) or
figures and descriptions of the living species of all classes of the
Victorian indigenous animals by F. McCoy. Decade I — XV.
1878—1887. Melbourne. 4°.
United States Commission of Fish and Fisheries. Section I. Hi-
story of aquatic animals. Text and plats. 1884. Section IL
A geographical review of the fisheries Industries and fishing com-
munities for the year 1880. Washington. 1887. 4°.
Bulletin of the United States Fish Commission. Vol. I — VI. 1881 —
1886. 8^.
Report on the condition of the Sea Fisheries of the S. coast of New
England. Prt. I in 1871 and 1872 by Sp. Baird. 1883.
Report of the commissioner , Part II — XIII, for 1873 — 1876,
1877—1885. Washington. 8*^.
Transactions of the Wagner Free Institut of Philadelphia. Vol. I.
1887. 8°.
Der Vereinskassier, Hofrat Ed. Seyffardt verlas folgenden
Rechmings-Abschluss.
Meine Herren !
Nach der abgeschlossenen, von unserem Mitglied Herrn H. Bin-
der sen. revidierten 44. Rechnung vom 1. Juli 1887/88 betragen die
— 25 —
E innahmen:
A. Reste. Kassenbestand auf 30. Juni 1887 . . 86 M. 62 Pf.
B. Grundstock — ,, — ,,
■C. Laufendes:
1. Zinse aus Aktiv-Kapitalien . 747 M, 8 Pf.
2. Beiträge von den Mitgliedern . 3815 ,, — ,,
3. Ausserordentliches .... 40 „ — ,,
4602 .. 8 ..
Hauptsumme der Einnahmen
— ;• 4688 M. 70 Pf.
Ausgaben:
A. Reste — M. — Pf.
B. Grundstock. Kapitalanlehen 1083 ,, 30 ,,
•C Laufendes:
1. für Vermehrung der Samm-
lungen 78 M. 30 Pf.
2. für Buchdrucker- und Buch-
binderkosten , darunter
2155 M. 25 Pf. für das
44. Jahresheft . . . 2729 „ 64 „
3. für Schreibmaterialien, Kopia-
lien, Porti etc. ... 248 „ 83 „
4. für Bedienung, Saalmiete etc. 280 ,, 88 ,,
5. für Kapitalsteuer . . . . 42 ,, 17 ,,
<6. für Ausserordentliches u. zw.:
fürdenOberschwä-
bischen Zweig-
verein . . . 40 M. 65 Pf.
für den Schwarz-
wälder Zweig-
verein . . . 22 „ 10 „
für die Erdbeben-
kommission . 26 ,, 55 „
95 „ 40 „
3475 „ 22 „
Hauptsumme der Ausgaben
— ;• 4558 M. 52 Pf.
Die Einnahmen betragen hiernach 4688 M. 70 Pf.
,, Ausgaben ,, ,, 4558 ,, 52 ,,
es erscheint somit am Schlüsse des Rechnungsjahrs
ein Kassenvorrat des Rechners von
— '• 130 M. 18 Pf.
— 26 —
Vermögens-Berechuung.
Kapitalien nach ihrem Nennwert 19 614 M. 29 PL
Kassenvorrat des Rechners 130 ,, 18 ,,
Das Vermögen des Vereins beläuft sich somit auf 19 744 M. 47 Pf.
da dasselbe am 30. Juni 1887 18 700 „ 91 „
betrug, so stellt sich gegenüber dem Vorjahre eine
Zunahme von
— ;• 1043 M. 56 Pf.
heraus.
Aktien
Nach der vorhergehenden Rechnung war die Zahl der Ver-
einsmitglieder 780 mit 781
Hierzu die 26 neu eingetretenen Mitglieder mit .... 28
Professor Laengst in Hall a. K.,
Lehrerverein für Naturkunde in Stuttgartm. 3 Akt.,
Oberförster v. Kirn in Sulz a. N.,
Professor Dr. Sussdorf in Stuttgart,
Kaufmann A. Ruoff in Reutlingen,
Kontrolleur Müller in Stuttgart,
Repetent Kern in Urach,
Oberamtstierarzt Kohler in Urach,
Oberamtsarzt Dr. Jäger in Langenburg,
Studiosus Med. Pfleiderer in München,
Kameralverwalter Ehmann in Waldsee,
Vikar Scheel in Schemmerberg,
Lehrer a. d. höheren Handelsschule Manch in Stuttgart^
Reallehrer Wann er in Isny,
Dr. Goetz in Scheer,
Reallehrer Bundschuh in Biberach,
Dr. Lander er in Kennenburg,
Forstamtsassistent v. Falkenstein in Spaichingen,
Hüttenverwalter Herzog in Schussenried,
Dr. Herdegen in Stuttgart,
Stud. agron. Für er in Kiel,
Lehrer Freudenberger in Heilbronn,
Offiziersaspirant Niethammer in Tübingen,
Privatdozent Dr. Cranz in Stuttgart,
Reallehrer Motz in Urach,
Apotheker Starz in Stuttgart,
80»
Hiervon die 30 ausgetretenen Mitglieder, und zwar die
Herren
Privatier Kaess in Schussenried,
Kanzleirat Liesching in Stuttgart,
Buchdruckereibesitzer Schwend in Hall,
— 27 —
Aktien
Übertrag . . 809
Werkmeister Schuster in Nagold,
Präsident Seh ad von Mittelhiberach in Ulm,
Finanzrat Raible in Stuttgart,
Oberförster Magen au in Öhringen,
C. Frey in Schwarzenberg,
Hauptmann Tan er a in Weingarten,
Dr. Bauer in Isny,
Apotheker Romerio in Donauwörth,
Apotheker C. Mauch in Göppingen,
Pfarrer Kerlikofer in Oberdischingen,
Lehrer Fuchs in Aulendorf,
Inspektor Koch in Wasseralfingen,
Hofrat Dr. Ritter in Rotten bürg,
Gutsbesitzer Braunmüller in Waldeck,
Rpgierungsrat Mayer in Reutlingen,
Revieramtsassistent Bühl er in Derdingen,
Sigm. Stern in Buchau,
Kollaborator Dieterle in Göppingen,
Pharmazeut Koch in Öhringen,
Finanzrat Pf äff in Stuttgart,
Postmeister Aichele in Ulm,
Partikulier A n d e r w e r t in Erlau,
Pfarrer Bück in Balmertshofen,
Professor Dr. Nördlinger in Giessen,
Dr. Zakrzewski in Tübingen,
Xylograph Michael in Stuttgart,
Dr. Mezger in Stuttgart 30
Die 16 gestorbenen Mitglieder, nämlich die Herren:
Oberrevisor Jaumann in Stuttgart,
Medizinalrat Dr. Volz in Ulm,
Ingenieur Grell et in Göppingen,
Professor Zink in Stuttgart,
August Kappler in Stuttgart,
Oberamtsarzt Dr. Kaupp in Freudenstadt,
Rektor Kehr er in Stuttgart.
Kaufmann alt J. Pischl in Saulgau,
Dr. A n d 1 e r in. Stuttgart,
Professor Dr. v. V i s c h e r in Stuttgart,
Kaufmann W. Spring in Stuttgart,
Obermedizinalrat v. Schaeffer in Cannstatt,
Oberst v. Wundt in Comburg,
Fabrikant Schauber in Calw,
Apotheker Ducke in Biberach,
Graf Kurt v. Degenfeld in Eybach .... 16
■ 46
- 28 —
über deren Abzug die Mitgliederzahl am Ende des Rechnungsjahres
beträgt 760 mit . . . . 763 Aktien
gegenüber dem Vorjahre .... 780 ,,.... 781 „
mithin weniger 20 Mitglieder mit 18 Aktien
Wahl der Beamten.
Die Generalversammlung hat nach § 13 der Statuten durch Akkla-
mation wieder gewählt für das Vereinsjahr 1888 — 1889 als
ersten Vorstand
Oberstadienrat Dr. v. Kr aus s,
zweiten Vorstand
Prof. Dr. 0. Fraas,
und diejenige Hälfte des Ausschusses, welche nach § 12 der
Statuten auszutreten hat:
Dr. Fr. A m m e r m ü 1 1 e r ,
Professor C. W. v. B a u r ,
Direktor v. D o r r e r ,
Professor Dr. Fraas,
Senatspräsident v. Hufnagel,
Professor Dr. v. Marx,
Apotheker M. Reihlen,
Direktor v. Xeller.
Im Ausschuss bleiben zurück :
Professor Dr. v. A h 1 e s ,
Bergrat Dr. Baur,
Professor Dr. Bronner,
Generalstabsarzt Dr. v. K 1 e i n ,
Dr. August Klinger,
Hofrat Eduard Seyffardt,
Sanitätsrat Dr. S t e u d e 1 ,
Professor Dr. v. Zech.
Delegierter des oberschwäbischen Zweigvereins ist
Pfarrer Dr. Probst in Unteressendorf,
Der Ausschuss hat in der Sitzung vom 19. Oktober 1888 nach
§ 14 der Statuten gewählt
zur VerstärkungdesAusschusses:
Professor Dr. Klunzinger,
Professor Dr. v. R e u s c h ,
Professor Dr. A. Schmidt am Realgymnasium,
Professor Dr. S i g e 1 ,
alsSekretäre:
Generalstabsarzt Dr. v. Klein,
Professor Dr. v. Zech.
- 29 —
als Kassier:
Hofrat Eduard Seyffardt,
als Bibliothekar:
Oberstudienrat Dr. v. Kraass.
Wahl des Versammlungsortes.
Nachdem Prof. Dr. Krimmel in Reutlingen- schon bei dem
vorjährigen Feste die Stadt Urach als Versammlungsort für 1889 vor-
geschlagen hatte, schickte im Mai 1888 Repetent K. Kern in Urach
im Namen der dortigen Vereinsmitglieder eine schriftliche Einladung
zur Abhaltung der im Juni 1889 stattfindenden Generalversammlung
in Urach mit dem Ersuchen an den Ausschuss, diesen in jeder Be-
ziehung geeigneten Ort bei der Versammlung in Crailsheim in Vor-
schlag zu bringen.
Der Vorsitzende las die freundliche Einladung vor, worauf die
Anwesenden einstimmig beschlossen, die Generalversammlung im
Jahre 1889 in der Stadt Urach zu halten. Oberförster M agenau
wird die Güte haben, die Geschäftsführung zu übernehmen.
Damit war der geschäfthche Teil der Versammlung beendigt
und es begannen die Vorträge, welche auf den folgenden Seiten zu
lesen sind.
Am Schlüsse der Vorträge dankte der Vorsitzende dem Geschäfts-
führer und den Ausstellern für ihre erfolgreichen Bemühungen und
schloss um 1 Uhr die Verhandlungen.
Das Festessen wurde im Gasthof zum Lamm eingenommen, an
welchem sich etwa 50 Personen beteiligten. Eine frische anregende
Stimmung belebte das Mahl und fand in mehreren Toasten beredten
Ausdruck. Den ersten Toast brachte der 2. Vorstand auf Seine Maje-
stät König Karl, den erhabenen Protektor des Vereins, aus. Sodann
dankte der Stadtvorstand im Namen der Stadt für die Ehre , dass
der Verein sein Jahresfest in Crailsheim abgehalten habe. Weitere
Toaste galten den Vorständen des Vereins, dem Crailsheimer natur-
wissenschaftlichen Verein u. s. w.
Des Nachmittags begaben sich mehrere Mitglieder in die Jagst-
steinbrüche zur Besichtigung der Bonebedschichten und abends rei-
sten die Auswärtigen befriedigt über das gelungene Fest nach der
Heimat zurück.
Nekrolog
des Grafen Kurt von Degenfeld-Schonburg.
Von Pfarrer Dr. Engel in Eislingen.
An einem der sonnigsten Tage des nach langem und hartem
Winter endlich ins Land gekommenen Lenzes, am 14. Mai 1888,
trugen wir einen Mann zu Grab , dessen Namen und Gedächtnis,
dessen Wirken und Schaffen es wohl verdient, auch an dieser Stelle
den Freunden und der Nachwelt erhalten zu bleiben : Kurt August
Ferdinand Christoph , Grafen von Degenfeld-Schonburg , Ehrenritter
des Johanniterordens etc., der nur allzurasch und allzufrüh aus dem
Leben geschieden und den Seinen entrissen ward. Geboren den
1. Jan. 1838 in dem Schloss seiner Ahnen zu Eybach bei Geislingen
als der Sohn des f Grafen Maximilian Friedrich Christoph Martin
und der Auguste, geb. Gräfin von Normann-Ehrenfels, verlebte er
seine ersten Kinderjahre in dem stillen, lauschigen Waldthal der
Heimat. Die hochragenden Mauern des Himmelsfelsen , an dessen
Fuss das DEGENFELü'sche Schloss errichtet ist, die allzeit grünenden
Wiesen, von silbernen Bächlein durchströmt, die herrlichen Buchen-
wälder zu beiden Seiten des Thals und die krystallklaren, murmeln-
den Quellen, die überall unter samtweichem Moospolster hervorspru-
deln, mögen schon frühe des Knaben Sinn für die Natur geweckt
und geschärft haben. Dazu kam, dass sein Oheim, der in den An-
nalen der schwäbischen Geologen unvergessene, allezeit heitere und
launige Graf von Mandelslohe viel in dem elterlichen Hause ver-
kehrte und ohne Zweifel dem empfänglichen Knaben Liebe und An-
leitung gab insbesondere zum Beobachten der Gesteine und Sam-
meln der Petrefakten, daran ja die Umgebung von Geislingen so
reich ist. Liegt doch in der Sammlung des Verewigten noch heute
eine Anzahl von Versteinerungen mit den Originaletiketten, von der
Hand seines Oheims geschrieben , die stets als eine Art Heiligtum
angesehen und vor jeder Verrückung fast ängstlich gehütet wurden.
Noch mochten es damals nur kindische Spielereien sein, wenn der
Knabe seine Ammonshörner und Teufelsfinger, seine Terebrateln und
Pentakriniten in die Schubladen legte, Spielereien, die bald anderen
und ernsteren Dingen Platz machen mussten, als er von dem idyl-
lischen, weltabgeschiedenen Erdenwinkel in das Geräusch der Haupt-
— 31 —
Stadt versetzt ward , um dort das Gymnasium und später die nahe
Akademie Hohenheim zu besuchen. Aber mächtig und unaufhaltsam
brach hier gerade der alte Trieb zum Studium der Natur und die
Neigung , ihre Schätze zu sammeln , wieder hervor und mit beson-
derer Vorliebe hörte der strebsame Jüngling die geologischen Vor-
lesungen, namentlich bei dem verewigten Professor Fleischer. Nach
Eybach zurückgekehrt und bis zum Tod seines Vaters (f 4. Nov.
1866) diesem in der Verwaltung der Güter behilflich wandte er die
ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Mussestunden wesentlich
dazu an, seine Umgebung botanisch und geologisch kennen und
wissenschaftlich verstehen zu lernen. Auch, als er später (23. Sept.
1869) mit Gabriele, Freiin von Riese-Stallburg, in die Ehe trat und
der neu gegründete Hausstand neue Pflichten ihm auflegte, blieb er
der alten Liebe treu und benützte jede ihm vergönnte Stunde, um
sich teils aus wissenschaftlichen Werken, teils in persönlichem Um-
gang mit Männern der Wissenschaft in seinen Studien fördern zu
lassen und insbesondere seine schon gut ausgestattete palaeonto-
logische Sammlung nach Kräften zu vermehren. Für beides bot sich
ihm günstige Gelegenheit, weil einerseits eben damals mehrere neue
Steigen in seiner nächsten Umgebung auf die Hochfläche der Alb ge-
baut wurden, die ihm allerlei Material und treff'liche Aufschlüsse des
Gebirgs lieferten, und weil anderseits um jene Zeit eine Anzahl schwä-
bischer Geologen sich unter dem Namen „Steigenklubb" zusammen-
that, mit der Absicht, hauptsächlich an der Hand jener neugegrün-
deten Albstrassen den Jura unseres Landes, zumal den Weissen ge-
nauer zu untersuchen. Dass unser entschlafener Freund mit Be-
geisterung dieser Gesellschaft sich anschloss, war vorauszusehen. In
der That war er auch nicht bloss eines der ersten, sondern auch
eines der treuesten und thätigsten Mitglieder des „Klubbs" und blieb
es bis an sein Lebensende. Selten hat er eine der vielen in Szene
gesetzten Exkursionen versäumt und nur aus den triftigsten Grün-
den; auch birgt das Protokoll des Vereins eine Pieihe trefflicher Re-
ferate über solche geologische Ausflüge von seiner Hand und Feder.
Dies aber war auch die einzige Art, worin er litterarisch für die
Wissenschaft sich thätig zeigte. Sein bescheidener Sinn sträubte
sich stets dagegen , schriftstellerisch in die Öffentlichkeit zu treten.
Dafür gehörte es zu seiner grössten Freude , Männer des Fachs
je und je in zwangloser Weise in seinem gastlichen Haus um sich
zu sammeln und jeder, der daran teilnehmen durfte, wird stets
diese im Eybacher Schloss verbrachten Stunden in angenehmster Er-
— 32 -
innerung behalten. Manch anregender Wink ward dabei gegeben^
manch heiteres Wort gewechselt, manch belehrender Gang gemacht,
sei's in die nächste Umgebung von Park und Wald, sei's an die zahl-
reichen Schubladen der ausgesuchten, mit fast skrupulöser Pünkt-
lichkeit geordneten Sammlung. Selbstverständlich wurden auch aus-
ser den offiziellen Ausflügen des „Klubbs", deren jährlich in der
Regel eine stattfand und die sich mehrmals über die Grenzen des
Landes hinaus erstreckten, noch zahlreiche weitere Exkursionen auf
eigene Faust unternommen, wobei die näher gelegenen Mitglieder
sich auf einen oder zwei Tage zusammenthaten, wie die Zeit es er-
laubte. Wirklich genussreich war es, auf solchen Gängen den Ent-
schlafenen zu begleiten und wer namentlich das Glück hatte , mit
ihm seine nächste Umgebung zu durchwandeln, der mochte oft stau-
nen über die ungemeine Detailkenntnis und die feine Beobachtungs-
gabe seines Mentors. Nicht bloss war ja diesem die Oberfläche des
Landes zwischen Heidenheim und Reutlingen aufs genaueste bekannt,
so dass er, zumal in seiner näheren Umgegend jeden Steinbruch zu
zeigen, den Standort jedes seltenen Pflänzchens anzugeben vermochte,
sondern auch für den tieferen Einblick in das Gebirge, für Lösung
geologischer Fragen und Probleme zeigte er in überraschender Weise
Verständnis wie Kenntnis. Dabei war er ein liebenswürdiger Ge-
sellschafter, ein offener, natürlicher Mensch und trefflicher Charakter,
der die ihm angeborne Feinheit aristokratischen Wesens mit ein-
facher, schwäbischer Gemütlichkeit aufs angenehmste zu vereinigen
wusste. Ein müssiges , zweckloses Leben zu führen , war ihm ein
Ding der Unmöglichkeit und mit grossem Eifer verwandte er seine
Zeit abgesehen von naturwissenschaftlichen Studien insbesondere auch
auf das Ordnen der reichhaltigen und zum Teil mit wertvollen litte-
rarischen Schätzen ausgestatteten Bibliothek des Eybacher Schlosses,
soweit ihm solche die Pflichten für seine Familie übrig liessen. Diese
letzteren nämlich erfüllte er sehr gewissenhaft und War und blieb
bis an sein Lebensende das Muster eines Gatten und Vaters. Mit
rührender Sorgfalt widmete er sich der Erziehung seiner Kinder,
deren nach und nach vier, drei Töchter und ein Sohn im Hause
heraufwuchsen. Als es sich darum handelte, den letzteren einem
Gymnasium zu übergeben, verlegte er um deswillen sogar, fünf Jahre
vor seinem Tod, seinen Wohnsitz nach der Residenz, so schwer es
ihm werden mochte, von seinem stillen Tuskulum an der Eyb, von
den herrlichen Felsenthälern der Alb und von seinen musterhaft ge-
ordneten Sammlungen sich zu trennen.
— 33 —
Doch, musste er auch auf manches ihm heb und zur Gewohn-
lieit Gewordene in Stuttgart verzichten, nach anderer Seite hin gab
ihm das Leben einer grossen Stadt auch wieder eine Menge von An-
regungen. Nie aber entschwand ihm unter dem Geräusch des Tages,
unter den Zerstreuungen der Hauptstadt seine Liebe zur Natur und
selten versäumte er Montags den sogen. „Schneckenkranz", da-
bei sich Freunde der Naturwissenschaft jeweils in ungezwungenster
Weise zu vereinigen pflegten. Die Zahl seiner sommerlichen Ex-
kursionen musste er freilich jetzt stark beschränken ; nie aber liess er
sich's nehmen, die Jahresversammlungen der schwäbischen Naturfreunde
zu besuchen. Es schien ihm ein Bedürfnis , an solchen Tagen den
alten Bekannten wieder die Hand zu drücken und neue zu gewinnen.
Als eine schmerzliche Lücke empfand es daher wohl jeder Teil-
nehmer der diesjährigen Junizusammenkunft in Crailsheim , da sein
Platz das erste Mal leer blieb und der Vorstand die Nachricht von
seinem überraschend schnellen Hingang mitzuteilen gezwungen war.
Eine Lungenentzündung hatte den kerngesunden Mann in wenigen
Tagen dahingerafft. Er starb den 11. Mai 1888 morgens um 7 Uhr
in Stuttgart, nachdem er nicht lange zuvor das 50. Lebensjahr zu-
rückgelegt hatte. Nach einer letzten Willensverfügung wurde er nicht
in der Familiengruft zu Eybach, sondern auf dem schön gelegenen
Friedhof zu Dürnau, OA. Göppingen, wo die Familie ebenfalls früher
ein Erbbegräbnis besass und noch heute begütert ist , unter dem
Schatten etlicher hochragenden Bäume bestattet. Schon 1^^ Jahre
vorher hatte er dies Plätzchen sich angesehen und ausgewählt: ob
er wohl seinen frühen Heimgang geahnt haben mochte?
Still und prunklos vollzog sich, ebenfalls seinem besonderen
Wunsche gemäss, am Morgen des 14. Mai das Leichenbegängnis,
wobei ihm ein langjähriger Freund, wie er's gewünscht, schmerz-
bewegt die letzten Abschiedsworte nachrief. Am Fusse der hoch-
ragenden Albberge, die er so oft und viel durchwandelt, an der Stätte,
die so manchen seiner Ahnen gesehen und die er stets mit besonderer
Vorliebe besucht hatte, ruht nun sein Leib, an einem der schönsten
und sonnigsten Frühlingstage, unter dem Blütenschmuck der Bäume
und Jubelgesang der Vögel zur Erde versenkt. Die aber ihm näher ge-
standen und in das reiche und tiefe Gemütsleben des Freundes einen
Einblick gethan haben , die mochten an diesem Sarge wohl sagen :
„Sie haben einen guten Mann begraben, uns war er mehr."
Jahreshefte U. Vereins f. vatorl. Katurkunde in Württ. 1889.
Nekrolog
des Hofapotheker Anton Ducke in Wolfegg.
Von Professor Dr. Fraas.
Was heutzutage Schloss Warthausen ist, nämUch ein Mittel-
punkt naturwissenschaftlicher Studien und Bestrebungen, war in den
fünfziger Jahren Ratzenried, das Schloss des Grafen von Beroldingen,
dort lernte ich 1854 den Wolfegger Apotheker kennen, der mir als
Wasseranalytiker vielfach genannt wurde und als Botaniker in der
Flora von Württemberg und Hohenzollern von G. v. Martens und Kemm-
LER einen bekannten Namen hatte. Der stille anspruchslose Mann
war mir alsbald sympathisch, noch ehe ich seine oberschwäbische
Gesteinssammlung nur angesehen hatte, die er in den vierziger Jahren
aus seiner steinreichen Umgebung mit grossem Verständnis zu-
sammengetragen. Als besonderes Verdienst des Verewigten aber
sehen wir es an, dass er sich schon 1847 mit Escher v. d. Linth
in Verbindung setzte und sich von diesem Kenner alpiner Gesteine
die Wolfegger Sammlungsstücke bestimmen Hess. Nach
einer Publikation vom Jahre 1852 (Der Bodensee und seine Um-
gebungen bei Ulmer in Ravensburg) fiele die Grenze der ober-
schwäbischen Findlinge mit der heutigen europäischen Wasserscheide
zusammen. Die neueren Untersuchungen haben indes diesen Ge-
sichtskreis erweitert und die Grenzen des Moränenstrangs w^eiter
nach Norden gerückt. Aber Ducke's Verdienst bleibt ungeschmälert,
dass er zuerst in der Schweiz und der Seegegend den Schlüssel zum
schwäbischen Diluvium suchte und fand. Er verfolgte zuerst die
Moränenstränge Oberschwabens bis ins Hochland und bewies so die
Notwendigkeit, mit den Nachbarländern sich in Verbindung zu setzen,
um zu greifbaren Resultaten zu gelangen.
Für Oberschwaben speziell und den oberschwäbischen Zweigverein
für vaterländische Naturkunde hat Ducke das entschiedene Verdienst,
— 35 -
eine Quelle der Belehrung für Yiele geworden zu sein. Habe doch
auch ich, obgleich sonst ihm nicht näher stehend, beim ersten Fund
der Waldseer Saussurite, mich nicht vergeblich an sein reiches Wissen
um dieses Gestein gewendet, er wusste genau mir alle Fundorte
für Saussurit zu bezeichnen und ebenso nach Entdeckung und Aus-
beutung der Schussenquelle mich auf analoge Vorkommnisse auf-
merksam zu machen.
Unserem Verein hat der Verewigte vom Tag seiner Gründung
im Jahre 1844 bis zu seinem Lebensende als treues Mitglied angehört
und mehr als ein Exemplar eines Steins oder einer Pflanze trägt in
unserer Vereinssammlung Ducke's Namen.
3*
Nekrolog
des Pfarrer Dr. Karl Albert Kemmler in Donnstetten.
Von Pfarrer K. Kemmler in Unterbalzheim.
Am 1. November 1888 starb nach längerem Leiden eines der
ältesten Mitglieder des Vereins, das demselben seit 1845 angehörte,
Pfarrer Dr. K. A. Kemmler in Donnstetten.
Er wurde geboren den 14. August 1813 auf dem Apfelhof bei
Mergentheim, als Sohn eines Forstmanns, des als Oberförster in
Anhausen bei Heidenheim verstorbenen Johann Christoph Kemmler.
Seine Mutter war Ernestine Caroline, geb. Greis. Diese seine Mut-
ter verlor er schon im 7. Jahre, bekam aber durch eine treubesorgte
zweite Mutter einen Ersatz. In seiner Jugend besuchte er die latei-
nischen Schulen in Ellwangen und Heidenheim. Nach dreimal be-
standenem Landexamen wurde er 1827 in das theologische Seminar
Maulbronn aufgenommen, wo er unter Anleitung des dortigen Apo-
thekers schon anfing sich mit dem Fach zu beschäftigen, durch
dessen Pflege er sich später einen Namen gemacht hat. Im Jahre
1831 in das theologische Stift in Tübingen übergetreten, widmete
er sich neben seinem Fachstudium, der Theologie, auch den Natur-
wissenschaften, speziell der Botanik. Namentlich verwendete er auf
diese Studien auch ein fünftes Studienjahr, das er in Tübingen zu-
brachte. Sein Lehrer in der Botanik war Schübler. Nach seinem
Abgang von der Universität war er zunächst an verschiedenen Orten
im unständigen Kirchendienst als Vikar und Pfarrverweser thätig.
Bei dem damaligen Überfluss an jungen Theologen erbat und erhielt
er einen längeren Urlaub, um eine Stelle als Lehrer an der von
einem Herrn Bouterwek geleiteten Knabenerziehungsanstalt in Wawern
bei Bern anzunehmen. Er hatte dort unter anderem die natur-
geschichtlichen Fächer zu lehren und fand während seines nahezu
4jährigen Aufenthalts daselbst Gelegenheit, auf verschiedenen Aus-
flügen die Alpen kennen zu lernen. Nach Württemberg zurückge-
kehrt war er 2 Jahre Repetent am theologischen Seminar Schönthal,
wo ihm der Unterricht in Mathematik und Physik übertragen war,
dann 2 Jahre Lehrer an der Realanstalt in Stuttgart. Das Jahr
— 37 —
1847 brachte ihm die definitive Anstellung, indem er Pfarrer in
Untersontheim OA. Hall wurde. Hier gründete er seinen Hausstand.
Er verehelichte sich mit Rosine Ulmer aus Eschach , und nachdem
diese Ehe nach wenigen Jahren durch den Tod getrennt worden
war, mit Wilhelmine Klemm, Tochter von f Pfarrer Klemm in Bol-
lieim bei Heidenheim, die ihn überlebt. Er hinterlässt ausser seiner
Witwe zwei Söhne, die beide seinen Beruf erwählt haben, aber nicht
Erben seiner botanischen Wissenschaft sind. Den Seinigen ist der
Verstorbene stets ein treubesorgter Familienvater gewesen. Im Jahre
1863 wurde ihm die Pfarrei Donnstetten OA. Urach übertragen, wo
er bis zu seinem Tode blieb.
Die Zeit, welche ihm die sorgfältige Führung seines geistlichen
Amtes übrig liess, widmete Kemmler vor allem seinem Lieblingsfach,
der Botanik. Aufzahlreichen Exkursionen hat er die Flora der näheren
und weiteren Umgebung seines Wohnsitzes durchforscht, Er war
ein eifriger Sammler, und verschiedene der Pflanzensammlungen, die
im Laufe der letzten Jahrzehnte in Deutschland zur Ausgabe gelangt
sind, enthalten Beiträge von ihm. So stand er in Verbindung mit
Dr. Rabenhorst in Dresden, dem Herausgeber der Lichenes Europaei,
mit Oberlandgerichtsrat Arnold in München, dem Herausgeber einer
Lichenensammlung, mit Dr. C. Baenitz in Königsberg, dem Herausgeber
des Herbarium Europaeum, mit dem früheren Missionar Hohenacker, so-
wie mit dem schlesischen Tauschverein. Für sich selbst hat er ein reich-
haltiges Herbarium zusammengestellt. Von Phanerogamen mögen es
etwa 11 000 Spezies sein. Ebenso ist seine Kryptogamensammlung um-
fangreich, z. B. enthält dieselbe nach Zusammenstellungen von seiner
Hand von den Algen ca. 2100, von den Farnen ca. 550 Spezies.
Die Thätigkeit Kemmler's umfasste das ganze Gebiet der Pflan-
zenkunde. Am eifrigsten wurde von ihm die Kenntnis der Flechten
betrieben und gefördert. (Professor Körber hat ihm eine Flechten-
gattung Kemmleria gewidmet.) Er begnügte sich aber nicht mit
der Bearbeitung dieser Pflanzengebilde, sondern wandte sein lebhaftes
Interesse mit bestem Erfolg sämtlichen Kryptogamenklassen zu. Von
seiner Kenntnis der höher organisierten Gewächse legt die Phanero-
gamenflora von Württemberg Zeugnis ab, von der ein hochgeschätzter
Fachgenosse des Verstorbenen dem Verfasser dieses Nekrologs ge-
schrieben hat, dass sie „hinsichtlich der Gewissenhaftigkeit der darin
mitgeteilten Beobachtungen und des Scharfblicks , der sich darin
äussert, als musterhaft bezeichnet werden darf." Viel hat Kemmler
bei seinen botanischen Untersuchungen mit dem Mikroskop gearbeitet,
— 38 —
jedoch nur im Interesse der Systematik, während er B^orschungen
auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie nicht angestellt hat.
Was seine litterarische Thätigkeit betrifft, so hat er in der ersten
Hälfte der sechziger Jahre mit G. v. Martens die Flora von Würt-
temberg von SchCbler und v. Martens gänzlich umgearbeitet. Als
von diesem Werk eine neue Auflage nötig wurde, unterzog er sich,
da G. V. Martens gestorben war und ein anderer Mitarbeiter sich
nicht finden Hess, allein der Neubearbeitung des Buchs, das er, nahezu
70 Jahre alt, 1882 in dritter Auflage erscheinen Hess. Ausser-
dem ist von ihm bearbeitet „Das Pflanzenreich" in dem Werk : Das
Königreich Württemberg. Eine Beschreibung von Land, Volk und
Staat. Herausgegeben von dem Königlichen statistisch- topographi-
schen Bureau. Stuttgart, Kohlhammer 1882.
In Anerkennung seiner botanischen Leistungen wurde er im
Jahre 1884 von der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität
Tübingen zum Ehrendoktor ernannt.
Durch persönlichen Umgang jüngere Botaniker zu fördern bot
sich ihm, so sehr er dazu bereit gewesen wäre, in seinem abgelegenen
Wohnsitz wenig Gelegenheit. Wo sie sich ihm bot, hat er sie gerne
benützt. So stand er z. B. mit dem ebenfalls im November v. J.
in Hummertsried verstorbenen Lehrer Herter in freundschaftlichem
persönlichem Verkehr, solange derselbe im Filsthal angestellt war.
So sehr indes die Botanik das Hauptfach Kemmler's war, so
beschränkte sich doch seine Thätigkeit nicht auf sie. Er besass
auch eingehende Kenntnisse auf dem Gebiet der Entomologie, wie
er auch im Laufe der Jahre sich eine reichhaltige entomologische
Sammlung erworben hat, in welcher die verschiedensten Teile der
Erde ihre Vertreter haben. Noch in seinen späteren Lebensjahren
sammelte er zu Zeiten eifrig Insekten, und auf seine botanischen
Ausflüge nahm er häufig auch das Spiritusglas mit, um etwa er-
beutete Insekten darin unterzubringen. Auch die Mineralogie war
ihm nicht fremd, doch hat er sich nicht eingehender, in seinen
späteren Jahren gar nicht mehr damit beschäftigt. Mehr zu seiner
Unterhaltung betrieb er populäre Astronomie. Manche Stunde des
Abends und der Nacht hat er damit zugebracht, sich eine genauere
Kenntnis der Sternbilder zu erwerben. Mit grossem Interesse ver-
folgte er auch die Entdeckungen auf geographischem Gebiet. Eeise-
werke wie die der Gebrüder von Schlagintweit, eines Stanley, Nach-
tigall, G. RoHLFS und anderer waren ihm eine willkommene Lektüre.
So vielseitige geistige Interessen neben seinem Amt zu be-
— 39 —
friedigen , ermöglichte sein unermüdlicher Fleiss und seine grosse
Arbeitskraft , die ihm bis in sein höheres Alter treu blieb. Bis zu
seinem Ende ist sie es indes nicht geblieben. Im August 1885 hatte
er einen Anfall von Gehirnschlag, von dem er sich zwar bald wieder
so erholte , dass keine unmittelbare Lebensgefahr vorhanden war,
aber nicht so , dass er wieder annähernd seine volle Kraft erlangt
hätte. Seine körperliche Kraft war gebrochen, er, der einst auf seinen
botanischen Ausflügen so viele Zeit in Gottes freier Natur zugebracht,
der noch mit 70 Jahren einmal einen anstrengenden Tagemarsch
von ca. 40 km gemacht hatte , fühlte sich je länger je mehr zu
schwach, ins Freie zu gehen und brachte seine Zeit meist im Zimmer
zu. Auch an seinen geistigen Kräften war der Anfall nicht spurlos
vorübergegangen. Das Gedächtnis hatte durch denselben notgelitten.
Die Urteilskraft dagegen war unberührt geblieben , er konnte seine
Vikare noch bei der Führung des Amtes beraten und las noch viel,
Wissenschaftliches und Unterhaltendes. Aber in der früheren Weise
wissenschaftlich thätig war er nicht mehr, er kam nicht mehr dazu,
sein Herbarium durchzugehen, das er früher regelmässig von Zeit
zu Zeit durchgegangen hatte , und auch sonst fehlte ihm die Kraft
sein Interesse für die Botanik so wie früher zu bethätigen. Mögen
diese Mitteilungen zugleich den Verstorbenen bei denjenigen Herrn
entschuldigen , die in den letzten Jahren kein Lebenszeichen mehr
von ihm erhalten oder etwa auf Briefe und Zusendungen von Pflan-
zen keine Antwort mehr von ihm bekommen haben.
Der Verfall der Kräfte, der bei dem Verstorbenen in der letzten
Zeit überhaupt nicht zu verkennen war, wurde ein rascher infolge
einer Lungenentzündung, die ihn Mitte September v. J. befiel. Die
Seinigen waren darauf vorbereitet, dass sein Ende in nicht allzu-
ferner Zeit eintreten werde. Doch kam es für sie immerhin noch
unerwartet schnell, als er am 1. Nov. v. J. durch einen sanften
Tod erlöst wurde, ehe sein Leiden, was zu befürchten gewesen wäre,
ein eigentlich schmerzhaftes geworden war. Erleichtert wurde ihm
sein Leiden durch die treue Pflege seiner Gattin , die er gemessen
durfte, sowie dadurch, dass er in den letzten 2| Jahren seines Le-
bens seinen jüngeren Sohn als Vikar bei sich haben konnte.
Mit IvEMMLER ist ein Mann aus dem Leben geschieden, der unter
einer anspruchslosen Aussenseite ein vielseitiges wissenschaftliches In-
teresse und ein reiches Wissen barg, ein Mann, dessen ebenso seine
Fachgenossen mit Anerkennung gedenken werden, wie er sich in den
Herzen der Seinigen ein Denkmal errichtet hat aere perennius.
IL Vorträge.
I.
Beiträge zur Mineralogie Württembergs.
II. Reihenfolge.
Von Professor Leuze.
Die Versteinerungs- und Vererzimgsiiiiftel der schwäbischen
Petrefakten.
Bei Betrachtung des Zustandes, in welchem uns die Versteine-
rungen erhalten sind, kommt man zur Unterscheidung von dreierlei
Arten :
1) Mumien, d. h. Petrefakten, bei welchen die Form und die
Substanz mehr oder weniger ganz erhalten sind,
2) Versteinerungen oder Petrefakten, bei welchen die Form
erhalten blieb, während die Substanz sich veränderte,
3) Abgüsse, d. h. abgedrückte Formen der Petrefakten, und
zwar entweder Abdrücke
a. nach aussen, so dass nur ein Abklatsch blieb oder
b. nach innen, so haben wir davon Stein kerne oder
Spursteine.
Von Mumien hat man nun hierzulande nichts gefunden, so-
fern man darunter wohl erhaltene Tierleichen versteht mit Fleisch,
Haut und Haar , wie die Mammut und Rhinozeros im sibirischen
Eise oder die Insekten im Bernsteine. Wenn dennoch nach dem
Vorgange Quenstedt s in einzelnen Fällen Mumien genannt werden,
so ist dieser Ausdruck mehr bildlich zu verstehen : einmal werden
solche genannt bei den Sauriern und Pentakriniten in Lias s „unter
dem ersten Stinkstein im unteren Schiefer" \ dieselben sind von
Schwefelkies oder einer Thonhülle umschlossen, sind aber schwer
* Quenstedt, Jura 208.
— 41 —
oder gar nicht herauszuarbeiten, so dass die Arbeiter sie meistens
wegwerfen. Sodann spricht man von Mumien in unserem Miocän : am
Thalsberg bei Engelswies (nördlich von Mösskirch) liegen Schnecken
{Helix sylvana, Neritina, Melania Escheri), eine Schildkröte {Tel-
phiisa spcciosa) und Koniferenzapfen von einer Tuffkruste umschlos-
sen ^. Im Abräume dieses Tuffes liegen diese Mumien einzeln in
einen Tuffmantel eingeschlossen , schlägt man eine solche „Puppe"
auf z. B. die wie in einer Belemnitenscheide eingeschlossene Melnnia,
so findet man das Gehäuse in krystalhnischen Kalk verwandelt und
den Hohlraum mit zierlichen Kalkspatkrystallen besetzt. Bei der
Deutung dieser Mumien denkt man unwillkürlich an Quellen, welche
diese Schalen überkrusteten und in überkrustetem Zustande eine
kurze Strecke fortrollten, um sie dann endgültig als solche Mumien
an zweiter Stelle im Tuffe zu begraben. Die Umwandlung der Schale
in krystalhnischen Kalk mag dann erst das Resultat eines Infiltra-
tionsprozesses sein, ähnlich wie die Ammonitendunstkammern sich
mit Kalkspäten überzogen.
Wenn also von eigentlicher Miimifikation bei schwäbischen Petre-
fakten nicht die Bede sein kann, so ist damit schon gesagt, dass
von Weichteilen der Tiere uns so gut wie nichts erhalten blieb ; wir
finden dieselben höchstens angedeutet durch Abdrücke, so den Kopf
und die Fangarme von Sepien in Lias e, die Luftröhre und Kiemen,
den Inhalt des Magens und des Mastdarmes, die Eingeweide, Ab-
drücke der Haut u. s. w. Organische Substanz blieb keine , man
könnte höchstens als Produkt organischer Absonderung die Sepia an-
führen, welche gagatähnlich ist und „mit Gummi angemacht noch
eine vortreffliche schwarze Farbe gibt"^. Viel leichter erhielten sich
die Hartgebilde wie Knochen , Schalen und Zähne , aber doch wohl
selten ganz unverändert. Doch führt uns diese Frage schon
zu der zweiten Art von Petrefakten, zu den Versteinerungen.
Die Form ist erhalten , aber die Materie ist verändert. Selbst bei
den Hartgebilden ging Stoff verloren wie Leim, Knorpel, Conchiolin,
Chitin, Eiweiss, Kleber; ja selbst kohlensaurer und phosphorsaurer
Kalk ist ganz oder teilweise verschwunden, daher werden die Kno-
chen leichter und porös und kleben an der Zunge. Am häufigsten
blieb die Form dadurch bewahrt, dass die Schale erhalten blieb,
indessen ist auch hier der Konservierungszustand ein sehr verschie-
^ Quenstedt, ßegleitworte z. d. Atlasbl. Tuttlingen, Friedingen, Schwen-
ningen 31.
- Quenstedt, Jura 244.
— 42 —
dener. Wählen wir als Beispiel die Schale der Gastropoden, so unter-
scheidet der Zoologe daran bekanntlich drei Schichten : aussen die
hornartige , oft Haare oder Borsten bildende Epidermis oder Cuti-
cula, dann die aus Kalkprismen meist in drei Blätterlagen aufgebaute
Porzellanschichte, endlich innen die aus äusserst feinen, wellig ge-
bogenen Kalkblättchen bestehende Perlmutterschichte. Prüfen wir
die Gastropoden, die uns durch Versteinerung erhalten sind, so fin-
den wir von jener sogenannten Hornepidermis nichts mehr , eben-
sowenig von der inneren Perlmutterschichte ; was allein übrig
blieb, ist die Porzellanschichte und diese ist oft sehr dünn. Wie
leicht springen beim Klopfen manche Schalen ab, so dass man nur
noch einen Steinkern hat! Untersucht man die Schalen, nämlich
die chemisch nicht verwandelten, so findet man in der Haupt-
sache kohlensauren Kalk , ausserdem geringe Mengen von kohlen-
saurer Magnesia, hier und da Spuren von Kieselerde und Thonerde,
während die organische Beimengung, das Conchiolin , welches eben
die hornartigen Schalen bildet, verloren ging. Selten sind die Schalen
schön erhalten und wenn je, so ist diese Erscheinung gewissen Hori-
zonten eigentümlich : bekannt sind die schneeweissen, silberglänzenden^
papierdünnen Schalen von Lingula tenuissima im Flammendolomit
der Lettenkohle, ebenso papierdünne Schalen der Muscheln in Lias e :
im Amaltheenthon Lias d sind die schneeweissen Schalen von Nit-
cula complanata von Hüttlingen nördlich von Aalen eine Seltenheit,
denn sonst herrschen hier Kieskerne ^ ; charakteristisch sind weisse
Schalen für Braun Jura a, springt die äussere Schale ab, so zeigt
die innere Schichte und der Steinkern den bekannten opalisierenden
Schiller, nach dem dieses Gebirgsglied benannt ist. Diese Erschei-
nung ist zu erklären durch die Farben dünner Blättchen , dieselbe
wird hier und da verschönert durch einen ganz dünnen Schwefel-
kiesüberzug, wie ich solchen an Stücken der Kocn'schen Sammlung
beobachtete. Diese Exemplare zählen zu den schönsten Petrefakten,
die überhaupt gefunden werden. In Braun ß sind Schalen selten,
wenn sie gefunden werden , aber ebenfalls schneeweiss ; am besten
sind die Schneckenschalen im Obermiocän erhalten, so Cijclostoma
mit Deckel zwischen Jungingen und Beimerstetten, die Helix rwju-
losa mit Bändern bei Sontheim, dann Schnecken von Pfrungen, Mör-
singen , Hohenmemmingen , Feden palmatus mit Farben von Jun-
gingen ", TJnio suhtrigonus mit Perlmutterglanz von Zussdorf (s. Atlas-
^ Quenstedt, Jura 186.
- Engel, Geognost. Wegweiser 251.
— 43 —
blatt Wilhelmsdorf). Wenn so die Schale die Form erhielt, so füllten
sich dagegen sämtliche Hohlräume , ob ursprünglich vorhanden wie
die Dunstkammern der Ammoniten oder erst durch Verwesung der
organischen Substanz entstanden , mit Gebirgsmasse , ja häufig mit
reiner Mineralmasse. Davon soll unten ausführlicher die Rede sein.
Zuvor noch ein W^ort
über die Abdrücke, die schon oben aufgezählt sind. Zuerst
wurde die Schale mit Gebirgsmasse ausgefüllt, so entstand ein mas-
siver Kern, der sämtliche Falten und Linien, Muskelabdrücke u. s. w.
getreu wiedergab, dann ging die Schale durch chemische Auflösung
oder mechanische Zertrümmerung verloren und es blieben als einzige
Reste von Tier oder Pflanze die Steinkerne oder Spursteine. Auf-
fallen muss, wenn man darauf Schmarotzer findet mit erhaltener
Schale. Qüenstedt bildet ^ den Nautilus jurensls aus Lias 'C ab, der
als Steinkern eine Serpula mit wohlerhaltener Schale trägt, also
setzte sich der Schmarotzer auf dem schon fertigen Steinkern fest.
Manche unserer Horizonte liefern nun bloss Steinkerne , so unser
Zechstein von Schramberg, der Wellendolomit mit der Melania Schlot-
heimii, Lias C, sodann die rhätische Zwischenstufe am Steineberg
bei Nürtingen, Braun /, meist auch ()', Weiss Jura /?, ja man kann
sagen sämtliche Ammoniten des Weissen Jura, wenn sie nicht verkiest
sind. Steinkerne sind die Sandgryphiten Gri/phaea suilla wie alle Pe-
trefakten der Thalassitensandsteine der Göppinger Gegend in Lias a,
wenn sich nicht etwa ihre Schalen in Kalkspat erhalten haben. Ebenso
schön wie nicht selten sind die Kieskerne von Amm. capricornus
nudus und Terehratula oxijnotl in Lias ß.
Hat dagegen das Tier oder die Pflanze die Form nach aussen
abgedrückt, so bleibt uns der Abklatsch, wie wir ihn von Ammoniten
ja sehr häufig finden ; oder blieb ein Hohlraum , so der von Penta-
crinites pentayonalis personati aus dem weichen gelben Bausandstein
in Braun ß (Heiningen) ^. Aller Kalk des Haarsterns ist weggeführt,
die Form hätte aber kaum besser erhalten werden können. Im ünter-
miocän hat man den mittleren Horizont eben nach den Hohlräumen,
welche Schilfrohre und Binsen zurückgelassen haben, „Pflanzenkalk''
geheissen, derselbe wird auf dem ganzen Hochsträss bis Ulm ge-
funden ^.
Doch kehren wir zurück zu den Versteinerungen , so bestand
' Jura Taf. 41, 1.
2 Quenstedt, Jura 363.
■' Engel, Geognost. Wegweiser 252.
— 44 —
die Petrifikation in folgenden Vorgängen: Verwesung oder Ver-
kohlung der organischen Substanz und mehr oder weniger vollstän-
diger Ersatz derselben durch Gesteinsmasse. Es ist anzunehmen,
dass mit diesem Ersatz der Vorgang nur da ein für allemal ab-
geschlossen war, wo wir heute das Petrefakt mit der gleichen Ge-
steinsmasse erfüllt finden, welche dasselbe einschliesst. Sonst aber
mag die Ausfüllung auf kompliziertere Weise stattgefunden haben,
schon bei den sulfidischen Erzen, aus denen nun das Petrefakt ganz
oder teilweise besteht, muss man an die Reduktion von Metallsalzen
denken; häufig haben auch wiederholte Infiltrationen stattgefunden,
so in den Dunstkammern der Angulaten Lias a (Vaihingen a. d. F.),
wo wir mehrere Generationen von Mineralien übereinander finden:
Kalkspat, Braunspat, Quarz, auch Schwefel- und Kupferkies, endhch
Sulfate, Gips, Cölestin, Schwerspat. Dabei dienten die Ammoniten-
schalen als Filter, denn während die Wohnkammer meistens mit der
umgebenden Gesteinsmasse erfüllt ist, finden wir in den Dunstkam-
mern Karbonate, Sulfate u. a.^ Ja selbst nachdem die Hohlräume
erfüllt waren, kann noch einmal ein Umtausch von Stoffen vor sich
gegangen sein, die leichter lösliche Substanz wurde fortgeführt und
schwerer lösliche Mineralien schieden sich aus wie die Sulfate , so
bei einer Schneckenschale von Göppingen, die aus Schwerspat be-
steht. Überhaupt muss man da sämtliche . Arten der Mineralent-
stehung in Betracht ziehen, denn die durch die Petrefakten hervor-
gerufenen Hohlräume waren ja ganz besonders geeignet zur Bildung
und Umbildung von Mineralien, namentlich sofern ausserdem die Ver-
wesung von organischer Substanz als weiterer Faktor in diese Mineral-
bildung eintrat. Daher hat der Mineraloge ganz abgesehen von an-
deren Gesichtspunkten hauptsächlich den Petrefakten seine Aufmerk-
samkeit zu widmen, er wird da manche interessante Wahrnehmung
machen, bloss muss er den Petrefaktensammlern zum Schrecken
manche Versteinerung entzwei schlagen. Dass selbst seltenere Mineral-
bildungsarten wie Kontaktbildungen nicht ausser acht zu lassen sind
bei der mineralogischen Untersuchung unserer schwäbischen Petre-
fakten beweisen die im Basalttuif gefundenen Belemniten und Am-
moniten , so ein von Chemiker Krauss im „Kraftsrain" bei Schlier-
bach (OA. Göppingen) gefundener Bd. semihastafus und ein am Engel-
berg bei Beuren gefundener Ammonit, welche in schneeweissen kry-
^ Quenstedt, Epochen der Nat. 106; Mineralogie 496; Roth, Chem.
Geologie 605.
- 45 —
stallinisch körnigen Kalk verwandelt wurden ^ Auch am Warten-
berg an der oberen Donau sind die Petrefakten durch den Basalt
„weissgebrannt"^. Damit sind wir zu den Versteinerungsmit-
teln unserer Petrefakten gelangt, dieselben sind
von Oxyden: Quarz, Chalcedon, Hornstein oder Feuerstein,
Jaspis, Achat, Roteisen, Brauneisenstein, Nadeleisenerz;
von Sulfiden: Schwefelkies, Zinkblende, Bleiglanz, Kupferkies;
von Karbonaten: Kalkspat, Dolomitspat, Braunspat, Stron-
tianit, Aragonit ;
von Sulfaten: Gips, Schwerspat, Cölestin ;
von Phosphaten: Vivianit, phosphorsaurer Kalk ;
von Kohlen: Steinkohle, Gagat.
Verkieselung.
Wenn selbst an lebenden Bäumen auf Trinidad nach Göppert's
Angabe"'' die Rinde in höherem Alter so weit verkieselt, dass die
Wandungen ihrer Zellen nach Ausfüllung des Inneren durch Kiesel-
säure ersetzt werden, so kann man sich nicht wundern, wenn die
Kieselsäure auch als Versteinerungsmittel eine grosse Rolle spielt,
und zwar sowohl die in Kalilauge lösliche wie die unlösliche. Man
findet folgende Kieselversteinerungen : im Trigonodus-DoloTait des
Muschelkalks von Waiblingen und Flacht bei Leonberg sind die
Muschelschalen verkieselt , auf dem Hühnerfeld sind die meisten in
Dolomit verwandelt, man findet darunter aber auch verkieselte , es
ist derber Quarz, daneben finden sich krystallisierte Milchquarze.
Blum führt von Ludwigsburg verkieselte Ävicula und Myophoria aus
dem Muschelkalk an^. Bekannt sind die v er kie selten Hölzer
des Keupers im Horizont des sogenannten krystallisierten Sandsteins,
so von den Löwensteiner Bergen, von Goldbach und von Schöne-
bürg bei Crailsheim. Dieselben bestehen aus Hornstein oder Holz-
stein und sind, dafür sprechen die zugleich vorkommenden kohligen
Pflanzenstengel, sicher organischen Ursprungs^. Oft tritt an Stelle
des Hornsteins Chalcedon, so schön blauer von Schönebürg ^ oder
herrscht rote Färbung, man hat Achate oder Jaspis. Nicht selten
1 Diese Jahresh. 1880, 76.
■^ Engel, Wegweiser 158.
•■' Jahrb. d. geol. Reichsanstalt 8. 733. 1857.
* Blum, Pseudomorphosen, Nachtrag I, 186.
^ Nies, Die verkieselten Baumstämme des Keupers, diese Jahresh. 1883, 98,
^ In der Blezing er' sehen Sammlung in Crailsheim.
— 46 —
sind diese Hölzer mit kleinen Bergkrystallen dicht besetzt, so bei
Goldbach. Es wurden ja auch diese- schön gefärbten Kieselhölzer
schon zu einem Schmuck für die HoHENLOHE'sche Fürstenfamilie ge-
schliffen. Oft ist der Hornstein feuersteinartig. In den Dunstkam-
mern der Ammoniten des Lias finden sich ab und zu Quarzkry stalle,
QuENSTEDT fand im Amm. hetacalcis Lias ß Bergkrystalle ^ Die Hölzer
in Lias f „bestehen innen aus einem rötlich splitterigen Hornstein,
der im Zentrum in förmlich krystallinischen Quarz übergeht"." Am
meisten ist aber die Kieselsäure in Weiss Jura e und C verbreitet,
und zwar in zweierlei Art. Entweder zeigen sich auf kalkigen Fos-
silien bloss konzentrisch ringförmige Scheiben oder Ringe, sogenannte
Silifikationspunkte wie an Terchrahäa hisuffarcinata Weiss d, Ter.
insignis Weiss f oder aber erfolgte ein vollständiger Umtausch von
Kalk in Kieselsäure, so in den Korallenschichten, wo man Korallen-
stöcke Astraea, Lif/iodendron u. a. aus derbem Quarz oder Chalcedon
findet innen mit Krystallen besetzt, wie bei Sonderbuch in der Nähe
von ßlaubeuren, bei Ettlenschiess, Nattheim, Oberstotzingen u. a. 0.
Am schönsten sind wohl die Seeigel aus Weiss e rein in Quarz verwan-
delt von den Feldern Sirchingens bei Urach, dann von Oberstotzingen
und Sontheim ; wer da die Koon'sche Sammlung von Echiniden ge-
sehen hat, weiss, was unser Jura an schönen Versteinerungen liefert.
Auch die Haarsterne wie Apiocrinus und Poitacrinus sind bei Sir-
chingen und sonst verkieselt. Bei Oberstotzingen findet man in Weiss
Jura £ die prachtvollsten smalteblauen Chalce donkugeln bis zu Kopf-
grösse und darüber; sieht man sie näher an, so sind es Korallen-
stöcke ^. Endlich stellt sich Verkieselung noch einmal im Obermiocän
ein : die schenkeldicken Baumstämme von Cinnamomum im Rand-
ecker Maar zeigen auf hornsteinartigem Kieselschiefer noch die vor-
trefflich erhaltenen Jahresringe. So tritt die Kieselerde gar nicht
selten als Versteinerungsmittel in unseren Formationen auf, und zwar
ebenso die krystallinische wie die amorphe. Dabei lässt sich nicht
verkennen, dass ihr Vorkommen häufig an das von Hölzern gebun-
den scheint , man denkt dabei ganz von selbst auch an die Kiesel-
hölzer anderer Formationen , des Totliegenden am Kyffhäuser , bei
Ilmenau, bei Buchau in Schlesien, dann der Kohlenforraation. Sonst
tritt bei uns diese Erde nur in Weiss Jura f. in grösserer Menge
auf, findet man doch Kieselknauer von Kopfgrösse und als ganz ge-
1 Quenstedt, Jura 98.
2 Ebenda 271.
» Ebenda 692.
— 47 —
"wohnliches Mineral Quarz. Im Muschelkalk sind die Verkieselungen
seltener, also überhaupt die Menge des Quarzes geringer. Opal artige
Versteinerungen können sich bei uns an zwei Stellen finden, in den
Kieselhölzern des Keupers und dann wieder im Randecker Maar.
Oxydische Eisenerze.
Hier ist vor allem der Wasseralfinger Thoneisenstein zu
nennen, der häufig das Innere der Petrefakten erfüllt — bei Anim.
3Iurchisonae indessen meistens nur die Wohnkammer — auch häufig
-dieselben mit einer Erzhülle überzieht. Sodann fand Zeller bei
Ephausen unfern Nagold Equisetiten teilweise durch Roteisenstein
vererzt teilweise verkohlt \
Goethit oder Nadeleisenerz (Fe2)H^0* ist das gewöhn-
liche Oxydationsprodukt von Schwefelkies nach Kobell, so bei Stiel-
gliedern der Pentakriniten von Metzingen Lias £, oft findet man im
Innern noch unveränderten Schwefelkies. Die Calamiten der Letten-
kohle gehen auch oft in ockeriges Brauneisen (Fe2)^H*'0^ über. Die
Ammoniten in mageren Thonen und Mergeln, wie in Lias /, ver-
rosten, ebenso in Weiss Jura a und y. Die Ammoniten in den Bohn-
erzspalten bestehen aus Brauneisen, offenbar infolge der gleichen
Vorgänge, welchen die Bohnerze ihre Entstehung verdanken. In dem
Eisenoolith von Braun Jura e bestehen die Amm. macrocephalus aus
oolithischem Brauneisenstein, so dass diese Schichten früher bei Gei-
singen an der Donau gewaschen und verschmolzen wurden ^. Zum
Schluss ist noch der feinen Krystalle von Goethit oder Nadel-
eisenerz (FegjH'O* zu gedenken, die in Dunstkammern des Amm.
macrocephalus Braun Jura e gefunden werden und zwar hauptsäch-
lich in jenen schönen Exemplaren vom Brunnenthal zwischen Laufen
und Lautlingen südöstlich von Balingen. Auf den Kalkspäten, welche
die Dunstkammern überziehen, sitzen diese glänzenden feinen Krystall-
nadeln oft in ziemlicher Menge.
Sulfide.
Am häufigsten von den Sulfiden ist der Schwefelkies, und
jzwar treffen wir die Versteinerungen in drei Graden der Verkiesung:
einmal bildet der Kies nur einen ganz leichten Anflug oder einen
dünnen Harnisch, so auf Arieten und Riesenangulaten in Lias a, auf
^ Blum, Pseudomorphosen III, 273.
- Quenstedt, Mineral. 767.
~ 48 —
Ämm. amaltheus Lias J, im Schieferfleins Lias s auf Bei. paxillosus ^
und incurvafus\ auf Ämm. tripartitus von Lautlingen : oder aber —
und das ist die häufigste Form — ist die Oberfläche sowie die Wan-
dung der Hohlräume in Schwefelkies verwandelt wie z. B. bei Ämm.
Jamesoni Lias /, aber meistens nicht vollständig, so dass die nicht
verkiesten Teile sich nicht oder schlecht erhielten; oder ist endhch
das Petrefakt in massiven Schwefelkies verwandelt, wie z. B. Penta-
crimis basaUiformis und suhangularis von Metzingen, woran nur der
Nahrungskanal hohl blieb. Frisch gegraben aus Thonschichten, die
gegen Verwitterung schützen , erglänzen diese Petrefakten in herr-
lichem Goldglanz , so namentlich die Ämm. ParJcinsoni früher vom
westlichen Fuss des Neuffen, dann von Hausen ob Verena aus Braun s,
ebenso die goldglänzenden Ämm. annularis, athleta, hecticus aus dem
Ornatenthon. Durch Verwitterung werden dieselben in den dunklen
Thonen wie Lias ß und d schwärzlich, daher können hier Verwechse-
lungen vorkommen, sonst gehen sie ins Braune und Gelbe , die be-
kannten verrosteten Kiese aus Lias y. Weiss a und ;' und sonst.
Verkieste Petrefakten finden sich nun in folgenden Horizonten : im
Wellendolomit von Glatten und Aach bei Freudenstadt Ceratites
Btichii, GerviUia, Nucula; im Turnerithon durchweg, soweit nicht
Kalkbänke dazwischen liegen, namentlich schön die Earicostaten und
Oxynoten; im mittleren Numismalismergel selten mit frischem Schwefel-
kies auf frischem Bruch, meist stark verrostet, weil die Mergel ma-
ger sind und Wasser durchlassen ; im Amaltheenthon, hier nicht ver-
rostet, weil die Thone fett sind; im Posidonienschiefer meist fein
verteilt, an manchen Stellen mit Gips und, wo trocken, in Eisen-
vitriol und Federalaun verwandelt"; in Braun e die Hamiten, die
oben genannten Ämm. Parkinsoni , die freilich an anderen Stellen
verkalkt sind, Dentalium Parh'msoni, die Schalen von Ämm. heferö-
phyllus, discus, fuscus; im Ornatenthon Braun C; in V^eiss Jura a
und /, wo nämlich y verkiest ist und nicht verkalkt. Es ist zu be-
achten, wie stark verbreitet der Schwefelkies im Jura ist, freilich
auch hier nicht überall mit der gleichen „Energie der Vererzung" ^
(am stärksten im Amaltheenthon -- Ammoniten von 35 — 40 cm.
Durchmesser) , während er in der Trias selten gefunden wird , im
Thon der Lettenkohle fand man schon Pflanzen (Taeneopteris vittata?)
ganz in Schwefelkies verwandelt, im Keuper sind Schwefelkieskrystalle,
' Quenstedt, Jura 254. 256.
2 Ebenda 205.
^ Quenstedt, diese Jahreshefte 1846, 157.
— 49 —
nämlich Würfel und Kubooktaedor, nicht häufig. Es dürfte dieser
Mangel des Sulfides sich wohl erklären durch die geringere Zahl von
Tieren , die in der Trias gefunden werden , also wurden auch viel
weniger Sulfate reduziert durch den Verwesungsprozess.
Bleiglanz ist in den Flözformationen Württembergs ein sel-
tenes Erz. Die Tübinger Sammlung besitzt ein kleines krystallini-
sches Stück aus dem Bonebed zwischen Keuper und Lias von Wald-
hausen, dann aus Braun a von Gammelshausen, aus dem Weissen
Sandstein von Derendingen , gefunden beim Bau des neuen Uni-
versitätsgebäudes. Am häufigsten findet sich der Bleiglanz im un-
teren Keupermergel zwischen den Gipsen und der Cydas Keuperina,
so bei Heilbronn, Tübingen, Grossbottwar, Stuttgart. Die Oktaeder
von Heilbronn, welche im Natur alienkabinett liegen, sind nach Art
der Krystallskelette in den Flächen vertieft. Von ebendaher, näm-
lich vom Trappensee, erwähnt Blum^ eine Nucula dubia v. Münster
„aus einem verhärteten Mergel, der mit Barytspatkörnern gemengt
ist". Die Spaltungsflächen sind stark metallglänzend, während die
„Aussenfläche dieser Petrefakten schwärzlich bleigrau und matt ist".
Die Würfeldiagonale scheint senkrecht zur Aussenfläche zu stehen.
Im Naturalienkabinett wird aus deni Wellendolomit von Nagold eine
Discina silesiaca Duncker aufbewahrt, welche als Deckel auf einem
Stylolith ruht — ein höchst interessantes Stück. Sicherlich Hesse
sich in der Bleiglanzschichte des Keupers noch manches Interessante
finden, das BLUM'sche Stück liegt entweder in Heidelberg oder kam
es beim Verkauf der BLüMschen Sammlung in die Fremde. Die Blei-
glanzversteinerungen sind aber überhaupt sehr selten , Blu.m nennt
ausserdem Avicula antiqüa von Frankenberg in Hessen und ^leiglanz
im Innern von Produdus aciileatus vom Zechstein Geras in Thüringen.
Zinkblende ist häufiger bei uns als Bleiglanz. Die Kopro-
lithen des Bonebeds der Lettenkohle bestehen zum Teil daraus und
in den Kammern des Anim. amaltheus findet man häufig Blende neben
Schwerspat , auch die thoneisensteinhaltigen Septarien dieses Hori-
zontes ^ enthalten Blende , das erinnert lebhaft an die Ammoniten-
kammern des Liaskalkes von Whitby und die Belemniten von Helgo-
land. Sehr schöne Stücke aus dem Crailsheim er Muschelkalk liegen
in der BLEzixGER'schen Sammlung dort, freilich nicht als Vererzungs-
mittel , man kann die schönsten Granatot"der sich daraus spalten.
Der stark reflektierende Blätterbruch in der Knochenraasse der Sau-
' Pseudomorphosen, Nachtrag I, 208.
- Quenstedt, .Jura 163.
Jalireshefto d. Vereins f. vaterl. Naturkuiule in Wiirti.
— 50 -
rier in Lias s ist nach meiner Vermutung ebenfalls als Blende zu
deuten, doch fehlt es mir zum Nachweis an Material.
Kupferkies CuFeS^ wurde von Qüenstedt einmal in der
Kammer eines Ängulaten Lias a gefunden '. »Spuren von Kupfer-
erzen fand ich auf den Schwerspäten in Lias a der Göppinger Ge-
gend, sie waren meistens schon zu Malachit verwittert.
Karbonate.
Unter diesen. Mineralien steht der Kalkspat oben an. Man
würde nämlich sehr irren, Avollte man glauben, die Kalkschalen haben
sich nicht verändert. Viele sind in krystallinischen Kalk verwandelt,
so die Schalen mancher Gastropoden, die meisten dienten dem kohlen-
sauren Kalk, der die Hohlräume ausfüllte, als Ansatzstelle und zwar
lässt sich eine Anziehung des schon vorhandenen orientierten Kalkes
auf die neuen Niederschläge nicht verkennen. „Die Cidaritenstacheln
haben im Innern den vollkommensten Blätterbruch eines einzigen
Kalkvspatrhomboeders." ^ „Bei den Krinoidenstielen entspricht die
Hauptachse des Rhomboeders der Richtung des Stieles, aber die
Blätterbrüche der einzelnen Glieder sind gegeneinander spiralförmig
verdreht."^ Man kann dabei aber auch auf Zwillingsbildung stossen,
so fand ich einen Apiocrinites in Weiss e auf der Kuchalp, an dem
die Blätterbrüche zweier aufeinander folgenden Glieder einen Winkel
von ca. 95° bilden, was auf Zwillingsstellung nach OR hindeutet (der
genaue Winkel wäre 89*^ 13' 8''). Am allerschönsten sieht man die
Einwirkung des früher vorhandenen Kalkspates auf die neuen Bil-
dungen in den Aspidura scuteUafa Bronn von der Heldenmühle bei
Crailsheim, worüber Dr. E. Fraas eine briefliche Mitteilung an das
N. Jahrb. für Min. etc. richtete '^. Hier trat an Stelle jeder einzelnen
Kalkplatte ein Skalenoeder R3, so dass die ganze Versteinerung nun-
mehr aus lauter Skalenoedern besteht. Man kann kaum etwas Schöneres
und Zierlicheres an krystallisierten Versteinerungen sehen ! Dieselben
sitzen auf den Steinkernen von MyopJioria laevigaia und finden sich
am schönsten und zahlreichsten in der Sammlung ihres Entdeckers,
des Apothekers Blezinger in Crailsheim.
Der Verkalkungsprozess kann auch damit endigen, dass sämt-
liche Hohlräume mit krystallinischem Kalk sich füllten, häufig unter
' Diese Jahresh. 1846, 158.
- Qüenstedt, Mineral. 494.
" Qüenstedt, Epochen der Natur 558.
" 1888, I, 170.
— 51 —
Bildiuig von Uraseii, die von diesem Mineral erfüllt sind, und dass
<lann die Schalen oder Wandungen der Wohnkammern verschwanden.
Hier sind die schon oben genannten zerfressenen Amni. macrocephalus
vom Brunnenthal anzuführen : die kalkigen Ausfüllungen der Dunst-
kammern zeigen ganz scharf die Form der Loben, die Wandungen
selbst aber sind kaum noch in Resten vorhanden. Was man davon
aioch findet, löst sich beinahe ganz in verdünnter Säure ; es ist ein
von gelbem Eisenocker umgebener Kalk, der sich offenbar in den
Tagewassern leichter löst als die Kalkausfüllung der Kammern. Selbst-
verständlich findet man diese Petrefakten in sehr verschiedenem Zu-
stand : aussen noch unversehrt, innen mit Kalk erfüllt ; aussen teil-
weise zerfressen, so dass der krystallinische Kalk heraussieht; aussen
lieinahe ganz zerfressen und innen die Kalkausfüllungen der Haupt-
f-ache nach erhalten, aber auch schon vom Wasser angenagt.
Vollständig in blätterigen Kalkspat verwandelt sind Bhyncho-
iulla Fürstenhergensis und Steinheisii von Gutmadingen in Braun £,
Amm. ParMusoni von Oberhausen am Nipf, gewisse Echinodermen
in Weiss Jura / und dann die Dunstkammern von Amm. MurcM-
■sonae. Letztere machen eben diesen Ammoniten zu einem unserer
schönsten Petrefakten , man hat hier eigentlich auch nur noch die
Kalkspatausfüllungen der Kammern vor sich , manchmal findet man
•die einzelnen Ausfüllungen der Kammern lose nebeneinander liegend.
Der Kalkspat ist gelblichweiss, kantendurchscheinend.
Während bisher nur von spätigem Kalk die Rede war, ist zum
4Schlusse noch faseriger zu nennen bei den Belemniten, was in der
ursprünglichen Form begründet ist, schon dort steht der Kalk faserig
und zwar die Paser senkrecht zur Achse der Scheide. Dabei ist
die Färbung für die einzelne Gebirgsart charakteristisch.
Der Dolomit (Ca, Mg)CO^ bildet das Versteinerungsmittel der
Petrefakten des Hühnerfeldes zwischen Schwieberdingen und Mün-
C'hingen, sow^eit dieselben nicht verkieselt sind (s. oben). Die Ana-
lyse ergibt Kalk und Magnesia so ziemlich zu gleichen Teilen und
«ine Spur von Eisen, also ist es nicht Bitterspat, sondern Dolomit.
Die Versteinerungen haben daher das bekannte schwach gelblichweisse
bis bräunliche Aussehen, es sind GerviUia, Myophoria, Corhida, Triyo-
nochts, Nucula, Mijd, Nafica, Ceratites scmipartitits nnd IihisocoralUum.
Daran schliesst sich von selbst der Braunspat (Ca, Mg, Fe) CO'^,
der als jüngere Generation von Mineralien auf den Kalkspäten der
Ammonitenkammern sitzt in Gruppen sattelförmig oder garbenförmig
gebogener Rhoi^iboeder von starkem Fettglanz, besonders schön in
— 52 —
Lias a von Vaihingen a. d. F., von Neunheim bei Ellwangen. Diese
Gruppen findet man bis zu Hühnereigrösse und zwar in allen Ab-
tönungen von Braun, so dass darunter sich auch Pseudomorphosen
von Goethit nach Braunspat vorfinden. Er findet sich ausser im
Lias noch im Braunen Jura.
Der Strontianit ist seltener als Braunspat, findet sich aber
ebenfalls als jüngere Generation über den Kalkspäten in den Dunst-
kammern der Cephalopoden von Lias «, meist in kugeligen Gruppen ;
dieselben sind feinfaserig und mehlig, seltener sieht man daran mit
der Lupe Rechtecke. In anderen Formationsgliedern scheint das Kar-
bonat nicht vorzukommen. Sandberger schreibt zwar', Strontianit
erfülle zum grossen Teil die Kammern von Amm. Murchisonae, ich
konnte bis jetzt bloss Kalkspat finden, soweit ich analysierte. Immer-
hin ist aber Strontianit nicht ausgeschlossen ; in der Tübinger Samm-
lung liegt ein grosser Ammonit mitten entzwei gebrochen, die Haupt-
masse, welche die Kammern erfüllt, ist Kalkspat, darauf liegen als
jüngere Ausscheidung blendend weisse Gipstafeln und so kann ja
wohl als zweite Generation sich auch einmal Strontianit nieder-
geschlagen haben. Man findet den Kalkspat häufig von mehliger
Substanz umgeben im Innern , die allerdings die Flamme mehr rot
färbt, als es sonst der Kalkspat thut, allein nicht so purpurrot wie
Strontianit. Immerhin könnte Sr in kleinen Mengen dem Kalk bei-
gemischt sein, die Hauptausfüllungsmasse ist aber Kalkspat.
Aragonit ist wohl häufiger, als man weiss, Versteinerungs-
mittel, man müsste denselben aber erst durch die spezifische Schwere
nachweisen. Krystalle fand Quenstedt auf Kalk des Lias zu Neun-
heim bei Ellwangen in feinen Nadeln.
Fluoride.
Leopold von Buch schreibt ^, man finde den Elussspat selten in
den Wohnkammern der schwäbischen Liasammoniten. Ich muss sagen,
dass ich nie so glücklich war und auch die Tübinger wie die Stutt-
garter Sammlung hat nichts von Flussspat, soweit die Kammern der
Ammaniten blossgelegt sind. Es dürfte also hier eine Täuschung
vorliegen. Unmöglich wäre es ja nicht, denn Flussspat kommt im
Kohlenkalk von Derbyshire bei Cyathocrinites und im Botliegenden
von Chemnitz bei Pflanzenstämmen als Versteinerungsmittel vor.
' Neues Jahrb. für Min. etc. 1870, 589.
- Zeitschr. d. geol. Ges. II, 285. 1850.-
— 53 —
Sulfate.
Gips bildet nicht selten das Versteinerungsmittel im unteren
Keuper. Schon von Aluerti schreibt^: „Der versteinerungsreiche Do-
lomit wird, wo er von Gips bedeckt wird, z. B. bei Rottweil, Dürr-
heim, am Asperg, bei Untertürkheim u. a. 0., in seinen oberen Lagen
von diesem in ein graues Gipsgestein verwandelt, welches jedoch
noch mit Säuren braust und einen höheren oder niederen Grad von
Verwandlung erlitten hat. Bald ist die Masse wirklicher Gips, bald
sind Reste des dolomitischen Charakters sichtbar. Dieses Gipsgestein
ist angefüllt mit Versteinerungen, deren Schalen meist in rein weissen
körnigen Gips verwandelt, deren Höhlungen aber, welche bei den
dolomitischen Gesteinen durch das Verschwinden der Schalen ent-
stehen, mit Gips ausgefüllt sind/' Solche Versteinerungen sind Myo-
plioria Goldfussii^ vulgaris und curvirostris, Ävicula socialis., Nucula
dubia. Bei Crailsheim an dem Weg nach Westgartshausen fand Ble-
ziNGER ebenfalls ganze Platten, die auf der unteren Seite die schön-
sten Myophorien aus Gips zeigten , nachdem sie bearbeitet worden
waren. Bronn sah die Knochenzellen der Testudo antiqua aus dem
Tertiärgips des Hohenhöwen, der, wie ich wohl weiss, nicht mehr
in das württembergische Gebiet gehört , mit deutlich unterscheid-
barem Gipsspat ausgefüllt ^ Solche Gipskrystalle sind nun allerdings
eine ganz häufige Erscheinung in den Hohlräumen von Petrefakten,
sie finden sich schon in Lias a zu Vaihingen a. d. F., dann im Amal-
theenthon, in Braun Jura ß, wie schon oben bei Amm. Murchisonae
:gesagt wurde, zu Kuchen und zu Wasseralfingen ; an der Grenze von
Braun Jura ßh/ liegen Gipse bei Boll.
Schwerspat Versteinerungen finden sich bei uns am schönsten
im Lias a der Göppinger Gegend, so fand ich dort den Steinkern
von Thalassites concinnus, einen Arieten, sowie Reste eines Gastro-
poden, in den schönsten, fleischfarbenen, blätterigen Baryt verwandelt ;
in der KocH'schen Sammlung liegen prächtige Thalassiten aus Baryt
und nach einer Mitteilung von Pfarrer Dr. Engel finden sich bei
Brech oberhalb Waldhausen im Remsthale ebenfalls solche Versteine-
rungen. Sonst ist Schwerspat meist nur jüngere Mineralgeneration
in den Hohlräumen namenthch der Cephalopoden , so zu Vaihingen
a. d. F. und zu Neunheim in Lias a, dann zu Kirchheim u. T. in
Lias ;', wo oft Jamesoni aussen verkiest und innen ganz mit Baryt
* Monographie des bunten Sandsteins, Muschelkalks und Keupers. Stuttg.
u. Tüb. 1834, 131—132.
- Bronn, Handbuch einer Gesch. jier Natur. Stuttgart 1843, Bd. 2, 713.
- 54 —
erfüllt ist, sodann in Lias J \ endlich als mattweisse faserige Spalten-
ausfüllung in den Gagathölzern von Lias s^. Auch im Braunen Jura
finden sich noch Baryte in den Terebrateln. Man hüte sich indes
vor Verwechselung mit Cölestin! Dieser findet sich zusammen
mit Gips und Schwerspat in den Ammonitenkammern zu Vaihingen
a. d. F. Ich beschrieb diese Tafeln schon früher in diesen Jahres-
heften 1884, 53. In Braun Jura e finden sich smalteblaue ('ölestine
bald tafelförmig bald in schönen Krystallen im Amm. Parkiiisoni und
besonders schön in der Ter. perovalis (Braun d) vom Himmelsberg^
wie sie in der Tübinger Sammlung liegen und wie ich solche vom
Hohenkarpfen der Güte von Dr. E. Fraas verdanke. Endlich sind
die prachtvollen Pseudomorphosen von Quarz nach Cölestin anzu-
führen von Oberstotzingen , welche Quenstedt in den dortigen ver-
kieselten Korallenstöcken fand ^. Manche Cölestine mögen sich auch
noch hinter den Schwerspäten verstecken, so fand ich eine ganze
Windung von Amm. Jamesoni mit einem schneeweissen blätterigen
Mineral erfüllt, das ich im Steinbruch (Lias / Kirchheim u. T.) für
Schwerspat zu halten geneigt war, durch die Analyse aber als Cöle-
stin bestimmte.
Phosphate.
Der phosphorsaure Kalk findet sich in wechselnden Gemeng-
teilen in den Koprolithen des Bonebeds zwischen Muschelkalk und
Lettenkohle, sodann in den fossilen Knochen und Zähnen — freilich
nicht als Versteinerungsmittel, sondern als ursprüngliche Substanz,,
die aber in ihrer Zusammensetzung mehr oder weniger verändert
wurde. Hier ist auch der Zahntürkis (AI2) (H 0)'^ P 0"^ -f H^O za
nennen, wie man ihn in den Bohnerzgruben früher fand. Von be-
sonderem Interesse ist aber der Vivianit Fe^(PO^)^ + 8H'^0, der
ja nicht so gar selten ist. Blaueisenerde überzieht Pflanzenreste in
unseren stehenden Wassern, ich habe ein solches Stück in der Samm-
lung des Eberhard-Ludwigsgymnasiums aus dem Bärensee bei der
Solitude, also neueste Bildung. Sicherlich findet sie sich ab und
zu in den Mooren Oberschwabens so gut wie in den Knochen
des Laibacher Moors, freilich ist mir noch kein Fund bekannt ge-
worden. Was die älteren Formationen betrifft, so zeigt den Vivianit
am allerschönsten Aetosaurus ferratus Fraas ^, dessen Panzer und
1 Diese Jahresh. 1888, 116.
- Quenstedt, Jura 272.
^ Quenstedt, Jura 692.
•* Pestschrift der 400jähr. Feier der Univ. Tübingen. Dies. Jahresh. 1877, 3.
— 55 —
Knochen von grünlichblauem Vivianit überzogen sind. Das Oxydul
ging also teilweise über in das Oxyd. Während die Oberfläche die-
ser herrlichen Echsengruppe aus dem Stubensandstein von Kalten-
thal in Vivianit verwandelt ist, sind die Hohlräume der Knochen mit
rotem Thoneisenstein erfüllt. Am häufigsten findet sich weiter Vi-
vianit in den Bonebeden , so durchschnitt die Eisenbahnlinie Stutt-
gart— Vaihingen das Bonebed zwischen Keuper und Lias und viele
dort ausgegrabene Reste von Knochen, Schuppen und Zähnen zeigen
Vivianitüberzug. Ohne Zweifel findet er sich auch in dem älteren
Bonebed. Endlich sei der schwarzen Knollen aus dem Lamberti-
horizont gedacht, welche Phosphorsäure enthalten.
Kohlen.
Die letzte Art der Petrifikation ist die Verkohlung, dieselbe
hatte statt bei Pflanzen, ausnahmsweise bei Fischen und Sepien, so-
fern die aus Zellstoff" bestehenden Gewebe in kohlige Substanz über-
gehen. Die Arten von Kohlen , die hier zu nennen wären , sind ^ :
die schwefelkiesreichen Kohlen der Lettenkohle bei Gaildorf,
die Steinkohlennester im Schilfsandstein des Keupers (Kriegsberg bei
Stuttgart — jetzt durch eine Verschönerungsanlage verdeckt — und
Löwenstein) und im Stubensandstein von Mittelbronn, die Pechkohle
im Stubensandstein bei Spiegelberg mit Adern von Bleiglanz und
Zinkblende, die Gagatkohle (Agtstein, schwarzer Bernstein) in
Spalten und Klüften von Lias s z. B. von Holzmaden bei Kirch-
heim u. T. QuENSTEDT erhielt von Pliensbach ein 5' langes Stück,
8" bis 10'' breit und 4" bis 5" dick ^, wie er glaubt, hervorgegangen
aus „kompakteren Landgewächsen". Im Querbruch zeigt sich nicht
leicht Struktur, dagegen im Längsbruch sieht man „bei günstigen
Stücken mit einer Lupe deutliche Fäden". Lmen besteht der Stamm
aus Holzstein, den aussen befindlichen Gagat durchziehen gröbere
und feinere Risse , welche mit Schwerspat und Kalkspat ausgefüllt
sind (s. oben). „Manchmal bekommt man Stücke mit überaus deut-
lichen Jahresringen , durch die Faserstruktur erhält der Längsbruch
einen eigentümlichen Seidenglanz." Auch die Blättchen von Äraii-
caria peregrina Lias e sind in glänzenden Gagat verwandelt, wie
auch die Zweige von Cupressites liasinus von ebendaher.
Von Braunkohle ist die tertiäre Kohle von Heggbach, von
Königseggwald , von Kellmünz an der Hier (bayrisch) , Eisenbach,
' Werner, diese Jahresh. 1869, 144.
- Quenstedt, Jura 271; vgl. auch Bronner, diese Jahresh. 1879, 192.
— 56 —
Schwendi und Uietenheim zu nennen. Am besten erhalten sind die
Pflanzen samt Insekten zu Heggbach, wo die Blätter alle leicht zu
erkennen und den Oeningern am ähnlichsten sind. Eigenartig ist
der Dysodil, die papierdünnen Brandschiefer des Randecker Maars,
die wie Pappendeckel sind.
Endlich muss als allerjüngste diluviale Braunkohle die unter dem
Lehm des Rosensteins zwischen Stuttgart und Cannstatt genannt werden.
Von diesen Kohlen ist nun freilich zu sagen, dass der ursprüng-
liche Stoff nicht durch einen wesentlich anderen ersetzt wurde, son-
dern es fand bloss infolge des Verkohlungsprozesses Steigerung des
Gehaltes an Kohlenstoff und Verminderung von Wasserstoff und Sauer-
stoff statt. Aber eben durch diesen Vorgang wurden die Pflanzen fossil
und so sind in der fossilen Kohle uns die Reste der Pflanzen erhalten.
Das wären die Versteinerungs- und Vererzungsmittel unserer
schwäbischen Petrefakten, soweit sie den Mineralogen zu beschäftigen
haben. Es ist dabei abgesehen von den Felsarten, welche sich bei
der Petrifikation beteiligt haben ; es würde eine Untersuchung dieser
Frage, welche rein geognostischer Natur wäre , hier zu weit führen
und wie ich glaube, auch nicht das gleiche Interesse beanspruchen
können, wie die oben behandelten Mineralien, welche bei dem Ver-
steinerungsprozess in Betracht kommen.
Auch diese rein mineralogische Abhandlung konnte in vielem
nichts Neues bringen , sie sollte bloss eine vollständige Zusammen-
stellung der in Betracht kommenden Mineralien bieten, eine Zusammen-
stellung, wie sie nach unserem Dafürhalten in den Jahresheften eines
naturhistorischen Vereines von Schwaben nicht fehlen sollte.
II.
Ueber Grenzlinien in der Trias.
Von Prof. Dr. O. Fraas.
Hinweisend auf die von Herrn R. Blezinger ausgestellte reiche
Sammlung von Fossilen des Muschelkalks und Keupers sprach er
folgendes :
Eine der wichtigsten geognostischen Grenzen, die es überhaupt
in der Schichtenfolge auf Erden gibt und die namentlich die schwä-
bische Trias trennt , liegt zwischen Hauptmuschelkalk und Letten-
kohle. Sie zeichnet sich durch ein Bonebed aus, das seit einem
halben Jahrhundert die Augen der Wissenschaft auf sich gezogen
hat und noch mit jedem Jahre neue Reize entfaltet. Am deutlichsten
— 57 —
micl schönsten ist die Grenzschichte in der nächsten Nähe von Crails-
heim zu sehen, wo wir heute unsere Generalversammlung abhalten.
Die Grenze stimmt merkwürdigerweise mit der politischen Grenze,
wie sie glücklicherweise nur kurze Zeit existierte. Im Jahre 186G
konnte man von der Kocherhnie reden als einer Art Mainlinie, be-
stand doch in dem genannten Jahre während einiger Monate eine
militärische Grenzlinie, die aber glücklicherweise nie zu einer Schei-
dung der schwäbischen und fränkischen Stämme geführt hat. Der
Kocher macht keine Ausnahme unter den Flüssen, welche samt und
sonders ihre beiden Ufer nicht trennen sondern verbinden , so sind
denn auch die Ufer des „jagenden" und des „kochenden" Flusses
unter sich picht getrennt, sondern durch einerlei Bevölkerung ver-
bunden, welche an den Ufern sitzt.
In uralte Zeiten datieren die Grenzlinien der Trias zu-
rück, entstanden beim Wechsel von Festland und Meer, Wechsel,
die wohl zu allen Zeiten vor sich gingen wie sie heute noch vor
sich gehen, aber nun gerade in der Mitte der Triaszeit besondere
'Spuren in den Zahn- und Beinbetten (Bonebeds) hinterlassen
haben. Die inhaltreichen Bonebeds machen die Crailsheim er Gegend
zu einer der wertvollsten Gegenden, indem hier als auf der Scheide
der alten und der neuen Zeit die Reste der Lebewesen erhalten
blieben, und zwar soweit sie der Zerstörung durch Fäulnis nicht
unterlagen, bis auf die zartesten Gräte und Zähnchen hinaus. Solche
Reste aus dem Bonebed zu sammeln und vor der Zerstörung zu
retten, ist eine wahre Wonne. Wir können daher auch das Ver-
dienst von Herrn R. Blezinger nicht hoch genug anschlagen, der
seit Jahren die Funde, die beim Abräumen des Bonebeds gemacht
worden, sorgfältig sammelt und prüft. Zwei Welten finden wir in
dem Bonebed aneinander gereiht, eine absterbende Welt, die in der
palaeozoischen Zeit ihre höchste Blüte erreicht hatte und eine neu-
auflebende, welche im Keuper zur vollen Entwickelung kommt. In
der einen stossen wir auf die letzten Reste jener Panzerfische, welche
das palaeozoische Meer bevölkerten und beherrschten. Mit diesen
letzten Resten sind aber bereits auch die Erstlinge der Neuzeit ver-
gesellschaftet, Haifische und Rochen als Vertreter der heutigen Lebe-
Avelt im Meer. Die Tiergruppe der Knorpelfische ist nun freilich
fast nur durch vereinzelte Zähne und durch Koprolithen vertreten,
welche denn auch im Crailsheimer Bonebed die wichtigsten und zahl-
reichsten Erfunde bilden. Bei der Beschaffenheit des Dünndarms
dieser Fische, die sich an ^en spiralen Falten leicht erkennen lassen,
— 58 —
sind die Koprolithen oder vielmehr der mit den harten Speiseresten
erfüllte Dünndarm die einzigen Zeugen der Existenz dieser Tiere.
Daneben sind es Fetzen von Schildern und Hautknochen und von
Zähnen , wrelche das Bonebed erfüllen. Die wissenschaftliche Be-
arbeitung dieser Reste besteht nun in der Restituierung der Fische
und Reptile, von w^elchen sie stammen, um dann mit der Zusammen-
stellung dieser Lebewesen ein Bild aus dieser weit entlegenen Trias-
Welt zu bekommen.
III.
Einiges zur Geologie des Muschelkalks und der Lettenkohle.
Von Amtsrichter Dr. Bertsch in Hall.
Der geehrte Herr Vorredner hat soeben davon gesprochen, das
Gebiet des oberen Muschelkalks, der Lettenkohle und des Keupers
sei so eigentlich „das Land der Grenzen". Wie sehr dieser Satz
der Wahrheit entspricht, habe ich selbst erst in jüngster Zeit bei
meinen vielfachen Studien dieser Formationen in der Haller Gegend
erprobt. Es ist kaum eine Gegend zu finden, wo der Wechsel der
Gesteine sich so deutlich verfolgen lässt, wie hier.' Die in den
Flussthälern zumeist hervortretenden mauerartigen Kalkwände des
Hauptmuschelkalks sind ja nirgends zu verkennen , mit dem Auf-
treten der Lettenkohle nimmt aber das Gestein wie mit einem Schlage
einen anderen Charakter an. Es muss hier offenbar eine sehr grosse
vielleicht rasch verlaufende Änderung der Erdoberfläche bezw. in
deren Meeresbedeckung vor sich gegangen sein. Der Unterschied
ist so bedeutend, dass man versucht sein könnte zu glauben, es sei
vielleicht zwischen der Bildung beider Formationen ein längerer
Zwischenraum gelegen, ehe man sich dazu entschliesst , eine so
plötzliche Veränderung alles Bestehenden anzunehmen. Während
der Hauptmuschelkalk ausschliesslich Meerestiere einschliesst, treten
nun Süsswasserpflanzen und Tiere auf, die grossen Kalkmassen wei-
chen den oft nicht minder mächtigen Lagern des Lettenkohlesand-
steins, der Wechsel der Gesteine geht so rasch vor sich, dass man
an manchen Orten die Hand auf die Grenze legen kann. Gerade
in der Haller Gegend , wo Muschelkalk und Lettenkohle in seltener
Schönheit entwickelt sind , sind auch die Grenzen zwischen beiden
Formationen in seltener Schönheit gezeichnet. Wenn je einmal der
Beweis für den Satz geliefert werden sollte, dass der Begriff der
geologischen Formation ein in der Natur durchaus begründeter sei,
so könnte er hier am schönsten erbracht werden.
— 59 —
Zwischen beide Formationen schiebt sich nur ein MittelgUed
hinein , welches einigermassen den Übergang vermittelt , es ist das
sog. Bonebed. Offensichtlich ist mit dem Wechsel von Meer- und
Süsswasserbedeckung ein grosses Sterben von Tieren verknüpft ge-
wesen , welche dem zurückweichenden Meere nicht schnell genug
folgen konnten ; es Hesse sich sonst nicht leicht erklären , weshalb
in einer so kleinen Zwischenschicht so massenhaft Tierreste , insbe-
sondere von Fischen und Fischsauriern abgelagert sein sollten. Ein
ähnlicher oder der gleiche Vorgang bietet sich unserem Auge wieder
am Ende der Keuper- und mit Beginn der Juraformation, also dem-
selben Kampf zwischen Süsswassern und Meerwassern. Es sind
sogar beinahe noch dieselben Tiere , die wir hier wieder begraben
finden , ' es sind vorwiegend Acrodtis- und Saiirichthys-Avien. Man
darf es deshalb wohl als nicht ganz zutreffend bezeichnen , wenn
Dr. Engel in seinem „geognostischen Wegweiser" dieses auf die
Muschelkalkformation folgende Bonebed als unterstes Glied in die
Lettenkohle einreiht, während er dasjenige zwischen Trias und Lias
ganz richtig als ein Zwischen- oder Übergangsgebilde behandelt ; schon
darum nicht, weil sonst z. B. bei Crailsheim eines der beiden auf-
einanderfolgenden Bonebede zum Muschelkalk, das andere zur Letten-
kohle gestellt werden müsste. Sei dem nun, wie ihm wolle, merk-
würdig ist jedenfalls die verschiedenartige Gestalt, in der wir das
Bonebed vorfinden. In der Haller Gegend z. B. oben an der neuen
Strasse von Steinbach zum Bahnhof Hessenthal ist es ein höchstens
2 — 3 cm dickes, chokoladefarbiges Sandsteinbänkchen mit Kopro-
lithen und Fischzähnen, das unmittelbar auf der letzten Kornstein-
bank des Muschelkalks aufliegt, in manchen Fällen sogar mit der-
selben verbunden zu sein scheint, welchenfalls es wie ein dünner
Kuchen auf dasselbe gewalzt ist. Wieder in anderen Fällen z. B.
oben an der Heimbacher Steige ist es eine nur schwer zu findende
braun gefärbte Bank über den dort sich findenden Trigonodus-J)o\o-
miten, welche wenig oder gar keine Tierreste enthält. Hier folgen
dann noch einige dolomitische Bänke, von denen es schwer zu sagen
ist, wohin sie zu stellen sind, "bis die Mergel der Lettenkohle be-
ginnen. An der Steige nach Gottwollshausen oben rechts lässt sich
das der obersten Blaubank aufgelagerte Bonebed wie ein dünnes
Plättchen von chokoladebrauner Farbe leicht abnehmen. Zwei über-
einanderlagernde Bonebedschichten lassen sich in der Haller Gegend
nicht nachweisen, auch ist der Fall ein seltener, dass der Werkstein
der Lettenkohle unmittelbar auf den Kalkbänken des Muschelkalks
— 60 —
aufsetzt, wobei ein Teil des Bonebeds mit den Werksteinen verwach-
sen wäre. In der Regel (so bei Hessenthal u. a. Orten) schiebt sich
zwischen Bonebed und Werkstein noch eine 1 — 2 m mächtige
Mergelschicht dazwischen, die mannigfach von dolomitischen Bänken
durchzogen ist, bis der Sand die Oberhand gewinnt.
Was die Fauna des Hauptmuschelkalks betrifft, so ist dieselbe
bekanntlich eine höchst einförmige ; da wo überhaupt versteinerte
Tiere gefunden werden, und der Fall ist in Württemberg selten ge-
nug, sind es immer die nämlichen Arten. Es ist in den untersten
Bänken der in ungeheurer Zahl verbreitete Encrinus liliiformis, von
dem diese ihre Namen haben , sodann weiter noch etwa Cidarts
grandaevus , die TerehraUda vulgaris, Gervülia socialis, Mytilus
eduliformis, Ostrea diformis, decemcostata, sessüis etc. Weiter oben
von Cephalopoden der Ceratitcs nodosns und Ämmonites semipartitus,
von Zweischalern hier besonders das Heer der Myaciten, Myophorien,
Limen etc.
Auf einen Punkt möchte ich hier aufmerksam machen, der
gewiss einer Erwähnung wert ist. So sehr nämlich im allgemeinen
jede Art den ihr eigenen Charakter durch die ganze Schicht beibe-
hält, so vielfach begegnet man anderseits Formen, welche den Syste-
matiker in Verlegenheit setzen. Oft finden sich nämlich zweifelhafte
Stücke , von denen man , selbst wenn man sie in allen Teilen un-
verletzt bekommt, nicht weiss, ob man sie der grossen Familie der
Myophorien oder Myaciten zuteilen soll. Ich habe mir schon eine
grössere Zahl solcher Stücke gesammelt und hoffe dieselben noch
vermehren zu können. Dass nicht mir allein dieser Umstand auf-
gefallen ist, beweist die Anzahl von Namen, welche man den ein-
zelnen Varietäten beigelegt hat (vergl. Fraas, Geognost. Beschrei-
bung etc. S. 37, Engel, Wegweiser, S. 40), die in der Schicht
wohl schwer zu finden sein werden, wenn man sie suchen wollte.
Sodann aber stimmt meine Beobachtung durchaus überein mit dem,
was QuENSTEDT, Petrefakteukunde III. Aufl. S. 854, erwähnt, dass an
dem Heer der Myaciten bis jetzt alle Versuche gescheitert seien,
deren systematische Stellung zu entziffern. Hier hat man also mit
der Benennung der Arten freie Hand ; wenn dieselben nur im Buche
stehen und abgebildet sind. Ob aber damit der Wissenschaft ein
Dienst geleistet ist, ist die andere Frage. Wenn sich nun auch
zwischen einzelnen Stücken dieser zweimuskeligen Conchiferen eine
äussere Schalenähnlichkeit vorfindet, so ist doch nicht sicher, inwie-
weit dieselbe auf einem verwandtschaftlichen Verhältnisse beruht.
-- 61 —
Darüber lassen sich heutzutage zwar Vermutungen mancher Art
aufstellen, etwas sicheres wird sich wohl kaum ergründen lassen.
Ein weiterer Umstand, welcher meines Wissens noch nirgends
besonders erwähnt ist, verdient unsere Beachtung. Wir dürfen, glaube
ich, die Muschelkalkformation als dasjenige Zeitalter ansehen, in wel-
chem sich bei den Cephalopoden die zerschlitzten und gespaltenen
Loben gebildet haben. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass diese
Bildung das langsame Kesultat eines allmählichen Entwickelungs-
prozesses ist, dessen Anfang wir hier zu suchen haben. Die Sache
geht folgendermassen zu. Es lässt sich bei Ceraütes nodosus viel-
fach eine Vermehrung in den Krümmungen der Lobenlinien nach-
weisen, die zuerst eine einfache gekrümmte Linie darstellen. Später
treten an den Loben, die bis dahin von den Sätteln sich nicht un-
terscheiden, kleine strichartige Fortsätze auf, oft nur wenige, oft
auch eine ganze Anzahl, welche dem Lobus die runde Form be-
nehmen und in eine spitzige verwandeln. Zumeist geht die Zer-
spaltung beim Rückenlobus zuerst vor sich, welcher schon zerspalten
sein kann, während die anderen Loben erst die Ansätze hierzu zei-
gen, und verbreitet sich dann auch auf die Seitenloben. Es ist
dieser Vorgang schon bei dem tiefer liegenden Ceraütes nodosus
zu beobachten, noch deutlicher bei dem Ammonites semipdrtitus,
welcher offenbar der Nachfolger des ersteren ist und dem wohl wegen
seiner schon mehr zerspaltenen Loben , seiner flacheren an Ammo-
niten erinnernden Scheibe der Name eines Ammoniten beigelegt wor-
den ist, obwohl er sonst im allgemeinen seinem Vorgänger durchaus
gleicht. QuENSTEDT bildet in seiner Petrefaktenkunde Taf. 42 einen
Amm. dux aus dem Hauptmuschelkalk von Rüdersdorf ab , welcher
schon vollständig zerspaltene Loben zeigt. Welcher Vorteil freilich
für das Thier damit verknüpft war, wenn es zerspaltene Loben hatte,
lässt sich jetzt nur annähernd vermuten. Sicher ist, dass dadurch
die Anheftungslinie des Tierkörpers an die von ihm erbaute Schale
um ein vielfaches verlängert, und somit der Halt des Tierkörpers
innerhalb seines Hauses ein viel festerer wurde. War letzteres aber
der Fall, so musste das Tier auch ebendamit energischere Schwimm-
bewegungen ausführen können und würde das einen wesentlichen
Fortschritt für das Tier bedeuten. Oder war mit dieser Lobenzer-
spaltung vielleicht der innere Aufbau des Gehäuses ein vereinfachter,
was sich jetzt freilich nicht mehr leicht wird ermessen lassen, und
kann es genügen auf diese Thatsache behufs weiterer Untersuchungen
aufmerksam gemacht zu haben.
— 62 —
Was die Fauna des Bonebeds betrifft, so wird diese uns auf
«inen Umstand hinweisen, der ein interessantes Licht auf den Cha-
rakter der Formation wirft. Es ist das Vorkommen der Ceratoden,
d. h. einer Fischart, welche mit Kiemen und Lungen zugleich atmet
und die vielleicht nach dem jetzigen Vorkommen der Gattung zu
schliessen sich ebenso leicht dem Süsswasser als dem Meerwasser
anpassten. Es müssen hier Zustände geherrscht haben, welche die
Tiere (meist Meertiere) nötigten, zeitweise mit Lungen zu atmen,
man müsste denn nur annehmen, dass die damals lebenden Cerato-
den noch keine Doppelatmung gehabt haben. Es muss demnach das
Meer, in welchem das Bonebed sich niederschlug, ein seichtes, im
Abziehen begriffenes gewesen sein, sonst wäre die Lungenatmung
für das Tier eine ganz unnütze Ausstattung gewesen. Weiter aber
weist das Vorhandensein eines Sammeltypus in der Fischwelt, der
Saurichthyer mit ihren Varietäten darauf hin , dass das Meer und
Land miteinander im Kampfe standen, da nach allem zu schliessen
diese Tiere zum Teil für eine amphibische Lebensweise organisiert
waren, zum Teil diejenige von Fischen führten. Die Nachfolger
dieser Saurier können die grossen Froschsaurier der Lettenkohle sein,
welche seinerzeit bei Gaildorf gefunden wurden.
Aus der Region der Blaukalksteine unmittelbar unterhalb des
Bonebeds ist dann zu bemerken, dass hier in der Umgebung Halls
die ganze Bank von einer Unzahl von Muschelsteinkernen durchsetzt
ist, welche dem Kalkstein einen ähnlichen Charakter verleihen, wie
dies bei dem Siessener- oder Baltringer Meeressandstein der Fall
ist. Meistens ist es der Tri<jonodus Sandberg eri^ der hier im Stein-
kern enthalten ist, seltener die Trigonia Goldfussi, öfters findet sich
auch eine kleine Nucida oder Ostracodenschälchen im Gestein. Man
hat daher diesen oolithischen Kornstein, der so eigentlich aus Muschel-
trümmern zusammengesetzt ist, nach diesem Trigonodus benannt,
obwohl die Benennung Dolomit nicht ganz entsprechen dürfte. Es
dürfte auch diese grosse Anzahl von Muscheltrümmern darauf hin-
weisen, dass wir ein seichteres Meer bekommen, an dessen Strande
sich die Reste der Meerbewohner absetzten.
Zu bedjauern ist, dass im Hauptmuschelkalk von den grösseren
Meertieren, und es müssen solche gelebt haben, namentlich Saurier,
so wenig Spuren mehr zu finden sind , kaum dass man hie und da
einen Knochen vereinzelt findet, von dem aus aber selbst wenig
Schlüsse auf das Tier gezogen werden können.
Ich darf noch auf das eigentümliche , faziesartige Vorkommen
— 63 —
<des Encrinus liliiformis aufmerksam machen. Dieses Tier ist den
untersten Schichten des Hauptmuschelkalks durchaus nicht gemein,
sondern es sind nur einzelne bevorzugte Plätze mit Encrinus be-
völkert. Ist das Tier aber vorhanden, dann hält es stets diesen
untersten Horizont des Hauptmuschelkalks fest, und zwar in so massen-
hafter Verbreitung, dass das ganze Gestein aus diesen Resten be-
steht. Bei Hall sind an den Gehängen gegen die Stadt kaum Spuren
des Encrinus zu finden, biegt man aber bei Steinbach um die Ecke
auf dem Weg gegen Tullau, so ist sogleich der erste Fels mit Massen
von Encrinus-^WoiQw erfüllt. Es muss hier der Grund eines warmen
nicht zu tiefen Meeres den Tieren behagt haben , dass sie sich auf
demselben wie auf einer Meerwiese ansiedelten und fortpflanzten,
während sich Terebrateln, Seeigel, Austern u. a. Tiere ihnen bei-
gesellten. Der Ceratites nodosus scheint die Gesellschaft der See-
lihen gemieden zu haben, denn bis jetzt wurde in den Encriniten-
«chiehten noch kein solcher gefunden, während er sofort über den-
selben häufig ist.
Was noch die Schnirkelschnecken des Hauptmuschelkalks be-
trifft, so kommt, abgesehen von einigen ganz kleinen Arten, eigent-
lich nur eine solche zahlreicher vor, die aber sehr stark variiert.
Gewöhnlich hilft sich der Systematiker damit, dass er die kleineren
Exemplare noch als Melania ScJihtheimi bezeichnet, die aus den
Wellenkalken über das Salzgebirge herüber sich im Hauptmuschel-
kalk fortsetzt, den grösseren aber den Namen Fiisiis HeJili beilegt.
Offenbar ist in dem ähnlichen Gehäuse das gleiche Tier gesteckt,
denn nur die Grösse desselben bietet hier das unterscheidende Merk-
mal , das ganze Gewimmel von Namen , welche besondere Abarten
(Trochus, Pleurotomaria , Turhonüla etc.) bezeichnen sollen, bildet
einen für den Geologen unnützen Ballast. Mag man auch manch-
mal dazu verleitet sein , ein besonders stark verändertes Stück mit
einem neuen Namen zu kennzeichnen, so sollte man doch anderseits
bedenken, wie schwer es hält, eine solche Spezies festzuhalten und
wieder ähnliche Stücke im Gebirge zu finden. Das Studium des
alpinen Muschelkalks, von dem ich erst neuerdings wieder interes-
sante Stücke gesehen habe, dürfte auch hier in noch so manche
ungelöste Frage neues Licht bringen.
64 —
IV.
lieber die Fortpflanzung des Proteus anguineus und seine
Larve.
Von Mediziualrat Dr. Zeller in Winnenthal.
Der Redner teilte mit, da.ss es ihm nach langen vergeblichen
Bemühungen in diesem Jahre gelungen sei, von seinen in einem
Gartenbassin gehaltenen Olmen (Proteus angiiineus) , 76 und zwar
vom 14. bis zum 16. April abgelegte Eier zu erhalten und zeigte
einen 10 Wochen alten, aus den Eihüllen herausgeschnittenen Em-
bryo vor, an welchem ein scharf nach vorn abgesetzter Flossensaum
und die noch zapfenförmige Anlage der Kiemenbüschel wie der vor-
deren Gliedmassen zu erkennen war. Eine ausführliche Beschreibung
folgt unter den Abhandlungen dieses Jahrgangs.
Ueber einige Gegenstände aus dem Gebiete der
Geophysik.
Von Dr. J. Probst in Essendorf.
Bei gewissen Materien aus jenem Gebiete der Geologie und
Palaeontologie, welches in neuester Zeit als „Geophysik" (Günther,
Gerland) abgezweigt wird, stosst man auf das weitverbreitete Vor-
urteil, als ob in diesen Dingen nur Hypothesen und Spekulationen
bestehen und dass man darin nicht wesentlich weiter kommen könne.
Das ist jedenfalls ein lähmendes Vorurteil. Es mag ja gerne zu-
gestanden werden, dass man auch auf diesem Gebiete der Hypo-
thesen nicht völlig sich entschlagen könne , wie es auch in allen
andern Zweigen der Naturwissenschaft vorkommt ; aber ebenso richtig
ist, dass eine Achtung gebietende Anzahl von soliden Beobachtungen
jetzt schon auch auf diesem neu abgegrenzten Wissensgebiete vorliegt,
die man allerdings kaum angefangen hat zu verwerten d. h. in ihrem
ursächlichen Zusammenhang aufzufassen.
In ähnlicher Weise und mit gleichem Rechte könnte man be-
haupten : über die Gestirne , die für uns so unnahbar sind , könne
man nur in Spekulationen sich ergehen. Es gab auch eine Zeit,
welche sich dieses Gegenstandes in keiner andern Weise zu be-
mächtigen wusste. Allein man hat die Messinstrumente, das Fern-
rohr und das Spektroskop auf dieselben in Anwendung gebracht
und auf Grundlage dieser Beobachtungen, die freihch auch in ihren
ersten Anfängen weder vollständig noch von positiven Irrtümern frei
waren, ist die Wissenschaft der Astronomie erwachsen, der man
seine Hochachtung nicht wird vorenthalten können. So bei allen
Zweigen der Naturwissenschaft ; alle sind von sehr bescheidenen An-
fängen ausgegangen und langsam gewachsen , ohne dass man auch
nur von einer einzigen sagen könnte, dass ihre Vollendung erreicht wäre.
Man muss sich aber darauf gefasst machen, dass ein herzhafter
Schritt in das Gebiet der Geophysik hinein vielfach mit Misstrauen
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in WUrtt. 1889. 5
— 66 —
aufgenommen werde. Man wird gerne vor das Dilemma gestellt;
entweder streng mathematische Beweisführung oder ideale Speku-
lation, d. h. Verzicht auf exakte naturwissenschaftliche Behandlung.
Dieses Dilemma ist aber nicht berechtigt.
Bei einer grossen Anzahl von naturwissenschaftlichen und an-
deren Wissenszweigen kann ein solides thatsächliches Ver-
ständnis gewonnen werden oder wenigstens angebahnt werden, die
einer mathematischen Behandlung für jetzt und vielleicht für alle
Zeit unzugänglich sind ; und doch kann einer Arbeit eine ganz an-
dere Bedeutung zukommen, als die einer idealen Spekulation, wenn
nämlich die Grundlagen derselben und die gesamte Methode eine
ganz andere ist.
Das wird zutreffen, wenn die Ausgangspunkte der Arbeit
nicht willkürliche Unterstellungen sind, sondern objektive Beobach-
tungen. Ferner, wenn die Beobachtungen nicht bloss als Ausgangs-
punkte dienen, sondern auch fortlaufend als Kontrolle herangezogen
werden. Die Beobachtungen müssen die Wegweiser für das ge-
samte Verfahren bilden. Dass dann aber bei der Verwertung der-
selben auch Yon den Denkgesetzen Gebrauch gemacht wird, sollte
nicht befremden können. Wir verkennen dabei nicht, dass eine
thatsächliche Begründung noch lange nicht die höchste Stufe der
Erkenntnis ist ; aber sie ist doch der Anfang derselben.
Die Lückenhaftigkeit des Materials kann sich allerdings da und
dort in unangenehmer Weise fühlbar machen, aber noch befremden-
der ist die Wahrnehmung, dass in manchen Kreisen selbst da eine
Lückenhaftigkeit oder ein gänzlicher Mangel an Beobachtungen irr-
tümlicher Weise vorausgesetzt wird, wo durchaus keiner besteht,
eine Leere da, wo eine Fülle von Beobachtungen besteht ; sichtlich
nur aus dem Grunde, weil man dieselben zu wenig kennt oder das
Gewicht derselben wesentlich unterschätzt.
Das gilt besonders von den Gebieten der Palaeontologie , spe-
zieller der Phytopalaeontologie. Diese hat in dem Jahrzehnt
1870 — 1880 durch die Arbeiten von Oswald Heer in Zürich so we-
sentliche Fortschritte gemacht und ihre Lücken so wesentlich aus-
gefüllt, wie es nur selten in den Annalen der Wissenschaft für eine
so kurze Zeit zu verzeichnen sein wird; durch Heer ist eine neue
Welt aufgeschlossen worden^.
* "Wir verweisen hierbei, ausser auf die Werke Heer's selbst, auch auf
das sehr eingehend und sachlich gehaltene, treffliche Werk von Prof. Schröter:
Lebensbild von Osw. Heer. Zürich 1885, besonders auf den dritten Abschnitt,
— 67 —
Es ist aber nicht zu leugnen, wenn auch zu bedauern, dass die
Arbeiten Heer's, besonders seine Polarflora, nur in kleineren natur-
wissenschaftlichen Kreisen genügend gewürdigt werden, in weiten
Kreisen aber als unbequem beiseite gelassen oder vielleicht auch
kaum gnügend bekannt zu sein scheinen ^
unter solchen Umständen ist nicht zu verwundern, dass eine
Arbeit, welche zu einem wesentlichen und ganz integrierenden Teil
auf den HEEK'schen Arbeiten fusst, auf das Vorurteil stossen dürfte,
welcher die umfassendste und wichtigste Abteilung des ganzen Buches ist von
S. 120 — 344. Der Leser, dem die umfangreichen Werke von Heer nicht selbst zu
Gebot stehen, erlangt durch dass<"lbe einen gründlichen Einblick in die umfassende
und gediegene Thätigkeit Heer's, zumal, da von dem Verf. auch die Korrespon-
denz desselben verwertet wird.
* Als Beleg dafür, dass hiermit nicht zuviel gesagt sei, mögen einige Bei-
spiele aus der neuesten Litteratur dienen. Prof. Neumayr (Erdgeschichte I.
1886 und II. 1887) kommt in seinem vortreiflichen Werke an verschiedenen
Stellen auf diesen Gegenstand zu sprechen, woraus hervorgeht, dass ihm der
durch Heer errungene neueste Standpunkt der Phytopalaeontologie und die kli-
matischen Anforderungen desselben recht wohl bekannt sind (1. c. Bd. II, S. 508,
346); aber er betrachtet diesen Gegenstand als ein ungelöstes und sogar als un-
lösbares Rätsel (cf. 1. c. Bd. II, S. 649). Woeikof (Klimate der Erde 1887)
kennt diesen Standpunkt gleichfalls, legt sich aber eine nach unserem Dafürhalten
zu strenge Reserve auf in der Beurteilung und Anerkennung desselben (cf. 1. c.
Bd. I, S. 256). Vorsicht ist ja prinzipiell gewiss gerechtfertigt und geboten.
Allein aus Grönland und Spitzbergen liegen doch nicht bloss wenige Einzelfunde
vor, deren Deutung keine Sicherheit geben könnte, sondern ein ganz überraschend
reiches Material. Eine einzige Sendung aus Grönland über Kopenhagen nach
Zürich füllte 25 Kisten. Ein so gewaltiges Material aus diesen Gegenden, in
denen heute gar keine Holz Vegetation mehr besteht und das in so erfahrene
Hände gelangt ist, darf doch als eine geeignete Grundlage zu Schlüssen über
das Klima betrachtet werden. In andern Werken aber von Günther (Geo-
■physik 1884, 1885) und Supan (Grundzüge der physischen Erdkunde 1884) wird
jede nähere Berücksichtigung des phytopalaeontologischen Standpunktes, beziehungs-
weise der betreffenden Werke von Heer, insbesondere seiner Polarflora, ver-
misst. Die Möglichkeit einer Berücksichtigung war vorhanden, da die II. Auf-
lage der Urwelt der Schweiz, in welcher die Resultate schon wenigstens sum-
marisch aufgenommen sind, schon 1879 erschien und die Tertiärflora der Schweiz
schon 1859, sowie die Polarflora 1883 vollendet war; auch das Buch von Sa-
porta, le monde des plantes, in welchem die He er 'sehen Resultate angeführt
und gewürdigt werden, erschien schon 1879. Diese Werke geben nicht bloss
ein Bild von dem Pflanzcnkleid der früheren Erdperioden, sondern auch von der
Eutwickelung des Klimas und sind deshalb für die Geophysik nicht minder wichtig
als für die Pflanzenkunde. Wenn man von diesen Werken absieht, so entzieht
man sich selbst eine der wesentlichsten positiven Stützen für das Verständnis
der Eutwickelung der Erdoberfläche.
5*
— 68 —
als ob ihr die objektive Grundlage fehle. Es ist nicht leicht, gegen
solche Voreingenommenheit anzukämpfen und aufzukommen, aber
um so notwendiger ist es , den palaeontologischen Standpunkt auf-
recht zu erhalten und denselben nach Kräften zur Geltung zu bringen.
Bei dem engen Zusammenhang, in welchem die verschiedenen
Zweige der Naturwissenschaft stehen, dürfte dann dieser Standpunkt
auch auf benachbarten Gebieten einige Klärung herbeizuführen ge-
eignet sein, deren manche in unverkennbarer Weise bedürftig sind.
Wir beabsichtigen deshalb , einige wichtigere Punkte heraus-
2!ugreifen , wobei auf die Schrift des Verf. (Klima und Gestaltung
der Erdoberfläche in ihren Wechselwirkungen dargestellt. Stuttgart
1887) mehrfach Bezug genommen wird.
I. Würdigung der Einwände gegen das Seeklima.
In der citierten Schrift hat der Verfasser sich bestrebt, die von
Oswald Heer aus den fossilen Pflanzenabdrücken, der Polarländer
insbesondere, abgeleiteten Endresultate in Zusammenhang zu bringen
mit der Warmwasserheizung durch die ozeanischen Gewässer. Es
wurde dort angeführt, dass Sartoriüs von Waltershausen das reine
Seeklima der Gegenwart berechnet habe und dessen typische Ähn-
lichkeit mit dem Klima der früheren Erdperioden betont ; dass das-
selbe jedoch noch einer bedeutenden Verstärkung bedürfe,' um
die Möglichkeit der Existenz der fossilen Pflanzen , besonders in
hohen Breiten, zu erklären.
Schon hier liegt ein Einwand gar nicht fern. Wenn Sartorius
das reine Seeklima berechnet hat, so könnte man sagen, ist
eine weitere Verstärkung desselben ausgeschlossen ; es ist selbst
schon ein Superlativ, der nicht noch mehr gesteigert werden kann.
Von unserem Standpunkte aus ist aber die Notwendigkeit einer
Verstärkung des Seeklimas unumgänglich festzuhalten; denn das
heutige Seeklima der höchsten Breiten und auch der mittleren,
ist in keiner Weise zureichend, um den Bestand der Flora der frühe-
ren Formationen daselbst zu ermöglichen. Es hat aber auch keine
Schwierigkeit, die Zulässigkeit einer Verstärkung des Seeklimas zu
begründen. Sartorius hat nur das empirische reine Seeklima
der Gegenwart berechnet, nicht dasabsolute; er hat des-
halb auch seinerseits selber sich auf den Standpunkt gestellt, dass
den früheren Erdperioden ein potenziertes Seeklima zugekommen
sei und dass dieses nur durch irgend eine Verstärkung des empiri-
schen reinen Seeklimas der Gegenwart eruiert werden könne. Die
— 69 —
Zulässigkeit und sogar Notwendigkeit einer Steigerung des empiri-
schen Seeklimas lässt sich nun aber an einem konkreten Beispiele
bündig nachweisen.
Als Beispiel mögen die Faröerinseln dienen , jene Inselgruppe
unter 62*^ n. Br., welche mit Recht in dem Rufe steht, dass sie ein
exquisites Seeklima besitze. Es gibt wohl keinen zweiten Punkt
auf der Erde, zumal in hohen Breiten, bei welchem die Eigenschaften
des Seeklimas: hohe mittlere Jahreswärme und grosse Gleichförmig-
keit der Temperatur, so stark hervortreten wie hier. Und doch hat
auch hier das Seeklima schon eine beträchtliche Einbusse erlitten,
Avofür sich eine thatsächliche Begründung geben lässt, Die Eis-
berge, die bei Neufundland schmelzen, haben die Gewässer, welche
die Faröer umspülen, schon beträchtlich abgekühlt. Wenn die kalte
Labradorströmung gar nicht bestünde oder einen andern Lauf hätte,
so dass sie mit den warmen Gewässern des Golfstroms gar nicht in
Berührung käme , so müssten diese Gewässer einen noch beträcht-
lich grösseren Wärmevorrat haben.
Ferner streichen die kalten Landwinde von den ausge-
dehnten, im Winter exzessiv kalten Kontinenten des nördlichen Asien
und Amerika auch noch in diese Gegenden herein und entziehen
durch ihre Berührung mit dem Wasser demselben Wärme ; sie be-
wirken auch als trockene Landwinde Aufheiterungen des Him-
mels, die in so hohen Breiten nicht bloss die Gleichförmigkeit des
Klimas unterbrechen , sondern auch zu Wärmeausstrahlung Veran-
lassung geben, die in diesen Breiten durch Sonnebestrahlung nicht
vollständig ersetzt wird. Durch all' diese Vorgänge werden schon
Einflüsse des kontinentalen Klimas in diese entlegenen Gegenden
hineingetragen.
Die Thermometerangaben in Thorshavn etc. stehen also schon
unter dem Einflüsse dieser Faktoren und man sieht daraus , dass
auch diese abgelegene Inselgruppe noch weit entfernt ist, ein wirk-
lich vom Land ganz unbeeinflusstes reines Seeklima zu besitzen. Es
sind vielmehr versteckte Einflüsse des Landes vorhanden, welche,
ohne sich empirisch von andern zu unterscheiden , doch ihren stö-
renden Einfluss ausüben; die Thermometerablesungen geben den
thatsächlichen Zustand an ohne Ausscheidung der verschiedenen
Arten von Einflüssen, die hier zusammenwirken. In ähnlicher Weise
liesse sich auch darlegen, dass das bestehende empirische Konti-
nentalklima keineswegs ein reines ist, dass auch hier versteckte
Einflüsse vom Meere her sich überall mehr oder weniger geltend
— 70 —
machen. Das Spiel der Cyklonen und Anticyklonen erstreckt sich
über die ganze Erde hin und lässt nirgends ein KUma von ganz un-
gemischtem Charakter aufkommen, weder auf den Räumen des Meeres
noch auf jenen der Kontinente. Es ist aber für unsere Zwecke gar
nicht erforderhch , darauf einzugehen , da gerade das kontinentale
Klima mit dem Klima der früheren Erdperioden am wenigsten über-
einstimmt, sondern von demselben diametral abweicht.
Daraus ergibt sich aber, dass, um zu dem nicht bloss empi-
risch, sondern wirklich reinen Seeklima zu gelangen, eine Verstär-
kung zulässig und sogar notwendig ist und dass dieselbe recht be-
deutend sein kann. Eine Abschätzung vorzunehmen, wie hoch die-
selbe anzusetzen sei, ist vorerst unthunlich ; aber wir werden unten
zeigen, dass die fossilen Pflanzenreste einen Maassstab hierfür an die
Hand geben. Wenn das schon von den Faröern gilt, so wird man
keinen x\nstand nehmen, auch alle andern Gebiete unter dem gleichen
Gesichtspunkt zu betrachten und somit zuzugeben, dass das empi-
rische Seeklima überall einer Verstärkung bedürftig, jedenfalls fähig
sei, wenn das reine Seeklima erreicht werden soll.
Ein anderer, ebenfalls gegen die Warmwasserheizung gerichteter
Einwand , der aber von einem ganz andern Standpunkt ausgeht^
lässt sich ungefähr so formulieren : Sartorius habe Unrecht gethan,
wenn er bei Berechnung des Seeklimas solche Inseln und Stationen
zu Grund gelegt habe, welche unter dem Einflüsse des Golfstroms
sich befinden und alle Folgerungen, die er und andere auf dieser
Grundlage ziehen, seien falsch; denn der Golfstrom verdanke seine
Existenz der Ablenkung seiner Gewässer durch den amerikanischen
Kontinent. Das seien aber Zustände , die auf die alten Perioden
nicht übergetragen werden dürfen ; es sei also nicht bloss ganz ab-
zusehen von einer Verstärkung des Seeklimas, sondern schon die
Annahme sei unhaltbar, dass in den alten Perioden auch nur eine
Erwärmung (durch Warmwasserheizung), so stark wie heutzutage
durch den Golfstrom stattgefunden habe. Zutreffender seien viel-
mehr die Zustände in der südlichen Hemisphäre, in welche keine
warmen Strömungen vordringen und die deshalb eine kühlere Tem-
peratur haben und woselbst die Wasserbedeckung 83 Prozent erreiche.
Es ist zuzugeben, dass die Erwärmung, welche heutzutage den
Ländern des nordwestlichen Europas zu teil wird, nur die Folge ist
von solchen Ursachen, welche der Gegenwart speziell, man darf sagen,
exzeptionell, angehören.
Deshalb hat aber Sartorius auch bloss das Seeklima der Gegen-
— 71 —
wart daraus abgeleitet. Allerdings hätte er können sagen, dass hier-
mit das Seeklima vorzüglich nur des nordatlantischen Ozeans be-
rechnet werden wolle, während er dasselbe auf das Seeklima der
ganzen nördlichen Halbkugel ausdehnt, nicht aber auf das Seeklima
der südlichen Halbkugel, dem er eine abgesonderte Berechnung wid-
met, weil hier wieder andere Verhältnisse obwalten. Aber die Be-
rechnungen von Sartorius für das Seeklima ganz zu verlassen und
allenfalls die von Forbes zu adoptieren , ist nach der Besprechung,
welche Woeikof (Klimate der Erde, Bd. I, S. 333 — 335) den letzteren
widmet, geradezu unrätlich. Es ist auch ohne weiteren Beweis klar,
dass, wenn Forbes für den Pol seiner reinen Wasserhemisphäre
eine mittlere Jahrestemperatur von — 10,8° aufstellt, hier offenbar
das Wort Wasser in ganz uneigentlichem Sinne gebraucht wird.
Denn Wasser von — 10,8° ist Eis, und das Eis hat nicht die physi-
kalisch-thermischen Eigenschaften des Wassers, sondern eines Mine-
nerals; bei der Abschmelzung und Auftauung tritt der physikalische
Unterschied beider deutlich hervor. Freilich führt die theoretische
Rechnung auch Sartorius dahin, dass er für den antarktischen Pol
eine Temperatur des reinen Seeklimas daselbst von — 4,19° R. auf-
stellt. Allein es besteht zwischen den Aufstellungen von Forbes
und Sartorius doch nicht bloss ein gradueller, sondern der prinzi-
pielle Unterschied, dass Sartorius für den antarktischen Polarkreis
keineswegs ausschliessliche Wasserbedeckung annimmt, sondern dort
Land zulässt und anerkennt, dessen Einfluss er nur nicht vollständig
zu eliminieren vermag, während Forbes seine oben angeführte Ziffer
als für die von ihm angenommene reine Wasserhalbkugel cha-
rakteristisch aufstellt. Nach der Tragweite der Auffassung von Forbes
würde man zu dem Zugeständisse genötigt werden, dass in den höch-
sten Breiten gar nicht mehr ein Seeklima bestehen könne, weil
der bleibende gewöhnliche Zustand des Wassers daselbst (Eis) dem
eines Minerals gleichkommt; aber dann darf man auch nicht mehr
die Benennung „Seeklima" beibehalten, weil dieselbe notwendig
Wasser in flüssigem Zustande voraussetzt. Nur soviel könnte
man zugeben, dass es sehr schwer und für die antarktische Hemi-
sphäre wohl ganz unmöglich sei, geeignete Stationen ausfindig zu
machen , die der Berechnung eines reinen Seeklimas daselbst als
Grundlage dienen könnten. Hiermit reduziert sich aber die Bedeu-
tung der Berechnungen von Forbes so wesentlich , dass dieselben
auch keinen Anspruch erheben können , den Typus des reinen See-
klimas darzustellen.
— 72 —
Für die Temperaturskala von Sartorius fällt überdies in die
Wagschale die Ansicht des vielerfahrenen Nordenskiöld ^, dass gegen
den Nordpol hin sich offenes Meer befinde, was mit der Berechnung
von Sartorius übereinstimmt.
Wenn nun auch bereitwillig zugegeben wird, dass die heutige
Warmwasserheizung im nordatlantischen Ozean von speziellen heu-
tigen Verhältnissen abhänge, so lässt sich doch begründen, dass die
ozeanische Warmwasserheizung überhaupt keineswegs prinzipiell
und ausschliesslich an solche Zustände g e b u n d e n sei, sondern
dass sich dieselbe unter ganz andern Umständen, als sie heute bestehen,
noch viel energischer bethätigen könne.
Nach allem , was Astronomie und Palaeontologie lehren , war
die Wärme, nicht der Frost, im ursprünglichen Besitz
der Oberfläche der Erde und nicht bloss der Oberfläche , sondern
des gesamten Inhalts derselben ; der Frost musste sich sein Terrain
erst nachträglich erobern. Mag man nun die bekannte Theorie
von Kant und Laplace sich vergegenwärtigen, oder, worauf vielleicht
noch mehr Wert zu legen sein wird, die Pflanzenabdrücke aus den
höchsten Breitegraden und die Resultate der Spektralanalyse in ihrer
Anwendung auf die Himmelskörper betrachten , so ergibt sich der
uralte Besitzstand der Wärme.
Dieser Besitzstand wurde trotz des kalten Weltraums dadurch für
lange Perioden gesichert, dass zugleich die Gewässer im weitaus vorherr-
schenden Besitz der Oberfläche sich befanden, wozu noch eine Dunsthülle
kam, die von einem solchen Zustand der Erdoberfläche unzertrennlich ist.
Eine konstante Dunsthülle von den Tropen an polwärts kann
aus dem Grunde nicht entbehrt werden, weil im Winter der hohen
Breiten die Zeiten der Ausstrahlung der Wärme sehr kontinuierlich
sind (Polarnächte). Trotz vorherrschender Wasserbedeckung müsste,
wenn freie Ausstrahlung stattfinden könnte, die Temperaturerniedri-
gung in dieser Jahreszeit so beträchtlich werden, dass eine Flora,
wie sie besonders in den alten Formationen auch in den höchsten
Breiten (Spitzbergen) bestand, nicht hätte bestehen können. Wenn
aber durch eine konstante Dunsthülle die Ausstrahlung sehr stark
vermindert wurde, so vermochte die Warmwasserheizung sich in der
erforderlichen Intensität aufrecht zu erhalten. Die Gewässer waren
zuvor schon warm und die Dunsthülle wirkte nur wie ein Mantel,
der über einen Körper ausgebreitet wird; die Wärme desselben wird
dadurch nicht als solche erzeugt oder vermehrt, aber die schon vor-
^ Umseglung von Asien etc. S. 237.
— 73 —
handene Temperatur wird zusammengehalten. So ist die Dunsthülle
nicht eine selbständige Wärmequelle, aber sie ist ein unentbehrliches
Mittel, um die vorhandene Wärme der Gewässer gegen Verluste zu
schützen. Der Einwand, dass ebendamit auch die Zustrahlung der
Wärme in gleichem Maasse ausgeschlossen werde, ist nur scheinbar
richtig ; denn die Zustrahlung geschieht in hohen Breiten unter sehr
schiefem Winkel, hat deshalb an sich schon geringere Kraft;
die Ausstrahlung aber, die mit keinerlei Winkel zu thun hat, geht
unbehindert in voller Kraft vor sich ; daraus ergibt sich , dass für
■die Temperatur der hohen Breiten die Verhinderung der Ausstrah-
lung der Wärme des Meerwassers viel wichtiger ist, als die direkte
Zustrahlung. Die Wärme braucht nicht notwendig in den hohen
Breiten erst erzeugt zu werden; es genügt, wenn die in niedrigen
Breiten erzeugte Wärme für die hohen Breiten konserviert wird.
überdies lehren die Physiker (Tyndall) , dass die Erdatmosphäre
einerseits gegen jene Wärmestrahlen , die von der Sonne direkt
kommen und anderseits gegen jene, die von der Erde ausgehen, sich
recht verschieden verhalte. Die von der Sonne ausgehenden Strah-
len finden viel leichter einen Durchgang durch die Erdatmosphäre
als diejenigen, die von der Erde sich entfernen wollen.
Hierdurch erklärt sich der Überschuss an Wärme in den hohen
Breiten, wenn auch die unmittelbare Zustrahlung durch die Dunst-
hülle vermindert wird. Als Beleg aus der Gegenwart dient hierfür
die klimatische Beschaffenheit der Faröer, worüber wir jedoch auf
Hann (Klimatologie S. 460, 463) verweisen können und nur die eine
Stelle ausheben: „Die starke Bewölkung des Himmels und eine fast
stets mit Wasserdampf gesättigte Atmosphäre bewahrt diese Gegen-
den während der Wintermonate vor einer Wärmeausstrahlung, die
sonst während der langen nordischen Nächte die Temperatur stark
erniedrigen müsste." (1. c. S. 467.)
So lange die drei Faktoren zusammenwirkten : Wärme, Wasser,
Wolkenhülle, so lang bestand eine sehr intensive Warmwasserheizung.
TSfebenher konnten die Gewässer in den hohen Breiten sich allmählich
abkühlen, wenn auch nur um eine massige Anzahl von Graden, aber
sie sanken wegen ihrer grösseren Schwere nieder und wärmere traten
fortlaufend an ihre Stelle. Die abgekühlten Wasser ihrerseits blieben
nicht unbeweglich in der Tiefe liegen, sondern breiteten sich auf
dem Grunde des Meeres sehr langsam gegen die niedrigen Breiten
hin aus : aber dass sie wirklich schon längst den Äquator erreicht
haben, geht aus den Tiefseeforschungen hervor. Wenn aber die ab-
— 74 -
gekühlten Wasser auf dem Grund des Meeres nach den niedrigen
Breiten hinstreben, so müssen die warmen auf der Oberfläche gegen
die hohen Breiten hin sich bewegen ; denn eine Kompensation
ist unerlässlich. Ob diese Verschiebung unmessbar langsam,,
oder relativ rasch vor sich gehe , das ist schliesslich ausserwesent-
lich; wesentlich ist nur, dass eine Verschiebung des Wassers durch
Temperaturdifferenzen auf dem Grund des Meeres einerseits und auf
der Oberfläche desselben anderseits besteht.
Damit wird man freilich in die Kontroverse hineingezogen, ob
die Meeresströmungen durch die Luftströmungen veranlasst und im
Gang erhalten werden, oder durch ihre eigene TemperaturdijRferenz.
Früher war die letztere Ansicht durchaus die herrschende, der auch
wir gefolgt sind. In neuester Zeit, seit den Arbeiten von Zöppritz,
dem sich jetzt auch Prof. Krümmel angeschlossen hat, scheint die
erstere Ansicht den Sieg gewonnen zu haben.
Krümmel, dessen eingehenden Ausführungen wir folgen (Ozeano-
graphie, Bd. II, 3. und 4. Kapitel), führt die bestehenden lebhaften
Strömungen der Meeresgewässer auf das Vehikel der Luftströmungen
zurück , schliesst aber eine Kompensation der warmen und kalten
Gewässer in vertikaler Kichtung keineswegs prinzipiell aus, sondern
verlangt dieselbe als notwendig, wenn sie auch so langsam,
ist, dass eine Messung der Schnelligkeit der Strömung in den mei-
sten Fällen nicht möglich ist (cf. 1. c. S. 286).
Auf diesen Standpunkt kann man sich unbedenklich stellen.
Nur wenn die Kompensationsverschiebungen durch die Temperatur-
verschiedenheiten gänzlich ausgeschlossen würden , müsste dagegen
Einwand erhoben werden. Auch Woeikof erklärt sich mit dieser
Auffassung einverstanden (cf. Klimate der Erde, Bd. I, S. 137). Es
bestand somit auch in den früheren Perioden der Erde ein geschlos-
senes System von Luftströmungen, welches eine mehr oder weniger
lebhafte Zirkulation der Gewässer auf der Oberfläche der Meere ver-
anlasste ; daneben aber noch, wie heutzutage, eine Zirkulation, ver-
anlasst durch die Temperaturunterschiede. Die etwas mehr abge-
kühlten Gewässer der hohen Breiten sanken unter, die wärmeren
Gewässer der niedrigeren Breiten traten oberflächlich an ihre Stelle.
Sobald aber festes Land in grösseren Massen vorhanden war,
so wurde dadurch selbstverständlich die regelmässige Ausdehnung
der Zirkulation beengt. Die von den Kontinenten eingenommenen
Gegenden waren dem Wasser unzugänglich. Noch wichtiger aber
ist, dass zu gleicher Zeit auch die Intensität der Warmwasser-
— 75 —
heizung beträchtlich vermindert wurde. Die grosse Ausdehnung und
Stärke derselben in den früheren Perioden ist bedingt durch die
untergeordnete Rolle, welche dem festen Lande zukam; sobald dieses
sich breit machte, war der Besitzstand der Warmwasserheizung be-
droht; denn die Landmassen sind es, welche langsam aber stetig
dieselbe zurückdrängten, namentlich in hohen Breiten.
Das feste Land folgt in Erwärmung und Abkühlung andern
Gesetzen als das Wasser ; aber so , dass der Frost auf dem festen
Lande sich rasch und leicht festsetzen kann, auf der Oberfläche des
Wassers aber nur schwer. Hier, auf dem festen Lande, kann sich
derselbe einnisten und von hier aus seine Herrschaft weiter aus-
dehnen, auch auf das Meer. An den Ufern des festen Landes setzt
sich in hohen Breiten ein Eiskranz an, der von da aus weiter und
weiter ins Meer hinein vordringt. Mehr noch, wenn das Land einen
Teil seiner Eislast in Form von Eisbergen in das Meer absetzt, so
wird das Meer sehr bedeutend in Mitleidenschaft gezogen. Die
Schmelzwasser der Eisberge liefern leichtes (süsses) Wasser, das sich
längere Zeit auf der Oberfläche halten kann und deshalb die Wärme
der oberflächlichen Schichten des Meerwassers verdrängt, die ohne-
dies schon 79 Kalorien zur Schmelzung des Eises abgeben mussten.
Auch die kalten Luftströmungen, die vom Land aus über das Meer
hinwehen, entziehen demselben Wärme.
Allerdings gilt das nur von dem festen Land in hohen Breiten ;
aber es ist auch Thatsache, dass die Verdrängung des Besitzstandes
der Wärme von den polaren Gegenden aus erfolgt ist, wie die Pa-
laeontologie nachweisen kann.
Der folgenreichste Unterschied in der Zirkulation der Gewässer
bestand deshalb darin, dass in den früheren Perioden keine grossen
Temperaturdifferenzen unter den Gewässern wenigstens der
Oberfläche selbst bestanden, deshalb auch kein wirklicher Kampf
zwischen warmen und eigentlich kalten Wassern (Eis) eintrat. Die
mehr abgekühlten Gewässer , die aber immer noch eine nicht un-
bedeutende Anzahl von Graden über dem Gefrierpunkt stehen konnten.
sanken nieder, die wärmeren rückten an ihre Stelle ein; das war
kein Kampf, sondern ein einfaches Ausweichen vor dem Kampf.
Die wärmeren Wasser verloren ihre Eigenschaft nicht durch Zu-
sammenstoss mit dem stark abgekühlten d. h. mit den festgewor-
denen Eismassen und konnten deshalb ihre Temperatur gut konser-
vieren. Der Austausch aber zwischen denselben, wie er später,
nachdem viel Land vorhanden war, eintrat und heutzutage noch be-
— 76 —
steht, vollzieht sich unter fortwährendem lebhaftem Kampfe. Die
Eisberge gehen dem warmen Wasser nicht aus dem Wege; die kalten
Landwinde entziehen ihm durch ihre unmittelbare Berührung seine
Wärme; die Ausstrahlung in den heitern Himmel trägt in hohen
Breiten ebenfalls sehr viel zur Abkühlung bei. Durch solche Vor-
gänge verliert die Masse des Wassers selbst einen bedeuten-
den Teil ihrer Wärme und die Warmwasserheizung kann deshalb
heutzutage nur noch sehr unvollständig ausfallen, desto unvollkom-
mener, je mächtiger die natürlichen Gegner der Wärme sind. Wegen
Mangels an grossen Temperaturdifferenzen war die gesamte Zirku-
lation in früheren Perioden ohne Zweifel träger als heutzutage, aber
die Warmwasserheizung ebendeshalb um so vollständiger,
weil die Temperaturdifferenzen der Gewässer überhaupt nicht bedeutend
waren. Je schwächer die Gegner der Warmwasserheizung
waren, um so intensiver und extensiver war sie selber.
Heutzutage ist die Zirkulation wohl rascher, aber hierdurch
wird nur die eigene Kraft (Wärme) , der Effekt , aufgerieben ; die
Warmwasserheizung wird geschwächt und der Kampf zwischen Wärme
und Frost bis in die mittleren Breiten hineingetragen.
Erfreulich ist , dass in neuester Zeit die Untersuchungen über
die Wasserheizung auch auf die kleineren Becken der Landseen mehr
und mehr ausgedehnt werden. Im Genfersee hat Forel, im Boden-
see Regelmaxn den Einfluss des Seewassers untersucht und haben
dieselben gefunden, dass die Temperatur der Oberfläche der Seen
im ganzen Jahr um 1*^ — 2^ C. höher ist als jene der Luft; dass
insbesondere in den winterlichen Monaten die Seen Wärme an das
Land abgeben können, während ihre Temperatur in den sommer-
lichen Monaten etwas zurückbleibt ; dass ferner eine Vertikalzirku-
lation unter den Gewässern der Seen besteht, dass die dichtesten
(kalten) unten, die warmen oben sich befinden.
Die Unterschiede sind hier allerdings nur sehr massig, wie
auch die Einwirkungen auf das Klima selbst. Es findet hier aber
auch kein Zusammenstoss statt zwischen den unter der Tropensonne
erwärmten Wassern und dem Polareis ; es bestehen auch nicht ho-
rizontale Strömungen, durch ein System der Luftströmungen veran-
lasst. Dafür tritt aber die Vertikalzirkulation unverhüllt hervor und
zugleich der in den physikalischen Eigenschaften des Wassers be-
gründete Einfluss auf die Nivellierung der Unterschiede der Tem-
peratur, die jedoch zugleich mit einem Überschuss an Wärme ver-
bunden ist und sich im Mittel des ganzen Jahres ausdrückt. Der
— 77 —
Wilrmeüberschuss wäre ohne Zweifel noch bedeutender, wenn nicht
durch die Gebirgsflüsse , Rhein und Rhone , grosse Mengen von
Schmelzwasser in die beiden genannten Seen hineingetragen würden.
Bei den Ozeanen ist die Wirkung wohl grossartiger, aber auch durch
andere Einflüsse stärker modifiziert, wovon einer den andern ab-
schwächen kann oder auch, aber nur in seltenen Fällen, zur Ver-
stärkung zu dienen scheint: die Landseen geben zwar nur ein ver-
kleinertes Bild, aber die prinzipiellen Punkte treten klarer und unr
getrübter hervor.
Das erstere lässt sich deutlich am Golfstrom speziell erkennen.
Trotz mancher günstiger Umstände , welche gerade diesem Strome
und den von ihin bespülten Gegenden zu statten kommen, bleibt
die Kraft der Warmwasserheizung an den Küsten des westlichen
Europa und hoch hinauf in den Norden weit zurück hinter jener
der alten Perioden bis herab zur Molassezeit, weil auch er schon
einen bedeutenden Teil seiner Wärme im Kampfe mit seinen Geg-
nern einbüsste. Ein Festland kann ausnahmsweise durch seine Kon-
figuration bewirken, dass auch heute noch einige Gegenden als lo-
kal begünstigt vor andern erscheinen, wie es im Gebiet des Golf-
stroms geschieht; aber auch die Kraft dieses konzentrierten Stromes
wird anderseits durch den Labradorstrom und andere Einflüsse be-
deutend herabgedrückt ; das ist nichts anderes als durch die Ein-
flüsse des festen Landes, von welchem auch der letztere seine Eis-
berge bezieht. Was das feste Land mit der einen Hand an Vor-
teilen gibt, nimmt es in hohen Breiten wieder reichlich mit der
andern und nur ganz relativ scheint sich bisweilen einiger Vorteil
herauszustellen.
Die Berufung auf die südliche Halbkugel muss aber noch spe-
zieller beleuchtet werden, um so mehr als diese von sehr beachtens-
werten Seiten als der Typus einer (vorherrschenden) Wasserhalbkugel
betrachtet wird.
Die Entgegenstellung erscheint auf den ersten Anblick frappant :
in die südliche Halbkugel dringt keine warme Strömung vor und sie
ist, trotz umfangreicher Meeresbedeckung, in höheren Breiten sehr
kühl; in die nördliche (nordatlantische) Region dringt eine warme
Strömung ein und diese Gegenden sind relativ warm. Man könnte
also zu schliessen geneigt sein : was man ozeanische Warmwasser-
heizung nennt, ist von zufälligen Umständen abhängig, von dem
zufälhgen weiteren Vordringen einer warmen Strömung.
Man darf aber nicht übersehen, dass in der südlichen Halb-
— 78 --
kugel, in ganz gefährlicher Lage rings um den Pol, ein mit Un-
recht bestrittener Kontinent oder Archipel sich befindet, welcher
dem Frost ein ausgezeichnet günstig gelegenes Terrain darbietet,
um sich dort festzusetzen und von da aus seine Herrschaft auszu-
dehnen.
Könnte man auch unbeanstandet zugeben, dass nahe an den
Polen die Temperatur des Meerwassers bei ruhiger See unter den
Gefrierpunkt habe sinken können und dass damit ein Krystallisations-
punkt geschaffen worden sei, von dem aus die Eisbildung in wei-
tere Räume sich habe ausdehnen können, so steht doch dieser An-
nahme die Schwierigkeit entgegen, dass man die Bildung einer aus-
gedehnten Eiskalotte sich denken müsste ohne Anlehnung und Be-
festigung an dem Lande. Diese Eisfelder würden von Winden und
Stürmen bewegt werden, müssten wandern und würden schon dadurch
ihre Eigenschaft als feste Krystallisationspunkte verlieren. Ganz
anders, wenn in dem antarktischen Polarkreise selbst auch nur eine
Gruppe von Inseln zerstreut liegt, die als feste Anhaltspunkte dienen
können. Dass aber dort wirklich auch Land vorhanden ist , ist ja
schon längst ermittelt, nur die Ausdehnung desselben, sein Zusammen-
hang oder seine Unterbrechungen sind noch unaufgeklärt. Mag die
Lösung dieser Aufgabe auch noch so sehr erschwert sein; so ist man
doch nicht berechtigt, die Anwesenheit des Landes selbst zu be-
streiten. Unter denjenigen neueren Naturforschern, welche das Vor-
handensein des Landes nicht bloss annehmen, sondern auch der kli-
matischen Konsequenzen bewusst sind , steht (ausser Sartorius) in
erster Reihe Woeikof (Klimate der Erde, 1887) ; zuvor aber hat sich
auch schon Bogüslawski in seiner Ozeanographie (1884, S. 385),
wie auch Supan in den Grundzügen der physischen Erdkunde (1884,
S. 128) dafür ausgesprochen.
Die palaeontologischen Anhaltspunkte für die antarktischen
Gegenden fehlen zwar ganz; allein das positive Zeugnis der fossilen
Pflanzenabdrücke aus dem arktischen Gebiet wiegt diesen thatsäch-
lichen Mangel auf. Es wäre ganz auffallend, dass an dem einen
Pol durch die ganze lange Reihe der Formationen hindurch sollte
ein diametral entgegengesetztes Klima geherrscht haben, wie an dem
andern. Wir müssen bis auf weiteres annehmen , dass die antark-
tischen Festlandsmassen jungen Ursprungs sind, mit andern Worten,
dass auch hier, ähnlich wie in nordpolaren Gegenden, früher überall
eine kräftige Warmwasserheizung stattgefunden habe, die erst später
durch einen Gegner lahmgelegt wurde. Später gestalteten sich aller-
„ 79 —
dings die Verhältnisse hier dann noch günstiger für den Frost, als
auf der nördlichen Halbkugel, besonders auch durch die Möglichkeit
«iner massenhaften und allseitigen Verbreitung der Eisberge in die
Meere.
Die spezielle Betrachtung der Meeresströmungen, welche von
Kbümmel mit grosser Genauigkeit kartographisch dargestellt wurde
(cf. Ozeanographie, Bd. II), ist ganz geeignet, diese Anschauungen
zu bestätigen, worauf noch einzugehen ist.
Auf der Nordhalbkugel findet sich nur ein bedeutender Eisstrom;
der Labradorstrom , der mit der warmen Strömung des Golfstroms
fast im rechten Winkel kollidiert, aber dann sich auskeilt. Der
•Golfstrom aber breitet sich fächerförmig, man möchte sagen, als
Alleinherrscher über den atlantischen nördlichen Ozean aus und findet
seinen Weg bis nach Spitzbergen. Ahnlich der Kurosiwo im paci-
fischen Ozean ; seine* Gegner im nördlichen pacifischen Ozean sind
insgesamt schwach. Die warmen Strömungen auf dem Indischen
Ozean vermögen sich, wegen Behinderung durch die Landmassen,
nicht weit in der nördlichen Richtung auszubreiten.
Anders auf der Südhalbkugel. An warmen Strömungen, welche
die Richtung gegen den antarktischen Polarkreis einschlagen
möchten , fehlt es durchaus nicht. Es sind hier drei : der brasilia-
nische Strom, der Aghulastrom an der Ostküste von Afrika und die
ostaustralische warme Strömung. Die brasilianische Strömung kann
man allerdings als eine schon von Anfang an schwächere, gegenüber
dem Golfstrom betrachten ; aber weder bei dem Aghulastrom noch
bei der ostaustralischen Strömung ist das zutreffend ; dieselben sind
wasserreich.
Nun ist aber auffallend, wie wenig weit diese Strömungen
nach Süden vordringen ; .sie hören schon zwischen 40^^ und 50° süd-
licher Breite auf, wiewohl sie keineswegs durch Land beengt sind
und keiner derselben gewinnt eine fächerförmige Ausbreitung, wie
der Golfstrom im Norden. Sie sind vielmehr nach Süd und Südosten
hin abgeschnitten und verstümmelt und gelangen nur nach Osten
resp. Nordosten hin zu weiterer Entwickelung. Der Aghulastrom
lö.st sich in abwechselnd warmen und kalten Streifen auf und „zer-
splittert" wie Krümmel bündig und anschaulich sich ausdrückt.
Dagegen breitet sich auf der Südhalbkugel eine mächtige ge-
schlossene Kaltwasserströmung schon in ungefähr 45° s. Br. rings um
aus, mit welcher auch ungefähr die äusserste Linie der Verbreitung
der antarktischen Eisberge zusammenfällt. Überdies zieht sich der
- 80 —
kalte Perustrom an der Westküste von Südamerika und der kalte-
Falklandsstrom an seiner Ostküste hin; ferner der kalte Benguela-
strom an der Westküste von Afrika und noch ein vierter an der
Westküste von Australien. Wenn man die Verstümmelung der war-
men Ströme einerseits und die reiche und breite Entwickelung der
kalten Strömungen anderseits gegen einander hält, so gewinnt man
unwillkürlich den Eindruck, dass auf der Südhalbkugel die warmen
Strömungen durch einen übermächtigen Gegner aus dem Feld ge-
schlagen werden, der mit seinen Kälteprodukten, Eis und kaltes
Schmelzwasser, die ganze weite Zone einnimmt. Dieser Gegner ist
aber nicht das Wasser der Wasserhalbkugel, sondern das Land, oder
vvenn man will, das zu einem Mineral (Eis) gewordene Wasser des-
selben ; es ist der Gletscher, als dessen gewaltige Bruchfläche
die Eiswand der antarktischen Regionen sich darstellt (cf. Bogus-
LAwsKi, Ozeanographie, Bd. I, S. 374 u. 385). Die Südhemisphäre
ist nicht aus dem Grund zu kalt, weil die warmen Strömungen nicht
in sie eindringen, sondern die warmen Strömungen können
nicht in sie vordringen, weil sie von einem sehr über-
legenen Gegner verschlungen werden.
Die Zirkulation zwischen den tropischen und antarktischen Ge-
wässernist aber deshalb doch nicht aufgehoben. Die kalten antarktischen
Gewässer, welche anerkannt den grössten Teil der kalten Wasser
überhaupt liefern, sinken auf den Grund nieder und breiten sich hier
langsam gegen den Äquator aus. Deshalb besteht notwendig auch
hier eine Kompensation auf der Oberfläche, aber dieselbe ist in der
dominierenden kalten Strömung nicht oder nur selten positiv mess-
bar und wahrnehmbar^.
Die vorgelegten Einwände sind, wenn auch nicht die einzigen,
aber doch weitaus die wichtigsten, welche gegen das Prinzip der Warm-
wasserheizung durch das Seeklima gemacht werden können ; wir glau-
ben aber, dass dieses Prinzip und die Verwertbarkeit desselben für
die Erklärung der Klimate der Vorwelt sich aufrecht erhalten lässt.
^ Auch Krümmel führt solche Beobachtungen von schwachen Spuren
wärmerer Strömungen an, die bis 61" s. B. vordringen und zieht ihre Realität
nicht ganz in Abrede, wiewohl er eine weitere Bestätigung abzuwarten für rätlich
hält (1. c. S. 478 u. 480).
81
II. Würdigung der Einwände gegen das Normalklima; Gang
und Grundlage des eingehaltenen Verfahrens.
Der zweite Pfeiler, der, neben dem Seeklima, die Grundlage
unseres Verfahrens über die Kliroate der früheren Erdperioden bildet,
ist das Normalklima im Sinne Dove's. Auch hiegegen können
Einwendungen gemacht werden.
Dr. E. Spitäler in Wien hat zwar in neuester Zeit die Berech-
nungen von DovE einer Revision unterworfen und in der Hauptsache
die gleichen Resultate erzielt, so dass die empirischen Werte Dove's
.sich bewährt haben. Aber die Beanstandung kann sich darauf wer-
fen, dass das von Dove hergestellte und so benannte Normalklima
an sich gar nicht ein normales sei, sondern ganz von den Zufällig-
fälligkeiten der gegenwärtigen Verteilung von Wasser und Land
abhängig sei; man dürfe dasselbe deshalb nur ein gemischtes Klima
nennen, aber nicht als ein normales auffassen.
Es ist anzuerkennen , dass ein Normalklima nach der eigent-
lichen wörtlichen Bedeutung einen gewissen Grad von Gleichmässig-
keit in der Verteilung von Land und Wasser zur Voraussetzung hat,
wenn dieselbe auch innerhalb massiger Schranken schwanken darf;
denn es handelt sich hier ja bloss um die Mittel werte der gan-
zen Jahrestemperatur, welche an sich schon ausgeglichene
Werte darstellen. Abweichungen vom Mittel in einem nur massigen
Prozentsatz darf man schon an sich nicht als eine wesentliche
Störung des normalen Verhältnisses betrachten ; sicher aber nicht in
solchen Fällen , wenn diese Abweichungen durch anderweitige Ein-
flüsse eine mehr oder weniger vollkommene Remedur erhalten, wie
das bei der nördlichen Halbkugel zutrifft, worauf wir unten näher
eingehen werden. Aber es dürfen doch keine sehr bedeutenden
Unterschiede in der Verteilung des Festen und Flüssigen unter sich
selbst vorkommen, sonst machen sich dieselben selbst in den Mittel-
werten in störender Weise geltend.
Deshalb eignet sich die Südhalbkugel nicht zu dem angegebenen
Zweck ; sie ist dazu unbrauchbar, weil in verschiedenen Zonen der-
selben Land und Meer in sehr verschiedenem Umfange verteilt sind.
In den dortigen niedrigen Breiten ist das zwar noch nicht auffallend
hervortretend; aber in den mittleren ist das Land so spärlich ver-
treten, dass es als fast fehlend angesehen werden muss. In den
hohen Breiten aber daselbst, im antarktischen Polarkreise, steht dann
die starrende Eiswand an. Ob man diese Region als einen Kontinent,
Jalireshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 188i). 6
— 82 —
oder als einen durch Eis verbundenen Archipel, oder als eine reine
Eiskalotte ohne alle festen Stützpunkte betrachten wolle , darüber
sich zu ereifern , ist kaum der Mühe wert. Selbst eine reine Eis-
kalotte (wenn man sich eine solche ohne alle festen Stützpunkte,
ohne eine Gruppe von Inseln, also ganz frei flottierend im Ozean
und doch festliegend denken könnte) unterscheidet sich in ihren kli-
matischen Erscheinungen und Wirkungen von einem Kontinent nicht ;
gefrorenes Wasser hat nicht die physikalischen Eigenschaften des
Wassers, sondern verhält sich ganz wie ein Mineral. Wenn man
also die starrende Eiswand der antarktischen Region nicht in Ab-
rede ziehen kann , so ist ein antarktischer Kontinent hiermit selbst
schon zugegeben. Es folgt somit hier auf eine von Land fast ganz
entblösste Zone unmittelbar eine solche, die vollständig mit Land
erfüllt ist. Das sind so starke Abweichungen von einer normalen
gleichmässigen Verteilung des Festen und Flüssigen , dass von der
Südhalbkugel Abstand genommen werden muss.
Viel weniger abweichend gestalten sich die Verhältnisse der Ver-
teilung auf der Nordhalbkugel. Hier sind überall , in allen Zonen,
sowohl Land als Meer, beide in ansehnlicher Ausdehnung, vorhanden,
so dass auch die Mittelwerte der Temperatur jedenfalls nicht
bedeutend von dem theoretisch normalen Werte abweichen können.
Für diese ganze Hemisphäre ist das Verhältnis von Wasser zum Land
60 : 40 Prozent im mittleren Durchschnitt.
Jene Zone, welche die grossen zusammenhängenden Landmassen
von Asien und Nordamerika umfasst, hat zwar sichtlich mehr Land
als dem mittlem Durchschnitt der ganzen Hemisphäre zukommt, und
zwar ungefähr im Verhältnis von 50 : 50 Prozent. Aber hier tritt
auch günstiger Weise eine Kompensation ein. Da nämlich diese
Landmassen zu einem grossen Teil schon in die hohen Breiten hinein-
reichen, so würde dadurch der Mittelwert der Jahrestemperatur hier
erniedrigt werden. Anderseits aber befinden sich in den glei-
chen Breiten die warmen Meeresströmungen im nordatlantischen
und nordpacifischen Ozean, welche die mittlere Wärme des Meeres
hier erhöhen. Eine Betrachtung des Verlaufs der Jahresisothermen
in ganz neuen Werken (z. B. Woeikof : Klimate der Erde, Taf. XH,
oder in Unser Wissen von der Erde, Taf. VH) lässt wirklich diese
Ausgleichungen ganz augenfällig hervortreten. Über die Kontinente
des nördlichen Asieil und Nordamerika hin steigen dieselben ebenso
stark abwärts, als sich dieselben über den entsprechenden Meeren,
dem nördlichen Atlantischen Ozean und nördhchen Stillen Meer auf-
— 83 —
wärts wölben und auch die räumliche Ausdehnung dieser entgegen-
gesetzten Kurven ist sehr annähernd die gleiche. Ein recht kon-
kretes Beispiel liefert hierfür die Vergleichung der mittleren Jahres-
temperaturen von Spitzbergen und Grinell-Land ; letzteres lässt mit
— 20*^ mittlerer Jahrestemperatur und ersteres mit — 9°, trotz ähn-
licher Breite, die Bedeutung der verschiedenen Lage recht deutlich
Jiervortreten. Ebenso in etwas weniger hohen Breiten die Faröer
verglichen mit Jakutsk. Zu dem gleichen Resultate, wie die Mes-
sungen der Lufttemperatur, führen auch die direkten Messungen der
Wassertemperaturen. Boguslawski gibt darüber in seiner Ozeano-
graphie (Bd. I, S. 238) an, dass die mittlere Temperatur des Was-
sers des nordatlantischen Ozeans in der Zone vom Äquator bis zum
bO^ n. Br. nach Ausweis von sehr zahlreichen Messungen um 2^^
wärmer seien, als jene des südatlantischen und desgleichen die Ge-
Avässer des nordpacifischen Ozeans in der gleichen Zone um 1" wär-
mer seien als die des südpacifischen. In noch höheren Breiten, als
-sie hier von Boguslawski berücksichtigt werden, müsste sich die
hohe Temperatur der nördlichen Gewässer noch viel deutlicher fühl-
bar machen ; denn hier erst kommen die ungewöhnlich hohen Luft-
iemperaturen der Faröer und der norwegischen Küste vor. Ander-
seits ist in der ganzen weiten Zone nur ein einziger namhafter Eis-
strom zu verzeichnen, der Labradorstrom ; der pacifische Ozean hat
überhaupt nur schmale und seichte Verbindung mit dem nördlichen
Eismeer und finden sich hier nur schwache Anfänge eines Eisstromes,
■der sich vom Ochozkischen Randmeer herausbewegt.
Es kann somit gar keinem gegründeten Zweifel unterliegen, dass
wirklich eine thatsächliche Ausgleichung der zu kalten Temperaturen
auf den Kontinenten durch die zu warmen auf den Ozeanen stattfindet.
Der Mittelwert von Land und Meer in dieser ganzen Zone
nähert sich hierdurch offenbar wesentlich dem theoretisch normalen.
In den niedrigen Breiten der nördlichen Halbkugel sodann tritt der
LTmfang des Landes mehr zurück, das Verhältnis ist hier ca. wie 70
zu 30 Prozent. Aber die kontinentale Qualität tritt daselbst
um so stärker hervor, weil die ganze Sahara mit ihrem exzessiv
kontinentalen Wüstenklima in diese Zone hineinfällt. Wäre die räum-
liche Ausdehnung des Landes in dieser Zone genau die numerisch
normale, so würde hier die Qualität des kontinentalen Klimas schon
merklich zu stark hervortreten (zu vergleichen die citierte Taf. VII
in : Unser Wissen von der Erde und bei Woeikof, Taf. XII) : so aber
wird der Mittelwert auch hier recht brauchbar sein.
6*
— 84 —
Das gilt jedoch nur von den Mittelwerten der ganzen Jahres-
temperatur. Sobald man nicht diese , sondern die Schwankungs-
amplitüden der Temperatur zwischen den entgegengesetzten Jahres-
zeiten (Sommer und Winter) berücksichtigt, so stellen sich die dem
kontinentalen Klima eigentümlichen exzessiv starken Schwankungen
in den höheren Breiten ganz deutlich heraus. Wir verweisen jedoch
darüber auf die Tabelle VI unserer Schrift (1. c. S. 33). Wenn die
nördliche Halbkugel schon aus den vorgelegten Gründen für die Er-
kenntnis des Normalklimas allein brauchbar ist, so kommt dazu noch,
dass die für den Zweck unserer Aufgabe so wichtigen fossilen Pflanzen-
abdrücke aus der nördlichen Halbkugel sehr reichlich, aus der süd-
lichen aber sehr spärlich vorliegen. C. v. Ettingshausen hat zwar
eine Anzahl auch tertiärer Pflanzen aus dem Festland von Neu-
holland und von Neuseeland bestimmt ; das sind jedoch nur schwache
Anfänge gegenüber den reichen Schätzen, die aus allen Breiten der
nördlichen Halbkugel gesammelt worden sind. Es fällt also auch
nach dieser Seite hin das Schwergewicht auf die nördliche Halbkugel.
Eine Vergleichung der Skala der Temperaturen des Seeklimas
und Normalklimas der nördlichen Halbkugel (cf. Tabelle 1 unserer
Schrift S. 8) ist nun sehr lehrreich nach zwei Seiten hin, weil sie:
1) den Betrag des Unterschiedes der Temperatur zwischen bei-
den unmittelbar erkennen lässt und
2) ebenso unmittelbar auch den Grund dieser Differenz angibt.
Der Grund kann selbstverständlich kein anderer sein, als der
direkt durch das Thermometer wahrnehmbare und messbare Einfluss
des Landes; und für den Betrag ist charakteristisch nicht bloss,
dass derselbe bedeutend ist, sondern dass die durch die geo-
graphische Breite hervorgerufenen Temperaturdiffe-
renzen bei dem Seeklima nur schwach, bei dem No rmal-
klima aber, durch den Einfluss des Landes, stark her-
vortreten.
Beides ist sehr wichtig ; denn es ist hiermit ein Weg gebahnt,
um weiter vorzudringen. Die Kritik könnte sich nur dann an ein-
zelne Ziffern anklammern, wenn man das Resultat erzwingen wollte,
dass man eine mathematische Formel daraus ableiten wollte, welche
für alle möglichen Fälle eine genaue numerische Anwendung finden
sollte. Allein das ist unsere Absicht nicht und es liegt hierzu auch
zur Zeit gar kein Bedürfnis vor. Es ist auch an sich liöchst un-
wahrscheinlich, dass die Entwickelung der klimatischen Zustände
streng nach einer mathematischen Formel sich vollzogen habe und
— 85 —
in einer solchen sich wiedergeben lasse. Schon die bedeutenden
faktischen Unterschiede der Temperaturen auf der nördlichen Halb-
kugel gegenüber der südlichen sprechen dagegen. Unsere Absicht
ist nur diese: ein Vers tändnis zu gewinnen für jene klimatischen
Erscheinungen der Vorwelt, welche so vielfach als ganz unlösbare
und widerspruchsvolle Rätsel aufgefasst werden. Hierzu genügen
aber vollständig jene Mittelwerte des Seeklimas und Normalklimas,
wie sie von Sartorius und Dove aufgestellt wurden, selbst wenn die-
selben von unvermeidlichen Beobachtungsfehlern sich nicht hätten
ganz frei machen können.
Unsere Hauptaufgabe aber ist, nachzuweisen, dass für den Gang
des weiteren Verfahrens zum richtigen Verständnisse des Klimas der
früheren Erdperioden dieser Weg und nur dieser Weg zum Ziele zu
führen vermöge. Das wird am klarsten hervortreten, wenn wir zuerst
die Methode von Sartorius besprechen und dann unsere eigene da-
mit vergleichen. Die grossen Verdienste von Sartorius werden hier-
bei ausdrücklich anerkannt und hervorgehoben.
Sartorius hat seinerseits den Weg eingeschlagen , dass er das
Seeklima direkt um gewisse Beträge verstärkte , ohne Berücksich-
tigung des Normalklimas und mit nur sehr unvollkommenen Kennt-
nissen ausgerüstet über die Anforderungen von selten der Palaeonto-
logen ^ In letzterer Beziehung kommt ihm allerdings zu seiner
Entschuldigung voll zu statten, dass ihm die Resultate der Palae-
ontologie noch gar nicht, oder nur in ihren schwachen Anfängen
bekannt sein konnten, da diese selbst erst in ihren wichtigsten Er-
gebnissen um mehr als ein Jahrzehnt später gefunden und veröffent-
licht wurden. Heutzutage aber wäre es ein unverzeihlicher Ana-
chronismus, wenn von diesen so sehr wichtigen Entdeckungen nicht
ein umfassender Gebrauch gemacht würde. Dass somit Sartorius,
wie er selbst sagt , die schwankende Bahn der annähernden Schä-
tzungen (cf. 1. c. S. 154) betreten musste , wobei in Irrtümer zu
verfallen fast unvermeidlich war, sieht man ohne weiteren Nachweis
ein. Er konnte, selbst wenn seine Schätzungen glücklicher aus-
gefallen wären, als sie sind, nicht ermessen, ob er damit über sein
angestrebtes Ziel (Temperaturen der Vorwelt) hinausschiesse , oder
hinter ihm zurückbleibe, weil ihm die palaeontologische Kontrolle
abging. Ohne diese aber wäre es reiner Zufall gewesen , wenn er
dennoch das Ziel richtig getroffen hätte. »
' cf. Untersuchungen über die Klimate der Gesrenwart und Vorwelt S. 323.
— 86 —
Aber auch noch nacli einer andern Seite hin fehlte ihm die
richtige Direktive , oder brachte er dieselbe nicht in Anwendung,
nämlich in welcher Gradation die Skala des Seeklimas zu ver-
stärken sei, um zu dem angestrebten potenzierten Seeklima der frühe-
ren Erdperioden zu gelangen. Eine Vergleichung mit dem Normal-
klima, das DovE schon 1852 aufgestellt hatte, hätte ihm hier die
Orientierung geben können ; aber Sartorius machte davon keinen
Gebrauch, vielleicht weil er ihm nicht das erforderliche Zutrauen
schenkte aus irgendwelchen Gründen ; sonst müsste es sich ihm
ganz nahegelegt haben , eine Vergleichung mit der von Dove ge-
fertigten Temperaturskala zu vollziehen, welche letztere Festland und
Wasser zugleich umfasst, also den Einfluss des Landes auf das Klima
bestimmt erkennen lässt. Offenbar gereichte diese Unterlassung sei-
nem Verfahren zum Nachteil, weil er sich nur auf seine Schätzungen
angewiesen sah und so konnte es nicht anders kommen , als dass
seine Resultate sich später als unzutreffende herausstellten , wenn
auch die prinzipielle Grundlage (Seeklima) richtig ist.
Zur objektiven Sicherung unseres eigenen Vorgehens aber haben
wir nicht bloss das Seeklima zur Grundlage genommen, wie Sar-
torius, sondern auch als weitere Stütze noch herbeigezogen da&
Normalklima (Dove) und als dritte Stütze fügen wir noch hinzu:
das palaeontologische Klima, wenn der Ausdruck erlaubt ist,
wie es durch die Untersuchungen der fossilen Pflanzen, besonders-
aus den Polarländern, von Heer sich ergeben hat. Die Vergleichung
von Seeklima und Normalklima gibt nach dem , was oben gesagt
wurde, die eigentümliche Gradation an die Hand, welche anzu-
wenden ist, um die Einflüsse des Landes in den verschiedenen geo-
graphischen Breiten möglichst zu überwinden, worin ja die auf-
fallendste Eigentümlichkeit, der eigentliche klimatische Charakter
der früheren Erdperioden liegt; die palaeontologische Skala aber lässt
den Betrag ermessen und abnehmen, wie w eit in dieser Richtung
voranzugehen ist. Oder mit andern Worten : die Skalen des See-
klimas und Normalklimas , miteinander verglichen, sind ein sicherer
Wegweiser dafür, dass heutzutage nicht bloss ein Einfluss des Landes
auf das Klima besteht, sondern auch dafür, in welcher spezifischen
Richtung und Abstufung dieser Einfluss sich äussert. Ihre Verglei-
chung liefert den Beweis, dass die Temperaturunterschiede der geo-
graphischen Breite nur dann sich energisch geltend machen , wenn
Landmassen vorhanden sind, und am meisten gilt dies in hohen Brei-
ten. Denn schon bei der Berechnung des Seeklimas der Gegenwart,
— 87 —
•wobei ja die Einflüsse des Landes, so gut als empirisch ausführbar
ist, ausgeschlossen wurden, stellen sich die Unterschiede der geo-
graphischen Breite nur als schwache oder sehr massige heraus. Sie
können aber ohne Anstand noch mehr verringert werden (durch Rech-
nung), wenn man nur einen soliden Anhaltspunkt besitzt, wie weit
man hierin gehen dürfe und müsse, um hinter dem angestrebten Ziele
weder zurückzubleiben, noch dasselbe zu überschreiten. Auch diesen
Anhaltspunkt besitzt man heutzutage, dank den Untersuchungen von
Heer, in der palaeontologischen Skala. Diese leistet den erwünsch-
ten und notwendigen Dienst, dass man einen klaren und speziali-
sierten Begriff nicht bloss von der Beschaffenheit des Pflanzenkleides,
sondern auch von den klimatischen Anforderungen der früheren Erd-
perioden besitzt. Der Kontrolle der palaeontologischen Skala muss
man sich deshalb jedenfalls bedienen und sich ihr unterwerfen, sei
es nun, dass man dadurch zur positiven Bestätigung des angewandten
Verfahrens gelange, oder zur Widerlegung desselben. Wenn es auf
diesem Wege nicht gelingen sollte, eine entsprechende Temperatur-
skala für die früheren Erdperioden herzustellen, die in gutem Ein-
klang mit den palaeontologischen Forschungen steht, so muss das
Verfahren falsch oder wenigstens mangelhaft gewesen sein. Die an-
gewandten Stützen des Verfahrens könnten zwar für sich selbst in-
takt bleiben, aber es wäre fraglich, ob sie die einzigen Faktoren
sind, welche hier in Anschlag kommen. Es könnte noch ein weiterer
Faktor oder auch mehrere bestehen , die ebenfalls einen Einfluss
ausüben, die aber keine Berücksichtigung gefunden hätten ; deshalb
müsste sich dann notwendig auch ein unbefriedigendes Resultat ergeben.
Wenn es aber gelingt, wirklich durch dieses Verfahren eine
entsprechende Temperaturskala herzustellen, so ist dieser Erfolg der
beste Beweis dafür, dass das Verfahren selbst richtig gewesen sei,
d. h. dass sämtliche massgebende Faktoren die verdiente Berück-
sichtigung gefunden haben.
Man darf nicht glauben, dass die Anforderungen, die durch die
Palaeontologie gestellt werden, sehr einfach seien, dass sie etwa nur
eine um ein paar Grade höhere Temperatur erfordern würden ; sie
sind im Gegenteil recht kompliziert, sogar rätselhaft, für verschiedene
geographische Breiten in ganz verschiedenen Verhältnissen
sich bewegend. Wenn desungeachtet gut klappende Temperatur-
tabellen für die verschiedenen Erdperioden hergestellt werden , so
kann hier kein Zufall im Spiele sein Die Steinkohlenpflanzan ma-
chen, nach der Lehre der Palaeontologen und Botaniker, ganz andere
— 88 —
Ansprüche, als die Molassepflanzen ; und wieder die Molassepflanzen
der höchsten Breiten ganz andere, als die der mittleren und der
niedrigen Breiten. All diesen sehr verschiedenen Ansprüchen muss
entsprochen werden. Hat man also mit falschen Faktoren gerechnet
oder wesentliche unberücksichtigt gelassen, so wird man alsbald auf
störende Inkongruenzen stossen. Die Herstellung aber von gut klap-
penden Temperaturskalen , sowohl für die alten Perioden , als auch
für. die Molassezeit, soweit man es billigerweise fordern kann, ist
die wirkliche bestätigende Probe des angewandten Verfahrens.
Hier von einem circulus vitiosus zu reden, ist völlig ungerecht-
fertigt. Der Sachverhalt liegt so : die fossilen Organismen der frühe-
ren Perioden verlangen (nach unserer Gesamtauffassung) ein mehr
reines Seeklima, als die Gegenwart irgendwo bietet, wobei die Ver-
schiedenheit der klimatischen Ansprüche während der älteren und
während der tertiären Formation zunächst ausser Betracht bleiben
kann. Die Phytopalaeontologie (Heer) hat die betreffenden Werte,
ganz von ihrem Standpunkt aus, zu eruieren sich bemüht.
Der Passus in der Urwelt der Schweiz (H. Aufl. S. 657) lautet (ab-
gekürzt) wie folgt: „Mit der obersten Kreide beginnt erst die zonen-
weise Verteilung der Wärme ; sie ist unzweifelhaft ausgesprochen in
der unteren miocänen Flora der arktischen Zone. Während die Tropen-
welt wahrscheinlich kaum beträchtlich heisser war als gegenwärtig,
war Mitteleuropa zu jener Zeit um ca. 9^0. wärmer als jetzt; Spitz-
bergen aber muss nach seiner reichen Waldflora noch bei 78° n. Br.
eine Jahrestemperatur von 9*^0. und das Grinell-Land bei 82*^ eine
solche von wenigstens 8*^ C. gehabt haben. Die Westküste von Spitz-
bergen hat gegenwärtig eine mittlere Jahrestemperatur von — 8°,6 C.,
ist also um 17°,6 C. kälter als zur Miocänzeit; im Grinell-Land betrug
die mittlere Jahrestemperatur bei 8V 44' n. Br. 1875/1876 — 20^13 C. ;
der Unterschied steigt also hier auf 28*^ G."
Das der Sachverhalt. Nun erwächst aber die Aufgabe, durch
Aufstellung eines gemeinsamen Ko effizient en die Skala des
Seeklimas der Gegenwart so zu behandeln, dass allen diesen gewiss
verschiedenartigen Ansprüchen genügt wird. Nicht für jedes
einzelne Glied der zehngliederigen Skala darf, je nach Bedarf,
immer wieder ein anderer Koeffizient in Anwendung gebracht wer-
den, das wäre ein circulus vitiosus ; sondern e i n und derselbe
Koefficient gilt für sämtliche 10 Glieder der Skala. Durch die An-
wendung eines einzigen Koeffizienten muss das Seeklima der Gegen-
wart sich so potenzieren lassen, dass die hierbei resultierenden Werte
— 89 —
mit jenen, die von der Phytopalaeontologie aufgestellt worden sind,
übereinstimmen. Bei der sehr grossen Verschiedenheit der letzteren
sieht man wohl, dass hier keine ganz einfache Anforderung gestellt
wird. Oswald Heer hat bei seinen Arbeiten keine Rücksicht darauf
genommen, ob und wie die von ihm gefundenen botanischen Werte
auch physikalisch erklärt werden können, und sämtliche Palaeonto-
logen machen kein Hehl daraus, dass man sehr weit davon entfernt
sei, all diese weit auseinandergehenden Werte unter einen Hut und
hiermit dieselben zum physikalischen Verständnis zu bringen. Wenn
nun aber doch dargethan werden kann, dass schon die Anwendung
eines einzigen Koeffizienten auf die Skala des Seeklimas der Gegen-
wart ausreicht, um allen diesen Anforderungen gerecht zu werden
und so eine Skala aufzustellen, die den auf palaeontologischem Wege
gefundenen Werten wesentlich entspricht, so ist hiermit der Beweis
geliefert, dass nicht mit falschen Faktoren gerechnet worden ist.
Wollte man diese Übereinstimmung dem Zufall zu gut schreiben, so
müsste man nachweisen , ob es wahrscheinlich sei , dass der Zufall
eine so ganz unbegreifliche Wirkung haben könne , und die Wahr-
scheinlichkeitsrechnung würde ein Resultat ergeben , das den Zufall
hier vollständig ausschliesst.
Wer einen andern Weg, als den hier von uns betretenen, ein-
zuschlagen vorzieht, mag das thun; aber solange er keine befriedi-
gende Skala herzustellen vermag, welche die Kontrolle der Phyto-
palaeontologie aushält, so lange ist keine Garantie gegeben, dass er
sich nicht auf dem Boden einer unkontrollierten Hypothese bewege.
Unsererseits glauben wir die Versicherung geben zu sollen, dass nur
das Zusammenklappen der Resultate aus den verschiedenen hier in
Betracht kommenden Disziplinen uns den Mut gegeben hat, diesen
Gegenstand in der Öffentlichkeit zu besprechen. Wenn also jemand
aus irgendwelchen Gründen von der Annahme ausgeht, dass ein
potenziertes Seeklima niemals bestanden habe, so muss er auf irgend
einem andern Wege durch Herstellung einer konkreten Tempe-
raturskala den Nachweis führen, dass die Wälder von Spitzbergen etc.
in früheren Perioden die Bedingungen zu ihrer Existenz gehabt haben ;
denn sowohl die Existenz als auch das Indigenat derselben ist von
Heer so gut erwiesen worden, als irgend eine naturhistorische That-
sache erwiesen werden kann (cf. Polarflora I. B. S. 14, 30, 49). Eine
Änderung in der Exzentrizität der Erdbahn ist aber dazu untauglich,
weil durch dieselbe nur die Unterschiede in den verschiedenen Jahres-
zeiten entweder exzessiver gemacht oder aber abgeschwächt werden
- 90 —
können , der Mittelwert aber der ganzen Jahrestemperatur gleich
bleibt. Bei einem Mittelwerte von — 8° C, was die heutige Tem-
peratur von Spitzbergen ist, kann aber weder die Holzvegetation der
Molassezeit, noch viel weniger die der Kreide- und Steinkohlenzeit
daselbst bestanden haben. Durch eine Änderung in der Lage der
Erdachse würden sodann die verschiedenen klimatischen Zonen wohl
räumlich in ganz andere Gegenden verlegt werden können, aber
die Temperaturen innerhalb dieser verschobenen Zonen selbst würden
sich nicht ändern , womit wieder nicht geholfen ist. Wollte man
aber zur Erklärung die Eigenwärme der Erde in früheren Perioden
herbeiziehen, welche durch warme und heisse Quellen den Boden
und die Luft so sehr erwärmt haben müssten , dass das Klima von
Spitzbergen die erforderlichen Eigenschaften erlangt hätte, so führt
das ebensowenig zum Ziele. Es ist nicht in Abrede zu ziehen, dass
in einem gewissen Stadium der tellurischen Entwickelung die Eigen-
wärme der Erde eine sehr grosse gewesen sein muss, so dass über-
all, selbst in polaren Gegenden, die Luft durch Berührung mit dem
heissen Boden und den heissen Quellen ganz bedeutend erwärmt
wurde. Aber dieses Stadium konnte nur während der azoi-
schen Periode bestanden haben; es konnte nicht einmal bis zur
Steinkohlenperiode andauern , noch weniger bis in die Molassezeit :
denn wenn der Boden der Erde eine solche Wärmemasse an die
Luft abgeben konnte, dass die Jahrestemperatur um einige Dutzend
Grade erhöht werden konnte, so musste schon in ganz geringer Tiefe
eine wirkliche Siedhitze bestehen. Dann konnten aber die
grossen baumartigen Gewächse , welche doch zu ihrer Befestigung
ihre Wurzeln in die Tiefe senden mussten, nicht bestehen, weil die
Siedhitze ihnen tödhch geworden wäre. Aus dem gleichen Grund
konnten auch keine Tiere des Wassers bestehen , so wenig als in
den heissen Quellen von Neuseeland heutzutage (Hochstetter). Des-
halb ist jene Erklärung unzulässig. Ein kleiner Zuschuss jedoch von
20 — 30 j^ ^ ^-g -j^jj Särtorius für die ältesten Perioden in Anrech-
nung bringt, unterliegt keiner Beanstandung und wird auch nicht
von der Hand gewiesen werden dürfen. Mit den azoischen Perioden
haben selbstverständhch wir jedoch hier nichts zu schaffen; unsere
Aufgabe besteht darin, dass wir nach Massgabe der fossilen Tier-
und Pflanzenreste die klimatischen Zustände jener Perioden physi-
kalisch zu erklären suchen, in welchen Tiere und Pflanzen wirklich
bestanden haben. Es mag jedoch genügen, auf die obigen Erklä-
rungsversuche und ihre Unzulänglichkeit hingewiesen zu haben.
— 91
Nur dagegen muss man sich mit Elntschiedenheit verwahren,
dass man die Argumentation sozusagen umkehre und ein Akklimati-
sations Fähigkeit seitens der Organismen unterstelle, welche ver-
mocht hätte, sich an jede Art von Klima im Laufe der verschiedenen
Erdperioden anzupassen. Das von Heer bearbeitete Material der
Nordpolexpeditionen beweist gerade das Gegenteil. Wenn jene Unter-
stellung richtig' wäre, so hätten die zur Molassezeit in Spitzbergen
bestandenen Waldbäume sich auch an das heutige Klima daselbst
(wenn auch mit Modifikationen) anpassen müssen und können, was
aber nicht zutrifft. Längst schon trägt der Golfstrom einzelne sehr
hartbeschalte Sämereien aus den niedrigen Breiten bis an die Ge-
stade der hochnordischen Länder^; aber sie sind weit entfernt, sich
in diesen Gegenden zu entwickeln und zu akklimatisieren. Da aber
früher solche Organismen daselbst thatsächlich bestanden haben, so
ist der Schluss gerechtfertigt, dass sie zwar damals ihre Existenz-
bedingungen auch in den höchsten Breiten gefunden haben, dieselben
aber heute dort nicht mehr finden , sicherlich nur aus dem Grunde
allein , weil daselbst das Klima sich ganz wesentlich geändert hat.
Die Erklärung muss sich nach den Thatsachen richten, nicht um-
gekehrt.
Dagegen leistet nun die von uns vertretene Warmwasserheizung
durch die ozeanischen Gewässer ohne Schwierigkeit die erforderlichen
Dienste. Schon das empirische ozeanische Klima der Gegenwart
(Sartorius) leistet hierin viel ; durch eine entsprechende Verstärkung
desselben , die aber ganz im Gebiete der Zulässigkeit liegt , wird
darin noch viel mehr geleistet , so viel , dass alle billigen Anforde-
rungen erfüllt werden. Die Tabellen III, V, YI unserer Schrift (1. c.
S. 27, 31, 33) sind ganz geeignet, diesen Beweis zu liefern für die
alten Perioden und die Tabelle YII daselbst (1. c. S. 48) für die
Molassezeit.
Wenn man sich somit der Vergleichung des Seeklimas und Nor-
malklimas als der empirischen Grundlagen bedient und noch die
palaeontologische Skala zur weiteren Orientierung herbeizieht, so
vermag man damit ein Ziel zu erreichen, das den Anforderungen
entspricht. Spekulationen sind, wie man sieht, hierbei ausgeschlossen.
Nun tritt aber die Aufgabe heran, auch solche Einwendungen
zu besprechen und zu beseitigen, die von benachbarten Gebieten aus,
besonders von der Geologie aus, gemacht werden können.
' cf. Heer. Flora foss. arctica. Bd. I, S. 14 Note.
— 92 —
III. Besprechung und Beseitigung einiger anderer Einwände.
1) Die Warmwasserheizung wird durch das Auftauchen des festen
Landes beeinträchtigt. Wenn dieses sich zu Kontinenten zusammen-
schliesst , welche , nach dem heutigen Massstabe , Hunderttausende
von Quadratmeilen messen, so schaffen sich dieselben ihr Klima selbst;
es entsteht das kontinentale Klima, welches in einem deutlichen und
scharfen Gegensatz zum Seeklima steht und der Besitzstand des
letzteren wird geschädigt oder ganz verdrängt. Solange aber das
feste Land noch nicht in geschlossenen Massen auftritt, son-
dern in Liseln und Archipelen zerteilt ist, so ist immer noch eine
Ausbreitung der Gewässer nach allen Seiten der Oberfläche hin er-
möglicht und damit eine Regulierung im Sinne des Seeklimas vor-
handen , wie anderseits das zerstückelte Land seine zu einem kon-
tinentalen Klima hindrängenden Eigenschaften nur wenig oder nicht
zu bethätigen vermag.
Man sieht, wie Warmwasserheizung und archipelartige Ver-
teilung des Landes in 'den alten Perioden miteinander stehen und
fallen, dass das Prinzip der Warmwasserheizung nicht aufrecht er-
halten werden kann, wenn man Kontinente in den alten Perioden
zulässt, dass aber auch anderseits, wenn man den Bestand von Archi-
pelen aufrecht erhalten kann, dadurch das Prinzip der Warmwasser-
heizung selbst eine weitere Stütze findet.
Man weist nun allerdings auf gewisse Landstrecken hin , die,
wenn sie auch nicht den Umfang von Kontinenten im heutigen Sinn
besitzen, aber doch von grossem Umfang sind (Canada, die Um-
gebung der Ostsee etc.), in welchen die alten Urgesteine stark vor-
herrschen und von meerischen Sedimenten nur wenige Spuren vor-
handen sind. Allein solche Erscheinungen können nicht mehr als
beweiskräftig angeführt werden dafür, dass diese Länder seit den
ältesten Zeiten festes Land gewesen seien , seitdem man die sehr
wichtige Rolle kennen gelernt hat, welche der Denudation und Ab-
rasion zugefallen ist (Richthofen, Süess). Ohnehin müsste der Mangel
an aufeinander folgenden Süsswasserbildungen in diesen Gegenden
darauf aufmerksam machen , dass hier der ursprüngliche Zustand
offenbar nicht erhalten ist, sondern dass Umänderungen vorgekommen
sind, welche sogar bis in die jüngsten Perioden hereinreichen können.
Dagegen ist eine andere Beweisführung zu gunsten des Bestandes
von Archipelen statt geschlossener Kontinente so naheliegend und,
möchte man sagen, fast handgreiflich, dass man das Gewicht der-
— 93 —
selben nicht wird abschwächen können; es ist die Auffindung von
zahlreichen Meerespetrefakten bis tief in die heutigen Konti-
nente hinein, während die Land- und Süsswasserfossilien sehr spora-
disch sind und zwar, je weiter zurück in der Reihe der Formationen,
desto spärlicher. Das ist ein selbstredendes positives Zeugnis für
die ehemalige Existenz von Archipelen an der Stelle der heutigen
Kontinente.
Der hauptsächlichste Grund aber, der , trotz dieses Zeugnisses,
doch für die Existenz von umfangreichen Kontinenten schon in den
ältesten Perioden angeführt wird, besteht darin: man müsse über
den Meeresspiegel emporragendes umfangreiches Festland annehmen,
um das Schichte nmaterial der späteren Formationen zu er-
klären, besonders die Sand- und Thonschichten. Das Material der
Kalkschichten könne sich im Meere selbst unter Mitwirkung der
Organismen gebildet haben, aber das Material der Sand- und Thon-
schichten (Grauwacken etc.) weise mit Bestimmtheit darauf hin,
dass irgendwo Land gewesen sein müsse und zwar ausgedehntes
Land, durch dessen Unterspülung etc. das Material in das Meer ge-
kommen sei, um so immer und immer wieder neue Sand- und Thon-
schichten zu erzeugen. Neumayr, Erdgesch. I, S. 367. Dieser Grund
ist genauer ins Auge zu fassen und zu prüfen. Zunächst ist zuzu-
geben, dass auf solche Weise und durch die Sedimente der Flüsse,
welche diese angenommenen alten Kontinente durchströmten , das
Material zu den Grauwacken und Sandsteinen, worunter auch die
groben Sorten begriffen sind, gebildet werden konnte.
Aber misslich ist, dass auf diesem Wege keine Zunahme
des Festlandes durch die ganze Reihe der Formationen hindurch
stattfinden konnte, sondern eine stetige Abnahme sich ergeben
haben müsste. Mögen die Sande etc. auch noch so oft umgesetzt
werden, so kommt doch kein weiteres Material hinzu, als jenes, das
schon ursprünglich als Festland über das Meer emporragte. Das
bisherige Festland verschwand nach und nach unter dem Meeres-
spiegel und es mussten schon recht günstige Zustände obwalten,
wenn nur gleich viel Land sich wieder über das Wasser erhob ; aber
ein Zuwachs konnte nicht erfolgen. Die fortwährende Abtragung
des festen Landes und Ausbreitung des Materials über die weiten
Räume des Meeres hin, auch in die Tiefen des Meeres hinein, be-
wirkte eine fortlaufende Nivellier ung der vorhandenen
Unebenheiten. Bei diesem Prozess aber könnte und müsste das
Land mehr und mehr und zuletzt ganz unter dem Meeresspiegel
— 94 —
verschwinden, vorausgesetzt, dass die Masse des Wassers so
gross ist, dass sie die ganze Oberfläche der Erde bedecken kann.
Letzteres ist aber der Fall, wie Krümmel berechnet hat, und zwar
in der Weise, dass nach Einebnung aller heutigen Kontinente das
Meer noch 2520 m. tief die ganze Oberfläche überfluten könnte ^
Man sieht, wie misslich diese Konsequenz ist und wie wenig
dieselbe mit den palaeontologischen Beobachtungen übereinstimmt.
Diese Auffassung vermag sodann auch nicht den geringsten Anhalts-
punkt zu liefern, um die wesentlichsten und unverkennbaren Züge
in der Physiognomie der Festlandmassen (zentrale Depressionen und
erhöhte Ränder) zu verstehen. Wir verweisen jedoch darüber auf
die Darlegungen in unserer Schrift (1. c. S. 138).
Es gibt aber auch noch einen andern Weg, um das Material
der Sandsteinformationen zu erklären.
Wir gehen davon aus , dass die Erhabenheiten der Kontinente
keineswegs schon in den alten Perioden vorhanden waren, sondern
durch einen Prozess, der in früheren Publikationen schon von uns
vorgeführt wurde, allmählich in kleinen Anfängen aus dem Meere
auftauchten. Hierbei mussten aber die Schollen notwendig den zer-
störenden Brandungsgürtel passieren und konnte hierbei
ebensogut eine grosse Menge von Sand etc. bereitet werden, als
durch die Unterspülung von von Anfang an bestehendem festem
Lande. Diese Zerstörungsprodukte wurden in das Meer vertragen,
aber die Brandung vermochte nicht alles zu verschlingen; weitere
Punkte von Festland rückten fortwährend nach, und wenn auch
Massen von Sand in das Meer gelangten und letztere das Material
zu neuen Schichten gaben, so wurde dadurch der Zuwachs neuen
Landes nicht unmöglich gemacht. Bei dieser Auffassung erklärt sich
auch die Beobachtung der Palaeontologen ganz einfach , dass die
Meeresfossilien in den alten Perioden so stark vorherrschen.
Freilich kann man noch zu der Behauptung greifen , dass die
alten Kontinente schliesshch auf den Grund der Meere nieder-
gesunken seien. Aber das ist nicht mehr als eine Behauptung,
die weit entfernt ist, begründet werden zu können. Man sieht im
■Gegenteil recht gut ein, dass eine Gegend, die in den ältesten Perio-
den schon ein Senkungsgebiet war, ein solches auch später werde
geblieben sein und sich nur noch mehr vertieft haben werde. Ge-
biete der Hebung aber, selbst wenn sie anfänglich auch noch nicht
cf. Morphologie der Meeresräume. S. 107.
— 95 —
über den Wasserspiegel hervorragten, fuhren fort sich zu heben und
bildeten die Sockel der späteren Kontinente. Das ist ein natür-
licher Prozess ohne Umkehrung der natürlichen Ordnung. Für ein
Niedersinken aber von grossen alten Kontinenten auf den tiefen
Orund des Meeres lässt sich gar kein Motiv ausfindig machen '.
Die Annahme von Archipelen ist somit für die alten Perioden
nach unserer Auffassung nicht abzulehnen, sondern lässt sich als ein
ganz natürliches Entwickelungsstadium begründen, womit die klima-
tischen und palaeontologischen Beobachtungen im Einklang stehen.
Die Annahme aber von umfangreichen Kontinenten für diese Perioden
hat mit den grössten Schwierigkeiten zu kämpfen. Dem Eindruck,
den die (marinen) Versteinerungen der alten Perioden machen, können
sich auch jene Geologen nicht ganz entziehen, welche die Existenz
'von uralten Kontinenten glauben verteidigen zu müssen. Neumayr
äussert sich gelegentlich so (Erdgesch. IL S. 140): „Indem der Geo-
log in den ältesten Ablagerungen beginnt, umgibt ihn nur marines
Leben, zuerst der hohen See, erst allmählich in jüngeren Schichten
kommen andere Erscheinungsformen hinzu. Sein Weg gleicht dem
des grossen Genuesen, der, eine neue Welt zu entdecken, zuerst den
Atlantischen Ozean durchschiffte. Lange Tage segelte die Expedition,
nur Meer und Himmel, nur die grünen Tangmassen des Sargasso-
meeres vor Augen, als Vertreter des pflanzlichen Lebens. Endlich
^ Darauf, dass die Meere als die eigentlichen Senkungsgebiete
zu betrachten seien, weist auch der merkwürdige Schlusspassus hin, mit dem
Prof. Suess den 1. Band seines Werkes: Antlitz der Erde (S. 778) abschliesst:
„Würden die tangentialen Spannungen in dem äussern Felsgeriiste der Erde sich
vollkommen das Gleichgewicht halten und würde dasselbe im stände sein, sich
als ein freies Gewölbe selbständig von allen Vorgängen der Erdtiefe aufrecht zu
halten, würden keine Einbrüche und Faltungen eingetreten sein, — so würde
wahrscheinlich die Oberfläche der Erde ein ziemlich regelmässiges Sphäroid dar-
stellen, allenthalben bedeckt von einer ununterbrochenen ozeanischen Hülle. Die
Einbrüche sind es, welche die Wasser in den tiefen Weltmeeren gesammelt haben;
hierdurch erst sind die Kontinente entstanden und sind Wesen möglich geworden,
welche durch Lungen atmen." Wir möchten hierbei auf unserem Standpunkt nur
den Umstand noch betonen, dass sicher die Kontinente nicht auf einmal entstanden
und schon in den alten Perioden als fertige Komplexe vorhanden gewesen sein
können , sondern dass sie notwendig das Stadium der Archipele langsam durch-
gemacht haben werden. In welchen Perioden endlich das kontinentale Stadium
selbst erreicht worden sei, darüber hat offenbar nur die beobachtende Palaeonto-
logie die letzte Entscheidung zu geben. Ob aber die in dem angeführten Schluss-
passus des I. Bandes ausgesprochene Idee genau die nämliche sei, welche ander-
wärts von Suess in seinem Werke durchgeführt wird, darüber enthalten wir uns
jeder Äusserung.
— 96 —
wird ein vereinzelter Treibholzstamm gesehen; man hofft auf nahes-
Land, aber wieder verschwinden die trügerischen Zeichen. Nach
einiger Zeit stellen sich wieder treibende Bäume, Zweige, Blätter
ein; ein vom Wind verschlagenes Insekt umflattert die Masten; die
Boten eines nahen reichen Pflanzen wuchses mehren sich und endlich
betritt die Mannschaft nach langer Fahrt an der neu entdeckten
Küste den tropischen Urwald."
Dieser Urwald im Sinne Neumayr's ist die Steinkohlenforma-
tion; sie verdient diesen Namen nach der Üppigkeit des Pflanzen-
wuchses; ob aber hier schon Kontinente anzunehmen seien, ist eine
ganz andere Frage. Land ist da , niedriges , sumpfiges über ver-
schiedene Breiten- und Längengrade hin zerstreut ; aber grosse trockene
Kontinente nachzuweisen, die diesen Namen auch nur mit einem
Schein von Recht beanspruchen könnten , das ist niemanden ge-
lungen.
Und nachher folgen dann wieder Schichten, die zwar nicht
ganz so stark vorherrschend, aber doch immer noch in stark über-
wiegender Zahl den meerischen Ursprung verraten , bis in das Ter-
tiär hinein , in welchem Landtiere und dikotyledone Pflanzen auf-
treten. Aber auch hier noch , wieviel fehlt bis zu den trockenen,
grossen, zusammenhängenden Kontinenten der Gegenwart !
Die Annahme von uralten Kontinenten scheint nur noch ein
zäher Rest zu sein von jener veralteten, allgemeinen Auffassung,
welche die Gebirge mit ihren oft zu Tag tretenden krystallinischen
Felsmassen, als den eigentlichen, uralten Kern, als das Gerippe der
Kontinente ansah. Bei den Gebirgen hat sich die Unhaltbarkeit
dieser Vorstellung längst ergeben, der Nimbus ihres Alters schwindet
immer mehr; die Palaeontologie hat den thatsächlichen Nachweis
geliefert, dass noch ganz junge Schichten an der Bewegung der
mächtigsten Gebirge teilgenommen haben.
Aber auch der nicht gebirgige Teil der Erdoberfläche, selbst
die Tiefebenen sind streng genommen doch nichts anderes als Ge-
birge, wenn auch die Energie der Bewegung hier weniger stark zu Tage
tritt. Sie sind Niederungen nur gegenüber den Gebirgen : gegenüber
den Meerestiefen sind dieselben schon entschiedene Höhenlagen
und zwar so, dass ihr Sockel noch tief unter den Spiegel des Meeres
hinabreicht. Wie das hohe Alter der hohen Gebirge hinfällig ge-
worden ist, so wird diese Annahme auch bei den Kontinenten nicht
aufrecht erhalten werden können. Die Palaeontologie hat auch hier-
für längst schon den Beweis geliefert dadurch , dass sie Meeres-
— 97 —
Versteinerungen der verschiedensten Formationen über die ganze
Ausdehnung der Kontinente hin, wie in den Gebirgen so auch in
den Ebenen, nachgewiesen hat. In neuester Zeit spricht sich
DE Lapparent sehr bestimmt dahin aus, dass „ein stetiger Fortschritt
in der Auftauchung von Festland zweifellos vorhanden sei; dass
beinahe die ganze Oberfläche der heutigen Kontinente von Asien,
Amerika, Europa und Afrika dem Meere entstiegen sei" (cf. Bulletin
de la Societe geol. 1887. Tom. XV. No. 3).
Noch deutlicher wird dieser Gegenstand beleuchtet werden
können, wenn auch die Erscheinungen der Tier- und Pflanzen-
verb reitung damit in Zusammenhang gebracht werden.
2) Die geographische Verbreitung der Tiere und Pflanzen in
der Gegenwart bietet zahlreiche und bedeutende Rätsel dar. Ein
erster Anfang der Zurückführung der Verbreitung der Pflanzen auf
solche Zentren, welche schon zur Molassezeit bestanden, ist Heer
gelungen durch den Nachweis eines Verbreitungszentrums und einer
radialen Verbreitung von den Gegenden des nördlichen Polarkreises
aus ^ Diese schöne Errungenschaft legt nun die Frage nahe : Wie
muss man sich die Verteilung des Festen und Flüssigen, zunächst in
jenen Gegenden und zu jener Zeit vorstellen, um nicht bloss die
Existenz einer solchen Flora daselbst, sondern auch ihre radiale Ver-
breitung von dort aus zu ermöglichen?
Ein Kontinent, der allenfalls von Spitzbergen nach Grönland
und noch weiter sich erstreckt hätte, ist dazu unbrauchbar; der-
selbe müsste nur geradezu seine physikalisch-klimatischen Eigenschaften
verleugnet haben ; denn es ist bekannt, dass bei dem sehr strengen
kontinentalen Klima in so hohen Breiten ein üppiger Holzwuchs, eine
VValdvegetation überhaupt nicht mehr stattfinden kann.
Anders, wenn nicht bloss in diesen hohen Breiten, sondern
überhaupt damals kein Kontinent bestand, wenn nur Archipele be-
standen haben, wenn der grosse Raum beispielsweise von Grönland
in Inseln aufgelöst war und ebenso die grossen kontinentalen Massen
im nördlichen Amerika und Asien und wenn überdies in den jetzt
inselleeren oder inselarmen Räumen der nördlichen Ozeane eine An-
zahl von Inseln, wenn auch nur von kleinerem Umfang, sich befan-
den. Unter solchen Umständen konnte eine Wald Vegetation auch
hier noch gedeihen, weil die warmen Wasser auf der Oberfläche des
Ozeans noch überall hin gelangen und eine Warmwasserheizung be-
' Zu vergleichen darüber: Schröter , Lebensbild ron 0 sw. Heer, S, 320.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Katurkimtle in Württ. 1889. 7
— 98 —
wirken konnten. Die Waldbäume von Spitzbergen hatten zwar zur Zeit
der Molasseformation schon fallendes Laub, waren also auf eine Winter-
ruhe eingerichtet ; aber die Winterkälte war eine massige und ver-
mochte die Kraft der Warmwasserheizung wohl zu schwächen aber
nicht vollständig zu brechen, wofür der ganze Charakter der da-
maligen Flora spricht.
Wenn also damals ein ozeanisches mildes Seeklima über einen
Archipel hin verbreitet war, ein Seeklima, das nicht durch Abschmel-
zung von Eisbergen etc. seiner Kraft schon beraubt war, und wenn
dasselbe mit der dem Seeklima eigentümlichen Gleichförmigkeit auch,
ohne bedeutende Steigerung oder Abnahme der mittleren Jahreswärme,
weit nach den andern Himmelsgegenden sich ausbreitete über Archi-
pele und Inselketten hin, so waren die Bedingungen für Ermöglichung
einer umfassenden Wanderung erfüllt. Diese Anordnung entspricht
den schwierigen Anforderungen der Pflanzen- und Tiergeographie
aus dem Grund am besten, weil sie einerseits die Wanderung er-
möglicht und anderseits dieselbe mässigt und einschränkt; das
eine ist so notwendig, wie das andere. Darauf weist auch Wallace
hin, wenn er bemerkt, dass die Hauptabteilungen der Geographie
ungefähr mit denen der Zoologie übereinstimmen und dass Verän-
derungen in der Verteilung von Flüssigem und Festem mehr durch
Hinzufügungen zu schon bestehendem Land erfolgt seien, als durch
Erheben gänzlich neuer Kontinente (cf. Geograph. Verbreitung der
Thiere Bd. I, S. 45, 47, ferner S. 464, 338, 534 etc.).
RüTBTEYER teilt ein recht lehrreiches Beispiel mit aus der heu-
tigen Tierverbreitung in dem Archipel der Sundainseln zwischen Neu-
holland und Asien. Es besteht nach ihm eine gegenseitige allmäh-
liche Abnahme und Erlöschen der Zahl der gemeinsamen Spezies,
wenn man sich von dem einen oder andern Verbreitungszentrum ent-
fernt oder eine Zunahme, wenn man sich ihm nähert. „Neuholland
hat 107 Beuteltiere; von hier weg in der Richtung nach Indien hat:
Neuguinea noch 10, die Aruinseln 9, Waigiu und Amboina noch 3
und Celebes nur noch 2 Beuteltiere. Umgekehrt hat in der Rich-
tung von Indien gegen Neuholland zu : Sumatra an echten Raub-
tieren 20 Arten, Java und Borneo 13, Celebes und Amboina nur
noch die Zibetkatze und den Rollmarder, Timor nur noch eine
kleine Katze ^ " Man sieht daraus, wie ein Archipel die Wanderung
ermöglicht, aber auch zugleich einschränkt.
' Rütiineyer, Herkunft unserer Thierwelt, S. IL
— 99 —
Ganz anders ist die Verbreitung bei einer l)reiten kontinentalen
Terbindung, wovon die grosse palaearktische Region (Wallace) als
Beispiel dienen mag. Diese Region nmfasst die weitausgedehnten
Landstrecken des nördlichen und mittleren Asien und Europa. Die
Hauptzüge der Tierwelt sind die gleichen. Wären aber diese Länder-
massen in ihrer Mitte durch einen breiten Meeresarm unterbrochen
und nur durch einen Archipel besetzt , so würden dieselben ohne
Zweifel in zwei viel schärfer getrennte Regionen, eine östliche und
•eine westhche zerfallen, weil dadurch die Hin- und Herwanderung
■eingeschränkt, wenn auch nicht aufgehoben würdet So gut nun
eine kontinentale Landverbindung passt, um die Verbreitung einer
typisch fast ehiheitlichen Tierwelt über einen weiten Raum hin zu
verstehen, so wenig passt dieselbe um das rätselhafte sporadische
Auftreten einzelner Tierarten in weit entfernten, durch Meere ge-
trennten Gegenden zu erklären. Das sind aber gerade die zahl-
reichsten und schwierigsten Fälle. Man hndet bei der Tier- und
Pflanzenverbreitung überall hin einzelne Beziehungen, aber mit vielen
.Lücken und Beziehungen , die nach den verschiedensten Himmels-
gegenden hinweisen. Zu ihrer prinzipiellen Erklärung leistet eine
archipelartige Beschaffenheit die besten Dienste ; denn ein Archipel
ist ein elastisches Prinzip, wie man es hier notwendig braucht;
•ein Kontinent ist schwerfällig, leistet bald zu viel, bald zu wenig;
letzteres besonders dann , wenn es sich um Wanderungen in der
Richtung der Meridiane handelt. Hier zieht schon der Unterschied
in der Temperatur des kontinentalen Klimas der Verbreitung ziem-
lich enge Schranken, während ein Archipel durch sein gleichförmiges
Seeklima einen weiten Spielraum lässt.
Selbstverständlich ist, dass zu gleicher Zeit, als das Land in
Inseln aufgelöst war, auch das Meer eine andere Physiognomie dar-
bot. Das Meer war breiter, weniger tief und ebendeshalb an vielen
Stellen mit Inseln besetzt, die heutzutage ganz leer oder wenigstens
ganz arm an Inseln sind. Die flächenhafte Geschlossenheit und
grosse Tiefe der Meere trat erst ein zugleich mit, oder besser, un-
mittelbar vor der Geschlossenheit der grossen Kontinente.
Mit einem Wort: die Differenzierung zwischen Land und
Meer war zuvor nicht so gross wie heutzutage; mit der Ver-
tiefung des Meeresgrundes verschwanden viele Inseln, welche zuvor
noch als Haltpunkt für eine Wanderung dienten , die nun aber bei
•der heutigen Ordnung der Dinge schwer zu begreifen ist.
' cf. Wallace, 1. c. Bd. 1, S. 276.
— 100 —
Um nochmals spezieller auf die von Heer nachgewiesene ra-
diale Verbreitung der Pflanzen ^ von dem arktischen Polarkreise aus
zurückzukommen, welcher leichtlich auch eine ähnliche Verbreitung
vom antarktischen Polarkreis aus entsprochen haben dürfte, so schliesst
sich die Annahme von Archipelen recht gut an jene schöne Ent-
deckung an, auch noch nach einer andern Seite.
In sehr hohen Breiten vermag eine Inselkette von ganz mas-
siger Ausdehnung für Verbreitung der Tiere und Pflanzen viel mehr
zu leisten, als in niedrigen oder mittleren ; denn dort verengert sich
das Netz der Längengrade, die Räume schliessen sich enger zusammen.
Eine Inselkette vermag dort zwei Erdhälften leicht zu verbinden,
die schon in mittleren Breiten durch gewaltig grosse Räume ge-
trennt sind. Die Räume konvergieren dort gegeneinander, wie
das besonders auch auf der Südhalbkugel deutlich hervortritt,
woselbst sich die Spitzen der Kontinente, die sich nach Süd vor-
schieben, einander deutlich nähern. Wie günstig hier eine limitierte
Verbindung durch Archipele, bei gleichzeitigem Bestand eines gleich-
förmigen, relativ warmen Seeklimas, wirken konnte, ist ohne weiteren
Beweis einzusehen.
Die Schwierigkeiten, welche gegen den Bestand von vorherr-
schenden Archipelen von selten der Pflanzengeographie her erhoben
werden, fallen hiergegen nicht schwer ins Gewicht. Der Hauptein-
wand ist der, dass schon die Tertiärflora so reich sei und so mannig-
faltig, dass hierzu nur Kontinente passen , aber nicht kleine Inseln.
Dagegen ist vor allem zu bemerken, dass bei unserer Auf-
fassung von Archipelen keineswegs bloss Inseln von kleinstem Um-
fang verstanden sind. Inseln von der Grosse von England oder Ir-
land unterliegen dem Einfluss des ozeanischen Klimas in hohem
Grade und vermögen von sich aus noch kein Kontinentalklima zu
erzeugen. Aber auf Festlandkomplexen von solchem Umfang ver-
mag doch auch schon eine mannigfaltige Flora sich zu halten. In
dem Wettbewerb fällt dann den Pflanzen der grösseren Inseln durch
ihre grössere Expansivkraft auch die grössere Bedeutung zu. Die
Molasseformation ist aber, wie es scheint überall, durch die Eigen-
tümlichkeit ausgezeichnet, dass selbst in solchen Gegenden, in wel-
chen nach dem Resultat von eingehenden Spezialuntersuchungen,
nur kleine Inseln bestanden haben konnten, doch eine sehr mannig-
faltige und reiche Flora existierte.
Wir können als Beispiel den bekannten Fundort Oeningen an-
' Zu vergleichen Schröter: Lebensbild von Oswald Heer, S. 307 u. f.
— 101 —
führen. Derselbe liegt innerhalb des weitausgedehnten, fast meer-
artigen Sees, der zur Zeit der oberen Molasseformation die Gegend
zwischen den Alpen und dem Jura weithin ausfüllte und so sehr
mit seinen Sedimenten in grosser Mächtigkeit bedeckte , dass für
grosse Inseln hier sichtlich kein Raum war. Und doch ist in Oeningen
wie weiterhin in Heggbach und Reissensburg etc. (abgesehen von
vielen unbedeutenderen Fundorten mit Resten von Schildkröten und
Krokodilen etc.) eine sehr reiche Flora, wie bekannt, vorhanden.
Was sodann die geographische Verbreitung der Tiere betrifft,
so spricht zu gunsten der archipelartigen Verteilung des Landes der
Umstand, dass abgesehen von Vögeln und Amphibien, auch die Säuge-
tiere der tertiären Periode vorherrschend Wasser- und Sumpftiere
waren, denen eine beträchtliche Schwimmfähigkeit nicht abgesprochen
werden kann. Die Palaeotherien sind den Tapiren , die Anthra-
cotherien den Nilpferden sehr nahe stehend und selbst den schweins-
artigen Tieren schreibt Wallace eine vorzügliche Schwimmfähigkeit
zu (1. c. Bd. I, S. 16). Wir brauchen kaum zu wiederholen, dass
auch hier, wo es sich um Verbreitung der Tiere handelt, nicht aus-
schliesslich nur kleinste Inseln anzunehmen sind, sondern auch solche
von stattHchem Umfange und dass die Unterbrechungen des Landes
durch das Wasser zwar viel zahlreicher , aber auch viel weniger
breit und tief waren, als heutzutage.
Aus all dem mag hervorgehen, dass die Annahme von Archi-
pelen nach verschiedenen Seiten hin einen Vorzug vor der Annahme
von Kontinenten in den früheren Perioden habe und erwächst da-
durch dem Prinzip der Warmwasserheizung eine weitere Kräftigung.
Der gesamte, stetige Entwickelungsgang der Erdoberfläche tritt hier-
durch in befriedigende Beleuchtung.
Sobald aber die Warmwasserheizung und was mit ihr verbun-
den war, beträchtlich geschwächt, wenn auch nicht ganz aus dem
Feld geschlagen wurde, so beginnt eine neue Ordnung der Dinge,
die sich sogleich im Beginn der neuen Aera, in der sogenannten Eis-
zeit, in sehr scharfen Zügen kundgibt.
3) Das Zurückweichen der Warmwasserheizung lässt sich er-
klären durch die Zunahme des Landes und das Vordringen des Fro-
stes und seiner Produkte von den Polen aus in immer niedrigere
Breiten. Nachdem festes Land, auch und besonders in hohen Breiten
aufgetaucht war, so konnte sich der Frost hier festsetzen, um seine
Herrschaft von da aus weiter auszudehnen. Damit wurde eine neue
Aera inauguriert; aber jene Erscheinungen, welche man als die spe-
— 102 —
zifisclie der Quartärzeit bezeichnen kann und welche diese Pe-
riode von andern, auch von der heutigen Periode, unterscheiden,
ist damit noch nicht erklärt, nämlich: die gewaltige Ausdehnung
der Eismassen von den Gebirgen herab und die Erscheinung des
sog. Inlandeises.
Wie sollen und können nun gerade diese spezifischeu Erschei-
nungen erklärt werden? Die Annahme, dass es eben einfach eine
solche Periode thatsächlich gegeben habe und dieselbe wieder that-
sächlich aufgehört habe, ist selbstverständlich ganz ungenügend.
Diese auffallenden Phänomene müssen erklärt werden, d. h. ihr ur-
sächlicher Zusammenhang muss begründet werden. Das empirische
Studium der Gletscherverbreitung in Europa und anderwärts ist sicher
weit genug gereift, dass man sich keiner Übereilung mehr schuldig
macht, wenn man sich dieser Aufgabe unterzieht.
In früheren Publikationen wurde von uns, unter Ablehnung von
aussertellurischen Ursachen , die Ansammlung von Schnee- und
Eismassen auf den geschlossenen Gebirgen als Prinzip aufgestellt
und zu begründen gesucht.
Im Gegensatz dazu bestehen aber auch andere Auffassungen,
deren Tragweite dahin geht, dass eine Ansammlung gar nicht mög-
lich sei; oder aber, dass die Annahme einer Ansammlung wenigsten»
ganz unnötig sei. Diesen beiden Gesichtspunkten müssen wir zur Auf-
rechterhaltung des Prinzips der Ansammlung eine Besprechung widmen.
Eine Ansammlung der Schneemassen in grossem Massstab kann
nur in geschlossenen Gebirgen, seien dieselben nun Kettengebirge
oder Plateaugebirge, stattfinden. Je zahlreicher und tiefergreifend
die Einschnitte, durch Erosion hervorgebracht, sind, desto leichter
wird sich das Schneematerial stetig und fortlaufend durch diese Ab-
fuhrwege entfernen können, so dass eine Ansammlung desselben gar
nicht oder nur in geringem Masse stattfinden kann. Bei den Ketten-
gebirgen können schon von Anbeginn wohl Längsthäler vorhanden
sein, ohne' dass dadurch der Charakter der Geschlossenheit des Ge-
birges aufgehoben wird ; denn diese sind , so lange sie nicht durch
Erosion nachträglich zubereitet worden sind, noch nicht tauglich, um
als Abfuhrwege aus dem Gebirge hinaus zu dienen. Die wirkliche
volle Zerstückelung dieser Gebirge tritt aber erst durch die Erosion
der Querthäler ein und damit auch die weitere Verhinderung der
Ansammlung in grossem Umfang.
Nun besteht aber vielfach die Anschauung, auf manche Be-
obachtungen in den Gebirgen gestützt, dass die Erosion der Ge-
— 103 —
birgsfaltung vorauseile, dass also schon das werdende, in der Auf-
richtung begriffene Gebirge eine Ruine sei. Wenn dies richtig wäre,
dann sieht man, dass ein Gebirge in keinem Stadium den Charakter
der Geschlossenheit besitzen könnte, sondern von Anfang an zer-
stückelt wäre, so dass hiermit eine Ansammlung der Schneemassen
in grossem Massstab ausgeschlossen wäre.
Es wird zuzugeben sein, dass an manchen Stellen der Gebirge
der Eindruck unmittelbar hervorgerufen werden kann: hier ist die
Erosion vorangeeilt; hier hat dieselbe während der Faltung mit
solchem Erfolg gearbeitet, dass sie die Faltung überflügelt hat. Das
wird besonders der Fall sein, wenn ein Gebirge seiner ganzen
Breite nach durch einen Flusslauf durchquert wird. Neümayr führt
solche Beispiele an, gegen welche nichts zu erinnern sein wird. Aber
er stellt sich auch mit Recht die Frage , ob das auch zutreffe bei
solchen Gebirgen, welche nicht ihrer ganzen Breite nach durch-
brochen sind, sondern einen Gebirg s kämm mit Wasserscheide
haben. Diese Frage hält er noch nicht für spruchreif. (Erdgeschichte
Bd. I, S. 440.)
Neümayr hat hiermit sicher den entscheidenden Punkt berührt;
aber nach unserer Auffassung ist diese Frage ganz spruchreif. Offen-
bar ist hier nicht die Erosion vorausgeeilt, sondern die Fal-
tung des Gebirges. Das Gebirge ist da, aber die Erosion ist ganz
sichtlich in ihrer Arbeit zurück ; dieselbe sucht gegenwärtig noch in
Schluchten und Klammen sich gegen den Gebirgskamm heraufzu-
arbeiten , das Gebirge vollends zu durchbrechen , hat aber dieses
Ziel immer noch nicht erreichen können.
In diesen Gebirgen wenigstens ist somit offenbar die Faltung
(Aufrichtung) voran , die Erosion aber zurückgeblieben ; denn sie
sind heute noch nicht ganz zerstückelt und waren es früher offen-
bar noch weniger, trugen deshalb früher den Charakter der Ge-
schlossenheit noch mehr an sich und ermöglichten dadurch eine An-
sammlung des Schnees in grossem Massstab.
Die weitere wichtige Frage ist nun aber diese: welche Be-
schaffenheit ist als die Regel, welche als die Ausnahme anzu-
sehen? Sind jene Fälle die Regel, dass die Gebirge durch Flussläufe
ihrer ganzen Breite nach durchschnitten sind , oder sind das Aus-
nahmen? Neümayr selbst gibt an: „dass Gebirge wie die Alpen,
Apenninen, Pyrenäen, Kaukasus, Anden etc. von keinem Fluss ganz
durchbrochen werden," womit auch jede Karte übereinstimmt, welche
bei diesen und wohl bei allen Gebirgen einen Gebirgskamm als
— 104 —
Wasserscheide erkennen lassen. Die ursprüngliche Geschlossenheit
der Gebirge ist somit so durchschlagend die Regel, dass hiergegen
jene Fälle, wovon Neumayr einige Beispiele angibt, als interessante,
aber als relativ recht seltene Ausnahmen sich ergeben.
Dabei handelt es sich nicht bloss um einen einzigen 'Gebirgs-
kamm mit der Hauptswasserscheide, sondern auch um jene zahllosen
kleineren Gräten und sekundären Gebirgsrücken, welche von ebenso
zahlreichen kleineren Rinnsalen umgeben werden. Diese Rinnsale su-
chen allerdings die trennenden Hindernisse mehr und mehr zu über-
winden , das ganze Gebirge bis in seine innerste Partien hinein zu
zerstückeln und zuletzt ganz abzutragen ; — allein dieser Erfolg
liegt noch fern. Die Arbeit der Zerstückelung, die so emsig betrieben
wird, aber doch fast noch nirgends ihr Ziel vollständig erreicht hat,
ist nur ein Beleg dafür, welche feste Geschlossenheit den Gebirgen
früher eigen gewesen war, wie leicht es somit den Schneemassen
gewesen sein mag, sich daselbst lange und in grossem Massstab an-
zusammeln. Nur das Zugeständnis wird zu machen sein, dass an
den äussersten und niedrigsten Ketten eines Gebirges die Erosion
alsbald, schon mit dem Beginn der Faltung und Aufrichtung begon-
nen haben könne, aber nicht an den Innern und höhern Ketten.
Hier verharrten die eigentlichen Sammlungsgebiete der Schneemassen
im Zustand der Geschlossenheit so lange, bis im weiteren Verlauf
der Erosion von aussen nach innen , auch an sie , aber erst später,
die Zerstückelung näher und näher herantrat. Die heutigen Firn-
mulden sind noch die schwachen Reste des früheren Zustandes der
ungleich grösseren Geschlossenheit der Gesamtheit des Gebirgs und
durch die stets weitergreifende Erosion wird auch der heutige Um-
fang der Firnmulden, wenn auch langsam so doch stetig, eingeschränkt
und parzelliert.
Die gleichen Gesichtspunkte wie bei den Kettengebirgen gelten
auch bei den Hochebenen und selbst bei den Tiefebenen, wenn
hier überhaupt die klimatischen Zustände so beschaffen sind, dass
der Schnee übersommern und sich sog. Inlandeis bilden kann.
Wenn eine Hochebene (Plateaugebirge), die bis in die Region
des ewigen Schnees hinaufreicht, von einem oder mehreren Flussläufen
ganz durchquert wird, so wird die Vermutung dafür sprechen, dass
hier wirklich die Erosion vorausgeeilt ist; dann werden aber auch
die Schneefelder, weil ihrem Material schon ein Abzugsweg offen
stand, nur geringen Umfang und geringe Mächtigkeit erlangt haben.
Ist das aber nicht zutreffend, so ist die Erosion offenbar im Rück-
— 105 —
stand und die Schneemassen konnten, beziehungsweise mussten sich
in grossem Umfang und ansehnlicher Mächtigkeit ansammeln. Eine
solche Hochebene ist nichts anderes als eine Firnmulde. Eine Tief-
ebene ist allerdings schon ihrer Lage nach weniger geeignet in
<lie Region des ewigen Schnees einzugreifen. Wenn aber das aus
irgendwelchen Gründen doch geschehen ist, so sind die Verhältnisse
für die Ansammlung hier sogar besonders günstig, weil in ihr das
Oefäll nur gering ist. In Gebirgen und Hochebenen gewinnt die
Erosion eine vermehrte Kraft durch das starke Gefäll. Hier, in der
Tiefebene , ist sie trag und deshalb haben die Ansammlungen des
Schnees Zeit genug , um sich zu grosser Mächtigkeit zu steigern,
immer vorausgesetzt, dass die klimatischen Verhältnisse sich nicht
ändern.
Eine andere Einwendung gegen das Prinzip der Ansammlung,
geht dahin, dass dieselbe gar nicht notwendig sei. Möge die Be-
schaffenheit der Gebirge gewesen sein, wie sie wolle, so genüge
schon die Annahme für sich allein, dass in der Quartärzeit die Menge
der Niederschläge überhaupt grösser gewesen sei als jetzt.
Das wird man aber kaum eine Erklärung nennen dürfen und
können. Denn vor allem wird es schwer halten, sich irgend eine
Vorstellung von der Massenhaftigkeit der Niederschläge zu machen,
um ohne Ansammlung derselben, solche Wirkungen fortlaufend her-
vorzubringen. Sodann möchte man einen Grund dafür wissen, warum
die Vermehrung derselben gerade in dieser Zeit so enorm gross ge-
wesen sei und endlich, warum die Menge derselben sich nachher so
ganz bedeutend sollte verringert haben. Man kann für letzteres
nicht einmal grosse Veränderungen in der Verteilung des Festen und
Flüssigen, oder Entstehung von Gebirgszügen etc. vorbringen; denn
gerade seit und während des quartären Zeitalters haben sich darin
keine grossen Änderungen ergeben. Auf die Möglichkeit allein aber
sich zu berufen, ist ungenügend.
Dagegen kann auf charakteristische Züge in der Physiognomie
<ler alten Gletscherlandschaften hingewiesen werden, welche deutlich
darauf hinweisen, dass im Beginn der Gletscherzeit eine Ansammlung
des Materials stattgefunden haben müsse.
Die alten Eisströme z. B. des Rhein- und Rhonethals haben
sich fächerförmig über die vorliegende Ebene hin ausgebreitet.
Diese spezifische Gestalt ist nicht weniger signifikant, als das Ma-
terial, aus dem die Schichten und Trümmerhaufen dieser Formation
bestehen. Kaum hat der Eisstrom die Gebirgsthäler verlassen, so
— 106 —
zeigt derselbe eine solclie Fülle und so gewaltigen Drangt
dass er sich fächerförmig auszubreiten bestrebt ist. Dieses geschlos-
sene Vordringen des Eisstromes weist, wie ich glaube, mit Bestimmt-
heit darauf hin, dass sein Material sich zuvor lange ansammelte, so
lange, als es einen Ausweg noch nicht hatte , um dann die ganze
Fülle des seit lange gesammelten Vorrats in die Ebene hinaus zu
entsenden. Die fächerförmige Ausdehnung macht einen ganz andern
Eindruck als den einer Verzettelung oder einer hin und her schwan-
kenden Bewegung, die sich schon durch den Einfluss der verschie-
denen Jahreszeiten, wie bei den heutigen Gletschern, ergeben müsste ;
sie macht den Eindruck vielmehr einer seit lange durch Ansammlung
vorbereiteten einheitlichen Invasion.
4) Schliesslich muss noch eines Einwandes gedacht werden,
der sich auf die Zulassung nicht bloss von Senkungen sondern auch
von Hebungen namhafter Teile der Erdrinde bezieht. Vor wenigen
Jahrzehnten oder Jahren noch wäre gar keine Veranlassung vor-
handen gewesen, auf diesen Einwand sich ernstlich einzulassen. Der
unmittelbare Eindruck, den die Gebirgsmassen ausüben, war so kräftig,
dass man ohne Beanstandung den Hebungen den weitesten Spiel-
raum einräumte. Prof. Süess und seine Schule wollen jedoch, wenn
auch nicht ohne Widerspruch (de Lapparext, Bittner), nur Senkungen
anerkennen, während die (scheinbaren) Hebungen nur als Begleit-
erscheinungen der Runzelung und Faltung aufgefasst werden.
Der einzige Fall von wirklicher Senkung und wirklicher He-
bung zugleich, der auch von Suess als Thatsache nicht beanstandet
werden will, wird von ihm auf S. 34 und 35 des H. Bandes seines
Werkes : Antlitz der Erde , mitgeteilt. Es ist jedoch nicht ersicht-
lich, ob und inwieweit diesem vereinzelten Fall irgend eine prinzi-
pielle Bedeutung eingeräumt werde. Das physikalische Prinzip, das
der gesamten Auffassung von Suess offenbar zu Grunde liegt, ist
am deutlichsten von ihm im I. Band seines Werkes S. 741 aus-
gesprochen. Hiernach ist „durchaus keine Kraft bekannt, welche
im stände wäre, zahlreiche grosse und kleine Gebirgsstöcke einzeln
oder zwischen glatten Flächen vertikal emporzutragen und im Gegen-
satz zur Schwerkraft dauernd in dieser Stellung festzuhalten."
Es ist zuzugeben, dass das Gewicht eines auch nur sehr massig
grossen Erdrindenteils oder einer Scholle so gewaltig gross sich
herausstellt, dass die hebende Kraft von Dämpfen und Gasen, die
man früher supponieren wollte, nicht zureichend ist. Diese mögen
genügen, um die explosiven Erscheinungen bei vulkanischen Aus-
— 107 —
brücheii, Emporschleuderung von Blöcken etc. zu erklären, reichen
aber nicht zu, um die Hebung von Schollen der Erdrinde zu bewirken.
F. Pfaff hat das Gewicht einer Scholle von nur 10 Kubikmeilen
berechnet (Mechanismus der Gebirgsbildung S. 62) und gelangt zu
so gewaltigen Zahlen, dass der Auffassung von Suess daraus eine
relative Berechtigung erwächst.
Dagegen kann nicht zugegeben werden, dass man eine Scholle
ganz und gar isoliert, d. h. von der Gesamtheit des Volums der
Erde unabhängig auffasst. Jede Scholle befindet sich in unmittel-
barem Kontakt mit dem Erdinnern und ebendamit mit der Gesamt-
heit des Volums der Erdkugel. Dieses letztere ist aber sehr gross
und sehr schwer gegenüber jeder einzelnen Scholle und überdies hat
das Erdinnere ein sehr bedeutendes spezifisches Gewicht und eine
sehr hohe Temperatur.
Verlässt man also den unberechtigten Standpunkt der Isolierung
der Schollen und fasst man dieselben in Zusammenhang mit der
gesamten Erdkugel auf, so ergibt sich ein ganz anderes Resultat.
In unserer Schrift (1. c. S. 152) wurde schon angeführt, dass
die tiefsten Meerestiefen und höchsten Bergeshöhen sich gegenüber
dem Durchmesser der Erdkugel nur verhalten ungefähr wie 1 : 1720.
Das wird aber viel anschaulicher werden, w^enn eine Reduktion auf
einen kleinen Massstab stattfindet. Nimmt man statt der Erdkugel
einen künstlichen Globus, dessen Durchmesser die stattliche Grösse
von 1 m hat, so verhalten sich hiezu, nach gleichem Massstab redu-
ziert, die Bergeshöhen des Himalaya circa wie ttVö ^ oder wie
O,0005-Jff§ m, das ist ein halb Millimeter. Die Alpen würden
sich darstellen wäe Erhöhungen von nur | mm. Das sind kaum
noch fühlbare Rauhigkeiten auf der Oberfläche eines metergrossen
Globus !
Dass die Hervorbringung solcher minimalen Unebenheiten an
sich kein Ding der Unmöglichkeit sei, glauben wir nicht weiter be-
gründen zu müssen, besonders wenn man dabei noch das bedeutende
spezifische Gewicht und die sehr hohe Temperatur dieses Globus in
Anschlag bringt. Im Gegenteil dürfte es einiges Befremden erregen,
dass die Unebenheiten auf der Oberfläche der Erde gar so gering
sind, verglichen mit dem gesamten Volum desselben.
Allein man darf nicht vergessen, dass die Erde noch keineswegs
am Ende ihrer geologischen Entwickelung angekommen ist. Jene
Kräfte, durch welche die Unebenheiten der Oberfläche hervorgerufen
werden, sind sichtlich noch keineswegs erschöpft, sondern es bestehen
— 108 —
noch gewaltige Reserven, die erst im Laufe der weiteren Entwicke-
lung in Aktion treten werden. Anders ist es bei dem Mond der Erde,
der in seiner geologischen Entwickelung offenbar schon wesentlicli
weiter vorangeschritten ist, als die Erde. Seine Berge erreichen zwar
nicht vollständig die absolute Höhe der höchsten Gebirge der Erde,
obwohl sie ihnen sehr nahe kommen ; wenn man aber bedenkt, dass der
Durchmesser des Mondes nur der vierte Teil des Durchmessers der
Erde ist, so ist klar, dass die Unebenheiten (Berge) des Mondes
relativ, d. h. verglichen mit seinem Durchmesser, wesentlich be-
deutender sind als die der Erde.
Ferner könnte die Vermittlerrolle, welche, nach unserer Auf-
fassung, bei der Hervorbringung der Unebenheiten der Erdoberfläche
den kalten Grundgewässern der Ozeane zufällt, beanstandet werden.
Man könnte sagen : das Volum der Gewässer der Erde ist nach
Krümmel (cf. Morphologie S. 103) nur g:^ 3 des gesamten Erdvolumens
und der Temperatur eines so geringen Bruchteils kann kein wesent-
licher Einfluss zugestanden werden ; sie muss sich assimilieren an die
Temperatur der ganzen Erdkugel.
Allein man darf nicht übersehen, dass durch die Vermittelung
der Gewässer wesentlich die kalte Temperatur des Weltraums
mit der Erde in Verbindung gebracht wird. Die Einwirkung der
Kälte auf das feste Land ist in hohen Breiten zwar hochgradig, aber
sie vermag doch nur wenig in die Tiefe zu dringen ; selbst die Kälte
von Sibirien dringt in den Eisboden bei Jakutsk nur einige hundert
Fuss tief in der Weise ein, dass die Temperatur dort noch unter 0^
steht. Die kalten Meeresgewässer aber setzen in einer Tiefe von
25 000 Fuss mit einer Temperatur von ca. 0^ ein, um dann von dem
Meeresboden mit grosser Energie, wie sie nur dem flüssigen Wasser
zukommt, Wärme abzufordern. Diese kalten Grundgewässer aber,
seien sie nun in mittleren Breiten oder in tropischen Gegenden, haben
ihren Ursprung in den Kälteprodukten der Polarkreise und hier ist
es offenbar die Kälte des Weltraums, welche mit Macht ihren
Einfluss geltend machen kann. Wir können jedoch hier auf die Dar-
legungen in unserer Schrift (Klima und Gestaltung der Erdoberfläche
S. 115 — 118) verweisen und fügen nur hinzu, dass auch Faye, worauf
wir am angeführten Orte (1. c. S. 118) ausdrücklich hingewiesen
haben, eine Auffassung veröffentlicht hat, welche mit der oben von
uns schon zuvor gegebenen in wichtigen Punkten übereinstimmt;
insbesondere darin, dass in den ozeanischen Gebieten die Rindenstücke
eine grössere Dicke und Dichtigkeit haben, als unter den Kontinenten
— 109 —
und dass diese Verdichtung durch die kalten Meeresgewässer her-
vorgerufen sei. Die Motive jedoch, die uns auf diese Auffassung
hingeleitet haben, sind aus deu neuesten Forschungen der Palaeonto-
logie (Heer) entnommen. Die Phytopalaeontologie vermochte den
Gang der klimatischen Entwickelung der Polarländer, sozusagen,
Schritt für Schritt zu verfolgen. Die zonenweise Ausscheidung der
Klimate erfolgte sehr langsam, deutlich erst seit der miocänen
Periode. iVber auch dazumal bestand in den Polärländern noch keine
hochgradige Kälte, sondern ein gemässigtes Klima ; erst gegen Ende
der Tertiärformation gev^rann der Frost seine volle Herrschaft und
dehnte sich zugleich bis in die mittleren Breiten (England) aus. Die
Fossilreste sind immer nur die thatsächlichen äusseren Symptome der
eingetretenen klimatischen Änderung; aber es ergab sich uns gleich-
zeitig auch der Schlüssel zum physikalischen Verständnis die-
ser Vorgänge, und zwar durch die Vergleichung des Seeklimas (Sär-
TORiüs) und des Normalklimas (Dove). Die Fortschritte des Frostes
stellten sich uns dar als durch den Einfluss des Landes bedingt, wie
anderseits die Änderung des Klimas nicht ohne Einfluss bleiben konnte
auf Senkungen und Hebungen. Es besteht somit eine Wechselwir-
kung zwischen Klima und Gestaltung der Erdoberfläche. Der Frost
ist für den von uns eingenommenen Standpunkt keine unvermittelte
Erscheinung, so wenig als Senkungen und Hebungen; dieselben haben
beide in kleinen Anfängen begonnen und beide wechselseitig auf-
einander eingewirkt bis dahin und fahren fort, aufeinander einzu-
wirken, auch für alle Zukunft.
Ebenso ist für uns die relativ gleichmässige Wärme, die Frost-
losigkeit der älteren Formationen, die durch die Palaeontologie als
eine nicht zu bestreitende Thatsache festgestellt ist, kein unlösbares
Rätsel, keine ausserordentliche Erscheinung, sondern sie ist der ur-
sprüngliche Zustand. Der intensiven und extensiven Warmwas-
serheizung war dazumal noch gar kein nennenswerter Gegner er-
wachsen; deshalb bestand dieselbe damals in ungeschwächter Kraft
und dauerte sehr lange an , bis in der Molasseformation die Aus-
scheidung der klimatischen Zonen deutlich, aber langsam sich ein-
stellte. Damit waren die heutigen klimatischen Zustände allmählich
eingeleitet und angebahnt
Wir müssen jedoch, um irrige Auffassungen zu beseitigen oder
denselben vorzubeugen , wiederholt betonen , dass nach unserer ge-
samten Auffassung die Gestaltungen der Erdoberfläche und die kli-
matischen Erscheinungen in Wechselwirkung zu einander stehen.
— 110 -
Es wäre freilich einfacher und durchsichtiger, wenn man sagen könnte
und dürfte : hier, auf der einen Seite ist die Ursache ; dort, auf der
andern Seite die Wirkung.
Allein wie es bei einer Menge von andern allmählich und lang
fortlaufenden Prozessen in der Natur geschieht, so auch hier; Wir-
kung und Ursache greifen ineinander über und bewegen sich in
mannigfaltigen Wechselbeziehungen.
Rückblick.
Es möge nun gestattet sein, auf die Hauptpunkte der vor-
stehenden Abhandlung einen übersichtlichen Rückblick zu werfen.
Die feste Grundlage, von der ausgegangen wird, ist :
1) Es besteht ein Seeklima, das sich durch eine relative
Gleichförmigkeit seiner Temperaturskala über die Breitengrade hin
und relativ ansehnliche Wärme in den höheren und hohen Breiten
auszeichnet (Warmwasserheizung) und das hierdurch eine typische
Übereinstimmung mit dem Klima der alten Perioden zeigt. Eine
Verstärkung desselben ist an sich möglich und zulässig und kann
das Bedürfnis derselben nachgewiesen werden.
2) Daneben besteht das Normalklima (gemischtes Klima).
Dasselbe unterscheidet sich dadurch von dem Seeklima, dass hier
die Einflüsse des Landes auf das Klima grundsätzlich in Rechnung
gebracht sind.
3) Eine Vergleichung beider untereinander lässt somit den
Einfluss des Landes auf das Klima hervortreten, wie derselbe heut-
zutage besteht, nämlich eine Verschärfung der Unterschiede des Kli-
mas und besonders in den hohen Breiten eine Verstärkung des Frostes.
4) Ob nun aber diese beiden Faktoren (Wasser und Land) die
einzigen und weit überwiegenden seien, welche das Klima bestimmen,
ob man also, durch Vergleichung beider, auf diesem Wege auch zur
Erkenntnis der Änderungen des Klimas der Vorwelt überhaupt ge-
langen könne, das muss erst erprobt werden und zwar durch eine
weitere Vergleichung mit dem palaeontologischen Klima, das
durch die fossilen Pflanzen an die Hand gegeben wird. Offenbar ist
■der Fall nicht zum voraus auszuschliessen , dass vielleicht durch
Änderungen in der Stellung der Erdachse oder der Exzentrizität der
Erdbahn etc. ein wesentlicher Einfluss auf das Klima der früheren
Perioden ausgeübt worden sein könnte. Wenn ein solcher Einfluss
stattgefunden hätte, so ergäbe sich dadurch eine Komplikation, die
nur schwer zu entwirren sein würde, weil diese Faktoren das Klima
— 111 —
5iach einer Richtung beeinflussen würden, die ihnen spezifisch zu-
kommt und jedenfalls von den klimatischen Folgen der Zunahme des
testen Landes abweichen würde. Der Versuch, die Änderungen des
Ivlimas in den früheren Erdperioden nur auf die Grundlage der Ver-
teilung von Wasser und Land (Seeklima und gemischtes Klima) zurück-
zuführen, müsste somit alsbald auf wesentliche Inkongruenzen stossen
und aufgegeben werden.
Fällt aber dieser Versuch so aus, dass keine wesentlichen Li-
kongruenzen sich ergeben, sondern eine recht zufriedenstellende Über-
einstimmung mit dem palaeontologischen Klima, so wird daraus deut-
Hch genug hervorgehen, dass die in Anwendung gebrachten Prinzipien
"wirkhch die massgebenden bei der Entwickelung des tellurischen
Klimas gewesen sind. In der Herstellung der erforderlichen Tempe-
xaturskalen liegt die thatsächliche Erprobung des Verfahrens.
Ob aber das eingeschlagene Verfahren überzeugend sei und Zu-
trauen verdiene? Nicht überzeugend wäre dasselbe, wenn:
1) die Grundlagen desselben rein hypothetisch wären oder gar
den physikalischen Gesetzen widersprechend. Aber weder das eine
noch das andere trifft zu. Eine ozeanische Warmwasserheizung be-
steht thatsächlich (England, Irland, skandinavische Westküste etc.),
^venn dieselbe auch heutzutage vielfach, oder besser überall, durch
konträre (offene und versteckte) Einflüsse herabgedrückt ist. Ebenso
I)esteht ein gemischtes oder Normalklima (Meer und Land einschlies-
send), das in seinen Mittelwerten auf der nördlichen Halbkugel sich
als praktisch brauchbar herausstellt. Die Vergleichbarkeit beider und
die unmittelbaren Folgerungen aus der Vergleichung derselben sind
wohl nicht zu beanstanden. Denn der Grund der Differenz zwischen
Seeklima und gemischtem Klima (oder Normalklima) liegt ganz klar
vor Augen. Er liegt darin, dass bei dem Seeklima solche Stationen
ausgewählt sind, bei denen (empirisch) das Wasser allein das Klima
beherrscht; bei dem gemischten Klima (Normalklima) aber wird auch
die Bedeutung, die dem festen Land hierbei zufällt, ausdrücklich be-
rücksichtigt. Die Abstufung sodann, die sich bei der Differenz zwi-
schen beiden Arten von Klima ergibt, ist keine zufällige, sondern
eine charakteristische. Sie zeigt, wie durch den Einfluss des Landes
die Temperatur der hohen Breiten besonders herabgedrückt wird,
wie aber das Seeklima, je reiner dasselbe ist, desto mehr die durch
die geographische Breite bewirkten Unterschiede der Temperatur
auszugleichen und zu überwinden vermag.
Eine Einwendung hiegegen wäre nur berechtigt, wenn die be-
— 112 —
nützten klimatischen Tabellen von Sartorius und Dove ihrer Methode
oder ihrer empirischen Grundlage nach veraltet und unbrauchbar
wären. Die Berechnungen von Dove wurden in neuester Zeit (1885)
einer Revision unterzogen und in der Hauptsache richtig befunden ^
Gegen Sartorius wurde wirklich schon der Einwand erhoben , dass
seine Tabellen des Seeklimas veraltet seien. Auf die Methode sei-
ner Berechnungen kann sich dieser Vorwurf jedoch nicht beziehen ;
denn Sartorius hat sich wie Dove der Methode der kleinsten Qua-
drate bedient, die auch von Hann und Spitaler angewandt wurden..
Was aber die Grundlagen, das Material, das der Berechnung em-
pirisch zu Grund liegt, anbelangt, so heben wir nur die zwei wich-
tigsten Stationen im nordatlantischen Ozean hervor, bei welchen
wesentlich die Entscheidung liegt für den gesamten Charakter des
Seeklimas der nördlichen Halbkugel. Für die Faröer und Reikia-
vik hat Sartorius eine Jahrestemperatur von 5°,60 R. und 3*^,30 R.
aufgenommen ; Hann (1883) führt für dieselben an : 6^,30 C. (in
Thorshavn) und 3*^,30 C. (in Reikiavik). Der klimatische Charak-
ter dieser wichtigsten Stationen ist somit nach beiden Autoren we-
sentlich der gleiche ; die Unterschiede bewegen sich nur innerhalb
der Dezimalstellen". Anders ist es bei der südlichen Halbkugel,
für welche Hann ein grösseres und besser beglaubigtes Beobachtungs-
material zu Gebot stand, als Sartorius möglich war. Hier wurde
aber dies Resultat der HANN'schen Berechnungen ausdrücklich von
uns benützt und mit jenem von Sartorius verglichen (cf. Klima und
Gestaltung etc., Tabelle H, S. 10 und Tabelle IX, S. 95). Die Aus-
stellung, als ob wir uns in der citierten Schrift auf veraltete Quellen
und Hilfsmittel gestützt hätten, ist somit ganz unberechtigt. Nach
unsern Begriffen von Priorität sind die Angaben jenes Autors zu be-
achten und zu eitleren, der zuerst einen Gegenstand wissenschaft-
lich behandelt hat, jedoch selbstverständlich nur soweit, als die-
selben nicht veraltet sind; was aber richtig ist, veraltet nicht.
2) Nicht überzeugend wäre unser Verfahren, wenn die Ansprüche
der Palaeontologen nur als hypothetische oder gar absurde anzusehen
wären. Die Verantwortlichkeit darüber ist zunächst Sache der Bo-
taniker und Palaeontologen ; aber ihre Aufstellungen sind nicht bloss
nach unserem unmassgeblichen Urteil, sondern nach dem gesamten
Stand der Sache als wichtige Thatsachen zu respektieren, die we-
'■ cf. Dr. Spitaler: "Wärmeverbreitang auf der Erdoberfläche, S. 3.
- cf. Sartorius: Untersuchungen über die Klimate der Vorwelt, S. 121,
und Hann: Klimatologie S. 453 u. 714.
— 113 —
der beseitigt werden können, noch umgangen werden dürfen. Man
möge sich dabei nur erinnern , dass in Spitzbergen etc. Wälder mit
üppiger HolzVegetation thatsächlich bestanden haben, noch zur
Tertiärzeit, die eine speziahsierte Yergleichung mit der recenten
Wakivegetation ermöghchen und geradezu herausfordern. Wesent-
Uche und grobe Irrtümer können bei einem so grossartigen Material
und in so erfahrenen Händen nicht vorgekommen sein ^ Es sind
auch vorzüglich Nichtbotaniker , welche Heer gegenüber eine ab-
lehnende oder w^enigstens sehr reservierte Stellung einnehmen zu müs-
sen glauben. Die Fachmänner, wie Saporta, Engler, Geyler, Schrö-
ter'^ etc. teilen diese Bedenken keineswegs und nehmen keinen
Anstand, ihre Übereinstimmung mit Heer auszudrücken. Man darf
diese Übereinstimmung ohne Bedenken sogar auch auf die älteren
Phytopalaeontologen : ünger, Göppert, C. v. Ettingshausen ausdehnen,
obwohl dieselben teilweise (Unger und Göppert) schon vor dem
Erscheinen und Abschluss der Polarflora gestorben sind. Denn auch
diese Botaniker sahen sich bei ihren eigenen Arbeiten über die fossi-
len Pflanzen darauf angewiesen, die gleichen, vielfach exotischen
Geschlechter und Familien zur Yergleichung heranzuziehen, wodurch
sich eine prinzipielle Übereinstimmung derselben mit Heer nicht bloss
in der systematischen und morphologischen Auffassung der Pflanzen,
sondern notwendig auch in der klimatischen ergibt.
Es möge gestattet sein, hierfür ein Beispiel anzuführen. Alex.
Braun, Unger und Ettingshausen schwankten lange Zeit, in welche
lebende Familie sie gewisse, weit verbreitete und deshalb sehr wich-
tige Blätter der mittleren Tertiärformation unterbringen sollen. Heer
war durch sein vortreffliches Material von Oningen in den Stand
gesetzt, nicht bloss Blätter, sondern auch Früchte und blühende, be-
blätterte Zweige dieses Baumes zu untersuchen und auf Grund dieses
Materials das lebende Geschlecht Ciunamomum als das zutreffende
recente zu bezeichnen. In ihren späteren Werken nahmen nun Unger
und C. V. Ettingshausen keinen Anstand, die HEER'sche Bestimmung
zu adoptieren. Die Anerkennung der Existenz des Zimmtbaumes in
^ cf. Schröter: Lebensbild von Osw. Heer. S. 147, 152 u. a. a. 0.
- Prof. Schröter in seinem treulichen Lebensbild von Oswald Heer
gibt S. 406 einen Überblick, wie letzterer mit dem Skeptizismus allerdings schwer
zu ringen hatte, aber auch überall siegreich durchdrang, sobald ein näheres Ein-
gehen auf den Gegenstand selbst zu erreichen war. Besonders interessant ist,
wie auch Lyell und Hook er (1. c. S. 407, 408) Heer ihre sachliche An-
erkennung nicht länger vorenthalten konnten.
.Tahreahefte fl. Vereins f. vrtterl. N.'iturkunde in Wiirtt. 1889. 8
— 114 —
mittleren Breiten zur Tertiärzeit (im Verein mit vielen anderen Vor-
kommnissen) ist aber von solchem Gewicht , dass man wohl sieht,
wie auch die angeführten Botaniker wesentlich die gleichen oder
wenigstens sehr ähnlichen klimatischen Anforderungen stellen muss-
ten. wie Heer gethan hat.
Um sich einen Begriff zu machen , mit welcher Genauigkeit
und Umsicht Heer bei der Bestimmung der Temperaturverhältnisse
zu Werk ging, verweisen wir nur auf seine Untersuchungen in der
Polarflora, I. Band, S. 61 und VII. Band, S. 217 und folgende, so-
wie auf seine Tertiärflora der Schweiz, III. Band, S. 327 und fol-
gende. Man wird sich unter dem gewichtigen Eindruck, den diese
mühsamen und speziellen Studien machen, gewiss von dem Vorurteil
befreien, dass Heer seine in diesen Werken niedergelegten Resultate
mehr oder v/eniger aus der Luft gegriffen haben könne (cf. Schröter :
Lebensbild von Osw. Heer S. 157).
Untergeordnete häusliche Streitigkeiten sind damit nicht aus-
geschlossen , sondern ganz selbstverständlich ; aber ein Protest , um
ein Beispiel anzuführen, wie ihn Heer auf S. 75 im I. Hand seiner
Flora foss. arctica ausspricht, ist offenbar nicht bloss ein persönlicher
Akt, sondern im Namen der Prinzij'ien der gesamten Pflanzenkunde
ausgesprochen. Wenn später wieder einmal ein anderer Phyto-
palaeontolog das gleiche gewaltige Material untersuchen sollte, wel-
ches die sieben Bände der Polarfiora enthalten, so könnten, nach
unserem Dafürhalten, die Mittelwerte der von ihm abgeleiteten Tem-
peraturbestimmungen wohl vielleicht um 1*^ mehr oder weniger
differieren ; das wäre möglich, aber hierdurch wird die gesamte Grund-
lage nicht erschüttert.
Geophysiker und Meteorologen pflegen das Klima oft wesent-
lich und einzig nur nach den Gesichtspunkten aufzufassen, welche
sie auf Grundlage der g egenwärtigen Beschaffenheit der Erd-
oberfläche gewonnen haben. Das ist ein ganz berechtigter Stand-
punkt für die Beurteilung der heutzutage obwaltenden Zustände,
gilt aber nicht in uneingeschränkter Weise für die früheren Perioden
der Erde. Überträgt man aber dennoch diesen Standpunkt direkt
auf die geologischen Formationen, so setzt man sich in scharfen
Konflikt mit andern Wissenschaften. Man setzt dabei stillschweigend
voraus, dass der Frost sich im uralten Besitz der Erdoberfläche in
höheren Breiten befunden habe ; dadurch aber setzt man sich in
Widerstreit mit der Astronomie, Spektralanalyse und besonders mit
der Palaeontologie. Auf Grund ihrer Beobachtungen muss die letztere
— 115 —
sich dagegen verwahren, dass das Khma immer die gleiche Be-
schaffenheit gehabt habe wie heutzutage und wer einen unbefangenen
Blick sich bewahrt hat, muss darin notwendig der Palaeontologie
ihr Recht widerfahren lassen. Diese vermag mit Sicherheit aus der
Beschaffenheit der fossilen Organismen (ob Meeres- oder Landtiere)
nachzuweisen, dass in der Verteilung des festen und flüssigen, also
in einem anerkannt sehr wichtigen klimatischen Faktor und in der
Ausdehnung desselben sehr starke und tiefgreifende Änderungen ein-
getreten sind. Sie vermag ferner mit Sicherheit nachzuweisen, in
welcher Richtung diese klimatischen Änderungen sich vollzogen
haben. Die fossilen Pflanzen und Tiere von Spitzbergen und Grön-
land verlangen zu ihrer Existenz absolut ein wärmeres Klima, als
heutzutage dort besteht. Sie vermag aber noch einen Schritt weiter
zu gehen und durch genaue und umsichtige Vergleichung einer gan-
zen Reihe von sehr nahe stehenden (homologen) lebenden Arten auch
die Anzahl der Grade mit grosser Wahrscheinlichkeit zu berechnen,
welche diese fossilen Pflanzen als damalige mittlere Jahrestemperatur
erheischten.
Über solche wichtige Punkte darf man nicht einfach mit Still-
schweigen hinweggehen, sondern es erwächst die Aufgabe, den Ent-
wickelungsgang dieser klimatischen Änderungen zu verfolgen und sie
zum Verständnis zu bringen, wobei wesentlich die fossilen Organis-
men als Wegweiser und Kontrolle dienen müssen. Wer davon absieht
und eine Theorie sich aufbauen will, ohne Berücksichtigung der-
selben, räumt offenbar seiner Theorie eine Bedeutung ein, die ihr
nicht gebührt, jedenfalls nicht in diesem Umfang. Die fossilen Pflan-
zen, die nicht mehr aus der Welt geschafft werden können, erheben
Einsprache gegen diese theoretischen Aussprüche und verlangen ge-
bieterisch die ihnen gebührende Berücksichtigung.
Daraus ergibt sich ein weiteres und sehr einschneidendes Kri-
terium zur Beurteilung der Haltbarkeit oder Unhaltbarkeit des von
uns eingehaltenen Verfahrens. Dasselbe wäre verfehlt,
3) wenn der Unterschied zwischen den Anforderungen der Pa-
laeontologen und den resultierenden Ziffern der von uns angewand-
ten Methode so gross wäre , dass er als wesentlich zu bezeichnen
wäre. Die Berechnungen von Sartokius leiden wirklich an diesem
Fehler; sie weichen davon in den hohen Breiten teilweise um 6*^ — 8"
ab. Das ist so bedeutend, dass man wohl sieht, wie der von Sar-
TORius eingeschlagene Weg an irgend einem Gebrechen leiden müsse,
liege dasselbe, wo es wolle. Unsere eigenen Tabellen aber weichen
- 116 —
nur um 1** plus oder minus ab, was zu keinen Beanstandungen füh-
ren dürfte.
4) Misslich wäre es ferner, wenn man unserer Arbeit den Vor-
wurf machen könnte, dass dieselbe zuviel beweisen wolle. Deshalb
ist auch das Vorurteil zu beseitigen, als ob es eine Vermessenheit
sei, das Klima der früheren Erdperioden mit solcher Bestimmtheit
angeben zu wollen , dass man die Werte desselben in Tabellen zu-
sammenfasst. Aber weder Verdienst noch Verantwortung liegt hier
auf unserer Seite. Die Meteorologen und Mathematiker haben die
Tabellen für das Seeklima und Normalklima geliefert und die Phyto-
palaeontologen und Botaniker haben das ihnen zu Gebot stehende
fossile Material dazu benützt, um für eine so grosse Zahl von Lo-
kalitäten die mittlere Jahrestemperatur zu berechnen , dass hiermit
thatsächlich (wenn auch nicht formell) auch palaeontologische Tem-
peraturtabellen geboten wurden. Man wird denselben für ihre be-
deutende Mühe den Dank nicht vorenthalten dürfen. Von unserer
Seite ist aber weiter nichts geschehen , als dass der Nachweis ge-
liefert wurde, dass durch eine geeignete Benutzung und Verwertung
der Arbeiten der Meteorologen und Palaeontologen (Sartorius, Dove,
Heer) auch das Klima der früheren Perioden zum Verständnis
gebracht werden könne. Dass also von unserer Seite förmliche
Tabellen entworfen werden konnten, das hängt wesentlich ab von
dem Stand der weit geförderten Vorarbeiten der Meteorologen und
Phytopalaeontologen. Ohne sie wäre es gar nicht möglich, den
Gegenstand in Angriff zu nehmen. Die wichtigste und entscheidende
Förderung ist zu verdanken den Arbeiten von Oswald Heer. Wäh-
rend die Palaeontologen vor ihm sich begnügten und begnügen muss-
ten, nur in allgemeinen Ausdrücken über den allgemeinen Charakter
der klimatischen Zustände der Vorzeit sich auszusprechen, that
Heer, auf Grundlage des ihm und nur ihm zu Gebot stehenden
fossilen Materials, den entscheidenden Schritt vorwärts, dass er auf
konkrete ziffermässige Resultate hinarbeitete. Wer seine Werke
kennt, wird die Überzeugung gewonnen haben, dass er hierbei keine
Mühe und Arbeit gescheut hat und deshalb vollständig ausgerüstet
war, um diesen kühnen und wichtigen Schritt zu thun.
Das Bestreben , überall , wo es nur angeht , konkrete und
ziffermässige Werte einzusetzen, dürfte aber auch am besten geeig-
net sein, den Verf. vor dem Vorwurf zu schützen, dass er in seiner
Schrift (Klima und Gestaltung der Erdoberfläche etc.) sich auf dem
Boden von Spekulationen bewege.
— 117 —
Bedenklich wäre es sodann, wenn anderweitige gut begrün-
«lete Thatsachen K sei es aus dem Gebiete der Geologie oder Ozea)io-
graphie etc. mit den gefundenen Resultaten in unlösbarem Wider-
spruch sich befinden würden. Auf die wichtigeren Punkte wurde
jedoch schon im Text eingegangen ; auf alle denkbaren Bedenken
einzugehen, ist wohl nicht erforderlich, da viele derselben kaum irgend
einen objektiven Wert haben dürften.
Wie weit nun aber von dem Gebiete der Palaeontologie aus,
die ihre jetzige Bedeutung für die Geophysik wesentlich, wenn auch
nicht ausschliesslich, den Arbeiten von Oswald Heer verdankt, ein
Scherflein beigetragen werden könne , um auch auf anderweitige
Probleme , die sonst noch auf diesem Gebiete bestehen , ein nicht
ganz zu verschmähendes Licht zu verbreiten, das ist vorerst freilich
noch nicht zu ermessen. Doch mag es gestattet sein, auch solche
Fragen in Anregung und in Fluss zu bringen.
Die Palaeontologie signalisiert den Moment der beginnenden
Besitzergreifung des Frostes in den Polarländern, ungefähr in der
Mitte der Tertiärzeit. Damals bestanden noch Wälder in Spitzber-
gen etc., deren Bäume aber schon fallendes Laub hatten, somit auf
eine Winterruhe eingerichtet waren; sie weisen auf eine mittlere
Jahrestemperatur von -|- 9° C. (Heer) hin, wobei schon Kälteprodukte
des Winters, Eis und Schnee sich zeitweise einstellen können. Gegen
Ende der Tertiärzeit (Pliocän) werden schon ganz bedeutende Fort-
schritte des Frostes konstatiert, so dass in England nicht bloss die
^ Am meisten rätselhaft sind die sogenannten Talcbirschichten und andere,
die sich in weiter Ausdehnung um den Indischen Ozean vorfinden, worüber wir
auf Neumayr, Erdgeschichte, II. Band, S. 194 verweisen. Neumayr greift,
um wenigstens die Probe einer Möglichkeit der Erklärung durch eine Verschie-
bung der Erdachse zu machen, zu der unter den gegebenen Verhältnissen günstig-
sten Position und verlegt den einen Pol nach der Insel Ceylon, der andere fallt
dann in die Gegend von Mexiko (1. c. S. 197). Aber selbst eine solche gewisse
kühne Annahme beseitigt, wie Neumayr selbst bemerkt, die Schwierigkeiten
nicht. Bei so ganz rätselhaften Erscheinungen ist nach unserer Meinung zunächst
die volle Bestätigung der Beobachtungen abzuwai'ten. Sodann erinnere man sich
abei-* an die Blöcke im Flysch der Schweiz , die man auch anfänglich gar nicht
anders deuten zu können glaubte , als durch Annahme einer Eiszeit in dieser
Periode. Allein jetzt schon mehren sich die Stimmen, welche einer anderen Auf-
fassung den Vorzug geben, worüber wir auf die Urwelt von Heer, II. Aufl.,
S. 291 verweisen. Überdies ist auf eine Bemerkung in Gümbel's Grundzügen
der Geologie hinzuweisen (S. 256) , wonach „gekritzte und gestreifte Steine,
welche den erratischen Gletschergeschieben sehr ähnlich sind, auch bei rutschen-
den Bewegungen im Gehängeschutt sich bilden, wenn die Fragmente gepackt an-
einander liesen."
— 118 - •
Bewohner des Landes (Pflanzen) , sondern auch die Bewohner des
Meeres (Muscheln) deutliches Zeugnis hiervon ablegen. Also eine
gewisse zeitliche Koinzidenz zwischen dem Auftreten des
Frostes und Erhebung der mächtigsten Gebirge. Wir müssen darauf
noch etwas näher eingehen.
Früher war man geneigt, überall wo Gneisse und Granite vor-
kommen, ein uraltes Gebirge anzuerkennen. Man fand aber bald,
dass hiermit wesentliche Irrtümer begangen wurden, dass wohl das
Material sehr alt sein könne, dass aber, desungeachtet das Ge-
birge selbst, seine Entstehung durch Faltung etc. jung sein könne
und dass das oft wirklich nachweisbar sei. Der Grundsatz : Die
jüngsten Gebirge sind die höchsten und die höchsten die jüngsten,
findet jetzt keine Beanstandung mehr (cf. Neumayr, Erdgeschichte,
II, S. 398); und gerade die Tertiärzeit ist es, die durch .Gebirgs-
bildungen sich auszeichnet ; also innerhalb gewisser Grenzen ein Zu-
sammenfallen zwischen den tief greifenden Umgestaltungen auf der
Oberfläche der Erde und — dem Auftreten des Frostes in hohen
Breiten! Sollte das ganz zufällig sein? Ein solches Zusammentref-
fen ist immerhin ein bedeutsamer Wink, dass Klima und Gestaltung
der Erdoberfläche in Beziehungen zu einander stehen könnten;
es ist ein Gesichtspunkt, der festgehalten und verfolgt zu werden
verdient. Die bisherigen Theorien über gebirgsbildende Kräfte und
verwandte Gegenstände sind ja keineswegs schon ganz sicher in sich
selbst ruhend und ganz allseitig gereift, sondern bewegen sich noch
in recht starken Schwankungen. Vor wenigen Jahrzehnten sah man
(L. v. Buch, B. Studer, A. v. Humboldt) überall Hebungen, in neuester
Zeit will man gar keine Hebungen anerkennen, als nur solche, die
durch die Faltung hervorgebracht wurden : dagegen überall Senkun-
gen. Dieser jähe Wechsel zeigt für sich schon, dass beide Arten
von Auffassungen mit ansehnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.
Es wird somit gestattet sein , diese Erscheinungen auch unter dem
Gesichtspunkt zu betrachten, dass sowohl Senkungen (und diese zu-
erst) , als auch Hebungen stattgefunden haben und diese Vorgänge
in Verbindung mit dem Prozess der ungleichen Abkühlung zu setzen.
Die Gegenstände, an denen die Gesichtspunkte, von denen wir
ausgegangen sind, erprobt werden können, sind mannigfaltig: die
Verteilung des Festen und Flüssigen auf der Erdoberfläche ; die
Tektonik der Kontinente und des Meeresgrundes ; die Lage der Ge-
birge und Vulkanreihen gegenüber den Meeren und auch der Platz,
den sie in bezuff auf die Kontinente einnehmen etc. Wir haben in
— 119 —
unserer citierten Schrift die Verfolgung dieser Gesichtspunkte nach
all diesen Seiten hin durchzuführen versucht. Es konnte aber nicht
unsere Meinung sein, als ob für diese sämtlichen Erscheinungen eine
strikte und beweiskräftige Erklärung gegeben worden sei oder über-
haupt zur Zeit gegeben werden könnte. Aber die Zulässigkeit und
Berechtigung des eingenommenen, von der Palaeontologie ausgehen-
den Standpunktes selbst wird kaum zu beanstanden sein, sofern der-
selbe geeignet sein dürfte, ein tieferes Eindringen in das Verständnis
mancher Erscheinungen anzubahnen.
Offenbar ist es für die gesamte Auffassung der gegenwärtig
bestehenden Zustände unseres Planeten von g r ö s s t e r Bedeutung,
was für Begriffe man sich von der Lebewelt, von den Orga-
nismen, Pflanzen und Tieren der früheren Erdperioden macht.
So wichtig die Anwendung der Gesetze der Chemie und Physik
(Daubree) ist, so gebührt ihnen doch kaum mehr die erste Stellung,
seitdem die Palaeontologie, speziell die Phytopalaeontologie , durch
ihre gewaltigen Fortschritte die Möglichkeit an die Hand gegeben
hat, einen tiefen Bhck in die Lebe weit der Vorwelt und in ihre
Existenzbedingungen zu werfen. Die Belege, welche die Palaeonto-
logie für den Entwickelungsgang der Erdoberfläche vorzuführen ver-
mag und wirklich schon vorgeführt hat (Heer), sind von sehr hoher
Wichtigkeit, höheren Ranges noch als die aus der Physik etc. ent-
nommenen. Freilich ist auch die Palaeontologie noch lange nicht
fertig ; aber ihre Vollendung kann nicht abgewartet werden, so wenig
als bei anderen Wissenschaften. Sie braucht auch nicht abgewartet
zu werden ; denn schon ihre bisherigen Resultate geben eine genügend
gesicherte Grundlage zur Erklärung vieler einschlägiger Erscheinun-
gen. Insbesondere tritt die klimatische Entwickelung der Erdober-
fläche durch das von der Palaeontologie gelieferte Material in eine
hellere Beleuchtung. Wenn aber durch weitere Verwertung des
palaeontologischen Standpunktes sich auch nach anderen Seiten hin
Gesichtspunkte eröffnen, die von den bisherigen Auffassungen ab-
weichen , so ist das nur ein Beleg der grossen Bedeutung dieses
Wissenszweiges für die weitere Erforschung der gesamten Entwicke-
lungsgeschichte der Erde.
/
Psammoehelys Keuperina.
{xpd/Li/iiog Sand, /^'Ais- Schildkröte.)
Von Prof. Dr. Friedr. Aug. Quenstedt in Tübingen.
Mit Taf. I. IL
Aus unserm weissen Keupersandsteine von Häfner-Neuhausen
eine Schildkröte, deren Thorax 57 cm lang, 55 cm breit und 26 cm
hoch wurde, ist für die lebenden Petrefaktologen eine neue That-
sache, die sie mit demselben Interesse aufnehmen werden, wie einst
die verstorbenen den Mastodonsaurus aus unserer Lettenkohle von
Gaildorf, und den Phyfosaurus aus unserm Stubensand von Rüb-
garten (Jäger, foss. Reptil. Würtemb. 1828) : jener mit dem doppelten
Condylus der Frösche am Hinterhaupte : dieser mit den eingekeilten
Zähnen der Krokodile, deren Zahnalveolen zu den täuschenden Stein-
kernbildungen Anlass gaben (Flözgeb. Würt. 1843 pag. 108). Ob-
gleich der Name „Pflanzenechse" auf falscher Voraussetzung beruhte,
so mochte ich doch den viel spätem Belodon (Hdb. Petref. 1867 2. Aufl.
pag. 134) für die Knochen nicht aufnehmen, zumal da die veränderte
Benennung ebenfalls nichts Charakteristisches bedeutet, ja im Grunde
jetzt noch nicht völlig aufgeklärt ist (N. Jahrb. f. Min. etc. 1842. 302;
1860. 556: 1862. 332; 1864. 210), was man Belodon Plimingeri
und was Kapfß heissen solle. Mit Fhntosaurus komnit man in die-
sen Zwiespalt nicht, und jedenfalls fand sich unsere riesige Schild-
kröte ganz in demselben Zustande wie die „Pflanzenechse", denn
es ist ledighch ein Steinblock von 82 kg Gewicht, woran sich keine
Spur von organischer Substanz mehr findet, die unfehlbaren Wahr-
zeichen sind nur durch Linien, glatte Flächen und hohle Löcher etc.
ausgeprägt.
Ich danke den lehrreichen Fund Herrn Forstrat Dr. Tschernix(;
in Bebenhausen, der einst zu meinen ersten Zuhörern in der Petre-
faktenkunde zählte. Der Stein soll schon vor mehreren Jahren im
— 121 —
Bruch beiseite gelegt worden sein, aber erst dem Kennerblick memes
werten Freundes entging es nicht, dass darin Anzeichen von irgend
einem Wirbeltier steckten, das sich dann zu meinem Erstaunen beim
gehörigen Reinigen zu einer Schildkröte entpuppte. Die jetzt da-
selbst noch thätigen Arbeiter wussten nichts Bestimmtes mehr über
den Fund anzugeben, sie behaupteten nur etwas unsicher, dass darauf
eine dunkelfarbige Masse gelegen habe, die abgefallen sei. Das klingt
gar nicht unwahrscheinlich, und würde bezeugen, dass die tierische
Knochensubstanz ursprünglich noch nicht ganz zerstört war, wovon
sich jetzt an dem knorrigen Blocke auch nicht das Geringste mehr
findet. Dagegen haben sich auf dem schön gewölbten Rücken die
unzweideutigen Spuren von den 8 Rippen , und auf dem flachen
Bauche die Abdrücke von der Innenseite des Brustschildes noch so
gut erhalten, dass man zwar die Grenze der Knochenplatten im ein-
zelnen nicht finden kann, aber im ganzen steht es völlig über allem
Zweifel, dass hier die umfangreiche Bauchhöhle nach Schildkrötenart
geschlossen war. Auch die flach gerundeten Seiten geben einigen
Anhalt, doch darf man daran drei ausgeprägte etwas hervorragende
Zapfen ahc nicht übersehen, die durch deutliche Bruchfiächen be-
weisen , dass sie mit dem Gestein auf der Bauchseite zusammen-
hingen , und folglich auf ebensoviel länglich rundliche Durchbrüche
hinweisen , was namentlich auch ringsum durch die vollkommene
Glätte bewiesen wird, welche die Verwachsungsstelle des Rücken-
mit dem Bauchschilde in der Gegend der mittlem Rippen bezeichnet.
Herr Dr. G. Baur in New Haven, dem ich die Besichtigung, wie
manchem andern Freunde der Sache, doch nicht wohl vorenthalten
mochte, scheint dieses wichtigste aller markierten Kennzeichen, auf
dem vielleicht die einstige sichere Stellung im Systeme beruht, leider
gar nicht bemerkt zu haben. Bei dieser flüchtigen und nicht ganz
fehlerfreien Bemerkung war ich daher etwas betroffen, einen Namen
Froganochelys Qucnstcdtii für unsere Sache zu finden , ohne dar-
über vorher befragt zu sein (Bericht XX. Versamml. Oberrhein, geol.
Vereins zu Metzingen 14. April 1887 pag. 17).
Das grosse Stück ist der reinste Abguss von dem Hohlräume
des Tieres, wie einst beim Phtjtosaurus, woran jede Spur von organi-
scher Substanz fehlt. Ja es ist nicht unwahrscheinlich, dass beide
der gleichen Schicht im Sandsteine angehören, da die Fundorte nur
7 km von einander liegen. Leider fehlt Kopf- und Schwanzende,
was die Orientierung in Vorn und Hinten erschwert, daher nannte
Baur Beckenknochen, was in Wirklichkeit den Schultern angehört.
— 122 —
Doch wurde von mir alles so sorgfältig erwogen, dass jeder, wer Ge-
legenheit hat, meiner Darstellung nachzugehen, auch nicht den ge-
ringsten Anstand finden wird.
Die Wirbelsäule liess zwar ihre Spuren im harten Gestein
deutlich zurück, aber durch den Seitendruck haben die Umrisse der
Wirbelkörper so gelitten , dass man sie nicht mehr recht verfolgen
kann, sonst würde man sich durch die abnehmende Grösse von vorn
nach hinten mit einem Blick orientieren. Da hinten ein grösseres
Stück vom Steine fehlt als vorn, so könnte möglicherweise noch die
letzte Eippe weggebrochen sein , dann würde das vordere kürzere
gedrängte Paar, weil im ganzen jede Schildkröte 8 Pdppenplatten
haben muss, der erstem Platte angehören. Das erschwert zwar die
richtige Bestimmung des Geschlechts, thut aber der Beurteilung, ob
wir eine Schildkröte überhaupt vor uns haben oder nicht, keinen
Eintrag. Nach der Richtung der Rippen, die gewöhnlich in den letz-
ten sich stärker nach hinten kehren, würde man sich mehr geneigt
fühlen, unser angenommenes Vorn für Hinten zu halten. Allein diese
Regel ist nicht zu streng zu nehmen , besonders aber haben auch
die durchgehenden Röhren s s zu der angenommenen Stellung nicht
bestimmt, vor denen sich im Nacken eine flache Bogenlinie l hinum-
zieht, welche genau die äussern Winkel hh der breiten Öffnung be-
zeichnet, durch welche die Hände h (Vorderfüsse) mit zwischenliegen-
dem Kopf aus- und eingingen. Die Linie ist zwar nur schwach an-
gedeutet, aber je länger man den Abdruck des Steinkernes betrachtet,
desto klarer wird sie uns. Dadurch bekommt der Thorax vorn einen
gewissen Abschluss, der wegen seiner Kürze nur mit der Vorderseite
lebender Panzer in Übereinstimmung gebracht werden konnte. Dem-
nach müssten die Röhren ss, die man mit einem Gänsekiel 13 cm
lang verfolgen kann, dem Schulterblatt und keineswegs dem Darm-
bein entsprechen. Das Darmbein pflegt auch kürzer und plumper
als das Schulterblatt zu sein. Das möglichst sicher zu beurteilen,
habe ich die Löcher sr in ihrer natürlichen Grösse abgebildet, wie
sie am Ausgange auf dem Rücken erscheinen ; der Ausgang auf der
Bauchseite sb ist bedeutend enger, was besser zum aufsteigenden
Aste des Schulterblattes als des Darmbeines passt. Nur auf
einen Umstand muss ich die Aufmerksamkeit lenken: ich
konnte die hohlen Löcher von der Erde reinigen, und leicht Kiele (//)
durchstecken, diese konvergieren nach unten und divergieren nach
oben, was gerade bei lebenden Tieren umgekehrt zu sein pflegt. Die
ausfüllenden Knochen finden sich also jedenfalls nicht mehr in ihrer
- 123 —
ursprünglichen Lage , was sich leicht durch den Verwesungsprozess
erklären liesse. Aber abgesehen davon, wurde von der rechten Seite
ein Druck auf den Kadaver ausgeübt, welcher jedenfalls die rechte
Röhre aus ihrer natürlichen Stellung brachte, während die linke viel-
leicht die richtige ungefähr beibeliielt , wenigstens blieb sie noch
senkrecht.
Vor der Wirbelsäule zeigt sich der deuthche Abdruck eines
kurzen Wirbelkörpers (tv) , die Wölbung in der Mitte und die Fur-
chen an beiden Seiten deuten eine muldenförmige Ausbuchtung des
ursprünglichen Wirbelkörpers an. Derselbe liegt etwas erhabener,
als der unmittelbar darunter folgende mit dem Schilde verwachsene
erste Rückenwirbel, er entspricht daher offenbar dem achten Hals-
wirbel, welcher noch frei lag und daher beweglich war. Es ist kein
zweiter Wirbelkörper da, den man von seiner freien Oberseite be-
trachten könnte. Es läuft vielmehr von diesem Abdruck des letzten
Halswirbels eine tiefe Medianrinne fort, welche gut vom Erdschlamm
zu reinigen seine Schwerigkeit hat. Man sieht nur darauf von Zeit
zu Zeit Erweiterungen, welche mit den anstossenden Rippenköpfen in
bestimmter Beziehung stehen, und offenbar durch Abdruck der innen
hervorragenden Wirbelköiijer entstanden, die noch deutlich genug
zeigen, dass die vordem kräftiger und grösser waren als die hintern.
Die Rippen bezeichnete ich mit den Zahlen 1 — <W, da sie sehr
bestimmte Spuren hinterlassen haben, namentlich gehen von den
Stellen, wo zwei Wirbelkörper aneinander gelenkten, tiefe senkrechte
Rinnen aus, worin das Federmesser 8 — 10 mm eindringt, um den
weichen Boden herauszuholen, der sich darin festsetzte. Nach aussen
spitzt sich die Rinne zu und verflacht sich, weil dort der Rippen-
knochen mit dem Rückenschilde vollkommen eben verwächst; nach
innen gegen das Gelenk zweier anstossender Wirbelkörper bildet
sich dagegen ein vertieftes Dreieck aus, was man an der Glätte des
Gesteins zuweilen noch ziemlich sicher verfolgen kann, aber die
Seitengrenzen an dem verbrochenen Sandstein lassen sich nicht be-
stimmt erkennen.
1. Rippe zwar bloss 10 cm lang, hat aber mit ihrer Knochen-
masse einen tiefen Eindruck zurückgelassen, der einen markierten
Bogen macht, welcher seine Krümmung nach vorn kehrt. Der zu-
gehörige festgewachsene Rückenwirbel erscheint fast unmittelbar
hinter dem letzten Halswirbeleindruck (w) am grössten, seine Gelenk-
fläche ist durch eine tiefe Querrinne von 3 cm in der Breite be-
zeichnet. Der Rippeneindruck wird von dem Wirbel durch eine Ge-
- 124 —
Steinsbrücke {br) getrennt, worunter ein kurzer Kanal liegt, der wolil
ohne Zweifel den Querfortsatz des Wirbelkörpers einnahm! Dicht
hinter der ersten folgt die
2. Rippe, welche gestreckter als die erste ist, daher am äussern
Ende sich dieser sehr nähert. Auf der linken Seite erscheint sie
zwar nur flach, auf der entgegengesetzten rechten entspricht ihr aber
ein zwar schmaler, aber tiefer Schlitz. Es gewinnt den Anschein,
als hätten beide (1 und 2) einem einzigen vorn bauchigen Rippen-
schilde angehört. Auch die
3. Rippe wird zwar grösser , hat aber noch entschieden eine
Richtung nach vorn , das macht gerade die Stelkmg so zweideutig.
Näher dem medianen Wirbelkörper erbreitern sich beide je zu einem
vertieften Dreieck, die in der Mittellinie fast zusammenstossend einen
zierlichen Rhombus einschliessen, der sich in der Tiefe deutlich durch
eine geglättete Fläche im Sandsteine erkennen lässt. Auch der Ver-
lauf der
4. Rippe ist ähnlich, man sieht das namentlich an der Knochen-
platte zwischen 4 und 5, die vorn und hinten parallele Wände hat.
Anders wird das mit der
5. Rippe, die den ersten vier entgegengesetzt sich etwas nach
hinten kehrt, daher tritt der Zwischenraum von 5 und 6 hinten ein
wenig bauchig hervor. Derselben Richtung folgt die
6. Rippe, die noch so kräftig ist, als beide ihr vorhergehenden.
Die dreieckige Ausbreitung neben dem Wirbelkörper fehlt nicht, sie
verwischt sich jedoch mit dem Schwächerwerden der Wirbelsäule
immer mehr. Die
7. Rippe bleibt zwar mit ihren Knocheneindrttcken gegen die
vorhergehenden etwas zurück, aber ihre Richtung nach hinten nimmt
zu, bis endlich die
8. Rippe auf der linken Seite innen nochmals eine recht deut-
liche Gesteinsbrücke (br) zeigt, unter welcher zum Wirbel eine grosse
Höhle geht, die der Rippenknochen einnahm ; auf der rechten ist von
der Rippe nur ein Stück Abdruck geblieben, das Übrige brach weg.
Fassen wir nun den Raum zwischen den knochigen Teilen der
Rippen schärfer ins Auge, so fehlen zwar die Nähte, aber mit einer
Landschildkröte in der Hand meint man doch den Verlauf der Rippen-
schilder verfolgen zu können. Denn wenn auch die Knochenmasse
nur in der Rückengegend sich durch tiefe Rinnen verrät und auf
den Seiten durch Verwachsung mit dem Schildknochen gänzlich ver-
schwindet, so setzt sich doch unter den Knochenspitzen eine flache
— 125 —
Furche fort, die erst am äussersten Rande neben dem Brustschilde
gänzhch aufhört, und den ganzen Rücken gleichmässig in Felder
teilt. Die Mitte eines jeden Feldes erhebt sich etwas, und ist be-
sonders zwischen den Rippenschlitzen durch ganz flache breite Fur-
chen begrenzt, welche im weitern Verlaufe auf den Seiten enden,
wo nur noch die Eindrücke der mit den Schildern verwachsenen
Rippen sichtbar werden. Dazwischen verläuft die Rippenschildernaht
nnn, die man sogar auf der flachen Erhöhung zwischen den Rippen-
schlitzen stellenweis noch zu sehen meint. Mag man auch von den
Nähten keine sichern Spuren haben, so sieht man doch an der gan-
zen Einteilung, dass mindestens jederseits sechs vorhanden sein muss-
ten, wovon die erste zwischen Rippe 2 und 3 und die letzte zwi-
schen 7 und 8 fällt. Unten am Rande erscheinen deutlich drei etwas
hervorragende Zapfen ahc pag. 121, zwischen welche die Verwach-
sungsstellen des Bauchschildes mit dem Rückenschild fallen. Die
breiten Furchen der Rippenschilder erzeugen deutliche Lücken, welche
die Dreiteilung bestimmt erkennen lassen, während die drei Rippen-
nähte zwischen Rippe 3 und 6 scheinbar die Zapfen halbieren. Es
haben hier wahrscheinlich Randplatten gelegen, allein da die Nähte
vollkommen verwischt sind, so lässt sich darüber nichts Bestimmtes
sagen. Endlich gibt die
Seitenansicht, wenn auch die Nähte zum grossen Teil ver-
Avischt sein mögen, eine lebhafte Anschauung von der ansehnlichen
Höhe des Thorax, wie man sie namentlich bei Landschildkröten er-
warten sollte , wenn auch die Art der Verwachsung zwischen den
drei Zapfen abc damit nicht stimmen mag. Hätten wir auch nichts
als diese beiden Ansichten vom Rücken Fig. 1 und von der Seite
Fig. 4, so würde aus der Glätte, Wölbung und Einteilung schon das
treue Bild einer riesigen Schildkröte hervorgehen. Aber dieses wird
schhesslich noch durch den klaren Innern Abdruck des
Bauchschildes Fig. 3 unterstützt, das in der Mitte m durch
eine breite tiefe Furche halbiert ist, worin eine gänzlich verschwun-
dene Knochenleiste stecken musste. Gewahrt man auch hier nichts
von den Nähten der Knochenplatten, so meint man doch im Grunde
der Medianfurche in der zarten Mittellinie noch Spuren von der
Mittelnaht zu sehen. Leider ist die Hantierung mit dem schweren
Gestein zu mühsam, als dass man das gehörige Licht darauf fallen
lassen könnte, aber die Glätte von der Innenseite der Brust hat sich
auf dem rauhen Sandsteine so vorzüghch erhalten , dass der Beob-
achter kaum mehr wünschen könnte. Namentlich sind die Umrisse
— 126 —
der Öffnungen der Gliedmassen sehr kenntlich ausgeprägt: vorn bei HH
schneiden die Handausschnitte parabolisch ein, der äussere Schenkel
davon schliesst sich unmittelbar an die Bogenlinie l im Nacken an :
auf der rechten Seite litt der Ausschnitt zwar etwas durch Druck,
aber im ganzen that das dem Bilde keinen wesentlichen Eintrag.
Zwischen beiden Innern Schenkeln brach das Brustschild weg, so
dass eine vordere Grenzlinie von etwa 1 2 cm stehen blieb, die wegen
des erlittenen Drucks von der Medianfurche nicht genau geteilt wird,
der Raum rechts fällt etwas grösser aus als links. Am Hinterende
zwischen den Fussausschnitten jPjP, die einen mehr hyperbolischen,
aber ebenfalls schön geschwungenen Umriss haben, fiel der Abbruch
des Gesteins zwar etwas ungünstiger aus, aber das Bild wurde auch
dadurch nur wenig gestört, es blieb zwischen den innern kürzern
Schenkeln noch eine Breite von reichlich 15 cm des Bauchschildes
übrig, während die ganze Länge zwischen den Bruchflächen von vorn
nach hinten 44 cm beträgt, und die Breite in der Mitte 54 cm er-
reicht, die im wesentlichen von der innern Schildseite vollständig
geglättet ist. Zu den Seiten erheben sich obengenannte Zapfen ahc,
welche durch eine Furche deutlich getrennt werden, so dass vorn
und hinten noch je ein vierter und fünfter sich angedeutet findet,
die man jedoch nicht mehr sicher unterscheiden kann. Fehlt es
auch an deutlichen Nähten, so war jedenfalls die Unterseite in der
Mitte vollständig geschlossen, nur hart am Rande kommen offene
Stellen vor. Man könnte sogar vorn in unsicheren Linien das un-
paarige neunte Schild (Entosternum) vermuten wollen, aber dazu ist
das Stück nicht deutlich genug, obwohl der Schwung in der ganzen
Ebene sich auf das beste erhalten hat, bis auf die Löcher ./; und y,
die uns an die Gliedmassen erinnern könnten, welche durch ihr Her-
vorstossen die auffälligen Verletzungen herbeigeführt hätten. Sie
sollten dann freihch Röhren entsprechen, die wie bei den Schulter-
blättern s s deutlich ins Innere führten. Aber davon ist absolut nichts
zu merken. Eine flache Erhöhung zwischen den Austritten der Glie-
der H und F fällt nach allen Seiten schwach ab , und namenthch
muldet sie sich gegen die Medianlinie etwas zu, doch wesentliche
Merkmale wird man daraus für das Geschlecht nicht schöpfen.
Haben auch kleine Verdrückungen und zufällige Schürfungen
die Vollkommenheit des Bildes etwas beeinträchtigt, so wölbt sich
doch der Steinkern sowohl in der Seitenansicht als in der vordem
so hoch hinaus, dass wir dadurch lebhaft an eine Land- oder Süss-
wasserschildkröte erinnert werden, namentlich sind die flachen See-
— 127 —
Schildkröten, schon wegen des in der Mitte geschlossenen Bauch-
schildes, bei der Vergleichung ausgeschlossen. Mag es auch schwer
halten, namentlich von der
Vorderansicht Fig. 2, schon wegen der zufälligen Bruch-
fiäche des rauhen Sandsteines , eine treue Vorstellung zu geben , so
hielt ich es doch für nützlich, sie nicht wegzulasseu. Denn man
übersieht hier mit einem Blicke die hohlen Röhren, worin die Schulter-
blätter s s steckten, wenn man dem Verlaufe der durchgeschobenen
Federkiele // folgt. Klar wird ferner Fig. 3 die Furche m , worin
der mediane Kiel lag. Oben Fig. 1 gibt die Linie / dem Nacken
des Schildes einen gewissen iVbschluss, der jederseits zur glatten
Fläche hh verläuft, welche den Vordergliedmassen zum Austritt diente.
Innen bildete das Bauchschild je eine Hohlkehle aus , die mit den
parabolischen Ausschnitten HH endigten, welche im Profil uns ins
Auge fallen. Alles das wird sogleich verständlich , wenn wir mit
Testudo graeca in der Hand zur Vergleichung an das Bild treten.
Da man bislang meinte , dass die Schildkröten als die voll-
kommensten unter den LiXNE"schen Amphibien nicht unter die obern
Schichten des Weissen Jura hinabreichten, so gewinnt unser Fund,
der ihren Ursprung mit Entschiedenheit schon tief hinab in den Keu-
per verlegt, ein ganz besonderes Interesse. Hügi , der bekannte
Gletscherforscher, teilte zuerst dem berühmten Cuvier (Rech, sur les
Ossem. foss. 3. Aufl. V. 2 pag. 2 1825 pag. 227) mit, dass im so-
genannten Portland von Solothurn eine grosse Menge und Mannig-
faltigkeit von wohlerhaltenen Schildkrötenresten gefunden wurden,
die den passenden Namen „Emydes du Jura" erhielten, was Kefer-
STEix einfach in Emys Jurensis übersetzte. Schon ein flüchtiges
Zusammenstellen des schönen Bildes von Cuvier (1. c. Tab. 15 Fig. 5)
mit unserer Fig. 3 lässt die bedeutende Ähnlichkeit gar nicht ver-
kennen, namentlich tritt auch die unvollkommene Bedeckung des
kürzern „plastron" gegen das längere „carapace" deutlich hervor,
was dem Tiere vorn und hinten einen freiem Spielraum gewährte.
In unserm schwäbischen Weissen Jura sind Schildkrötenreste ausser-
ordentlich selten. Ich konnte in meiner Schrift (Jura 1857 pag. 784)
nur auf gezahnte Schilder von der Bauchseite hinweisen, die ich im
Weissen Jura e von Schnaitheim gefunden und bereits 1852 (Hdb.
Petref. Tab. 5 Fig. 3) abgebildet hatte. Sie erinnerten mich an die
typischen Seeschildkröten Chelonia caouanna. Schon Cuvier (1. c.
pag. 231 Tab. 15 Fig. 11) bekam von Solothurn ähnliche Stücke,
die er damals nicht recht entziffern konnte. Unser Keuperfund ver-
— 128 —
rät davon durchaus nichts , daher scheint ein Zusammenstellen mit
Meeresschildkröten ausgeschlossen, wozu ohnehin auch die Süsswasser-
ablagerung unseres Keupers nicht stimmen würde. Eine Vergleichung
mit den viel kleinern und seltenen Solnliofer Erfunden, wovon der
wichtigste zu einem neuen Geschlechte IdiocheJt/s (Münster, Beiträge
zur Petrefaktenkunde 1840 III. 11 Tab. 8 Fig. 1) erhoben wurde,
gestattet unser Stück nicht. Es wäre freiHch interessant zu erfahren,
ob im Keuper auch schon ein Teil der Wirbelplatten fehlte, und die
Rippenplatten in der Mitte zusammenstiessen, allein der Abdruck des
Gewölbes deutet nur an, dass die Rückenwirbel in der ganzen Körper-
länge bestimmte Anzeichen hinterliessen , aber die Schilderdecke in
der Medianlinie keine Spur von ihrer Beschaffenheit verrät.
Der Keuper in Südwestdeutschland bildet die grösste Süss-
wasser- und Landformation : das zeigen vereinzelte Lager von ent-
schiedenen Flussmuscheln ; zeigen die Sümpfe , worin die riesigen
Schachtelhalme wuchsen, und den bepanzerten Froschsauriern einen
willkommenen Aufenthalt gewährten; zeigen die Würfel von After-'
krystallen, welche offenbar von Steinsalz herrührend von Zeit zu Zeit
den Einbruch von salzigem Meerwasser verraten, das aber erst im
Lias wieder Herr werden konnte. Daraus lässt sich auch das Vor-
kommen der riesigen Zcüidodou im sogenannten roten „Knollen-
mergel" erklären, da entschieden Dinosaurier zum Leben notwendig
Festland bedurften. Langschnäbelige Gaviale, die ihre Nasenlöcher
am vordem Ende haben, um bequemer im Wasser zu atmen, waren
noch nicht da, sie wurden vielleicht durch den PJtytosaitru.s ver-
treten , dessen Nasenlöcher weit nach hinten standen , weil sie im
trockenen Sande des Seestrandes sich in warmer Luft ergingen.
Dazu könnte nun unsere Sandschildkröte trefflich passen, und einen
weitern Beweis liefern, wie der Schöpfer seine Kreaturen weise der
Ortlichkeit anpasste, wo sie ihr Leben fristen sollten. Wir werden
dann auch weniger staunen, dass in den frühern Zeiten Landschild-
kröten vorkamen, die an die heutzutage lebenden schon so lebhaft
erinnern. Unsere Schöpfungstheorien müssen sich eben, so gut es
geht, mit solchen überraschenden Thatsachen in möglichsten Ein-
klang zu setzen suchen.
Jener Seestrand lag am Ostrande des herrlichen Schönbuchs,
wo die kleine in Schwaben wohlbekannte Schaich in die Aich mündet,
welche bei Ober-Ensingen unterhalb Nürtingen alsbald in den Neckar
fliesst. Auf der Karte steht das Dörfchen Neuenhaus geschrieben, im
Volksmunde heisst es aber Häfnerneuhausen, weil der feuerfeste Thon
— 129 —
auf der suraptigen Obertläche des Sandsteins eine nicht unbedeutende
., Hafnerey" seit Jahrhunderten ins Leben gerufen hat, der bereits
RöSLER (Beyträge zur Naturgesch. Wirtemberg. 1791 III. 114) rüh-
mend gedenkt. Dort führt die Gegend nach dem Bache den Namen
Schaichberg, den das liebhche Thal der Schaich durchschneidet, wo
auf der buken Seite etwa -| Stunde vom Dorfe im Grötzinger Kom-
munwalde Herr Dr. Tscherning am 13. Mai 1885 auf den Steinblock
aufmerksam wurde. Der weisse Keupersandstein nimmt über den
steilen Gehängen des Baches überall die Oberfläche ein, bedeckt von
den ziemlich mächtigen roten Knollenmergeln, denen dann oben der
dunkle Lias a folgt. Alles das war schon dem Rösler bekannt,
dessen genaue Ortsbeschreibung mit vielen praktischen Bemerkungen
man noch heute nicht ohne sachliche Belehrung aus der Hand legt.
Auf der „geognostischen Sp ezialkarte von Württemberg,
Atlasblatt Böblingen 1868" hat der verstorbene Hauptmann
H. Bach die Schichten des Schönbuchs im Gebiete der Aich und des
Goldersbaches zwar übersichtlich zusammengestellt, der weisse Sand-
stein folgt im allgemeinen den beiden Seiten der Bacheinschnitte in
verschiedener Breite, und seine Gesamtmächtigkeit wird auf einige
hundert Fuss geschätzt, worin die längst berühmten Mühlsteine sich
durch rauhes Korn und kalkspatiges Bindemittel ganz besonders aus-
zeichnen. Schon Rösler nannte Dettenhausen das eigentliche Vater-
land der Mühlsteine , von wo sie sich längs der Schaich und Aich
sporadisch aufgeschlossen bis Ober-Ensingen fortziehen. „Sie werden
häufig auch nach Ulm gebracht, und von da gehen sie zum Teil auf
der Donau ins Bayerische und Osterreichische und (der gemeinen
Sage nach) weiter nach Ungarn und bis in die Türkey." Heutigen
Tages heissen sie auch Dombausteine, weil sie zum Dom von Köln
und Ulm verwendet werden. Die härtesten und widerstandsfähigsten
gleichen einem spiegelnden Kalkspat , worin Quarz und Mehl von
Kaolin eingesprengt sind. Zuweilen kommen auch etwas komprimierte
Zähne vor, welche unter dem unsichern Namen Belodon laufen, und
auf beiden Schmalenden zierliche Knotungen zeigen , wie ich sie
schon früher (Hdb. Petref. 1852. 110 Tab. 8 Fig. 5) von Aixheim
im Oberamt Spaichingen aus dem gleichen Sandsteinlager zusammen
mit Phytosaurus auszeichnete. Ja der selige Schübler hat uns aus
einem spätigen Mühlstein jener Gegend einen leider verstümmelten
Knochen hinterlassen, den man für den Oberarm einer Schildkröte
halten möchte ; das könnte uns zu der Hoffnung steigern , dereinst
ganze Skelette davon zu finden.
.Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Nalurkunde in Württ. 1889. 9
130
Erklärung der Tafeln.
Tafel I.
(i nat. Grösse.)
Fig. 1. Rü cken ansieht: / Nackenlinie, hh innere Ecken der HandöfFnungen,
.SS Höhlen der Schulterblätter [sr in natürlicher Grösse), u: Abdruck des
achten Halswirbels, 1—S acht Rippeneindrücke, br Sandsteinbrücke am
Anfange der Rippen, nun Spuren von Knochennähten, ahc Stellen von
Durchbrüchen des Schildes.
Fig. 2. Vordere Ansicht: //Federn durch die Höhlen der Schulterblätter ss
gesteckt, / Nackenlinie, hh innere Ecken der Handöffnungen, //// Aus-
schweifungen der HandöfFnungen, m Medianeindruck von der Unterseite
der Wii'belsäule.
Tafel II.
Fig. 3. Bauch Schild von der Innenseite: ss Höhlen der Schulterblätter mit
durchgezogenen Federn //, HH Ausschweifungen der Handöffnungen,
xy Löcher im Schildabdruck, J<^i^ Fussausschuitte, m Halbierungsfurche,
ahc Hauptzapfen von den Durchbrüchen des Schildes.
Fig. 4. Seitenansicht: 1 — 6' Rippeneinschnitte, ss Höhlen der Schulterblätter
mit durchgezogenen Federn //, nnn scheinbare Nähte in den Abdrücken
der Knochenplatten, ahc Hauptzapfen von den Durchbrüchen des Schildes.
Sämtliche Figuren nicht durch den Spiegel gezeichnet.
Ueber die Fortpflanzung des Proteus anguineus und
seine Larve.
Von Dr. Ernst Zeller.
Mit Tafel III.
Ich habe seit vielen Jahren Olme gehalten , lange Zeit im
Wohnzimmer, dann auch einige Jahre im Keller, in kleinen und
grossen Aquarien, paarweise und in grösseren und kleineren Gesell-
schaften. Die Tiere hielten sich auch gut, aber zur Fortpflanzung
waren sie nie zu bringen gewesen. Da entschloss ich mich im vori-
gen Sommer (1887) acht von ihnen — nach meiner Annahme vier
Männchen und vier Weibchen — in einem Gartenbassin unterzu-
bringen und auch durch den Winter draussen zu lassen, diesmal
aber unter Heranziehung besserer Schutzvorrichtungen, nachdem ich
durch das völlige Misslingen eines schon im Jahre 1881 unternom-
menen ähnlichen Versuches, bei welchem ich infolge von über-
mässiger Erwärmung des Wassers meine sämtlichen Tiere verloren
hatte, hinlänglich gewarnt worden war.
Das Bassin, welches reichlich 18 hl zu fassen vermag, erhielt
am Boden eine Lage Sand und in zwei Ecken einen bis nahe an
die Oberfläche de? Wassers reichenden Aufbau von Tuffsteinen, sowie
einen stetigen, doch nur schwachen Zu- und Abfiuss. Sodann wurde
es mit einer doppelten schräg liegenden hölzernen Verdachung, durch
welche das Sonnenlicht abgehalten und eine stärkere Erwärmung des
Wassers verhindert werden sollte, überdeckt, während zwei Thürchen
nachzusehen und die Futtertiere einzubringen und gedeckte Schlitze in
den niederen Seitenwandungen der Verdachung das Durchströmen
der Luft gestatteten. — Über die kalte Jahreszeit aber wurde durch
aufgeschüttetes Stroh und Laub der notwendige Schutz gegeben.
Die Vorrichtungen erwiesen sich als zureichend. Denn wenn
auch die Temperatur des Wassers während der heissesten Zeit des
9*
— 132 -
Sommers bis auf 14-|° R. stieg und im Winter unter 4° R. herunter-
sank, meine Tiere somit weit bedeutendere Wärmedifferenzen aus-
zuhalten hatten, als dies in den unterirdischen Gewässern des Karst-
gebirges der Fall ist, in welchen die Olme zu Hause sind und in
welchen sich jedenfalls nur mit ganz unbedeutenden Schwankungen
eine gleichmässige Temperatur von 7*^ R. erhält, so brachte dies
doch den Tieren keinerlei nachweisbaren Schaden. Sie blieben viel-
mehr durchaus munter und gediehen vortrefflich, so dass ich also
meinerseits die nachteilige Einwirkung, wie sie Fräulein von Chauvin
von jenen beobachtete \ nicht bestätigen kann. — Im übrigen wur-
den meine Tiere regelmässig gefüttert, sonst aber so ungestört
als möglich gelassen. —
Meine Einrichtungen waren nun freilich derart, dass, falls es
zur Fortpflanzung kommen sollte, zum voraus darauf verzichtet wer-
den musste, die Veränderungen in der äusseren Gestalt und der Fär-
bung der Tiere und die Eigentümlichkeiten in ihrem Benehmen wäh-
rend der Brunstzeit, ebenso das Eierlegen selbst, wie dies alles Fräu-
lein VON Chauvin auf das genaueste erforscht und uns in vortrefflicher
Darstellung geschildert hat^, zu beobachten, dafür war ich denn
aber in der That so glücklich am 14. April d. J. die ersten ab-
gelegten Eier zu finden und deren Zahl in den zwei folgenden Tagen
auf 76 sich vermehren zu sehen 'l
Die Eier fanden sich alle an der unteren Seite der in dem
Bassin übereinander geschichteten Tuffsteine in Gruppen beisammen,
doch jedes Ei einzeln für sich angeklebt, wie dies in ähnlicher Weise
von Fräulein von Chauvin gesehen und beschrieben worden isf^, noch
ohne eine Spur von Entwickelung^.
' Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineiis in der Zeitschrift für
wissenschaftl. Zoologie. Bd. XXXVIII. p. 679 ff.
''■ a. a. 0. p. 672 ft'.
-'' Diese meine Erfahrung stimmt also gut mit der von Fräulein von Chau-
vin, welche ihr Proie«<s-Weibchen vom 16. April an seine Eier ablegen sah,
während die 56 Eier, welche nach der Mitteilung von F. E. Schulze („Zur
Fortpflanzungsgeschichte des Proteus anguineus'-'' in der Zeitschr. f. wissensch,
Zoologie Bd. XXVI. p. 350 ff.) der Grottenf'ührer P r e 1 e s n i k von dem seinigen
erhielt, vom 7. bis zum 15. Mai und zwar 42 am 7., 12 am 12. und 2 am 15. Mai
gelegt worden sind.
" a. a. 0. p. 676.
■' Die Befruchtung der Eier selbst wird vermutlich erst unmittelbar vor
ihrer Ablage, die Übertragung des männlichen Samens auf das Weibchen aber
früher, vielleicht um vieles früher stattfinden. Wenigstens scheint hierfür die Be-
obachtung von Frln. von Chauvin zu sprechen, nach welcher angenommen
Die beinahe kugelförmigen Eier (Fig. 1) sind gross, sie haben
bis zu 12 mm im Durchmesser und bestehen aus einer weichen,
gallertigen, farblosen Masse, welche in einer derberen aber gleich-
falls farblosen Hülle den ungefähr 4 mm messenden Dotter einschliesst ^.
Dieser ist übrigens nicht vollkommen kugelig, sondern an den beiden
Polen etwas abgeplattet. Fräulein von Chauvin gibt an, dass er
gleichmässig gelblichweiss gefärbt sei", der Dotter der meinigen
zeigte eine milch weisse Farbe mit einem eben erkennbaren Anflug
von lichtem Grau in der oberen Hälfte.
Die zwölf Eier, welche Fräulein von Chauvin von ihrem Proteus-
Weibchen erhalten hatte, machten die ersten Stadien der Furchung
durch, dann gingen sie zu Grunde. Auch ich verlor von 26 Eiern,
welche ich gleich am 14. April in das Wohnzimmer nahm, die mei-
sten. Sie verdarben, obwohl sie alle sich zu entwickeln begonnen
hatten , früher oder später und ich glaube die nächste Erklärung
werden kann, dass sie um 46 Tage früher, als die Eier abgelegt wurden — schon
am 1. März vor sich gegangen wäre (vgl. a. a. 0. p. 675).
Wie diese Übertragung geschieht, hat auch Frln. von Chauvin bei den
ganz ausserordentlichen Schwierigkeiten, welche einer unmittelbaren Beobachtung
•entgegenstehen, nicht feststellen können. Sie nimmt eine innere Befruchtung
an, wie es scheint auch eine Begattung der Tiere, doch ist dies aus der Dar-
stellung, welche sie gibt (a. a. 0. p. 675), nicht mit voller Bestimmtheit zu er-
sehen. Ich meinesteils halte eine unmittelbare Übertragung des Samens vom
Männchen auf das Weibchen für durchaus unwahrscheinlich und vermute, dass
die Befruchtung in derselben Art geschehe, wie sie zuerst von F. Gasco für
den Triton alpestris (gli amori del tritone alpestre. Genova 1880) und später
für den Axolotl (les amours des Axolotls im Zoolog. Anzeiger IV. Jahrgang.
1881. p. 313 ff.), dann auch von Bedriaga für Glossoliga HagenmiiUeri („über
die Begattung bei einigen geschwänzten Amphibien" im zoolog. Anzeiger V. Jahr-
gang. 1882. p. 357 ff.) mit Sicherheit erkannt worden ist, wie sie aber auch nach
meinen eigenen Beobachtungen nicht bloss für den Triton alpestris und den
Axolotl bestätigt wird, sondern ebenso für die übrigen Tritonenarten und für
Fleurodeles ohne grosse Schwierigkeit festgestellt werden kann , wie sie gewiss
noch bei weiteren Urodelen nachzuweisen, und vielleicht für alle anzunehmen
sein wird — in der Art also, dass das männliche Tier auf der Höhe der geschlecht-
lichen Erregung seine Spermatophoren nach aussen abgibt und an Steinchen oder
andere feste Gegenstände, welche sich im Wasser befinden, anklebt, das Weibchen
aber in aktiver Weise von der Spitze des Spermatophors die dem Gallert-
kegel aufsitzende Samenmasse durch die geöffnete Kloakenmündung weg und in
«ich aufnimmt.
' Auch ich fand in einem Ei zwei Dotter wie Frln. von Chauvin (a. a. 0.
p. 678) und wie solches auch für einzelne von den 56 Eiern des Grottenführers
Prelesnik von F. E. Schulze (a. a. 0. p. .351) angegeben wird.
- a. a. 0. p. 678.
- 134 —
dafür in der ausserordentlichen Weichheit und leichten Verletzbarkeit
der Eier suchen zu sollen und eine Bestätigung für diese Annahme
darin zu finden, dass von den 50 Eiern, welche in dem Bassin zu-
rück und dort so gut wie unberührt gelassen wurden, fast alle eine
ungestörte Entwickelung bis in die 11. Woche durchgemacht haben.
Freilich ging ich auch dieser verlustig. Ich fand die Eier, als ich
später wieder nach ihnen sah, bis auf wenige leer und kann nicht
anders annehmen, als dass die kleinen Tierchen, welche schon leb-
hafte Bewegungen in ihren Eihüllen gezeigt hatten, von den x\lten
aus diesen herausgefressen worden sind , während die wenigen mir
noch übrig gebliebenen Embryonen, die ich durch Versetzen in das
Wohnzimmer zu retten versuchte, infolge von Schimmelbildung, welche
die Eier befiel, zu Grunde gingen.
Um so erfreulicher ist es gewesen , dass von den zuerst er-
wähnten 26 Eiern, welche ich noch am 14. April gleich nachdem
sie abgelegt worden waren, zu mir genommen und im Wohnzimmer
so untergebracht hatte, dass .sie nicht unmittelbar vom Sonnenlicht
getroffen werden konnten, im übrigen aber ohne eine weitere Schutz-
vorrichtung gegen das Licht in Anwendung zu bringen, sich doch
einige regelmässig entwickelt haben und am 12. Juli — also nach
90 Tagen — auch zwei Larven glücklich aus ihren Eiern ausge-
kommen sind.
Entsprechend der langen Zeit, welche sie im Ei verweilt, zeigt
sich die Larve (Fig. 3) beim Ausschlüpfen auch wesentlich weiter
entwickelt , als dies bei den Larven der Tritonen und des Axolotl
der Fall ist. Sie misst 22 mm in der Länge, von welchen ungefähr
5 auf den Schwanz kommen. Die Gestalt im ganzen ist der des
erwachsenen Tieres schon sehr ähnhch. Der Körper ist gestreckt
und sehr schlank, doch ist noch ein ansehnlicher Flossensaum vor-
handen, welcher den Schwanz umgibt und sich ungefähr über drei-
viertel der Rückenlänge nach vorne erstreckt. Der Kopf ist läng-
lich mit leichter seitlicher Einbuchtung in der Augengegend und mit
abgestutzter, verhältnismässig breiter Schnauze. Die drei Kiemen-
büschel jeder Seite sind von blassrötlicher Farbe , kurz und keines-
wegs entwickelter, als wir sie bei dem erwachsenen Tiere finden.
Die vorderen Gliedmassen sind schon wohl ausgebildet und mit drei
Zehen versehen , die hinteren noch stummeiförmig , doch im Knie
schon leicht abgebogen.
Sehr bemerkenswert ist die Entwickelung der Augen, welche
sofort ins Gesicht fallen und als kleine scharf gezeichnete und kreis-
— 135 —
runde vollkommen schwaize Punkte mit einer vom unteren Umfang
ausgehenden und bis zur Mitte eindringenden schmalen, aber gut
erkennbaren Spalte sich darstellen. Meine frühere Annahme , dass
diese auffallende Entwickelung des Auges unter dem. Einfiuss des
Lichtes zu stände gekommen sei, ist mir späterhin durchaus unv^'ahr-
scheinlich geworden \ Dagegen wird dies als sicher anzusehen sein
für die dunklere Pigmentierung der Haut, deren rötlichweisse Grund-
farbe neben vereinzelten milehweissen mit sehr kleinen bräunlich-
grauen Pünktchen dicht besät erscheint über die obere Fläche des
Kopfes und über den Rücken bis herunter auf die Seitenflächen des
gelblichen Bauches. Auch im Flossensaum findet sich das Pigment.
Über der Schnauze aber bleibt ein weisslicher Flecken bestehen, wie
dies in ähnlicher Weise bei den erwachsenen Tieren, welche am
Licht sich gefärbt haben, gefunden wird. Die untere Fläche des
Kopfes, die Bauchfläche und die Gliedmassen zeigen' sich frei von
Pigment. — In betreff der Seitenorgane weiss ich keine Angaben
zu machen.
Im Laufe der zweiten Woche nach dem Ausschlüpfen der
Larve kamen an den hinteren Gliedmassen die beiden Zehen zum
Vorschein, doch blieben jene noch längere Zeit unbeweglich und
dem Schwänze dicht anliegend , und nicht vor der vierten Woche
konnten die ersten abduzier enden und adduzierenden Bewegungen
bemerkt werden. Die Haut färbte sich allmählich immer stärker
durch Vermehrung und Vergrösserung der graulichen Pigmentzellen,
und zwar ordneten sich diese über den Piumpf und einen Teil des
Schwanzes mehr und mehr in regelmässigen Querreihen zusammen,
^ Der erste unmittelbare Eindruck beim Anblick der kleinen , dunkel-
schwarzen Augen meiner zwei am Licht herangewachsenen Larven war ein so
überraschender, dass ich zunächst glaubte, hier einen ursächlichen Zusammenhang
annehmen zu sollen und in meiner ersten Mitteilung vom 26. Juli 1888 („über
die Larve des Proteus anguineus^^ in Nr. 290 des Zoologischen Anzeigers) sagte:
..Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass diese auffallende Entwickelung des Auges
unter der Einwirkung des Lichtes zu stände gekommen ist." Bei weiterer Über-
legung aber und vorzüglich auch in Erwägung der bekannten, schon von Micha-
helles (, Beiträge zur Naturgeschichte des Proteus anguineus^ in Oken's Isis
Jahrgang 1831. p. 501) hervorgehobenen Thatsache, dass bei jüngeren Tieren
..die Augen deutlicher und etwas grösser als bei den Alten" sind, musste ich
meine Ansicht ändern und ich vermute nun vielmehr, dass auch bei völligem Ab-
sohluss des Lichtes die embryonale Entwickelung des Auges eine gleiche sein
und die weitere Kückbildung und Verkümmerung erst im späteren Leben des
Tieres und nur allmählich erfolgen werde. Gewissheit darüber müssen weitere
Züchtungen bringen.
— 136 —
so dass dadurch eine deutliche Streifung zu stände kam. Auch an
der Bauchfläche begann einige Pigmentierung zu entstehen. — Die
Kiemen aber behielten ein unverändertes Aussehen, sie schienen nach
vier Wochen nicht grösser, doch auch nicht kleiner geworden zu
sein. — Die Körperlänge betrug um diese Zeit 23,5 mm.
Bis zum Ende der vierten Woche waren meine beiden Tier-
chen gesund und munter gebheben, sie schwammen sehr behend
und kamen häufig an die Oberfläche des Wassers um Luft zu holen,
gaben auch kleine Kotmassen von sich. Da fand ich sie aber leider
am 9. August matt und meistens gekrümmt daliegend und erkannte
bei dem einen eine Anschwellung am Unterkiefer, bei dem anderen
eine solche am Bauche. Ich musste annehmen, dass diese Anschwel-
lungen infolge einer durch Cyclops , deren sich mehrere unter den
Futtertieren befanden, beigebrachten Verletzung entstanden seien,
wie ich ähnliche Erfahrung oftmals bei jungen Axolotl- und Tritonen-
larven gemacht habe. Da ich in solchen Fällen dann aber immer
auch sah, dass die Tierchen unfehlbar zu Grunde gingen, so konnte
ich für meine jungen Frotcus-hcLXwen nichts anderes voraussehen
und musste deshalb vorziehen, sie sofort in Spiritus zu setzen , an-
statt erst den doch sicheren Tod abzuwarten.
Nachzutragen habe ich noch, dass ich die frühesten Vorgänge
der embryonalen Entwickelung nicht genauer verfolgt und auch
eine kleine Anzahl von Eiern aus der ersten bis zur achten Woche,
welche ich aufbewahrte , zu untersuchen bis jetzt noch keine Zeit
gefunden habe. Dagegen kann ich hinsichtlich der späteren Stadien
der äusseren Körperbildung einige Beobachtungen beifügen, soweit
solche eben einfach durch die Betrachtung mit blossem Auge und
einer gewöhnlichen Lupen vergrösserung zu machen gewesen sind,
im übrigen aber in der Hauptsache nur wiederholen, was ich schon
im Zoologischen Anzeiger^ darüber mitgeteilt habe.
Um die 9. bis 10. Woche war die Anlage der Kiemen zu erkennen
gewesen und ungefähr um die gleiche Zeit auch die erste Anlage der
vorderen Gliedmassen in Form kleiner zapfenförmiger Hervortreibungen.
In der 12. Woche zeigten die letzteren eine einfache Einkerbung
ihrer freien Enden, aus welchen dann zwei Zehen hervorgingen,
und erst nachdem diese sich beträchtlich weiter entwickelt hatten,
begann aus der Basis der äusseren jener beiden auch die dritte Zehe
hervorzusprossen. Bis zum Ende der 13. Woche erreichten dann
aber alle drei nahezu ihre vollständige Ausbildung. — In der 12. Woche
' a. ;v. 0. p. 571, 572.
- 137 -
ioschah die Anlage der hinteren Gliedniassen , sie blieben aber bis
/.am Ende der 13., der Zeit, da die Larve ausschlüpft, noch klein
lind stummeiförmig, wobei sie doch schon eine deutliche Abbiegung
im Knie erkennen Hessen. — Schon sehr frühzeitig begann bei meinen
Embryonen unter dem Einfluss des Lichtes eine Pigmentierung der
Haut, aber erst gegen Ende der 12. Woche Hess sich die erste An-
lage der Augen auffinden in Form einer dünnen und noch wie ver-
waschen aussehenden, einen nach unten offenen Halbkreis bildenden
Linie von hellgrauer Farbe (Fig. 4rt). Diese Linie wird in der Folge
schärfer und dunkler und ihre Enden wachsen nach unten weiter
und gegeneinander, während zugleich auch ein Fortschreiten der
Pigmentablagerung nach einwärts stattfindet, so dass zuletzt die
Mündung geschlossen und ausgefüllt erscheint bis auf die oben er-
wähnte vom unteren Umfang ausgehende und bis zur Mitte ein-
dringende schmale Spalte (Fig. 4?> u. c).
Die Embryonen der im Bassin zurückgelassenen Eier hatten
vor dem Licht möglichst geschützt bis in die 11. Woche eine voll-
kommen milchweisse Farbe beibehalten, es fingen aber die wenigen
mir von der grossen Anzahl übrig gebliebenen, welche ich nach dieser
Zeit in das Wohnzimmer nahm, schon nach kurzem an sich zu fär-
ben. Dass sie mir nachher zu Grunde gingen, habe ich oben (p. 134)
mitgeteilt.
Ganz sicher ist jetzt, dass die Fortpflanzung des Proteus durch
Eierlegen geschieht, und es würde an sich wohl niemanden in
den Sinn kommen die Frage aufzuwerfen, ob nicht möglicherweise da-
neben auch noch ein Lebendiggebären vorkommen könne, wenn
nicht das merkwürdige von Michahelles ^ vor 57 Jahren veröffentlichte
und von Wiedersheim^ wieder in Erinnerung gebrachte „SrRATiL'sche
Protokoll" vom 26. Juni 1825 wäre, in welchem der Grundbesitzer und
Gemeinderichter J. Geck von Verch bezeugt in Gemeinschaft mit
verschiedenen Angehörigen seiner Familie und mehreren Nachbars-
leuten am 17. Juni desselben Jahres dem Geburtsakt eines Proteus
beigewohnt zu haben und wenn nicht die Aussagen des Zeugen nach
Inhalt und Fassung viel zu sehr den Eindruck der Glaubwürdig-
keit machen würden, als dass man sie etwa kurzerhand für er-
funden oder einer Beachtung überhaupt nicht wert erklären dürfte.
Sie können nach meiner Meinung auch kaum verlieren durch einige
' In Oken's Isis, Jahrgang 1831. p. 505 fl'.
- In Morpliolog. Jalirburh. Bd. III von 1877. p. 682.
— 138 —
Unrichtigkeiten, welche sie zweifellos enthalten, in welchen man
aber nicht wohl etwas anderes als die naiven Deutungen und Aus-
schmückungen einer eben ganz laienhaften Beobachtung und Auf-
fassung wird erblicken können. Hierher gehört die Schilderung von
den Liebkosungen und den Bemühungen der Proteus-Mnttei um ihre
drei Neugebornen und von der Unruhe, in welche sie versetzt wor-
den sein soll, als ihr dieselben wegenommen wurden.
In der Beschreibung, welche Geck von den jungen Tieren gibt,
erscheinen mir besonders beachtenswert die Angaben^, dass jene
„ganz der Mutter ähnlich" gewesen seien und „dass sich an der
Stelle der Augen zwei schwarze Punkte in Gestalt eines Mohnkorns
sehr deutlich bemerken Hessen, wo doch die Augen der Mutter ver-
wachsen und nicht bemerkbar sind, und also freie Augen sich fan-
den." Beides stimmt ja gut mit dem, wie ich es an meinen Pro-
teus-harven gesehen habe.
Die bedeutendere Grösse der Tiere von 1| Zoll, welche Geck
angibt, dürfte keinen zu schwer wiegenden Einwand begründen, da
die betreffenden Angaben offenbar nur auf einer Schätzung beruhen
und anderseits auch denkbar wäre, dass innerhalb des mütterlichen
Körpers die Larven ein bedeutenderes Wachstum und eine weiter-
gehende Entwickelung erreichen könnten.
Immerhin würd aber, wenn die Möglichkeit eines Lebendig-
gebärens nicht von der Hand gewiesen werden kann , dies nur als
Ausnahme anzusehen sein, da es sonst kaum zu erklären sein würde,
dass unter der grossen Menge von Tieren , welche im Laufe der
Jahre schon zur Untersuchung gekommen sind , niemals ein mit
Jungen trächtiges Weibchen aufgefunden worden ist.
Winnenthal, den (j. Dezember 1888.
1 a. a. 0. p. 508.
Erklärung der Tafel III.
Figur 1. Frisch abgelegtes Ei des Proteus in natürlicher Grösse.
„ 2. Embryo aus dem Anfang der 13. Woche. Stäche Vergrösserung.
, 3. Eben ausgeschlüpfte Larve. 3 fache Vergrösserung.
„ 4. Auge der rechten Seite in ungefähr lOfacher Vergrösserung,
a. aus der 12.,
h. aus der 13. Woche des Embryonallebens,
c. der ausgebildeten Larve.
Naturwissensehaftlieher Jahresbericht 1887.
Zusammengestellt von Dr. Frhr. Richard Koenig -"Warthausen.
Zu diesem dritten Bericht ist Einiges vorzabemerken. Als
Mitarbeiter haben sich wiederum verdient gemacht die Herrn med.
Dr. Hopf (Plochingen), med. Dr. Salz.aiann sen. (Esslingen), Forst-
meister Herdegen (Leonberg), Oberförster Fribolin (Bietigheim), Fa-
brikant L. Link (Heilbronn), med. Dr. Ludwig (Creglingen) , Ober-
förster Nagel (Pfalzgraf enw eiler), Oberförster Theurer (Simmersfeld),
med. Dr. Wurm (Teinach), Oberförster Frank (Schussenried) , Ober-
förster Probst (Weissenau), Pfarrer Dr. Probst (Essendorf), Freiherr
V. Ulm-Erbach (Erbach), Oberförster Imhof (Wolfegg), Lehrer Unger
(Osterhofen). Die Schusslisten aus der Gegend von Warthausen
sind wieder von meinen beiden Söhnen, die ornithologischen Notizen
von meiner Tochter Elisabeth, welche auch wie seither, das Haupt-
sächliche vom Concept vorgearbeitet hat. Neu hinzu gekommen
sind die Herrn Revierförster Wendelstein (Kisslegg) , Oberförster
Völter (Ochsenhausen) , Oekonom Angele (Risshöfen -Warthausen)
und Fasanenmeister Reinhold (Härdtle bei Weilimdorf O.-A. Leon-
berg). Sehr zu beklagen haben wir den Tod des Herrn Grellet
(Göppingen).
Bei sich häufendem Stoff konnten die Beobachtungen nicht
mehr sachlich zusammengestellt, sondern mussten nach den Beob-
achtungsorten der Reihe nach gegeben werden ; einige Versuche der
Anreihung nach Zeit und Function sind stehen geblieben. Mehrere
Zweifel bezüglich der Richtigkeit einiger Angaben mussten im Text
berührt werden, da während dessen Abfassung weitläufige Corre-
spondenzen nicht mehr möglich sind.
Fremde Beobachtungen zusammenzustellen , ist eine peinliche,
zeitraubende und undankbare Arbeit. Um sie zu erleichtern, wird
gebeten, die Notizen womöglich auf das jeweilige Jahr zu beschränken,
— 140 -
soweit es sich nicht um wichtigere Nachträge aus früherer Zeit
handelt. Ferner ersuche ich, das Betreffende nicht in der Zeitfolge,
sondern nach den Arten zusammenzustellen, womöglich auf nur ein-
seitig beschriebenen Blättern , damit die auseinander geschnittenen
und sachlich wieder aneinander gereihten Originalberichte ein erstes
■der nöthigen Concepte ersparen. Ebenso erbitte ich rechtzeitige
Einsendung, da verspätete Nachträge doppelte Mühe machen. Eine
weitere Bitte ist, mindestens Orts- und Eigennamen sowie Zahlen,
•die man nicht dem Sinn nach errathen kann, deutlich zu schreiben.
Ausdrückliche Aufforderungen zur Betheiligung und besonderen Dank
hiefür, weil sehr zeitraubend, werde ich in Zukunft den verehrten
Herrn Berichterstattern nicht mehr zugehen lassen; als Bescheini-
gung wird stets sofort ein Separatabdruck an sie abgehen. Dem
Dank der Redaction darf ich wohl auch den meinigen beifügen in
Erwartung fortgesetzter und stets sich mehrender Betheiligung. In
Zukunft soll, wie es schon diesmal geschieht, nicht mehr das jüngst
abgelaufene, sondern das diesem vorangehende Jahr, wie auch ander-
wärts geschieht, zur Veröffentlichung kommen. Es ist rein unmöglich,
die Beobachtungen des letzten Jahres , die doch kaum alle früher
als im Februar beisammen sein können, schon im Januar, wie ver-
langt wird, zur Presse zu bringen.
Vögel.
1) Paiidion haliactos Savign. L., Fischadler.
Kisslegg: ein vereinzeltes Exemplar hielt .sich, bis es ange-
schossen wurde, über den September am Brunnenweiher auf; strich-
weise hie und da an der Argen. Plochingen: ein Paar wurde
<len ganzen Sommer über an Neckar und Fils bemerkt, das Männ-
chen 9. September im Pfauhauser Wald geschossen. Tübingen:
19. und 20. Juni am Neckar, ebenso bei Esslingen im December.
2) Buteo vulgaris Bechst., Mäusebussard.
Osterhofen: mehrere Paare; 26. Februar bis 2. December
"beobachtet. Schüssen ried: gemeiner Brutvogel; im Schussen-
thal nächst Weissen au 4 — 5 Brüten. Erbach: 5 St. in der
Schussliste von 1 . Mai 1886 bis dahin 1887. Häufig zwischen
Ludwigs bürg und Illingen; im Winter 1886 auf 87 hat Oberf.
Fribolin bei Metter zimmern wiederholt 2 St. aus der Nähe be-
obachtet, das eine milchweiss , das andere weiss mit grau und
schwarzen Schwingen (var. alhidus Gm.); ein bei Bietigheim
— 141 —
geschossener Bussard hatte eine grosse Ringelnatter völhg unverletzt
verschlungen. Weilimdorf: in der K. Fasanerie hatten im Januar
2 Bussarde je ein wildes Kaninchen gefangen und halb gefressen,
worauf beide über den Resten dieser Mahlzeit im Tellereisen ge-
fangen wurden. Auch Feldhühner fallen ihnen dort Winters zur
Beute und die sonst als Mäusevertilger hochgeschätzten Vögel werden
dort Winters im Habichtskorb mit Tauben und Goldammern gefangen,
so mehrere im Januar und Februar, je 1 St. 21. März und 22. Mai,
sowie sieben weitere im Herbst. Heilbronn: 23. Mai Horst auf
einer Eiche 8 m. hoch und Mitte Juni am Schweinsberg mit 3 be-
brüteten Eiern. T ein ach: häutig, „erster Hochzeitsflug" 1. März.
Pfalzgrafenweiler: 19. Mai 2 etwas angebrütete Eier im Horst.
3) Mllvus regalis Briss., Königsgabelweih.
Ankunft beobachtet : Plochingen 2. Februar , Schusse n-
ried 27. Februar; hier regelmässig brütend, 12. Mai 1 St. aus dem
Horst heraus geschossen; Erbach 19. März, Wart hausen 20. März
(11. September 1 St. im Ried), Leonberg 30. März. Osterhofen:
sehr selten, 6. Juli im „unteren Wald". Weilimdorf: bei der Fasa-
nerie sehr selten, ein 2. September auf der Hühnerjagd geschossene»
Weibchen hatte 1,55 m. Flugweite. Im Stromberg (Bietigheim)
wegen weiten Jagdgebiets sparsam vertreten; kam regelmässig zur
gleichen Tageszeit eine Stunde weit vom Horst in niedrigem Strich
nach den Hühnern; 11. April bei Jagstfeid und 26. Juni bei Eber-
bach am Neckar und Jagst nach Fischen spähend, die er als Stoss-
taucher unter der Wasserfläche aufnimmt*. Teinach 1 — 2 Paare.
Pfalzgrafen weile r: 11. Juni im Staatswald „Herrgottsbühl" ein
Junges aus dem Horst gehoben.
4) Milvus ater Cuv. Gm., Schwarzer Milan.
Am Emberg bei Teinach nächst seinem Hause von Dr. Wurm
im Sommer mehrere Tage lang beobachtet; regelmässig beiSommen-
hardt und Liebeisberg. Sonst nur aus dem Unterland, Franken
und Oberschwaben bekannt. Vergl. vorige Nummer.
5) Falco peregrinus L., Wanderfalk.
Weilimdorf: bisweilen, besonders Winters und im Frühjahre
durchziehend; den dritten in acht Jahren schoss der Fasanenmeister
9. December, als er dessen Brieftauben verfolgte.
* Das Fischen weist ganz entschieden auf die nächstfolgende Art; nach
Naumann sind die Milane keine Stosstaucher.
— 142 —
6) Hypotri orchis suhhuteo Boie L., Baumfalk.
Leonberg. Ende October beobachtet. Bietigheim: nicht
«elten. Weili mdorf: Anfang Mai gehört, 21. d.M. das erste Paar
gesehen , 23. August 2 flügge Junge ausgehoben und einen Alten
geschossen.
7) Hypotriorcliis aesalon Boie L., Zwergfalk.
Weili mdorf: als ungemeine Seltenheit, die ihm nur diess
einzige Mal vorgekommen , erwähnt Fasanenmeister Reinhold einen
von ihm 24. September vom Paar weg erlegten „Lerchenfalken".
Unzweifelhaft ist diese seltenere nordische Art zu verstehen, die
auch in Anhalt „kleiner Lerchenstösser" heisst.
8) Cerchneis tinnnnculus Boie L., Thurmfalk.
Warthausen: 25. September 2 St. im Ried. Kisslegg:
in einzelnen Paaren auf Tannen nistend. Schüssen ried: regel-
mässiger Brutvogel. Weilimdorf: den Sommer über waren über
4 St. bei der Fasanerie. Leonberg: Mitte December während des
Schneefalls, Bietigheim: nistet in Wasserabzugslöchern des Eisen-
bahnviaducts. Heilbronn: Nester mit 5 Eiern je 23. April von
tJntergruppenbach und Anfang Juni aus dem Wiesthal am Neckar.
^) Ast u r p a I u m b a r i u s Briss. , Hühnerhabicht.
Warthausen: 4. März 2 St. in der Birkendorfer Halde;
7. April Weibchen und 3. Mai Männchen, beides junge Vögel, in der
Falle gefangen. Osterhofen: nicht mehr häufig; im September
bei Hai dg au ein junger Vogel erlegt. S chus s enried : selten,
Aveil mit Schrot und Falle stark verfolgt. Weiss enan : ruft 12. März
im „Falkenstand", einem vieljährigen Brutplatz; nachdem 24. März
ein Männchen und später noch ein Exemplar geschossen waren,
verstummte dort der Ruf und weder der dortige noch zwei benach-
barte Horste wurden in diesem Jahre .bezogen, welches an Raub-
vögeln überhaupt arm war. Weilimdorf: in der Fasanerie er-
langt man alljährlich 20 — 50 St., theils im Habichtskorb mit Tauben
und selbst Goldammern, theils im Tellereisen, theils beim Uhu.
Bietigheim: nur einmal früher von Oberf. Fribolin aus dem
Horst geschossen ; vor 2 Jahren ein Paar bei Sersheim und Ensingen
beobachtet; einmal stiess ein Habicht in einem Waldtümpel auf von
•dem Genannten aufgegangene Stockenten, während der zweite Vogel
— 143 —
tnit einer geschlagenen Rabenkrähe abgieng. Im Wald von Heil-
bronn befindet sich seit mindestens drei Jahren ein Horst auf einer
starken hohen Buche, wo während der Brut immer einer der Vögel
abgeschossen wird. Rottenburg a. N. : 16. Juli 1 St. im Stadtwald
geschossen. T ein ach: auf dem Emberger Hochplateau wurden
2 St. im Habichtskorb gefangen ; einer derselben stand 2 Stunden
hindurch auf dem Rande des Korbes aufgehackt, ehe er einstiess.
10) Ästur nisus Lac. L., Sperber.
Warthausen: vom 23. Februar an täglich an den Futter-
brettern selbst vor der Hausthür auf die Vögel stossend; 18. März
und 21. December je ein Männchen, 2. und 27. December je ein
Weibchen weggeschossen. Osterhofen: den ganzen Winter über
bemerkt. Weiss enau: im ganzen Jahre nur sehr selten beobachtet.
Erbach: 3 St. auf der Schussliste. Weilimdorf: im Januar und
Februar 5 St. , December 3 St. in der Fasanerie im Habichtskorb
mit Goldammern gefangen und mehrere geschossen. Bietigheim:
nicht selten. Heilbronn: 23. Mai Horst 12 m. hoch auf einer
Fichte mit 5 stark bebrüteten Eiern ; auch hier Winters die Kleinvögel
an den Futterplätzen schädigend. Teinach: 2 St. geschossen,
zwei weitere in der Trinkhalle des Bads lebend gefangen, wohin sie
kleine Vögel verfolgt hatten ; Dr. Wurm kennt zwei Fälle, wo Sperber
Haselhühner schlugen, ausserdem schoss sein Jagdaufseher einen
solchen vom Haselhuhn herunter, auf das er trotz eines Fehlschusses
nochmals herabgestossen war.
11) Strlx flammca L., Schleiereule.
Weilimdorf: brütet im Thurm der Pfarrkirche; in der Fasa-
nerie Härdtle geriethen im November 2 St. in den Habichtskorb.
Bietigheim: im Holzstall von Oberf. Fribolin , auch in Scheuern
nicht selten; derselbe hatte früher in Der dingen (Maulbronn) jedes
Jahr eine vom Schulhaus herüberkommende ganze Brut in seiner
Wohnung. Teinach: mehrmals von Bauern lebendig überbracht
und wieder freigelassen.
12) SijrniHm aluco Savign. L., W^aldkauz.
Osterhofen: ruft 8. März früh 4t]- im „untern Wald"; eben-
dort 2. Juni flügge Junge. Weissenau: nur im Herbst bemerkt
(bei Kisslegg niemals weder gehört noch gesehen). Weilimdorf
von Mitte August an allnächtlich rufend ; im Herbst und noch später
— 144 --
wurden veischiedene im Habichtskorb gefangen , im Februar allein
4 Stück. Brütete beim Pulverdinger-Holz (Vaihingen) 1. März
in einem hohlen Obstbaum. Teinach: sehr viel seltener als früher,
seit so viele alte Linden gefallen sind.
13) Athene iioctua Boie Retz, Steinkauz.
Warthausen: 7. Februar nach 10 U. Abends 1 St. als Selten-
heit im Schlossgarten. Weilimdorf: in der Fasanerie Härdtle kam
im Januar ein Käuzlein in den Taubenschlag, kröpfte eine vollkom-
men gesunde Taube und wurde von Reinhold zu einem früher ge-
fangenen in eine Voliere gethan ; am andern Morgen hatte der neue
Ankömmling trotz hinlänglichem Futter den andern Kauz getödtet
und halb verzehrt.
14) Buho maximus Sibh., Uhu.
Aus der Gegend von Teinach sind bisher im Ganzen nur
o Exemplare bestätigt: eines bei der Ruine Waldeck im Habichts-
korb lebend gefangen, ein anderes zugleich mit einem Hasen, in den
es sich verfangen hatte, verendet gefunden, das dritte bei Ober-
kollwangen geschossen. Auf der Zwiefalter Alb hat Oberf. Fri-
BOLIN in früheren Jahren im Glasthal den Alten oft auf dem „Läm-
merfelsen" sich sonnen gesehen und liess dort mehrmals die 2 Jungen
ausnehmen.
15) Otus vulgaris Flem., Waldohreule.
Warthausen: 25. Februar und 29. März Paarungsruf, 14. Juni
lebhaft im Schlossgarten rufend und meiner Tochter, die den Ruf
nachahmte, hart über den Kopf fliegend ; liess sich auch im Decem-
ber unmittelbar vor den Schneefällen hier Wiederhören. Kisslegg:
selten; 30. Juli im Wald aufgegangen. Weiss enau: nur im Herbst
bemerkt. Weilimdorf (Fasanerie): vom Januar bis Mitte Februar
(3 St. und Ausgangs December bis Anfangs Januar 1888 9 St. im
Habichtskorb gefangen. Schon Mitte Februar trieben sie sieh dort
sehr stark, riefen gegenseitig und klatschten im Fliegen mit den
Flügeln, schon 1. März (!) sass in einem alten Krähennest die Alte
über einem Ei; am 7. April sind 3 Junge und noch 3 Eier in diesem
Nest, 20. April sind es 5 Junge von ganz verschiedener Grösse, das
grösste schon mit Stoppeln, das kleinste erst so gross wie ein Hühnerei ;
29. April waren nächst einem anderen Krähennest 5 weitere aus-
geflogene Junge und 25. April in eben einem solchen 3 Junge und
2 angepickte Eier. Gelegentlich einer Feldjagd 29. December Nach-
— 145 —
mittags 2 U. beobachtete Eeinhold 0 Waldohreulen dicht neben ein-
ander sitzend auf einem' Apfelbaum, etwa 40 Schritte entfernt vom
Wald. Bietigheim: diesen Winter sehr hungerig: einem Exemplar
wurde ein frischgeschlagenes Feldhuhn abgenommen, ein anderes
sass Dreiviertel des Tags auf einem Gartenzaun . etwa ein halbes
Dutzend w^urde verhungert im Walde aufgelesen. Teinach: viel
seltener als sonst.
16) Otus brach i/ot US Cuv. Forst., Sumpfohreule.
Ki sslegg: brütet in den dortigen Mosern! Bei einer Treib-
jagd wurden dort im „Burgermoos " etwa 10 St. angetroffen. Das
Nisten in Oberschwaben war bis jetzt nm- durch zwei Beobachtungen
bestätigt. In dem mäusereichen Jahre 1857 erhielt ich bei W^art-
hausen aus dem Röhrwanger Paed 2. Juli 6 schwachbebrütete Eier,
welche unter einem kleinen Tannenbusch nächst der Eisenbahnlinie
gelegen hatten; eben in jenem Jahre war die schon durch ihr spä-
tes Brüten als eine nördliche gekennzeichnete Art weit hinab im
mittleren Deutschland nistend verbreitet. In einem späteren Jahre
scheuchte im angränzenden Ried von Langenschemmern der in Jagd
und Vogelkunde gut bewanderte Stationsmeister Schneider im Juni
auf freiem Sumpfboden den Vogel von 2 Eiern. Im Januar und
Februar 1877 sassen im Ried von Röhrwangen Sumpfeulen dutzend-
weise beisammen; erlegt wurden hier solche 4. Oktober 1854 und
16. Oktober 1876, wie überhaupt die überwiegende Mehrzahl stets
auf Herbst und Winter kommt. Im heurigen Jahre wurde 1 St.
12. November bei W^arthausen auf einem Waldfeld geschossen.
Oberf. Fribolin erlegte einmal bei Schöckingen (Leonberg) eine
aus einer Schaar von etwa 10 St., die fern von jedem Sumpf auf-
gebäumt hatte und jedenfalls auf dem Zuge war.
17) Iijnx torquilla L., Wendehals.
Warthausen u. Biber ach: gehört 24. Juli, Weissen au:
von Anfang Mai an rufend in den Obstgärten etwa 4 Wochen lang,
hat also jedenfalls gebrütet (im Revier Schussenried niemals bemerkt).
Plochingen: angekommen 7. April. Esslingen: erst 26. April
gehört. Bietigheim: _ Otternmännchen", häufig in Gärten. Heil-
bronn: ruft 18. April; tagelang wird erfolglos um einen der vor-
jährigen Nistplätze mit Kohlmeisen gekämpft und der Garten von
Mai ab verlassen. Niederrimbach (Mergentheim) 19. April ange-
kommen, tags zuvor bei Equarhofen (bayrische Gränze unfern
Creglingen).
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 10
— 146 —
18) Gecinus viridis Boie L, Grünspecht.
Warthausen: 21. Februar im Schlossgartenwäldchen. Oster-
hofen: das ganze Jahr in „ ßannholzgraben , Hochrain, Stocken-*
rauhe"; 21. Juli flügge Junge. Weissenau: rufend im Februar, Junge
Ende Juni. Bietigheim: höchst selten. T ein ach: nicht selten,
holt Hanfsamen vom Futterbrett. Pfalzgrafenweiler: ziemlich
häufig, geht gerne an Baumstumpen und Ameisenhaufen, besucht ^
auch das Dorf.
19) Gecinus canus Boie Gm., Grauspecht.
Weissenau: im November mehrfach tief im Wald einige
Grünspechte, die Oberf. Probst wegen vorherrschendem Grau für
diese Art halten möchte. Bietigheim: sehr häufig. Im Winter
wurde einer gefangen als er sich in einen grossen Ameisenhaufen
hineingearbeitet hatte ; in alten Eichen haut er zwischen der groben
Rinde Löcher aus, in welche er aus benachbarten Fichtenbeständen
massenhaft Zapfen trägt und fest einkeilt , um die Samen auszuhacken ;
Spindeln und Schuppen liegen dann, da der Specht die einmal ge-
hauenen Löcher immer wieder benutzt, korbweise unter solchen Eichen.
20) Dryocopus martius Boie L., Schwarzspecht.
Warthausen: 26. Juni 1 St. und 29. September 2 St. im
Kohlweiher- Wald angetroffen. Weissenau: heuer häufiger, beson-
ders in den Waldungen unterhalb der Waldburg. Schussenried:
gar nicht selten. Teinach: nicht selten; starke Beschädigungen
der Fichten an der „Spechtschmiede" im Sommenhardter Wald sind
dieser Art und wohl auch dem Grünspecht zugeschrieben,
21) Picus major L., Grosser Buntspecht.
Warthausen: vom 5. Juli an flügge Junge einige Tage im
Wäldchen des Schlossgartens. Weissenau: nicht selten, rief schon \
Ende Februar, im Sommer zahlreiche Junge. Bietigheim: häufig;
ebenso Pfalzgrafenweiler. Teinach: nicht selten, holt Winters
Hanf vom Futterbrett.
22) Picus meäius L., Mittlerer Buntspecht.
Bietigheim: keineswegs selten und häufiger als der nach-
folgende.
23) Picus minor L., Kleiner Buntspecht.
Osterhofen: öfters gehört, ein Mal in der „Kuhreute" ge-
sehen. Weissenau: am sonstigen Brutplatz im Frühjahr nur 1 St.
— 147 —
und 26. December ein desgl. gesehen. Plochingen: trommelt erst-
mals 13. März; ein Paar des hier ziemlich häufigen Kleinspechts hat
auch in diesem Jahre mit Spechtmeisen im gleichen Birnbaum ge-
brütet. Bietigheim: häufig, oft hart am Fenster. T ein ach: nicht
selten. Pfalzgrafenweiler: vorhanden.
24) Cu eil Ins canorus L., Kuckuck.
Erstmals gehört im April. 12: Weissen au (nicht häufig);
13: Solitüde (sonst 4. — 9. Apr.) und Plochingen (allgemein
21. Apr.); 15: Erb ach (mehrere) und Creglingen (Abends 4 U.
in Münsterthal — hält sich in den Weinbergen auf, was schlecht
Wetter bedeutet*); 19: Schussenried ; 20: Kisslegg (häufig);
21: Wolf egg (Ried bei Haidgau) und T ein ach; 22: Pfalz-
grafenweiler; 24: Weilimdorf und Heilbronn (bei den
Steinbrüchen); 25: Osterhofen, Ochsen hausen und Sim-
mersfeld; 28: Warthausen (2 St. gesehen); 29: Essendorf;
H e i 1 b r o n n : auf dem Wartberg vielfach 19. Mai und bei Neckar-
gartach 22. Mai. Creglingen: rief 1. Mai bei Nacht. Bie-
tigheim: sehr häufig. Oberf. Fribolin erhielt dort im Früh-
jahr 1886 aus einem hohlen Eichenast im Staatswald „ Brandholz "
einen völlig ausgewachsenen, zur Mumie eingetrockneten vorjährigen
Kuckuck, welcher bei zu kleiner Nesthöhlenöffnung eingewachsen
imd verhungert war; die Brustfedern waren abgeschunden, weil er
sich offenbar abgemüht hatte, heraus zu kommen ; mit dem Kopf unter
dem Flügel war er entschlafen.
25) Alceäo ispida L., Eisvogel.
Warthausen: 3. März an der Riss, 25. September 2 St. im
Ried. Osterhofen: seit 10 Jahren Sommers und Winters im
Weiden- und Erlengesträuch der Ach im Ried (später „Umlach").
Hummertsri ed: 6. December an der Ümlach unter Klingelrain
(Lehrer Herter). Weissenau: heuer am Grenzbach selten, an der
Schüssen nur ein Mal beobachtet, scheint also nicht gebrütet zu
haben, Schussenried: im September wurde 1 St. eingeliefert.
Bietigheim: häufig an Enz und Metter, gar nicht scheu; da-
selbst konnten ganze ausgeflogene Brüten beobachtet werden. Heil-
bronn: eine 10. Mai am Neckarufer untersuchte Niströhre war über
1 m. tief, enthielt aber nichts als frische Fischschuppen. An der
T ein ach w^urden mehrere Exemplare geschossen.
* Im Ber. 1886 p. 236 Z. 18 von oben lies Sommerseite statt Sonnenseite,
10*
— 148 —
26) V^pupa epops L., Wiedehopf.
Warthausen: 5. Juni 1 St. über die Mittagsstunden in
einem Garten von Oberwarthausen. Oster hofen: binnen 10 Jahren
nur ein einziges Mal durchstreichend beobachtet. Schussenried:
unter einer „Holzbeuge" (Klafterholz) brütend. Erbach: 15. April
mehrere. Weilimdorf: 23. April erstmals gesehen, Tags darauf
rufend, 24. August letztmals bemerkt. Heilbronn: bei Neckar-
gartach 22. Mai nistend, 1. Juli 1 St. im „Jägerhauswald". Rot-
tenb urg a. N. : 15. Juni 2 St. beobachtet (Fritz Kg.-W.). Röthen-
bach (Calw) 25. April frühmorgens auf dem Durchzug rufend.
27) Caprimiilgus etiropaeus L., Ziegenmelker.
0 s t e r h o f en : 18. Juni 1 St. im Hochwald „Kuhreute" , ebenda
im Juli Junge, somit nistend. Schussenried: 7. Juni ein Männ-
chen erlegt (Ver.-Samml.) ; hat hier schon gebrütet (2 Eier genom-
men) und fliegt oft am hellen Tage. Weilimdorf: 25. Mai in der
Dämmerung einen Waldtrauf absuchend. Bietigheim: im Staats-
wald „Bartenberg" bei Kleinglattbach einst gefangen und beobachtet.
Teinach: 8. Juni auf dem Abendflug gesehen.
28) Cy pseliis apu.s Illig., Mauersegler.
Warthausen: angekommen 29. April, sofort im Kampf gegen
die Staaren um die Brutkästen; gleichzeitig Osterhofen und Er-
bach. Kisslegg und Weissenau: 2. Mai, an letzterem Beob-
achtungsort weniger häufig als sonst und abziehend 4. — 10. August.
Schussenried: brüten in den Staarenklötzen der Torfstreufabrik.
Wolfegg, Ochsenhausen und Creglingen: angekommen 5. Mai.
Plochingen: Ankunft wie stets der ganzen Schaar zugleich 29. April,
Abzug 1. August. Weilimdorf: 8. Mai erster Vogel, 3 weitere
14. Mai. Leonberg: Anfang Mai bis Ende Juli beobachtet. Bie-
tigheim: jedes Jahr nisten etwa 10 Paare an der im freien Feld
stehenden Peterskirche. Heilbronn: 27. und 28. Mai über Fabrik-
fenstern bauend, je erstes Ei 26. und 16. Juni, frisch ausgekommene
Junge über einem Scheunenfenster , die 30. d. M. beinahe flugbar
waren.
29) Chelidon urhrica Boie L., Hausschwalbe. ♦
Warthausen: angekommen 7. April ; im benachbarten Birken-
hart noch 1 St. 12. November ! Ost e'r hofen: häufig ; Abzug Anfangs
October. Weissenau: 25. April angekommen, 25. September ab-
gezogen. Schussenried: Ankunft 4. April. Plochingen: An-
— 149 —
kunft 28. und 29. April bei schwülem Wetter; 12. October flogen
noch einige Paare. Mönsheim (Leonberg): ein verspätetes Paar
noch 27. October; ?Ieilbronn: holen 8. Mai Nistmaterial am Neckar,
ebenso zusammen mit Rauchschwalben auf der Strasse 6. Juni ; viele
Nester beobachtete Link im Juni unter den Gallerien der Sandstein-
brüche bei Eberbach und Neckar stein ach (Hessen). Creg-
1 in gen: 5. Mai bauend; 17. August kamen Flüge dorthin. Tein-
ach: angekommen 25. April auf den Hochflächen, IJ. Mai bei
Regen im Thal. Pfalzgrafen weile r: erstmals bemerkt 24. April,
letztmals 26. October.
30) Cotijle rlparia Boie L., Uferschwalbe.
Warthausen: 17. April mit der vorgehenden und nachfol-
genden an der Eiss in grosser Futternoth. Scheint bei Weissenau
zu fehlen. Bietigheim: an' der Enz vorkommend obwohl nicht
häufig, da geeignete Ufer meist fehlen : häufiger finden sich die Nist-
löcher an den Lehmgruben im Feld.
31) Hirundo rustira L., Rauchschwalbe.
W^arthausen: im Mai erschien ein Paar im Speisesaal des
oberen Stockwerks im Schloss, sang da während der Mahlzeiten und
begann am Kamin Nestmaterial anzukleben ; nachdem es aus Rein-
lichkeitsgründen hinausgesperrt war, bezog es 30. Mai im Hausgang
eines der aus früherer Zeit vorhandenen Nester; kaum waren die
5 Eier gelegt, so fiel das Weibchen todt herunter; schon nach zwei
Tagen war es ersetzt und während das Männchen viel bei den seit-
herigen Eiern blieb , bezog jenes das früher (Jahresh. 1884 p. 307)
beschriebene, an einer Laterne schwebend aufgehängte Nest. Erst
als beide sich hier angesiedelt und bereits aufgebaut hatten, wurden
jene Eier weggenommen und hierauf zogen sie wieder dorthin über,
wo dann Junge 24. Juli waren ; eine zweite Brut ist unterblieben. An-
dere Junge waren vor dem Schloss schon 18. Juni geflogen. Oster-
hofen: 20. April erste bei rauhem Wetter, 23. April 1 St. bei Hittel-
kofen (Waldsee), Hauptzug 28. April in. der Windrichtung ( S.W.W.) ,
letzte gesehen 13. October. Wolf egg: 21. April 2 St., 1. Mai
viele, 12. October 3 letzte auf dem Wegzug. Weissenau: An-
kunft 15. April, Abzug 15. — 25. September; seltener als sonst.
Ochsenhausen: angekommen 23. April. Erbach: 9. April
mehrere. Plochingen: Ankunft 7. April, 12. October noch einige
Paare fliegend. Weilimdorf: 12. April in der Fasanerie Härdtle
das erste Paar singend und sich jagend, 7. Mai das Paar erstmals
— 150 —
am Nest im Stall. Heilbronn: nachdem 12. April eine einzelne
Schwalbe das LiNK'sche Kesselhaus (vergl. Ber. 1886) besucht hatte,
erschien dort das Paar 22. April, besserte sofort am alten Nest aus,
blieb aber seit 7. Mai weg; 26. Juni erschien es wieder mit mehre-
ren Jungen, baute an einem Tage (Sonntag 3. Juli) ein neues Nest
neben das alte und zog da die zweite Brut gross ; das Paar in der
Weinsteinsäurefabrik erschien 18. April, baute ein neues Nest an-
statt des über den Winter herabgefallenen , warf 24. Mai die Eier-
schalen heraus und hatte 9. Juni flügge Junge ; 3. Juli waren Eier
der zweiten Brut im nämlichen Nest; das Paar im Stall erschien
3. Mai, baute 9. Mai und hatte die zweite Brut so spät, dass die
Jungen 15. September noch im Nest sassen. Bietigheim: in allen
Dörfern vertreten, sammeln sich vor dem Abgang massenhaft an den
Bahnhöfen auf den Telegraphendrähten. Creglingen: 31. März
2 U. Nachm. 3 St. über dem Tauberwehr, andern Tags verschwun-
den; 18. April meist auf den Feldern, noch im Mai, da der Kälte
wegen keine Insecten fliegen, genöthigt, ihre Nahrung flatternd und
in langsamem Fluge von Gräsern und Obstbäumen abzunehmen;
Abzug Mitte October, doch waren einzelne noch Anfangs November
da. T ein ach: nur auf den Höhen nistend, scheint erst nach der
Hausschwalbe anzukommen und zog in den letzten Exemplaren
30. September ab. Pfalzgrafenweiler: angekommen 30 April.
Simmers feld: 2. Mai.
Eine artige , an Thienemann's reizende Erzählung „Meine
Schwalbe" (Rhea I, 1846, p. 98) erinnernde Notiz bringen Zeitungs-
blätter aus Ingolstadt 12. April. In der Backstube eines Conditors
hatten im Vorjahr Schwalben auf die obere , am Plafond befestigte
Schale einer Petroleum-Hänglampe genistet und zweimal 4 und 3
Junge ausgebracht, wobei sie regelmässig von 9 U. Abends bis 6 U.
früh eingeschlossen waren; in diesem Jahre sind sie am Grün-
donnerstag (7. April) früh 7 U. zurückgekehrt, indem sie durch
Klopfen am Fenster sich bemerklich machten ; sie haben sofort ihr
Nest in Besitz genommen und wieder in der Backstube übernachtet.
Allgemeine Notizen über Schwalben ohne Angabe der Art müssen
auch diessmal angefügt werden.
Bei Wart hausen waren 4. — 5. September auch einzelne
Schwalben da, die letzten wurden 28. October gesehen. Bei Essen-
dorf kamen die Schwalben 12. Mai an. Bei Heilbronn „bringen
den Frühling" erste Schwalben 24. März. In Esslingen erscheinen
sie einzeln 10. April, vollzählig 4. Mai; 3. September sammelten sie
— 151 —
sich letztmals auf dem üblichen Dach eines isolirt und sommerlich
stehenden Hauses, doch sah Berichterstatter noch 26. October 6 St.
(in Gesellschaft von Staaren), welche, obgleich es kalt war, sich wie
beim Nestbau um Koth zu holen, auf die Strasse setzten. Am Bo-
densee flattern Anfangs November trotz rauhen Wetters immer noch
Schwalben herum, die aber täglich weniger werden und wohl nicht
mehr abziehen, sondern zu Grund gehen. Bei Lichtenberg (Mar-
bach) ziehende Schwalben 4. — 5. November (Stockmayer). — Laut
Zeitungsnachrichten kam der erste Schwalbenzug aus dem Norden
28. August in Trient an. Bei Gastein (Raueis) zogen Schwalben
17. September (Dr. Salzmann).
32) Muscicapa grisola L., Grauer Fhegenfänger.
Warthausen: Ankunft erst 11. Mai! Nester: 29. Mai unter
dem Dachfirst des Wildfutterhauses auf einem Balkenkopf; 30. Mai
oben auf einem Spatzenhaus unter dem Vordach eines Gartenhauses
(„Tempel") ; 13. Juni im „Nusstobel" nächst dem Fussweg kaum
mannshoch in einer Vertiefung am Stamm eines starken Nussbaums,
26. Juni mit ziemlich grossen Jungen; 20. Juni brütend in einem
Rüstloch der Oekonomiegebäude gegen das Gartenwäldchen (Göppel-
haus). Wie an Zutraulichkeit, so fehlt es diesem Vögelchen in der
Zeit der Jungenpflege auch nicht an Muth : im Juni und Juli stiessen
solche in unserem Garten auf Eichhörnchen, einmal von hoch herab
auf ein über den Weg laufendes , ebenso wiederholt auf Spatzen,
welche sie heftig verfolgen. Oster hofen: angekommen 3. Mai an
herrlichem Frühlingstag. Plochingen: ausgeflogene Junge I.Juli.
Heilbronn: 3. Mai im Friedhof, im Garten einen Tag später, baut
27. Mai zuerst einen Stock hoch in die LiNK'sche Haus-Veranda,
dann 4. Juni an eine die Kerzenfabrik und das Magazin verbindende
Brücke, wo, wie zuvor, das Nestchen wiederholt herabfällt, bis ein
Brettchen angebracht wird, welches verhindert, dass die Vögel das
vorzugsweise aus feinen Schnüren bestehende Nestmaterial immer
wieder mit den Füssen, in welche es sich verfängt, herabreissen ;
trotz unausgesetztem, lebhaftem und störendem Geschäftsverkehr
waren hier 8. Juni 4 Eier gelegt, es kamen aber 21. Juni nur
2 Junge aus, welche Anfang Juli ausflogen. Ein Nest meterhoch am
Stamm einer Tanne enthielt 5. Juni 4 Eier, war aber nach 3 Tagen
zerstört. Bietigheim: nicht selten; nistend in den Wildreben
einer Veranda. Wenn für dort das Gleiche vom weisshalsigen Fliegen-
fänger (i)/. collaris Bechst.) gesagt wird, welcher als nicht sehr
L
— 152 —
häufiger Höhlenbrüter in Laubwäldern und grösseren Übstgütern zu
leben pflegt, so dürfte hier ein Irrthum vorwalten.
33) Lantus excuh Ito)' L., Grosser Grauwürger.
Osterhofen: etliche Paare. Weiss enau: brütete Ende April
in der niederen Nadelholzkultur der Staatswaldungen „Langergat und
Hasenmoor" (sonst auf Hochbäumen!). Schussenried: sehr selten.
Weilimdorf: nistend; im Januar 3 St. und December 1 St. mit
Goldammern als Lockvogel im Habichtskorb gefangen. Bietigheim:
mit dem Neuntödter als häufiges und freches Raubgesindel aufgeführt;
letzten Herbst trieb dort ein grosser grauer Würger die Unverschämt-
heit so weit, eine waidwund geschossene Wachtel dreimal aufzujagen
bis Berichterstatter ihn schoss , ein andermal beobachtete derselbe
im Spätherbst einen aus einer Dornhecke abfliegenden Würger, wo
derselbe eine Anzahl Grillen aufgespiesst hatte. Zur Entschuldigung
des allerdings schädlichen Räubers darf für diese beiden Fälle doch
angeführt werden, dass jene Wachtel eben „waidwund" war und dass
der Grillenfang verdienstlich ist. Heilbronn: sehr selten; 23. Mai
auf hoher Pappel bei Weinsberg. T ein ach: Sommers und Win-
ters auf dem Hochplateau wie im Thal ; einzelne geschossen.
34) Lau ins minor Gm., Schwarzstirniger Grauwürger.
Bei Eltingen a. Glems (Leonberg) Mai bis Juh beobachtet.
Diese ziemlich harmlose > fast ausschliesslich von Lisecfcen lebende
Art hat das Missgeschick mit der vorigen im Freien vielfach ver-
wechselt zu werden und muss dann für jene büssen.
35) JEnncoctoniis coUiirio Boie L., Neuntödter.
Osterhofen und Schussenried: häufig. Weiss enau:
brütete auch heuer in Gärten und Baumgütern melirfach. Erbäch:
9. Mai mehrere angekommen. Weilimdorf: Nistvogel; 5. und 8. Mai
je 1 St. weggeschossen. Heilbronn: 23. Mai mehrere im Wald
und bei der Stadt; 29. Mai 4 Nester, davon 2 noch leer und je
eines mit 4 und 6 Eiern; 30. Mai ein Nest mit 6 Eiern und eines
mit 1 Ei, das 8. Juni 4 St. enthielt; 24. Juni ausgeflogene Junge.
Creglingen: Das jährlich auf seinem Baumacker befindliche Nest
hat Berichterstatter 15. Juni zerstört und das Weibchen weggeschos-
sen; es hatte fast nur Ohrwürmer im Magen, starb also über einer
nützlichen Beschäftigung.
Niemand wird in Abrede ziehen wollen, dass der „Dorndreher"
ein oft recht streitbarer Räuber ist und nicht ganz selten an Sing-
— 153 —
vogelbruten, ja selbst an alten Vögeln sich vergeht : anderen Schaden
thut er nicht, wohl aber erfreut er durch seine grosse Fertigkeit, die
Lieder verschiedener Sänger nachzuahmen. Landwirthschaftliche und
locale Vogelschutzvereine jagen im Vollbewusstsein ihres organisa-
torischen Berufs unbarmherzig auf ihn, ärger als er auf irgend welche
Vögel: dabei werden nicht selten Prämien auf Kopf und Füsse aus-
gesetzt, eine in allen Fällen sehr gefährliche Methode, weil sie öfters
als man glaubt die missverständliche Tödtung anderer Vogelarten ver-
anlasst ; häufig sind auch die Controlirenden ihrer Aufgabe ganz
und gar nicht gewachsen. Als in meiner Jugendzeit, bis in die fünf-
ziger Jahre herein, Feldhecken, Buschwerk und Dornengestrüpp an
Rainen und in Klingen noch nicht „von Oberamts wegen" entfernt
waren — eine Glattrasirung der Landschaft, die weder verschönert
noch landwirthschaftlich genutzt hat — da war meine ganze Nachbar-
schaft reich an Singvögeln wie an Dorndrehern und friedlich nisteten
sie hart beisammen. Jetzt fehlen mit dem Gesträuch die Dorndreher
— und auch die vielen Sänger. Schon Naumann hat beobachtet,
dass sie meist nur bei kaltem und stürmischem Wetter an Vogel-
bruten, bei schönem aber an Insecten, Käfer und kleine Frösche gehen.
Ich selbst habe bei Warthausen fast ausschliesslich nur Coleopteren
{Mai-, Mist-, Lauf- u. a. Käfer) im Schwarzdorn angespiesst gefunden,
einmal ein nacktes Nestvögelchen und zw^ei junge Feldmäuse . die
kunstgerecht an der dehnbaren Genickhaut aufgehängt waren.
36) Enneoctonns riifus Boie Briss., Rothköpfiger Würger.
Weissenau: Brutvogel in Gärten und Baumgütern. Heil-
bronn: 22. Mai ein Paar bei Neckargartach; Nest daselbst 10. Juni
6 m. hoch auf einem Birnbaum mit 6 Eiern: zum Nest waren Wolle
und Schnüre verwendet, auch eine dem Fischer gestohlene Angel-
schnur^ die zu einem Drittel eingeflochten war, während der Rest
herabhieng; bei Böckingen (ebendort) wurde 5. Juni auf einer Pappel
10 m. hoch gebaut und flogen die Jungen 16. Juli aus.
37) Beyulus ignicapillus Ch. L. Brhm., Feuerköpfiges Goldhähnchen.
Warthausen: in grösseren und kleineren Flügen im Garten-
wäldchen und Thiergarten 23. und 30. März, 5. (3 St.) und 19. April:
6. Juli flügge Junge auf einer im Hühnerhof einzeln stehenden Tanne ;
10. December eine Familie in einer Tannencultur. Osterhofen:
22. Januar in der „Stockenräuhe" (700 m. ü. M.) und 9. April zu-
gleich mit dem gelbköpfigen Goldhähnchen (i?. er istatus 'K.oca).
— 154 —
Weissenau: im Herbst in Gesellschaft von Meisen gesehen. Eybach
(Geislingen): 30. Juli eine Familie in den Tannen des Schlossgartens.
Bietigheim: nicht häutig; im vorigen Jahre 1,5 m. hoch ein recht
nachlässig gebautes Nest in einer Fichtenhecke, zwar im Wald aber
einem sehr frequentirten Lusthaus so nahe , dass es kaum zu be-
greifen war, wie die Brut unbelästigt auskommen konnte.
38) Mecistura raiidata Leu. L., Schwanzmeise.
Warthausen: 7. Februar ein Flug im Thiergarten und auch
im nächsten December wieder überall zahlreich ; 26. März im Schloss-
garten gepaart ; 5. Mai ein Paar im Thiergarten , das dort gebrütet
haben muss, da der Schwanz des Weibchens sichelförmig — vom
Nest herrührend • — verbogen war. Heilbronn: streifend im Januar
und Februar; 27. Mai wurden im Friedhof Junge gefüttert, von denen
neun Stück dicht aneinandergedrängt lange Zeit auf einem Zweige
sitzen. Für Osterhofen, Weissenau, Bietigheim, Teinach
als beobachtet notirt.
39) Parus inajor L., Kohlmeise.
„ Zizigäh. " Wärt hausen: erster Frühlingsruf 2. Februar ;
25. Mai Nest in einem Loch an der Schlossmauer, 10. Juni ein sol-
ches in einem Nistkasten, beide mit Jungen; 16. Mai im Jordan
(Bad bei Biberach) Nest mit 11 verlassenen Eiern in einer hohlen
Springbrunnenfigur (Renz). Plochingen: Paarungsgesang 2. Fe-
bruar; ebenso Esslingen: 4. Februar; Weilimdorf: 5. Mai in
einem Staarenklotz der Fasanerie 11 Eier, davon 3 St. unbefruchtet.
Heilbronn: 27. Februar Frühlingsgesang; Ende April im LiNK'schen
Garten, wo 22. Mai Junge .sind ; brütet 3. Mai auf dem Friedhof in
hohlem Stamm 2 m. hoch, wo 17. Mai Junge waren, die 30. d. M.
ausflogen; 19. Mai im LiNx'schen Garten 8 m. hoch in hohlem Birn-
baum Junge fütternd, ebenso 16. Juli, wo sie 26. d. M. ausflogen.
Teinach: kommt nebst den beiden folgenden Arten regelmässig und
zahlreich über die Wintermonate auf Dr. Wurm's Futterbrett und an
die Fressgeschirre seiner Hunde.
40) Favus coeruleus L., Blaumeise.
Warthausen: 10. Juni Nest mit Jungen in einem hohlen
Obstbaum des „oberen Gartens" kaum in halber Mannshöhe. Ess-
lingen: macht schon 30. Januar seine ersten Singversuche. Heil-
bronn: singt 24. Februar.
— 155 —
41) Parus palustris L., Sumpfmeise.
Warthausen: häufiger als je vom Herbst an auf den Futter-
brettern, obgleich kein Nest gefunden werden konnte; 26. Juni ein
solches mit Jungen in einem hohlen Apfelbaum bei Biber ach. Wird
ausdrücklich von Osterhofen und Weissenau als fehlend angegeben.
Anmerkung. Die nächstverwandte Alpen-Sumpfmeise, Parus
alpestris Bailly (in nordischer Form P. horealis Selys) ist von
Graf Carl von Waldburg auf Schloss Syr genstein (bei Eglofs) im
bayrischen Allgäu, hart an der Landesgränze den ganzen November
über in 2 Exemplaren neben vielen Sumpf- und wenigen Tannen-
meisen auf einem Fensterbrett genau unterschieden worden; sie kommt
auch in's bayrische Illerthal und gehört als Wintergast dem württem-
bergischen Allgäu sicher ebenfalls an.
42) Parus ater L., Tannenmeise.
Warthausen: nur 1. und 12. Februar 1 St. am Futterbrett
vor dem Schloss und an einem aufgehängten Fettballen. Weissenau:
bei grosser Kälte und vorher niemals beobachtet, kamen erstmals
einige an's Futterbrett. Teinach: ebenso am Futterplatz selten.
43) Parus cristatus L., Haubenmeise.
Osterhofen: 9. April und dann über den ganzen Sommer und
Herbst gesehen. Teinach: äusserst selten am Futterbrett, wie auch
selten im Wald.
44) Sitta europaea L., Spechtmeise.
Warthausen: 1. März rufend; 30. Mai eine Familie von 6 St.
im „oberen Garten"; im Winter 3 — 4 St. an den Futterbrettern, doch
ziehen sie vor, am Küchenfenster und auch sonst am obersten Stock-
werk des Schlosses nach Futter anzufliegen. Osterhofen: „Zwickle",
ziemlich häufig. Weissenau: brütet in der Mariathaler Allee, war
aber den Winter über nicht zu sehen. Plochingen: erster Paarungs-
ruf 26. Februar. Bietigheim: nur einige Paare vorhanden. Tein-
ach: früher regelmässige Gäste an Dr. Wurm"s Futterbrett, seit 2 Jah-
ren nur noch am Badhotel (20 m. tiefer).
45) Certhia familiär is L., Baumläufer.
Warthausen: 26. März am Bahnhof; im November und De-
cember immer 3 — 4 St. beisammen im Garten, auch bei Biberach
und dann an einem unserer Futterplätze. Baut ohne zu vollenden
23. April in dem schon früher benutzten Loch eines Thiergarten-
— 156 —
zaunpfostens (vergl. 1885j: ein Nest mit 7 frischen Eiern (offenbar
vom eben genannten Paar) wurde zerstört beim Abbruch eines An-
baus unter einem Giebelvorsprung des Hauses der barmherzigen
Schwestern; 13. Juni Nest im Holzschopf vor dem Schlossökonomie-
gebäude in einer Ritze des Gebälks (der Nähe wegen wohl immer
dieselben), w^o später Junge ausgekommen sind; 17. Juni flog ein Stück
in ein Zimmer, 9. Juli eines in"s Treibhaus, 25. Juni waren flügge
Vögel beim „Annenweiher". Osterhofen: ziemlich häufig, 23. No-
vember auf Obstbäumen. Weissenau: nur ganz vereinzelt beob-
achtet. Bietigheim: nicht häufig. Heilbronn: singt 18. März.
Teinach: öfters in den Gärten.
46) T ichodr 0 m a ui u rar i a Illig . L. , Mauerläufer.
Im Hof Stegler bei Brochenzell (Tettnang) hat Oberf. Probst
5. März 2 St., wohl ein Paar, einige Zeit auf einem Nussbaum*
beobachtet. An einem Fensterladen des Schlosses von Eybach
(Geislingen) wurde 11. December von Graf Cii. vox Degenfeld 1. St.
aus grosser Nähe und mit grobem Schrot zerschossen ; Füsse, Schwanz
und Flügel liegen vor. Ein früher dort geschossenes Exemplar be-
findet sich ausgestopft in Eybach. Landbek (1834) erwähnt 2 dort
am Schloss im Winter 1827 erlegte Exemplare sowie ein 29. No-
vember 1828 im Schlosshof von Tübingen von einem Thurm herunter-
geschossenes Männchen und führt ferner an, dass nur selten im Herbst
und Winter Strichvögel die Alb und den Schwarzwald berühren, in
einigen Exemplaren in Ehingen überwinternd, auf Hohenneuffen,
Hohenurach und bei Baiersbronn (Freudenstadt) beobachtet. In der
Sammlung des um die schwäbische Ornithologie sehr verdienten
Eevierförsters A. von Deschler (f 20. August 1886) befindet sich
eine Reihe von Mauerläufern, die meist im Hegau (Hohentwiel) ge-
sammelt sind. Dieser seltene Alpengast, den schon Schrank im vori-
gen Jahrhundert von Regensburg anführt und der sich bis nach
Thüringen verfliegt, scheint vorzugsweise an grössere Steinmassen,
Schlösser und Kirchen anzufliegen, um an Fensterspalten und Mauer-
ritzen Insectennahrung zu suchen.
47) Troglodytes parvulus Vieill. Koch, Zaunkönig.
Osterhofen: singt den ganzen Februar früh morgens in den
Hecken und Holzbeugen. Weissenau: in den letzten Jahren sehr
selten geworden, früher häufiger, wo öfters 4 — 6 „ Jungesellennester "
* Nach den meisten Autoreu sollen sie niemals Bäume beklettern.
I
157 —
(Vergl. Jahresh. 1884, p. 819) gefunden wurden. Weilirndorf:
13. März bei der Fasanerie an den Nistplätzen; nach dem darauf
eingetretenen Schnee wurde einer verhungert gefunden. Bietig-
heim: besonders an Geflechten der Ufer nicht selten. Heilbronn:
20. April Nest | m. hoch in einer Thuja noch leer, 3. Mai 3 Eier,
'21. Mai neben einem faulen Ei Junge, welche 2. Juni flügge waren ;
2. Juni „Lustnest" mannshoch in einer mit Epheu bewachsenen
Pappel, beide im Friedhof. T ein ach: kommt selbst auf die Haus-
bühnen und beschmutzt zum Schrecken mancher Hausfrau dort auf-
gehängte Wäsche.
48) Cinclus aquatic US Bechst., Wasseramsel.
Oster hofen: Den ganzen Winter über 4 — 5 St. an der Ach
im Ried. Letzten Sommer ein Nest bei Mittelbiberach. Weis-
senau: an der Schüssen, besonders im Winter, wenn die kleinen
Wasserläufe zugefroren sind, sonst häufig, im ganzen letzten Winter
aber kaum 2 Exemplare beobachtet. Creglingen: wie überhaupt
im Fränkischen ziemlich häufig an der Tauber und den Nebenbächen.
Häufig an T ein ach, Nagold, Enz u. s. w. Dr. Wurm ist der An-
sicht, dass diese Vögel der Fischzucht nicht sehr gefährlich, der-
selben vielmehr durch Vertilgung vieler dieser schädlichen Wasser-
kerfe sogar nützlich sind; insoferne sie aber auch Laich und Fisch-
brut nehmen und dadurch das Futter der älteren Forellen schmä-
lern, hält er eine Einschränkung des „sonst so sympathischen" Vö-
gelchens in der Weise für genügend, dass man nur alle 3 — 4 Jahre
eine Razzia anstelle. Dem ersten dieser Sätze stimme ich völlig zu.
Von Allmendingen (Ehingen) hat mir einst Freiherr von Freyberg
eine Anzahl Gewölle übergeben, welche von einem grossen Stein an
der Schmiechen entnommen sind, auf den das dortige Paar seit Jahren
solche auswürgt ; ich habe lediglich gar nichts anderes als Reste von
Wasserinsecten, namentlich von Phryganeen darin gefunden. Auch
in verschiedenen Büchern über Fischerei ist dieser Vogel als arger
Feind der Fischzucht verschrieen, es ist deshalb das Urtheil des
wissenschaftlich hoch zu schätzenden rationellen Forellenzüchters in
der Teinach von bedeutungsvollem Werth. Nachdem ohnehin auf
andere Weise an Laich und Fischbrut viel verloren geht, die Wasser-
amseln überdiess viele kleine Feinde der Fischerei vertilgen, kann
der durch sie entstehende Ausfall kaum schwer in Betracht kommen.
Einsam lebend und durchaus ungeselhg, halten die Paare ihre Stand-
reviere weit auseinander. Wenn man also von übertriebenem mensch-
— 158 —
lichem Egoismus absieht, kann man ihnen ihre ganze Nahrung voll-
auf gönnen ; dass diese mit derjenigen der Forellen übereinstimmt,
ist wohl kaum ein Verbrechen.
49) Turdus viscivoriis L., Misteldrossel.
Warthausen: den ganzen August einige im „Kohlweiher".
Oster hofen: 5. März singend, ebenso Kisslegg: 25. Februar
und Weissenau: 12. Januar, allgemeiner 2. — 3. Februar. Wolf-
egg: 24. October im Achthal. Li chte n stein (Alb) : 20.— 26. Juh
etwa 50 St. beisammen; fressen Erdbeeren. Teinach: 22. März
„in Moll" singend.
50) Turdus pilaris L., Wachholderdrossel.
Osterhofen: 18. October etwa 60 St. auf den Ebereschen
an der Strasse nach Haidgau, 30. November 8 St. auf Erlen im
Kied. Wolf egg: 26, October erster Flug bei Schnee und kaltem
Ostwind auf einer Wiese bei Dietrichsholz (Einthürnen) , wo Oberf.
Imhof auf einen Krammetsvogel und eine Moosschnepfe eine Dublette
machte. Kisslegg: 29. October beobachtet. Erbach: erste
12. Januar, mehrere 27. Februar. Weilimdorf: in beiden Win-
tern einzeln , doch zogen im heurigen Januar einige Male grosse
Flüge durch. Leonberg: im Januar bei Friolzheim gesehen. Bie-
tigheim: selten, nur auf dem Durchzug; dagegen früher auf der
Zwief alter Alb sehr häufig in den grossen Wachholdergebüschen
angetroffen. Eöthenbach (Calw): 16. November ein kleiner Flug.
51) Turdus iliacus L., Rothdrossel.
Warthausen: unter den auffallend vielen Drosseln, welche
Ende Juni im Schlossgartenwäldchen waren, schien auch diese Art
zu sein , es konnte aber diessmal nicht sicher festgestellt werden ;
erst 22. September wurden 2 St. mit Bestimmtheit unterschieden.
Friolzheim (Leonberg): im Januar beobachtet.
52) Turdus musicus L., Singdrossel.
VV a r t h a u s e n : singt 29. März. W o 1 f e g g : 6. März erstmals,
8. März allgemein singend ; sehr viele sind beim Nachwinter ein-
gegangen, so dass in Wäldern, wo in anderen Jahren 10 — ^12 Paare
waren, heuer kaum ein Vogel zu hören war; Oberf. Imhof fand selbst
fünf todte; im Achthal 24. October noch bemerkt, 2 vereinzelte so-
gar 3. November. Erster Gesang Schussenr ied: 25. Februar,
Essendorf und Kisslegg: 5. März. W^eissenau: auffallend
spärlicher Gesang; Anfang Mai Junge todt gefunden. Plochingen:
— 159 —
angekommen 26. Februar. Heilbronn: 11. März singend; 20. April
nistend im Friedhof; brütet 8. Juni 2^ m. hoch in einer Thuja,
ebenso 17. Mai, wo dann 2. Juni die Jungen ausflogen, jedoch noch
so flugunfähig, dass sie nur auf dem Boden herumhüpften und leicht
zu fangen gewesen wären. Creglingen: singt 4. April, ebenso
Teinach: („in Dur") 22. März, Simmersfeld: T.März, Pfalz-
grafenweiler: 2. März; 16. Juni im „Taubenbuckel" 4 Junge.
5o) Turdus merula L., Schwarzdrossel.
Warthausen: singt 9. März; bei Futternoth und tiefem
Schnee ist 14. März ein Männchen die Schlosstreppe herauf in das
oberste Stockwerk gekommen; nach dem Unwetter 26. März erst-
mals wieder singend ; Nest im Gartenwäldchen auf einem Hollunder-
stamm 25. Mai ; die 5 Eier werden bis 30. Mai gelegt , 10. Juni
sind 3 St. zerdrückt und das Nest ist, wohl von einer Haselmaus,
angefressen. Osterhofen: singt 8. März, ebenso Plochingen:
laut schlagend, nachdem schon einige Tage früher leise gedichtet
wurde. Esslingen: 20. Februar allgemeiner Gesang, Stuttgart:
25. Februar. Weilimdorf: den ganzen Winter hält sich die Amsel
in nächster Nähe der Fasaneriegebäude auf, von Beeren des Sauer-
dorns (Berberis vulgayis L.) lebend; hier hat sie erst 28. März sehr
laut gesungen, ebenso noch 13. December. Heilbronn: Gesang
27. Februar; im Fabrikhof 19. April ein Nest mit Eiern und eben
ausgekrochenen Jungen 2 m. hoch auf einem an die Wand gelehnten
Balken; 20. April eines mit kleinen Jungen an der Mauler des Fried-
hofs, ein anderes ebenda in einer Thuja in Arbeit ; 27. April Nest mit
Jungen auf dem Kopf einer an einem Grabmal angebrachten Figur;
25. Mai ein weiteres Nest mit 5 Eiern im Wald auf f m. hohem
Baumstumpf; desgl. im LiNK'schen Garten 3 m. hoch auf einem
Birnbaum 8. Juni mit 5 Eiern. Im allgemeinen flogen die ersten
Jungen Anfangs Mai aus und fand die zweite Brut vom 8. Mai an
statt. Pfalzgrafenweiler: 9. März singend, 9. Mai Nest mit
4 Eiern.
Turdus torquatus L., Ringamsel, wurde 20. April 1886
früh 5 U. bei den Röthenbacher Häusern ein Männchen in einem
Baumgut geschossen (Wurm).
54) Hilf iciUa tithys Scop., Hausrothschwanz.
Warthausen: 14. März beim Nachwinter in's Schloss gekom-
men: 22. April im Gewölbe der Burgbrücke ausgebautes Nest in
einer Mauernische (vergl. Jahresh. 1884, p. 319); 30. d. M. sass
L
— 160 —
das Weibchen, welches Nest und Eier mit Excrementen beschmutzt
hatte und vöUig abgezehrt war, todt auf den 5 Eiern ! 15. Mai im
Futterhaus des Damwilds ein Nest mit 4 Eiern. Osterhofen:
singt erstmals 2. April; 6. Juni Junge ausgeflogen, 16. October noch
da. Angekommen Weissenau: 19. März, Kisslegg: 22. März,
Hummertsried: 27. März (Herter). Wolfegg: 15. October laufen
sie Futter suchend auf schneefreien Stellen umher und sind, nach-
dem dieser geschmolzen ist, 24. October (schöner Tag mit Föhn)
noch da. Plochingen: Ankunft 23. März, ausgeflogene Junge
8. Juni. Esslingen :' die Jungen des auf Dr. Salzmann's Veranda
nistenden Paares flogen 4. Juni und 13. Juh aus. Leonberg:
15. März angekommen. Bietigheim: Diese und die folgende Art
brütet jedes Jahr in des Berichterstatters Holzstall und im Gehäuse
des Pumpbrunnens. Heilbronn: Ankunft 24. März; baut 19. April
unter einen Fabrikschuppen, 29. April 2, 2. Mai 5 Eier, Junge
7. Mai, die 2. Juni ausflogen ; die zweite Brut, deren Junge 7. Juli
fast flügge waren, befand sich in nächster Nähe. Creglingen:
3. April 1 St. in einer Feldscheune , 5. Mai ausgeschlüpfte Junge.
T ei nach: 26. März 2 St. angekommen, Simmersfeld: 29. März
3 St., Pfalzgrafenweiler: 30. März. Am Zavelsteiner Berg hat
Dr. Wurm 31. Mai einen Albino von der Farbe eines gelblichweissen
Canarienvogels mit fleischfarbenem Schnabel beobachtet, weiss aber
nicht sicher anzugeben , zu welcher der beiden dort vorkommenden
Arten er gehörte.
55) Rtiticilla plioe n l c u r u s Brhm. L., Feldrothschwanz.
Warthausen: 18. und 22. April 1 St. im Ried, ein anderes
15. Mai hart am Schloss auf einem Vogelbeerbaum. Osterhofen:
30. April 2 Weibchen in einer niederen Cultur. Weissenau: erst
16. April eingetroffen und nachher nicht mehr gesehen. Plochingen:
Ankunft in Mehrzahl 7. April, Esslingen: 2. April. Weilimdorf:
angekommen 13. April in der Fasanerie , baut 7. Mai in einen
Staarenklotz, die 6 blaugrünen Eier wurden aber — wohl von einem
Wiesel — ausgenommen. Heilbronn: 17. April im LiNK'schen
Garten; 21. April in einem Nistkasten auf dem Friedhof, 30. Mai
die Jungen fütternd ; 24. und 29. Mai je in einer hohlen Weide kleine
Junge, Creglingen: 3. April 1 St. bei Oberrimbach.
56) Erythacus ruhecula Cuv. L., Rothkehlchen.
Warthausen: 14. Mai 1 St. in's Schloss geflogen; 12. März
Nest mit 6 Eiern in einer Erdhöhlung an einem Abhang des „Wind-
— 161 -
berg" {23. d. M. verlassen); 6. Juni werden ausgeflogene Junge im
Garten gefüttert. Osterliofen: 16. März beim Schnee im Spritzen-
haus gefangen : singt 9. April sehr zahlreich ; eine Varietät, bei der
die ersten 3 — 4 Schwingen und die Federn unter dem Schwanz
weiss sind, wird im Käfig gehalten. Wolfegg: ,, Rothkröpf le", 1. April
2 St., das eine singend; 15. October und 3. November an schnee-
freien Stellen Insecten suchend. Hummertsried: noch 23. Novem-
ber ein Paar auf einem Obstbaum (Herter). Schussenried:
15. Februar ( — 11° Cels., 19 cm. Schneehöhe) 2 St. gesehen; singt
29. März. Erbach: 15. März mehrere. Plochingen: angekommen
13. März bei kaltem Nordost. Esslingen: erst 6. April bemerkt,
in Abnahme und noch nie so spät eingetroffen. Weilimdorf: erst-
mals 12. März gesehen, Tags darauf mehrere: der Schnee fand die
hungrig herum hüpfenden recht widerwillig zur Umkehr; nach dem
21. März eingetretenen Thauwetter kehrten sie 26. d. M. zurück
und sangen dann von Anfang April an fortwährend : ein Nest in
einem Grasbusch enthielt 20. Mai 7 Eier. Bietigheim: überwinternd
in einzelnen Exemplaren, die sich an aufgethauten Rainen kümmer-
lich ernähren und bei strenger Kälte zu Grunde gehen. Heilbronn:
13. März im Schnee: 23. April im Friedhof 3 m. hoch in einer
hohlen Rosskastanie bauend, die Brut ist durchgekommen. Creg-
1 in gen: Rothkehlchen singen 4. April bei Klingen und Crainthal
a. Tauber und sind noch in der letzten Octoberwoche sichtbar. Tein-
ach: angekommen 13. März: 21. November 1 St. noch da; am
Küchenausguss des Badhotels wurden 2 Mal überwinternde Paare
beobachtet, manchmal kommen sie mit Spatzen und Meisen an die
Futterschüssel der Hunde. Pfalzgrafen weiler: angekommen 14. Fe-
bruar. Simmersfeld: singt 3. März.
57) Luscinia minor Ch. L. Brhm., Nachtigal*.
Cann statt: angekommen 29. April Abends beim Cursaal
(Zeitungsnotiz). Weilimdorf: 8. Mai, Nachts 1| ü. und später
noch öfter nächst dem Friedhof schlagend. Bietigheim, Gross-
sachsenheim, Markgröningen aufgeführt; schlägt auch zwischen
Der dingen und Sternenfels oft Tags nahe der Landstrasse,
während die in Gärten lebenden als Nachtschläger bezeichnet sind.
Heilbronn: im Jahre 1886 hatte im alten Friedhof nur ein Paar
genistet, das in einem Stechlaubbusch 4 Junge grosszog und dessen
* Richtiger als Nachtigall; es kommt vom scandinavischen gala (singen);
auch englisch nightingale.
.Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 11
— 162 —
zweite Brut unten auf einer Tanne im Juli mit 3 noch nackten
Vögeln vom Raubzeug geholt wurde. Hier stellten sich diesmal zwei
Paare in den ersten Maitagen ein. Das eine baute 8. Mai in eine
Epheuwand 1| m. hoch, brütete 17. und 25. d. M. auf 5 Eiern,
fütterte 2. Juni (5, d. M. ein Junges todt im Nest) die Jungen,
welche 8. Juni bereits gut befiedert waren und Mitte des Monats
ausflogen; eine zweite Brut konnte nicht constatirt werden. Das
andere Paar hatte 27. Mai am Boden in einer dichten Thuja
3 nackte Junge, welche bei plötzlichem Gewitterregen sorgfältig von
den Alten gedeckt wurden, 2. Juni halbflügge waren und 8. Juni
ausflogen. Ein zweites Nest dieses Paares, 25 Schritte vom ersten
Nistplatze entfernt, war 27. Juni auf die untere Stufe eines Grab-
denkmals gebaut, enthielt 4 Eier und war hart am Weg6 so wenig
verborgen, dass nachgeholfen werden musste; hier sind die Jungen
7. Juli ausgeflogen. Am Trappensee, von wo im vorjährigen Bericht
ebenfalls ein Nistplatz angegeben ist, und damals 3 Junge durch-
gekommen sein sollen, war heuer keine Brut, doch hat Bericht-
erstatter 4. Juni und später am Neckarufer oberhalb der Stadt und
22, Mai bei Neckargar tach Nachtigallenschlag gehört. Greg-
lingen: im Taubergebiet liessen sie sich, obgleich sie schon länger
da waren, erst Ende Mai zu ordentlichem Gesänge herbei.
Nachträglich wird mitgetheilt, dass bei Osterhofen vor etwa
4 Jahren zwei Nachtigallen gefangen worden seien, deren eine (?)
ein Sprosser {L. phüomela Briss. Bechst.) gewesen sein soll.
58) Pratincola rubicola Ken. L., Schwarzkehlchen.
Warthausen: 12. April Weibchen im Ried erstmals sicher
und ganz in der Nähe beobachtet (E. Kg.-W.).
59) Pratincola ruhetra Ken. L., Braunkehlchen.
Warthausen: ein Männchen entreisst am Bahnhof 21. Mai
einem Hausrothschwanz seinen eben gefangenen Schmetterling; ebenda
1. Juni; 25, August 8 — 10 St. bei Laupheim beieinander, 29.
August sehr viele bei Biberach auf Sturzäckern. Osterhofen:
22. April erstmals singend. Plochingen: angekommen 14. April
bei rauhem Nordwest.
60) Accentor modularis Bechst. L., Braunelle.
Warthausen: 13. und 18. März am Futterbrett. Oster-
hofen: 20. April im Wald „ Brunnenadern " singend. H e i 1 b r o n n :
verflog sich 18. März des hohen Schnees wegen in die LiNK'sche
— 163 —
Schreinerwerkstätte ; 3. Mai im Epheu der Friedhofmauer 1 m. hoch
ein Nest mit 4, Tags darauf 5 Eiern; ein weiteres Nest 21. Mai in
einer Mauerspalte mit 6 Eiern, Junge 2. Juni.
61) Sylvia hortensis Lath., Gartengrasmücke.
Warthausen: 4. Mai 1 St. im Garten. Kissl egg : 22. April
singt die „Zaungrasmücke". Wolf egg: alle Grasmücken kamen
erst Ende Mai an und brüteten von da ab in Gärten und Anlagen
ziemlich häufig. Creglingen: häufig; singt 15. Mai, doch konnte
die Zeit der Ankunft nicht genau bestimmt werden, da sie sich der
Kälte wegen Anfangs und Mitte Mai still verhielten; ein Paar hat
in Dr. Ludwig's Garten in Gaisblatt gebrütet.
62) Sylvia atricapilla Lath., Schwarzkopf.
Warthausen: Ankunft 22. April; 29. April fünf singende
Männchen beieinander, überhaupt heuer sehr zahlreich ; baut 13. Mai
in einem Jasminbusch im „Bogengang", 18. Mai Nest in einem Jo-
hannisbeerbusch des oberen Gartens mit 4 Eiern, welches 26. Mai
5 Eier, 6. Juni Junge enthält und 13. Juni leer ist; 21. Mai im
Gartenwäldchen in Jasmin bauend; 11. Juni flügge Junge im Garten,;
30. September noch da; ein 14. September flügellahm aufgelesenes
heariges Weibchen lebt seither selten zahm im Käfig. Osterhofen:
singt erstmals 9. April. Wolf egg: im Wald 25. April erstmals
gehört, sehr häufig und den diesjährigen Mangel an anderen Sängern
einigermassen ersetzend. Kissle'gg: singt 29. April, ebenso Schus-
senried: 11. Mai und Weissenau: 12. April, wo ein Paar in
des Beobachters Hausgarten gebrütet hat. Erb ach: 13. April
mehrere angekommen. Plochingen: Ankunft 21. April. Ess-
lingen: 22. April (etwas später als gewöhnlich). Weilimdorf:
singt erstmals 13. April; wenn am Wohnhaus der dortigen Fasanerie
13. December (!) ein hungerndes Weibchen herumirrte, so kann es
sich, da etwa in Frage kommende Meisen schwarzköpfig sind, jene
Weibchen aber braunrothe Scheitel haben, kaum um einen Beob-
achtungsirrthum , sondern wohl nur um einen Stubenflüchtling han-
deln. Heilbronn: 6. April im LiNK'schen Garten singend; baut
8. Mai 1 m. hoch in einer Thuja des Friedhofs, brütet dort 17. Mai
und hat 30. Mai Junge, die 8. Juni ausflogen; brütet 21. Mai in
einem Garten und hat 4. Juni 4 vier Tage später ausfliegende Junge;
31. Juni werden halbflügge Junge gefüttert. Creglingen: erster
Gesang 15. Mai. Teinach: nach Abstellung des Vogelfangs und
Einschränkung der Katzen scheint diese Art sich wesentlich ver-
11*
r
— 164 —
mehrt zu haben: hier erstes Smgen 25. April, ebensolches Pfalz-
grafenweiler: 29. April, Simmersf eld: 2. Mai.
63) Sylvia curruca Latil, Klappergrasmücke.
Warthausen: 28. Mai Nest in einer kleinen dichten Thuja,
wo die Jungen 10. Juni ausflogen; 8. Juli ein weiteres Nest über
mannshoch in einem Jasminbusch hinter dem „Tempel" mit Jungen.
Eybach (Geislingen): 30. Juli Nest mit Jungen in einem Rosen-
baum des Schlossgartens. Ankunft Plochingen: 21. April, Ess-
lingen: 23. April (sonst 16. — 22. April). Creglingen: singt
21, April: 10. Juni Nest mit 4 Eiern in einem Stachelbeerbusch.
64) Phyllop neuste sihilafr ix Bechst.. Waldlaubsänger.
Plochingen: 25. April Paarungsruf vielfach gehört. Creg-
lingen: im tiefen düsteren Wald , während der nachfolgende
hier im lichten Wald, nahe am Rand „im Bockstall" jedes Jahr vor-
kommt: hienach wäre die vorjährige Notiz zu berichtigen.
Bei Bietigheim kommen „alle drei Arten" in Wald und Ge-
büsch vor, namentlich in der „Nähe von Altwassern und mit Röhrig
und Weiden bestandenen Tümpeln".
65) Fhyllopneuste trochilus M. L.. Fitislaubsänger.
Wolf egg: 9. April die beiden ersten ,,Wittiche", das Männ-
chen singend, beobachtet. Kisslegg: 22. April singend. Plo-
chingen: Ankunft 4. — 7. April bei warmem Ostwind. Leonberg:
Mitte October im Garten gefangen.
66) Phyllopnr liste rufa M. Lath., Weidenlaubsänger.
Wart hausen: singt erstmals 31. März; 23. April im üblichen
Sevenstrauch (vergl. frühere Jahre) beinahe ausgebautes Nest, welches
30. April die beiden ersten Eier, 25. Mai grosse Junge enthielt, die
30. d. M. bereits ausgeflogen waren. Osterhofen: seit Anfang
April in den Waldungen singend, 18. April im Ried zwischen Wald-
see und Reute bei rauhem Wetter. Kisslegg: der ,, kleine Laub-
vogel" sang seit 2. April und brütet überall in den Wäldern.
Heilbronn: 10. April singend: 27. Mai im Epheu eines
Grabs Nest mit Jungen, die 1. Juni ausgeflogen waren; 2. Juni
Nest mit kleinen, 8. d. M. ausfliegenden Jungen; 27. Juni ein solches
mit 6 Eiern, gleich den vorhergehenden auf dem Friedhof im Epheu,
ferner auf einer Thuja | m. hoch am gleichen Tage leeres Nest,
7. Juli daselbst 4 Eier, ebenso 11. Juli 3 Eier, 24. Juli nackte und
31. Juli beinahe flügge Junge.
— 165 —
Diese Heilbronner Notizen sind zwar unter dem Namen des
Fitis eingelaufen , allein ich beziehe sie unbedingt hieher. Der
Weidenlaubvogel oder Gartenlaubsänger ist die häufigste Art. nistet
vorzugsweise gern in Anlagen und ist bei Heilbronn gemein : wenigstens
habe ich gerade von dort nie andere als diese Eier (durch f Dr.
Bruckmann) gesehen. Wenn man sie nicht in der Hand hat, sind
unsere Laubvögel nicht so leicht sicher zu erkennen, die Eier geben
aber unbedingten Aufschluss. P//. sihilafrix hat auf dem weiss-
lichen Grund dunkelgrauviolette, feinere meist ziemlich dichte
Zeichnung, Ph. trochUus ebensolche hell-lehmröthliche, während
bei den meist sehr runden Eiern der Ph. ritfa die dunkelrothen und
purpurbraunen, gerundeten Flecken, ähnlich wie bei Rauchschwalben-
eiern, ohne jede Marmorirung scharf markirt und recht vereinzelt
stehen.
67) Hijpolais i et er Ina Vieill., Bastardnachtigal.
Warthausen: erstmals singend 13. Mai. Essendorf: der
Spottvogel ist seit 7. Mai da und findet sich auch regelmässig in
den Gärten der benachbarten Ortschaften Hochdorf, Schweinhausen
und Winterstetten (Waldsee) vor. Plochingen: Ankunft 7. Mai
(Südwest, gewitterig). Heilbronn: 8. Juni wunderschönes, aus
Papierschnitzeln, die von Todtenkränzen herrührten, verfertigtes Nest
mit 4 Eiern 2 m. hoch auf einer Thuja im Friedhof, zerstört Mitte d. M.
68) Calamoherpe arundinacea Boie Gm., Teichrohrsänger.
Warthausen: 18. April ein Paar im Ried. Waldsee:
18. Juli wurden im Schilf und Weidengebüsch des Schloss-Sees
Junge geäzt (ünger). Schusse nried: brütet im Schilfrohr des
Olzreuter Sees. In den Ziegelweihern zwischen Weissenau und
Ravensburg, zeitweise auch am Fabrikcanal wurde im Juni etwa
14 Tage lang der überaus liebliche Gesang von Rohrsängern bis
11 und 12 U. Nachts gehört. Plochingen: Ankunft 7. Mai.
Heilbronn: 29. Mai im Altwasser mehrere Nester theils angefangen,
theils eben fertig und später , wohl weil inzwischen das Rohr stark
gewachsen war , verlassen ; 7. Juni war wegen starker Gewitter
üeberschwemmung, wobei einige Nester mit 1 — 4 Eiern unter Wasser
geriethen ; 2 Nester waren aber 3 m. hoch auf Weidenbäumen, eines
mit 4 Eiern war wenig über dem Wasserspiegel des Altwassers an
zwei Erlenzweigchen befestigt; 12. Juli enthielten dort mehrere
Nester 2 — 4 Eier, eines 3 kleine Junge und 7. August waren je
3 solche in 2 Nestern schon befiedert; 5. Juni zeigten sich Vögel
im Rohr des Böckinger Sees.
— 166 —
69) Ccdamohcrpe palustris Boie Bechst., Sumpfrolirsänger.
Plochingen: 16. Juni erstmals gehört und auch gesehen.
Anm. Der Drosselrohrsänger, Calamoherpe turdo-
ides Mey. — vergl. vorj. Ber. N. 67 — konnte bei Heilbronn in
diesem Jahre nicht bestätigt werden ; trotz viermaligen Suchens fand
Link weder das Nest noch sah er mit Bestimmtheit den Vogel.
70) Motacilla alba L., Weisse Bachstelze.
Warthausen: Ankunft 22. Februar, 5. März ein Paar auf
dem Schloss lockend, 14. März im Unwetter das Männchen wohl
dieses Paars innerhalb vom Schloss gefangen und verpflegt ; 12. Juni
f^nggQ Junge, 30." September noch allgemein da, 1. December noch
ein Stück. Osterhofen: 6. März bei Hittelkofen beobachtet.
Wolf egg: 15. October in den Feldern mehrere Flüge von 5 — 12 St.
auf dem Abstrich. Kisslegg: Ankunft 4. März; hier erfroren viele
13. — 19. März. Weissenau: angekommen 21. — 23. Februar, mehr-
fach nistend. Schussenried: Ankunft der ersten 2. März.
Ochsen hausen: 8. März. Erb ach: erste Bachstelze 12. Januar,
mehrere 3. März. Plochingen: Ankunft 26. Februar, allgemeiner
Gesang 2. März. Esslingen: 22. März erstmals beobachtet.
Cann statt: in der „Wilhelma" 25. Februar angekommen, desgl.
Weilimdorf: 1. März; nach dem Schneefall Mitte d. M. kamen
sie erst 22. März wieder in die Fasanerie, wo sie dreimal nisteten;
24. Mai wurde von den Brieftauben ein Nest mit 5 stoppelfedrigen
Jungen heruntergeworfen. Tübingen: 4. März 6 St. auf der
Schlittschuhbahn. Heilbronn: 10. März singend; tags darauf
wurde beim Oeffnen eines Ofenlochs eine durch den Kamin herab-
gefallene geschwärzte Bachstelze befreit ; 23. Juni unter dem Dach-
giebel eines Fabrikgebäudes lebhaft fütternd, wo 3 Tage später die
Jungen ausflogen ; 26. Juni Nest mit 5 Eiern an einem Wasser-
thurm ; 10. Juli auf dem Wartberg Junge im Nest fütternd. Creg-
lingen: 1 St. 27. Februar bei Schirmbach, 20. November noch
mehrere an der Tauber. Künzelsau: angekommen 18. Februar.
T 6 in ach: 25. März in Dr. Wurm's Garten; sie kommen gleich
Staaren und Schwalben in den Orten der Höhe stets früher an als
im Thal. Pfalzgrafenweiler: 11. Februar angekommen, desgl.
Simmersfeld: 11. März und hier gepaart 29. d. M.
71) Motacilla boarula Penn., Gebirgsbachstelze.
Warthausen: angekommen 8. Februar. Ost erhofen : zieht
noch spät im November durch. Weissenau: 21. Februar einge-
— 167 —
troffen ; häufig auf den Schafen der dortigen Heerde und gemein
auf dem ständig beweideten Exercierplatz von Weingarten. Ess-
lingen: erst 13. Mai beobachtet. Tübingen: so gemein wie die
vorige Art; 20. Juni 6 St. am Neckar. Bietigheim: einzelne
Exemplare überwintern regelmässig. Heilbronn: 11. März am
Neckar fliegend, 21. Mäi'z mehrere („Petrolsee") ; baut 24. April zu
Neckargartach in Gestrüpp an der Mauer neben der Brücke
2 m. über einem Bach und hat 6. Juni 7 Eier. Creglingen:
nistet in der Nähe von Mühlen jedes Jahr nicht selten. T ein ach:
einige überwintern stets. Simmersfeld: angekommen 2. März, ge-
paart 5. April.
72) Antlius 'pratensis Bechst., Wiesenpieper.
Hat sich bei Schneegestöber und Futternoth nach Schloss
Wart hausen verirrt! 1 St. wurde 13. März im Hausgang ge-
fangen und bis 24. d. M. beherbergt; 16. und 20. März kamen
je ein anderes Exemplar in die im Schlosshof errichtete grosse
Fütterungsbude.
73) Änthics arhoreus Bechst., Baumpieper.
Warthausen: 23. Mai Nest mit 4 Eiern an sonniger Berg-
halde bei der Sandgrube am ,, Windberg". Osterhofen: 23. April
in den freien Waldschlägen ob den ,, Brunnenadern" im Niederlassen
auf einer Tannenspitze singend; heisst hier ,, Spitzlerche". Plo-
chingen: Ankunft 21. April bei warmem Südwestwind. Creg-
lingen: singt 9. April; nicht selten.
74) AI au da arvensis L., Feldlerche.
Warthausen: 9. Februar die ersten im Rissthal, 23. Februar
dort und auf der Höhe; 17. Juli flügge Junge auf dem Feld;
24. Februar ein Flug bei Laupheim. Osterhofen: Ankunft
28. Februar bei Westwind , vereinzelter Gesang 30. März ; von
dortigen Vogelliebhabern wurden in der Schneezeit des März viele
gefangen, gefüttert und nach Eintritt des Thauiwetters wieder frei-
gelassen. Wolf egg: 25. Februar ein Flug. Kisslegg: Ankunft
26. Februar, singen 2. März ; 13.— 19. März viele erfroren. Weiss enau:
erster Gesang 4. Februar, allgemein 25. Februar. Schussenried:
Ankunft 22. Februar (prachtvoller Wintertag), Gesang 2. März.
Essendorf: ebenfalls 2. März erstmals singen gehört. Ochsen-
liausen: 4. März singend. Erbach: erste Lerche 23. Februar,
mehrere 1. März. Plochingen: Ankunft 9. Februar bei kaltem
— 168 —
Nordost, 25. Februar erster Gesang. Metzingen: B. März eine
vereinzelte Lerche. Esslingen: Gesang erstmals gehört 7. x\pril.
Weilimdorf: 28. Februar erster Flug, vereinzelt schon singend,
ziehen auf den Schneefall von Mitte März wieder fort und kehren
erst 23. d. M. zurück. Bietigheim: ein überall gern gesehener
Feldvogel, der aber auch unter dem Pseudonym „Waldlerche " in
Feldhölzern brütet. Oberf. Fribolin hat in früheren Tagen noch
mitgeholfen, sie in „Lerchenwänden", auf welche Abends zugetrieben
wurde , als Jagdbeute und beliebte Speise zu Hunderten zu fangen
bei Pheningen, Echterdingen, Neuenstatt a. d. Linde. Heilbronn:
angekommen 24. Februar. Creglingen: die Lerchen sind
27. Februar da und singen 7. März in grösserer Anzahl auf der
Reinsbronner Höhe. Pfalzgrafenw eiler: 2. März angekommen,
15, October noch da.
75) AI an da arhorea L., Haidelerche.
Warthausen: 16. März 6 St. auf dem Futterbrett 'vor dem
Schloss; eine derselben blieb auf einer schneebefreiten Stelle des
Wegs ganz zahm sitzen . so dass sie mit der Hand hätte gefangen
werden können und kam auch die beiden nächsten Tage allein wieder.
Kisslegg: 5. März singend. Weissen au: ..verbreitet": 12. April
mit dem Gesang beginnend. Creglingen: seit 9. April hört man
bis in die Stadt hinein die Haidelerchen von den nahen Hängen
singen. — Es ist hier, natürlich ohne jede Beziehung zu dem An-
geführten , vor der so häufigen Verwechslung der Älmida arhorea
mit Anthus arhoretts zu warnen, da im Volksmund beide ,, Baum-
oder Waldlerchen" sind.
76) Galerita er ist ata Boie L., Haubenlerche.
Ravensburg: seit Beginn des Winters am Bahnhof und der
Strasse nach Weingarten in kleiner Anzahl. Stuttgart: 19. März
beim späten Schnee (und auch vorher!) in den Strassen. Bietig-
heim: früher selten, ist sie den Eisenbahnbauten nachgezogen, weil
sie sterile , steinige Örtlichkeiten bevorzugt und hat sich auch seit-
lich an den Bahnlinien , an denen sie jetzt häufig ist , verbreitet.
Heilbronn: erster Gesang 24. Februar, nistet überall, besonders
beim Bahnhof und überwintert.
77) Emt)eri2a {Gyncliramus Bp.) miliar ia L., Grauammer.
Plochingen: 13. März bei Schnee und kaltem Nordwest an-
gekommen, lässt trotz des Unwetters, unter dem die ganze übrige
Vogelwelt schwer leidet, ihren Gesang hören.
169
78) Emlirr izd citrhirlla L., Goldammer.
Warthausen: 21. Februar erstmals einer singend, ebenso
16. März mehrere bei tiefem Schnee am Futterplatz ; 7. Mai Nest mit
3 Eiern in der Buchenhecke am Annenweiher: 25. Mai ein solches
in der Buchenhecke am „Bogengang" mit 1 Ei, 16. Juni 4 bebr.
Eier enthaltend; 1. Juni Nest im Ried. Singt Osterhofen: 2. März,
Weissen au: vom 12. März an (sonst weit früher), Plochingen:
erstmals 21. Februar, allgemein 1. März, Esslingen: 12. März.
Weilimdorf: vom 15. Februar an namentlich Abends singend:
schon 26. Februar hielten sie sich paarweise und trugen 24. April
das erste Nistmaterial: während des Schnees Mitte März schaarten sie
sich wieder zusammen und erneuten Gesang und Wiedervereinigung
erst vom 20. März an: verschiedene Nester mit je 2 — 3, später
5 Eiern wurden 7. und S.Mai gefunden. Heilbronn: 27. Februar
singend; 28. Mai 2 verlassene Nester mit 1 und 5 Eiern, 30. Mai
ausgeflogene Junge : 24. Juli ein Nest mit noch nackten Jungen.
T ei nach: häufig auf den Höhen, fehlend im Thal.
79) Em her i z a iSclioenicoJa Bp.) 6' choe n iclus L. , Rohrammer.
„Rohrspatz." Warthausen: 4. April 50—100 St., 12. April
ein grösserer Flug, 18. April ein einzelnes Stück im Ried (Röhr-
wangen-Langenschemmern). An der Landstrasse Leutkirch-Mem-
mingen zwischen Niederhofen und Lauben 15. April am Weiden-
gebüsch der Nibel auf 10 Schritte beobachtet (ünger). Über die
Fortpflanzung in Oberschwaben habe ich aus früheren Jahren notirt:
11. Mai 1851 5 Eier am Ufer der Riss bei Warthausen: 5. Juni
1876 hochbebrütetes Gelege von 5 Eiern von Mengen (Simon):
21. Juni 1877 leeres Nest im Röhricht des Altweihers bei Alts-
hausen: 20. Mai 1881 5 frische Eier von Mund er kingen a. Do-
nau (Grellet).
80) Loxia curcirostra L., Fichtenkreuzschnabel.
Osterhofen: 12. Januar bei hohem Schnee und strenger
Kälte aber prachtvollem Sonnenschein 8 — 10 St. im Hochwald „Kuh-
reute" (700 m.) lockend, theilweise singend und Futter suchend:
9. März ein rothes Männchen unmittelbar beim Schulhaus auf einem
Kirschenbaum ; den ganzen Sommer über gehört. S c h u s s e n r i e d :
8. Mai 1 St. mit Leimruthen gefangen. Weissen au: heuer ganz
selten, auch keine Brut beobachtet. T ein ach: zahlreiche Reste ihres
Mahls fanden sich zeitweise bei Röthenbach (Calw) ; nach Dr. Wurm
— 170 —
kommen beide Arten {L. curvirostra L. und L. pity opsittacus
Bechst.) vor. Bei Bietigheim hat Oberf. Fribolin den Kreuzschnabel
niemals bemerkt, obgleich der Schwarzwald nicht zu ferne ist und
Fichten genügend vorhanden wären, dagegen hat er einst bei Stuttgart
in seinem Garten vor dem Esslinger Thor an einigen Fichten kleine
Flüge (grüne und rothe Vögel) als regelmässige Gäste beobachtet.
81) Goccothr allstes vulgaris Fall., Kirschkernbeisser.
Warthausen: 7. August sehr zahlreich auf den Trauben-
kirschenbäumen des Schlossgartens. Bietigheim: 2 Paare sind
regelmässige Gäste auf einem Weichselkirschenbaum hart an der
Wohnung des Beobachters; ist der Baum geleert, so geht's gleich
weiter. Heilbronn: im Januar und Februar am Futterplatz ;
19. Mai 4 m. hoch auf dünner Buche ein Nest mit 4 stark bebrü-
teten Eiern; der flache Bau bestand aus einer Unterlage abgebissener
gröberer Zweigchen , von denen auch viele unten am Stamm auf
dem Boden lagen, und oberhalb aus feinen Wurzeln. Teinach:
ein Männchen auf dem Futterbrette 1. und 2, Januar 1886, 14.,
15. März und 30. December 1887.
82) Pyrrhula ruhicilla Fall., Gimpel.
Warthausen: vom 28. August an erschien plötzlich eine
grössere Anzahl im Schlossgarten. W e i s s e n a u : im Herbst des
Samens wegen durch Hainbuchen und Wachholderbüsche schlüpfend,
heuer nicht häufig. Weilimdorf: nur einzelne im Winter und vor-
zugsweise auf samentragenden Eschen. Bietigheim: nur vereinzelt
vorkommend. Heilbronn: im Januar und Februar in den Gärten
bei der Stadt streifend. Teinach: kleinere Flüge nicht selten in
Wald und Gärten.
83) Chlor OS pisa chlor is Bp. L., Grünhng.
Warthausen: singt 31. März; flügge Junge werden 1. Juni
am Schlossberg von den Alten gefüttert. Oster hofen: 10. August
äzte auf einem Birnbaum nächst dem Schulhaus ein Weibchen 3 flügge
Junge. Hummertsried: von Mitte Mai an, als sehr kühles Wetter
war, kamen mehrere Paare alltäglich in den Schulgarten, anfangs
nur schüchtern, dann immer frecher; sie zerstörten hier die Kohl-
pflänzlinge eines ganzen Beets, indem sie die derben Aussenblätter
abzwickten um zu den feinen inneren zu gelangen; den Sommer
über kamen dann noch öfter 8 — 10 St., jedoch ohne zu schaden
(Herter). Plochingen: erster Gesang 28. März. Weilimdorf:
— 171 —
6. Mai Nistmaterial auf eine Tanne tragend. Fasanenmeister Rein-
hold hat mit einer Canarienhenne von einem durch Canarienvögel
aufgezogenen Grünfinken 4 Bastarde gezüchtet. Heilbronn: den
Winter über am Futterplatz, singt 24. März; 4. Mai im Garten ein
Nest mit 4 Eiern 2^ m. hoch auf einer Thuja ; 8. Mai unter ähn-
lichen Verhältnissen im Friedhof brütend; 10. Mai mit 5 Eiern auf
einer Tanne; 30. Mai kleine Junge auf einer Thuja; 31. Juli werden
ausgeflogene Junge gefüttert.
84) Gannabina sanguinea Lande., Hänfling.
Warthausen: 17. März ein Bluthänfling am Futterbrett.
Osterhofen: zahlreich. Plochingen: 21. April allgemeiner Ge-
sang. Stuttgart („Rebenberg") 7. Juni Nest mit 5 Eiern in einem
Buxbusch. ßietigheim: nur vereinzelt bemerkt. Heilbronn:
10. April singend in einem Weinberg, Ende dieses Monats gepaart,
19. Mai bauend im Hohlweg des Wartbergs ; 29. Mai Nest | m. hoch
auf einer Thuja in einem Weinberg mit 3 flüggen Jungen. Creg-
lingen: noch 1. — 12. November waren Sammelflüge zu sehen.
85) Serinus hortulaniis Koch, Girlitz.
Weissenau: ruft 8. Mai; bisher wenig oder gar nicht vor-
gekommen, erscheint er jetzt häufig in den Obstgärten auf der Süd-
seite von Ravensburg, da wo der Apfelblüthenstecher verbreitet war.
Plochingen: x\nkunft 12. April, Esslingen: 26. April. Heil-
bronn: 8. April mehrere singend; 4. Mai wird das in einer Thuja
2j m. hoch brütende Weibchen vom Gatten gefüttert; 21. Mai Nest
mit 4 Eiern in Thuja ; 30. Mai ausfliegende Junge , ebenso 3 St.
2. Juni im LiNK'schen Garten; 5. Juni 2^ m. hoch in einer Tanne
und 9. Juni in Thuja brütend.
86) Chrysomitris spimis Boie L., Zeisig.
Warthausen: 11. October ein grosser Flug, aus welchem zur
Feststellung der Art 1 St. geschossen wurde; 19. November 3 St.
an der Strasse beim „Annenweiher". Osterhofen: 23. Februar
gegen 40 St. gezählt; 22. April in Erlen- und Eichengesträuch bei
den „Brunnenadern" singend, auch den Sommer über öfter gesehen.
T ein ach: kam zum ersten Mal auf das Futterbrett, zuerst 2 dann
6 Stück 2.— 17. und 20. December 1887 bis zum Schluss des Jahres.
87) Acanthis carduelis Bechst. L., Stieglitz.
Warthausen: 18. April sehr lebhaft, nachdem sie den ganzen
Winter nicht zu sehen waren; 20. Juni flügge Junge im Schloss-
— 172 —
garten. Osterhofen: im Februar befanden sich etwa 20 St. auf
den Erlen in den „Brunnenadern", 18. April sangen mehrere in den
Gärten am B'rauenberg bei Waldsee; 4. Mai zeigte sich beim Oster-
hofener Scliulhaus ein Distelfink und war nachher dort ein Nest auf
einem Zwetschgenbaum , wo die 2te Brut 25. August ausflog.
Weissenau: in der Mariathaler Allee waren nur wenige Nistplätze
besetzt, ein Nest befand sich im Obstgarten hinter dem Forsthaus.
Schussenried: 27. Mai bauend; brütet häufig in den Anlagen.
Plochingen: 19. April erstmals, 2 Tage später allgemein singend.
Weilimdorf: erst 12. April gesehen; sie haben 15. Mai auf dem
Gipfel eines Knausbirnbaums ein ausgebautes Nest, ausserdem noch
weitere über den Sommer auf Obstbäumen und im höchsten Gipfel
alter Eichen; letzte ausgeflogene Junge 15. August. Bietigheim:
brütet alljährlich in des Berichterstatters Garten in hochgezogenem
Rothdorn , lebt auch in jungen Schlägen und ist Winters meist in
Flügen, ausser der Brutzeit an Rainen oder wo Disteln stehen, an-
zutreffen. Heilbronn: singt er.stmals 12. April, 21. d. M. häufiger.
4. Juni sich im Garten treibend : 8. Juni Nest mit 4 Eiern auf einem
Birnbaum, 23. Juni die Jungen flügge; Anfang Juli wird zur 2ten
Brut gebaut, die Ende des Monats ausfliegt. Im Verhältniss zu den
vorhergehenden Jahren ist dort diese Art sehr wesentlich sparsamer
geworden, obgleich man namentlich nach dem Ausfliegen der ersten
Brut immer noch viele Vögel hört.
88) Fringilla coelehs L., Buchfink.
Warthausen: 16. März in der grossen Vogelnoth waren auf
den drei Futterbrettern allermindestens 70 Buchfinken ; allein vor
dem Schloss wurden gleichzeitig 35 St. gezählt, darunter ein singen-
der!; 19. März (Nachts — 10*^ R.) schlugen sie überall wieder; 8. Mai
Nest auf einem Apfelbaum des oberen Gartens, weitere Nester 9. Mai
auf einem Vogelbeerbaum im Thiergarten, 17. Mai auf einer Linde
am Schlossweg, sowie auf einem Apfelbaum bei der Brunnenstube,
30. Mai in der Tannenhecke am unteren Garten (mit Jungen); 14. Juni
baute ein Paar auf einer Kiefer im Garten; 20. Juni ebenda Nest
auf einer grossen Linde; 25. Juni Nest mit Jungen im Thiergarten
auf einem Weissdornbusch, 3. Juli eines mit Jungen im oberen Garten
auf einem Apfelbaum. Ein grosser Flug von ein paar Hundert Stücken
zog 1. October vorüber. Osterhofen: ein Weibchen den ganzen
Januar auf dem Futterbrett; erster Schlag 28. Februar; die Finken
haben im März sehr gelitten; 6. April bauend. Kisslegg: Finken-
— 173 -
schlag 25. Februar, Schussenriecl und Ochsenhausen: 2. März,
Essendorf: 7. März. Weissenau: aussergewöhnlich viele, Männ-
chen sowohl als Weibchen, haben überwintert. Plochingen: schlägt
erstmals 24. Februar, allgemein 2. März. Esslingen: wie immer
25. Februar schlagend. Stuttgart: 5. März überall das Finkenlied.
Weilimdorf: singt bei schneeigem warmem Wetter erstmals 6. Fe-
bruar auf einem Apfelbaum der Fasanerie, ein im Herbst eingefangener
Fink schlägt 15. Februar im Käfig, 24. Februar ist allgemeiner Finken-
schlag; über den Winter gehen die meisten fort, beim tiefen Märzen-
schnee wurde ein Weibchen verhungert gefunden und erst 20. März
kehrten die meisten wieder zur Fasanerie zurück ; 25. April war ein
Nest ausgebaut. Leonberg: im November ein grosser Zug bei
Rutesheim. Heilbronn: Finkenschlag 24. März: 19. April noch
leeres Nest auf einem Apfelbaum, 21. April eines mit 4 Eiern auf
einer Tanne, ein weiteres mit 2 Eiern 25. Mai auf einem Eichbäum-
chen im Wald; baut 8. Juni auf einem Birnbaum des LiNK\schen
Gartens. Simmersfeld: 3. März erstmals schlagend. Teinach:
viele Männchen und hie und da auch ein altes Weibchen kamen in
allen Wintermonaten aufs Futterbrett.
89) F ringilla montifrin<i illa L., Bergfink.
Warthausen: 16. März bei tiefem Schnee 6 Bergfinken an
einem mit Gebüsch geschützten Futterplatz, einer vor dem Haus und
2 weitere im Hof: 21. December 4 St. im Garten, die aber er.st in
den näch.sten Tagen das Futterbrett besuchten. Osterhofen: 4., 5. und
18. Januar, sowie 18. — 20. März am Futterplatz. Kisslegg: schon
4. November ein Flug von etwa 40 St. auf dem Feld. Heilbronn:
im Januar und Februar sehr zahlreich beim Futter. Teinach: trotz
längerem tiefen Schnee kamen erst 6. Januar Flüge in den Garten
und an"s Futterbrett, dann erst wieder seit 23. December ein ein-
ziger. Von Esslingen und Creglingen sind ausdrückliche Fehlanzeigen
eingelaufen.
90) Passer montanus Briss. L., Feldsperling.
Warthausen: 18. März 6 — 8 St. und Tags darauf 2 St. am
Futterbrett: 8. Mai im „oberen Garten" in einem Staarenhaus nistend,
12. Juni Junge; 5. Juli ebenda Junge der zweiten Brut; 29. Juni
in einem Brutkasten im Nusstobel ebenfalls Junge. Diese Art ist
für hier völlig neu und hat sich wohl in Erinnerung an die im harten
Nachwinter gewährte Hilfe angesiedelt. H e i 1 b r o n n : zahlreich im
Winter am Futterplatz; 5. Juni flügger Vogel auf den Wiesen ge-
f
— 174 —
fangen. Teinach: zeitweise in mehreren Exemplaren, doch kam
heuer kein einziger aufs Futterbrett.
91) Passer dorne st icus Briss. L., Haussperling.
In Warthausen wurde 15. Juli ein „weisser Spatz" in kläg-
lichem Zustande vor dem Schloss aufgelesen ; es war ein kaum flügger
Nestvogel und da sich zwei Stockwerk über der Fundstelle ein von
Sperlingen bewohntes Staarenhaus befindet, kann mit Sicherheit an-
genommen werden, dass die Eltern (vielleicht nur der misstrauische
Vater?) das ominöse Product in's Weite befördert haben. Das (in
Weingeist aufbewahrte) Vögelchen erinnert an einen weisslichen, ge-
scheckten Canarienvogel : Schnabel und Krallen weiss, Füsse röthlich,
Augen dunkel , Scheitel , Schwingen , Schwanz und Unterseite rein-
weiss , Flügeldeckfedern chocoladegrau punctirt mit grauen Spitzen
und dunkeln Schäften, das kleine Gefieder der Oberseite gelbröthlich
und röthlichgrau gewellt. Beide Füsse waren lahm und nach vornen
geknickt, so dass die ,, Kniebeugen" über dem Lauf (tarsus) vorwärts
statt nach hinten ausbogen — ob, wie am wahrscheinlichsten, in
Folge des Sturzes oder als eine schon im Nest eingetretene Ver-
krüppelung, mag dahin stehen. Vergeblich hat ein norddeutscher,
in weitesten Gelehrtenkreisen bekannter Arzt dem Versuch sich unter-
zogen dieses Jammergestell wieder in Ordnung zu bringen, allein
die Extremitäten waren zu weich und zu empfindlich um Schienen
und Bänder zu ertragen ; nur eine Woche lang konnte das gefrässige
Dasein gefristet werden. Heilbronn: 24. Februar sich paarend,
14. April ein Nest noch leer, 22. April und 9 Juni je ein solches
mit 5 und 4 Eiern. Im Schwarzwald galt noch vor zwanzig
Jahren das Sprüchwort „Wildbad und Calmbach haben einen Spatzen
miteinander" ; jetzt sind sie in Garten und Feld geradezu lästig ge-
worden , ebenso am Futterbrett wegen ihrer Unverträglichkeit und
massenhaften Hanfsamenconsums. Dr. Wurm verwerthet sie an-
gebraten und gestossen, über geröstetes Brod angerichtet, zu einer
vortrefflichen Suppe.
92) Sturnus vulgaris L., Staar.
Einige Zeitungsnotizen mögen den Anfang machen. Ellwangen
26. Januar : es haben sich schon mehrere Staare eingestellt, zu dem
voreiligen Eintreffen wohl veranlasst durch den in den letzten Tagen
anhaltenden Süd- und Südostwind. Kempten 5. Februar: Tags
zuvor sind hier und in M e m m i n g e n die ersten gesehen worden ;
seit vielen Jahren waren sie nicht so frühzeitig daran. ,,Vom Ries"
— 175 —
7. Februar: angekommen. Künzelsau 18. Februar: Staare und
Bachstelzen sind trotz einer Nachtkälte von 10" R. angekommen und
musiciren lustig im Sonnenschein. ,,Von den Fildern" 2. März:
seit 10 Tagen sieht man die Staaren in ganzen Schaaren und sie
fangen bereits an , ihre Häuschen zu beziehen , obgleich noch vor
wenigen Tagen die Ebene in Schnee gebettet war und sonnenlose
Plätze noch leicht damit bedeckt sind.
Warthausen: 24. Februar im Thal und auf der Höhe (5 St.)
angekommen ; 16. März bei Schnee und Futternoth am Futterbrett vor
der Schlossthüre, von da ab täglich 40 — 50 St., 17. März einen halb-
verhungerten und 28. März einen kranken, einäugigen gefangen ; 16. Mai
Junge ; 4. Juni einen bei Sturm und Regen hilflosen, kaum flüggen
gepflegt und dann in's Staarenhaus zurückbefördert ; 30. Juni Junge
der Zweiten Brut; 30. September Flüge im Thal, 18. November noch
dort: bei den Risshöfen war der erste Staar schon 4. Februar
gesehen worden. Osterhofen: angekommen 25. Februar; 14. März
begannen die Leiden durch Schnee und Kälte, in's Zimmer verbrachte
verendeten bald; 15. d. M. zogen sie ab um erst 22. März arg de-
cimirt wiederzukehren ; Junge flogen 2. Juni aus und bei sehr ge-
lungenen Brüten gab es Ende Juli Schaaren von 200 — 300-. Stück ;
20ten Juli suchten bei Hai dg au Staaren auf einer Birke gegen ein
Gewitter Schutz, ein einschlagender Blitz tödtete aber etwa 30 Stück.
Kisslegg: angekommen 23. Februar; zwischen 13. und 19. März
sind viele erfroren ; 26. August bereits in Schwärme von einigen
Hunderten vereinigt. Wolf egg: angekommen 24. Februar, Tags
darauf viele ; die ersten waren schon 18. d. M. im Langarten ge-
sehen worden; 21. October singend wie im Frühjahr, 24. October
mehrere noch im Achthal, 11. November der letzte Flug, 30. Novem-
ber 30 — 35 St. auf dem Abstrich. Weissenau: angekommen ein-
zelne 10. Februar, allgemein 21. d. M. ; viele wurden nachher in den
Kästen erfroren gefunden; Junge vom 9. Mai an, Abzug 25. October.
Schüssen ried: angekommen 20. Februar ( — 4" C, Schneeflocken),
31. October noch da; übernachten im Schilfrohr des Olzreuter Sees
zu Tausenden. Essendorf: angekommen 23. Februar (4 St.).
Dr. Probst beobachtet seit ^Anfang der siebenziger Jahre die herbst-
liche Nachtrast der Staaren auf dem Lindenweiher. Kurz vor Sonnen-
untergang eilen dann kleinere Flüge dorthin um sich zu einem grossen
Schwärm zu vereinigen. Nachdem sie sich noch einige Zeit in den
Bäumen herumgetrieben haben, lassen sie sich zur Nachtruhe im
Schilf nieder, zu einer nur geringen Ruhe, denn ununterbrochenes
— 176 —
Gezwitscher dauert fast die ganze Nacht fort, so dass schon niicht-
hche Wanderer die Mühle oder den Bach rauschen gehört zu haben
glaubten. Die mehrere Wochen lang ununterbrochen benutzten und
dadurch stark gedüngten Plätze sind durch den nachjährigen üppigen
Schilfwuchs kenntlich und werden eben wegen ihrer Üppigkeit immer
wieder bevorzugt. In den siebenziger Jahren schätzte Probst die
Staarenzahl , die sich zeitweise in zwei Heerlager trennte , auf
5 — 7000 Stück. Allmälig nahm sie aber, wohl weil ein anderwär-
tiges Nachtlager bevorzugt wurde , bis auf kaum ebensoviele Hun-
derte ab. Im heurigen Jahre nun, trotz dem vorhergegangenen so
ungünstigen Frühjahr, haben sich jene früheren Mengen wieder
eingestellt, ganze Wolken und auch wieder zwei getrennte Schaaren,
die eine mehr gegen Unter-Essendorf, die andere westlich gegen
Ingoldingen nächtigend, von Mitte September bis in die erste und
zweite Octoberwoche. Bevor die Versammlung im Lindenweiher ein-
fiel, pflegte sie sich einer auf den Ackern weidenden Schafheerde
beizugesellen, um auf den Schafen selbst, 2, 3 bis 6 Vögel auf einem
Rücken und ohne Scheu vor Schäfer und Hund, das Ungeziefer aus
der Wolle herauszupicken. Ochsen hausen: angekommen 24. Fe-
bruar: «,m nemlichen Tag ein Flug bei Risstissen. Erbach : erster
Staar 22. Februar, mehrere 1. März. Plochingen: angekommen
vereinzelt 3. Februar, allgemein 12. Februar, überall singend 25, Fe-
bruar: allgemeiner Ausflug der ersten Brut 2. Juni, nachher hört
man wieder allgemein den Nistgesang der Männchen. Esslingen:
angekommen 13. Februar, zahlreicher 8. März. Tübingen: 24. Fe-
bruar 4 St. im Neckarthal. Bei Derdingen (Maulbronn), wo viele
Seen mit Röhrig vorhanden sind# kommen die Staaren in ungeheuren
Flügen zusammen , um Abends mit sturmähnlichem Brausen und
heftigem Geschrei im Schilfrohr einzufallen (Fribolin). Bietigheim:
früher nur wenig häufiger Waldbrutvogel, dem man erst seit einigen
Jahren an Häusern und Bäumen gern benutzte Nistkästen auf-
hängt ; im Herbst giengen sie , stets in Gesellschaft einiger Raben-
krähen, in kleinen Flügen in die Weinberge , an's Welschkorn und
in den „Klepperlesäckern" an den Mohn (doch wohl nur der Insecten
wegen!). Weilimdorf: 8. Februar erster Flug, singend, 27. Fe-
bruar eine grosse Schaar unter Rabenkrähen auf frisch gedüngten
Feldern ; Anfang Juni ausgeflogene Junge gesellschaftlich an einem
Waldtrauf Maikäfer suchend: Flüge von 200 — 1000 Stück ziehen
31. August bis 2. September nach Nordosten. Heilbronn: 27. Fe-
bruar ein Flug von einigen Hunderten ; singt 4. März ; 28. Mai flügge
— 177 —
Junge , doch werden auch solche in den Kästen noch gefüttert.
Creglingen: 27. Februar 4 U. in Schaaren von S.W. kommend,
Tags darauf auf allen Dächern; Junge 5. Mai. Teinach: 21. Fe-
bruar in Zavelstein und Röthenbach, 27. Februar im Thal; 13. März
grosse Flüge auf schneefreien Wässerwiesen; Abzug vom 13. Sep-
tember an. Simmersfeld: angekommen 15. Februar, 2 Eier
30. April, Junge 16. Mai. Pfalzgrafenweiler: angekommen
25. Februar, abgezogen 17. October.
93) Oriolus galhula L., Pirol.
Warthausen: erstmals gehört 11. Mai; flötet 28. Juni im
Schlossgartenwäldchen und folgt auf den nachgemachten Ptuf bis
beinahe vor's Haus. Schuss enried: 2. Mai erste Goldamsel.
Weissenau: ruft 5. Mai; es scheinen nur 2 Paare gebrütet zu
haben. Erbach: 6. Mai mehrere. Plochingen: Ankunft 5. Mai
bei warmem Südwest. Weilimdorf: angekommen 2. Mai und von
da ab bis zur Brut alle Tage in der Fasanerie flötend ; 5. Juni aus-
gebautes Nest an einem Eichenzweig hängend; 26. August einzelne
Junge noch gesehen. Bietigheim: so häufig, dass er in den
Hausgarten des Berichterstatters kam; bei jedem Waldbesuch trifft
man diese Vögel, auch nicht selten auf den Obstbäumen der. Land-
strasse. Heilbronn: ruft bei Neckargartach 6. Mai, im Wald
22. Mai : Nest, theilweise aus Papierfetzen und Hühnerfedern gebaut,
mit 4 Eiern 3 m. hoch auf einem Birnbaum unterhalb Neckargart-
ach; singt auch oberhalb der Stadt am Neckar und am neuen
Flosshafen; Ende Juni Junge in einem Garten bei Neckargartach.
94) Garrulus glandarius Bmss., Eichelheher.
Weilimdorf (Fasanerie): im Januar etwa 20 St. mit Welsch-
korn im Habichtskorb gefangen, einzelne todt oder von Raubvögeln
zerrissen gefunden ; 16. Mai Nest mit stark angebrüteten Eiern 3 m.
hoch auf einem Tännchen. Heilbronn: 27. Februar mehrere im
Wald, 23. Mai am Nest 5 m. hoch auf einer Eiche. Bietigheim:
so häufig, dass zum Schutz der Eichelsaaten und Vogelnester zum
öfteren weggeschossen wird. Teinach: wegen Häufigkeit und
Schädlichkeit musste früher Dr. Wurm als Jagdpächter in Liebeis-
berg, Sommenhardt und Zavelstein den Gemeinden gegenüber sich
verpflichten, eine bestimmte Anzahl einzuhefern. Von Os terhofen,
Weissenau, Pfalzgrafenweiler ist die Häufigkeit hervorge-
hoben.
Jahreshefte d. Vereins' f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 12
— 178 —
95) Pica c (121 data K. u. Bl., Elster.
Wart hausen: 3 St. geschossen (Rappenhalde u. s. w.).
Weiss enau und Schussenried : so gut wie ausgerottet. Er-
b a c h : 5 St. auf der Schussliste. B i e t i g h e i m : vogelfreier Nest-
räuber, häufig entlang fliessender, mit Weiden und Pappeln bestan-
dener Gewässer.
96) Cor VHS co rotte L., Rabenkrähe.
Warthausen: 21. März tragen im Thal 2 Krähen Stecken
zum Nest, ebenso 22. März im Gartenwäldchen und 24. d. M. im
Ried: 30. Mai flügge Junge, 13. Juni im Ried Maikäfer fangend.
Osterhofen: 30. März Morgens 7 U. auf den Heisterkircher „Bach-
äckern" ein grossartiger, vielleicht mehrere tausend Stück zählender
Krähen- und Dohlen-Congress. Weissenau: nisten so zahlreich,
dass zum Schutz der äusserst gefährdeten Brüten der Staaren und
Singvögel, sowie wegen der „sonstigen Belästigung" eine erschreck-
liche Verfolgung dringend geboten scheint; „die ganze Physiognomie
der Gegend wird mehr und mehr von diesen Vögeln bestimmt".
Seit Ende October allnächtlich in beispielloser Zahl im Mariathal-
wäldchen. Erbach: 1. Mai 1886 bis dahin 1887 wurden 45 Stück
geschossen (vergl. K. Verordnung betreffend den Schutz der Vögel vom
16. August 1878!). Aufder Ulmer Alb bei Beimerstetten 21. Aprilvom
Bahnzug aus der brütende Vogel auf dem Nest zu sehen. Weilim-
dorf: paarweise seit Mitte Februar; 8. Mai Nest auf einer Tanne mit
4 Jungen und 2 Eiern ; 24. Mai Nest mit 4 frischen Eiern. Für die
Jagd (und hier speciell für die K. Fasanerie) ist diese Art sehr
schädlich; die Raben haben 2 Feldhühnergelege und Dutzende von
Fasaneneiern ausgetrunken und stehen hierin auf derselben Stufe
wie Elster und Eichelheher. Fasanenmeister Reinhold war schon
wiederholt Zeuge, wie junge Märzenhasen diesen „schwarzen Räu-
bern" zum Opfer fielen; so schoss er letztes Jahr von drei immer auf
denselben Fleck herabstossenden Rabenkrähen die eine und fand
dann dort ein am Kopf verwundetes Häschen in den letzten Zügen.
Auch Oberförster Fribolin (Bietigheim) äussert sich ungünstig: „Die
Rabenkrähe ist ein gewaltthätiger Vogel, der sich sein Revier wahrt,
es aber auch rein ausplündert, bis ihn das Verhängniss ereilt. Mein
Wohnhaus steht unweit der Enz am grossen früheren Holzgarten-
platz, der jetzt als Zimmerplatz und gelegentliche Schafwaide dient.
Ein Paar „Krappen" nisteten auf einer Pappel an der Enz und sahen
den Holzgartenplatz als ihre ausschliessliche Domäne an; die Enten
— 179 —
und Gänse, die nach Regenwetter Würmer suchen wollten, wurden
mit Schnabelhieben in's Wasser gejagt, waidenden Schafen flogen sie
auf die Köpfe und hieben nach den Augen, so dass die Heerde trotz
Schäfer und Hund reissaus nahm ; die Entennester auf einem kleinen
Wörth in der Enz wurden regelmässig ausgenommen und schliess-
lich als sie Junge hatten, gieng's an junge Enten und Gänse, bis
mich die Weiber so überliefen, dass ich nicht mehr umhin konnte
die schlimmen Gesellen herunter zu schiessen und nun schlugen die
Weiber die todten Vögel noch tödter." Niemand wird diese Schäd-
lichkeit bestreiten, dass aber auch mildere Auffassungen möglich
sind, vergl, S. 279 im Jahrg. 1887 unserer Zeitschrift. Teinach:
sehr häufig, bei den Bauern nicht sonderlich beliebt.
97} Corvus cor nix L., Nebelkrähe.
Warthausen: 17. März 1 St. und 20. März 5 St. unter
Eabenkrähen am Futterbrett; 17. März 1 St. im Ried, 26. März
desgl. auf den Wiesen im Rissthal; 8. Februar 1 St. unweit des
Bahnhofs Ulm und 11. December ebenso bei Biberach. Heil-
bronn: unter den Rabenkrähen im Winter am Futterplatz. , Tein-
ach: 4. Januar bei tiefem Schnee vom Fenster aus geschossen, seit
vielen Jahren das zweite Stück; bei niederem Wasserstand fischen
sie nebst der Rabenkrähe. Von Weilimdorf, Bietigheim, Schüs-
sen ried ist das sporadische Vorkommen im Winter in Gesellschaft
der vorhergehenden Art, von Creglingen das Fehlen in der hier
in Betracht kommenden Zeit angegeben.
98) Corvus frugilegus L., Saatkrähe.
Bei Ulm 24. Februar 1 St. Warthausen: 20. März eine
einzige unter Rabenkrähen am Futterbrett, 26. März viele im Riss-
thal. Kisslegg: 21. October in Schwärmen von mehreren hundert
Stücken von Nordost nach Südwest streichend, 1 St. geschossen.
Schussenried: selten. Plochingen: 24. October die ersten
grossen Flüge. Weilimdorf: mit den beiden vorhergehenden und
der nachfolgenden Art den ganzen Winter in einer nach tausenden
zählenden Schaar auf den frischgedüngten Äckern.
99) Corvus {Lycos Boie) monedula L., Dohle.
Warthausen: 12. Februar überfallen 90 — 100 Stück ein Futter-
brett im Garten: 12. Mai wird ein flügger Vogel von den Alten ge-
füttert; 14. October ein grösserer Flug. Weissen au: das zu Un-
gunsten der Rabenkrähe Gesagte gilt auch für die Dohlen. Schus-
12*
— 180 —
senried: brütet ungemein zahlreich auf dem Kirchthurm und lässt
in den Anstaltsanlagen absolut keine Singvögel aufkommen (nicht
zu vergessen der vielen Katzen). Bei Bietigheim nur im Herbst
und Frühjahr in Flügen streichend; sehr häufig am Kirchthurm von,
Reutlingen und an Felsen der Alb. Wimpfen: in den Thür-
men der Stadt sehr zahlreich nistend, 11. April dort im Feld und
am Neckar Flüge.
100) Nu elf rag a car y ocatactes Bmss. L., Tannenheher.
Plochingen: 28. October im Pfauhauser Wald ein kleine»
Exemplar geschossen; 1. November desgl. junges (diesjähriges) Weib-
chen im Plochinger Wald, welches (nach Oberförster Gasser in Ess-
lingen) allein und ungeniert auf einer Birke gesessen hatte. Etz-
lesv\^ enden (O.A. Marbach): 18. November 1 St. auf einer Treib-
jagd geschossen (Gerold; kam an Dr. R. Blasius in Braunschweig)..
12. December 1 St. beim Lichtenstein beobachtet (Fritz Kg.- W.).
Wird öfter in den Bergwäldern bei Teinach auf dem Durchzug
bemerkt Bei Der dingen (Maulbronn) 2 St. geschossen.
101) Columha palumhus L., Ringeltaube.
Warthausen: Ankunft (bei den Risshöfen) 25. Februar;
2 St. rufend 28. März; 30. August bis 2. Juli 4 St. geschossen;
22. October 28 St. auf einem Acker; 14. October zwischen hier
und Biberach zwei Flüge von 9 und 60 Stück (Neher). Oster-
hofen: rufend 2. März. Weiss enau und Schussenried: an-
gekommen 25. Februar, dort spärlich, hier erstmals rufend 9. März..
Wolfe gg: 8. März rufend; 8. und 18. April wurden 2 St todt
gefunden. Kisslegg: angekommen 5. März, brütet zahlreich in
den Waldungen. Erbach: mehrere 9. März (nur 1 St. in der
Schussliste). Weilimdorf: die beiden ersten am 8. Februar, Flüge
von Hunderten 25.— 30. d. M., erster Ruf 1. März; der Schnee Mitte
März vertreibt sie bis 24. d. M. bis auf wenige, die man fast mit
der Hand hätte fangen können; 7. Mai Nest mit Eiern auf einer
Weisstanne. Lichtenberg (Marbach): 22. März Flug von etwa
60 St. Bietigheim: seit einigen Jahren sind die früher häufigen
Ringeltauben selten geworden; im Herbst 1886 versammelte die
reiche Eichelmast durchziehende Taubenflüge bis die Eicheln aufge-
lesen waren. Im Stromberg waren vor einigen Jahren viele
Bucheckern | — V tief unter dem Schnee und die Wildtauben längst
abgezogen; da traf Oberf. Fribolin eine Menge Vogelspuren im
Schnee und nachher stand eine ganze Schaar von Tauben auf, die
— 181 —
von der Reise umgekehrt zu sein schienen. Heilbronn: baut im
Mai im Wald; 24. Juni ein Paar fliegend. Creglingen: 29. März
beobachtet. Simmersfeld: Ankunft 7. März. Pfalzgrafen-
w eil er: 9. März; die letzten gesehen 15. October. T ein ach:
erster Ruf 2. März ; interessanter Balzflug mehrerer am Emberge
im Morgengrauen des 18. Mai, während ein Specht dazu trommelte
und 2 Auerhähne balzten.
102) Columha oenas L., Hohltaube.
Ki sslegg: Ankunft 8. März; brütet einzeln. Plochingen:
Ankunft 25. Februar; 18 St. im Wald angetroffen. Weilimdorf:
S. Februar kamen die 3 ersten mit der vorigen Art, die Mehrzahl
■erst Ende des Monats ; Anfang März rufen sie, ziehen sich aber beim
'Eintritt des Schnees bis 24. d. M. zurück. Fasanenmeister Reinhold
■erzielte 1886 von einer Holztäubin und einem Brieftauber Bastarde,
•die aber im Stoppelkleid erfroren als beide Alten an Abzehrung zu
■Grund giengen. Weitenburg (Horb): Anfang Juli 2 St. geschossen.
Bietigheim: früher häufig, nach Aushieb der alten Eichen immer
seltener und im Vorjahr (1886) nur wenige noch bemerkt. Creg-
lingen: 29. März 1 St. auf einem Acker bei Reinsbronn. Pfalz-
:grafenweiler: erste gehört 1. März.
103) Tnrtur aurifus Go., Turteltaube.
Warthausen: 6. Juli 1 St. im Risshöfener Wäldchen mit
dem Fernglas beobachtet , 13. Juli ein Paar in der Höfner Halde,
Weissenau: nur ein einziges Mal im Juni gehört. Weilimdorf:
xuft in der Fasanerie erstmals 5. Mai. Mit einer 1885 aufgezogenen
Turteltäubin und einem Brieftauber hat Reinhold schon im vorigen
Jahr einen sehr schönen Bastard gezogen; 24. April dieses Jahrs
wurde gebaut, die April-Eier waren aber unfruchtbar; 20. Mai wurde
abermals gelegt und kamen 4. Juni 2 Junge aus, deren eines so-
gleich crepirte; nachher hat die Taube noch mehrmals aber immer
unbefruchtet gelegt. Bietigheim: ist häufig. H e i 1 b r o n n :
19. Mai zuerst am Wartberg gesehen, baut 22. Mai im Wald auf
einer Eiche; fehlt heuer im Friedhof.
104) Tetrao nrogallus L., Auerhahn.
Allgäu: auf gräflich QuADT'scher Jagd am schwarzen Grat
(Rohrdorf) wurde nur ein einziger Hahn geschossen. Simmers-
feld: balzt 4. April. Teinach: erste Balzregungen in der ganzen
Umgegend erst 4. April, erste gute Frühbalz (sonst Mitte d. M.)
— 182 --
24. April; 25. April ahmt ein Auerhalin zwischen dem Balzgesang
zweimal das Trommeln des Schwarzspechts nach ; noch 25. Mai balzte
ein Hahn recht gut; bei Dr. Wurm wurden nur 3 Hähne erlegt;
mehrere Gelege wurden zerstört gefunden.
105) Tetrao (Lyruriis Sw.j tetrix L., Birkhuhn.
Im August eine Kette bei Mittelbiber ach. Im Fetzach-
ried und dem Winnismoos bei B euren (Leutkirch) hat sich der alte
Stand gehalten und wurde 30. November beim Treiben ein Hahn
erlegt. Kisslegg: in dem Röthseer- und Gründiemoos jetzt häufig,
in anderen kleineren Mosern vereinzelt vorkommend. Standvogel
im Wurzacher Ried; im „Gaissen" (Gemeindejagd Unterschwarzach)
falzte ein Spielhahn 20. April Morgens 4 U., gleich ihm fliegt bald
darauf die Henne auf 30 Schritte an und bäumt auf einer Forche.
Wurde im Hardthäuserwald (Feinau), der das Plateau zwischen
Jagst und Kocher bedeckt, schon mehrmals geschossen, Hahnen wie
Hennen , die wohl vom Odenwald zustrichen , sich aber nicht ein-
bürgerten. Auf der Markung Siebeneich im Weinsberger Thal
schoss der dortige Schultheiss eine Henne (Fribolin).
106) Tetrao honasia L., Haselhuhn.
Pfalzgrafenweiler: haben durch den hohen und langen
Schnee sehr gelitten ; 14. Juli Nest mit 4 angebrüteten Eiern.
T ein ach: fort und fort abnehmend, da die in Laubholzknospen be-
stehende Winteräsung sich vermindert; öfter Federn zerrissener
Exemplare gefunden. Oberförster Fribolin giebt nachstehende all-
gemeinere Notizen: „früher bei Mayenfels im Mainhardterwald
nicht selten, wurde auf der Pfeife zur Balzzeit weggeschossen und
gieng so aus; im Döffinger Tannenwald Reviers Böbhngen standen
immer einige Paare und wurden geschont. Auf der Zwiefalter
Alb hatte ich einen schönen Hasel wildstand, der sich aber trotz
äusserster Schonung nur erhalten, nicht aber vermehren liess, denn
sie haben zu viele Feinde und verstreichen sich weit."
107) Perdix cinerea Lath., Rephuhn*.
Warthausen: 10. Mai ein Nest bei der Biberacher Stadt-
halde mit 7 Eiern, das 13. d. M. 10 St. enthielt ; geschossen 25 St.
14. Juli brachte ein Bauernknabe ein etwa 8 Tage altes Junges^
das er unberufener Weise aus einer jungen Schaar weggefangen
* Ich schreibe Rephuhn, da der Name nicht von den Reben herkommt,,
sondern mit dem scandinavischen Rypa (-Schneehuhn) stammverwandt ist.
— 183 —
hatte; schon länger von ihm herumgeschleppt, war es halb erstarrt
und verweigerte jede Nahrung, so dass an ein Erhalten desselben
kaum zu denken war, zumal da Dunenvögel überhaupt nur schwierig
einzeln gross zu ziehen sind. Die erste Nacht brachte es in einer
durchlöcherten Schachtel mit Baumwolle unter meiner Bettdecke zu
und gegen Morgen gelang mir, ihm einige Mehlwürmer gewaltsam
beizubringen: von da ab wurde das Vögelchen, das später ein statt-
licher Hahn wurde, von meiner Tochter Elisabeth in Erziehung ge-
nommen. Anfangs bedurfte es für die Nächte und soweit bei Tag
kein Sonnenschein war — dann war eine Kiste sein Aufenthalt —
der , .künstlichen Mutter", d. h. eines recht satt mit Baumwolle und
Seidenzeug auswattirten Zigarrenkistchens, dem später ein mit Flor
überzogenes grösseres Nachtquartier folgte. Herangewachsen habe
ich kaum jemals einen zahmeren und liebenswürdigeren Vogel ge-
sehen; seine Pflegerin trug ihn meistens auf der Hand oder der
Schulter, wobei er sich an die Wangen anschmiegte und gerne den
ganzen Kopf in den geöffneten Mund einschob und das Gesicht zu
erklettern strebte ; vorzugsweise gerne hielt er sich auf Tischen und
Fenstergesimsen auf, wo man ihn auf längere Zeit sich selbst über-
lassen konnte ; noch am Tag vor Erlangung der Freiheit hat er bei
uns auf dem Theetisch gesessen; ein leises ,,gogogogog" war das
Zeichen seines Wohlbehagens. Halbgewachsen liebte er besonders
Heuschrecken, kleine Regenwürmer nahm er nur ausnahmsweise,
aufgeklopfte Zirbelnüsse blieben stets ein Leckerbissen. Kaum halb-
erwachsen, begann er zu krähen und Ende August wurde das Huf-
eisen bereits sichtbar. Zu dauerndem Aufenthalt war in einer 150 cm.
weiten, 80 cm. tiefen, beinahe zum Boden herabreichenden Fenster-
nische des Hausgangs ein Käfig in der Weise hergestellt worden,
dass Deckel und Vorderseite von Draht sind, während die Rückseite
durch das Fenster mit seinen Scheiben gebildet wird. Hieher brachte
ich Ende September zur Gesellschaft und um für die Zukunft zu
sorgen eine (alte und ziemlich wilde) Henne , die ich durch das
K. Hofjägermeisteramt aus der Fasanerie geschenkt erhalten hatte.
Das erste Zusammentreffen war namenlos komisch : der Hahn , der
von seinesgleichen keine Ahnung hatte, war wie versteinert, einem
Ausrufungszeichen gleich stand er mit emporgerecktem Hals und
hängenden Flügeln in fast doppelter Länge, ein Bild des grössten
Schreckens da : nachher begann er laut zu rufen und gieng mit
Schnabelhieben auf die Gefährtin los, an die man ihn erst allmählig
gewöhnen konnte. Vom Herbst bis in's nächste Frühjahr erscholl
— 184 —
Abends und mit der ersten Morgendämmerung durch's ganze Haus
der krähende Balzruf, in den später auch die Henne einstimmte, oft
10 — 30 Mal hintereinander. Hahn und Henne vertrugen sich schlecht,
namenthch gegen das Frühjahr wurde sie öfters blutig gebissen; bei
einer solchen Scene, frühmorgens 22. März 1888, gab eine defecte
Fensterscheibe nach, der Hahn gerieth auf das äussere Gesimse und
während man sich besann, wie bei zwei Stockwerk Höhe beikommen,
entflog er hoch durch die Lüfte über einen Thaleinschnitt hinweg
auf Nimmerwiedersehen. Der Henne wurde nun auch die Freiheit
gegeben; sie duckte sich aber nieder und um sie zum Aufflie-
gen zu nöthigen, mussten wir über 200 Schritt hinter ihr drein
springen, wobei sie — ein unvergessliches Bild — die Füsse zurück-
werfend (etwa wie man den Vogel Strauss darstellt) und dabei sich
immer wieder nach den Verfolgern umsehend, etwa 10 Schritte Vor-
sprung hatte. Osterhofen: Ende Februar gepaart und im März
kaum noch auf die Futterplätze zu bringen ; auf dem dortigen Jagd-
gebiet lagen 8 oder 9 Ketten, woraus aber bloss 20 St. zum Ab-
schuss kamen. Kisslegg: eine Kette von etwa 15 bereits flug-
baren Jungen hatte 27. Juli Wachtelgrösse. Weiss enau: die
Hühner waren heuer ungleich und später ausgewachsen als sonst,
auch fehlten, obgleich der Stand nicht geringer war, ganz starke
Ketten; beim Futterplatz neben den Häusern von Grünkraut, wo
von December 1886 bis Januar 87 Weizen gefüttert wurde, jagten
2 Hahnen mehrfach die zudringenden Krähen in eilige Flucht.
Erbach: 67 St. auf der Schussliste. Mitten im Dorf Steinbach
bei Plochingen eine Kette 19. März bei starker Kälte (Morgens
— 14" K). Weilimdorf: 14. Mai Nest mit 7 Eiern an einem
Bach gefunden. Heilbronn: gutes Hühnerjahr mit starken Ketten;
20. Juni wurde eine auf 21 Eiern brütende Henne beim Mähen ge-
tödtet. T e i n a c h : nur 2 Ketten um Röthenbach, eine um Emberg,
was dem schneereichen, langen Winter, der Raubzieugmenge und
den Brutvernichtungen beim Kleemähen zuzuschreiben ist. Ehi
26. December 1886 nächst einem Emberger Brunnen an einem Eis-
zapfen festgefrorenes Feldhuhn kam zu einem Jagdhüter in Gesell^
Schaft eines grünfüssigen Teichhuhns in Pflege, verendete aber
20. Januar 1887. Aus allgemeinen Notizen des H. Oberförsters
Fribolin heben wir das nachstehende aus. Auf der Zwiefalter
Alb hatte F. schöne Hühnerjagd, bis ein einziger kalter Winter alles
vernichtete. Der gewöhnlich rothe Schild des Hahns ist bisweilen
schwarz. Bei Pleidelsheim (0. A. Marbach) wurde ein Huhn
— 185 —
mit Kreuzschnabel geschossen. Die Vermuthung, dass es „Wander-
hühner" gebe , belegt Berichterstatter mit drei bei Derdingen und
auf der Zwiefalter Alb im October gemachten Erfahrungen, als einer
keineswegs alljährlichen oder regelmässigen Erscheinung. Diese
Hühner halten nicht vor dem fermen Hund, alles rennt und wirrt
durcheinander, plötzlich stehen 60 St. und mehr auf, der Schwärm
wirbelt wie Tauben immer höher aufwärts, zieht dann in nörd-
licher Eichtung weiter und verschwindet für immer, während die
Standhühner, die der erfahrene Jäger kennt, da verblieben sind, wo
sie hingehören. — Die gräfl. TöRRiNG'sche Schussliste führt 5. März
aus Oberbayern 1018 Feldhühner auf.
108) Cotnrnix communis Bonn., Wachtel.
Warthausen: ruft im Thal 28. April; 15. August ein Nest
mit 10 bebrüteten Eiern vermäht ; im September wurden 30 Wachteln
geschossen und 19 weitere (14. d. M.) mit dem Netz gefangen, von
denen 14 St. im Frühjahr wieder ausgelassen werden konnten.
Oster hofen: nur in wenigen Paaren; schlägt erstmals 10. Mai.
Kisslegg: alle Jahre seltener. Weiss enau: erster Schlag 9. Mai;
im Herbst waren sie wieder recht selten; spät im October wurden
noch 6 St. in einer Fichtenkultur angetroffen. Schussenried:
19. April schlagend. Erbach: 30. April angekommen; in der
Schussliste 111 St. Plochingen: Ankunft 6. Mai bei warmem
Südwest. Weilimdorf: schlägt 3. Mai zum ersten Mal; letzte
noch spät von Mähdern gebrachte Eier schlüpften 29. August in der
Fasanerie aus. Bietigheim: selten wohl in Folge der frühen
Aerndten (auf der Alb dagegen sehr häufig); auch bei dieser Art
geht das Roth an der Kehle häufig in Schwarz über. Heilbronn:
schlägt 22. Mai an zwei verschiedenen Orten der Umgegend.
Teinach: der hier fast vergessene Wachtelschlag war Anfangs Juni
auf den Wurzbacher Wiesen zu vernehmen.
109) Phasianiis colcJiicus L., Kupferfasan.
Verwildert im Strohgäu und gehegt im benachbarten Bayrischen
liiergebiet, führt ihn schon Landbek (1834) an, als in den Bergen
bei Mössingen und auf der Schlotwiese bei Kornthal sporadisch
brütend. Bei Wurmlingen (0. A. Tübingen) waren 19. Januar d. J.
2 St., von denen der Hahn geschossen wurde (Fritz K.-W.); bei der
Fasanerie („Härdtle") wurden 23. April zwei Nester mit 7 und
8 Eiern im Freien gefunden; in den VoUeren legen Anfangs April
die Silber- und Goldfasanen immer früher als die „Jagdfasanen". —
— 186 —
In Oberbayern, Seefeld (am Pilsensee bei Starnberg) wurden auf
den gräflich TöRRiNG'schen Jagden im abgelaufenen Jagdjahr. 40 Fa-
sanen geschossen.
110) Cr ex pratensis Bechst., Wachtelkönig.
Warthausen: ruft 25. Mai auf den Wiesen an der Riss, dort
28. d. M. 2 St. beobachtet; 7. Juli von dort 11 Eier aus einem ver-
mähten Nest; 1. October 1 St. geschossen bei Birkenhart. Oster-
hofen: macht sich im Juli durch sein Schnarren in den Gersten-
feldern am Ried bemerklich. Weissenau: ruft zur Brutzeit häutig
am alten Nistplatz, dem Wiesenthal gegen Ravensburg; im Herbst
selten. Erb ach: 2 St. auf der Schussliste. Plochingen: ange-
kommen 7. Mai (gewitterig). Weilimdorf: 17. Juni und 4. Juli
werden von Mähdern je 11 und 10 stark angebrütete Eier in der
Fasanerie abgeliefert. Bietigheim: vereinzelt in Wiesen brütend,
im Herbst gerne in dichten Kleefeldern. T ein ach: zuweilen Brut-
vogel auf dem Hochplateau. Pfalzgrafenweiler: noch jedes
Jahr gehört.
111) Ortygometra porsana Steph., Geflecktes Sumpfhuhn.
Warthausen: 20. September im Ried geschossen. Brütet
in den Seen bei Der dingen (Maulbronn) und ist hier wie auch in
den Torfstichen von Böblingen und Sin del fingen häufig.
112) Gallinula c h lor op u s Lath., Grünfüssiges Teichhuhn.
Tübingen: 24. Februar etwa 20 St. trillernd an der „Blaulach".
Ein Teichhühnchen, das sich durch eine Spalte in eine Scheune in
Röthenbach (Calw) förmlich durchgezwängt hatte, fieng Dr. Wurm's
Jagdhüter Ende Juli vorigen Jahrs und hielt es ein halb Jahr lang
frei in seiner Stube. Oberförster Fribolin, der die nachfolgende Art
nur zur Strichzeit mit' Sägern und Enten erlegte , fährt unter der
Nummer von jener noch eine kleinere, auch im Böblinger See vor-
kommende an, die nur hieher gehören kann. Im D erdinger See,
wo die mit Epheu dicht überwucherten Klostermauern von Maul-
bronn , nur durch einen 2 m. breiten Gang vom Wasser getrennt,
an diesem hart emporragen , gelangten die unbehilflichen Vögel
hüpfend und mit Hilfe der Flügel zum Epheu empor und nisteten
statt im Schilf in diesem ! Im Gegensatz zum Wasserhuhn, das mit
freier Umschau sein Nest stets inmitten grosser Wasserflächen zwi-
schen Schilf, Rohr und Binsen erbaut, nistet allerdings das Teich-
huhn mehr in der Nähe der Ufer und öfters in Weidengestrüpp,
der hier beobachtete Fall dürfte aber einzig in seiner Art sein.
187
113) Fulica atra L., Schwarzes Wasseihuhn.
Kisslegg: in grosser Anzahl nistend auf melireren Weihern.
Hummertsrie d (Waldsee): 18. April auf dem dortigen Weiher an-
geschossen und gelähmt zu Lehrer Herter verbracht, der die vor-
jährige Brut im Juni geheim gehalten hatte. Creglingen: 25. März
1 St. auf der Tauber geschossen.
114) V an eil US cristatus Mey., Kiebitz.
W^ a r t h a u s e n : 28. Februar bei den Risshöfen ; 14. März 6 St.
zwischen hier und Biberach; 1. Juni nur 2 Brutpaare im Ried;
18. Juli fliegt einer von Ost nach West hoch über die Felder oben
beim Schloss ; 20. September rund ein Hundert beisammen im Ried
und ebenda noch 19. November 30 — 40 St. beisammen. Oster-
liofen: im November mehrere auf den Feldern der Markung. Kiss-
legg: brüten nur auf den Inseln des Wuhrweihers; Anfangs August
bereits in Flügen beisammen. Weissenau: im März und dann
wieder Anfangs November (8 — 10 St.) durchgezogen; hat im Bohl-
weiher, dem sonstigen Brutplatz, nicht genistet. Schusse nried:
erster 27. März. Plochingen: 15. März bei starkem Schnee-
gestöber auf dem Durchzug. Reutlingen: 14. März etwa 100 St.
bei tiefem Schnee am offenen Wasser. Fachsenfeid (O.A.Aalen):
6. October 5 St. nach S.W. fliegend. Leonberg: 28. October auf
den Feldern der Stadtmarkung. Weilimdorf: im Spätherbst in
kleinen Flügen. Bietigheim: sparsamer Strichvogel im Frühjahr
und Herbst.
115) Charadrius pltiv ialis li.^ Goldregenpfeifer.
Osterhofen: ruft, von S.W. nachN.O. fliegend, 23.x\pril Abends
9 U. bei sternheller Nacht und massigem Südwestwind.
116) Totanus calidris Bechst., Gambettwasserläufer.
Warthausen: 24. August 2 St. im Ried; ein nicht seltener
Brutvogel Oberschwabens, von welchem ich 28. Mai 1850 ein Gelege
von 4 Eiern ebendaher und weitere Eier 3. Juni 1853 aus dem
Wolfegger Ried und 1854 von Schussenried (Valet) erhalten habe.
117) Scolopax rusticola L, Waldschnepfe.
Warthausen: 14. März bei tiefem Schnee 4 St. an einem
seichten Wassergraben nächst dem Bahnhofgebäude; 26. März 1 St.
im Schlossgarten; 30. März 1 St. im „Bauernwald": 14. October
1 St. bei Birkenhart , 16. October 1 St. in der Nähe des Schlosses,
— 188 —
16. November bei Schnee und ziemlicher Kälte 2 St., diese alle genau
beobachtet. Vom 18. März an wurden 2 St. bei Mittelbiber ach
auf dem Strich und 8. October auf einer Treibjagd eine bei Ass-
mannshart, 24. October 2 St. am Höllweiher bei Stafflangen
(alle Orte O.A. Biberach) geschossen. Osterhofen: im Frühling gar
nicht bemerkt, im Herbst bloss 3 St. auf dem genannten Jagdrevier,
wovon eine 8. November erlegt wurde. Kisslegg: angekommen
1. April, nur eine einzige geschossen. Brochenzell (a. d. Schüssen,
Tettnang): 12. März die erste Schnepfe erlegt (Zeitungsnotiz). Wolf-
egg: 1. April 1 St. aufgegangen. Weissen au: 12. März erste ge-
sehen; Schluss des sehr mageren und nur an drei Abenden lebhaf-
teren Schnepfenstrichs 5. April ; Rückstrich selten früh, schon 10. No-
vember beendigt. Schussenried: kein Frühjahrsstrich, im Herbst
ziemhch häufig; in den 19 Jahren 1869—1886 hat Oberf. Frank
32 St. bekommen. Erbach: 16. März mehrere gesehen; 15 St. in
der Schussliste. Weilimdorf: 28. März die 2 ersten gesehen,
30. März die erste geschossen, 9. April die letzte gesehen. Stutt-
gart: vom 27. März an war der Strich im Gange, aber wie im ganzen
Land recht unergiebig. Leonberg: im Frühjahr und Herbst äusserst
selten. Bietigheim: regelmässiger Strichvogel im Frühjahr und
Herbst, in milden Wintern ausnahmsweise überwinternd. Brütet bei
uns, wenn der Frühjahrsstrich in die Zeit nach erfolgter Begattung
fällt; dann streichen diese jungen Schnepfen falzend Ende Juni und
Anfangs Juli. Zu der von Prof. Dr. Bernhard Altüm in Neustadt-
Eberswalde aufgestellten Frage, „ob die Waldschnepfe einen abge-
schossenen Ständer verbinde?" hat Oberf. Fribolin ein Beispiel
aus eigener Erfahrung : Im Staatswald Forst wurde eine etwa 6 Tage
vorher geständerte Schnepfe geschossen ; der kranke Fuss war dicht
mit Bauchfedern umwickelt und hart an den Leib gedrückt. Fribolin
selbst — wir können seine Erzählung hier nur abgekürzt geben —
denkt daran, dass der emporgezogene und blutige Fuss auch zufällig
in die Federn eingeleimt worden sein könne. Mit dieser Annahme
wird man wohl in allen Fällen jene Jägersage erklären können.
Heilbronn: gegen Mitte März wurden zwar einige durchfliegend
gesehen, aber keine geschossen. Creglingen: 4. April 1 St. und
28. October auf einer Treibjagd einige gesehen. T e i n a c h : 5. April
auf der Auerhahnjagd die erste gehört; beim Abzug nur 3 gesehen,
da sie sich in den colossalen Waldmassen zu sehr vertheilen. Pfalz-
grafenweiler: die erste strich 2. April. Simmer sfeld: 7. April
2 St. geschossen.
— 189 —
118) Gallinayo major Lch. Gm., Grosse Sumpfschnepfe.
Fehlte diessmal bei Weissenau vollständig. Bietigheim:
so ziemlich jeden Herbst als seltener Strichvogel in einem Kartoffel-
acker geschossen ; Fribolin hat sie auch bei Neuenstadt, im
Neckar- und Enzgebiet bis an die badische Gränze, wie auch auf
der Alb angetroffen.
119) Gallinago scolopacina Bp., Heerschnepfe.
Wart hausen: 4. April im Ried meckernd; 29. August bis
28. October schössen meine Söhne 30 St. , 24. October 2 St. am
Moosweiher bei Mittelbiberach erlegt. Osterhofen den ganzen
Winter, im Sommer und Herbst 1887 3 — 4 St. im Ried, wovon
10. October 1 St. geschossen wurde. Wolfegg: 26. October 1 St.
geschossen. Kisslegg: brütet in einzelnen Paaren in den noch
nassen Abstichen der Moser, wo der Falzgesang häufig gehört wurde.
Weissenau: Anfangs März zu Hunderten im Grenzbachthal bei
Ottershofen auf Wässerwiesen; am Grenzbach später nur vereinzelt
und bei Weissenau selbst nicht an den gewohnten Plätzen. Schussen-
ried: erste Becassine 1. März. Bietigheim: hart an der Heilbrunner
Bahnlinie in der Nähe eines Altwassers falzten vor 3 Jahren im Herbst
etwa 10 Stück. Im Frühjahr vor 2 Jahren traf Feibolin auf einer
Wiese an der Enz, hart an stark begangener Landstrasse etwa fünf
Tage nach einander eine einzelne und beobachtete sie beim „wurmen";
sie strich an, stelzte kurze Zeit herum, stiess den Schnabel in den
Boden und rannte um diesen wie um einen Pfahl trippelnd mehrmals
im Kreise herum ; diess wurde an mehreren Orten wiederholt und
die Bohrlöcher blieben als kleine offene Trichter. Derselbe Gewährs-
mann traf früher die Becassine zugleich mit der Haarschnepfe
(Gallinago gaUinula Lch. L.) in massiger Anzahl im Frühjahr auf
den Torfstichen von Böblingen und Sindelfingen, im Herbst
auch einmal lebhaft falzend.
120) Numenius arquata Lath., Grosser Brachvogel.
Wart hausen: 4. April 1 St., 2. Mai und 1. Juni ein Paar
im Ried gesehen; im Mai wurde hier ein Nest gefunden, dessen
Eier Bauern verzehrten. Wolf egg: Ende April ein Nest mit 4 Eiern
(Fst, Waldburg- Wolfegg). Osterhofen: 13. April 5—6 St. im
Ried, die durch ihren eigenthümlichen Ruf sich bemerklich machen ;
bis auf 120 Schritt schlich sich der Berichterstatter an ein gravitä-
tisch über die Wiesen schreitendes Exemplar an. Kisslegg: An-
— 190 —
kunft 23. März ; in einzelnen Paaren alljährlicher Brutvogel im
Achthal und Gründiemoos. Weissenau: erschien 13. März in
4 — 5 Paaren auf dem alten Brutplatz im Grenzbachthal und begann
sofort mit dem in der ganzen Gegend bekannten Falzgesang ; 25. Juli
war nur noch 1 St. da und auch dieses nach wenigen Tagen ver-
schwunden. S c h u s s e n r i e d : wird im Federseebecken immer seltener.
121) Ardea cinerea L,, Fischreiher.
Warthausen: 11. September 5 St. im Rissthal; es waren
dieses heuer die einzigen; 2 St. hat A. Angele geschossen. Oster-
hofen: den ganzen Herbst 3 — 4 St. an der Ach im Osterhofer Ried.
Weissenau: bei Beginn der starken Kälte mehrere an der Schüssen,
bei stärkerer Eisbildung wieder abziehend. Schussenried : 2. März
erster; brütet in den dortigen Staatswaldungen. Erb ach: 28 St.
auf der Schussliste. Bietigheim: an Enz und Neckar nicht selten;
häufig bei D e r d in g- e n (Maulbronn); fängt Winters auf dem Feld Mäuse.
T ein ach: früher in den Forsten am Teinachbache häufig, den sie
besonders nach dem Zufrieren der Nagold besuchten ; dort war näm-
lich einst im Stammheimer Wald ein herzoglicher Reiherstand ge-
hegt, von welchem die Vögel nach Ludwigsburg zur Reiherbaize ge-
bracht wurden ; die Nachkommen von diesen haben sich durch den
Bau und Betrieb der Eisenbahn längs des Flusses sowie durch den
enormen Windwurf von 1870 derart vermindert, dass Dr. Wurm seit
mehreren Jahren erst wieder 9. Januar dieses Jahrs einen in der
Teinach bemerkte.
122) Ardea imrpurea L., Purpurreiher.
Kisslegg: 21. Mai wurde 1 St. von einem Forstgehilfen in
einem Abstich im „Breitmoos" geschossen.
Anmerkung. Über diessmal nicht in Frage kommende Arten
ist Folgendes eingegangen. Egretta alba Bp. L., grosser Silber-
reiher, wurde in der Teinach fischend vor einigen Jahren an zwei
Tagen von Dr. Wurm beobachtet. Ardeola miniita Briss. L.,
Zwergreiher, bekanntlich in Oberschwaben an Seen und der Donau
Brutvogel, wurde einst von Oberförster Fribolin bei Maulbronn
geschossen und hat dort im Derdinger See genistet.
123) Ciconia alba Briss., Weisser Storch.
Warthausen: 3. März fischt einer an der Riss. Als unser
Storchpaar am 22. August 1886, Abschied nehmend, letztmals das
Schloss umkreiste, ahnte es sein Schicksal wohl nicht. Nach der
— 191 —
vom 13. — 21. März dauernden, für die Vogelwelt so unheilvollen
Winterkatastrophe fand man beide im Thal, nur wenige Kilometer
von der nicht mehr erreichten Heimat entfernt, verhungert und er-
froren. Um einen Monat verspätet besetzten vorjährige Junge das
Nest; erstmals flog einer 24. März über das Schloss weg, 29. März
setzte er sich nach langem Umkreisen endlich auf's Dach, 30. März
kamen auf dieses 3 Störche , 3. April näherten sie sich dem Nest
und einer wagte sich endhch auf dieses. Von 4. April an war, nach-
dem der dritte abgetrieben worden, ein Paar dauernd angesiedelt;
25. Mai hatten sie 3 Junge ; 22. Juli war Gewitter mit solchem
Orkan, dass die Jungen aus dem Nest geschleudert wurden; Tags
darauf wurde eines desselben aus dem Dorf herauf gebracht, Nach-
mittags zu einem Dachladen wieder hinaus gelassen und Abends
sassen wieder alle im Nest ; 25. Juli sind sie glücklich ausgeflogen
und 11. August waren sie letztmals zur Stelle. Ummendorf (Bi-
berach) : vor mehr als 25 Jahren hatte sich ein Storchennest auf
der Adlerwirthschaft befunden ; dieses Jahr wurde auf dem höchsten
Kamin des als Pfarrhaus dienenden Schlosses ein solches wieder an-
gebracht, das sofort bezogen wurde und 3 Junge beherbergte, die
an Jacobi (25. Juli) ihren ersten Ausflug wagten. L au p heim:
24. März, von der Eisenbahn aus sichtbar, 2 St. im Wasser stehend.
Ravensburg: angekommen 4. März; hat 3 Junge ausgebrütet.
Buch au: 11. März 10 U.Vormittags angekommen aber wieder ab-
gezogen. Erbach: mehrere 10. März. Plochingen: Ankunft
25. Februar bei warmem Südwest; 1. September steht noch ein ein-
zelner auf dem Kirchthurm. Reutlingen: 24. Februar lässt sich der
erste auf dem Dach der Stadtkirche nieder (Zeitungsnotiz). Tü-
bingen: 3. März ein Storch über die Stadt nach Osten fliegend.
Weilimdorf: angekommen 12. März. Leonberg: schon Ende Juli
abgezogen. Heilbronn: fliegt 1. April über die Stadt; 22. und
28. Mai 2 Vögel im Feld ; fehlt als Nistvogel hier und in den Nach-
barorten, Link hat aber auf einer günstig gelegenen Scheune seines
Gartens eine Nestunterlage anbringen lassen. Teinach: fehlt dem
Schwarzwald. — „Gottlob!" meint Dr. Wurm — ; vom „Gäu" her
steht das nächste Storchennest auf der Kirche von Althengstett.
Aus Zeitungsnotizen fügen wir über die Lebenszähigkeit der
Störche zwei Beispiele als Anhang bei. Im Gymnasialgebäude zu
Fulda, auf welchem sich die Störche zur Abreise zu versammeln
pflegen, wurde i. J. 1861, nachdem sie schon zwei W^ochen abge-
zogen waren, beim Reinigen eines Kamins ein ganz berusster Storch
-- 192 -
so sehwach vorgefunden, dass er nicht mehr stehen und schlucken
konnte, mit eingeflösstem Brei hergestellt entflog er später aus einem
Garten. Zu Lügumkloster auf dem Dach des Hofbesitzers Jür-
GENSEN erstritt sich im heurigen Jahre ein fremdes Männchen das
Eherecht und machte den rechtmässigen Gatten verschwinden, der
9 — 10 Tage nachher vom Kaminkehrer ebenso wie im vorigen Fall
aufgefunden wurde, aber trotz verkommenen Zustands sich sofort
mit Fröschen stärken liess.
124) Ciconia nigra L., Schwarzer Storch.
Tübingen: 18. März 1 St. am Neckar (Fritz K.-W.).
125) Cygnus musicus Bechst., Singschwan.
Nach einer Correspondenz im schwäb. Merkur vom 17. Novem-
ber 1887 erlegte Tags zuvor der Jagdpächter von Amrichshausen
(Künzelsau) im dortigen See ein Exemplar ausdrücklich von dieser
(der nordischen) Art; es wog 17 Pfund und wurde um 3|- c/M. ver-
kauft. Ist auch schon an der Tauber vorgekommen.
126) Cygnus olor Briss. L., Höckerschwan.
Kisslegg: 10. Juli streichen 2 Schwäne hoch über die Bahn-
linie zwischen Wolfegg und Rossberg; schon der Jahreszeit nach
können es kaum andere als verwilderte dieser Art sein; von den im
Schlosspark zu Waldsee gehaltenen ziehen die Jungen, die von den
Alten nicht geduldet werden und denen man die Flügel nicht bricht,
alljährlich fort und werden, da sie nicht zurückkehren, wohl immer
als wilde erlegt.
127) Ans er segettim Gm., Saatgans.
Osterhofen: 11. März, 2 Tage vor dem grossen Schnee,
bei Regen und Westwind etwa 40 St. hoch in den Lüften von Süd
nach Nord fliegend. Kisslegg: 4. November 19 ziehende Wild-
gänse. Esslingen: 12. November eine Schaar Gänse fliegt über
die Stadt. Bietigheim: im kalten Winter 1886 auf 87 in grossen
Flügen auf den Saatfeldern einfallend ; noch jeden Winter auf dem
Durchzug beobachtet, wenn sie im Dreieck vorüberfliegen. Jagst-
feld: 30. December nachmittags 3^ U. zog ein mächtiger Flug
Wildgänse zwischen Osterburken und Adelsheim über das Kirnau-
thal ; die laut schreiende und flatternde Schaar flog in Form eines
riesigen Keils, je 20 — 22 St. in jeder Bahn, von Nordost gegen Süd-
west, wohl 60 m. über der Thalsohle (Zeitungsmittheilung). Lich-
tenberg (Marbach) : 22. März zogen 50 — 60 St., von Südwest nach
— 193 —
Nordost fliegend, vorüber (Stockmayer). Heilbronn; ein Trupp
von 40 — 50 Wildgänsen hielt sich im Februar oder März einige Tage
unweit der Stadt im Neckarthal auf. Aus Kempten (bayr. Schwa-
ben) wird geschrieben, dass kurz vor 27. Februar ein grösserer Flug
Wildgänse auf dem Weg nach Norden durchgekommen sei.
128) Alis er einer eus Mey., Graugans.
Eine authentische Beobachtung fehlt. 5 St. Wildgänse, 12. De-
cember bei Ob erdischin gen (Ehingen), mögen wohl zu dieser meist
nur in kleinen Familien wandernden Art gehören. Eine Zeitungs-
correspondenz „Kirchheim 29. August" berichtet, dass am ge-
nannten Tage Vormittags zwischen 11 und 12 ü. von Osten nach
Westen in grosser Höhe ein Zug „Schneegänse" gesehen wurde.
Vielleicht haben diese frühzeitigen Durchzügier dieser als der näher
wohnenden Art angehört ?
Von der zu dieser Art gehörigen Hausgans wird aus Reut-
lingen geschrieben, dass eine solche im Winter bis Ende Januar 1887
58 Eier gelegt und nach kurzer Pause bereits in der vierten Februar-
woche diese löbliche Beschäftigung wiederum aufgenommen habe.
14. April schlüpfen in Creglingen die ersten jungen Gänse aus.
129) Rhynchaspis clypeata Lch. L., Löffelente.
Kisslegg: auf dem Strich einzeln und in grösseren Flügen;
17. August auf dem Grossweiher und 20. August auf der Ach je
1 St. 'geschossen.
130) Querquedula circia Steph., Knäckente.
Warthausen: 12. April 5 St. an der Riss. Kisslegg:
Durchzug 7. April, brütet nicht und kommt — wie auch die nach-
folgende Art — nur im Frühjahr und Herbst in einigen Exemplaren
auf dem Zuge vor. Weissenau: von Januar bis März in beschei-
dener Anzahl an der Schüssen. Erbach: Schussliste 25 St.
131) Querquedula crecca Steph., Krieckente.
Warthausen: 6. März bei den Risshöfen; 12. April ge-
paartes Paar an der Riss im Ried; 10. September 2 St. geschossen
auf Markung Langenschemmern, im November eine weitere bei Wart-
hausen a. d. Riss. Weissenau: wie vorige Art. Schussenried:
ziemlich entfernt vom Wasser im Waldfeld brütend: 6. Mai 1876
Gelege mit 9 Eiern. In den Derdinger Seen bei Maulbronn, auf
den Torfstichen von Böblingen und Sin delfingen, an Neckar,
Enz, Kocher und Jagst mit der vorgenannten und der nachfolgenden
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Xaturl;niide in Württ. 1B89. 13
— 194 —
Art gewöhnliche Gäste, Brütet vereinzelt an ruhigen Stellen des
Nagold -Thals (Wurm).
132) Anas hoschas L., Stockente.
Warthausen: 20. Februar 1 St. geschossen; 18. März etwa
20 St. beieinander, paaren sich 23. d. M. ; 4. April 2 Brutpaare im
Ried; 28. April in einem Weidenkopf an der Riss nistend; 24. Oc-
tober 60 bis 80 Stück im Ried und ebenso 18. November an der
Riss. Isny: im Revier Rohrdorf 11 Enten geschossen (Gf. Quadt).
Osterhofen: an der Ach bis Jahresschluss etwa 6 St. geschossen:
15. September Abends 6 U. flogen 35 — 40 St. vom Osterhofer Ried
über den „Mauchenberg" und „Haslach", eine Bogenlinie bildend,
dem Wurzacher Ried zu, Messen sich bei Graben auf einem Haber-
stoppelfeld nieder und fielen später im Schwindelsee ein. Kissl egg:
2. März gepaart; Brutvogel in zahlreichen Paaren auf den Seen und
Weihern, sowie auf der Ach; 28. April Nest mit 2 Eiern auf denen
die Ente sass , weit vom Wasser unter einem Weisstannenhorst an
einem sonst kahlen Abhang beim Pflanzensetzen gefunden. Weissenau:
Januar bis März wenig zahlreich an der Schüssen. Schussenried:
regelmässig auf den Weihern brütend. Essendorf: etwa 10 Paare
schwimmen paarweise 31. März auf dem Lindenweiher. Erb ach:
Schussliste 89 St. Plochingen: 1. Juli auf einem Teich kaum
erst aus dem Ei geschlüpfte Entchen. Creglingen: haben sich
erst im November seit dem letzten Schnee eingestellt. T ein ach:
zuweilen als Strichvogel in der Nagold und auf den Weihern der
hochgelegenen Orte Liebeisberg, Neubulach, Sommenhardt; Kälte,
Armuth des Wassers an Pflanzen und Thieren, Verkehrswege längs
der Gewässer verhindern sie Stand zu nehmen.
133) Mareca penelops Stfph. Aldr., Pfeifente*.
Warthausen: 26. März 8 St. an der ausgetretenen Riss
deutlich beobachtet (Fritz K.-W.) ; Kissl egg: 27. November 1 St.
auf der Ach geschossen.
134) Mergns mer (janser L., Grosser Säger..
Kissl egg: Anfangs November in Flügen von 30 St. auf dem
Argensee und Obersee. Wenn Revierf. Wendelstein sagt, er brüte
* Ich schreibe nicht Penelope wie Linne, der aus Aldrovands und
Gesners Ablativ „de penelope" (d. h. von der Ente penelops) einen Eigennamen
gemacht hat. Anser penelops sagt Aldrovandi, der allerdings den Namen
— 195 —
an der Argen, so dürfte diese vielleicht ein Irrthum oder eine Ver-
wechselung mit der nachfolgenden Art sein , von welcher Dr.
Stölker in St. Gallen 31. August 1876 vom ßodensee (Obersee) ein
Weibchen mit 6 Jungen im Dunenkleide als eine Seltenheit erhielt
(briefliche Notiz). Naümann's ältere Nachricht, 31. merganscr habe
schon am schweizerischen Bodensee genistet, ist unverbürgt; die nor-
malen Brutplätze reichen aus Scandinavien und der Ostseeküste bis
in die Mark Brandenburg, Pommern. Holstein und Mecklenburg.
Vergl. nächste Nummer. Weissen au: diese, die grössere Art, er-
scheint regelmässig und wurden heuer 3 St. geschossen. Während
des Strichs bei Maulbronn auf dem Derdinger See, auf dem Neckar,
bei Kochendorf (Jagstfeid), in Kocher und Jagst, stets zu 2 und
4 St. beobachtet sowie geschossen.
135) 3Iergus serrator L., Mittlerer Säger.
Weissen au: seltener als der vorige (wonach die vorjährige
Notiz zu berichtigen ist), immer nur Ausnahme; 1 St. geschossen.
Oberförster Probst giebt die interessante Notiz, dass ein Mergus —
wahrscheinlich serrator — i. J. 1882 oder 1883 bei Geiselharz
(Wangen i. A.) am Argenhang in einem hohlen Birnbaum eines
Hausgartens nahe am Boden gebrütet habe ; die Brut wurde durch
ein muthwillig in die Flugöffnung geschobenes Holz gestört; die
Alten wurden oft auf dem Giebel des dortigen Wirthshauses sitzen
gesehen und sollen einige Jahre früher ebenfalls dort gebrütet haben.
Nach einer Zeitungsnotiz schoss 30. März Kevierf. Rhomberg im
Schlosssee von Waldsee eine „Seegans", das Männchen vom Paare.
Nach ähnlicher Quelle München, 6. Februar wurde im Revier Hirschau
des k. Leibgeheges eine Säge- oder Meerente mit wunderschöner
gelber Brust (dunkler im Gefieder als das Weibchen) geschossen.
Ob diese beiden Fälle hieher oder eher zur vorigen Art gehören,
bleibt dahingestellt.
136) St er na hirundo L., Fluss-Seeschwalbe.
Warthausen: 28. Mai 2 St., 8. JuH 3 St. und 10. JuU eine
einzelne im Rissthal. Sigmaringen: 14. Juli wurde ein in der
Donau auf den Beobachter ganz vertraut zuschwimmendes Exemplar
mit der Hand gefangen, die „Hohenzollern'sche Volkszeitung" be-
schreibt den Vogel und verlegt die Heimat der „noch nie dagewesenen
Seltenheit" an die Nordsee !
äer Gattin des Odysseus damit in Verbindung bringt; diese heisst griechisch
JTr^rü.önt,, der Vogel bei Aristoteles 7ir,vü.o\'^.
13*
- 196 —
187) Larus {Chroicocejjhalus Eyt.) ridibiindus L. , Lachmöve.
Warthausen: 24. März etwa 25 St. um das Schloss fliegend^
27. März ein St. an der Riss; 5. Juli 4 St. im Thal. Osterhofen:
30. März waren bei Schneegestöber 100 — 150 St. auf den dortigen
Feldern. K i s s 1 e g g: kommt nur auf dem Strich oder nach Nahrung
fliegend unter Tags von dem etwa 10 Kilometer entfernten Rohr-
see, wo sie brüten , in das Achthal und an die Weiher bei Kiss-
legg; 17. November noch 9 St. gesehen. Weissenau: erscheint
19. März in den bekannten grossen Flügen, liest hinter dem Pflug
ihre Nahrung auf und verschwindet wieder Ende April. Schussen-
r i e d : 29. März erste Möve.
138) Larus canus L., Sturmmöve.
Esslingen: 12. November 2 St. am Neckar.
139) Podicipes* minor Lath., Flusstaucher.
Warthausen: wie immer den Winter über auf der Riss.
Creglingen: häufig auf der Tauber. Nistend in den Seen von
Böblingen und D e r d i n g e n ; auf der Enz bei B i e t i g h e i m nur
im Winter.
Säugethiere.
1) Ger V US elaphus L., Edelhirsch.
Diessjährige Schusslisten sind leider wenige eingelaufen : Auf
den gräflich QuADx'schen Jagden im Allgäu wurden in den Revieren
Rohr dorf (16,000 Morgen) und Kreuz thal (2,500 M.) 12 Hirsche,
13 Thiere und 2 Kälber geschossen, wovon 5 St. auf das letztere
Revier kommen. Kisslegg: den ganzen Sommer und Herbst hielt
sich ein Hirsch mit einem Thier in den dortigen Waldungen und in
denen von Wolfegg auf; Anfangs October waren beide fortgezogen;
alle Jahre wechseln einzelne vom schwarzen Grat ein. Creglingen:
vor 2 Jahren wurde ein Zwölfender bei Waldmannsh of en (Mer-
gentheim) angeschossen und bei Aufstetten (Ochsenfurt), f Stunden
über der Landesgränze bei einem Treibjagen erlegt; die Hirsche
kommen zeitweise aus dem Steigerwald herüber. T ein ach: über-
schreitet jetzt öfter das Thal der grossen und der kleinen Enz,
so dass er zuweilen, selbst in kleinen Rudeln, um Würzbach, Ober-
reichenbach, Röthenbach, Altburg u. s. w. gespürt, gesehen und ge-
schossen wird.
* Podiceps hei Lathan ist Druckfehler; es kommt nicht von novs,
noäö? und „ceps" (fussköpfig), sondern von podex und pes (Steissfuss !) her.
— 197 —
Auf den gräflich TöRRiNG'schen Jagden in Oberbayern kamen
nach Zeitungsnachrichten 2 Hirsche, 2 Altthiere und 5 Schmalthiere
im abgelaufenen Jagdjahr zum Abschuss.
2) Capr eolus pygar (JUS Blas. Pall., Reh.
Warthausen: 17 Böcke als geschossen notirt. Die viel-
erwähnte zahme Rehgais hat wieder gesetzt, erschien aber bald allein,
so dass wohl Füchse die Nachkommenschaft aufgezehrt haben; den
Winter über besuchte sie wie immer den Garten, um aus der Hand
gefüttert zu werden. Bei Isny im Revier Rohrdorf 44 und in
■demjenigen von Kreuzthal 6 Böcke geschossen (gräfl. QüADi'sche
Schussliste). Osterhofen: 15. Mai erstes Kitzböckchen; 3 Kreuz-
böcke , ein Gabelbock und 2 Spiessböcke abgeschossen ; im kalten
Januar verschmähte das Rehwild künstliche Fütterung, da Brombeer-
laub und Heidelbeertriebe genügende Äsung gaben ; auf Ziegel-
b a c h e r Gemeinde wurde Mitte Januar ein Bock erlegt , dessen
rechter Hinterlauf vom Knie ab sich in zwei normale Unterlaufe
theilte. Kisslegg: 11. Mai erstes Rehkitz; 28. Mai wird ein Schmal-
reh vom Bock eifrig getrieben; 15. Juli erster, 23. August letzter
Bock aufs Blatten springend; guter Rehstand. Erbach: Schuss-
liste 17 Rehböcke. Pf alzgraf en weiler : in Folge des tiefen
Schnees und lang anhaltenden Winters sind viele Rehe eingegangen;
im Staatswald des Reviers gefüttertes Grasheu wurde anfangs nicht
angenommen, während sie an Kleeheu bälder giengen. Teinach:
trotz der Decimirung im vorigen Winter häufig auf den Jagden ; das
Wildpret musste deshalb zeitweise um 20 Pf. per Pfund am Stück
abgegeben werden. „Aus dem Stromberg" berichten die Blätter,
dass ein Forstwächter von Cleebronn 21. November innerhalb
einer Viertelstunde an einem Stand 4 Rehe, immer zwei auf ein Mal,
geschossen habe. Oberförster Fbibolin bemerkt, „weisse Rehstände
hatten wir früher mehrfach im Lande ; in der Registratur des Reviers
Pfronstetten (Münsingen) liegen Acten über zweimalige Lieferung
einer grossen Zahl weisser Rehe an Napoleon I. Graf Neipperg bei
Schwaigern und Fürst Hohenlohe bei Stetten a. Kocher hatten bis
1848 förmliche weisse Rehstände." In der Gegend von Bietig-
h e i m sind die Jagden zu parzellirt und zu kurz verpachtet, als dass
von einem Rehstand die Rede sein könnte; im Staatswald, wo keine
Gaisen geschossen werden, sind wieder Rehe, allein der Wald ist zu
unruhig und zu klein, so dass sie Frühjahrs auswechseln und nicht
wiederkehren ; diesen Winter liefen übrigens dem Genaimten auf
— 198 —
einem Stand 13 St. an. In den kalten Wintern ist ihm nicht ein
Stück eingegangen, indem er ohne zu füttern im Vorwinter Aspen
für die Äsung hauen lässt , die Sulzen frisch erhält und vor allem
Ruhe hält, da heruntergekommenes Wild unfehlbar zu Grund geht,
sobald man es herumhetzt. Während Piothwild die Fütterungen gerne
annimmt, sind (Erfahrungen aus dem Schönbach) Rehe rudelweise
neben dem Futterplatz verhungert. Das Reh der Bietigheimer Gegend
wiegt schlecht und schöne Gehörne sind selten. Ein starker Sechser-
bock wiegt selten 40 Pfund, während solche von der Alb aufgebrochen
50 — 52 Pfund schwer waren. Gaisen mit 3 Kitz hat Fribolin meh-
rere Jahre hindurch im Staatswald Forst beobachtet. Letztes Jahr
schoss Revierförster Haug in Güglingen ein Reh mit Granen.
Heilbronn: bei Eichelmast haben die Rehe sehr gut ohne Fütterung
überwintert; es wird hier nicht früher als vom 25. Juli ab ,, geblattet",
aber erst 8 Tage später sprangen sie gut. Eine Zeitungscorrespon-
denz Heiden heim, 27. December bemerkt, dass die in den dortigen
Revieren bis dahin abgehaltenen Jagden recht ergiebig waren ; na-
mentlich ist der Stand der Rehe trotz des letzten für sie so harten
Winters ein ausgezeichneter; 10 — 15 St. werden bei den Jagden
geschossen, bis jetzt 50 — 60 Rehe in den nächstgelegenen Waldungen.
Der Pächter der Waldjagd rechts vom mittleren Brenzthal bei Bol-
heim, welcher seit einigen Jahren schonte, musste wegen Wildschaden
den Rehstand bedeutend einschränken und soll seit 1. Juni gegen
90 St. erlegt haben. Einige weitere Correspondenzen aus öffentlichen
Blättern mögen ihrer wohlwollenden Absicht wegen hier noch eine
Stelle finden. Heiden heim, 29. Januar: die Rehe haben gegen-
wärtig böse Zeit; tiefer Schnee verdeckt die Nahrung, natürliche
Scheu hält sie ab, das von den Jagdpächtern gebotene Futter zu
berühren, der gefrorene Schnee macht ihnen wunde Füsse, manches
Reh wird den Füchsen zur Beute, verschiedene aus Hunger verendete
wurden schon gefunden ; die Holzarbeiter im Wald begegnen oft be-
mitleidenswerthen Rudeln von 10 — 16 Stück. Aus dem Fränki-
schen 3. Februar: seit nunmehr sieben Wochen hat das Wild
schwer nothgelitten , viele Thiere sind dort verhungert , wo die
Jagdpächter sich nicht fütternd erbarmten; es wird mehrere Jahre
dauern, bis der seitherige Wildstand wieder hergestellt ist, doch hat
Lichtmess das ersehnte Thauwetter gebracht. Vom Neckar: end-
lich tritt das Wild in die gesetzliche Schonzeit ein; seit Wochen
leidet es unsagbar durch Nahrungsmangel, denn Wald und Flur sind
in eine harte krustige Schneeschichte gehüllt. Das Wild zog instinct-
- 199 —
massig aus seinen gewohnten Standorten nach den Thälern, in kleine
Feldhölzer oder in die Nähe menschlicher Wohnungen. Fanden die
lialbverhungerten Thiere hier den gehofften Schutz? Leider nein!
Jene unter den Jagdpächtern, die in dem Reh nur ein wanderndes
Zwanzigmarkstück und im Hasen einen Thaler erblicken , knallten
das kümmernde Wild schonungslos nieder. Überall werden an Hunger
eingegangene Rehe eingebracht, meist jüngere, deren geringere Kraft
nicht ausreichte.
t Die oberbayrischen Jagden des Grafen Törring-Jettenbach-
GuTENZELL Uefertcn 328 Rehböcke.
3) Capeila rupicapra K. et Blas., Gemse.
Ein jähriger Gemsbock wurde 11. August im Argenthai ganz
in der Nähe der Eisenbahnstation Ratzenried (Wangen) vom fürstl.
Waldburg- WoLFEGö'schen Förster Weixler geschossen. In bayrischer
Nachbarschaft wurde laut Zeitungsnachricht vom 8. December einem
aus dem Hochgebirg versprengten stattlichen Gemsbock in den Wäl-
dern bei Obergünzburg einige Zeit lang nachgestellt, bis ihn
Apotheker Flossmann erlegte.
4) Lepus timidus L., Feldhase.
Warthausen: auf eigener Jagd und bei H. Brauereibesitzer
Neher 105 St. geschossen. Bei Isny in den gräfl. QuADT'schen
Revieren Rohrdorf und Kreuzthal wurden dort 28, hier 9 Hasen
geschossen, was für ein Areal von 18,500 Morgen das sparsame
Vorkommen im gebirgigen Allgäu kennzeichnet. Oster hofen:
8. März erste 10—12 Tage alte Junge in einem Reisachhaufen, die
wohl im nachfolgenden „Nachwinter" zu Grund gegangen sind ; gutes
Hasenjahr, bis Ende November 40 St. geschossen. Ki s s 1 e g g : gutes
Jahr, so dass bei Treibjagen 18 — 20 St. erlegt werden konnten.
Erb ach: 175 St. in der freiherrl. ÜLM'schen Schussliste. Neckar-
gröningen (Ludwigsburg): auf dortiger Jagd und auf solcher von
Theilen der Markungen Ossweil und Aldingen wurden 6. Januar 220
Hasen erlegt. C'reglingen: vorigen Winter sind viele ertrunken, na-
mentlich in der Steinach; unmittelbar vor dem Schneefall war Hoch-
wasser eingetreten, so dass dann an den Bächen eine von ihnen aufge-
suchte freie Zone war. Bietigheim: Ende März wurden ziemlich
starke junge Hasen, aber auch eingegangene, angetroffen. Je nach der
Jagdbehandlung kommt der Hase mehr oder weniger zahlreich, aber
überall dort in ziemlicher Anzahl vor. Wenn die aufeinanderpassen-
den Schneidezähne theilweise verloren gehen (3 Beobachtungen),
~ 200 —
wachsen die gegenüberstehenden wie die Hauer eines Ebers hinaus
und geben dem so friedUchen Thiere ein abenteuerliches, martiaU-
sches Ansehen. Heilbronn: heuer zahlreich.
Die gräfl. TöRRiNG'sche letzte Schussliste aus Oberbayern
zählt 1179 Hasen.
5) Lepus variahilis Pall., Berghase.
Auf dem Bergrücken zwischen Menelzhofen und Beuren .,Buch"
und „Sommersbachkopf" bei Isny wurde schon im October vorigen
Jahrs ein eigenthümlich gescheckter weisser Hase beim Treibjagen
bemerkt und gefehlt : im nachfolgenden Winter wurde ein ganz weisser
Hase dort öfters gesehen, im heurigen Frühjahr ein ,, Scheck", im
Herbst 3 — 4 ältere und jüngere Schecken und endlich 23. October
d. J. auf der Treibjagd ein weisser Hase geschossen , der jetzt aus-
gestopft ist. Nach genauer Untersuchung ist er ein fast ganz in"s
weisse Winterkleid verfärbter Berghase und keineswegs ein Albino
vom Feldhasen. Graf Carl von Waldburg-Syrgenstein, welchem ich
das Nähere verdanke , nimmt nach Obigem an , dass die wiederholt
schon am schwarzen Grat geschossenen Berghasen keine nur ver-
laufenen sind , dass vielmehr ihr Vorhandensein als Standwild in
Württemberg erwiesen sei: „Junge gesetzt, sich verfärbend wie im
Hochgebirge, Sommers grau (und dann der Beobachtung leicht ent-
gehend), Winters weiss, im Übergang Schecken." Aus früherer Ver-
öffentlichung (Jahresh. 1875, p. 279) mag hier wiederholt sein, dass
schon die Beschreibung des Oberamts Wangen (1841) den Alpen-
hasen als zeitweise dort erscheinend anführt, dass im November 1853
ein solcher bei Biber ach und 1848 ein ganz weisser Hase bei
Alttrauchburg erlegt wurde.
6) Sus scrofa ferus L., Wildschwein.
Eine Zeitungsnachricht aus Ehingen meldet, dass 12. Novem-
ber auf dem Messstetter Berg ein 250 Pfund schwerer Keiler ge-
schossen wurde, nachdem man schon seit einigen Jahren immer
wieder Wildschweine gespürt, aber trotz mehrerer grösserer Treib-
jagden niemals etwas erzielt hatte. Bei Bietigheim ist Ruhe,
doch hatte man vor einigen Jahren jedes Jahr durchwechselndes
Schwarzwild. Zwei geschossene Stücke erwiesen sich als (castrirte)
Triebschweine, die einem Händler entsprungen sein mochten, sich
aber Jahre lang wild herum trieben! Bei Wildbad 15. Deceraber
1886 gespürt; unstetes Wechselwild, von welchem bei Sommen-
— 201 —
hardt vor einigen Jahren 2 St. von den Teinacher Badegästen er-
folglos beschossen wurden.
7) Meles taxus Schreb., Dachs.
Warthausen: im October 2 St. gefangen (Neher). Oster-
hofen: 25. Juni Abends 8 U. 2 Junge im ,,Haslach" beobachtet;
1. October dort 1 Exemplar von 23 Pfund erlegt; auf der angrän-
zenden Mühlhauser Jagd 2 Dachse gefangen. Erb ach: nur 1 St.
im Schussregister. Bietigheim: ziemlich häufig und allgemein
verbreitet. Auf der Alb hatte Fribolin nur durchwechselnde, die
vom Donauthal nach dem Neckarthal des Obsts und der Weintrauben
wegen zogen. T ein ach: bei Bauern wie bei Jägern ist die Auf-
hebung der gesetzlichen Schonzeit freudig begrüsst (wohl nicht der
Weintrauben wegen). Dr. Wurm hat eine ziemliche Anzahl gefangen
und geschossen; weitere Beobachtungen über die Ranzzeit wären
erwünscht ; sie scheint thatsächlich auf Juli und August und die
Wurfzeit auf Februar und März zu fallen.
8) Canis vulpes L., Fuchs.
Warthausen (mit Birkenhart und Burrßn) : 37 St. geschossen
und gefangen. Bei Isny im Revier Rohr dorf 21 undKreuzthal
2 Füchse erlegt (Graf Quadt). Osterhofen: 16. Mai wurde ein
Wurf von 6 Jungen in der Kiesgrube ausgegraben ; im Sommer
machten die Füchse grosse Verheerungen unter der Geflügelwelt des
Dorfs ; bis Ende November waren 6 St. geschossen , von denen ein
gewogener 18 Pfund schwer war. Durch das benachbarte Dorf
Hittelkofen machte 19. März Mittags 1| U. ein Fuchs einen
Raubzug, ohne sich viel um die ihn verfolgenden Knaben zu kümmern.
E r b a c h : 43 St. im freiherrl. ÜLM'schen Jagdregister. Bietigheim:
., nicht auszurotten". T ein ach: durch energisches Zusammenwirken
der Jagdbesitzer sichtlich reduzirt ; früher bekam man von den Jagden
genau so viele Füchse als Hasen, welch letztere aus natürlichen
Gründen im Schwarzwald freilich stets wenig zahlreich bleiben werden.
In der kalten und schneereichen Nacht vom 15., 1 6. Januar d. J. er-
trank ein Fuchs hinter Dr. Wurms Wohnhaus in der durch eine
Stellfalle geschwellten Teinach; sein Magen war reichlich gefüllt,
anscheinend mit Schweinefutter, namenthch gelben Rüben u. d. g.
Von Mahlstetten (Spaichingen ) kam 3. Februar als Varietät eine
weissliche Füchsin in die Vereinssammlung (Apoth. C. Müller).
213 Füchse führt die mehrfach erwähnte gräfl. TöRRiNG'sche
Schussliste aus Oberbayern an ; es sind dort, 913 nicht näher bezeich-
- 202 —
nete Raubv()gel, Wiesel und ,, Verschiedenes" mit eingerechnet, im
Ganzen in einem einzigen Jagdjahr 4170 Thiere — und auf grosse
Ziffern kommt es den Jägern meistens an — in's Jenseits befördert
worden.
9) Felis catns L., Wildkatze.
Weilimdorf: 22. März und 22. November wurde in der Fa-
sanerie Härdtle je ein ,,Kuder'' gefangen, wo auch (ohne Datums-
angaben) verschiedene Füchse, Marder, Iltisse und Wiesel in die Fallen
gegangen sind. Pfalzgrafen weil er : im Staatswald „Sauteich"
gieng im letzten Winter ein sehr grosses Exemplar in eine Prügel-
falle. Im Stromberg, wo er zu Hause ist, hat Oberf. Fribolin
jedes Jahr einige geschossen, mitunter recht starke bis zu 20 Pfund,
auch junge aus hohlen Stumpen genommen : zähmen lassen sie sich
nicht und gehen an Eingeweidewürmern bald zu Grunde. Neuester
Zeit zeigt sich der Kuder auch im Staatsvvald Forst, wo der Forst-
wächter 2 starke Exemplare schoss. Als F. vor Jahren im Seh ö n-
buch mit einem Collegen Winters pürschen gieng, hörten sie einen
Rehbock klagen und jener schoss einen nicht einmal starken Kuder
von einem Gabelbock herunter, dem er das Genick durchbissen hatte :
auf der Alb fehlt die Wildkatze, wahrscheinlich weil sie in den strengen
Wintern dort nicht mausen kann.
,, Verwilderte" Hauskatzen (F. domestica Briss.) wurden in
Wart hausen 6 St. geschossen.
10) Lutra vulgaris Erxl., Fischotter.
Zwiefaltendorf (Riedlingen) : laut Zeitungsnotiz vom 20. No-
vember hat Schultheiss Schirmer auf einmaliges Legen neu construirter
Fallen 9 Fischotter gefangen und von der K. Centralstelle Prämien
hiefür erhalten. Ein 8 Tage altes Junges erhielt die Vereinssamm-
lung 17. Februar durch Oberf. Werkmann in S ulzbach a. N. Bie-
tigheim: nicht selten an der Enz, wo so ziemlich jedes Jahr
einige erlegt werden. Creglingen: häufig an der Tauber, nament-
lich in Tuffhöhlen. T ein ach: mehrmals geschossen und gefangen;
sie fischen besonders in der Dämmerung, weshalb der Abend-x\nstand
lohnender ist als das seither geübte, mühselige Ansitzen bei Nacht.
11) Mustela putorius L., Iltis.
Warthausen (25. December) und Erbach je 1 St. ge-
schossen. Bietigheim: ohne gerade häufig zu sein, hält dieser
Froschjäger in alten Weidenbäumen und Gemäuer überall sich auf,
wo Bäche eine Ausbeute versprechen. Creglingen: ein ,,Ratz'"
- 203 —
wurde zu Münster im Schlafzimmer eines Bauers in einer Ratten-
falle gefangen.
12) Miistela martes Gm. Briss., Edelmarder.
Warthausen: 5. und 6. August je ein altes Männchen und
Weibchen im ,, Kohlweiher" und Birkenharter Wald geschossen. Im
Stromberg in den Waldungen des Hofkammerreviers Freude n-
thal nicht selten, verschwindet mit dem Wegfall der hohlen Eichen
aber immer mehr: im vorigen Winter sclioss Fribolin im Staatswald
,^,Brand" einen ganz hellen aber schwachen Baummarder. Tein-
ach: öfter erlegt.
13) Miistela foina Gm. Briss., Hausmarder.
Warthausen: ein 20. Mai in einer Scheune von einem meiner
Söhne geschossener Marder wurde von diesem und anderen Jägern
als ein Bastard von dieser und der vorigen Art angenommen und
auch von mir nach eingehender Vergleichung der Literatur hiefür
gehalten , von der Direction des k. Naturaliencabinets als solcher
aber nicht anerkannt, da das Gelbe der weiss eingefassten Kehle
vergänglich war; Kopf und Behaarung waren ganz diejenige des
Hausmarders, allein der Körper des frisch geschossenen viel gestreckter
und die Pfoten ganz wie beim Edelmarder; in jener Zeit, wo sonst
die Paare vereinigt sind , hielt er sich , wie diess unfruchtbare Ba-
starde zu thun pflegen, völlig abgesondert und einsam. Auch Oberf.
Fribolin erwähnt einen von ihm einst auf dem Hösselinshof bei Bürg,
nicht weit vom Hardthauser Wald geschossenen Bastard, der ziem-
lich stärker als ein Edelmarder war und mitten auf der weissen
Kehle den characteristischen gelben Fleck hatte. Für Bietigheim,
C r e g 1 i n g e n , T e i n a c h ist der Hausmarder aufgeführt als nicht
selten und öfters erlegt und gefangen.
14) Mustela erminea L., Hermelin- Wiesel.
Warthausen: I.Juni 1 St. geschossen. Erbach: auf der
Schussliste vom 1. Mai 1886 bis dahin 1887 2 Stück. Bietigheim:
vereinzelt in der Gegend. Creglingen: gemein; die grossen Wiesel
haben mit der nachfolgenden Art viel Schutz in den Steinmauern
der Weinberge und waren heuer 10. November noch braun. Tein-
ach: nicht selten.
15) Miistela vulgaris Briss., Kleines Wiesel.
Bietigheim: häufig; von Fribolins Hauskatzen mehrfach ge-
fangen und zur Belobung vorgelegt. Aufgeführt auch von Creg-
lingen und T e i n a c h.
— 204 —
Ans der Gruppe der unjagdbaren kleineren nagenden Haarthiere
mag hier noch eine Stelle finden
16) Sciurtis vulgaris L., Eichhorn.
Warthausen: 28 St. geschossen, darunter 11 schwarze und
S entschieden rothe, die andern meist in Übergängen. Osterhofen:
rothe, braune und schwarze waren heuer besonders häufig. Tein-
a c h : die nichtsnutzigen Eichhörnchen haben sich, obgleich sie von
vielen jagdlustigen Curgästen bekriegt werden, so unangenehm ver-
mehrt, dass ein Schussgeld am Platze wäre ; fricassirt wie gebacken
-schmecken sie vortrefflich und ihre Fahnenhaare, meint Bericht-
erstatter, wären zu Pinseln brauchbar.
Von Amphibien (Ophidiern und Batrachiern) ist wenig zu er-
wähnen.
Viper a herns Cuv. L.. Kreuzotter. Frank erwähnt von
Schussenried die erste 80. März. Fribolin hat diese auf der Alb,
im Schwarzwald, in den oberschwäbischen Torfmooren und im All-
gäu leider stellenweise recht häufige Giftschlange im We in sb erger
Thal, im Staatswald ,,Buch" und bei Bietigheim im ,, Forst" in
mehreren Exemplaren (mit dunkelbraun gezacktem Rücken) erlegt:
characteristisch ist ihr Auftreten immer in derselben Örtlichkeit, die
sie niemals weit tiberschreitet.
Die gemeinen Kröten, Biifo vulgaris Laur., begannen
3. April in Warthausen ihre allgemeinen Abendspaziergänge.
Der grüne Wasserfrosch, JRana esculenta L. , schrie
bei Creglingen seit 1. Mai.
Auch die Fische können wir kurz zusammenfassen und ver-
weisen neben vielen in unseren Jahresheften eingestreuten Notizen
dort auf Günther, die Fische des Neckars (1853, p. 225—360) und
Eapp, die Fische des ßodensee's (1854, p. 137 — 175).
Vom Aal, AngiiiUa vulgaris Flem. , wird aus Buchau
12. Juni veröffentlicht, dass in der vergangenen Woche ein etwa
2 Pfund schwerer Aal im Federsee gefangen wurde und dieser, da
dort noch niemals welche vorkamen, durch die Kanzach aus der
Donau herübergekommen zu sein scheine. Über die (neuen) Donau-
aale vergl. den vorjährigen Bericht. Aus Friedrichshafen meldet
ebenfalls eine Zeitungskorrespondenz vom 17. August, dass dort als
besondere Seltenheit ein ausserordentlich grosser Aal im Hafen mit
der Angel gefangen wurde. Bei Bietigheim (am Einfiuss der Metter
in die Enz) ist der Aal einer der häufigsten Fische ; in der Enz und
205 -
im Neckar wird die Fischerei unpfieglicli behandelt, so dass bei der
Netzfischerei meist nur Barben und Weissfische den Hauptfang bilden.
Dftr Hecht, Esox lucius L. , ist in der Enz selten, es
werden aber bei Bietigheim oft Exemplare von beträchtlicher
Grösse gefangen. Von Schusse nried ist das Laichen 2. April
verzeichnet; von zahlreichen Staarenflügeln , die Oberf. FraxK im
Spätherbst auf dem Ol z reut er See schwimmend findet, 'nimmt er
an, dass sie Vögeln zugehörten, welche beim massenhaften Einfallen
ins Nachtquartier von den Hechten aus dem niedergedrückten Schilf
im Schlaf weggeschnappt wurden.
Die Karpfen, Cyprinus carpio L., laichten 8. .Juni in den
Seen bei Schüssen ried. Seltenerer Fisch in der Enz.
Der Stichling, Gasterosteus leiurus Ciiv., ist von ein-
zelnen Bächen bei Bietigheim verzeichnet.
Die Bachforelle, Salar Äusonii Val., ist Hauptfisch in
der T e i n a c h , wo Dr. Wurm seit Jahren künstliche Fischzucht
treibt; derselbe fand einige Male Algenfäden aus den Kiemen von
Brutfischen herausgewachsen, so dass sie daran, lebend, wie an einer
Angelschnur hiengen ; der Versuch, andere Arten, z. B. Salnio salve-
linus Heck, einzubürgern, mis.slang.
Vom Flusskrebs, Astacus fliiviatilis Latr. , ist für die
Gegend von Bietigheim gesagt, dass er durch die ,, Krebspest"
beinahe vernichtet sei.
Über die ersten Regungen in der Tnsectenwelt ist folgendes
verzeichnet.
Der Citronfalter, Gonopteryx rhamni Leach, flog I.März
bei Teinach, 9. März bei Pfalzgrafen weiler, 3. April bei
Schussenried (31. October noch mehrere), 4. April bei Creg-
lingen, 5. April bei Heilbronn. Der Fuchs, Vanessa poly-
chloros L., flog bei Schussenried 5. März (im Vorjahr noch
13. November bemerkt), im Schlossgarten von Warthausen 9. März,
bei C r e g 1 i n g e n 4. April, H e i 1 b r o n n 5. April. P^in erster Schmet-
terhng wurde bei Osterhofen 9. März gesehen; 3. März waren
auf den Thal-Wiesen bei Warthausen bereits verschiedenartige
Schmetterlinge lebhaft. Die ersten Mücken schwärme tanzten bei
Wart hausen am Abend des 5. März. Die Bienen trugen in
Osterhofen den ersten Blüthenstaub 9. März ein; 2. Mai flogen
dort, die ersten Drohnen: bei Creglingen summten sie 11. April
in der Sahlweidenblüthe. Vom Maikäfer, 31 a lolo n tlia vul y aris
L., wurde der erste Warthausen 17. April und Schussenried
— 206 —
3. Mai beobachtet. Der Sandkäfer, Cicindela hybrida L.,
flog bei Schusse nried 20. April und ebendort zirpte 24. Mai die
erste Grille, Gryllus campestris L.
An Frühlingserscheinungen aus der ,P f 1 a n z e n w e 1 1 ist das
Nachstehende anzuführen.
Es blühten :
Februar, 23: Winterniesswurz (Christblume), Hellehorus
niger L. in den Weinbergen bei Creghngen (ziemlich gleichzeitig
in Warthausen). 26: Schneeglöckchen, Galanthus nivalis L. am west-
lichen Hang von Zavelstein (in Dr. Wurms Garten erst 23. März).
März, 3: Grocus vernus L. bei Zavelstein — fusstiefer Schnee.
Mittags -(-10)^*^ Gels. — (vom 10. April ab verblühend, jetzt in
grosser Ausdehnung über die Markungen Zavelstein, Teinach, Som-
menhardt, Röthenbach verbreitet). 5: erste Schneeglöckchen bei
Schussenried im Wald, in Warthausen im Garten; Gänseblümchen.
JBellis 2)ercnnis L. bei Osterhofen. 9: Huflattich, Thussüago farfara,
L. bei Osterhofen : Beginn der Blüthe von Haselnuss, Corylus avellana
L. bei Schussenried. 23: Feigwurzel, Raimnculus ßcaria L. und
Bellis pe7'ennis L. am Bachufer von Teinach. 24: Schlüsselblume,
Primula elatior J ACQ. bei Osterhofen ; Frühlingsenzian, Gentiana venia
L. bei Schussenried. 26: Leberblümchen, Hepatica triloha Chaix.
in den Gärten bei Creglingen: bei Schussenried Beginn der Blüthe
vom Seidelbast, Daplinc 7nezereum L. 28 : Haselnuss bei Creglingen ;
am Bachufer bei Teinach blüht ein einziges weisses Veilchen [Viola
odorata L., dort häufig 10. April) : Schlüsselblumen bei Schussenried.
29: Huflattich bei W^arthausen; Seidelbast bei Pfalzgrafenweiler.
30: Sahlweide, Salix caprea L., bei Creglingen.
April, 1: Huflattich bei Schussenried ; Immergrün, Vinca minor
L., nebst Grocus und Seidelbast in den Gärten von Creglingen.
3 : Schlüsselblumen , Waldanemonen , Anemone nemorosa L. und
Dotterblumen, Caltlia palustris h. am Bachufer von Teinach. 4: JRa-
nuncidus ficaria L. bei Creglingen; Haselnuss bei Osterhofen. 5: Wald-
anemonen bei Warthausen : allgemeine Haselnussblüthe bei Schussen-
ried. 6: Erlen bei Osterhofen, Aprikosen an Spalieren von Schloss
Warthausen, Veilchen bei Creglingen nicht mehr selten. 8: Stern-
hyacinthe, Scilla bifolia L. und Seidelbast bei Creglingen in voller
Blüthe, ebenso unter einer Mauer in sonniger Lage ein sogenannter
Märzenstock vom Löwenzahn, Taraxacum officinale Wigg. : Dirrlitzen,
Cornus mas L. bei Teinach. 9: Sahlweiden bei Osterhofen. 10: Dirr-
litzen bei Creghngen; Waldanemonen bei Osterhofen; Sauerklee,
— 207 —
Oxalis ücdordla L. erstmals bei Teinach (15. Mai massenhaft im
Verblühen) nebst Fingerkraut, Pofentilla venia L. 11: Sahhveide bei
Creglingen in vollster Blüthe, Fingerkraut noch nicht reichlich, Hasel-
nuss verblüht. 12: Gelbstern, Gagea lutea R. et Sch., Creglingen.
15 : Schlüsselblumen {,,Primula veris L.", wohl die später blühende
ojficinalis Jacq.) erst vereinzelt bei Creglingen. 18: Waldanemonen
bei Schussenried. 20: Frühlingsenzian an der Riss bei Warthausen
Günsel, Äjuga reptans L. bei Creglingen. 23: Pestwurz, Petasites
ojficinalis Mönch und gelbe Anemone, Anemone rammcidoides L. bei
Creglingen, wo gleichzeitig Aprikosen und türkische Weichsel und
vom folgenden Tage an die ersten Birnbäume in Gärten blühen.
26: Canadapappel, Populus canadensis Hort., bei Schussenried. 30:
Dornschlehen, Primns spinosa L. fangen bei Essendorf zu blühen an.
— Zeitungscorrespondenzen laden 29. und 30. April aus Uhlbach
(Cannstatt) und Kirchheim u. T., hier wegen der berühmten Kirsch en-
blüthe im Neidlinger und Lenninger Thal, zu Ausflügen ein. —
Mai, 1: Weissdorn, Crataegus oxi/acantha L. bei Schussenried.
4: Kirsch- und Heidelbeerblüthe bei Teinach. 5: bei Schussenried
allgemeine Blüthe von Kirschen, Steinobst und Frühbirnen ; bei Creg-
lingen überall Zwetschgen, wilde und veredelte Kirschen nebst Cg-
donla Japonica Pers. in den Gärten. 10: Besenpfriemen, Sarothammis
scoparius Wimm. L. bei Teinach. 15: ebenda viele Hundsveilchen,
Viola canina L. 24: erst jetzt blüht der Frühlingsenzian reichlich
bei CregUngen. 30: ebenda Lungenkraut, Pidmonaria angustifolia
L. und W^aldmeister, Asperida odorata L. am Verblühen.
Für Creglingen ist weiter gesagt, dass die Apfelblüthe erst auf
Ende Mai fiel und sich, dem „Kaiwurm" zur Beute fallend, nicht
entwickeln konnte: nur ganz späte oder innerhalb der Ortschaften
befindliche Bäume trugen Obst. Besser war es mit den schon An-
fangs Mai blühenden Birnbäumen, während die späten Sorten gar
keine Blüthen ansetzten. Die Blüthe des Weinstocks fiel trotz der
grossen Wärme im Juni zu spät. Bei Schussenried war 1. Juni die
Blüthe der Rosskastanie, Aesculus hippocastanum L. allgemein.
Grün wurden bei Schussenried einzelne Rosskastanien 22. April,
einzelne unterständige Buchen 27. April, einzelne freistehende 1. Mai,
alle rasch vom 3. Mai an, Lärchen 28. April, einzelne Linden 6. Mai.
Bei Teinach grünten die Stachelbeeren 6. April und gleichzeitig be-
gannen die Buchen zu knospen, ebenso 10. April Linden und Birken.
Als Spätlinge blühten bei Osterhofen im August Heidelbeeren
nochmals und wie im Vorjahr zwischen dort und Haisterkirch an
— 208 —
zwei Stellen Mitte October der Hartriegel , Conius sanguinea L.
Ein allgemeines Fallen des Laubs ist von Schussenried 23. October
( — 3,2'^ Cels.) verzeichnet.
Die Witterungserscheinungen
können in Form regelmässiger und eingehender Beobachtung hier
unmöglich Stelle finden. Der Winter begann 1.- — ^8. December 1886
mit dem tiefsten Barometerstand des Jahrhunderts : bis 20. Dec. fiel
seit 1845 die reichlichste Schneemenge, 60 — 100 cm., auf den Höhen
ob Teinach mannshoch , mit Verkehrsstörungen , Unfällen , enormem
Schneebruch und Verlusten an Wild, wie bereits am Schluss des
vorjährigen Berichts angeführt ist. Man hat versucht , die Menge
des im December auf Deutschland herniedergefallenen Schnees zu
berechnen und hiefür 240,000 Millionen Centner herausgebracht.
In einer meteorologischen Monatsschrift ist sogar ausgerechnet, dass
nur um den 19. — 20. December in Deutschland gefallenen Schnee
zu schmelzen , eine Wärmemenge erforderlich wäre , die Maschinen
von 172,095,000 Pferdekräften ein Jahr lang in Gang erhalten könnte.
Im Ganzen war die Kälte massig. Gesammtminimum für Teinach
(Beobachtungsstelle 22 m. ü. d. Erdfläche, 411 m. ü. M.) 17. Januar
1887: —16,8*^ Geis.; ein Rückfall auf —16,4« trat dort 19. März
ein. Der Winter währte sehr lange , denn immer fiel wieder neuer
Schnee auf den gefrorenen alten ; Mitte März wurde der Bahnschlitten
wieder nöthig, nachdem 6. d. M. die Sonnenseite der Schwarzwald-
berge bereits schneefrei gewesen war. Bei Schussenried trat 9. Fe-
bruar Schneegang ein, die Seen wurden aber erst 27. März eisfrei;
5. Febr. waren dort —6«, 20. Febr. — 4^ 22. Febr. — 8<^ Cels.
Bei Plochingen 2. Febr. Thauwetter, 26. Febr. warmer Südwest. Bei
Heilbronn brachte der strenge Winter Schnee und Eis bis gegen
Februar, wo vom 24. d. M. ab nach Morgenfrösten wahre Frühlings-
tage folgten. Correspondenzen aus Rom, Madrid und Paris vom
10. — 12. Febr. berichten von unerhörtem Winter; um jene Zeit war
im Südwesten Frankreichs reichhcher Schneefall eingetreten und der
Bahnverkehr mit Spanien unterbrochen. Von Catalonien bis nach
Valencia, selbst auf den Balearen, lag Schnee, Madrid hatte 11. Febr.
Morgens — 8°, Abends — 5^* Cels. Der Verkehr in Nordspanien
war vielfach unterbrochen. Nachdem Neapel schon vorher Schnee-
fall gehabt hatte, trat 9. und 10. Febr. in Rom heftiges Schnee-
gestöber mit thalergrossen Flocken ein. Aus dem Fränkischen schreibt
man 2. März, dass die Sonnenwärme den Schnee ohne viel Wasser
— 209 —
hinweglecke und die Waldarbeiten seit etwa 14 Tagen wieder auf-
genommen werden konnten. 6. März war die Donau eisfrei bis zur
Mündung und die Schiffahrt wieder eröffnet. 7. März lag bei Wurz-
ach nur noch an Nordabhängen Schnee, die Lerchen sangen und
die Staaren waren an ihren Kästen. 10. — 11. März brachte in Ober-
.schwaben zeitweise laue Regen und der grosse Schnee war bis auf
einzelne nördlich gelegene Stellen völlig geschwunden, dagegen im
Allgäu stellenweise noch halbmetertief und so fest gefroren, dass
man ihn mit der Egge auflockerte. 9. — 12. März konnte in Wart-
hausen der Berichterstatter zwischen Frühlingsblumen {Hellehoriis
niyer und H. viridis L., Eranthis hyemalis Salisb., Galanthus nivalis
L., Hepatica triloba Chaix) im Garten arbeiten und noch der letzt-
genannte Tag war hier noch ein recht warmer, während bereits in
verschiedenen Gegenden des Unterlandes und auf der Alb leichter
Schnee fiel. Bei Creglingen war 7. März ein schöner Sonnentag und
10. März hatte es in fleilbronn Mittags in der Sonne -j-12° R.
Mitten hinein in das Erwachen der Natur, die Ankunft der
Zugvögel und die ersten Lieder der Sänger traf nun ein denkwürdig
trauriger Umschlag.
Die Nacht vom 12. auf Sonntag 13. März brachte bei Wart-
hausen tiefen Schnee, der, einmal 40 volle Stunden ohne Unter-
brechung fallend, bis 18. d. M. stetig zunahm und sich 20 — 50 cm.
hoch anstaute, ohne dass auch nur die kleinste Stelle frei blieb ; die
Wege mussten immer wieder gebahnt werden, die Bäume beugten
sich unter der Last; noch am 20. März giengen überall die Schlitten.
Liess einmal der dichte Schneefall oder der schneidende Nordostwind
nach, so verdeckte trüber Nebel die Sonne. Seit 19. März war bei
hellem Wetter auch noch Frost bis zu 10° R. und drüber hinzu-
getreten. 20. März war bei Schussenried 22 cm. Schneehöhe bei
— 11,8" Gels. In Plochingen herrschte 13. März kalter Nordwest
und 15. März starkes Schneegestöber. Auch bei Heilbronn begann
der achttägige Nachwinter mit Eis und hohem Schnee 13. d. M.
und waren dort 19. März Nachts — 7^" R. Übereinstimmend äussern
sich Zeitungsnachrichten aus Leutkirch, Friedrichshafen (0,23 m.
Schneehöhe, — 5°), Ravensburg, Waldsee, Wurzach, Riedlingen,
Ehingen (— 5"), Blaubeuren, Urach, Ulm, Stuttgart (—10"), Böb-
lingen, Gomaringen ( — 8"), Bietigheim ( — 2"), Heilbronn, Künzelsau,
Tuttlingen, Bopfingen, wobei die geringeren Kälteangaben auf Be-
richte vom 14. d. M. fallen. Von Gmünd ist überhaupt erst seit
16. d. M. tiefer Schnee gemeldet. Vergleichsweise wird mehrfach
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 14
— 210 —
an den März des Jahres 1865 erinnert; damals schneite es bei Fried-
richshafen am 31. März unausgesetzt, so dass 1. April mehr als fuss-
hoher Schnee lag, der aber am nehmlichen Tage wieder gieng; von
Stuttgart sind für jenes Jahr 9 Eistage und fortwährende Schnee-
fälle bis zum Monatsschluss angegeben.
Über den diessjährigen Nachwinter liefen aus allen Ländern
Nachrichten ein. Bei Forchheim in Baden erfror ein Mann. In
Thüringen herrschten seit 16. März heftige Schneestürme mit meh-
rere Fuss hohem Niederschlag und meterhohen Verwehungen, so dass
der Postverkehr und die Eisenbahn (Ilmenau) gesperrt war. Ein
orkanartiger Schneesturm wüthete in der Nacht vom 12. auf 13. März
an der Ostsee (Danzig) und eine grosse Schneewehe entstand bei
Dirschau a. d. Weichsel. In Böhmen war Carlsbad 17. März gänz-
lich verschneit und die Verbindung innerhalb und nach aussen ge-
stört. In Triest waren seit 15. März sämmtliche Telegraphen- und
Eisenbahnverbindungen unterbrochen und der Verkehr über Görz ge-
leitet. Auch vom Starnberger See wird 16. d. M. tiefer Schnee,
schneidender Nordost, Noth in der Thierwelt und Verschiebung der
Dampfschiffahrtseröffnung wegen Eises berichtet. Besonders stark
war nach Berichten aus Basel und Bern der andauernde Schneefall
in der ganzen Schweiz. Auch in England und Westschottland fiel
viel Schnee; die englische Post kam wegen ungünstigem Wetter im
Canal 17. März nicht in Ostende an. Auch in Dänemark wurde der
Postverkehr unterbrochen. Sogar Nordamerica, Halifax 30. März,
hatte späten Schnee ; in Canada war der Verkehr auf der intercolo-
nialen Eisenbahn 6 Tage lang gehemmt und als die Züge wieder
fahren wollten, brach ein noch schlimmerer Schneesturm los.
In welcher Weise die Vogelwelt unter diesem Unwetter zu
leiden hatte und wie man da und dort versucht hat, helfend ent-
gegen zu kommen, stellen wir als Anhang zurück.
Bei Heilbronn thaute und regnete es 21. März: auch in Wart-
hausen zeigte sich gleichzeitig der Witterungsumschlag, Regen und
Thauwetter trat aber erst am folgenden Tag stark ein. Bei Creg-
lingen waren 29. März trotz der bedeutenden Regen der letzten Tage
noch manche Schneestellen , die erst 3. April völlig verschwanden ;
mit 14. April wurde es dort viel wärmer, der 13. April war schön
und brachte Abends ein Gewitter, der 14. April Regen mit Graupen.
Am Liebeisberg bei Teinach war 7. April auch auf der Nordseite der
letzte Schnee weggethaut. Auf die schöne erste Aprilwoche folgte
mit dem Karfreitag 8. — 18. April im ganzen Land sehr rauhes Wetter,
— 211 —
welches den Insectenvögeln (Wolfegg, Warthausen, CregUngen u. s. w.)
abermals Noth brachte. Kälte, Schnee und Graupen mit — -2 — 8'' Rr.
am Morgen und kaum -|- 4 — 11° Mittagswärme sind für Warthausen
und Stuttgart verzeichnet. Der Rest des Monats war mit geringen
Ausnahmen schön. Aus England wird berichtet, dass in London und
fast im ganzen Königreich mit 1. April sich nochmals starker Schnee-
fall einstellte, wobei an den Küsten bei heftigen Stürmen zahlreiche
Schiflfsunfälle stattfanden. Von Bordeaux ist ebenfalls vom 1. April
Nachmittags 5 U. ein heftiges Gewitter mit Hagel gemeldet. Be-
sonders schön war die erste Woche des Mai. 3. d. M. war in Teinach
das erste Gewitter; die letzten Schneereste im Hof der Wasserheil-
anstalt waren eben verschwunden. Ein schweres Hagel-Gewitter mit
bis taubeneigrossen Steinen und mit nicht unbedeutendem Schaden
hat 4. Mai Abends 7 — 9 ü. fast das ganze Unterland durchzogen;
es kamen Berichte aus dem Bottwarthal, von Fellbach, Winnenden,
Murrhardt, aus der Steinlach, von Pfullingen, schwäb. Hall und von
<ler Jagst. Gegen die Mitte des Mai wurde es wieder recht kalt;
13. Mai fiel in Warthausen Morgens etwas Schnee, tags darauf war
trotz niedriger Temperatur ein Gewitter. Der 21. Mai brachte in
Teinach einen Schneesturm. Vom Oberland bis zur Tauber ist aus
jenen Tagen abermalige Noth der Singvögel verzeichnet. Das Früh-
jahr ist somit im Allgemeinen als ein spätes zu bezeichnen. Im Juni
herrschte grosse Wärme vor. 28. Juli begann um Teinach die Arndte
{Felder durchschnittlich 430 m. ü. M.), in höherer Lage bei Würz-
bach (670 m.) erst 17. August. Nicht allein bei Teinach, sondern
auch bei Stuttgart war 19. August im Morgengrauen (Sonnenfinster-
niss) Schneegestöber. Zum Schluss des sehr regenarmen Sommers
und Herbsts trat bei Teinach 12. October in der Nacht ziemlicher
Schneefall ein. Auch im Oberland lag Mitte October Schnee, wel-
chem 21. — 24. d. M. aufthauender Föhn folgte. Anfang November
war das Allgäu tief verschneit. Der neue Winter meldete sich vom
19. December ab mit sehr vielem aber trockenem und deshalb ziem-
lich unschädlichem Schnee an. Das Winterminimum bis zum Schluss
des Jahres betrug nach Dr. Wurm in der Neujahrsnacht -|- 5*^ Gels. ;
4. Januar bei fortdauerndem Thauwetter nächtliches Minimum :
-{- V Gels.
Die Noth der Vögel im März.
Das vorgehend geschilderte Unwetter vom 13. — 21. März traf
unmittelbar nach Ankunft der meisten Zugvögel, namentlich vieler
14*
— 212 —
empfindlicher Insectenfresser ein. Bei seiner continentalen Ausdeh-
nung war kein Entrinnen. In Basel standen 14. März die schon
länger anwesenden Störche — das Paar von Warthausen gieng zu
Grund ! — trostlos auf den Dachfirsten, Bachstelzen und andere In-
sectenvögel irrten Nahrung suchend mitten in der Stadt umher. Auch
in Stuttgart und Tübingen kamen Bachstelzen nebst andern Vögeln
in die Stadt. In allen Dörfern lagen todte Staaren ; in Ravensburg
, wurden ausserdem auch verhungerte Drosseln in den Gärten, Lerchen
bei Friedrichshafen, Starnberg u. s. w. todt aufgefunden. Oberförster
Imhof fand selbst bei Wolfegg 5 Singdrosseln und 2 Ringeltauben
verhungert und erfroren. Von Schussenried ist 20. März das zahl-
reiche Eingehen von Staaren , Amseln , Singdrosseln und Lerchen
notirt. Ein Hundert Kiebitze sammelte sich 14. März nächst Reut-
lingen auf einer überflutheten Wiese ; eine Becassine und 4 Wald-
schnepfen Sassen am gleichen Tage zunächst beim Bahnhofgebäude
von Warthausen. Noch manches Weitere ist in unserem Bericht zer-
streut und nicht zu übersehen ist, dass — namentlich in den Zeitungs-
berichten — meist nur die allbekannten und augenfälligeren Vögel,.
nicht aber die selteneren und schwerer erkennbaren Erwähnung fin-
den. Ausführliche Schilderung giebt Dr. Salzmann: „Der 17. März
war bei Esslingen ein Tag des Schreckens für die voreiligen armen
Vögelchen. Fabrikarbeiter erzählten, die Rothkehlchen und Roth-
schwänzchen haben sie bei dem Morgengang nach den vor der Stadt
liegenden Werkstätten in so ermattetem Zustand auf der Strasse
herumflattern sehen, dass man sie mit der Kappe hätte fangen kön-
nen. Am schlimmsten waren die Staaren dran; sie sammelten sich
die kalte Nacht hindurch zusammengedrängt unter Dachsparren ; am-
Hauptmagazinsgebäude der Eisenbahn füllten sie buchstäblich die
Dachrinne bis zum Rand ; Morgens an das Geschäft gehende Arbeiter
befreiten dort auf ihr ärmliches Geschrei 4 zurückgebliebene, mit
den Schwänzen an der Rinne angefrorene Staaren. Urn die wenigen
offenen Stellen des gefrorenen Neckars herum bildeten Tausende
dieser Vögel von grosser Entfernung in die Augen fallende schwarze
Ringe." Vom 13. März an trieben sich Bachstelzen, Braunellen,
Rothkehlchen frierend und hungernd in Heilbronn herum und kamen
neben den gewöhnlichen Gästen an den LiNK'schen Futterplatz, wo
es wie an Weihnachten aussah; viele Vögel wurden 19. M. krän-
kelnd oder schon verendet gefunden. Bei Weissenau wurden viele
Staaren in den Kästen erfroren gefunden, von wo als allgemeine
Wahrnehmung angeführt ist, dass der stark verminderte spätere Be-
213 —
stand beweise, wie sehr der Winter den meisten Zugvögeln empfind-
lich schädlich geworden sei; bei Schussenried blieben die meisten
Staarenklötze unbesetzt und waren sämmtliche Sänger ungewöhnlich
selten ; auch für Essendorf ist dem schlechten März der auffallend
minder starke Gesang der Vögel in Wald und Feld zugeschrieben.
In Warthausen überraschte also ebenfalls der Sonntagsmorgen
des 13. März mit völliger Winterlandschaft. Unmittelbar vor dem
Schloss, wo ein Futterbrett mit Nahrung für Körnerfresser und Meisen
auf einem Pfahl stand , wimmelte es bald mit Vögeln , namentlich
Staaren, die theilweise nach dem Brett flogen oder einzeln und in
Parthien halbbegraben im tiefen Schnee sich bewegten. Sofort auf-
gestellte Nothfutterbretter (Kistendeckel mit aufgenagelten Rand-
leisten) wurden immer wieder verschneit und mussten fortwährend
gewechselt werden, um den Schnee durch Bohrlöcher abthauen zu
lassen; später wurden sie des Frosts wegen über die Nächte warm
gestellt. Ein Wiesenpieper flog sofort als seltener Gast in's Schloss und
wurde zwischen Zimraerfenstern in einen grösseren Raum (230 cm.
hoch, 120 cm. breit, 40 cm. tief), der mit Sand, Moos und Tannen-
zweigen versehen wurde , untergebracht , nachdem er im Käfig mit
Mehlwürmern vertraulich gemacht war. Bis in die Dämmerung ver-
weilten die Staaren am Platz und giengen dann (namentlich in den
folgenden Tagen) so gedrängt in die Kästen, dass ein solcher vor
meinem Schlafzimmerfenster mit einem ganzen Klumpen von Vögeln
sich füllte, wobei einmal einer nur noch den Kopf hineinbrachte und
sich aussen anklammerte. Am nächsten Tag kamen ein Rothkehl-
chen, ein Hausrothschwanz, eine weisse Bachstelze und eine Amsel
in's Schloss. Merkwürdig ist, dass diese Vögel zur Hausthüre herein
und das Treppenhaus hinauf, der Wärme und der Helle folgend, den
W^eg in den Winters allein bewohnten obersten Stock gefunden haben.
Jene Amsel hielt sich bis anderen Tag auf den Schränken des Haus-
gangs, wohin ihr Futter gestellt wurde, auf und kam dann in einen
Käfig, die übrigen wurden zum Wiesenpieper in die improvisirte
Fenstervoliere verbracht, nachdem sie in verhängten Vogelbauern
gehörig vorbereitet waren. Da das Unwetter immer zunahm musste
energisch eingegriffen werden ; es wurde deshalb Montag Abend, als
die Vögel weg waren, auf einer vom Schnee völlig befreiten Stelle
des Rasens bei Laternenschein mit Nachtarbeit eine grosse Futter-
bude hergestellt, ein auf 9 Pfosten freistehendes geneigtes Dach aus
18 Brettern, die Träger zu besserem Halt und als Sitzplätze für die
Vögel je mit einer Latte verbunden. 5,60 m. lang, 4,80 m. tief, vor-
— 214 —
neu 2,40 m. , hinten 1,90 m. hoch; an der niedrigeren Rückseite
und gegen den herrschenden Wind wurden am Boden Schutzbretter
gegen den Schnee angebracht, im übrigen blieb alles luftig und frei.
Diese Bude, einer Volksfesttrinkhalle nicht unähnlich, wurde sofort
am andern Morgen von der ganzen Vogelschaar besucht und hat
sich so gut bewährt, dass sie seither allwinterlich, nur in etwas
sorgfältigerer Construction, prophylactisch wieder errichtet wird. Für
Vogelfreunde auf dem Land und namentlich für Vogelschutzvereine-
ist eine derartige Einrichtung sehr zu empfehlen. Im vorliegenden
Fall hat sich die Grösse nach dem eben vorhandenen Material, na-
mentlich nach der Länge der Bretter gerichtet. Überall kann man^
selbst leihweise, das wenige Nöthige bekommen und in einigen Stun-
den hat man in eigener Arbeit oder mit Zuziehung eines Zimmer-
manns oder Schreiners den Bau fertig.
Was nun das Futter anbelangt, so wurden schleunig mehrere
Laibe schwarzes Roggenbrot (ä 36 Pf.) und eine grössere Parthie
kleine Weissbrode (Wecken ä 3 Pf.) angeschafft, zerschnitten und
gedörrt. Ein Pfund Rosinen (ä 60 Pf.) gab eine ganz vortreffliche
und beim Aufquellen besonders ergiebige Lieblingsspeise der Beeren-
fresser; hievon wurde täglich ein Trinkglas voll in warmem Wasser
eingeweicht. Das eingeweichte Schwarzbrod eines halben bis ganzen
Laibs, gut ausgedrückt und fein verkrümelt, 6 — 8 ebenso behan-
delte Wecken feingeschnitten, die erwähnte Rosinenportion, 3 — 6 ge-
riebene gelbe Rüben, 6 — 8 in feinste Würfel geschnittene Apfel,
einige zerdrückte Kartoffeln und ein Teller feingehackter Fleisch-
abfälle von Tisch und Küche wurden pro Tagesportion, je nach Bedarf
weniger oder mehr, gemischt und, soweit es zu klebrig wurde, mit
einer Hand voll gestossener trockener Semmeln gelockert. Li den
kältesten Tagen kam noch ein Kelch schwerer Rothwein mit etwas
aufgelöstem Zucker hinzu, wie auch stets der süsse Rosinen-Abguss
beim Aufweichen des Weissbrods verwerthet wurde. Später wurde
auch noch eine Rindslunge und zwei Rindslebern (30 Pf. p. Pfund)
verwendet, feingehackt und mit Semmelmehl vertheilbarer gemacht,
ausnahmsweise auch einige hartgesottene Eier mit verfüttert. Bei
dieser ebensogut an grobes Nachtigallenfntter wie an italienischen
Salat erinnernden Kost, die neben einem Futterbrett mit Haber und
etwas Hanf auf zwei Tafeln täglich 2—3 Mal gereicht wurde, haben
sich die Vögel vortrefflich befunden und wohl Hunderten ist damit
das Leben erhalten worden. Nur zwei bereits krank aufgelesene,
abgemagerte Staaren, von denen der eine 17. März sich in die Par-
— 215 -
terre-Küche verirrt hatte, während der andere vom Futterbrett mit
der Hand weggenommen wurde, giengen im Käfig trotz besten Appe-
tits rasch ein und ein dritter verendete in Mitte des Futters unter
der Hütte ; in meinem ganzen Bereich sind ausserdem nur noch zwei
todte Rothschwänze gefunden worden , der eine in einem offenen
Gewölbe, der andere im Thal verhungert im Brunnenhaus, aus dem
er den Ausgang nicht mehr fand. Ausser Amsel, Rothschwanz, Roth-
kehlchen, Bachstelze, Braunelle, Wiesenpieper, Haidelerche, Baum-
sperling, letztere drei hier erstmals erschienen, waren gleichzeitig oft
über 50 Staaren zur Stelle, zugleich wieder Bergfinken, selbst eine
Nebelkrähe und neben dem übrigen Zeug eine grosse Menge von
Buchfinken (einmal 63 St. abgezählt). Bemerkenswerth ist, dass so-
fort mit dem ersten Beginn des Thauwetters die Staaren bis auf
einen Sonderling, der noch mehrmals die Abendkost holte und offen-
bar krank war, nicht mehr an die Futterhütte kamen, sondern den am
Rissufer und auf den Wiesen langsam schneefrei werdenden Stellen
zueilten. Jene Vögel im Vorfenster haben dieselbe Kost, nur in etwas
feinerer Zubereitung, ohne Schwarzbrot, nebst Mehlwürmern und Stu-
benfliegen empfangen. Sämmtlich haben sie dort gesungen! recht
hübsch der Wiesenpieper und die etwas streitbare Bachstelze, zu der
einmal das Weibchen an die Fensterscheiben angeflogen kam. Erst
als vom 24. März an das Wetter absolut sicher schien, erhielten sie
die Freiheit; auch die Amsel, welche schon am zweiten Tag Mehl-
würmer aus der Hand nahm , wurde nicht eher freigegeben als bis
sie ein leises Lied gesungen hatte.
Im Obigen haben wir die hier gewählte Fütterungsmethode aus-
führlicher behandelt, nicht um sie als mustergiltig hinzustellen, son-
dern weil man häufig helfen möchte und nicht weiss wie. Die an-
gegebenen Ingredienzien, deren nöthigsten der Preis beigefügt ist,
lassen sich leicht erschwingen ; einiges ist nicht durchaus nöthig und
anderes kann je nach Gelegenheit anders ergänzt werden; jener
Küchenzettel wird aber für alle Fälle — mutatis mutandis — wenig-
stens einen Anhalt geben.
Von überall her kamen Nachrichten über Versuche , der küm-
mernden Vogelwelt aufzuhelfen. Das Biberacher Amtsblatt (Anzeiger
vom Oberland) das — wie auch andere Localblätter — jeden Winter
in höchst löblicher Weise der Vögel sich annimmt, hat auch in dieser
Noth an augenfälliger Stelle sein Fürwort eingelegt. Meist bleibt's
aber beim guten Willen oder man meint, es sei einerlei was man
füttere, wenn nur überhaupt gefüttert wird. Gut ist's noch immer,
— 216 —
wenn Brodkrumen , Küchenabfälle , zerquetschte Kartoffeln u. d. g.
dabei sind. Verschiedene Zeitungsberichte gerade aus diesem März
haben aber mit einer gewissen Genugthuung hervorgehoben , dass
Einzelne wie Gemeinden den Singvögeln — „Gesäme" (Ausputz
aus dem Getreide) haben streuen lassen. Damit ist natürlich nur
den ohnehin winterfesteren Körnerfressern gedient, denen wir es ja
auch gerne gönnen. Eine mir benachbarte Gemeinde hatte hiebei
jedenfalls das Verdienst, dass sie verschiedene Stellen dauernd schnee-
frei erhalten liess. Rationell und andauernd wurde z. B. in der
Mühle von Warthausen an einem gegen die Wiesen freistehenden Ge-
bäude unter besonderem Schutzdach gefüttert. In Wolfegg liess
Fürst Waldburg-Wolfegg die in ihren Kästen erstarrenden Staaren
mit der Leiter herunterholen und in eine leere Abtheilung eines tem-
perirten Stalls verbringen ; von den gerade zu Mittag essenden Knechten
nahmen sie „Spätzlen" an und von da ab wurden besondere Staaren-
Spätzlen bereitet ; insoferne aber eine Anzahl der Gepflegten dennoch
zu Grunde gegangen ist, erscheint es fraglich, ob diese schwäbische
Nationalmehlspeise ihnen nicht zu schwer im Magen lag.
Schliesslich ist noch auf einige allgemeine Übelstände hinzu-
weisen. In den Zeiten der Noth fliegen die Vögel in die Wohnhäuser,
Scheunen und Ställe oder sie werden auf Dunglegen und in den
Hecken von Kindern und jungen Burschen mit Meisenschlägen, Haar-
schlingen, Klebruthen, unter Sieben u. s. vv. gefangen. Rascher Tem-
peraturwechsel aus grimmiger Kälte in die heisse Bauernstube, aus der
dünnen Luft in die dicke, wirkt auf die Gefangenen vielfach tödtlich
oder sie bekommen unmögliches Futter (z. B. Staaren Haber!)
und wenn's gut geht werden sie zuerst Spielzeug der Kinder und
dann Beute der Katze. Diess Loos trifft auch in normalen Wintern
eine ungeahnt grosse Zahl vorerst der häufigeren und zäheren Körner-
fresser, allein auch die Insectenfresser stellen ihr Todes-Contingent.
Unter allen Umständen sollte da endlich einmal Wandel geschaffen
werden. Wir haben wohl eine „Königliche Verordnung" zum Schutz
der Vögel , zu ihrer ernstlichen Handhabung giebt es aber auf dem
Lande wohl kaum irgendwo eine Dorfpolizei.
Loliginites (Geoteuthis) Zitteli Eb. Fraas.
Ein vollständig erhaltener Dibranchiate aus den Laibsteinen
des Lias f.
Von Dr. Eberhard Fraas.
Mit Taf. IV u. V Fig. 1—8.
Unsere Kenntnis von den fossilen dibranchiaten Cephalopoden
ist immer noch eine äusserst dürftige, und musste es daher als ein
willkommener Beitrag betrachtet werden, als der verstorbene Pfarrer
Hartmann, der damals noch in Frommern bei Balingen war, aus den
Laibsteinen des Lias Epsilon von Schömberg einen Tintenfisch her-
ausspaltete, der an Schönheit alles bisher Gefundene übertrifft.
Das vorliegende Exemplar, das sich in der kgl. Naturalien-
sammlung in Stuttgart befindet, gehört ohne Zweifel in die Gruppe
der Chondrophoren , d. h. jener Tintenfische, welche sich an den
— 218 —
lebenden Loligo anschliessen und sich durch einen langen dünnen
inneren Schulp ohne Rostrum und Phragmokon auszeichnen, der aus
hornartiger Substanz besteht. Meist sind es diese Schulpe allein, welche
uns von den fossilen Formen erhalten sind und auf sie ist auch aus-
schhesslich die Systematik derselben begründet, bei deren Nomenklatur
möglichst die Endigung teuthis (Ter^/t,- Tintenfisch) verwendet wurde.
Nur in äusserst seltenen Fällen wurden bis jetzt in den litho-
graphischen Schiefern von Solnhofen vollständig erhaltene Exem-
plare gefunden, die einer ungemein grossen Gattung von über Meter-
länge angehören und als Leptoteuthis {Acanthoteuthis Münster) yiyas
Meyer beschrieben wurden und denen sich aufs engste die Nusplinger
Form Leptoteuthis alatiis Fraas anschliesst. Auch von Plesioteuthis,
einer viel kleineren in Solnhofen sehr gemeinen Form, lassen sich
hier und da Spuren des ganzen Tieres erkennen, besonders des stark
muskulösen Mantels.
QuENSTEDT ^, der sich in seinen Cephalopoden am eingehendsten
mit den liassischen Dibranchiaten beschäftigt hat, führt den Namen
Loliginites für die ganze Gruppe ein, indem er die nahen Beziehungen
dieser Formen zu den Lohgineen richtig erkannte. Quenstedt ist es
auch , der immer auf die an den Schulpen anhängende Muskelsub-
stanz aufmerksam macht, deren ausgesprochene Anordnung im Quer-
streifen ihm in die Augen fiel. Ich habe jedoch erst später auf
diesen merkwürdigen Erhaltungszustand einzugehen, und möchte zu-
nächst nur die systematische Stellung meiner Form begründen.
An dem Stücke ist der Schulp nicht sichtbar, da das Tier die
Bauchteile mit dem Tintenbeutel nach oben kehrt, während der Schulp
auf der Rückenseite gelegen ist. Dadurch ist eine sichere systema-
tische Stellung ausgeschlossen und können wir uns nur noch durch
die Vergleichung der Körperumrisse und einzelner Organe helfen.
Mit den grossen Leptoteuthis- kxiQxi von Solnhofen stimmt unsere
Form am meisten, sowohl in den Proportionen des Mantelumrisses
als auch in der Entwickelung der Fangarme. Der Schulp dieser
Form ist lang gestreckt und sehr dünn, er gliedert sich in 3 Felder,
2 schmale seitliche und ein breites Mittelstück, das sich gegen hinten
verjüngt. In der Medianlinie haben wir nur am hinteren Ende die
Andeutung eines schwachen Kieles ; es ist der Typus der Loliginites
tenuicarinati von Quenstedt. Die Schulpe aus dem Lias, welche sich
auf das engste an Leptoteuthis anschliessen und sich gleichfalls durch
^ Fr. V. Quenstedt: Petrefaktenkunde Deutschlands. I.Abt. I. Bd. Die
Cephalopoden. 1849.
— 219 —
den kaum angedeuteten Mediankiel auszeichnen, wurden zuerst von
Münster ^ von den übrigen Formen getrennt und als Gcotcuthis zu
den Teuthiden d'Orb, gestellt. A. Wagner^ möchte für die Münster-
sche Gruppe Geoteuthis wieder den alten Namen Belopelfis eingeführt
wissen, schon in anbetracht der äusserst unpassenden Wahl des Na-
mens und der Priorität, welche der alte VoLTz'sche Namen hatte. Im
allgemeinen blieb jedoch die MüNSTER'sche Bezeichnung Geoteuthis
die geläufige und so behält auch Zittel ^ in seinem Handbuch den
Namen Geoteuthis bei, welchem er als Synonyme Belenmosepia p. p.
BucKLD., Onychoteuthis p. p. Münster, Belopeltis Voltz, Palaeosepia
Theodori und Loliginites tenuicarinati Quenstedt angibt.
Quenstedt hat einen feinen Takt bewiesen , wenn er die Aus-
bildung des medianen Kieles und die äusseren ümrif:se des Schulpes,
der sich doch durch alle Gruppen hindurch im ganzen gleich bleibt,
nicht als hinreichend ansah , um eine Trennung in einzelne scharf
begrenzte Genera durchzuführen , wie dies Münster that. Er fasst
daher die ganze Gruppe der fossilen Schulpenträger als Loliginites
zusammen und unterscheidet unter ihnen hauptsächlich drei ver-
schiedene Typen, I. Crassicarinati, spateiförmige Schulpe mit dickem
Kiel, IL Tenuicarinati, parabolische Schulpe mit feinem Kiel und
III. Hastiformes, pfeilförmige Loliginiten. Einige unsichere Formen
{Sepialites u. a.) werden mit den alten Namen belassen und in ihrer
Stellung nicht weiter fixiert. Halte ich nun die Quenstedt sehe Be-
zeichnung Loliginites an und für sich schon für eine sehr glückliche,
und treffende, so kommt mir bei meinem Exemplare der Name Lo-
liginites um so gelegener, als mir das Fehlen des Schulpes die sichere
Einreihung in ein Subgenus verbietet. Nur aus Analogie des Körper-
umrisses mit Leptoteuthis schliesse ich, dass diese Form gleichfalls
einem tenuicarinaten Loliginiten angehören wird und damit in die
Gruppe Geoteutliis einzureihen wäre.
Zunächst möchte ich jedoch das Fundstück selbst näher be-
schreiben, ehe ich auf die Analogien mit einzelnen ähnlichen schon
beschriebenen Stücken eingehen kann. Das Stück ist, wie schon
gesagt, aus einem der sphtterharten Laibsteine in den Posidonien-
' G. V. Münster: Beiträge zur Petrefaktenkunde. VI. Heft. 1846. p. 57.
Die schalenlosen Cephalopoden im unteren Jura, den Liasschiefern von Franken
und Schwaben.
* A. Wagner: Die fossilen Überreste von nackten Tintenfischen. (Ab-
handig. d. k. bayr. Akad. d. Wissensch. II. Kl. VIII. Bd. 3. Abt. 1860.)
^ K. V. Zittel: Handbuch der Palaeontologie. I. Abt. II. Bd. Cephalo-
poden. 1884.
— 220 —
schiefern so glücklich herausgespalten, dass uns die vollständigen
Körperumrisse sowohl des Mantels als auch des Kopfes erhalten sind.
Ich hatte schon früher Gelegenheit, bei Beschreibung einer Ichthyo-
saurusflosse auf den vorzüglichen Erhaltungszustand in den Stink-
steinen hinzuweisen, der uns auch sehr vergängliche Organe bewahrt
hat, und eben dieser Umstand ist es, der unser vorliegendes Exem-
plar in ganz ausserordentlichem Grade auszeichnet.
Die Gesamtlänge von Loliginites Zifteli beträgt 0,43 m,
wovon 0,09 m auf den Kopf und 0,34 m auf den Mantelsack kommen.
Die grösste Breite am oberen Ende des Mantels beträgt 0,13 m.
Das Tier liegt, wie schon erwähnt, auf dem Rücken, und kehrt uns
die ventrale Seite zu; die Wölbung des Mantelsackes ist sehr gut
ausgeprägt und mag immerhin eine Höhe von 15 mm betragen. Der
Mantelsack verjüngt sich nur wenig nach hinten, so dass die
Breite im hinteren Viertel immer noch 0,10 m beträgt: das hintere
F-nde schliesslich bildet eine gieichmässige Rundung, ohne dass das
Tier nach hinten irgendwie in eine Spitze ausgezogen wäre. Auf
der linken Seite am hinteren Ende deutet eine seitliche Lage von
Muskulatur noch deutlich eine hintere flossenartige Verbreiterung des
Mantels an, wie sie allen chondrophoren Dekapoden der Jetztzeit
eigen ist; es sind Ruderorgane, die besonders als Steuer verwendet
werden, während bekanntermassen die eigentliche Bewegung durch
den Trichter ausgeführt wird. Der Mantelsack selbst ist als weisse
Substanz erhalten , auf der sich eine ausgezeichnete Querstreifung
geltend macht, und welche auch schon von Quenstedt richtig als
Muskelsubstanz bezeichnet wird. Die mikroskopischen Untersuchun-
gen, auf die ich später eingehe, beweisen dies auf das klarste. Am
deutlichsten ist diese Ausbildung von Querstreifen in der hinteren
Hälfte ausgesprochen, sie beginnt in dem medianen Teile sehr fein
und ist dort (hinter dem Tintenbeutel) etwas wellig gekrümmt, um
dann in geraden breiten Lagen gegen den Aussenrand zu verlaufen.
In der Substanz treten unregelmässig geformte rundliche Körner auf,
die sich gegen den Aussenrand hin mehren und dort eine Grösse
von 3 — 4 mm erreichen. Die mikroskopische Untersuchung dieser
Körner gab eine vollständig gieichmässige Masse von ungemein fein-
körnigem Kalk ohne alle Struktur, die auf etwas Organisches hin-
weisen würde. Ich betrachte daher diese Körner als sekundäre Pro-
dukte, d. h. als Ausfüllungen kleiner bei der Maceration gebildeter
Hohlräume durch später infiltrierte Kalksubstanz. Gegen vorn nimmt
die Querstreifung an DeutUchkeit ab und ebenso verlieren sich die
— 221 —
Kalkkörner; am vorderen Rande erscheint der Mantel schliesslich
ganz glatt und nur mit der Lupe lässt sich noch eine äusserst
zarte Anordnung der Muskulatur in Längsfasern erkennen. Zahl-
reiche Bruchstellen, besonders an der rechten Seite, lassen auch noch
deutlich die Zusammensetzung des Mantels aus einzelnen Lagen er-
kennen. Die oberste Lage zeigt die eben erwähnte ungemein feine
Längsstreifung, dann folgt eine gegen 2 mm dicke Zwischenschichte,
welche die grobe Querstreifung zeigt; es ist das die Lage, welche
fast im ganzen übrigen Teil des Mantelsackes aufgespalten zu Tage
liegt. Die unterste Lage zeigt wieder sehr zarte Streifung, die aber
in Querlinien angeordnet ist.
Der Tinte nbeutel ist sehr schön und vollständig in seinen
seitlichen Umrissen erhalten, nur die Oberfläche ist aufgespalten und
tritt hier die Farbsubstanz zu Tage. Die Länge des Tintenbeutels
beträgt 19 cm; die Breite ist vorn mit 1 cm am geringsten, nimmt
dann nach hinten stetig zu, um schliesslich in einer Breite von
4,5 cm zu endigen. Es ist demnach der Tintenbeutel sehr gross,
besonders im Verhältnis zur Gesamtlänge des Tieres, und kommt den
grossen Tintenbeuteln von Loliginites coriaceus Qu. am nächsten. Die
Tintensubstanz ist nur ganz wenig seitlich und vorn ausgeströmt,
und liegt im übrigen noch ganz normal in dem Sacke. Beim Ver-
trocknen hat sich die Tintensubstanz natürlich zusammengezogen zu
einzelnen rundlichen Kugeln, zwischen welchen weisse krystallinische
Masse als Füllung sich abgelagert hat. Eine genauere Untersuchung
ergab, dass beim Glühen die schwarze Substanz mit Entwickelung
eines bituminösen Geruches vollständig verbrannte, also ausschliess-
lich aus organischen Substanzen gebildet ist; die weisse Füllmasse
ergab sich nicht, wie vielfach angegeben ist, als Kalkspat, sondern
als reiner Gips. Es ist dies recht interessant, da Gips im allgemeinen
sehr selten in den Kalken der Posidonienschiefer auftritt, und auf
einen ursprünglichen Zersetzungsprozess zurückzuführen ist. Für die
Tintensubstanz lebender Cephalopoden liegt folgende Analyse von
Prout vor:
schwarzer Farbstoff organischer Natur 78,00
CaCOg 10,40
MgCOg 7,00
^a^SO^ und Na Gl 2,16
schleimartiger Stoff 0,84
Verlust 1,60
100,00
— 222 --
Es fällt dabei sofort der grosse Gehalt an Mineralsalzen, be-
sonders an CaCOg und MgCOg auf, welcher beim Eindringen des
Seewassers und beim Fossilifikationsprozess noch vermehrt wurde.
Jedenfalls bildete sich aus der organischen Substanz viel Schwefel-
kohlenstoff, welcher auf die kohlensauren Salze einwirkte und diese
in schwefelsaure umwandelte. Bei fast allen fossilen Tintenbeuteln,
welche ich untersuchte, ergab sich dasselbe Resultat, nur bei einzelnen
angewitterten Stücken ist der Gips sekundär durch Kalkspat ersetzt.
Am oberen Teile des Tintenbeutels liegen seitlich von diesem
eine Menge von Muskelsubstanzen, welche nicht zum Mantelsack ge-
hören, sondern unter dessen gleichmässig angeordneter Qaermusku-
latur hegen. Es sind zerfetzte, ziemlich wirr durcheinander liegende
Bündel von Muskelsubstanzen, welche ich als die Überreste der inne-
ren Organe ansehe, an denen sich allerdings nichts mit Sicherheit
zu Definierendes erkennen lässt.
Der Trichter ist uns sehr deutlich, wenn auch nur als Stein-
kern erhalten, und bildet den besten Beweis, dass das Tier uns die
ventrale Seite entgegenkehrt. Die Gesteinsmasse, welche hier stark
von der Tintensubstanz infiltriert ist, bildet vor dem Tintenbeutel
am Vorderrande des Mantels einen stark hervorspringenden Buckel,
der genau auf die Lage und Grösse des Trichters passt, so dass ich
keinen Anstand nehme, darin die Ausfüllung des Trichters zu sehen,
um so mehr als sich, ganz analog den recenten Cephalopoden, deut-
lich eine Einbuchtung des vorderen Mantelsaumes beobachten lässt.
Auch die Muskelsubstanz des Trichters ist in der Gegenplatte deut-
lich erhalten und lässt sich von der des Mantels leicht unterscheiden.
Das grösste Interesse an unserem Exemplar bietet unstreitig
der Kopf, der uns zum erstenmale an einem liassischen Cephalo-
poden erhalten ist, und durch die gute Erhaltung über eine Reihe
bis jetzt dunkler Punkte Aufschluss gibt. Vor allem fällt uns die
geringe Grösse des Kopfes im Verhältnis zum ganzen Tier auf, die
nur l der Gesamtlänge beträgt, und zwar mit Einschluss der Arme.
Der Grund davon liegt in der ausserordentlichen Kürze der Arme,
während diese bei den lebenden Formen meist die Länge des ge-
samten Tieres erreichen oder diese noch übertreffen. Dass wir den
Kopf von der ventralen Seite sehen, bietet grosse Vorteile, da uns
dadurch eine Reihe von Organen sichtbar werden, welche durch die
Lage auf dem Rücken verdeckt bleiben würden; so vor allem der
ventrale Kopfknorpel, die Augen und die Zahnplatten.
Der ventrale Kopfknorpel, der bei den lebenden Cephalo-
— 223 —
poden das Gehirn schützt und in Verbindung mit der starken Ring-
muskulatur des Schädels steht, tritt auch bei unserem Exemplar
besonders deutlich hervor, und bildet den unteren Teil des Kopfes.
In vollständigem Halbkreis liegt er vor der Erhöhung des Trichters
und besteht aus einer festen im Halbkreis gelagerten Masse, die bei
der mikroskopischen Untersuchung das Bild der Muskulatur bot. Es
ist daher wahrscheinlich, dass uns die hyaline Knorpelsubstanz ver-
loren gegangen ist, und wir nur die Überreste der Ringmuskulatur
vor uns haben. Die Breite des Bogens beträgt 3,7 cm; der innere Raum,
den der Bogen umspannt, ist erfüllt mit einer weissen granulierten
Masse, in der sich keine bestimmte Muskelstreifung erkennen lässt.
Rechts und links von dem Kopfknorpel sitzen die prachtvoll
erhaltenen Augen (Taf. V Fig. 2), die bei dem Tiere offenbar sehr
weit auf der Unterseite des Kopfes lagen, um so vollständig sichtbar
zu werden. Die Augen sind sehr gross, etwas oval gestaltet, mit
einem Durchmesser von 1,5 und 1 cm. Es ist erstaunlich, wie zart
uns diese Organe erhalten sind , welche als weisslicher Hauch auf
dem dunkeln Untergrunde sich abheben. Das Auge wird nach der
Aussenseite begrenzt durch eine ziemlich starke Membrane von 1 mm
Dicke: dies selbst zeigt sich aus einer nebeneinander liegenden Reihe
von zarten linsenförmigen Zellen zusammengesetzt, welche sich na-
mentlich am linken Auge sehr gut beobachten lassen, jedes einzelne
Stäbchen ist nach aussen und besonders nach innen zugespitzt. Eine
Unterbrechung dieser äusseren Haut ist nicht vorhanden, sondern
bildet gleichmässig den Aussenrand der Augenlinse. Auf dem rech-
ten Auge sind ausserdem noch eine Anzahl von ungemein zarten
parallelen Linien zu beobachten, welche quer über das Auge weg-
gehen, und zwar genau in der Diagonale des Auges. Auf der Innen-
seite wird das Auge von muskulöser Substanz umschlossen , welche
jedoch sehr scharf gegen die Linse des Auges selbst abgegrenzt ist.
Es ist natürlich schwierig, für diese zarten Gebilde eine sichere Deu-
tung zu finden, die stabförmigen Zellen erinnern an die Retina selbst,
doch ist daran nicht zu denken , weil die Haut sich ja gerade auf
der entgegengesetzten Seite befindet, auch sind die einzelnen Zellen
doch viel zu derb für Sehstäbchen. Die Lage der Haut spricht für
die Cornea, und müsste dann die Gliederung in einzelne Zellen einem
Schrumpfungsprozesse zugeschrieben werden ; auf diese Weise liessen
sich auch die zarten Streifen erklären, welche das Auge quer durch-
ziehen.
Vor dem Kopfknorpel und den Augen lagert zunächst noch
— 224 —
eine Masse von Muskelsubstanz, welche zum Kopfe zu rechnen ist
und die Muskelmasse darstellt, welche die Arme mit dem Kopf ver-
bindet, und zugleich deren Bewegung vermittelt, ebenso wie sie die
Umhüllung des Mundes mit dem Kieferapparat bildet. In dieser
weissen Masse sind die grossen Kieferplatten (Taf. V Fig. 1)
eingebettet, welche uns demnach gleichfalls so ziemlich in ihrer na-
türlichen Lage erhalten sind. Die Kiefer heben sich von der musku-
lösen Substanz schon durch ihre Färbung ab und die glänzende
Oberfläche, welche uns sofort an die zarten chitinösen Platten der
Schulpe erinnert. Die Grösse ist zwar eine ganz bedeutende, aber
die Platten waren so ungemein zart und dünn gebaut, so dass sie nur
in den allergünstigsten Fällen erhalten sein können. Dies erklärt
auch, dass bis jetzt in den Posidonienschiefern, trotz der Menge von
Schulpen, noch niemals Spuren der Kieferplatten beobachtet wurden.
Was wir vor uns haben, kann nur die Unterkieferplatte sein, welche
jedoch von derjenigen der lebenden Cephalopoden abweicht. Die
Platte besteht aus zwei breiten Flügeln von 3 cm Länge und 1,5 cm
Breite; mit gerundetem Aussenrande und etwas ausgebuchteter Me-
dianlinie , an der die beiden Flügel nur wenig auseinanderweichen ;
am besten lässt sich das Bild mit dem geflügelten Samen der
Ahornarten vergleichen. An der vorderen Vereinigung der bei-
den Flügel lag der Schnabel , der jedoch nicht sichtbar ist , da
hier das Bild durch überlagernde Gesteinsmasse etwas getrübt ist.
Der mediane dritte Flügel, der bei den recenten Cephalopoden weit-
aus der stärkste ist, kann bei Loliginites Zitteli nicht beobachtet
werden. Ebensowenig haben wir Aufschluss über den Oberkiefer,
der jedoch dem Unterkiefer sehr ähnlich angenommen werden darf.
Die Arme sind, wie schon erwähnt, auffallend kurz, eine Eigen-
schaft, die allen bis jetzt beobachteten Loliginiten zukommt. Die
Länge beträgt nur 5,5 cm , wenn wir den starken muskulösen An-
satz am Kopfe nicht dazu rechnen. Die Form der Arme ist eine
ausserordentlich gedrungene; der Arm beginnt sehr stark mit 1,2 cm
Breite am Kopfe, nimmt aber dann sehr rasch an Stärke ab und
endigt schliesslich ganz spitzig. An einzelnen Armen sind die Längs-
und Querzüge der Muskulatur ausgezeichnet zu erkennen. Die Arme
waren jedenfalls mit keinen Hacken (sog. Onychites) versehen, da
diese bei dem ausgezeichneten Erhaltungszustand gewiss sichtbar
wären; allerdings ist auch keine Andeutung der Saugnäpfe sichtbar.
Die Loliginiten waren jedenfalls gute Schwimmer und bewegten sich
nur wenig kriechend auf dem Boden, daher auch die Kürze der Arme
— 225 —
und die jedenfalls schwache Entwickelung der z. Th. als Haftorgane
beim Kriechen dienenden Saugnäpfe. Über die Zahl und Anordnung
der Arme gibt unser Exemplar wenig Aufschluss, mit Sicherheit lassen
sich auf beiden Seiten je zwei aufeinander gepresste Arme erkennen,
welche recht gut erhalten sind. In dem Zwischenraum zwischen
diesen vier Armen vor dem Kiefer sind noch einzelne Spuren wei-
terer Arme sichtbar, die jedoch nicht genau in die Spaltungsebene
des Stückes fielen und daher nur in einzelnen kleineren Partien her-
vortreten. Die den recenten Dekapoden fast nie fehlenden Fang-
arme , die eine besondere Differenzierung zeigen , können weder bei
Loliginites Zitteli, noch sonst bei irgendwelchem fossilen Cephalopoden
nachgewiesen werden ; es ist auch wahrscheinlich, dass diese Organe,
welche ihre Funktion beim Kriechen haben, bei den fossilen fast
ausschliesslich schwimmenden Formen noch nicht ausgebildet waren.
Ob deshalb aber bei den fossilen Formen nur acht oder zehn gleich-
massig entwickelte Arme vorhanden waren , konnte bis jetzt noch
nicht konstatiert werden , und auch unser Exemplar lässt uns hier-
über im unklaren.
Fassen wir nochmals alles kurz zusammen, so sehen wir in
Loliginites Zitteli jedenfalls den schönsten bis jetzt aus dem Lias
erhaltenen Dibranchiaten, der uns über eine Menge früher unbekannter
Verhältnisse Aufschluss gibt. Das Tier gehört zu den grössten seiner
Art, es ist nach allen Verhältnissen mit annähernder Sicherheit in
die Gruppe der tenuicarinaten Loliginiten zu stellen und zeigt, wenn
wir die Grössenverhältnisse , die Breite des Mantels und die Länge
des Tintensackes in betracht ziehen, die nächste Verwandtschaft mit
Loliginites (Geoteuthis) coriaceus Qu. Ein mit unserem Loliginites
Zitteli vielleicht identisches Tier bildet Qüenstedt (Ceph. Tab. 35
Fig. 5) ab, ohne es jedoch zu klassifizieren. Es ist dies ein ventral
sich zeigender Mantel mit Tintenbeutel und Mantelumriss, die genau
mit unserem Exemplar stimmen ; auch dieses Stück stammt aus den
Stinksteinen des Lias t von Ohmden.
Loliginites Zitteli zeichnet sich durch einen sehr grossen breiten
Mantelsack aus, nach hinten abgerundet und wahrscheinlich mit einem
Paar seitlicher Flossen versehen. Li der Mitte liegt der ungemein
grosse Tintensack, und seitlich von ihm lassen sich die Rudimente
innerer Organe erkennen. Der Trichter ist als Steinkern deutlich
ausgeprägt und liegt vor der Ausmündung des Tintenbeutels. Der
Kopf ist im Verhältnis zum Körper sehr klein, mit starkem Nacken-
muskel und grossen Augen versehen, diese liegen stark ventral und
Jahreahefte d. Vereins f. vaterl. Naturkuade in Wttrtt. 1889. 15
— 226 —
zeichnen sich durch eine wohlerhaltene Cornea aus. Die Kieferplatten
sind gross, aber durch ungemein zarte chitinöse Platten gebildet,
welche im Unterkiefer zwei nach aussen abgerundete Flügel dar-
stellen. Die Arme sind ganz unverhältnismäs.sig kurz, von gedrungener
Form und spitz zulaufend. Ein Hackenbesatz war nicht vorhanden,
und ebensowenig lassen sich differenzierte Fangarme beobachten.
Mit den fossilen Formen , von denen uns die ganzen Körper-
umrisse bekannt sind, stimmt Loliginües in der kurzen Entwickelung
der Fangarme überein ; hierher ist besonders Plesioteuthis und Lepto-
teutltis zu zählen , eine nähere Vergleichung lässt der ungenügende
Erhaltungszustand der letzteren nicht zu. Eine direkte Vergleichung
mit einzelnen lebenden Formen wäre natürlich zu weit gegangen:
jedenfalls war unser Loligiuites ein guter Schwimmer, und zeigt daher
die meisten Analogien mit solchen Formen unter den recenten Loli-
gineen , welche ihren Aufenthalt mehr im freien Meere als an der
Küste haben, und eine mehr schwimmende als kriechende Bewegung
ausführen. Bei diesen finden wir gleichfalls die verhältnismässig
geringe Grösse des Kopfes im Verhältnis zum Körper und die ausser-
ordentlich kurzen Arme , auch die Fangarme können bei solchen
Formen verloren gehen.
Der Erhaltungszustand der Muskulatur.
In vollstem Masse wird durch das Exemplar von Loliginites
Zitteli bestätigt, was ich schon im vorigen Jahre an der Finne von
Ichthyosaurus ^ zu beobachten Gelegenheit hatte, dass nämlich nicht
nur die Hartgebilde selbst fossil auftreten können, sondern auch
Weichgebilde, die im allgemeinen dem Zerfall und der Auflösung
anheimfallen. Schon im vorigen Jahre fand die Richtigkeit meiner
Mutmassung eine Bestätigung durch eine Arbeit von 0. Reis ^, welche
sich damals im Drucke befand. In dieser Arbeit weist der Autor
an den Coelacanthinen Kalkmassen makroskopisch und mikroskopisch
nach, welche unzweifelhaft wirkliche Muskelstrukturen zeigen. Reis
konnte später auch an meinen Ichthyosaurus-Präparaten selbst alte-
rierte Muskelstruktur erkennen. Die Untersuchungen wurden von Reis
und C. Schwager fortgesetzt und nicht nur auf fast alle Fischklassen,
sondern auch auf die Cephalopoden ausgedehnt, und sind die Resul-
' Eberhard Fraas: Über die Finne von ic/ii%osrtMrMS. (Dies, Jahresh.
1888. pag. 292 ff. Taf. VII Fig. 2—4.)
" 0. Reis: Die Coelacanthinen. (Palaeontographica, Bd. XXXV.)
— 227 —
täte in einer Arbeit von 0. Reis in nächster Zeit zu erwarten. Reis *
^vird in der eingehenden geschichtlichen Einleitung zunächst auf die
Arbeit von Owen ^ eingehen, der an den im Oxford-Mergel so günstig
erhaltenen Überresten von Belemnitentieren die Ähnlichkeit mit der
Muskulatur recenter Cephalopoden nachweist. Die Auffassung des
letzteren wurde indes nur von Quenstedt^, und auch von diesem nur
in beschränkter Weise angenommen, und verschwand in der späteren
Litteratur wieder ganz. Reis sucht im Anschluss an genauere histo-
logische Untersuchungen den Nachweis zu führen, dass die Owen'-
schen P.räparate in der That den Muskelfasern entsprechen, und macht
namentlich auf fossil erhaltene Weichteile von Fischen aufmerksam,
deren Struktur wir mikroskopisch bis in das zarteste Detail sehen
können, ist ja selbst die Querstreifung der Muskelfasern oft in einer
Art und Weise erhalten, dass sie den schönsten Bildern von recentem
Material gleichgestellt werden darf.
So schön wie bei den Fischen von Solnhofen ist die Musku-
latur bei Loliginites Zitteli allerdings nicht erhalten, wir haben na-
mentlich von Querstreifung nur in den seltensten Fällen Andeutungen,
doch muss dabei auch berücksichtigt werden, dass auch bei den
recenten Cephalopoden Querstreifung der Muskeln nur an wenigen
Stellen des Körpers (Herz und teilweise Nackenmuskulatur) deutlich
sichtbar ist. Immerhin sind die mikroskopischen Bilder sehr schön,
und lassen an Klarheit wenig zu wünschen übrig, namentlich geben
sie über die Lagerung einzelner Fleischmassen guten Aufschluss, und
liess ich mir es daher angelegen sein, an einer Menge von Präpa-
raten aus den verschiedensten Teilen des Körpers die Weichteile und
deren Erhaltung zu untersuchen.
Der Erhaltungszustand unseres Exemplars lässt die Muskelsub-
stanz selbst unter sehr starken Vergrösserungen mit Immersionsystem
untersuchen und liefert bei nötiger Dünne und Durchsichtigkeit des
Präparates noch klare Bilder. Wir sehen dann im allgemeinen zwei
Typen, v»'elche ihre Ursache vermutlich im Erhaltungszustand haben.
Bald erscheint uns der einzelne Muskelstrang sehr stark und hell
und zeigt sich unter starker Vergrösserung (ca. 500) aus einzelnen sehr
schmalen Fibrillen zusammengesetzt, welche an den Enden häufig
^ Vorläufige mündliche und schriftliche Mitteilung von 0. Reis.
'^ Richard Owen: A Description of certain ßelemnites, preserved, with
a great proportion of their soft parts, in the Oxford Clay. (Phil. Trans. 1844.
pag. 77. Taf. VII Fig. 3 u. 4.)
^ Fr. V. Quenstedt: Die Cephalopoden. 1849.
15*
— 228 —
bürstenförmig auseinandertreten. Die einzelnen Stränge sind wirr
durcheinandergelagert und rühren vermuthch von einem verfilzten
Gewebe her. Unter schwächerer Vergrösserung bekommen wir dann
ein sehr charakteristisches Bild , da sich die in allen Richtungen
quer getroffenen Muskelstränge als helle unter polarisiertem Lichte
stark doppelbrechende Stäbchen zeigen, welche wirr durcheinander^
aber mit scharfen Konturen in der Gesteinsmasse liegen.
Im anderen Falle finden wir feine Fasern , welche nicht die
Dicke der obigen Stränge erreichen , und welche sich auch unter
starker Vergrösserung als einheitliche Fasern darstellen. Die Kon-
turen derselben sind in der Regel gleichfalls sehr scharf und begrenzen
als dunkle Linie die Faser. Während aber jene im Innern pellucid
erscheinen, zeigen sich diese von einer sehr feinen gekörnelten Sub-
stanz erfüllt, welche ohne bestimmte Anordnung die Muskelzelle (wenn
wir als solche die einzelne Faser ansehen dürfen) erfüllt. Nur bei
einem Präparate, das von der Substanz am Arme rührt, ist die innere
gekörnelte Masse scheinbar gegliedert und gibt ein Bild, wie es Owen
aus dem Arme eines recenten Onychoteuthis erhalten hat. Nicht
selten ist aber auch die Begrenzungslinie der Zellen verloren gegangen,
und wir sehen dann nur noch die granulierte Masse, teils in Reihen
gelagert, die den einzelnen Muskelzügen entsprechen, teils aber auch
ausgebreitet und das Gestein gleichmässig erfüllend. Bekommen wir,
wie es natürlich sehr häufig der Fall ist, Querschliffe durch diese
granulierte Muskelsubstanz, so lassen sich auch dann noch die ein-
zelnen Zellen deutlich unterscheiden, indem die gekörnelte Substanz
in kleinen unregelmässig geformten Gruppen beisammen liegt. Nicht
selten kommen die beiden Typen zusammen vor, und heben sich in
diesem Falle die hellen Stäbchen sehr deutlich aus der gekörnten
Masse hervor (Taf. V Fig. 7).
Nur äusserst selten konnte ich eine Querstreifung beobachten,
wie es die Fig. 5 abgebildete Muskelfaser zeigt. Obgleich das Bild
unter sehr starker Vergrösserung recht deutlich ist, lässt sich doch
nicht mit Sicherheit entscheiden, ob wir eine echte Querstreifung
oder nur Spaltungs- oder Druckerscheinungen in dem die Faser er-
füllenden Kalke vor uns haben.
Taf. V Fig. 6 ist ein Flächenschliff durch die quergestreifte
Mantelsubstanz und stammt aus der hinteren Partie des Tieres am
hinteren Ende des Tintensackes. Man bekommt kaum ein klareres
Bild, wenn man denselben Schnitt durch den Mantel eines recenten
Cephalopoden legt, und die Übereinstimmung ist eine ganz erstaun-
— 229 —
liehe. Der Schliff ist gut gelungen, was natürlich immer etwas dem
Zufall anheimgestellt ist, so dass die Muskulatur sehr schön in ihrer
Längsachse getroffen ist. Die einzelnen Muskelfasern erscheinen da-
her ungemein lang gestreckt und scharf begrenzt; es sind die Fa-
.S3rn vom zweiten Typus, erfüllt mit der feinen gekörnten Substanz.
Zwischen den Fasern treten langgestreckte Schlieren auf, welche mit
krystallinischer Kalksubstanz erfüllt sind und offenbar in einem se-
kundären Schrumpfungsprozess ihre Ursache haben, wodurch Hohl-
räume zwischen den Fasern entstanden, in denen sich Kalkspat ab-
setzen konnte. Derartige Schlieren sind ganz hell und treten gegen-
über der gekörnten faserigen Umgebung ziemlich deutlich hervor.
Noch deutlicher jedoch als diese hellen Einlagerungen machen sich
die dunkeln Stellen bemerkbar, welche wie jene schlierenförmig zwi-
schen den Fasern auftreten. Der Grund dieser dunkeln Färbung
liegt in der Grundmasse, welche die Schlieren erfüllt, und sich als
eine im Dünnschliff braun gefärbte gleichmässige Substanz ohne
Struktur zeigt, die sich unter polarisiertem Licht amorph verhält.
In dieser Grundmasse sind eine Menge grober eckiger Körner von
krystallinischem Kalk eingebettet. Offenbar haben wir auch diese
Schlieren auf Schrumpfungen zurückzuführen, doch hatte sich darin
vor der Lifiltration mit Kalk noch eine andere Masse, vielleicht Fett-
substanz abgelagert, denn anders kann ich mir die Bildung der
amorphen Grundmasse nicht erklären. Der Schliff ist natürlich so
zu orientieren, dass die Fasern quer im Mantel liegen, und stellt die
mittlere Lage der Mantelsubstanz dar. Dasselbe Bild bekam ich fast
in allen Horizontalschliffen des Mantels, nur ist das Bild nicht immer
gleich klar, sondern häufig durch Verunreinigungen des umgebenden
Muttergesteins getrübt. Merkwürdig sind die eigentümlichen Kalk-
körner , welche im Mantel eingelagert sind , dieselben bestehen aus
vollständig gleichmässigem ungemein feinkörnigem Kalk und zeigen
gegen die umgebende Muskelsubstanz scharfe Begrenzung. Möglich,
dass wir darin eine Ablagerung der in der Litteratur häufig erwähn-
ten Kalksalze sehen dürfen, welche beim lebenden Tier sich vorfinden
sollen. Nehmen wir das Material aus den weissen Lagen seitlich
vom Tintenbeutel , welche unter dem Mantel liegen , so bekommen
wir gleichfalls das Bild der Muskelfasern wie das abgebildete, aber
die Muskeln bilden nun Lagen, welche kreuz und quer durchein-
ander liegen, während sie im Mantel eine gleichmässige Richtung
haben. Es rührt dieses Bild von den inneren Organen her, welche
zerquetscht worden sind , so dass deren Muskellagen in allen be-
- 230 —
liebigen Richtungen orientiert übereinander lagern und sich durch-
kreuzen.
Ein recht klares Bild Hefert das Fig. 7 abgebildete Präparat.
Dasselbe stammt von der vorderen rechten Ecke des Mantelsackes,
und stellt einen Querschliff durch den Mantel dar. Die ausgezeich-
nete Querfaserung der Mantelsubstanz, die uns das vorige Präparat
zeigte, ist nun quer getroffen und nur bei einiger Übung und starker
Vergrösserung sicher erkennbar. Sie zeigt sich uns im Querschnitt
nur als eine gekörnte Masse, welche namentlich gegen den Aussen-
rand immer dichter auftiitt, und dort kaum mehr die Trennung in
einzelne zusammengehörige Komplexe, d. h. die Querschnitte der
Muskelfasern zulässt. In den tieferen Partien ist dies jedoch leicht
zu beobachten und die Zugehörigkeit zu Muskelfasern namentlich
an solchen Stellen festzustellen, wo die Querfasern mehr tangential
getroffen sind. Die gekörnte Masse nimmt nach unten immer mehr
ab, so dass zugleich dadurch auch der Schliff' viel heller erscheint.
Was uns aber zunächst in die Augen fällt, sind die massenhaften
pelluciden Stäbchen , welche wirr durcheinander gelagert die ganze
untere Hälfte erfüllen, und wenn auch weniger zahlreich, in der ge-
körnten oberen Hälfte auftreten. Ausserdem sehen wir die gekörnte
Masse scheinbar in Segmente zerlegt durch schmale helle Stränge,
welche sich von unten nach oben in ziemlich regelmässigen Abstän-
den durchziehen. Wie die hellen Stäbchen zu deuten sind, habe
ich schon erwähnt , es sind die tangential getroffenen Faserstränge
von dem ersten Typus. Wir sehen demnach im Querschliff durch
den Mantel eine untere Hälfte, welche erfüllt ist von wirr durch-
einander laufenden Faserzügen, die gleichsam ein verfilztes Gewebe
darstellen. Diese Faserzüge treten auch noch in der oberen Hälfte
zwischen der gekörnten Masse auf, die uns die quer getroffene Ring-
muskulatur des Mantels darstellt; diese selbst wird wieder scheinbar
gegliedert durch einzelne Faserzüge vom ersten Typus, welche von
unten nach oben, d. h. von innen nach aussen verlaufen. Die äus-
serste Schichte mit ihrer zarten Längsfaserung ist an unserem Prä-
parat nicht mehr sichtbar, sie würde eine dritte dünne äussere Lage
bilden mit gekörnelten Längsfasern. Auch an Schnitten, welche ich
in derselben Orientierung von recentem Material anfertigte, bekam
ich ein ganz ähnliches Bild, namentlich stimmte das Bild der quer-
geschnittenen Muskelsubstanz sehr gut überein und diese zeigte sich
gleichfalls von Vertikal-Fasern durchsetzt und gleichsam gegliedert.
Ich bin jedoch zu wenig Histologe und Physiologe, um mir ein Urteil
— 231 —
über diese Gewebe zu erlauben , und muss dies Männern vom Fach
überlassen. Ich halte es nur für meine Aufgabe , auf den wunder-
baren Erhaltungszustand aufmerksam zu machen, an der Hand von
einzelnen mikroskopischen Bildern.
Eines der interessantesten Bilder liefert uns ein Präparat, das
der weissen Substanz der Arme entnommen ist (Taf. V Fig. 8). Wir
sehen in der Muskelsubstanz ein fortwährendes Alternieren von aus-
gezeichnet granulierten Längsfasern und einem System von kreuzweis
durcheinander laufenden Fasern. Die in ihrer Längsrichtung getroffe-
nen Muskelfasern zeigen, wie schon erwähnt, auffallende Ähnlichkeit
mit dem von Owen gegebenen Bilde, besonders durch den Umstand,
dass die einzelnen Fasern gegliedert erscheinen, indem die Körne-
lung sehr grob und doch wieder in ganz bestimmten Reihen auf-
tritt. Während in diesen Partien die einzelnen Fasern dicht gedrängt
nebeneinander liegen, linden wir sie in den Zwischenschichten be-
deutend sparsamer vertreten. Die quer und tangential getroffenen
Fasern dieser Zwischenlagen sind gleichfalls gekörnelt und zeigen
sehr scharfe Begrenzungslinien. Eine Erklärung dieses eigentüm-
lichen Strukturbildes ist natürlich sehr schwierig und unsicher , es
lässt sich nur bestimmen , dass wir im Arme eine ausgesprochene
Gliederung der Muskelmassen erkennen , deren Fasern verschieden
orientiert sind. Es ist dabei auch noch in betracht zu ziehen, dass
wir ein vollständig plattgedrücktes Gewebe vor uns haben, dass also
die einzelnen Lagen ganz andere Dimensionen gehabt haben können.
Immerhin ist aber darauf hinzuweisen, dass gerade in der Armmus-
kulatur die Richtung der Muskelfasern schichtenweise verschieden
orientiert sind , und Ringmuskeln mit Längsmuskeln in mehreren
Lagen abwechseln. Es Hesse sich dadurch einigermassen wenigstens
dieses interessante Bild an Loliginitcs erklären.
Es wäre mir leicht, noch eine Reihe interessanter mikrosko-
pischer Bilder vorzuführen, denn beinahe jedes Präparat bringt wieder
eine neue Überraschung , sei es in der Lagerung , sei es im Erhal-
tungszustand der Muskulatur, aber es liegt das nicht in meiner Ab-
sicht, und würde auch vorderhand noch zu keinem weiteren Resul-
tate führen, als den ganz ausgezeichneten Erhaltungszustand unseres
Exemplars , sowie die Erhaltung fossiler Muskulatur überhaupt zu
beweisen , und dies ist meiner Ansicht nach schon durch die vor-
geführten Präparate geschehen.
Ein Rätsel bleibt es immer noch, wie wir uns einen derartigen
Erhaltungszustand zu erklären haben. An eine sekundäre Infiltra-
— 232 —
tion, also eine Art von Pseudomorphose nach organischer Substanz,
ist kaum zu denken, in solchen Fällen geht regelmässig die zartere
mikroskopische Struktur verloren und werden nur die Umrisse genau
wiedergegeben. Ich erinnere dabei an die verkiesten Kalkschalen etc.
Ausserdem lassen sich verschiedenartige Mineralien optisch nach-
weisen , darunter eine offenbar amorphe Substanz. Anderseits ist
(QüENSTEDT und Zittel) auch schon auf die im Körper der Cephalo-
poden enthaltenen Kalksalze hingewiesen worden, die sich nieder-
geschlagen haben sollen, und so gleichsam ein Negativ der Fasern
gebildet hätten. Ich weiss nicht, wie es sich mit der Menge dieser
Kalksalze verhält und welches ihre Zusammensetzung ist, aber da-
gegen spricht entschieden das mikroskopische Bild, das uns nicht
das Negativ, sondern das Positiv der Muskelfasern zeigt. Ausserdem
ist, wie erwähnt, derselbe Erhaltungszustand auch an Fischen und
Sauriern sichtbar, so dass er nicht auf eine lokale Eigenschaft der
Cephalopoden, sondern auf ein allgemeineres Prinzip zurückzuführen
ist. Reis sucht, so viel ich weiss, seine Erklärung in der Bildung
von Apidocire (Leichenwachs), das zur Konservierung beigetragen
hat, doch ist die eingehende Abhandlung hierüber noch abzuwarten.
Ich für meine Person erkläre mir die Erhaltung vorerst noch durch
einen langsamen Umwandlungsprozess , bei welchem die Muskelsub-
stanz selbst chemisch mitgewirkt hat. Es ist z. B. die in der Mus-
kelsubstanz und Lymphe enthaltene Phosphorsäure im stände, unter
günstigen Umständen eine Menge des im Wasser gelösten kohlen-
sauren Kalkes zu binden, und als phosphorsauren Kalk in der Mus-
kelmasse selbst niederzuschlagen, wodurch weder die Form noch das
Strukturbild der Muskelzelle alteriert zu werden braucht. Dadurch
ist auch der Umstand zu erklären , dass die Analysen von fossiler
Muskulatur, welche Reis machen hess, in der Hauptsache phosphor-
sauren Kalk ergaben. Dass natürlich damit noch keine vollständige
Erklärung gegeben ist, gebe ich gerne zu, und sind jedenfalls noch
eine Reihe von andern Faktoren herbeizuziehen, diese aber zu er-
gründen muss ich vorerst noch andern überlassen.
Ich habe dieses schöne Exemplar eines fossilen Cephalopoden,
das zu einer Reihe von interessanten Untersuchungen Gelegenheit
geboten hat, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. K.
V. Zittel in München in dankbarer Anerkennung gewidmet und Lo-
liginites Zitteli genannt.
Kopfstaehein von Hybodus und Aerodus, sog. Cera-
todus heteromorphus Ag.
Von Dr. Eberhard Praas.
Mit Taf. V Fig. 9—13.
Es ist immer erfreulich, wenn durch glückhche Funde soge-
nannte Problematica gedeutet und in ihre richtige Stellung gebracht
werden können, wie dies z. B. bei Ceratodus heteromorphus Ag. der
Fall ist. Diese eigentümlichen zahnartigen Gebilde , welche beson-
ders in den Bonebeds , sowohl des Muschelkalkes wie des obersten
Keupers auftreten, wurden schon von einer Reihe von Forschern in
die Hand genommen, aber immer wieder als Problematicum bei Seite
gelegt. ActASSiz ^ bildet derartige Gebilde aus dem Muschelkalke von
Wilhelmsglück und Luneville zum erstenmale ab und gab ihnen den
Namen Ceratodus heteromorphus nach der blossgelegten Oberfläche
der Unterseite, welche den Ceratodus-Z'ähnen immerhin etwas ähnlich
sieht. Agassiz gibt freilich das Problematische dieser Bestimmung
gerne zu und verweist zugleich auch auf Psammodus. Alberti'"^
führt die Form gleichfalls als Ceratod. heteromorphus an und ver-
weist eines der AoASSiz'schen Exemplare zu Ceratodus Kaupii. Eine
Reihe von guten Abbildungen von Ceratod. heteromorphus aus dem
oberen Keuper-Bonebed gibt uns Endlich^; er spricht die Möglich-
keit aus, dass diese Zähne zu Ceratodus doacinus gehörten und als
eine Art von vorderen Schneidezähnen zum Auffassen der Nahrung
gedient haben mögen, und vergleicht sie mit denselben Gebilden bei
Lepjidosiren. Derselben Ansicht neigt sich Quenstedt* zu, der in
seiner neuen Auflage der Petrefaktenkunde eine Reihe von Exem-
plaren abbildet und beschreibt, doch will Qüenstedt keineswegs da-
mit eine sichere Lösung gegeben haben, sondern stellt dies der Zu-
kunft und neueren Funden anheim.
Bei meinem vorjährigen Besuche in London hatte Herr Dr.
^ L. Agassiz: Recherches sur les poissons fossiles. 1833 — 1843. Tome III.
Tab. 18 Fig 36, pag. 136.
2 Fr. V. Alberti: Überblick über die Trias. 1864. S. 206.
^ Fr. M. Endlich: Das Bonebed Württembergs. Inauguraldissertation,
Tübingen 1870. Tab. 1 Fig. 24—36. S. 12.
* Fr. V. Qüenstedt: Handbuch der Petrefaktenkunde. III. Auflage. 1885.
— 234 —
Smith Woodward die Freundlichkeit, mir die un'gemein grosse Fisch-
sammlung im British Museum zu zeigen und mich auf die schönen
Exemplare von Htjhodus aufmerksam zu machen, deren Untersuchung
ihn damals beschäftigte. An den vorzüglichen Exemplaren von
Äcrodus und Hijhodiis aus den Liasschiefern von Lyme Regis fallen
jedem sofort die merkwürdigen Gebilde in die Augen, welche in der
Schläfengegend liegen und nichts anderes sind als die fraglichen
Ceratodus heteromorphus (cf. Taf. V Fig. 9). Smith Woodward ^ hat
schon im vorigen Jahre ganz ähnliche seitliche Kopfstacheln (Ce-
phalic spine) geklärt, welche bisher als Sphenonckus Ag. ein proble-
matisches Dasein unter den Hybodontiden führten, und welche er
nun als Kopfstacheln von Ästeracanthus nachgewiesen hat. Schon
in dieser Arbeit macht Smith Woodward auf ähnliche Gebilde bei
Äcrodus und Hyhodus aufmerksam, wird jedoch in Bälde noch nähe-
res über diese beiden Formen bekannt machen^.
So häufig in Süddeutschland im Trias und Jura die einzelnen
Fragmente , besonders die Zähne , von Hyhodus und Äcrodus sind,
so blieben doch die Überreste ganzer Skelette äusserst selten, ja
ganz unbekannt. Nur von Äcrodus kennt man aus dem lithogra-
phischen Schiefer von Solnhofen zwei ganze Skelette, welche den
nächsten Anschluss an die Cestracionten erlaubten ; von Hijhodus
sind mehr oder minder vollständige Überreste erst in neuester Zeit
in dem Lias-Schiefer von Lyme Regis gefunden und wird deren Be-
schreibung, wie gesagt, durch Smith Woodward demnächst erfolgen.
Ich greife dieser Publikation vor, von der mir bereits die Ta-
feln zur Verfügung gestellt sind, wenigstens soweit als zur Klärung
unserer Ceratodus heteromorphus notwendig ist.
Der Körper von Hyhodus scheint ziemlich gestreckt gewesen
zu sein, aber ohne Verknöcherungen oder Verkalkungen im inneren
Skelett. Die Zähne liegen in mehreren Reihen im Rachen und zeigen
eine ähnliche Anordnung wie bei Äcrodus. Das Hauptinteresse bieten
für uns die Verknöcherungen des Hautskeletts ; die Haut selbst ward
bedeckt von ungemein zarten chagrinartigen Schuppen resp. Haut-
zähnchen mit einer kleinen runden Basis und einem spitz zulaufenden
Kegel, Gebilde wie sie von Endlich (1. c. Taf. H Fig. 88 u. 89) als
Squaloraja abgebildet sind. Als grössere Skeletteile fallen uns auf
^ Smith Woodward: On some ßemains of the Extinct Selachian Ästera-
canthus from the Oxford Clay of Peterborough. Ann. and Mag. of Nat. Hist.
October 1888.
2 Smith Woodward: CatalogueoffossilFishes in the British Museum, Parti,
- 235 -
dem Rücken die mächtigen Fiossenstacheln in die Augen mit zwei
Dornenreihen auf dem Hinterrande , es sind die längst als Flossen-
stacheln bekannten Ichthyodoruliten. Vollständig neu und bisher
unbekannt sind die grossen Kopfstacheln (Cephalic spines von Smith
Woodward), welche in paariger Anordnung auf den Seiten des Schä-
dels auftreten, und zwar so, dass je ein Paar auf jeder Seite zu
liegen kommt. Die Kopfstacheln bei Hyhodus und Äcrodus^ welche
natürlich nur als sehr grosse und stark differenzierte Hautzähne auf-
gefasst werden dürfen, besitzen eine starke Sfiügelige Zahnbasis mit
gewölbter unterer Seite. Auf dieser Basis erhebt sich ein starker
nach rückwärts gekrümmter Zapfen oder Dorn, der in einer scharfen
zahnartigen Spitze mit Schmelzüberzug endigt. Beim lebenden Tiere
ragte wahrscheinlich nur der Dorn oder vielleicht nur dessen Spitze
aus der Haut heraus und bildete dort eine Waffe, vollständig analog
den Hautstacheln der Dornrochen.
Wie schon vorausgeschickt, sind diese eigentümlichen Haut-
stacheln von H//bodiis und Acrodus nichts anderes als die bisher so
verkannten Ceratodus hetcromorphus , und ist es daher vor allem
Aufgabe und Pflicht, diese Gebilde aus der Gruppe der Dipnoer aus-
zuschalten und in ihre richtige Stellung zu den Hybodontiden zu
bringen. Bei der Verschiedenheit der Spezies, welche wir von Hij-
hodtis-Z'ä\men aus den Bonebeds kennen und zu denen ohne Zweifel
die Kopfstacheln gehören, ist es natürlich nicht möglich, mi-t be-
stimmter Sicherheit die Zähne und Stacheln zusammenzustellen, und
möchte ich daher für die als Ceratodus heteromorphus laufenden Ge-
bilde die Namen Hyhodonchus und Äcrodonchus vorschlagen,
welche das Wesen derselben vollständig charakterisieren.
Es bleibt noch übrig, die sehr verschiedenartigen Kopfstacheln
aus den Bonebeds zu sichten und ihre mögliche Verwandtschaft mit
den bekannten Hyhodus- und Acrodus-Zsihnen zu untersuchen ; mass-
gebend können dabei natürlich nur das geologische Vorkommnis und
die Grössenverhältnisse sein , bis spätere Funde, die jedoch bei uns
kaum zu erwarten sind , ganze Skelette liefern und die Zusammen-
gehörigkeit von Zahn und Kopfstachel beweisen.
Hyhodonchus cloacinus = Hyhodus cloacinus Qu.
Ich gehe von dem englischen Funde von Lyme Regis aus, der
uns die Zusammengehörigkeit von Hyhodonclius und Hyhodus selbst
bewiesen hat. Diese englische Form (Taf. V Fig. 9) gehört zu den
grossen , wenn nicht grössten , bekannten Hyhodus-Ai'ten und zeigt
in ihrem Zahnbau grosse Ähnlichkeit mit Hyhodus cloacinus Quenst.
- 236 —
Es sind Zähne von nahezu 20 mm Länge, an der Basis mit
einem Haupthöcker und je 8 — 4 Nebenhöckern vorn und hinten.
Ebenso gut wie die Zähne stimmen mit der engUschen Form die
grossen Kopfstachebi aus dem Keuperbonebed überein, welche von
Endlich (1. c. Taf. I Fig. 24, 25 u. 32) und von Quenstedt (Petre-
faktenkunde, Taf. 24 Fig. 13) abgebildet sind, und nehme ich daher
keinen Anstand, auf Grund dieser Analogie diese Hybodonchen mit
den Zähnen von Hyhodus cloacinus zu vereinigen. Hyhodonchus
cloacinus ist die grösste im Keuperbonebed auftretende Form, es
erreicht deren Basis eine Breite von 26 und 35 mm. In ausge-
zeichneter Weise sind 3 Flügel entwickelt, von denen der mittlere
der stärkste ist. Auf der Unterseite ist die Oberfläche punktiert
und zeigt viel Ähnlichkeit mit der Zahnoberfläche von Ceratodus ; die
Oberseite ist wenig faltig, sondern zeigt auch dort mehr eine punk-
tierte Oberfläche. Der nach oben gerichtete Stachel ist bis jetzt noch
nicht gefunden, war aber voraussichtlich sehr stark und nach rück-
wärts gekrümmt und endigt scharf zugespitzt mit Schmelzüberzug.
Hyhodonchus cus'pidatus.
Hybodus cuspidatus Ag. (Ag. , Eech. sur les poissons fossiles. III. tab. 22 a
fig. 5—7.) Plieninger, Quenstedt und Endlich.
Am nächsten an Hyhodus cloacinus^ und besonders durch die
Grösse unterschieden, schliesst sich Hyhodus cuspidatus an, eine Form
wie j>ene mit ausgeprägten Schmelzrinnen und einem wohl entwickel-
ten Mittelhöcker. Es wird daher nicht allzu gewagt sein, dieser
Spezies die kleinen Hybodonchen aus dem Keuperbonebed zuzuge-
sellen , welche sich fast ausschliesslich nur durch die Grösse von
Hyhodonchus cloacinus unterscheiden. Es ist dies, wie die Zähne
selbst, die häufigste Form im Bonebed, und ist sowohl von Endlich
(1. c. Taf. I Fig. 28—30) als von Quenstedt (Petrefaktenkunde, Taf. 24
Fig. 9 u. 10) vollständig genügend abgebildet. Wie bei H. cloacinus
ist von den drei Flügeln der Basis der mittlere bei weitem am stärk-
sten entwickelt. Die Unterseite ist gleichmässig flach gewölbt mit
punktierter Oberfläche ; die Oberseite , die von Endlich und Quen-
stedt abgebildet ist, zeigt einen medianen starken Grat, der an der
Verschmelzung der drei Flügel zu einem Höcker ausgezogen ist, ohne
jedoch einen eigentlichen Stachel zu bilden. Die durchschnittliche
Grösse beträgt an der Basis 10 und 8 mm.
Hy hodo n chus mino r.
Hyhodus minor Ag. (Agassiz. Poissons fossiles. III. tab. 23 fig. 21—24.) Plie-
NiNGEK, Quenstedt und Endlich.
— 237 -
Als Hyhodonchus minor möchte ich die zierUchen kleinen Kopf-
stacheln ansehen, welche ich allerdings fast lediglich ihrer geringen
Grösse halber mit Hyhodus minor identifiziere. Auch diese Form
aus dem Keuperbonebed ist gut von Endlich (\. c. Taf. I Fig. 26
u. 27) und QuENSTEDT (Petrefaktenkunde , Taf. 24 Fig. Hu. 12)
abgebildet und unterscheidet sich wesentlich von den beiden anderen
Formen, abgesehen von seiner geringen Grösse, durch die nahezu
gleichmässige Ausbildung aller drei Flügel. Der Durchmesser beträgt
demnach sowohl in Länge wie in Breite im Mittel 7 mm. Auf der
Unterseite zeigt sich, wie bei den anderen, dieselbe punktierte Ober-
fläche, während die Oberseite mehr glatt erscheint und in dem Ver-
schmelzungspunkt der Flügel zu einem etwas länglichen Wulst ver-
dickt ist, welcher die Stelle des Stachels vertritt. Möglich, dass wir
das Fehlen eines eigentlichen Stachels auf der Oberseite nur dem ab-
gerollten Erhaltungszustand aller dieser Bonebedformen zuzuschreiben
haben und uns spätere Funde noch näheren Aufschluss bieten werden.
Diese drei Formen von Hybodonchen sind es, welche uns bis
jetzt aus dem oberen Keuperbonebed bekannt sind, und welche ich,
um nicht unnötig neue Namen zu schaffen , mit den geläufigsten
Formen der Hyhodus-Zälane vereinigt habe, nicht als ob deren Iden-
tität dadurch bewiesen sein soll, sondern nur der Wahrscheinlichkeit
nach, dass diese verhältnismässig nicht allzu seltenen Hybodonchen
zu den gewöhnlicheren Hybodus- Arien zu rechnen sind.
Endlich bildet unter seinen Ceratodus heteromorplms noch eine
weitere Form ab (1. c. Taf. I Fig. 33, 34 u. 35), welche nicht wenig
von den bisher besprochenen Hybodonchen abweicht und welche ich
nach Analogie mit einem Exemplar von Acrodus im British Museum
als einen Acrodonchus, d. h. den Kopfstachel von Acrodus halte.
Über die Zustellung zu einer bestimmten Spezies können wir uns
leicht einigen, da nur eine Form, Acrodus minimus im oberen Bone-
bed, häufig ist. Ich nenne daher diesen Typus
Acrodonchus minimus.
Acrodus minimus Ag. (Poiss. foss. T. III. tab. 22 fig. 6—12.) Plieninger,
Qlt^nstedt und Endlich.
Von der Unterseite gesehen haben wir die grösste Ähnlichkeit
mit Hyhodonchus mit ausgesprochenen 3 Flügeln, von denen bei den
Exemplaren von Endlich allerdings die beiden seitlichen abgebrochen
sind. Im Profil macht sich der Unterschied von Hybodonchus am
meisten geltend, indem die ganze Form viel gedrungener erscheint:
schon der basale Teil bildet ein ausgesprochenes Knie, das noch da-
durch vermehrt wird, dass der nach oben ragende Zahn kräftig
— 238 —
zapfenartig entwickelt ist und unter 45" gegen das Basalstück nach
rückwärts geneigt ist. Der Zapfen selbst trägt an seinem oberen
Teile eine geriefte Schmelzschichte.
An diese Formen aus dem oberen Keuperbonebed schliessen sich
aufs engste die Formen aus dem Muschelkalkbonebed von Crails-
heim an, so dass die beigegebenen Abbildungen derselben zugleich
eine Ergänzung der eben beschriebenen Formen bilden können. Die
Exemplare stammen sämtlich aus der Privatsammlung von Herrn
Apotheker Blezinger in Crailsheim, dem ich für die Freundlichkeit,
mit der er mir seine Stücke zur Verfügung stellte, besten Dank sage.
Hijhodonchns infracloacinus Eb. Fraas (Taf. V Fig. 10),
vielleicht zu Hi/bochis rugosus Plieninger (Beiträge zur Palaeontolog. Württem-
bergs. 1844. Taf. XII Fig. 52) gehörig.
In Grösse und Form stimmt HyhodoncJbUS infracloacinus aus-
gezeichnet mit H. cloaclims. Das vorliegende Exemplar ist sehr
schön erhalten, bis auf den oberen Zahn, der abgebrochen ist. Die
Basis ist ausgesprochen 8flügelig. mit einer Breite von 43 und einer
Länge von 33 mm. Der mittlere Flügel ist bedeutend stärker ent-
wickelt als die seitlichen und endigt breit. Die Unterseite zeigt die
charakteristische punktierte Oberfläche und ist von vorn nach hinten
gewölbt. Die Oberseite ist mit kleinen Runzeln bedeckt, welche
nach dem Rande zulaufen, besonders .stark auf dem mittleren Flügel,
der leicht ausgehöhlt ist. An der Vereinigung der drei Flügel ist
die Abbruchsstelle des starken Zapfens oder Zahnes, der nach oben
ragte ; an dessen Ansatzstelle ist er kragenartig von einem Wulst
umgeben. Die Ähnlichkeit von Hi/hodus rugosus und H. cloacinus
in Form und Grösse lassen es nicht unwahrscheinlich erscheinen,
dass Hyhodonchus infracloacinus zu Hyhodus rugosus gehört.
Hyhodonchus trispinosus Etj. Fraas (Taf. V Fig. IIa, b u. c)
ist ein Kopfstachel von mittlerer Grösse, mit 15 mm Länge und
13 mm Breite. Der mittlere Flügel ist gegenüber den seitlichen sehr
klein und schmal, so dass sich das umgekehrte Verhältnis , wie bei
H. infracloacinus^ ergibt. Der vordere Teil ist stark ausgezogen,
wodurch sich die gestreckte Form ergibt. Das Hauptmerkmal hegt
in der Ausbildung des Stachels, welcher im rechten Winkel umge-
bogen nach oben ragt; neben diesem mittleren Stachel sitzen seit-
lich noch zwei kleine Nebenzähnchen, gleichfalls nach oben gebogen,
was zu dem Namen trispinosus Veranlassung gab. Der Wulst, wel-
cher den vorderen Teil von dem hinteren abtrennt, ist wohl aus-
gebildet, sowohl auf der oberen wie auf der unteren Seite. Eine
— 239 -
bestimmte Zugehörigkeit zu einem Hyhodus-ZoXm lässt sich schwer
feststellen, der Grösse nach könnte man am meisten an Hybodiis
lonyiconus oder H. pUcatilis denken. Es scheint eine der häufigeren
Formen zu sein und liegt in mehreren guten Exemplaren vor.
Hyhodonchus pusillus Eb. Fraas (Taf. V Fig. 12a, b u. c).
Es ist die kleinste mir bekannte Art, noch bedeutend kleiner
als H. minor, mit dem sie sonst nahezu vollständig übereinstimmt.
Die Länge beträgt nur 5 mm, die Breite etwas weniger. Die drei
Flügel sind annähernd gleichmässig dick und abgerundet ausgebildet.
Auf der Oberseite ist bei dem einen Exemplare, genau wie bei
H. minor ^ nur die Narbe des abgeriebenen Stachels zu sehen mit
einer medianen Kerbe. Bei einem anderen Exemplare Hess sich
jedoch der stark nach rückwärts gekrümmte sehr zarte Stachel be-
obachten. Nur die Verschiedenheit des geologischen Horizontes be-
rechtigt eine Abtrennung dieser Art von H. minor, mit der ich die
kleinen Kopfstacheln sonst unbedingt vereinigen würde. Wahrschein-
hch gehört H. pusillus zu den kleinen Zähnchen aus dem unteren
Bonebed, welche noch keinen selbständigen Namen tragen, aber mit
HyhodHS minor die grösste Ähnlichkeit besitzen.
Acrodonchus lateralis (Taf. V Fig. 13a, b u. c).
Äcrodns lateralis Ao. (ägassiz, Poiss. foss. III. tab. 22 fig. 16—20; Quen-
STEDT, Petrefaktenk., Tab. 21 Fig. .39—42.)
Eine dem Acrodonchus minimus ganz ähnliche Form findet sich
auch im unteren Bonebed und ist in mehreren Exemplaren sehr gut
erhallen. Dieselben zeigen in ausgezeichneter Weise die für Acro-
donchus, im Gegensatz zu Hyhodonchus, charakteristische knieförmige
Biegung der basalen Platte. Die Flügel sind alle stark ausgezogen,
die seitlichen Flügel laufen in spitzer, der mittlere Flügel in breiter
Rundung zu. Länge und Breite ist nahezu gleich und beträgt
12 — 13 mm. Der mittlere Teil läuft nach vorn spitz zu und trägt
hier den sehr starken Zahn, der nach oben und zugleich stark nach
rückwärts gekrümmt ist; der Zahn selbst zeichnet sich durch einen
gerieften Schmelzüberzug aus, der den oberen Teil bekleidet; an der
Basis ist, wie gewöhnlich, auch bei Hyhodonchus ein Wulst ausge-
bildet, der besonders auf der Oberseite sich geltend macht. An
Grösse übertrifft diese Form den Acrodonchus minimus um ein Be-
trächtliches, wie auch die J.croc?i<.9-Zähne des unteren Bonebeds sich
durch grössere Formen auszeichnen. Unter den zwei gewöhnlicheren
Arten A. lateralis und A. Gaillardoti ist schon aus Rücksicht auf die
Grössenverhältnisse und die Häufigkeit des Vorkommnisses nur an
- 240 —
eine Zugehörigkeit dieser Kopfstacheln zu dem kleineren Acrodus
lateralis zu denken.
Wir lernen also mit diesen früher als Ceratodus angesehenen
Gebilden neue sehr typische Skeletteile von Selachiern kennen, welche
denselben Formen angehören , denen wir den Reichtum an Zähnen
in dem Bonebed verdanken, und zu welchen auch die Ichthyodoru-
liten zu rechnen sind. Drei Haupttypen dieser Kopfplatten sind im
allgemeinen bis jetzt bekannt:
1. Sphenonchus Ag., nachgewiesen durch Smith Woodward als zu
Aster acanthus gehörig; weisser Jura von England.
2. Hyhoäondms Eb. Fraas, zu Hybodus gehörig; unteres und oberes
Trias-Bonebed, unterer Lias von Lyme Regis.
3. Acrodonckus Eb. Fraas, zu Acrodus gehörig ; unteres und oberes
Trias-Bonebed, unterer Lias von Lyme Regis.
Nachtrag. Inzwischen ist die Arbeit von Smith Woodward :
Catalogue of fossil Fishes in the British Museum Part I im Drucke
erschienen, worin eine grosse Anzahl Rassischer Hybodonchen und
Acrodonchen beschrieben und abgebildet wird ; so vor allem von
Hybodus Delahechei (No. 39880) und Hyhodus mediiis (No. 41103),
sowie Acrodus auningiae (No. 2146) , bei welchen Exemplaren sich
die Kopfstacheln im Zusammenhang mit dem übrigen Kopfskelet fanden.
Tafelerklärung.
Tafel IV.
Fig. 1. Loliginites ZitteWEiB. Fraas. Herausgespaltenes Exemplar aus den Laib-
steinen des Lias a von Schömberg. Etwa | nat. Gr. (Länge 46 cm.)
Tafel V.
Fig. 1. Loliginites Zitteli, untere Kieferplatte, nat. Gr. S. 224.
Fig. 2. desgl., rechtes Auge mit umgebender Muskelsubstanz, nat. Gr. S. 223.
Fig. 3. desgl., verfilztes muskulöses Gewebe. X ^^O- S. 227.
Fig. 4. desgl., Muskelfasern mit gekörnter Substanz gefüllt. X "100. S. 228.
Fig. 5. desgl., einzelne quergestreifte Muskelfaser. X '^OO- §• '^'^^■
Fig. 6. desgl. , HorizontalschlifF durch die quergestreifte Mantelsubstanz mit
parallel gelagerten Muskelfasern. X l'^O. S. 229.
Fig. 7. desgl., Querschliflf durch die Mantelsubstanz mit Querschnitten der ge-
körnten Muskelfasern und verfilztem Gewebe. X 120. S. 230.
Fig. 8. desgl. , Horizonlalschliff durch die Muskelsubstanz der Arme mit ver-
schieden gelagerten Faserzügen. X 120. S. 231.
Fig. 9. Kopfstachel von Hybodus Belabechei Charlesworth (Smith Wood-
ward: Catalogue of fossil Fishes Part I p. 259, Taf. 'VII) aus dem
unteren Lias von Lyme Regis.
Fig. 10. H. infracloacinus Eb. Fraas ; von oben, nat. Gr. Muschelkalk-Bonebed
von Crailsheim. S. 238.
Fig. 11. H. trisjjinosus Eb. Fraas; nat. Gr. Fig. IIa von oben, IIb von un-
ten, 11c von der Seite; Muschelkalk-Bonebed von Crailsheim. S. 238.
Fig. 12. H. pusiUus Eb. Fraas; Fig. 12a von oben, nat. Gr.; 12b von oben, 2:1;
12 c von der Seite, 2:1; Muschelkalk-Bonebed von Crailsheim. S. 239.
Fig. 13. Acrodonchus lateralis-, nat. Gr. Fig. 13a von oben, 13b von unten.
13 c von der Seite ; Muschelkalk-Bonebed von Crailsheim. S. 239.
Ueber die Kreuzschnäbel und ihre Fortpflanzung.
Eine monographische Studie.
Von Dr. Freiherr Richard Koenig-Warthausen.
Unter den einheimischen Finkenvögeln haben die Kreuzschnäbel
von jeher die Aufmerksamkeit sowohl der Ornithologen als auch der
Liebhaber von Stubenvögeln ganz besonders auf sich gezogen. Eigen-
thümlichkeiten in Lebensweise und Haushalt, gefälliges Gefieder und
eine Schnabelform, in welcher eigentlich eine Missbildung zur Regel
geworden ist, zeichnen sie aus.
Nur eine einzige kleine Vogelsippe, deren nordeuropäischer
Repräsentant der Hackengimpel {Strohiliphaga et Pinicola
ViEiLL. , Corytlius Cüv. , Loxia enucleator L., — xisittacea Pall,
nee Gm.) ist, steht ihnen recht nahe; bei ganz ähnlicher rother Be-
fiederung ist hier aber der dicke Schnabel nicht gekreuzt und der
Habitus mehr gimpelartig, wie auch ein eigenthümliches , durchaus
anders gefärbtes Ei und anderer Nestbau generelle Sonderung be-
dingen.
Die gesammte Gruppe der Kreuzschnäbel vertheilt sich auf
Europa, Nord- und Mittel-America und einen Theil von Asien. Sämmt-
lich sind sie Bewohner der Nadelwald-Region, ihre Hauptmasse ent-
fällt circumpolar auf den Norden, wie sie überhaupt der südlichen
Hemisphäre völlig fehlen.
Alle Kreuzschnäbel, möge man sie artlich trennen oder zu-
sammenziehen wie man will, zeichnen sich durch grosse Gewandtheit
im Klettern unter Zuhilfenahme des kräftigen Hackenschnabels, durch
eine gewisse UnbehilfUchkeit am Boden, durch angenehmen zwit-
schernden Gesang und durch harmlose Vertraulichkeit aus. Der Kopf
ist gross und kräftig muskulirt für harte Arbeit an Coniferenzapfen.
P. Blasius Hanf, unter den Ornithologen der Gegenwart für die
Kreuzschnabelfrage wohl der erfahrenste Beobachter, welchen wir
Jahreshefte d. Vereins f. vateil. Naturkunde in Württ. 1889. 16
- 242 —
noch oft anzuführen haben, beobachtete stets einen auffallend
stärkeren Muskelansatz an der der Krümmung des Oberschnabels
entgegengesetzten Seite des Hinterkopfs, so dass, entsprechend der
zum Offnen der Zapfen nöthigen Hebelkraft, die Rechtsschnäbel
linksseitig, die Linksschnäbel rechtsseitig die stärkere Muskulatur
haben: auch am Schädel finde ich auf der Seite nach welcher der
Unterschnabel sich wendet, die für die Insertion der Kaumuskeln
dienende vertiefte Fläche stärker ausgebildet. Nur nebenher dienen
aushilfsweise die Samen verschiedener Distelarten, Vogelbeerkerne
und Wachholder, ausnahmsweise auch Nadelholzknospen für die
Sättigung des gefrässigen Vogels.
In der ersten Jugend kreuzen sich die Schnabelhälften noch
nicht, bald aber schlägt sich der Oberschnabel entweder nach rechts
oder nach links — ohne jede verwandtschaftliche Vererbung — über,
wobei die Spitze der unteren Hälfte öfters die Bahn der oberen weit
überragt; das Längenwachsthum der Schnabelspitzen ist eben dadurch
gefördert, dass sie frei stehen und nicht aufeinander klappen. Es ist
hier ein Schnabel geschaffen, der nicht allein härtere Samen knackt,
sondern auch als seitlich wirkender Hebel tief unter die Zapfen-
schuppen eindringen und sie abblättern kann, ein Bedürfniss, welches
diese Form gebildet und sie dann vererbt hat. Eine Arbeit, welche
die Kiefer im jugendlichen Zustand sehr ungleich anstrengt, bewirkt
die Ausbeugung aus der geraden Linie, dass aber symmetrische Schnäbel
selbst nicht als Ausnahme vorkommen und in der Gefangenschaft
aufgezogene Nestvögel auch ohne Noth Scheerenschnäbel werden,
beweist die Vererbung.
Nach Geschlecht und Alter ändern die Kreuzschnäbel sehr in
der Farbe. Die Jungen sind vorwiegend grau mit dunklerer Striche-
lung, die Weibchen grünlichgrau bis graugelbgrün, nach Brehm und
Naumann die jüngeren Männchen mehr grüngelb oder trübroth, die
alten im kleinen Gefieder über Kopf, Rücken und Vorderseite lebhaft
roth, bald mehr mennigfarben, bald in den brillanten Tönen von
Johannisbeer- und Kirschroth, welche Farben in der Gefangenschaft
vergilben. Nach den meisten Autoren vor den Ebengenannten würde
nur das ein- bis zweijährige Männchen das Prachtkleid tragen.
P. Blasius Hanf bestreitet auf Grund langjähriger Beobachtungen
für den Fichtenkreuzschnabel, dass dem graugefleckten Nestkleide
des jungen Männchens ein gelbes Gefieder nachfolge ; früh ausgebrütete
Männchen bekommen durch theilweise Mauserung schon im Juni
gelbe Flecken am Unterleib und nur einige erhalten im Herbst ein
— 243 —
gelbes Kleid, andere aber später für die noch übrigen grauen Nest-
federn schon das rothe; hiedurch entstehe ein aus Gelb und Roth
^nmischtes Gefieder. Die meisten aber, namentlich die spät aus-
gebrüteten, mausern erst im August und September und diese ziehen
sofort das schöne rothe Kleid an; man sehe dann noch oft das Roth
mit dem grauen Nestkleid gemischt; es gebe auch Winters mehr
rothe als gelbe Männchen, welche doch grossentheils junge Vögel seien.
V. TscHUSi-ScHMiDHOFFEN (Mouatsschr. d. D. Ver. z. Seh. d. Vogelw.,
Halle 1888) sagt, unmittelbar auf das gestreifte Jugendkleid folgen
bald gelbe, bald rothe Färbungen in verschiedenster Nuancirung und
keineswegs ausschliesslich ein rothes Kleid.
Für das deutsche Gebiet und für Europa überhaupt haben wir
drei Arten zu unterscheiden:
1. als in der Mitte stehende Haupttype den gemeinen Fichten-
kreuzschnabel, Criccirostra'^ curvirostra Cuv. L.,
2. den grösseren Kiefernkreuzschnabel, Crucirostra
ji ityopsittacus Cuv. Bechst.,
3. den kleineren weiss bin digen Kreuzschnabel, Cruci-
rostra leticoptera Cuv. Gm.,
welche sich so nahe stehen, dass man sie füglich auf eine gemein-
same Urform zurückführen kann, aus welcher sie sich allmälig in
Folge von Nahrung und Clima, vielleicht auch durch Isolirung der
Stämme, zu besonderen Gestalten herausgebildet haben, die in ihrer
jetzigen Beständigkeit allerdings zu einer schärferen Trennung be-
rechtigen.
Eine Wiedervereinigung hat Thienemann (Rhea II, 1849, p. 165
— 174) unternommen, indem er Übergänge in Zeichnung, Körper-
grösse und Stärke des Schnabels nachzuweisen suchte. Es sei durch-
aus naturgemäss, meint er, wenn ein Vogel grosse Verschiedenheit
in seiner Entwickelung nach Grösse, Gestalt und Färbung zeige, der
in drei Continenten in die polare Waldregion hinaufgehe und, an-
gewiesen auf die Samen verschiedenartiger Nadelhölzer, ein nomadi-
sches Leben führen müsse und deshalb auch unregelmässig niste.
Auch A. V. HoMEYER könnte hiefür angeführt werden. Er stellt
(Journ. f. Orn. 1862, p. 256) für den gemeinen Kreuzschnabel eine
* Für den Zweck einer Monographie habe ich statt dem eigentlich berech-
tigteren Namen Loxia einen nur ausschliesslich für diese kleine Gruppe gebrauch-
ten gewählt und Cuvier's wörtliche Übersetzung des Worts Kreuzschnabel, die
schon Pallas als Artbezeichnung angewendet hat, Scopolis Bezeichnung Curci-
rostra (Krummschnabel) vorgezogen.
16*
— 244 —
neue Varietät von den Balearen (Crucirostra curvirostra halearica — ■'
in Gray's Handlist „balgarica v. Hoy" !) auf, welche von ihm als
gewöhnlicher Sommervogel des nördlichen Gebirgstheils von Mallorka
aufgefunden wurde. Er bemerkt gewiss mit vollem Recht, der eigen-
thüraliche Schnabel — oben sehr lang und hackenförmig, unten ver-
dickt und ganz kurz — sei ein Beweis, wie sehr im Laufe der Zeit
die Nahrung auf die Schnabelbildung einwirke: hier gebe nehmlich
die Bearbeitung der Zapfen der Aleppo-Kiefer (Finus halepensis Mill.)
die Gestalt, während beim gemeinen deutschen Fichtenkreuzschnabel
der Verkehr mit den Früchten der Rothtanne oder Fichte {Ahies
excelsa DC.) und beim Kiefernkreuzschnabel derjenige mit denen
der Föhre oder Kiefer {Finus sylvestris L.) die Formen geschaffen
habe. Beifügen dürfen wir sogleich, dass wir die schwächsten Schnäbel
und entsprechend auch zartere Körperformen nothwendiger Weise
im Gebiet der nur kleine und wenig harte Zapfen tragenden Lärchen
zu suchen haben. Larix europaea DC, L. sibirica Ledeb., L. japo-
nica Carr., L. Grifßthii Hook. (Himalaya), L. pendula Salisb. und
L. microcarpa Poir. (N.-Amerika) und noch andere Arten haben
sicherlich auf die innerhalb ihres Verbreitungsgebiets lebenden kleine-
ren und meist zartschnäbehgeren Kreuzschnabelformen einigen Ein-
fluss geübt. Die kürzeren Flügel jenes Balearenvogels deutet v. Ho-
meyer auf ein Zurückbleiben in der Entwickelung als Folge localer
Beschränkung, welche hier keine weiten Wanderungen verlangt.
In der artlichen Trennung ist Christian Ludwig Brehm am
weitesten gegangen, obgleich er früher (Lehrb. 1823, p. 168) die
Fichten- und Kiefernkreuzschnäbel für so nahe verwandt erklärte,,
dass sie fruchtbare Bastarde erzeugen. Er hat (Naumannia 1853,
p. 178—203 und 241 — 256) vorerst fünf Hauptgruppen geschaffen:
Kiefern-, Fichten-, Zwerg-, rothbindige und weiss-
bindige Kreuzschnäbel. Nicht weniger wie zwanzig verschiedene
Formen hat er unter diesen Rubriken untergebracht, wobei er aller-
dings dem Liebhaber es überlässt, sie als gute Arten oder theilweise
nur als „Subspecies" anzusehen. Zum Kiefernkreuzschnabel stellt er
1. Crucirostra major, 2. C. pityopsittacus , 3. ü. suhpityopsittncus,
4. C. hrachyrhynchos (!), 5. C. pseudopityopsittacus, 6. G. intercedens.
Zum Fichtenkreuzschnabel sind gestellt: 1. C. montana, 2. C. para-
doxa, 3. C. media, 4. C. macrorJrynchos (!), 5. C. pinetorum. Die
Zwergkreuzschnabelgruppe ist nur durch C. minuta aus der neuen
Welt vertreten. Die rothbindigen Kreuzschnäbel zerfallen in 1. C.
ruhrifasciata und 2. C. erythroptera. Bei den weissbindigen werden
, — 245 —
imterschieden : 1. C. trifasciata, 2. C. bifasciata, 3. (1 taeuioptera,
4. C. orienfcdis, 5. C. assimilis, 6. C. leucoptera. Eine beigefügte
Tafel von 20 Köpfen giebt alle Übergänge vom dicken, hochgewölb-
ten Schnabel bis zum kleinsten, mit theil weise sehr schmaler und
lang vorgestreckter Bahn, wobei der Hacken des Unterschnabels den
First entweder kaum erreicht oder ihn weit überragt. Gerne flüchtet
man sich da zum einfachen biedern Thienemann!
Uns berührt hier Brehm's Artenmacherei nur wenig; dass sie
möglich war, beweist die Variabilität der Individuen und das Vor-
handensein zahlreicher Übergänge. Nur Brehm's roth bind ige
Kreuzschnäbel wollen wir hier herausgreifen. C. rubri/asciaia
gehört nach Schlegel und Gray entschieden zur gemeinen curvirostra.
BoNAPARTE, welcher bekanntlich in der Artentrennung sehr weit geht,
führt sie zwar als eigene Art „ex Europa orientali" im Conspectus
auf, nennt sie aber in der gleichzeitig (1850) erschienenen Monogr.
des Loxiens unter Schlegel's Einfluss nur noch eine „variete constante,
quoique accidentelle". Er sagt, die grossen und mittleren Flügeldeck-
federn endigen beim Männchen zu röthlichen, beim Weibchen und
Jungen zu gelbbraunen oder bräunlichen Binden, bei den Jungen
wenig sichtbar und an die helleren Säume mancher jugendlicher
Fichtenkreuzschnäbel erinnernd. Hienach hätte sich auf die sonst
schwarzgrauen oder dunkelbräunlichen Deckfedern des monoton ge-
färbten Flügels das im kleinen Gefieder vorherrschende Roth über-
getragen wie derlei Übersprünge auch sonst, namentlich bei hohem
Alter vorkommen. Trotzdem möchte ich etwas anderer Ansicht sein
und wer die a. a. 0. T. 5 abgebildeten beiden Vögel beschaut, wird sich
derselben schwer verschliessen können. Es ist genau dieselbe Binde
wie bei den weissbindigen Vögeln, nur mehr oder weniger in Roth und
wir haben es somit unbedingt mit einem Binden-Kreuzschnabel zu thun.
Als Europäer aus dem Hauptstamm des Fichtenkreuzschnabels hat er
aber kein Weiss, sondern nur die Farbe seines Kleingefieders zuwege
gebracht. Ich sehe hierin einen Rückschlag auf die Urtype, aus der
alle Kreuzschnäbel hervorgegangen sind, beziehungsweise den Ver-
such, ein Weissbindenvogel zu werden. Obgleich wir hier mit Grössen
wenig rechnen dürfen, trennt ihn auch von jenem noch die typisch
^europäische" Grösse; kleiner ist die erst später von Brehm ab-
getrennte C. erythroptera, welche ebenfalls hieher gezogen wird. Un-
denkbar wäre es nicht, dass der ursprüngliche Kreuzschnabel Flügel-
binden, entsprechend seiner jeweiligen Hauptfärbung, trug, die dann
im einen Fall (gegen Norden, wo die Farljlosigkeit als Wintercolorit
— 246 — .
so häufig auftritt) sich constant in Weiss umfärbten, im andern völlig
ausblieben; eine leichte Binden-Andeutung bei Fichtenkreuzschnäbeln
im Jugendzustande — dieser ist ja zoologisch häufig für frühere
Formen massgebend — spricht hiefür. Auch Streifungen deuten
häufig auf Jugendzustände hin, nicht bloss zeitlich sondern auch art-
lich und so kann der streifenflügelige Vogel gewissermaassen als
prototyp gelten.
Als weitere fremdländische Arten werden noch abgesondert
4. der n or damericanische Kreuzschnabel, Crucirostra
s. Loxia americana Wils.
( — curvirostra Audub. — fusca Vieill. — ])UsiUa Illig. — Ab-
bildungen: Wilson, Americ. Ornith., T. 31, f. 1 u. 2. Aüdubon, T. 197.
BoNAPARTE u. ScHLEGEL, Monographie des Loxiens, T. 6 (das Paar).
Ihn hält G. R. Gray (Handlist 1870, II, p. 108) als Species fest,
während J. H. Blasius ihn als Yariet-ät, zum gewöhnlichen Fichten-
kreuzschnabel zieht. Derselbe sagt (Nachtr. zu Naumann's Naturg.
d. V. D. p. 91), Wilson s Loxia americana sei durchschnittlich etwas
kleiner, doch treten die Maasse unmittelbar aneinander. Aus dem
östlichen Sibirien, vom ochotzkischen Meer habe er Fichtenkreuz-
schnäbel erhalten, die das Minimum der Grösse nordamericanischer
mindestens erreichen; auch sogar geographisch könne man zweifel-
haft sein, wohin diese zu stellen sein würden; eine Unterscheidung
nach naturhistorischen Eigenschaften sei nicht mehr möglich, wo
aber eine sichere Unterscheidung der Individuen aufliöre, sei es auch
mit der Abtrennung von gut begründeten Arten zu Ende. Bonaparte
(Monogr. d. Lox. p. 6) sagt, diese Art gleiche dem gemeinen Kreuz-
schnabel der alten Welt durchaus („sous tous les rapports") and unter-
scheide sich nur durch etwas geringere Körpergrösse. Bei dem
notorischen Einfluss der geographischen Verhältnisse auf die Grösse
lässt sich ein schlimmeres „Art-Kennzeichen" kaum denken.
5. Der mexicanische Kreuzschnabel, Crucirostra mc-
xicana Strickl. G. R. Gray.
Diesen hat Sclater kurzweg als synonym zu G. americana ge-
zogen und Sp. A. Baird (Catal. of North Am. Birds 1859, N. 318
u. 318 a) stellt ihn als Varietät ebendahin. Er bildet demnach
nichts weiter als die südhchen Vorposten des nordamericanischen
„Red Crossbill" und ebenfalls eine Brücke zur europäischen Type
hinüber. Die Speciesmacherei lediglich mit Rücksicht auf geogra-
phische Unterschiede, oft nicht einmal unter Zugrundlegung unbe-
— 247 —
deutender Abweichungen, die überhaupt nur für Varietäten berech-
tigen, tritt wohl nirgends auffälUger zu Tage als eben bei den Kreuz-
schnäbeln.
ß. Der H im alaya-Kre uz Schnabel, Crucirostra s, Loxia
himalayatia Hodgs.
( — himalayensis Blyth.) Abbildungen : Journ. As. Soc. Bengal.
1844, f. 11. BoNAP. u. ScHL., Monogr. d. Lox., T. 7 (altes Männ-
chen und Junges). Diese Form vom Südrand des centralen Hoch-
asien (Nordwest-Indien), deren Artberechtigung Gray ebenfalls an-
erkennt, ist sicherlich für nichts anderes als für einen nach Süden
vorgeschobenen Abkömmling des Nordasiaten anzusehen, welcher
also zum circumpolaren, bis nach Japan gehenden Fichtenkreuz-
schnabel gerade so gehört wie v. Homeyer's bereits erwähnter Balearen-
Vogel eine von den Pyrenäen ins Mittelmeergebiet abgegebene Ab-
art ist. BoNAPARTE (Conspectus, p. 527) führt ihn als kleinste Form
von Nepal und der Schneeregion von Cashar (wo Hodgson ihn als
Seltenheit in ausgedehnten Gebirgswäldern entdeckte) an; seine Be-
schreibung des Männchens „fusco-cinerea, rubro induta, capite magna
ex parte, collo corporeque subtus ex roseo luride sanguineis" passt
allgemein auch für verschiedene anderwärtige Individuen. In der
Monogr. d. Loxiens sagt er selbst, er scheine durch nichts als durch
noch geringere Grösse von L. americana sich zu unterscheiden.
Wir kämen durch ihn also wieder nach America! Dass der ohnehin
meist recht kleine Asiate in den centralen Hochgebirgen noch kleiner
wird, kann nicht Wunder nehmen; übrigens stimmen die bei Bonap.
u. Sohl, angegebenen Maasse bis auf den um 2 — 4'" kürzeren
Schwanz völlig mit denen von L. americana.
7. Der weissbäuchige Kreuzschnabel, Loxia alhiven-
tris SwH.
SwiNHOE in Proceed. Zoologie. Soc. of London, 1870, p. 437.
Nach der gegebenen Diagnose ist er klein, ähnlich gefärbt wie L.
curvirostra L., aber dadurch von allen bekannten Arten unterschieden,
dass der Bauch und die untern Schwanzdeckfedern weiss sind, die
letzteren mit grossen centralen pfeilspitzenförmigen braunen Flecken.
Totallänge 6", Flügel 3|^', Iris braun, Schnabel braun, an der Schneide
mit lichter Hornfarbe. Zehen und Nägel schwärzlichbraun, roth ver-
waschen an den Sohlen. Der Landesname ist Keao-tsuy, d. h. ge-
drehter Schnabel. Swinhoe fand ihn in der Gegend von Peking
und sagt weiter nur, dass zahlreiche Kreuzschnäbel in den Fichten-
— 248 —
wipfeln bei Tacheo-sze am 13. August ihrer Nahrung an den Zapfen
nachgiengen und sperlingsartig zirpten. Da irgend etwas für die Be-
rechtigung zur Eigenart nicht vorhegt, haben wir es hier höchstens
mit einer localen Rasse zu thun. Weiss mit braunen Schaftflecken
sind die Schwanzunterdeckfedern auch der andern Kreuzschnäbel
und häufig zieht sich von diesen — ich habe Vergleichungsmaterial
aus verschiedenen Ländern — eine reinweisse Stelle bald bis zur In-
sertion der Füsse, bald noch ziemlich weit über diese herauf. Das
k. Naturaliencabinet zu Stuttgart besitzt ein japanisches Exemplar,
^Loxia albiventris Swh. , Sisuka 1887 (Retz)" , welches geradezu
nicht weissbäuchig ist; sein Gefieder ist vorwiegend grüngelb und
nur zwischen den Beinen, vor Beginn der weiss und braungefleckten
Schwanzunterdeckfedern, ist eine ganz kleine weisse Stelle. Beim
chinesischen Vogel mag diese augenfälliger sein, ein Characteristicum
ist sie sicher nicht. Dr. R. Blasius hat den Stuttgarter Vogel ge-
messen :
Totallänge 168 mm*.
Schwanz 61 „
Flügel 94 „
Lauf 16,1 „
Schnabel 18,5 „
Eben der verschiedenen Anknüpfungspuncte wegen mag hier
der Fichtenkreuzschnabel aus Japan noch Erwähnung finden. Nach
Bonaparte und Schlegel a. a. 0. p. 4 unterscheidet sich eine ziem-
liche Anzahl von dort erhaltener Vögel in nichts von europäischen;
dennoch ist T. 4 ein lebhaft rothes Männchen besonders abgebildet,
das neben den andern Bildern schlanker erscheint** und gestreck-
teren Schnabel hat. Unter der bescheidenen aber sicher gerecht-
fertigten Bezeichnung „Loxia curvirostra L., Yokohama (Retz)" lag
mir aus der württembergischen Staatssammlung ein männlicher Kreuz-
schnabel vor, dessen gestreckter und wenig gewölbter Schnabel dem-
jenigen von europäisch - asiatischen Weissbindenkreuzschnäbeln in
Grösse und Stärke gleicht, während der Vogel ganz auffallend klein
ist. Von der Schnabelwurzel bis zum Schwanzende messe ich schwach
* Ich messe noch immer nach dem früher allgemein angenommenen alt-
französischen Duodecimalmaass („pied du Koi"); die Messungen Anderer aufzulösen,
halte ich mich gewisser Minimaldifferenzen wegen nicht für befugt.
** Die sonst vortrefflichen Abbildungen, gefertigt von Bädek er, sind sämmt-
Jich etwas gross gerathen, was in dessen Eierwerke ebenfalls öfters zu tadeln ist.
— 249 —
5", bei deutschen Fichtenkreuzschnäbeln 6", 2 — 4'''. R. Blasiüs hat
von ihm folgende Maasse notirt :
Totallänge 153 mm.
Schwanz 58 „
Flügel 91 „
Lauf 17,8 „
Schnabel 18,7 „
Die Hauptfarbe ist ein helleres Roth, stellenweise mit aschgrauem,
gelblichem und grünlichem Anflug, dunkler über den Rücken wo die
Federn noch braune Schaftflecke und grünliche Säume haben, ein-
farbig und leuchtend über dem Schwanz und an diesem olivgrüne
schmale Säumung, in den weiss und braun gefleckten Afterfedern
stellenweise rothe Zeichnung, zwischen den Füssen eine grössere
rein weisse Stelle. Hienach kommt C. curvirostra auch in Japan
so klein vor, dass man ohne Vaterlandsangabe bei diesem Stück in
Zweifel sein müsste, ob C. americana oder C. himalai/ana oder C.
alhiventris vorliegt: für C. leucoptera fehlen nur die Binden.
Der weissbindige Kreuzschnabel kann seine jetzige Artberech-
tigung eigentlich nur damit beweisen, dass beim Kiefern- und beim
Fichtenkreuzschnabel solche Flügelzeichnung in deutlicher Weise
nicht vorkommt; die Grösse kann hiebei nur wenig in Betracht kom-
men, da in seiner Heimat die bindenlosen Vögel ebenfalls kleiner sind.
Etwas schwerer fällt es dem Kiefernkreuzschnabel sein Recht
der Eigenart abzusprechen, übersehen darf man aber auch hier nicht,
dass die Eier unserer beiden Arten in den Extremen übereinstimmen,
und dass es auch bei ihm schwächere Schnäbel, sowie geringere
Körpergrössen giebt. Der alte Brehm hat sich da, ehe er seine
Unterarten schuf, mit Bastardkreuzung zwischen Kiefern- und Fichten-
kreuzschnabel geholfen. Bonaparte und Schlegel sagen, man finde,
wenn auch selten, Vögel mit viel schwächerem Schnabel und einer
Grösse, die etwas hinter den gewöhnlichen Maassen zurückbleibe,
so dass ein Übergang von einer Art zur andern zu bestehen scheine;
man werde aber finden, dass der „grand Bec-croise" immer einen
gedrungeneren und namentlich in den Spitzen weniger verlängerten
Schnabel habe. Deutsche Exemplare giebt es genug, bei denen man
zweifelhaft wird, wohin sie stellen, nur kommen solche, weil nicht
typisch, meist nicht in den Handel.
Der ursprüngliche Zusammenhang aller jetzt unterschiedenen
Formen wird kaum angefochten werden können. Schon die geo-
graphische Verbreitung weist auf einen solchen hin. Ringsherum
- 250 —
unter dem Nordpol, sofort mit Beginn der eigentlichen Waldregion
lebt die Hauptmasse und wo die grösate Häufigkeit ist, da pflegt
man die ursprüngliche Heimat anzunehmen. Winterliches Singen,
keine Scheu vor rauhestem Wetter bei der Brut und auch geringe
Scheu vor dem Menschen geben dem Vogel einen arctischen Cha-
racter. Nur die drei in den hohen Norden hinaufreichenden Conti-
nente besitzen ihn deshalb und soweit diese Vögel in allen dreien
bis ins Mittelgebiet, ja oft recht weit südwärts sich vorgeschoben
haben, sind sie, abhängig von ihrer ausschliesslichen Nahrung, hohen
Waldgebirgen oder auch sehr ausgedehnten Nadelholzforsten der
Ebene gefolgt. In der Pflanzenwelt haben wir hiefür ein Analogon.
Viele circumpolare Pflanzen des arctischen Gebiets bewohnen gleich-
zeitig unsere alpinen Gebirge oder auch Torfmoore; sie sind aus
eisigen Tagen hier haften geblieben als bei wärmer gewordenem
Clima eine üppigere Vegetation in die ihr günstigen Lagen einzog.
Man könnte deshalb vielleicht auch annehmen, dass ebenso die
Kreuzschnäbel erst durch veränderte Verhältnisse mehr nach Norden
.gedrängt worden seien und südliche Reste nur da verblieben, wo
Gebirg und Nadelwald ihnen die Heimat erhielt. So wie so kommt's
- auf das Gleiche heraus und in beiden Fällen besteht die Berechtigung
zur Annahme einer gewissen Beständigkeit von einzelnen Rassen-
Unterschieden an extremen Wohnplätzen. Ebendeshalb durften auch
die für die beiden anderen Continente aufgestellten Unterscheidungen
hier nicht völlig ignorirt werden.
Zu besserer Übersicht fügen wir den Versuch einer Stammtafel bei.
mexicana Strickl,
curvirostra halearica
V. HOM.
alhiventris Swn.
americana Wils. cMrl'iros^rrt L. typica. liimalayana'S.O'DGii.
pityo])sittacus Bechst.
(major).
curvirostrae
(mediae)
leucoptera Gm. hifasciata Brhm.
America. Asia (Europa).
albifasciatae
(minores).
rostra ruhrifasciata
Brhm.
Crucirostrn
(variabilis), Europa, Asia, America.
— 251 --
Hienach würden aus einem alle Eigenschaften vereinigenden
Urstamm drei Hauptstämme abzweigen : 1 . der Stamm des Kiefern-
kreuzschnabels ohne weitere Fortsetzung, 2. der mittlere der Fichten-
kreuzschnäbel überhaupt und 3. der Stamm aller weissbindigen Kreuz-
schnäbel. Diese drei Stämme mögen jetzt als distincte Arten
gelten. Der mittlere Hauptstamm theilt sich in drei Zweige, einen
americanischen , einen typischen , vorzugsweise europäischen und in
einen asiatischen; jeder derselben hat einen Seitenzweig in beschränk-
terem Gebiet. Der Stamm der weissbindigen Vögel spaltet sich in
zwei Aste , einen asiatischen (im Westen die europäische Gränze
überschreitend) und einen americanischen ; von diesem würde, wenn
wir uns an Bonaparte halten , ein japanischer Zweig wieder nach
Asien herüber greifen, etwa so wie die rothbindige Spielart des
gemeinen Europäers den Stamm der Weissbindenvögel kreuzt. Nach
allen Richtungen scheinen mir die Verbindungen hergestellt und
wenn auch die Verzweigungen nicht immer gleichwerthig sind , so
Avüsste ich aus der Literatur die ursprüngliche Zusammen-
gehörigkeit doch kaum deutlicher darzustellen.
Die Autoren des Alterthums scheinen den Kreuzschnabel nicht
gekannt zu haben obgleich man früher aus Phnius die Namen Trogon
und Chlor ion hieher bezog; unter dem letzteren ist sicher der Firol
verstanden. Ob er einst im classischen Gebiet seltener w^ar oder nur
übersehen wurde, wird schwer zu entscheiden sein. Er kommt z. B.
in Spanien vor; A. Brehm traf Exemplare („C. curvtrostra, ruhri-
fasciota , paradoxa'^) auf dem Markt zu Madrid und nach Bolle
findet er sich, von den pyrenäischen Bergen herabgehend, in manchen
Jahren in Menge in Catalonien.
Wenn Erhard (Naumannia 1858, p. 24) die gewöhnliche sowohl
als die grössere dickschnäbelige Type auf der Cycladen-Insel Syra
als Esswaare zu Markt gebracht fand, so war diess im sehr strengen
Winter 1855, wo viele Vögel ausnahmsweise weit nach Süden
gegangen sind. Weder v. d. Mühle (1844) noch Lindermayer (1860)
trafen Kreuzschnäbel in Griechenland, doch behauptet Letzterer,
Dr. Krüper habe ein Nest auf dem Parnass gefunden. Auf eine an
diesen nach Athen gestellte Anfrage berichtigt diess Krüper dahin,
dass der Kreuzschnabel allerdings im Parnass zweifelsohne brüte,
dass aber überhaupt noch niemals ein Nest mit Eiern oder Jungen
in Hellas gefunden sei. „Dass die Kreuzschnäbel auch im Taygetos
brüten — schreibt er mir 4. Mai 1886 — beweist ein junger Vogel,
den der seel. Schrader in meiner Gegenwart im Frühjahr 1861 dort
-- 252 —
erlegte. Ziemlich häufig traf ich den Kreuzschnabel hoch in den
Bergen bei Smyrna (Kleinasien) , am häufigsten jedoch am Olymp
oberhalb Lithochoron. ümherstreifende sah und hörte ich mehrmals
am Fuss des fast baumlosen Hymettus und zuweilen in den hohen
Cypressen von Athen ; nicht selten werden hier Kreuzschnäbel ge-
fangen und in Käfigen gehalten."
A. VON HoMEYER Spricht von italienischen Kreuzschnäbeln, auf
deren Schnabelform die Pinie als dortige Character-Kiefer werde in-
fluirt haben. Nach den älteren Schriftstellern lässt sich über stabi-
les Vorkommen von Kreuzschnäbeln in Italien nichts feststellen. Erst
Savi will den ,,Crociero"* nistend im Toscanesischen beobachtet haben,
wie diess auch Bonomi aus dem südUchen Tirol (,,Trentino") ver-
muthet und Doderlein aus dem Modenesischen versichert. E. H.
GiGLiOLi (Avifauna italica, 188B, p. 42) nimmt die alpinen Theile
Italiens , Appenninen und Corsica , als Wohnplätze für sicher an,
führt eine lange Reihe von Trivialnamen auf und verzeichnet Fälle
vereinzelten oder schaarenw eisen Auftretens von den nördlichen Pro-
vinzen bis herab nach Sicilien und Malta, wobei allerdings Wander-
monate wie Juni bis August vorwiegen. Auch Med. R. Dr. Hedixger
theilte mir mündlich mit, dass er i. J. 1875 Kreuzschnäbel in
den pistojischen Appenninen im Abetino bei Bosco lungo beobachtet,
1881 auf dem Pass zwischen Bergamo und Dezzo dort gefangene
gesehen und im März 1886 zwischen San Remo und Taccia die
Vögel in Fichten deutlich gehört habe.
Conrad Gesner (Vogelbuch, ed. Zürich 1557 u. 1581, fol. 167;
latein, Ausg. Eist. Anim. Francof. 1585, III, p. 592) ist der Erste,
bei dem wir etwas Positives finden. Er kennt den Vogel gut und
nennt ihn Krützvogel oder Krummschnabel, curvirostra, auch Krinitz,
Loxia (von loiög, seitwärtsgebogen) ; illyrisch heisst er Krziwonoska
(nasicurva). Er ist bei Bern und noch mehr bei St. Gallen häufiger
als bei Zürich , sehr veränderlich im Kleid und nistet im Januar
oder Anfangs Februar in Tannen, mit deren Samen er auch seine Jun-
gen füttert. Gesner hat ihn im Käfig gehabt, erwähnt seine Zutrau-
lichkeit, sein Klettern und den Gesang. Damals glaubte man, wohl
des krummen Schnabels wegen, er verzehre auch Fleisch, namentlich
dasjenige Hingerichteter: „als ich verston so gläbt er auch der
todten Schelmen," „audio eam cadaveribus quoque vesci." — Lässt
* Crosicro bei Naumann ist offenbar Druckfehler hiefiir. Die nicht minder
häufige Bezeichnung Crosnobel ist sicherlich Verketzerung vom deutschen Kreuz-
schnabel.
— 253 —
doch eine schöne christliche Sage diesen Vogel auf Golgatha erscheinen,
um aus dem Kreuze Jesu die Nägel zu ziehen , wobei er sich den
Schnabel krumm gebogen. — Gesner hat eine verhältnissmässig gute
Abbildung gegeben, die in einem meiner Exemplare in gleichzeitiger
Bemalung grünlichgelb mit brauner Fleckung, braunen Flügeln und
ebensolchem Schwanz erscheint.
Aldrovandi (Ornith., ed. Francof. 1610, p. 426) sagt, bisweilen
erscheine der Vogel bei Genua; er hat auch während dem bekannten
Concil (1545 — 63) 1 St. aus Trient erhalten ; hier handelt es sich also
um Exemplare aus den Alpen. T. 14 hat der gelehrte Bologneser
Professor zwei ganz geringe Abbildungen selbst gefertigt, die Gesner'-
sche schlecht copirt und im Übrigen von diesem vorzugsweise ab-
geschrieben.
WiLLUGHBY (Ornith., Lond. 1676, p. 181, T. 44) bildet gleich-
falls den „Shel- Apple or Cross-Bill" ab, beschreibt ausführhch einen
Herbstvogel und nennt als Vaterland Deutschland, Bayern, Schwaben,
die österreichischen Alpen (Noricum) ; in Nürnberg sah er ihn mehrfach
im Käfig. Nach England fliegen sie zuweilen in grosser Anzahl zu
und plündern namentlich im Westen die Obstgärten ; sie sollen
nehmhch zum grossen Schaden der Gärtner die Aepfel spalten (?)
um zu den Kernen zu gelangen*.
Barrere unterschied (1741 u. 1745) für Südfrankreich nach der
Färbung eine Loxia nigricans und eine L. pyrenaica, welche Brisson
(Ornith. 1763) als L. versicolor und als Varietät rufescens citirt.
Linne (Syst. nat. 1776, p. 30) kennt nur erst eine einzige Kreuz-
schnabelart , welche er im Genus Loxia als curvirostra zwischen
Kernbeisser (coccothraustes) und Gimpel (pyrrhula) stellt; in der Fauna
suecica (1746) hatte er sie Loxia rubra rostro forficato genannt.
Klein (Historie d. Vög. 1760) nennt den Kreuzschnabel oder
Grünitz Coccothraustes curvirostra — in früherem Werke avis cruci-
fera s. cruciata ■ — und erklärt das Brüten im Winter kurzweg für
eine Fabel.
Otto (Naturforscher XH, 1787, p. 92 u. Übersetz, v. Büffon's
Vögeln, X, 38) hat angeblich zuerst vom gewöhnlichen den „grossen
lü-ummschnabel oder Tannenpapagey" abgetrennt, welchen dann J. F.
Gmelin als Varietät Loxia major in's LiNNfi'sche Natursystem (edit.
* Nach Beseke u. A. spalten sie auch Haselnüsse; abgesehen davon, dass
ihr Gebiet nicht dasjenige der Haselnuss-Sträucher zu sein pflegt, genügt die
Weite des hiefür sicher zu schwachen Schnabels nicht um eine Frucht von dieser
Grösse aufzunehmen.
— 254 —
XIII, I, p. 843) aufgenommen hat. Den deutschen Namen Tannen-
papagey hatte aber schon früher Jon. Sam. Halle (Vogelgesch., BerUn
1760, p. 405) geschaffen. Meist ist übersehen, dass schon Pennant
(Brit. Zool. 1776, I, p. 115) die „perrara varietas major" unter-
schieden hatte; er bildet sie ab und characterisirt den Schnabel gut;
beide Geschlechter hatte er in England aus Shropshire (Salopia)
erhalten. Auf Borkhausen's Vorschlag (Rhein. Magaz.) hat dann
Bechstein (ornith. Taschenbuch 1803) ihn „scheerenschnäbeliger
Kreuzschnabel, Loxia pityox^sittaciis genannt.
Latham unterschied den „White winged Cross-Bill" aus America,
welchen dann Gmelin a. a. 0. als Loxia leucoptera. er selbst aber
(Index ornithol. 1790, I, p. 371) als L. falcirostra aufführt. Auch
Pennant (Arct. Zool. übers, v. Zimmermann 1787, 11, p. 323) weiss
bereits, dass die americanische Art von der europäischen sich durch
geringere Grösse und zwei weisse Querstriche über die Flügel unter-
scheidet, sie bewohnt nach ihm die nördlichen Breiten von der
Hudsonsbay bis Neufundland und er bemerkt treffend, dass ein von
Edwards aus Grönland aufgeführtes Exemplar in jenes baumlose
Land nur verschlagen sein könne.
Als im Sommer (Juli und August) 1826 weissbindige Kreuz-
schnäbel zahlreich in Deutschland erschienen, wurden sie als eine neue
Art angesprochen, welche Gloger (Verhandl. d. Leop. Carol. Acad. XIV,
p. 919 u. Isis 1828, p. 441) Loxia taenioptera, C. L. Brehm (Isis 1828,
p. 820) L. hifasciata benannten. Gloger hat später (Schles. Wirbelth.-
Fauna 1833, p. 34) seine Vermehrung der Nomenclatur mit Lathams
schlechter Beschreibung entschuldigt. Brehm dagegen ist stets dabei
geblieben, neben dem LATHAM-GMELm'schen Vogel sowohl seine neue
als auch Gloger's Art, beide von einander getrennt, aufrecht zu
erhalten. Jenen Americanern wurde früher eine Grösse nicht viel
über derjenigen des Distelfinken zugeschrieben, während sie von der
Schnabelspitze bis zum Schwanzende nur ungefähr \" kürzer als
Fichtenkreuzschnäbel sind; diess hat vorzugsweise Gloger zur neuen
Benennung, die vor der BREHM'schen ein kürzestes Prioritätsrecht
hätte, veranlasst und Naumann hat noch i. J. 1824 die wenigen
ihm bis dahin vorgekommenen weissbindigen Vögel aus diesem Grunde
und weil die richtigen für ausschhessliche Americaner galten, als
Varietät zur gemeinen Art gezogen und einen jungen Vogel unter
diesen auch abgebildet.
Die Kreuzschnäbel, welche als nicht nützlich auch jetzt noch
meist ausserhalb des Vogelschutzes stehen , sind noch immer be-
- 255 —
liebte Stubenvögel vorzugsweise der Gebirgsgegenden und der gemeine
Mann glaubt heute noch, dass sie Krankheiten von den Zimmergenossen
an sich ziehen. In der guten alten Zeit der Vogelstellerei diente ihr
wohlschmeckendes Fleisch als Leckerbissen; Beckstein giebt genaues
Recept, wie man sie abgebrüht und über dem Rost gebraten mit ver-
schiedener Würze und Essig in kleinen Fässchen einmachen soll.
Nachdem über die Arten selbst das vorläufig Nöthigste gesagt
und aus der reichen Literatur Allgemein-Historisches vorangeschickt
ist, gehen wir zu den einzelnen Typen über, wie sie für unser vater-
ländisches Gebiet sich darstellen, wobei wir weitere geschichtliche
Daten abermals nicht vermeiden können.
»
1. Der gemeine oder Fichten-Kreuzschnabel, Crucirostra
curvirostra Cuv.
— ahietina Mey. — vulgaris Daud. Loxia curvirostra Gm. L.
— nigricans et pyrenaica Barr. — versicolor Briss. — crucifcra
Schrank. — crucirostra Pall. — vulgaris Ranz. Coccothraustes
curvirostra Klein. Curvirostra (Scop.) pindarum (sie!) C. L. Brhm.
Loxias MöHR.
Abbildungen: Seligmann's Vögel VIII, Nürnb. 1776, T. 93
(nach Edwards, Glean. T. 803; roth und gelb, angebl. Pärchen, aus
der Umgebung von London). Buffon, T. 218, f. 2. Beckstein, N.
V. D. (edit. 2) II, T. 32, f. 1. Naumann, V. D. IV, T. HO, f. 1—3
(alte Ausg. I, T. 9, f. 21—23). Gould, Birds of Eur. , T. 202,
Bonaparte u. Schlegel, Monogr. des Loxiens, T. 2 — 5 (rothes und
brillant gelbes Männchen, grünes Weibchen, grauer junger Vogel,
rothes Männchen aus Japan, Paar mit röthlichen Flügelbinden).
Die Grösse ist eine mittlere , etwa diejenige der Feldlerche
oder des Gimpels. Der Schnabel ist nur massig stark, etwas ge-
streckt und sanft gebogen, wobei die Spitze der unteren Hälfte den
First der oberen überkreuzt. Einer ausführlichen Beschreibung der
Färbung bedarf es nach dem bereits Vorausgeschickten — und wir
haben in Vielem zurückzuverweisen — bei der Variabilität und dem
Ineinandergreifen der Colorite an diesem Orte nicht. Vom Schwarz-
wald habe ich mir alte Männchen im März vorwiegend als dunkel
und heller carminroth, pommeranzenroth und dreifarbig in Roth,
Gelb und Grün notirt.
Die Verbreitung erstreckt sich, wie früher bemerkt, aus der
Polarregion über Scandinavien und Russland; v. Middendorbf
fand in Sibirien diese Art den Jenissej entlang bis zum 62" n. Br.,
— 256 —
dann aber nicht mehr und ebensowenig im südösthchen Theil. Wie
weit der Fichtenkreuzschnabel nach Süden sich vorschiebt, ist be-
reits gesagt. BiELZ (Fauna v. S. 1856, p. 88) nennt ihn für Sieben-
bürgen, wo er sächsisch Kretzschnuovel, ungarisch Keresztorru —
madilr heisse. Für England gilt er als Brutvogel, für den grössten
Theil Frankreichs und für die Niederlande ist er nur seltener
Gast. Abgesehen von seinem Vorkommen in Asien (bis Japan) be-
wohnt er ferner vorzugsweise die deutschen Mittelgebirge,
besonders die Nadelwaldungen von Schlesien, das Fichtelgebirge und
den Böhmer- Wald, das Erzgebirge, den Harz (December 1883 Nester
am Brocken), den Thüringerwald, Schwarzwald, das bayrische
Gebirge, Tirol, Steiermark u. s. w. , die Schweiz, bis zu
den Pyrenäen.
In Schlesien besucht er nach Gloger die Fichten- und Tannen-
wälder fast jeden Sommer, manchmal in grosser Anzahl, in samen-
reichen Jahren zu jeder Zeit und geht bis auf den Riesenkamm
(4500'). Nach den Jahresberichten der Beobachtungsstationen der
Vögel Deutschlands 1884 — 1886 ist der Fichtenkreuzschnabel im
Königreich Sachsen z. B. Brutvogel bei Zittau, Mylau und im oberen
Vogtland ; ebendort sind aus Sachsen-Gotha viele Orte angegeben,
wo er als Strich- und Standvogel (meistens nistend) vorkommt, wie
er auch aus Nassau als sparsamer Brutvogel bei Rinteln genannt
ist. Jäckel (Corr.-Bl. d. z.-m. V. Regensb. , 1850, p. 59; 1851,
p. 79) nennt ihn von Aschaffenburg, aus dem Frankenwald und aus
den oberbayrischen AVäldern bei Berchtesgaden , Schwabhausen,
Puschlagen und fand ihn im Winter 1849/50 auf dem ganzen
Reichswald zahlreich vorhanden, bei Nordhalben (Oberfranken) nur
in ganz kleinen Flügen. Neben vielen weiteren Notizen aus deutschem
Gebiet sind in den Jahresberichten der Beobachtungsstationen auch
solche aus Bayern ; wir heben aber nur eine , die Fortpflanzung
berührende Beobachtung von Heller (1886, p. 523) heraus. Fast
jedes Jahr kommt der Fichtenkreuzschnabel in dem Uferwalde des
Lainflusses beim Kochelsee in Oberbayern vor und nistet dort wenn
die vollauf beasteten, fetten Fichten reichlich Zapfen tragen. Am
10. August 1886 wurden 30 — 35 m. hoch je auf einem dicht-
benadelten Ast zwei Nester mit dem Opernglase entdeckt und flogen
die Alten fortwährend ab und zu ; am 5. September waren die
Jungen ausgeflogen und wurden , in den Wipfeln krabbelnd und
flatternd, unter Piepen und Locken geäzt, wobei sich herausstellte,
dass es 3 oder 4 Familien mit je 4 oder 5 Jungen waren. In
~ 257 —
Südtirol sah ich häufig Kreuzschnäbel bei Meran in kleinen Käfigen
vor den Fenstern hängen. P. Blasius Hanf*, ein practischer Orni-
thologe ersten Rangs und mitten unter den Kreuzschnäbeln daheim,
berichtet (Vögel des Furtteichs, Graz 1883, I, N. 115 u. Nachtr.
1887 in d. Mitth. des nat. V. f. Steiermark) nach mehr als vierzig-
jährigen Beobachtungen über das Vorkommen in Obersteiermark
und constatirt auch dort die Abhängigkeit der Nistreviere vom je-
weiligen Samenreichthura der Fichten und Lärchen. So fehlten in
seiner Nähe Brutvögel zwischen den Wintern 1851/52 und 1871/72
völlig, während sie in günstigen Zeiten in Menge in der Bergregion
leben. Für Graubündten (Jahresb. d. nat. G. Gr. VIII u. IX)
bemerkt v. Salis, dass in den dort aus Kiefern und Tannen ge-
mischten Wäldern diese Art mit der nächsten zugleich lebe , und
Conrado-Baldenstein sagt, in strenger Winterszeit verlassen sie die
dortigen Berge fast gänzlich. Letzterer hat im April im Nestbau
begriffene Weibchen angetroffen, andere erlegt, die ein reifes Ei im
Legsack hatten , und flügge Junge im August aus den Nestern ge-
nommen.
Der Fichtenkreuzschnabel ist gleich seinen Verwandten bald
mehr Stand-, bald mehr Strichvogel und ein unstäter Wanderer,
je nachdem die Nadelholzzapfen gerathen sind ; er baut deshalb
die Jungenwiege nicht allein im Winter, sondern nöthigen
Falls im normalen Frühling , ja bis weit in den Sommer hinein,
gerade wie's ihm bequem ist. Ein Wanderjahr ist das jüngst
abgelaufene gewesen. In vielen Theilen Deutschlands traten im
Sommer 1888 die Kreuzschnäbel massenhaft auf; nach v. Tschüsi-
ScHMiDHOFFEN Zeigten sich in den Wäldern bei Hai lein schon An-
fangs Juli durchziehende Vögel weit häufiger als sonst, der Haupt-
durchzug dauerte ungefähr vom 10. Juli bis 8. August: meist vom
* Blasius Hanf, Benedictiner-Pater von Kloster St. Lambreclit, Pfarrer
zu Mariahof bei Neumarkt in Obersteier, gehört unter den deutschen Ornithologen
nach Jagdeifer, Scharfblick und Erfahrung unstreitig zu den hervorragendsten
Practikern; seine Veröffentlichungen in den Mittheilungen des naturw. Vereins f.
Steiermark beweisen diess. Bei grosser Gastfreundschaft und selbstloser Gefällig-
keit hat er, ein ächter Sohn seiner Berge, die Erforschung der Natur und die
Pflichten seines Amts stets zu vereinigen verstanden. Leider ist der liebenswür-
dige alte Herr am Ende seiner Thätigkeit. Schon im Herbst 1886 klagt der da-
mals Achtundsiebzigjährige in seinen Briefen über Abnahme der Kräfte, 1887 fügt
er einer Wiedmung mit zitternder Schrift den Vermerk bei , seine rechte Hand
sei gelähmt; im Juni 1888 sandte er nach schweren Schwindelanfällen seine Grüsse
durch fremde Hand und erst im März 1889 wieder directe Lebenszeichen.
Jahreshefte il. Vereins f. vaterl. Naturkuude in Württ. 1889. 17
— 258 —
frühen Morgen bis Mittag zogen sie zu fünf bis über dreissig Exem-
plaren von S.O. nach N.W. hoch über den Wald, selten einfallend,
da die Bäume wenig Zapfen trugen. Ein gleich massenhaftes Vor-
kommen zur selben Zeit ist auch aus den Waldungen des Inns-
brucker Mittelgebirgs beobachtet, und während in Helgoland
Kreuzschnäbel sich sonst nur ausnahmsweise und dann meist erst
im August zeigen, passirten im Juni und Juli täglich Hunderte die
Insel. So hat denn auch ein starker Überflug nach England statt-
gefunden.
Württemberg hat an dieser Art keinen Mangel. Aus unserem
Schwarzwald, von wo nur diese eine Form als nistend nachgewiesen
ist, habe ich einst grosse Reihen erlegter in Händen gehabt und
untersucht , auch viele lebendig gehalten , theils einst in Tübingen
in besonderem, mit Fichtenbäumchen besetztem Zimmer, theils hier
in grösserem Vogelhaus mit natürlichem Boden und fliessendem
Wasser; in beiden Fällen waren sie wegen Bearbeitung aller be-
nagbaren Gegenstände nicht jene angenehmen Hausgenossen, die sie
im engen Bauer sind ; Hanfsaraenkost macht ihrem Leben durch
Schlaganfälle leicht ein rasches Ende. Die württembergische Ver-
einssammlung besitzt drei Nester, vom 23. März 1879 je mit 3 Jungen,
8 und 4 Eiern von Stammheim O.A. Calw und ein viertes von
Bösingen, 15. Januar 1878, das mit dem betäubten Weibchen
beim Fällen einer Tanne niederstürzte und in welches dieses in der
Gefangenschaft anderen Tages ein Ei nachlegte ! (Vergl. Intelligenzbl.
„aus den Tannen", Altensteig 16. Jan. 1887.) Nach Landbeck (Syst.
Übers, d. V. W. , 1834) brütet auf dem Schwarz wald der Kreuz-
schnabel „zu jeder Jahreszeit", zieht im Juni gern in die Lärchen-
wälder und frisst zu dieser Zeit auch die Raupen und Puppen von
Schmetterlingen; Göze und Kölreuter lassen ihn sogar Baumwanzen
aus den Fichtenzapfen hervorholen und Brehm sagt, er reinige die
Pflaumenbäume von Blattläusen. Aus dem Revier Kapfenburg
(O.A. Neresheim) kennt Oberf. A. Probst die Paarung im November,
im December das Nisten im „Stangenholz" und Junge schon in diesem
Monat. Ebenderselbe traf einen grösseren Flug am 29. October
1886 bei Weissenau und am 15. desselben Monats Hessen im Tannen-
wäldchen des Schlossgartens von Wart hausen mehrere ihren nicht
zu verkennenden Lockruf von den hundertjährigen Lärchen herab
hören; eben hier hat i. J. 1888 meine Tochter Elisabeth am
27. Juni 15—20 St., 10. Juli 12 St., 25. Juh im Garten und in
der Umgebung noch viele und Tags darauf ein Paar beobachtet,
— 259 —
-wie es ein Junges aus dem Kropf fütterte. Zur gleichen
Zeit erschienen Kreuzschnäbel auch häufig im Schlossgarten von
Eybach bei Geislingen , wo am 20. Juli 2 St. zur Bestätigung ge-
schossen und zwei Tage später von derselben Beobachterin 15 St.
gezählt wurden.
Was nun Oberschwaben anbelangt , so bin ich der Ge-
wissheit, dass hier im Gebiet der ausgedehnten Nadelwälder, ganz
unzweifelhaft mindestens im württembergischen Allgäu, die Fort-
pflanzung gar nicht selten stattfindet. Wenn Freifrau von Ulm-
Erbach (Monatschr. z. Schutz d. Vogelw. , 1886 , N. 3) Kreuz-
schnäbel nur in strengen Wintern für Erb ach bei Ulm angiebt, so
trifft diess für andere Theile Oberschwabens keineswegs zu und
Avürde ein Nisten im Gebiet überhaupt eher bestätigen. Bei Wart-
hausen traf ich Kreuzschnäbel wiederholt im Herbst in kleinen
Flügen im Revier „Kohlweiher" , wo sie familienweise aus dem
Tannenforst auf Erlen oder in den Disteln am Weg oder zur Tränke
in einer Pfütze einfallen ; genau an dieser Stelle machten am Tage
vor Weihnachten 1883 einige Stücke sich einem meiner Söhne da-
durch bemerklich , dass sie von einer hohen Fichte , unter welcher
er angestanden war, benagte Zapfen herabfallen Hessen; ein Schuss
brachte sie soweit in Bewegung, dass sie erkannt und 3 — 4 St.
(vielleicht zwei gepaarte Paare?) gezählt werden konnten. Bei
Schloss Zeil O.A. Leutkirch im Allgäu erschienen im guten
Fichtensamenjahr 1878/79 zuerst ein Paar Kreuzschnäbel am 2. No-
vember 1878, dann zwei Paare am 21. d. M. ; am 19. März 1879
kamen zwei Alte und elf flügge Junge, am 9. April vier alte Vögel
mit neunzehn Jungen ; bis 19. April wurden sie genau beobachtet,
indem alle Tage 6 — 20 St. an die Schlossmauern anflogen, um dort
den Salpeter abzupicken. Vom August an und auch im Herbst
wurden sie nicht mehr gesehen. Diese Beobachtung (Graf Carl
VON Waldbürg-Syrgenstein in lit.) beweist ein Nisten in jener Gegend
evident, denn zwischen dem Erscheinen gepaarter Paare im November
und den von einzelnen Alten geführten Jungenflügen im März und
April liegen genau die normal gewöhnlichsten Nistmohate. Für das
hier beobachtete Benagen salpeterhaltiger Mauern hat schon Pallas
einen Vorgang; er nennt die Kreuzschnäbel sehr salzbegierig (salis
avidissimae) und erzählt, dass in Sibirien an der Kama die Knaben
den Schnee in oft recht naiver Weise versalzen, um dann die Vögel
in Rosshaarschlingen darüber zu fangen ; auch von der americani-
schen Form erzählt Bonaparte Ähnliches. Von Isny wird mir mit-
17*
— 260 —
getheilt, dass die Arbeiter der Glashütten Eisenbach und Schmids-
felden vielfach Kreuzschnäbel im Käfig halten und zur Aufzucht
die Nester an der Adelegg aufsuchen, Aufträge auf letztere sind
längst gegeben , ein Resultat aber noch immer abzuwarten. Von
dort steht fest, dass sie auf der „Schanze'^ brüten und das Nisten
im December, „gegen Weihnachten" allgemein bekannt, der Zugang
zu den Nest-Orten des hohen Schnees wegen aber häufig fast un-
möglich ist; im November 1886 waren bei Eisenbach noch keine
Kreuzschnäbel sichtbar, und man nimmt dort an, dass sie erst Mitte
December unmittelbar zum Nisten eintreffen (von Schmidsfeld und
Hüttenverw. Reder). Bei Oster hofen O.A. Waldsee hat Lehrer
ÜNGER öfters Kreuzschnäbel bemerkt, z. B. 1887 am 12. Januar —
also zur Nistzeit — im dichten Hochwald (700 m.) 8 — 10 Stück
lockend , singend und Futter suchend , aber auch den Sommer
über, und er theilt mit, dass dort mit den Alten eingefangene
Junge im Käfig noch aus dem Kopf geäzt wurden, also wohl nicht
von weit her waren.
Fortpflanzung.
Verschiedenes hieher gehörige ist bereits gelegentlich erwähnt.
Zorn (Petinotheol. 1742, I, p. 462, II, p. 90 u. 344), welcher
auch sonst vortreffliche Beobachtungen gemacht hat, giebt an, Ende
August 1740 seien die seit achtzehn Jahren nicht mehr gesehenen
Krummschnäbel bei Pappenheim in Mittelfranken angekommen als
es ungemein viele Fichtenzapfen gegeben habe, Ende December hätten
sie sich aber verloren. Dass Gesner's Angabe vom Brüten im Winter
richtig sei, davon habe er sich überzeugt ; bei der Ankunft seien sie
zu 5 — 15 geflogen, hätten sich aber gegen den December paarweise
gesondert; verschiedene untersuchte hätten dann die Testikel und
Ovarien stark geschwollen gehabt; im Jänner 174.1 seien sie zwar
meist weggezogen, doch seien einige Paare geblieben und hätten da
genistet; die ersten Jungen wurden im Februar in den Nestern
gefunden ; andere flogen aber vielleicht zum Theil schon früher ab.
Frisch (1734) führt Junge aus Februar bis März mit noch
gelben Schnabelwinkeln an , lässt aber vom Hörensagen das Nest
mit Harz angeklebt sein. Hieraus hat Halle (1760) sogar eine völlige
Harzverkittung der Neststoffe gemacht. Lässt doch Jonston (um
1630) den Vogel mit dem Schwanz voran das Licht der Welt erblicken,
weil sonst des Schnabels Krümme für den Austritt aus dem Ei
hinderlich wäre.
— 261 —
Pallas (Zoogr. ßosso-asiat. II, p. 5j erhielt ein Nest mit Jungen
gegen Ende Februar und sagt, Steller habe im März ein Nest mit
Eiern gefunden ; im letzteren Falle , also wohl für Kamtschatka,
würde es sich jedenfalls um die kleinere ostasiatisch-americanische
Form, wenn nicht gar um den weissbindigen Kreuzschnabel handeln.
Med. Dr. Hofrath Friedrich Christian Günther ist der erste,
welchem wir einen sehr genauen Bericht über Nest und Eier (Natur-
forscher II, 1774, p. 66 — 75) verdanken. Nachdem er früher immer
nur aus dem Nest gefallene junge Krünitze erhalten hatte , wurde
ihm am 8. Januar 1774 bei fast ellentiefem Schnee ein Nest mit drei
Eiern aus den Wäldern bei Trockenborn unweit Kahla in Sachsen-
Altenburg gebracht. Am 3. d. M. war bemerkt worden wie ein
Krummschnabel allerlei Moos und dürre Reiser auf eine gewisse
Stelle eines dickbemoosten Asts einer Tanne trug; das damals bei-
nahe fertige Nest stand 24 Ellen hoch in guter Entfernung vom
Stamme mitten auf dem Ast, auf und zwischen einer Zwiesel, von
welcher ein Seitenästchen mitten durch den Nestboden gieng und
'die Befestigung durch um dasselbe herumgelegtes Baummoos besonders
sicherte. Die mehr als drei Druckseiten ausfüllende Beschreibung
des Nests kürzen wir ab : Seine Unterlage besteht aus einer grossen
Menge dünner, meist dürrer Reischen von der Roth- und Weisstanne ;
wenige noch vorhandene grüne Nadeln stehen aus dem Moos hervor,
in welches sie eingeflochten sind ; solche zarte Reiser sind auch
aussen vom Boden bis zum Rand theils in die Runde gel)Ogen,
theils fassen sie das Nest nur unordentlich ein; hierauf ist viel
grünes Baummoos (\,Sphagnum arhoreum'"'') aufgetragen, der Boden
wohl 2 Zoll hoch damit aufgeführt und die Wände einen starken
Zoll wie ein Filz verdichtet ; der ganze halbkugelförmige Napf ist
mit den zartesten Spitzen des auf bejahrten Fichten und Tannen
häufig wachsenden weissgrünen Corallenmooses (^^Lichen floridus
:s. cinerens capillaceo foUo/'' ^ Zoll stark dicht ausgefüttert, wobei es
so geschickt in die Rundung gelegt ist, dass die Innenseite sich
glatt und weich anfühlt und die rund um den Rand des Napfs her-
vorragenden krausen Spitzen dem ganzen Nest ein überaus angenehmes
Ansehen geben; weder Haare noch Federn noch Pflanzenwolle sind
vorhanden. Der ganze Querdurchmesser beträgt 1^ Zoll rhein., der
Napf um 2j Zoll, die Dicke der Wände, den Überzug mit Baum-
reisern eingerechnet, an den meisten Stellen bis zu 2^ Zoll. Die
Eier sind 10 Linien rhein. lang, fast 7 Linien breit, nicht völlig
von der Grösse einer Haselnuss, grösser als diejenigen des Gimpels,
— 262 —
etwas kleiner als solche vom Kirschkernbeisser ; ihre Grundfarbe ist
matt weiss, das stumpfe Ende uragiebt ein Kranz von rothbraunen
oder schwarzrothen Fleckchen, Strichen und Puncten nicht über
Grösse eines Stecknadelknopfs , vergleichbar mit abgetrocknetem
geronnenem Blut; einige gleichen Strichen und Hacken, dazwischen
sind hellere , grauröthliche Flecken und Puncte einzeln eingestreut ;
ausser diesem Kranz findet sich nur noch ganz sparsam hin und
wieder ein einzelnes schwarzrothes Fleckchen auf der übrigen Fläche,
Günther hatte in der Fortsetzung des schönen Werks „Samm-
lung von Nestern und Eiern", herausgegeben (1772) von ihm und
A. L. Wirsing, die Abbildung von Nest und Eiern in Aussicht
gestellt, allein eben jenes Jahr 1774 war dasjenige seines Todes.
Nach meiner Vermuthung gehört die eben angeführte Stelle ins
Rücksicht auf die Grösse der Eier eher zum KiefernkreuzschnabeU
allein da sie hieherbezogen zu werden pflegt schien es mir von
keinem grossen Belang, ob sie da oder dort steht, denn die Haupt-
sache bleibt die erste ausführUche Beschreibung als meisterhafter
Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der Kreuzschnäbel überhaupt,
Beckstein (1807) sagt, dass im December 1794 und Jänner 1795
die Kälte bis zu 29 und 81 " unter dem Gefrierpunct fiel , dennoch
aber Mitte und Ende des letztgenannten Monats bei viel Fichten-
samen die jungen Kreuzschnäbel alle glücklich ausgekommen waren,
so dass der Thüringer Wald von ihrem Geschrei wiederhallte. Vier-
zehn Tage dauert die Bebrütung; die anfänglich nur mit einzelnen
gelben (?) Härchen besetzten Jungen werden in vier Wochen flügge
und sind dann am Oberleib grauschwarz mit weissen Säumen an
Schwanz und Flügeln, bei den Männchen mit einem grünlichen
Schimmer am Bürzel und an den Seiten des Halses. Die Nistzeit
setzt er vom December bis in den April je nachdem sie früher oder
später kommen, beziehungsweise je nachdem es mehr oder weniger
Fichtensamen giebt. Er lässt sie nur ein Mal im Jahr nisten, während
Pallas an drei Brüten glaubt. Die Zahl der Eier setzt er bis auf fünf;
ihre und des Nests Beschreibung ist offenbar nach Otto. Fast alle Jahre
würden Nester auf dem Thüringer Wald, wo die meisten Holzhauer
auch Vogelliebhaber seien, gefunden und die Jungen ausgenommen.
Nachher ist es Chr. L. Brehm gewesen, welcher für diese und
die folgende Art das Nistgeschäft in hervorragender Weise weiter
aufgeklärt hat. Vergl. Brehm, Beiträge, I, p. 604 u. 612, 669—675.
Seine reichen Erfahrungen geben wir hier vorzugsweise nach Thiene-
mann u. Brehm, Fortpflanzung der Vögel Europas III (1829), p. 24—28.
— 263 —
Im Voigt- und Osterlande erschienen die Kreuzschnäbel i. J. 1818
einzeln im Mai, familienweise im Juli, im August in grossen und
in kleineren Flügen und zogen von April bis Juni 1819 allmälig
wieder ab. Sie brüteten damals in solcher Menge wie die ältesten
Leute sich nicht erinnerten; sowenig sie seit 1810 hier bemerkt
waren, so wenig wurden sie nachher 1820 — 1827 dort gefunden.
Meist paarten sie sich im Januar und brüteten im Februar oder
Anfang März, doch beobachtete Brehm in beiden Jahren („von Mai
1819 bis dahin 1820" Lehrb., p. 168) zahlreiche Ausnahmen, die
ihn überzeugten, dass sie auch in allen übrigen Monaten des Jahrs
nisten; nicht einmal die Mauser, welche sehr langsam vor sich geht
und wegen der verschiedenen Geburtszeit auch in verschiedenen
Monaten sich einstellt, hält sie vom Nisten ab und erstvermauserte
Vögel schreiten schon zur Paarung. Ein zweimal des Nests beraubtes
Paar schritt zu einer dritten Brut. Sobald ein Ei gelegt ist pflegt
das Weibchen, welches auch allein baut, auf dem Neste zu bleiben
und wird vom Männchen, das sich auch bei der Aufzucht der Jungen
betheiligt, gefüttert. Mit Beginn der Paarung singt letzteres sehr
laut auf einem hohen Tannengipfel, lockt und jagt sich mit dem
Weibchen. Das Nest steht fast immer auf hohen Fichten, bald nahe
am Stamm, bald in der Gabel eines weitvorstehenden Asts oder auf-
gesetzt auf den Körper eines solchen , gewöhnlich sehr hoch , oft
bis im Wipfel und immer durch überhängendes Gezweig dicht gedeckt.
Die Dichtigkeit des Nests richtet sich meist nach der Jahreszeit,
so dass die Winternester die besser gebauten und wärmeren sind.
Es besteht äusserlich aus dürren Fichtenreisern die zum Theil ziemhch
stark, zuweilen häufig, zuweilen nur sparsam vorhanden, bald mit
Haidekraut und dürren Grasstengeln, bald mit grobem Fichtenmoos
ja sogar mit Hobelspänen vermengt sind. Die zweite Lage bilden
entweder Fichtenflechten allein oder eine Mischung von diesen mit
Laubmoos, Gras- und Strohhalmen, Grasblättern und Grasstöckchen;
die oft recht dichte , dicke , warm und nett gefertigte innere Aus-
fütterung besteht aus zarten Würzelchen oder Grashalmen oder
Fichtenflechten oder aus diesem allem untereinander. Manchmal
ragen am Rande einige Federchen hervor oder befinden sich einige
im Innern, zuweilen ist das ganze Nest fast nur aus Fichtenflechten
gebaut und nur bei einem einzigen befinden sich zwischen dem
Moos einige (wohl nur zufällige) Harzklümpchen. Die Grösse des
fast immer halbkugelförmig oder noch mehr ausgetieften Nests
wechselt innen von 2| bis 2'' Weite und 1\ bis 1" Tiefe.
— 264 —
Eier erhielt Brehm nie mehr wie drei, ebenso wurden niemals
vier, einige Male aber nur zwei Junge im Nest gefunden; er bezweifelte
deshalb das Vorkommen von 4 — 5 Eiern. Diese beschreiben er und
Thienemann im Grunde entweder graulich oder bläulich weiss mit
verschiedenartiger Zeichnung: deutliche und verwaschene rothbraune,
blutrothe und hellbraune Fleckchen und Puncte sind entweder fast
gleichmässig über das ganze Ei vertheilt oder nur um die Basis
(d. h. das stumpfe Ende) häufiger, zuweilen kranzartig angebracht;
bald sind sie mit blassrothen, röthelrothen und rothbraunen Pünctchen
besetzt oder es sind blassblutrothe und röthelfarbene Strichel und
Schnörkelchen, zwischen denen sich nur wenige Flecke befinden,
über das ganze Ei, am dichtesten über die Basis, verbreitet, oder
endlich sind sie mit bläulichrothen Schnörkeln, und röthlichen
Pünctchen und graublauen Flecken einzeln, an der Basis kranzförmig
bestreut; inwendig sehen sie bläulichweiss aus.
Naumann hat als er mit Buhle die Eier der Vögel Deutsch-
lands (1818) herausgab, das Ei nicht abgebildet, also wohl noch
nicht besessen; später (V. D. IV, 1824) ist er bezüghch der Fort-
pflanzung zwar vorzugsweise Brehm gefolgt, er bringt aber auch
eigene Erfahrungen und besass damals zwei Nester mit den Eiern
aus dem Schwarzburgischen, das eine im Januar, das andere im
Februar genommen. Die ersten Monate im neuen Jahr nimmt er
für die regelrechte Nistzeit und sieht in der Ausdehnung des Brütens
über alle Monate mehr eine Ausnahme in besonders samenreichen
Jahrgängen. Die Eier vergleicht er in der Grösse mit denen des
Haussperlings, in der Färbung mit denen des Grünlings und findet
zwischen ihnen und den Eiern des Kiefernkreuzschnabels keinen
anderen Unterschied als denjenigen der geringeren Grösse.
P, Blasius Hanf (a. a. 0.) hat für Obersteiermark (Mariahof)
überreiches Material und unübertreffliche Beobachtungen über die
Fortpflanzung gesammelt. Diesem erfahrenen Forscher erscheint es
nicht schwer das Nest aufzufinden, wenn man nehmlich das Be-
nehmen der Vögel während der Fortpflanzungszeit kennt. Der
während dem Nestbau auffallend leise Gesang des Männchens, welches
auch gerne das Weibchen begleitet wenn dieses mit einem Material-
büschel zum Nistplatz fliegt, sein Füttern der brütenden Gefährtin
auf dem Nest, wobei es mit der Nahrung oft von recht weit herkommt,
durch sein vereinzeltes Fliegen sein Ziel verräth und durch freudigen
Gesang sich dort anmeldet, sein häufiges Sitzen auf einer höchsten
Baumspitze in der Nähe, ein klagender Warnungsruf höher als der
— 265 ~
gewöhnliche Lockton, sobald man dem Nest nahe kommt, dienen
zur Auffindung von diesem. In strengen Wintern verlässt das
Weibchen das Nest überhaupt gar nicht und nur bei mildem Wetter
fliegt es bisweilen entgegen um sich aus dem Kropf ätzen zu lassen.
Da dort Spätfröste die Blüthen der Fichten und Lärchen häufig ver-
nichten , treffen gute Samenjahre oft nur nach Pausen wieder ein ;
in Folge dessen brüten die Kreuzschnäbel zu verschiedenen Zeiten.
Die Hauptursache warum sie sich vorzugsweise im Winter fort-
pflanzen ist, dass sie da an den durch Frost und Sonne geöffneten
Zapfen hinlänglichere Nahrung für die Jungen finden. Nur aus-
nahmsweise brüten sie auch in späteren Monaten, was eben die
Fortpflanzungsfähigkeit zu verschiedenen Zeiten veranlasst. Am
23. October 1886 erhielt Hanf einen Vogel im Nestkleid mit noch
unfertiger Krümmung des Oberschnabels , der also noch im Futter
der Alten stand , sowie auch am 26. Juli 1887 einen anderen im
Nestkleid und aus seiner Jugend erinnert er sich , in den Herbst-
ferien (Sept.-Octob.) ein Nest mit Jungen gefunden zu haben. Am
häufigsten fällt die Fortpflanzung in die Zeit von Jänner bis April.
Das Nest sucht man vergeblich im geschlossenen Hochwald; alle
gefundenen standen am Rande oder in einer Lichtung, öfters auch
auf Waiden, welche mit Fichten und Lärchen dicht bewachsen sind;
es steht auch in der Regel nicht auf alten , ganz ausgewachsenen
Bäumen und ist verschieden hoch angebracht, je nach der ver-
schiedenen Höhe von diesen, gewöhnlich aber in den höchsten noch
Schutz gewährenden Ästen und zwar meist am Stamm, so dass,
indem die herabhängenden secundären Zweige es schützen, der in
der Baumkrone sich anhäufende Schnee bei Temperaturwechsel es
weniger beschädigt. Nur dreimal hat Hanf das Nest auf Lärchen,
sonst immer auf Fichten gefunden und unter vierzehn normalen
Fällen stand es auf einem Ast etwas vom Stamme entfernt, nur einmal
unter den neu nachgewachsenen Zweigen einer früher ihrer unteren
Aste beraubten Fichte. Als aber i. J. 1881 die an dem einmal
gewählten Nistplatz zäh festhaltenden Vögel durch Eichelheher, Eich-
hörnchen und andere Nesträuber sehr zu Schaden gekommen waren,
wählten sie , um den Störungen zu entgehen , verschiedenartige,
ungewöhnliche Niststellen. Ein Nest stand z. B. auf einer in einer
Moorwiese einzeln stehenden Fichte fern vom Stamm auf dem
untersten Ast, so dass Hanf mit dem Hute anstreifend das Weibchen
aufscheuchte ; ein anderes Paar flüchtete sich an den Teich und
baute dort sein Nest vom Stamme entfernt und so niedrig, dass
— 266 —
man während der Fütterung die emporgereckten Köpfe der Jungen
sehen konnte; ein Weibchen trug (1. April) das Material seines zer-
störten Nests von einer Fichte' auf eine hohe Lärche über, in deren
halber Höhe es ebenfalls weit ab vom Stamm brütete. Die Nester
entsprechen der kalten Jahreszeit und sind mit etwas Kunst gebaut.
Als ziemlich dichte Unterlage dienen dünne Reiser und Baumflechten ;
einige Weibchen verwenden hiebei nur Fichten-, andere nur Lärchen-
reiser obschon ihnen beides zu Gebot steht; die nächste Lage ist
grünes Erdmoos. Bei gut gebauten Nestern ist der Napf aus feinem
mit Flechten und Raupengewebe verfilztem Moos oder vorzugsweise
aus schwarzer Baumflechte, innen sind dürre Gräser, bisweilen auch
einige Federn und Haare; in einem Exemplar fehlen ausnahmsweise
alle Flechten, sodass der Napf nur aus dürren Gräsern und einigen
Federn besteht. Baumflechten und Fichtenreis bilden dann den
Hauptstoff wenn der Erdboden durch Schnee dicht bedeckt, anderes
Material also nicht zu erlangen ist. Die Zahl der Eier ist vier,
seltener drei, ausnahmsweise auch fünf; Hanf characterisirt sie als
blassgrün, theils fast gar nicht gezeichnet, theils mit einer kranz-
förmigen, aus zarten, röthlichbraunen Pünctchen und dunkelbraunen
Schnörkeln bestehenden Zeichnung am stumpfen Pole („Basis");
nur eines besitze er mit der kranzförmigen Zeichnung am spitzigen
Theil („Höhe"). Die Brutzeit dauert vierzehn Tage vom ersten Ei
an gerechnet, da das Weibchen wegen der meist herrschenden Kälte
von Anfang an sitzen bleibt; daher auch die ungleiche Grösse der
mit schwarzen Dunen bedeckten Jungen. Im Jahr 1852 fand Pater
Hanf viele Nester ; im Februar und März giengen damals bei strenger
Kälte einige Brüten zu Grund, indem Junge im Nest erfroren und
„unterkühle" Eier nicht auskamen, obgleich die Weibchen die Nester
nie verlassen hatten. Der beinahe schneefreie Winter 1871/72 brachte
wieder viele Brutvögel ; schon am 20. December signalisirte ein
Männchen durch sein Betragen das Vorhandensein eines Nests. Am
19. u. 21. Jänner 1872 enthielten zwei Nester in Adendorfer Gemeinde
(Bez. Murau), kaum drei und vier Klafter hoch, je vier Junge; bis
31. März fand Hanf noch zwölf weitere Nester, alle in Fichten.
Auch im Winter 1872/73 brüteten die Kreuzschnäbel bei Mariahof,
nur nicht so häufig wie im Vorjahr; von acht gefundenen Nestern
enthielt das erste schon 24. Januar vier bebrütete Eier. Am häufigsten
fand aber das Nisten im schneefreien Winter 1881 statt, wo unser
Gewährsmann über ein Dutzend Nester auffand.
Im Winter 1886/87 hat, theilweise auf meine Veranlassung,
— 267 —
der hocliw. Herr seine Beobachtungen wieder aufgenommen und war
auch trotz hohem Alter und geschwächter Gesundheit so glücklich,
noch zehn Fälle des Nestbaus verzeichnen zu können. Aus seinen
handschriftlichen Mittheilungen sowie aus dem gedruckten Bericht
(Vogelleben auf d. Furtteiche u. s. Umg., 1888) excerpiren wir das
Hauptsächliche :
1. Schon 29. December 1886 verrieth ihm ein nach langem
Besinnen das Weibchen fütternder Vogel das Nest auf einer mit
vielen Fruchtzapfen behangenen Fichte etwa 8 m hoch nahe an
Stamm und Gipfel.
2. Am 30. December baute ein Weibchen in ähnlicher Weise
auf einer ganz niedrigen , nur drei Meter hohen , noch unbesamten
Fichte. Diese beiden Nester wurden Mitte Januar von Eichhörnchen
zerstört.
3. Am 10. Januar 1887 Hess Hanf ein Nest mit drei aufzucht-
fähigen Jungen ausnehmen ; dasselbe stand auf einer jungen Samen-
fichte und liegt zur Beschreibung vor.
4. Am 12. Januar verrieth wiederum ein Männchen das Nest
auf einer einzeln stehenden jungen Samenfichte ; als der Baum zwei
Tage später bestiegen wurde, fand sich das Weibchen mit den fünf
halbbebrüteten Eiern erfroren ; da nur 9 ^ Kälte war und beim Ab-
balgen mehrere Blutunterlaufungen sich zeigten, nimmt H. an, dass
der Frost erst hintendrein wirkte und der Vogel, etwa bei kurzem
Verlassen des Nests, durch einen Raubvogel verletzt, sein Heim
eben noch erreichte und in mütterlicher Sorgfalt einen schönen Tod
fand. Für solche treue Ausdauer bei der Brut spricht auch als
Beispiel, dass in Warthausen (April 1887) ein krankes Weibchen
vom Hausrothschwanz über den Eiern seinen Tod fand.
5. Ein anderes Nest rührte von jenem Paar her, dessen erste
Brut am 15. d. M. zu Grund gegangen war; am 22. Januar wurde,
kaum hundert Schritt vom früheren Nest entfernt, auf etwas höherer
Fichte zu bauen begonnen ; 29. d. M. wurde es mit 3 frischen Eiern
weggenommen. Diese beiden Nester mit den Eiern und das Jungen-
nest vom 10. Januar verdanke ich der Güte des liebenswürdigen
Finders.
6. Am 30. Januar wurde ein Weibchen beim Materialtragen beob-
achtet; das Nest stand auf einer sehr schlanken und hohen Fichte
unersteiglich unter dem dritten Jahrestrieb, nur durch Fichtenzapfen
von obenher geschützt ; die Brut ist glücklich durchgekommen ; wohl
nur frühere üble Erfahrungen haben die Wahl dieses etwas schwan-
kenden Standorts veranlasst.
— 268 —
7. Am 13. Februar wurde auf schlanker Fichte unter schützen-
den Fruchtzapfen ein Nest mit drei frischen Eiern ausgenommen;
völlig gleiches Material und geringe Entfernung von den Nestern 2
und 5 weisen darauf hin, dass das Paar nach zweimaligem Verlust
sich immer höher angesiedelt hat.
8. Am 14. Februar fand Hanf erst nach langer Beobachtung,
weil das Männchen sich dem Nest nur sehr vorsichtig näherte, ein
Nest auf ziemlich allein stehender junger Fichte , umgeben von
Fruchtzapfen ; von den fünf hochbebrüteten Eiern wurde nur eines
weggenommen und die Jungen kamen glücklich durch.
9. Am 24. Februar brachte ein Landjäger* ein Nest mit
3 frischen Eiern, deren es 4 St. enthalten hatte.
10. Am 7. April wurde das letzte Nest mit kleinen Jungen,
welche zum Ausflug kamen, entdeckt.
Sämmtliche Nester aus diesem Winter rührten von Bäumen
her, die nicht im eigentlichen Wald, sondern auf Waiden sich be-
finden, und soweit es nicht ausdrücklich anders angegeben ist,
standen sie alle nahe an Gipfel und Stamm.
Die Jungen verweilen ziemlich lange im Nest, treten dasselbe
ganz breit und halten sich nach dem Ausfluge noch einige Zeit in
der Umgebung desselben auf; dann aber tritt die Familie ihre Rund-
reisen an, mehrere vereinigen sich zu grösseren Flügen und begeben
sich zur Hauptmauserung in die höheren Regionen ; bei den Alten ist
die Mauser eine totale, die Jungen wechseln Schwung- und Steuer-
federn erst im nächsten Jahr und Hanf nimmt an, dass die Kreuz-
schnäbel, sobald sie eine Familie zur Führung bekommen, keine
zweite Brut mehr machen.
Er hat auch viele ausgenommene Junge grossgezogen, sogar
in der Gefangenschaft solche gezüchtet. Ende Januar wjirden auf-
gezogene Vögel unter Wahrnehmung aller denkbaren Rücksichten
eingesetzt und mit Zirbelnüssen (P. cenihra L.), als einem besonderen
Leckerbissen, gefüttert; am 8. Februar begann das Weibchen zu
bauen, vollendete das Nest in vier Tagen und legte am Uten das
erste Ei , auf welchem es gerade wie im Freien sofort sitzen blieb ;
die Jungen wurden mit einem Gemenge von hartgesottenem Ei, ein-
geweichter „Semmelschmolle" und Grünzeug (auch feingeschnittenen
Fichtennadeln) aufgezogen.
* „Landjaga" schreibt P. Hanf brieflich in der Mundart; in der Publi-
cation ist ein „Landjunker" (!) draus geworden.
— 269 —
Abbildungen der Eier hat Thienemann gegeben a. a. 0., T. IX,
f. 15 u. Fortpfl.-Gesch. d. ges. Vögel (1845—54), T. XXXVI, f. 18
a — c (ohne Text) ; der TmENEMANN'sche Eiersammlungs-Catalog v. J.
1857 führt 10 Eier und 5 Nester auf. Schinz, Nester u. Eyer
(Zürich 1830), T. 35, f. 12. Berge, Fortpfl. d. V. (Stuttg. 1840
bis 1841), I, T. 72, f. 5 u. 11, T. 65, f. 7 (möglicher Weise; f. 8
dem ganzen Machwerk entsprechend eine buntgefärbte Fiction).
Baedeker, Eier d. Eur. V. (Iserlohn 1855 — 63, -mit Text von Brehm
u. Pässler), T. 20, f. f. 8. Hier sind 5 Exempl. sehr gut abgebildet,
aber sämmtlich so gross, dass sie, wären die Eier der nachfolgenden
Art nicht noch grösser dargestellt, auf jene bezogen werden müssten ;
f. 9 zeigt das Ei der BREHM'schen Subspecies ruhrifasciata, welches
6. April 1847 ein Tags zuvor gefangenes Weibchen zu Renthendorf
im Käfig gelegt hat; es ist auf bläulichweissem Grund mit einem
Gürtel dicht stehender hellrother und rostbrauner verschwommener
Puncte und Fleckchen gezeichnet. Brehm (Naumannia III, p. 199)
erklärt es für sehr abweichend von allen ihm bekannten Kreuz-
schnabeleiern, allein es liegt vollständig innerhalb der normalen
Gränze der Variabilität, wie ja auch z. B. bei dem im Ei so nahe
verwandten Grünling {Chlorospiza chloris Bp. L.) ganz ähnliche Ab-
weichungen vorkommen.
Ich beschreibe nun eine Reihe von Nestern aus meiner eigenen
Sammlung.
N. 1. Württemberg (Schwarzwald , Spielberg , Forsts
Altensteig, Februar 1863 mit 4 hochbebrüteten Eiern durch Pfarrer
Friz). 41—5'' breit, 2|'' hoch, 2" 5—9'" weit, 1" 6'" tief; als
Unterlage folgt auf wenige Fichtenreiser, von denen einzelne bis
gegen den Rand herauf reichen, eine starke und breite Schichte
von Flechten (einige kleine Pflänzchen von TJsnea harhata var. hirta
Ach. und in Menge Evernia prunastri L.) mit etwas Laubmoos ge-
mischt, hierüber eine starke, bis in den Boden des Napfs herein-
reichende Lage von feinem, verfilztem Moos; aussen sitzen auch
einige Bruchstücke von Flechten {Imbricaria saxatüis L. u. /. phy-
sodes Ach.) nebst etwas Insectengespinnst und einigen Fichtennadeln ;
der Napf und der ganze Obertheil des Nests, dessen Rand sich da
um die Hälfte verdünnt, wo es am Stamm angelehnt war, sind aus-
schliesslich aus Bartflechte {Alectoria Ach., Bryopoyon Link, jiibatum
L. mit den Varietäten capillare et canum Ach. , bicolor Ehrh.) er-
baut; nur innen, wo das Moos dazwischen zum Vorschein kommt,
sind dunkelgraue kleine Dunen eingewoben und liegt dabei etwas
— 270 —
feine Kiefernrinde. Es ist ein- ausgesprochenes Flechten-Nest und
zugleich ein recht lockerer Bau ; die Bartflechten sind jetzt meist
fuchsroth geworden und nur noch zum Theil schwärzlich und
grüngelb.
N. 2. Württemberg (Schwarzwald, Baiersbronn bei Freuden-
stadt 26. Januar 1875 mit 3 bebr. Eiern durch Dr. Bruckmann).
4—5" breit, 3" hoch, 2'' 3—5'" weit, 9—17'" tief (mit ab-
geschrägtem Napf) ; eine aus feineren und aus recht groben Fichten-
reisern mit einigen Strohhalmen , grobem Moos und Evernia fur-
Juracea L. gebildete Unterlage ist nur looker mit dem Hauptbau
verbunden ; diesem sind nach der Vorderseite ein einziges grosses
Büschel schwarzer Bartflechte , Usneen (dabei U. florida L.) und
viele Evernien nebst Erdmoos in wulstiger Ausbauchung vorgelegt
und ein breitester Strohhalm umschlingt das Ganze ; der Napf ist
besonders fest, am Rand ausschliesslich aus gröberen, im Inneren
neben einer Spur von gelblichen Bartflechten aus feineren , ver-
witterten Halmen gebaut. Es ist ein absolutes Gegenstück zum
vorigen Nest und gleicht, abgesehen von den wenigen Flechten,
völlig demjenigen des Goldammers oder bis auf die geringere Grösse
manchen vom rothrückigen Würger.
N. 3. Obersteiermark (Mariahof, 10. Januar 1887 durch
P. Blasius Hanf). 5" breit, 2|" hoch, 2J" weit, 1|" tief; Unter-
lage und gröbere äussere Umgebung bestehen aus Fichtenreisern,
denen nur wenige von der Lärche beigemischt sind und die das
gemessene Massiv weit überragen (8" im Ganzen) ; etwas Moos,
einige Büschel der Usnea barhata nebst Pflanzenpappus (Distelwolle),
im obern Rand viele Grasstengel, dabei ein ausgerissenes ganzes
Büschel, bilden die Hauptstoffe ; dazwischen sind einige Fruchtzäpf-
chen einer Erle, Hüllblättchen einer Distelart, von der wohl der
Pappus herrührt, und ein Paket Schmetterlings-Eihüllen; eine be-
scheidene Lichenen-Beigabe bilden innen herum am Rand schlaffe
und krause schwarze Bartflechten, über eine Randstelle über-
geschlagen eine hellere Varietät und zartere solche im Napf zwischen
einigen Fasern und Pflanzenpappus.
N. 4. Obersteiermark (14. Januar 1887; ebenso). 4 — 5|"
breit, 2" hoch, stark 2 — 2|" weit, kaum 1" tief; längliches Nest mit
sehr flacher Eintiefung, fast doppelt so lang als breit, indem an der
einen Schmalseite über das angegebene Maass mehr als 2" hinaus
mit flechtentragendem Fichtenreis und ein Paar Stengeln der Haide
(CaUuna vulgaris Salisb.) bis gegen den Nestrand hinauf locker vor-
— 271 —
gebaut ist ; in der Unterlage befinden sich neben etwas Moos,
Flechtenfragmenten und verwitterten Halmen einige lange Bastfasern
vom Wachholder und namentlich grössere und kleinere Stückchen
von faulem Holz, auch vereinzelt Dunen und Federchen; seitlich
und sparsam im Rand sind breite Gräser und feinere Halme ein-
geflochten ; der Hauptstoff des recht festen Innenbaus ist die Bart-
flechte in ihren verschiedenen Spielarten , stellenweise mit feiner
Usnea (barhata — hirta) gemengt, besonders am Rand in ihrer
krausen schwarzen Form; einzelne Spinneneier-Hüllen sind seitlich
beigegeben , der Napf ist mit Federn ausgelegt , dabei solche vom
Vogel selbst und eine Brustfeder vom Rephuhn.
N. 5. Ober Steiermark (29. Januar 1887; ebenso). 5— 6|"
breit, 2^" hoch, 2-^'' weit, schwach 1" tief; ein lockerer, aber
massiger Bau mit "dickem Boden, seitlich sehr breit (stärkste Nest-
randbreite über 2''), nach hinten schmal; das Substrat bilden Lärchen-
reiser, zwischen denen sich nur ein einziges Fichtenzweigchen und
ein Brombeerstengel befinden ; die ganze Masse ist mit zahlreichen
dünnsten dürren Gräsern und Halmen ziemlich gleichmässig durch-
zogen und mit Moos, Pflanzenwolle, Distelpappus, auch einigen In-
sectengespinnsten zusammengefilzt; nur an einem Theil der Aussen-
seite sind einige krause, meist schwärzliche Bartflechten-Pakete,
weiter abwärts einige Evernien (E. jjrunasfri L.) beigegeben; im
Innern ist ziemlich viel Pflanzenwolle neben einigen Federchen und
Fichtennadeln, die wohl nur zufällig hinzugekommen sind.
N. 6. Schweden (Wermland, Gillberga, 30. März 1886 mit
4 frischen Eiern durch J. Ramberg). 4 — 5" breit, 2" hoch, 2'' 3
bis 5''' weit, 1" 3'" tief, verschoben-oval , auf einer Schmalseite
weit vorgebaut , wohl wegen einer Astgabel , im breitesten , einer
breiten Anlehnung entsprechenden Theil sehr dünnwandig; in der
Unterlage sind dürre Fichtenreiser, die sich nach oben der Rundung
sauber anschmiegen , dann Halme , breite Gräser und Wachholder-
bast; dieser geht in breiten Stücken in den Oberrand über, wo sich
auch Inihricaria physodes findet; zuunterst ist eine sehr feste
Schichte von Wachholderbast , ganz verwitterten breiten Gräsern
und faulem Holz; hieraus besteht auch ohne irgend welche wesent-
liche Beimischung der gleichmässig fest geglättete und keineswegs
weiche Napf, dem nur an einer Seitenwand einige Federchen bei-
gegeben sind.
N. 7. Schweden (2. April 1886, mit 3 frischen Eiern, ebenso).
3i— 4|" breit, 3" hoch, 2'' 2"' weit, r' 4''' tief; sparsame Unter-
— 272 —
läge aus Kiefernreisern, dann sehr breite Wachholderfasern mit Erd-
moos, einigen dürren Gräsern und Claclonia, die Seitenwände fast
nur aus dürren Seggengräsern sauber und fest geflochten, der halb-
kugelförmige Napf mit Bartflechte ausgefüttert, die sich stellenweise
klumpenförmig über den Rand herausschlägt; ein solcher Klumpen
konnte im Innern nicht recht angeglättet werden und bildet im
Grunde des Nests eine Erhöhung ; schwärzliche und weisse Insecten-
gespinnste haften sparsam aussen.
Bei drei weiteren schwedischen Nestern aus Februar und März,
deren Hauptmaterial die Mischung aus Bartflechten, Wachholderbast
und Halmen ist, beschränken wir uns auf das Eigenthümliche. Bei
dem einen sind stark mit Flechten bewachsene, kurz abgebrochene
dickere Fichtenreisstückchen im Rand und dieser besteht nach einer
Seite hin fast nur aus Wachholderrinde. Beim zweiten ist der
ganze innere Ausbau aus feinster verfilzter , theilweise zerbissener
Bartflechte, am Rand mit etwas Distelpappus und Insectengespinnst ;
eine untere Lage besteht aus verwittertem Torfmoos (Sphagnum).
Das dritte ist ebenfalls vorzugsweise Bartflechten-Nest, hat aber
am Rand grobes Erdmoos und im Boden des Napfs anderartige
Flechten (Usnea harhata — hirta und Imhricaria physoäes) mitein-
gewoben. In allen Fällen haben die Vögel die in meist schnee-
reicher Jahreszeit nur in geringer Auswahl erhältlichen Niststoffe.
dem Bedarf entsprechend, trefflich zu wählen verstanden.
Die Eier, deren mir aus eigener Sammlung 54 St. vorliegen^
untersuchen wir getrennt, je nach dem besonderen Gebiet aus dem
sie stammen, da etwaige climatische Einflüsse auf Grösse und Fär-
bung stets beim Vogelei zu beachten sind.
1. Aus den französischen Pyrenäen (1854, 3 complette Ge-
lege a^ — c. durch Abbe Caire aux Sanieres, Basses Alpes).
a: 4 St.; 9^ , 10, 10^, lOf'' lang, alle T'' breit; Gewicht
15 — 16 cgr. ; oval-gestreckt bis eigestaltig-zugespitzt, weissgrundig
mit grünlichem Schimmer ; hell röthlich-braune und grau-violettliche
Fleckchen, sparsam und feinst bis über die Mitte, etwas gröber um
die Basis und um diese herum Kranz-Andeutung von meist gerundeten
oder etwas krummgezogenen purpurschwarzen Fleckchen und Puncten.
b: 3 St.; 9| u. 10"' 1., alle stark 1-Y" br. ; Gewicht 14-16 cgr.,
kurz-bauchig, grauweissgrundig; die blassröthliche Unter-Zeichnung
ist theils grob und dann mehr gegen die Basis , theils in feinsten
verwaschenen Spuren über das ganze Ei vertheilt; hellrothe, rost-
braune und purpurschwarze Puncte und Fleckchen sind um die Basis
— 273 —
zusammengedrängt, c: 4 St.; 8|'" 1., 7 — 71"' br., das kleinste
sogar nur 8| '" 1., 6|'" br. ; Gewicht 14 cgr. ; sehr klein , kurz ab-
gestumpft-rundlich, im weissen Grund ein röthlicher Schimmer ; vio-
lettgrauröthliche , meist etwas gröbere Fleckchen, in der dickeren
Hälfte roth-braune Fleckchen, wenige dunklere Punkte, feine rost-
rothe Haarzüge um die Basis, bei einem ein grober rostrother Fleck
mitten auf der Höhe (Spitze) ; dieses Gelege erinnert entfernt an
Eier vom Gartenammer {Eniberisa hortulana L.). a u. b neigen in
der Grösse zu Cr. piti/opsittacus , b u. c haben durch den weissen
Grund (der ursprünglich und nicht ausgebleicht ist) einen südlichen
Character.
2. Aus dem württembergischen Schwarzwald (a u. b die
Eier zu meinen oben beschriebenen Nestern, c u. d solche aus den
erwähnten Gelegen von Stammheim, 23. März 1879 in der vaterl.
Ver.-Samml.).
a: 4 St.; 10-10^'" 1., 7— 7^'" br., aus bauchigem Oval ge-
streckt, sehr weiss (wohl Folge hoher Bebrütung), zu zwei Dritteln
fast ganz fleckenlos, nur an der Basis trüb grauviolett, fein und ver-
waschen gezeichnet, darüber feinste schwarzbraune Tüpfel oder kurz
gekrümmte Fleckchen, b : 2 St. ; 9^'" 1., 6^ u. 6|'" br., Gewicht
13 cgr. ; gestreckt-oval, graugrünlich, ziemlich über die ganze Fläche
violettgrau, hellroth und roth braun fein getüpfelt, c: 3 St.; 9|^'"1.,
7^"' br. das kleinste, 11^'" 1., 7|'" br. das grösste ; Gewicht 13 u.
14 cgr.; bauchig oval und birnförmig (abnorm!), langgestreckt in der
unteren Hälfte mit eingeschnürter Bahn und abgestumpfter Spitze,
?iier auf dem fast fleckenlosen blassgrünlich-weissem Grund ein dun-
kelbraunrother Kranz in kurzer Schnörkelung , dort nur getüpfelt.
d: 4 St.; 9^, 9|, 10'" 1., 7^ u. 7|'" br., Gewicht 15—17 cgr.; bau-
chig-oval, stumpf-eigestaltig oder nach der Höhe spitzig abfallend,
grünbläulich mit helleren und dunkleren röthlichen Unterflecken und
purpurbrauner bis blauschwärzlicher, kurzgeschnörkelter , gröberer
und feinerer Oberzeichnung an der Basis, einmal dort nur die hellen
Flecke und die dunkeln, abgesondert um das spitzige Ende. Dieses
letztere Gelege wüsste ich von einem solchen von Cr. pityopsittacus
nicht zu unterscheiden.
3. Aus Ober -Steiermark (Mariahof, 2 Gelege 1887 zu
den beiden von dort beschriebenen Nestern N. 4 u. 5 gehörig,
durch P. Blasius Hanf).
a: 5 St.: 10'" 1., 7'" br. (2 St.), 10^'" 1., 6|'" br. (3 St.);
Gewicht 14 cgr., langgestreckt-oval, trotz der Bebrütung, die ihnen
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 18
— 274 —
einigen Glanz gegeben hat , noch recht stark bläuHch , grösseren
Theils fast einfarbig, wenige helh'othe Pünctchen in der stärkeren
Hälfte und darüber purpurbraune bis schwarze, theilweise brand-
fieckige Puncte, Fleckchen und Schnörkel, b : 3 St. ; 9|, 9|, 10^'" l.
1^, 7, 7'" br. , Gewicht 14 cgr., oval und stumpf-eigestaltig, bläu-
lich-weiss, in der Basalhälfte mit violettgrauröthlichen , recht sicht-
baren Fleckchen und darüber rothbrauner und purpurschwärzlicher
Zeichnung in Puncten, Schnörkeln und Haarzügen. Zwei weitere
Exemplare von dort, gelegt in der Gefangenschaft, sind 9 u. 9|'" 1..
7"' br., je 13 cgr. schwer; das eine ist bei violettgraublauen und
schwärzlichen feinsten Tüpfeln an der Basis von so tief bläulicher Grund-
farbe, dass es an verblasste Gimpel-Eier erinnert. Eben dieser Stich ins
Blaue scheint für jenes subalpine Gebiet characteristisch zu sein.
4. Aus Thüringen (4 St. durch C. L. Brehm und Pfarrer
Hocker*).
a: Original Brehm^s a. d. J. 1818; 9"' 1., 6^'" br., nur 12 cgr.
schwer, grauweiss mit feinsten, verwaschenen röth elf arbigen Tüpfeln,
die der Schale einen röthlichen Anflug geben , um die Basis einen
Kranz mit violettgrauer Beimischung bilden und mit rothbraunen
kurzen Schnörkeln und einigen schwarzen Tüpfeln überlegt sind,
b— d (die beiden letzteren 1863 13. März und 9. April aus zwei
Gelegen mit je 4 St. ; Hocker) : das eine etwas grünlich mit einzelnen
grösseren leberbraunen Fleckchen , wenigen braunschwarzen Tupfen
und einem solchen Schnörkel an der Basis, in der schmalen Hälfte
einige bräunliche lange Haarzüge , die beiden andern grauweiss mit
sparsamer brauner Zeichnung, das eine mehr getüpfelt, das andere
in Stricheln über die Basis, 9—10'" L, 6^— |''' br., 12, 13 u. 14 cgr.
schwer. Das kleinste von diesen und das BREHM'sche erinnern stark
an Grünlingseier. Diese mitteldeutschen Proben (Renthendorf und
Gotha) zeigen trüben Grund und kleine Eier; weder unter ihnen noch
bei den steirischen wäre irgend ein Stück mit denen von G. pittio-
psittacus zu verwechseln.
5. Aus Schweden (,Wermland, Gillberga- Kirchspiel, gesammelt
von A. LiNDfiN, durch J. RamberCt, 6 Gelege 23. März 1885, 26. Fe-
bruar, 19., 20., 30. März und 2. April 1886 mit je 4, im letzten
Fall 3 Eiern ; vergl. die Nester).
Nach der Grösse abwärts geordnet gruppiren sich diese Gelege
* Die Geistlichkeit beider Confessionen ist bei der Kreuzschnabel-Frage
stark vertreten: Pastor Brehm, Abbe Caire, die Pfarrer Friz und Hocker,
Pater Hanf!
a:
lOi-
-10'"
lan
g, 7'
''' breit.
61
\—6Y'' br.
d:
91-
-9^" 1.
[•.
f: 8|-
-81- 1,
71-
-7"'br.;
— 275
mit iliren 23 Eiern folgendermassen :
h: 10|'"1., 6|-6f''br. c: 10i"M.
7|— 7'" br. e: 9i— 9''' 1., 7^— 7''^ br.
<las Gewicht beträgt 16 cgr. (3 St.), 15 cgr. (5 St.), 14 cgr. (10 St.),
13 cgr. (1 St.), 12 cgr. (4 St.). Die Gestalt ist in einem Gelege
«ngleichhälftig bauchig, in dreien recht gestreckt, bei d so schmal,
dass eines der Eier walzlich, ein anderes dünn-zugespitzt erscheint;
besonders gerundet und auch klein sind die Gelege e u. f, zugleich
der Zeit nach die letzten ; bei allen hat der Grund einen intensiv
grünlichen Ton, der nur selten so bläulich ist wie bei den steirischen,
sondern mehr ins Gelbliche zieht. In der Zeichnung kommen fast
all jene Färbungen vor, die bei der nächsten Art beschrieben werden,
nur fehlen bläuliche Eier mit sparsamen feinen Tupfen ; das kleinste
Gelege erinnert wie eines der pyrenäischen stark an den Ortolan;
manche Eier stehen denen des Grünlings nahe und öfters ist in der
Basalhälfte die rothe Fleckung fast so stark wie bei Schneeammer-
Eiern. Brandflecke (aussen heller mit dunklem Kern) wie beim
Buchfink sind häufig, öfter ganz kurze Schnörkel; feinste Haarzüge
linden sich nur zwei Mal, blassröthlich über die Mitte und braun-
schwarz an der Spitze.
Die Textur der bald zarten bald derberen, in der Regel völlig
glanzlosen, blass blaugrünlich durchscheinenden Schale ist ungleich,
entweder fein gekörnt und obenher etwas abgeplattet oder flacher
und dann in ungleiche Erhabenheiten zusammengeflossen, mit kurz ge-
krümmten Fältchen zwischen dem Korn und meist tiefen, runden, auch
eckigen Stichporen. In dieser Hinsicht finde ich nur den allgemeinen
Finken-Character und zwischen den Eiern des Fichten- und Kiefern-
kreuzschnabels keinen Unterschied, wie auch ein absolut festes Unter-
scheidungszeichen im Korn gegenüber den Eiern des Grünlings (Chloro-
spisa chloris Bp. L.) — ich habe eine grössere Serie aus Württem-
berg, Sachsen, Böhmen, Schweiz und Griechenland verglichen —
schwer festzustellen sein dürfte ; bei letzteren ist theilweise die Kör-
nung feiner und dabei erhabener. Diese sind im grossen Durch-
schnitt leichter; nach fünfzig gewogenen sind sie 11 cgr (7 St.),
12 cgr. (22 St.), 13 cgr. (21 St.) schwer, so dass sie entweder im
Gewicht hinter den Eiern aller Kreuzschnäbel zurückbleiben oder
nur mit leichteren darin zusammentreffen.
An eine Verwechslung mit weiteren Eiern, z. B. mit den ver-
gleichsweise angeführten des Garten- und Schneeammers, oder gar
von Gimpel und Buchfink ist kaum ernstlich zu denken.
18*
— 276 —
Unter den Eiern aus den Pyrenäen und vom Schwarzwald befinden
sich, wie bereits bemerkt, auch solche, die in der Grösse von denen des-
Kiefernkreuzschnabels schwer oder gar nicht zu unterscheiden sind;
hier könnte noch die Frage sein, ob nicht auch ihre Erzeuger der
grösseren Form nähergestanden haben als dem typischen Fichten-
vogel. Erklärlich ist, dass grössere Eier von Orten, wo beide Arten
nebeneinander vorkommend bekannt sind, nicht hieher bezogen werden.
2. Der Kiefernkreuzschnabel, Crucirostra j^ityojysittacus Cv\.
— pinetorum Mey. Loxia curvlrostra major Gm. — pityopsittacus
Bechst. — pityopsittaca (!) Gray. — curvirostra Schrank (Fauna
boica) nee auct. Curvirostra pytiopsittacus (sie)* C. L. Brhm.
Abbildungen: Frisch, Vorst. d. V. i. Teutschl., III (1735), T. 11
(roth und angebliches Weibchen mit gelber Unterseite , sehr gut).
Pennant, Brit. Zoolog. 1776, I, T. 49. Otto in Buffon's Vögeln, X,
Anhang-Tafel zu p. 48. Meyer u. Wolf, Vög. Deutschi., Heft 8^
f. 1 (altes Männchen). Beckstein II, T. 32, f. 2 u. 3. Naumann,
T. 109, f. 1—3 (alte Ausg. T. 42, f. 83 u. 84). Gould, Birds of
Eur., T. 201. Bonaparte u. Schl., T. 1 (Paar).
Der vorhergehenden Art gegenüber liegen die Unterschiede in
der bedeutenderen Grösse, welche mit derjenigen des Seidenschwanzes
und des Kirschkernbeissers, ja sogar mit derjenigen der Rothdrossel (!)
verglichen wird und in dem weit stärkeren und dickeren, höher ge-
wölbten, mehr „papageiartigen" Schnabel, dessen untere Spitze den
First gar nicht oder doch nur wenig überragt.
Sein Vaterland ist vorzugsweise Europa, v. Middendorff fand
ihn nicht im Norden Sibiriens, von wo ihn Brandt, der ihn auch
aus der Umgebung Petersburgs aufführt , für das westliche Gebiet
angiebt. Naumann's Angabe, dass er auch America bewohne, ist irrig.
Aufenthalt und Verbreitung hat er wenigstens im Allgemeinen mit
dem Fichtenkreuzschnabel in Europa ziemlich gemein; stellenweise-
fehlt er wo jener sich findet und umgekehrt; wo beide beisammen
wohnen ist er meist der minder häufige, wie er überhaupt numerisch
der seltenere und vorzugsweise da zu suchen ist, wo Kiefernwald
vorherrscht. Nach Wallengren nisten beide Arten von Schonen bis
in den Polarkreis (Quickjock) , wobei im südlichen Schweden diese,
im nördhchen jene die häufigere sei. J. Ramberg in Göteborg schreibt
mir, im Allgemeinen halte sich der Kiefernkreuzschnabel (större Kor-
* jiirvg, Fichte, Föhre, latein. pinus.
- 277 —
snäbb*) in Wermland mehr in lichten- Waldungen in der Nachbar-
schaft von Torfmooren, der Fichtenkreuzschnabel (mindre Korsnäbb)
mehr im dichten Hochwald auf. Ein genaues Bild seiner Verbrei-
tung zu geben fällt schwer und würde hier zu weit führen. Für
die russischen Osts e e Provinzen, Polen, Pommern und AI t-
preussen gilt der Kiefernkreuzschnabel als ziemlich häufig. Wenn
Beseke (Vögel Kurlands 1792, Nr. 163) vom Kreuzschnabel sagt,
anderwärts angegebene Maasse seien zu gering, denn er übertreffe
•den Gimpel an Grösse, so haben wir wohl an unsere Art zu denken.
Auf dem Dars, einer Halbinsel Pommerns unweit Greifswald, wo
•die Fichtenkreuzschnäbel nicht brüten oder mindestens mit den gros-
sen niemals zusammen gesehen werden, fand ihn im vorigen Jahr-
hundert Otto nistend, nicht aber oder nur selten in andern Theilen
Pommerns, ebensowenig auf dem Harz und in Thüringen ; nur Mangel
an Föhrensamen mache sie dort zeitweise seltener; als Brütezeit
giebt er den Mai an und schreibt ihnen 4—5 Junge zu. Nach Nau-
mann erscheinen sie im Rud ölst äd tischen (Königsee) zwar nicht
alle Jahre , doch in manchen häufig-, aber nur im Herbst , während
die Fichtenkreuzschnäbel dort nur im Vorsommer getroffen werden,
so dass beide Arten immer abgesondert auftreten. Beckstein fand
den Kiefernkreuzschnabel bei Meiningen alle Jahre Winters in
Flügen von 12 — 20 St. streichend. Gloger führt ihn aus Schlesien
als unregelmässig erscheinend und minder zahlreich wie der vorige
an. Dr. R. Blasius nennt ihn (Ver. f. Naturw. z. Braunschw\, Jahresb.
1886/87 p. 91) für die nächste Umgebung der Stadt Braunschweig
als sehr seltenen , in einzelnen Wintern in grösseren Schaaren ein-
treffenden Strichvogel, von dem einmal ein Paar in den Kiefern am
Wendenthurm gebrütet habe. In den Jahresberichten des Ausschusses
der Beobachtungsstationen d. V. Deutschlands (bis 1885) ist er aus
Sachsen als bei Arnoldsgrün und Uhyst (Vogtland) vorkommend
und als mit dem Fichtenkreuzschnabel vergesellschafteter Winter-
vogel der Rhein lande (Wetzlar) aufgeführt, sowie für Ober-
bayern als Standvogel bei Karlstein (Reichenhall). Aus Wies-
baden habe ich vor Jahren eine Reihe von Bälgen in Händen ge-
habt, v. TscHUSi-ScHMmHOFFEN schreibt mir, aus dem Salzbur-
gischen seien ihm nur 3 Exemplare bekannt. Aus Baden habe
ich durch Oberförster Baron Schilling von Cannstatt zwei Pärchen
erhalten, welche er am 18. December 1886 bei Neckar-Schwarzach
* Korssnaff, Kiagelrifvare bei Linne.
— 278 -
(Kr. Mosbach, B,A. Eberbach) von einer hohen Lärche herabschoss.
Es waren nur diese 4 Stücke da und als statt eines einzigen drei auf
den ersten Schuss fielen, wurde auch noch das letzte, das ruhig sitzen
blieb , erlegt. Dieselben sind von etwas geringer Grösse , gehören
also zu jenen schon Eingangs erwähnten kleineren Exemplaren. Si&
messen von der Schnabelspitze bis zum Schwanzende 6" 2 — 9"' und
T' (Bp. u. Schl. T')\ die Schnabelhöhe beträgt 5— 5^'" (Bp. u. Schl,
7'") , der starke , hochgewölbte , ein Kreissegment bildende Ober-
schnabel hat über den First gemessen 8 — 8:j'"; bei einem Paar bleibt
der untere Schnabel völlig unter dem oberen zurück, beim andern
überragt er kaum; die beiden Exemplare mit übergreifenden Unter-
schnäbeln sind die kleineren ; das Gefieder der Weibchen ist im einen
Fall durchaus braungrau mit einiger Fleckung, im andern braun mit
olivengrünem Scheitel und Unterrücken und ebenso überfiogenem
Bauch ; die Männchen sind etwas düster gefärbt, vorwiegend bräun-
lich mit Roth am Kopf, Nacken und Bauch, das beim einen trüber
und mit graugrün gemischt erscheint, beim andern etwas in's Gelb-
liche zieht und nur vom Mittelrücken bis zum Schwanz heller leuchtet;
bei allen ist vor den Schwanzunterdeckfedein eine weisse Stelle. Ich
habe grosse Reihen vom Fichtenkreuzschnabel aus dem Schwarzwald
in Händen gehabt, habe auch Exemplare aus Nordrussland (Henke)
und Obersteiermark (Hanf) vor mir, niemals aber fand ich so derbe
Schnäbel. Ob diese Familie die Nachkommenschaft aus ein und
demselben Nest oder zwei gepaarte Paare oder beides bilde , lasse
ich dahingestellt.
Vom württembergischen Schwarzwald führt zwar Land-
beck (Nr. 84) den Kiefernkreuzschnabel als selteneren, mehr ver-
einzelten Strichvogel auf und Calwer (Naumannia Hl, p. 97, Württb.
Idiotikon) legt ihm im Gegensatz zur andern Art den besonderen
Trivialnamen „Dollschnabel" bei, allein Belege sind in den mir be-
kannten vaterländischen Sammlungen nicht zur Hand Als ich im
März 1851 über ein Duzend schwarzwälder Kreuzschnäbel unter-
suchte, habe ich ein Männchen von Calw als pdnopsittacus notirt
mit einem Gewicht von 2| Loth württembergisch, etwa gleich 36|-
Gramm , leider aber dasselbe nicht aufbewahrt ; unter damals prae-
parirten Schädeln hat einer allerdings den nicht übergreifenden Unter-
Schnabel, allein er ist niedrig (5"') und dabei zu gestreckt, um ab
völlig typisch zu gelten.
Nach V. Salis (Jahresber. n. G. Graub. VRI, p. 133) ist diese
Art in manchen Jahren in grosser Anzahl in den Wäldern Grau-
— 279 —
bündtens, hält sich Sommers *lnehr in ßergwaldungen auf, von
wo sie im Spätherbst in die Thäler streichen; einzeln findet man
sie jedes Jahr in den hochgelegenen Wäldern des Engadin, auf
der Lenzer Hai de u. s. w. , wo sie auch nisten. Conrado-
Baldenstein fand bei Splügen ein Nest im August (!) , v. Salis
kaum ausgeflogene Junge Anfangs Juni 1860 und am 21. Mai
1861 auf Brambrüsch. Hold (ibid. XIV, p. 192) nennt ihn häufig
in den Legföhren -Waldungen von Arosa (6037'); hier tritt also
eine weitere Kiefer (Pinus mugluis Kch. Hegetschw.) zur gemeinen,
wohl nur der Zapfen wegen und für das Nisten jedenfalls zu kriechend.
Über das Vorkommen des „Crosnobel grande" in Italien sagt
GiGLiOLi a. a. 0. , er sei nur im nördlichen Theil als Seltenheit im
Spätherbst und Winter beobachtet; nach A. Fulcis habe er als aus-
nahmsweiser Standvogel schon bei Belluno gebrütet. Im August
1855 seien aus etwa einem halben Hundert ein Duzend in Hal-
matien erlegt worden und ein im December 1869 bei Verona er-
langtes Exemplar sei das einzige in der Florentiner Sammlung.
BoNAPARTE und ScHLEGEL nennen ihn für Frankreich, Bel-
gien und Holland „de passage accidentel'^ Das Vorkommen in
Gross britannien hat schon Pennänt angegeben.
Fortpflanzung.
Dass ich die bei der vorhergehenden Art nach Günther an-
geführte Darstellung eines Fortpfianzungsfalls eher hieher beziehen
möchte , ist dort bereits gesagt , ebenso sind einige unbedeutendere
Daten nach v. Salis u. A. soeben citirt worden. J. A. Naumann's
(des Vaters) Beobachtung, wonach diese Art, wenn nicht gar der
Hackengimpel, im Mai 1786 bei Z erbst in niedrigem Hartriegel-
busch nächst dessen Vogelstellerhütte in einem grasmückenartigen
Nest auf 4 mit denen des rothrückigen Würgers verwechselbaren
Eiern gebrütet habe , beruht jedenfalls auf Irrthum. Meyer in den
Vögeln Liv- und Esthlands (1815, p. 72) sagt, nach Prof. Dr. German
in Dorpat brüte in jenen Gegenden der Kiefernkreuzschnabel im
Mai; das Nest stehe auf den Gipfeln der höchsten Kiefern und ent-
halte vier graulichweisse , dunkel blutroth gefleckte und punctirte
Eier; schon im Januar habe German die Vögel in solchen Gipfeln
anhaltend singen gehört (also am Brutplatz!). Nach seinem ge-
meinsam mit Wolf herausgegebenen Taschenb. d. D. Vögelkunde
(1810, I, p. 139) lebt dieser Vogel in Pommern, Franken, in der
Wetterau , am Pihein , in gebirgigen und in ebenen Kiefernwäldern.
— 280 —
Das Nest erhielt er — leider ist nicht gesagt, woher — mit 4 Eiern
am 28. März 1808 von einer Kiefer; es bestand äusserlich aus dürren
Föhrenreisern, aus Moos und inwendig aus Bartflechten, hatte im
Bau „alle Ähnlichkeit" mit dem von Beckstein beschriebenen des
Fichtenkreuzschnabels (als welches er auch eingesammelt wurde),
die Eier weichen aber ab ; diese sind 10''' (pariser Maass) lang, 7|'"
breit, graulich weiss, am stumpfen Ende mit wenigen einzelnen, un-
regelmässig zerstreuten, dunkelblutrothen , grösseren und kleineren
Flecken und einzelnen Puncten gezeichnet, auf der übrigen Fläche
nur hie und da einzeln punctirt; eines ist weit blasser gefleckt als die
übrigen. Es ist, wie es den Anschein hat, diese Beschreibung eines
deutschen Nist-Falls aus d. J. 1808 in das vorher genannte aber später
erschienene Liv- und Esthländische Buch ergänzend übergegangen.
Im Weiteren haben wir auch hier vorerst bei C. L. Brehm uns
Raths zu erholen. Dieser (a. a. 0. und bei Naumann) fand die Kiefern-
kreuzschnäbel 1816 — 1819, als die Nadelholz-Samen besonders ge-
rathen waren, in den Wäldern zwischen Saale und Roda sehr zahl-
reich brütend. Weder an Zeit noch Ort hatten sie sich hiebei ge-
bunden, denn 1816 und 1817 brüteten sie erst im Mai oder gar im
Juni (vergl. Dorpat und Graubündten) , in den ganz besonders vor-
trefl'lichen Samenjahren 1818 und 1819 hatten aber ungeachtet der
strengen Kälte einige schon im December Eier, andere brüteten
im folgenden Januar, die meisten im Februar; das letzte Nest mit
Eiern erhielt Brehm noch Ende März. Einmal verpaart halten sie in
kleinem Bezirk treu zusammen und behaupten diesen gegen andere
Paare ; das Männchen verräth den Stand des Nests durch sein un-
ruhiges Hinundherfliegen auf wenigen Baumgipfeln und durch lauten,
anhaltenden Gesang, den es namentlich flatternd am schönsten hören
lässt. Das Nest steht in ähnlicher Anlage wie dasjenige der vorigen
Art 60 — 120' hoch, nicht im finstern Hochwald sondern an lichten
Stellen oder doch mehr am Waldrand. Dasselbe ist fast immer sehr
schön und dicht gebaut, meist tiefer als eine Halbkugel, bei 1" bis
fast 3" dicken Wänden aussen 5|", innen 3" breit, 2" tief, also durch-
schnittlich grösser als beim vorhergehenden. Seine Stoffe sind die-
selben, aussen dürre , zarte , oft mit Flechten überwachsene Nadel-
holzreiser, das Hauptmaterial Bartflechten, welche bald allein ver-
wendet, bald mit Moos und Grasstöckchen vermischt sind; die Aus-
fütterung besteht entweder ganz allein aus Bartflechten oder es sind
Grashalme, bisweilen auch Kiefernnadeln beigemengt, die zufällig
hineingekommen sein können. Einige Nester sind fast bloss aus Bart-
—^ 281 —
flechten in ihrem feineren Bau gefertigt , also wohl besonders dann
wenn das Weibchen das Material schnell von den nächsten Bäumen
nimmt ; in den etwas eingezogenen Rand sind bisweilen einige Feder-
chen eingewoben. Die 3 — 4 Eier sind verhältnissmässig klein, 11
— 13"' lang, ly^^ breit, in verschiedenen Nestern gewöhnlich ver-
schieden geformt, alle eigestaltig, einige sehr länglich, andere mehr
bauchig, an der Basis zugerundet, an der Höhe stumpfspitzig, denen
des Fichtenkreuzschnabels sehr ähnlich aber stets grösser, auf trübem,
graulich- oder bläulich-weissem Grund mit bleichrothen oder blass-
violettgrauen Fleckchen , blutrothen und einzelnen schwarzbraunen
Flecken und Puncten, auch Stricheln und feinen Schnörkeln besetzt,
welche am stumpfen Ende manchmal einen ordentlichen Flecken-
kranz bilden , wobei dann die übrige Fläche oft kaum sparsam ge-
zeichnet ist.
Das allein brütende Weibchen sitzt über den Eiern sehr fest
und wärmt auch die Jungen noch lange. Gewöhnlich kommen nur
zwei Junge aus, welche anfangs mit schwarzen Fasern sparsam be-
deckt sind ; beide Eltern füttern mit Kiefern- und Fichtensamen aus
dem Kropf noch lange nach dem Ausfliegen.
Abbildungen der Eier: Thienemann u. Brehm, T. IX, f. 14. Thiene-
mann's Fortpfl. d. ges. V. T. XXXVI, f. 17 ab (im Catalog 1857 sind
3 St. aus Mitteleuropa aufgeführt). Bädeker, T. 76, f. f. 12 (3 St.).
ScHiNZ a. a. 0. beschreibt zwar nach Brehm richtig, bildet aber ein
Goldammerei ab.
Für die eigene Beschreibung habe ich nur schwedische Vor-
lagen: sechs complette Gelege mit den Nestern aus Wermland,
Gillberga, 26. Februar und 12. April 1885, 15. Februar, 5. und
13. März, 5. April 1886. Dreimal bilden je 3, zweimal je 4 Eier
das Gelege; im spätesten Fall (12. April) ist die sehr seltene Zahl
von 5 Eiern erreicht. Wir beschreiben vorerst die interessanteren
der Nester.
N. 1 (15. Febr.): 5" 6"' breit, 2^' 6'" hoch, 2" 5"' weit, 1" 6'"
tief, Dicke der Wand in der vorderen Hälfte stellenweise über 1'' 6'",
nach hinten, d. h. da wo es am Stamm angelehnt war, nur 9'",
nach vornen abwärts sich verbreiternd, nach hinten mit etwas ein-
gezogenem Rand, ein schön gerundeter und fester Bau ; nach unten
und nach aussen stecken, der Rundung angepasst, viele feine dürre
Zweigchen der Rothtanne dazwischen, die häufig mit Flechten (Iw-
hricaria pliysodes Krbr. L.) dicht bewachsen sind, dabei auch einige
der Kiefer ; die Hauptmasse, d. h. wohl die Hälfte des Materials, be-
— 282 —
steht aus der immer wiederkehrenden Bartflechte, die nur nach unten
einen einzehien zusammenhängenden groben Büschel bildet, im Übri-
gen mit den Tannenzweigchen und mit Erdmoosen {Hypnmn Dill.
und vereinzelt SpJiaynum Dill.) , am oberen Rand des Napfs auch
mit verwitterten Grasstengelchen durchzogen ist ; eine ganze Hypniim-
Schicht liegt innerlich zwischen Unterlage und Napf; dieser ist be-
sonders in der der schmäleren Wandstelle gegenüber befindlichen
Hälfte mit schmalen und breiteren Bastfasern von Wachholderrinde
dicht ausgelegt.
N. 2 (26. Februar): stark 5" breit, etwas länglich, 2" 4'"
hoch, 2" 6 — 10'" weit, 2'' tief; nur an einer Hälfte ist ein Unterbau
von gröberen Flechten {Usnea harbata L., Cladonia sylvatica PIoffm.),
sonst besteht der in den Wänden V 3"' — 2'' dicke Bau, dem die
Unterlage offenbar abhanden gekommen ist, frei und locker aus den
vorher beschriebenen Stoffen ; die langen Bastfasern , offenbar mit
dem Schnabel vom Stamm abgeschält, werden bis über 3"' breit,
sind sehr zahlreich verwendet , im Napf von verfilzter Bartflechte
meist verdeckt, bilden aber, der Moosschicht des vorigen Nests ent-
sprechend, unter der Ausfütterung eine dichte Lage und umschlingen
mehrfach den Oberrand. Einige Kiefernnadeln sind vom Standort
hinzugekommen.
N. 3 (13. März): fast &' breit, 2" 2''' hoch, 2" 3—5"' weit,
wenig über 1" tief, aussen kreisrund mit ungleich dickem Boden;
Napf und Wände bis herab zu einer aus breiten, meist kürzeren
Bastfaserstücken bestehenden Unterlage bilden fast ganz ausschliess-
lich einen dicken Filz aus feiner Bartflechte, die am Rand beinahe
ganz rein ist und nur wenige dürre Stengelchen und verwitterte
Halme beigemengt enthält, während nach unten grüne Erdmoose
aus dem Braun durchscheinen; innen befinden sich einige Dunen-
federchen und ein Insectengespinnst.
N. 4 (12. April): 4—5" breit, länglich, 2" hoch mit 2" 4— 8'"
weitem, ganz flachem, kaum 9'" tiefem, in seinem Grund und Rand
sehr festem Napf. Würden für das völhg intacte und keineswegs
durch den Transport zusammengedrückte Nest nicht alle Spuren einer
Bewohnung durch Junge (z. B. jene kleiigen Federspulenschuppen)
fehlen, so hätte ich es trotz der miterhaltenen Eier für ein durch
Nestvügel zusammengesessenes gehalten ; wenn bei den vorgehend
beschriebenen Exemplaren die Höhe durch theilweisen Verlust der
Unterlage und durch Druck bei der Verpackung und aus letzterem
Grund auch die tiefere Rundung des Napfs gelitten haben mag, so
— 283 —
trifft diess für diesen besonders festen Bau nicht zu. Die aus Fich-
ten- und Kiefernreischen nebst einigen Halmen bestehende Unter-
lage reicht zum wulstig vorstehenden Rand herauf, den ganzen Haupt-
bau, soweit er nicht mit Halmen und einigen Würzelchen durch-
zogen ist und aussen weniges Moos , ein Farrnkrautfragment und
einige Flechten {Usnea harhata und Evernia furfuracea L. nebst
meist verwitterter Cladonia sylvatica Hoffm.) sich daran befinden,
bildet abermals die Bartflechte mit ihren Varietäten {Bryopogon ju-
batuui Lk., capülare et canmn Ach., bicolor Ehrh., chalybeiforme L.);
der Napf ist vorzugsweise mit zusammengeballter Weidenwolle ge-
füttert, innerlich unter diesem befindet sich ein Lager völlig verwit-
terter meist breiter, an faules Holz erinnernder Halme und Grasblätter.
N. 5 (5. April): der 3^ — 4'' weite Napf zeichnet sich durch
eine an den Rändern aufwärtsgekrümmte dichte Einlage von einigen
Dunen und vielen schwarzen Entenfedern aus, ähnlich der Ausfütte-
rung eines Sperlingsnests ; im übrigen Material sind neben der spar-
sam und gleichmässig vertheilten Bartflechte , einer Mooslage im
Grund und viel Wachholderrinden auch einige Stengel der Kiefer und
von Haidekraut, viele Kiefernnadeln und Rennthierflechte verwendet.
Unterlage und ein Theil der äusseren sparrigen Stoffe sind verloren
gegangen.
Ein sechstes , ebenfalls schlecht erhaltenes Nest habe ich der
Untersuchung wegen zergliedert. Die Bast-Lage, durchaus fest und
bis zu 6'" dick , ausgebreitet eine Fläche von 4" Durchmesser bil-
dend, ist nach unten, mit Ausschluss jedes andern Stoffs so gepresst,
dass sie fast ein pappdeckelartiges Ansehen hat; nach oben mengen
sich Bartflechten ein und einige Büschel grauer und schwarzer Dunen
sowie einige Brustfedern vom Kuckuck und vom Birkhuhn liegen
zwischen den sehr breiten Rindenfasern des Wachholder. Diese Unter-
oder richtiger Einlage, bald schwächer, bald stärker, fehlt eigentlich
keinem der von mir untersuchten schwedischen Nester beider Arten ;
ich sehe hierin keineswegs etwa nur eine örtliche Gewohnheit, son-
dern die Absicht, zwischen dem lockereren Aussen- und dem festeren
Innenbau mittelst des schlechten Wärmeleiters das Ausströmen der
Brutwärme zu verhindern. Auch der Tannenheher, der in biologi-
scher Hinsicht .viel Analoges bietet, hilft sich mit faulem Holz.
Irgend ein Unterschied zwischen den Nestern beider Arten be-
steht nicht.
Zu den Eiern übergehend numerire ich nach dem fortlaufen-
den Datum meine Gelege, „a" (15. Febr.), „b" (26. Febr.), „c"
— 284 —
(5. März), „d" (13. März), „e" (5. Apr.), „f" (12. Apr.). Die Maasse
sind absteigend:
f: 111'" lang, 71'" breit.
llf"
lang,
7f"
IIA'"
V
73///
•4
11 "'
V
7|"'
11 '"
»
71///
•2
lOi"'
?5
73'"
11 '"
»
73///
•4
11 '"
»
71'''
' 4
10|"'
))
71///
•2
10^'"
»
73///
•4
10|'"
n
71"'
lor"
5)
7|"'
lor"
lang.
73///
'4
breit.
lOA'"
;?
7^'"
55 (2 St.)
10 "'
V
•2
55
10.}'"
T>
7|"'
55
loi"'
»
73///
•4
5)
lOi"'
«
7A'"
55
9|"'
»
8 '"
J?
91"'
)7
7A'"
,»?
9|'"
n
73///
•4
55
91'"
55
'2
55
(2 St.)
Hienach differirt die grösste Länge von der geringsten um 2-2-'",
die (ebenfalls nur einmal erreichte) grösste Breite von der gering-
sten um I'" : als Durchschnittslänge können etwa 10|"', als Durch-
schnittsbreite 7|"' gelten; einer grösseren Länge entspricht, um das
Volumen in's Gleichgewicht zu bringen, meist eine geringere Breite
(Dicke) und umgekehrt; besonders gross sind die Eier von f und a,
besonders klein diejenigen von e ; an Übergängen fehlt es nicht. Bei
den meisten liegt die stärkste Breite weit oben und sie fallen dann,
bald mehr gewölbt bald mehr gradlinig, etwas schroff ab ; sehr ge-
streckt sind die grossen von f, dabei das grösste länglich-birnförmig
(etwas eingezogen mit stumpfer Höhe), sehr stumpf, gedrungen und
rundlich die kleinen von e , schön oval sind nur wenige , eines ge-
streckt elliptisch.
Bläulichweiss , vorzugsweise nur an der Basis mit feinsten
violettgrauen, hellbräunlichen und schwärzlich-purpurbraunen Tüpfel-
chen sparsamst gezeichnet sind die Eier von a. Gleichen Grund
und ähnliche , aber etwas stärkere und häufigere Zeichnung haben
diejenigen von a, dabei Kranz-Andeutung und zweimal die Flecken-
anhäufung gegen die Höhe. Weisslich grüngrau, fast mit einem röth-
lichen Stich wegen vieler grauröthlicher ünterfl eckchen sind sie bei d;
die runden oder kurzgeschnörkelten purpurbraunen Oberfleckchen
vertheilen sich sparsam über die ganze Oberfläche, einmal mehr um
die Basis gedrängt, ein andermal dort mit einem kreisförmig in sich
selbst zurückkehrenden Zickzackhaarstrich. Etwas grünhcher aber
ähnlich sind die Eier bei c, im Grund violettröthlichgrau und blass
bräunlichroth verwaschen punctirt und fein gefleckt mit grösseren
— 285 —
und kleineren, selten etwas geschnörkelten , helleren und dunkleren
rothbraunen Oberflecken ; von allen sehen diese denjenigen des Grün-
lings am ähnlichsten, eines mit stärkster Fleckung erinnert sogar an
manche Eier des Schneeammers. Bei b zieht die Grundfarbe des
einen besonders stark in's Gelblichgraugrüne und bei starker Schnör-
kelung liegt die Zeichnung vorzugsweise in der schmalen Hälfte,
während bei den beiden anderen grössere verwaschene (d. h. tief in
die Schalenmasse eingesenkte) graubräunlichviolette Fleckchen und
Flecken die Basalhälfte stark röthen, das eine Mal mit einem haar-
dünnen hellbraunrothen Schnörkelkranz überlegt. Die Eier von e
haben den grünlichsten Grund (ähnlich wie bei Emheriza cirlus h.),
feinste , ganz verwaschene grauröthliche , meist wenig bemerkbare
Unterfleckchen über die ganze Fläche , dunkler und heller purpur-
braune Oberzeichnung bald gerundet bald kurz geschnörkelt. Diese
und noch mehr diejenigen von b erinnern in der Färbung an manche
des Buch- und des Bergfinken.
Innerlich scheinen alle blassgrünlich durch und sind bis auf e
glanzlos. Ihr Gewicht beträgt 16 — 18, in 14 Fällen 17 cgr. , wird
also von pyrenäischen und schwedischen Eiern der andern Art im
Minimum erreicht; für diese Art mögen 17, für jene 14 — 15 cgr.
als Mittel gelten.
Nach dem Gesammteindruck könnte man dahin recapituliren,
dass die Eier, kleiner oder grösser aber der Körpergrösse des Vogels
entsprechend, bald gestreckter bald bauchiger, vorwiegend ungleich-
hälftig, auf trübweissem, bald in's Bläuliche bald mehr in Gelblich-
grün gehendem Grund wenig dicht oder nur sparsam gezeichnet sind
mit purpurbraunen bis schwärzlichen, öfters kurz geschnörkelten Fleck-
chen und Puncten oder mit einigen Haarzügen über einer unteren
verwaschenen Zeichnung in allen Abstufungen von Hellbraunroth bis
Violettgrau. Eine solche generalisirende Characteristik passt natür-
lich auf die Eier aller Kreuzschnäbel und dürfen wir auch nicht
übersehen, dass die Grössen der Eier bei beiden Arten zusammen
nicht ausserhalb der Sphäre der Variabilität liegen , wie wir eine
solche von anderen Arten mit weiter Verbreitung kennen. So habe
ich in den Extremen z. B. vom Buchfink {Fringilla coelehs L.) ein
grösstes Ei mit stark %\''' Länge und fast 7"' Breite aus Sardinien und
Exemplare von Archangelsk, deren eines nur 8''' und 6'", das andere
sogar nur 1^'" und 5^'" misst.
Oologisch entfernen sich die Eier der Kreuzschnäbel weit von
denen mancher anderer dickschnäbeliger Kernbeisser, namentlich von
— 286 —
den Gruppen Fichtengimpel {Strobiliphaga s. Corijtlms) und Kirsch-
kernbeisser {Coccotkraustes) ^ ja selbst von Pyrrhula; sie schliessen
sich viel enger an jene Finkenarten an, die wie Hänfling, Grünling,
Stieglitz u. s. w. lichtgrundige Eier legen ; im Gegensatz zu jenen
vorgenannten mit lockerem Nest aus Reisig und Wurzelgeflecht, weist
sogar auch der dichte Nestbau mit weichen Stoffen hieher.
3. Der Weissbinden-Kreuzschnabel, Crucirostra
leucoptera Cuv.
— bifasciata C. L. Brhm. Loxia leucoptera Gm. — falcirostra
Lath. • — taenioptera Glog. Curvirostra leucoptera Wils.
Abbildungen: Wilson, Am. Orn. T. 15 u. 31 je f. 3. Godld,
Birds of Eur, T. 203. Nilsson, Skand. Fauna, Fogl. I, T. 20. Nau-
mann, T. HO, f. 4 (jung), Nachtr. (XIII), T. 385, f. 1—4. Bonap.
u. Sohl., T. 8 (Paar von „bifasciata''^)^ T. 9 (Paar von „leucop)tera^^),
T. 10 (altes Männchen vom Himalaja).
Viel hieher Gehöriges ist im allgemeinen Theil bereits gesagt.
Bonaparte und auch G. R. Gray halten die nordamericanische Form als
Art aufrecht. Letzterer führt gerade diese als nach England zugeflogen
auf. Ersterer legt neben der notorisch etwas geringeren Grösse und
dem zusammengedrückteren Schnabel auch auf das Roth des Männchens
Gewicht, „qui tire toujours au rose fortement carmine et non pas
au rouge vermillon." Unter fünf mir vorliegenden Männchen von
Archangelsk haben zwei eben jene leuchtende Purpurfarbe, die Nau-
mann Johannisbeerroth genannt hat, während die drei anderen jene
hellere Färbung haben , die man eine Mischung aus Zinnober und
Mennigroth nennen könnte; ein junges Männchen von dort, noch grob
braun gefleckt und nur am untern Bauch porameranzengelb , würde
in seiner geringen Grösse dem nördlichsten America Ehre machen.
Trotz dem gegebenen Farbenunterschied zieht Bonaparte den Hima-
laya-Vogel mit mehr mennigrothem Colorit, der doch nur ein Ab-
kömmling des Nordasiaten sein kann, zum Americaner. Naumann
hat auf seiner Nachtragstafel den carminrothen Vogel als ganz alten,
den mehr zinnober-mennigrothen als jüngeren gedeutet. Als wesent-
licher Unterschied gilt, dass bei der americanischen Rasse das alte
Männchen auf dem Oberflügel, an den kleinen oberen Flügeldecken
und den Schulterfedern reines Schwarz, das europäische Grauschwarz
und schwärzliches Grau habe. J. H. Blasius (Naumann, Nachtr.
188—192) nimmt nur örtliche Varietät an und das ist mehr als genug.
In America lebt diese Art im höheren Norden soweit der Nadel-
- 287 —
wald hinaufreicht. Nach Pennant (Übersicht, übers, v. Bechsteix
1794, II, 103), der auch aus Neu- York einen Vogel erhielt, kommen
sie zu Ende Mai am Severn-Fluss in der Hudsonsbai an, ziehen aber,
„weil sie an kaltes Clima gebunden seien," zum Brüten *noch weiter
gegen Norden und kommen erst im Herbst beim ersten Frost zurück;
Hier liegt aus ünkenntniss des vorzugsweise winterlichen Brütens
der Kreuzschnäbel eine falsche Deutung der unstäten Lebensweise
vor. Ebenderselbe erwähnt nach Hütchins, dass der Vogel („Asitchou-
Achaschich") im März an der Hudsonsbai ankomme, sein Nest
aus Gras, Schlamm und Federn (?) gewöhnlich in der Mitte eines
Tannenbaums erbaue, fünf weisse, mit gelblichen Flecken gezeichnete
Eier und etwa im Juni flügge Junge habe , mit denen sie zu Ende
November weiterziehen. Nach Richardsohn (Fauna bor. am., Birds,
p. 263) wohnen sie in den dichten Weisstannenwäldern bis dahin
wo diese unter dem 68 ° n. Br. aufhören ; im September ziehen sie
sich in kleineren Schaaren von der Küste in's Innere zurück. Nach
Wilson ist im Norden der vereinigten Staaten der weissbindige
Kreuzschnabel seltener als der bindenlose. Aus Labrador ist er
gleichfalls erwähnt.
Im nördlichen Sibirien hat v. Middendorff (Reise II, Zool. 1851,
Vög. p. 154) diese Art vorzugsweise häufig am Jenissej und an
diesem Strome jenseits des 63^ n. Br. bis in den Polarkreis und
bis zur Nordküste Ostasiens als einzigen Kreuzschnabel beobachtet;
ein bei Udskoj-Ostrog 6. Juni geschossenes Männchen beschreibt er.
In der Mandschurei beobachtete er sie Ende October auf der süd-
lichen Abdachung des Gränzgebirges. Durch Bonaparte und Schlegel
kennen wir den Vogel aus dem Himalaya. Über Nordamerica und
Nordasien, wohl ohne irgend welche Unterbrechung, tritt der Weiss-
binden-Kreuzschnabel nach Westen fortschreitend nach Europa als
Brutvogel über. Im Gebiet des weissen Meers ist er nach LiljeborCt
im Gouvernement Archangelsk allgemeiner Nistvogel, im Fichtenwald
und nicht bloss ausschliesslich in Lärchenwäldern. Dort haben Graf
Hoffmannsegg und Henke (1853 — 1856) zahlreiche Vögel in allen
Kleidern eingesammelt.
Die schon früher erwähnten Schaaren, welche im Sommer 1826
auf einige Monate Mitteleuropa, namentlich beinahe die ganze süd-
östliche Hälfte Deutschlands sowie auch Schweden besuchten, haben
auf diese Vögel erst aufmerksam gemacht; vereinzelte frühere Exem-
plare haben Meissner und Schinz, sowie Naumann verkannt. Seither
sind sie in vielen Theilen Deutschlands, z. B. in Thüringen, am Harz,
— 288 —
im Rheinland erlegt und gefangen worden. Lungershaüsen (Nau-
mannia) erwähnt a. d. J. 1851 einen Fall von Reinhardtsbrunn bei
Gotha, in welchem Theile des Thüringer Walds seit 1827 kein Vogel
mehr vorgekommen sei. Dr. Helm (Beob. Ber.) führt von Arnolds-
grün im Sachs. Vogtland zwei Vögel auf, die 1885 auf den Lockruf
des Fichtenkreuzschnabels sich fiengen.
Für W ü r 1 1 e m b e r g ist bis jetzt das Exemplar ein Unicum, wel-
ches ich am 11. März 1851 von Wildberg im Schwarzwald im Fleisch
erhalten und in jüngster Zeit in die vaterl. Vereinssammlung gegeben
habe. Es ist ein sehr schönes Männchen fast wie Bonap. u. Schleg.
T. 8, ein Mittelding zwischen f. 1 u. 2 auf Naümann's T. 385 ; im
hell zinnoberrothen, theilweise blass carmoisinroth leuchtenden Klein-
gefieder sind aus älterem Kleid grünlichgelbe Federchen seithch und
auf dem Scheitel stehen geblieben , um den Hals ist ein grauer,
oberhalb der Flügel ein grünlicher Schimmer ; der Schnabel ist merk-
würdig hell, nicht wie beschrieben wird, bläulich-horngrau sondern
bis auf den hell hornbraunen First nahezu fleischfarben ; das Gewicht
habe ich mit 2-^^ Loth (30 Gramm) s. Z. notirt.
Ich kann nicht anders, aber ich sehe in dem Vogel keinen
Irrgast sondern einen Landsmann. Seine Anwesenheit fällt nicht
wie z. B. 1826 in den Sommer oder Herbst, sondern in die Brutzeit
unserer Kreuzschnäbel; zwei gerade in jenem Jahr am 7. März von mir
untersuchte Männchen hatten stark angeschwollene Testikel (worauf
dieser leider nicht untersucht worden ist) ; er wurde mit Fichten-
kreuzschnäbeln, unter denen er lebte, erlegt und bei der Schwierig-
keit sicheren Erkennens wenn man die Individuen nicht nahe zur
Hand hat, kann bei der Gewohnheit in den höchsten Gipfeln sich
aufzuhalten , mancher Weissbindenvogel übersehen werden. Wenn,
wie ich annehme, alle jetzt als Arten getrennte Kreuzschnäbel von
ein und demselben Stamme sind, so wäre nichts natürlicher als ein
sporadischer Rückschlag. Aber auch die Artberechtigung zugegeben,
wäre es gar nicht verwunderlich, wenn einzelne Paare, der gemeinen
Art zugesellt, zum Brüten dableiben oder wenn sie bei der nahen
Verwandtschaft mit jener sich kreuzen würden. Augenfällig ist überall
doch meist nur die überwiegende Hauptrasse, könnten wir aber eine
Heerschau über all unsere Kreuzvögel abhalten, so fände sich gewiss,
und zwar zu jeder Zeit, mancher weissbindige. Brehm sagt im Text
zu Bädeker's Eierwerk, der Vogel sei im Sommer 1825 (1826?)
im Jugendkleid auf dem Thüringer Wald vorgekommen, so dass
die Brutplätze wohl nicht gar so ferne lägen. Blasius bemerkt
— 289 —
a. a. 0., dass am Harz jetzt fast alljährlich Weissbindenvögel unter
den anderen Kreuzschnäbeln gefangen werden — nachdem einmal
das Vorkommen festgestellt ist. Derselbe sagt, die Brutzone in
Europa bedürfe nach Westen und Süden noch einer genaueren Fest-
stellung.
Ausserhalb Deutschlands ist unser Vogel in Irland (1802),
wiederholt in England nach Yarell, in Holland und Belgien nach
Selys-Longchamps vorgekommen, meist im Spätsommer und Herbst,
aber auch in den Wintermonaten. Nach Wallengren war der Binden-
kreuzschnabel im October 1845 und Januar 1846, also über Herbst und
Winter, zu einer Zeit in der er auch anderwärts wieder häufig auf-
trat , im mittleren und südlichen Schweden nicht gerade selten ;
sparsamer war er dort auch i. J. 1841 und 1848 vorhanden und
Blasius vermuthet , dass er dort niste ; Belege hiefür sind seither
nicht beigebracht. Nach Giglioli a. a. 0. erscheint er nur sehr
selten Winters, von September ab in Norditalien; die Gebiete
von Bergamo, Brescia, Verona, auch Lodi mit 3 Exemplaren, sind
1846—1867 genannt.
Fortpflanzung.
Über diese ist Positives kaum bekannt. Da sie von derjenigen
der andern Kreuzschnäbel nicht wesentlich abweichen kann, ist dieses
mehr für die Sammlungen als für die Wissenschaft zu bedauern.
Dass das unter dem Collectivnamen curvirostra von Pallas citirte
nordasiatische Nest, das Steller im März fand, hieher bezogen werden
könnte, ist schon früher bemerkt. Bedeutungslos ist, was Pennant
nach HüTCHiNS anführt, so wahrscheinlich es auch ist, dass die Nist-
zeit sich ebenfalls bis tief in's Frühjahr herein erstrecke. Ob in
den neuen americanischen Autoren sich überhaupt etwas und nament-
lich etwas Präcises findet, weiss ich bei mir unzugänglicher Literatur
nicht. TfflENEMANN hat mir Anfangs ■ der fünfziger Jahre ein in der
Gefangenschaft gelegtes Ei gezeigt , dessen ich mich als ziemlich
klein und gestreckt, mit recht blasser Fleckung noch genau erinnere :
da er die Artberechtigung nicht anerkannte, mag es unter die anderen
gekommen sein, unter den abgebildeten befindet es sich aber nicht ;
der nach seinem Tod verfasste Catalog 1857 der Sammlung führt
ein Ei aus Nordamerica (ob dasselbe?) und ein Nest aus dem
borealen Europa auf.
Baedeker bildet T. 20 f. 10 ein als acht beglaubigtes, im Käfig
gelegtes Ei ab; nach dieser Abbildung ist es 9|^'" lang, 7'" breit,
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 19
— 290 —
ziemlich bauchig, auf bläuhchweissem Grund sparsam mit dunkel-
braunen scliärferen Puncten und mit zahlreicheren verwaschenen hell-
bräunlichen Fleckchen gezeichnet ; der Text besagt , es sei etwas
kleiner als dasjenige vom Fichtenkreuzschnabel , sonst diesem zum
Verwechseln ähnlich.
Herr J. Rambkrg in Göteborg erhielt i. J. 1887 ein angebliches
Nest mit einem Ei von Archangelsk, und er hat die Güte ge-
habt, den Fund zur Beschreibung mir anzuvertrauen. Ich kann aber
nicht läugnen, dass ich in keiner Weise von der Richtigkeit über-
zeugt bin, nicht als ob ich den guten Glauben von Finder und Be-
sitzer anzweifeln wollte , sondern weil dort auch der Fichtenkreuz-
schnabel brütet — es liegen mir 4 Exemplare von dort vor — und
weil das Ei für den kleineren und schlankeren Vogel mir nicht passen
will. Trotzdem mag die Beschreibung hier stehen.
Das Nest ist ein kreisrunder, gefälUger Bau, massig, dickwandig,
11| Drachmen schwer, etwa 5'' im Durchmesser haltend, gegen 2^"
hoch, schwach 1|" tief, bei einer .Weite des sanft eingebuchteten
Napfs von etwa 2Y\ mit 1 — 2" dicken Wänden, an einer Stelle,
wo ein Zweig des Baumes eingriff, geöffnet; äusserlich ist es mit
kurzen, dünnsten Stücken dürrer Fichtenreiser umgeben, im Unter-
bau, wo in Folge des Abnehmens vom Ast die Einlage freigelegt ist,
aus verwitterten Pttanzenstengeln, auch Fasern von Wachholderrinden
und faulen Holztheilchen fest verfertigt, darüber mit einer starken
Schicht von schwärzhchen Bartflechten (Bryopogon s. Alectoria ju-
bata Ach. var. chaliheiforniis L.), welche neben wenigen feinen Pflan-
zenfasern den Napf dicht auskleiden und die starken Seitenwände
nach innen ausschhesshch und theilweise mit erhabenem Rand bilden.
Einzelne hellgelbgrüne Flechten {Alectoria sarmentosa var. crinalis
Ach.) sind aussen ringsum vertheilt, ein Kiefernnadelbüschel und
etwas feinste Kiefern rinde haften seitlich an.
Das Ei, lOi'" lang, 1\"' breit, fast 20 cgr. (!) schwer, unter-
scheidet sich in gar nichts von andern Kreuzschnabeleiern und ist
verhältnissmässig recht gross, d. h. es stimmt mit den grössten vom
Fichten- und kleineren vom Kiefernkreuzschnabel; seine Gestalt ist
bauchig-oval, der Grund geht aus Grüngrau in"s Bläuliche, an der
Basis drängt sich die sparsame Zeichnung in violettbräunlichen, helle-
ren und dunkleren kurzen Schnörkeln und einigen dunkelblutbraunen
Fleckchen und Tüpfeln zusammen ; auf der übrigen Fläche vertheilen
sich unregelmässig nur wenige hellere Fleckchen und dunkle Tüpfel.
Ohne Ramberg's Autorität würde ich bei Nest und Ei nur an den
— 291 —
Kiefeinkreuzschnabel, gerade so wie ich die Fortpflanzung eben aus
Schweden kenne, gedacht haben.
Im Rückblick auf meine Arbeit bin ich mir bewusst, kaum etwas
l^eues und nur wenig Gutes geleistet zu haben. Dass ich sie über-
haupt unternahm, mag darin seine Begründung finden, dass ich seit
mehr als sechsunddreissig Jahren für das Thema mich interessire.
Deshalb habe ich für die Fortpflanzung so reiches Material gesam-
melt und dieses Interesse hat mich auch veranlasst, aus längst ver-
gessenen alten Quellen , die der Erinnerung doch werth sind , zu
schöpfen.
Eben für die Fortpflanzung ist unverhültnissmässig viel bei-
gebracht, aber gerade hier wollte ich Nichts übergehen. Dass unter
diesem vielen Einzelnen das Ganze leiden musste, ist mir selbst am
klarsten. Nicht mit Unrecht wird man z. B. fragen, warum ich so
viele Messungen der Eier vorgenommen und sie hier wiedergegeben
habe ; Längen- und Breitenachse sind ja für das Volumen nicht ein-
mal völlig maassgebend, da bei diesem die verschiedenartige Wöl-
bung der Bahn zwischen beiden Polen mitwirkt. Es hat mir aber
■daran gelegen, in irgend einer Form, vorerst mir selbst und dann
auch anderen Specialisten , ziffermässig klar zu machen , wie weit
die Schwankungen in der verschiedenen Grösse bei der Einzelart
gehen und wie geringe Unterschiede und welche Übergänge sich
finden. Die von mir Eingangs hervorgehobene nahe Verwandtschaft,
*um nicht direct zu sagen Zusammengehörigkeit, aller Kreuzschnäbel
habe ich am Ei nachzuweisen versucht, gerade so wie Andere, gleich-
falls Serien messend, ihre Schlüsse aus den Vögeln selbst ziehen.
Vielleicht ist die Zeit nicht so ferne, in der man die maass-
lose Artentrennung aufgiebt, dafür aber um so genauer jede ursprüng-
liche Einzelart als solche nach ihren besonderen Verbreitungsbezirken
gesondert in's Auge fasst. Für solche Nothwendigkeit bilden gerade
die nach allen Seiten in einander verschwimmenden Kreuzschnäbel
ein schlagendes Beispiel.
Schloss Warthausen im März 1889.
ft
19*
Ueber ein angebliches Vorkommen gediegenen Zinns
und über die spezifisehen Gewichte der Zinnblei-
legierungen.
Von Prof. Dr. Friedrich Nies in Hohenheim.
I.
Die Angaben über Fundorte gediegenen Zinns sind in der
mineralogischen Litteratur dünn gesät, namentlich wenn man einige
ältere als wohl sicher irrtümliche in Abzug bringt, welche sich auf
Zinn beziehen, das offenbar bei metallurgischen Prozessen gewonnen
wurde. Dahin dürften die Verzeichnungen von Cornwall und Les
Pieux, Departement de la Manche, als Fundorte zählen. Mit dem
letzteren „Fundorte" ist zugleich wohl identisch Cherbourg, da Les
Pieux in dem Arrondissement Cherbourg gelegen sind. Auch der
Fund von Segur im Departement Correze dürfte nur avif ein Kunst-
produkt zu beziehen sein, wiewohl nicht verschwiegen werden darf,
dass von der genannten Stelle auch Wismutspat als vorkommend
angegeben wird, ein Mineral, welches das natürliche Zinn von Mexiko
(siehe unten) begleitet.
Im Gegensatz zu diesen Zinnfunden, deren Natürlichkeit und
Ursprünglichkeit anzuzweifeln sind, beziehen sich die folgenden drei
Litteraturangaben auf gediegen Zinn als auf eine durch „natürliche
Prozesse entstandene Mineralspezies":
1) R. Hermann, Über das Vorkommen von gediegenem Zinn
in den Uralschen Goldseifen (Journ. prakt. Chemie. 33. 300. 1844).
Nachdem eine erste Probe, „ein Metallkorn, aus einem weissen, duk-
tilen Metall bestehend, dem einige Goldkörnchen anhingen," für
Schnelllot gehalten worden war, durch welches man künstlich die
Goldkörnchen zusammengelötet hätte , lieferten später zur Unter-
suchung kommende Proben des Waschgoldes aus Slatoust Beimen-
gungen, welche neben Osmiridium einige grau angelaufene Körnchen
enthielten, die vorwiegend aus Zinn mit einer geringen Beimischung
von Blei bestanden. „Das Gold der Seifenwerke der Umgegend von
Miask wird also von geringen Mengen gediegenen Zinns begleitet."
— 293 —
2) A. Frenzel, Mineralogisches (N. Jahrb. f. Min. etc. 1873.
784). Unter einem Wismutspate, der zentnerweise in ziemlich reinem
Zustande aus Mexiko nach Europa geliefert wird, „fanden sich ein-
zelne Metallblättchen, die sich unter dem Hammer ganz duktil und
vor dem Lötrohre als reines Zinn erwiesen. Diese Zinnblättchen
zeigen ein krystallinisch-körniges Gefüge." In einer späteren Mit-
teilung (N. Jahrb. f. Min. etc. 1873. 946) wird beigefügt, dass der
betreffende Wismutspat aus einer der Minen in der Nähe der Stadt
Guanajuato im Innern Mexikos stammt.
3) F. A. Genth, Contributions to Mineralogy: Tin , and as-
«ociated Minerals (Contributions from tlie Laboratory of the Uni-
versity of Pennsylvania. No. 24. 1885). Als zinnhaltig wurden Wasch-
proben befunden, welche teils vom Aberfollflusse , 24 km von Oban
in Neusüdwales, teils vom Samflusse, einem der Quellflüsse des Cla-
rencestromes, etwa 32 km von erstgenannter Lokalität entfernt, stam-
men. Das Zinn bildet unregelmässige Einzelkörner, 0,1, selten bis
1 mm gross , und körnige Aggregate. Unter der Lupe zeigen sie
eine unebene Oberfläche, mitunter aber Spuren von Krystallflächen.
Mit Salzsäure behandelt lösen sie sich schnell unter Entwickelung
von Wasserstoff und unter Zurücklassung kleiner Blättchen von Irid-
osmium. „Nicht eine Spur irgend eines anderen Elements ausser
Zinn konnte in der Lösung nachgewiesen werden." Als Begleiter
des Zinns werden übereinstimmend für beide Lokalitäten Platin, Irid-
osmium, Gold, Kupfer, Zinnstein und Korund (besonders in der
Varietät Sapphir) beschrieben.
Ausser diesen Angaben existieren nur noch zwei Arbeiten von
FoRBES, welche sich mit dem Vorkommen des Zinns in Bolivien be-
schäftigen. Durch Herrn Apotheker Clessler in Plieningen auf kleine
Stückchen „Zinn aus Bolivien", welche sich in seiner Sammlung vor-
fanden, aufmerksam gemacht, wurde ich zu der Untersuchung ver-
anlasst, welcher der beiden im obigen unterschiedenen Kategorien,
den zweifelhaften oder den sicheren Vorkommnissen von gediegenem
Zinn wohl die bolivianischen Funde zuzuzählen seien.
' D. Forbes, Researches on the Mineralogy of South America
(The London, Edinburgh and Dublin Philos. Magazine. (4.) 29. 129
und (4.) 30. 142). Längs des ganzen Laufes des Tipuani, eines
Nebenflusses des Mapiri in der Provinz La Paz, Bolivien, sind zahl-
reiche Goldwäschereien, teils in den vom Flusse verlassenen Alt-
wässern, teils im Untergrunde des heutigen Flussbettes, welches man
dadurch blosslegt, dass man die eine Hälfte des Wasserlaufes ab-
294 -
dämmt, um nach Erschöpfung des Detritus die andere Hälfte eben-
falls dnrch Abdämmung trocken zu legen. Forbes hält die Lager-
stätten für die goldreichsten in Südamerika, ja vielleicht der ganzen
Welt, und ihre grosse Lieferfähigkeit wird bewiesen durch die enorm
lange Zeit des Abbaus : haben doch schon vor den Spaniern, welche
dort seit 1581 Gold wuschen, die Lidianer die Fundstellen ausgenützt.
Und wenn heute der Betrieb ein weniger reger ist, so ist dies nicht
auf eine Erschöpfung des Goldvorrates, sondern auf lokale Schwierig-
keiten zurückzuführen, wie sie in der Beschaffung von Arbeitskräften
und von ausgiebig arbeitenden Maschinen begründet sind. Etwas-
oberhalb des am gleichnamigen Flusse gelegenen Dorfes Tipuani
wurde die Wäscherei Playa Gritada einer näheren Untersuchung
unterworfen , nachdem Forbes von befreundeter Seite einige Stück-
chen Zinn als von dort stammend erhalten hatte. Eine Untersuchung
der Waschrückstände in den Waschmaschinen (Lavadero) ergab zu-
nächst das Resultat, dass ein wesentlicher Bruchteil des Rückstandes
von Zinnstein gebildet wurde, einem Mineral, welches bis dahin den
Goldwäschern noch gar nicht bekannt war, oder — richtiger ge-
sagt — als zinnhaltig von ihnen nicht erkannt war. Zur näheren
Untersuchung und zur Abschätzung der relativen Mengen der die
Waschrückstände bildenden Mineralien siebte Forbes zunächst da&
feinste, fast ganz aus Zinnstein bestehende, wie es scheint aber auch
metallisches Zinn enthaltende Material ab. Der gröbere auf dem
Siebe zurückbleibende Teil wog 15 109 Grains (906,5 g) und liess
sich mit folgendem Resultate ^ sortieren :
Fast reiner Zinnstein . . . . 11115 Grains 666,9 g
Roteisenstein in glänzenden Kör-
nern
Roteisenstein in Pseudomorpho
sen nach . Eisenkies .
Schwarzer Turmalin .
Rote Granatkrystalle .
Andalusit (oder Topas?)
Metallisches Zinn .
Unbestimmbare Fragmente
Dabei muss noch hervorgehoben werden , dass 1 069 Grains
(64,1 g) gediegenes Eisen als „offenbar von den bei dem Abbau an-
gewandten Werkzeugen herstammend" zum voraus entfernt wurden,
* Es werden den Forb e s' sehen Originalzahlen der leichteren Vorstellung:
wegen Umrechnungen iii g beigefügt.
1368
82.1
110 „
6,6
214 „
12,8
113 „
6,8
112 „
6,7
1655 „
99,3
422 „
25,3
. . . 20,42
19,71
. . . Spur
0,09
. . . 0,20
0,19
. . . 0,17
Spur
. . . 1,12
0,49
Summe 100,66
100.
— 295 —
Die aufgefundenen Zinnfragmente besitzen sehr verschiedene
Grösse : das grösste wog 505 Grains (30,3 g), während — wie oben
angegeben — sich auch unter dem feinsten durch das engmaschige
Sieb gelaufenen Material Zinnpartikel befanden. Die chemische Unter-
suchung des Zinns (es wurden zwei Analysen ausgeführt) ergab :
Zinn .... 78,75 79,52
Blei .
Kupfer
Eisen .
Arsen .
Unlöslich
Das spezifische Gewicht wurde zu 7,502 bestimmt. Es würde
dies unter Zugrundelegung einer im zweiten Theile dieser Arbeit zu
besprechenden Formel einem Gehalte von 89,1 "^/q Zinn und 10,9*^/0
Blei entsprechen. Da die Beimengung sonstiger Körper ausser Blei
zu gering ist, um etwa zur Erklärung einer Verringerung des spezi-
fischen Gewichts (eine Legierung von 80 ^/^ Zinn und 20^0 Bl^i
müsste ein spezifisches Gewicht von 7,77 besitzen) beigezogen zu
werden, so handelt es sich hier, um einen Widerspruch zwischen
dem Resultate der chemischen und demjenigen der physikalischen
Untersuchung, bei welchem übrigens wohl sicher der chemischen Unter-
suchung ein grösseres Gewicht eingeräumt werden muss, schon weil es
sich um zwei gut miteinander übereinstimmende Analysen handelt.
Noch sei einer Beobachtung Erwähnung gethan, welche Forbes
beim Auflösen machte. Er fand , dass das Zinn sich beim Über-
giessen mit Säure nur langsam löste, ja die Lösung sich selbst nach
stundenlangem Kochen nicht vollkommen vollzogen hatte, dass aber
die Reaktion sehr schnell eintrat, wenn das Zinn vorher bis nahe
zum Schmelzpunkt erhitzt und dann langsam abgekühlt wurde. Leider
ist es mir nicht gelungen, in der mir zugänglichen chemischen Lit-
teratur eine Notiz über die Verhältnisse aufzufinden , unter welchen
das Zinn „passiv'' wird ; es wäre ja dann vielleicht ein Rückschluss
möglich auf die Art der Bildung des bolivianischen Zinns, d. h. auf den
Entscheid, ob ein Kunst- oder ein Naturprodukt vorliegt. Immerhin
bleibt der Widerspruch des Verhaltens des bolivianischen Zinns gegen
dasjenige des austrahschen , sicher als natürliches anzunehmenden,
bemerkenswert: von letzterem betont Genth (siehe oben) ausdrück-
lich die leichte Löslichkeit in Säuren.
- 296 —
FoRBES selbst lässt die Frage , ob im bolivianischen Zinn ein
Natur- oder ein Kunstprodukt anzusprechen ist, offen, nicht als ob
er gar nicht auf eine Diskussion einginge, sondern weil sich nach
ihm beiden Annahmen unhebbare Schwierigkeiten in den Weg stellen.
So liegt nach seinen Auseinandersetzungen zwar der Gedanke nahe,
in den Zinnpartikeln fragmentierte Maschinenteile zu erblicken, umso-
mehr, als die oben erwähnten Eisenteilchen ganz sicher von den
beim Abbau gebrauchten Grabwerkzeugen stammen und weil Teile
der bei der Entwässerung gebrauchten Paternosterwerke aus Zinn
dargestellt sind — aber es spricht gegen diese Auffassung die immer-
hin nicht unbedeutende Menge des Zinns in den Waschrückständen,
sowie der Umstand, dass in dem zu den Maschinenteilen verwandten
Metall ein sehr kostbares, durch den weiten Transport ausserordent-
lich verteuertes Material vorliegt; eine nur einigermassen bedeu-
tendere Abnützung desselben Avürde der Aufmerksamkeit der berg-
männischen Unternehmer nicht entgangen, respektive längst abgestellt
sein. Es haben sich auch — wie Forbes mitteilt — die betreffenden
Männer „lachend" gegen eine solche Auffassung erklärt.
An die Diskussion der Möglichkeit einer natürlichen Ab-
stammung des Zinns knüpft Forbes die weitere Frage an, ob etwa
die Möglichkeit vorliege, dass eine Reduktion des mit dem Zinn vor-
kommenden und erst von ihm als solcher erkannten Zinnsteins das
metallische Zinn geliefert habe. Es könnte nach ihm an Waldbrände,
die etwa durch Blitzschläge entstanden wären, gedacht werden. Aber
auch gegen diese Annahme bestehen gewichtige Einwände : der mit
dem Zinn vorkommende Zinnstein erwies sich vollkommen bleifrei
und nur eine aus Bolivien stammende Probe (von Carabuco) lieferte
einen kleinen, bloss 0,25 7o betragenden Gehalt an Blei.
Unter solchen Umständen musste es im Hinblick auf die Un-
entschiedenheit der Frage nach Herkunft des bolivianischen Zinns
mein höchstes Interesse erregen, dass Herr Apotheker Clessler in
Plieningen in seiner Privatsammlung kleine Stücke besass, welche
die Etikette trugen: „Zinn aus der Mine Iscasivi unterhalb Tipuani.'"
Da Forbes ausdrücklich das gesamte Thal des Tipuaniflusses , ober-
halb und unterhalb des Ortes Tipuani, als mit Goldwäschereien be-
setzt beschreibt und da er ferner einen später noch zu erwähnenden
Fund selbst mit „Tipuani" bezeichnet, so ist wohl nicht an der
Identität zunächst des Fundorts mit dem FoRBEs'schen zu zweifeln.
Auch die Annahme dürfte gestattet sein, dass mit dem Worte „Mine'"
allgemein ein bergmännisches Unternehmen , also hier eine Gold-
— 2ü7 —
Wäscherei, gemeint ist, wie denn Forbes „Minen" aus der Umgegend
von Tipuani nicht angibt.
In den Besitz des Herrn Clessler gelangten die Stücke durch
einen Freund, welcher in Bolivien ansässig ist und gelegentlich eines
Besuches im Vaterlande dieselben neben vielen anderen Mineralien
mitbrachte. An der betreffenden Lokalität ist derselbe aber nicht
selbst gewesen , sondern hat das uns hier beschäftigende Material
aus dritter Hand erhalten.
Die betreffenden beiden Stückchen ^ sind von würfelförmiger
oder richtiger rhomboedrischer Gestalt mit etwas eingesunkenen Flä-
chen , die Kanten des einen Stücks von etwa 6 , die des anderen
von etwa 4 mm Länge. Die Rhomboeder haben nur wenig von 90^
abweichende Winkel, die aber offenbar untereinander different sind,
also sicher einer zufälligen und keiner krystallographischen Ge-
stalt angehören. Messungen wurden deshalb als nutzlos unterlassen.
Bedeckt sind die Körper mit einer weisslichgelben Oxydationshaut;
durch eine kleine Verritzung erhielt man eine dunkle , metallisch
glänzende Oberfläche, durchaus vom Ansehen eines frisch angeschnit-
tenen Stückes Blei. Zwei weitere Stückchen von demselben Aus-
sehen und ungefähr derselben Grösse hatte Herr Clessler früher
der qualitativen Analyse geopfert und Zinn und Blei als Bestand-
teile gefunden. Eine Wiederholung der chemischen Untersuchung
mit dem geringen noch übrigen Material erschien unthunlich, und
die Analyse eines kleinen zapfenförmigen Körpers, welcher mit allen
Anzeichen einer vorausgegangenen Schmelzung vor dem Lötrohre
im gleichen Kästchen lag, lieferte Quecksilber und Silber : der Körper
gehörte also offenbar nicht za den Würfelchen, sondern war Amal-
gam. So blieb nur e i n Weg übrig , der Erkenntnis der Natur der
Stückchen näher zu treten, respektive die Resultate der Clessler-
schen Analyse zu bestätigen: die Bestimmung des spezifischen Ge-
wichts. Dasselbe wurde für den einen Würfel zu 10,27, für den
anderen zu 11,28 gefunden. Beide Werte stehen demjenigen des
Bleis so nahe, dass man schon ohne näheren Vergleich mit den
Dichtigkeiten der Bleizinnlegierungen auf ein fast reines Blei mit
nur wenig Zinn schliessen kann. Um aber einen sicheren Anhalt
' Herr Clessler hatte die Freundlichkeit , die beiden Exemplare an die
Stuttgarter und an die Hohenheimer Sammlung schenkungsweise abzutreten ; sie
befinden sich jetzt beide, da die letztere Sammlung, um das an sich so unbedeu-
tende Material nicht zu zersplittern, auf den Besitz verzichtete, in der Stutt-
garter Sammlung.
— 298 —
über die Beurteilung der prozentlichen Verhältnisse zu haben, wur-
den solche Bleizinnlegierungen dargestellt und ihre spezifischen Ge-
wichte bestimmt (vergl. unten). Es würde sich durch einen Ver-
gleich mit diesen Resultaten für das eine Stück ein Gehalt von
81,9 "/(, Blei und 18,1 '^'q Zinn, für das andere ein solcher von 99,2^io
Blei und 0,8 ^/^ Zinn ergeben. Hierbei ist es gleichgültig, ob die
Differenz der chemischen Zusammensetzung in Wirklichkeit existiert,
oder ob, was wahrscheinlicher sein dürfte, der Grund des Unter-
schieds der spezifischen Gewichte vielmehr in kleinen Hohlräumen
des leichteren Stückes zu suchen ist : jedenfalls liegt kein bleihaltiges
Zinn, sondern ein zinnhaltiges Blei vor. Für dieses Metall
aber den Tipuanifluss als einen neuen Fundort anzunehmen — gegen
eine solche Annahme sprechen selbstverständlich alle Verhältnisse,
und so bleibt nichts übrig als die kleinen würfelförmigen Körper als
Kunst Produkte anzusprechen. Und nahe verwandt mit den nun
in der Stuttgarter Sammlung liegenden Würfelchen scheint mir ein
weiteres Vorkommen zu sein, welches Forbes später, nach Abschluss
seiner Untersuchungen an Ort und Stelle, mit der Bezeichnung „Zwei
Zinnkrystalle aus dem Flusssande von Tipuani" zugesandt erhielt.
Es handelt sich um zwei sechsseitige Prismen, das eine etwas mehr,
das andere etwas weniger als 6 mm im Durchmesser und 5, respek-
tive 8 mm lang. Alle Flächen sind oberflächlich oxydiert, die Seiten-
flächen verhältnismässig gut entwickelt, dagegen die Endflächen „wie
abgebrochen". Auch bei diesen Prismen, welche leider der chemi-
schen Analyse nicht unterworfen wurden , handelt es sich gewiss
nicht um Krystalle, sondern, wie bei unsern „Würfeln" , um zufällige
Gestalten, wie denn vom Zinn (selbstverständlich wurde alle Kenntnis
der krystallographischen Eigenschaften desselben nur durch das Stu-
dium künstlich dargestellten Zinns, nicht des natürlich vorkommen-
den , gewonnen) nur eine quadratische und eine rhombische , aber
keine hexagonale Modifikation bekannt ist.
Wenn man endlich erwägt, dass der gegen ein Fünftel be-
tragende Bleigehalt des von Forbes ausführlich beschriebenen Vor-
kommens ohne jede Analogie unter den unzweifelhaft natürlichen
Vorkommnissen dasteht, insofern von den beiden neueren Funden
die absolute Reinheit des Zinns ausdrücklich hervorgehoben, bei der
ältesten Erwähnung gediegenen Zinns aber nur von Spuren von Blei
gesprochen wird , so kann ungezwungen gefolgert werden , dass es
sich auch bei diesem Vorkommen um kein natürliches Zinn, sondern
um ein Kun stpro dukt handelt. Unterstützt wird diese Annahme
— 299 —
durch die relativ immerhin auffallende Grösse , welche das bolivia-
nische Zinn wenigstens mitunter in einzelnen Exemplaren besitzt :
auch Stücke von dieser Grösse haben unter den echten und sicher
natürlichen Vorkommnissen keine Analogie. So kommt man zu
dem Satze:
„Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das aus Boli-
vien als natürliches beschriebene Zinn apokryph und
als Fundorte des gediegenen Zinns sind nur Sibirien,
Mexiko und Neusüdwales, vielleicht sogar bloss die
beiden letztgenannten festzuhalten!"
Freilich , aus der Entfernung auch nur eine Vermutung aus-
zusprechen, wie das künstliche Zinn und Blei in die Waschapparate
am Tipuani gelangt — das dürfte vermessen sein, nachdem der an
Ort und Stelle mit eingehenden Untersuchungen beschäftigte Ge-
lehrte trotz aller Sorgfalt eine befriedigende Lösung dieser Frage
nicht finden konnte.
II.
W^ie oben erwähnt ist, wurden im Anschluss an die Unter-
suchungen eines aus Bolivia stammenden Bleis Bestimmungen
des spezifischen Gewichts an Legierungen von Zinn
und Blei vorgenommen, um aus ihnen einen Rückschluss auf die
chemische Natur der im ersten Teile dieser Arbeit besprochenen
Körper machen zu können, da zu einer Analyse verfügbares Material
nicht vorhanden war. Diese Bestimmungen wurden in einer über
den nächsten Zweck hinausgehenden Vollständigkeit ausgeführt, in-
dem eine ganze Reihe von Legierungen, teils bleireichen, teils vor-
wiegend Zinn haltenden, zur Untersuchung kam, während doch die
Höhe des spezifischen Gewichts der auf ihren Gehalt an Zinn zu
prüfenden Körper zunächst nur die Darstellung einer oder der an-
deren bleireichen Legierung verlangt hätte. Erhielten dadurch diese
zunächst nebensächlichen Untersuchungen eine gewisse Selbständig-
keit und Abrundung, so sei es auch gestattet, über dieselben in einem
besonderen Kapitel unabhängig von der Schilderung des angeblichen
Vorkommens -gediegenen Zinns zu referieren.
Das Rohmaterial zu der Herstellung der Legierungen wurde
von Th. Schuchardt in Görlitz bezogen, dessen Angabe, dass beide
Metalle „fast rein" seien, durch die chemische Analyse, welche Herr
Dr. Cluss , früher Assistent am chemischen Laboratorium der Aka-
demie Hohenheim. auszuführen die Güte hatte, vollkommen bestätigt
wurde. Auf jeden Fall waren die Spuren der beigemengten Stoffe
— 300 —
viel zu gering, um das spezifische Gewicht der Metalle und ihrer
Legierungen zu beeinflussen.
Aus den beiden Metallen wurden nun Legierungen dargestellt, bei
denen die beiden Metalle annähernd in Gewichtsverhältnissen vertreten
waren, welche in der folgenden Übersicht zusammengestellt sind. Bei-
gefügt sind, gewässermassen als Grenzlegierungen, Blei und Zinn selbst :
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
100 90 80 60 50 40 20 10 0 Gewproz. Blei
0 10 20 40 50 60 80 90 100 „ Zinn.
In praxi konnten diese gewünschten Verhältnisse trotz vor-
sichtigen Abwägens der zu Körnern zerschnittenen Metalle nur an-
nähernd richtig erreicht werden , doch sind die Abweichungen von
den beabsichtigten Mischungszahlen , wäe die unten gegebene Zu-
sammenstellung zeigt, nur unbedeutend. Für jede Legierung wurden
von beiden Metallen zusammen etwa 50 g abgew^ogen und das Le-
gieren selbst möglichst gut dadurch vollzogen, dass man die Körner
der beiden Metalle abwechselnd in den Schmelztiegel einführte, die
Schmelze längere Zeit unter stetem Umrühren flüssig erhielt und
mehrmals zwischen Erstarrenlassen und Wiederverflüssigen abwech-
selte. Aus den so gewonnenen Legierungen wurden je zwei Gussstücke
dargestellt, welche zur Bestimmung des spezifischen Gewichts dienten.
Folgende Werte wurden erhalten :
1. 100 Gewproz Blei, 0 Gewproz. Zinn. Die beiden Guss-
stücke wogen: a) 17,8670 g und b) 22,2095 g.
2. 90 Gewproz. Blei, 10 Gewproz. Zinn (entsprechend 85,1 Vol-
proz. Blei, 14,9 Volproz. Zinn); Gewichtsverhältnis von Zinn zu Blei
wie 1 : 9. Legiert wurden 45,1833 g Blei und 5,0160 g Zinn, hier-
nach auf 90 Teile Blei anstatt 10 Teile Zinn, nur 9,92 Teile. Die
beiden Gusstücke wogen: a) 16,3000 g und b) 18,6525 g.
3. 80 Gewproz. Blei, 20 Gewproz. Zinn (entsprechend 71,8 Vol-
proz. Blei und 28,2 Volproz. Zinn) ; Gewichtsverhältnis von Zinn zu
Blei wie 1 : 4. Legiert wurden 40,2740 g Blei und 10,1240 g Zinn,
demnach auf 80 Teile Blei anstatt 20 Teile Zinn 20,11 Teile. Die
beiden Gussstücke wogen: a) 17,4495 g und b) 17,7980 g.
4. 60 Gewproz. Blei, 40 Gewproz. Zinn (entsprechend 48,8 Vol-
proz. Blei, 51,2 Volproz. Zinn); Gewichtsverhältnis von Zinn zu Blei
wie 2 : 3. Legiert wurden 30,4082 g Blei und 20,1780 Zinn, dem-
nach auf 60 Teile Blei anstatt 40 Teile Zinn nur 39,81 Teile. Die
beiden Gussstücke wogen: a) 18,3840 g und b) 16,2620 g.
5. 50 Gewproz. Blei, 50 Gewproz. Zinn (entsprechend 38,9 Vol-
— 301 —
proz. Blei, 61,1 Volproz. Zinn); gleiche Gewichtsmengen von Blei
und Zinn. Legiert wurden 25,9815 g Blei und 25,5740 g Zinn,
demnach auf 50 Teile Blei nur 49,22 Teile Zinn. Die beiden Guss-
stücke wogen: a) 17,6650 und b) 18,0605 g.
6. 40 Gewproz. Blei, 60 Gewproc. Zinn (entsprechend 29,8 Vol-
proz. Blei, 70,2 Volproz. Zinn) ; Gewichts Verhältnis von Blei zu Zinn
wie 2 : 3. Legiert wurden 20.4092 g Blei und 30,1795 g Zinn, dem-
nach auf 40 Theile Blei anstatt 60 Teile Zinn nur 59,15 Teile. Die
beiden Gussstücke wogen: a) 20,1163 g und b) 21,7400 g.
7. 20 Gewproz. Blei, 80 Gewproz. Zinn (entsprechend 13,7 Vol-
proz. Blei, 86,3 Volproz. Zinn) ; Gewichtsverhältnis von Blei zu Zinn
wie 1 : 4. Legiert wurden 10,2658 g Blei und 40,2170 g Zinn, dem-
nach auf 20 Teile Blei anstatt 80 Teile Zinn nur 78,35 Teile. Die
beiden Gussstücke wogen: a) 22,5490 g und b) 17,7118 g.
8. 10 Gewproz. Blei, 90 Gewproz. Zinn (entsprechend 6,6 Vol-
proz. Blei, 93,4 Gewproz. Zinn) ; Gewichtsverhältnis von Blei zu Zinn
wie 1 : 9. Legiert wurden 5,1200 g Blei und 45,1292 g Zinn, dem-
nach auf 10 Teile Blei anstatt 90 Teile Zinn nur 88,14 Teile. Die
beiden Gussstücke wogen : a) 17,0745 g und b) 19,5223 g.
9. 0 Gewproz. Blei, 100 Gewproz. Zinn. Die beiden Guss-
stücke wogen: a) 23,8555 und b) 15,4110 g.
Die an diesen Proben vorgenommenen Bestimmungen des spezi-
fischen Gewichts ergaben :
1.
2. 3.
4.
5.
6.
7.
Legierung
Gew. in
d. Luft
S
Gew. im
Wasser
g
Volu-
men
com
Spez.
Gew.
unkorr.
Spez. Gew.
korr.
Diffe-
renz
Mit-
tel
1. 100 Pb,
OSn.
. a
17,8670
16,2925 1.5745
11,348 11,30931
0,0079
11,31
b
22,2095
20,2490 ; 1,9605
11,328 ll,;5014f • •
2. 90 Pb,
10 Sn .
. a
16,3000
14,7850 1 1,51.50
10,759 10,7334}
0,0557
10,71
b
18,6525
16,9100 1 1,7425
10,704 10,6777/ ' •
3. 80 Pb,
20Sn .
. a
17,4495
15,7215 1 1,7215
10,136 10,07401
0,0506
10,10
b
17.7980
16,0443 1 1,7537
10,149 10,1 246 (• •
4. 60 Pb,
40 Sn.
. a
18,3840
16,3940 ! 1,9900
9,238
9,21611
9,2194/- •
0,0033
9,22
b
16,2620
14,5023 1,7597
9.241
5. 50 Pb,
50 Sn.
. a
17,6650
15,6700 1,9950
8,855
8,83371
0,0539
8,8»
b
18,0605
16,0335
2,0270
8,910
8,8876/ * •
6. 40 Pb,
60 Sn .
. a
20,1163
17,7435
2,3728
8,478 8,4578 1
0,0176
8,47
b
21,7400
19,1810 2,5590
8,496 8,4754/ " '
7. 20 Pb,
80 Sn .
. a
22,5490
19,6770 2,8720
7,851 7,83291
0,0272
7,82
b
17,7118
15,4480 2,2638
7,824
7,8057/ ■ •
8. 10 Ph,
90 Sn.
. a
17,0745
14,8189 2,2556
7,569
7,5710/
0,0180
7,56
b
19,5223
16,9440 2,5783
7,572 7,55.30/ " •
9. OPb,
100 Sn .
. a
23.8555
20,5610 3,2945
7,241 7,22281
0,0292
7,21
b
15,4120
13,2635
2,1485
7,173
7,1938/ ■ • 1
— 302 —
Die erste Spalte vorstehender Tabelle gibt das direkt gefundene
Gewicht der Körper in der Luft, die zweite dasjenige unter Wasser
(Temperatur IS*'), die dritte das Volumen, die vierte das unkorrigierte
spezifische Gewicht, die fünfte das auf Wasser von 4** und Gewicht
im luftleeren Räume reduzierte spezifische Gewicht, die sechste die
Differenzen, welche sich bei den zwei Körpern gleichen Gehalts er-
geben, die siebente das Mittel aus je zwei Angaben der Spalte Nr. 5.
Diese Mittelwerte sind mit Rücksicht auf die Grösse der Differenzen
(Spalte 6) nur mit zwei Dezimalen verzeichnet.
Die auf diese Weise experimentell gefundenen Werte für die
Dichten einer Skala von Legierungen zwischen Blei und Zinn stim-
men sehr nahe überein mit solchen, welche rechnerisch gewonnen
werden, wenn man besagte Legierungen als aus Blei und Zinn ge-
mengte Körper betrachtet, wobei es gleichgültig ist, ob die Mengung
eine grobe, d. h. die Nebeneinanderlagerung der heterogenen Körper
deutlich zeigende ist, oder eine sehr feine, als deren Feinheitsgrenze
dann eben die Legierung betrachtet werden müsste. Wendet man
nämlich zur Bestimmung der Dichten der untersuchten Legierungen
unter Benutzung der gewonnenen Werte für das spezifische Gewicht
von Blei und Zinn die Formeln
^1 = Vp + V,
oder
D,
D,
V 4- V
an , in welcher D das spezifische Gewicht , P das absolute Gewicht
und V das Volumen bezeichnet, von den Indices aber 1 auf die Legie-
rung, p auf Blei, s auf Zinn zu beziehen ist, so erhält man folgende,
mit den experimentell gefundenen Werten durch Gegenüberstellung
verglichene Zahlen :
Spez. Gew. der Legierung
berechnet
gefunden
1. 100 Pb, OSn
2. 90 Pb, 10 Sn
3. 80 Pb, 20 Sn
4. 60 Pb, 40 Sn
5. 50 Pb, 50 Sn
6. 40 Pb, 60 Sn
7. 20 Pb, 80 Sn
8. 10 Pb, 90 Sn
9. OPb, 100 Sn
11,31
10.70
10,71
10,07
10,10
9,21
9,22
8,82
8,89
8,44
8,47
7,77
7,82
7,49
7,56
—
7,21
I
— 303 -
Eine solche Übereinstimmung des spezifischen Gewichts der
Blei-Zinn-Legierungen mit demjenigen von Mengungskörpern aus Blei
und Zinn konnte nicht von vornherein erwartet werden, sondern ist
vielmehr ein auffallendes Resultat der experimentellen Prüfung. Stel-
len doch die Legierungen für gewöhnlich in ihren physikalischen
Eigenschaften (Schmelzpunkt, Farbe, Leitungsvermögen für Wärme
und Elektrizität, spezifisches Gewicht u. s. w.) keine Mittelwerte^
zwischen den Extremen der legierten Metalle dar, sondern liefern
Abw-eichungen, welche nicht selten über die Grenzwerte selbst, wie
sie in den die Legierung bildenden Metallen gegeben sein sollten,
hinausgehen. Nachdem aber in dem speziellen Falle der Blei-Zinn-
Legierungen eine genügende Übereinstimmung der spezifischen Ge-
wichte der Legierungen mit den rechnerisch auffindbaren Dichten
von Mengungskörpern konstatiert ist, kann die oben gegebene For-
mel benutzt werden, um die Volumina- oder Gewichtsprozente einer
Legierung , deren spezifisches Gewicht bekannt ist , zu berechnen.
Es gelten die Formeln :
^ ' Dp-Ds Dl
P =P ^-^e ^
sowie die Proportionen, einmal für die Volumina :
^ = V, = Di-D,:Dp-Di,
sodann für die Gewichte der beiden in der Legierung vorhandenen
Metalle :
Pp = Ps = Dp(Di-Ds):ßs(Dp-Di).
Von früher schon veröffentlichten Arbeiten über die spezifischen
Gewächte der Legierungen von Blei und Zinn sind mir nur zwei
bekannt : Pillichody's Bestimmungen, welche sich auf die sieben nach
stöchiometrischen Verhältnissen dargestellten Legierungen Pb^ Sn,
PbgSn, Pb2Sn, PbSn, PbSn2, PbSn^, Pb Sn^^ beziehen (Dingler's
Polyt. Journ. 162, 217; Jahresb. f. Chem. 1861, 279; Landolt und
BöRNSTEiN, Tabellen, 113, in der folgenden Tabelle mit „P" bezeich-
net), und Winkler's Zusammenstellung von 11 Wägungen, welcher
die Dichten für 11 , von 10 zu 10 Proz. springende Legierungen
gibt (Chem. Zeit. 1888, Nr. 75; Pharm. Zeit, vom 14. Nov. 1888,
' Nach Regnault's Untersuchungen ist dagegen auch die spezifische
Wärme der Legierung ein Mittelwert zwischen den spezifischen Wärmen
der Komponenten.
304 —
in der Tabelle mit „W" bezeichnet). Alle diese Angaben werden
zum Schluss mit den von mir gefundenen Werten (unten mit „N"
bezeichnet) in einer nach dem steigenden Zinngehalte der Legierung
geordneten Übersicht zusammengestellt und mit den berechneten
Dichten verglichen. Dieser Berechnung wurden für die WiNKLER'schen
Daten die in dessen Zusammenstellung selbst als Grenzwerte aufge-
führten Dichten von Blei und Zinn, für die von Pillichody herrühren-
den aber Werte zu Grunde gelegt, welche in den Tabellen von Landolt
und BöRNSTEiN (unten mit ,,L und B" bezeichnet) als Mittelwerte aus
den besten Beobachtungen angegeben sind.
Blei °!r
Zinn o;
Spezifisches Gewicht
berechnet gefunden
Beobachter
100
100
100
90
90
87,5
84,0
80
80
77,8
70
63,7
60
60
50
50
46,7
40
40
36,9
30,5
30
20
20
10
10
0
0
0
0
0
0
10
10
12,5
16,0
20
20
22,2
30
36,3
40
40
50
50
53,3
60
60
63,1
69,5
70
80
80
90
90
100
100
100
10,767
10,70
10627
10,435
10,226
10,07
10,113
9,739
9,451
9,290
9,21
8,883
8,82
8,751
8,512
8,44
8,403
8,186
8,169
7,853
7,77
7,561
7,49
11,37
11,370
11,31
10,769
10,71
10,596
10,331
10,226
10,10
10,052
9,735
9,433
9,920
9,22
8,886
8,89
8,726
8,512
8,47
8,409
8.235
8,169
7,853
7,82
7,562
7,56
7,29
7,290
7,21
und B
W
N
W
N
P
P
W
N
P
W
P
w
N
W
N
P
W
N-
P
P
W
W
N
W
N
und B
W
N
Hohenheim, den 11. März 1889.
Die Mineralien und Pseudomorphosen des Roseneggs.
Von Prof. Dr, Leuze.
Mit Taf. VI. VII.
Liitteratur.
Merk lein, Prof. Dr.: Beitrag zur Kenntniss der Erdoberfläche von
Schaffhausen. Schaffhausen 1869.
Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. XIX. Lief. Beschreibung der
Kantone St. Gallen , Thurgau und Schaffhausen. II. Teil , von
Dr. Schalch. 1883.
t3 e g 1 e i t w 0 r t e zur geognost. Spezialkarte "Württembergs (Atlasblätter
Tuttlingen, Friedingen, Schwenningen), von Prof. Dr. v. Quenstedt.
A. 1 1 a s b 1 a 1 1 H o h e n t w i e 1 , von Prof. Dr. F r a a s.
Blum: Pseudomorphosen des Mineralreichs mit 4 Nachträgen. Stutt-
gart 1843—1879.
Geolog. Karte der Schweiz. Bl. IV.
I.
Geographische und geognostische Schilderung des Roseneggs.
Für den Geologen und Mineralogen bieten die Stätten vulkani-
scher Thätigkeit ein ganz besonderes Interesse und zwar sowohl
da, wo heute noch die unterirdischen Kräfte zerstören oder auf-
bauen , als auch an den Stellen , wo wir bloss noch als Zeugen
früherer Ausbrüche hohe kegelförmige Berge oder grossartige Tuff-
massen oder Krater antreffen. Die südwestliche Ecke Deutschlands
weist drei solcher ehemaligen vulkanischen Herde auf, einmal die
Basalte der schwäbischen Alb , dann den Kaiserstuhl bei Freiburg
und endlich das Höhgäu. Letzteres hat seit alter Zeit die Auf-
merksamkeit auf sich gezogen und soviel darin bis jetzt gesucht
und gefunden wurde, so darf man doch immer wieder auf neue Ent-
deckungen gefasst sein. Zu solchen neuen Entdeckungen gehören
unzweifelhaft die neuesten Funde am Rosenegg , Funde , die wohl
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 20
— 306 —
auf die geologische Deutung der dortigen Gegend, insbesondere der
Phonolithtuffe nicht ohne Einfluss bleiben dürften.
Nähert man sich von Süden den vulkanischen Bergen des
Höhgäus , etwa vom Schienerberg her , so trifft man als äusserste
Vorposten einige Phonolithtuffe : zuerst bei Bohlingen den Galgen-
berg, bei Worblingen den Hardtberg; bedeutend höher als diese er-
hebt sich bei der Station Arien — Rielasingen auf badischem Gebiete
das Rosenegg. Es steigt zu 550 m aus torfiger Ebene in die
Höhe und zieht sich genau von Ost nach West, im Südwesten liegt
der Hof Hofenacker und im Osten liegen die ersten Häuser von
Rielasingen beinahe am Fusse des Berges. Zieht man vom Rosenegg
eine Linie gegen Norden, so trifft sie den Hohentwiel (691 m) und
den Hohenkrähen (644 m), also liegt das Rosenegg wohl mit diesen
phonolithischen Bergen in einer Eruptionsspalte ; westlich davon geht
so ziemlich in gleicher Richtung eine zweite Bergreihe : Genners-
bohl , Stauten , Mägdeberg mit Schwindel , wiederum Phonolithtuffe
oder — im Mägdeberg und Gennersbohl — Phonolithe. Und wieder
westlich , jenseits der Hilzinger — Weiterdinger Mulde , ziehen sich
ebenfalls von Süden nach Norden die basaltischen Berge wieder in
zwei Reihen , die stärkere Erhebung im Hohenstoffel und Hohen-
höwen 846 m und Höwenegg 777 m und der Zug niedrigerer Hügel
ein wenig östlich von jenen höchsten Bergen des Höhgäus im Grauen
Stein bei Riedheim, Pfaffwiesen , Homboll, Bargen und Hattinger
Bahnhof. Da die Erhebungen bei Worblingen und Bohlingen un-
bedeutend sind — man sieht sie sich nicht erheben über die Ebene
vom Schienerberg aus — so ist das Rosenegg eigentlich der erste
der Höhgäuer Berge, den der Wanderer von Süden her erblickt.
Dasselbe zeigt nicht die steile Kegelform eines Hohentwiels oder
eines Hohenkrähen und deutet schon durch die geringere Steigung
seinen Charakter als den einer Tuffbildung an. Die relative Höhe
beträgt 100 bis 130 m, ziemlich weit zieht sich das angebaute
Land am Berg empor, dann bedeckt den Berg bis zur Höhe ringsum
herrlicher Buchenwald mit vielen ausgesprochenen Kalkpflanzen, wie
Coronilla, Doronicum Pardalianches , Ribes alpinum u. a. Oben
dehnt sich fruchtbares Ackerland . das zum Hof Rosenegg gehört,
der nahe bei der unbedeutenden Ruine liegt. Sofern der Wald oben
Ausblicke gewährt, erblickt man gegen Norden die bekannte Form
des Hohentwiels, im Nordwesten den viel höheren Hohenstoifel, im
Südosten den breiten Schienerberg; gegen Süden zieht sich das
Thal der Biber, die bei Hemmishofen in den Rhein mündet; gegen
— 307 —
Osten fliesst die von Singen her kommende Aach, welche unterhalb
von Bohlingen den Zeller See erreicht. Betritt man das Gebiet des
Phonolithtuffes im Südwesten beim Hof Hofenacker , so trifft man
hier gleich die Stelle , wo der Tuff am besten aufgeschlossen ist
durch einen längst im Betrieb stehenden Bruch. Aus dem massigen
Tuffgestein, das, wie Herr Schenk glaubt, schalige Struktur zeigen
soll, gewinnt man Steine „zu Grund- und Wasserbauten, zu Brunnen;
an der Luft zerfrieren sie rasch und können daher für gewöhnliche
Bauzwecke nur eine beschränkte Verwendung finden ; zu Strassen-
schotter taugen sie gar nichts" \ Die Farbe des frischen Tuffes ist
aschgrau bis grünlichgrau, es ist ein ziemlich homogenes Magma,
das an Krystallen oder Pseudomorphosen nichts bietet. Penk , der
die mikroskopische Untersuchung der Phonolithtuffe vornahm, fand
für sämtliche Tuffe des Höhgäus , dass sie , abgesehen von Ein-
•schlüssen , aus Phonolithfragmenten bestehen , ferner die pisolithi-
schen Kugeln „aus einem filzigen Grundteige von Nephelin und
Sanidin und aus grauen Nadeln eines amphibol- oder pyroxenartigen
Minerals, welchem Gemenge grosse Augite, Hornblendekrystalle und
Biotitschuppen eingelagert sind"-^. Da die unten zu beschreibenden
JVIineralvorkommen an ganz anderer Fundstelle liegen, so wurde von
diesem Tuffe keine mikroskopische Untersuchung von neuem vor-
genommen. Unmittelbar über dem Bruche führt ein Weg in den
Wald, der etwa in | Höhe des Berges gegen Osten durch den Wald
sich hinzieht; hier trifft man ab und zu durch Regen blossgelegte
Stellen, welche sandigen, gelblichen Tuff zeigen, doch ohne inter-
essante Einschlüsse. Steigt man von jenem Wege im Osten des
Berges herunter, so trifft man an mehreren Stellen an der Wald-
grenze Sandsteine der oberen Süsswassermolasse , so dass man die
Überlagerung dieser Molasse durch den Tuff am Rosenegg sehr leicht
beobachten kann ^. Ja man findet zudem im Tuffe auch Süsswasser-
kalke eingeschlossen , allerdings häufig mit Kieselsäure imprägniert,
und Herr Schenk fand sogar eine Vtipa darin, „welche vermutlich
mit der in einem Süsswasserkalke am Höwenegg nördlich von Engen
vorkommenden , von Prof. Sandberger mit Bestimmtheit für Piipa
JS'oerdliiigrnsis Sandb. gehaltenen Spezies identisch ist" *. Es dürfte
darnach keinem Zweifel unterliegen, dass der Tuff des Roseneggs so
s. Schalch, Beiträge S. 111.
Ebenda S. 104.
Vergl. auch Schalch, Beiträge S. 70, 112.
Ebenda S. 108.
20*
— 308 —
gut wie die übrigen gleichartigen Vorkommen des Höhgäus seinem
Alter nach dem Obermiocän angehört. Es sprechen dafür auch die
Pflanzenabdrücke , die an der Südseite des Roseneggs ^ gefunden
wurden. Solche Abdrücke fanden sich ja auch im Tuffe des Hohen-
krähen, sodann „in einigen auf der Nordseite des Galgenberges zer-
streuten, lose herumliegenden Blöcken, deren Anstehendes aber nicht
aufgefunden werden konnte"^; endlich finden sich die vulkanischen
Tuffe beim unteren der weltbekannten Oninger Steinbrüche, wo sie
geradezu den Abraum bilden. Die obengenannte Pupa ist ein ebenso
wichtiges Beweismittel für das Alter der Tuffe wie die Helix geni-
culata Sandb. ^, welche Althaüs zuerst am Mägdeberg , Fraas am
Hohentwiel und Schalch in grösserer Anzahl im Tuff einer Grube
auf der Spitze des Philippsberges bei Weiterdingen nachwies. Nach
dem oben Gesagten ist somit der Ptosenegger Berg vorzüglich ober-
miocäne Bildung, und zwar in seiner Basis neptunischen Ursprungs,,
in seiner Hauptmasse aber vulkanischen Charakters. Dazu kommt
nun als Quartärbildung oben eine glaciale Decke '^j welcher das oben
sich ausdehnende Ackerfeld seine Fruchtbarkeit verdankt; da der
Berg in einer Länge von 2 km sich von Ost nach West ausdehnt,
so ist die oben bebaute Fläche nicht unansehnlich. Sonst fand man
bei der Arbeiterhütte an der unten zu beschreibenden zweiten Fund-
stelle erratischen Schutt blossgelegt, aber in unbedeutender Menge.
Die Hauptmasse bildet denn doch der Tuff, der bei einer Ausdeh-
nung auf 2 km von Ost nach West und von schwach 1 km von
Süd nach Nord nahezu 2 qkm hier bedeckt. Da der Tuff nicht
selten grobe und schwere Auswürflinge einschliesst , so „liegt der
Gedanke nahe", schreibt Dr. Schalch^, „dieselben nicht mit den
6 — 8 km entfernten Phonolithtuflfen in Verbindung zu bringen, viel-
mehr für sie einen eigenen Auswurfsherd in der Nähe vorauszu-
setzen." Diese Ansicht wird durch die Eigenart der neuesten Funde
sehr unterstützt, wie unten gezeigt werden soll. Diese Funde wurden
nun gemacht ebenfalls an der Südseite , und zwar zuerst ganz an
1 Ebenda S. 67.
•^ Schalch, Beiträge S. 70.
^ oder Helix sylvana Klein nach Fraas, a. a. 0. S. 6.
* Nach Fraas liegen auf dem höchsten Punkt des Hohentwiel alpine Ge-
schiebe und Sande, folglich ging der Gletscher über das 140 m niedrigere Rosen-
egg weg und hat dabei diesen vulkanischen Aschenhügel ohne Zweifel bedeutend
abgeschliffen und erniedrigt. Hohentwiel S. 12.
5 Beiträge S. 115. Vergl. Fraas, a. a. 0. S. 5.
— 309 —
der Südostecke (I. Fundstelle) und dann etwa 60 m weiter gegen
Westen hin (IL Fundstelle). Doch ehe dieselben näher beschrieben
werden, ist kurz einiges Geschichtliche beizubringen.
n.
Frühere Beschreibungen des Roseneggs.
Es wäre von Interesse , hier auf die Geschichte der Burg
Eosenegg näher einzugehen, denn sicherlich trug das Rosenegg unter
den 46 Burgen und Schlössern, welche Sebastianüs Munsterüs in
seiner Cosmographia 1541 erwähnt, nicht die kleinste Burg, allein
die vorliegende Beschreibung soll nur naturwissenschaftlichen Zwecken
dienen und in dieser Hinsicht kann sie sich auf keine oder nur un-
bedeutende Vorarbeiten stützen. Wenn DoLomEU noch 1791 vom
Bergmännischen Journal ausgelacht wurde, weil er den Hohentwiel
für einen alten Vulkan erklärte , so kann man sich nicht wundern,
wenn vom Rosenegg bei der Beschreibung der vulkanischen Berge
des Höhgäus eigentlich gar nicht die Rede ist. Dr. Merklein ist
wohl der erste, der 1869 ausführlicher darüber schrieb, und da sein
Gymnasialprogramm nicht in jedermanns Hand ist, so soll hier seine
Beschreibung aufgenommen werden :
„Wir kehren nach Gottmadingen zurück, um einem anderen,
recht interessanten Berge uns zuzuwenden. Schon früher, bei dem
Ausfluge nach dem Schiener Berge, zeigte sich uns bei der Heim-
kehr zur Linken eine gestreckte, ansehnliche Höhe, der Rosenegger
Berg oder Roseneck. Jetzt liegt er uns mit der schmalen Seite zu-
gewendet und zu ihm wollen wir uns aufmachen. Gleich beim Heran-
treten auf der Strasse, welche nach Rielasingen führt, bemerken wir
von weitem eine offene gelbe Stelle am unteren Teile des Berges.
Wir finden einen seit längerer Zeit in Betrieb stehenden Bruch ^,
Das Gestein hat eine andere Beschaffenheit als das bei Gottmadingen
(der Tuff des Heilsberges) bei aller Ähnlichkeit in manchen Stücken.
Der Rosenegger Stein ist fester und nicht schwarzgrau , sondern
grünlichgrau und da, wo er von häufig vorkommenden Klüften aus
der Verwitterung unterlag, gelbbraun. Auf Handbreite mehr oder
weniger erstreckt sich diese Umwandlung des Gesteins in die Tiefe.
Im frischen Steine sowohl als im verwitterten treten häufig einge-
schlossene Teile hervor und hierin besteht die Ähnlichkeit mit dem
etwa eine starke halbe Stunde entfernten Gottmadinger Tuffe ; der
^ Der obengenannte im Südwesten.
— 310 —
Rosenegger ist mit ähnlichen fremdartigen Steinen und Minerahen
durchschwärmt wie jener. Auch grauen, gelben und roten Kalk.
Serpentin (?) und Dolomit fand ich hier eingeschlossen. Man sieht
bisweilen auf einer oder der anderen Kluft oder an einer Wand,,
welche früher eine solche bilden half und die jetzt infolge der Stein-
brucharbeiten bloss liegt, mehr oder weniger dicken Kalksinter ab-
gelagert, der nicht selten klingend hart und fest ist. Im letzten
Herbste fand ich in einem losen Steine unten im Bruche ein Blatt
und ein anderes ging mir auf einem beim Abschlagen weggesprunge-
nen Stücke verloren. Ich bin aber zweifelhaft, ob dieses Stück von
hier war. Es gleicht eher einem Stück der Molasse , wie sie z. B.
bei Arien in einiger Entfernung ansteht. Allerdings waren ähnliche
Steine hier unten noch mehr, doch ohne bemerkbare Blätter. Mög-
lich, dass diese Molasse unten am Fuss des Roseneck ansteht. Am
Bruche ist alles so verstürzt, dass man schwer darüber ins klare
kommen kann, was unter dem Schutte liegen möge. Man lobt den
hier gebrochenen Stein für Grundbauten, zum Ausmauern von Brun-
nen u. dergl. In der Luft soll er leicht zerfrieren , weshalb man
zu Hochbauten, z. B. in Rielasingen, lieber Klingsteine von Hohen-
krähen holt. Da kann man sie hart neben der guten Strasse auf-
laden. Noch an einem anderen Orte, Rielasingen zu und mehr oben
am Berge, findet man einen jetzt verlassenen Bruch, in welchen mich
einmal der damalige Herr Waisenvater Schalch begleitete, und mit
starkem Arm ein Stück sehr eigentümlicher Nagelfluhe aus einem
grossen Steine schlug. Sie zog sich als ein schmales Band quer
durch und bestand aus lauter runden, etwa nussgrossen Graniten,
grauen Kalken u. s. w., welche insgesamt mehr Alpensteinen glichen ^
Die sonstigen Einschlüsse im 0 palt uff, so will ich den Stein des
Berges nennen, sind meistens eckig, wenn auch an den Kanten ge-
rundet. Auch einen schönen Milchopal fand damals (31. Okt. 1850)
Herr Schalch in einem etwas verwitterten Gestein des gleichen Bruches.
Im Sommer 1848 hatte ich schon Hyalit darin gefunden. Bisweilen
(so Jan. 1851) findet man den verlassenen Bruch voll Holz gestürzt,
das darin zu Klaftern aufgeschichtet wird. Auch die Felsen ober
Rielasingen bestehen, wie ich schon früher gefunden, aus demselben
Tuffe , nur ist er da sehr verwittert. Auf der Höhe von Roseneck
liegt ein Hof, dessen Felder die ziemlich grosse, nicht ganz ebene
Fläche bedecken und im oberen Teile lose Alpengesteine und die
' Ohne Zweifel aus dem Geschiebe führende Austernsande, also ein Be-
weismittel für die unten folgende Theorie.
— 311 —
zugehörige Erde zeigen. Das Haus liegt unweit der Ruine. Nahe
an dieser ist ein Brunnen, der bei leichtem Pumpen aus zwei Röhren
viel Wasser gibt, das deutlich, wenn auch nicht stark nach Schwefel-
wasserstoff riecht. Nach langem Pumpen, wenn man den Trog füllt,
soll es milchig aussehen. In einer kleinen Menge bemerkt man fast
keine Trübung. — Die geringen Reste der Ruine stehen auf Opal-
tuff. Man bemerkt noch einen Teil des alten Brunnenschachtes,
dessen eine Seite auf etwa 10' Tiefe weggebrochen wurde , um die
Pumpe und den Trog anbringen zu können. Man kann von der
Strasse zwischen Gottmadingen und Singen die Ruine und den um
sie her gezogenen Wall sehen. Im letzten Herbste hörte ich, dass
man jetzt das Wasser des erwähnten Brunnens nur ausnahmsweise
und selten benütze , weil man immer erst eine Weile das schlechte
Wasser auspumpen müsse, um besseres zu erlangen. Im Fahrweg
abwärts, der einen grossen Bogen macht, steht nicht sehr weit vom
Hofe quer über im Opaltuffe ein Kalkspatgang an. Weiter nach
unten kommt man an einem Röhrenbrunnen vorüber. Der Berg
verflacht sich durch angelagertes alpinisches Material und über sol-
ches führt der Weg auf der nördlichen Seite desselben allmählich
gegen Osten hin abwärts. Wendet man sich wieder Gottmadingen
zu, so erreicht man die dahin führende Chaussee erst nach einiger
Zeit. Ehe man aber zu ihr gelangt und den Vizinalweg von Riela-
singen nach Hilzingen verlässt, der sich der Nordseite des Roseneck
entlang zieht, gewahrt man an letzterem noch einen Bruch. Er
steht wieder im Tuff, wie der zuerst erwähnte und hat sehr ähn-
liches Material."
Soweit Merklein. Ich muss gestehen, dass ich seine Beschrei-
bung vor meinem Besuche des Rosenegges nicht zu Gesicht bekam
und so kann ich über den Schwefelwasserstoffgehalt jenes Hofbrun-
nens ebensowenig eine Mitteilung machen wie über jenen Kalkspat-
gang, dessen Material mit dem unten zu beschreibenden zu vergleichen
von Wert wäre , wenn er überhaupt noch zu Tage steht. Es sei
hier bloss noch angeführt, dass Merklein in seinem Schriftchen die
„Opaltuffe" für Produkte von Schlammvulkanen erklärt: „ich kann
mir die Bildung dieser Gesteine nur dadurch erklären, dass zur Zeit
des Niederschlages der Molasse derselben aus der Tiefe aufsteigende
Massen begegnet sind und mit ihr sich gemengt haben. Mancher
Orten, z. B. bei Wangen, wurde schon abgelagerte Molasse, wie die
Kohlentrümmer beweisen, zerbröckelt und mit eingeschlossen ^"
» Merklein S. 36.
— 312 —
Durch diese aus zuverlässigen Beobachtungen entsprungene
Schilderung Merklein's wurde jedenfalls die Aufmerksamkeit der Geo-
logen auch auf das Rosenegg hingelenkt und so wird dasselbe von
Dr. ScHALCH in den Begleitworten zur geognostischen Karte des Kan-
tons Schaff hausen 1883 auch mehrfach genannt. Schalch nennt,
wie schon oben angegeben ist, den Bruch im Südwesten, die „Opal-
tuffe" Merklein's, die Blattabdrticke am Südabhang, die Überlagerung
der oberen Süsswassermolasse durch den Tuff, „dessen auffallend
sandige Beschaffenheit darauf schliessen lässt, dass die Molasse einen
wesentlichen Teil des sie zusammensetzenden Materiales geliefert
hat^." Schalch hat auch schon Kunde gehabt von den unten zu
besprechenden Pseudomorphosen, er sagt^: „der relativ beträchtliche
Kalkgehalt der Phonolithtuffe hat zur Folge, dass sich auf aufsetzen-
den Klüften überall sinterartige Überzüge von Calcit oft in erheb-
licher Ausdehnung und Mächtigkeit abgesetzt haben. In einem auf
der Südseite des Hohentwiels eröffneten Bruch führen dieselben in
Drusen ausser spitzen, meist durch Eisenoxyd braun gefärbten Kalk-
spatskalenoedern die von Knop beschriebenen Pseudomorphosen von
Calcit nach Aragonit. Anderweitige, bis jetzt noch nicht näher
untersuchte Pseudomorphosen entdeckte Herr B. Schenk in Stein
a. Rhein in den Phonolithtuffen des Rosenegg bei Rielasingen. " Den
ersten Fund machte der genannte fieissige und verständige Sammler
im Jahre 1878, es war eine Pseudomorphose nach Gips an der ersten
Fundstelle nahe bei Rielasingen. Er besuchte die Stelle mehrfach
und konnte Ostern 1885, als der „Oberrheinische geologische Ver-
ein" zu Stein sich versammelte, eine schöne Sammlung jener Funde
den Freunden der Mineralogie vorlegen. Damals versahen sich schon
viele mit den interessanten Stücken, auch führte eine Exkursion über
den Schienerberg die Versammlung an die Tuffe von Oberwald und
über den Herrentisch , der den besten Überblick über die Vulkan-
reihen gestattet, hinab zum Rosenegg an die erste Fundstelle. Frei-
lich auf die Frage, was das ursprüngliche Mineral war, wussten nicht
viele eine Antwort und so gab sich auch der Verfasser mit den Ant-
worten nicht zufrieden. In den Jahresh. für vaterländische Naturk.
in Württ. 1886 veröffentlichte derselbe zuerst seine Ansicht über
die Funde ; seither haben sich aber zu den früheren Formen neue
hinzugesellt, Herr Schenk hat in Ramsen am Fuss des Roseneggs,
wo er jetzt wohnt, eine interessante Originalsammlung zusammen-
' Beiträge S. 70.
2 Ebenda S. 104.
— 313 —
gestellt und fand 1886 die zweite Fundstelle, deren Vorkommen noch
gar nicht beschrieben sind. Es dürfte deswegen sich lohnen, die
Pseudomorphosen und Mineralien dieser beiden Stellen zu beschreiben
und zu vergleichen, namentlich da dieselben neuerdings seltener zu
werden anfangen.
III.
Pseudomorphosen und Mineralien der ersten Fundstelle
im Südosten.
Wenn irgendwo die Bedingungen zur chemischen Umbildung
und Umsetzung von Mineralien, also zur Pseudomorphosenbildung
gegeben sind, so sind es die vulkanischen Tuffe und man musste
sich eigentlich wundern, dass aus dem Höhgäu so wenig davon bis
vor kurzem bekannt wurde. Man kannte eben infolge der näheren
Untersuchung der Phonolithe und ihrer Verwitterungsprodukte die
Natrolithe nach Nephelin vom HohentwieH, Calcit nach Hauyn vom
Hohenkrähen nach v. Fritsch ^ und die oben schon genannten Cal-
cite nach Aragonit vom Hohentwiel nach Knop ^. Diese Anzahl wird
nun bedeutend vermehrt durch die Rosenegger Vorkommen.
Die Stelle, wo Herr Schenk die ersten Funde machte, liegt an
der südöstlichen Ecke des Berges und zwar unmittelbar an der
VValdesgrenze , wo zwischen bebautem Feld und Wald ein schmaler
Streifen von ödem Land sich hinzieht; sie ist etwa 2 — 3 m breit
und höchstens 4 m lang. Der anstehende Tuff hat infolge der Ver-
witterung eine gelbe Farbe und sieht, nachdem er zerfallen, wie
sandiger Lehm aus, doch findet man dazwischen härtere Stücke, die
der Verwitterung widerstehen , teils Kalke , die an die Süsswasser-
kalke der dortigen Gegend erinnern, teils Tuffe, die aber angeschliffen
häufig Schichtung erkennen lassen. Dazwischen liegen Tuffe mit
Kalkspatdrusen, Opale, Glimmerblättchen, Chalcedone, Magnetite in
Körnern und Oktaedern und dann vor allem in grosser Zahl die
Pseudomorphosen, und zwar Kalkspat oder seltener Quarz
nach Gips, Thenardit, Glaube rit, Aragonit und viel-
leicht Anhy d rit.
Da der Erhaltungszustand dieser Umbildungen im allgemeinen
nunmehr der gleiche ist, so können hier allgemeine Bemerkungen
über sämtliche Pseudomorphosen der ersten Fundstelle vorausgeschickt
* Schalch, Beiträge S. 95.
2 Ebenda S. 102.
3 Bericht üb. d. XIII. Vers, des Oberrhein. ^eol. Vereins 1880. S. h.
— 314 —
werden. Die meisten dieser Formen sind hohl, so dass sie ganz
oder nur an den Kanten durchscheinend sind; die Umhühung be-
steht aus ziemlich reinem Kalkspat, oft wasserklar, häufiger indessen
grünlich oder gelblich weiss. Alle diese Formen haben aber mehr
oder weniger die rot-braune Farbe der verwitternden Tuffe ange-
nommen, indem sie von Eisenoxydhydratlösung gefärbt wurden. Nach
innen trat nun Drusenbildung ein , man findet mehr oder weniger
klare Kalkspäte von der Form — ] E. . ccK. Herr Schenk will zum
Teil Flüssigkeitseinschluss beobachtet haben, so dass beim Aufschlagen
der Gipsformen eine Flüssigkeit heraussprang. Die Rinden dieser
hohlen Formen sind indessen oft sehr dünn , sie zeigen dann im
durchfallenden Lichte ein körniges Gefüge ; oft sind sie nicht einmal
ganz geschlossen, sondern löcherig, so dass eigentlich nur ein Skelett
von wenigen Kalkspatrhomboedern bleibt, nach innen Rhomboeder,
nach aussen die Winkel z. B. des Thenardites zeigend. Offenbar hat
man da die Resultate einer Auflösung vor sich, der die Pseudomor-
phosen infolge der Einwirkung der Tagewasser unterworfen wurden.
Viel seltener bildet Quarz die äussere Hülle, aber selten rein, er ist
mit Kalk gemischt, so dass die äusserste Hülle in Säure braust,
nach innen nimmt aber dann Quarz überhand und innen ist dann
die Druse mit zierlichen wasserklaren Bergkrystallen dicht besetzt.
Seltener trifft man die Formen massiv, dann bestehen sie entweder
bloss aus verschieden orientierten Kalkspatkörnern oder schliesst
eine Zone von solchen Kalkspatkörnern innen ein Gemenge scharf
begrenzter Quarzkörner ein ; man sieht auch an manchen Dünn-
schliffen im parallelen Lichte Sphärolithe von schwarzem Kreuze
durchzogen. Von ursprünglicher Substanz wie Gips, Thenardit, Glau-
berit, Aragonit konnte ich nichts finden. Am ehesten könnte es
noch bei der schönen Aragonit-Pseudomorphose der Karlsruher Samm-
lung sein, welche Geh. Hofrat Knop mir zur Verfügung zu stellen
die Freundlichkeit hatte. Diese ist schon nach dem Gewichte zu
schliessen sicher massiv ; da sie aber wegen der Seltenheit des Vor-
kommens und der schönen Ausbildung einzig in ihrer Art ist, so
wird sie wohl nicht so bald quer geschnitten werden ; was ich sonst
an umgewandelten Aragonitformen fand , wird unten beschrieben
werden ; da dieselben drusig sind, eigneten sie sich leider auch nicht
zum Dünnschliff. Es ist überhaupt nach den Beobachtungen, die
ich an einer sehr beträchtlichen Zahl von Pseudomorphosen dieser
Fundstelle machte, die Wahrscheinlichkeit, dass man ursprüngliche
Substanz noch finden wird, eine ziemlich geringe, da die Mehrzahl
— 315 —
der Formen zur Drusenbildung neigt, und es muss diese Beschaffen-
heit der Rosenegger Pseudomorphosen gleich von vornherein als
charakteristisch festgestellt werden. Bei der grossen Masse von
kohlensaurem Kalk und Quarz, welche, wie unten näher ausgeführt
werden soll, in dem dortigen Tuffe sich vorfindet, kann man sich
durchaus nicht wundern , wenn die meisten Pseudomorphosen nun-
mehr aus Kalkspat bestehen , seltener aus Quarz oder aus beiden
Stoffen, letzteres indessen immer in der Weise, dass der Kalkbildung
die Infiltration der Kieselsäure nachfolgte. Es erinnert dieser Vor-
gang an die aufeinander folgenden Generationen von Mineralien in
Drusenräumen oder Ammonitenkammern , worunter man ja auch
Quarz auf Kalkspat findet '.
Was nun die Form der Pseudomorphosen betrifft , so
sei zuerst die des Gipses genannt. Davon findet man nicht selten
Stücke, die noch sehr scharfe Winkel zeigen, so dass keine Zweifel
mehr möglich sind. Bei allen Formen ist 1 : 1 ( — P) (111) zur Säule
ausgezogen (s. Fig. 2), oben setzt sich daran die meistens gekrümmte
Fläche des Hemidomas o (+^Poü) (303), unten das Prisma f :f(ooP)
(110), doch meist stark verkürzt; auf den Seiten fehlt nie der blätte-
rige Bruch p (cx)Poo) (010), letzterer deutet sich auch oben und unten
nicht selten dadurch an, dass die Krystalle parallel dazu aufgeblät-
tert sind, was ich in Fig. 1 andeutete. Selten zeigt sich ausserdem
noch -f P (111). Die Messung der Winkel ergab mit dem Anlege-
goniometer die annähernden Resultate :
f :
f gemessen
zu ca. lOQ*'
statt
111^30'
1:
1
142«
45'
n
143^30'
1:
P
„ 107—108*'
»
108^15'
Ki
ante (1 : 1) : o „
143»
•n
139^29'
0
: c (Achse) „
90—95°
V
87'^
n
: n „
„ 135—136°
n
138*^28'
Dabei darf man nicht ausser acht lassen, dass diese Flächen
zum Teil, so namentlich o, Neigung zur Krümmung zeigen, daher
kann man von den Messungen keine zu grosse Genauigkeit erwarten;
überhaupt geht man bei der Bestimmung der Pseudomorphosenflächen
am sichersten, wenn man, nachdem die Form der ursprünglichen
Materie in der Hauptsache festgestellt ist, unveränderte Krystalle mit
den Pseudomorphosen vergleicht und die Kantenwinkel einvisiert.
^ Vergl. des Verf. Abhandlung über die Versteinerungs- und Vererzungs-
mittel der schwäb. Petrefakten. Diese Jahreshefte 1889.
— 316 —
Hierzu eignen sich im vorliegenden Falle die Gipse unseres Salz-
gebirges ganz vorzüglich, namentlich die schönen von Iselshausen
bei Nagold, die sich von den oben beschriebenen Formen bloss durch
das Hinzutreten von M (coPoo) (100) und coP2 (120) unterscheiden.
Was nun die einzelnen Flächen betrifft, so fehlt der blätte-
rige Bruch p an keinem Stücke; die Flächen 1 sind meist ungleich
entwickelt, ja die eine davon kann ganz fehlen, wie das Fig. 1 zei-
gen soll, oft trifft man Stücke von trapezförmigem Querschnitt Fig. 12
nur gebildet aus p und einem 1, oben und unten beliebig abgerissen
oder vielleicht auf der einen Seite mit o ; ich habe das gleiche Stück
neuestens vom Salzgebirge bekommen , legt man darauf eine jener
Pseudomorphosen, so fallen die Flächen vollständig zusammen. Auf
dem Hauptblätterbruch p erheben sich häufig tafelige Aufsätze s. Fig. 1.
Die Säule f ist nie stark entwickelt , dagegen zeigt sich das Hemi-
doma o sehr häufig und lang ausgezogen. Die hintere Pyramide n
ist nicht häufig und die Formen, welche sie zeigen, dürfen nicht
verwechselt werden mit Thenarditformen , die in der vorderen Pol-
kante auch 135" haben (n : n = 138° 32').
Die Grösse der Krystalle ist zum Teil sehr beträchthch,
man findet sie bis 10 cm lang, 2 — 3 cm dick und 3^ — 4 cm breit,
aber auch wieder klein und zierlich , darunter manche gekrümmt,
wie man die Gipse auch im Gebirge findet. Die häufigsten Typen sind:
1) — P . odP . cjoPoo . -|-^Pco s. Fig. 2 nach — P in die Länge
gezogen ;
2) — P . -j-P . ccPcü . cx>P, letzteres Prisma nur schwach ent-
wickelt s. Fig. 3, selten gefunden ;
3) die trapezförmigen Prismen mit 1 und p s. oben ;
4) dieselben Prismen, aber mit o und f, alles nur hälftig, s. Fig. 1 ;
5) spiessige Krystalle mit einem 1 , o und p (s. Fig. 4) , diese
Formen sind leicht zu verwechseln mit Thenarditen von der Form
Fig. 8.
Man findet in dem Tuffe nun auch ganze Krystallgruppen, die
Säulen (1 : 1) stehen beliebig schief gegeneinander, der ganze Kom-
plex ist hohl und innen mit Kalkspäten besetzt. Häufig ist der
Winkel f : f oder 1:1 zu messen, sie endigen mit gekrümmten Flä-
chen und erinnern sehr lebhaft an Gruppen aus dem Salzgebirge.
Endlich ist noch des Zwillinges (s. Fig. 5) zu gedenken. Ich
nahm früher ^ zweierlei Arten an ; nachdem mir aber mehr Material
1 s. diese Jahreshefte 1886, S. 67.
— 317 —
durch die Hände gegangen , möchte ich die Form , die ich dort in
Fig. 2 abbildete, eher als Thenarditzwilling deuten, wovon unten die
Rede sein wird. Kein Zweifel kann aber bestehen über die ZwilHngs-
bildung nach ooPoo, dem Orthopinakoid (100) ; die 2 Individuen haben
f zur rhombischen Säule, vorne abgestumpft durch p, oben im Ein-
schnitt die Hemipyramide 1 in eine abgerundete Fläche, wahrschein-
Hch o auslaufend; unten liegen die parallelen Flächen. Also die
Zwillinge des Salzgebirges , aber nicht in Drusen , sondern um und
um ausgebildet, wie er in der allerschönsten Ausbildung im hiesigen
Naturalienkabinett liegt. Es deuten sich daran auch die faserigen
Brüche T mit ihren 132^28' an. Einmal fand sich darunter auch
ein Stück mit vollständiger Durchwachsung (Schenk, Originalsamm-
lung No. 37) , so dass an den Seitenkanten von f rechts und links
einspringende Winkel sich zeigen. Ich fand früher einen solchen
Penetrationszwilling im Braunen Jura bei Owen und wenn man den-
selben neben die Pseudomorphose legt, so kann kaum ein Zweifel
bestehen ; bei beiden tritt oben in dem einspringenden Winkel nur
eine Fläche 1 auf und das eine f tritt von p verdrängt zurück.
Ein besonderes Interesse verdienen die Formen des Thenar-
dites; denn Pseudomorphosen nach Gips wurden sonst schon ge-
funden, man denke nur an die bekannten vom Montmartre bei Paris.
Blum schreibt darüber^: „Die linsenförmigen Krystalle behalten ihre
Form bei, aber die Flächen erscheinen rauh und uneben und sind
hie und da durchlöchert. Das Innere derselben ist nicht ganz er-
füllt , es zeigt sich meistens hohl , wohl eine Folge des grösseren
Verlustes als Aufnahme von Bestandteilen, und die Wandungen sind
mit lauter spitzen Rhomboedern besetzt, die sich dicht aneinander
gereiht zeigen und eine stengelige Zusammensetzung der Rinde der
Krystalle hervorrufen. Aussen sind sie matt und bräunlich gelb,
innen glänzend und lichter gefärbt. Auch trifft man zuweilen An-
häufungen von Kalkspatkrystallen mitten im Innern der Pseudomor-
phosen oder es finden sich nierenförmige Massen von Chalcedon oder
Quarz." Sodann Quarz nach Gips ebenfalls nach Blum ^: „zu Passy
bei Paris finden sich in einem Süsswassermergel Krystallgruppen ganz
aus Quarz bestehend , deren Formen dem Gipsspat angehörten. Es
sind die linsenförmigen Krystalle, die so oft bei letzterem Mineral
zusammengehäuft erscheinen und in Mergeln und Thonen gefunden
werden ; dort aber hat der Quarz den Gips verdrängt und dessen
^ Pseudomorphosen S. 50.
^ Pseudomorphosen S. 231.
— 318 —
Form beibehalten. Die gelblichen oder bräunlichen Krystalle ....
zeigen sich entweder ganz erfüllt mit dichter, manchmal etwas kör-
niger Quarzmasse oder hohl, besonders da, wo die Individuen dicker
werden , und die Wandungen sind dann rauh , wie zerfressen , oder
mit weissem, nierenförmigem Chalcedon überzogen." Sonst wäre
noch der dünnen Linsen von Quarz zu gedenken, die bei Gerhausen
gefunden wurden und im Naturalienkabinett liegen und die . ohne
Zweifel die Form von Gips zeigen, etwa — P (111) in Kombination
mit einem Hemidoma ; dieselben sind rauh und matt und erinnern
durch Form und Beschaffenheit an diejenigen von Passy. Man sieht
bald , dass unsere Rosenegger Pseudomorphosen weder mit denen
vom Montmartre noch mit denen von Passy übereinstimmen, denn
die Rosenegger sind im allgemeinen glatt und ebenflächig und von
anderer Form. Aber Thenarditpseudomorphosen sind bis jetzt nicht
gefunden, darum wurden wohl auch die Formen so lange nicht er-
kannt. Die häufigste Form ist die von anscheinend rhombischen
Pyramiden, mehr oder weniger verzogen und in den Randkanten un-
gleich gut erhalten. Man denkt zunächst an Gipslinsen, allein die
Kanten, die nach der Mitte konvergieren, sind meistens scharf und
gut erhalten und stimmen nicht mit Gips, weder für die Kombination
ooP . — P noch für -f-P • — P (Fig. 13). Ausserdem führt die Betrach-
tung der Formen ganz entschieden zu Formen des rhombischen Sy-
stems und die Winkel stimmen in der That mit Thenardit (Fig. 6).
Die Hauptfläche ist die Pyramide P (111), daran ist die Mittelkante
ganz gewöhnlich durch die Säule n (ooP, 110) abgestumpft. Rechts
und links fehlt beinahe nie das Brachypinakoid ccPoo (010). Oben
zeigt sich, wiewohl nicht häufig, eine Zuschärfung durch eine stum-
pfere Pyramide, wohl o = ^P (113). An 2 Stücken glaube ich die
Basis OP (001) beobachtet zu haben. Die Winkelmessungen ergaben
mit dem Anlegegoniometer :
p
P stumpfe Polkante
132-
-134"
statt
ISbHV
.p
P spitzige ,,
7P
«
740 18'
p
P Mittelkante
124"
))
123° 43'
n
n vorne an a
130°
rj
129°21'
P
0
143°
n
150° 4'
Die Flächen von 0 sind schmal und schlecht erhalten.
Nachdem die Thenarditform festgestellt war, verglich ich die
südamerikanischen aus dem Chilisalpeter von Atakama, welche Prof.
Dr. Kloos mir zur Verfügung zu stellen die Freundlichkeit hatte,
— 319 —
und darnach waren alle Zweifel gehoben. Der Habitus der Formen
ist nun folgender:
1) Am häufigsten die oben genannten und gezeichneten Pyra-
miden von rhombischem oder , wenn verzogen , oblongem Umriss,
entweder nur P oder mit Andeutung von ooP ;
2) abgeblätterte Stücke von der Form, wie sie Fig. 8 zeigt,
P . ooPoo . ooP. Alles spricht dafür, dass eben die Längsfläche ooPc»
die Spaltfläche ist, man triff't sie als Abstumpfung gar häufig und
es haben ja auch Bärwald * und Rammelsberg dieselbe an frischen
Thenarditen aufgefunden, letzterer ausserdem P, welche Fläche schon
F. A. Römer nannte. Man muss sich hüten, dass man diese durch
Rhomben abgeschnittene Pyramiden (Fig. 14) nicht mit den oben ge-
nannten spiessigen Gipsen verwechselt, s. Fig. 4.
3) Gut erhaltene Exemplare mit P . coP . ooPoo . |P sind selten
(Fig. 6).
4) Häufig trifft man Gruppen von parallel gestellten Individuen
von Fig. 15, auf den ersten Blick denkt man an Zwillingsbildung,
allein die Flächen liegen alle parallel; es könnte sein, dass durch
diese Bildung die Spaltung nach P sich andeutet. Wiederholt sich
diese Parallelstellung sehr nahe, so entstehen an Stelle der Polkanten
feine Rinnen (Schenk, Originalsammlung No. 32).
5) Die Form P . ooPoo mit der Endfläche OP fand ich nur zwei-
mal, ich finde diese Fläche sonst in der Litteratur nicht angegeben,
sie zeigt sich aber an diesen Pseudomorphosen ganz deutlich.
Was Bedenken erwecken könnte, das ist die Grösse der Kry-
stalle. Für gewöhnhch sind sie ja klein, b = 2 cm, c = 1,5 cm;
nun aber finden sich Stücke 5 cm breit und 4 cm hoch , ja 7 und
8 cm breit, dieselben zeigen aber mehr oder weniger deutlich die
Winkel und die Form des Thenardites. Indessen hat schon F. A. Rö-
mer die c-Achse an bolivianischen zu 3,5 cm gemessen '^, so käme
auf b etwa 4,4 cm. Nach dieser Entwickelung wäre das Rosenegg
ein Fundort der grössten Thenardite und der flächenreichsten, aber
freilich nur in Afterkrystallen. Ebenso könnte man von da am ehe-
sten die Thenarditzwillinge sich verschaffen. Ich habe schon
oben diese Formen genannt und erwähnt, dass ich sie früher mit
Gips in Verbindung brachte. Der grössere Vorrat, der mir nun durch
1 N. Jahrb. f. Mineralogie etc. 1882. IL 19.
2 N. Jahrb. f. Mineralogie etc. 1863. 566.
— 320 —
die Hand ging, belehrte mich eines anderen. Am besten erklärt man
sich die Form, wenn man von den Pyramiden Fig. 16 ausgeht; legt
man dieselben mit der Mittelkante zusammen, so dass sie die da-
durch geführte Fläche der Säule ooP gemein haben, so hat man die
Zwillingsstellung. Davon leitet sich nun durch Überwachsen der
inneren Pyramidenflächen das Prisma Fig. 17 ab von 123*^43' in der
stumpfen und 56^17' in der spitzen, dem Beschauer zugekehrten
Kante , oben ein einspringender Winkel der beiden n und n' von
101° 18', unten der gleiche, aber ausspringende Winkel. Dadurch
entsteht eine Schwalbenschwanzform , die an Gipse erinnert. Dazu
treten dann die anderen Flächen : die Kante von 56" wird durch ^P
zugeschärft, so dass eine stumpfe Kante von 11 6^*8' an deren Stelle
tritt; die oben rechts und links vorspringenden „Schwänze" werden
durch das Brachypinakoid ooPoo abgestumpft. Dabei kann vollständige
Penetration eintreten, so dass die Fläche n von links auf der Kante
rechts wieder hervortritt. So stellt die Abbildung Fig. 7 eine der-
artige Penetration vor zweier Individuen von der Kombination :
P . I^P . oüPoo . oüP. Häufig treten dazu dann noch über n in dem
einspringenden Winkel die Flächen von P, so dass recht flächen-
reiche Formen entstehen. Die Winkel wurden gemessen zu:
n : n' im Schwalbenschwanz 97" statt lOmS'
n
:b
113"
115" 19' 30
n'
: P' und n
P
152-153"
151"51'
P'
o'
149—150"
150" 4'
o'
: 0
115" 30' „
116" 8'
P'
P
55" 30' „
56" 17'
Man würde nun sehr irren , wollte man glauben , diese Zwil-
linge seien alle gleich flächenreich und gleich scharfkantig entwickelt;
vielmehr gibt es auch hier wieder mancherlei Typen. Es seien hier
dieselben aufgezählt:
1) einfache rhombische Säule von 56", oben die beiden Indivi-
duen undeutlich geschieden ;
2) die gleiche rhombische Säule , oben der Schwalbenschwanz
n : n' mit einspringendem Winkel;
3) wie vorhin, es zeigen sich aber im einspringenden Winkel
ausser n die Pyramidenflächen;
4) es tritt zu der eben genannten Form noch ooPoo;
5) es kommt Penetration dazu, wovon Herr Schenk das schönste
Stück hat (Originalsammlung No. 36).
— 321 —
6) Man hat die rhombischen Pyramiden von der Form der Fig. 8
und auf der grösseren Längsfläche b findet sich ein Einschnitt pa-
rallel zu einer Prismenfläche cc^ vor und rechts und links von die-
sem Spalt erheben sich Pyramiden nach verschiedener Seite.
Sicherlich gehören diese Zwillinge zum Interessantesten , was
das Rosenegg bietet. Zum Schluss sei bezüglich der Thenardite noch
bemerkt, dass man auch wohl erhaltene Gruppen davon findet von
beliebig orientierten Krystallen; endlich zeigen einige Stücke Ver-
tiefungen mit Fortifikationsstreifen , offenbar Stellen , nach welchen
eng gedrängte Krystalle miteinander verwachsen waren und deren
Form sich auch im Kalk erhielt.
Die Glauberitf orm ist leicht zu erkennen gewesen, die For-
men sind zum Teil sehr gut erhalten und nicht zu verkennen. Man
hat (s. Fig. 9) die monoklinen Prismen M mit Schiefendfläche P; die
Kombinationskante M : P ist durch die vordere Pyramide — P (111)
weggeschnitten, doch sind, was für dieses Mineral ja charakteristisch
ist, diese beiden Flächen f rechts und links meist ungleich stark
entwickelt ; nicht häufig ist die vordere und hintere Kante der Säule
ooP durch das Orthopinakoid c5oPcü (100) abgestumpft, so dass man
die Kombinationen hat:
1) ocP.— P.OP,
2) ooP.— P.OP.coPco.
Man hätte darnach höchstens noch an Eisenvitriol denken kön-
nen, allein dieses Mineral findet sich denn doch in der Natur selten
deutlich krystallisiert und dann stimmen die Winkel und die ganze
Form doch wenig oder nicht damit. Die Messungen mit' dem An-
legegoniometer ergaben, vergl. mit denen von Westeregeln nach
Zepharovich : .
cxjP
M : M
84" statt 83« 2'
— P
f :f
lir „ 1160 20'
OP :
ooP
102° „ 1040 29'
OP:
— p
1410 „ I4703I'
Dabei ist zu beachten, dass die Endfläche häufig eingesunken
ist; auch stechen aus ihr häufig kleinere Glauberite heraus. Dass
dieselbe die Spaltrichtung ist, lässt sich an manchen Krystallen
deutlich erkennen. Auch die anderen Flächen scheinen zum Teil
eingesunken, so dass die Kry.stallkanten weit und spitzig vorspringen,
doch ist auch bei diesen undeutlicheren Formen eine Verwechselung
mit den Gipsen kaum möglich. Die Krystalle sind klein, die Dia-
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde iu Wiirtt. 1889. 21
— 322 —
gonale von OP misst 4 mm bis 2 und 2,5 cm, sie sind tafelig nach
OP und erreichen die Höhe von 3 mm bis 14 mm. Man findet die
Krystalle meist lose im zerfallenden Tuffe; man findet aber auch
einen bläulichen, kieselharten Tuff, der nicht zerfällt, in welchem
zahlreiche Höhlungen von der Form dieser Grlauberite sich vor-
finden, so dass man die Krystalle in die Formen einlegen kann. Nun
sind diese Hohlräume häufig mit winzigen Bergkryställchen besetzt.
Es muss hervorgehoben werden, dass man nie in diesem Gesteine
die hohlen Formen von Gips oder Thenardit findet. Diese Pseudo-
morphosen nach Gips und Thenardit liegen meistens in weicheren
Tuffen, mit denen man sie ab und zu noch zusammengebacken mit
nach Haus bringt. Eine hohle Form von Thenardit fand ich im
Pechopal , dieselbe liegt in Kalkspat verwandelt in der Opalmasse ;
die stumpfen Calcitrhomboeder, welche die Innenwand bedeckten,
wurden aber von bläulichem Chalcedon übersintert. Die äussere
Rinde besteht zum Teil aus Opalmasse. Diese Umbildung in Kalk-
spat war schon vor sich gegangen, als die umgewandelte Form von
Opalmasse eingeschlossen wurde. Der Chalcedon hat sich wie in
anderen Hohlräumen des Opals, so auch in der hohlen Krystallform
des Glauberits ausgeschieden.
An der gleichen Fundstelle fanden sich, wiewohl sehr selten,
Pseudomorphosen nach Aragonit, worauf zuerst Herr Geh.
Hofrat Knop aufmerksam machte. Er schreibt^: „in einer Zusendung
von Herrn Schenk fand ich eine wohlgebildete Paramorphose von
Kalkspat nach Aragonit; eine Gruppe von 2 Krystallen von 3 cm
Länge und 2 cm Querdurchmesser (Nebenachse).
Dieses Vorkommen scheint in Beziehung auf die Kenntnisse
der Verhältnisse am Rosenegg neu zu sein. Eine etwaige Ver-
wechselung mit ähnlichen Vorkommen im Phonolithtuff am südlichen
Abhänge des Hohentwiel war nicht zu befürchten. Ergibt doch
eine Vergleichung beider Vorkommnisse , dass die körnige Struktur
der Paramorphosen vom Rosenegg dieselbe war, wie bei den übrigen
Pseudomorphosen von daher, dass ferner die Oberfläche derselben
glatt war, wenn auch nicht spiegelnd, mit deutlicher Markierung der
Zwillingsnähte der scheinbar hexagonalen Krystalle auf den Prismen-
flächen, während diejenigen, welche früher am Hohentwiel gefunden
wurden, von drusiger Beschaffenheit sind und auf den Kanten deutliche
Calcitrhomboeder von der Form — 2R erkennen lassen." Herr Schenk
* Bericht der XIX. Vers, des Oberrhein, geol. Vereins S. 7.
— 323 —
fand ausserdem, wie er sagt, nur einmal noch dieselbe Form. Ich
selbst fand unter den vielen Rosenegger Pseudomorphosen nur 3 Stücke
dieser Form: daraus ist zu erkennen, dass diese Pseudomorphosen
sehr selten sind. Dass das Karlsruher Stück von der ersten Fund-
stelle am Rosenegg stammt , darüber kann allerdings kein Zweifel
bestehen, die Farbe, sowie die ausfüllende Masse des körnigen Kalkes
sind ganz die gleichen wie bei den übrigen Stücken. Ich möchte
darum zu den Resultaten, die oben schon angegeben sind, nur
•weniges noch hinzufügen. Die Gruppe besteht aus 2 Säulen in
Parallelstellung, beide sechsseitig, die längere, schmälere I ist 2,4 cm
lang, 1,5 dick, die kürzere, breitere II 2,2 cm lang, 2 dick. Beide
zeigen auf den Säulen, deren Winkel unten angegeben werden sollen,
neben der Geradendfläche noch das auf die spitzige Prismenkante
aufgesetzte Paar Poo (011) und die Pyramide P (111), letztere tritt
an I einmal, an II zweimal auf. Die Messungen sind :
oüP : Pcx> 125^30' statt 125°47'
Pco:OP 143° „ 144013'
cx)P : P ca. 140° „ 143^36'
■dabei ist OP uneben. Also hätte man die Kombination: ooP . ooPoo .
OP . P . Poo.
Nun aber stellt die sechsseitige Säule nach dem Ergebnis der
"Winkelmessung einen polysynthetischen Vielling vor, der freilich aus
den Umfangs winkeln allein ohne Berücksichtigung des Dünnschliffes
— falls im Innern noch unveränderte Aragonitmasse angetroffen
würde — kaum richtig gedeutet werden kann , zumal da auch die
Winkel, wie das in der Natur der Pseudomorphose liegt, nicht eben
sehr scharf sind. Ich gebe aber doch in den Figuren 18 — 21 die
Winkel an, die sich ergaben, und füge den Versuch einer Deutung
hinzu (Strecken zweimal vergrössert. Messung Fig. 18 und 20,
Deutung Fig. 19, 21).
In welche Sammlung der zweite schöne Aragonit wanderte,
konnte Herr Schenk nicht mehr angeben ; in Schaffhausen liegt er
jedenfalls nicht. Eine zweite Form des Aragonites fand ich in einer
Sendung von Herrn Schenk, die besonders interessant ist; dieselbe
ist vollständig hohl und auf einer Seite und teilweise unten auf-
gerissen; die Wandung besteht aus Kalkspat, der durchscheinend
ist; innen sitzen die schon oft genannten flachen Rhomboeder. Es
ist eine sechsseitige Säule mit den Winkeln (s. Fig. 22) : oben zeigt
sich wieder Poo und wahrscheinlich die Brachypyramide 2P2 (121) s.
21*
— 324 —
2P2 : Fco gemessen 137"— 138« statt 140« 33^22''
Poü:ooPoo „ 125" 30' „ 125" 47'.
Unten ist die Form leider verdrückt und aufgerissen. Trotz
dieser mangelhaften Beschaffenheit spricht doch die Form deutlich
für Aragonit und die hohle Form beweist , dass keineswegs bloss
eine Paramorphose vor sich ging. Ich habe an anderer Stelle'-
schon Zweifel darüber ausgesprochen, ob bei allen Pseudomorphosen
von Kalkspat nach Aragonit Paramorphosen vorliegen ; wenn irgend
eine Erscheinung in diesem Zweifel bestärken kann , so sind es die
hohlen Formen, die man findet, so die von Schemnitz und die spiessigen
von Burgheim bei Lahr\ Hier wurde sicherlich die Aragonitmasse
durch Lösung entfernt und ihre äussere Form durch Kalkspat, der
sich an die Stelle setzte, erhalten. Es ist übrigens an der äussersten
Rinde meistens neben Kalkspat Eisenocker zu bemerken, so in Burg-
heim und auch am Rosenegg. Ausser der oben beschriebenen hohlen
Form fand ich noch 2 Stücke, die wenn auch weniger deutlich auf
Aragonit deuten; das eine Bruchstück ergab wieder in der Säule
zweimal 116", das andere zeigte eine nicht zu messende sechsseitige
Säule. Das schöne Stück der Karlsruher - Sammlung scheint um
und um krystallisiert gewesen zu sein, wie das zweite beschriebene
Stück.
An anderer Stelle des Roseneggs nämlich im Südwesten beim
Hof Hofenacker fand Herr Schenk eine gelblichweisse Kalksinter-
bildung, die auf den ersten Blick kugehg traubig erscheint. Leider
sind die grössten Zapfen oder, wenn man will, Stalaktiten ab-
geschlagen ; der Querschnitt zeigt aber bei näherer Betrachtung
polygonale Ausbildung z. B. ein Fünfeck. Das Innere ist drusig
hohl, dann kommen mehrere Ringe von weissem Kalksinter — ob
dazwischen noch Aragonit liegt? — zu äusserst ist der körnige Kalk
von hell glänzenden Bergkryställchen überzogen. Die ganze Form
erinnert nach der inneren Struktur sehr an die Pseudomorphosen
von Kalkspat nach Aragonit vom Südabhang des Hohentwiels, nur
fehlt jenen Stücken die Hülle der Bergkryställchen. Ich glaube sicher^
dass auch diesen Stücken von Hofenacker Aragonite zu Grunde
liegen. Ein Schliff, der darüber aufklären könnte, wurde nicht aus-
geführt, weil nur ein Stück, zudem ein verletztes, gefunden wurde.
J^ine Form aus demselben Material bestehend wie die Formen
* Bericht über die XXI. Vers, des Oberrh, geol. Vereins S. 29.
— 325 —
von Gips, Thenardit, Glauberit, Aragonit, ebenfalls von der ersten
Fundstelle stammend, möchte ich am ehesten auf Anhydrit, zurück-
führen (s. Fig. 11) , es ist ein mehrseitiges Prisma 1 cm hoch,
1 cm breit und 2 cm lang, das rhombischen Charakters ist. Die
rhombische Säule s ooP (110) trifft den ersten Blätterbruch T ooPcx)
(010) unter einem Winkel von 134*' statt 134*^58', wenn man den
Winkel der rhombischen Säule zu 90'' 4' nach Hessenberg rechnet.
Vorne ist die stumpfe Kante durch M coPco (100) abgestumpft.
Oben liegt die Basis OP (001), darnach hätte man:
ooP . ccpcx) . ooPcx) . OP.
Das Stück gestattet mit dem Anlegegoniometer ziemlich genaue
Messung, ist übrigens einzig in seiner Art, soviel ich bis jetzt sagen
kann. Die Spaltungsrichtung nach der Längsfläclie ist deutlich
wahrzunehmen. Nachdem das eine erkannt ist, dürften sich auch
noch mehr finden, welche die Erklärung bestätigen dürften. Ich
habe bloss noch undeutliche Formen gefunden, die ich eben dahin
stellen möchte.
Überhaupt finden sich ausser den genannten mehr oder weniger
leicht zu enträtselnden Gebilden noch undeutliche Formen vor,
die schwer zu bestimmen sein dürften, hinter denen aber noch
manche andere Mineralspezies sich verstecken könnte. Ich habe
darüber bis jetzt nur Vermutungen, die ich aber noch durch weitere
Funde bestätigt wissen möchte. Ich rechne zu diesen zweifelhaften
Formen auch noch gewisse Zwillinge, oder, wie es scheint, Vierlinge,
die auch noch der Deutung harren. Die Hauptsache ist, dass an
Ort und Stelle ein Mann wohnt, der mit dem richtigen Auge grossen
Fleiss verbindet.
Zu obigen Pseudomorphosen treten nun noch Perimorp hosen
von Chalcedon nach Kalkspat. Man kennt schon von Island
Opal nach — |R des Kalkspates^. An unserer Stelle am Rosenegg
findet man nun hauptsächlich Übersinterungen der Quarze und Kalk-
späte ( — |R) durch bläulichen Chalcedon, welche also keine Pseudo-
morphosen sind. Ist die Chalcedonrinde dünn auf Bergkrystall , so
verleiht sie dem Mineral einen bläulich violetten Schimmer und das
dürften die „Amethyste vom Hohentwiel" gewesen sein, welche
Dr. ScHALCH^ in Lehrbüchern angegeben fand- Zum Teil ist aber
' Blum, Pseudomorphosen II, 98.
* Schale h, Beiträge 105.
— 326 —
der eingeschlossene Kalkspat durch die Wasser fortgeführt und dann
hat man richtige Perimorphosen vor sich. Manchmal tritt an Stelle
des Chalcedon wasserklarer, traubiger Hyalit, doch muss man sich
immer wieder durch Kochen in Kalilauge überzeugen, ob es wirklich
Hyalit ist und nicht Chalcedon.
Dies führt uns zu den unveränderten Mineralien, welche
die oben genannten Pseudomorphosen begleiten. Dieselben sind
Kalkspat in verschiedenen Arten, Magnetit, Aragonit,.
Schwerspat in drei verschiedenen Vorkommen, Sphen,,
Quarz, B ergkrystal 1, Chalcedon, Plasma, Opal, Hyalit,.
schwarzer Glimmer zum Teil in Voigtit verwandelt.
Den Kalkspat findet man in verschiedenen Arten vor, die
ohne Zweifel auf verschiedenartigen Ursprung hindeuten : einmal
krystallinisch-körnig, wie grobkörnigen Marmor mit Drusen von be-
sonders wasserklaren Krystallen von der Form — ^R.ooPi; dieser
scheint von der Tiefe mitgerissen worden zu sein, er erinnert sehr
lebhaft an den körnigen Kalk im Jura, die grossen Stücke sind nun
aussen von Tuff und Opalmasse eingehüllt. Sodann lose spätige
Stücke bis zur Kante von 3 cm überzogen von glimmerführender,
ockeriger Rinde. Die Abrundung der Kanten, sowie die abgeriebene
Oberfläche zeigen deutlich, dass das Stück nicht von einer Spalten-
ausfüllung im Tuff abgebrochen ist, sondern von weiterher kommt,
wiederum bei der Eruption von unten mitgeführt. Der Kalkspat
zeigt die gelblich bräunliche Farbe unserer Salmendinger Späte und
kann wohl auch jurassischen Ursprungs sein (Originalsammlung 43).
Drittens erfüllt der Kalkspat, wie schon mehrfach erwähnt wurde,.
alle Spalten und Hohlräume des Tuffes, so das Innere der Pseudo-
morphosen mit mehr oder weniger wasserklaren — I^R.ooR, gross
und klein. Die Säule ooR konnte freilich nicht genau gemessen,
werden, indessen ist sie durch den Habitus der Krystalle sehr wahr-
scheinlich gemacht.
Interessanter als diese ziemlich gewöhnlichen 3 Vorkommen ist
ein viertes, das eine ausführliche Beschreibung verdient. Man findet
Knollen , meistens flach gedrückt , gewöhnlich klein , doch auch bis-
8 cm im Durchmesser breit, die im Inneren aus einem, wie es den
Anschein hat, rhombischen oder monoklinen Mineral von bräunlicher
Farbe zusammengesetzt sind (s. Fig. 10). Auf den Blätterbrüchen P
rechts und links spielt lebhafter Glasglanz, man kann die Knollen indessen
anscheinend nach der Querfläche coPoo spalten. Die kleinen Spaltstücke
sehen im durchfallenden Lichte bräunlich bis bläulich und lassen
— 327 —
sich ausserdem, wiewohl schwieriger, nach der Schiefendfläche P
spalten. Letztere gibt den gewünschten Aufschluss. Sie ist keines-
wegs eben, sondern besteht aus zwei Flächen, die unter einem ein-
springenden Winkel von 141'^ einander schneiden und miteinander
abwechseln, wie das die Fig. 23 zeigt. Dieser Winkel lässt sich
mit Reflexion messen. Durch häufige Wiederholung dieser Zwillings-
einschiebsel, denn so müssen die eingeschobenen Stücke gedeutet
werden, wird die Endfläche beinahe horizontal, daher könnte man
das Mineral auf den ersten Anblick für rhombisch halten oder mono-
khn. Nun löst sich das Mineral schon in kalter Säure mit starkem
Brausen beinahe ganz auf, in kochender vollständig. Vor dem Löt-
rohr brennt es sich, wenn man die Flamme vorsichtig nähert, weiss;
am Piatinadraht erhält man mit Borax schwache Manganfärbung, ein
schwacher Eisengehalt wird auf die bekannte Weise nachgewiesen,
ebenso etwas Mg. Es ist also Kalkspat der Hauptsache nach mit
Annäherung an Dolomitspat, der Winkel ergab sich zu lOö*^ 30'.
Dieser Kalk ist ganz durchsetzt von Zwillingsblättchen nach — |^R,
eben daraus erklärt sich die Spaltbarkeit // dieser Fläche g. Auch
sind diese Flächen besonders stark braun gefärbt, manchmal bunt
angelaufen, indem hier färbende Substanz eindrang. Daher sind
dickere Stücke rein undurchsichtig und gleichen namentlich auch
vermöge des intensiven Glanzes der Zinkblende an Farbe. Die Spalt-
stücke , die man sich herunterschlägt , sind aber an • den Kanten
durchscheinend mit bräunlicher bis bläulicher Farbe. Betrachtet
man die Flächen g genauer, so zeigen sie Streifen nach drei Eich-
tungen, horizontale, wodurch der obere Blätterbruch sich andeutet,
und zwei schief dazu gerichtete, aber unter sich symmetrisch
liegende , welche Zwillingslamellen nach der zweiten und dritten
Fläche — ^R andeuten. Wenn nun diese Knollen schon durch die
Form dieser Kalkspäte, welche an die Stücke vom Siegmundsstollen
im Rathhausberg bei Gastein' erinnern, interessant sind, so sind sie
weiter merkwürdig durch die eingeschlossenen Mineralien. Die Knollen
zeigen in Rissen und Spalten krystalUnischen Kalk eingelagert; in
Höhlungen sitzen wasserklare Kalkspäte von der Form R . coR. Zahl-
reich sind Magnetite in Körnern und Oktaedern eingesprengt,
die sich an der Einwirkung auf die Magnetnadel erkennen lassen,
sie sind ganz undurchsichtig und in kochender Salzsäure ganz lös-
lich ; ihr Bruch ist muschlig. Sodann liegen in jenem Kalkspat in
' Quenstedt, Mineralogie S. 492.
- 328 —
grosser Zahl weingelbe oder wasserklare sechsseitige, seltener rhom-
bische Prismen eingeschlossen , höchstens 1 mm dick und bis zu
2 cm lang. Die Stücke sind in kalter Salzsäure so gut wie unlös-
lich, dagegen in kochender ganz unter Brausen, sie haben die
Härte 3, darnach sind es Aragonite. Die Säulen zeigen auf
manchen Flächen einspringende Winkel , also sind es Zwillinge ;
Endflächen sind selten zu beobachten, doch glaube ich Poo erkannt
zu haben. Am häufigsten liegen diese Nadeln in den oben an-
gegebenen Linien und Furchen, welche mit der Zwillingsbildung
zusammenhängen, doch durchschwirren sie das Gestein auch ganz
regellos, oft strahlig büschelig angeordnet. Da diese Aragonitnadeln
sehr klein sind und vom Kalkspat fest eingeschlossen, so scheinen
sie anderen Ursprungs zu sein als die oben beschriebenen Pseudo-
morphosen. Endlich sind in den Knollen schwarze Glimmer zu
finden , und zwar häufig säulenförmig krystallisiert , scheinbar von
120°, wahrscheinlich Meroxen (s. Fig. 24), und zwar nach Tscher-
mak's Aufstellung OP . P . ocPco (001) (11 T) (010). Doch trifft man
diese schwarzen Glimmer gewöhnlich auf der Oberfläche der Knollen,
seltener im Inneren (Originalsammlung No. 50 — 51). Indessen sind
die Säulchen höchstens 3 mm breit und etwa ebenso hoch.
Darnach sind diese Kalkspatknollen mineralogisch sehr merk-
würdig; offenbar haben die Aragonite und Magnetite sich zuerst
gebildet, erstere sicherlich unter anderen Bedingungen, die in der
Temperatur oder in der chemischen Beschaffenheit zu suchen sind,
als der dieselben nachher einschliessende Kalkspat. Dass letzterer
die Zwillingslamellen sogar zahlreich, und zwar hauptsächlich parallel
einer Fläche des nächst stumpferen Rhomboeders , zeigt, dürfte
auf einen Druck zurückzuführen sein , der eben senkrecht dazu auf
die Knolle ausgeübt wurde. Da die Knollen Magneteisenoktaeder
und Glimmerkrystalle einschliessen, so sind sie keineswegs Verwitte-
rungs- oder Zersetzungsprodukt des Tuffes , denn der bei diesem
Vorgange entstehende Kalkspat ist krystallographisch und chemisch
von ganz anderer Beschaffenheit, sondern sie weisen zurück auf die
Quelle, woher auch die Tuffe stammen, und darüber ist noch lange
nicht alles aufgeklärt und aufgehellt. Doch darüber unten mehr.
Was diesen schwarzen Glimmer weiter betrifft , so findet er
sich auch sonst sehr häufig in dem Tuffe, teils in losen Blättchen,
teils in festeren Tuff noch eingeschlossen, teils chemisch und physi-
halisch umgewandelt. Die losen Täfelchen haben bis zu 3 cm im
Durchmesser und sind bis zu 5 mm dick, frisch von glänzend
— 329 —
schwarzer Farbe, in Schwefelsäure mit Hinterlassung eines Kiesel-
skelettes löslich, eisen- und magnesiahaltig , also dem Meroxen zu-
zuzählen. In kleinen Schüppchen ist dieser Meroxen durch den
ganzen Tuff verbreitet und sitzt häufig auch auf der Rinde der oben
beschriebenen Pseudomorphosen. Durch Verwitterung geht er mehr
ins Tombakbraune , und wenn die Verwitterung noch weiter geht,
so bildet er eine specksteinartige , grünlichweisse Masse von sehr
lebhaftem Perlmutterglanz. Durch diesen Umwandlungsprozess wer-
den sie härter, die weissen Partien haben reichlich Kalkspathärte;
in kochender Salzsäure sind sie teilweise löslich, ebenso in kochen-
der Schwefelsäure, es bleibt aber ein blätterig aufgequollener Rück-
stand. Dieses grünhch- weisse Mineral ist wie Chlorit biegsam, viel
härter als Speckstein, die Blättrigkeit blieb erhalten, doch unvoll-
kommen. Es dürfte daher Voigtit sein ^ Da bei manchen Stücken
die ursprüngliche Form mehr oder weniger erhalten blieb, so könnte
man auch von Pseudomorphosen von Voigtit nach Magnesiaglimmer
sprechen (Originalsammlung No. 40 — 42). Wie die Glimmer im
Tuffe überall verbreitet sind, so auch die Magneteisenerze.
Man findet sie am besten durch Schlämmen des Tuff'es, da sieht
man Oktaeder, häufiger Körner von muscheligem Bruch und schwarzem
Strich, die sehr stark magnetisch sind.
Neuerdings sind auch Schwerspäte aufgefunden worden,
wiewohl in sehr geringer Menge. Man findet sie in Drusen ver-
einigt, auch bloss in Hohlräumen des lockeren Tuffes in kleinen
Täfelchen der Kombination : ooP . OP . ooPc^ . Poo (110) (001) (010)
(011) nach Hauy's Aufstellung. Die in der Achse b höchstens 8 mm
messenden Täfelchen sind beinahe wasserklar, mit einem weisslichen
Scheine, selten braunrot durch Eisenoxydhydrat. Viel flächenreicher
sind andere noch kleinere Schwerspäte (No. 27 — 28) , die einem
härteren Tuffstücke aufgewachsen sind : dieselben sind wasserklar bis
weingelb, von ausgezeichnetem Glasglanz und zeigen wohl die Kombi-
nation : ooP . OP . ooPoo . ooPoo . Poo . |^Pcx) ; dieselben bilden nach b
in die Länge gezogene Täfelchen. Zweimal fanden sich in Kalk-
spatdrusen auf den Kalkspäten nach a in die Länge gezogene Tafeln
von Schwerspat, die Säule M/M ergab lOl*' (statt 101° 40'), dazu
kommt die Endfläche OP und an den Seiten das Paar Poo; iPc»
ist nur schwach angedeutet, bei dem einen Stücke ist die Pyramide
» Vergl. Roth, Chem. Geologie I, S. 329.
— 330 —
P angedeutet durch Abstumpfung der Kante M : P. Das eine Stück
ist trüb durchscheinend, das andere milchweiss. Es ist indessen zu
beachten, dass diese frischen Sulfate sich selten fanden.
Sphen war bis jetzt wohl von anderen Orten der Phonolith-
region genannt worden, so vom Gennersbohl in „keilförmig endigen-
den Kryställchen von mehreren Millimetern Länge" ^; auch ist er
als Bestandteil des Phonoliths längst bekannt , z. B. vom Hohen-
krähen. Am Piosenegg fand ich nur ein Stück , auf dem , wie ich
glaube, Sphen sich vorfindet. Es ist ein kieselharter Kalkstein, von
Quarzadern durchzogen, der Drusen mit glänzenden Bergkryställchen
einschliesst. In einer solchen Druse liegt auf den Quarzen ein gelb-
lich-grüner in die Länge gezogener Glastropfen , auch an anderen
Stellen sieht man, wiewohl in geringer Zahl, solche scheinbaren
Gläser. Die Farbe ist die des Sphens, auch sind die Stückchen in
kochender Schwefelsäure ganz löslich, die Phosphorsalzperle ist heiss
gelb, kalt rötlich. Auffallend ist dabei nur, dass der Sphen nicht
krystallisiert auftritt, sondern wie aus Schmelzfluss erstarrt. Viel-
leicht findet man, nachdem einmal auf dieses Vorkommen aufmerk-
sam gemacht ist, auch noch Kryställchen wie am Gennersbohl.
Die Kieselsäure bildet an unserer Fundstelle einen bedeu-
tenden Bruchteil der hier auftretenden Mineralien ; krystallisiert finden
wir sie als B er gkry stall in kleinen, wasserklaren Kryställchen
von der gewöhnlichen Form — R . -j- R . ooP oder als gemeinen
Quarz; sodann findet man sehr schöne himmelblaue bis milchblaue
Chalcedone in grossen, prächtigen Stücken, oder sind sie stahl-
blau bis grau, auch gehen sie ins dunkel Lauchgrüne, so hat man
Plasma. Häufiger als Chalcedon sind die Opale, die ausser-
ordentlich häufig hier auftreten. Dieselben erfüllen mandelartige
Hohlräume oder durchziehen sie in Schnüren und Adern den TufP,
sie sind wachsgelb , kastanienbraun , eisenschwarz , milchweiss wie
Porzellan im Innern der Mandeln, so dass man von Milch o pal,
Wachsopal, gemeinem Opal sprechen kann. Die Höhlungen im
Opal überzieht meistens Chalcedon, und zwar traubiger, doch fand
ich auf dem Chalcedon dann wieder Milchopal. Dieses Vorkommen
erinnert an die Opale des Hohentwiel und an die Funde im Hilzinger
Kalkofen. Über die ersteren schreibt Dr. Schalch^: „Von Herrn
FöHR angestellte Untersuchungen einer Anzahl von Halbopalen aus
dem Hohentwieler Tuff haben übrigens die interessante Thatsache
' Schalch, Beiträge S. 94, 96.
'^ Beiträge S. 105,
— 331 —
ergeben, dass ein Teil dieser bisher mit diesem Namen belegten
Gebilde keineswegs die Zusammensetzung wirklichen Opals zeigt,
also nicht aus amorpher wasserhaltiger Kieselsäure besteht, sondern
Auswürflinge eines zum Teil glasig erstarrten, eutaxitartigen Eruptiv-
gesteins darstellt." „Hinsichtlich ihrer chemischen Beschaffenheit
bleibt ihr Kieselsäuregehalt bedeutend hinter demjenigen des Opals
zurück und nehmen neben der Kieselsäure mehrere basische Oxyde
in erheblicher Menge an ihrer Zusammensetzung teil." Die Rosen-
egger Opale sind, soweit ich sie untersuchte, in kochender Kalilauge
vollständig löshch, allerdings werden sie, das lässt die Färbung ver-
muten , auch Eisen , Mangan u. a. enthalten , eine genaue quanti-
tative Analyse der verschiedenen Opalarten wurde aber nicht aus-
geführt. Über die Hilzinger Funde schrieb Dr. Schill ^ , auch dort
im sog. „Kalkofen", d. h. an einer Berghalde im Nordwesten des
Dorfes zwischen den Basalten des Stoffel und den Phonolithen des
Krähen, brach man „kieselige Kalke, pisolithische Gebilde, Menilite,
Opale, Pechsteine, Kieselschiefer" ^ Es wäre der Mühe wert, alle
diese kieselsäurereichen Gesteine des Höhgäu einer vergleichenden
Untersuchung zu unterwerfen, an dieser Stelle würde das zu weit
führen.
Das Vorkommen von Hyalit am Rosenegg gehört ja nicht in
das Reich der Unmöglichkeit, es ist mir neuerdings aber doch
zweifelhaft geworden. Was am häufigsten damit verwechselt wird,
ist durchscheinender, fast wasserklarer Chalcedon, der namentlich
die Hohlräume der Opale überkrustet. Allerdings findet man auch
ähnlichen Opal, der nun sehr nahe an Hyalit hinstreift; allein, wenn
man unter Hyalit jene kleintraubigen, stark glasglänzenden, tropfen-
artigen Gebilde versteht, wie sie so schön an der Limburg im
Kaiserstuhl sich finden, so hat man am Rosenegg noch nicht oft
Hyalit gefunden.
Ehe ich die Beschreibung der Vorkommen der ersten Fund-
stelle schliesse, möchte ich noch einer Art von vulkanischer
Bombe gedenken, die ich dort fand mit einem Bündel von Lava-
fäden. Sodann habe ich von eben da ein Stück mit Rutschflächen
oder einem Spiegel: das Stück ist 6 cm lang und 5 cm breit,
besteht aus graulichem Phonolithtuff und hat auf beiden Seiten
parallele Streifen, auf der einen Seite stärker glänzend als auf der
anderen. Löst man auf dieser Seite von der Rinde, die sich mit
h
' Diese Jahreshefte XV, S. 181.
^ Fr aas, Begleitworte zum Hohentwiel S. 5.
— 332 —
dem Messer ganz dünn abspalten lässt, ein wenig los und kocht es
in Salzsäure, so braust es kurze Zeit auf, ohne dass nachher sich
alles lösen würde. Es dürfte daher ein feiner Überzug von Aragonit
darauf lagern; man vergleiche die Erzspiegel in unserem' Braunen
Jura /?, welche ohne Zweifel „übereinander geschuppte Kalkspat-
blättchen" sind'. An Gletscherschliffe kann man nicht denken, da
das Stück aus dem Tuffinneren gebrochen wurde.
IV.
Pseudomorphosen und Mineralien der zw^eiten Fundstelle
nahe der Mitte des Südabhanges.
Geht man an der Waldesgrenze von der ersten Fundstelle im
SO. des Berges gegen Westen hin, so trifft man da, wo die Arbeiter-
hütte steht, zunächst alpines Gerolle und nahe dabei finden sich
wieder die gleichen Pseudomorphosen wie an der ersten Stelle. Doch
ist sogleich ein Unterschied in der Färbung wahrzunehmen : während
dort Eisenoxydhydrat und Mangan dem Tuffe rotbraune oder schwarze
Färbungen verleihen, sieht hier alles weisslich grau oder weiss aus,
der Grund liegt hauptsächlich darin, dass Quarz und weisslich
grauer Dolomit vorherrschen. Der Tuff ist ziemlich sandig,
enthält Magnetite zum Teil in Oktaedern , die obwohl klein doch
auf die Nadel wirken, Glimmerbruchstücke braune und weisse, kleine
Säulen von Hornblende und dann wieder die pseudomorphen Formen
der I. Fundstelle , doch im allgemeinen in geringerer Anzahl. Am
häufigsten trifft man noch die Form des Gipses, dann die des Glau-
berites, am seltensten die des Thenardits.
Der Habitus ist so ziemlich der der ersten Fundstelle, alle
3 Pseudomorphosen bestehen aus einer weisslichen, hie und da grauen,
seltener schwach fleischroten Rinde. Untersucht man dieselbe, so
findet man neben Spuren von Eisen beinahe ebensoviel kohlensaure
Magnesia, wie kohlensauren Kalk, somit hat man Pseudomorphosen
von Dolomit nach Gips, Thenardit, Glauberit vor sich.
Diese Rinde ist ziemlich härter als die der Pseudomorphosen der
I. Fundstelle, sie ist meistens schön glatt und gibt ziemlich genaue
Winkel, seltener ist sie wie angefressen, dann hat sich der Magnesia-
gehalt angereichert. Hie und da schliesst der Dolomit Kieselsäure
ein, wie an der ersten Fundstelle auch. Die meisten Formen sind
hohl, viel seltener massiv; im letzteren Falle sitzt innen vorherrschend
* Qnenstedt, Jura S. 345.
— 333 —
körniger Kalk, zum Teil mit Quarzmasse. Die hohlen Formen ent-
halten Drusen entweder von Kalkspat oder von Quarz und Berg-
krystall. Die ersteren enthalten sehr schöne, wasserklare Calcite,
so brach ich aus einem ziemlich grossen Thenardit einen Kalkspat
1 cm breit mit ooR und — 7] R, oben ist noch einmal ein mattes
Rhomboeder von der gleichen Ordnung angedeutet. Hier ist nun
die Säule mehrere mm hoch entwickelt, während sie an den Kalk-
späten der ersten Fundstelle nur als schmales gleichschenkeliges
Dreieck an der Zickzackecke von — IR sich andeutet. Weniger
häufig, nämhch so oft schon der dolomitischen Rinde Quarzmasse
beigemischt ist, enthält die Druse Bergkryställchen meist wasserklar^
doch hie und da bläulich bereift durch Chalcedonübersinterung.
Was nun zuerst die Gipsformen betrifft, so zeigen sie so
ziemlich dieselben Flächen wie diejenigen der ersten Stelle, es ist
wieder — P 1:1 zur Säule ausgezogen, s. Fig. 2, oben sitzt -|-^Pcc,
unten die Säule f : f. Nie fehlt der Hauptblätterbruch ccPoo , hier
meistens die Fläche , nach welcher die Krystalle tafelig erscheinen.
Die Identität der Formen dieser Fundstelle mit denjenigen der ersten
ergab sich durch unmittelbare Vergleichung, doch wurden auch einige
Winkel gemessen:
— ?:— P gemessen zu 1420 30' statt 143'' 30'
— P : ooP „ „ 1300—1310 „ 130051'
-P:cx)Poü „ „ 1050— 108° „ lOSnS'.
Der letztgenannte Winkel ist vorn meistens anders als hinten , was
auffallen könnte. Indessen ist Gips ein weicher Mineralstoff und
die Flächen sind häufig gekrümmt , so fand ich auch an frischen
Gipsen aus unserem Anhydritgebirge hier kleine Unterschiede. Man
kann nun auch hier wieder verschiedene Typen unterscheiden :
1) nach oüPco tafelige Formen, gerne verbogen und gekrümmt,
die Pyramide — P und das Prisma ccP treten sehr untergeordnet auf;
2) schöne , deutliche Formen , woran die Pyramide, die Säule
und das Hemidoma schön und deutlich entwickelt sind ;
3) ocPoo ganz schmal, dagegen die Pyramide — P breit und
flach ausgedehnt bis 3 — 4 cm in die Breite, Endflächen abgerundet
und weniger deutlich ;
4) die oben schon angeführten trapezförmigen Prismen, an
welchen nur die Hälfte der Flächen von 1 und f auftreten.
Die Grösse der Krystalle bleibt hinter derjenigen der ersten
Stelle zurück, die grössten erreichen 7 — 8 cm in der Länge, 2 — 3
in der Breite.
— 334 —
Die Thenarditformen sind hier viel seltener, doch lassen
die Stücke, die man findet, über die ursprüngliche Substanz keinen
Zweifel aufkommen. Die Krystalle sind höchstens 3 cm lang in der
b-Achse, welche ja die längste ist. Die Flächen, welche sich deutlich
erkennen und bestimmen lassen , sind (s. Fig. 6) : die Pyramide P,
deren Seitenkante durch coP abgestumpft wird; die Längsfläche
ooPoo fehlt selten, dagegen trifft man die oben zuschärfende Pyra-
mide |P nicht häufig. Es mag mit dem selteneren Vorkommen der
Thenardite an dieser Stelle zusammenhängen , dass Zwillinge , wie
sie oben beschrieben wurden, hier bis jetzt noch nicht gefunden
wurden. Auch sind die Formen hier doch schlechter erhalten , als
an der ersten Stelle , so dass die Zwillinge sich unter den undeut-
lichen Formen verstecken dürften.
Sehr schön sind dagegen die Glauberite erhalten, man
trifft ganz kleine von nur 4 mm in der langen Diagonale der End-
fläche , aber auch solche von 1 — 1,5 cm. Meistens ist die Hemi-
pyramide — P stärker entwickelt als das Prisma ooP und die beiden
Flächen von — P sind unter sich wieder ungleich. Oben sitzt immer
die Endfläche OP. Selten ist die vordere Kante durch ooPoo ab-
gestumpft.
Man findet darnach folgende Kombinationen :
1) ooP . OP.
2) coP . — P . OP.
3) ooP . — P . OP . ooPoo.
Dabei sind die Flächen bald gut erhalten bald eingedrückt, so
dass skelettartige Krystalle oder kastenförmig vertiefte auftreten.
Meistens sind es einzelne Krystalle, seltener Gruppen, indem nament-
lich aus OP eine ganze Schar nach allen Richtungen hervorbricht.
Undeutliche Formen habe ich von der zweiten Fundstelle
viel weniger als von der ersten , was von dem Mangel an Pseudo-
morphosen überhaupt herrührt; denn diese zweite Fundstelle ist
weit ärmer als die erste. Doch fand ich Formen, die unzweifelhaft
Zwillinge vorstellen, die aber schwer zu deuten sind, da die Flächen
daran und namentlich die Kanten nicht sehr gut erhalten sind. Es sind
knieförmige Krystalle, die rechts und links mit symmetrischen Poly-
gonen abschliessen , welche aber nicht parallel zur Zwilhngsgrenze
liegen, sondern gegeneinander konvergieren, s. Fig. 26. Ich möchte dabei
in erster Linie an Glaserit denken, auf welchen auch eine wenig
deutliche Zwillingsform der ersten Fundstelle hinzudeuten scheint.
Bei jenem Zwillinge (s. Fig. 25) hat man eine knieförmige Stellung
»
— 335 —
der beiden Individuen , von denen jedes eine schief abgeschnittene
rhombische Säule bildet. Der scharfe Winkel von 62 ° wäre von
67° 38' des Brachydomas 2Fco nicht zu weit ab ; auffallend ist aber,
dass bei jedem Individuum nur eine Fläche M (ooP) und gar keine
Pyramidenfläche o (P) auftritt, welche Flächen nach den Abbildungen ^
den Zwillingen sonst nicht zu fehlen pflegen. Doch es wären ja
auch solche Zwillinge ohne Pyramidenflächen denkbar. Von dieser
Form vom 1. Fundort (Fig. 25) ist aber nun die vom II. Orte wieder
verschieden. Wie die Fig. 26 andeutet, müsste die Firstkante von i
durch die Endfläche ÜP abgestumpft sein, welche Fläche allerdings
genannt wird ^. Was stellen aber dann die rechts und links ab-
schliessenden Polygone vor? eine Fläche der Pyramide o? Darüber
ist erst dann eine richtige Antwort möglich, wenn noch mehr solche
Formen und dazu deutlichere gefunden werden. Ich möchte aber
doch die Pseudomorphosen von Kalkspat nach Glaserit für die erste
Fundstelle als ziemhch wahrscheinlich bezeichnen von der Form
ooP . 2Poo, während Dolomit nach Glaserit von der Form 2Poo . OP
, P . ooP im Zweifel gelassen werden muss. (Originalsammlung 99).
Von Mineralien der II. Fundstelle ist ausser den oben
schon angeführten nicht mehr viel zu nennen. Quarz wird häufig
getroffen in Form von wasserklaren Bergkryställchen , doch ist als
ein wesentlicher Unterschied hervorzuheben , dass hier die Opale
fehlen, Chalcedone seltener sind. Die grossen Stücke wie an der
ersten Stelle findet man nicht, höchstens schwache Überkrustungen
von Chalcedon. Die Kalkspäte wurden schon oben als Drusenaus-
füllung in den Pseudomorphosen genannt. Man findet weiter auch
hier knollige Absonderungen, welche aus zellig zerfressenem Dolomit
bestehen, von grauer bis grünlich grauer Farbe, dieselben schliessen
wieder schöne sechsseitige Aragonitsäulen und Meroxentäf eichen ein.
Dabei erscheinen die Aragonite zum Teil wie angeschmolzen und
gekrümmt. Auch liegen Magneteisenkörner in dem Dolomit ein-
geschlossen. Doch sind diese Knollen nicht von dem Interesse wie
die oben angeführten des ersten Fundortes.
Über beide Fundorte schreibt mir neuerdings Herr Schenk,
dass die Pseudomorphosen anfangen seltener zu werden. Es war
das eigentlich zum voraus zu befürchten, denn das Vorkommen ist
auch in diesem Tuffe ein ganz einzigartiges , lokales ; ich möchte
• Quenstedt, Mineralogie S. 6:^8, „messbare Krystalle fanden sich zu
Roccalmuto bei Girgenti im miocänen Steinsalz."
'' Naumann-Zirkel, Mineralogie. XII. Aufl. 475.
— 336 —
aber vermuten, dass wohl noch mehr solche interessante Fundstellen
am Rosenegg sich vorfinden dürften, das Auffinden hat aber seine
Schwierigkeiten.
V.
Mineralogisch-geologische Erklärung des Auftretens dieser
Pseudomorphosen.
Bei der Erklärung der Pseudomorphosen des Roseneggs hat
man vor allem den Unterschied festzuhalten zwischen solchen Pseudo-
morphosen, die infolge der Verwitterung des Tuffes sich bildeten —
dahin ist der Voigtit nach Glimmer zu stellen — und den anderen
Pseudomorphosen , deren ursprüngliche Substanz nicht mehr vorge-
funden wurde, nämlich den Aragonit-, Gips-, Thenardit- und Glau-
beritformen. Denn soviel steht fest, diese vier Arten, wenn wir die
zweifelhaften Anhydrite und Glaserite beiseite lassen, sind auf die
ganz gleiche Weise und durch die gleichen Vorgänge entstanden.
Und bei dem Versuche, sich diese ihre Entstehung deutlich zu ma-
chen, muss man von folgenden Gesichtspunkten sich leiten lassen.
1) Die ursprünglichen Mineralstoffe wie Gips, The-
nardit, Glauberit sind nicht als Verwitterungsprodukt
des Phonolithes oder des Phonolithtuffes entstanden.
Es können zwar immerhin Sulfate als Produkte der vulkanischen
Thätigkeit entstehen, so die Gipse und Anhydrite des Vesuvs ^, The-
nardite ^, allein es wäre doch mehr als auffallend , wenn dann von
der ursprünglichen Substanz, wie namentlich von den Gipsen, keine
Spur mehr erhalten wäre. Und warum wurden diese Sulfate nur an
der einen Stelle unserer erloschenen Vulkane gefunden? warum nicht
in den anderen Phonolithtuffen des Höhgäus , warum nicht in den
Phonolithtuffen des Kaiserstuhles und an anderen Stellen? Zudem
spielt die Schwefelsäure im Phonolithe, folglich auch in den Phono-
lithtuffen eine sehr untergeordnete Rolle. Die Analysen des Phono-
lithes ergaben an Schwefelsäure :
nach Bernath in frischem Gestein 0,456 ^/o, in zersetztem 0,
„ Gmelin im ganzen Gestein 0,12, im löslichen Anteil 0,22*.
Die Quelle dieser Säure wäre im. Hauyn zu suchen, aber eben
der Hauyn zerfällt „zuerst der Zersetzung und die schwefelsauren
Salze, sowie die Chlorverbindungen werden im Laufe der Zeit gänz-
' Roth, ehem. Geologie I. S. 415.
2 Ebenda S. 416.
* Schalch, Beiträge S. 97.
— 337 —
lieh aus dem Gestein fortgeführt \ " Ob die Schwefelsäure so ganz
spurlos versehwindet, möehte ich allerdings bezweifeln, denn die
frischen Schwerspäte, die oben von der ersten Fundstelle angeführt
v/urden, dürften doch ihre Schwefelsäure von daher haben. Dieselben
sind aber, wie oben nachgewiesen wurde, selten und in geringer
Menge vorhanden, wodurch eben wiederum auf die geringe Menge
von Schwefelsäure hingedeutet ist.
2) Viel eher könnte man, da eine rein lokale Eigentümhchkeit
vorliegt, an eine Rosenegger Solfatare denken. Damit hätte
man eine genügende Quelle für die Schwefelsäure gewonnen — und
so dachte Merklein, wie oben erwähnt wurde, an Schlammvulkane —
und die Sulfate des Gipses und Thenardites wären erklärt, allein
Glauberite fand man bis jetzt noch nicht an solchen Stellen, dagegen
viele andere keineswegs ephemere Mineralgebilde, die eben am Rosen-
egg fehlen; dafür haben wir am Rosenegg, wenn auch nur in we-
nigen Stücken, Aragonit, der durch die ganze Beschaffenheit seiner
pseudomorphen Zusammensetzung in der Erklärung vorliegender Frage
von den Sulfaten nicht getrennt werden darf. Und Karbonate werden
als Umwandlungsresultate der Solfatarenprodukte nicht genannt.
3) Man könnte an Torfmoore denken, wie sie jetzt noch am
Südfusse des Roseneggs sich ausdehnen, dann bei Worblingen und
namentlich nördlich zwischen dem Hohentwiel und Volkertshausen,
indem man die Annahme machte , dass zur Zeit der vulkanischen
Eruptionen dort ebenfalls Moor sieh vorfand. So fand man im Moor
der Soos ^ neben Vivianit , Kieseiguhr , Raseneisenerz und Schwefel-
kies auch Gips und Natriumsulfat mit 30^/0 MgSO^. Allein wenn
damit auch die Sulfate teilweise erklärt wären, so fehlen doch die
übrigen Anzeichen für Moorbildungen und Glauberit und Aragonit
sind immer noch nicht erklärt.
4) Es wäre nicht im Widerspruch mit den geologischen Ver-
hältnissen des Höhgäus, wenn man die Süsswassergipse des
Hohenhöwen zur Erklärung heranziehen wollte. Dieselben ge-
hören ja wohl der oberen Süsswassermolasse an , also in die Zeit
der Eruptionen oder wenigstens in die unmittelbar vorangegangene
Zeit. Allein man findet eben am Hohenhöwen von Mineralien bloss
Gipse und diese stimmen nicht einmal ganz mit dem Typus unserer
Pseudomorphosen überein, sie sind im allgemeinen viel kleiner und
neigen viel mehr zur Linsenbildung.
1 Schalch, Beiträge S. 98.
2 s. Humboldt 1888, IX.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889. 22
— 338 —
5) Die Vergesellschaftung des Gipses mit Thenar-
dit und Glauberit weist viel eher auf Salzseen als auf
Süsswasserbildung. Die Thenardite von Aranjuez scheiden sich
im Sommer aus den Salzwassern der Salinas d'Espartinas aus, Bär-
wald beschreibt Thenardite von den Salinas zwischen Antofagasta
und Caracoles ^, auch die Vorkommen von Tarapaca und vom Bal-
chasch-See ^ deuten auf salzigen Ursprung. Ebenso haben die Glau-
berite ihren Ursprung in Salzlagern, so zu Villarubia in Spanien,
Vic in Lothringen, Varengeville bei Nancy, Westeregeln bei Stass-
furt^, Berchtesgaden, Ischl, Iquique in Peru^ u. a. a. 0. Weiter er-
scheint Natriumsulfat häufig an Steinsalz- und Gipslager gebunden, denn
„Magnesiakarbonat und Gips setzen sich bei Gegenwart von Kochsalz
in Chlormagnesium, Kalkkarbonat und schwefelsaures Natron um":
MgCOg -f CaS04 + 2NaCl = MgCl^ -f Na^SO^ + CaCOg*.
„Auf dieselben Ursachen ist das Vorkommen von Glauberit
Nag S O4 -|- Ca S 0^ in Steinsalz und Gips zurückzuführen. " In der
That findet man Glauberit mit Thenardit zusammen zu Tarapaca^.
Besonderes Gewicht ist dabei auch auf das Kalkkarbonat, das dabei
entsteht , zu legen ; denn damit erklärt sich das Vorkommen von
Aragonit im Thon und Gips , wie zu Molina in Aragonien , zu Ba-
stennes bei Dax (Landes). Damit erklärt sich aber auch das Zu-
sammenvorkommen von Gips, Thenardit und Glauberit mit Aragonit
am Rosenegg. Die Frage ist aber nun die, aus welchem Salzlager
stammen denn diese Mineralien? Da liegt am nächsten der Gedanke,
dass der Ursprung dieser Gebilde des Steinsalzgebirges in der Meeres-
molasse zu suchen sei. Dieselbe hat ja ihre Spuren nicht weit ent-
fernt vom Rosenegg hinterlassen, bei Friedingen auf 7 km Entfer-
nung liegt marine Molasse, bei Dietlishofen auf 3 km Juranagelfluhe,
und nach Dr. Schalch nördlich vom Schienerberg bei Bankholzen
geschiebeführender Austernsand, also im NW, NO und SO vom Ro-
senegg^. Dazu kommt, dass in Beziehung auf die dortige Meeres-
1 N. Jahrbuch f. Min. 1882. II. 19. Zeitschr. für Mineral, u. Kryst. VI. 36.
'' N. Jahrbuch f. Min. 1881. I. 196, angeblich 300 000 tons.
3 N. Jahrbuch f. Min. 1877. 947, von gleicher Form wie die aus dem
Pendschab.
* N. Jahrbuch f. Min. 1851. 204. IV' gross, während die von Bolivia
(1855, 446) sehr klein sind.
* Roth, ehem. Geologie. I. 195.
' N. Jahrbuch f. Min. 1854. S. 449.
^ Der Einschluss, von dem Merklein oben S. 311 spricht, scheint zum
Geschiebe fülirenden Austernsande zu gehören.
— 339 —
molasse Strandbildungsfacies längst nachgewiesen ist. Es können
sich daher in einer vom Molassemeer abgeschnittenen Bucht sehr
wohl jene Mineralien ausgeschieden haben. Darüber hat sich später-
hin obere Süsswassermolasse abgelagert, die wir heute noch am
Rosenegg vorfinden. Als nun die vulkanischen Ausbrüche erfolgten,
so wurden jene Mineralien mit in die Höhe gerissen. Die Eruption
kann sehr wohl am Rosenegg selbst erfolgt sein , es ist viel wahr-
scheinlicher, hinter dem dicken Tuffmantel des Roseneggs einen eige-
nen Eruptionsherd anzunehmen, als die vulkanische Asche auf weit
entfernte vulkanische Zentren (Hohentwiel 3 km, Hohenkrähen 7 km)
zurückzubeziehen (s. oben S. 309). Und dass am Rosenegg im Tuffe
Gesteinseinschlüsse vorgefunden wurden, auch an unseren Fundstellen
vorgefunden werden, ist oben mehrfach erwähnt. Nachdem aber
die Sulfate in die Höhe gerissen waren und niederfielen, widerstanden
sie nicht lange der Auflösung. Stöhr Hess sogar, um die einge-
schlossenen Pflanzenreste zu erklären, die Tuife am Rande eines
Süsswassersees sich bilden. Immerhin wurden jene Sulfate bald ge-
löst und ihre Form wurde durch Kalkspat oder Dolomit ab und zu
untermengt mit Quarzmasse ausgefüllt, entweder voll und ganz oder
mit Drusenbildung genau so wie andere Hohlräume und Spalten im
Tuffe auch ausgefüllt wurden. Man muss also an Ausfüllungspseudo-
morphosen denken bald mit massiven bald mit hohlen Formen.
Bei dieser Erklärung muss aber auch Rücksicht darauf genom-
men werden, ob die Pseudomorphosen wohl selbst Andeutungen in
Beziehung auf ihre Entstehungsweise an die Hand geben. Und da
muss man beachten, dass im Gips Eindrücke nach Thenardit sich
vorfinden, also lagen diese zwei Mineralien in der gleichen Schichte.
Dagegen findet man weder im Gips noch im Thenardit Eindrücke
von der Form des Glauberites. Und damit stimmt das spezifische
Gewicht überein, Glauberit ist von den drei Sulfaten das schwerste,
so wird man wohl annehmen dürfen, dass die Glauberite zu unterst
lagen (spez. Gew. =- 2,7 — 2,8) , darüber die Thenardite (2,6) und
neben diesen und darüber die Gipse (2,2 — 2,4). Hohle Pseudo-
morphosen findet man bloss nach Glauberit und da ist sehr wahr-
scheinlich, dass Stücke des Mergels, der die Glauberite einschloss,
vielleicht schon mit Höhlungen nach Glauberit versehen, mit in die
Höhe gerissen wurden und oben erhärteten durch Infiltration von
Kieselsäure. Denn man findet jene hohlen Formen in einem kiesel-
harten Gestein, seltener in grünlich grauem Kalk, und zwar sind die
Höhlungen nunmehr mit zierlichen Bergkryställchen besetzt, die zum
— 340 —
Teil von Chalcedon übersintert sind. Immer finden sich diese hohlen
Formen nach Glauberit zahlreich bei einander, also müssen die Kry-
stalle und ihre Gruppen in grösserer Menge in dem Gesteinsschlamme
enthalten gewesen sein. Für fremden Gesteinseinschluss in dem
phonolithischen Tuffe sprechen weiter jene interessanten Kalkspat-
knollen, die sicherlich auch ihre Entstehung an anderem Orte fan-
den, als wo sie jetzt gefunden werden. Dann die braungelben spä-
tigen Kalkspatstücke , die ich schon oben für jurassisch ansprach.
Alles das zusammengenommen scheint mir die gegebene Er-
klärung, wonach die genannten Pseudomorphosen aus der Tiefe stam-
men, sei es aus der Meeresmolasse oder gar aus noch tieferen salz-
führenden Horizonten, noch am meisten Wahrscheinlichkeit für sich
zu haben; sei dem aber wie ihm wolle, immerhin dürfte das Rosen-
egg vermöge seiner Pseudomorphosen zu den mineralogisch inter-
essantesten Punkten unseres Höhgäus zählen.
Erklärung der Tafel VI. VII.
Figur 1. Form des Gipses : — P . ooP . ooPoo . -|- |Poo die erstgenannten Flä-
chen nur halb vorhanden. Nat. Grösse.
Figur 2. Gewöhnliche Form des Gipses: — P . ooP . ooPoo -|--JPoo. Nat. Grösse.
Figur 3. Seltenere Form des Gipses : — P . -|- P • ooP • ooPoo. Zweimal ver-
grössert.
Figur 4. Spiessige Form des Gipses: — P . -|-iP°° • ooPoo.
Figur 5. Gipszwilling nach ooPoo der vorhergehenden Kombinationen. Nat,
Grösse.
Figur 6. Form des Thenardits : P . ooP . ooPoo . iP. Nat. Grösse.
Figur 7. Thenarditzwilling mit Durchdringung: P . ocP . ooPoo . -^P. Zweimal
vergrössert.
Figur 8. Thenardit mit Andeutung der Spaltfläche, häufige Form. Nat. Grösse.
Figur 9. Form des Glauberites : cx)P . — P . OP . ooPoo. Nat. Grösse.
Figur 10. Kalkspatprisma nach R mit Zwillingslamellen nach — iR. Nat. Grösse.
Figur 11. Form des Anhydrits: ooP . ooPoo . ooPoo . OP.
Figur 12. Trapezförmiges Gipsprisma.
Figur 13 — 14. Gewöhnliche Form des Thenardits.
Figur 15. Parallelgestellte Thenardite.
Figur 16 — 17. Zwei Figuren zur Erklärung der Thenarditzwillinge.
Figur 18 — 21, Querschnitte der Aragonite.
Figur 22. Querschnitt eines Aragonits.
Figur 23. Kalkspat mit Zwillingslamellen nach — — von der Seite gesehen.
Figur 24. Meroxönsäule.
Figur 25 — 26. Glaseritzwillinge.
übersieht über die in Württemberg und Hohenzollern
in der Zeit vom 1. März 1888 bis zum 28. Februar 1889
wahrgenommenen Erdersehütterungen.
Von Prof. Dr. H. Eck in Stuttgart.
Mit Taf. VIII.
1889.
1. Januar. Am 1. Januar 1889 zwischen 5 und 6 Uhr mor-
gens wurde in Sigmaringen ein Erdbeben verspürt. Der Beobach-
ter lag zu Bett im zweiten Stockwerk eines massiven, auf Kalkmergel
und Kies gebauten Hauses. Die Erschütterung äusserte sich in einem
Zittern der Thüren und Fenster, wie wenn auf der östlich des Hauses
entlang führenden Strasse ein Lastwagen vorbei gefahren wäre. Das
Zittern wiederholte sich mehrmals und dauerte je eine bis mehrere
Sekunden. Mitgeteilt von Frau Hofkammerrath Strehle an Herrn
Landesbauinspector Leibbrand.
Das vorstehend erwähnte Erdbeben dürfte mit demjenigen in
Verbindung stehen, welches am 1. Januar 1889 morgens 5 Uhr, be-
gleitet von donnerähnlichem Getöse , in einem Teile der Schweiz
beobachtet wurde , z. B. in Wyl (Aargau) und Laufenburg. (Der
Bund, 1889, 8. Januar, Nr. 7, 12. Januar, Nr. 11.)
7. Januar. Das Erdbeben , welches am 7. Januar etwa um
12 Uhr mittags die Ostschweiz und einen Teil von Baden und
Württemberg erschütterte, wurde
a) in Württemberg beobachtet in:
1. Stuttgart, a) Ein am Paulinenberg wohnender hiesiger
Herr bemerkte genau zur selben Zeit, ruhig am Schreibtisch sitzend,
einen ganz ähnlichen Stoss, wie der von Konstanz geschilderte war.
Derselbe teilte seine Beobachtung sofort, ehe die Konstanzer Nach-
richt eintraf, seinen Familienangehörigen mit. (Schwäbische Kronik,
1889, 10. Januar, Nr. 8, S. 57.)
— 342 —
b) Nach hiesiger Uhr war es 12 Uhr 2 Min., als ich in meinem
Zimmer ein deuthches Schwanken des Hauses verspürte, das etwa
3 Sekunden dauerte ; es war, wie wenn an dem grossen Telephonsteg
auf dem Dache in der Richtung der Drähte gerüttelt würde , also
von Nord nach Süd. (Neues Tagblatt, 1889, 10. Januar, Nr. 8, S. 1.)
c) Um 12 Uhr mittags am 7. d. M. spürte ich, am Pulte sitzend,
plötzlich ein leises Zittern des Bodens unter mir, dann erfolgte eine
stärkere Erschütterung des ganzen Hauses, und ich hatte das be-
ängstigende Gefühl, als werde ich von unsichtbaren Händen samt
meinem Stuhle in die Höhe gehoben. Meine Tochter, die im Neben-
zimmer am Klavier sass, hörte plötzUch auf zu spielen und erklärte
nachher, sie habe so schnell innegehalten, weil das Klavier auf ein-
mal in ein bedeutendes Schwanken gekommen sei. Der ganze Vor-
gang dauerte etwa 3 Sekunden. (Neues Tagblatt, 1889, 12. Januar,
Nr. 10, S. 2.) Herr Professor 0. Schanzenbach, von welchem vor-
stehende Notiz herrührt, ergänzte dieselbe durch folgende Mittei-
lungen : Meine Wohnung ist im dritten Stock und liegt in der Dia-
gonale der Löwenapotheke. Das Haus ist sehr solid gebaut, steht
aber auf keinem sehr festen Grund und Boden; denn das Zittern
des Stubenbodens ist uns gegenüber einer früheren Wohnung sehr
aufgefallen, sobald ein schwer beladener Stein wagen vorbeifährt. Das
Zittern und Beben am siebenten war aber von dem eben erwähnten
ganz verschieden ; jenes war viel stärker , und man fühlte , wie das
ganze Gebäude von einer unter demselben wirkenden Macht ge-
hoben wurde und in Folge dessen in ein Wanken kam. Dann erst
erfolgte das von mir berichtete Gefühl des samt dem Lehnstuhl
sanft in die Höhe Gehoben-werdens, wobei mir trotz des augenblick-
lichen Betroffenseins sofort durch den Kopf schoss : „Aber du bist
ja nicht wieder herabgelassen worden." Mein Regulator zeigte etwa
2 M. 15 S. nach 12 Uhr. Die Bewegung war eine rein vertikale;
ein Gefühl von Rotation oder Undulation habe ich nicht gehabt.
d) Meine Angehörigen und ich, sowie ein gerade anwesender
Besuch verspürten Montag den 7. d. einige Minuten nach 12 Uhr
ganz deutlich einen Erdstoss. Die ins Nebenzimmer führende Thüre
krachte laut , wie wenn sie aufspringen wollte. Wir fühlten den
Boden förmlich schwanken und sahen die uns gegenüberliegende
Wand des Zimmers sich vorneigen. Eine Hängelampe schwankte hin
und her und die Pflanzen auf zwei Blumentischen bewegten sich
einige Sekunden. Wir fuhren von den Sitzen in die Höhe und eines
wie das andere sagte : das war ein Erdstoss. Wir fühlten uns auch
— 343 - -
einen Augenblick schwindlig. (Schwäbische Kronik, 1889, 11. Ja-
nuar, Nr. 9, S. 61.)
e) Am 7. Januar mittags 12 Uhr 2 Min., vielleicht auch 12 Uhr
2 Min. 30 Sek. (die Beobachtung wurde mit einer gewöhnlichen
Taschenuhr gemacht, welche nach der Stadtkirchenuhr ein paar Tage
früher gerichtet war), wurde von dem Unterzeichneten in Stuttgart,
Silberburgstrasse 173, 3 Tr., ein Erdbeben wahrgenommen, während
derselbe auf einem Sofa sitzend las. Das Haus steht auf Keupermergel.
Es wurde nur ein Stoss verspürt; der Beobachter hatte die Empfin-
dung, als ob plötzlich das ganze Haus sich senkte; die Richtung des
Stosses schien vertikal nach unten. Der Stoss dauerte nur einen
Augenblick. Eine Verschiebung von Möbeln oder ein Schwanken
von Gemälden, u. s. w. wurde nicht beobachtet. Eine an der Wand
befestigte Pendeluhr, sowie eine Standuhr blieben nicht stehen. Ein
Zuschlagen oder Aufspringen von Thüren wurde nicht bemerkt, eben-
sowenig Risse in den Mauern , nur ein Ächzen des Gebälks gleich-
zeitig mit der Erschütterung. Dieselben Beobachtungen machte meine
in demselben Zimmer mit mir sich befindende 15jährige Tochter.
Professor Dr. M. Baur.
f) Am 7. Januar, mittags 12 Uhr, wurde von dem Unterzeich-
neten ein Erdbeben verspürt; die benutzte Uhr (Remont., 22 Rub.)
wird stets mit der Eisenbahnuhr in Übereinstimmung gehalten, d. h.
etwa monatlich einmal nach der letzteren gerichtet, wobei sich selten
mehr als 1 — 2 Minuten Differenz zeigt; der springende Sekunden-
zeiger war abgestellt. Die Beobachtung wiu'de im königl. Münz-
gebäude (Neckarstrasse) in einem etwa in der Mitte desselben gegen
die Neckarstrasse im 1. Stock gelegenen Zimmer gemacht. Der
Beobachter sass am Schreibtisch, dessen Längsrichtung quer zur ge-
nannten Strasse geht, mit dem Blick gegen Südsüdwest, also parallel
der Neckarstrasse. In der Umgebung herrschte im kritischen Augen-
blick Ruhe. Das Gebäude steht auf Lehm und den unteren Mer-
geln des mittleren Keupers. Es wurde nur ein Stoss verspürt, ge-
folgt von kurzer, horizontal hin- und hergehender Bewegung in der
Stossrichtung. Die Bewegung war ein kurzer Ruck von der Seite;
der Beobachter war sofort überzeugt, dass ein Erdbeben statthatte.
Die Richtung des Stosses schien annähernd senkrecht zur Längs-
richtung der Neckarstrasse, also etwa von Ostsüdo.st nach Westnord-
west (von links nach rechts des Beobachters). Die Dauer der ganzen
Erscheinung war nicht ganz eine Sekunde. Im Moment des Stosses
krachte das (ca. 3 m hohe und 1| m breite) Fenster wie bei einem
— 344 —
plötzlichen Windstoss. Der Stahl des Beobachters liess deutlich die
oben angegebene Bewegung fühlen. Eine Thüre im Erdgeschoss
wurde kurz nach dem Stosse heftig zugeschlagen, doch ist es nicht
wohl möglich, dass dies durch den Erdstoss verursacht war, welcher
hierzu nicht intensiv genug schien. Eine besondere Luftbewegung
fand nicht statt, es war Windstille. Dagegen trat an demselben
Tage schon morgens Nebel unter steigender Temperatur und gegen
Abend Schneefall ein, nachdem wochenlang zuvor gleichmässige Kälte
geherrscht hatte.
Zur gleichen Zeit, ohne jedoch nach der Uhr zu sehen, beob-
achtete die Frau des Unterzeichneten, Alleenstrasse 32 im 1. Stock,
in einem Zimmer gegen West einen Stoss an 2 Möbeln und berich-
tete mir unveranlasst darüber. Die angegebene Richtung stimmte
auffallend überein. In demselben Hause wurde im 3. Stock eben-
falls eine, und zwar heftigere Schwankung wahrgenommen und gleich-
falls unabhängig berichtet. Bergratsassessor Schüz.
g) Montag, den 7., verspürten Herr Dr. Hofmann und der Unter-
zeichnete in ihrem Arbeitszimmer im 2. Stock des östlichen Flügels
im königl. Naturalienkabinet kurz hintereinander — in einem Zwi-
schenraum von etwa 2 Sekunden — zwei deutliche mittelkräftige
Stösse in der Richtung von Südost nach Nordwest fortschreitend,
während gleichzeitig Klirren und Aneinanderstossen der im Zimmer
stehenden Gläser u. s. w. vernehmbar war. Nach sofort eingezogener
Erkundigung hatte man von diesen Erschütterungen im Erdgeschoss
(Prof. Dr. Fraas) und im 1 . Stock (Dr. Lampert) nichts verspürt.
Was die genaue Zeit des Eintritts jener Erdstösse anlangt, so zeigte
meine nach der Stadtkirchenuhr gerichtete, um 12 Uhr mit derselben
verglichene Uhr unmittelbar nach dem Ereignis 12 Uhr 3,5 Min.
Dr. Eichler, Assistent am Naturalienkabinet.
[Nach Mitteilung von Herrn Prof. A. SchxMIDt differiert die Stadt-
kirchenuhr von dem KuTTER'schen Regulator um höchstens | Minute,
geht aber eher vor als nach.]
h) Keines meiner verschiedenen Seismometer deutete [am 7. Jan.]
auf einen ausserordentlichen Vorfall, insbesondere fand keine Aus-
lösung der in ordnungsgemässem Zustande befindlichen elektrischen
Leitung zur Pendeluhr statt. Bei einer vertikalen Schwankung von
1 mm hätte die Uhr ausgelöst werden müssen. In Übereinstimmung
damit zeigte das vertikal schwingende Pendel nur einen Ausschlag
von 3 mm, was einer Bodenhebung bezw. -Senkung um ^ mm ent-
sprechen würde. Das ostwestliche Horizontalpendel war ganz unver-
— 345 —
ändert, das nordsüdliche zeigte schwach 2 mm Ausschlag, entspre-
chend einer nordsttdlichen Erschütterung von ^ mm Amplitude. Aus-
schläge von diesem Betrage zeigen übrigens die Pendel auch von
Zeit zu Zeit, ohne dass ein Erdbeben als Ursache bekannt würde;
wie mir scheint, ist zum Teil die Erwärmung des Gestells durch die
an hellen Tagen in das Lokal eindringenden Wärmestrahlen die Ur-
sache solcher kleiner Verschiebungen der Marken. Allerdings sind
diese kleinen Verschiebungen beim Vertikalpendel seit der Verbindung
desselben mit einem dünnen elektrischen Leitungsdraht seltener ge-
worden, als sie früher waren (jetzt in etwa 4 V^ochen einmal). Als
Resultat der Angaben meiner Seismometer ergibt sich, dass der Boden
des Souterrains des Realgymnasiums bei dem Erdbeben vom 7. d. M.
eine vertikale Erschütterungsamplitude von | mm und eine nahe
Bordsüdliche Erschütterungsamplitude von ^ — ^ mm gezeigt hat.
In dem Kellerraum des statistischen Landesamts wurde keine
Veränderung des Seismometers wahrgenommen.
Frau Direktor v. Knapp (Hegelstrasse) sah samt ihrer Tochter,
an deren Bett sie sass , Bewegung einer Glasphotographie (an der
nordsüdlichen Wand aufgehängt) und Erzittern der Blumen auf dem
Blumentisch (Beobachtung über 3 Treppen).
Die Mutter eines Schülers des Realgymnasiums , welche über
3 Treppen in der Moserstrasse wohnt, vernahm Gläserklirren.
Frau Direktor v. Knapp berichtete noch von Bekannten in der
Hohenheimerstrasse , welche ebenfalls im 3. Stock das Erdbeben
verspürten. Professor Dr. A. Schmidt.
i) Im Hause meines Neffen, Baurat K. v. Seeger in Stuttgart,
Alexanderstrasse , wurde das Erdbeben ungewöhnlich stark gefühlt.
Dr. Salzmänn sen.
2. Ulm. a) Auch aus Ulm wird berichtet, dass der Erdstoss
dort verspürt worden sei. Als Richtung wird angegeben die von
Ost nach West, ebenso wie in Konstanz. (Neues Tagblatt, 1889,
10. Januar, Nr. 8, S. 1.)
b) Gestern [den 7.] mittags 12 Uhr wurde hier von Personen,
deren Zeugnis nicht angezweifelt werden kann, ein Erdstoss wahr-
genommen, der von Osten nach Westen wellenförmig verlief und eine
schwankende Bewegung verursachte. (Deutsches Volksblatt, 1889,
10. Jan., Nr. 8.)
3. Laupheim. a) 9. Jan. Auch hier ist am Montag [den
7. Jan.] mittags kurz vor 12 Uhr ein ziemlich heftiger Erdstoss ver-
spürt worden. Im Grosslaupheimer Schloss kamen Thüren, Möbel,
— 346 —
selbst der Schirm auf der Erdöllampe in starke Bewegung, so dass
man glauben konnte, im Maschinenhaus sei etwas passiert. (Deutsches
Volksblatt, 1889, 12. Jan., Nr. 10.)
b) Am 7. Januar, 4 — 5 Min. vor 12 Uhr mittags nach der Kir-
chenuhr, welche gegen die Postuhr 5 Minuten vorausgeht, wurde in
Laupheim, und zwar im 1. Stockwerk des etwas erhöht liegenden
Grosslaupheimer Schlossgebäudes, wo die Unterzeichnete im östlichen
Wohnzimmer sitzend mit Nähen beschäftigt war, ein Erdbeben ver-
spürt. Das Schloss steht teils auf Kies , teils auf Sand. Es war
nur e i n Stoss, infolgedessen alle beweglichen Gegenstände zu zittern
anfingen. Ich war der Meinung, dass im nahegelegenen Maschinen-
hause eine Explosion erfolgt sei, und dachte gleich an eine Erd-
erschütterung , nachdem ich erfahren , dass im Hause nichts vor-
gekommen sei. Die Richtung des Stosses war von Nordost nach
Südwest ; er dauerte einige Sekunden. Die festgeschlossene Thür
des Wohnzimmers bewegte sich vernehmbar; der auf der Hängelampe
befindliche Schirm erzitterte, und die auf dem Büffet stehenden Glas-
gegenstände kamen ins Schwanken. Die im angrenzenden Hause
wohnende Frau Präzeptor Blust hat ähnliche Wahrnehmungen ge-
macht. Pauline Klein.
Mitgeteilt durch Herrn Oberamtmann Höschele.
4. Biberach. a) 9. Jan. Auch hier hat sich, wie einige
Personen wahrgenommen, am letzten Montag [den 7. Jan.] mittags
kurz nach 12 Uhr eine wenige Sekunden dauernde Erderschütterung
bemerklich gemacht. Die Bewohner des Gigelturmes waren es na-
mentlich, welche um die angegebene Zeit durch das Schwanken des
Turmes , wie solches sonst nur bei sehr starkem Winde vorkommt,
erschreckt wurden. (Württembergische Landes-Zeitung, 1889, 12. Ja-
nuar, Nr. 10, S. 5.)
b) Am Montag, den 7. Januar, mittags präzis 12 Uhr nach
hiesiger Stadtuhr (dieselbe geht 4 — 5 Minuten der Telegraphen- und
Bahnuhr vor) wurde von dem Hochwächter Kotz auf dem Gigel-
burgturm ein Erdbeben verspürt; in der Stadt Biberach wurde das-
selbe nicht wahrgenommen. Der Turm steht auf tertiärer Nagel-
fiuhe : die Erdfläche am Turm hat 565, der Turm 590 m Meereshöhe.
Es wurde zuerst ein kurzes Rollen, dann ein starker und 2 — 3 Se-
kunden nachher ein zweiter schwächerer Stoss beobachtet. Es war
zuerst ein Stoss von unten, dann ein langsames Schwanken und
Zittern; frei hängende Gegenstände bewegten sich hin und her. Der
Hochwächter wurde 20 — 30 cm weit weg von seinem südöstlich ge-
— 347 -
legenen Beobachtungsfenster gestossen. Der Stoss kam von Südost;
die Dauer war nur 2 — 3 Sekunden. Dr. C. Finckh, Apotheker.
5. Waldsee. a) Der Erdstoss am 7. Januar wurde auch in
hiesiger Gegend, besonders stark im fürstl. Schloss in Wolf egg
kurz nach 12 Uhr verspürt. (Schwäbische Kronik , 1889, 12. Ja-
nuar, Nr. 10, S. 65.)
b) Am Montag, den 7. Januar, wurde in Waldsee etwa 5 Mi-
nuten vor 12 Uhr mittags (die Uhr geht mit der Waldseer Bahn-
hofsuhr) ein Erdbeben verspürt, und zwar im 2. Stock eines ganz
gemauerten Gebäudes (früher Klostergebäude) nördlich der Stadt am
Ausfluss des Stadtsees im grösseren Wohnzimmer, woselbst die Toch-
ter an der Nähmaschine nähte, auch der Sohn sich mit Lesen be-
schäftigte. Der Baugrund ist kiesiger Lehmboden nach Durchstechung
des Süsswasserkalks und Moors. Es wurde nur ein Stoss wahrge-
nommen, welcher wie ein starker Windstoss erschien ; seine Richtung
war von West nach Ost, die Dauer einige Sekunden. Die Hänge-
lampe geriet in starkes Schwingen, die Ketten daran klirrten; die
Thüren westlich und östlich knarrten, die südliche blieb ruhig. Der
Unterzeichnete kam um 12 Uhr nach Haus, hörte von den Kindern
den Vorfall und bemerkte sofort, dass dieses ohne Zweifel ein Erd-
beben gewesen sei. Oberamtsbaumeister Stifel. '
6. Wolfe gg. a) S. den Bericht von Waldsee.
b) Gestern [d. 7.] mittags 6 Min. nach 12 Uhr wurde im fürst-
lichen Schlosse Wolfegg und einigen höher gelegenen Gebäuden eine
Erderschütterung wahrgenommen. (Deutsches Volksblatt, 1889,
10. Januar, Nr. 8.)
c) Aus Wolfegg erfuhr ich zuverlässig nur so viel, dass der
Stoss um 12 Uhr 10 Min. stattfand, Seine Durchlaucht eben mit
Schreiben beschäftigt einen Strich über das Papier machten und
beim raschen Aufsehen (in der Meinung, gestossen worden zu sein)
einen Spiegel schwanken sahen. F. Domänendirektor Weiger.
d) Am 7. Januar, mittags 12 U. 7 M. nach hiesiger Uhr, welche
4 — 5 Minuten vor der Telegraphenuhr geht, wurde in Wolfegg ein
Erdbeben verspürt. Wolfegg liegt auf einer Hochebene zwischen
dem tief eingeschnittenen Aachthale im Westen und dem ebenfalls
tief eingewaschenen Höllthale im Norden auf Moränenschutt. Es
war nur ein Stoss von Ost nach West, die Bewegung ging von unten
nach oben mit etwas wie Ruck, nur wenige Sekunden dauernd. Im
fürstlichen Schlosse wurde die Wirkung am stärksten verspürt; die
Möbel schwankten , Tafeln haben sich bewegt und kamen teilweise
— 348 —
in schiefe Lage, besonders kleinere Bilder. In einem Zimmer ist der
Plafond heruntergefallen und hat 4 Sessel zusammengeschlagen.
Mauerrisse gab es nicht und Möbel stürzten nicht um. Fan kurzes
Brausen, ein starker Wind soll dem Scoss sofort nachgefolgt sein.
Seine Durchlaucht der Fürst von Wolfegg, dem ich vorstehende Mit-
teilungen nacherzähle, sagte mir, dass sein Hund, der neben ihm
auf einem Sessel lag, von demselben ganz erschreckt herunterge-
sprungen sei und sich auffallend unruhig benommen habe , ähnlich
als hätte ihn eine Angst befallen. Schwächere Erschütterungen vor-
oder nachher sind nicht beobachtet worden. Auch in einigen an-
deren Häusern ist das Erdbeben wahrgenommen worden, besonders
im hiesigen Schulhause, welches gleichfalls am äussersten Ausläufer
hoch über dem Aachthal steht. Oberförster Imhof.
7. Fri edrichshaf en. a) 8. Jan. Am Montag [den 7. Jan.]
mittags 12 U. 5 M. wurde hier ein starker Erdstoss verspürt. (Deut-
sches Volksblatt, 1889, 11. Januar, Nr. 9.)
b) Am 7. Januar, mittags 12 Uhr (die Uhr geht mit der Tele-
graphenuhr) , wurde hier ein Erdbeben verspürt. Der Beobachter
sass am Fenster im 1. Stock eines nach Norden gelegenen Hauses,
welches auf Kiesboden steht Es wurde nur ein Stoss empfunden.
Die Bewegung war wellenförmig ; es war, wie wenn im oberen oder
unteren Stockwerk ein schwerer Gegenstand auf den Boden stürzte.
Der Stoss dauerte 1 — 2 Sekunden, seine Richtung kann nicht an-
gegeben werden. Der Erschütterung ging ein Knall voraus. Vor-
stehende Angaben sind von der Frau des Abfertigungsbeamten Grauer
gemacht worden. Betriebsinspektor Pross.
8. Oberstadion. Der Unterzeichnete hat den Erdstoss vom
7. d. M. gut wahrgenommen. Es war 2 Minuten nach 12 Uhr mit-
tags. Die Uhr ging, glaube ich, so ziemlich nach der Telegraphen-
uhr. Ich befand mich in meinem grossen Studierzimmer, Ecke der
Süd- und Westseite des grossen, bis zum Dach aus Ziegelsteinen
gebauten Hauses und stand eben am Schreibpult an der Wand gegen
Süd; das Haus steht auf Thonboden. Ich verspürte einen Stoss
wie einen kurzen Ruck von unten und vernahm zugleich einen
dumpfen Ton, wie den eines Böllerschusses aus einer Entfernung von
2 — 3 Stunden. Dann folgte eine schwankende, wie es schien, wellen-
förmige Bewegung des Fussbodens, 3 — 4 Sekunden während, deren
Richtung oder Fortpflanzung ich aber nicht erkannte (Nord nach
Süd?). Es wurde mir etwas bange, da das Schwanken ziemlich
stark war und augenblicklich (d. i. unmittelbar nachdem wieder alles
— 349 —
ruhig geworden) ging ich in die andern Zimmer, auf die Gänge des
Hauses, auf die Bühne, um nachzusehen, ob nicht irgendwo ein
Tragbalken geborsten sei, fand aber alles in Ordnung.
Pfarrer Straub.
9. Buchau. Am Montag, den 7. d. M., wurde hier ein Erd-
beben verspürt. Leider war ich selbst diensthch abwesend, und
stützen sich daher meine Angaben nur auf glaubwürdige Zeugenaus-
sagen. Das Erdbeben wurde im 1. und 2. Stockwerk verspürt, aber
nur in Form einer etwa 3 — 4 Sekunden andauernden Schwankung
und um 12 Uhr 10 Min. mittags. An Geräusch war Klirren der
Fenster und Schwanken von Gegenständen, als: Tafeln, Kommoden,
Vorhängen u. s. w. zu bemerken. Den Leuten schien es, als wollte
sich das Haus in 2 Teile teilen. Ein Zeuge begab sich auf die
Bühne (Rathausbühne), weil er das Geräusch im Gebälke hörte und
das Gefühl bekam, als ob die Balken auseinander gehen wollten.
Der Stoss selbst erfolgte, soviel ich ermitteln konnte, von Ost
nach West.
Auffallenderweise konnte ich trotz aller Mühe in den weiter
um den Federsee liegenden Ortschaften nicht einen einzigen Zeugen
ausfindig machen, welcher von dem Erdstoss etwas verspürt hätte.
Ich werde diesem Umstände auch noch für die nächste Zeit rege
Aufmerksamkeit widmen. Buchau liegt auf Torfboden und ist fast
ausschliesslich von Torfboden umgeben. Revierförster Gönner.
10. Steinhauser Ried. Am Montag, den 7. Januar, wurde
im Steinhauser Ried (Torfmoor), Gemeinde Reichenbach, OA. Saul-
gau, mittags kurz nach 12 Uhr ein Erdbeben verspürt, und zwar
von dem Riedaufseher, k. Forstwächter Aberle, welcher in der dor-
tigen , auf eingerammten Pfählen ruhenden Menagehütte ganz allein
anwesend und im 2. Stock, an einem Tische sitzend, mit schriftlichen
Arbeiten beschäftigt war. Das Gebälk des unter dem Beobachter
befindlichen leeren Speisesaals krachte. Es war nur ein Stoss; die
Bewegung war wellenförmig ; sie wirkte auf den Beobachter wie eine
Nachenfahrt bei unruhiger See. Der Stoss dauerte ein paar Sekunden ;
die Richtung der Bewegung war nicht zu ermitteln.
Oberförster Frank in Schussenried.
11. Hohenheim. Der Erdstoss vom 7. Januar 1889 wurde
in Hohenheim (wie durch ein an alle Hausvorstände und Einzel-
personen gehendes Zirkular eruiert wurde) nur von zwei Personen,
von diesen aber mit voller Bestimmtheit, beobachtet: Frau Prof. S.
und Herrn Prof. Z. a) Frau Prof. S. sass zur kritischen Zeit an
— 350 —
ihrem Nähtische im geschlossenen Zimmer (Gedanke an Zugluft aus-
geschlossen) , das auch innerhalb des Vorgangs von niemandem be-
treten wurde. Sie hatte den Eindruck einer leichten Hebung des
Stuhles und zugleich einer unbedeutenden Neigung nach vorn, was,
da das Gesicht gegen Ost gerichtet war, für west-östliche Stoss-
richtung sprechen würde. Dumpfes, schwer zu beschreibendes Ge-
räusch aus der Tiefe. Der grosse, im hohen Zimmer bis an die
Decke reichende Christbaum geriet in Schwingungen , so dass die
Ausschmückungsgegenstände aneinander schlugen. Die sofort nach
der Beobachtung konsultierte Uhr, eine gute Schwarzwälderin, deren
(freilich auf eine Minute plus oder minus nicht kontrollierte) Gang
mit der öffentlichen Uhr Hohenheims vor und nach dem Ereignis
übereinstimmte, zeigte genau auf 12 Uhr. Das betreffende Zimmer
liegt im östlichen Flügel des grossen, nur teilweise unterkellerten
Schlossgebäudes, im ersten Stock (wegen Entresol besonders hoch).
Der Untergrund des Gebäudes dürfte wenigstens zum Teil (wegen
einstiger Terrassierung des südlichen Bergabhangs) aufgeschütteter
(vor mehr denn 100 Jahren) sein, sonst Lias a.
b) Herr Prof. Z. las, das Gesicht nach Westen, in einem Fau-
teuil sitzend. Die Aufmerksamkeit wurde durch ein aus der Tiefe
heraufpolterndes Geräusch, dessen besondere, nicht von einem Falle
in den Parterrelokalitäten herrührende Abstammung sofort erkannt
wurde, erregt, sofort aber auch eine schwankende, schiffsähnliche,
trotz der Kürze der Einwirkung unbehagliche Bewegung wahrge-
nommen, was für eine Bewegung aus Süd oder Nord stimmen würde.
Yon einem nahen Schranke ertönte ein Geräusch, v/ohl von dem
Wackeln einer auf demselben stehenden Gipsfigur herrührend, deren
Schwingungen aber bei der sofort vorgenommenen Untersuchung auf-
gehört hatten. Die Uhr im Nebenzimmer zeigte 2 Min. vor 12 Uhr,
ist übrigens sehr wahrscheinlich etwas nachgegangen. Das fragliche
Zimmer liegt im ersten Stock eines vor etwa 20 Jahren aufgeführten,
vom Schlossgebäude getrennten und unterkellerten Hause ; Untergrund
zum Teil wegen Terrassierung aufgeschütteter Boden.
In beiden Fällen wurde sofort konstatiert, dass die übrigen
Bewohner desselben Logis in anderen Stuben nichts beobachtet hatten.
Ich selbst befand mich in der kritischen Zeit im Freien, in der Nähe
des eben rangierenden Bahnzuges und habe nichts bemerkt.
Professor Dr. Nies.
12. Burgstall, 12. Jan. Auch in Burgstall wurde das Erd-
beben vom 7. d. M. wahrgenommen. Der Berichterstatter sass nach
— 351 —
dem Mittagstische am Schreibpult. Plötzhch vernahm er ein eigen-
tümUches Rollen aus dem Erdinnern, der Sessel wankte ; die Saiten
des Klaviers tönten, die Feder der Wanduhr klingelte, das Porzellan-
geschirr im Glaskasten klirrte. Das war mittags 12 Uhr 10 Min.
Die rollenden dröhnenden Wellen trieben sich fort in der Richtung
von Nordwest nach Südost. (Deutsches Volksblatt, 1889, 15. Ja-
nuar, Nr. 12.)
13. Tübingen. Am letzten Montag, den 7. Januar, spürten
Herr Professor Nauwerck und der Unterzeichnete gegen 12 Uhr mit-
tags einen heftigen, mehrere Sekunden dauernden Erdstoss. Die
Richtung desselben schien von Südwest nach Nordost zu laufen. Die
vielen Gläser, die auf den Tischen des Laboratoriums stehen, Hessen
ein starkes Klirren vernehmen, und die Wand der Südseite des In-
stitutes schien in das Zimmer hereinfallen zu wollen. Der Stoss rollte
langsam unter dem Gebäude weiter, alles ziemlich stark erschütternd.
Erschreckt waren wir von den Sitzen aufgesprungen und einigten
uns sofort über die Diagnose eines Erdstosses. (Bericht des Herrn
E. GüxssER, Assistenten am pathologischen Institut, an die meteoro-
logische Station in Stuttgart.)
14. Hund ersingen, Oberamt Ehingen. Am 7. Januar ging
in meinem Hause um 12 Uhr oder einige Minuten hernach eine nicht
eingeschlagene Thüre auf, was wohl ohne besondere äussere Veran-
lassung nicht geschehen wäre. Die Thüre liegt fast in der Meridian-
richtung; sie öffnet sich mit ihrer Nordseite, welche sich hierbei
über Osten bewegt. Auffallend ist mir allerdings, dass ich, obgleich
es in meiner näheren und weiteren Umgebung ziemlich ruhig war,
weder einen Stoss, noch ein Geräusch vernahm. Mein Haus, mit
einem anderen zusammengebaut, steht auf Alluvium im Gebiet des
Sandes der unteren Süsswasser-Molasse. Pfarrer J. Nagel.
15. Königsegg wald. Am 7. Januar mittags etwa 11 U.
40 M. (die Uhr ging mit der hiesigen Kirchenuhr, welche aber da-
mals so ziemHch mit der Bahnuhr ging) wurde im zweiten und be-
sonders im dritten Stockwerk des herrschaftlichen Schlosses dahier
von dem Herrn Erbgrafen v. Königsegg und dem Schlosspersonal ein
Erdbeben verspürt. Das Schloss liegt auf Molasse und Schuttboden.
Es wurde nur ein einmaliges wellenförmiges Schwanken beobachtet,
keine Stösse. Die Bewegung kam entweder in der Richtung von
West nach Ost oder von Ost nach West; sicher konnte nur erhoben
werden , dass dieselbe nicht von einer anderen Seite herkam. Sie
dauerte ein paar Sekunden. Namentlich im dritten Stockwerk wurde
— 352 —
ein heftiges Ächzen und Prasseln in den Stubenböden wahrgenommen,
eine Person will auch ein Brausen gehört haben , was die übrigen
aber nicht beobachtet haben ; das Geräusch fand gleichzeitig mit
dem Schwanken statt. Forstverwalter Henle.
16. Warthausen. Am 7. Januar mittags 12 Uhr 3 Minuten
(die Uhr, an welcher die Beobachtung gemacht wurde, ist eine
KuTTER'sche sehr korrekte Taschenuhr, verglichen mit der Bahnuhr
in Warthausen und Biberach) wurde im Schloss Warthausen ein Erd-
beben verspürt, und zwar im obersten (zweiten) Stockwerk und auf
der Bühne (Kornboden) : im Parterre war momentan niemand , und
das erste Stockwerk war zur Zeit unbewohnt. Das Schloss ist bis
zum Giebel ein massiver, vorzugsweise aus Nagelfluhefelsen, errati-
schen Gesteinen und Mörtelguss erbauter, mittelalterlicher Stein-
koloss, im Parterre mit bis zu 2| m dicken, im oberen Stockwerk
über 1 m dicken Mauern, dessen Gewicht auf den lockeren Untergrund
schon öfter Missstände (Mauerrisse u. dergl.) hervorgerufen hat. Das-
selbe steht auf einem ins Rissthal vorspringenden Bergkopfe aus Nagel-
fluhefels und mehr noch Rollkies. Der Stoss kam aus Südwest, d. h.
scheinbar in meinem Zimmer mehr aus West, bei meinen Damen mehr
aus Süd, was mit der Richtung der nicht ganz gleich liegenden Zim-
merwände, auf die der Stoss traf, zu erklären ist, bezw. wegen ver-
schiedener Richtung der Fenster. Ich sass am Schreibtisch, als das
ganze Gebäude zu schwanken begann. Auch an den Wänden auf-
gebaute Kästen mit ausgestopften Vögeln und Bücherregale begannen
zu wackeln ; es krachte im ganzen Zimmer, die Töne waren aber keine
andern als die von den gerüttelten Gegenständen hervorgebrachten:
der Boden unter meinen Füssen ging abwärts. Als ich in den Haus-
gang eilte, kam mir meine Frau erschreckt entgegen. Von zwei im
nämlichen Zimmer bei uns befindlichen Töchtern hatte die eine ge-
meint, die andere schiebe sie scherzweise von hinten mit dem Stuhle
vorwärts, während die andere den Eindruck hatte, als habe ein Sturm-
wind Fenster und Thüren aufgerissen. Eine im Dienstbotenzimmer
arbeitende Nähterin dachte an einen Einsturz auf der Bühne und
eine daselbst beschäftigte Kammerjungfer, die das Gebälk und den
Boden zittern spürte, meinte, es sei unter ihr etwas eingefallen. Ich
selbst habe nachher, obgleich wir über die Erscheinung keinen Augen-
blick im Zweifel waren, die Zimmer des ersten Stocks auf einen
etwaigen Plafond-Einsturz durchgangen. Das Thermometer zeigte
0** R., das Barometer keine besonderen Erscheinungen; es herrschte
Windstille. Etwa 12 aus der Gemeinde im Thal befragte Personen
— 353 —
haben gar nichts bemerkt; auch der in Oberwarthausen gleichfalls
auf einem Bergvorsprung wohnende Ortspfarrer hat nichts verspürt
und glaubt, wenn dort eine Erschütterung vorgekommen wäre, sie
sicher nicht übersehen zu haben. Auch in dem südöstlich vom
Schloss gelegenen Okonomiegebäude haben der Pächter und seine
Leute nichts bemerkt , trotz der Mittagsruhe , wobei allerdings die
Gewöhnung an viel Lärm mitgewirkt haben kann. Im Freien hat
eine meiner Töchter, die gerade im Garten war, nichts verspürt,
ebensowenig einer meiner Söhne, der zwischen Warthausen und
Langernhausen auf der Jagd war. Die Erschütterung scheint also
nur auf dem äussersten Schlossberg und hier nur in dem grossen
Steinmassiv des Gebäudes , da aber besonders stark zur Äusserung
gekommen zu sein.
Dr. Frh. K. Koenig-Warthausen, K. Kammerherr und Abgeordneter.
17. Esslingen. Hier wurde das Erdbeben am 7. Januar von
5 Personen beobachtet: von Fräulein Marie Neuffer, deren Dienst-
mädchen, Fräulein Weiss, Kupferschmied Schwarz, Lithograph Meier.
Frl. N. sagt, kurz vor 12 ühr mittags, es habe bald darauf zwölf ge-
schlagen ; ScH. gibt (zuverlässiger, da er von der Arbeit weg in seine
Wohnung gegangen war, um Mittag zu speisen) wenige Minuten nach
12 Uhr an. Dem entspricht auch die Angabe des Lithographen
Meier, welcher den Stoss auf der Strasse beim Nachhausegehen von
der Arbeit fühlte. Die Stadtuhr geht in Esslingen der Bahnuhr ge-
wöhnlich ein paar Minuten vor; dies erklärt aber obigen Zeitunter-
schied nicht, da der Stadtteil, in welchem Frl. N. wohnt, sich nach
der Stadtuhr, die Umgebung der Wohnung von Sch. sich nach der
Eisenbahnuhr zu richten pflegt.
Frl. N. sass, mit Handarbeiten beschäftigt, ruhig am Fenster,
als sie den Stoss fühlte ; ihr Dienstmädchen deckte zu gleicher Zeit
in demselben Zimmer den Tisch und bemerkte die Erschütterung
an dem Klirren der Schlüssel in dem Schlüsselkästchen, dem sie
näher stand als Frl. N. Zu gleicher Zeit sprachen beide ihre Ver-
wunderung über die gemachten Beobachtungen aus. Die Hausfrau,
im anstossenden Zimmer ruhig sitzend, empfand nichts. Die Woh-
nung ist im 3. Stock gelegen. Sch. sass ebenfalls ruhig in seinem
Zimmer, als der Stoss kam. Die Nachrichten von Frl. N. und Frl. W.
stammen aus ein und derselben Strasse, welche am Fuss des Burg-
bergrückens entlang lauft, und deren Häuser auf Keuperfelsen (Stu-
bensandstein) gegründet sind. Die Häuser des in der Thalebene
liegenden grösseren Stadtteils, in welchem Sch. (Bahnhofstr. 20b,
JahreBhefte d. Vereins f. vaterl. Naturkuade iu Württ. 1889. 23
— 354 —
2 Tr.) und M. wohnen, stehen auf Kies ; übrigens ist das Haus von
ScH. ein sogenanntes Hängewerk, die beiden unteren Räumlichkeiten
sind vollständig hohl, weshalb auch die kleinste Schwankung fühlbar
ist. M., der den Stoss auf der Strasse fühlte, sprach erst davon,
nachdem er von Sch. gehört hatte, dass dieser den Stoss gefühlt habe.
Frl. N., ihr Dienstmädchen und Sch. haben nur einen Stoss
oder Ruck verspürt. Frl. N. nannte die Bewegung ein Schaukeln
des Sessels, Sch. hatte die Empfindung, als ob man ihm den Stuhl
wegzöge; bei beiden scheint demnach das Gefühl eine horizontale
Bewegung, ein Schwanken gewesen zu sein. Beide geben die Rich-
tung von Südwest nach Nordost, als Zeitdauer nur eine Sekunde an.
Bei Frl. N. kamen Schlüssel ins Klirren, die in einem Kästchen
hängen, welches an einer von Westsüdwest nach Ostnordost verlau-
fenden Wand befestigt ist. Das Kästchen hing westsüdwestlich von
dem Fräulein in der entgegengesetzten Zimmerecke neben einer
Thüre zu demjenigen Zimmer, in welchem die Mutter ruhig sitzend
nichts bemerkte. Sch. hörte in der entgegengesetzten Zimmerwand
südwestlich ein kurzes Krachen. Frl. N. vernahm gleichzeitig einen
dumpfen Ton, als ob jemand zu Boden gefallen wäre. Schwächere
Erzitterungen vorher oder nachher wurden nicht beobachtet.
Dr. Salzmann sen.
18. Urach. Das Erdbeben wurde auch hier verspürt.
Stadtschultheiss Seubert.
Verneinende Berichte liegen aus Württemberg vor von: Heil-
bronn (Prof. Lang), Wangen (Oberförster Fischer), Isny (Stadtpfarrer
Rieber), Ehingen (Stadtpfieger Maag), Munderkingen (Oberlehrer
Speck), Heidenheim und Umgegend (Forstmeister Prescher), T e i n -
ach (Dr. Wurm), Ravensburg (Rektor Pfahl), Winterlingen
(Stadtschultheiss), Herbertingen (Schultheiss Föser), Tuttlingen
(Apotheker Staenglen), Geislingen (Oberreallehrer Fetscher), Sehe er
(Stadtschultheiss Deschler) , Telegraphenstationen von F e 11 b a c h
bis Unterböbingen (Bauinspektor Wundt), Waidenbuch (Sta dt-
schultheiss), Wiesensteig (Stadtschultheiss Herzer), Horb (Oberför-
ster Probst), Böblingen (Oberamtsarzt Lechler), Oberth euringen
(Schultheiss Hager), Schwendi (Frh. v. Süsskind), Ochsenhausen
(Oberlehrer Weizzenegger) , Zogenweiler (Schultheiss Dorner),
Schloss Zeil (Domänendirektor Weiger) , Bernloch (Schultheiss
Walter), Erolzheim (Schultheiss Bär), Gingen a. Brenz (Fabri-
kant Glatz), Kisslegg (Regierungsbaumeister Dittus), Rottweil
(Professor Haag), Oberndorf und Umgegend (Strassenbauinspektor
— 355 —
Angele), Würz ach (Stadt arzt Dr. Ray), Reutlingen (Prof. Krimmel),
Wain (Freifräulein v. Herman), Sauig au (Apotheker Edel), Gross-
Engstingen (Schultheiss Walde), Leutkirch (Oberförster Spreng),
Gmünd (Oberaratsarzt Kieser), Gerstetten (Schultheiss Fink),
Gächingen (Schultheiss), Wilhelmsdorf (Apotheker Weisman),
Maulbronn (Stadtschultheiss Bausch), Sigma ringen (Landesbau-
inspektor Leibbrand).
42 weitere ausgesendete Fragebogen blieben unbeantwortet.
b) In Baden wurde das Erdbeben vom 7. Januar beobachtet in :
Konstanz ungefähr 3 M. vor 12 U., scheinbar von West nach
Ost (Schwäbische Kronik, 1889, Nr. 7, S. 51), 5 M. vor 12 U., von
West nach Ost (Badische Landeszeit., 1889, Nr. 1, Bl. 1), 12 U.
10 M., von Ost nach West (Neues Tagblatt, 1889, Nr. 7, S. 2),
17 M. vor 12 U., von Nordost nach Südwest (Münchener Fremden-
blatt, 1889, Nr. 9, S. 5) (vergl. auch Bad. Landeszeit., 1889, Nr. 9,
Bl. 1, Karlsruher Zeit., 1889, Nr. 10); Albbruck (Bad. Landesz.,
1889, Nr. 8, Bl. 1); Hohenfels im Albthale bei Buch (ebenda);
Uehlingen, Amt Bonndorf, von Südost nach Nordwest (Bad. Lan-
desz., 1889, Nr. 9, Bl. 1); Reichenau, kurz nach 12 Uhr, von
West nach Ost (Bad. Landesz., 1889, Nr. 9, Bl. 1); Markdorf,
etwas vor 1 Uhr [?] (Deutsches Volksblatt, 1889, Nr. 9); im Alb-
thal (Schwarzwälder Bote, 1889, Nr. 11); in der Gegend von Todt-
nau (ebenda); in Ueberlingen (ebenda); Menningen bei Mess-
kirch (ebenda).
Nicht beobachtet wurde dasselbe in Engen und Amtsbezirk
(Posthalter Munding), Donaueschingen und Umgegend (Domänen-
rat Hopfgartner).
c) In der Schweiz wurde dasselbe wahrgenommen in:
Frauenfeld 11 ü. 54 M. (Schwäbischer Merkur, 1889, Nr. 8,
S. 60, Der Bund, 1889, Nr. 8); Ermatingen (Bad. Landesz., 1889,
Nr. 9, Bl. 1); Berlin gen (ebenda); Aarau, Küttigen und Bi-
berstein unmittelbar vor 12 U. mittags (Der Bund, 1889, Nr. 11);
Wattenwyl (Bern) 11 U. 53 M. (Bund, 1889, Nr. 7); Zürich
8 M. vor 12 U. (Neue Zürcher Zeit., 1889, Nr. 8, Bl. 2), einige
Minuten vor 12 U. , von SO nach NW oder von N nach S (Neue
Zürcher Zeit., 1889, Nr. 9, Bh 2); Wattwyl 12 ü. 15 M. (ebenda);
Wyl (ebenda); St. Gallen 5| M. vor 12 ü. Telegraphenzeit (ebenda),
10 M. vor 12 U. (Neue Zürcher Zeit., 1889, Nr. 9, Bl. 1), etwa
4 M. vor 12 Uhr, genau von S nach N (Die Presse, 1889, Nr. 10,
— 356 —
S. 3); Tablat (Neue Zürcher Zeit., 1889, Nr. 9, Bl. 1); Herisau
(ebenda); Zug, etwa um 12 ü. (ebenda); Bülach, kurz vor 12 U.
(Neue Zürcher Zeit., 1889, Nr. 10, Bl. 1); Bauma, 5 M. vor 12 U.,
von SW nach NO (ebenda); Kreuzungen, 5 M. vor 12 ü. (ebenda);
Emmishofen (ebenda); Sontersweil (ebenda) ; Matt weil (ebenda);
And weil (ebenda); Berg (ebenda; Bund, 1889, Nr. 9) ; Mauren,
einige Minuten vor 12 ü. (ebenda); Engishofen, 5M. vor 12 U.
(ebenda); Oberhard (ebenda); Am risw eil (ebenda) ; Bischofs-
zeil (ebenda); Amlikon (ebenda); Oberbussnang (ebenda);
Mettlendorf (ebenda); Mett«len, kurz vor 12 U. (ebenda; Bund,
1889, Nr. 9); Hosenrugg (ebenda); Wetzikon (ebenda); Hutzen-
weil bei Aawangen (ebenda); Eschlikon (ebenda); Unterägeri
(ebenda); Wil d egg (ebenda) : Toggenburg (Schwarzwälder Bote,
1889, Nr. 10, Beil.); Glarus (ebenda); Flawyl (ebenda); Ror-
schach (Württ. Landeszeit., 1889, Nr. 9, S. 4); Münch weilen
(Bund, 1889, Nr. 10); Oberhofen (südöstlich von Kreuzhngen),
(ebenda); Lichtensteig (Bund, 1889, Nr. 9); N ollen (ebenda);
Sulgen (ebenda); Seh äff hausen (Schwäbischer Merkur, 1889,
Nr. 14, S. 107); Kanton Appenzell (Bund, 1889, Nr. 9).
Eine nähere Beurteilung des Bebens wird erst nach Veröffent-
lichung der an die schweizerische und badische Erdbebenkommission
erstatteten Berichte möglich sein. Nach den bisher vorhegenden
Mitteilungen wurde die Erschütterung innerhalb eines Flächenraums
beobachtet, an dessen Grenzen der Kanton Glarus, der Kanton Appen-
zell, Rorschach, Friedrichshafen, Wolfegg, Biberach, Laupheim, Ulm,
Burgstall, Stuttgart, Tübingen, Menningen bei Messkirch, Schaffhausen,
Uehlingen südlich von Bonndorf, Todtnau, Albbruck, Aarau, Wattenwyl
(Bern) und Aegeri bei Zug gelegen sind. Sie wurde fast allgemein wahr-
genommen in den Kantonen Glarus, Appenzell, St. Gallen und Thur-
gau, und zwar am stärksten in Orten auf einer etwa südnördlich
laufenden Linie von Glarus nach Kreuzungen bei Konstanz, nämlich
in Wattwyl, Lichtensteig, Toggenburg, Flawyl, Nollen, Sulgen, Engis-
hofen, Berg ^. Von diesem ostschweizerischen Gebiete, den nördlichen
Nebenzonen der Alpen, hat sich das Beben mit abnehmender Stärke
nach Westsüdwest, Nordwest, Nord und Nordnordost fortgepflanzt;
südsüdwestlich (im Streichen der Alpen) nach Zug, Unterägeri, selbst
Wattenwyl (westlich von Thun), nordwestlich nach Zürich, Aarau,
Küttigen, Biberstein, Wildegg, Schaffhausen, Albbruck, Hohenfels,
* Nach der Thurgauer Zeitung im Bund, 1889, Nr. 9.
— 357 —
Uehlingen bis in die Gegend von Todtnau. Nicht mehr beobachtet
wurde dasselbe in Engen, Donaueschingen, Tuttlingen, Rottweil, Obern-
dorf und Umgegend, Horb, Teina'ch. Im Norden und Nordnordosten
wurden erschüttert in Baden Reichenau, Konstanz, Ueberlingen, Mark-
dorf, Henningen bei Messkirch; in Württemberg Friedrichshafen,
Wolfegg, Waldsee, Königseggwald, das Steinhauser Ried, Buchau,
Biberach , Warthausen , Oberstadion , Laupheim, Ulm, Hundersingen,
Urach, Tübingen, Hohenheim, Esslingen, Stuttgart, Burgstall; aus dem
dazwischen gelegenen hohenzollernschen Gebiete fehlen Nachrichten.
In der Verlängerung der Linie stärkster Erschütterung, Glarus — Kon-
stanz, ist letztere auch am weitesten nach Norden vorgedrungen;
hier liegen Ueberlingen, Henningen, Tübingen, Urach. Hohenheim,
Esslingen, Stuttgart, Burgstall. Nicht mehr wahrgenommen wurde
das Beben in Wangen, Isny, Kisslegg, Leutkirch, Schloss Zeil, Ochsen-
hausen, Erolzheim, Schwendi, Wain, Gingen a. d. Brenz, Heidenheim,
Gerstetten, Geislingen, Wiesensteig, im Remsthal von Fellbach auf-
wärts, in Heilbronn und Maulbronn.
In Württemberg war die Erschütterung (ausser in Wolfegg)
nur schwach; sie wurde nur von einzelnen, und zwar solchen Per-
sonen wahrgenommen, welche (lesend, schreibend u. s. w.) ruhig sassen
oder standen oder in höheren Stockwerken der Gebäude bezw. auf
einem Turme sich befanden. Es lässt sich daher nicht beurteilen,
ob dieselbe in Obertheuringen, Ravensburg, Zogenweiler, Wilhelms-
dorf, Saulgau, Hunderkingen, Herbertingen und namenthch in Scheer.
Sigmaringen, Winterlingen, Ehingen, Bernloch, Gächingen, Gross-
Engstingen, Reutlingen, Waidenbuch und Böblingen nicht beobachtet
wurde, weil diese Orte überhaupt nicht erschüttert wurden, oder weil
die Umstände eine Beobachtung nicht gestatteten. Hierzu ist die
Zahl der vorhegenden Berichte nicht gross genug.
Von den im Erschütterungsgebiete verteilten v. LASAüLx'schen
Seismochronographen hat keiner funktioniert. Die im Realgymnasium
in Stuttgart aufgestellten Seismometer ergaben nach Herrn Prof.
A. Schmidt, „dass der Boden des Souterrains des Realgymnasiums
bei dem Beben vom 7. Januar eine vertikale Erschütterungsampli-
tude von I mm und eine nahe südnördliche Erschütterungsamplitude
von \ — ^ mm gezeigt hat." Von den vorhegenden Zeitbestimmungen
sind als zuverlässigere wohl nur anzusehen diejenigen von St. Gallen,
11 U. 54 H. 30 S. Telegraphenzeit (Berner Zeit), von Stuttgart,
12 U. 2|— 3i M., von Warthausen, 12 U. 3 H. Der Zeitunterschied
zwischen dem Eintreten der Erschütterung in St. Gallen und dem-
-- 358 —
jenigen in Stuttgart und Warthausen würde hiernach etwa 1t] — 2
bezw. lo Min. betragen haben. Da die Entfernung zwischen St. Gallen
und Warthausen etwa 11^ geogr. Meilen, zwischen St. Gallen und
Stuttgart etwa 21^ geogr. Meilen ist, so würde, wenn die Fortpflan-
zung horizontal erfolgt wäre , die mittlere Oberflächen-Geschwindig-
keit nach Warthausen durch lockere tertiäre und diluviale Gesteine
hindurch etwa 7,5 geogr. Meilen, nach Stuttgart vorherrschend durch
festere ältere Gesteine hindurch etwa 14 geogr. Meilen in der Minute
betragen haben, etwa 900 bezw. 1700 m in der Sekunde (bei der
Annahme von 12 U. 3,5 M. für Stuttgart würde sich die letztere
Zahl auf etwa 1300 m reduzieren).
Als Richtungen der Bewegung werden angegeben in St. Gallen
genau S — N, Zürich SO - NW (oder S — N), Uehlingen SO — NW,
Konstanz SW — NO (oder hier und in Reichenau W — 0), in Stutt-
gart und Hohenheim S — N, in Hundersingen von der S — N-Linie
nach West abweichend, in Laupheim und Warthausen SW — NO, in
Tübingen und Esslingen SW — NO, in Ulm, Waldsee, Wolfegg, Buchau,
Königseggwald W — 0, in Biberach und Burgstall SO — NW, in Bauma
SW — NO. Die ersteren weisen gleichfalls auf die Ostschweiz als
Ausgangsgebiet der Erschütterung hin. Hier ist in den nördlichen
Nebenketten der Alpen das epizentrale Gebiet zu suchen.
28. Januar. Stuttgart. Gestern früh 7 Uhr 29 Min. fand
hier ein Erdbeben statt. Dasselbe bestand in einer etwa 3 Sekunden
langen, scheinbar horizontalen, rüttelnden Bewegung, welcher nach
etwa 1 Sekunde noch ein zweiter, kürzerer Stoss in gleicher Rich-
tung nachfolgte. (Schwäbische Kronik, 1889, 29. Januar, Nr. 24,
S. 175.)
Da eine Bestätigung dieser Angabe von keiner Seite einging,
wird man berechtigt sein, sie als zweifelhaft zu betraciiten.
Beitrag zur Kenntnis der pleistoeänen Fauna Ober-
sehwabens.
Von Reg.-Baumeister Dittus, fürstl. Baumeister in Kisslegg.
Im Jahrgange 1885 S. 306 ff. dieser Hefte wurden 10 Spezies
Schnecken und Muscheln aufgeführt, welche sich im Kochermoos bei
Kisslegg in der obersten Schicht des unmittelbar unter dem Torfe
lagernden pleistoeänen (postglacialen) Lehmes vorgefunden haben.
Trotz der alljährlich ziemlich ausgedehnten Torf- und Lehmgewinnung
zeigten sich in der Folge keine weiteren Spezies.
Dagegen stiess man bei der Torfgewinnung im nordöstlich da-
von gelegenen Burgermoos (Name von Parzelle „Burg" herrührend),
welches vom Kochermoos nur durch eine schmale, niedrige, aus sehr
charakteristischem Grundmoränenmateriel bestehende und viele ge-
kritzte Gletschergeschiebe enthaltende Terrainwelle getrennt ist, unter
dem Torf, aber in einer Tiefe von nur 1,5 m bis 2 m auf eine
ähnliche lössartige Lehmschicht, welche wieder eine grosse Anzahl
Schnecken und Muscheln in sich barg.
Es kamen darin sämtHche 10 Spezies des Kochermooses vor,
annähernd auch in dem gleichen Mengenverhältnis; eine Ausnahme
macht nur Bythinia tentaculata^ welche im Kochermoos hier unge-
mein häufig ist.
Ausserdem haben sich an diesem Fundplatze nun noch weitere
4 Spezies ergeben, welche ebenfalls von Prof. v, Sandberger in Würz-
burg untersucht und bestimmt wurden.
Es sind dies folgende Gasteropoden :
Planorhis marginatus, häufig im Burgermoos, sowohl in un-
ausgewachsenen kleinen Exemplaren von 5 mm Durchmesser wie in
grösseren von 10 — 12 mm Durchmesser vorkommend.
Planorhis contortus, selten, 4 mm Durchmesser, 1,2 mm lang.
Planorhis rotundafus Poiret, selten, 4 mm Durchmesser,
1,2 mm lang.
— 360 —
Flanorhis fontanus Lightfoot, 2 mm Durchmesser und 0,6 mm
lang, sehr selten und mit dem Plan, riparius leicht zu verwechseln.
Auch hier Hessen sich bis jetzt Pupen noch nicht entdecken,
ebensowenig Pflanzenabdrücke, und sind deshalb die im Aufsatze von
1885 gemachten Bemerkungen über Bildungsweise und Alter der
Lehmablagerung durchgehends zutreffend.
Untersucht man nun die im Kocher- und Burgermoos vor-
kommenden 14 Spezies nach ihrem heutigen Vorkommen, so er-
gibt sich folgende Zusammenstellung :
An Ufern : Succinea Pfeif eri.
In Gräben und langsam fliessenden Wassern : Limnaeus pereyer,
Byth. tentaculata, Pisiä. ohtusale, Sphaerium corneum.
In langsam fliessenden Wassern : Limn. aiiricidarius, stagnalis,
Plan, albus, marginatus, contortus, rotundatus^ fontanus.
In Seen: Valvata contorta, alpestris.
Aus der grösseren oder geringeren Häufigkeit des Auftretens
und nach der Verteilung in den pleistocänen Fundplätzen lässt sich
schliessen, dass diese Schnecken und Muscheln so ziemlich die gleichen
Wohnplätze aufgesucht haben wie die rezenten.
Aus dem ungemein häufigen Auftreten des Pisid. ohtusale an
allen Orten, auch in den tiefsten Stellen der Gletscherschlammtümpel
ist sodann zu schliessen, dass letztere nicht immer ruhiges Wasser,
sondern öfters und abwechselungsweise auch langsam fliessende Wasser
hatten; denn eine Anschwemmung aus den einmündenden Gräben
würde allein diese grosse Verbreitung nicht erklären können.
Es ist aber auch nicht anders anzunehmen, als dass nach Zu-
rückziehen des letzten Gletschers die meist nur durch unbefestigte
Ufer begrenzten oder durch schlammige Moränewälle abgeteilten
stagnierenden Wasser bei der durch verschiedene Ursachen jeweilig
vergrösserten Wasserzufuhr ausgerissen haben und dass dann zeit-
weise an Stelle der Tümpel langsam fliessendes Wasser getreten ist.
Von den oben angegebenen 4 Spezies aus dem Burgermoos
sind bis jetzt fossil noch nicht gefunden und deshalb neu für Würt-
temberg (vergl. Dr. Engel's geognost. Wegweiser) : Plan, contortus^
rotundatus Poiret, fontanus Lightfoot.
Beiträge zur Fauna der Umgebung von Tübingen.
Von Dr. O. Fickert.
(Aus der zoologischen Anstalt in Tübingen.)
Die nachfolgenden Zeilen bezwecken, von dem Vorkommen ein-
zelner seltenerer Tiere in der hiesigen Umgegend Kunde zu geben.
Wenn dieselben auch bis auf zwei Ausnahmen schon für die würt-
tembergische Fauna bekannt waren, so sind doch meist nur wenige
Fundorte von ihnen bekannt und dürfte deshalb jede Erweiterung
der Kenntnis über ihre Verbreitung von Interesse sein. Namentlich
gilt dies von einer Anzahl Sumpf- uud Schwimmvögel, welche aller-
dings schon vor längerer Zeit meist am Buzer See bei Bodelshausen
erlegt worden und aus der Sammlung des verstorbenen Forstverwal-
ters Jaag in Rottenburg in die hiesige Sammlung übergegangen sind.
In Nomenklatur und Reihenfolge habe ich mich an die Übersicht
über das Tierreich gehalten, welche im „Königreich' Württemberg"
I. Teil, S. 481 u. ff. gegeben ist.
1. Oedicnemus c repitans Temm.
Ein Stück (JAACx'sche Sammlung) wurde auf dem Nehrener Feld
1856 von einem Raubvogel geschlagen und diesem abgejagt, ein
zweites 1878 auf der Waldhausener Höhe bei Tübingen von Herrn
Link in Waldhausen erlegt und an die hiesige Sammlung abgegeben.
2. Totanus fuscus L.
Buzer See bei Bodelshausen 1852 (JAACx'sche Sammlung).
3. Tringa snbarquata Güldenst.
' Zwei Stück vom Buzer See 1851 (JAAG'sche Sammlung).
4. Bernicla brenta Pall.
Von diesem nach Süddeutschland immerhin selten gelangenden
Vogel wurde am 14. November 1887 ein Weibchen von einem Fischer
23*
— 362 —
im Neckar bei Kirchentellinsfurt mit der Ruderstange erschlagen und
auf die hiesige zoologische Anstalt gebracht. Ein weiteres angeblich
bei Rottenburg am Neckar erlegtes Männchen befindet sich gleich-
falls in der hiesigen Sammlung; die vaterländische Sammlung in
Stuttgart besitzt, wie mir Herr Oberstudienrat Dr. v. Krauss freund-
lichst mitteilt, Bernicla hrenta von Neckardenzlingen (1849), Leon-
berg (1859), Neuhausen (1875) und Itzelberger See (1888). Es ist
auffallend, dass sich das ersterwähnte Weibchen schon so verhältnis-
mässig früh vor Eintritt des eigentlichen Winters hierher verirrt hat,
5. Oedemia nigra L.
Ein Weibchen aus der JAAG'schen Sammlung 1850 auf dem
Buzer See geschossen. Nach der Zusammenstellung im „Königreich
Württemberg" wurde ein Männchen im März 1852 bei Neckar weihin-
gen erlegt.
6. Sterna mlnuta L.
Ein Weibchen aus der JAAG'schen Sammlung. Dasselbe wurde
am 5. Mai 1840 von einem gewissen Hohmaier am Buzer See ge-
schossen. Für Württemberg bisher nicht bekannt gewesen.
7. Larus camcs L.
Ein Stück aus der JAAG'schen Sammlung laut Aufschrift am
20. Mai 1840 von einem gevdssen Meyer am Buzer See erlegt.
8. Lestris pomarina Temm.
Ein Stück aus der JAAG'schen Sammlung 1850 beim Buzer
See erlegt.
9. Colymhus arcticus L.
Ein Stück in der Tübinger Sammlung 1845 bei Blitzenreuthe erlegt.
10. Colymhus septentrionalis L.
Von drei württembergischen Stücken der Sammlung ist eines
im November 1848 bei Tübingen erlegt worden, ein zweites 1850
bei Bodelshausen (JAAG'sche Sammlung), das dritte am 5. Dezember
1879 bei Kilchberg. Ein viertes noch nicht eingereihtes Stück wurde
am 8. Januar d. J. bei Langenargen an einer Hechtangel, nach deren
Köderfisch es getaucht hatte , gefangen , kam lebend hierher nach
Tübingen und hielt sich im Zimmer bis zum 25. Januar, wo es einer
akut verlaufenden Lungenentzündung erlag. Schon am dritten Tage
nahm der Nordseetaucher lebende Fische aus der Hand und tauchte
später in einem grösseren Waschbottich nach ihm hineingeworfenen.
- 363 -
Sein tägliches Nahrungsbedürfnis belief sich auf etwa 16 spannen-
lange Fischchen.
11. Lacerta muralis Laur.
Vor neun Jahren wurden von Herrn Prof. Dr. Eimer in seinem
Garten eine Anzahl aus Bozen stammende Mauereidechsen ausgesetzt,
welche sich dort vollkommen eingebürgert und auch vermehrt haben ^
Dieselben haben .sich schon über die ganze Neckarhalde verbreitet.
Mit Lacerfa viridis Daud. schlug der gleiche Versuch fehl.
12. Tel est es Agassi sii Heck.
Dieser überall, wo er vorkommt, als selten bezeichnete Fisch,
scheint bei Tübingen im Neckar derartig günstige Ernährungs- und
Fortpflanzungsbedingungen gefunden zu haben, dass er hier der bei
weitem häufigste Fisch ist, gegen welchen sowohl Alburnus lucidus
Heck, als auch Squalius leuciscus L. an Zahl sehr zurücktreten.
Grössere Stücke (sie erreichen eine Länge von über 20 cm) erinnern
durch ihre sehr unterständige Mundspalte an die Nase (Chondrostoma
nasKs), mit welcher sie auch das schwarze Bauchfell gemein haben.
13. Hadena rubrirc n a Tr. var. He rcyn i a e Stdgr.
Von dieser bisher nur aus dem Harz bekannten Abart wurden
vor etwa drei Jahren 3 Stück im Schönbuch in der Nähe von Tü-
bingen auf dem Anstrich von Herrn Metzger Roll jr, von hier gefangen.
Die Stammform kommt in den Alpen , auf den Sudeten und in Un-
garn vor ; von ihr unterscheidet sich die Varietät durch schwärzliche
Grundfarbe, von welcher sich die weisse Zeichnung scharf abhebt.
Soviel mir bekannt, ist das Tier für Württemberg neu.
14. Apiis cancriformis Schaeff.
Dieser nur an wenigen Fundstellen in Württemberg bis jetzt
beobachtete Krebs erschien nach längerem Regenwetter plötzlich im
Juni 1886 in Tümpeln einer Lehmgrube bei Kusterdingen. Mit ihm
zusammen fand sich
15. Branchipus pisciformis Schaeff.
Dieser schöne Krebs , welcher bisher nur von Winnenthal be-
kannt war, kommt nach meinen Beobachtungen immer derart mit
Apus zusammen vor, dass man zwar Branchipus allein finden kann,
nicht aber Apus. Die letzteren scheinen in den Branchipus ihre
Hauptnahrung zu haben, wenigstens sind, wenn man beide nur eine
' Vergl. hierzu Jahreshefte für 1883. S. 111.
— 364 —
Nacht zusammen in einem Gefäss hält, am andern Morgen sämtliche
Br anchiiMS Yevschwnnden ; daher mag es auch kommen, dass Branchi-
ims häufig übersehen wird. Auffallend ist mir das späte Auftreten
beider Krebse im Gegensatz zu dem Verhalten, welches ich bei
Breslau kennen gelernt habe : dort erschienen beide schon im ersten
Frühjahr, um etwa mit Ende Mai wieder zu verschwinden. Ausser-
dem fanden sich dort beide regelmässig jedes Jahr, während hier
das Auftreten der Tiere von ganz besonders günstigen Witterungs-
verhältnissen abzuhängen scheint. Während die Brauchipus in den
meisten Tümpeln fast durchsichtig mit bläulichgrünem Schimmer
waren, zeigten sie sich in einem benachbarten, wie es schien, erst
frisch ausgehobenen Loche (dasselbe war ohne jede Vegetation) ganz
milchweiss, undurchsichtig, die Weibchen mit prachtvoll lasurblauem
Eiersack. Das Wasser in dem betreffenden Tümpel war vollkommen
undurchsichtig, lehmgelb, so dass den Branrhiptts also durch ihre
auffallende Färbung keinerlei Gefahr drohte; die Äpus desselben
Tümpels zeigten keinerlei Verschiedenheit von denen der übrigen.
16. Alcyonella (Blumatella) fungosa Fall.
Die bisher nur aus einem Weiher bei Pfullendorf und aus dem
Neckar bei Heilbronn bekannte Bryozoe fand unser Präparator Herr
Förster in stattlichen Kolonien in dem unterhalb von Altenburg ge-
legenen Altwasser des Neckar. Stöcke von 15 — 20 cm Länge und
mehreren Centimetern Dicke gehören dort nicht zu den Seltenheiten.
Ein interessantes Stück , welches oben von Alcyonella , unten von
Spongilla fluviatüis L. gebildet wurde , findet sich in der hiesigen
Sammlung. Die Stöcke von Alcyonella lassen sich leicht mit aus-
gestreckten Tieren konservieren, wenn man dieselben vorsichtig mit
Chlorhydrat langsam betäubt und dann mit etwa öC/q Alkohol ab-
tötet. Die so erhaltenen Präparate lassen sich auch für mikro-
skopische Untersuchung verwenden.
Druckfehler.
S. 160 Z. 2 V. u. statt 14. Mai — März und statt 12. März — Mai.
S. 167 Z. 17 V. u. statt einer — eine.
S. 181 Z. 18 V. u. statt GO — GR.
S. 207 Z. 7 V, 0. nach Warthausen — ;
S. 260 Z. 16 V. 0. statt Kopf — Kropf.
»-3
er
(=1
JaKreshefted.Yer.f.Yalepl.Nalurli.inWüFtt.1889.
Taf.m.
^ijr^t^-:- r^
"^^^^l^^^^^^lißi^f^^-^
a.
4.
"b.
A
Gez. von E Zeller.
Lilh Ansl V EbenhusenJEckslein Slutigart
li Jahreshefte d. Ver. f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1!
Taf. IV.
Loliginites Zitteli Eb. Fraas.
Jahreshefte d. Ver. f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1889.
Taf. V.
t> 4fi
a. b.
muf^^
^4^^
Jalmsh.d.fkf.üatfrl. }ialnrh m WüriUW.
0
'/A\
Fia.lO.
n^.ii.
h
— p^-
-^
^
p^
p
^
^
^
L^uzc (lei.
Liili Jnst V. A Rcnvif .Bonn
Jahirsh(i.\kfvnl('rl. Sainrk in ¥ürU.lSS9.
lös
Leuze, t/t-?.
l.iii} Jn^i. V .1 Jlfunj , Koiifi
JahpeshefledVer.fvaleri.Natupk mWurtt 1889
Taf.VUl
^IS
Verbreitiingsgeljiel des Erdkbens
vom T.clanuar
mOrlc. in welchen tlief-.'iwc/iiiltentn// brohiiclilel immle,
O Oiie.üi ii'dclieii sie itulit beohacldel miinte.
lein mit o
.SluUiiiifl ^ Felllun-I, p
C'enii/
IMienliriiii • ,,*\ "teilen
J..':.':\iiuieri
Itöliliiiiiat O
0\Viihleiil)iir/i
Tiibint)en I
oll ort) Heilt liiuicn O > ^,- ,
■' , •' '■"''''
0(/iieliiiii/pn
iVirsenstei/i
OerMetten
Cieixlmifen
Orolxmffstinffen q
Ticrnlocli O
•l'lm
%'lwuU
cr.vinifen
Khimieii
oMnitiocil ' ° ,„. , , J
0\l niier/iiir/en
Siepiirtrinrjen O '^g''?'''
Tuttlincßii
fJerOrrIcjii .
Menninijh, p ■•itemhm.
. M'iiuterl.int/eii #Z unpheini
Oli.TStadwri* sehwewti ^'„i„
%\\'iiiiliiiuxen
Biiehau •ßihenicli
JCrflhJiojn.
OchsenJuiiism
/■jii/en
\ Konif/xei/ffwa/d
\\;ihcl,ns,lorl'Q
Sduiß'han.'ien
W'olilxec
U'iuxtir/t oZeil
OLeiitkireh
Bültichi
Zmiairireilei
•lcherli\ic,en ' «'"l'-W
• lieichewui Marld^-r^ OHnvenshure) ^^«•^'/W/
ßerliniienm Kmuiliwfm Ob.Tlieimnqeii ' ,
KMiho,r^M l%*JJlff-¥:'-'l •llorxehaeh
'' , ■ T(tJ>I(il
Biuniui ^ fliDi'ifl* ■'^tliriUi'/\9*
Tnifi/erii.^ *lleri,s,ni
JlkuV.Mi • •J.irklenst \
Wallmiil* ' •■>/'/"■'•■■'■"
Ulli Antl 1 Ebenhusei i Ecktlein Slulltart
3 2044 106 260 524
%'
** - .. ^
r#^
%
<^