Skip to main content

Full text of "Jahreshefte des Vereins f©r vaterl©Þndische Naturkunde in W©rttemberg"

See other formats


m: 


^ 


^ 


V^-^  V 


■•W  . .  ■ :  ^*^/SJ 


Tütn) 


%(\b 


.\ö 


^ibrarn  of  Ifj^  glus^um 


OF 


COMPARATIVE    ZOÖLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 


The  gift  of 


JAHRESHEFTE 


des 


Vereins   für  vaterländische  Naturkunde 


Württemberg. 


Herausgegeben  von  dessen  Redaktionskommission 

Prof.  Dr.  0.  Fraas,  Prof.  Dr.  F.  v.  Krauss,  Prof.  Dr.  C.  v.  Marx, 
Prof.  Dr.  P.  V.  Zech  in  Stuttgart. 


FUNFUNDVIERZIGSTER  JAHRGANG. 

Mit  8  Tafeln. 


Stuttgart. 

E.  Schweizerbart'sche  Verlagshandlung  (E.  Kocli). 


K.  Hofbuchdruokerei  Zu  Guttenberg  (Carl  Grüninger)  in  Stuttgart. 


Inhalt. 


I.  Angelegenheiten  des  Vereins. 

Seite 
Bericht  über  die  dreiundvierzigste  Generalversammlung  vom  24.  Juni  1888 

in  Crailsheim.     Von  Oberstudienrat  Dr.  v.  Krauss 1 

1.  Rechenschaftsbericht  für   das  Jahr  1887 — 1888.     Von  Oberstudienrat 

Dr.  V.  Krauss 5 

2.  Zuwachsverzeichnisse  der  Vereinssammlungen: 

A.  Zoologische  Sammlung.     Von  Oberstudienrat  Dr.  v.  Krauss.     .  9 

B.  Botanische  Sammlung.     Von  Professor  Dr.  v.  Ahles      .     .     .     .  12 

C.  Vereinsbibliothek.     Von  Oberstudienrat  Dr.  v.  Krauss  .     .     .     .  12 

3.  Rechnungsabschluss    für    das    Jahr    1887 — 1888.      Von    Hofrat   Ed. 
Seyffardt 24 

4.  Wahl  der  Beamten  und  des  Versammlungsorts 28 

Nekrolog  des    Grafen   Kurt   von    Degen feld-Schonburg.     Von   Dr. 

Engel  in  Eislingen 30 

Nekrolog  des  Hofapothekers  Anton  Ducke.     Von  Prof.  Dr.  F r a a s   .     .  34 
„           „     Pfarrer   Dr.   Karl  Albert  Kemmler.     Von    Pfarrer    K. 

Kemmler 36 

II.  Vorträge  und  Abhandlungen. 

1.  Zoologie. 

Naturwissenschaftlicher  Jahresbericht   1887.     Von  Dr.   Freiherr   Richard 

Koenig-W  arthausen 139 

Über  die  Fortpflanzung  des  Proteus  anguineus  und  seine  Larve.  Von  Me- 
dizinalrat Dr.  Z  e  1 1  e  r  in  Winnenthal.     (Mit  Taf.  III.)     .     .     .     .64.131 

Über    die    Kreuzschnäbel   und   ihre    Fortpflanzung.     Eine    monographische 

Studie.     Von  Dr.  Freiherr  Richard   Ko  enig-Warthau  sen  .     .     241 

Beiträge  zur  Fauna   der  Umgebung  von  Tübingen.     Von  Dr.  C,  Fickert 

in  Tübingen 361 

2.  Mineralogie,  Geologie,  Palaeontologie  und  Geophysik. 
Über  einige  Gegenstände  aus  dem  Gebiete  der  Geophysik.  Von  Dr.  J.  Probst 

in  Essendorf 65 

Beiträge  zur  Mineralogie  Württembergs.  II.    Die  Versteinerungs-  und  Ver- 

erzungsmittel  der  schwäbischen  Petrefakten.     Von  Prof.  Dr.  Leuze      40 


IV  Inhalt. 

Seite 

Über  Grenzlinien  in  der  Trias.     Von  Prof.  Dr.  0.  Fr  aas 56 

Einiges  zur  Geologie  des  Muschelkalks  und  der  Lettenkohle.  Von  Amts- 
richter Dr.  Bertsch  in  Hall 58 

Psammochelijs  Keuperina.     Von   Prof.    Dr.   Fr.    Aug.   v.  Quenstedt  in 

Tübingen.     (Mit  Taf.  I.  II.) 120 

Loliginites  (Geotheutis)  Zitteli  Eb.  Fraas.  Ein  vollständig  erhaltener  Di- 
branchiate  aus  den  Laibsteinen  des  Lias  e.  Von  Dr.  Eberhard 
Fraas.     (Mit  Taf.  IV.  V.) 217 

Kopfstacheln  von  Hybodus  und  Äcrodus,  sog.  Ceratodus  heteromorphus  Ag. 

Von  Dr.  Eberhard  Fraas.     (Mit  Taf.  V.) 233 

Über  ein  angebliches  Vorkommen  gediegenen  Zinns  und  über  das  spezifische 
Gewicht  der  Zinnbleilegierungen.  Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Nies 
in  Hohenheim 292 

Die  Mineralien  und  Pseudomorphosen  des  Roseneggs.    Von  Prof.  Dr.  Leuze. 

(Mit  Taf.  VI.  VII.) 305 

Beitrag  zur  Kenntnis   der   pleistocänen    Fauna  Oberschwabens.     Von  Reg.- 

Baumeister  Dittus  in  Kisslegg 359 

Erdbebenkommission. 
Übersicht  über  die  in  Württemberg  und  Hohenzollern  in  der  Zeit  vom  1.  März 
1888  bis  zum  28.  Februar  1889  wahrgenommenen  Erderschütterungen. 
Von  Prof.  Dr.  H.  v.  E  c  k.     (Mit  Taf.  VIII.) 341 


1.  Angelegenheiten  des  Vereins. 


Bericht  über  die  dreiimdvierzigste  Greneralyersammluiig 

vom  24.  Juni  1888  in  Crailsheim. 
Von  Oberstudienrat   Dr.   F.  v.  Krauss. 

Es  war  nach  der  bisherigen  Gewohnheit  an  der  Reihe ,  die 
jährliche  Zusammenkunft  auch  einmal  wieder  im  Norden  des  Landes 
zu  halten.  Die  im  vorigen  Jahre  in  Spaichingen  tagenden  Vereins- 
mitglieder haben  es  daher  mit  Freuden  begrüsst ,  als  an  sie  eine 
freundliche  Einladung  zum  Jahresfest  von  den  Mitgliedern  in  Crails- 
heim erging,  und  beschlossen  bereitwilHgst,  die  Generalversammlung 
im  Jahre  1888  in  Crailsheim  zu  halten  und  die  Geschäftsführung 
dem  Oberamtsarzt  Dr.  Mülb  erger  zu  übertragen. 

Die  Versammlung,  an  der  ich  leider  aus  Gesundheitsrücksichten 
nicht  teilnehmen  konnte,  fand  in  dem  Festsaal  des  Gasthofs  zum 
Lamm  statt  und  war  von  den  Mitgliedern  aus  allen  Teilen  des  Lan- 
des, selbst  vom  fernen  Oberschwaben,  besucht. 

Oberamtsarzt  Dr.  Mülb  er g er  und  Apotheker  R.  Blezinger 
hatten  die  Gäste  empfangen  und  für  eine  Ausstellung  von  natur- 
hi.storischen  Gegenständen  und  mit  Hilfe  von  Gärtner  Volz  für  die 
Ausschmückung  der  Räumlichkeiten  aufs  trefflichste  gesorgt.  Alles, 
was  Crailsheim  zu  bieten  vermochte,  war  in  dem  Saal  vereinigt,  um 
ein  Bild  des  wissenschafthchen  Lebens  und  Strebens  zu  geben,  das 
sich  an  den  Ufern  der  Jagst  konzentriert. 

Nach  den  gütigen  Mitteilungen  der  beiden  erstgenannten  eifrigen 
Mitglieder  waren  folgende  Sammlungen  ausgestellt : 
Oberamtsarzt  Dr.  Mülb  erger  hatte  eine  kleine  zoologische  Samm- 
lung  arrangiert;    insbesondere    ausgestopfte  Vögel,    etwa    70   Arten, 

.Jahreshefte  <1.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  1 


—     2     — 

sämtlich  aus  der  hiesigen  Gegend;  als  besonders  bemerkenswert, 
heben  wir  hervor :  Äquila  clanga  und  Ampelis  garrultis,  ferner  eine 
hübsche  Gruppe  sämtlicher  Rabenvögel  mit  Ausnahme  von  Corvus 
corax.  Lebendig  vertreten  waren  die  deutschen  Saurier  Lacerta 
viridis,  iimralis,  cu/ilis  und  vivipara,  nnd  Änguis  fragilis ;  auch  die 
4  Salaraandrinen  des  Unterlandes  Triton  cristatus,  alpestris ,  tae- 
matus  und  Salamandra  macidata  waren  in  zahlreichen  lebenden 
Exemplaren  vorhanden.  Eine  stattliche  Kolonie  von  lebenden 
spanischen  Fliegen  (Lijtta  vesicatoria)  auf  Eschenzweigen  erregte 
allgemeines  Interesse. 

Gärtner  W.  Volz  brachte  eine  lebendige  Gruppe  von  ihm  selbst 
gesammelter,  in  dem  Crailsheimer  Bezirke  wild  wachsender  Farne 
und  Bärlappen,  von  ersteren  16,  von  letzteren  4  verschiedene 
Arten  zur  Ausstellung. 

Apotheker  R,  Blezinger  gab  durch  Aufstellung  von  Corydalis  lutea, 
Äconicum  Lycodonum,  Erysimum  crepidifolium,  Iris  sibirica,  JBu- 
tomus  umhellatus,  Sagittaria  sagittifolia,  Oenanthe  ßstulosa,  Nym- 
phaea  alba  und  biradiata  und  Nuphar  lutewu  u.  a.  ein  Bild  der 
phanerogamen  Flora  des  Bezirkes.  Aus  der  Umgegend  von  Ell- 
wangen war  Miniulus  luteus  aufgelegt. 

Die  von  Apotheker  R.  Blezinger  ausgestellte  geognostische  Samm- 
lung erstreckte  sich  auf  alle  geognostischen  Vorkommnisse  des 
Bezirkes ;  sie  enthielt  zahlreiche  Repräsentanten  aus  den  Enkriniten- 
schichten,  einzelne  Kronen  von  Encrinus  lilüformis  und  Platten 
mit  mehreren  solchen  Kronen  darauf,  Stacheln  und  x\sseln  von 
Cidaris  grandae'dus,  seltene  Exemplare  von  Stylolithen  mit  oben 
aufsitzender  Asterias  Weismanni.  Aus  dem  oberen  Hauptmuschel- 
kalk enthielt  sie  an  Pflanzen  Äraucaria  Weismanni,  an  Echino- 
dermen  die  sonst  noch  nirgends  als  in  gleicher  Art  vorkommend 
bekannte  Opliiiira  scutellata,  an  Bivalven  Gervillia  socialis,  Lima 
striata,  Myophoria  vidgaris  und  Goldfussii,  Mytilus  eduliformis, 
Ostraea  spondyloides ,  decemcostata  und  sessilis,  Pecten  laevigatus, 
von  Brachiopoden  Terebratula  vidgaris  und  Lingula  tenuissima, 
von  Cephalopoden  Ceratites  nodosus  und  semipartitus ,  Nautilus 
hidorsaius,  dessen  Schnäbel  und  Siphonalduten ,  von  Gastropoden 
lurritella  scalata  und  grosse  Exemplare  von  Melania  Schlotheimii, 
von  Arthropoden  Femphix  Sueurii.  Aus  den  gleichen  Schichten 
und  namentlich  aus  der  Lettenkohle  mit  dem  bekannten  Crails- 
heimer Bonebed  waren  darin  vertreten  an  Vertebraten  die  Saurier 
Notosaurus  mirabilis,  Simosaurus  Gaillardoti  und  Placodus  gigas 


—     3     — 

und  SauricMliys  acuminatus,  auch  gut  erhaltene.  Knochen,  Rippen, 
Wirbel,  Zähne  und  Schädelfragmente  ;  die  Panzerlurche  Mastodon- 
saurus  giganteus  Jaeger  ,  Mastodonsaurus  granulosus  E.  Fraäs 
durch  ebensolche  Reste,  einen  Atlas,  Brust-  und  Seitenschilder; 
ferner  durch  Schuppen,  Zähne,  Zahnpflaster  und  Stachelflossen  die 
Fische  Semionotus  letticus ,  Gyrolepis  Albert i,  Geratodus  Kaupii 
und  runcinatus ,  Tholodus  miiiutus ,  Hyhodus  temiis  ^  rugosiis  und 
longiconus ,  Strophodus-  und  Äcrodus- Arten.  Aus  dem  Letten- 
kohlensandstein waren  einige  Farne  und  ansehnliche  Exemplare 
von  Equisetum  columnarc  und  Calamites  arenaceus  und  aus  dem 
unteren  Keupergips  Platten  mit  massenhaften  Schaltieren,  nament- 
lich Gervillien ,  Trigonien  und  Myophoria  Goldfusm  aufgestellt. 
Kieferstücke  von  Elephas  primigenius,  Halswirbel  von  Bos  priscus, 
Zähne  von  Bhinoceros  tichorJiinus  repräsentierten  darin  das  Dilu- 
vium. Die  Sammlung  enthielt  ferner  riesige  Septarien,  verkieselte 
und  in  Schwefelkies  umgewandelte  Hölzer,  Kiesel  aus  den  Streit- 
berger  glazialen  Sauden,  Zinkblende  in  Muschelkalk  und  Krystall- 
drusen  von  Kalkspat  und  Gips. 

Diese  interessante  und  lehrreiche  Ausstellung,  nur  ein  Teil  der 
reichen  Ble  zinger'schen  Petrefakten-Sammlung,  fand  den  ver- 
dienten Beifall. 
Lehrer  Scheuerle  von  Frittlingen  hatte  eine  Zeichnung  eingesandt, 
auf  welcher  sämtliche  einheimische  Weidenarten  in  Form  eines 
Stammbaumes  sehr  anschaulich  und  übersichtlich  zusammen- 
gestellt waren. 

Die  Verhandlungen  wurden  kurz  nach  10  ühr  durch  den  Ge- 
schäftsführer Oberamtsarzt  Dr.  Mülberger  mit  folgender  Rede 
eröffnet : 

Meine  Herren !  Es  gereicht  mir  zur  besonderen  Ehre,  die  Teil- 
nehmer an  der  43.  Jahresversammlung  des  „Vereins  für  vaterländische 
Naturkunde  in  Württemberg"  hier  in  Crailsheim  willkommen  heis- 
sen  zu  dürfen.  Zwar  beschleicht  mich  und  meine  hiesigen  Freunde 
ein  gewisses  Gefühl  des  Unvermögens,  wenn  ich  so  sagen  darf,  ob 
wir  auch  im  stände  sein  werden,  den  Erwartungen,  welche  der 
Verein  billigerweise  seiner  Jahresversammlung  entgegenbringt ,  ganz 
und  voll  zu  entsprechen.  Allein  das  Band,  das  uns  alle,  die  wir 
hier  versammelt  sind,  umschlingt  —  die  Liebe  zur  Natur  und  das 
Streben  nach  naturwissenschaftlicher  Erkenntnis  —  ist  ein  so  festes 
und  starkes,  dass  kein  Gefühl  der  Entmutigung  oder  Schwäche  auf- 
kommen kann.     Sie  sind  nicht  zu  uns  gekommen,  um  aus  den  be- 

1* 


_     4     — 

scheidenen  Gaben,  die  wir  Ihnen  zu  bieten  haben,  eine  Vermehrung 
Ihres  „Wissens"  und  „Könnens"  mit  nach  Hause  zu  nehmen.  Sie^ 
sind  gekommen ,  um  die  Leuchte  der  Naturerkenntnis  auch  in  die 
Gegenden  unserer  Heimat  zu  tragen,  welche  bis  jetzt  leider  ziemlich 
unberührt  von  ihr  geblieben  sind! 

Wir  stellen  uns  deshalb  mutig  und  ohne  Scheu  mit  Ihnen  in 
Reih  und  Glied  und  richten  die  freundliche  Bitte  an  Sie,  neben  den 
naturwissenschaftlichen  Bestrebungen  allgemeineren  Inhalts,  welche 
Sie  heute  beschäftigen  werden ,  auch  für  diejenigen  Angebinde  ein 
Auge  zu  haben,  welche  von  uns  aufgestellt  und  dazu  bestimmt  sind, 
die  natürlichen  Verhältnisse  des  hiesigen  Bezirks  in  gedrängter  Über- 
sicht zu  veranschaulichen.  Wenn  Sie  uns  einfach  und  schlicht  das 
Zeugnis  ausstellen ,  dass  wir  uns  unseres  Fleisses  nicht  zu  schämen 
brauchen ,  so  sind  wir  überreichlich  belohnt.  Und  so  lade  ich  Sie 
ein,  die  Sammlungen ,  welche  im  Lammsaale  aufgestellt  sind ,  nach 
den  Verhandlungen  in  aller  Müsse  zu  besichtigen. 

Was  zunächst  die  geognostische  Sammlung  des  Herrn  Apo- 
theker Blezinger  betrifft ,  so  reicht  schon  ein  kurzer  Blick  auf 
dieselbe  hin,  um  sie  als  eine  hochbedeutende  zu  erkennen.  Es  ist 
nicht  meine  Aufgabe,  hier  auf  die  einzelnen  Prachtstücke  derselben 
hinzuweisen.  Als  Kenner,  die  Sie  sind,  werden  Sie  dieselben  zu  fin- 
den und  zu  würdigen  wissen.  Ich  weise  nur  auf  die  Thatsache  hin, 
dass  Muschelkalk  und  Letten  kohle  mit  dem  zwischenliegenden 
Bonebed  gerade  in  unserem  Bezirke  eine  palaeontologische  Aus- 
beute gewähren ,  wie  kaum  irgendwo  in  Württemberg.  Sie  wissen, 
dass  die  Vereinssammlung  in  Stuttgart  aus  dem  Weismann'scheu 
Nachlass  schon  seit  lange  interessante  Typen  aus  diesen  Formationen 
enthält.  Nun,  ich  denke,  Herr  Blezinger  hat  Ihnen  den  Beweis 
geliefert,  dass  bei  uns  noch  mehr  und  noch  Schöneres  zu  holen  ist. 

Auch  die  Kinder  unserer  Flora  entbieten  Ihnen  ihren  freund- 
lichen Gruss.  Wir  haben  uns  erlaubt,  eine  kleine  Sammlung  leben- 
der Charakterpflanzen  der  hiesigen  Gegend  für  Sie  aufzustellen,  wie 
es  die  Jahreszeit  erlaubte.  Sie  werden  auch  mit  Freude  die  hübsche 
Sammlung  lebender  Farne  und  Bärlappen  sich  ansehen,  welche  Herr- 
Gärtner  Volz  dahier  mit  anerkennenswertem  Eifer  für  die  Versamm- 
lung zusammengetragen  hat.  Die  Gruppe  enthält  sämtliche  hier 
vorkommende  Arten.  Von  der  Ausstellung  getrockneter  Pflanzen 
haben  wir  aus  guten  Gründen  Abstand  genommen. 

Die  Fauna  unseres  Bezirks  möchte  auch  nicht  ganz  unbe- 
achtet bleiben,  wenngleich,  wie  Sie  wissen,  eine  nennenswerte  Aus- 


—     5    — 

Stellung  von  Tieren  ihre  ganz  besonderen  Schwierigkeiten  hat.  Nun, 
wir  haben  so  ziemlich  alles  zusammengestellt,  was  aufzutreiben  war, 
und  Sie  werden  manches  Exemplar  aus  der  Vogelwelt  sehen,  das 
Ihnen  Freude  macht.  Auch  das  Terrarium  mit  den  5  deutschen 
Sauriern,  alle  in  schönen  lebenden  Exemplaren,  wird  Ihr  Interesse 
erregen ,  nicht  minder  die  Kolonie  von  lebenden  Lytta  vesicatoria, 
welche  von  der  bayrischen  Grenze  stammt. 

Meine  Herren !  Ich  halte  es  für  die  Hauptaufgabe  unseres 
vaterländischen  Vereins ,  darauf  hinzuwirken ,  dass  allenthalben  in 
unserer  schönen  Heimat  das  Interesse  für  die  Naturwissenschaften 
sich  regt.  Der  einzig  richtige  Weg  hierzu  dünkt  mir  insbesondere 
der,  die  lokale  Initiative  wachzurufen.  Gibt  es  doch  keinen 
Fleck  unserer  Mutter  Erde ,  wo  die  naturwissenschaftlichen  E'or- 
schungen  nicht  ansetzen  und  zu  bedeutsamen  Kesultaten  kommen 
können.  Nichts  gibt  mehr  Mut,  Ausdauer  und  Selbstvertrauen  für 
solche  Bestrebungen,  als  die  sich  sehr  bald  aufdrängende  Überzeugung, 
-dass  jede  Gegend  ihre  Eigentümlichkeiten  hat,  deren  volles  Verständ- 
nis eben  ganz  besonders  dem  zugänglich  ist,  welcher  gerade  auf  die- 
ser Scholle  lebt.  Deshalb  ist  jedermann  berufen,  an  dem  grossen 
Baue  der  Naturerkenntnis  mitzuwirken  und  nichts  gehört  dazu,  als 
ein  offener  Sinn  und  ein  offenes  Auge.  Nun,  ich  denke,  dass  gerade 
die  Jahresversammlungen  unseres  Vereins  berufen  sind,  dieses  lokale 
Interesse  zu  wecken  und  immer  mehr  Jünger  um  unsere  Fahne  zu 
scharen. 

Indem  ich  Sie  nochmals  von  Herzen  willkommen  heisse,  gebe 
ich  zugleich  dem  lebhaften  Wunsche  Ausdruck,  dass  auch  die  heuti- 
gen Verhandlungen  sich  als  ersprie'ssliche  erweisen  und  dazu  bei- 
tragen mögen,  unsere  Sache  zu  fördern. 

Zum  Vorsitzenden  für  die  Versammlung  wurde  für  den  ab- 
wesenden Oberstudienrat  Dr.  v.  Krauss  der  2.  Vorstand,  Professor 
Dr.  0.  Fr  aas,  durch  Akklamation  gewählt. 

Der  Vorsitzende  verlas  alsdann  den  von  Oberstudienrat  Dr. 
V.  Krauss  ve-rfassten 

Rechenschaftsbericht  für  das  Jahr  1887 — 1888. 

Hochgeehrte  Herren ! 

Bei  dem  geregelten  Fortgang  kann  ich  mich  über  die  laufen- 
den Geschäfte  im  verflossenen  43.  Vereinsjahre  kurz  fassen. 

Dem  Verein  sind  26  neue  Mitglieder  beigetreten,  von  wel- 


—     6     — 

chen   5  dem  Oberschwäbischen-   und    3  dem  Schwarzwälder  Zweig- 
verein angehören. 

Zum  Ehrenmitglied  hat  Ihr  Ausschuss  den  Baron  Dr.  Fer- 
dinand von  Müller,  Governments  Botanist  in  Melbourne,  ernannt, 
in  Anerkennung  seiner  ausgezeichneten  Leistungen  für  die  Flora  in 
Australien  und  der  vielen  wertvollen  Geschenke  botanischer  Werke, 
welcher  sich  unser  Verein  schon  seit  Jahren  zu  erfreuen  hatte. 

Der  Zuwachs  zur  vaterländischen  Naturalien-Sammlung 
besteht  im  verflossenen  Vereinsjahr  aus  2  Säugetieren,  11  Vögeln, 
36  Eiern,  7  Nestern,  4  Fischen,  31  Arten  Mollusken  in  vielen  Stü- 
cken, 250  Arten  Insekten  in  630  Stücken,  1  Mineral,  6  Gebirgsarten, 
29  Arten  Fetrefakten  in  96  Stücken,  5  Hölzern,  28  Arten  Phanero- 
gamen  und  3  Kryptogamen. 

Die  Vereinsbibliothek  hat  wieder  um  528  Schriften  und 
10  Karten  zugenommen.  Diese  bedeutende  Vermehrung  hat  der  Ver- 
ein den  vielen  Geschenken  und  vorzugsweise  den  160  Tauschverbin- 
dungen mit  naturwissenschaftlichen  Gesellschaften  und  Akademien 
aller  Weltteile  zu  danken. 

Die  Benützung  der  Vereinsbibliothek  steht  jedem  Mitglied  gegen 
Einsendung  einer  Quittung  jederzeit  zu  Diensten. 

In  neue  Verbindungen  durch  Austausch  gegen  unsere  Jahres- 
hefte ist  der  Verein  durch  Vermittelung  Ihres  Bibliothekars  getreten  mit 
Wagner  Free  Institute  of  Seiend^  at  Philadelphia, 
U.  St.  Commission  of  Fish  and  Fisheries  at  Washington, 
Naturhistorischer  Verein  zu  Passau. 

Von  den  Vereinsjahresheften  ist  der  44.  Jahrgang  in  di& 
Hände  der  Mitglieder  gelangt.  Sie  werden  daraus  ersehen  haben, 
dass  er  neben  den  zoologischen,  mineralogischen,  palaeontologischen 
etc.  Abhandlungen  diesmal  auch  mehrere  botanische  Arbeiten  ent- 
hält, welche  für  die  Naturgeschichte  des  engeren  Vaterlandes  von 
Interesse  sind.  Auch  die  Erdbeben-Kommission  hat  wichtige  Mit- 
teilungen gemacht.  Der  vorjährige  naturwissenschaftliche  Jahres- 
bericht konnte  wegen  Unwohlseins  des  bisherigen  Verfassers  nicht 
mehr  im  44.  Jahrgang  aufgenommen  werden  und  wird  daher  im 
nächsten  erscheinen. 

Wie  alle  Jahre  ist  Seiner  Majestät  dem  König,  dem  hohen 
Protektor  des  Vereins,  auch  der  44.  Jahrgang  vorgelegt  worden. 
Darauf  erhielt  der  1.  Vorstand  nachstehendes  gnädiges  Schreiben, 
das  er  zur  Kenntnis  der  Mitglieder  zu  bringen  hat.     E's  lautet: 


—     7     — 

Kabinett  S.  M.  des  Königs 

von  Württemberg.  Euer  Hochwohlgeboren 

"beehre  ich  mich  auf  die  geschätzte  Zuschrift  vom  gestrigen  Tage 
ergebenst  mitzuteilen,  dass  ich  nicht  verfehlte,  den  mir  damit  für 
Seine  Majestät  den  König  übersandten  44.  Jahrgang  der  Jahres- 
hefte des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg 
höchsten  Orts  zu  unterbreiten. 

Seine  Majestät  haben  das  Buch  mit  lebhaftem  Interesse  entgegen- 
zunehmen und  mir  aufzutragen  geruht,  Euer  Hochwohlgeboren  für  die 
dem  König  durch  die  Einsendung  der  anregenden  Druckschrift  bethätigte 
Aufmerksamkeit  den  gnädigsten  Allerhöchsten  Dank    auszusprechen. 

Indem  ich  Euer  Hochwohlgeboren  ersuchen  darf,  hiervon  auch 
den  übrigen  Mitgliedern  der  Redaktions-Kommission  und  des  Vereins 
Kenntnis  geben  zu  wollen,  benütze  ich  gerne  diesen  Anlass  zur  er- 
neuerten Versicherung  meiner  ausgezeichneten  Hochachtung. 

Stuttgart,  den  27.  Mai  1888.  Der  Kabinetts-Chef: 

Herrn  Oberstudienrat  Dr.  v.  Kraus s  hier.  Griesinger. 

Die  alljährlich  von  den  Mitgliedern  und  ihren  Damen  dankbar 
aufgenommenen  Wintervorträge  haben  die  Freundlichkeit  gehabt 
zu  halten : 

Dr.  Eberh  ar  d  Fr  aas  über  die  vorsintflutlichen  Bewohner 

Schwabens, 
Dr.  Lampert  über  die  Tiere  des  Meeres, 
Dr.  Nebel    über    den    elektrischen   Lichtbogen    und    seine 
praktischen  Anwendungen. 

Die  Vorträge  mit  Demonstrationen,    welche  in    den   wissen- 
schaftlichen Abenden   jeden   Monats,    in   diesem  Jahre   unter 
dem  Vorsitz  des  Prof.  Dr.  v.  Eck,  gehalten  wurden,  sind: 
13.  Oktober  1887,  Dr.  E.  Hof  mann  über  geselhg  lebende  Wespen 
und  ihre  Bauten  mit  Vorlage  biologischer  Präparate  und  der  Ne- 
ster   der   in  Württemberg    heimischen   Vespa- Arten ;   Dr.  Lam- 
pert:   Das  Parietalauge  der  Reptilien;    Prof.  Dr.  v.  Eck   über 
angebliche  Gletscherschliffe  im  nördlichen  Schwarzwald. 
10.  November  1887,  Prof.  Dr.  Nies  über  die  am  6.  März  1886  statt- 
gefundene Eruption  des  Vulkans  Kilauea  aufHawai;  0.  Stange 
über  die  neu  entdeckten  australischen  Silberminen  in  den  „Bro- 
ken  Hills"  unter  Vorlage  zahlreicher  Handstücke;  Prof.  Dr.  Klun- 
zinger  demonstriert  mikroskopische  Präparate  aus  der  zoologi- 
schen Station  in  Neapel. 


8.  Dezember  1887,  Prof.  Dr.  Klunzinger  über  die  verschiedenen 
am  Bodensee  gebräuchlichen  Methoden  des  Fischfangs  ;  Dr.  Fünf- 
stück über  einige  Sonderhnge  unter  den  pflanzUchen  Parasiten. 

12.  Januar  1888,  J.  Eichler  über  die  Kolanuss :  Prof.  Dr.  v.  Eck 
über  einige  im  Schwarzwald  neu  aufgefundene  Gesteine ;  Prof. 
Dr.  Nies  legt  die  auf  den  Gotthardtunnel  bezügliche  Litteratur 
vor  und  bespricht  dieselbe. 

15.  Februar  1888,  Dr.  M.  Graf  von  Zeppelin  über  die  Vogel  weit  Helgo- 
lands; Prof.  Dr.  A.  Schmidt  über  Wellenbewegung  und  Erd- 
beben; Prof.  Dr.  V.  Reusch  über  die  optischen  Erscheinungen 
in  der  Atmosphäre. 

8.  März  1888,  Prof.  Dr.  v.  Eeusch  über  die  optischen  P]rschei- 
nungen  in  der  Atmosphäre  (Fortsetzung)  :  Prof.  Dr.  Hell  über 
Kondensation  der  Gase. 

12.  April  1888,  Prof.  Dr.  0.  Schmidt  über  neuere  Arzneistoffe  der 
Salicylsäurereihe ;  Prof.  Dr.  Kirchner  erläutert  einen  von  ihm 
für  Unterrichtszwecke  hergestellten  „Stammbaum  des  Pflanzen- 
reiches". 

9.  Mai  1888,  Prof.  Dr.  Klunzinger  über  die  zoologische  Station 
in  Neapel ;  Dr.  E  b  e  r  h.  F  r  a  a  s  über  Pressungserscheinungen  an 
Holz  und  Steinen;  Prof.  Dr.  Nies  legt  eine  Sammlung  metal- 
lurgisch interessanter  Münzen  vor  und  bespricht  dieselbe ;  Prof. 
Dr.  V.  Eck  zeigt  einen  spezifisch  nicht  näher  bestimmbaren  Farn 
aus  den  Porphyrtuffen  des  mittleren  Rothliegenden  von  Oberthal  vor. 

14.  Juni  1888,  Dr.  Lampert  über  einige  Sinnesorgane  bei  niederen 
Tieren  und  über  die  Leuchtorgane  der  Fische ;  Prof.  Dr.  Klun- 
zinger über  die  in  Württemberg  vorkommenden  Nacktschnecken 
mit  Demonstration  konservierten  und   lebenden  Materials ;    Prof. 
Dr.  Nies  zeigt  einen  Gips    aus    der  Barbarossa-Höhle   mit  Fal- 
tungserscheinungen vor. 
Der  Verein    hat   im    verflossenen  Jahre    leider   viele  Mitglieder 
durch  den  Tod  verloren ,    unter  ihnen    sind    als    älteste   schon   seit 
1845  dem  Verein  beigetreten:  Obermedizinalrat  Dr.  v.  Schäffer  in 
Cannstatt,  Fabrikant  Schauber  in  Calw,  Kaufmann  W.  Spring  in 
Stuttgart.     Über    Graf  Kurt  von  Degenfeld-Schonburg   werden 
Sie  in  diesem  Jahrgang  Worte  der  Erinnerung  vernehmen. 

Unter  seinen  korrespondierenden  Mitgliedern  hat  der  Ver- 
ein den  Tod  von  Dr.  E.  V.  Ha y den,  U.  St.  Geologist,  und  Sp.  T. 
Baird,  Sekretär  und  Direktor  der  Smithsonian  Institution,  beide  in 
Washington,  zu  beklagen. 


-      9     — 

Schliesslich  ist  es  Ihrem  Ausschuss  eine  angenehme  Pflicht, 
alle  Mitglieder  und  Gönner  des  Vereins  bekannt  zu  machen,  welche 
die  vaterländische  Naturalien-Sammlung  und  die  Bibliothek  durch 
Geschenke  bereichert  haben,  und  ihnen  im  Namen  des  Vereins  den 
verbindlichsten  Dank  auszudrücken. 

Ihre  Namen  sind  auf  den  Gegenständen  erwähnt,  sowie  in  den 
nachstehenden 

Zu\vaehsverzeiehnissen. 
A.  Zoologische  Sammlung. 

(Zusammengestellt  von  Oberstudienrat  Dr.  F.  v.  Krauss.) 

I.  Säugetiere. 

Als  Geschenke: 

Mustela  foina  Beiss.,   altes  Männchen  im  Sommerkleid, 

von  Dr.  Freiherrn  Richard  König-Warthausen: 
Myoxus  avellanarius  L.,  Männchen, 

von  Herrn  Forstwart  Gawatz  in  Zwiefalten. 

II.  Vögel. 

Als  Geschenke: 

Pernis  apivorus  L.,   altes  Weibchen  bei  Welzheim, 
von  Herrn  Forstrat  S  p  e  i  d  e  1 ; 
Nucifraga  caryocatades  L.,  einjähriges  Weibchen  v.   Nov.    1887, 

von  Herrn  Oberförster  Gasser  in  Esslingen; 
Bernicla  hrenta  Fall.,  Männchen  vom  Itzelberger  See, 

von  Herrn  Hüttenverwalter  Wepfer  in  Königsbronn; 
Anthus  spinoletta  L.,   altes  Weibchen,  im  Winter, 

von  Freiherrn  Fritz  König-Warthausen; 
Piciis  major  L.,   altes  Männchen  im  Winterkleid, 
Fringiüa  coelebs  L.,   altes  Weibchen  im  Frühjahr, 
Fringüla  montifringilla  L.,   altes  Weibchen  im  Frühjahr, 
Emheriza  schoeniclus  L.,   altes  Weibchen  im  Frühjahr, 
Gelege  von  3  Eiern  von  Accipiter  nisus  L., 
Gelege  von  4  Eiern  von  Buteo  vulgaris  Bechst., 
Gelege  von  5  Eiern  von  CercJmeis  tinnunculus  L., 
Nest  von  Luscinia  vera  Sund.,  im  Epheu, 
Nest  mit  Angelschnüren  von  Enneoctonus  coUurio  L., 
Nest  mit  6  Eiern  von  Enneoctonus  collurio  L., 
Nest  mit  5   Eiern  von  Accentor  modularis  L., 
Nest  mit  6  Eiern  von  Motacüla  boarula  L.   {sulphurea  Bechst.), 
Nest  mit  4  Eiern  von  PhyJloscopus  frochüus  L., 

von  Herrn  Fabrikant  Ludwig  Link  in  Heilbronn; 
JNest  mit  3   Eiern  von  Butco  vulgaris  Leach, 

von  Herrn  Forstmeister  Herdegen  in  Leonberg. 


—     10     — 

Durch  Kauf  und  Tausch: 
Corvus  corone  L.,  var.  cinereofusca,  Weibchen,  Stuttgart, 
Aquila  naevia  Meyer,  alt,   Oberndorf  1841, 
Gecinus  viridis  Boie,   Weibchen,  Varietät,  Kirchheim  u.   T. 

III.  Fische. 

Als  Geschenke: 

Scardinius  erytliropldliahnus  L.,   aus  der  Jagst, 

von  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  Mül  berger  in  Crailsheim; 
Coregonus  fera  Jubine,  jung,   aus  dem  Bodensee, 

von  Herrn  Kaufmann  H.  Lanz  in  Friedrichshafen; 
Squalius  leucisciis  L.,  gross,  aus  dem  Neckar, 

von  Herrn  Kaufmann  Friedrich  Drautz  in  Heilbronn. 

Dur  ch  Kauf: 
Anguilla  viägaris  Flemm.,  jung,  neuer  Kanal  bei  Berg. 

IV.  Mollusken. 
Als  Geschenke : 

Helicogena  pomatia  L.,  var.  grandis,   auf  Lias  s, 

von  Fräulein  Gertrud  Kr  aus  s  in  Kirchheim  u.  T., 
Bythinia  Schmidtü  Chaep.,   aus  den  Krumbachquellen, 

von  Herrn  Forstamtsassistent  R  e  u  s  s  in   Ochsenhausen. 
Eine    Sammlung    von    24  Arten    und  Varietäten    von  Land-    und  Süss- 
wasserschnecken    mit    Angabe    der    Gebirgsformationen ,    darunter 
bemerkenswert  Fruticola  liberta  Westerl.  und  Fr.  strigella  Drap.^ 
ferner   5  Arten  Unioniden, 

von  Herrn  Lehrer  Geyer  in  Neckarthailfingen. 

V.  Insekten. 

Als   Geschenke: 

Hymenopteren,   10  Arten  in   20  Stücken, 

von  Herrn  Postsekretär  Hösle; 
Bienenwaben  mit  abnormer  Zellenbildung, 

von  Herrn  Oberlehrer  Traub; 
Dipterenminen  an  Stechpalmen  und  MetalUstes  atomar ius  Ol., 

von  Herrn  Pfarrer  Ziegele  in  FeldrennaCh; 
Vespa  media  de  G.  und  germanica  F.,  Nester  von  Cannstatt, 

von  Herrn  Dr.  L  a  m  p  e  r  t ; 
Vespa  germanica  F.,    Nest  mit  vielen  Wespen    und   V.  saxonica  F.  von: 
Gablenberg, 

von  Herrn  Präparator  Oberdörfer; 
Vespa  germanica  F.,  Wespen, 

von  Herrn  Professor  Fr  aas,   Präparator  Kerz  und 
Dekorateur  Scheiffele; 
Vespa  germanica  F.,  Nest  mit  vielen  lebenden  Männchen,  Weibchen  und 
Arbeitern, 

von  Herrn  Kustos  Dr.   E.  Hofmann; 


—   11    — 

Pollistes  gallica  F.  und    Vespa  germanica  F. ,  Nester  mit  vielen  Wespen, 

von  Herrn  Professor  Strebel  in  Hohenheini; 
Vespa  vulgaris  L. ,    saxonica  F. ,    Nester    und    ein    künstlich   zusammen- 
gestellter Bienenschwarm, 

von  Herrn  Konditor  Leyrer; 
Hi/lotonia  rusaruni  L.  und   8  Bienen  von  Palästina, 

von  Herrn  Landgerichtsi'at  Beck; 
Hypocampa  Mühlliauseri  F.,   eine  lebende  Raupe, 
von  Herrn  Christ.   Kurz; 
Lepidopteren    10  Arten  in  30  St.,    Hymenopteren    20   Arten   in   30  St, 
Koleopteren   12  Arten  in   14  St.,   Dipteren  6   Arten  in    15   St., 
von  Herrn  Sanitätsrat  Dr.   Steudel; 
Änlax  rhoeaclis  Bouch.,  Larven  in  den  Köpfen  von  Papaver  rhoeas, 

von  Herrn  Lehrer  Geyer  in  Neckarthailfingen ; 
Nematus  pcduncuU  Klug  und  N.   VaUsnieriae  Het.,   Gallen  an  Weiden, 

von  Herrn  Lehrer  Scheuerle  in  Frittlingen  ; 
Vespa  rufa  L.,  Nest  bei  Horb  an  einer  Böschung, 

von  Herrn  Eisenbahnkondukteur  Reiser  in  Tübingen; 
Vespa  media  Deg,,  Nest  an  Schwarzdorn, 

von  Herrn  Flaschner  Albrecht  in  Tübingen; 
Vespa  saxonica  F.,  Nest  an  einem  Backofen, 

von  Herrn  Pfarrer  Dr.   Probst  in  Unter-Essendorf; 
Koleopteren,   3   Arten  in  3   Stücken,  neu  für  die  Sammlung, 

von  Herrn  Privatier  Keller  in  Reutlingen ; 
Parnassius  Mnemosyne  L. ,    Raupe  von  Corydalis  cava  vom  Reissenstein, 

von  Herrn  Studiosus  Heinz; 
LiheUtüa  pedemontana  All.,  aus  Friedrichshafen, 

von  Herrn  Buchhändler  Max  Schreiber  in  Esslingen. 

Dur  c  h  Kauf: 
Koleopteren  40  Arten  in   76  St.,   Lepidopteren  24  Arten  in  39  St.,   Hy- 
menopteren 60   Arten  in  210  St.,   Dipteren  21   Arten  in  80  St., 
Orthopteren   10  Arten  in   34   St. 

VI.  Mineralien. 

Als  Geschenke: 
Barytkrystalle ,    farblose  und  blaue ,    aus  den  Zementbrüchen    von  All- 
mendingen, 

von  Herrn  Chemiker  Karl  Krauss. 

VII.  Gebirgsarten. 

Als  Geschenke: 
6   Stücke  aus  der  unteren  Lettenkohle, 

von  Herrn  Apotheker  Blezinger  in  Crailsheim. 

VIII.  Petrefakten. 

Als  Geschenke: 
Ammonites  ulmensis  Oppel,   aus  dem  Weissen  Jura  L, 
von  Herrn  Dr.   G.  L  e  u  b  e  in  Ulm  ; 


—     12     — 

Ophiura  loricata  Güldf.,   in   6   vollkommenen  Stücken, 
25  Arten  Fisch-  und  Saurierreste   in  87   Stücken, 

von  Herrn  Apotheker  Blezinger  in  Crailsheim; 
Kieselholz  aus  dem  Tertiär, 

von  Herrn   Revierförster  Karr  er  in  Dietenheim. 

B.  Botanische  Sammlung. 

Als   Geschenke: 

a)  Hölzer: 

Stammstück  von  Firnis  ahies  Dukoi  mit  korkartiger  Rinde, 
tJberwallter  Stammabschnitt  der  uralten  Klosterlinde,  T.  grandißora  Eheh., 
beide  von  Lorch, 

von  Herrn  Oberförster  Gott  schick  I.  in  Cannstatt; 
Stammstück  von  Betida   pnbescens  Ehkh.  ,    mit  Zweigen    als  Stammaus- 
schlag vom  Sommer, 
von  Herrn  Oberförster  v.   Biberstein  in  Weil  im  Schönbuch; 
Fasciationen  einer    25  jährigen  Plmis  nigricans  Host    vom  Donnersberg, 

von  Herrn  Oberförster  Fribolin  in  Bietigheim  ; 
Fichtenstamm  mit    2  grossen  Schwarzspecht-Löchern ,    welche    im  Nov. 
1887    von  3  Uhr    abends    bis    11   Uhr  vormittags    des    folgenden 
Tages  eingehackt  worden  sind, 

von  Herrn  Forstrat  Burkardt  in  Ochsenhausen. 

b)  Herbarium. 

Salicineen   17   Spez.  vom  OA.   Spaichingen, 

von  Herrn  Lehrer  Scheuerle   in  Frittlingen ; 
Fuccinia  malvacearum  Mont.,   auf  Blättern  von  Altliaea  rosea  L., 

von  Herrn  Prof.   Dr.   Fr  aas; 
Gnomonia    erythrostoma    Fuckel  ,    auf    Blättern    von    Süsskirschen    von 
Kirchheim, 

von  Herrn  Assistent  J.   Eichler; 
Phanerogamen   11   Spez.   aus  Württemberg, 
Asplenium  viride  Huds.  bei  Stuttgart, 

von  Herrn  Professoratskandidat  Rieb  er. 

C.  Die  Yereinsbibliotliek 

hat  folgenden  durch  Dr.  F.  v.  Krauss  verzeichneten  Zuwachs  erhalten: 
a.  Durch   Geschenke: 

Jahreshefte  des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg. 
Jahrg.   44.    1888. 

Von  Herrn   Staatsrat  v.   Köstlin. 
Dieselben,   Jahrg.   21—43.    1865  —  1886. 

Von  Herrn  Professor  B  r  o  n  n  e  r. 
Dieselben,  Jahrg.    19.   20.   22.   23.   26—31.    33  —  34.   35.   1862—1880. 

Von  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  Kieser  in  Gmünd. 

Dieselben,  Jahrg.  7  —  10.  11  —  14.  22—39.  1866—1887.    (Ohne  Tafeln.) 

Von  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  Höring  in  Weinsberg. 


—     13     — 

Dieselben,  Jahrg.   31  —  39.   1875  —  1883. 

Von  Herrn  Dr.  med.   Ray  in  Wurzach. 

Dieselben,  Jahrg.   25—33.  (Ohne  Tafeln.)    1869—1877. 

Von  Herrn  Medizinalrat  Dr.   Zell  er  in  Winnenden, 
Dieselben,  Jahrg.   24—43.    18G8— 1887   (ohne  Festschrift). 
Von  Herrn  Kanzleirat  Liesching. 

Dieselben,  Jahrg.   37  —  43.    1881  —  1887. 

Von  Herrn  Finanzrat  Pf  äff. 

Zeitschrift  des  deutschen  und  österreichischen  Alpenvereins.  Jahrg.  1886. 
Bd.    17.   8". 

Mittheilungen  desselben  Vereins.  Jahrg.    1886.   4°. 

Wright,  L. ,  the  practical  poultry  Keeper:  a  complete  and  Standard 
guide  to  the  management  of  poultry.     London.   3.   Edit.   8^. 

Hulme,   E.,  familiär  wild  flowers.   Prt.    1  —  42.      London. 

Hibberd,    Shirley  familiär  garden  flowers.    Prt.    1  — 19.     London.   8**. 

Pynaert,  E. ,  die  Fruchthäuser.  Eine  vollständige  Abhandlung  über 
die  Treib-  und  die  künstliche  Kultur  der  Obstbäume  und  der 
Beerensträucher  unter  Glasschutz.      Stuttgart.   1874.   8**. 

W  es  seih  oft,   J.,   der  Rosenfreund.      4.  vermehrte  Aufl.    1878.   8°. 

Hübner,  J.   G.,  Pflanzen-Atlas.    5.  Aufl.  mit  32  Taf.  Heilbronn,   gr.  fol. 

Jaeger,  H.,  der  Obstbaumschnitt.  Neueste  Methode  zur  Behandlung 
der  feineren  Obstsorten  am  Spalier,  sowie  in  allen  andern  ge- 
bräuchlichen   Formen.     Nach  J.  A.   Hardy.     Leipzig.    1867.    8^. 

Kilian,  W.,  notes  geologiques  sur  le  Jura  du  Doubs.  4.  Part.:  Les  Fora- 
miniferes  de  l'oxfordien  des  environs  de  Montbelliard  par  W.  Deeke. 
Montbeliard.   1886.   8^ 

Kinkelin,  F.,  die  Tertiärletten  und  -Mergel  in  der  Baugrube  des 
Frankfurter  Hafens.    Sep.-Abdr.   der  Senckenb.  naturf.  Ges.   1885. 

Derselbe,  geologische  Tektonik  der  Umgebung  von  Frankfurt  a.  M. ; 

Derselbe,  über  die  Corbicula-Sande  in  der  Nähe  von  Frankfurt  a.  M. ; 

Derselbe,  Senkungen  im  Gebiete  des  Untermainthaies  unterhalb  Frank- 
furts und  des  Unterniedthaies; 

Derselbe,   die  Pliocänschichten  im  Untermainthal.   Ebendaselbst  1885.  8°. 

Koenen,  A.  v. ,  über  das  Mittel-Oligocän  von  Aarhus  in  Jütland. 
Sep.-Abdr.  Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.   Ges.   38.  Bd.   4°. 

Derselbe,  über  die  ältesten  und  jüngsten  Tertiärbildungen  bei  Kassel. 
Sep.-Abdr.  Nachr.  K.   Gesellsch.   Göttingen.    1887.   8^ 

Derselbe ,  über  postglaciale  Dislokationen.  Sep.-Abdr.  Jahrb.  geol. 
Landesanst.    1886.   8°. 

Hahn,  0.,  die  Philosophie  des  Bewussten.  Grundzüge  der  Natur- 
philosophie der  Gegenwart  unter  Berücksichtigung  der  Kirchen- 
lehren.    Tübingen.    1887.   8^ 

Gartenzeitung,  illustrirte ,  eine  monatliche  Zeitschrift  für  Garten- 
bau, Blumenzucht  und  Obstbau.  Jahrg.  30.  Nr.  7 — 12.  1886. 
Jahrg.   31.   1887.   8". 

Klunzinger,  B.,  die  Fische  des  Rothen  Meeres.  1.  Teil.  Acanthoptera. 
Stuttgart.    1884.  fol. 


—     14     — 

Bjuf,  F.,  om  Floran  Skänes  kolforande  Bildningar.  Forst  Haftet. 
Stockholm.    1875.   4". 

Hagenow,  F.,  die  Bryozoen  der  Maastricditer  Kreidebildung  mit 
12   Tafeln.     Kassel.    1851.   4''. 

S  t  i  1 11  n  g ,  J.,  pseudo-isochromatisclie  Tafeln  für  die  Prüfung  des  Farben- 
sinnes.    Mit  8  Tafeln.     Kassel.    1866.   8°. 

Hai  11  er   und  Rochleder,    die  Pflanze.     Hildburghausen.    1866.    8^. 

Spengel,  J.  W.,  die  DAEWiN'sche  Theorie.  Verzeichnis  über  dieselbe 
in  Deutschland,  England,  Amerika,  Frankreich,  Italien,  Holland, 
Belgien  und  den  Skandinavischen  Reichen  erschienenen  Schriften 
und  Aufsätze.     Berlin.    1872.   8^. 

"Willkomm  et  Lange,  prodromus  flnrae  Hispanicae.  Vol.  III.  prt.  4. 
1880.   8**. 

Karten:  Die  Rheinlande  nach  ihren  geologischen  Beziehungen  von 
Murchison,  bearbeitet  von  G.  Leonhaed.    1844. 

Geognostische  Reisekarte  von  der  Umgegend  von  Heidelberg,  Engen, 
Sinsheim,  Dresden  und  Baden. 

Geognostisches  Bild  des  Harzes. 

F romherz,   die  urweltlichen  Seen  des  Schv^arzwaldes. 
Von  Herrn  Buchhändler  Eduard  Koch. 

Hofmann,  E. ,  die  Gross-Schmetterlinge  von  Europa.  Lief.  22  mit 
Index  u.  Titel.    1888.   4^ 

Pomologische  Monatshefte.  Zeitschrift  für  Förderung  und  Hebung  der 
Obstkunde,  Obstkultur  und  Obstbenützung.  Jahrg.  XIII.  Heft  6 — -12. 
Jahrg.  XIV.  Heft.   1  —  4.    1887—1888.   8°. 

Von  Herrn  Kustos  Dr.   E.   Hof  mann. 

Bronn,  Klassen  und  Ordnungen  des  Tierreichs  in  Wort  und  Bild. 
Bd.   6.  Abt.   3.  Reptilien.   Lief.   56—60. 

Dasselbe,   Bd.   1,  Lief.   35  —  45,  neu  bearbeitet  von  Bütschli.    Win- 
ter'sche  Verlagshandlung.   Leipzig  u.   Heidelberg. 
Vom  Herrn  Verleger  zur  Rezension. 

Donna dieu,  A.  L. ,  les  veritables  origines  de  la  question  Phylloxe- 
rique.      Paris.    1887.   8**. 

Detille,.  J.,  les  Turdins  ou  l'art  d'embellir  les  paysages  poeme.  Lon- 
don.   1801.   8". 

Keek  ermann,  B.,  contemplatio  gemina.     Hannoviae.    1811.   8^. 

Leonhard,  der  Förster  und  Jäger  in  seinen  monatlichen  Amtsver- 
richtungen.     Leipzig.    1828.   8°. 

Daubenton,  traitesurlamaniered'empaillerlesanimaux.  Paris.  1787.  8^. 

Jester,  F.  E. ,  über  die  kleine  Jagd.  Zum  Gebrauch  angehender 
Jagdliebhaber.     Königsberg.    1793.   8*^. 

Von  Herrn  Professor  Kurtz  in  Ellwangen. 

Anleitung  zu  wissenschaftlichen  Beobachtungen  auf  Alpenreisen.  Bei- 
lage   zur  Zeitschr.   des  deutsch. -österr.    Alpenvereins.    1. — 5.  Abt. 

Kirchhoff,  A.,  Bericht  der  Zentral-Kommission  für  wissenschaftliche 
Landeskunde  von  Deutschland.  Sep.-Abdr.  Verh.  deutsch.  Geo- 
graphentags in  Karlsruhe.    1887.   8*^. 

Vom  Herrn  Privatier  Karl  Faber. 


—     15     — 

Ploss,   H. ,    das  Weib  in  der  Natur-    und  Völkerkunde.      Anthropolo- 
gische  Studien.     2.  stark  vermehrte  Auflage  von  Dr.  Max  Bar- 
tels.    Th.   Griebens  Verlag.      Leipzig.    1887.   8^ 
Vom  Herrn  Verleger  zur  Rezension. 

Mayr,  G.,  überEciton-Lebidus.  Sep.-Abdr.  Wien.  ent.  Zeitschr.  1886.  8*^. 

Derselbe,  Südamerikanische  Formiciden ;  Notizen  über  die  Formiciden- 
Sammlung  des  Brit.  Museums  in  London;  die  Formiciden  der 
Ver.  St.  Nordamerikas.  Sep.-Abdr.  der  Verh.  zool.-bot.  Vereins 
in   Wien   1886.    1887. 

Vom  Herrn  Verfasser. 

Klo  SS,  J.  H. ,  Die  ältesten  Sedimente  des  nördlichen  Schwarzwaldes 
und  die  in  denselben  eingelagerten  Eruptivgesteine.  Sep.-Abdr. 
Verh.  Braunschweig.    1886—1887. 

Wünsche,   0.,  das  Mineralreich.    5.  Aufl.   des   5.  Bandes  der  gemein- 
nützlichen Naturgeschichte  von  Prof.  Dr.  0.  Lenz.    Gotha.  1887.  8^. 
Von  der  E.  F.  Thienemann'schen  Hofbuchhandlung  zur  Rezension. 

Weber  van  Bosse,  A.  Madm. ,  etudes  sur  les  alges  parasites  des 
Paresseux.  Sep.-Abdr.  Naturk.  Verh.  Holl.  Maatsch.  Wet.  Amster- 
dam.   1887. 

Von  der  Frau  Verfasserin. 

Kegel  mann,  Wassermessungen  in  und  an  dem  Bodensee  zu  Kress- 
bronn.     Sep.-Abdr.   Württ.   Jahrb.  für  Statistik.    1886.   4°. 

Kaidt  u.  Ritter,  die  Kur-  und  Badeanstalt  zu  Niedernau.  Stutt- 
gart.   1853.   8^ 

Ritter,  R.,   Geschichte  der  Kur-  und  Badeanstalt  Imnau.      1869.   8*^. 

Derselbe,  Niedernau  und  seine  Mineralquellen,  worunter  auch  die  Karls- 
und Römerquelle.      1838.   8^ 

Derselbe,  Niedernau,  Kur-  und  Badeanstalt  im  Königreich  Württemberg. 
1869.   8°. 

Derselbe,   die  Kur-  und  Badeanstalt  Imnau  vormals  und  izt.    1880.  8". 

Derselbe,  über  die  Ermittlung  von  Blut-,  Samen-  und  Exkrementenflecken 
in  Kriminalfällen.      2.  Aufl.   Würzburg.    1854.   8". 

Meck  ,  Urtheile  über  Imnau  und  seine  Heilquellen  aus  alter  Zeit.  1881.  8°. 

Raidt,  über  die  Sauerquellen  von  Niedernau  und  ihren  Gebrauch. 
1815.   8^ 

Von  Herrn  Hofrat  Dr.   Ritter  in  Rottenburg. 

Katze rwsky,  W. ,  die  meteorologischen  Aufzeichnungen  des  Leit- 
meritzer  Rathsverwandten  A.  G.  Schmidt  aus  den  Jahren  1500 
—  1761.     Prag.   8°. 

Vom  Herrn  Verfasser  zur  Rezension. 

The  Geological  Magazine ,  or  Monthly  Journal  of  Geology.  New  Ser. 
Dec.  m.  Vol.  IV.  No.   8. 

Von  Herrn  Professor  Zink. 

Weirauch,  K.,  Privatbeobachtungen  der  Regenstation  Alswig  i.  J.  1886. 
Dorpat.    1887. 

Vom  Herrn   Verfasser. 

Die  geognostische  Profilierung  der  württemb.  Eisenbahnlinien,  herausg. 
vom    K.    Statist.    Landesamt.     4.    Lief.   VII:    Die   Gäu-Kinzigbahn 


—     16     — 

von  Stuttgart  nach  Scliiltach.    Von  Eb.   Fr  aas.    Mit  einem  Profil 
in  Farbendruck. 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Geology  of  the  vegetable  creek  tin-mining  field,  New  England  district^ 
New  South  Wales  with  maps  and  sections  by  T.  W.  Edgeworth 
David.     Department    of  Miner.    Geolog.    Survey    of  New  South 
Wales.   1887.     Sydney.   4°. 

Geological  Survey  of  New  South  Wales. 

b.  Durch  Ankauf. 

Annales  de  lasocieteentomologique  de  France.  6  Ser.  T.  VII.  Paris  1887.  8", 
Entomologische    Nachrichten.    Jahrg.    XIII.     Heft    9 — 24.     Jahrg.    XIV, 

Heft   1—19.  Berlin   1887.   1888.   8^ 
Der  zoologische  Garten.     Zeitschr.  für  Beobachtung,  Pflege  und  Zucht 

der  Tiere.    Jahrg.   XXVHI.    No.   4—12.  Jahrg.  XXIX.  No.    1—8, 

Frankfurt  a.  M.    1887  —  1888.   8«. 
Taschenberg,  0.,   Bibliotheca  zoologica.     Verzeichnis  der  Schriften 

über  Zoologie,   erschienen  von  1861  — 1880.   Lief.  3.  4.    1887.  8°. 
Stäl,  recensio  Orthopterorum,  revue  critique  des  Orthopteres  descript, 

par  LiNNE,  DE  Geer  et  Thunbeeg.    1  —  3.      Stockholm.   8^. 
Stettiner  entomologische  Zeitung.  Jahrg.  48.    1887.  Jahrg.  49.  No.  1 — 9. 

1888.   8^. 
Proceedings    of   the  Dublin  university    zoological    and    botanical    asso- 

ciation.   Vol.  I.  prt.    1.    1858.   8°. 
Andre,  species  Hymenopteres.  T.  III.  fasc.  27.  T.  IV.  fasc.  28 — 31.  S*'. 
Puton,    Catalogue    des  Hemipteres    de  la  Faune    palearctique.   3.  Ed, 

1887.   8*^. 
Burmeister,  Handbuch  der  Entomologie.   4,  Bd.   2.   Abt.   8*^. 

c.  Durch  Austausch  unserer  Jahreshefte  als  Fortsetzung, 

Abhandlungen  der  K.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  Phy- 
sikalische,  aus  dem  Jahre   1886.    1885.   4*^. 

Abhandlungen  der  natarforschenden  Gesellschaft  zu  Görlitz.  Bd.  XIX, 
1887.   8*^. 

Abhandlungen,  herausgegeben  vom  naturwissenschaftlichen  Verein  in 
Bremen.  Bd.  IX.  Heft  4.  Bd.  X.  Heft  1  —  2.    1887—1888.   8°. 

Abhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Halle.  Bd.  XVI. 
Heft  4.    1886.   8^ 

Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften,  herausgegeben 
vom  naturwissenschaftlichen  Verein  in  Hamburg.  Bd.  X.  Fest- 
schrift zur  Feier  des  50  jährigen  Bestehens  des  Vereins.    1887.  4*^. 

Abhandlungen  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien.  Bd.  XI. 
2.  Abth.  Stur,  D.,  Die  Calamarien  der  Carbon-Flora  der  Schatz- 
larer  Schichten.    1887.  Fol. 

Abhandlungen  und  Jahresbericht  der  naturhistorischen  Gesellschaft  zu 
Nürnberg.     Bd.  VIII.   Bog.   4  —  5.    1887.   8*^. 

Archiv   für    die  Naturkunde  Liv-,  Ehst-    und  Kurlands,    herausgegeben 


—     17     — 

von  der  Dorpater  Naturforscher-Gesellschaft.  1.  Ser.  Bd.  IX. 
Lief.   4.    1887.   8^ 

Beiträge  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz.  24,  Lief,  enthalten  auf 
Blatt  XIII  Karte  von  Interlaken,  Sarnen,  Stanz,  bearbeitet  von 
Kaufmann,  Baltzer  und  Mösch.  Lief.  21.  Farben  und 
Zeichen.  Erklärung  der  geologischen  Karte.  Blatt  V.  Verzeich- 
nis der  Ortsbenennungen  in  verschiedenen  Sprachen.  Lief.  25. 
Höhen  der  vorzüglichsten  Punkte.  Titelblatt  1859—1887.  Lief.  22. 
Description  geologique  des  prealpes  du  Canton  de  Vaud  et  du 
Chablais  jusqu'ä  la  dranse  et  de  la  chaine  des  Dents  du  Midi. 
Par  E.  Favre  et  H.  Schardt.  1887.  Lief.  24.  IL  Teil.  Bei- 
lage :  Systematisches  Verzeichnis  der  Kreide-  und  Tertiär- Ver- 
steinerungen der  Umgegend  von  Thun,  nebst  Beschreibung  der 
neuen  Arten  von  Prof.   Dr.   K.  Mayer-Eymar.    Bern.  1887.   4°. 

Bericht  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Augsburg.  29.  Be- 
richt im  Jahre   1887.   8^ 

Bericht    des    naturforschenden  Vereins    zu    Bamberg.      14.    1887.    8^. 

Bericht  über  die  Thätigkeit  des  Vereins  für  Naturkunde  in  Offenbach. 
Heft  26—28.    1884—1887.  8". 

Bericht  über  die  Thätigkeit  der  St.  Gallischen  naturwissenschaft- 
lichen Gesellschaft  während  der  Vereinsjahre   1885 — 1886.   8*^. 

Bericht  des  naturwissenschaftlich-medizinischen  Vereins  in  Innsbruck. 
16.    1886—87. 

Bericht  der  Wetterauischen  Gesellschaft  für  die  gesamte  Naturkunde 
zu  Hanau  vom  April   1885   bis  März   1887.   8°. 

Berichte  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Freiburg  i.  B.  Bd.  I. 
1886.  8^ 

Bericht  über  das  Museum  Francisco-Carolinum  nebst  Beiträgen  zur 
Landeskunde  von  Österreich  ob  der  Enns.  45. — 46.  nebst  39.  Lief, 
der  Beiträge  etc.   1887—88.     Linz.   8". 

Bericht  über  die  Sitzungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Halle 
im  Jahre   1885  und   1886.   8*^. 

Correspondenzblatt  des  Naturforscher-Vereins  zu  Riga.  Jahrg.  30. 
1887.   8°. 

Correspondenzblatt  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Regens  bürg. 
Jahrg.  XX.    1887.   8°. 

Denkschriften,  neue,  der  allgemeinen  Schweizerischen  Gesellschaft  für 
die  gesamten  Naturwissenschaften.  Bd.  20.  Heft  1;  1880.  Bern.  4^^. 

Dissertationen,  naturwissenschaftliche  der  Universität  Tübingen.  6  che- 
mische,  4  physikalische,  1  geologische  und  1  botanische.    1887.  8". 

Földtani  Közlöny  (Geologische  Mitteilungen  der  Ungarischen  geo- 
logischen Gesellschaft).  Jahrg.  17.  Heft  1 — 4.    Budapest.  1887.  8°. 

Jahrbuch  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien.  Jahrg.  1887. 
Bd.   37.  Heft   1—2.   8°. 

Jahrbücher  des  Vereins  für  Naturkunde  im  Herzogtum  Nassau.  Jahr- 
gang 40.    1887.   Wiesbaden.   8^ 

Jahrbuch  der  k.  Preuss.  Landesanstalt  und  Bergakademie  zu  Berlin 
für  das  Jahr   1887.   8°. 

Jabreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.  1889.  2 


—     18     — 

Jahrbücher,  württembergische ,  für  Statistik  und  Landeskunde  heraus- 
gegeben vom  k.  Statist.  Landesamt.  Jahrg.  1886.  Bd.  1 — 2  und 
Supplementband.      Stuttgart,   gr.   8°. 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Chemie  und  verwandter  Teile 
anderer  Wissenschaften.  Herausg.  von  F.  Fittica  für  das  Jahr 
1884,   5.  Heft;  für  das  Jahr   1885,   Heft  2,   3.      Giessen.   8". 

Jahresbericht,  medizinisch-statistischer,  über  die  Stadt  Stuttgart, 
herausg.  vom  ärztlichen  Verein.     Jahrg.    14  vom  Jahr   1886.   8^. 

Jahresbericht  des  Westfälischen  Frovinzial- Vereins  für  Wissenschaft 
und   Kunst.    15.   Jahresbericht  pro    1886.      Münster.   8°. 

Jahresbericht  der  k.  Ungarischen  geologischen  Anstalt  für  1886. 
Budapest.   8°. 

Jahresbericht  der  naturforschenden  Gesellschaft  Graubündens.  Neue 
Folge.  Jahrg.   30,   Vereinsjahr   1886—1887.      Chur.   8^ 

Jahresbericht  der  Pollichia ,  eines  naturwissenschaftlichen  Vereins  der 
bayr.  Pfalz.   43—46.      Dürkheim.    1888.  8". 

Jahresbericht  der  Schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur. 
24.  mit  Ergänzungsheft:  Krebs,  Zacharias  Allerts  Tagebuch  von 
1627.     Breslau.    1887.   8^ 

Leopoldina,  amtliches  Organ  der  Kais.  Leo  p  oldinisch -Caroli- 
nischen deutschen  Akademie  der  Naturforscher.   Heft  22.  Jahrg. 

1887.  Halle  a.   S.   S*'. 

Lotos,  Jahrbuch  für  Naturwissenschaft  im  Auftrag  des  Vereins  »Lotos«. 

Neue  Folge.   8.  Bd.   (der  ganzen  Reihe   36.  Bd.).    Prag.    1888.  8°. 
Mitteilungen    des    naturwissenschaftlichen    Vereins     für    Steiermark. 

Jahrg.    1886   (der  ganzen  Reihe   23.   Heft).      Graz.   8*^. 
Mitteilungen  aus    dem    naturwissenschaftlichen  Verein    von  Neu-Vor- 

pommern  und  Rügen.  Jahrg.    18.     Greifswalde.    1886.   8*^. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Erdkunde  zu  Halle  a.  S.  Jahrg.  1887.  8°. 
Mitteilungen    aus    der    zoologischen  Station    zu  Neapel,    zugleich  ein 

Repertorium  für  Mittelmeerkunde.  Bd.  7.  Heft  2—4,  Bd.  8.  Heft  1, 

1888.  8*^. 

Mitteilungen  der  k.  k.  geographischen  Gesellschaft  in  Wien.  Jahrg.  20. 
(30.  Bd.)   1887.  8°. 

Mitteilungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Bern  aus  dem  Jahre 
1886  No.  1143  —  1168,  aus  dem  Jahre  1887  No.  1169—1194.  8^ 

Mitteilungen  der  Schweizerschen  entomologischen  Gesellschaft.  Bd.  VH. 
Heft  8—10.      Bern.    1887.   8^ 

Mitteilungen  aus  dem  Jahrbuch  der  K.  ungarischen  geologischen  An- 
stalt in  Budapest.     Bd.  VIL  Heft  6.  Bd.  VHI.  Heft  5.   1887.   8''. 

Naturforscher ,  der ,  Wochenblatt  zur  Verbreitung  der  Fortschritte  in 
den  Naturwissenschaften.  Jahrg.  20.  No.  1 — 52.  Tübingen.  1887.  4". 

Schriften  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Danzig.  Neue  Folge. 
Bd.   VL  Heft  4.  Bd.  VIL  Heft   1.      1888.   8°. 

Schriften  des  Vereins  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kennt- 
nisse in   Wien.      Bd.   26.    1886—87.   8'^. 

Schriften  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  für  Schleswig- Hol- 
stein.    Bd.  VH.  Heft   1.   1888.   8". 


—     19     — 

Schriften  der  k  physikalisch-ökonomischen  Gesellschaft  zu  Königs- 
bero-.     Jahrg.    27.    1886.   8^. 

Sitzungsberichte  der  Naturforscher-Gesellschaft  bei  der  Universität  Dor- 
pat.     Bd.   8.   Heft   1.    1887.   8°. 

Sitzungsberichte  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien.  Abt.  I, 
Bd.  93.  Heft  4— 5.  1886.  Bd.  94.  1886;  Abt.  II,  Bd.  93.  Heft 
3—5.  Bd.  94.  1886  —  87.  Bd.  95.  Heft  1—2.  1887;  Abt.  III, 
Bd.   93.   1886.  Bd.   94.    1886.   8*^. 

Sitzungsberichte  der  physikalisch-medizinischen  Gesellschaft  zu  Würz- 
burg. Jahrg.    1887.   8°. 

Sitzungsberichte  der  k.  preussischen  Akademie  der  Wissenschaften. 
1887.    1  —  54.   Berlin.    1887.   8». 

Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  naturforsch.  Freunde  in  Berlin.   Jahrg.  1887.  8". 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen  der  naturwissenschaftlichen  Gesell- 
schaft Isis  zu  Dresden.     Jahrg.    1886.   8^. 

Tübinger  Universitätsschriften   aus  dem  Jahre   1886 — 1887.   4°. 

Verhandlungen  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Basel.  VIII.  Teil. 
Heft  2.    1887.   8*^. 

Verhandlungen  des  botanischen  Vereins  für  die  Provinz  Branden- 
burg.    Jahrg.   27—28.    1885.    1886.   8". 

Verhandlungen  des  naturforschenden  Vereins  in  Brunn.  Bd.  24.  1885. 
Hiebei :  4.  Bericht  der  meteorologischen  Kommission  in  den  Jah- 
ren  1884.    1886.   8". 

Verhandlungen  des  naturhistorisch-medizinischen  Vereins  zu  Heidel- 
berg.  Neue  Folge.   Bd.   4.   Heft   1.    1887.   8". 

Verhandlungen  der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien.  Jahrg. 
1887.  No.   2—8.  Jahrg.    1888.  No.    1  —  5.   8^ 

Verhandlungen  des  Vereins  für  naturwissenschaftliche  Unterhaltung  zu 
Hamburg.     Bd.  VI.   1883—1887.   8^ 

Verhandlungen  der  physikal.-medizin.  Gesellschaft  in  Würzburg. 
Neue  Folge.  Bd.   20—21.    1887—1888.   8*^. 

"Verhandlungen  und  Mitteilungen  des  siebenbürgischen  Vereins  für  Na- 
turwissenschaften in  He  r  manns  t  a  d  t.     Jahrg.   37.    1887.   8°. 

Verhandlungen  der  Schweizerischen  naturforschenden  Gesellschaft. 
70.  Versammlung  in  Frauenfeld.  August  1887.  Compte  rendu 
des  travaux  etc.   1887.   8. 

Verhandlungen  der  k.  k.  zoologisch-botanischen  Gesellschaft  in  Wien. 
Jahrg.    1887.   Bd.   37.   8*^. 

Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft  in  Berlin.  Bd.  40. 
Heft   1.    1887—88.   8''. 

Zeitschrift  für  Naturwissenschaften.  Originalabhandlungen  und  Berichte, 
heiiiusgegeben  im  Auftrage  des  naturwissenschaftlichen  Vereins 
lü:  Sichsen  md  Thüringen.  59.  Bd.  Heft6.  60.  Bd.  61.  Bd. 
Heu   1—5.    1886—1887.  Halle.   8°. 

Zeitschrift,  deutsche  entomologische,  herausgegeben  von  dem  entomo- 
logischen Verein  in  Berlin.     Bd.   31.    1887.   8^ 

Zeitschrift,  deutsche  entomologische,  herausgegeben  von  Dr.  Kratz. 
Bd.   31.     Berlin.    1887.   8^ 

2* 


—     20     - 

Actas    de    la  Academia    nacional    de    ciencias  en  Cordova.     Tom.   V, 

Entr.   3.    1886.  Buenos  Aires,  fol. 
Annales  de  la  societe  entomologlque  deBelgique.    Tom.  XXX.   1886. 

Hierzu:    Tables  generales    des  Annales  I — XXX  par  A.  Lameere. 

Bruxelles.    1887.   8^ 
Annales    de    la  societe  geologique  de  Belgique  ä    Liege.     Tom.   XIL 

1884—1885.   8^^. 
Annales,  Memoires  et  Bulletins    de    la  societe  malacologique  de  Bel- 
gique.   Tom.  XXI.   (4.  Ser.  T.  I.)    Bruxelles.   1886.   8°.    Hierzu: 

Proces-verbaux  des  seeances  etc.   T.  XV.    1886.  T.  XVI.    1886.   8". 
Annaleii    des    physikalischen  Zentralobservatoriums    herausgegeben    von. 

H.   Wild.     Jahrg.    1886.    1—2.   St.  Petersburg.  4<^. 
Annali  del  Museo   civico   di  storia  naturali  di  Genova.      Ser.  2.  VoL 

III.  IV.  V.    1886—1888.   8^. 
Annual  report  of  the  colonial  museum    and    laboratory    of  the  Survey 

of  New  Zealand.     20.   21.   22.     Wellington.   1884—1887.   8^ 
Annual   report    of  the    bureau    of   Ethnology   to    the  secretary    of   the 

Smithsonian  Institution   by  J.  W.   Powell,  fourth  pro   1882 

—1883.     Washington.   8". 
Annual    report    of    the    department    of  mines    of  New  South  Wales 

for  the  year   1886.      Sydney.   1887.   4^ 
Annual  report  of  the  United  States  geological  Survey  to  the  secretary 

of   the    interior    by    J.  W.  Powell.      Sixth.    1884—1885.  Wa- 
shington.  8". 
Annual  report    of  the  board    of   regents  of   the  Smithsonian  Insti- 
tution for  the  year   1885.     Prt.   1.   Washington.   8^. 
Annais  of  the  New  York  Academy  of  sciences.    Vol.  III.  No.  11 — 12. 

1886.  Vol.  IV.  No.    1  —  2.     New  York.   1887.   8^. 
Annuaire    de    l'academie    royale    des  sciences    des  lettres  et  des  beaux 

arts  deBelgique.    Annee  52— 53.    1886—1887.    Bruxelles.   8°. 
Archives  Neerlandaises  des  sciences  exactes  et  naturelles  publiees  par 

la  societe  holland.   des  sciences  ä  Harlem.     Vol.  XXI.  Livr.   5. 

Vol.  XXII.   Livr.    1—3.   1887.   8". 
Archives  du  Musee  Teyler.     Ser.  IL  Vol.  IIP   Prt.    1.    1887.    Hierzu: 

Catalogue    de    la  bibliotheque  par  C.  Ekama.   Livr.   5 — 6.    1886. 

Harlem.  gr.   8°. 
Archives  du  Museum  d'histoire  naturelle  de  Lyon.      Tom.   4.  fol. 
Archivos  do  Museu  nacional  do  Rio  de  Janeiro.    Vol.  VI.  Tr.  1 — 4.. 

1885.   4^. 
Atti  della  societä  toscana  di  scienze  naturali  residente  in  Pisa.    Vol. 

VIII.  fasc.   2.    1887.    Hierzu:   Processi  verbali.   Vol.  V— VI.  Pisa. 

1887  —  1889.  8°. 
Atti   della  R.   accademia    della    scienze    di  Tor  in  o.     Vol.  XXII.  Disp. 

10—15.  Vol.   XXIII.  Disp.    1—8.   1887.     Torino.   8^ 
Atti  della  societä  Veneto-Trentina  di  scienze  naturali  residente  in  Pa- 

dova.     Vol.  XL  Fasc.   1.   1887.  8". 
Atti  dell'  accademia  Pontificia  de  nuovi  Lincei  di  Roma.    Anno  XXXVIL 

Sess.   6—8.    1882.     Anno  XXXVIIL  Sess.   1—4.    1884—85.   4°. 


—     21     — 

Atti    della    R.  Accademia    dei  Lincei    di    Roma.      Ser.   4.     Rendiconti. 

Vol.  II.  Fase.  10.  Vol.  III.  Fase.  8—13.   2.  Semestr.  Fase.  1—13. 

Vol.  IV.    1.   Sem.    Fase.    1.    2.   Sem.    Fase.   2 — 10.     Roma.    1886 

—  1888.  8". 
Boletin  de  la  Academia  nacional  de  eiencias  en  Cordova.    Tom.  IX. 

1886.  Tom.  X.  Entreg.    1.    1887.     Buenos  Aires.   8^ 
Bolletino    del    R.    comitato    geologico    d'Italia    a  Roma.     Anno   XVII. 

1887.  8". 

Bolletino    della    societä    Adriatica     di     scienze    natural!    in    Trieste. 

Vol.  X.   1887.   8^ 
Bolletino   dell'   osservatoria  della    regia    universitä    di  Torino.     Anno 

XXI.    1887.   8^ 
Bulletino  della  soeietä  Ven  et  o  -  Tren  tina  di  scienze  naturali.    Anno 

1887.  Tom.  IV.  No.   1.  Padova.  8°. 
Bulletin    de   l'academie  royale    des  sciences,    des    lettres  et  des  beaux 

arts  de  Belgique.    Annee  54—57.   1885—1887.  Bruxelles.   8". 
Bulletin    de    la    societe    geologique    de    Franee.     3.  Ser-    Vol.    XV. 

No.   4—9.  Vol.  XVI.  No.    1—4.    1887  —  1888.  Paris.   8^ 
Bulletin  mensuel  de  la   soeiete  Linneenne  du  Nord  de  la  France. 

Tom.    VII.     Annee    14.    No.    139  —  162.    Tom.    VIII.    Annee    15. 

No.    163—174.     Amiens.    1885—1886.   8^ 
Bulletin    de    la    societe    d'histoire    naturelle    de    Metz.      Cahier   XVII. 

(2.   Ser.)    1887.   8°. 
Bulletin  de    la  societe  zoologique   de  France    ä    Paris.     Vol.  XI. 

Annee   11.    1887.  Vol.  XII.   Annee   12.   No.    1.    1887.   8°. 
Bulletin  du  Comite  geologique  de  St.  P  e  t  er  s  bourg.    T,  VI.  No.  4 — 10. 

Suppl.  V.  T.  VI.   1887.   8". 
Bulletin  de  la  societe  imperiale  des  naturalistes  de  Moscou.     Annee 

1887.  No.  2—4.  Annee  1888.  No.  1.   8^   Hierzu:   Table  generale 

et  systematique   des  matieres  contenues  dans  les  premiers   56  Vo- 

lumes  du  Bulletin  etc.  (1829—1881)  par  E.   Ballion.   8°. 
Bulletin  de  la  societe  des  sciences  naturelles  deNeuchatel.    T.  XV. 

1886.   8". 
Bulletin  des  seances  de  la  soeiete  Vaudoise  des  sciences  naturelles. 

3.  Ser.  Vol.  XXII.  No.  95.  Vol.  XXIII.  No.  96.  1887.  Lausanne.  8*^. 
Bulletin  of  the  Brooklyn  entomologieal  soeiety.    Entomologica  ame- 

ricana,   a  monthly  Journal.  Vol.  II.    1886  —  1887.  Vol.  III.    1887 

—1888.   8^. 
Bulletin  of  the  Museum  of  comparative  zoology  at  Harvard  College  at 

Cambridge.     Vol.  XIII.  No.   4—8.   1887  —  1888.     Whole  Ser. 

Vol.  XVI.  No.    1.    1888.     Hierzu:    Annual  report    of  the  curator 

of  the  Museum  etc.    1886  —  1887. 
Bulletin  of  the  Buffalo  soeiety    of  natural    sciences.    Vol.  V.    No.   2. 

1886.   8*^. 
Bulletin  of  the  California  Academy  of  sciences.    Vol.  IL  No.   6 — 7. 

San  Francisco.   1887.   8^ 
Bulletin    of   the  United  States    geological    Survey.     No.    34 — 39. 

Washington.   1886—87.  8°. 


—     22     — 

Christiania  K.  Universität.  Sc  hüb  1er,  viridarum  norvegicum.  I.  Bd. 
2.  Heft.;  II.  Bd.  1.  Heft.  188G.  4°.  Norske  Nordhavs  Expedi- 
tion. XVII.  Zoology.  Danielsen,  Alcyonida.  1887.  XVIII.  Me- 
teorologi.  Nordhavets  dybdor  teniperaturog  stromninger  ved 
H.   Mohn.    1887.     Christiania.  fol. 

Geological  and  natural  history  of  Canada.  Report  of  progress  for 
the  year  1863;  Palaeozoic  fossils  Vol.  III.  prt.  1.  Mesozoic 
fossils.  Vol.  I.  prt.  3.  1884.  8*^.  Catalogue  of  Canadian  plants^ 
Prt.  III.   Apetalae  by  Macoun.     Montreal.    1886.   8*^. 

Jaarboek  van  de  K.  Akademie  van  Wetenschappen  gevestigd  te  Amster- 
dam voor   1885.   8°. 

Journal  of  the  society  of  natural  history  at  Cincinnati.  Vol.  XI. 
No.    1.    1888.   8°. 

Journal  of  the  College  of  science  imperial  University.  Vol.  IL  Part. 
1—3.   1888.      Tokio.   4«. 

Journal  of  the  Linnean  society  of  London.  Botany.  Vol.  XXII — 
XXIV.  No.  145  —  158.  Zoology.  Vol.  XIX— XXI.  No.  114—129. 
1886  —  1887.   8*^. 

Journal  and  Proceedings  of  the  Royal  society  of  New  South  Wales. 
Vol.  XXI.   1887.      Sydney.   8". 

Journal  of  the  Asiatic  society  of  Bengal.  New  Series.  Vol.  LV. 
Prt  1.  No.  1  —  3.  1886.  Vol.  LV.  Prt.  II.  No.  1—5.  Calcutta. 
1886—1887.  8^ 

Journal  of  the  geological  society  of  Ireland.  Vol.  VIII.  Prt.  1. 
Dublin.    1887.   8^. 

Journal,  Quaiterly,  of  the  geological  society  of  London.  Vol.  XLIII. 
Prt.   2—4.  Vol    XLIV.    Prt.    1.  No.    170—173.    1887—1888.   8", 

Memoires  de  la  societe  des  sciences  physiques  et  naturelles  de  Bor- 
deaux.     3.   Ser.   Tom.   2.   Cahier  2.    1886.   8^ 

Memoires  du  comite  geologique.    Vol.  II— IV.  1887.    St.  Petersbourg.  4*^. 

Memoires  de  la  societe  de  physique  et  d'hisioire  naturelle  deGeneve. 
Vol.  XXIV.  Prt.   2.    1886  —  1887.   4^ 

Memoires  de  la  societe  royale  des  sciences  de  Liege.  2.  Ser.  Tom. 
XIV.    1887.   8". 

Memoirs  of  the  Museum  of  comparative  zoology  at  Harvard  College 
in  Cambridge,    Vol.  XVI.  No.  1—2.    1887.   Vol.  XV.    1887.   4^ 

Memoirs  of  the  American  Academy  of  arts  and  sciences  at  Boston. 
Centenial  Volume.    Vol.  XL   Prt.  IV.    No.  5—6.    1886—1887.   4°. 

Memorie  dell' Accademia  della  scienze  dell' istituto  di  Bologna.  Ser. 
III.   Tom.   VH.    1886—1887.   4^. 

Monographs  of  the  United  States  Geological  Survey  by 
J.  W.  Powell.  Vol.  X.  Dinocerata,  a  monograph  of  an  extinct 
Order  of  gigantic  mammals  by  0.  Ch.  Marsh.  Washington. 
1886.    4». 

Naturaleza.  Periodico  cientifico  de  la  sociedad  M  exicana  de  historia 
natural.    Vol.  VII.  Entr.  19  —  24.  2.  Ser.  T.  I.  1887.    Mexico,  gr.  8". 

Observations  meteorologiques  faites  par  Mayene  1854 — 83.  Milano. 
1886.   8". 


—     23     — 

Proceedings  of  the  American  Academy  of  arts  and  sciences.  Vol.  XXII. 
New  Ser.  Vol.   XIV.    1886—87.     Boston  and  Cambridge.   8". 

Proceedings  of  the  Linnean  society  in  London  from  Nov.  1883 — Jan. 
1887.   8°. 

Proceedings  of  the  American  philosophical  society  held  at  Philadel- 
phia.    Vol.  XXIV.   No.    125—126.    1887.   8°. 

Proceedings  and  Transactions  of  the  natural  history  society  of  Glas- 
gow.    New  Ser.   Vol.   I.   Prt.   3.    1885—86.   8*^. 

Proceedings  of  the  Linnean  society  of  New  South  Wales.  2.  Ser. 
Vol.  I.      Sydney.    1887.   8^ 

Proceedings  of  the  Royal  physical  society  at  Edinburgh.  Vol.  IX. 
Prt.   2.   Sess.    1886—1887.   8°. 

Proceedings  of  the  American  association  for  the  advancement  of 
science.  34.  Meeting  held  Ann  Ar  bor,  Mich.  1885.  35.  Mee- 
ting held  Buffalo,  New  York.    1886.    1887.     Salem.   8". 

Proceedings,  scientific,  of  the  Royal  Dublin  society.  New  Ser.  Vol.  V. 
Prt.   7—8.    1887.   8^ 

Proceedings  of  the  scientific  meetings  of  the  zoological  society  of  Lon- 
don for  the  year   1887.   8°. 

Proceedings  of  the  academy  of  natural  sciences  of  Philadelphia. 
Prt.   3.    1886.   Prt.    1  —  2.    1887.   8^. 

Repertorium  für  Meteorologie  herausgeg.  von  der  K.  Akademie  der 
Wissenschaften  in  St.  Petersburg.  Bd.  X.  1887.  Hierzu:  Sup- 
plementband V.  Wild,  Die  Regenverhältnisse  des  russ.  Reiches. 
1887.   4^  und  Atlas  in  Folio. 

Reports  of  geological  explorations  of  the  colonial  Museum  and  geolo- 
gical  survey  of  New  Zealand  during  1885 — 1887.  Welling- 
ton. 8^.  Hierzu:  Index  to  the  reports  of  the  geological  Survey 
of  New  Zealand  from  1865—1885.  8°.  Studies  in  Biology 
for  New  Zealand  students.     No.   3.    1887.   8". 

Rendiconti  della  Reale  IstitutoLombardo  discienze  e  lett.  Ser.  II.  Vol.  XIX. 

Rendiconto  dell  Accademia  della  scienze  fisiche  e  matematiche  diNa- 
poli.     Anno  XXV.  Fase.   4—12.    1886.   4«. 

Rendiconti  delle  sessioni  dell'  Accademia  delle  scienze  dell'  istituto 
di  Bologna.      Anno  accademico   1879 — 1887.   8*^. 

Smithsonian  miscellaneous  collections.  Vol.  XXVIII — XXX.  1887. 
Washington.   8°. 

Tijdschrift  der  N  e  d  e  rlan  dsc  h  e  Dierkundige  Vereeniging  in  Leiden. 
2.  Ser.  Deel  1.  Aft.  3  —  4.  1886—87.   Deel  II.  Aft.  1—2.  1888.  8^. 

Tijdschrift,  natuurkundige,  voor  Ne  e  d  erl  a  nd  sehe  Indie.  Uitgegeven 
door  de  natuurkundige  Vereeniging  in  Nederlandsch  Indie.  Deel 
XLVL   (8.   Ser.  Deel   7.)    1887.     Batavia.   8°. 

Transactions  of  the  zoological  society  of  London.  Vol.  XII.  Prt. 
4—6.    1886—87.    4". 

Transactions,  scientific,  of  the  Royal  Dublin  society.  New  Ser.  Vol.  III. 
No.   1—13.     Dublin.   1886—87.   4". 

Transactions  of  the  New  York  Academy  of  sciences.  Vol.  V.  No.  7 — 8. 
Vol.  IV.   1884—1885.  Vol.  VL   1886  —  1887.   8^ 


—     24     — 

Transactions  and  Proceedings  of  the  New  Zealand  Institute.  Vol. 
XIX.   1886.      Wellington.  8°. 

Transactions  of  the  geological  society  of  Edinburgh.  Vol.  IV. 
Prt.   2—3.    1882—83.  Vol.   V.   Prt.    1—3.    1885  —  1887.   8*^. 

United  states  geological  survey  by  J.  W.  Powell.  Calendar  years 
1885—1886.  Division  of  mining,  statistics,  technology.  Wa- 
shington.   1886.   8^ 

Verhandelingen  der  K.  Akademie  van  Wetenschappen.  Deel  25.  Amster- 
dam. 1886.  8**.  Hierzu:  Judas  Machabaeus.  Nupta  ad  amicam, 
Carmina  etc. 

A'erhandelingen ,  natuurkundige ,  der  HoUandsche  Maatschappy  der 
Wetenschappen  to  Haar  lern.  IV.  Deel.  No.  4.  4*^.  Hierzu: 
Everth,  J.  d. ,  nieuwe  naamlijst  van  Nederlandsche  Schilds- 
leugelige  Insecten  (Coleoptera). 

Verslagen  en  Mededeelingen  der  K.  Akademie  van  Wetenschappen.  Afdeel. 
Natuurkunde.  3.  Reeks.  Deel  II.  1886.  Afdeel.  Letterkunde. 
3.   Reeks.   Deel  III.    1887.     Amsterdam.   8^. 

d.  Durch  neu  eingeleiteten  Austausch. 

Jahresberichte  des  naturhistorischen  Vereins  in  P  a  s  s  a  u. 

Public  library,  Museum  and  national  gallery  of  Victoria  at  Melbourne. 
Iconography  of  Australian  species  of  Acacia  cognate  genera  by 
Baron  Dr.  F.  v.  Müller;  Decade  I— XI.  1887  —  1888;  Prodro- 
mus  of  the  zoology  of  Victoria.  (Natural  history  of  Victoria)  or 
figures  and  descriptions  of  the  living  species  of  all  classes  of  the 
Victorian  indigenous  animals  by  F.  McCoy.  Decade  I — XV. 
1878—1887.     Melbourne.   4°. 

United  States  Commission  of  Fish  and  Fisheries.  Section  I.  Hi- 
story of  aquatic  animals.  Text  and  plats.  1884.  Section  IL 
A  geographical  review  of  the  fisheries  Industries  and  fishing  com- 
munities  for  the  year  1880.      Washington.   1887.   4°. 

Bulletin  of  the  United  States  Fish  Commission.     Vol.   I — VI.    1881 — 

1886.  8^. 

Report  on  the  condition  of  the  Sea  Fisheries  of  the  S.  coast  of  New 
England.  Prt.  I  in  1871  and  1872  by  Sp.  Baird.  1883. 
Report  of  the  commissioner ,  Part  II — XIII,  for  1873  — 1876, 
1877—1885.     Washington.   8*^. 

Transactions  of  the  Wagner  Free  Institut  of  Philadelphia.    Vol.  I. 

1887.  8°. 

Der  Vereinskassier,  Hofrat  Ed.   Seyffardt  verlas  folgenden 

Rechmings-Abschluss. 

Meine  Herren ! 

Nach  der  abgeschlossenen,  von  unserem  Mitglied  Herrn  H.  Bin- 
der sen.   revidierten  44.  Rechnung  vom   1.  Juli   1887/88  betragen  die 


—     25     — 

E  innahmen: 

A.  Reste.     Kassenbestand  auf  30.  Juni   1887    .      .  86  M.   62  Pf. 

B.  Grundstock —    ,,     —    ,, 

■C.  Laufendes: 

1.  Zinse  aus  Aktiv-Kapitalien     .      747  M,     8  Pf. 

2.  Beiträge  von  den  Mitgliedern    .   3815    ,,     —    ,, 

3.  Ausserordentliches  ....        40    „     —    ,, 

4602     ..       8    .. 


Hauptsumme  der  Einnahmen 

—  ;•      4688  M.   70  Pf. 

Ausgaben: 

A.  Reste —     M.  —  Pf. 

B.  Grundstock.     Kapitalanlehen 1083    ,,    30    ,, 

•C   Laufendes: 

1.  für    Vermehrung    der    Samm- 

lungen            78  M.   30  Pf. 

2.  für  Buchdrucker-   und  Buch- 

binderkosten ,  darunter 
2155  M.  25  Pf.  für  das 
44.   Jahresheft      .      .      .    2729    „     64    „ 

3.  für  Schreibmaterialien,  Kopia- 

lien, Porti  etc.     ...  248  „  83  „ 

4.  für  Bedienung,  Saalmiete  etc.  280  ,,  88  ,, 

5.  für  Kapitalsteuer     .      .      .      .  42  ,,  17  ,, 
<6.  für  Ausserordentliches  u.  zw.: 

fürdenOberschwä- 
bischen  Zweig- 
verein   .      .      .   40 M.  65  Pf. 

für  den  Schwarz- 
wälder Zweig- 
verein    .      .      .   22  „  10  „ 

für  die  Erdbeben- 
kommission     .   26  ,,  55  „ 

95    „    40    „ 

3475    „    22    „ 


Hauptsumme  der  Ausgaben 
—  ;•    4558  M.   52  Pf. 

Die  Einnahmen  betragen  hiernach 4688  M.   70   Pf. 

,,    Ausgaben  ,,  ,,  4558    ,,    52    ,, 


es    erscheint    somit    am  Schlüsse    des  Rechnungsjahrs 

ein  Kassenvorrat  des  Rechners  von 

— '•    130  M.    18  Pf. 


—     26     — 

Vermögens-Berechuung. 

Kapitalien  nach  ihrem  Nennwert 19  614  M.  29  PL 

Kassenvorrat  des  Rechners 130    ,,  18    ,, 

Das  Vermögen   des  Vereins  beläuft    sich  somit    auf  19  744  M.  47  Pf. 

da  dasselbe  am   30.  Juni   1887 18  700    „  91     „ 


betrug,  so   stellt  sich  gegenüber  dem  Vorjahre  eine 
Zunahme  von 

—  ;•    1043   M.   56   Pf. 

heraus. 

Aktien 
Nach  der  vorhergehenden  Rechnung  war  die  Zahl   der  Ver- 
einsmitglieder  780  mit 781 

Hierzu  die   26   neu   eingetretenen   Mitglieder  mit  ....        28 

Professor  Laengst  in  Hall  a.   K., 

Lehrerverein  für  Naturkunde  in  Stuttgartm.  3  Akt., 

Oberförster  v.   Kirn  in   Sulz  a.  N., 

Professor  Dr.   Sussdorf  in  Stuttgart, 

Kaufmann  A.  Ruoff  in  Reutlingen, 

Kontrolleur    Müller  in   Stuttgart, 

Repetent  Kern  in  Urach, 

Oberamtstierarzt  Kohler  in  Urach, 

Oberamtsarzt  Dr.  Jäger  in  Langenburg, 

Studiosus  Med.   Pfleiderer  in  München, 

Kameralverwalter  Ehmann  in  Waldsee, 

Vikar  Scheel  in  Schemmerberg, 

Lehrer  a.  d.  höheren  Handelsschule  Manch  in  Stuttgart^ 

Reallehrer  Wann  er  in  Isny, 

Dr.   Goetz  in  Scheer, 

Reallehrer  Bundschuh  in  Biberach, 

Dr.   Lander  er  in  Kennenburg, 

Forstamtsassistent  v.   Falkenstein  in  Spaichingen, 

Hüttenverwalter  Herzog  in   Schussenried, 

Dr.  Herdegen  in  Stuttgart, 

Stud.   agron.  Für  er  in  Kiel, 

Lehrer  Freudenberger  in  Heilbronn, 

Offiziersaspirant  Niethammer  in  Tübingen, 

Privatdozent  Dr.   Cranz  in   Stuttgart, 

Reallehrer  Motz  in  Urach, 

Apotheker  Starz  in  Stuttgart, 


80» 
Hiervon    die    30    ausgetretenen    Mitglieder,    und    zwar    die 
Herren 

Privatier  Kaess  in  Schussenried, 
Kanzleirat  Liesching  in  Stuttgart, 
Buchdruckereibesitzer  Schwend  in  Hall, 


—     27     — 

Aktien 
Übertrag     .      .      809 
Werkmeister  Schuster  in  Nagold, 
Präsident   Seh  ad   von  Mittelhiberach   in  Ulm, 
Finanzrat  Raible   in   Stuttgart, 
Oberförster  Magen  au   in   Öhringen, 
C.   Frey   in   Schwarzenberg, 
Hauptmann  Tan  er  a  in   Weingarten, 
Dr.  Bauer  in  Isny, 
Apotheker  Romerio   in   Donauwörth, 
Apotheker  C.   Mauch   in   Göppingen, 
Pfarrer  Kerlikofer  in   Oberdischingen, 
Lehrer  Fuchs  in  Aulendorf, 
Inspektor  Koch  in  Wasseralfingen, 
Hofrat  Dr.   Ritter  in  Rotten  bürg, 
Gutsbesitzer  Braunmüller  in  Waldeck, 
Rpgierungsrat  Mayer  in   Reutlingen, 
Revieramtsassistent  Bühl  er  in   Derdingen, 
Sigm.   Stern  in  Buchau, 
Kollaborator  Dieterle   in    Göppingen, 
Pharmazeut  Koch   in   Öhringen, 
Finanzrat  Pf  äff  in   Stuttgart, 
Postmeister  Aichele  in  Ulm, 
Partikulier  A  n  d  e  r  w  e  r  t  in  Erlau, 
Pfarrer  Bück  in   Balmertshofen, 
Professor  Dr.   Nördlinger  in   Giessen, 
Dr.   Zakrzewski   in   Tübingen, 
Xylograph   Michael   in   Stuttgart, 
Dr.  Mezger  in   Stuttgart 30 


Die   16   gestorbenen  Mitglieder,  nämlich  die  Herren: 
Oberrevisor  Jaumann  in   Stuttgart, 
Medizinalrat  Dr.   Volz  in  Ulm, 
Ingenieur  Grell  et  in  Göppingen, 
Professor  Zink  in   Stuttgart, 
August  Kappler  in  Stuttgart, 
Oberamtsarzt  Dr.   Kaupp  in  Freudenstadt, 
Rektor  Kehr  er  in   Stuttgart. 
Kaufmann  alt  J.   Pischl   in   Saulgau, 
Dr.   A  n  d  1  e  r  in.  Stuttgart, 
Professor  Dr.  v.  V  i  s  c  h  e  r  in   Stuttgart, 
Kaufmann  W.   Spring  in  Stuttgart, 
Obermedizinalrat  v.    Schaeffer  in   Cannstatt, 
Oberst  v.   Wundt  in  Comburg, 
Fabrikant  Schauber  in  Calw, 
Apotheker  Ducke  in  Biberach, 
Graf  Kurt  v.  Degenfeld  in  Eybach  ....        16 

■       46 


-     28     — 

über    deren    Abzug    die    Mitgliederzahl    am    Ende    des    Rechnungsjahres 

beträgt 760  mit   .      .      .      .      763  Aktien 

gegenüber  dem  Vorjahre    ....      780     ,,....      781        „ 


mithin  weniger     20  Mitglieder  mit        18   Aktien 

Wahl  der  Beamten. 

Die  Generalversammlung  hat  nach  §  13  der  Statuten  durch  Akkla- 
mation wieder  gewählt  für  das  Vereinsjahr   1888 — 1889   als 
ersten  Vorstand 

Oberstadienrat  Dr.  v.  Kr  aus  s, 
zweiten  Vorstand 

Prof.  Dr.   0.   Fraas, 

und  diejenige  Hälfte    des  Ausschusses,    welche    nach    §   12    der 
Statuten  auszutreten  hat: 

Dr.   Fr.  A  m  m  e  r  m  ü  1 1  e  r , 

Professor  C.   W.   v.  B  a  u  r  , 

Direktor  v.  D  o  r  r  e  r , 

Professor  Dr.   Fraas, 

Senatspräsident  v.   Hufnagel, 

Professor  Dr.  v.  Marx, 

Apotheker  M.  Reihlen, 

Direktor  v.  Xeller. 

Im  Ausschuss  bleiben  zurück  : 
Professor  Dr.  v.  A  h  1  e  s  , 
Bergrat  Dr.   Baur, 
Professor  Dr.  Bronner, 
Generalstabsarzt  Dr.  v.   K 1  e  i  n  , 
Dr.  August  Klinger, 
Hofrat  Eduard  Seyffardt, 
Sanitätsrat  Dr.   S  t  e  u  d  e  1 , 
Professor  Dr.  v.   Zech. 

Delegierter    des    oberschwäbischen  Zweigvereins    ist 

Pfarrer  Dr.  Probst  in  Unteressendorf, 
Der  Ausschuss  hat   in    der  Sitzung  vom   19.   Oktober   1888  nach 
§   14  der  Statuten  gewählt 

zur  VerstärkungdesAusschusses: 

Professor  Dr.   Klunzinger, 

Professor  Dr.  v.  R  e  u  s  c  h  , 

Professor  Dr.   A.   Schmidt  am  Realgymnasium, 

Professor  Dr.  S  i  g  e  1 , 
alsSekretäre: 

Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein, 

Professor  Dr.  v.   Zech. 


-     29     — 

als  Kassier: 

Hofrat  Eduard  Seyffardt, 
als  Bibliothekar: 

Oberstudienrat  Dr.   v.   Kraass. 

Wahl  des  Versammlungsortes. 

Nachdem  Prof.  Dr.  Krimmel  in  Reutlingen-  schon  bei  dem 
vorjährigen  Feste  die  Stadt  Urach  als  Versammlungsort  für  1889  vor- 
geschlagen hatte,  schickte  im  Mai  1888  Repetent  K.  Kern  in  Urach 
im  Namen  der  dortigen  Vereinsmitglieder  eine  schriftliche  Einladung 
zur  Abhaltung  der  im  Juni  1889  stattfindenden  Generalversammlung 
in  Urach  mit  dem  Ersuchen  an  den  Ausschuss,  diesen  in  jeder  Be- 
ziehung geeigneten  Ort  bei  der  Versammlung  in  Crailsheim  in  Vor- 
schlag zu  bringen. 

Der  Vorsitzende  las  die  freundliche  Einladung  vor,  worauf  die 
Anwesenden  einstimmig  beschlossen,  die  Generalversammlung  im 
Jahre  1889  in  der  Stadt  Urach  zu  halten.  Oberförster  M agenau 
wird  die  Güte  haben,  die  Geschäftsführung  zu  übernehmen. 

Damit  war  der  geschäfthche  Teil  der  Versammlung  beendigt 
und  es  begannen  die  Vorträge,  welche  auf  den  folgenden  Seiten  zu 
lesen  sind. 

Am  Schlüsse  der  Vorträge  dankte  der  Vorsitzende  dem  Geschäfts- 
führer und  den  Ausstellern  für  ihre  erfolgreichen  Bemühungen  und 
schloss  um  1  Uhr  die  Verhandlungen. 

Das  Festessen  wurde  im  Gasthof  zum  Lamm  eingenommen,  an 
welchem  sich  etwa  50  Personen  beteiligten.  Eine  frische  anregende 
Stimmung  belebte  das  Mahl  und  fand  in  mehreren  Toasten  beredten 
Ausdruck.  Den  ersten  Toast  brachte  der  2.  Vorstand  auf  Seine  Maje- 
stät König  Karl,  den  erhabenen  Protektor  des  Vereins,  aus.  Sodann 
dankte  der  Stadtvorstand  im  Namen  der  Stadt  für  die  Ehre ,  dass 
der  Verein  sein  Jahresfest  in  Crailsheim  abgehalten  habe.  Weitere 
Toaste  galten  den  Vorständen  des  Vereins,  dem  Crailsheimer  natur- 
wissenschaftlichen Verein  u.  s.  w. 

Des  Nachmittags  begaben  sich  mehrere  Mitglieder  in  die  Jagst- 
steinbrüche  zur  Besichtigung  der  Bonebedschichten  und  abends  rei- 
sten die  Auswärtigen  befriedigt  über  das  gelungene  Fest  nach  der 
Heimat  zurück. 


Nekrolog 

des  Grafen  Kurt  von  Degenfeld-Schonburg. 

Von  Pfarrer  Dr.  Engel  in  Eislingen. 

An  einem  der  sonnigsten  Tage  des  nach  langem  und  hartem 
Winter  endlich  ins  Land  gekommenen  Lenzes,  am  14.  Mai  1888, 
trugen  wir  einen  Mann  zu  Grab ,  dessen  Namen  und  Gedächtnis, 
dessen  Wirken  und  Schaffen  es  wohl  verdient,  auch  an  dieser  Stelle 
den  Freunden  und  der  Nachwelt  erhalten  zu  bleiben :  Kurt  August 
Ferdinand  Christoph  ,  Grafen  von  Degenfeld-Schonburg  ,  Ehrenritter 
des  Johanniterordens  etc.,  der  nur  allzurasch  und  allzufrüh  aus  dem 
Leben  geschieden  und  den  Seinen  entrissen  ward.  Geboren  den 
1.  Jan.  1838  in  dem  Schloss  seiner  Ahnen  zu  Eybach  bei  Geislingen 
als  der  Sohn  des  f  Grafen  Maximilian  Friedrich  Christoph  Martin 
und  der  Auguste,  geb.  Gräfin  von  Normann-Ehrenfels,  verlebte  er 
seine  ersten  Kinderjahre  in  dem  stillen,  lauschigen  Waldthal  der 
Heimat.  Die  hochragenden  Mauern  des  Himmelsfelsen ,  an  dessen 
Fuss  das  DEGENFELü'sche  Schloss  errichtet  ist,  die  allzeit  grünenden 
Wiesen,  von  silbernen  Bächlein  durchströmt,  die  herrlichen  Buchen- 
wälder zu  beiden  Seiten  des  Thals  und  die  krystallklaren,  murmeln- 
den Quellen,  die  überall  unter  samtweichem  Moospolster  hervorspru- 
deln, mögen  schon  frühe  des  Knaben  Sinn  für  die  Natur  geweckt 
und  geschärft  haben.  Dazu  kam,  dass  sein  Oheim,  der  in  den  An- 
nalen  der  schwäbischen  Geologen  unvergessene,  allezeit  heitere  und 
launige  Graf  von  Mandelslohe  viel  in  dem  elterlichen  Hause  ver- 
kehrte und  ohne  Zweifel  dem  empfänglichen  Knaben  Liebe  und  An- 
leitung gab  insbesondere  zum  Beobachten  der  Gesteine  und  Sam- 
meln der  Petrefakten,  daran  ja  die  Umgebung  von  Geislingen  so 
reich  ist.  Liegt  doch  in  der  Sammlung  des  Verewigten  noch  heute 
eine  Anzahl  von  Versteinerungen  mit  den  Originaletiketten,  von  der 
Hand  seines  Oheims  geschrieben ,  die  stets  als  eine  Art  Heiligtum 
angesehen  und  vor  jeder  Verrückung  fast  ängstlich  gehütet  wurden. 
Noch  mochten  es  damals  nur  kindische  Spielereien  sein,  wenn  der 
Knabe  seine  Ammonshörner  und  Teufelsfinger,  seine  Terebrateln  und 
Pentakriniten  in  die  Schubladen  legte,  Spielereien,  die  bald  anderen 
und  ernsteren  Dingen  Platz  machen  mussten,  als  er  von  dem  idyl- 
lischen, weltabgeschiedenen  Erdenwinkel  in  das  Geräusch  der  Haupt- 


—     31     — 

Stadt  versetzt  ward ,  um  dort  das  Gymnasium  und  später  die  nahe 
Akademie  Hohenheim  zu  besuchen.  Aber  mächtig  und  unaufhaltsam 
brach  hier  gerade  der  alte  Trieb  zum  Studium  der  Natur  und  die 
Neigung ,  ihre  Schätze  zu  sammeln  ,  wieder  hervor  und  mit  beson- 
derer Vorliebe  hörte  der  strebsame  Jüngling  die  geologischen  Vor- 
lesungen, namentlich  bei  dem  verewigten  Professor  Fleischer.  Nach 
Eybach  zurückgekehrt  und  bis  zum  Tod  seines  Vaters  (f  4.  Nov. 
1866)  diesem  in  der  Verwaltung  der  Güter  behilflich  wandte  er  die 
ihm  zur  Verfügung  stehenden  Mittel  und  Mussestunden  wesentlich 
dazu  an,  seine  Umgebung  botanisch  und  geologisch  kennen  und 
wissenschaftlich  verstehen  zu  lernen.  Auch,  als  er  später  (23.  Sept. 
1869)  mit  Gabriele,  Freiin  von  Riese-Stallburg,  in  die  Ehe  trat  und 
der  neu  gegründete  Hausstand  neue  Pflichten  ihm  auflegte,  blieb  er 
der  alten  Liebe  treu  und  benützte  jede  ihm  vergönnte  Stunde,  um 
sich  teils  aus  wissenschaftlichen  Werken,  teils  in  persönlichem  Um- 
gang mit  Männern  der  Wissenschaft  in  seinen  Studien  fördern  zu 
lassen  und  insbesondere  seine  schon  gut  ausgestattete  palaeonto- 
logische  Sammlung  nach  Kräften  zu  vermehren.  Für  beides  bot  sich 
ihm  günstige  Gelegenheit,  weil  einerseits  eben  damals  mehrere  neue 
Steigen  in  seiner  nächsten  Umgebung  auf  die  Hochfläche  der  Alb  ge- 
baut wurden,  die  ihm  allerlei  Material  und  treff'liche  Aufschlüsse  des 
Gebirgs  lieferten,  und  weil  anderseits  um  jene  Zeit  eine  Anzahl  schwä- 
bischer Geologen  sich  unter  dem  Namen  „Steigenklubb"  zusammen- 
that,  mit  der  Absicht,  hauptsächlich  an  der  Hand  jener  neugegrün- 
deten Albstrassen  den  Jura  unseres  Landes,  zumal  den  Weissen  ge- 
nauer zu  untersuchen.  Dass  unser  entschlafener  Freund  mit  Be- 
geisterung dieser  Gesellschaft  sich  anschloss,  war  vorauszusehen.  In 
der  That  war  er  auch  nicht  bloss  eines  der  ersten,  sondern  auch 
eines  der  treuesten  und  thätigsten  Mitglieder  des  „Klubbs"  und  blieb 
es  bis  an  sein  Lebensende.  Selten  hat  er  eine  der  vielen  in  Szene 
gesetzten  Exkursionen  versäumt  und  nur  aus  den  triftigsten  Grün- 
den; auch  birgt  das  Protokoll  des  Vereins  eine  Pieihe  trefflicher  Re- 
ferate über  solche  geologische  Ausflüge  von  seiner  Hand  und  Feder. 
Dies  aber  war  auch  die  einzige  Art,  worin  er  litterarisch  für  die 
Wissenschaft  sich  thätig  zeigte.  Sein  bescheidener  Sinn  sträubte 
sich  stets  dagegen ,  schriftstellerisch  in  die  Öffentlichkeit  zu  treten. 
Dafür  gehörte  es  zu  seiner  grössten  Freude ,  Männer  des  Fachs 
je  und  je  in  zwangloser  Weise  in  seinem  gastlichen  Haus  um  sich 
zu  sammeln  und  jeder,  der  daran  teilnehmen  durfte,  wird  stets 
diese  im  Eybacher  Schloss  verbrachten  Stunden  in  angenehmster  Er- 


—     32     - 

innerung  behalten.  Manch  anregender  Wink  ward  dabei  gegeben^ 
manch  heiteres  Wort  gewechselt,  manch  belehrender  Gang  gemacht, 
sei's  in  die  nächste  Umgebung  von  Park  und  Wald,  sei's  an  die  zahl- 
reichen Schubladen  der  ausgesuchten,  mit  fast  skrupulöser  Pünkt- 
lichkeit geordneten  Sammlung.  Selbstverständlich  wurden  auch  aus- 
ser den  offiziellen  Ausflügen  des  „Klubbs",  deren  jährlich  in  der 
Regel  eine  stattfand  und  die  sich  mehrmals  über  die  Grenzen  des 
Landes  hinaus  erstreckten,  noch  zahlreiche  weitere  Exkursionen  auf 
eigene  Faust  unternommen,  wobei  die  näher  gelegenen  Mitglieder 
sich  auf  einen  oder  zwei  Tage  zusammenthaten,  wie  die  Zeit  es  er- 
laubte. Wirklich  genussreich  war  es,  auf  solchen  Gängen  den  Ent- 
schlafenen zu  begleiten  und  wer  namentlich  das  Glück  hatte ,  mit 
ihm  seine  nächste  Umgebung  zu  durchwandeln,  der  mochte  oft  stau- 
nen über  die  ungemeine  Detailkenntnis  und  die  feine  Beobachtungs- 
gabe seines  Mentors.  Nicht  bloss  war  ja  diesem  die  Oberfläche  des 
Landes  zwischen  Heidenheim  und  Reutlingen  aufs  genaueste  bekannt, 
so  dass  er,  zumal  in  seiner  näheren  Umgegend  jeden  Steinbruch  zu 
zeigen,  den  Standort  jedes  seltenen  Pflänzchens  anzugeben  vermochte, 
sondern  auch  für  den  tieferen  Einblick  in  das  Gebirge,  für  Lösung 
geologischer  Fragen  und  Probleme  zeigte  er  in  überraschender  Weise 
Verständnis  wie  Kenntnis.  Dabei  war  er  ein  liebenswürdiger  Ge- 
sellschafter, ein  offener,  natürlicher  Mensch  und  trefflicher  Charakter, 
der  die  ihm  angeborne  Feinheit  aristokratischen  Wesens  mit  ein- 
facher, schwäbischer  Gemütlichkeit  aufs  angenehmste  zu  vereinigen 
wusste.  Ein  müssiges ,  zweckloses  Leben  zu  führen ,  war  ihm  ein 
Ding  der  Unmöglichkeit  und  mit  grossem  Eifer  verwandte  er  seine 
Zeit  abgesehen  von  naturwissenschaftlichen  Studien  insbesondere  auch 
auf  das  Ordnen  der  reichhaltigen  und  zum  Teil  mit  wertvollen  litte- 
rarischen Schätzen  ausgestatteten  Bibliothek  des  Eybacher  Schlosses, 
soweit  ihm  solche  die  Pflichten  für  seine  Familie  übrig  liessen.  Diese 
letzteren  nämlich  erfüllte  er  sehr  gewissenhaft  und  War  und  blieb 
bis  an  sein  Lebensende  das  Muster  eines  Gatten  und  Vaters.  Mit 
rührender  Sorgfalt  widmete  er  sich  der  Erziehung  seiner  Kinder, 
deren  nach  und  nach  vier,  drei  Töchter  und  ein  Sohn  im  Hause 
heraufwuchsen.  Als  es  sich  darum  handelte,  den  letzteren  einem 
Gymnasium  zu  übergeben,  verlegte  er  um  deswillen  sogar,  fünf  Jahre 
vor  seinem  Tod,  seinen  Wohnsitz  nach  der  Residenz,  so  schwer  es 
ihm  werden  mochte,  von  seinem  stillen  Tuskulum  an  der  Eyb,  von 
den  herrlichen  Felsenthälern  der  Alb  und  von  seinen  musterhaft  ge- 
ordneten Sammlungen  sich  zu  trennen. 


—     33     — 

Doch,  musste  er  auch  auf  manches  ihm  heb  und  zur  Gewohn- 
lieit  Gewordene  in  Stuttgart  verzichten,  nach  anderer  Seite  hin  gab 
ihm  das  Leben  einer  grossen  Stadt  auch  wieder  eine  Menge  von  An- 
regungen. Nie  aber  entschwand  ihm  unter  dem  Geräusch  des  Tages, 
unter  den  Zerstreuungen  der  Hauptstadt  seine  Liebe  zur  Natur  und 
selten  versäumte  er  Montags  den  sogen.  „Schneckenkranz",  da- 
bei sich  Freunde  der  Naturwissenschaft  jeweils  in  ungezwungenster 
Weise  zu  vereinigen  pflegten.  Die  Zahl  seiner  sommerlichen  Ex- 
kursionen musste  er  freilich  jetzt  stark  beschränken  ;  nie  aber  liess  er 
sich's  nehmen,  die  Jahresversammlungen  der  schwäbischen  Naturfreunde 
zu  besuchen.  Es  schien  ihm  ein  Bedürfnis ,  an  solchen  Tagen  den 
alten  Bekannten  wieder  die  Hand  zu  drücken  und  neue  zu  gewinnen. 

Als  eine  schmerzliche  Lücke  empfand  es  daher  wohl  jeder  Teil- 
nehmer der  diesjährigen  Junizusammenkunft  in  Crailsheim ,  da  sein 
Platz  das  erste  Mal  leer  blieb  und  der  Vorstand  die  Nachricht  von 
seinem  überraschend  schnellen  Hingang  mitzuteilen  gezwungen  war. 
Eine  Lungenentzündung  hatte  den  kerngesunden  Mann  in  wenigen 
Tagen  dahingerafft.  Er  starb  den  11.  Mai  1888  morgens  um  7  Uhr 
in  Stuttgart,  nachdem  er  nicht  lange  zuvor  das  50.  Lebensjahr  zu- 
rückgelegt hatte.  Nach  einer  letzten  Willensverfügung  wurde  er  nicht 
in  der  Familiengruft  zu  Eybach,  sondern  auf  dem  schön  gelegenen 
Friedhof  zu  Dürnau,  OA.  Göppingen,  wo  die  Familie  ebenfalls  früher 
ein  Erbbegräbnis  besass  und  noch  heute  begütert  ist ,  unter  dem 
Schatten  etlicher  hochragenden  Bäume  bestattet.  Schon  1^^  Jahre 
vorher  hatte  er  dies  Plätzchen  sich  angesehen  und  ausgewählt:  ob 
er  wohl  seinen  frühen  Heimgang  geahnt  haben  mochte? 

Still  und  prunklos  vollzog  sich,  ebenfalls  seinem  besonderen 
Wunsche  gemäss,  am  Morgen  des  14.  Mai  das  Leichenbegängnis, 
wobei  ihm  ein  langjähriger  Freund,  wie  er's  gewünscht,  schmerz- 
bewegt die  letzten  Abschiedsworte  nachrief.  Am  Fusse  der  hoch- 
ragenden Albberge,  die  er  so  oft  und  viel  durchwandelt,  an  der  Stätte, 
die  so  manchen  seiner  Ahnen  gesehen  und  die  er  stets  mit  besonderer 
Vorliebe  besucht  hatte,  ruht  nun  sein  Leib,  an  einem  der  schönsten 
und  sonnigsten  Frühlingstage,  unter  dem  Blütenschmuck  der  Bäume 
und  Jubelgesang  der  Vögel  zur  Erde  versenkt.  Die  aber  ihm  näher  ge- 
standen und  in  das  reiche  und  tiefe  Gemütsleben  des  Freundes  einen 
Einblick  gethan  haben ,  die  mochten  an  diesem  Sarge  wohl  sagen : 
„Sie  haben  einen  guten  Mann  begraben,  uns  war  er  mehr." 


Jahreshefte  U.  Vereins  f.  vatorl.  Katurkunde  in  Württ.    1889. 


Nekrolog 

des  Hofapotheker  Anton  Ducke  in  Wolfegg. 
Von  Professor  Dr.  Fraas. 

Was  heutzutage  Schloss  Warthausen  ist,  nämUch  ein  Mittel- 
punkt naturwissenschaftlicher  Studien  und  Bestrebungen,  war  in  den 
fünfziger  Jahren  Ratzenried,  das  Schloss  des  Grafen  von  Beroldingen, 
dort  lernte  ich  1854  den  Wolfegger  Apotheker  kennen,  der  mir  als 
Wasseranalytiker  vielfach  genannt  wurde  und  als  Botaniker  in  der 
Flora  von  Württemberg  und  Hohenzollern  von  G.  v.  Martens  und  Kemm- 
LER  einen  bekannten  Namen  hatte.  Der  stille  anspruchslose  Mann 
war  mir  alsbald  sympathisch,  noch  ehe  ich  seine  oberschwäbische 
Gesteinssammlung  nur  angesehen  hatte,  die  er  in  den  vierziger  Jahren 
aus  seiner  steinreichen  Umgebung  mit  grossem  Verständnis  zu- 
sammengetragen. Als  besonderes  Verdienst  des  Verewigten  aber 
sehen  wir  es  an,  dass  er  sich  schon  1847  mit  Escher  v.  d.  Linth 
in  Verbindung  setzte  und  sich  von  diesem  Kenner  alpiner  Gesteine 
die  Wolfegger  Sammlungsstücke  bestimmen  Hess.  Nach 
einer  Publikation  vom  Jahre  1852  (Der  Bodensee  und  seine  Um- 
gebungen bei  Ulmer  in  Ravensburg)  fiele  die  Grenze  der  ober- 
schwäbischen Findlinge  mit  der  heutigen  europäischen  Wasserscheide 
zusammen.  Die  neueren  Untersuchungen  haben  indes  diesen  Ge- 
sichtskreis erweitert  und  die  Grenzen  des  Moränenstrangs  w^eiter 
nach  Norden  gerückt.  Aber  Ducke's  Verdienst  bleibt  ungeschmälert, 
dass  er  zuerst  in  der  Schweiz  und  der  Seegegend  den  Schlüssel  zum 
schwäbischen  Diluvium  suchte  und  fand.  Er  verfolgte  zuerst  die 
Moränenstränge  Oberschwabens  bis  ins  Hochland  und  bewies  so  die 
Notwendigkeit,  mit  den  Nachbarländern  sich  in  Verbindung  zu  setzen, 
um  zu  greifbaren  Resultaten  zu  gelangen. 

Für  Oberschwaben  speziell  und  den  oberschwäbischen  Zweigverein 
für  vaterländische  Naturkunde  hat  Ducke  das  entschiedene  Verdienst, 


—    35     - 

eine  Quelle  der  Belehrung  für  Yiele  geworden  zu  sein.  Habe  doch 
auch  ich,  obgleich  sonst  ihm  nicht  näher  stehend,  beim  ersten  Fund 
der  Waldseer  Saussurite,  mich  nicht  vergeblich  an  sein  reiches  Wissen 
um  dieses  Gestein  gewendet,  er  wusste  genau  mir  alle  Fundorte 
für  Saussurit  zu  bezeichnen  und  ebenso  nach  Entdeckung  und  Aus- 
beutung der  Schussenquelle  mich  auf  analoge  Vorkommnisse  auf- 
merksam zu  machen. 

Unserem  Verein  hat  der  Verewigte  vom  Tag  seiner  Gründung 
im  Jahre  1844  bis  zu  seinem  Lebensende  als  treues  Mitglied  angehört 
und  mehr  als  ein  Exemplar  eines  Steins  oder  einer  Pflanze  trägt  in 
unserer  Vereinssammlung  Ducke's  Namen. 


3* 


Nekrolog 

des  Pfarrer  Dr.  Karl  Albert  Kemmler  in  Donnstetten. 

Von  Pfarrer  K.  Kemmler  in  Unterbalzheim. 

Am  1.  November  1888  starb  nach  längerem  Leiden  eines  der 
ältesten  Mitglieder  des  Vereins,  das  demselben  seit  1845  angehörte, 
Pfarrer  Dr.  K.  A.  Kemmler  in  Donnstetten. 

Er  wurde  geboren  den  14.  August  1813  auf  dem  Apfelhof  bei 
Mergentheim,  als  Sohn  eines  Forstmanns,  des  als  Oberförster  in 
Anhausen  bei  Heidenheim  verstorbenen  Johann  Christoph  Kemmler. 
Seine  Mutter  war  Ernestine  Caroline,  geb.  Greis.  Diese  seine  Mut- 
ter verlor  er  schon  im  7.  Jahre,  bekam  aber  durch  eine  treubesorgte 
zweite  Mutter  einen  Ersatz.  In  seiner  Jugend  besuchte  er  die  latei- 
nischen Schulen  in  Ellwangen  und  Heidenheim.  Nach  dreimal  be- 
standenem Landexamen  wurde  er  1827  in  das  theologische  Seminar 
Maulbronn  aufgenommen,  wo  er  unter  Anleitung  des  dortigen  Apo- 
thekers schon  anfing  sich  mit  dem  Fach  zu  beschäftigen,  durch 
dessen  Pflege  er  sich  später  einen  Namen  gemacht  hat.  Im  Jahre 
1831  in  das  theologische  Stift  in  Tübingen  übergetreten,  widmete 
er  sich  neben  seinem  Fachstudium,  der  Theologie,  auch  den  Natur- 
wissenschaften, speziell  der  Botanik.  Namentlich  verwendete  er  auf 
diese  Studien  auch  ein  fünftes  Studienjahr,  das  er  in  Tübingen  zu- 
brachte. Sein  Lehrer  in  der  Botanik  war  Schübler.  Nach  seinem 
Abgang  von  der  Universität  war  er  zunächst  an  verschiedenen  Orten 
im  unständigen  Kirchendienst  als  Vikar  und  Pfarrverweser  thätig. 
Bei  dem  damaligen  Überfluss  an  jungen  Theologen  erbat  und  erhielt 
er  einen  längeren  Urlaub,  um  eine  Stelle  als  Lehrer  an  der  von 
einem  Herrn  Bouterwek  geleiteten  Knabenerziehungsanstalt  in  Wawern 
bei  Bern  anzunehmen.  Er  hatte  dort  unter  anderem  die  natur- 
geschichtlichen Fächer  zu  lehren  und  fand  während  seines  nahezu 
4jährigen  Aufenthalts  daselbst  Gelegenheit,  auf  verschiedenen  Aus- 
flügen die  Alpen  kennen  zu  lernen.  Nach  Württemberg  zurückge- 
kehrt war  er  2  Jahre  Repetent  am  theologischen  Seminar  Schönthal, 
wo  ihm  der  Unterricht  in  Mathematik  und  Physik  übertragen  war, 
dann  2  Jahre   Lehrer   an    der   Realanstalt   in   Stuttgart.     Das   Jahr 


—     37     — 

1847  brachte  ihm  die  definitive  Anstellung,  indem  er  Pfarrer  in 
Untersontheim  OA.  Hall  wurde.  Hier  gründete  er  seinen  Hausstand. 
Er  verehelichte  sich  mit  Rosine  Ulmer  aus  Eschach ,  und  nachdem 
diese  Ehe  nach  wenigen  Jahren  durch  den  Tod  getrennt  worden 
war,  mit  Wilhelmine  Klemm,  Tochter  von  f  Pfarrer  Klemm  in  Bol- 
lieim  bei  Heidenheim,  die  ihn  überlebt.  Er  hinterlässt  ausser  seiner 
Witwe  zwei  Söhne,  die  beide  seinen  Beruf  erwählt  haben,  aber  nicht 
Erben  seiner  botanischen  Wissenschaft  sind.  Den  Seinigen  ist  der 
Verstorbene  stets  ein  treubesorgter  Familienvater  gewesen.  Im  Jahre 
1863  wurde  ihm  die  Pfarrei  Donnstetten  OA.  Urach  übertragen,  wo 
er  bis  zu  seinem  Tode  blieb. 

Die  Zeit,  welche  ihm  die  sorgfältige  Führung  seines  geistlichen 
Amtes  übrig  liess,  widmete  Kemmler  vor  allem  seinem  Lieblingsfach, 
der  Botanik.  Aufzahlreichen  Exkursionen  hat  er  die  Flora  der  näheren 
und  weiteren  Umgebung  seines  Wohnsitzes  durchforscht,  Er  war 
ein  eifriger  Sammler,  und  verschiedene  der  Pflanzensammlungen,  die 
im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte  in  Deutschland  zur  Ausgabe  gelangt 
sind,  enthalten  Beiträge  von  ihm.  So  stand  er  in  Verbindung  mit 
Dr.  Rabenhorst  in  Dresden,  dem  Herausgeber  der  Lichenes  Europaei, 
mit  Oberlandgerichtsrat  Arnold  in  München,  dem  Herausgeber  einer 
Lichenensammlung,  mit  Dr.  C.  Baenitz  in  Königsberg,  dem  Herausgeber 
des  Herbarium  Europaeum,  mit  dem  früheren  Missionar  Hohenacker,  so- 
wie mit  dem  schlesischen  Tauschverein.  Für  sich  selbst  hat  er  ein  reich- 
haltiges Herbarium  zusammengestellt.  Von  Phanerogamen  mögen  es 
etwa  11 000  Spezies  sein.  Ebenso  ist  seine  Kryptogamensammlung  um- 
fangreich, z.  B.  enthält  dieselbe  nach  Zusammenstellungen  von  seiner 
Hand   von    den  Algen  ca.  2100,    von    den  Farnen    ca.  550  Spezies. 

Die  Thätigkeit  Kemmler's  umfasste  das  ganze  Gebiet  der  Pflan- 
zenkunde. Am  eifrigsten  wurde  von  ihm  die  Kenntnis  der  Flechten 
betrieben  und  gefördert.  (Professor  Körber  hat  ihm  eine  Flechten- 
gattung Kemmleria  gewidmet.)  Er  begnügte  sich  aber  nicht  mit 
der  Bearbeitung  dieser  Pflanzengebilde,  sondern  wandte  sein  lebhaftes 
Interesse  mit  bestem  Erfolg  sämtlichen  Kryptogamenklassen  zu.  Von 
seiner  Kenntnis  der  höher  organisierten  Gewächse  legt  die  Phanero- 
gamenflora  von  Württemberg  Zeugnis  ab,  von  der  ein  hochgeschätzter 
Fachgenosse  des  Verstorbenen  dem  Verfasser  dieses  Nekrologs  ge- 
schrieben hat,  dass  sie  „hinsichtlich  der  Gewissenhaftigkeit  der  darin 
mitgeteilten  Beobachtungen  und  des  Scharfblicks ,  der  sich  darin 
äussert,  als  musterhaft  bezeichnet  werden  darf."  Viel  hat  Kemmler 
bei  seinen  botanischen  Untersuchungen  mit  dem  Mikroskop  gearbeitet, 


—     38     — 

jedoch  nur  im  Interesse  der  Systematik,  während  er  B^orschungen 
auf  dem  Gebiete  der  Pflanzenphysiologie  nicht  angestellt  hat. 

Was  seine  litterarische  Thätigkeit  betrifft,  so  hat  er  in  der  ersten 
Hälfte  der  sechziger  Jahre  mit  G.  v.  Martens  die  Flora  von  Würt- 
temberg von  SchCbler  und  v.  Martens  gänzlich  umgearbeitet.  Als 
von  diesem  Werk  eine  neue  Auflage  nötig  wurde,  unterzog  er  sich, 
da  G.  V.  Martens  gestorben  war  und  ein  anderer  Mitarbeiter  sich 
nicht  finden  Hess,  allein  der  Neubearbeitung  des  Buchs,  das  er,  nahezu 
70  Jahre  alt,  1882  in  dritter  Auflage  erscheinen  Hess.  Ausser- 
dem ist  von  ihm  bearbeitet  „Das  Pflanzenreich"  in  dem  Werk :  Das 
Königreich  Württemberg.  Eine  Beschreibung  von  Land,  Volk  und 
Staat.  Herausgegeben  von  dem  Königlichen  statistisch- topographi- 
schen Bureau.     Stuttgart,  Kohlhammer  1882. 

In  Anerkennung  seiner  botanischen  Leistungen  wurde  er  im 
Jahre  1884  von  der  naturwissenschaftlichen  Fakultät  der  Universität 
Tübingen  zum  Ehrendoktor  ernannt. 

Durch  persönlichen  Umgang  jüngere  Botaniker  zu  fördern  bot 
sich  ihm,  so  sehr  er  dazu  bereit  gewesen  wäre,  in  seinem  abgelegenen 
Wohnsitz  wenig  Gelegenheit.  Wo  sie  sich  ihm  bot,  hat  er  sie  gerne 
benützt.  So  stand  er  z.  B.  mit  dem  ebenfalls  im  November  v.  J. 
in  Hummertsried  verstorbenen  Lehrer  Herter  in  freundschaftlichem 
persönlichem  Verkehr,    solange  derselbe  im  Filsthal  angestellt   war. 

So  sehr  indes  die  Botanik  das  Hauptfach  Kemmler's  war,  so 
beschränkte  sich  doch  seine  Thätigkeit  nicht  auf  sie.  Er  besass 
auch  eingehende  Kenntnisse  auf  dem  Gebiet  der  Entomologie,  wie 
er  auch  im  Laufe  der  Jahre  sich  eine  reichhaltige  entomologische 
Sammlung  erworben  hat,  in  welcher  die  verschiedensten  Teile  der 
Erde  ihre  Vertreter  haben.  Noch  in  seinen  späteren  Lebensjahren 
sammelte  er  zu  Zeiten  eifrig  Insekten,  und  auf  seine  botanischen 
Ausflüge  nahm  er  häufig  auch  das  Spiritusglas  mit,  um  etwa  er- 
beutete Insekten  darin  unterzubringen.  Auch  die  Mineralogie  war 
ihm  nicht  fremd,  doch  hat  er  sich  nicht  eingehender,  in  seinen 
späteren  Jahren  gar  nicht  mehr  damit  beschäftigt.  Mehr  zu  seiner 
Unterhaltung  betrieb  er  populäre  Astronomie.  Manche  Stunde  des 
Abends  und  der  Nacht  hat  er  damit  zugebracht,  sich  eine  genauere 
Kenntnis  der  Sternbilder  zu  erwerben.  Mit  grossem  Interesse  ver- 
folgte er  auch  die  Entdeckungen  auf  geographischem  Gebiet.  Eeise- 
werke  wie  die  der  Gebrüder  von  Schlagintweit,  eines  Stanley,  Nach- 
tigall, G.  RoHLFS  und  anderer  waren  ihm  eine  willkommene  Lektüre. 

So   vielseitige    geistige  Interessen   neben    seinem   Amt   zu   be- 


—     39     — 

friedigen ,  ermöglichte  sein  unermüdlicher  Fleiss  und  seine  grosse 
Arbeitskraft ,  die  ihm  bis  in  sein  höheres  Alter  treu  blieb.  Bis  zu 
seinem  Ende  ist  sie  es  indes  nicht  geblieben.  Im  August  1885  hatte 
er  einen  Anfall  von  Gehirnschlag,  von  dem  er  sich  zwar  bald  wieder 
so  erholte ,  dass  keine  unmittelbare  Lebensgefahr  vorhanden  war, 
aber  nicht  so ,  dass  er  wieder  annähernd  seine  volle  Kraft  erlangt 
hätte.  Seine  körperliche  Kraft  war  gebrochen,  er,  der  einst  auf  seinen 
botanischen  Ausflügen  so  viele  Zeit  in  Gottes  freier  Natur  zugebracht, 
der  noch  mit  70  Jahren  einmal  einen  anstrengenden  Tagemarsch 
von  ca.  40  km  gemacht  hatte ,  fühlte  sich  je  länger  je  mehr  zu 
schwach,  ins  Freie  zu  gehen  und  brachte  seine  Zeit  meist  im  Zimmer 
zu.  Auch  an  seinen  geistigen  Kräften  war  der  Anfall  nicht  spurlos 
vorübergegangen.  Das  Gedächtnis  hatte  durch  denselben  notgelitten. 
Die  Urteilskraft  dagegen  war  unberührt  geblieben  ,  er  konnte  seine 
Vikare  noch  bei  der  Führung  des  Amtes  beraten  und  las  noch  viel, 
Wissenschaftliches  und  Unterhaltendes.  Aber  in  der  früheren  Weise 
wissenschaftlich  thätig  war  er  nicht  mehr,  er  kam  nicht  mehr  dazu, 
sein  Herbarium  durchzugehen,  das  er  früher  regelmässig  von  Zeit 
zu  Zeit  durchgegangen  hatte ,  und  auch  sonst  fehlte  ihm  die  Kraft 
sein  Interesse  für  die  Botanik  so  wie  früher  zu  bethätigen.  Mögen 
diese  Mitteilungen  zugleich  den  Verstorbenen  bei  denjenigen  Herrn 
entschuldigen ,  die  in  den  letzten  Jahren  kein  Lebenszeichen  mehr 
von  ihm  erhalten  oder  etwa  auf  Briefe  und  Zusendungen  von  Pflan- 
zen keine  Antwort  mehr  von  ihm  bekommen  haben. 

Der  Verfall  der  Kräfte,  der  bei  dem  Verstorbenen  in  der  letzten 
Zeit  überhaupt  nicht  zu  verkennen  war,  wurde  ein  rascher  infolge 
einer  Lungenentzündung,  die  ihn  Mitte  September  v.  J.  befiel.  Die 
Seinigen  waren  darauf  vorbereitet,  dass  sein  Ende  in  nicht  allzu- 
ferner Zeit  eintreten  werde.  Doch  kam  es  für  sie  immerhin  noch 
unerwartet  schnell,  als  er  am  1.  Nov.  v.  J.  durch  einen  sanften 
Tod  erlöst  wurde,  ehe  sein  Leiden,  was  zu  befürchten  gewesen  wäre, 
ein  eigentlich  schmerzhaftes  geworden  war.  Erleichtert  wurde  ihm 
sein  Leiden  durch  die  treue  Pflege  seiner  Gattin ,  die  er  gemessen 
durfte,  sowie  dadurch,  dass  er  in  den  letzten  2|  Jahren  seines  Le- 
bens seinen  jüngeren  Sohn  als  Vikar  bei  sich  haben  konnte. 

Mit  IvEMMLER  ist  ein  Mann  aus  dem  Leben  geschieden,  der  unter 
einer  anspruchslosen  Aussenseite  ein  vielseitiges  wissenschaftliches  In- 
teresse und  ein  reiches  Wissen  barg,  ein  Mann,  dessen  ebenso  seine 
Fachgenossen  mit  Anerkennung  gedenken  werden,  wie  er  sich  in  den 
Herzen  der  Seinigen  ein  Denkmal  errichtet  hat  aere  perennius. 


IL  Vorträge. 


I. 

Beiträge  zur  Mineralogie  Württembergs. 

II.  Reihenfolge. 
Von  Professor  Leuze. 

Die  Versteinerungs-  und  Vererzimgsiiiiftel  der  schwäbischen 

Petrefakten. 

Bei  Betrachtung  des  Zustandes,  in  welchem  uns  die  Versteine- 
rungen erhalten  sind,  kommt  man  zur  Unterscheidung  von  dreierlei 
Arten : 

1)  Mumien,    d.  h.  Petrefakten,    bei  welchen  die  Form  und   die 
Substanz  mehr  oder  weniger  ganz  erhalten  sind, 

2)  Versteinerungen  oder  Petrefakten,   bei  welchen  die  Form 
erhalten  blieb,  während  die  Substanz  sich  veränderte, 

3)  Abgüsse,    d.  h.    abgedrückte   Formen   der  Petrefakten,    und 
zwar  entweder  Abdrücke 

a.  nach  aussen,    so  dass   nur    ein  Abklatsch   blieb    oder 

b.  nach    innen,    so    haben    wir    davon    Stein  kerne    oder 
Spursteine. 

Von  Mumien  hat  man  nun  hierzulande  nichts  gefunden,  so- 
fern man  darunter  wohl  erhaltene  Tierleichen  versteht  mit  Fleisch, 
Haut  und  Haar ,  wie  die  Mammut  und  Rhinozeros  im  sibirischen 
Eise  oder  die  Insekten  im  Bernsteine.  Wenn  dennoch  nach  dem 
Vorgange  Quenstedt  s  in  einzelnen  Fällen  Mumien  genannt  werden, 
so  ist  dieser  Ausdruck  mehr  bildlich  zu  verstehen :  einmal  werden 
solche  genannt  bei  den  Sauriern  und  Pentakriniten  in  Lias  s  „unter 
dem  ersten  Stinkstein  im  unteren  Schiefer"  \  dieselben  sind  von 
Schwefelkies  oder   einer  Thonhülle    umschlossen,    sind    aber    schwer 


*  Quenstedt,  Jura  208. 


—     41     — 

oder  gar  nicht  herauszuarbeiten,  so  dass  die  Arbeiter  sie  meistens 
wegwerfen.  Sodann  spricht  man  von  Mumien  in  unserem  Miocän :  am 
Thalsberg  bei  Engelswies  (nördlich  von  Mösskirch)  liegen  Schnecken 
{Helix  sylvana,  Neritina,  Melania  Escheri),  eine  Schildkröte  {Tel- 
phiisa  spcciosa)  und  Koniferenzapfen  von  einer  Tuffkruste  umschlos- 
sen ^.  Im  Abräume  dieses  Tuffes  liegen  diese  Mumien  einzeln  in 
einen  Tuffmantel  eingeschlossen ,  schlägt  man  eine  solche  „Puppe" 
auf  z.  B.  die  wie  in  einer  Belemnitenscheide  eingeschlossene  Melnnia, 
so  findet  man  das  Gehäuse  in  krystalhnischen  Kalk  verwandelt  und 
den  Hohlraum  mit  zierlichen  Kalkspatkrystallen  besetzt.  Bei  der 
Deutung  dieser  Mumien  denkt  man  unwillkürlich  an  Quellen,  welche 
diese  Schalen  überkrusteten  und  in  überkrustetem  Zustande  eine 
kurze  Strecke  fortrollten,  um  sie  dann  endgültig  als  solche  Mumien 
an  zweiter  Stelle  im  Tuffe  zu  begraben.  Die  Umwandlung  der  Schale 
in  krystalhnischen  Kalk  mag  dann  erst  das  Resultat  eines  Infiltra- 
tionsprozesses sein,  ähnlich  wie  die  Ammonitendunstkammern  sich 
mit  Kalkspäten  überzogen. 

Wenn  also  von  eigentlicher  Miimifikation  bei  schwäbischen  Petre- 
fakten  nicht  die  Bede  sein  kann,  so  ist  damit  schon  gesagt,  dass 
von  Weichteilen  der  Tiere  uns  so  gut  wie  nichts  erhalten  blieb ;  wir 
finden  dieselben  höchstens  angedeutet  durch  Abdrücke,  so  den  Kopf 
und  die  Fangarme  von  Sepien  in  Lias  e,  die  Luftröhre  und  Kiemen, 
den  Inhalt  des  Magens  und  des  Mastdarmes,  die  Eingeweide,  Ab- 
drücke der  Haut  u.  s.  w.  Organische  Substanz  blieb  keine ,  man 
könnte  höchstens  als  Produkt  organischer  Absonderung  die  Sepia  an- 
führen, welche  gagatähnlich  ist  und  „mit  Gummi  angemacht  noch 
eine  vortreffliche  schwarze  Farbe  gibt"^.  Viel  leichter  erhielten  sich 
die  Hartgebilde  wie  Knochen ,  Schalen  und  Zähne ,  aber  doch  wohl 
selten  ganz  unverändert.     Doch  führt  uns  diese  Frage  schon 

zu  der  zweiten  Art  von  Petrefakten,  zu  den  Versteinerungen. 
Die  Form  ist  erhalten ,  aber  die  Materie  ist  verändert.  Selbst  bei 
den  Hartgebilden  ging  Stoff  verloren  wie  Leim,  Knorpel,  Conchiolin, 
Chitin,  Eiweiss,  Kleber;  ja  selbst  kohlensaurer  und  phosphorsaurer 
Kalk  ist  ganz  oder  teilweise  verschwunden,  daher  werden  die  Kno- 
chen leichter  und  porös  und  kleben  an  der  Zunge.  Am  häufigsten 
blieb  die  Form  dadurch  bewahrt,  dass  die  Schale  erhalten  blieb, 
indessen  ist  auch  hier  der  Konservierungszustand  ein  sehr  verschie- 

^  Quenstedt,  ßegleitworte  z.  d.  Atlasbl.  Tuttlingen,  Friedingen,  Schwen- 
ningen  31. 

-  Quenstedt,  Jura  244. 


—     42     — 

dener.  Wählen  wir  als  Beispiel  die  Schale  der  Gastropoden,  so  unter- 
scheidet der  Zoologe  daran  bekanntlich  drei  Schichten :  aussen  die 
hornartige ,  oft  Haare  oder  Borsten  bildende  Epidermis  oder  Cuti- 
cula,  dann  die  aus  Kalkprismen  meist  in  drei  Blätterlagen  aufgebaute 
Porzellanschichte,  endlich  innen  die  aus  äusserst  feinen,  wellig  ge- 
bogenen Kalkblättchen  bestehende  Perlmutterschichte.  Prüfen  wir 
die  Gastropoden,  die  uns  durch  Versteinerung  erhalten  sind,  so  fin- 
den wir  von  jener  sogenannten  Hornepidermis  nichts  mehr ,  eben- 
sowenig von  der  inneren  Perlmutterschichte  ;  was  allein  übrig 
blieb,  ist  die  Porzellanschichte  und  diese  ist  oft  sehr  dünn.  Wie 
leicht  springen  beim  Klopfen  manche  Schalen  ab,  so  dass  man  nur 
noch  einen  Steinkern  hat!  Untersucht  man  die  Schalen,  nämlich 
die  chemisch  nicht  verwandelten,  so  findet  man  in  der  Haupt- 
sache kohlensauren  Kalk ,  ausserdem  geringe  Mengen  von  kohlen- 
saurer Magnesia,  hier  und  da  Spuren  von  Kieselerde  und  Thonerde, 
während  die  organische  Beimengung,  das  Conchiolin ,  welches  eben 
die  hornartigen  Schalen  bildet,  verloren  ging.  Selten  sind  die  Schalen 
schön  erhalten  und  wenn  je,  so  ist  diese  Erscheinung  gewissen  Hori- 
zonten eigentümlich :  bekannt  sind  die  schneeweissen,  silberglänzenden^ 
papierdünnen  Schalen  von  Lingula  tenuissima  im  Flammendolomit 
der  Lettenkohle,  ebenso  papierdünne  Schalen  der  Muscheln  in  Lias  e : 
im  Amaltheenthon  Lias  d  sind  die  schneeweissen  Schalen  von  Nit- 
cula  complanata  von  Hüttlingen  nördlich  von  Aalen  eine  Seltenheit, 
denn  sonst  herrschen  hier  Kieskerne  ^ ;  charakteristisch  sind  weisse 
Schalen  für  Braun  Jura  a,  springt  die  äussere  Schale  ab,  so  zeigt 
die  innere  Schichte  und  der  Steinkern  den  bekannten  opalisierenden 
Schiller,  nach  dem  dieses  Gebirgsglied  benannt  ist.  Diese  Erschei- 
nung ist  zu  erklären  durch  die  Farben  dünner  Blättchen ,  dieselbe 
wird  hier  und  da  verschönert  durch  einen  ganz  dünnen  Schwefel- 
kiesüberzug, wie  ich  solchen  an  Stücken  der  Kocn'schen  Sammlung 
beobachtete.  Diese  Exemplare  zählen  zu  den  schönsten  Petrefakten, 
die  überhaupt  gefunden  werden.  In  Braun  ß  sind  Schalen  selten, 
wenn  sie  gefunden  werden ,  aber  ebenfalls  schneeweiss ;  am  besten 
sind  die  Schneckenschalen  im  Obermiocän  erhalten,  so  Cijclostoma 
mit  Deckel  zwischen  Jungingen  und  Beimerstetten,  die  Helix  rwju- 
losa  mit  Bändern  bei  Sontheim,  dann  Schnecken  von  Pfrungen,  Mör- 
singen ,  Hohenmemmingen ,  Feden  palmatus  mit  Farben  von  Jun- 
gingen ",   TJnio  suhtrigonus  mit  Perlmutterglanz  von  Zussdorf  (s.  Atlas- 

^  Quenstedt,  Jura  186. 

-  Engel,  Geognost.  Wegweiser  251. 


—     43     — 

blatt  Wilhelmsdorf).  Wenn  so  die  Schale  die  Form  erhielt,  so  füllten 
sich  dagegen  sämtliche  Hohlräume ,  ob  ursprünglich  vorhanden  wie 
die  Dunstkammern  der  Ammoniten  oder  erst  durch  Verwesung  der 
organischen  Substanz  entstanden ,  mit  Gebirgsmasse ,  ja  häufig  mit 
reiner  Mineralmasse.  Davon  soll  unten  ausführlicher  die  Rede  sein. 
Zuvor  noch  ein  W^ort 

über  die  Abdrücke,  die  schon  oben  aufgezählt  sind.  Zuerst 
wurde  die  Schale  mit  Gebirgsmasse  ausgefüllt,  so  entstand  ein  mas- 
siver Kern,  der  sämtliche  Falten  und  Linien,  Muskelabdrücke  u.  s.  w. 
getreu  wiedergab,  dann  ging  die  Schale  durch  chemische  Auflösung 
oder  mechanische  Zertrümmerung  verloren  und  es  blieben  als  einzige 
Reste  von  Tier  oder  Pflanze  die  Steinkerne  oder  Spursteine.  Auf- 
fallen muss,  wenn  man  darauf  Schmarotzer  findet  mit  erhaltener 
Schale.  Qüenstedt  bildet  ^  den  Nautilus  jurensls  aus  Lias  'C  ab,  der 
als  Steinkern  eine  Serpula  mit  wohlerhaltener  Schale  trägt,  also 
setzte  sich  der  Schmarotzer  auf  dem  schon  fertigen  Steinkern  fest. 
Manche  unserer  Horizonte  liefern  nun  bloss  Steinkerne ,  so  unser 
Zechstein  von  Schramberg,  der  Wellendolomit  mit  der  Melania  Schlot- 
heimii,  Lias  C,  sodann  die  rhätische  Zwischenstufe  am  Steineberg 
bei  Nürtingen,  Braun  /,  meist  auch  ()',  Weiss  Jura  /?,  ja  man  kann 
sagen  sämtliche  Ammoniten  des  Weissen  Jura,  wenn  sie  nicht  verkiest 
sind.  Steinkerne  sind  die  Sandgryphiten  Gri/phaea  suilla  wie  alle  Pe- 
trefakten  der  Thalassitensandsteine  der  Göppinger  Gegend  in  Lias  a, 
wenn  sich  nicht  etwa  ihre  Schalen  in  Kalkspat  erhalten  haben.  Ebenso 
schön  wie  nicht  selten  sind  die  Kieskerne  von  Amm.  capricornus 
nudus  und  Terehratula  oxijnotl  in  Lias  ß. 

Hat  dagegen  das  Tier  oder  die  Pflanze  die  Form  nach  aussen 
abgedrückt,  so  bleibt  uns  der  Abklatsch,  wie  wir  ihn  von  Ammoniten 
ja  sehr  häufig  finden ;  oder  blieb  ein  Hohlraum ,  so  der  von  Penta- 
crinites  pentayonalis  personati  aus  dem  weichen  gelben  Bausandstein 
in  Braun  ß  (Heiningen)  ^.  Aller  Kalk  des  Haarsterns  ist  weggeführt, 
die  Form  hätte  aber  kaum  besser  erhalten  werden  können.  Im  ünter- 
miocän  hat  man  den  mittleren  Horizont  eben  nach  den  Hohlräumen, 
welche  Schilfrohre  und  Binsen  zurückgelassen  haben,  „Pflanzenkalk'' 
geheissen,  derselbe  wird  auf  dem  ganzen  Hochsträss  bis  Ulm  ge- 
funden ^. 

Doch  kehren  wir  zurück  zu  den  Versteinerungen ,    so  bestand 

'  Jura  Taf.  41,  1. 

2  Quenstedt,  Jura  363. 

■'  Engel,  Geognost.  Wegweiser  252. 


—     44     — 

die  Petrifikation  in  folgenden  Vorgängen:  Verwesung  oder  Ver- 
kohlung der  organischen  Substanz  und  mehr  oder  weniger  vollstän- 
diger Ersatz  derselben  durch  Gesteinsmasse.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  mit  diesem  Ersatz  der  Vorgang  nur  da  ein  für  allemal  ab- 
geschlossen war,  wo  wir  heute  das  Petrefakt  mit  der  gleichen  Ge- 
steinsmasse erfüllt  finden,  welche  dasselbe  einschliesst.  Sonst  aber 
mag  die  Ausfüllung  auf  kompliziertere  Weise  stattgefunden  haben, 
schon  bei  den  sulfidischen  Erzen,  aus  denen  nun  das  Petrefakt  ganz 
oder  teilweise  besteht,  muss  man  an  die  Reduktion  von  Metallsalzen 
denken;  häufig  haben  auch  wiederholte  Infiltrationen  stattgefunden, 
so  in  den  Dunstkammern  der  Angulaten  Lias  a  (Vaihingen  a.  d.  F.), 
wo  wir  mehrere  Generationen  von  Mineralien  übereinander  finden: 
Kalkspat,  Braunspat,  Quarz,  auch  Schwefel-  und  Kupferkies,  endhch 
Sulfate,  Gips,  Cölestin,  Schwerspat.  Dabei  dienten  die  Ammoniten- 
schalen  als  Filter,  denn  während  die  Wohnkammer  meistens  mit  der 
umgebenden  Gesteinsmasse  erfüllt  ist,  finden  wir  in  den  Dunstkam- 
mern Karbonate,  Sulfate  u.  a.^  Ja  selbst  nachdem  die  Hohlräume 
erfüllt  waren,  kann  noch  einmal  ein  Umtausch  von  Stoffen  vor  sich 
gegangen  sein,  die  leichter  lösliche  Substanz  wurde  fortgeführt  und 
schwerer  lösliche  Mineralien  schieden  sich  aus  wie  die  Sulfate ,  so 
bei  einer  Schneckenschale  von  Göppingen,  die  aus  Schwerspat  be- 
steht. Überhaupt  muss  man  da  sämtliche .  Arten  der  Mineralent- 
stehung in  Betracht  ziehen,  denn  die  durch  die  Petrefakten  hervor- 
gerufenen Hohlräume  waren  ja  ganz  besonders  geeignet  zur  Bildung 
und  Umbildung  von  Mineralien,  namentlich  sofern  ausserdem  die  Ver- 
wesung von  organischer  Substanz  als  weiterer  Faktor  in  diese  Mineral- 
bildung eintrat.  Daher  hat  der  Mineraloge  ganz  abgesehen  von  an- 
deren Gesichtspunkten  hauptsächlich  den  Petrefakten  seine  Aufmerk- 
samkeit zu  widmen,  er  wird  da  manche  interessante  Wahrnehmung 
machen,  bloss  muss  er  den  Petrefaktensammlern  zum  Schrecken 
manche  Versteinerung  entzwei  schlagen.  Dass  selbst  seltenere  Mineral- 
bildungsarten wie  Kontaktbildungen  nicht  ausser  acht  zu  lassen  sind 
bei  der  mineralogischen  Untersuchung  unserer  schwäbischen  Petre- 
fakten beweisen  die  im  Basalttuif  gefundenen  Belemniten  und  Am- 
moniten ,  so  ein  von  Chemiker  Krauss  im  „Kraftsrain"  bei  Schlier- 
bach (OA.  Göppingen)  gefundener  Bd.  semihastafus  und  ein  am  Engel- 
berg bei  Beuren  gefundener  Ammonit,  welche  in  schneeweissen  kry- 


^  Quenstedt,    Epochen    der  Nat.  106;   Mineralogie    496;   Roth,    Chem. 
Geologie  605. 


-     45     — 

stallinisch  körnigen  Kalk  verwandelt  wurden  ^  Auch  am  Warten- 
berg an  der  oberen  Donau  sind  die  Petrefakten  durch  den  Basalt 
„weissgebrannt"^.  Damit  sind  wir  zu  den  Versteinerungsmit- 
teln unserer  Petrefakten  gelangt,  dieselben  sind 

von  Oxyden:  Quarz,  Chalcedon,  Hornstein  oder  Feuerstein, 
Jaspis,  Achat,  Roteisen,  Brauneisenstein,  Nadeleisenerz; 

von  Sulfiden:  Schwefelkies,  Zinkblende,  Bleiglanz,  Kupferkies; 

von  Karbonaten:  Kalkspat,  Dolomitspat,  Braunspat,  Stron- 
tianit,  Aragonit ; 

von  Sulfaten:  Gips,  Schwerspat,  Cölestin ; 

von  Phosphaten:  Vivianit,  phosphorsaurer  Kalk ; 

von  Kohlen:  Steinkohle,  Gagat. 

Verkieselung. 

Wenn  selbst  an  lebenden  Bäumen  auf  Trinidad  nach  Göppert's 
Angabe"''  die  Rinde  in  höherem  Alter  so  weit  verkieselt,  dass  die 
Wandungen  ihrer  Zellen  nach  Ausfüllung  des  Inneren  durch  Kiesel- 
säure ersetzt  werden,  so  kann  man  sich  nicht  wundern,  wenn  die 
Kieselsäure  auch  als  Versteinerungsmittel  eine  grosse  Rolle  spielt, 
und  zwar  sowohl  die  in  Kalilauge  lösliche  wie  die  unlösliche.  Man 
findet  folgende  Kieselversteinerungen :  im  Trigonodus-DoloTait  des 
Muschelkalks  von  Waiblingen  und  Flacht  bei  Leonberg  sind  die 
Muschelschalen  verkieselt ,  auf  dem  Hühnerfeld  sind  die  meisten  in 
Dolomit  verwandelt,  man  findet  darunter  aber  auch  verkieselte ,  es 
ist  derber  Quarz,  daneben  finden  sich  krystallisierte  Milchquarze. 
Blum  führt  von  Ludwigsburg  verkieselte  Ävicula  und  Myophoria  aus 
dem  Muschelkalk  an^.  Bekannt  sind  die  v er kie selten  Hölzer 
des  Keupers  im  Horizont  des  sogenannten  krystallisierten  Sandsteins, 
so  von  den  Löwensteiner  Bergen,  von  Goldbach  und  von  Schöne- 
bürg bei  Crailsheim.  Dieselben  bestehen  aus  Hornstein  oder  Holz- 
stein und  sind,  dafür  sprechen  die  zugleich  vorkommenden  kohligen 
Pflanzenstengel,  sicher  organischen  Ursprungs^.  Oft  tritt  an  Stelle 
des  Hornsteins  Chalcedon,  so  schön  blauer  von  Schönebürg ^  oder 
herrscht  rote  Färbung,  man  hat  Achate  oder  Jaspis.    Nicht  selten 


1  Diese  Jahresh.  1880,  76. 

■^  Engel,  Wegweiser  158. 

•■'  Jahrb.  d.  geol.  Reichsanstalt  8.  733.  1857. 

*  Blum,  Pseudomorphosen,  Nachtrag  I,  186. 

^  Nies,  Die  verkieselten  Baumstämme  des  Keupers,  diese  Jahresh.  1883,  98, 

^  In  der  Blezing er' sehen  Sammlung  in  Crailsheim. 


—     46     — 

sind  diese  Hölzer  mit  kleinen  Bergkrystallen  dicht  besetzt,  so  bei 
Goldbach.  Es  wurden  ja  auch  diese-  schön  gefärbten  Kieselhölzer 
schon  zu  einem  Schmuck  für  die  HoHENLOHE'sche  Fürstenfamilie  ge- 
schliffen. Oft  ist  der  Hornstein  feuersteinartig.  In  den  Dunstkam- 
mern der  Ammoniten  des  Lias  finden  sich  ab  und  zu  Quarzkry stalle, 
QuENSTEDT  fand  im  Amm.  hetacalcis  Lias  ß  Bergkrystalle  ^  Die  Hölzer 
in  Lias  f  „bestehen  innen  aus  einem  rötlich  splitterigen  Hornstein, 
der  im  Zentrum  in  förmlich  krystallinischen  Quarz  übergeht"."  Am 
meisten  ist  aber  die  Kieselsäure  in  Weiss  Jura  e  und  C  verbreitet, 
und  zwar  in  zweierlei  Art.  Entweder  zeigen  sich  auf  kalkigen  Fos- 
silien bloss  konzentrisch  ringförmige  Scheiben  oder  Ringe,  sogenannte 
Silifikationspunkte  wie  an  Terchrahäa  hisuffarcinata  Weiss  d,  Ter. 
insignis  Weiss  f  oder  aber  erfolgte  ein  vollständiger  Umtausch  von 
Kalk  in  Kieselsäure,  so  in  den  Korallenschichten,  wo  man  Korallen- 
stöcke Astraea,  Lif/iodendron  u.  a.  aus  derbem  Quarz  oder  Chalcedon 
findet  innen  mit  Krystallen  besetzt,  wie  bei  Sonderbuch  in  der  Nähe 
von  ßlaubeuren,  bei  Ettlenschiess,  Nattheim,  Oberstotzingen  u.  a.  0. 
Am  schönsten  sind  wohl  die  Seeigel  aus  Weiss  e  rein  in  Quarz  verwan- 
delt von  den  Feldern  Sirchingens  bei  Urach,  dann  von  Oberstotzingen 
und  Sontheim ;  wer  da  die  Koon'sche  Sammlung  von  Echiniden  ge- 
sehen hat,  weiss,  was  unser  Jura  an  schönen  Versteinerungen  liefert. 
Auch  die  Haarsterne  wie  Apiocrinus  und  Poitacrinus  sind  bei  Sir- 
chingen  und  sonst  verkieselt.  Bei  Oberstotzingen  findet  man  in  Weiss 
Jura  £  die  prachtvollsten  smalteblauen  Chalce donkugeln  bis  zu  Kopf- 
grösse  und  darüber;  sieht  man  sie  näher  an,  so  sind  es  Korallen- 
stöcke ^.  Endlich  stellt  sich  Verkieselung  noch  einmal  im  Obermiocän 
ein :  die  schenkeldicken  Baumstämme  von  Cinnamomum  im  Rand- 
ecker Maar  zeigen  auf  hornsteinartigem  Kieselschiefer  noch  die  vor- 
trefflich erhaltenen  Jahresringe.  So  tritt  die  Kieselerde  gar  nicht 
selten  als  Versteinerungsmittel  in  unseren  Formationen  auf,  und  zwar 
ebenso  die  krystallinische  wie  die  amorphe.  Dabei  lässt  sich  nicht 
verkennen,  dass  ihr  Vorkommen  häufig  an  das  von  Hölzern  gebun- 
den scheint ,  man  denkt  dabei  ganz  von  selbst  auch  an  die  Kiesel- 
hölzer anderer  Formationen ,  des  Totliegenden  am  Kyffhäuser ,  bei 
Ilmenau,  bei  Buchau  in  Schlesien,  dann  der  Kohlenforraation.  Sonst 
tritt  bei  uns  diese  Erde  nur  in  Weiss  Jura  f.  in  grösserer  Menge 
auf,  findet  man  doch  Kieselknauer  von  Kopfgrösse  und  als  ganz  ge- 

1  Quenstedt,  Jura  98. 

2  Ebenda  271. 
»  Ebenda  692. 


—     47     — 

"wohnliches  Mineral  Quarz.  Im  Muschelkalk  sind  die  Verkieselungen 
seltener,  also  überhaupt  die  Menge  des  Quarzes  geringer.  Opal  artige 
Versteinerungen  können  sich  bei  uns  an  zwei  Stellen  finden,  in  den 
Kieselhölzern  des  Keupers  und  dann  wieder  im  Randecker  Maar. 

Oxydische  Eisenerze. 

Hier  ist  vor  allem  der  Wasseralfinger  Thoneisenstein  zu 
nennen,  der  häufig  das  Innere  der  Petrefakten  erfüllt  —  bei  Anim. 
3Iurchisonae  indessen  meistens  nur  die  Wohnkammer  —  auch  häufig 
-dieselben  mit  einer  Erzhülle  überzieht.  Sodann  fand  Zeller  bei 
Ephausen  unfern  Nagold  Equisetiten  teilweise  durch  Roteisenstein 
vererzt  teilweise  verkohlt  \ 

Goethit  oder  Nadeleisenerz  (Fe2)H^0*  ist  das  gewöhn- 
liche Oxydationsprodukt  von  Schwefelkies  nach  Kobell,  so  bei  Stiel- 
gliedern der  Pentakriniten  von  Metzingen  Lias  £,  oft  findet  man  im 
Innern  noch  unveränderten  Schwefelkies.  Die  Calamiten  der  Letten- 
kohle gehen  auch  oft  in  ockeriges  Brauneisen  (Fe2)^H*'0^  über.  Die 
Ammoniten  in  mageren  Thonen  und  Mergeln,  wie  in  Lias  /,  ver- 
rosten, ebenso  in  Weiss  Jura  a  und  y.  Die  Ammoniten  in  den  Bohn- 
erzspalten  bestehen  aus  Brauneisen,  offenbar  infolge  der  gleichen 
Vorgänge,  welchen  die  Bohnerze  ihre  Entstehung  verdanken.  In  dem 
Eisenoolith  von  Braun  Jura  e  bestehen  die  Amm.  macrocephalus  aus 
oolithischem  Brauneisenstein,  so  dass  diese  Schichten  früher  bei  Gei- 
singen an  der  Donau  gewaschen  und  verschmolzen  wurden  ^.  Zum 
Schluss  ist  noch  der  feinen  Krystalle  von  Goethit  oder  Nadel- 
eisenerz (FegjH'O*  zu  gedenken,  die  in  Dunstkammern  des  Amm. 
macrocephalus  Braun  Jura  e  gefunden  werden  und  zwar  hauptsäch- 
lich in  jenen  schönen  Exemplaren  vom  Brunnenthal  zwischen  Laufen 
und  Lautlingen  südöstlich  von  Balingen.  Auf  den  Kalkspäten,  welche 
die  Dunstkammern  überziehen,  sitzen  diese  glänzenden  feinen  Krystall- 
nadeln  oft  in  ziemlicher  Menge. 

Sulfide. 

Am  häufigsten  von  den  Sulfiden  ist  der  Schwefelkies,  und 
jzwar  treffen  wir  die  Versteinerungen  in  drei  Graden  der  Verkiesung: 
einmal  bildet  der  Kies  nur  einen  ganz  leichten  Anflug  oder  einen 
dünnen  Harnisch,  so  auf  Arieten  und  Riesenangulaten  in  Lias  a,  auf 


^  Blum,  Pseudomorphosen  III,  273. 
-  Quenstedt,  Mineral.  767. 


~     48     — 

Ämm.  amaltheus  Lias  J,  im  Schieferfleins  Lias  s  auf  Bei.  paxillosus  ^ 
und  incurvafus\  auf  Ämm.  tripartitus  von  Lautlingen :  oder  aber  — 
und  das  ist  die  häufigste  Form  —  ist  die  Oberfläche  sowie  die  Wan- 
dung der  Hohlräume  in  Schwefelkies  verwandelt  wie  z.  B.  bei  Ämm. 
Jamesoni  Lias  /,  aber  meistens  nicht  vollständig,  so  dass  die  nicht 
verkiesten  Teile  sich  nicht  oder  schlecht  erhielten;  oder  ist  endhch 
das  Petrefakt  in  massiven  Schwefelkies  verwandelt,  wie  z.  B.  Penta- 
crimis  basaUiformis  und  suhangularis  von  Metzingen,  woran  nur  der 
Nahrungskanal  hohl  blieb.  Frisch  gegraben  aus  Thonschichten,  die 
gegen  Verwitterung  schützen ,  erglänzen  diese  Petrefakten  in  herr- 
lichem Goldglanz ,  so  namentlich  die  Ämm.  ParJcinsoni  früher  vom 
westlichen  Fuss  des  Neuffen,  dann  von  Hausen  ob  Verena  aus  Braun  s, 
ebenso  die  goldglänzenden  Ämm.  annularis,  athleta,  hecticus  aus  dem 
Ornatenthon.  Durch  Verwitterung  werden  dieselben  in  den  dunklen 
Thonen  wie  Lias  ß  und  d  schwärzlich,  daher  können  hier  Verwechse- 
lungen vorkommen,  sonst  gehen  sie  ins  Braune  und  Gelbe ,  die  be- 
kannten verrosteten  Kiese  aus  Lias  y.  Weiss  a  und  ;'  und  sonst. 
Verkieste  Petrefakten  finden  sich  nun  in  folgenden  Horizonten :  im 
Wellendolomit  von  Glatten  und  Aach  bei  Freudenstadt  Ceratites 
Btichii,  GerviUia,  Nucula;  im  Turnerithon  durchweg,  soweit  nicht 
Kalkbänke  dazwischen  liegen,  namentlich  schön  die  Earicostaten  und 
Oxynoten;  im  mittleren  Numismalismergel  selten  mit  frischem  Schwefel- 
kies auf  frischem  Bruch,  meist  stark  verrostet,  weil  die  Mergel  ma- 
ger sind  und  Wasser  durchlassen ;  im  Amaltheenthon,  hier  nicht  ver- 
rostet, weil  die  Thone  fett  sind;  im  Posidonienschiefer  meist  fein 
verteilt,  an  manchen  Stellen  mit  Gips  und,  wo  trocken,  in  Eisen- 
vitriol und  Federalaun  verwandelt";  in  Braun  e  die  Hamiten,  die 
oben  genannten  Ämm.  Parkinsoni ,  die  freilich  an  anderen  Stellen 
verkalkt  sind,  Dentalium  Parh'msoni,  die  Schalen  von  Ämm.  heferö- 
phyllus,  discus,  fuscus;  im  Ornatenthon  Braun  C;  in  V^eiss  Jura  a 
und  /,  wo  nämlich  y  verkiest  ist  und  nicht  verkalkt.  Es  ist  zu  be- 
achten, wie  stark  verbreitet  der  Schwefelkies  im  Jura  ist,  freilich 
auch  hier  nicht  überall  mit  der  gleichen  „Energie  der  Vererzung"  ^ 
(am  stärksten  im  Amaltheenthon  --  Ammoniten  von  35 — 40  cm. 
Durchmesser) ,  während  er  in  der  Trias  selten  gefunden  wird ,  im 
Thon  der  Lettenkohle  fand  man  schon  Pflanzen  (Taeneopteris  vittata?) 
ganz  in  Schwefelkies  verwandelt,  im  Keuper  sind  Schwefelkieskrystalle, 

'  Quenstedt,  Jura  254.   256. 

2  Ebenda  205. 

^  Quenstedt,  diese  Jahreshefte  1846,  157. 


—     49     — 

nämlich  Würfel  und  Kubooktaedor,  nicht  häufig.  Es  dürfte  dieser 
Mangel  des  Sulfides  sich  wohl  erklären  durch  die  geringere  Zahl  von 
Tieren ,  die  in  der  Trias  gefunden  werden ,  also  wurden  auch  viel 
weniger  Sulfate  reduziert  durch  den  Verwesungsprozess. 

Bleiglanz  ist  in  den  Flözformationen  Württembergs  ein  sel- 
tenes Erz.  Die  Tübinger  Sammlung  besitzt  ein  kleines  krystallini- 
sches  Stück  aus  dem  Bonebed  zwischen  Keuper  und  Lias  von  Wald- 
hausen, dann  aus  Braun  a  von  Gammelshausen,  aus  dem  Weissen 
Sandstein  von  Derendingen ,  gefunden  beim  Bau  des  neuen  Uni- 
versitätsgebäudes. Am  häufigsten  findet  sich  der  Bleiglanz  im  un- 
teren Keupermergel  zwischen  den  Gipsen  und  der  Cydas  Keuperina, 
so  bei  Heilbronn,  Tübingen,  Grossbottwar,  Stuttgart.  Die  Oktaeder 
von  Heilbronn,  welche  im  Natur alienkabinett  liegen,  sind  nach  Art 
der  Krystallskelette  in  den  Flächen  vertieft.  Von  ebendaher,  näm- 
lich vom  Trappensee,  erwähnt  Blum^  eine  Nucula  dubia  v.  Münster 
„aus  einem  verhärteten  Mergel,  der  mit  Barytspatkörnern  gemengt 
ist".  Die  Spaltungsflächen  sind  stark  metallglänzend,  während  die 
„Aussenfläche  dieser  Petrefakten  schwärzlich  bleigrau  und  matt  ist". 
Die  Würfeldiagonale  scheint  senkrecht  zur  Aussenfläche  zu  stehen. 
Im  Naturalienkabinett  wird  aus  deni  Wellendolomit  von  Nagold  eine 
Discina  silesiaca  Duncker  aufbewahrt,  welche  als  Deckel  auf  einem 
Stylolith  ruht  —  ein  höchst  interessantes  Stück.  Sicherlich  Hesse 
sich  in  der  Bleiglanzschichte  des  Keupers  noch  manches  Interessante 
finden,  das  BLUM'sche  Stück  liegt  entweder  in  Heidelberg  oder  kam 
es  beim  Verkauf  der  BLüMschen  Sammlung  in  die  Fremde.  Die  Blei- 
glanzversteinerungen sind  aber  überhaupt  sehr  selten ,  Blu.m  nennt 
ausserdem  Avicula  antiqüa  von  Frankenberg  in  Hessen  und  ^leiglanz 
im  Innern  von  Produdus  aciileatus  vom  Zechstein  Geras  in  Thüringen. 

Zinkblende  ist  häufiger  bei  uns  als  Bleiglanz.  Die  Kopro- 
lithen des  Bonebeds  der  Lettenkohle  bestehen  zum  Teil  daraus  und 
in  den  Kammern  des  Anim.  amaltheus  findet  man  häufig  Blende  neben 
Schwerspat ,  auch  die  thoneisensteinhaltigen  Septarien  dieses  Hori- 
zontes ^  enthalten  Blende ,  das  erinnert  lebhaft  an  die  Ammoniten- 
kammern  des  Liaskalkes  von  Whitby  und  die  Belemniten  von  Helgo- 
land. Sehr  schöne  Stücke  aus  dem  Crailsheim  er  Muschelkalk  liegen 
in  der  BLEzixGER'schen  Sammlung  dort,  freilich  nicht  als  Vererzungs- 
mittel ,  man  kann  die  schönsten  Granatot"der  sich  daraus  spalten. 
Der  stark  reflektierende  Blätterbruch  in  der  Knochenraasse  der  Sau- 


'  Pseudomorphosen,  Nachtrag  I,  208. 
-  Quenstedt,  .Jura  163. 

Jalireshefto  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkuiule  in  Wiirti. 


—     50     - 

rier  in  Lias  s  ist   nach    meiner  Vermutung    ebenfalls    als  Blende    zu 
deuten,  doch  fehlt  es  mir  zum  Nachweis  an  Material. 

Kupferkies  CuFeS^  wurde  von  Qüenstedt  einmal  in  der 
Kammer  eines  Ängulaten  Lias  a  gefunden  '.  »Spuren  von  Kupfer- 
erzen fand  ich  auf  den  Schwerspäten  in  Lias  a  der  Göppinger  Ge- 
gend, sie  waren  meistens  schon  zu  Malachit  verwittert. 

Karbonate. 

Unter  diesen.  Mineralien  steht  der  Kalkspat  oben  an.  Man 
würde  nämlich  sehr  irren,  Avollte  man  glauben,  die  Kalkschalen  haben 
sich  nicht  verändert.  Viele  sind  in  krystallinischen  Kalk  verwandelt, 
so  die  Schalen  mancher  Gastropoden,  die  meisten  dienten  dem  kohlen- 
sauren Kalk,  der  die  Hohlräume  ausfüllte,  als  Ansatzstelle  und  zwar 
lässt  sich  eine  Anziehung  des  schon  vorhandenen  orientierten  Kalkes 
auf  die  neuen  Niederschläge  nicht  verkennen.  „Die  Cidaritenstacheln 
haben  im  Innern  den  vollkommensten  Blätterbruch  eines  einzigen 
Kalkvspatrhomboeders."  ^  „Bei  den  Krinoidenstielen  entspricht  die 
Hauptachse  des  Rhomboeders  der  Richtung  des  Stieles,  aber  die 
Blätterbrüche  der  einzelnen  Glieder  sind  gegeneinander  spiralförmig 
verdreht."^  Man  kann  dabei  aber  auch  auf  Zwillingsbildung  stossen, 
so  fand  ich  einen  Apiocrinites  in  Weiss  e  auf  der  Kuchalp,  an  dem 
die  Blätterbrüche  zweier  aufeinander  folgenden  Glieder  einen  Winkel 
von  ca.  95°  bilden,  was  auf  Zwillingsstellung  nach  OR  hindeutet  (der 
genaue  Winkel  wäre  89*^  13'  8'').  Am  allerschönsten  sieht  man  die 
Einwirkung  des  früher  vorhandenen  Kalkspates  auf  die  neuen  Bil- 
dungen in  den  Aspidura  scuteUafa  Bronn  von  der  Heldenmühle  bei 
Crailsheim,  worüber  Dr.  E.  Fraas  eine  briefliche  Mitteilung  an  das 
N.  Jahrb.  für  Min.  etc.  richtete  '^.  Hier  trat  an  Stelle  jeder  einzelnen 
Kalkplatte  ein  Skalenoeder  R3,  so  dass  die  ganze  Versteinerung  nun- 
mehr aus  lauter  Skalenoedern  besteht.  Man  kann  kaum  etwas  Schöneres 
und  Zierlicheres  an  krystallisierten  Versteinerungen  sehen  !  Dieselben 
sitzen  auf  den  Steinkernen  von  MyopJioria  laevigaia  und  finden  sich 
am  schönsten  und  zahlreichsten  in  der  Sammlung  ihres  Entdeckers, 
des  Apothekers  Blezinger  in  Crailsheim. 

Der  Verkalkungsprozess  kann  auch  damit  endigen,  dass  sämt- 
liche Hohlräume  mit  krystallinischem  Kalk  sich  füllten,  häufig  unter 


'  Diese  Jahresh.  1846,  158. 

-  Qüenstedt,  Mineral.  494. 

"  Qüenstedt,  Epochen  der  Natur  558. 

"  1888,  I,  170. 


—     51     — 

Bildiuig  von  Uraseii,  die  von  diesem  Mineral  erfüllt  sind,  und  dass 
<lann  die  Schalen  oder  Wandungen  der  Wohnkammern  verschwanden. 
Hier  sind  die  schon  oben  genannten  zerfressenen  Amni.  macrocephalus 
vom  Brunnenthal  anzuführen :  die  kalkigen  Ausfüllungen  der  Dunst- 
kammern zeigen  ganz  scharf  die  Form  der  Loben,  die  Wandungen 
selbst  aber  sind  kaum  noch  in  Resten  vorhanden.  Was  man  davon 
aioch  findet,  löst  sich  beinahe  ganz  in  verdünnter  Säure ;  es  ist  ein 
von  gelbem  Eisenocker  umgebener  Kalk,  der  sich  offenbar  in  den 
Tagewassern  leichter  löst  als  die  Kalkausfüllung  der  Kammern.  Selbst- 
verständlich findet  man  diese  Petrefakten  in  sehr  verschiedenem  Zu- 
stand :  aussen  noch  unversehrt,  innen  mit  Kalk  erfüllt ;  aussen  teil- 
weise zerfressen,  so  dass  der  krystallinische  Kalk  heraussieht;  aussen 
lieinahe  ganz  zerfressen  und  innen  die  Kalkausfüllungen  der  Haupt- 
f-ache  nach  erhalten,   aber  auch  schon  vom  Wasser  angenagt. 

Vollständig  in  blätterigen  Kalkspat  verwandelt  sind  Bhyncho- 
iulla  Fürstenhergensis  und  Steinheisii  von  Gutmadingen  in  Braun  £, 
Amm.  ParMusoni  von  Oberhausen  am  Nipf,  gewisse  Echinodermen 
in  Weiss  Jura  /  und  dann  die  Dunstkammern  von  Amm.  MurcM- 
■sonae.  Letztere  machen  eben  diesen  Ammoniten  zu  einem  unserer 
schönsten  Petrefakten  ,  man  hat  hier  eigentlich  auch  nur  noch  die 
Kalkspatausfüllungen  der  Kammern  vor  sich ,  manchmal  findet  man 
•die  einzelnen  Ausfüllungen  der  Kammern  lose  nebeneinander  liegend. 
Der  Kalkspat  ist  gelblichweiss,   kantendurchscheinend. 

Während  bisher  nur  von  spätigem  Kalk  die  Rede  war,  ist  zum 
4Schlusse  noch  faseriger  zu  nennen  bei  den  Belemniten,  was  in  der 
ursprünglichen  Form  begründet  ist,  schon  dort  steht  der  Kalk  faserig 
und  zwar  die  Paser  senkrecht  zur  Achse  der  Scheide.  Dabei  ist 
die  Färbung  für  die  einzelne  Gebirgsart  charakteristisch. 

Der  Dolomit  (Ca,  Mg)CO^  bildet  das  Versteinerungsmittel  der 
Petrefakten  des  Hühnerfeldes  zwischen  Schwieberdingen  und  Mün- 
C'hingen,  sow^eit  dieselben  nicht  verkieselt  sind  (s.  oben).  Die  Ana- 
lyse ergibt  Kalk  und  Magnesia  so  ziemlich  zu  gleichen  Teilen  und 
«ine  Spur  von  Eisen,  also  ist  es  nicht  Bitterspat,  sondern  Dolomit. 
Die  Versteinerungen  haben  daher  das  bekannte  schwach  gelblichweisse 
bis  bräunliche  Aussehen,  es  sind  GerviUia,  Myophoria,  Corhida,  Triyo- 
nochts,  Nucula,  Mijd,  Nafica,  Ceratites  scmipartitits  nnd  IihisocoralUum. 

Daran  schliesst  sich  von  selbst  der  Braunspat  (Ca,  Mg,  Fe)  CO'^, 
der  als  jüngere  Generation  von  Mineralien  auf  den  Kalkspäten  der 
Ammonitenkammern  sitzt  in  Gruppen  sattelförmig  oder  garbenförmig 
gebogener  Rhoi^iboeder  von  starkem  Fettglanz,    besonders  schön   in 


—     52     — 

Lias  a  von  Vaihingen  a.  d.  F.,  von  Neunheim  bei  Ellwangen.  Diese 
Gruppen  findet  man  bis  zu  Hühnereigrösse  und  zwar  in  allen  Ab- 
tönungen von  Braun,  so  dass  darunter  sich  auch  Pseudomorphosen 
von  Goethit  nach  Braunspat  vorfinden.  Er  findet  sich  ausser  im 
Lias  noch  im  Braunen  Jura. 

Der  Strontianit  ist  seltener  als  Braunspat,  findet  sich  aber 
ebenfalls  als  jüngere  Generation  über  den  Kalkspäten  in  den  Dunst- 
kammern der  Cephalopoden  von  Lias  «,  meist  in  kugeligen  Gruppen ; 
dieselben  sind  feinfaserig  und  mehlig,  seltener  sieht  man  daran  mit 
der  Lupe  Rechtecke.  In  anderen  Formationsgliedern  scheint  das  Kar- 
bonat nicht  vorzukommen.  Sandberger  schreibt  zwar',  Strontianit 
erfülle  zum  grossen  Teil  die  Kammern  von  Amm.  Murchisonae,  ich 
konnte  bis  jetzt  bloss  Kalkspat  finden,  soweit  ich  analysierte.  Immer- 
hin ist  aber  Strontianit  nicht  ausgeschlossen ;  in  der  Tübinger  Samm- 
lung liegt  ein  grosser  Ammonit  mitten  entzwei  gebrochen,  die  Haupt- 
masse, welche  die  Kammern  erfüllt,  ist  Kalkspat,  darauf  liegen  als 
jüngere  Ausscheidung  blendend  weisse  Gipstafeln  und  so  kann  ja 
wohl  als  zweite  Generation  sich  auch  einmal  Strontianit  nieder- 
geschlagen haben.  Man  findet  den  Kalkspat  häufig  von  mehliger 
Substanz  umgeben  im  Innern ,  die  allerdings  die  Flamme  mehr  rot 
färbt,  als  es  sonst  der  Kalkspat  thut,  allein  nicht  so  purpurrot  wie 
Strontianit.  Immerhin  könnte  Sr  in  kleinen  Mengen  dem  Kalk  bei- 
gemischt sein,  die  Hauptausfüllungsmasse  ist  aber  Kalkspat. 

Aragonit  ist  wohl  häufiger,  als  man  weiss,  Versteinerungs- 
mittel, man  müsste  denselben  aber  erst  durch  die  spezifische  Schwere 
nachweisen.  Krystalle  fand  Quenstedt  auf  Kalk  des  Lias  zu  Neun- 
heim bei  Ellwangen  in  feinen  Nadeln. 

Fluoride. 

Leopold  von  Buch  schreibt  ^,  man  finde  den  Elussspat  selten  in 
den  Wohnkammern  der  schwäbischen  Liasammoniten.  Ich  muss  sagen, 
dass  ich  nie  so  glücklich  war  und  auch  die  Tübinger  wie  die  Stutt- 
garter Sammlung  hat  nichts  von  Flussspat,  soweit  die  Kammern  der 
Ammaniten  blossgelegt  sind.  Es  dürfte  also  hier  eine  Täuschung 
vorliegen.  Unmöglich  wäre  es  ja  nicht,  denn  Flussspat  kommt  im 
Kohlenkalk  von  Derbyshire  bei  Cyathocrinites  und  im  Botliegenden 
von  Chemnitz  bei  Pflanzenstämmen  als  Versteinerungsmittel  vor. 


'  Neues  Jahrb.  für  Min.  etc.  1870,  589. 
-  Zeitschr.  d.  geol.  Ges.  II,  285.  1850.- 


—     53     — 

Sulfate. 

Gips  bildet  nicht  selten  das  Versteinerungsmittel  im  unteren 
Keuper.  Schon  von  Aluerti  schreibt^:  „Der  versteinerungsreiche  Do- 
lomit wird,  wo  er  von  Gips  bedeckt  wird,  z.  B.  bei  Rottweil,  Dürr- 
heim, am  Asperg,  bei  Untertürkheim  u.  a.  0.,  in  seinen  oberen  Lagen 
von  diesem  in  ein  graues  Gipsgestein  verwandelt,  welches  jedoch 
noch  mit  Säuren  braust  und  einen  höheren  oder  niederen  Grad  von 
Verwandlung  erlitten  hat.  Bald  ist  die  Masse  wirklicher  Gips,  bald 
sind  Reste  des  dolomitischen  Charakters  sichtbar.  Dieses  Gipsgestein 
ist  angefüllt  mit  Versteinerungen,  deren  Schalen  meist  in  rein  weissen 
körnigen  Gips  verwandelt,  deren  Höhlungen  aber,  welche  bei  den 
dolomitischen  Gesteinen  durch  das  Verschwinden  der  Schalen  ent- 
stehen, mit  Gips  ausgefüllt  sind/'  Solche  Versteinerungen  sind  Myo- 
plioria  Goldfussii^  vulgaris  und  curvirostris,  Ävicula  socialis.,  Nucula 
dubia.  Bei  Crailsheim  an  dem  Weg  nach  Westgartshausen  fand  Ble- 
ziNGER  ebenfalls  ganze  Platten,  die  auf  der  unteren  Seite  die  schön- 
sten Myophorien  aus  Gips  zeigten ,  nachdem  sie  bearbeitet  worden 
waren.  Bronn  sah  die  Knochenzellen  der  Testudo  antiqua  aus  dem 
Tertiärgips  des  Hohenhöwen,  der,  wie  ich  wohl  weiss,  nicht  mehr 
in  das  württembergische  Gebiet  gehört ,  mit  deutlich  unterscheid- 
barem Gipsspat  ausgefüllt  ^  Solche  Gipskrystalle  sind  nun  allerdings 
eine  ganz  häufige  Erscheinung  in  den  Hohlräumen  von  Petrefakten, 
sie  finden  sich  schon  in  Lias  a  zu  Vaihingen  a.  d.  F.,  dann  im  Amal- 
theenthon,  in  Braun  Jura  ß,  wie  schon  oben  bei  Amm.  Murchisonae 
:gesagt  wurde,  zu  Kuchen  und  zu  Wasseralfingen ;  an  der  Grenze  von 
Braun  Jura  ßh/  liegen  Gipse  bei  Boll. 

Schwerspat  Versteinerungen  finden  sich  bei  uns  am  schönsten 
im  Lias  a  der  Göppinger  Gegend,  so  fand  ich  dort  den  Steinkern 
von  Thalassites  concinnus,  einen  Arieten,  sowie  Reste  eines  Gastro- 
poden, in  den  schönsten,  fleischfarbenen,  blätterigen  Baryt  verwandelt ; 
in  der  KocH'schen  Sammlung  liegen  prächtige  Thalassiten  aus  Baryt 
und  nach  einer  Mitteilung  von  Pfarrer  Dr.  Engel  finden  sich  bei 
Brech  oberhalb  Waldhausen  im  Remsthale  ebenfalls  solche  Versteine- 
rungen. Sonst  ist  Schwerspat  meist  nur  jüngere  Mineralgeneration 
in  den  Hohlräumen  namenthch  der  Cephalopoden ,  so  zu  Vaihingen 
a.  d.  F.  und  zu  Neunheim  in  Lias  a,  dann  zu  Kirchheim  u.  T.  in 
Lias  ;',  wo  oft  Jamesoni  aussen  verkiest  und  innen  ganz  mit  Baryt 

*  Monographie  des  bunten  Sandsteins,  Muschelkalks  und  Keupers.  Stuttg. 
u.  Tüb.  1834,  131—132. 

-  Bronn,  Handbuch  einer  Gesch.  jier  Natur.  Stuttgart  1843,  Bd.  2,  713. 


-     54     — 

erfüllt  ist,  sodann  in  Lias  J  \  endlich  als  mattweisse  faserige  Spalten- 
ausfüllung in  den  Gagathölzern  von  Lias  s^.  Auch  im  Braunen  Jura 
finden  sich  noch  Baryte  in  den  Terebrateln.  Man  hüte  sich  indes 
vor  Verwechselung  mit  Cölestin!  Dieser  findet  sich  zusammen 
mit  Gips  und  Schwerspat  in  den  Ammonitenkammern  zu  Vaihingen 
a.  d.  F.  Ich  beschrieb  diese  Tafeln  schon  früher  in  diesen  Jahres- 
heften 1884,  53.  In  Braun  Jura  e  finden  sich  smalteblaue  ('ölestine 
bald  tafelförmig  bald  in  schönen  Krystallen  im  Amm.  Parkiiisoni  und 
besonders  schön  in  der  Ter.  perovalis  (Braun  d)  vom  Himmelsberg^ 
wie  sie  in  der  Tübinger  Sammlung  liegen  und  wie  ich  solche  vom 
Hohenkarpfen  der  Güte  von  Dr.  E.  Fraas  verdanke.  Endlich  sind 
die  prachtvollen  Pseudomorphosen  von  Quarz  nach  Cölestin  anzu- 
führen von  Oberstotzingen ,  welche  Quenstedt  in  den  dortigen  ver- 
kieselten  Korallenstöcken  fand  ^.  Manche  Cölestine  mögen  sich  auch 
noch  hinter  den  Schwerspäten  verstecken,  so  fand  ich  eine  ganze 
Windung  von  Amm.  Jamesoni  mit  einem  schneeweissen  blätterigen 
Mineral  erfüllt,  das  ich  im  Steinbruch  (Lias  /  Kirchheim  u.  T.)  für 
Schwerspat  zu  halten  geneigt  war,  durch  die  Analyse  aber  als  Cöle- 
stin bestimmte. 

Phosphate. 

Der  phosphorsaure  Kalk  findet  sich  in  wechselnden  Gemeng- 
teilen in  den  Koprolithen  des  Bonebeds  zwischen  Muschelkalk  und 
Lettenkohle,  sodann  in  den  fossilen  Knochen  und  Zähnen  —  freilich 
nicht  als  Versteinerungsmittel,  sondern  als  ursprüngliche  Substanz,, 
die  aber  in  ihrer  Zusammensetzung  mehr  oder  weniger  verändert 
wurde.  Hier  ist  auch  der  Zahntürkis  (AI2)  (H  0)'^  P  0"^  -f  H^O  za 
nennen,  wie  man  ihn  in  den  Bohnerzgruben  früher  fand.  Von  be- 
sonderem Interesse  ist  aber  der  Vivianit  Fe^(PO^)^  +  8H'^0,  der 
ja  nicht  so  gar  selten  ist.  Blaueisenerde  überzieht  Pflanzenreste  in 
unseren  stehenden  Wassern,  ich  habe  ein  solches  Stück  in  der  Samm- 
lung des  Eberhard-Ludwigsgymnasiums  aus  dem  Bärensee  bei  der 
Solitude,  also  neueste  Bildung.  Sicherlich  findet  sie  sich  ab  und 
zu  in  den  Mooren  Oberschwabens  so  gut  wie  in  den  Knochen 
des  Laibacher  Moors,  freilich  ist  mir  noch  kein  Fund  bekannt  ge- 
worden. Was  die  älteren  Formationen  betrifft,  so  zeigt  den  Vivianit 
am   allerschönsten  Aetosaurus  ferratus  Fraas  ^,    dessen    Panzer   und 

1  Diese  Jahresh.  1888,  116. 

-  Quenstedt,  Jura  272. 

^  Quenstedt,  Jura  692. 

•*  Pestschrift  der  400jähr.  Feier  der  Univ.  Tübingen.  Dies.  Jahresh.  1877,  3. 


—     55     — 

Knochen  von  grünlichblauem  Vivianit  überzogen  sind.  Das  Oxydul 
ging  also  teilweise  über  in  das  Oxyd.  Während  die  Oberfläche  die- 
ser herrlichen  Echsengruppe  aus  dem  Stubensandstein  von  Kalten- 
thal  in  Vivianit  verwandelt  ist,  sind  die  Hohlräume  der  Knochen  mit 
rotem  Thoneisenstein  erfüllt.  Am  häufigsten  findet  sich  weiter  Vi- 
vianit in  den  Bonebeden ,  so  durchschnitt  die  Eisenbahnlinie  Stutt- 
gart— Vaihingen  das  Bonebed  zwischen  Keuper  und  Lias  und  viele 
dort  ausgegrabene  Reste  von  Knochen,  Schuppen  und  Zähnen  zeigen 
Vivianitüberzug.  Ohne  Zweifel  findet  er  sich  auch  in  dem  älteren 
Bonebed.  Endlich  sei  der  schwarzen  Knollen  aus  dem  Lamberti- 
horizont  gedacht,  welche  Phosphorsäure  enthalten. 

Kohlen. 

Die  letzte  Art  der  Petrifikation  ist  die  Verkohlung,  dieselbe 
hatte  statt  bei  Pflanzen,  ausnahmsweise  bei  Fischen  und  Sepien,  so- 
fern die  aus  Zellstoff"  bestehenden  Gewebe  in  kohlige  Substanz  über- 
gehen. Die  Arten  von  Kohlen ,  die  hier  zu  nennen  wären ,  sind  ^ : 
die  schwefelkiesreichen  Kohlen  der  Lettenkohle  bei  Gaildorf, 
die  Steinkohlennester  im  Schilfsandstein  des  Keupers  (Kriegsberg  bei 
Stuttgart  —  jetzt  durch  eine  Verschönerungsanlage  verdeckt  —  und 
Löwenstein)  und  im  Stubensandstein  von  Mittelbronn,  die  Pechkohle 
im  Stubensandstein  bei  Spiegelberg  mit  Adern  von  Bleiglanz  und 
Zinkblende,  die  Gagatkohle  (Agtstein,  schwarzer  Bernstein)  in 
Spalten  und  Klüften  von  Lias  s  z.  B.  von  Holzmaden  bei  Kirch- 
heim u.  T.  QuENSTEDT  erhielt  von  Pliensbach  ein  5'  langes  Stück, 
8"  bis  10''  breit  und  4"  bis  5"  dick  ^,  wie  er  glaubt,  hervorgegangen 
aus  „kompakteren  Landgewächsen".  Im  Querbruch  zeigt  sich  nicht 
leicht  Struktur,  dagegen  im  Längsbruch  sieht  man  „bei  günstigen 
Stücken  mit  einer  Lupe  deutliche  Fäden".  Lmen  besteht  der  Stamm 
aus  Holzstein,  den  aussen  befindlichen  Gagat  durchziehen  gröbere 
und  feinere  Risse ,  welche  mit  Schwerspat  und  Kalkspat  ausgefüllt 
sind  (s.  oben).  „Manchmal  bekommt  man  Stücke  mit  überaus  deut- 
lichen Jahresringen ,  durch  die  Faserstruktur  erhält  der  Längsbruch 
einen  eigentümlichen  Seidenglanz."  Auch  die  Blättchen  von  Äraii- 
caria  peregrina  Lias  e  sind  in  glänzenden  Gagat  verwandelt,  wie 
auch  die  Zweige  von  Cupressites  liasinus  von  ebendaher. 

Von  Braunkohle  ist  die  tertiäre  Kohle  von  Heggbach,  von 
Königseggwald ,    von  Kellmünz    an    der  Hier    (bayrisch) ,   Eisenbach, 


'  Werner,  diese  Jahresh.  1869,  144. 

-  Quenstedt,  Jura  271;  vgl.  auch  Bronner,  diese  Jahresh.  1879,  192. 


—     56     — 

Schwendi  und  Uietenheim  zu  nennen.  Am  besten  erhalten  sind  die 
Pflanzen  samt  Insekten  zu  Heggbach,  wo  die  Blätter  alle  leicht  zu 
erkennen  und  den  Oeningern  am  ähnlichsten  sind.  Eigenartig  ist 
der  Dysodil,  die  papierdünnen  Brandschiefer  des  Randecker  Maars, 
die  wie  Pappendeckel  sind. 

Endlich  muss  als  allerjüngste  diluviale  Braunkohle  die  unter  dem 
Lehm  des  Rosensteins  zwischen  Stuttgart  und  Cannstatt  genannt  werden. 

Von  diesen  Kohlen  ist  nun  freilich  zu  sagen,  dass  der  ursprüng- 
liche Stoff  nicht  durch  einen  wesentlich  anderen  ersetzt  wurde,  son- 
dern es  fand  bloss  infolge  des  Verkohlungsprozesses  Steigerung  des 
Gehaltes  an  Kohlenstoff  und  Verminderung  von  Wasserstoff  und  Sauer- 
stoff statt.  Aber  eben  durch  diesen  Vorgang  wurden  die  Pflanzen  fossil 
und  so  sind  in  der  fossilen  Kohle  uns  die  Reste  der  Pflanzen  erhalten. 

Das  wären  die  Versteinerungs-  und  Vererzungsmittel  unserer 
schwäbischen  Petrefakten,  soweit  sie  den  Mineralogen  zu  beschäftigen 
haben.  Es  ist  dabei  abgesehen  von  den  Felsarten,  welche  sich  bei 
der  Petrifikation  beteiligt  haben ;  es  würde  eine  Untersuchung  dieser 
Frage,  welche  rein  geognostischer  Natur  wäre  ,  hier  zu  weit  führen 
und  wie  ich  glaube,  auch  nicht  das  gleiche  Interesse  beanspruchen 
können,  wie  die  oben  behandelten  Mineralien,  welche  bei  dem  Ver- 
steinerungsprozess  in  Betracht  kommen. 

Auch  diese  rein  mineralogische  Abhandlung  konnte  in  vielem 
nichts  Neues  bringen ,  sie  sollte  bloss  eine  vollständige  Zusammen- 
stellung der  in  Betracht  kommenden  Mineralien  bieten,  eine  Zusammen- 
stellung, wie  sie  nach  unserem  Dafürhalten  in  den  Jahresheften  eines 
naturhistorischen  Vereines  von  Schwaben  nicht  fehlen  sollte. 

II. 
Ueber  Grenzlinien  in  der  Trias. 

Von  Prof.  Dr.  O.  Fraas. 

Hinweisend  auf  die  von  Herrn  R.  Blezinger  ausgestellte  reiche 
Sammlung  von  Fossilen  des  Muschelkalks  und  Keupers  sprach  er 
folgendes : 

Eine  der  wichtigsten  geognostischen  Grenzen,  die  es  überhaupt 
in  der  Schichtenfolge  auf  Erden  gibt  und  die  namentlich  die  schwä- 
bische Trias  trennt ,  liegt  zwischen  Hauptmuschelkalk  und  Letten- 
kohle. Sie  zeichnet  sich  durch  ein  Bonebed  aus,  das  seit  einem 
halben  Jahrhundert  die  Augen  der  Wissenschaft  auf  sich  gezogen 
hat  und  noch  mit  jedem  Jahre  neue  Reize  entfaltet.    Am  deutlichsten 


—     57     — 

micl  schönsten  ist  die  Grenzschichte  in  der  nächsten  Nähe  von  Crails- 
heim zu  sehen,  wo  wir  heute  unsere  Generalversammlung  abhalten. 
Die  Grenze  stimmt  merkwürdigerweise  mit  der  politischen  Grenze, 
wie  sie  glücklicherweise  nur  kurze  Zeit  existierte.  Im  Jahre  186G 
konnte  man  von  der  Kocherhnie  reden  als  einer  Art  Mainlinie,  be- 
stand doch  in  dem  genannten  Jahre  während  einiger  Monate  eine 
militärische  Grenzlinie,  die  aber  glücklicherweise  nie  zu  einer  Schei- 
dung der  schwäbischen  und  fränkischen  Stämme  geführt  hat.  Der 
Kocher  macht  keine  Ausnahme  unter  den  Flüssen,  welche  samt  und 
sonders  ihre  beiden  Ufer  nicht  trennen  sondern  verbinden ,  so  sind 
denn  auch  die  Ufer  des  „jagenden"  und  des  „kochenden"  Flusses 
unter  sich  picht  getrennt,  sondern  durch  einerlei  Bevölkerung  ver- 
bunden, welche  an  den  Ufern  sitzt. 

In  uralte  Zeiten  datieren  die  Grenzlinien  der  Trias  zu- 
rück, entstanden  beim  Wechsel  von  Festland  und  Meer,  Wechsel, 
die  wohl  zu  allen  Zeiten  vor  sich  gingen  wie  sie  heute  noch  vor 
sich  gehen,  aber  nun  gerade  in  der  Mitte  der  Triaszeit  besondere 
'Spuren  in  den  Zahn-  und  Beinbetten  (Bonebeds)  hinterlassen 
haben.  Die  inhaltreichen  Bonebeds  machen  die  Crailsheim  er  Gegend 
zu  einer  der  wertvollsten  Gegenden,  indem  hier  als  auf  der  Scheide 
der  alten  und  der  neuen  Zeit  die  Reste  der  Lebewesen  erhalten 
blieben,  und  zwar  soweit  sie  der  Zerstörung  durch  Fäulnis  nicht 
unterlagen,  bis  auf  die  zartesten  Gräte  und  Zähnchen  hinaus.  Solche 
Reste  aus  dem  Bonebed  zu  sammeln  und  vor  der  Zerstörung  zu 
retten,  ist  eine  wahre  Wonne.  Wir  können  daher  auch  das  Ver- 
dienst von  Herrn  R.  Blezinger  nicht  hoch  genug  anschlagen,  der 
seit  Jahren  die  Funde,  die  beim  Abräumen  des  Bonebeds  gemacht 
worden,  sorgfältig  sammelt  und  prüft.  Zwei  Welten  finden  wir  in 
dem  Bonebed  aneinander  gereiht,  eine  absterbende  Welt,  die  in  der 
palaeozoischen  Zeit  ihre  höchste  Blüte  erreicht  hatte  und  eine  neu- 
auflebende, welche  im  Keuper  zur  vollen  Entwickelung  kommt.  In 
der  einen  stossen  wir  auf  die  letzten  Reste  jener  Panzerfische,  welche 
das  palaeozoische  Meer  bevölkerten  und  beherrschten.  Mit  diesen 
letzten  Resten  sind  aber  bereits  auch  die  Erstlinge  der  Neuzeit  ver- 
gesellschaftet, Haifische  und  Rochen  als  Vertreter  der  heutigen  Lebe- 
Avelt  im  Meer.  Die  Tiergruppe  der  Knorpelfische  ist  nun  freilich 
fast  nur  durch  vereinzelte  Zähne  und  durch  Koprolithen  vertreten, 
welche  denn  auch  im  Crailsheimer  Bonebed  die  wichtigsten  und  zahl- 
reichsten Erfunde  bilden.  Bei  der  Beschaffenheit  des  Dünndarms 
dieser  Fische,  die  sich  an  ^en  spiralen  Falten  leicht  erkennen  lassen, 


—     58     — 

sind  die  Koprolithen  oder  vielmehr  der  mit  den  harten  Speiseresten 
erfüllte  Dünndarm  die  einzigen  Zeugen  der  Existenz  dieser  Tiere. 
Daneben  sind  es  Fetzen  von  Schildern  und  Hautknochen  und  von 
Zähnen ,  wrelche  das  Bonebed  erfüllen.  Die  wissenschaftliche  Be- 
arbeitung dieser  Reste  besteht  nun  in  der  Restituierung  der  Fische 
und  Reptile,  von  w^elchen  sie  stammen,  um  dann  mit  der  Zusammen- 
stellung dieser  Lebewesen  ein  Bild  aus  dieser  weit  entlegenen  Trias- 
Welt  zu  bekommen. 

III. 

Einiges  zur  Geologie  des  Muschelkalks  und  der  Lettenkohle. 

Von  Amtsrichter  Dr.  Bertsch  in  Hall. 

Der  geehrte  Herr  Vorredner  hat  soeben  davon  gesprochen,  das 
Gebiet  des  oberen  Muschelkalks,  der  Lettenkohle  und  des  Keupers 
sei  so  eigentlich  „das  Land  der  Grenzen".  Wie  sehr  dieser  Satz 
der  Wahrheit  entspricht,  habe  ich  selbst  erst  in  jüngster  Zeit  bei 
meinen  vielfachen  Studien  dieser  Formationen  in  der  Haller  Gegend 
erprobt.  Es  ist  kaum  eine  Gegend  zu  finden,  wo  der  Wechsel  der 
Gesteine  sich  so  deutlich  verfolgen  lässt,  wie  hier.'  Die  in  den 
Flussthälern  zumeist  hervortretenden  mauerartigen  Kalkwände  des 
Hauptmuschelkalks  sind  ja  nirgends  zu  verkennen ,  mit  dem  Auf- 
treten der  Lettenkohle  nimmt  aber  das  Gestein  wie  mit  einem  Schlage 
einen  anderen  Charakter  an.  Es  muss  hier  offenbar  eine  sehr  grosse 
vielleicht  rasch  verlaufende  Änderung  der  Erdoberfläche  bezw.  in 
deren  Meeresbedeckung  vor  sich  gegangen  sein.  Der  Unterschied 
ist  so  bedeutend,  dass  man  versucht  sein  könnte  zu  glauben,  es  sei 
vielleicht  zwischen  der  Bildung  beider  Formationen  ein  längerer 
Zwischenraum  gelegen,  ehe  man  sich  dazu  entschliesst ,  eine  so 
plötzliche  Veränderung  alles  Bestehenden  anzunehmen.  Während 
der  Hauptmuschelkalk  ausschliesslich  Meerestiere  einschliesst,  treten 
nun  Süsswasserpflanzen  und  Tiere  auf,  die  grossen  Kalkmassen  wei- 
chen den  oft  nicht  minder  mächtigen  Lagern  des  Lettenkohlesand- 
steins, der  Wechsel  der  Gesteine  geht  so  rasch  vor  sich,  dass  man 
an  manchen  Orten  die  Hand  auf  die  Grenze  legen  kann.  Gerade 
in  der  Haller  Gegend ,  wo  Muschelkalk  und  Lettenkohle  in  seltener 
Schönheit  entwickelt  sind ,  sind  auch  die  Grenzen  zwischen  beiden 
Formationen  in  seltener  Schönheit  gezeichnet.  Wenn  je  einmal  der 
Beweis  für  den  Satz  geliefert  werden  sollte,  dass  der  Begriff  der 
geologischen  Formation  ein  in  der  Natur  durchaus  begründeter  sei, 
so  könnte  er  hier  am  schönsten  erbracht  werden. 


—     59     — 

Zwischen  beide  Formationen  schiebt  sich  nur  ein  MittelgUed 
hinein ,  welches  einigermassen  den  Übergang  vermittelt ,  es  ist  das 
sog.  Bonebed.  Offensichtlich  ist  mit  dem  Wechsel  von  Meer-  und 
Süsswasserbedeckung  ein  grosses  Sterben  von  Tieren  verknüpft  ge- 
wesen ,  welche  dem  zurückweichenden  Meere  nicht  schnell  genug 
folgen  konnten ;  es  Hesse  sich  sonst  nicht  leicht  erklären ,  weshalb 
in  einer  so  kleinen  Zwischenschicht  so  massenhaft  Tierreste ,  insbe- 
sondere von  Fischen  und  Fischsauriern  abgelagert  sein  sollten.  Ein 
ähnlicher  oder  der  gleiche  Vorgang  bietet  sich  unserem  Auge  wieder 
am  Ende  der  Keuper-  und  mit  Beginn  der  Juraformation,  also  dem- 
selben Kampf  zwischen  Süsswassern  und  Meerwassern.  Es  sind 
sogar  beinahe  noch  dieselben  Tiere ,  die  wir  hier  wieder  begraben 
finden ,  '  es  sind  vorwiegend  Acrodtis-  und  Saiirichthys-Avien.  Man 
darf  es  deshalb  wohl  als  nicht  ganz  zutreffend  bezeichnen ,  wenn 
Dr.  Engel  in  seinem  „geognostischen  Wegweiser"  dieses  auf  die 
Muschelkalkformation  folgende  Bonebed  als  unterstes  Glied  in  die 
Lettenkohle  einreiht,  während  er  dasjenige  zwischen  Trias  und  Lias 
ganz  richtig  als  ein  Zwischen-  oder  Übergangsgebilde  behandelt ;  schon 
darum  nicht,  weil  sonst  z.  B.  bei  Crailsheim  eines  der  beiden  auf- 
einanderfolgenden Bonebede  zum  Muschelkalk,  das  andere  zur  Letten- 
kohle gestellt  werden  müsste.  Sei  dem  nun,  wie  ihm  wolle,  merk- 
würdig ist  jedenfalls  die  verschiedenartige  Gestalt,  in  der  wir  das 
Bonebed  vorfinden.  In  der  Haller  Gegend  z.  B.  oben  an  der  neuen 
Strasse  von  Steinbach  zum  Bahnhof  Hessenthal  ist  es  ein  höchstens 
2 — 3  cm  dickes,  chokoladefarbiges  Sandsteinbänkchen  mit  Kopro- 
lithen und  Fischzähnen,  das  unmittelbar  auf  der  letzten  Kornstein- 
bank des  Muschelkalks  aufliegt,  in  manchen  Fällen  sogar  mit  der- 
selben verbunden  zu  sein  scheint,  welchenfalls  es  wie  ein  dünner 
Kuchen  auf  dasselbe  gewalzt  ist.  Wieder  in  anderen  Fällen  z.  B. 
oben  an  der  Heimbacher  Steige  ist  es  eine  nur  schwer  zu  findende 
braun  gefärbte  Bank  über  den  dort  sich  findenden  Trigonodus-J)o\o- 
miten,  welche  wenig  oder  gar  keine  Tierreste  enthält.  Hier  folgen 
dann  noch  einige  dolomitische  Bänke,  von  denen  es  schwer  zu  sagen 
ist,  wohin  sie  zu  stellen  sind,  "bis  die  Mergel  der  Lettenkohle  be- 
ginnen. An  der  Steige  nach  Gottwollshausen  oben  rechts  lässt  sich 
das  der  obersten  Blaubank  aufgelagerte  Bonebed  wie  ein  dünnes 
Plättchen  von  chokoladebrauner  Farbe  leicht  abnehmen.  Zwei  über- 
einanderlagernde  Bonebedschichten  lassen  sich  in  der  Haller  Gegend 
nicht  nachweisen,  auch  ist  der  Fall  ein  seltener,  dass  der  Werkstein 
der  Lettenkohle   unmittelbar  auf  den  Kalkbänken    des  Muschelkalks 


—     60     — 

aufsetzt,  wobei  ein  Teil  des  Bonebeds  mit  den  Werksteinen  verwach- 
sen wäre.  In  der  Regel  (so  bei  Hessenthal  u.  a.  Orten)  schiebt  sich 
zwischen  Bonebed  und  Werkstein  noch  eine  1  —  2  m  mächtige 
Mergelschicht  dazwischen,  die  mannigfach  von  dolomitischen  Bänken 
durchzogen  ist,  bis  der  Sand  die  Oberhand  gewinnt. 

Was  die  Fauna  des  Hauptmuschelkalks  betrifft,  so  ist  dieselbe 
bekanntlich  eine  höchst  einförmige ;  da  wo  überhaupt  versteinerte 
Tiere  gefunden  werden,  und  der  Fall  ist  in  Württemberg  selten  ge- 
nug, sind  es  immer  die  nämlichen  Arten.  Es  ist  in  den  untersten 
Bänken  der  in  ungeheurer  Zahl  verbreitete  Encrinus  liliiformis,  von 
dem  diese  ihre  Namen  haben ,  sodann  weiter  noch  etwa  Cidarts 
grandaevus ,  die  TerehraUda  vulgaris,  Gervülia  socialis,  Mytilus 
eduliformis,  Ostrea  diformis,  decemcostata,  sessüis  etc.  Weiter  oben 
von  Cephalopoden  der  Ceratitcs  nodosns  und  Ämmonites  semipartitus, 
von  Zweischalern  hier  besonders  das  Heer  der  Myaciten,  Myophorien, 
Limen  etc. 

Auf  einen  Punkt  möchte  ich  hier  aufmerksam  machen,  der 
gewiss  einer  Erwähnung  wert  ist.  So  sehr  nämlich  im  allgemeinen 
jede  Art  den  ihr  eigenen  Charakter  durch  die  ganze  Schicht  beibe- 
hält, so  vielfach  begegnet  man  anderseits  Formen,  welche  den  Syste- 
matiker in  Verlegenheit  setzen.  Oft  finden  sich  nämlich  zweifelhafte 
Stücke ,  von  denen  man ,  selbst  wenn  man  sie  in  allen  Teilen  un- 
verletzt bekommt,  nicht  weiss,  ob  man  sie  der  grossen  Familie  der 
Myophorien  oder  Myaciten  zuteilen  soll.  Ich  habe  mir  schon  eine 
grössere  Zahl  solcher  Stücke  gesammelt  und  hoffe  dieselben  noch 
vermehren  zu  können.  Dass  nicht  mir  allein  dieser  Umstand  auf- 
gefallen ist,  beweist  die  Anzahl  von  Namen,  welche  man  den  ein- 
zelnen Varietäten  beigelegt  hat  (vergl.  Fraas,  Geognost.  Beschrei- 
bung etc.  S.  37,  Engel,  Wegweiser,  S.  40),  die  in  der  Schicht 
wohl  schwer  zu  finden  sein  werden,  wenn  man  sie  suchen  wollte. 
Sodann  aber  stimmt  meine  Beobachtung  durchaus  überein  mit  dem, 
was  QuENSTEDT,  Petrefakteukunde  III.  Aufl.  S.  854,  erwähnt,  dass  an 
dem  Heer  der  Myaciten  bis  jetzt  alle  Versuche  gescheitert  seien, 
deren  systematische  Stellung  zu  entziffern.  Hier  hat  man  also  mit 
der  Benennung  der  Arten  freie  Hand ;  wenn  dieselben  nur  im  Buche 
stehen  und  abgebildet  sind.  Ob  aber  damit  der  Wissenschaft  ein 
Dienst  geleistet  ist,  ist  die  andere  Frage.  Wenn  sich  nun  auch 
zwischen  einzelnen  Stücken  dieser  zweimuskeligen  Conchiferen  eine 
äussere  Schalenähnlichkeit  vorfindet,  so  ist  doch  nicht  sicher,  inwie- 
weit  dieselbe    auf   einem   verwandtschaftlichen  Verhältnisse    beruht. 


--     61     — 

Darüber  lassen  sich  heutzutage  zwar  Vermutungen  mancher  Art 
aufstellen,  etwas  sicheres  wird  sich  wohl  kaum  ergründen  lassen. 
Ein  weiterer  Umstand,  welcher  meines  Wissens  noch  nirgends 
besonders  erwähnt  ist,  verdient  unsere  Beachtung.  Wir  dürfen,  glaube 
ich,  die  Muschelkalkformation  als  dasjenige  Zeitalter  ansehen,  in  wel- 
chem sich  bei  den  Cephalopoden  die  zerschlitzten  und  gespaltenen 
Loben  gebildet  haben.  Es  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  diese 
Bildung  das  langsame  Kesultat  eines  allmählichen  Entwickelungs- 
prozesses  ist,  dessen  Anfang  wir  hier  zu  suchen  haben.  Die  Sache 
geht  folgendermassen  zu.  Es  lässt  sich  bei  Ceraütes  nodosus  viel- 
fach eine  Vermehrung  in  den  Krümmungen  der  Lobenlinien  nach- 
weisen, die  zuerst  eine  einfache  gekrümmte  Linie  darstellen.  Später 
treten  an  den  Loben,  die  bis  dahin  von  den  Sätteln  sich  nicht  un- 
terscheiden, kleine  strichartige  Fortsätze  auf,  oft  nur  wenige,  oft 
auch  eine  ganze  Anzahl,  welche  dem  Lobus  die  runde  Form  be- 
nehmen und  in  eine  spitzige  verwandeln.  Zumeist  geht  die  Zer- 
spaltung  beim  Rückenlobus  zuerst  vor  sich,  welcher  schon  zerspalten 
sein  kann,  während  die  anderen  Loben  erst  die  Ansätze  hierzu  zei- 
gen, und  verbreitet  sich  dann  auch  auf  die  Seitenloben.  Es  ist 
dieser  Vorgang  schon  bei  dem  tiefer  liegenden  Ceraütes  nodosus 
zu  beobachten,  noch  deutlicher  bei  dem  Ammonites  semipdrtitus, 
welcher  offenbar  der  Nachfolger  des  ersteren  ist  und  dem  wohl  wegen 
seiner  schon  mehr  zerspaltenen  Loben ,  seiner  flacheren  an  Ammo- 
niten  erinnernden  Scheibe  der  Name  eines  Ammoniten  beigelegt  wor- 
den ist,  obwohl  er  sonst  im  allgemeinen  seinem  Vorgänger  durchaus 
gleicht.  QuENSTEDT  bildet  in  seiner  Petrefaktenkunde  Taf.  42  einen 
Amm.  dux  aus  dem  Hauptmuschelkalk  von  Rüdersdorf  ab ,  welcher 
schon  vollständig  zerspaltene  Loben  zeigt.  Welcher  Vorteil  freilich 
für  das  Thier  damit  verknüpft  war,  wenn  es  zerspaltene  Loben  hatte, 
lässt  sich  jetzt  nur  annähernd  vermuten.  Sicher  ist,  dass  dadurch 
die  Anheftungslinie  des  Tierkörpers  an  die  von  ihm  erbaute  Schale 
um  ein  vielfaches  verlängert,  und  somit  der  Halt  des  Tierkörpers 
innerhalb  seines  Hauses  ein  viel  festerer  wurde.  War  letzteres  aber 
der  Fall,  so  musste  das  Tier  auch  ebendamit  energischere  Schwimm- 
bewegungen ausführen  können  und  würde  das  einen  wesentlichen 
Fortschritt  für  das  Tier  bedeuten.  Oder  war  mit  dieser  Lobenzer- 
spaltung  vielleicht  der  innere  Aufbau  des  Gehäuses  ein  vereinfachter, 
was  sich  jetzt  freilich  nicht  mehr  leicht  wird  ermessen  lassen,  und 
kann  es  genügen  auf  diese  Thatsache  behufs  weiterer  Untersuchungen 
aufmerksam  gemacht  zu  haben. 


—     62     — 

Was  die  Fauna  des  Bonebeds  betrifft,  so  wird  diese  uns  auf 
«inen  Umstand  hinweisen,  der  ein  interessantes  Licht  auf  den  Cha- 
rakter der  Formation  wirft.  Es  ist  das  Vorkommen  der  Ceratoden, 
d.  h.  einer  Fischart,  welche  mit  Kiemen  und  Lungen  zugleich  atmet 
und  die  vielleicht  nach  dem  jetzigen  Vorkommen  der  Gattung  zu 
schliessen  sich  ebenso  leicht  dem  Süsswasser  als  dem  Meerwasser 
anpassten.  Es  müssen  hier  Zustände  geherrscht  haben,  welche  die 
Tiere  (meist  Meertiere)  nötigten,  zeitweise  mit  Lungen  zu  atmen, 
man  müsste  denn  nur  annehmen,  dass  die  damals  lebenden  Cerato- 
den noch  keine  Doppelatmung  gehabt  haben.  Es  muss  demnach  das 
Meer,  in  welchem  das  Bonebed  sich  niederschlug,  ein  seichtes,  im 
Abziehen  begriffenes  gewesen  sein,  sonst  wäre  die  Lungenatmung 
für  das  Tier  eine  ganz  unnütze  Ausstattung  gewesen.  Weiter  aber 
weist  das  Vorhandensein  eines  Sammeltypus  in  der  Fischwelt,  der 
Saurichthyer  mit  ihren  Varietäten  darauf  hin ,  dass  das  Meer  und 
Land  miteinander  im  Kampfe  standen,  da  nach  allem  zu  schliessen 
diese  Tiere  zum  Teil  für  eine  amphibische  Lebensweise  organisiert 
waren,  zum  Teil  diejenige  von  Fischen  führten.  Die  Nachfolger 
dieser  Saurier  können  die  grossen  Froschsaurier  der  Lettenkohle  sein, 
welche  seinerzeit  bei  Gaildorf  gefunden  wurden. 

Aus  der  Region  der  Blaukalksteine  unmittelbar  unterhalb  des 
Bonebeds  ist  dann  zu  bemerken,  dass  hier  in  der  Umgebung  Halls 
die  ganze  Bank  von  einer  Unzahl  von  Muschelsteinkernen  durchsetzt 
ist,  welche  dem  Kalkstein  einen  ähnlichen  Charakter  verleihen,  wie 
dies  bei  dem  Siessener-  oder  Baltringer  Meeressandstein  der  Fall 
ist.  Meistens  ist  es  der  Tri<jonodus  Sandberg eri^  der  hier  im  Stein- 
kern enthalten  ist,  seltener  die  Trigonia  Goldfussi,  öfters  findet  sich 
auch  eine  kleine  Nucida  oder  Ostracodenschälchen  im  Gestein.  Man 
hat  daher  diesen  oolithischen  Kornstein,  der  so  eigentlich  aus  Muschel- 
trümmern zusammengesetzt  ist,  nach  diesem  Trigonodus  benannt, 
obwohl  die  Benennung  Dolomit  nicht  ganz  entsprechen  dürfte.  Es 
dürfte  auch  diese  grosse  Anzahl  von  Muscheltrümmern  darauf  hin- 
weisen, dass  wir  ein  seichteres  Meer  bekommen,  an  dessen  Strande 
sich  die  Reste  der  Meerbewohner  absetzten. 

Zu  bedjauern  ist,  dass  im  Hauptmuschelkalk  von  den  grösseren 
Meertieren,  und  es  müssen  solche  gelebt  haben,  namentlich  Saurier, 
so  wenig  Spuren  mehr  zu  finden  sind ,  kaum  dass  man  hie  und  da 
einen  Knochen  vereinzelt  findet,  von  dem  aus  aber  selbst  wenig 
Schlüsse  auf  das  Tier  gezogen  werden  können. 

Ich  darf  noch  auf  das  eigentümliche ,  faziesartige  Vorkommen 


—     63     — 

<des  Encrinus  liliiformis  aufmerksam  machen.  Dieses  Tier  ist  den 
untersten  Schichten  des  Hauptmuschelkalks  durchaus  nicht  gemein, 
sondern  es  sind  nur  einzelne  bevorzugte  Plätze  mit  Encrinus  be- 
völkert. Ist  das  Tier  aber  vorhanden,  dann  hält  es  stets  diesen 
untersten  Horizont  des  Hauptmuschelkalks  fest,  und  zwar  in  so  massen- 
hafter Verbreitung,  dass  das  ganze  Gestein  aus  diesen  Resten  be- 
steht. Bei  Hall  sind  an  den  Gehängen  gegen  die  Stadt  kaum  Spuren 
des  Encrinus  zu  finden,  biegt  man  aber  bei  Steinbach  um  die  Ecke 
auf  dem  Weg  gegen  Tullau,  so  ist  sogleich  der  erste  Fels  mit  Massen 
von  Encrinus-^WoiQw  erfüllt.  Es  muss  hier  der  Grund  eines  warmen 
nicht  zu  tiefen  Meeres  den  Tieren  behagt  haben ,  dass  sie  sich  auf 
demselben  wie  auf  einer  Meerwiese  ansiedelten  und  fortpflanzten, 
während  sich  Terebrateln,  Seeigel,  Austern  u.  a.  Tiere  ihnen  bei- 
gesellten. Der  Ceratites  nodosus  scheint  die  Gesellschaft  der  See- 
lihen  gemieden  zu  haben,  denn  bis  jetzt  wurde  in  den  Encriniten- 
«chiehten  noch  kein  solcher  gefunden,  während  er  sofort  über  den- 
selben häufig  ist. 

Was  noch  die  Schnirkelschnecken  des  Hauptmuschelkalks  be- 
trifft, so  kommt,  abgesehen  von  einigen  ganz  kleinen  Arten,  eigent- 
lich nur  eine  solche  zahlreicher  vor,  die  aber  sehr  stark  variiert. 
Gewöhnlich  hilft  sich  der  Systematiker  damit,  dass  er  die  kleineren 
Exemplare  noch  als  Melania  ScJihtheimi  bezeichnet,  die  aus  den 
Wellenkalken  über  das  Salzgebirge  herüber  sich  im  Hauptmuschel- 
kalk fortsetzt,  den  grösseren  aber  den  Namen  Fiisiis  HeJili  beilegt. 
Offenbar  ist  in  dem  ähnlichen  Gehäuse  das  gleiche  Tier  gesteckt, 
denn  nur  die  Grösse  desselben  bietet  hier  das  unterscheidende  Merk- 
mal ,  das  ganze  Gewimmel  von  Namen ,  welche  besondere  Abarten 
(Trochus,  Pleurotomaria ,  Turhonüla  etc.)  bezeichnen  sollen,  bildet 
einen  für  den  Geologen  unnützen  Ballast.  Mag  man  auch  manch- 
mal dazu  verleitet  sein ,  ein  besonders  stark  verändertes  Stück  mit 
einem  neuen  Namen  zu  kennzeichnen,  so  sollte  man  doch  anderseits 
bedenken,  wie  schwer  es  hält,  eine  solche  Spezies  festzuhalten  und 
wieder  ähnliche  Stücke  im  Gebirge  zu  finden.  Das  Studium  des 
alpinen  Muschelkalks,  von  dem  ich  erst  neuerdings  wieder  interes- 
sante Stücke  gesehen  habe,  dürfte  auch  hier  in  noch  so  manche 
ungelöste  Frage  neues  Licht  bringen. 


64     — 


IV. 


lieber  die  Fortpflanzung  des  Proteus  anguineus  und  seine 

Larve. 

Von  Mediziualrat  Dr.  Zeller  in  Winnenthal. 

Der  Redner  teilte  mit,  da.ss  es  ihm  nach  langen  vergeblichen 
Bemühungen  in  diesem  Jahre  gelungen  sei,  von  seinen  in  einem 
Gartenbassin  gehaltenen  Olmen  (Proteus  angiiineus) ,  76  und  zwar 
vom  14.  bis  zum  16.  April  abgelegte  Eier  zu  erhalten  und  zeigte 
einen  10  Wochen  alten,  aus  den  Eihüllen  herausgeschnittenen  Em- 
bryo vor,  an  welchem  ein  scharf  nach  vorn  abgesetzter  Flossensaum 
und  die  noch  zapfenförmige  Anlage  der  Kiemenbüschel  wie  der  vor- 
deren Gliedmassen  zu  erkennen  war.  Eine  ausführliche  Beschreibung 
folgt  unter  den  Abhandlungen  dieses  Jahrgangs. 


Ueber  einige  Gegenstände  aus  dem  Gebiete  der 

Geophysik. 

Von  Dr.  J.  Probst  in  Essendorf. 

Bei  gewissen  Materien  aus  jenem  Gebiete  der  Geologie  und 
Palaeontologie,  welches  in  neuester  Zeit  als  „Geophysik"  (Günther, 
Gerland)  abgezweigt  wird,  stosst  man  auf  das  weitverbreitete  Vor- 
urteil, als  ob  in  diesen  Dingen  nur  Hypothesen  und  Spekulationen 
bestehen  und  dass  man  darin  nicht  wesentlich  weiter  kommen  könne. 
Das  ist  jedenfalls  ein  lähmendes  Vorurteil.  Es  mag  ja  gerne  zu- 
gestanden werden,  dass  man  auch  auf  diesem  Gebiete  der  Hypo- 
thesen nicht  völlig  sich  entschlagen  könne ,  wie  es  auch  in  allen 
andern  Zweigen  der  Naturwissenschaft  vorkommt ;  aber  ebenso  richtig 
ist,  dass  eine  Achtung  gebietende  Anzahl  von  soliden  Beobachtungen 
jetzt  schon  auch  auf  diesem  neu  abgegrenzten  Wissensgebiete  vorliegt, 
die  man  allerdings  kaum  angefangen  hat  zu  verwerten  d.  h.  in  ihrem 
ursächlichen  Zusammenhang  aufzufassen. 

In  ähnlicher  Weise  und  mit  gleichem  Rechte  könnte  man  be- 
haupten :  über  die  Gestirne ,  die  für  uns  so  unnahbar  sind ,  könne 
man  nur  in  Spekulationen  sich  ergehen.  Es  gab  auch  eine  Zeit, 
welche  sich  dieses  Gegenstandes  in  keiner  andern  Weise  zu  be- 
mächtigen wusste.  Allein  man  hat  die  Messinstrumente,  das  Fern- 
rohr und  das  Spektroskop  auf  dieselben  in  Anwendung  gebracht 
und  auf  Grundlage  dieser  Beobachtungen,  die  freihch  auch  in  ihren 
ersten  Anfängen  weder  vollständig  noch  von  positiven  Irrtümern  frei 
waren,  ist  die  Wissenschaft  der  Astronomie  erwachsen,  der  man 
seine  Hochachtung  nicht  wird  vorenthalten  können.  So  bei  allen 
Zweigen  der  Naturwissenschaft ;  alle  sind  von  sehr  bescheidenen  An- 
fängen ausgegangen  und  langsam  gewachsen ,  ohne  dass  man  auch 
nur  von  einer  einzigen  sagen  könnte,  dass  ihre  Vollendung  erreicht  wäre. 
Man  muss  sich  aber  darauf  gefasst  machen,  dass  ein  herzhafter 
Schritt  in  das  Gebiet  der  Geophysik  hinein  vielfach  mit  Misstrauen 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  WUrtt.    1889.  5 


—     66     — 

aufgenommen  werde.  Man  wird  gerne  vor  das  Dilemma  gestellt; 
entweder  streng  mathematische  Beweisführung  oder  ideale  Speku- 
lation, d.  h.  Verzicht  auf  exakte  naturwissenschaftliche  Behandlung. 
Dieses  Dilemma  ist  aber  nicht  berechtigt. 

Bei  einer  grossen  Anzahl  von  naturwissenschaftlichen  und  an- 
deren Wissenszweigen  kann  ein  solides  thatsächliches  Ver- 
ständnis gewonnen  werden  oder  wenigstens  angebahnt  werden,  die 
einer  mathematischen  Behandlung  für  jetzt  und  vielleicht  für  alle 
Zeit  unzugänglich  sind ;  und  doch  kann  einer  Arbeit  eine  ganz  an- 
dere Bedeutung  zukommen,  als  die  einer  idealen  Spekulation,  wenn 
nämlich  die  Grundlagen  derselben  und  die  gesamte  Methode  eine 
ganz  andere  ist. 

Das  wird  zutreffen,  wenn  die  Ausgangspunkte  der  Arbeit 
nicht  willkürliche  Unterstellungen  sind,  sondern  objektive  Beobach- 
tungen. Ferner,  wenn  die  Beobachtungen  nicht  bloss  als  Ausgangs- 
punkte dienen,  sondern  auch  fortlaufend  als  Kontrolle  herangezogen 
werden.  Die  Beobachtungen  müssen  die  Wegweiser  für  das  ge- 
samte Verfahren  bilden.  Dass  dann  aber  bei  der  Verwertung  der- 
selben auch  Yon  den  Denkgesetzen  Gebrauch  gemacht  wird,  sollte 
nicht  befremden  können.  Wir  verkennen  dabei  nicht,  dass  eine 
thatsächliche  Begründung  noch  lange  nicht  die  höchste  Stufe  der 
Erkenntnis  ist ;  aber  sie  ist  doch  der  Anfang  derselben. 

Die  Lückenhaftigkeit  des  Materials  kann  sich  allerdings  da  und 
dort  in  unangenehmer  Weise  fühlbar  machen,  aber  noch  befremden- 
der ist  die  Wahrnehmung,  dass  in  manchen  Kreisen  selbst  da  eine 
Lückenhaftigkeit  oder  ein  gänzlicher  Mangel  an  Beobachtungen  irr- 
tümlicher Weise  vorausgesetzt  wird,  wo  durchaus  keiner  besteht, 
eine  Leere  da,  wo  eine  Fülle  von  Beobachtungen  besteht ;  sichtlich 
nur  aus  dem  Grunde,  weil  man  dieselben  zu  wenig  kennt  oder  das 
Gewicht  derselben  wesentlich  unterschätzt. 

Das  gilt  besonders  von  den  Gebieten  der  Palaeontologie ,  spe- 
zieller der  Phytopalaeontologie.  Diese  hat  in  dem  Jahrzehnt 
1870 — 1880  durch  die  Arbeiten  von  Oswald  Heer  in  Zürich  so  we- 
sentliche Fortschritte  gemacht  und  ihre  Lücken  so  wesentlich  aus- 
gefüllt, wie  es  nur  selten  in  den  Annalen  der  Wissenschaft  für  eine 
so  kurze  Zeit  zu  verzeichnen  sein  wird;  durch  Heer  ist  eine  neue 
Welt  aufgeschlossen  worden^. 

*  "Wir  verweisen  hierbei,  ausser  auf  die  Werke  Heer's  selbst,  auch  auf 
das  sehr  eingehend  und  sachlich  gehaltene,  treffliche  Werk  von  Prof.  Schröter: 
Lebensbild  von  Osw.  Heer.  Zürich  1885,    besonders  auf  den  dritten  Abschnitt, 


—     67     — 

Es  ist  aber  nicht  zu  leugnen,  wenn  auch  zu  bedauern,  dass  die 
Arbeiten  Heer's,  besonders  seine  Polarflora,  nur  in  kleineren  natur- 
wissenschaftlichen Kreisen  genügend  gewürdigt  werden,  in  weiten 
Kreisen  aber  als  unbequem  beiseite  gelassen  oder  vielleicht  auch 
kaum  gnügend  bekannt  zu  sein  scheinen  ^ 

unter  solchen  Umständen  ist  nicht  zu  verwundern,  dass  eine 
Arbeit,  welche  zu  einem  wesentlichen  und  ganz  integrierenden  Teil 
auf  den  HEEK'schen  Arbeiten  fusst,  auf  das  Vorurteil  stossen  dürfte, 

welcher  die  umfassendste  und  wichtigste  Abteilung  des  ganzen  Buches  ist  von 
S.  120 — 344.  Der  Leser,  dem  die  umfangreichen  Werke  von  Heer  nicht  selbst  zu 
Gebot  stehen,  erlangt  durch  dass<"lbe  einen  gründlichen  Einblick  in  die  umfassende 
und  gediegene  Thätigkeit  Heer's,  zumal,  da  von  dem  Verf.  auch  die  Korrespon- 
denz desselben  verwertet  wird. 

*  Als  Beleg  dafür,  dass  hiermit  nicht  zuviel  gesagt  sei,  mögen  einige  Bei- 
spiele aus  der  neuesten  Litteratur  dienen.  Prof.  Neumayr  (Erdgeschichte  I. 
1886  und  II.  1887)  kommt  in  seinem  vortreiflichen  Werke  an  verschiedenen 
Stellen  auf  diesen  Gegenstand  zu  sprechen,  woraus  hervorgeht,  dass  ihm  der 
durch  Heer  errungene  neueste  Standpunkt  der  Phytopalaeontologie  und  die  kli- 
matischen Anforderungen  desselben  recht  wohl  bekannt  sind  (1.  c.  Bd.  II,  S.  508, 
346);  aber  er  betrachtet  diesen  Gegenstand  als  ein  ungelöstes  und  sogar  als  un- 
lösbares Rätsel  (cf.  1.  c.  Bd.  II,  S.  649).  Woeikof  (Klimate  der  Erde  1887) 
kennt  diesen  Standpunkt  gleichfalls,  legt  sich  aber  eine  nach  unserem  Dafürhalten 
zu  strenge  Reserve  auf  in  der  Beurteilung  und  Anerkennung  desselben  (cf.  1.  c. 
Bd.  I,  S.  256).  Vorsicht  ist  ja  prinzipiell  gewiss  gerechtfertigt  und  geboten. 
Allein  aus  Grönland  und  Spitzbergen  liegen  doch  nicht  bloss  wenige  Einzelfunde 
vor,  deren  Deutung  keine  Sicherheit  geben  könnte,  sondern  ein  ganz  überraschend 
reiches  Material.  Eine  einzige  Sendung  aus  Grönland  über  Kopenhagen  nach 
Zürich  füllte  25  Kisten.  Ein  so  gewaltiges  Material  aus  diesen  Gegenden,  in 
denen  heute  gar  keine  Holz  Vegetation  mehr  besteht  und  das  in  so  erfahrene 
Hände  gelangt  ist,  darf  doch  als  eine  geeignete  Grundlage  zu  Schlüssen  über 
das  Klima  betrachtet  werden.  In  andern  Werken  aber  von  Günther  (Geo- 
■physik  1884,  1885)  und  Supan  (Grundzüge  der  physischen  Erdkunde  1884)  wird 
jede  nähere  Berücksichtigung  des  phytopalaeontologischen  Standpunktes,  beziehungs- 
weise der  betreffenden  Werke  von  Heer,  insbesondere  seiner  Polarflora,  ver- 
misst.  Die  Möglichkeit  einer  Berücksichtigung  war  vorhanden,  da  die  II.  Auf- 
lage der  Urwelt  der  Schweiz,  in  welcher  die  Resultate  schon  wenigstens  sum- 
marisch aufgenommen  sind,  schon  1879  erschien  und  die  Tertiärflora  der  Schweiz 
schon  1859,  sowie  die  Polarflora  1883  vollendet  war;  auch  das  Buch  von  Sa- 
porta,  le  monde  des  plantes,  in  welchem  die  He  er 'sehen  Resultate  angeführt 
und  gewürdigt  werden,  erschien  schon  1879.  Diese  Werke  geben  nicht  bloss 
ein  Bild  von  dem  Pflanzcnkleid  der  früheren  Erdperioden,  sondern  auch  von  der 
Eutwickelung  des  Klimas  und  sind  deshalb  für  die  Geophysik  nicht  minder  wichtig 
als  für  die  Pflanzenkunde.  Wenn  man  von  diesen  Werken  absieht,  so  entzieht 
man  sich  selbst  eine  der  wesentlichsten  positiven  Stützen  für  das  Verständnis 
der  Eutwickelung  der  Erdoberfläche. 

5* 


—     68     — 

als  ob  ihr  die  objektive  Grundlage  fehle.  Es  ist  nicht  leicht,  gegen 
solche  Voreingenommenheit  anzukämpfen  und  aufzukommen,  aber 
um  so  notwendiger  ist  es ,  den  palaeontologischen  Standpunkt  auf- 
recht zu  erhalten  und  denselben  nach  Kräften  zur  Geltung  zu  bringen. 

Bei  dem  engen  Zusammenhang,  in  welchem  die  verschiedenen 
Zweige  der  Naturwissenschaft  stehen,  dürfte  dann  dieser  Standpunkt 
auch  auf  benachbarten  Gebieten  einige  Klärung  herbeizuführen  ge- 
eignet sein,    deren  manche  in  unverkennbarer  Weise  bedürftig  sind. 

Wir  beabsichtigen  deshalb ,  einige  wichtigere  Punkte  heraus- 
2!ugreifen ,  wobei  auf  die  Schrift  des  Verf.  (Klima  und  Gestaltung 
der  Erdoberfläche  in  ihren  Wechselwirkungen  dargestellt.  Stuttgart 
1887)  mehrfach  Bezug  genommen  wird. 

I.   Würdigung  der  Einwände  gegen  das  Seeklima. 

In  der  citierten  Schrift  hat  der  Verfasser  sich  bestrebt,  die  von 
Oswald  Heer  aus  den  fossilen  Pflanzenabdrücken,  der  Polarländer 
insbesondere,  abgeleiteten  Endresultate  in  Zusammenhang  zu  bringen 
mit  der  Warmwasserheizung  durch  die  ozeanischen  Gewässer.  Es 
wurde  dort  angeführt,  dass  Sartoriüs  von  Waltershausen  das  reine 
Seeklima  der  Gegenwart  berechnet  habe  und  dessen  typische  Ähn- 
lichkeit mit  dem  Klima  der  früheren  Erdperioden  betont ;  dass  das- 
selbe jedoch  noch  einer  bedeutenden  Verstärkung  bedürfe,'  um 
die  Möglichkeit  der  Existenz  der  fossilen  Pflanzen ,  besonders  in 
hohen  Breiten,  zu  erklären. 

Schon  hier  liegt  ein  Einwand  gar  nicht  fern.  Wenn  Sartorius 
das  reine  Seeklima  berechnet  hat,  so  könnte  man  sagen,  ist 
eine  weitere  Verstärkung  desselben  ausgeschlossen ;  es  ist  selbst 
schon  ein  Superlativ,   der  nicht  noch  mehr  gesteigert  werden  kann. 

Von  unserem  Standpunkte  aus  ist  aber  die  Notwendigkeit  einer 
Verstärkung  des  Seeklimas  unumgänglich  festzuhalten;  denn  das 
heutige  Seeklima  der  höchsten  Breiten  und  auch  der  mittleren, 
ist  in  keiner  Weise  zureichend,  um  den  Bestand  der  Flora  der  frühe- 
ren Formationen  daselbst  zu  ermöglichen.  Es  hat  aber  auch  keine 
Schwierigkeit,  die  Zulässigkeit  einer  Verstärkung  des  Seeklimas  zu 
begründen.  Sartorius  hat  nur  das  empirische  reine  Seeklima 
der  Gegenwart  berechnet,  nicht  dasabsolute;  er  hat  des- 
halb auch  seinerseits  selber  sich  auf  den  Standpunkt  gestellt,  dass 
den  früheren  Erdperioden  ein  potenziertes  Seeklima  zugekommen 
sei  und  dass  dieses  nur  durch  irgend  eine  Verstärkung  des  empiri- 
schen reinen  Seeklimas  der  Gegenwart  eruiert  werden   könne.     Die 


—     69     — 

Zulässigkeit  und  sogar  Notwendigkeit  einer  Steigerung  des  empiri- 
schen Seeklimas  lässt  sich  nun  aber  an  einem  konkreten  Beispiele 
bündig  nachweisen. 

Als  Beispiel  mögen  die  Faröerinseln  dienen ,  jene  Inselgruppe 
unter  62*^  n.  Br.,  welche  mit  Recht  in  dem  Rufe  steht,  dass  sie  ein 
exquisites  Seeklima  besitze.  Es  gibt  wohl  keinen  zweiten  Punkt 
auf  der  Erde,  zumal  in  hohen  Breiten,  bei  welchem  die  Eigenschaften 
des  Seeklimas:  hohe  mittlere  Jahreswärme  und  grosse  Gleichförmig- 
keit der  Temperatur,  so  stark  hervortreten  wie  hier.  Und  doch  hat 
auch  hier  das  Seeklima  schon  eine  beträchtliche  Einbusse  erlitten, 
Avofür  sich  eine  thatsächliche  Begründung  geben  lässt,  Die  Eis- 
berge, die  bei  Neufundland  schmelzen,  haben  die  Gewässer,  welche 
die  Faröer  umspülen,  schon  beträchtlich  abgekühlt.  Wenn  die  kalte 
Labradorströmung  gar  nicht  bestünde  oder  einen  andern  Lauf  hätte, 
so  dass  sie  mit  den  warmen  Gewässern  des  Golfstroms  gar  nicht  in 
Berührung  käme ,  so  müssten  diese  Gewässer  einen  noch  beträcht- 
lich grösseren  Wärmevorrat  haben. 

Ferner  streichen  die  kalten  Landwinde  von  den  ausge- 
dehnten, im  Winter  exzessiv  kalten  Kontinenten  des  nördlichen  Asien 
und  Amerika  auch  noch  in  diese  Gegenden  herein  und  entziehen 
durch  ihre  Berührung  mit  dem  Wasser  demselben  Wärme ;  sie  be- 
wirken auch  als  trockene  Landwinde  Aufheiterungen  des  Him- 
mels, die  in  so  hohen  Breiten  nicht  bloss  die  Gleichförmigkeit  des 
Klimas  unterbrechen ,  sondern  auch  zu  Wärmeausstrahlung  Veran- 
lassung geben,  die  in  diesen  Breiten  durch  Sonnebestrahlung  nicht 
vollständig  ersetzt  wird.  Durch  all'  diese  Vorgänge  werden  schon 
Einflüsse  des  kontinentalen  Klimas  in  diese  entlegenen  Gegenden 
hineingetragen. 

Die  Thermometerangaben  in  Thorshavn  etc.  stehen  also  schon 
unter  dem  Einflüsse  dieser  Faktoren  und  man  sieht  daraus ,  dass 
auch  diese  abgelegene  Inselgruppe  noch  weit  entfernt  ist,  ein  wirk- 
lich vom  Land  ganz  unbeeinflusstes  reines  Seeklima  zu  besitzen.  Es 
sind  vielmehr  versteckte  Einflüsse  des  Landes  vorhanden,  welche, 
ohne  sich  empirisch  von  andern  zu  unterscheiden ,  doch  ihren  stö- 
renden Einfluss  ausüben;  die  Thermometerablesungen  geben  den 
thatsächlichen  Zustand  an  ohne  Ausscheidung  der  verschiedenen 
Arten  von  Einflüssen,  die  hier  zusammenwirken.  In  ähnlicher  Weise 
liesse  sich  auch  darlegen,  dass  das  bestehende  empirische  Konti- 
nentalklima keineswegs  ein  reines  ist,  dass  auch  hier  versteckte 
Einflüsse  vom  Meere   her   sich   überall    mehr    oder   weniger  geltend 


—     70     — 

machen.  Das  Spiel  der  Cyklonen  und  Anticyklonen  erstreckt  sich 
über  die  ganze  Erde  hin  und  lässt  nirgends  ein  KUma  von  ganz  un- 
gemischtem Charakter  aufkommen,  weder  auf  den  Räumen  des  Meeres 
noch  auf  jenen  der  Kontinente.  Es  ist  aber  für  unsere  Zwecke  gar 
nicht  erforderhch ,  darauf  einzugehen ,  da  gerade  das  kontinentale 
Klima  mit  dem  Klima  der  früheren  Erdperioden  am  wenigsten  über- 
einstimmt, sondern  von  demselben  diametral  abweicht. 

Daraus  ergibt  sich  aber,  dass,  um  zu  dem  nicht  bloss  empi- 
risch, sondern  wirklich  reinen  Seeklima  zu  gelangen,  eine  Verstär- 
kung zulässig  und  sogar  notwendig  ist  und  dass  dieselbe  recht  be- 
deutend sein  kann.  Eine  Abschätzung  vorzunehmen,  wie  hoch  die- 
selbe anzusetzen  sei,  ist  vorerst  unthunlich ;  aber  wir  werden  unten 
zeigen,  dass  die  fossilen  Pflanzenreste  einen  Maassstab  hierfür  an  die 
Hand  geben.  Wenn  das  schon  von  den  Faröern  gilt,  so  wird  man 
keinen  x\nstand  nehmen,  auch  alle  andern  Gebiete  unter  dem  gleichen 
Gesichtspunkt  zu  betrachten  und  somit  zuzugeben,  dass  das  empi- 
rische Seeklima  überall  einer  Verstärkung  bedürftig,  jedenfalls  fähig 
sei,  wenn  das  reine  Seeklima  erreicht  werden  soll. 

Ein  anderer,  ebenfalls  gegen  die  Warmwasserheizung  gerichteter 
Einwand ,  der  aber  von  einem  ganz  andern  Standpunkt  ausgeht^ 
lässt  sich  ungefähr  so  formulieren  :  Sartorius  habe  Unrecht  gethan, 
wenn  er  bei  Berechnung  des  Seeklimas  solche  Inseln  und  Stationen 
zu  Grund  gelegt  habe,  welche  unter  dem  Einflüsse  des  Golfstroms 
sich  befinden  und  alle  Folgerungen,  die  er  und  andere  auf  dieser 
Grundlage  ziehen,  seien  falsch;  denn  der  Golfstrom  verdanke  seine 
Existenz  der  Ablenkung  seiner  Gewässer  durch  den  amerikanischen 
Kontinent.  Das  seien  aber  Zustände ,  die  auf  die  alten  Perioden 
nicht  übergetragen  werden  dürfen ;  es  sei  also  nicht  bloss  ganz  ab- 
zusehen von  einer  Verstärkung  des  Seeklimas,  sondern  schon  die 
Annahme  sei  unhaltbar,  dass  in  den  alten  Perioden  auch  nur  eine 
Erwärmung  (durch  Warmwasserheizung),  so  stark  wie  heutzutage 
durch  den  Golfstrom  stattgefunden  habe.  Zutreffender  seien  viel- 
mehr die  Zustände  in  der  südlichen  Hemisphäre,  in  welche  keine 
warmen  Strömungen  vordringen  und  die  deshalb  eine  kühlere  Tem- 
peratur haben  und  woselbst  die  Wasserbedeckung  83  Prozent  erreiche. 

Es  ist  zuzugeben,  dass  die  Erwärmung,  welche  heutzutage  den 
Ländern  des  nordwestlichen  Europas  zu  teil  wird,  nur  die  Folge  ist 
von  solchen  Ursachen,  welche  der  Gegenwart  speziell,  man  darf  sagen, 
exzeptionell,  angehören. 

Deshalb  hat  aber  Sartorius  auch  bloss  das  Seeklima  der  Gegen- 


—     71     — 

wart  daraus  abgeleitet.  Allerdings  hätte  er  können  sagen,  dass  hier- 
mit das  Seeklima  vorzüglich  nur  des  nordatlantischen  Ozeans  be- 
rechnet werden  wolle,  während  er  dasselbe  auf  das  Seeklima  der 
ganzen  nördlichen  Halbkugel  ausdehnt,  nicht  aber  auf  das  Seeklima 
der  südlichen  Halbkugel,  dem  er  eine  abgesonderte  Berechnung  wid- 
met, weil  hier  wieder  andere  Verhältnisse  obwalten.  Aber  die  Be- 
rechnungen von  Sartorius  für  das  Seeklima  ganz  zu  verlassen  und 
allenfalls  die  von  Forbes  zu  adoptieren ,  ist  nach  der  Besprechung, 
welche  Woeikof  (Klimate  der  Erde,  Bd.  I,  S.  333 — 335)  den  letzteren 
widmet,  geradezu  unrätlich.  Es  ist  auch  ohne  weiteren  Beweis  klar, 
dass,  wenn  Forbes  für  den  Pol  seiner  reinen  Wasserhemisphäre 
eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  —  10,8°  aufstellt,  hier  offenbar 
das  Wort  Wasser  in  ganz  uneigentlichem  Sinne  gebraucht  wird. 
Denn  Wasser  von  — 10,8°  ist  Eis,  und  das  Eis  hat  nicht  die  physi- 
kalisch-thermischen Eigenschaften  des  Wassers,  sondern  eines  Mine- 
nerals;  bei  der  Abschmelzung  und  Auftauung  tritt  der  physikalische 
Unterschied  beider  deutlich  hervor.  Freilich  führt  die  theoretische 
Rechnung  auch  Sartorius  dahin,  dass  er  für  den  antarktischen  Pol 
eine  Temperatur  des  reinen  Seeklimas  daselbst  von  — 4,19°  R.  auf- 
stellt. Allein  es  besteht  zwischen  den  Aufstellungen  von  Forbes 
und  Sartorius  doch  nicht  bloss  ein  gradueller,  sondern  der  prinzi- 
pielle Unterschied,  dass  Sartorius  für  den  antarktischen  Polarkreis 
keineswegs  ausschliessliche  Wasserbedeckung  annimmt,  sondern  dort 
Land  zulässt  und  anerkennt,  dessen  Einfluss  er  nur  nicht  vollständig 
zu  eliminieren  vermag,  während  Forbes  seine  oben  angeführte  Ziffer 
als  für  die  von  ihm  angenommene  reine  Wasserhalbkugel  cha- 
rakteristisch aufstellt.  Nach  der  Tragweite  der  Auffassung  von  Forbes 
würde  man  zu  dem  Zugeständisse  genötigt  werden,  dass  in  den  höch- 
sten Breiten  gar  nicht  mehr  ein  Seeklima  bestehen  könne,  weil 
der  bleibende  gewöhnliche  Zustand  des  Wassers  daselbst  (Eis)  dem 
eines  Minerals  gleichkommt;  aber  dann  darf  man  auch  nicht  mehr 
die  Benennung  „Seeklima"  beibehalten,  weil  dieselbe  notwendig 
Wasser  in  flüssigem  Zustande  voraussetzt.  Nur  soviel  könnte 
man  zugeben,  dass  es  sehr  schwer  und  für  die  antarktische  Hemi- 
sphäre wohl  ganz  unmöglich  sei,  geeignete  Stationen  ausfindig  zu 
machen ,  die  der  Berechnung  eines  reinen  Seeklimas  daselbst  als 
Grundlage  dienen  könnten.  Hiermit  reduziert  sich  aber  die  Bedeu- 
tung der  Berechnungen  von  Forbes  so  wesentlich ,  dass  dieselben 
auch  keinen  Anspruch  erheben  können ,  den  Typus  des  reinen  See- 
klimas darzustellen. 


—     72     — 

Für  die  Temperaturskala  von  Sartorius  fällt  überdies  in  die 
Wagschale  die  Ansicht  des  vielerfahrenen  Nordenskiöld  ^,  dass  gegen 
den  Nordpol  hin  sich  offenes  Meer  befinde,  was  mit  der  Berechnung 
von  Sartorius  übereinstimmt. 

Wenn  nun  auch  bereitwillig  zugegeben  wird,  dass  die  heutige 
Warmwasserheizung  im  nordatlantischen  Ozean  von  speziellen  heu- 
tigen Verhältnissen  abhänge,  so  lässt  sich  doch  begründen,  dass  die 
ozeanische  Warmwasserheizung  überhaupt  keineswegs  prinzipiell 
und  ausschliesslich  an  solche  Zustände  g e b u n d e n  sei,  sondern 
dass  sich  dieselbe  unter  ganz  andern  Umständen,  als  sie  heute  bestehen, 
noch  viel  energischer  bethätigen  könne. 

Nach  allem ,  was  Astronomie  und  Palaeontologie  lehren ,  war 
die  Wärme,  nicht  der  Frost,  im  ursprünglichen  Besitz 
der  Oberfläche  der  Erde  und  nicht  bloss  der  Oberfläche ,  sondern 
des  gesamten  Inhalts  derselben ;  der  Frost  musste  sich  sein  Terrain 
erst  nachträglich  erobern.  Mag  man  nun  die  bekannte  Theorie 
von  Kant  und  Laplace  sich  vergegenwärtigen,  oder,  worauf  vielleicht 
noch  mehr  Wert  zu  legen  sein  wird,  die  Pflanzenabdrücke  aus  den 
höchsten  Breitegraden  und  die  Resultate  der  Spektralanalyse  in  ihrer 
Anwendung  auf  die  Himmelskörper  betrachten ,  so  ergibt  sich  der 
uralte  Besitzstand  der  Wärme. 

Dieser  Besitzstand  wurde  trotz  des  kalten  Weltraums  dadurch  für 
lange  Perioden  gesichert,  dass  zugleich  die  Gewässer  im  weitaus  vorherr- 
schenden Besitz  der  Oberfläche  sich  befanden,  wozu  noch  eine  Dunsthülle 
kam,  die  von  einem  solchen  Zustand  der  Erdoberfläche  unzertrennlich  ist. 

Eine  konstante  Dunsthülle  von  den  Tropen  an  polwärts  kann 
aus  dem  Grunde  nicht  entbehrt  werden,  weil  im  Winter  der  hohen 
Breiten  die  Zeiten  der  Ausstrahlung  der  Wärme  sehr  kontinuierlich 
sind  (Polarnächte).  Trotz  vorherrschender  Wasserbedeckung  müsste, 
wenn  freie  Ausstrahlung  stattfinden  könnte,  die  Temperaturerniedri- 
gung in  dieser  Jahreszeit  so  beträchtlich  werden,  dass  eine  Flora, 
wie  sie  besonders  in  den  alten  Formationen  auch  in  den  höchsten 
Breiten  (Spitzbergen)  bestand,  nicht  hätte  bestehen  können.  Wenn 
aber  durch  eine  konstante  Dunsthülle  die  Ausstrahlung  sehr  stark 
vermindert  wurde,  so  vermochte  die  Warmwasserheizung  sich  in  der 
erforderlichen  Intensität  aufrecht  zu  erhalten.  Die  Gewässer  waren 
zuvor  schon  warm  und  die  Dunsthülle  wirkte  nur  wie  ein  Mantel, 
der  über  einen  Körper  ausgebreitet  wird;  die  Wärme  desselben  wird 
dadurch  nicht  als  solche  erzeugt  oder  vermehrt,  aber  die  schon  vor- 

^  Umseglung  von  Asien  etc.  S.  237. 


—     73     — 

handene  Temperatur  wird  zusammengehalten.  So  ist  die  Dunsthülle 
nicht  eine  selbständige  Wärmequelle,  aber  sie  ist  ein  unentbehrliches 
Mittel,  um  die  vorhandene  Wärme  der  Gewässer  gegen  Verluste  zu 
schützen.  Der  Einwand,  dass  ebendamit  auch  die  Zustrahlung  der 
Wärme  in  gleichem  Maasse  ausgeschlossen  werde,  ist  nur  scheinbar 
richtig ;  denn  die  Zustrahlung  geschieht  in  hohen  Breiten  unter  sehr 
schiefem  Winkel,  hat  deshalb  an  sich  schon  geringere  Kraft; 
die  Ausstrahlung  aber,  die  mit  keinerlei  Winkel  zu  thun  hat,  geht 
unbehindert  in  voller  Kraft  vor  sich ;  daraus  ergibt  sich ,  dass  für 
■die  Temperatur  der  hohen  Breiten  die  Verhinderung  der  Ausstrah- 
lung der  Wärme  des  Meerwassers  viel  wichtiger  ist,  als  die  direkte 
Zustrahlung.  Die  Wärme  braucht  nicht  notwendig  in  den  hohen 
Breiten  erst  erzeugt  zu  werden;  es  genügt,  wenn  die  in  niedrigen 
Breiten  erzeugte  Wärme  für  die  hohen  Breiten  konserviert  wird. 
überdies  lehren  die  Physiker  (Tyndall)  ,  dass  die  Erdatmosphäre 
einerseits  gegen  jene  Wärmestrahlen ,  die  von  der  Sonne  direkt 
kommen  und  anderseits  gegen  jene,  die  von  der  Erde  ausgehen,  sich 
recht  verschieden  verhalte.  Die  von  der  Sonne  ausgehenden  Strah- 
len finden  viel  leichter  einen  Durchgang  durch  die  Erdatmosphäre 
als  diejenigen,  die  von  der  Erde  sich  entfernen  wollen. 

Hierdurch  erklärt  sich  der  Überschuss  an  Wärme  in  den  hohen 
Breiten,  wenn  auch  die  unmittelbare  Zustrahlung  durch  die  Dunst- 
hülle vermindert  wird.  Als  Beleg  aus  der  Gegenwart  dient  hierfür 
die  klimatische  Beschaffenheit  der  Faröer,  worüber  wir  jedoch  auf 
Hann  (Klimatologie  S.  460,  463)  verweisen  können  und  nur  die  eine 
Stelle  ausheben:  „Die  starke  Bewölkung  des  Himmels  und  eine  fast 
stets  mit  Wasserdampf  gesättigte  Atmosphäre  bewahrt  diese  Gegen- 
den während  der  Wintermonate  vor  einer  Wärmeausstrahlung,  die 
sonst  während  der  langen  nordischen  Nächte  die  Temperatur  stark 
erniedrigen  müsste."     (1.  c.  S.  467.) 

So  lange  die  drei  Faktoren  zusammenwirkten :  Wärme,  Wasser, 
Wolkenhülle,  so  lang  bestand  eine  sehr  intensive  Warmwasserheizung. 
TSfebenher  konnten  die  Gewässer  in  den  hohen  Breiten  sich  allmählich 
abkühlen,  wenn  auch  nur  um  eine  massige  Anzahl  von  Graden,  aber 
sie  sanken  wegen  ihrer  grösseren  Schwere  nieder  und  wärmere  traten 
fortlaufend  an  ihre  Stelle.  Die  abgekühlten  Wasser  ihrerseits  blieben 
nicht  unbeweglich  in  der  Tiefe  liegen,  sondern  breiteten  sich  auf 
dem  Grunde  des  Meeres  sehr  langsam  gegen  die  niedrigen  Breiten 
hin  aus :  aber  dass  sie  wirklich  schon  längst  den  Äquator  erreicht 
haben,  geht  aus  den  Tiefseeforschungen  hervor.    Wenn  aber  die  ab- 


—     74     - 

gekühlten  Wasser  auf  dem  Grund  des  Meeres  nach  den  niedrigen 
Breiten  hinstreben,  so  müssen  die  warmen  auf  der  Oberfläche  gegen 
die  hohen  Breiten  hin  sich  bewegen ;  denn  eine  Kompensation 
ist  unerlässlich.  Ob  diese  Verschiebung  unmessbar  langsam,, 
oder  relativ  rasch  vor  sich  gehe ,  das  ist  schliesslich  ausserwesent- 
lich;  wesentlich  ist  nur,  dass  eine  Verschiebung  des  Wassers  durch 
Temperaturdifferenzen  auf  dem  Grund  des  Meeres  einerseits  und  auf 
der  Oberfläche  desselben  anderseits  besteht. 

Damit  wird  man  freilich  in  die  Kontroverse  hineingezogen,  ob 
die  Meeresströmungen  durch  die  Luftströmungen  veranlasst  und  im 
Gang  erhalten  werden,  oder  durch  ihre  eigene  TemperaturdijRferenz. 
Früher  war  die  letztere  Ansicht  durchaus  die  herrschende,  der  auch 
wir  gefolgt  sind.  In  neuester  Zeit,  seit  den  Arbeiten  von  Zöppritz, 
dem  sich  jetzt  auch  Prof.  Krümmel  angeschlossen  hat,  scheint  die 
erstere  Ansicht  den  Sieg  gewonnen  zu  haben. 

Krümmel,  dessen  eingehenden  Ausführungen  wir  folgen  (Ozeano- 
graphie, Bd.  II,  3.  und  4.  Kapitel),  führt  die  bestehenden  lebhaften 
Strömungen  der  Meeresgewässer  auf  das  Vehikel  der  Luftströmungen 
zurück ,  schliesst  aber  eine  Kompensation  der  warmen  und  kalten 
Gewässer  in  vertikaler  Kichtung  keineswegs  prinzipiell  aus,  sondern 
verlangt  dieselbe  als  notwendig,  wenn  sie  auch  so  langsam, 
ist,  dass  eine  Messung  der  Schnelligkeit  der  Strömung  in  den  mei- 
sten Fällen  nicht  möglich  ist  (cf.  1.  c.  S.  286). 

Auf  diesen  Standpunkt  kann  man  sich  unbedenklich  stellen. 
Nur  wenn  die  Kompensationsverschiebungen  durch  die  Temperatur- 
verschiedenheiten gänzlich  ausgeschlossen  würden ,  müsste  dagegen 
Einwand  erhoben  werden.  Auch  Woeikof  erklärt  sich  mit  dieser 
Auffassung  einverstanden  (cf.  Klimate  der  Erde,  Bd.  I,  S.  137).  Es 
bestand  somit  auch  in  den  früheren  Perioden  der  Erde  ein  geschlos- 
senes System  von  Luftströmungen,  welches  eine  mehr  oder  weniger 
lebhafte  Zirkulation  der  Gewässer  auf  der  Oberfläche  der  Meere  ver- 
anlasste ;  daneben  aber  noch,  wie  heutzutage,  eine  Zirkulation,  ver- 
anlasst durch  die  Temperaturunterschiede.  Die  etwas  mehr  abge- 
kühlten Gewässer  der  hohen  Breiten  sanken  unter,  die  wärmeren 
Gewässer  der  niedrigeren  Breiten  traten  oberflächlich  an  ihre  Stelle. 

Sobald  aber  festes  Land  in  grösseren  Massen  vorhanden  war, 
so  wurde  dadurch  selbstverständlich  die  regelmässige  Ausdehnung 
der  Zirkulation  beengt.  Die  von  den  Kontinenten  eingenommenen 
Gegenden  waren  dem  Wasser  unzugänglich.  Noch  wichtiger  aber 
ist,    dass  zu  gleicher  Zeit  auch  die  Intensität  der  Warmwasser- 


—     75     — 

heizung  beträchtlich  vermindert  wurde.  Die  grosse  Ausdehnung  und 
Stärke  derselben  in  den  früheren  Perioden  ist  bedingt  durch  die 
untergeordnete  Rolle,  welche  dem  festen  Lande  zukam;  sobald  dieses 
sich  breit  machte,  war  der  Besitzstand  der  Warmwasserheizung  be- 
droht; denn  die  Landmassen  sind  es,  welche  langsam  aber  stetig 
dieselbe  zurückdrängten,  namentlich  in  hohen  Breiten. 

Das  feste  Land  folgt  in  Erwärmung  und  Abkühlung  andern 
Gesetzen  als  das  Wasser ;  aber  so ,  dass  der  Frost  auf  dem  festen 
Lande  sich  rasch  und  leicht  festsetzen  kann,  auf  der  Oberfläche  des 
Wassers  aber  nur  schwer.  Hier,  auf  dem  festen  Lande,  kann  sich 
derselbe  einnisten  und  von  hier  aus  seine  Herrschaft  weiter  aus- 
dehnen, auch  auf  das  Meer.  An  den  Ufern  des  festen  Landes  setzt 
sich  in  hohen  Breiten  ein  Eiskranz  an,  der  von  da  aus  weiter  und 
weiter  ins  Meer  hinein  vordringt.  Mehr  noch,  wenn  das  Land  einen 
Teil  seiner  Eislast  in  Form  von  Eisbergen  in  das  Meer  absetzt,  so 
wird  das  Meer  sehr  bedeutend  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Die 
Schmelzwasser  der  Eisberge  liefern  leichtes  (süsses)  Wasser,  das  sich 
längere  Zeit  auf  der  Oberfläche  halten  kann  und  deshalb  die  Wärme 
der  oberflächlichen  Schichten  des  Meerwassers  verdrängt,  die  ohne- 
dies schon  79  Kalorien  zur  Schmelzung  des  Eises  abgeben  mussten. 
Auch  die  kalten  Luftströmungen,  die  vom  Land  aus  über  das  Meer 
hinwehen,  entziehen  demselben  Wärme. 

Allerdings  gilt  das  nur  von  dem  festen  Land  in  hohen  Breiten ; 
aber  es  ist  auch  Thatsache,  dass  die  Verdrängung  des  Besitzstandes 
der  Wärme  von  den  polaren  Gegenden  aus  erfolgt  ist,  wie  die  Pa- 
laeontologie  nachweisen  kann. 

Der  folgenreichste  Unterschied  in  der  Zirkulation  der  Gewässer 
bestand  deshalb  darin,  dass  in  den  früheren  Perioden  keine  grossen 
Temperaturdifferenzen  unter  den  Gewässern  wenigstens  der 
Oberfläche  selbst  bestanden,  deshalb  auch  kein  wirklicher  Kampf 
zwischen  warmen  und  eigentlich  kalten  Wassern  (Eis)  eintrat.  Die 
mehr  abgekühlten  Gewässer ,  die  aber  immer  noch  eine  nicht  un- 
bedeutende Anzahl  von  Graden  über  dem  Gefrierpunkt  stehen  konnten. 
sanken  nieder,  die  wärmeren  rückten  an  ihre  Stelle  ein;  das  war 
kein  Kampf,  sondern  ein  einfaches  Ausweichen  vor  dem  Kampf. 
Die  wärmeren  Wasser  verloren  ihre  Eigenschaft  nicht  durch  Zu- 
sammenstoss  mit  dem  stark  abgekühlten  d.  h.  mit  den  festgewor- 
denen Eismassen  und  konnten  deshalb  ihre  Temperatur  gut  konser- 
vieren. Der  Austausch  aber  zwischen  denselben,  wie  er  später, 
nachdem  viel  Land  vorhanden  war,  eintrat  und  heutzutage  noch  be- 


—     76     — 

steht,  vollzieht  sich  unter  fortwährendem  lebhaftem  Kampfe.  Die 
Eisberge  gehen  dem  warmen  Wasser  nicht  aus  dem  Wege;  die  kalten 
Landwinde  entziehen  ihm  durch  ihre  unmittelbare  Berührung  seine 
Wärme;  die  Ausstrahlung  in  den  heitern  Himmel  trägt  in  hohen 
Breiten  ebenfalls  sehr  viel  zur  Abkühlung  bei.  Durch  solche  Vor- 
gänge verliert  die  Masse  des  Wassers  selbst  einen  bedeuten- 
den Teil  ihrer  Wärme  und  die  Warmwasserheizung  kann  deshalb 
heutzutage  nur  noch  sehr  unvollständig  ausfallen,  desto  unvollkom- 
mener, je  mächtiger  die  natürlichen  Gegner  der  Wärme  sind.  Wegen 
Mangels  an  grossen  Temperaturdifferenzen  war  die  gesamte  Zirku- 
lation in  früheren  Perioden  ohne  Zweifel  träger  als  heutzutage,  aber 
die  Warmwasserheizung  ebendeshalb  um  so  vollständiger, 
weil  die  Temperaturdifferenzen  der  Gewässer  überhaupt  nicht  bedeutend 
waren.  Je  schwächer  die  Gegner  der  Warmwasserheizung 
waren,  um  so  intensiver  und  extensiver  war  sie  selber. 

Heutzutage  ist  die  Zirkulation  wohl  rascher,  aber  hierdurch 
wird  nur  die  eigene  Kraft  (Wärme) ,  der  Effekt ,  aufgerieben  ;  die 
Warmwasserheizung  wird  geschwächt  und  der  Kampf  zwischen  Wärme 
und  Frost  bis  in  die  mittleren  Breiten  hineingetragen. 

Erfreulich  ist ,  dass  in  neuester  Zeit  die  Untersuchungen  über 
die  Wasserheizung  auch  auf  die  kleineren  Becken  der  Landseen  mehr 
und  mehr  ausgedehnt  werden.  Im  Genfersee  hat  Forel,  im  Boden- 
see Regelmaxn  den  Einfluss  des  Seewassers  untersucht  und  haben 
dieselben  gefunden,  dass  die  Temperatur  der  Oberfläche  der  Seen 
im  ganzen  Jahr  um  1*^ — 2^  C.  höher  ist  als  jene  der  Luft;  dass 
insbesondere  in  den  winterlichen  Monaten  die  Seen  Wärme  an  das 
Land  abgeben  können,  während  ihre  Temperatur  in  den  sommer- 
lichen Monaten  etwas  zurückbleibt ;  dass  ferner  eine  Vertikalzirku- 
lation unter  den  Gewässern  der  Seen  besteht,  dass  die  dichtesten 
(kalten)  unten,   die  warmen  oben  sich  befinden. 

Die  Unterschiede  sind  hier  allerdings  nur  sehr  massig,  wie 
auch  die  Einwirkungen  auf  das  Klima  selbst.  Es  findet  hier  aber 
auch  kein  Zusammenstoss  statt  zwischen  den  unter  der  Tropensonne 
erwärmten  Wassern  und  dem  Polareis ;  es  bestehen  auch  nicht  ho- 
rizontale Strömungen,  durch  ein  System  der  Luftströmungen  veran- 
lasst. Dafür  tritt  aber  die  Vertikalzirkulation  unverhüllt  hervor  und 
zugleich  der  in  den  physikalischen  Eigenschaften  des  Wassers  be- 
gründete Einfluss  auf  die  Nivellierung  der  Unterschiede  der  Tem- 
peratur, die  jedoch  zugleich  mit  einem  Überschuss  an  Wärme  ver- 
bunden ist  und  sich  im  Mittel    des   ganzen  Jahres   ausdrückt.     Der 


—     77     — 

Wilrmeüberschuss  wäre  ohne  Zweifel  noch  bedeutender,  wenn  nicht 
durch  die  Gebirgsflüsse ,  Rhein  und  Rhone ,  grosse  Mengen  von 
Schmelzwasser  in  die  beiden  genannten  Seen  hineingetragen  würden. 
Bei  den  Ozeanen  ist  die  Wirkung  wohl  grossartiger,  aber  auch  durch 
andere  Einflüsse  stärker  modifiziert,  wovon  einer  den  andern  ab- 
schwächen kann  oder  auch,  aber  nur  in  seltenen  Fällen,  zur  Ver- 
stärkung zu  dienen  scheint:  die  Landseen  geben  zwar  nur  ein  ver- 
kleinertes Bild,  aber  die  prinzipiellen  Punkte  treten  klarer  und  unr 
getrübter  hervor. 

Das  erstere  lässt  sich  deutlich  am  Golfstrom  speziell  erkennen. 
Trotz  mancher  günstiger  Umstände ,  welche  gerade  diesem  Strome 
und  den  von  ihin  bespülten  Gegenden  zu  statten  kommen,  bleibt 
die  Kraft  der  Warmwasserheizung  an  den  Küsten  des  westlichen 
Europa  und  hoch  hinauf  in  den  Norden  weit  zurück  hinter  jener 
der  alten  Perioden  bis  herab  zur  Molassezeit,  weil  auch  er  schon 
einen  bedeutenden  Teil  seiner  Wärme  im  Kampfe  mit  seinen  Geg- 
nern einbüsste.  Ein  Festland  kann  ausnahmsweise  durch  seine  Kon- 
figuration bewirken,  dass  auch  heute  noch  einige  Gegenden  als  lo- 
kal begünstigt  vor  andern  erscheinen,  wie  es  im  Gebiet  des  Golf- 
stroms geschieht;  aber  auch  die  Kraft  dieses  konzentrierten  Stromes 
wird  anderseits  durch  den  Labradorstrom  und  andere  Einflüsse  be- 
deutend herabgedrückt ;  das  ist  nichts  anderes  als  durch  die  Ein- 
flüsse des  festen  Landes,  von  welchem  auch  der  letztere  seine  Eis- 
berge bezieht.  Was  das  feste  Land  mit  der  einen  Hand  an  Vor- 
teilen gibt,  nimmt  es  in  hohen  Breiten  wieder  reichlich  mit  der 
andern  und  nur  ganz  relativ  scheint  sich  bisweilen  einiger  Vorteil 
herauszustellen. 

Die  Berufung  auf  die  südliche  Halbkugel  muss  aber  noch  spe- 
zieller beleuchtet  werden,  um  so  mehr  als  diese  von  sehr  beachtens- 
werten Seiten  als  der  Typus  einer  (vorherrschenden)  Wasserhalbkugel 
betrachtet  wird. 

Die  Entgegenstellung  erscheint  auf  den  ersten  Anblick  frappant : 
in  die  südliche  Halbkugel  dringt  keine  warme  Strömung  vor  und  sie 
ist,  trotz  umfangreicher  Meeresbedeckung,  in  höheren  Breiten  sehr 
kühl;  in  die  nördliche  (nordatlantische)  Region  dringt  eine  warme 
Strömung  ein  und  diese  Gegenden  sind  relativ  warm.  Man  könnte 
also  zu  schliessen  geneigt  sein :  was  man  ozeanische  Warmwasser- 
heizung nennt,  ist  von  zufälligen  Umständen  abhängig,  von  dem 
zufälhgen  weiteren  Vordringen  einer  warmen  Strömung. 

Man  darf  aber  nicht  übersehen,    dass  in    der   südlichen  Halb- 


—     78     -- 

kugel,  in  ganz  gefährlicher  Lage  rings  um  den  Pol,  ein  mit  Un- 
recht bestrittener  Kontinent  oder  Archipel  sich  befindet,  welcher 
dem  Frost  ein  ausgezeichnet  günstig  gelegenes  Terrain  darbietet, 
um  sich  dort  festzusetzen  und  von  da  aus  seine  Herrschaft  auszu- 
dehnen. 

Könnte  man  auch  unbeanstandet  zugeben,  dass  nahe  an  den 
Polen  die  Temperatur  des  Meerwassers  bei  ruhiger  See  unter  den 
Gefrierpunkt  habe  sinken  können  und  dass  damit  ein  Krystallisations- 
punkt  geschaffen  worden  sei,  von  dem  aus  die  Eisbildung  in  wei- 
tere Räume  sich  habe  ausdehnen  können,  so  steht  doch  dieser  An- 
nahme die  Schwierigkeit  entgegen,  dass  man  die  Bildung  einer  aus- 
gedehnten Eiskalotte  sich  denken  müsste  ohne  Anlehnung  und  Be- 
festigung an  dem  Lande.  Diese  Eisfelder  würden  von  Winden  und 
Stürmen  bewegt  werden,  müssten  wandern  und  würden  schon  dadurch 
ihre  Eigenschaft  als  feste  Krystallisationspunkte  verlieren.  Ganz 
anders,  wenn  in  dem  antarktischen  Polarkreise  selbst  auch  nur  eine 
Gruppe  von  Inseln  zerstreut  liegt,  die  als  feste  Anhaltspunkte  dienen 
können.  Dass  aber  dort  wirklich  auch  Land  vorhanden  ist ,  ist  ja 
schon  längst  ermittelt,  nur  die  Ausdehnung  desselben,  sein  Zusammen- 
hang oder  seine  Unterbrechungen  sind  noch  unaufgeklärt.  Mag  die 
Lösung  dieser  Aufgabe  auch  noch  so  sehr  erschwert  sein;  so  ist  man 
doch  nicht  berechtigt,  die  Anwesenheit  des  Landes  selbst  zu  be- 
streiten. Unter  denjenigen  neueren  Naturforschern,  welche  das  Vor- 
handensein des  Landes  nicht  bloss  annehmen,  sondern  auch  der  kli- 
matischen Konsequenzen  bewusst  sind ,  steht  (ausser  Sartorius)  in 
erster  Reihe  Woeikof  (Klimate  der  Erde,  1887) ;  zuvor  aber  hat  sich 
auch  schon  Bogüslawski  in  seiner  Ozeanographie  (1884,  S.  385), 
wie  auch  Supan  in  den  Grundzügen  der  physischen  Erdkunde  (1884, 
S.  128)  dafür  ausgesprochen. 

Die  palaeontologischen  Anhaltspunkte  für  die  antarktischen 
Gegenden  fehlen  zwar  ganz;  allein  das  positive  Zeugnis  der  fossilen 
Pflanzenabdrücke  aus  dem  arktischen  Gebiet  wiegt  diesen  thatsäch- 
lichen  Mangel  auf.  Es  wäre  ganz  auffallend,  dass  an  dem  einen 
Pol  durch  die  ganze  lange  Reihe  der  Formationen  hindurch  sollte 
ein  diametral  entgegengesetztes  Klima  geherrscht  haben,  wie  an  dem 
andern.  Wir  müssen  bis  auf  weiteres  annehmen ,  dass  die  antark- 
tischen Festlandsmassen  jungen  Ursprungs  sind,  mit  andern  Worten, 
dass  auch  hier,  ähnlich  wie  in  nordpolaren  Gegenden,  früher  überall 
eine  kräftige  Warmwasserheizung  stattgefunden  habe,  die  erst  später 
durch  einen  Gegner  lahmgelegt  wurde.    Später  gestalteten  sich  aller- 


„     79     — 

dings  die  Verhältnisse  hier  dann  noch  günstiger  für  den  Frost,  als 
auf  der  nördlichen  Halbkugel,  besonders  auch  durch  die  Möglichkeit 
«iner  massenhaften  und  allseitigen  Verbreitung  der  Eisberge  in  die 
Meere. 

Die  spezielle  Betrachtung  der  Meeresströmungen,  welche  von 
Kbümmel  mit  grosser  Genauigkeit  kartographisch  dargestellt  wurde 
(cf.  Ozeanographie,  Bd.  II),  ist  ganz  geeignet,  diese  Anschauungen 
zu  bestätigen,  worauf  noch  einzugehen  ist. 

Auf  der  Nordhalbkugel  findet  sich  nur  ein  bedeutender  Eisstrom; 
der  Labradorstrom ,  der  mit  der  warmen  Strömung  des  Golfstroms 
fast  im  rechten  Winkel  kollidiert,  aber  dann  sich  auskeilt.  Der 
•Golfstrom  aber  breitet  sich  fächerförmig,  man  möchte  sagen,  als 
Alleinherrscher  über  den  atlantischen  nördlichen  Ozean  aus  und  findet 
seinen  Weg  bis  nach  Spitzbergen.  Ahnlich  der  Kurosiwo  im  paci- 
fischen  Ozean ;  seine*  Gegner  im  nördlichen  pacifischen  Ozean  sind 
insgesamt  schwach.  Die  warmen  Strömungen  auf  dem  Indischen 
Ozean  vermögen  sich,  wegen  Behinderung  durch  die  Landmassen, 
nicht  weit  in  der  nördlichen  Richtung  auszubreiten. 

Anders  auf  der  Südhalbkugel.  An  warmen  Strömungen,  welche 
die  Richtung  gegen  den  antarktischen  Polarkreis  einschlagen 
möchten ,  fehlt  es  durchaus  nicht.  Es  sind  hier  drei :  der  brasilia- 
nische Strom,  der  Aghulastrom  an  der  Ostküste  von  Afrika  und  die 
ostaustralische  warme  Strömung.  Die  brasilianische  Strömung  kann 
man  allerdings  als  eine  schon  von  Anfang  an  schwächere,  gegenüber 
dem  Golfstrom  betrachten ;  aber  weder  bei  dem  Aghulastrom  noch 
bei  der  ostaustralischen  Strömung  ist  das  zutreffend ;  dieselben  sind 
wasserreich. 

Nun  ist  aber  auffallend,  wie  wenig  weit  diese  Strömungen 
nach  Süden  vordringen ;  .sie  hören  schon  zwischen  40^^  und  50°  süd- 
licher Breite  auf,  wiewohl  sie  keineswegs  durch  Land  beengt  sind 
und  keiner  derselben  gewinnt  eine  fächerförmige  Ausbreitung,  wie 
der  Golfstrom  im  Norden.  Sie  sind  vielmehr  nach  Süd  und  Südosten 
hin  abgeschnitten  und  verstümmelt  und  gelangen  nur  nach  Osten 
resp.  Nordosten  hin  zu  weiterer  Entwickelung.  Der  Aghulastrom 
lö.st  sich  in  abwechselnd  warmen  und  kalten  Streifen  auf  und  „zer- 
splittert" wie  Krümmel  bündig  und  anschaulich  sich  ausdrückt. 

Dagegen  breitet  sich  auf  der  Südhalbkugel  eine  mächtige  ge- 
schlossene Kaltwasserströmung  schon  in  ungefähr  45°  s.  Br.  rings  um 
aus,  mit  welcher  auch  ungefähr  die  äusserste  Linie  der  Verbreitung 
der  antarktischen  Eisberge  zusammenfällt.     Überdies  zieht  sich    der 


-     80     — 

kalte  Perustrom  an  der  Westküste  von  Südamerika  und  der  kalte- 
Falklandsstrom  an  seiner  Ostküste  hin;  ferner  der  kalte  Benguela- 
strom  an  der  Westküste  von  Afrika  und  noch  ein  vierter  an  der 
Westküste  von  Australien.  Wenn  man  die  Verstümmelung  der  war- 
men Ströme  einerseits  und  die  reiche  und  breite  Entwickelung  der 
kalten  Strömungen  anderseits  gegen  einander  hält,  so  gewinnt  man 
unwillkürlich  den  Eindruck,  dass  auf  der  Südhalbkugel  die  warmen 
Strömungen  durch  einen  übermächtigen  Gegner  aus  dem  Feld  ge- 
schlagen werden,  der  mit  seinen  Kälteprodukten,  Eis  und  kaltes 
Schmelzwasser,  die  ganze  weite  Zone  einnimmt.  Dieser  Gegner  ist 
aber  nicht  das  Wasser  der  Wasserhalbkugel,  sondern  das  Land,  oder 
vvenn  man  will,  das  zu  einem  Mineral  (Eis)  gewordene  Wasser  des- 
selben ;  es  ist  der  Gletscher,  als  dessen  gewaltige  Bruchfläche 
die  Eiswand  der  antarktischen  Regionen  sich  darstellt  (cf.  Bogus- 
LAwsKi,  Ozeanographie,  Bd.  I,  S.  374  u.  385).  Die  Südhemisphäre 
ist  nicht  aus  dem  Grund  zu  kalt,  weil  die  warmen  Strömungen  nicht 
in  sie  eindringen,  sondern  die  warmen  Strömungen  können 
nicht  in  sie  vordringen,  weil  sie  von  einem  sehr  über- 
legenen Gegner  verschlungen  werden. 

Die  Zirkulation  zwischen  den  tropischen  und  antarktischen  Ge- 
wässernist aber  deshalb  doch  nicht  aufgehoben.  Die  kalten  antarktischen 
Gewässer,  welche  anerkannt  den  grössten  Teil  der  kalten  Wasser 
überhaupt  liefern,  sinken  auf  den  Grund  nieder  und  breiten  sich  hier 
langsam  gegen  den  Äquator  aus.  Deshalb  besteht  notwendig  auch 
hier  eine  Kompensation  auf  der  Oberfläche,  aber  dieselbe  ist  in  der 
dominierenden  kalten  Strömung  nicht  oder  nur  selten  positiv  mess- 
bar und  wahrnehmbar^. 

Die  vorgelegten  Einwände  sind,  wenn  auch  nicht  die  einzigen, 
aber  doch  weitaus  die  wichtigsten,  welche  gegen  das  Prinzip  der  Warm- 
wasserheizung durch  das  Seeklima  gemacht  werden  können ;  wir  glau- 
ben aber,  dass  dieses  Prinzip  und  die  Verwertbarkeit  desselben  für 
die  Erklärung  der  Klimate  der  Vorwelt  sich  aufrecht  erhalten  lässt. 


^  Auch  Krümmel  führt  solche  Beobachtungen  von  schwachen  Spuren 
wärmerer  Strömungen  an,  die  bis  61"  s.  B.  vordringen  und  zieht  ihre  Realität 
nicht  ganz  in  Abrede,  wiewohl  er  eine  weitere  Bestätigung  abzuwarten  für  rätlich 
hält  (1.  c.  S.  478  u.  480). 


81 


II.  Würdigung  der  Einwände  gegen  das  Normalklima;    Gang 
und  Grundlage  des  eingehaltenen  Verfahrens. 

Der  zweite  Pfeiler,  der,  neben  dem  Seeklima,  die  Grundlage 
unseres  Verfahrens  über  die  Kliroate  der  früheren  Erdperioden  bildet, 
ist  das  Normalklima  im  Sinne  Dove's.  Auch  hiegegen  können 
Einwendungen  gemacht  werden. 

Dr.  E.  Spitäler  in  Wien  hat  zwar  in  neuester  Zeit  die  Berech- 
nungen von  DovE  einer  Revision  unterworfen  und  in  der  Hauptsache 
die  gleichen  Resultate  erzielt,  so  dass  die  empirischen  Werte  Dove's 
.sich  bewährt  haben.  Aber  die  Beanstandung  kann  sich  darauf  wer- 
fen, dass  das  von  Dove  hergestellte  und  so  benannte  Normalklima 
an  sich  gar  nicht  ein  normales  sei,  sondern  ganz  von  den  Zufällig- 
fälligkeiten der  gegenwärtigen  Verteilung  von  Wasser  und  Land 
abhängig  sei;  man  dürfe  dasselbe  deshalb  nur  ein  gemischtes  Klima 
nennen,  aber  nicht  als  ein  normales  auffassen. 

Es  ist  anzuerkennen ,  dass  ein  Normalklima  nach  der  eigent- 
lichen wörtlichen  Bedeutung  einen  gewissen  Grad  von  Gleichmässig- 
keit  in  der  Verteilung  von  Land  und  Wasser  zur  Voraussetzung  hat, 
wenn  dieselbe  auch  innerhalb  massiger  Schranken  schwanken  darf; 
denn  es  handelt  sich  hier  ja  bloss  um  die  Mittel  werte  der  gan- 
zen Jahrestemperatur,  welche  an  sich  schon  ausgeglichene 
Werte  darstellen.  Abweichungen  vom  Mittel  in  einem  nur  massigen 
Prozentsatz  darf  man  schon  an  sich  nicht  als  eine  wesentliche 
Störung  des  normalen  Verhältnisses  betrachten ;  sicher  aber  nicht  in 
solchen  Fällen ,  wenn  diese  Abweichungen  durch  anderweitige  Ein- 
flüsse eine  mehr  oder  weniger  vollkommene  Remedur  erhalten,  wie 
das  bei  der  nördlichen  Halbkugel  zutrifft,  worauf  wir  unten  näher 
eingehen  werden.  Aber  es  dürfen  doch  keine  sehr  bedeutenden 
Unterschiede  in  der  Verteilung  des  Festen  und  Flüssigen  unter  sich 
selbst  vorkommen,  sonst  machen  sich  dieselben  selbst  in  den  Mittel- 
werten in  störender  Weise  geltend. 

Deshalb  eignet  sich  die  Südhalbkugel  nicht  zu  dem  angegebenen 
Zweck ;  sie  ist  dazu  unbrauchbar,  weil  in  verschiedenen  Zonen  der- 
selben Land  und  Meer  in  sehr  verschiedenem  Umfange  verteilt  sind. 
In  den  dortigen  niedrigen  Breiten  ist  das  zwar  noch  nicht  auffallend 
hervortretend;  aber  in  den  mittleren  ist  das  Land  so  spärlich  ver- 
treten, dass  es  als  fast  fehlend  angesehen  werden  muss.  In  den 
hohen  Breiten  aber  daselbst,  im  antarktischen  Polarkreise,  steht  dann 
die  starrende  Eiswand  an.    Ob  man  diese  Region  als  einen  Kontinent, 

Jalireshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    188i).  6 


—     82     — 

oder  als  einen  durch  Eis  verbundenen  Archipel,  oder  als  eine  reine 
Eiskalotte  ohne  alle  festen  Stützpunkte  betrachten  wolle ,  darüber 
sich  zu  ereifern ,  ist  kaum  der  Mühe  wert.  Selbst  eine  reine  Eis- 
kalotte (wenn  man  sich  eine  solche  ohne  alle  festen  Stützpunkte, 
ohne  eine  Gruppe  von  Inseln,  also  ganz  frei  flottierend  im  Ozean 
und  doch  festliegend  denken  könnte)  unterscheidet  sich  in  ihren  kli- 
matischen Erscheinungen  und  Wirkungen  von  einem  Kontinent  nicht ; 
gefrorenes  Wasser  hat  nicht  die  physikalischen  Eigenschaften  des 
Wassers,  sondern  verhält  sich  ganz  wie  ein  Mineral.  Wenn  man 
also  die  starrende  Eiswand  der  antarktischen  Region  nicht  in  Ab- 
rede ziehen  kann ,  so  ist  ein  antarktischer  Kontinent  hiermit  selbst 
schon  zugegeben.  Es  folgt  somit  hier  auf  eine  von  Land  fast  ganz 
entblösste  Zone  unmittelbar  eine  solche,  die  vollständig  mit  Land 
erfüllt  ist.  Das  sind  so  starke  Abweichungen  von  einer  normalen 
gleichmässigen  Verteilung  des  Festen  und  Flüssigen ,  dass  von  der 
Südhalbkugel  Abstand  genommen  werden  muss. 

Viel  weniger  abweichend  gestalten  sich  die  Verhältnisse  der  Ver- 
teilung auf  der  Nordhalbkugel.  Hier  sind  überall ,  in  allen  Zonen, 
sowohl  Land  als  Meer,  beide  in  ansehnlicher  Ausdehnung,  vorhanden, 
so  dass  auch  die  Mittelwerte  der  Temperatur  jedenfalls  nicht 
bedeutend  von  dem  theoretisch  normalen  Werte  abweichen  können. 
Für  diese  ganze  Hemisphäre  ist  das  Verhältnis  von  Wasser  zum  Land 
60  :  40  Prozent  im  mittleren  Durchschnitt. 

Jene  Zone,  welche  die  grossen  zusammenhängenden  Landmassen 
von  Asien  und  Nordamerika  umfasst,  hat  zwar  sichtlich  mehr  Land 
als  dem  mittlem  Durchschnitt  der  ganzen  Hemisphäre  zukommt,  und 
zwar  ungefähr  im  Verhältnis  von  50  :  50  Prozent.  Aber  hier  tritt 
auch  günstiger  Weise  eine  Kompensation  ein.  Da  nämlich  diese 
Landmassen  zu  einem  grossen  Teil  schon  in  die  hohen  Breiten  hinein- 
reichen, so  würde  dadurch  der  Mittelwert  der  Jahrestemperatur  hier 
erniedrigt  werden.  Anderseits  aber  befinden  sich  in  den  glei- 
chen Breiten  die  warmen  Meeresströmungen  im  nordatlantischen 
und  nordpacifischen  Ozean,  welche  die  mittlere  Wärme  des  Meeres 
hier  erhöhen.  Eine  Betrachtung  des  Verlaufs  der  Jahresisothermen 
in  ganz  neuen  Werken  (z.  B.  Woeikof  :  Klimate  der  Erde,  Taf.  XH, 
oder  in  Unser  Wissen  von  der  Erde,  Taf.  VH)  lässt  wirklich  diese 
Ausgleichungen  ganz  augenfällig  hervortreten.  Über  die  Kontinente 
des  nördlichen  Asieil  und  Nordamerika  hin  steigen  dieselben  ebenso 
stark  abwärts,  als  sich  dieselben  über  den  entsprechenden  Meeren, 
dem  nördlichen  Atlantischen  Ozean  und  nördhchen  Stillen  Meer  auf- 


—     83     — 

wärts  wölben  und  auch  die  räumliche  Ausdehnung  dieser  entgegen- 
gesetzten Kurven  ist  sehr  annähernd  die  gleiche.  Ein  recht  kon- 
kretes Beispiel  liefert  hierfür  die  Vergleichung  der  mittleren  Jahres- 
temperaturen von  Spitzbergen  und  Grinell-Land ;  letzteres  lässt  mit 
—  20*^  mittlerer  Jahrestemperatur  und  ersteres  mit  —  9°,  trotz  ähn- 
licher Breite,  die  Bedeutung  der  verschiedenen  Lage  recht  deutlich 
Jiervortreten.  Ebenso  in  etwas  weniger  hohen  Breiten  die  Faröer 
verglichen  mit  Jakutsk.  Zu  dem  gleichen  Resultate,  wie  die  Mes- 
sungen der  Lufttemperatur,  führen  auch  die  direkten  Messungen  der 
Wassertemperaturen.  Boguslawski  gibt  darüber  in  seiner  Ozeano- 
graphie (Bd.  I,  S.  238)  an,  dass  die  mittlere  Temperatur  des  Was- 
sers des  nordatlantischen  Ozeans  in  der  Zone  vom  Äquator  bis  zum 
bO^  n.  Br.  nach  Ausweis  von  sehr  zahlreichen  Messungen  um  2^^ 
wärmer  seien,  als  jene  des  südatlantischen  und  desgleichen  die  Ge- 
Avässer  des  nordpacifischen  Ozeans  in  der  gleichen  Zone  um  1"  wär- 
mer seien  als  die  des  südpacifischen.  In  noch  höheren  Breiten,  als 
-sie  hier  von  Boguslawski  berücksichtigt  werden,  müsste  sich  die 
hohe  Temperatur  der  nördlichen  Gewässer  noch  viel  deutlicher  fühl- 
bar machen ;  denn  hier  erst  kommen  die  ungewöhnlich  hohen  Luft- 
iemperaturen  der  Faröer  und  der  norwegischen  Küste  vor.  Ander- 
seits ist  in  der  ganzen  weiten  Zone  nur  ein  einziger  namhafter  Eis- 
strom zu  verzeichnen,  der  Labradorstrom ;  der  pacifische  Ozean  hat 
überhaupt  nur  schmale  und  seichte  Verbindung  mit  dem  nördlichen 
Eismeer  und  finden  sich  hier  nur  schwache  Anfänge  eines  Eisstromes, 
■der  sich  vom  Ochozkischen  Randmeer  herausbewegt. 

Es  kann  somit  gar  keinem  gegründeten  Zweifel  unterliegen,  dass 
wirklich  eine  thatsächliche  Ausgleichung  der  zu  kalten  Temperaturen 
auf  den  Kontinenten  durch  die  zu  warmen  auf  den  Ozeanen  stattfindet. 

Der  Mittelwert  von  Land  und  Meer  in  dieser  ganzen  Zone 
nähert  sich  hierdurch  offenbar  wesentlich  dem  theoretisch  normalen. 
In  den  niedrigen  Breiten  der  nördlichen  Halbkugel  sodann  tritt  der 
LTmfang  des  Landes  mehr  zurück,  das  Verhältnis  ist  hier  ca.  wie  70 
zu  30  Prozent.  Aber  die  kontinentale  Qualität  tritt  daselbst 
um  so  stärker  hervor,  weil  die  ganze  Sahara  mit  ihrem  exzessiv 
kontinentalen  Wüstenklima  in  diese  Zone  hineinfällt.  Wäre  die  räum- 
liche Ausdehnung  des  Landes  in  dieser  Zone  genau  die  numerisch 
normale,  so  würde  hier  die  Qualität  des  kontinentalen  Klimas  schon 
merklich  zu  stark  hervortreten  (zu  vergleichen  die  citierte  Taf.  VII 
in :  Unser  Wissen  von  der  Erde  und  bei  Woeikof,  Taf.  XII) :  so  aber 
wird  der  Mittelwert  auch  hier  recht  brauchbar  sein. 

6* 


—     84     — 

Das  gilt  jedoch  nur  von  den  Mittelwerten  der  ganzen  Jahres- 
temperatur. Sobald  man  nicht  diese ,  sondern  die  Schwankungs- 
amplitüden  der  Temperatur  zwischen  den  entgegengesetzten  Jahres- 
zeiten (Sommer  und  Winter)  berücksichtigt,  so  stellen  sich  die  dem 
kontinentalen  Klima  eigentümlichen  exzessiv  starken  Schwankungen 
in  den  höheren  Breiten  ganz  deutlich  heraus.  Wir  verweisen  jedoch 
darüber  auf  die  Tabelle  VI  unserer  Schrift  (1.  c.  S.  33).  Wenn  die 
nördliche  Halbkugel  schon  aus  den  vorgelegten  Gründen  für  die  Er- 
kenntnis des  Normalklimas  allein  brauchbar  ist,  so  kommt  dazu  noch, 
dass  die  für  den  Zweck  unserer  Aufgabe  so  wichtigen  fossilen  Pflanzen- 
abdrücke aus  der  nördlichen  Halbkugel  sehr  reichlich,  aus  der  süd- 
lichen aber  sehr  spärlich  vorliegen.  C.  v.  Ettingshausen  hat  zwar 
eine  Anzahl  auch  tertiärer  Pflanzen  aus  dem  Festland  von  Neu- 
holland und  von  Neuseeland  bestimmt ;  das  sind  jedoch  nur  schwache 
Anfänge  gegenüber  den  reichen  Schätzen,  die  aus  allen  Breiten  der 
nördlichen  Halbkugel  gesammelt  worden  sind.  Es  fällt  also  auch 
nach  dieser  Seite  hin  das  Schwergewicht  auf  die  nördliche  Halbkugel. 

Eine  Vergleichung  der  Skala  der  Temperaturen  des  Seeklimas 
und  Normalklimas  der  nördlichen  Halbkugel  (cf.  Tabelle  1  unserer 
Schrift  S.  8)  ist  nun  sehr  lehrreich  nach  zwei  Seiten  hin,  weil  sie: 

1)  den  Betrag  des  Unterschiedes  der  Temperatur  zwischen  bei- 
den unmittelbar  erkennen  lässt  und 

2)  ebenso  unmittelbar  auch  den  Grund  dieser  Differenz  angibt. 
Der  Grund  kann  selbstverständlich  kein  anderer   sein,    als    der 

direkt  durch  das  Thermometer  wahrnehmbare  und  messbare  Einfluss 
des  Landes;  und  für  den  Betrag  ist  charakteristisch  nicht  bloss, 
dass  derselbe  bedeutend  ist,  sondern  dass  die  durch  die  geo- 
graphische Breite  hervorgerufenen  Temperaturdiffe- 
renzen bei  dem  Seeklima  nur  schwach,  bei  dem  No  rmal- 
klima  aber,  durch  den  Einfluss  des  Landes,  stark  her- 
vortreten. 

Beides  ist  sehr  wichtig ;  denn  es  ist  hiermit  ein  Weg  gebahnt, 
um  weiter  vorzudringen.  Die  Kritik  könnte  sich  nur  dann  an  ein- 
zelne Ziffern  anklammern,  wenn  man  das  Resultat  erzwingen  wollte, 
dass  man  eine  mathematische  Formel  daraus  ableiten  wollte,  welche 
für  alle  möglichen  Fälle  eine  genaue  numerische  Anwendung  finden 
sollte.  Allein  das  ist  unsere  Absicht  nicht  und  es  liegt  hierzu  auch 
zur  Zeit  gar  kein  Bedürfnis  vor.  Es  ist  auch  an  sich  liöchst  un- 
wahrscheinlich, dass  die  Entwickelung  der  klimatischen  Zustände 
streng  nach  einer  mathematischen  Formel  sich  vollzogen  habe   und 


—     85     — 

in  einer  solchen  sich  wiedergeben  lasse.  Schon  die  bedeutenden 
faktischen  Unterschiede  der  Temperaturen  auf  der  nördlichen  Halb- 
kugel gegenüber  der  südlichen  sprechen  dagegen.  Unsere  Absicht 
ist  nur  diese:  ein  Vers tändnis  zu  gewinnen  für  jene  klimatischen 
Erscheinungen  der  Vorwelt,  welche  so  vielfach  als  ganz  unlösbare 
und  widerspruchsvolle  Rätsel  aufgefasst  werden.  Hierzu  genügen 
aber  vollständig  jene  Mittelwerte  des  Seeklimas  und  Normalklimas, 
wie  sie  von  Sartorius  und  Dove  aufgestellt  wurden,  selbst  wenn  die- 
selben von  unvermeidlichen  Beobachtungsfehlern  sich  nicht  hätten 
ganz  frei  machen  können. 

Unsere  Hauptaufgabe  aber  ist,  nachzuweisen,  dass  für  den  Gang 
des  weiteren  Verfahrens  zum  richtigen  Verständnisse  des  Klimas  der 
früheren  Erdperioden  dieser  Weg  und  nur  dieser  Weg  zum  Ziele  zu 
führen  vermöge.  Das  wird  am  klarsten  hervortreten,  wenn  wir  zuerst 
die  Methode  von  Sartorius  besprechen  und  dann  unsere  eigene  da- 
mit vergleichen.  Die  grossen  Verdienste  von  Sartorius  werden  hier- 
bei ausdrücklich  anerkannt  und  hervorgehoben. 

Sartorius  hat  seinerseits  den  Weg  eingeschlagen ,  dass  er  das 
Seeklima  direkt  um  gewisse  Beträge  verstärkte ,  ohne  Berücksich- 
tigung des  Normalklimas  und  mit  nur  sehr  unvollkommenen  Kennt- 
nissen ausgerüstet  über  die  Anforderungen  von  selten  der  Palaeonto- 
logen  ^  In  letzterer  Beziehung  kommt  ihm  allerdings  zu  seiner 
Entschuldigung  voll  zu  statten,  dass  ihm  die  Resultate  der  Palae- 
ontologie  noch  gar  nicht,  oder  nur  in  ihren  schwachen  Anfängen 
bekannt  sein  konnten,  da  diese  selbst  erst  in  ihren  wichtigsten  Er- 
gebnissen um  mehr  als  ein  Jahrzehnt  später  gefunden  und  veröffent- 
licht wurden.  Heutzutage  aber  wäre  es  ein  unverzeihlicher  Ana- 
chronismus, wenn  von  diesen  so  sehr  wichtigen  Entdeckungen  nicht 
ein  umfassender  Gebrauch  gemacht  würde.  Dass  somit  Sartorius, 
wie  er  selbst  sagt ,  die  schwankende  Bahn  der  annähernden  Schä- 
tzungen (cf.  1.  c.  S.  154)  betreten  musste ,  wobei  in  Irrtümer  zu 
verfallen  fast  unvermeidlich  war,  sieht  man  ohne  weiteren  Nachweis 
ein.  Er  konnte,  selbst  wenn  seine  Schätzungen  glücklicher  aus- 
gefallen wären,  als  sie  sind,  nicht  ermessen,  ob  er  damit  über  sein 
angestrebtes  Ziel  (Temperaturen  der  Vorwelt)  hinausschiesse ,  oder 
hinter  ihm  zurückbleibe,  weil  ihm  die  palaeontologische  Kontrolle 
abging.  Ohne  diese  aber  wäre  es  reiner  Zufall  gewesen ,  wenn  er 
dennoch  das  Ziel  richtig  getroffen  hätte.  » 


'  cf.  Untersuchungen  über  die  Klimate  der  Gesrenwart  und  Vorwelt  S.  323. 


—     86     — 

Aber  auch  noch  nacli  einer  andern  Seite  hin  fehlte  ihm  die 
richtige  Direktive ,  oder  brachte  er  dieselbe  nicht  in  Anwendung, 
nämlich  in  welcher  Gradation  die  Skala  des  Seeklimas  zu  ver- 
stärken sei,  um  zu  dem  angestrebten  potenzierten  Seeklima  der  frühe- 
ren Erdperioden  zu  gelangen.  Eine  Vergleichung  mit  dem  Normal- 
klima, das  DovE  schon  1852  aufgestellt  hatte,  hätte  ihm  hier  die 
Orientierung  geben  können ;  aber  Sartorius  machte  davon  keinen 
Gebrauch,  vielleicht  weil  er  ihm  nicht  das  erforderliche  Zutrauen 
schenkte  aus  irgendwelchen  Gründen ;  sonst  müsste  es  sich  ihm 
ganz  nahegelegt  haben ,  eine  Vergleichung  mit  der  von  Dove  ge- 
fertigten Temperaturskala  zu  vollziehen,  welche  letztere  Festland  und 
Wasser  zugleich  umfasst,  also  den  Einfluss  des  Landes  auf  das  Klima 
bestimmt  erkennen  lässt.  Offenbar  gereichte  diese  Unterlassung  sei- 
nem Verfahren  zum  Nachteil,  weil  er  sich  nur  auf  seine  Schätzungen 
angewiesen  sah  und  so  konnte  es  nicht  anders  kommen ,  als  dass 
seine  Resultate  sich  später  als  unzutreffende  herausstellten ,  wenn 
auch  die  prinzipielle  Grundlage  (Seeklima)  richtig  ist. 

Zur  objektiven  Sicherung  unseres  eigenen  Vorgehens  aber  haben 
wir  nicht  bloss  das  Seeklima  zur  Grundlage  genommen,  wie  Sar- 
torius, sondern  auch  als  weitere  Stütze  noch  herbeigezogen  da& 
Normalklima  (Dove)  und  als  dritte  Stütze  fügen  wir  noch  hinzu: 
das  palaeontologische  Klima,  wenn  der  Ausdruck  erlaubt  ist, 
wie  es  durch  die  Untersuchungen  der  fossilen  Pflanzen,  besonders- 
aus den  Polarländern,  von  Heer  sich  ergeben  hat.  Die  Vergleichung 
von  Seeklima  und  Normalklima  gibt  nach  dem ,  was  oben  gesagt 
wurde,  die  eigentümliche  Gradation  an  die  Hand,  welche  anzu- 
wenden ist,  um  die  Einflüsse  des  Landes  in  den  verschiedenen  geo- 
graphischen Breiten  möglichst  zu  überwinden,  worin  ja  die  auf- 
fallendste Eigentümlichkeit,  der  eigentliche  klimatische  Charakter 
der  früheren  Erdperioden  liegt;  die  palaeontologische  Skala  aber  lässt 
den  Betrag  ermessen  und  abnehmen,  wie  w  eit  in  dieser  Richtung 
voranzugehen  ist.  Oder  mit  andern  Worten :  die  Skalen  des  See- 
klimas und  Normalklimas ,  miteinander  verglichen,  sind  ein  sicherer 
Wegweiser  dafür,  dass  heutzutage  nicht  bloss  ein  Einfluss  des  Landes 
auf  das  Klima  besteht,  sondern  auch  dafür,  in  welcher  spezifischen 
Richtung  und  Abstufung  dieser  Einfluss  sich  äussert.  Ihre  Verglei- 
chung liefert  den  Beweis,  dass  die  Temperaturunterschiede  der  geo- 
graphischen Breite  nur  dann  sich  energisch  geltend  machen ,  wenn 
Landmassen  vorhanden  sind,  und  am  meisten  gilt  dies  in  hohen  Brei- 
ten.   Denn  schon  bei  der  Berechnung  des  Seeklimas  der  Gegenwart, 


—     87     — 

•wobei  ja  die  Einflüsse  des  Landes,  so  gut  als  empirisch  ausführbar 
ist,  ausgeschlossen  wurden,  stellen  sich  die  Unterschiede  der  geo- 
graphischen Breite  nur  als  schwache  oder  sehr  massige  heraus.  Sie 
können  aber  ohne  Anstand  noch  mehr  verringert  werden  (durch  Rech- 
nung), wenn  man  nur  einen  soliden  Anhaltspunkt  besitzt,  wie  weit 
man  hierin  gehen  dürfe  und  müsse,  um  hinter  dem  angestrebten  Ziele 
weder  zurückzubleiben,  noch  dasselbe  zu  überschreiten.  Auch  diesen 
Anhaltspunkt  besitzt  man  heutzutage,  dank  den  Untersuchungen  von 
Heer,  in  der  palaeontologischen  Skala.  Diese  leistet  den  erwünsch- 
ten und  notwendigen  Dienst,  dass  man  einen  klaren  und  speziali- 
sierten Begriff  nicht  bloss  von  der  Beschaffenheit  des  Pflanzenkleides, 
sondern  auch  von  den  klimatischen  Anforderungen  der  früheren  Erd- 
perioden besitzt.  Der  Kontrolle  der  palaeontologischen  Skala  muss 
man  sich  deshalb  jedenfalls  bedienen  und  sich  ihr  unterwerfen,  sei 
es  nun,  dass  man  dadurch  zur  positiven  Bestätigung  des  angewandten 
Verfahrens  gelange,  oder  zur  Widerlegung  desselben.  Wenn  es  auf 
diesem  Wege  nicht  gelingen  sollte,  eine  entsprechende  Temperatur- 
skala für  die  früheren  Erdperioden  herzustellen,  die  in  gutem  Ein- 
klang mit  den  palaeontologischen  Forschungen  steht,  so  muss  das 
Verfahren  falsch  oder  wenigstens  mangelhaft  gewesen  sein.  Die  an- 
gewandten Stützen  des  Verfahrens  könnten  zwar  für  sich  selbst  in- 
takt bleiben,  aber  es  wäre  fraglich,  ob  sie  die  einzigen  Faktoren 
sind,  welche  hier  in  Anschlag  kommen.  Es  könnte  noch  ein  weiterer 
Faktor  oder  auch  mehrere  bestehen ,  die  ebenfalls  einen  Einfluss 
ausüben,  die  aber  keine  Berücksichtigung  gefunden  hätten ;  deshalb 
müsste  sich  dann  notwendig  auch  ein  unbefriedigendes  Resultat  ergeben. 

Wenn  es  aber  gelingt,  wirklich  durch  dieses  Verfahren  eine 
entsprechende  Temperaturskala  herzustellen,  so  ist  dieser  Erfolg  der 
beste  Beweis  dafür,  dass  das  Verfahren  selbst  richtig  gewesen  sei, 
d.  h.  dass  sämtliche  massgebende  Faktoren  die  verdiente  Berück- 
sichtigung gefunden  haben. 

Man  darf  nicht  glauben,  dass  die  Anforderungen,  die  durch  die 
Palaeontologie  gestellt  werden,  sehr  einfach  seien,  dass  sie  etwa  nur 
eine  um  ein  paar  Grade  höhere  Temperatur  erfordern  würden ;  sie 
sind  im  Gegenteil  recht  kompliziert,  sogar  rätselhaft,  für  verschiedene 
geographische  Breiten  in  ganz  verschiedenen  Verhältnissen 
sich  bewegend.  Wenn  desungeachtet  gut  klappende  Temperatur- 
tabellen für  die  verschiedenen  Erdperioden  hergestellt  werden ,  so 
kann  hier  kein  Zufall  im  Spiele  sein  Die  Steinkohlenpflanzan  ma- 
chen, nach  der  Lehre  der  Palaeontologen  und  Botaniker,  ganz  andere 


—     88     — 

Ansprüche,  als  die  Molassepflanzen ;  und  wieder  die  Molassepflanzen 
der  höchsten  Breiten  ganz  andere,  als  die  der  mittleren  und  der 
niedrigen  Breiten.  All  diesen  sehr  verschiedenen  Ansprüchen  muss 
entsprochen  werden.  Hat  man  also  mit  falschen  Faktoren  gerechnet 
oder  wesentliche  unberücksichtigt  gelassen,  so  wird  man  alsbald  auf 
störende  Inkongruenzen  stossen.  Die  Herstellung  aber  von  gut  klap- 
penden Temperaturskalen ,  sowohl  für  die  alten  Perioden ,  als  auch 
für.  die  Molassezeit,  soweit  man  es  billigerweise  fordern  kann,  ist 
die  wirkliche  bestätigende  Probe  des  angewandten  Verfahrens. 

Hier  von  einem  circulus  vitiosus  zu  reden,  ist  völlig  ungerecht- 
fertigt. Der  Sachverhalt  liegt  so :  die  fossilen  Organismen  der  frühe- 
ren Perioden  verlangen  (nach  unserer  Gesamtauffassung)  ein  mehr 
reines  Seeklima,  als  die  Gegenwart  irgendwo  bietet,  wobei  die  Ver- 
schiedenheit der  klimatischen  Ansprüche  während  der  älteren  und 
während  der  tertiären  Formation  zunächst  ausser  Betracht  bleiben 
kann.  Die  Phytopalaeontologie  (Heer)  hat  die  betreffenden  Werte, 
ganz  von  ihrem  Standpunkt  aus,  zu  eruieren  sich  bemüht. 
Der  Passus  in  der  Urwelt  der  Schweiz  (H.  Aufl.  S.  657)  lautet  (ab- 
gekürzt) wie  folgt:  „Mit  der  obersten  Kreide  beginnt  erst  die  zonen- 
weise Verteilung  der  Wärme ;  sie  ist  unzweifelhaft  ausgesprochen  in 
der  unteren  miocänen  Flora  der  arktischen  Zone.  Während  die  Tropen- 
welt wahrscheinlich  kaum  beträchtlich  heisser  war  als  gegenwärtig, 
war  Mitteleuropa  zu  jener  Zeit  um  ca.  9^0.  wärmer  als  jetzt;  Spitz- 
bergen aber  muss  nach  seiner  reichen  Waldflora  noch  bei  78°  n.  Br. 
eine  Jahrestemperatur  von  9*^0.  und  das  Grinell-Land  bei  82*^  eine 
solche  von  wenigstens  8*^  C.  gehabt  haben.  Die  Westküste  von  Spitz- 
bergen hat  gegenwärtig  eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  — 8°,6  C., 
ist  also  um  17°,6  C.  kälter  als  zur  Miocänzeit;  im  Grinell-Land  betrug 
die  mittlere  Jahrestemperatur  bei  8V  44'  n.  Br.  1875/1876  —  20^13  C. ; 
der  Unterschied  steigt  also  hier  auf  28*^  G." 

Das  der  Sachverhalt.  Nun  erwächst  aber  die  Aufgabe,  durch 
Aufstellung  eines  gemeinsamen  Ko  effizient  en  die  Skala  des 
Seeklimas  der  Gegenwart  so  zu  behandeln,  dass  allen  diesen  gewiss 
verschiedenartigen  Ansprüchen  genügt  wird.  Nicht  für  jedes 
einzelne  Glied  der  zehngliederigen  Skala  darf,  je  nach  Bedarf, 
immer  wieder  ein  anderer  Koeffizient  in  Anwendung  gebracht  wer- 
den, das  wäre  ein  circulus  vitiosus ;  sondern  e  i  n  und  derselbe 
Koefficient  gilt  für  sämtliche  10  Glieder  der  Skala.  Durch  die  An- 
wendung eines  einzigen  Koeffizienten  muss  das  Seeklima  der  Gegen- 
wart sich  so  potenzieren  lassen,  dass  die  hierbei  resultierenden  Werte 


—     89     — 

mit  jenen,  die  von  der  Phytopalaeontologie  aufgestellt  worden  sind, 
übereinstimmen.  Bei  der  sehr  grossen  Verschiedenheit  der  letzteren 
sieht  man  wohl,  dass  hier  keine  ganz  einfache  Anforderung  gestellt 
wird.  Oswald  Heer  hat  bei  seinen  Arbeiten  keine  Rücksicht  darauf 
genommen,  ob  und  wie  die  von  ihm  gefundenen  botanischen  Werte 
auch  physikalisch  erklärt  werden  können,  und  sämtliche  Palaeonto- 
logen  machen  kein  Hehl  daraus,  dass  man  sehr  weit  davon  entfernt 
sei,  all  diese  weit  auseinandergehenden  Werte  unter  einen  Hut  und 
hiermit  dieselben  zum  physikalischen  Verständnis  zu  bringen.  Wenn 
nun  aber  doch  dargethan  werden  kann,  dass  schon  die  Anwendung 
eines  einzigen  Koeffizienten  auf  die  Skala  des  Seeklimas  der  Gegen- 
wart ausreicht,  um  allen  diesen  Anforderungen  gerecht  zu  werden 
und  so  eine  Skala  aufzustellen,  die  den  auf  palaeontologischem  Wege 
gefundenen  Werten  wesentlich  entspricht,  so  ist  hiermit  der  Beweis 
geliefert,  dass  nicht  mit  falschen  Faktoren  gerechnet  worden  ist. 
Wollte  man  diese  Übereinstimmung  dem  Zufall  zu  gut  schreiben,  so 
müsste  man  nachweisen ,  ob  es  wahrscheinlich  sei ,  dass  der  Zufall 
eine  so  ganz  unbegreifliche  Wirkung  haben  könne ,  und  die  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung würde  ein  Resultat  ergeben ,  das  den  Zufall 
hier  vollständig  ausschliesst. 

Wer  einen  andern  Weg,  als  den  hier  von  uns  betretenen,  ein- 
zuschlagen vorzieht,  mag  das  thun;  aber  solange  er  keine  befriedi- 
gende Skala  herzustellen  vermag,  welche  die  Kontrolle  der  Phyto- 
palaeontologie aushält,  so  lange  ist  keine  Garantie  gegeben,  dass  er 
sich  nicht  auf  dem  Boden  einer  unkontrollierten  Hypothese  bewege. 
Unsererseits  glauben  wir  die  Versicherung  geben  zu  sollen,  dass  nur 
das  Zusammenklappen  der  Resultate  aus  den  verschiedenen  hier  in 
Betracht  kommenden  Disziplinen  uns  den  Mut  gegeben  hat,  diesen 
Gegenstand  in  der  Öffentlichkeit  zu  besprechen.  Wenn  also  jemand 
aus  irgendwelchen  Gründen  von  der  Annahme  ausgeht,  dass  ein 
potenziertes  Seeklima  niemals  bestanden  habe,  so  muss  er  auf  irgend 
einem  andern  Wege  durch  Herstellung  einer  konkreten  Tempe- 
raturskala den  Nachweis  führen,  dass  die  Wälder  von  Spitzbergen  etc. 
in  früheren  Perioden  die  Bedingungen  zu  ihrer  Existenz  gehabt  haben ; 
denn  sowohl  die  Existenz  als  auch  das  Indigenat  derselben  ist  von 
Heer  so  gut  erwiesen  worden,  als  irgend  eine  naturhistorische  That- 
sache  erwiesen  werden  kann  (cf.  Polarflora  I.  B.  S.  14,  30,  49).  Eine 
Änderung  in  der  Exzentrizität  der  Erdbahn  ist  aber  dazu  untauglich, 
weil  durch  dieselbe  nur  die  Unterschiede  in  den  verschiedenen  Jahres- 
zeiten entweder  exzessiver  gemacht  oder  aber  abgeschwächt  werden 


-     90     — 

können ,  der  Mittelwert  aber  der  ganzen  Jahrestemperatur  gleich 
bleibt.  Bei  einem  Mittelwerte  von  —  8°  C,  was  die  heutige  Tem- 
peratur von  Spitzbergen  ist,  kann  aber  weder  die  Holzvegetation  der 
Molassezeit,  noch  viel  weniger  die  der  Kreide-  und  Steinkohlenzeit 
daselbst  bestanden  haben.  Durch  eine  Änderung  in  der  Lage  der 
Erdachse  würden  sodann  die  verschiedenen  klimatischen  Zonen  wohl 
räumlich  in  ganz  andere  Gegenden  verlegt  werden  können,  aber 
die  Temperaturen  innerhalb  dieser  verschobenen  Zonen  selbst  würden 
sich  nicht  ändern ,  womit  wieder  nicht  geholfen  ist.  Wollte  man 
aber  zur  Erklärung  die  Eigenwärme  der  Erde  in  früheren  Perioden 
herbeiziehen,  welche  durch  warme  und  heisse  Quellen  den  Boden 
und  die  Luft  so  sehr  erwärmt  haben  müssten ,  dass  das  Klima  von 
Spitzbergen  die  erforderlichen  Eigenschaften  erlangt  hätte,  so  führt 
das  ebensowenig  zum  Ziele.  Es  ist  nicht  in  Abrede  zu  ziehen,  dass 
in  einem  gewissen  Stadium  der  tellurischen  Entwickelung  die  Eigen- 
wärme der  Erde  eine  sehr  grosse  gewesen  sein  muss,  so  dass  über- 
all, selbst  in  polaren  Gegenden,  die  Luft  durch  Berührung  mit  dem 
heissen  Boden  und  den  heissen  Quellen  ganz  bedeutend  erwärmt 
wurde.  Aber  dieses  Stadium  konnte  nur  während  der  azoi- 
schen Periode  bestanden  haben;  es  konnte  nicht  einmal  bis  zur 
Steinkohlenperiode  andauern ,  noch  weniger  bis  in  die  Molassezeit : 
denn  wenn  der  Boden  der  Erde  eine  solche  Wärmemasse  an  die 
Luft  abgeben  konnte,  dass  die  Jahrestemperatur  um  einige  Dutzend 
Grade  erhöht  werden  konnte,  so  musste  schon  in  ganz  geringer  Tiefe 
eine  wirkliche  Siedhitze  bestehen.  Dann  konnten  aber  die 
grossen  baumartigen  Gewächse ,  welche  doch  zu  ihrer  Befestigung 
ihre  Wurzeln  in  die  Tiefe  senden  mussten,  nicht  bestehen,  weil  die 
Siedhitze  ihnen  tödhch  geworden  wäre.  Aus  dem  gleichen  Grund 
konnten  auch  keine  Tiere  des  Wassers  bestehen ,  so  wenig  als  in 
den  heissen  Quellen  von  Neuseeland  heutzutage  (Hochstetter).  Des- 
halb ist  jene  Erklärung  unzulässig.  Ein  kleiner  Zuschuss  jedoch  von 
20 — 30  j^  ^  ^-g  -j^jj  Särtorius  für  die  ältesten  Perioden  in  Anrech- 
nung bringt,  unterliegt  keiner  Beanstandung  und  wird  auch  nicht 
von  der  Hand  gewiesen  werden  dürfen.  Mit  den  azoischen  Perioden 
haben  selbstverständhch  wir  jedoch  hier  nichts  zu  schaffen;  unsere 
Aufgabe  besteht  darin,  dass  wir  nach  Massgabe  der  fossilen  Tier- 
und  Pflanzenreste  die  klimatischen  Zustände  jener  Perioden  physi- 
kalisch zu  erklären  suchen,  in  welchen  Tiere  und  Pflanzen  wirklich 
bestanden  haben.  Es  mag  jedoch  genügen,  auf  die  obigen  Erklä- 
rungsversuche und  ihre  Unzulänglichkeit  hingewiesen  zu  haben. 


—     91 

Nur  dagegen  muss  man  sich  mit  Elntschiedenheit  verwahren, 
dass  man  die  Argumentation  sozusagen  umkehre  und  ein  Akklimati- 
sations Fähigkeit  seitens  der  Organismen  unterstelle,  welche  ver- 
mocht hätte,  sich  an  jede  Art  von  Klima  im  Laufe  der  verschiedenen 
Erdperioden  anzupassen.  Das  von  Heer  bearbeitete  Material  der 
Nordpolexpeditionen  beweist  gerade  das  Gegenteil.  Wenn  jene  Unter- 
stellung richtig'  wäre,  so  hätten  die  zur  Molassezeit  in  Spitzbergen 
bestandenen  Waldbäume  sich  auch  an  das  heutige  Klima  daselbst 
(wenn  auch  mit  Modifikationen)  anpassen  müssen  und  können,  was 
aber  nicht  zutrifft.  Längst  schon  trägt  der  Golfstrom  einzelne  sehr 
hartbeschalte  Sämereien  aus  den  niedrigen  Breiten  bis  an  die  Ge- 
stade der  hochnordischen  Länder^;  aber  sie  sind  weit  entfernt,  sich 
in  diesen  Gegenden  zu  entwickeln  und  zu  akklimatisieren.  Da  aber 
früher  solche  Organismen  daselbst  thatsächlich  bestanden  haben,  so 
ist  der  Schluss  gerechtfertigt,  dass  sie  zwar  damals  ihre  Existenz- 
bedingungen auch  in  den  höchsten  Breiten  gefunden  haben,  dieselben 
aber  heute  dort  nicht  mehr  finden ,  sicherlich  nur  aus  dem  Grunde 
allein  ,  weil  daselbst  das  Klima  sich  ganz  wesentlich  geändert  hat. 
Die  Erklärung  muss  sich  nach  den  Thatsachen  richten,  nicht  um- 
gekehrt. 

Dagegen  leistet  nun  die  von  uns  vertretene  Warmwasserheizung 
durch  die  ozeanischen  Gewässer  ohne  Schwierigkeit  die  erforderlichen 
Dienste.  Schon  das  empirische  ozeanische  Klima  der  Gegenwart 
(Sartorius)  leistet  hierin  viel ;  durch  eine  entsprechende  Verstärkung 
desselben ,  die  aber  ganz  im  Gebiete  der  Zulässigkeit  liegt ,  wird 
darin  noch  viel  mehr  geleistet ,  so  viel ,  dass  alle  billigen  Anforde- 
rungen erfüllt  werden.  Die  Tabellen  III,  V,  YI  unserer  Schrift  (1.  c. 
S.  27,  31,  33)  sind  ganz  geeignet,  diesen  Beweis  zu  liefern  für  die 
alten  Perioden  und  die  Tabelle  YII  daselbst  (1.  c.  S.  48)  für  die 
Molassezeit. 

Wenn  man  sich  somit  der  Vergleichung  des  Seeklimas  und  Nor- 
malklimas als  der  empirischen  Grundlagen  bedient  und  noch  die 
palaeontologische  Skala  zur  weiteren  Orientierung  herbeizieht,  so 
vermag  man  damit  ein  Ziel  zu  erreichen,  das  den  Anforderungen 
entspricht.   Spekulationen  sind,  wie  man  sieht,  hierbei  ausgeschlossen. 

Nun  tritt  aber  die  Aufgabe  heran,  auch  solche  Einwendungen 
zu  besprechen  und  zu  beseitigen,  die  von  benachbarten  Gebieten  aus, 
besonders  von  der  Geologie  aus,  gemacht  werden  können. 


'  cf.  Heer.  Flora  foss.  arctica.  Bd.  I,  S.  14  Note. 


—     92     — 

III.  Besprechung  und  Beseitigung  einiger  anderer  Einwände. 

1)  Die  Warmwasserheizung  wird  durch  das  Auftauchen  des  festen 
Landes  beeinträchtigt.  Wenn  dieses  sich  zu  Kontinenten  zusammen- 
schliesst ,  welche ,  nach  dem  heutigen  Massstabe ,  Hunderttausende 
von  Quadratmeilen  messen,  so  schaffen  sich  dieselben  ihr  Klima  selbst; 
es  entsteht  das  kontinentale  Klima,  welches  in  einem  deutlichen  und 
scharfen  Gegensatz  zum  Seeklima  steht  und  der  Besitzstand  des 
letzteren  wird  geschädigt  oder  ganz  verdrängt.  Solange  aber  das 
feste  Land  noch  nicht  in  geschlossenen  Massen  auftritt,  son- 
dern in  Liseln  und  Archipelen  zerteilt  ist,  so  ist  immer  noch  eine 
Ausbreitung  der  Gewässer  nach  allen  Seiten  der  Oberfläche  hin  er- 
möglicht und  damit  eine  Regulierung  im  Sinne  des  Seeklimas  vor- 
handen ,  wie  anderseits  das  zerstückelte  Land  seine  zu  einem  kon- 
tinentalen Klima  hindrängenden  Eigenschaften  nur  wenig  oder  nicht 
zu  bethätigen  vermag. 

Man  sieht,  wie  Warmwasserheizung  und  archipelartige  Ver- 
teilung des  Landes  in 'den  alten  Perioden  miteinander  stehen  und 
fallen,  dass  das  Prinzip  der  Warmwasserheizung  nicht  aufrecht  er- 
halten werden  kann,  wenn  man  Kontinente  in  den  alten  Perioden 
zulässt,  dass  aber  auch  anderseits,  wenn  man  den  Bestand  von  Archi- 
pelen aufrecht  erhalten  kann,  dadurch  das  Prinzip  der  Warmwasser- 
heizung selbst  eine   weitere  Stütze  findet. 

Man  weist  nun  allerdings  auf  gewisse  Landstrecken  hin ,  die, 
wenn  sie  auch  nicht  den  Umfang  von  Kontinenten  im  heutigen  Sinn 
besitzen,  aber  doch  von  grossem  Umfang  sind  (Canada,  die  Um- 
gebung der  Ostsee  etc.),  in  welchen  die  alten  Urgesteine  stark  vor- 
herrschen und  von  meerischen  Sedimenten  nur  wenige  Spuren  vor- 
handen sind.  Allein  solche  Erscheinungen  können  nicht  mehr  als 
beweiskräftig  angeführt  werden  dafür,  dass  diese  Länder  seit  den 
ältesten  Zeiten  festes  Land  gewesen  seien ,  seitdem  man  die  sehr 
wichtige  Rolle  kennen  gelernt  hat,  welche  der  Denudation  und  Ab- 
rasion zugefallen  ist  (Richthofen,  Süess).  Ohnehin  müsste  der  Mangel 
an  aufeinander  folgenden  Süsswasserbildungen  in  diesen  Gegenden 
darauf  aufmerksam  machen ,  dass  hier  der  ursprüngliche  Zustand 
offenbar  nicht  erhalten  ist,  sondern  dass  Umänderungen  vorgekommen 
sind,  welche  sogar  bis  in  die  jüngsten  Perioden  hereinreichen  können. 

Dagegen  ist  eine  andere  Beweisführung  zu  gunsten  des  Bestandes 
von  Archipelen  statt  geschlossener  Kontinente  so  naheliegend  und, 
möchte  man  sagen,  fast  handgreiflich,  dass  man  das  Gewicht  der- 


—     93     — 

selben  nicht  wird  abschwächen  können;  es  ist  die  Auffindung  von 
zahlreichen  Meerespetrefakten  bis  tief  in  die  heutigen  Konti- 
nente hinein,  während  die  Land-  und  Süsswasserfossilien  sehr  spora- 
disch sind  und  zwar,  je  weiter  zurück  in  der  Reihe  der  Formationen, 
desto  spärlicher.  Das  ist  ein  selbstredendes  positives  Zeugnis  für 
die  ehemalige  Existenz  von  Archipelen  an  der  Stelle  der  heutigen 
Kontinente. 

Der  hauptsächlichste  Grund  aber,  der ,  trotz  dieses  Zeugnisses, 
doch  für  die  Existenz  von  umfangreichen  Kontinenten  schon  in  den 
ältesten  Perioden  angeführt  wird,  besteht  darin:  man  müsse  über 
den  Meeresspiegel  emporragendes  umfangreiches  Festland  annehmen, 
um  das  Schichte nmaterial  der  späteren  Formationen  zu  er- 
klären, besonders  die  Sand-  und  Thonschichten.  Das  Material  der 
Kalkschichten  könne  sich  im  Meere  selbst  unter  Mitwirkung  der 
Organismen  gebildet  haben,  aber  das  Material  der  Sand-  und  Thon- 
schichten (Grauwacken  etc.)  weise  mit  Bestimmtheit  darauf  hin, 
dass  irgendwo  Land  gewesen  sein  müsse  und  zwar  ausgedehntes 
Land,  durch  dessen  Unterspülung  etc.  das  Material  in  das  Meer  ge- 
kommen sei,  um  so  immer  und  immer  wieder  neue  Sand-  und  Thon- 
schichten zu  erzeugen.  Neumayr,  Erdgesch.  I,  S.  367.  Dieser  Grund 
ist  genauer  ins  Auge  zu  fassen  und  zu  prüfen.  Zunächst  ist  zuzu- 
geben, dass  auf  solche  Weise  und  durch  die  Sedimente  der  Flüsse, 
welche  diese  angenommenen  alten  Kontinente  durchströmten ,  das 
Material  zu  den  Grauwacken  und  Sandsteinen,  worunter  auch  die 
groben  Sorten  begriffen  sind,  gebildet  werden  konnte. 

Aber  misslich  ist,  dass  auf  diesem  Wege  keine  Zunahme 
des  Festlandes  durch  die  ganze  Reihe  der  Formationen  hindurch 
stattfinden  konnte,  sondern  eine  stetige  Abnahme  sich  ergeben 
haben  müsste.  Mögen  die  Sande  etc.  auch  noch  so  oft  umgesetzt 
werden,  so  kommt  doch  kein  weiteres  Material  hinzu,  als  jenes,  das 
schon  ursprünglich  als  Festland  über  das  Meer  emporragte.  Das 
bisherige  Festland  verschwand  nach  und  nach  unter  dem  Meeres- 
spiegel und  es  mussten  schon  recht  günstige  Zustände  obwalten, 
wenn  nur  gleich  viel  Land  sich  wieder  über  das  Wasser  erhob ;  aber 
ein  Zuwachs  konnte  nicht  erfolgen.  Die  fortwährende  Abtragung 
des  festen  Landes  und  Ausbreitung  des  Materials  über  die  weiten 
Räume  des  Meeres  hin,  auch  in  die  Tiefen  des  Meeres  hinein,  be- 
wirkte eine  fortlaufende  Nivellier ung  der  vorhandenen 
Unebenheiten.  Bei  diesem  Prozess  aber  könnte  und  müsste  das 
Land  mehr  und  mehr   und   zuletzt    ganz   unter   dem  Meeresspiegel 


—     94     — 

verschwinden,  vorausgesetzt,  dass  die  Masse  des  Wassers  so 
gross  ist,  dass  sie  die  ganze  Oberfläche  der  Erde  bedecken  kann. 
Letzteres  ist  aber  der  Fall,  wie  Krümmel  berechnet  hat,  und  zwar 
in  der  Weise,  dass  nach  Einebnung  aller  heutigen  Kontinente  das 
Meer  noch   2520  m.  tief   die   ganze  Oberfläche   überfluten    könnte  ^ 

Man  sieht,  wie  misslich  diese  Konsequenz  ist  und  wie  wenig 
dieselbe  mit  den  palaeontologischen  Beobachtungen  übereinstimmt. 
Diese  Auffassung  vermag  sodann  auch  nicht  den  geringsten  Anhalts- 
punkt zu  liefern,  um  die  wesentlichsten  und  unverkennbaren  Züge 
in  der  Physiognomie  der  Festlandmassen  (zentrale  Depressionen  und 
erhöhte  Ränder)  zu  verstehen.  Wir  verweisen  jedoch  darüber  auf 
die  Darlegungen  in  unserer  Schrift  (1.  c.  S.   138). 

Es  gibt  aber  auch  noch  einen  andern  Weg,  um  das  Material 
der  Sandsteinformationen  zu  erklären. 

Wir  gehen  davon  aus ,  dass  die  Erhabenheiten  der  Kontinente 
keineswegs  schon  in  den  alten  Perioden  vorhanden  waren,  sondern 
durch  einen  Prozess,  der  in  früheren  Publikationen  schon  von  uns 
vorgeführt  wurde,  allmählich  in  kleinen  Anfängen  aus  dem  Meere 
auftauchten.  Hierbei  mussten  aber  die  Schollen  notwendig  den  zer- 
störenden Brandungsgürtel  passieren  und  konnte  hierbei 
ebensogut  eine  grosse  Menge  von  Sand  etc.  bereitet  werden,  als 
durch  die  Unterspülung  von  von  Anfang  an  bestehendem  festem 
Lande.  Diese  Zerstörungsprodukte  wurden  in  das  Meer  vertragen, 
aber  die  Brandung  vermochte  nicht  alles  zu  verschlingen;  weitere 
Punkte  von  Festland  rückten  fortwährend  nach,  und  wenn  auch 
Massen  von  Sand  in  das  Meer  gelangten  und  letztere  das  Material 
zu  neuen  Schichten  gaben,  so  wurde  dadurch  der  Zuwachs  neuen 
Landes  nicht  unmöglich  gemacht.  Bei  dieser  Auffassung  erklärt  sich 
auch  die  Beobachtung  der  Palaeontologen  ganz  einfach ,  dass  die 
Meeresfossilien  in  den  alten  Perioden  so  stark  vorherrschen. 

Freilich  kann  man  noch  zu  der  Behauptung  greifen ,  dass  die 
alten  Kontinente  schliesshch  auf  den  Grund  der  Meere  nieder- 
gesunken seien.  Aber  das  ist  nicht  mehr  als  eine  Behauptung, 
die  weit  entfernt  ist,  begründet  werden  zu  können.  Man  sieht  im 
■Gegenteil  recht  gut  ein,  dass  eine  Gegend,  die  in  den  ältesten  Perio- 
den schon  ein  Senkungsgebiet  war,  ein  solches  auch  später  werde 
geblieben  sein  und  sich  nur  noch  mehr  vertieft  haben  werde.  Ge- 
biete der  Hebung  aber,  selbst  wenn  sie  anfänglich  auch  noch  nicht 


cf.  Morphologie  der  Meeresräume.  S.  107. 


—     95     — 

über  den  Wasserspiegel  hervorragten,  fuhren  fort  sich  zu  heben  und 
bildeten  die  Sockel  der  späteren  Kontinente.  Das  ist  ein  natür- 
licher Prozess  ohne  Umkehrung  der  natürlichen  Ordnung.  Für  ein 
Niedersinken  aber  von  grossen  alten  Kontinenten  auf  den  tiefen 
Orund  des  Meeres  lässt  sich  gar  kein  Motiv  ausfindig  machen  '. 

Die  Annahme  von  Archipelen  ist  somit  für  die  alten  Perioden 
nach  unserer  Auffassung  nicht  abzulehnen,  sondern  lässt  sich  als  ein 
ganz  natürliches  Entwickelungsstadium  begründen,  womit  die  klima- 
tischen und  palaeontologischen  Beobachtungen  im  Einklang  stehen. 
Die  Annahme  aber  von  umfangreichen  Kontinenten  für  diese  Perioden 
hat  mit  den  grössten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen.  Dem  Eindruck, 
den  die  (marinen)  Versteinerungen  der  alten  Perioden  machen,  können 
sich  auch  jene  Geologen  nicht  ganz  entziehen,  welche  die  Existenz 
'von  uralten  Kontinenten  glauben  verteidigen  zu  müssen.  Neumayr 
äussert  sich  gelegentlich  so  (Erdgesch.  IL  S.  140):  „Indem  der  Geo- 
log in  den  ältesten  Ablagerungen  beginnt,  umgibt  ihn  nur  marines 
Leben,  zuerst  der  hohen  See,  erst  allmählich  in  jüngeren  Schichten 
kommen  andere  Erscheinungsformen  hinzu.  Sein  Weg  gleicht  dem 
des  grossen  Genuesen,  der,  eine  neue  Welt  zu  entdecken,  zuerst  den 
Atlantischen  Ozean  durchschiffte.  Lange  Tage  segelte  die  Expedition, 
nur  Meer  und  Himmel,  nur  die  grünen  Tangmassen  des  Sargasso- 
meeres  vor  Augen,    als  Vertreter  des   pflanzlichen  Lebens.     Endlich 

^  Darauf,  dass  die  Meere  als  die  eigentlichen  Senkungsgebiete 
zu  betrachten  seien,  weist  auch  der  merkwürdige  Schlusspassus  hin,  mit  dem 
Prof.  Suess  den  1.  Band  seines  Werkes:  Antlitz  der  Erde  (S.  778)  abschliesst: 
„Würden  die  tangentialen  Spannungen  in  dem  äussern  Felsgeriiste  der  Erde  sich 
vollkommen  das  Gleichgewicht  halten  und  würde  dasselbe  im  stände  sein,  sich 
als  ein  freies  Gewölbe  selbständig  von  allen  Vorgängen  der  Erdtiefe  aufrecht  zu 
halten,  würden  keine  Einbrüche  und  Faltungen  eingetreten  sein,  —  so  würde 
wahrscheinlich  die  Oberfläche  der  Erde  ein  ziemlich  regelmässiges  Sphäroid  dar- 
stellen, allenthalben  bedeckt  von  einer  ununterbrochenen  ozeanischen  Hülle.  Die 
Einbrüche  sind  es,  welche  die  Wasser  in  den  tiefen  Weltmeeren  gesammelt  haben; 
hierdurch  erst  sind  die  Kontinente  entstanden  und  sind  Wesen  möglich  geworden, 
welche  durch  Lungen  atmen."  Wir  möchten  hierbei  auf  unserem  Standpunkt  nur 
den  Umstand  noch  betonen,  dass  sicher  die  Kontinente  nicht  auf  einmal  entstanden 
und  schon  in  den  alten  Perioden  als  fertige  Komplexe  vorhanden  gewesen  sein 
können ,  sondern  dass  sie  notwendig  das  Stadium  der  Archipele  langsam  durch- 
gemacht haben  werden.  In  welchen  Perioden  endlich  das  kontinentale  Stadium 
selbst  erreicht  worden  sei,  darüber  hat  offenbar  nur  die  beobachtende  Palaeonto- 
logie  die  letzte  Entscheidung  zu  geben.  Ob  aber  die  in  dem  angeführten  Schluss- 
passus des  I.  Bandes  ausgesprochene  Idee  genau  die  nämliche  sei,  welche  ander- 
wärts von  Suess  in  seinem  Werke  durchgeführt  wird,  darüber  enthalten  wir  uns 
jeder  Äusserung. 


—     96     — 

wird  ein  vereinzelter  Treibholzstamm  gesehen;  man  hofft  auf  nahes- 
Land,  aber  wieder  verschwinden  die  trügerischen  Zeichen.  Nach 
einiger  Zeit  stellen  sich  wieder  treibende  Bäume,  Zweige,  Blätter 
ein;  ein  vom  Wind  verschlagenes  Insekt  umflattert  die  Masten;  die 
Boten  eines  nahen  reichen  Pflanzen wuchses  mehren  sich  und  endlich 
betritt  die  Mannschaft  nach  langer  Fahrt  an  der  neu  entdeckten 
Küste  den  tropischen  Urwald." 

Dieser  Urwald  im  Sinne  Neumayr's  ist  die  Steinkohlenforma- 
tion; sie  verdient  diesen  Namen  nach  der  Üppigkeit  des  Pflanzen- 
wuchses; ob  aber  hier  schon  Kontinente  anzunehmen  seien,  ist  eine 
ganz  andere  Frage.  Land  ist  da ,  niedriges ,  sumpfiges  über  ver- 
schiedene Breiten-  und  Längengrade  hin  zerstreut ;  aber  grosse  trockene 
Kontinente  nachzuweisen,  die  diesen  Namen  auch  nur  mit  einem 
Schein  von  Recht  beanspruchen  könnten ,  das  ist  niemanden  ge- 
lungen. 

Und  nachher  folgen  dann  wieder  Schichten,  die  zwar  nicht 
ganz  so  stark  vorherrschend,  aber  doch  immer  noch  in  stark  über- 
wiegender Zahl  den  meerischen  Ursprung  verraten ,  bis  in  das  Ter- 
tiär hinein ,  in  welchem  Landtiere  und  dikotyledone  Pflanzen  auf- 
treten. Aber  auch  hier  noch ,  wieviel  fehlt  bis  zu  den  trockenen, 
grossen,  zusammenhängenden  Kontinenten  der  Gegenwart ! 

Die  Annahme  von  uralten  Kontinenten  scheint  nur  noch  ein 
zäher  Rest  zu  sein  von  jener  veralteten,  allgemeinen  Auffassung, 
welche  die  Gebirge  mit  ihren  oft  zu  Tag  tretenden  krystallinischen 
Felsmassen,  als  den  eigentlichen,  uralten  Kern,  als  das  Gerippe  der 
Kontinente  ansah.  Bei  den  Gebirgen  hat  sich  die  Unhaltbarkeit 
dieser  Vorstellung  längst  ergeben,  der  Nimbus  ihres  Alters  schwindet 
immer  mehr;  die  Palaeontologie  hat  den  thatsächlichen  Nachweis 
geliefert,  dass  noch  ganz  junge  Schichten  an  der  Bewegung  der 
mächtigsten  Gebirge  teilgenommen  haben. 

Aber  auch  der  nicht  gebirgige  Teil  der  Erdoberfläche,  selbst 
die  Tiefebenen  sind  streng  genommen  doch  nichts  anderes  als  Ge- 
birge, wenn  auch  die  Energie  der  Bewegung  hier  weniger  stark  zu  Tage 
tritt.  Sie  sind  Niederungen  nur  gegenüber  den  Gebirgen :  gegenüber 
den  Meerestiefen  sind  dieselben  schon  entschiedene  Höhenlagen 
und  zwar  so,  dass  ihr  Sockel  noch  tief  unter  den  Spiegel  des  Meeres 
hinabreicht.  Wie  das  hohe  Alter  der  hohen  Gebirge  hinfällig  ge- 
worden ist,  so  wird  diese  Annahme  auch  bei  den  Kontinenten  nicht 
aufrecht  erhalten  werden  können.  Die  Palaeontologie  hat  auch  hier- 
für  längst   schon    den  Beweis   geliefert   dadurch ,    dass   sie   Meeres- 


—     97     — 

Versteinerungen  der  verschiedensten  Formationen  über  die  ganze 
Ausdehnung  der  Kontinente  hin,  wie  in  den  Gebirgen  so  auch  in 
den  Ebenen,  nachgewiesen  hat.  In  neuester  Zeit  spricht  sich 
DE  Lapparent  sehr  bestimmt  dahin  aus,  dass  „ein  stetiger  Fortschritt 
in  der  Auftauchung  von  Festland  zweifellos  vorhanden  sei;  dass 
beinahe  die  ganze  Oberfläche  der  heutigen  Kontinente  von  Asien, 
Amerika,  Europa  und  Afrika  dem  Meere  entstiegen  sei"  (cf.  Bulletin 
de  la  Societe  geol.  1887.  Tom.  XV.  No.  3). 

Noch  deutlicher  wird  dieser  Gegenstand  beleuchtet  werden 
können,  wenn  auch  die  Erscheinungen  der  Tier-  und  Pflanzen- 
verb reitung  damit  in  Zusammenhang  gebracht  werden. 

2)  Die  geographische  Verbreitung  der  Tiere  und  Pflanzen  in 
der  Gegenwart  bietet  zahlreiche  und  bedeutende  Rätsel  dar.  Ein 
erster  Anfang  der  Zurückführung  der  Verbreitung  der  Pflanzen  auf 
solche  Zentren,  welche  schon  zur  Molassezeit  bestanden,  ist  Heer 
gelungen  durch  den  Nachweis  eines  Verbreitungszentrums  und  einer 
radialen  Verbreitung  von  den  Gegenden  des  nördlichen  Polarkreises 
aus  ^  Diese  schöne  Errungenschaft  legt  nun  die  Frage  nahe :  Wie 
muss  man  sich  die  Verteilung  des  Festen  und  Flüssigen,  zunächst  in 
jenen  Gegenden  und  zu  jener  Zeit  vorstellen,  um  nicht  bloss  die 
Existenz  einer  solchen  Flora  daselbst,  sondern  auch  ihre  radiale  Ver- 
breitung von  dort  aus  zu  ermöglichen? 

Ein  Kontinent,  der  allenfalls  von  Spitzbergen  nach  Grönland 
und  noch  weiter  sich  erstreckt  hätte,  ist  dazu  unbrauchbar;  der- 
selbe müsste  nur  geradezu  seine  physikalisch-klimatischen  Eigenschaften 
verleugnet  haben ;  denn  es  ist  bekannt,  dass  bei  dem  sehr  strengen 
kontinentalen  Klima  in  so  hohen  Breiten  ein  üppiger  Holzwuchs,  eine 
VValdvegetation  überhaupt  nicht  mehr  stattfinden  kann. 

Anders,  wenn  nicht  bloss  in  diesen  hohen  Breiten,  sondern 
überhaupt  damals  kein  Kontinent  bestand,  wenn  nur  Archipele  be- 
standen haben,  wenn  der  grosse  Raum  beispielsweise  von  Grönland 
in  Inseln  aufgelöst  war  und  ebenso  die  grossen  kontinentalen  Massen 
im  nördlichen  Amerika  und  Asien  und  wenn  überdies  in  den  jetzt 
inselleeren  oder  inselarmen  Räumen  der  nördlichen  Ozeane  eine  An- 
zahl von  Inseln,  wenn  auch  nur  von  kleinerem  Umfang,  sich  befan- 
den. Unter  solchen  Umständen  konnte  eine  Wald  Vegetation  auch 
hier  noch  gedeihen,  weil  die  warmen  Wasser  auf  der  Oberfläche  des 
Ozeans  noch  überall  hin  gelangen  und  eine  Warmwasserheizung  be- 


'  Zu  vergleichen  darüber:  Schröter  ,  Lebensbild  ron  0  sw.  Heer,  S,  320. 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Katurkimtle  in  Württ.    1889.  7 


—     98     — 

wirken  konnten.  Die  Waldbäume  von  Spitzbergen  hatten  zwar  zur  Zeit 
der  Molasseformation  schon  fallendes  Laub,  waren  also  auf  eine  Winter- 
ruhe eingerichtet ;  aber  die  Winterkälte  war  eine  massige  und  ver- 
mochte die  Kraft  der  Warmwasserheizung  wohl  zu  schwächen  aber 
nicht  vollständig  zu  brechen,  wofür  der  ganze  Charakter  der  da- 
maligen Flora  spricht. 

Wenn  also  damals  ein  ozeanisches  mildes  Seeklima  über  einen 
Archipel  hin  verbreitet  war,  ein  Seeklima,  das  nicht  durch  Abschmel- 
zung  von  Eisbergen  etc.  seiner  Kraft  schon  beraubt  war,  und  wenn 
dasselbe  mit  der  dem  Seeklima  eigentümlichen  Gleichförmigkeit  auch, 
ohne  bedeutende  Steigerung  oder  Abnahme  der  mittleren  Jahreswärme, 
weit  nach  den  andern  Himmelsgegenden  sich  ausbreitete  über  Archi- 
pele und  Inselketten  hin,  so  waren  die  Bedingungen  für  Ermöglichung 
einer  umfassenden  Wanderung  erfüllt.  Diese  Anordnung  entspricht 
den  schwierigen  Anforderungen  der  Pflanzen-  und  Tiergeographie 
aus  dem  Grund  am  besten,  weil  sie  einerseits  die  Wanderung  er- 
möglicht und  anderseits  dieselbe  mässigt  und  einschränkt;  das 
eine  ist  so  notwendig,  wie  das  andere.  Darauf  weist  auch  Wallace 
hin,  wenn  er  bemerkt,  dass  die  Hauptabteilungen  der  Geographie 
ungefähr  mit  denen  der  Zoologie  übereinstimmen  und  dass  Verän- 
derungen in  der  Verteilung  von  Flüssigem  und  Festem  mehr  durch 
Hinzufügungen  zu  schon  bestehendem  Land  erfolgt  seien,  als  durch 
Erheben  gänzlich  neuer  Kontinente  (cf.  Geograph.  Verbreitung  der 
Thiere  Bd.  I,  S.  45,  47,  ferner  S.  464,  338,  534  etc.). 

RüTBTEYER  teilt  ein  recht  lehrreiches  Beispiel  mit  aus  der  heu- 
tigen Tierverbreitung  in  dem  Archipel  der  Sundainseln  zwischen  Neu- 
holland und  Asien.  Es  besteht  nach  ihm  eine  gegenseitige  allmäh- 
liche Abnahme  und  Erlöschen  der  Zahl  der  gemeinsamen  Spezies, 
wenn  man  sich  von  dem  einen  oder  andern  Verbreitungszentrum  ent- 
fernt oder  eine  Zunahme,  wenn  man  sich  ihm  nähert.  „Neuholland 
hat  107  Beuteltiere;  von  hier  weg  in  der  Richtung  nach  Indien  hat: 
Neuguinea  noch  10,  die  Aruinseln  9,  Waigiu  und  Amboina  noch  3 
und  Celebes  nur  noch  2  Beuteltiere.  Umgekehrt  hat  in  der  Rich- 
tung von  Indien  gegen  Neuholland  zu :  Sumatra  an  echten  Raub- 
tieren 20  Arten,  Java  und  Borneo  13,  Celebes  und  Amboina  nur 
noch  die  Zibetkatze  und  den  Rollmarder,  Timor  nur  noch  eine 
kleine  Katze  ^ "  Man  sieht  daraus,  wie  ein  Archipel  die  Wanderung 
ermöglicht,  aber  auch  zugleich  einschränkt. 

'  Rütiineyer,  Herkunft  unserer  Thierwelt,  S.  IL 


—     99     — 

Ganz  anders  ist  die  Verbreitung  bei  einer  l)reiten  kontinentalen 
Terbindung,  wovon  die  grosse  palaearktische  Region  (Wallace)  als 
Beispiel  dienen  mag.  Diese  Region  nmfasst  die  weitausgedehnten 
Landstrecken  des  nördlichen  und  mittleren  Asien  und  Europa.  Die 
Hauptzüge  der  Tierwelt  sind  die  gleichen.  Wären  aber  diese  Länder- 
massen in  ihrer  Mitte  durch  einen  breiten  Meeresarm  unterbrochen 
und  nur  durch  einen  Archipel  besetzt ,  so  würden  dieselben  ohne 
Zweifel  in  zwei  viel  schärfer  getrennte  Regionen,  eine  östliche  und 
•eine  westhche  zerfallen,  weil  dadurch  die  Hin-  und  Herwanderung 
■eingeschränkt,  wenn  auch  nicht  aufgehoben  würdet  So  gut  nun 
eine  kontinentale  Landverbindung  passt,  um  die  Verbreitung  einer 
typisch  fast  ehiheitlichen  Tierwelt  über  einen  weiten  Raum  hin  zu 
verstehen,  so  wenig  passt  dieselbe  um  das  rätselhafte  sporadische 
Auftreten  einzelner  Tierarten  in  weit  entfernten,  durch  Meere  ge- 
trennten Gegenden  zu  erklären.  Das  sind  aber  gerade  die  zahl- 
reichsten und  schwierigsten  Fälle.  Man  hndet  bei  der  Tier-  und 
Pflanzenverbreitung  überall  hin  einzelne  Beziehungen,  aber  mit  vielen 
.Lücken  und  Beziehungen ,  die  nach  den  verschiedensten  Himmels- 
gegenden hinweisen.  Zu  ihrer  prinzipiellen  Erklärung  leistet  eine 
archipelartige  Beschaffenheit  die  besten  Dienste ;  denn  ein  Archipel 
ist  ein  elastisches  Prinzip,  wie  man  es  hier  notwendig  braucht; 
•ein  Kontinent  ist  schwerfällig,  leistet  bald  zu  viel,  bald  zu  wenig; 
letzteres  besonders  dann ,  wenn  es  sich  um  Wanderungen  in  der 
Richtung  der  Meridiane  handelt.  Hier  zieht  schon  der  Unterschied 
in  der  Temperatur  des  kontinentalen  Klimas  der  Verbreitung  ziem- 
lich enge  Schranken,  während  ein  Archipel  durch  sein  gleichförmiges 
Seeklima  einen  weiten  Spielraum  lässt. 

Selbstverständlich  ist,  dass  zu  gleicher  Zeit,  als  das  Land  in 
Inseln  aufgelöst  war,  auch  das  Meer  eine  andere  Physiognomie  dar- 
bot. Das  Meer  war  breiter,  weniger  tief  und  ebendeshalb  an  vielen 
Stellen  mit  Inseln  besetzt,  die  heutzutage  ganz  leer  oder  wenigstens 
ganz  arm  an  Inseln  sind.  Die  flächenhafte  Geschlossenheit  und 
grosse  Tiefe  der  Meere  trat  erst  ein  zugleich  mit,  oder  besser,  un- 
mittelbar vor  der  Geschlossenheit  der  grossen  Kontinente. 

Mit  einem  Wort:  die  Differenzierung  zwischen  Land  und 
Meer  war  zuvor  nicht  so  gross  wie  heutzutage;  mit  der  Ver- 
tiefung des  Meeresgrundes  verschwanden  viele  Inseln,  welche  zuvor 
noch  als  Haltpunkt  für  eine  Wanderung  dienten ,  die  nun  aber  bei 
•der  heutigen  Ordnung  der  Dinge  schwer  zu  begreifen  ist. 

'  cf.  Wallace,  1.  c.  Bd.  1,  S.  276. 


—     100     — 

Um  nochmals  spezieller  auf  die  von  Heer  nachgewiesene  ra- 
diale Verbreitung  der  Pflanzen  ^  von  dem  arktischen  Polarkreise  aus 
zurückzukommen,  welcher  leichtlich  auch  eine  ähnliche  Verbreitung 
vom  antarktischen  Polarkreis  aus  entsprochen  haben  dürfte,  so  schliesst 
sich  die  Annahme  von  Archipelen  recht  gut  an  jene  schöne  Ent- 
deckung an,  auch  noch  nach  einer  andern  Seite. 

In  sehr  hohen  Breiten  vermag  eine  Inselkette  von  ganz  mas- 
siger Ausdehnung  für  Verbreitung  der  Tiere  und  Pflanzen  viel  mehr 
zu  leisten,  als  in  niedrigen  oder  mittleren ;  denn  dort  verengert  sich 
das  Netz  der  Längengrade,  die  Räume  schliessen  sich  enger  zusammen. 
Eine  Inselkette  vermag  dort  zwei  Erdhälften  leicht  zu  verbinden, 
die  schon  in  mittleren  Breiten  durch  gewaltig  grosse  Räume  ge- 
trennt sind.  Die  Räume  konvergieren  dort  gegeneinander,  wie 
das  besonders  auch  auf  der  Südhalbkugel  deutlich  hervortritt, 
woselbst  sich  die  Spitzen  der  Kontinente,  die  sich  nach  Süd  vor- 
schieben, einander  deutlich  nähern.  Wie  günstig  hier  eine  limitierte 
Verbindung  durch  Archipele,  bei  gleichzeitigem  Bestand  eines  gleich- 
förmigen, relativ  warmen  Seeklimas,  wirken  konnte,  ist  ohne  weiteren 
Beweis  einzusehen. 

Die  Schwierigkeiten,  welche  gegen  den  Bestand  von  vorherr- 
schenden Archipelen  von  selten  der  Pflanzengeographie  her  erhoben 
werden,  fallen  hiergegen  nicht  schwer  ins  Gewicht.  Der  Hauptein- 
wand ist  der,  dass  schon  die  Tertiärflora  so  reich  sei  und  so  mannig- 
faltig, dass  hierzu  nur  Kontinente  passen ,  aber  nicht  kleine  Inseln. 

Dagegen  ist  vor  allem  zu  bemerken,  dass  bei  unserer  Auf- 
fassung von  Archipelen  keineswegs  bloss  Inseln  von  kleinstem  Um- 
fang verstanden  sind.  Inseln  von  der  Grosse  von  England  oder  Ir- 
land unterliegen  dem  Einfluss  des  ozeanischen  Klimas  in  hohem 
Grade  und  vermögen  von  sich  aus  noch  kein  Kontinentalklima  zu 
erzeugen.  Aber  auf  Festlandkomplexen  von  solchem  Umfang  ver- 
mag doch  auch  schon  eine  mannigfaltige  Flora  sich  zu  halten.  In 
dem  Wettbewerb  fällt  dann  den  Pflanzen  der  grösseren  Inseln  durch 
ihre  grössere  Expansivkraft  auch  die  grössere  Bedeutung  zu.  Die 
Molasseformation  ist  aber,  wie  es  scheint  überall,  durch  die  Eigen- 
tümlichkeit ausgezeichnet,  dass  selbst  in  solchen  Gegenden,  in  wel- 
chen nach  dem  Resultat  von  eingehenden  Spezialuntersuchungen, 
nur  kleine  Inseln  bestanden  haben  konnten,  doch  eine  sehr  mannig- 
faltige und  reiche  Flora  existierte. 

Wir  können  als  Beispiel  den  bekannten  Fundort  Oeningen  an- 

'  Zu  vergleichen  Schröter:  Lebensbild  von  Oswald  Heer,  S.  307  u.  f. 


—     101     — 

führen.  Derselbe  liegt  innerhalb  des  weitausgedehnten,  fast  meer- 
artigen Sees,  der  zur  Zeit  der  oberen  Molasseformation  die  Gegend 
zwischen  den  Alpen  und  dem  Jura  weithin  ausfüllte  und  so  sehr 
mit  seinen  Sedimenten  in  grosser  Mächtigkeit  bedeckte ,  dass  für 
grosse  Inseln  hier  sichtlich  kein  Raum  war.  Und  doch  ist  in  Oeningen 
wie  weiterhin  in  Heggbach  und  Reissensburg  etc.  (abgesehen  von 
vielen  unbedeutenderen  Fundorten  mit  Resten  von  Schildkröten  und 
Krokodilen  etc.)  eine  sehr  reiche  Flora,  wie  bekannt,  vorhanden. 

Was  sodann  die  geographische  Verbreitung  der  Tiere  betrifft, 
so  spricht  zu  gunsten  der  archipelartigen  Verteilung  des  Landes  der 
Umstand,  dass  abgesehen  von  Vögeln  und  Amphibien,  auch  die  Säuge- 
tiere der  tertiären  Periode  vorherrschend  Wasser-  und  Sumpftiere 
waren,  denen  eine  beträchtliche  Schwimmfähigkeit  nicht  abgesprochen 
werden  kann.  Die  Palaeotherien  sind  den  Tapiren ,  die  Anthra- 
cotherien  den  Nilpferden  sehr  nahe  stehend  und  selbst  den  schweins- 
artigen Tieren  schreibt  Wallace  eine  vorzügliche  Schwimmfähigkeit 
zu  (1.  c.  Bd.  I,  S.  16).  Wir  brauchen  kaum  zu  wiederholen,  dass 
auch  hier,  wo  es  sich  um  Verbreitung  der  Tiere  handelt,  nicht  aus- 
schliesslich nur  kleinste  Inseln  anzunehmen  sind,  sondern  auch  solche 
von  stattHchem  Umfange  und  dass  die  Unterbrechungen  des  Landes 
durch  das  Wasser  zwar  viel  zahlreicher ,  aber  auch  viel  weniger 
breit  und  tief  waren,   als  heutzutage. 

Aus  all  dem  mag  hervorgehen,  dass  die  Annahme  von  Archi- 
pelen nach  verschiedenen  Seiten  hin  einen  Vorzug  vor  der  Annahme 
von  Kontinenten  in  den  früheren  Perioden  habe  und  erwächst  da- 
durch dem  Prinzip  der  Warmwasserheizung  eine  weitere  Kräftigung. 
Der  gesamte,  stetige  Entwickelungsgang  der  Erdoberfläche  tritt  hier- 
durch in  befriedigende  Beleuchtung. 

Sobald  aber  die  Warmwasserheizung  und  was  mit  ihr  verbun- 
den war,  beträchtlich  geschwächt,  wenn  auch  nicht  ganz  aus  dem 
Feld  geschlagen  wurde,  so  beginnt  eine  neue  Ordnung  der  Dinge, 
die  sich  sogleich  im  Beginn  der  neuen  Aera,  in  der  sogenannten  Eis- 
zeit, in  sehr  scharfen  Zügen  kundgibt. 

3)  Das  Zurückweichen  der  Warmwasserheizung  lässt  sich  er- 
klären durch  die  Zunahme  des  Landes  und  das  Vordringen  des  Fro- 
stes und  seiner  Produkte  von  den  Polen  aus  in  immer  niedrigere 
Breiten.  Nachdem  festes  Land,  auch  und  besonders  in  hohen  Breiten 
aufgetaucht  war,  so  konnte  sich  der  Frost  hier  festsetzen,  um  seine 
Herrschaft  von  da  aus  weiter  auszudehnen.  Damit  wurde  eine  neue 
Aera  inauguriert;  aber  jene  Erscheinungen,  welche  man  als  die  spe- 


—     102     — 

zifisclie  der  Quartärzeit  bezeichnen  kann  und  welche  diese  Pe- 
riode von  andern,  auch  von  der  heutigen  Periode,  unterscheiden, 
ist  damit  noch  nicht  erklärt,  nämlich:  die  gewaltige  Ausdehnung 
der  Eismassen  von  den  Gebirgen  herab  und  die  Erscheinung  des 
sog.  Inlandeises. 

Wie  sollen  und  können  nun  gerade  diese  spezifischeu  Erschei- 
nungen erklärt  werden?  Die  Annahme,  dass  es  eben  einfach  eine 
solche  Periode  thatsächlich  gegeben  habe  und  dieselbe  wieder  that- 
sächlich  aufgehört  habe,  ist  selbstverständlich  ganz  ungenügend. 
Diese  auffallenden  Phänomene  müssen  erklärt  werden,  d.  h.  ihr  ur- 
sächlicher Zusammenhang  muss  begründet  werden.  Das  empirische 
Studium  der  Gletscherverbreitung  in  Europa  und  anderwärts  ist  sicher 
weit  genug  gereift,  dass  man  sich  keiner  Übereilung  mehr  schuldig 
macht,  wenn  man  sich  dieser  Aufgabe  unterzieht. 

In  früheren  Publikationen  wurde  von  uns,  unter  Ablehnung  von 
aussertellurischen  Ursachen ,  die  Ansammlung  von  Schnee-  und 
Eismassen  auf  den  geschlossenen  Gebirgen  als  Prinzip  aufgestellt 
und  zu  begründen  gesucht. 

Im  Gegensatz  dazu  bestehen  aber  auch  andere  Auffassungen, 
deren  Tragweite  dahin  geht,  dass  eine  Ansammlung  gar  nicht  mög- 
lich sei;  oder  aber,  dass  die  Annahme  einer  Ansammlung  wenigsten» 
ganz  unnötig  sei.  Diesen  beiden  Gesichtspunkten  müssen  wir  zur  Auf- 
rechterhaltung des  Prinzips  der  Ansammlung  eine  Besprechung  widmen. 

Eine  Ansammlung  der  Schneemassen  in  grossem  Massstab  kann 
nur  in  geschlossenen  Gebirgen,  seien  dieselben  nun  Kettengebirge 
oder  Plateaugebirge,  stattfinden.  Je  zahlreicher  und  tiefergreifend 
die  Einschnitte,  durch  Erosion  hervorgebracht,  sind,  desto  leichter 
wird  sich  das  Schneematerial  stetig  und  fortlaufend  durch  diese  Ab- 
fuhrwege entfernen  können,  so  dass  eine  Ansammlung  desselben  gar 
nicht  oder  nur  in  geringem  Masse  stattfinden  kann.  Bei  den  Ketten- 
gebirgen können  schon  von  Anbeginn  wohl  Längsthäler  vorhanden 
sein,  ohne'  dass  dadurch  der  Charakter  der  Geschlossenheit  des  Ge- 
birges aufgehoben  wird  ;  denn  diese  sind ,  so  lange  sie  nicht  durch 
Erosion  nachträglich  zubereitet  worden  sind,  noch  nicht  tauglich,  um 
als  Abfuhrwege  aus  dem  Gebirge  hinaus  zu  dienen.  Die  wirkliche 
volle  Zerstückelung  dieser  Gebirge  tritt  aber  erst  durch  die  Erosion 
der  Querthäler  ein  und  damit  auch  die  weitere  Verhinderung  der 
Ansammlung  in  grossem  Umfang. 

Nun  besteht  aber  vielfach  die  Anschauung,  auf  manche  Be- 
obachtungen   in    den  Gebirgen    gestützt,    dass    die  Erosion    der  Ge- 


—     103     — 

birgsfaltung  vorauseile,  dass  also  schon  das  werdende,  in  der  Auf- 
richtung begriffene  Gebirge  eine  Ruine  sei.  Wenn  dies  richtig  wäre, 
dann  sieht  man,  dass  ein  Gebirge  in  keinem  Stadium  den  Charakter 
der  Geschlossenheit  besitzen  könnte,  sondern  von  Anfang  an  zer- 
stückelt wäre,  so  dass  hiermit  eine  Ansammlung  der  Schneemassen 
in  grossem  Massstab  ausgeschlossen  wäre. 

Es  wird  zuzugeben  sein,  dass  an  manchen  Stellen  der  Gebirge 
der  Eindruck  unmittelbar  hervorgerufen  werden  kann:  hier  ist  die 
Erosion  vorangeeilt;  hier  hat  dieselbe  während  der  Faltung  mit 
solchem  Erfolg  gearbeitet,  dass  sie  die  Faltung  überflügelt  hat.  Das 
wird  besonders  der  Fall  sein,  wenn  ein  Gebirge  seiner  ganzen 
Breite  nach  durch  einen  Flusslauf  durchquert  wird.  Neümayr  führt 
solche  Beispiele  an,  gegen  welche  nichts  zu  erinnern  sein  wird.  Aber 
er  stellt  sich  auch  mit  Recht  die  Frage ,  ob  das  auch  zutreffe  bei 
solchen  Gebirgen,  welche  nicht  ihrer  ganzen  Breite  nach  durch- 
brochen sind,  sondern  einen  Gebirg s kämm  mit  Wasserscheide 
haben.  Diese  Frage  hält  er  noch  nicht  für  spruchreif.  (Erdgeschichte 
Bd.  I,  S.  440.) 

Neümayr  hat  hiermit  sicher  den  entscheidenden  Punkt  berührt; 
aber  nach  unserer  Auffassung  ist  diese  Frage  ganz  spruchreif.  Offen- 
bar ist  hier  nicht  die  Erosion  vorausgeeilt,  sondern  die  Fal- 
tung des  Gebirges.  Das  Gebirge  ist  da,  aber  die  Erosion  ist  ganz 
sichtlich  in  ihrer  Arbeit  zurück ;  dieselbe  sucht  gegenwärtig  noch  in 
Schluchten  und  Klammen  sich  gegen  den  Gebirgskamm  heraufzu- 
arbeiten ,  das  Gebirge  vollends  zu  durchbrechen ,  hat  aber  dieses 
Ziel  immer  noch  nicht  erreichen  können. 

In  diesen  Gebirgen  wenigstens  ist  somit  offenbar  die  Faltung 
(Aufrichtung)  voran ,  die  Erosion  aber  zurückgeblieben ;  denn  sie 
sind  heute  noch  nicht  ganz  zerstückelt  und  waren  es  früher  offen- 
bar noch  weniger,  trugen  deshalb  früher  den  Charakter  der  Ge- 
schlossenheit noch  mehr  an  sich  und  ermöglichten  dadurch  eine  An- 
sammlung des  Schnees  in  grossem  Massstab. 

Die  weitere  wichtige  Frage  ist  nun  aber  diese:  welche  Be- 
schaffenheit ist  als  die  Regel,  welche  als  die  Ausnahme  anzu- 
sehen? Sind  jene  Fälle  die  Regel,  dass  die  Gebirge  durch  Flussläufe 
ihrer  ganzen  Breite  nach  durchschnitten  sind ,  oder  sind  das  Aus- 
nahmen? Neümayr  selbst  gibt  an:  „dass  Gebirge  wie  die  Alpen, 
Apenninen,  Pyrenäen,  Kaukasus,  Anden  etc.  von  keinem  Fluss  ganz 
durchbrochen  werden,"  womit  auch  jede  Karte  übereinstimmt,  welche 
bei    diesen   und   wohl    bei    allen    Gebirgen    einen    Gebirgskamm    als 


—     104     — 

Wasserscheide  erkennen  lassen.  Die  ursprüngliche  Geschlossenheit 
der  Gebirge  ist  somit  so  durchschlagend  die  Regel,  dass  hiergegen 
jene  Fälle,  wovon  Neumayr  einige  Beispiele  angibt,  als  interessante, 
aber  als  relativ  recht  seltene  Ausnahmen  sich  ergeben. 

Dabei  handelt  es  sich  nicht  bloss  um  einen  einzigen  'Gebirgs- 
kamm  mit  der  Hauptswasserscheide,  sondern  auch  um  jene  zahllosen 
kleineren  Gräten  und  sekundären  Gebirgsrücken,  welche  von  ebenso 
zahlreichen  kleineren  Rinnsalen  umgeben  werden.  Diese  Rinnsale  su- 
chen allerdings  die  trennenden  Hindernisse  mehr  und  mehr  zu  über- 
winden ,  das  ganze  Gebirge  bis  in  seine  innerste  Partien  hinein  zu 
zerstückeln  und  zuletzt  ganz  abzutragen ;  —  allein  dieser  Erfolg 
liegt  noch  fern.  Die  Arbeit  der  Zerstückelung,  die  so  emsig  betrieben 
wird,  aber  doch  fast  noch  nirgends  ihr  Ziel  vollständig  erreicht  hat, 
ist  nur  ein  Beleg  dafür,  welche  feste  Geschlossenheit  den  Gebirgen 
früher  eigen  gewesen  war,  wie  leicht  es  somit  den  Schneemassen 
gewesen  sein  mag,  sich  daselbst  lange  und  in  grossem  Massstab  an- 
zusammeln. Nur  das  Zugeständnis  wird  zu  machen  sein,  dass  an 
den  äussersten  und  niedrigsten  Ketten  eines  Gebirges  die  Erosion 
alsbald,  schon  mit  dem  Beginn  der  Faltung  und  Aufrichtung  begon- 
nen haben  könne,  aber  nicht  an  den  Innern  und  höhern  Ketten. 
Hier  verharrten  die  eigentlichen  Sammlungsgebiete  der  Schneemassen 
im  Zustand  der  Geschlossenheit  so  lange,  bis  im  weiteren  Verlauf 
der  Erosion  von  aussen  nach  innen ,  auch  an  sie ,  aber  erst  später, 
die  Zerstückelung  näher  und  näher  herantrat.  Die  heutigen  Firn- 
mulden sind  noch  die  schwachen  Reste  des  früheren  Zustandes  der 
ungleich  grösseren  Geschlossenheit  der  Gesamtheit  des  Gebirgs  und 
durch  die  stets  weitergreifende  Erosion  wird  auch  der  heutige  Um- 
fang der  Firnmulden,  wenn  auch  langsam  so  doch  stetig,  eingeschränkt 
und  parzelliert. 

Die  gleichen  Gesichtspunkte  wie  bei  den  Kettengebirgen  gelten 
auch  bei  den  Hochebenen  und  selbst  bei  den  Tiefebenen,  wenn 
hier  überhaupt  die  klimatischen  Zustände  so  beschaffen  sind,  dass 
der  Schnee  übersommern  und  sich  sog.  Inlandeis  bilden  kann. 

Wenn  eine  Hochebene  (Plateaugebirge),  die  bis  in  die  Region 
des  ewigen  Schnees  hinaufreicht,  von  einem  oder  mehreren  Flussläufen 
ganz  durchquert  wird,  so  wird  die  Vermutung  dafür  sprechen,  dass 
hier  wirklich  die  Erosion  vorausgeeilt  ist;  dann  werden  aber  auch 
die  Schneefelder,  weil  ihrem  Material  schon  ein  Abzugsweg  offen 
stand,  nur  geringen  Umfang  und  geringe  Mächtigkeit  erlangt  haben. 
Ist  das  aber  nicht  zutreffend,  so  ist  die  Erosion  offenbar   im  Rück- 


—     105     — 

stand  und  die  Schneemassen  konnten,  beziehungsweise  mussten  sich 
in  grossem  Umfang  und  ansehnlicher  Mächtigkeit  ansammeln.  Eine 
solche  Hochebene  ist  nichts  anderes  als  eine  Firnmulde.  Eine  Tief- 
ebene ist  allerdings  schon  ihrer  Lage  nach  weniger  geeignet  in 
<lie  Region  des  ewigen  Schnees  einzugreifen.  Wenn  aber  das  aus 
irgendwelchen  Gründen  doch  geschehen  ist,  so  sind  die  Verhältnisse 
für  die  Ansammlung  hier  sogar  besonders  günstig,  weil  in  ihr  das 
Oefäll  nur  gering  ist.  In  Gebirgen  und  Hochebenen  gewinnt  die 
Erosion  eine  vermehrte  Kraft  durch  das  starke  Gefäll.  Hier,  in  der 
Tiefebene ,  ist  sie  trag  und  deshalb  haben  die  Ansammlungen  des 
Schnees  Zeit  genug ,  um  sich  zu  grosser  Mächtigkeit  zu  steigern, 
immer  vorausgesetzt,  dass  die  klimatischen  Verhältnisse  sich  nicht 
ändern. 

Eine  andere  Einwendung  gegen  das  Prinzip  der  Ansammlung, 
geht  dahin,  dass  dieselbe  gar  nicht  notwendig  sei.  Möge  die  Be- 
schaffenheit der  Gebirge  gewesen  sein,  wie  sie  wolle,  so  genüge 
schon  die  Annahme  für  sich  allein,  dass  in  der  Quartärzeit  die  Menge 
der  Niederschläge  überhaupt  grösser  gewesen  sei  als  jetzt. 

Das  wird  man  aber  kaum  eine  Erklärung  nennen  dürfen  und 
können.  Denn  vor  allem  wird  es  schwer  halten,  sich  irgend  eine 
Vorstellung  von  der  Massenhaftigkeit  der  Niederschläge  zu  machen, 
um  ohne  Ansammlung  derselben,  solche  Wirkungen  fortlaufend  her- 
vorzubringen. Sodann  möchte  man  einen  Grund  dafür  wissen,  warum 
die  Vermehrung  derselben  gerade  in  dieser  Zeit  so  enorm  gross  ge- 
wesen sei  und  endlich,  warum  die  Menge  derselben  sich  nachher  so 
ganz  bedeutend  sollte  verringert  haben.  Man  kann  für  letzteres 
nicht  einmal  grosse  Veränderungen  in  der  Verteilung  des  Festen  und 
Flüssigen,  oder  Entstehung  von  Gebirgszügen  etc.  vorbringen;  denn 
gerade  seit  und  während  des  quartären  Zeitalters  haben  sich  darin 
keine  grossen  Änderungen  ergeben.  Auf  die  Möglichkeit  allein  aber 
sich  zu  berufen,  ist  ungenügend. 

Dagegen  kann  auf  charakteristische  Züge  in  der  Physiognomie 
<ler  alten  Gletscherlandschaften  hingewiesen  werden,  welche  deutlich 
darauf  hinweisen,  dass  im  Beginn  der  Gletscherzeit  eine  Ansammlung 
des  Materials  stattgefunden  haben  müsse. 

Die  alten  Eisströme  z.  B.  des  Rhein-  und  Rhonethals  haben 
sich  fächerförmig  über  die  vorliegende  Ebene  hin  ausgebreitet. 
Diese  spezifische  Gestalt  ist  nicht  weniger  signifikant,  als  das  Ma- 
terial, aus  dem  die  Schichten  und  Trümmerhaufen  dieser  Formation 
bestehen.     Kaum    hat   der  Eisstrom  die  Gebirgsthäler  verlassen,    so 


—     106     — 

zeigt  derselbe  eine  solclie  Fülle  und  so  gewaltigen  Drangt 
dass  er  sich  fächerförmig  auszubreiten  bestrebt  ist.  Dieses  geschlos- 
sene Vordringen  des  Eisstromes  weist,  wie  ich  glaube,  mit  Bestimmt- 
heit darauf  hin,  dass  sein  Material  sich  zuvor  lange  ansammelte,  so 
lange,  als  es  einen  Ausweg  noch  nicht  hatte ,  um  dann  die  ganze 
Fülle  des  seit  lange  gesammelten  Vorrats  in  die  Ebene  hinaus  zu 
entsenden.  Die  fächerförmige  Ausdehnung  macht  einen  ganz  andern 
Eindruck  als  den  einer  Verzettelung  oder  einer  hin  und  her  schwan- 
kenden Bewegung,  die  sich  schon  durch  den  Einfluss  der  verschie- 
denen Jahreszeiten,  wie  bei  den  heutigen  Gletschern,  ergeben  müsste ; 
sie  macht  den  Eindruck  vielmehr  einer  seit  lange  durch  Ansammlung 
vorbereiteten  einheitlichen  Invasion. 

4)  Schliesslich  muss  noch  eines  Einwandes  gedacht  werden, 
der  sich  auf  die  Zulassung  nicht  bloss  von  Senkungen  sondern  auch 
von  Hebungen  namhafter  Teile  der  Erdrinde  bezieht.  Vor  wenigen 
Jahrzehnten  oder  Jahren  noch  wäre  gar  keine  Veranlassung  vor- 
handen gewesen,  auf  diesen  Einwand  sich  ernstlich  einzulassen.  Der 
unmittelbare  Eindruck,  den  die  Gebirgsmassen  ausüben,  war  so  kräftig, 
dass  man  ohne  Beanstandung  den  Hebungen  den  weitesten  Spiel- 
raum einräumte.  Prof.  Süess  und  seine  Schule  wollen  jedoch,  wenn 
auch  nicht  ohne  Widerspruch  (de  Lapparext,  Bittner),  nur  Senkungen 
anerkennen,  während  die  (scheinbaren)  Hebungen  nur  als  Begleit- 
erscheinungen der  Runzelung  und  Faltung  aufgefasst  werden. 

Der  einzige  Fall  von  wirklicher  Senkung  und  wirklicher  He- 
bung zugleich,  der  auch  von  Suess  als  Thatsache  nicht  beanstandet 
werden  will,  wird  von  ihm  auf  S.  34  und  35  des  H.  Bandes  seines 
Werkes :  Antlitz  der  Erde ,  mitgeteilt.  Es  ist  jedoch  nicht  ersicht- 
lich, ob  und  inwieweit  diesem  vereinzelten  Fall  irgend  eine  prinzi- 
pielle Bedeutung  eingeräumt  werde.  Das  physikalische  Prinzip,  das 
der  gesamten  Auffassung  von  Suess  offenbar  zu  Grunde  liegt,  ist 
am  deutlichsten  von  ihm  im  I.  Band  seines  Werkes  S.  741  aus- 
gesprochen. Hiernach  ist  „durchaus  keine  Kraft  bekannt,  welche 
im  stände  wäre,  zahlreiche  grosse  und  kleine  Gebirgsstöcke  einzeln 
oder  zwischen  glatten  Flächen  vertikal  emporzutragen  und  im  Gegen- 
satz zur  Schwerkraft  dauernd  in  dieser  Stellung  festzuhalten." 

Es  ist  zuzugeben,  dass  das  Gewicht  eines  auch  nur  sehr  massig 
grossen  Erdrindenteils  oder  einer  Scholle  so  gewaltig  gross  sich 
herausstellt,  dass  die  hebende  Kraft  von  Dämpfen  und  Gasen,  die 
man  früher  supponieren  wollte,  nicht  zureichend  ist.  Diese  mögen 
genügen,    um    die    explosiven  Erscheinungen    bei  vulkanischen  Aus- 


—     107     — 

brücheii,  Emporschleuderung  von  Blöcken  etc.  zu  erklären,  reichen 
aber  nicht  zu,  um  die  Hebung  von  Schollen  der  Erdrinde  zu  bewirken. 
F.  Pfaff  hat  das  Gewicht  einer  Scholle  von  nur  10  Kubikmeilen 
berechnet  (Mechanismus  der  Gebirgsbildung  S.  62)  und  gelangt  zu 
so  gewaltigen  Zahlen,  dass  der  Auffassung  von  Suess  daraus  eine 
relative  Berechtigung  erwächst. 

Dagegen  kann  nicht  zugegeben  werden,  dass  man  eine  Scholle 
ganz  und  gar  isoliert,  d.  h.  von  der  Gesamtheit  des  Volums  der 
Erde  unabhängig  auffasst.  Jede  Scholle  befindet  sich  in  unmittel- 
barem Kontakt  mit  dem  Erdinnern  und  ebendamit  mit  der  Gesamt- 
heit des  Volums  der  Erdkugel.  Dieses  letztere  ist  aber  sehr  gross 
und  sehr  schwer  gegenüber  jeder  einzelnen  Scholle  und  überdies  hat 
das  Erdinnere  ein  sehr  bedeutendes  spezifisches  Gewicht  und  eine 
sehr  hohe  Temperatur. 

Verlässt  man  also  den  unberechtigten  Standpunkt  der  Isolierung 
der  Schollen  und  fasst  man  dieselben  in  Zusammenhang  mit  der 
gesamten  Erdkugel  auf,  so  ergibt  sich  ein  ganz  anderes  Resultat. 

In  unserer  Schrift  (1.  c.  S.  152)  wurde  schon  angeführt,  dass 
die  tiefsten  Meerestiefen  und  höchsten  Bergeshöhen  sich  gegenüber 
dem  Durchmesser  der  Erdkugel  nur  verhalten  ungefähr  wie  1  :  1720. 
Das  wird  aber  viel  anschaulicher  werden,  w^enn  eine  Reduktion  auf 
einen  kleinen  Massstab  stattfindet.  Nimmt  man  statt  der  Erdkugel 
einen  künstlichen  Globus,  dessen  Durchmesser  die  stattliche  Grösse 
von  1  m  hat,  so  verhalten  sich  hiezu,  nach  gleichem  Massstab  redu- 
ziert, die  Bergeshöhen  des  Himalaya  circa  wie  ttVö  ^  oder  wie 
O,0005-Jff§  m,  das  ist  ein  halb  Millimeter.  Die  Alpen  würden 
sich  darstellen  wäe  Erhöhungen  von  nur  |  mm.  Das  sind  kaum 
noch  fühlbare  Rauhigkeiten  auf  der  Oberfläche  eines  metergrossen 
Globus ! 

Dass  die  Hervorbringung  solcher  minimalen  Unebenheiten  an 
sich  kein  Ding  der  Unmöglichkeit  sei,  glauben  wir  nicht  weiter  be- 
gründen zu  müssen,  besonders  wenn  man  dabei  noch  das  bedeutende 
spezifische  Gewicht  und  die  sehr  hohe  Temperatur  dieses  Globus  in 
Anschlag  bringt.  Im  Gegenteil  dürfte  es  einiges  Befremden  erregen, 
dass  die  Unebenheiten  auf  der  Oberfläche  der  Erde  gar  so  gering 
sind,  verglichen  mit  dem  gesamten  Volum  desselben. 

Allein  man  darf  nicht  vergessen,  dass  die  Erde  noch  keineswegs 
am  Ende  ihrer  geologischen  Entwickelung  angekommen  ist.  Jene 
Kräfte,  durch  welche  die  Unebenheiten  der  Oberfläche  hervorgerufen 
werden,  sind  sichtlich  noch  keineswegs  erschöpft,  sondern  es  bestehen 


—     108     — 

noch  gewaltige  Reserven,  die  erst  im  Laufe  der  weiteren  Entwicke- 
lung  in  Aktion  treten  werden.  Anders  ist  es  bei  dem  Mond  der  Erde, 
der  in  seiner  geologischen  Entwickelung  offenbar  schon  wesentlicli 
weiter  vorangeschritten  ist,  als  die  Erde.  Seine  Berge  erreichen  zwar 
nicht  vollständig  die  absolute  Höhe  der  höchsten  Gebirge  der  Erde, 
obwohl  sie  ihnen  sehr  nahe  kommen ;  wenn  man  aber  bedenkt,  dass  der 
Durchmesser  des  Mondes  nur  der  vierte  Teil  des  Durchmessers  der 
Erde  ist,  so  ist  klar,  dass  die  Unebenheiten  (Berge)  des  Mondes 
relativ,  d.  h.  verglichen  mit  seinem  Durchmesser,  wesentlich  be- 
deutender sind  als  die  der  Erde. 

Ferner  könnte  die  Vermittlerrolle,  welche,  nach  unserer  Auf- 
fassung, bei  der  Hervorbringung  der  Unebenheiten  der  Erdoberfläche 
den  kalten  Grundgewässern  der  Ozeane  zufällt,  beanstandet  werden. 
Man  könnte  sagen :  das  Volum  der  Gewässer  der  Erde  ist  nach 
Krümmel  (cf.  Morphologie  S.  103)  nur  g:^ 3  des  gesamten  Erdvolumens 
und  der  Temperatur  eines  so  geringen  Bruchteils  kann  kein  wesent- 
licher Einfluss  zugestanden  werden ;  sie  muss  sich  assimilieren  an  die 
Temperatur  der  ganzen  Erdkugel. 

Allein  man  darf  nicht  übersehen,  dass  durch  die  Vermittelung 
der  Gewässer  wesentlich  die  kalte  Temperatur  des  Weltraums 
mit  der  Erde  in  Verbindung  gebracht  wird.  Die  Einwirkung  der 
Kälte  auf  das  feste  Land  ist  in  hohen  Breiten  zwar  hochgradig,  aber 
sie  vermag  doch  nur  wenig  in  die  Tiefe  zu  dringen  ;  selbst  die  Kälte 
von  Sibirien  dringt  in  den  Eisboden  bei  Jakutsk  nur  einige  hundert 
Fuss  tief  in  der  Weise  ein,  dass  die  Temperatur  dort  noch  unter  0^ 
steht.  Die  kalten  Meeresgewässer  aber  setzen  in  einer  Tiefe  von 
25  000  Fuss  mit  einer  Temperatur  von  ca.  0^  ein,  um  dann  von  dem 
Meeresboden  mit  grosser  Energie,  wie  sie  nur  dem  flüssigen  Wasser 
zukommt,  Wärme  abzufordern.  Diese  kalten  Grundgewässer  aber, 
seien  sie  nun  in  mittleren  Breiten  oder  in  tropischen  Gegenden,  haben 
ihren  Ursprung  in  den  Kälteprodukten  der  Polarkreise  und  hier  ist 
es  offenbar  die  Kälte  des  Weltraums,  welche  mit  Macht  ihren 
Einfluss  geltend  machen  kann.  Wir  können  jedoch  hier  auf  die  Dar- 
legungen in  unserer  Schrift  (Klima  und  Gestaltung  der  Erdoberfläche 
S.  115 — 118)  verweisen  und  fügen  nur  hinzu,  dass  auch  Faye,  worauf 
wir  am  angeführten  Orte  (1.  c.  S.  118)  ausdrücklich  hingewiesen 
haben,  eine  Auffassung  veröffentlicht  hat,  welche  mit  der  oben  von 
uns  schon  zuvor  gegebenen  in  wichtigen  Punkten  übereinstimmt; 
insbesondere  darin,  dass  in  den  ozeanischen  Gebieten  die  Rindenstücke 
eine  grössere  Dicke  und  Dichtigkeit  haben,  als  unter  den  Kontinenten 


—     109     — 

und  dass  diese  Verdichtung  durch  die  kalten  Meeresgewässer  her- 
vorgerufen sei.  Die  Motive  jedoch,  die  uns  auf  diese  Auffassung 
hingeleitet  haben,  sind  aus  deu  neuesten  Forschungen  der  Palaeonto- 
logie  (Heer)  entnommen.  Die  Phytopalaeontologie  vermochte  den 
Gang  der  klimatischen  Entwickelung  der  Polarländer,  sozusagen, 
Schritt  für  Schritt  zu  verfolgen.  Die  zonenweise  Ausscheidung  der 
Klimate  erfolgte  sehr  langsam,  deutlich  erst  seit  der  miocänen 
Periode.  iVber  auch  dazumal  bestand  in  den  Polärländern  noch  keine 
hochgradige  Kälte,  sondern  ein  gemässigtes  Klima ;  erst  gegen  Ende 
der  Tertiärformation  gev^rann  der  Frost  seine  volle  Herrschaft  und 
dehnte  sich  zugleich  bis  in  die  mittleren  Breiten  (England)  aus.  Die 
Fossilreste  sind  immer  nur  die  thatsächlichen  äusseren  Symptome  der 
eingetretenen  klimatischen  Änderung;  aber  es  ergab  sich  uns  gleich- 
zeitig auch  der  Schlüssel  zum  physikalischen  Verständnis  die- 
ser Vorgänge,  und  zwar  durch  die  Vergleichung  des  Seeklimas  (Sär- 
TORiüs)  und  des  Normalklimas  (Dove).  Die  Fortschritte  des  Frostes 
stellten  sich  uns  dar  als  durch  den  Einfluss  des  Landes  bedingt,  wie 
anderseits  die  Änderung  des  Klimas  nicht  ohne  Einfluss  bleiben  konnte 
auf  Senkungen  und  Hebungen.  Es  besteht  somit  eine  Wechselwir- 
kung zwischen  Klima  und  Gestaltung  der  Erdoberfläche.  Der  Frost 
ist  für  den  von  uns  eingenommenen  Standpunkt  keine  unvermittelte 
Erscheinung,  so  wenig  als  Senkungen  und  Hebungen;  dieselben  haben 
beide  in  kleinen  Anfängen  begonnen  und  beide  wechselseitig  auf- 
einander eingewirkt  bis  dahin  und  fahren  fort,  aufeinander  einzu- 
wirken, auch  für  alle  Zukunft. 

Ebenso  ist  für  uns  die  relativ  gleichmässige  Wärme,  die  Frost- 
losigkeit  der  älteren  Formationen,  die  durch  die  Palaeontologie  als 
eine  nicht  zu  bestreitende  Thatsache  festgestellt  ist,  kein  unlösbares 
Rätsel,  keine  ausserordentliche  Erscheinung,  sondern  sie  ist  der  ur- 
sprüngliche Zustand.  Der  intensiven  und  extensiven  Warmwas- 
serheizung war  dazumal  noch  gar  kein  nennenswerter  Gegner  er- 
wachsen; deshalb  bestand  dieselbe  damals  in  ungeschwächter  Kraft 
und  dauerte  sehr  lange  an ,  bis  in  der  Molasseformation  die  Aus- 
scheidung der  klimatischen  Zonen  deutlich,  aber  langsam  sich  ein- 
stellte. Damit  waren  die  heutigen  klimatischen  Zustände  allmählich 
eingeleitet  und  angebahnt 

Wir  müssen  jedoch,  um  irrige  Auffassungen  zu  beseitigen  oder 
denselben  vorzubeugen ,  wiederholt  betonen ,  dass  nach  unserer  ge- 
samten Auffassung  die  Gestaltungen  der  Erdoberfläche  und  die  kli- 
matischen Erscheinungen  in  Wechselwirkung  zu  einander  stehen. 


—     110     - 

Es  wäre  freilich  einfacher  und  durchsichtiger,  wenn  man  sagen  könnte 
und  dürfte :  hier,  auf  der  einen  Seite  ist  die  Ursache ;  dort,  auf  der 
andern  Seite  die  Wirkung. 

Allein  wie  es  bei  einer  Menge  von  andern  allmählich  und  lang 
fortlaufenden  Prozessen  in  der  Natur  geschieht,  so  auch  hier;  Wir- 
kung und  Ursache  greifen  ineinander  über  und  bewegen  sich  in 
mannigfaltigen  Wechselbeziehungen. 

Rückblick. 

Es  möge   nun    gestattet    sein,    auf   die  Hauptpunkte    der    vor- 
stehenden Abhandlung  einen  übersichtlichen  Rückblick  zu  werfen. 
Die  feste  Grundlage,  von  der  ausgegangen  wird,  ist : 

1)  Es  besteht  ein  Seeklima,  das  sich  durch  eine  relative 
Gleichförmigkeit  seiner  Temperaturskala  über  die  Breitengrade  hin 
und  relativ  ansehnliche  Wärme  in  den  höheren  und  hohen  Breiten 
auszeichnet  (Warmwasserheizung)  und  das  hierdurch  eine  typische 
Übereinstimmung  mit  dem  Klima  der  alten  Perioden  zeigt.  Eine 
Verstärkung  desselben  ist  an  sich  möglich  und  zulässig  und  kann 
das  Bedürfnis  derselben  nachgewiesen  werden. 

2)  Daneben  besteht  das  Normalklima  (gemischtes  Klima). 
Dasselbe  unterscheidet  sich  dadurch  von  dem  Seeklima,  dass  hier 
die  Einflüsse  des  Landes  auf  das  Klima  grundsätzlich  in  Rechnung 
gebracht  sind. 

3)  Eine  Vergleichung  beider  untereinander  lässt  somit  den 
Einfluss  des  Landes  auf  das  Klima  hervortreten,  wie  derselbe  heut- 
zutage besteht,  nämlich  eine  Verschärfung  der  Unterschiede  des  Kli- 
mas und  besonders  in  den  hohen  Breiten  eine  Verstärkung  des  Frostes. 

4)  Ob  nun  aber  diese  beiden  Faktoren  (Wasser  und  Land)  die 
einzigen  und  weit  überwiegenden  seien,  welche  das  Klima  bestimmen, 
ob  man  also,  durch  Vergleichung  beider,  auf  diesem  Wege  auch  zur 
Erkenntnis  der  Änderungen  des  Klimas  der  Vorwelt  überhaupt  ge- 
langen könne,  das  muss  erst  erprobt  werden  und  zwar  durch  eine 
weitere  Vergleichung  mit  dem  palaeontologischen  Klima,  das 
durch  die  fossilen  Pflanzen  an  die  Hand  gegeben  wird.  Offenbar  ist 
■der  Fall  nicht  zum  voraus  auszuschliessen ,  dass  vielleicht  durch 
Änderungen  in  der  Stellung  der  Erdachse  oder  der  Exzentrizität  der 
Erdbahn  etc.  ein  wesentlicher  Einfluss  auf  das  Klima  der  früheren 
Perioden  ausgeübt  worden  sein  könnte.  Wenn  ein  solcher  Einfluss 
stattgefunden  hätte,  so  ergäbe  sich  dadurch  eine  Komplikation,  die 
nur  schwer  zu  entwirren  sein  würde,  weil  diese  Faktoren  das  Klima 


—   111    — 

5iach  einer  Richtung  beeinflussen  würden,  die  ihnen  spezifisch  zu- 
kommt und  jedenfalls  von  den  klimatischen  Folgen  der  Zunahme  des 
testen  Landes  abweichen  würde.  Der  Versuch,  die  Änderungen  des 
Ivlimas  in  den  früheren  Erdperioden  nur  auf  die  Grundlage  der  Ver- 
teilung von  Wasser  und  Land  (Seeklima  und  gemischtes  Klima)  zurück- 
zuführen, müsste  somit  alsbald  auf  wesentliche  Inkongruenzen  stossen 
und  aufgegeben  werden. 

Fällt  aber  dieser  Versuch  so  aus,  dass  keine  wesentlichen  Li- 
kongruenzen  sich  ergeben,  sondern  eine  recht  zufriedenstellende  Über- 
einstimmung mit  dem  palaeontologischen  Klima,  so  wird  daraus  deut- 
Hch  genug  hervorgehen,  dass  die  in  Anwendung  gebrachten  Prinzipien 
"wirkhch  die  massgebenden  bei  der  Entwickelung  des  tellurischen 
Klimas  gewesen  sind.  In  der  Herstellung  der  erforderlichen  Tempe- 
xaturskalen  liegt  die  thatsächliche  Erprobung  des  Verfahrens. 

Ob  aber  das  eingeschlagene  Verfahren  überzeugend  sei  und  Zu- 
trauen verdiene?     Nicht  überzeugend  wäre  dasselbe,  wenn: 

1)  die  Grundlagen  desselben  rein  hypothetisch  wären  oder  gar 
den  physikalischen  Gesetzen  widersprechend.  Aber  weder  das  eine 
noch  das  andere  trifft  zu.  Eine  ozeanische  Warmwasserheizung  be- 
steht thatsächlich  (England,  Irland,  skandinavische  Westküste  etc.), 
^venn  dieselbe  auch  heutzutage  vielfach,  oder  besser  überall,  durch 
konträre  (offene  und  versteckte)  Einflüsse  herabgedrückt  ist.  Ebenso 
I)esteht  ein  gemischtes  oder  Normalklima  (Meer  und  Land  einschlies- 
send),  das  in  seinen  Mittelwerten  auf  der  nördlichen  Halbkugel  sich 
als  praktisch  brauchbar  herausstellt.  Die  Vergleichbarkeit  beider  und 
die  unmittelbaren  Folgerungen  aus  der  Vergleichung  derselben  sind 
wohl  nicht  zu  beanstanden.  Denn  der  Grund  der  Differenz  zwischen 
Seeklima  und  gemischtem  Klima  (oder  Normalklima)  liegt  ganz  klar 
vor  Augen.  Er  liegt  darin,  dass  bei  dem  Seeklima  solche  Stationen 
ausgewählt  sind,  bei  denen  (empirisch)  das  Wasser  allein  das  Klima 
beherrscht;  bei  dem  gemischten  Klima  (Normalklima)  aber  wird  auch 
die  Bedeutung,  die  dem  festen  Land  hierbei  zufällt,  ausdrücklich  be- 
rücksichtigt. Die  Abstufung  sodann,  die  sich  bei  der  Differenz  zwi- 
schen beiden  Arten  von  Klima  ergibt,  ist  keine  zufällige,  sondern 
eine  charakteristische.  Sie  zeigt,  wie  durch  den  Einfluss  des  Landes 
die  Temperatur  der  hohen  Breiten  besonders  herabgedrückt  wird, 
wie  aber  das  Seeklima,  je  reiner  dasselbe  ist,  desto  mehr  die  durch 
die  geographische  Breite  bewirkten  Unterschiede  der  Temperatur 
auszugleichen  und  zu  überwinden  vermag. 

Eine  Einwendung  hiegegen  wäre  nur  berechtigt,  wenn  die  be- 


—     112     — 

nützten  klimatischen  Tabellen  von  Sartorius  und  Dove  ihrer  Methode 
oder  ihrer  empirischen  Grundlage  nach  veraltet  und  unbrauchbar 
wären.  Die  Berechnungen  von  Dove  wurden  in  neuester  Zeit  (1885) 
einer  Revision  unterzogen  und  in  der  Hauptsache  richtig  befunden  ^ 
Gegen  Sartorius  wurde  wirklich  schon  der  Einwand  erhoben ,  dass 
seine  Tabellen  des  Seeklimas  veraltet  seien.  Auf  die  Methode  sei- 
ner Berechnungen  kann  sich  dieser  Vorwurf  jedoch  nicht  beziehen ; 
denn  Sartorius  hat  sich  wie  Dove  der  Methode  der  kleinsten  Qua- 
drate bedient,  die  auch  von  Hann  und  Spitaler  angewandt  wurden.. 
Was  aber  die  Grundlagen,  das  Material,  das  der  Berechnung  em- 
pirisch zu  Grund  liegt,  anbelangt,  so  heben  wir  nur  die  zwei  wich- 
tigsten Stationen  im  nordatlantischen  Ozean  hervor,  bei  welchen 
wesentlich  die  Entscheidung  liegt  für  den  gesamten  Charakter  des 
Seeklimas  der  nördlichen  Halbkugel.  Für  die  Faröer  und  Reikia- 
vik  hat  Sartorius  eine  Jahrestemperatur  von  5°,60  R.  und  3*^,30  R. 
aufgenommen ;  Hann  (1883)  führt  für  dieselben  an :  6^,30  C.  (in 
Thorshavn)  und  3*^,30  C.  (in  Reikiavik).  Der  klimatische  Charak- 
ter dieser  wichtigsten  Stationen  ist  somit  nach  beiden  Autoren  we- 
sentlich der  gleiche ;  die  Unterschiede  bewegen  sich  nur  innerhalb 
der  Dezimalstellen".  Anders  ist  es  bei  der  südlichen  Halbkugel, 
für  welche  Hann  ein  grösseres  und  besser  beglaubigtes  Beobachtungs- 
material zu  Gebot  stand,  als  Sartorius  möglich  war.  Hier  wurde 
aber  dies  Resultat  der  HANN'schen  Berechnungen  ausdrücklich  von 
uns  benützt  und  mit  jenem  von  Sartorius  verglichen  (cf.  Klima  und 
Gestaltung  etc.,  Tabelle  H,  S.  10  und  Tabelle  IX,  S.  95).  Die  Aus- 
stellung, als  ob  wir  uns  in  der  citierten  Schrift  auf  veraltete  Quellen 
und  Hilfsmittel  gestützt  hätten,  ist  somit  ganz  unberechtigt.  Nach 
unsern  Begriffen  von  Priorität  sind  die  Angaben  jenes  Autors  zu  be- 
achten und  zu  eitleren,  der  zuerst  einen  Gegenstand  wissenschaft- 
lich behandelt  hat,  jedoch  selbstverständlich  nur  soweit,  als  die- 
selben nicht  veraltet  sind;  was  aber  richtig  ist,  veraltet  nicht. 

2)  Nicht  überzeugend  wäre  unser  Verfahren,  wenn  die  Ansprüche 
der  Palaeontologen  nur  als  hypothetische  oder  gar  absurde  anzusehen 
wären.  Die  Verantwortlichkeit  darüber  ist  zunächst  Sache  der  Bo- 
taniker und  Palaeontologen ;  aber  ihre  Aufstellungen  sind  nicht  bloss 
nach  unserem  unmassgeblichen  Urteil,  sondern  nach  dem  gesamten 
Stand  der  Sache  als  wichtige  Thatsachen  zu  respektieren,  die  we- 

'■  cf.  Dr.  Spitaler:  "Wärmeverbreitang  auf  der  Erdoberfläche,  S.  3. 
-  cf.  Sartorius:  Untersuchungen  über  die  Klimate  der  Vorwelt,  S.  121, 
und  Hann:  Klimatologie  S.  453  u.  714. 


—     113     — 

der  beseitigt  werden  können,  noch  umgangen  werden  dürfen.  Man 
möge  sich  dabei  nur  erinnern ,  dass  in  Spitzbergen  etc.  Wälder  mit 
üppiger  HolzVegetation  thatsächlich  bestanden  haben,  noch  zur 
Tertiärzeit,  die  eine  speziahsierte  Yergleichung  mit  der  recenten 
Wakivegetation  ermöghchen  und  geradezu  herausfordern.  Wesent- 
Uche  und  grobe  Irrtümer  können  bei  einem  so  grossartigen  Material 
und  in  so  erfahrenen  Händen  nicht  vorgekommen  sein  ^  Es  sind 
auch  vorzüglich  Nichtbotaniker ,  welche  Heer  gegenüber  eine  ab- 
lehnende oder  w^enigstens  sehr  reservierte  Stellung  einnehmen  zu  müs- 
sen glauben.  Die  Fachmänner,  wie  Saporta,  Engler,  Geyler,  Schrö- 
ter'^ etc.  teilen  diese  Bedenken  keineswegs  und  nehmen  keinen 
Anstand,  ihre  Übereinstimmung  mit  Heer  auszudrücken.  Man  darf 
diese  Übereinstimmung  ohne  Bedenken  sogar  auch  auf  die  älteren 
Phytopalaeontologen :  ünger,  Göppert,  C.  v.  Ettingshausen  ausdehnen, 
obwohl  dieselben  teilweise  (Unger  und  Göppert)  schon  vor  dem 
Erscheinen  und  Abschluss  der  Polarflora  gestorben  sind.  Denn  auch 
diese  Botaniker  sahen  sich  bei  ihren  eigenen  Arbeiten  über  die  fossi- 
len Pflanzen  darauf  angewiesen,  die  gleichen,  vielfach  exotischen 
Geschlechter  und  Familien  zur  Yergleichung  heranzuziehen,  wodurch 
sich  eine  prinzipielle  Übereinstimmung  derselben  mit  Heer  nicht  bloss 
in  der  systematischen  und  morphologischen  Auffassung  der  Pflanzen, 
sondern  notwendig  auch  in  der  klimatischen  ergibt. 

Es  möge  gestattet  sein,  hierfür  ein  Beispiel  anzuführen.  Alex. 
Braun,  Unger  und  Ettingshausen  schwankten  lange  Zeit,  in  welche 
lebende  Familie  sie  gewisse,  weit  verbreitete  und  deshalb  sehr  wich- 
tige Blätter  der  mittleren  Tertiärformation  unterbringen  sollen.  Heer 
war  durch  sein  vortreffliches  Material  von  Oningen  in  den  Stand 
gesetzt,  nicht  bloss  Blätter,  sondern  auch  Früchte  und  blühende,  be- 
blätterte Zweige  dieses  Baumes  zu  untersuchen  und  auf  Grund  dieses 
Materials  das  lebende  Geschlecht  Ciunamomum  als  das  zutreffende 
recente  zu  bezeichnen.  In  ihren  späteren  Werken  nahmen  nun  Unger 
und  C.  V.  Ettingshausen  keinen  Anstand,  die  HEER'sche  Bestimmung 
zu  adoptieren.     Die  Anerkennung  der  Existenz  des  Zimmtbaumes  in 


^  cf.  Schröter:  Lebensbild  von  Osw.  Heer.     S.  147,  152  u.  a.  a.  0. 

-  Prof.  Schröter  in  seinem  treulichen  Lebensbild  von  Oswald  Heer 
gibt  S.  406  einen  Überblick,  wie  letzterer  mit  dem  Skeptizismus  allerdings  schwer 
zu  ringen  hatte,  aber  auch  überall  siegreich  durchdrang,  sobald  ein  näheres  Ein- 
gehen auf  den  Gegenstand  selbst  zu  erreichen  war.  Besonders  interessant  ist, 
wie  auch  Lyell  und  Hook  er  (1.  c.  S.  407,  408)  Heer  ihre  sachliche  An- 
erkennung nicht  länger  vorenthalten  konnten. 

.Tahreahefte  fl.  Vereins  f.  vrtterl.  N.'iturkunde  in  Wiirtt.    1889.  8 


—     114     — 

mittleren  Breiten  zur  Tertiärzeit  (im  Verein  mit  vielen  anderen  Vor- 
kommnissen) ist  aber  von  solchem  Gewicht ,  dass  man  wohl  sieht, 
wie  auch  die  angeführten  Botaniker  wesentlich  die  gleichen  oder 
wenigstens  sehr  ähnlichen  klimatischen  Anforderungen  stellen  muss- 
ten.  wie  Heer  gethan  hat. 

Um  sich  einen  Begriff  zu  machen ,  mit  welcher  Genauigkeit 
und  Umsicht  Heer  bei  der  Bestimmung  der  Temperaturverhältnisse 
zu  Werk  ging,  verweisen  wir  nur  auf  seine  Untersuchungen  in  der 
Polarflora,  I.  Band,  S.  61  und  VII.  Band,  S.  217  und  folgende,  so- 
wie auf  seine  Tertiärflora  der  Schweiz,  III.  Band,  S.  327  und  fol- 
gende. Man  wird  sich  unter  dem  gewichtigen  Eindruck,  den  diese 
mühsamen  und  speziellen  Studien  machen,  gewiss  von  dem  Vorurteil 
befreien,  dass  Heer  seine  in  diesen  Werken  niedergelegten  Resultate 
mehr  oder  v/eniger  aus  der  Luft  gegriffen  haben  könne  (cf.  Schröter  : 
Lebensbild  von  Osw.  Heer  S.  157). 

Untergeordnete  häusliche  Streitigkeiten  sind  damit  nicht  aus- 
geschlossen ,  sondern  ganz  selbstverständlich ;  aber  ein  Protest ,  um 
ein  Beispiel  anzuführen,  wie  ihn  Heer  auf  S.  75  im  I.  Hand  seiner 
Flora  foss.  arctica  ausspricht,  ist  offenbar  nicht  bloss  ein  persönlicher 
Akt,  sondern  im  Namen  der  Prinzij'ien  der  gesamten  Pflanzenkunde 
ausgesprochen.  Wenn  später  wieder  einmal  ein  anderer  Phyto- 
palaeontolog  das  gleiche  gewaltige  Material  untersuchen  sollte,  wel- 
ches die  sieben  Bände  der  Polarfiora  enthalten,  so  könnten,  nach 
unserem  Dafürhalten,  die  Mittelwerte  der  von  ihm  abgeleiteten  Tem- 
peraturbestimmungen wohl  vielleicht  um  1*^  mehr  oder  weniger 
differieren ;  das  wäre  möglich,  aber  hierdurch  wird  die  gesamte  Grund- 
lage nicht  erschüttert. 

Geophysiker  und  Meteorologen  pflegen  das  Klima  oft  wesent- 
lich und  einzig  nur  nach  den  Gesichtspunkten  aufzufassen,  welche 
sie  auf  Grundlage  der  g  egenwärtigen  Beschaffenheit  der  Erd- 
oberfläche gewonnen  haben.  Das  ist  ein  ganz  berechtigter  Stand- 
punkt für  die  Beurteilung  der  heutzutage  obwaltenden  Zustände, 
gilt  aber  nicht  in  uneingeschränkter  Weise  für  die  früheren  Perioden 
der  Erde.  Überträgt  man  aber  dennoch  diesen  Standpunkt  direkt 
auf  die  geologischen  Formationen,  so  setzt  man  sich  in  scharfen 
Konflikt  mit  andern  Wissenschaften.  Man  setzt  dabei  stillschweigend 
voraus,  dass  der  Frost  sich  im  uralten  Besitz  der  Erdoberfläche  in 
höheren  Breiten  befunden  habe ;  dadurch  aber  setzt  man  sich  in 
Widerstreit  mit  der  Astronomie,  Spektralanalyse  und  besonders  mit 
der  Palaeontologie.    Auf  Grund  ihrer  Beobachtungen  muss  die  letztere 


—     115     — 

sich  dagegen  verwahren,  dass  das  Khma  immer  die  gleiche  Be- 
schaffenheit gehabt  habe  wie  heutzutage  und  wer  einen  unbefangenen 
Blick  sich  bewahrt  hat,  muss  darin  notwendig  der  Palaeontologie 
ihr  Recht  widerfahren  lassen.  Diese  vermag  mit  Sicherheit  aus  der 
Beschaffenheit  der  fossilen  Organismen  (ob  Meeres-  oder  Landtiere) 
nachzuweisen,  dass  in  der  Verteilung  des  festen  und  flüssigen,  also 
in  einem  anerkannt  sehr  wichtigen  klimatischen  Faktor  und  in  der 
Ausdehnung  desselben  sehr  starke  und  tiefgreifende  Änderungen  ein- 
getreten sind.  Sie  vermag  ferner  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  in 
welcher  Richtung  diese  klimatischen  Änderungen  sich  vollzogen 
haben.  Die  fossilen  Pflanzen  und  Tiere  von  Spitzbergen  und  Grön- 
land verlangen  zu  ihrer  Existenz  absolut  ein  wärmeres  Klima,  als 
heutzutage  dort  besteht.  Sie  vermag  aber  noch  einen  Schritt  weiter 
zu  gehen  und  durch  genaue  und  umsichtige  Vergleichung  einer  gan- 
zen Reihe  von  sehr  nahe  stehenden  (homologen)  lebenden  Arten  auch 
die  Anzahl  der  Grade  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  zu  berechnen, 
welche  diese  fossilen  Pflanzen  als  damalige  mittlere  Jahrestemperatur 
erheischten. 

Über  solche  wichtige  Punkte  darf  man  nicht  einfach  mit  Still- 
schweigen hinweggehen,  sondern  es  erwächst  die  Aufgabe,  den  Ent- 
wickelungsgang  dieser  klimatischen  Änderungen  zu  verfolgen  und  sie 
zum  Verständnis  zu  bringen,  wobei  wesentlich  die  fossilen  Organis- 
men als  Wegweiser  und  Kontrolle  dienen  müssen.  Wer  davon  absieht 
und  eine  Theorie  sich  aufbauen  will,  ohne  Berücksichtigung  der- 
selben, räumt  offenbar  seiner  Theorie  eine  Bedeutung  ein,  die  ihr 
nicht  gebührt,  jedenfalls  nicht  in  diesem  Umfang.  Die  fossilen  Pflan- 
zen, die  nicht  mehr  aus  der  Welt  geschafft  werden  können,  erheben 
Einsprache  gegen  diese  theoretischen  Aussprüche  und  verlangen  ge- 
bieterisch die  ihnen  gebührende  Berücksichtigung. 

Daraus  ergibt  sich  ein  weiteres  und  sehr  einschneidendes  Kri- 
terium zur  Beurteilung  der  Haltbarkeit  oder  Unhaltbarkeit  des  von 
uns  eingehaltenen  Verfahrens.     Dasselbe  wäre  verfehlt, 

3)  wenn  der  Unterschied  zwischen  den  Anforderungen  der  Pa- 
laeontologen  und  den  resultierenden  Ziffern  der  von  uns  angewand- 
ten Methode  so  gross  wäre ,  dass  er  als  wesentlich  zu  bezeichnen 
wäre.  Die  Berechnungen  von  Sartokius  leiden  wirklich  an  diesem 
Fehler;  sie  weichen  davon  in  den  hohen  Breiten  teilweise  um  6*^ — 8" 
ab.  Das  ist  so  bedeutend,  dass  man  wohl  sieht,  wie  der  von  Sar- 
TORius  eingeschlagene  Weg  an  irgend  einem  Gebrechen  leiden  müsse, 
liege  dasselbe,  wo  es  wolle.     Unsere  eigenen  Tabellen  aber  weichen 


-      116     — 

nur  um  1**  plus  oder  minus  ab,  was  zu  keinen  Beanstandungen  füh- 
ren dürfte. 

4)  Misslich  wäre  es  ferner,  wenn  man  unserer  Arbeit  den  Vor- 
wurf machen  könnte,  dass  dieselbe  zuviel  beweisen  wolle.  Deshalb 
ist  auch  das  Vorurteil  zu  beseitigen,  als  ob  es  eine  Vermessenheit 
sei,  das  Klima  der  früheren  Erdperioden  mit  solcher  Bestimmtheit 
angeben  zu  wollen ,  dass  man  die  Werte  desselben  in  Tabellen  zu- 
sammenfasst.  Aber  weder  Verdienst  noch  Verantwortung  liegt  hier 
auf  unserer  Seite.  Die  Meteorologen  und  Mathematiker  haben  die 
Tabellen  für  das  Seeklima  und  Normalklima  geliefert  und  die  Phyto- 
palaeontologen  und  Botaniker  haben  das  ihnen  zu  Gebot  stehende 
fossile  Material  dazu  benützt,  um  für  eine  so  grosse  Zahl  von  Lo- 
kalitäten die  mittlere  Jahrestemperatur  zu  berechnen ,  dass  hiermit 
thatsächlich  (wenn  auch  nicht  formell)  auch  palaeontologische  Tem- 
peraturtabellen geboten  wurden.  Man  wird  denselben  für  ihre  be- 
deutende Mühe  den  Dank  nicht  vorenthalten  dürfen.  Von  unserer 
Seite  ist  aber  weiter  nichts  geschehen ,  als  dass  der  Nachweis  ge- 
liefert wurde,  dass  durch  eine  geeignete  Benutzung  und  Verwertung 
der  Arbeiten  der  Meteorologen  und  Palaeontologen  (Sartorius,  Dove, 
Heer)  auch  das  Klima  der  früheren  Perioden  zum  Verständnis 
gebracht  werden  könne.  Dass  also  von  unserer  Seite  förmliche 
Tabellen  entworfen  werden  konnten,  das  hängt  wesentlich  ab  von 
dem  Stand  der  weit  geförderten  Vorarbeiten  der  Meteorologen  und 
Phytopalaeontologen.  Ohne  sie  wäre  es  gar  nicht  möglich,  den 
Gegenstand  in  Angriff  zu  nehmen.  Die  wichtigste  und  entscheidende 
Förderung  ist  zu  verdanken  den  Arbeiten  von  Oswald  Heer.  Wäh- 
rend die  Palaeontologen  vor  ihm  sich  begnügten  und  begnügen  muss- 
ten,  nur  in  allgemeinen  Ausdrücken  über  den  allgemeinen  Charakter 
der  klimatischen  Zustände  der  Vorzeit  sich  auszusprechen,  that 
Heer,  auf  Grundlage  des  ihm  und  nur  ihm  zu  Gebot  stehenden 
fossilen  Materials,  den  entscheidenden  Schritt  vorwärts,  dass  er  auf 
konkrete  ziffermässige  Resultate  hinarbeitete.  Wer  seine  Werke 
kennt,  wird  die  Überzeugung  gewonnen  haben,  dass  er  hierbei  keine 
Mühe  und  Arbeit  gescheut  hat  und  deshalb  vollständig  ausgerüstet 
war,  um  diesen  kühnen  und  wichtigen  Schritt  zu  thun. 

Das  Bestreben ,  überall ,  wo  es  nur  angeht ,  konkrete  und 
ziffermässige  Werte  einzusetzen,  dürfte  aber  auch  am  besten  geeig- 
net sein,  den  Verf.  vor  dem  Vorwurf  zu  schützen,  dass  er  in  seiner 
Schrift  (Klima  und  Gestaltung  der  Erdoberfläche  etc.)  sich  auf  dem 
Boden  von  Spekulationen  bewege. 


—     117     — 

Bedenklich  wäre  es  sodann,  wenn  anderweitige  gut  begrün- 
«lete  Thatsachen  K  sei  es  aus  dem  Gebiete  der  Geologie  oder  Ozea)io- 
graphie  etc.  mit  den  gefundenen  Resultaten  in  unlösbarem  Wider- 
spruch sich  befinden  würden.  Auf  die  wichtigeren  Punkte  wurde 
jedoch  schon  im  Text  eingegangen ;  auf  alle  denkbaren  Bedenken 
einzugehen,  ist  wohl  nicht  erforderlich,  da  viele  derselben  kaum  irgend 
einen  objektiven  Wert  haben  dürften. 

Wie  weit  nun  aber  von  dem  Gebiete  der  Palaeontologie  aus, 
die  ihre  jetzige  Bedeutung  für  die  Geophysik  wesentlich,  wenn  auch 
nicht  ausschliesslich,  den  Arbeiten  von  Oswald  Heer  verdankt,  ein 
Scherflein  beigetragen  werden  könne ,  um  auch  auf  anderweitige 
Probleme ,  die  sonst  noch  auf  diesem  Gebiete  bestehen ,  ein  nicht 
ganz  zu  verschmähendes  Licht  zu  verbreiten,  das  ist  vorerst  freilich 
noch  nicht  zu  ermessen.  Doch  mag  es  gestattet  sein,  auch  solche 
Fragen  in  Anregung  und  in  Fluss  zu  bringen. 

Die  Palaeontologie  signalisiert  den  Moment  der  beginnenden 
Besitzergreifung  des  Frostes  in  den  Polarländern,  ungefähr  in  der 
Mitte  der  Tertiärzeit.  Damals  bestanden  noch  Wälder  in  Spitzber- 
gen etc.,  deren  Bäume  aber  schon  fallendes  Laub  hatten,  somit  auf 
eine  Winterruhe  eingerichtet  waren;  sie  weisen  auf  eine  mittlere 
Jahrestemperatur  von  -|-  9°  C.  (Heer)  hin,  wobei  schon  Kälteprodukte 
des  Winters,  Eis  und  Schnee  sich  zeitweise  einstellen  können.  Gegen 
Ende  der  Tertiärzeit  (Pliocän)  werden  schon  ganz  bedeutende  Fort- 
schritte des  Frostes  konstatiert,  so  dass  in  England  nicht  bloss  die 

^  Am  meisten  rätselhaft  sind  die  sogenannten  Talcbirschichten  und  andere, 
die  sich  in  weiter  Ausdehnung  um  den  Indischen  Ozean  vorfinden,  worüber  wir 
auf  Neumayr,  Erdgeschichte,  II.  Band,  S.  194  verweisen.  Neumayr  greift, 
um  wenigstens  die  Probe  einer  Möglichkeit  der  Erklärung  durch  eine  Verschie- 
bung der  Erdachse  zu  machen,  zu  der  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  günstig- 
sten Position  und  verlegt  den  einen  Pol  nach  der  Insel  Ceylon,  der  andere  fallt 
dann  in  die  Gegend  von  Mexiko  (1.  c.  S.  197).  Aber  selbst  eine  solche  gewisse 
kühne  Annahme  beseitigt,  wie  Neumayr  selbst  bemerkt,  die  Schwierigkeiten 
nicht.  Bei  so  ganz  rätselhaften  Erscheinungen  ist  nach  unserer  Meinung  zunächst 
die  volle  Bestätigung  der  Beobachtungen  abzuwai'ten.  Sodann  erinnere  man  sich 
abei-*  an  die  Blöcke  im  Flysch  der  Schweiz ,  die  man  auch  anfänglich  gar  nicht 
anders  deuten  zu  können  glaubte ,  als  durch  Annahme  einer  Eiszeit  in  dieser 
Periode.  Allein  jetzt  schon  mehren  sich  die  Stimmen,  welche  einer  anderen  Auf- 
fassung den  Vorzug  geben,  worüber  wir  auf  die  Urwelt  von  Heer,  II.  Aufl., 
S.  291  verweisen.  Überdies  ist  auf  eine  Bemerkung  in  Gümbel's  Grundzügen 
der  Geologie  hinzuweisen  (S.  256) ,  wonach  „gekritzte  und  gestreifte  Steine, 
welche  den  erratischen  Gletschergeschieben  sehr  ähnlich  sind,  auch  bei  rutschen- 
den Bewegungen  im  Gehängeschutt  sich  bilden,  wenn  die  Fragmente  gepackt  an- 
einander liesen." 


—     118     -  • 

Bewohner  des  Landes  (Pflanzen) ,  sondern  auch  die  Bewohner  des 
Meeres  (Muscheln)  deutliches  Zeugnis  hiervon  ablegen.  Also  eine 
gewisse  zeitliche  Koinzidenz  zwischen  dem  Auftreten  des 
Frostes  und  Erhebung  der  mächtigsten  Gebirge.  Wir  müssen  darauf 
noch  etwas  näher  eingehen. 

Früher  war  man  geneigt,  überall  wo  Gneisse  und  Granite  vor- 
kommen, ein  uraltes  Gebirge  anzuerkennen.  Man  fand  aber  bald, 
dass  hiermit  wesentliche  Irrtümer  begangen  wurden,  dass  wohl  das 
Material  sehr  alt  sein  könne,  dass  aber,  desungeachtet  das  Ge- 
birge selbst,  seine  Entstehung  durch  Faltung  etc.  jung  sein  könne 
und  dass  das  oft  wirklich  nachweisbar  sei.  Der  Grundsatz :  Die 
jüngsten  Gebirge  sind  die  höchsten  und  die  höchsten  die  jüngsten, 
findet  jetzt  keine  Beanstandung  mehr  (cf.  Neumayr,  Erdgeschichte, 
II,  S.  398);  und  gerade  die  Tertiärzeit  ist  es,  die  durch  .Gebirgs- 
bildungen  sich  auszeichnet ;  also  innerhalb  gewisser  Grenzen  ein  Zu- 
sammenfallen zwischen  den  tief  greifenden  Umgestaltungen  auf  der 
Oberfläche  der  Erde  und  —  dem  Auftreten  des  Frostes  in  hohen 
Breiten!  Sollte  das  ganz  zufällig  sein?  Ein  solches  Zusammentref- 
fen ist  immerhin  ein  bedeutsamer  Wink,  dass  Klima  und  Gestaltung 
der  Erdoberfläche  in  Beziehungen  zu  einander  stehen  könnten; 
es  ist  ein  Gesichtspunkt,  der  festgehalten  und  verfolgt  zu  werden 
verdient.  Die  bisherigen  Theorien  über  gebirgsbildende  Kräfte  und 
verwandte  Gegenstände  sind  ja  keineswegs  schon  ganz  sicher  in  sich 
selbst  ruhend  und  ganz  allseitig  gereift,  sondern  bewegen  sich  noch 
in  recht  starken  Schwankungen.  Vor  wenigen  Jahrzehnten  sah  man 
(L.  v.  Buch,  B.  Studer,  A.  v.  Humboldt)  überall  Hebungen,  in  neuester 
Zeit  will  man  gar  keine  Hebungen  anerkennen,  als  nur  solche,  die 
durch  die  Faltung  hervorgebracht  wurden  :  dagegen  überall  Senkun- 
gen. Dieser  jähe  Wechsel  zeigt  für  sich  schon,  dass  beide  Arten 
von  Auffassungen  mit  ansehnlichen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  haben. 
Es  wird  somit  gestattet  sein ,  diese  Erscheinungen  auch  unter  dem 
Gesichtspunkt  zu  betrachten,  dass  sowohl  Senkungen  (und  diese  zu- 
erst) ,  als  auch  Hebungen  stattgefunden  haben  und  diese  Vorgänge 
in  Verbindung  mit  dem  Prozess  der  ungleichen  Abkühlung  zu  setzen. 
Die  Gegenstände,  an  denen  die  Gesichtspunkte,  von  denen  wir 
ausgegangen  sind,  erprobt  werden  können,  sind  mannigfaltig:  die 
Verteilung  des  Festen  und  Flüssigen  auf  der  Erdoberfläche ;  die 
Tektonik  der  Kontinente  und  des  Meeresgrundes ;  die  Lage  der  Ge- 
birge und  Vulkanreihen  gegenüber  den  Meeren  und  auch  der  Platz, 
den  sie  in  bezuff  auf  die  Kontinente  einnehmen  etc.     Wir  haben  in 


—    119    — 

unserer  citierten  Schrift  die  Verfolgung  dieser  Gesichtspunkte  nach 
all  diesen  Seiten  hin  durchzuführen  versucht.  Es  konnte  aber  nicht 
unsere  Meinung  sein,  als  ob  für  diese  sämtlichen  Erscheinungen  eine 
strikte  und  beweiskräftige  Erklärung  gegeben  worden  sei  oder  über- 
haupt zur  Zeit  gegeben  werden  könnte.  Aber  die  Zulässigkeit  und 
Berechtigung  des  eingenommenen,  von  der  Palaeontologie  ausgehen- 
den Standpunktes  selbst  wird  kaum  zu  beanstanden  sein,  sofern  der- 
selbe geeignet  sein  dürfte,  ein  tieferes  Eindringen  in  das  Verständnis 
mancher  Erscheinungen  anzubahnen. 

Offenbar  ist  es  für  die  gesamte  Auffassung  der  gegenwärtig 
bestehenden  Zustände  unseres  Planeten  von  g  r  ö  s  s  t  e  r  Bedeutung, 
was  für  Begriffe  man  sich  von  der  Lebewelt,  von  den  Orga- 
nismen, Pflanzen  und  Tieren  der  früheren  Erdperioden  macht. 
So  wichtig  die  Anwendung  der  Gesetze  der  Chemie  und  Physik 
(Daubree)  ist,  so  gebührt  ihnen  doch  kaum  mehr  die  erste  Stellung, 
seitdem  die  Palaeontologie,  speziell  die  Phytopalaeontologie ,  durch 
ihre  gewaltigen  Fortschritte  die  Möglichkeit  an  die  Hand  gegeben 
hat,  einen  tiefen  Bhck  in  die  Lebe  weit  der  Vorwelt  und  in  ihre 
Existenzbedingungen  zu  werfen.  Die  Belege,  welche  die  Palaeonto- 
logie für  den  Entwickelungsgang  der  Erdoberfläche  vorzuführen  ver- 
mag und  wirklich  schon  vorgeführt  hat  (Heer),  sind  von  sehr  hoher 
Wichtigkeit,  höheren  Ranges  noch  als  die  aus  der  Physik  etc.  ent- 
nommenen. Freilich  ist  auch  die  Palaeontologie  noch  lange  nicht 
fertig ;  aber  ihre  Vollendung  kann  nicht  abgewartet  werden,  so  wenig 
als  bei  anderen  Wissenschaften.  Sie  braucht  auch  nicht  abgewartet 
zu  werden ;  denn  schon  ihre  bisherigen  Resultate  geben  eine  genügend 
gesicherte  Grundlage  zur  Erklärung  vieler  einschlägiger  Erscheinun- 
gen. Insbesondere  tritt  die  klimatische  Entwickelung  der  Erdober- 
fläche durch  das  von  der  Palaeontologie  gelieferte  Material  in  eine 
hellere  Beleuchtung.  Wenn  aber  durch  weitere  Verwertung  des 
palaeontologischen  Standpunktes  sich  auch  nach  anderen  Seiten  hin 
Gesichtspunkte  eröffnen,  die  von  den  bisherigen  Auffassungen  ab- 
weichen ,  so  ist  das  nur  ein  Beleg  der  grossen  Bedeutung  dieses 
Wissenszweiges  für  die  weitere  Erforschung  der  gesamten  Entwicke- 
lungsgeschichte  der  Erde. 


/ 


Psammoehelys  Keuperina. 

{xpd/Li/iiog  Sand,  /^'Ais-  Schildkröte.) 

Von  Prof.  Dr.  Friedr.  Aug.  Quenstedt  in  Tübingen. 

Mit  Taf.  I.  IL 

Aus  unserm  weissen  Keupersandsteine  von  Häfner-Neuhausen 
eine  Schildkröte,  deren  Thorax  57  cm  lang,  55  cm  breit  und  26  cm 
hoch  wurde,  ist  für  die  lebenden  Petrefaktologen  eine  neue  That- 
sache,  die  sie  mit  demselben  Interesse  aufnehmen  werden,  wie  einst 
die  verstorbenen  den  Mastodonsaurus  aus  unserer  Lettenkohle  von 
Gaildorf,  und  den  Phyfosaurus  aus  unserm  Stubensand  von  Rüb- 
garten (Jäger,  foss.  Reptil.  Würtemb.  1828) :  jener  mit  dem  doppelten 
Condylus  der  Frösche  am  Hinterhaupte :  dieser  mit  den  eingekeilten 
Zähnen  der  Krokodile,  deren  Zahnalveolen  zu  den  täuschenden  Stein- 
kernbildungen Anlass  gaben  (Flözgeb.  Würt.  1843  pag.  108).  Ob- 
gleich der  Name  „Pflanzenechse"  auf  falscher  Voraussetzung  beruhte, 
so  mochte  ich  doch  den  viel  spätem  Belodon  (Hdb.  Petref.  1867  2.  Aufl. 
pag.  134)  für  die  Knochen  nicht  aufnehmen,  zumal  da  die  veränderte 
Benennung  ebenfalls  nichts  Charakteristisches  bedeutet,  ja  im  Grunde 
jetzt  noch  nicht  völlig  aufgeklärt  ist  (N.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1842.  302; 
1860.  556:  1862.  332;  1864.  210),  was  man  Belodon  Plimingeri 
und  was  Kapfß  heissen  solle.  Mit  Fhntosaurus  komnit  man  in  die- 
sen Zwiespalt  nicht,  und  jedenfalls  fand  sich  unsere  riesige  Schild- 
kröte ganz  in  demselben  Zustande  wie  die  „Pflanzenechse",  denn 
es  ist  ledighch  ein  Steinblock  von  82  kg  Gewicht,  woran  sich  keine 
Spur  von  organischer  Substanz  mehr  findet,  die  unfehlbaren  Wahr- 
zeichen sind  nur  durch  Linien,  glatte  Flächen  und  hohle  Löcher  etc. 
ausgeprägt. 

Ich  danke  den  lehrreichen  Fund  Herrn  Forstrat  Dr.  Tschernix(; 
in  Bebenhausen,  der  einst  zu  meinen  ersten  Zuhörern  in  der  Petre- 
faktenkunde  zählte.     Der  Stein  soll  schon  vor  mehreren  Jahren  im 


—     121     — 

Bruch  beiseite  gelegt  worden  sein,  aber  erst  dem  Kennerblick  memes 
werten  Freundes  entging  es  nicht,  dass  darin  Anzeichen  von  irgend 
einem  Wirbeltier  steckten,  das  sich  dann  zu  meinem  Erstaunen  beim 
gehörigen  Reinigen  zu  einer  Schildkröte  entpuppte.  Die  jetzt  da- 
selbst noch  thätigen  Arbeiter  wussten  nichts  Bestimmtes  mehr  über 
den  Fund  anzugeben,  sie  behaupteten  nur  etwas  unsicher,  dass  darauf 
eine  dunkelfarbige  Masse  gelegen  habe,  die  abgefallen  sei.  Das  klingt 
gar  nicht  unwahrscheinlich,  und  würde  bezeugen,  dass  die  tierische 
Knochensubstanz  ursprünglich  noch  nicht  ganz  zerstört  war,  wovon 
sich  jetzt  an  dem  knorrigen  Blocke  auch  nicht  das  Geringste  mehr 
findet.  Dagegen  haben  sich  auf  dem  schön  gewölbten  Rücken  die 
unzweideutigen  Spuren  von  den  8  Rippen ,  und  auf  dem  flachen 
Bauche  die  Abdrücke  von  der  Innenseite  des  Brustschildes  noch  so 
gut  erhalten,  dass  man  zwar  die  Grenze  der  Knochenplatten  im  ein- 
zelnen nicht  finden  kann,  aber  im  ganzen  steht  es  völlig  über  allem 
Zweifel,  dass  hier  die  umfangreiche  Bauchhöhle  nach  Schildkrötenart 
geschlossen  war.  Auch  die  flach  gerundeten  Seiten  geben  einigen 
Anhalt,  doch  darf  man  daran  drei  ausgeprägte  etwas  hervorragende 
Zapfen  ahc  nicht  übersehen,  die  durch  deutliche  Bruchfiächen  be- 
weisen ,  dass  sie  mit  dem  Gestein  auf  der  Bauchseite  zusammen- 
hingen ,  und  folglich  auf  ebensoviel  länglich  rundliche  Durchbrüche 
hinweisen ,  was  namentlich  auch  ringsum  durch  die  vollkommene 
Glätte  bewiesen  wird,  welche  die  Verwachsungsstelle  des  Rücken- 
mit  dem  Bauchschilde  in  der  Gegend  der  mittlem  Rippen  bezeichnet. 
Herr  Dr.  G.  Baur  in  New  Haven,  dem  ich  die  Besichtigung,  wie 
manchem  andern  Freunde  der  Sache,  doch  nicht  wohl  vorenthalten 
mochte,  scheint  dieses  wichtigste  aller  markierten  Kennzeichen,  auf 
dem  vielleicht  die  einstige  sichere  Stellung  im  Systeme  beruht,  leider 
gar  nicht  bemerkt  zu  haben.  Bei  dieser  flüchtigen  und  nicht  ganz 
fehlerfreien  Bemerkung  war  ich  daher  etwas  betroffen,  einen  Namen 
Froganochelys  Qucnstcdtii  für  unsere  Sache  zu  finden ,  ohne  dar- 
über vorher  befragt  zu  sein  (Bericht  XX.  Versamml.  Oberrhein,  geol. 
Vereins  zu  Metzingen  14.  April  1887  pag.  17). 

Das  grosse  Stück  ist  der  reinste  Abguss  von  dem  Hohlräume 
des  Tieres,  wie  einst  beim  Phtjtosaurus,  woran  jede  Spur  von  organi- 
scher Substanz  fehlt.  Ja  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  beide 
der  gleichen  Schicht  im  Sandsteine  angehören,  da  die  Fundorte  nur 
7  km  von  einander  liegen.  Leider  fehlt  Kopf-  und  Schwanzende, 
was  die  Orientierung  in  Vorn  und  Hinten  erschwert,  daher  nannte 
Baur  Beckenknochen,  was  in  Wirklichkeit  den  Schultern  angehört. 


—     122     — 

Doch  wurde  von  mir  alles  so  sorgfältig  erwogen,  dass  jeder,  wer  Ge- 
legenheit hat,  meiner  Darstellung  nachzugehen,  auch  nicht  den  ge- 
ringsten Anstand  finden  wird. 

Die  Wirbelsäule  liess  zwar  ihre  Spuren  im  harten  Gestein 
deutlich  zurück,  aber  durch  den  Seitendruck  haben  die  Umrisse  der 
Wirbelkörper  so  gelitten ,  dass  man  sie  nicht  mehr  recht  verfolgen 
kann,  sonst  würde  man  sich  durch  die  abnehmende  Grösse  von  vorn 
nach  hinten  mit  einem  Blick  orientieren.  Da  hinten  ein  grösseres 
Stück  vom  Steine  fehlt  als  vorn,  so  könnte  möglicherweise  noch  die 
letzte  Eippe  weggebrochen  sein ,  dann  würde  das  vordere  kürzere 
gedrängte  Paar,  weil  im  ganzen  jede  Schildkröte  8  Pdppenplatten 
haben  muss,  der  erstem  Platte  angehören.  Das  erschwert  zwar  die 
richtige  Bestimmung  des  Geschlechts,  thut  aber  der  Beurteilung,  ob 
wir  eine  Schildkröte  überhaupt  vor  uns  haben  oder  nicht,  keinen 
Eintrag.  Nach  der  Richtung  der  Rippen,  die  gewöhnlich  in  den  letz- 
ten sich  stärker  nach  hinten  kehren,  würde  man  sich  mehr  geneigt 
fühlen,  unser  angenommenes  Vorn  für  Hinten  zu  halten.  Allein  diese 
Regel  ist  nicht  zu  streng  zu  nehmen ,  besonders  aber  haben  auch 
die  durchgehenden  Röhren  s  s  zu  der  angenommenen  Stellung  nicht 
bestimmt,  vor  denen  sich  im  Nacken  eine  flache  Bogenlinie  l  hinum- 
zieht, welche  genau  die  äussern  Winkel  hh  der  breiten  Öffnung  be- 
zeichnet, durch  welche  die  Hände  h  (Vorderfüsse)  mit  zwischenliegen- 
dem Kopf  aus-  und  eingingen.  Die  Linie  ist  zwar  nur  schwach  an- 
gedeutet, aber  je  länger  man  den  Abdruck  des  Steinkernes  betrachtet, 
desto  klarer  wird  sie  uns.  Dadurch  bekommt  der  Thorax  vorn  einen 
gewissen  Abschluss,  der  wegen  seiner  Kürze  nur  mit  der  Vorderseite 
lebender  Panzer  in  Übereinstimmung  gebracht  werden  konnte.  Dem- 
nach müssten  die  Röhren  ss,  die  man  mit  einem  Gänsekiel  13  cm 
lang  verfolgen  kann,  dem  Schulterblatt  und  keineswegs  dem  Darm- 
bein entsprechen.  Das  Darmbein  pflegt  auch  kürzer  und  plumper 
als  das  Schulterblatt  zu  sein.  Das  möglichst  sicher  zu  beurteilen, 
habe  ich  die  Löcher  sr  in  ihrer  natürlichen  Grösse  abgebildet,  wie 
sie  am  Ausgange  auf  dem  Rücken  erscheinen ;  der  Ausgang  auf  der 
Bauchseite  sb  ist  bedeutend  enger,  was  besser  zum  aufsteigenden 
Aste  des  Schulterblattes  als  des  Darmbeines  passt.     Nur  auf 

einen  Umstand  muss  ich  die  Aufmerksamkeit  lenken:  ich 
konnte  die  hohlen  Löcher  von  der  Erde  reinigen,  und  leicht  Kiele  (//) 
durchstecken,  diese  konvergieren  nach  unten  und  divergieren  nach 
oben,  was  gerade  bei  lebenden  Tieren  umgekehrt  zu  sein  pflegt.  Die 
ausfüllenden  Knochen  finden  sich  also  jedenfalls  nicht  mehr  in  ihrer 


-     123     — 

ursprünglichen  Lage ,  was  sich  leicht  durch  den  Verwesungsprozess 
erklären  liesse.  Aber  abgesehen  davon,  wurde  von  der  rechten  Seite 
ein  Druck  auf  den  Kadaver  ausgeübt,  welcher  jedenfalls  die  rechte 
Röhre  aus  ihrer  natürlichen  Stellung  brachte,  während  die  linke  viel- 
leicht die  richtige  ungefähr  beibeliielt ,  wenigstens  blieb  sie  noch 
senkrecht. 

Vor  der  Wirbelsäule  zeigt  sich  der  deuthche  Abdruck  eines 
kurzen  Wirbelkörpers  (tv) ,  die  Wölbung  in  der  Mitte  und  die  Fur- 
chen an  beiden  Seiten  deuten  eine  muldenförmige  Ausbuchtung  des 
ursprünglichen  Wirbelkörpers  an.  Derselbe  liegt  etwas  erhabener, 
als  der  unmittelbar  darunter  folgende  mit  dem  Schilde  verwachsene 
erste  Rückenwirbel,  er  entspricht  daher  offenbar  dem  achten  Hals- 
wirbel, welcher  noch  frei  lag  und  daher  beweglich  war.  Es  ist  kein 
zweiter  Wirbelkörper  da,  den  man  von  seiner  freien  Oberseite  be- 
trachten könnte.  Es  läuft  vielmehr  von  diesem  Abdruck  des  letzten 
Halswirbels  eine  tiefe  Medianrinne  fort,  welche  gut  vom  Erdschlamm 
zu  reinigen  seine  Schwerigkeit  hat.  Man  sieht  nur  darauf  von  Zeit 
zu  Zeit  Erweiterungen,  welche  mit  den  anstossenden  Rippenköpfen  in 
bestimmter  Beziehung  stehen,  und  offenbar  durch  Abdruck  der  innen 
hervorragenden  Wirbelköiijer  entstanden,  die  noch  deutlich  genug 
zeigen,  dass  die  vordem  kräftiger  und  grösser  waren  als  die  hintern. 

Die  Rippen  bezeichnete  ich  mit  den  Zahlen  1 — <W,  da  sie  sehr 
bestimmte  Spuren  hinterlassen  haben,  namentlich  gehen  von  den 
Stellen,  wo  zwei  Wirbelkörper  aneinander  gelenkten,  tiefe  senkrechte 
Rinnen  aus,  worin  das  Federmesser  8 — 10  mm  eindringt,  um  den 
weichen  Boden  herauszuholen,  der  sich  darin  festsetzte.  Nach  aussen 
spitzt  sich  die  Rinne  zu  und  verflacht  sich,  weil  dort  der  Rippen- 
knochen mit  dem  Rückenschilde  vollkommen  eben  verwächst;  nach 
innen  gegen  das  Gelenk  zweier  anstossender  Wirbelkörper  bildet 
sich  dagegen  ein  vertieftes  Dreieck  aus,  was  man  an  der  Glätte  des 
Gesteins  zuweilen  noch  ziemlich  sicher  verfolgen  kann,  aber  die 
Seitengrenzen  an  dem  verbrochenen  Sandstein  lassen  sich  nicht  be- 
stimmt erkennen. 

1.  Rippe  zwar  bloss  10  cm  lang,  hat  aber  mit  ihrer  Knochen- 
masse einen  tiefen  Eindruck  zurückgelassen,  der  einen  markierten 
Bogen  macht,  welcher  seine  Krümmung  nach  vorn  kehrt.  Der  zu- 
gehörige festgewachsene  Rückenwirbel  erscheint  fast  unmittelbar 
hinter  dem  letzten  Halswirbeleindruck  (w)  am  grössten,  seine  Gelenk- 
fläche ist  durch  eine  tiefe  Querrinne  von  3  cm  in  der  Breite  be- 
zeichnet.   Der  Rippeneindruck  wird  von  dem  Wirbel  durch  eine  Ge- 


-      124     — 

Steinsbrücke  {br)  getrennt,  worunter  ein  kurzer  Kanal  liegt,  der  wolil 
ohne  Zweifel  den  Querfortsatz  des  Wirbelkörpers  einnahm!  Dicht 
hinter  der  ersten  folgt  die 

2.  Rippe,  welche  gestreckter  als  die  erste  ist,  daher  am  äussern 
Ende  sich  dieser  sehr  nähert.  Auf  der  linken  Seite  erscheint  sie 
zwar  nur  flach,  auf  der  entgegengesetzten  rechten  entspricht  ihr  aber 
ein  zwar  schmaler,  aber  tiefer  Schlitz.  Es  gewinnt  den  Anschein, 
als  hätten  beide  (1  und  2)  einem  einzigen  vorn  bauchigen  Rippen- 
schilde angehört.     Auch  die 

3.  Rippe  wird  zwar  grösser ,  hat  aber  noch  entschieden  eine 
Richtung  nach  vorn ,  das  macht  gerade  die  Stelkmg  so  zweideutig. 
Näher  dem  medianen  Wirbelkörper  erbreitern  sich  beide  je  zu  einem 
vertieften  Dreieck,  die  in  der  Mittellinie  fast  zusammenstossend  einen 
zierlichen  Rhombus  einschliessen,  der  sich  in  der  Tiefe  deutlich  durch 
eine  geglättete  Fläche  im  Sandsteine  erkennen  lässt.  Auch  der  Ver- 
lauf der 

4.  Rippe  ist  ähnlich,  man  sieht  das  namentlich  an  der  Knochen- 
platte zwischen  4  und  5,  die  vorn  und  hinten  parallele  Wände  hat. 
Anders  wird  das  mit  der 

5.  Rippe,  die  den  ersten  vier  entgegengesetzt  sich  etwas  nach 
hinten  kehrt,  daher  tritt  der  Zwischenraum  von  5  und  6  hinten  ein 
wenig  bauchig  hervor.     Derselben  Richtung  folgt  die 

6.  Rippe,  die  noch  so  kräftig  ist,  als  beide  ihr  vorhergehenden. 
Die  dreieckige  Ausbreitung  neben  dem  Wirbelkörper  fehlt  nicht,  sie 
verwischt  sich  jedoch  mit  dem  Schwächerwerden  der  Wirbelsäule 
immer  mehr.     Die 

7.  Rippe  bleibt  zwar  mit  ihren  Knocheneindrttcken  gegen  die 
vorhergehenden  etwas  zurück,  aber  ihre  Richtung  nach  hinten  nimmt 
zu,  bis  endlich  die 

8.  Rippe  auf  der  linken  Seite  innen  nochmals  eine  recht  deut- 
liche Gesteinsbrücke  (br)  zeigt,  unter  welcher  zum  Wirbel  eine  grosse 
Höhle  geht,  die  der  Rippenknochen  einnahm ;  auf  der  rechten  ist  von 
der  Rippe  nur  ein  Stück  Abdruck  geblieben,  das  Übrige  brach  weg. 

Fassen  wir  nun  den  Raum  zwischen  den  knochigen  Teilen  der 
Rippen  schärfer  ins  Auge,  so  fehlen  zwar  die  Nähte,  aber  mit  einer 
Landschildkröte  in  der  Hand  meint  man  doch  den  Verlauf  der  Rippen- 
schilder verfolgen  zu  können.  Denn  wenn  auch  die  Knochenmasse 
nur  in  der  Rückengegend  sich  durch  tiefe  Rinnen  verrät  und  auf 
den  Seiten  durch  Verwachsung  mit  dem  Schildknochen  gänzlich  ver- 
schwindet, so  setzt  sich  doch  unter  den  Knochenspitzen  eine  flache 


—     125     — 

Furche  fort,  die  erst  am  äussersten  Rande  neben  dem  Brustschilde 
gänzhch  aufhört,  und  den  ganzen  Rücken  gleichmässig  in  Felder 
teilt.  Die  Mitte  eines  jeden  Feldes  erhebt  sich  etwas,  und  ist  be- 
sonders zwischen  den  Rippenschlitzen  durch  ganz  flache  breite  Fur- 
chen begrenzt,  welche  im  weitern  Verlaufe  auf  den  Seiten  enden, 
wo  nur  noch  die  Eindrücke  der  mit  den  Schildern  verwachsenen 
Rippen  sichtbar  werden.  Dazwischen  verläuft  die  Rippenschildernaht 
nnn,  die  man  sogar  auf  der  flachen  Erhöhung  zwischen  den  Rippen- 
schlitzen stellenweis  noch  zu  sehen  meint.  Mag  man  auch  von  den 
Nähten  keine  sichern  Spuren  haben,  so  sieht  man  doch  an  der  gan- 
zen Einteilung,  dass  mindestens  jederseits  sechs  vorhanden  sein  muss- 
ten,  wovon  die  erste  zwischen  Rippe  2  und  3  und  die  letzte  zwi- 
schen 7  und  8  fällt.  Unten  am  Rande  erscheinen  deutlich  drei  etwas 
hervorragende  Zapfen  ahc  pag.  121,  zwischen  welche  die  Verwach- 
sungsstellen des  Bauchschildes  mit  dem  Rückenschild  fallen.  Die 
breiten  Furchen  der  Rippenschilder  erzeugen  deutliche  Lücken,  welche 
die  Dreiteilung  bestimmt  erkennen  lassen,  während  die  drei  Rippen- 
nähte zwischen  Rippe  3  und  6  scheinbar  die  Zapfen  halbieren.  Es 
haben  hier  wahrscheinlich  Randplatten  gelegen,  allein  da  die  Nähte 
vollkommen  verwischt  sind,  so  lässt  sich  darüber  nichts  Bestimmtes 
sagen.     Endlich  gibt  die 

Seitenansicht,  wenn  auch  die  Nähte  zum  grossen  Teil  ver- 
Avischt  sein  mögen,  eine  lebhafte  Anschauung  von  der  ansehnlichen 
Höhe  des  Thorax,  wie  man  sie  namentlich  bei  Landschildkröten  er- 
warten sollte ,  wenn  auch  die  Art  der  Verwachsung  zwischen  den 
drei  Zapfen  abc  damit  nicht  stimmen  mag.  Hätten  wir  auch  nichts 
als  diese  beiden  Ansichten  vom  Rücken  Fig.  1  und  von  der  Seite 
Fig.  4,  so  würde  aus  der  Glätte,  Wölbung  und  Einteilung  schon  das 
treue  Bild  einer  riesigen  Schildkröte  hervorgehen.  Aber  dieses  wird 
schhesslich  noch  durch  den  klaren  Innern  Abdruck  des 

Bauchschildes  Fig.  3  unterstützt,  das  in  der  Mitte  m  durch 
eine  breite  tiefe  Furche  halbiert  ist,  worin  eine  gänzlich  verschwun- 
dene Knochenleiste  stecken  musste.  Gewahrt  man  auch  hier  nichts 
von  den  Nähten  der  Knochenplatten,  so  meint  man  doch  im  Grunde 
der  Medianfurche  in  der  zarten  Mittellinie  noch  Spuren  von  der 
Mittelnaht  zu  sehen.  Leider  ist  die  Hantierung  mit  dem  schweren 
Gestein  zu  mühsam,  als  dass  man  das  gehörige  Licht  darauf  fallen 
lassen  könnte,  aber  die  Glätte  von  der  Innenseite  der  Brust  hat  sich 
auf  dem  rauhen  Sandsteine  so  vorzüghch  erhalten ,  dass  der  Beob- 
achter kaum  mehr  wünschen  könnte.    Namentlich  sind  die  Umrisse 


—     126     — 

der  Öffnungen  der  Gliedmassen  sehr  kenntlich  ausgeprägt:  vorn  bei  HH 
schneiden  die  Handausschnitte  parabolisch  ein,  der  äussere  Schenkel 
davon  schliesst  sich  unmittelbar  an  die  Bogenlinie  l  im  Nacken  an : 
auf  der  rechten  Seite  litt  der  Ausschnitt  zwar  etwas  durch  Druck, 
aber  im  ganzen  that  das  dem  Bilde  keinen  wesentlichen  Eintrag. 
Zwischen  beiden  Innern  Schenkeln  brach  das  Brustschild  weg,  so 
dass  eine  vordere  Grenzlinie  von  etwa  1 2  cm  stehen  blieb,  die  wegen 
des  erlittenen  Drucks  von  der  Medianfurche  nicht  genau  geteilt  wird, 
der  Raum  rechts  fällt  etwas  grösser  aus  als  links.  Am  Hinterende 
zwischen  den  Fussausschnitten  jPjP,  die  einen  mehr  hyperbolischen, 
aber  ebenfalls  schön  geschwungenen  Umriss  haben,  fiel  der  Abbruch 
des  Gesteins  zwar  etwas  ungünstiger  aus,  aber  das  Bild  wurde  auch 
dadurch  nur  wenig  gestört,  es  blieb  zwischen  den  innern  kürzern 
Schenkeln  noch  eine  Breite  von  reichlich  15  cm  des  Bauchschildes 
übrig,  während  die  ganze  Länge  zwischen  den  Bruchflächen  von  vorn 
nach  hinten  44  cm  beträgt,  und  die  Breite  in  der  Mitte  54  cm  er- 
reicht, die  im  wesentlichen  von  der  innern  Schildseite  vollständig 
geglättet  ist.  Zu  den  Seiten  erheben  sich  obengenannte  Zapfen  ahc, 
welche  durch  eine  Furche  deutlich  getrennt  werden,  so  dass  vorn 
und  hinten  noch  je  ein  vierter  und  fünfter  sich  angedeutet  findet, 
die  man  jedoch  nicht  mehr  sicher  unterscheiden  kann.  Fehlt  es 
auch  an  deutlichen  Nähten,  so  war  jedenfalls  die  Unterseite  in  der 
Mitte  vollständig  geschlossen,  nur  hart  am  Rande  kommen  offene 
Stellen  vor.  Man  könnte  sogar  vorn  in  unsicheren  Linien  das  un- 
paarige neunte  Schild  (Entosternum)  vermuten  wollen,  aber  dazu  ist 
das  Stück  nicht  deutlich  genug,  obwohl  der  Schwung  in  der  ganzen 
Ebene  sich  auf  das  beste  erhalten  hat,  bis  auf  die  Löcher  ./;  und  y, 
die  uns  an  die  Gliedmassen  erinnern  könnten,  welche  durch  ihr  Her- 
vorstossen  die  auffälligen  Verletzungen  herbeigeführt  hätten.  Sie 
sollten  dann  freihch  Röhren  entsprechen,  die  wie  bei  den  Schulter- 
blättern s  s  deutlich  ins  Innere  führten.  Aber  davon  ist  absolut  nichts 
zu  merken.  Eine  flache  Erhöhung  zwischen  den  Austritten  der  Glie- 
der H  und  F  fällt  nach  allen  Seiten  schwach  ab ,  und  namenthch 
muldet  sie  sich  gegen  die  Medianlinie  etwas  zu,  doch  wesentliche 
Merkmale  wird  man  daraus  für  das  Geschlecht  nicht  schöpfen. 

Haben  auch  kleine  Verdrückungen  und  zufällige  Schürfungen 
die  Vollkommenheit  des  Bildes  etwas  beeinträchtigt,  so  wölbt  sich 
doch  der  Steinkern  sowohl  in  der  Seitenansicht  als  in  der  vordem 
so  hoch  hinaus,  dass  wir  dadurch  lebhaft  an  eine  Land-  oder  Süss- 
wasserschildkröte  erinnert  werden,  namentlich  sind  die  flachen  See- 


—     127     — 

Schildkröten,  schon  wegen  des  in  der  Mitte  geschlossenen  Bauch- 
schildes, bei  der  Vergleichung  ausgeschlossen.  Mag  es  auch  schwer 
halten,  namentlich  von  der 

Vorderansicht  Fig.  2,  schon  wegen  der  zufälligen  Bruch- 
fiäche  des  rauhen  Sandsteines ,  eine  treue  Vorstellung  zu  geben ,  so 
hielt  ich  es  doch  für  nützlich,  sie  nicht  wegzulasseu.  Denn  man 
übersieht  hier  mit  einem  Blicke  die  hohlen  Röhren,  worin  die  Schulter- 
blätter s  s  steckten,  wenn  man  dem  Verlaufe  der  durchgeschobenen 
Federkiele  //  folgt.  Klar  wird  ferner  Fig.  3  die  Furche  m ,  worin 
der  mediane  Kiel  lag.  Oben  Fig.  1  gibt  die  Linie  /  dem  Nacken 
des  Schildes  einen  gewissen  iVbschluss,  der  jederseits  zur  glatten 
Fläche  hh  verläuft,  welche  den  Vordergliedmassen  zum  Austritt  diente. 
Innen  bildete  das  Bauchschild  je  eine  Hohlkehle  aus ,  die  mit  den 
parabolischen  Ausschnitten  HH  endigten,  welche  im  Profil  uns  ins 
Auge  fallen.  Alles  das  wird  sogleich  verständlich ,  wenn  wir  mit 
Testudo  graeca  in  der  Hand  zur  Vergleichung  an  das  Bild  treten. 

Da  man  bislang  meinte ,  dass  die  Schildkröten  als  die  voll- 
kommensten unter  den  LiXNE"schen  Amphibien  nicht  unter  die  obern 
Schichten  des  Weissen  Jura  hinabreichten,  so  gewinnt  unser  Fund, 
der  ihren  Ursprung  mit  Entschiedenheit  schon  tief  hinab  in  den  Keu- 
per  verlegt,  ein  ganz  besonderes  Interesse.  Hügi  ,  der  bekannte 
Gletscherforscher,  teilte  zuerst  dem  berühmten  Cuvier  (Rech,  sur  les 
Ossem.  foss.  3.  Aufl.  V.  2  pag.  2  1825  pag.  227)  mit,  dass  im  so- 
genannten Portland  von  Solothurn  eine  grosse  Menge  und  Mannig- 
faltigkeit von  wohlerhaltenen  Schildkrötenresten  gefunden  wurden, 
die  den  passenden  Namen  „Emydes  du  Jura"  erhielten,  was  Kefer- 
STEix  einfach  in  Emys  Jurensis  übersetzte.  Schon  ein  flüchtiges 
Zusammenstellen  des  schönen  Bildes  von  Cuvier  (1.  c.  Tab.  15  Fig.  5) 
mit  unserer  Fig.  3  lässt  die  bedeutende  Ähnlichkeit  gar  nicht  ver- 
kennen, namentlich  tritt  auch  die  unvollkommene  Bedeckung  des 
kürzern  „plastron"  gegen  das  längere  „carapace"  deutlich  hervor, 
was  dem  Tiere  vorn  und  hinten  einen  freiem  Spielraum  gewährte. 
In  unserm  schwäbischen  Weissen  Jura  sind  Schildkrötenreste  ausser- 
ordentlich selten.  Ich  konnte  in  meiner  Schrift  (Jura  1857  pag.  784) 
nur  auf  gezahnte  Schilder  von  der  Bauchseite  hinweisen,  die  ich  im 
Weissen  Jura  e  von  Schnaitheim  gefunden  und  bereits  1852  (Hdb. 
Petref.  Tab.  5  Fig.  3)  abgebildet  hatte.  Sie  erinnerten  mich  an  die 
typischen  Seeschildkröten  Chelonia  caouanna.  Schon  Cuvier  (1.  c. 
pag.  231  Tab.  15  Fig.  11)  bekam  von  Solothurn  ähnliche  Stücke, 
die  er  damals  nicht  recht  entziffern  konnte.    Unser  Keuperfund  ver- 


—     128     — 

rät  davon  durchaus  nichts ,  daher  scheint  ein  Zusammenstellen  mit 
Meeresschildkröten  ausgeschlossen,  wozu  ohnehin  auch  die  Süsswasser- 
ablagerung  unseres  Keupers  nicht  stimmen  würde.  Eine  Vergleichung 
mit  den  viel  kleinern  und  seltenen  Solnliofer  Erfunden,  wovon  der 
wichtigste  zu  einem  neuen  Geschlechte  IdiocheJt/s  (Münster,  Beiträge 
zur  Petrefaktenkunde  1840  III.  11  Tab.  8  Fig.  1)  erhoben  wurde, 
gestattet  unser  Stück  nicht.  Es  wäre  freiHch  interessant  zu  erfahren, 
ob  im  Keuper  auch  schon  ein  Teil  der  Wirbelplatten  fehlte,  und  die 
Rippenplatten  in  der  Mitte  zusammenstiessen,  allein  der  Abdruck  des 
Gewölbes  deutet  nur  an,  dass  die  Rückenwirbel  in  der  ganzen  Körper- 
länge bestimmte  Anzeichen  hinterliessen ,  aber  die  Schilderdecke  in 
der  Medianlinie  keine  Spur  von  ihrer  Beschaffenheit  verrät. 

Der  Keuper  in  Südwestdeutschland  bildet  die  grösste  Süss- 
wasser-  und  Landformation :  das  zeigen  vereinzelte  Lager  von  ent- 
schiedenen Flussmuscheln ;  zeigen  die  Sümpfe ,  worin  die  riesigen 
Schachtelhalme  wuchsen,  und  den  bepanzerten  Froschsauriern  einen 
willkommenen  Aufenthalt  gewährten;  zeigen  die  Würfel  von  After-' 
krystallen,  welche  offenbar  von  Steinsalz  herrührend  von  Zeit  zu  Zeit 
den  Einbruch  von  salzigem  Meerwasser  verraten,  das  aber  erst  im 
Lias  wieder  Herr  werden  konnte.  Daraus  lässt  sich  auch  das  Vor- 
kommen der  riesigen  Zcüidodou  im  sogenannten  roten  „Knollen- 
mergel" erklären,  da  entschieden  Dinosaurier  zum  Leben  notwendig 
Festland  bedurften.  Langschnäbelige  Gaviale,  die  ihre  Nasenlöcher 
am  vordem  Ende  haben,  um  bequemer  im  Wasser  zu  atmen,  waren 
noch  nicht  da,  sie  wurden  vielleicht  durch  den  PJtytosaitru.s  ver- 
treten ,  dessen  Nasenlöcher  weit  nach  hinten  standen ,  weil  sie  im 
trockenen  Sande  des  Seestrandes  sich  in  warmer  Luft  ergingen. 
Dazu  könnte  nun  unsere  Sandschildkröte  trefflich  passen,  und  einen 
weitern  Beweis  liefern,  wie  der  Schöpfer  seine  Kreaturen  weise  der 
Ortlichkeit  anpasste,  wo  sie  ihr  Leben  fristen  sollten.  Wir  werden 
dann  auch  weniger  staunen,  dass  in  den  frühern  Zeiten  Landschild- 
kröten vorkamen,  die  an  die  heutzutage  lebenden  schon  so  lebhaft 
erinnern.  Unsere  Schöpfungstheorien  müssen  sich  eben,  so  gut  es 
geht,  mit  solchen  überraschenden  Thatsachen  in  möglichsten  Ein- 
klang zu  setzen  suchen. 

Jener  Seestrand  lag  am  Ostrande  des  herrlichen  Schönbuchs, 
wo  die  kleine  in  Schwaben  wohlbekannte  Schaich  in  die  Aich  mündet, 
welche  bei  Ober-Ensingen  unterhalb  Nürtingen  alsbald  in  den  Neckar 
fliesst.  Auf  der  Karte  steht  das  Dörfchen  Neuenhaus  geschrieben,  im 
Volksmunde  heisst  es  aber  Häfnerneuhausen,  weil  der  feuerfeste  Thon 


—     129     — 

auf  der  suraptigen  Obertläche  des  Sandsteins  eine  nicht  unbedeutende 
., Hafnerey"   seit  Jahrhunderten   ins  Leben   gerufen    hat,    der  bereits 
RöSLER  (Beyträge  zur  Naturgesch.  Wirtemberg.  1791  III.   114)   rüh- 
mend gedenkt.    Dort  führt  die  Gegend  nach  dem  Bache  den  Namen 
Schaichberg,  den  das  liebhche  Thal  der  Schaich  durchschneidet,  wo 
auf  der  buken  Seite  etwa  -|  Stunde  vom  Dorfe  im  Grötzinger  Kom- 
munwalde Herr  Dr.  Tscherning  am  13.  Mai  1885  auf  den  Steinblock 
aufmerksam   wurde.     Der   weisse  Keupersandstein    nimmt    über    den 
steilen  Gehängen  des  Baches  überall  die  Oberfläche  ein,  bedeckt  von 
den  ziemlich  mächtigen  roten  Knollenmergeln,   denen  dann  oben  der 
dunkle    Lias  a   folgt.      Alles    das    war    schon    dem    Rösler   bekannt, 
dessen  genaue  Ortsbeschreibung  mit  vielen  praktischen  Bemerkungen 
man  noch  heute  nicht  ohne  sachliche  Belehrung  aus  der  Hand  legt. 
Auf  der  „geognostischen  Sp  ezialkarte  von  Württemberg, 
Atlasblatt  Böblingen  1868"    hat    der   verstorbene  Hauptmann 
H.  Bach  die  Schichten  des  Schönbuchs  im  Gebiete  der  Aich  und  des 
Goldersbaches  zwar  übersichtlich  zusammengestellt,  der  weisse  Sand- 
stein folgt  im  allgemeinen  den  beiden  Seiten  der  Bacheinschnitte  in 
verschiedener  Breite,    und  seine  Gesamtmächtigkeit  wird  auf  einige 
hundert  Fuss  geschätzt,  worin  die  längst  berühmten  Mühlsteine  sich 
durch  rauhes  Korn  und  kalkspatiges  Bindemittel  ganz  besonders  aus- 
zeichnen.   Schon  Rösler  nannte  Dettenhausen  das  eigentliche  Vater- 
land der  Mühlsteine ,    von  wo  sie  sich  längs  der  Schaich    und  Aich 
sporadisch  aufgeschlossen  bis  Ober-Ensingen  fortziehen.     „Sie  werden 
häufig  auch  nach  Ulm  gebracht,  und  von  da  gehen  sie  zum  Teil  auf 
der  Donau    ins  Bayerische    und  Osterreichische    und    (der    gemeinen 
Sage  nach)  weiter  nach  Ungarn  und  bis  in  die  Türkey."      Heutigen 
Tages  heissen  sie  auch  Dombausteine,  weil  sie  zum  Dom  von  Köln 
und  Ulm  verwendet  werden.    Die  härtesten  und  widerstandsfähigsten 
gleichen    einem    spiegelnden  Kalkspat ,    worin  Quarz   und  Mehl   von 
Kaolin  eingesprengt  sind.  Zuweilen  kommen  auch  etwas  komprimierte 
Zähne  vor,  welche  unter  dem  unsichern  Namen  Belodon  laufen,  und 
auf  beiden    Schmalenden   zierliche   Knotungen    zeigen ,    wie    ich    sie 
schon  früher    (Hdb.  Petref.  1852.  110  Tab.  8  Fig.  5)   von  Aixheim 
im  Oberamt  Spaichingen  aus  dem  gleichen  Sandsteinlager  zusammen 
mit  Phytosaurus  auszeichnete.     Ja  der  selige  Schübler  hat  uns  aus 
einem  spätigen  Mühlstein  jener  Gegend  einen  leider   verstümmelten 
Knochen  hinterlassen,    den  man  für  den  Oberarm   einer  Schildkröte 
halten  möchte  ;    das  könnte  uns  zu  der  Hoffnung  steigern ,    dereinst 
ganze  Skelette  davon  zu  finden. 

.Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Nalurkunde  in   Württ.   1889.  9 


130 


Erklärung  der  Tafeln. 

Tafel  I. 
(i  nat.  Grösse.) 

Fig.  1.  Rü  cken  ansieht:  /  Nackenlinie,  hh  innere  Ecken  der  HandöfFnungen, 
.SS  Höhlen  der  Schulterblätter  [sr  in  natürlicher  Grösse),  u:  Abdruck  des 
achten  Halswirbels,  1—S  acht  Rippeneindrücke,  br  Sandsteinbrücke  am 
Anfange  der  Rippen,  nun  Spuren  von  Knochennähten,  ahc  Stellen  von 
Durchbrüchen  des  Schildes. 

Fig.  2.  Vordere  Ansicht:  //Federn  durch  die  Höhlen  der  Schulterblätter  ss 
gesteckt,  /  Nackenlinie,  hh  innere  Ecken  der  Handöffnungen,  ////  Aus- 
schweifungen der  HandöfFnungen,  m  Medianeindruck  von  der  Unterseite 
der  Wii'belsäule. 

Tafel  II. 

Fig.  3.  Bauch  Schild  von  der  Innenseite:  ss  Höhlen  der  Schulterblätter  mit 
durchgezogenen  Federn  //,  HH  Ausschweifungen  der  Handöffnungen, 
xy  Löcher  im  Schildabdruck,  J<^i^  Fussausschuitte,  m  Halbierungsfurche, 
ahc  Hauptzapfen  von  den  Durchbrüchen  des  Schildes. 

Fig.  4.  Seitenansicht:  1 — 6' Rippeneinschnitte,  ss  Höhlen  der  Schulterblätter 
mit  durchgezogenen  Federn  //,  nnn  scheinbare  Nähte  in  den  Abdrücken 
der  Knochenplatten,  ahc  Hauptzapfen  von  den  Durchbrüchen  des  Schildes. 

Sämtliche  Figuren  nicht  durch  den  Spiegel  gezeichnet. 


Ueber  die  Fortpflanzung  des  Proteus  anguineus  und 

seine  Larve. 

Von  Dr.  Ernst  Zeller. 

Mit  Tafel  III. 

Ich  habe  seit  vielen  Jahren  Olme  gehalten ,  lange  Zeit  im 
Wohnzimmer,  dann  auch  einige  Jahre  im  Keller,  in  kleinen  und 
grossen  Aquarien,  paarweise  und  in  grösseren  und  kleineren  Gesell- 
schaften. Die  Tiere  hielten  sich  auch  gut,  aber  zur  Fortpflanzung 
waren  sie  nie  zu  bringen  gewesen.  Da  entschloss  ich  mich  im  vori- 
gen Sommer  (1887)  acht  von  ihnen  —  nach  meiner  Annahme  vier 
Männchen  und  vier  Weibchen  —  in  einem  Gartenbassin  unterzu- 
bringen und  auch  durch  den  Winter  draussen  zu  lassen,  diesmal 
aber  unter  Heranziehung  besserer  Schutzvorrichtungen,  nachdem  ich 
durch  das  völlige  Misslingen  eines  schon  im  Jahre  1881  unternom- 
menen ähnlichen  Versuches,  bei  welchem  ich  infolge  von  über- 
mässiger Erwärmung  des  Wassers  meine  sämtlichen  Tiere  verloren 
hatte,  hinlänglich  gewarnt  worden  war. 

Das  Bassin,  welches  reichlich  18  hl  zu  fassen  vermag,  erhielt 
am  Boden  eine  Lage  Sand  und  in  zwei  Ecken  einen  bis  nahe  an 
die  Oberfläche  de?  Wassers  reichenden  Aufbau  von  Tuffsteinen,  sowie 
einen  stetigen,  doch  nur  schwachen  Zu-  und  Abfiuss.  Sodann  wurde 
es  mit  einer  doppelten  schräg  liegenden  hölzernen  Verdachung,  durch 
welche  das  Sonnenlicht  abgehalten  und  eine  stärkere  Erwärmung  des 
Wassers  verhindert  werden  sollte,  überdeckt,  während  zwei  Thürchen 
nachzusehen  und  die  Futtertiere  einzubringen  und  gedeckte  Schlitze  in 
den  niederen  Seitenwandungen  der  Verdachung  das  Durchströmen 
der  Luft  gestatteten.  —  Über  die  kalte  Jahreszeit  aber  wurde  durch 
aufgeschüttetes  Stroh  und  Laub  der  notwendige  Schutz  gegeben. 

Die  Vorrichtungen  erwiesen  sich  als  zureichend.  Denn  wenn 
auch  die  Temperatur  des  Wassers  während  der  heissesten  Zeit   des 

9* 


—     132     - 

Sommers  bis  auf  14-|°  R.  stieg  und  im  Winter  unter  4°  R.  herunter- 
sank, meine  Tiere  somit  weit  bedeutendere  Wärmedifferenzen  aus- 
zuhalten hatten,  als  dies  in  den  unterirdischen  Gewässern  des  Karst- 
gebirges der  Fall  ist,  in  welchen  die  Olme  zu  Hause  sind  und  in 
welchen  sich  jedenfalls  nur  mit  ganz  unbedeutenden  Schwankungen 
eine  gleichmässige  Temperatur  von  7*^  R.  erhält,  so  brachte  dies 
doch  den  Tieren  keinerlei  nachweisbaren  Schaden.  Sie  blieben  viel- 
mehr durchaus  munter  und  gediehen  vortrefflich,  so  dass  ich  also 
meinerseits  die  nachteilige  Einwirkung,  wie  sie  Fräulein  von  Chauvin 
von  jenen  beobachtete  \  nicht  bestätigen  kann.  —  Im  übrigen  wur- 
den meine  Tiere  regelmässig  gefüttert,  sonst  aber  so  ungestört 
als  möglich  gelassen.  — 

Meine  Einrichtungen  waren  nun  freilich  derart,  dass,  falls  es 
zur  Fortpflanzung  kommen  sollte,  zum  voraus  darauf  verzichtet  wer- 
den musste,  die  Veränderungen  in  der  äusseren  Gestalt  und  der  Fär- 
bung der  Tiere  und  die  Eigentümlichkeiten  in  ihrem  Benehmen  wäh- 
rend der  Brunstzeit,  ebenso  das  Eierlegen  selbst,  wie  dies  alles  Fräu- 
lein VON  Chauvin  auf  das  genaueste  erforscht  und  uns  in  vortrefflicher 
Darstellung  geschildert  hat^,  zu  beobachten,  dafür  war  ich  denn 
aber  in  der  That  so  glücklich  am  14.  April  d.  J.  die  ersten  ab- 
gelegten Eier  zu  finden  und  deren  Zahl  in  den  zwei  folgenden  Tagen 
auf  76  sich  vermehren  zu  sehen  'l 

Die  Eier  fanden  sich  alle  an  der  unteren  Seite  der  in  dem 
Bassin  übereinander  geschichteten  Tuffsteine  in  Gruppen  beisammen, 
doch  jedes  Ei  einzeln  für  sich  angeklebt,  wie  dies  in  ähnlicher  Weise 
von  Fräulein  von  Chauvin  gesehen  und  beschrieben  worden  isf^,  noch 
ohne  eine  Spur  von  Entwickelung^. 

'  Die  Art  der  Fortpflanzung  des  Proteus  anguineiis  in  der  Zeitschrift  für 
wissenschaftl.  Zoologie.     Bd.  XXXVIII.  p.  679  ff. 

''■  a.  a.  0.  p.  672  ft'. 

-''  Diese  meine  Erfahrung  stimmt  also  gut  mit  der  von  Fräulein  von  Chau- 
vin, welche  ihr  Proie«<s-Weibchen  vom  16.  April  an  seine  Eier  ablegen  sah, 
während  die  56  Eier,  welche  nach  der  Mitteilung  von  F.  E.  Schulze  („Zur 
Fortpflanzungsgeschichte  des  Proteus  anguineus'-''  in  der  Zeitschr.  f.  wissensch, 
Zoologie  Bd.  XXVI.  p.  350  ff.)  der  Grottenf'ührer  P  r  e  1  e  s  n  i  k  von  dem  seinigen 
erhielt,  vom  7.  bis  zum  15.  Mai  und  zwar  42  am  7.,  12  am  12.  und  2  am  15.  Mai 
gelegt  worden  sind. 

"  a.  a.  0.  p.  676. 

■'  Die  Befruchtung  der  Eier  selbst  wird  vermutlich  erst  unmittelbar  vor 
ihrer  Ablage,  die  Übertragung  des  männlichen  Samens  auf  das  Weibchen  aber 
früher,  vielleicht  um  vieles  früher  stattfinden.  Wenigstens  scheint  hierfür  die  Be- 
obachtung von  Frln.    von  Chauvin   zu   sprechen,    nach   welcher   angenommen 


Die  beinahe  kugelförmigen  Eier  (Fig.  1)  sind  gross,  sie  haben 
bis  zu  12  mm  im  Durchmesser  und  bestehen  aus  einer  weichen, 
gallertigen,  farblosen  Masse,  welche  in  einer  derberen  aber  gleich- 
falls farblosen  Hülle  den  ungefähr  4  mm  messenden  Dotter  einschliesst  ^. 
Dieser  ist  übrigens  nicht  vollkommen  kugelig,  sondern  an  den  beiden 
Polen  etwas  abgeplattet.  Fräulein  von  Chauvin  gibt  an,  dass  er 
gleichmässig  gelblichweiss  gefärbt  sei",  der  Dotter  der  meinigen 
zeigte  eine  milch  weisse  Farbe  mit  einem  eben  erkennbaren  Anflug 
von  lichtem  Grau  in  der  oberen  Hälfte. 

Die  zwölf  Eier,  welche  Fräulein  von  Chauvin  von  ihrem  Proteus- 
Weibchen  erhalten  hatte,  machten  die  ersten  Stadien  der  Furchung 
durch,  dann  gingen  sie  zu  Grunde.  Auch  ich  verlor  von  26  Eiern, 
welche  ich  gleich  am  14.  April  in  das  Wohnzimmer  nahm,  die  mei- 
sten. Sie  verdarben,  obwohl  sie  alle  sich  zu  entwickeln  begonnen 
hatten ,    früher   oder    später   und   ich    glaube  die  nächste  Erklärung 

werden  kann,  dass  sie  um  46  Tage  früher,  als  die  Eier  abgelegt  wurden  —  schon 
am  1.  März  vor  sich  gegangen  wäre  (vgl.  a.  a.  0.  p.  675). 

Wie  diese  Übertragung  geschieht,  hat  auch  Frln.  von  Chauvin  bei  den 
ganz  ausserordentlichen  Schwierigkeiten,  welche  einer  unmittelbaren  Beobachtung 
•entgegenstehen,  nicht  feststellen  können.  Sie  nimmt  eine  innere  Befruchtung 
an,  wie  es  scheint  auch  eine  Begattung  der  Tiere,  doch  ist  dies  aus  der  Dar- 
stellung, welche  sie  gibt  (a.  a.  0.  p.  675),  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  zu  er- 
sehen. Ich  meinesteils  halte  eine  unmittelbare  Übertragung  des  Samens  vom 
Männchen  auf  das  Weibchen  für  durchaus  unwahrscheinlich  und  vermute,  dass 
die  Befruchtung  in  derselben  Art  geschehe,  wie  sie  zuerst  von  F.  Gasco  für 
den  Triton  alpestris  (gli  amori  del  tritone  alpestre.  Genova  1880)  und  später 
für  den  Axolotl  (les  amours  des  Axolotls  im  Zoolog.  Anzeiger  IV.  Jahrgang. 
1881.  p.  313  ff.),  dann  auch  von  Bedriaga  für  Glossoliga  HagenmiiUeri  („über 
die  Begattung  bei  einigen  geschwänzten  Amphibien"  im  zoolog.  Anzeiger  V.  Jahr- 
gang. 1882.  p.  357  ff.)  mit  Sicherheit  erkannt  worden  ist,  wie  sie  aber  auch  nach 
meinen  eigenen  Beobachtungen  nicht  bloss  für  den  Triton  alpestris  und  den 
Axolotl  bestätigt  wird,  sondern  ebenso  für  die  übrigen  Tritonenarten  und  für 
Fleurodeles  ohne  grosse  Schwierigkeit  festgestellt  werden  kann ,  wie  sie  gewiss 
noch  bei  weiteren  Urodelen  nachzuweisen,  und  vielleicht  für  alle  anzunehmen 
sein  wird  —  in  der  Art  also,  dass  das  männliche  Tier  auf  der  Höhe  der  geschlecht- 
lichen Erregung  seine  Spermatophoren  nach  aussen  abgibt  und  an  Steinchen  oder 
andere  feste  Gegenstände,  welche  sich  im  Wasser  befinden,  anklebt,  das  Weibchen 
aber  in  aktiver  Weise  von  der  Spitze  des  Spermatophors  die  dem  Gallert- 
kegel aufsitzende  Samenmasse  durch  die  geöffnete  Kloakenmündung  weg  und  in 
«ich  aufnimmt. 

'  Auch  ich  fand  in  einem  Ei  zwei  Dotter  wie  Frln.  von  Chauvin  (a.  a.  0. 
p.  678)  und  wie  solches  auch  für  einzelne  von  den  56  Eiern  des  Grottenführers 
Prelesnik  von  F.  E.  Schulze  (a.  a.  0.  p.  .351)  angegeben  wird. 

-  a.  a.  0.  p.  678. 


-     134     — 

dafür  in  der  ausserordentlichen  Weichheit  und  leichten  Verletzbarkeit 
der  Eier  suchen  zu  sollen  und  eine  Bestätigung  für  diese  Annahme 
darin  zu  finden,  dass  von  den  50  Eiern,  welche  in  dem  Bassin  zu- 
rück und  dort  so  gut  wie  unberührt  gelassen  wurden,  fast  alle  eine 
ungestörte  Entwickelung  bis  in  die  11.  Woche  durchgemacht  haben. 
Freilich  ging  ich  auch  dieser  verlustig.  Ich  fand  die  Eier,  als  ich 
später  wieder  nach  ihnen  sah,  bis  auf  wenige  leer  und  kann  nicht 
anders  annehmen,  als  dass  die  kleinen  Tierchen,  welche  schon  leb- 
hafte Bewegungen  in  ihren  Eihüllen  gezeigt  hatten,  von  den  x\lten 
aus  diesen  herausgefressen  worden  sind ,  während  die  wenigen  mir 
noch  übrig  gebliebenen  Embryonen,  die  ich  durch  Versetzen  in  das 
Wohnzimmer  zu  retten  versuchte,  infolge  von  Schimmelbildung,  welche 
die  Eier  befiel,  zu  Grunde  gingen. 

Um  so  erfreulicher  ist  es  gewesen ,  dass  von  den  zuerst  er- 
wähnten 26  Eiern,  welche  ich  noch  am  14.  April  gleich  nachdem 
sie  abgelegt  worden  waren,  zu  mir  genommen  und  im  Wohnzimmer 
so  untergebracht  hatte,  dass  .sie  nicht  unmittelbar  vom  Sonnenlicht 
getroffen  werden  konnten,  im  übrigen  aber  ohne  eine  weitere  Schutz- 
vorrichtung gegen  das  Licht  in  Anwendung  zu  bringen,  sich  doch 
einige  regelmässig  entwickelt  haben  und  am  12.  Juli  —  also  nach 
90  Tagen  —  auch  zwei  Larven  glücklich  aus  ihren  Eiern  ausge- 
kommen sind. 

Entsprechend  der  langen  Zeit,  welche  sie  im  Ei  verweilt,  zeigt 
sich  die  Larve  (Fig.  3)  beim  Ausschlüpfen  auch  wesentlich  weiter 
entwickelt ,  als  dies  bei  den  Larven  der  Tritonen  und  des  Axolotl 
der  Fall  ist.  Sie  misst  22  mm  in  der  Länge,  von  welchen  ungefähr 
5  auf  den  Schwanz  kommen.  Die  Gestalt  im  ganzen  ist  der  des 
erwachsenen  Tieres  schon  sehr  ähnhch.  Der  Körper  ist  gestreckt 
und  sehr  schlank,  doch  ist  noch  ein  ansehnlicher  Flossensaum  vor- 
handen, welcher  den  Schwanz  umgibt  und  sich  ungefähr  über  drei- 
viertel der  Rückenlänge  nach  vorne  erstreckt.  Der  Kopf  ist  läng- 
lich mit  leichter  seitlicher  Einbuchtung  in  der  Augengegend  und  mit 
abgestutzter,  verhältnismässig  breiter  Schnauze.  Die  drei  Kiemen- 
büschel jeder  Seite  sind  von  blassrötlicher  Farbe ,  kurz  und  keines- 
wegs entwickelter,  als  wir  sie  bei  dem  erwachsenen  Tiere  finden. 
Die  vorderen  Gliedmassen  sind  schon  wohl  ausgebildet  und  mit  drei 
Zehen  versehen ,  die  hinteren  noch  stummeiförmig ,  doch  im  Knie 
schon  leicht  abgebogen. 

Sehr  bemerkenswert  ist  die  Entwickelung  der  Augen,  welche 
sofort  ins  Gesicht  fallen  und  als  kleine  scharf  gezeichnete  und  kreis- 


—     135     — 

runde  vollkommen  schwaize  Punkte  mit  einer  vom  unteren  Umfang 
ausgehenden  und  bis  zur  Mitte  eindringenden  schmalen,  aber  gut 
erkennbaren  Spalte  sich  darstellen.  Meine  frühere  Annahme ,  dass 
diese  auffallende  Entwickelung  des  Auges  unter  dem.  Einfiuss  des 
Lichtes  zu  stände  gekommen  sei,  ist  mir  späterhin  durchaus  unv^'ahr- 
scheinlich  geworden  \  Dagegen  wird  dies  als  sicher  anzusehen  sein 
für  die  dunklere  Pigmentierung  der  Haut,  deren  rötlichweisse  Grund- 
farbe neben  vereinzelten  milehweissen  mit  sehr  kleinen  bräunlich- 
grauen Pünktchen  dicht  besät  erscheint  über  die  obere  Fläche  des 
Kopfes  und  über  den  Rücken  bis  herunter  auf  die  Seitenflächen  des 
gelblichen  Bauches.  Auch  im  Flossensaum  findet  sich  das  Pigment. 
Über  der  Schnauze  aber  bleibt  ein  weisslicher  Flecken  bestehen,  wie 
dies  in  ähnlicher  Weise  bei  den  erwachsenen  Tieren,  welche  am 
Licht  sich  gefärbt  haben,  gefunden  wird.  Die  untere  Fläche  des 
Kopfes,  die  Bauchfläche  und  die  Gliedmassen  zeigen' sich  frei  von 
Pigment.  —  In  betreff  der  Seitenorgane  weiss  ich  keine  Angaben 
zu  machen. 

Im  Laufe  der  zweiten  Woche  nach  dem  Ausschlüpfen  der 
Larve  kamen  an  den  hinteren  Gliedmassen  die  beiden  Zehen  zum 
Vorschein,  doch  blieben  jene  noch  längere  Zeit  unbeweglich  und 
dem  Schwänze  dicht  anliegend ,  und  nicht  vor  der  vierten  Woche 
konnten  die  ersten  abduzier enden  und  adduzierenden  Bewegungen 
bemerkt  werden.  Die  Haut  färbte  sich  allmählich  immer  stärker 
durch  Vermehrung  und  Vergrösserung  der  graulichen  Pigmentzellen, 
und  zwar  ordneten  sich  diese  über  den  Piumpf  und  einen  Teil  des 
Schwanzes  mehr  und  mehr  in  regelmässigen  Querreihen   zusammen, 


^  Der  erste  unmittelbare  Eindruck  beim  Anblick  der  kleinen ,  dunkel- 
schwarzen Augen  meiner  zwei  am  Licht  herangewachsenen  Larven  war  ein  so 
überraschender,  dass  ich  zunächst  glaubte,  hier  einen  ursächlichen  Zusammenhang 
annehmen  zu  sollen  und  in  meiner  ersten  Mitteilung  vom  26.  Juli  1888  („über 
die  Larve  des  Proteus  anguineus^^  in  Nr.  290  des  Zoologischen  Anzeigers)  sagte: 
..Es  ist  wohl  kaum  zu  bezweifeln,  dass  diese  auffallende  Entwickelung  des  Auges 
unter  der  Einwirkung  des  Lichtes  zu  stände  gekommen  ist."  Bei  weiterer  Über- 
legung aber  und  vorzüglich  auch  in  Erwägung  der  bekannten,  schon  von  Micha- 
helles (, Beiträge  zur  Naturgeschichte  des  Proteus  anguineus^  in  Oken's  Isis 
Jahrgang  1831.  p.  501)  hervorgehobenen  Thatsache,  dass  bei  jüngeren  Tieren 
..die  Augen  deutlicher  und  etwas  grösser  als  bei  den  Alten"  sind,  musste  ich 
meine  Ansicht  ändern  und  ich  vermute  nun  vielmehr,  dass  auch  bei  völligem  Ab- 
sohluss  des  Lichtes  die  embryonale  Entwickelung  des  Auges  eine  gleiche  sein 
und  die  weitere  Kückbildung  und  Verkümmerung  erst  im  späteren  Leben  des 
Tieres  und  nur  allmählich  erfolgen  werde.  Gewissheit  darüber  müssen  weitere 
Züchtungen  bringen. 


—     136     — 

so  dass  dadurch  eine  deutliche  Streifung  zu  stände  kam.  Auch  an 
der  Bauchfläche  begann  einige  Pigmentierung  zu  entstehen.  —  Die 
Kiemen  aber  behielten  ein  unverändertes  Aussehen,  sie  schienen  nach 
vier  Wochen  nicht  grösser,  doch  auch  nicht  kleiner  geworden  zu 
sein.   —  Die  Körperlänge  betrug  um  diese  Zeit  23,5  mm. 

Bis  zum  Ende  der  vierten  Woche  waren  meine  beiden  Tier- 
chen gesund  und  munter  gebheben,  sie  schwammen  sehr  behend 
und  kamen  häufig  an  die  Oberfläche  des  Wassers  um  Luft  zu  holen, 
gaben  auch  kleine  Kotmassen  von  sich.  Da  fand  ich  sie  aber  leider 
am  9.  August  matt  und  meistens  gekrümmt  daliegend  und  erkannte 
bei  dem  einen  eine  Anschwellung  am  Unterkiefer,  bei  dem  anderen 
eine  solche  am  Bauche.  Ich  musste  annehmen,  dass  diese  Anschwel- 
lungen infolge  einer  durch  Cyclops ,  deren  sich  mehrere  unter  den 
Futtertieren  befanden,  beigebrachten  Verletzung  entstanden  seien, 
wie  ich  ähnliche  Erfahrung  oftmals  bei  jungen  Axolotl-  und  Tritonen- 
larven  gemacht  habe.  Da  ich  in  solchen  Fällen  dann  aber  immer 
auch  sah,  dass  die  Tierchen  unfehlbar  zu  Grunde  gingen,  so  konnte 
ich  für  meine  jungen  Frotcus-hcLXwen  nichts  anderes  voraussehen 
und  musste  deshalb  vorziehen,  sie  sofort  in  Spiritus  zu  setzen ,  an- 
statt erst  den  doch  sicheren  Tod  abzuwarten. 

Nachzutragen  habe  ich  noch,  dass  ich  die  frühesten  Vorgänge 
der  embryonalen  Entwickelung  nicht  genauer  verfolgt  und  auch 
eine  kleine  Anzahl  von  Eiern  aus  der  ersten  bis  zur  achten  Woche, 
welche  ich  aufbewahrte ,  zu  untersuchen  bis  jetzt  noch  keine  Zeit 
gefunden  habe.  Dagegen  kann  ich  hinsichtlich  der  späteren  Stadien 
der  äusseren  Körperbildung  einige  Beobachtungen  beifügen,  soweit 
solche  eben  einfach  durch  die  Betrachtung  mit  blossem  Auge  und 
einer  gewöhnlichen  Lupen vergrösserung  zu  machen  gewesen  sind, 
im  übrigen  aber  in  der  Hauptsache  nur  wiederholen,  was  ich  schon 
im  Zoologischen  Anzeiger^  darüber  mitgeteilt  habe. 

Um  die  9.  bis  10.  Woche  war  die  Anlage  der  Kiemen  zu  erkennen 
gewesen  und  ungefähr  um  die  gleiche  Zeit  auch  die  erste  Anlage  der 
vorderen  Gliedmassen  in  Form  kleiner  zapfenförmiger  Hervortreibungen. 
In  der  12.  Woche  zeigten  die  letzteren  eine  einfache  Einkerbung 
ihrer  freien  Enden,  aus  welchen  dann  zwei  Zehen  hervorgingen, 
und  erst  nachdem  diese  sich  beträchtlich  weiter  entwickelt  hatten, 
begann  aus  der  Basis  der  äusseren  jener  beiden  auch  die  dritte  Zehe 
hervorzusprossen.  Bis  zum  Ende  der  13.  Woche  erreichten  dann 
aber  alle  drei  nahezu  ihre  vollständige  Ausbildung.  —  In  der  12.  Woche 
'  a.  ;v.  0.  p.  571,  572. 


-      137       - 

ioschah  die  Anlage  der  hinteren  Gliedniassen ,  sie  blieben  aber  bis 
/.am  Ende  der  13.,  der  Zeit,  da  die  Larve  ausschlüpft,  noch  klein 
lind  stummeiförmig,  wobei  sie  doch  schon  eine  deutliche  Abbiegung 
im  Knie  erkennen  Hessen.  —  Schon  sehr  frühzeitig  begann  bei  meinen 
Embryonen  unter  dem  Einfluss  des  Lichtes  eine  Pigmentierung  der 
Haut,  aber  erst  gegen  Ende  der  12.  Woche  Hess  sich  die  erste  An- 
lage der  Augen  auffinden  in  Form  einer  dünnen  und  noch  wie  ver- 
waschen aussehenden,  einen  nach  unten  offenen  Halbkreis  bildenden 
Linie  von  hellgrauer  Farbe  (Fig.  4rt).  Diese  Linie  wird  in  der  Folge 
schärfer  und  dunkler  und  ihre  Enden  wachsen  nach  unten  weiter 
und  gegeneinander,  während  zugleich  auch  ein  Fortschreiten  der 
Pigmentablagerung  nach  einwärts  stattfindet,  so  dass  zuletzt  die 
Mündung  geschlossen  und  ausgefüllt  erscheint  bis  auf  die  oben  er- 
wähnte vom  unteren  Umfang  ausgehende  und  bis  zur  Mitte  ein- 
dringende schmale  Spalte  (Fig.  4?>  u.  c). 

Die  Embryonen  der  im  Bassin  zurückgelassenen  Eier  hatten 
vor  dem  Licht  möglichst  geschützt  bis  in  die  11.  Woche  eine  voll- 
kommen milchweisse  Farbe  beibehalten,  es  fingen  aber  die  wenigen 
mir  von  der  grossen  Anzahl  übrig  gebliebenen,  welche  ich  nach  dieser 
Zeit  in  das  Wohnzimmer  nahm,  schon  nach  kurzem  an  sich  zu  fär- 
ben. Dass  sie  mir  nachher  zu  Grunde  gingen,  habe  ich  oben  (p.  134) 
mitgeteilt. 

Ganz  sicher  ist  jetzt,  dass  die  Fortpflanzung  des  Proteus  durch 
Eierlegen  geschieht,  und  es  würde  an  sich  wohl  niemanden  in 
den  Sinn  kommen  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  möglicherweise  da- 
neben auch  noch  ein  Lebendiggebären  vorkommen  könne,  wenn 
nicht  das  merkwürdige  von  Michahelles  ^  vor  57  Jahren  veröffentlichte 
und  von  Wiedersheim^  wieder  in  Erinnerung  gebrachte  „SrRATiL'sche 
Protokoll"  vom  26.  Juni  1825  wäre,  in  welchem  der  Grundbesitzer  und 
Gemeinderichter  J.  Geck  von  Verch  bezeugt  in  Gemeinschaft  mit 
verschiedenen  Angehörigen  seiner  Familie  und  mehreren  Nachbars- 
leuten am  17.  Juni  desselben  Jahres  dem  Geburtsakt  eines  Proteus 
beigewohnt  zu  haben  und  wenn  nicht  die  Aussagen  des  Zeugen  nach 
Inhalt  und  Fassung  viel  zu  sehr  den  Eindruck  der  Glaubwürdig- 
keit machen  würden,  als  dass  man  sie  etwa  kurzerhand  für  er- 
funden oder  einer  Beachtung  überhaupt  nicht  wert  erklären  dürfte. 
Sie  können  nach  meiner  Meinung  auch  kaum  verlieren  durch  einige 

'  In  Oken's  Isis,  Jahrgang  1831.  p.  505  fl'. 

-  In  Morpliolog.  Jalirburh.  Bd.  III  von  1877.  p.  682. 


—     138     — 

Unrichtigkeiten,  welche  sie  zweifellos  enthalten,  in  welchen  man 
aber  nicht  wohl  etwas  anderes  als  die  naiven  Deutungen  und  Aus- 
schmückungen einer  eben  ganz  laienhaften  Beobachtung  und  Auf- 
fassung wird  erblicken  können.  Hierher  gehört  die  Schilderung  von 
den  Liebkosungen  und  den  Bemühungen  der  Proteus-Mnttei  um  ihre 
drei  Neugebornen  und  von  der  Unruhe,  in  welche  sie  versetzt  wor- 
den sein  soll,  als  ihr  dieselben  wegenommen  wurden. 

In  der  Beschreibung,  welche  Geck  von  den  jungen  Tieren  gibt, 
erscheinen  mir  besonders  beachtenswert  die  Angaben^,  dass  jene 
„ganz  der  Mutter  ähnlich"  gewesen  seien  und  „dass  sich  an  der 
Stelle  der  Augen  zwei  schwarze  Punkte  in  Gestalt  eines  Mohnkorns 
sehr  deutlich  bemerken  Hessen,  wo  doch  die  Augen  der  Mutter  ver- 
wachsen und  nicht  bemerkbar  sind,  und  also  freie  Augen  sich  fan- 
den." Beides  stimmt  ja  gut  mit  dem,  wie  ich  es  an  meinen  Pro- 
teus-harven  gesehen  habe. 

Die  bedeutendere  Grösse  der  Tiere  von  1|  Zoll,  welche  Geck 
angibt,  dürfte  keinen  zu  schwer  wiegenden  Einwand  begründen,  da 
die  betreffenden  Angaben  offenbar  nur  auf  einer  Schätzung  beruhen 
und  anderseits  auch  denkbar  wäre,  dass  innerhalb  des  mütterlichen 
Körpers  die  Larven  ein  bedeutenderes  Wachstum  und  eine  weiter- 
gehende Entwickelung  erreichen  könnten. 

Immerhin  würd  aber,  wenn  die  Möglichkeit  eines  Lebendig- 
gebärens  nicht  von  der  Hand  gewiesen  werden  kann ,  dies  nur  als 
Ausnahme  anzusehen  sein,  da  es  sonst  kaum  zu  erklären  sein  würde, 
dass  unter  der  grossen  Menge  von  Tieren ,  welche  im  Laufe  der 
Jahre  schon  zur  Untersuchung  gekommen  sind ,  niemals  ein  mit 
Jungen  trächtiges  Weibchen  aufgefunden  worden  ist. 

Winnenthal,  den  (j.  Dezember  1888. 


1  a.  a.  0.  p.  508. 

Erklärung  der  Tafel  III. 

Figur  1.    Frisch  abgelegtes  Ei  des  Proteus  in  natürlicher  Grösse. 

„      2.    Embryo  aus  dem  Anfang  der  13.  Woche.     Stäche   Vergrösserung. 

,      3.   Eben  ausgeschlüpfte  Larve.     3  fache  Vergrösserung. 

„      4.  Auge  der  rechten  Seite  in  ungefähr  lOfacher  Vergrösserung, 

a.  aus  der  12., 

h.  aus  der  13.    Woche  des  Embryonallebens, 

c.  der  ausgebildeten  Larve. 


Naturwissensehaftlieher  Jahresbericht  1887. 

Zusammengestellt   von   Dr.    Frhr.   Richard    Koenig -"Warthausen. 

Zu  diesem  dritten  Bericht  ist  Einiges  vorzabemerken.  Als 
Mitarbeiter  haben  sich  wiederum  verdient  gemacht  die  Herrn  med. 
Dr.  Hopf  (Plochingen),  med.  Dr.  Salz.aiann  sen.  (Esslingen),  Forst- 
meister Herdegen  (Leonberg),  Oberförster  Fribolin  (Bietigheim),  Fa- 
brikant L.  Link  (Heilbronn),  med.  Dr.  Ludwig  (Creglingen) ,  Ober- 
förster Nagel  (Pfalzgraf enw eiler),  Oberförster  Theurer  (Simmersfeld), 
med.  Dr.  Wurm  (Teinach),  Oberförster  Frank  (Schussenried) ,  Ober- 
förster Probst  (Weissenau),  Pfarrer  Dr.  Probst  (Essendorf),  Freiherr 
V.  Ulm-Erbach  (Erbach),  Oberförster  Imhof  (Wolfegg),  Lehrer  Unger 
(Osterhofen).  Die  Schusslisten  aus  der  Gegend  von  Warthausen 
sind  wieder  von  meinen  beiden  Söhnen,  die  ornithologischen  Notizen 
von  meiner  Tochter  Elisabeth,  welche  auch  wie  seither,  das  Haupt- 
sächliche vom  Concept  vorgearbeitet  hat.  Neu  hinzu  gekommen 
sind  die  Herrn  Revierförster  Wendelstein  (Kisslegg) ,  Oberförster 
Völter  (Ochsenhausen) ,  Oekonom  Angele  (Risshöfen  -Warthausen) 
und  Fasanenmeister  Reinhold  (Härdtle  bei  Weilimdorf  O.-A.  Leon- 
berg). Sehr  zu  beklagen  haben  wir  den  Tod  des  Herrn  Grellet 
(Göppingen). 

Bei  sich  häufendem  Stoff  konnten  die  Beobachtungen  nicht 
mehr  sachlich  zusammengestellt,  sondern  mussten  nach  den  Beob- 
achtungsorten der  Reihe  nach  gegeben  werden ;  einige  Versuche  der 
Anreihung  nach  Zeit  und  Function  sind  stehen  geblieben.  Mehrere 
Zweifel  bezüglich  der  Richtigkeit  einiger  Angaben  mussten  im  Text 
berührt  werden,  da  während  dessen  Abfassung  weitläufige  Corre- 
spondenzen  nicht  mehr  möglich  sind. 

Fremde  Beobachtungen  zusammenzustellen ,  ist  eine  peinliche, 
zeitraubende  und  undankbare  Arbeit.  Um  sie  zu  erleichtern,  wird 
gebeten,  die  Notizen  womöglich  auf  das  jeweilige  Jahr  zu  beschränken, 


—     140      - 

soweit  es  sich  nicht  um  wichtigere  Nachträge  aus  früherer  Zeit 
handelt.  Ferner  ersuche  ich,  das  Betreffende  nicht  in  der  Zeitfolge, 
sondern  nach  den  Arten  zusammenzustellen,  womöglich  auf  nur  ein- 
seitig beschriebenen  Blättern ,  damit  die  auseinander  geschnittenen 
und  sachlich  wieder  aneinander  gereihten  Originalberichte  ein  erstes 
■der  nöthigen  Concepte  ersparen.  Ebenso  erbitte  ich  rechtzeitige 
Einsendung,  da  verspätete  Nachträge  doppelte  Mühe  machen.  Eine 
weitere  Bitte  ist,  mindestens  Orts-  und  Eigennamen  sowie  Zahlen, 
•die  man  nicht  dem  Sinn  nach  errathen  kann,  deutlich  zu  schreiben. 
Ausdrückliche  Aufforderungen  zur  Betheiligung  und  besonderen  Dank 
hiefür,  weil  sehr  zeitraubend,  werde  ich  in  Zukunft  den  verehrten 
Herrn  Berichterstattern  nicht  mehr  zugehen  lassen;  als  Bescheini- 
gung wird  stets  sofort  ein  Separatabdruck  an  sie  abgehen.  Dem 
Dank  der  Redaction  darf  ich  wohl  auch  den  meinigen  beifügen  in 
Erwartung  fortgesetzter  und  stets  sich  mehrender  Betheiligung.  In 
Zukunft  soll,  wie  es  schon  diesmal  geschieht,  nicht  mehr  das  jüngst 
abgelaufene,  sondern  das  diesem  vorangehende  Jahr,  wie  auch  ander- 
wärts geschieht,  zur  Veröffentlichung  kommen.  Es  ist  rein  unmöglich, 
die  Beobachtungen  des  letzten  Jahres ,  die  doch  kaum  alle  früher 
als  im  Februar  beisammen  sein  können,  schon  im  Januar,  wie  ver- 
langt wird,  zur  Presse  zu  bringen. 

Vögel. 

1)  Paiidion  haliactos  Savign.  L.,  Fischadler. 
Kisslegg:  ein  vereinzeltes  Exemplar  hielt  .sich,  bis  es  ange- 
schossen wurde,  über  den  September  am  Brunnenweiher  auf;  strich- 
weise hie  und  da  an  der  Argen.  Plochingen:  ein  Paar  wurde 
<len  ganzen  Sommer  über  an  Neckar  und  Fils  bemerkt,  das  Männ- 
chen 9.  September  im  Pfauhauser  Wald  geschossen.  Tübingen: 
19.  und  20.  Juni  am  Neckar,  ebenso  bei  Esslingen  im  December. 

2)  Buteo  vulgaris  Bechst.,  Mäusebussard. 
Osterhofen:  mehrere  Paare;  26.  Februar  bis  2.  December 
"beobachtet.  Schüssen ried:  gemeiner  Brutvogel;  im  Schussen- 
thal  nächst  Weissen  au  4 — 5  Brüten.  Erbach:  5  St.  in  der 
Schussliste  von  1 .  Mai  1886  bis  dahin  1887.  Häufig  zwischen 
Ludwigs  bürg  und  Illingen;  im  Winter  1886  auf  87  hat  Oberf. 
Fribolin  bei  Metter  zimmern  wiederholt  2  St.  aus  der  Nähe  be- 
obachtet, das  eine  milchweiss ,  das  andere  weiss  mit  grau  und 
schwarzen    Schwingen    (var.    alhidus    Gm.);     ein    bei    Bietigheim 


—     141      — 

geschossener  Bussard  hatte  eine  grosse  Ringelnatter  völhg  unverletzt 
verschlungen.  Weilimdorf:  in  der  K.  Fasanerie  hatten  im  Januar 
2  Bussarde  je  ein  wildes  Kaninchen  gefangen  und  halb  gefressen, 
worauf  beide  über  den  Resten  dieser  Mahlzeit  im  Tellereisen  ge- 
fangen wurden.  Auch  Feldhühner  fallen  ihnen  dort  Winters  zur 
Beute  und  die  sonst  als  Mäusevertilger  hochgeschätzten  Vögel  werden 
dort  Winters  im  Habichtskorb  mit  Tauben  und  Goldammern  gefangen, 
so  mehrere  im  Januar  und  Februar,  je  1  St.  21.  März  und  22.  Mai, 
sowie  sieben  weitere  im  Herbst.  Heilbronn:  23.  Mai  Horst  auf 
einer  Eiche  8  m.  hoch  und  Mitte  Juni  am  Schweinsberg  mit  3  be- 
brüteten Eiern.  T  ein  ach:  häutig,  „erster  Hochzeitsflug"  1.  März. 
Pfalzgrafenweiler:   19.  Mai  2  etwas  angebrütete  Eier  im  Horst. 

3)  Mllvus  regalis  Briss.,  Königsgabelweih. 
Ankunft  beobachtet :  Plochingen  2.  Februar ,    Schusse  n- 

ried  27.  Februar;  hier  regelmässig  brütend,  12.  Mai  1  St.  aus  dem 
Horst  heraus  geschossen;  Erbach  19.  März,  Wart  hausen  20.  März 
(11.  September  1  St.  im  Ried),  Leonberg  30.  März.  Osterhofen: 
sehr  selten,  6.  Juli  im  „unteren  Wald".  Weilimdorf:  bei  der  Fasa- 
nerie sehr  selten,  ein  2.  September  auf  der  Hühnerjagd  geschossene» 
Weibchen  hatte  1,55  m.  Flugweite.  Im  Stromberg  (Bietigheim) 
wegen  weiten  Jagdgebiets  sparsam  vertreten;  kam  regelmässig  zur 
gleichen  Tageszeit  eine  Stunde  weit  vom  Horst  in  niedrigem  Strich 
nach  den  Hühnern;  11.  April  bei  Jagstfeid  und  26.  Juni  bei  Eber- 
bach am  Neckar  und  Jagst  nach  Fischen  spähend,  die  er  als  Stoss- 
taucher  unter  der  Wasserfläche  aufnimmt*.  Teinach  1 — 2  Paare. 
Pfalzgrafen  weile  r:  11.  Juni  im  Staatswald  „Herrgottsbühl"  ein 
Junges  aus  dem  Horst  gehoben. 

4)  Milvus  ater  Cuv.  Gm.,  Schwarzer  Milan. 

Am  Emberg  bei  Teinach  nächst  seinem  Hause  von  Dr.  Wurm 
im  Sommer  mehrere  Tage  lang  beobachtet;  regelmässig  beiSommen- 
hardt  und  Liebeisberg.  Sonst  nur  aus  dem  Unterland,  Franken 
und  Oberschwaben  bekannt.     Vergl.  vorige  Nummer. 

5)  Falco  peregrinus  L.,  Wanderfalk. 
Weilimdorf:  bisweilen,   besonders  Winters  und  im  Frühjahre 
durchziehend;   den  dritten  in  acht  Jahren  schoss  der  Fasanenmeister 
9.  December,  als  er  dessen  Brieftauben  verfolgte. 

*  Das  Fischen  weist  ganz  entschieden  auf  die  nächstfolgende  Art;  nach 
Naumann  sind  die  Milane  keine  Stosstaucher. 


—     142     — 

6)  Hypotri orchis  suhhuteo  Boie  L.,  Baumfalk. 

Leonberg.  Ende  October  beobachtet.  Bietigheim:  nicht 
«elten.  Weili  mdorf:  Anfang  Mai  gehört,  21.  d.M.  das  erste  Paar 
gesehen ,  23.  August  2  flügge  Junge  ausgehoben  und  einen  Alten 
geschossen. 

7)  Hypotriorcliis  aesalon  Boie  L.,  Zwergfalk. 

Weili  mdorf:  als  ungemeine  Seltenheit,  die  ihm  nur  diess 
einzige  Mal  vorgekommen ,  erwähnt  Fasanenmeister  Reinhold  einen 
von  ihm  24.  September  vom  Paar  weg  erlegten  „Lerchenfalken". 
Unzweifelhaft  ist  diese  seltenere  nordische  Art  zu  verstehen,  die 
auch  in  Anhalt  „kleiner  Lerchenstösser"  heisst. 

8)  Cerchneis  tinnnnculus  Boie  L.,  Thurmfalk. 

Warthausen:  25.  September  2  St.  im  Ried.  Kisslegg: 
in  einzelnen  Paaren  auf  Tannen  nistend.  Schüssen ried:  regel- 
mässiger Brutvogel.  Weilimdorf:  den  Sommer  über  waren  über 
4  St.  bei  der  Fasanerie.  Leonberg:  Mitte  December  während  des 
Schneefalls,  Bietigheim:  nistet  in  Wasserabzugslöchern  des  Eisen- 
bahnviaducts.  Heilbronn:  Nester  mit  5  Eiern  je  23.  April  von 
tJntergruppenbach   und  Anfang  Juni    aus    dem  Wiesthal  am  Neckar. 

^)  Ast u r  p a I u m b a r i u s  Briss. ,  Hühnerhabicht. 

Warthausen:  4.  März  2  St.  in  der  Birkendorfer  Halde; 
7.  April  Weibchen  und  3.  Mai  Männchen,  beides  junge  Vögel,  in  der 
Falle  gefangen.  Osterhofen:  nicht  mehr  häufig;  im  September 
bei  Hai  dg  au  ein  junger  Vogel  erlegt.  S  chus  s  enried  :  selten, 
Aveil  mit  Schrot  und  Falle  stark  verfolgt.  Weiss  enan  :  ruft  12.  März 
im  „Falkenstand",  einem  vieljährigen  Brutplatz;  nachdem  24.  März 
ein  Männchen  und  später  noch  ein  Exemplar  geschossen  waren, 
verstummte  dort  der  Ruf  und  weder  der  dortige  noch  zwei  benach- 
barte Horste  wurden  in  diesem  Jahre  .bezogen,  welches  an  Raub- 
vögeln überhaupt  arm  war.  Weilimdorf:  in  der  Fasanerie  er- 
langt man  alljährlich  20 — 50  St.,  theils  im  Habichtskorb  mit  Tauben 
und  selbst  Goldammern,  theils  im  Tellereisen,  theils  beim  Uhu. 
Bietigheim:  nur  einmal  früher  von  Oberf.  Fribolin  aus  dem 
Horst  geschossen ;  vor  2  Jahren  ein  Paar  bei  Sersheim  und  Ensingen 
beobachtet;  einmal  stiess  ein  Habicht  in  einem  Waldtümpel  auf  von 
•dem  Genannten  aufgegangene  Stockenten,  während  der  zweite  Vogel 


—     143     — 

tnit  einer  geschlagenen  Rabenkrähe  abgieng.  Im  Wald  von  Heil- 
bronn befindet  sich  seit  mindestens  drei  Jahren  ein  Horst  auf  einer 
starken  hohen  Buche,  wo  während  der  Brut  immer  einer  der  Vögel 
abgeschossen  wird.  Rottenburg  a.  N. :  16.  Juli  1  St.  im  Stadtwald 
geschossen.  T  ein  ach:  auf  dem  Emberger  Hochplateau  wurden 
2  St.  im  Habichtskorb  gefangen ;  einer  derselben  stand  2  Stunden 
hindurch  auf  dem  Rande  des  Korbes  aufgehackt,  ehe  er  einstiess. 

10)  Ästur  nisus  Lac.  L.,  Sperber. 

Warthausen:  vom  23.  Februar  an  täglich  an  den  Futter- 
brettern selbst  vor  der  Hausthür  auf  die  Vögel  stossend;  18.  März 
und  21.  December  je  ein  Männchen,  2.  und  27.  December  je  ein 
Weibchen  weggeschossen.  Osterhofen:  den  ganzen  Winter  über 
bemerkt.  Weiss enau:  im  ganzen  Jahre  nur  sehr  selten  beobachtet. 
Erbach:  3  St.  auf  der  Schussliste.  Weilimdorf:  im  Januar  und 
Februar  5  St. ,  December  3  St.  in  der  Fasanerie  im  Habichtskorb 
mit  Goldammern  gefangen  und  mehrere  geschossen.  Bietigheim: 
nicht  selten.  Heilbronn:  23.  Mai  Horst  12  m.  hoch  auf  einer 
Fichte  mit  5  stark  bebrüteten  Eiern  ;  auch  hier  Winters  die  Kleinvögel 
an  den  Futterplätzen  schädigend.  Teinach:  2  St.  geschossen, 
zwei  weitere  in  der  Trinkhalle  des  Bads  lebend  gefangen,  wohin  sie 
kleine  Vögel  verfolgt  hatten ;  Dr.  Wurm  kennt  zwei  Fälle,  wo  Sperber 
Haselhühner  schlugen,  ausserdem  schoss  sein  Jagdaufseher  einen 
solchen  vom  Haselhuhn  herunter,  auf  das  er  trotz  eines  Fehlschusses 
nochmals  herabgestossen  war. 

11)  Strlx  flammca  L.,  Schleiereule. 

Weilimdorf:  brütet  im  Thurm  der  Pfarrkirche;  in  der  Fasa- 
nerie Härdtle  geriethen  im  November  2  St.  in  den  Habichtskorb. 
Bietigheim:  im  Holzstall  von  Oberf.  Fribolin  ,  auch  in  Scheuern 
nicht  selten;  derselbe  hatte  früher  in  Der  dingen  (Maulbronn)  jedes 
Jahr  eine  vom  Schulhaus  herüberkommende  ganze  Brut  in  seiner 
Wohnung.  Teinach:  mehrmals  von  Bauern  lebendig  überbracht 
und  wieder  freigelassen. 

12)  SijrniHm  aluco  Savign.  L.,  W^aldkauz. 

Osterhofen:  ruft  8.  März  früh  4t]-  im  „untern  Wald";  eben- 
dort  2.  Juni  flügge  Junge.  Weissenau:  nur  im  Herbst  bemerkt 
(bei  Kisslegg  niemals  weder  gehört  noch  gesehen).  Weilimdorf 
von  Mitte  August  an  allnächtlich  rufend ;  im  Herbst  und  noch  später 


—     144     -- 

wurden  veischiedene  im  Habichtskorb  gefangen ,  im  Februar  allein 
4  Stück.  Brütete  beim  Pulverdinger-Holz  (Vaihingen)  1.  März 
in  einem  hohlen  Obstbaum.  Teinach:  sehr  viel  seltener  als  früher, 
seit  so  viele  alte  Linden  gefallen  sind. 

13)  Athene  iioctua  Boie  Retz,  Steinkauz. 

Warthausen:  7.  Februar  nach  10  U.  Abends  1  St.  als  Selten- 
heit im  Schlossgarten.  Weilimdorf:  in  der  Fasanerie  Härdtle  kam 
im  Januar  ein  Käuzlein  in  den  Taubenschlag,  kröpfte  eine  vollkom- 
men gesunde  Taube  und  wurde  von  Reinhold  zu  einem  früher  ge- 
fangenen in  eine  Voliere  gethan  ;  am  andern  Morgen  hatte  der  neue 
Ankömmling  trotz  hinlänglichem  Futter  den  andern  Kauz  getödtet 
und  halb  verzehrt. 

14)  Buho  maximus  Sibh.,  Uhu. 

Aus  der  Gegend  von  Teinach  sind  bisher  im  Ganzen  nur 
o  Exemplare  bestätigt:  eines  bei  der  Ruine  Waldeck  im  Habichts- 
korb lebend  gefangen,  ein  anderes  zugleich  mit  einem  Hasen,  in  den 
es  sich  verfangen  hatte,  verendet  gefunden,  das  dritte  bei  Ober- 
kollwangen geschossen.  Auf  der  Zwiefalter  Alb  hat  Oberf.  Fri- 
BOLIN  in  früheren  Jahren  im  Glasthal  den  Alten  oft  auf  dem  „Läm- 
merfelsen" sich  sonnen  gesehen  und  liess  dort  mehrmals  die  2  Jungen 
ausnehmen. 

15)   Otus  vulgaris  Flem.,  Waldohreule. 

Warthausen:  25.  Februar  und  29.  März  Paarungsruf,  14.  Juni 
lebhaft  im  Schlossgarten  rufend  und  meiner  Tochter,  die  den  Ruf 
nachahmte,  hart  über  den  Kopf  fliegend ;  liess  sich  auch  im  Decem- 
ber  unmittelbar  vor  den  Schneefällen  hier  Wiederhören.  Kisslegg: 
selten;  30.  Juli  im  Wald  aufgegangen.  Weiss enau:  nur  im  Herbst 
bemerkt.  Weilimdorf  (Fasanerie):  vom  Januar  bis  Mitte  Februar 
(3  St.  und  Ausgangs  December  bis  Anfangs  Januar  1888  9  St.  im 
Habichtskorb  gefangen.  Schon  Mitte  Februar  trieben  sie  sieh  dort 
sehr  stark,  riefen  gegenseitig  und  klatschten  im  Fliegen  mit  den 
Flügeln,  schon  1.  März  (!)  sass  in  einem  alten  Krähennest  die  Alte 
über  einem  Ei;  am  7.  April  sind  3  Junge  und  noch  3  Eier  in  diesem 
Nest,  20.  April  sind  es  5  Junge  von  ganz  verschiedener  Grösse,  das 
grösste  schon  mit  Stoppeln,  das  kleinste  erst  so  gross  wie  ein  Hühnerei ; 
29.  April  waren  nächst  einem  anderen  Krähennest  5  weitere  aus- 
geflogene Junge  und  25.  April  in  eben  einem  solchen  3  Junge  und 
2  angepickte  Eier.    Gelegentlich  einer  Feldjagd  29.  December  Nach- 


—     145     — 

mittags  2  U.  beobachtete  Eeinhold  0  Waldohreulen  dicht  neben  ein- 
ander sitzend  auf  einem' Apfelbaum,  etwa  40  Schritte  entfernt  vom 
Wald.  Bietigheim:  diesen  Winter  sehr  hungerig:  einem  Exemplar 
wurde  ein  frischgeschlagenes  Feldhuhn  abgenommen,  ein  anderes 
sass  Dreiviertel  des  Tags  auf  einem  Gartenzaun .  etwa  ein  halbes 
Dutzend  w^urde  verhungert  im  Walde  aufgelesen.  Teinach:  viel 
seltener  als  sonst. 

16)  Otus  brach  i/ot US  Cuv.  Forst.,  Sumpfohreule. 
Ki sslegg:  brütet  in  den  dortigen  Mosern!  Bei  einer  Treib- 
jagd wurden  dort  im  „Burgermoos "  etwa  10  St.  angetroffen.  Das 
Nisten  in  Oberschwaben  war  bis  jetzt  nm-  durch  zwei  Beobachtungen 
bestätigt.  In  dem  mäusereichen  Jahre  1857  erhielt  ich  bei  W^art- 
hausen  aus  dem  Röhrwanger  Paed  2.  Juli  6  schwachbebrütete  Eier, 
welche  unter  einem  kleinen  Tannenbusch  nächst  der  Eisenbahnlinie 
gelegen  hatten;  eben  in  jenem  Jahre  war  die  schon  durch  ihr  spä- 
tes Brüten  als  eine  nördliche  gekennzeichnete  Art  weit  hinab  im 
mittleren  Deutschland  nistend  verbreitet.  In  einem  späteren  Jahre 
scheuchte  im  angränzenden  Ried  von  Langenschemmern  der  in  Jagd 
und  Vogelkunde  gut  bewanderte  Stationsmeister  Schneider  im  Juni 
auf  freiem  Sumpfboden  den  Vogel  von  2  Eiern.  Im  Januar  und 
Februar  1877  sassen  im  Ried  von  Röhrwangen  Sumpfeulen  dutzend- 
weise beisammen;  erlegt  wurden  hier  solche  4.  Oktober  1854  und 
16.  Oktober  1876,  wie  überhaupt  die  überwiegende  Mehrzahl  stets 
auf  Herbst  und  Winter  kommt.  Im  heurigen  Jahre  wurde  1  St. 
12.  November  bei  W^arthausen  auf  einem  Waldfeld  geschossen. 
Oberf.  Fribolin  erlegte  einmal  bei  Schöckingen  (Leonberg)  eine 
aus  einer  Schaar  von  etwa  10  St.,  die  fern  von  jedem  Sumpf  auf- 
gebäumt hatte  und  jedenfalls  auf  dem  Zuge  war. 

17)  Iijnx  torquilla  L.,  Wendehals. 
Warthausen  u.  Biber  ach:  gehört  24.  Juli,  Weissen  au: 
von  Anfang  Mai  an  rufend  in  den  Obstgärten  etwa  4  Wochen  lang, 
hat  also  jedenfalls  gebrütet  (im  Revier  Schussenried  niemals  bemerkt). 
Plochingen:  angekommen  7.  April.  Esslingen:  erst  26.  April 
gehört.  Bietigheim:  _ Otternmännchen",  häufig  in  Gärten.  Heil- 
bronn: ruft  18.  April;  tagelang  wird  erfolglos  um  einen  der  vor- 
jährigen Nistplätze  mit  Kohlmeisen  gekämpft  und  der  Garten  von 
Mai  ab  verlassen.  Niederrimbach  (Mergentheim)  19.  April  ange- 
kommen, tags  zuvor  bei  Equarhofen  (bayrische  Gränze  unfern 
Creglingen). 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  10 


—     146     — 

18)  Gecinus  viridis  Boie  L,  Grünspecht. 
Warthausen:  21.  Februar  im  Schlossgartenwäldchen.    Oster- 

hofen:    das   ganze    Jahr   in   „ ßannholzgraben ,    Hochrain,   Stocken-* 
rauhe";  21.  Juli  flügge  Junge.  Weissenau:  rufend  im  Februar,  Junge 
Ende  Juni.    Bietigheim:  höchst  selten.    T  ein  ach:  nicht  selten, 
holt  Hanfsamen  vom  Futterbrett.     Pfalzgrafenweiler:    ziemlich 
häufig,    geht  gerne    an  Baumstumpen   und  Ameisenhaufen,    besucht    ^ 
auch  das  Dorf. 

19)  Gecinus  canus  Boie  Gm.,  Grauspecht. 
Weissenau:    im   November    mehrfach   tief  im    Wald   einige 

Grünspechte,  die  Oberf.  Probst  wegen  vorherrschendem  Grau  für 
diese  Art  halten  möchte.  Bietigheim:  sehr  häufig.  Im  Winter 
wurde  einer  gefangen  als  er  sich  in  einen  grossen  Ameisenhaufen 
hineingearbeitet  hatte ;  in  alten  Eichen  haut  er  zwischen  der  groben 
Rinde  Löcher  aus,  in  welche  er  aus  benachbarten  Fichtenbeständen 
massenhaft  Zapfen  trägt  und  fest  einkeilt ,  um  die  Samen  auszuhacken ; 
Spindeln  und  Schuppen  liegen  dann,  da  der  Specht  die  einmal  ge- 
hauenen Löcher  immer  wieder  benutzt,  korbweise  unter  solchen  Eichen. 

20)  Dryocopus  martius  Boie  L.,  Schwarzspecht. 
Warthausen:  26.  Juni  1  St.  und  29.  September  2  St.  im 
Kohlweiher- Wald  angetroffen.  Weissenau:  heuer  häufiger,  beson- 
ders in  den  Waldungen  unterhalb  der  Waldburg.  Schussenried: 
gar  nicht  selten.  Teinach:  nicht  selten;  starke  Beschädigungen 
der  Fichten  an  der  „Spechtschmiede"  im  Sommenhardter  Wald  sind 
dieser  Art  und  wohl  auch  dem  Grünspecht  zugeschrieben, 

21)  Picus  major  L.,  Grosser  Buntspecht. 
Warthausen:    vom  5.  Juli    an   flügge  Junge   einige  Tage  im 
Wäldchen  des  Schlossgartens.    Weissenau:  nicht  selten,  rief  schon    \ 
Ende  Februar,  im  Sommer  zahlreiche  Junge.    Bietigheim:  häufig; 
ebenso  Pfalzgrafenweiler.     Teinach:    nicht  selten,  holt  Winters 
Hanf  vom  Futterbrett. 

22)  Picus  meäius  L.,  Mittlerer  Buntspecht. 
Bietigheim:    keineswegs    selten   und   häufiger   als    der   nach- 
folgende. 

23)  Picus  minor  L.,  Kleiner  Buntspecht. 
Osterhofen:    öfters   gehört,    ein  Mal   in   der  „Kuhreute"  ge- 
sehen.    Weissenau:  am  sonstigen  Brutplatz  im  Frühjahr  nur  1  St. 


—     147     — 

und  26.  December  ein  desgl.  gesehen.  Plochingen:  trommelt  erst- 
mals 13.  März;  ein  Paar  des  hier  ziemlich  häufigen  Kleinspechts  hat 
auch  in  diesem  Jahre  mit  Spechtmeisen  im  gleichen  Birnbaum  ge- 
brütet. Bietigheim:  häufig,  oft  hart  am  Fenster.  T  ein  ach:  nicht 
selten.     Pfalzgrafenweiler:  vorhanden. 

24)  Cu eil  Ins  canorus  L.,  Kuckuck. 
Erstmals  gehört  im  April.  12:  Weissen  au  (nicht  häufig); 
13:  Solitüde  (sonst  4. — 9.  Apr.)  und  Plochingen  (allgemein 
21.  Apr.);  15:  Erb  ach  (mehrere)  und  Creglingen  (Abends  4  U. 
in  Münsterthal  —  hält  sich  in  den  Weinbergen  auf,  was  schlecht 
Wetter  bedeutet*);  19:  Schussenried ;  20:  Kisslegg  (häufig); 
21:  Wolf  egg  (Ried  bei  Haidgau)  und  T  ein  ach;  22:  Pfalz- 
grafenweiler; 24:  Weilimdorf  und  Heilbronn  (bei  den 
Steinbrüchen);  25:  Osterhofen,  Ochsen  hausen  und  Sim- 
mersfeld;  28:  Warthausen  (2  St.  gesehen);  29:  Essendorf; 
H  e  i  1  b  r  o  n  n  :  auf  dem  Wartberg  vielfach  19.  Mai  und  bei  Neckar- 
gartach  22.  Mai.  Creglingen:  rief  1.  Mai  bei  Nacht.  Bie- 
tigheim: sehr  häufig.  Oberf.  Fribolin  erhielt  dort  im  Früh- 
jahr 1886  aus  einem  hohlen  Eichenast  im  Staatswald  „  Brandholz " 
einen  völlig  ausgewachsenen,  zur  Mumie  eingetrockneten  vorjährigen 
Kuckuck,  welcher  bei  zu  kleiner  Nesthöhlenöffnung  eingewachsen 
imd  verhungert  war;  die  Brustfedern  waren  abgeschunden,  weil  er 
sich  offenbar  abgemüht  hatte,  heraus  zu  kommen ;  mit  dem  Kopf  unter 
dem  Flügel  war  er  entschlafen. 

25)  Alceäo  ispida  L.,  Eisvogel. 
Warthausen:  3.  März  an  der  Riss,  25.  September  2  St.  im 
Ried.  Osterhofen:  seit  10  Jahren  Sommers  und  Winters  im 
Weiden-  und  Erlengesträuch  der  Ach  im  Ried  (später  „Umlach"). 
Hummertsri  ed:  6.  December  an  der  Ümlach  unter  Klingelrain 
(Lehrer  Herter).  Weissenau:  heuer  am  Grenzbach  selten,  an  der 
Schüssen  nur  ein  Mal  beobachtet,  scheint  also  nicht  gebrütet  zu 
haben,  Schussenried:  im  September  wurde  1  St.  eingeliefert. 
Bietigheim:  häufig  an  Enz  und  Metter,  gar  nicht  scheu;  da- 
selbst konnten  ganze  ausgeflogene  Brüten  beobachtet  werden.  Heil- 
bronn: eine  10.  Mai  am  Neckarufer  untersuchte  Niströhre  war  über 
1  m.  tief,  enthielt  aber  nichts  als  frische  Fischschuppen.  An  der 
T  ein  ach  w^urden  mehrere  Exemplare  geschossen. 

*  Im  Ber.  1886  p.  236  Z.  18  von  oben  lies  Sommerseite  statt  Sonnenseite, 

10* 


—     148    — 

26)  V^pupa  epops  L.,  Wiedehopf. 
Warthausen:  5.  Juni  1  St.  über  die  Mittagsstunden  in 
einem  Garten  von  Oberwarthausen.  Oster hofen:  binnen  10  Jahren 
nur  ein  einziges  Mal  durchstreichend  beobachtet.  Schussenried: 
unter  einer  „Holzbeuge"  (Klafterholz)  brütend.  Erbach:  15.  April 
mehrere.  Weilimdorf:  23.  April  erstmals  gesehen,  Tags  darauf 
rufend,  24.  August  letztmals  bemerkt.  Heilbronn:  bei  Neckar- 
gartach  22.  Mai  nistend,  1.  Juli  1  St.  im  „Jägerhauswald".  Rot- 
tenb  urg  a.  N. :  15.  Juni  2  St.  beobachtet  (Fritz  Kg.-W.).  Röthen- 
bach  (Calw)  25.  April  frühmorgens  auf  dem  Durchzug  rufend. 

27)   Caprimiilgus  etiropaeus  L.,  Ziegenmelker. 

0  s  t  e  r  h  o  f  en  :  18.  Juni  1  St.  im  Hochwald  „Kuhreute" ,  ebenda 
im  Juli  Junge,  somit  nistend.  Schussenried:  7.  Juni  ein  Männ- 
chen erlegt  (Ver.-Samml.) ;  hat  hier  schon  gebrütet  (2  Eier  genom- 
men) und  fliegt  oft  am  hellen  Tage.  Weilimdorf:  25.  Mai  in  der 
Dämmerung  einen  Waldtrauf  absuchend.  Bietigheim:  im  Staats- 
wald „Bartenberg"  bei  Kleinglattbach  einst  gefangen  und  beobachtet. 
Teinach:  8.  Juni  auf  dem  Abendflug  gesehen. 

28)  Cy pseliis  apu.s  Illig.,  Mauersegler. 

Warthausen:  angekommen  29.  April,  sofort  im  Kampf  gegen 
die  Staaren  um  die  Brutkästen;  gleichzeitig  Osterhofen  und  Er- 
bach. Kisslegg  und  Weissenau:  2.  Mai,  an  letzterem  Beob- 
achtungsort weniger  häufig  als  sonst  und  abziehend  4.  — 10.  August. 
Schussenried:  brüten  in  den  Staarenklötzen  der  Torfstreufabrik. 
Wolfegg,  Ochsenhausen  und  Creglingen:  angekommen 5. Mai. 
Plochingen:  Ankunft  wie  stets  der  ganzen  Schaar  zugleich  29.  April, 
Abzug  1.  August.  Weilimdorf:  8.  Mai  erster  Vogel,  3  weitere 
14.  Mai.  Leonberg:  Anfang  Mai  bis  Ende  Juli  beobachtet.  Bie- 
tigheim: jedes  Jahr  nisten  etwa  10  Paare  an  der  im  freien  Feld 
stehenden  Peterskirche.  Heilbronn:  27.  und  28.  Mai  über  Fabrik- 
fenstern bauend,  je  erstes  Ei  26.  und  16.  Juni,  frisch  ausgekommene 
Junge  über  einem  Scheunenfenster ,  die  30.  d.  M.  beinahe  flugbar 
waren. 

29)   Chelidon  urhrica  Boie  L.,  Hausschwalbe.         ♦ 

Warthausen:  angekommen  7.  April ;  im  benachbarten  Birken- 
hart noch  1  St.  12.  November !  Ost  e'r  hofen:  häufig ;  Abzug  Anfangs 
October.  Weissenau:  25.  April  angekommen,  25.  September  ab- 
gezogen.    Schussenried:  Ankunft  4.  April.     Plochingen:  An- 


—     149     — 

kunft  28.  und  29.  April  bei  schwülem  Wetter;  12.  October  flogen 
noch  einige  Paare.  Mönsheim  (Leonberg):  ein  verspätetes  Paar 
noch  27.  October;  ?Ieilbronn:  holen  8.  Mai  Nistmaterial  am  Neckar, 
ebenso  zusammen  mit  Rauchschwalben  auf  der  Strasse  6.  Juni ;  viele 
Nester  beobachtete  Link  im  Juni  unter  den  Gallerien  der  Sandstein- 
brüche bei  Eberbach  und  Neckar  stein  ach  (Hessen).  Creg- 
1  in  gen:  5.  Mai  bauend;  17.  August  kamen  Flüge  dorthin.  Tein- 
ach:  angekommen  25.  April  auf  den  Hochflächen,  IJ.  Mai  bei 
Regen  im  Thal.  Pfalzgrafen  weile  r:  erstmals  bemerkt  24.  April, 
letztmals  26.  October. 

30)  Cotijle  rlparia  Boie  L.,  Uferschwalbe. 
Warthausen:  17.  April  mit  der  vorgehenden  und  nachfol- 
genden an  der  Eiss  in  grosser  Futternoth.  Scheint  bei  Weissenau 
zu  fehlen.  Bietigheim:  an' der  Enz  vorkommend  obwohl  nicht 
häufig,  da  geeignete  Ufer  meist  fehlen :  häufiger  finden  sich  die  Nist- 
löcher an  den  Lehmgruben  im  Feld. 

31)  Hirundo  rustira  L.,  Rauchschwalbe. 
W^arthausen:    im  Mai    erschien   ein  Paar  im  Speisesaal  des 

oberen  Stockwerks  im  Schloss,  sang  da  während  der  Mahlzeiten  und 
begann  am  Kamin  Nestmaterial  anzukleben ;  nachdem  es  aus  Rein- 
lichkeitsgründen hinausgesperrt  war,  bezog  es  30.  Mai  im  Hausgang 
eines  der  aus  früherer  Zeit  vorhandenen  Nester;  kaum  waren  die 
5  Eier  gelegt,  so  fiel  das  Weibchen  todt  herunter;  schon  nach  zwei 
Tagen  war  es  ersetzt  und  während  das  Männchen  viel  bei  den  seit- 
herigen Eiern  blieb ,  bezog  jenes  das  früher  (Jahresh.  1884  p.  307) 
beschriebene,  an  einer  Laterne  schwebend  aufgehängte  Nest.  Erst 
als  beide  sich  hier  angesiedelt  und  bereits  aufgebaut  hatten,  wurden 
jene  Eier  weggenommen  und  hierauf  zogen  sie  wieder  dorthin  über, 
wo  dann  Junge  24.  Juli  waren ;  eine  zweite  Brut  ist  unterblieben.  An- 
dere Junge  waren  vor  dem  Schloss  schon  18.  Juni  geflogen.  Oster- 
hofen:  20.  April  erste  bei  rauhem  Wetter,  23.  April  1  St.  bei  Hittel- 
kofen  (Waldsee),  Hauptzug  28.  April  in.  der  Windrichtung  ( S.W.W.) , 
letzte  gesehen  13.  October.  Wolf  egg:  21.  April  2  St.,  1.  Mai 
viele,  12.  October  3  letzte  auf  dem  Wegzug.  Weissenau:  An- 
kunft 15.  April,  Abzug  15. — 25.  September;  seltener  als  sonst. 
Ochsenhausen:  angekommen  23.  April.  Erbach:  9.  April 
mehrere.  Plochingen:  Ankunft  7.  April,  12.  October  noch  einige 
Paare  fliegend.  Weilimdorf:  12.  April  in  der  Fasanerie  Härdtle 
das  erste  Paar  singend  und  sich  jagend,    7.  Mai   das  Paar  erstmals 


—     150    — 

am  Nest  im  Stall.  Heilbronn:  nachdem  12.  April  eine  einzelne 
Schwalbe  das  LiNK'sche  Kesselhaus  (vergl.  Ber.  1886)  besucht  hatte, 
erschien  dort  das  Paar  22.  April,  besserte  sofort  am  alten  Nest  aus, 
blieb  aber  seit  7.  Mai  weg;  26.  Juni  erschien  es  wieder  mit  mehre- 
ren Jungen,  baute  an  einem  Tage  (Sonntag  3.  Juli)  ein  neues  Nest 
neben  das  alte  und  zog  da  die  zweite  Brut  gross ;  das  Paar  in  der 
Weinsteinsäurefabrik  erschien  18.  April,  baute  ein  neues  Nest  an- 
statt des  über  den  Winter  herabgefallenen ,  warf  24.  Mai  die  Eier- 
schalen heraus  und  hatte  9.  Juni  flügge  Junge ;  3.  Juli  waren  Eier 
der  zweiten  Brut  im  nämlichen  Nest;  das  Paar  im  Stall  erschien 
3.  Mai,  baute  9.  Mai  und  hatte  die  zweite  Brut  so  spät,  dass  die 
Jungen  15.  September  noch  im  Nest  sassen.  Bietigheim:  in  allen 
Dörfern  vertreten,  sammeln  sich  vor  dem  Abgang  massenhaft  an  den 
Bahnhöfen  auf  den  Telegraphendrähten.  Creglingen:  31.  März 
2  U.  Nachm.  3  St.  über  dem  Tauberwehr,  andern  Tags  verschwun- 
den; 18.  April  meist  auf  den  Feldern,  noch  im  Mai,  da  der  Kälte 
wegen  keine  Insecten  fliegen,  genöthigt,  ihre  Nahrung  flatternd  und 
in  langsamem  Fluge  von  Gräsern  und  Obstbäumen  abzunehmen; 
Abzug  Mitte  October,  doch  waren  einzelne  noch  Anfangs  November 
da.  T  ein  ach:  nur  auf  den  Höhen  nistend,  scheint  erst  nach  der 
Hausschwalbe  anzukommen  und  zog  in  den  letzten  Exemplaren 
30.  September  ab.  Pfalzgrafenweiler:  angekommen  30  April. 
Simmers feld:  2.  Mai. 

Eine  artige  ,  an  Thienemann's  reizende  Erzählung  „Meine 
Schwalbe"  (Rhea  I,  1846,  p.  98)  erinnernde  Notiz  bringen  Zeitungs- 
blätter aus  Ingolstadt  12.  April.  In  der  Backstube  eines  Conditors 
hatten  im  Vorjahr  Schwalben  auf  die  obere ,  am  Plafond  befestigte 
Schale  einer  Petroleum-Hänglampe  genistet  und  zweimal  4  und  3 
Junge  ausgebracht,  wobei  sie  regelmässig  von  9  U.  Abends  bis  6  U. 
früh  eingeschlossen  waren;  in  diesem  Jahre  sind  sie  am  Grün- 
donnerstag (7.  April)  früh  7  U.  zurückgekehrt,  indem  sie  durch 
Klopfen  am  Fenster  sich  bemerklich  machten ;  sie  haben  sofort  ihr 
Nest  in  Besitz  genommen  und  wieder  in  der  Backstube  übernachtet. 

Allgemeine  Notizen  über  Schwalben  ohne  Angabe  der  Art  müssen 
auch  diessmal  angefügt  werden. 

Bei  Wart  hausen  waren  4. — 5.  September  auch  einzelne 
Schwalben  da,  die  letzten  wurden  28.  October  gesehen.  Bei  Essen- 
dorf kamen  die  Schwalben  12.  Mai  an.  Bei  Heilbronn  „bringen 
den  Frühling"  erste  Schwalben  24.  März.  In  Esslingen  erscheinen 
sie  einzeln  10.  April,  vollzählig  4.  Mai;  3.  September  sammelten  sie 


—     151     — 

sich  letztmals  auf  dem  üblichen  Dach  eines  isolirt  und  sommerlich 
stehenden  Hauses,  doch  sah  Berichterstatter  noch  26.  October  6  St. 
(in  Gesellschaft  von  Staaren),  welche,  obgleich  es  kalt  war,  sich  wie 
beim  Nestbau  um  Koth  zu  holen,  auf  die  Strasse  setzten.  Am  Bo- 
densee flattern  Anfangs  November  trotz  rauhen  Wetters  immer  noch 
Schwalben  herum,  die  aber  täglich  weniger  werden  und  wohl  nicht 
mehr  abziehen,  sondern  zu  Grund  gehen.  Bei  Lichtenberg  (Mar- 
bach)  ziehende  Schwalben  4. — 5.  November  (Stockmayer).  —  Laut 
Zeitungsnachrichten  kam  der  erste  Schwalbenzug  aus  dem  Norden 
28.  August  in  Trient  an.  Bei  Gastein  (Raueis)  zogen  Schwalben 
17.  September  (Dr.  Salzmann). 

32)  Muscicapa  grisola  L.,  Grauer  Fhegenfänger. 

Warthausen:  Ankunft  erst  11.  Mai!  Nester:  29.  Mai  unter 
dem  Dachfirst  des  Wildfutterhauses  auf  einem  Balkenkopf;  30.  Mai 
oben  auf  einem  Spatzenhaus  unter  dem  Vordach  eines  Gartenhauses 
(„Tempel") ;  13.  Juni  im  „Nusstobel"  nächst  dem  Fussweg  kaum 
mannshoch  in  einer  Vertiefung  am  Stamm  eines  starken  Nussbaums, 

26.  Juni  mit  ziemlich  grossen  Jungen;  20.  Juni  brütend  in  einem 
Rüstloch  der  Oekonomiegebäude  gegen  das  Gartenwäldchen  (Göppel- 
haus).  Wie  an  Zutraulichkeit,  so  fehlt  es  diesem  Vögelchen  in  der 
Zeit  der  Jungenpflege  auch  nicht  an  Muth :  im  Juni  und  Juli  stiessen 
solche  in  unserem  Garten  auf  Eichhörnchen,  einmal  von  hoch  herab 
auf  ein  über  den  Weg  laufendes ,  ebenso  wiederholt  auf  Spatzen, 
welche  sie  heftig  verfolgen.  Oster hofen:  angekommen  3.  Mai  an 
herrlichem  Frühlingstag.  Plochingen:  ausgeflogene  Junge  I.Juli. 
Heilbronn:  3.  Mai  im  Friedhof,  im  Garten  einen  Tag  später,  baut 

27.  Mai  zuerst  einen  Stock  hoch  in  die  LiNK'sche  Haus-Veranda, 
dann  4.  Juni  an  eine  die  Kerzenfabrik  und  das  Magazin  verbindende 
Brücke,  wo,  wie  zuvor,  das  Nestchen  wiederholt  herabfällt,  bis  ein 
Brettchen  angebracht  wird,  welches  verhindert,  dass  die  Vögel  das 
vorzugsweise  aus  feinen  Schnüren  bestehende  Nestmaterial  immer 
wieder  mit  den  Füssen,  in  welche  es  sich  verfängt,  herabreissen ; 
trotz  unausgesetztem,  lebhaftem  und  störendem  Geschäftsverkehr 
waren  hier  8.  Juni  4  Eier  gelegt,  es  kamen  aber  21.  Juni  nur 
2  Junge  aus,  welche  Anfang  Juli  ausflogen.  Ein  Nest  meterhoch  am 
Stamm  einer  Tanne  enthielt  5.  Juni  4  Eier,  war  aber  nach  3  Tagen 
zerstört.  Bietigheim:  nicht  selten;  nistend  in  den  Wildreben 
einer  Veranda.  Wenn  für  dort  das  Gleiche  vom  weisshalsigen  Fliegen- 
fänger   (i)/.  collaris  Bechst.)    gesagt   wird,    welcher   als   nicht   sehr 


L 


—     152     — 

häufiger  Höhlenbrüter  in  Laubwäldern  und  grösseren  Übstgütern  zu 
leben  pflegt,  so  dürfte  hier  ein  Irrthum  vorwalten. 

33)  Lantus  excuh  Ito)'  L.,  Grosser  Grauwürger. 
Osterhofen:  etliche  Paare.  Weiss enau:  brütete  Ende  April 
in  der  niederen  Nadelholzkultur  der  Staatswaldungen  „Langergat  und 
Hasenmoor"  (sonst  auf  Hochbäumen!).  Schussenried:  sehr  selten. 
Weilimdorf:  nistend;  im  Januar  3  St.  und  December  1  St.  mit 
Goldammern  als  Lockvogel  im  Habichtskorb  gefangen.  Bietigheim: 
mit  dem  Neuntödter  als  häufiges  und  freches  Raubgesindel  aufgeführt; 
letzten  Herbst  trieb  dort  ein  grosser  grauer  Würger  die  Unverschämt- 
heit so  weit,  eine  waidwund  geschossene  Wachtel  dreimal  aufzujagen 
bis  Berichterstatter  ihn  schoss ,  ein  andermal  beobachtete  derselbe 
im  Spätherbst  einen  aus  einer  Dornhecke  abfliegenden  Würger,  wo 
derselbe  eine  Anzahl  Grillen  aufgespiesst  hatte.  Zur  Entschuldigung 
des  allerdings  schädlichen  Räubers  darf  für  diese  beiden  Fälle  doch 
angeführt  werden,  dass  jene  Wachtel  eben  „waidwund"  war  und  dass 
der  Grillenfang  verdienstlich  ist.  Heilbronn:  sehr  selten;  23.  Mai 
auf  hoher  Pappel  bei  Weinsberg.  T  ein  ach:  Sommers  und  Win- 
ters auf  dem  Hochplateau  wie  im  Thal ;  einzelne  geschossen. 

34)  Lau  ins  minor  Gm.,  Schwarzstirniger  Grauwürger. 

Bei  Eltingen  a.  Glems  (Leonberg)  Mai  bis  Juh  beobachtet. 
Diese  ziemlich  harmlose  >  fast  ausschliesslich  von  Lisecfcen  lebende 
Art  hat  das  Missgeschick  mit  der  vorigen  im  Freien  vielfach  ver- 
wechselt zu  werden  und  muss  dann  für  jene  büssen. 

35)  JEnncoctoniis  coUiirio  Boie  L.,  Neuntödter. 

Osterhofen  und  Schussenried:  häufig.  Weiss  enau: 
brütete  auch  heuer  in  Gärten  und  Baumgütern  melirfach.  Erbäch: 
9.  Mai  mehrere  angekommen.  Weilimdorf:  Nistvogel;  5.  und  8.  Mai 
je  1  St.  weggeschossen.  Heilbronn:  23.  Mai  mehrere  im  Wald 
und  bei  der  Stadt;  29.  Mai  4  Nester,  davon  2  noch  leer  und  je 
eines  mit  4  und  6  Eiern;  30.  Mai  ein  Nest  mit  6  Eiern  und  eines 
mit  1  Ei,  das  8.  Juni  4  St.  enthielt;  24.  Juni  ausgeflogene  Junge. 
Creglingen:  Das  jährlich  auf  seinem  Baumacker  befindliche  Nest 
hat  Berichterstatter  15.  Juni  zerstört  und  das  Weibchen  weggeschos- 
sen; es  hatte  fast  nur  Ohrwürmer  im  Magen,  starb  also  über  einer 
nützlichen  Beschäftigung. 

Niemand  wird  in  Abrede  ziehen  wollen,  dass  der  „Dorndreher" 
ein  oft  recht  streitbarer  Räuber  ist  und  nicht  ganz  selten   an  Sing- 


—     153     — 

vogelbruten,  ja  selbst  an  alten  Vögeln  sich  vergeht :  anderen  Schaden 
thut  er  nicht,  wohl  aber  erfreut  er  durch  seine  grosse  Fertigkeit,  die 
Lieder  verschiedener  Sänger  nachzuahmen.  Landwirthschaftliche  und 
locale  Vogelschutzvereine  jagen  im  Vollbewusstsein  ihres  organisa- 
torischen Berufs  unbarmherzig  auf  ihn,  ärger  als  er  auf  irgend  welche 
Vögel:  dabei  werden  nicht  selten  Prämien  auf  Kopf  und  Füsse  aus- 
gesetzt, eine  in  allen  Fällen  sehr  gefährliche  Methode,  weil  sie  öfters 
als  man  glaubt  die  missverständliche  Tödtung  anderer  Vogelarten  ver- 
anlasst ;  häufig  sind  auch  die  Controlirenden  ihrer  Aufgabe  ganz 
und  gar  nicht  gewachsen.  Als  in  meiner  Jugendzeit,  bis  in  die  fünf- 
ziger Jahre  herein,  Feldhecken,  Buschwerk  und  Dornengestrüpp  an 
Rainen  und  in  Klingen  noch  nicht  „von  Oberamts  wegen"  entfernt 
waren  —  eine  Glattrasirung  der  Landschaft,  die  weder  verschönert 
noch  landwirthschaftlich  genutzt  hat  —  da  war  meine  ganze  Nachbar- 
schaft reich  an  Singvögeln  wie  an  Dorndrehern  und  friedlich  nisteten 
sie  hart  beisammen.  Jetzt  fehlen  mit  dem  Gesträuch  die  Dorndreher 
—  und  auch  die  vielen  Sänger.  Schon  Naumann  hat  beobachtet, 
dass  sie  meist  nur  bei  kaltem  und  stürmischem  Wetter  an  Vogel- 
bruten, bei  schönem  aber  an  Insecten,  Käfer  und  kleine  Frösche  gehen. 
Ich  selbst  habe  bei  Warthausen  fast  ausschliesslich  nur  Coleopteren 
{Mai-,  Mist-,  Lauf-  u.  a.  Käfer)  im  Schwarzdorn  angespiesst  gefunden, 
einmal  ein  nacktes  Nestvögelchen  und  zw^ei  junge  Feldmäuse .  die 
kunstgerecht  an  der  dehnbaren  Genickhaut  aufgehängt  waren. 

36)  Enneoctonns  riifus  Boie  Briss.,  Rothköpfiger  Würger. 

Weissenau:  Brutvogel  in  Gärten  und  Baumgütern.  Heil- 
bronn: 22.  Mai  ein  Paar  bei  Neckargartach;  Nest  daselbst  10.  Juni 
6  m.  hoch  auf  einem  Birnbaum  mit  6  Eiern:  zum  Nest  waren  Wolle 
und  Schnüre  verwendet,  auch  eine  dem  Fischer  gestohlene  Angel- 
schnur^ die  zu  einem  Drittel  eingeflochten  war,  während  der  Rest 
herabhieng;  bei  Böckingen  (ebendort)  wurde  5.  Juni  auf  einer  Pappel 
10  m.  hoch  gebaut  und  flogen  die  Jungen  16.  Juli  aus. 

37)  Beyulus  ignicapillus  Ch.  L.  Brhm.,  Feuerköpfiges  Goldhähnchen. 

Warthausen:  in  grösseren  und  kleineren  Flügen  im  Garten- 
wäldchen und  Thiergarten  23.  und  30.  März,  5.  (3  St.)  und  19.  April: 
6.  Juli  flügge  Junge  auf  einer  im  Hühnerhof  einzeln  stehenden  Tanne ; 
10.  December  eine  Familie  in  einer  Tannencultur.  Osterhofen: 
22.  Januar  in  der  „Stockenräuhe"  (700  m.  ü.  M.)  und  9.  April  zu- 
gleich mit  dem  gelbköpfigen  Goldhähnchen  (i?.  er istatus 'K.oca). 


—     154     — 

Weissenau:  im  Herbst  in  Gesellschaft  von  Meisen  gesehen.  Eybach 
(Geislingen):  30.  Juli  eine  Familie  in  den  Tannen  des  Schlossgartens. 
Bietigheim:  nicht  häutig;  im  vorigen  Jahre  1,5  m.  hoch  ein  recht 
nachlässig  gebautes  Nest  in  einer  Fichtenhecke,  zwar  im  Wald  aber 
einem  sehr  frequentirten  Lusthaus  so  nahe ,  dass  es  kaum  zu  be- 
greifen war,  wie  die  Brut  unbelästigt  auskommen  konnte. 

38)  Mecistura  raiidata  Leu.  L.,  Schwanzmeise. 

Warthausen:  7.  Februar  ein  Flug  im  Thiergarten  und  auch 
im  nächsten  December  wieder  überall  zahlreich ;  26.  März  im  Schloss- 
garten gepaart ;  5.  Mai  ein  Paar  im  Thiergarten ,  das  dort  gebrütet 
haben  muss,  da  der  Schwanz  des  Weibchens  sichelförmig  —  vom 
Nest  herrührend  • —  verbogen  war.  Heilbronn:  streifend  im  Januar 
und  Februar;  27.  Mai  wurden  im  Friedhof  Junge  gefüttert,  von  denen 
neun  Stück  dicht  aneinandergedrängt  lange  Zeit  auf  einem  Zweige 
sitzen.  Für  Osterhofen,  Weissenau,  Bietigheim,  Teinach 
als  beobachtet  notirt. 

39)  Parus  inajor  L.,  Kohlmeise. 

„  Zizigäh. "  Wärt  hausen:  erster  Frühlingsruf  2.  Februar ; 
25.  Mai  Nest  in  einem  Loch  an  der  Schlossmauer,  10.  Juni  ein  sol- 
ches in  einem  Nistkasten,  beide  mit  Jungen;  16.  Mai  im  Jordan 
(Bad  bei  Biberach)  Nest  mit  11  verlassenen  Eiern  in  einer  hohlen 
Springbrunnenfigur  (Renz).  Plochingen:  Paarungsgesang  2.  Fe- 
bruar; ebenso  Esslingen:  4.  Februar;  Weilimdorf:  5.  Mai  in 
einem  Staarenklotz  der  Fasanerie  11  Eier,  davon  3  St.  unbefruchtet. 
Heilbronn:  27.  Februar  Frühlingsgesang;  Ende  April  im  LiNK'schen 
Garten,  wo  22.  Mai  Junge  .sind ;  brütet  3.  Mai  auf  dem  Friedhof  in 
hohlem  Stamm  2  m.  hoch,  wo  17.  Mai  Junge  waren,  die  30.  d.  M. 
ausflogen;  19.  Mai  im  LiNx'schen  Garten  8  m.  hoch  in  hohlem  Birn- 
baum Junge  fütternd,  ebenso  16.  Juli,  wo  sie  26.  d.  M.  ausflogen. 
Teinach:  kommt  nebst  den  beiden  folgenden  Arten  regelmässig  und 
zahlreich  über  die  Wintermonate  auf  Dr.  Wurm's  Futterbrett  und  an 
die  Fressgeschirre  seiner  Hunde. 

40)  Favus  coeruleus  L.,  Blaumeise. 

Warthausen:  10.  Juni  Nest  mit  Jungen  in  einem  hohlen 
Obstbaum  des  „oberen  Gartens"  kaum  in  halber  Mannshöhe.  Ess- 
lingen: macht  schon  30.  Januar  seine  ersten  Singversuche.  Heil- 
bronn: singt  24.  Februar. 


—     155     — 

41)  Parus  palustris  L.,  Sumpfmeise. 

Warthausen:  häufiger  als  je  vom  Herbst  an  auf  den  Futter- 
brettern, obgleich  kein  Nest  gefunden  werden  konnte;  26.  Juni  ein 
solches  mit  Jungen  in  einem  hohlen  Apfelbaum  bei  Biber  ach.  Wird 
ausdrücklich  von  Osterhofen  und  Weissenau  als  fehlend  angegeben. 

Anmerkung.  Die  nächstverwandte  Alpen-Sumpfmeise,  Parus 
alpestris  Bailly  (in  nordischer  Form  P.  horealis  Selys)  ist  von 
Graf  Carl  von  Waldburg  auf  Schloss  Syr genstein  (bei  Eglofs)  im 
bayrischen  Allgäu,  hart  an  der  Landesgränze  den  ganzen  November 
über  in  2  Exemplaren  neben  vielen  Sumpf-  und  wenigen  Tannen- 
meisen auf  einem  Fensterbrett  genau  unterschieden  worden;  sie  kommt 
auch  in's  bayrische  Illerthal  und  gehört  als  Wintergast  dem  württem- 
bergischen Allgäu  sicher  ebenfalls  an. 

42)  Parus  ater  L.,  Tannenmeise. 

Warthausen:    nur  1.  und  12.  Februar  1  St.    am  Futterbrett 

vor  dem  Schloss  und  an  einem  aufgehängten  Fettballen.   Weissenau: 

bei   grosser  Kälte    und  vorher  niemals    beobachtet,    kamen    erstmals 

einige    an's    Futterbrett.     Teinach:    ebenso    am    Futterplatz    selten. 

43)  Parus  cristatus  L.,  Haubenmeise. 
Osterhofen:  9.  April  und  dann  über  den  ganzen  Sommer  und 
Herbst  gesehen.     Teinach:  äusserst  selten  am  Futterbrett,  wie  auch 
selten  im  Wald. 

44)  Sitta  europaea  L.,  Spechtmeise. 
Warthausen:  1.  März  rufend;  30.  Mai  eine  Familie  von  6  St. 
im  „oberen  Garten";  im  Winter  3 — 4  St.  an  den  Futterbrettern,  doch 
ziehen  sie  vor,  am  Küchenfenster  und  auch  sonst  am  obersten  Stock- 
werk des  Schlosses  nach  Futter  anzufliegen.  Osterhofen:  „Zwickle", 
ziemlich  häufig.  Weissenau:  brütet  in  der  Mariathaler  Allee,  war 
aber  den  Winter  über  nicht  zu  sehen.  Plochingen:  erster  Paarungs- 
ruf 26.  Februar.  Bietigheim:  nur  einige  Paare  vorhanden.  Tein- 
ach: früher  regelmässige  Gäste  an  Dr.  Wurm"s  Futterbrett,  seit  2  Jah- 
ren nur  noch  am  Badhotel  (20  m.  tiefer). 

45)   Certhia  familiär is  L.,  Baumläufer. 

Warthausen:  26.  März  am  Bahnhof;   im  November  und  De- 

cember  immer  3 — 4  St.  beisammen   im  Garten,    auch   bei  Biberach 

und  dann  an  einem  unserer  Futterplätze.     Baut  ohne  zu    vollenden 

23.  April    in    dem   schon  früher    benutzten  Loch    eines  Thiergarten- 


—     156     — 

zaunpfostens  (vergl.  1885j:  ein  Nest  mit  7  frischen  Eiern  (offenbar 
vom  eben  genannten  Paar)  wurde  zerstört  beim  Abbruch  eines  An- 
baus unter  einem  Giebelvorsprung  des  Hauses  der  barmherzigen 
Schwestern;  13.  Juni  Nest  im  Holzschopf  vor  dem  Schlossökonomie- 
gebäude in  einer  Ritze  des  Gebälks  (der  Nähe  wegen  wohl  immer 
dieselben),  w^o  später  Junge  ausgekommen  sind;  17.  Juni  flog  ein  Stück 
in  ein  Zimmer,  9.  Juli  eines  in"s  Treibhaus,  25.  Juni  waren  flügge 
Vögel  beim  „Annenweiher".  Osterhofen:  ziemlich  häufig,  23.  No- 
vember auf  Obstbäumen.  Weissenau:  nur  ganz  vereinzelt  beob- 
achtet. Bietigheim:  nicht  häufig.  Heilbronn:  singt  18.  März. 
Teinach:  öfters  in  den  Gärten. 

46)  T ichodr  0  m a  ui  u rar  i a  Illig .  L. ,  Mauerläufer. 
Im  Hof  Stegler  bei  Brochenzell  (Tettnang)  hat  Oberf.  Probst 
5.  März  2  St.,  wohl  ein  Paar,  einige  Zeit  auf  einem  Nussbaum* 
beobachtet.  An  einem  Fensterladen  des  Schlosses  von  Eybach 
(Geislingen)  wurde  11.  December  von  Graf  Cii.  vox  Degenfeld  1.  St. 
aus  grosser  Nähe  und  mit  grobem  Schrot  zerschossen ;  Füsse,  Schwanz 
und  Flügel  liegen  vor.  Ein  früher  dort  geschossenes  Exemplar  be- 
findet sich  ausgestopft  in  Eybach.  Landbek  (1834)  erwähnt  2  dort 
am  Schloss  im  Winter  1827  erlegte  Exemplare  sowie  ein  29.  No- 
vember 1828  im  Schlosshof  von  Tübingen  von  einem  Thurm  herunter- 
geschossenes Männchen  und  führt  ferner  an,  dass  nur  selten  im  Herbst 
und  Winter  Strichvögel  die  Alb  und  den  Schwarzwald  berühren,  in 
einigen  Exemplaren  in  Ehingen  überwinternd,  auf  Hohenneuffen, 
Hohenurach  und  bei  Baiersbronn  (Freudenstadt)  beobachtet.  In  der 
Sammlung  des  um  die  schwäbische  Ornithologie  sehr  verdienten 
Eevierförsters  A.  von  Deschler  (f  20.  August  1886)  befindet  sich 
eine  Reihe  von  Mauerläufern,  die  meist  im  Hegau  (Hohentwiel)  ge- 
sammelt sind.  Dieser  seltene  Alpengast,  den  schon  Schrank  im  vori- 
gen Jahrhundert  von  Regensburg  anführt  und  der  sich  bis  nach 
Thüringen  verfliegt,  scheint  vorzugsweise  an  grössere  Steinmassen, 
Schlösser  und  Kirchen  anzufliegen,  um  an  Fensterspalten  und  Mauer- 
ritzen Insectennahrung  zu  suchen. 

47)   Troglodytes  parvulus  Vieill.  Koch,  Zaunkönig. 
Osterhofen:  singt  den  ganzen  Februar  früh  morgens  in  den 
Hecken  und  Holzbeugen.    Weissenau:  in  den  letzten  Jahren  sehr 
selten  geworden,  früher  häufiger,  wo  öfters  4 — 6  „  Jungesellennester " 


*  Nach  den  meisten  Autoreu  sollen  sie  niemals  Bäume  beklettern. 


I 


157     — 

(Vergl.  Jahresh.  1884,  p.  819)  gefunden  wurden.  Weilirndorf: 
13.  März  bei  der  Fasanerie  an  den  Nistplätzen;  nach  dem  darauf 
eingetretenen  Schnee  wurde  einer  verhungert  gefunden.  Bietig- 
heim:  besonders  an  Geflechten  der  Ufer  nicht  selten.  Heilbronn: 
20.  April  Nest  |  m.  hoch  in  einer  Thuja  noch  leer,  3.  Mai  3  Eier, 
'21.  Mai  neben  einem  faulen  Ei  Junge,  welche  2.  Juni  flügge  waren ; 
2.  Juni  „Lustnest"  mannshoch  in  einer  mit  Epheu  bewachsenen 
Pappel,  beide  im  Friedhof.  T  ein  ach:  kommt  selbst  auf  die  Haus- 
bühnen und  beschmutzt  zum  Schrecken  mancher  Hausfrau  dort  auf- 
gehängte Wäsche. 

48)  Cinclus  aquatic US  Bechst.,  Wasseramsel. 

Oster hofen:  Den  ganzen  Winter  über  4 — 5  St.  an  der  Ach 
im  Ried.  Letzten  Sommer  ein  Nest  bei  Mittelbiberach.  Weis- 
senau:  an  der  Schüssen,  besonders  im  Winter,  wenn  die  kleinen 
Wasserläufe  zugefroren  sind,  sonst  häufig,  im  ganzen  letzten  Winter 
aber  kaum  2  Exemplare  beobachtet.  Creglingen:  wie  überhaupt 
im  Fränkischen  ziemlich  häufig  an  der  Tauber  und  den  Nebenbächen. 
Häufig  an  T  ein  ach,  Nagold,  Enz  u.  s.  w.  Dr.  Wurm  ist  der  An- 
sicht, dass  diese  Vögel  der  Fischzucht  nicht  sehr  gefährlich,  der- 
selben vielmehr  durch  Vertilgung  vieler  dieser  schädlichen  Wasser- 
kerfe sogar  nützlich  sind;  insoferne  sie  aber  auch  Laich  und  Fisch- 
brut nehmen  und  dadurch  das  Futter  der  älteren  Forellen  schmä- 
lern, hält  er  eine  Einschränkung  des  „sonst  so  sympathischen"  Vö- 
gelchens in  der  Weise  für  genügend,  dass  man  nur  alle  3 — 4  Jahre 
eine  Razzia  anstelle.  Dem  ersten  dieser  Sätze  stimme  ich  völlig  zu. 
Von  Allmendingen  (Ehingen)  hat  mir  einst  Freiherr  von  Freyberg 
eine  Anzahl  Gewölle  übergeben,  welche  von  einem  grossen  Stein  an 
der  Schmiechen  entnommen  sind,  auf  den  das  dortige  Paar  seit  Jahren 
solche  auswürgt ;  ich  habe  lediglich  gar  nichts  anderes  als  Reste  von 
Wasserinsecten,  namentlich  von  Phryganeen  darin  gefunden.  Auch 
in  verschiedenen  Büchern  über  Fischerei  ist  dieser  Vogel  als  arger 
Feind  der  Fischzucht  verschrieen,  es  ist  deshalb  das  Urtheil  des 
wissenschaftlich  hoch  zu  schätzenden  rationellen  Forellenzüchters  in 
der  Teinach  von  bedeutungsvollem  Werth.  Nachdem  ohnehin  auf 
andere  Weise  an  Laich  und  Fischbrut  viel  verloren  geht,  die  Wasser- 
amseln überdiess  viele  kleine  Feinde  der  Fischerei  vertilgen,  kann 
der  durch  sie  entstehende  Ausfall  kaum  schwer  in  Betracht  kommen. 
Einsam  lebend  und  durchaus  ungeselhg,  halten  die  Paare  ihre  Stand- 
reviere weit  auseinander.    Wenn  man  also  von  übertriebenem  mensch- 


—     158     — 

lichem  Egoismus  absieht,  kann  man  ihnen  ihre  ganze  Nahrung  voll- 
auf gönnen ;  dass  diese  mit  derjenigen  der  Forellen  übereinstimmt, 
ist  wohl  kaum  ein  Verbrechen. 

49)  Turdus  viscivoriis  L.,  Misteldrossel. 
Warthausen:  den  ganzen  August  einige  im  „Kohlweiher". 
Oster hofen:  5.  März  singend,  ebenso  Kisslegg:  25.  Februar 
und  Weissenau:  12.  Januar,  allgemeiner  2. — 3.  Februar.  Wolf- 
egg: 24.  October  im  Achthal.  Li  chte  n stein  (Alb) :  20.— 26.  Juh 
etwa  50  St.  beisammen;  fressen  Erdbeeren.  Teinach:  22.  März 
„in  Moll"   singend. 

50)  Turdus  pilaris  L.,  Wachholderdrossel. 
Osterhofen:  18.  October  etwa  60  St.  auf  den  Ebereschen 
an  der  Strasse  nach  Haidgau,  30.  November  8  St.  auf  Erlen  im 
Kied.  Wolf  egg:  26,  October  erster  Flug  bei  Schnee  und  kaltem 
Ostwind  auf  einer  Wiese  bei  Dietrichsholz  (Einthürnen) ,  wo  Oberf. 
Imhof  auf  einen  Krammetsvogel  und  eine  Moosschnepfe  eine  Dublette 
machte.  Kisslegg:  29.  October  beobachtet.  Erbach:  erste 
12.  Januar,  mehrere  27.  Februar.  Weilimdorf:  in  beiden  Win- 
tern einzeln ,  doch  zogen  im  heurigen  Januar  einige  Male  grosse 
Flüge  durch.  Leonberg:  im  Januar  bei  Friolzheim  gesehen.  Bie- 
tigheim:  selten,  nur  auf  dem  Durchzug;  dagegen  früher  auf  der 
Zwief alter  Alb  sehr  häufig  in  den  grossen  Wachholdergebüschen 
angetroffen.    Eöthenbach  (Calw):  16.  November  ein  kleiner  Flug. 

51)  Turdus  iliacus  L.,  Rothdrossel. 
Warthausen:    unter    den   auffallend    vielen  Drosseln,    welche 

Ende  Juni  im  Schlossgartenwäldchen  waren,  schien  auch  diese  Art 
zu  sein ,  es  konnte  aber  diessmal  nicht  sicher  festgestellt  werden ; 
erst  22.  September  wurden  2  St.  mit  Bestimmtheit  unterschieden. 
Friolzheim  (Leonberg):  im  Januar  beobachtet. 

52)  Turdus  musicus  L.,  Singdrossel. 

VV  a  r  t  h  a u  s  e  n  :  singt  29.  März.  W  o  1  f  e  g  g :  6.  März  erstmals, 
8.  März  allgemein  singend ;  sehr  viele  sind  beim  Nachwinter  ein- 
gegangen, so  dass  in  Wäldern,  wo  in  anderen  Jahren  10 — ^12  Paare 
waren,  heuer  kaum  ein  Vogel  zu  hören  war;  Oberf.  Imhof  fand  selbst 
fünf  todte;  im  Achthal  24.  October  noch  bemerkt,  2  vereinzelte  so- 
gar 3.  November.  Erster  Gesang  Schussenr ied:  25.  Februar, 
Essendorf  und  Kisslegg:  5.  März.  W^eissenau:  auffallend 
spärlicher  Gesang;  Anfang  Mai  Junge  todt  gefunden.    Plochingen: 


—     159     — 

angekommen  26.  Februar.  Heilbronn:  11.  März  singend;  20.  April 
nistend  im  Friedhof;  brütet  8.  Juni  2^  m.  hoch  in  einer  Thuja, 
ebenso  17.  Mai,  wo  dann  2.  Juni  die  Jungen  ausflogen,  jedoch  noch 
so  flugunfähig,  dass  sie  nur  auf  dem  Boden  herumhüpften  und  leicht 
zu  fangen  gewesen  wären.  Creglingen:  singt  4.  April,  ebenso 
Teinach:  („in  Dur")  22.  März,  Simmersfeld:  T.März,  Pfalz- 
grafenweiler:   2.  März;    16.    Juni   im    „Taubenbuckel"  4  Junge. 

5o)   Turdus  merula  L.,  Schwarzdrossel. 

Warthausen:  singt  9.  März;  bei  Futternoth  und  tiefem 
Schnee  ist  14.  März  ein  Männchen  die  Schlosstreppe  herauf  in  das 
oberste  Stockwerk  gekommen;  nach  dem  Unwetter  26.  März  erst- 
mals wieder  singend  ;  Nest  im  Gartenwäldchen  auf  einem  Hollunder- 
stamm  25.  Mai ;  die  5  Eier  werden  bis  30.  Mai  gelegt ,  10.  Juni 
sind  3  St.  zerdrückt  und  das  Nest  ist,  wohl  von  einer  Haselmaus, 
angefressen.  Osterhofen:  singt  8.  März,  ebenso  Plochingen: 
laut  schlagend,  nachdem  schon  einige  Tage  früher  leise  gedichtet 
wurde.  Esslingen:  20.  Februar  allgemeiner  Gesang,  Stuttgart: 
25.  Februar.  Weilimdorf:  den  ganzen  Winter  hält  sich  die  Amsel 
in  nächster  Nähe  der  Fasaneriegebäude  auf,  von  Beeren  des  Sauer- 
dorns (Berberis  vulgayis  L.)  lebend;  hier  hat  sie  erst  28.  März  sehr 
laut  gesungen,  ebenso  noch  13.  December.  Heilbronn:  Gesang 
27.  Februar;  im  Fabrikhof  19.  April  ein  Nest  mit  Eiern  und  eben 
ausgekrochenen  Jungen  2  m.  hoch  auf  einem  an  die  Wand  gelehnten 
Balken;  20.  April  eines  mit  kleinen  Jungen  an  der  Mauler  des  Fried- 
hofs, ein  anderes  ebenda  in  einer  Thuja  in  Arbeit ;  27.  April  Nest  mit 
Jungen  auf  dem  Kopf  einer  an  einem  Grabmal  angebrachten  Figur; 
25.  Mai  ein  weiteres  Nest  mit  5  Eiern  im  Wald  auf  f  m.  hohem 
Baumstumpf;  desgl.  im  LiNK'schen  Garten  3  m.  hoch  auf  einem 
Birnbaum  8.  Juni  mit  5  Eiern.  Im  allgemeinen  flogen  die  ersten 
Jungen  Anfangs  Mai  aus  und  fand  die  zweite  Brut  vom  8.  Mai  an 
statt.  Pfalzgrafenweiler:  9.  März  singend,  9.  Mai  Nest  mit 
4  Eiern. 

Turdus  torquatus  L.,  Ringamsel,  wurde  20.  April  1886 
früh  5  U.  bei  den  Röthenbacher  Häusern  ein  Männchen  in  einem 
Baumgut  geschossen  (Wurm). 

54)  Hilf iciUa  tithys  Scop.,  Hausrothschwanz. 
Warthausen:  14.  März  beim  Nachwinter  in's  Schloss  gekom- 
men:  22.   April  im   Gewölbe    der   Burgbrücke    ausgebautes   Nest  in 
einer   Mauernische    (vergl.    Jahresh.   1884,    p.  319);    30.  d.  M.  sass 


L 


—     160     — 

das  Weibchen,  welches  Nest  und  Eier  mit  Excrementen  beschmutzt 
hatte  und  vöUig  abgezehrt  war,  todt  auf  den  5  Eiern !  15.  Mai  im 
Futterhaus  des  Damwilds  ein  Nest  mit  4  Eiern.  Osterhofen: 
singt  erstmals  2.  April;  6.  Juni  Junge  ausgeflogen,  16.  October  noch 
da.  Angekommen  Weissenau:  19.  März,  Kisslegg:  22.  März, 
Hummertsried:  27.  März  (Herter).  Wolfegg:  15.  October  laufen 
sie  Futter  suchend  auf  schneefreien  Stellen  umher  und  sind,  nach- 
dem dieser  geschmolzen  ist,  24.  October  (schöner  Tag  mit  Föhn) 
noch  da.  Plochingen:  Ankunft  23.  März,  ausgeflogene  Junge 
8.  Juni.  Esslingen :' die  Jungen  des  auf  Dr.  Salzmann's  Veranda 
nistenden  Paares  flogen  4.  Juni  und  13.  Juh  aus.  Leonberg: 
15.  März  angekommen.  Bietigheim:  Diese  und  die  folgende  Art 
brütet  jedes  Jahr  in  des  Berichterstatters  Holzstall  und  im  Gehäuse 
des  Pumpbrunnens.  Heilbronn:  Ankunft  24.  März;  baut  19.  April 
unter  einen  Fabrikschuppen,  29.  April  2,  2.  Mai  5  Eier,  Junge 
7.  Mai,  die  2.  Juni  ausflogen ;  die  zweite  Brut,  deren  Junge  7.  Juli 
fast  flügge  waren,  befand  sich  in  nächster  Nähe.  Creglingen: 
3.  April  1  St.  in  einer  Feldscheune ,  5.  Mai  ausgeschlüpfte  Junge. 
T  ei  nach:  26.  März  2  St.  angekommen,  Simmersfeld:  29.  März 
3  St.,  Pfalzgrafenweiler:  30.  März.  Am  Zavelsteiner  Berg  hat 
Dr.  Wurm  31.  Mai  einen  Albino  von  der  Farbe  eines  gelblichweissen 
Canarienvogels  mit  fleischfarbenem  Schnabel  beobachtet,  weiss  aber 
nicht  sicher  anzugeben ,  zu  welcher  der  beiden  dort  vorkommenden 
Arten  er  gehörte. 

55)  Rtiticilla  plioe n  l c u r u s  Brhm.  L.,  Feldrothschwanz. 
Warthausen:  18.  und  22.  April  1  St.  im  Ried,  ein  anderes 

15.  Mai  hart  am  Schloss  auf  einem  Vogelbeerbaum.  Osterhofen: 
30.  April  2  Weibchen  in  einer  niederen  Cultur.     Weissenau:   erst 

16.  April  eingetroffen  und  nachher  nicht  mehr  gesehen.  Plochingen: 
Ankunft  in  Mehrzahl  7.  April,  Esslingen:  2.  April.  Weilimdorf: 
angekommen  13.  April  in  der  Fasanerie ,  baut  7.  Mai  in  einen 
Staarenklotz,  die  6  blaugrünen  Eier  wurden  aber  —  wohl  von  einem 
Wiesel  —  ausgenommen.  Heilbronn:  17.  April  im  LiNK'schen 
Garten;  21.  April  in  einem  Nistkasten  auf  dem  Friedhof,  30.  Mai 
die  Jungen  fütternd ;  24.  und  29.  Mai  je  in  einer  hohlen  Weide  kleine 
Junge,     Creglingen:  3.  April  1  St.  bei  Oberrimbach. 

56)  Erythacus  ruhecula  Cuv.  L.,  Rothkehlchen. 
Warthausen:  14.  Mai  1  St.  in's  Schloss  geflogen;  12.  März 
Nest  mit  6  Eiern  in  einer  Erdhöhlung  an  einem  Abhang  des  „Wind- 


—     161      - 

berg"  {23.  d.  M.  verlassen);  6.  Juni  werden  ausgeflogene  Junge  im 
Garten  gefüttert.  Osterliofen:  16.  März  beim  Schnee  im  Spritzen- 
haus gefangen :  singt  9.  April  sehr  zahlreich ;  eine  Varietät,  bei  der 
die  ersten  3 — 4  Schwingen  und  die  Federn  unter  dem  Schwanz 
weiss  sind,  wird  im  Käfig  gehalten.  Wolfegg:  ,, Rothkröpf le",  1.  April 
2  St.,  das  eine  singend;  15.  October  und  3.  November  an  schnee- 
freien Stellen  Insecten  suchend.  Hummertsried:  noch  23.  Novem- 
ber ein  Paar  auf  einem  Obstbaum  (Herter).  Schussenried: 
15.  Februar  ( — 11°  Cels.,  19  cm.  Schneehöhe)  2  St.  gesehen;  singt 
29.  März.  Erbach:  15.  März  mehrere.  Plochingen:  angekommen 
13.  März  bei  kaltem  Nordost.  Esslingen:  erst  6.  April  bemerkt, 
in  Abnahme  und  noch  nie  so  spät  eingetroffen.  Weilimdorf:  erst- 
mals 12.  März  gesehen,  Tags  darauf  mehrere:  der  Schnee  fand  die 
hungrig  herum  hüpfenden  recht  widerwillig  zur  Umkehr;  nach  dem 
21.  März  eingetretenen  Thauwetter  kehrten  sie  26.  d.  M.  zurück 
und  sangen  dann  von  Anfang  April  an  fortwährend :  ein  Nest  in 
einem  Grasbusch  enthielt  20.  Mai  7  Eier.  Bietigheim:  überwinternd 
in  einzelnen  Exemplaren,  die  sich  an  aufgethauten  Rainen  kümmer- 
lich ernähren  und  bei  strenger  Kälte  zu  Grunde  gehen.  Heilbronn: 
13.  März  im  Schnee:  23.  April  im  Friedhof  3  m.  hoch  in  einer 
hohlen  Rosskastanie  bauend,  die  Brut  ist  durchgekommen.  Creg- 
1  in  gen:  Rothkehlchen  singen  4.  April  bei  Klingen  und  Crainthal 
a.  Tauber  und  sind  noch  in  der  letzten  Octoberwoche  sichtbar.  Tein- 
ach:  angekommen  13.  März:  21.  November  1  St.  noch  da;  am 
Küchenausguss  des  Badhotels  wurden  2  Mal  überwinternde  Paare 
beobachtet,  manchmal  kommen  sie  mit  Spatzen  und  Meisen  an  die 
Futterschüssel  der  Hunde.  Pfalzgrafen  weiler:  angekommen  14.  Fe- 
bruar.    Simmersfeld:  singt  3.  März. 

57)  Luscinia  minor  Ch.  L.  Brhm.,  Nachtigal*. 
Cann statt:  angekommen  29.  April  Abends  beim  Cursaal 
(Zeitungsnotiz).  Weilimdorf:  8.  Mai,  Nachts  1|  ü.  und  später 
noch  öfter  nächst  dem  Friedhof  schlagend.  Bietigheim,  Gross- 
sachsenheim, Markgröningen  aufgeführt;  schlägt  auch  zwischen 
Der  dingen  und  Sternenfels  oft  Tags  nahe  der  Landstrasse, 
während  die  in  Gärten  lebenden  als  Nachtschläger  bezeichnet  sind. 
Heilbronn:  im  Jahre  1886  hatte  im  alten  Friedhof  nur  ein  Paar 
genistet,  das  in  einem  Stechlaubbusch  4  Junge  grosszog  und  dessen 


*  Richtiger  als  Nachtigall;   es  kommt  vom  scandinavischen  gala  (singen); 
auch  englisch  nightingale. 

.Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  11 


—     162     — 

zweite  Brut  unten  auf  einer  Tanne  im  Juli  mit  3  noch  nackten 
Vögeln  vom  Raubzeug  geholt  wurde.  Hier  stellten  sich  diesmal  zwei 
Paare  in  den  ersten  Maitagen  ein.  Das  eine  baute  8.  Mai  in  eine 
Epheuwand  1|  m.  hoch,  brütete  17.  und  25.  d.  M.  auf  5  Eiern, 
fütterte  2.  Juni  (5,  d.  M.  ein  Junges  todt  im  Nest)  die  Jungen, 
welche  8.  Juni  bereits  gut  befiedert  waren  und  Mitte  des  Monats 
ausflogen;  eine  zweite  Brut  konnte  nicht  constatirt  werden.  Das 
andere    Paar    hatte    27.    Mai    am    Boden    in    einer    dichten    Thuja 

3  nackte  Junge,  welche  bei  plötzlichem  Gewitterregen  sorgfältig  von 
den  Alten  gedeckt  wurden,  2.  Juni  halbflügge  waren  und  8.  Juni 
ausflogen.  Ein  zweites  Nest  dieses  Paares,  25  Schritte  vom  ersten 
Nistplatze  entfernt,  war  27.  Juni  auf  die  untere  Stufe  eines  Grab- 
denkmals gebaut,  enthielt  4  Eier  und  war  hart  am  Weg6  so  wenig 
verborgen,  dass  nachgeholfen  werden  musste;  hier  sind  die  Jungen 
7.  Juli  ausgeflogen.  Am  Trappensee,  von  wo  im  vorjährigen  Bericht 
ebenfalls  ein  Nistplatz  angegeben  ist,  und  damals  3  Junge  durch- 
gekommen sein  sollen,  war  heuer  keine  Brut,  doch  hat  Bericht- 
erstatter 4.  Juni  und  später  am  Neckarufer  oberhalb  der  Stadt  und 
22,  Mai  bei  Neckargar tach  Nachtigallenschlag  gehört.  Greg- 
lingen:  im  Taubergebiet  liessen  sie  sich,  obgleich  sie  schon  länger 
da  waren,  erst  Ende  Mai  zu  ordentlichem  Gesänge  herbei. 

Nachträglich  wird  mitgetheilt,  dass  bei  Osterhofen  vor  etwa 

4  Jahren  zwei  Nachtigallen  gefangen  worden  seien,  deren  eine  (?) 
ein  Sprosser  {L.  phüomela  Briss.   Bechst.)  gewesen  sein  soll. 

58)  Pratincola  rubicola  Ken.  L.,  Schwarzkehlchen. 
Warthausen:    12.   April  Weibchen    im  Ried   erstmals    sicher 
und  ganz  in  der  Nähe  beobachtet  (E.  Kg.-W.). 

59)  Pratincola  ruhetra  Ken.  L.,  Braunkehlchen. 
Warthausen:    ein  Männchen  entreisst  am  Bahnhof  21.  Mai 

einem  Hausrothschwanz  seinen  eben  gefangenen  Schmetterling;  ebenda 
1.  Juni;  25,  August  8 — 10  St.  bei  Laupheim  beieinander,  29. 
August  sehr  viele  bei  Biberach  auf  Sturzäckern.  Osterhofen: 
22.  April  erstmals  singend.  Plochingen:  angekommen  14.  April 
bei  rauhem  Nordwest. 

60)  Accentor  modularis  Bechst.  L.,  Braunelle. 
Warthausen:    13.   und   18.    März   am   Futterbrett.      Oster- 
hofen: 20.  April  im  Wald  „ Brunnenadern "  singend.     H  e  i  1  b  r  o  n  n : 
verflog    sich    18.  März    des    hohen  Schnees    wegen   in  die  LiNK'sche 


—     163     — 

Schreinerwerkstätte ;  3.  Mai  im  Epheu  der  Friedhofmauer  1  m.  hoch 
ein  Nest  mit  4,  Tags  darauf  5  Eiern;  ein  weiteres  Nest  21.  Mai  in 
einer  Mauerspalte  mit  6  Eiern,  Junge  2.  Juni. 

61)  Sylvia  hortensis  Lath.,  Gartengrasmücke. 
Warthausen:  4.  Mai  1  St.  im  Garten.  Kissl  egg :  22.  April 
singt  die  „Zaungrasmücke".  Wolf  egg:  alle  Grasmücken  kamen 
erst  Ende  Mai  an  und  brüteten  von  da  ab  in  Gärten  und  Anlagen 
ziemlich  häufig.  Creglingen:  häufig;  singt  15.  Mai,  doch  konnte 
die  Zeit  der  Ankunft  nicht  genau  bestimmt  werden,  da  sie  sich  der 
Kälte  wegen  Anfangs  und  Mitte  Mai  still  verhielten;  ein  Paar  hat 
in  Dr.  Ludwig's  Garten  in  Gaisblatt  gebrütet. 

62)  Sylvia  atricapilla  Lath.,  Schwarzkopf. 
Warthausen:  Ankunft  22.  April;  29.  April  fünf  singende 
Männchen  beieinander,  überhaupt  heuer  sehr  zahlreich ;  baut  13.  Mai 
in  einem  Jasminbusch  im  „Bogengang",  18.  Mai  Nest  in  einem  Jo- 
hannisbeerbusch des  oberen  Gartens  mit  4  Eiern,  welches  26.  Mai 
5  Eier,  6.  Juni  Junge  enthält  und  13.  Juni  leer  ist;  21.  Mai  im 
Gartenwäldchen  in  Jasmin  bauend;  11.  Juni  flügge  Junge  im  Garten,; 

30.  September  noch  da;  ein  14.  September  flügellahm  aufgelesenes 
heariges  Weibchen  lebt  seither  selten  zahm  im  Käfig.  Osterhofen: 
singt  erstmals  9.  April.  Wolf  egg:  im  Wald  25.  April  erstmals 
gehört,  sehr  häufig  und  den  diesjährigen  Mangel  an  anderen  Sängern 
einigermassen  ersetzend.  Kissle'gg:  singt  29.  April,  ebenso  Schus- 
senried:  11.  Mai  und  Weissenau:  12.  April,  wo  ein  Paar  in 
des  Beobachters  Hausgarten  gebrütet  hat.  Erb  ach:  13.  April 
mehrere  angekommen.  Plochingen:  Ankunft  21.  April.  Ess- 
lingen: 22.  April  (etwas  später  als  gewöhnlich).  Weilimdorf: 
singt  erstmals  13.  April;  wenn  am  Wohnhaus  der  dortigen  Fasanerie 
13.  December  (!)  ein  hungerndes  Weibchen  herumirrte,  so  kann  es 
sich,  da  etwa  in  Frage  kommende  Meisen  schwarzköpfig  sind,  jene 
Weibchen  aber  braunrothe  Scheitel  haben,  kaum  um  einen  Beob- 
achtungsirrthum ,  sondern  wohl  nur  um  einen  Stubenflüchtling  han- 
deln. Heilbronn:  6.  April  im  LiNK'schen  Garten  singend;  baut 
8.  Mai  1  m.  hoch  in  einer  Thuja  des  Friedhofs,  brütet  dort  17.  Mai 
und  hat  30.  Mai  Junge,  die  8.  Juni  ausflogen;  brütet  21.  Mai  in 
einem  Garten  und  hat  4.  Juni  4  vier  Tage  später  ausfliegende  Junge; 

31.  Juni  werden  halbflügge  Junge  gefüttert.  Creglingen:  erster 
Gesang  15.  Mai.  Teinach:  nach  Abstellung  des  Vogelfangs  und 
Einschränkung    der    Katzen    scheint    diese  Art   sich    wesentlich  ver- 

11* 


r 


—     164     — 

mehrt  zu  haben:  hier  erstes  Smgen  25.  April,  ebensolches  Pfalz- 
grafenweiler: 29.  April,  Simmersf eld:  2.  Mai. 

63)  Sylvia  curruca  Latil,  Klappergrasmücke. 
Warthausen:  28.  Mai  Nest  in  einer  kleinen  dichten  Thuja, 
wo  die  Jungen  10.  Juni  ausflogen;  8.  Juli  ein  weiteres  Nest  über 
mannshoch  in  einem  Jasminbusch  hinter  dem  „Tempel"  mit  Jungen. 
Eybach  (Geislingen):  30.  Juli  Nest  mit  Jungen  in  einem  Rosen- 
baum des  Schlossgartens.  Ankunft  Plochingen:  21.  April,  Ess- 
lingen: 23.  April  (sonst  16.  —  22.  April).  Creglingen:  singt 
21,  April:  10.  Juni  Nest  mit  4  Eiern  in  einem  Stachelbeerbusch. 

64)  Phyllop neuste  sihilafr ix  Bechst..  Waldlaubsänger. 

Plochingen:  25.  April  Paarungsruf  vielfach  gehört.  Creg- 
lingen: im  tiefen  düsteren  Wald ,  während  der  nachfolgende 
hier  im  lichten  Wald,  nahe  am  Rand  „im  Bockstall"  jedes  Jahr  vor- 
kommt: hienach  wäre  die  vorjährige  Notiz  zu  berichtigen. 

Bei  Bietigheim  kommen  „alle  drei  Arten"  in  Wald  und  Ge- 
büsch vor,  namentlich  in  der  „Nähe  von  Altwassern  und  mit  Röhrig 
und  Weiden  bestandenen  Tümpeln". 

65)  Fhyllopneuste  trochilus  M.  L..  Fitislaubsänger. 

Wolf  egg:  9.  April  die  beiden  ersten  ,,Wittiche",  das  Männ- 
chen singend,  beobachtet.  Kisslegg:  22.  April  singend.  Plo- 
chingen: Ankunft  4. — 7.  April  bei  warmem  Ostwind.  Leonberg: 
Mitte  October  im  Garten  gefangen. 

66)  Phyllopnr liste  rufa  M.  Lath.,  Weidenlaubsänger. 
Wart  hausen:  singt  erstmals  31.  März;  23.  April  im  üblichen 

Sevenstrauch  (vergl.  frühere  Jahre)  beinahe  ausgebautes  Nest,  welches 
30.  April  die  beiden  ersten  Eier,  25.  Mai  grosse  Junge  enthielt,  die 

30.  d.  M.  bereits  ausgeflogen  waren.  Osterhofen:  seit  Anfang 
April  in  den  Waldungen  singend,  18.  April  im  Ried  zwischen  Wald- 
see und  Reute  bei  rauhem  Wetter.  Kisslegg:  der  ,, kleine  Laub- 
vogel"  sang  seit  2.  April  und  brütet  überall  in  den  Wäldern. 

Heilbronn:  10.  April  singend:  27.  Mai  im  Epheu  eines 
Grabs  Nest  mit  Jungen,  die  1.  Juni  ausgeflogen  waren;  2.  Juni 
Nest  mit  kleinen,  8.  d.  M.  ausfliegenden  Jungen;  27.  Juni  ein  solches 
mit  6  Eiern,  gleich  den  vorhergehenden  auf  dem  Friedhof  im  Epheu, 
ferner  auf  einer  Thuja  |  m.  hoch  am  gleichen  Tage  leeres  Nest, 
7.  Juli  daselbst  4  Eier,  ebenso  11.  Juli  3  Eier,  24.  Juli  nackte  und 

31.  Juli  beinahe  flügge  Junge. 


—     165     — 

Diese  Heilbronner  Notizen  sind  zwar  unter  dem  Namen  des 
Fitis  eingelaufen ,  allein  ich  beziehe  sie  unbedingt  hieher.  Der 
Weidenlaubvogel  oder  Gartenlaubsänger  ist  die  häufigste  Art.  nistet 
vorzugsweise  gern  in  Anlagen  und  ist  bei  Heilbronn  gemein  :  wenigstens 
habe  ich  gerade  von  dort  nie  andere  als  diese  Eier  (durch  f  Dr. 
Bruckmann)  gesehen.  Wenn  man  sie  nicht  in  der  Hand  hat,  sind 
unsere  Laubvögel  nicht  so  leicht  sicher  zu  erkennen,  die  Eier  geben 
aber  unbedingten  Aufschluss.  P//.  sihilafrix  hat  auf  dem  weiss- 
lichen  Grund  dunkelgrauviolette,  feinere  meist  ziemlich  dichte 
Zeichnung,  Ph.  trochUus  ebensolche  hell-lehmröthliche,  während 
bei  den  meist  sehr  runden  Eiern  der  Ph.  ritfa  die  dunkelrothen  und 
purpurbraunen,  gerundeten  Flecken,  ähnlich  wie  bei  Rauchschwalben- 
eiern, ohne  jede  Marmorirung  scharf  markirt  und  recht  vereinzelt 
stehen. 

67)  Hijpolais  i  et  er  Ina  Vieill.,  Bastardnachtigal. 
Warthausen:  erstmals  singend  13.  Mai.  Essendorf:  der 
Spottvogel  ist  seit  7.  Mai  da  und  findet  sich  auch  regelmässig  in 
den  Gärten  der  benachbarten  Ortschaften  Hochdorf,  Schweinhausen 
und  Winterstetten  (Waldsee)  vor.  Plochingen:  Ankunft  7.  Mai 
(Südwest,  gewitterig).  Heilbronn:  8.  Juni  wunderschönes,  aus 
Papierschnitzeln,  die  von  Todtenkränzen  herrührten,  verfertigtes  Nest 
mit  4  Eiern  2  m.  hoch  auf  einer  Thuja  im  Friedhof,  zerstört  Mitte  d.  M. 

68)  Calamoherpe  arundinacea  Boie  Gm.,  Teichrohrsänger. 
Warthausen:  18.  April  ein  Paar  im  Ried.  Waldsee: 
18.  Juli  wurden  im  Schilf  und  Weidengebüsch  des  Schloss-Sees 
Junge  geäzt  (ünger).  Schusse nried:  brütet  im  Schilfrohr  des 
Olzreuter  Sees.  In  den  Ziegelweihern  zwischen  Weissenau  und 
Ravensburg,  zeitweise  auch  am  Fabrikcanal  wurde  im  Juni  etwa 
14  Tage  lang  der  überaus  liebliche  Gesang  von  Rohrsängern  bis 
11  und  12  U.  Nachts  gehört.  Plochingen:  Ankunft  7.  Mai. 
Heilbronn:  29.  Mai  im  Altwasser  mehrere  Nester  theils  angefangen, 
theils  eben  fertig  und  später ,  wohl  weil  inzwischen  das  Rohr  stark 
gewachsen  war ,  verlassen ;  7.  Juni  war  wegen  starker  Gewitter 
üeberschwemmung,  wobei  einige  Nester  mit  1  — 4  Eiern  unter  Wasser 
geriethen ;  2  Nester  waren  aber  3  m.  hoch  auf  Weidenbäumen,  eines 
mit  4  Eiern  war  wenig  über  dem  Wasserspiegel  des  Altwassers  an 
zwei  Erlenzweigchen  befestigt;  12.  Juli  enthielten  dort  mehrere 
Nester  2 — 4  Eier,  eines  3  kleine  Junge  und  7.  August  waren  je 
3  solche  in  2  Nestern  schon  befiedert;  5.  Juni  zeigten  sich  Vögel 
im  Rohr  des  Böckinger  Sees. 


—     166     — 

69)   Ccdamohcrpe  palustris  Boie  Bechst.,  Sumpfrolirsänger. 

Plochingen:    16.  Juni   erstmals   gehört  und  auch   gesehen. 

Anm.  Der  Drosselrohrsänger,  Calamoherpe  turdo- 
ides  Mey.  —  vergl.  vorj.  Ber.  N.  67  —  konnte  bei  Heilbronn  in 
diesem  Jahre  nicht  bestätigt  werden ;  trotz  viermaligen  Suchens  fand 
Link  weder  das  Nest  noch  sah  er  mit  Bestimmtheit  den  Vogel. 

70)  Motacilla  alba  L.,  Weisse  Bachstelze. 
Warthausen:  Ankunft  22.  Februar,  5.  März  ein  Paar  auf 
dem  Schloss  lockend,  14.  März  im  Unwetter  das  Männchen  wohl 
dieses  Paars  innerhalb  vom  Schloss  gefangen  und  verpflegt ;  12.  Juni 
f^nggQ  Junge,  30."  September  noch  allgemein  da,  1.  December  noch 
ein  Stück.  Osterhofen:  6.  März  bei  Hittelkofen  beobachtet. 
Wolf  egg:  15.  October  in  den  Feldern  mehrere  Flüge  von  5 — 12  St. 
auf  dem  Abstrich.  Kisslegg:  Ankunft  4.  März;  hier  erfroren  viele 
13. — 19.  März.  Weissenau:  angekommen  21. — 23.  Februar,  mehr- 
fach nistend.  Schussenried:  Ankunft  der  ersten  2.  März. 
Ochsen  hausen:  8.  März.  Erb  ach:  erste  Bachstelze  12.  Januar, 
mehrere  3.  März.  Plochingen:  Ankunft  26.  Februar,  allgemeiner 
Gesang  2.  März.  Esslingen:  22.  März  erstmals  beobachtet. 
Cann statt:  in  der  „Wilhelma"  25.  Februar  angekommen,  desgl. 
Weilimdorf:  1.  März;  nach  dem  Schneefall  Mitte  d.  M.  kamen 
sie  erst  22.  März  wieder  in  die  Fasanerie,  wo  sie  dreimal  nisteten; 
24.  Mai  wurde  von  den  Brieftauben  ein  Nest  mit  5  stoppelfedrigen 
Jungen  heruntergeworfen.  Tübingen:  4.  März  6  St.  auf  der 
Schlittschuhbahn.  Heilbronn:  10.  März  singend;  tags  darauf 
wurde  beim  Oeffnen  eines  Ofenlochs  eine  durch  den  Kamin  herab- 
gefallene geschwärzte  Bachstelze  befreit ;  23.  Juni  unter  dem  Dach- 
giebel eines  Fabrikgebäudes  lebhaft  fütternd,  wo  3  Tage  später  die 
Jungen  ausflogen ;  26.  Juni  Nest  mit  5  Eiern  an  einem  Wasser- 
thurm ;  10.  Juli  auf  dem  Wartberg  Junge  im  Nest  fütternd.  Creg- 
lingen:  1  St.  27.  Februar  bei  Schirmbach,  20.  November  noch 
mehrere  an  der  Tauber.  Künzelsau:  angekommen  18.  Februar. 
T  6  in  ach:  25.  März  in  Dr.  Wurm's  Garten;  sie  kommen  gleich 
Staaren  und  Schwalben  in  den  Orten  der  Höhe  stets  früher  an  als 
im  Thal.  Pfalzgrafenweiler:  11.  Februar  angekommen,  desgl. 
Simmersfeld:  11.  März  und  hier  gepaart  29.  d.  M. 

71)  Motacilla  boarula  Penn.,  Gebirgsbachstelze. 
Warthausen:  angekommen  8.  Februar.    Ost  erhofen  :  zieht 
noch    spät  im  November  durch.     Weissenau:    21.  Februar  einge- 


—     167     — 

troffen ;  häufig  auf  den  Schafen  der  dortigen  Heerde  und  gemein 
auf  dem  ständig  beweideten  Exercierplatz  von  Weingarten.  Ess- 
lingen: erst  13.  Mai  beobachtet.  Tübingen:  so  gemein  wie  die 
vorige  Art;  20.  Juni  6  St.  am  Neckar.  Bietigheim:  einzelne 
Exemplare  überwintern  regelmässig.  Heilbronn:  11.  März  am 
Neckar  fliegend,  21.  Mäi'z  mehrere  („Petrolsee") ;  baut  24.  April  zu 
Neckargartach  in  Gestrüpp  an  der  Mauer  neben  der  Brücke 
2  m.  über  einem  Bach  und  hat  6.  Juni  7  Eier.  Creglingen: 
nistet  in  der  Nähe  von  Mühlen  jedes  Jahr  nicht  selten.  T  ein  ach: 
einige  überwintern  stets.  Simmersfeld:  angekommen  2.  März,  ge- 
paart 5.  April. 

72)  Antlius  'pratensis  Bechst.,  Wiesenpieper. 
Hat  sich  bei  Schneegestöber  und  Futternoth  nach  Schloss 
Wart  hausen  verirrt!  1  St.  wurde  13.  März  im  Hausgang  ge- 
fangen und  bis  24.  d.  M.  beherbergt;  16.  und  20.  März  kamen 
je  ein  anderes  Exemplar  in  die  im  Schlosshof  errichtete  grosse 
Fütterungsbude. 

73)  Änthics  arhoreus  Bechst.,  Baumpieper. 
Warthausen:  23.  Mai  Nest  mit  4  Eiern  an  sonniger  Berg- 
halde bei  der  Sandgrube  am  ,, Windberg".  Osterhofen:  23.  April 
in  den  freien  Waldschlägen  ob  den  ,, Brunnenadern"  im  Niederlassen 
auf  einer  Tannenspitze  singend;  heisst  hier  ,, Spitzlerche".  Plo- 
chingen: Ankunft  21.  April  bei  warmem  Südwestwind.  Creg- 
lingen: singt  9.  April;  nicht  selten. 

74)  AI  au  da  arvensis  L.,  Feldlerche. 
Warthausen:  9.  Februar  die  ersten  im  Rissthal,  23.  Februar 
dort  und  auf  der  Höhe;  17.  Juli  flügge  Junge  auf  dem  Feld; 
24.  Februar  ein  Flug  bei  Laupheim.  Osterhofen:  Ankunft 
28.  Februar  bei  Westwind ,  vereinzelter  Gesang  30.  März ;  von 
dortigen  Vogelliebhabern  wurden  in  der  Schneezeit  des  März  viele 
gefangen,  gefüttert  und  nach  Eintritt  des  Thauiwetters  wieder  frei- 
gelassen. Wolf  egg:  25.  Februar  ein  Flug.  Kisslegg:  Ankunft 
26.  Februar,  singen  2.  März  ;  13.— 19.  März  viele  erfroren.  Weiss enau: 
erster  Gesang  4.  Februar,  allgemein  25.  Februar.  Schussenried: 
Ankunft  22.  Februar  (prachtvoller  Wintertag),  Gesang  2.  März. 
Essendorf:  ebenfalls  2.  März  erstmals  singen  gehört.  Ochsen- 
liausen:  4.  März  singend.  Erbach:  erste  Lerche  23.  Februar, 
mehrere    1.    März.     Plochingen:    Ankunft  9.  Februar  bei  kaltem 


—     168     — 

Nordost,  25.  Februar  erster  Gesang.  Metzingen:  B.  März  eine 
vereinzelte  Lerche.  Esslingen:  Gesang  erstmals  gehört  7.  x\pril. 
Weilimdorf:  28.  Februar  erster  Flug,  vereinzelt  schon  singend, 
ziehen  auf  den  Schneefall  von  Mitte  März  wieder  fort  und  kehren 
erst  23.  d.  M.  zurück.  Bietigheim:  ein  überall  gern  gesehener 
Feldvogel,  der  aber  auch  unter  dem  Pseudonym  „Waldlerche "  in 
Feldhölzern  brütet.  Oberf.  Fribolin  hat  in  früheren  Tagen  noch 
mitgeholfen,  sie  in  „Lerchenwänden",  auf  welche  Abends  zugetrieben 
wurde ,  als  Jagdbeute  und  beliebte  Speise  zu  Hunderten  zu  fangen 
bei  Pheningen,  Echterdingen,  Neuenstatt  a.  d.  Linde.  Heilbronn: 
angekommen  24.  Februar.  Creglingen:  die  Lerchen  sind 
27.  Februar  da  und  singen  7.  März  in  grösserer  Anzahl  auf  der 
Reinsbronner  Höhe.  Pfalzgrafenw eiler:  2.  März  angekommen, 
15,  October  noch  da. 

75)  AI  an  da  arhorea  L.,  Haidelerche. 
Warthausen:  16.  März  6  St.  auf  dem  Futterbrett 'vor  dem 
Schloss;  eine  derselben  blieb  auf  einer  schneebefreiten  Stelle  des 
Wegs  ganz  zahm  sitzen .  so  dass  sie  mit  der  Hand  hätte  gefangen 
werden  können  und  kam  auch  die  beiden  nächsten  Tage  allein  wieder. 
Kisslegg:  5.  März  singend.  Weissen  au:  ..verbreitet":  12.  April 
mit  dem  Gesang  beginnend.  Creglingen:  seit  9.  April  hört  man 
bis  in  die  Stadt  hinein  die  Haidelerchen  von  den  nahen  Hängen 
singen.  —  Es  ist  hier,  natürlich  ohne  jede  Beziehung  zu  dem  An- 
geführten ,  vor  der  so  häufigen  Verwechslung  der  Älmida  arhorea 
mit  Anthus  arhoretts  zu  warnen,  da  im  Volksmund  beide  ,, Baum- 
oder Waldlerchen"  sind. 

76)  Galerita  er  ist  ata  Boie  L.,  Haubenlerche. 
Ravensburg:  seit  Beginn  des  Winters  am  Bahnhof  und  der 
Strasse  nach  Weingarten  in  kleiner  Anzahl.  Stuttgart:  19.  März 
beim  späten  Schnee  (und  auch  vorher!)  in  den  Strassen.  Bietig- 
heim: früher  selten,  ist  sie  den  Eisenbahnbauten  nachgezogen,  weil 
sie  sterile ,  steinige  Örtlichkeiten  bevorzugt  und  hat  sich  auch  seit- 
lich an  den  Bahnlinien ,  an  denen  sie  jetzt  häufig  ist ,  verbreitet. 
Heilbronn:  erster  Gesang  24.  Februar,  nistet  überall,  besonders 
beim  Bahnhof  und  überwintert. 

77)  Emt)eri2a  {Gyncliramus  Bp.)  miliar  ia  L.,  Grauammer. 
Plochingen:  13.  März  bei  Schnee  und  kaltem  Nordwest  an- 
gekommen,   lässt  trotz  des   Unwetters,  unter  dem  die  ganze  übrige 
Vogelwelt  schwer  leidet,  ihren  Gesang  hören. 


169 


78)  Emlirr  izd  citrhirlla  L.,  Goldammer. 
Warthausen:  21.  Februar  erstmals  einer  singend,  ebenso 
16.  März  mehrere  bei  tiefem  Schnee  am  Futterplatz ;  7.  Mai  Nest  mit 
3  Eiern  in  der  Buchenhecke  am  Annenweiher:  25.  Mai  ein  solches 
in  der  Buchenhecke  am  „Bogengang"  mit  1  Ei,  16.  Juni  4  bebr. 
Eier  enthaltend;  1.  Juni  Nest  im  Ried.  Singt  Osterhofen:  2.  März, 
Weissen  au:  vom  12.  März  an  (sonst  weit  früher),  Plochingen: 
erstmals  21.  Februar,  allgemein  1.  März,  Esslingen:  12.  März. 
Weilimdorf:  vom  15.  Februar  an  namentlich  Abends  singend: 
schon  26.  Februar  hielten  sie  sich  paarweise  und  trugen  24.  April 
das  erste  Nistmaterial:  während  des  Schnees  Mitte  März  schaarten  sie 
sich  wieder  zusammen  und  erneuten  Gesang  und  Wiedervereinigung 
erst  vom  20.  März  an:  verschiedene  Nester  mit  je  2 — 3,  später 
5  Eiern  wurden  7.  und  S.Mai  gefunden.  Heilbronn:  27.  Februar 
singend;  28.  Mai  2  verlassene  Nester  mit  1  und  5  Eiern,  30.  Mai 
ausgeflogene  Junge :  24.  Juli  ein  Nest  mit  noch  nackten  Jungen. 
T  ei  nach:  häufig  auf  den  Höhen,  fehlend  im  Thal. 

79)  Em  her  i  z  a  iSclioenicoJa  Bp.)  6'  choe  n  iclus  L. ,  Rohrammer. 
„Rohrspatz."  Warthausen:  4.  April  50—100  St.,  12.  April 
ein  grösserer  Flug,  18.  April  ein  einzelnes  Stück  im  Ried  (Röhr- 
wangen-Langenschemmern).  An  der  Landstrasse  Leutkirch-Mem- 
mingen  zwischen  Niederhofen  und  Lauben  15.  April  am  Weiden- 
gebüsch der  Nibel  auf  10  Schritte  beobachtet  (ünger).  Über  die 
Fortpflanzung  in  Oberschwaben  habe  ich  aus  früheren  Jahren  notirt: 
11.  Mai  1851  5  Eier  am  Ufer  der  Riss  bei  Warthausen:  5.  Juni 
1876  hochbebrütetes  Gelege  von  5  Eiern  von  Mengen  (Simon): 
21.  Juni  1877  leeres  Nest  im  Röhricht  des  Altweihers  bei  Alts- 
hausen: 20.  Mai  1881  5  frische  Eier  von  Mund  er kingen  a.  Do- 
nau (Grellet). 

80)  Loxia  curcirostra  L.,  Fichtenkreuzschnabel. 
Osterhofen:  12.  Januar  bei  hohem  Schnee  und  strenger 
Kälte  aber  prachtvollem  Sonnenschein  8 — 10  St.  im  Hochwald  „Kuh- 
reute" (700  m.)  lockend,  theilweise  singend  und  Futter  suchend: 
9.  März  ein  rothes  Männchen  unmittelbar  beim  Schulhaus  auf  einem 
Kirschenbaum ;  den  ganzen  Sommer  über  gehört.  S  c  h  u  s  s  e  n  r  i  e  d : 
8.  Mai  1  St.  mit  Leimruthen  gefangen.  Weissen  au:  heuer  ganz 
selten,  auch  keine  Brut  beobachtet.  T  ein  ach:  zahlreiche  Reste  ihres 
Mahls  fanden  sich  zeitweise  bei  Röthenbach  (Calw) ;  nach  Dr.  Wurm 


—     170     — 

kommen  beide  Arten  {L.  curvirostra  L.  und  L.  pity opsittacus 
Bechst.)  vor.  Bei  Bietigheim  hat  Oberf.  Fribolin  den  Kreuzschnabel 
niemals  bemerkt,  obgleich  der  Schwarzwald  nicht  zu  ferne  ist  und 
Fichten  genügend  vorhanden  wären,  dagegen  hat  er  einst  bei  Stuttgart 
in  seinem  Garten  vor  dem  Esslinger  Thor  an  einigen  Fichten  kleine 
Flüge  (grüne  und  rothe  Vögel)    als    regelmässige  Gäste    beobachtet. 

81)  Goccothr allstes  vulgaris  Fall.,  Kirschkernbeisser. 
Warthausen:  7.  August  sehr  zahlreich  auf  den  Trauben- 
kirschenbäumen des  Schlossgartens.  Bietigheim:  2  Paare  sind 
regelmässige  Gäste  auf  einem  Weichselkirschenbaum  hart  an  der 
Wohnung  des  Beobachters;  ist  der  Baum  geleert,  so  geht's  gleich 
weiter.  Heilbronn:  im  Januar  und  Februar  am  Futterplatz ; 
19.  Mai  4  m.  hoch  auf  dünner  Buche  ein  Nest  mit  4  stark  bebrü- 
teten Eiern;  der  flache  Bau  bestand  aus  einer  Unterlage  abgebissener 
gröberer  Zweigchen ,  von  denen  auch  viele  unten  am  Stamm  auf 
dem  Boden  lagen,  und  oberhalb  aus  feinen  Wurzeln.  Teinach: 
ein  Männchen  auf  dem  Futterbrette  1.  und  2,  Januar  1886,  14., 
15.  März  und  30.  December  1887. 

82)  Pyrrhula  ruhicilla  Fall.,  Gimpel. 
Warthausen:  vom  28.  August  an  erschien  plötzlich  eine 
grössere  Anzahl  im  Schlossgarten.  W  e  i  s  s  e  n  a  u :  im  Herbst  des 
Samens  wegen  durch  Hainbuchen  und  Wachholderbüsche  schlüpfend, 
heuer  nicht  häufig.  Weilimdorf:  nur  einzelne  im  Winter  und  vor- 
zugsweise auf  samentragenden  Eschen.  Bietigheim:  nur  vereinzelt 
vorkommend.  Heilbronn:  im  Januar  und  Februar  in  den  Gärten 
bei  der  Stadt  streifend.  Teinach:  kleinere  Flüge  nicht  selten  in 
Wald  und  Gärten. 

83)  Chlor  OS  pisa  chlor  is  Bp.  L.,  Grünhng. 
Warthausen:  singt  31.  März;  flügge  Junge  werden  1.  Juni 
am  Schlossberg  von  den  Alten  gefüttert.  Oster hofen:  10.  August 
äzte  auf  einem  Birnbaum  nächst  dem  Schulhaus  ein  Weibchen  3  flügge 
Junge.  Hummertsried:  von  Mitte  Mai  an,  als  sehr  kühles  Wetter 
war,  kamen  mehrere  Paare  alltäglich  in  den  Schulgarten,  anfangs 
nur  schüchtern,  dann  immer  frecher;  sie  zerstörten  hier  die  Kohl- 
pflänzlinge eines  ganzen  Beets,  indem  sie  die  derben  Aussenblätter 
abzwickten  um  zu  den  feinen  inneren  zu  gelangen;  den  Sommer 
über  kamen  dann  noch  öfter  8 — 10  St.,  jedoch  ohne  zu  schaden 
(Herter).     Plochingen:  erster  Gesang  28.  März.    Weilimdorf: 


—     171     — 

6.  Mai  Nistmaterial  auf  eine  Tanne  tragend.  Fasanenmeister  Rein- 
hold hat  mit  einer  Canarienhenne  von  einem  durch  Canarienvögel 
aufgezogenen  Grünfinken  4  Bastarde  gezüchtet.  Heilbronn:  den 
Winter  über  am  Futterplatz,  singt  24.  März;  4.  Mai  im  Garten  ein 
Nest  mit  4  Eiern  2^  m.  hoch  auf  einer  Thuja ;  8.  Mai  unter  ähn- 
lichen Verhältnissen  im  Friedhof  brütend;  10.  Mai  mit  5  Eiern  auf 
einer  Tanne;  30.  Mai  kleine  Junge  auf  einer  Thuja;  31.  Juli  werden 
ausgeflogene  Junge  gefüttert. 

84)  Gannabina  sanguinea  Lande.,  Hänfling. 
Warthausen:  17.  März  ein  Bluthänfling  am  Futterbrett. 
Osterhofen:  zahlreich.  Plochingen:  21.  April  allgemeiner  Ge- 
sang. Stuttgart  („Rebenberg")  7.  Juni  Nest  mit  5  Eiern  in  einem 
Buxbusch.  ßietigheim:  nur  vereinzelt  bemerkt.  Heilbronn: 
10.  April  singend  in  einem  Weinberg,  Ende  dieses  Monats  gepaart, 
19.  Mai  bauend  im  Hohlweg  des  Wartbergs ;  29.  Mai  Nest  |  m.  hoch 
auf  einer  Thuja  in  einem  Weinberg  mit  3  flüggen  Jungen.  Creg- 
lingen:  noch  1. — 12.  November  waren  Sammelflüge  zu  sehen. 

85)  Serinus  hortulaniis  Koch,  Girlitz. 
Weissenau:  ruft  8.  Mai;  bisher  wenig  oder  gar  nicht  vor- 
gekommen, erscheint  er  jetzt  häufig  in  den  Obstgärten  auf  der  Süd- 
seite von  Ravensburg,  da  wo  der  Apfelblüthenstecher  verbreitet  war. 
Plochingen:  x\nkunft  12.  April,  Esslingen:  26.  April.  Heil- 
bronn: 8.  April  mehrere  singend;  4.  Mai  wird  das  in  einer  Thuja 
2j  m.  hoch  brütende  Weibchen  vom  Gatten  gefüttert;  21.  Mai  Nest 
mit  4  Eiern  in  Thuja ;  30.  Mai  ausfliegende  Junge ,  ebenso  3  St. 
2.  Juni  im  LiNK'schen  Garten;  5.  Juni  2^  m.  hoch  in  einer  Tanne 
und  9.  Juni  in  Thuja  brütend. 

86)  Chrysomitris  spimis  Boie  L.,  Zeisig. 
Warthausen:  11.  October  ein  grosser  Flug,  aus  welchem  zur 

Feststellung  der  Art  1  St.  geschossen  wurde;  19.  November  3  St. 
an  der  Strasse  beim  „Annenweiher".  Osterhofen:  23.  Februar 
gegen  40  St.  gezählt;  22.  April  in  Erlen-  und  Eichengesträuch  bei 
den  „Brunnenadern"  singend,  auch  den  Sommer  über  öfter  gesehen. 
T  ein  ach:  kam  zum  ersten  Mal  auf  das  Futterbrett,  zuerst  2  dann 
6  Stück  2.— 17.  und  20.  December  1887  bis  zum  Schluss  des  Jahres. 

87)  Acanthis  carduelis  Bechst.  L.,  Stieglitz. 
Warthausen:  18.  April  sehr  lebhaft,  nachdem  sie  den  ganzen 

Winter  nicht  zu   sehen  waren;    20.  Juni   flügge  Junge    im  Schloss- 


—     172     — 

garten.  Osterhofen:  im  Februar  befanden  sich  etwa  20  St.  auf 
den  Erlen  in  den  „Brunnenadern",  18.  April  sangen  mehrere  in  den 
Gärten  am  B'rauenberg  bei  Waldsee;  4.  Mai  zeigte  sich  beim  Oster- 
hofener  Scliulhaus  ein  Distelfink  und  war  nachher  dort  ein  Nest  auf 
einem  Zwetschgenbaum ,  wo  die  2te  Brut  25.  August  ausflog. 
Weissenau:  in  der  Mariathaler  Allee  waren  nur  wenige  Nistplätze 
besetzt,  ein  Nest  befand  sich  im  Obstgarten  hinter  dem  Forsthaus. 
Schussenried:  27.  Mai  bauend;  brütet  häufig  in  den  Anlagen. 
Plochingen:  19.  April  erstmals,  2  Tage  später  allgemein  singend. 
Weilimdorf:  erst  12.  April  gesehen;  sie  haben  15.  Mai  auf  dem 
Gipfel  eines  Knausbirnbaums  ein  ausgebautes  Nest,  ausserdem  noch 
weitere  über  den  Sommer  auf  Obstbäumen  und  im  höchsten  Gipfel 
alter  Eichen;  letzte  ausgeflogene  Junge  15.  August.  Bietigheim: 
brütet  alljährlich  in  des  Berichterstatters  Garten  in  hochgezogenem 
Rothdorn ,  lebt  auch  in  jungen  Schlägen  und  ist  Winters  meist  in 
Flügen,  ausser  der  Brutzeit  an  Rainen  oder  wo  Disteln  stehen,  an- 
zutreffen. Heilbronn:  singt  er.stmals  12.  April,  21.  d.  M.  häufiger. 
4.  Juni  sich  im  Garten  treibend :  8.  Juni  Nest  mit  4  Eiern  auf  einem 
Birnbaum,  23.  Juni  die  Jungen  flügge;  Anfang  Juli  wird  zur  2ten 
Brut  gebaut,  die  Ende  des  Monats  ausfliegt.  Im  Verhältniss  zu  den 
vorhergehenden  Jahren  ist  dort  diese  Art  sehr  wesentlich  sparsamer 
geworden,  obgleich  man  namentlich  nach  dem  Ausfliegen  der  ersten 
Brut  immer  noch   viele  Vögel  hört. 

88)  Fringilla  coelehs  L.,  Buchfink. 

Warthausen:  16.  März  in  der  grossen  Vogelnoth  waren  auf 
den  drei  Futterbrettern  allermindestens  70  Buchfinken ;  allein  vor 
dem  Schloss  wurden  gleichzeitig  35  St.  gezählt,  darunter  ein  singen- 
der!; 19.  März  (Nachts  — 10*^  R.)  schlugen  sie  überall  wieder;  8.  Mai 
Nest  auf  einem  Apfelbaum  des  oberen  Gartens,  weitere  Nester  9.  Mai 
auf  einem  Vogelbeerbaum  im  Thiergarten,  17.  Mai  auf  einer  Linde 
am  Schlossweg,  sowie  auf  einem  Apfelbaum  bei  der  Brunnenstube, 
30.  Mai  in  der  Tannenhecke  am  unteren  Garten  (mit  Jungen);  14.  Juni 
baute  ein  Paar  auf  einer  Kiefer  im  Garten;  20.  Juni  ebenda  Nest 
auf  einer  grossen  Linde;  25.  Juni  Nest  mit  Jungen  im  Thiergarten 
auf  einem  Weissdornbusch,  3.  Juli  eines  mit  Jungen  im  oberen  Garten 
auf  einem  Apfelbaum.  Ein  grosser  Flug  von  ein  paar  Hundert  Stücken 
zog  1.  October  vorüber.  Osterhofen:  ein  Weibchen  den  ganzen 
Januar  auf  dem  Futterbrett;  erster  Schlag  28.  Februar;  die  Finken 
haben  im  März  sehr  gelitten;  6.  April  bauend.     Kisslegg:  Finken- 


—     173      - 

schlag  25.  Februar,  Schussenriecl  und  Ochsenhausen:  2.  März, 
Essendorf:  7.  März.  Weissenau:  aussergewöhnlich  viele,  Männ- 
chen sowohl  als  Weibchen,  haben  überwintert.  Plochingen:  schlägt 
erstmals  24.  Februar,  allgemein  2.  März.  Esslingen:  wie  immer 
25.  Februar  schlagend.  Stuttgart:  5.  März  überall  das  Finkenlied. 
Weilimdorf:  singt  bei  schneeigem  warmem  Wetter  erstmals  6.  Fe- 
bruar auf  einem  Apfelbaum  der  Fasanerie,  ein  im  Herbst  eingefangener 
Fink  schlägt  15.  Februar  im  Käfig,  24.  Februar  ist  allgemeiner  Finken- 
schlag; über  den  Winter  gehen  die  meisten  fort,  beim  tiefen  Märzen- 
schnee wurde  ein  Weibchen  verhungert  gefunden  und  erst  20.  März 
kehrten  die  meisten  wieder  zur  Fasanerie  zurück ;  25.  April  war  ein 
Nest  ausgebaut.  Leonberg:  im  November  ein  grosser  Zug  bei 
Rutesheim.  Heilbronn:  Finkenschlag  24.  März:  19.  April  noch 
leeres  Nest  auf  einem  Apfelbaum,  21.  April  eines  mit  4  Eiern  auf 
einer  Tanne,  ein  weiteres  mit  2  Eiern  25.  Mai  auf  einem  Eichbäum- 
chen  im  Wald;  baut  8.  Juni  auf  einem  Birnbaum  des  LiNK\schen 
Gartens.  Simmersfeld:  3.  März  erstmals  schlagend.  Teinach: 
viele  Männchen  und  hie  und  da  auch  ein  altes  Weibchen  kamen  in 
allen  Wintermonaten  aufs  Futterbrett. 

89)  F  ringilla  montifrin<i  illa  L.,  Bergfink. 
Warthausen:  16.  März  bei  tiefem  Schnee  6  Bergfinken  an 

einem  mit  Gebüsch  geschützten  Futterplatz,  einer  vor  dem  Haus  und 
2  weitere  im  Hof:  21.  December  4  St.  im  Garten,  die  aber  er.st  in 
den  näch.sten  Tagen  das  Futterbrett  besuchten.  Osterhofen:  4.,  5.  und 
18.  Januar,  sowie  18. — 20.  März  am  Futterplatz.  Kisslegg:  schon 
4.  November  ein  Flug  von  etwa  40  St.  auf  dem  Feld.  Heilbronn: 
im  Januar  und  Februar  sehr  zahlreich  beim  Futter.  Teinach:  trotz 
längerem  tiefen  Schnee  kamen  erst  6.  Januar  Flüge  in  den  Garten 
und  an"s  Futterbrett,  dann  erst  wieder  seit  23.  December  ein  ein- 
ziger. Von  Esslingen  und  Creglingen  sind  ausdrückliche  Fehlanzeigen 
eingelaufen. 

90)  Passer  montanus  Briss.  L.,  Feldsperling. 
Warthausen:  18.  März  6  —  8  St.  und  Tags  darauf  2  St.  am 

Futterbrett:  8.  Mai  im  „oberen  Garten"  in  einem  Staarenhaus  nistend, 
12.  Juni  Junge;  5.  Juli  ebenda  Junge  der  zweiten  Brut;  29.  Juni 
in  einem  Brutkasten  im  Nusstobel  ebenfalls  Junge.  Diese  Art  ist 
für  hier  völlig  neu  und  hat  sich  wohl  in  Erinnerung  an  die  im  harten 
Nachwinter  gewährte  Hilfe  angesiedelt.  H  e  i  1  b  r  o  n  n  :  zahlreich  im 
Winter  am  Futterplatz;    5.  Juni  flügger  Vogel   auf   den  Wiesen   ge- 


f 


—     174     — 

fangen.     Teinach:    zeitweise  in   mehreren  Exemplaren,  doch  kam 
heuer  kein  einziger  aufs  Futterbrett. 

91)  Passer  dorne  st  icus  Briss.  L.,  Haussperling. 
In  Warthausen  wurde  15.  Juli  ein  „weisser  Spatz"  in  kläg- 
lichem Zustande  vor  dem  Schloss  aufgelesen ;  es  war  ein  kaum  flügger 
Nestvogel  und  da  sich  zwei  Stockwerk  über  der  Fundstelle  ein  von 
Sperlingen  bewohntes  Staarenhaus  befindet,  kann  mit  Sicherheit  an- 
genommen werden,  dass  die  Eltern  (vielleicht  nur  der  misstrauische 
Vater?)  das  ominöse  Product  in's  Weite  befördert  haben.  Das  (in 
Weingeist  aufbewahrte)  Vögelchen  erinnert  an  einen  weisslichen,  ge- 
scheckten Canarienvogel :  Schnabel  und  Krallen  weiss,  Füsse  röthlich, 
Augen  dunkel ,  Scheitel ,  Schwingen ,  Schwanz  und  Unterseite  rein- 
weiss ,  Flügeldeckfedern  chocoladegrau  punctirt  mit  grauen  Spitzen 
und  dunkeln  Schäften,  das  kleine  Gefieder  der  Oberseite  gelbröthlich 
und  röthlichgrau  gewellt.  Beide  Füsse  waren  lahm  und  nach  vornen 
geknickt,  so  dass  die  ,, Kniebeugen"  über  dem  Lauf  (tarsus)  vorwärts 
statt  nach  hinten  ausbogen  —  ob,  wie  am  wahrscheinlichsten,  in 
Folge  des  Sturzes  oder  als  eine  schon  im  Nest  eingetretene  Ver- 
krüppelung,  mag  dahin  stehen.  Vergeblich  hat  ein  norddeutscher, 
in  weitesten  Gelehrtenkreisen  bekannter  Arzt  dem  Versuch  sich  unter- 
zogen dieses  Jammergestell  wieder  in  Ordnung  zu  bringen,  allein 
die  Extremitäten  waren  zu  weich  und  zu  empfindlich  um  Schienen 
und  Bänder  zu  ertragen ;  nur  eine  Woche  lang  konnte  das  gefrässige 
Dasein  gefristet  werden.  Heilbronn:  24.  Februar  sich  paarend, 
14.  April  ein  Nest  noch  leer,  22.  April  und  9  Juni  je  ein  solches 
mit  5  und  4  Eiern.  Im  Schwarzwald  galt  noch  vor  zwanzig 
Jahren  das  Sprüchwort  „Wildbad  und  Calmbach  haben  einen  Spatzen 
miteinander" ;  jetzt  sind  sie  in  Garten  und  Feld  geradezu  lästig  ge- 
worden ,  ebenso  am  Futterbrett  wegen  ihrer  Unverträglichkeit  und 
massenhaften  Hanfsamenconsums.  Dr.  Wurm  verwerthet  sie  an- 
gebraten und  gestossen,  über  geröstetes  Brod  angerichtet,  zu  einer 
vortrefflichen  Suppe. 

92)  Sturnus  vulgaris  L.,  Staar. 
Einige  Zeitungsnotizen  mögen  den  Anfang  machen.  Ellwangen 
26.  Januar :  es  haben  sich  schon  mehrere  Staare  eingestellt,  zu  dem 
voreiligen  Eintreffen  wohl  veranlasst  durch  den  in  den  letzten  Tagen 
anhaltenden  Süd-  und  Südostwind.  Kempten  5.  Februar:  Tags 
zuvor  sind  hier  und  in  M  e  m  m  i  n  g  e  n  die  ersten  gesehen  worden ; 
seit  vielen  Jahren  waren  sie  nicht  so  frühzeitig  daran.    ,,Vom  Ries" 


—     175     — 

7.  Februar:  angekommen.  Künzelsau  18.  Februar:  Staare  und 
Bachstelzen  sind  trotz  einer  Nachtkälte  von  10"  R.  angekommen  und 
musiciren  lustig  im  Sonnenschein.  ,,Von  den  Fildern"  2.  März: 
seit  10  Tagen  sieht  man  die  Staaren  in  ganzen  Schaaren  und  sie 
fangen  bereits  an ,  ihre  Häuschen  zu  beziehen ,  obgleich  noch  vor 
wenigen  Tagen  die  Ebene  in  Schnee  gebettet  war  und  sonnenlose 
Plätze  noch  leicht  damit  bedeckt  sind. 

Warthausen:  24.  Februar  im  Thal  und  auf  der  Höhe  (5  St.) 
angekommen ;  16.  März  bei  Schnee  und  Futternoth  am  Futterbrett  vor 
der  Schlossthüre,  von  da  ab  täglich  40 — 50  St.,  17.  März  einen  halb- 
verhungerten und  28.  März  einen  kranken,  einäugigen  gefangen ;  16.  Mai 
Junge ;  4.  Juni  einen  bei  Sturm  und  Regen  hilflosen,  kaum  flüggen 
gepflegt  und  dann  in's  Staarenhaus  zurückbefördert ;  30.  Juni  Junge 
der  Zweiten  Brut;  30.  September  Flüge  im  Thal,  18.  November  noch 
dort:  bei  den  Risshöfen  war  der  erste  Staar  schon  4.  Februar 
gesehen  worden.  Osterhofen:  angekommen  25.  Februar;  14.  März 
begannen  die  Leiden  durch  Schnee  und  Kälte,  in's  Zimmer  verbrachte 
verendeten  bald;  15.  d.  M.  zogen  sie  ab  um  erst  22.  März  arg  de- 
cimirt  wiederzukehren ;  Junge  flogen  2.  Juni  aus  und  bei  sehr  ge- 
lungenen Brüten  gab  es  Ende  Juli  Schaaren  von  200 — 300-.  Stück ; 
20ten  Juli  suchten  bei  Hai  dg  au  Staaren  auf  einer  Birke  gegen  ein 
Gewitter  Schutz,  ein  einschlagender  Blitz  tödtete  aber  etwa  30  Stück. 
Kisslegg:  angekommen  23.  Februar;  zwischen  13.  und  19.  März 
sind  viele  erfroren ;  26.  August  bereits  in  Schwärme  von  einigen 
Hunderten  vereinigt.  Wolf  egg:  angekommen  24.  Februar,  Tags 
darauf  viele ;  die  ersten  waren  schon  18.  d.  M.  im  Langarten  ge- 
sehen worden;  21.  October  singend  wie  im  Frühjahr,  24.  October 
mehrere  noch  im  Achthal,  11.  November  der  letzte  Flug,  30.  Novem- 
ber 30 — 35  St.  auf  dem  Abstrich.  Weissenau:  angekommen  ein- 
zelne 10.  Februar,  allgemein  21.  d.  M. ;  viele  wurden  nachher  in  den 
Kästen  erfroren  gefunden;  Junge  vom  9.  Mai  an,  Abzug  25.  October. 
Schüssen ried:  angekommen  20.  Februar  ( — 4"  C,  Schneeflocken), 
31.  October  noch  da;  übernachten  im  Schilfrohr  des  Olzreuter  Sees 
zu  Tausenden.  Essendorf:  angekommen  23.  Februar  (4  St.). 
Dr.  Probst  beobachtet  seit  ^Anfang  der  siebenziger  Jahre  die  herbst- 
liche Nachtrast  der  Staaren  auf  dem  Lindenweiher.  Kurz  vor  Sonnen- 
untergang eilen  dann  kleinere  Flüge  dorthin  um  sich  zu  einem  grossen 
Schwärm  zu  vereinigen.  Nachdem  sie  sich  noch  einige  Zeit  in  den 
Bäumen  herumgetrieben  haben,  lassen  sie  sich  zur  Nachtruhe  im 
Schilf  nieder,  zu  einer  nur  geringen  Ruhe,    denn   ununterbrochenes 


—     176     — 

Gezwitscher  dauert  fast  die  ganze  Nacht  fort,  so  dass  schon  niicht- 
hche  Wanderer  die  Mühle  oder  den  Bach  rauschen  gehört  zu  haben 
glaubten.  Die  mehrere  Wochen  lang  ununterbrochen  benutzten  und 
dadurch  stark  gedüngten  Plätze  sind  durch  den  nachjährigen  üppigen 
Schilfwuchs  kenntlich  und  werden  eben  wegen  ihrer  Üppigkeit  immer 
wieder  bevorzugt.  In  den  siebenziger  Jahren  schätzte  Probst  die 
Staarenzahl ,  die  sich  zeitweise  in  zwei  Heerlager  trennte ,  auf 
5 — 7000  Stück.  Allmälig  nahm  sie  aber,  wohl  weil  ein  anderwär- 
tiges  Nachtlager  bevorzugt  wurde ,  bis  auf  kaum  ebensoviele  Hun- 
derte ab.  Im  heurigen  Jahre  nun,  trotz  dem  vorhergegangenen  so 
ungünstigen  Frühjahr,  haben  sich  jene  früheren  Mengen  wieder 
eingestellt,  ganze  Wolken  und  auch  wieder  zwei  getrennte  Schaaren, 
die  eine  mehr  gegen  Unter-Essendorf,  die  andere  westlich  gegen 
Ingoldingen  nächtigend,  von  Mitte  September  bis  in  die  erste  und 
zweite  Octoberwoche.  Bevor  die  Versammlung  im  Lindenweiher  ein- 
fiel, pflegte  sie  sich  einer  auf  den  Ackern  weidenden  Schafheerde 
beizugesellen,  um  auf  den  Schafen  selbst,  2,  3  bis  6  Vögel  auf  einem 
Rücken  und  ohne  Scheu  vor  Schäfer  und  Hund,  das  Ungeziefer  aus 
der  Wolle  herauszupicken.  Ochsen  hausen:  angekommen  24.  Fe- 
bruar: «,m  nemlichen  Tag  ein  Flug  bei  Risstissen.  Erbach :  erster 
Staar  22.  Februar,  mehrere  1.  März.  Plochingen:  angekommen 
vereinzelt  3.  Februar,  allgemein  12.  Februar,  überall  singend  25,  Fe- 
bruar: allgemeiner  Ausflug  der  ersten  Brut  2.  Juni,  nachher  hört 
man  wieder  allgemein  den  Nistgesang  der  Männchen.  Esslingen: 
angekommen  13.  Februar,  zahlreicher  8.  März.  Tübingen:  24.  Fe- 
bruar 4  St.  im  Neckarthal.  Bei  Derdingen  (Maulbronn),  wo  viele 
Seen  mit  Röhrig  vorhanden  sind#  kommen  die  Staaren  in  ungeheuren 
Flügen  zusammen ,  um  Abends  mit  sturmähnlichem  Brausen  und 
heftigem  Geschrei  im  Schilfrohr  einzufallen  (Fribolin).  Bietigheim: 
früher  nur  wenig  häufiger  Waldbrutvogel,  dem  man  erst  seit  einigen 
Jahren  an  Häusern  und  Bäumen  gern  benutzte  Nistkästen  auf- 
hängt ;  im  Herbst  giengen  sie ,  stets  in  Gesellschaft  einiger  Raben- 
krähen, in  kleinen  Flügen  in  die  Weinberge ,  an's  Welschkorn  und 
in  den  „Klepperlesäckern"  an  den  Mohn  (doch  wohl  nur  der  Insecten 
wegen!).  Weilimdorf:  8.  Februar  erster  Flug,  singend,  27.  Fe- 
bruar eine  grosse  Schaar  unter  Rabenkrähen  auf  frisch  gedüngten 
Feldern ;  Anfang  Juni  ausgeflogene  Junge  gesellschaftlich  an  einem 
Waldtrauf  Maikäfer  suchend:  Flüge  von  200 — 1000  Stück  ziehen 
31.  August  bis  2.  September  nach  Nordosten.  Heilbronn:  27.  Fe- 
bruar ein  Flug  von  einigen  Hunderten ;  singt  4.  März  ;  28.  Mai  flügge 


—     177     — 

Junge ,  doch  werden  auch  solche  in  den  Kästen  noch  gefüttert. 
Creglingen:  27.  Februar  4  U.  in  Schaaren  von  S.W.  kommend, 
Tags  darauf  auf  allen  Dächern;  Junge  5.  Mai.  Teinach:  21.  Fe- 
bruar in  Zavelstein  und  Röthenbach,  27.  Februar  im  Thal;  13.  März 
grosse  Flüge  auf  schneefreien  Wässerwiesen;  Abzug  vom  13.  Sep- 
tember an.  Simmersfeld:  angekommen  15.  Februar,  2  Eier 
30.  April,  Junge  16.  Mai.  Pfalzgrafenweiler:  angekommen 
25.  Februar,  abgezogen  17.  October. 

93)  Oriolus  galhula  L.,  Pirol. 

Warthausen:  erstmals  gehört  11.  Mai;  flötet  28.  Juni  im 
Schlossgartenwäldchen  und  folgt  auf  den  nachgemachten  Ptuf  bis 
beinahe  vor's  Haus.  Schuss  enried:  2.  Mai  erste  Goldamsel. 
Weissenau:  ruft  5.  Mai;  es  scheinen  nur  2  Paare  gebrütet  zu 
haben.  Erbach:  6.  Mai  mehrere.  Plochingen:  Ankunft  5.  Mai 
bei  warmem  Südwest.  Weilimdorf:  angekommen  2.  Mai  und  von 
da  ab  bis  zur  Brut  alle  Tage  in  der  Fasanerie  flötend ;  5.  Juni  aus- 
gebautes Nest  an  einem  Eichenzweig  hängend;  26.  August  einzelne 
Junge  noch  gesehen.  Bietigheim:  so  häufig,  dass  er  in  den 
Hausgarten  des  Berichterstatters  kam;  bei  jedem  Waldbesuch  trifft 
man  diese  Vögel,  auch  nicht  selten  auf  den  Obstbäumen  der.  Land- 
strasse. Heilbronn:  ruft  bei  Neckargartach  6.  Mai,  im  Wald 
22.  Mai :  Nest,  theilweise  aus  Papierfetzen  und  Hühnerfedern  gebaut, 
mit  4  Eiern  3  m.  hoch  auf  einem  Birnbaum  unterhalb  Neckargart- 
ach;  singt  auch  oberhalb  der  Stadt  am  Neckar  und  am  neuen 
Flosshafen;    Ende  Juni  Junge   in    einem  Garten   bei  Neckargartach. 

94)   Garrulus  glandarius  Bmss.,  Eichelheher. 

Weilimdorf  (Fasanerie):  im  Januar  etwa  20  St.  mit  Welsch- 
korn im  Habichtskorb  gefangen,  einzelne  todt  oder  von  Raubvögeln 
zerrissen  gefunden ;  16.  Mai  Nest  mit  stark  angebrüteten  Eiern  3  m. 
hoch  auf  einem  Tännchen.  Heilbronn:  27.  Februar  mehrere  im 
Wald,  23.  Mai  am  Nest  5  m.  hoch  auf  einer  Eiche.  Bietigheim: 
so  häufig,  dass  zum  Schutz  der  Eichelsaaten  und  Vogelnester  zum 
öfteren  weggeschossen  wird.  Teinach:  wegen  Häufigkeit  und 
Schädlichkeit  musste  früher  Dr.  Wurm  als  Jagdpächter  in  Liebeis- 
berg, Sommenhardt  und  Zavelstein  den  Gemeinden  gegenüber  sich 
verpflichten,  eine  bestimmte  Anzahl  einzuhefern.  Von  Os terhofen, 
Weissenau,  Pfalzgrafenweiler  ist  die  Häufigkeit  hervorge- 
hoben. 

Jahreshefte  d.  Vereins' f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  12 


—     178     — 

95)  Pica  c (121  data  K.  u.  Bl.,  Elster. 

Wart  hausen:  3  St.  geschossen  (Rappenhalde  u.  s.  w.). 
Weiss  enau  und  Schussenried :  so  gut  wie  ausgerottet.  Er- 
b  a  c  h  :  5  St.  auf  der  Schussliste.  B  i  e  t  i  g  h  e  i  m :  vogelfreier  Nest- 
räuber, häufig  entlang  fliessender,  mit  Weiden  und  Pappeln  bestan- 
dener Gewässer. 

96)  Cor  VHS  co  rotte  L.,  Rabenkrähe. 
Warthausen:    21.   März   tragen   im   Thal   2   Krähen   Stecken 

zum  Nest,  ebenso  22.  März  im  Gartenwäldchen  und  24.  d.  M.  im 
Ried:  30.  Mai  flügge  Junge,  13.  Juni  im  Ried  Maikäfer  fangend. 
Osterhofen:  30.  März  Morgens  7  U.  auf  den  Heisterkircher  „Bach- 
äckern" ein  grossartiger,  vielleicht  mehrere  tausend  Stück  zählender 
Krähen-  und  Dohlen-Congress.  Weissenau:  nisten  so  zahlreich, 
dass  zum  Schutz  der  äusserst  gefährdeten  Brüten  der  Staaren  und 
Singvögel,  sowie  wegen  der  „sonstigen  Belästigung"  eine  erschreck- 
liche Verfolgung  dringend  geboten  scheint;  „die  ganze  Physiognomie 
der  Gegend  wird  mehr  und  mehr  von  diesen  Vögeln  bestimmt". 
Seit  Ende  October  allnächtlich  in  beispielloser  Zahl  im  Mariathal- 
wäldchen. Erbach:  1.  Mai  1886  bis  dahin  1887  wurden  45  Stück 
geschossen  (vergl.  K.  Verordnung  betreffend  den  Schutz  der  Vögel  vom 
16.  August  1878!).  Aufder  Ulmer  Alb  bei  Beimerstetten  21.  Aprilvom 
Bahnzug  aus  der  brütende  Vogel  auf  dem  Nest  zu  sehen.  Weilim- 
dorf:  paarweise  seit  Mitte  Februar;  8.  Mai  Nest  auf  einer  Tanne  mit 
4  Jungen  und  2  Eiern ;  24.  Mai  Nest  mit  4  frischen  Eiern.  Für  die 
Jagd  (und  hier  speciell  für  die  K.  Fasanerie)  ist  diese  Art  sehr 
schädlich;  die  Raben  haben  2  Feldhühnergelege  und  Dutzende  von 
Fasaneneiern  ausgetrunken  und  stehen  hierin  auf  derselben  Stufe 
wie  Elster  und  Eichelheher.  Fasanenmeister  Reinhold  war  schon 
wiederholt  Zeuge,  wie  junge  Märzenhasen  diesen  „schwarzen  Räu- 
bern" zum  Opfer  fielen;  so  schoss  er  letztes  Jahr  von  drei  immer  auf 
denselben  Fleck  herabstossenden  Rabenkrähen  die  eine  und  fand 
dann  dort  ein  am  Kopf  verwundetes  Häschen  in  den  letzten  Zügen. 
Auch  Oberförster  Fribolin  (Bietigheim)  äussert  sich  ungünstig:  „Die 
Rabenkrähe  ist  ein  gewaltthätiger  Vogel,  der  sich  sein  Revier  wahrt, 
es  aber  auch  rein  ausplündert,  bis  ihn  das  Verhängniss  ereilt.  Mein 
Wohnhaus  steht  unweit  der  Enz  am  grossen  früheren  Holzgarten- 
platz, der  jetzt  als  Zimmerplatz  und  gelegentliche  Schafwaide  dient. 
Ein  Paar  „Krappen"  nisteten  auf  einer  Pappel  an  der  Enz  und  sahen 
den  Holzgartenplatz  als  ihre  ausschliessliche  Domäne  an;  die  Enten 


—     179     — 

und  Gänse,  die  nach  Regenwetter  Würmer  suchen  wollten,  wurden 
mit  Schnabelhieben  in's  Wasser  gejagt,  waidenden  Schafen  flogen  sie 
auf  die  Köpfe  und  hieben  nach  den  Augen,  so  dass  die  Heerde  trotz 
Schäfer  und  Hund  reissaus  nahm ;  die  Entennester  auf  einem  kleinen 
Wörth  in  der  Enz  wurden  regelmässig  ausgenommen  und  schliess- 
lich als  sie  Junge  hatten,  gieng's  an  junge  Enten  und  Gänse,  bis 
mich  die  Weiber  so  überliefen,  dass  ich  nicht  mehr  umhin  konnte 
die  schlimmen  Gesellen  herunter  zu  schiessen  und  nun  schlugen  die 
Weiber  die  todten  Vögel  noch  tödter."  Niemand  wird  diese  Schäd- 
lichkeit bestreiten,  dass  aber  auch  mildere  Auffassungen  möglich 
sind,  vergl,  S.  279  im  Jahrg.  1887  unserer  Zeitschrift.  Teinach: 
sehr  häufig,  bei  den  Bauern  nicht  sonderlich  beliebt. 

97}  Corvus  cor  nix  L.,  Nebelkrähe. 
Warthausen:  17.  März  1  St.  und  20.  März  5  St.  unter 
Eabenkrähen  am  Futterbrett;  17.  März  1  St.  im  Ried,  26.  März 
desgl.  auf  den  Wiesen  im  Rissthal;  8.  Februar  1  St.  unweit  des 
Bahnhofs  Ulm  und  11.  December  ebenso  bei  Biberach.  Heil- 
bronn: unter  den  Rabenkrähen  im  Winter  am  Futterplatz.  ,  Tein- 
ach: 4.  Januar  bei  tiefem  Schnee  vom  Fenster  aus  geschossen,  seit 
vielen  Jahren  das  zweite  Stück;  bei  niederem  Wasserstand  fischen 
sie  nebst  der  Rabenkrähe.  Von  Weilimdorf,  Bietigheim,  Schüs- 
sen ried  ist  das  sporadische  Vorkommen  im  Winter  in  Gesellschaft 
der  vorhergehenden  Art,  von  Creglingen  das  Fehlen  in  der  hier 
in  Betracht  kommenden  Zeit  angegeben. 

98)  Corvus  frugilegus  L.,  Saatkrähe. 
Bei  Ulm  24.  Februar  1  St.  Warthausen:  20.  März  eine 
einzige  unter  Rabenkrähen  am  Futterbrett,  26.  März  viele  im  Riss- 
thal. Kisslegg:  21.  October  in  Schwärmen  von  mehreren  hundert 
Stücken  von  Nordost  nach  Südwest  streichend,  1  St.  geschossen. 
Schussenried:  selten.  Plochingen:  24.  October  die  ersten 
grossen  Flüge.  Weilimdorf:  mit  den  beiden  vorhergehenden  und 
der  nachfolgenden  Art  den  ganzen  Winter  in  einer  nach  tausenden 
zählenden  Schaar  auf  den  frischgedüngten  Äckern. 

99)   Corvus  {Lycos  Boie)  monedula  L.,  Dohle. 
Warthausen:  12.  Februar  überfallen  90 — 100  Stück  ein  Futter- 
brett im  Garten:  12.  Mai  wird  ein  flügger  Vogel  von  den  Alten  ge- 
füttert;   14.  October  ein  grösserer  Flug.     Weissen  au:    das  zu  Un- 
gunsten der  Rabenkrähe  Gesagte  gilt  auch  für  die  Dohlen.    Schus- 

12* 


—     180    — 

senried:  brütet  ungemein  zahlreich  auf  dem  Kirchthurm  und  lässt 
in  den  Anstaltsanlagen  absolut  keine  Singvögel  aufkommen  (nicht 
zu  vergessen  der  vielen  Katzen).  Bei  Bietigheim  nur  im  Herbst 
und  Frühjahr  in  Flügen  streichend;  sehr  häufig  am  Kirchthurm  von, 
Reutlingen  und  an  Felsen  der  Alb.  Wimpfen:  in  den  Thür- 
men  der  Stadt  sehr  zahlreich  nistend,  11.  April  dort  im  Feld  und 
am  Neckar  Flüge. 

100)  Nu  elf  rag  a  car  y  ocatactes  Bmss.  L.,  Tannenheher. 
Plochingen:  28.  October  im  Pfauhauser  Wald  ein  kleine» 
Exemplar  geschossen;  1.  November  desgl.  junges  (diesjähriges)  Weib- 
chen im  Plochinger  Wald,  welches  (nach  Oberförster  Gasser  in  Ess- 
lingen) allein  und  ungeniert  auf  einer  Birke  gesessen  hatte.  Etz- 
lesv\^  enden  (O.A.  Marbach):  18.  November  1  St.  auf  einer  Treib- 
jagd geschossen  (Gerold;  kam  an  Dr.  R.  Blasius  in  Braunschweig).. 
12.  December  1  St.  beim  Lichtenstein  beobachtet  (Fritz  Kg.- W.). 
Wird  öfter  in  den  Bergwäldern  bei  Teinach  auf  dem  Durchzug 
bemerkt     Bei  Der  dingen  (Maulbronn)  2  St.  geschossen. 

101)  Columha  palumhus  L.,  Ringeltaube. 
Warthausen:  Ankunft  (bei  den  Risshöfen)  25.  Februar; 
2  St.  rufend  28.  März;  30.  August  bis  2.  Juli  4  St.  geschossen; 
22.  October  28  St.  auf  einem  Acker;  14.  October  zwischen  hier 
und  Biberach  zwei  Flüge  von  9  und  60  Stück  (Neher).  Oster- 
hofen:  rufend  2.  März.  Weiss  enau  und  Schussenried:  an- 
gekommen 25.  Februar,  dort  spärlich,  hier  erstmals  rufend  9.  März.. 
Wolfe  gg:  8.  März  rufend;  8.  und  18.  April  wurden  2  St  todt 
gefunden.  Kisslegg:  angekommen  5.  März,  brütet  zahlreich  in 
den  Waldungen.  Erbach:  mehrere  9.  März  (nur  1  St.  in  der 
Schussliste).  Weilimdorf:  die  beiden  ersten  am  8.  Februar,  Flüge 
von  Hunderten  25.— 30.  d.  M.,  erster  Ruf  1.  März;  der  Schnee  Mitte 
März  vertreibt  sie  bis  24.  d.  M.  bis  auf  wenige,  die  man  fast  mit 
der  Hand  hätte  fangen  können;  7.  Mai  Nest  mit  Eiern  auf  einer 
Weisstanne.  Lichtenberg  (Marbach):  22.  März  Flug  von  etwa 
60  St.  Bietigheim:  seit  einigen  Jahren  sind  die  früher  häufigen 
Ringeltauben  selten  geworden;  im  Herbst  1886  versammelte  die 
reiche  Eichelmast  durchziehende  Taubenflüge  bis  die  Eicheln  aufge- 
lesen waren.  Im  Stromberg  waren  vor  einigen  Jahren  viele 
Bucheckern  | — V  tief  unter  dem  Schnee  und  die  Wildtauben  längst 
abgezogen;  da  traf  Oberf.  Fribolin  eine  Menge  Vogelspuren  im 
Schnee  und  nachher  stand  eine  ganze  Schaar  von  Tauben  auf,    die 


—     181     — 

von  der  Reise  umgekehrt  zu  sein  schienen.  Heilbronn:  baut  im 
Mai  im  Wald;  24.  Juni  ein  Paar  fliegend.  Creglingen:  29.  März 
beobachtet.  Simmersfeld:  Ankunft  7.  März.  Pfalzgrafen- 
w  eil  er:  9.  März;  die  letzten  gesehen  15.  October.  T  ein  ach: 
erster  Ruf  2.  März ;  interessanter  Balzflug  mehrerer  am  Emberge 
im  Morgengrauen  des  18.  Mai,  während  ein  Specht  dazu  trommelte 
und  2  Auerhähne  balzten. 

102)  Columha  oenas  L.,  Hohltaube. 
Ki sslegg:  Ankunft  8.  März;  brütet  einzeln.  Plochingen: 
Ankunft  25.  Februar;  18  St.  im  Wald  angetroffen.  Weilimdorf: 
S.  Februar  kamen  die  3  ersten  mit  der  vorigen  Art,  die  Mehrzahl 
■erst  Ende  des  Monats ;  Anfang  März  rufen  sie,  ziehen  sich  aber  beim 
'Eintritt  des  Schnees  bis  24.  d.  M.  zurück.  Fasanenmeister  Reinhold 
■erzielte  1886  von  einer  Holztäubin  und  einem  Brieftauber  Bastarde, 
•die  aber  im  Stoppelkleid  erfroren  als  beide  Alten  an  Abzehrung  zu 
■Grund  giengen.  Weitenburg  (Horb):  Anfang  Juli  2  St.  geschossen. 
Bietigheim:  früher  häufig,  nach  Aushieb  der  alten  Eichen  immer 
seltener  und  im  Vorjahr  (1886)  nur  wenige  noch  bemerkt.  Creg- 
lingen: 29.  März  1  St.  auf  einem  Acker  bei  Reinsbronn.  Pfalz- 
:grafenweiler:  erste  gehört  1.  März. 

103)  Tnrtur  aurifus  Go.,  Turteltaube. 
Warthausen:    6.    Juli  1    St.    im  Risshöfener  Wäldchen    mit 

dem  Fernglas  beobachtet ,  13.  Juli  ein  Paar  in  der  Höfner  Halde, 
Weissenau:  nur  ein  einziges  Mal  im  Juni  gehört.  Weilimdorf: 
xuft  in  der  Fasanerie  erstmals  5.  Mai.  Mit  einer  1885  aufgezogenen 
Turteltäubin  und  einem  Brieftauber  hat  Reinhold  schon  im  vorigen 
Jahr  einen  sehr  schönen  Bastard  gezogen;  24.  April  dieses  Jahrs 
wurde  gebaut,  die  April-Eier  waren  aber  unfruchtbar;  20.  Mai  wurde 
abermals  gelegt  und  kamen  4.  Juni  2  Junge  aus,  deren  eines  so- 
gleich crepirte;  nachher  hat  die  Taube  noch  mehrmals  aber  immer 
unbefruchtet  gelegt.  Bietigheim:  ist  häufig.  H  e  i  1  b  r  o  n  n : 
19.  Mai  zuerst  am  Wartberg  gesehen,  baut  22.  Mai  im  Wald  auf 
einer  Eiche;  fehlt  heuer  im  Friedhof. 

104)  Tetrao  nrogallus  L.,  Auerhahn. 

Allgäu:  auf  gräflich  QuADT'scher  Jagd  am  schwarzen  Grat 
(Rohrdorf)  wurde  nur  ein  einziger  Hahn  geschossen.  Simmers- 
feld: balzt  4.  April.  Teinach:  erste  Balzregungen  in  der  ganzen 
Umgegend  erst   4.  April,   erste   gute   Frühbalz   (sonst   Mitte   d.  M.) 


—     182     -- 

24.  April;  25.  April  ahmt  ein  Auerhalin  zwischen  dem  Balzgesang 
zweimal  das  Trommeln  des  Schwarzspechts  nach ;  noch  25.  Mai  balzte 
ein  Hahn  recht  gut;  bei  Dr.  Wurm  wurden  nur  3  Hähne  erlegt; 
mehrere  Gelege  wurden  zerstört  gefunden. 

105)  Tetrao  (Lyruriis  Sw.j  tetrix  L.,  Birkhuhn. 
Im  August  eine  Kette  bei  Mittelbiber  ach.  Im  Fetzach- 
ried  und  dem  Winnismoos  bei  B euren  (Leutkirch)  hat  sich  der  alte 
Stand  gehalten  und  wurde  30.  November  beim  Treiben  ein  Hahn 
erlegt.  Kisslegg:  in  dem  Röthseer-  und  Gründiemoos  jetzt  häufig, 
in  anderen  kleineren  Mosern  vereinzelt  vorkommend.  Standvogel 
im  Wurzacher  Ried;  im  „Gaissen"  (Gemeindejagd  Unterschwarzach) 
falzte  ein  Spielhahn  20.  April  Morgens  4  U.,  gleich  ihm  fliegt  bald 
darauf  die  Henne  auf  30  Schritte  an  und  bäumt  auf  einer  Forche. 
Wurde  im  Hardthäuserwald  (Feinau),  der  das  Plateau  zwischen 
Jagst  und  Kocher  bedeckt,  schon  mehrmals  geschossen,  Hahnen  wie 
Hennen ,  die  wohl  vom  Odenwald  zustrichen ,  sich  aber  nicht  ein- 
bürgerten. Auf  der  Markung  Siebeneich  im  Weinsberger  Thal 
schoss  der  dortige  Schultheiss  eine  Henne  (Fribolin). 

106)  Tetrao  honasia  L.,  Haselhuhn. 
Pfalzgrafenweiler:  haben  durch  den  hohen  und  langen 
Schnee  sehr  gelitten ;  14.  Juli  Nest  mit  4  angebrüteten  Eiern. 
T  ein  ach:  fort  und  fort  abnehmend,  da  die  in  Laubholzknospen  be- 
stehende Winteräsung  sich  vermindert;  öfter  Federn  zerrissener 
Exemplare  gefunden.  Oberförster  Fribolin  giebt  nachstehende  all- 
gemeinere Notizen:  „früher  bei  Mayenfels  im  Mainhardterwald 
nicht  selten,  wurde  auf  der  Pfeife  zur  Balzzeit  weggeschossen  und 
gieng  so  aus;  im  Döffinger  Tannenwald  Reviers  Böbhngen  standen 
immer  einige  Paare  und  wurden  geschont.  Auf  der  Zwiefalter 
Alb  hatte  ich  einen  schönen  Hasel  wildstand,  der  sich  aber  trotz 
äusserster  Schonung  nur  erhalten,  nicht  aber  vermehren  liess,  denn 
sie  haben  zu  viele  Feinde  und  verstreichen  sich  weit." 

107)  Perdix  cinerea  Lath.,  Rephuhn*. 
Warthausen:    10.    Mai   ein  Nest  bei   der  Biberacher  Stadt- 
halde mit  7  Eiern,  das  13.  d.  M.  10  St.  enthielt ;  geschossen  25  St. 
14.    Juli  brachte    ein  Bauernknabe    ein    etwa  8  Tage    altes  Junges^ 
das    er    unberufener    Weise    aus    einer    jungen    Schaar   weggefangen 


*  Ich    schreibe  Rephuhn,    da    der  Name    nicht  von  den  Reben  herkommt,, 
sondern  mit  dem  scandinavischen  Rypa  (-Schneehuhn)  stammverwandt  ist. 


—     183     — 

hatte;  schon  länger  von  ihm  herumgeschleppt,  war  es  halb  erstarrt 
und  verweigerte  jede  Nahrung,  so  dass  an  ein  Erhalten  desselben 
kaum  zu  denken  war,  zumal  da  Dunenvögel  überhaupt  nur  schwierig 
einzeln  gross  zu  ziehen  sind.  Die  erste  Nacht  brachte  es  in  einer 
durchlöcherten  Schachtel  mit  Baumwolle  unter  meiner  Bettdecke  zu 
und  gegen  Morgen  gelang  mir,  ihm  einige  Mehlwürmer  gewaltsam 
beizubringen:  von  da  ab  wurde  das  Vögelchen,  das  später  ein  statt- 
licher Hahn  wurde,  von  meiner  Tochter  Elisabeth  in  Erziehung  ge- 
nommen. Anfangs  bedurfte  es  für  die  Nächte  und  soweit  bei  Tag 
kein  Sonnenschein  war  —  dann  war  eine  Kiste  sein  Aufenthalt  — 
der  , .künstlichen  Mutter",  d.  h.  eines  recht  satt  mit  Baumwolle  und 
Seidenzeug  auswattirten  Zigarrenkistchens,  dem  später  ein  mit  Flor 
überzogenes  grösseres  Nachtquartier  folgte.  Herangewachsen  habe 
ich  kaum  jemals  einen  zahmeren  und  liebenswürdigeren  Vogel  ge- 
sehen; seine  Pflegerin  trug  ihn  meistens  auf  der  Hand  oder  der 
Schulter,  wobei  er  sich  an  die  Wangen  anschmiegte  und  gerne  den 
ganzen  Kopf  in  den  geöffneten  Mund  einschob  und  das  Gesicht  zu 
erklettern  strebte ;  vorzugsweise  gerne  hielt  er  sich  auf  Tischen  und 
Fenstergesimsen  auf,  wo  man  ihn  auf  längere  Zeit  sich  selbst  über- 
lassen konnte ;  noch  am  Tag  vor  Erlangung  der  Freiheit  hat  er  bei 
uns  auf  dem  Theetisch  gesessen;  ein  leises  ,,gogogogog"  war  das 
Zeichen  seines  Wohlbehagens.  Halbgewachsen  liebte  er  besonders 
Heuschrecken,  kleine  Regenwürmer  nahm  er  nur  ausnahmsweise, 
aufgeklopfte  Zirbelnüsse  blieben  stets  ein  Leckerbissen.  Kaum  halb- 
erwachsen, begann  er  zu  krähen  und  Ende  August  wurde  das  Huf- 
eisen bereits  sichtbar.  Zu  dauerndem  Aufenthalt  war  in  einer  150  cm. 
weiten,  80  cm.  tiefen,  beinahe  zum  Boden  herabreichenden  Fenster- 
nische des  Hausgangs  ein  Käfig  in  der  Weise  hergestellt  worden, 
dass  Deckel  und  Vorderseite  von  Draht  sind,  während  die  Rückseite 
durch  das  Fenster  mit  seinen  Scheiben  gebildet  wird.  Hieher  brachte 
ich  Ende  September  zur  Gesellschaft  und  um  für  die  Zukunft  zu 
sorgen  eine  (alte  und  ziemlich  wilde)  Henne ,  die  ich  durch  das 
K.  Hofjägermeisteramt  aus  der  Fasanerie  geschenkt  erhalten  hatte. 
Das  erste  Zusammentreffen  war  namenlos  komisch :  der  Hahn ,  der 
von  seinesgleichen  keine  Ahnung  hatte,  war  wie  versteinert,  einem 
Ausrufungszeichen  gleich  stand  er  mit  emporgerecktem  Hals  und 
hängenden  Flügeln  in  fast  doppelter  Länge,  ein  Bild  des  grössten 
Schreckens  da :  nachher  begann  er  laut  zu  rufen  und  gieng  mit 
Schnabelhieben  auf  die  Gefährtin  los,  an  die  man  ihn  erst  allmählig 
gewöhnen    konnte.     Vom  Herbst  bis   in's   nächste  Frühjahr  erscholl 


—     184     — 

Abends   und    mit   der  ersten  Morgendämmerung  durch's  ganze  Haus 
der  krähende  Balzruf,  in  den  später  auch  die  Henne  einstimmte,  oft 
10 — 30  Mal  hintereinander.    Hahn  und  Henne  vertrugen  sich  schlecht, 
namenthch  gegen  das  Frühjahr  wurde  sie  öfters  blutig  gebissen;  bei 
einer  solchen  Scene,  frühmorgens  22.  März  1888,  gab  eine  defecte 
Fensterscheibe  nach,  der  Hahn  gerieth  auf  das  äussere  Gesimse  und 
während  man  sich  besann,  wie  bei  zwei  Stockwerk  Höhe  beikommen, 
entflog    er   hoch    durch    die  Lüfte  über  einen  Thaleinschnitt  hinweg 
auf  Nimmerwiedersehen.     Der  Henne   wurde  nun   auch   die  Freiheit 
gegeben;    sie    duckte   sich    aber    nieder    und    um    sie    zum   Aufflie- 
gen  zu  nöthigen,    mussten    wir  über   200  Schritt   hinter   ihr   drein 
springen,  wobei  sie  —  ein  unvergessliches  Bild  —  die  Füsse  zurück- 
werfend (etwa  wie  man  den  Vogel  Strauss  darstellt)  und  dabei  sich 
immer  wieder  nach  den  Verfolgern  umsehend,  etwa  10  Schritte  Vor- 
sprung hatte.     Osterhofen:   Ende  Februar  gepaart   und  im  März 
kaum  noch  auf  die  Futterplätze  zu  bringen ;  auf  dem  dortigen  Jagd- 
gebiet  lagen  8  oder  9  Ketten,   woraus   aber   bloss  20  St.  zum  Ab- 
schuss   kamen.     Kisslegg:    eine  Kette   von   etwa  15   bereits  flug- 
baren   Jungen    hatte    27.    Juli    Wachtelgrösse.      Weiss enau:    die 
Hühner   waren    heuer    ungleich    und    später  ausgewachsen  als  sonst, 
auch    fehlten,    obgleich    der  Stand  nicht  geringer  war,    ganz  starke 
Ketten;  beim  Futterplatz  neben  den  Häusern  von  Grünkraut,  wo 
von  December  1886    bis  Januar  87  Weizen  gefüttert  wurde,  jagten 
2    Hahnen    mehrfach    die    zudringenden    Krähen    in    eilige    Flucht. 
Erbach:  67  St.    auf  der  Schussliste.     Mitten  im  Dorf  Steinbach 
bei   Plochingen    eine    Kette   19.    März    bei    starker   Kälte    (Morgens 
— 14"  K).     Weilimdorf:    14.    Mai   Nest   mit    7  Eiern    an    einem 
Bach  gefunden.    Heilbronn:  gutes  Hühnerjahr  mit  starken  Ketten; 
20.  Juni  wurde  eine  auf  21  Eiern  brütende  Henne  beim  Mähen  ge- 
tödtet.     T  e  i  n  a  c  h  :  nur  2  Ketten  um  Röthenbach,  eine  um  Emberg, 
was    dem    schneereichen,    langen  Winter,    der  Raubzieugmenge   und 
den    Brutvernichtungen    beim    Kleemähen    zuzuschreiben    ist.      Ehi 
26.  December  1886  nächst  einem  Emberger  Brunnen  an  einem  Eis- 
zapfen   festgefrorenes  Feldhuhn  kam  zu  einem  Jagdhüter  in  Gesell^ 
Schaft    eines    grünfüssigen    Teichhuhns    in   Pflege,    verendete    aber 
20.    Januar    1887.      Aus    allgemeinen  Notizen    des    H.    Oberförsters 
Fribolin    heben   wir   das   nachstehende  aus.     Auf  der  Zwiefalter 
Alb  hatte  F.  schöne  Hühnerjagd,  bis  ein  einziger  kalter  Winter  alles 
vernichtete.     Der   gewöhnlich    rothe  Schild   des  Hahns  ist  bisweilen 
schwarz.     Bei   Pleidelsheim    (0.  A.  Marbach)    wurde    ein    Huhn 


—     185     — 

mit  Kreuzschnabel  geschossen.  Die  Vermuthung,  dass  es  „Wander- 
hühner" gebe ,  belegt  Berichterstatter  mit  drei  bei  Derdingen  und 
auf  der  Zwiefalter  Alb  im  October  gemachten  Erfahrungen,  als  einer 
keineswegs  alljährlichen  oder  regelmässigen  Erscheinung.  Diese 
Hühner  halten  nicht  vor  dem  fermen  Hund,  alles  rennt  und  wirrt 
durcheinander,  plötzlich  stehen  60  St.  und  mehr  auf,  der  Schwärm 
wirbelt  wie  Tauben  immer  höher  aufwärts,  zieht  dann  in  nörd- 
licher Eichtung  weiter  und  verschwindet  für  immer,  während  die 
Standhühner,  die  der  erfahrene  Jäger  kennt,  da  verblieben  sind,  wo 
sie  hingehören.  —  Die  gräfl.  TöRRiNG'sche  Schussliste  führt  5.  März 
aus  Oberbayern  1018  Feldhühner  auf. 

108)  Cotnrnix  communis  Bonn.,  Wachtel. 
Warthausen:    ruft  im  Thal  28.  April;    15.  August  ein  Nest 

mit  10  bebrüteten  Eiern  vermäht ;  im  September  wurden  30  Wachteln 
geschossen  und  19  weitere  (14.  d.  M.)  mit  dem  Netz  gefangen,  von 
denen  14  St.  im  Frühjahr  wieder  ausgelassen  werden  konnten. 
Oster hofen:  nur  in  wenigen  Paaren;  schlägt  erstmals  10.  Mai. 
Kisslegg:  alle  Jahre  seltener.  Weiss enau:  erster  Schlag  9.  Mai; 
im  Herbst  waren  sie  wieder  recht  selten;  spät  im  October  wurden 
noch  6  St.  in  einer  Fichtenkultur  angetroffen.  Schussenried: 
19.  April  schlagend.  Erbach:  30.  April  angekommen;  in  der 
Schussliste  111  St.  Plochingen:  Ankunft  6.  Mai  bei  warmem 
Südwest.  Weilimdorf:  schlägt  3.  Mai  zum  ersten  Mal;  letzte 
noch  spät  von  Mähdern  gebrachte  Eier  schlüpften  29.  August  in  der 
Fasanerie  aus.  Bietigheim:  selten  wohl  in  Folge  der  frühen 
Aerndten  (auf  der  Alb  dagegen  sehr  häufig);  auch  bei  dieser  Art 
geht  das  Roth  an  der  Kehle  häufig  in  Schwarz  über.  Heilbronn: 
schlägt  22.  Mai  an  zwei  verschiedenen  Orten  der  Umgegend. 
Teinach:  der  hier  fast  vergessene  Wachtelschlag  war  Anfangs  Juni 
auf  den  Wurzbacher  Wiesen  zu  vernehmen. 

109)  Phasianiis  colcJiicus  L.,  Kupferfasan. 
Verwildert  im  Strohgäu  und  gehegt  im  benachbarten  Bayrischen 

liiergebiet,  führt  ihn  schon  Landbek  (1834)  an,  als  in  den  Bergen 
bei  Mössingen  und  auf  der  Schlotwiese  bei  Kornthal  sporadisch 
brütend.  Bei  Wurmlingen  (0.  A.  Tübingen)  waren  19.  Januar  d.  J. 
2  St.,  von  denen  der  Hahn  geschossen  wurde  (Fritz  K.-W.);  bei  der 
Fasanerie  („Härdtle")  wurden  23.  April  zwei  Nester  mit  7  und 
8  Eiern  im  Freien  gefunden;  in  den  VoUeren  legen  Anfangs  April 
die  Silber-  und  Goldfasanen  immer  früher  als  die  „Jagdfasanen".  — 


—     186     — 

In  Oberbayern,  Seefeld  (am  Pilsensee  bei  Starnberg)  wurden  auf 
den  gräflich  TöRRiNG'schen  Jagden  im  abgelaufenen  Jagdjahr.  40  Fa- 
sanen geschossen. 

110)  Cr  ex  pratensis  Bechst.,  Wachtelkönig. 
Warthausen:  ruft  25.  Mai  auf  den  Wiesen  an  der  Riss,  dort 
28.  d.  M.  2  St.  beobachtet;  7.  Juli  von  dort  11  Eier  aus  einem  ver- 
mähten Nest;  1.  October  1  St.  geschossen  bei  Birkenhart.  Oster- 
hofen:  macht  sich  im  Juli  durch  sein  Schnarren  in  den  Gersten- 
feldern am  Ried  bemerklich.  Weissenau:  ruft  zur  Brutzeit  häutig 
am  alten  Nistplatz,  dem  Wiesenthal  gegen  Ravensburg;  im  Herbst 
selten.  Erb  ach:  2  St.  auf  der  Schussliste.  Plochingen:  ange- 
kommen 7.  Mai  (gewitterig).  Weilimdorf:  17.  Juni  und  4.  Juli 
werden  von  Mähdern  je  11  und  10  stark  angebrütete  Eier  in  der 
Fasanerie  abgeliefert.  Bietigheim:  vereinzelt  in  Wiesen  brütend, 
im  Herbst  gerne  in  dichten  Kleefeldern.  T  ein  ach:  zuweilen  Brut- 
vogel auf  dem  Hochplateau.  Pfalzgrafenweiler:  noch  jedes 
Jahr  gehört. 

111)  Ortygometra  porsana  Steph.,  Geflecktes  Sumpfhuhn. 
Warthausen:   20.    September   im    Ried  geschossen.     Brütet 

in  den  Seen  bei  Der  dingen  (Maulbronn)  und  ist  hier  wie  auch  in 
den  Torfstichen  von  Böblingen  und  Sin  del  fingen  häufig. 

112)  Gallinula  c h lor op u s  Lath.,  Grünfüssiges  Teichhuhn. 
Tübingen:  24.  Februar  etwa  20  St.  trillernd  an  der  „Blaulach". 

Ein  Teichhühnchen,  das  sich  durch  eine  Spalte  in  eine  Scheune  in 
Röthenbach  (Calw)  förmlich  durchgezwängt  hatte,  fieng  Dr.  Wurm's 
Jagdhüter  Ende  Juli  vorigen  Jahrs  und  hielt  es  ein  halb  Jahr  lang 
frei  in  seiner  Stube.  Oberförster  Fribolin,  der  die  nachfolgende  Art 
nur  zur  Strichzeit  mit'  Sägern  und  Enten  erlegte ,  fährt  unter  der 
Nummer  von  jener  noch  eine  kleinere,  auch  im  Böblinger  See  vor- 
kommende an,  die  nur  hieher  gehören  kann.  Im  D erdinger  See, 
wo  die  mit  Epheu  dicht  überwucherten  Klostermauern  von  Maul- 
bronn ,  nur  durch  einen  2  m.  breiten  Gang  vom  Wasser  getrennt, 
an  diesem  hart  emporragen ,  gelangten  die  unbehilflichen  Vögel 
hüpfend  und  mit  Hilfe  der  Flügel  zum  Epheu  empor  und  nisteten 
statt  im  Schilf  in  diesem !  Im  Gegensatz  zum  Wasserhuhn,  das  mit 
freier  Umschau  sein  Nest  stets  inmitten  grosser  Wasserflächen  zwi- 
schen Schilf,  Rohr  und  Binsen  erbaut,  nistet  allerdings  das  Teich- 
huhn mehr  in  der  Nähe  der  Ufer  und  öfters  in  Weidengestrüpp, 
der  hier  beobachtete  Fall  dürfte  aber  einzig  in  seiner  Art  sein. 


187 


113)  Fulica  atra  L.,   Schwarzes  Wasseihuhn. 

Kisslegg:  in  grosser  Anzahl  nistend  auf  melireren  Weihern. 
Hummertsrie  d  (Waldsee):  18.  April  auf  dem  dortigen  Weiher  an- 
geschossen und  gelähmt  zu  Lehrer  Herter  verbracht,  der  die  vor- 
jährige Brut  im  Juni  geheim  gehalten  hatte.  Creglingen:  25.  März 
1  St.  auf  der  Tauber  geschossen. 

114)  V  an  eil  US  cristatus  Mey.,  Kiebitz. 
W^  a  r  t  h  a  u  s  e  n  :  28.  Februar  bei  den  Risshöfen ;  14.  März  6  St. 
zwischen  hier  und  Biberach;  1.  Juni  nur  2  Brutpaare  im  Ried; 
18.  Juli  fliegt  einer  von  Ost  nach  West  hoch  über  die  Felder  oben 
beim  Schloss ;  20.  September  rund  ein  Hundert  beisammen  im  Ried 
und  ebenda  noch  19.  November  30 — 40  St.  beisammen.  Oster- 
liofen:  im  November  mehrere  auf  den  Feldern  der  Markung.  Kiss- 
legg: brüten  nur  auf  den  Inseln  des  Wuhrweihers;  Anfangs  August 
bereits  in  Flügen  beisammen.  Weissenau:  im  März  und  dann 
wieder  Anfangs  November  (8 — 10  St.)  durchgezogen;  hat  im  Bohl- 
weiher, dem  sonstigen  Brutplatz,  nicht  genistet.  Schusse nried: 
erster  27.  März.  Plochingen:  15.  März  bei  starkem  Schnee- 
gestöber auf  dem  Durchzug.  Reutlingen:  14.  März  etwa  100  St. 
bei  tiefem  Schnee  am  offenen  Wasser.  Fachsenfeid  (O.A.Aalen): 
6.  October  5  St.  nach  S.W.  fliegend.  Leonberg:  28.  October  auf 
den  Feldern  der  Stadtmarkung.  Weilimdorf:  im  Spätherbst  in 
kleinen  Flügen.  Bietigheim:  sparsamer  Strichvogel  im  Frühjahr 
und  Herbst. 

115)   Charadrius  pltiv  ialis  li.^  Goldregenpfeifer. 
Osterhofen:  ruft,  von  S.W.  nachN.O.  fliegend,  23.x\pril  Abends 
9  U.  bei  sternheller  Nacht  und  massigem  Südwestwind. 

116)   Totanus  calidris  Bechst.,  Gambettwasserläufer. 

Warthausen:  24.  August  2  St.  im  Ried;  ein  nicht  seltener 
Brutvogel  Oberschwabens,  von  welchem  ich  28.  Mai  1850  ein  Gelege 
von  4  Eiern  ebendaher  und  weitere  Eier  3.  Juni  1853  aus  dem 
Wolfegger  Ried  und  1854  von  Schussenried  (Valet)  erhalten  habe. 

117)  Scolopax  rusticola  L,  Waldschnepfe. 

Warthausen:    14.  März    bei  tiefem  Schnee   4   St.    an    einem 

seichten  Wassergraben  nächst  dem  Bahnhofgebäude;  26.  März  1  St. 

im    Schlossgarten;    30.  März    1  St.    im    „Bauernwald":    14.  October 

1  St.  bei  Birkenhart ,  16.  October  1  St.  in  der  Nähe    des  Schlosses, 


—     188     — 

16.  November  bei  Schnee  und  ziemlicher  Kälte  2  St.,  diese  alle  genau 
beobachtet.    Vom  18.  März  an  wurden  2  St.  bei  Mittelbiber  ach 
auf  dem    Strich   und  8.  October  auf  einer  Treibjagd  eine  bei  Ass- 
mannshart,    24.  October  2  St.  am  Höllweiher   bei  Stafflangen 
(alle  Orte  O.A.  Biberach)  geschossen.    Osterhofen:  im  Frühling  gar 
nicht  bemerkt,  im  Herbst  bloss  3  St.  auf  dem  genannten  Jagdrevier, 
wovon    eine  8.  November    erlegt    wurde.     Kisslegg:    angekommen 
1.  April,  nur  eine  einzige  geschossen.     Brochenzell  (a.  d.  Schüssen, 
Tettnang):  12.  März  die  erste  Schnepfe  erlegt  (Zeitungsnotiz).    Wolf- 
egg: 1.  April  1  St.  aufgegangen.     Weissen  au:  12.  März  erste  ge- 
sehen;   Schluss  des  sehr  mageren  und  nur  an  drei  Abenden  lebhaf- 
teren Schnepfenstrichs  5.  April ;  Rückstrich  selten  früh,  schon  10.  No- 
vember beendigt.    Schussenried:  kein  Frühjahrsstrich,  im  Herbst 
ziemhch   häufig;    in    den    19  Jahren  1869—1886   hat   Oberf.  Frank 
32  St.  bekommen.    Erbach:   16.  März  mehrere  gesehen;  15  St.  in 
der  Schussliste.      Weilimdorf:    28.   März    die    2    ersten    gesehen, 
30.  März  die  erste  geschossen,  9.  April  die  letzte  gesehen.    Stutt- 
gart: vom  27.  März  an  war  der  Strich  im  Gange,  aber  wie  im  ganzen 
Land  recht  unergiebig.   Leonberg:  im  Frühjahr  und  Herbst  äusserst 
selten.     Bietigheim:   regelmässiger  Strichvogel  im  Frühjahr   und 
Herbst,  in  milden  Wintern  ausnahmsweise  überwinternd.    Brütet  bei 
uns,  wenn  der  Frühjahrsstrich  in  die  Zeit  nach  erfolgter  Begattung 
fällt;   dann  streichen  diese  jungen  Schnepfen  falzend  Ende  Juni  und 
Anfangs  Juli.     Zu   der   von  Prof.  Dr.  Bernhard  Altüm  in  Neustadt- 
Eberswalde  aufgestellten  Frage,    „ob  die  Waldschnepfe  einen  abge- 
schossenen Ständer   verbinde?"    hat   Oberf.  Fribolin   ein   Beispiel 
aus  eigener  Erfahrung :  Im  Staatswald  Forst  wurde  eine  etwa  6  Tage 
vorher  geständerte  Schnepfe  geschossen ;   der  kranke  Fuss  war  dicht 
mit  Bauchfedern  umwickelt  und  hart  an  den  Leib  gedrückt.    Fribolin 
selbst  —  wir  können  seine  Erzählung  hier  nur  abgekürzt  geben  — 
denkt  daran,  dass  der  emporgezogene  und  blutige  Fuss  auch  zufällig 
in  die  Federn  eingeleimt   worden   sein  könne.     Mit  dieser  Annahme 
wird   man   wohl    in    allen   Fällen   jene    Jägersage    erklären    können. 
Heilbronn:    gegen  Mitte  März  wurden   zwar  einige  durchfliegend 
gesehen,  aber  keine  geschossen.    Creglingen:  4.  April  1  St.  und 
28.  October  auf  einer  Treibjagd  einige  gesehen.     T  e  i  n  a  c  h :  5.  April 
auf  der  Auerhahnjagd  die  erste  gehört;  beim  Abzug  nur  3  gesehen, 
da  sie  sich  in  den  colossalen  Waldmassen  zu  sehr  vertheilen.    Pfalz- 
grafenweiler:   die  erste  strich  2.  April.     Simmer sfeld:    7.  April 
2  St.  geschossen. 


—     189     — 

118)   Gallinayo  major  Lch.  Gm.,  Grosse  Sumpfschnepfe. 

Fehlte  diessmal  bei  Weissenau  vollständig.  Bietigheim: 
so  ziemlich  jeden  Herbst  als  seltener  Strichvogel  in  einem  Kartoffel- 
acker geschossen ;  Fribolin  hat  sie  auch  bei  Neuenstadt,  im 
Neckar-  und  Enzgebiet  bis  an  die  badische  Gränze,  wie  auch  auf 
der  Alb  angetroffen. 

119)   Gallinago  scolopacina  Bp.,  Heerschnepfe. 

Wart  hausen:  4.  April  im  Ried  meckernd;  29.  August  bis 
28.  October  schössen  meine  Söhne  30  St. ,  24.  October  2  St.  am 
Moosweiher  bei  Mittelbiberach  erlegt.  Osterhofen  den  ganzen 
Winter,  im  Sommer  und  Herbst  1887  3 — 4  St.  im  Ried,  wovon 
10.  October  1  St.  geschossen  wurde.  Wolfegg:  26.  October  1  St. 
geschossen.  Kisslegg:  brütet  in  einzelnen  Paaren  in  den  noch 
nassen  Abstichen  der  Moser,  wo  der  Falzgesang  häufig  gehört  wurde. 
Weissenau:  Anfangs  März  zu  Hunderten  im  Grenzbachthal  bei 
Ottershofen  auf  Wässerwiesen;  am  Grenzbach  später  nur  vereinzelt 
und  bei  Weissenau  selbst  nicht  an  den  gewohnten  Plätzen.  Schussen- 
ried:  erste  Becassine  1.  März.  Bietigheim:  hart  an  der  Heilbrunner 
Bahnlinie  in  der  Nähe  eines  Altwassers  falzten  vor  3  Jahren  im  Herbst 
etwa  10  Stück.  Im  Frühjahr  vor  2  Jahren  traf  Feibolin  auf  einer 
Wiese  an  der  Enz,  hart  an  stark  begangener  Landstrasse  etwa  fünf 
Tage  nach  einander  eine  einzelne  und  beobachtete  sie  beim  „wurmen"; 
sie  strich  an,  stelzte  kurze  Zeit  herum,  stiess  den  Schnabel  in  den 
Boden  und  rannte  um  diesen  wie  um  einen  Pfahl  trippelnd  mehrmals 
im  Kreise  herum ;  diess  wurde  an  mehreren  Orten  wiederholt  und 
die  Bohrlöcher  blieben  als  kleine  offene  Trichter.  Derselbe  Gewährs- 
mann traf  früher  die  Becassine  zugleich  mit  der  Haarschnepfe 
(Gallinago  gaUinula  Lch.  L.)  in  massiger  Anzahl  im  Frühjahr  auf 
den  Torfstichen  von  Böblingen  und  Sindelfingen,  im  Herbst 
auch  einmal  lebhaft  falzend. 

120)  Numenius  arquata  Lath.,  Grosser  Brachvogel. 

Wart  hausen:  4.  April  1  St.,  2.  Mai  und  1.  Juni  ein  Paar 
im  Ried  gesehen;  im  Mai  wurde  hier  ein  Nest  gefunden,  dessen 
Eier  Bauern  verzehrten.  Wolf  egg:  Ende  April  ein  Nest  mit  4  Eiern 
(Fst,  Waldburg- Wolfegg).  Osterhofen:  13.  April  5—6  St.  im 
Ried,  die  durch  ihren  eigenthümlichen  Ruf  sich  bemerklich  machen ; 
bis  auf  120  Schritt  schlich  sich  der  Berichterstatter  an  ein  gravitä- 
tisch über  die  Wiesen   schreitendes  Exemplar   an.     Kisslegg:  An- 


—     190     — 

kunft  23.  März ;  in  einzelnen  Paaren  alljährlicher  Brutvogel  im 
Achthal  und  Gründiemoos.  Weissenau:  erschien  13.  März  in 
4 — 5  Paaren  auf  dem  alten  Brutplatz  im  Grenzbachthal  und  begann 
sofort  mit  dem  in  der  ganzen  Gegend  bekannten  Falzgesang  ;  25.  Juli 
war  nur  noch  1  St.  da  und  auch  dieses  nach  wenigen  Tagen  ver- 
schwunden.  S  c  h  u  s  s  e  n  r  i  e  d :  wird  im  Federseebecken  immer  seltener. 

121)  Ardea  cinerea  L,,  Fischreiher. 
Warthausen:  11.  September  5  St.  im  Rissthal;  es  waren 
dieses  heuer  die  einzigen;  2  St.  hat  A.  Angele  geschossen.  Oster- 
hofen:  den  ganzen  Herbst  3 — 4  St.  an  der  Ach  im  Osterhofer  Ried. 
Weissenau:  bei  Beginn  der  starken  Kälte  mehrere  an  der  Schüssen, 
bei  stärkerer  Eisbildung  wieder  abziehend.  Schussenried  :  2.  März 
erster;  brütet  in  den  dortigen  Staatswaldungen.  Erb  ach:  28  St. 
auf  der  Schussliste.  Bietigheim:  an  Enz  und  Neckar  nicht  selten; 
häufig  bei  D  e  r  d  in  g-  e  n  (Maulbronn);  fängt  Winters  auf  dem  Feld  Mäuse. 
T  ein  ach:  früher  in  den  Forsten  am  Teinachbache  häufig,  den  sie 
besonders  nach  dem  Zufrieren  der  Nagold  besuchten ;  dort  war  näm- 
lich einst  im  Stammheimer  Wald  ein  herzoglicher  Reiherstand  ge- 
hegt, von  welchem  die  Vögel  nach  Ludwigsburg  zur  Reiherbaize  ge- 
bracht wurden ;  die  Nachkommen  von  diesen  haben  sich  durch  den 
Bau  und  Betrieb  der  Eisenbahn  längs  des  Flusses  sowie  durch  den 
enormen  Windwurf  von  1870  derart  vermindert,  dass  Dr.  Wurm  seit 
mehreren  Jahren  erst  wieder  9.  Januar  dieses  Jahrs  einen  in  der 
Teinach  bemerkte. 

122)  Ardea  imrpurea  L.,  Purpurreiher. 

Kisslegg:  21.  Mai  wurde  1  St.  von  einem  Forstgehilfen  in 
einem  Abstich  im  „Breitmoos"  geschossen. 

Anmerkung.  Über  diessmal  nicht  in  Frage  kommende  Arten 
ist  Folgendes  eingegangen.  Egretta  alba  Bp.  L.,  grosser  Silber- 
reiher, wurde  in  der  Teinach  fischend  vor  einigen  Jahren  an  zwei 
Tagen  von  Dr.  Wurm  beobachtet.  Ardeola  miniita  Briss.  L., 
Zwergreiher,  bekanntlich  in  Oberschwaben  an  Seen  und  der  Donau 
Brutvogel,  wurde  einst  von  Oberförster  Fribolin  bei  Maulbronn 
geschossen  und  hat  dort  im  Derdinger  See  genistet. 

123)  Ciconia  alba  Briss.,  Weisser  Storch. 
Warthausen:    3.  März  fischt   einer  an  der  Riss.     Als  unser 
Storchpaar  am  22.  August  1886,  Abschied  nehmend,   letztmals  das 
Schloss  umkreiste,    ahnte  es  sein  Schicksal  wohl   nicht.     Nach    der 


—     191     — 

vom  13. — 21.  März  dauernden,  für  die  Vogelwelt  so  unheilvollen 
Winterkatastrophe  fand  man  beide  im  Thal,  nur  wenige  Kilometer 
von  der  nicht  mehr  erreichten  Heimat  entfernt,  verhungert  und  er- 
froren. Um  einen  Monat  verspätet  besetzten  vorjährige  Junge  das 
Nest;  erstmals  flog  einer  24.  März  über  das  Schloss  weg,  29.  März 
setzte  er  sich  nach  langem  Umkreisen  endlich  auf's  Dach,  30.  März 
kamen  auf  dieses  3  Störche ,  3.  April  näherten  sie  sich  dem  Nest 
und  einer  wagte  sich  endhch  auf  dieses.  Von  4.  April  an  war,  nach- 
dem der  dritte  abgetrieben  worden,  ein  Paar  dauernd  angesiedelt; 
25.  Mai  hatten  sie  3  Junge ;  22.  Juli  war  Gewitter  mit  solchem 
Orkan,  dass  die  Jungen  aus  dem  Nest  geschleudert  wurden;  Tags 
darauf  wurde  eines  desselben  aus  dem  Dorf  herauf  gebracht,  Nach- 
mittags zu  einem  Dachladen  wieder  hinaus  gelassen  und  Abends 
sassen  wieder  alle  im  Nest ;  25.  Juli  sind  sie  glücklich  ausgeflogen 
und  11.  August  waren  sie  letztmals  zur  Stelle.  Ummendorf  (Bi- 
berach) :  vor  mehr  als  25  Jahren  hatte  sich  ein  Storchennest  auf 
der  Adlerwirthschaft  befunden ;  dieses  Jahr  wurde  auf  dem  höchsten 
Kamin  des  als  Pfarrhaus  dienenden  Schlosses  ein  solches  wieder  an- 
gebracht, das  sofort  bezogen  wurde  und  3  Junge  beherbergte,  die 
an   Jacobi   (25.  Juli)    ihren    ersten   Ausflug   wagten.      L au p heim: 

24.  März,  von  der  Eisenbahn  aus  sichtbar,  2  St.  im  Wasser  stehend. 
Ravensburg:  angekommen  4.  März;  hat  3  Junge  ausgebrütet. 
Buch  au:  11.  März  10  U.Vormittags  angekommen  aber  wieder  ab- 
gezogen.     Erbach:    mehrere    10.   März.      Plochingen:    Ankunft 

25.  Februar  bei  warmem  Südwest;  1.  September  steht  noch  ein  ein- 
zelner auf  dem  Kirchthurm.  Reutlingen:  24.  Februar  lässt  sich  der 
erste  auf  dem  Dach  der  Stadtkirche  nieder  (Zeitungsnotiz).  Tü- 
bingen: 3.  März  ein  Storch  über  die  Stadt  nach  Osten  fliegend. 
Weilimdorf:  angekommen  12.  März.  Leonberg:  schon  Ende  Juli 
abgezogen.  Heilbronn:  fliegt  1.  April  über  die  Stadt;  22.  und 
28.  Mai  2  Vögel  im  Feld ;  fehlt  als  Nistvogel  hier  und  in  den  Nach- 
barorten, Link  hat  aber  auf  einer  günstig  gelegenen  Scheune  seines 
Gartens  eine  Nestunterlage  anbringen  lassen.  Teinach:  fehlt  dem 
Schwarzwald.  —  „Gottlob!"  meint  Dr.  Wurm  — ;  vom  „Gäu"  her 
steht  das  nächste  Storchennest  auf  der  Kirche  von  Althengstett. 

Aus  Zeitungsnotizen  fügen  wir  über  die  Lebenszähigkeit  der 
Störche  zwei  Beispiele  als  Anhang  bei.  Im  Gymnasialgebäude  zu 
Fulda,  auf  welchem  sich  die  Störche  zur  Abreise  zu  versammeln 
pflegen,  wurde  i.  J.  1861,  nachdem  sie  schon  zwei  W^ochen  abge- 
zogen waren,  beim  Reinigen  eines  Kamins  ein  ganz  berusster  Storch 


--     192     - 

so  sehwach  vorgefunden,  dass  er  nicht  mehr  stehen  und  schlucken 
konnte,  mit  eingeflösstem  Brei  hergestellt  entflog  er  später  aus  einem 
Garten.  Zu  Lügumkloster  auf  dem  Dach  des  Hofbesitzers  Jür- 
GENSEN  erstritt  sich  im  heurigen  Jahre  ein  fremdes  Männchen  das 
Eherecht  und  machte  den  rechtmässigen  Gatten  verschwinden,  der 
9 — 10  Tage  nachher  vom  Kaminkehrer  ebenso  wie  im  vorigen  Fall 
aufgefunden  wurde,  aber  trotz  verkommenen  Zustands  sich  sofort 
mit  Fröschen  stärken  liess. 

124)  Ciconia  nigra  L.,  Schwarzer  Storch. 
Tübingen:  18.  März  1  St.  am  Neckar  (Fritz  K.-W.). 

125)  Cygnus  musicus  Bechst.,  Singschwan. 

Nach  einer  Correspondenz  im  schwäb.  Merkur  vom  17.  Novem- 
ber 1887  erlegte  Tags  zuvor  der  Jagdpächter  von  Amrichshausen 
(Künzelsau)  im  dortigen  See  ein  Exemplar  ausdrücklich  von  dieser 
(der  nordischen)  Art;  es  wog  17  Pfund  und  wurde  um  3|-  c/M.  ver- 
kauft.    Ist  auch  schon  an  der  Tauber  vorgekommen. 

126)  Cygnus  olor  Briss.  L.,  Höckerschwan. 
Kisslegg:  10.  Juli  streichen  2  Schwäne  hoch  über  die  Bahn- 
linie zwischen  Wolfegg  und  Rossberg;  schon  der  Jahreszeit  nach 
können  es  kaum  andere  als  verwilderte  dieser  Art  sein;  von  den  im 
Schlosspark  zu  Waldsee  gehaltenen  ziehen  die  Jungen,  die  von  den 
Alten  nicht  geduldet  werden  und  denen  man  die  Flügel  nicht  bricht, 
alljährlich  fort  und  werden,  da  sie  nicht  zurückkehren,  wohl  immer 
als  wilde  erlegt. 

127)  Ans  er  segettim  Gm.,  Saatgans. 
Osterhofen:  11.  März,  2  Tage  vor  dem  grossen  Schnee, 
bei  Regen  und  Westwind  etwa  40  St.  hoch  in  den  Lüften  von  Süd 
nach  Nord  fliegend.  Kisslegg:  4.  November  19  ziehende  Wild- 
gänse. Esslingen:  12.  November  eine  Schaar  Gänse  fliegt  über 
die  Stadt.  Bietigheim:  im  kalten  Winter  1886  auf  87  in  grossen 
Flügen  auf  den  Saatfeldern  einfallend ;  noch  jeden  Winter  auf  dem 
Durchzug  beobachtet,  wenn  sie  im  Dreieck  vorüberfliegen.  Jagst- 
feld:  30.  December  nachmittags  3^  U.  zog  ein  mächtiger  Flug 
Wildgänse  zwischen  Osterburken  und  Adelsheim  über  das  Kirnau- 
thal ;  die  laut  schreiende  und  flatternde  Schaar  flog  in  Form  eines 
riesigen  Keils,  je  20 — 22  St.  in  jeder  Bahn,  von  Nordost  gegen  Süd- 
west, wohl  60  m.  über  der  Thalsohle  (Zeitungsmittheilung).  Lich- 
tenberg (Marbach) :  22.  März  zogen  50 — 60  St.,  von  Südwest  nach 


—     193     — 

Nordost  fliegend,  vorüber  (Stockmayer).  Heilbronn;  ein  Trupp 
von  40 — 50  Wildgänsen  hielt  sich  im  Februar  oder  März  einige  Tage 
unweit  der  Stadt  im  Neckarthal  auf.  Aus  Kempten  (bayr.  Schwa- 
ben) wird  geschrieben,  dass  kurz  vor  27.  Februar  ein  grösserer  Flug 
Wildgänse  auf  dem  Weg  nach  Norden  durchgekommen  sei. 

128)  Alis  er  einer  eus  Mey.,  Graugans. 

Eine  authentische  Beobachtung  fehlt.  5  St.  Wildgänse,  12.  De- 
cember  bei  Ob erdischin gen  (Ehingen),  mögen  wohl  zu  dieser  meist 
nur  in  kleinen  Familien  wandernden  Art  gehören.  Eine  Zeitungs- 
correspondenz  „Kirchheim  29.  August"  berichtet,  dass  am  ge- 
nannten Tage  Vormittags  zwischen  11  und  12  ü.  von  Osten  nach 
Westen  in  grosser  Höhe  ein  Zug  „Schneegänse"  gesehen  wurde. 
Vielleicht  haben  diese  frühzeitigen  Durchzügier  dieser  als  der  näher 
wohnenden  Art  angehört  ? 

Von  der  zu  dieser  Art  gehörigen  Hausgans  wird  aus  Reut- 
lingen geschrieben,  dass  eine  solche  im  Winter  bis  Ende  Januar  1887 
58  Eier  gelegt  und  nach  kurzer  Pause  bereits  in  der  vierten  Februar- 
woche diese  löbliche  Beschäftigung  wiederum  aufgenommen  habe. 
14.  April  schlüpfen  in  Creglingen    die    ersten   jungen  Gänse  aus. 

129)  Rhynchaspis  clypeata  Lch.  L.,  Löffelente. 
Kisslegg:    auf  dem  Strich   einzeln  und  in  grösseren  Flügen; 
17.  August   auf  dem    Grossweiher   und    20.  August    auf  der  Ach  je 
1   St.  'geschossen. 

130)  Querquedula  circia  Steph.,  Knäckente. 
Warthausen:    12.    April   5   St.    an    der   Riss.      Kisslegg: 

Durchzug  7.  April,  brütet  nicht  und  kommt  —  wie  auch  die  nach- 
folgende Art  —  nur  im  Frühjahr  und  Herbst  in  einigen  Exemplaren 
auf  dem  Zuge  vor.  Weissenau:  von  Januar  bis  März  in  beschei- 
dener Anzahl  an  der  Schüssen.     Erbach:  Schussliste  25  St. 

131)  Querquedula  crecca  Steph.,  Krieckente. 
Warthausen:  6.  März  bei  den  Risshöfen;  12.  April  ge- 
paartes Paar  an  der  Riss  im  Ried;  10.  September  2  St.  geschossen 
auf  Markung  Langenschemmern,  im  November  eine  weitere  bei  Wart- 
hausen a.  d.  Riss.  Weissenau:  wie  vorige  Art.  Schussenried: 
ziemlich  entfernt  vom  Wasser  im  Waldfeld  brütend:  6.  Mai  1876 
Gelege  mit  9  Eiern.  In  den  Derdinger  Seen  bei  Maulbronn,  auf 
den  Torfstichen  von  Böblingen  und  Sin  delfingen,  an  Neckar, 
Enz,  Kocher  und  Jagst  mit  der  vorgenannten  und  der  nachfolgenden 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Xaturl;niide  in  Württ.    1B89.  13 


—     194     — 

Art   gewöhnliche    Gäste,     Brütet    vereinzelt   an   ruhigen  Stellen  des 
Nagold -Thals  (Wurm). 

132)  Anas  hoschas  L.,  Stockente. 

Warthausen:  20.  Februar  1  St.  geschossen;  18.  März  etwa 
20  St.  beieinander,  paaren  sich  23.  d.  M. ;  4.  April  2  Brutpaare  im 
Ried;  28.  April  in  einem  Weidenkopf  an  der  Riss  nistend;  24.  Oc- 
tober  60  bis  80  Stück  im  Ried  und  ebenso  18.  November  an  der 
Riss.  Isny:  im  Revier  Rohrdorf  11  Enten  geschossen  (Gf.  Quadt). 
Osterhofen:  an  der  Ach  bis  Jahresschluss  etwa  6  St.  geschossen: 
15.  September  Abends  6  U.  flogen  35 — 40  St.  vom  Osterhofer  Ried 
über  den  „Mauchenberg"  und  „Haslach",  eine  Bogenlinie  bildend, 
dem  Wurzacher  Ried  zu,  Messen  sich  bei  Graben  auf  einem  Haber- 
stoppelfeld nieder  und  fielen  später  im  Schwindelsee  ein.  Kissl egg: 
2.  März  gepaart;  Brutvogel  in  zahlreichen  Paaren  auf  den  Seen  und 
Weihern,  sowie  auf  der  Ach;  28.  April  Nest  mit  2  Eiern  auf  denen 
die  Ente  sass ,  weit  vom  Wasser  unter  einem  Weisstannenhorst  an 
einem  sonst  kahlen  Abhang  beim  Pflanzensetzen  gefunden.  Weissenau: 
Januar  bis  März  wenig  zahlreich  an  der  Schüssen.  Schussenried: 
regelmässig  auf  den  Weihern  brütend.  Essendorf:  etwa  10  Paare 
schwimmen  paarweise  31.  März  auf  dem  Lindenweiher.  Erb  ach: 
Schussliste  89  St.  Plochingen:  1.  Juli  auf  einem  Teich  kaum 
erst  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Entchen.  Creglingen:  haben  sich 
erst  im  November  seit  dem  letzten  Schnee  eingestellt.  T  ein  ach: 
zuweilen  als  Strichvogel  in  der  Nagold  und  auf  den  Weihern  der 
hochgelegenen  Orte  Liebeisberg,  Neubulach,  Sommenhardt;  Kälte, 
Armuth  des  Wassers  an  Pflanzen  und  Thieren,  Verkehrswege  längs 
der  Gewässer  verhindern  sie  Stand  zu  nehmen. 

133)  Mareca  penelops  Stfph.  Aldr.,  Pfeifente*. 

Warthausen:  26.  März  8  St.  an  der  ausgetretenen  Riss 
deutlich  beobachtet  (Fritz  K.-W.)  ;  Kissl  egg:  27.  November  1  St. 
auf  der  Ach  geschossen. 

134)  Mergns  mer (janser  L.,  Grosser  Säger.. 

Kissl  egg:  Anfangs  November  in  Flügen  von  30  St.  auf  dem 
Argensee  und  Obersee.     Wenn  Revierf.  Wendelstein  sagt,    er  brüte 


*  Ich  schreibe  nicht  Penelope  wie  Linne,  der  aus  Aldrovands  und 
Gesners  Ablativ  „de  penelope"  (d.  h.  von  der  Ente  penelops)  einen  Eigennamen 
gemacht    hat.     Anser  penelops   sagt  Aldrovandi,    der  allerdings    den   Namen 


—     195     — 

an  der  Argen,  so  dürfte  diese  vielleicht  ein  Irrthum  oder  eine  Ver- 
wechselung mit  der  nachfolgenden  Art  sein ,  von  welcher  Dr. 
Stölker  in  St.  Gallen  31.  August  1876  vom  ßodensee  (Obersee)  ein 
Weibchen  mit  6  Jungen  im  Dunenkleide  als  eine  Seltenheit  erhielt 
(briefliche  Notiz).  Naümann's  ältere  Nachricht,  31.  merganscr  habe 
schon  am  schweizerischen  Bodensee  genistet,  ist  unverbürgt;  die  nor- 
malen Brutplätze  reichen  aus  Scandinavien  und  der  Ostseeküste  bis 
in  die  Mark  Brandenburg,  Pommern.  Holstein  und  Mecklenburg. 
Vergl.  nächste  Nummer.  Weissen  au:  diese,  die  grössere  Art,  er- 
scheint regelmässig  und  wurden  heuer  3  St.  geschossen.  Während 
des  Strichs  bei  Maulbronn  auf  dem  Derdinger  See,  auf  dem  Neckar, 
bei  Kochendorf  (Jagstfeid),  in  Kocher  und  Jagst,  stets  zu  2  und 
4  St.  beobachtet  sowie  geschossen. 

135)  3Iergus  serrator  L.,  Mittlerer  Säger. 
Weissen  au:    seltener   als  der  vorige  (wonach  die  vorjährige 

Notiz  zu  berichtigen  ist),  immer  nur  Ausnahme;  1  St.  geschossen. 
Oberförster  Probst  giebt  die  interessante  Notiz,  dass  ein  Mergus  — 
wahrscheinlich  serrator  —  i.  J.  1882  oder  1883  bei  Geiselharz 
(Wangen  i.  A.)  am  Argenhang  in  einem  hohlen  Birnbaum  eines 
Hausgartens  nahe  am  Boden  gebrütet  habe ;  die  Brut  wurde  durch 
ein  muthwillig  in  die  Flugöffnung  geschobenes  Holz  gestört;  die 
Alten  wurden  oft  auf  dem  Giebel  des  dortigen  Wirthshauses  sitzen 
gesehen  und  sollen  einige  Jahre  früher  ebenfalls  dort  gebrütet  haben. 
Nach  einer  Zeitungsnotiz  schoss  30.  März  Kevierf.  Rhomberg  im 
Schlosssee  von  Waldsee  eine  „Seegans",  das  Männchen  vom  Paare. 
Nach  ähnlicher  Quelle  München,  6.  Februar  wurde  im  Revier  Hirschau 
des  k.  Leibgeheges  eine  Säge-  oder  Meerente  mit  wunderschöner 
gelber  Brust  (dunkler  im  Gefieder  als  das  Weibchen)  geschossen. 
Ob  diese  beiden  Fälle  hieher  oder  eher  zur  vorigen  Art  gehören, 
bleibt  dahingestellt. 

136)  St  er  na  hirundo  L.,  Fluss-Seeschwalbe. 
Warthausen:  28.  Mai  2  St.,  8.  JuH  3  St.  und  10.  JuU  eine 

einzelne  im  Rissthal.  Sigmaringen:  14.  Juli  wurde  ein  in  der 
Donau  auf  den  Beobachter  ganz  vertraut  zuschwimmendes  Exemplar 
mit  der  Hand  gefangen,  die  „Hohenzollern'sche  Volkszeitung"  be- 
schreibt den  Vogel  und  verlegt  die  Heimat  der  „noch  nie  dagewesenen 
Seltenheit"   an  die  Nordsee ! 


äer    Gattin    des    Odysseus    damit   in  Verbindung   bringt;    diese   heisst   griechisch 
JTr^rü.önt,,  der  Vogel  bei  Aristoteles  7ir,vü.o\'^. 

13* 


-      196     — 

187)  Larus  {Chroicocejjhalus  Eyt.)  ridibiindus  L. ,  Lachmöve. 
Warthausen:  24.  März  etwa  25  St.  um  das  Schloss  fliegend^ 
27.  März  ein  St.  an  der  Riss;  5.  Juli  4  St.  im  Thal.  Osterhofen: 
30.  März  waren  bei  Schneegestöber  100 — 150  St.  auf  den  dortigen 
Feldern.  K  i  s s  1  e  g  g:  kommt  nur  auf  dem  Strich  oder  nach  Nahrung 
fliegend  unter  Tags  von  dem  etwa  10  Kilometer  entfernten  Rohr- 
see, wo  sie  brüten ,  in  das  Achthal  und  an  die  Weiher  bei  Kiss- 
legg;  17.  November  noch  9  St.  gesehen.  Weissenau:  erscheint 
19.  März  in  den  bekannten  grossen  Flügen,  liest  hinter  dem  Pflug 
ihre  Nahrung  auf  und  verschwindet  wieder  Ende  April.  Schussen- 
r  i  e  d  :  29.  März  erste  Möve. 

138)  Larus  canus  L.,  Sturmmöve. 
Esslingen:   12.  November  2  St.  am  Neckar. 

139)  Podicipes*  minor  Lath.,  Flusstaucher. 
Warthausen:    wie   immer    den  Winter   über  auf   der  Riss. 
Creglingen:    häufig  auf  der  Tauber.     Nistend    in    den  Seen   von 
Böblingen  und  D  e  r  d  i  n  g  e  n  ;  auf  der  Enz  bei  B  i  e  t  i  g  h  e  i  m  nur 
im  Winter. 

Säugethiere. 

1)  Ger V US  elaphus  L.,  Edelhirsch. 
Diessjährige  Schusslisten  sind  leider  wenige  eingelaufen :  Auf 
den  gräflich  QuADx'schen  Jagden  im  Allgäu  wurden  in  den  Revieren 
Rohr  dorf  (16,000  Morgen)  und  Kreuz  thal  (2,500  M.)  12  Hirsche, 
13  Thiere  und  2  Kälber  geschossen,  wovon  5  St.  auf  das  letztere 
Revier  kommen.  Kisslegg:  den  ganzen  Sommer  und  Herbst  hielt 
sich  ein  Hirsch  mit  einem  Thier  in  den  dortigen  Waldungen  und  in 
denen  von  Wolfegg  auf;  Anfangs  October  waren  beide  fortgezogen; 
alle  Jahre  wechseln  einzelne  vom  schwarzen  Grat  ein.  Creglingen: 
vor  2  Jahren  wurde  ein  Zwölfender  bei  Waldmannsh  of  en  (Mer- 
gentheim) angeschossen  und  bei  Aufstetten  (Ochsenfurt),  f  Stunden 
über  der  Landesgränze  bei  einem  Treibjagen  erlegt;  die  Hirsche 
kommen  zeitweise  aus  dem  Steigerwald  herüber.  T  ein  ach:  über- 
schreitet jetzt  öfter  das  Thal  der  grossen  und  der  kleinen  Enz, 
so  dass  er  zuweilen,  selbst  in  kleinen  Rudeln,  um  Würzbach,  Ober- 
reichenbach, Röthenbach,  Altburg  u.  s.  w.  gespürt,  gesehen  und  ge- 
schossen wird. 


*  Podiceps   hei    Lathan   ist  Druckfehler;    es    kommt   nicht  von  novs, 
noäö?  und  „ceps"  (fussköpfig),  sondern  von  podex  und  pes  (Steissfuss !)  her. 


—     197     — 

Auf  den  gräflich  TöRRiNG'schen  Jagden  in  Oberbayern  kamen 
nach  Zeitungsnachrichten  2  Hirsche,  2  Altthiere  und  5  Schmalthiere 
im  abgelaufenen  Jagdjahr  zum  Abschuss. 

2)   Capr eolus  pygar (JUS  Blas.  Pall.,  Reh. 

Warthausen:  17  Böcke  als  geschossen  notirt.  Die  viel- 
erwähnte zahme  Rehgais  hat  wieder  gesetzt,  erschien  aber  bald  allein, 
so  dass  wohl  Füchse  die  Nachkommenschaft  aufgezehrt  haben;  den 
Winter  über  besuchte  sie  wie  immer  den  Garten,  um  aus  der  Hand 
gefüttert  zu  werden.  Bei  Isny  im  Revier  Rohrdorf  44  und  in 
■demjenigen  von  Kreuzthal  6  Böcke  geschossen  (gräfl.  QüADi'sche 
Schussliste).  Osterhofen:  15.  Mai  erstes  Kitzböckchen;  3  Kreuz- 
böcke ,  ein  Gabelbock  und  2  Spiessböcke  abgeschossen ;  im  kalten 
Januar  verschmähte  das  Rehwild  künstliche  Fütterung,  da  Brombeer- 
laub und  Heidelbeertriebe  genügende  Äsung  gaben ;  auf  Ziegel- 
b  a  c  h  e  r  Gemeinde  wurde  Mitte  Januar  ein  Bock  erlegt ,  dessen 
rechter  Hinterlauf  vom  Knie  ab  sich  in  zwei  normale  Unterlaufe 
theilte.  Kisslegg:  11.  Mai  erstes  Rehkitz;  28.  Mai  wird  ein  Schmal- 
reh vom  Bock  eifrig  getrieben;  15.  Juli  erster,  23.  August  letzter 
Bock  aufs  Blatten  springend;  guter  Rehstand.  Erbach:  Schuss- 
liste 17  Rehböcke.  Pf alzgraf en weiler :  in  Folge  des  tiefen 
Schnees  und  lang  anhaltenden  Winters  sind  viele  Rehe  eingegangen; 
im  Staatswald  des  Reviers  gefüttertes  Grasheu  wurde  anfangs  nicht 
angenommen,  während  sie  an  Kleeheu  bälder  giengen.  Teinach: 
trotz  der  Decimirung  im  vorigen  Winter  häufig  auf  den  Jagden ;  das 
Wildpret  musste  deshalb  zeitweise  um  20  Pf.  per  Pfund  am  Stück 
abgegeben  werden.  „Aus  dem  Stromberg"  berichten  die  Blätter, 
dass  ein  Forstwächter  von  Cleebronn  21.  November  innerhalb 
einer  Viertelstunde  an  einem  Stand  4  Rehe,  immer  zwei  auf  ein  Mal, 
geschossen  habe.  Oberförster  Fbibolin  bemerkt,  „weisse  Rehstände 
hatten  wir  früher  mehrfach  im  Lande ;  in  der  Registratur  des  Reviers 
Pfronstetten  (Münsingen)  liegen  Acten  über  zweimalige  Lieferung 
einer  grossen  Zahl  weisser  Rehe  an  Napoleon  I.  Graf  Neipperg  bei 
Schwaigern  und  Fürst  Hohenlohe  bei  Stetten  a.  Kocher  hatten  bis 
1848  förmliche  weisse  Rehstände."  In  der  Gegend  von  Bietig- 
h  e  i  m  sind  die  Jagden  zu  parzellirt  und  zu  kurz  verpachtet,  als  dass 
von  einem  Rehstand  die  Rede  sein  könnte;  im  Staatswald,  wo  keine 
Gaisen  geschossen  werden,  sind  wieder  Rehe,  allein  der  Wald  ist  zu 
unruhig  und  zu  klein,  so  dass  sie  Frühjahrs  auswechseln  und  nicht 
wiederkehren ;    diesen    Winter   liefen   übrigens    dem    Genaimten    auf 


—     198     — 

einem  Stand  13  St.  an.  In  den  kalten  Wintern  ist  ihm  nicht  ein 
Stück  eingegangen,  indem  er  ohne  zu  füttern  im  Vorwinter  Aspen 
für  die  Äsung  hauen  lässt ,  die  Sulzen  frisch  erhält  und  vor  allem 
Ruhe  hält,  da  heruntergekommenes  Wild  unfehlbar  zu  Grund  geht, 
sobald  man  es  herumhetzt.  Während  Piothwild  die  Fütterungen  gerne 
annimmt,  sind  (Erfahrungen  aus  dem  Schönbach)  Rehe  rudelweise 
neben  dem  Futterplatz  verhungert.  Das  Reh  der  Bietigheimer  Gegend 
wiegt  schlecht  und  schöne  Gehörne  sind  selten.  Ein  starker  Sechser- 
bock wiegt  selten  40  Pfund,  während  solche  von  der  Alb  aufgebrochen 
50 — 52  Pfund  schwer  waren.  Gaisen  mit  3  Kitz  hat  Fribolin  meh- 
rere  Jahre  hindurch  im  Staatswald  Forst  beobachtet.  Letztes  Jahr 
schoss  Revierförster  Haug  in  Güglingen  ein  Reh  mit  Granen. 
Heilbronn:  bei  Eichelmast  haben  die  Rehe  sehr  gut  ohne  Fütterung 
überwintert;  es  wird  hier  nicht  früher  als  vom  25.  Juli  ab  ,, geblattet", 
aber  erst  8  Tage  später  sprangen  sie  gut.  Eine  Zeitungscorrespon- 
denz  Heiden  heim,  27.  December  bemerkt,  dass  die  in  den  dortigen 
Revieren  bis  dahin  abgehaltenen  Jagden  recht  ergiebig  waren ;  na- 
mentlich ist  der  Stand  der  Rehe  trotz  des  letzten  für  sie  so  harten 
Winters  ein  ausgezeichneter;  10 — 15  St.  werden  bei  den  Jagden 
geschossen,  bis  jetzt  50 — 60  Rehe  in  den  nächstgelegenen  Waldungen. 
Der  Pächter  der  Waldjagd  rechts  vom  mittleren  Brenzthal  bei  Bol- 
heim,  welcher  seit  einigen  Jahren  schonte,  musste  wegen  Wildschaden 
den  Rehstand  bedeutend  einschränken  und  soll  seit  1.  Juni  gegen 
90  St.  erlegt  haben.  Einige  weitere  Correspondenzen  aus  öffentlichen 
Blättern  mögen  ihrer  wohlwollenden  Absicht  wegen  hier  noch  eine 
Stelle  finden.  Heiden  heim,  29.  Januar:  die  Rehe  haben  gegen- 
wärtig böse  Zeit;  tiefer  Schnee  verdeckt  die  Nahrung,  natürliche 
Scheu  hält  sie  ab,  das  von  den  Jagdpächtern  gebotene  Futter  zu 
berühren,  der  gefrorene  Schnee  macht  ihnen  wunde  Füsse,  manches 
Reh  wird  den  Füchsen  zur  Beute,  verschiedene  aus  Hunger  verendete 
wurden  schon  gefunden ;  die  Holzarbeiter  im  Wald  begegnen  oft  be- 
mitleidenswerthen  Rudeln  von  10 — 16  Stück.  Aus  dem  Fränki- 
schen 3.  Februar:  seit  nunmehr  sieben  Wochen  hat  das  Wild 
schwer  nothgelitten ,  viele  Thiere  sind  dort  verhungert ,  wo  die 
Jagdpächter  sich  nicht  fütternd  erbarmten;  es  wird  mehrere  Jahre 
dauern,  bis  der  seitherige  Wildstand  wieder  hergestellt  ist,  doch  hat 
Lichtmess  das  ersehnte  Thauwetter  gebracht.  Vom  Neckar:  end- 
lich tritt  das  Wild  in  die  gesetzliche  Schonzeit  ein;  seit  Wochen 
leidet  es  unsagbar  durch  Nahrungsmangel,  denn  Wald  und  Flur  sind 
in  eine  harte  krustige  Schneeschichte  gehüllt.    Das  Wild  zog  instinct- 


-     199     — 

massig  aus  seinen  gewohnten  Standorten  nach  den  Thälern,  in  kleine 
Feldhölzer  oder  in  die  Nähe  menschlicher  Wohnungen.  Fanden  die 
lialbverhungerten  Thiere  hier  den  gehofften  Schutz?  Leider  nein! 
Jene  unter  den  Jagdpächtern,  die  in  dem  Reh  nur  ein  wanderndes 
Zwanzigmarkstück  und  im  Hasen  einen  Thaler  erblicken ,  knallten 
das  kümmernde  Wild  schonungslos  nieder.  Überall  werden  an  Hunger 
eingegangene  Rehe  eingebracht,  meist  jüngere,  deren  geringere  Kraft 
nicht  ausreichte. 

t  Die  oberbayrischen  Jagden  des  Grafen  Törring-Jettenbach- 
GuTENZELL  Uefertcn  328  Rehböcke. 

3)  Capeila  rupicapra  K.  et  Blas.,  Gemse. 
Ein  jähriger  Gemsbock  wurde  11.  August  im  Argenthai  ganz 
in  der  Nähe  der  Eisenbahnstation  Ratzenried  (Wangen)  vom  fürstl. 
Waldburg- WoLFEGö'schen  Förster  Weixler  geschossen.  In  bayrischer 
Nachbarschaft  wurde  laut  Zeitungsnachricht  vom  8.  December  einem 
aus  dem  Hochgebirg  versprengten  stattlichen  Gemsbock  in  den  Wäl- 
dern bei  Obergünzburg  einige  Zeit  lang  nachgestellt,  bis  ihn 
Apotheker  Flossmann  erlegte. 

4)  Lepus  timidus  L.,  Feldhase. 
Warthausen:  auf  eigener  Jagd  und  bei  H.  Brauereibesitzer 
Neher  105  St.  geschossen.  Bei  Isny  in  den  gräfl.  QuADT'schen 
Revieren  Rohrdorf  und  Kreuzthal  wurden  dort  28,  hier  9  Hasen 
geschossen,  was  für  ein  Areal  von  18,500  Morgen  das  sparsame 
Vorkommen  im  gebirgigen  Allgäu  kennzeichnet.  Oster hofen: 
8.  März  erste  10—12  Tage  alte  Junge  in  einem  Reisachhaufen,  die 
wohl  im  nachfolgenden  „Nachwinter"  zu  Grund  gegangen  sind ;  gutes 
Hasenjahr,  bis  Ende  November  40  St.  geschossen.  Ki s s  1  e g g :  gutes 
Jahr,  so  dass  bei  Treibjagen  18 — 20  St.  erlegt  werden  konnten. 
Erb  ach:  175  St.  in  der  freiherrl.  ÜLM'schen  Schussliste.  Neckar- 
gröningen  (Ludwigsburg):  auf  dortiger  Jagd  und  auf  solcher  von 
Theilen  der  Markungen  Ossweil  und  Aldingen  wurden  6.  Januar  220 
Hasen  erlegt.  C'reglingen:  vorigen  Winter  sind  viele  ertrunken,  na- 
mentlich in  der  Steinach;  unmittelbar  vor  dem  Schneefall  war  Hoch- 
wasser eingetreten,  so  dass  dann  an  den  Bächen  eine  von  ihnen  aufge- 
suchte freie  Zone  war.  Bietigheim:  Ende  März  wurden  ziemlich 
starke  junge  Hasen,  aber  auch  eingegangene,  angetroffen.  Je  nach  der 
Jagdbehandlung  kommt  der  Hase  mehr  oder  weniger  zahlreich,  aber 
überall  dort  in  ziemlicher  Anzahl  vor.  Wenn  die  aufeinanderpassen- 
den    Schneidezähne    theilweise    verloren    gehen    (3    Beobachtungen), 


~     200     — 

wachsen  die  gegenüberstehenden  wie  die  Hauer  eines  Ebers  hinaus 
und  geben  dem  so  friedUchen  Thiere  ein  abenteuerliches,  martiaU- 
sches  Ansehen.     Heilbronn:  heuer  zahlreich. 

Die  gräfl.  TöRRiNG'sche  letzte  Schussliste  aus  Oberbayern 
zählt  1179  Hasen. 

5)  Lepus  variahilis  Pall.,  Berghase. 

Auf  dem  Bergrücken  zwischen  Menelzhofen  und  Beuren  .,Buch" 
und  „Sommersbachkopf"  bei  Isny  wurde  schon  im  October  vorigen 
Jahrs  ein  eigenthümlich  gescheckter  weisser  Hase  beim  Treibjagen 
bemerkt  und  gefehlt :  im  nachfolgenden  Winter  wurde  ein  ganz  weisser 
Hase  dort  öfters  gesehen,  im  heurigen  Frühjahr  ein  ,, Scheck",  im 
Herbst  3 — 4  ältere  und  jüngere  Schecken  und  endlich  23.  October 
d.  J.  auf  der  Treibjagd  ein  weisser  Hase  geschossen ,  der  jetzt  aus- 
gestopft ist.  Nach  genauer  Untersuchung  ist  er  ein  fast  ganz  in"s 
weisse  Winterkleid  verfärbter  Berghase  und  keineswegs  ein  Albino 
vom  Feldhasen.  Graf  Carl  von  Waldburg-Syrgenstein,  welchem  ich 
das  Nähere  verdanke ,  nimmt  nach  Obigem  an ,  dass  die  wiederholt 
schon  am  schwarzen  Grat  geschossenen  Berghasen  keine  nur  ver- 
laufenen sind ,  dass  vielmehr  ihr  Vorhandensein  als  Standwild  in 
Württemberg  erwiesen  sei:  „Junge  gesetzt,  sich  verfärbend  wie  im 
Hochgebirge,  Sommers  grau  (und  dann  der  Beobachtung  leicht  ent- 
gehend), Winters  weiss,  im  Übergang  Schecken."  Aus  früherer  Ver- 
öffentlichung (Jahresh.  1875,  p.  279)  mag  hier  wiederholt  sein,  dass 
schon  die  Beschreibung  des  Oberamts  Wangen  (1841)  den  Alpen- 
hasen als  zeitweise  dort  erscheinend  anführt,  dass  im  November  1853 
ein  solcher  bei  Biber  ach  und  1848  ein  ganz  weisser  Hase  bei 
Alttrauchburg  erlegt  wurde. 

6)  Sus  scrofa  ferus  L.,  Wildschwein. 

Eine  Zeitungsnachricht  aus  Ehingen  meldet,  dass  12.  Novem- 
ber auf  dem  Messstetter  Berg  ein  250  Pfund  schwerer  Keiler  ge- 
schossen wurde,  nachdem  man  schon  seit  einigen  Jahren  immer 
wieder  Wildschweine  gespürt,  aber  trotz  mehrerer  grösserer  Treib- 
jagden niemals  etwas  erzielt  hatte.  Bei  Bietigheim  ist  Ruhe, 
doch  hatte  man  vor  einigen  Jahren  jedes  Jahr  durchwechselndes 
Schwarzwild.  Zwei  geschossene  Stücke  erwiesen  sich  als  (castrirte) 
Triebschweine,  die  einem  Händler  entsprungen  sein  mochten,  sich 
aber  Jahre  lang  wild  herum  trieben!  Bei  Wildbad  15.  Deceraber 
1886  gespürt;    unstetes  Wechselwild,   von   welchem  bei  Sommen- 


—     201      — 

hardt  vor  einigen  Jahren  2  St.   von   den  Teinacher  Badegästen   er- 
folglos beschossen  wurden. 

7)  Meles  taxus  Schreb.,  Dachs. 
Warthausen:  im  October  2  St.  gefangen  (Neher).  Oster- 
hofen:  25.  Juni  Abends  8  U.  2  Junge  im  ,,Haslach"  beobachtet; 
1.  October  dort  1  Exemplar  von  23  Pfund  erlegt;  auf  der  angrän- 
zenden  Mühlhauser  Jagd  2  Dachse  gefangen.  Erb  ach:  nur  1  St. 
im  Schussregister.  Bietigheim:  ziemlich  häufig  und  allgemein 
verbreitet.  Auf  der  Alb  hatte  Fribolin  nur  durchwechselnde,  die 
vom  Donauthal  nach  dem  Neckarthal  des  Obsts  und  der  Weintrauben 
wegen  zogen.  T  ein  ach:  bei  Bauern  wie  bei  Jägern  ist  die  Auf- 
hebung der  gesetzlichen  Schonzeit  freudig  begrüsst  (wohl  nicht  der 
Weintrauben  wegen).  Dr.  Wurm  hat  eine  ziemliche  Anzahl  gefangen 
und  geschossen;  weitere  Beobachtungen  über  die  Ranzzeit  wären 
erwünscht ;  sie  scheint  thatsächlich  auf  Juli  und  August  und  die 
Wurfzeit  auf  Februar  und  März  zu  fallen. 

8)  Canis  vulpes  L.,  Fuchs. 

Warthausen  (mit  Birkenhart  und  Burrßn) :  37  St.  geschossen 
und  gefangen.  Bei  Isny  im  Revier  Rohr dorf  21  undKreuzthal 
2  Füchse  erlegt  (Graf  Quadt).  Osterhofen:  16.  Mai  wurde  ein 
Wurf  von  6  Jungen  in  der  Kiesgrube  ausgegraben ;  im  Sommer 
machten  die  Füchse  grosse  Verheerungen  unter  der  Geflügelwelt  des 
Dorfs ;  bis  Ende  November  waren  6  St.  geschossen ,  von  denen  ein 
gewogener  18  Pfund  schwer  war.  Durch  das  benachbarte  Dorf 
Hittelkofen  machte  19.  März  Mittags  1|  U.  ein  Fuchs  einen 
Raubzug,  ohne  sich  viel  um  die  ihn  verfolgenden  Knaben  zu  kümmern. 
E  r b  a  c  h :  43  St.  im  freiherrl.  ÜLM'schen  Jagdregister.  Bietigheim: 
., nicht  auszurotten".  T  ein  ach:  durch  energisches  Zusammenwirken 
der  Jagdbesitzer  sichtlich  reduzirt ;  früher  bekam  man  von  den  Jagden 
genau  so  viele  Füchse  als  Hasen,  welch  letztere  aus  natürlichen 
Gründen  im  Schwarzwald  freilich  stets  wenig  zahlreich  bleiben  werden. 
In  der  kalten  und  schneereichen  Nacht  vom  15.,  1 6.  Januar  d.  J.  er- 
trank ein  Fuchs  hinter  Dr.  Wurms  Wohnhaus  in  der  durch  eine 
Stellfalle  geschwellten  Teinach;  sein  Magen  war  reichlich  gefüllt, 
anscheinend  mit  Schweinefutter,  namenthch  gelben  Rüben  u.  d.  g. 
Von  Mahlstetten  (Spaichingen )  kam  3.  Februar  als  Varietät  eine 
weissliche  Füchsin  in  die  Vereinssammlung  (Apoth.   C.  Müller). 

213  Füchse  führt  die  mehrfach  erwähnte  gräfl.  TöRRiNG'sche 
Schussliste  aus  Oberbayern  an ;  es  sind  dort,  913  nicht  näher  bezeich- 


-     202     — 

nete  Raubv()gel,   Wiesel  und  ,, Verschiedenes"    mit  eingerechnet,    im 

Ganzen  in  einem  einzigen  Jagdjahr  4170  Thiere  —  und  auf  grosse 

Ziffern  kommt  es  den  Jägern  meistens  an  —  in's  Jenseits  befördert 

worden. 

9)  Felis  catns  L.,  Wildkatze. 

Weilimdorf:  22.  März  und  22.  November  wurde  in  der  Fa- 
sanerie Härdtle  je  ein  ,,Kuder''  gefangen,  wo  auch  (ohne  Datums- 
angaben) verschiedene  Füchse,  Marder,  Iltisse  und  Wiesel  in  die  Fallen 
gegangen  sind.  Pfalzgrafen  weil  er :  im  Staatswald  „Sauteich" 
gieng  im  letzten  Winter  ein  sehr  grosses  Exemplar  in  eine  Prügel- 
falle. Im  Stromberg,  wo  er  zu  Hause  ist,  hat  Oberf.  Fribolin 
jedes  Jahr  einige  geschossen,  mitunter  recht  starke  bis  zu  20  Pfund, 
auch  junge  aus  hohlen  Stumpen  genommen :  zähmen  lassen  sie  sich 
nicht  und  gehen  an  Eingeweidewürmern  bald  zu  Grunde.  Neuester 
Zeit  zeigt  sich  der  Kuder  auch  im  Staatsvvald  Forst,  wo  der  Forst- 
wächter 2  starke  Exemplare  schoss.  Als  F.  vor  Jahren  im  Seh  ö  n- 
buch  mit  einem  Collegen  Winters  pürschen  gieng,  hörten  sie  einen 
Rehbock  klagen  und  jener  schoss  einen  nicht  einmal  starken  Kuder 
von  einem  Gabelbock  herunter,  dem  er  das  Genick  durchbissen  hatte : 
auf  der  Alb  fehlt  die  Wildkatze,  wahrscheinlich  weil  sie  in  den  strengen 
Wintern  dort  nicht  mausen  kann. 

,, Verwilderte"  Hauskatzen  (F.  domestica  Briss.)  wurden  in 
Wart  hausen  6  St.  geschossen. 

10)  Lutra  vulgaris  Erxl.,  Fischotter. 
Zwiefaltendorf  (Riedlingen) :  laut  Zeitungsnotiz  vom  20.  No- 
vember hat  Schultheiss  Schirmer  auf  einmaliges  Legen  neu  construirter 
Fallen  9  Fischotter  gefangen  und  von  der  K.  Centralstelle  Prämien 
hiefür  erhalten.  Ein  8  Tage  altes  Junges  erhielt  die  Vereinssamm- 
lung 17.  Februar  durch  Oberf.  Werkmann  in  S  ulzbach  a.  N.  Bie- 
tigheim:  nicht  selten  an  der  Enz,  wo  so  ziemlich  jedes  Jahr 
einige  erlegt  werden.  Creglingen:  häufig  an  der  Tauber,  nament- 
lich in  Tuffhöhlen.  T  ein  ach:  mehrmals  geschossen  und  gefangen; 
sie  fischen  besonders  in  der  Dämmerung,  weshalb  der  Abend-x\nstand 
lohnender  ist  als  das  seither  geübte,  mühselige  Ansitzen  bei  Nacht. 

11)  Mustela  putorius  L.,  Iltis. 
Warthausen    (25.    December)    und   Erbach    je    1    St.    ge- 
schossen.    Bietigheim:    ohne    gerade   häufig  zu  sein,    hält  dieser 
Froschjäger  in  alten  Weidenbäumen  und  Gemäuer   überall   sich  auf, 
wo  Bäche    eine  Ausbeute   versprechen.     Creglingen:    ein   ,,Ratz'" 


-     203     — 

wurde  zu  Münster  im  Schlafzimmer  eines  Bauers  in  einer  Ratten- 
falle gefangen. 

12)  Miistela  martes  Gm.  Briss.,  Edelmarder. 
Warthausen:  5.  und  6.  August  je  ein  altes  Männchen  und 
Weibchen  im  ,, Kohlweiher"  und  Birkenharter  Wald  geschossen.  Im 
Stromberg  in  den  Waldungen  des  Hofkammerreviers  Freude n- 
thal  nicht  selten,  verschwindet  mit  dem  Wegfall  der  hohlen  Eichen 
aber  immer  mehr:  im  vorigen  Winter  sclioss  Fribolin  im  Staatswald 
,^,Brand"  einen  ganz  hellen  aber  schwachen  Baummarder.  Tein- 
ach:  öfter  erlegt. 

13)  Miistela  foina  Gm.  Briss.,  Hausmarder. 
Warthausen:  ein  20.  Mai  in  einer  Scheune  von  einem  meiner 
Söhne  geschossener  Marder  wurde  von  diesem  und  anderen  Jägern 
als  ein  Bastard  von  dieser  und  der  vorigen  Art  angenommen  und 
auch  von  mir  nach  eingehender  Vergleichung  der  Literatur  hiefür 
gehalten ,  von  der  Direction  des  k.  Naturaliencabinets  als  solcher 
aber  nicht  anerkannt,  da  das  Gelbe  der  weiss  eingefassten  Kehle 
vergänglich  war;  Kopf  und  Behaarung  waren  ganz  diejenige  des 
Hausmarders,  allein  der  Körper  des  frisch  geschossenen  viel  gestreckter 
und  die  Pfoten  ganz  wie  beim  Edelmarder;  in  jener  Zeit,  wo  sonst 
die  Paare  vereinigt  sind ,  hielt  er  sich ,  wie  diess  unfruchtbare  Ba- 
starde zu  thun  pflegen,  völlig  abgesondert  und  einsam.  Auch  Oberf. 
Fribolin  erwähnt  einen  von  ihm  einst  auf  dem  Hösselinshof  bei  Bürg, 
nicht  weit  vom  Hardthauser  Wald  geschossenen  Bastard,  der  ziem- 
lich stärker  als  ein  Edelmarder  war  und  mitten  auf  der  weissen 
Kehle  den  characteristischen  gelben  Fleck  hatte.  Für  Bietigheim, 
C  r  e  g  1  i  n  g  e  n ,  T  e  i  n  a  c  h  ist  der  Hausmarder  aufgeführt  als  nicht 
selten  und  öfters  erlegt  und  gefangen. 

14)  Mustela  erminea  L.,  Hermelin- Wiesel. 

Warthausen:  I.Juni  1  St.  geschossen.  Erbach:  auf  der 
Schussliste  vom  1.  Mai  1886  bis  dahin  1887  2  Stück.  Bietigheim: 
vereinzelt  in  der  Gegend.  Creglingen:  gemein;  die  grossen  Wiesel 
haben  mit  der  nachfolgenden  Art  viel  Schutz  in  den  Steinmauern 
der  Weinberge  und  waren  heuer  10.  November  noch  braun.  Tein- 
ach:  nicht  selten. 

15)  Miistela  vulgaris  Briss.,  Kleines  Wiesel. 

Bietigheim:  häufig;  von  Fribolins  Hauskatzen  mehrfach  ge- 
fangen und  zur  Belobung  vorgelegt.  Aufgeführt  auch  von  Creg- 
lingen und  T  e  i  n  a  c  h. 


—     204     — 

Ans  der  Gruppe  der  unjagdbaren  kleineren  nagenden  Haarthiere 
mag  hier  noch  eine  Stelle  finden 

16)  Sciurtis  vulgaris  L.,  Eichhorn. 
Warthausen:  28  St.  geschossen,  darunter  11  schwarze  und 
S  entschieden  rothe,  die  andern  meist  in  Übergängen.  Osterhofen: 
rothe,  braune  und  schwarze  waren  heuer  besonders  häufig.  Tein- 
a  c  h :  die  nichtsnutzigen  Eichhörnchen  haben  sich,  obgleich  sie  von 
vielen  jagdlustigen  Curgästen  bekriegt  werden,  so  unangenehm  ver- 
mehrt, dass  ein  Schussgeld  am  Platze  wäre ;  fricassirt  wie  gebacken 
-schmecken  sie  vortrefflich  und  ihre  Fahnenhaare,  meint  Bericht- 
erstatter, wären  zu  Pinseln  brauchbar. 

Von  Amphibien  (Ophidiern  und  Batrachiern)  ist  wenig  zu  er- 
wähnen. 

Viper a  herns  Cuv.  L..  Kreuzotter.  Frank  erwähnt  von 
Schussenried  die  erste  80.  März.  Fribolin  hat  diese  auf  der  Alb, 
im  Schwarzwald,  in  den  oberschwäbischen  Torfmooren  und  im  All- 
gäu  leider  stellenweise  recht  häufige  Giftschlange  im  We in sb erger 
Thal,  im  Staatswald  ,,Buch"  und  bei  Bietigheim  im  ,, Forst"  in 
mehreren  Exemplaren  (mit  dunkelbraun  gezacktem  Rücken)  erlegt: 
characteristisch  ist  ihr  Auftreten  immer  in  derselben  Örtlichkeit,  die 
sie  niemals  weit  tiberschreitet. 

Die  gemeinen  Kröten,  Biifo  vulgaris  Laur.,  begannen 
3.  April  in  Warthausen  ihre  allgemeinen  Abendspaziergänge. 

Der  grüne  Wasserfrosch,  JRana  esculenta  L. ,  schrie 
bei  Creglingen  seit  1.  Mai. 

Auch  die  Fische  können  wir  kurz  zusammenfassen  und  ver- 
weisen neben  vielen  in  unseren  Jahresheften  eingestreuten  Notizen 
dort  auf  Günther,  die  Fische  des  Neckars  (1853,  p.  225—360)  und 
Eapp,  die  Fische  des  ßodensee's  (1854,  p.   137 — 175). 

Vom  Aal,  AngiiiUa  vulgaris  Flem. ,  wird  aus  Buchau 
12.  Juni  veröffentlicht,  dass  in  der  vergangenen  Woche  ein  etwa 
2  Pfund  schwerer  Aal  im  Federsee  gefangen  wurde  und  dieser,  da 
dort  noch  niemals  welche  vorkamen,  durch  die  Kanzach  aus  der 
Donau  herübergekommen  zu  sein  scheine.  Über  die  (neuen)  Donau- 
aale vergl.  den  vorjährigen  Bericht.  Aus  Friedrichshafen  meldet 
ebenfalls  eine  Zeitungskorrespondenz  vom  17.  August,  dass  dort  als 
besondere  Seltenheit  ein  ausserordentlich  grosser  Aal  im  Hafen  mit 
der  Angel  gefangen  wurde.  Bei  Bietigheim  (am  Einfiuss  der  Metter 
in  die  Enz)  ist  der  Aal  einer  der  häufigsten  Fische ;  in  der  Enz  und 


205       - 

im  Neckar  wird  die  Fischerei  unpfieglicli  behandelt,  so  dass  bei  der 
Netzfischerei  meist  nur  Barben  und  Weissfische  den  Hauptfang  bilden. 
Dftr  Hecht,  Esox  lucius  L. ,  ist  in  der  Enz  selten,  es 
werden  aber  bei  Bietigheim  oft  Exemplare  von  beträchtlicher 
Grösse  gefangen.  Von  Schusse  nried  ist  das  Laichen  2.  April 
verzeichnet;  von  zahlreichen  Staarenflügeln ,  die  Oberf.  FraxK  im 
Spätherbst  auf  dem  Ol  z  reut  er  See  schwimmend  findet, 'nimmt  er 
an,  dass  sie  Vögeln  zugehörten,  welche  beim  massenhaften  Einfallen 
ins  Nachtquartier  von  den  Hechten  aus  dem  niedergedrückten  Schilf 
im  Schlaf  weggeschnappt  wurden. 

Die  Karpfen,  Cyprinus  carpio  L.,  laichten  8.  .Juni  in  den 
Seen  bei  Schüssen ried.     Seltenerer  Fisch  in  der  Enz. 

Der  Stichling,  Gasterosteus  leiurus  Ciiv.,  ist  von  ein- 
zelnen Bächen  bei  Bietigheim  verzeichnet. 

Die  Bachforelle,  Salar  Äusonii  Val.,  ist  Hauptfisch  in 
der  T  e  i  n  a  c  h ,  wo  Dr.  Wurm  seit  Jahren  künstliche  Fischzucht 
treibt;  derselbe  fand  einige  Male  Algenfäden  aus  den  Kiemen  von 
Brutfischen  herausgewachsen,  so  dass  sie  daran,  lebend,  wie  an  einer 
Angelschnur  hiengen ;  der  Versuch,  andere  Arten,  z.  B.  Salnio  salve- 
linus  Heck,  einzubürgern,  mis.slang. 

Vom  Flusskrebs,  Astacus  fliiviatilis  Latr.  ,  ist  für  die 
Gegend  von  Bietigheim  gesagt,  dass  er  durch  die  ,, Krebspest" 
beinahe  vernichtet  sei. 

Über  die  ersten  Regungen  in  der  Tnsectenwelt  ist  folgendes 
verzeichnet. 

Der  Citronfalter,  Gonopteryx  rhamni  Leach,  flog  I.März 
bei  Teinach,  9.  März  bei  Pfalzgrafen weiler,  3.  April  bei 
Schussenried  (31.  October  noch  mehrere),  4.  April  bei  Creg- 
lingen,  5.  April  bei  Heilbronn.  Der  Fuchs,  Vanessa  poly- 
chloros  L.,  flog  bei  Schussenried  5.  März  (im  Vorjahr  noch 
13.  November  bemerkt),  im  Schlossgarten  von  Warthausen  9.  März, 
bei  C  r  e  g  1  i  n  g  e  n  4.  April,  H  e  i  1  b  r  o  n  n  5.  April.  P^in  erster  Schmet- 
terhng  wurde  bei  Osterhofen  9.  März  gesehen;  3.  März  waren 
auf  den  Thal-Wiesen  bei  Warthausen  bereits  verschiedenartige 
Schmetterlinge  lebhaft.  Die  ersten  Mücken  schwärme  tanzten  bei 
Wart  hausen  am  Abend  des  5.  März.  Die  Bienen  trugen  in 
Osterhofen  den  ersten  Blüthenstaub  9.  März  ein;  2.  Mai  flogen 
dort, die  ersten  Drohnen:  bei  Creglingen  summten  sie  11.  April 
in  der  Sahlweidenblüthe.  Vom  Maikäfer,  31  a lolo n tlia  vul y aris 
L.,  wurde  der  erste  Warthausen  17.  April    und  Schussenried 


—     206     — 

3.  Mai  beobachtet.  Der  Sandkäfer,  Cicindela  hybrida  L., 
flog  bei  Schusse nried  20.  April  und  ebendort  zirpte  24.  Mai  die 
erste  Grille,   Gryllus  campestris  L. 

An  Frühlingserscheinungen  aus  der  ,P  f  1  a  n  z  e  n  w  e  1 1  ist  das 
Nachstehende  anzuführen. 

Es  blühten : 

Februar,  23:  Winterniesswurz  (Christblume),  Hellehorus 
niger  L.  in  den  Weinbergen  bei  Creghngen  (ziemlich  gleichzeitig 
in  Warthausen).  26:  Schneeglöckchen,  Galanthus  nivalis  L.  am  west- 
lichen Hang  von  Zavelstein   (in   Dr.  Wurms   Garten    erst  23.  März). 

März,  3:  Grocus  vernus  L.  bei  Zavelstein  —  fusstiefer  Schnee. 
Mittags  -(-10)^*^  Gels.  —  (vom  10.  April  ab  verblühend,  jetzt  in 
grosser  Ausdehnung  über  die  Markungen  Zavelstein,  Teinach,  Som- 
menhardt,  Röthenbach  verbreitet).  5:  erste  Schneeglöckchen  bei 
Schussenried  im  Wald,  in  Warthausen  im  Garten;  Gänseblümchen. 
JBellis  2)ercnnis  L.  bei  Osterhofen.  9:  Huflattich,  Thussüago  farfara, 
L.  bei  Osterhofen :  Beginn  der  Blüthe  von  Haselnuss,  Corylus  avellana 
L.  bei  Schussenried.  23:  Feigwurzel,  Raimnculus  ßcaria  L.  und 
Bellis  pe7'ennis  L.  am  Bachufer  von  Teinach.  24:  Schlüsselblume, 
Primula  elatior  J ACQ.  bei  Osterhofen ;  Frühlingsenzian,  Gentiana  venia 
L.  bei  Schussenried.  26:  Leberblümchen,  Hepatica  triloha  Chaix. 
in  den  Gärten  bei  Creglingen:  bei  Schussenried  Beginn  der  Blüthe 
vom  Seidelbast,  Daplinc  7nezereum  L.  28 :  Haselnuss  bei  Creglingen ; 
am  Bachufer  bei  Teinach  blüht  ein  einziges  weisses  Veilchen  [Viola 
odorata  L.,  dort  häufig  10.  April) :  Schlüsselblumen  bei  Schussenried. 
29:  Huflattich  bei  W^arthausen;  Seidelbast  bei  Pfalzgrafenweiler. 
30:  Sahlweide,  Salix  caprea  L.,  bei  Creglingen. 

April,  1:  Huflattich  bei  Schussenried ;  Immergrün,  Vinca  minor 
L.,  nebst  Grocus  und  Seidelbast  in  den  Gärten  von  Creglingen. 
3 :  Schlüsselblumen ,  Waldanemonen ,  Anemone  nemorosa  L.  und 
Dotterblumen,  Caltlia  palustris  h.  am  Bachufer  von  Teinach.  4:  JRa- 
nuncidus ficaria  L.  bei  Creglingen;  Haselnuss  bei  Osterhofen.  5:  Wald- 
anemonen bei  Warthausen :  allgemeine  Haselnussblüthe  bei  Schussen- 
ried. 6:  Erlen  bei  Osterhofen,  Aprikosen  an  Spalieren  von  Schloss 
Warthausen,  Veilchen  bei  Creglingen  nicht  mehr  selten.  8:  Stern- 
hyacinthe,  Scilla  bifolia  L.  und  Seidelbast  bei  Creglingen  in  voller 
Blüthe,  ebenso  unter  einer  Mauer  in  sonniger  Lage  ein  sogenannter 
Märzenstock  vom  Löwenzahn,  Taraxacum  officinale  Wigg.  :  Dirrlitzen, 
Cornus  mas  L.  bei  Teinach.  9:  Sahlweiden  bei  Osterhofen.  10:  Dirr- 
litzen   bei    Creghngen;    Waldanemonen    bei    Osterhofen;    Sauerklee, 


—     207     — 

Oxalis  ücdordla  L.  erstmals  bei  Teinach  (15.  Mai  massenhaft  im 
Verblühen)  nebst  Fingerkraut,  Pofentilla  venia  L.  11:  Sahhveide  bei 
Creglingen  in  vollster  Blüthe,  Fingerkraut  noch  nicht  reichlich,  Hasel- 
nuss  verblüht.  12:  Gelbstern,  Gagea  lutea  R.  et  Sch.,  Creglingen. 
15 :  Schlüsselblumen  {,,Primula  veris  L.",  wohl  die  später  blühende 
ojficinalis  Jacq.)  erst  vereinzelt  bei  Creglingen.  18:  Waldanemonen 
bei  Schussenried.  20:  Frühlingsenzian  an  der  Riss  bei  Warthausen 
Günsel,  Äjuga  reptans  L.  bei  Creglingen.  23:  Pestwurz,  Petasites 
ojficinalis  Mönch  und  gelbe  Anemone,  Anemone  rammcidoides  L.  bei 
Creglingen,  wo  gleichzeitig  Aprikosen  und  türkische  Weichsel  und 
vom  folgenden  Tage  an  die  ersten  Birnbäume  in  Gärten  blühen. 
26:  Canadapappel,  Populus  canadensis  Hort.,  bei  Schussenried.  30: 
Dornschlehen,  Primns  spinosa  L.  fangen  bei  Essendorf  zu  blühen  an. 
—  Zeitungscorrespondenzen  laden  29.  und  30.  April  aus  Uhlbach 
(Cannstatt)  und  Kirchheim  u.  T.,  hier  wegen  der  berühmten  Kirsch en- 
blüthe  im  Neidlinger  und  Lenninger  Thal,  zu  Ausflügen  ein.  — 

Mai,  1:  Weissdorn,  Crataegus  oxi/acantha  L.  bei  Schussenried. 
4:  Kirsch-  und  Heidelbeerblüthe  bei  Teinach.  5:  bei  Schussenried 
allgemeine  Blüthe  von  Kirschen,  Steinobst  und  Frühbirnen ;  bei  Creg- 
lingen überall  Zwetschgen,  wilde  und  veredelte  Kirschen  nebst  Cg- 
donla  Japonica  Pers.  in  den  Gärten.  10:  Besenpfriemen,  Sarothammis 
scoparius  Wimm.  L.  bei  Teinach.  15:  ebenda  viele  Hundsveilchen, 
Viola  canina  L.  24:  erst  jetzt  blüht  der  Frühlingsenzian  reichlich 
bei  CregUngen.  30:  ebenda  Lungenkraut,  Pidmonaria  angustifolia 
L.  und  W^aldmeister,  Asperida  odorata  L.  am  Verblühen. 

Für  Creglingen  ist  weiter  gesagt,  dass  die  Apfelblüthe  erst  auf 
Ende  Mai  fiel  und  sich,  dem  „Kaiwurm"  zur  Beute  fallend,  nicht 
entwickeln  konnte:  nur  ganz  späte  oder  innerhalb  der  Ortschaften 
befindliche  Bäume  trugen  Obst.  Besser  war  es  mit  den  schon  An- 
fangs Mai  blühenden  Birnbäumen,  während  die  späten  Sorten  gar 
keine  Blüthen  ansetzten.  Die  Blüthe  des  Weinstocks  fiel  trotz  der 
grossen  Wärme  im  Juni  zu  spät.  Bei  Schussenried  war  1.  Juni  die 
Blüthe  der  Rosskastanie,  Aesculus  hippocastanum  L.  allgemein. 

Grün  wurden  bei  Schussenried  einzelne  Rosskastanien  22.  April, 
einzelne  unterständige  Buchen  27.  April,  einzelne  freistehende  1.  Mai, 
alle  rasch  vom  3.  Mai  an,  Lärchen  28.  April,  einzelne  Linden  6.  Mai. 
Bei  Teinach  grünten  die  Stachelbeeren  6.  April  und  gleichzeitig  be- 
gannen die  Buchen  zu  knospen,  ebenso  10.  April  Linden  und  Birken. 

Als  Spätlinge  blühten  bei  Osterhofen  im  August  Heidelbeeren 
nochmals  und   wie   im  Vorjahr   zwischen   dort   und  Haisterkirch   an 


—     208     — 

zwei  Stellen  Mitte  October  der  Hartriegel ,  Conius  sanguinea  L. 
Ein  allgemeines  Fallen  des  Laubs  ist  von  Schussenried  23.  October 
( — 3,2'^  Cels.)  verzeichnet. 

Die  Witterungserscheinungen 

können  in  Form  regelmässiger  und  eingehender  Beobachtung  hier 
unmöglich  Stelle  finden.  Der  Winter  begann  1.- — ^8.  December  1886 
mit  dem  tiefsten  Barometerstand  des  Jahrhunderts :  bis  20.  Dec.  fiel 
seit  1845  die  reichlichste  Schneemenge,  60 — 100  cm.,  auf  den  Höhen 
ob  Teinach  mannshoch ,  mit  Verkehrsstörungen ,  Unfällen ,  enormem 
Schneebruch  und  Verlusten  an  Wild,  wie  bereits  am  Schluss  des 
vorjährigen  Berichts  angeführt  ist.  Man  hat  versucht ,  die  Menge 
des  im  December  auf  Deutschland  herniedergefallenen  Schnees  zu 
berechnen  und  hiefür  240,000  Millionen  Centner  herausgebracht. 
In  einer  meteorologischen  Monatsschrift  ist  sogar  ausgerechnet,  dass 
nur  um  den  19. — 20.  December  in  Deutschland  gefallenen  Schnee 
zu  schmelzen ,  eine  Wärmemenge  erforderlich  wäre ,  die  Maschinen 
von  172,095,000  Pferdekräften  ein  Jahr  lang  in  Gang  erhalten  könnte. 
Im  Ganzen  war  die  Kälte  massig.  Gesammtminimum  für  Teinach 
(Beobachtungsstelle  22  m.  ü.  d.  Erdfläche,  411  m.  ü.  M.)  17.  Januar 
1887:  —16,8*^  Geis.;  ein  Rückfall  auf  —16,4«  trat  dort  19.  März 
ein.  Der  Winter  währte  sehr  lange ,  denn  immer  fiel  wieder  neuer 
Schnee  auf  den  gefrorenen  alten ;  Mitte  März  wurde  der  Bahnschlitten 
wieder  nöthig,  nachdem  6.  d.  M.  die  Sonnenseite  der  Schwarzwald- 
berge bereits  schneefrei  gewesen  war.  Bei  Schussenried  trat  9.  Fe- 
bruar Schneegang  ein,  die  Seen  wurden  aber  erst  27.  März  eisfrei; 
5.  Febr.  waren  dort  —6«,  20.  Febr.  —  4^  22.  Febr.  —  8<^  Cels. 
Bei  Plochingen  2.  Febr.  Thauwetter,  26.  Febr.  warmer  Südwest.  Bei 
Heilbronn  brachte  der  strenge  Winter  Schnee  und  Eis  bis  gegen 
Februar,  wo  vom  24.  d.  M.  ab  nach  Morgenfrösten  wahre  Frühlings- 
tage folgten.  Correspondenzen  aus  Rom,  Madrid  und  Paris  vom 
10.  — 12.  Febr.  berichten  von  unerhörtem  Winter;  um  jene  Zeit  war 
im  Südwesten  Frankreichs  reichhcher  Schneefall  eingetreten  und  der 
Bahnverkehr  mit  Spanien  unterbrochen.  Von  Catalonien  bis  nach 
Valencia,  selbst  auf  den  Balearen,  lag  Schnee,  Madrid  hatte  11.  Febr. 
Morgens  —  8°,  Abends  —  5^*  Cels.  Der  Verkehr  in  Nordspanien 
war  vielfach  unterbrochen.  Nachdem  Neapel  schon  vorher  Schnee- 
fall gehabt  hatte,  trat  9.  und  10.  Febr.  in  Rom  heftiges  Schnee- 
gestöber mit  thalergrossen  Flocken  ein.  Aus  dem  Fränkischen  schreibt 
man  2.  März,  dass  die  Sonnenwärme  den  Schnee  ohne  viel  Wasser 


—     209     — 

hinweglecke  und  die  Waldarbeiten  seit  etwa  14  Tagen  wieder  auf- 
genommen werden  konnten.  6.  März  war  die  Donau  eisfrei  bis  zur 
Mündung  und  die  Schiffahrt  wieder  eröffnet.  7.  März  lag  bei  Wurz- 
ach nur  noch  an  Nordabhängen  Schnee,  die  Lerchen  sangen  und 
die  Staaren  waren  an  ihren  Kästen.  10. — 11.  März  brachte  in  Ober- 
.schwaben  zeitweise  laue  Regen  und  der  grosse  Schnee  war  bis  auf 
einzelne  nördlich  gelegene  Stellen  völlig  geschwunden,  dagegen  im 
Allgäu  stellenweise  noch  halbmetertief  und  so  fest  gefroren,  dass 
man  ihn  mit  der  Egge  auflockerte.  9. — 12.  März  konnte  in  Wart- 
hausen der  Berichterstatter  zwischen  Frühlingsblumen  {Hellehoriis 
niyer  und  H.  viridis  L.,  Eranthis  hyemalis  Salisb.,  Galanthus  nivalis 
L.,  Hepatica  triloba  Chaix)  im  Garten  arbeiten  und  noch  der  letzt- 
genannte Tag  war  hier  noch  ein  recht  warmer,  während  bereits  in 
verschiedenen  Gegenden  des  Unterlandes  und  auf  der  Alb  leichter 
Schnee  fiel.  Bei  Creglingen  war  7.  März  ein  schöner  Sonnentag  und 
10.  März  hatte  es  in  fleilbronn  Mittags  in  der  Sonne  -j-12°  R. 

Mitten  hinein  in  das  Erwachen  der  Natur,  die  Ankunft  der 
Zugvögel  und  die  ersten  Lieder  der  Sänger  traf  nun  ein  denkwürdig 
trauriger  Umschlag. 

Die  Nacht  vom  12.  auf  Sonntag  13.  März  brachte  bei  Wart- 
hausen tiefen  Schnee,  der,  einmal  40  volle  Stunden  ohne  Unter- 
brechung fallend,  bis  18.  d.  M.  stetig  zunahm  und  sich  20 — 50  cm. 
hoch  anstaute,  ohne  dass  auch  nur  die  kleinste  Stelle  frei  blieb ;  die 
Wege  mussten  immer  wieder  gebahnt  werden,  die  Bäume  beugten 
sich  unter  der  Last;  noch  am  20.  März  giengen  überall  die  Schlitten. 
Liess  einmal  der  dichte  Schneefall  oder  der  schneidende  Nordostwind 
nach,  so  verdeckte  trüber  Nebel  die  Sonne.  Seit  19.  März  war  bei 
hellem  Wetter  auch  noch  Frost  bis  zu  10°  R.  und  drüber  hinzu- 
getreten. 20.  März  war  bei  Schussenried  22  cm.  Schneehöhe  bei 
—  11,8"  Gels.  In  Plochingen  herrschte  13.  März  kalter  Nordwest 
und  15.  März  starkes  Schneegestöber.  Auch  bei  Heilbronn  begann 
der  achttägige  Nachwinter  mit  Eis  und  hohem  Schnee  13.  d.  M. 
und  waren  dort  19.  März  Nachts  —  7^"  R.  Übereinstimmend  äussern 
sich  Zeitungsnachrichten  aus  Leutkirch,  Friedrichshafen  (0,23  m. 
Schneehöhe,  — 5°),  Ravensburg,  Waldsee,  Wurzach,  Riedlingen, 
Ehingen  (— 5"),  Blaubeuren,  Urach,  Ulm,  Stuttgart  (—10"),  Böb- 
lingen, Gomaringen  ( —  8"),  Bietigheim  ( —  2"),  Heilbronn,  Künzelsau, 
Tuttlingen,  Bopfingen,  wobei  die  geringeren  Kälteangaben  auf  Be- 
richte vom  14.  d.  M.  fallen.  Von  Gmünd  ist  überhaupt  erst  seit 
16.  d.  M.   tiefer  Schnee    gemeldet.     Vergleichsweise   wird   mehrfach 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  14 


—     210     — 

an  den  März  des  Jahres  1865  erinnert;  damals  schneite  es  bei  Fried- 
richshafen am  31.  März  unausgesetzt,  so  dass  1.  April  mehr  als  fuss- 
hoher  Schnee  lag,  der  aber  am  nehmlichen  Tage  wieder  gieng;  von 
Stuttgart  sind  für  jenes  Jahr  9  Eistage  und  fortwährende  Schnee- 
fälle bis  zum  Monatsschluss  angegeben. 

Über  den  diessjährigen  Nachwinter  liefen  aus  allen  Ländern 
Nachrichten  ein.  Bei  Forchheim  in  Baden  erfror  ein  Mann.  In 
Thüringen  herrschten  seit  16.  März  heftige  Schneestürme  mit  meh- 
rere Fuss  hohem  Niederschlag  und  meterhohen  Verwehungen,  so  dass 
der  Postverkehr  und  die  Eisenbahn  (Ilmenau)  gesperrt  war.  Ein 
orkanartiger  Schneesturm  wüthete  in  der  Nacht  vom  12.  auf  13.  März 
an  der  Ostsee  (Danzig)  und  eine  grosse  Schneewehe  entstand  bei 
Dirschau  a.  d.  Weichsel.  In  Böhmen  war  Carlsbad  17.  März  gänz- 
lich verschneit  und  die  Verbindung  innerhalb  und  nach  aussen  ge- 
stört. In  Triest  waren  seit  15.  März  sämmtliche  Telegraphen-  und 
Eisenbahnverbindungen  unterbrochen  und  der  Verkehr  über  Görz  ge- 
leitet. Auch  vom  Starnberger  See  wird  16.  d.  M.  tiefer  Schnee, 
schneidender  Nordost,  Noth  in  der  Thierwelt  und  Verschiebung  der 
Dampfschiffahrtseröffnung  wegen  Eises  berichtet.  Besonders  stark 
war  nach  Berichten  aus  Basel  und  Bern  der  andauernde  Schneefall 
in  der  ganzen  Schweiz.  Auch  in  England  und  Westschottland  fiel 
viel  Schnee;  die  englische  Post  kam  wegen  ungünstigem  Wetter  im 
Canal  17.  März  nicht  in  Ostende  an.  Auch  in  Dänemark  wurde  der 
Postverkehr  unterbrochen.  Sogar  Nordamerica,  Halifax  30.  März, 
hatte  späten  Schnee ;  in  Canada  war  der  Verkehr  auf  der  intercolo- 
nialen  Eisenbahn  6  Tage  lang  gehemmt  und  als  die  Züge  wieder 
fahren  wollten,  brach  ein  noch  schlimmerer  Schneesturm  los. 

In  welcher  Weise  die  Vogelwelt  unter  diesem  Unwetter  zu 
leiden  hatte  und  wie  man  da  und  dort  versucht  hat,  helfend  ent- 
gegen zu  kommen,   stellen  wir  als  Anhang  zurück. 

Bei  Heilbronn  thaute  und  regnete  es  21.  März:  auch  in  Wart- 
hausen zeigte  sich  gleichzeitig  der  Witterungsumschlag,  Regen  und 
Thauwetter  trat  aber  erst  am  folgenden  Tag  stark  ein.  Bei  Creg- 
lingen  waren  29.  März  trotz  der  bedeutenden  Regen  der  letzten  Tage 
noch  manche  Schneestellen ,  die  erst  3.  April  völlig  verschwanden ; 
mit  14.  April  wurde  es  dort  viel  wärmer,  der  13.  April  war  schön 
und  brachte  Abends  ein  Gewitter,  der  14.  April  Regen  mit  Graupen. 
Am  Liebeisberg  bei  Teinach  war  7.  April  auch  auf  der  Nordseite  der 
letzte  Schnee  weggethaut.  Auf  die  schöne  erste  Aprilwoche  folgte 
mit  dem  Karfreitag  8. — 18.  April  im  ganzen  Land  sehr  rauhes  Wetter, 


—     211     — 

welches  den  Insectenvögeln  (Wolfegg,  Warthausen,  CregUngen  u.  s.  w.) 
abermals  Noth  brachte.  Kälte,  Schnee  und  Graupen  mit  — -2 — 8''  Rr. 
am  Morgen  und  kaum  -|- 4 — 11°  Mittagswärme  sind  für  Warthausen 
und  Stuttgart  verzeichnet.  Der  Rest  des  Monats  war  mit  geringen 
Ausnahmen  schön.  Aus  England  wird  berichtet,  dass  in  London  und 
fast  im  ganzen  Königreich  mit  1.  April  sich  nochmals  starker  Schnee- 
fall einstellte,  wobei  an  den  Küsten  bei  heftigen  Stürmen  zahlreiche 
Schiflfsunfälle  stattfanden.  Von  Bordeaux  ist  ebenfalls  vom  1.  April 
Nachmittags  5  U.  ein  heftiges  Gewitter  mit  Hagel  gemeldet.  Be- 
sonders schön  war  die  erste  Woche  des  Mai.  3.  d.  M.  war  in  Teinach 
das  erste  Gewitter;  die  letzten  Schneereste  im  Hof  der  Wasserheil- 
anstalt waren  eben  verschwunden.  Ein  schweres  Hagel-Gewitter  mit 
bis  taubeneigrossen  Steinen  und  mit  nicht  unbedeutendem  Schaden 
hat  4.  Mai  Abends  7 — 9  ü.  fast  das  ganze  Unterland  durchzogen; 
es  kamen  Berichte  aus  dem  Bottwarthal,  von  Fellbach,  Winnenden, 
Murrhardt,  aus  der  Steinlach,  von  Pfullingen,  schwäb.  Hall  und  von 
<ler  Jagst.  Gegen  die  Mitte  des  Mai  wurde  es  wieder  recht  kalt; 
13.  Mai  fiel  in  Warthausen  Morgens  etwas  Schnee,  tags  darauf  war 
trotz  niedriger  Temperatur  ein  Gewitter.  Der  21.  Mai  brachte  in 
Teinach  einen  Schneesturm.  Vom  Oberland  bis  zur  Tauber  ist  aus 
jenen  Tagen  abermalige  Noth  der  Singvögel  verzeichnet.  Das  Früh- 
jahr ist  somit  im  Allgemeinen  als  ein  spätes  zu  bezeichnen.  Im  Juni 
herrschte  grosse  Wärme  vor.  28.  Juli  begann  um  Teinach  die  Arndte 
{Felder  durchschnittlich  430  m.  ü.  M.),  in  höherer  Lage  bei  Würz- 
bach (670  m.)  erst  17.  August.  Nicht  allein  bei  Teinach,  sondern 
auch  bei  Stuttgart  war  19.  August  im  Morgengrauen  (Sonnenfinster- 
niss)  Schneegestöber.  Zum  Schluss  des  sehr  regenarmen  Sommers 
und  Herbsts  trat  bei  Teinach  12.  October  in  der  Nacht  ziemlicher 
Schneefall  ein.  Auch  im  Oberland  lag  Mitte  October  Schnee,  wel- 
chem 21. — 24.  d.  M.  aufthauender  Föhn  folgte.  Anfang  November 
war  das  Allgäu  tief  verschneit.  Der  neue  Winter  meldete  sich  vom 
19.  December  ab  mit  sehr  vielem  aber  trockenem  und  deshalb  ziem- 
lich unschädlichem  Schnee  an.  Das  Winterminimum  bis  zum  Schluss 
des  Jahres  betrug  nach  Dr.  Wurm  in  der  Neujahrsnacht  -|-  5*^  Gels. ; 
4.  Januar  bei  fortdauerndem  Thauwetter  nächtliches  Minimum : 
-{-  V  Gels. 

Die  Noth  der  Vögel  im  März. 

Das  vorgehend  geschilderte  Unwetter  vom  13. — 21.  März  traf 
unmittelbar  nach  Ankunft  der  meisten  Zugvögel,    namentlich   vieler 

14* 


—     212     — 

empfindlicher  Insectenfresser  ein.  Bei  seiner  continentalen  Ausdeh- 
nung war  kein  Entrinnen.  In  Basel  standen  14.  März  die  schon 
länger  anwesenden  Störche  —  das  Paar  von  Warthausen  gieng  zu 
Grund !  —  trostlos  auf  den  Dachfirsten,  Bachstelzen  und  andere  In- 
sectenvögel  irrten  Nahrung  suchend  mitten  in  der  Stadt  umher.  Auch 
in  Stuttgart  und  Tübingen  kamen  Bachstelzen  nebst  andern  Vögeln 
in  die  Stadt.  In  allen  Dörfern  lagen  todte  Staaren ;  in  Ravensburg 
,  wurden  ausserdem  auch  verhungerte  Drosseln  in  den  Gärten,  Lerchen 
bei  Friedrichshafen,  Starnberg  u.  s.  w.  todt  aufgefunden.  Oberförster 
Imhof  fand  selbst  bei  Wolfegg  5  Singdrosseln  und  2  Ringeltauben 
verhungert  und  erfroren.  Von  Schussenried  ist  20.  März  das  zahl- 
reiche Eingehen  von  Staaren ,  Amseln ,  Singdrosseln  und  Lerchen 
notirt.  Ein  Hundert  Kiebitze  sammelte  sich  14.  März  nächst  Reut- 
lingen auf  einer  überflutheten  Wiese ;  eine  Becassine  und  4  Wald- 
schnepfen Sassen  am  gleichen  Tage  zunächst  beim  Bahnhofgebäude 
von  Warthausen.  Noch  manches  Weitere  ist  in  unserem  Bericht  zer- 
streut und  nicht  zu  übersehen  ist,  dass  —  namentlich  in  den  Zeitungs- 
berichten —  meist  nur  die  allbekannten  und  augenfälligeren  Vögel,. 
nicht  aber  die  selteneren  und  schwerer  erkennbaren  Erwähnung  fin- 
den. Ausführliche  Schilderung  giebt  Dr.  Salzmann:  „Der  17.  März 
war  bei  Esslingen  ein  Tag  des  Schreckens  für  die  voreiligen  armen 
Vögelchen.  Fabrikarbeiter  erzählten,  die  Rothkehlchen  und  Roth- 
schwänzchen haben  sie  bei  dem  Morgengang  nach  den  vor  der  Stadt 
liegenden  Werkstätten  in  so  ermattetem  Zustand  auf  der  Strasse 
herumflattern  sehen,  dass  man  sie  mit  der  Kappe  hätte  fangen  kön- 
nen. Am  schlimmsten  waren  die  Staaren  dran;  sie  sammelten  sich 
die  kalte  Nacht  hindurch  zusammengedrängt  unter  Dachsparren ;  am- 
Hauptmagazinsgebäude  der  Eisenbahn  füllten  sie  buchstäblich  die 
Dachrinne  bis  zum  Rand ;  Morgens  an  das  Geschäft  gehende  Arbeiter 
befreiten  dort  auf  ihr  ärmliches  Geschrei  4  zurückgebliebene,  mit 
den  Schwänzen  an  der  Rinne  angefrorene  Staaren.  Urn  die  wenigen 
offenen  Stellen  des  gefrorenen  Neckars  herum  bildeten  Tausende 
dieser  Vögel  von  grosser  Entfernung  in  die  Augen  fallende  schwarze 
Ringe."  Vom  13.  März  an  trieben  sich  Bachstelzen,  Braunellen, 
Rothkehlchen  frierend  und  hungernd  in  Heilbronn  herum  und  kamen 
neben  den  gewöhnlichen  Gästen  an  den  LiNK'schen  Futterplatz,  wo 
es  wie  an  Weihnachten  aussah;  viele  Vögel  wurden  19.  M.  krän- 
kelnd oder  schon  verendet  gefunden.  Bei  Weissenau  wurden  viele 
Staaren  in  den  Kästen  erfroren  gefunden,  von  wo  als  allgemeine 
Wahrnehmung  angeführt  ist,  dass  der  stark  verminderte  spätere  Be- 


213     — 

stand  beweise,  wie  sehr  der  Winter  den  meisten  Zugvögeln  empfind- 
lich schädlich  geworden  sei;  bei  Schussenried  blieben  die  meisten 
Staarenklötze  unbesetzt  und  waren  sämmtliche  Sänger  ungewöhnlich 
selten ;  auch  für  Essendorf  ist  dem  schlechten  März  der  auffallend 
minder  starke  Gesang  der  Vögel  in  Wald  und  Feld  zugeschrieben. 
In  Warthausen  überraschte  also  ebenfalls  der  Sonntagsmorgen 
des  13.  März  mit  völliger  Winterlandschaft.  Unmittelbar  vor  dem 
Schloss,  wo  ein  Futterbrett  mit  Nahrung  für  Körnerfresser  und  Meisen 
auf  einem  Pfahl  stand ,  wimmelte  es  bald  mit  Vögeln ,  namentlich 
Staaren,  die  theilweise  nach  dem  Brett  flogen  oder  einzeln  und  in 
Parthien  halbbegraben  im  tiefen  Schnee  sich  bewegten.  Sofort  auf- 
gestellte Nothfutterbretter  (Kistendeckel  mit  aufgenagelten  Rand- 
leisten) wurden  immer  wieder  verschneit  und  mussten  fortwährend 
gewechselt  werden,  um  den  Schnee  durch  Bohrlöcher  abthauen  zu 
lassen;  später  wurden  sie  des  Frosts  wegen  über  die  Nächte  warm 
gestellt.  Ein  Wiesenpieper  flog  sofort  als  seltener  Gast  in's  Schloss  und 
wurde  zwischen  Zimraerfenstern  in  einen  grösseren  Raum  (230  cm. 
hoch,  120  cm.  breit,  40  cm.  tief),  der  mit  Sand,  Moos  und  Tannen- 
zweigen versehen  wurde ,  untergebracht ,  nachdem  er  im  Käfig  mit 
Mehlwürmern  vertraulich  gemacht  war.  Bis  in  die  Dämmerung  ver- 
weilten die  Staaren  am  Platz  und  giengen  dann  (namentlich  in  den 
folgenden  Tagen)  so  gedrängt  in  die  Kästen,  dass  ein  solcher  vor 
meinem  Schlafzimmerfenster  mit  einem  ganzen  Klumpen  von  Vögeln 
sich  füllte,  wobei  einmal  einer  nur  noch  den  Kopf  hineinbrachte  und 
sich  aussen  anklammerte.  Am  nächsten  Tag  kamen  ein  Rothkehl- 
chen,  ein  Hausrothschwanz,  eine  weisse  Bachstelze  und  eine  Amsel 
in's  Schloss.  Merkwürdig  ist,  dass  diese  Vögel  zur  Hausthüre  herein 
und  das  Treppenhaus  hinauf,  der  Wärme  und  der  Helle  folgend,  den 
W^eg  in  den  Winters  allein  bewohnten  obersten  Stock  gefunden  haben. 
Jene  Amsel  hielt  sich  bis  anderen  Tag  auf  den  Schränken  des  Haus- 
gangs, wohin  ihr  Futter  gestellt  wurde,  auf  und  kam  dann  in  einen 
Käfig,  die  übrigen  wurden  zum  Wiesenpieper  in  die  improvisirte 
Fenstervoliere  verbracht,  nachdem  sie  in  verhängten  Vogelbauern 
gehörig  vorbereitet  waren.  Da  das  Unwetter  immer  zunahm  musste 
energisch  eingegriffen  werden ;  es  wurde  deshalb  Montag  Abend,  als 
die  Vögel  weg  waren,  auf  einer  vom  Schnee  völlig  befreiten  Stelle 
des  Rasens  bei  Laternenschein  mit  Nachtarbeit  eine  grosse  Futter- 
bude hergestellt,  ein  auf  9  Pfosten  freistehendes  geneigtes  Dach  aus 
18  Brettern,  die  Träger  zu  besserem  Halt  und  als  Sitzplätze  für  die 
Vögel  je  mit  einer  Latte  verbunden.  5,60  m.  lang,  4,80  m.  tief,  vor- 


—     214     — 

neu  2,40  m. ,  hinten  1,90  m.  hoch;  an  der  niedrigeren  Rückseite 
und  gegen  den  herrschenden  Wind  wurden  am  Boden  Schutzbretter 
gegen  den  Schnee  angebracht,  im  übrigen  blieb  alles  luftig  und  frei. 
Diese  Bude,  einer  Volksfesttrinkhalle  nicht  unähnlich,  wurde  sofort 
am  andern  Morgen  von  der  ganzen  Vogelschaar  besucht  und  hat 
sich  so  gut  bewährt,  dass  sie  seither  allwinterlich,  nur  in  etwas 
sorgfältigerer  Construction,  prophylactisch  wieder  errichtet  wird.  Für 
Vogelfreunde  auf  dem  Land  und  namentlich  für  Vogelschutzvereine- 
ist eine  derartige  Einrichtung  sehr  zu  empfehlen.  Im  vorliegenden 
Fall  hat  sich  die  Grösse  nach  dem  eben  vorhandenen  Material,  na- 
mentlich nach  der  Länge  der  Bretter  gerichtet.  Überall  kann  man^ 
selbst  leihweise,  das  wenige  Nöthige  bekommen  und  in  einigen  Stun- 
den hat  man  in  eigener  Arbeit  oder  mit  Zuziehung  eines  Zimmer- 
manns oder  Schreiners  den  Bau  fertig. 

Was  nun  das  Futter  anbelangt,  so  wurden  schleunig  mehrere 
Laibe  schwarzes  Roggenbrot  (ä  36  Pf.)  und  eine  grössere  Parthie 
kleine  Weissbrode  (Wecken  ä  3  Pf.)  angeschafft,  zerschnitten  und 
gedörrt.  Ein  Pfund  Rosinen  (ä  60  Pf.)  gab  eine  ganz  vortreffliche 
und  beim  Aufquellen  besonders  ergiebige  Lieblingsspeise  der  Beeren- 
fresser; hievon  wurde  täglich  ein  Trinkglas  voll  in  warmem  Wasser 
eingeweicht.  Das  eingeweichte  Schwarzbrod  eines  halben  bis  ganzen 
Laibs,  gut  ausgedrückt  und  fein  verkrümelt,  6 — 8  ebenso  behan- 
delte Wecken  feingeschnitten,  die  erwähnte  Rosinenportion,  3 — 6  ge- 
riebene gelbe  Rüben,  6  —  8  in  feinste  Würfel  geschnittene  Apfel, 
einige  zerdrückte  Kartoffeln  und  ein  Teller  feingehackter  Fleisch- 
abfälle von  Tisch  und  Küche  wurden  pro  Tagesportion,  je  nach  Bedarf 
weniger  oder  mehr,  gemischt  und,  soweit  es  zu  klebrig  wurde,  mit 
einer  Hand  voll  gestossener  trockener  Semmeln  gelockert.  Li  den 
kältesten  Tagen  kam  noch  ein  Kelch  schwerer  Rothwein  mit  etwas 
aufgelöstem  Zucker  hinzu,  wie  auch  stets  der  süsse  Rosinen-Abguss 
beim  Aufweichen  des  Weissbrods  verwerthet  wurde.  Später  wurde 
auch  noch  eine  Rindslunge  und  zwei  Rindslebern  (30  Pf.  p.  Pfund) 
verwendet,  feingehackt  und  mit  Semmelmehl  vertheilbarer  gemacht, 
ausnahmsweise  auch  einige  hartgesottene  Eier  mit  verfüttert.  Bei 
dieser  ebensogut  an  grobes  Nachtigallenfntter  wie  an  italienischen 
Salat  erinnernden  Kost,  die  neben  einem  Futterbrett  mit  Haber  und 
etwas  Hanf  auf  zwei  Tafeln  täglich  2—3  Mal  gereicht  wurde,  haben 
sich  die  Vögel  vortrefflich  befunden  und  wohl  Hunderten  ist  damit 
das  Leben  erhalten  worden.  Nur  zwei  bereits  krank  aufgelesene, 
abgemagerte  Staaren,  von  denen  der  eine  17.  März  sich  in  die  Par- 


—     215     - 

terre-Küche  verirrt  hatte,  während  der  andere  vom  Futterbrett  mit 
der  Hand  weggenommen  wurde,  giengen  im  Käfig  trotz  besten  Appe- 
tits rasch  ein  und  ein  dritter  verendete  in  Mitte  des  Futters  unter 
der  Hütte ;  in  meinem  ganzen  Bereich  sind  ausserdem  nur  noch  zwei 
todte  Rothschwänze  gefunden  worden ,  der  eine  in  einem  offenen 
Gewölbe,  der  andere  im  Thal  verhungert  im  Brunnenhaus,  aus  dem 
er  den  Ausgang  nicht  mehr  fand.  Ausser  Amsel,  Rothschwanz,  Roth- 
kehlchen,  Bachstelze,  Braunelle,  Wiesenpieper,  Haidelerche,  Baum- 
sperling, letztere  drei  hier  erstmals  erschienen,  waren  gleichzeitig  oft 
über  50  Staaren  zur  Stelle,  zugleich  wieder  Bergfinken,  selbst  eine 
Nebelkrähe  und  neben  dem  übrigen  Zeug  eine  grosse  Menge  von 
Buchfinken  (einmal  63  St.  abgezählt).  Bemerkenswerth  ist,  dass  so- 
fort mit  dem  ersten  Beginn  des  Thauwetters  die  Staaren  bis  auf 
einen  Sonderling,  der  noch  mehrmals  die  Abendkost  holte  und  offen- 
bar krank  war,  nicht  mehr  an  die  Futterhütte  kamen,  sondern  den  am 
Rissufer  und  auf  den  Wiesen  langsam  schneefrei  werdenden  Stellen 
zueilten.  Jene  Vögel  im  Vorfenster  haben  dieselbe  Kost,  nur  in  etwas 
feinerer  Zubereitung,  ohne  Schwarzbrot,  nebst  Mehlwürmern  und  Stu- 
benfliegen empfangen.  Sämmtlich  haben  sie  dort  gesungen!  recht 
hübsch  der  Wiesenpieper  und  die  etwas  streitbare  Bachstelze,  zu  der 
einmal  das  Weibchen  an  die  Fensterscheiben  angeflogen  kam.  Erst 
als  vom  24.  März  an  das  Wetter  absolut  sicher  schien,  erhielten  sie 
die  Freiheit;  auch  die  Amsel,  welche  schon  am  zweiten  Tag  Mehl- 
würmer aus  der  Hand  nahm ,  wurde  nicht  eher  freigegeben  als  bis 
sie  ein  leises  Lied  gesungen  hatte. 

Im  Obigen  haben  wir  die  hier  gewählte  Fütterungsmethode  aus- 
führlicher behandelt,  nicht  um  sie  als  mustergiltig  hinzustellen,  son- 
dern weil  man  häufig  helfen  möchte  und  nicht  weiss  wie.  Die  an- 
gegebenen Ingredienzien,  deren  nöthigsten  der  Preis  beigefügt  ist, 
lassen  sich  leicht  erschwingen ;  einiges  ist  nicht  durchaus  nöthig  und 
anderes  kann  je  nach  Gelegenheit  anders  ergänzt  werden;  jener 
Küchenzettel  wird  aber  für  alle  Fälle  —  mutatis  mutandis  —  wenig- 
stens einen  Anhalt  geben. 

Von  überall  her  kamen  Nachrichten  über  Versuche ,  der  küm- 
mernden Vogelwelt  aufzuhelfen.  Das  Biberacher  Amtsblatt  (Anzeiger 
vom  Oberland)  das  —  wie  auch  andere  Localblätter  —  jeden  Winter 
in  höchst  löblicher  Weise  der  Vögel  sich  annimmt,  hat  auch  in  dieser 
Noth  an  augenfälliger  Stelle  sein  Fürwort  eingelegt.  Meist  bleibt's 
aber  beim  guten  Willen  oder  man  meint,  es  sei  einerlei  was  man 
füttere,  wenn  nur  überhaupt  gefüttert  wird.     Gut  ist's  noch  immer, 


—     216     — 

wenn  Brodkrumen ,  Küchenabfälle ,  zerquetschte  Kartoffeln  u.  d.  g. 
dabei  sind.  Verschiedene  Zeitungsberichte  gerade  aus  diesem  März 
haben  aber  mit  einer  gewissen  Genugthuung  hervorgehoben ,  dass 
Einzelne  wie  Gemeinden  den  Singvögeln  —  „Gesäme"  (Ausputz 
aus  dem  Getreide)  haben  streuen  lassen.  Damit  ist  natürlich  nur 
den  ohnehin  winterfesteren  Körnerfressern  gedient,  denen  wir  es  ja 
auch  gerne  gönnen.  Eine  mir  benachbarte  Gemeinde  hatte  hiebei 
jedenfalls  das  Verdienst,  dass  sie  verschiedene  Stellen  dauernd  schnee- 
frei erhalten  liess.  Rationell  und  andauernd  wurde  z.  B.  in  der 
Mühle  von  Warthausen  an  einem  gegen  die  Wiesen  freistehenden  Ge- 
bäude unter  besonderem  Schutzdach  gefüttert.  In  Wolfegg  liess 
Fürst  Waldburg-Wolfegg  die  in  ihren  Kästen  erstarrenden  Staaren 
mit  der  Leiter  herunterholen  und  in  eine  leere  Abtheilung  eines  tem- 
perirten  Stalls  verbringen ;  von  den  gerade  zu  Mittag  essenden  Knechten 
nahmen  sie  „Spätzlen"  an  und  von  da  ab  wurden  besondere  Staaren- 
Spätzlen  bereitet ;  insoferne  aber  eine  Anzahl  der  Gepflegten  dennoch 
zu  Grunde  gegangen  ist,  erscheint  es  fraglich,  ob  diese  schwäbische 
Nationalmehlspeise  ihnen  nicht  zu  schwer  im  Magen  lag. 

Schliesslich  ist  noch  auf  einige  allgemeine  Übelstände  hinzu- 
weisen. In  den  Zeiten  der  Noth  fliegen  die  Vögel  in  die  Wohnhäuser, 
Scheunen  und  Ställe  oder  sie  werden  auf  Dunglegen  und  in  den 
Hecken  von  Kindern  und  jungen  Burschen  mit  Meisenschlägen,  Haar- 
schlingen, Klebruthen,  unter  Sieben  u.  s.  vv.  gefangen.  Rascher  Tem- 
peraturwechsel aus  grimmiger  Kälte  in  die  heisse  Bauernstube,  aus  der 
dünnen  Luft  in  die  dicke,  wirkt  auf  die  Gefangenen  vielfach  tödtlich 

oder  sie  bekommen  unmögliches  Futter  (z.  B.  Staaren Haber!) 

und  wenn's  gut  geht  werden  sie  zuerst  Spielzeug  der  Kinder  und 
dann  Beute  der  Katze.  Diess  Loos  trifft  auch  in  normalen  Wintern 
eine  ungeahnt  grosse  Zahl  vorerst  der  häufigeren  und  zäheren  Körner- 
fresser, allein  auch  die  Insectenfresser  stellen  ihr  Todes-Contingent. 
Unter  allen  Umständen  sollte  da  endlich  einmal  Wandel  geschaffen 
werden.  Wir  haben  wohl  eine  „Königliche  Verordnung"  zum  Schutz 
der  Vögel ,  zu  ihrer  ernstlichen  Handhabung  giebt  es  aber  auf  dem 
Lande  wohl  kaum  irgendwo  eine  Dorfpolizei. 


Loliginites  (Geoteuthis)  Zitteli  Eb.  Fraas. 

Ein  vollständig  erhaltener  Dibranchiate  aus  den  Laibsteinen 

des  Lias  f. 
Von  Dr.  Eberhard  Fraas. 

Mit  Taf.  IV  u.  V  Fig.  1—8. 

Unsere  Kenntnis  von  den  fossilen  dibranchiaten  Cephalopoden 
ist  immer  noch  eine  äusserst  dürftige,  und  musste  es  daher  als  ein 
willkommener  Beitrag  betrachtet  werden,  als  der  verstorbene  Pfarrer 


Hartmann,  der  damals  noch  in  Frommern  bei  Balingen  war,  aus  den 
Laibsteinen  des  Lias  Epsilon  von  Schömberg  einen  Tintenfisch  her- 
ausspaltete, der  an  Schönheit  alles  bisher  Gefundene  übertrifft. 

Das  vorliegende  Exemplar,  das  sich  in  der  kgl.  Naturalien- 
sammlung in  Stuttgart  befindet,  gehört  ohne  Zweifel  in  die  Gruppe 
der   Chondrophoren ,    d.  h.  jener  Tintenfische,    welche    sich    an   den 


—     218     — 

lebenden  Loligo  anschliessen  und  sich  durch  einen  langen  dünnen 
inneren  Schulp  ohne  Rostrum  und  Phragmokon  auszeichnen,  der  aus 
hornartiger  Substanz  besteht.  Meist  sind  es  diese  Schulpe  allein,  welche 
uns  von  den  fossilen  Formen  erhalten  sind  und  auf  sie  ist  auch  aus- 
schhesslich  die  Systematik  derselben  begründet,  bei  deren  Nomenklatur 
möglichst  die  Endigung  teuthis  (Ter^/t,-  Tintenfisch)  verwendet  wurde. 

Nur  in  äusserst  seltenen  Fällen  wurden  bis  jetzt  in  den  litho- 
graphischen Schiefern  von  Solnhofen  vollständig  erhaltene  Exem- 
plare gefunden,  die  einer  ungemein  grossen  Gattung  von  über  Meter- 
länge angehören  und  als  Leptoteuthis  {Acanthoteuthis  Münster)  yiyas 
Meyer  beschrieben  wurden  und  denen  sich  aufs  engste  die  Nusplinger 
Form  Leptoteuthis  alatiis  Fraas  anschliesst.  Auch  von  Plesioteuthis, 
einer  viel  kleineren  in  Solnhofen  sehr  gemeinen  Form,  lassen  sich 
hier  und  da  Spuren  des  ganzen  Tieres  erkennen,  besonders  des  stark 
muskulösen  Mantels. 

QuENSTEDT  ^,  der  sich  in  seinen  Cephalopoden  am  eingehendsten 
mit  den  liassischen  Dibranchiaten  beschäftigt  hat,  führt  den  Namen 
Loliginites  für  die  ganze  Gruppe  ein,  indem  er  die  nahen  Beziehungen 
dieser  Formen  zu  den  Lohgineen  richtig  erkannte.  Quenstedt  ist  es 
auch ,  der  immer  auf  die  an  den  Schulpen  anhängende  Muskelsub- 
stanz aufmerksam  macht,  deren  ausgesprochene  Anordnung  im  Quer- 
streifen ihm  in  die  Augen  fiel.  Ich  habe  jedoch  erst  später  auf 
diesen  merkwürdigen  Erhaltungszustand  einzugehen,  und  möchte  zu- 
nächst nur  die  systematische  Stellung  meiner  Form  begründen. 

An  dem  Stücke  ist  der  Schulp  nicht  sichtbar,  da  das  Tier  die 
Bauchteile  mit  dem  Tintenbeutel  nach  oben  kehrt,  während  der  Schulp 
auf  der  Rückenseite  gelegen  ist.  Dadurch  ist  eine  sichere  systema- 
tische Stellung  ausgeschlossen  und  können  wir  uns  nur  noch  durch 
die  Vergleichung  der  Körperumrisse  und  einzelner  Organe  helfen. 
Mit  den  grossen  Leptoteuthis- kxiQxi  von  Solnhofen  stimmt  unsere 
Form  am  meisten,  sowohl  in  den  Proportionen  des  Mantelumrisses 
als  auch  in  der  Entwickelung  der  Fangarme.  Der  Schulp  dieser 
Form  ist  lang  gestreckt  und  sehr  dünn,  er  gliedert  sich  in  3  Felder, 
2  schmale  seitliche  und  ein  breites  Mittelstück,  das  sich  gegen  hinten 
verjüngt.  In  der  Medianlinie  haben  wir  nur  am  hinteren  Ende  die 
Andeutung  eines  schwachen  Kieles ;  es  ist  der  Typus  der  Loliginites 
tenuicarinati  von  Quenstedt.  Die  Schulpe  aus  dem  Lias,  welche  sich 
auf  das  engste  an  Leptoteuthis  anschliessen  und  sich  gleichfalls  durch 

^  Fr.  V.  Quenstedt:  Petrefaktenkunde  Deutschlands.  I.Abt.  I.  Bd.  Die 
Cephalopoden.  1849. 


—     219     — 

den  kaum  angedeuteten  Mediankiel  auszeichnen,  wurden  zuerst  von 
Münster  ^  von  den  übrigen  Formen  getrennt  und  als  Gcotcuthis  zu 
den  Teuthiden  d'Orb,  gestellt.  A.  Wagner^  möchte  für  die  Münster- 
sche  Gruppe  Geoteuthis  wieder  den  alten  Namen  Belopelfis  eingeführt 
wissen,  schon  in  anbetracht  der  äusserst  unpassenden  Wahl  des  Na- 
mens und  der  Priorität,  welche  der  alte  VoLTz'sche  Namen  hatte.  Im 
allgemeinen  blieb  jedoch  die  MüNSTER'sche  Bezeichnung  Geoteuthis 
die  geläufige  und  so  behält  auch  Zittel  ^  in  seinem  Handbuch  den 
Namen  Geoteuthis  bei,  welchem  er  als  Synonyme  Belenmosepia  p.  p. 
BucKLD.,  Onychoteuthis  p.  p.  Münster,  Belopeltis  Voltz,  Palaeosepia 
Theodori  und  Loliginites  tenuicarinati  Quenstedt  angibt. 

Quenstedt  hat  einen  feinen  Takt  bewiesen ,  wenn  er  die  Aus- 
bildung des  medianen  Kieles  und  die  äusseren  ümrif:se  des  Schulpes, 
der  sich  doch  durch  alle  Gruppen  hindurch  im  ganzen  gleich  bleibt, 
nicht  als  hinreichend  ansah ,  um  eine  Trennung  in  einzelne  scharf 
begrenzte  Genera  durchzuführen ,  wie  dies  Münster  that.  Er  fasst 
daher  die  ganze  Gruppe  der  fossilen  Schulpenträger  als  Loliginites 
zusammen  und  unterscheidet  unter  ihnen  hauptsächlich  drei  ver- 
schiedene Typen,  I.  Crassicarinati,  spateiförmige  Schulpe  mit  dickem 
Kiel,  IL  Tenuicarinati,  parabolische  Schulpe  mit  feinem  Kiel  und 
III.  Hastiformes,  pfeilförmige  Loliginiten.  Einige  unsichere  Formen 
{Sepialites  u.  a.)  werden  mit  den  alten  Namen  belassen  und  in  ihrer 
Stellung  nicht  weiter  fixiert.  Halte  ich  nun  die  Quenstedt  sehe  Be- 
zeichnung Loliginites  an  und  für  sich  schon  für  eine  sehr  glückliche, 
und  treffende,  so  kommt  mir  bei  meinem  Exemplare  der  Name  Lo- 
liginites um  so  gelegener,  als  mir  das  Fehlen  des  Schulpes  die  sichere 
Einreihung  in  ein  Subgenus  verbietet.  Nur  aus  Analogie  des  Körper- 
umrisses mit  Leptoteuthis  schliesse  ich,  dass  diese  Form  gleichfalls 
einem  tenuicarinaten  Loliginiten  angehören  wird  und  damit  in  die 
Gruppe   Geoteutliis  einzureihen  wäre. 

Zunächst  möchte  ich  jedoch  das  Fundstück  selbst  näher  be- 
schreiben, ehe  ich  auf  die  Analogien  mit  einzelnen  ähnlichen  schon 
beschriebenen  Stücken  eingehen  kann.  Das  Stück  ist,  wie  schon 
gesagt,    aus    einem   der  sphtterharten  Laibsteine  in  den  Posidonien- 

'  G.  V.  Münster:  Beiträge  zur  Petrefaktenkunde.  VI.  Heft.  1846.  p.  57. 
Die  schalenlosen  Cephalopoden  im  unteren  Jura,  den  Liasschiefern  von  Franken 
und  Schwaben. 

*  A.  Wagner:  Die  fossilen  Überreste  von  nackten  Tintenfischen.  (Ab- 
handig. d.  k.  bayr.  Akad.  d.  Wissensch.  II.  Kl.  VIII.  Bd.  3.  Abt.  1860.) 

^  K.  V.  Zittel:  Handbuch  der  Palaeontologie.  I.  Abt.  II.  Bd.  Cephalo- 
poden. 1884. 


—     220     — 

schiefern  so  glücklich  herausgespalten,  dass  uns  die  vollständigen 
Körperumrisse  sowohl  des  Mantels  als  auch  des  Kopfes  erhalten  sind. 
Ich  hatte  schon  früher  Gelegenheit,  bei  Beschreibung  einer  Ichthyo- 
saurusflosse auf  den  vorzüglichen  Erhaltungszustand  in  den  Stink- 
steinen hinzuweisen,  der  uns  auch  sehr  vergängliche  Organe  bewahrt 
hat,  und  eben  dieser  Umstand  ist  es,  der  unser  vorliegendes  Exem- 
plar in  ganz  ausserordentlichem  Grade  auszeichnet. 

Die  Gesamtlänge  von  Loliginites  Zifteli  beträgt  0,43  m, 
wovon  0,09  m  auf  den  Kopf  und  0,34  m  auf  den  Mantelsack  kommen. 
Die  grösste  Breite  am  oberen  Ende  des  Mantels  beträgt  0,13  m. 
Das  Tier  liegt,  wie  schon  erwähnt,  auf  dem  Rücken,  und  kehrt  uns 
die  ventrale  Seite  zu;  die  Wölbung  des  Mantelsackes  ist  sehr  gut 
ausgeprägt  und  mag  immerhin  eine  Höhe  von  15  mm  betragen.  Der 
Mantelsack  verjüngt  sich  nur  wenig  nach  hinten,  so  dass  die 
Breite  im  hinteren  Viertel  immer  noch  0,10  m  beträgt:  das  hintere 
F-nde  schliesslich  bildet  eine  gieichmässige  Rundung,  ohne  dass  das 
Tier  nach  hinten  irgendwie  in  eine  Spitze  ausgezogen  wäre.  Auf 
der  linken  Seite  am  hinteren  Ende  deutet  eine  seitliche  Lage  von 
Muskulatur  noch  deutlich  eine  hintere  flossenartige  Verbreiterung  des 
Mantels  an,  wie  sie  allen  chondrophoren  Dekapoden  der  Jetztzeit 
eigen  ist;  es  sind  Ruderorgane,  die  besonders  als  Steuer  verwendet 
werden,  während  bekanntermassen  die  eigentliche  Bewegung  durch 
den  Trichter  ausgeführt  wird.  Der  Mantelsack  selbst  ist  als  weisse 
Substanz  erhalten ,  auf  der  sich  eine  ausgezeichnete  Querstreifung 
geltend  macht,  und  welche  auch  schon  von  Quenstedt  richtig  als 
Muskelsubstanz  bezeichnet  wird.  Die  mikroskopischen  Untersuchun- 
gen, auf  die  ich  später  eingehe,  beweisen  dies  auf  das  klarste.  Am 
deutlichsten  ist  diese  Ausbildung  von  Querstreifen  in  der  hinteren 
Hälfte  ausgesprochen,  sie  beginnt  in  dem  medianen  Teile  sehr  fein 
und  ist  dort  (hinter  dem  Tintenbeutel)  etwas  wellig  gekrümmt,  um 
dann  in  geraden  breiten  Lagen  gegen  den  Aussenrand  zu  verlaufen. 
In  der  Substanz  treten  unregelmässig  geformte  rundliche  Körner  auf, 
die  sich  gegen  den  Aussenrand  hin  mehren  und  dort  eine  Grösse 
von  3 — 4  mm  erreichen.  Die  mikroskopische  Untersuchung  dieser 
Körner  gab  eine  vollständig  gieichmässige  Masse  von  ungemein  fein- 
körnigem Kalk  ohne  alle  Struktur,  die  auf  etwas  Organisches  hin- 
weisen würde.  Ich  betrachte  daher  diese  Körner  als  sekundäre  Pro- 
dukte, d.  h.  als  Ausfüllungen  kleiner  bei  der  Maceration  gebildeter 
Hohlräume  durch  später  infiltrierte  Kalksubstanz.  Gegen  vorn  nimmt 
die  Querstreifung  an  DeutUchkeit  ab    und   ebenso  verlieren  sich  die 


—     221     — 

Kalkkörner;  am  vorderen  Rande  erscheint  der  Mantel  schliesslich 
ganz  glatt  und  nur  mit  der  Lupe  lässt  sich  noch  eine  äusserst 
zarte  Anordnung  der  Muskulatur  in  Längsfasern  erkennen.  Zahl- 
reiche Bruchstellen,  besonders  an  der  rechten  Seite,  lassen  auch  noch 
deutlich  die  Zusammensetzung  des  Mantels  aus  einzelnen  Lagen  er- 
kennen. Die  oberste  Lage  zeigt  die  eben  erwähnte  ungemein  feine 
Längsstreifung,  dann  folgt  eine  gegen  2  mm  dicke  Zwischenschichte, 
welche  die  grobe  Querstreifung  zeigt;  es  ist  das  die  Lage,  welche 
fast  im  ganzen  übrigen  Teil  des  Mantelsackes  aufgespalten  zu  Tage 
liegt.  Die  unterste  Lage  zeigt  wieder  sehr  zarte  Streifung,  die  aber 
in  Querlinien  angeordnet  ist. 

Der  Tinte nbeutel  ist  sehr  schön  und  vollständig  in  seinen 
seitlichen  Umrissen  erhalten,  nur  die  Oberfläche  ist  aufgespalten  und 
tritt  hier  die  Farbsubstanz  zu  Tage.  Die  Länge  des  Tintenbeutels 
beträgt  19  cm;  die  Breite  ist  vorn  mit  1  cm  am  geringsten,  nimmt 
dann  nach  hinten  stetig  zu,  um  schliesslich  in  einer  Breite  von 
4,5  cm  zu  endigen.  Es  ist  demnach  der  Tintenbeutel  sehr  gross, 
besonders  im  Verhältnis  zur  Gesamtlänge  des  Tieres,  und  kommt  den 
grossen  Tintenbeuteln  von  Loliginites  coriaceus  Qu.  am  nächsten.  Die 
Tintensubstanz  ist  nur  ganz  wenig  seitlich  und  vorn  ausgeströmt, 
und  liegt  im  übrigen  noch  ganz  normal  in  dem  Sacke.  Beim  Ver- 
trocknen hat  sich  die  Tintensubstanz  natürlich  zusammengezogen  zu 
einzelnen  rundlichen  Kugeln,  zwischen  welchen  weisse  krystallinische 
Masse  als  Füllung  sich  abgelagert  hat.  Eine  genauere  Untersuchung 
ergab,  dass  beim  Glühen  die  schwarze  Substanz  mit  Entwickelung 
eines  bituminösen  Geruches  vollständig  verbrannte,  also  ausschliess- 
lich aus  organischen  Substanzen  gebildet  ist;  die  weisse  Füllmasse 
ergab  sich  nicht,  wie  vielfach  angegeben  ist,  als  Kalkspat,  sondern 
als  reiner  Gips.  Es  ist  dies  recht  interessant,  da  Gips  im  allgemeinen 
sehr  selten  in  den  Kalken  der  Posidonienschiefer  auftritt,  und  auf 
einen  ursprünglichen  Zersetzungsprozess  zurückzuführen  ist.  Für  die 
Tintensubstanz  lebender  Cephalopoden  liegt  folgende  Analyse  von 
Prout  vor: 

schwarzer  Farbstoff  organischer  Natur     78,00 

CaCOg 10,40 

MgCOg 7,00 

^a^SO^  und  Na  Gl 2,16 

schleimartiger  Stoff 0,84 

Verlust 1,60 

100,00 


—     222     -- 

Es  fällt  dabei  sofort  der  grosse  Gehalt  an  Mineralsalzen,  be- 
sonders an  CaCOg  und  MgCOg  auf,  welcher  beim  Eindringen  des 
Seewassers  und  beim  Fossilifikationsprozess  noch  vermehrt  wurde. 
Jedenfalls  bildete  sich  aus  der  organischen  Substanz  viel  Schwefel- 
kohlenstoff, welcher  auf  die  kohlensauren  Salze  einwirkte  und  diese 
in  schwefelsaure  umwandelte.  Bei  fast  allen  fossilen  Tintenbeuteln, 
welche  ich  untersuchte,  ergab  sich  dasselbe  Resultat,  nur  bei  einzelnen 
angewitterten  Stücken  ist  der  Gips  sekundär  durch  Kalkspat  ersetzt. 

Am  oberen  Teile  des  Tintenbeutels  liegen  seitlich  von  diesem 
eine  Menge  von  Muskelsubstanzen,  welche  nicht  zum  Mantelsack  ge- 
hören, sondern  unter  dessen  gleichmässig  angeordneter  Qaermusku- 
latur  hegen.  Es  sind  zerfetzte,  ziemlich  wirr  durcheinander  liegende 
Bündel  von  Muskelsubstanzen,  welche  ich  als  die  Überreste  der  inne- 
ren Organe  ansehe,  an  denen  sich  allerdings  nichts  mit  Sicherheit 
zu  Definierendes  erkennen  lässt. 

Der  Trichter  ist  uns  sehr  deutlich,  wenn  auch  nur  als  Stein- 
kern erhalten,  und  bildet  den  besten  Beweis,  dass  das  Tier  uns  die 
ventrale  Seite  entgegenkehrt.  Die  Gesteinsmasse,  welche  hier  stark 
von  der  Tintensubstanz  infiltriert  ist,  bildet  vor  dem  Tintenbeutel 
am  Vorderrande  des  Mantels  einen  stark  hervorspringenden  Buckel, 
der  genau  auf  die  Lage  und  Grösse  des  Trichters  passt,  so  dass  ich 
keinen  Anstand  nehme,  darin  die  Ausfüllung  des  Trichters  zu  sehen, 
um  so  mehr  als  sich,  ganz  analog  den  recenten  Cephalopoden,  deut- 
lich eine  Einbuchtung  des  vorderen  Mantelsaumes  beobachten  lässt. 
Auch  die  Muskelsubstanz  des  Trichters  ist  in  der  Gegenplatte  deut- 
lich erhalten  und  lässt  sich  von  der  des  Mantels  leicht  unterscheiden. 

Das  grösste  Interesse  an  unserem  Exemplar  bietet  unstreitig 
der  Kopf,  der  uns  zum  erstenmale  an  einem  liassischen  Cephalo- 
poden erhalten  ist,  und  durch  die  gute  Erhaltung  über  eine  Reihe 
bis  jetzt  dunkler  Punkte  Aufschluss  gibt.  Vor  allem  fällt  uns  die 
geringe  Grösse  des  Kopfes  im  Verhältnis  zum  ganzen  Tier  auf,  die 
nur  l  der  Gesamtlänge  beträgt,  und  zwar  mit  Einschluss  der  Arme. 
Der  Grund  davon  liegt  in  der  ausserordentlichen  Kürze  der  Arme, 
während  diese  bei  den  lebenden  Formen  meist  die  Länge  des  ge- 
samten Tieres  erreichen  oder  diese  noch  übertreffen.  Dass  wir  den 
Kopf  von  der  ventralen  Seite  sehen,  bietet  grosse  Vorteile,  da  uns 
dadurch  eine  Reihe  von  Organen  sichtbar  werden,  welche  durch  die 
Lage  auf  dem  Rücken  verdeckt  bleiben  würden;  so  vor  allem  der 
ventrale  Kopfknorpel,  die  Augen  und  die  Zahnplatten. 

Der  ventrale  Kopfknorpel,    der    bei  den  lebenden  Cephalo- 


—     223     — 

poden  das  Gehirn  schützt  und  in  Verbindung  mit  der  starken  Ring- 
muskulatur des  Schädels  steht,  tritt  auch  bei  unserem  Exemplar 
besonders  deutlich  hervor,  und  bildet  den  unteren  Teil  des  Kopfes. 
In  vollständigem  Halbkreis  liegt  er  vor  der  Erhöhung  des  Trichters 
und  besteht  aus  einer  festen  im  Halbkreis  gelagerten  Masse,  die  bei 
der  mikroskopischen  Untersuchung  das  Bild  der  Muskulatur  bot.  Es 
ist  daher  wahrscheinlich,  dass  uns  die  hyaline  Knorpelsubstanz  ver- 
loren gegangen  ist,  und  wir  nur  die  Überreste  der  Ringmuskulatur 
vor  uns  haben.  Die  Breite  des  Bogens  beträgt  3,7  cm;  der  innere  Raum, 
den  der  Bogen  umspannt,  ist  erfüllt  mit  einer  weissen  granulierten 
Masse,  in  der  sich  keine  bestimmte  Muskelstreifung  erkennen  lässt. 
Rechts  und  links  von  dem  Kopfknorpel  sitzen  die  prachtvoll 
erhaltenen  Augen  (Taf.  V  Fig.  2),  die  bei  dem  Tiere  offenbar  sehr 
weit  auf  der  Unterseite  des  Kopfes  lagen,  um  so  vollständig  sichtbar 
zu  werden.  Die  Augen  sind  sehr  gross,  etwas  oval  gestaltet,  mit 
einem  Durchmesser  von  1,5  und  1  cm.  Es  ist  erstaunlich,  wie  zart 
uns  diese  Organe  erhalten  sind ,  welche  als  weisslicher  Hauch  auf 
dem  dunkeln  Untergrunde  sich  abheben.  Das  Auge  wird  nach  der 
Aussenseite  begrenzt  durch  eine  ziemlich  starke  Membrane  von  1  mm 
Dicke:  dies  selbst  zeigt  sich  aus  einer  nebeneinander  liegenden  Reihe 
von  zarten  linsenförmigen  Zellen  zusammengesetzt,  welche  sich  na- 
mentlich am  linken  Auge  sehr  gut  beobachten  lassen,  jedes  einzelne 
Stäbchen  ist  nach  aussen  und  besonders  nach  innen  zugespitzt.  Eine 
Unterbrechung  dieser  äusseren  Haut  ist  nicht  vorhanden,  sondern 
bildet  gleichmässig  den  Aussenrand  der  Augenlinse.  Auf  dem  rech- 
ten Auge  sind  ausserdem  noch  eine  Anzahl  von  ungemein  zarten 
parallelen  Linien  zu  beobachten,  welche  quer  über  das  Auge  weg- 
gehen, und  zwar  genau  in  der  Diagonale  des  Auges.  Auf  der  Innen- 
seite wird  das  Auge  von  muskulöser  Substanz  umschlossen ,  welche 
jedoch  sehr  scharf  gegen  die  Linse  des  Auges  selbst  abgegrenzt  ist. 
Es  ist  natürlich  schwierig,  für  diese  zarten  Gebilde  eine  sichere  Deu- 
tung zu  finden,  die  stabförmigen  Zellen  erinnern  an  die  Retina  selbst, 
doch  ist  daran  nicht  zu  denken ,  weil  die  Haut  sich  ja  gerade  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  befindet,  auch  sind  die  einzelnen  Zellen 
doch  viel  zu  derb  für  Sehstäbchen.  Die  Lage  der  Haut  spricht  für 
die  Cornea,  und  müsste  dann  die  Gliederung  in  einzelne  Zellen  einem 
Schrumpfungsprozesse  zugeschrieben  werden ;  auf  diese  Weise  liessen 
sich  auch  die  zarten  Streifen  erklären,  welche  das  Auge  quer  durch- 
ziehen. 

Vor    dem  Kopfknorpel    und    den  Augen   lagert   zunächst  noch 


—     224     — 

eine  Masse  von  Muskelsubstanz,  welche  zum  Kopfe  zu  rechnen  ist 
und  die  Muskelmasse  darstellt,  welche  die  Arme  mit  dem  Kopf  ver- 
bindet, und  zugleich  deren  Bewegung  vermittelt,  ebenso  wie  sie  die 
Umhüllung  des  Mundes  mit  dem  Kieferapparat  bildet.  In  dieser 
weissen  Masse  sind  die  grossen  Kieferplatten  (Taf.  V  Fig.  1) 
eingebettet,  welche  uns  demnach  gleichfalls  so  ziemlich  in  ihrer  na- 
türlichen Lage  erhalten  sind.  Die  Kiefer  heben  sich  von  der  musku- 
lösen Substanz  schon  durch  ihre  Färbung  ab  und  die  glänzende 
Oberfläche,  welche  uns  sofort  an  die  zarten  chitinösen  Platten  der 
Schulpe  erinnert.  Die  Grösse  ist  zwar  eine  ganz  bedeutende,  aber 
die  Platten  waren  so  ungemein  zart  und  dünn  gebaut,  so  dass  sie  nur 
in  den  allergünstigsten  Fällen  erhalten  sein  können.  Dies  erklärt 
auch,  dass  bis  jetzt  in  den  Posidonienschiefern,  trotz  der  Menge  von 
Schulpen,  noch  niemals  Spuren  der  Kieferplatten  beobachtet  wurden. 
Was  wir  vor  uns  haben,  kann  nur  die  Unterkieferplatte  sein,  welche 
jedoch  von  derjenigen  der  lebenden  Cephalopoden  abweicht.  Die 
Platte  besteht  aus  zwei  breiten  Flügeln  von  3  cm  Länge  und  1,5  cm 
Breite;  mit  gerundetem  Aussenrande  und  etwas  ausgebuchteter  Me- 
dianlinie ,  an  der  die  beiden  Flügel  nur  wenig  auseinanderweichen ; 
am  besten  lässt  sich  das  Bild  mit  dem  geflügelten  Samen  der 
Ahornarten  vergleichen.  An  der  vorderen  Vereinigung  der  bei- 
den Flügel  lag  der  Schnabel ,  der  jedoch  nicht  sichtbar  ist ,  da 
hier  das  Bild  durch  überlagernde  Gesteinsmasse  etwas  getrübt  ist. 
Der  mediane  dritte  Flügel,  der  bei  den  recenten  Cephalopoden  weit- 
aus der  stärkste  ist,  kann  bei  Loliginites  Zitteli  nicht  beobachtet 
werden.  Ebensowenig  haben  wir  Aufschluss  über  den  Oberkiefer, 
der  jedoch  dem  Unterkiefer  sehr  ähnlich  angenommen  werden  darf. 
Die  Arme  sind,  wie  schon  erwähnt,  auffallend  kurz,  eine  Eigen- 
schaft, die  allen  bis  jetzt  beobachteten  Loliginiten  zukommt.  Die 
Länge  beträgt  nur  5,5  cm ,  wenn  wir  den  starken  muskulösen  An- 
satz am  Kopfe  nicht  dazu  rechnen.  Die  Form  der  Arme  ist  eine 
ausserordentlich  gedrungene;  der  Arm  beginnt  sehr  stark  mit  1,2  cm 
Breite  am  Kopfe,  nimmt  aber  dann  sehr  rasch  an  Stärke  ab  und 
endigt  schliesslich  ganz  spitzig.  An  einzelnen  Armen  sind  die  Längs- 
und Querzüge  der  Muskulatur  ausgezeichnet  zu  erkennen.  Die  Arme 
waren  jedenfalls  mit  keinen  Hacken  (sog.  Onychites)  versehen,  da 
diese  bei  dem  ausgezeichneten  Erhaltungszustand  gewiss  sichtbar 
wären;  allerdings  ist  auch  keine  Andeutung  der  Saugnäpfe  sichtbar. 
Die  Loliginiten  waren  jedenfalls  gute  Schwimmer  und  bewegten  sich 
nur  wenig  kriechend  auf  dem  Boden,  daher  auch  die  Kürze  der  Arme 


—     225     — 

und  die  jedenfalls  schwache  Entwickelung  der  z.  Th.  als  Haftorgane 
beim  Kriechen  dienenden  Saugnäpfe.  Über  die  Zahl  und  Anordnung 
der  Arme  gibt  unser  Exemplar  wenig  Aufschluss,  mit  Sicherheit  lassen 
sich  auf  beiden  Seiten  je  zwei  aufeinander  gepresste  Arme  erkennen, 
welche  recht  gut  erhalten  sind.  In  dem  Zwischenraum  zwischen 
diesen  vier  Armen  vor  dem  Kiefer  sind  noch  einzelne  Spuren  wei- 
terer Arme  sichtbar,  die  jedoch  nicht  genau  in  die  Spaltungsebene 
des  Stückes  fielen  und  daher  nur  in  einzelnen  kleineren  Partien  her- 
vortreten. Die  den  recenten  Dekapoden  fast  nie  fehlenden  Fang- 
arme ,  die  eine  besondere  Differenzierung  zeigen ,  können  weder  bei 
Loliginites  Zitteli,  noch  sonst  bei  irgendwelchem  fossilen  Cephalopoden 
nachgewiesen  werden ;  es  ist  auch  wahrscheinlich,  dass  diese  Organe, 
welche  ihre  Funktion  beim  Kriechen  haben,  bei  den  fossilen  fast 
ausschliesslich  schwimmenden  Formen  noch  nicht  ausgebildet  waren. 
Ob  deshalb  aber  bei  den  fossilen  Formen  nur  acht  oder  zehn  gleich- 
massig  entwickelte  Arme  vorhanden  waren ,  konnte  bis  jetzt  noch 
nicht  konstatiert  werden ,  und  auch  unser  Exemplar  lässt  uns  hier- 
über im  unklaren. 

Fassen  wir  nochmals  alles  kurz  zusammen,  so  sehen  wir  in 
Loliginites  Zitteli  jedenfalls  den  schönsten  bis  jetzt  aus  dem  Lias 
erhaltenen  Dibranchiaten,  der  uns  über  eine  Menge  früher  unbekannter 
Verhältnisse  Aufschluss  gibt.  Das  Tier  gehört  zu  den  grössten  seiner 
Art,  es  ist  nach  allen  Verhältnissen  mit  annähernder  Sicherheit  in 
die  Gruppe  der  tenuicarinaten  Loliginiten  zu  stellen  und  zeigt,  wenn 
wir  die  Grössenverhältnisse ,  die  Breite  des  Mantels  und  die  Länge 
des  Tintensackes  in  betracht  ziehen,  die  nächste  Verwandtschaft  mit 
Loliginites  (Geoteuthis)  coriaceus  Qu.  Ein  mit  unserem  Loliginites 
Zitteli  vielleicht  identisches  Tier  bildet  Qüenstedt  (Ceph.  Tab.  35 
Fig.  5)  ab,  ohne  es  jedoch  zu  klassifizieren.  Es  ist  dies  ein  ventral 
sich  zeigender  Mantel  mit  Tintenbeutel  und  Mantelumriss,  die  genau 
mit  unserem  Exemplar  stimmen ;  auch  dieses  Stück  stammt  aus  den 
Stinksteinen  des  Lias  t  von  Ohmden. 

Loliginites  Zitteli  zeichnet  sich  durch  einen  sehr  grossen  breiten 
Mantelsack  aus,  nach  hinten  abgerundet  und  wahrscheinlich  mit  einem 
Paar  seitlicher  Flossen  versehen.  Li  der  Mitte  liegt  der  ungemein 
grosse  Tintensack,  und  seitlich  von  ihm  lassen  sich  die  Rudimente 
innerer  Organe  erkennen.  Der  Trichter  ist  als  Steinkern  deutlich 
ausgeprägt  und  liegt  vor  der  Ausmündung  des  Tintenbeutels.  Der 
Kopf  ist  im  Verhältnis  zum  Körper  sehr  klein,  mit  starkem  Nacken- 
muskel und  grossen  Augen  versehen,  diese  liegen  stark  ventral  und 

Jahreahefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkuade  in  Wttrtt.    1889.  15 


—     226     — 

zeichnen  sich  durch  eine  wohlerhaltene  Cornea  aus.  Die  Kieferplatten 
sind  gross,  aber  durch  ungemein  zarte  chitinöse  Platten  gebildet, 
welche  im  Unterkiefer  zwei  nach  aussen  abgerundete  Flügel  dar- 
stellen. Die  Arme  sind  ganz  unverhältnismäs.sig  kurz,  von  gedrungener 
Form  und  spitz  zulaufend.  Ein  Hackenbesatz  war  nicht  vorhanden, 
und  ebensowenig  lassen  sich  differenzierte  Fangarme  beobachten. 

Mit  den  fossilen  Formen ,  von  denen  uns  die  ganzen  Körper- 
umrisse bekannt  sind,  stimmt  Loliginües  in  der  kurzen  Entwickelung 
der  Fangarme  überein ;  hierher  ist  besonders  Plesioteuthis  und  Lepto- 
teutltis  zu  zählen ,  eine  nähere  Vergleichung  lässt  der  ungenügende 
Erhaltungszustand  der  letzteren  nicht  zu.  Eine  direkte  Vergleichung 
mit  einzelnen  lebenden  Formen  wäre  natürlich  zu  weit  gegangen: 
jedenfalls  war  unser  Loligiuites  ein  guter  Schwimmer,  und  zeigt  daher 
die  meisten  Analogien  mit  solchen  Formen  unter  den  recenten  Loli- 
gineen ,  welche  ihren  Aufenthalt  mehr  im  freien  Meere  als  an  der 
Küste  haben,  und  eine  mehr  schwimmende  als  kriechende  Bewegung 
ausführen.  Bei  diesen  finden  wir  gleichfalls  die  verhältnismässig 
geringe  Grösse  des  Kopfes  im  Verhältnis  zum  Körper  und  die  ausser- 
ordentlich kurzen  Arme ,  auch  die  Fangarme  können  bei  solchen 
Formen  verloren  gehen. 

Der  Erhaltungszustand  der  Muskulatur. 

In  vollstem  Masse  wird  durch  das  Exemplar  von  Loliginites 
Zitteli  bestätigt,  was  ich  schon  im  vorigen  Jahre  an  der  Finne  von 
Ichthyosaurus  ^  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  dass  nämlich  nicht 
nur  die  Hartgebilde  selbst  fossil  auftreten  können,  sondern  auch 
Weichgebilde,  die  im  allgemeinen  dem  Zerfall  und  der  Auflösung 
anheimfallen.  Schon  im  vorigen  Jahre  fand  die  Richtigkeit  meiner 
Mutmassung  eine  Bestätigung  durch  eine  Arbeit  von  0.  Reis  ^,  welche 
sich  damals  im  Drucke  befand.  In  dieser  Arbeit  weist  der  Autor 
an  den  Coelacanthinen  Kalkmassen  makroskopisch  und  mikroskopisch 
nach,  welche  unzweifelhaft  wirkliche  Muskelstrukturen  zeigen.  Reis 
konnte  später  auch  an  meinen  Ichthyosaurus-Präparaten  selbst  alte- 
rierte  Muskelstruktur  erkennen.  Die  Untersuchungen  wurden  von  Reis 
und  C.  Schwager  fortgesetzt  und  nicht  nur  auf  fast  alle  Fischklassen, 
sondern  auch  auf  die  Cephalopoden  ausgedehnt,  und  sind  die  Resul- 

'  Eberhard  Fraas:  Über  die  Finne  von  ic/ii%osrtMrMS.  (Dies,  Jahresh. 
1888.  pag.  292  ff.     Taf.  VII  Fig.  2—4.) 

"  0.  Reis:  Die  Coelacanthinen.     (Palaeontographica,  Bd.  XXXV.) 


—     227     — 

täte  in  einer  Arbeit  von  0.  Reis  in  nächster  Zeit  zu  erwarten.  Reis  * 
^vird  in  der  eingehenden  geschichtlichen  Einleitung  zunächst  auf  die 
Arbeit  von  Owen  ^  eingehen,  der  an  den  im  Oxford-Mergel  so  günstig 
erhaltenen  Überresten  von  Belemnitentieren  die  Ähnlichkeit  mit  der 
Muskulatur  recenter  Cephalopoden  nachweist.  Die  Auffassung  des 
letzteren  wurde  indes  nur  von  Quenstedt^,  und  auch  von  diesem  nur 
in  beschränkter  Weise  angenommen,  und  verschwand  in  der  späteren 
Litteratur  wieder  ganz.  Reis  sucht  im  Anschluss  an  genauere  histo- 
logische Untersuchungen  den  Nachweis  zu  führen,  dass  die  Owen'- 
schen  P.räparate  in  der  That  den  Muskelfasern  entsprechen,  und  macht 
namentlich  auf  fossil  erhaltene  Weichteile  von  Fischen  aufmerksam, 
deren  Struktur  wir  mikroskopisch  bis  in  das  zarteste  Detail  sehen 
können,  ist  ja  selbst  die  Querstreifung  der  Muskelfasern  oft  in  einer 
Art  und  Weise  erhalten,  dass  sie  den  schönsten  Bildern  von  recentem 
Material  gleichgestellt  werden  darf. 

So  schön  wie  bei  den  Fischen  von  Solnhofen  ist  die  Musku- 
latur bei  Loliginites  Zitteli  allerdings  nicht  erhalten,  wir  haben  na- 
mentlich von  Querstreifung  nur  in  den  seltensten  Fällen  Andeutungen, 
doch  muss  dabei  auch  berücksichtigt  werden,  dass  auch  bei  den 
recenten  Cephalopoden  Querstreifung  der  Muskeln  nur  an  wenigen 
Stellen  des  Körpers  (Herz  und  teilweise  Nackenmuskulatur)  deutlich 
sichtbar  ist.  Immerhin  sind  die  mikroskopischen  Bilder  sehr  schön, 
und  lassen  an  Klarheit  wenig  zu  wünschen  übrig,  namentlich  geben 
sie  über  die  Lagerung  einzelner  Fleischmassen  guten  Aufschluss,  und 
liess  ich  mir  es  daher  angelegen  sein,  an  einer  Menge  von  Präpa- 
raten aus  den  verschiedensten  Teilen  des  Körpers  die  Weichteile  und 
deren  Erhaltung  zu  untersuchen. 

Der  Erhaltungszustand  unseres  Exemplars  lässt  die  Muskelsub- 
stanz selbst  unter  sehr  starken  Vergrösserungen  mit  Immersionsystem 
untersuchen  und  liefert  bei  nötiger  Dünne  und  Durchsichtigkeit  des 
Präparates  noch  klare  Bilder.  Wir  sehen  dann  im  allgemeinen  zwei 
Typen,  v»'elche  ihre  Ursache  vermutlich  im  Erhaltungszustand  haben. 
Bald  erscheint  uns  der  einzelne  Muskelstrang  sehr  stark  und  hell 
und  zeigt  sich  unter  starker  Vergrösserung  (ca.  500)  aus  einzelnen  sehr 
schmalen  Fibrillen    zusammengesetzt,    welche    an    den  Enden  häufig 


^  Vorläufige  mündliche  und  schriftliche  Mitteilung  von  0.  Reis. 

'^  Richard  Owen:  A  Description  of  certain  ßelemnites,  preserved,  with 
a  great  proportion  of  their  soft  parts,  in  the  Oxford  Clay.  (Phil.  Trans.  1844. 
pag.  77.  Taf.  VII  Fig.  3  u.  4.) 

^  Fr.  V.  Quenstedt:  Die  Cephalopoden.  1849. 

15* 


—     228     — 

bürstenförmig  auseinandertreten.  Die  einzelnen  Stränge  sind  wirr 
durcheinandergelagert  und  rühren  vermuthch  von  einem  verfilzten 
Gewebe  her.  Unter  schwächerer  Vergrösserung  bekommen  wir  dann 
ein  sehr  charakteristisches  Bild ,  da  sich  die  in  allen  Richtungen 
quer  getroffenen  Muskelstränge  als  helle  unter  polarisiertem  Lichte 
stark  doppelbrechende  Stäbchen  zeigen,  welche  wirr  durcheinander^ 
aber  mit  scharfen  Konturen  in  der  Gesteinsmasse  liegen. 

Im  anderen  Falle  finden  wir  feine  Fasern ,  welche  nicht  die 
Dicke  der  obigen  Stränge  erreichen ,  und  welche  sich  auch  unter 
starker  Vergrösserung  als  einheitliche  Fasern  darstellen.  Die  Kon- 
turen derselben  sind  in  der  Regel  gleichfalls  sehr  scharf  und  begrenzen 
als  dunkle  Linie  die  Faser.  Während  aber  jene  im  Innern  pellucid 
erscheinen,  zeigen  sich  diese  von  einer  sehr  feinen  gekörnelten  Sub- 
stanz erfüllt,  welche  ohne  bestimmte  Anordnung  die  Muskelzelle  (wenn 
wir  als  solche  die  einzelne  Faser  ansehen  dürfen)  erfüllt.  Nur  bei 
einem  Präparate,  das  von  der  Substanz  am  Arme  rührt,  ist  die  innere 
gekörnelte  Masse  scheinbar  gegliedert  und  gibt  ein  Bild,  wie  es  Owen 
aus  dem  Arme  eines  recenten  Onychoteuthis  erhalten  hat.  Nicht 
selten  ist  aber  auch  die  Begrenzungslinie  der  Zellen  verloren  gegangen, 
und  wir  sehen  dann  nur  noch  die  granulierte  Masse,  teils  in  Reihen 
gelagert,  die  den  einzelnen  Muskelzügen  entsprechen,  teils  aber  auch 
ausgebreitet  und  das  Gestein  gleichmässig  erfüllend.  Bekommen  wir, 
wie  es  natürlich  sehr  häufig  der  Fall  ist,  Querschliffe  durch  diese 
granulierte  Muskelsubstanz,  so  lassen  sich  auch  dann  noch  die  ein- 
zelnen Zellen  deutlich  unterscheiden,  indem  die  gekörnelte  Substanz 
in  kleinen  unregelmässig  geformten  Gruppen  beisammen  liegt.  Nicht 
selten  kommen  die  beiden  Typen  zusammen  vor,  und  heben  sich  in 
diesem  Falle  die  hellen  Stäbchen  sehr  deutlich  aus  der  gekörnten 
Masse  hervor  (Taf.  V  Fig.  7). 

Nur  äusserst  selten  konnte  ich  eine  Querstreifung  beobachten, 
wie  es  die  Fig.  5  abgebildete  Muskelfaser  zeigt.  Obgleich  das  Bild 
unter  sehr  starker  Vergrösserung  recht  deutlich  ist,  lässt  sich  doch 
nicht  mit  Sicherheit  entscheiden,  ob  wir  eine  echte  Querstreifung 
oder  nur  Spaltungs-  oder  Druckerscheinungen  in  dem  die  Faser  er- 
füllenden Kalke  vor  uns  haben. 

Taf.  V  Fig.  6  ist  ein  Flächenschliff  durch  die  quergestreifte 
Mantelsubstanz  und  stammt  aus  der  hinteren  Partie  des  Tieres  am 
hinteren  Ende  des  Tintensackes.  Man  bekommt  kaum  ein  klareres 
Bild,  wenn  man  denselben  Schnitt  durch  den  Mantel  eines  recenten 
Cephalopoden  legt,  und  die  Übereinstimmung  ist  eine  ganz  erstaun- 


—     229     — 

liehe.  Der  Schliff  ist  gut  gelungen,  was  natürlich  immer  etwas  dem 
Zufall  anheimgestellt  ist,  so  dass  die  Muskulatur  sehr  schön  in  ihrer 
Längsachse  getroffen  ist.  Die  einzelnen  Muskelfasern  erscheinen  da- 
her ungemein  lang  gestreckt  und  scharf  begrenzt;  es  sind  die  Fa- 
.S3rn  vom  zweiten  Typus,  erfüllt  mit  der  feinen  gekörnten  Substanz. 
Zwischen  den  Fasern  treten  langgestreckte  Schlieren  auf,  welche  mit 
krystallinischer  Kalksubstanz  erfüllt  sind  und  offenbar  in  einem  se- 
kundären Schrumpfungsprozess  ihre  Ursache  haben,  wodurch  Hohl- 
räume zwischen  den  Fasern  entstanden,  in  denen  sich  Kalkspat  ab- 
setzen konnte.  Derartige  Schlieren  sind  ganz  hell  und  treten  gegen- 
über der  gekörnten  faserigen  Umgebung  ziemlich  deutlich  hervor. 
Noch  deutlicher  jedoch  als  diese  hellen  Einlagerungen  machen  sich 
die  dunkeln  Stellen  bemerkbar,  welche  wie  jene  schlierenförmig  zwi- 
schen den  Fasern  auftreten.  Der  Grund  dieser  dunkeln  Färbung 
liegt  in  der  Grundmasse,  welche  die  Schlieren  erfüllt,  und  sich  als 
eine  im  Dünnschliff  braun  gefärbte  gleichmässige  Substanz  ohne 
Struktur  zeigt,  die  sich  unter  polarisiertem  Licht  amorph  verhält. 
In  dieser  Grundmasse  sind  eine  Menge  grober  eckiger  Körner  von 
krystallinischem  Kalk  eingebettet.  Offenbar  haben  wir  auch  diese 
Schlieren  auf  Schrumpfungen  zurückzuführen,  doch  hatte  sich  darin 
vor  der  Lifiltration  mit  Kalk  noch  eine  andere  Masse,  vielleicht  Fett- 
substanz abgelagert,  denn  anders  kann  ich  mir  die  Bildung  der 
amorphen  Grundmasse  nicht  erklären.  Der  Schliff  ist  natürlich  so 
zu  orientieren,  dass  die  Fasern  quer  im  Mantel  liegen,  und  stellt  die 
mittlere  Lage  der  Mantelsubstanz  dar.  Dasselbe  Bild  bekam  ich  fast 
in  allen  Horizontalschliffen  des  Mantels,  nur  ist  das  Bild  nicht  immer 
gleich  klar,  sondern  häufig  durch  Verunreinigungen  des  umgebenden 
Muttergesteins  getrübt.  Merkwürdig  sind  die  eigentümlichen  Kalk- 
körner ,  welche  im  Mantel  eingelagert  sind ,  dieselben  bestehen  aus 
vollständig  gleichmässigem  ungemein  feinkörnigem  Kalk  und  zeigen 
gegen  die  umgebende  Muskelsubstanz  scharfe  Begrenzung.  Möglich, 
dass  wir  darin  eine  Ablagerung  der  in  der  Litteratur  häufig  erwähn- 
ten Kalksalze  sehen  dürfen,  welche  beim  lebenden  Tier  sich  vorfinden 
sollen.  Nehmen  wir  das  Material  aus  den  weissen  Lagen  seitlich 
vom  Tintenbeutel ,  welche  unter  dem  Mantel  liegen ,  so  bekommen 
wir  gleichfalls  das  Bild  der  Muskelfasern  wie  das  abgebildete,  aber 
die  Muskeln  bilden  nun  Lagen,  welche  kreuz  und  quer  durchein- 
ander liegen,  während  sie  im  Mantel  eine  gleichmässige  Richtung 
haben.  Es  rührt  dieses  Bild  von  den  inneren  Organen  her,  welche 
zerquetscht    worden   sind ,    so    dass    deren   Muskellagen  in  allen  be- 


-     230     — 

liebigen  Richtungen  orientiert  übereinander  lagern   und    sich   durch- 
kreuzen. 

Ein  recht  klares  Bild  Hefert  das  Fig.  7  abgebildete  Präparat. 
Dasselbe  stammt  von  der  vorderen  rechten  Ecke  des  Mantelsackes, 
und  stellt  einen  Querschliff  durch  den  Mantel  dar.  Die  ausgezeich- 
nete Querfaserung  der  Mantelsubstanz,  die  uns  das  vorige  Präparat 
zeigte,  ist  nun  quer  getroffen  und  nur  bei  einiger  Übung  und  starker 
Vergrösserung  sicher  erkennbar.  Sie  zeigt  sich  uns  im  Querschnitt 
nur  als  eine  gekörnte  Masse,  welche  namentlich  gegen  den  Aussen- 
rand  immer  dichter  auftiitt,  und  dort  kaum  mehr  die  Trennung  in 
einzelne  zusammengehörige  Komplexe,  d.  h.  die  Querschnitte  der 
Muskelfasern  zulässt.  In  den  tieferen  Partien  ist  dies  jedoch  leicht 
zu  beobachten  und  die  Zugehörigkeit  zu  Muskelfasern  namentlich 
an  solchen  Stellen  festzustellen,  wo  die  Querfasern  mehr  tangential 
getroffen  sind.  Die  gekörnte  Masse  nimmt  nach  unten  immer  mehr 
ab,  so  dass  zugleich  dadurch  auch  der  Schliff'  viel  heller  erscheint. 
Was  uns  aber  zunächst  in  die  Augen  fällt,  sind  die  massenhaften 
pelluciden  Stäbchen ,  welche  wirr  durcheinander  gelagert  die  ganze 
untere  Hälfte  erfüllen,  und  wenn  auch  weniger  zahlreich,  in  der  ge- 
körnten oberen  Hälfte  auftreten.  Ausserdem  sehen  wir  die  gekörnte 
Masse  scheinbar  in  Segmente  zerlegt  durch  schmale  helle  Stränge, 
welche  sich  von  unten  nach  oben  in  ziemlich  regelmässigen  Abstän- 
den durchziehen.  Wie  die  hellen  Stäbchen  zu  deuten  sind,  habe 
ich  schon  erwähnt ,  es  sind  die  tangential  getroffenen  Faserstränge 
von  dem  ersten  Typus.  Wir  sehen  demnach  im  Querschliff  durch 
den  Mantel  eine  untere  Hälfte,  welche  erfüllt  ist  von  wirr  durch- 
einander laufenden  Faserzügen,  die  gleichsam  ein  verfilztes  Gewebe 
darstellen.  Diese  Faserzüge  treten  auch  noch  in  der  oberen  Hälfte 
zwischen  der  gekörnten  Masse  auf,  die  uns  die  quer  getroffene  Ring- 
muskulatur des  Mantels  darstellt;  diese  selbst  wird  wieder  scheinbar 
gegliedert  durch  einzelne  Faserzüge  vom  ersten  Typus,  welche  von 
unten  nach  oben,  d.  h.  von  innen  nach  aussen  verlaufen.  Die  äus- 
serste  Schichte  mit  ihrer  zarten  Längsfaserung  ist  an  unserem  Prä- 
parat nicht  mehr  sichtbar,  sie  würde  eine  dritte  dünne  äussere  Lage 
bilden  mit  gekörnelten  Längsfasern.  Auch  an  Schnitten,  welche  ich 
in  derselben  Orientierung  von  recentem  Material  anfertigte,  bekam 
ich  ein  ganz  ähnliches  Bild,  namentlich  stimmte  das  Bild  der  quer- 
geschnittenen Muskelsubstanz  sehr  gut  überein  und  diese  zeigte  sich 
gleichfalls  von  Vertikal-Fasern  durchsetzt  und  gleichsam  gegliedert. 
Ich  bin  jedoch  zu  wenig  Histologe  und  Physiologe,  um  mir  ein  Urteil 


—     231     — 

über  diese  Gewebe  zu  erlauben ,  und  muss  dies  Männern  vom  Fach 
überlassen.  Ich  halte  es  nur  für  meine  Aufgabe ,  auf  den  wunder- 
baren Erhaltungszustand  aufmerksam  zu  machen,  an  der  Hand  von 
einzelnen  mikroskopischen  Bildern. 

Eines  der  interessantesten  Bilder  liefert  uns  ein  Präparat,  das 
der  weissen  Substanz  der  Arme  entnommen  ist  (Taf.  V  Fig.  8).  Wir 
sehen  in  der  Muskelsubstanz  ein  fortwährendes  Alternieren  von  aus- 
gezeichnet granulierten  Längsfasern  und  einem  System  von  kreuzweis 
durcheinander  laufenden  Fasern.  Die  in  ihrer  Längsrichtung  getroffe- 
nen Muskelfasern  zeigen,  wie  schon  erwähnt,  auffallende  Ähnlichkeit 
mit  dem  von  Owen  gegebenen  Bilde,  besonders  durch  den  Umstand, 
dass  die  einzelnen  Fasern  gegliedert  erscheinen,  indem  die  Körne- 
lung  sehr  grob  und  doch  wieder  in  ganz  bestimmten  Reihen  auf- 
tritt. Während  in  diesen  Partien  die  einzelnen  Fasern  dicht  gedrängt 
nebeneinander  liegen,  linden  wir  sie  in  den  Zwischenschichten  be- 
deutend sparsamer  vertreten.  Die  quer  und  tangential  getroffenen 
Fasern  dieser  Zwischenlagen  sind  gleichfalls  gekörnelt  und  zeigen 
sehr  scharfe  Begrenzungslinien.  Eine  Erklärung  dieses  eigentüm- 
lichen Strukturbildes  ist  natürlich  sehr  schwierig  und  unsicher ,  es 
lässt  sich  nur  bestimmen ,  dass  wir  im  Arme  eine  ausgesprochene 
Gliederung  der  Muskelmassen  erkennen ,  deren  Fasern  verschieden 
orientiert  sind.  Es  ist  dabei  auch  noch  in  betracht  zu  ziehen,  dass 
wir  ein  vollständig  plattgedrücktes  Gewebe  vor  uns  haben,  dass  also 
die  einzelnen  Lagen  ganz  andere  Dimensionen  gehabt  haben  können. 
Immerhin  ist  aber  darauf  hinzuweisen,  dass  gerade  in  der  Armmus- 
kulatur die  Richtung  der  Muskelfasern  schichtenweise  verschieden 
orientiert  sind ,  und  Ringmuskeln  mit  Längsmuskeln  in  mehreren 
Lagen  abwechseln.  Es  Hesse  sich  dadurch  einigermassen  wenigstens 
dieses  interessante  Bild  an  Loliginitcs  erklären. 

Es  wäre  mir  leicht,  noch  eine  Reihe  interessanter  mikrosko- 
pischer Bilder  vorzuführen,  denn  beinahe  jedes  Präparat  bringt  wieder 
eine  neue  Überraschung ,  sei  es  in  der  Lagerung ,  sei  es  im  Erhal- 
tungszustand der  Muskulatur,  aber  es  liegt  das  nicht  in  meiner  Ab- 
sicht, und  würde  auch  vorderhand  noch  zu  keinem  weiteren  Resul- 
tate führen,  als  den  ganz  ausgezeichneten  Erhaltungszustand  unseres 
Exemplars ,  sowie  die  Erhaltung  fossiler  Muskulatur  überhaupt  zu 
beweisen ,  und  dies  ist  meiner  Ansicht  nach  schon  durch  die  vor- 
geführten Präparate   geschehen. 

Ein  Rätsel  bleibt  es  immer  noch,  wie  wir  uns  einen  derartigen 
Erhaltungszustand   zu    erklären    haben.     An  eine  sekundäre  Infiltra- 


—     232     — 

tion,  also  eine  Art  von  Pseudomorphose  nach  organischer  Substanz, 
ist  kaum  zu  denken,  in  solchen  Fällen  geht  regelmässig  die  zartere 
mikroskopische  Struktur  verloren  und  werden  nur  die  Umrisse  genau 
wiedergegeben.  Ich  erinnere  dabei  an  die  verkiesten  Kalkschalen  etc. 
Ausserdem  lassen  sich  verschiedenartige  Mineralien  optisch  nach- 
weisen ,  darunter  eine  offenbar  amorphe  Substanz.  Anderseits  ist 
(QüENSTEDT  und  Zittel)  auch  schon  auf  die  im  Körper  der  Cephalo- 
poden  enthaltenen  Kalksalze  hingewiesen  worden,  die  sich  nieder- 
geschlagen haben  sollen,  und  so  gleichsam  ein  Negativ  der  Fasern 
gebildet  hätten.  Ich  weiss  nicht,  wie  es  sich  mit  der  Menge  dieser 
Kalksalze  verhält  und  welches  ihre  Zusammensetzung  ist,  aber  da- 
gegen spricht  entschieden  das  mikroskopische  Bild,  das  uns  nicht 
das  Negativ,  sondern  das  Positiv  der  Muskelfasern  zeigt.  Ausserdem 
ist,  wie  erwähnt,  derselbe  Erhaltungszustand  auch  an  Fischen  und 
Sauriern  sichtbar,  so  dass  er  nicht  auf  eine  lokale  Eigenschaft  der 
Cephalopoden,  sondern  auf  ein  allgemeineres  Prinzip  zurückzuführen 
ist.  Reis  sucht,  so  viel  ich  weiss,  seine  Erklärung  in  der  Bildung 
von  Apidocire  (Leichenwachs),  das  zur  Konservierung  beigetragen 
hat,  doch  ist  die  eingehende  Abhandlung  hierüber  noch  abzuwarten. 
Ich  für  meine  Person  erkläre  mir  die  Erhaltung  vorerst  noch  durch 
einen  langsamen  Umwandlungsprozess ,  bei  welchem  die  Muskelsub- 
stanz selbst  chemisch  mitgewirkt  hat.  Es  ist  z.  B.  die  in  der  Mus- 
kelsubstanz und  Lymphe  enthaltene  Phosphorsäure  im  stände,  unter 
günstigen  Umständen  eine  Menge  des  im  Wasser  gelösten  kohlen- 
sauren Kalkes  zu  binden,  und  als  phosphorsauren  Kalk  in  der  Mus- 
kelmasse selbst  niederzuschlagen,  wodurch  weder  die  Form  noch  das 
Strukturbild  der  Muskelzelle  alteriert  zu  werden  braucht.  Dadurch 
ist  auch  der  Umstand  zu  erklären ,  dass  die  Analysen  von  fossiler 
Muskulatur,  welche  Reis  machen  hess,  in  der  Hauptsache  phosphor- 
sauren Kalk  ergaben.  Dass  natürlich  damit  noch  keine  vollständige 
Erklärung  gegeben  ist,  gebe  ich  gerne  zu,  und  sind  jedenfalls  noch 
eine  Reihe  von  andern  Faktoren  herbeizuziehen,  diese  aber  zu  er- 
gründen muss  ich  vorerst  noch  andern  überlassen. 

Ich  habe  dieses  schöne  Exemplar  eines  fossilen  Cephalopoden, 
das  zu  einer  Reihe  von  interessanten  Untersuchungen  Gelegenheit 
geboten  hat,  meinem  hochverehrten  Lehrer  Herrn  Professor  Dr.  K. 
V.  Zittel  in  München  in  dankbarer  Anerkennung  gewidmet  und  Lo- 
liginites  Zitteli  genannt. 


Kopfstaehein  von  Hybodus  und  Aerodus,  sog.  Cera- 
todus  heteromorphus  Ag. 

Von  Dr.  Eberhard  Praas. 

Mit  Taf.  V  Fig.  9—13. 

Es  ist  immer  erfreulich,  wenn  durch  glückhche  Funde  soge- 
nannte Problematica  gedeutet  und  in  ihre  richtige  Stellung  gebracht 
werden  können,  wie  dies  z.  B.  bei  Ceratodus  heteromorphus  Ag.  der 
Fall  ist.  Diese  eigentümlichen  zahnartigen  Gebilde ,  welche  beson- 
ders in  den  Bonebeds ,  sowohl  des  Muschelkalkes  wie  des  obersten 
Keupers  auftreten,  wurden  schon  von  einer  Reihe  von  Forschern  in 
die  Hand  genommen,  aber  immer  wieder  als  Problematicum  bei  Seite 
gelegt.  ActASSiz  ^  bildet  derartige  Gebilde  aus  dem  Muschelkalke  von 
Wilhelmsglück  und  Luneville  zum  erstenmale  ab  und  gab  ihnen  den 
Namen  Ceratodus  heteromorphus  nach  der  blossgelegten  Oberfläche 
der  Unterseite,  welche  den  Ceratodus-Z'ähnen  immerhin  etwas  ähnlich 
sieht.  Agassiz  gibt  freilich  das  Problematische  dieser  Bestimmung 
gerne  zu  und  verweist  zugleich  auch  auf  Psammodus.  Alberti'"^ 
führt  die  Form  gleichfalls  als  Ceratod.  heteromorphus  an  und  ver- 
weist eines  der  AoASSiz'schen  Exemplare  zu  Ceratodus  Kaupii.  Eine 
Reihe  von  guten  Abbildungen  von  Ceratod.  heteromorphus  aus  dem 
oberen  Keuper-Bonebed  gibt  uns  Endlich^;  er  spricht  die  Möglich- 
keit aus,  dass  diese  Zähne  zu  Ceratodus  doacinus  gehörten  und  als 
eine  Art  von  vorderen  Schneidezähnen  zum  Auffassen  der  Nahrung 
gedient  haben  mögen,  und  vergleicht  sie  mit  denselben  Gebilden  bei 
Lepjidosiren.  Derselben  Ansicht  neigt  sich  Quenstedt*  zu,  der  in 
seiner  neuen  Auflage  der  Petrefaktenkunde  eine  Reihe  von  Exem- 
plaren abbildet  und  beschreibt,  doch  will  Qüenstedt  keineswegs  da- 
mit eine  sichere  Lösung  gegeben  haben,  sondern  stellt  dies  der  Zu- 
kunft und  neueren  Funden  anheim. 

Bei  meinem    vorjährigen    Besuche   in    London   hatte   Herr  Dr. 

^  L.  Agassiz:  Recherches  sur  les  poissons  fossiles.  1833 — 1843.  Tome  III. 
Tab.  18  Fig   36,  pag.  136. 

2  Fr.  V.  Alberti:  Überblick  über  die  Trias.  1864.  S.  206. 

^  Fr.  M.  Endlich:  Das  Bonebed  Württembergs.  Inauguraldissertation, 
Tübingen  1870.  Tab.  1  Fig.  24—36.   S.  12. 

*  Fr.  V.  Qüenstedt:  Handbuch  der  Petrefaktenkunde.  III.  Auflage.  1885. 


—     234     — 

Smith  Woodward  die  Freundlichkeit,  mir  die  un'gemein  grosse  Fisch- 
sammlung im  British  Museum  zu  zeigen  und  mich  auf  die  schönen 
Exemplare  von  Htjhodus  aufmerksam  zu  machen,  deren  Untersuchung 
ihn  damals  beschäftigte.  An  den  vorzüglichen  Exemplaren  von 
Äcrodus  und  Hijhodiis  aus  den  Liasschiefern  von  Lyme  Regis  fallen 
jedem  sofort  die  merkwürdigen  Gebilde  in  die  Augen,  welche  in  der 
Schläfengegend  liegen  und  nichts  anderes  sind  als  die  fraglichen 
Ceratodus  heteromorphus  (cf.  Taf.  V  Fig.  9).  Smith  Woodward  ^  hat 
schon  im  vorigen  Jahre  ganz  ähnliche  seitliche  Kopfstacheln  (Ce- 
phalic  spine)  geklärt,  welche  bisher  als  Sphenonckus  Ag.  ein  proble- 
matisches Dasein  unter  den  Hybodontiden  führten,  und  welche  er 
nun  als  Kopfstacheln  von  Ästeracanthus  nachgewiesen  hat.  Schon 
in  dieser  Arbeit  macht  Smith  Woodward  auf  ähnliche  Gebilde  bei 
Äcrodus  und  Hyhodus  aufmerksam,  wird  jedoch  in  Bälde  noch  nähe- 
res über  diese  beiden  Formen  bekannt  machen^. 

So  häufig  in  Süddeutschland  im  Trias  und  Jura  die  einzelnen 
Fragmente ,  besonders  die  Zähne ,  von  Hyhodus  und  Äcrodus  sind, 
so  blieben  doch  die  Überreste  ganzer  Skelette  äusserst  selten,  ja 
ganz  unbekannt.  Nur  von  Äcrodus  kennt  man  aus  dem  lithogra- 
phischen Schiefer  von  Solnhofen  zwei  ganze  Skelette,  welche  den 
nächsten  Anschluss  an  die  Cestracionten  erlaubten ;  von  Hijhodus 
sind  mehr  oder  minder  vollständige  Überreste  erst  in  neuester  Zeit 
in  dem  Lias-Schiefer  von  Lyme  Regis  gefunden  und  wird  deren  Be- 
schreibung, wie  gesagt,  durch  Smith  Woodward  demnächst  erfolgen. 

Ich  greife  dieser  Publikation  vor,  von  der  mir  bereits  die  Ta- 
feln zur  Verfügung  gestellt  sind,  wenigstens  soweit  als  zur  Klärung 
unserer  Ceratodus  heteromorphus  notwendig  ist. 

Der  Körper  von  Hyhodus  scheint  ziemlich  gestreckt  gewesen 
zu  sein,  aber  ohne  Verknöcherungen  oder  Verkalkungen  im  inneren 
Skelett.  Die  Zähne  liegen  in  mehreren  Reihen  im  Rachen  und  zeigen 
eine  ähnliche  Anordnung  wie  bei  Äcrodus.  Das  Hauptinteresse  bieten 
für  uns  die  Verknöcherungen  des  Hautskeletts ;  die  Haut  selbst  ward 
bedeckt  von  ungemein  zarten  chagrinartigen  Schuppen  resp.  Haut- 
zähnchen  mit  einer  kleinen  runden  Basis  und  einem  spitz  zulaufenden 
Kegel,  Gebilde  wie  sie  von  Endlich  (1.  c.  Taf.  H  Fig.  88  u.  89)  als 
Squaloraja   abgebildet  sind.     Als  grössere  Skeletteile  fallen  uns  auf 

^  Smith  Woodward:  On  some  ßemains  of  the  Extinct  Selachian  Ästera- 
canthus from  the  Oxford  Clay  of  Peterborough.  Ann.  and  Mag.  of  Nat.  Hist. 
October  1888. 

2  Smith  Woodward:  CatalogueoffossilFishes  in  the  British  Museum,  Parti, 


-     235     - 

dem  Rücken  die  mächtigen  Fiossenstacheln  in  die  Augen  mit  zwei 
Dornenreihen  auf  dem  Hinterrande ,  es  sind  die  längst  als  Flossen- 
stacheln bekannten  Ichthyodoruliten.  Vollständig  neu  und  bisher 
unbekannt  sind  die  grossen  Kopfstacheln  (Cephalic  spines  von  Smith 
Woodward),  welche  in  paariger  Anordnung  auf  den  Seiten  des  Schä- 
dels auftreten,  und  zwar  so,  dass  je  ein  Paar  auf  jeder  Seite  zu 
liegen  kommt.  Die  Kopfstacheln  bei  Hyhodus  und  Äcrodus^  welche 
natürlich  nur  als  sehr  grosse  und  stark  differenzierte  Hautzähne  auf- 
gefasst  werden  dürfen,  besitzen  eine  starke  Sfiügelige  Zahnbasis  mit 
gewölbter  unterer  Seite.  Auf  dieser  Basis  erhebt  sich  ein  starker 
nach  rückwärts  gekrümmter  Zapfen  oder  Dorn,  der  in  einer  scharfen 
zahnartigen  Spitze  mit  Schmelzüberzug  endigt.  Beim  lebenden  Tiere 
ragte  wahrscheinlich  nur  der  Dorn  oder  vielleicht  nur  dessen  Spitze 
aus  der  Haut  heraus  und  bildete  dort  eine  Waffe,  vollständig  analog 
den  Hautstacheln  der  Dornrochen. 

Wie  schon  vorausgeschickt,  sind  diese  eigentümlichen  Haut- 
stacheln von  H//bodiis  und  Acrodus  nichts  anderes  als  die  bisher  so 
verkannten  Ceratodus  hetcromorphus ,  und  ist  es  daher  vor  allem 
Aufgabe  und  Pflicht,  diese  Gebilde  aus  der  Gruppe  der  Dipnoer  aus- 
zuschalten und  in  ihre  richtige  Stellung  zu  den  Hybodontiden  zu 
bringen.  Bei  der  Verschiedenheit  der  Spezies,  welche  wir  von  Hij- 
hodtis-Z'ä\men  aus  den  Bonebeds  kennen  und  zu  denen  ohne  Zweifel 
die  Kopfstacheln  gehören,  ist  es  natürlich  nicht  möglich,  mi-t  be- 
stimmter Sicherheit  die  Zähne  und  Stacheln  zusammenzustellen,  und 
möchte  ich  daher  für  die  als  Ceratodus  heteromorphus  laufenden  Ge- 
bilde die  Namen  Hyhodonchus  und  Äcrodonchus  vorschlagen, 
welche  das  Wesen  derselben  vollständig  charakterisieren. 

Es  bleibt  noch  übrig,  die  sehr  verschiedenartigen  Kopfstacheln 
aus  den  Bonebeds  zu  sichten  und  ihre  mögliche  Verwandtschaft  mit 
den  bekannten  Hyhodus-  und  Acrodus-Zsihnen  zu  untersuchen ;  mass- 
gebend können  dabei  natürlich  nur  das  geologische  Vorkommnis  und 
die  Grössenverhältnisse  sein ,  bis  spätere  Funde,  die  jedoch  bei  uns 
kaum  zu  erwarten  sind ,  ganze  Skelette  liefern  und  die  Zusammen- 
gehörigkeit von  Zahn  und  Kopfstachel  beweisen. 

Hyhodonchus  cloacinus  =  Hyhodus  cloacinus  Qu. 

Ich  gehe  von  dem  englischen  Funde  von  Lyme  Regis  aus,  der 
uns  die  Zusammengehörigkeit  von  Hyhodonclius  und  Hyhodus  selbst 
bewiesen  hat.  Diese  englische  Form  (Taf.  V  Fig.  9)  gehört  zu  den 
grossen ,  wenn  nicht  grössten ,  bekannten  Hyhodus-Ai'ten  und  zeigt 
in  ihrem  Zahnbau  grosse  Ähnlichkeit  mit  Hyhodus  cloacinus  Quenst. 


-     236     — 

Es  sind  Zähne  von  nahezu  20  mm  Länge,  an  der  Basis  mit 
einem  Haupthöcker  und  je  8 — 4  Nebenhöckern  vorn  und  hinten. 
Ebenso  gut  wie  die  Zähne  stimmen  mit  der  engUschen  Form  die 
grossen  Kopfstachebi  aus  dem  Keuperbonebed  überein,  welche  von 
Endlich  (1.  c.  Taf.  I  Fig.  24,  25  u.  32)  und  von  Quenstedt  (Petre- 
faktenkunde,  Taf.  24  Fig.  13)  abgebildet  sind,  und  nehme  ich  daher 
keinen  Anstand,  auf  Grund  dieser  Analogie  diese  Hybodonchen  mit 
den  Zähnen  von  Hyhodus  cloacinus  zu  vereinigen.  Hyhodonchus 
cloacinus  ist  die  grösste  im  Keuperbonebed  auftretende  Form,  es 
erreicht  deren  Basis  eine  Breite  von  26  und  35  mm.  In  ausge- 
zeichneter Weise  sind  3  Flügel  entwickelt,  von  denen  der  mittlere 
der  stärkste  ist.  Auf  der  Unterseite  ist  die  Oberfläche  punktiert 
und  zeigt  viel  Ähnlichkeit  mit  der  Zahnoberfläche  von  Ceratodus ;  die 
Oberseite  ist  wenig  faltig,  sondern  zeigt  auch  dort  mehr  eine  punk- 
tierte Oberfläche.  Der  nach  oben  gerichtete  Stachel  ist  bis  jetzt  noch 
nicht  gefunden,  war  aber  voraussichtlich  sehr  stark  und  nach  rück- 
wärts  gekrümmt   und  endigt  scharf  zugespitzt  mit  Schmelzüberzug. 

Hyhodonchus  cus'pidatus. 

Hybodus  cuspidatus  Ag.     (Ag.  ,   Eech.   sur  les   poissons   fossiles.    III.   tab.  22  a 
fig.  5—7.)    Plieninger,  Quenstedt  und  Endlich. 

Am  nächsten  an  Hyhodus  cloacinus^  und  besonders  durch  die 
Grösse  unterschieden,  schliesst  sich  Hyhodus  cuspidatus  an,  eine  Form 
wie  j>ene  mit  ausgeprägten  Schmelzrinnen  und  einem  wohl  entwickel- 
ten Mittelhöcker.  Es  wird  daher  nicht  allzu  gewagt  sein,  dieser 
Spezies  die  kleinen  Hybodonchen  aus  dem  Keuperbonebed  zuzuge- 
sellen ,  welche  sich  fast  ausschliesslich  nur  durch  die  Grösse  von 
Hyhodonchus  cloacinus  unterscheiden.  Es  ist  dies,  wie  die  Zähne 
selbst,  die  häufigste  Form  im  Bonebed,  und  ist  sowohl  von  Endlich 
(1.  c.  Taf.  I  Fig.  28—30)  als  von  Quenstedt  (Petrefaktenkunde,  Taf.  24 
Fig.  9  u.  10)  vollständig  genügend  abgebildet.  Wie  bei  H.  cloacinus 
ist  von  den  drei  Flügeln  der  Basis  der  mittlere  bei  weitem  am  stärk- 
sten entwickelt.  Die  Unterseite  ist  gleichmässig  flach  gewölbt  mit 
punktierter  Oberfläche ;  die  Oberseite ,  die  von  Endlich  und  Quen- 
stedt abgebildet  ist,  zeigt  einen  medianen  starken  Grat,  der  an  der 
Verschmelzung  der  drei  Flügel  zu  einem  Höcker  ausgezogen  ist,  ohne 
jedoch  einen  eigentlichen  Stachel  zu  bilden.  Die  durchschnittliche 
Grösse  beträgt  an  der  Basis  10  und  8  mm. 

Hy hodo n chus  mino r. 

Hyhodus  minor  Ag.    (Agassiz.  Poissons  fossiles.  III.  tab.  23  fig.  21—24.)    Plie- 
NiNGEK,  Quenstedt  und  Endlich. 


—     237     - 

Als  Hyhodonchus  minor  möchte  ich  die  zierUchen  kleinen  Kopf- 
stacheln ansehen,  welche  ich  allerdings  fast  lediglich  ihrer  geringen 
Grösse  halber  mit  Hyhodus  minor  identifiziere.  Auch  diese  Form 
aus  dem  Keuperbonebed  ist  gut  von  Endlich  (\.  c.  Taf.  I  Fig.  26 
u.  27)  und  QuENSTEDT  (Petrefaktenkunde ,  Taf.  24  Fig.  Hu.  12) 
abgebildet  und  unterscheidet  sich  wesentlich  von  den  beiden  anderen 
Formen,  abgesehen  von  seiner  geringen  Grösse,  durch  die  nahezu 
gleichmässige  Ausbildung  aller  drei  Flügel.  Der  Durchmesser  beträgt 
demnach  sowohl  in  Länge  wie  in  Breite  im  Mittel  7  mm.  Auf  der 
Unterseite  zeigt  sich,  wie  bei  den  anderen,  dieselbe  punktierte  Ober- 
fläche, während  die  Oberseite  mehr  glatt  erscheint  und  in  dem  Ver- 
schmelzungspunkt der  Flügel  zu  einem  etwas  länglichen  Wulst  ver- 
dickt ist,  welcher  die  Stelle  des  Stachels  vertritt.  Möglich,  dass  wir 
das  Fehlen  eines  eigentlichen  Stachels  auf  der  Oberseite  nur  dem  ab- 
gerollten Erhaltungszustand  aller  dieser  Bonebedformen  zuzuschreiben 
haben  und  uns  spätere  Funde  noch  näheren  Aufschluss  bieten  werden. 

Diese  drei  Formen  von  Hybodonchen  sind  es,  welche  uns  bis 
jetzt  aus  dem  oberen  Keuperbonebed  bekannt  sind,  und  welche  ich, 
um  nicht  unnötig  neue  Namen  zu  schaffen ,  mit  den  geläufigsten 
Formen  der  Hyhodus-Zälane  vereinigt  habe,  nicht  als  ob  deren  Iden- 
tität dadurch  bewiesen  sein  soll,  sondern  nur  der  Wahrscheinlichkeit 
nach,  dass  diese  verhältnismässig  nicht  allzu  seltenen  Hybodonchen 
zu  den  gewöhnlicheren  Hybodus- Arien  zu  rechnen  sind. 

Endlich  bildet  unter  seinen  Ceratodus  heteromorplms  noch  eine 
weitere  Form  ab  (1.  c.  Taf.  I  Fig.  33,  34  u.  35),  welche  nicht  wenig 
von  den  bisher  besprochenen  Hybodonchen  abweicht  und  welche  ich 
nach  Analogie  mit  einem  Exemplar  von  Acrodus  im  British  Museum 
als  einen  Acrodonchus,  d.  h.  den  Kopfstachel  von  Acrodus  halte. 
Über  die  Zustellung  zu  einer  bestimmten  Spezies  können  wir  uns 
leicht  einigen,  da  nur  eine  Form,  Acrodus  minimus  im  oberen  Bone- 
bed,  häufig  ist.     Ich  nenne  daher  diesen  Typus 

Acrodonchus  minimus. 
Acrodus  minimus   Ag.     (Poiss.   foss.   T.  III.   tab.  22   fig.  6—12.)     Plieninger, 
Qlt^nstedt  und  Endlich. 

Von  der  Unterseite  gesehen  haben  wir  die  grösste  Ähnlichkeit 
mit  Hyhodonchus  mit  ausgesprochenen  3  Flügeln,  von  denen  bei  den 
Exemplaren  von  Endlich  allerdings  die  beiden  seitlichen  abgebrochen 
sind.  Im  Profil  macht  sich  der  Unterschied  von  Hybodonchus  am 
meisten  geltend,  indem  die  ganze  Form  viel  gedrungener  erscheint: 
schon  der  basale  Teil  bildet  ein  ausgesprochenes  Knie,  das  noch  da- 
durch  vermehrt   wird,    dass    der   nach   oben   ragende    Zahn   kräftig 


—     238     — 

zapfenartig  entwickelt  ist  und  unter  45"  gegen  das  Basalstück  nach 
rückwärts  geneigt  ist.  Der  Zapfen  selbst  trägt  an  seinem  oberen 
Teile  eine  geriefte  Schmelzschichte. 

An  diese  Formen  aus  dem  oberen  Keuperbonebed  schliessen  sich 
aufs  engste  die  Formen  aus  dem  Muschelkalkbonebed  von  Crails- 
heim an,  so  dass  die  beigegebenen  Abbildungen  derselben  zugleich 
eine  Ergänzung  der  eben  beschriebenen  Formen  bilden  können.  Die 
Exemplare  stammen  sämtlich  aus  der  Privatsammlung  von  Herrn 
Apotheker  Blezinger  in  Crailsheim,  dem  ich  für  die  Freundlichkeit, 
mit  der  er  mir  seine  Stücke  zur  Verfügung  stellte,  besten  Dank  sage. 

Hijhodonchns  infracloacinus  Eb.  Fraas  (Taf.  V  Fig.  10), 

vielleicht  zu  Hi/bochis  rugosus  Plieninger  (Beiträge  zur  Palaeontolog.  Württem- 
bergs. 1844.  Taf.  XII  Fig.  52)  gehörig. 

In  Grösse  und  Form  stimmt  HyhodoncJbUS  infracloacinus  aus- 
gezeichnet mit  H.  cloaclims.  Das  vorliegende  Exemplar  ist  sehr 
schön  erhalten,  bis  auf  den  oberen  Zahn,  der  abgebrochen  ist.  Die 
Basis  ist  ausgesprochen  8flügelig.  mit  einer  Breite  von  43  und  einer 
Länge  von  33  mm.  Der  mittlere  Flügel  ist  bedeutend  stärker  ent- 
wickelt als  die  seitlichen  und  endigt  breit.  Die  Unterseite  zeigt  die 
charakteristische  punktierte  Oberfläche  und  ist  von  vorn  nach  hinten 
gewölbt.  Die  Oberseite  ist  mit  kleinen  Runzeln  bedeckt,  welche 
nach  dem  Rande  zulaufen,  besonders  .stark  auf  dem  mittleren  Flügel, 
der  leicht  ausgehöhlt  ist.  An  der  Vereinigung  der  drei  Flügel  ist 
die  Abbruchsstelle  des  starken  Zapfens  oder  Zahnes,  der  nach  oben 
ragte ;  an  dessen  Ansatzstelle  ist  er  kragenartig  von  einem  Wulst 
umgeben.  Die  Ähnlichkeit  von  Hi/hodus  rugosus  und  H.  cloacinus 
in  Form  und  Grösse  lassen  es  nicht  unwahrscheinlich  erscheinen, 
dass  Hyhodonchus  infracloacinus  zu  Hyhodus  rugosus  gehört. 

Hyhodonchus  trispinosus  Etj.  Fraas  (Taf.  V  Fig.  IIa,  b  u.  c) 
ist  ein  Kopfstachel  von  mittlerer  Grösse,  mit  15  mm  Länge  und 
13  mm  Breite.  Der  mittlere  Flügel  ist  gegenüber  den  seitlichen  sehr 
klein  und  schmal,  so  dass  sich  das  umgekehrte  Verhältnis ,  wie  bei 
H.  infracloacinus^  ergibt.  Der  vordere  Teil  ist  stark  ausgezogen, 
wodurch  sich  die  gestreckte  Form  ergibt.  Das  Hauptmerkmal  hegt 
in  der  Ausbildung  des  Stachels,  welcher  im  rechten  Winkel  umge- 
bogen nach  oben  ragt;  neben  diesem  mittleren  Stachel  sitzen  seit- 
lich noch  zwei  kleine  Nebenzähnchen,  gleichfalls  nach  oben  gebogen, 
was  zu  dem  Namen  trispinosus  Veranlassung  gab.  Der  Wulst,  wel- 
cher den  vorderen  Teil  von  dem  hinteren  abtrennt,  ist  wohl  aus- 
gebildet,   sowohl    auf   der    oberen   wie  auf  der  unteren  Seite.     Eine 


—     239     - 

bestimmte  Zugehörigkeit  zu  einem  Hyhodus-ZoXm  lässt  sich  schwer 
feststellen,  der  Grösse  nach  könnte  man  am  meisten  an  Hybodiis 
lonyiconus  oder  H.  pUcatilis  denken.  Es  scheint  eine  der  häufigeren 
Formen  zu  sein  und  liegt  in  mehreren  guten  Exemplaren  vor. 

Hyhodonchus  pusillus  Eb.  Fraas  (Taf.  V  Fig.  12a,  b  u.  c). 
Es  ist  die  kleinste  mir  bekannte  Art,  noch  bedeutend  kleiner 
als  H.  minor,  mit  dem  sie  sonst  nahezu  vollständig  übereinstimmt. 
Die  Länge  beträgt  nur  5  mm,  die  Breite  etwas  weniger.  Die  drei 
Flügel  sind  annähernd  gleichmässig  dick  und  abgerundet  ausgebildet. 
Auf  der  Oberseite  ist  bei  dem  einen  Exemplare,  genau  wie  bei 
H.  minor ^  nur  die  Narbe  des  abgeriebenen  Stachels  zu  sehen  mit 
einer  medianen  Kerbe.  Bei  einem  anderen  Exemplare  Hess  sich 
jedoch  der  stark  nach  rückwärts  gekrümmte  sehr  zarte  Stachel  be- 
obachten. Nur  die  Verschiedenheit  des  geologischen  Horizontes  be- 
rechtigt eine  Abtrennung  dieser  Art  von  H.  minor,  mit  der  ich  die 
kleinen  Kopfstacheln  sonst  unbedingt  vereinigen  würde.  Wahrschein- 
hch  gehört  H.  pusillus  zu  den  kleinen  Zähnchen  aus  dem  unteren 
Bonebed,  welche  noch  keinen  selbständigen  Namen  tragen,  aber  mit 
HyhodHS  minor  die  grösste  Ähnlichkeit  besitzen. 

Acrodonchus  lateralis  (Taf.  V  Fig.  13a,  b  u.  c). 

Äcrodns  lateralis  Ao.     (ägassiz,   Poiss.  foss.   III.   tab.  22  fig.  16—20;    Quen- 
STEDT,  Petrefaktenk.,  Tab.  21  Fig.  .39—42.) 

Eine  dem  Acrodonchus  minimus  ganz  ähnliche  Form  findet  sich 
auch  im  unteren  Bonebed  und  ist  in  mehreren  Exemplaren  sehr  gut 
erhallen.  Dieselben  zeigen  in  ausgezeichneter  Weise  die  für  Acro- 
donchus, im  Gegensatz  zu  Hyhodonchus,  charakteristische  knieförmige 
Biegung  der  basalen  Platte.  Die  Flügel  sind  alle  stark  ausgezogen, 
die  seitlichen  Flügel  laufen  in  spitzer,  der  mittlere  Flügel  in  breiter 
Rundung  zu.  Länge  und  Breite  ist  nahezu  gleich  und  beträgt 
12 — 13  mm.  Der  mittlere  Teil  läuft  nach  vorn  spitz  zu  und  trägt 
hier  den  sehr  starken  Zahn,  der  nach  oben  und  zugleich  stark  nach 
rückwärts  gekrümmt  ist;  der  Zahn  selbst  zeichnet  sich  durch  einen 
gerieften  Schmelzüberzug  aus,  der  den  oberen  Teil  bekleidet;  an  der 
Basis  ist,  wie  gewöhnlich,  auch  bei  Hyhodonchus  ein  Wulst  ausge- 
bildet, der  besonders  auf  der  Oberseite  sich  geltend  macht.  An 
Grösse  übertrifft  diese  Form  den  Acrodonchus  minimus  um  ein  Be- 
trächtliches, wie  auch  die  J.croc?i<.9-Zähne  des  unteren  Bonebeds  sich 
durch  grössere  Formen  auszeichnen.  Unter  den  zwei  gewöhnlicheren 
Arten  A.  lateralis  und  A.  Gaillardoti  ist  schon  aus  Rücksicht  auf  die 
Grössenverhältnisse   und    die  Häufigkeit  des  Vorkommnisses    nur   an 


-     240     — 

eine  Zugehörigkeit  dieser  Kopfstacheln  zu  dem  kleineren  Acrodus 
lateralis  zu  denken. 

Wir  lernen  also  mit  diesen  früher  als  Ceratodus  angesehenen 
Gebilden  neue  sehr  typische  Skeletteile  von  Selachiern  kennen,  welche 
denselben  Formen  angehören ,  denen  wir  den  Reichtum  an  Zähnen 
in  dem  Bonebed  verdanken,  und  zu  welchen  auch  die  Ichthyodoru- 
liten  zu  rechnen  sind.  Drei  Haupttypen  dieser  Kopfplatten  sind  im 
allgemeinen  bis  jetzt  bekannt: 

1.  Sphenonchus  Ag.,  nachgewiesen  durch  Smith  Woodward  als  zu 
Aster acanthus  gehörig;  weisser  Jura  von  England. 

2.  Hyhoäondms  Eb.  Fraas,  zu  Hybodus  gehörig;  unteres  und  oberes 
Trias-Bonebed,  unterer  Lias  von  Lyme  Regis. 

3.  Acrodonckus  Eb.  Fraas,  zu  Acrodus  gehörig ;  unteres  und  oberes 
Trias-Bonebed,   unterer  Lias  von  Lyme  Regis. 
Nachtrag.     Inzwischen  ist  die  Arbeit  von  Smith  Woodward : 

Catalogue  of  fossil  Fishes  in  the  British  Museum  Part  I  im  Drucke 
erschienen,  worin  eine  grosse  Anzahl  Rassischer  Hybodonchen  und 
Acrodonchen  beschrieben  und  abgebildet  wird ;  so  vor  allem  von 
Hybodus  Delahechei  (No.  39880)  und  Hyhodus  mediiis  (No.  41103), 
sowie  Acrodus  auningiae  (No.  2146) ,  bei  welchen  Exemplaren  sich 
die  Kopfstacheln  im  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  Kopfskelet  fanden. 


Tafelerklärung. 

Tafel  IV. 

Fig.  1.  Loliginites  ZitteWEiB.  Fraas.  Herausgespaltenes  Exemplar  aus  den  Laib- 
steinen des  Lias  a  von  Schömberg.  Etwa  |  nat.  Gr.  (Länge  46  cm.) 
Tafel  V. 

Fig.     1.     Loliginites  Zitteli,  untere  Kieferplatte,  nat.  Gr.  S.  224. 

Fig.     2.     desgl.,  rechtes  Auge  mit  umgebender  Muskelsubstanz,  nat.  Gr.  S.  223. 

Fig.     3.     desgl.,  verfilztes  muskulöses  Gewebe.  X  ^^O-  S.  227. 

Fig.     4.     desgl.,  Muskelfasern  mit  gekörnter  Substanz  gefüllt.  X  "100.  S.  228. 

Fig.     5.     desgl.,  einzelne  quergestreifte  Muskelfaser.  X  '^OO-  §•  '^'^^■ 

Fig.  6.  desgl. ,  HorizontalschlifF  durch  die  quergestreifte  Mantelsubstanz  mit 
parallel  gelagerten  Muskelfasern.  X  l'^O.  S.  229. 

Fig.  7.  desgl.,  Querschliflf  durch  die  Mantelsubstanz  mit  Querschnitten  der  ge- 
körnten Muskelfasern  und  verfilztem  Gewebe.  X  120.  S.  230. 

Fig.  8.  desgl. ,  Horizonlalschliff  durch  die  Muskelsubstanz  der  Arme  mit  ver- 
schieden gelagerten  Faserzügen.  X  120.  S.  231. 

Fig.  9.  Kopfstachel  von  Hybodus  Belabechei  Charlesworth  (Smith  Wood- 
ward:  Catalogue  of  fossil  Fishes  Part  I  p.  259,  Taf.  'VII)  aus  dem 
unteren  Lias  von  Lyme  Regis. 

Fig.  10.  H.  infracloacinus  Eb.  Fraas  ;  von  oben,  nat.  Gr.  Muschelkalk-Bonebed 
von  Crailsheim.  S.  238. 

Fig.  11.  H.  trisjjinosus  Eb.  Fraas;  nat.  Gr.  Fig.  IIa  von  oben,  IIb  von  un- 
ten, 11c  von  der  Seite;  Muschelkalk-Bonebed  von  Crailsheim.    S.  238. 

Fig.  12.     H.  pusiUus  Eb.  Fraas;  Fig.  12a  von  oben,  nat.  Gr.;  12b  von  oben,  2:1; 

12  c  von  der  Seite,  2:1;  Muschelkalk-Bonebed  von  Crailsheim.  S.  239. 
Fig.  13.     Acrodonchus   lateralis-,   nat.  Gr.    Fig.  13a  von  oben,    13b  von  unten. 

13  c  von  der  Seite ;  Muschelkalk-Bonebed  von  Crailsheim.  S.  239. 


Ueber  die  Kreuzschnäbel  und  ihre  Fortpflanzung. 

Eine  monographische  Studie. 
Von  Dr.  Freiherr  Richard  Koenig-Warthausen. 

Unter  den  einheimischen  Finkenvögeln  haben  die  Kreuzschnäbel 
von  jeher  die  Aufmerksamkeit  sowohl  der  Ornithologen  als  auch  der 
Liebhaber  von  Stubenvögeln  ganz  besonders  auf  sich  gezogen.  Eigen- 
thümlichkeiten  in  Lebensweise  und  Haushalt,  gefälliges  Gefieder  und 
eine  Schnabelform,  in  welcher  eigentlich  eine  Missbildung  zur  Regel 
geworden  ist,  zeichnen  sie  aus. 

Nur  eine  einzige  kleine  Vogelsippe,  deren  nordeuropäischer 
Repräsentant  der  Hackengimpel  {Strohiliphaga  et  Pinicola 
ViEiLL. ,  Corytlius  Cüv. ,  Loxia  enucleator  L.,  —  xisittacea  Pall, 
nee  Gm.)  ist,  steht  ihnen  recht  nahe;  bei  ganz  ähnlicher  rother  Be- 
fiederung ist  hier  aber  der  dicke  Schnabel  nicht  gekreuzt  und  der 
Habitus  mehr  gimpelartig,  wie  auch  ein  eigenthümliches ,  durchaus 
anders  gefärbtes  Ei  und  anderer  Nestbau  generelle  Sonderung  be- 
dingen. 

Die  gesammte  Gruppe  der  Kreuzschnäbel  vertheilt  sich  auf 
Europa,  Nord-  und  Mittel-America  und  einen  Theil  von  Asien.  Sämmt- 
lich  sind  sie  Bewohner  der  Nadelwald-Region,  ihre  Hauptmasse  ent- 
fällt circumpolar  auf  den  Norden,  wie  sie  überhaupt  der  südlichen 
Hemisphäre  völlig  fehlen. 

Alle  Kreuzschnäbel,  möge  man  sie  artlich  trennen  oder  zu- 
sammenziehen wie  man  will,  zeichnen  sich  durch  grosse  Gewandtheit 
im  Klettern  unter  Zuhilfenahme  des  kräftigen  Hackenschnabels,  durch 
eine  gewisse  UnbehilfUchkeit  am  Boden,  durch  angenehmen  zwit- 
schernden Gesang  und  durch  harmlose  Vertraulichkeit  aus.  Der  Kopf 
ist  gross  und  kräftig  muskulirt  für  harte  Arbeit  an  Coniferenzapfen. 
P.  Blasius  Hanf,  unter  den  Ornithologen  der  Gegenwart  für  die 
Kreuzschnabelfrage   wohl   der   erfahrenste  Beobachter,    welchen   wir 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vateil.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  16 


-     242     — 

noch  oft  anzuführen  haben,  beobachtete  stets  einen  auffallend 
stärkeren  Muskelansatz  an  der  der  Krümmung  des  Oberschnabels 
entgegengesetzten  Seite  des  Hinterkopfs,  so  dass,  entsprechend  der 
zum  Offnen  der  Zapfen  nöthigen  Hebelkraft,  die  Rechtsschnäbel 
linksseitig,  die  Linksschnäbel  rechtsseitig  die  stärkere  Muskulatur 
haben:  auch  am  Schädel  finde  ich  auf  der  Seite  nach  welcher  der 
Unterschnabel  sich  wendet,  die  für  die  Insertion  der  Kaumuskeln 
dienende  vertiefte  Fläche  stärker  ausgebildet.  Nur  nebenher  dienen 
aushilfsweise  die  Samen  verschiedener  Distelarten,  Vogelbeerkerne 
und  Wachholder,  ausnahmsweise  auch  Nadelholzknospen  für  die 
Sättigung  des  gefrässigen   Vogels. 

In  der  ersten  Jugend  kreuzen  sich  die  Schnabelhälften  noch 
nicht,  bald  aber  schlägt  sich  der  Oberschnabel  entweder  nach  rechts 
oder  nach  links  —  ohne  jede  verwandtschaftliche  Vererbung  —  über, 
wobei  die  Spitze  der  unteren  Hälfte  öfters  die  Bahn  der  oberen  weit 
überragt;  das  Längenwachsthum  der  Schnabelspitzen  ist  eben  dadurch 
gefördert,  dass  sie  frei  stehen  und  nicht  aufeinander  klappen.  Es  ist 
hier  ein  Schnabel  geschaffen,  der  nicht  allein  härtere  Samen  knackt, 
sondern  auch  als  seitlich  wirkender  Hebel  tief  unter  die  Zapfen- 
schuppen eindringen  und  sie  abblättern  kann,  ein  Bedürfniss,  welches 
diese  Form  gebildet  und  sie  dann  vererbt  hat.  Eine  Arbeit,  welche 
die  Kiefer  im  jugendlichen  Zustand  sehr  ungleich  anstrengt,  bewirkt 
die  Ausbeugung  aus  der  geraden  Linie,  dass  aber  symmetrische  Schnäbel 
selbst  nicht  als  Ausnahme  vorkommen  und  in  der  Gefangenschaft 
aufgezogene  Nestvögel  auch  ohne  Noth  Scheerenschnäbel  werden, 
beweist  die  Vererbung. 

Nach  Geschlecht  und  Alter  ändern  die  Kreuzschnäbel  sehr  in 
der  Farbe.  Die  Jungen  sind  vorwiegend  grau  mit  dunklerer  Striche- 
lung,  die  Weibchen  grünlichgrau  bis  graugelbgrün,  nach  Brehm  und 
Naumann  die  jüngeren  Männchen  mehr  grüngelb  oder  trübroth,  die 
alten  im  kleinen  Gefieder  über  Kopf,  Rücken  und  Vorderseite  lebhaft 
roth,  bald  mehr  mennigfarben,  bald  in  den  brillanten  Tönen  von 
Johannisbeer-  und  Kirschroth,  welche  Farben  in  der  Gefangenschaft 
vergilben.  Nach  den  meisten  Autoren  vor  den  Ebengenannten  würde 
nur  das  ein-  bis  zweijährige  Männchen  das  Prachtkleid  tragen. 
P.  Blasius  Hanf  bestreitet  auf  Grund  langjähriger  Beobachtungen 
für  den  Fichtenkreuzschnabel,  dass  dem  graugefleckten  Nestkleide 
des  jungen  Männchens  ein  gelbes  Gefieder  nachfolge ;  früh  ausgebrütete 
Männchen  bekommen  durch  theilweise  Mauserung  schon  im  Juni 
gelbe  Flecken  am  Unterleib   und  nur  einige  erhalten  im  Herbst  ein 


—     243     — 

gelbes  Kleid,  andere  aber  später  für  die  noch  übrigen  grauen  Nest- 
federn schon  das  rothe;  hiedurch  entstehe  ein  aus  Gelb  und  Roth 
^nmischtes  Gefieder.  Die  meisten  aber,  namentlich  die  spät  aus- 
gebrüteten, mausern  erst  im  August  und  September  und  diese  ziehen 
sofort  das  schöne  rothe  Kleid  an;  man  sehe  dann  noch  oft  das  Roth 
mit  dem  grauen  Nestkleid  gemischt;  es  gebe  auch  Winters  mehr 
rothe  als  gelbe  Männchen,  welche  doch  grossentheils  junge  Vögel  seien. 
V.  TscHUSi-ScHMiDHOFFEN  (Mouatsschr.  d.  D.  Ver.  z.  Seh.  d.  Vogelw., 
Halle  1888)  sagt,  unmittelbar  auf  das  gestreifte  Jugendkleid  folgen 
bald  gelbe,  bald  rothe  Färbungen  in  verschiedenster  Nuancirung  und 
keineswegs  ausschliesslich  ein  rothes  Kleid. 

Für  das  deutsche  Gebiet  und  für  Europa  überhaupt  haben  wir 
drei  Arten  zu  unterscheiden: 

1.  als  in  der  Mitte  stehende  Haupttype  den  gemeinen  Fichten- 
kreuzschnabel,  Criccirostra'^  curvirostra  Cuv.  L., 

2.  den  grösseren  Kiefernkreuzschnabel,  Crucirostra 
ji  ityopsittacus  Cuv.  Bechst., 

3.  den  kleineren  weiss  bin  digen  Kreuzschnabel,  Cruci- 
rostra leticoptera  Cuv.  Gm., 

welche  sich  so  nahe  stehen,  dass  man  sie  füglich  auf  eine  gemein- 
same Urform  zurückführen  kann,  aus  welcher  sie  sich  allmälig  in 
Folge  von  Nahrung  und  Clima,  vielleicht  auch  durch  Isolirung  der 
Stämme,  zu  besonderen  Gestalten  herausgebildet  haben,  die  in  ihrer 
jetzigen  Beständigkeit  allerdings  zu  einer  schärferen  Trennung  be- 
rechtigen. 

Eine  Wiedervereinigung  hat  Thienemann  (Rhea  II,  1849,  p.  165 
— 174)  unternommen,  indem  er  Übergänge  in  Zeichnung,  Körper- 
grösse  und  Stärke  des  Schnabels  nachzuweisen  suchte.  Es  sei  durch- 
aus naturgemäss,  meint  er,  wenn  ein  Vogel  grosse  Verschiedenheit 
in  seiner  Entwickelung  nach  Grösse,  Gestalt  und  Färbung  zeige,  der 
in  drei  Continenten  in  die  polare  Waldregion  hinaufgehe  und,  an- 
gewiesen auf  die  Samen  verschiedenartiger  Nadelhölzer,  ein  nomadi- 
sches Leben   führen    müsse   und    deshalb    auch   unregelmässig  niste. 

Auch  A.  V.  HoMEYER  könnte  hiefür  angeführt  werden.  Er  stellt 
(Journ.  f.  Orn.   1862,  p.  256)  für  den  gemeinen  Kreuzschnabel  eine 


*  Für  den  Zweck  einer  Monographie  habe  ich  statt  dem  eigentlich  berech- 
tigteren Namen  Loxia  einen  nur  ausschliesslich  für  diese  kleine  Gruppe  gebrauch- 
ten gewählt  und  Cuvier's  wörtliche  Übersetzung  des  Worts  Kreuzschnabel,  die 
schon  Pallas  als  Artbezeichnung  angewendet  hat,  Scopolis  Bezeichnung  Curci- 
rostra  (Krummschnabel)  vorgezogen. 

16* 


—     244     — 

neue  Varietät  von  den  Balearen  (Crucirostra  curvirostra  halearica  — ■' 
in  Gray's  Handlist  „balgarica  v.  Hoy"  !)  auf,  welche  von  ihm  als 
gewöhnlicher  Sommervogel  des  nördlichen  Gebirgstheils  von  Mallorka 
aufgefunden  wurde.  Er  bemerkt  gewiss  mit  vollem  Recht,  der  eigen- 
thüraliche  Schnabel  —  oben  sehr  lang  und  hackenförmig,  unten  ver- 
dickt und  ganz  kurz  —  sei  ein  Beweis,  wie  sehr  im  Laufe  der  Zeit 
die  Nahrung  auf  die  Schnabelbildung  einwirke:  hier  gebe  nehmlich 
die  Bearbeitung  der  Zapfen  der  Aleppo-Kiefer  (Finus  halepensis  Mill.) 
die  Gestalt,  während  beim  gemeinen  deutschen  Fichtenkreuzschnabel 
der  Verkehr  mit  den  Früchten  der  Rothtanne  oder  Fichte  {Ahies 
excelsa  DC.)  und  beim  Kiefernkreuzschnabel  derjenige  mit  denen 
der  Föhre  oder  Kiefer  {Finus  sylvestris  L.)  die  Formen  geschaffen 
habe.  Beifügen  dürfen  wir  sogleich,  dass  wir  die  schwächsten  Schnäbel 
und  entsprechend  auch  zartere  Körperformen  nothwendiger  Weise 
im  Gebiet  der  nur  kleine  und  wenig  harte  Zapfen  tragenden  Lärchen 
zu  suchen  haben.  Larix  europaea  DC,  L.  sibirica  Ledeb.,  L.  japo- 
nica  Carr.,  L.  Grifßthii  Hook.  (Himalaya),  L.  pendula  Salisb.  und 
L.  microcarpa  Poir.  (N.-Amerika)  und  noch  andere  Arten  haben 
sicherlich  auf  die  innerhalb  ihres  Verbreitungsgebiets  lebenden  kleine- 
ren und  meist  zartschnäbehgeren  Kreuzschnabelformen  einigen  Ein- 
fluss  geübt.  Die  kürzeren  Flügel  jenes  Balearenvogels  deutet  v.  Ho- 
meyer  auf  ein  Zurückbleiben  in  der  Entwickelung  als  Folge  localer 
Beschränkung,  welche  hier  keine  weiten  Wanderungen  verlangt. 

In  der  artlichen  Trennung  ist  Christian  Ludwig  Brehm  am 
weitesten  gegangen,  obgleich  er  früher  (Lehrb.  1823,  p.  168)  die 
Fichten-  und  Kiefernkreuzschnäbel  für  so  nahe  verwandt  erklärte,, 
dass  sie  fruchtbare  Bastarde  erzeugen.  Er  hat  (Naumannia  1853, 
p.  178—203  und  241 — 256)  vorerst  fünf  Hauptgruppen  geschaffen: 
Kiefern-,  Fichten-,  Zwerg-,  rothbindige  und  weiss- 
bindige  Kreuzschnäbel.  Nicht  weniger  wie  zwanzig  verschiedene 
Formen  hat  er  unter  diesen  Rubriken  untergebracht,  wobei  er  aller- 
dings dem  Liebhaber  es  überlässt,  sie  als  gute  Arten  oder  theilweise 
nur  als  „Subspecies"  anzusehen.  Zum  Kiefernkreuzschnabel  stellt  er 
1.  Crucirostra  major,  2.  C.  pityopsittacus ,  3.  ü.  suhpityopsittncus, 
4.  C.  hrachyrhynchos  (!),  5.  C.  pseudopityopsittacus,  6.  G.  intercedens. 
Zum  Fichtenkreuzschnabel  sind  gestellt:  1.  C.  montana,  2.  C.  para- 
doxa,  3.  C.  media,  4.  C.  macrorJrynchos  (!),  5.  C.  pinetorum.  Die 
Zwergkreuzschnabelgruppe  ist  nur  durch  C.  minuta  aus  der  neuen 
Welt  vertreten.  Die  rothbindigen  Kreuzschnäbel  zerfallen  in  1.  C. 
ruhrifasciata  und  2.    C.  erythroptera.    Bei  den  weissbindigen  werden 


,   —     245     — 

imterschieden :  1.  C.  trifasciata,  2.  C.  bifasciata,  3.  (1  taeuioptera, 
4.  C.  orienfcdis,  5.  C.  assimilis,  6.  C.  leucoptera.  Eine  beigefügte 
Tafel  von  20  Köpfen  giebt  alle  Übergänge  vom  dicken,  hochgewölb- 
ten Schnabel  bis  zum  kleinsten,  mit  theil weise  sehr  schmaler  und 
lang  vorgestreckter  Bahn,  wobei  der  Hacken  des  Unterschnabels  den 
First  entweder  kaum  erreicht  oder  ihn  weit  überragt.  Gerne  flüchtet 
man  sich  da  zum  einfachen  biedern  Thienemann! 

Uns  berührt  hier  Brehm's  Artenmacherei  nur  wenig;  dass  sie 
möglich  war,  beweist  die  Variabilität  der  Individuen  und  das  Vor- 
handensein zahlreicher  Übergänge.  Nur  Brehm's  roth  bind  ige 
Kreuzschnäbel  wollen  wir  hier  herausgreifen.  C.  rubri/asciaia 
gehört  nach  Schlegel  und  Gray  entschieden  zur  gemeinen  curvirostra. 
BoNAPARTE,  welcher  bekanntlich  in  der  Artentrennung  sehr  weit  geht, 
führt  sie  zwar  als  eigene  Art  „ex  Europa  orientali"  im  Conspectus 
auf,  nennt  sie  aber  in  der  gleichzeitig  (1850)  erschienenen  Monogr. 
des  Loxiens  unter  Schlegel's  Einfluss  nur  noch  eine  „variete  constante, 
quoique  accidentelle".  Er  sagt,  die  grossen  und  mittleren  Flügeldeck- 
federn endigen  beim  Männchen  zu  röthlichen,  beim  Weibchen  und 
Jungen  zu  gelbbraunen  oder  bräunlichen  Binden,  bei  den  Jungen 
wenig  sichtbar  und  an  die  helleren  Säume  mancher  jugendlicher 
Fichtenkreuzschnäbel  erinnernd.  Hienach  hätte  sich  auf  die  sonst 
schwarzgrauen  oder  dunkelbräunlichen  Deckfedern  des  monoton  ge- 
färbten Flügels  das  im  kleinen  Gefieder  vorherrschende  Roth  über- 
getragen wie  derlei  Übersprünge  auch  sonst,  namentlich  bei  hohem 
Alter  vorkommen.  Trotzdem  möchte  ich  etwas  anderer  Ansicht  sein 
und  wer  die  a.  a.  0.  T.  5  abgebildeten  beiden  Vögel  beschaut,  wird  sich 
derselben  schwer  verschliessen  können.  Es  ist  genau  dieselbe  Binde 
wie  bei  den  weissbindigen  Vögeln,  nur  mehr  oder  weniger  in  Roth  und 
wir  haben  es  somit  unbedingt  mit  einem  Binden-Kreuzschnabel  zu  thun. 
Als  Europäer  aus  dem  Hauptstamm  des  Fichtenkreuzschnabels  hat  er 
aber  kein  Weiss,  sondern  nur  die  Farbe  seines  Kleingefieders  zuwege 
gebracht.  Ich  sehe  hierin  einen  Rückschlag  auf  die  Urtype,  aus  der 
alle  Kreuzschnäbel  hervorgegangen  sind,  beziehungsweise  den  Ver- 
such, ein  Weissbindenvogel  zu  werden.  Obgleich  wir  hier  mit  Grössen 
wenig  rechnen  dürfen,  trennt  ihn  auch  von  jenem  noch  die  typisch 
^europäische"  Grösse;  kleiner  ist  die  erst  später  von  Brehm  ab- 
getrennte C.  erythroptera,  welche  ebenfalls  hieher  gezogen  wird.  Un- 
denkbar wäre  es  nicht,  dass  der  ursprüngliche  Kreuzschnabel  Flügel- 
binden, entsprechend  seiner  jeweiligen  Hauptfärbung,  trug,  die  dann 
im  einen  Fall  (gegen  Norden,  wo  die  Farljlosigkeit  als  Wintercolorit 


—     246     —    . 

so  häufig  auftritt)  sich  constant  in  Weiss  umfärbten,  im  andern  völlig 
ausblieben;  eine  leichte  Binden-Andeutung  bei  Fichtenkreuzschnäbeln 
im  Jugendzustande  —  dieser  ist  ja  zoologisch  häufig  für  frühere 
Formen  massgebend  —  spricht  hiefür.  Auch  Streifungen  deuten 
häufig  auf  Jugendzustände  hin,  nicht  bloss  zeitlich  sondern  auch  art- 
lich und  so  kann  der  streifenflügelige  Vogel  gewissermaassen  als 
prototyp  gelten. 

Als  weitere  fremdländische  Arten  werden  noch  abgesondert 

4.  der  n  or  damericanische   Kreuzschnabel,    Crucirostra 

s.  Loxia  americana  Wils. 
( —  curvirostra  Audub.  —  fusca  Vieill.  —  ])UsiUa  Illig.  —  Ab- 
bildungen: Wilson,  Americ.  Ornith.,  T.  31,  f.  1  u.  2.  Aüdubon,  T.  197. 
BoNAPARTE  u.  ScHLEGEL,  Monographie  des  Loxiens,  T.  6  (das  Paar). 
Ihn  hält  G.  R.  Gray  (Handlist  1870,  II,  p.  108)  als  Species  fest, 
während  J.  H.  Blasius  ihn  als  Yariet-ät,  zum  gewöhnlichen  Fichten- 
kreuzschnabel zieht.  Derselbe  sagt  (Nachtr.  zu  Naumann's  Naturg. 
d.  V.  D.  p.  91),  Wilson  s  Loxia  americana  sei  durchschnittlich  etwas 
kleiner,  doch  treten  die  Maasse  unmittelbar  aneinander.  Aus  dem 
östlichen  Sibirien,  vom  ochotzkischen  Meer  habe  er  Fichtenkreuz- 
schnäbel erhalten,  die  das  Minimum  der  Grösse  nordamericanischer 
mindestens  erreichen;  auch  sogar  geographisch  könne  man  zweifel- 
haft sein,  wohin  diese  zu  stellen  sein  würden;  eine  Unterscheidung 
nach  naturhistorischen  Eigenschaften  sei  nicht  mehr  möglich,  wo 
aber  eine  sichere  Unterscheidung  der  Individuen  aufliöre,  sei  es  auch 
mit  der  Abtrennung  von  gut  begründeten  Arten  zu  Ende.  Bonaparte 
(Monogr.  d.  Lox.  p.  6)  sagt,  diese  Art  gleiche  dem  gemeinen  Kreuz- 
schnabel der  alten  Welt  durchaus  („sous  tous  les  rapports")  and  unter- 
scheide sich  nur  durch  etwas  geringere  Körpergrösse.  Bei  dem 
notorischen  Einfluss  der  geographischen  Verhältnisse  auf  die  Grösse 
lässt  sich  ein  schlimmeres  „Art-Kennzeichen"  kaum  denken. 

5.  Der    mexicanische   Kreuzschnabel,    Crucirostra    mc- 

xicana  Strickl.  G.  R.  Gray. 
Diesen  hat  Sclater  kurzweg  als  synonym  zu  G.  americana  ge- 
zogen und  Sp.  A.  Baird  (Catal.  of  North  Am.  Birds  1859,  N.  318 
u.  318  a)  stellt  ihn  als  Varietät  ebendahin.  Er  bildet  demnach 
nichts  weiter  als  die  südhchen  Vorposten  des  nordamericanischen 
„Red  Crossbill"  und  ebenfalls  eine  Brücke  zur  europäischen  Type 
hinüber.  Die  Speciesmacherei  lediglich  mit  Rücksicht  auf  geogra- 
phische Unterschiede,    oft   nicht    einmal  unter  Zugrundlegung  unbe- 


—     247     — 

deutender  Abweichungen,  die  überhaupt  nur  für  Varietäten  berech- 
tigen, tritt  wohl  nirgends  auffälUger  zu  Tage  als  eben  bei  den  Kreuz- 
schnäbeln. 

ß.  Der  H im alaya-Kre  uz  Schnabel,  Crucirostra  s,  Loxia 
himalayatia  Hodgs. 
( —  himalayensis  Blyth.)  Abbildungen :  Journ.  As.  Soc.  Bengal. 
1844,  f.  11.  BoNAP.  u.  ScHL.,  Monogr.  d.  Lox.,  T.  7  (altes  Männ- 
chen und  Junges).  Diese  Form  vom  Südrand  des  centralen  Hoch- 
asien (Nordwest-Indien),  deren  Artberechtigung  Gray  ebenfalls  an- 
erkennt, ist  sicherlich  für  nichts  anderes  als  für  einen  nach  Süden 
vorgeschobenen  Abkömmling  des  Nordasiaten  anzusehen,  welcher 
also  zum  circumpolaren,  bis  nach  Japan  gehenden  Fichtenkreuz- 
schnabel gerade  so  gehört  wie  v.  Homeyer's  bereits  erwähnter  Balearen- 
Vogel  eine  von  den  Pyrenäen  ins  Mittelmeergebiet  abgegebene  Ab- 
art ist.  BoNAPARTE  (Conspectus,  p.  527)  führt  ihn  als  kleinste  Form 
von  Nepal  und  der  Schneeregion  von  Cashar  (wo  Hodgson  ihn  als 
Seltenheit  in  ausgedehnten  Gebirgswäldern  entdeckte)  an;  seine  Be- 
schreibung des  Männchens  „fusco-cinerea,  rubro  induta,  capite  magna 
ex  parte,  collo  corporeque  subtus  ex  roseo  luride  sanguineis"  passt 
allgemein  auch  für  verschiedene  anderwärtige  Individuen.  In  der 
Monogr.  d.  Loxiens  sagt  er  selbst,  er  scheine  durch  nichts  als  durch 
noch  geringere  Grösse  von  L.  americana  sich  zu  unterscheiden. 
Wir  kämen  durch  ihn  also  wieder  nach  America!  Dass  der  ohnehin 
meist  recht  kleine  Asiate  in  den  centralen  Hochgebirgen  noch  kleiner 
wird,  kann  nicht  Wunder  nehmen;  übrigens  stimmen  die  bei  Bonap. 
u.  Sohl,  angegebenen  Maasse  bis  auf  den  um  2 — 4'"  kürzeren 
Schwanz  völlig  mit  denen  von  L.  americana. 

7.  Der  weissbäuchige  Kreuzschnabel,  Loxia  alhiven- 

tris  SwH. 
SwiNHOE  in  Proceed.  Zoologie.  Soc.  of  London,  1870,  p.  437. 
Nach  der  gegebenen  Diagnose  ist  er  klein,  ähnlich  gefärbt  wie  L. 
curvirostra  L.,  aber  dadurch  von  allen  bekannten  Arten  unterschieden, 
dass  der  Bauch  und  die  untern  Schwanzdeckfedern  weiss  sind,  die 
letzteren  mit  grossen  centralen  pfeilspitzenförmigen  braunen  Flecken. 
Totallänge  6",  Flügel  3|^',  Iris  braun,  Schnabel  braun,  an  der  Schneide 
mit  lichter  Hornfarbe.  Zehen  und  Nägel  schwärzlichbraun,  roth  ver- 
waschen an  den  Sohlen.  Der  Landesname  ist  Keao-tsuy,  d.  h.  ge- 
drehter Schnabel.  Swinhoe  fand  ihn  in  der  Gegend  von  Peking 
und  sagt  weiter  nur,  dass  zahlreiche  Kreuzschnäbel  in  den  Fichten- 


—     248     — 

wipfeln  bei  Tacheo-sze  am  13.  August  ihrer  Nahrung  an  den  Zapfen 
nachgiengen  und  sperlingsartig  zirpten.  Da  irgend  etwas  für  die  Be- 
rechtigung zur  Eigenart  nicht  vorhegt,  haben  wir  es  hier  höchstens 
mit  einer  localen  Rasse  zu  thun.  Weiss  mit  braunen  Schaftflecken 
sind  die  Schwanzunterdeckfedern  auch  der  andern  Kreuzschnäbel 
und  häufig  zieht  sich  von  diesen  —  ich  habe  Vergleichungsmaterial 
aus  verschiedenen  Ländern  —  eine  reinweisse  Stelle  bald  bis  zur  In- 
sertion der  Füsse,  bald  noch  ziemlich  weit  über  diese  herauf.  Das 
k.  Naturaliencabinet  zu  Stuttgart  besitzt  ein  japanisches  Exemplar, 
^Loxia  albiventris  Swh.  ,  Sisuka  1887  (Retz)"  ,  welches  geradezu 
nicht  weissbäuchig  ist;  sein  Gefieder  ist  vorwiegend  grüngelb  und 
nur  zwischen  den  Beinen,  vor  Beginn  der  weiss  und  braungefleckten 
Schwanzunterdeckfedern,  ist  eine  ganz  kleine  weisse  Stelle.  Beim 
chinesischen  Vogel  mag  diese  augenfälliger  sein,  ein  Characteristicum 
ist  sie  sicher  nicht.  Dr.  R.  Blasius  hat  den  Stuttgarter  Vogel  ge- 
messen : 

Totallänge    168    mm*. 

Schwanz         61       „ 

Flügel  94      „ 

Lauf  16,1   „ 

Schnabel        18,5   „ 

Eben  der  verschiedenen  Anknüpfungspuncte  wegen  mag  hier 
der  Fichtenkreuzschnabel  aus  Japan  noch  Erwähnung  finden.  Nach 
Bonaparte  und  Schlegel  a.  a.  0.  p.  4  unterscheidet  sich  eine  ziem- 
liche Anzahl  von  dort  erhaltener  Vögel  in  nichts  von  europäischen; 
dennoch  ist  T.  4  ein  lebhaft  rothes  Männchen  besonders  abgebildet, 
das  neben  den  andern  Bildern  schlanker  erscheint**  und  gestreck- 
teren Schnabel  hat.  Unter  der  bescheidenen  aber  sicher  gerecht- 
fertigten Bezeichnung  „Loxia  curvirostra  L.,  Yokohama  (Retz)"  lag 
mir  aus  der  württembergischen  Staatssammlung  ein  männlicher  Kreuz- 
schnabel vor,  dessen  gestreckter  und  wenig  gewölbter  Schnabel  dem- 
jenigen von  europäisch  -  asiatischen  Weissbindenkreuzschnäbeln  in 
Grösse  und  Stärke  gleicht,  während  der  Vogel  ganz  auffallend  klein 
ist.    Von  der  Schnabelwurzel  bis  zum  Schwanzende  messe  ich  schwach 


*  Ich  messe  noch  immer  nach  dem  früher  allgemein  angenommenen  alt- 
französischen  Duodecimalmaass  („pied  du  Koi");  die  Messungen  Anderer  aufzulösen, 
halte  ich  mich  gewisser  Minimaldifferenzen  wegen  nicht  für  befugt. 

**  Die  sonst  vortrefflichen  Abbildungen,  gefertigt  von  Bädek  er,  sind  sämmt- 
Jich  etwas  gross  gerathen,  was  in  dessen  Eierwerke  ebenfalls  öfters  zu  tadeln  ist. 


—     249     — 

5",  bei  deutschen  Fichtenkreuzschnäbeln  6",  2 — 4'''.    R.  Blasiüs  hat 
von  ihm  folgende  Maasse  notirt : 

Totallänge    153    mm. 

Schwanz         58      „ 

Flügel  91       „ 

Lauf  17,8  „ 

Schnabel  18,7  „ 
Die  Hauptfarbe  ist  ein  helleres  Roth,  stellenweise  mit  aschgrauem, 
gelblichem  und  grünlichem  Anflug,  dunkler  über  den  Rücken  wo  die 
Federn  noch  braune  Schaftflecke  und  grünliche  Säume  haben,  ein- 
farbig und  leuchtend  über  dem  Schwanz  und  an  diesem  olivgrüne 
schmale  Säumung,  in  den  weiss  und  braun  gefleckten  Afterfedern 
stellenweise  rothe  Zeichnung,  zwischen  den  Füssen  eine  grössere 
rein  weisse  Stelle.  Hienach  kommt  C.  curvirostra  auch  in  Japan 
so  klein  vor,  dass  man  ohne  Vaterlandsangabe  bei  diesem  Stück  in 
Zweifel  sein  müsste,  ob  C.  americana  oder  C.  himalai/ana  oder  C. 
alhiventris  vorliegt:  für  C.  leucoptera  fehlen  nur  die  Binden. 

Der  weissbindige  Kreuzschnabel  kann  seine  jetzige  Artberech- 
tigung eigentlich  nur  damit  beweisen,  dass  beim  Kiefern-  und  beim 
Fichtenkreuzschnabel  solche  Flügelzeichnung  in  deutlicher  Weise 
nicht  vorkommt;  die  Grösse  kann  hiebei  nur  wenig  in  Betracht  kom- 
men, da  in  seiner  Heimat  die  bindenlosen  Vögel  ebenfalls  kleiner  sind. 
Etwas  schwerer  fällt  es  dem  Kiefernkreuzschnabel  sein  Recht 
der  Eigenart  abzusprechen,  übersehen  darf  man  aber  auch  hier  nicht, 
dass  die  Eier  unserer  beiden  Arten  in  den  Extremen  übereinstimmen, 
und  dass  es  auch  bei  ihm  schwächere  Schnäbel,  sowie  geringere 
Körpergrössen  giebt.  Der  alte  Brehm  hat  sich  da,  ehe  er  seine 
Unterarten  schuf,  mit  Bastardkreuzung  zwischen  Kiefern-  und  Fichten- 
kreuzschnabel geholfen.  Bonaparte  und  Schlegel  sagen,  man  finde, 
wenn  auch  selten,  Vögel  mit  viel  schwächerem  Schnabel  und  einer 
Grösse,  die  etwas  hinter  den  gewöhnlichen  Maassen  zurückbleibe, 
so  dass  ein  Übergang  von  einer  Art  zur  andern  zu  bestehen  scheine; 
man  werde  aber  finden,  dass  der  „grand  Bec-croise"  immer  einen 
gedrungeneren  und  namentlich  in  den  Spitzen  weniger  verlängerten 
Schnabel  habe.  Deutsche  Exemplare  giebt  es  genug,  bei  denen  man 
zweifelhaft  wird,  wohin  sie  stellen,  nur  kommen  solche,  weil  nicht 
typisch,  meist  nicht  in  den  Handel. 

Der  ursprüngliche  Zusammenhang  aller  jetzt  unterschiedenen 
Formen  wird  kaum  angefochten  werden  können.  Schon  die  geo- 
graphische  Verbreitung   weist    auf  einen   solchen    hin.     Ringsherum 


-     250     — 

unter  dem  Nordpol,  sofort  mit  Beginn  der  eigentlichen  Waldregion 
lebt  die  Hauptmasse  und  wo  die  grösate  Häufigkeit  ist,  da  pflegt 
man  die  ursprüngliche  Heimat  anzunehmen.  Winterliches  Singen, 
keine  Scheu  vor  rauhestem  Wetter  bei  der  Brut  und  auch  geringe 
Scheu  vor  dem  Menschen  geben  dem  Vogel  einen  arctischen  Cha- 
racter.  Nur  die  drei  in  den  hohen  Norden  hinaufreichenden  Conti- 
nente  besitzen  ihn  deshalb  und  soweit  diese  Vögel  in  allen  dreien 
bis  ins  Mittelgebiet,  ja  oft  recht  weit  südwärts  sich  vorgeschoben 
haben,  sind  sie,  abhängig  von  ihrer  ausschliesslichen  Nahrung,  hohen 
Waldgebirgen  oder  auch  sehr  ausgedehnten  Nadelholzforsten  der 
Ebene  gefolgt.  In  der  Pflanzenwelt  haben  wir  hiefür  ein  Analogon. 
Viele  circumpolare  Pflanzen  des  arctischen  Gebiets  bewohnen  gleich- 
zeitig unsere  alpinen  Gebirge  oder  auch  Torfmoore;  sie  sind  aus 
eisigen  Tagen  hier  haften  geblieben  als  bei  wärmer  gewordenem 
Clima  eine  üppigere  Vegetation  in  die  ihr  günstigen  Lagen  einzog. 
Man  könnte  deshalb  vielleicht  auch  annehmen,  dass  ebenso  die 
Kreuzschnäbel  erst  durch  veränderte  Verhältnisse  mehr  nach  Norden 
.gedrängt  worden  seien  und  südliche  Reste  nur  da  verblieben,  wo 
Gebirg  und  Nadelwald  ihnen  die  Heimat  erhielt.  So  wie  so  kommt's 
-  auf  das  Gleiche  heraus  und  in  beiden  Fällen  besteht  die  Berechtigung 
zur  Annahme  einer  gewissen  Beständigkeit  von  einzelnen  Rassen- 
Unterschieden  an  extremen  Wohnplätzen.  Ebendeshalb  durften  auch 
die  für  die  beiden  anderen  Continente  aufgestellten  Unterscheidungen 
hier  nicht  völlig  ignorirt  werden. 

Zu  besserer  Übersicht  fügen  wir  den  Versuch  einer  Stammtafel  bei. 


mexicana  Strickl, 


curvirostra  halearica 

V.    HOM. 


alhiventris  Swn. 


americana  Wils.     cMrl'iros^rrt  L.  typica.  liimalayana'S.O'DGii. 


pityo])sittacus  Bechst. 
(major). 


curvirostrae 
(mediae) 


leucoptera  Gm.   hifasciata  Brhm. 
America.  Asia  (Europa). 


albifasciatae 
(minores). 


rostra  ruhrifasciata 
Brhm. 


Crucirostrn 
(variabilis),  Europa,  Asia,  America. 


—     251     -- 

Hienach  würden  aus  einem  alle  Eigenschaften  vereinigenden 
Urstamm  drei  Hauptstämme  abzweigen :  1 .  der  Stamm  des  Kiefern- 
kreuzschnabels ohne  weitere  Fortsetzung,  2.  der  mittlere  der  Fichten- 
kreuzschnäbel überhaupt  und  3.  der  Stamm  aller  weissbindigen  Kreuz- 
schnäbel. Diese  drei  Stämme  mögen  jetzt  als  distincte  Arten 
gelten.  Der  mittlere  Hauptstamm  theilt  sich  in  drei  Zweige,  einen 
americanischen ,  einen  typischen ,  vorzugsweise  europäischen  und  in 
einen  asiatischen;  jeder  derselben  hat  einen  Seitenzweig  in  beschränk- 
terem Gebiet.  Der  Stamm  der  weissbindigen  Vögel  spaltet  sich  in 
zwei  Aste ,  einen  asiatischen  (im  Westen  die  europäische  Gränze 
überschreitend)  und  einen  americanischen ;  von  diesem  würde,  wenn 
wir  uns  an  Bonaparte  halten  ,  ein  japanischer  Zweig  wieder  nach 
Asien  herüber  greifen,  etwa  so  wie  die  rothbindige  Spielart  des 
gemeinen  Europäers  den  Stamm  der  Weissbindenvögel  kreuzt.  Nach 
allen  Richtungen  scheinen  mir  die  Verbindungen  hergestellt  und 
wenn  auch  die  Verzweigungen  nicht  immer  gleichwerthig  sind ,  so 
Avüsste  ich  aus  der  Literatur  die  ursprüngliche  Zusammen- 
gehörigkeit doch  kaum  deutlicher  darzustellen. 

Die  Autoren  des  Alterthums  scheinen  den  Kreuzschnabel  nicht 
gekannt  zu  haben  obgleich  man  früher  aus  Phnius  die  Namen  Trogon 
und  Chlor ion  hieher  bezog;  unter  dem  letzteren  ist  sicher  der  Firol 
verstanden.  Ob  er  einst  im  classischen  Gebiet  seltener  w^ar  oder  nur 
übersehen  wurde,  wird  schwer  zu  entscheiden  sein.  Er  kommt  z.  B. 
in  Spanien  vor;  A.  Brehm  traf  Exemplare  („C.  curvtrostra,  ruhri- 
fasciota ,  paradoxa'^)  auf  dem  Markt  zu  Madrid  und  nach  Bolle 
findet  er  sich,  von  den  pyrenäischen  Bergen  herabgehend,  in  manchen 
Jahren  in  Menge  in  Catalonien. 

Wenn  Erhard  (Naumannia  1858,  p.  24)  die  gewöhnliche  sowohl 
als  die  grössere  dickschnäbelige  Type  auf  der  Cycladen-Insel  Syra 
als  Esswaare  zu  Markt  gebracht  fand,  so  war  diess  im  sehr  strengen 
Winter  1855,  wo  viele  Vögel  ausnahmsweise  weit  nach  Süden 
gegangen  sind.  Weder  v.  d.  Mühle  (1844)  noch  Lindermayer  (1860) 
trafen  Kreuzschnäbel  in  Griechenland,  doch  behauptet  Letzterer, 
Dr.  Krüper  habe  ein  Nest  auf  dem  Parnass  gefunden.  Auf  eine  an 
diesen  nach  Athen  gestellte  Anfrage  berichtigt  diess  Krüper  dahin, 
dass  der  Kreuzschnabel  allerdings  im  Parnass  zweifelsohne  brüte, 
dass  aber  überhaupt  noch  niemals  ein  Nest  mit  Eiern  oder  Jungen 
in  Hellas  gefunden  sei.  „Dass  die  Kreuzschnäbel  auch  im  Taygetos 
brüten  —  schreibt  er  mir  4.  Mai  1886  —  beweist  ein  junger  Vogel, 
den  der  seel.  Schrader  in  meiner  Gegenwart  im  Frühjahr  1861  dort 


--     252     — 

erlegte.  Ziemlich  häufig  traf  ich  den  Kreuzschnabel  hoch  in  den 
Bergen  bei  Smyrna  (Kleinasien) ,  am  häufigsten  jedoch  am  Olymp 
oberhalb  Lithochoron.  ümherstreifende  sah  und  hörte  ich  mehrmals 
am  Fuss  des  fast  baumlosen  Hymettus  und  zuweilen  in  den  hohen 
Cypressen  von  Athen ;  nicht  selten  werden  hier  Kreuzschnäbel  ge- 
fangen und  in  Käfigen  gehalten." 

A.  VON  HoMEYER  Spricht  von  italienischen  Kreuzschnäbeln,  auf 
deren  Schnabelform  die  Pinie  als  dortige  Character-Kiefer  werde  in- 
fluirt  haben.  Nach  den  älteren  Schriftstellern  lässt  sich  über  stabi- 
les Vorkommen  von  Kreuzschnäbeln  in  Italien  nichts  feststellen.  Erst 
Savi  will  den  ,,Crociero"*  nistend  im  Toscanesischen  beobachtet  haben, 
wie  diess  auch  Bonomi  aus  dem  südUchen  Tirol  (,,Trentino")  ver- 
muthet  und  Doderlein  aus  dem  Modenesischen  versichert.  E.  H. 
GiGLiOLi  (Avifauna  italica,  188B,  p.  42)  nimmt  die  alpinen  Theile 
Italiens ,  Appenninen  und  Corsica ,  als  Wohnplätze  für  sicher  an, 
führt  eine  lange  Reihe  von  Trivialnamen  auf  und  verzeichnet  Fälle 
vereinzelten  oder  schaarenw eisen  Auftretens  von  den  nördlichen  Pro- 
vinzen bis  herab  nach  Sicilien  und  Malta,  wobei  allerdings  Wander- 
monate wie  Juni  bis  August  vorwiegen.  Auch  Med.  R.  Dr.  Hedixger 
theilte  mir  mündlich  mit,  dass  er  i.  J.  1875  Kreuzschnäbel  in 
den  pistojischen  Appenninen  im  Abetino  bei  Bosco  lungo  beobachtet, 
1881  auf  dem  Pass  zwischen  Bergamo  und  Dezzo  dort  gefangene 
gesehen  und  im  März  1886  zwischen  San  Remo  und  Taccia  die 
Vögel  in  Fichten  deutlich  gehört  habe. 

Conrad  Gesner  (Vogelbuch,  ed.  Zürich  1557  u.  1581,  fol.  167; 
latein,  Ausg.  Eist.  Anim.  Francof.  1585,  III,  p.  592)  ist  der  Erste, 
bei  dem  wir  etwas  Positives  finden.  Er  kennt  den  Vogel  gut  und 
nennt  ihn  Krützvogel  oder  Krummschnabel,  curvirostra,  auch  Krinitz, 
Loxia  (von  loiög,  seitwärtsgebogen) ;  illyrisch  heisst  er  Krziwonoska 
(nasicurva).  Er  ist  bei  Bern  und  noch  mehr  bei  St.  Gallen  häufiger 
als  bei  Zürich ,  sehr  veränderlich  im  Kleid  und  nistet  im  Januar 
oder  Anfangs  Februar  in  Tannen,  mit  deren  Samen  er  auch  seine  Jun- 
gen füttert.  Gesner  hat  ihn  im  Käfig  gehabt,  erwähnt  seine  Zutrau- 
lichkeit, sein  Klettern  und  den  Gesang.  Damals  glaubte  man,  wohl 
des  krummen  Schnabels  wegen,  er  verzehre  auch  Fleisch,  namentlich 
dasjenige  Hingerichteter:  „als  ich  verston  so  gläbt  er  auch  der 
todten  Schelmen,"   „audio  eam  cadaveribus  quoque  vesci."  —  Lässt 

*  Crosicro  bei  Naumann  ist  offenbar  Druckfehler  hiefiir.  Die  nicht  minder 
häufige  Bezeichnung  Crosnobel  ist  sicherlich  Verketzerung  vom  deutschen  Kreuz- 
schnabel. 


—     253     — 

doch  eine  schöne  christliche  Sage  diesen  Vogel  auf  Golgatha  erscheinen, 
um  aus  dem  Kreuze  Jesu  die  Nägel  zu  ziehen ,  wobei  er  sich  den 
Schnabel  krumm  gebogen.  —  Gesner  hat  eine  verhältnissmässig  gute 
Abbildung  gegeben,  die  in  einem  meiner  Exemplare  in  gleichzeitiger 
Bemalung  grünlichgelb  mit  brauner  Fleckung,  braunen  Flügeln  und 
ebensolchem  Schwanz  erscheint. 

Aldrovandi  (Ornith.,  ed.  Francof.  1610,  p.  426)  sagt,  bisweilen 
erscheine  der  Vogel  bei  Genua;  er  hat  auch  während  dem  bekannten 
Concil  (1545 — 63)  1  St.  aus  Trient  erhalten ;  hier  handelt  es  sich  also 
um  Exemplare  aus  den  Alpen.  T.  14  hat  der  gelehrte  Bologneser 
Professor  zwei  ganz  geringe  Abbildungen  selbst  gefertigt,  die  Gesner'- 
sche  schlecht  copirt  und  im  Übrigen  von  diesem  vorzugsweise  ab- 
geschrieben. 

WiLLUGHBY  (Ornith.,  Lond.  1676,  p.  181,  T.  44)  bildet  gleich- 
falls den  „Shel- Apple  or  Cross-Bill"  ab,  beschreibt  ausführhch  einen 
Herbstvogel  und  nennt  als  Vaterland  Deutschland,  Bayern,  Schwaben, 
die  österreichischen  Alpen  (Noricum) ;  in  Nürnberg  sah  er  ihn  mehrfach 
im  Käfig.  Nach  England  fliegen  sie  zuweilen  in  grosser  Anzahl  zu 
und  plündern  namentlich  im  Westen  die  Obstgärten ;  sie  sollen 
nehmhch  zum  grossen  Schaden  der  Gärtner  die  Aepfel  spalten  (?) 
um  zu  den  Kernen  zu  gelangen*. 

Barrere  unterschied  (1741  u.  1745)  für  Südfrankreich  nach  der 
Färbung  eine  Loxia  nigricans  und  eine  L.  pyrenaica,  welche  Brisson 
(Ornith.  1763)  als  L.  versicolor  und  als  Varietät  rufescens  citirt. 

Linne  (Syst.  nat.  1776,  p.  30)  kennt  nur  erst  eine  einzige  Kreuz- 
schnabelart ,  welche  er  im  Genus  Loxia  als  curvirostra  zwischen 
Kernbeisser  (coccothraustes)  und  Gimpel  (pyrrhula)  stellt;  in  der  Fauna 
suecica  (1746)  hatte  er  sie  Loxia  rubra  rostro  forficato  genannt. 

Klein  (Historie  d.  Vög.  1760)  nennt  den  Kreuzschnabel  oder 
Grünitz  Coccothraustes  curvirostra  —  in  früherem  Werke  avis  cruci- 
fera  s.  cruciata  ■ —  und  erklärt  das  Brüten  im  Winter  kurzweg  für 
eine  Fabel. 

Otto  (Naturforscher  XH,  1787,  p.  92  u.  Übersetz,  v.  Büffon's 
Vögeln,  X,  38)  hat  angeblich  zuerst  vom  gewöhnlichen  den  „grossen 
lü-ummschnabel  oder  Tannenpapagey"  abgetrennt,  welchen  dann  J.  F. 
Gmelin   als  Varietät  Loxia  major   in's  LiNNfi'sche  Natursystem  (edit. 


*  Nach  Beseke  u.  A.  spalten  sie  auch  Haselnüsse;  abgesehen  davon,  dass 
ihr  Gebiet  nicht  dasjenige  der  Haselnuss-Sträucher  zu  sein  pflegt,  genügt  die 
Weite  des  hiefür  sicher  zu  schwachen  Schnabels  nicht  um  eine  Frucht  von  dieser 
Grösse  aufzunehmen. 


—     254     — 

XIII,  I,  p.  843)  aufgenommen  hat.  Den  deutschen  Namen  Tannen- 
papagey  hatte  aber  schon  früher  Jon.  Sam.  Halle  (Vogelgesch.,  BerUn 
1760,  p.  405)  geschaffen.  Meist  ist  übersehen,  dass  schon  Pennant 
(Brit.  Zool.  1776,  I,  p.  115)  die  „perrara  varietas  major"  unter- 
schieden hatte;  er  bildet  sie  ab  und  characterisirt  den  Schnabel  gut; 
beide  Geschlechter  hatte  er  in  England  aus  Shropshire  (Salopia) 
erhalten.  Auf  Borkhausen's  Vorschlag  (Rhein.  Magaz.)  hat  dann 
Bechstein  (ornith.  Taschenbuch  1803)  ihn  „scheerenschnäbeliger 
Kreuzschnabel,  Loxia  pityox^sittaciis  genannt. 

Latham  unterschied  den  „White  winged  Cross-Bill"  aus  America, 
welchen  dann  Gmelin  a.  a.  0.  als  Loxia  leucoptera.  er  selbst  aber 
(Index  ornithol.  1790,  I,  p.  371)  als  L.  falcirostra  aufführt.  Auch 
Pennant  (Arct.  Zool.  übers,  v.  Zimmermann  1787,  11,  p.  323)  weiss 
bereits,  dass  die  americanische  Art  von  der  europäischen  sich  durch 
geringere  Grösse  und  zwei  weisse  Querstriche  über  die  Flügel  unter- 
scheidet, sie  bewohnt  nach  ihm  die  nördlichen  Breiten  von  der 
Hudsonsbay  bis  Neufundland  und  er  bemerkt  treffend,  dass  ein  von 
Edwards  aus  Grönland  aufgeführtes  Exemplar  in  jenes  baumlose 
Land  nur  verschlagen  sein  könne. 

Als  im  Sommer  (Juli  und  August)  1826  weissbindige  Kreuz- 
schnäbel zahlreich  in  Deutschland  erschienen,  wurden  sie  als  eine  neue 
Art  angesprochen,  welche  Gloger  (Verhandl.  d.  Leop.  Carol.  Acad.  XIV, 
p.  919  u.  Isis  1828,  p.  441)  Loxia  taenioptera,  C.  L.  Brehm  (Isis  1828, 
p.  820)  L.  hifasciata  benannten.  Gloger  hat  später  (Schles.  Wirbelth.- 
Fauna  1833,  p.  34)  seine  Vermehrung  der  Nomenclatur  mit  Lathams 
schlechter  Beschreibung  entschuldigt.  Brehm  dagegen  ist  stets  dabei 
geblieben,  neben  dem  LATHAM-GMELm'schen  Vogel  sowohl  seine  neue 
als  auch  Gloger's  Art,  beide  von  einander  getrennt,  aufrecht  zu 
erhalten.  Jenen  Americanern  wurde  früher  eine  Grösse  nicht  viel 
über  derjenigen  des  Distelfinken  zugeschrieben,  während  sie  von  der 
Schnabelspitze  bis  zum  Schwanzende  nur  ungefähr  \"  kürzer  als 
Fichtenkreuzschnäbel  sind;  diess  hat  vorzugsweise  Gloger  zur  neuen 
Benennung,  die  vor  der  BREHM'schen  ein  kürzestes  Prioritätsrecht 
hätte,  veranlasst  und  Naumann  hat  noch  i.  J.  1824  die  wenigen 
ihm  bis  dahin  vorgekommenen  weissbindigen  Vögel  aus  diesem  Grunde 
und  weil  die  richtigen  für  ausschhessliche  Americaner  galten,  als 
Varietät  zur  gemeinen  Art  gezogen  und  einen  jungen  Vogel  unter 
diesen  auch  abgebildet. 

Die  Kreuzschnäbel,  welche  als  nicht  nützlich  auch  jetzt  noch 
meist   ausserhalb    des  Vogelschutzes    stehen ,    sind    noch   immer   be- 


-     255     — 

liebte  Stubenvögel  vorzugsweise  der  Gebirgsgegenden  und  der  gemeine 
Mann  glaubt  heute  noch,  dass  sie  Krankheiten  von  den  Zimmergenossen 
an  sich  ziehen.  In  der  guten  alten  Zeit  der  Vogelstellerei  diente  ihr 
wohlschmeckendes  Fleisch  als  Leckerbissen;  Beckstein  giebt  genaues 
Recept,  wie  man  sie  abgebrüht  und  über  dem  Rost  gebraten  mit  ver- 
schiedener Würze  und  Essig  in  kleinen  Fässchen  einmachen  soll. 

Nachdem  über  die  Arten  selbst  das  vorläufig  Nöthigste  gesagt 
und  aus  der  reichen  Literatur  Allgemein-Historisches  vorangeschickt 
ist,  gehen  wir  zu  den  einzelnen  Typen  über,  wie  sie  für  unser  vater- 
ländisches Gebiet   sich  darstellen,    wobei   wir  weitere  geschichtliche 

Daten  abermals  nicht  vermeiden  können. 

» 

1.   Der  gemeine  oder  Fichten-Kreuzschnabel,   Crucirostra 

curvirostra  Cuv. 

—  ahietina  Mey.  —  vulgaris  Daud.  Loxia  curvirostra  Gm.  L. 
—  nigricans  et  pyrenaica  Barr.  —  versicolor  Briss.  —  crucifcra 
Schrank.  —  crucirostra  Pall.  —  vulgaris  Ranz.  Coccothraustes 
curvirostra  Klein.  Curvirostra  (Scop.)  pindarum  (sie!)  C.  L.  Brhm. 
Loxias  MöHR. 

Abbildungen:  Seligmann's  Vögel  VIII,  Nürnb.  1776,  T.  93 
(nach  Edwards,  Glean.  T.  803;  roth  und  gelb,  angebl.  Pärchen,  aus 
der  Umgebung  von  London).  Buffon,  T.  218,  f.  2.  Beckstein,  N. 
V.  D.  (edit.  2)  II,  T.  32,  f.  1.  Naumann,  V.  D.  IV,  T.  HO,  f.  1—3 
(alte  Ausg.  I,  T.  9,  f.  21—23).  Gould,  Birds  of  Eur. ,  T.  202, 
Bonaparte  u.  Schlegel,  Monogr.  des  Loxiens,  T.  2 — 5  (rothes  und 
brillant  gelbes  Männchen,  grünes  Weibchen,  grauer  junger  Vogel, 
rothes  Männchen  aus  Japan,  Paar  mit  röthlichen  Flügelbinden). 

Die  Grösse  ist  eine  mittlere ,  etwa  diejenige  der  Feldlerche 
oder  des  Gimpels.  Der  Schnabel  ist  nur  massig  stark,  etwas  ge- 
streckt und  sanft  gebogen,  wobei  die  Spitze  der  unteren  Hälfte  den 
First  der  oberen  überkreuzt.  Einer  ausführlichen  Beschreibung  der 
Färbung  bedarf  es  nach  dem  bereits  Vorausgeschickten  —  und  wir 
haben  in  Vielem  zurückzuverweisen  —  bei  der  Variabilität  und  dem 
Ineinandergreifen  der  Colorite  an  diesem  Orte  nicht.  Vom  Schwarz- 
wald habe  ich  mir  alte  Männchen  im  März  vorwiegend  als  dunkel 
und  heller  carminroth,  pommeranzenroth  und  dreifarbig  in  Roth, 
Gelb  und  Grün  notirt. 

Die  Verbreitung  erstreckt  sich,  wie  früher  bemerkt,  aus  der 
Polarregion  über  Scandinavien  und  Russland;  v.  Middendorbf 
fand  in  Sibirien  diese  Art  den  Jenissej  entlang  bis  zum  62"  n.  Br., 


—     256     — 

dann  aber  nicht  mehr  und  ebensowenig  im  südösthchen  Theil.  Wie 
weit  der  Fichtenkreuzschnabel  nach  Süden  sich  vorschiebt,  ist  be- 
reits gesagt.  BiELZ  (Fauna  v.  S.  1856,  p.  88)  nennt  ihn  für  Sieben- 
bürgen, wo  er  sächsisch  Kretzschnuovel,  ungarisch  Keresztorru  — 
madilr  heisse.  Für  England  gilt  er  als  Brutvogel,  für  den  grössten 
Theil  Frankreichs  und  für  die  Niederlande  ist  er  nur  seltener 
Gast.  Abgesehen  von  seinem  Vorkommen  in  Asien  (bis  Japan)  be- 
wohnt er  ferner  vorzugsweise  die  deutschen  Mittelgebirge, 
besonders  die  Nadelwaldungen  von  Schlesien,  das  Fichtelgebirge  und 
den  Böhmer- Wald,  das  Erzgebirge,  den  Harz  (December  1883  Nester 
am  Brocken),  den  Thüringerwald,  Schwarzwald,  das  bayrische 
Gebirge,  Tirol,  Steiermark  u.  s.  w. ,  die  Schweiz,  bis  zu 
den  Pyrenäen. 

In  Schlesien  besucht  er  nach  Gloger  die  Fichten-  und  Tannen- 
wälder fast  jeden  Sommer,  manchmal  in  grosser  Anzahl,  in  samen- 
reichen Jahren  zu  jeder  Zeit  und  geht  bis  auf  den  Riesenkamm 
(4500').  Nach  den  Jahresberichten  der  Beobachtungsstationen  der 
Vögel  Deutschlands  1884  — 1886  ist  der  Fichtenkreuzschnabel  im 
Königreich  Sachsen  z.  B.  Brutvogel  bei  Zittau,  Mylau  und  im  oberen 
Vogtland ;  ebendort  sind  aus  Sachsen-Gotha  viele  Orte  angegeben, 
wo  er  als  Strich-  und  Standvogel  (meistens  nistend)  vorkommt,  wie 
er  auch  aus  Nassau  als  sparsamer  Brutvogel  bei  Rinteln  genannt 
ist.  Jäckel  (Corr.-Bl.  d.  z.-m.  V.  Regensb. ,  1850,  p.  59;  1851, 
p.  79)  nennt  ihn  von  Aschaffenburg,  aus  dem  Frankenwald  und  aus 
den  oberbayrischen  AVäldern  bei  Berchtesgaden ,  Schwabhausen, 
Puschlagen  und  fand  ihn  im  Winter  1849/50  auf  dem  ganzen 
Reichswald  zahlreich  vorhanden,  bei  Nordhalben  (Oberfranken)  nur 
in  ganz  kleinen  Flügen.  Neben  vielen  weiteren  Notizen  aus  deutschem 
Gebiet  sind  in  den  Jahresberichten  der  Beobachtungsstationen  auch 
solche  aus  Bayern ;  wir  heben  aber  nur  eine ,  die  Fortpflanzung 
berührende  Beobachtung  von  Heller  (1886,  p.  523)  heraus.  Fast 
jedes  Jahr  kommt  der  Fichtenkreuzschnabel  in  dem  Uferwalde  des 
Lainflusses  beim  Kochelsee  in  Oberbayern  vor  und  nistet  dort  wenn 
die  vollauf  beasteten,  fetten  Fichten  reichlich  Zapfen  tragen.  Am 
10.  August  1886  wurden  30 — 35  m.  hoch  je  auf  einem  dicht- 
benadelten  Ast  zwei  Nester  mit  dem  Opernglase  entdeckt  und  flogen 
die  Alten  fortwährend  ab  und  zu ;  am  5.  September  waren  die 
Jungen  ausgeflogen  und  wurden ,  in  den  Wipfeln  krabbelnd  und 
flatternd,  unter  Piepen  und  Locken  geäzt,  wobei  sich  herausstellte, 
dass    es   3    oder   4   Familien    mit  je    4    oder   5  Jungen   waren.     In 


~     257     — 

Südtirol  sah  ich  häufig  Kreuzschnäbel  bei  Meran  in  kleinen  Käfigen 
vor  den  Fenstern  hängen.  P.  Blasius  Hanf*,  ein  practischer  Orni- 
thologe  ersten  Rangs  und  mitten  unter  den  Kreuzschnäbeln  daheim, 
berichtet  (Vögel  des  Furtteichs,  Graz  1883,  I,  N.  115  u.  Nachtr. 
1887  in  d.  Mitth.  des  nat.  V.  f.  Steiermark)  nach  mehr  als  vierzig- 
jährigen Beobachtungen  über  das  Vorkommen  in  Obersteiermark 
und  constatirt  auch  dort  die  Abhängigkeit  der  Nistreviere  vom  je- 
weiligen Samenreichthura  der  Fichten  und  Lärchen.  So  fehlten  in 
seiner  Nähe  Brutvögel  zwischen  den  Wintern  1851/52  und  1871/72 
völlig,  während  sie  in  günstigen  Zeiten  in  Menge  in  der  Bergregion 
leben.  Für  Graubündten  (Jahresb.  d.  nat.  G.  Gr.  VIII  u.  IX) 
bemerkt  v.  Salis,  dass  in  den  dort  aus  Kiefern  und  Tannen  ge- 
mischten Wäldern  diese  Art  mit  der  nächsten  zugleich  lebe ,  und 
Conrado-Baldenstein  sagt,  in  strenger  Winterszeit  verlassen  sie  die 
dortigen  Berge  fast  gänzlich.  Letzterer  hat  im  April  im  Nestbau 
begriffene  Weibchen  angetroffen,  andere  erlegt,  die  ein  reifes  Ei  im 
Legsack  hatten ,  und  flügge  Junge  im  August  aus  den  Nestern  ge- 
nommen. 

Der  Fichtenkreuzschnabel  ist  gleich  seinen  Verwandten  bald 
mehr  Stand-,  bald  mehr  Strichvogel  und  ein  unstäter  Wanderer, 
je  nachdem  die  Nadelholzzapfen  gerathen  sind ;  er  baut  deshalb 
die  Jungenwiege  nicht  allein  im  Winter,  sondern  nöthigen 
Falls  im  normalen  Frühling ,  ja  bis  weit  in  den  Sommer  hinein, 
gerade  wie's  ihm  bequem  ist.  Ein  Wanderjahr  ist  das  jüngst 
abgelaufene  gewesen.  In  vielen  Theilen  Deutschlands  traten  im 
Sommer  1888  die  Kreuzschnäbel  massenhaft  auf;  nach  v.  Tschüsi- 
ScHMiDHOFFEN  Zeigten  sich  in  den  Wäldern  bei  Hai  lein  schon  An- 
fangs Juli  durchziehende  Vögel  weit  häufiger  als  sonst,  der  Haupt- 
durchzug dauerte  ungefähr  vom  10.  Juli  bis  8.  August:    meist  vom 


*  Blasius  Hanf,  Benedictiner-Pater  von  Kloster  St.  Lambreclit,  Pfarrer 
zu  Mariahof  bei  Neumarkt  in  Obersteier,  gehört  unter  den  deutschen  Ornithologen 
nach  Jagdeifer,  Scharfblick  und  Erfahrung  unstreitig  zu  den  hervorragendsten 
Practikern;  seine  Veröffentlichungen  in  den  Mittheilungen  des  naturw.  Vereins  f. 
Steiermark  beweisen  diess.  Bei  grosser  Gastfreundschaft  und  selbstloser  Gefällig- 
keit hat  er,  ein  ächter  Sohn  seiner  Berge,  die  Erforschung  der  Natur  und  die 
Pflichten  seines  Amts  stets  zu  vereinigen  verstanden.  Leider  ist  der  liebenswür- 
dige alte  Herr  am  Ende  seiner  Thätigkeit.  Schon  im  Herbst  1886  klagt  der  da- 
mals Achtundsiebzigjährige  in  seinen  Briefen  über  Abnahme  der  Kräfte,  1887  fügt 
er  einer  Wiedmung  mit  zitternder  Schrift  den  Vermerk  bei ,  seine  rechte  Hand 
sei  gelähmt;  im  Juni  1888  sandte  er  nach  schweren  Schwindelanfällen  seine  Grüsse 
durch  fremde  Hand  und  erst  im  März   1889  wieder  directe  Lebenszeichen. 

Jahreshefte  il.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkuude  in  Württ.    1889.  17 


—     258    — 

frühen  Morgen  bis  Mittag  zogen  sie  zu  fünf  bis  über  dreissig  Exem- 
plaren von  S.O.  nach  N.W.  hoch  über  den  Wald,  selten  einfallend, 
da  die  Bäume  wenig  Zapfen  trugen.  Ein  gleich  massenhaftes  Vor- 
kommen zur  selben  Zeit  ist  auch  aus  den  Waldungen  des  Inns- 
brucker Mittelgebirgs  beobachtet,  und  während  in  Helgoland 
Kreuzschnäbel  sich  sonst  nur  ausnahmsweise  und  dann  meist  erst 
im  August  zeigen,  passirten  im  Juni  und  Juli  täglich  Hunderte  die 
Insel.  So  hat  denn  auch  ein  starker  Überflug  nach  England  statt- 
gefunden. 

Württemberg  hat  an  dieser  Art  keinen  Mangel.  Aus  unserem 
Schwarzwald,  von  wo  nur  diese  eine  Form  als  nistend  nachgewiesen 
ist,  habe  ich  einst  grosse  Reihen  erlegter  in  Händen  gehabt  und 
untersucht ,  auch  viele  lebendig  gehalten ,  theils  einst  in  Tübingen 
in  besonderem,  mit  Fichtenbäumchen  besetztem  Zimmer,  theils  hier 
in  grösserem  Vogelhaus  mit  natürlichem  Boden  und  fliessendem 
Wasser;  in  beiden  Fällen  waren  sie  wegen  Bearbeitung  aller  be- 
nagbaren Gegenstände  nicht  jene  angenehmen  Hausgenossen,  die  sie 
im  engen  Bauer  sind ;  Hanfsaraenkost  macht  ihrem  Leben  durch 
Schlaganfälle  leicht  ein  rasches  Ende.  Die  württembergische  Ver- 
einssammlung besitzt  drei  Nester,  vom  23.  März  1879  je  mit  3  Jungen, 
8  und  4  Eiern  von  Stammheim  O.A.  Calw  und  ein  viertes  von 
Bösingen,  15.  Januar  1878,  das  mit  dem  betäubten  Weibchen 
beim  Fällen  einer  Tanne  niederstürzte  und  in  welches  dieses  in  der 
Gefangenschaft  anderen  Tages  ein  Ei  nachlegte !  (Vergl.  Intelligenzbl. 
„aus  den  Tannen",  Altensteig  16.  Jan.  1887.)  Nach  Landbeck  (Syst. 
Übers,  d.  V.  W. ,  1834)  brütet  auf  dem  Schwarz wald  der  Kreuz- 
schnabel „zu  jeder  Jahreszeit",  zieht  im  Juni  gern  in  die  Lärchen- 
wälder und  frisst  zu  dieser  Zeit  auch  die  Raupen  und  Puppen  von 
Schmetterlingen;  Göze  und  Kölreuter  lassen  ihn  sogar  Baumwanzen 
aus  den  Fichtenzapfen  hervorholen  und  Brehm  sagt,  er  reinige  die 
Pflaumenbäume  von  Blattläusen.  Aus  dem  Revier  Kapfenburg 
(O.A.  Neresheim)  kennt  Oberf.  A.  Probst  die  Paarung  im  November, 
im  December  das  Nisten  im  „Stangenholz"  und  Junge  schon  in  diesem 
Monat.  Ebenderselbe  traf  einen  grösseren  Flug  am  29.  October 
1886  bei  Weissenau  und  am  15.  desselben  Monats  Hessen  im  Tannen- 
wäldchen des  Schlossgartens  von  Wart  hausen  mehrere  ihren  nicht 
zu  verkennenden  Lockruf  von  den  hundertjährigen  Lärchen  herab 
hören;  eben  hier  hat  i.  J.  1888  meine  Tochter  Elisabeth  am 
27.  Juni  15—20  St.,  10.  Juli  12  St.,  25.  Juh  im  Garten  und  in 
der   Umgebung    noch   viele   und  Tags    darauf   ein  Paar   beobachtet, 


—     259     — 

-wie  es  ein  Junges  aus  dem  Kropf  fütterte.  Zur  gleichen 
Zeit  erschienen  Kreuzschnäbel  auch  häufig  im  Schlossgarten  von 
Eybach  bei  Geislingen ,  wo  am  20.  Juli  2  St.  zur  Bestätigung  ge- 
schossen und  zwei  Tage  später  von  derselben  Beobachterin  15  St. 
gezählt  wurden. 

Was  nun  Oberschwaben  anbelangt ,  so  bin  ich  der  Ge- 
wissheit, dass  hier  im  Gebiet  der  ausgedehnten  Nadelwälder,  ganz 
unzweifelhaft  mindestens  im  württembergischen  Allgäu,  die  Fort- 
pflanzung gar  nicht  selten  stattfindet.  Wenn  Freifrau  von  Ulm- 
Erbach  (Monatschr.  z.  Schutz  d.  Vogelw. ,  1886 ,  N.  3)  Kreuz- 
schnäbel nur  in  strengen  Wintern  für  Erb  ach  bei  Ulm  angiebt,  so 
trifft  diess  für  andere  Theile  Oberschwabens  keineswegs  zu  und 
Avürde  ein  Nisten  im  Gebiet  überhaupt  eher  bestätigen.  Bei  Wart- 
hausen traf  ich  Kreuzschnäbel  wiederholt  im  Herbst  in  kleinen 
Flügen  im  Revier  „Kohlweiher" ,  wo  sie  familienweise  aus  dem 
Tannenforst  auf  Erlen  oder  in  den  Disteln  am  Weg  oder  zur  Tränke 
in  einer  Pfütze  einfallen ;  genau  an  dieser  Stelle  machten  am  Tage 
vor  Weihnachten  1883  einige  Stücke  sich  einem  meiner  Söhne  da- 
durch bemerklich ,  dass  sie  von  einer  hohen  Fichte ,  unter  welcher 
er  angestanden  war,  benagte  Zapfen  herabfallen  Hessen;  ein  Schuss 
brachte  sie  soweit  in  Bewegung,  dass  sie  erkannt  und  3 — 4  St. 
(vielleicht  zwei  gepaarte  Paare?)  gezählt  werden  konnten.  Bei 
Schloss  Zeil  O.A.  Leutkirch  im  Allgäu  erschienen  im  guten 
Fichtensamenjahr  1878/79  zuerst  ein  Paar  Kreuzschnäbel  am  2.  No- 
vember 1878,  dann  zwei  Paare  am  21.  d.  M. ;  am  19.  März  1879 
kamen  zwei  Alte  und  elf  flügge  Junge,  am  9.  April  vier  alte  Vögel 
mit  neunzehn  Jungen ;  bis  19.  April  wurden  sie  genau  beobachtet, 
indem  alle  Tage  6 — 20  St.  an  die  Schlossmauern  anflogen,  um  dort 
den  Salpeter  abzupicken.  Vom  August  an  und  auch  im  Herbst 
wurden  sie  nicht  mehr  gesehen.  Diese  Beobachtung  (Graf  Carl 
VON  Waldbürg-Syrgenstein  in  lit.)  beweist  ein  Nisten  in  jener  Gegend 
evident,  denn  zwischen  dem  Erscheinen  gepaarter  Paare  im  November 
und  den  von  einzelnen  Alten  geführten  Jungenflügen  im  März  und 
April  liegen  genau  die  normal  gewöhnlichsten  Nistmohate.  Für  das 
hier  beobachtete  Benagen  salpeterhaltiger  Mauern  hat  schon  Pallas 
einen  Vorgang;  er  nennt  die  Kreuzschnäbel  sehr  salzbegierig  (salis 
avidissimae)  und  erzählt,  dass  in  Sibirien  an  der  Kama  die  Knaben 
den  Schnee  in  oft  recht  naiver  Weise  versalzen,  um  dann  die  Vögel 
in  Rosshaarschlingen  darüber  zu  fangen ;  auch  von  der  americani- 
schen  Form  erzählt  Bonaparte  Ähnliches.    Von  Isny  wird  mir  mit- 

17* 


—     260     — 

getheilt,  dass  die  Arbeiter  der  Glashütten  Eisenbach  und  Schmids- 
felden  vielfach  Kreuzschnäbel  im  Käfig  halten  und  zur  Aufzucht 
die  Nester  an  der  Adelegg  aufsuchen,  Aufträge  auf  letztere  sind 
längst  gegeben ,  ein  Resultat  aber  noch  immer  abzuwarten.  Von 
dort  steht  fest,  dass  sie  auf  der  „Schanze'^  brüten  und  das  Nisten 
im  December,  „gegen  Weihnachten"  allgemein  bekannt,  der  Zugang 
zu  den  Nest-Orten  des  hohen  Schnees  wegen  aber  häufig  fast  un- 
möglich ist;  im  November  1886  waren  bei  Eisenbach  noch  keine 
Kreuzschnäbel  sichtbar,  und  man  nimmt  dort  an,  dass  sie  erst  Mitte 
December  unmittelbar  zum  Nisten  eintreffen  (von  Schmidsfeld  und 
Hüttenverw.  Reder).  Bei  Oster hofen  O.A.  Waldsee  hat  Lehrer 
ÜNGER  öfters  Kreuzschnäbel  bemerkt,  z.  B.  1887  am  12.  Januar  — 
also  zur  Nistzeit  —  im  dichten  Hochwald  (700  m.)  8 — 10  Stück 
lockend ,  singend  und  Futter  suchend ,  aber  auch  den  Sommer 
über,  und  er  theilt  mit,  dass  dort  mit  den  Alten  eingefangene 
Junge  im  Käfig  noch  aus  dem  Kopf  geäzt  wurden,  also  wohl  nicht 
von  weit  her  waren. 

Fortpflanzung. 

Verschiedenes  hieher  gehörige  ist  bereits  gelegentlich  erwähnt. 

Zorn  (Petinotheol.  1742,  I,  p.  462,  II,  p.  90  u.  344),  welcher 
auch  sonst  vortreffliche  Beobachtungen  gemacht  hat,  giebt  an,  Ende 
August  1740  seien  die  seit  achtzehn  Jahren  nicht  mehr  gesehenen 
Krummschnäbel  bei  Pappenheim  in  Mittelfranken  angekommen  als 
es  ungemein  viele  Fichtenzapfen  gegeben  habe,  Ende  December  hätten 
sie  sich  aber  verloren.  Dass  Gesner's  Angabe  vom  Brüten  im  Winter 
richtig  sei,  davon  habe  er  sich  überzeugt ;  bei  der  Ankunft  seien  sie 
zu  5 — 15  geflogen,  hätten  sich  aber  gegen  den  December  paarweise 
gesondert;  verschiedene  untersuchte  hätten  dann  die  Testikel  und 
Ovarien  stark  geschwollen  gehabt;  im  Jänner  174.1  seien  sie  zwar 
meist  weggezogen,  doch  seien  einige  Paare  geblieben  und  hätten  da 
genistet;  die  ersten  Jungen  wurden  im  Februar  in  den  Nestern 
gefunden ;    andere   flogen  aber  vielleicht  zum  Theil  schon  früher  ab. 

Frisch  (1734)  führt  Junge  aus  Februar  bis  März  mit  noch 
gelben  Schnabelwinkeln  an ,  lässt  aber  vom  Hörensagen  das  Nest 
mit  Harz  angeklebt  sein.  Hieraus  hat  Halle  (1760)  sogar  eine  völlige 
Harzverkittung  der  Neststoffe  gemacht.  Lässt  doch  Jonston  (um 
1630)  den  Vogel  mit  dem  Schwanz  voran  das  Licht  der  Welt  erblicken, 
weil  sonst  des  Schnabels  Krümme  für  den  Austritt  aus  dem  Ei 
hinderlich  wäre. 


—     261     — 

Pallas  (Zoogr.  ßosso-asiat.  II,  p.  5j  erhielt  ein  Nest  mit  Jungen 
gegen  Ende  Februar  und  sagt,  Steller  habe  im  März  ein  Nest  mit 
Eiern  gefunden ;  im  letzteren  Falle ,  also  wohl  für  Kamtschatka, 
würde  es  sich  jedenfalls  um  die  kleinere  ostasiatisch-americanische 
Form,  wenn  nicht  gar  um  den  weissbindigen  Kreuzschnabel  handeln. 

Med.  Dr.  Hofrath  Friedrich  Christian  Günther  ist  der  erste, 
welchem  wir  einen  sehr  genauen  Bericht  über  Nest  und  Eier  (Natur- 
forscher II,  1774,  p.  66 — 75)  verdanken.  Nachdem  er  früher  immer 
nur  aus  dem  Nest  gefallene  junge  Krünitze  erhalten  hatte ,  wurde 
ihm  am  8.  Januar  1774  bei  fast  ellentiefem  Schnee  ein  Nest  mit  drei 
Eiern  aus  den  Wäldern  bei  Trockenborn  unweit  Kahla  in  Sachsen- 
Altenburg  gebracht.  Am  3.  d.  M.  war  bemerkt  worden  wie  ein 
Krummschnabel  allerlei  Moos  und  dürre  Reiser  auf  eine  gewisse 
Stelle  eines  dickbemoosten  Asts  einer  Tanne  trug;  das  damals  bei- 
nahe fertige  Nest  stand  24  Ellen  hoch  in  guter  Entfernung  vom 
Stamme  mitten  auf  dem  Ast,  auf  und  zwischen  einer  Zwiesel,  von 
welcher  ein  Seitenästchen  mitten  durch  den  Nestboden  gieng  und 
'die  Befestigung  durch  um  dasselbe  herumgelegtes  Baummoos  besonders 
sicherte.  Die  mehr  als  drei  Druckseiten  ausfüllende  Beschreibung 
des  Nests  kürzen  wir  ab :  Seine  Unterlage  besteht  aus  einer  grossen 
Menge  dünner,  meist  dürrer  Reischen  von  der  Roth-  und  Weisstanne  ; 
wenige  noch  vorhandene  grüne  Nadeln  stehen  aus  dem  Moos  hervor, 
in  welches  sie  eingeflochten  sind ;  solche  zarte  Reiser  sind  auch 
aussen  vom  Boden  bis  zum  Rand  theils  in  die  Runde  gel)Ogen, 
theils  fassen  sie  das  Nest  nur  unordentlich  ein;  hierauf  ist  viel 
grünes  Baummoos  (\,Sphagnum  arhoreum'"'')  aufgetragen,  der  Boden 
wohl  2  Zoll  hoch  damit  aufgeführt  und  die  Wände  einen  starken 
Zoll  wie  ein  Filz  verdichtet ;  der  ganze  halbkugelförmige  Napf  ist 
mit  den  zartesten  Spitzen  des  auf  bejahrten  Fichten  und  Tannen 
häufig  wachsenden  weissgrünen  Corallenmooses  (^^Lichen  floridus 
:s.  cinerens  capillaceo  foUo/''  ^  Zoll  stark  dicht  ausgefüttert,  wobei  es 
so  geschickt  in  die  Rundung  gelegt  ist,  dass  die  Innenseite  sich 
glatt  und  weich  anfühlt  und  die  rund  um  den  Rand  des  Napfs  her- 
vorragenden krausen  Spitzen  dem  ganzen  Nest  ein  überaus  angenehmes 
Ansehen  geben;  weder  Haare  noch  Federn  noch  Pflanzenwolle  sind 
vorhanden.  Der  ganze  Querdurchmesser  beträgt  1^  Zoll  rhein.,  der 
Napf  um  2j  Zoll,  die  Dicke  der  Wände,  den  Überzug  mit  Baum- 
reisern eingerechnet,  an  den  meisten  Stellen  bis  zu  2^  Zoll.  Die 
Eier  sind  10  Linien  rhein.  lang,  fast  7  Linien  breit,  nicht  völlig 
von  der  Grösse  einer  Haselnuss,  grösser  als  diejenigen  des  Gimpels, 


—     262     — 

etwas  kleiner  als  solche  vom  Kirschkernbeisser ;  ihre  Grundfarbe  ist 
matt  weiss,  das  stumpfe  Ende  uragiebt  ein  Kranz  von  rothbraunen 
oder  schwarzrothen  Fleckchen,  Strichen  und  Puncten  nicht  über 
Grösse  eines  Stecknadelknopfs ,  vergleichbar  mit  abgetrocknetem 
geronnenem  Blut;  einige  gleichen  Strichen  und  Hacken,  dazwischen 
sind  hellere ,  grauröthliche  Flecken  und  Puncte  einzeln  eingestreut ; 
ausser  diesem  Kranz  findet  sich  nur  noch  ganz  sparsam  hin  und 
wieder  ein  einzelnes  schwarzrothes  Fleckchen  auf  der  übrigen  Fläche, 

Günther  hatte  in  der  Fortsetzung  des  schönen  Werks  „Samm- 
lung von  Nestern  und  Eiern",  herausgegeben  (1772)  von  ihm  und 
A.  L.  Wirsing,  die  Abbildung  von  Nest  und  Eiern  in  Aussicht 
gestellt,  allein  eben  jenes  Jahr  1774  war  dasjenige  seines  Todes. 
Nach  meiner  Vermuthung  gehört  die  eben  angeführte  Stelle  ins 
Rücksicht  auf  die  Grösse  der  Eier  eher  zum  KiefernkreuzschnabeU 
allein  da  sie  hieherbezogen  zu  werden  pflegt  schien  es  mir  von 
keinem  grossen  Belang,  ob  sie  da  oder  dort  steht,  denn  die  Haupt- 
sache bleibt  die  erste  ausführUche  Beschreibung  als  meisterhafter 
Beitrag   zur  Fortpflanzungsgeschichte    der  Kreuzschnäbel   überhaupt, 

Beckstein  (1807)  sagt,  dass  im  December  1794  und  Jänner  1795 
die  Kälte  bis  zu  29  und  81  "  unter  dem  Gefrierpunct  fiel ,  dennoch 
aber  Mitte  und  Ende  des  letztgenannten  Monats  bei  viel  Fichten- 
samen die  jungen  Kreuzschnäbel  alle  glücklich  ausgekommen  waren, 
so  dass  der  Thüringer  Wald  von  ihrem  Geschrei  wiederhallte.  Vier- 
zehn Tage  dauert  die  Bebrütung;  die  anfänglich  nur  mit  einzelnen 
gelben  (?)  Härchen  besetzten  Jungen  werden  in  vier  Wochen  flügge 
und  sind  dann  am  Oberleib  grauschwarz  mit  weissen  Säumen  an 
Schwanz  und  Flügeln,  bei  den  Männchen  mit  einem  grünlichen 
Schimmer  am  Bürzel  und  an  den  Seiten  des  Halses.  Die  Nistzeit 
setzt  er  vom  December  bis  in  den  April  je  nachdem  sie  früher  oder 
später  kommen,  beziehungsweise  je  nachdem  es  mehr  oder  weniger 
Fichtensamen  giebt.  Er  lässt  sie  nur  ein  Mal  im  Jahr  nisten,  während 
Pallas  an  drei  Brüten  glaubt.  Die  Zahl  der  Eier  setzt  er  bis  auf  fünf; 
ihre  und  des  Nests  Beschreibung  ist  offenbar  nach  Otto.  Fast  alle  Jahre 
würden  Nester  auf  dem  Thüringer  Wald,  wo  die  meisten  Holzhauer 
auch  Vogelliebhaber  seien,  gefunden  und  die  Jungen  ausgenommen. 

Nachher  ist  es  Chr.  L.  Brehm  gewesen,  welcher  für  diese  und 
die  folgende  Art  das  Nistgeschäft  in  hervorragender  Weise  weiter 
aufgeklärt  hat.  Vergl.  Brehm,  Beiträge,  I,  p.  604  u.  612,  669—675. 
Seine  reichen  Erfahrungen  geben  wir  hier  vorzugsweise  nach  Thiene- 
mann  u.  Brehm,  Fortpflanzung  der  Vögel  Europas  III  (1829),  p.  24—28. 


—     263     — 

Im  Voigt-  und  Osterlande  erschienen  die  Kreuzschnäbel  i.  J.  1818 
einzeln  im  Mai,  familienweise  im  Juli,  im  August  in  grossen  und 
in  kleineren  Flügen  und  zogen  von  April  bis  Juni  1819  allmälig 
wieder  ab.  Sie  brüteten  damals  in  solcher  Menge  wie  die  ältesten 
Leute  sich  nicht  erinnerten;  sowenig  sie  seit  1810  hier  bemerkt 
waren,  so  wenig  wurden  sie  nachher  1820 — 1827  dort  gefunden. 
Meist  paarten  sie  sich  im  Januar  und  brüteten  im  Februar  oder 
Anfang  März,  doch  beobachtete  Brehm  in  beiden  Jahren  („von  Mai 
1819  bis  dahin  1820"  Lehrb.,  p.  168)  zahlreiche  Ausnahmen,  die 
ihn  überzeugten,  dass  sie  auch  in  allen  übrigen  Monaten  des  Jahrs 
nisten;  nicht  einmal  die  Mauser,  welche  sehr  langsam  vor  sich  geht 
und  wegen  der  verschiedenen  Geburtszeit  auch  in  verschiedenen 
Monaten  sich  einstellt,  hält  sie  vom  Nisten  ab  und  erstvermauserte 
Vögel  schreiten  schon  zur  Paarung.  Ein  zweimal  des  Nests  beraubtes 
Paar  schritt  zu  einer  dritten  Brut.  Sobald  ein  Ei  gelegt  ist  pflegt 
das  Weibchen,  welches  auch  allein  baut,  auf  dem  Neste  zu  bleiben 
und  wird  vom  Männchen,  das  sich  auch  bei  der  Aufzucht  der  Jungen 
betheiligt,  gefüttert.  Mit  Beginn  der  Paarung  singt  letzteres  sehr 
laut  auf  einem  hohen  Tannengipfel,  lockt  und  jagt  sich  mit  dem 
Weibchen.  Das  Nest  steht  fast  immer  auf  hohen  Fichten,  bald  nahe 
am  Stamm,  bald  in  der  Gabel  eines  weitvorstehenden  Asts  oder  auf- 
gesetzt auf  den  Körper  eines  solchen ,  gewöhnlich  sehr  hoch ,  oft 
bis  im  Wipfel  und  immer  durch  überhängendes  Gezweig  dicht  gedeckt. 
Die  Dichtigkeit  des  Nests  richtet  sich  meist  nach  der  Jahreszeit, 
so  dass  die  Winternester  die  besser  gebauten  und  wärmeren  sind. 
Es  besteht  äusserlich  aus  dürren  Fichtenreisern  die  zum  Theil  ziemhch 
stark,  zuweilen  häufig,  zuweilen  nur  sparsam  vorhanden,  bald  mit 
Haidekraut  und  dürren  Grasstengeln,  bald  mit  grobem  Fichtenmoos 
ja  sogar  mit  Hobelspänen  vermengt  sind.  Die  zweite  Lage  bilden 
entweder  Fichtenflechten  allein  oder  eine  Mischung  von  diesen  mit 
Laubmoos,  Gras-  und  Strohhalmen,  Grasblättern  und  Grasstöckchen; 
die  oft  recht  dichte ,  dicke ,  warm  und  nett  gefertigte  innere  Aus- 
fütterung besteht  aus  zarten  Würzelchen  oder  Grashalmen  oder 
Fichtenflechten  oder  aus  diesem  allem  untereinander.  Manchmal 
ragen  am  Rande  einige  Federchen  hervor  oder  befinden  sich  einige 
im  Innern,  zuweilen  ist  das  ganze  Nest  fast  nur  aus  Fichtenflechten 
gebaut  und  nur  bei  einem  einzigen  befinden  sich  zwischen  dem 
Moos  einige  (wohl  nur  zufällige)  Harzklümpchen.  Die  Grösse  des 
fast  immer  halbkugelförmig  oder  noch  mehr  ausgetieften  Nests 
wechselt  innen  von  2|  bis  2''  Weite  und  1\  bis  1"  Tiefe. 


—     264     — 

Eier  erhielt  Brehm  nie  mehr  wie  drei,  ebenso  wurden  niemals 
vier,  einige  Male  aber  nur  zwei  Junge  im  Nest  gefunden;  er  bezweifelte 
deshalb  das  Vorkommen  von  4 — 5  Eiern.  Diese  beschreiben  er  und 
Thienemann  im  Grunde  entweder  graulich  oder  bläulich  weiss  mit 
verschiedenartiger  Zeichnung:  deutliche  und  verwaschene  rothbraune, 
blutrothe  und  hellbraune  Fleckchen  und  Puncte  sind  entweder  fast 
gleichmässig  über  das  ganze  Ei  vertheilt  oder  nur  um  die  Basis 
(d.  h.  das  stumpfe  Ende)  häufiger,  zuweilen  kranzartig  angebracht; 
bald  sind  sie  mit  blassrothen,  röthelrothen  und  rothbraunen  Pünctchen 
besetzt  oder  es  sind  blassblutrothe  und  röthelfarbene  Strichel  und 
Schnörkelchen,  zwischen  denen  sich  nur  wenige  Flecke  befinden, 
über  das  ganze  Ei,  am  dichtesten  über  die  Basis,  verbreitet,  oder 
endlich  sind  sie  mit  bläulichrothen  Schnörkeln,  und  röthlichen 
Pünctchen  und  graublauen  Flecken  einzeln,  an  der  Basis  kranzförmig 
bestreut;   inwendig  sehen  sie  bläulichweiss  aus. 

Naumann  hat  als  er  mit  Buhle  die  Eier  der  Vögel  Deutsch- 
lands (1818)  herausgab,  das  Ei  nicht  abgebildet,  also  wohl  noch 
nicht  besessen;  später  (V.  D.  IV,  1824)  ist  er  bezüghch  der  Fort- 
pflanzung zwar  vorzugsweise  Brehm  gefolgt,  er  bringt  aber  auch 
eigene  Erfahrungen  und  besass  damals  zwei  Nester  mit  den  Eiern 
aus  dem  Schwarzburgischen,  das  eine  im  Januar,  das  andere  im 
Februar  genommen.  Die  ersten  Monate  im  neuen  Jahr  nimmt  er 
für  die  regelrechte  Nistzeit  und  sieht  in  der  Ausdehnung  des  Brütens 
über  alle  Monate  mehr  eine  Ausnahme  in  besonders  samenreichen 
Jahrgängen.  Die  Eier  vergleicht  er  in  der  Grösse  mit  denen  des 
Haussperlings,  in  der  Färbung  mit  denen  des  Grünlings  und  findet 
zwischen  ihnen  und  den  Eiern  des  Kiefernkreuzschnabels  keinen 
anderen  Unterschied  als  denjenigen  der  geringeren  Grösse. 

P,  Blasius  Hanf  (a.  a.  0.)  hat  für  Obersteiermark  (Mariahof) 
überreiches  Material  und  unübertreffliche  Beobachtungen  über  die 
Fortpflanzung  gesammelt.  Diesem  erfahrenen  Forscher  erscheint  es 
nicht  schwer  das  Nest  aufzufinden,  wenn  man  nehmlich  das  Be- 
nehmen der  Vögel  während  der  Fortpflanzungszeit  kennt.  Der 
während  dem  Nestbau  auffallend  leise  Gesang  des  Männchens,  welches 
auch  gerne  das  Weibchen  begleitet  wenn  dieses  mit  einem  Material- 
büschel zum  Nistplatz  fliegt,  sein  Füttern  der  brütenden  Gefährtin 
auf  dem  Nest,  wobei  es  mit  der  Nahrung  oft  von  recht  weit  herkommt, 
durch  sein  vereinzeltes  Fliegen  sein  Ziel  verräth  und  durch  freudigen 
Gesang  sich  dort  anmeldet,  sein  häufiges  Sitzen  auf  einer  höchsten 
Baumspitze  in  der  Nähe,  ein  klagender  Warnungsruf  höher  als  der 


—     265     ~ 

gewöhnliche  Lockton,  sobald  man  dem  Nest  nahe  kommt,  dienen 
zur  Auffindung  von  diesem.  In  strengen  Wintern  verlässt  das 
Weibchen  das  Nest  überhaupt  gar  nicht  und  nur  bei  mildem  Wetter 
fliegt  es  bisweilen  entgegen  um  sich  aus  dem  Kropf  ätzen  zu  lassen. 
Da  dort  Spätfröste  die  Blüthen  der  Fichten  und  Lärchen  häufig  ver- 
nichten ,  treffen  gute  Samenjahre  oft  nur  nach  Pausen  wieder  ein ; 
in  Folge  dessen  brüten  die  Kreuzschnäbel  zu  verschiedenen  Zeiten. 
Die  Hauptursache  warum  sie  sich  vorzugsweise  im  Winter  fort- 
pflanzen ist,  dass  sie  da  an  den  durch  Frost  und  Sonne  geöffneten 
Zapfen  hinlänglichere  Nahrung  für  die  Jungen  finden.  Nur  aus- 
nahmsweise brüten  sie  auch  in  späteren  Monaten,  was  eben  die 
Fortpflanzungsfähigkeit  zu  verschiedenen  Zeiten  veranlasst.  Am 
23.  October  1886  erhielt  Hanf  einen  Vogel  im  Nestkleid  mit  noch 
unfertiger  Krümmung  des  Oberschnabels ,  der  also  noch  im  Futter 
der  Alten  stand ,  sowie  auch  am  26.  Juli  1887  einen  anderen  im 
Nestkleid  und  aus  seiner  Jugend  erinnert  er  sich ,  in  den  Herbst- 
ferien (Sept.-Octob.)  ein  Nest  mit  Jungen  gefunden  zu  haben.  Am 
häufigsten  fällt  die  Fortpflanzung  in  die  Zeit  von  Jänner  bis  April. 
Das  Nest  sucht  man  vergeblich  im  geschlossenen  Hochwald;  alle 
gefundenen  standen  am  Rande  oder  in  einer  Lichtung,  öfters  auch 
auf  Waiden,  welche  mit  Fichten  und  Lärchen  dicht  bewachsen  sind; 
es  steht  auch  in  der  Regel  nicht  auf  alten ,  ganz  ausgewachsenen 
Bäumen  und  ist  verschieden  hoch  angebracht,  je  nach  der  ver- 
schiedenen Höhe  von  diesen,  gewöhnlich  aber  in  den  höchsten  noch 
Schutz  gewährenden  Ästen  und  zwar  meist  am  Stamm,  so  dass, 
indem  die  herabhängenden  secundären  Zweige  es  schützen,  der  in 
der  Baumkrone  sich  anhäufende  Schnee  bei  Temperaturwechsel  es 
weniger  beschädigt.  Nur  dreimal  hat  Hanf  das  Nest  auf  Lärchen, 
sonst  immer  auf  Fichten  gefunden  und  unter  vierzehn  normalen 
Fällen  stand  es  auf  einem  Ast  etwas  vom  Stamme  entfernt,  nur  einmal 
unter  den  neu  nachgewachsenen  Zweigen  einer  früher  ihrer  unteren 
Aste  beraubten  Fichte.  Als  aber  i.  J.  1881  die  an  dem  einmal 
gewählten  Nistplatz  zäh  festhaltenden  Vögel  durch  Eichelheher,  Eich- 
hörnchen und  andere  Nesträuber  sehr  zu  Schaden  gekommen  waren, 
wählten  sie ,  um  den  Störungen  zu  entgehen ,  verschiedenartige, 
ungewöhnliche  Niststellen.  Ein  Nest  stand  z.  B.  auf  einer  in  einer 
Moorwiese  einzeln  stehenden  Fichte  fern  vom  Stamm  auf  dem 
untersten  Ast,  so  dass  Hanf  mit  dem  Hute  anstreifend  das  Weibchen 
aufscheuchte ;  ein  anderes  Paar  flüchtete  sich  an  den  Teich  und 
baute    dort   sein   Nest   vom  Stamme   entfernt   und  so  niedrig,    dass 


—     266     — 

man  während  der  Fütterung  die  emporgereckten  Köpfe  der  Jungen 
sehen  konnte;  ein  Weibchen  trug  (1.  April)  das  Material  seines  zer- 
störten Nests  von  einer  Fichte'  auf  eine  hohe  Lärche  über,  in  deren 
halber  Höhe  es  ebenfalls  weit  ab  vom  Stamm  brütete.  Die  Nester 
entsprechen  der  kalten  Jahreszeit  und  sind  mit  etwas  Kunst  gebaut. 
Als  ziemlich  dichte  Unterlage  dienen  dünne  Reiser  und  Baumflechten ; 
einige  Weibchen  verwenden  hiebei  nur  Fichten-,  andere  nur  Lärchen- 
reiser obschon  ihnen  beides  zu  Gebot  steht;  die  nächste  Lage  ist 
grünes  Erdmoos.  Bei  gut  gebauten  Nestern  ist  der  Napf  aus  feinem 
mit  Flechten  und  Raupengewebe  verfilztem  Moos  oder  vorzugsweise 
aus  schwarzer  Baumflechte,  innen  sind  dürre  Gräser,  bisweilen  auch 
einige  Federn  und  Haare;  in  einem  Exemplar  fehlen  ausnahmsweise 
alle  Flechten,  sodass  der  Napf  nur  aus  dürren  Gräsern  und  einigen 
Federn  besteht.  Baumflechten  und  Fichtenreis  bilden  dann  den 
Hauptstoff  wenn  der  Erdboden  durch  Schnee  dicht  bedeckt,  anderes 
Material  also  nicht  zu  erlangen  ist.  Die  Zahl  der  Eier  ist  vier, 
seltener  drei,  ausnahmsweise  auch  fünf;  Hanf  characterisirt  sie  als 
blassgrün,  theils  fast  gar  nicht  gezeichnet,  theils  mit  einer  kranz- 
förmigen, aus  zarten,  röthlichbraunen  Pünctchen  und  dunkelbraunen 
Schnörkeln  bestehenden  Zeichnung  am  stumpfen  Pole  („Basis"); 
nur  eines  besitze  er  mit  der  kranzförmigen  Zeichnung  am  spitzigen 
Theil  („Höhe").  Die  Brutzeit  dauert  vierzehn  Tage  vom  ersten  Ei 
an  gerechnet,  da  das  Weibchen  wegen  der  meist  herrschenden  Kälte 
von  Anfang  an  sitzen  bleibt;  daher  auch  die  ungleiche  Grösse  der 
mit  schwarzen  Dunen  bedeckten  Jungen.  Im  Jahr  1852  fand  Pater 
Hanf  viele  Nester ;  im  Februar  und  März  giengen  damals  bei  strenger 
Kälte  einige  Brüten  zu  Grund,  indem  Junge  im  Nest  erfroren  und 
„unterkühle"  Eier  nicht  auskamen,  obgleich  die  Weibchen  die  Nester 
nie  verlassen  hatten.  Der  beinahe  schneefreie  Winter  1871/72  brachte 
wieder  viele  Brutvögel ;  schon  am  20.  December  signalisirte  ein 
Männchen  durch  sein  Betragen  das  Vorhandensein  eines  Nests.  Am 
19.  u.  21.  Jänner  1872  enthielten  zwei  Nester  in  Adendorfer  Gemeinde 
(Bez.  Murau),  kaum  drei  und  vier  Klafter  hoch,  je  vier  Junge;  bis 
31.  März  fand  Hanf  noch  zwölf  weitere  Nester,  alle  in  Fichten. 
Auch  im  Winter  1872/73  brüteten  die  Kreuzschnäbel  bei  Mariahof, 
nur  nicht  so  häufig  wie  im  Vorjahr;  von  acht  gefundenen  Nestern 
enthielt  das  erste  schon  24.  Januar  vier  bebrütete  Eier.  Am  häufigsten 
fand  aber  das  Nisten  im  schneefreien  Winter  1881  statt,  wo  unser 
Gewährsmann  über  ein  Dutzend  Nester  auffand. 

Im  Winter    1886/87  hat,    theilweise    auf   meine  Veranlassung, 


—     267     — 

der  hocliw.  Herr  seine  Beobachtungen  wieder  aufgenommen  und  war 
auch  trotz  hohem  Alter  und  geschwächter  Gesundheit  so  glücklich, 
noch  zehn  Fälle  des  Nestbaus  verzeichnen  zu  können.  Aus  seinen 
handschriftlichen  Mittheilungen  sowie  aus  dem  gedruckten  Bericht 
(Vogelleben  auf  d.  Furtteiche  u.  s.  Umg.,  1888)  excerpiren  wir  das 
Hauptsächliche : 

1.  Schon  29.  December  1886  verrieth  ihm  ein  nach  langem 
Besinnen  das  Weibchen  fütternder  Vogel  das  Nest  auf  einer  mit 
vielen  Fruchtzapfen  behangenen  Fichte  etwa  8  m  hoch  nahe  an 
Stamm  und  Gipfel. 

2.  Am  30.  December  baute  ein  Weibchen  in  ähnlicher  Weise 
auf  einer  ganz  niedrigen ,  nur  drei  Meter  hohen ,  noch  unbesamten 
Fichte.  Diese  beiden  Nester  wurden  Mitte  Januar  von  Eichhörnchen 
zerstört. 

3.  Am  10.  Januar  1887  Hess  Hanf  ein  Nest  mit  drei  aufzucht- 
fähigen Jungen  ausnehmen ;  dasselbe  stand  auf  einer  jungen  Samen- 
fichte und  liegt  zur  Beschreibung  vor. 

4.  Am  12.  Januar  verrieth  wiederum  ein  Männchen  das  Nest 
auf  einer  einzeln  stehenden  jungen  Samenfichte ;  als  der  Baum  zwei 
Tage  später  bestiegen  wurde,  fand  sich  das  Weibchen  mit  den  fünf 
halbbebrüteten  Eiern  erfroren ;  da  nur  9  ^  Kälte  war  und  beim  Ab- 
balgen mehrere  Blutunterlaufungen  sich  zeigten,  nimmt  H.  an,  dass 
der  Frost  erst  hintendrein  wirkte  und  der  Vogel,  etwa  bei  kurzem 
Verlassen  des  Nests,  durch  einen  Raubvogel  verletzt,  sein  Heim 
eben  noch  erreichte  und  in  mütterlicher  Sorgfalt  einen  schönen  Tod 
fand.  Für  solche  treue  Ausdauer  bei  der  Brut  spricht  auch  als 
Beispiel,  dass  in  Warthausen  (April  1887)  ein  krankes  Weibchen 
vom  Hausrothschwanz  über  den  Eiern  seinen  Tod  fand. 

5.  Ein  anderes  Nest  rührte  von  jenem  Paar  her,  dessen  erste 
Brut  am  15.  d.  M.  zu  Grund  gegangen  war;  am  22.  Januar  wurde, 
kaum  hundert  Schritt  vom  früheren  Nest  entfernt,  auf  etwas  höherer 
Fichte  zu  bauen  begonnen ;  29.  d.  M.  wurde  es  mit  3  frischen  Eiern 
weggenommen.  Diese  beiden  Nester  mit  den  Eiern  und  das  Jungen- 
nest vom  10.  Januar  verdanke  ich  der  Güte  des  liebenswürdigen 
Finders. 

6.  Am  30.  Januar  wurde  ein  Weibchen  beim  Materialtragen  beob- 
achtet; das  Nest  stand  auf  einer  sehr  schlanken  und  hohen  Fichte 
unersteiglich  unter  dem  dritten  Jahrestrieb,  nur  durch  Fichtenzapfen 
von  obenher  geschützt ;  die  Brut  ist  glücklich  durchgekommen ;  wohl 
nur  frühere  üble  Erfahrungen  haben  die  Wahl  dieses  etwas  schwan- 
kenden Standorts  veranlasst. 


—     268     — 

7.  Am  13.  Februar  wurde  auf  schlanker  Fichte  unter  schützen- 
den Fruchtzapfen  ein  Nest  mit  drei  frischen  Eiern  ausgenommen; 
völlig  gleiches  Material  und  geringe  Entfernung  von  den  Nestern  2 
und  5  weisen  darauf  hin,  dass  das  Paar  nach  zweimaligem  Verlust 
sich  immer  höher  angesiedelt  hat. 

8.  Am  14.  Februar  fand  Hanf  erst  nach  langer  Beobachtung, 
weil  das  Männchen  sich  dem  Nest  nur  sehr  vorsichtig  näherte,  ein 
Nest  auf  ziemlich  allein  stehender  junger  Fichte ,  umgeben  von 
Fruchtzapfen ;  von  den  fünf  hochbebrüteten  Eiern  wurde  nur  eines 
weggenommen  und  die  Jungen  kamen  glücklich  durch. 

9.  Am  24.  Februar  brachte  ein  Landjäger*  ein  Nest  mit 
3  frischen  Eiern,  deren  es  4  St.  enthalten  hatte. 

10.  Am  7.  April  wurde  das  letzte  Nest  mit  kleinen  Jungen, 
welche  zum  Ausflug  kamen,  entdeckt. 

Sämmtliche  Nester  aus  diesem  Winter  rührten  von  Bäumen 
her,  die  nicht  im  eigentlichen  Wald,  sondern  auf  Waiden  sich  be- 
finden, und  soweit  es  nicht  ausdrücklich  anders  angegeben  ist, 
standen  sie  alle  nahe  an  Gipfel  und  Stamm. 

Die  Jungen  verweilen  ziemlich  lange  im  Nest,  treten  dasselbe 
ganz  breit  und  halten  sich  nach  dem  Ausfluge  noch  einige  Zeit  in 
der  Umgebung  desselben  auf;  dann  aber  tritt  die  Familie  ihre  Rund- 
reisen an,  mehrere  vereinigen  sich  zu  grösseren  Flügen  und  begeben 
sich  zur  Hauptmauserung  in  die  höheren  Regionen ;  bei  den  Alten  ist 
die  Mauser  eine  totale,  die  Jungen  wechseln  Schwung-  und  Steuer- 
federn erst  im  nächsten  Jahr  und  Hanf  nimmt  an,  dass  die  Kreuz- 
schnäbel, sobald  sie  eine  Familie  zur  Führung  bekommen,  keine 
zweite  Brut  mehr  machen. 

Er  hat  auch  viele  ausgenommene  Junge  grossgezogen,  sogar 
in  der  Gefangenschaft  solche  gezüchtet.  Ende  Januar  wjirden  auf- 
gezogene Vögel  unter  Wahrnehmung  aller  denkbaren  Rücksichten 
eingesetzt  und  mit  Zirbelnüssen  (P.  cenihra  L.),  als  einem  besonderen 
Leckerbissen,  gefüttert;  am  8.  Februar  begann  das  Weibchen  zu 
bauen,  vollendete  das  Nest  in  vier  Tagen  und  legte  am  Uten  das 
erste  Ei ,  auf  welchem  es  gerade  wie  im  Freien  sofort  sitzen  blieb ; 
die  Jungen  wurden  mit  einem  Gemenge  von  hartgesottenem  Ei,  ein- 
geweichter „Semmelschmolle"  und  Grünzeug  (auch  feingeschnittenen 
Fichtennadeln)  aufgezogen. 


*  „Landjaga"    schreibt  P.  Hanf  brieflich  in  der  Mundart;    in  der  Publi- 
cation  ist  ein  „Landjunker"  (!)  draus  geworden. 


—     269     — 

Abbildungen  der  Eier  hat  Thienemann  gegeben  a.  a.  0.,  T.  IX, 
f.  15  u.  Fortpfl.-Gesch.  d.  ges.  Vögel  (1845—54),  T.  XXXVI,  f.  18 
a — c  (ohne  Text) ;  der  TmENEMANN'sche  Eiersammlungs-Catalog  v.  J. 
1857  führt  10  Eier  und  5  Nester  auf.  Schinz,  Nester  u.  Eyer 
(Zürich  1830),  T.  35,  f.  12.  Berge,  Fortpfl.  d.  V.  (Stuttg.  1840 
bis  1841),  I,  T.  72,  f.  5  u.  11,  T.  65,  f.  7  (möglicher  Weise;  f.  8 
dem  ganzen  Machwerk  entsprechend  eine  buntgefärbte  Fiction). 
Baedeker,  Eier  d.  Eur.  V.  (Iserlohn  1855 — 63, -mit  Text  von  Brehm 
u.  Pässler),  T.  20,  f.  f.  8.  Hier  sind  5  Exempl.  sehr  gut  abgebildet, 
aber  sämmtlich  so  gross,  dass  sie,  wären  die  Eier  der  nachfolgenden 
Art  nicht  noch  grösser  dargestellt,  auf  jene  bezogen  werden  müssten ; 
f.  9  zeigt  das  Ei  der  BREHM'schen  Subspecies  ruhrifasciata,  welches 
6.  April  1847  ein  Tags  zuvor  gefangenes  Weibchen  zu  Renthendorf 
im  Käfig  gelegt  hat;  es  ist  auf  bläulichweissem  Grund  mit  einem 
Gürtel  dicht  stehender  hellrother  und  rostbrauner  verschwommener 
Puncte  und  Fleckchen  gezeichnet.  Brehm  (Naumannia  III,  p.  199) 
erklärt  es  für  sehr  abweichend  von  allen  ihm  bekannten  Kreuz- 
schnabeleiern, allein  es  liegt  vollständig  innerhalb  der  normalen 
Gränze  der  Variabilität,  wie  ja  auch  z.  B.  bei  dem  im  Ei  so  nahe 
verwandten  Grünling  {Chlorospiza  chloris  Bp.  L.)  ganz  ähnliche  Ab- 
weichungen vorkommen. 

Ich  beschreibe  nun  eine  Reihe  von  Nestern  aus  meiner  eigenen 
Sammlung. 

N.  1.  Württemberg  (Schwarzwald ,  Spielberg ,  Forsts 
Altensteig,  Februar  1863  mit  4  hochbebrüteten  Eiern  durch  Pfarrer 
Friz).  41—5''  breit,  2|''  hoch,  2"  5—9'"  weit,  1"  6'"  tief;  als 
Unterlage  folgt  auf  wenige  Fichtenreiser,  von  denen  einzelne  bis 
gegen  den  Rand  herauf  reichen,  eine  starke  und  breite  Schichte 
von  Flechten  (einige  kleine  Pflänzchen  von  TJsnea  harhata  var.  hirta 
Ach.  und  in  Menge  Evernia  prunastri  L.)  mit  etwas  Laubmoos  ge- 
mischt, hierüber  eine  starke,  bis  in  den  Boden  des  Napfs  herein- 
reichende Lage  von  feinem,  verfilztem  Moos;  aussen  sitzen  auch 
einige  Bruchstücke  von  Flechten  {Imbricaria  saxatüis  L.  u.  /.  phy- 
sodes  Ach.)  nebst  etwas  Insectengespinnst  und  einigen  Fichtennadeln ; 
der  Napf  und  der  ganze  Obertheil  des  Nests,  dessen  Rand  sich  da 
um  die  Hälfte  verdünnt,  wo  es  am  Stamm  angelehnt  war,  sind  aus- 
schliesslich aus  Bartflechte  {Alectoria  Ach.,  Bryopoyon  Link,  jiibatum 
L.  mit  den  Varietäten  capillare  et  canum  Ach.  ,  bicolor  Ehrh.)  er- 
baut; nur  innen,  wo  das  Moos  dazwischen  zum  Vorschein  kommt, 
sind    dunkelgraue   kleine  Dunen    eingewoben   und   liegt  dabei  etwas 


—     270     — 

feine  Kiefernrinde.  Es  ist  ein-  ausgesprochenes  Flechten-Nest  und 
zugleich  ein  recht  lockerer  Bau ;  die  Bartflechten  sind  jetzt  meist 
fuchsroth  geworden  und  nur  noch  zum  Theil  schwärzlich  und 
grüngelb. 

N.  2.  Württemberg  (Schwarzwald,  Baiersbronn  bei  Freuden- 
stadt 26.  Januar  1875  mit  3  bebr.  Eiern  durch  Dr.  Bruckmann). 
4—5"  breit,  3"  hoch,  2''  3—5'"  weit,  9—17'"  tief  (mit  ab- 
geschrägtem Napf) ;  eine  aus  feineren  und  aus  recht  groben  Fichten- 
reisern mit  einigen  Strohhalmen ,  grobem  Moos  und  Evernia  fur- 
Juracea  L.  gebildete  Unterlage  ist  nur  looker  mit  dem  Hauptbau 
verbunden ;  diesem  sind  nach  der  Vorderseite  ein  einziges  grosses 
Büschel  schwarzer  Bartflechte ,  Usneen  (dabei  U.  florida  L.)  und 
viele  Evernien  nebst  Erdmoos  in  wulstiger  Ausbauchung  vorgelegt 
und  ein  breitester  Strohhalm  umschlingt  das  Ganze ;  der  Napf  ist 
besonders  fest,  am  Rand  ausschliesslich  aus  gröberen,  im  Inneren 
neben  einer  Spur  von  gelblichen  Bartflechten  aus  feineren ,  ver- 
witterten Halmen  gebaut.  Es  ist  ein  absolutes  Gegenstück  zum 
vorigen  Nest  und  gleicht,  abgesehen  von  den  wenigen  Flechten, 
völlig  demjenigen  des  Goldammers  oder  bis  auf  die  geringere  Grösse 
manchen  vom  rothrückigen  Würger. 

N.  3.  Obersteiermark  (Mariahof,  10.  Januar  1887  durch 
P.  Blasius  Hanf).  5"  breit,  2|"  hoch,  2J"  weit,  1|"  tief;  Unter- 
lage und  gröbere  äussere  Umgebung  bestehen  aus  Fichtenreisern, 
denen  nur  wenige  von  der  Lärche  beigemischt  sind  und  die  das 
gemessene  Massiv  weit  überragen  (8"  im  Ganzen) ;  etwas  Moos, 
einige  Büschel  der  Usnea  barhata  nebst  Pflanzenpappus  (Distelwolle), 
im  obern  Rand  viele  Grasstengel,  dabei  ein  ausgerissenes  ganzes 
Büschel,  bilden  die  Hauptstoffe ;  dazwischen  sind  einige  Fruchtzäpf- 
chen einer  Erle,  Hüllblättchen  einer  Distelart,  von  der  wohl  der 
Pappus  herrührt,  und  ein  Paket  Schmetterlings-Eihüllen;  eine  be- 
scheidene Lichenen-Beigabe  bilden  innen  herum  am  Rand  schlaffe 
und  krause  schwarze  Bartflechten,  über  eine  Randstelle  über- 
geschlagen eine  hellere  Varietät  und  zartere  solche  im  Napf  zwischen 
einigen  Fasern  und  Pflanzenpappus. 

N.  4.  Obersteiermark  (14.  Januar  1887;  ebenso).  4 — 5|" 
breit,  2"  hoch,  stark  2 — 2|"  weit,  kaum  1"  tief;  längliches  Nest  mit 
sehr  flacher  Eintiefung,  fast  doppelt  so  lang  als  breit,  indem  an  der 
einen  Schmalseite  über  das  angegebene  Maass  mehr  als  2"  hinaus 
mit  flechtentragendem  Fichtenreis  und  ein  Paar  Stengeln  der  Haide 
(CaUuna  vulgaris  Salisb.)  bis  gegen  den  Nestrand  hinauf  locker  vor- 


—     271     — 

gebaut  ist ;  in  der  Unterlage  befinden  sich  neben  etwas  Moos, 
Flechtenfragmenten  und  verwitterten  Halmen  einige  lange  Bastfasern 
vom  Wachholder  und  namentlich  grössere  und  kleinere  Stückchen 
von  faulem  Holz,  auch  vereinzelt  Dunen  und  Federchen;  seitlich 
und  sparsam  im  Rand  sind  breite  Gräser  und  feinere  Halme  ein- 
geflochten ;  der  Hauptstoff  des  recht  festen  Innenbaus  ist  die  Bart- 
flechte in  ihren  verschiedenen  Spielarten ,  stellenweise  mit  feiner 
Usnea  (barhata  —  hirta)  gemengt,  besonders  am  Rand  in  ihrer 
krausen  schwarzen  Form;  einzelne  Spinneneier-Hüllen  sind  seitlich 
beigegeben ,  der  Napf  ist  mit  Federn  ausgelegt ,  dabei  solche  vom 
Vogel  selbst  und  eine  Brustfeder  vom  Rephuhn. 

N.  5.  Ober  Steiermark  (29.  Januar  1887;  ebenso).  5— 6|" 
breit,  2^"  hoch,  2-^''  weit,  schwach  1"  tief;  ein  lockerer,  aber 
massiger  Bau  mit  "dickem  Boden,  seitlich  sehr  breit  (stärkste  Nest- 
randbreite über  2''),  nach  hinten  schmal;  das  Substrat  bilden  Lärchen- 
reiser, zwischen  denen  sich  nur  ein  einziges  Fichtenzweigchen  und 
ein  Brombeerstengel  befinden ;  die  ganze  Masse  ist  mit  zahlreichen 
dünnsten  dürren  Gräsern  und  Halmen  ziemlich  gleichmässig  durch- 
zogen und  mit  Moos,  Pflanzenwolle,  Distelpappus,  auch  einigen  In- 
sectengespinnsten  zusammengefilzt;  nur  an  einem  Theil  der  Aussen- 
seite  sind  einige  krause,  meist  schwärzliche  Bartflechten-Pakete, 
weiter  abwärts  einige  Evernien  (E.  jjrunasfri  L.)  beigegeben;  im 
Innern  ist  ziemlich  viel  Pflanzenwolle  neben  einigen  Federchen  und 
Fichtennadeln,  die  wohl  nur  zufällig  hinzugekommen  sind. 

N.  6.  Schweden  (Wermland,  Gillberga,  30.  März  1886  mit 
4  frischen  Eiern  durch  J.  Ramberg).  4 — 5"  breit,  2"  hoch,  2'' 3 
bis  5'''  weit,  1"  3'"  tief,  verschoben-oval ,  auf  einer  Schmalseite 
weit  vorgebaut ,  wohl  wegen  einer  Astgabel ,  im  breitesten ,  einer 
breiten  Anlehnung  entsprechenden  Theil  sehr  dünnwandig;  in  der 
Unterlage  sind  dürre  Fichtenreiser,  die  sich  nach  oben  der  Rundung 
sauber  anschmiegen ,  dann  Halme ,  breite  Gräser  und  Wachholder- 
bast;  dieser  geht  in  breiten  Stücken  in  den  Oberrand  über,  wo  sich 
auch  Inihricaria  physodes  findet;  zuunterst  ist  eine  sehr  feste 
Schichte  von  Wachholderbast ,  ganz  verwitterten  breiten  Gräsern 
und  faulem  Holz;  hieraus  besteht  auch  ohne  irgend  welche  wesent- 
liche Beimischung  der  gleichmässig  fest  geglättete  und  keineswegs 
weiche  Napf,  dem  nur  an  einer  Seitenwand  einige  Federchen  bei- 
gegeben sind. 

N.  7.  Schweden  (2.  April  1886,  mit  3  frischen  Eiern,  ebenso). 
3i— 4|"  breit,  3"  hoch,  2'' 2"'  weit,   r' 4'''  tief;   sparsame  Unter- 


—     272     — 

läge  aus  Kiefernreisern,  dann  sehr  breite  Wachholderfasern  mit  Erd- 
moos,  einigen  dürren  Gräsern  und  Claclonia,  die  Seitenwände  fast 
nur  aus  dürren  Seggengräsern  sauber  und  fest  geflochten,  der  halb- 
kugelförmige Napf  mit  Bartflechte  ausgefüttert,  die  sich  stellenweise 
klumpenförmig  über  den  Rand  herausschlägt;  ein  solcher  Klumpen 
konnte  im  Innern  nicht  recht  angeglättet  werden  und  bildet  im 
Grunde  des  Nests  eine  Erhöhung ;  schwärzliche  und  weisse  Insecten- 
gespinnste  haften  sparsam  aussen. 

Bei  drei  weiteren  schwedischen  Nestern  aus  Februar  und  März, 
deren  Hauptmaterial  die  Mischung  aus  Bartflechten,  Wachholderbast 
und  Halmen  ist,  beschränken  wir  uns  auf  das  Eigenthümliche.  Bei 
dem  einen  sind  stark  mit  Flechten  bewachsene,  kurz  abgebrochene 
dickere  Fichtenreisstückchen  im  Rand  und  dieser  besteht  nach  einer 
Seite  hin  fast  nur  aus  Wachholderrinde.  Beim  zweiten  ist  der 
ganze  innere  Ausbau  aus  feinster  verfilzter ,  theilweise  zerbissener 
Bartflechte,  am  Rand  mit  etwas  Distelpappus  und  Insectengespinnst ; 
eine  untere  Lage  besteht  aus  verwittertem  Torfmoos  (Sphagnum). 
Das  dritte  ist  ebenfalls  vorzugsweise  Bartflechten-Nest,  hat  aber 
am  Rand  grobes  Erdmoos  und  im  Boden  des  Napfs  anderartige 
Flechten  (Usnea  harhata  —  hirta  und  Imhricaria  physoäes)  mitein- 
gewoben.  In  allen  Fällen  haben  die  Vögel  die  in  meist  schnee- 
reicher Jahreszeit  nur  in  geringer  Auswahl  erhältlichen  Niststoffe. 
dem  Bedarf  entsprechend,  trefflich  zu  wählen  verstanden. 

Die  Eier,  deren  mir  aus  eigener  Sammlung  54  St.  vorliegen^ 
untersuchen  wir  getrennt,  je  nach  dem  besonderen  Gebiet  aus  dem 
sie  stammen,  da  etwaige  climatische  Einflüsse  auf  Grösse  und  Fär- 
bung stets  beim  Vogelei  zu  beachten   sind. 

1.  Aus  den  französischen  Pyrenäen  (1854,  3  complette  Ge- 
lege a^ — c.  durch  Abbe  Caire  aux  Sanieres,  Basses  Alpes). 

a:  4  St.;  9^ ,  10,  10^,  lOf''  lang,  alle  T''  breit;  Gewicht 
15 — 16  cgr. ;  oval-gestreckt  bis  eigestaltig-zugespitzt,  weissgrundig 
mit  grünlichem  Schimmer ;  hell  röthlich-braune  und  grau-violettliche 
Fleckchen,  sparsam  und  feinst  bis  über  die  Mitte,  etwas  gröber  um 
die  Basis  und  um  diese  herum  Kranz-Andeutung  von  meist  gerundeten 
oder  etwas  krummgezogenen  purpurschwarzen  Fleckchen  und  Puncten. 
b:  3  St.;  9|  u.  10"'  1.,  alle  stark  1-Y"  br. ;  Gewicht  14-16  cgr., 
kurz-bauchig,  grauweissgrundig;  die  blassröthliche  Unter-Zeichnung 
ist  theils  grob  und  dann  mehr  gegen  die  Basis ,  theils  in  feinsten 
verwaschenen  Spuren  über  das  ganze  Ei  vertheilt;  hellrothe,  rost- 
braune und  purpurschwarze  Puncte  und  Fleckchen  sind  um  die  Basis 


—     273     — 

zusammengedrängt,  c:  4  St.;  8|'"  1.,  7 — 71"'  br.,  das  kleinste 
sogar  nur  8| '"  1.,  6|'"  br. ;  Gewicht  14  cgr. ;  sehr  klein ,  kurz  ab- 
gestumpft-rundlich, im  weissen  Grund  ein  röthlicher  Schimmer ;  vio- 
lettgrauröthliche ,  meist  etwas  gröbere  Fleckchen,  in  der  dickeren 
Hälfte  roth-braune  Fleckchen,  wenige  dunklere  Punkte,  feine  rost- 
rothe  Haarzüge  um  die  Basis,  bei  einem  ein  grober  rostrother  Fleck 
mitten  auf  der  Höhe  (Spitze) ;  dieses  Gelege  erinnert  entfernt  an 
Eier  vom  Gartenammer  {Eniberisa  hortulana  L.).  a  u.  b  neigen  in 
der  Grösse  zu  Cr.  piti/opsittacus ,  b  u.  c  haben  durch  den  weissen 
Grund  (der  ursprünglich  und  nicht  ausgebleicht  ist)  einen  südlichen 
Character. 

2.  Aus  dem  württembergischen  Schwarzwald  (a  u.  b  die 
Eier  zu  meinen  oben  beschriebenen  Nestern,  c  u.  d  solche  aus  den 
erwähnten  Gelegen  von  Stammheim,  23.  März  1879  in  der  vaterl. 
Ver.-Samml.). 

a:  4  St.;  10-10^'"  1.,  7— 7^'"  br.,  aus  bauchigem  Oval  ge- 
streckt, sehr  weiss  (wohl  Folge  hoher  Bebrütung),  zu  zwei  Dritteln 
fast  ganz  fleckenlos,  nur  an  der  Basis  trüb  grauviolett,  fein  und  ver- 
waschen gezeichnet,  darüber  feinste  schwarzbraune  Tüpfel  oder  kurz 
gekrümmte  Fleckchen,     b :  2  St. ;  9^'"  1.,    6^  u.  6|'"  br.,    Gewicht 

13  cgr. ;  gestreckt-oval,  graugrünlich,  ziemlich  über  die  ganze  Fläche 
violettgrau,  hellroth  und  roth braun  fein  getüpfelt,  c:  3  St.;  9|^'"1., 
7^"'  br.  das  kleinste,   11^'"  1.,    7|'"  br.  das  grösste ;  Gewicht  13  u. 

14  cgr.;  bauchig  oval  und  birnförmig  (abnorm!),  langgestreckt  in  der 
unteren  Hälfte  mit  eingeschnürter  Bahn  und  abgestumpfter  Spitze, 
?iier  auf  dem  fast  fleckenlosen  blassgrünlich-weissem  Grund  ein  dun- 
kelbraunrother  Kranz  in  kurzer  Schnörkelung ,  dort  nur  getüpfelt. 
d:  4  St.;  9^,  9|,  10'"  1.,  7^  u.  7|'"  br.,  Gewicht  15—17  cgr.;  bau- 
chig-oval, stumpf-eigestaltig  oder  nach  der  Höhe  spitzig  abfallend, 
grünbläulich  mit  helleren  und  dunkleren  röthlichen  Unterflecken  und 
purpurbrauner  bis  blauschwärzlicher,  kurzgeschnörkelter ,  gröberer 
und  feinerer  Oberzeichnung  an  der  Basis,  einmal  dort  nur  die  hellen 
Flecke  und  die  dunkeln,  abgesondert  um  das  spitzige  Ende.  Dieses 
letztere  Gelege  wüsste  ich  von  einem  solchen  von  Cr.  pityopsittacus 
nicht  zu  unterscheiden. 

3.  Aus  Ober -Steiermark  (Mariahof,  2  Gelege  1887  zu 
den  beiden  von  dort  beschriebenen  Nestern  N.  4  u.  5  gehörig, 
durch  P.  Blasius  Hanf). 

a:  5  St.:  10'"  1.,  7'"  br.  (2  St.),  10^'"  1.,  6|'"  br.  (3  St.); 
Gewicht  14  cgr.,  langgestreckt-oval,  trotz  der  Bebrütung,  die  ihnen 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  18 


—     274     — 

einigen  Glanz  gegeben  hat ,  noch  recht  stark  bläuHch ,  grösseren 
Theils  fast  einfarbig,  wenige  helh'othe  Pünctchen  in  der  stärkeren 
Hälfte  und  darüber  purpurbraune  bis  schwarze,  theilweise  brand- 
fieckige  Puncte,  Fleckchen  und  Schnörkel,  b  :  3  St. ;  9|,  9|,  10^'"  l. 
1^,  7,  7'"  br. ,  Gewicht  14  cgr.,  oval  und  stumpf-eigestaltig,  bläu- 
lich-weiss,  in  der  Basalhälfte  mit  violettgrauröthlichen ,  recht  sicht- 
baren Fleckchen  und  darüber  rothbrauner  und  purpurschwärzlicher 
Zeichnung  in  Puncten,  Schnörkeln  und  Haarzügen.  Zwei  weitere 
Exemplare  von  dort,  gelegt  in  der  Gefangenschaft,  sind  9  u.  9|'"  1.. 
7"'  br.,  je  13  cgr.  schwer;  das  eine  ist  bei  violettgraublauen  und 
schwärzlichen  feinsten  Tüpfeln  an  der  Basis  von  so  tief  bläulicher  Grund- 
farbe, dass  es  an  verblasste  Gimpel-Eier  erinnert.  Eben  dieser  Stich  ins 
Blaue  scheint  für  jenes  subalpine  Gebiet  characteristisch  zu  sein. 

4.  Aus  Thüringen  (4  St.  durch  C.  L.  Brehm  und  Pfarrer 
Hocker*). 

a:  Original  Brehm^s  a.  d.  J.  1818;  9"'  1.,  6^'"  br.,  nur  12  cgr. 
schwer,  grauweiss  mit  feinsten,  verwaschenen  röth  elf  arbigen  Tüpfeln, 
die  der  Schale  einen  röthlichen  Anflug  geben ,  um  die  Basis  einen 
Kranz  mit  violettgrauer  Beimischung  bilden  und  mit  rothbraunen 
kurzen  Schnörkeln  und  einigen  schwarzen  Tüpfeln  überlegt  sind, 
b— d  (die  beiden  letzteren  1863  13.  März  und  9.  April  aus  zwei 
Gelegen  mit  je  4  St. ;  Hocker)  :  das  eine  etwas  grünlich  mit  einzelnen 
grösseren  leberbraunen  Fleckchen ,  wenigen  braunschwarzen  Tupfen 
und  einem  solchen  Schnörkel  an  der  Basis,  in  der  schmalen  Hälfte 
einige  bräunliche  lange  Haarzüge ,  die  beiden  andern  grauweiss  mit 
sparsamer  brauner  Zeichnung,  das  eine  mehr  getüpfelt,  das  andere 
in  Stricheln  über  die  Basis,  9—10'"  L,  6^— |'''  br.,  12,  13  u.  14  cgr. 
schwer.  Das  kleinste  von  diesen  und  das  BREHM'sche  erinnern  stark 
an  Grünlingseier.  Diese  mitteldeutschen  Proben  (Renthendorf  und 
Gotha)  zeigen  trüben  Grund  und  kleine  Eier;  weder  unter  ihnen  noch 
bei  den  steirischen  wäre  irgend  ein  Stück  mit  denen  von  G.  pittio- 
psittacus  zu  verwechseln. 

5.  Aus  Schweden  (,Wermland,  Gillberga- Kirchspiel,  gesammelt 
von  A.  LiNDfiN,  durch  J.  RamberCt,  6  Gelege  23.  März  1885,  26.  Fe- 
bruar, 19.,  20.,  30.  März  und  2.  April  1886  mit  je  4,  im  letzten 
Fall  3  Eiern ;  vergl.  die  Nester). 

Nach  der  Grösse  abwärts  geordnet  gruppiren  sich  diese  Gelege 

*  Die  Geistlichkeit  beider  Confessionen  ist  bei  der  Kreuzschnabel-Frage 
stark  vertreten:  Pastor  Brehm,  Abbe  Caire,  die  Pfarrer  Friz  und  Hocker, 
Pater  Hanf! 


a: 

lOi- 

-10'" 

lan 

g,   7' 

'''  breit. 

61 

\—6Y''  br. 

d: 

91- 

-9^"  1. 

[•. 

f:  8|- 

-81-  1, 

71- 

-7"'br.; 

—     275 

mit  iliren  23  Eiern  folgendermassen : 
h:  10|'"1.,  6|-6f''br.  c:  10i"M. 
7|— 7'"  br.  e:  9i— 9'''  1.,  7^— 7''^  br. 
<las  Gewicht  beträgt  16  cgr.  (3  St.),  15  cgr.  (5  St.),  14  cgr.  (10  St.), 
13  cgr.  (1  St.),  12  cgr.  (4  St.).  Die  Gestalt  ist  in  einem  Gelege 
«ngleichhälftig  bauchig,  in  dreien  recht  gestreckt,  bei  d  so  schmal, 
dass  eines  der  Eier  walzlich,  ein  anderes  dünn-zugespitzt  erscheint; 
besonders  gerundet  und  auch  klein  sind  die  Gelege  e  u.  f,  zugleich 
der  Zeit  nach  die  letzten ;  bei  allen  hat  der  Grund  einen  intensiv 
grünlichen  Ton,  der  nur  selten  so  bläulich  ist  wie  bei  den  steirischen, 
sondern  mehr  ins  Gelbliche  zieht.  In  der  Zeichnung  kommen  fast 
all  jene  Färbungen  vor,  die  bei  der  nächsten  Art  beschrieben  werden, 
nur  fehlen  bläuliche  Eier  mit  sparsamen  feinen  Tupfen ;  das  kleinste 
Gelege  erinnert  wie  eines  der  pyrenäischen  stark  an  den  Ortolan; 
manche  Eier  stehen  denen  des  Grünlings  nahe  und  öfters  ist  in  der 
Basalhälfte  die  rothe  Fleckung  fast  so  stark  wie  bei  Schneeammer- 
Eiern.  Brandflecke  (aussen  heller  mit  dunklem  Kern)  wie  beim 
Buchfink  sind  häufig,  öfter  ganz  kurze  Schnörkel;  feinste  Haarzüge 
linden  sich  nur  zwei  Mal,  blassröthlich  über  die  Mitte  und  braun- 
schwarz an  der  Spitze. 

Die  Textur  der  bald  zarten  bald  derberen,  in  der  Regel  völlig 
glanzlosen,  blass  blaugrünlich  durchscheinenden  Schale  ist  ungleich, 
entweder  fein  gekörnt  und  obenher  etwas  abgeplattet  oder  flacher 
und  dann  in  ungleiche  Erhabenheiten  zusammengeflossen,  mit  kurz  ge- 
krümmten Fältchen  zwischen  dem  Korn  und  meist  tiefen,  runden,  auch 
eckigen  Stichporen.  In  dieser  Hinsicht  finde  ich  nur  den  allgemeinen 
Finken-Character  und  zwischen  den  Eiern  des  Fichten-  und  Kiefern- 
kreuzschnabels keinen  Unterschied,  wie  auch  ein  absolut  festes  Unter- 
scheidungszeichen im  Korn  gegenüber  den  Eiern  des  Grünlings  (Chloro- 
spisa  chloris  Bp.  L.)  —  ich  habe  eine  grössere  Serie  aus  Württem- 
berg, Sachsen,  Böhmen,  Schweiz  und  Griechenland  verglichen  — 
schwer  festzustellen  sein  dürfte ;  bei  letzteren  ist  theilweise  die  Kör- 
nung feiner  und  dabei  erhabener.  Diese  sind  im  grossen  Durch- 
schnitt leichter;  nach  fünfzig  gewogenen  sind  sie  11  cgr  (7  St.), 
12  cgr.  (22  St.),  13  cgr.  (21  St.)  schwer,  so  dass  sie  entweder  im 
Gewicht  hinter  den  Eiern  aller  Kreuzschnäbel  zurückbleiben  oder 
nur  mit  leichteren  darin  zusammentreffen. 

An  eine  Verwechslung  mit  weiteren  Eiern,  z.  B.  mit  den  ver- 
gleichsweise angeführten  des  Garten-  und  Schneeammers,  oder  gar 
von  Gimpel  und  Buchfink  ist  kaum  ernstlich  zu  denken. 

18* 


—     276     — 

Unter  den  Eiern  aus  den  Pyrenäen  und  vom  Schwarzwald  befinden 
sich,  wie  bereits  bemerkt,  auch  solche,  die  in  der  Grösse  von  denen  des- 
Kiefernkreuzschnabels  schwer  oder  gar  nicht  zu  unterscheiden  sind; 
hier  könnte  noch  die  Frage  sein,  ob  nicht  auch  ihre  Erzeuger  der 
grösseren  Form  nähergestanden  haben  als  dem  typischen  Fichten- 
vogel. Erklärlich  ist,  dass  grössere  Eier  von  Orten,  wo  beide  Arten 
nebeneinander  vorkommend  bekannt  sind,  nicht  hieher  bezogen  werden. 

2.  Der  Kiefernkreuzschnabel,  Crucirostra  j^ityojysittacus  Cv\. 

—  pinetorum  Mey.  Loxia  curvlrostra  major  Gm.  —  pityopsittacus 
Bechst.  —  pityopsittaca  (!)  Gray.  —  curvirostra  Schrank  (Fauna 
boica)  nee  auct.   Curvirostra  pytiopsittacus  (sie)*  C.  L.  Brhm. 

Abbildungen:  Frisch,  Vorst.  d.  V.  i.  Teutschl.,  III  (1735),  T.  11 
(roth  und  angebliches  Weibchen  mit  gelber  Unterseite ,  sehr  gut). 
Pennant,  Brit.  Zoolog.  1776,  I,  T.  49.  Otto  in  Buffon's  Vögeln,  X, 
Anhang-Tafel  zu  p.  48.  Meyer  u.  Wolf,  Vög.  Deutschi.,  Heft  8^ 
f.  1  (altes  Männchen).  Beckstein  II,  T.  32,  f.  2  u.  3.  Naumann, 
T.  109,  f.  1—3  (alte  Ausg.  T.  42,  f.  83  u.  84).  Gould,  Birds  of 
Eur.,  T.  201.     Bonaparte  u.  Schl.,  T.  1  (Paar). 

Der  vorhergehenden  Art  gegenüber  liegen  die  Unterschiede  in 
der  bedeutenderen  Grösse,  welche  mit  derjenigen  des  Seidenschwanzes 
und  des  Kirschkernbeissers,  ja  sogar  mit  derjenigen  der  Rothdrossel  (!) 
verglichen  wird  und  in  dem  weit  stärkeren  und  dickeren,  höher  ge- 
wölbten, mehr  „papageiartigen"  Schnabel,  dessen  untere  Spitze  den 
First  gar  nicht  oder  doch  nur  wenig  überragt. 

Sein  Vaterland  ist  vorzugsweise  Europa,  v.  Middendorff  fand 
ihn  nicht  im  Norden  Sibiriens,  von  wo  ihn  Brandt,  der  ihn  auch 
aus  der  Umgebung  Petersburgs  aufführt ,  für  das  westliche  Gebiet 
angiebt.  Naumann's  Angabe,  dass  er  auch  America  bewohne,  ist  irrig. 
Aufenthalt  und  Verbreitung  hat  er  wenigstens  im  Allgemeinen  mit 
dem  Fichtenkreuzschnabel  in  Europa  ziemlich  gemein;  stellenweise- 
fehlt er  wo  jener  sich  findet  und  umgekehrt;  wo  beide  beisammen 
wohnen  ist  er  meist  der  minder  häufige,  wie  er  überhaupt  numerisch 
der  seltenere  und  vorzugsweise  da  zu  suchen  ist,  wo  Kiefernwald 
vorherrscht.  Nach  Wallengren  nisten  beide  Arten  von  Schonen  bis 
in  den  Polarkreis  (Quickjock) ,  wobei  im  südlichen  Schweden  diese, 
im  nördhchen  jene  die  häufigere  sei.  J.  Ramberg  in  Göteborg  schreibt 
mir,  im  Allgemeinen  halte  sich  der  Kiefernkreuzschnabel  (större  Kor- 


*  jiirvg,  Fichte,  Föhre,  latein.  pinus. 


-      277     — 

snäbb*)  in  Wermland  mehr  in  lichten-  Waldungen  in  der  Nachbar- 
schaft von  Torfmooren,  der  Fichtenkreuzschnabel  (mindre  Korsnäbb) 
mehr  im  dichten  Hochwald  auf.  Ein  genaues  Bild  seiner  Verbrei- 
tung zu  geben  fällt  schwer  und  würde  hier  zu  weit  führen.  Für 
die  russischen  Osts  e  e  Provinzen,  Polen,  Pommern  und  AI  t- 
preussen  gilt  der  Kiefernkreuzschnabel  als  ziemlich  häufig.  Wenn 
Beseke  (Vögel  Kurlands  1792,  Nr.  163)  vom  Kreuzschnabel  sagt, 
anderwärts  angegebene  Maasse  seien  zu  gering,  denn  er  übertreffe 
•den  Gimpel  an  Grösse,  so  haben  wir  wohl  an  unsere  Art  zu  denken. 
Auf  dem  Dars,  einer  Halbinsel  Pommerns  unweit  Greifswald,  wo 
•die  Fichtenkreuzschnäbel  nicht  brüten  oder  mindestens  mit  den  gros- 
sen niemals  zusammen  gesehen  werden,  fand  ihn  im  vorigen  Jahr- 
hundert Otto  nistend,  nicht  aber  oder  nur  selten  in  andern  Theilen 
Pommerns,  ebensowenig  auf  dem  Harz  und  in  Thüringen ;  nur  Mangel 
an  Föhrensamen  mache  sie  dort  zeitweise  seltener;  als  Brütezeit 
giebt  er  den  Mai  an  und  schreibt  ihnen  4—5  Junge  zu.  Nach  Nau- 
mann erscheinen  sie  im  Rud  ölst  äd tischen  (Königsee)  zwar  nicht 
alle  Jahre ,  doch  in  manchen  häufig-,  aber  nur  im  Herbst ,  während 
die  Fichtenkreuzschnäbel  dort  nur  im  Vorsommer  getroffen  werden, 
so  dass  beide  Arten  immer  abgesondert  auftreten.  Beckstein  fand 
den  Kiefernkreuzschnabel  bei  Meiningen  alle  Jahre  Winters  in 
Flügen  von  12 — 20  St.  streichend.  Gloger  führt  ihn  aus  Schlesien 
als  unregelmässig  erscheinend  und  minder  zahlreich  wie  der  vorige 
an.  Dr.  R.  Blasius  nennt  ihn  (Ver.  f.  Naturw.  z.  Braunschw\,  Jahresb. 
1886/87  p.  91)  für  die  nächste  Umgebung  der  Stadt  Braunschweig 
als  sehr  seltenen ,  in  einzelnen  Wintern  in  grösseren  Schaaren  ein- 
treffenden Strichvogel,  von  dem  einmal  ein  Paar  in  den  Kiefern  am 
Wendenthurm  gebrütet  habe.  In  den  Jahresberichten  des  Ausschusses 
der  Beobachtungsstationen  d.  V.  Deutschlands  (bis  1885)  ist  er  aus 
Sachsen  als  bei  Arnoldsgrün  und  Uhyst  (Vogtland)  vorkommend 
und  als  mit  dem  Fichtenkreuzschnabel  vergesellschafteter  Winter- 
vogel der  Rhein  lande  (Wetzlar)  aufgeführt,  sowie  für  Ober- 
bayern als  Standvogel  bei  Karlstein  (Reichenhall).  Aus  Wies- 
baden habe  ich  vor  Jahren  eine  Reihe  von  Bälgen  in  Händen  ge- 
habt, v.  TscHUSi-ScHMmHOFFEN  schreibt  mir,  aus  dem  Salzbur- 
gischen seien  ihm  nur  3  Exemplare  bekannt.  Aus  Baden  habe 
ich  durch  Oberförster  Baron  Schilling  von  Cannstatt  zwei  Pärchen 
erhalten,  welche  er  am  18.  December  1886  bei  Neckar-Schwarzach 

*  Korssnaff,  Kiagelrifvare  bei  Linne. 


—     278     - 

(Kr.  Mosbach,  B,A.  Eberbach)  von  einer  hohen  Lärche  herabschoss. 
Es  waren  nur  diese  4  Stücke  da  und  als  statt  eines  einzigen  drei  auf 
den  ersten  Schuss  fielen,  wurde  auch  noch  das  letzte,  das  ruhig  sitzen 
blieb ,  erlegt.  Dieselben  sind  von  etwas  geringer  Grösse ,  gehören 
also  zu  jenen  schon  Eingangs  erwähnten  kleineren  Exemplaren.  Si& 
messen  von  der  Schnabelspitze  bis  zum  Schwanzende  6"  2 — 9"'  und 
T'  (Bp.  u.  Schl.  T')\  die  Schnabelhöhe  beträgt  5— 5^'"  (Bp.  u.  Schl, 
7'") ,  der  starke ,  hochgewölbte ,  ein  Kreissegment  bildende  Ober- 
schnabel hat  über  den  First  gemessen  8 — 8:j'";  bei  einem  Paar  bleibt 
der  untere  Schnabel  völlig  unter  dem  oberen  zurück,  beim  andern 
überragt  er  kaum;  die  beiden  Exemplare  mit  übergreifenden  Unter- 
schnäbeln sind  die  kleineren ;  das  Gefieder  der  Weibchen  ist  im  einen 
Fall  durchaus  braungrau  mit  einiger  Fleckung,  im  andern  braun  mit 
olivengrünem  Scheitel  und  Unterrücken  und  ebenso  überfiogenem 
Bauch ;  die  Männchen  sind  etwas  düster  gefärbt,  vorwiegend  bräun- 
lich mit  Roth  am  Kopf,  Nacken  und  Bauch,  das  beim  einen  trüber 
und  mit  graugrün  gemischt  erscheint,  beim  andern  etwas  in's  Gelb- 
liche zieht  und  nur  vom  Mittelrücken  bis  zum  Schwanz  heller  leuchtet; 
bei  allen  ist  vor  den  Schwanzunterdeckfedein  eine  weisse  Stelle.  Ich 
habe  grosse  Reihen  vom  Fichtenkreuzschnabel  aus  dem  Schwarzwald 
in  Händen  gehabt,  habe  auch  Exemplare  aus  Nordrussland  (Henke) 
und  Obersteiermark  (Hanf)  vor  mir,  niemals  aber  fand  ich  so  derbe 
Schnäbel.  Ob  diese  Familie  die  Nachkommenschaft  aus  ein  und 
demselben  Nest  oder  zwei  gepaarte  Paare  oder  beides  bilde ,  lasse 
ich  dahingestellt. 

Vom  württembergischen  Schwarzwald  führt  zwar  Land- 
beck (Nr.  84)  den  Kiefernkreuzschnabel  als  selteneren,  mehr  ver- 
einzelten Strichvogel  auf  und  Calwer  (Naumannia  Hl,  p.  97,  Württb. 
Idiotikon)  legt  ihm  im  Gegensatz  zur  andern  Art  den  besonderen 
Trivialnamen  „Dollschnabel"  bei,  allein  Belege  sind  in  den  mir  be- 
kannten vaterländischen  Sammlungen  nicht  zur  Hand  Als  ich  im 
März  1851  über  ein  Duzend  schwarzwälder  Kreuzschnäbel  unter- 
suchte, habe  ich  ein  Männchen  von  Calw  als  pdnopsittacus  notirt 
mit  einem  Gewicht  von  2|  Loth  württembergisch,  etwa  gleich  36|- 
Gramm ,  leider  aber  dasselbe  nicht  aufbewahrt ;  unter  damals  prae- 
parirten  Schädeln  hat  einer  allerdings  den  nicht  übergreifenden  Unter- 
Schnabel, allein  er  ist  niedrig  (5"')  und  dabei  zu  gestreckt,  um  ab 
völlig  typisch  zu  gelten. 

Nach  V.  Salis  (Jahresber.  n.  G.  Graub.  VRI,  p.  133)  ist  diese 
Art  in  manchen  Jahren    in    grosser  Anzahl    in  den  Wäldern  Grau- 


—     279     — 

bündtens,  hält  sich  Sommers  *lnehr  in  ßergwaldungen  auf,  von 
wo  sie  im  Spätherbst  in  die  Thäler  streichen;  einzeln  findet  man 
sie  jedes  Jahr  in  den  hochgelegenen  Wäldern  des  Engadin,  auf 
der  Lenzer  Hai  de  u.  s.  w. ,  wo  sie  auch  nisten.  Conrado- 
Baldenstein  fand  bei  Splügen  ein  Nest  im  August  (!) ,  v.  Salis 
kaum  ausgeflogene  Junge  Anfangs  Juni  1860  und  am  21.  Mai 
1861  auf  Brambrüsch.  Hold  (ibid.  XIV,  p.  192)  nennt  ihn  häufig 
in  den  Legföhren -Waldungen  von  Arosa  (6037');  hier  tritt  also 
eine  weitere  Kiefer  (Pinus  mugluis  Kch.  Hegetschw.)  zur  gemeinen, 
wohl  nur  der  Zapfen  wegen  und  für  das  Nisten  jedenfalls  zu  kriechend. 

Über  das  Vorkommen  des  „Crosnobel  grande"  in  Italien  sagt 
GiGLiOLi  a.  a.  0. ,  er  sei  nur  im  nördlichen  Theil  als  Seltenheit  im 
Spätherbst  und  Winter  beobachtet;  nach  A.  Fulcis  habe  er  als  aus- 
nahmsweiser  Standvogel  schon  bei  Belluno  gebrütet.  Im  August 
1855  seien  aus  etwa  einem  halben  Hundert  ein  Duzend  in  Hal- 
matien  erlegt  worden  und  ein  im  December  1869  bei  Verona  er- 
langtes Exemplar  sei  das  einzige  in  der  Florentiner  Sammlung. 

BoNAPARTE  und  ScHLEGEL  nennen  ihn  für  Frankreich,  Bel- 
gien und  Holland  „de  passage  accidentel'^  Das  Vorkommen  in 
Gross britannien  hat  schon  Pennänt  angegeben. 

Fortpflanzung. 

Dass  ich  die  bei  der  vorhergehenden  Art  nach  Günther  an- 
geführte Darstellung  eines  Fortpfianzungsfalls  eher  hieher  beziehen 
möchte ,  ist  dort  bereits  gesagt ,  ebenso  sind  einige  unbedeutendere 
Daten  nach  v.  Salis  u.  A.  soeben  citirt  worden.  J.  A.  Naumann's 
(des  Vaters)  Beobachtung,  wonach  diese  Art,  wenn  nicht  gar  der 
Hackengimpel,  im  Mai  1786  bei  Z  erbst  in  niedrigem  Hartriegel- 
busch nächst  dessen  Vogelstellerhütte  in  einem  grasmückenartigen 
Nest  auf  4  mit  denen  des  rothrückigen  Würgers  verwechselbaren 
Eiern  gebrütet  habe ,  beruht  jedenfalls  auf  Irrthum.  Meyer  in  den 
Vögeln  Liv-  und  Esthlands  (1815,  p.  72)  sagt,  nach  Prof.  Dr.  German 
in  Dorpat  brüte  in  jenen  Gegenden  der  Kiefernkreuzschnabel  im 
Mai;  das  Nest  stehe  auf  den  Gipfeln  der  höchsten  Kiefern  und  ent- 
halte vier  graulichweisse ,  dunkel  blutroth  gefleckte  und  punctirte 
Eier;  schon  im  Januar  habe  German  die  Vögel  in  solchen  Gipfeln 
anhaltend  singen  gehört  (also  am  Brutplatz!).  Nach  seinem  ge- 
meinsam mit  Wolf  herausgegebenen  Taschenb.  d.  D.  Vögelkunde 
(1810,  I,  p.  139)  lebt  dieser  Vogel  in  Pommern,  Franken,  in  der 
Wetterau ,    am  Pihein ,   in  gebirgigen  und  in  ebenen  Kiefernwäldern. 


—     280     — 

Das  Nest  erhielt  er  —  leider  ist  nicht  gesagt,  woher  —  mit  4  Eiern 
am  28.  März  1808  von  einer  Kiefer;  es  bestand  äusserlich  aus  dürren 
Föhrenreisern,  aus  Moos  und  inwendig  aus  Bartflechten,  hatte  im 
Bau  „alle  Ähnlichkeit"  mit  dem  von  Beckstein  beschriebenen  des 
Fichtenkreuzschnabels  (als  welches  er  auch  eingesammelt  wurde), 
die  Eier  weichen  aber  ab ;  diese  sind  10'''  (pariser  Maass)  lang,  7|'" 
breit,  graulich  weiss,  am  stumpfen  Ende  mit  wenigen  einzelnen,  un- 
regelmässig zerstreuten,  dunkelblutrothen ,  grösseren  und  kleineren 
Flecken  und  einzelnen  Puncten  gezeichnet,  auf  der  übrigen  Fläche 
nur  hie  und  da  einzeln  punctirt;  eines  ist  weit  blasser  gefleckt  als  die 
übrigen.  Es  ist,  wie  es  den  Anschein  hat,  diese  Beschreibung  eines 
deutschen  Nist-Falls  aus  d.  J.  1808  in  das  vorher  genannte  aber  später 
erschienene  Liv-  und  Esthländische  Buch  ergänzend  übergegangen. 
Im  Weiteren  haben  wir  auch  hier  vorerst  bei  C.  L.  Brehm  uns 
Raths  zu  erholen.  Dieser  (a.  a.  0.  und  bei  Naumann)  fand  die  Kiefern- 
kreuzschnäbel 1816 — 1819,  als  die  Nadelholz-Samen  besonders  ge- 
rathen  waren,  in  den  Wäldern  zwischen  Saale  und  Roda  sehr  zahl- 
reich brütend.  Weder  an  Zeit  noch  Ort  hatten  sie  sich  hiebei  ge- 
bunden, denn  1816  und  1817  brüteten  sie  erst  im  Mai  oder  gar  im 
Juni  (vergl.  Dorpat  und  Graubündten) ,  in  den  ganz  besonders  vor- 
trefl'lichen  Samenjahren  1818  und  1819  hatten  aber  ungeachtet  der 
strengen  Kälte  einige  schon  im  December  Eier,  andere  brüteten 
im  folgenden  Januar,  die  meisten  im  Februar;  das  letzte  Nest  mit 
Eiern  erhielt  Brehm  noch  Ende  März.  Einmal  verpaart  halten  sie  in 
kleinem  Bezirk  treu  zusammen  und  behaupten  diesen  gegen  andere 
Paare ;  das  Männchen  verräth  den  Stand  des  Nests  durch  sein  un- 
ruhiges Hinundherfliegen  auf  wenigen  Baumgipfeln  und  durch  lauten, 
anhaltenden  Gesang,  den  es  namentlich  flatternd  am  schönsten  hören 
lässt.  Das  Nest  steht  in  ähnlicher  Anlage  wie  dasjenige  der  vorigen 
Art  60 — 120'  hoch,  nicht  im  finstern  Hochwald  sondern  an  lichten 
Stellen  oder  doch  mehr  am  Waldrand.  Dasselbe  ist  fast  immer  sehr 
schön  und  dicht  gebaut,  meist  tiefer  als  eine  Halbkugel,  bei  1"  bis 
fast  3"  dicken  Wänden  aussen  5|",  innen  3"  breit,  2"  tief,  also  durch- 
schnittlich grösser  als  beim  vorhergehenden.  Seine  Stoffe  sind  die- 
selben, aussen  dürre  ,  zarte ,  oft  mit  Flechten  überwachsene  Nadel- 
holzreiser, das  Hauptmaterial  Bartflechten,  welche  bald  allein  ver- 
wendet, bald  mit  Moos  und  Grasstöckchen  vermischt  sind;  die  Aus- 
fütterung besteht  entweder  ganz  allein  aus  Bartflechten  oder  es  sind 
Grashalme,  bisweilen  auch  Kiefernnadeln  beigemengt,  die  zufällig 
hineingekommen  sein  können.    Einige  Nester  sind  fast  bloss  aus  Bart- 


—^     281     — 

flechten  in  ihrem  feineren  Bau  gefertigt ,  also  wohl  besonders  dann 
wenn  das  Weibchen  das  Material  schnell  von  den  nächsten  Bäumen 
nimmt ;  in  den  etwas  eingezogenen  Rand  sind  bisweilen  einige  Feder- 
chen eingewoben.  Die  3 — 4  Eier  sind  verhältnissmässig  klein,  11 
— 13"'  lang,  ly^^  breit,  in  verschiedenen  Nestern  gewöhnlich  ver- 
schieden geformt,  alle  eigestaltig,  einige  sehr  länglich,  andere  mehr 
bauchig,  an  der  Basis  zugerundet,  an  der  Höhe  stumpfspitzig,  denen 
des  Fichtenkreuzschnabels  sehr  ähnlich  aber  stets  grösser,  auf  trübem, 
graulich-  oder  bläulich-weissem  Grund  mit  bleichrothen  oder  blass- 
violettgrauen  Fleckchen ,  blutrothen  und  einzelnen  schwarzbraunen 
Flecken  und  Puncten,  auch  Stricheln  und  feinen  Schnörkeln  besetzt, 
welche  am  stumpfen  Ende  manchmal  einen  ordentlichen  Flecken- 
kranz bilden ,  wobei  dann  die  übrige  Fläche  oft  kaum  sparsam  ge- 
zeichnet ist. 

Das  allein  brütende  Weibchen  sitzt  über  den  Eiern  sehr  fest 
und  wärmt  auch  die  Jungen  noch  lange.  Gewöhnlich  kommen  nur 
zwei  Junge  aus,  welche  anfangs  mit  schwarzen  Fasern  sparsam  be- 
deckt sind ;  beide  Eltern  füttern  mit  Kiefern-  und  Fichtensamen  aus 
dem  Kropf  noch  lange  nach  dem  Ausfliegen. 

Abbildungen  der  Eier:  Thienemann  u.  Brehm,  T.  IX,  f.  14.  Thiene- 
mann's  Fortpfl.  d.  ges.  V.  T.  XXXVI,  f.  17  ab  (im  Catalog  1857  sind 
3  St.  aus  Mitteleuropa  aufgeführt).  Bädeker,  T.  76,  f.  f.  12  (3  St.). 
ScHiNZ  a.  a.  0.  beschreibt  zwar  nach  Brehm  richtig,  bildet  aber  ein 
Goldammerei  ab. 

Für  die  eigene  Beschreibung  habe  ich  nur  schwedische  Vor- 
lagen:  sechs  complette  Gelege  mit  den  Nestern  aus  Wermland, 
Gillberga,  26.  Februar  und  12.  April  1885,  15.  Februar,  5.  und 
13.  März,  5.  April  1886.  Dreimal  bilden  je  3,  zweimal  je  4  Eier 
das  Gelege;  im  spätesten  Fall  (12.  April)  ist  die  sehr  seltene  Zahl 
von  5  Eiern  erreicht.  Wir  beschreiben  vorerst  die  interessanteren 
der  Nester. 

N.  1  (15.  Febr.):  5"  6"'  breit,  2^' 6'"  hoch,  2"  5"' weit,  1"  6'" 
tief,  Dicke  der  Wand  in  der  vorderen  Hälfte  stellenweise  über  1''  6'", 
nach  hinten,  d.  h.  da  wo  es  am  Stamm  angelehnt  war,  nur  9'", 
nach  vornen  abwärts  sich  verbreiternd,  nach  hinten  mit  etwas  ein- 
gezogenem Rand,  ein  schön  gerundeter  und  fester  Bau ;  nach  unten 
und  nach  aussen  stecken,  der  Rundung  angepasst,  viele  feine  dürre 
Zweigchen  der  Rothtanne  dazwischen,  die  häufig  mit  Flechten  (Iw- 
hricaria  pliysodes  Krbr.  L.)  dicht  bewachsen  sind,  dabei  auch  einige 
der  Kiefer ;  die  Hauptmasse,  d.  h.  wohl  die  Hälfte  des  Materials,  be- 


—     282     — 

steht  aus  der  immer  wiederkehrenden  Bartflechte,  die  nur  nach  unten 
einen  einzehien  zusammenhängenden  groben  Büschel  bildet,  im  Übri- 
gen mit  den  Tannenzweigchen  und  mit  Erdmoosen  {Hypnmn  Dill. 
und  vereinzelt  SpJiaynum  Dill.)  ,  am  oberen  Rand  des  Napfs  auch 
mit  verwitterten  Grasstengelchen  durchzogen  ist ;  eine  ganze  Hypniim- 
Schicht  liegt  innerlich  zwischen  Unterlage  und  Napf;  dieser  ist  be- 
sonders in  der  der  schmäleren  Wandstelle  gegenüber  befindlichen 
Hälfte  mit  schmalen  und  breiteren  Bastfasern  von  Wachholderrinde 
dicht  ausgelegt. 

N.  2  (26.  Februar):  stark  5"  breit,  etwas  länglich,  2"  4'" 
hoch,  2"  6 — 10'"  weit,  2''  tief;  nur  an  einer  Hälfte  ist  ein  Unterbau 
von  gröberen  Flechten  {Usnea  harbata  L.,  Cladonia  sylvatica  PIoffm.), 
sonst  besteht  der  in  den  Wänden  V  3"' — 2''  dicke  Bau,  dem  die 
Unterlage  offenbar  abhanden  gekommen  ist,  frei  und  locker  aus  den 
vorher  beschriebenen  Stoffen ;  die  langen  Bastfasern ,  offenbar  mit 
dem  Schnabel  vom  Stamm  abgeschält,  werden  bis  über  3"'  breit, 
sind  sehr  zahlreich  verwendet ,  im  Napf  von  verfilzter  Bartflechte 
meist  verdeckt,  bilden  aber,  der  Moosschicht  des  vorigen  Nests  ent- 
sprechend, unter  der  Ausfütterung  eine  dichte  Lage  und  umschlingen 
mehrfach  den  Oberrand.  Einige  Kiefernnadeln  sind  vom  Standort 
hinzugekommen. 

N.  3  (13.  März):  fast  &'  breit,  2"  2'''  hoch,  2"  3—5"'  weit, 
wenig  über  1"  tief,  aussen  kreisrund  mit  ungleich  dickem  Boden; 
Napf  und  Wände  bis  herab  zu  einer  aus  breiten,  meist  kürzeren 
Bastfaserstücken  bestehenden  Unterlage  bilden  fast  ganz  ausschliess- 
lich einen  dicken  Filz  aus  feiner  Bartflechte,  die  am  Rand  beinahe 
ganz  rein  ist  und  nur  wenige  dürre  Stengelchen  und  verwitterte 
Halme  beigemengt  enthält,  während  nach  unten  grüne  Erdmoose 
aus  dem  Braun  durchscheinen;  innen  befinden  sich  einige  Dunen- 
federchen und  ein  Insectengespinnst. 

N.  4  (12.  April):  4—5"  breit,  länglich,  2"  hoch  mit  2"  4— 8'" 
weitem,  ganz  flachem,  kaum  9'"  tiefem,  in  seinem  Grund  und  Rand 
sehr  festem  Napf.  Würden  für  das  völhg  intacte  und  keineswegs 
durch  den  Transport  zusammengedrückte  Nest  nicht  alle  Spuren  einer 
Bewohnung  durch  Junge  (z.  B.  jene  kleiigen  Federspulenschuppen) 
fehlen,  so  hätte  ich  es  trotz  der  miterhaltenen  Eier  für  ein  durch 
Nestvügel  zusammengesessenes  gehalten ;  wenn  bei  den  vorgehend 
beschriebenen  Exemplaren  die  Höhe  durch  theilweisen  Verlust  der 
Unterlage  und  durch  Druck  bei  der  Verpackung  und  aus  letzterem 
Grund  auch  die  tiefere  Rundung  des  Napfs  gelitten  haben  mag,  so 


—     283     — 

trifft  diess  für  diesen  besonders  festen  Bau  nicht  zu.  Die  aus  Fich- 
ten- und  Kiefernreischen  nebst  einigen  Halmen  bestehende  Unter- 
lage reicht  zum  wulstig  vorstehenden  Rand  herauf,  den  ganzen  Haupt- 
bau, soweit  er  nicht  mit  Halmen  und  einigen  Würzelchen  durch- 
zogen ist  und  aussen  weniges  Moos ,  ein  Farrnkrautfragment  und 
einige  Flechten  {Usnea  harhata  und  Evernia  furfuracea  L.  nebst 
meist  verwitterter  Cladonia  sylvatica  Hoffm.)  sich  daran  befinden, 
bildet  abermals  die  Bartflechte  mit  ihren  Varietäten  {Bryopogon  ju- 
batuui  Lk.,  capülare  et  canmn  Ach.,  bicolor  Ehrh.,  chalybeiforme  L.); 
der  Napf  ist  vorzugsweise  mit  zusammengeballter  Weidenwolle  ge- 
füttert, innerlich  unter  diesem  befindet  sich  ein  Lager  völlig  verwit- 
terter meist  breiter,  an  faules  Holz  erinnernder  Halme  und  Grasblätter. 

N.  5  (5.  April):  der  3^ — 4''  weite  Napf  zeichnet  sich  durch 
eine  an  den  Rändern  aufwärtsgekrümmte  dichte  Einlage  von  einigen 
Dunen  und  vielen  schwarzen  Entenfedern  aus,  ähnlich  der  Ausfütte- 
rung eines  Sperlingsnests ;  im  übrigen  Material  sind  neben  der  spar- 
sam und  gleichmässig  vertheilten  Bartflechte ,  einer  Mooslage  im 
Grund  und  viel  Wachholderrinden  auch  einige  Stengel  der  Kiefer  und 
von  Haidekraut,  viele  Kiefernnadeln  und  Rennthierflechte  verwendet. 
Unterlage  und  ein  Theil  der  äusseren  sparrigen  Stoffe  sind  verloren 
gegangen. 

Ein  sechstes ,  ebenfalls  schlecht  erhaltenes  Nest  habe  ich  der 
Untersuchung  wegen  zergliedert.  Die  Bast-Lage,  durchaus  fest  und 
bis  zu  6'"  dick ,  ausgebreitet  eine  Fläche  von  4"  Durchmesser  bil- 
dend, ist  nach  unten,  mit  Ausschluss  jedes  andern  Stoffs  so  gepresst, 
dass  sie  fast  ein  pappdeckelartiges  Ansehen  hat;  nach  oben  mengen 
sich  Bartflechten  ein  und  einige  Büschel  grauer  und  schwarzer  Dunen 
sowie  einige  Brustfedern  vom  Kuckuck  und  vom  Birkhuhn  liegen 
zwischen  den  sehr  breiten  Rindenfasern  des  Wachholder.  Diese  Unter- 
oder richtiger  Einlage,  bald  schwächer,  bald  stärker,  fehlt  eigentlich 
keinem  der  von  mir  untersuchten  schwedischen  Nester  beider  Arten ; 
ich  sehe  hierin  keineswegs  etwa  nur  eine  örtliche  Gewohnheit,  son- 
dern die  Absicht,  zwischen  dem  lockereren  Aussen-  und  dem  festeren 
Innenbau  mittelst  des  schlechten  Wärmeleiters  das  Ausströmen  der 
Brutwärme  zu  verhindern.  Auch  der  Tannenheher,  der  in  biologi- 
scher Hinsicht  .viel  Analoges  bietet,  hilft  sich  mit  faulem  Holz. 

Irgend  ein  Unterschied  zwischen  den  Nestern  beider  Arten  be- 
steht nicht. 

Zu  den  Eiern  übergehend  numerire  ich  nach  dem  fortlaufen- 
den Datum   meine  Gelege,    „a"    (15.  Febr.),    „b"    (26.  Febr.),    „c" 


—     284     — 

(5.  März),   „d"   (13.  März),   „e"   (5.  Apr.),   „f"  (12.  Apr.).    Die  Maasse 
sind  absteigend: 

f:  111'"  lang,  71'"  breit. 


llf" 

lang, 

7f" 

IIA'" 

V 

73/// 
•4 

11    "' 

V 

7|"' 

11    '" 

» 

71/// 
•2 

lOi"' 

?5 

73'" 

11  '" 

» 

73/// 
•4 

11  '" 

» 

71''' 
'  4 

10|"' 

)) 

71/// 
•2 

10^'" 

» 

73/// 
•4 

10|'" 

n 

71"' 

lor" 

5) 

7|"' 

lor" 

lang. 

73/// 
'4 

breit. 

lOA'" 

;? 

7^'" 

55  (2  St.) 

10 "' 

V 

•2 

55 

10.}'" 

T> 

7|"' 

55 

loi"' 

» 

73/// 
•4 

5) 

lOi"' 

« 

7A'" 

55 

9|"' 

» 

8  '" 

J? 

91"' 

)7 

7A'" 

,»? 

9|'" 

n 

73/// 
•4 

55 

91'" 

55 

'2 

55 

(2  St.) 

Hienach  differirt  die  grösste  Länge  von  der  geringsten  um  2-2-'", 
die  (ebenfalls  nur  einmal  erreichte)  grösste  Breite  von  der  gering- 
sten um  I'" :  als  Durchschnittslänge  können  etwa  10|"',  als  Durch- 
schnittsbreite 7|"'  gelten;  einer  grösseren  Länge  entspricht,  um  das 
Volumen  in's  Gleichgewicht  zu  bringen,  meist  eine  geringere  Breite 
(Dicke)  und  umgekehrt;  besonders  gross  sind  die  Eier  von  f  und  a, 
besonders  klein  diejenigen  von  e ;  an  Übergängen  fehlt  es  nicht.  Bei 
den  meisten  liegt  die  stärkste  Breite  weit  oben  und  sie  fallen  dann, 
bald  mehr  gewölbt  bald  mehr  gradlinig,  etwas  schroff  ab ;  sehr  ge- 
streckt sind  die  grossen  von  f,  dabei  das  grösste  länglich-birnförmig 
(etwas  eingezogen  mit  stumpfer  Höhe),  sehr  stumpf,  gedrungen  und 
rundlich  die  kleinen  von  e ,  schön  oval  sind  nur  wenige ,  eines  ge- 
streckt elliptisch. 

Bläulichweiss ,  vorzugsweise  nur  an  der  Basis  mit  feinsten 
violettgrauen,  hellbräunlichen  und  schwärzlich-purpurbraunen  Tüpfel- 
chen sparsamst  gezeichnet  sind  die  Eier  von  a.  Gleichen  Grund 
und  ähnliche ,  aber  etwas  stärkere  und  häufigere  Zeichnung  haben 
diejenigen  von  a,  dabei  Kranz-Andeutung  und  zweimal  die  Flecken- 
anhäufung gegen  die  Höhe.  Weisslich  grüngrau,  fast  mit  einem  röth- 
lichen  Stich  wegen  vieler  grauröthlicher  ünterfl eckchen  sind  sie  bei  d; 
die  runden  oder  kurzgeschnörkelten  purpurbraunen  Oberfleckchen 
vertheilen  sich  sparsam  über  die  ganze  Oberfläche,  einmal  mehr  um 
die  Basis  gedrängt,  ein  andermal  dort  mit  einem  kreisförmig  in  sich 
selbst  zurückkehrenden  Zickzackhaarstrich.  Etwas  grünhcher  aber 
ähnlich  sind  die  Eier  bei  c,  im  Grund  violettröthlichgrau  und  blass 
bräunlichroth  verwaschen  punctirt   und    fein    gefleckt    mit    grösseren 


—     285     — 

und  kleineren,  selten  etwas  geschnörkelten ,  helleren  und  dunkleren 
rothbraunen  Oberflecken ;  von  allen  sehen  diese  denjenigen  des  Grün- 
lings am  ähnlichsten,  eines  mit  stärkster  Fleckung  erinnert  sogar  an 
manche  Eier  des  Schneeammers.  Bei  b  zieht  die  Grundfarbe  des 
einen  besonders  stark  in's  Gelblichgraugrüne  und  bei  starker  Schnör- 
kelung  liegt  die  Zeichnung  vorzugsweise  in  der  schmalen  Hälfte, 
während  bei  den  beiden  anderen  grössere  verwaschene  (d.  h.  tief  in 
die  Schalenmasse  eingesenkte)  graubräunlichviolette  Fleckchen  und 
Flecken  die  Basalhälfte  stark  röthen,  das  eine  Mal  mit  einem  haar- 
dünnen hellbraunrothen  Schnörkelkranz  überlegt.  Die  Eier  von  e 
haben  den  grünlichsten  Grund  (ähnlich  wie  bei  Emheriza  cirlus  h.), 
feinste ,  ganz  verwaschene  grauröthliche ,  meist  wenig  bemerkbare 
Unterfleckchen  über  die  ganze  Fläche ,  dunkler  und  heller  purpur- 
braune Oberzeichnung  bald  gerundet  bald  kurz  geschnörkelt.  Diese 
und  noch  mehr  diejenigen  von  b  erinnern  in  der  Färbung  an  manche 
des  Buch-  und  des  Bergfinken. 

Innerlich  scheinen  alle  blassgrünlich  durch  und  sind  bis  auf  e 
glanzlos.  Ihr  Gewicht  beträgt  16 — 18,  in  14  Fällen  17  cgr. ,  wird 
also  von  pyrenäischen  und  schwedischen  Eiern  der  andern  Art  im 
Minimum  erreicht;  für  diese  Art  mögen  17,  für  jene  14 — 15  cgr. 
als  Mittel  gelten. 

Nach  dem  Gesammteindruck  könnte  man  dahin  recapituliren, 
dass  die  Eier,  kleiner  oder  grösser  aber  der  Körpergrösse  des  Vogels 
entsprechend,  bald  gestreckter  bald  bauchiger,  vorwiegend  ungleich- 
hälftig, auf  trübweissem,  bald  in's  Bläuliche  bald  mehr  in  Gelblich- 
grün gehendem  Grund  wenig  dicht  oder  nur  sparsam  gezeichnet  sind 
mit  purpurbraunen  bis  schwärzlichen,  öfters  kurz  geschnörkelten  Fleck- 
chen und  Puncten  oder  mit  einigen  Haarzügen  über  einer  unteren 
verwaschenen  Zeichnung  in  allen  Abstufungen  von  Hellbraunroth  bis 
Violettgrau.  Eine  solche  generalisirende  Characteristik  passt  natür- 
lich auf  die  Eier  aller  Kreuzschnäbel  und  dürfen  wir  auch  nicht 
übersehen,  dass  die  Grössen  der  Eier  bei  beiden  Arten  zusammen 
nicht  ausserhalb  der  Sphäre  der  Variabilität  liegen ,  wie  wir  eine 
solche  von  anderen  Arten  mit  weiter  Verbreitung  kennen.  So  habe 
ich  in  den  Extremen  z.  B.  vom  Buchfink  {Fringilla  coelehs  L.)  ein 
grösstes  Ei  mit  stark  %\'''  Länge  und  fast  7"'  Breite  aus  Sardinien  und 
Exemplare  von  Archangelsk,  deren  eines  nur  8'''  und  6'",  das  andere 
sogar  nur  1^'"  und  5^'"  misst. 

Oologisch  entfernen  sich  die  Eier  der  Kreuzschnäbel  weit  von 
denen  mancher  anderer  dickschnäbeliger  Kernbeisser,  namentlich  von 


—     286     — 

den  Gruppen  Fichtengimpel  {Strobiliphaga  s.  Corijtlms)  und  Kirsch- 
kernbeisser  {Coccotkraustes)  ^  ja  selbst  von  Pyrrhula;  sie  schliessen 
sich  viel  enger  an  jene  Finkenarten  an,  die  wie  Hänfling,  Grünling, 
Stieglitz  u.  s.  w.  lichtgrundige  Eier  legen ;  im  Gegensatz  zu  jenen 
vorgenannten  mit  lockerem  Nest  aus  Reisig  und  Wurzelgeflecht,  weist 
sogar  auch  der  dichte  Nestbau  mit  weichen  Stoffen  hieher. 

3.  Der  Weissbinden-Kreuzschnabel,    Crucirostra 
leucoptera  Cuv. 

—  bifasciata  C.  L.  Brhm.  Loxia  leucoptera  Gm.  —  falcirostra 
Lath.  • —  taenioptera  Glog.   Curvirostra  leucoptera  Wils. 

Abbildungen:  Wilson,  Am.  Orn.  T.  15  u.  31  je  f.  3.  Godld, 
Birds  of  Eur,  T.  203.  Nilsson,  Skand.  Fauna,  Fogl.  I,  T.  20.  Nau- 
mann, T.  HO,  f.  4  (jung),  Nachtr.  (XIII),  T.  385,  f.  1—4.  Bonap. 
u.  Sohl.,  T.  8  (Paar  von  „bifasciata''^)^  T.  9  (Paar  von  „leucop)tera^^), 
T.  10  (altes  Männchen  vom  Himalaja). 

Viel  hieher  Gehöriges  ist  im  allgemeinen  Theil  bereits  gesagt. 
Bonaparte  und  auch  G.  R.  Gray  halten  die  nordamericanische  Form  als 
Art  aufrecht.  Letzterer  führt  gerade  diese  als  nach  England  zugeflogen 
auf.  Ersterer  legt  neben  der  notorisch  etwas  geringeren  Grösse  und 
dem  zusammengedrückteren  Schnabel  auch  auf  das  Roth  des  Männchens 
Gewicht,  „qui  tire  toujours  au  rose  fortement  carmine  et  non  pas 
au  rouge  vermillon."  Unter  fünf  mir  vorliegenden  Männchen  von 
Archangelsk  haben  zwei  eben  jene  leuchtende  Purpurfarbe,  die  Nau- 
mann Johannisbeerroth  genannt  hat,  während  die  drei  anderen  jene 
hellere  Färbung  haben ,  die  man  eine  Mischung  aus  Zinnober  und 
Mennigroth  nennen  könnte;  ein  junges  Männchen  von  dort,  noch  grob 
braun  gefleckt  und  nur  am  untern  Bauch  porameranzengelb ,  würde 
in  seiner  geringen  Grösse  dem  nördlichsten  America  Ehre  machen. 
Trotz  dem  gegebenen  Farbenunterschied  zieht  Bonaparte  den  Hima- 
laya-Vogel  mit  mehr  mennigrothem  Colorit,  der  doch  nur  ein  Ab- 
kömmling des  Nordasiaten  sein  kann,  zum  Americaner.  Naumann 
hat  auf  seiner  Nachtragstafel  den  carminrothen  Vogel  als  ganz  alten, 
den  mehr  zinnober-mennigrothen  als  jüngeren  gedeutet.  Als  wesent- 
licher Unterschied  gilt,  dass  bei  der  americanischen  Rasse  das  alte 
Männchen  auf  dem  Oberflügel,  an  den  kleinen  oberen  Flügeldecken 
und  den  Schulterfedern  reines  Schwarz,  das  europäische  Grauschwarz 
und  schwärzliches  Grau  habe.  J.  H.  Blasius  (Naumann,  Nachtr. 
188—192)  nimmt  nur  örtliche  Varietät  an  und  das  ist  mehr  als  genug. 

In  America  lebt  diese  Art  im  höheren  Norden  soweit  der  Nadel- 


-     287     — 

wald  hinaufreicht.  Nach  Pennant  (Übersicht,  übers,  v.  Bechsteix 
1794,  II,  103),  der  auch  aus  Neu- York  einen  Vogel  erhielt,  kommen 
sie  zu  Ende  Mai  am  Severn-Fluss  in  der  Hudsonsbai  an,  ziehen  aber, 
„weil  sie  an  kaltes  Clima  gebunden  seien,"  zum  Brüten  *noch  weiter 
gegen  Norden  und  kommen  erst  im  Herbst  beim  ersten  Frost  zurück; 
Hier  liegt  aus  ünkenntniss  des  vorzugsweise  winterlichen  Brütens 
der  Kreuzschnäbel  eine  falsche  Deutung  der  unstäten  Lebensweise 
vor.  Ebenderselbe  erwähnt  nach  Hütchins,  dass  der  Vogel  („Asitchou- 
Achaschich")  im  März  an  der  Hudsonsbai  ankomme,  sein  Nest 
aus  Gras,  Schlamm  und  Federn  (?)  gewöhnlich  in  der  Mitte  eines 
Tannenbaums  erbaue,  fünf  weisse,  mit  gelblichen  Flecken  gezeichnete 
Eier  und  etwa  im  Juni  flügge  Junge  habe ,  mit  denen  sie  zu  Ende 
November  weiterziehen.  Nach  Richardsohn  (Fauna  bor.  am.,  Birds, 
p.  263)  wohnen  sie  in  den  dichten  Weisstannenwäldern  bis  dahin 
wo  diese  unter  dem  68  °  n.  Br.  aufhören ;  im  September  ziehen  sie 
sich  in  kleineren  Schaaren  von  der  Küste  in's  Innere  zurück.  Nach 
Wilson  ist  im  Norden  der  vereinigten  Staaten  der  weissbindige 
Kreuzschnabel  seltener  als  der  bindenlose.  Aus  Labrador  ist  er 
gleichfalls  erwähnt. 

Im  nördlichen  Sibirien  hat  v.  Middendorff  (Reise  II,  Zool.  1851, 
Vög.  p.  154)  diese  Art  vorzugsweise  häufig  am  Jenissej  und  an 
diesem  Strome  jenseits  des  63^  n.  Br.  bis  in  den  Polarkreis  und 
bis  zur  Nordküste  Ostasiens  als  einzigen  Kreuzschnabel  beobachtet; 
ein  bei  Udskoj-Ostrog  6.  Juni  geschossenes  Männchen  beschreibt  er. 
In  der  Mandschurei  beobachtete  er  sie  Ende  October  auf  der  süd- 
lichen Abdachung  des  Gränzgebirges.  Durch  Bonaparte  und  Schlegel 
kennen  wir  den  Vogel  aus  dem  Himalaya.  Über  Nordamerica  und 
Nordasien,  wohl  ohne  irgend  welche  Unterbrechung,  tritt  der  Weiss- 
binden-Kreuzschnabel nach  Westen  fortschreitend  nach  Europa  als 
Brutvogel  über.  Im  Gebiet  des  weissen  Meers  ist  er  nach  LiljeborCt 
im  Gouvernement  Archangelsk  allgemeiner  Nistvogel,  im  Fichtenwald 
und  nicht  bloss  ausschliesslich  in  Lärchenwäldern.  Dort  haben  Graf 
Hoffmannsegg  und  Henke  (1853 — 1856)  zahlreiche  Vögel  in  allen 
Kleidern  eingesammelt. 

Die  schon  früher  erwähnten  Schaaren,  welche  im  Sommer  1826 
auf  einige  Monate  Mitteleuropa,  namentlich  beinahe  die  ganze  süd- 
östliche Hälfte  Deutschlands  sowie  auch  Schweden  besuchten,  haben 
auf  diese  Vögel  erst  aufmerksam  gemacht;  vereinzelte  frühere  Exem- 
plare haben  Meissner  und  Schinz,  sowie  Naumann  verkannt.  Seither 
sind  sie  in  vielen  Theilen  Deutschlands,  z.  B.  in  Thüringen,  am  Harz, 


—     288     — 

im  Rheinland  erlegt  und  gefangen  worden.  Lungershaüsen  (Nau- 
mannia)  erwähnt  a.  d.  J.  1851  einen  Fall  von  Reinhardtsbrunn  bei 
Gotha,  in  welchem  Theile  des  Thüringer  Walds  seit  1827  kein  Vogel 
mehr  vorgekommen  sei.  Dr.  Helm  (Beob.  Ber.)  führt  von  Arnolds- 
grün im  Sachs.  Vogtland  zwei  Vögel  auf,  die  1885  auf  den  Lockruf 
des  Fichtenkreuzschnabels  sich  fiengen. 

Für  W  ü  r  1 1  e  m  b  e  r  g  ist  bis  jetzt  das  Exemplar  ein  Unicum,  wel- 
ches ich  am  11.  März  1851  von  Wildberg  im  Schwarzwald  im  Fleisch 
erhalten  und  in  jüngster  Zeit  in  die  vaterl.  Vereinssammlung  gegeben 
habe.  Es  ist  ein  sehr  schönes  Männchen  fast  wie  Bonap.  u.  Schleg. 
T.  8,  ein  Mittelding  zwischen  f.  1  u.  2  auf  Naümann's  T.  385 ;  im 
hell  zinnoberrothen,  theilweise  blass  carmoisinroth  leuchtenden  Klein- 
gefieder sind  aus  älterem  Kleid  grünlichgelbe  Federchen  seithch  und 
auf  dem  Scheitel  stehen  geblieben ,  um  den  Hals  ist  ein  grauer, 
oberhalb  der  Flügel  ein  grünlicher  Schimmer ;  der  Schnabel  ist  merk- 
würdig hell,  nicht  wie  beschrieben  wird,  bläulich-horngrau  sondern 
bis  auf  den  hell  hornbraunen  First  nahezu  fleischfarben ;  das  Gewicht 
habe  ich  mit  2-^^   Loth  (30  Gramm)  s.  Z.  notirt. 

Ich  kann  nicht  anders,  aber  ich  sehe  in  dem  Vogel  keinen 
Irrgast  sondern  einen  Landsmann.  Seine  Anwesenheit  fällt  nicht 
wie  z.  B.  1826  in  den  Sommer  oder  Herbst,  sondern  in  die  Brutzeit 
unserer  Kreuzschnäbel;  zwei  gerade  in  jenem  Jahr  am  7.  März  von  mir 
untersuchte  Männchen  hatten  stark  angeschwollene  Testikel  (worauf 
dieser  leider  nicht  untersucht  worden  ist) ;  er  wurde  mit  Fichten- 
kreuzschnäbeln, unter  denen  er  lebte,  erlegt  und  bei  der  Schwierig- 
keit sicheren  Erkennens  wenn  man  die  Individuen  nicht  nahe  zur 
Hand  hat,  kann  bei  der  Gewohnheit  in  den  höchsten  Gipfeln  sich 
aufzuhalten ,  mancher  Weissbindenvogel  übersehen  werden.  Wenn, 
wie  ich  annehme,  alle  jetzt  als  Arten  getrennte  Kreuzschnäbel  von 
ein  und  demselben  Stamme  sind,  so  wäre  nichts  natürlicher  als  ein 
sporadischer  Rückschlag.  Aber  auch  die  Artberechtigung  zugegeben, 
wäre  es  gar  nicht  verwunderlich,  wenn  einzelne  Paare,  der  gemeinen 
Art  zugesellt,  zum  Brüten  dableiben  oder  wenn  sie  bei  der  nahen 
Verwandtschaft  mit  jener  sich  kreuzen  würden.  Augenfällig  ist  überall 
doch  meist  nur  die  überwiegende  Hauptrasse,  könnten  wir  aber  eine 
Heerschau  über  all  unsere  Kreuzvögel  abhalten,  so  fände  sich  gewiss, 
und  zwar  zu  jeder  Zeit,  mancher  weissbindige.  Brehm  sagt  im  Text 
zu  Bädeker's  Eierwerk,  der  Vogel  sei  im  Sommer  1825  (1826?) 
im  Jugendkleid  auf  dem  Thüringer  Wald  vorgekommen,  so  dass 
die   Brutplätze    wohl    nicht    gar    so    ferne    lägen.      Blasius   bemerkt 


—     289     — 

a.  a.  0.,  dass  am  Harz  jetzt  fast  alljährlich  Weissbindenvögel  unter 
den  anderen  Kreuzschnäbeln  gefangen  werden  —  nachdem  einmal 
das  Vorkommen  festgestellt  ist.  Derselbe  sagt,  die  Brutzone  in 
Europa  bedürfe  nach  Westen  und  Süden  noch  einer  genaueren  Fest- 
stellung. 

Ausserhalb  Deutschlands  ist  unser  Vogel  in  Irland  (1802), 
wiederholt  in  England  nach  Yarell,  in  Holland  und  Belgien  nach 
Selys-Longchamps  vorgekommen,  meist  im  Spätsommer  und  Herbst, 
aber  auch  in  den  Wintermonaten.  Nach  Wallengren  war  der  Binden- 
kreuzschnabel im  October  1845  und  Januar  1846,  also  über  Herbst  und 
Winter,  zu  einer  Zeit  in  der  er  auch  anderwärts  wieder  häufig  auf- 
trat ,  im  mittleren  und  südlichen  Schweden  nicht  gerade  selten ; 
sparsamer  war  er  dort  auch  i.  J.  1841  und  1848  vorhanden  und 
Blasius  vermuthet ,  dass  er  dort  niste ;  Belege  hiefür  sind  seither 
nicht  beigebracht.  Nach  Giglioli  a.  a.  0.  erscheint  er  nur  sehr 
selten  Winters,  von  September  ab  in  Norditalien;  die  Gebiete 
von  Bergamo,  Brescia,  Verona,  auch  Lodi  mit  3  Exemplaren,  sind 
1846—1867  genannt. 

Fortpflanzung. 

Über  diese  ist  Positives  kaum  bekannt.  Da  sie  von  derjenigen 
der  andern  Kreuzschnäbel  nicht  wesentlich  abweichen  kann,  ist  dieses 
mehr  für  die  Sammlungen  als  für  die  Wissenschaft  zu  bedauern. 
Dass  das  unter  dem  Collectivnamen  curvirostra  von  Pallas  citirte 
nordasiatische  Nest,  das  Steller  im  März  fand,  hieher  bezogen  werden 
könnte,  ist  schon  früher  bemerkt.  Bedeutungslos  ist,  was  Pennant 
nach  HüTCHiNS  anführt,  so  wahrscheinlich  es  auch  ist,  dass  die  Nist- 
zeit sich  ebenfalls  bis  tief  in's  Frühjahr  herein  erstrecke.  Ob  in 
den  neuen  americanischen  Autoren  sich  überhaupt  etwas  und  nament- 
lich etwas  Präcises  findet,  weiss  ich  bei  mir  unzugänglicher  Literatur 
nicht.  TfflENEMANN  hat  mir  Anfangs  ■  der  fünfziger  Jahre  ein  in  der 
Gefangenschaft  gelegtes  Ei  gezeigt ,  dessen  ich  mich  als  ziemlich 
klein  und  gestreckt,  mit  recht  blasser  Fleckung  noch  genau  erinnere : 
da  er  die  Artberechtigung  nicht  anerkannte,  mag  es  unter  die  anderen 
gekommen  sein,  unter  den  abgebildeten  befindet  es  sich  aber  nicht ; 
der  nach  seinem  Tod  verfasste  Catalog  1857  der  Sammlung  führt 
ein  Ei  aus  Nordamerica  (ob  dasselbe?)  und  ein  Nest  aus  dem 
borealen  Europa  auf. 

Baedeker  bildet  T.  20  f.  10  ein  als  acht  beglaubigtes,  im  Käfig 
gelegtes  Ei  ab;    nach    dieser  Abbildung  ist  es  9|^'"  lang,   7'"  breit, 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  19 


—     290     — 

ziemlich  bauchig,  auf  bläuhchweissem  Grund  sparsam  mit  dunkel- 
braunen scliärferen  Puncten  und  mit  zahlreicheren  verwaschenen  hell- 
bräunlichen Fleckchen  gezeichnet ;  der  Text  besagt ,  es  sei  etwas 
kleiner  als  dasjenige  vom  Fichtenkreuzschnabel ,  sonst  diesem  zum 
Verwechseln  ähnlich. 

Herr  J.  Rambkrg  in  Göteborg  erhielt  i.  J.  1887  ein  angebliches 
Nest  mit  einem  Ei  von  Archangelsk,  und  er  hat  die  Güte  ge- 
habt, den  Fund  zur  Beschreibung  mir  anzuvertrauen.  Ich  kann  aber 
nicht  läugnen,  dass  ich  in  keiner  Weise  von  der  Richtigkeit  über- 
zeugt bin,  nicht  als  ob  ich  den  guten  Glauben  von  Finder  und  Be- 
sitzer anzweifeln  wollte ,  sondern  weil  dort  auch  der  Fichtenkreuz- 
schnabel brütet  —  es  liegen  mir  4  Exemplare  von  dort  vor  —  und 
weil  das  Ei  für  den  kleineren  und  schlankeren  Vogel  mir  nicht  passen 
will.     Trotzdem  mag  die  Beschreibung  hier  stehen. 

Das  Nest  ist  ein  kreisrunder,  gefälUger  Bau,  massig,  dickwandig, 
11|  Drachmen  schwer,  etwa  5''  im  Durchmesser  haltend,  gegen  2^" 
hoch,  schwach  1|"  tief,  bei  einer  .Weite  des  sanft  eingebuchteten 
Napfs  von  etwa  2Y\  mit  1  —  2"  dicken  Wänden,  an  einer  Stelle, 
wo  ein  Zweig  des  Baumes  eingriff,  geöffnet;  äusserlich  ist  es  mit 
kurzen,  dünnsten  Stücken  dürrer  Fichtenreiser  umgeben,  im  Unter- 
bau, wo  in  Folge  des  Abnehmens  vom  Ast  die  Einlage  freigelegt  ist, 
aus  verwitterten  Pttanzenstengeln,  auch  Fasern  von  Wachholderrinden 
und  faulen  Holztheilchen  fest  verfertigt,  darüber  mit  einer  starken 
Schicht  von  schwärzhchen  Bartflechten  (Bryopogon  s.  Alectoria  ju- 
bata  Ach.  var.  chaliheiforniis  L.),  welche  neben  wenigen  feinen  Pflan- 
zenfasern den  Napf  dicht  auskleiden  und  die  starken  Seitenwände 
nach  innen  ausschhesshch  und  theilweise  mit  erhabenem  Rand  bilden. 
Einzelne  hellgelbgrüne  Flechten  {Alectoria  sarmentosa  var.  crinalis 
Ach.)  sind  aussen  ringsum  vertheilt,  ein  Kiefernnadelbüschel  und 
etwas  feinste  Kiefern  rinde  haften  seitlich  an. 

Das  Ei,  lOi'"  lang,  1\"'  breit,  fast  20  cgr.  (!)  schwer,  unter- 
scheidet sich  in  gar  nichts  von  andern  Kreuzschnabeleiern  und  ist 
verhältnissmässig  recht  gross,  d.  h.  es  stimmt  mit  den  grössten  vom 
Fichten-  und  kleineren  vom  Kiefernkreuzschnabel;  seine  Gestalt  ist 
bauchig-oval,  der  Grund  geht  aus  Grüngrau  in"s  Bläuliche,  an  der 
Basis  drängt  sich  die  sparsame  Zeichnung  in  violettbräunlichen,  helle- 
ren und  dunkleren  kurzen  Schnörkeln  und  einigen  dunkelblutbraunen 
Fleckchen  und  Tüpfeln  zusammen  ;  auf  der  übrigen  Fläche  vertheilen 
sich  unregelmässig  nur  wenige  hellere  Fleckchen  und  dunkle  Tüpfel. 
Ohne  Ramberg's  Autorität  würde    ich    bei  Nest  und  Ei  nur   an    den 


—     291     — 

Kiefeinkreuzschnabel,  gerade  so  wie  ich  die  Fortpflanzung  eben  aus 
Schweden  kenne,  gedacht  haben. 

Im  Rückblick  auf  meine  Arbeit  bin  ich  mir  bewusst,  kaum  etwas 
l^eues  und  nur  wenig  Gutes  geleistet  zu  haben.  Dass  ich  sie  über- 
haupt unternahm,  mag  darin  seine  Begründung  finden,  dass  ich  seit 
mehr  als  sechsunddreissig  Jahren  für  das  Thema  mich  interessire. 
Deshalb  habe  ich  für  die  Fortpflanzung  so  reiches  Material  gesam- 
melt und  dieses  Interesse  hat  mich  auch  veranlasst,  aus  längst  ver- 
gessenen alten  Quellen ,  die  der  Erinnerung  doch  werth  sind ,  zu 
schöpfen. 

Eben  für  die  Fortpflanzung  ist  unverhültnissmässig  viel  bei- 
gebracht, aber  gerade  hier  wollte  ich  Nichts  übergehen.  Dass  unter 
diesem  vielen  Einzelnen  das  Ganze  leiden  musste,  ist  mir  selbst  am 
klarsten.  Nicht  mit  Unrecht  wird  man  z.  B.  fragen,  warum  ich  so 
viele  Messungen  der  Eier  vorgenommen  und  sie  hier  wiedergegeben 
habe ;  Längen-  und  Breitenachse  sind  ja  für  das  Volumen  nicht  ein- 
mal völlig  maassgebend,  da  bei  diesem  die  verschiedenartige  Wöl- 
bung der  Bahn  zwischen  beiden  Polen  mitwirkt.  Es  hat  mir  aber 
■daran  gelegen,  in  irgend  einer  Form,  vorerst  mir  selbst  und  dann 
auch  anderen  Specialisten ,  ziffermässig  klar  zu  machen ,  wie  weit 
die  Schwankungen  in  der  verschiedenen  Grösse  bei  der  Einzelart 
gehen  und  wie  geringe  Unterschiede  und  welche  Übergänge  sich 
finden.  Die  von  mir  Eingangs  hervorgehobene  nahe  Verwandtschaft, 
*um  nicht  direct  zu  sagen  Zusammengehörigkeit,  aller  Kreuzschnäbel 
habe  ich  am  Ei  nachzuweisen  versucht,  gerade  so  wie  Andere,  gleich- 
falls Serien  messend,    ihre  Schlüsse    aus    den  Vögeln   selbst  ziehen. 

Vielleicht  ist  die  Zeit  nicht  so  ferne,  in  der  man  die  maass- 
lose Artentrennung  aufgiebt,  dafür  aber  um  so  genauer  jede  ursprüng- 
liche Einzelart  als  solche  nach  ihren  besonderen  Verbreitungsbezirken 
gesondert  in's  Auge  fasst.  Für  solche  Nothwendigkeit  bilden  gerade 
die  nach  allen  Seiten  in  einander  verschwimmenden  Kreuzschnäbel 
ein  schlagendes  Beispiel. 

Schloss  Warthausen  im  März   1889. 


ft 


19* 


Ueber  ein  angebliches  Vorkommen  gediegenen  Zinns 
und  über  die   spezifisehen   Gewichte    der  Zinnblei- 
legierungen. 

Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Nies  in  Hohenheim. 

I. 

Die  Angaben  über  Fundorte  gediegenen  Zinns  sind  in  der 
mineralogischen  Litteratur  dünn  gesät,  namentlich  wenn  man  einige 
ältere  als  wohl  sicher  irrtümliche  in  Abzug  bringt,  welche  sich  auf 
Zinn  beziehen,  das  offenbar  bei  metallurgischen  Prozessen  gewonnen 
wurde.  Dahin  dürften  die  Verzeichnungen  von  Cornwall  und  Les 
Pieux,  Departement  de  la  Manche,  als  Fundorte  zählen.  Mit  dem 
letzteren  „Fundorte"  ist  zugleich  wohl  identisch  Cherbourg,  da  Les 
Pieux  in  dem  Arrondissement  Cherbourg  gelegen  sind.  Auch  der 
Fund  von  Segur  im  Departement  Correze  dürfte  nur  avif  ein  Kunst- 
produkt zu  beziehen  sein,  wiewohl  nicht  verschwiegen  werden  darf, 
dass  von  der  genannten  Stelle  auch  Wismutspat  als  vorkommend 
angegeben  wird,  ein  Mineral,  welches  das  natürliche  Zinn  von  Mexiko 
(siehe  unten)  begleitet. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Zinnfunden,  deren  Natürlichkeit  und 
Ursprünglichkeit  anzuzweifeln  sind,  beziehen  sich  die  folgenden  drei 
Litteraturangaben  auf  gediegen  Zinn  als  auf  eine  durch  „natürliche 
Prozesse  entstandene  Mineralspezies": 

1)  R.  Hermann,  Über  das  Vorkommen  von  gediegenem  Zinn 
in  den  Uralschen  Goldseifen  (Journ.  prakt.  Chemie.  33.  300.  1844). 
Nachdem  eine  erste  Probe,  „ein  Metallkorn,  aus  einem  weissen,  duk- 
tilen Metall  bestehend,  dem  einige  Goldkörnchen  anhingen,"  für 
Schnelllot  gehalten  worden  war,  durch  welches  man  künstlich  die 
Goldkörnchen  zusammengelötet  hätte ,  lieferten  später  zur  Unter- 
suchung kommende  Proben  des  Waschgoldes  aus  Slatoust  Beimen- 
gungen, welche  neben  Osmiridium  einige  grau  angelaufene  Körnchen 
enthielten,  die  vorwiegend  aus  Zinn  mit  einer  geringen  Beimischung 
von  Blei  bestanden.  „Das  Gold  der  Seifenwerke  der  Umgegend  von 
Miask  wird  also  von  geringen  Mengen  gediegenen  Zinns  begleitet." 


—     293     — 

2)  A.  Frenzel,  Mineralogisches  (N.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1873. 
784).  Unter  einem  Wismutspate,  der  zentnerweise  in  ziemlich  reinem 
Zustande  aus  Mexiko  nach  Europa  geliefert  wird,  „fanden  sich  ein- 
zelne Metallblättchen,  die  sich  unter  dem  Hammer  ganz  duktil  und 
vor  dem  Lötrohre  als  reines  Zinn  erwiesen.  Diese  Zinnblättchen 
zeigen  ein  krystallinisch-körniges  Gefüge."  In  einer  späteren  Mit- 
teilung (N.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1873.  946)  wird  beigefügt,  dass  der 
betreffende  Wismutspat  aus  einer  der  Minen  in  der  Nähe  der  Stadt 
Guanajuato  im  Innern  Mexikos  stammt. 

3)  F.  A.  Genth,  Contributions  to  Mineralogy:  Tin ,  and  as- 
«ociated  Minerals  (Contributions  from  tlie  Laboratory  of  the  Uni- 
versity  of  Pennsylvania.  No.  24.  1885).  Als  zinnhaltig  wurden  Wasch- 
proben befunden,  welche  teils  vom  Aberfollflusse ,  24  km  von  Oban 
in  Neusüdwales,  teils  vom  Samflusse,  einem  der  Quellflüsse  des  Cla- 
rencestromes,  etwa  32  km  von  erstgenannter  Lokalität  entfernt,  stam- 
men. Das  Zinn  bildet  unregelmässige  Einzelkörner,  0,1,  selten  bis 
1  mm  gross ,  und  körnige  Aggregate.  Unter  der  Lupe  zeigen  sie 
eine  unebene  Oberfläche,  mitunter  aber  Spuren  von  Krystallflächen. 
Mit  Salzsäure  behandelt  lösen  sie  sich  schnell  unter  Entwickelung 
von  Wasserstoff  und  unter  Zurücklassung  kleiner  Blättchen  von  Irid- 
osmium.  „Nicht  eine  Spur  irgend  eines  anderen  Elements  ausser 
Zinn  konnte  in  der  Lösung  nachgewiesen  werden."  Als  Begleiter 
des  Zinns  werden  übereinstimmend  für  beide  Lokalitäten  Platin,  Irid- 
osmium,  Gold,  Kupfer,  Zinnstein  und  Korund  (besonders  in  der 
Varietät  Sapphir)  beschrieben. 

Ausser  diesen  Angaben  existieren  nur  noch  zwei  Arbeiten  von 
FoRBES,  welche  sich  mit  dem  Vorkommen  des  Zinns  in  Bolivien  be- 
schäftigen. Durch  Herrn  Apotheker  Clessler  in  Plieningen  auf  kleine 
Stückchen  „Zinn  aus  Bolivien",  welche  sich  in  seiner  Sammlung  vor- 
fanden, aufmerksam  gemacht,  wurde  ich  zu  der  Untersuchung  ver- 
anlasst, welcher  der  beiden  im  obigen  unterschiedenen  Kategorien, 
den  zweifelhaften  oder  den  sicheren  Vorkommnissen  von  gediegenem 
Zinn  wohl  die  bolivianischen  Funde  zuzuzählen  seien. 
'  D.  Forbes,    Researches    on   the  Mineralogy   of  South  America 

(The  London,  Edinburgh  and  Dublin  Philos.  Magazine.  (4.)  29.  129 
und  (4.)  30.  142).  Längs  des  ganzen  Laufes  des  Tipuani,  eines 
Nebenflusses  des  Mapiri  in  der  Provinz  La  Paz,  Bolivien,  sind  zahl- 
reiche Goldwäschereien,  teils  in  den  vom  Flusse  verlassenen  Alt- 
wässern, teils  im  Untergrunde  des  heutigen  Flussbettes,  welches  man 
dadurch  blosslegt,    dass  man  die  eine  Hälfte    des  Wasserlaufes    ab- 


294     - 


dämmt,  um  nach  Erschöpfung  des  Detritus  die  andere  Hälfte  eben- 
falls dnrch  Abdämmung  trocken  zu  legen.  Forbes  hält  die  Lager- 
stätten für  die  goldreichsten  in  Südamerika,  ja  vielleicht  der  ganzen 
Welt,  und  ihre  grosse  Lieferfähigkeit  wird  bewiesen  durch  die  enorm 
lange  Zeit  des  Abbaus :  haben  doch  schon  vor  den  Spaniern,  welche 
dort  seit  1581  Gold  wuschen,  die  Lidianer  die  Fundstellen  ausgenützt. 
Und  wenn  heute  der  Betrieb  ein  weniger  reger  ist,  so  ist  dies  nicht 
auf  eine  Erschöpfung  des  Goldvorrates,  sondern  auf  lokale  Schwierig- 
keiten zurückzuführen,  wie  sie  in  der  Beschaffung  von  Arbeitskräften 
und  von  ausgiebig  arbeitenden  Maschinen  begründet  sind.  Etwas- 
oberhalb  des  am  gleichnamigen  Flusse  gelegenen  Dorfes  Tipuani 
wurde  die  Wäscherei  Playa  Gritada  einer  näheren  Untersuchung 
unterworfen ,  nachdem  Forbes  von  befreundeter  Seite  einige  Stück- 
chen Zinn  als  von  dort  stammend  erhalten  hatte.  Eine  Untersuchung 
der  Waschrückstände  in  den  Waschmaschinen  (Lavadero)  ergab  zu- 
nächst das  Resultat,  dass  ein  wesentlicher  Bruchteil  des  Rückstandes 
von  Zinnstein  gebildet  wurde,  einem  Mineral,  welches  bis  dahin  den 
Goldwäschern  noch  gar  nicht  bekannt  war,  oder  —  richtiger  ge- 
sagt —  als  zinnhaltig  von  ihnen  nicht  erkannt  war.  Zur  näheren 
Untersuchung  und  zur  Abschätzung  der  relativen  Mengen  der  die 
Waschrückstände  bildenden  Mineralien  siebte  Forbes  zunächst  da& 
feinste,  fast  ganz  aus  Zinnstein  bestehende,  wie  es  scheint  aber  auch 
metallisches  Zinn  enthaltende  Material  ab.  Der  gröbere  auf  dem 
Siebe  zurückbleibende  Teil  wog  15 109  Grains  (906,5  g)  und  liess 
sich  mit  folgendem  Resultate  ^  sortieren : 

Fast  reiner  Zinnstein  .     .     .     .     11115  Grains     666,9  g 

Roteisenstein  in  glänzenden  Kör- 
nern   

Roteisenstein  in  Pseudomorpho 
sen  nach .  Eisenkies  . 

Schwarzer  Turmalin     . 

Rote  Granatkrystalle    . 

Andalusit  (oder  Topas?) 

Metallisches  Zinn    . 

Unbestimmbare  Fragmente 

Dabei  muss  noch  hervorgehoben  werden ,  dass  1 069  Grains 
(64,1  g)  gediegenes  Eisen  als  „offenbar  von  den  bei  dem  Abbau  an- 
gewandten Werkzeugen  herstammend"   zum  voraus  entfernt  wurden, 

*  Es  werden  den  Forb  e  s' sehen  Originalzahlen  der  leichteren  Vorstellung: 
wegen  Umrechnungen  iii  g  beigefügt. 


1368 


82.1 


110   „ 

6,6 

214   „ 

12,8 

113   „ 

6,8 

112   „ 

6,7 

1655   „ 

99,3 

422   „ 

25,3 

.     .     .     20,42 

19,71 

.     .     .      Spur 

0,09 

.     .     .       0,20 

0,19 

.     .     .       0,17 

Spur 

.     .     .       1,12 

0,49 

Summe  100,66 

100. 

—     295     — 

Die  aufgefundenen  Zinnfragmente  besitzen  sehr  verschiedene 
Grösse :  das  grösste  wog  505  Grains  (30,3  g),  während  —  wie  oben 
angegeben  —  sich  auch  unter  dem  feinsten  durch  das  engmaschige 
Sieb  gelaufenen  Material  Zinnpartikel  befanden.  Die  chemische  Unter- 
suchung des  Zinns  (es  wurden  zwei  Analysen  ausgeführt)  ergab : 

Zinn     ....     78,75         79,52 

Blei      . 

Kupfer 

Eisen    . 

Arsen   . 

Unlöslich 


Das  spezifische  Gewicht  wurde  zu  7,502  bestimmt.  Es  würde 
dies  unter  Zugrundelegung  einer  im  zweiten  Theile  dieser  Arbeit  zu 
besprechenden  Formel  einem  Gehalte  von  89,1  "^/q  Zinn  und  10,9*^/0 
Blei  entsprechen.  Da  die  Beimengung  sonstiger  Körper  ausser  Blei 
zu  gering  ist,  um  etwa  zur  Erklärung  einer  Verringerung  des  spezi- 
fischen Gewichts  (eine  Legierung  von  80  ^/^  Zinn  und  20^0  Bl^i 
müsste  ein  spezifisches  Gewicht  von  7,77  besitzen)  beigezogen  zu 
werden,  so  handelt  es  sich  hier,  um  einen  Widerspruch  zwischen 
dem  Resultate  der  chemischen  und  demjenigen  der  physikalischen 
Untersuchung,  bei  welchem  übrigens  wohl  sicher  der  chemischen  Unter- 
suchung ein  grösseres  Gewicht  eingeräumt  werden  muss,  schon  weil  es 
sich  um  zwei  gut  miteinander  übereinstimmende  Analysen  handelt. 

Noch  sei  einer  Beobachtung  Erwähnung  gethan,  welche  Forbes 
beim  Auflösen  machte.  Er  fand ,  dass  das  Zinn  sich  beim  Über- 
giessen  mit  Säure  nur  langsam  löste,  ja  die  Lösung  sich  selbst  nach 
stundenlangem  Kochen  nicht  vollkommen  vollzogen  hatte,  dass  aber 
die  Reaktion  sehr  schnell  eintrat,  wenn  das  Zinn  vorher  bis  nahe 
zum  Schmelzpunkt  erhitzt  und  dann  langsam  abgekühlt  wurde.  Leider 
ist  es  mir  nicht  gelungen,  in  der  mir  zugänglichen  chemischen  Lit- 
teratur  eine  Notiz  über  die  Verhältnisse  aufzufinden ,  unter  welchen 
das  Zinn  „passiv''  wird ;  es  wäre  ja  dann  vielleicht  ein  Rückschluss 
möglich  auf  die  Art  der  Bildung  des  bolivianischen  Zinns,  d.  h.  auf  den 
Entscheid,  ob  ein  Kunst-  oder  ein  Naturprodukt  vorliegt.  Immerhin 
bleibt  der  Widerspruch  des  Verhaltens  des  bolivianischen  Zinns  gegen 
dasjenige  des  austrahschen ,  sicher  als  natürliches  anzunehmenden, 
bemerkenswert:  von  letzterem  betont  Genth  (siehe  oben)  ausdrück- 
lich die  leichte  Löslichkeit  in  Säuren. 


-     296     — 

FoRBES  selbst  lässt  die  Frage ,  ob  im  bolivianischen  Zinn  ein 
Natur-  oder  ein  Kunstprodukt  anzusprechen  ist,  offen,  nicht  als  ob 
er  gar  nicht  auf  eine  Diskussion  einginge,  sondern  weil  sich  nach 
ihm  beiden  Annahmen  unhebbare  Schwierigkeiten  in  den  Weg  stellen. 
So  liegt  nach  seinen  Auseinandersetzungen  zwar  der  Gedanke  nahe, 
in  den  Zinnpartikeln  fragmentierte  Maschinenteile  zu  erblicken,  umso- 
mehr,  als  die  oben  erwähnten  Eisenteilchen  ganz  sicher  von  den 
beim  Abbau  gebrauchten  Grabwerkzeugen  stammen  und  weil  Teile 
der  bei  der  Entwässerung  gebrauchten  Paternosterwerke  aus  Zinn 
dargestellt  sind  —  aber  es  spricht  gegen  diese  Auffassung  die  immer- 
hin nicht  unbedeutende  Menge  des  Zinns  in  den  Waschrückständen, 
sowie  der  Umstand,  dass  in  dem  zu  den  Maschinenteilen  verwandten 
Metall  ein  sehr  kostbares,  durch  den  weiten  Transport  ausserordent- 
lich verteuertes  Material  vorliegt;  eine  nur  einigermassen  bedeu- 
tendere Abnützung  desselben  Avürde  der  Aufmerksamkeit  der  berg- 
männischen Unternehmer  nicht  entgangen,  respektive  längst  abgestellt 
sein.  Es  haben  sich  auch  —  wie  Forbes  mitteilt  —  die  betreffenden 
Männer   „lachend"   gegen  eine  solche  Auffassung  erklärt. 

An  die  Diskussion  der  Möglichkeit  einer  natürlichen  Ab- 
stammung des  Zinns  knüpft  Forbes  die  weitere  Frage  an,  ob  etwa 
die  Möglichkeit  vorliege,  dass  eine  Reduktion  des  mit  dem  Zinn  vor- 
kommenden und  erst  von  ihm  als  solcher  erkannten  Zinnsteins  das 
metallische  Zinn  geliefert  habe.  Es  könnte  nach  ihm  an  Waldbrände, 
die  etwa  durch  Blitzschläge  entstanden  wären,  gedacht  werden.  Aber 
auch  gegen  diese  Annahme  bestehen  gewichtige  Einwände  :  der  mit 
dem  Zinn  vorkommende  Zinnstein  erwies  sich  vollkommen  bleifrei 
und  nur  eine  aus  Bolivien  stammende  Probe  (von  Carabuco)  lieferte 
einen  kleinen,  bloss  0,25  7o  betragenden  Gehalt  an  Blei. 

Unter  solchen  Umständen  musste  es  im  Hinblick  auf  die  Un- 
entschiedenheit  der  Frage  nach  Herkunft  des  bolivianischen  Zinns 
mein  höchstes  Interesse  erregen,  dass  Herr  Apotheker  Clessler  in 
Plieningen  in  seiner  Privatsammlung  kleine  Stücke  besass,  welche 
die  Etikette  trugen:  „Zinn  aus  der  Mine  Iscasivi  unterhalb  Tipuani.'" 
Da  Forbes  ausdrücklich  das  gesamte  Thal  des  Tipuaniflusses ,  ober- 
halb und  unterhalb  des  Ortes  Tipuani,  als  mit  Goldwäschereien  be- 
setzt beschreibt  und  da  er  ferner  einen  später  noch  zu  erwähnenden 
Fund  selbst  mit  „Tipuani"  bezeichnet,  so  ist  wohl  nicht  an  der 
Identität  zunächst  des  Fundorts  mit  dem  FoRBEs'schen  zu  zweifeln. 
Auch  die  Annahme  dürfte  gestattet  sein,  dass  mit  dem  Worte  „Mine'" 
allgemein    ein    bergmännisches   Unternehmen ,    also    hier    eine   Gold- 


—     2ü7     — 

Wäscherei,  gemeint  ist,  wie  denn  Forbes  „Minen"  aus  der  Umgegend 
von  Tipuani  nicht  angibt. 

In  den  Besitz  des  Herrn  Clessler  gelangten  die  Stücke  durch 
einen  Freund,  welcher  in  Bolivien  ansässig  ist  und  gelegentlich  eines 
Besuches  im  Vaterlande  dieselben  neben  vielen  anderen  Mineralien 
mitbrachte.  An  der  betreffenden  Lokalität  ist  derselbe  aber  nicht 
selbst  gewesen ,  sondern  hat  das  uns  hier  beschäftigende  Material 
aus  dritter  Hand  erhalten. 

Die  betreffenden  beiden  Stückchen  ^  sind  von  würfelförmiger 
oder  richtiger  rhomboedrischer  Gestalt  mit  etwas  eingesunkenen  Flä- 
chen ,  die  Kanten  des  einen  Stücks  von  etwa  6 ,  die  des  anderen 
von  etwa  4  mm  Länge.  Die  Rhomboeder  haben  nur  wenig  von  90^ 
abweichende  Winkel,  die  aber  offenbar  untereinander  different  sind, 
also  sicher  einer  zufälligen  und  keiner  krystallographischen  Ge- 
stalt angehören.  Messungen  wurden  deshalb  als  nutzlos  unterlassen. 
Bedeckt  sind  die  Körper  mit  einer  weisslichgelben  Oxydationshaut; 
durch  eine  kleine  Verritzung  erhielt  man  eine  dunkle ,  metallisch 
glänzende  Oberfläche,  durchaus  vom  Ansehen  eines  frisch  angeschnit- 
tenen Stückes  Blei.  Zwei  weitere  Stückchen  von  demselben  Aus- 
sehen und  ungefähr  derselben  Grösse  hatte  Herr  Clessler  früher 
der  qualitativen  Analyse  geopfert  und  Zinn  und  Blei  als  Bestand- 
teile gefunden.  Eine  Wiederholung  der  chemischen  Untersuchung 
mit  dem  geringen  noch  übrigen  Material  erschien  unthunlich,  und 
die  Analyse  eines  kleinen  zapfenförmigen  Körpers,  welcher  mit  allen 
Anzeichen  einer  vorausgegangenen  Schmelzung  vor  dem  Lötrohre 
im  gleichen  Kästchen  lag,  lieferte  Quecksilber  und  Silber :  der  Körper 
gehörte  also  offenbar  nicht  za  den  Würfelchen,  sondern  war  Amal- 
gam. So  blieb  nur  e  i  n  Weg  übrig ,  der  Erkenntnis  der  Natur  der 
Stückchen  näher  zu  treten,  respektive  die  Resultate  der  Clessler- 
schen  Analyse  zu  bestätigen:  die  Bestimmung  des  spezifischen  Ge- 
wichts. Dasselbe  wurde  für  den  einen  Würfel  zu  10,27,  für  den 
anderen  zu  11,28  gefunden.  Beide  Werte  stehen  demjenigen  des 
Bleis  so  nahe,  dass  man  schon  ohne  näheren  Vergleich  mit  den 
Dichtigkeiten  der  Bleizinnlegierungen  auf  ein  fast  reines  Blei  mit 
nur  wenig  Zinn  schliessen    kann.     Um    aber    einen    sicheren  Anhalt 


'  Herr  Clessler  hatte  die  Freundlichkeit ,  die  beiden  Exemplare  an  die 
Stuttgarter  und  an  die  Hohenheimer  Sammlung  schenkungsweise  abzutreten ;  sie 
befinden  sich  jetzt  beide,  da  die  letztere  Sammlung,  um  das  an  sich  so  unbedeu- 
tende Material  nicht  zu  zersplittern,  auf  den  Besitz  verzichtete,  in  der  Stutt- 
garter Sammlung. 


—     298     — 

über  die  Beurteilung  der  prozentlichen  Verhältnisse  zu  haben,  wur- 
den solche  Bleizinnlegierungen  dargestellt  und  ihre  spezifischen  Ge- 
wichte bestimmt  (vergl.  unten).  Es  würde  sich  durch  einen  Ver- 
gleich mit  diesen  Resultaten  für  das  eine  Stück  ein  Gehalt  von 
81,9 "/(,  Blei  und  18,1 '^'q  Zinn,  für  das  andere  ein  solcher  von  99,2^io 
Blei  und  0,8  ^/^  Zinn  ergeben.  Hierbei  ist  es  gleichgültig,  ob  die 
Differenz  der  chemischen  Zusammensetzung  in  Wirklichkeit  existiert, 
oder  ob,  was  wahrscheinlicher  sein  dürfte,  der  Grund  des  Unter- 
schieds der  spezifischen  Gewichte  vielmehr  in  kleinen  Hohlräumen 
des  leichteren  Stückes  zu  suchen  ist :  jedenfalls  liegt  kein  bleihaltiges 
Zinn,  sondern  ein  zinnhaltiges  Blei  vor.  Für  dieses  Metall 
aber  den  Tipuanifluss  als  einen  neuen  Fundort  anzunehmen  —  gegen 
eine  solche  Annahme  sprechen  selbstverständlich  alle  Verhältnisse, 
und  so  bleibt  nichts  übrig  als  die  kleinen  würfelförmigen  Körper  als 
Kunst  Produkte  anzusprechen.  Und  nahe  verwandt  mit  den  nun 
in  der  Stuttgarter  Sammlung  liegenden  Würfelchen  scheint  mir  ein 
weiteres  Vorkommen  zu  sein,  welches  Forbes  später,  nach  Abschluss 
seiner  Untersuchungen  an  Ort  und  Stelle,  mit  der  Bezeichnung  „Zwei 
Zinnkrystalle  aus  dem  Flusssande  von  Tipuani"  zugesandt  erhielt. 
Es  handelt  sich  um  zwei  sechsseitige  Prismen,  das  eine  etwas  mehr, 
das  andere  etwas  weniger  als  6  mm  im  Durchmesser  und  5,  respek- 
tive 8  mm  lang.  Alle  Flächen  sind  oberflächlich  oxydiert,  die  Seiten- 
flächen verhältnismässig  gut  entwickelt,  dagegen  die  Endflächen  „wie 
abgebrochen".  Auch  bei  diesen  Prismen,  welche  leider  der  chemi- 
schen Analyse  nicht  unterworfen  wurden ,  handelt  es  sich  gewiss 
nicht  um  Krystalle,  sondern,  wie  bei  unsern  „Würfeln" ,  um  zufällige 
Gestalten,  wie  denn  vom  Zinn  (selbstverständlich  wurde  alle  Kenntnis 
der  krystallographischen  Eigenschaften  desselben  nur  durch  das  Stu- 
dium künstlich  dargestellten  Zinns,  nicht  des  natürlich  vorkommen- 
den ,  gewonnen)  nur  eine  quadratische  und  eine  rhombische ,  aber 
keine  hexagonale  Modifikation  bekannt  ist. 

Wenn  man  endlich  erwägt,  dass  der  gegen  ein  Fünftel  be- 
tragende Bleigehalt  des  von  Forbes  ausführlich  beschriebenen  Vor- 
kommens ohne  jede  Analogie  unter  den  unzweifelhaft  natürlichen 
Vorkommnissen  dasteht,  insofern  von  den  beiden  neueren  Funden 
die  absolute  Reinheit  des  Zinns  ausdrücklich  hervorgehoben,  bei  der 
ältesten  Erwähnung  gediegenen  Zinns  aber  nur  von  Spuren  von  Blei 
gesprochen  wird ,  so  kann  ungezwungen  gefolgert  werden ,  dass  es 
sich  auch  bei  diesem  Vorkommen  um  kein  natürliches  Zinn,  sondern 
um  ein  Kun  stpro  dukt  handelt.     Unterstützt   wird  diese  Annahme 


—     299     — 

durch  die  relativ  immerhin  auffallende  Grösse ,  welche  das  bolivia- 
nische Zinn  wenigstens  mitunter  in  einzelnen  Exemplaren  besitzt : 
auch  Stücke  von  dieser  Grösse  haben  unter  den  echten  und  sicher 
natürlichen  Vorkommnissen  keine  Analogie.  So  kommt  man  zu 
dem  Satze: 

„Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  das  aus  Boli- 
vien als  natürliches  beschriebene  Zinn  apokryph  und 
als  Fundorte  des  gediegenen  Zinns  sind  nur  Sibirien, 
Mexiko  und  Neusüdwales,  vielleicht  sogar  bloss  die 
beiden  letztgenannten  festzuhalten!" 

Freilich ,  aus  der  Entfernung  auch  nur  eine  Vermutung  aus- 
zusprechen, wie  das  künstliche  Zinn  und  Blei  in  die  Waschapparate 
am  Tipuani  gelangt  —  das  dürfte  vermessen  sein,  nachdem  der  an 
Ort  und  Stelle  mit  eingehenden  Untersuchungen  beschäftigte  Ge- 
lehrte trotz  aller  Sorgfalt  eine  befriedigende  Lösung  dieser  Frage 
nicht  finden  konnte. 

II. 

W^ie  oben  erwähnt  ist,  wurden  im  Anschluss  an  die  Unter- 
suchungen eines  aus  Bolivia  stammenden  Bleis  Bestimmungen 
des  spezifischen  Gewichts  an  Legierungen  von  Zinn 
und  Blei  vorgenommen,  um  aus  ihnen  einen  Rückschluss  auf  die 
chemische  Natur  der  im  ersten  Teile  dieser  Arbeit  besprochenen 
Körper  machen  zu  können,  da  zu  einer  Analyse  verfügbares  Material 
nicht  vorhanden  war.  Diese  Bestimmungen  wurden  in  einer  über 
den  nächsten  Zweck  hinausgehenden  Vollständigkeit  ausgeführt,  in- 
dem eine  ganze  Reihe  von  Legierungen,  teils  bleireichen,  teils  vor- 
wiegend Zinn  haltenden,  zur  Untersuchung  kam,  während  doch  die 
Höhe  des  spezifischen  Gewichts  der  auf  ihren  Gehalt  an  Zinn  zu 
prüfenden  Körper  zunächst  nur  die  Darstellung  einer  oder  der  an- 
deren bleireichen  Legierung  verlangt  hätte.  Erhielten  dadurch  diese 
zunächst  nebensächlichen  Untersuchungen  eine  gewisse  Selbständig- 
keit und  Abrundung,  so  sei  es  auch  gestattet,  über  dieselben  in  einem 
besonderen  Kapitel  unabhängig  von  der  Schilderung  des  angeblichen 
Vorkommens  -gediegenen  Zinns  zu  referieren. 

Das  Rohmaterial  zu  der  Herstellung  der  Legierungen  wurde 
von  Th.  Schuchardt  in  Görlitz  bezogen,  dessen  Angabe,  dass  beide 
Metalle  „fast  rein"  seien,  durch  die  chemische  Analyse,  welche  Herr 
Dr.  Cluss  ,  früher  Assistent  am  chemischen  Laboratorium  der  Aka- 
demie Hohenheim.  auszuführen  die  Güte  hatte,  vollkommen  bestätigt 
wurde.     Auf  jeden  Fall  waren  die  Spuren  der   beigemengten  Stoffe 


—     300     — 

viel  zu  gering,    um  das  spezifische   Gewicht    der  Metalle    und    ihrer 
Legierungen  zu  beeinflussen. 

Aus  den  beiden  Metallen  wurden  nun  Legierungen  dargestellt,  bei 
denen  die  beiden  Metalle  annähernd  in  Gewichtsverhältnissen  vertreten 
waren,  welche  in  der  folgenden  Übersicht  zusammengestellt  sind.  Bei- 
gefügt sind,  gewässermassen  als  Grenzlegierungen,  Blei  und  Zinn  selbst : 

1.       2.      3.      4.      5.      6.      7.      8.       9. 

100     90     80     60     50     40     20     10         0  Gewproz.  Blei 
0     10     20     40     50     60     80     90     100  „         Zinn. 

In  praxi  konnten  diese  gewünschten  Verhältnisse  trotz  vor- 
sichtigen Abwägens  der  zu  Körnern  zerschnittenen  Metalle  nur  an- 
nähernd richtig  erreicht  werden ,  doch  sind  die  Abweichungen  von 
den  beabsichtigten  Mischungszahlen ,  wäe  die  unten  gegebene  Zu- 
sammenstellung zeigt,  nur  unbedeutend.  Für  jede  Legierung  wurden 
von  beiden  Metallen  zusammen  etwa  50  g  abgew^ogen  und  das  Le- 
gieren selbst  möglichst  gut  dadurch  vollzogen,  dass  man  die  Körner 
der  beiden  Metalle  abwechselnd  in  den  Schmelztiegel  einführte,  die 
Schmelze  längere  Zeit  unter  stetem  Umrühren  flüssig  erhielt  und 
mehrmals  zwischen  Erstarrenlassen  und  Wiederverflüssigen  abwech- 
selte. Aus  den  so  gewonnenen  Legierungen  wurden  je  zwei  Gussstücke 
dargestellt,  welche  zur  Bestimmung  des  spezifischen  Gewichts  dienten. 

Folgende  Werte  wurden   erhalten : 

1.  100  Gewproz  Blei,  0  Gewproz.  Zinn.  Die  beiden  Guss- 
stücke wogen:  a)   17,8670  g  und  b)  22,2095  g. 

2.  90  Gewproz.  Blei,  10  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  85,1  Vol- 
proz.  Blei,  14,9  Volproz.  Zinn);  Gewichtsverhältnis  von  Zinn  zu  Blei 
wie  1  :  9.  Legiert  wurden  45,1833  g  Blei  und  5,0160  g  Zinn,  hier- 
nach auf  90  Teile  Blei  anstatt  10  Teile  Zinn,  nur  9,92  Teile.  Die 
beiden  Gusstücke  wogen:  a)  16,3000  g  und  b)  18,6525  g. 

3.  80  Gewproz.  Blei,  20  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  71,8  Vol- 
proz. Blei  und  28,2  Volproz.  Zinn) ;  Gewichtsverhältnis  von  Zinn  zu 
Blei  wie  1  :  4.  Legiert  wurden  40,2740  g  Blei  und  10,1240  g  Zinn, 
demnach  auf  80  Teile  Blei  anstatt  20  Teile  Zinn  20,11  Teile.  Die 
beiden  Gussstücke  wogen:  a)  17,4495  g  und  b)   17,7980  g. 

4.  60  Gewproz.  Blei,  40  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  48,8  Vol- 
proz. Blei,  51,2  Volproz.  Zinn);  Gewichtsverhältnis  von  Zinn  zu  Blei 
wie  2  :  3.  Legiert  wurden  30,4082  g  Blei  und  20,1780  Zinn,  dem- 
nach auf  60  Teile  Blei  anstatt  40  Teile  Zinn  nur  39,81  Teile.  Die 
beiden  Gussstücke  wogen:  a)  18,3840  g  und  b)   16,2620  g. 

5.  50  Gewproz.  Blei,  50  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  38,9  Vol- 


—     301     — 

proz.  Blei,  61,1  Volproz.  Zinn);  gleiche  Gewichtsmengen  von  Blei 
und  Zinn.  Legiert  wurden  25,9815  g  Blei  und  25,5740  g  Zinn, 
demnach  auf  50  Teile  Blei  nur  49,22  Teile  Zinn.  Die  beiden  Guss- 
stücke wogen:  a)  17,6650  und  b)  18,0605  g. 

6.  40  Gewproz.  Blei,  60  Gewproc.  Zinn  (entsprechend  29,8  Vol- 
proz. Blei,  70,2  Volproz.  Zinn) ;  Gewichts  Verhältnis  von  Blei  zu  Zinn 
wie  2  :  3.  Legiert  wurden  20.4092  g  Blei  und  30,1795  g  Zinn,  dem- 
nach auf  40  Theile  Blei  anstatt  60  Teile  Zinn  nur  59,15  Teile.  Die 
beiden  Gussstücke  wogen:  a)  20,1163  g  und  b)  21,7400  g. 

7.  20  Gewproz.  Blei,  80  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  13,7  Vol- 
proz. Blei,  86,3  Volproz.  Zinn) ;  Gewichtsverhältnis  von  Blei  zu  Zinn 
wie  1  :  4.  Legiert  wurden  10,2658  g  Blei  und  40,2170  g  Zinn,  dem- 
nach auf  20  Teile  Blei  anstatt  80  Teile  Zinn  nur  78,35  Teile.  Die 
beiden  Gussstücke  wogen:  a)  22,5490  g  und  b)  17,7118  g. 

8.  10  Gewproz.  Blei,  90  Gewproz.  Zinn  (entsprechend  6,6  Vol- 
proz. Blei,  93,4  Gewproz.  Zinn) ;  Gewichtsverhältnis  von  Blei  zu  Zinn 
wie  1  :  9.  Legiert  wurden  5,1200  g  Blei  und  45,1292  g  Zinn,  dem- 
nach auf  10  Teile  Blei  anstatt  90  Teile  Zinn  nur  88,14  Teile.  Die 
beiden  Gussstücke  wogen :  a)  17,0745  g  und  b)  19,5223  g. 

9.  0  Gewproz.  Blei,  100  Gewproz.  Zinn.  Die  beiden  Guss- 
stücke wogen:  a)  23,8555  und  b)  15,4110  g. 

Die  an  diesen  Proben  vorgenommenen  Bestimmungen  des  spezi- 
fischen Gewichts  ergaben : 


1. 

2.     3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

Legierung 

Gew.  in 

d.  Luft 

S 

Gew.  im 

Wasser 

g 

Volu- 
men 
com 

Spez. 

Gew. 

unkorr. 

Spez.  Gew. 
korr. 

Diffe- 
renz 

Mit- 
tel 

1.  100  Pb, 

OSn. 

.  a 

17,8670 

16,2925  1.5745 

11,348  11,30931 

0,0079 

11,31 

b 

22,2095 

20,2490  ;  1,9605 

11,328  ll,;5014f  •  • 

2.  90  Pb, 

10  Sn  . 

.  a 

16,3000 

14,7850  1  1,51.50 

10,759  10,7334} 

0,0557 

10,71 

b 

18,6525 

16,9100  1  1,7425 

10,704  10,6777/  '  • 

3.  80  Pb, 

20Sn  . 

.  a 

17,4495 

15,7215  1  1,7215 

10,136  10,07401 

0,0506 

10,10 

b 

17.7980 

16,0443  1  1,7537 

10,149  10,1 246  (•  • 

4.  60  Pb, 

40  Sn. 

.  a 

18,3840 

16,3940  !  1,9900 

9,238 

9,21611 
9,2194/-  • 

0,0033 

9,22 

b 

16,2620 

14,5023  1,7597 

9.241 

5.  50  Pb, 

50  Sn. 

.  a 

17,6650 

15,6700  1,9950 

8,855 

8,83371 

0,0539 

8,8» 

b 

18,0605 

16,0335 

2,0270 

8,910 

8,8876/  *  • 

6.  40  Pb, 

60  Sn  . 

.  a 

20,1163 

17,7435 

2,3728 

8,478  8,4578 1 

0,0176 

8,47 

b 

21,7400 

19,1810  2,5590 

8,496  8,4754/  "  ' 

7.  20  Pb, 

80  Sn  . 

.  a 

22,5490 

19,6770  2,8720 

7,851  7,83291 

0,0272 

7,82 

b 

17,7118 

15,4480  2,2638 

7,824 

7,8057/  ■  • 

8.  10  Ph, 

90  Sn. 

.  a 

17,0745 

14,8189  2,2556 

7,569 

7,5710/ 

0,0180 

7,56 

b 

19,5223 

16,9440  2,5783 

7,572  7,55.30/  "  • 

9.   OPb, 

100  Sn  . 

.  a 

23.8555 

20,5610  3,2945 

7,241  7,22281 

0,0292 

7,21 

b 

15,4120 

13,2635 

2,1485 

7,173 

7,1938/  ■  •  1 

—     302     — 

Die  erste  Spalte  vorstehender  Tabelle  gibt  das  direkt  gefundene 
Gewicht  der  Körper  in  der  Luft,  die  zweite  dasjenige  unter  Wasser 
(Temperatur  IS*'),  die  dritte  das  Volumen,  die  vierte  das  unkorrigierte 
spezifische  Gewicht,  die  fünfte  das  auf  Wasser  von  4**  und  Gewicht 
im  luftleeren  Räume  reduzierte  spezifische  Gewicht,  die  sechste  die 
Differenzen,  welche  sich  bei  den  zwei  Körpern  gleichen  Gehalts  er- 
geben, die  siebente  das  Mittel  aus  je  zwei  Angaben  der  Spalte  Nr.  5. 
Diese  Mittelwerte  sind  mit  Rücksicht  auf  die  Grösse  der  Differenzen 
(Spalte  6)  nur  mit  zwei  Dezimalen  verzeichnet. 

Die  auf  diese  Weise  experimentell  gefundenen  Werte  für  die 
Dichten  einer  Skala  von  Legierungen  zwischen  Blei  und  Zinn  stim- 
men sehr  nahe  überein  mit  solchen,  welche  rechnerisch  gewonnen 
werden,  wenn  man  besagte  Legierungen  als  aus  Blei  und  Zinn  ge- 
mengte Körper  betrachtet,  wobei  es  gleichgültig  ist,  ob  die  Mengung 
eine  grobe,  d.  h.  die  Nebeneinanderlagerung  der  heterogenen  Körper 
deutlich  zeigende  ist,  oder  eine  sehr  feine,  als  deren  Feinheitsgrenze 
dann  eben  die  Legierung  betrachtet  werden  müsste.  Wendet  man 
nämlich  zur  Bestimmung  der  Dichten  der  untersuchten  Legierungen 
unter  Benutzung  der  gewonnenen  Werte  für  das  spezifische  Gewicht 
von  Blei  und  Zinn  die  Formeln 


^1  =  Vp  +  V, 


oder 


D, 


D, 


V   4-  V 


an ,  in  welcher  D  das  spezifische  Gewicht ,  P  das  absolute  Gewicht 
und  V  das  Volumen  bezeichnet,  von  den  Indices  aber  1  auf  die  Legie- 
rung, p  auf  Blei,  s  auf  Zinn  zu  beziehen  ist,  so  erhält  man  folgende, 
mit  den  experimentell  gefundenen  Werten  durch  Gegenüberstellung 
verglichene  Zahlen : 


Spez.  Gew.  der  Legierung 


berechnet 


gefunden 


1.  100  Pb,  OSn 

2.  90  Pb,  10  Sn 

3.  80  Pb,  20  Sn 

4.  60  Pb,  40  Sn 

5.  50  Pb,  50  Sn 

6.  40  Pb,  60  Sn 

7.  20  Pb,  80  Sn 

8.  10  Pb,  90  Sn 

9.  OPb,  100  Sn 


11,31 

10.70 

10,71 

10,07 

10,10 

9,21 

9,22 

8,82 

8,89 

8,44 

8,47 

7,77 

7,82 

7,49 

7,56 

— 

7,21 

I 


—     303      - 

Eine  solche  Übereinstimmung  des  spezifischen  Gewichts  der 
Blei-Zinn-Legierungen  mit  demjenigen  von  Mengungskörpern  aus  Blei 
und  Zinn  konnte  nicht  von  vornherein  erwartet  werden,  sondern  ist 
vielmehr  ein  auffallendes  Resultat  der  experimentellen  Prüfung.  Stel- 
len doch  die  Legierungen  für  gewöhnlich  in  ihren  physikalischen 
Eigenschaften  (Schmelzpunkt,  Farbe,  Leitungsvermögen  für  Wärme 
und  Elektrizität,  spezifisches  Gewicht  u.  s.  w.)  keine  Mittelwerte^ 
zwischen  den  Extremen  der  legierten  Metalle  dar,  sondern  liefern 
Abw-eichungen,  welche  nicht  selten  über  die  Grenzwerte  selbst,  wie 
sie  in  den  die  Legierung  bildenden  Metallen  gegeben  sein  sollten, 
hinausgehen.  Nachdem  aber  in  dem  speziellen  Falle  der  Blei-Zinn- 
Legierungen  eine  genügende  Übereinstimmung  der  spezifischen  Ge- 
wichte der  Legierungen  mit  den  rechnerisch  auffindbaren  Dichten 
von  Mengungskörpern  konstatiert  ist,  kann  die  oben  gegebene  For- 
mel benutzt  werden,  um  die  Volumina-  oder  Gewichtsprozente  einer 
Legierung ,  deren  spezifisches  Gewicht  bekannt  ist ,  zu  berechnen. 
Es  gelten  die  Formeln : 

^  '     Dp-Ds      Dl 

P    =P       ^-^e      ^ 

sowie  die  Proportionen,  einmal  für  die  Volumina : 
^  =  V,  =  Di-D,:Dp-Di, 

sodann  für  die  Gewichte  der  beiden  in   der  Legierung    vorhandenen 

Metalle : 

Pp  =  Ps  =  Dp(Di-Ds):ßs(Dp-Di). 

Von  früher  schon  veröffentlichten  Arbeiten  über  die  spezifischen 
Gewächte  der  Legierungen  von  Blei  und  Zinn  sind  mir  nur  zwei 
bekannt :  Pillichody's  Bestimmungen,  welche  sich  auf  die  sieben  nach 
stöchiometrischen  Verhältnissen  dargestellten  Legierungen  Pb^  Sn, 
PbgSn,  Pb2Sn,  PbSn,  PbSn2,  PbSn^,  Pb  Sn^^  beziehen  (Dingler's 
Polyt.  Journ.  162,  217;  Jahresb.  f.  Chem.  1861,  279;  Landolt  und 
BöRNSTEiN,  Tabellen,  113,  in  der  folgenden  Tabelle  mit  „P"  bezeich- 
net), und  Winkler's  Zusammenstellung  von  11  Wägungen,  welcher 
die  Dichten  für  11 ,  von  10  zu  10  Proz.  springende  Legierungen 
gibt   (Chem.  Zeit.  1888,  Nr.  75;    Pharm.  Zeit,  vom  14.  Nov.   1888, 


'  Nach  Regnault's  Untersuchungen  ist  dagegen  auch  die  spezifische 
Wärme  der  Legierung  ein  Mittelwert  zwischen  den  spezifischen  Wärmen 
der  Komponenten. 


304     — 


in  der  Tabelle  mit  „W"  bezeichnet).  Alle  diese  Angaben  werden 
zum  Schluss  mit  den  von  mir  gefundenen  Werten  (unten  mit  „N" 
bezeichnet)  in  einer  nach  dem  steigenden  Zinngehalte  der  Legierung 
geordneten  Übersicht  zusammengestellt  und  mit  den  berechneten 
Dichten  verglichen.  Dieser  Berechnung  wurden  für  die  WiNKLER'schen 
Daten  die  in  dessen  Zusammenstellung  selbst  als  Grenzwerte  aufge- 
führten Dichten  von  Blei  und  Zinn,  für  die  von  Pillichody  herrühren- 
den aber  Werte  zu  Grunde  gelegt,  welche  in  den  Tabellen  von  Landolt 
und  BöRNSTEiN  (unten  mit  ,,L  und  B"  bezeichnet)  als  Mittelwerte  aus 
den  besten  Beobachtungen  angegeben  sind. 


Blei  °!r 


Zinn  o; 


Spezifisches  Gewicht 
berechnet  gefunden 


Beobachter 


100 
100 
100 

90 

90 

87,5 

84,0 

80 

80 

77,8 

70 

63,7 

60 

60 

50 

50 

46,7 

40 

40 

36,9 

30,5 

30 

20 

20 

10 

10 
0 
0 
0 


0 
0 
0 

10 

10 

12,5 

16,0 

20 

20 

22,2 

30 

36,3 

40 

40 

50 

50 

53,3 

60 

60 

63,1 

69,5 

70 

80 

80 

90 

90 
100 
100 
100 


10,767 

10,70 

10627 

10,435 

10,226 

10,07 

10,113 

9,739 

9,451 

9,290 

9,21 

8,883 

8,82 

8,751 

8,512 

8,44 

8,403 

8,186 

8,169 

7,853 

7,77 

7,561 

7,49 


11,37 

11,370 

11,31 

10,769 

10,71 

10,596 

10,331 

10,226 

10,10 

10,052 

9,735 

9,433 

9,920 

9,22 

8,886 

8,89 

8,726 

8,512 

8,47 

8,409 

8.235 

8,169 

7,853 

7,82 

7,562 

7,56 

7,29 

7,290 

7,21 


und  B 
W 
N 
W 
N 
P 
P 
W 
N 
P 
W 
P 

w 

N 

W 

N 

P 

W 

N- 

P 

P 

W 

W 

N 

W 

N 

und  B 

W 

N 


Hohenheim,  den  11.  März  1889. 


Die  Mineralien  und  Pseudomorphosen  des  Roseneggs. 

Von  Prof.  Dr,  Leuze. 
Mit  Taf.  VI.  VII. 

Liitteratur. 

Merk  lein,  Prof.  Dr.:  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Erdoberfläche  von 
Schaffhausen.      Schaffhausen   1869. 

Beiträge  zur  geolog.  Karte  der  Schweiz.  XIX.  Lief.  Beschreibung  der 
Kantone  St.  Gallen ,  Thurgau  und  Schaffhausen.  II.  Teil ,  von 
Dr.   Schalch.      1883. 

t3  e  g  1  e  i  t  w  0  r  t  e  zur  geognost.  Spezialkarte  "Württembergs  (Atlasblätter 
Tuttlingen,  Friedingen,  Schwenningen),  von  Prof.  Dr.  v.  Quenstedt. 

A.  1 1  a  s  b  1  a  1 1  H  o  h  e  n  t  w  i  e  1 ,   von  Prof.   Dr.  F  r  a  a  s. 

Blum:  Pseudomorphosen  des  Mineralreichs  mit  4  Nachträgen.  Stutt- 
gart  1843—1879. 

Geolog.   Karte  der  Schweiz.    Bl.   IV. 

I. 
Geographische  und  geognostische  Schilderung  des  Roseneggs. 

Für  den  Geologen  und  Mineralogen  bieten  die  Stätten  vulkani- 
scher Thätigkeit  ein  ganz  besonderes  Interesse  und  zwar  sowohl 
da,  wo  heute  noch  die  unterirdischen  Kräfte  zerstören  oder  auf- 
bauen ,  als  auch  an  den  Stellen ,  wo  wir  bloss  noch  als  Zeugen 
früherer  Ausbrüche  hohe  kegelförmige  Berge  oder  grossartige  Tuff- 
massen oder  Krater  antreffen.  Die  südwestliche  Ecke  Deutschlands 
weist  drei  solcher  ehemaligen  vulkanischen  Herde  auf,  einmal  die 
Basalte  der  schwäbischen  Alb ,  dann  den  Kaiserstuhl  bei  Freiburg 
und  endlich  das  Höhgäu.  Letzteres  hat  seit  alter  Zeit  die  Auf- 
merksamkeit auf  sich  gezogen  und  soviel  darin  bis  jetzt  gesucht 
und  gefunden  wurde,  so  darf  man  doch  immer  wieder  auf  neue  Ent- 
deckungen gefasst  sein.  Zu  solchen  neuen  Entdeckungen  gehören 
unzweifelhaft   die    neuesten  Funde   am  Rosenegg ,    Funde ,    die  wohl 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  20 


—     306     — 

auf  die  geologische  Deutung  der  dortigen   Gegend,  insbesondere  der 
Phonolithtuffe  nicht  ohne  Einfluss  bleiben  dürften. 

Nähert  man  sich  von  Süden  den  vulkanischen  Bergen  des 
Höhgäus ,  etwa  vom  Schienerberg  her ,  so  trifft  man  als  äusserste 
Vorposten  einige  Phonolithtuffe :  zuerst  bei  Bohlingen  den  Galgen- 
berg, bei  Worblingen  den  Hardtberg;  bedeutend  höher  als  diese  er- 
hebt sich  bei  der  Station  Arien — Rielasingen  auf  badischem  Gebiete 
das  Rosenegg.  Es  steigt  zu  550  m  aus  torfiger  Ebene  in  die 
Höhe  und  zieht  sich  genau  von  Ost  nach  West,  im  Südwesten  liegt 
der  Hof  Hofenacker  und  im  Osten  liegen  die  ersten  Häuser  von 
Rielasingen  beinahe  am  Fusse  des  Berges.  Zieht  man  vom  Rosenegg 
eine  Linie  gegen  Norden,  so  trifft  sie  den  Hohentwiel  (691  m)  und 
den  Hohenkrähen  (644  m),  also  liegt  das  Rosenegg  wohl  mit  diesen 
phonolithischen  Bergen  in  einer  Eruptionsspalte ;  westlich  davon  geht 
so  ziemlich  in  gleicher  Richtung  eine  zweite  Bergreihe :  Genners- 
bohl ,  Stauten ,  Mägdeberg  mit  Schwindel ,  wiederum  Phonolithtuffe 
oder  —  im  Mägdeberg  und  Gennersbohl  —  Phonolithe.  Und  wieder 
westlich ,  jenseits  der  Hilzinger — Weiterdinger  Mulde ,  ziehen  sich 
ebenfalls  von  Süden  nach  Norden  die  basaltischen  Berge  wieder  in 
zwei  Reihen ,  die  stärkere  Erhebung  im  Hohenstoffel  und  Hohen- 
höwen  846  m  und  Höwenegg  777  m  und  der  Zug  niedrigerer  Hügel 
ein  wenig  östlich  von  jenen  höchsten  Bergen  des  Höhgäus  im  Grauen 
Stein  bei  Riedheim,  Pfaffwiesen ,  Homboll,  Bargen  und  Hattinger 
Bahnhof.  Da  die  Erhebungen  bei  Worblingen  und  Bohlingen  un- 
bedeutend sind  —  man  sieht  sie  sich  nicht  erheben  über  die  Ebene 
vom  Schienerberg  aus  —  so  ist  das  Rosenegg  eigentlich  der  erste 
der  Höhgäuer  Berge,  den  der  Wanderer  von  Süden  her  erblickt. 
Dasselbe  zeigt  nicht  die  steile  Kegelform  eines  Hohentwiels  oder 
eines  Hohenkrähen  und  deutet  schon  durch  die  geringere  Steigung 
seinen  Charakter  als  den  einer  Tuffbildung  an.  Die  relative  Höhe 
beträgt  100  bis  130  m,  ziemlich  weit  zieht  sich  das  angebaute 
Land  am  Berg  empor,  dann  bedeckt  den  Berg  bis  zur  Höhe  ringsum 
herrlicher  Buchenwald  mit  vielen  ausgesprochenen  Kalkpflanzen,  wie 
Coronilla,  Doronicum  Pardalianches ,  Ribes  alpinum  u.  a.  Oben 
dehnt  sich  fruchtbares  Ackerland .  das  zum  Hof  Rosenegg  gehört, 
der  nahe  bei  der  unbedeutenden  Ruine  liegt.  Sofern  der  Wald  oben 
Ausblicke  gewährt,  erblickt  man  gegen  Norden  die  bekannte  Form 
des  Hohentwiels,  im  Nordwesten  den  viel  höheren  Hohenstoifel,  im 
Südosten  den  breiten  Schienerberg;  gegen  Süden  zieht  sich  das 
Thal  der  Biber,  die  bei  Hemmishofen  in  den  Rhein  mündet;  gegen 


—     307     — 

Osten  fliesst  die  von  Singen  her  kommende  Aach,  welche  unterhalb 
von  Bohlingen  den  Zeller  See  erreicht.  Betritt  man  das  Gebiet  des 
Phonolithtuffes  im  Südwesten  beim  Hof  Hofenacker ,  so  trifft  man 
hier  gleich  die  Stelle ,  wo  der  Tuff  am  besten  aufgeschlossen  ist 
durch  einen  längst  im  Betrieb  stehenden  Bruch.  Aus  dem  massigen 
Tuffgestein,  das,  wie  Herr  Schenk  glaubt,  schalige  Struktur  zeigen 
soll,  gewinnt  man  Steine  „zu  Grund-  und  Wasserbauten,  zu  Brunnen; 
an  der  Luft  zerfrieren  sie  rasch  und  können  daher  für  gewöhnliche 
Bauzwecke  nur  eine  beschränkte  Verwendung  finden ;  zu  Strassen- 
schotter  taugen  sie  gar  nichts"  \  Die  Farbe  des  frischen  Tuffes  ist 
aschgrau  bis  grünlichgrau,  es  ist  ein  ziemlich  homogenes  Magma, 
das  an  Krystallen  oder  Pseudomorphosen  nichts  bietet.  Penk  ,  der 
die  mikroskopische  Untersuchung  der  Phonolithtuffe  vornahm,  fand 
für  sämtliche  Tuffe  des  Höhgäus ,  dass  sie ,  abgesehen  von  Ein- 
•schlüssen ,  aus  Phonolithfragmenten  bestehen ,  ferner  die  pisolithi- 
schen  Kugeln  „aus  einem  filzigen  Grundteige  von  Nephelin  und 
Sanidin  und  aus  grauen  Nadeln  eines  amphibol-  oder  pyroxenartigen 
Minerals,  welchem  Gemenge  grosse  Augite,  Hornblendekrystalle  und 
Biotitschuppen  eingelagert  sind"-^.  Da  die  unten  zu  beschreibenden 
JVIineralvorkommen  an  ganz  anderer  Fundstelle  liegen,  so  wurde  von 
diesem  Tuffe  keine  mikroskopische  Untersuchung  von  neuem  vor- 
genommen. Unmittelbar  über  dem  Bruche  führt  ein  Weg  in  den 
Wald,  der  etwa  in  |  Höhe  des  Berges  gegen  Osten  durch  den  Wald 
sich  hinzieht;  hier  trifft  man  ab  und  zu  durch  Regen  blossgelegte 
Stellen,  welche  sandigen,  gelblichen  Tuff  zeigen,  doch  ohne  inter- 
essante Einschlüsse.  Steigt  man  von  jenem  Wege  im  Osten  des 
Berges  herunter,  so  trifft  man  an  mehreren  Stellen  an  der  Wald- 
grenze Sandsteine  der  oberen  Süsswassermolasse ,  so  dass  man  die 
Überlagerung  dieser  Molasse  durch  den  Tuff  am  Rosenegg  sehr  leicht 
beobachten  kann  ^.  Ja  man  findet  zudem  im  Tuffe  auch  Süsswasser- 
kalke  eingeschlossen ,  allerdings  häufig  mit  Kieselsäure  imprägniert, 
und  Herr  Schenk  fand  sogar  eine  Vtipa  darin,  „welche  vermutlich 
mit  der  in  einem  Süsswasserkalke  am  Höwenegg  nördlich  von  Engen 
vorkommenden ,  von  Prof.  Sandberger  mit  Bestimmtheit  für  Piipa 
JS'oerdliiigrnsis  Sandb.  gehaltenen  Spezies  identisch  ist"  *.  Es  dürfte 
darnach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  der  Tuff  des  Roseneggs  so 


s.  Schalch,  Beiträge  S.  111. 

Ebenda  S.  104. 

Vergl.  auch  Schalch,  Beiträge  S.  70,  112. 

Ebenda  S.  108. 

20* 


—     308     — 

gut  wie  die  übrigen  gleichartigen  Vorkommen  des  Höhgäus  seinem 
Alter  nach  dem  Obermiocän  angehört.  Es  sprechen  dafür  auch  die 
Pflanzenabdrücke ,  die  an  der  Südseite  des  Roseneggs  ^  gefunden 
wurden.  Solche  Abdrücke  fanden  sich  ja  auch  im  Tuffe  des  Hohen- 
krähen,  sodann  „in  einigen  auf  der  Nordseite  des  Galgenberges  zer- 
streuten, lose  herumliegenden  Blöcken,  deren  Anstehendes  aber  nicht 
aufgefunden  werden  konnte"^;  endlich  finden  sich  die  vulkanischen 
Tuffe  beim  unteren  der  weltbekannten  Oninger  Steinbrüche,  wo  sie 
geradezu  den  Abraum  bilden.  Die  obengenannte  Pupa  ist  ein  ebenso 
wichtiges  Beweismittel  für  das  Alter  der  Tuffe  wie  die  Helix  geni- 
culata  Sandb.  ^,  welche  Althaüs  zuerst  am  Mägdeberg ,  Fraas  am 
Hohentwiel  und  Schalch  in  grösserer  Anzahl  im  Tuff  einer  Grube 
auf  der  Spitze  des  Philippsberges  bei  Weiterdingen  nachwies.  Nach 
dem  oben  Gesagten  ist  somit  der  Ptosenegger  Berg  vorzüglich  ober- 
miocäne  Bildung,  und  zwar  in  seiner  Basis  neptunischen  Ursprungs,, 
in  seiner  Hauptmasse  aber  vulkanischen  Charakters.  Dazu  kommt 
nun  als  Quartärbildung  oben  eine  glaciale  Decke '^j  welcher  das  oben 
sich  ausdehnende  Ackerfeld  seine  Fruchtbarkeit  verdankt;  da  der 
Berg  in  einer  Länge  von  2  km  sich  von  Ost  nach  West  ausdehnt, 
so  ist  die  oben  bebaute  Fläche  nicht  unansehnlich.  Sonst  fand  man 
bei  der  Arbeiterhütte  an  der  unten  zu  beschreibenden  zweiten  Fund- 
stelle erratischen  Schutt  blossgelegt,  aber  in  unbedeutender  Menge. 
Die  Hauptmasse  bildet  denn  doch  der  Tuff,  der  bei  einer  Ausdeh- 
nung auf  2  km  von  Ost  nach  West  und  von  schwach  1  km  von 
Süd  nach  Nord  nahezu  2  qkm  hier  bedeckt.  Da  der  Tuff  nicht 
selten  grobe  und  schwere  Auswürflinge  einschliesst ,  so  „liegt  der 
Gedanke  nahe",  schreibt  Dr.  Schalch^,  „dieselben  nicht  mit  den 
6 — 8  km  entfernten  Phonolithtuflfen  in  Verbindung  zu  bringen,  viel- 
mehr für  sie  einen  eigenen  Auswurfsherd  in  der  Nähe  vorauszu- 
setzen." Diese  Ansicht  wird  durch  die  Eigenart  der  neuesten  Funde 
sehr  unterstützt,  wie  unten  gezeigt  werden  soll.  Diese  Funde  wurden 
nun   gemacht    ebenfalls    an  der  Südseite ,    und  zwar  zuerst  ganz  an 


1  Ebenda  S.  67. 

•^  Schalch,  Beiträge  S.  70. 

^  oder  Helix  sylvana  Klein  nach  Fraas,  a.  a.  0.  S.  6. 

*  Nach  Fraas  liegen  auf  dem  höchsten  Punkt  des  Hohentwiel  alpine  Ge- 
schiebe und  Sande,  folglich  ging  der  Gletscher  über  das  140  m  niedrigere  Rosen- 
egg  weg  und  hat  dabei  diesen  vulkanischen  Aschenhügel  ohne  Zweifel  bedeutend 
abgeschliffen  und  erniedrigt.     Hohentwiel  S.  12. 

5  Beiträge  S.  115.     Vergl.  Fraas,  a.  a.  0.  S.  5. 


—     309     — 

der  Südostecke  (I.  Fundstelle)  und  dann  etwa  60  m  weiter  gegen 
Westen  hin  (IL  Fundstelle).  Doch  ehe  dieselben  näher  beschrieben 
werden,  ist  kurz  einiges  Geschichtliche  beizubringen. 

n. 

Frühere  Beschreibungen  des  Roseneggs. 

Es  wäre  von  Interesse ,  hier  auf  die  Geschichte  der  Burg 
Eosenegg  näher  einzugehen,  denn  sicherlich  trug  das  Rosenegg  unter 
den  46  Burgen  und  Schlössern,  welche  Sebastianüs  Munsterüs  in 
seiner  Cosmographia  1541  erwähnt,  nicht  die  kleinste  Burg,  allein 
die  vorliegende  Beschreibung  soll  nur  naturwissenschaftlichen  Zwecken 
dienen  und  in  dieser  Hinsicht  kann  sie  sich  auf  keine  oder  nur  un- 
bedeutende Vorarbeiten  stützen.  Wenn  DoLomEU  noch  1791  vom 
Bergmännischen  Journal  ausgelacht  wurde,  weil  er  den  Hohentwiel 
für  einen  alten  Vulkan  erklärte ,  so  kann  man  sich  nicht  wundern, 
wenn  vom  Rosenegg  bei  der  Beschreibung  der  vulkanischen  Berge 
des  Höhgäus  eigentlich  gar  nicht  die  Rede  ist.  Dr.  Merklein  ist 
wohl  der  erste,  der  1869  ausführlicher  darüber  schrieb,  und  da  sein 
Gymnasialprogramm  nicht  in  jedermanns  Hand  ist,  so  soll  hier  seine 
Beschreibung  aufgenommen  werden : 

„Wir  kehren  nach  Gottmadingen  zurück,  um  einem  anderen, 
recht  interessanten  Berge  uns  zuzuwenden.  Schon  früher,  bei  dem 
Ausfluge  nach  dem  Schiener  Berge,  zeigte  sich  uns  bei  der  Heim- 
kehr zur  Linken  eine  gestreckte,  ansehnliche  Höhe,  der  Rosenegger 
Berg  oder  Roseneck.  Jetzt  liegt  er  uns  mit  der  schmalen  Seite  zu- 
gewendet und  zu  ihm  wollen  wir  uns  aufmachen.  Gleich  beim  Heran- 
treten auf  der  Strasse,  welche  nach  Rielasingen  führt,  bemerken  wir 
von  weitem  eine  offene  gelbe  Stelle  am  unteren  Teile  des  Berges. 
Wir  finden  einen  seit  längerer  Zeit  in  Betrieb  stehenden  Bruch  ^, 
Das  Gestein  hat  eine  andere  Beschaffenheit  als  das  bei  Gottmadingen 
(der  Tuff  des  Heilsberges)  bei  aller  Ähnlichkeit  in  manchen  Stücken. 
Der  Rosenegger  Stein  ist  fester  und  nicht  schwarzgrau ,  sondern 
grünlichgrau  und  da,  wo  er  von  häufig  vorkommenden  Klüften  aus 
der  Verwitterung  unterlag,  gelbbraun.  Auf  Handbreite  mehr  oder 
weniger  erstreckt  sich  diese  Umwandlung  des  Gesteins  in  die  Tiefe. 
Im  frischen  Steine  sowohl  als  im  verwitterten  treten  häufig  einge- 
schlossene Teile  hervor  und  hierin  besteht  die  Ähnlichkeit  mit  dem 
etwa  eine  starke  halbe  Stunde    entfernten   Gottmadinger  Tuffe ;    der 


^  Der  obengenannte  im  Südwesten. 


—     310     — 

Rosenegger  ist  mit  ähnlichen  fremdartigen  Steinen  und  Minerahen 
durchschwärmt  wie  jener.  Auch  grauen,  gelben  und  roten  Kalk. 
Serpentin  (?)  und  Dolomit  fand  ich  hier  eingeschlossen.  Man  sieht 
bisweilen  auf  einer  oder  der  anderen  Kluft  oder  an  einer  Wand,, 
welche  früher  eine  solche  bilden  half  und  die  jetzt  infolge  der  Stein- 
brucharbeiten bloss  liegt,  mehr  oder  weniger  dicken  Kalksinter  ab- 
gelagert, der  nicht  selten  klingend  hart  und  fest  ist.  Im  letzten 
Herbste  fand  ich  in  einem  losen  Steine  unten  im  Bruche  ein  Blatt 
und  ein  anderes  ging  mir  auf  einem  beim  Abschlagen  weggesprunge- 
nen Stücke  verloren.  Ich  bin  aber  zweifelhaft,  ob  dieses  Stück  von 
hier  war.  Es  gleicht  eher  einem  Stück  der  Molasse ,  wie  sie  z.  B. 
bei  Arien  in  einiger  Entfernung  ansteht.  Allerdings  waren  ähnliche 
Steine  hier  unten  noch  mehr,  doch  ohne  bemerkbare  Blätter.  Mög- 
lich, dass  diese  Molasse  unten  am  Fuss  des  Roseneck  ansteht.  Am 
Bruche  ist  alles  so  verstürzt,  dass  man  schwer  darüber  ins  klare 
kommen  kann,  was  unter  dem  Schutte  liegen  möge.  Man  lobt  den 
hier  gebrochenen  Stein  für  Grundbauten,  zum  Ausmauern  von  Brun- 
nen u.  dergl.  In  der  Luft  soll  er  leicht  zerfrieren ,  weshalb  man 
zu  Hochbauten,  z.  B.  in  Rielasingen,  lieber  Klingsteine  von  Hohen- 
krähen  holt.  Da  kann  man  sie  hart  neben  der  guten  Strasse  auf- 
laden. Noch  an  einem  anderen  Orte,  Rielasingen  zu  und  mehr  oben 
am  Berge,  findet  man  einen  jetzt  verlassenen  Bruch,  in  welchen  mich 
einmal  der  damalige  Herr  Waisenvater  Schalch  begleitete,  und  mit 
starkem  Arm  ein  Stück  sehr  eigentümlicher  Nagelfluhe  aus  einem 
grossen  Steine  schlug.  Sie  zog  sich  als  ein  schmales  Band  quer 
durch  und  bestand  aus  lauter  runden,  etwa  nussgrossen  Graniten, 
grauen  Kalken  u.  s.  w.,  welche  insgesamt  mehr  Alpensteinen  glichen  ^ 
Die  sonstigen  Einschlüsse  im  0  palt  uff,  so  will  ich  den  Stein  des 
Berges  nennen,  sind  meistens  eckig,  wenn  auch  an  den  Kanten  ge- 
rundet. Auch  einen  schönen  Milchopal  fand  damals  (31.  Okt.  1850) 
Herr  Schalch  in  einem  etwas  verwitterten  Gestein  des  gleichen  Bruches. 
Im  Sommer  1848  hatte  ich  schon  Hyalit  darin  gefunden.  Bisweilen 
(so  Jan.  1851)  findet  man  den  verlassenen  Bruch  voll  Holz  gestürzt, 
das  darin  zu  Klaftern  aufgeschichtet  wird.  Auch  die  Felsen  ober 
Rielasingen  bestehen,  wie  ich  schon  früher  gefunden,  aus  demselben 
Tuffe ,  nur  ist  er  da  sehr  verwittert.  Auf  der  Höhe  von  Roseneck 
liegt  ein  Hof,  dessen  Felder  die  ziemlich  grosse,  nicht  ganz  ebene 
Fläche  bedecken   und   im    oberen  Teile   lose  Alpengesteine   und    die 

'  Ohne  Zweifel  aus  dem  Geschiebe   führende  Austernsande,    also    ein    Be- 
weismittel für  die  unten  folgende  Theorie. 


—     311     — 

zugehörige  Erde  zeigen.  Das  Haus  liegt  unweit  der  Ruine.  Nahe 
an  dieser  ist  ein  Brunnen,  der  bei  leichtem  Pumpen  aus  zwei  Röhren 
viel  Wasser  gibt,  das  deutlich,  wenn  auch  nicht  stark  nach  Schwefel- 
wasserstoff riecht.  Nach  langem  Pumpen,  wenn  man  den  Trog  füllt, 
soll  es  milchig  aussehen.  In  einer  kleinen  Menge  bemerkt  man  fast 
keine  Trübung.  —  Die  geringen  Reste  der  Ruine  stehen  auf  Opal- 
tuff. Man  bemerkt  noch  einen  Teil  des  alten  Brunnenschachtes, 
dessen  eine  Seite  auf  etwa  10'  Tiefe  weggebrochen  wurde ,  um  die 
Pumpe  und  den  Trog  anbringen  zu  können.  Man  kann  von  der 
Strasse  zwischen  Gottmadingen  und  Singen  die  Ruine  und  den  um 
sie  her  gezogenen  Wall  sehen.  Im  letzten  Herbste  hörte  ich,  dass 
man  jetzt  das  Wasser  des  erwähnten  Brunnens  nur  ausnahmsweise 
und  selten  benütze ,  weil  man  immer  erst  eine  Weile  das  schlechte 
Wasser  auspumpen  müsse,  um  besseres  zu  erlangen.  Im  Fahrweg 
abwärts,  der  einen  grossen  Bogen  macht,  steht  nicht  sehr  weit  vom 
Hofe  quer  über  im  Opaltuffe  ein  Kalkspatgang  an.  Weiter  nach 
unten  kommt  man  an  einem  Röhrenbrunnen  vorüber.  Der  Berg 
verflacht  sich  durch  angelagertes  alpinisches  Material  und  über  sol- 
ches führt  der  Weg  auf  der  nördlichen  Seite  desselben  allmählich 
gegen  Osten  hin  abwärts.  Wendet  man  sich  wieder  Gottmadingen 
zu,  so  erreicht  man  die  dahin  führende  Chaussee  erst  nach  einiger 
Zeit.  Ehe  man  aber  zu  ihr  gelangt  und  den  Vizinalweg  von  Riela- 
singen  nach  Hilzingen  verlässt,  der  sich  der  Nordseite  des  Roseneck 
entlang  zieht,  gewahrt  man  an  letzterem  noch  einen  Bruch.  Er 
steht  wieder  im  Tuff,  wie  der  zuerst  erwähnte  und  hat  sehr  ähn- 
liches Material." 

Soweit  Merklein.  Ich  muss  gestehen,  dass  ich  seine  Beschrei- 
bung vor  meinem  Besuche  des  Rosenegges  nicht  zu  Gesicht  bekam 
und  so  kann  ich  über  den  Schwefelwasserstoffgehalt  jenes  Hofbrun- 
nens ebensowenig  eine  Mitteilung  machen  wie  über  jenen  Kalkspat- 
gang, dessen  Material  mit  dem  unten  zu  beschreibenden  zu  vergleichen 
von  Wert  wäre ,  wenn  er  überhaupt  noch  zu  Tage  steht.  Es  sei 
hier  bloss  noch  angeführt,  dass  Merklein  in  seinem  Schriftchen  die 
„Opaltuffe"  für  Produkte  von  Schlammvulkanen  erklärt:  „ich  kann 
mir  die  Bildung  dieser  Gesteine  nur  dadurch  erklären,  dass  zur  Zeit 
des  Niederschlages  der  Molasse  derselben  aus  der  Tiefe  aufsteigende 
Massen  begegnet  sind  und  mit  ihr  sich  gemengt  haben.  Mancher 
Orten,  z.  B.  bei  Wangen,  wurde  schon  abgelagerte  Molasse,  wie  die 
Kohlentrümmer  beweisen,  zerbröckelt  und  mit  eingeschlossen  ^" 

»  Merklein  S.  36. 


—     312     — 

Durch  diese  aus  zuverlässigen  Beobachtungen  entsprungene 
Schilderung  Merklein's  wurde  jedenfalls  die  Aufmerksamkeit  der  Geo- 
logen auch  auf  das  Rosenegg  hingelenkt  und  so  wird  dasselbe  von 
Dr.  ScHALCH  in  den  Begleitworten  zur  geognostischen  Karte  des  Kan- 
tons Schaff  hausen  1883  auch  mehrfach  genannt.  Schalch  nennt, 
wie  schon  oben  angegeben  ist,  den  Bruch  im  Südwesten,  die  „Opal- 
tuffe" Merklein's,  die  Blattabdrticke  am  Südabhang,  die  Überlagerung 
der  oberen  Süsswassermolasse  durch  den  Tuff,  „dessen  auffallend 
sandige  Beschaffenheit  darauf  schliessen  lässt,  dass  die  Molasse  einen 
wesentlichen  Teil  des  sie  zusammensetzenden  Materiales  geliefert 
hat^."  Schalch  hat  auch  schon  Kunde  gehabt  von  den  unten  zu 
besprechenden  Pseudomorphosen,  er  sagt^:  „der  relativ  beträchtliche 
Kalkgehalt  der  Phonolithtuffe  hat  zur  Folge,  dass  sich  auf  aufsetzen- 
den Klüften  überall  sinterartige  Überzüge  von  Calcit  oft  in  erheb- 
licher Ausdehnung  und  Mächtigkeit  abgesetzt  haben.  In  einem  auf 
der  Südseite  des  Hohentwiels  eröffneten  Bruch  führen  dieselben  in 
Drusen  ausser  spitzen,  meist  durch  Eisenoxyd  braun  gefärbten  Kalk- 
spatskalenoedern  die  von  Knop  beschriebenen  Pseudomorphosen  von 
Calcit  nach  Aragonit.  Anderweitige,  bis  jetzt  noch  nicht  näher 
untersuchte  Pseudomorphosen  entdeckte  Herr  B.  Schenk  in  Stein 
a.  Rhein  in  den  Phonolithtuffen  des  Rosenegg  bei  Rielasingen. "  Den 
ersten  Fund  machte  der  genannte  fieissige  und  verständige  Sammler 
im  Jahre  1878,  es  war  eine  Pseudomorphose  nach  Gips  an  der  ersten 
Fundstelle  nahe  bei  Rielasingen.  Er  besuchte  die  Stelle  mehrfach 
und  konnte  Ostern  1885,  als  der  „Oberrheinische  geologische  Ver- 
ein" zu  Stein  sich  versammelte,  eine  schöne  Sammlung  jener  Funde 
den  Freunden  der  Mineralogie  vorlegen.  Damals  versahen  sich  schon 
viele  mit  den  interessanten  Stücken,  auch  führte  eine  Exkursion  über 
den  Schienerberg  die  Versammlung  an  die  Tuffe  von  Oberwald  und 
über  den  Herrentisch ,  der  den  besten  Überblick  über  die  Vulkan- 
reihen gestattet,  hinab  zum  Rosenegg  an  die  erste  Fundstelle.  Frei- 
lich auf  die  Frage,  was  das  ursprüngliche  Mineral  war,  wussten  nicht 
viele  eine  Antwort  und  so  gab  sich  auch  der  Verfasser  mit  den  Ant- 
worten nicht  zufrieden.  In  den  Jahresh.  für  vaterländische  Naturk. 
in  Württ.  1886  veröffentlichte  derselbe  zuerst  seine  Ansicht  über 
die  Funde ;  seither  haben  sich  aber  zu  den  früheren  Formen  neue 
hinzugesellt,  Herr  Schenk  hat  in  Ramsen  am  Fuss  des  Roseneggs, 
wo  er  jetzt  wohnt,    eine    interessante  Originalsammlung  zusammen- 

'  Beiträge  S.  70. 
2  Ebenda  S.  104. 


—     313     — 

gestellt  und  fand  1886  die  zweite  Fundstelle,  deren  Vorkommen  noch 
gar  nicht  beschrieben  sind.  Es  dürfte  deswegen  sich  lohnen,  die 
Pseudomorphosen  und  Mineralien  dieser  beiden  Stellen  zu  beschreiben 
und  zu  vergleichen,  namentlich  da  dieselben  neuerdings  seltener  zu 
werden  anfangen. 

III. 
Pseudomorphosen  und  Mineralien  der  ersten  Fundstelle 

im  Südosten. 

Wenn  irgendwo  die  Bedingungen  zur  chemischen  Umbildung 
und  Umsetzung  von  Mineralien,  also  zur  Pseudomorphosenbildung 
gegeben  sind,  so  sind  es  die  vulkanischen  Tuffe  und  man  musste 
sich  eigentlich  wundern,  dass  aus  dem  Höhgäu  so  wenig  davon  bis 
vor  kurzem  bekannt  wurde.  Man  kannte  eben  infolge  der  näheren 
Untersuchung  der  Phonolithe  und  ihrer  Verwitterungsprodukte  die 
Natrolithe  nach  Nephelin  vom  HohentwieH,  Calcit  nach  Hauyn  vom 
Hohenkrähen  nach  v.  Fritsch  ^  und  die  oben  schon  genannten  Cal- 
cite  nach  Aragonit  vom  Hohentwiel  nach  Knop  ^.  Diese  Anzahl  wird 
nun  bedeutend  vermehrt  durch  die  Rosenegger  Vorkommen. 

Die  Stelle,  wo  Herr  Schenk  die  ersten  Funde  machte,  liegt  an 
der  südöstlichen  Ecke  des  Berges  und  zwar  unmittelbar  an  der 
VValdesgrenze ,  wo  zwischen  bebautem  Feld  und  Wald  ein  schmaler 
Streifen  von  ödem  Land  sich  hinzieht;  sie  ist  etwa  2 — 3  m  breit 
und  höchstens  4  m  lang.  Der  anstehende  Tuff  hat  infolge  der  Ver- 
witterung eine  gelbe  Farbe  und  sieht,  nachdem  er  zerfallen,  wie 
sandiger  Lehm  aus,  doch  findet  man  dazwischen  härtere  Stücke,  die 
der  Verwitterung  widerstehen ,  teils  Kalke ,  die  an  die  Süsswasser- 
kalke  der  dortigen  Gegend  erinnern,  teils  Tuffe,  die  aber  angeschliffen 
häufig  Schichtung  erkennen  lassen.  Dazwischen  liegen  Tuffe  mit 
Kalkspatdrusen,  Opale,  Glimmerblättchen,  Chalcedone,  Magnetite  in 
Körnern  und  Oktaedern  und  dann  vor  allem  in  grosser  Zahl  die 
Pseudomorphosen,  und  zwar  Kalkspat  oder  seltener  Quarz 
nach  Gips,  Thenardit,  Glaube rit,  Aragonit  und  viel- 
leicht Anhy  d  rit. 

Da  der  Erhaltungszustand  dieser  Umbildungen  im  allgemeinen 
nunmehr  der  gleiche  ist,  so  können  hier  allgemeine  Bemerkungen 
über  sämtliche  Pseudomorphosen  der  ersten  Fundstelle  vorausgeschickt 


*  Schalch,  Beiträge  S.  95. 

2  Ebenda  S.  102. 

3  Bericht  üb.  d.  XIII.  Vers,  des  Oberrhein.  ^eol.  Vereins  1880.   S.  h. 


—     314     — 

werden.  Die  meisten  dieser  Formen  sind  hohl,  so  dass  sie  ganz 
oder  nur  an  den  Kanten  durchscheinend  sind;  die  Umhühung  be- 
steht aus  ziemlich  reinem  Kalkspat,  oft  wasserklar,  häufiger  indessen 
grünlich  oder  gelblich  weiss.  Alle  diese  Formen  haben  aber  mehr 
oder  weniger  die  rot-braune  Farbe  der  verwitternden  Tuffe  ange- 
nommen, indem  sie  von  Eisenoxydhydratlösung  gefärbt  wurden.  Nach 
innen  trat  nun  Drusenbildung  ein ,  man  findet  mehr  oder  weniger 
klare  Kalkspäte  von  der  Form  —  ]  E. .  ccK.  Herr  Schenk  will  zum 
Teil  Flüssigkeitseinschluss  beobachtet  haben,  so  dass  beim  Aufschlagen 
der  Gipsformen  eine  Flüssigkeit  heraussprang.  Die  Rinden  dieser 
hohlen  Formen  sind  indessen  oft  sehr  dünn ,  sie  zeigen  dann  im 
durchfallenden  Lichte  ein  körniges  Gefüge  ;  oft  sind  sie  nicht  einmal 
ganz  geschlossen,  sondern  löcherig,  so  dass  eigentlich  nur  ein  Skelett 
von  wenigen  Kalkspatrhomboedern  bleibt,  nach  innen  Rhomboeder, 
nach  aussen  die  Winkel  z.  B.  des  Thenardites  zeigend.  Offenbar  hat 
man  da  die  Resultate  einer  Auflösung  vor  sich,  der  die  Pseudomor- 
phosen  infolge  der  Einwirkung  der  Tagewasser  unterworfen  wurden. 
Viel  seltener  bildet  Quarz  die  äussere  Hülle,  aber  selten  rein,  er  ist 
mit  Kalk  gemischt,  so  dass  die  äusserste  Hülle  in  Säure  braust, 
nach  innen  nimmt  aber  dann  Quarz  überhand  und  innen  ist  dann 
die  Druse  mit  zierlichen  wasserklaren  Bergkrystallen  dicht  besetzt. 
Seltener  trifft  man  die  Formen  massiv,  dann  bestehen  sie  entweder 
bloss  aus  verschieden  orientierten  Kalkspatkörnern  oder  schliesst 
eine  Zone  von  solchen  Kalkspatkörnern  innen  ein  Gemenge  scharf 
begrenzter  Quarzkörner  ein ;  man  sieht  auch  an  manchen  Dünn- 
schliffen im  parallelen  Lichte  Sphärolithe  von  schwarzem  Kreuze 
durchzogen.  Von  ursprünglicher  Substanz  wie  Gips,  Thenardit,  Glau- 
berit,  Aragonit  konnte  ich  nichts  finden.  Am  ehesten  könnte  es 
noch  bei  der  schönen  Aragonit-Pseudomorphose  der  Karlsruher  Samm- 
lung sein,  welche  Geh.  Hofrat  Knop  mir  zur  Verfügung  zu  stellen 
die  Freundlichkeit  hatte.  Diese  ist  schon  nach  dem  Gewichte  zu 
schliessen  sicher  massiv ;  da  sie  aber  wegen  der  Seltenheit  des  Vor- 
kommens und  der  schönen  Ausbildung  einzig  in  ihrer  Art  ist,  so 
wird  sie  wohl  nicht  so  bald  quer  geschnitten  werden ;  was  ich  sonst 
an  umgewandelten  Aragonitformen  fand ,  wird  unten  beschrieben 
werden ;  da  dieselben  drusig  sind,  eigneten  sie  sich  leider  auch  nicht 
zum  Dünnschliff.  Es  ist  überhaupt  nach  den  Beobachtungen,  die 
ich  an  einer  sehr  beträchtlichen  Zahl  von  Pseudomorphosen  dieser 
Fundstelle  machte,  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  man  ursprüngliche 
Substanz  noch  finden  wird,  eine  ziemlich  geringe,   da  die  Mehrzahl 


—     315     — 

der  Formen  zur  Drusenbildung  neigt,  und  es  muss  diese  Beschaffen- 
heit der  Rosenegger  Pseudomorphosen  gleich  von  vornherein  als 
charakteristisch  festgestellt  werden.  Bei  der  grossen  Masse  von 
kohlensaurem  Kalk  und  Quarz,  welche,  wie  unten  näher  ausgeführt 
werden  soll,  in  dem  dortigen  Tuffe  sich  vorfindet,  kann  man  sich 
durchaus  nicht  wundern ,  wenn  die  meisten  Pseudomorphosen  nun- 
mehr aus  Kalkspat  bestehen ,  seltener  aus  Quarz  oder  aus  beiden 
Stoffen,  letzteres  indessen  immer  in  der  Weise,  dass  der  Kalkbildung 
die  Infiltration  der  Kieselsäure  nachfolgte.  Es  erinnert  dieser  Vor- 
gang an  die  aufeinander  folgenden  Generationen  von  Mineralien  in 
Drusenräumen  oder  Ammonitenkammern ,  worunter  man  ja  auch 
Quarz  auf  Kalkspat  findet '. 

Was  nun  die  Form  der  Pseudomorphosen  betrifft ,  so 
sei  zuerst  die  des  Gipses  genannt.  Davon  findet  man  nicht  selten 
Stücke,  die  noch  sehr  scharfe  Winkel  zeigen,  so  dass  keine  Zweifel 
mehr  möglich  sind.  Bei  allen  Formen  ist  1  :  1  ( — P)  (111)  zur  Säule 
ausgezogen  (s.  Fig.  2),  oben  setzt  sich  daran  die  meistens  gekrümmte 
Fläche  des  Hemidomas  o  (+^Poü)  (303),  unten  das  Prisma  f  :f(ooP) 
(110),  doch  meist  stark  verkürzt;  auf  den  Seiten  fehlt  nie  der  blätte- 
rige Bruch  p  (cx)Poo)  (010),  letzterer  deutet  sich  auch  oben  und  unten 
nicht  selten  dadurch  an,  dass  die  Krystalle  parallel  dazu  aufgeblät- 
tert sind,  was  ich  in  Fig.  1  andeutete.  Selten  zeigt  sich  ausserdem 
noch  -f  P  (111).  Die  Messung  der  Winkel  ergab  mit  dem  Anlege- 
goniometer die  annähernden  Resultate : 


f  : 

f                      gemessen 

zu       ca.   lOQ*' 

statt 

111^30' 

1: 

1 

142« 

45' 

n 

143^30' 

1: 

P 

„     107—108*' 

» 

108^15' 

Ki 

ante  (1  :  1)  :  o        „ 

143» 

•n 

139^29' 

0 

:  c  (Achse)             „ 

90—95° 

V 

87'^ 

n 

:  n                            „ 

„     135—136° 

n 

138*^28' 

Dabei  darf  man  nicht  ausser  acht  lassen,  dass  diese  Flächen 
zum  Teil,  so  namentlich  o,  Neigung  zur  Krümmung  zeigen,  daher 
kann  man  von  den  Messungen  keine  zu  grosse  Genauigkeit  erwarten; 
überhaupt  geht  man  bei  der  Bestimmung  der  Pseudomorphosenflächen 
am  sichersten,  wenn  man,  nachdem  die  Form  der  ursprünglichen 
Materie  in  der  Hauptsache  festgestellt  ist,  unveränderte  Krystalle  mit 
den   Pseudomorphosen    vergleicht   und    die   Kantenwinkel    einvisiert. 


^  Vergl.  des  Verf.  Abhandlung  über  die  Versteinerungs-  und  Vererzungs- 
mittel  der  schwäb.  Petrefakten.     Diese  Jahreshefte  1889. 


—     316     — 

Hierzu  eignen  sich  im  vorliegenden  Falle  die  Gipse  unseres  Salz- 
gebirges ganz  vorzüglich,  namentlich  die  schönen  von  Iselshausen 
bei  Nagold,  die  sich  von  den  oben  beschriebenen  Formen  bloss  durch 
das  Hinzutreten  von  M  (coPoo)  (100)   und  coP2  (120)    unterscheiden. 

Was  nun  die  einzelnen  Flächen  betrifft,  so  fehlt  der  blätte- 
rige Bruch  p  an  keinem  Stücke;  die  Flächen  1  sind  meist  ungleich 
entwickelt,  ja  die  eine  davon  kann  ganz  fehlen,  wie  das  Fig.  1  zei- 
gen soll,  oft  trifft  man  Stücke  von  trapezförmigem  Querschnitt  Fig.  12 
nur  gebildet  aus  p  und  einem  1,  oben  und  unten  beliebig  abgerissen 
oder  vielleicht  auf  der  einen  Seite  mit  o ;  ich  habe  das  gleiche  Stück 
neuestens  vom  Salzgebirge  bekommen ,  legt  man  darauf  eine  jener 
Pseudomorphosen,  so  fallen  die  Flächen  vollständig  zusammen.  Auf 
dem  Hauptblätterbruch  p  erheben  sich  häufig  tafelige  Aufsätze  s.  Fig.  1. 
Die  Säule  f  ist  nie  stark  entwickelt ,  dagegen  zeigt  sich  das  Hemi- 
doma  o  sehr  häufig  und  lang  ausgezogen.  Die  hintere  Pyramide  n 
ist  nicht  häufig  und  die  Formen,  welche  sie  zeigen,  dürfen  nicht 
verwechselt  werden  mit  Thenarditformen ,  die  in  der  vorderen  Pol- 
kante auch  135"  haben  (n  :  n  =  138°  32'). 

Die  Grösse  der  Krystalle  ist  zum  Teil  sehr  beträchthch, 
man  findet  sie  bis  10  cm  lang,  2 — 3  cm  dick  und  3^ — 4  cm  breit, 
aber  auch  wieder  klein  und  zierlich ,  darunter  manche  gekrümmt, 
wie  man  die  Gipse  auch  im  Gebirge  findet.  Die  häufigsten  Typen  sind: 

1)  — P  .  odP  .  cjoPoo  . -|-^Pco  s.  Fig.  2  nach  — P  in  die  Länge 
gezogen ; 

2)  — P  . -j-P  .  ccPcü  .  cx>P,  letzteres  Prisma  nur  schwach  ent- 
wickelt s.  Fig.  3,  selten  gefunden ; 

3)  die  trapezförmigen  Prismen  mit  1  und  p  s.  oben ; 

4)  dieselben  Prismen,  aber  mit  o  und  f,  alles  nur  hälftig,  s.  Fig.  1 ; 

5)  spiessige  Krystalle  mit  einem  1 ,  o  und  p  (s.  Fig.  4) ,  diese 
Formen  sind  leicht  zu  verwechseln  mit  Thenarditen  von  der  Form 
Fig.  8. 

Man  findet  in  dem  Tuffe  nun  auch  ganze  Krystallgruppen,  die 
Säulen  (1  :  1)  stehen  beliebig  schief  gegeneinander,  der  ganze  Kom- 
plex ist  hohl  und  innen  mit  Kalkspäten  besetzt.  Häufig  ist  der 
Winkel  f  :  f  oder  1:1  zu  messen,  sie  endigen  mit  gekrümmten  Flä- 
chen und  erinnern  sehr  lebhaft  an  Gruppen  aus  dem  Salzgebirge. 
Endlich  ist  noch  des  Zwillinges  (s.  Fig.  5)  zu  gedenken.  Ich 
nahm  früher  ^  zweierlei  Arten  an ;  nachdem  mir  aber  mehr  Material 


1  s.  diese  Jahreshefte  1886,  S.  67. 


—     317     — 

durch  die  Hände  gegangen ,  möchte  ich  die  Form ,  die  ich  dort  in 
Fig.  2  abbildete,  eher  als  Thenarditzwilling  deuten,  wovon  unten  die 
Rede  sein  wird.  Kein  Zweifel  kann  aber  bestehen  über  die  ZwilHngs- 
bildung  nach  ooPoo,  dem  Orthopinakoid  (100) ;  die  2  Individuen  haben 
f  zur  rhombischen  Säule,  vorne  abgestumpft  durch  p,  oben  im  Ein- 
schnitt die  Hemipyramide  1  in  eine  abgerundete  Fläche,  wahrschein- 
Hch  o  auslaufend;  unten  liegen  die  parallelen  Flächen.  Also  die 
Zwillinge  des  Salzgebirges ,  aber  nicht  in  Drusen ,  sondern  um  und 
um  ausgebildet,  wie  er  in  der  allerschönsten  Ausbildung  im  hiesigen 
Naturalienkabinett  liegt.  Es  deuten  sich  daran  auch  die  faserigen 
Brüche  T  mit  ihren  132^28'  an.  Einmal  fand  sich  darunter  auch 
ein  Stück  mit  vollständiger  Durchwachsung  (Schenk,  Originalsamm- 
lung No.  37) ,  so  dass  an  den  Seitenkanten  von  f  rechts  und  links 
einspringende  Winkel  sich  zeigen.  Ich  fand  früher  einen  solchen 
Penetrationszwilling  im  Braunen  Jura  bei  Owen  und  wenn  man  den- 
selben neben  die  Pseudomorphose  legt,  so  kann  kaum  ein  Zweifel 
bestehen ;  bei  beiden  tritt  oben  in  dem  einspringenden  Winkel  nur 
eine  Fläche  1  auf  und  das  eine  f  tritt  von  p  verdrängt  zurück. 

Ein  besonderes  Interesse  verdienen  die  Formen  des  Thenar- 
dites;  denn  Pseudomorphosen  nach  Gips  wurden  sonst  schon  ge- 
funden, man  denke  nur  an  die  bekannten  vom  Montmartre  bei  Paris. 
Blum  schreibt  darüber^:  „Die  linsenförmigen  Krystalle  behalten  ihre 
Form  bei,  aber  die  Flächen  erscheinen  rauh  und  uneben  und  sind 
hie  und  da  durchlöchert.  Das  Innere  derselben  ist  nicht  ganz  er- 
füllt ,  es  zeigt  sich  meistens  hohl ,  wohl  eine  Folge  des  grösseren 
Verlustes  als  Aufnahme  von  Bestandteilen,  und  die  Wandungen  sind 
mit  lauter  spitzen  Rhomboedern  besetzt,  die  sich  dicht  aneinander 
gereiht  zeigen  und  eine  stengelige  Zusammensetzung  der  Rinde  der 
Krystalle  hervorrufen.  Aussen  sind  sie  matt  und  bräunlich  gelb, 
innen  glänzend  und  lichter  gefärbt.  Auch  trifft  man  zuweilen  An- 
häufungen von  Kalkspatkrystallen  mitten  im  Innern  der  Pseudomor- 
phosen oder  es  finden  sich  nierenförmige  Massen  von  Chalcedon  oder 
Quarz."  Sodann  Quarz  nach  Gips  ebenfalls  nach  Blum ^:  „zu  Passy 
bei  Paris  finden  sich  in  einem  Süsswassermergel  Krystallgruppen  ganz 
aus  Quarz  bestehend ,  deren  Formen  dem  Gipsspat  angehörten.  Es 
sind  die  linsenförmigen  Krystalle,  die  so  oft  bei  letzterem  Mineral 
zusammengehäuft  erscheinen  und  in  Mergeln  und  Thonen  gefunden 
werden ;    dort  aber  hat  der  Quarz    den  Gips   verdrängt   und    dessen 

^  Pseudomorphosen  S.  50. 
^  Pseudomorphosen  S.  231. 


—     318     — 

Form  beibehalten.  Die  gelblichen  oder  bräunlichen  Krystalle  .... 
zeigen  sich  entweder  ganz  erfüllt  mit  dichter,  manchmal  etwas  kör- 
niger Quarzmasse  oder  hohl,  besonders  da,  wo  die  Individuen  dicker 
werden ,  und  die  Wandungen  sind  dann  rauh ,  wie  zerfressen ,  oder 
mit  weissem,  nierenförmigem  Chalcedon  überzogen."  Sonst  wäre 
noch  der  dünnen  Linsen  von  Quarz  zu  gedenken,  die  bei  Gerhausen 
gefunden  wurden  und  im  Naturalienkabinett  liegen  und  die .  ohne 
Zweifel  die  Form  von  Gips  zeigen,  etwa  — P  (111)  in  Kombination 
mit  einem  Hemidoma ;  dieselben  sind  rauh  und  matt  und  erinnern 
durch  Form  und  Beschaffenheit  an  diejenigen  von  Passy.  Man  sieht 
bald ,  dass  unsere  Rosenegger  Pseudomorphosen  weder  mit  denen 
vom  Montmartre  noch  mit  denen  von  Passy  übereinstimmen,  denn 
die  Rosenegger  sind  im  allgemeinen  glatt  und  ebenflächig  und  von 
anderer  Form.  Aber  Thenarditpseudomorphosen  sind  bis  jetzt  nicht 
gefunden,  darum  wurden  wohl  auch  die  Formen  so  lange  nicht  er- 
kannt. Die  häufigste  Form  ist  die  von  anscheinend  rhombischen 
Pyramiden,  mehr  oder  weniger  verzogen  und  in  den  Randkanten  un- 
gleich gut  erhalten.  Man  denkt  zunächst  an  Gipslinsen,  allein  die 
Kanten,  die  nach  der  Mitte  konvergieren,  sind  meistens  scharf  und 
gut  erhalten  und  stimmen  nicht  mit  Gips,  weder  für  die  Kombination 
ooP  .  — P  noch  für  -f-P  •  — P  (Fig.  13).  Ausserdem  führt  die  Betrach- 
tung der  Formen  ganz  entschieden  zu  Formen  des  rhombischen  Sy- 
stems und  die  Winkel  stimmen  in  der  That  mit  Thenardit  (Fig.  6). 
Die  Hauptfläche  ist  die  Pyramide  P  (111),  daran  ist  die  Mittelkante 
ganz  gewöhnlich  durch  die  Säule  n  (ooP,  110)  abgestumpft.  Rechts 
und  links  fehlt  beinahe  nie  das  Brachypinakoid  ccPoo  (010).  Oben 
zeigt  sich,  wiewohl  nicht  häufig,  eine  Zuschärfung  durch  eine  stum- 
pfere Pyramide,  wohl  o  =  ^P  (113).  An  2  Stücken  glaube  ich  die 
Basis  OP  (001)  beobachtet  zu  haben.  Die  Winkelmessungen  ergaben 
mit  dem  Anlegegoniometer : 


p 

P  stumpfe  Polkante 

132- 

-134" 

statt 

ISbHV 

.p 

P  spitzige          ,, 

7P 

« 

740 18' 

p 

P  Mittelkante 

124" 

)) 

123°  43' 

n 

n    vorne  an  a 

130° 

rj 

129°21' 

P 

0 

143° 

n 

150°  4' 

Die  Flächen  von  0  sind  schmal  und  schlecht  erhalten. 

Nachdem  die  Thenarditform  festgestellt  war,  verglich  ich  die 
südamerikanischen  aus  dem  Chilisalpeter  von  Atakama,  welche  Prof. 
Dr.  Kloos   mir    zur  Verfügung   zu    stellen    die  Freundlichkeit   hatte, 


—     319     — 

und  darnach  waren  alle  Zweifel  gehoben.     Der  Habitus  der  Formen 
ist  nun  folgender: 

1)  Am  häufigsten  die  oben  genannten  und  gezeichneten  Pyra- 
miden von  rhombischem  oder ,  wenn  verzogen ,  oblongem  Umriss, 
entweder  nur  P  oder  mit  Andeutung  von  ooP ; 

2)  abgeblätterte  Stücke  von  der  Form,  wie  sie  Fig.  8  zeigt, 
P  .  ooPoo  .  ooP.  Alles  spricht  dafür,  dass  eben  die  Längsfläche  ooPc» 
die  Spaltfläche  ist,  man  triff't  sie  als  Abstumpfung  gar  häufig  und 
es  haben  ja  auch  Bärwald  *  und  Rammelsberg  dieselbe  an  frischen 
Thenarditen  aufgefunden,  letzterer  ausserdem  P,  welche  Fläche  schon 
F.  A.  Römer  nannte.  Man  muss  sich  hüten,  dass  man  diese  durch 
Rhomben  abgeschnittene  Pyramiden  (Fig.  14)  nicht  mit  den  oben  ge- 
nannten spiessigen  Gipsen  verwechselt,  s.  Fig.  4. 

3)  Gut  erhaltene  Exemplare  mit  P  .  coP  .  ooPoo  .  |P  sind  selten 
(Fig.  6). 

4)  Häufig  trifft  man  Gruppen  von  parallel  gestellten  Individuen 
von  Fig.  15,  auf  den  ersten  Blick  denkt  man  an  Zwillingsbildung, 
allein  die  Flächen  liegen  alle  parallel;  es  könnte  sein,  dass  durch 
diese  Bildung  die  Spaltung  nach  P  sich  andeutet.  Wiederholt  sich 
diese  Parallelstellung  sehr  nahe,  so  entstehen  an  Stelle  der  Polkanten 
feine  Rinnen  (Schenk,  Originalsammlung  No.  32). 

5)  Die  Form  P  .  ooPoo  mit  der  Endfläche  OP  fand  ich  nur  zwei- 
mal, ich  finde  diese  Fläche  sonst  in  der  Litteratur  nicht  angegeben, 
sie  zeigt  sich  aber  an  diesen  Pseudomorphosen  ganz  deutlich. 

Was  Bedenken  erwecken  könnte,  das  ist  die  Grösse  der  Kry- 
stalle.  Für  gewöhnhch  sind  sie  ja  klein,  b  =  2  cm,  c  =  1,5  cm; 
nun  aber  finden  sich  Stücke  5  cm  breit  und  4  cm  hoch ,  ja  7  und 
8  cm  breit,  dieselben  zeigen  aber  mehr  oder  weniger  deutlich  die 
Winkel  und  die  Form  des  Thenardites.  Indessen  hat  schon  F.  A.  Rö- 
mer die  c-Achse  an  bolivianischen  zu  3,5  cm  gemessen  '^,  so  käme 
auf  b  etwa  4,4  cm.  Nach  dieser  Entwickelung  wäre  das  Rosenegg 
ein  Fundort  der  grössten  Thenardite  und  der  flächenreichsten,  aber 
freilich  nur  in  Afterkrystallen.  Ebenso  könnte  man  von  da  am  ehe- 
sten die  Thenarditzwillinge  sich  verschaffen.  Ich  habe  schon 
oben  diese  Formen  genannt  und  erwähnt,  dass  ich  sie  früher  mit 
Gips  in  Verbindung  brachte.    Der  grössere  Vorrat,  der  mir  nun  durch 


1  N.  Jahrb.  f.  Mineralogie  etc.  1882.  IL  19. 

2  N.  Jahrb.  f.  Mineralogie  etc.  1863.  566. 


—     320     — 

die  Hand  ging,  belehrte  mich  eines  anderen.  Am  besten  erklärt  man 
sich  die  Form,  wenn  man  von  den  Pyramiden  Fig.  16  ausgeht;  legt 
man  dieselben  mit  der  Mittelkante  zusammen,  so  dass  sie  die  da- 
durch geführte  Fläche  der  Säule  ooP  gemein  haben,  so  hat  man  die 
Zwillingsstellung.  Davon  leitet  sich  nun  durch  Überwachsen  der 
inneren  Pyramidenflächen  das  Prisma  Fig.  17  ab  von  123*^43'  in  der 
stumpfen  und  56^17'  in  der  spitzen,  dem  Beschauer  zugekehrten 
Kante ,  oben  ein  einspringender  Winkel  der  beiden  n  und  n'  von 
101°  18',  unten  der  gleiche,  aber  ausspringende  Winkel.  Dadurch 
entsteht  eine  Schwalbenschwanzform ,  die  an  Gipse  erinnert.  Dazu 
treten  dann  die  anderen  Flächen :  die  Kante  von  56"  wird  durch  ^P 
zugeschärft,  so  dass  eine  stumpfe  Kante  von  11 6^*8'  an  deren  Stelle 
tritt;  die  oben  rechts  und  links  vorspringenden  „Schwänze"  werden 
durch  das  Brachypinakoid  ooPoo  abgestumpft.  Dabei  kann  vollständige 
Penetration  eintreten,  so  dass  die  Fläche  n  von  links  auf  der  Kante 
rechts  wieder  hervortritt.  So  stellt  die  Abbildung  Fig.  7  eine  der- 
artige Penetration  vor  zweier  Individuen  von  der  Kombination : 
P  .  I^P  .  oüPoo  .  oüP.  Häufig  treten  dazu  dann  noch  über  n  in  dem 
einspringenden  Winkel  die  Flächen  von  P,  so  dass  recht  flächen- 
reiche Formen  entstehen.  Die  Winkel  wurden  gemessen  zu: 
n    :  n'  im  Schwalbenschwanz  97"       statt  lOmS' 


n 

:b 

113" 

115"  19' 30 

n' 

:  P'  und  n 

P 

152-153" 

151"51' 

P' 

o' 

149—150" 

150"   4' 

o' 

:  0 

115"  30'    „ 

116"   8' 

P' 

P 

55"  30'    „ 

56"  17' 

Man  würde  nun  sehr  irren ,  wollte  man  glauben ,  diese  Zwil- 
linge seien  alle  gleich  flächenreich  und  gleich  scharfkantig  entwickelt; 
vielmehr  gibt  es  auch  hier  wieder  mancherlei  Typen.  Es  seien  hier 
dieselben  aufgezählt: 

1)  einfache  rhombische  Säule  von  56",  oben  die  beiden  Indivi- 
duen undeutlich  geschieden ; 

2)  die  gleiche  rhombische  Säule ,  oben  der  Schwalbenschwanz 
n  :  n'  mit  einspringendem  Winkel; 

3)  wie  vorhin,  es  zeigen  sich  aber  im  einspringenden  Winkel 
ausser  n  die  Pyramidenflächen; 

4)  es  tritt  zu  der  eben  genannten  Form  noch  ooPoo; 

5)  es  kommt  Penetration  dazu,  wovon  Herr  Schenk  das  schönste 
Stück  hat  (Originalsammlung  No.  36). 


—     321     — 

6)  Man  hat  die  rhombischen  Pyramiden  von  der  Form  der  Fig.  8 
und  auf  der  grösseren  Längsfläche  b  findet  sich  ein  Einschnitt  pa- 
rallel zu  einer  Prismenfläche  cc^  vor  und  rechts  und  links  von  die- 
sem Spalt  erheben  sich  Pyramiden  nach  verschiedener  Seite. 

Sicherlich  gehören  diese  Zwillinge  zum  Interessantesten ,  was 
das  Rosenegg  bietet.  Zum  Schluss  sei  bezüglich  der  Thenardite  noch 
bemerkt,  dass  man  auch  wohl  erhaltene  Gruppen  davon  findet  von 
beliebig  orientierten  Krystallen;  endlich  zeigen  einige  Stücke  Ver- 
tiefungen mit  Fortifikationsstreifen ,  offenbar  Stellen ,  nach  welchen 
eng  gedrängte  Krystalle  miteinander  verwachsen  waren  und  deren 
Form  sich  auch  im  Kalk  erhielt. 

Die  Glauberitf orm  ist  leicht  zu  erkennen  gewesen,  die  For- 
men sind  zum  Teil  sehr  gut  erhalten  und  nicht  zu  verkennen.  Man 
hat  (s.  Fig.  9)  die  monoklinen  Prismen  M  mit  Schiefendfläche  P;  die 
Kombinationskante  M  :  P  ist  durch  die  vordere  Pyramide  — P  (111) 
weggeschnitten,  doch  sind,  was  für  dieses  Mineral  ja  charakteristisch 
ist,  diese  beiden  Flächen  f  rechts  und  links  meist  ungleich  stark 
entwickelt ;  nicht  häufig  ist  die  vordere  und  hintere  Kante  der  Säule 
ooP  durch  das  Orthopinakoid  c5oPcü  (100)  abgestumpft,  so  dass  man 
die  Kombinationen  hat: 

1)  ocP.— P.OP, 

2)  ooP.— P.OP.coPco. 

Man  hätte  darnach  höchstens  noch  an  Eisenvitriol  denken  kön- 
nen, allein  dieses  Mineral  findet  sich  denn  doch  in  der  Natur  selten 
deutlich  krystallisiert  und  dann  stimmen  die  Winkel  und  die  ganze 
Form  doch  wenig  oder  nicht  damit.  Die  Messungen  mit'  dem  An- 
legegoniometer ergaben,  vergl.  mit  denen  von  Westeregeln  nach 
Zepharovich  :  . 


cxjP 

M  :  M 

84"  statt  83«   2' 

—  P 

f    :f 

lir      „    1160  20' 

OP  : 

ooP 

102°      „    1040  29' 

OP: 

— p 

1410      „    I4703I' 

Dabei  ist  zu  beachten,  dass  die  Endfläche  häufig  eingesunken 
ist;  auch  stechen  aus  ihr  häufig  kleinere  Glauberite  heraus.  Dass 
dieselbe  die  Spaltrichtung  ist,  lässt  sich  an  manchen  Krystallen 
deutlich  erkennen.  Auch  die  anderen  Flächen  scheinen  zum  Teil 
eingesunken,  so  dass  die  Kry.stallkanten  weit  und  spitzig  vorspringen, 
doch  ist  auch  bei  diesen  undeutlicheren  Formen  eine  Verwechselung 
mit  den  Gipsen   kaum  möglich.     Die  Krystalle  sind  klein,   die  Dia- 

Jahreshefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  iu  Wiirtt.    1889.  21 


—     322     — 

gonale  von  OP  misst  4  mm  bis  2  und  2,5  cm,  sie  sind  tafelig  nach 
OP  und  erreichen  die  Höhe  von  3  mm  bis  14  mm.  Man  findet  die 
Krystalle  meist  lose  im  zerfallenden  Tuffe;  man  findet  aber  auch 
einen  bläulichen,  kieselharten  Tuff,  der  nicht  zerfällt,  in  welchem 
zahlreiche  Höhlungen  von  der  Form  dieser  Grlauberite  sich  vor- 
finden, so  dass  man  die  Krystalle  in  die  Formen  einlegen  kann.  Nun 
sind  diese  Hohlräume  häufig  mit  winzigen  Bergkryställchen  besetzt. 
Es  muss  hervorgehoben  werden,  dass  man  nie  in  diesem  Gesteine 
die  hohlen  Formen  von  Gips  oder  Thenardit  findet.  Diese  Pseudo- 
morphosen  nach  Gips  und  Thenardit  liegen  meistens  in  weicheren 
Tuffen,  mit  denen  man  sie  ab  und  zu  noch  zusammengebacken  mit 
nach  Haus  bringt.  Eine  hohle  Form  von  Thenardit  fand  ich  im 
Pechopal ,  dieselbe  liegt  in  Kalkspat  verwandelt  in  der  Opalmasse ; 
die  stumpfen  Calcitrhomboeder,  welche  die  Innenwand  bedeckten, 
wurden  aber  von  bläulichem  Chalcedon  übersintert.  Die  äussere 
Rinde  besteht  zum  Teil  aus  Opalmasse.  Diese  Umbildung  in  Kalk- 
spat war  schon  vor  sich  gegangen,  als  die  umgewandelte  Form  von 
Opalmasse  eingeschlossen  wurde.  Der  Chalcedon  hat  sich  wie  in 
anderen  Hohlräumen  des  Opals,  so  auch  in  der  hohlen  Krystallform 
des  Glauberits  ausgeschieden. 

An  der  gleichen  Fundstelle  fanden  sich,  wiewohl  sehr  selten, 
Pseudomorphosen  nach  Aragonit,  worauf  zuerst  Herr  Geh. 
Hofrat  Knop  aufmerksam  machte.  Er  schreibt^:  „in  einer  Zusendung 
von  Herrn  Schenk  fand  ich  eine  wohlgebildete  Paramorphose  von 
Kalkspat  nach  Aragonit;  eine  Gruppe  von  2  Krystallen  von  3  cm 
Länge  und  2  cm  Querdurchmesser  (Nebenachse). 

Dieses  Vorkommen  scheint  in  Beziehung  auf  die  Kenntnisse 
der  Verhältnisse  am  Rosenegg  neu  zu  sein.  Eine  etwaige  Ver- 
wechselung mit  ähnlichen  Vorkommen  im  Phonolithtuff  am  südlichen 
Abhänge  des  Hohentwiel  war  nicht  zu  befürchten.  Ergibt  doch 
eine  Vergleichung  beider  Vorkommnisse ,  dass  die  körnige  Struktur 
der  Paramorphosen  vom  Rosenegg  dieselbe  war,  wie  bei  den  übrigen 
Pseudomorphosen  von  daher,  dass  ferner  die  Oberfläche  derselben 
glatt  war,  wenn  auch  nicht  spiegelnd,  mit  deutlicher  Markierung  der 
Zwillingsnähte  der  scheinbar  hexagonalen  Krystalle  auf  den  Prismen- 
flächen, während  diejenigen,  welche  früher  am  Hohentwiel  gefunden 
wurden,  von  drusiger  Beschaffenheit  sind  und  auf  den  Kanten  deutliche 
Calcitrhomboeder  von  der  Form  — 2R  erkennen  lassen."    Herr  Schenk 


*  Bericht  der  XIX.  Vers,  des  Oberrhein,  geol.  Vereins  S.  7. 


—     323     — 

fand  ausserdem,  wie  er  sagt,  nur  einmal  noch  dieselbe  Form.  Ich 
selbst  fand  unter  den  vielen  Rosenegger  Pseudomorphosen  nur  3  Stücke 
dieser  Form:  daraus  ist  zu  erkennen,  dass  diese  Pseudomorphosen 
sehr  selten  sind.  Dass  das  Karlsruher  Stück  von  der  ersten  Fund- 
stelle am  Rosenegg  stammt ,  darüber  kann  allerdings  kein  Zweifel 
bestehen,  die  Farbe,  sowie  die  ausfüllende  Masse  des  körnigen  Kalkes 
sind  ganz  die  gleichen  wie  bei  den  übrigen  Stücken.  Ich  möchte 
darum  zu  den  Resultaten,  die  oben  schon  angegeben  sind,  nur 
•weniges  noch  hinzufügen.  Die  Gruppe  besteht  aus  2  Säulen  in 
Parallelstellung,  beide  sechsseitig,  die  längere,  schmälere  I  ist  2,4  cm 
lang,  1,5  dick,  die  kürzere,  breitere  II  2,2  cm  lang,  2  dick.  Beide 
zeigen  auf  den  Säulen,  deren  Winkel  unten  angegeben  werden  sollen, 
neben  der  Geradendfläche  noch  das  auf  die  spitzige  Prismenkante 
aufgesetzte  Paar  Poo  (011)  und  die  Pyramide  P  (111),  letztere  tritt 
an  I  einmal,  an  II  zweimal  auf.     Die  Messungen  sind  : 

oüP     :    Pcx>         125^30'  statt  125°47' 
Pco:OP  143°  „       144013' 

cx)P      :    P      ca.   140°  „       143^36' 

■dabei  ist  OP  uneben.  Also  hätte  man  die  Kombination:  ooP .  ooPoo . 
OP  .  P  .  Poo. 

Nun  aber  stellt  die  sechsseitige  Säule  nach  dem  Ergebnis  der 
"Winkelmessung  einen  polysynthetischen  Vielling  vor,  der  freilich  aus 
den  Umfangs winkeln  allein  ohne  Berücksichtigung  des  Dünnschliffes 
—  falls  im  Innern  noch  unveränderte  Aragonitmasse  angetroffen 
würde  —  kaum  richtig  gedeutet  werden  kann ,  zumal  da  auch  die 
Winkel,  wie  das  in  der  Natur  der  Pseudomorphose  liegt,  nicht  eben 
sehr  scharf  sind.  Ich  gebe  aber  doch  in  den  Figuren  18 — 21  die 
Winkel  an,  die  sich  ergaben,  und  füge  den  Versuch  einer  Deutung 
hinzu  (Strecken  zweimal  vergrössert.  Messung  Fig.  18  und  20, 
Deutung  Fig.  19,  21). 

In  welche  Sammlung  der  zweite  schöne  Aragonit  wanderte, 
konnte  Herr  Schenk  nicht  mehr  angeben ;  in  Schaffhausen  liegt  er 
jedenfalls  nicht.  Eine  zweite  Form  des  Aragonites  fand  ich  in  einer 
Sendung  von  Herrn  Schenk,  die  besonders  interessant  ist;  dieselbe 
ist  vollständig  hohl  und  auf  einer  Seite  und  teilweise  unten  auf- 
gerissen; die  Wandung  besteht  aus  Kalkspat,  der  durchscheinend 
ist;  innen  sitzen  die  schon  oft  genannten  flachen  Rhomboeder.  Es 
ist  eine  sechsseitige  Säule  mit  den  Winkeln  (s.  Fig.  22) :    oben  zeigt 

sich  wieder  Poo  und  wahrscheinlich  die  Brachypyramide  2P2  (121)  s. 

21* 


—     324     — 

2P2    :     Fco     gemessen  137"— 138«  statt  140«  33^22'' 
Poü:ooPoo  „  125"  30'  „      125"  47'. 

Unten  ist  die  Form  leider  verdrückt  und  aufgerissen.  Trotz 
dieser  mangelhaften  Beschaffenheit  spricht  doch  die  Form  deutlich 
für  Aragonit  und  die  hohle  Form  beweist ,  dass  keineswegs  bloss 
eine  Paramorphose  vor  sich  ging.  Ich  habe  an  anderer  Stelle'- 
schon  Zweifel  darüber  ausgesprochen,  ob  bei  allen  Pseudomorphosen 
von  Kalkspat  nach  Aragonit  Paramorphosen  vorliegen ;  wenn  irgend 
eine  Erscheinung  in  diesem  Zweifel  bestärken  kann ,  so  sind  es  die 
hohlen  Formen,  die  man  findet,  so  die  von  Schemnitz  und  die  spiessigen 
von  Burgheim  bei  Lahr\  Hier  wurde  sicherlich  die  Aragonitmasse 
durch  Lösung  entfernt  und  ihre  äussere  Form  durch  Kalkspat,  der 
sich  an  die  Stelle  setzte,  erhalten.  Es  ist  übrigens  an  der  äussersten 
Rinde  meistens  neben  Kalkspat  Eisenocker  zu  bemerken,  so  in  Burg- 
heim und  auch  am  Rosenegg.  Ausser  der  oben  beschriebenen  hohlen 
Form  fand  ich  noch  2  Stücke,  die  wenn  auch  weniger  deutlich  auf 
Aragonit  deuten;  das  eine  Bruchstück  ergab  wieder  in  der  Säule 
zweimal  116",  das  andere  zeigte  eine  nicht  zu  messende  sechsseitige 
Säule.  Das  schöne  Stück  der  Karlsruher  -  Sammlung  scheint  um 
und  um  krystallisiert  gewesen  zu  sein,  wie  das  zweite  beschriebene 
Stück. 

An  anderer  Stelle  des  Roseneggs  nämlich  im  Südwesten  beim 
Hof  Hofenacker  fand  Herr  Schenk  eine  gelblichweisse  Kalksinter- 
bildung, die  auf  den  ersten  Blick  kugehg  traubig  erscheint.  Leider 
sind  die  grössten  Zapfen  oder,  wenn  man  will,  Stalaktiten  ab- 
geschlagen ;  der  Querschnitt  zeigt  aber  bei  näherer  Betrachtung 
polygonale  Ausbildung  z.  B.  ein  Fünfeck.  Das  Innere  ist  drusig 
hohl,  dann  kommen  mehrere  Ringe  von  weissem  Kalksinter  —  ob 
dazwischen  noch  Aragonit  liegt?  —  zu  äusserst  ist  der  körnige  Kalk 
von  hell  glänzenden  Bergkryställchen  überzogen.  Die  ganze  Form 
erinnert  nach  der  inneren  Struktur  sehr  an  die  Pseudomorphosen 
von  Kalkspat  nach  Aragonit  vom  Südabhang  des  Hohentwiels,  nur 
fehlt  jenen  Stücken  die  Hülle  der  Bergkryställchen.  Ich  glaube  sicher^ 
dass  auch  diesen  Stücken  von  Hofenacker  Aragonite  zu  Grunde 
liegen.  Ein  Schliff,  der  darüber  aufklären  könnte,  wurde  nicht  aus- 
geführt, weil  nur  ein  Stück,  zudem  ein  verletztes,  gefunden  wurde. 

J^ine  Form  aus  demselben  Material  bestehend  wie  die  Formen 


*  Bericht  über  die  XXI.  Vers,  des  Oberrh,  geol.  Vereins  S.  29. 


—     325     — 

von  Gips,  Thenardit,  Glauberit,  Aragonit,  ebenfalls  von  der  ersten 
Fundstelle  stammend,  möchte  ich  am  ehesten  auf  Anhydrit,  zurück- 
führen (s.  Fig.  11) ,  es  ist  ein  mehrseitiges  Prisma  1  cm  hoch, 
1  cm  breit  und  2  cm  lang,  das  rhombischen  Charakters  ist.  Die 
rhombische  Säule  s  ooP  (110)  trifft  den  ersten  Blätterbruch  T  ooPcx) 
(010)  unter  einem  Winkel  von  134*'  statt  134*^58',  wenn  man  den 
Winkel  der  rhombischen  Säule  zu  90'' 4'  nach  Hessenberg  rechnet. 
Vorne  ist  die  stumpfe  Kante  durch  M  coPco  (100)  abgestumpft. 
Oben  liegt  die  Basis  OP  (001),  darnach  hätte  man: 

ooP  .  ccpcx) .  ooPcx)  .  OP. 

Das  Stück  gestattet  mit  dem  Anlegegoniometer  ziemlich  genaue 
Messung,  ist  übrigens  einzig  in  seiner  Art,  soviel  ich  bis  jetzt  sagen 
kann.  Die  Spaltungsrichtung  nach  der  Längsfläclie  ist  deutlich 
wahrzunehmen.  Nachdem  das  eine  erkannt  ist,  dürften  sich  auch 
noch  mehr  finden,  welche  die  Erklärung  bestätigen  dürften.  Ich 
habe  bloss  noch  undeutliche  Formen  gefunden,  die  ich  eben  dahin 
stellen  möchte. 

Überhaupt  finden  sich  ausser  den  genannten  mehr  oder  weniger 
leicht  zu  enträtselnden  Gebilden  noch  undeutliche  Formen  vor, 
die  schwer  zu  bestimmen  sein  dürften,  hinter  denen  aber  noch 
manche  andere  Mineralspezies  sich  verstecken  könnte.  Ich  habe 
darüber  bis  jetzt  nur  Vermutungen,  die  ich  aber  noch  durch  weitere 
Funde  bestätigt  wissen  möchte.  Ich  rechne  zu  diesen  zweifelhaften 
Formen  auch  noch  gewisse  Zwillinge,  oder,  wie  es  scheint,  Vierlinge, 
die  auch  noch  der  Deutung  harren.  Die  Hauptsache  ist,  dass  an 
Ort  und  Stelle  ein  Mann  wohnt,  der  mit  dem  richtigen  Auge  grossen 
Fleiss  verbindet. 

Zu  obigen  Pseudomorphosen  treten  nun  noch  Perimorp hosen 
von  Chalcedon  nach  Kalkspat.  Man  kennt  schon  von  Island 
Opal  nach  — |R  des  Kalkspates^.  An  unserer  Stelle  am  Rosenegg 
findet  man  nun  hauptsächlich  Übersinterungen  der  Quarze  und  Kalk- 
späte ( — |R)  durch  bläulichen  Chalcedon,  welche  also  keine  Pseudo- 
morphosen sind.  Ist  die  Chalcedonrinde  dünn  auf  Bergkrystall ,  so 
verleiht  sie  dem  Mineral  einen  bläulich  violetten  Schimmer  und  das 
dürften  die  „Amethyste  vom  Hohentwiel"  gewesen  sein,  welche 
Dr.    ScHALCH^  in  Lehrbüchern   angegeben    fand-     Zum  Teil  ist  aber 


'  Blum,  Pseudomorphosen  II,  98. 
*  Schale h,  Beiträge  105. 


—     326     — 

der  eingeschlossene  Kalkspat  durch  die  Wasser  fortgeführt  und  dann 
hat  man  richtige  Perimorphosen  vor  sich.  Manchmal  tritt  an  Stelle 
des  Chalcedon  wasserklarer,  traubiger  Hyalit,  doch  muss  man  sich 
immer  wieder  durch  Kochen  in  Kalilauge  überzeugen,  ob  es  wirklich 
Hyalit  ist  und  nicht  Chalcedon. 

Dies  führt  uns  zu  den  unveränderten  Mineralien,  welche 
die  oben  genannten  Pseudomorphosen  begleiten.  Dieselben  sind 
Kalkspat  in  verschiedenen  Arten,  Magnetit,  Aragonit,. 
Schwerspat  in  drei  verschiedenen  Vorkommen,  Sphen,, 
Quarz,  B  ergkrystal  1,  Chalcedon,  Plasma,  Opal,  Hyalit,. 
schwarzer  Glimmer  zum  Teil  in  Voigtit  verwandelt. 

Den  Kalkspat  findet  man  in  verschiedenen  Arten  vor,  die 
ohne  Zweifel  auf  verschiedenartigen  Ursprung  hindeuten :  einmal 
krystallinisch-körnig,  wie  grobkörnigen  Marmor  mit  Drusen  von  be- 
sonders wasserklaren  Krystallen  von  der  Form  — ^R.ooPi;  dieser 
scheint  von  der  Tiefe  mitgerissen  worden  zu  sein,  er  erinnert  sehr 
lebhaft  an  den  körnigen  Kalk  im  Jura,  die  grossen  Stücke  sind  nun 
aussen  von  Tuff  und  Opalmasse  eingehüllt.  Sodann  lose  spätige 
Stücke  bis  zur  Kante  von  3  cm  überzogen  von  glimmerführender, 
ockeriger  Rinde.  Die  Abrundung  der  Kanten,  sowie  die  abgeriebene 
Oberfläche  zeigen  deutlich,  dass  das  Stück  nicht  von  einer  Spalten- 
ausfüllung im  Tuff  abgebrochen  ist,  sondern  von  weiterher  kommt, 
wiederum  bei  der  Eruption  von  unten  mitgeführt.  Der  Kalkspat 
zeigt  die  gelblich  bräunliche  Farbe  unserer  Salmendinger  Späte  und 
kann  wohl  auch  jurassischen  Ursprungs  sein  (Originalsammlung  43). 
Drittens  erfüllt  der  Kalkspat,  wie  schon  mehrfach  erwähnt  wurde,. 
alle  Spalten  und  Hohlräume  des  Tuffes,  so  das  Innere  der  Pseudo- 
morphosen mit  mehr  oder  weniger  wasserklaren  — I^R.ooR,  gross 
und  klein.  Die  Säule  ooR  konnte  freilich  nicht  genau  gemessen, 
werden,  indessen  ist  sie  durch  den  Habitus  der  Krystalle  sehr  wahr- 
scheinlich gemacht. 

Interessanter  als  diese  ziemlich  gewöhnlichen  3  Vorkommen  ist 
ein  viertes,  das  eine  ausführliche  Beschreibung  verdient.  Man  findet 
Knollen ,  meistens  flach  gedrückt ,  gewöhnlich  klein ,  doch  auch  bis- 
8  cm  im  Durchmesser  breit,  die  im  Inneren  aus  einem,  wie  es  den 
Anschein  hat,  rhombischen  oder  monoklinen  Mineral  von  bräunlicher 
Farbe  zusammengesetzt  sind  (s.  Fig.  10).  Auf  den  Blätterbrüchen  P 
rechts  und  links  spielt  lebhafter  Glasglanz,  man  kann  die  Knollen  indessen 
anscheinend  nach  der  Querfläche  coPoo  spalten.  Die  kleinen  Spaltstücke 
sehen    im    durchfallenden  Lichte    bräunlich    bis   bläulich   und  lassen 


—     327     — 

sich  ausserdem,  wiewohl  schwieriger,  nach  der  Schiefendfläche  P 
spalten.  Letztere  gibt  den  gewünschten  Aufschluss.  Sie  ist  keines- 
wegs eben,  sondern  besteht  aus  zwei  Flächen,  die  unter  einem  ein- 
springenden Winkel  von  141'^  einander  schneiden  und  miteinander 
abwechseln,  wie  das  die  Fig.  23  zeigt.  Dieser  Winkel  lässt  sich 
mit  Reflexion  messen.  Durch  häufige  Wiederholung  dieser  Zwillings- 
einschiebsel, denn  so  müssen  die  eingeschobenen  Stücke  gedeutet 
werden,  wird  die  Endfläche  beinahe  horizontal,  daher  könnte  man 
das  Mineral  auf  den  ersten  Anblick  für  rhombisch  halten  oder  mono- 
khn.  Nun  löst  sich  das  Mineral  schon  in  kalter  Säure  mit  starkem 
Brausen  beinahe  ganz  auf,  in  kochender  vollständig.  Vor  dem  Löt- 
rohr brennt  es  sich,  wenn  man  die  Flamme  vorsichtig  nähert,  weiss; 
am  Piatinadraht  erhält  man  mit  Borax  schwache  Manganfärbung,  ein 
schwacher  Eisengehalt  wird  auf  die  bekannte  Weise  nachgewiesen, 
ebenso  etwas  Mg.  Es  ist  also  Kalkspat  der  Hauptsache  nach  mit 
Annäherung  an  Dolomitspat,  der  Winkel  ergab  sich  zu  lOö*^  30'. 
Dieser  Kalk  ist  ganz  durchsetzt  von  Zwillingsblättchen  nach  — |^R, 
eben  daraus  erklärt  sich  die  Spaltbarkeit  //  dieser  Fläche  g.  Auch 
sind  diese  Flächen  besonders  stark  braun  gefärbt,  manchmal  bunt 
angelaufen,  indem  hier  färbende  Substanz  eindrang.  Daher  sind 
dickere  Stücke  rein  undurchsichtig  und  gleichen  namentlich  auch 
vermöge  des  intensiven  Glanzes  der  Zinkblende  an  Farbe.  Die  Spalt- 
stücke ,  die  man  sich  herunterschlägt ,  sind  aber  an  •  den  Kanten 
durchscheinend  mit  bräunlicher  bis  bläulicher  Farbe.  Betrachtet 
man  die  Flächen  g  genauer,  so  zeigen  sie  Streifen  nach  drei  Eich- 
tungen, horizontale,  wodurch  der  obere  Blätterbruch  sich  andeutet, 
und  zwei  schief  dazu  gerichtete,  aber  unter  sich  symmetrisch 
liegende ,  welche  Zwillingslamellen  nach  der  zweiten  und  dritten 
Fläche  — ^R  andeuten.  Wenn  nun  diese  Knollen  schon  durch  die 
Form  dieser  Kalkspäte,  welche  an  die  Stücke  vom  Siegmundsstollen 
im  Rathhausberg  bei  Gastein'  erinnern,  interessant  sind,  so  sind  sie 
weiter  merkwürdig  durch  die  eingeschlossenen  Mineralien.  Die  Knollen 
zeigen  in  Rissen  und  Spalten  krystalUnischen  Kalk  eingelagert;  in 
Höhlungen  sitzen  wasserklare  Kalkspäte  von  der  Form  R  .  coR.  Zahl- 
reich sind  Magnetite  in  Körnern  und  Oktaedern  eingesprengt, 
die  sich  an  der  Einwirkung  auf  die  Magnetnadel  erkennen  lassen, 
sie  sind  ganz  undurchsichtig  und  in  kochender  Salzsäure  ganz  lös- 
lich ;   ihr  Bruch   ist  muschlig.     Sodann  liegen  in  jenem  Kalkspat  in 


'  Quenstedt,  Mineralogie  S.  492. 


-     328     — 

grosser  Zahl  weingelbe  oder  wasserklare  sechsseitige,  seltener  rhom- 
bische Prismen  eingeschlossen ,  höchstens  1  mm  dick  und  bis  zu 
2  cm  lang.  Die  Stücke  sind  in  kalter  Salzsäure  so  gut  wie  unlös- 
lich, dagegen  in  kochender  ganz  unter  Brausen,  sie  haben  die 
Härte  3,  darnach  sind  es  Aragonite.  Die  Säulen  zeigen  auf 
manchen  Flächen  einspringende  Winkel ,  also  sind  es  Zwillinge ; 
Endflächen  sind  selten  zu  beobachten,  doch  glaube  ich  Poo  erkannt 
zu  haben.  Am  häufigsten  liegen  diese  Nadeln  in  den  oben  an- 
gegebenen Linien  und  Furchen,  welche  mit  der  Zwillingsbildung 
zusammenhängen,  doch  durchschwirren  sie  das  Gestein  auch  ganz 
regellos,  oft  strahlig  büschelig  angeordnet.  Da  diese  Aragonitnadeln 
sehr  klein  sind  und  vom  Kalkspat  fest  eingeschlossen,  so  scheinen 
sie  anderen  Ursprungs  zu  sein  als  die  oben  beschriebenen  Pseudo- 
morphosen.  Endlich  sind  in  den  Knollen  schwarze  Glimmer  zu 
finden ,  und  zwar  häufig  säulenförmig  krystallisiert ,  scheinbar  von 
120°,  wahrscheinlich  Meroxen  (s.  Fig.  24),  und  zwar  nach  Tscher- 
mak's  Aufstellung  OP  .  P  .  ocPco  (001)  (11 T)  (010).  Doch  trifft  man 
diese  schwarzen  Glimmer  gewöhnlich  auf  der  Oberfläche  der  Knollen, 
seltener  im  Inneren  (Originalsammlung  No.  50 — 51).  Indessen  sind 
die  Säulchen  höchstens  3  mm  breit  und  etwa  ebenso  hoch. 

Darnach  sind  diese  Kalkspatknollen  mineralogisch  sehr  merk- 
würdig; offenbar  haben  die  Aragonite  und  Magnetite  sich  zuerst 
gebildet,  erstere  sicherlich  unter  anderen  Bedingungen,  die  in  der 
Temperatur  oder  in  der  chemischen  Beschaffenheit  zu  suchen  sind, 
als  der  dieselben  nachher  einschliessende  Kalkspat.  Dass  letzterer 
die  Zwillingslamellen  sogar  zahlreich,  und  zwar  hauptsächlich  parallel 
einer  Fläche  des  nächst  stumpferen  Rhomboeders ,  zeigt,  dürfte 
auf  einen  Druck  zurückzuführen  sein ,  der  eben  senkrecht  dazu  auf 
die  Knolle  ausgeübt  wurde.  Da  die  Knollen  Magneteisenoktaeder 
und  Glimmerkrystalle  einschliessen,  so  sind  sie  keineswegs  Verwitte- 
rungs-  oder  Zersetzungsprodukt  des  Tuffes ,  denn  der  bei  diesem 
Vorgange  entstehende  Kalkspat  ist  krystallographisch  und  chemisch 
von  ganz  anderer  Beschaffenheit,  sondern  sie  weisen  zurück  auf  die 
Quelle,  woher  auch  die  Tuffe  stammen,  und  darüber  ist  noch  lange 
nicht  alles  aufgeklärt  und  aufgehellt.  Doch  darüber  unten  mehr. 
Was  diesen  schwarzen  Glimmer  weiter  betrifft ,  so  findet  er 
sich  auch  sonst  sehr  häufig  in  dem  Tuffe,  teils  in  losen  Blättchen, 
teils  in  festeren  Tuff  noch  eingeschlossen,  teils  chemisch  und  physi- 
halisch  umgewandelt.  Die  losen  Täfelchen  haben  bis  zu  3  cm  im 
Durchmesser    und    sind    bis    zu    5  mm    dick,    frisch    von    glänzend 


—     329     — 

schwarzer  Farbe,  in  Schwefelsäure  mit  Hinterlassung  eines  Kiesel- 
skelettes löslich,  eisen-  und  magnesiahaltig ,  also  dem  Meroxen  zu- 
zuzählen. In  kleinen  Schüppchen  ist  dieser  Meroxen  durch  den 
ganzen  Tuff  verbreitet  und  sitzt  häufig  auch  auf  der  Rinde  der  oben 
beschriebenen  Pseudomorphosen.  Durch  Verwitterung  geht  er  mehr 
ins  Tombakbraune ,  und  wenn  die  Verwitterung  noch  weiter  geht, 
so  bildet  er  eine  specksteinartige ,  grünlichweisse  Masse  von  sehr 
lebhaftem  Perlmutterglanz.  Durch  diesen  Umwandlungsprozess  wer- 
den sie  härter,  die  weissen  Partien  haben  reichlich  Kalkspathärte; 
in  kochender  Salzsäure  sind  sie  teilweise  löslich,  ebenso  in  kochen- 
der Schwefelsäure,  es  bleibt  aber  ein  blätterig  aufgequollener  Rück- 
stand. Dieses  grünhch- weisse  Mineral  ist  wie  Chlorit  biegsam,  viel 
härter  als  Speckstein,  die  Blättrigkeit  blieb  erhalten,  doch  unvoll- 
kommen. Es  dürfte  daher  Voigtit  sein  ^  Da  bei  manchen  Stücken 
die  ursprüngliche  Form  mehr  oder  weniger  erhalten  blieb,  so  könnte 
man  auch  von  Pseudomorphosen  von  Voigtit  nach  Magnesiaglimmer 
sprechen  (Originalsammlung  No.  40 — 42).  Wie  die  Glimmer  im 
Tuffe  überall  verbreitet  sind,  so  auch  die  Magneteisenerze. 
Man  findet  sie  am  besten  durch  Schlämmen  des  Tuff'es,  da  sieht 
man  Oktaeder,  häufiger  Körner  von  muscheligem  Bruch  und  schwarzem 
Strich,  die  sehr  stark  magnetisch  sind. 

Neuerdings  sind  auch  Schwerspäte  aufgefunden  worden, 
wiewohl  in  sehr  geringer  Menge.  Man  findet  sie  in  Drusen  ver- 
einigt, auch  bloss  in  Hohlräumen  des  lockeren  Tuffes  in  kleinen 
Täfelchen  der  Kombination  :  ooP  .  OP  .  ooPc^  .  Poo  (110)  (001)  (010) 
(011)  nach  Hauy's  Aufstellung.  Die  in  der  Achse  b  höchstens  8  mm 
messenden  Täfelchen  sind  beinahe  wasserklar,  mit  einem  weisslichen 
Scheine,  selten  braunrot  durch  Eisenoxydhydrat.  Viel  flächenreicher 
sind  andere  noch  kleinere  Schwerspäte  (No.  27 — 28) ,  die  einem 
härteren  Tuffstücke  aufgewachsen  sind :  dieselben  sind  wasserklar  bis 
weingelb,  von  ausgezeichnetem  Glasglanz  und  zeigen  wohl  die  Kombi- 
nation  :  ooP  .  OP  .  ooPoo  .  ooPoo  .  Poo  .  |^Pcx) ;  dieselben  bilden  nach  b 
in  die  Länge  gezogene  Täfelchen.  Zweimal  fanden  sich  in  Kalk- 
spatdrusen auf  den  Kalkspäten  nach  a  in  die  Länge  gezogene  Tafeln 
von  Schwerspat,  die  Säule  M/M  ergab  lOl*'  (statt  101°  40'),  dazu 
kommt  die  Endfläche  OP  und  an  den  Seiten  das  Paar  Poo;  iPc» 
ist  nur  schwach  angedeutet,  bei  dem  einen  Stücke  ist  die  Pyramide 


»  Vergl.  Roth,  Chem.  Geologie  I,  S.  329. 


—     330     — 

P  angedeutet  durch  Abstumpfung  der  Kante  M  :  P.  Das  eine  Stück 
ist  trüb  durchscheinend,  das  andere  milchweiss.  Es  ist  indessen  zu 
beachten,  dass  diese  frischen  Sulfate  sich  selten  fanden. 

Sphen  war  bis  jetzt  wohl  von  anderen  Orten  der  Phonolith- 
region  genannt  worden,  so  vom  Gennersbohl  in  „keilförmig  endigen- 
den Kryställchen  von  mehreren  Millimetern  Länge"  ^;  auch  ist  er 
als  Bestandteil  des  Phonoliths  längst  bekannt ,  z.  B.  vom  Hohen- 
krähen.  Am  Piosenegg  fand  ich  nur  ein  Stück ,  auf  dem ,  wie  ich 
glaube,  Sphen  sich  vorfindet.  Es  ist  ein  kieselharter  Kalkstein,  von 
Quarzadern  durchzogen,  der  Drusen  mit  glänzenden  Bergkryställchen 
einschliesst.  In  einer  solchen  Druse  liegt  auf  den  Quarzen  ein  gelb- 
lich-grüner in  die  Länge  gezogener  Glastropfen ,  auch  an  anderen 
Stellen  sieht  man,  wiewohl  in  geringer  Zahl,  solche  scheinbaren 
Gläser.  Die  Farbe  ist  die  des  Sphens,  auch  sind  die  Stückchen  in 
kochender  Schwefelsäure  ganz  löslich,  die  Phosphorsalzperle  ist  heiss 
gelb,  kalt  rötlich.  Auffallend  ist  dabei  nur,  dass  der  Sphen  nicht 
krystallisiert  auftritt,  sondern  wie  aus  Schmelzfluss  erstarrt.  Viel- 
leicht findet  man,  nachdem  einmal  auf  dieses  Vorkommen  aufmerk- 
sam gemacht  ist,  auch  noch  Kryställchen  wie  am  Gennersbohl. 

Die  Kieselsäure  bildet  an  unserer  Fundstelle  einen  bedeu- 
tenden Bruchteil  der  hier  auftretenden  Mineralien ;  krystallisiert  finden 
wir  sie  als  B er gkry stall  in  kleinen,  wasserklaren  Kryställchen 
von  der  gewöhnlichen  Form  — R . -j- R  .  ooP  oder  als  gemeinen 
Quarz;  sodann  findet  man  sehr  schöne  himmelblaue  bis  milchblaue 
Chalcedone  in  grossen,  prächtigen  Stücken,  oder  sind  sie  stahl- 
blau bis  grau,  auch  gehen  sie  ins  dunkel  Lauchgrüne,  so  hat  man 
Plasma.  Häufiger  als  Chalcedon  sind  die  Opale,  die  ausser- 
ordentlich häufig  hier  auftreten.  Dieselben  erfüllen  mandelartige 
Hohlräume  oder  durchziehen  sie  in  Schnüren  und  Adern  den  TufP, 
sie  sind  wachsgelb ,  kastanienbraun ,  eisenschwarz ,  milchweiss  wie 
Porzellan  im  Innern  der  Mandeln,  so  dass  man  von  Milch o pal, 
Wachsopal,  gemeinem  Opal  sprechen  kann.  Die  Höhlungen  im 
Opal  überzieht  meistens  Chalcedon,  und  zwar  traubiger,  doch  fand 
ich  auf  dem  Chalcedon  dann  wieder  Milchopal.  Dieses  Vorkommen 
erinnert  an  die  Opale  des  Hohentwiel  und  an  die  Funde  im  Hilzinger 
Kalkofen.  Über  die  ersteren  schreibt  Dr.  Schalch^:  „Von  Herrn 
FöHR  angestellte  Untersuchungen  einer  Anzahl  von  Halbopalen  aus 
dem  Hohentwieler  Tuff   haben    übrigens    die   interessante  Thatsache 

'  Schalch,  Beiträge  S.  94,  96. 
'^  Beiträge  S.  105, 


—     331     — 

ergeben,  dass  ein  Teil  dieser  bisher  mit  diesem  Namen  belegten 
Gebilde  keineswegs  die  Zusammensetzung  wirklichen  Opals  zeigt, 
also  nicht  aus  amorpher  wasserhaltiger  Kieselsäure  besteht,  sondern 
Auswürflinge  eines  zum  Teil  glasig  erstarrten,  eutaxitartigen  Eruptiv- 
gesteins darstellt."  „Hinsichtlich  ihrer  chemischen  Beschaffenheit 
bleibt  ihr  Kieselsäuregehalt  bedeutend  hinter  demjenigen  des  Opals 
zurück  und  nehmen  neben  der  Kieselsäure  mehrere  basische  Oxyde 
in  erheblicher  Menge  an  ihrer  Zusammensetzung  teil."  Die  Rosen- 
egger  Opale  sind,  soweit  ich  sie  untersuchte,  in  kochender  Kalilauge 
vollständig  löshch,  allerdings  werden  sie,  das  lässt  die  Färbung  ver- 
muten ,  auch  Eisen ,  Mangan  u.  a.  enthalten ,  eine  genaue  quanti- 
tative Analyse  der  verschiedenen  Opalarten  wurde  aber  nicht  aus- 
geführt. Über  die  Hilzinger  Funde  schrieb  Dr.  Schill  ^ ,  auch  dort 
im  sog.  „Kalkofen",  d.  h.  an  einer  Berghalde  im  Nordwesten  des 
Dorfes  zwischen  den  Basalten  des  Stoffel  und  den  Phonolithen  des 
Krähen,  brach  man  „kieselige  Kalke,  pisolithische  Gebilde,  Menilite, 
Opale,  Pechsteine,  Kieselschiefer"  ^  Es  wäre  der  Mühe  wert,  alle 
diese  kieselsäurereichen  Gesteine  des  Höhgäu  einer  vergleichenden 
Untersuchung  zu  unterwerfen,  an  dieser  Stelle  würde  das  zu  weit 
führen. 

Das  Vorkommen  von  Hyalit  am  Rosenegg  gehört  ja  nicht  in 
das  Reich  der  Unmöglichkeit,  es  ist  mir  neuerdings  aber  doch 
zweifelhaft  geworden.  Was  am  häufigsten  damit  verwechselt  wird, 
ist  durchscheinender,  fast  wasserklarer  Chalcedon,  der  namentlich 
die  Hohlräume  der  Opale  überkrustet.  Allerdings  findet  man  auch 
ähnlichen  Opal,  der  nun  sehr  nahe  an  Hyalit  hinstreift;  allein,  wenn 
man  unter  Hyalit  jene  kleintraubigen,  stark  glasglänzenden,  tropfen- 
artigen Gebilde  versteht,  wie  sie  so  schön  an  der  Limburg  im 
Kaiserstuhl  sich  finden,  so  hat  man  am  Rosenegg  noch  nicht  oft 
Hyalit  gefunden. 

Ehe  ich  die  Beschreibung  der  Vorkommen  der  ersten  Fund- 
stelle schliesse,  möchte  ich  noch  einer  Art  von  vulkanischer 
Bombe  gedenken,  die  ich  dort  fand  mit  einem  Bündel  von  Lava- 
fäden. Sodann  habe  ich  von  eben  da  ein  Stück  mit  Rutschflächen 
oder  einem  Spiegel:  das  Stück  ist  6  cm  lang  und  5  cm  breit, 
besteht  aus  graulichem  Phonolithtuff  und  hat  auf  beiden  Seiten 
parallele  Streifen,  auf  der  einen  Seite  stärker  glänzend  als  auf  der 
anderen.     Löst   man    auf  dieser  Seite  von  der  Rinde,    die  sich  mit 


h 


'  Diese  Jahreshefte  XV,  S.  181. 

^  Fr  aas,  Begleitworte  zum  Hohentwiel  S.  5. 


—     332     — 

dem  Messer  ganz  dünn  abspalten  lässt,  ein  wenig  los  und  kocht  es 
in  Salzsäure,  so  braust  es  kurze  Zeit  auf,  ohne  dass  nachher  sich 
alles  lösen  würde.  Es  dürfte  daher  ein  feiner  Überzug  von  Aragonit 
darauf  lagern;  man  vergleiche  die  Erzspiegel  in  unserem' Braunen 
Jura  /?,  welche  ohne  Zweifel  „übereinander  geschuppte  Kalkspat- 
blättchen"  sind'.  An  Gletscherschliffe  kann  man  nicht  denken,  da 
das  Stück  aus  dem  Tuffinneren  gebrochen  wurde. 

IV. 

Pseudomorphosen  und  Mineralien  der  zw^eiten  Fundstelle 

nahe  der  Mitte  des  Südabhanges. 

Geht  man  an  der  Waldesgrenze  von  der  ersten  Fundstelle  im 
SO.  des  Berges  gegen  Westen  hin,  so  trifft  man  da,  wo  die  Arbeiter- 
hütte steht,  zunächst  alpines  Gerolle  und  nahe  dabei  finden  sich 
wieder  die  gleichen  Pseudomorphosen  wie  an  der  ersten  Stelle.  Doch 
ist  sogleich  ein  Unterschied  in  der  Färbung  wahrzunehmen :  während 
dort  Eisenoxydhydrat  und  Mangan  dem  Tuffe  rotbraune  oder  schwarze 
Färbungen  verleihen,  sieht  hier  alles  weisslich  grau  oder  weiss  aus, 
der  Grund  liegt  hauptsächlich  darin,  dass  Quarz  und  weisslich 
grauer  Dolomit  vorherrschen.  Der  Tuff  ist  ziemlich  sandig, 
enthält  Magnetite  zum  Teil  in  Oktaedern ,  die  obwohl  klein  doch 
auf  die  Nadel  wirken,  Glimmerbruchstücke  braune  und  weisse,  kleine 
Säulen  von  Hornblende  und  dann  wieder  die  pseudomorphen  Formen 
der  I.  Fundstelle ,  doch  im  allgemeinen  in  geringerer  Anzahl.  Am 
häufigsten  trifft  man  noch  die  Form  des  Gipses,  dann  die  des  Glau- 
berites,  am  seltensten  die  des  Thenardits. 

Der  Habitus  ist  so  ziemlich  der  der  ersten  Fundstelle,  alle 
3  Pseudomorphosen  bestehen  aus  einer  weisslichen,  hie  und  da  grauen, 
seltener  schwach  fleischroten  Rinde.  Untersucht  man  dieselbe,  so 
findet  man  neben  Spuren  von  Eisen  beinahe  ebensoviel  kohlensaure 
Magnesia,  wie  kohlensauren  Kalk,  somit  hat  man  Pseudomorphosen 
von  Dolomit  nach  Gips,  Thenardit,  Glauberit  vor  sich. 
Diese  Rinde  ist  ziemlich  härter  als  die  der  Pseudomorphosen  der 
I.  Fundstelle,  sie  ist  meistens  schön  glatt  und  gibt  ziemlich  genaue 
Winkel,  seltener  ist  sie  wie  angefressen,  dann  hat  sich  der  Magnesia- 
gehalt angereichert.  Hie  und  da  schliesst  der  Dolomit  Kieselsäure 
ein,  wie  an  der  ersten  Fundstelle  auch.  Die  meisten  Formen  sind 
hohl,  viel  seltener  massiv;  im  letzteren  Falle  sitzt  innen  vorherrschend 


*  Qnenstedt,  Jura  S.  345. 


—     333     — 

körniger  Kalk,  zum  Teil  mit  Quarzmasse.  Die  hohlen  Formen  ent- 
halten Drusen  entweder  von  Kalkspat  oder  von  Quarz  und  Berg- 
krystall.  Die  ersteren  enthalten  sehr  schöne,  wasserklare  Calcite, 
so  brach  ich  aus  einem  ziemlich  grossen  Thenardit  einen  Kalkspat 
1  cm  breit  mit  ooR  und  —  7]  R,  oben  ist  noch  einmal  ein  mattes 
Rhomboeder  von  der  gleichen  Ordnung  angedeutet.  Hier  ist  nun 
die  Säule  mehrere  mm  hoch  entwickelt,  während  sie  an  den  Kalk- 
späten der  ersten  Fundstelle  nur  als  schmales  gleichschenkeliges 
Dreieck  an  der  Zickzackecke  von  —  IR  sich  andeutet.  Weniger 
häufig,  nämhch  so  oft  schon  der  dolomitischen  Rinde  Quarzmasse 
beigemischt  ist,  enthält  die  Druse  Bergkryställchen  meist  wasserklar^ 
doch  hie  und  da  bläulich  bereift  durch  Chalcedonübersinterung. 

Was  nun  zuerst  die  Gipsformen  betrifft,  so  zeigen  sie  so 
ziemlich  dieselben  Flächen  wie  diejenigen  der  ersten  Stelle,  es  ist 
wieder  — P  1:1  zur  Säule  ausgezogen,  s.  Fig.  2,  oben  sitzt  -|-^Pcc, 
unten  die  Säule  f :  f.  Nie  fehlt  der  Hauptblätterbruch  ccPoo ,  hier 
meistens  die  Fläche ,  nach  welcher  die  Krystalle  tafelig  erscheinen. 
Die  Identität  der  Formen  dieser  Fundstelle  mit  denjenigen  der  ersten 
ergab  sich  durch  unmittelbare  Vergleichung,  doch  wurden  auch  einige 
Winkel  gemessen: 

—  ?:— P     gemessen  zu    1420  30'  statt  143'' 30' 

— P  :  ooP  „  „     1300—1310  „      130051' 

-P:cx)Poü         „  „     1050— 108°  „      lOSnS'. 

Der  letztgenannte  Winkel  ist  vorn  meistens  anders  als  hinten ,  was 
auffallen  könnte.  Indessen  ist  Gips  ein  weicher  Mineralstoff  und 
die  Flächen  sind  häufig  gekrümmt ,  so  fand  ich  auch  an  frischen 
Gipsen  aus  unserem  Anhydritgebirge  hier  kleine  Unterschiede.  Man 
kann  nun  auch  hier  wieder  verschiedene  Typen  unterscheiden : 

1)  nach  oüPco  tafelige  Formen,  gerne  verbogen  und  gekrümmt, 
die  Pyramide  — P  und  das  Prisma  ccP  treten  sehr  untergeordnet  auf; 

2)  schöne ,  deutliche  Formen ,  woran  die  Pyramide,  die  Säule 
und  das  Hemidoma  schön  und  deutlich  entwickelt  sind ; 

3)  ocPoo  ganz  schmal,  dagegen  die  Pyramide  — P  breit  und 
flach  ausgedehnt  bis  3 — 4  cm  in  die  Breite,  Endflächen  abgerundet 
und  weniger  deutlich ; 

4)  die  oben  schon  angeführten  trapezförmigen  Prismen,  an 
welchen  nur  die  Hälfte  der  Flächen  von  1  und  f  auftreten. 

Die  Grösse  der  Krystalle  bleibt  hinter  derjenigen  der  ersten 
Stelle  zurück,  die  grössten  erreichen  7  —  8  cm  in  der  Länge,  2 — 3 
in  der  Breite. 


—     334     — 

Die  Thenarditformen  sind  hier  viel  seltener,  doch  lassen 
die  Stücke,  die  man  findet,  über  die  ursprüngliche  Substanz  keinen 
Zweifel  aufkommen.  Die  Krystalle  sind  höchstens  3  cm  lang  in  der 
b-Achse,  welche  ja  die  längste  ist.  Die  Flächen,  welche  sich  deutlich 
erkennen  und  bestimmen  lassen ,  sind  (s.  Fig.  6) :  die  Pyramide  P, 
deren  Seitenkante  durch  coP  abgestumpft  wird;  die  Längsfläche 
ooPoo  fehlt  selten,  dagegen  trifft  man  die  oben  zuschärfende  Pyra- 
mide |P  nicht  häufig.  Es  mag  mit  dem  selteneren  Vorkommen  der 
Thenardite  an  dieser  Stelle  zusammenhängen ,  dass  Zwillinge ,  wie 
sie  oben  beschrieben  wurden,  hier  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden 
wurden.  Auch  sind  die  Formen  hier  doch  schlechter  erhalten  ,  als 
an  der  ersten  Stelle ,  so  dass  die  Zwillinge  sich  unter  den  undeut- 
lichen Formen  verstecken  dürften. 

Sehr  schön  sind  dagegen  die  Glauberite  erhalten,  man 
trifft  ganz  kleine  von  nur  4  mm  in  der  langen  Diagonale  der  End- 
fläche ,  aber  auch  solche  von  1 — 1,5  cm.  Meistens  ist  die  Hemi- 
pyramide  — P  stärker  entwickelt  als  das  Prisma  ooP  und  die  beiden 
Flächen  von  — P  sind  unter  sich  wieder  ungleich.  Oben  sitzt  immer 
die  Endfläche  OP.  Selten  ist  die  vordere  Kante  durch  ooPoo  ab- 
gestumpft. 

Man  findet  darnach  folgende  Kombinationen : 

1)  ooP  .    OP. 

2)  coP  .  — P  .  OP. 

3)  ooP  .  — P  .  OP  .  ooPoo. 

Dabei  sind  die  Flächen  bald  gut  erhalten  bald  eingedrückt,  so 
dass  skelettartige  Krystalle  oder  kastenförmig  vertiefte  auftreten. 
Meistens  sind  es  einzelne  Krystalle,  seltener  Gruppen,  indem  nament- 
lich aus  OP    eine    ganze  Schar    nach  allen  Richtungen  hervorbricht. 

Undeutliche  Formen  habe  ich  von  der  zweiten  Fundstelle 
viel  weniger  als  von  der  ersten ,  was  von  dem  Mangel  an  Pseudo- 
morphosen  überhaupt  herrührt;  denn  diese  zweite  Fundstelle  ist 
weit  ärmer  als  die  erste.  Doch  fand  ich  Formen,  die  unzweifelhaft 
Zwillinge  vorstellen,  die  aber  schwer  zu  deuten  sind,  da  die  Flächen 
daran  und  namentlich  die  Kanten  nicht  sehr  gut  erhalten  sind.  Es  sind 
knieförmige  Krystalle,  die  rechts  und  links  mit  symmetrischen  Poly- 
gonen abschliessen ,  welche  aber  nicht  parallel  zur  Zwilhngsgrenze 
liegen,  sondern  gegeneinander  konvergieren,  s.  Fig.  26.  Ich  möchte  dabei 
in  erster  Linie  an  Glaserit  denken,  auf  welchen  auch  eine  wenig 
deutliche  Zwillingsform  der  ersten  Fundstelle  hinzudeuten  scheint. 
Bei  jenem  Zwillinge  (s.  Fig.  25)  hat  man  eine  knieförmige  Stellung 


» 


—     335     — 

der  beiden  Individuen ,  von  denen  jedes  eine  schief  abgeschnittene 
rhombische  Säule  bildet.  Der  scharfe  Winkel  von  62  °  wäre  von 
67°  38'  des  Brachydomas  2Fco  nicht  zu  weit  ab ;  auffallend  ist  aber, 
dass  bei  jedem  Individuum  nur  eine  Fläche  M  (ooP)  und  gar  keine 
Pyramidenfläche  o  (P)  auftritt,  welche  Flächen  nach  den  Abbildungen  ^ 
den  Zwillingen  sonst  nicht  zu  fehlen  pflegen.  Doch  es  wären  ja 
auch  solche  Zwillinge  ohne  Pyramidenflächen  denkbar.  Von  dieser 
Form  vom  1.  Fundort  (Fig.  25)  ist  aber  nun  die  vom  II.  Orte  wieder 
verschieden.  Wie  die  Fig.  26  andeutet,  müsste  die  Firstkante  von  i 
durch  die  Endfläche  ÜP  abgestumpft  sein,  welche  Fläche  allerdings 
genannt  wird  ^.  Was  stellen  aber  dann  die  rechts  und  links  ab- 
schliessenden Polygone  vor?  eine  Fläche  der  Pyramide  o?  Darüber 
ist  erst  dann  eine  richtige  Antwort  möglich,  wenn  noch  mehr  solche 
Formen  und  dazu  deutlichere  gefunden  werden.  Ich  möchte  aber 
doch  die  Pseudomorphosen  von  Kalkspat  nach  Glaserit  für  die  erste 
Fundstelle  als  ziemhch  wahrscheinlich  bezeichnen  von  der  Form 
ooP  .  2Poo,  während  Dolomit  nach  Glaserit  von  der  Form  2Poo  .  OP 
,  P  .  ooP  im  Zweifel   gelassen  werden  muss.  (Originalsammlung  99). 

Von  Mineralien  der  II.  Fundstelle  ist  ausser  den  oben 
schon  angeführten  nicht  mehr  viel  zu  nennen.  Quarz  wird  häufig 
getroffen  in  Form  von  wasserklaren  Bergkryställchen ,  doch  ist  als 
ein  wesentlicher  Unterschied  hervorzuheben ,  dass  hier  die  Opale 
fehlen,  Chalcedone  seltener  sind.  Die  grossen  Stücke  wie  an  der 
ersten  Stelle  findet  man  nicht,  höchstens  schwache  Überkrustungen 
von  Chalcedon.  Die  Kalkspäte  wurden  schon  oben  als  Drusenaus- 
füllung in  den  Pseudomorphosen  genannt.  Man  findet  weiter  auch 
hier  knollige  Absonderungen,  welche  aus  zellig  zerfressenem  Dolomit 
bestehen,  von  grauer  bis  grünlich  grauer  Farbe,  dieselben  schliessen 
wieder  schöne  sechsseitige  Aragonitsäulen  und  Meroxentäf eichen  ein. 
Dabei  erscheinen  die  Aragonite  zum  Teil  wie  angeschmolzen  und 
gekrümmt.  Auch  liegen  Magneteisenkörner  in  dem  Dolomit  ein- 
geschlossen. Doch  sind  diese  Knollen  nicht  von  dem  Interesse  wie 
die  oben  angeführten  des  ersten  Fundortes. 

Über  beide  Fundorte  schreibt  mir  neuerdings  Herr  Schenk, 
dass  die  Pseudomorphosen  anfangen  seltener  zu  werden.  Es  war 
das  eigentlich  zum  voraus  zu  befürchten,  denn  das  Vorkommen  ist 
auch  in  diesem  Tuffe    ein    ganz    einzigartiges ,    lokales ;    ich    möchte 

•  Quenstedt,  Mineralogie  S.  6:^8,  „messbare  Krystalle  fanden  sich  zu 
Roccalmuto  bei  Girgenti  im  miocänen  Steinsalz." 

''  Naumann-Zirkel,  Mineralogie.  XII.  Aufl.  475. 


—     336     — 

aber  vermuten,  dass  wohl  noch  mehr  solche  interessante  Fundstellen 
am  Rosenegg  sich  vorfinden  dürften,  das  Auffinden  hat  aber  seine 
Schwierigkeiten. 

V. 

Mineralogisch-geologische  Erklärung  des  Auftretens  dieser 
Pseudomorphosen. 

Bei  der  Erklärung  der  Pseudomorphosen  des  Roseneggs  hat 
man  vor  allem  den  Unterschied  festzuhalten  zwischen  solchen  Pseudo- 
morphosen, die  infolge  der  Verwitterung  des  Tuffes  sich  bildeten  — 
dahin  ist  der  Voigtit  nach  Glimmer  zu  stellen  —  und  den  anderen 
Pseudomorphosen ,  deren  ursprüngliche  Substanz  nicht  mehr  vorge- 
funden wurde,  nämlich  den  Aragonit-,  Gips-,  Thenardit-  und  Glau- 
beritformen. Denn  soviel  steht  fest,  diese  vier  Arten,  wenn  wir  die 
zweifelhaften  Anhydrite  und  Glaserite  beiseite  lassen,  sind  auf  die 
ganz  gleiche  Weise  und  durch  die  gleichen  Vorgänge  entstanden. 
Und  bei  dem  Versuche,  sich  diese  ihre  Entstehung  deutlich  zu  ma- 
chen,   muss  man   von  folgenden  Gesichtspunkten  sich  leiten  lassen. 

1)  Die  ursprünglichen  Mineralstoffe  wie  Gips,  The- 
nardit, Glauberit  sind  nicht  als  Verwitterungsprodukt 
des  Phonolithes  oder  des  Phonolithtuffes  entstanden. 
Es  können  zwar  immerhin  Sulfate  als  Produkte  der  vulkanischen 
Thätigkeit  entstehen,  so  die  Gipse  und  Anhydrite  des  Vesuvs  ^,  The- 
nardite  ^,  allein  es  wäre  doch  mehr  als  auffallend ,  wenn  dann  von 
der  ursprünglichen  Substanz,  wie  namentlich  von  den  Gipsen,  keine 
Spur  mehr  erhalten  wäre.  Und  warum  wurden  diese  Sulfate  nur  an 
der  einen  Stelle  unserer  erloschenen  Vulkane  gefunden?  warum  nicht 
in  den  anderen  Phonolithtuffen  des  Höhgäus ,  warum  nicht  in  den 
Phonolithtuffen  des  Kaiserstuhles  und  an  anderen  Stellen?  Zudem 
spielt  die  Schwefelsäure  im  Phonolithe,  folglich  auch  in  den  Phono- 
lithtuffen eine  sehr  untergeordnete  Rolle.  Die  Analysen  des  Phono- 
lithes ergaben  an  Schwefelsäure : 

nach  Bernath  in  frischem  Gestein  0,456  ^/o,  in  zersetztem  0, 
„     Gmelin  im  ganzen  Gestein  0,12,  im  löslichen  Anteil  0,22*. 

Die  Quelle  dieser  Säure  wäre  im.  Hauyn  zu  suchen,  aber  eben 
der  Hauyn  zerfällt  „zuerst  der  Zersetzung  und  die  schwefelsauren 
Salze,  sowie  die  Chlorverbindungen  werden  im  Laufe  der  Zeit  gänz- 


'  Roth,  ehem.  Geologie  I.  S.  415. 

2  Ebenda  S.  416. 

*  Schalch,  Beiträge  S.  97. 


—     337     — 

lieh  aus  dem  Gestein  fortgeführt  \ "  Ob  die  Schwefelsäure  so  ganz 
spurlos  versehwindet,  möehte  ich  allerdings  bezweifeln,  denn  die 
frischen  Schwerspäte,  die  oben  von  der  ersten  Fundstelle  angeführt 
v/urden,  dürften  doch  ihre  Schwefelsäure  von  daher  haben.  Dieselben 
sind  aber,  wie  oben  nachgewiesen  wurde,  selten  und  in  geringer 
Menge  vorhanden,  wodurch  eben  wiederum  auf  die  geringe  Menge 
von  Schwefelsäure  hingedeutet  ist. 

2)  Viel  eher  könnte  man,  da  eine  rein  lokale  Eigentümhchkeit 
vorliegt,  an  eine  Rosenegger  Solfatare  denken.  Damit  hätte 
man  eine  genügende  Quelle  für  die  Schwefelsäure  gewonnen  —  und 
so  dachte  Merklein,  wie  oben  erwähnt  wurde,  an  Schlammvulkane  — 
und  die  Sulfate  des  Gipses  und  Thenardites  wären  erklärt,  allein 
Glauberite  fand  man  bis  jetzt  noch  nicht  an  solchen  Stellen,  dagegen 
viele  andere  keineswegs  ephemere  Mineralgebilde,  die  eben  am  Rosen- 
egg  fehlen;  dafür  haben  wir  am  Rosenegg,  wenn  auch  nur  in  we- 
nigen Stücken,  Aragonit,  der  durch  die  ganze  Beschaffenheit  seiner 
pseudomorphen  Zusammensetzung  in  der  Erklärung  vorliegender  Frage 
von  den  Sulfaten  nicht  getrennt  werden  darf.  Und  Karbonate  werden 
als  Umwandlungsresultate  der  Solfatarenprodukte  nicht  genannt. 

3)  Man  könnte  an  Torfmoore  denken,  wie  sie  jetzt  noch  am 
Südfusse  des  Roseneggs  sich  ausdehnen,  dann  bei  Worblingen  und 
namentlich  nördlich  zwischen  dem  Hohentwiel  und  Volkertshausen, 
indem  man  die  Annahme  machte ,  dass  zur  Zeit  der  vulkanischen 
Eruptionen  dort  ebenfalls  Moor  sieh  vorfand.  So  fand  man  im  Moor 
der  Soos  ^  neben  Vivianit ,  Kieseiguhr ,  Raseneisenerz  und  Schwefel- 
kies auch  Gips  und  Natriumsulfat  mit  30^/0  MgSO^.  Allein  wenn 
damit  auch  die  Sulfate  teilweise  erklärt  wären,  so  fehlen  doch  die 
übrigen  Anzeichen  für  Moorbildungen  und  Glauberit  und  Aragonit 
sind  immer  noch  nicht  erklärt. 

4)  Es  wäre  nicht  im  Widerspruch  mit  den  geologischen  Ver- 
hältnissen des  Höhgäus,  wenn  man  die  Süsswassergipse  des 
Hohenhöwen  zur  Erklärung  heranziehen  wollte.  Dieselben  ge- 
hören ja  wohl  der  oberen  Süsswassermolasse  an ,  also  in  die  Zeit 
der  Eruptionen  oder  wenigstens  in  die  unmittelbar  vorangegangene 
Zeit.  Allein  man  findet  eben  am  Hohenhöwen  von  Mineralien  bloss 
Gipse  und  diese  stimmen  nicht  einmal  ganz  mit  dem  Typus  unserer 
Pseudomorphosen  überein,  sie  sind  im  allgemeinen  viel  kleiner  und 
neigen  viel  mehr  zur  Linsenbildung. 

1  Schalch,  Beiträge  S.  98. 

2  s.  Humboldt  1888,  IX. 

Jahreshefte  d.   Vereins  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.    1889.  22 


—     338     — 

5)  Die  Vergesellschaftung  des  Gipses  mit  Thenar- 
dit  und  Glauberit  weist  viel  eher  auf  Salzseen  als  auf 
Süsswasserbildung.  Die  Thenardite  von  Aranjuez  scheiden  sich 
im  Sommer  aus  den  Salzwassern  der  Salinas  d'Espartinas  aus,  Bär- 
wald beschreibt  Thenardite  von  den  Salinas  zwischen  Antofagasta 
und  Caracoles  ^,  auch  die  Vorkommen  von  Tarapaca  und  vom  Bal- 
chasch-See  ^  deuten  auf  salzigen  Ursprung.  Ebenso  haben  die  Glau- 
berite  ihren  Ursprung  in  Salzlagern,  so  zu  Villarubia  in  Spanien, 
Vic  in  Lothringen,  Varengeville  bei  Nancy,  Westeregeln  bei  Stass- 
furt^,  Berchtesgaden,  Ischl,  Iquique  in  Peru^  u.  a.  a.  0.  Weiter  er- 
scheint Natriumsulfat  häufig  an  Steinsalz-  und  Gipslager  gebunden,  denn 
„Magnesiakarbonat  und  Gips  setzen  sich  bei  Gegenwart  von  Kochsalz 
in  Chlormagnesium,  Kalkkarbonat  und  schwefelsaures  Natron  um": 
MgCOg  -f  CaS04  +  2NaCl  =  MgCl^ -f  Na^SO^  +  CaCOg*. 
„Auf  dieselben  Ursachen  ist  das  Vorkommen  von  Glauberit 
Nag  S  O4  -|-  Ca  S  0^  in  Steinsalz  und  Gips  zurückzuführen. "  In  der 
That  findet  man  Glauberit  mit  Thenardit  zusammen  zu  Tarapaca^. 
Besonderes  Gewicht  ist  dabei  auch  auf  das  Kalkkarbonat,  das  dabei 
entsteht ,  zu  legen ;  denn  damit  erklärt  sich  das  Vorkommen  von 
Aragonit  im  Thon  und  Gips ,  wie  zu  Molina  in  Aragonien ,  zu  Ba- 
stennes  bei  Dax  (Landes).  Damit  erklärt  sich  aber  auch  das  Zu- 
sammenvorkommen von  Gips,  Thenardit  und  Glauberit  mit  Aragonit 
am  Rosenegg.  Die  Frage  ist  aber  nun  die,  aus  welchem  Salzlager 
stammen  denn  diese  Mineralien?  Da  liegt  am  nächsten  der  Gedanke, 
dass  der  Ursprung  dieser  Gebilde  des  Steinsalzgebirges  in  der  Meeres- 
molasse  zu  suchen  sei.  Dieselbe  hat  ja  ihre  Spuren  nicht  weit  ent- 
fernt vom  Rosenegg  hinterlassen,  bei  Friedingen  auf  7  km  Entfer- 
nung liegt  marine  Molasse,  bei  Dietlishofen  auf  3  km  Juranagelfluhe, 
und  nach  Dr.  Schalch  nördlich  vom  Schienerberg  bei  Bankholzen 
geschiebeführender  Austernsand,  also  im  NW,  NO  und  SO  vom  Ro- 
senegg^.    Dazu  kommt,  dass  in  Beziehung  auf  die  dortige  Meeres- 

1  N.  Jahrbuch  f.  Min.  1882.  II.  19.     Zeitschr.  für  Mineral,  u.  Kryst.  VI.  36. 
''  N.  Jahrbuch  f.  Min.  1881.  I.  196,  angeblich  300  000  tons. 
3  N.  Jahrbuch  f.  Min.  1877.  947,    von    gleicher   Form    wie    die   aus    dem 
Pendschab. 

*  N.  Jahrbuch  f.  Min.  1851.    204.     IV'   gross,    während    die    von    Bolivia 
(1855,  446)  sehr  klein  sind. 

*  Roth,  ehem.  Geologie.  I.  195. 

'  N.  Jahrbuch  f.  Min.  1854.  S.  449. 

^  Der  Einschluss,  von  dem  Merklein  oben  S.  311  spricht,  scheint  zum 
Geschiebe  fülirenden  Austernsande  zu  gehören. 


—     339     — 

molasse  Strandbildungsfacies  längst  nachgewiesen  ist.  Es  können 
sich  daher  in  einer  vom  Molassemeer  abgeschnittenen  Bucht  sehr 
wohl  jene  Mineralien  ausgeschieden  haben.  Darüber  hat  sich  später- 
hin obere  Süsswassermolasse  abgelagert,  die  wir  heute  noch  am 
Rosenegg  vorfinden.  Als  nun  die  vulkanischen  Ausbrüche  erfolgten, 
so  wurden  jene  Mineralien  mit  in  die  Höhe  gerissen.  Die  Eruption 
kann  sehr  wohl  am  Rosenegg  selbst  erfolgt  sein ,  es  ist  viel  wahr- 
scheinlicher, hinter  dem  dicken  Tuffmantel  des  Roseneggs  einen  eige- 
nen Eruptionsherd  anzunehmen,  als  die  vulkanische  Asche  auf  weit 
entfernte  vulkanische  Zentren  (Hohentwiel  3  km,  Hohenkrähen  7  km) 
zurückzubeziehen  (s.  oben  S.  309).  Und  dass  am  Rosenegg  im  Tuffe 
Gesteinseinschlüsse  vorgefunden  wurden,  auch  an  unseren  Fundstellen 
vorgefunden  werden,  ist  oben  mehrfach  erwähnt.  Nachdem  aber 
die  Sulfate  in  die  Höhe  gerissen  waren  und  niederfielen,  widerstanden 
sie  nicht  lange  der  Auflösung.  Stöhr  Hess  sogar,  um  die  einge- 
schlossenen Pflanzenreste  zu  erklären,  die  Tuife  am  Rande  eines 
Süsswassersees  sich  bilden.  Immerhin  wurden  jene  Sulfate  bald  ge- 
löst und  ihre  Form  wurde  durch  Kalkspat  oder  Dolomit  ab  und  zu 
untermengt  mit  Quarzmasse  ausgefüllt,  entweder  voll  und  ganz  oder 
mit  Drusenbildung  genau  so  wie  andere  Hohlräume  und  Spalten  im 
Tuffe  auch  ausgefüllt  wurden.  Man  muss  also  an  Ausfüllungspseudo- 
morphosen  denken  bald  mit  massiven  bald  mit  hohlen  Formen. 

Bei  dieser  Erklärung  muss  aber  auch  Rücksicht  darauf  genom- 
men werden,  ob  die  Pseudomorphosen  wohl  selbst  Andeutungen  in 
Beziehung  auf  ihre  Entstehungsweise  an  die  Hand  geben.  Und  da 
muss  man  beachten,  dass  im  Gips  Eindrücke  nach  Thenardit  sich 
vorfinden,  also  lagen  diese  zwei  Mineralien  in  der  gleichen  Schichte. 
Dagegen  findet  man  weder  im  Gips  noch  im  Thenardit  Eindrücke 
von  der  Form  des  Glauberites.  Und  damit  stimmt  das  spezifische 
Gewicht  überein,  Glauberit  ist  von  den  drei  Sulfaten  das  schwerste, 
so  wird  man  wohl  annehmen  dürfen,  dass  die  Glauberite  zu  unterst 
lagen  (spez.  Gew.  =-  2,7 — 2,8) ,  darüber  die  Thenardite  (2,6)  und 
neben  diesen  und  darüber  die  Gipse  (2,2 — 2,4).  Hohle  Pseudo- 
morphosen findet  man  bloss  nach  Glauberit  und  da  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  Stücke  des  Mergels,  der  die  Glauberite  einschloss, 
vielleicht  schon  mit  Höhlungen  nach  Glauberit  versehen,  mit  in  die 
Höhe  gerissen  wurden  und  oben  erhärteten  durch  Infiltration  von 
Kieselsäure.  Denn  man  findet  jene  hohlen  Formen  in  einem  kiesel- 
harten Gestein,  seltener  in  grünlich  grauem  Kalk,  und  zwar  sind  die 
Höhlungen  nunmehr  mit  zierlichen  Bergkryställchen  besetzt,  die  zum 


—     340     — 

Teil  von  Chalcedon  übersintert  sind.  Immer  finden  sich  diese  hohlen 
Formen  nach  Glauberit  zahlreich  bei  einander,  also  müssen  die  Kry- 
stalle  und  ihre  Gruppen  in  grösserer  Menge  in  dem  Gesteinsschlamme 
enthalten  gewesen  sein.  Für  fremden  Gesteinseinschluss  in  dem 
phonolithischen  Tuffe  sprechen  weiter  jene  interessanten  Kalkspat- 
knollen, die  sicherlich  auch  ihre  Entstehung  an  anderem  Orte  fan- 
den, als  wo  sie  jetzt  gefunden  werden.  Dann  die  braungelben  spä- 
tigen Kalkspatstücke ,  die  ich  schon  oben  für  jurassisch  ansprach. 
Alles  das  zusammengenommen  scheint  mir  die  gegebene  Er- 
klärung, wonach  die  genannten  Pseudomorphosen  aus  der  Tiefe  stam- 
men, sei  es  aus  der  Meeresmolasse  oder  gar  aus  noch  tieferen  salz- 
führenden Horizonten,  noch  am  meisten  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
zu  haben;  sei  dem  aber  wie  ihm  wolle,  immerhin  dürfte  das  Rosen- 
egg  vermöge  seiner  Pseudomorphosen  zu  den  mineralogisch  inter- 
essantesten Punkten  unseres  Höhgäus  zählen. 


Erklärung  der  Tafel  VI.  VII. 

Figur  1.  Form  des  Gipses :  —  P  .  ooP  .  ooPoo  .  -|-  |Poo  die  erstgenannten  Flä- 
chen nur  halb  vorhanden.     Nat.  Grösse. 

Figur    2.  Gewöhnliche  Form  des  Gipses:  — P  .  ooP  .  ooPoo  -|--JPoo.   Nat.  Grösse. 

Figur  3.  Seltenere  Form  des  Gipses :  —  P  .  -|-  P  •  ooP  •  ooPoo.  Zweimal  ver- 
grössert. 

Figur     4.  Spiessige  Form  des  Gipses:  —  P  .  -|-iP°°  •  ooPoo. 

Figur  5.  Gipszwilling  nach  ooPoo  der  vorhergehenden  Kombinationen.  Nat, 
Grösse. 

Figur     6.  Form  des  Thenardits :  P  .  ooP  .  ooPoo  .  iP.     Nat.  Grösse. 

Figur  7.  Thenarditzwilling  mit  Durchdringung:  P  .  ocP  .  ooPoo  .  -^P.  Zweimal 
vergrössert. 

Figur     8.  Thenardit  mit  Andeutung  der  Spaltfläche,  häufige  Form.    Nat.  Grösse. 

Figur     9.  Form  des  Glauberites :  cx)P  .  —  P  .  OP  .  ooPoo.     Nat.  Grösse. 

Figur  10.  Kalkspatprisma  nach  R  mit  Zwillingslamellen  nach  —  iR.    Nat.  Grösse. 

Figur  11.  Form  des  Anhydrits:  ooP  .  ooPoo  .  ooPoo  .  OP. 

Figur  12.  Trapezförmiges  Gipsprisma. 

Figur  13 — 14.  Gewöhnliche  Form  des  Thenardits. 

Figur  15.  Parallelgestellte  Thenardite. 

Figur  16 — 17.  Zwei  Figuren  zur  Erklärung  der  Thenarditzwillinge. 

Figur  18 — 21,  Querschnitte  der  Aragonite. 

Figur  22.  Querschnitt  eines  Aragonits. 

Figur  23.  Kalkspat  mit  Zwillingslamellen  nach  —  —  von  der  Seite  gesehen. 

Figur  24.  Meroxönsäule. 

Figur  25 — 26.  Glaseritzwillinge. 


übersieht  über  die  in  Württemberg  und  Hohenzollern 

in  der  Zeit  vom  1.  März  1888  bis  zum  28.  Februar  1889 

wahrgenommenen  Erdersehütterungen. 

Von  Prof.  Dr.  H.  Eck  in  Stuttgart. 
Mit  Taf.  VIII. 

1889. 

1.  Januar.  Am  1.  Januar  1889  zwischen  5  und  6  Uhr  mor- 
gens wurde  in  Sigmaringen  ein  Erdbeben  verspürt.  Der  Beobach- 
ter lag  zu  Bett  im  zweiten  Stockwerk  eines  massiven,  auf  Kalkmergel 
und  Kies  gebauten  Hauses.  Die  Erschütterung  äusserte  sich  in  einem 
Zittern  der  Thüren  und  Fenster,  wie  wenn  auf  der  östlich  des  Hauses 
entlang  führenden  Strasse  ein  Lastwagen  vorbei  gefahren  wäre.  Das 
Zittern  wiederholte  sich  mehrmals  und  dauerte  je  eine  bis  mehrere 
Sekunden.  Mitgeteilt  von  Frau  Hofkammerrath  Strehle  an  Herrn 
Landesbauinspector  Leibbrand. 

Das  vorstehend  erwähnte  Erdbeben  dürfte  mit  demjenigen  in 
Verbindung  stehen,  welches  am  1.  Januar  1889  morgens  5  Uhr,  be- 
gleitet von  donnerähnlichem  Getöse ,  in  einem  Teile  der  Schweiz 
beobachtet  wurde ,  z.  B.  in  Wyl  (Aargau)  und  Laufenburg.  (Der 
Bund,  1889,  8.  Januar,  Nr.  7,  12.  Januar,  Nr.  11.) 

7.  Januar.  Das  Erdbeben ,  welches  am  7.  Januar  etwa  um 
12  Uhr  mittags  die  Ostschweiz  und  einen  Teil  von  Baden  und 
Württemberg  erschütterte,  wurde 

a)  in  Württemberg  beobachtet  in: 

1.  Stuttgart,  a)  Ein  am  Paulinenberg  wohnender  hiesiger 
Herr  bemerkte  genau  zur  selben  Zeit,  ruhig  am  Schreibtisch  sitzend, 
einen  ganz  ähnlichen  Stoss,  wie  der  von  Konstanz  geschilderte  war. 
Derselbe  teilte  seine  Beobachtung  sofort,  ehe  die  Konstanzer  Nach- 
richt eintraf,  seinen  Familienangehörigen  mit.  (Schwäbische  Kronik, 
1889,  10.  Januar,  Nr.  8,  S.  57.) 


—     342     — 

b)  Nach  hiesiger  Uhr  war  es  12  Uhr  2  Min.,  als  ich  in  meinem 
Zimmer  ein  deuthches  Schwanken  des  Hauses  verspürte,  das  etwa 
3  Sekunden  dauerte ;  es  war,  wie  wenn  an  dem  grossen  Telephonsteg 
auf  dem  Dache  in  der  Richtung  der  Drähte  gerüttelt  würde ,  also 
von  Nord  nach  Süd.    (Neues  Tagblatt,  1889,  10.  Januar,  Nr.  8,  S.  1.) 

c)  Um  12  Uhr  mittags  am  7.  d.  M.  spürte  ich,  am  Pulte  sitzend, 
plötzlich  ein  leises  Zittern  des  Bodens  unter  mir,  dann  erfolgte  eine 
stärkere  Erschütterung  des  ganzen  Hauses,  und  ich  hatte  das  be- 
ängstigende Gefühl,  als  werde  ich  von  unsichtbaren  Händen  samt 
meinem  Stuhle  in  die  Höhe  gehoben.  Meine  Tochter,  die  im  Neben- 
zimmer am  Klavier  sass,  hörte  plötzUch  auf  zu  spielen  und  erklärte 
nachher,  sie  habe  so  schnell  innegehalten,  weil  das  Klavier  auf  ein- 
mal in  ein  bedeutendes  Schwanken  gekommen  sei.  Der  ganze  Vor- 
gang dauerte  etwa  3  Sekunden.  (Neues  Tagblatt,  1889,  12.  Januar, 
Nr.  10,  S.  2.)  Herr  Professor  0.  Schanzenbach,  von  welchem  vor- 
stehende Notiz  herrührt,  ergänzte  dieselbe  durch  folgende  Mittei- 
lungen :  Meine  Wohnung  ist  im  dritten  Stock  und  liegt  in  der  Dia- 
gonale der  Löwenapotheke.  Das  Haus  ist  sehr  solid  gebaut,  steht 
aber  auf  keinem  sehr  festen  Grund  und  Boden;  denn  das  Zittern 
des  Stubenbodens  ist  uns  gegenüber  einer  früheren  Wohnung  sehr 
aufgefallen,  sobald  ein  schwer  beladener  Stein  wagen  vorbeifährt.  Das 
Zittern  und  Beben  am  siebenten  war  aber  von  dem  eben  erwähnten 
ganz  verschieden ;  jenes  war  viel  stärker ,  und  man  fühlte ,  wie  das 
ganze  Gebäude  von  einer  unter  demselben  wirkenden  Macht  ge- 
hoben wurde  und  in  Folge  dessen  in  ein  Wanken  kam.  Dann  erst 
erfolgte  das  von  mir  berichtete  Gefühl  des  samt  dem  Lehnstuhl 
sanft  in  die  Höhe  Gehoben-werdens,  wobei  mir  trotz  des  augenblick- 
lichen Betroffenseins  sofort  durch  den  Kopf  schoss :  „Aber  du  bist 
ja  nicht  wieder  herabgelassen  worden."  Mein  Regulator  zeigte  etwa 
2  M.  15  S.  nach  12  Uhr.  Die  Bewegung  war  eine  rein  vertikale; 
ein  Gefühl  von  Rotation  oder  Undulation  habe  ich  nicht  gehabt. 

d)  Meine  Angehörigen  und  ich,  sowie  ein  gerade  anwesender 
Besuch  verspürten  Montag  den  7.  d.  einige  Minuten  nach  12  Uhr 
ganz  deutlich  einen  Erdstoss.  Die  ins  Nebenzimmer  führende  Thüre 
krachte  laut ,  wie  wenn  sie  aufspringen  wollte.  Wir  fühlten  den 
Boden  förmlich  schwanken  und  sahen  die  uns  gegenüberliegende 
Wand  des  Zimmers  sich  vorneigen.  Eine  Hängelampe  schwankte  hin 
und  her  und  die  Pflanzen  auf  zwei  Blumentischen  bewegten  sich 
einige  Sekunden.  Wir  fuhren  von  den  Sitzen  in  die  Höhe  und  eines 
wie  das  andere  sagte :  das  war  ein  Erdstoss.     Wir  fühlten  uns  auch 


—     343     -  - 

einen  Augenblick  schwindlig.     (Schwäbische  Kronik,  1889,  11.  Ja- 
nuar, Nr.  9,  S.  61.) 

e)  Am  7.  Januar  mittags  12  Uhr  2  Min.,  vielleicht  auch  12  Uhr 
2  Min.  30  Sek.  (die  Beobachtung  wurde  mit  einer  gewöhnlichen 
Taschenuhr  gemacht,  welche  nach  der  Stadtkirchenuhr  ein  paar  Tage 
früher  gerichtet  war),  wurde  von  dem  Unterzeichneten  in  Stuttgart, 
Silberburgstrasse  173,  3  Tr.,  ein  Erdbeben  wahrgenommen,  während 
derselbe  auf  einem  Sofa  sitzend  las.  Das  Haus  steht  auf  Keupermergel. 
Es  wurde  nur  ein  Stoss  verspürt;  der  Beobachter  hatte  die  Empfin- 
dung, als  ob  plötzlich  das  ganze  Haus  sich  senkte;  die  Richtung  des 
Stosses  schien  vertikal  nach  unten.  Der  Stoss  dauerte  nur  einen 
Augenblick.  Eine  Verschiebung  von  Möbeln  oder  ein  Schwanken 
von  Gemälden,  u.  s.  w.  wurde  nicht  beobachtet.  Eine  an  der  Wand 
befestigte  Pendeluhr,  sowie  eine  Standuhr  blieben  nicht  stehen.  Ein 
Zuschlagen  oder  Aufspringen  von  Thüren  wurde  nicht  bemerkt,  eben- 
sowenig Risse  in  den  Mauern ,  nur  ein  Ächzen  des  Gebälks  gleich- 
zeitig mit  der  Erschütterung.  Dieselben  Beobachtungen  machte  meine 
in  demselben  Zimmer  mit  mir  sich  befindende  15jährige  Tochter. 

Professor  Dr.  M.  Baur. 

f)  Am  7.  Januar,  mittags  12  Uhr,  wurde  von  dem  Unterzeich- 
neten ein  Erdbeben  verspürt;  die  benutzte  Uhr  (Remont.,  22  Rub.) 
wird  stets  mit  der  Eisenbahnuhr  in  Übereinstimmung  gehalten,  d.  h. 
etwa  monatlich  einmal  nach  der  letzteren  gerichtet,  wobei  sich  selten 
mehr  als  1 — 2  Minuten  Differenz  zeigt;  der  springende  Sekunden- 
zeiger war  abgestellt.  Die  Beobachtung  wiu'de  im  königl.  Münz- 
gebäude (Neckarstrasse)  in  einem  etwa  in  der  Mitte  desselben  gegen 
die  Neckarstrasse  im  1.  Stock  gelegenen  Zimmer  gemacht.  Der 
Beobachter  sass  am  Schreibtisch,  dessen  Längsrichtung  quer  zur  ge- 
nannten Strasse  geht,  mit  dem  Blick  gegen  Südsüdwest,  also  parallel 
der  Neckarstrasse.  In  der  Umgebung  herrschte  im  kritischen  Augen- 
blick Ruhe.  Das  Gebäude  steht  auf  Lehm  und  den  unteren  Mer- 
geln des  mittleren  Keupers.  Es  wurde  nur  ein  Stoss  verspürt,  ge- 
folgt von  kurzer,  horizontal  hin-  und  hergehender  Bewegung  in  der 
Stossrichtung.  Die  Bewegung  war  ein  kurzer  Ruck  von  der  Seite; 
der  Beobachter  war  sofort  überzeugt,  dass  ein  Erdbeben  statthatte. 
Die  Richtung  des  Stosses  schien  annähernd  senkrecht  zur  Längs- 
richtung der  Neckarstrasse,  also  etwa  von  Ostsüdo.st  nach  Westnord- 
west (von  links  nach  rechts  des  Beobachters).  Die  Dauer  der  ganzen 
Erscheinung  war  nicht  ganz  eine  Sekunde.  Im  Moment  des  Stosses 
krachte  das  (ca.  3  m  hohe  und  1|  m  breite)  Fenster  wie  bei  einem 


—     344     — 

plötzlichen  Windstoss.  Der  Stahl  des  Beobachters  liess  deutlich  die 
oben  angegebene  Bewegung  fühlen.  Eine  Thüre  im  Erdgeschoss 
wurde  kurz  nach  dem  Stosse  heftig  zugeschlagen,  doch  ist  es  nicht 
wohl  möglich,  dass  dies  durch  den  Erdstoss  verursacht  war,  welcher 
hierzu  nicht  intensiv  genug  schien.  Eine  besondere  Luftbewegung 
fand  nicht  statt,  es  war  Windstille.  Dagegen  trat  an  demselben 
Tage  schon  morgens  Nebel  unter  steigender  Temperatur  und  gegen 
Abend  Schneefall  ein,  nachdem  wochenlang  zuvor  gleichmässige  Kälte 
geherrscht  hatte. 

Zur  gleichen  Zeit,  ohne  jedoch  nach  der  Uhr  zu  sehen,  beob- 
achtete die  Frau  des  Unterzeichneten,  Alleenstrasse  32  im  1.  Stock, 
in  einem  Zimmer  gegen  West  einen  Stoss  an  2  Möbeln  und  berich- 
tete mir  unveranlasst  darüber.  Die  angegebene  Richtung  stimmte 
auffallend  überein.  In  demselben  Hause  wurde  im  3.  Stock  eben- 
falls eine,  und  zwar  heftigere  Schwankung  wahrgenommen  und  gleich- 
falls unabhängig  berichtet.  Bergratsassessor  Schüz. 

g)  Montag,  den  7.,  verspürten  Herr  Dr.  Hofmann  und  der  Unter- 
zeichnete in  ihrem  Arbeitszimmer  im  2.  Stock  des  östlichen  Flügels 
im  königl.  Naturalienkabinet  kurz  hintereinander  —  in  einem  Zwi- 
schenraum von  etwa  2  Sekunden  —  zwei  deutliche  mittelkräftige 
Stösse  in  der  Richtung  von  Südost  nach  Nordwest  fortschreitend, 
während  gleichzeitig  Klirren  und  Aneinanderstossen  der  im  Zimmer 
stehenden  Gläser  u.  s.  w.  vernehmbar  war.  Nach  sofort  eingezogener 
Erkundigung  hatte  man  von  diesen  Erschütterungen  im  Erdgeschoss 
(Prof.  Dr.  Fraas)  und  im  1 .  Stock  (Dr.  Lampert)  nichts  verspürt. 
Was  die  genaue  Zeit  des  Eintritts  jener  Erdstösse  anlangt,  so  zeigte 
meine  nach  der  Stadtkirchenuhr  gerichtete,  um  12  Uhr  mit  derselben 
verglichene  Uhr  unmittelbar  nach  dem  Ereignis  12  Uhr  3,5  Min. 
Dr.  Eichler,  Assistent  am  Naturalienkabinet. 

[Nach  Mitteilung  von  Herrn  Prof.  A.  SchxMIDt  differiert  die  Stadt- 
kirchenuhr von  dem  KuTTER'schen  Regulator  um  höchstens  |  Minute, 
geht  aber  eher  vor  als  nach.] 

h)  Keines  meiner  verschiedenen  Seismometer  deutete  [am  7.  Jan.] 
auf  einen  ausserordentlichen  Vorfall,  insbesondere  fand  keine  Aus- 
lösung der  in  ordnungsgemässem  Zustande  befindlichen  elektrischen 
Leitung  zur  Pendeluhr  statt.  Bei  einer  vertikalen  Schwankung  von 
1  mm  hätte  die  Uhr  ausgelöst  werden  müssen.  In  Übereinstimmung 
damit  zeigte  das  vertikal  schwingende  Pendel  nur  einen  Ausschlag 
von  3  mm,  was  einer  Bodenhebung  bezw.  -Senkung  um  ^  mm  ent- 
sprechen würde.     Das  ostwestliche  Horizontalpendel  war  ganz  unver- 


—     345     — 

ändert,  das  nordsüdliche  zeigte  schwach  2  mm  Ausschlag,  entspre- 
chend einer  nordsttdlichen  Erschütterung  von  ^  mm  Amplitude.  Aus- 
schläge von  diesem  Betrage  zeigen  übrigens  die  Pendel  auch  von 
Zeit  zu  Zeit,  ohne  dass  ein  Erdbeben  als  Ursache  bekannt  würde; 
wie  mir  scheint,  ist  zum  Teil  die  Erwärmung  des  Gestells  durch  die 
an  hellen  Tagen  in  das  Lokal  eindringenden  Wärmestrahlen  die  Ur- 
sache solcher  kleiner  Verschiebungen  der  Marken.  Allerdings  sind 
diese  kleinen  Verschiebungen  beim  Vertikalpendel  seit  der  Verbindung 
desselben  mit  einem  dünnen  elektrischen  Leitungsdraht  seltener  ge- 
worden, als  sie  früher  waren  (jetzt  in  etwa  4  V^ochen  einmal).  Als 
Resultat  der  Angaben  meiner  Seismometer  ergibt  sich,  dass  der  Boden 
des  Souterrains  des  Realgymnasiums  bei  dem  Erdbeben  vom  7.  d.  M. 
eine  vertikale  Erschütterungsamplitude  von  |  mm  und  eine  nahe 
Bordsüdliche  Erschütterungsamplitude  von  ^ — ^  mm  gezeigt  hat. 

In  dem  Kellerraum  des  statistischen  Landesamts  wurde  keine 
Veränderung  des  Seismometers  wahrgenommen. 

Frau  Direktor  v.  Knapp  (Hegelstrasse)  sah  samt  ihrer  Tochter, 
an  deren  Bett  sie  sass ,  Bewegung  einer  Glasphotographie  (an  der 
nordsüdlichen  Wand  aufgehängt)  und  Erzittern  der  Blumen  auf  dem 
Blumentisch  (Beobachtung  über  3  Treppen). 

Die  Mutter  eines  Schülers  des  Realgymnasiums ,  welche  über 
3  Treppen  in  der  Moserstrasse  wohnt,  vernahm  Gläserklirren. 

Frau  Direktor  v.  Knapp  berichtete  noch  von  Bekannten  in  der 
Hohenheimerstrasse ,  welche  ebenfalls  im  3.  Stock  das  Erdbeben 
verspürten.  Professor  Dr.  A.  Schmidt. 

i)  Im  Hause  meines  Neffen,  Baurat  K.  v.  Seeger  in  Stuttgart, 
Alexanderstrasse ,    wurde  das  Erdbeben  ungewöhnlich  stark  gefühlt. 

Dr.  Salzmänn  sen. 

2.  Ulm.  a)  Auch  aus  Ulm  wird  berichtet,  dass  der  Erdstoss 
dort  verspürt  worden  sei.  Als  Richtung  wird  angegeben  die  von 
Ost  nach  West,  ebenso  wie  in  Konstanz.  (Neues  Tagblatt,  1889, 
10.  Januar,  Nr.   8,  S.   1.) 

b)  Gestern  [den  7.]  mittags  12  Uhr  wurde  hier  von  Personen, 
deren  Zeugnis  nicht  angezweifelt  werden  kann,  ein  Erdstoss  wahr- 
genommen, der  von  Osten  nach  Westen  wellenförmig  verlief  und  eine 
schwankende  Bewegung  verursachte.  (Deutsches  Volksblatt,  1889, 
10.  Jan.,   Nr.  8.) 

3.  Laupheim.  a)  9.  Jan.  Auch  hier  ist  am  Montag  [den 
7.  Jan.]  mittags  kurz  vor  12  Uhr  ein  ziemlich  heftiger  Erdstoss  ver- 
spürt worden.     Im  Grosslaupheimer  Schloss  kamen  Thüren,    Möbel, 


—     346     — 

selbst  der  Schirm  auf  der  Erdöllampe  in  starke  Bewegung,  so  dass 
man  glauben  konnte,  im  Maschinenhaus  sei  etwas  passiert.  (Deutsches 
Volksblatt,   1889,  12.  Jan.,  Nr.  10.) 

b)  Am  7.  Januar,  4 — 5  Min.  vor  12  Uhr  mittags  nach  der  Kir- 
chenuhr, welche  gegen  die  Postuhr  5  Minuten  vorausgeht,  wurde  in 
Laupheim,  und  zwar  im  1.  Stockwerk  des  etwas  erhöht  liegenden 
Grosslaupheimer  Schlossgebäudes,  wo  die  Unterzeichnete  im  östlichen 
Wohnzimmer  sitzend  mit  Nähen  beschäftigt  war,  ein  Erdbeben  ver- 
spürt. Das  Schloss  steht  teils  auf  Kies ,  teils  auf  Sand.  Es  war 
nur  e  i  n  Stoss,  infolgedessen  alle  beweglichen  Gegenstände  zu  zittern 
anfingen.  Ich  war  der  Meinung,  dass  im  nahegelegenen  Maschinen- 
hause eine  Explosion  erfolgt  sei,  und  dachte  gleich  an  eine  Erd- 
erschütterung ,  nachdem  ich  erfahren ,  dass  im  Hause  nichts  vor- 
gekommen sei.  Die  Richtung  des  Stosses  war  von  Nordost  nach 
Südwest ;  er  dauerte  einige  Sekunden.  Die  festgeschlossene  Thür 
des  Wohnzimmers  bewegte  sich  vernehmbar;  der  auf  der  Hängelampe 
befindliche  Schirm  erzitterte,  und  die  auf  dem  Büffet  stehenden  Glas- 
gegenstände kamen  ins  Schwanken.  Die  im  angrenzenden  Hause 
wohnende  Frau  Präzeptor  Blust  hat  ähnliche  Wahrnehmungen  ge- 
macht. Pauline  Klein. 

Mitgeteilt  durch  Herrn  Oberamtmann  Höschele. 

4.  Biberach.  a)  9.  Jan.  Auch  hier  hat  sich,  wie  einige 
Personen  wahrgenommen,  am  letzten  Montag  [den  7.  Jan.]  mittags 
kurz  nach  12  Uhr  eine  wenige  Sekunden  dauernde  Erderschütterung 
bemerklich  gemacht.  Die  Bewohner  des  Gigelturmes  waren  es  na- 
mentlich, welche  um  die  angegebene  Zeit  durch  das  Schwanken  des 
Turmes ,  wie  solches  sonst  nur  bei  sehr  starkem  Winde  vorkommt, 
erschreckt  wurden.  (Württembergische  Landes-Zeitung,  1889,  12.  Ja- 
nuar, Nr.  10,  S.  5.) 

b)  Am  Montag,  den  7.  Januar,  mittags  präzis  12  Uhr  nach 
hiesiger  Stadtuhr  (dieselbe  geht  4 — 5  Minuten  der  Telegraphen-  und 
Bahnuhr  vor)  wurde  von  dem  Hochwächter  Kotz  auf  dem  Gigel- 
burgturm  ein  Erdbeben  verspürt;  in  der  Stadt  Biberach  wurde  das- 
selbe nicht  wahrgenommen.  Der  Turm  steht  auf  tertiärer  Nagel- 
fiuhe :  die  Erdfläche  am  Turm  hat  565,  der  Turm  590  m  Meereshöhe. 
Es  wurde  zuerst  ein  kurzes  Rollen,  dann  ein  starker  und  2 — 3  Se- 
kunden nachher  ein  zweiter  schwächerer  Stoss  beobachtet.  Es  war 
zuerst  ein  Stoss  von  unten,  dann  ein  langsames  Schwanken  und 
Zittern;  frei  hängende  Gegenstände  bewegten  sich  hin  und  her.  Der 
Hochwächter  wurde  20 — 30  cm  weit  weg  von  seinem  südöstlich  ge- 


—     347     - 

legenen  Beobachtungsfenster  gestossen.    Der  Stoss  kam  von  Südost; 
die  Dauer  war  nur  2 — 3  Sekunden.        Dr.  C.  Finckh,  Apotheker. 

5.  Waldsee.  a)  Der  Erdstoss  am  7.  Januar  wurde  auch  in 
hiesiger  Gegend,  besonders  stark  im  fürstl.  Schloss  in  Wolf  egg 
kurz  nach  12  Uhr  verspürt.  (Schwäbische  Kronik ,  1889,  12.  Ja- 
nuar, Nr.   10,  S.  65.) 

b)  Am  Montag,  den  7.  Januar,  wurde  in  Waldsee  etwa  5  Mi- 
nuten vor  12  Uhr  mittags  (die  Uhr  geht  mit  der  Waldseer  Bahn- 
hofsuhr) ein  Erdbeben  verspürt,  und  zwar  im  2.  Stock  eines  ganz 
gemauerten  Gebäudes  (früher  Klostergebäude)  nördlich  der  Stadt  am 
Ausfluss  des  Stadtsees  im  grösseren  Wohnzimmer,  woselbst  die  Toch- 
ter an  der  Nähmaschine  nähte,  auch  der  Sohn  sich  mit  Lesen  be- 
schäftigte. Der  Baugrund  ist  kiesiger  Lehmboden  nach  Durchstechung 
des  Süsswasserkalks  und  Moors.  Es  wurde  nur  ein  Stoss  wahrge- 
nommen, welcher  wie  ein  starker  Windstoss  erschien ;  seine  Richtung 
war  von  West  nach  Ost,  die  Dauer  einige  Sekunden.  Die  Hänge- 
lampe geriet  in  starkes  Schwingen,  die  Ketten  daran  klirrten;  die 
Thüren  westlich  und  östlich  knarrten,  die  südliche  blieb  ruhig.  Der 
Unterzeichnete  kam  um  12  Uhr  nach  Haus,  hörte  von  den  Kindern 
den  Vorfall  und  bemerkte  sofort,  dass  dieses  ohne  Zweifel  ein  Erd- 
beben gewesen  sei.  Oberamtsbaumeister  Stifel.    ' 

6.  Wolfe  gg.     a)    S.  den  Bericht  von  Waldsee. 

b)  Gestern  [d.  7.]  mittags  6  Min.  nach  12  Uhr  wurde  im  fürst- 
lichen Schlosse  Wolfegg  und  einigen  höher  gelegenen  Gebäuden  eine 
Erderschütterung  wahrgenommen.  (Deutsches  Volksblatt,  1889, 
10.  Januar,  Nr.  8.) 

c)  Aus  Wolfegg  erfuhr  ich  zuverlässig  nur  so  viel,  dass  der 
Stoss  um  12  Uhr  10  Min.  stattfand,  Seine  Durchlaucht  eben  mit 
Schreiben  beschäftigt  einen  Strich  über  das  Papier  machten  und 
beim  raschen  Aufsehen  (in  der  Meinung,  gestossen  worden  zu  sein) 
einen  Spiegel  schwanken  sahen.  F.  Domänendirektor  Weiger. 

d)  Am  7.  Januar,  mittags  12  U.  7  M.  nach  hiesiger  Uhr,  welche 
4 — 5  Minuten  vor  der  Telegraphenuhr  geht,  wurde  in  Wolfegg  ein 
Erdbeben  verspürt.  Wolfegg  liegt  auf  einer  Hochebene  zwischen 
dem  tief  eingeschnittenen  Aachthale  im  Westen  und  dem  ebenfalls 
tief  eingewaschenen  Höllthale  im  Norden  auf  Moränenschutt.  Es 
war  nur  ein  Stoss  von  Ost  nach  West,  die  Bewegung  ging  von  unten 
nach  oben  mit  etwas  wie  Ruck,  nur  wenige  Sekunden  dauernd.  Im 
fürstlichen  Schlosse  wurde  die  Wirkung  am  stärksten  verspürt;  die 
Möbel  schwankten ,  Tafeln  haben  sich  bewegt  und  kamen  teilweise 


—     348     — 

in  schiefe  Lage,  besonders  kleinere  Bilder.  In  einem  Zimmer  ist  der 
Plafond  heruntergefallen  und  hat  4  Sessel  zusammengeschlagen. 
Mauerrisse  gab  es  nicht  und  Möbel  stürzten  nicht  um.  Fan  kurzes 
Brausen,  ein  starker  Wind  soll  dem  Scoss  sofort  nachgefolgt  sein. 
Seine  Durchlaucht  der  Fürst  von  Wolfegg,  dem  ich  vorstehende  Mit- 
teilungen nacherzähle,  sagte  mir,  dass  sein  Hund,  der  neben  ihm 
auf  einem  Sessel  lag,  von  demselben  ganz  erschreckt  herunterge- 
sprungen sei  und  sich  auffallend  unruhig  benommen  habe ,  ähnlich 
als  hätte  ihn  eine  Angst  befallen.  Schwächere  Erschütterungen  vor- 
oder  nachher  sind  nicht  beobachtet  worden.  Auch  in  einigen  an- 
deren Häusern  ist  das  Erdbeben  wahrgenommen  worden,  besonders 
im  hiesigen  Schulhause,  welches  gleichfalls  am  äussersten  Ausläufer 
hoch  über  dem  Aachthal  steht.  Oberförster  Imhof. 

7.  Fri  edrichshaf  en.  a)  8.  Jan.  Am  Montag  [den  7.  Jan.] 
mittags  12  U.  5  M.  wurde  hier  ein  starker  Erdstoss  verspürt.  (Deut- 
sches Volksblatt,   1889,  11.  Januar,  Nr.  9.) 

b)  Am  7.  Januar,  mittags  12  Uhr  (die  Uhr  geht  mit  der  Tele- 
graphenuhr) ,  wurde  hier  ein  Erdbeben  verspürt.  Der  Beobachter 
sass  am  Fenster  im  1.  Stock  eines  nach  Norden  gelegenen  Hauses, 
welches  auf  Kiesboden  steht  Es  wurde  nur  ein  Stoss  empfunden. 
Die  Bewegung  war  wellenförmig ;  es  war,  wie  wenn  im  oberen  oder 
unteren  Stockwerk  ein  schwerer  Gegenstand  auf  den  Boden  stürzte. 
Der  Stoss  dauerte  1  —  2  Sekunden,  seine  Richtung  kann  nicht  an- 
gegeben werden.  Der  Erschütterung  ging  ein  Knall  voraus.  Vor- 
stehende Angaben  sind  von  der  Frau  des  Abfertigungsbeamten  Grauer 
gemacht  worden.  Betriebsinspektor  Pross. 

8.  Oberstadion.  Der  Unterzeichnete  hat  den  Erdstoss  vom 
7.  d.  M.  gut  wahrgenommen.  Es  war  2  Minuten  nach  12  Uhr  mit- 
tags. Die  Uhr  ging,  glaube  ich,  so  ziemlich  nach  der  Telegraphen- 
uhr. Ich  befand  mich  in  meinem  grossen  Studierzimmer,  Ecke  der 
Süd-  und  Westseite  des  grossen,  bis  zum  Dach  aus  Ziegelsteinen 
gebauten  Hauses  und  stand  eben  am  Schreibpult  an  der  Wand  gegen 
Süd;  das  Haus  steht  auf  Thonboden.  Ich  verspürte  einen  Stoss 
wie  einen  kurzen  Ruck  von  unten  und  vernahm  zugleich  einen 
dumpfen  Ton,  wie  den  eines  Böllerschusses  aus  einer  Entfernung  von 
2 — 3  Stunden.  Dann  folgte  eine  schwankende,  wie  es  schien,  wellen- 
förmige Bewegung  des  Fussbodens,  3 — 4  Sekunden  während,  deren 
Richtung  oder  Fortpflanzung  ich  aber  nicht  erkannte  (Nord  nach 
Süd?).  Es  wurde  mir  etwas  bange,  da  das  Schwanken  ziemlich 
stark  war  und  augenblicklich  (d.  i.  unmittelbar  nachdem  wieder  alles 


—     349     — 

ruhig  geworden)  ging  ich  in  die  andern  Zimmer,  auf  die  Gänge  des 
Hauses,  auf  die  Bühne,  um  nachzusehen,  ob  nicht  irgendwo  ein 
Tragbalken  geborsten  sei,  fand  aber  alles  in  Ordnung. 

Pfarrer  Straub. 

9.  Buchau.  Am  Montag,  den  7.  d.  M.,  wurde  hier  ein  Erd- 
beben verspürt.  Leider  war  ich  selbst  diensthch  abwesend,  und 
stützen  sich  daher  meine  Angaben  nur  auf  glaubwürdige  Zeugenaus- 
sagen. Das  Erdbeben  wurde  im  1.  und  2.  Stockwerk  verspürt,  aber 
nur  in  Form  einer  etwa  3 — 4  Sekunden  andauernden  Schwankung 
und  um  12  Uhr  10  Min.  mittags.  An  Geräusch  war  Klirren  der 
Fenster  und  Schwanken  von  Gegenständen,  als:  Tafeln,  Kommoden, 
Vorhängen  u.  s.  w.  zu  bemerken.  Den  Leuten  schien  es,  als  wollte 
sich  das  Haus  in  2  Teile  teilen.  Ein  Zeuge  begab  sich  auf  die 
Bühne  (Rathausbühne),  weil  er  das  Geräusch  im  Gebälke  hörte  und 
das  Gefühl  bekam,  als  ob  die  Balken  auseinander  gehen  wollten. 
Der  Stoss  selbst  erfolgte,  soviel  ich  ermitteln  konnte,  von  Ost 
nach  West. 

Auffallenderweise  konnte  ich  trotz  aller  Mühe  in  den  weiter 
um  den  Federsee  liegenden  Ortschaften  nicht  einen  einzigen  Zeugen 
ausfindig  machen,  welcher  von  dem  Erdstoss  etwas  verspürt  hätte. 
Ich  werde  diesem  Umstände  auch  noch  für  die  nächste  Zeit  rege 
Aufmerksamkeit  widmen.  Buchau  liegt  auf  Torfboden  und  ist  fast 
ausschliesslich  von  Torfboden  umgeben.         Revierförster  Gönner. 

10.  Steinhauser  Ried.  Am  Montag,  den  7.  Januar,  wurde 
im  Steinhauser  Ried  (Torfmoor),  Gemeinde  Reichenbach,  OA.  Saul- 
gau,  mittags  kurz  nach  12  Uhr  ein  Erdbeben  verspürt,  und  zwar 
von  dem  Riedaufseher,  k.  Forstwächter  Aberle,  welcher  in  der  dor- 
tigen ,  auf  eingerammten  Pfählen  ruhenden  Menagehütte  ganz  allein 
anwesend  und  im  2.  Stock,  an  einem  Tische  sitzend,  mit  schriftlichen 
Arbeiten  beschäftigt  war.  Das  Gebälk  des  unter  dem  Beobachter 
befindlichen  leeren  Speisesaals  krachte.  Es  war  nur  ein  Stoss;  die 
Bewegung  war  wellenförmig ;  sie  wirkte  auf  den  Beobachter  wie  eine 
Nachenfahrt  bei  unruhiger  See.  Der  Stoss  dauerte  ein  paar  Sekunden ; 
die  Richtung  der  Bewegung  war  nicht  zu  ermitteln. 

Oberförster  Frank  in  Schussenried. 

11.  Hohenheim.  Der  Erdstoss  vom  7.  Januar  1889  wurde 
in  Hohenheim  (wie  durch  ein  an  alle  Hausvorstände  und  Einzel- 
personen gehendes  Zirkular  eruiert  wurde)  nur  von  zwei  Personen, 
von  diesen  aber  mit  voller  Bestimmtheit,  beobachtet:  Frau  Prof.  S. 
und  Herrn  Prof.  Z.     a)  Frau  Prof.  S.    sass   zur   kritischen   Zeit   an 


—     350     — 

ihrem  Nähtische  im  geschlossenen  Zimmer  (Gedanke  an  Zugluft  aus- 
geschlossen) ,  das  auch  innerhalb  des  Vorgangs  von  niemandem  be- 
treten wurde.  Sie  hatte  den  Eindruck  einer  leichten  Hebung  des 
Stuhles  und  zugleich  einer  unbedeutenden  Neigung  nach  vorn,  was, 
da  das  Gesicht  gegen  Ost  gerichtet  war,  für  west-östliche  Stoss- 
richtung  sprechen  würde.  Dumpfes,  schwer  zu  beschreibendes  Ge- 
räusch aus  der  Tiefe.  Der  grosse,  im  hohen  Zimmer  bis  an  die 
Decke  reichende  Christbaum  geriet  in  Schwingungen ,  so  dass  die 
Ausschmückungsgegenstände  aneinander  schlugen.  Die  sofort  nach 
der  Beobachtung  konsultierte  Uhr,  eine  gute  Schwarzwälderin,  deren 
(freilich  auf  eine  Minute  plus  oder  minus  nicht  kontrollierte)  Gang 
mit  der  öffentlichen  Uhr  Hohenheims  vor  und  nach  dem  Ereignis 
übereinstimmte,  zeigte  genau  auf  12  Uhr.  Das  betreffende  Zimmer 
liegt  im  östlichen  Flügel  des  grossen,  nur  teilweise  unterkellerten 
Schlossgebäudes,  im  ersten  Stock  (wegen  Entresol  besonders  hoch). 
Der  Untergrund  des  Gebäudes  dürfte  wenigstens  zum  Teil  (wegen 
einstiger  Terrassierung  des  südlichen  Bergabhangs)  aufgeschütteter 
(vor  mehr  denn  100  Jahren)  sein,  sonst  Lias  a. 

b)  Herr  Prof.  Z.  las,  das  Gesicht  nach  Westen,  in  einem  Fau- 
teuil  sitzend.  Die  Aufmerksamkeit  wurde  durch  ein  aus  der  Tiefe 
heraufpolterndes  Geräusch,  dessen  besondere,  nicht  von  einem  Falle 
in  den  Parterrelokalitäten  herrührende  Abstammung  sofort  erkannt 
wurde,  erregt,  sofort  aber  auch  eine  schwankende,  schiffsähnliche, 
trotz  der  Kürze  der  Einwirkung  unbehagliche  Bewegung  wahrge- 
nommen, was  für  eine  Bewegung  aus  Süd  oder  Nord  stimmen  würde. 
Yon  einem  nahen  Schranke  ertönte  ein  Geräusch,  v/ohl  von  dem 
Wackeln  einer  auf  demselben  stehenden  Gipsfigur  herrührend,  deren 
Schwingungen  aber  bei  der  sofort  vorgenommenen  Untersuchung  auf- 
gehört hatten.  Die  Uhr  im  Nebenzimmer  zeigte  2  Min.  vor  12  Uhr, 
ist  übrigens  sehr  wahrscheinlich  etwas  nachgegangen.  Das  fragliche 
Zimmer  liegt  im  ersten  Stock  eines  vor  etwa  20  Jahren  aufgeführten, 
vom  Schlossgebäude  getrennten  und  unterkellerten  Hause ;  Untergrund 
zum  Teil  wegen  Terrassierung  aufgeschütteter  Boden. 

In  beiden  Fällen  wurde  sofort  konstatiert,  dass  die  übrigen 
Bewohner  desselben  Logis  in  anderen  Stuben  nichts  beobachtet  hatten. 
Ich  selbst  befand  mich  in  der  kritischen  Zeit  im  Freien,  in  der  Nähe 
des  eben  rangierenden  Bahnzuges  und  habe  nichts  bemerkt. 

Professor  Dr.  Nies. 

12.  Burgstall,  12.  Jan.  Auch  in  Burgstall  wurde  das  Erd- 
beben vom  7.  d.  M.  wahrgenommen.    Der  Berichterstatter  sass  nach 


—     351     — 

dem  Mittagstische  am  Schreibpult.  Plötzhch  vernahm  er  ein  eigen- 
tümUches  Rollen  aus  dem  Erdinnern,  der  Sessel  wankte ;  die  Saiten 
des  Klaviers  tönten,  die  Feder  der  Wanduhr  klingelte,  das  Porzellan- 
geschirr im  Glaskasten  klirrte.  Das  war  mittags  12  Uhr  10  Min. 
Die  rollenden  dröhnenden  Wellen  trieben  sich  fort  in  der  Richtung 
von  Nordwest  nach  Südost.  (Deutsches  Volksblatt,  1889,  15.  Ja- 
nuar, Nr.   12.) 

13.  Tübingen.  Am  letzten  Montag,  den  7.  Januar,  spürten 
Herr  Professor  Nauwerck  und  der  Unterzeichnete  gegen  12  Uhr  mit- 
tags einen  heftigen,  mehrere  Sekunden  dauernden  Erdstoss.  Die 
Richtung  desselben  schien  von  Südwest  nach  Nordost  zu  laufen.  Die 
vielen  Gläser,  die  auf  den  Tischen  des  Laboratoriums  stehen,  Hessen 
ein  starkes  Klirren  vernehmen,  und  die  Wand  der  Südseite  des  In- 
stitutes schien  in  das  Zimmer  hereinfallen  zu  wollen.  Der  Stoss  rollte 
langsam  unter  dem  Gebäude  weiter,  alles  ziemlich  stark  erschütternd. 
Erschreckt  waren  wir  von  den  Sitzen  aufgesprungen  und  einigten 
uns  sofort  über  die  Diagnose  eines  Erdstosses.  (Bericht  des  Herrn 
E.  GüxssER,  Assistenten  am  pathologischen  Institut,  an  die  meteoro- 
logische Station  in  Stuttgart.) 

14.  Hund  ersingen,  Oberamt  Ehingen.  Am  7.  Januar  ging 
in  meinem  Hause  um  12  Uhr  oder  einige  Minuten  hernach  eine  nicht 
eingeschlagene  Thüre  auf,  was  wohl  ohne  besondere  äussere  Veran- 
lassung nicht  geschehen  wäre.  Die  Thüre  liegt  fast  in  der  Meridian- 
richtung; sie  öffnet  sich  mit  ihrer  Nordseite,  welche  sich  hierbei 
über  Osten  bewegt.  Auffallend  ist  mir  allerdings,  dass  ich,  obgleich 
es  in  meiner  näheren  und  weiteren  Umgebung  ziemlich  ruhig  war, 
weder  einen  Stoss,  noch  ein  Geräusch  vernahm.  Mein  Haus,  mit 
einem  anderen  zusammengebaut,  steht  auf  Alluvium  im  Gebiet  des 
Sandes  der  unteren  Süsswasser-Molasse.  Pfarrer  J.  Nagel. 

15.  Königsegg wald.  Am  7.  Januar  mittags  etwa  11  U. 
40  M.  (die  Uhr  ging  mit  der  hiesigen  Kirchenuhr,  welche  aber  da- 
mals so  ziemHch  mit  der  Bahnuhr  ging)  wurde  im  zweiten  und  be- 
sonders im  dritten  Stockwerk  des  herrschaftlichen  Schlosses  dahier 
von  dem  Herrn  Erbgrafen  v.  Königsegg  und  dem  Schlosspersonal  ein 
Erdbeben  verspürt.  Das  Schloss  liegt  auf  Molasse  und  Schuttboden. 
Es  wurde  nur  ein  einmaliges  wellenförmiges  Schwanken  beobachtet, 
keine  Stösse.  Die  Bewegung  kam  entweder  in  der  Richtung  von 
West  nach  Ost  oder  von  Ost  nach  West;  sicher  konnte  nur  erhoben 
werden ,  dass  dieselbe  nicht  von  einer  anderen  Seite  herkam.  Sie 
dauerte  ein  paar  Sekunden.    Namentlich  im  dritten  Stockwerk  wurde 


—     352     — 

ein  heftiges  Ächzen  und  Prasseln  in  den  Stubenböden  wahrgenommen, 
eine  Person  will  auch  ein  Brausen  gehört  haben ,  was  die  übrigen 
aber  nicht  beobachtet  haben ;  das  Geräusch  fand  gleichzeitig  mit 
dem  Schwanken  statt.  Forstverwalter  Henle. 

16.  Warthausen.  Am  7.  Januar  mittags  12  Uhr  3  Minuten 
(die  Uhr,  an  welcher  die  Beobachtung  gemacht  wurde,  ist  eine 
KuTTER'sche  sehr  korrekte  Taschenuhr,  verglichen  mit  der  Bahnuhr 
in  Warthausen  und  Biberach)  wurde  im  Schloss  Warthausen  ein  Erd- 
beben verspürt,  und  zwar  im  obersten  (zweiten)  Stockwerk  und  auf 
der  Bühne  (Kornboden) :  im  Parterre  war  momentan  niemand ,  und 
das  erste  Stockwerk  war  zur  Zeit  unbewohnt.  Das  Schloss  ist  bis 
zum  Giebel  ein  massiver,  vorzugsweise  aus  Nagelfluhefelsen,  errati- 
schen Gesteinen  und  Mörtelguss  erbauter,  mittelalterlicher  Stein- 
koloss,  im  Parterre  mit  bis  zu  2|  m  dicken,  im  oberen  Stockwerk 
über  1  m  dicken  Mauern,  dessen  Gewicht  auf  den  lockeren  Untergrund 
schon  öfter  Missstände  (Mauerrisse  u.  dergl.)  hervorgerufen  hat.  Das- 
selbe steht  auf  einem  ins  Rissthal  vorspringenden  Bergkopfe  aus  Nagel- 
fluhefels und  mehr  noch  Rollkies.  Der  Stoss  kam  aus  Südwest,  d.  h. 
scheinbar  in  meinem  Zimmer  mehr  aus  West,  bei  meinen  Damen  mehr 
aus  Süd,  was  mit  der  Richtung  der  nicht  ganz  gleich  liegenden  Zim- 
merwände, auf  die  der  Stoss  traf,  zu  erklären  ist,  bezw.  wegen  ver- 
schiedener Richtung  der  Fenster.  Ich  sass  am  Schreibtisch,  als  das 
ganze  Gebäude  zu  schwanken  begann.  Auch  an  den  Wänden  auf- 
gebaute Kästen  mit  ausgestopften  Vögeln  und  Bücherregale  begannen 
zu  wackeln ;  es  krachte  im  ganzen  Zimmer,  die  Töne  waren  aber  keine 
andern  als  die  von  den  gerüttelten  Gegenständen  hervorgebrachten: 
der  Boden  unter  meinen  Füssen  ging  abwärts.  Als  ich  in  den  Haus- 
gang eilte,  kam  mir  meine  Frau  erschreckt  entgegen.  Von  zwei  im 
nämlichen  Zimmer  bei  uns  befindlichen  Töchtern  hatte  die  eine  ge- 
meint, die  andere  schiebe  sie  scherzweise  von  hinten  mit  dem  Stuhle 
vorwärts,  während  die  andere  den  Eindruck  hatte,  als  habe  ein  Sturm- 
wind Fenster  und  Thüren  aufgerissen.  Eine  im  Dienstbotenzimmer 
arbeitende  Nähterin  dachte  an  einen  Einsturz  auf  der  Bühne  und 
eine  daselbst  beschäftigte  Kammerjungfer,  die  das  Gebälk  und  den 
Boden  zittern  spürte,  meinte,  es  sei  unter  ihr  etwas  eingefallen.  Ich 
selbst  habe  nachher,  obgleich  wir  über  die  Erscheinung  keinen  Augen- 
blick im  Zweifel  waren,  die  Zimmer  des  ersten  Stocks  auf  einen 
etwaigen  Plafond-Einsturz  durchgangen.  Das  Thermometer  zeigte 
0**  R.,  das  Barometer  keine  besonderen  Erscheinungen;  es  herrschte 
Windstille.    Etwa  12  aus  der  Gemeinde  im  Thal  befragte  Personen 


—     353     — 

haben  gar  nichts  bemerkt;  auch  der  in  Oberwarthausen  gleichfalls 
auf  einem  Bergvorsprung  wohnende  Ortspfarrer  hat  nichts  verspürt 
und  glaubt,  wenn  dort  eine  Erschütterung  vorgekommen  wäre,  sie 
sicher  nicht  übersehen  zu  haben.  Auch  in  dem  südöstlich  vom 
Schloss  gelegenen  Okonomiegebäude  haben  der  Pächter  und  seine 
Leute  nichts  bemerkt ,  trotz  der  Mittagsruhe ,  wobei  allerdings  die 
Gewöhnung  an  viel  Lärm  mitgewirkt  haben  kann.  Im  Freien  hat 
eine  meiner  Töchter,  die  gerade  im  Garten  war,  nichts  verspürt, 
ebensowenig  einer  meiner  Söhne,  der  zwischen  Warthausen  und 
Langernhausen  auf  der  Jagd  war.  Die  Erschütterung  scheint  also 
nur  auf  dem  äussersten  Schlossberg  und  hier  nur  in  dem  grossen 
Steinmassiv  des  Gebäudes ,  da  aber  besonders  stark  zur  Äusserung 
gekommen  zu  sein. 

Dr.  Frh.  K.  Koenig-Warthausen,  K.  Kammerherr  und  Abgeordneter. 

17.  Esslingen.  Hier  wurde  das  Erdbeben  am  7.  Januar  von 
5  Personen  beobachtet:  von  Fräulein  Marie  Neuffer,  deren  Dienst- 
mädchen, Fräulein  Weiss,  Kupferschmied  Schwarz,  Lithograph  Meier. 
Frl.  N.  sagt,  kurz  vor  12  ühr  mittags,  es  habe  bald  darauf  zwölf  ge- 
schlagen ;  ScH.  gibt  (zuverlässiger,  da  er  von  der  Arbeit  weg  in  seine 
Wohnung  gegangen  war,  um  Mittag  zu  speisen)  wenige  Minuten  nach 
12  Uhr  an.  Dem  entspricht  auch  die  Angabe  des  Lithographen 
Meier,  welcher  den  Stoss  auf  der  Strasse  beim  Nachhausegehen  von 
der  Arbeit  fühlte.  Die  Stadtuhr  geht  in  Esslingen  der  Bahnuhr  ge- 
wöhnlich ein  paar  Minuten  vor;  dies  erklärt  aber  obigen  Zeitunter- 
schied nicht,  da  der  Stadtteil,  in  welchem  Frl.  N.  wohnt,  sich  nach 
der  Stadtuhr,  die  Umgebung  der  Wohnung  von  Sch.  sich  nach  der 
Eisenbahnuhr  zu  richten  pflegt. 

Frl.  N.  sass,  mit  Handarbeiten  beschäftigt,  ruhig  am  Fenster, 
als  sie  den  Stoss  fühlte ;  ihr  Dienstmädchen  deckte  zu  gleicher  Zeit 
in  demselben  Zimmer  den  Tisch  und  bemerkte  die  Erschütterung 
an  dem  Klirren  der  Schlüssel  in  dem  Schlüsselkästchen,  dem  sie 
näher  stand  als  Frl.  N.  Zu  gleicher  Zeit  sprachen  beide  ihre  Ver- 
wunderung über  die  gemachten  Beobachtungen  aus.  Die  Hausfrau, 
im  anstossenden  Zimmer  ruhig  sitzend,  empfand  nichts.  Die  Woh- 
nung ist  im  3.  Stock  gelegen.  Sch.  sass  ebenfalls  ruhig  in  seinem 
Zimmer,  als  der  Stoss  kam.  Die  Nachrichten  von  Frl.  N.  und  Frl.  W. 
stammen  aus  ein  und  derselben  Strasse,  welche  am  Fuss  des  Burg- 
bergrückens entlang  lauft,  und  deren  Häuser  auf  Keuperfelsen  (Stu- 
bensandstein) gegründet  sind.  Die  Häuser  des  in  der  Thalebene 
liegenden   grösseren   Stadtteils,    in    welchem  Sch.  (Bahnhofstr.  20b, 

JahreBhefte  d.  Vereins  f.  vaterl.  Naturkuade  iu  Württ.    1889.  23 


—     354     — 

2  Tr.)  und  M.  wohnen,  stehen  auf  Kies ;  übrigens  ist  das  Haus  von 
ScH.  ein  sogenanntes  Hängewerk,  die  beiden  unteren  Räumlichkeiten 
sind  vollständig  hohl,  weshalb  auch  die  kleinste  Schwankung  fühlbar 
ist.  M.,  der  den  Stoss  auf  der  Strasse  fühlte,  sprach  erst  davon, 
nachdem  er  von  Sch.  gehört  hatte,  dass  dieser  den  Stoss  gefühlt  habe. 

Frl.  N.,  ihr  Dienstmädchen  und  Sch.  haben  nur  einen  Stoss 
oder  Ruck  verspürt.  Frl.  N.  nannte  die  Bewegung  ein  Schaukeln 
des  Sessels,  Sch.  hatte  die  Empfindung,  als  ob  man  ihm  den  Stuhl 
wegzöge;  bei  beiden  scheint  demnach  das  Gefühl  eine  horizontale 
Bewegung,  ein  Schwanken  gewesen  zu  sein.  Beide  geben  die  Rich- 
tung von  Südwest  nach  Nordost,  als  Zeitdauer  nur  eine  Sekunde  an. 
Bei  Frl.  N.  kamen  Schlüssel  ins  Klirren,  die  in  einem  Kästchen 
hängen,  welches  an  einer  von  Westsüdwest  nach  Ostnordost  verlau- 
fenden Wand  befestigt  ist.  Das  Kästchen  hing  westsüdwestlich  von 
dem  Fräulein  in  der  entgegengesetzten  Zimmerecke  neben  einer 
Thüre  zu  demjenigen  Zimmer,  in  welchem  die  Mutter  ruhig  sitzend 
nichts  bemerkte.  Sch.  hörte  in  der  entgegengesetzten  Zimmerwand 
südwestlich  ein  kurzes  Krachen.  Frl.  N.  vernahm  gleichzeitig  einen 
dumpfen  Ton,  als  ob  jemand  zu  Boden  gefallen  wäre.  Schwächere 
Erzitterungen  vorher  oder  nachher  wurden  nicht  beobachtet. 

Dr.  Salzmann  sen. 

18.  Urach.     Das  Erdbeben  wurde  auch  hier  verspürt. 

Stadtschultheiss  Seubert. 

Verneinende  Berichte  liegen  aus  Württemberg  vor  von:  Heil- 
bronn (Prof.  Lang),  Wangen  (Oberförster  Fischer),  Isny  (Stadtpfarrer 
Rieber),  Ehingen  (Stadtpfieger  Maag),  Munderkingen  (Oberlehrer 
Speck),  Heidenheim  und  Umgegend  (Forstmeister  Prescher),  T e i n - 
ach  (Dr.  Wurm),  Ravensburg  (Rektor  Pfahl),  Winterlingen 
(Stadtschultheiss),  Herbertingen  (Schultheiss  Föser),  Tuttlingen 
(Apotheker  Staenglen),  Geislingen  (Oberreallehrer  Fetscher),  Sehe  er 
(Stadtschultheiss  Deschler)  ,  Telegraphenstationen  von  F  e  11  b  a  c  h 
bis  Unterböbingen  (Bauinspektor  Wundt),  Waidenbuch  (Sta dt- 
schultheiss),  Wiesensteig  (Stadtschultheiss  Herzer),  Horb  (Oberför- 
ster Probst),  Böblingen  (Oberamtsarzt  Lechler),  Oberth  euringen 
(Schultheiss  Hager),  Schwendi  (Frh.  v.  Süsskind),  Ochsenhausen 
(Oberlehrer  Weizzenegger) ,  Zogenweiler  (Schultheiss  Dorner), 
Schloss  Zeil  (Domänendirektor  Weiger)  ,  Bernloch  (Schultheiss 
Walter),  Erolzheim  (Schultheiss  Bär),  Gingen  a.  Brenz  (Fabri- 
kant Glatz),  Kisslegg  (Regierungsbaumeister  Dittus),  Rottweil 
(Professor  Haag),  Oberndorf  und  Umgegend  (Strassenbauinspektor 


—     355     — 

Angele),  Würz  ach  (Stadt  arzt  Dr.  Ray),  Reutlingen  (Prof.  Krimmel), 
Wain  (Freifräulein  v.  Herman),  Sauig  au  (Apotheker  Edel),  Gross- 
Engstingen  (Schultheiss  Walde),  Leutkirch  (Oberförster  Spreng), 
Gmünd  (Oberaratsarzt  Kieser),  Gerstetten  (Schultheiss  Fink), 
Gächingen  (Schultheiss),  Wilhelmsdorf  (Apotheker  Weisman), 
Maulbronn  (Stadtschultheiss  Bausch),  Sigma ringen  (Landesbau- 
inspektor  Leibbrand). 

42  weitere  ausgesendete  Fragebogen  blieben  unbeantwortet. 

b)  In  Baden  wurde  das  Erdbeben  vom  7.  Januar  beobachtet  in : 
Konstanz  ungefähr  3  M.  vor  12  U.,  scheinbar  von  West  nach 

Ost  (Schwäbische  Kronik,  1889,  Nr.  7,  S.  51),  5  M.  vor  12  U.,  von 
West  nach  Ost  (Badische  Landeszeit.,  1889,  Nr.  1,  Bl.  1),  12  U. 
10  M.,  von  Ost  nach  West  (Neues  Tagblatt,  1889,  Nr.  7,  S.  2), 
17  M.  vor  12  U.,  von  Nordost  nach  Südwest  (Münchener  Fremden- 
blatt, 1889,  Nr.  9,  S.  5)  (vergl.  auch  Bad.  Landeszeit.,  1889,  Nr.  9, 
Bl.  1,  Karlsruher  Zeit.,  1889,  Nr.  10);  Albbruck  (Bad.  Landesz., 
1889,  Nr.  8,  Bl.  1);  Hohenfels  im  Albthale  bei  Buch  (ebenda); 
Uehlingen,  Amt  Bonndorf,  von  Südost  nach  Nordwest  (Bad.  Lan- 
desz., 1889,  Nr.  9,  Bl.  1);  Reichenau,  kurz  nach  12  Uhr,  von 
West  nach  Ost  (Bad.  Landesz.,  1889,  Nr.  9,  Bl.  1);  Markdorf, 
etwas  vor  1  Uhr  [?]  (Deutsches  Volksblatt,  1889,  Nr.  9);  im  Alb- 
thal (Schwarzwälder  Bote,  1889,  Nr.  11);  in  der  Gegend  von  Todt- 
nau  (ebenda);  in  Ueberlingen  (ebenda);  Menningen  bei  Mess- 
kirch (ebenda). 

Nicht  beobachtet  wurde  dasselbe  in  Engen  und  Amtsbezirk 
(Posthalter  Munding),  Donaueschingen  und  Umgegend  (Domänen- 
rat Hopfgartner). 

c)  In  der  Schweiz  wurde  dasselbe  wahrgenommen  in: 
Frauenfeld  11  ü.  54  M.  (Schwäbischer  Merkur,  1889,  Nr.  8, 

S.  60,  Der  Bund,  1889,  Nr.  8);  Ermatingen  (Bad.  Landesz.,  1889, 
Nr.  9,  Bl.  1);  Berlin  gen  (ebenda);  Aarau,  Küttigen  und  Bi- 
berstein unmittelbar  vor  12  U.  mittags  (Der  Bund,  1889,  Nr.  11); 
Wattenwyl  (Bern)  11  U.  53  M.  (Bund,  1889,  Nr.  7);  Zürich 
8  M.  vor  12  U.  (Neue  Zürcher  Zeit.,  1889,  Nr.  8,  Bl.  2),  einige 
Minuten  vor  12  U. ,  von  SO  nach  NW  oder  von  N  nach  S  (Neue 
Zürcher  Zeit.,  1889,  Nr.  9,  Bh  2);  Wattwyl  12  ü.  15  M.  (ebenda); 
Wyl  (ebenda);  St.  Gallen  5|  M.  vor  12  ü.  Telegraphenzeit  (ebenda), 
10  M.  vor  12  U.  (Neue  Zürcher  Zeit.,  1889,  Nr.  9,  Bl.  1),  etwa 
4  M.  vor  12  Uhr,  genau  von  S  nach  N  (Die  Presse,   1889,  Nr.   10, 


—     356     — 

S.  3);  Tablat  (Neue  Zürcher  Zeit.,  1889,  Nr.  9,  Bl.  1);  Herisau 
(ebenda);  Zug,  etwa  um  12  ü.  (ebenda);  Bülach,  kurz  vor  12  U. 
(Neue  Zürcher  Zeit.,  1889,  Nr.  10,  Bl.  1);  Bauma,  5  M.  vor  12  U., 
von  SW  nach  NO  (ebenda);  Kreuzungen,  5  M.  vor  12  ü.  (ebenda); 
Emmishofen  (ebenda);  Sontersweil  (ebenda)  ;  Matt  weil  (ebenda); 
And  weil  (ebenda);  Berg  (ebenda;  Bund,  1889,  Nr.  9) ;  Mauren, 
einige  Minuten  vor  12  ü.  (ebenda);  Engishofen,  5M.  vor  12  U. 
(ebenda);  Oberhard  (ebenda);  Am  risw  eil  (ebenda) ;  Bischofs- 
zeil (ebenda);  Amlikon  (ebenda);  Oberbussnang  (ebenda); 
Mettlendorf  (ebenda);  Mett«len,  kurz  vor  12  U.  (ebenda;  Bund, 
1889,  Nr.  9);  Hosenrugg  (ebenda);  Wetzikon  (ebenda);  Hutzen- 
weil  bei  Aawangen  (ebenda);  Eschlikon  (ebenda);  Unterägeri 
(ebenda);  Wil  d  egg  (ebenda) :  Toggenburg  (Schwarzwälder  Bote, 
1889,  Nr.  10,  Beil.);  Glarus  (ebenda);  Flawyl  (ebenda);  Ror- 
schach  (Württ.  Landeszeit.,  1889,  Nr.  9,  S.  4);  Münch weilen 
(Bund,  1889,  Nr.  10);  Oberhofen  (südöstlich  von  Kreuzhngen), 
(ebenda);  Lichtensteig  (Bund,  1889,  Nr.  9);  N ollen  (ebenda); 
Sulgen  (ebenda);  Seh  äff  hausen  (Schwäbischer  Merkur,  1889, 
Nr.  14,  S.  107);  Kanton  Appenzell  (Bund,  1889,  Nr.  9). 

Eine  nähere  Beurteilung  des  Bebens  wird  erst  nach  Veröffent- 
lichung der  an  die  schweizerische  und  badische  Erdbebenkommission 
erstatteten  Berichte  möglich  sein.  Nach  den  bisher  vorhegenden 
Mitteilungen  wurde  die  Erschütterung  innerhalb  eines  Flächenraums 
beobachtet,  an  dessen  Grenzen  der  Kanton  Glarus,  der  Kanton  Appen- 
zell, Rorschach,  Friedrichshafen,  Wolfegg,  Biberach,  Laupheim,  Ulm, 
Burgstall,  Stuttgart,  Tübingen,  Menningen  bei  Messkirch,  Schaffhausen, 
Uehlingen  südlich  von  Bonndorf,  Todtnau,  Albbruck,  Aarau,  Wattenwyl 
(Bern)  und  Aegeri  bei  Zug  gelegen  sind.  Sie  wurde  fast  allgemein  wahr- 
genommen in  den  Kantonen  Glarus,  Appenzell,  St.  Gallen  und  Thur- 
gau,  und  zwar  am  stärksten  in  Orten  auf  einer  etwa  südnördlich 
laufenden  Linie  von  Glarus  nach  Kreuzungen  bei  Konstanz,  nämlich 
in  Wattwyl,  Lichtensteig,  Toggenburg,  Flawyl,  Nollen,  Sulgen,  Engis- 
hofen, Berg  ^.  Von  diesem  ostschweizerischen  Gebiete,  den  nördlichen 
Nebenzonen  der  Alpen,  hat  sich  das  Beben  mit  abnehmender  Stärke 
nach  Westsüdwest,  Nordwest,  Nord  und  Nordnordost  fortgepflanzt; 
südsüdwestlich  (im  Streichen  der  Alpen)  nach  Zug,  Unterägeri,  selbst 
Wattenwyl  (westlich  von  Thun),  nordwestlich  nach  Zürich,  Aarau, 
Küttigen,    Biberstein,  Wildegg,  Schaffhausen,  Albbruck,  Hohenfels, 


*  Nach  der  Thurgauer  Zeitung  im  Bund,  1889,  Nr.  9. 


—     357     — 

Uehlingen  bis  in  die  Gegend  von  Todtnau.  Nicht  mehr  beobachtet 
wurde  dasselbe  in  Engen,  Donaueschingen,  Tuttlingen,  Rottweil,  Obern- 
dorf und  Umgegend,  Horb,  Teina'ch.  Im  Norden  und  Nordnordosten 
wurden  erschüttert  in  Baden  Reichenau,  Konstanz,  Ueberlingen,  Mark- 
dorf, Henningen  bei  Messkirch;  in  Württemberg  Friedrichshafen, 
Wolfegg,  Waldsee,  Königseggwald,  das  Steinhauser  Ried,  Buchau, 
Biberach ,  Warthausen ,  Oberstadion ,  Laupheim,  Ulm,  Hundersingen, 
Urach,  Tübingen,  Hohenheim,  Esslingen,  Stuttgart,  Burgstall;  aus  dem 
dazwischen  gelegenen  hohenzollernschen  Gebiete  fehlen  Nachrichten. 
In  der  Verlängerung  der  Linie  stärkster  Erschütterung,  Glarus — Kon- 
stanz, ist  letztere  auch  am  weitesten  nach  Norden  vorgedrungen; 
hier  liegen  Ueberlingen,  Henningen,  Tübingen,  Urach.  Hohenheim, 
Esslingen,  Stuttgart,  Burgstall.  Nicht  mehr  wahrgenommen  wurde 
das  Beben  in  Wangen,  Isny,  Kisslegg,  Leutkirch,  Schloss  Zeil,  Ochsen- 
hausen, Erolzheim,  Schwendi,  Wain,  Gingen  a.  d.  Brenz,  Heidenheim, 
Gerstetten,  Geislingen,  Wiesensteig,  im  Remsthal  von  Fellbach  auf- 
wärts, in  Heilbronn  und  Maulbronn. 

In  Württemberg  war  die  Erschütterung  (ausser  in  Wolfegg) 
nur  schwach;  sie  wurde  nur  von  einzelnen,  und  zwar  solchen  Per- 
sonen wahrgenommen,  welche  (lesend,  schreibend  u.  s.  w.)  ruhig  sassen 
oder  standen  oder  in  höheren  Stockwerken  der  Gebäude  bezw.  auf 
einem  Turme  sich  befanden.  Es  lässt  sich  daher  nicht  beurteilen, 
ob  dieselbe  in  Obertheuringen,  Ravensburg,  Zogenweiler,  Wilhelms- 
dorf, Saulgau,  Hunderkingen,  Herbertingen  und  namenthch  in  Scheer. 
Sigmaringen,  Winterlingen,  Ehingen,  Bernloch,  Gächingen,  Gross- 
Engstingen,  Reutlingen,  Waidenbuch  und  Böblingen  nicht  beobachtet 
wurde,  weil  diese  Orte  überhaupt  nicht  erschüttert  wurden,  oder  weil 
die  Umstände  eine  Beobachtung  nicht  gestatteten.  Hierzu  ist  die 
Zahl  der  vorhegenden  Berichte  nicht  gross  genug. 

Von  den  im  Erschütterungsgebiete  verteilten  v.  LASAüLx'schen 
Seismochronographen  hat  keiner  funktioniert.  Die  im  Realgymnasium 
in  Stuttgart  aufgestellten  Seismometer  ergaben  nach  Herrn  Prof. 
A.  Schmidt,  „dass  der  Boden  des  Souterrains  des  Realgymnasiums 
bei  dem  Beben  vom  7.  Januar  eine  vertikale  Erschütterungsampli- 
tude von  I  mm  und  eine  nahe  südnördliche  Erschütterungsamplitude 
von  \ — ^  mm  gezeigt  hat."  Von  den  vorhegenden  Zeitbestimmungen 
sind  als  zuverlässigere  wohl  nur  anzusehen  diejenigen  von  St.  Gallen, 

11  U.   54  H.  30  S.    Telegraphenzeit   (Berner   Zeit),    von   Stuttgart, 

12  U.  2|— 3i  M.,  von  Warthausen,  12  U.  3  H.  Der  Zeitunterschied 
zwischen  dem  Eintreten  der  Erschütterung  in  St.  Gallen  und   dem- 


--     358     — 

jenigen  in  Stuttgart  und  Warthausen  würde  hiernach  etwa  1t] — 2 
bezw.  lo  Min.  betragen  haben.  Da  die  Entfernung  zwischen  St.  Gallen 
und  Warthausen  etwa  11^  geogr.  Meilen,  zwischen  St.  Gallen  und 
Stuttgart  etwa  21^  geogr.  Meilen  ist,  so  würde,  wenn  die  Fortpflan- 
zung horizontal  erfolgt  wäre ,  die  mittlere  Oberflächen-Geschwindig- 
keit nach  Warthausen  durch  lockere  tertiäre  und  diluviale  Gesteine 
hindurch  etwa  7,5  geogr.  Meilen,  nach  Stuttgart  vorherrschend  durch 
festere  ältere  Gesteine  hindurch  etwa  14  geogr.  Meilen  in  der  Minute 
betragen  haben,  etwa  900  bezw.  1700  m  in  der  Sekunde  (bei  der 
Annahme  von  12  U.  3,5  M.  für  Stuttgart  würde  sich  die  letztere 
Zahl  auf  etwa  1300  m  reduzieren). 

Als  Richtungen  der  Bewegung  werden  angegeben  in  St.  Gallen 
genau  S  — N,  Zürich  SO  -  NW  (oder  S  — N),  Uehlingen  SO  — NW, 
Konstanz  SW — NO  (oder  hier  und  in  Reichenau  W — 0),  in  Stutt- 
gart und  Hohenheim  S — N,  in  Hundersingen  von  der  S — N-Linie 
nach  West  abweichend,  in  Laupheim  und  Warthausen  SW — NO,  in 
Tübingen  und  Esslingen  SW — NO,  in  Ulm,  Waldsee,  Wolfegg,  Buchau, 
Königseggwald  W — 0,  in  Biberach  und  Burgstall  SO — NW,  in  Bauma 
SW — NO.  Die  ersteren  weisen  gleichfalls  auf  die  Ostschweiz  als 
Ausgangsgebiet  der  Erschütterung  hin.  Hier  ist  in  den  nördlichen 
Nebenketten  der  Alpen  das  epizentrale  Gebiet  zu  suchen. 

28.  Januar.  Stuttgart.  Gestern  früh  7  Uhr  29  Min.  fand 
hier  ein  Erdbeben  statt.  Dasselbe  bestand  in  einer  etwa  3  Sekunden 
langen,  scheinbar  horizontalen,  rüttelnden  Bewegung,  welcher  nach 
etwa  1  Sekunde  noch  ein  zweiter,  kürzerer  Stoss  in  gleicher  Rich- 
tung nachfolgte.  (Schwäbische  Kronik,  1889,  29.  Januar,  Nr.  24, 
S.  175.) 

Da  eine  Bestätigung  dieser  Angabe  von  keiner  Seite  einging, 
wird  man  berechtigt  sein,  sie  als  zweifelhaft  zu  betraciiten. 


Beitrag  zur  Kenntnis  der  pleistoeänen  Fauna  Ober- 

sehwabens. 

Von  Reg.-Baumeister  Dittus,  fürstl.  Baumeister  in  Kisslegg. 

Im  Jahrgange  1885  S.  306  ff.  dieser  Hefte  wurden  10  Spezies 
Schnecken  und  Muscheln  aufgeführt,  welche  sich  im  Kochermoos  bei 
Kisslegg  in  der  obersten  Schicht  des  unmittelbar  unter  dem  Torfe 
lagernden  pleistoeänen  (postglacialen)  Lehmes  vorgefunden  haben. 
Trotz  der  alljährlich  ziemlich  ausgedehnten  Torf-  und  Lehmgewinnung 
zeigten  sich  in  der  Folge  keine  weiteren  Spezies. 

Dagegen  stiess  man  bei  der  Torfgewinnung  im  nordöstlich  da- 
von gelegenen  Burgermoos  (Name  von  Parzelle  „Burg"  herrührend), 
welches  vom  Kochermoos  nur  durch  eine  schmale,  niedrige,  aus  sehr 
charakteristischem  Grundmoränenmateriel  bestehende  und  viele  ge- 
kritzte  Gletschergeschiebe  enthaltende  Terrainwelle  getrennt  ist,  unter 
dem  Torf,  aber  in  einer  Tiefe  von  nur  1,5  m  bis  2  m  auf  eine 
ähnliche  lössartige  Lehmschicht,  welche  wieder  eine  grosse  Anzahl 
Schnecken  und  Muscheln  in  sich  barg. 

Es  kamen  darin  sämtHche  10  Spezies  des  Kochermooses  vor, 
annähernd  auch  in  dem  gleichen  Mengenverhältnis;  eine  Ausnahme 
macht  nur  Bythinia  tentaculata^  welche  im  Kochermoos  hier  unge- 
mein häufig  ist. 

Ausserdem  haben  sich  an  diesem  Fundplatze  nun  noch  weitere 
4  Spezies  ergeben,  welche  ebenfalls  von  Prof.  v,  Sandberger  in  Würz- 
burg untersucht  und  bestimmt  wurden. 

Es  sind  dies  folgende  Gasteropoden : 

Planorhis  marginatus,  häufig  im  Burgermoos,  sowohl  in  un- 
ausgewachsenen kleinen  Exemplaren  von  5  mm  Durchmesser  wie  in 
grösseren  von  10 — 12  mm  Durchmesser  vorkommend. 

Planorhis  contortus,  selten,  4  mm  Durchmesser,  1,2  mm  lang. 

Planorhis  rotundafus  Poiret,  selten,  4  mm  Durchmesser, 
1,2  mm  lang. 


—     360     — 

Flanorhis  fontanus  Lightfoot,  2  mm  Durchmesser  und  0,6  mm 
lang,  sehr  selten  und  mit  dem  Plan,  riparius  leicht  zu  verwechseln. 

Auch  hier  Hessen  sich  bis  jetzt  Pupen  noch  nicht  entdecken, 
ebensowenig  Pflanzenabdrücke,  und  sind  deshalb  die  im  Aufsatze  von 
1885  gemachten  Bemerkungen  über  Bildungsweise  und  Alter  der 
Lehmablagerung  durchgehends  zutreffend. 

Untersucht  man  nun  die  im  Kocher-  und  Burgermoos  vor- 
kommenden 14  Spezies  nach  ihrem  heutigen  Vorkommen,  so  er- 
gibt sich  folgende  Zusammenstellung : 

An  Ufern  :   Succinea  Pfeif eri. 

In  Gräben  und  langsam  fliessenden  Wassern :  Limnaeus  pereyer, 
Byth.  tentaculata,  Pisiä.  ohtusale,   Sphaerium  corneum. 

In  langsam  fliessenden  Wassern :  Limn.  aiiricidarius,  stagnalis, 
Plan,  albus,  marginatus,  contortus,  rotundatus^  fontanus. 

In  Seen:    Valvata  contorta,  alpestris. 

Aus  der  grösseren  oder  geringeren  Häufigkeit  des  Auftretens 
und  nach  der  Verteilung  in  den  pleistocänen  Fundplätzen  lässt  sich 
schliessen,  dass  diese  Schnecken  und  Muscheln  so  ziemlich  die  gleichen 
Wohnplätze  aufgesucht  haben  wie  die  rezenten. 

Aus  dem  ungemein  häufigen  Auftreten  des  Pisid.  ohtusale  an 
allen  Orten,  auch  in  den  tiefsten  Stellen  der  Gletscherschlammtümpel 
ist  sodann  zu  schliessen,  dass  letztere  nicht  immer  ruhiges  Wasser, 
sondern  öfters  und  abwechselungsweise  auch  langsam  fliessende  Wasser 
hatten;  denn  eine  Anschwemmung  aus  den  einmündenden  Gräben 
würde  allein  diese  grosse  Verbreitung  nicht  erklären  können. 

Es  ist  aber  auch  nicht  anders  anzunehmen,  als  dass  nach  Zu- 
rückziehen des  letzten  Gletschers  die  meist  nur  durch  unbefestigte 
Ufer  begrenzten  oder  durch  schlammige  Moränewälle  abgeteilten 
stagnierenden  Wasser  bei  der  durch  verschiedene  Ursachen  jeweilig 
vergrösserten  Wasserzufuhr  ausgerissen  haben  und  dass  dann  zeit- 
weise an  Stelle  der  Tümpel  langsam  fliessendes  Wasser  getreten  ist. 

Von  den  oben  angegebenen  4  Spezies  aus  dem  Burgermoos 
sind  bis  jetzt  fossil  noch  nicht  gefunden  und  deshalb  neu  für  Würt- 
temberg (vergl.  Dr.  Engel's  geognost.  Wegweiser) :  Plan,  contortus^ 
rotundatus  Poiret,  fontanus  Lightfoot. 


Beiträge  zur  Fauna  der  Umgebung  von  Tübingen. 

Von  Dr.  O.  Fickert. 
(Aus  der  zoologischen  Anstalt  in  Tübingen.) 

Die  nachfolgenden  Zeilen  bezwecken,  von  dem  Vorkommen  ein- 
zelner seltenerer  Tiere  in  der  hiesigen  Umgegend  Kunde  zu  geben. 
Wenn  dieselben  auch  bis  auf  zwei  Ausnahmen  schon  für  die  würt- 
tembergische Fauna  bekannt  waren,  so  sind  doch  meist  nur  wenige 
Fundorte  von  ihnen  bekannt  und  dürfte  deshalb  jede  Erweiterung 
der  Kenntnis  über  ihre  Verbreitung  von  Interesse  sein.  Namentlich 
gilt  dies  von  einer  Anzahl  Sumpf-  uud  Schwimmvögel,  welche  aller- 
dings schon  vor  längerer  Zeit  meist  am  Buzer  See  bei  Bodelshausen 
erlegt  worden  und  aus  der  Sammlung  des  verstorbenen  Forstverwal- 
ters Jaag  in  Rottenburg  in  die  hiesige  Sammlung  übergegangen  sind. 
In  Nomenklatur  und  Reihenfolge  habe  ich  mich  an  die  Übersicht 
über  das  Tierreich  gehalten,  welche  im  „Königreich' Württemberg" 
I.  Teil,  S.  481  u.  ff.  gegeben  ist. 

1.   Oedicnemus  c repitans  Temm. 

Ein  Stück  (JAACx'sche  Sammlung)  wurde  auf  dem  Nehrener  Feld 

1856  von    einem  Raubvogel   geschlagen   und   diesem    abgejagt,    ein 

zweites  1878  auf  der  Waldhausener  Höhe   bei  Tübingen   von  Herrn 

Link  in  Waldhausen  erlegt  und  an  die  hiesige  Sammlung  abgegeben. 

2.   Totanus  fuscus  L. 

Buzer  See  bei  Bodelshausen  1852  (JAACx'sche  Sammlung). 

3.   Tringa  snbarquata  Güldenst. 

'    Zwei  Stück  vom  Buzer  See  1851  (JAAG'sche  Sammlung). 

4.  Bernicla  brenta  Pall. 

Von  diesem  nach  Süddeutschland  immerhin  selten  gelangenden 

Vogel  wurde  am  14.  November  1887  ein  Weibchen  von  einem  Fischer 

23* 


—     362     — 

im  Neckar  bei  Kirchentellinsfurt  mit  der  Ruderstange  erschlagen  und 
auf  die  hiesige  zoologische  Anstalt  gebracht.  Ein  weiteres  angeblich 
bei  Rottenburg  am  Neckar  erlegtes  Männchen  befindet  sich  gleich- 
falls in  der  hiesigen  Sammlung;  die  vaterländische  Sammlung  in 
Stuttgart  besitzt,  wie  mir  Herr  Oberstudienrat  Dr.  v.  Krauss  freund- 
lichst mitteilt,  Bernicla  hrenta  von  Neckardenzlingen  (1849),  Leon- 
berg (1859),  Neuhausen  (1875)  und  Itzelberger  See  (1888).  Es  ist 
auffallend,  dass  sich  das  ersterwähnte  Weibchen  schon  so  verhältnis- 
mässig früh  vor  Eintritt  des  eigentlichen  Winters  hierher  verirrt  hat, 

5.  Oedemia  nigra  L. 

Ein  Weibchen  aus  der  JAAG'schen  Sammlung  1850  auf  dem 
Buzer  See  geschossen.  Nach  der  Zusammenstellung  im  „Königreich 
Württemberg"  wurde  ein  Männchen  im  März  1852  bei  Neckar weihin- 
gen  erlegt. 

6.  Sterna  mlnuta  L. 

Ein  Weibchen  aus  der  JAAG'schen  Sammlung.  Dasselbe  wurde 
am  5.  Mai  1840  von  einem  gewissen  Hohmaier  am  Buzer  See  ge- 
schossen.    Für  Württemberg  bisher  nicht  bekannt  gewesen. 

7.  Larus  camcs  L. 
Ein  Stück   aus    der  JAAG'schen   Sammlung   laut  Aufschrift   am 
20.  Mai  1840  von  einem  gevdssen  Meyer  am  Buzer  See  erlegt. 

8.  Lestris  pomarina  Temm. 
Ein   Stück   aus   der   JAAG'schen   Sammlung    1850    beim    Buzer 
See  erlegt. 

9.   Colymhus  arcticus  L. 

Ein  Stück  in  der  Tübinger  Sammlung  1845  bei  Blitzenreuthe  erlegt. 
10.  Colymhus  septentrionalis  L. 

Von  drei  württembergischen  Stücken  der  Sammlung  ist  eines 
im  November  1848  bei  Tübingen  erlegt  worden,  ein  zweites  1850 
bei  Bodelshausen  (JAAG'sche  Sammlung),  das  dritte  am  5.  Dezember 
1879  bei  Kilchberg.  Ein  viertes  noch  nicht  eingereihtes  Stück  wurde 
am  8.  Januar  d.  J.  bei  Langenargen  an  einer  Hechtangel,  nach  deren 
Köderfisch  es  getaucht  hatte ,  gefangen ,  kam  lebend  hierher  nach 
Tübingen  und  hielt  sich  im  Zimmer  bis  zum  25.  Januar,  wo  es  einer 
akut  verlaufenden  Lungenentzündung  erlag.  Schon  am  dritten  Tage 
nahm  der  Nordseetaucher  lebende  Fische  aus  der  Hand  und  tauchte 
später  in  einem  grösseren  Waschbottich  nach  ihm  hineingeworfenen. 


-     363     - 

Sein  tägliches  Nahrungsbedürfnis  belief  sich    auf  etwa  16    spannen- 
lange Fischchen. 

11.  Lacerta  muralis  Laur. 
Vor  neun  Jahren  wurden  von  Herrn  Prof.  Dr.  Eimer  in  seinem 
Garten  eine  Anzahl  aus  Bozen  stammende  Mauereidechsen  ausgesetzt, 
welche  sich  dort  vollkommen  eingebürgert  und  auch  vermehrt  haben  ^ 
Dieselben  haben  .sich  schon  über  die  ganze  Neckarhalde  verbreitet. 
Mit  Lacerfa  viridis  Daud.  schlug  der  gleiche  Versuch  fehl. 

12.  Tel  est  es  Agassi  sii  Heck. 
Dieser  überall,  wo  er  vorkommt,  als  selten  bezeichnete  Fisch, 
scheint  bei  Tübingen  im  Neckar  derartig  günstige  Ernährungs-  und 
Fortpflanzungsbedingungen  gefunden  zu  haben,  dass  er  hier  der  bei 
weitem  häufigste  Fisch  ist,  gegen  welchen  sowohl  Alburnus  lucidus 
Heck,  als  auch  Squalius  leuciscus  L.  an  Zahl  sehr  zurücktreten. 
Grössere  Stücke  (sie  erreichen  eine  Länge  von  über  20  cm)  erinnern 
durch  ihre  sehr  unterständige  Mundspalte  an  die  Nase  (Chondrostoma 
nasKs),  mit  welcher  sie  auch  das  schwarze  Bauchfell  gemein  haben. 

13.  Hadena  rubrirc n a  Tr.  var.    He rcyn i a  e  Stdgr. 

Von  dieser  bisher  nur  aus  dem  Harz  bekannten  Abart  wurden 
vor  etwa  drei  Jahren  3  Stück  im  Schönbuch  in  der  Nähe  von  Tü- 
bingen auf  dem  Anstrich  von  Herrn  Metzger  Roll  jr,  von  hier  gefangen. 
Die  Stammform  kommt  in  den  Alpen ,  auf  den  Sudeten  und  in  Un- 
garn vor ;  von  ihr  unterscheidet  sich  die  Varietät  durch  schwärzliche 
Grundfarbe,  von  welcher  sich  die  weisse  Zeichnung  scharf  abhebt. 
Soviel  mir  bekannt,  ist  das  Tier  für  Württemberg  neu. 

14.  Apiis  cancriformis  Schaeff. 
Dieser  nur  an  wenigen  Fundstellen    in  Württemberg   bis   jetzt 
beobachtete  Krebs  erschien  nach  längerem  Regenwetter  plötzlich  im 
Juni  1886  in  Tümpeln  einer  Lehmgrube  bei  Kusterdingen.    Mit  ihm 
zusammen  fand  sich 

15.  Branchipus  pisciformis  Schaeff. 
Dieser  schöne  Krebs ,  welcher  bisher  nur  von  Winnenthal  be- 
kannt war,  kommt  nach  meinen  Beobachtungen  immer  derart  mit 
Apus  zusammen  vor,  dass  man  zwar  Branchipus  allein  finden  kann, 
nicht  aber  Apus.  Die  letzteren  scheinen  in  den  Branchipus  ihre 
Hauptnahrung  zu  haben,  wenigstens  sind,  wenn  man  beide  nur  eine 


'  Vergl.  hierzu  Jahreshefte  für  1883.  S.  111. 


—     364     — 

Nacht  zusammen  in  einem  Gefäss  hält,  am  andern  Morgen  sämtliche 
Br anchiiMS  Yevschwnnden  ;  daher  mag  es  auch  kommen,  dass  Branchi- 
ims  häufig  übersehen  wird.  Auffallend  ist  mir  das  späte  Auftreten 
beider  Krebse  im  Gegensatz  zu  dem  Verhalten,  welches  ich  bei 
Breslau  kennen  gelernt  habe :  dort  erschienen  beide  schon  im  ersten 
Frühjahr,  um  etwa  mit  Ende  Mai  wieder  zu  verschwinden.  Ausser- 
dem fanden  sich  dort  beide  regelmässig  jedes  Jahr,  während  hier 
das  Auftreten  der  Tiere  von  ganz  besonders  günstigen  Witterungs- 
verhältnissen abzuhängen  scheint.  Während  die  Brauchipus  in  den 
meisten  Tümpeln  fast  durchsichtig  mit  bläulichgrünem  Schimmer 
waren,  zeigten  sie  sich  in  einem  benachbarten,  wie  es  schien,  erst 
frisch  ausgehobenen  Loche  (dasselbe  war  ohne  jede  Vegetation)  ganz 
milchweiss,  undurchsichtig,  die  Weibchen  mit  prachtvoll  lasurblauem 
Eiersack.  Das  Wasser  in  dem  betreffenden  Tümpel  war  vollkommen 
undurchsichtig,  lehmgelb,  so  dass  den  Branrhiptts  also  durch  ihre 
auffallende  Färbung  keinerlei  Gefahr  drohte;  die  Äpus  desselben 
Tümpels  zeigten    keinerlei  Verschiedenheit  von    denen   der   übrigen. 

16.  Alcyonella  (Blumatella)  fungosa  Fall. 
Die  bisher  nur  aus  einem  Weiher  bei  Pfullendorf  und  aus  dem 
Neckar  bei  Heilbronn  bekannte  Bryozoe  fand  unser  Präparator  Herr 
Förster  in  stattlichen  Kolonien  in  dem  unterhalb  von  Altenburg  ge- 
legenen Altwasser  des  Neckar.  Stöcke  von  15 — 20  cm  Länge  und 
mehreren  Centimetern  Dicke  gehören  dort  nicht  zu  den  Seltenheiten. 
Ein  interessantes  Stück ,  welches  oben  von  Alcyonella ,  unten  von 
Spongilla  fluviatüis  L.  gebildet  wurde ,  findet  sich  in  der  hiesigen 
Sammlung.  Die  Stöcke  von  Alcyonella  lassen  sich  leicht  mit  aus- 
gestreckten Tieren  konservieren,  wenn  man  dieselben  vorsichtig  mit 
Chlorhydrat  langsam  betäubt  und  dann  mit  etwa  öC/q  Alkohol  ab- 
tötet. Die  so  erhaltenen  Präparate  lassen  sich  auch  für  mikro- 
skopische Untersuchung  verwenden. 


Druckfehler. 

S.  160  Z.  2  V.  u.  statt  14.  Mai  —  März  und  statt  12.  März  —  Mai. 

S.  167  Z.  17  V.  u.  statt  einer  —  eine. 

S.  181  Z.  18  V.  u.  statt  GO  —  GR. 

S.  207  Z.  7  V,  0.  nach  Warthausen  —  ; 

S.  260  Z.  16  V.  0.  statt  Kopf  —  Kropf. 


»-3 
er 
(=1 


JaKreshefted.Yer.f.Yalepl.Nalurli.inWüFtt.1889. 


Taf.m. 


^ijr^t^-:-  r^ 


"^^^^l^^^^^^lißi^f^^-^ 


a. 


4. 
"b. 

A 


Gez.  von  E  Zeller. 


Lilh  Ansl  V  EbenhusenJEckslein  Slutigart 


li     Jahreshefte  d.  Ver.  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.  1! 


Taf.  IV. 


Loliginites  Zitteli  Eb.  Fraas. 


Jahreshefte  d.  Ver.  f.  vaterl.  Naturkunde  in  Württ.  1889. 


Taf.  V. 


t>  4fi 


a.  b. 


muf^^ 


^4^^ 


Jalmsh.d.fkf.üatfrl.  }ialnrh  m  WüriUW. 

0 

'/A\ 


Fia.lO. 


n^.ii. 


h 

— p^- 

-^ 

^ 

p^ 

p 

^ 

^ 

^ 

L^uzc    (lei. 


Liili  Jnst  V.  A  Rcnvif  .Bonn 


Jahirsh(i.\kfvnl('rl.  Sainrk  in  ¥ürU.lSS9. 


lös 


Leuze,    t/t-?. 


l.iii}  Jn^i.  V  .1  Jlfunj ,  Koiifi 


JahpeshefledVer.fvaleri.Natupk  mWurtt  1889 


Taf.VUl 


^IS 


Verbreitiingsgeljiel  des  Erdkbens 
vom  T.clanuar 


mOrlc.  in  welchen  tlief-.'iwc/iiiltentn//  brohiiclilel immle, 
O  Oiie.üi  ii'dclieii  sie  itulit  beohacldel  miinte. 


lein  mit  o 


.SluUiiiifl  ^  Felllun-I,   p 

C'enii/ 
IMienliriiii  •  ,,*\       "teilen 
J..':.':\iiuieri 

Itöliliiiiiat  O 

0\Viihleiil)iir/i 

Tiibint)en         I 

oll  ort)       Heilt  liiuicn    O  >      ^,-       , 

■'  ,     •'  '■"'''' 

0(/iieliiiii/pn 


iVirsenstei/i 


OerMetten 
Cieixlmifen 


Orolxmffstinffen  q 
Ticrnlocli  O 


•l'lm 


%'lwuU 


cr.vinifen 


Khimieii 

oMnitiocil  '     °        ,„.  ,    ,     J 

0\l  niier/iiir/en 


Siepiirtrinrjen  O    '^g''?''' 
Tuttlincßii 


fJerOrrIcjii . 
Menninijh,  p  ■•itemhm. 


.  M'iiuterl.int/eii       #Z  unpheini 
Oli.TStadwri*  sehwewti  ^'„i„ 
%\\'iiiiliiiuxen 
Biiehau    •ßihenicli 


JCrflhJiojn. 
OchsenJuiiism 


/■jii/en 


\    Konif/xei/ffwa/d 
\\;ihcl,ns,lorl'Q 


Sduiß'han.'ien 


W'olilxec 
U'iuxtir/t    oZeil 

OLeiitkireh 


Bültichi 


Zmiairireilei 
•lcherli\ic,en        '      «'"l'-W 
•  lieichewui     Marld^-r^  OHnvenshure)  ^^«•^'/W/ 

ßerliniienm      Kmuiliwfm  Ob.Tlieimnqeii  '  , 

KMiho,r^M      l%*JJlff-¥:'-'l  •llorxehaeh 
''  ,  ■  T(tJ>I(il 

Biuniui ^  fliDi'ifl*  ■'^tliriUi'/\9* 

Tnifi/erii.^  *lleri,s,ni 

JlkuV.Mi  •  •J.irklenst       \ 

Wallmiil*  '      •■>/'/"■'•■■'■" 


Ulli  Antl  1  Ebenhusei  i  Ecktlein  Slulltart 


3  2044   106  260  524 


%' 


**  - ..        ^ 


r#^ 


% 


<^