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Full text of "Japanische Dramen; Terakoya und Asagao"

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{japanische  Dramen 
tFerakotjia 

und 

^sagao 

tibertragen,    von 

Prof.  ©r.  Karl  Florenz. 


Zureite  Auflage. 


C  F.  Ämelangs  ^J'crlag,  Iieifizig, 
V.  Masegaoja,  Vok^o. 


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Mt  Kecl)te  UcrbeDaltcn 

^  i-p   =rt    ^    -^ 


Druck.  Illustrationen  u.Papier 

von 

T.  HASEGAWA, 

10    HlYOSHICHO, 
TOKYO. 


FtB  2  ^  v^ 


öie  DOKFSCHUL£ 

1 N  &I  NCM  AKT. 


Jinfü|rutt0» 


Terakoya  oder  ,,Die  Dorlschule,"  ist  der  Hauptakt  des  histori 
sehen  Trauerspiels  Sugawara  Denju  Tenarai  Ragami  „Spiegel  der 
vom  Kanzler  Sugawara  überlieferten  Schönschreibekunst" — ein  phan- 
tastischer Titel,  wie  ihn  die  japanischen  Dramatiker  ihren  Stücken  zu 
geben  belieben.  Vier  Verfasser  haben  daran  gearbeitet,  nämlich  der 
bekannte  Schauspieldichter  Takeda  Izumo  (  +  1740)  und  drei  Genos- 
sen. Das  Stück  wird  zwar  auch  als  Ganzes  ziemlich  häufig  aufgeführt ; 
besonders  beliebt  aber  ist  der  Akt  Terakoya,  der  Glanzpunkt  des 
Schauspiels,  der  deshalb  überaus  ott  für  sich  allein  zur  Aufführung 
gelangt.  Bei  einigermassen  gut  besetzten  Rollen  der  Hauptpersonen 
verfehlt  er  nie  die  gewaltigste  Wirkung  auf  das  Publikum ;  eine  Mus- 
terdarstellung aber  mit  den  berühmten  Schauspielern  Danjurö  und  Kiku- 
goro  in  den  Hauptrollen  (Matsuö  und  Genzö)  gehört  zu  dem  Er- 
schütterndsten, was  je  eine  Bühne  der  Welt  geboten  hat.  Kein  Auge 
bleibt  dann  trocken,  auch  Europäer  werden  davon  tief  ergriffen.  Denn 
wie   sehr   der  bis   auf  die   äusserste    Spitze  getriebene    Opfermut  der 


Vasallentreue  in  seiner  fast  grotesken  Wildheit  unsere  feineren  Gefühle 
auch  verletzen  mag,  so  können  wir  doch  vor  der  packenden  Tragik 
der  Handlung,  vor  dem  fanatischen  Heroismus  der  Charaktere  unser 
mitfühlendes  Herz  nicht  verschliesscn.  Um  so  weniger,  als  auch  uns  aus 
unserer  deutschen  Vergangenheit,  zumal  aus  dem  Nibelungenlied,  ähn- 
liche Anschauungen  von  Vasallentreue  nicht  unbekannt  sind. 

Einige  kurze  Bemerkungen  mögen  das  Verständnis  des  Stückes 
vermitteln.  Gegen  das  Ende  des  neunten  Jahrhunderts  lebte  am 
Kaiserlichen  Hofe  zu  Kyoto  einer  der  berühmtesten  Dichter  und  Kal- 
ligraphen Japans,  Sitgawara  Mickizane^  der  zweite  Kanzler  (Kanzler 
zur  Rechten)  des  Reiches.  Skiratayu,  ein  Pächter  auf  einem  der 
Bauerngüter  Micliizane's,  der  von  seinem  Herrn  immer  mit  Freundlichkeit 
behandelt  worden  war,  und  die  drei  Lieblingsbäume  des  Kanzlers,  eine 
Pflaume  i^Ume),  eine  Kirsche  {Sahir a)  und  eine  Kiefer  {Matstt)  aut 
seinem  Gute  in  Pflege  hatte,  wurde  eines  7ages  Vater  von  Drillingen. 
Ein  solches  Ereignis  galt  nach  damaligem  Glauben  als  ein  höchst  glück- 
liches Omen  für  das  ganze  Land,  und  Mickizane  übernahm  gleichsam  die 
Patenschaft  flir  die  Söhne,  indem  er  sie  nach  seinen  Lieblingsbäumen 
Umeo,  Sakiiraniaru  und  Matsiw  nannte.  Als  sie  begannen  heranzuwach- 
sen, traten  die  beiden  ersten  in  Michizane's  Dienste  ein,  und  wurden  von 
ihm  in  <\(zvi  Samurai  (Ritter)  Stand  erhoben  ;  der  dritte,  Matsuö,  trat  in 
den  Dienst  des  Fujiwara  Tokihira  (oder  Shi/iei),  des  mächtigen  Kanzlers 
zur  Linken  (erster  Kanzler).  Da  Shihei,  vom  Grössenwahn  verblendet, 
gegen  den  Kaiser  intriguierte  und  sogar  selbst  diese  Würde  zu  erlangen 
trachtete,  der  treue  Michizane  aber  seine  Plane  zu  vereitelen  sich  be- 
mühte, so  bildete  sich  zwischen  beiden  Männern  nach  und  nach  eine 
bittere  Feindschaft  heraus.  Es  gelang  dem  verschlagenen  Shihei  schliess- 
lich, seinen  Gegner  beim  Kaiser  zu  verdächtigen  und  seine  Verbannung 
auf  die  Insel  Kyüshü,  die  südlichste  Hauptinsel,  durchzusetzen.  Die 
Familie  und  die   Anhänger   Michizane' s   wurden   nach  allen   Richtungen 


(      3      ) 

hin  verstreut.  Doch  da  Shihei  die  Rache  der  Nachkommen  seines 
verl'annten  Gegners  fürchtete,  beschloss  er  diese  gän7,lich  zu  vertilgen. 
Aber  Genzö,  ein  ehemaliger  Vasall  und  Samurai  Michizane's,  nahm  sich 
des  jüngsten  Sohnes  seines  Herrn.  ShOsai;  an,  zog  sich  mit  ihm  in  das 
kleine,  abgelegene  Dorl  Seryö  zurück  und  gab  3in  als  seinen  eignen 
leiblichen  Sohn  aus.  Er  etablierte  sich  dort  als  Lehrer  der  chinesischen 
Schreibkunst,  in  der  er  von  Michizane  selbst  unterrichtet  worden  war, 
indem  er  eine  Privatschule  (Terakoya)  für  die  Kinder  der  Bauern  einrich- 
tete.    In  dieser  Schule  geht  die  Handlung  unseres  Damas  vor  sich. 

Von  den  drei  Schützlingen  des  Michizane,  den  Söhnen  des  nunmehr 
siebzigjährigen  Shiratayu,  folgte  ihm  Umeö  in  die  \'erbannung,  Sakura- 
maru  fand  bei  Verteidigung  der  Sache  seines  Herrn  den  Tod,  aber 
Matsuö  blieb  im  Dienste  Shiheis,  des  unversöhnlichen  Feindes  seines 
VVohlthäters.  Michizane  empfand  dies  Verhalten  Ma  suö's  sehr  schmerz- 
Uch,  und  klagte  seinen  Kummer  darüber  in  den  berühmten  Versen  ; 

,,Es  folgt  durch  die  Luft  mir  der  Ptlaumenbaum," 

Vertrocknet,  verdorrt  ist  die  Kirsche  - 

Sollt  in  der  Welt  die  Kiefer  allein, 

Herzlos  und  treulos  sein  ? 
worin   die   Anspielung,   dass   der    Pflaumenbaum   aus   dem   Garten   des 
Landgutes  durch  die  Luft  nacii   Kyüshü   zu   seinem   verbannten   Herrn 
geflogen  sein  soll,  enthalten  ist ;   der  Kirschbaum  war  verdorrt,  d.  h. 
Sakuraniaru  für  seinen  Herrn  gestorljen  ;  nur  die  Kiefer,  Matsuö,  war 
treulos      Doch    obgleich    dem    Anschein    nach    Matsuö,    durch    seinen 
Lehnseid  gebunden,  auf  Seiten  Shihei  s  stand,  war  er  im  Herzen  Micliizane 
ergeben,  und  bewies  dies  dadurch,  dass  er  seinen  eignen  Sohn  für  Shüsai 
substituierte,    als   dessen   Aufenthaltsort   entdeckt  worden   war,    und  er 
selbst   beauftragt   wurde,   Shüsai's   Kopf  den   Abgesandten   Shiheis   zu 
überliefern  und  für  die  Identität  des   Kopfes  zu  haften.     Die  Terakoya 
Scenen  stellen  uns  diese  Episode  dar. 


(     4     ) 

Michizane  selbst  starb  im  darauffolgenden  Jahre  (903).  Seinem 
Toba  folgten  allerlei  Portenta  und  Unglücksfalle  im  Lager  seiner  Gegner, 
was  das  abergläubisclie  Volk  als  Manifestationen  seines  rächenden  Geistes 
betrachtete.  Es  versetzte  ihn  unter  die  Götter,  und  verehrt  ihn  unter 
dem  Namen  Tenjin  als  Gott  der  Schönschreibekunst.  Zahlreiche  Shintö- 
tempel  über  des  ganze  Land  hin  sind  seinem  Andenken  geweiht. 

Zur  Übersetzung  selbst  habe  ich  zu  bemerken,  dass  sie,  je  nachdem 
es  die  Umstände  mir  zu  gebieten  schienen,  sich  bald  eng  an  den 
Wortlaut  des  Originals  anschmiegt,  bald  etwas  freier  verfahrt.  Von  der 
Technik  des  japanischen  Originals  bin  ich  insofern  abgewichen,  als  ich  die 
Rccitative,  mit  einer  einzigen  Ausnahme,  in  den  Text  der  sprechenden 
Personen  aufgenommen  oder  als  scenarische  Bemerkungen  verwerte- 
habe.  Wie  diese  Technik  beschaffen  ist,  ersieht  der  Leser  aus  meiner 
Übersetzung  des  Schauspiels  ,,Asagao,"  wo  ich  sie  auf's  strengste  beibet 
halte.  In  „Terakoya  "  spielen  aber  die  Recitative  gegenüber  dem  übrigen 
dramatischen  Bestände  eine  so  untergeordnete  Rolle,  ja,  würden  beim 
Lesen  so  störend  wirken,  dass  ich  glaube,  mit  dem  von  mir  eingeschla- 
genen Wege,  einer  geringen  formellen  Änderung,  das  Richtige  getroffen 
zu  haben. 


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PERSONEN. 

GenzÖ*  Vasall  und  Schüler  des  verbannten  iweiten  Kanzler's  Siigawara 

Michizane  (Kwaii  Shöjö,  d.i.  Kanzler  Kwan).  Lebt  als  Privadehrer. 
Tonami,  seine  Frau. 

MatsuÖ,  Vassall  des  ersten  Kanzlers  Tokihira  (Shihe) 
Chiyo,  seine  Frau. 
Kotarö,  beider  Sohn  (8  Jahre). 
Geniba,  Kammerherr  in  Tokihira's  Dienst. 
Kwan  ShÜSai,  Sohn  des  Ex- Kanzlers  Michizane,  8  Jahre.     Vor  der 

Welt  als  eigner  Sohn  Genzö's  in  dessen  Hause  autgezogen. 
Kwan  ShÜsai's  Mutter,  Gemahlin  des  verbannten  Ex>Kanzlers. 
Sansuke,  Diener  Matsuo's. 
Sieben  Bauernknaben,  etwa  im  Alter  von  8  bis  lo  Jahren  (einer 

derselben,     genannt    Gimpel,     fünfzehnjährig,     grosser     einfältiger 

Bursche),  Genzö's  Schüler. 
Bewaffnete,  unter  Gemba's  Befehl. 
Bauern. 

Ort  der  Handlung  :  Schulzimmer  in  Genzö's  Haus,  in  dem  abgelege- 
nen Dorfe  Seryö. 
Zeit :  902. 


*  Sprich  :  Gensö  ;  Mltschisane  ;  Schödschö  ;  Tschijo  ;  Schü^ai  (Die  Vokale 
nach  deutscher,  die  Konsonanten  nach  englischer  Aussprache),  Kwau  ist  das 
chinesische  Äquivalent  des  ersten  Bestandteils  Su£;a  \n  dem  Familiennamen 
Siig-a-wara  „Binsen-Feld."  Wenn  Familienname  und  Rufname  zusammen 
genannt  werden,  steht  ersterer  nach  japanischer  Weise  voran. 


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SCENE    I. 


SHUSAI,  GIMPEL,  schüler. 

(Die  Schüler,  nebst  Shüsai,  kauern  vor  kleinen  Schreibpulten,  worauf 
Schreibheft  und  Tuschkasten.  Neben  jedem  Pult  ein  kleiner  Bücherkasten. 
Alle  üben  sich  mit  dem  Schreibpinsel  im  Schreiben  japanischer  und  chine- 
sischer Schriftzeichen.  Öfters  Unterbrechung  und  Unruhe.  Mehrere  haben 
sich  an  Gesicht  und  Händen  stark  mit  Tuschestrichen  besudelt.) 

Q-impel    ^u  den  Anderen. 

Ach,  dummes  Zeug  1  Da  sitzen  und  lernen,  -wenn 
der  Lehrer  nielit  zu  Hause  ist.  (Hebt  ein  Blatt  in  die  Höhe) 
Hier  seht  einmal  1  Ich  habe  einen  Bonzen  gemalt,  einen 
Kahlkopf! 

(Gelächter,  die  meisten  stehen  auf,  Tumult.) 
SllUSSli    schreibt  emsig  weiter. 

Du  solltest  ^A^as  Besseres  thun,  Gimpel,  als  solche 
nichtsnutzigen  Bilder  malen.  Bist  so  gross  und 
kannst  nicht  einmal  die  allereinfaehsten  Schriftzei- 
chen sehreiben.      Pfui,  schäme  dich. 

Gimpel. 

Du  bist  auch  das  Musterbübchen  1  Seht  doch  das 
Musterbübchen,  das  naseweise  —  — 


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Erster  Bube. 

schlägt  ihm  von  hinten  eins  mit  dem  Lineal  über  den  Kopf. 

Schimpfe  den  da  nicht,  Gimpel,  sonst  — 

Gimpel    fängt  an  zu  heulen. 

Au     aul    Der    hat     mich     gesehlagen  (giesst  dem  ersten 
Tusche  über  den  Kopf.) 

Zweiter  Bube. 

Der    grosse  Lümmel  1     Ist    der   älteste,   und    heult, 
wenn  man  ihn  nur  anrührt. 

Dritter  Bube. 

Haut   ihn   doch  mal  ordentlich  durch,  das    Gross- 
maull 

(Mehrere  Buben  machen  sich  mit  ihren  Linealen  an  ihn.     Allgemeines 
Geraufe  und  grosser  Lärm.) 

SCENE    H. 

TONAMI  aus  einem  Nebenzimmer.      DIE  VORIGEN. 

Tonami. 

Ihr  Lotterbuben!  Zankt  ihr  euch  schon  ^A^ieder? 
Wollt  ihr  Avohl  Ruhe  halten!  Setzt  euch  an  eure 
Plätze  und  schreibt  eure  Aufgabe.  Der  Lehrer  wird 
bald  ^A^ieder  zu  Hause  sein.  Vv^enn  ihr  hübseh  fle is- 
sig seid,  sollt  ihr  den  Nachmittag  frei  bekommen. 

Mehrere. 

O,  das  ist  schön,  das  ist  schön.  Schreibt, 
sehreibt ! 

(Alle  gehen  wieder  fleissig  ans  Werk,  schreiben  und  lesen  dabei  halblaut 
I-ro-ha-ni-ho-he-to ) 


SCENE    III 


ChiyO  tritt  ein,  ihren  Sohn  KotarÖ  bei  der  Hand  führend  ;  ihr  nach 
SaHSUke,  weicher  ein  kleines  Pult,  einen  Bücherkasten,  und  zwei  Packete 
trägt.     DIE  VORIGEN. 

S&CLSXlke  von  aussen  ein  wenig  öffnend. 

Holla!  ist's  erlaubt? 

Tonami. 

Bitte,  bitte. 

ChiyO  mit  Kotarö  eintretend. 

Mit  Ihrer  gütigen  Erlaubnis.  (Geg:enscitige  Begrüssung). 
Dem  Boten,  den  ich.  heute  früh  an  Herrn  Genzö  sandte, 
um  anzufragen,  ob  er  mein  Söhnchen  für-  den  Unter- 
rieht aufnehmen  -wollte,  hat  Herr  Genzö  mit  freund- 
licher Zusage  geant\vortet.  Ich  habe  deshalb  das  Kind 
gleich  hergebracht.    Hier  ist  es. 

Tonami. 

Ah,  dies  ist  Ihr   Sohn?    Er   ist   uns  herzlich   will- 
komnnen.    Ein  hübsches,  edles  Kind. 

Chiyo. 

Sie  sind  sehr  liebenswürdig.     Ich  hoffe,  dass  Sie  nicht 
zu  grosse    1  .ast  mit  ihm  haben    ^ve^den.    Wir  ^A/ohnen 


erst  seit  wenigen  Tagen  in  diesem  Dorfe,  ganz  am 
entgegengesetzten  Ende.  Zu  meiner  Freude  hörte  ich, 
dass  Sie  selbst  ein  Söhnehen  von  gleichem  Alter  besit- 
zen.   Ist.  er  nicht  mit  unter  den ? 

Tonanii. 

Gewiss,  der  dort,  (zu  Shüsai)  Komm  her,  begrüsse  die 
Dame  (Shiisai  kommt  und  begrüsst  Chiyo  durch  eine  tiefe  Verbeu- 
gung) Dies  hier  ist  der  Sohn  und  Erbe  GenzÖ's. 

Chiyo. 

(b.ild  Shüsai's,  bald  ihres  eignen  Sohnes  Gosicht  prüfend  betrachtend.) 

Ihr  habt  ein  schönes,  anmutiges  Kind,  Frau  Genzö. 
Doch  ich  sehe  nicht  Ihren  Herrn  Gemahl ;  Ist  er  viel- 
leicht abwesend? 

Tonami. 

Ja,  leider.  Er  v\^urde  schon  in  früher  Stunde  zu 
einer  Besprechung  und  festlichen  Schmauserei  nach 
dem  Hause  des  Schulzen  gerufen,  und  da  es  ziemlieh 
weit  von  hier  ist,  so  dürfte  er  wohl  noch  etw^as  ausblei- 
ben. Doch  wenn  Sie  ihn  jetzt  sprechen  v^roUen— ich 
will  gleich  Jemand  nach  ihm  schicken — 

Chiyo. 
Nein,  nein,  bemühen  Sie  sich  nicht.  Ich  habe  noch 
einen  Gang  ins  Nachbardorf  zu  machen,  dort  Mehreres 
zu  besorgen,  und  bis  ich  zurück  sein  kann,  wird  ja 
vielleicht  Herr  Genzö  auch  heimkehren.  Hei  San- 
sukel    bringe    die    Sachen    her!    (Sansuice  giebt  ihr  die  beiden 

Packete.     Indem  Chiyo  das  erste,  in  weisses  Pnpier  eingeschlagen  und  mit  dem 
Geschenkzeichen   vorsehen,   höflich  vor  Tonami   hinlegt)    Dies  hier  bitte 

ich    Sie    als    ein    kleines    Erinnerungszeichen    an    den 
heutigen  Tag  freundlichst  anzunehmen. 


Tonami  niit  tiefer  Vcrbeugungf. 

O,  ZU  viel  Aufmerksamkeit,  wirklich,  zu  viel 

Chiyo. 

Es  ist  nicht  der  Rede  wert.    Und  der  Inhalt  dieser 

Schachtel    (das  zweite  Packet  überreichend)    ist    für    die    Jungen, 

Ihre  Schüler. 

Tonami. 

Vielen,  vielen  Dank  für  ihre  zarte  Aufmerksamkeit. 
Mein  Gemahl  wird  Ihnen  aufs  höchste  verbunden  sein. 

Chiyo. 

Und  nun  will  ich  mich  empfehlen.  Ich  vertraue 
Ihnen  nnein  Kind  zur  vorlaufigen  Sorge.  (Zu  Kotaro 
gewendet)  Sei  recht  folgsam,  mein  liebes  Kind.  Ich  gehe 
nur  ins  nächste  Dorf,  und  bin  bald  wieder  da. 

Kotaro. 

Ach,  Mutter  1    lass  mich   nicht  allein  I    Nrntim  mich 

mit   dir  I      (?-ielit  die  Fortgebende  ftm  Ärmel). 

CuiyO  sidi  von  ibm  losmachend. 

Was  für  ein  furchtsamer  Junge  du  bist!  Schämst 
du  dich  nicht,  Kotaro?  (zu  Tonami)  Sie  sehen,  es  ist 
ein  Muttersöhnchen.  (Streichelt  ihn)  Du  bist  mein  gutes, 
mein  artiges  Kind.  Bleib  hier  und  halte  dich  brav. 
Ich  komme  ja  gleich  wieder. 

(Ab  mit  Siitisuke.  Beim  Hinausgehen,  und  während  sie  schon  draussca  ist, 
dreht  sie  sich  uncderholt  noch  Kotaro  um,  und  betrachtet  ihn  mit  Icidenschafth'ch 
zärtlichem  Blick.  Nachdem  sie  die  Thür  ßncschlossen,  kehrt  sie  noch  einmal 
zurück). 

Ach,  verzeihen  Sie,  dass  ich  noch  eininal  störe.  Ich 
muss  meinen  Fächer  vergessen  haben. 

(Man  sucht  ihn  überall.) 


Tonami   nach  einigen  Augenblicken. 

Aber  Sie  haben  ihn  ja  in  der  Hand,  Ihren  Fächer. 

GhiyO  betroffen. 

Ach,  \virklich !    Muss  ich  zerstreut  sein  I 

(Beim   liinaiisg^eheu  wirft  sie  auf   ihren   Sohn  noch  einen  langen,  traurigen 
Blick.) 

Tonami  tröstend. 

Komm,  sei  nicht  so  traurig,  mein  LiebUng.    Komm 
her  zu  meinem  Sohn  und  spiele  mit  ihm. 

(Sie    führt    ihn    zu    Shüsai,    und    sucht    ihn    auf    verschiedene    Weiüc    auf- 
zuheitern.) 


SCENE    IV. 
GENZÖ,  TONAMI,  KOTARÖ,  SOHtJLBR. 

(Genzö  tritt  ein,  bleich  und  verstört.  Bleibt  erst  an  der  Thür  stehen  und 
mustert  von  da  die  Schüler  mit  forschendem  Blick,  ohne  des  Kotarö  gewahr  zu 
werden.) 

GrGnZÖ   für  sich,  unwillig. 

Bauerngesiehter  —  gewöhnUche     Bauernkopfe  —  zu 
nichts  zu  brauchen — Landgev/ächse. 

(Er  setzt  sich,  brütet  dumpf  vor  sich  hin.  Tonami  betrachtet  ihn  zuerst 
verwundert,  dann  unruhig.  Nimmt  ihm  gegenüber  Platz  und  beginnt  nach  einer 
Pause  des  Schweigens.) 

Tonami. 

Ihr  seht  .so  bleich,  m.ein  Eheherr,  so  unstät, 
Und  murmelt  Worte  heimlich  vor  Euch  hin. 
VS/'as  ist  geschehen,  dass  Ihr  so  verstörte 
Und  zorn'ge  Blicke  auf  die  Knaben  w^erft? 
Seht  nicht  so  finsticr  drein,  ich  bitte  Euch ! 


J  Jj 


L, 


Denn  eben  wurde  uns  der  neue  Zögling, 

Ein  zarter,  feiner  Junge,  zugeführt. 

Macht  ihm  ein  freundliches  Gesicht.    Dort  naht  er. 

(zu  Kotarö)  Komm,  Kotarö,  begrüsse  deinen  Lehrer. 

EüotdJE'Ö  vor  Genzö  mit  tiefer  Verneigung  niederkauernd. 

Herr,  nehmt  Euch  meiner  an.      Von   ganzem   Herzen 
Will  ich  Euch  treu  sein  und  gehorsam  dienen. 

GrenZÖ   flüchtig  über  ihn  hinsehend. 

Schon  gut!    Geh  hin  an  deinen  Platz! 

(Indem  sich  Kotarö  erhebt,  blickt  er  ihm  zufällig  ins  Gesicht  und  heftet  sein 
Auge  mit  wachsendem  Staunen  auf  ihn,  dabei  mehrmals  einen  schnellen  Blick 
auf  Shusai  werfend.     Seine  Miene  klärt  sich  allmählich  auf.) 

(für  sich)  Was  seh'  ich  ? 

Das  ist  ja (laut)  Kotarö  ?  —  Du  bist  ja,  wahrUch  —  — 

Komm  her  und   schau  mich  an !    (für  sich)   Fürwahr,  er 

ist  es! — 
(laut)  Du  bist  —  ein  guter  Junge,  Kotarö  1 
Ein  hübscher  Junge,  brav  und  wohlgesittet, 
Von  gutem  Schlag,  man   merkt's.     Nicht,  Frau? 

Tonami. 

Ei,  freilich ! 

Wie  freut's  mich,  dass  er  Euch  so  wohl  gefällt. 
Und  dass  sein  Anblick  auch  die  trüben  Wolken 
Euch  von  der  Stirn  gescheucht.     Der  wird  ein  guter 
Gelehr'ger  Schüler  werden.    Gleich  als  ihn 
Die  Mutter  brachte  — 

Grenzö. 

Seine  Mutter  ?  —  Hm  ! 

Die  Mutter,  ist  sie  da? 

10 


Tonami. 

Sie  hatte  Eile, 
Ein  wichtiges  Geschäft  im  nächsten  Dorfe. 
Doch  spricht  sie  auf  dem  Rückweg  Avieder  vor. 
Sie  wird  nicht  lange  weilen. 

GenZÖ  gezwungen. 

So  ?  nicht  lange  ? 

Ja,  was  ich  sagen  w^oUte  —  wieht'ge  Dinge 
Beschäftigen  mich  eben  —  lass  die  Buben 
F'ür  heute  feiern,  fiihre  sie  ins  hintre 
Gemach,  und  lass  sie  spielen,  was  sie  mögen. 
Nur  dass  sie  keinen  Unfug  treiben,  und 
Mir  lästig  fallen  I 

(zu  den  Knaben)  He!  legt  euer  Schreibzeug 

Jetzt  säuberlich  beiseit  und  geht  hinaus! 
S'ist  freier  Nachmittag. 

(Die  Schüler  erheben  sich  unter  grossem  Tumult,  packen  ihre  Sachen 
zusammen,  und  stellen  sie  n\it  ihren  Schreibtischen  in  einer  Ecke  des  Zimmers 
übereinander  getürmt  bei  seite.     Dann  gehen  sie,  von  Tonami  geführt,  freudig 


"krakehlend  durch,  eine  Thür  des  Hintergrundes  ab,  Genzö  sieht  ihnen  g^edan- 
kenvoll  nach.  Nach  einer  Weile  kommt  Tonami  7Airück,  und  nachdem  sie  sich 
überzeugt  hat,  dass  Niemand  lauscht,  kauert  sie  ihrem  Mann  gegenüber  nieder.) 


SCENE    V. 

GENZÖ,  TONAMI. 

Tonami. 

Schon  v/ieder  diese  trübe  Miene.      Sprecht, 
Was  ist   gesehehn?     Als  Ihr  vorhin  herein kannt, 
Verstört  und  bleich,  da  fasste  mich  ein  Schauder; 
Und  als    Ihr  dann  die  Knaben  nacheinander 
So — seltsann  —  mustertet,  so  —  ach,  verzeiht  mir  — 

(Genzö  nickt  halb  geistesabwesend.) 

Ihr  schrecktet  mich ;    und  dann  das  rätselhafte, 

Das  plötzliche  Aufleuchten  Eurer  Augen, 

Als  Ihr  den    Knaben  saht,  den  unbekannten  — 

Mir  schwant  ein  Unglück.    Redet,  ich  beschwör'  Euch  I 

Genzö, 

Ein   Unglück?  ja! —  denn,  kurz,  w^ir  sind  verraten! 

Verraten  das  Geheimnis,  dass  v/ir  hier 

Den  jungen  Herrn  verbergen,  ihn  erziehen 

Als  eignen  Sohn.     Denn  Kanzler  Tokihira 

Ist's  hinterbraeht,  nun  lechzt  er  nach  dem  Blut 

Des  letzten  Sprossen,  dessen  Räch'  er  fürchtet. 

Wenn  er  heranwächst. 

Tonami. 

Schrecklich!  was  mir  ahnte! 
Und  wie  erfuhrt  Ihr  — 


Genzö. 

Bei  des  Schulzen  Festmahl  ~- 
Nur  eine  Falle  Mvar's,  mich  einzulangen, 
Uns  keine   Zeit  zur  Flucht  zu  lassen.     Gemba, 
Des  Kanzler's  Kammierjunker,  an  der  Spitze 
Von  mehr  als  hundert  Mann,  schritt  auf  mich  zu  : 
,,  Wir  wissen  Alles,  Genzö!  liefr'  ihn  aus] 
Der  Knabe,  den  als  deinen  Sohn  du  ausgiebst, 
Es  ist  der  junge  ShQsai.    Unverschämter  1 
Du  wagst  es,    Tokihira's  Feind   zu  schützen? 
Hör  den  Befehl,  mit  dem  wir  hergesandt : 
Wenn  binnen  zweier  Stunden  du  das  Haupt 
Des  Shüsai  uns   nicht  lieferst,  brechen  wir 
Ins  Haus  dir  ein,  und  holen  selbst  den  Kopf  uns ; 
Dir  aber  droht  des  Kanzlers  höchster  Zorn." 
So  sprach  er.     Hätt'  ich  dem  verdammten  Schurken 
Am  liebsten  mit  dem  Sehwerte  doch  die  Antv/ort 
Gegeben.     Aber  vor  der  Übermacht 
Gilt  List  mehr  als  Gewalt.      Ich  schluckte  also 
Den  Grimm  herunter,  schien  ihm  zu  gehorchen, 
Und  bat  ihn,  kurze  Frist  nur  zu  gewähren, 
Dass  ich  die  That  vollbrächte.     Neben  ihm 
Stand  Matsuö,  der  einzige  bei  Hofe, 
Der   Shüsai  kennt,  vom   Kanzler  aufgefordert, 
Die  Echtheit  ihm  des  Kopfes  zu  verbürgen. 
Auch  der  hat  also  ganz  den  alten  Herrn, 
Die  reiche  Gunst,  die  er  von  ihm  erfahren, 
Vergessen,  und  verrät  nun  seinen   Sprössling, 
Der  Schändliche.  Kaum  trägt  er  seine  Knochen, 
So  ist  er  krank  und  schwach;  doch  Bubenthaten, 

13 


Verrat  ausüben,  dazu  hat  er  Kraft. 
Nun  höre,  was  es  gilt.    Umzingelt  sind  wir, 
Entrinnen  ist  nicht  möglieh,  einen  Kopf 
Muss  ich  beschaffen,  der  dem  ShQsai's  gleicht, 
Sonst  ist  der  Tod  ihm  sicher.     Auf  dem  Wege 
Schon  dacht'  ich,  ob  ich  nicht  der  Schüler  einen 
Zum  Opfer  brächte  —  doch  wer  wird  die  Züge 
Des  niedern  Bauernkindes  für  das  feine 
Gesicht  des  hoehgebornen  Junkers  nehmen? 
So   trat  ich  denn   mit  HöUenqual   im  Her^^en 
Hier  ein,  verzweifelnd,  dass  ich  Hülfe  fände. 
Da  sah  ich  unsern  neuen  Zögling]  Gleicht  er 
Nicht  fast  bis  zum  Verwechseln  unserm  Herrn  ? 
Das  ist  ein  Fingerzeig  des  Himmels,  Frau! 
Die  Götter  wollen  unsern  Junker  retten. 
Sie  selbst,  sie  senden  uns  im  Augenblick 
Der  Not  den  Stellvertreter.     Zweifle  nicht, 
Die  Götter  wollensl     Sterben  muss  der  Knabe. 
Sein  böber  Geist  gab  ihn  in  unsre  Hand. 
Und  wenn  wir  ihn  getötet,  seinen  Kopf 
Den  Abgesandten  ausgeliefert,  auf! 
L^ass  schnell  uns  fliehen  mit  dem  jungen  Herrn. 
Wenn  wir  uns  eilen,  sind  in  wenig    Stunden 
Wir  an  der  Grenze,  und  im  Land  Kawaehi 
Sind  vor  Entdeckung  wir  gesichert. 

Tonami. 

O  Unglückserge  Stunde!     Müssen  wir 
Das  Blut  der  Unschuld  freventlich   vergiessen  ?  - 
\A/ir  müssen,  achl    Denn  nichts  ist  heiliger 
Als  Herrendienst—,  und  wenn  die  ganze  W^elt 


Achl 


Wir  opfern  müssten.— Aber,  wird  es  nützen? 
Ihr  sagtet  selbst,  dass  Matsuö  die  Echtheit 
Des  Kopfs  bezeugen  soll.    Er  kennt  den  Junker, 
Sein  Auge  wird  sich  nimmer  täuschen  lassen. 
Es  ist  unasonst,  er  wird  die  List  entdecken. 

Genzö. 

Wohlan  I    Wenn  er's   entdeckt,  ist's  sein  Verderben. 

Ich  werde  seine  Mienen  scharf  beA^^achen, 

Die  Hand  am  Schwert,  und,  kann's  nicht  anders  sein, 

So  streck  ich  ihn  mit  einen\  Schlag  zu  Boden ; 

Dann,  v/ie  ein  Tiger,  stürz'  ich  mich  auf  sie 

Und  treibe  sie  von  dannen,  oder  sterbe 

Mit  meinem  Herrn,  dass  er  auf  seiner  Reise 

Ins  Jenseits  einen  treuen  Diener  habe.— - 

Doch  furcht'  ich  nicht  so  sehr,  dass  Matsuö 

Den  Plan  vereitelt,  denn  die  Ähnlichkeit 

Der  beiden  Knaben  ist  verblüffend,  und 

VV^as  sie  im  Leben  unterscheidet,  wird 

Im  Tode  nicht  mehr  kenntlich.     Mehr  Gefahr 

Droht  von  der  Mutter  uns  des  Knaben.    Wenn  sie 

Zur  Unzeit  wiederkehrt,  dem  Jungen   nachfragt, 

Und  Lärm  erhobt,  so  hindert  sie  die  Flucht. 

Dann  —  weh  ihr,  w^enn  sie  kommt]     Auch  sie 


Tonami. 

Auch  sie? 

Ihr  sehreckt  mich.    Wenn  sie  kommt,  —  ich  vv^ill  sie 
Mit  allerlei  Gespräch  hinhalten,  will  sie 

Genzö. 
Nein,  nein.     Sie  hat  vielleicht  schon  von  den  Leuten 

1« 


Des  Dorfs  epfahPGn,  dass  besondre  Dinge 

Hier  vor  sich   gingen,   -wird  darauf  bestehen 

Den  Sohn  zu  sehn  —  Nein,  nein,  das  geht  nicht  an, 

Zu  viel  steht  auf  dem  Spiel.     Dass  sie  nicht  käniel 

Doch  ^A/enn  sie  kommt,  —  wird  sie  nicht  v/ieder  gehn. 

Wir  sind  einmal  tu  teufelischer  That 

Berufen,  lass  uns  ganze  Teufel  sein  ! 

Sie  stirbt,   die  Sicherheit  des  Herrn  verlangtsl 

Tonami. 

Wohlan  denn,  sein  wir  Teufel,   da  v/ir's  müssen. 
(Weinend)  Ach,  unglückseliges  Kind  I   Unsel'ge  Mutter, 
Die  diesen  Tag  ge^vählt,  ihr  liebstes  Kleinod 
Uns  zu  vertraun.     Und  wehe  über  uns, 
Die  v/ir  ihm  Vater,  Mutter  sollten  sein, 
Nun  seine  \A^ürger :     Welche  bittre  Pein  ! 

(Sie  schlägt  .schluchzend  den  Ärmel  vors  Gesicht.  Geiiztl  .sit?,t  erschütted , 
aber  gefasst  Indem  naht  sich  von  draussen  Gcräu.sch  vieler  Stinmien.  Man 
öffnet  die  Schiebcthür  von  aussen,  Aussicht  auf  den  Vorhof. 


16 


SCENE    VI. 

Gemba  tritt  in  die  Thür  ;  MatsUÖ  sieht  man  in  einer  geschlossenen 
Sänfte  sitzen.  BaUem  drängen  sich  im  Vorhof  heran,  bilcklingen  denrvütip 
vor  den  beiden  Rittern.     DIE  VORIGEN. 

Mehrere  Bauern. 

Ach,  hohe  Herren,  habt  Mitleid.  Unsre  Kinder  sind 
auch  drinnen.     Ach,  bitte,  bitte  1 

Erster  Bauer. 

Mein  Söhnchen  fängt  eben  erst  an  zu  schreiben. 
Ach,  lasst  ihn  heraus. 

Zweiter  Bauer. 

Herr,  meinen  Enkel  1    V/enn  Ihr  ihm  aus  Versehen 

den    Kopf   abschlagt,    hernach    könnt    Ihr    ihn    nicht 

wieder  lebendig  machen.    Gebt  ihn   mir  heraus,    Herr 

Ritter  I 

Dritter  Bauer. 

Seht  um  Gotteswillen  genau  hin.  Meiner  ist  eben 
so  alt  w^ie  der  junge  Herr.  Lasst  nnich  um  Gotteswil- 
len 'rein  und  ihn  holen. 

Viele. 

Lassen  Sie  uns  hinein,  liebe  Herren  Ritter! 

Gremba. 

(die  herandrängenden  Bauern  brutal  weg3cheuchend.) 

Verdammtes,  lästiges  Gesindel !  Das  summt  durch- 
einander v/ie  Sehmeissfliegen.  Macht  dass  ihr  fort- 
kommt. Euren  dummen,  schmierigen  Buben  thut 
Niemand   ^^^as  zu   Leide.     Nehmt  sie  fort   und    trollt 

17 


euch  I     (Kehrt  ihnen  den   Rücken  und  lacht  höhnisch)    Plumpe    Bau- 

ernvisagen  mit   einem    Samurai-Gesicht    ver^veehseln. 
ha,  ha,  ha  I 

Matsuö. 

(steigt  aus  der  Sänfte,  tritt  langsam  an  die  Thiir,  sich  mühsam  seines  langen 
Schwertes  als  Stütze  bedienend). 

Und  doch,  Gemba,  gebt  sie  nicht  voreilig  frei.  Ich 
trage  die  Verantwortung,  da  ich  allein  den  Knaben 
kenne.  Wie  leicht  könnte  einer  der  Bauern  im  Kom- 
plott sein  und  den  ShOsai  für  seinen  Sohn  ausgeben. 
(Zu  den  Bauern)  Beruhigt  euch,  ihr  Leute.  Ruft  die  Namei. 
eurer  Kinder,  ich  ^vill  sie  sehen  und  euch  herausgeben. 


Alle. 

(durcheinander  rufen  Namen). 

Matsuö. 

Kiner  nach  dem  Andern  I 

RECITATIV:    „Seht  wie  mit  eisernem 
Griffe  er  zufassti 
Kein  Entrinnen 
Aus  seinen  Klauen. 
Schmerzlich  und  bitter 
Trifft  jedes  der  Worte 
Drinnen  die  beiden, 
Ruft  aus  dem  Herzen 
Zitternden  Nachhall, 

Bange  Seufzer 

Aus  wogender  Brust. 

Und  vor  dem  Thore 

Stehen  die  Väter, 

Stehen  mit  -weissen 

Haaren  die  Ahnen, 

Banger  Krwartung." 

Erster  Bauer. 
Choma,  Chomal 

Oenzö. 

r  t  hl  an  der  Thür  zum  Hinterzimmer  und  wiederholt  den  Namen  in  jedem  Fall, 

nach  innen  rufend.) 

Choma,  komm  her] 

Chonia  kommt  heraus. 


Hier! 


19 


MatSUO    ihn  betrachtend. 

Der  hat  sieh  schön  im  Gesichte  mit  Tusche 
beschmiert.  Aber  wenn  ihr  ihn  auch  wascht,  rein 
^A^ird  er  doch  nie.     Lasst  ihn  laufen,  er  ist*s  nicht. 

(Erster  Bauer  nimmt  ihn  bei  der  Hand,  ab.) 

Zweiter  Bauer. 

Ist  l^vama  da  ?    I^vama  ? 

IwamSl  Vommt. 
Ja,  Grossvater,  hier  bin  ich. 

MatSUÖ   wie  oben. 

Ein    muntres    Bürsehchen,    rund    ^vie    eine    frische 
Eierfrucbt.     Fort  I 

(Zweiter  Bauer  huckt  ihn  auf  den  Rücken,  ab).  -^, 

Dritter  Bauer. 

Kindchen  I     Mein  Liebling,  mein  Jüngelchen  ! 

Grimpel    (der  15  jährige  I^ummel). 
Hier !    (Wie    er    sieht,    dass    Iwama    auf    dem    Rücken   getraj^en  wird) 

Trag    mich    auch    Huekemause,    Väterchen?      Huekc- 
mause,  Väterehen  I    (Er  fangt  an  zu  heulen). 

Dritter  Bauer. 

Nu,  nu,  weine  nur  nicht,    mein    Dübelchen,    weme 
nur  nicht ! 

Gemba  höhnisch  lachend. 

Über  diesen  pferdebeinigen  Lümmel  mit  der  Gras- 
mückenstimme bedarf's  Eures  Urteils  wohl  schw^erlich, 
Matsuö!  Da&  war'  mir  ein  Prinzchen!  ha,  ha,  ha! 
(nachsehend)  Der  Alte  huckt  den  langen  Rengel  wirklich 
auf!  Da  geht  er  ab  wie  eine  Katze  mit  einem  ge- 
stohlenen Stück  trocknen  Lachs. 
20 


Vierter  Bauer. 
TokusanI    Tokusan !       Um    des    Himmels    willen, 
verwechselt  ihn  ja  nicht  mit  dem  Herrn  ShQsai,  Herr 
RitteF.     Es  ist  ein  schöner  Junge,  Herr  Ritter. 

(TOKUSAN  will  vorüber  schlüpfen,  wird  aber  von  Matsuö  fest^^ehalten). 

Matsuo. 

Halt,  Bursche,  halt!  Hast  du  ein  schlechtes  Ge- 
wissen ?  Lass  dich  genau  anschauen.  Melonenförmi- 
ges  Antlitz,  weisse  Gesichtsfarbe,  ohol  (sieht  ihn  genauer  an) 
Aber,    puh  I    ein    Schmierfink!     Lauf  was   du   kannst 

(gfiebt  ihm  einen  Schubs). 

Gemba    ärgerlich. 

Ruft  die  übrigen  Bauernfri schlinge  alle  zusammen 
heraus,  Genzö.  Nach  dem,  was  ich  bis  jetzt  gesehen, 
getrau  ich  mir  fast  allein  zu  entscheiden.  Auf  dem 
Kartoffelfelde  wachsen  eben  Kartoffeln. 

Genzö  ruft,  wie  ihm  geheissen  die  drei  letalen ;  Gemba  und  Matsuö  betrach- 
ten sie  kurz  und  lassen  sie  hinaus.  Alle  Bauern  ab.  Die  Schiebethür  wird 
geschlossen.     Gemba  und  Matsuö  nehmen  Genzö  gegenüber  Flatz). 

SCENE    VII. 

GEMBA,  Mä-TSUÖ,  GENZÖ,  TONAMI. 
Gemba. 

Wohlan  denn,  Genzö,  thu  wie  du  versprochen. 
In  meiner  Gegenwart,  vor  «leinen  Augen 
Den  Junker  zu  enthaupten,  schworst  du  mir. 
Nun  eile  dich,  und  liefre  mir  den  Kopf. 

Genzö  ruhig  gefasst. 

Glaubt  Ihr,  dass  ich  den  edlen  Sohn  des  Kanzlers 
So  ohne  weitres  könnt'  am  Kragen  nehmen, 

21 


Den  Hals  ihm  umdrehn,  und  gleich  einem  Hunde 
Den  Kopf  heruntersäbeln  ?    Habt  Geduld, 
Gewährt  mir  kurze  Frist,  dass  ieh's  vollbringe. 

(Steht  auf,  um  sich  nach  dem  Hinterzimmer  zu  begeben). 

Matsuö. 

Halt,  Genzö,  einen  Augenblick,    (ihn  fixierend). 

Vergebens 

Versuchst  du  uns  zu  hintergehn.     Wenn  du 

In  dieser  kurzen  Frist  den  jungen  Herrn 

Durch  Hinterthüren  aus  dem  Haus  zu  schaffen 

Gedenkst,  so  kommt  dein  list'ger  Plan  zu  spät, 

Denn    mehr  als  hundert  Mann  sind  rings  ums  Haus 

Gestellt,  dass  keine  Ratte  kann  entschlüpfen. 

Auch  glaube  nicht,  dass  du  mich  täuschst,  wenn  du 

Mir  einen  andern  Kopf  hier    vorlegst,  meinend 

Der  Tod  verv^ische  allen  Unterschied. 

Der  alte  Kniff  führt  mich  nicht  hinters  Licht  I 

Du  möchtest  dann  zu  spät  bereun 

GrenZÖ  kaum  sich  beherrschend. 

Behalte 
Doch  deine  dumme,  überflüssige 
Besorgnis  für  dich  selbst  I    Ich  will  den  wahren, 
Den  echten  Kopf  so  vor  dich  legen,  dass 
Selbst  deine  schlaffen,  blödverdrehten  Augen 
Ihn  nicht  verkennen  sollen. 

Gemba  ungeduldig. 

Spart  der  Worte, 
Und  schreitet  lieber  rasch  zur  That.    Wohlan  I  ^^^ 

(Genzö  erhält  von  Gt^mba  ein  hölzernes  Behältnis  für  den  Kopf  un     ge 
durch  die  Hinterthür  ab.) 
22 


SCENE    VIIL 

^ie  Vorigen  ohne  Qenzö. 

(Tonami  sitzt  ängstlich  lauschend.     Matsuo  blickt  überall  forschend  umher 
und  2ählt  die  Pulte  und  Bücherkästen.) 

Matsuö. 

Hm,  seltsam,  unbegreiflich  1     War  die  Zahl 

Der  kleinen  Teufel,  die  wir  laufen  liessen, 

Nicht  sieben  ?     Hier  seh'  ich  ein  Pult  zuviel  — 

Ein  achtes—  (zu  Tonami)  sagt  mir,  wessen  Pult  ist  dies? 

(Er  zeigt  auf  das  Pult  Kotarö's.) 
ToDami  verwirrt,  erschrocken. 
Das  ist  des  neuen  Schülers -^  ach,  was  schwätz'  ich — 
Kein  neuer  Schüler,  Herr,  nein,  glaubt's  nicht,  — 
Das  ist  Kwan  Shüsai's  Pult,  ja,  wirklich, 
Glaubt  nur       — 

Matsuö   ung-cduldtg. 

Schon  gut,  ich  glaub's.  -  Dass  er  sich  doch 
Beeilte  — ■  meine  Krankheit  ~  kaum  noch  — 

(Hinter  der  Scene  ein  Geräusch  wie  das  Flauen  eines  Körpers ;  Tonami 
schrickt  heftig  zusammen,  Matsuö  zuckt  kaum  bemerkbar,  Tonami  will  zuerst 
ins  Hinterzimmer  eilen,  bezwingt  sich  aber  und  steht  ängstlich.  Genzö  tritt  mit 
dem  geschlossenen  Holzkasten  in  der  Hand  ein  und  stellt  ihn  ruhig  vor  Matsuö 
hin. 

SCENE    IX. 

GENZÖ.      DIE  VORIGEN. 

Genzö. 

Wie  Ihr  befohlen,  ist's  geschehn.    Hier  habt  Ihr 
Kwan  Shüsai's  Haupt.    Prüft  wohl,  Herr  Matsuömaro, 

23 


Dass  Ihr  Euch  nicht  verseht!   Seid  ja  recht  kritisch  1 

(Er  setzt  sich  ein  klein  wenig  abseits,  scharf    Matsuö  beobachtend,  die  Hand 
am  Schwert). 

Matsuö. 
Jetzt,  Achtung  1 

(Zu    mehreren    Bewaffneten,    die    von    Gemba    inzwischen    hereingewinkt 
wurden.) 

Stellt   euch    dorthin  1   (Hinter  Genzö  weisend.)    Und   hahet 
Obacht  auf  die  Beiden  1 

(Er  zieht  die  Schachtel  dicht  zu  sich  heran,  öffnet  den  Deckel  mit  geschlos- 
senen Augen,  und  schlägt  dann  langsam,  wie  träumend,  die  Augen  auf.  Sieht 
schweigend  eine  Weile  auf  den  Kopf  und  berührt  ihn  mit  leise  zitternder  Hand. 
Auf  seinem  Gesicht  zeigt  sich  momentan  der 
Ausdruck  eines  mühsam  bekämpften  Seelen- 
schmerzes, der  aber  sofort  verschwindet. 
Alle  in  ängstlichster 
Spannung.) 


Matsuö. 

(nach  kleiner  Pause,  langsam,  mit  stoisctK>-  Ruhe") 

Hm,  zweifellos  —  der  abgesehnittne  Kopf  ~ 
Kv^an  Shüsai's  —  zweifellos. 

(Dt-Vt  den  Deckel  wieder  zu.     Genzö  und  Tonami  athmen  sichtbar  erleich- 
tert auf  urid  wechseln  einen  raschen  Blick.     Gemba  erhebt  sich). 

Gemba. 

Nun  endlich,  endlich  I 

Ihr  habt  Euch  brav  gehalten,  Genzö,  br^iv 
Gehalten  ;  Eure  That  verdient  Belohnung. 
Dafür,  dass  Ihr  den  Sohn  des  frühern  Kanzlers 
Hier  heimlich  schütztet,  statt  ihn  auszuliefern^ 
War  eigentlich  der  Tod  Euch  zugeschworen. 
Doch  weil  Ihr  Euren  Fehler  gut  gemacht, 

Mit  eigner  Hand  die  Hinrichtung  vollzogen, 

Gewähr'  ich  Euch  Verzeihung. 

(/.u  Matsuö)       Auf  nun,  Matsuö, 

Lasst  uns  nach  Hofe  eilen,  dass  wir  Shihe 

Die  frohe   Botschaft  hurtig  überbringen. 

Er  wartet  des  Erfolges  unsrer  Sendung 

Mit  brennender  Ungeduld. 

Matsuö. 

Ja,  eilt  Euch,  Gemba, 

Bringt  ihm  die  Nachricht  — und  den  Kopf.    Doch  mich 

Entschuldigt.    Ich  bin  krank,  — mehr  als  ich  scheine  — 

Erwirkt  mir  die  Erlaubnis,  dass  ich  fürder 

Dem  Dienst  entsage. 

Gemba. 

WTie  es  Euch  gefällt. 

Geht  heim  und  pflegt  Euch.   Euer  Amt  habt  Ihr  Erfüllt. 

(Er  nimmt  die  Schachtel;  ab  mit  den  Bewaffneten.  Matsuö  folgt  ihm  mühsam, 
sich  auf  sem  Schwert  stützend,  steigt  in  die  Sänfte  und  wird  fortgetragen). 

2fJ 


SCENE   X. 

GENZÖ,  TONAMI. 

(Sie  sitzen  noch  eine  Weile  wie  an^^ewurzelt,  sehen  den  Gehenden  wie  un- 
p^läubig  nach.  Dann  verriegelt  Genzo  die  Thür.  Beide  setzen  sich  einander 
gegenüber,  athmen  tief  auf.  Tonami  faltet  die  Hände  zum  Himmel  und  ver- 
beugt sich  oftmals  bis  auf  den  Boden,  wie  in  inbrünstigem  Dankgebet.     Pause.) 

Genzö. 

Den  Göttern  Dank!    Dank  dir,  erhabner  Buddha! 
Fürwahr,  die  hohe  Tugend  unsres  Herrn 
Hat  uns  des  Himmels  Schutz  herabgerufen, 
Und  muss  des  Teufels  offnes  Aug'  mit  Wolken 
Umwölkt,  mit  Blindheit  es  geschlagen  haben. 
Weib,  freue  dich  !     Es  lebe  unser  Herrchen  ! 

Tonami. 
Kaum  qlaub'  ich 's.    Wenn  der  Geist  nioht  unsres  Herrn 
In  Matsuö's  Augen  sass,  so  muss  das  Haupt 
Des  Kinds  ein  guter  Geist  gewesen  sein. 
Ein  Feldstein  wird  für  ein  JuweJ  gehalten  I 
Den  Göttern  sei  gedankt  aus  tiefstem  Herzen. 

(Indem  pocht  Jemand  wiederholt  dranssen  an  die  Thür. 
Genzö  und  Tonami  erschrecken.) 


SCENE   XI. 

CHIYO  (zuerst  draussen),  Die  VORIGEN. 
OhiyO   draussen. 

Holla,  macht   auf i      Ich   bin's,    ich,  die    Mutter    des 
neuen  Zöglings  1     I-asst  mich  herein  I 

Tonami  Icise,  ängstlich. 

Um    Gütteswillen,    Genzö,    die    Mutter.      Wir   sind 
verloren  1    Was  thun  ?    Was  sollen  wir  sagen  ? 

OhiyO   draussen. 
Macht  auf,  macht  auf!    (Pocht  heftiger), 

GJ-enzÖ  verbissen,  zu  Tonami. 

Still,  albernes  Weib  I    Hab  ieh's  nicht  gleich  gesagt? 
Nur  ruhig.    Auch  damit  Averden  v/ir  fertig.    Sc  oder  so 

(Er  schiebt  Toiiami  zur  Seite,  öffnet  die  Tlinr  und  läs.'^t  Chiyo  ein.) 

OhiyO  in  .sichtlicVier  Aufrejrung. 
Acb,     seid     Ihr     der     Herr     Takebe      Genzö,     der 
verehrte  Lehrer?    Ich  habe  Euch  heute  meinen  Buben 
gebracht.     Wo   ist    er?     Er   ist    Euch   doch    nicht    zur 

Last  gev^'orden  ? 

Genzö. 

Das  nicht-— er  ist  drinnen  im   Hinterzimmer,  spielt 
mit    den    anderen     Knaben.      Wollt    Ihr    ihn    sehen, 

wollt  Ihr  ihn  heim  geleiten? 

Chiyo. 

Ja,  las.st    mich     ihn     sehen.      leb   will    ihn   mit   mir 
nehmen. 

Genzö  aufstehend. 

Dann  kommt.    Bitte,  tretet  hier  ein  — 

28 


(Chiyo  wendet  sich  naxrh  der  Hintcrthür ;  Gcnzö  zieht  hinter  ihr  das  Schwer 
und  führt  einen  Hieb  nach  ihr,  dem  die  in  diesem  Augenblick  sich  umwendende 
Chiyo  aber  geschickt  ausweicht.     Sie  flüchtet  zwischen  die  Pulte,  ergreift  das 
jcnige  ihres  Sohnes,  und  pariert  damit  einen  zweiten  Hieb  Genzö's.) 

Chiyo. 
Haltet  ein,  haltet  ein ! 

GrönZÖ   nach  einmal  zuschlagend. 

Zur  Hölle  1 

(Der  Schlag  spaltet  das  Pult,  aus  dem  ein  weisses  Sterbekleid,  Papicrstticke 
mit  darauf  geschriebenen  Gebeten,  eine  Begräbnisfahne  und  andere  beim  Begräb- 
nis gebrauchte  Gegenstände  herausfallen.) 

Q-enZÖ  erstaunt. 
Teufel,  was  ist  das?      (lässt  das  Schwert  sinken.)      VVaS    SOll 

das  bedeuten? 

Chiyo. 

(in  Thränen  ausbrechend,  auf  den  Knien). 

O  Herr,  ich  besch^A7ö^e  Euch  1 
Ist    mein    Sohn    den    Opfertod 
gestorben  ?  — Den  Opfertod   für 
seinen    jungen     Herrn    Kwan 
Shüsai?      Oder  nicht?      O  ich 
beschwöre  Kuch,  sagt  mir  die 
Wahrheit  1 

GenZÖ   starr 

Wie  ?  Was  ?  Den  Opfertod  ? 
Euer  Sohn  den  Opfertod? 
Habt  Ihr  denn  —  —  absichtlich  — 
Ihr  hattet  ihn  absichtlich  -  ? 


so 


Chiyo. 

O  du  mein  liebes,  mein  herziges  Kind!  Geopfert, 
frei^A^illlg  geopfert,  um  seinem  Herrn  das  Leben  zu 
retten.  Wozu  sonst  das  Sterb^kleid  für  ihn — diese 
Gebete  —  diese  Fahne  mit  der  Aufschrift  Namu  Amida 
Butsu  ? 

Grenzö. 

Frau  1  —  Ihr  entsetzt  mich,  ich  begreife  nicht  I    Wer 
seid  Ihr,  wer  ist  Euer  Gatte? 

(In  diesem  Augenblicl<  pocht  e<i  an  die  Thiir.  Matsuö  öffnet  von  ausseti, 
tritt  ein,  schliesst  hinter  sich,  lässt  sich  feierlich  nieder.) 


SCENE    XII. 

MATSUÖ.     DIE   VORIGEN. 

Matsuö. 

(recitiert  die  vom  Kanzler  Michizane  verfasste  Stroph«)  r 

„  Es  folgt  durch  die  Luft  mir  der.  Pflaunaenbaum, 
Vertrocknet,  verdorrt  ist  die   Kirsche  — 
Sollt'   in  der  ^A;'elt  die  Kiefer  allein 
Herzlos  und  treulos  sein?" 
Freu  dich,  mein  teures  Weib,  denn  unser  Sohn 
Ist  für  den  Herrn  den  Opfertod  gestorben. 

(Chiyo  wirft  sich  laut  weinend  auf  den  Boden). 

Matsuö. 

(tief  bewegt  zu  ihr  gewendet.) 

Mein  liebes  Weib,  mein  gutes,  treues  Weib, 
Ja,  weine  deinen  Mutterschmerz,  du  darfst  es. 

81 


(zu  Genzö)  Verzeiht  uns,  Genzö,  wenn  das  Elteraherz 
Nun  übentiächtig  seine  Rechte  fordert  — 

Genzö. 

(zwischen  Erstaunen  und  Rührung). 

Noch  weiss  ich  nicht  —  ist's  Traum,  ist's  Wirklichkeit? 

Seid  Ihr  denn,  Matsuö,  als  Tokihira's 

Vasall  nicht  unser  Feind?  Habt  Ihr  die  Bande, 

Die  ehmals  Euch  an  Michizane's  Haus 
Geknüpft,  nicht  längst  für  ^lle  Zeit  zerrissen  ? 

Soeben  noch •—  wie,  Hiuren  eignen  Sohn?  — 

Bewusst den  eignen,  Sohn  ?  —  Ihr  seht  mich  starr — 

Matsuö. 

Mit  Recht  erstaunt  Ihr.     A.ehl  Unsel'ges  Schicksal, 

Das  mich  auf  fremde  Pfade  irrgeleitet. 

Das  zum  Vasalln  mich  eines  Herrn  verlockt, 

Der  gegen  Alles  wütet,  was  mir  heilig 

Von  Kindheit  ist :  Den  angestammten  Herrn 

Und  Gönner  nneiner, Sippe,  meinen  Vater 

Und  meine  Brüder.     Schwer  hab'  ich  gelitten. 

Von  allen  Lieben  mich  getrennt  zu  sehn, 

Mit  Recht  naieh  einen  Undankbaren  schelten 

Zu  hören,  und  doch  anders  nicht  zu  können, 

V/ollt'  nneinen  Lehnseid  ich  nicht  schnöde  brechen. 

Gewiss,  was  Schweres  mich  in  dieser  Welt 

Betrifft,  ich  muss  in  früherer  Geburt 

Durch  böse  Thaten  es  verschuldet  haben.— 

Ich  trug's  nicht  länger.    Unauffällig  mich 

Aus  Tokihira's  Lehnsverband  zu  lösen, 

Stellt'  ich  mich  krank  und  bat  um  meinen  Abschied. 

82 


Da,  eben,  ward  es  kund,  dass  Ihr  Kwan  ShOsai 

In  Eurem  Hause  bergt,  und  Tokihira 

Befahl  ihn  schnell  zu  töten,  ehe  Ihr 

Entfliehen  konntet,  und  das  Haupt  des  Junkers 

Zum  Zeichen  der  Vollstreckung  ihm  zu  bringen. 

Mir,  der  allein  ^^on  allen  seinen  Mannen 

Das  Antlitz  Shüsai's  kennt,  ward  der  Befehl, 

Dem  Zug  mich  anzuschliessen,  um  die  Echtheit 

Des  Kopfs  ihm  zu  verbürgen.     Unter  dieser 

Bedingung  sollte  mir  der  Abschied  w^ erden. 

So  saht  Ihr  mich  in  letzter  Pflichterfüllung 

Hier  \A^alten,  und  ich  bring'  den  Göttern  Dank 

Aus  tiefster  Seele,  dass  sie  mir  verliehen 

Mich  von  der  Last  der  schweren   Schuld  zu  lösen. 

Dass  die  Ermordung  Eures  jungen  Herrn 

Ihr  zu  vereiteln  suchen  würdet,  Genzö, 

Ich  glaubt'  es  fest,  ich  wusst'  es.    Doch  was  w-oUtet 

Ihr  thun,  da  an  Entrinnen  nicht  zu  denken, 

Wenn  Ihr  in  Täuschung  keine  Zuflucht  fandet? 

Da  sah  ich  meine  Zeit  gekommen.     Schnell 

Entschlossen  hielt  ich  Rat  mit  meinem  Weib, 

Mit  meinem  armen,  tapfren  Weib  — und  sandte 

Euch  meinen  Sohn den  Göttern  überlassend 

Und  Euch,  dass  er  als  Stellvertreter  diene. 

Und  als  ich  kam,  die  Rechnung  abzuschliessen, 

Da  zählt'  ich  jene  Tische    -  einer  zu  viel  — 

Und  wusste,  dass  mein  Söhnehen  hier,  und  wusste 

Was  mir  bevorstand.- 

„  Sollt'  in  der  Welt  die  Kiefer  allein 
Herzlos  und  treulos  sein  ?" 


Die  Worte  unsers  unvergesslichen 

Und  gnäd'gen  Herrn,  auf  mich  gemünzt,  sie  tönten 

Mir  immerfort  im  Ohr,  und  alle  Welt 

Schrie  mir  in's  Angesicht :  sie  ist's,  sie  ist's ! — 

O  fühlt  mit  mir,  was  ich  darob  gelitten  ; 

Und  hätt'  ich  keinen  Sohn  gehabt,  der  für 

Des  Vaters  Schuld  sich  aufgeopfert,  ewig 

>A/'är'  ich,  mein  ganzes  Haus,  zum  Spott,  zur  Schande 

Der  Welt  ge^A^o^den.     O  mein  teurer  Sohn, 

Du  Retter  unsrer  Ehre  I 

Chiyo, 

Retter  unsrer  Ehre ' 
Ja,  lass  uns  dieses  Wort  dem  sel'gen  Geist 
Des  lieben  Kinds  als  heil'ges  Opfer  bringen, 
Das  ihn  in  jener  \Velt  mit  reinster  Freude 
Erfülle.     Ach,  als  ich  ihn  hier  zurückliess, 
Und  er  n^ir  folgen  wollte,  ward  mein  Herz 
So  unausprechlich  traurig,  in  dem  Todesrachen 
Ihn  zu  vei?lassen.  —  Lasst  noch  einmal  mich 
Den  toten  Leib  umfahn,  ein  letztes  Mal 
Gebt  das  geliebte  Kind  in  meine   Arme, 
Dass  ich  es  herze,  ach !  das  letzte  Mal  - 

(Sie  wirft  sieb  laut  weinend  auf  den  Bod«n.) 

Tonami. 

(näbert  sich  ihr  mitleidsvoll.) 

Unsel'ge  Mutter,  Euren  grimmen  Schmerz, 
Ich  fühl  ihn  mit  Euch.    Denk'  ich  seiner  Worte, 
Die  er  zu  seinem  Lehrer  bittend  sprach: 
„  Herr,  nehmt  Euch  meiner  an.    Von  ganzem  Herzen 
Will  ich  Euch  treu  sein  und  gehorsam  dienen  "  - 

34 


So  schaudert's  eisig  mir  durch  alle  Glieder, 
Mir,  die  sonst  keine  Bande  an  ihn  knüpften  — 
WT^Qs  mtisset  Ihr  erst,  seine  Mutter,  leiden  ? 

Matsuö. 

Gebiete  deinem  übergrossen  Sehmerz, 
Mein  teures  Weib.     Lass  uns  gefasst  ertragen. 
Was  durch  des  Himmels  Fügung  uns  bestimmt, 
(^u  Genzö)  Er  wussie,  Genzö,  dass  er  seinem  Tod 
Kntgegenging,  als  ihn  mein  Weib  Euch  brachte  ; 
Ich  hatt'  es  ihm  gesagt,  er  ging  freiwillig. 
Ein  zarter  Knabe  von  acht  Jahren  kaum. 
Doch  mit  dem  Mut  des  unerschrocknen  Helden. 
Wie  starb  er,  Genzö  ?     Bat  er  um  sein   Leben  ? 


"^^^^ 


Genzo. 

Er  starb  ein  Held.     Es  würde  mutiger 

Kein  Mann  dem  Tod  ins  Auge  sehn,  als  er. 

Als  ieh  das  Seh^srert  zog,  und  ins  Ohr  ihm  raunte 

Er  müsse  sterben,  jetzo,  auf  der  Stelle, 

Da  streckt'  er  freundlich  lächelnd  und  gelaasen 

Den  Hals  aus,  dass  er  meinen  Streich  empfinge. 

Matsuö. 

O  tapfres  Kind  \  Mein  treuer,  guter  Sohn! 

So  starb,  so  treu  ergeben,  auch   mein  Bruder 

Für  seinen  Herrn.     Siö  werden  beide  nun 

In  jener  V/elt  ihr  Wiedersehen  feiern, 

Und  ihres  Opfermutes  Lohn  geniessen.  (ochiuchzcnU) 

Verzeiht  mir,  Genzö,  ^^enn  ich  länger  nicht 

Der  Thronen  mich  erwehre  —  — 

(Er  vvcint ;  Alle  wetneü  uiiL  ihm  ) 


SCENE    XIU. 

Kwan   ShÜsai^  ^m  di\n  Weinen    im   Nebenzimmer  gehört    hat,  tritt 
heraus.     Bald  darauf   ShÜSarS   Muttcr.     Die  VORIGEN. 

Shüsai. 

Meinetwillen. 
Wie,  meinetwillen  dies  Entsetzliche  ? 
Ach  I  hättet  Ihr  mir  doch  gesagf.,  dass  miieh 
Die  Schergen  suchten,  nimmer  hätt'  ich  ihn 
Für  mich  sich  opfern  lassen.    Welch  ein  Jammer! 
Wie  habt  Ihr  mich  beschämt! 

3ö 


V 


(Rr  wdnt  und  bedeckt  sein  Geweht  mit  dem  Ärmel.  Alle  schluchzen. 
Matsuö  erhebt  sich  stillschweigend,  aeht  zur  Thür  und  giebt  ein  Zeichen  nach 
aii«;sen). 

Matsuö  (sich  zu  Shijsai  umwendead). 

Mein  Junger  Henri 
Ich  komme  nicht  mit.  leerer  Hand.    Das  schönste 
Geschenk  hab'  ich  Euch  mitgebracht.    Seht  dort ! 

(Zeigt  auf  die  Thür,  an  welche  mehrere  Männer  eine  geschlossene  Sänfte 
herantragen,  und  der  die  Mutter  Shüsai's  entsteigt.     Sie  tritt  ein). 

Shüsai. 

W^'ie,  meine  Mutter,  meine  teure  Mutter  I 

Mutter  Shüsai's. 

Mein  Sohn,  mein  Sohn  I 

Genzö. 

(nach  kurzer  Pause  freudigen  Staunens). 

NA/as  sch  ich?  Seh  ich  recht? 
Ihr  seid  es,  edle  Herrin  ?    Welch  ein  glücklich 
Zusammentreffen  1  I-ängst  schon  forschten  wir 
Allüberall  nach  Euch.     Ihr  schient  verschwunden. 
Wo  weiltet  Ihr?    Wo  fandet  Zuflucht  Ihr? 

Matsuö. 

Lasst  Euch  berichten.     Als  der  blutige 

Tyrann  dem  ganzen  Hause  Suga^vara 

Vernichtung  drohte,  bracht'  ich  insgeheim 

Die  hohe  Frau  nach  Saga.    Aber  bald 

Ward  dort  ihr  Aufenthalt  entdeckt.    Als  Bettelmönch 

Verkleidet  schlich  ich  mich  zu  ihr,  und  brachte 

Durch  mancherlei  Gefahr  sie  unbemerkt 

«7 


Hier  in  die  Nähe.     Noeh  sind  wir  nicht,  sicher. 
Bereitet  drum  den  Aufbruch.    Eilen  wir, 
Dass  wir  Kaw^achi's  Grenze  hinter  uns 
Bekommen :  Dort  auch  werden  ^A^ir  die  Tochter 
Der  hohen  Frau  antreffen,  die  mit  Ängsten 
Der  Mutter  und  des  Bruders  harrt.     Brecht  auf! 
Die  kleinste  Säumnis  kann  Verderben  bringen.     - 
(zuChlyo)  Und  nun,  mein  Weib;  die  letzte  ElternpHichtl 
Lass  uns  den  teuren  Leib  zu  Grabe  tragen. 
Und  seinem  Geist  die  Totenopfer  bringen. 

(Tv>nami  ist  hmeingegangen  und  bringt  den  Leichnam  eingehüllt  auf  den 
Armen  tragend  heraus.  Matsuö  und  Chiyo  /.iehen  ihre  Oberklctder  aus.  anter 
denen  sie  bereits  die  weissen  Trauerkleidcr  tragen). 

Genzö. 
Nem,  Matsuö  I  Es  wäre  herzlos,  wollten 
AA^ir  Euch  jetzt,  den  vom  Gram  gebeugten  Eltern, 
Die  Sorge  für  die  Tot;enfeier  lassen. 
Mein  Weib  und  ich  — 

Matsuö. 

Gewährt,  dass  ich's  vollbringe, 
(bedeutend)  Es  ist  ja  nicht  mein  Sohn,  den  ich  begrabe  — 
Es  ist  der  junge  Fürst. 

(Er  nimmt  den  Leichnam  auf  den  Arm  und  trägt  ihn  hinaus.     Während  die 
Andern  schluchzend  folgen,  fällt  deir  Vorhang.) 


Finis. 


98 


\ 


X. 


&i»  Tvomarjtiscljes  Schauspiel. 


IN  eiN&M  AKt. 


VORFABEL  DES  DRAMAS. 

(D^  ich  nur  den  Hauptakt  d»s  Trauerspiels  Iki-utsushi  Asagao-nikki  „  61t 
lebenswahre  Geschichte  der  Asagao  "  übersetze,  sei  hier  eine  kurze  Darstellung 
der  voraufgehenden  Teile  des  Dramas  gegeben.) 


Im  Lande  Aki,  am  westlichen  Ende  des  japanischen  Binnenmeeres, 
herrschten  böse  Zustände,  da  ein  Bnjder  der  Favoritin  des  Fürsten  allmäch- 
tig geworden  und  mit  frecher  Willkühr  alle  tyrannisierte.  Nicht  länger 
fähig,  den  Unfug  mit  anzusehen,  zog  sich  der  ergebene  Karo  des  Fürsten, 
Akitsuki  Yuminosuke,  zurück,  und  ging  mit  seinem  Weib  und  seiner 
einzigen  Tochter  Miyuki  nach  der  damaligen  kaiserlichen  Residenzstadt 
Kyoto.  Eines  Abends,  es  war  im  beginnenden  Sommer,  unternahm 
Miyuki  mit  ihrer  Amme  Asaka  eine  Lustfahrt  auf  dem  Flusse  Uji-gawa  bei 
Kyoto,  und  sie  ergötzten  sich  an  dem  Leuchten  der  herumfliegenden 
Johanneswürmchen.  Als  sich  der  Fahrmann  gerade  vom  Boot  entfernt 
hatte,  wurden  die  beiden  Frauen  von  zwei  betrunkenen  Rittern  (Samurai) 
angefallen  und  arg  belästigt.  Zufälligerweise  befand  sich  ein  juoger  Ritter, 
Miyagi  Asojiro,  ein  Neffe  des  berühmten  Gelehrten  Komazawa,  Ratgebers 
des  Fürsten  yon  Suwö,  der  Studien  halber  sich  in  Kyoto  aufhielt,  in  der 
Nähe.  Der  eilte  auf  das  Geschrei  der  Frauen  herbei  und  befreite  sie  aus 
den  Händen  der  Trunkenbolde.  Die  so  zu  stände  gekommene  Bekannt- 
schaft führte  zu  traulichem  Geplauder,  und  der  stattliche  Jüngling  und  die 
liebliche  Jungfrau  fanden  herzlichsten  Gefallen  aneinander.  Die  Amme,  in 
Liebeshändeln  wohl  vertraut  und  vvissend,  wie  gern  Liebende  für  sich  sind, 


Hess   ciie  beiden   im  Böot  allein,  indem  sie  unter   dem    Vorwand,   den 
Fährmann  zuriiclaurufen,  sich  wegbegab.     In  ihrer  Abwesenheit  bat  das 
Mädchen  den  jungen  Mann,  ihr  etwas  auf  ihren  vergoldeten  Fächer,  per 
mit   dem   Bilde    einer  blühenden   Winde   {Asagao^  wörtlich   ,,  Morgen- 
Antlitz/'  weil  die  Winde  nur  am  frühen  Morgen  ihren  bethauten  Kelch 
erschliesst,  dann  aber  im  Sonnenschein  welkt)  geschmückt  war,  zu  schrei- 
ben,  und  Asojiro   improvisierte  ein  Gedicht,  indem  er  die  Winde  zum 
Thema  wählte.     Das  Gedicht  lautete  wörtlich  :     „Da  der  Sonnenschein, 
welcher  die  Winde  bestrahlt,  die  [nur  lebt]  während  die  Thaitropfcn  noch 
nicht   trocknen,  gar  herzlos  grausam  ist,   so  möchte  ich,  ach,    dass   ein 
Schauerregen    tropf-tropf  herabriesclte !"      Darauf   nahm  Miyuki  einen 
bunten  Gedichtzettel  ( Taiizakit)  hervor,  wie  man  bei  Partien  immer  bei 
sich  trug,  um  Gelegtnlieitsgedichte  darauf  zu  schreiben,  und  improvisierte 
ihrerseits  ein  LIebesliedchen  :    ,,  O  mochte  doch  der  Wind  mein  liebendes 
Herz   hin   zum   Geliebten    wehen,    der   durch   die   Blicke    der   fremden 
Leute  von  mir  getrennt  ist."     So  erklärten  sie  sich  mit  zarter  Anspielung 
im  Liede  ihre  Liebe. 

Da  wurde  das  trauliche  Beieinander  gestört.  Ein  Bediensteter  des 
jungen  Asojiro,  der  diesen  schon  überall  gesucht  hatte^  kam  herbei,  und 
überbrachte  seinem  Herrn  ein  Sclireiben  von  dessen  Onkel  Komazawa 
Ryökai,  dem  Ratgeber  des  Fürsten  von  Suwö.  Der  Brief  enthielt  die 
dringende  Aufforderung  an  Asojiro,  sofort  nach  der  Heimat  aufzubrechen, 
der  Adoptivsohn  und  Erbfolger  des  Onkels  zu  werden  und  alle  Anstrengun- 
gen zu  machen,  um  den  jungen  Erbprinzen,  der  in  den  Ostprovinzen,  im 
Flecken  Oiso  bei  Yedo,  von  bösen  Gesellen  verführt  ein  wildausschweifen- 
des Leben  führte  und  sich  zu  ruinieren  drohte,  auf  die  rechte  Bahn 
zurückzuführen.  Dem  Befelil  niusste  unverzüglich  gehorcht  werden,  und 
so  war  Asojiro  gezwungen,  von  der  Geliebten  plötzlichen  Abscliied  zu 
nehmen. 

In  diesen  Tagen  wurtje  auch  Miyuki's  Vater  von  seinem  Fürsten 
zurückberufen.    Infolge  der  Willkührherrscliaft  des  Bruders  der  Favori- 


tin  war  in  Aki  ein  Bauernaufstand  ausgebrochen,  den  nun  Akitsuki,  dessen 
Wert  man  jet2t  erst  recht  schätzen  lernte,  beilegen  sollte.    Akitsuki  begab  ' 
sich  mit  seiner  Familie  von  Kyoto  an  die  Küste,  nach  dem  Hafen  von 
Akashi,  unweli  Köbe,  und  hatte  dort  auf  dem  Schiff,  das  man  genommen, 
um  den  Seeweg  westwärts  durch  das  Binnenmeer  anzutreten,  den  Abend 
über  zu  warten,  bis  dass  ein  günstiger  Wind  die  Segel  blähen  würde. 
Zufallig  war  auch  Miyuki'a  Geliebter  Asojiro    auf  einem    nahe  bei  lie- 
genden Schiffe  im  Hafen  anwesend  und  harrte  auf  den  Aufbruch  nach 
Osten.    Als  Miyuki  ihn  erblickte,  begab  sie  sich  zu  ihm  hinüber  und  bat  ihn, 
sie  doch  mitzunehmen,  was  der  Jüngling  ihr  erst  abschlug.     Da  aber  das 
Mädchen  auf  ihrer  Bitte  beharrte,  und  auch  des  Jünglings  Herz  sie  bei  sich 
zu  haben  wünschte,  so  willigte  er  ein,  doch  nur  unter  der  Bedingung,  dass 
die  Jungfrau  für  ihre  Eltern  ein  erklärendes  Schreiben  2urackHesse.      So 
ging  Miyuki  noch  einmal  ins  Schiff  der  Eltern  zurück,  den  Wunsch  des 
Geliebten  zu  erfüllen.     Da  aber,  als  sie  gegangen,  Hess  gerade  der  Führer 
von  Asojiro 's  Schiff  die  Segel  hissen,  und  Miyuki  hatte  keine  Zeit  mehr, 
dahin     zurückzukehren.       Dem    scheidenden    Geliebten    warf    sie    zum 
Andenken  noch  üircn  goidnen  Fächer  hinüber  ins  Schiff. 

Ihr  Vater  erreichte  die  Heimat,  legte  den  Bauernaufstand  bei,  und 
wurde  von  seinem  dankbaren  Fürsten  für  seine  Verdienste  durch  eine 
ansehnliche  Vermehrung  seiner  Einkünfte  belohnt.  Nicht  lange  danach 
kam  der  junge  Asojiro,  der  nun  nicht  mehr  seinen  früheren  Namen  trug, 
sondern  nach  der  Adoption  durch  seinen  Onkel  den  Namen  Kcnnazawa 
yirozaewon  angenommen  hatte,  auf  der  Durchreise  nach  den  Ostprovinzen 
als  Abgesandter  seines  Fürsten  an  den  nachbarlichen  Hof  von  Aki, 
um  die  Glucku-ünsche  seines  Hofes  zu  der  erfolgreichen  Niederwerfung 
der  Rebellion  darzubringen.  Bei  dieser  Gelegenheit  machte  er  die 
Bekanntschaft  Akitsuki's  und  cr^varb  sich  dessen  Hochschätzung. 
Der  Fürst  von  Aki,  der  dem  jungen  Komazawa  eine  Gunst  erweisen 
wollte,  befahl  dem  alten  Akitsuki,  dem  Jüngling  seine  scliöne  Tochter 
zur    Frau    v-u   geben,   und    gern   dem    Befehl    gehorcliend,    vollzogen 


der  Vater  und    der  jun^e  Mann  sogleich    in   Gegenwart  des    Fürsten 
die    Ceremonie    des     BecheranstauscKes,    wodurch   die    Verlobung    als 
formen  vo'.'zgen  galt.     Darauf  begab  sich  der  Vater  nach  Hause  und 
machte  seiner  Frau  Mitteilung  von  dem,  was  soeben  bei  Hofe  auf  Refehl 
des  Fürsten  geschehen  war.     Voll  Entsetzen  hörte  dies  Miyuki,  denn  sie 
hatte  keine  Ahnung  davon,  dass  ihr  Geliebter  inzwischen  den    Namen 
gewechselt  hatte ;  und  während  in  Wirklichkeit  ihr  sehnlichster  Herzens- 
wunsch vor  einer  ungeahnt   nahen  Erfüllung  stand,  glaubte  sie,  von  den 
Umständen  getäuscht,  dem  heimlich  Geliebten  für  immer  entsagen  und 
einem  fremden  Manne  sich  überliefern  zu  müssen.     Da  floh  sie  heimlich 
aus  dem  Hause  und  wandte  ihre  Schritte  nach  Kyoto,  den  Geliebten  viel- 
leicht  dort  zu  finden.     Dort  hörte  sie,  er  sei  in  den  Ostprovinaen,  und 
wanderte  nun  nach  Osten,  aber  ohne  je  \vieder  von  ihm  zu  hören.     Alles 
Suchen  und  Forschen  war  umsonst.     Sie  irrte  lange  Zeit  umher,  litt  vielen 
Kummer  und  Not^  und  vom  vielen  Weinen  um  den  Geliebten  erblindeten 
schliesslich  ihre  Augen. 

Der  Kaiö  (Hausmeier)  des  Flirsten  von  Suwö,  des   Herrn  Koma- 
zawa's,  war  ein  durchtriebener  Bösewiclit,  dessen  Bestreben  kein  anderes 
war,  ak  den  Fürsten  zu  stürzen  und  sein  ganzes  Haus  zu  verderben.     Aus 
diesem  Grunde  hatte  er  durch  seine  Spiessgesellen  den  jungen  Erbprin- 
zen, der  im  Osten  wellte,  in  ein  wüstes,  Seele  und  Leib  zerstörendes  Luder- 
leben hineinlocken  lassen,  sah  aber  seine  listigen  An.^rhläge  durch  das 
Dazwischentreten  des  charaktervollen  Komazawü  fast  vereitelt.     Koma- 
zawa  stand  ihm  im  Wege,  und  es  galt  diesen  erst  hinwegzuräumen,  wenn 
er  zum  Ziele  gelangen  wollte.    So  befahl  er  seinen  Helfershelfern,  nament- 
lich einem  niedrig  denkenden,  verschlagenen    Ritter  Namens  Twashiro 
Takita,   den   Komazawa  auf    der    Rückkehr    von    der    Reise    in    den 
Osten  unschädlich  zu  machen.     Iwashiro,  welcher  mit  Koma.^awa  zusam- 
men   reiste,  gedachte  seinen  scheusslichen   Plan   in   einem   Wirtshause 
(dem  Ebisu-ya  des  Wirtes  Tokuyemon)  des  Fleckens  Shimada.  zwischen 
dem  Flusse  Oigawa  und  der  Stadt  Shizuoka  am  Ostseeweg  (Tökaido) 


gelegen,  zur  Ausführung  zu  bringen.     Ein  schurkischer  Arzt,   Hagi  no 

Yüsen,  dem  man  Aussicht  auf  reiche  Geldbelohnung  gemacht  hatte,    und 

ein  wilder  Kerl  von  landstreichendem  Ritter  (ein  Rönin),  Namens  Mase 

Kyüsö,   waren  im  Komplott.     Während  der  momentanen  Abwesenheit 

Komazawa's   unternahm  es  der  Arzt,   eine  betäubende  Medizin  in  den 

Kessel  mit  heissem  Wasser,  der  auf  einem  Kohlenbecken  in  Komazawa's 

Zimmer  stand,  zu  schütten.     Das  Wasser  sollte  zur  Theebereitung  benutzt 

werden  ;  Hagi  no  Yüsen,  ein  Meister  in  der  Kunst  der  Theebereitung-, 

wollte  das  ahnungslose  Opfer  zum  Trinken  verleiten,  für  sich  selbst  aber 

dabei,  im  Fall  dass  er  mit  trinken  müsse,  die  Wirkung  des  Giftes  durch 

ein  bereit  gehaltenes  Gegenmittel  in  Pillenform  aufheben.     Die  Rechnung 

war  aber,  im  wörtlichsten  Sinne,  ohne  den  Wirt  gemacht  worden.     Dieser 

hatte  das  Gespräch  überhört,  und  als  die  Kumpane  das  Zimmer  verliessen, 

schüttete  er  das  vergiftete  Wasser  aus,  goss  frisches  ein,  und  vermischte 

mit  einer  sogenannten  Lachmedizin.      Nach  Komazawa's    Rückkehr 

stellen    sich   auch   Iwashiro  und  Yüsen  ein;    dieser   bereitet  unter   den 

Anoreisungen  Iwashiro's  den  Thee  und  will  ihn  seinem  Opfer  überreichen. 

n     t  itt  aber  der  Wirt  herein,   und  macht  auf  die  Sitte  seines  Hauses 

ufmerksam,  dass   man  um  Treu  und  Glauben  willen  von  etwas,  das  man 

darreicht,   zuerst  gemessen  müsse.     Im  Vertrauen  auf  seine  Pillen,  von 

denen  er' schnell  einige  heimlich  verschluckt,  trinkt  der  Arzt  den  von  ihm 

bereiteten  Thee,   und  kaum  hat  er  ihn  im  Leibe,  als  die  Lachmedizin  zu 

4rken   beginnt:    einer  unterdrückten  Heiterkeit  folgen  immer  stärkere 

Anfälle  von  Lachkrämpfen,  so  dass  sich  YQsen  schliesslich  lachend  und 

brüllend  am  Boden  wälzt  und  den  gehassten  Komazawa  anbettelt,  ihm  einen 

Arzt  zu  rufen,  während  Iwashiro  kochend  vor  Wut  über  den  Lumpen  von 

Arzt  dabeisitzt,  dessen  Zustand  er  nicht  begreift,  und  in  übel  verhaltenem 

Zorn  über  das  Misslingen  des  Planes  den  Spiessgesellen  in  Krautstücke  zu 

A  rMt     Rache  brütend  lässt  er  sich  vom  Wirt  nach  dem  Badezim- 
zerhauen arouL.     av«v  xr    j    i.    -l 

er  geleiten  und  Komazawa,  indessen  Seele  schon  starker  Verdacht  über 
I,  sonderbare  Benehmen  der  Genossen  aufsteigt,  bleibt  allein  nirilck. 


Der  komischen  Scene  folgt  nun  eine  Reihe  von  ernsteren  Auftritten, 
die  unter  dem  Namen  Yad^'a  no  Dan  „  Wirtshausscene"  zu  dem  Be- 
rühmtesten und  Beliebtesten  gehören,  das  die  japanische  Bühne  aufzuweisen 
hat.     Ich  habe  sie   fast  wörtlich  übersetzt,   um  die  eigentümliche,    teils 
dramatische,  teils  episclie,  Struktur  des  japanischen  Dramas  nicht  zu  ver- 
wischen.    Romantisch-märchenhafte  Züge,  so  recht  im  japanischen  Volks- 
geschmack, fliessen  reichlich  ein,  und  eines  der  Motive  gegen  den  Schluss 
wird  uns^n  etwa  an  Hartmann  von  Aue's  „  Armen  Heinrich"  erinnern. 
Die  Recltative,  im  Japanischen  yi  oder  Owbo  genannt,  werden  von  einem 
Sänger  in  musikalischer  Rec'tation,  welche  ein  Guitarrenspieler  begleitet, 
vorgetragen;  beide  sitzen  in  einer  kleinen,  etwas  erhöhten  Prosceniums- 
loge  an  einem  Ende  der  Bühne,  dem  Orcliester  {Hayasht)  an  der  anderen 
Seite  gegenüber,  und  sind  für  das  Publikum  durch  einen  vorgezogenen 
Vorhang  aus  Bambusstäbchen  nur  undeutlich  sichtbar.     Der  C/wbo  ent- 
spricht in  etwa  dem  Chor  des  altgriechischen  Dramas.     Der  Text  dessel- 
ben ist  leicht  rhythmisch  abgefasst,  und  die  Übersetzung  ahmt  dies  an  den 
ausdrucksvolleren  Stellen  durch  eine  frei- rhythmische  Prosa  nach.   Auch  die 
Sprache  der  einzelnen  Personen  erhebt  sich  häufig  zu  rhythmischem  FIuss. 
Das  ganze  Drama  umfasst  i6  Akte  :  die  erste  Begegnung  der  Lie- 
benden am  Uji  Fluss  bildet  den  dritten,  die  abermalige  Trennung   im 
Hafen  von  Akashi  den  sechsten,  die  Verlobung  und  Flucht  Asagao's  den 
siebenten,  die  Thätigkeit  Komazawa's  in  Öiso  zur  Rettung  des  lüderiichen 
Erbprinzen  den  achten,  die  abenteuerlichen  Schicksale  Asagao's  bis  zum 
Zusammentreffen  mit  ihrer  Amme  Asaka  (zwölfter  Akt)  den  neunten  bis 
zwölften,  die  missglückte  Vergiftung  den  dreizehnten,  und  der  Inhalt  der 
vorliegenden  Übersetzung  den  vierzehnten  Akt.     Die  Schlussakte  stellen 
die  glückliche  Vereinigung  des  liebenden  Paars  und  den  Untergang  der 
verräteris.hea  Clique,  zu  welcher  Iwashiro  gehört,  dar.    Der  Verfasser  des 
Dram.  s  ist  Yamada  Kakaski,  aus  dessen  nachgelassenen  Papieren  Sm'sAd- 
en  Shujin  den  Text  in  der  jetzt  volkstümlich  gewordenen  Form  herge- 


tellt  hat 


PERSONEN. 


Komazawa  Jirosaemon,  vor  seiner  Adoption  genannt  Miya^^l 
Asojiro,  ein  junger  Ritter,  Vasall  des  Fürsten  von  Smvö. 

Miyuki,  zubenannt  Asagao,  Tochter  des  Ritters  Akitsuki  Yuminosuke, 
Hausmeiers  des  Fürsten  von  Aki. 

IwashirO  TaMta,  ein  Ritter,  Vasall  des  Pursten  von  Suwö. 

Tokliyemon,  ein  wohlhabender  Wirt,  Besitzer  des  Gasthauses 
Ebisuya  (Hotel  zum  Glücksgott)  im  Flecken  Shimada. 

Sekisuka,  ein  Diener  im  Hause  des  Ritters  Akitsuki  Yuminosuke. 

Mase  KyÜSÖ,  ein  Rönin  (landstreichender  Ritter). 

Ein  Page  des  Iwashiro. 

Onabe  (d.i.  Bratpfanne),  eine  Magd  Tokuyemon's. 

Fährleute. 


Scene:  Ein  Gartenzimmer  im  Wirtshause  des  Tokuyemon,  im 
Flecken  Shimada,  am  Tökaidö,  unweit  Shizuoka.  Nach  der  Verwandlung  : 
Landscliaft  am  Flusse  Oigawa. 


Recitativ. 

Einsam  und  öde  ist  es  im  Hause, 
Flüchtig  zur  Stätte  der  Rast  erkoren. 
Durch  die  Spalten  der  Schiebethüren 
Schleicht  sieh  der  nächtliche  Wind, 
Und  vom  Hauehe  bewegt 
Flackert  der  Schein  der  Lampe. 
Siehe,   da    kommt  er    zurück:     Komazawra.     Und 
nichts  ahnend   lässt  er   sieh  nieder   zum    Sitzen.     Von 
ohngefähr   fällt   sein    Blick    auf   ein    Gedicht,    das    auf 

dem  Wandschirm  des  Zinimers  aufgeklebt  war er 

liest  es  — 


Komazawa. 

Wie  sonderbar  ~  unbegreiflich !  Das  Gedicht,  das 
ich  dort  auf  dem  Fächerpapier  des  Wandschirms 
erblicke  —  dasselbe  Lied  von  der  Asagao  ist  es,  das  ich 
einst  der  Tochter  des  Akitsuki  auf  dem  Uji-Flusse 
zum  Angedenken  auf  ihren  Fächer  schrieb!  Und 
als  ich  kurze  Zeit  darauf  mit  meinem  Schiff  im 
Hafen  von  Akashi  vor  Anker  lag,  vernahm  ich  plötz- 
lich, wie  Miyuki*s  Stimme  das  Lied  mit  Harfenbeglei- 
tung sang.    Der  unerwartet  rasche   Aufbruch  meines 


Schiffes  riss  uns  von  einander;  im  sehmerzHchsten 
Jammer  über  das  Scheiden  warf  mir  das  Mädchen 
mit  eigner  Hand  den  Fächer  ins  Schiff  herüber.  Und 
nun  — ,  nun  sehe  icli  in  einem  fremden  Hause  dies 
selbe  Gediehtals  Wandschmuck  aufgesehrieben.  Wer 
hat  es  hierher  verpflanzt,  wer  führt  es  mir  hier,  an 
entlegener  Stätte  im  fernen  Ostland,  wieder  vor 
Augen  ?    Welch  wunderbarer  Zufall  1 

(Er  2ielit  den   Fächer  der  Miyuki  aus  der  Brustfalte  seines  Kleides  heraus, 
öffnet  ihn  und  betrachtet  ihn  sinnend). 

Recitativ. 

So  spricht  er  zu  sich  selbst,  und  in  dem  Augen- 
blick, wo  er  in  Erinnerung  jener  Zeit  sich  ganz  in  das 
Gedicht  versenkt,  schiebt  Tokuyemon  die  Tapetenthür 
auf  und  tritt  herein  in  höflich  gebückter  Haltung. 
Schnell  verbirgt  da  jener  den  Fächer. 

Komazawa. 
Heda  Herr  \^/'irt,  Er  ist's.  Er  hat  sieh  vorhin  um 
meinetwillen  rechte  Mühe  gegeben.  Nur  seiner 
wackeren  Gesinnung  verdanke  ich's,  dass  ich  der 
grossen  Gefahr  entronnen  bin.  Komm  er,  setz'  er 
sich  hierher  zu  mir! 

Wirt. 

O,  übergnädige  W^orte!  Eh,  als  ich  vor  einer 
W^eile  hier  draussen  am  Zimmer  vorbeiging,  bemerkte 
ich  wie  drinnen  drei  Männer  etwas  heimlich  mit 
einander  besprachen,  ich  schöpfte  gleich  Verdacht 
lauschte    unbemerkt    an    der   Wand    und    erfuhr   so 


den  ganzen  seheussliehen  Plan,  Euch  ein  Betäu- 
bungsmittel in  den  Thee  zu  mischen.  O  schändlich, 
schändlich  !  Ich  dachte  erst  daran,  Euch  sofort  davon 
Mitteilung  zu  machen,  dann  aber  überlegte  ich  bei 
nnir,  dass  man  nicht  wissen  könne,  was  für  Schuldige 
sich  schliesslich  bei  der  Sache  noch  herausstellten. 
Glücklieherweise  hatte  ich  neulieh  zunn  Amüsennent 
gerade  eine  Lach-Medizin  gekauft ;  die  vertausch- 
te ich  unvermerkt  gegen  das  Betäubungsmittel, 
der  schurkische  Arzt  trank  die  Mixtur,  ohne  zu 
ahnen,  dass  er  hinter's  Lieht  geführt  war,  und  es 
ereignete  sich  die  lächerliehe  Scene,  von  der  Ihr 
selbst  Zeuge  gewesen  seid.  Aber  seid  auch  jetzt  noch 
recht   vorsichtig,   Herr  Ritter. 

Komazawa. 

Hoho,  das  habe  ich  auch  schon  gleich  begriffen. 
Hm,  doch  dies  beiseite.  —  Das  Gedicht  von  der  Asagao 
da  drüben  auf  dem  Wandschirm  —  sag'  er  einmal, 
v/er  hat  denn  das  gesehrieben,  und  bei  v/elcher  Ge- 
legenheit ist  es  in  seine  Hand  gekomnaen  ? 

Wirt. 

Ah,  das  da?  An  dieses  Gedir^^'it  knüpft  sich  eine 
traurige  Geschichte.  Es  ist  aa  nämlich  ein  junges 
Mädchen,  dem  Gerücht  zufolge  aus  einem  vornehmen 
Hause  der  Mittelprovinzen,  die  auf  der  Suche  nach 
Jemand,— nach  v/em,  weiss  ich  nicht — ,  ihr  elterliches 
Haus  veriiess,  seitdem  hier  und  dort  umherirrte,  und 
schliesslich  zu  guter  letzt  sich  die  Augen  ausweinte. 
Bis  zum  vorigen  Monat  zog  sie  bettelnd  umher,  indem 

A 


sie  dieses  Lied  sang.    Da   kam  aus  ihrer  Heimat  eine 
Frau     die    ni  irgend   einem    Verhältnis    zu    ihr   stand 
und   lange   vergebens  nach    ihr  gesucht    hatte.    Aber 
nach   ganz   kurzer    Zeit    starb    diese    Frau    auf    dem 
Krankenbett,    und    nun    war    das    Mädchen    wieder 
mutterselig    allein,    und    kam,    ihr    Lied    singend,    an 
diesen  Ort.     Sie  ist  zwar  gänzlich  blind,  aber  trotzdem 
von    gutem    Aussehen,    und    hat  eine  wunderschöne 
Stimme.      "Wer    sie    auch    sieht,    empfindet    innigstes 
Erbarmen  mit  ihr.    Man  nennt  sie  allgemein  Asagao, 
und  es  ist  in  der  Umgegend  kein  Mensch,  der  dies  Lied 
niclat  kennte.     Da   sie   auch   mir  gar   zu   leid  thut,  so 
habe    ich  ihr  in    meinem    Hause  ständige   Aufnahme 
gewährt,  und  heutzutage  ist  es  ihre  Beschäftigung,  den 
Gästen  in  den  verschiedenen  Wirtshäusern  die  Lan- 
geweile   zu    vertreiben.      Ja,    es     giebt    unglückselige 
Geschöpfe  auf  dieser  V/eltl 

Recitativ. 

V/ie  dies  er  erzählt,  und  mit  der  Hand 

Die  Thränen  aus  dem  Auge  sich  wischt, 

Fühlt  Komazawa  Stich  für  Stich 

Sein  Herz  getroffen. 

Doch  sucht  er  die  pochende  Brust  zu  zähmen, 

Die  Brust,  die  pocht  im  Gedanken,  es  sei 

Vielleicht  die  versproohne  geliebte  Braut. 

Komazawa. 

Hm  das  ist  fürwahr  eine  traurige  Geschichte.  Ich 
fühle  mich  heut  Abend,  ich  weiss  selbst  nicht  warum, 
so  einsam  und  verlassen ;-~  kennte  ich  da  nicht,  rnir 

8 


die  Langeweile   zu  vertreiben,   dies   Mädchen  hierher 
kommen  lassen? 

Wirt. 

Ja,  freilich,  Herr,  nichts  leichter  als  das.  Ich  will 
sogleich  Jemand  nach  ihr  schicken.  Sie  mag  zu  Eurer 
Erheiterung  singen  und  spielen,  auf  der  Harfe  oder 
der  Guitarre. 

Komazawa. 

Hm,    "wohlan,    jedenfalls     vertraue     ich    ihm    die 
Sache   an. 

Recitativ. 

Tokuyemon,  der,  unschuldig  wie  Buddha,  auch 
nicht  im  entferntesten  ahnt,  dass  dieser  Rede  Ge- 
wichtigeres zu  Grunde  liegt,  steht  leiehtfüssig  auf  und 
geht  davon.  Drauf  kommt  der  Kumpan  Iwashiro 
Takita  schwerfälligen  Schrittes  heran  und  setzt  sich. 

Iwashiro. 

Na,  na,  Herr  Komazawa,  Ihr  werdet  gewiss  recht 
Langev/eile  haben. 

Komazawa. 

Hm,  Herr  Iwashiro,  und  Ihr  habt  Euch  ja  überaus 
mit  dem  Bade  gesputet. 

Recitativ. 

In  ihren  Mienen  zwar  scheinen  sie  freundlich,  doch 
Grimm  sitzt  drinnen  im  Herzen.  Da  kommt  mit 
vorgebundaer  Schürze  Mamsell  Bratpfanne,  die  Kü- 
chenmagd, spreizt  beide  Hände  zum  Gruss  auf  dem 

e 


Boden  im  Nebeiizimmer,  und  spricht: 

Magd. 

Hören  Sie,  hören  Sie  I  Soeben  ist  Mamsell  Asagao 
gekommen.    Soll  ich  sie  hier  herein,  führen? 

Iwashiro. 
Wie?  Asagao?  Wer  ist  denn  das? 

Komazawa. 

Ach,  eine  blinde  Musikantin,  die  hier  auf  der 
L-andstrasse  mit  Harfen-  und  Guitarrenspiel  den  Rei- 
senden die  einsamen  Stunden  vertreibt.  Ich  fühle 
mich  auch  ein  bischen  einsam,  und  da  dachte  ich, 
ich  ^?vollte  mir  ein  wenig  auf  der  Harfe  vorspielen 
lassen,  und  habe  deshalb  den  Wirt  beauftragt,  das 
Mädchen  herzurufen. 

Iwashiro. 

1  wo,  ei  gar,  das  lasst  nur  bleiben  I 

Komazawa. 
WaruiTi  soll  ieh's  denn? 

Iwashiro. 

Ja  wohl.  Ihr,  der  Ihr  vorhin  dagegen  Einspruch 
erhoben  habt,  mit  nneineni  Freunde  Hagi  no  Yusen 
das  Zimmer  zu  teilen,  Ihr  werdet  doch  nicht  eine 
Bettlerin  in  dies  Zimmer  hereinlassen? 

Komasawa. 
Sie  ist  ja  weiter  nichts  als  ein  blindes  Mädchen, 
und  wird  doch  wohl  rb./-ht  gerade  einen  verdächtigen 
—  hm  —  Theekasten  mitbringen  ?  I 


Recitativ, 

So  mit  gleicher  Münze  bezahlt,  war  jener  augen- 
blicks  betroffen,  und  stockt  in  seiner  Widerrede.  Doch 
fasst  er  sieh,  und   geschvv''ätzig   plappernd  • 

Iwashiro. 

Nun,  wenn's  Euer  dringender  Wunsch  ist— naeinet- 
>vegen.  Doch  soll  man  ihr  nicht  erlauben,  ins  Zim- 
nner  zu  kommen.  Ruft  sie  lieber  in  den  Garten,  lasst 
sie  spielen,  was  Ihr  mögt,  Harfe  oder  Guitarre,  und 
schickt  sie   dann  schleunigst  wieder  ihrer  Wege. 

Recitativ. 
So  schwatzt  bis  zum   Überdruss  der  hartgesottene 
Haliunke,   und  auf  den  Befehl   Komazawa's,  der  sich 
mit    ihm    in    keinen    Wort^veehsel    einlässt,    ruft    die 
Magd : 

Magd. 
Mamsell     Asagao,    man    ruft!      Mamsell    A.sagao, 
Mamsell  Asagao ! 

Recitativ. 

\A/ie  so  mit  lauter  StiiTime  sie  ruft, 

Wie  Jammervoll,  ach,  w^ie  beweinenswert, 

Kommt  Akitsuki's  Tochter,   Miyüki, 

Gebeugt  von   der  Last  der  unendlichen   Trübsal, 

Die  auf  die   Arme   gehäuft  lag, 

Ein  augenloser  Vogel  zur  Nachtzeit, 

Der,  ach,   sein   Nest  verloren. 

Und  auch  die  sorgende    Amme,   Asaka, 

Auf  die  sie  wie  einen   Stab  sich  verlassen, 


Die  -war  schon  verlöscht  und  hingeschwunden 

^A^ie  leicht  vergänglicher  Morgenthau. 

Nun  v^ar  sie  allein  noch  zurückgehlieben, 

Doch  mochte  sie  drum  nicht  dem  Leben  entsagen. 


So  kommt  sie  heran,  auf  den  Quadersteinen 

Des  Hofes  behutsam  den  Weg  ausspürend, 

Und  naht  der  Veranda, 

Tastenden  Schrittes,  gleichwie  ein  V/andrer 

Im  klüftereichen  Gebiete  von  Kiso 

Mit  Angst  und  Mühe  den  Baumstamm  beschreitet, 

Der  über  die  tiefe  brausende  Schlucht 

Als  gefährliche  Brücke  ihm  dienet. 

Doch  endlich  erreicht  sie  das  Zimmer,  nimmt  Platz, 

Und  spricht,  die  Hände  zum  Boden  gespreizt: 

Miyuki,    ^ 
Ist  der  Herr,  welcher  mich  gerufen  hat,  der  Herr 
in  diesem    Gemache?    Mein    Spiel  ist    zwar  nur  un- 
geschickt,   doch    wird    es    Euch    vielleicht    erheitern. 
Fürwahr,  ich  bin  ganz  beschämt. 

Recitativ. 

Als  Komazawa  in  dem  ihn  also  begrüssenden 
Gesichte  das  Geschick  Miyuki's  erkannte,  schluckte  er 
die  Thränen  hinunter,  die  im  schmerzlichsten  Mitge- 
fühl mit  dem  bejammernsv/ürdigen  Wesen  aus  dem 
tiefsten  Inneren  heraufquollen  —  und  sch^veigend  sitzt 
er.  Doch  Iwashiro,  der  von  der  Verkettung  der  bei- 
den nichts  wusste: 

Iwashiro. 

Hei  Du  da,  die  sich  mit  solcher  augenwidrigen 
Erscheinung  vor  uns  präsentiert,  bist  du  das  bespro- 
chene Frauenzimmer  Asagao  ?  Eh,  unverzüglich  steh 
auf  und  verschwinde ! 

lO 


Komazawa. 

Halt,  halt,  Herr  Ritter  Iwashiro.  Sprecht  nicht  so 
rauhe  Worte!  Die  Aufforderung  ist  von  meiner  Seite 
ergangen,  und  unerwartet  findeich  in  ihr (er  ver- 
wirrt sich  verlegen)    Unerwartet und     die    Gekommene 

zu  schelten,  macht  dem  barmherzigen  Sinn  eines 
Rittersmannes  wenig  Ehre.  (Zu  Asagao)  Wohlan  nun, 
mein  gutes  Mädchen,  meine  Bitte  wird  dir  vielleicht 
lästig  sein,  — aber  singe  mir  das  Lied  von  der 
Asagao.    Lass  uns  deinen  Gesang  bald  hören. 

Recitativ. 

So  ist  sein  begehrendes,  sehnsüchtiges  Herz  von 
tausendfachem,  zehntausendfachem  Drängen  erfüllt. 
Iw^ashiro,  der  davon  keine  Ahnung  hat,  bläst  die 
Backen  auf 

Iwashiro, 

Na,  na,  der  Ritter  Komazawa  hat  sehr  dringende 
V/ünsche.  ^A/ohlan,  Blinde,  Alles  was  du  willst  — 
eh,  singe  1  singe!  Frisch,  schnell,  schnell! 

Asagao. 

"Wie  Ihr  befehlt.     Ich  werde  singen. 

Recitativ. 
Dass  der  Geliebte,  nach  dem   ihr  Herz 
So  heiss  sich  sehnt,  in  ihrer  Nähe, 
Sie  weiss  es  nicht,  die  blinde  Maid. 
Mit  tappender  Hand,  Sehnsucht  im  Busen, 
Greift  sie  zur  Harfe,  und  steckt  auf  die   Spitzen 


11 


Der  schlanken  Finger  den  Elfenbein   Schlagring. 

Nun  beginnt  sie  des   Vorspiels  schmerzlich-bewegt« 

Von  leiser  Klage  durchzitterte  Weise, 

Ein  Echo  des  eigenen    Jammers,  und  singt: 
„Am   Morgen   nur,   im   glitzernden   Thau, 
Da  lebt  und   blühet   die   Winde. 
Doch   naht  die   Sonne  mit  glühendem    Strahl, 
Verlöscht  sie  herzlos  den   perlenden  Thau, 
Mit  ihm   das   Leben   der  Winde. 
Ach,  strömte  in   Schauern  der  Regen   herab, 
In   Schauern  belebender  Himmelsthau  1 " 

Komazawa. 

(nach  einer  kleinen  Pause). 

Eine  ergreifende  Weise,  voll  Liebessehnsucht,  die 
auch  in  unsern  Herzen  tiefen  Nachklang  findet.    Mir 


^4*t, 


kamen    Thränen  der    Rührung    in  die    Augen.     Ist's 
nicht  so,   Herr  Iwashiro? 

Iwashiro. 

Ja,  wie   Ihr  sagt  — das    Harfenspiel,    ihr    hübsches 
Äussere  — ich  fange    schier    an  zu    staunen.    Hm,  du, 
äh  —  Asagaol    An   deinem    Platz 
dÄ  wird  es  dir  kalt  sein. 


Komm  hierher  in  meine  Nähe,  und  lass  uns  noch  ein 
Stück  hören.    Es  ist  mein  Wunsch,  mein  Wunsch. 

Komazawa. 

Ach,    Herr    Iwashiro,    schont    jetzt  das    Mädchen, 
lasst's  genug  sein. 

18 


Iwashiro. 

Das  finde  ich  unrecht  von  Euch,  Herr  Koma- 
zawa.  Meinen  Wünschen  Hindernisse  in  den  Weg 
zu  legen,  das  —  das  nenne  ich  malitiös  I 

Komazawa. 

Mit  nichten,  keineswegs  will  ich  das  sein.  Doch 
denke  ich,  das  Mädchen  da  wird  sich  jetzt  abge- 
spannt fühlen  — 

Iwashiro. 

Na,  wenn  Ihr  das  meint,  so  will  ich  auf  das 
Spiel  verzichten.  He,  heda,  Mädchen  I  Du  vi^irst  wohl 
keine  Bettlerin  von  Geburt  sein  —  kannst  uns  mit  der 
Erzählung  deiner  Lebensschicksale  einen  Zeitvertreib 
bereiten.    Nun,  lass  mal  hören I  Hm,  w^ie  ist's? 

Asagao. 

Es  ist  sehr  freundlich  von  Ihnen,  nach  m.oinen 
Schicksalen  zu  fragen.  Ach,  ich  scheue  mich,  davon 
zu  reden ;  doch  will  ich's  thun,  da  Sie  mir  freund- 
liche Gesinnung  zeigen.  Die  Stätte  meiner  Geburt 
liegt  in  den  Mittelprovinzen,  doch  aus  bestimmten 
Gründen  verzogen  wir  nach  der  Residenzstadt  Kyoto. 
Wohl  um  die  Mitte  Mai  des  vorigen  Jahres  war's, 
da  fuhr  ich  auf  einem  Boote  den  Uji-Fluss,  nahe  bei 
der  Hauptstadt,  entlang,  und  wie  die  Dunkelheit 
herabsank,  ergötzten  wir  uns  am  Hin-und  Herflak- 
kern der  zahlreichen  Johanneswürmchen.  Dort  sah 
ich  zum  ersten  Mal  den  Jüngling,  dem  sich  sofort 
mein   ganzes  Herz  in    Liebe    ergab  — dort   plauderten 

14 


wir  einen    kurzen    Sommernachtstraum,  dann  muss- 
ten    wir    scheiden,    ach,    allzubald.     Ich    konnte    ihn 
nicht  wieder  treffen,  so  sehr  es  mein  heisser  Wunsch 
auch  war,  denn  er  war  abberufen  worden,  und  auch 
an    meinen    Vater    kam     eine     Aufforderung    seines 
Fürsten,  die    ihn    schleunigst  in    die   lang  gemiedene 
Heimat  zurückberief.    Wir  schlugen  den  See^weg  ein 
und  lagen,  auf   günstigen    Wind  wartend,  im    Hafen 
von  Akashi  im  Meerbusen  von  Naniwa,  und  weinend 
verbrachte  ich  die    Tage,  im    Herzen   traurige   Sehn- 
sucht.    Dort   sah    ich    auch,    vom    Zufall    begünstigt, 
meinen  Geliebten  noch  einmal  wieder,  doch  ein  herz- 
loser   Wind,    der    sich    erhob,    trieb    zum    plötzlichen 
Aufbruch,  wehte    uns    auseinander,    und    ich    kehrte 
in  die  Heimat  zurück.    Nach  einiger  Zeit  bestimmten 
mir  die  Eltern  ganz   unerwartet   einen  Gemahl,  ohn, 
dass  ich  ihn  vorher  gesehen,  denn  es  war  der  Wunsch 
des   Fürsten.     Da  schlich    ich  mich,  die   Treue  gegen 
meinen    Geliebten    und  heimlich    Verlobten    nicht  zu 
brechen,    in    selbiger    Nacht    noch    aus    dem    Hause' 
und  vieles    Unglück    hab'  ich    seitdem    erUtten.      Auf 
dem  V/eg   nach  der  Residenz  erfuhr  ich  zu  meinem 
Schrecken,     dass     mein     Geliebter     weit,    weit     v/eg 
in    die    Ostlande    gegangen     sei.      So    kehrte    ich   der 
Hauptstadt    wieder    den    Rücken    und    irrte    auf   der 
Suche    nach     dem     Teuren    durch's     Sperrthor     von 
Osaka,  durch  die    Provinzen    Ömi,  Mino  und   Owari, 
mit    immer    weniger    Hoffnung    auf    ein    glückliches 
Ende  meiner    Fahrt.     Da   weinte    ich   mir  vor  sehn- 
süchtigem  Schmerz  die    Augen   aus,   nicht  mehr  un- 

10 


terscheiden  könnt'  ich  die  Farben  um  mich  her,  — 
^vie  ein  Vv^asservogel  war  ich,  der  auf  dem  Lande 
umherirrt.  Ist  all  dies  Leid  die  Vergeltung  für  eine 
böse  That,  die  ich  in  einer  früheren  Welt  begangen? 
Habe  ich  dadurch  all  das  Unglück,  das  sich  über 
mich  türmt,  verdient?  Ach,  ach,  wie  erbarmens- 
würdig  ist  meine  Lage. 

Becitativ. 

Also  spricht  sie  und  klagt  mit  unterdrücktem 
Schluchzen. 

Iwashiro. 

Na,  na,  nun,  nun,  das  ist  ja  eine  traurige  Mähr. 
Aber  ein  thörichtes  Mädchen  bist  du  doch  —  herrscht 
doch  nicht  gerade  eine  Männerdürre  auf  dieser  Welt  I 
Hm,  von  der  traurigen  Geschichte  fühle  ich  mich  ganz 
zusammengedrückt.  Ich  w^ill  einen  Schlaftrunk  zu 
mir  nehmen  und  mich  zerstreuen.  He,  Mädchen,  du 
bist  entlassen.    Geh  heiml 

Asagao. 

Ich  danke  Ihnen,  meine  Herren.  Leben  Sie  wohl. 
Komazav/a. 

O,  Asagao  — du  hast  dich  unsertwegen  sehr  be- 
müht. Wenn  dein  Geliebter  die  Lebensgeschiehte, 
die  du  uns  eben  erzählt  hast,  vernehmen  könnte  — 
wie  würde  es  sein  Herz  mit  hoher  Befriedigung  er- 
füllen!   Nicht  vv^ahr,  Herr  Iwashiro? 

Iwashiro. 


Ei  freilich,  freilich. 


17 


Asagao. 

O  Dank  für  die  freundlichen  V^orte. 

Hecitativ. 
Dann  greift  sie  tappend  nach  ihrem  Stab.  Es 
hallen  die  gütigen  Worte  Komazawa^s  in  ihren 
Ohren  nach,  sie  weiss  es  selbst  nicht  wie  Der  Ab 
schied  Wird  ihr  schwer,  Thräne  um  Thräne  rinnt 
Ihr  über  die  Wange;  nun  tappt  sie  hinaus,  und  lässt 
Ihr  Herz  zurücke. -In  diesem  Augenblick  kommt 
aus  dem  Hinterzimmer  der  Page  der  Ritter  und 
spricht : 

Page. 

Es  ist  schon   späte    Nacht    geworden.      Gehn   Sie 
nun  schlafen,  meine  Herren  Ritter, 

Iwashiro, 

\Vohl,  wie  du  sagst.     Wir    müssen  morgen  früh 
nicht  später  als  um   vier  Uhr  aufbrechen.      Wohlan 
Herr    Komazawa,    wollt    Ihr    Euch    nicht    gleich   zur 
Ruhe  begeben? 

Komasawa. 
Ich  habe  noch  für  ein  kleines    Weilchen  zu  thun. 
Doch    seid     meinetwegen    unbekümmert.       Ich     bitte 
gehet  zuerst. 

Iwashiro. 

So  werd'  ich    mich   schlafen    legen.    Entschuldigt 
mich. 

Recitativ. 

Damit  steht  er  auf,  im   Innern  seines  Busens  aber 
lö 


wälzt  sich  ein  Plan.  Vom  Pagen  begleitet  geht  er 
in  das  hintere  Gemach,  sein  Sinnen  aber  bleibt  zu- 
rück. Sobald  er  weggegangen,  klatscht  Komazawa 
in  die  Hände  und  ruft  die  Magd. 

Komazawa. 

He,  hei  Ich  möchte  sofort  den  Wirt  sehen.    Ruf 
ihn   herbei. 

Recitativ. 
Nachdem  er  diesen  Befehl  gegeben,  schickt  er 
sieh  an,  auf  seinem  Reise-Tuschreibstein  sch^A^arze 
Tusche  zu  reiben,  öffnet  den  in  der  Brustfalte  ver- 
borgenen Fächer  und  schreibt  etwas  darauf  nieder. 
Da,    grade  als    er   das    für  die    Reise   bereitgehaltene 


Geld  und  ein  Päckchen  raii  Arznei  zusammenpackt, 
fährt  vor  seinen  Augen  die  Spitze  eines  Schwertes, 
mit  Kraft  gestossen,  durch  die  Matten  des  Fussbodens 
empor.  Mit  schneller  Geistesgegen\vart  nimmt  Ko- 
maza^A?^a  das  lauwarme  Wasser,  das  im  Kessel  neben 
ihm  steht,  und  giesst  es  über  das  Schwert.  Da 
glaubt  der  gedungene  Mörder,  der  unten  verborgen 
lag,  es  sei  das  Blut  seines  Opfers,  und  jubiliert  schon 
über  den  gelungenen  Streich.  Er  kriecht  hervor, 
zertritt  die  dünne  Wand  mit  ^  gew^altigem  Fusstritt, 
und  es  kommt  zum   Vorschein  —  Mase   Kyüsö ! 

Komazawa. 
Spitzbube  I  du  entkommst  mir  nicht  1 


Recitativ. 

So  rufend  wirft  Komazawa  dem  Meuehler  die 
Schale  Thee  gerade  in  die  Augen.  Der  steht  ge- 
blendet und  wankt,  doch  ruft  er,  der  Freche:  „Sei 
gefasst  auf  den  Tod  I ,"  und  führt  einen  Hieb.  Doch 
Komazawa  fürchtet  nicht  die  Klinge,  mit  seinem 
Fächer  w^ehrt  er  sie  ab  geschickt.  Da  kommt  den 
Cang  einher  der  gerufene  Wirt,  und  vor  seinen 
verwunderten  Augen  schlägt  Komaza-wa  dem  Gegner 
ohne  Schwierigkeit  das  Schwert  aus  der  Hand,  er- 
greift es  geseh^wind,  führt  einen  Hieb,  und  im  Nu 
entfliegt  des  Mörders  Haupt  weit  weg  im  Bogen. 
Und  unbewusst  entfährt  es  dem   Munde  Tokuyemons  : 

Wirt. 

Ein   prächtiger    Streich,    fürwahr!    Was    ist  denn 
das  für  ein  Kerl? 

Komazawa. 

Hallo,    hallo!    Auf    hinterlistige    Weise    wollte    er 

mir  an's    Leben  — ein    Sommerinsekt,    das    ins    Licht 

geflogen   und    sich    verbrannt  hat.      Hahahaha!     Nun 

seh   er  zu,    Herr    Wirt,   dass   er  auf  gute    Weise   den 

Leichnam  bei  seite    schafft.      Ich  verlasse  mich    ganz 

auf  ihn. 

Wirt, 

Haha!   darob   sorget  Euch  nicht!     Ihr  hattet  mich 
eben   gerufen;  was  begehrtet  Ihr  von   mir? 

Komazawa. 

Ach,     Tokuyemon.       V/orum     ich    ihn    dringend 
bitten  möchte.     Kann    er    mir    nicht  die    Gefälligkeit 


£1 


erweisen,  das    Mädchen,   die   Asagao,   die  vorhin   hier 
v.^ar,  noch   einmal  herbeirufen  zu   lassen? 

Wirt. 

Gewiss  will  ich  gern  Euren  Befehl  ausführen. 
Doch  hat  sich  das  Mädchen  gleich  von  hier  nach 
dem  benachbarten  Flecken  Shimizu  begeben.  Wenn 
Ihr  eine  wichtige  Botschaft  an  sie  habt,  so  w^ill  ich 
sofort  nach  ihr  schicken,  aber,  eh,  heute  Nacht  wird 
es  sich  jedenfalls  nicht  mehr  machen. 

Komazawa. 

Ach,  das  ist  schade,  höchst  bedauerlich  1  Ich  muss 
morgen  in  aller  Frühe,  schon  punkt  vier  Uhr,  von 
hier  aufbrechen. 

Wirt. 

I,  was  Ihr  da  sagt. 


,\<^ 


'*^-S:- 


Komazawa. 

Ja.  Hm,  Tokuyemon.  Seh'  er  her.  Ich  vertraue 
ihrn  hier  diese  drei  Sachen  an:  sie  sind  dem  Mäd- 
chen zuiTi  JLohn  bestimmt.  Gieb  sie  der  Asagao, 
sobald   sie   wiederkommt. 

Wirt. 

Es  soll  geschehen.  (Prüft  die  Gegenstände)  Ah,  ah  I  "was 
für  eine  grosse  Summe  I  Dazu  ein  prächtiger  Frauen- 
fächer,  und   auch   eine  Arzenei  ? 

Komazawa. 

O,  das  —  die  Arzenei  da  ist  ein  Geheimmittel  für 
Augenkrankheiten  aus  China.  Wenn  Jemand  diese 
Medizin  vermischt  mit  dem  Lebensblut  eines  Mannes, 
der  im  Jahre  Ki-no-ye  Ne  geboren  ist,  trinkt,  so  heilt 
auch  die  schwerste  Augenkrankheit  auf  der  Stelle, 
Gieb   sie   der  Asagao. 

Wirt. 

Nun,  nun,  das  nenn*  ich  ein  Geschenk,  das  von 
Herzen  kommt.  Sobald  sie  zurück  ist,  w^ill  ich  sie 
damit  erfreuen. 

Recitativ. 

In  dem  Augenblick,  wo  der  Wirt  die  Geschenke 
empfängt,  kündet  die   Glocke  die  vierte  Stunde. 

Komazawa. 
O,  o,  schon  ist  die  Stunde  genaht. 

Becitativ, 
Indem  er   die    Schläge  der    Glocke    zählt,    kommt 


Iwasbiro  Takita,  schon  fertig  gekleidet  im  Reisekleid, 
mit  ihm  die  übrigen  Genossen. 

Iwashiro. 

\A/ohlan,  Herr  Komazawa,  v/oUen  Avir  nicht  auf- 
brechen ? 

Recitativ. 

Bei  dieser  auffordernden  Rede  bringt  Komazawa 
seine  Kleidung  in  Ordnung,  und  verlässt  dann  das 
Haus.  Der  Wirt  sieht  ihnen  nach,  zum  Abschied 
grüssend.  Es  gehen  miteinander  die  Beiden,  Komazawa 
und  Iwashiro,   obgleich  ihre   Herzen   einander  meiden. 

Wirt. 

Ha,  Ritter  sind  sie  zwar  beide,  verschieden  aber 
wie  Schwarz  und  Weiss  —  bösartig  und  krumm- 
gesinnt der  Eine,  der  Andre  mildgesiniit  und  ehrlich. 
Fürwahr  ein  prächtiger  Ritter,  der  Herr  Komazawa! 
Doch  dies  bei  seite.  —  Das  Geschenk  für  Manasell 
Asagao,  als  Belohnung  für  heute  Abend,  kommt  mir 
etwas  übermässig  vor,  recht  übermässig  sogar.  Es 
scheint  mir  noch   etwas  dahinter  zu  stecken. 

Recitativ. 

So  macht  er  sich  Gedanken.  Da  naht  Miyuki, 
von  unruhiger  Ahnung  bewegt.  Sie  hat  ihre  Spiel- 
zeit beendet,  jetzt  kommt  sie  tappend  zurück  und 
tritt  in  die  Thüre.  Tokuyemon  ersieht  sie  mit  ra- 
schem Blick. 

Wirt. 
Ah,  Asagao.    \A/'ie  schade,  dass  du  so  spät  zurück- 
a4 


gekommen.  Der  Gast  von  gestern  Abend  befahl  mir 
dich  noch  einmal  zu  rufen,  doch  habe  ich's  ihm 
absagen  müssen,  da  ich  hörte,  dass  du  nach  Shimizu 
gegangen  seist.  Soeben  erst  ist  er  aufgebrochen.  Aber, 
nun,  freue  dich,  Mädchen  I  Einen  grossen  Batzen 
Geld,  einen  Fächer,  und  dazu  noch  eine  vortreffliche 
Augenarzenei  hat  er  mir  für  dich  anvertraut. 

Asagao. 

Wie  gnädig,  allzugnädig  von  ihm.  Es  thut  mir 
leid,  dass  ich  ihm  nicht  danken  kann.  Aber,  darf 
ich  bitten,  Herr,  ist  auf  dem  Fächer  nicht  etwas 
geschrieben?    Bitte,  sehet  doch   nachl 

Wirt. 

Nun,    nun,    warte    mal.       (öffnet  den  Fächer  und  beschaut  ihn) 
Auf  dem   goldenen     Fächerpapior   ist    eine    Blume ; -^ 
sodann   steht  darauf  das  Lied 

„  Am   Morgen   nur,  im  glitzernden  Thau, 
Da  lebt  und   blühet  die   Winde/'  u.  s.  w. 
Auf  der  Rückseite   steht  ein    Name:    Miyagi  Asojiro, 
alias  Komazawa  Jirosaemon. 

Asagao     heftig  erregt. 

Wie?    Miyagi   Asojiro,   alias    Komaza\va    Jirozae- 
inon   stände  auf  dem   Fächer?  — 


Ja,  wie  ich  sage. 
O,   o  wehl 


Wirt 
Asagao. 


28 


■ReciT.a'öiTr. 

So  klagend  wendet  sie  tief  entst.^,2:t  das  J^\ge  gen 
Himmel. 

AsagaO     jammemd. 

O  das3  ich  dies  nicht  wusste,  dass  inh  dies  nic"tvt 
Avusste,  nicht  wusste !  So  hab  ich  mich  doch  nicht 
getäuscht,  als  mir  die  Ähnlichkeit  der  Stimme  auffiel. 
So  ist  es  also  niemand  anders  als  mein  geliebter 
Asojiro  gewesen?]  O  bitte,  bitte,  Herr,  sagt  an, 
wann  ist  der  Gast  von  hier  aufgebrochen? 

Wirt. 

I,  eben  erst.  Aber  sprich,  bisi  du  denn  eine  gute 
Bekannte  von  ihm? 

Asagao. 

Wie,  er  blos  ein  guter  Bekannter  von  mir?I 
Mein  Geliebter  ist  es  ja,  mein  Gemahl,  den  ich  seit 
Monden  und  Monden  suche!  Ach,  während  ich  hier 
so  rede,  eilt  mein  Herz  dj^von.  O  könnt'  ich  ihn  ein- 
holen, und  nur  ein  einziges  Wort- 

Kecitativ. 

Das  Mädchen,  das  im  ReyrifT  ist  dovonzueilftn,  hält 
er  zurück,  Tokuyemon. 

Wirt. 

Wie,  was,  was,  Mädchen!  halt  da,  halt  da.  Sn 
warte  doch,  warte  docbl  Hör,  wieder  Rpgon  beginnt 
zu  schauern.  Und  sehen  kannst  du  nichts  in  deiner 
Blindheit.  Wie  kannst  du  dich  der  Gefahr  aussetzen 
wollen? 

20 


AsagdiO     mit  ihm  ringend. 

Nein,  nein,  wenn  ich  auch  sterbe,   was  kümmert's 
mich  1 

Wirt. 

Halt,  halt,  halt  da  1  Das  ist  ja  alles  ganz  gut  und 
schön,  aber  bei  deiner  Blindheit  die  Gefahr  •—  — 

Asagao. 

Nein,  nein,  lasst  mich,  lasst  mich  losl 
Eecitativ. 

Mit  Gewalt  reisst  sie  sieh  von  ihm  los,  so  dass  er 
taumelnd  zurückprallt.  Und  ihrem  Stab  als  ihrer  ein- 
zigen Stütze  vertrauend,  unbekümmert  um  den  strö- 
menden Regen,  hartnäckig  im.  Entschluss,  wie  nur  ein 
leidenschaftliches  Weib,  so  eilt  sie  dahin  auf  der  Spur 

des  Geliebten. 


VERWANDLUNG. 

(Sccne  am  Fluss  öigawa,  romantische  wilde  Gegend.) 

Eecitativ. 

Es  flutet  und  -wogeL  dahin  der  Öigav/a,  der  be- 
rühmte Strom,  durchquerend  die  Heerstrasse.  Der 
Regen  giesst  in  Strömen  und  peitscht  die  kurzen 
Bambusgebüsehe  durcheinander;  dazwischen  der  heftig 
dröhnende  Donnergott  —  mächtig  seh^vellend  rollen 
die  V/asser  des  Stroms  daher,  mit  entsetzlichem, 
schauerlichem  Getöse. 

Nicht  wankend  in  ihrem  festen  Entschluss,""den 
Geliebten,  den  Gatten  zu  suchen,  ohne  Angst  vor  den 
gefährlichen  Stellen  des  Pfades,  und  unbekümmert 
um  ihre  Blindheit,  gelangt  Asagao,  bald  gleitend,  bald 
fallend,  hier  an  den  Fluss. 

Asagao. 

Holla,  ihr  Fährleute,  holla I  Ist  nicht  ein  Ritters- 
mann, Namens  Komaza\va  Jirosaemon,  vor  kurzem 
über  diesen  Fluss  gesetzt?    Antwortet  mir,  antwortet ! 

Eecitativ. 

Wie  die  Fährleute  das  Mädchen  mit  atemloser 
Stimme  so  rufen  hören,  antworten  sie  aus  mehreren 
Kehlen : 

Fährleute. 

O,  eben  erst  ist  er  hinüber,  der  Ritter,  nach  dem 
Ihr  fragt.  Doch  können  wir  Euch  jetzt  nicht  überset- 
zen;  zu  plötzlich  ist  das   Wasser  gestiegen»  es  stauen 

S8 


C-'\ 


sich    gefährlich    die    Fluten.     So  leid  es  uns   thut,  wir 
Icönnen's  nicht  wagen. 

Recitativ. 

So   sprechen    sie,    und    zerstreuen  sich    nach    allen 

Seiten. 

Asagao. 

So   ist's    unmöglich    denn,    hinüber    zu    gelangen? 
(weinend)  Wie  jancimervoll,  v/ie  traurig ! 

Recitativ. 
Da  brechen  zusammen  Mut  und  Kraft,  zum  äus- 
sersien  angespannt ;  zu  Boden  stürzt  sie  und  wälzt 
sich  umher,  von  Sinnen  vor  Verzweiflung,  und  weint 
und  schreit.  Aufs  neue  aber  richtet  sie  sieh  auf,  und 
mit  den  verschleierten  Augen  starrt  sie  empor  zum 
Himmel. 

Asagao. 

O  Sonne,  nicht  verstehen  kann  ich  dich,  nicht 
kann  ich  dich  begreifen  1  Ach,  dass  nach  all  den 
Leiden,  nach  all  den  bittern  Nöten  dieser  langen  Zeit, 
du  mich  nur  einmal,  ach  einmal  nur,  mit  dem  gelieb- 
ten Mann  zusammenführest,  hab'  ich  nicht  darum 
jeden  Augenblick  zu  dir  emporgeschaut?  Und  dass 
du  mir  gerade  heute  entgegenschickst  den  gewaltigen 
Regenguss,  den  Fluss  mir  sperrest,  was  soll  das 
bedeuten?  Ach,  wenn  ich  das  verdiente,  wie  muss 
ich  mich  in  einer  frühern  "Welt  versündigt  haben?! 

Recitativ. 

„  Ja,  trostlos  ist  es  1     Ich    hab'   ihn   angetroffen,  den 
Mann,   nach  dem  ich  in  brennender   Sehnsucht   mich 
so 


sehnte,  ich  hab'  ihn  getroffen,  und,  bMj  nicht  gesehen, 
ich  arme,  mit  Biindheit  geschlagene  Maidl  Ach, 
^velehe  Verbrechen  beging  ich  wohl  einst?  Vor 
trauriger  Liebessehnsucht  nach  dem  Gemahl,  der 
fortgezogen  ins  ferne  Mitteire !ch,*^  erstarrte  zum  Stein 
Sayohime,  sein  treues  V7eib,  auf  dem  Hügel  Hirefuru, 
am  Gestade  von  Matsuura.  Doch  konnte  mit  meinem 
Leid  sie  sich  messen?  Ach,  ^A^enn  man  die  V/elten 
die  Tausende  und  abermal  Tausende  von  V^elten,  von 
oben  bis  unten  durchsuchen  -würde,  kein  Unglück 
fän.de  sieh  wohl  -wie  meines!"  So  klagt  zie,  und  ballet 
die  Fäuste,  und  zittert  am  ganzen  Körper.  Es  rinnen 
die  Tliränen,  wie  in  stiller  Verzv^/eiflung  sie  trauert^ 
und  setieiide  Augen  könnten's  nicht  tragen  ihr  Un- 
glück zu  schauen.  Dann  richtet  sie  auf  sich,  nach 
Rleiner  V/eile. 

Asagao. 

Ja,  anders,  anders  k^inn  es  nicht  sein.  Zu  gross 
\var  gewiss  mein  Fehl  in  der  vorigen  Welt,  uwd  nun, 
zur  Busse,  nun  soll  ich  ihm  nimmer  gehören.  Die 
NA/ asser  schwollen  des  Stroms,  sie  sehw^ollen  80  sehr — 
was  anders  soll  das  bedeuten  als  „  stirb  V?  So  will  ich 
denn  folgen,  dass  wenigstens  in  künftiger  Welt  die 
Freude  des  V/iedersehens  mir  werde;  will  diese  Stelle 
als  das  Ufer  des  Höllenflusses  betrachten,  mich  ein- 
schiffen im  Schiffe  der   Verheissung,  und  eilen  hin  zu 

Buddha. 

Recitativ. 

So  spricht  sie  unter  Thränen,  und  die  Serble  erfüllt 

•)    ChJn». 

St 


von  Selin sucht  nach  dem  Geliebten,  liest  sie  Steinchen 
am  Ufer  auf,  steckt  sie  in  die  Ärmeltasehe  des 
Kleids,  und  mit  dem  Ruf:  „Verehrung  sei  dem  un-- 
endlichen  Buddha,"  will  eben  in  den  rauschenden 
Strom  sie  springen.    Da 

„  Halt !  ^A/^artet  I  Fräulein  Miy  uki !  " 
Bei  diesem  Rufe  prallt  sie  erschrocken  zurück.  Da 
konnmen  herbeigelaufen  der  Knecht  Sekisuke;  ihm 
nach  Tokuyemon,  der  Wirt,  in  seiner  Hast  unci 
Erregung  barfuss.  Kaum  hat  der  Knecht  des  Mäd- 
chens Absicht  erraten,  umklammert  er  sie  und  hält 
sie  zurück. 

Sekisuke. 

O,  o,  so  -wartet  doch  1 

Asagao. 

Nein,    nein!    ich   weiss   rwar   nicht,   wer   Ihr  seid, 
aber  lasst  mich  los,  lasst  mich  los! 

Wirt. 

Nun,  nun,  hab'  Geduld,  hab'  Geduld,  Mamsell 
Asagao  1  Auch  ich  bin  in  Angst  um  dich  gelaufen 
gekommen.  He,  da  ist  eben  ein  gewisser  Sekisuke 
aufgetaucht  — 

Sekisuke. 

Ich  bin  Euer  unterthanigster  Knecht 

Recitativ. 
Mit  diesen  Vv'^orten  ergreift  er  gewaltsam  den  Arm 
des  Mädchens,  umklammert  ihn  und  zieht  sie  zurück. 


Asagao. 

Die  Stimme,  ich  kenne  sie.  Bist  du's,  Sekisuke? 
Ach,  ach,  zu  spät  bist  du  gekommen,  zu  spätl  Den 
ich  Jahr  und  Tag  in  Not  und  Qual  gesucht  und 
ersehnt,  Asojiro,  meinen  Geliebten,  Ihn  hab'  ich  getrof- 
fen, und  hab  es,  ich  Bhnde,  nicht  bemerkt,  und  habe 
ihn  von  mir  gehen  lassen.  Doch  der  Klang  seiner 
Stimme  hatte  mich  schon  mit  Unruhe  erfüllt,  und  als 
ich  zurückkam,  da  erfuhr  ich,  dass  es  kein  andrer  als 
er  gewesen.  Da  dachte  ich:  „du,  dich  hole  ich  ein," 
und  jagte  davon,  ihm  nach.     Doch   halten   mich  nun 

die  Wasser  des   Stroms  zurück  — 
—  was  soll   ich   nun   thun  ?   o,  o  1 


Sekisuke. 

Ihr  habt  ja  ganz  recht,  ganz  recht.  Doch  höret 
mich  anl  Als  meine  Wenigkeit  allüberall  umher- 
forschte,  wohin  Ihr  Euch  begeben  haben  könntet,  da 
träumte  mir  vorgestern  Nacht,  dass  ich  Eure  Amme, 
Mamsell  Asaka,  träfe,  und  dass  sie  mir  sagte,  Ihr 
wäret  bei  Ebisuya  Tokuyemon  im  Flecken  Shlmada. 

Und  w^ie  ich  dies  geträumt  hatte,  w^achte  ich  auf.  ^= 

Hm,  hm,  recht  sonderbar,  dachte  ich.  Da  lief  ich  Tag 
und  Nacht  hindurch,  und  zum  Glück  kam  ich  her  im 
gefährlichen  Augenblick,  und  konnte  Euch  retten.  O, 
o,  wie  freue  ich  mich!  Da  ich  Euch  nun  angetroffen 
habe,  so  ängstigt  Euch,  bitte,  nicht  länger.  Ich  werde 
Euch  mit  Komazav/a  zusammenführen.  Aber  eins 
noch.  Eure  Amme,  Mamsell  Asaka,  soll  als  Pilgerin 
auf  der  Suche  nach  Euch  nach  der  Ostseestrasse  ge- 
kommen sein.  Seid  Ihr  nicht  mit  ihr  zusammren- 
getroffen  ? 

Asagao. 

Ja  freilich  bin  ich.  Ich  traf  sie  vorigen  Monat  im 
Städtchen  Hamamatsu,  doch  gleich  in  der  folgenden 
Nacht  ^vurden  wir  von  einem  bewaffneten  Räuber 
überfallen,  und  mehrfach  verwundet  starb  sie.  Im 
Sterben  rief  sie  naich  und  sprach :  „  In  der  Nähe  von 
Nakayama  wohnt  mein  leiblicher  Vater  Namens 
Furube  Saburöbei.  Geht  zu  ihm,  und  nehmt  diesen 
Dolch  als  Zeichen  des  Erkennens,  dass  Ihr  von  mir 
kommt,  und  sagt  ihm,  dass  Ihr  die  Tochter  des 
Ritters  Akitsuki  Yuminosuke  seid."  So  sprach  sie  zu 
mir,  und  starb,  o  Jananncr! 

84 


Sekisuke. 

Wie  sagt  Ihr,  wie?    Asaka  ist  tot? 

Eecitativ, 

Während  er  so  vor  Schrecken  staunt,  spricht  Toku- 
yemon,  der  alles  von  Anfang  bis  Ende  vernonamen  ; 

Wirt 

Hm,  also  die  verehrte  Tochter  des  Herrn  Akitsuki 
Yuminosuke  seid  Ihr?  — und   Eure  Amme  Asaka  wrar 
—  meine  Tochter?    Denn  wisset,  der  gesuchte  Furube 
SaTouröbei  —  bich  ich  1      Ich  war   der  JErbkneeht  Eures 
Grossveters     Akitsuki     Hyöbu.      in    jugendlicher    Un- 
besonnenheit  imterbielt  ich  ein  heimliches    Liebesver- 
hältnis  mit  einer   Magd  des  Hausf^s.     Da  Euer  Gross- 
vater  davon  vernahm,  wollte  er  mich  töten,  doch  Euer 
Vater  Yuminosuke  rettete   mein   Leben.     Ich   verliess 
die    Heimat  mit  dem    Weibe,    und  nach  einiger  Zeit 
gebar  sie  mir  eine  Tochter.     Als  das  Kind,  in  trübseliger 
Armut  aufgezogen,   sein  zweites  Jahr  erreichte,  starb 
die  Mutter  auf  dem  Siechbette,  und  da    ich  selbst  das» 
Kleine  nicht  aufziehen   konnte,  so  übergab  ich  es  m.it 
diesem    Dolche   der  Tante  des  Kindes  als  Pflegekind, 
und  der  Zufall  v\rollte  es,  dass  es  als  Dienerin  ins  Haus 
Eures  Vaters  kam,    der   mir   einst   das   Leben    rette te- 
leh  freue  mich,  dass  meine  Tochter  auch  im  Tode  der 
Treue  nicht  vergessen   hat,   und   Eurem   Knecht   den 
V/eg  wies,  indem  sie  ihm  im  Traume  erschien.    Brav 
hat  sie  gehandelt,  die  Treue.     Und  nun,  mein  Fräulein 
Miyuki,   sollt   Ihr  auch    von  mir  ein    Geschenk  erhal- 
ten— 


.t*-"' 


'^^ 


Kecitativ. 

Mit  diesen  Worten  zieht  er  den  Dolch,  den  aus 
Asagao's  Hand  er  genommen,  aus  der  Scheide,  und 
stösst  ihn  sich  mit  einem  Ruck  in  den  Leib.  Erschrok- 
ken  hält  ihn  Sekisuke  zurück  — 

Sekisuke. 

Ha^  was  begeht  Ihr?  \A/"as  soll  Euer  Tod  dem 
Fräulein  frommen  ?    Hai  tot  ein,  was  thut  Ihr  ? 

Reoitativ. 

Wie  er  so  ruft,  antwortet  Tokuyemon  am  Boden 
nnit  quedgepresster  Stimme: 

Wirt. 

Klagt  nicht,  ihr  beiden.  Herr  Komazawa  hat  mir 
gesagt  dass  dif»  aus  China  gebrachte  Augenarzenei, 
mit  dem  Blute  eines  im  Jahre  Ki~no-ye  Ne  geborenen 
Mannes  zusammen  getrunken,  jedwede  Augenkrank- 
heit auf  der  Stelle  heilt.  Da  ich  in  jenem  Jahre 
geboren  bin,  so  mische,  Sekisuke,  jene  Medizin  mit 
meinern  Blute.  Schnell,  schnell,  biete  sie  dem  Fräulein 
dar,  schnell,  schnell! 

Recitativ. 

Sekisuke  lobt  das  Opfer  des  Treuen  für  seine 
Herrin  im  Herzen.  Er  holt  einen  Wasserbecher 
hervor,  den  auf  der  Fahrt,  er  immer  bei  sich  führte, 
und  fangt  das  Dlut  des  Sterbenden  auf,  und  nimmt 
die   Arznei  aus    der   Busenfalte  der  heftig  weinenden 


Miyuki,  und  nähert  sich  mit  dem  Trank  dem  Mäd- 
chen. Miyuki  ergreift  den  Becher,  und  indem  sie 
denkt,  es  sei  das  Geschenk  ihres  freundlich  gesinnten 
Gemahls  und  Geliebten,  nimmt  sie  ihn  dankend, 
dankend  an,  und  leert  ihn  mit  einem  Zuge.  Da,  o 
\Vunder,  offnen  sich  plötzlich  ihre  Augen  beide,  und 
sie  siebet  deutlich  sogar  die  Ameisen,  die  am  Boden 
kriechen,  und  sie  freut  sich,  und  mit  ihr  freun  sich 
die  beiden. 

Wirt. 

O  welche  Freude,  o  welche  Lust.i  Nun  hata*  ich 
keinen,  keinen  Wunsch  mehr  auf  dieser  W^elt.  Ihr 
beiden,  lebt  v^ohl  I 

Becitativ. 

Mit  diesen  Worten  zieht  er  den  Dolch  sieh  quer 
durch  den  Leib,  und  sinkend  stösst  er  ihn  sich  durch 
die  Kehle.  So  vergeht  er,  'wie  der  Schaum  des  Flusses 
OigaAva,  wie  die  Wasser  des  Flusses :  sie  entschwin^ 
den,  der  Name  nur  bleibet.  Laut  auf  weint  Miyuki, 
sie  klammert  sich  an  den  Körper  des  Toten.  Dass 
ihre  Augen  zum  Licht  sich  erschlossen,  gleichwie  der 
Kelch  der  Winde  am  Morgen,  wenn  der  Sonne 
glühender  Strahl  noch  nicht  den  glitzernden  Thau 
verlöscht,  es  war  ein  Geschenk  des  geliebten  Gemahls, 
ein  unvergleichliches  Glück.  „Um  meinetwillen,  ßch, 
für  mich  hat  dieser  Mann  sein  Leben  verhaucht?" 
So  seufzt  sie,  und  klagt  sie,  und  streichelt  den  Toten. 
Sekisuke  aber  macht  eine  Bahre,  und  bettet  darauf 
den  Leichnam. 

87 


Schon  fängt  es  an,  hell  zu  wepden,  und  es  ertönen 
die  Stimmen  der  Vögel,  und  freundlieh  entfalten  sich 
Berg  und  Feld.  Und  immer  wieder  und  immer  wird 
von  der  Asagao  man  erzählen,  und  sagen  von  ibr  bis 
zum  letzten  Tage  der  Menschengeschlechter. 


Finls. 


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C.  F.  Amelang 's  Verlag  in  Leipzig. 


In  ^h'-*^hcr  Ausstattung  sinH  ^^^chien ; 

DICHTERGRÜSSE  AUS  DEM  OSTEN. 

JAPANISCHE  DICHTUNGEN 
übertragen  von 

Prof.  Dr.  K.  FLORENZ. 

6.    Auflage. 


»  >■■  •  11  ^ 


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EIN    ROMANTISCHES    EPOS 

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ANDEREN    GEDICHTEN. 

Frei  nachgebildet  von 

Prof.  Dr.  K.  FLORENZ. 


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PL      Florenz,  Karl  Adolf 

782       Japanische  Dramen  2.  Aufl. 

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