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Full text of "Jenaische Zeitschrift f©r Naturwissenschaft"

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OF 

COMPARATIYE    ZOOLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 
jFounlieTt  bv  jjrfbatc  subscriptfon,  fn  1861. 


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Jenaische  Zeitschrift 


fur 


NATURWISSENSCHAFT 


medicinisch  -  naturwissenschaftlichen  G  esellschaft 
zu  Jena. 


Fiinfzehnter  Band. 

INeue  Folge,    Acliter  Band. 


Mit  29  Tafeln. 


J  e  u  a , 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1882. 


I II  h  a  1 1. 


Seite 

Oscar  iiud  Richard  Hortwig,  Die  Coelomtheorie,   Versnch 

eiuer  Erkliiruug  des  mittleren   Keimblattes ,   mit  o  Tafelu     .  1 

Wilhelm  Breitenbach,    lieitriige    zur  Kuimtniss    dcs   Hauos 

der  Schmetterliugs-Kiissel ,  mit  3   Tafeln 151 

Heinrich    Schneider,     Ueber    die    Augeumuskelnervcn    dor 

Gauoiden,  mit  2  Tafelu ^15 

Otto  Hamauu,  Die  Aiuudarme  der  Khizostomeu   und  ihre  An- 

hangsorgaiie,   mit   3  Tafeln ^4o 

O.   Hertwig,  Die  Entwickelung  des  mittleren  Kei.nblattes  der 

Wirbelthiere,  mit  4  Tafeln 286 

Friedrich  iSoltwedel,  Fveie  Zellbilduug  im  Embryosack  der 

Augiosperraeu    mit  besouderer  iJerucksichtigung    der  hierbei 

stattfindeuden  Vori^iiiige  der  Koi;ntheiluug,  mit  3  Tafeln  .  341 
E.  Stahl,  Ueber  sogenaunte   CompasspHanzen ,   mit    1   Tafel       .     381 

Karl  Bardelebeu,  Muskel  und   Eascie 39U 

Ernst  Hiickel,   Entwurf  eines   Kadiolarien-Systems  auf  Grund 

von  Studien  der  Challenger -Kadiolarieu 418 

Otto    Hamann,     Der    Organismus    der    Hydroidpolypeu,    mit 

G   Tafelu   und  4   Holzschuitten 473 

Otto  Hamann,  8tudieu  iiber  Coeleuteraten,  mit  2  Tafeln  .  545 
Sitzungsberichte  derJeuaischen  Gesellschaft  fiir  Me- 

diciu  uud  Naturwisseuschaft,  fiir  das  Jahr  1881,  mit  2  Tafeln 

(XLIV  u.  XLY) 1—62 


Die  Coelomtheorie. 

Versuch  einer  Erklarung  des  mittleren  Keimblattes. 

Von 

Dr.  Oscar  Hert^Tig  und  Dr.  Richard  Hertwig. 

Hierzu  Tafel  I— III. 


Das  Problem  der  Mesodermbildung. 

Weun  die  vergleichende  Entwicklungsgescliichte  das  reicbliche, 
aus  zahllosen  Eiuzeluntersuchungen  ilir  zustromende  Material  wis- 
senschaftlich  verwerthen  soil,  so  muss  sie  einer  doppelten  Auf- 
gabe  genugen.  Wie  ihre  Schwesterwissenschaft,  die  vergleichende 
Anatomie,  fiir  die  ausgebildeten  Thiere,  so  hat  sie  fiir  die  Keime 
die  morphologisch  gleichwerthigen  Theile  festzustellen ,  indem  sie 
ihre  gegenseitigen  Lagebeziehungen  und  die  Art  ihres  Zusammen- 
hangs  untersucht,  und  hat  aus  den  so  gewonnenen  Erfahrungen 
iiber  das  verwandtschaftliche  Verhilltniss  der  Thierformen  Klar- 
heit  zu  verbreiten. 

Zweitens  hat  die  vergleichende  Entwicklungsgeschichtc  aber 
auch  die  Processe  der  Entwicklung  zum  Gegenstand  ihrer  Beur- 
theilung  zu  machen;  sie  soil  uns  in  das  Wesen  dieser  Processe 
einen  Einblick  gewahren  und  uns  verstehen  lehren,  wie  es  kommt, 
dass  die  Eizelle  sich  zum  Zellenhaufen,  der  Zelleuhaufen  sich  zum 
zweischichtigen  Keim  u.  s.  w.  verwandelt. 

Nach  beiden  Richtungeu  bin  hat  Haeckel's  Gastraeatheorie 
(162)  die  vergleichende  Entwicklungsgeschichte  gauz  ausserordent- 
lich  gefordert,  indem  sie  uns  fiir  den  zweiblattrigen  Zustand  des 
Keimes  voiles  Verstandniss  errang.  Die  schon  durch  zahlreiche 
andere  Forscher  angebahnte  Auffassung  von  der  Homologie  der 
primaren  Keimblatter  wurde  durch  sie  scharf  und  pracis  formu- 
lirt  und  so  eine  feste  Grenzscheide  zwischen  den  Protozoen  und 
Metazoen  errichtet.  Ferner  ergab  sich  von  selbst  eine  Erklarung 
fiir  die  allgemeine  Verbreitung  und  das  Wesen  des  inneren  Keim- 
blattes, indem  dasselbe  mit  der  ersten  Eutstehung  des  Darm- 
kanales  im  Thierreich  in  Zusammenhang  gebracht  wurde. 

Bd.  XV.  N.  F.  VIII.  1.  1 


2  0,  und  R.  Hertwig, 

EntwickluDgsgescliiclitliche  Forsclmngen,  welche  im  Anschluss 
an  die  Gastraeatheorie  die  iibrigen  Stadien  der  Thierentwicklung 
auf  deniselben  Wege  erklaren  wollen,  werden  naturgeraass  von  der 
Frage  auszugehen  haben,  in  welcher  Weise  entwickelt 
sich  der  zweiblattrige  Keim  zu  hoherer  Organisation. 
Da  dies  im  Allgemeinen  durcli  die  Ausbildung  weiterer  Zellen- 
schichten,  welche  zwischen  Ektoblast  und  Entoblast  mitten  inne 
gelegen  sind ,  geschieht ,  so  heisst  das  mit  andern  Worten :  wie 
entstehen  dieselbeu,  sind  sie  in  der  ganzen  Thierreihe  homolog, 
welcher  Art  sind  die  Processe,  denen  sie  ihr  Dasein  verdanken. 

Das  sind  die  Fragen,  die  uns  schon  in  friiheren  Arbeiten  und 
welter  auch  im  letzten  Jahre  beschiiftigten ,  und  zu  deren  Beant- 
wortung  wir  in  dem  vorliegeuden  Essay  einen  neuen  Beitrag  lie- 
fern  wollen.  Zum  Ausgangspunkt  unserer  Betrachtungen  werden 
wir  die  Coeleuteraten  nehmen  und  von  ihneu  aus  zu  den  hoheren 
Thierstammen  emporsteigen. 

Um  in  die  Processe,  welche  den  Aufbau  der  Organisraen  be- 
dingen,  einen  Einblick  zu  gewiunen,  wird  man  immer  gut  thuen 
da  zu  beginnen,  wo  sie  in  ihrem  ersten  Auftreten  und  in  ihrer 
urspriinglichen  Einfachheit  zu  beobachten  sind,  wo  sie  sich,  man 
mochte  fast  sagen,  vor  den  Augen  des  Beobachters  abspielen. 
Hier  wird  sich  uns  ihr  Wesen  viel  klarer  offeubaren  als  in  den 
Fallen,  wo  sich  weitere  Erscheinungen  hinzugesellt  und  auf  den 
ursprunglichen  Verlauf  modificirend  eingewirkt  haben.  Das  erstere 
ist  unter  alien  Thieren  allein  bei  den  Coeleuteraten  der  Fall. 
In  der  Mehrzahl  zweischichtig  enthalten  diese  Thiere  auch  For- 
men,  bei  welchen  eine  dritte  Korperschicht,  ein  Mesoderm,  zur  Aus- 
bildung gelangt,  und  sie  lassen  uns  sehr  deutlich  erkennen ,  wie 
sich  das  letztere  anlegt. 

Bei  den  Coeleuteraten  haben  wir  nun  in  unseren  friiheren 
Untersuchungen  (2—5)  zwei  durchaus  verschiedene  Processe  unter- 
scheiden  konnen,  durch  welche  sich  ein  zweiblattriges  Thier  hoher 
differenzirt ;  dem  einen  Process  begegneten  wir  bei  den  Hydro- 
medusen,  Acalephen  und  Actinien,  dem  anderen  Process  dagegeu 
unter  alien  Coelenteraten  allein  bei  den  Ctenophoren. 

In  der  ersten  Abtheilung  vollzieht  sich  die  Differenzirung  der 
zweiblitttrigen  Gastrula  kurzweg  in  folgender  Weise:  Zwischen  den 
beiden  Bildungsschichten  des  Korpers,  dem  Ektoblast  und  Ento- 
blast, entwickelt  sich  eine  bald  festere  bald  weichere  Stiitzsubstanz, 
die  von  den  angrenzenden  Epithelschichten  ausgeschieden  worden 
ist  und  in  einigen  Abtheilungen  zellenfrei  bleibt,  in  anderen  da- 


Die  Coelomtheorie.  3 

gegen  mit  zahlreichen  Zellen  versehen  wird,  welche  entweder  aus 
dem  Ektoblast  oder  aus  dem  Entoblast  in  sie  hineinwandern.  Da- 
diirch  wird  die  ursprunglich  von  epithelialen  Lagen  ausgeschie- 
dene  Stiitzsubstanz  zu  einem  besouderen  selbstitndig  wachsenden 
und  selbstandig  sich  ernahrenden  Gewebe,  fiir  welches  Hen  sen 
(104)  den  Namen  Sekretgewebe  eingefiihrt  hat  und  welches  wir  im 
Folgenden  als  Mesenchym  bezeichnen  wollen. 

Das  Mesenchym  behalt  bei  den  Hydromedusen,  Acalephen 
und  Actinien  seinen  ursprunglichen  Charakter  unveriindert  bei  und 
betheiligt  sich  nicht  an  der  Hervorbringung  anderer  Gewebsfor- 
men.  Es  sind  allein  die  epithelialen  Begrenzungsschichten ,  aus 
welchen  sich  die  fiir  die  hohere  Entwicklung  des  Organismus  so 
tlberaus  wichtigen  Elemente,  die  Muskel-,  Nerven-  und  Sinneszellen 
differenziren.  In  alien  den  Fallen,  wo  wir  Muskel-  und  Nerven- 
gewebe  losgelost  vom  Oberflachenepithel  antreffen,  ist  dasselbe  erst 
secundar  entweder  vom  Ektoderm  oder  vom  Entoderm,  seiner  Ur- 
sprungsstatte ,  in  Folge  von  Einfaltungs-  und  Abschniirungspro- 
cessen  in  das  Mesenchym  ubergetreten. 

Wie  ganz  anders  verlauft  der  histologische  Differenzirungs- 
process  bei  den  beideu  Keimbliittern  der  Ctenophoren,  welche  un- 
sere  zweite  Abtheilung  ausmachen.  Zunachst  sind  die  Ausgangs- 
stadien  dieselben,  indem  sich  ein  Mesenchym  entwickelt.  Zwischen 
Ektoblast  und  Entoblast  wird  eine  structurlose  Gallerte  ausgeschie- 
den  und  in  dieselbe  wandern,  wie  uns  Kowalevsky  (6)  in  sei- 
ner Entwicklungsgeschichte  der  Rippenquallen  beschreibt,  schon 
fruhzeitig  Zellen  des  Ektoblasts  hinein.  Den  amoboiden  Mesen- 
chymzellen  kommt  aber  hier  eine  ganz  andere  histologische  Be- 
deutung  zu,  da  sie  die  verschiedensten  Differenzirungen  eingehen. 
Zum  Theil  behalten  sie  ihre  urspriingliche  Function  bei  und  blei- 
ben  Ernahrungscentren  der  Gallerte,  zum  Theil  bilden  sie  sich  in 
Muskelfasern  um,  von  welchen  die  Gallerte  iiberall  reichlich  durch- 
setzt  wird,  zum  Theil  werden  sie  zu  Nervenfasern  und  Nervenzel- 
len,  welche  die  mesodermale  Muskulatur  mit  dem  ektodermalen 
Nervenplexus  in  Verbindung  bringen.  Daneben  geht  dann  noch 
das  Ektoderm,  wenn  auch  in  geringerem  Maasse,  eine  Umbildung 
zu  specifischen  Gewebsformen ,  wie  Muskel-,  Nerven-,  Sinneszel- 
len ein. 

Wir  resiimiren  also  kurz  den  Unterschied  zwischen  der  ersten 
und  zweiten  Abtheilung  dahin :  In  der  ersten  Abtheilung 
sind  alle  Gewebe  epithelialen  Ursprungs,  sie  wer- 
den direct  im  Ektoblast  und  Entoblast  erzeugt,  wah- 

1* 


4  0.  imd  R.  Hertwig, 

rend  sich  das  Mesenchym  histologisch  indifferent 
verhillt,  in  der  zweiten  Abtheilung  dagegen  bethei- 
ligt  sich  letzteres  in  hervorragenderWeise  am  histo- 
logischen  Differenzirungsprocess  und  liefert  Muskel- 
und  Nervengewebe. 

An  diesen  Satz  kniipfen  wir  gleich  noch  einen  zweiten  an: 
Die  epitheliale  und  die  mesench ymatose  Entste- 
hungsweise  der  Gewebe  pragen  sich  auch  in  ihrer  feine- 
ren  Structur  aus.  Am  schonsten  zeigt  sich  dies  bei  den  Coelen- 
teraten  am  Muskelgewebe.  Aus  den  Mesenchymzellen  der  Cteno- 
phoren  entstehen  lange  Muskelfaserzellen,  die  gewohnlich 
an  beiden  Enden  durch  wiederholte  dichotome  Theilung  in  viele 
feine  Auslaufer  ubergehen  und  in  einer  contractilen  Rindenschicht 
eine  kornige  protoplasmatische  Marksubstanz  mit  vielen  Kernen 
einschliessen  (Taf.  Ill  Fig.  4).  Die  Muskelfaserzellen  sind  auch 
da  ,  wo  sie  vielkernig  sind ,  auf  eine  einzige,  ausserordentlich  in 
die  Lange  gewachsene  Bildungszelle  zuruckzufuhren ,  und  ihre 
Rindenschicht  ist  nicht  in  Fibrillen  zerlegbar,  wenn  sie  auch  eine 
feine  Langsstreifung  ab  und  zu  erkennen  lasst.  Die  epithe- 
lialen  Muskelzellen  dagegen  scheiden  gewohnlich  die  con- 
tractile Substauz  nicht  all-  sondern  einseitig  an  ihrer  basalen 
Oberflache  in  Form  von  glatten  oder  quergestreiften  Fibrillen 
aus  (Taf.  Ill  Fig.  19).  Diesen  haftet  die  Bildungssubstanz  ein- 
seitig als  Muskelkorperchen  an.  Auch  in  der  Anordnung  sind 
Verschiedenheiten  zu  bemerken.  Wahrend  die  Muskelfaserzellen 
mehr  isolirt  und  selbstandig  die  Gallerte  durchsetzen,  sind  die 
Muskelfibrillen  zu  Lamellen  (Taf.  Ill  Fig.  5/*)  verbunden,  in  denen 
sie  einen  genau  parallelen  Verlauf  einhalten.  Aus  der  lamel|- 
liisen  Anordnung  konnen  durch  fortschreitende  Differenzirung 
zwei  hohere  Formen  des  Muskelgewebes  hervorgehen,  das  Mus- 
kelblatt  und  das  Muskelprimitivbiindel,  welche  beide 
nicht  mehr  elementare,  sondern  zusammengesetzte  Gebilde  sind. 
Die  Muskelblatter  (Taf.  Ill  Fig.  6B)  werden  durch  Einfaltung  einer 
Lamelle  von  Muskelfibrillen,  die  Muskelprimitivbuudel  (Taf.  Ill 
Fig.  8P)  aber  dadurch  erzeugt,  dass  eingefaltete  Theile  einer  Lamelle 
sich  abschnuren  und  vom  Mesenchym  (w)  umhullt  werden.  Ob- 
wohl  so  die  Muskelprimitivbiindel  mit  den  contractilen  Faserzel- 
len  die  Lage  theilen,  sind  sie  doch  leicht  von  ihnen  zu  unter- 
scheiden.  Denn  jedes  Bundel  ist  aus  zahlreichen  Zellen  hervor- 
gegangen   und   enthalt  zahlreiche  Muskelfibrillen  (/"),  welche  als 


Die  Coelomtheorie.  5 

eiu  Mantel  die  unter  einander  verschmolzenen  axialen  Bilduugszel- 
len  {mh)  umgebeii. 

Dadurch  dass  wir  im  Stamm  der  Coeleiiteraten  bei  der  Um- 
wandlung  der  Gastrula  einen  epithelialen  und  einen  mesenchyma- 
tosen  Typus  haben  nachweisen  konnen,  wird  uns  die  Frage  nahe 
gelegt,  ob  analoge  Verhaltnisse  audi  bei  den  tibrigen  Metazoen 
wiederkehren.  Eine  nahere  Priifung  zeigt,  dass  solches  in  der 
That  der  Fall  ist.  Z^Yei  recht  typische  Entwicklungsgeschichten 
liohercr  Thiere,  wclche  wir  zum  Vergleich  jetzt  einander  gegenuber- 
stellen  wollen,  werden  den  uubefangenen  Leser  zu  demselben  End- 
ergebniss  fuhren.  Wie  unter  den  Coelenteraten  die  Actinien  und 
Ctenophoren,  so  stelien  in  einem  ahnlichen  scharf  ausgepragten 
Gegensatz  zu  einander  die  Chaetognathen  und  die  Mollus- 
ken,  und  dieser, Gegensatz  aussert  sich  nicht  nur  in  ihrer  Ent- 
wicklungsgcschichte  und  in  dem  histologischen  Differenzirungspro- 
cess,  sondern  nicht  minder  auch  in  ihrer  fertigen  Organisation 
und  in  der  feineren  Structur  ihrer  Gewebe.  Bei  den  Bilaterien 
verbindet  sich  zugleich  noch  ein  weiterer  tiefgreifender  Unter- 
schied  mit  der  verschieden  erfolgenden  histologischen  Differenzi- 
rung  der  Gewebe,  namlich  eine  abweichende  Bildung  der 
Leibeshohle,  und  dies  ist  dann  wieder  von  der  allergrossteu 
Bedeutung,  wie  wir  alsbald  sehen  werden,  ftir  den  Aufbau  der 
meisten  tibrigen  Organsysteme. 

Die  Chaetognathen  haben  wir  selbst  (93)  sehr  eingehend  auf 
ihre  Entwicklung  und  ihren  elementaren  Bau  untersucht  in  der 
Absicht,  durch  eigene  Anschauung  eine  genaue  Keuntniss  von 
einem  Organismus  zu  gewinnen,  dessen  Mesoderm  durch  das  Auf- 
treten  einer  Leibeshohle  eine  hohere  Stufe  der  morphologischen 
Ausbildung  erlangt  hat.  Die  Beobachtungsbedingungen  sind  aus- 
serordentlich  gunstige,  so  dass  die  Processc,  auf  welche  wir  ein 
besonderes  Gewicht  legen,  sich  mit  aller  wiinschenswerthen  Sicher- 
hcit  verfolgen  lassen  und  daher  auch  fast  von  alien  neueren  Beob- 
achtern  in  gleicher  Weise  dargestellt  worden  sind. 

Die  Chaetognathen  sind  ganz  ausgesprochene  Vertreter  des 
epithelialen  Entwicklungstypus  der  Gewebe.  Eskommt 
bei  ihnen  so  gut  wie  gar  nicht  zur  Bildung  eines  Mesenchyms, 
da  nach  der  Gastrulaeinstiilpung  sich  die  zwei  primitiven  Keim- 
blatter  fest  aneinander  legen.  Erst  sehr  spat  wird  eine  geringe 
Quantitiit  einer  structurlosen  Gallerte  an  einem  beschrankten  Be- 
zirk  (Taf.  I  Fig.  3  iv)  (an  der  Basis  der  Flossen  und  an  der  In- 
sertion der  Kopfkappe)  zwischen  den  Bildungsproducten  des  Ek- 


6  0,  und  11.  Hertwig, 

toblasts  und  des  Eutoblasts  ausgeschieden.  Diese  Gallorte  ist 
von  Anfang  an  und  auch  spater  ganz  zellenfrei  und  kann  da- 
her  keine  weiteren  geweblichen  Metamorphosen  erleiden.  Alle 
Umbildungen  gehen  einzig  und  allein  von  epithelialen  Lageu  aus. 
Dies  zeigt  sich  in  der  Entwicklung  der  Leibeshohle,  der  Muskula- 
tur,  des  Nerveusystems  und  der  Geschlechtsorgane. 

Die  Leibeshohle  legt  sich  alsbald  nach  erfolgter  Gastrula- 
einstiilpung  in  der  Weise  an,  dass  sich  der  Entoblast  in  zwei  Fal- 
len erhebt,  welche  vom  Grund  des  Urdarms  aus  in  diesen  hinein- 
wachsen  und  ihn  in  einen  mittlereii  und  zwei  seitliche  Kaume 
scheiden.  Der  erstere  wird  zum  Darmrohr,  die  beiden  letzteren 
schniiren  sich  zu  den  zwei  Halften  der  Leibeshohle  ab.  Dieselbe 
ist  daher,  wie  Huxley  (167)  sich  ausdruckt,  ein  Enterocoel.  Die 
besondere  Art  ihrer  Genese  lasst  sich  auch  beim  ausgebildeten 
Thiere  noch  daran  erkennen,  dass  sie  von  einena  Epithel  ausge- 
kleidet  wird  und  dass  das  Darmrohr  von  einem  besonderen  Faser- 
blatt  umgeben  und  mittelst  eines  dorsalen  und  ventralen  Mesen- 
teriums  am  Hautmuskelschlauch  befestigt  ist. 

Durch  die  Einfaltung  des  Entoblasts  wird  bei  den  Chaetognathen 
die  Anzahl  der  Keimblatter  von  zwei  auf  vier  erh5ht,  iudem  wir  nun 
die  das  Coelom  begrenzenden  Lagen  als  parietales  und  viscerales 
Blatt  des  Mesoblasts  bezeichnen.  In  Folge  des  ganzen  Processes  wird 
eine  bedeutende  Vergrosserung  der  epithelialen  Oberfliiche  desKor- 
pers  in  ahnlicher  Weise  wie  bei  den  Actinieu  durch  die  Septen- 
bildung  hervorgerufen.  Mit  Recht  glauben  wir  daher  in  unse- 
rer  Monographie  (93)  die  beiden  Coelonasiicke  der  Chaetognathen 
mit  den  Nebenriiumen  oder  Divertikeln  des  Urdarms  der  Actinien 
verglichen  zu  haben,  wie  wir  auch  damals  schou  auf  die  analogen 
Processe  in  der  histologischen  Differenzirung  aufmerksam  gemacht 
haben. 

Beginnen  wir  mit  der  Bildungs-  und  Anordnungsweise  der 
Muskulatur.  Wie  bei  den  Actinien  von  den Epithelzellen  derUr- 
darmdivertikel,  so  werden  bei  den  Chaetognathen  vom  parietalen  Epi- 
thelblatt  des  Coeloms  Muskelfibrillen ,  die  sich  zu  einer  Lamelle 
vereinigen,  ausgeschieden.  Indem  die  so  entstandene  Lamelle  sich 
m^chtiger  entwickelt,  faltet  sie  sich  ein  und  erzeugt  Muskel- 
blatter  (Taf.  Ill  Fig.  12J5),  die  aus  Fibrillen  {f}  zusammengesetzt 
werden,  parallel  zu  einander  und  senkrecht  zur  Korperoberflache 
gestellt  sind  und  in  ihren  schmalen  Interstitien  Muskelkorper- 
chen  {mh)  einschliessen.  Der  epitheliale  Ursprung  der  Muskulatur 
pragt  sich   danu   auch  in  der  ausserst  regelmassigen  An- 


Die  Coelomtheorie.  7 

orduung  der  Muskelbliitter  aus,  welclie  vollkommeii  paral- 
lel zu  einander  iu  der  Langsriclituiig  des  Korpers  verlaiifen  uud 
in  4  longitudinale  Bander  abgetlieilt  sind. 

Bei  den  Actiuien  und  Chaetognathen  eutwickelt  sich  der  Haupt- 
theil  des  Nervensys terns,  das  Centralorgan  sammt  den  von 
ihm  ausstrahlendeu  Nerven,  aus  dem  Ektoderm,  in  welcliem  es  seine 
urspriingliche  Lage  dauernd  beibehalt;  ein  kleinerer  Tlieil  ent- 
steht  im  Anschluss  an  die  Muskulatur,  bei  den  Actinien  aus  dem 
Entoderm,  bei  den  Chaetognathen,  wie  uns  sehr  wahrscheinlich  ge- 
worden  ist,  aus  dem  parietalen  Blatte  des  Mesoblasts.  Es  wiirde 
somit  das  Nervensystem  im  Grossen  und  Ganzen  nach  den  Keim- 
blattern  in  zwei  Abschnitte  gesondert  sein:  „in  einen  ektoderma- 
len,  aus  dem  Ektoblast  entstehenden  sensiblen  Abschnitt  und  in 
einen  mesodermalen ,  auf  den  Entoblast  zurilckfiihrbaren,  motori- 
schen  Abschnitt". 

In  beiden  Abtheilungen  endlich  leiten  sich  dieGeschlechts- 
producte  aus  dem  Epithel  der  Urdarmdivertikel  ab 
(Taf.  I  Fig.  3e).  Bei  den  Actinien  werden  daher  auch  Eier  und 
Spermatozoen  in  letztere  bei  ihrer  Reife  entleert,  bei  den  Chaeto- 
gnathen fallen  allein  die  Spermatozoen  in  den  Biuuenraum  des 
Schwanzsegmentes ,  aus  welchem  sie  durch  besondere  Vasa  defe- 
rentia  entleert  werden,  wahrend  die  Eier  ihre  in  der  Abstammung 
begriiudete  Beziehung  zum  Enterocoel  verloren  haben  und  in  be- 
sondere Eirohren  mit  eigenen  Ausfuhrgangen  eingeschlossen  sind. 
Wie  vollig  verschieden  ist  nun  im  Vergieich  zu  den  Chaeto- 
gnathen das  Bild,  welches  uns  die  Entwickelungsgeschichte 
und  der  feinere  Bau  der  Mollusken  zeigt!  Dank  den  vor- 
trefflichen  Untersuchungen  von  Lankester  (63—65),  Fol(53 — 57), 
Rabl(67— 69),  Hatschek(59)  und  Bobretzky  (48,49)  sind  hier 
die  Verhaltnisse  in  iibereinstimmender  Weise  so  weit  aufgeklart,  dass 
wir  iiberzeugt  sind  auf  ganz  sicherem  Boden  zu  stehen.  Daun  sind 
aber  ftir  die  Entwicklung  der  Mollusken  folgende  Punkte  maassge- 
bend:  Entweder  sind  die  beiden  primitiven  Blatter  schon  von  der 
Gastrulaeinstiilpung  an  durch  einen  Spaltraum  getreunt  oder  sie 
riicken  wenigstens  spater  immer  weiter  auseinander  und  lassen  einen 
Raum  zwischen  sich  frei,  welchen  wir  zunachst  mit  Huxley  Bla- 
stocoel  nennen  wollen  (Taf.  I  Fig.  11).  An  der  Stelle,  wo  Ekto- 
blast und  Entoblast  in  einander  umbiegen,  am  schlitzformigen  Ga- 
strulamund,  werden  in  symmetrischer  Lage  2  grosse  Zellen  oder 
2  Haufen  kleinerer  Zellen  (a)  angetroffen,  die  meist  schon  auf  dem 
Blastulastadium  sich  aus  dem  Verbande  der  iibrigen  losgelost  ha- 


8  0.  unci  E,  Hertwig, 

ben.  Durch  Theilung  gehen  aus  ihnen  zwei  Streifen  locker  und 
unregelmassig  yerbundener  Zellen  hervor,  welche  sich  alsbald  von 
eiuander  trennen  und,  wie  Rabl  sich  ausdriickt,  fast  piuselfor- 
mig  auseinandei'weichen.  Sie  zerstreuen  sich  nach  alien  Seiten 
durch  die  Gallerte,  welche  an  Volumen,  je  alter  der  Embryo  wird, 
um  so  mehr  zunimmt  und  legen  sich  zum  Theil  dem  Darmepithel 
und  dem  einschichtigen  Epithel  der  Korperoberfliiche  an.  Sie  wer- 
den  dann  von  den  Embryologen  als  Haut-  und  Darmfaserblatt 
(somatic  und  splanchnic-layer)  bezeichnet.  Die  Urzellen  des  Meso- 
derms, wie  Rabl  und  Andere  die  Zellen  zu  beiden  Seiten  des  Ga- 
strulamundes  benennen,  haben  mithin  die  Aufgabe,  ein  Mesenchym 
zu  bilden,  welches  die  bemerkenswerthesten  Analogieen  zu  dem 
gleichuamigen  Gewebe  der  Beroiden  darbietet.  In  der  ersten  Ent- 
wicklung  des  Mesenchyms  finden  freilich  bei  beiden  einige  Ver- 
schiedenheiten  statt.  Bei  den  Beroiden  losen  sich  vom  Ektoblast 
einzelne  kleine  amoboide  Zellen  hie  und  da  ab,  die  sich  alsbald  in 
der  Gallerte  zerstreuen;  bei  den  Mollusken  sind  es  gewohnlich 
zwei  grosse  dotterreiche  Zellen,  die  ausscheiden  und  erst  durch 
fortgesetzte  Theilung  zu  amoboideu  Wanderzellen  werden  und  aus- 
einanderweichen.  Aber  was  will  diese  geringfiigige  Verschieden- 
heit  sagen  gegentiber  dem  gesammten  Character  des  Gewebes  und 
gegeniiber  der  Uebereinstimmung  der  histologischen  Producte, 
welche  aus  ihm  in  beiden  Fallen  entstehen.  Denn  wie  bei  den 
Beroiden  differenzirt  sich  das  Mesenchym  bei  den  Mollusken  einer- 
seits  in  die  besonders  reichlich  und  oft  eigenartig  entwickelte 
Bindesubstanz ,  dann  in  Muskelfasem  und  schliesslich  auch  uoch, 
wie  wir  glauben  hinzufugen  zu  diirfen,  in  einen  Thed  des  Nerven- 
systems;  die  epithelialen  Fliichen  dagegen,  die  vom  Ektoblast 
und  Entoblast  abstammen,  nehmen  an  der  Genese  der  Muskula- 
tur  auch  nicht  den  geringsten  Antheil. 

Die  Mu skein  der  Mollusken  entstehen,  indem  einzelne  Zel- 
len des  Mesenchyms  sich  in  die  Lange  strecken  und  mit  einem 
Mantel  von  contractiler  Substanz  umgeben,  in  welchem  die  Bil- 
dungszelle  als  sogenaunte  Mark-  oder  Axensubstanz  erhalten  bleibt; 
gewohnlich  eiukernig  vermehren  sie  nur  seiten  die  Zahl  ihrer 
Kerne,  wie  dies  bei  den  Ctenophoren  fast  ausnahmslos  der  Fall 
ist.  Ihre  Enden  sind  meist  zugespitzt,  so  dass  die  Gestalt  der 
ganzen  Zelle  spiudelformig,  dabei  entweder  kurz  gedrungen  oder 
fadenartig  langgestreckt  ist.  ludessen  kommen  auch  dichotome 
Verastelungen  der  Enden  vor,  welche  uns  an  die  Muskelu  der 
Ctenophoren   erinnern  (Taf.  I  Fig.  11mm);   sie  sind  ganz  beson- 


Die  Coelomtheorie.  9 

ders  schon  bei  den  Larven  der  Pteropoden  von  Fol  (Taf.  Ill 
Fig.  3  mm)  beobachtet  worden  uud  auch  bei  Heteropoden,  Lamelli- 
branchiern  (Taf.  Ill  Fig.  17.  Taf.  I  Fig.  11  mm)  und  Gastropoden 
sind  sie  niclit  selten,  wie  die  Arbeiten  von  Rabl,  Hatschek 
u.  A,  lehren :  Bei  den  ausgebildeten  Thieren  sind  verastelte  Mus- 
kelfasern  im  Allgemeinen  weuiger  hiiufig.  Boll  (47)  fand  sie  na- 
meutlich  bei  Arion  ater,  und  wir  selbst  liaben  sie  bei  Cephalopo- 
den  gesehen,  wo  sie  mit  Vorliebe  anderweitige  Muskellagen  quer 
durchsetzen. 

Die  contractile  Substanz  der  Muskelfasern  ist  entweder  ho- 
mogen  oder  fein  langsstreifig.  Aus  letzterer  Structur  liaben  viele 
Autoren  wie  Wagener  und  neuerdiugs  ganz  besonders  v.  Jhe- 
ring  (61)  auf  eine  fibrillare  Zusammensetzung  geschlossen  und 
dem  entsprechend  die  Muskelfasern  als  Fibrillenbiindel  den  Mus- 
kelfasern der  Wirbelthiere  gleichgestellt.  Dem  haben  jedoch  die 
meisten  Forscher,  welche  sich  mit  den  Muskeln  der  Wirbellosen 
beschaftigt  haben,  wie  Weismann  (173)  und  Schwalbe  (172)  wi- 
dersprochen;  letzterer  giebt  nur  fiir  die  sehnig  aussehenden  Theile 
der  Schliessmuskeln  der  Lamellibranchier  eine  faserige  Beschaffeu- 
heit  zu,  die  nach  ihm  jedoch  als  „eine  weitere  Difterenzirung  der 
contractilen  Substanz,  angepasst  an  ihre  eigenthiimliche  Function, 
einen  anhalteuden  Verschluss  der  Schalen  zu  bewirken",  angese- 
hen  werden  muss.  Nach  unserer  Ansicht  kann  es  keinem  Zwei- 
fel  unterliegen,  dass  die  contractile  Substanz  der  Muskelfaser  bei 
den  Mollusken  homogen  ist  wie  bei  den  glatten  Muskelfasern  der 
Wirbelthiere  und  dass  die  etwaige  feine  Langsstreifung  nur  eine 
untergeordnete  Bedeutung  hat. 

In  der  Anordnung  der  Muskelfasern  fallt  ganz  beson- 
ders der  Mangel  der  Gesetzraassigkeit  auf.  Auf  Querschnitten 
durch  den  Korper  von  Muscheln  und  Schnecken  (Taf  I  Fig.  4  und 
Taf.  Ill  Fig.  10)  sind  die  Muskelfasern  (mm)  zu  kleinen  Biindeln 
vereint,  diese  aber  sind  nach  den  verschiedensten  Richtungen  wirr 
durcheinander  gekreuzt  und  noch  weiter  dadurch  verbunden,  dass 
die  Fasern  eines  Btindels  fiicherartig  ausstrahlend  die  Masse  be- 
nachbarter  Btindel  durchsetzen.  So  kommt  morphologisch  ein  ver- 
filztesMuskelwerk  zu  Stande,  in  welchem  meist  selbstandige 
und  isolirte  Gruppen  von  Muskeln  nicht  zu  unterscheiden  sind; 
functionell  ilussert  sich  dagegen  das  Verhalten  darin,  dass  ein 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  hiu  contractiles  Parenchym 
erzeugt  wird,  welches  fiir  die  ganze  Bewegungsweise  der  Schne- 
cken und  Muscheln    so    ausserst  charakteristisch  ist.     Bei  den 


10  0.  imd  E.  Hertwig, 

hohercn  Mollusken,  den  Cephalopoden,  macht  sich  allcrdings  eine 
grossere  Regelraiissigkeit  gelteud,  indem  es  zu  Muskollamelleu  iiiit 
gleich  gerichteter  Faserimg  kommt.  Al)er  aiich  liier  werden  noch 
die  regelmassig  angeordiieten  Faserlamellen  von  einzeluen  quer  ver- 
laufenden  Muskelfasern  durchsetzt,  wie  die  Knochenlaraellen  von 
den  perforirenden  Sliarpey'sclien  Fasern ;  ausserdem  erhalt  sich  bei 
den  Cephalopoden  an  vielen  Stellen,  unter  denen  wir  ganz  beson- 
ders  die  Arme  hervorheben,  der  Charakter  des  Muskelflechtwerks 
in  sehr  ausgesprochener  Weise.  Noch  kiirzlich  hat  daher  ein  For- 
scher,  der  sich  mit  den  Cephalopoden  sehr  eingehend  beschiiftigt 
hat,  Brock  (50),  „die  grosse  Unselbstandigkeit  der  Muskeln,  ihre 
vielfachen  Verwachsungen  und  die  Neigung,  sich  in  Membranen, 
in  Muskelhaute  auszubreiten" ,  selbst  fur  den  Kopf  und  Nacken 
des  Cephalopodenkorpers  hervorgehoben,  fiir  Stellen,  wo  isolirte 
Bundel  vorkommen  und  die  Muskulatur  am  hochsten  differenzirt  ist. 

So  ergiebt  eine  genauere  Priifung  der  Muskula- 
tur auch  in  jeder  Beziehung,  in  Entwicklung,  Bau  und 
Anordnungsweise  f undamentale  Unterschiede  zwi- 
schen  Chaetognathen  und  Mollusken.  Dort  sehen  wir 
umgewandelte  Epithelzellen,  hier  Zellen  des  Mesen- 
chyms  zu  Muskeln  werden,  dort  begegnen  wir  Muskel- 
blattern  zusammengesetzt  aus  Einzelfibrillen,  hier 
contractilen  Einzelfasern,  bei  den  Chaetognathen  end- 
lich  sind  die  Elemente  in  regeliniissiger  leicht  iiber- 
sichtlicher  Weise  angeordnet,  bei  den  Mollusken  da- 
gegen  sindsie  zueinemhaufigunentwirrbarenDurch- 
ei  nan  der  vereinigt. 

Die  Bindesubstanz  der  Mollusken,  der zweite Bestand- 
theil,  welcher  aus  Umbildung  des  Mesenchyms  hervorgeht,  hat  in 
den  einzelnen  Abtheilungen  einen  verschiedenen  Charakter  und 
verschiedene  Machtigkeit;  bei  den  pelagischen  Pteropoden  und  He- 
teropoden  z.  B.  ist  sie  eine  ansehnliche  Gallerte,  welche  von  ela- 
stischen  Fasern  gestiitzt  wird  und  zahlreiche  veriistelte  oder  rund- 
liche  Zellen  enthalt,  wahrend  sie  bei  den  Schnecken  mehr  faserig  ist 
und  unansehnlich  an  Masse  vornehmlich  als  Kitt  zur  Vereinigung 
der  Muskelfaserbiindel  dient.  Alle  diese  qualitativen  und  quanti- 
tativen  Unterschiede  sind  fiir  uns  hier  von  keiner  Bedeutung,  da 
es  uns  nur  auf  die  Art  ankommt,  in  welcher  die  Bindesubstanz 
in  den  Aufbau  des  Organismus  eingreift.  Hierbei  miissen  wir 
denn  hervorheben,  dass  ein  in  Muskeln  und  Bindesubstanz  diffe- 
renzirtes   Mesenchym  den  Raum  zwischen  Darm  und  Hautober- 


Die  Coelomtheorie.  11 

flitche,  das  Blastocoel  der  Larve,  iu  mehr  oder  minder  vollstan- 
diger  Weise  ausfiillt  (Taf.  I  Fig  11  u.  4.  Taf.  Ill  Fig.  10).  Am 
vollstandigsten  ist  dies  bei  den  Lamellibrancliiern  der  Fall,  bei  wel- 
chen  alle  Eingeweide,  Darm,  Geschleclitsorgane,  Nieren  unter  ein- 
ander  durcb  das  Korperraesencbym  verklebt  werden.  In  den 
Geweben  verbreitet  sich  ein  System  von  Lacunen, 
welche  sich  besouders  im  Umkreis  der  Eingeweide  zu  grosseren 
Hohlraumen  erweitern,  ohne  jedoch  zu  einer  einlieitlichen  Hohle 
zusammenzufliessen.  Ueber  den  Bau  dieser  Lacunen  stimmen  die 
neueren  Untersuchungen  von  F lemming  (52),  Posner  (66), 
Kollmann  (62)  etc.,  mogen  sie  auch  im  Eiuzelnen  von  einander 
abweichen,  im  Allgemeinen  tiberein,  iudem  sie  zeigen,  dass  es  ein- 
fache  Spalten  in  der  Bindesubstanz  sind,  deren  Wandungen  nicht 
einmal  von  einem  besonderen  Epithel  tiberzogen  werden.  Sie 
communiciren  mit  dem  Blutgefasssystem,  desseu  grossere  Stilmme 
sich  in  sie  oflhen,  wahreud  Capillaren  an  den  meisten  Stellen  des 
Korpers  fehlen. 

Wie  die  Verhaltnisse  liegen,  hat  man  wenig  Veranlassung, 
bei  den  acephalen  Mollusken  von  einer  Leibeshohle  zu  sprechen, 
wenn  es  auch  in  Folge  der  Unsicherheit ,  welche  in  der  Anwen- 
dung  des  Begriffs  „Leibeshohle"  herrscht,  allgemein  geschieht.  Be- 
rechtigter  erscheint  dagegen  eiue  solche  Darstellungsweise  bei  den 
Cephalophoren ,  deren  Eingeweide  in  einem  Hohlraum  eingebettet 
sind  und  aus  dem  Hautmuskelschlauch  in  Folge  dessen  leicht  her- 
auspraparirt  werden  konnen.  Doch  ist  es  auch  hier  nothig,  sich 
nicht  mit  einem  viel  gebrauchlicheu  Namen  zu  begniigen,  soudern 
das  Wesen  des  Hohlraums  selbst  uilher  zu  betrachten.  Derselbe 
ist  ebenfalls  nur  ein  Spaltraum  iu  der  Bindesubstanz,  welcher  nicht 
von  einem  Epithel  ausgekleidet  ist.  Er  wird  von  Fiiden  durch- 
setzt,  welche  von  der  Bindesubstanz  des  Hautmuskelschlauchs 
in  die  bindegewebigen  Umhiillungen  der  Eingeweide  hiniibertreten 
Oder  sich  zwischen  den  einzehien  Organen  ausspannen.  Nicht  sel- 
ten  sind  auch  die  Organe  mit  breiten  Flachen  an  den  Wandungen 
der  Leibeshohle  befestigt. 

Diese  Schilderung,  welche  wir  auf  Grund  von  Querschnitten 
durch  Chi  ton  en  (Taf.  I  Fig.  4)  und  Landpulmonaten  geben,  wiirde 
sich  nach  den  Angaben  Gegenbaur's  (58)  nicht  auf  die  Ptero- 
poden  und  Heteropoden  tibertragen  lassen.  Hier  soil  vielmehr 
eine  ausserordentlich  geraumige  Leibeshohle  sich  trennend  zwi- 
schen Darm  und  Korperwand  schieben  und  sich  sogar  haufig  in 
die  flossenformigen  Anhange  erstrecken.     Wir  haben  daher  bei  Ca- 


12  0.  und  E,  Hertwig, 

riiiaria  und  Pterotrachea  weitere  Beobaclituugen  angestellt,  wobei 
wir  zu  einer  etwas  andereu  Auffassimg  als  Gegenb  aur  gelangt  siiid. 
Wenn  dieser  Forscher  die  Leibesliolile  unmittelbar  von  der  mem- 
branartig  ausgebreiteten  Korperniuskulatur  einerseits  und  der  Darm- 
wand  andererseits  begrenzt  sein  lasst,  so  hat  er  dabei  die  von 
zahlreicheu  Zelleu  durclisetzte  maclitige  Gallertschiclu  iibersehen, 
welclie  nach  innen  von  der  Muskulatur  vorhanden  ist.  Erst  in 
derselben  liegt  die  Leibesbulile  als  ein  schmaler  Spaltraum  derart 
eingebettet,  dass  eine  dunne  Gallertlage  noch  auf  der  Darmwand 
nachweisbar  ist,  wahrend  die  Hauptmasse  sich  an  das  Muskelblatt 
anschliesst.  In  gleicber  Weise  hat  Gegenbaur  auch  in  den  Pte- 
ropodenflossen  die  Gallerte,  welche  hier  allerdings  durch  weite 
Blutbahnen  sehr  reducirt  ist,  nicht  beachtet. 

Da  ein  Epithel  in  den  beschriebeuen  Hohlraumen  der  Cepha- 
lophoren  allgemein  fehlt,  und  da  sie  selbst  mit  dem  Blutgefasssy- 
stem  communiciren,  so  ist  es  klar,  dass  sie  aus  dem  Liickensystem 
der  acephalen  Mollusken  abgeleitet  werden  miissen.  Nur  sind  hier 
die  Liicken  im  Biudegewebe  grosser  geworden  und  zu  einem  wei- 
ten  Hohh'aum  zusanimengeflossen ,  die  trennenden  Bindesubstanz- 
balkchen  sind  dagegen  rareficirt. 

Aus  derartigen  Modiiicationen  lasst  sich  dann  endlich  auch 
das  Blutgefasssystem  und  die  Leibeshohle  der  Cephalopoden  er- 
klaren.  Aeltere  Forscher  geben  an,  dass  bei  diesen  Thiei-en  Venen 
und  Arterien  durch  Capillaren  verbunden  sind,  dass  einzelne  der 
Venen  jedoch  immer  noch  mit  der  Leibeshohle  communiciren,  wess- 
halb  denn  auch  die  Eingeweide  wie  bei  anderen  Mollusken  vom 
Blut  umspiilt  wiirdeu.  Neuerdings  hat  dagegen  K  o  1 1  m  a  n  n  (62  •'') 
eine  vollkommene  Trennung  der  Leibeshohle  und  der  Blutgefasse 
behauptet,  da  die  Venen  sich  zwar  zu  sinuosen  Hohlraumen  aus- 
dehnen  sollen,  diese  Hohlraume  aber  keine  Oeffnungen  nach  der 
Leibeshohle  hiu  besassen.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  bei 
den  Cephalopoden  die  Trennung  von  Leibeshohle  und  Blutgefiissen 
eine  weiter  vorgeschrittene.  Um  so  interessanter  ist  es  zu  sehen, 
dass  embryonal  beide  Theile  einen  gemeinsamen  Ursprung  haben. 
Nach  Lankester  (63)  entstehen  in  dem  Mesenchym  der  Cephalo- 
poden sinuose  wandungslose  Hohlraume,  von  welchen  einige  zu  einer 
grossen  einheitlichen  Cavitat,  der  Leibeshohle,  zusammenfliessen, 
wahrend  andere  sich  mit  l)esonderen  Wandungen  umgeben  und  das 
Herz  und  die  Gefiisse  des  Thieres  bilden. 

Das  Blutgefasssystem  und  die  Leibeshohle  der  Mollusken  las- 


Die  Coelomtheorie.  13 

sen  daher  sowohl  bei  vergleichend-anatomischer  als  aiich  eiitwick- 
lungsgeschiclitlicher  Betrachtung  ihre  Zusamraeugehorigkeit  auf  das 
Deutlichste  erkennen;  sie  stammen  aus  einer  gemeinsamen  A.nlage, 
aus  einem  System  von  Spaltraiimen  ab,  welches  im  Mesenchym 
gelegen  ist,  entwickeln  sicli  aber  nach  verschiedenen  Richtungen 
und  sondern  sich  dabei  in  demselben  Maasse  von  einander,  als 
sicli  die  Organisation  der  Mollusken  vervoUkommnet.  Wir  konnen 
daher  die  Leibeshohle  mit  Huxley  als  Schizocoel  bezeichnen 
und  dadurch  von  dem  Enterocoel  der  Chaetognathen  unterschei- 
den,  zu  welchem  sie  in  einem  fundamentalen  Gegensatz  steht.  Das 
Enterocoel  der  Chaetognathen  ist  ein  mit  Epithel 
ausgekleidetes  Darmdivertikel,  das  Schizocoel  der 
Mollusken  ist  ein  wandungsloser  Spalt  im  Mesenchym; 
jenes  erscheint  vonAnfang  an  als  einweiter  aussym- 
metrischen  Halften  bestehender  Raum,  dieses  ist  eine 
Vereinigung  zahlreicher  kleiner  und  unregelmiissi- 
ger  Raume;  dort  keine  Beziehung  zum  Blutgefass- 
system,  welches  uberhaupt  noch  fehlt,  hier  innigster 
Zusammenhang  mit  demselben. 

Wie  verhiilt  sich  nun  welter  das  Schizocoel  der  Mollusken  zu 
dem  Blastocoel  ihrer  Larven?  Aus  den  iu  der  Literatur  vorlie- 
genden  Bcobachtungen  lasst  sich  hierauf  tblgende  Antwort  geben. 
Von  Anfang  an  ist  ein  weites  Blastocoel  vorhanden,  dessen  Raum 
durch  die  zunehmende  Gewebebildung  eingeschrankt  wird.  Die 
iibrig  bleibenden  Spalten  sind  die  ersten  Anlagen  des  Schizocoels, 
das  sich  nun  secundar  wieder  zu  einem  einheitlichen  Raum  ge- 
staltet.  Zwischen  Blastocoel  und  Schizocoel  wurde  sich  demnach 
eine  ununterbrochene  Continuitat  nachweisen  lassen.  Gegen  diese 
Darstellung  kann  nur  das  Eine  geltend  gemacht  werden,  dass  es 
noch  uicht  genugend  sicher  gestellt  ist,  ob  das  Blastocoel  uber- 
haupt ein  Hohlraum  ist  oder  ob  es  nicht  vielmehr  von  einer  diin- 
nen  Gallerte  erfiillt  wird,  in  welcher  die  einzelnen  Gewebsbestand- 
theile  eingeschlossen  sind.  In  dem  einen  wie  in  dem  audern  Falle 
wiirde  bei  den  Mollusken  eine  doppelte  Namengebung  tiberflussig 
sein,  im  ersteren  wiirde  es  nur  ein  Blastocoel,  im  letzteren  nur 
ein  Schizocoel  geben. 

Ein  dritter  Unterschied  zwischen  Chaetognathen  und  Mollusken, 
welcher  durch  den  ganz  verschiedenen  Bildungsmodus  des  Meso- 
derms bedingt  wird,  aussert  sich  endlich  in  dem  Nervensystera, 
weniger  freilich  in  dem  Bau  als  in  der  Entwicklungsweise  des- 
selben. 


14  0.  imd  E.  Hertwig, 

Anatomisch  betrachtet  haben  das  Nervensystem  der  Mollusken 
uud  Chaetognathen  manches  Gemeinsame.  Dorsal  oberlialb  des 
Oesophagus  liegt  beidesmal  ein  grosses  oberes  Schlundganglion, 
ventral  ein  ebenfalls  grosses  Ganglion,  der  Bauchknoten  der  Chae- 
tognathen, das  Fussganglion  der  Mollusken;  beide  sind  unter  ein- 
ander  durch  lange  Schlundcommissuren  verbunden.  Dazu  gesellen 
sich  noch  in  beiden  Abtheilungen  die  mit  dem  oberen  Schlund- 
ganglion zusammenhangendeu  Buccalganglien ,  so  dass  Langer- 
hans  (95)  sich  veranlasst  gesehen  hat,  Mollusken  und  Chaetogna- 
then auf  Grund  ihres  Nervensystems  fiir  nahe  Verwandte  zu  er- 
kliiren.  Indessen  hat  der  genannte  Forscher  den  einen  wichtigen 
Unterschied  ganz  unberiicksichtigt  gelassen,  dass  das  Nervensystem 
der  Chaetognathen  im  Ektoderm,  das  Nervensystem  der  Mollusken 
dagegen  im  Mesoderm  eingeschlossen  ist;  dieser  Unterschied  wiirde 
nun  zwar  an  und  fiir  sich  nicht  von  Belang  sein,  wenn  er  nicht 
Folge  einer  abweichenden  Entwicklungsweise  ware. 

Bei  den  Chaetognathen  entwickeln  sich  die  oben  genannten 
Theile  des  Nervensystems  aus  dem  Ektoblast,  dem  sie  auch  dauernd 
angehoren;  bei  den  Mollusken  dagegen  ist  ein  solcher  ektoblasti- 
scher  Ursprung  des  Nervensystems  noch  nicht  festgestellt.  Wenn 
wir  die  hieriiber  in  der  Literatur  vorhandenen  Angaben  vergieichen, 
so  zerfallen  dieselben  in  zwei  Gruppen.  Die  Mehrzahl  der  For- 
scher behauptet  einen  mesodermalen  Ursprung  des  Nervensystems 
und  tritt  damit  einem  anderen  Theil  gegeniiber,  welcher  die 
Mollusken  sich  den  ubrigen  Thieren  anschliessen  lasst.  Bo- 
bretzky  (48,49),  welcher  der  ersten  Gruppe  angehort,  schildert 
genau,  dass  die  Ganglien  anfanglich  unregeimassige  lockere  Hau- 
fen  von  Mesenchymzellen  seien,  welche  erst  allmiihlich  zur  Bil- 
dung  eines  scharf  gesonderten  Organes  zusammentreten.  Ihm  zu- 
folge  „ist  die  Entwicklung  des  Nervensystems  bei  den  Mollusken 
von  der  Bildung  desselben  bei  anderen  Thiertypen  ganz  verschie- 
den.  Bei  den  Wirbelthieren,  Arthropoden  und  Wtirmern  tritt  das 
aus  dem  Ektoderm  abstammende  Nervensystem  stets  als  ein  Gan- 
zes  auf,  welches  bei  den  2  letzteren  Thiertypen  erst  spater  der 
Lange  und  der  Quere  nach  in  einzelne  Ganglien  zerfalit.  Hin- 
gegen  entstehen  bei  den  Mollusken  die  einzelnen  Ganglien  als  ganz 
von  einander  abgesonderte  Anhaufungen  von  Mesodermzellen  und 
treteu  erst  spater  mit  einander  in  Verbindung." 

Ebenso  energisch  wie  Bobretzky  spricht  sich  Us  sow  (70) 
fiir  einen  mesodermalen  Ursprung  des  Nervensystems  aus,  wah- 
rend  Lank  ester  (63)  einen  vermittelnden  Standpunkt  einnimmt. 


Die  Coelomtheorie.  15 

Fiir  die  Mehrzahl  der  Mollusken  leitet  Lank  ester  das  obere 
Sclilundganglion  aus  dem  Ektoblast,  deu  Rest  des  Nerveusystems 
aus  dem  Mesoderm  ab;  nur  bei  den  Ceplialopoden  sei  die  Ekto- 
blasteinstiilpmig  des  oberen  Schlmidgangiions  rudimeutar  und  bilde 
den  sogenannten  weissen  Korper,  so  dass  sich  liier  fast  das  ge- 
sammte  Nervensystem  mesodermal  anlege.  Der  englisclie  Forscher 
mochte  jedocb  in  einer  derartigen  Entwickluug  der  Centralorgane 
keinen  fuudamentalen  Gegensatz  zu  den  tibrigen  Thicreu,  sondern 
nur  eiuen  durch  abgektirzte  Vererbung  bediugten  Unterschied  er- 
blicken. 

Wahreud  Bobretzky  und  Us  sow  im  Nervensystem  der 
Mollusken  nur  mesodermal  Bestandtheile  liaben  nachweiseu  kou- 
uen,  hat  Hatschek  (59)  neuerdings  fiir  Teredo  Beobachtungen 
mitgetheilt,  denen  zu  Folge  das  obere  Schlundganglion  ebenso  wie 
das  Pedalganglion  rein  ektodermalen  Urspruugs  seien.  Beide  sol- 
Jen  sicli  als  verdickte  Stellen  im  Ektoderm  anlegen,  ja  der  Ver- 
fasser  sucht  es  sogar  walirscheinlicli  zu  machen,  dass  die  Ver- 
dickuugen  auf  dem  Wege  der  Einstiilpung  sich  zu  den  Ganglien 
entwickeln,  wodurch  der  Process  der  Bildung  des  Nerveusystems 
eiue  grosse  Aehulichkeit  mit  den  bei  Wirbelthiereu  beobachteten 
Vorgangen  gewinnen  wiirde, 

Bei  der  grossen  Meinungsverschiedenheit ,  welche  tiber  die 
Herkunft  des  Nerveusystems  herrscht,  sind  fiir  uus  die  olienbar 
sehr  genauen  Untersuchungen  Ilabl's  (69)  und  Fol's  (57)  von  der 
grossten  Bedeutung,  da  beide  Forscher  in  den  Beobachtungen  der 
Hauptsache  nach  iibereinstimmen ,  obwohl  sie  in  der  Deutung  der 
Befunde  von  eiuander  abweichen.  Rabl,  dem  aus  theoretischen 
Griinden  ein  anderer  als  ektodermaler  Urspruug  des  Nerveusystems 
nicht  moglich  zu  sein  scheint,  giebt  in  seiner  Arbeit  iiber  die 
Ontogenie  der  Patella  an,  dass  er  iiber  die  Eutwicklung  der 
beiden  Knoten  des  unteren  Schlundganglions  leider  nicht  ganz 
in's  Klare  gekommeu  sei.  Mit  Sicherheit  durfe  er  nur  behaup- 
ten,  dass  der  Bildung  dieses  Ganglions  keine  Verdickung  des 
Ektoderms  zu  den  Seiten  des  Fusses  vorausgehe,  und  dass  das- 
selbe  anderswoher  seinen  Ursprung  nehmen  miisse.  Er  huldigt 
daher  der  Annahme,  dass  es  aus  gleicher  Anlage  mit  dem  oberen 
Schlundganglion  abstamme.  Fiir  letzteres  beobachtete  er  eine 
Ektodermverdickung  mitten  im  Velarfeld,  fiir  die  er  den  auch  fiir 
Annelidenlarven  viel  gebriiuchlicheu  Namen  Scheitelplatte  anwendet. 
Mit  dieser  Deutung  setzt  sich  jedoch  Rabl  in  Widerspruch  mit 
den  Darstellungen  aller  tibrigen  Forscher;   denu  dann  miissten  ja 


16  0.  vind  R.  Hertwig, 

beide  Ganglienmassen  von  Anfang  an  durch  Commissuren  verbun- 
den  sein,  wahrend  docli  Einstimmigkeit  dariiber  herrscht,  dass 
die  oberen  Scblundganglien  imd  die  Podalganglieu  anfanglich  ge- 
trennt  sind  und  erst  secundar  in  Verbindung  treten.  Die  nega- 
tiven  Befunde  RabTs  sprechen  somit  fiir  die  Ansicht,  dass  das 
Pedalgangliou  dem  Mesoderm  angebort. 

Die  Mittbeilimgen  Fol's  (53 — 57)  erstrecken  sich  auf  zahlreicbe 
Reprasentanteu  aus  verschiedenen  Ordnungen  der  Molluskeu.  Ihneu 
zufolge  entsteht  das  obere  Schlundganglion  stets  aus  dem  ausse- 
ren  Keimblatt,  bei  den  Pteropoden  und  Landpulmonaten  durch 
Einstiilpung,  bei  den  Heteropoden  durch  Abspaltung;  bei  den 
Wasserpuhnonaten  allein  waren  die  Beziehungen  zum  Ektoderm 
zweifelhafter  Natur,  indem  eine  unter  dem  Epithel  gelegene,  gegen 
das  Mesoderm  nicht  deutlich  abgegrenzte  Zellenmasse  in  der  von 
Bobretzky  beschriebenen  Weise  sich  allmahlich  zum  Ganglion 
umformte.  Auch  fur  die  Pedalganglien  suchte  Fol  urspriinglich . 
nach  einer  ektodermalen  Anlage  und  glaubte  dieselbe  fiir  die  He- 
teropoden und  Gastropoden  gefuuden  zu  haben,  doch  ist  er  in 
seiner  neuesten  Arbeit  von  dieser  Ansicht  vollkommen  zuriick- 
getreten,  indem  er  das  Resultat  aller  seiner  Untersuchungen  in 
folgendem  Satz  zusammenfasst :  „Die  Pedalganglien  zeigen  in 
ihrer  Bildungsweise  eine  bemerkenswerthe  Gleichformigkeit.  Sie 
differenziren  sich  iiberall  inmitten  eines  vorher  vor- 
handenen  Mesoderms  und  konnen  daher  nur  in  sehr  indirec- 
ter  Weise  aus  dem  Ektoderm  stammen,  vorausgesetzt  dass  nicht 
dieser  Theil  des  Mesoderms  einen  anderen  Ursprung  hat."  Gleich- 
wohl  ist  Fol  nicht  geneigt,  in  der  Bildung  des  Nervensystems 
einen  fundamentalen  Unterschied  zwischen  den  Mollusken  und  den 
meisten  anderen  Thieren,  wie  es  Bobretzky  thut,  anzunehmen; 
die  Bildungsprocesse,  meint  Fol,  seien  iiberall  Abanderungen  un- 
terworfen  und  wir  seien  verpflichtet,  die  Griinde  und  Gesetze  dieser 
Abanderungen  nachzuweisen. 

Bei  einer  kritischen  Beurtheilung  der  angefiihrten  Literatur- 
angaben,  besonders  des  in  den  Abbildungen  niedergelegten  Beweis- 
materials,  scheint  es  uns  nun  in  hohem  Grade  wahrscheinlich 
zu  sein,  dass  bei  den  Mollusken  die  Hauptmasse  des 
Nervensystems  im  Anschluss  an  die  Muskulatur  seine 
Entstehung  den  Zellen  des  Mesenchyms  verdankt. 
Dies  gilt  vor  Allem  von  den  Fussgangiien  und  vielleicht  auch 
von  einem  Theil  der  oberen  Scblundganglien,  wahrend  wohl  ein 
underer  Theil  vom  Ektoderm   und  zwar  speciell  von  der  Schei- 


Die  Coelomtheorie,  17 

telplatte  geliefert  wird.  Wir  siiid  uns  dabei  wolil  bewusst,  wie 
stihr  wir  bei  Vertretimg  eiiier  derartigeu  Auffassung  mit  den  herr- 
sdiendeu  Theorieeii  iiber  den  Ursprung  des  Central-Nervensy stems 
in  Conflict  gerathen.  Allein  wenn  man  tlieoretisclie  Anschauungeu 
verwerthen  will,  so  muss  man  sich  stets  zuvor  versichern,  auf  wel- 
chen  Voraiissetzimgen  dieselben  aufgebaut  sind  und  in  wie  fern 
die  Voraussetzungen  im  concreten  Falle  zutreff'en.  Wir  werden 
an  einer  spateren  Stelle  dieser  Arbeit  liierauf  noch  einmal  zuriick- 
kommen  und  danu  zu  zeigen  versucben,  wesshalb  die  fiir  Glieder- 
wurmer,  Wirbelthiere  und  Arthropoden  giltige  Theorie  vom  ekto- 
dernialen  Ursprung  der  Centralorgane  nicht  im  volleu  Umfang  auf 
die  Molluskeu  iibertragbar  ist,  sondern  sich  hier  nothwendigen 
Einschrankungen  unterziehen  muss. 

Wenn  nun  die  Ansichten,  welche  wir  iiber  die  Entwicklung 
des  Nervensystems  der  Mollusken  vertreten,  richtig  sind,  dann  ist 
hierin  ein  neues  wicbtiges  Unterscbeidungsmerkmal  gegeniiber  den 
Chaetognathen  gegeben.  Dem  rein  ektodermalen  und  ekto- 
blastiscben  Nervensystem  der  letzteren  tritt  danu 
das  mesodermale,  nacb  seiner  Genese  ektoblastisch- 
meseuchymatose  Nervensystem  der  Mollusken  gegen- 
iiber, und  diesc  Verscbiedenheit  fiudet  ibre  Erkliirung 
in  der  abweicbenden  Genese  des  Mesoderms. 

Wird  Jemand  angesicbts  der  eben  vorgenommenen  Verglei- 
chung  nocb  Zweifel  begeu  konnen  an  einer  vollstandigen  Verscbie- 
denbeit,  welcbe  das  gesammte  Bild  der  Entwicklung  bei  Mollusken 
und  Cbaetognatben  darbietet?  Sind  bier  die  Gegensatze  nicbt 
noch  weit  auffiilliger  als  zwischen  den  Ctenophoren  und  den  iibri- 
gen  Coelenteraten?  Bei  den  Chaetognathen  ausscbliess- 
licb  bistologiscbe  Differenzirung  von  Epithellamellen^ 
bei  den  Mollusken  in  hobem  Grade  Entwicklung  eines 
Mesenchyms  und  sebr  verscbiedenartige  bistologiscbe 
Differenzirung  desselben.  Bei  den  Chaetognathen  eine 
grossere  Complication  der  Blatterbildung,  indem  der 
Entoblast  sich  weiter  einfaltet  und  ein  parietales  und 
viscerales  Blatt  des  Mesoblasts  liefert;  bei  den  Mollus- 
ken keine  weitere  Faltenbildung,  Ektoblast  und  Ento- 
blast der  Gastrula  gehen  nach  Abzug  des  Mesenchyms 
vollstandig  in  das  Ektoderm  und  Entoderm  des  ferti- 
gen  Thieres  uber.  Dort  ein  Enterocoel,  hier  ein  Schizo- 
coel  und  in  Zusammenhang  damit  dort  ein  dorsales  und 
ein  ventrales  Mesenterium,  bier  ein  Mangel  derselben. 

Bd.  XV.  N.  F.  VIII.  1.  2 


18  0.  und  R.  Hertwig, 

Zur  Veranscliaulichung  unserer  Ideengange  haben  wir  im  Vor- 
ausgehenden  recht  typisclie  Beispiele  gewahlt,  bei  welchen  die 
verschiedenen  Gegensiitze  in  der  Entwicklung  scharf  ausgepragt 
sind.  Solches  ist  bei  anderen  Tliiereu  nicht  immer  der  Fall,  viel- 
mehr  giebt  es  audi  Entwickelungsgeschiditen,  bei  weldieu  die  bei 
den  Mollusken  und  Chaetognathen  getrennt  beobachteten  Processe 
in  demselben  Organismus  nebeneinander  auftreteu.  Als  ein  pas- 
sendes  Beispiel  eines  solchen  geniisditcn  Entwickelungsganges  kon- 
nen  uns  die  Ediinodermen  dieuen ,  wobei  wir  als  Gruudlage  den 
Aufsatz  von  Selenka  „Keimblatter  und  Organanlage  der  Ediini- 
den"  (74)  benutzen. 

Bei  den  Echinodermen  lagert  sidi  in  der  Furcbungsh(3hle  der 
Blastula  (Taf.  I  Fig.  9)  der  sogenannte  Gallertkern  ab ,  „weldier 
die  Function  einer  Stiitze  fiir  die  Blastodermzellen  erfiillt".  In 
denselben  tritt  friihzeitig  an  der  Stelle,  wo  spater  die  Gastrula- 
einstulpuug  erfolgt,  eine  Anzahl  von  Zellen  hinein,  welche  sich  von 
einigen  durch  Grosse  auffallenden  Zellen  der  Blastula  durdi  Thei- 
lung  abtrennen.  Die  so  gebildeten  Mesendiymkeime  (a)  besteben 
aus  zwei,  je  4 — 8  Zellen  umfassenden  Haufen,  die  sich  alsbald  vom 
Mutterboden  entfernen.  Wiilirend  die  Blastula  sich  in  die  Ga- 
strula  umwandelt  (Taf.  I  Fig.  10),  vermehren  sich  die  Mesenchym- 
Zellen  (a)  fort  und  fort  durch  Theiluug,  entfernen  sich  hierbei 
von  einander  und  durchwandern  amoboid  den  Gallertkern  mittelst 
langer,  oft  veriistelter  Pseudopodien.  So  ist  schon  auf  dem 
Blastulastadium  ein  Mesenchym  eutstanden,  dessen 
Zellen  wahrend  des  Larvenlebens  dreierlei  Functionen  zu  erfiillen 
haben.  Ein  Theil  scheidet  das  Kalkskelet  (h)  aus,  ein  auderer 
lagert  sich  dem  Vorderdarm  an  und  wird  zu  seiner  Ringmusku- 
latur,  ein  dritter  Theil  endlich  bildet  sich  in  stern-  oder  spindel- 
formige  contractile  Faserzellen  um,  welche  sich  einzeln  in  der 
Gallerte  zwischen  Bauch  und  Riicken  oder  zwischen  Haut  und 
Darm  ausspannen. 

Bis  hierher  gleicht  die  Entwicklung  der  Echinodermen  der- 
jenigen  der  Ctenophoren  und  Mollusken,  insofern  bei  alien  in  aua- 
loger  Weise  ein  sich  histologisch  weiter  diflferenzirendes  Mesen- 
chym geliefert  wird.  Danu  aber  tritt  ein  Process  ein,  welcher 
der  Leibeshohlenbildung  der  Chaetognathen  zu  vergleichen  ist.  Das 
blinde  Ende  des  Urdarms  erweitert  sich  und  treibt  zwei  laterale 
Aussackungen  (Taf.  I  Fig.  10  Me);  diese  schntiren  sich  bei  den 
einzeluen  Abtheilungen  der  Echinodermen  in  etwas  verschiede- 
ner  Weise  ab  und  stellen  zwei   Siicke  dar,  welche  zum  Coelom 


Die  Coelomtheorie.  19 

unci  Wassergefiisssystem  des  ausgebildeten  Tbieres  werden.  Leider 
ist  es  zur  Zeit  noch  unbekannt,  in  welcher  Weise  sich  die  Epi- 
thelauskleidung  des  Enterocoels  liistologisch  weiter  differenzirt, 
wie  denn  iiberhaupt  die  ganze  spatere  bistologiscbe  Entwicklung 
der  Echinodermen  ein  vollig  unangebautes  und  daber  fiir  Un- 
tersucbungen  daukbares  Feld  abgiebt.  Vor  alien  Dingen  ist  bier 
die  wicbtige  Frage  zu  beantworteu,  ob  die  Korpermuskulatur 
aus  dem  Mesencbym  oder  aus  dem  Epitbel  des  Enterocoels  ib- 
ren  Ursprung  berleitet,  ob  sie  sicb  mitbin  nacb  dem  Typus  der 
Ctenopboren  und  Mollusken  oder  nacb  dem  Typus  der  Cbaeto- 
gnatben  entwickelt.  Auf  jeden  Fall  bestebt  in  der  Entwick- 
lung der  Cbaetognatben  und  der  Ecbinodermen  die 
wicbtige  Uebereinstimmung,  dass  bei  beiden  der  Ur- 
darm  sicb  sondert  in  den  bleibenden  Darm  und  in 
zwei  den  letzteren  umbiillende  Divertikel,  in  welcbe 
die  Gescblecbtsorgane  zu  liegen  kommen. 

Durcb  die  auf  den  vorausgebenden  Seiten  vorgenommene 
Beurtbeiluug  der  Keimblattbildung  und  bistologiscben  Differenzi- 
rung  der  Coelenteraten,  Cbaetognatben,  Mollusken  und  Ecbinoder- 
men glauben  wir  zu  einem  dreifacben  Resultate  gelangt  zu  seiu: 

Einmal  baben  wir  an  recbt  durcbsicbtigen  Beispielen  gezeigt, 
dass  bei  der  Bildung  des  Mesoderms  sicb  verscbiedeuartige  Pro- 
cesse  abspielen  und  dass  das  indiflferente  Zellenmaterial,  welcbes 
sicb  zwiscben  Ektoblast  und  Entoblast  einscbiebt,  keineswegs  iiber- 
all  gleicbwertbig  ist.  Dasselbe  konnte  entweder  als  Mesencbym 
oder  durcb  Einfaltuug  des  Entoblasts  (unter  Divertikelbildung  des 
Urdarms)  angelegt  werden.  Je  nacbdem  das  eine  oder  das  andere 
oder  beides  zugleicb  gescbiebt,  gewinnt  die  Scbicbt  zwiscben  den 
beiden  primitiven  Keimblilttern  eine  dreifacb  verscbiedene  Bedeu- 
tuug.  Im  ersten  Fall  treffen  wir  als  Mesoderm  bei  den 
Larven  nur  eine  Stiitzsubstanz  mit  zerstreuten  Zel- 
leu  an  (Coelenteraten,  Mollusken).  Im  zweiten  Fall  scbie- 
ben  sicb  zwiscben  Ektoblast  und  Entoblast  zweineue 
epitbelial  angeordnete  Zellenlagen  (parietales  und 
viscerales  Blatt  des  Mesoblasts)  ein  (Cbaetognatben). 
Im  drittenFalle  endlicb  kommt  es  zwiscben  den  bei- 
den primitiven  Keimbliittern  sowobl  zur  Ausbildung 
eines  Mesencbyms,  als  aucb  zu  Hoblriiumen  mit  epi- 
tbelialen  Wandungen,  welcbe  abgescbniirte  Diverti- 
kel des  Urdarms  sind. 

Zu  einem  zweiten  Resultate  von  allgemeinster  Bedeutung  fiibrte 

2* 


20  O.  und  E.  Hertwig, 

uns  die  Untersuclmng  der  vergleichenden  Eiitwicklungsgescliiclite 
der  Gewebe.  Iiidem  wir  die  liistologische  Diflferenzirung  der  ein- 
zelnen  Korperschichteii  hei  den  Hydromedusen,  Actinien  imd  Chae- 
tognatlieu  einerseits,  bei  den  Ctenophoren  iind  Mollusken  anderer- 
seits  unter  einander  verglichen,  wurden  wir  darauf  gefiihrt,  die 
Gewebe  ihrer  Genese  nach  in  mesenchymatose  und 
epitheliale  einzutheilen  und  konnteu  zeigen,  dass 
j  edes  Keimblatt  die  Fahigkeit  zu  den  verschieden- 
artigsten  Unibildungen  besitzt. 

Das  dritte  Resultat  endlich  besteht  in  dem  Nachweis,  dass 
die  Verschiedenartigkeiten  in  den  ersten  Entwick- 
lungsvorgangen  sich  auch  noch  im  definitiven  Bau 
des  Organismus  und  in  der  feineren  Structur  seiner 
Gewebe  erkenneu  lassen.  Muskeln  epithelialen  Ursprungs 
tragen  in  ihrer  Structur  und  Anordnung  ein  anderes  Geprage  als 
Muskeln,  welche  durch  Differenzirung  von  Mesenchyrazellen  ent- 
standen  sind.  Ein  Schizocoel  ist  von  einem  Enterocoel  audi  beim 
erwadisenen  Thiere  meist  nodi  zu  untersdieiden.  Ersteres  setzt 
ein  reichlidier  entwickeltes  Mesendiym  voraus  und  erscheint  mehr 
in  der  Form  unregelmassiger  niit  dem  Blutgefasssystem  comniu- 
nidrender  Lacunen.  Letzteres  ist  ein  zusammenhangender  Rauni, 
von  Epithel  ausgekleidet ,  urspriinglidi  oline  Beziehung  zu  den 
Blutbahuen  und  bedingt  die  Anwesenheit  und  charakteristische  Be- 
sdiaflfenheit  einiger  anderer  Organe,  wie  des  Darmfaserblatts,  der 
dorsalen  und  ventralen  Mesenterien,  der  Gesdileditsdriisen,  weldie 
vom  Epithel  der  LeibeshiUile  abstammen  etc.  Wird  dies  zugege- 
ben,  daun  wird  man  auch  bei  einer  genauen  Kenntniss  der  Orga- 
nologie  und  Histologie  eines  ausgebildeten  Thieres  sich  Riick- 
schliisse  auf  die  urspriinglichen  Entwickelungsprocesse  gestatten 
diirfen;  man  wird  dies  niit  Nutzen  nameutlich  in  solchen  Fallen 
thun,  in  welchen  die  Deutung  entwicklungsgeschichtlicher  Bilder 
mit  Schwierigkeiten  verkniipft  ist. 

Durch  die  Behandlungsweise,  welche  wir  bisher  in  unserem 
Aufsatz  eingehalten  habeu,  stellen  wir  uns  in  Gegensatz  zu  zahlrei- 
chen  Embryologen,  welche  allein  von  entwickelungsgeschichtlichen 
Befunden  ausgehend  das  Bestreben  haben,  die  an  einem  Objecte 
gewonuenen  Beobachtungsresultate  auch  auf  die  iibrigen  zu  uber- 
tragen,  wie  denn  z.  B.  Lank  ester  (170)  iiberall  die  Muskulatur 
vom  iiusseren  Keimblatte  ableiten  und  iiberall  das  Coelom  auf  Ur- 
darmdivertikel  zuriickfuhren  will,  oder  wie  Rabl  (68)  und  Hat- 
schek  (102)  bestrebt  sind,  die  von  ihnen  bei  Mollusken  aufgefun- 


Die  Coelomtheorie.  21 

denen  grossen  „Mesodermzellen"  als  ein  allgemeines  Vorkommniss 
nachzuweisen  und  als  homologe  Gebilde  zu  deuten.  Nach  imserer 
Ausicht  dagegen  wird  eine  Losimg  der  schwierigeu  Mesodermfrage 
nur  auf  dem  Wege  herbeigefiihrt  werden  konneu,  dass  die  genera- 
lisireude  durch  einc  melir  kritisclie,  individiialisireude  Beurthei- 
luiig  der  vorliegeudeu  Tliatsacheu  verdriingt  wird.  Eine  mehr 
kritische  Beurtheilung  wird  aber  von  selbst  schou  Platz  greifen 
miissen,  wenn  man  bei  Beobachtung  des  embryonalen  Geschebens 
mehr  als  bisber  das  Endziel  der  embryonalen  Processe,  die  Aehn- 
licbkeiten  und  Verschiedenheiten  der  delinitiven  Zustande,  in  das 
Auge  fasst  und  wenn  man  dabei  auch  die  histologische  Umwand- 
lung  der  embryonalen  Zellen  beriicksicbtigt  und  nicht,  wie  es  so 
haufig  geschieht,  gerade  beim  Eintritt  derselben  die  Untersuchung 
abbricht.  Erst  dadurch,  dass  man  alle  Instanzen  beriicksich- 
tigt,  wird  man  die  Gefahr  vermeiden,  Entwicklungsvorgiinge  als 
gleichartig  zu  betracliten,  welclie  mit  einander  nichts  zu  thun 
haben,  da  sie  zu  ganz  entgegengesetzten  Resultaten  fiihren,  Mit 
einem  Worte,  die  vergleichende  Embryologie  muss  durch  stete  Be- 
riicksichtigung  aller  histologischen  und  anatomischen  Verhiiltnisse 
sich  als  Thcil  einer  vergleichenden  Morphologic  darstellen. 

In  diesem  Sinne  wollen  wir  unsere  Aufgabe  auch  auf  den 
folgenden  Blattern  durchfuhren ,  nachdem  wir  durch  die  Verglei- 
chung  der  Coelenteraten ,  Mollusken,  Chaetognathen  und  Echi- 
nodermen  gleichsam  die  Fundamcntc  fur  den  weiteren  Aufbau  ge- 
legt  haben.  Gesichtspunkte,  die  bisher  an  einzelnen  Fallen  ge- 
wonnen  wurden,  sollen  jetzt  durch  vergleichende  Untersuchung 
aller  ubrigen  Thierstiimme  auf  ihre  allgemeinerc  Verwerthbarkeit 
geprtift  und  so  der  Versuch  gewagt  werden,  eine  Summe  allge- 
meiner  Bildungsgesetze  im  ganzen  Thierreich  nachzuweisen.  Bei 
der  Durchfiihrung  unseres  Planes  wollen  wir  in  der  Weise  ver- 
fahren,  dass  wir  zuerst  jeden  Thiers tamm  gesondert  betrachten 
und  jedesmal  untersuchen,  in  welcher  Weise  sich  das  Meso- 
derm entwickelt,  wie  es  sich  histologisch  differenzirt,  wie  die  in 
ihm  enthaltenen  wichtigsten  Organsysteme  gebaut  sind  und  in 
welchem  Verhaltniss  sie  zu  einander  stehen.  Alsdann  werden  wir 
einen  Ueberblick  iiber  die  verschiedene  Entwicklung  und  den  ver- 
schiedenen  Ban  der  wichtigsten  Organsysteme  im  Thierreich  geben. 
Drittens  wird  sich  daran  ein  Abschnitt  anreihen,  in  welchem  die 
erhaltenen  Befunde  auf  ihre  systematische  Verwerthbarkeit  gepriift 
werden  sollen.    Endlich   werden  wir  noch  in  drei  Kapiteln  allge- 


22  0.  und  E.  Hertwig, 

meinere  Fragen  besprechen,  auf  welche  ims  die  fruheren  und  die 
voiiiegenden  Untersucliimgen  gefiihrt  haben.  Bin  Kapitel  wird 
dariiber  handcln,  was  man  unter  eiuem  mittleren  Keimblatt  zu 
verstelieu  liabeV  cin  auderes  wird  die  Erscheinungen  und  Ursa- 
cheu  der  thierischen  Formbildung  und  ein  drittes  Kapitel  die  Ge- 
scliiclite  der  Coelonitlieorie  zuni  Gegenstand  haben. 

Indem  wir  uns  jetzt  gleicli  zur  Betraclitung  der  einzelnen 
Thierstiimme  wenden,  bemerken  wir  uocli  ini  Voraus,  dass  wir 
dieselben  nach  der  Entwickluugsweise  und  deni  Bau  des  Meso- 
derms in  zwei  grosse  Abtlieilungen  scheiden,  von  welchen  wir  die 
eine  als  Pseudocoelier,  die  andere  als  Enterocoe  lier  be- 
zeichneu. 


Die  Coelomtheorie.  23 


Specieller  Theil. 

I.    Betrachtung  der  einzelnen  Thierclassen. 

A.  Die  Abtheilung  der  Pseudocoelier. 

Die  erste  Hauptabtlieikmg  der  Bilaterieii  oder  die  Pseudo- 
coelier schliessen  sich  uach  Bau  und  Entwickkmg  den  Mollus- 
keu  an;  sie  erreiclien  im  Allgemeiueu  uiclit  die  Hohe  der  Orga- 
nisation, welclic  wir  fiir  die  zweite  Hauptabtheilung  nachweisen 
konncn.  Der  Umstand,  dass  nur  zwei  epitheliale  Flachen  oder 
Keimblatter,  der  Ektoblast  und  der  Entoblast,  das  Wachsthum  ver- 
niitteln,  behindert  zweifellos  eine  reichere  Gliederung  und  Entfal- 
tung  der  Organisation;  denn  so  umbildungsfahig  das  Mesenchym 
an  sich  aucli  sein  mag,  so  fehlt  ilim  doch  die  regelmiissige  An- 
ordnung  des  Zellenmaterials ,  welclie  die  Epithelschicliten  aus- 
zeicbnet.  Mit  der  beschriinkten  Entwicklung  der  Epithelien  hiingt 
im  Wesentlichen  audi  der  compacte  Charakter  des  Korpers  der 
Pseudocoelier  zusammeu,  so  dass  der  Ausdruck  „massiger  Typus", 
den  der  so  fein  beobaclitende  C.  E.  v.  B  a  e  r  fiir  die  Mollusken 
zuerst  anwandte,  audi  fiir  die  iibrigen  Formen  zu  Rechte  besteht. 

Bei  der  Entsclieidung,  welclie  Thierabtheilungen  zu  den  Pseu- 
docoeliern  gehoren,  verdient  natiirlich  in  erster  Linie  die  Entwick- 
lungsgescliiclite  der  mittleren  Korperscbiclit  oder  des  Mesoderms 
Beriicksiclitigung ;  dasselbe  besteht  in  seiner  ersten  Anlage  aus 
wenigen  vereinzelten  Zellen,  welche  von  den  primaren  Keimblat- 
tern  aus  in  den  Zwischenraum  des  Blastocoels  gelangen.  Ferner 
ist  aber  auch  von  Wichtigkeit  der  Bau  des  Mesoderms  beim  aus- 
gebildeten  Thiere,  welcher  durch  die  ganze  Entwicklungsweise  ein 
besonderes  Geprilge  aufgedriickt  erhalt.  Eine  Leibeshohle  fehlt 
oder  wird  nur  durch  ausgedehnte  Gewebsspalten  reprasentirt, 
welche  selten  zu  einem  einheitlicheu  Schizocoel  zusammenfliessen. 
Die  Muskulatur  erscheint  in  der  Form  contractiler  Faserzellen, 
welche  zumeist  unregelmassig  angeordnet  und  in  ihreni  Verlauf 
vielfach  gekreuzt  sind.    Dazu  gesellt  sich  eudlich  die  Beschatfen- 


24  0.  xmd  R.  Hevtwig, 

heit  des  Nervensystems ,   der  Wassergefasse  und   der  Gesclileclits- 
organe. 

Zu  den  Pseudocoeliern  rechnen  wir  die  Bryozoen,  Rotatorien 
und  Plathelminthen,  welche  wir  in  der  liier  angegcbcnen  Reihen- 
folge  besprechen  wollen;  zuvor  mochten  wir  jedocli  bemerkcn,  dass 
unscre  Kenntnisse  vom  Bau  und  von  der  Entwicklung  dieser  3 
Thierabtheilungen  Vieles  zu  wiinschen  iibrig  lassen.  Namentlich  ist 
auf  dem  Gebiet  der  Ontogenie  noch  wenig  geschehen,  so  dass  wir 
unser  Augenmerk  mebrfach  allein  dem  anatomisclien  Cliarakter  der 
Thiere  werden  zuwenden  miissen.  Fiir  die  zahlreichen  Embryo- 
logen,  welche  alles  Heil  fiir  die  systematiscbe  Anordnung  des 
Thierreichs  von  der  genauen  Kenntniss  der  Zellenverscliiebungen 
am  Keim  erwarten,  wird  dadurch  unsere  Darstellung  walirschein- 
lich  sehr  an  Glaubwtirdigkeit  verlieren.  Wer  aber  das  Ganze  der 
Organisation  in's  Auge  fasst,  im  ausgebildeten  Tliier  den  Gang 
seiner  Entwicklung  wiederzufinden  sucht  und  die  Entwicklungs- 
vorgange  nur  im  Hinblick  auf  den  definitiven  Bau  betrachtet, 
wird  immer  noch  genug  des  Positiven  entdccken,  um  sich  ein 
wenn  auch  vielleicht  nur  provisorisches  Urtheil  zu  bilden. 

1.    Die  Bryozoen. 

Bei  der  Betrachtung  der  Bryozoen  gehen  wir  von  den  Endo- 
procten  aus,  erstens  weil  dieselben  nach  den  iibereinstimnienden 
Angaben  der  meisten  Forscher,  welche  sich  mil  den  Bryozoen  be- 
fasst  haben  (Nitsche  (19—22),  Vogt  (25),  Hatschek  (17), 
wahrscheinlich  die  Ausgangsformen  der  gauzen  Abtheiluug  bilden, 
und  zweitens  weil  sie  anatomisch  und  entwicklungsgeschichtlich 
durch  die  zahlreichen  Untersuchuugen  der  Neuzeit  genauer  bekannt 
geworden  sind  als  die  Ektoprocten,  deren  Organisation  eine  sehr 
verschiedenartige  morphologische  Deutung  erfahren  hat. 

Ueber  die  Genese  der  Keimblatter  besitzen  wir  genaue  An- 
gaben durch  die  auf  Pedicellina  echinata  sich  beziehende  Arbeit 
Hatschek's,  welcher  zufolge  die  grosste  Uebereiustinmiung  mit 
den  Mollusken  herrschen  wiirde.  Nachdem  das  Gastrulastadium 
durch  Einstiilpung  des  Entoblasts  erreicht  worden  ist,  machen 
sich  zwei  durch  Grosse  ausgezeichnete  Zellen  am  Urmundrand  be- 
merkbar,  welche  ihren  urspriinglichen  Platz  verlassend  sich  zwi- 
schen  Ektoblast  und  Entoblast  einschieben.  Wilhrcnd  die  beiden 
primitiven  Korperschichten  auseinanderweicheu  und  so  einen  Zwi- 
schenraum  entstehen  lassen,  vermehren   sich   die   beiden   Zellen, 


Die  Coelomtheorie.  25 

„die  Urzellen  rles  Mesoderms",  durch  Theilung  zu  einem  Zellen- 
liaufen,  dessen  Elemeute  sich  in  dem  Zwisclienrauni  ausbreiten,  bis 
sie  einzebi  oder  in  kleineren  Gruppen  iiberall  zwischen  den  beiden 
primaren  Keimblattern  zerstreut  sind.  Auf  dicse  Weise  entstelit 
ein  typisches  Mesenchym ,  welcbes  die  Muskeln,  die  stem-  oder 
spindelforraigen  Zellen  des  Korperparenchyms  und  nach  Hatschek 
auch  die  Geschlechtsorgane  (?)  liefert. 

Hatschek  nennt  den  Raum  zwischen  Ektoblast  und  Ento- 
blast  die  Leibeshohle  und  giebt  an,  dass  sie  continuirlich  in  die 
Leibeshohle  der  Pedicellina  iibergehe.  Indessen  haben  denn  die 
endoprocten  Bryozoen  iiberhaupt  eine  Leibeshohle?  Wir  glauben 
diese  Frage  auf  Grund  der  vorliegenden  Literaturangabcn  vernei- 
nen  zu  miissen.  Die  Schiklerungen ,  welche  Kowalevsky  (18), 
Salensky(24),  Vogt  (25),  Nitsche(22)  und  O.  Schmidt (23) 
von  Loxosoma  und  Pedicellina  geben,  stimmcn  darin  iiberein,  dass 
der  schmale  Raum  zwischen  dem  Darm  und  dem  Integument  des 
kelchformigen  Korpers  von  spindeligen  und  verastelten  Zellen  durch- 
setzt  wird,  welche  namentlich  bci  den  Loxosomen  ein  schones 
„schwammartiges  (Schmidt)  Netzwerk"  erzeugen  (Taf.  II  Fig.  7). 
Ein  solches  Zellennetz  ist  nur  moglich,  wenn  eine  gallertige  Grund- 
substanz  vorhanden  ist,  deren  Existenz  auch  fiir  Pedicellina  von 
Nitsche,  fiir  Loxosoma  von  Nitsche,  Vogt  und  Salensky 
mit  Bestimmtheit  behauptet  wird.  Beide  Organismen  gehoren  so- 
mit  zu  den  parenchymatosen  Thieren. 

Wie  in  der  Entwicklung  eines  Mesenchyms  und  in 
dem  primaren  Mangel  einer  Leibeshohle,  so  geben  die 
endoprocten  Bryozoen  auch  in  der  Beschaffenheit  der  Mus- 
kulatur  ihre  Zugehorigkeit  zu  den  Pseudocoeliern  zu  erkennen. 
Die  Muskeln  (Taf.  II  Yig.l  mm)  sind  contractile  Faserzel- 
1  e  n ,  welche  meist  einkernig  sind  und  entweder  isolirt  oder  zu  klei- 
neren Bundeln  vereint  verlaufen;  sie  entwickeln  sich  aus  den  in 
der  Gallerte  verbreiteten  Zellen  des  Mesenchyms.  Haufig  sind  die 
Muskelfasern  an  ihren  Enden  veriistelt  (Schmidt,  Hatschek) 
oder  zu  Netzen  vereint  (Hatschek,  Nitsche),  wodurch  sie  mit 
den  Muskelfasern  der  Ctenophoren  eine  grosse  Aehnlichkeit  ge- 
winnen.  Um  sich  hiervon  zu  iiberzeugen,  vergleiche  man  die  Ab- 
bildungen  Oskar  Schmidt's  und  Nitsche's  mit  den  von  uns 
und  Andern  fiir  die  Ctenophoren  gegebenen. 

Im  Gegensatz  zu  den  Endoprocten  geben  uns  die  Ektopro- 
cten,  die  zweite  Hauptab theilung  der  Bryozoen,  wenig  Anhalts- 
punkte   zur  niiheren  Bestimmung   ihrer  organologischen  Stellung. 


26  0.  und  E.  Hertwig, 

Es  ist  scbou  ein  Uebelstaud ,  class  die  ersten  uns  bier  ganz  be- 
souders  iuteressirendeu  iStadien  der  Eutwicldung  wie  iiberbaupt 
fast  alle  im  Iimereu  des  Embryo  imd  der  Larve  sich  vollziehen- 
deu  Veriiuderimgen  durcbaus  uuaufgeklart  sind  trotz  der  zabl- 
reicbeu  und  iimfangreicbeu  Untersucbimgen,  welcbe  erst  ueuerdings 
von  Barrois  (16)  veroffeutlicbt  wurden.  Dazu  kommt  dann  wel- 
ter, dass  uiis  aucb  das  recbte  Verstandniss  fiir  die  Bryozoen-Ana- 
tomie  fehlt,  wie  dies  sofort  bei  einer  niiheren  Betracbtung  der 
Lcibesboble  klar  wird.  Die  Leibesboble  ist  eiu  weiter  Raiim  zwi- 
scheu  Darm  uud  Korperwand,  nach  der  Allman-Leuckart'- 
scbeu  Auffassuug,  welcber  wir  tibrigens  nicbt  beipflicbten,  zwiscben 
Polypid  imd  Cystid;  sie  wird  von  eineni  besondereu  Epitbel  aus- 
gckleidet,  welches  bei  mancben  Arten,  z  B.  den  Siisswasserbryo- 
zoen  (Nitscbe),  flinimert  und  stets  die  zwiscben  Darm  und  Lei- 
beswand  ausgespannten  Muskeln  etc.  iiberziebt.  In  den  Baum  bin- 
ein  fallen  die  reifen  Gescblecbtsproducte,  nacbdem  sie  in  den  Wan- 
dungen  entstanden  sind,  witbrend  dieselben  bei  den  Loxosomen 
und  Pedicellinen  in  besouderen  driisigen  Organen  erzeugt  und  mit- 
telst  besonderer  Ausfubrgiiuge  direct  nacb  aussen  befordert  werden, 

Haben  wir  bier  ein  Scbizocoel  nacb  Art  der  Mollusken  oder 
ein  Enterocoel  wie  bei  den  Cbaetognatben  oder  endlicb  eine  Bil- 
dung  sui  generis,  vielleicbt  eine  Ektodermeinstiilpung  vor  uns, 
welcbe  zu  der  Entwicklung  der  Gescblecbtsorgane  in  Beziebuug 
steht?  Wir  wagen  diese  Frage,  welcbe  selbst  unter  den  besten 
Kennern  der  Bryozoenorgauisation  eine  verscbiedene  Beantwor- 
tung  linden  mocbte,  nicbt  genauer  zu  erortern,  da  bieriiber  durcb- 
aus keine  entwicklungsgescbicbtlicben  Beobacbtungen  vorliegen. 
Wir  bescbriiuken  uns  auf  die  Bemerkung,  dass  ein  Vergleicb  mit 
den  Endoprocten  zur  Frage  anregt,  ob  nicbt  die  Leibesboble  der 
Ektoprocten  eine  ausgedehnte  Genitaldriise  ist. 

Als  einziges  Moment,  welcbes  fiir  eine  Verwandtscbaft  mit  den 
iibrigen  Pseudocoeliern  spricbt,  bleibt  uns  der  Cbarakter  der  Mus- 
keln iibrig ;  dieselben  sind  einzellige,  cinkernige  Fasern,  welcbe  iso- 
lirt  verlaufen  uud  sicb  haufig  an  den  Enden  veriisteln. 


2.    Die  Rotatorien. 

Bei  der  Bestimmung  der  Stellung  der  Rotatorien  konnen  wir 
uns  auf  keine  entwicklungsgescbicbtlicben  Untersucbungen  berufen. 
Denn  die  ausfubrlicbste  und  neueste  Arbeit  liber  diesen  Gegen- 
stand  giebt  uns,  wie  es  bei  den  Scbwierigkeiten,  welcbe  einer  ge- 


Die  Coelomtlieorie.  27 

nauen  Uutersiicliiing  eutgegensteheu ,  leicht  verstaudlicli  ist,  iiber 
die  sicli  ini  Imiercn  des  Embryo  abspielouden  Vorgiinge  durch- 
aus  unzureicliende  Aufschliisse  (Sal  en  sky)  (14).  Bei  der  Frage 
uach  der  morphologischen  Bedeutung  des  Mesoderms  siud  wir  da- 
her  zur  Zeit  einzig  und  alleiii  auf  die  Beurtbeilung  des  Baues  der 
entwiclielten  Tbiere  angewiesen. 

Die  Muskeln  erinnern  an  die  Muskeln  der  Bryo- 
zoen;  als  isolirte  Fasern,  bald  glatt  bald  quer  gestreift,  an  ibren 
Enden  nicbt  selteu  veriistelt  (Ley dig)  (12),  wie  bei  Trocbo- 
spbaera  (Semper)  (15),  Floscularia  (Grenacher)  (11),  durcli- 
setzeu  sie  den  ansebnlichen  Raum,  welcber  Darm  und  Korperwand 
von  einander  trennt,  und  in  welch  em  die  iibrigeu  Organe,  Gang- 
lion, Gescblecbtsorgane,  Wassergefasse  lagern.  Dieser  Raum  ist  die 
Leibesboble  der  Autoren;  zur  naberen  Cbarakteristik  derselben 
fiigen  wir  uocb  binzu,  dass  sie  von  keinen  besonderen  Waudungcn 
begrenzt  wird,  soudern  sicb  zwiscben  das  ektodermale  Epitbel  der 
Korperoberflacbe  und  das  entodermale  Epitbel  des  Darmcanals  ein- 
scbiebt.  Sie  kann  daber  weder  als  Enterocoel  nocb  als  ein  Scbi- 
zocoel  gedeutet  werden,  da  sie  weder  eine  epitbeliale  Auskleidung 
besitzt,  nocb  aucb  einen  Spalt  im  Mesoderm  vorstellt;  sie  ist  ein 
Blastocoel,  wenn  anders  sie  nicbt  iiberhaupt  nach  Analogic  niit 
den  Pedicellinen  durcb  Gallerte  vollstiindig  ausgefiillt  ist. 

Bei  den  Rotatorien  begegneu  wir  ferner  einer  Form  des  Was- 
sergefiisssy stems,  die  sonst  nur  nocb  bei  den  Piatt wur- 
mern  vorkommt  und  vielleicbt  ebenfalls  als  ein  Merkmal  der 
Pseudocoelier  angeseben  werden  kann.  Zwei  longitudinale  Haupt- 
stamme  miiuden  in  eine  nach  aussen  sicb  otinende  contractile 
Blase;  sie  sind  mit  je  4  feinen  Nebeniistcn  besetzt,  welcbe  nacb 
dem  Innern  des  Korpers  bin  mit  Flimmertricbtern  enden.  A  us 
der  Existenz  der  Flimmertrichter  auf  die  Existenz  einer  Leibes- 
boble zu  scbliesscn,  diirfte  nicbt  ganz  berecbtigt  sein.  Denn  bei 
den  Plattwiirmern  felilt  eine  Leibesboble  und  sind  Tricbter  vor- 
handen,  welcbe  bier  mit  ausserst  feinen  Gewebsspalten  communi- 
ciren;  flimmernde  Stomata  sitzen  aucb  an  den  Gastrovascularca- 
nalen  der  Ctenopboren  und  grenzen  bier  direct  an  die  gallertige 
Grundsubstauz  des  Korpers. 

Rotatorien  und  Bryozoen  (besonders  die  Endo- 
procten)  baben,  wie  dies  schon  haufig  betont  worden 
ist,  Vieles  gemeinsam.  Vom  Standpunkt  der  Bliitter- 
tbeorie  aus  beurtbeilt  sind  sie  aus  zwei  Epitbella- 
mellen  aufgebaut,  zwiscben  denen  isolirte  Zellen  mit- 


28  O.  ixnd  E.  Hertwig, 

ten  iniie  liegen  unci  zum  Theil  zu  Muskcln,  ziim  Theil 
wohl  aiich  zu  Nervcii  differenzirt  sind.  Die  isolirten 
Zellen  stellen  cin  Mesenchym  dar,  welches  wohl  bei 
keineni  anderen  Thicr  sich  dauernd  durch  uiiic  so  ein- 
fache  Beschaffenheit  auszcichnet. 

3.     Die  Plathelminthen. 

Einen  sicheren  Boden  ^ewinnt  unser  Urthcil  in  der  Gruppe 
der  Plathelminthen,  bei  denen  wir  mit  den  zwcifellos  urspriiuglich- 
stenFormen,  den  Turbellarien,  beginnen.  Entwicklungsgeschicht- 
liches  lasst  sich  zwar  auch  hier  wenig  bcrichten,  urn  so  wichtigere 
Aufschliisse  erhalten  wir  bcim  Studium  der  Anatomie. 

Die  erste  Anlage  der  mitleren  Korperschichten 
wiirde  nach  den  neuerdings  veroftentlichten  Beobachtungen  von 
Hallez  (30)  am  moisten  an  die  Verhitltnisse  der  Mollusken  er- 
innern.  Vier  Zellen,  ihrer  p]ntstehung  nach  mit  dem  Entoblast 
niiher  als  mit  dem  Ektoblast  verwandt,  schieben  sich  zur  Zeit  des 
Gastiulastadiums  zwischen  beide  Keinibliitter  ein  und  vermehren 
sich  zu  einer  niittleren  Zellenmasse,  einem  Mesenchym,  aus  wel- 
chem  die  Bindesubstanz,  die  Muskeln  und  sogar  das  Nervensystem 
hervorgehen  sollen. 

Spiiter  sind  die  Turbellarien  parenchymatose  Thiere, 
bei  denen  ausser  den  Lumina  der  Darmdivertikel  keine  grossen 
Hohlraume  existiren.  Auf  einem  Querschnitt  durch  eine  Planarie 
(Taf.  I  Fig.  1)  sind  Muskeln,  Bindesubstanz  und  die  in  sie  einge- 
betteten  Geschlechts-Organe,  Darmverastelungen ,  Ganglien  und 
Nervenstrange  so  dicht  in  und  an  einander  gefiigt,  dass  kaum  hier 
und  da  kleine  Spaltraume  iibrig  bleiben.  Am  leichteston  sind  solche 
Spaltriiume  noch  im  Umkreis  der  Darmverastelungen  zu  schen,  wo 
iiberhaupt  das  Gewebe  eine  lockerc  Beschaffenheit  annimmt.  So  ist 
es  auch  bei  der  neuen  von  v.  Jhering  (32)  entdecktcn  Graffilla 
muricicola  und  einer  von  Lange  (35  a)  beschriebenen  mit  der 
Graffilla  nahc  verwandten  parasitischen  Turbellarie.  Das  System 
der  Bindegewebsliicken  scheint  bei  vielen  Landplanarien  den  An- 
gaben  Moseley's  (37)  zu  Folge  viel  ansehnhcher  zu  seiu,  so  dass 
der  englische  Forscher  von  einer  Leibeshohle  spricht;  auch  von 
anderen  Forschern,  so  nameutlich  von  Graff  {26\  welcher  ein  sehr 
umfangreiches  Turbellarienmaterial  untersucht  hat,  wird  angegeben, 
„dass  das  verastelte,  netzartig  anastomosirende  Balkenwerk  der  Bin- 
desubstanz bald  dick,  mit  der  Neigung  breite,  zusammcnhangende 
Flatten  zu  bilden,   bald  sparlich  und  diinn  sei,   so  dass  sich  alle 


Die  Coelomtheorie.  29 

Uebergaiige  von  scheinbaren  Acoelomiern  zu  unzweifelhaften  Coe- 
lomaten  vorfinden"  eine  Aiisicht,  welche  voii  Glaus  (157^)  in  seinem 
Lehrbuch  angenommen  worden  ist.  Wir  wollen  hier  nicht  die  Be- 
rechtigung  dieser  Benennung  er()rtern,  weil  wir  spiiter  hierauf  nocli 
(iinmal  zuriickkommen  werden,  sondern  beschrilnken  uns  darauf, 
das  principiell  Wichtige  festzustfillen.  Da  kann  es  denn  nicht 
zweifelbaft  sein,  dass  das  als  Leibeshohle  gedeutete  Lti- 
ckensystem  der  Planarien  mit  dem  von  Anfang  an  ein- 
heitlichen  Hohlraum  der  Chaetognathen  nichts  zu 
thun  hat,  wohl  aber  mit  den  lacunaren  Hohlraum  en 
der  Schnecken  auf  gleiche  Stufe  gestellt  werden  muss. 
Aehnlich  den  Lymphraumen  hoherer  Thiere  sind  es 
beidcsmal  Llicken  and  Spalten  im  Mesenchym. 

Mit  den  Schnecken  theilen  ferner  die  Plattwiirmer  die  Be- 
schaffenheit  der  Muskelfasern.  (Taf.  I  Fig.  1).  Diese  sind 
kernhaltige  contractile  Faserzf3llen,  keine  Primitivbiindel  oder  Blat- 
ter, entstanden  aus  Aneinanderfugung  einzelner  Fibrillen.  Die  con- 
tractile Substanz  ist  in  langen  Filden  abgelagert,  denen,  so  weit 
wir  auf  Schnitten  und  durch  Maceration  mittelst  Salpetersaure  er- 
kennen  konnten,  die  Muskelkorperchen  einzeln  iiusserlich  angefugt 
sind.  Letztere  bilden  daher  nicht,  wie  es  sonst  der  Fall  zu  sein 
pflegt,  als  Marksubstanz  die  Axe  der  Faser.  Von  besonderem  In- 
teresse  ist  es,  dass  auch  wieder  die  Verastelungen  an  den  Muskel- 
faserenden  zur  Beobachtung  gelangen,  wie  sie  bei  den  aus  dem 
Mesenchym  hervorgegangenen  Faserzellen  der  Ctenophoren ,  vieler 
MoUusken,  Bryozoen  mid  Rotatorien  aufgefunden  werden.  Sie 
wurden  zuerst  von  Hallez  (30)  nachgewiesen ,  dessen  Angaben 
wir  mehrfach  haben  bestatigen  konnen. 

Die  Muskelfasern  {mm)  liegen  einzeln  oder  zu  kleinen  Bun- 
deln  vereint  in  der  Bindesubstanz,  indem  sie  4  verschiedene  Ver- 
laufsrichtungen  einhalten.  Dicht  unter  der  Basalmembran  des  Epi- 
thels  finden  sich  zwei  Systeme  feiner  Faserchen,  die  im  Allgemei- 
nen  von  links  nach  rechts  verlaufen,  aber  derart  angcordnet  sind, 
dass  sie  sich  unter  stumpfen  Winkeln  schneiden;  sie  sind  so  un- 
scheinbar  bei  unseren  Siisswasserplanarien,  dass  wir  sie  nur  auf  die 
Autoritlit  Moseley's  hin,  welcher  sie  bei  anderen  Planarien  viel 
starker  entwickelt  anti'af,  fiir  Muskelfasern  erklaren,  Darauf  folgt 
eine  Lage  longitudinaler  Faserbiindel.  Alle  tibrigen  Muskeln  durch- 
setzen  das  Korperparenchym  entweder  in  dorsuventraler  oder  in 
querer  Richtung,  indem  sie  dabei  gegenseitig  ihren  Lauf  sowie  den 
Lauf  der  subepidermoidalen  Muskelfasern   kreuzen.     In  Folge  der 


30  0.  Mild  R.  Hertwig, 

vielfaltigen  Muskeldurchkreuzung  ist  der  Korper  der  Planarien  eiu 
nach  alien  Richtungen  hin  contractiles  Parenchym. 

So  sprechen  zwei  v/ichtige  Punkte  im  Bau  der 
Plattwiirmer,  der  Mangel  des  Enterocoels  und  die 
Beschaffenheit  und  Anordnung  der  Musk  el  n  zu  Gun- 
s te n  der  a u c h  e n  t  w i  c k 1 u  n  g s g  c  s c  h i  c h  1 1  i c  h  b  e g r  u n  d e - 
ten  Ansicht,  dass  die  mittlere  Korperschicht  als  Me- 
senchym  oder  Secretgewebe  angelegt  wird.  Wahrscliein- 
lich  wird  sich  hierzu  noch  ein  drittes  dem  Nervensystem  entnom- 
menes  Merkmal  hinzugesellen,  das  wir  hier  etwas  eingehender  er- 
lautern  wollen. 

Bei  den  in  unseren  Biichen  so  haufigen  Siisswasserplanarien 
haben  zahlreiche  neuere  Forsclicr  (Ratzel  (106),  Moseley  (37) 
u.  A.)  audi  niit  Anwendung  der  modernen  Untersuchungsmetho- 
den  vergeblich  nach  eincm  Nervensystem  gesucht.  Hallez  (30) 
(p.  14),  dem  es  ebenfalls  so  ergangen  ist,  iiussert  sich  dariiber  fol- 
gendermaassen.  „Ich  habc  niemals  die  gerijigste  Spur  des  Nerven- 
systems  auf  den  Schnitten ,  welche  ich  durch  Planaria  fusca  und 
PI.  nigra,  Dendrocoelum  und  Rhynchodesmus  terrestris  gelegt 
habe,  finden  konncn.  Es  scheint  daher  heutzutage  sicher  bewie- 
sen,  dass  die  Land-  und  Siisswasserplanarien  kein  localisirtes  Ner- 
vensystem besitzen."  Wir  haben  daher  die  Siisswasserplanarien 
selbst  untersucht  (31)  und  sind  dabei  zu  Ergebnissen  gelangt, 
welche  die  Anweseiiheit  eines  Nervensysteras,  freilich  eines  unvoll- 
kommen  localisirten,  darthun,  Der  als  Centralorgan  zu  deutende 
Theil  des  Nervensystcms  lagert  vor  dem  Schlund,  mitten  zwischen 
der  dorsalen  und  ventralen  Flache  des  Korpers,  mit  den  beiden 
Augenflecken  etwa  auf  gleicher  Hohe.  Er  ist  eine  Anhiiufung 
einer  feiii  faserigen,  kornigen  Masse,  welche  von  der  Umgebung  nicht 
scharf  abgegrenzt  ist  (Taf.  I  Fig.  1 N),  in  dorsoventraler  Richtung 
wird  er  von  zahlreichen  Ztigen  von  Muskelfasern  durchsetzt,  welche 
durch  die  Lagerung  des  Nervensystems  nicht  im  mindesten  in  ih- 
rer  Anordnung  bestimmt  werden  und  nicht  weniger  hiiufig  sind  als 
zu  beiden  Seiten  des  Nervensystems.  Dem  letzteren  wird  dadurch 
noch  mehr  der  Charakter  eines  in  sich  abgeschlossenen  Organs 
genommen,  was  besonders  an  Schnitten  auffallt,  welche  parallel  der 
Richtung  der  dorsalen  und  ventralen  Flache  gefiihrt  worden  sind; 
hier  sieht  man,  wie  die  faserigen  Ziige  des  Nervensystems  durch 
griissere  und  kleinere  Inseln  anderweitiger  Gcwebe  (mm)  unterbro- 
chen  werden  (Taf.  I  Fig.  1  u.  Fig.  7).  Damit  hangt  es  ferner  zu- 
sammen,  dass  es  unmiiglich  ist  an  Planarien,  welche  mit  Salpeter- 


Die  Coelomtheorie.  31 

siiure  behandclt  sind,  das  Ceiitralnerveiisystem  zii  priipariren.  Voni 
Auge  ausgehend  haben  wir  iinter  dem  Prilparirmicioscop  den  ganz 
ansehnlichen  Nervus  opticus  bis  an  das  Ccntralnervensysteni  heran 
verfolgt;  suchteu  wir  aber  dieses  weitor  darzustellen,  so  erbielten 
wir  nichts  als  ein  Netz  feinfaseriger,  unter  einandor  anastomosiren- 
der  Strange,  welche  sich  vom  N.  opticus  in  ihrem  Aussehen  nicht 
unterschieden. 

Am  meisten  macht  das  Nervensystem  den  Eindruck  einer 
compacten  Masse  auf  gewohnliclien  Querschnitten,  d.  h.  Schnitten, 
die  senkrecht  zur  Lilngsaxe  in  dorsoventraler  Richtung  angefertigt 
werden,  weil  man  dann  die  dorsoventralen  Muskelziige  parallel 
scbneidet.  (Taf.  I  Fig.  1  N).  Der  Durchschnitt  des  Nervensystems 
hat  einc  ovale  Gestalt;  in  der  Mitte  am  breitesten  verschmiilert 
er  sich  beiderscits,  so  dass  es  unnuiglich  ist  ein  linkes  und  rechtes 
Ganglion  und  cine  beide  verbindende  Commissur  zu  unterscheiden. 

Von  dem  beschriebencn  Centralorgan  aus  steigen  zwei  Nervi 
optici  in  einem  nach  aussen  convexen  Bogen  aufwiirts  zu  den  Angen; 
vier  feine  NervenJistchen  verlaufen  nach  vorn  und  zwei  sehr  starke 
Stiimme  nach  hinten;  letztere  sind  auf  Querschnitten  hiiufig  in 
zwei  Oder  3  Bundel  getheilt,  indem  sie  ebenfalls  von  anderweiti- 
gen  Gewebselementen  durchsctzt  werden.  In  ihrer  feineren  Struc- 
tur  verhalten  sich  alle  Theile  des  Nervensystems,  periphere  wie 
centrale,  ganz  gleich.  Sie  sind  ein  Geflecht  feinster  Fiiserchen 
untermischt  mit  spitrlichen  bi-  und  tripolaren  Zellen;  ausserdem 
sind  die  einzclnen  Strange  auf  ihrer  Oberfliiche  mit  einer  Lage  von 
Zellen  bedeckt,  deren  Natur  wir  nicht  niiher  untersucht  haben, 
welche  aber  wohl  Ganglienzellen  si!id,  da  sonst  das  Nervensystem 
ausserordentlich  arm  an  Nervenzellen  sein  miisste. 

Ganz  iihnliche  Verhaltnisse  scheinen  bei  den  Landplanarien 
wiederzukehren,  bei  denen  Moseley  (37)  sich  ebenfalls  vergeblich 
nach  einem  Nervensystem  umgethan  hat.  Kennel  (33)  ist  hier 
gliicklicher  gewcsen.  Er  erkannte  die  schon  fruhcr  beschriebencn 
Seitenstriinge  (primitive  vascular  system  Moseley's)  als  „Langs- 
nerven,  die  sich  im  Kopftheil  zu  einem  wohl  ausgebildeten  aller- 
dings  nicht  bindegewebig  scharf  abgegrenzten  aber  deutlich  zwei- 
lappigen  Gehirn  vereinen."  „Im  Verlauf  der  Seitennerven",  heisst 
es  weiter,  „treten  ausserst  zahlreiche,  aber  verschieden  starke  und 
nicht  sehr  regelmllssig  auf  einander  folgende  Commissuren  von 
einem  Nerven  zum  andern,  so  dass  wir  hier  ein  wii-kliches  Strick- 
leiternervensystera  vor  uns  haben."  Moglich  ist  es,  dass  auch  bei 
den  Siisswassei-planarien  Commissuren  existiren. 

Bei  den  meisten   Turbellarien  endlich   ist  das  Nervensystem 


32  0.  iind  R.  Hertwig, 

hoher  entwickelt  mid  zeigt  paarige  durch  Commissuren  unter  ein- 
aiider  verbundeiie  Gaiiglien,  wie  dies  Quatrefages,  O.  Schmidt 
und  iieuerdings  gaiiz  besonders  A.  Lange  (34)  iiachgewiesen  lia- 
beri.  In  diesen  Fallen  ist  aber  auch  das  Centralorgan  scharf  ab- 
gegrenzt  und  von  einer  besonderen  bindegewebigen  Kapsel  um- 
schlossen ;  mit  der  Hirnkapsel  verwachsen  die  Muskelfasern,  drin- 
gen  aber  nicht  mehr  in  das  Innere  des  Centralnervensy stems 
hinein. 

Wir  haben  also  bei  den  Turbellarien  verschie- 
dene  Stufen  in  der  Ausbildung  des  Nervensysteras 
vor  uns;  in  dem  einen  Falle,  bei  den  Land-  undSuss- 
wasser-Planarien,  zeigt  es  einen  diffuseren  Charakter 
u  nd  ist  unvollkommen  centralisirt;  im  anderen  Falle, 
bei  den  dendrocoolen  Meeresb  ewohnern,  ist  eine  Cen- 
tralisation eingetreten.  Soweit  wurden  die  Verhaltnisse  nichts 
Auffiilliges  haben,  da  ja  in  der  Classe  der  Zoophyten  uns  genu- 
gende  Beispiele  geringerer  und  grosserer  Centralisation  bekannt 
sind;  sie  gewinnen  aber  sofort  an  Bedeutung,  wenn  wir  bedenken, 
dass  bei  den  Planarien  ein  gering  centralisirtes  Ner- 
vensystem  im  Mesoderm  gelegen  ist.  Ein  derartiger  Zu- 
stand  ist  von  keiuem  Thier  bekannt.  Wo  in  der  Abtheilung  der 
Wiirmer  und  Echinodermen  das  Nervensystem  auf  einer  niedrigen 
Entwicklungsstufe  verharrt,  aussert  sich  dies  in  der  ektodermalen 
Lagerung.  Bei  den  Sagitten,  vielen  Anneliden  sind  das  obere  und 
das  untere  Schlundganglion  sammt  der  Kette  der  Bauchganglien 
noch  im  Ektoderm  gelegen,  im  Uebrigen  aber  fast  vollkommen  wie 
bei  den  Formen  entwickelt ,  bei  denen  sie  in  das  Mesoderm  geriickt 
sind;  wir  finden  also,  dass  das  Nervensystem  in  den  Fallen,  wo 
bisher  sein  ektodermaler  Ursprung  auf  vergleichend  anatomischem 
und  entwicklungsgeschichtlichem  Wege  nachgewiesen  worden  ist, 
schon  im  Ektoderm  ein  Centralorgan  bildet,  ehe  es  in  das  Me- 
soderm  uberwandert. 

Wenn  wir  diese  Verhaltnisse  vergleichend  bctrachten,  so  liegt 
die  Frage  nahe:  Stammt  das  Nervensystem  der  Planarien  aus 
dem  Ektoblast  oder  nicht  vielmehr  aus  dem  Mesenchym?  Letz- 
tere  Moglichkeit  erscheint  uns  urn  Vieles  wahrscheinlicher.  Die 
Art  wie  das  Centralorgan  von  anderweitigen  meso- 
dermal en  Oewebsbestandtheilen,  Muskelfasern  und 
Bindesubstanz,  durchwachsen  ist,  wiirde  bei  der  An- 
nahme  eines  mesenchy matosen  Ursprungs  seine  Er- 
klarung  finden,    wiirde  aber   schwer  verstandlich  sein,    wenn 


Die  Coelomtheorie.  33 

das  Nervensystem  vom  Ektoblast  aus  in  die  mittlere  Korperschicht 
iil)e)-getreteii  sein  sollte.  Die  einzigen  eutwiekiungsgeschichtlicheu 
Beobachtungeii  Hallez's  (30)  sprechen  ebenfalls  zu  Gunsten  des 
Mesencliynis,  und  was  die  Einwiirfe  aiilangt,  welche  man  von  all- 
gemeineren  Gesichtspunkteu  aus  machen  konnte,  so  haben  dicselben 
geringere  Bedeutung,  als  die  Mehrzahl  der  Autoren  ihnen  beimisst. 
Bisher  hat  mit  Recht  der  allgemeine  Satz  gegolten,  dass  das  Cen- 
trabiervensystem  zu  den  Differenzirungen  des  Ektoblasts  gehort. 
Der  Satz  griindete  sich  einerseits  auf  ein  reiches  Beobachtungsraate- 
rial,  andererseits  auf  allgemeine  im  Grossen  und  Ganzen  auch  zu- 
treffende  Erwagungen.  Immerhin  muss  man  aber  hierbei  im  Auge 
behalten,  dass  solche  Erfahrungssiitze  nur  auf  bedingte  Giltigkeit 
Anspruch  erheben  konnen  und  stets  gewartig  sein  miissen,  auf 
Ausnabmen  und  Einschriinkungen  zu  stossen,  wie  denn  gerade  auf 
dem  Gebiete  der  Entwicklungsgeschichte  viele  allscitig  anerkannte 
Verallgemeinerungen  derartige  Einschriinkungen  in  den  letzten  Jah- 
ren  erfahren  haben. 

Es  ist  nun  leicht  erweislich ,  dass  fast  alle  Beobachtungen 
iiber  den  ausschliesslich  ektodermalen  Ursprung  des  Nervensystems 
sich  auf  Thiere  beziehen,  welche  der  zweiten  von  uns  aufgestell- 
ten  Gruppe  angehoren;  bei  den  iibrigen,  speciell  den  Mollusken 
und  Plattwiirmern,  lauten  die  Angaben  widersprechend  und  nur 
bei  den  Bryozoen  und  Rotatorien  wird  iibereinstimmend  das  Nerven- 
system vom  Ektoderm  abgeleitet.' 

Auch  die  theoretischen  Erwagungen  griinden  sich  auf  Voraus- 
setzungen,  welche  nicht  fur  alle  Thiere  in  gleicher  Weise  zutref- 
fen.  Das  Ektoderm  gilt  als  Ausgangspunkt  ftir  die  Bildung  des 
Nervensystems,  weil  es  seiner  Lage  nach  die  Beziehungen  zur  Aussen- 
welt  unterhiilt  und  die  Sinnesorgane  entwickelt.  Indessen  im  An- 
schluss an  die  Sinnesorgane  entsteht  immer  nur  ein  Theil  des 
Nervensystems,  oin  anderer  Theil  steht  von  Anfang  an  in  Bezie- 
hung  zur  Muskulatur.  Nur  fiir  den  ersteren  gelten  die  Erwagungen 
iiber  die  Nothwendigkeit  eines  ektodermalen  Ursprungs,  fiir  den 
letztercn  nicht;  dieser  wird  sich  vielmehr  unter  Umstiinden  auch 
aus  den  die  Muskeln  liefernden  Korperschichten  hervorbilden  kon- 
nen, als  welche  wir  im  vorliegenden  Fall  unzweifelhaft  das  Mesen- 
chym  anzusehen  haben.  Wenn  wir  nun  weiter  berucksichtigen, 
dass  die  Gruppe  der  Plattwiirmer  mit  Sinnesorganen  karglicher 
als  aiidcre  Thierabtheilungen  ausgestattet  ist,  so  ware  es  wohl 
denkl)ar,  dass  hier  die  Verhiiltnisse,  welche  in  anderen  Fallen  die 

Bd.  XV.   N.  F.  VIIT.  1,  o 


34  0.  und  R.  Hertwig, 

Entwicklungsweise  des  Nerveiisystems  buberrschen,  nicbt  vorgelegen 
haben. 

Inwieweit  die  von  uns  vorgetragenen  Erwagungen  berechtigt 
sind,  kaiin  nur  durch  weitere  Beobachtuiigen  entschieden  werden, 
wir  glaubten  sie  bier  einflecbten  zu  miisseii,  weil  sie  fiir  die  Auf- 
fassung,  welcbe  wir  iiber  die  Entwickbiiig  (Uis  Nervensystems  der 
Mollusken  ausgesprocben  baben,  weitere  Stiitzpuiikte  befern  und 
in  Aussicht  stellen,  dass  in  der  Gencse  des  Nervensystems  ein 
neues  fur  die  Pseudocoeber  cbarakteristiscbes  Merknial  gegeben  sei. 
Urn  demselben  zunacbst  einmal  einen  bestimmten  Ausdruck  zu  ver- 
leiben,  bemerken  wir  nur  nocb,  dass  in  derAbtbeilungwahr- 
scheinlicb  der  motoriscbe  Tbeil  der  Centralorgane 
im  Anscbluss  an  die  Muskulatur  aus  dem  Mesenchym, 
der  sensorielle  Tbeil  im  Anscbluss  an  die  Sinnesor- 
gane  aus  dem  Ektoderm  stammt.  Je  nacbdem  der  eine 
Oder  der  andere  iiberwiegt,  wird  das  Bild  der  Entwicklungsge- 
scbicbte  verscbieden  ausfallen  und  entweder  einen  niesencbymatosen 
Oder  ektodermalen  oder  einen  gemiscbten  Ursprung  andeuten. 

Wie  in  so  vielen  Punkten,  so  wUrden  aucb  in  dieser  Hinsicbt 
die  Tbiere  des  mesencbymatcisen  Typus  den  Ctenopboren  gleicben. 
Die  Nerven  der  Ctenopboren  sind  im  Secretgewebe  und  im  Ekto- 
derm diffus  verbreitet;  wurde  eine  Centralisation  des  Nervensytems 
eintreten,  so  wurde  dieselbe  scbliesslicb  zu  einer  Vereinigung 
mesencbymatoser  und  ektodermaler  Tbeile  in  einem  Centralorgan 
fuhren. 

Nacbdem  wir  die  Turbellarien  eingebender  besprocben  und  sie 
nacb  dem  Verlauf  ibrer  Entwicklung,  dem  Bau  ibrer  Muskeln  und 
ibres  Nervensystems  und  nacb  dem  Mangel  cines  Pinterocoels  als 
acbte  Pseudocoeber  erkannt  baben,  braucben  wir  bei  den  Tre- 
m  a  tod  en  und  Cestoden  uur  kurz  zu  verweilen,  da  zweifellos 
diese  Tbiere  nicbts  sind  als  parasitiscb  riickgebildete  Turbellarien. 
Dem  entsprecbend  finden  wir  bei  ibnen  denselben  parencbymatosen 
Habitus  des  Korpers,  die  gleicbe  Anordnungsweise  der  Muskeln 
und  des  Nervensystems  wieder.  Dabei  befern  uns  die  Trematoden 
durcb  den  Bau  der  Ganglien,  die  in  Folge  der  Entwicklung  der 
Saugmipfe  zur  Innervirung  derselben  neu  entstanden  sind,  inter- 
essante  Beispiele,  wie  sicb  aus  Zellen  des  Mesencbyms  Ganglien 
bervorbilden.  Nacb  den  Angaben  Lang's  (35),  auf  welcbe  wir 
uns  bei  der  vorgetragenen  Ansicbt  stiitzen,  sind  im  Gewebe  der 
Trematoden  isolirte  Ganglienzellen  weit  verbreitet,  an  der  Basis 
der  Saugnapfe  aber  zu  besouderen  „Saugnapfganglien"  angebauft. 


Die  Coelomtheorie.  35 

Es  kann  vorkommen,  dass  das  Saugnapfganglion  z.  B.  bei  den 
Distomeii  „ent,schieden  viel  mehr  und  grossero  Ganglienzellen  ent- 
halt  als  das  Hirn".  Dass  die  Saugnapfganglieii  nicht  vom  Ekto- 
derm  abstaramen,  lasst  sicb  bei  ihrem  Bau  wohl  Ijaum  bezweifeln, 
auch  wenn  der  eiitwicklungsgeschichtliche  Nachweis  noch  nicht  ge- 
liefert  worden  ist. 

Wahrend  so  im  Allgemeineu  die  Cestoden  und  Trematoden 
dasselbe  lehreu,  was  wir  schon  von  den  Turbellarien  wissen,  kon- 
nen  sie  in  Bezug  auf  ein  Organ,  das  Wassergefasssystem, 
zu  einer  Vervollstandigung  anserer  Anschauungen  beitragen.  Es 
kommen  zwar  hochst  wahrscheinlich  Wassergefasse  auch  bei  den 
Turbellarien  vor,  allein  sie  sind  hier  wenig  bekannt  und  wahr- 
scheinlich auch  schwer  zu  beobachten,  so  dass  in  der  Neuzeit  so- 
gar  ihre  Existenz  zumeist  in  Abrede  gestellt  wird.  Dagegen  sind 
diese  Organe  bei  den  parasitischen  Plattwiirmern  wiederholt  und 
sehr  genau  untersucht  worden,  kiirzlich  erst  wieder  von  Biitschli 
(26)  und  von  Fraipont  (27),  dessen  Angaben  wir  uns  im  Folgen- 
den  anschliessen  werden. 

Das  Wassergefasssystem  der  Trematoden  und 
Cestoden  setzt  sich  aus  wenigen  Hauptstammen  zusammen,  wel- 
che  sich  zu  einer  contractilen  Blase  vereinigen  und  mittelst  der- 
selben  nach  aussen  miinden.  Von  den  Hauptstammen  gehen  zahl- 
reiche  Seitenaste  ab,  die  viel  feiner  wie  jene  sind,  bis  an  ihr  Eiide 
ein  gleichmassiges  Lumen  trotz  hautiger  Verilstelungen  beibehalten 
und  unter  einander  durch  netzformige  Anastomosen  vereinigt  sind. 
An  ihren  Enden  tragen  die  feinen  Canale  eine  kleine  seitliche  Oeff- 
nung,  an  der  ein  lebhaft  undulirendes  Wimperlappchen  sitzt;  sie 
treten  auf  diese  Weise  mit  den  (iewebsspalten  in  Zusammenhang, 
welche  nach  alien  Richtungcn  hin  das  Mesenchym  durchsetzen. 
Mit  Recht  unterscheidet  Fraipont  diese  Form  der  Wasserge- 
fasse von  den  Segmentalorganen  der  Anneliden  und  vergleicht  sie 
dagegen  mit  den  Wassergefiissen  der  Rotatorien.  Mit  letzteren 
stimmen  sie  in  folgenden  wichtigen  Punkten  tiberein:  1.  Der  Ap- 
parat  ist  aus  Hauptstammen  und  seitlich  abgehenden  feinen  Neben- 
iisten  gebildet.  2.  Die  Flimmertrichter  miinden  nicht  in  eine  weite 
Leibeshohle,  sondern  in  Spaltraume  des  Mesenchyms.  3.  Das  peri- 
phero  Ende  zeichnet  sich  durch  einen  Sammelapparat,  die  contractile 
Blase,  aus.  Zum  Beweis,  dass  die  veriistelten  Wassergefasse  und  die 
Segmentalorgane  einander  nicht  homolog  sind,  lasst  sich  noch  anfiih- 
ren  und  ist  auch  von  Fraipont  geltend  gemacht  worden,  dass  die 
Larven  der  Anneliden  allein  mit  W  assergefiissen  ausgerijstet  sind,  dass 

3* 


36  O.  und  E.  Hertwig, 

diese  bei  derEntwicklung  des  gegliederten  Korpers  riickgebildet  und 
durch  die  SegmeLtalorgane  ersetzt  werden.  Wir  werden  spater 
iioch  zu  begrunden  versucheii ,  dass  die  verastelten  Wassergefasse 
der  niesenchymatosen ,  die  Segmentalorgane  dagegeu  der  epithe- 
lialen  Gewebsbildung  angehoren. 

Die  Nemertinen  endlich,  die  letzte  Abtheilung  der  Platt- 
wiirmer,  werden  von  den  meisten  Zoologen  als  Organismen  ange- 
sehen,  welche  aus  den  Turbellarien  durch  eine  hohere  Entfaltung 
der  Organisation  entstanden  sind.  Indessen  fehlt  es  audi  nicht 
an  Stimmen,  welche  wie  z.  B.  Semper  (171),  Mc.  In  tosh  (44)  und 
Hubrecht  (43)  eine  nahere  Verwandtschaft  mit  den  Anneliden 
annehmen,  was  unter  Zugrundelegung  der  von  uns  entwickelten 
Anschauungen  Veranlassung  sein  mochte,  die  Thiere  zu  den  Ente- 
rocoeliern  zu  stellen.  Wenn  wir  selbst  auch  aus  Mangel  eigener 
genauerer  Untersuchungen  uns  nur  mit  Vorsicht  aussern  konnen, 
so  halten  wir  es  doch  fiir  viel  wahrscheinlichcr,  dass  die  Nemertinen 
iichte  Plattwurmer  sind  und  zwar  die  hochst  organisirten  dieser 
Gruppe;  wir  stiitzen  uns  dabei  auf  folgende  entwicklungsgeschicht- 
liche  und  anatomische  Merkmale. 

Ueber  die  erste  Anlage  des  Mesoderms  fehlen  alle  genaueren 
Beobachtungen ,  doch  wissen  wir  durch  die  Angaben  Hoff- 
mann's (42),  dass  bei  den  sich  direct  entwickelnden  Nemertinen 
(Malacobdella)  die  mittlere  Korperschicht  schon  friihzeitig  den  Cha- 
raktcr  eines  Netzwerks  verastelter  anastomosirender  Zellen  annimmt 
und  hierin  dem  Secretgewebe  gleicht  (Taf.  I  Fig.  8  a).  Dasselbe 
wird  von  Biitschli  (39)  fiir  die  Nemertinen  mit  Metamorphose 
behauptet.  Wenn  im  Pilidium  der  Nemertes  entsteht,  sollen  die 
zwischen  Ektoblast  und  Entoblast  vorhandenen  verastelten  Zellen 
die  Muskulatnr  und  die  Bindosubstanz  liefern.  Dem  widersprechen 
zwar  M  e  t  s  c  h  n  i  k  0  f  f  (46)  und  Barrels  (38),  indem  sie,  der  erstere 
fiir  das  Pilidium,  der  zweite  fiir  die  Desor'sche  Larve,  behaupten, 
dass  die  Muskulatur  durch  Delamination  vom  Ektoblast  aus  ab- 
gespalten  werde ,  doch  scheinen  uns  diese  Angaben  wenig  Wahr- 
scheinlichkeit  fiir  sich  zu  haben,  da  die  Delamination  ein  Zellbil- 
dungsvorgang  ist,  welcher  zwar  haufig  beschrieben ,  niemals  aber 
mit  Sicherheit  narhgewiesen  worden  ist. 

Wenn  wir  den  Bau  der  entwickelten  Nemertine  in  Augen- 
schein  nehmen.  so  ist  ftir  uns  in  erster  Linie  der  Mangel  der 
Leibeshohle  von  Bedeutung.  Es  ist  wahr,  dass  auch  hieriiber 
die  Mittheilungen  in  der  Literatur  zu  keinen  iibereinstimmenden 
Resultaten   gefiihrt  haben,   indem  manche  Forscher  eine  Leibes- 


Die  Coelomtheorie.  37 

liohle  vermisson,  wo  andere  eine  solche  beschreiben.  Mc.  Intosh 
zeichnet  weder  eine  Leibeshohle,  noch  thut  er  derselben  in  seiner 
Schilderung  Erwahnung.  Hoffmann  und  Kennel  (45)  geben 
sogar  mit  Bestimmtheit  au,  dass  die  Malacobdellen  und  Land- 
neniertinen  parenchymatose  Thiere  seien.  Dagegen  sprechen  Bar- 
rois,  Graff  (40)  und  Hubrecht  wiederum  von  einer  Leibes- 
hohle. Allein  wer  die  Abbildungen  der  letztgenannten  Autoren 
vergleicht,  wird  auf  ihnen  vergebens  nach  einem  weiten  Spalt 
zwischen  Darm  und  Korperwand  suchen;  dafiir  stosst  man  in  den 
Schilderungen  zuweilen  auf  die  Angabe,  dass  die  Leibeshohle  von 
Bindegewebe  erfiillt  werde,  was  dann  mit  dem  Mangel  der  Leibes- 
hohle gleichbedeutend  sein  mochte.  Fiir  letzteres  sprechen  auch 
eigene  gelegentlich  an  einer  ganzen  Anzahl  von  Nemertinen  ange- 
stellte  Untersuchungen ,  die  iiberall  ergaben,  dass  zwischen  Darm 
und  Hautmuskelschlauch  sich  eine  Schicht  von  Bindesubstanz  ein- 
schiebt,  die  beide  Theile  zu  einer  soliden  Masse  verbindet. 

Der  histologische  Charakter  der  in  zwei  Langs-  und  einer 
Ringftiserschicht  angeordneten  Muskelfasern  ist  noch  nicht 
geniigend  aufgeklart.  Die  von  uns  selbst  angestellten  Beobach- 
tungen  sprechen,  ohne  jedoch  die  Frage  zu  entscheiden,  zu  Gun- 
sten  der  Ansicht,  dass  mesenchyraatose  Muskeln  vorliegen.  Als 
Elemente  der  Muskellagen  ergeben  sich  auf  Qucrschnitten  Fasern 
von  ansehnlicher  Dicke,  die  in  verschiedener  Weise  angeordnet  sind. 
Bei  der  Riesennemertine  Meckelia  (Taf.  Ill,  Fig.  1  f)  verlaufen  die 
Fasern  bald  einzeln  bald  in  kleineren  und  grosseren  Gruppen  in 
der  bindegewebigen  Grundsubstanz.  In  jeder  Gruppe  ist  gewohn- 
lich  Faser  an  Faser  dicht  gefiigt;  nur  selten  sind  sie  in  Kreise 
gestellt,  so  dass  das  Centrum  jeder  Gruppe  frei  bleibt.  Eine  solche 
ringformige  Anordnung  ist  dagegen  bei  einer  nicht  niiher  bestimm- 
ten  Nemertesart  (Taf.  Ill,  Fig.  2)  iiberall  erkennbar,  wobei  die 
Durchmesser  der  Hinge  von  sehr  verschiedener  Grosse  sind.  Das 
auf  diese  Weise  entstchende  Bild  erinnert  ausserordentlich  an  die 
Fibrillenbiindel,  welche  von  uns  und  Auderen  im  Mesoderm  raan- 
cher  Medusen  und  Actinien  beobachtet  worden  sind,  und  k5nnte 
daher  zu  Gunsten  der  epithelialen  Natur  der  Muskelfasern  ver- 
werthet  werden.  Allein  wir  vermochten  nicht  zu  entscheiden, 
ob  die  Axe  des  Fibrilleubiindels  wie  bei  den  genannten  Coelen- 
teraten  von  den  Matrixzellen  oder  von  Bindegewcbe  erfiillt  sei; 
das  wiirde  von  der  grossten  Bedeutung  sehi,  da  nur  in  dem  erst- 
genannten  Falle  es  sich  um  mehr  als  um  eine  unwichtige  Aehn- 
lichkeit  der  Anordnung  haudeln  wiirde. 


38  0.  und  R.  Hertwig, 

Bei  den  Borlasien  endlich  erhalt  man  Querschnitte,  auf  denen 
Muskelfaser  neben  Muskelfaser  lagert  clurch  sparliche  Zwischen- 
substanz  verbunden,  wie  es  in  alien  von  glatten  Muskelfasern  ge- 
bildeten  Organen  dor  Fall  ist.  Nur  dadurch,  dass  radiale  Binde- 
gewebszuge  die  Schicht  durclisetzen ,  werden  die  longitudinalen 
Fasern  zu  grosseren  Biindeln  abgetheilt.  Da  nun  auch  die  Ab- 
bildungen,  welche  Mc.  lutosh,  Graff,  Kennel  u.  A.  von  Quer- 
schnitten  durch  die  Korper  von  Nemertinen  geben,  es  wahrschein- 
lich  machen,  dass  contractile  Faserzellen  vorliegen,  so  neigen  wir 
im  Allgenieinen  dcr  Ansicht  zu ,  dass  die  Nemertinen  mit  den  Tur- 
bellarien  zusammengehoren  und  einen  Theil  der  Pseudocoelier  bilden. 

Auch  das  Wassergefiisssystem  und  das  Nervensystem  zeigen 
die  wesentlich  gleichen  Verhaltnisse  wie  bei  den  ubrigen  Plattwur- 
mern.  Die  Wassergefasse  folgen  dem  verastelten  Typus ;  von 
M.  Schultze  entdeckt,  wurden  sie  lange  Zeit  (von  Graff,  Hoff- 
mann, Mc.  Intosh)  wieder  in  Abrede  gestellt,  bis  sie  in  der  Neu- 
zeit  von  Semper  (171)  und  Kennel  (45)  bestatigt  worden  sind; 
zum  Unterschied  von  den  Trematoden  miinden  die  beiden  Haupt- 
stiimme  des  Systems  getrennt  durch  zwei  seitliche  Fori;  auch  hat 
man  noch  keine  Communicationen  mit  den  Spalten  des  Mesen- 
chyms,  keine  wimpernden  Stomata  auffinden  konnen. 

Wie  sehr  endlich  das  Nervensystem  in  seiner  Anordnung 
an  die  Planarieu  eriunert,  braucht  hier  kaum  hervorgehoben  zu 
werden;  wichtiger  ist  es,  dass  auch  in  der  feineren  Structur  sich 
unzweifelhaft  eine  grosse  Aehnlichkeit  ausspricht,  worauf  nament- 
lich  H u  b  re  ch  t  (43)  aufmerksam  gemacht  hat.  Die  oberen  Schlund- 
ganglien  und  Seitennerveu  bestehen  aus  einem  faserigen  Kern  und 
einem  Beleg  von  Ganglienzellen.  Der  faserige  Kern  wird  von  Mus- 
kelfasern durchbohrt;  seine  Structur  ist  eine  spongiose  und  „stimmt 
iiberein  mit  der  von  Lang  fur  die  Nerven  der  marinen  Dendro- 
coelen  beschriebenen."  Das  Alles  sind  weitere  wichtige  Instanzen 
zu  Gunsten  der  von  uns  hier  vorgetragenen  Ansicht. 

B.     Die  Abtheilung  der  Enterocoelier. 

Wie  schon  im  Namen  „Enterocoelier"  ausgedriickt  ist,  wird  die 
zweite  Abtheilung  der  Bilaterien  dadurch  gekennzeichnet,  dass  vom 
Hautmuskelschlauch  ausser  dem  Darm  noch  cin  zweiter  uispriing- 
lich  iuinier  paariger  Hohlraum  umschlosscn  wird,  wclchur  durch 
Ausstulpung  aus  dem  Urdarm  entstanden  ist.  Ferner  begegnen 
wir  in   der  Entwicklungsgeschichte  der  Enterocoelier  ausser  den 


Die  Coelomtheorie.  39 

beideii  primaren  Keimblattern  der  ersten  Abtheilung  noch  zwei 
weitereu  Keimblattern,  welclie  sich  zwischen  jene  treiiuend  liiuein- 
schieben  uiid  durcli  EinfaltuDg  vom  Entoblast  abstammeu.  Da- 
durch  tritt  die  thierische  Organisation  auf  eine  hohere  Stufe  ihrer 
Ausbildung.  Denn  wahrend  bei  den  Bryozoen  uud  Rotatorien,  Mol- 
lusken  und  Plathelminthen  die  Differenzirung  der  Organe  und  Ge- 
webe  nur  von  zwei  epithcJialen  Flachen  oder  Keimblattern  ausgeht, 
sind  es  jetzt  deren  vier,  welche  sich  sehr  verschiedenartig  aus-  und 
umbilden  und  eine  ungleich  reichere  Gliederung  der  Formen  her- 
vorrufen,  als  es  dort  moglich  war.  Die  neu  geschaflfeneu  Epithel- 
fliichen  des  parietalen  und  visceralen  Mesoblasts  betheiligen  sich 
in  den  meisten  Fallen  in  sehr  bedeutsamer  Weise  am  histologi- 
schen  Differenzirungsprocess  und  licfern  die  Korpermuskulatur,  die 
Geschlechts-  und  Excretionsorgane.  Daher  hat  denn  auch  der 
epitheliale  Typus  der  Gewebsbildung  iiber  den  mesenchymatosen 
cin  entschiedenes  Uebergewicht. 

Zu  den  Enterocoeliern ,  deren  eigenthiimliche  Organisations- 
verhaltnisse  wir  in  der  Einleitung  bereits  an  den  Beispielen  der 
Chaetognathen  und  Echinodermen  crliiutert  haben,  gehoren  die 
meisten  und  wichtigsten  Thierstiimme. 

Wir  rechnen  hierher  die  Brachiopoden ,  die  Enteropneusten, 
die  Anneliden  und  Nematoden,  die  Vertebraten  und  die  Arthro- 
poden.  Bei  eineni  Thcil  derselbcn  beobachtet  man  im  Laufe  ihrer 
Entwicklung  mit  aller  nur  wtinscheiiswerthen  Deutlichkeit  die  Be- 
theiligung  von  Aussackungen  des  Darmkanals  an  der  Bildung  des 
Mesoderms,  wahrend  bei  den  ubrigen  die  Verhaltnisse  mehr  ver- 
schleiert  sind.  Wir  beginnen  mit  den  leichteren  Fallen  und  be- 
sprechen  daher  zuerst  die  Brachiopoden  und  die  Enteropneusten. 


1,     Die  Brachiopoden. 

Fiir  die  Entwicklungsgeschichte  der  Brachiopo- 
den sind  die  im  Jahre  1874  veroffentlichten  Untersuchungen  von 
Kowalevsky  (80)  Gruud  legend;  sic  zeigen  uns,  dass  bei  vie- 
len  Arten  eine  typische  Gastrula  durch  Invagination  entsteht, 
und  dass  sich  dieselbe  in  gauz  iihnlichcr  "Weise  wie  bei  Sagitta 
wciter  eiitwickelt.  Der  Entoblast  liisst  niimlich  in  den  Urdarm 
zwei  Falten  hineinwachsen ,  welche  denselben  in  einen  mittleren 
und  zwei  seitliche  Riiume  zerlegen  (Taf.  II,  Fig.  15).  Die  den 
Mittelraum  oder  den  secundaren  Darm  auskleidenden  Zellen  bil- 
den  das  Darmdrusenblatt ,  die  seitlichen   Sacke  dagegen   stellen 


40  0.  und  R.  Hertwig, 

den  Mesoblast  dar,  dessen  innere  an  den  Darm  angrenzende  Schicht 
zum  Darmfascrblatt  Me^  und  dessen  iiussere  den  Ektoblast  be- 
riihrende  Schicht  zum  Hautfaserblatt  Me^  wird.  Der  Hohlraum 
zwischen  beiden  liefert  die  paarige  Leibeshohle.  Spater  streckt 
sich  die  Larve  und  sondert  sich  in  drei  Segmente,  von  welchen 
das  hinterste  keinen  Theil  des  Darmdriisenblattes  erhalt  und  zum 
Stiel  wird. 

Allein  nicht  nur  die  Entwicklungsgeschichte ,  auch  das  Stu- 
dium  der  Anatomic  des  ausgebildeten  Thieres  zwingt  uns  die  Brachio- 
poden  in  die  zweite  Abtheilung  der  Bilaterien  einzureihen.  So 
zeigt  uns  die  Leibeshohle  auch  auf  spiiteren  Stadien  die  be- 
sonderen  Merkmale  des  Enterocoels ;  sie  bleibt  sehr  geraumig  und 
wird,  wie  Morse  (89)  an  lebenden  Thieren  von  Terebratulina  und 
Rhynchonella  beobachtet  hat,  mit  einem  lebhaft  flimmernden  Epi- 
thel  ausgekleidet.  In  der  Leibeshohle  ist  das  von  einem  Darmfascr- 
blatt umschlossene  Nahrungsrohr ,  welches  in  Oesophagus,  Magen 
undEnddarm  abgetheilt  ist,  durch  ein  dors  ales  und  ein  ventra- 
lesMesenterium  an  dem  Hautmuskelschlauch  befestigt.  Aus- 
serdem  spannen  sich  nach  diesem  noch  in  querer  Richtung  zwei 
hinter  einander  gelegene  zarte  membranose  Ligamente  aus,  von 
denen  das  eine  vom  Magen,  das  andere  vom  Enddarm  ausgeht.  Sie 
sind  von  Huxley  (85=^)  als  gastro - parietales  und  ileo-parietales 
Band  benannt  und  von  Gegenbaur  (159)  und  Morse  mit  Recht 
den  Dissepimenten  der  Wiirmer  verglichen  worden.  Durch 
sie  priigt  sich  die  bei  den  Larven  schon  iiusserlich  bemerkbare 
Eintheilung  in  drei  Segmente  (Kopf,  Rumpf  und  Schwanzseg- 
ment)  auch  innerlich  aus. 

Endlich  macht  sich  die  Zugehorigkeit  der  Brachiopoden  zu 
unscrer  zweiten  Abtheilung  noch  in  dem  Bau  der  Geschlechts-  und 
Excretionsorgane  geltend.  Hoden  und  Ovarien  sind  entweder 
vielfach  gefaltete  oder  traubenformige  Gebilde,  welche  von  der 
Korpcr-Wandung  aus  in  das  Enterocoel  oder  in  Aussackungen  des- 
selben  hineinragen.  Eier  und  Spermatozoen  werden  bei  der  Reife 
in  die  Leibeshohle  entleert,  welche  dadurch  zu  einem  Genitalbe- 
hiilter  wird,  ganz  so  wie  bei  den  Chaetoguathen  das  Schwanzseg- 
ment  zur  Aufbewahrung  der  Spermatozoen  dient.  Man  darf  da- 
her  wohl  auch  fiir  die  Brachiopoden  vermuthen,  dass  die  Ge- 
schlechtsproducte,  was  entwicklungsgeschichtlich  bis  jetzt  noch  nicht 
nachgewiesen  worden  ist,  aus  dem  Epithel  der  Leibeshohle  ihren 
Ursprung  herleiten, 

Aus  dem  Enterocoel  werden  dann  die  Geschlechtsproducte  durch 


Die  Coelomtheorie.  41 

die  Excretionsorgane  nach  Aussen  gefiilirt.  Es  sind  dies 
flimmernde  Riihren,  die  bei  den  meisteii  Arteii  in  einem  Paar,  bei 
einzelnen  in  2  Paaren  angelegt  sind.  Sie  treten  mit  ihrem  inne- 
reu  Ende  durch  das  Ileoparietalband  liindurch,  wie  die  Schleifen- 
kanale  der  Wiirmer  durch  ein  Dissepiment,  und  miinden  in  das 
Coelom  mit  einem  weiten  in  Falten  gelegten  Flimmertrichter,  Ur- 
spriinglich  fiir  Herzen  gebalten  wurden  sie  spater  von  Huxley 
(85 ^)  fiir  Excretionskaniile  erklart ;  dann  hat  Lacaze  Dut biers 
(88)  vermuthungsweise  ausgesprochen  und  M  o  r  s  e  mit  Sicherheit 
nachgewiesen,  dass  sie  auch  als  Oviducte  dienen. 

Ueber  den  histologischen  Bau  der  Mu skein  mussen  wir  still- 
schweigend  hinweggehen ,  da  zur  Zeit  genaucre  Untersuchungen 
hicruber  noch  fehlen. 

Fassen  wir  Alles  zusamraen,  so  haben  wir  in  den  Brachio- 
poden  recht  typische  Enterocoelier  vor  uns;  auch 
liisstsichnichtverkennen,  wie  die  bei  ihuen  und  den 
Chaetognathen  gleichartige  Entwicklung  der  Leibes- 
hohle  die  ganze  Anlage  der  tibrigen  Organe  in  ahn- 
licher  Weise  beeinflusst;  hier  wie  dort  beobachten 
wir  einen  Darm  mit  Darmfaserb  latt,  mit  dorsalen  und 
ventralen  Mesentcrien  und  mit  Dissepimen  ten ,  Ge- 
schlechtsorgane,  welche  sich  in  den  Wandungen  des 
geriiumigen  und  mit  Flimmerepithel  bedeckteu  En- 
terocoels  gebildet  haben  und  ihre  reifen  Producte 
in  dasselbe  entleeren;  kanalartige  Durchbrechungen 
der  Leibeswand,  welche  Eier  und  Sperma  nach  Aus- 
sen leiten  und  bei  den  Brachiopoden  zugleich  auch 
noch  eine  excretorische  Function  zu  besitzen  schei- 
nen.  Durch  so  weit  gehende  Uebereinstimmungen  konnte  man 
selbst  versucht  sein,  eine  Verwandtschaft  zwischen  den  zwei  aus- 
serlich  so  grundverschiedeuen  Abtheilungen  anzunehmen,  wie  dies 
schon  von  Seiten  Butschli's  (92)  geschehen  ist.  Zu  Gunsten 
dieser  Ansicht  konnte  auch  noch  das  wichtige  Moment  geltend 
gemacht  werden,  dass  sowohl  bei  den  Chaetognathen  als  auch  den 
Brachiopoden  der  Korper  in  drei  Segmente  abgetheilt  ist. 

Wie  steht  cs  dagegen  mit  der  friiher  angenommenen  Ver- 
wandtschaft der  Brachiopoden  mit  den  Mollusken? 
Bei  Beurtheilung  derselben  sehen  wir  gleichsam  die  Kehrseite  der 
Beziehungen  zu  den  Chaetognathen;  bei  einer  gewissen  aus- 
serenAehnlichkeitstossenwirauf  eine  vollkommene 
Unahnlichkeit  der  inn  ere n  Theile.     Dem  Schizocoel  der 


42  O.  und  R.  Hertwig, 

Mollusken  fehlt  eiii  flimmerndes  Epithcl,  es  fehleii  ilirem  Darm- 
kaual  die  Mesentcricn  und  die  Dissepimente,  ihre  Geschlechtspro- 
ducte  entwickeln  sich  iiicht  aus  dera  Epithel  der  Loibeshohle  und 
weiden  nicht  in  dieselbe  entleert,  sondern  stellen  folliculare  Drii- 
sen  dar,  welche  direct  in  eigene  oft  complicirt  gebaute  Ausfiihr- 
wege  ubergehen.  Die  in  den  Pericardialraum  einmiiudenden  Nic- 
ren  dienen  ausschliesslich  der  Excretion  und  werden  nicht  zur  Aus- 
fuhr  der  Geschlechtsstoffe  benutzt,  hochstens  dass  sich  die  Ovi- 
ducte  Oder  Vasa  deferentia  hie  und  da  mit  ihnen  nahe  an  der  aus- 
seren  Miindung  vereinigen.  Alle  diese  Verschiedenheiten  sind  schon 
durch  den  allerersten  Verlauf  der  Eutwicklung  bedingt  und  dar- 
auf  zuriickzufiihren,  dass  die  Mollusken  aus  zwei  Keimblattern  und 
eineni  Mesenchym  zwischen  denselben,  die  Brachiopodcn  aber  aus 
vier  Keimblattern  entstehen.  In  wie  hohem  Maasse  die  Aehnlich- 
keit  zwischen  beiden  Abtheilungen  eine  rein  ausserliche  ist,  das 
lasst  sich  selbst  aus  der  Lage  und  feineren  Structur  der  Schalen 
darthun.  Denn  wahrend  die  Mollusken  eine  linke  uud  eine  rechte 
Schale  haben,  besitzen  die  Brachiopodcn  eine  dorsalc  und  eine 
ventrale.  Auch  ist  die  histologische  Structur  der  beiderlei  Schalen 
eine  ganz  verschiedene. 

Nach  diesen  Auseinandcrsetzungen  versteht  es  sich  ganz  von 
selbst,  dass  die  Brachiopodcn  von  den  Mollusken  abgetrennt  wer- 
den nitissen,  und  dass  beide  vollkommen  verschiedene  Entwick- 
lungstyi>en  rephlsentiren.  Es  ist  das  Verdicnst  von  Steeustrup 
(90)  dies  zuerst  und  zwar  schon  ini  Jahre  1847  erkannt  und  eine 
Verbindung  der  Brachiopodcn  mit  den  Anneliden  gesucht  zu  ha- 
ben. Unabhangig  von  ihm  hat  neuerdings  Morse  denselben  Weg 
eingeschlagen  und  hat,  man  kann  sagen,  die  Frage  zur  Entschei- 
dung  gebracht,  indem  er  mit  vielem  Geschick  und  bis  in's  Ein- 
zelne  die  Anatomic  der  Brachiopodcn  mit  derjenigen  der  Mollus- 
ken und  Wiirmer  verglichen  und  hierbei  iiberall  Verschicdenheit 
von  den  Mollusken  und  Uebereinstimmung  mit  den  Anneliden  nach- 
gewiesen  hat.  Auch  Gcgenbaur  nimmt  den  Standpunct  von 
Steenstrup  und  Morse  ein  und  bemerkt  in  der  2ten  Auflage 
seines  Grundrisses  (159),  dass  die  Brachiopodcn  mit  den  Mollusken 
wenig  mehr  als  den  Besitz  einer  vom  Molluskengehause  noch  dazu 
ganz  diifercuten  Schale  gemein  haben  und  eine  kleine  und  eng  abge- 
greuzte  Abtheilung  bilden,  die  ihren  Ursprung  zum  Stamme  der 
Wiirmer,  speciell  der  Chaetopoden,  zuruck  verlblgen  lasst. 


Die  Coelomtheorie.  43 


2.     Die  Enteropneusten. 


Eine  zweitc  Thicrabtheilung,  von  welcher  mit  aller  Sicherheit 
nachgewiesen  worden  ist,  class  Ausstiilpimgeu  des  Darmkanals  die 
Grundlage  fiir  das  Mesoderm  abgeben,  siiid  die  Enteropneu- 
sten, deren  Entwicklungsgeschichte  Metschnikoff  (98),  A  gas- 
si  z  (96)  uud  Spengel  (99)  untersucht  haben. 

Verhaltnisse  liegen  hier  vor,  die  eine  frappante  Achnlichkeit 
mit  der  Entvvicklung  der  Echinodermen  darbieten.  Es  entsteht 
eine  Larve,  die  Tornaria,  welche  einer  Asteridenlarve  auffallend 
gleicht  und  daher  auch  von  Job.  Mtiller,  ihrem  Entdecker,  fiir 
eine  solche  ausgegeben  wurde  (Taf.  I  Fig.  5).  Ektoblast  und  Ento- 
blast  sind  von  einauder  getrennt  durch  ein  reichliches  Mesenchym 
mit  sternformigen  Zellen,  von  welchen  einzelne  sich  zu  contractilen 
Faserzellen  diflferenziren ,  "die  wahrend  des  Larvenlebens  Veriinde- 
rungen  der  Oberflache  bewirken  konnen.  Wie  bei  den  Echino- 
dermen stulpen  sich  dann  aus  dem  Euddarm  ein  linkes  und  ein 
rechtes  Blaschen  (c)  aus  „die  lateralen  Scheiben",  welche  dem 
Darmkanal  diclit  anliegen  und  einen  kleinen  Hohlraum  enthal- 
ten.  Von  den  Blaschen  schniiren  sich  noch,  wie  Metschni- 
koff vermuthet,  nach  vorn  zwei  Zellenmassen  ab,  welche  platt- 
gedriickt  sich  den  beiden  Seiten  des  Magens  dicht  anschmiegeu, 
solid  sind  und  als  laterale  Flatten  {h)  bezeichnet  werden.  Spii- 
ter  umwachsen  die  beiden  Paare  von  lateralen  Zellenmassen  den 
Darmkanal,  wobei  sich  ihre  innere  Schicht  in  das  Darmfaserblatt 
uud  die  ilussere  in  das  Hautfaserblatt,  welches  die  Muskeln  liefert, 
umwandelt.  Aus  dem  vorderen  Paar  geht  die  Leibeshohle  des 
Kragens  und  aus  dem  hinteren  Paar  die  Leibeshohle  des  Rumpfes 
hervor. 

Wenn  wir  jetzt  noch  einen  Blick  auf  die  Anatomie  des  aus- 
gebildeten  Thieres  werfen,  iiber  welche  uns  Kowalevsky  (97) 
berichtet,  so  treten  hier  die  Beziehungen  zu  den  Enterocoeliern 
woniger  deutlich  hervor,  was  zum  Theil  vielleicht  daran  liegt,  dass 
unsere  Kenntniss  vom  Bau  noch  nicht  erschopfeud  genug  ist. 
Doch  mag  wenigstens  der  Punkt  hervorgehoben  werden,  dass  beim 
Balanoglossus  der  Darmkanal  am  Hautmuskelschlauch  durch  ein 
dorsales  und  ein  ventrales  „niesenterialartigcs  Suspensorium  ganz  in 
derselbcn  Weise  wie  wir  es  bei  den  meisteu  Anneliden  antreflen", 
befestigt  ist.  Durch  dieselben  wird  auch  die  Langsmuskulatur  in 
der  Mittellinie  abgetheilt.     Ausserdem  spannen  sich  noch  bindege- 


44  0.  und  R.  Hertwig, 

webige  Ziige  zwischen  Darm-  und  Korperwand  aus,  wodurch  jeden- 
falls  das  urspriiriglicbe  Vcrhiiltniss  wieder  dnc  Abaiiderung  er- 
fahren  hat. 


3.     Die  Anneliden. 

Wahrend  cs  bei  den  Chactognatlien  und  Brachiopoden ,  den 
Echinodermen  und  Enteropneusten  durch  den  Verlauf  ihrer  Ent- 
wicklung  iiber  alien  Zweifel  sicher  gestellt  ist,  dass  wir  es  mit 
Enterococliern  zu  thun  haben,  bereitet  uns  bei  den  Anneliden  die 
Entsdieidung  der  Frage,  ob  sie  gleichfalls  zu  dem  zweiten  Typus 
der  Bilaterien  zu  rechnen  sind,  viel  grossere  Sdiwierigkeiten. 
Denn  soweit  bis  jetzt  ibrc  Entwicklung  bekannt  geworden  ist,  haben 
sich  in  keinera  Falle  hohle  Ausstiilpungen  des  Urdarms  nachwei- 
sen  lassen.  Damit  ist  nun  aber  keineswegs  die  Frage  in  negati- 
vem  Sinne  cntschieden ,  da  wir  ja  wissen,  wie  haufig  im  Ver- 
lauf der  Entwicklung  Organe,  die  ihrer  Bestimmung  und  ihrer 
urspriinglidien  Genese  nadi  hohl  sein  sollten,  als  solide  Zellen- 
massen  angelegt  werden.  Im  Folgenden  wird  es  also  unsere  Auf- 
gabe  sein  zu  entsdidden,  ob  etwa  bei  den  Anneliden  derartig  ab- 
geiinderte  Verhiiltnisse  vorliegen  konnten.  Zu  dem  Zwecke  haben 
wir  erstens  die  Entwicklungsgcschichte  darauf  zu  untersuchen, 
ob  tiberhaupt  den  Urdarmdivertikeln  der  Enterocoelier  vergleich- 
barc  Bildungen  angelegt  werden,  und  zweitens  haben  wir  die  Ana- 
tomie  und  Histologie  des  ausgebildetcn  Thieres  zu  beriicksichtigen 
und  zu  priifen,  in  wie  weit  hier  ahnliche  Verhaltnisse  wiederkeh- 
ren ,  wie  sie  fiir  Chaetognathen ,  Echinodermen  etc.  als  typisch 
hingestellt  werden  konnten. 

Die  Entwicklung  der  Anneliden  ist  bei  einigen  Arten 
mehr  eine  indirecte,  bei  andercn  wiederum  mehr  eine  directe. 
Die  erstere  findet  sich  namentlich  bei  Meeresanndiden,  dercn  Lar- 
ven  liingere  Zdt  ein  pclagisches  Leben  fiihren,  wahrend  die  zweite 
gewohnlich  an  solchen  Eiern  eintritt,  welche  in  derbe  Coccons 
eingeschlossen  sind. 

Bei  der  indirect  en  Entwicklung,  rait  wdcher  wir  be- 
ginneu  wollen,  sind  zwei  verschiedene  Processe  der  Me- 
sodermbilduug  zu  unterscheiden.  (Taf.  I  Fig.  6.)  Nach  Ab- 
lauf  des  Gastrulastadiums  kommt  es  zur  iippigen  Ausbildung 
eines  Mesenchyms  zwischen  den  beiden  primaren  Keimbliittern, 
welche  in  Folge  dessen  durch  einen  weiten,  theils  mit  Gailerte 
theils   mit  Fliissigkeit  erfiillten  Zwischenraum   von  einander   ge- 


Die  Coelomtheorie.  45 

trennt  werden.  In  der  Gallerte  liegen  sternformige  Zellcii  (a) 
und  aus  diesen  habcn  sich  hie  und  da  auch  einzelne  MuiAkel- 
fasern  {mm)  entwickelt,  welche  wieder  ill  rem  Ursprung  gemiiss 
uns  das  genugsam  bekaiiute  Bild  zeigeD.  Sie  siiid  in  ihrer  Mitte 
gewohnlich  mit  eiiiem  eiiizigen  Kern  versehen  und  zerfallen  an  ihren 
beiden  Enden  pinselformig  in  viele  Fixden,  welche  hie  iind  da  sich 
an  die  Kijrperwandung  anheften  und  bei  der  Contraction  Einzie- 
hungen  derselben  bewirken  miissen.  In  der  Mitte  des  Mesenchyms 
liegt  der  Darm,  dem  ein  Darmfaserblatt  und  Mesenterien  fehlen, 
dessen  Mitte  zum  Magen  erweitert  ist,  und  wolcher  durch  zwei 
Oeffnungen,  (jinen  Mund  und  einen  After,  nach  Aussen  commu- 
nicirt. 

Derartige  Anneli  denlarven  gewinnen  eine  auffal- 
lende  Aehnlichkeit  mit  den  Larven  der  Mollusken, 
was  schoii  von  vielen  Forschern  hervorgehoben  woi'den  und  vor- 
zugsvveise  durch  die  reichhche  und  gleichartige  Entwicklung  eines 
Mesenchyms  bedingt  ist.  Wiihrend  nun  aber  das  letztere  bei 
den  Mollusken  einzig  und  allein  die  mittlere  K()rperschicht  lie- 
fert,  greift  bei  den  Anneliden  in  die  Entwicklung  ihres  Meso- 
derms noch  ein  zweiter  Process  ein,  welcher  sich  der 
Mesoblastbildung  der  Enterocoelier  vergleichen  lasst 
und  welcher  ihrem  Korper  die  charakteristischen  Eigenschaftcn 
verleiht,  durch  welche  er  sich  morphologisch  iiber  den  Mollus- 
kentypus  erhebt.  Es  entstehen  namlich  bei  den  Larven  im  Me- 
senchym  die  zwei  sogenannten  Mesoblaststreifcn  (Taf.  I 
Fig.  C)  Me),  welche  zu  beiden  Seiten  des  Enddarms  symmeti'isch 
zur  Mittellinie  zu  liegen  kommen  und  in  der  Niihe  des  Afters 
an  den  Entoblast  unmittelbar  angrenzen.  Dieselbeii  sind,  wemi 
wir  difi  Aftergegend  ausnehmen ,  von  den  beiden  priniiiren  Keim- 
bliittern ,  zwischen  welche  sie  sich  hineinschieb(ui ,  iiberall  scharf 
getrennt,  so  dass  eine  Entstehung  durch  Abspaltung  vom  Ekto- 
blast  Oder  Entoblast  ausgeschlossen  werden  muss.  Haf.  II  Fig.  14 
Me^  u.  Me^),  Sie  setzen  sich  aus  embryonalen  Zellen  zusammen, 
Avelche  dicht  aneinander  schliessen ,  mehr  und  mehr  eine  epithe- 
liale  Anordnung  annehmen  und  nicht,  wie  es  bei  der  Anlage  des 
Mesenchyms  der  Mollusken  geschieht,  sich  von  einander  ablosen 
und  in  der  Gallerte  zerstreuen.  In  der  Richtung  ihrer  Lange  sind 
die  beiden  Mesoblaststreifcn  sehr  ungleichmiissig  entwickelt;  wah- 
rend  sie  nach  dem  Kopfende  der  Larve  zu  schon  sehr  weit  difle- 
renzirt  sein  konnen,  behalten  sie  nach  dem  Schwanzende  zu  im- 
mer  mehr  einen    embryonalen  Charakter  bei   und  enden  schliess- 


46  0.  und  R.  Hertwig, 

licli  mit  eiiier  indifferenten  Wucherungszone ,  durch  welche  lange 
Zeit  das  Laiigenwachsthum  vermittelt  wird. 

Bei  den  meisten  Anneliden  (Taf.  II  Fig.  17  u.  18)  ist  die  Wu- 
cherungszone sehr  schnial  und  beginnt  nach  Hatschek  (102  u,  103) 
jederzeit  mit  einer  einzigen  grossen  Zelle,  der  sogenannten  „Urzelle 
des  Mesoderms",  welche  dem  Entoderm  am  After  dicht  anliegt.  Auf 
sie  folgen  kleinere  Zellen,  welche  erst  in  einer,  dann  in  mehreren 
Reihen  angeordnet  sind.  Mit  der  welter  fortschreitenden  Diife- 
renzirung  werden  die  beiden  Mesoblaststreifen  nach  vorn  immer 
breiter,  und  ihre  Zellen  sind  deutlich  in  zwei  Blattern  gesondert, 
die  dorsal  und  ventral  in  einander  umbiegen.  Bald  tritt  dann 
zwischen  den  beiden  Blattern  ein  Spaltraum  auf,  so  dass  ein  jeder 
Mesoblaststreifen  zu  einem  rings  geschlossenen ,  von  einem  ein- 
schichtigen  Epithel  ausgekleideten  Sacke  (Taf.  II  Fig.  14)  wird. 
Die  Mesoblastsiicke  der  beiden  Seiten  vergrossern  sich  nun  und 
umwachsen  vollstandig  den  Darmkanal,  wobei  sich  das  viscerale 
Blatt  dem  Entoblast,  das  parietale  dem  Ektoblast  fester  anlegt 
(Taf.  II  Fig.  16).  Wenn  zuletzt  in  der  dorsalen  und  ventralen 
Mittellinie  die  Wandungen  der  beiden  Sacke  aufeinandertreffen, 
verschmelzen  sie  untereinander  und  bilden  zwei  Mesenterien 
(Id  u.  lv\  durch  welche  der  Darmkanal  an  dem  Hautmuskel- 
schlauch  befestigt  und  das  Coelom  (c)  in  eine  linke  und  rechte 
Abtheilung  zerlegt  wird.  Ferner  ist  noch  zu  bemerken,  dass  bei 
den  Anneliden  die  beiden  Mesoblastsiicke  sich  nicht  als  einheit- 
liche  Raume  erhalten,  sondern  schon  friihzeitig  von  vorn  nach 
hinten  segmentirt  werden.  Durch  wiederholte  Einschniirung  zer- 
fallt  jeder  Mesoblastsack  (Taf.  II  Fig.  18)  in  zahlreiche  kleine 
Sackchen,  die  links  und  rechts  vom  Darmkanal  gelegen  einander 
von  vorn  nach  hinten  folgen.  Die  auf  einander  stossenden  Wan- 
dungen zweier  Sackchen  bilden  die  Dissepimente,  welche  zwischen 
Darm  uiid  Hautmuskelschlauch  ausgespannt  fiir  erstcren  ein  neues 
Befestigungsmittel  abgeben. 

Von  der  indirecten  Entwicklung  der  Anneliden  weicht  die 
directs  Entwicklung,  welche  unter  Anderen  bei  unseren  Lum- 
briciden  und  Hirudineen  beobachtet  wird,  nur  darin  ab,  dass  die 
Ausbildung  eines  Mesenchyms  mehr  oder  minder  unterbleibt  und 
hilufig  nur  die  beiden  Mesoblaststreifen  allein  sich  zwischen  die 
beiden  primaren  Keimbliitter  hineinschieben. 

Wenn  wir  die  hier  kurz  skizzirte  Ontogenie  der  Anneliden 
uberblicken,  dann  wird  man  uns  gewiss  darin  gern  beistimmeu, 
dass  die  Entwicklung   der  paarigeu  Mesoblaststreifen 


Die  Coelomtheorie.  '  47 

vou  der  Entwicklung  des  Meseuchyms  als  ein  besou- 
derer  Vorgang,  welclier  bei  den  Molliisken  giinzlich 
vermisst  wird,  scliarf  unterschieden  werdeii  muss. 
Dagegen  kaun  discutirt  werden,  ob  die  beiden  Mesoblaststreifeu 
der  Aiinelideu  den  paarigen  Aiisstiilpungen  des  Urdarms  zu  ver- 
gleichen  sind,  wie  sie  bei  den  Chaetognathen ,  Bracliiopoden  imd 
namentlich  bei  Echinodermen  nacbgewiesen  worden  sind.  Wir  hul- 
digen  einer  derartigen  Auffassung,  zu  dereu  Gunsten  viele  und  ge- 
wicbtige  Pimkte  geltend  gemacbt  werden  konnen.  Erstens  er- 
scheint  in  den  beiden  Mesoblaststreifeu  das  Coelom  nicht  durch 
Zusammenfluss  zahlreicber  Liicken,  wie  bei  den  Mollusken,  son- 
dern  gleicb  als  ein  einheitlicber  Raum.  Zweitens  sind  die 
durch  Spaltbildung  aus  soliden  Zellenstreifen  entstandenen  Sacke 
mit  ibren  epitbelialen  Wandungen  in  Nicbts  von  den  durch  Aus- 
stiilpung  aus  dem  Urdarm  entstandenen  Sacken  zu  unterscheiden. 
Drittens  hangen  die  Siicke  mit  dem  Hinterdarm  durch  die  Knos- 
pungszone  zusammen,  wiihrend  sie  sonst  iiberall  von  den  beiden 
primaren  Keimbliittern  getrennt  sind.  Sie  lassen  sich  so  mit 
den  Divertikeln,  welche  vomEnddarm  derLarvender 
Enteropneusten  ausgeheu,  vergleichen.  Dadurch  wu'd 
uns  die  Annahme  nabe  gelegt,  dass  sie  auch  wie  diese  durch  Aus- 
stiilpung  aus  dem  Enddarm  entstanden  und  nur  durch  den  Man- 
gel eines  Lumens  anfanglich  von  ihnen  unterschieden  sind. 

Noch  mehr  aber  als  Alles  dies  spricht  zu  Gunsten  unserer 
Ansicht  die  Tbatsache,  dass  bei  den  ausgebildeten  Anneliden  eine 
Anzahl  vou  Organen  in  einer  Weise  angelegt  sind,  welche  wir  beim 
Studium  der  Chaetognathen  und  Brachiopoden  als  typisch  fiir  die 
Abtheilung  der  Enterocoelier  glauben  nacbgewiesen  zu  haben.  Wir 
wenden  uns  daher  jetzt  zu  dem  zweiten  Gegenstand,  welchen  wir 
besprechen  wollten,  zu  der  Anatomic  und  Histologic  des 
fertigen  Thieres,  wobei  wir  hauptsacWich  auf  folgende  Ver- 
bal tnisse  zu  achten  haben:  1)  auf  die  Beschaffenheit  des  Coeloms, 
2)  auf  die  Befestigungsweise  des  Darmkanales,  3)  auf  die  Structur 
und  Anordnung  der  Muskulatur,  4)  auf  die  Beziehungeu  der  Ge- 
schlechtsorgane  zum  Coelom  und  5)  auf  das  Excretionssystem. 

1)  Das  Coelom  stellt  bei  den  meisten  Anneliden  mit  Aus- 
nabme  der  Hirudineen,  wo  es  stark  ruckgebildet  ist,  einen  an- 
sehnlichen  Hohlraum  zwiscben  Darm  und  Hautmuskelschlauch  dar. 
Durch  Dissepimente,  welche  sich  wohl  durch  Faltenbilduug  der 
Leibeswand  und  Verwachsung  mit  dem  Darmkanal  entwickelt  ha- 
ben,  ist  es  wie  bei  den  Brachiopoden  und  Chaetognathen  in  eine 


48  *  0.  imd  E.  Hertwig, 

Anzalil  hiiiter  eiiiauder  gelegener  Kammern  abgetheilt.  Es  wird 
bei  vielen  Arten  von  cubischeii  oder  cylindrisclien  Flimmerzellen 
ausgekleidet.  Mit  dem  Gefiisssystcm  steht  es  fiir  gewolinlich  — 
imd  dies  ist  zugleidi  das  iirspriingliclie  Verhalten  —  iu  keinem 
Zusammeiiliaiig.  Eine  Ausiiahnie  bilden  die  Hirudineeii  uud  viel- 
leiclit  audi  die  Gepliyreeii,  bei  welchen  sicb  secundiir  Commu- 
nicationen  entwidielt  haben. 

2)  Bei  den  urspruiigliclien  uud  niederen  Formen  der  Anne- 
lideu,  bei  Polygordius,  Protodrilus  Leuckartii,  Saccodrrus,  bei  To- 
mopteris  uud  bei  einigen  Gephyreen  wird  der  Darnikanal  durdi 
ein  dorsales  und  ventrales  Mesenterium  an  den  Hautmuskelsehlauch 
befestigt  und  das  Coelom  dadurch  in  eine  linke  und  rechte  Halfte 
zerlegt  (Taf.  I  Fig.  2).  In  den  Fallen,  wo  die  Mesenterien  felilen 
(Lumbridden ,  viele  Gephyreen),  sind  sie  im  Larvenstadium  vor- 
lianden  und  haben  sich  erst  spiiter  riickgebildet ,  indem  sie  in 
ihrer  Function  durdi  die  Dissepimente  ersetzt  worden  sind. 

3)  Die  Korpermuskulatur  stammt  vom  parietaleu  Blatte  des 
Mesoblasts  ab;  sie  entwidvelt  sich,  wie  in  einzelnen  Fallen  nach- 
gewiesen  ist,  aus  dem  Epithel  der  Leibeshohle.  Bei  Polygordius 
zum  Beispiel  werden  nach  den  Angaben  von  Hatschek  (102)  die 
Mesoblastzellen  cylindrisch  und  scheideu  an  der  Basis,  welche  dera 
Ektoblast  zugekehrt  ist,  Muskelfibrillen  aus,  welche  sich  als  con- 
tinuirliche  Gebilde  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Segmenten  hin- 
durch  verfolgen  lassen.  „Der  Quere  nach  gehoren  immer  mehrere 
Muskelfasern  dem  Bereich  einer  Zelle  an,  wahrend  der  Liinge  nach 
sich  viele  Zellen  an  dem  Aufbau  einer  Faser  betheiligen".  Die 
Schicht  der  Muskelfibrillen  triigt  daher  ihre  Matrixzellen  auf  ihrer 
inneren  Seite,  wahrend  sie  nach  Aussen  an  den  Ektoblast  an- 
grenzt,  der  sich  an  ihrer  Bildung  nicht  betheiligt  hat.  Der  gleiche 
Entwicklungsgang  bedingt  ferner  auch  bei  vielen  ausgebildeten  An- 
neliden  eine  Beschaffenheit  der  histologischen  Bestandtheile  der 
Muskulatur,  welche  an  diejenige  der  Chaetognathen  erinnert.  Zum 
Vergleich  fiihren  wir  die  Muskulatur  von  Protodrilus  und  von 
Lumbricus  an  (Taf.  I  Fig.  2  und  Taf.  Ill  Fig.  7). 

Wie  uns  Hatschek  mittheilt,  besteht  die  Muskulatur  von 
Protodrilus  aus  zahlreichen  bandartig  abgeplatteten  Fibrillen,  welche 
dicht  aneinandergereiht  mit  ihren  Kanten  senkrecht  der  Haut  von 
Innen  aufsitzen.  Nach  der  Leibeshohle  zu  werden  sie  einzig  und 
allein  von  einer  diinuen  Protoplasmaschicht  bedeckt,  welche  stark 
abgeplattete  Kerne  einschliesst;  Hatschek  deutet  letztere  als 
Endothelkerue  und  unterscheidet  ausser  ihnen  noch  audere  spilrli- 


Die  Coelomtlieorie.  49 

clier  auftretende  Kerne,  welclie  der  inneren  Kante  der  Bander  an- 
liegen,  als  Myoblasten  (Taf.  I  Fig.  2), 

Eiuen  complicirteren  Bau  zeigt  die  Langsniuskulatur  von  Lum- 
bricus,  von  welcher  Clap  are  de  (100),  wie  wir  durch  eigene  Un- 
tersucliung  bestiitigen  konnen,  eine  vortreffliche  Besclireibung  ge- 
liefert  hat  (Taf.  Ill  Fig.  7).  Wir  werden  zweckmiissiger  VVeise  bei 
der  Muskulatur  des  Lumbricus  Hauptblatter  unterscheiden,  welche 
senkrecht  auf  der  Inneniiache  der  ausseren  Ringmuskelschicht 
stelien.  Jedes  Hauptblatt  setzt  sich  zusammen  1)  aus  einer  ihm 
zur  Stutze  dienenden,  diinnen,  bindegewebigen  Centrallamelle  (s),  in 
welcher  hie  und  da  einzelne  wenige  Kerne  zu  seheu  sind,  und 
2)  aus  zahlreichen  secundaren  Muskelblattern  (f),  welche  wir  den 
Muskelblattern  der  Chaetognathen  und  Archianneliden  vergleichen 
mochten.  Dieselben  sitzen  unter  schritgem  Winkel  beiden  Seiteu 
der  Centrallamelle,  wie  die  Fiedern  dem  Schaft  einer  Feder  auf. 
An  isolirten  Theilen  deutet  eine  sehr  feine  Langsstreifung,  deren 
schon  Schwalbe  (172)  gedenkt,  auf  eine  fibrillare  Zusammenset- 
zung  hin.  Hie  und  da  zwischen  den  secundaren  Blattern,  na- 
mentlich  aber  in  den  sehr  schmalen  Interstitien,  die  bei  der  eugen 
Aneinauderlagerung  der  Hauptblatter  iibrig  bleiben,  bemerkt  man 
einzelne  Kerne ,  welche  man  ihrer  ganzen  Lage  uach  als  Myobla- 
sten (niJc)  wird  auffassen  mtissen.  Sehr  beachtenswerth  ist  das  Ver- 
halten  der  Blutgefiisse,  auf  welches  Claparede  aufmerksam  ge- 
macht  hat.  Dieselben  nehmen  niimlich  einzig  und  allein  in  der 
bindegewebigen  Centrallamelle  ihren  Verlauf,  dringen  aber  niemals 
in  die  Interstitien  zwischen  den  secundaren  und  primiiren  Blattern 
ein,  in  welchen  die  Myoblasten  eingebettet  sind.  Dies  besondere 
Verhalten  der  Blutgefasse  scheiut  auch  auf  einen  epithelialen  Ur- 
sprung  der  Langsniuskulatur  hinzudeuten,  was  durch  entwicklungs- 
geschichtliche  Untersuchung  noch  festzustellen  sein  wird. 

Auch  die  Anordnuug  und  Vertheilung  der  Muskelelemente  ist 
wohl  zu  beachten.  Wahrend  die  aus  dem  Meseuchym  abstam- 
menden  Muskelfasern  der  Pseudocoelier  sich  wirr  durchkreuzen 
und  durchflechten,  herrscht  bei  den  Anneliden,  wie  bei  den  bisher 
betrachteten  Enterocoeliern,  die  grosste  Regelmassigkeit.  Die  Mus- 
kelfasern sind  parallel  zu  einander  in  Lagen  angeordnet,  deren 
Zahl  und  Machtigkeit  bei  den  einzelnen  Arteu  wechselt.  Bei  den 
niedersten  Anneliden  ist  vornehmlich  nur  eine  Langsfaserschicht 
(Taf.  I  Fig.  2)  vorhanden ,  welche  so  vollstandig  an  diejeuige  der 
Chaetognathen  erinnert,  dass  man  die  Querschnitte  durch  die  Korper 


50  0.  und  E.  Hertwig, 

der  eineu  und  der  andern  mit  einander  verwecliseln  konnte.  Man 
betraclite  uur  den  Querschnitt  eines  Polygordius,  eines  Protodrilus, 
cines  Saccocirrus  auf  der  einen  Seite  und  einer  Spadella  auf  der 
andern  Seite.  Hier  wie  dort  sieht  man  4  Felder  von  Lilugsmus- 
kelfasern,  2  dorsale  und  2  ventrale,  welclie  oben  und  unten  durch 
die  Mesenterien  des  Darmkanals,  links  und  rechts  durcli  die  Sei- 
tenlinien  von  einander  geschieden  sind.  Dazu  gesellt  sicli  noch 
eine  die  ventralen  Felder  bedeckende  Lage  von  Quermuskelfasern, 
welche  von  uns  aucli  bei  Spadella  aufgefunden  wurden,  wahrend 
sie  bei  anderen  Chaetognathen  feblen  (Taf.  I  Fig.  2  und  3). 

4)  Das  Urogenitalsystem  zeigt  bei  den  Anneliden  die  fiir  die 
Enterocoelier  hervorgehobenen  Beziehungen  zur  Leibcshohle.  Wie 
bei  den  Chaetognathen  (Taf,  I  Fig.  3)  entwickeln  sich  die  milnn- 
lichen  und  die  weiblichen  Geschlechtsproducte  (e)  aus  dem  Epithel, 
welches  die  parietale  Wand  der  Leibeshohle  bedeckt;  bei  niederen 
Formen  (Polygordius,  Tomopteris  ,  Alciope,  Gephyreen  etc.)  be- 
halten  sie  sogar  ihre  urspriingliche  Lage  an  ihrer  Bildungsstatte 
(Taf.  I  Fig.  2)  bei  und  fallen  bei  der  Reife  direct  in  den  Binnenraum 
eines  Segmentes,  welches  somit  gleich  dem  Schwanzsegment  der 
Chaetognathen  und  der  Leibeshohle  der  Brachiopoden  zu  einem 
Behillter  fiir  die  Geschlechtsproducte  wird.  Indem  sich  manniiche 
und  weibliche  Geschlechtsdriisen  gleich  verhalten,  bieten  uns  die 
namhaft  gemachten  Arten  der  Anneliden  sogar  noch  urspriingli- 
chere  Zustiinde  dar,  als  die  Chaetognathen,  bei  welchen  ja  der 
genetische  Zusammenhang  mit  dem  Coelomepithel  nur  fiir  die 
Spermatozoen  auch  beim  erwachsenen  Thiere  erkennbar  ist,  wah- 
rend die  Ovarien  sich  friihzeitig  zu  rohrenformigen,  gegen  die  Lei- 
beshohle abgeschlossenen  Organen  mit  besonderen  Ausfiihrgiingen 
gestalten.  Eine  ahnliche  weitere  Differenzirung  findet  auch  bei 
manchen  Anneliden,  wie  den  Oligochaeten,  Hirudineen  etc.  statt, 
bei  welchen  sowohl  die  Ovarien  als  auch  die  Hoden  zu  blaschen- 
oder  rohrenformigen  Gebilden  geworden  sind  und  vom  Coelom 
sich  vollstiindig  losgcliist  haben.  Doch  das  sind  Metamorphosen, 
die  aus  den  niederen  Zustanden  der  anderen  Gliederwiirmer  zwei- 
fellos  erst  hervorgegangen  sind  und  daher  den  Werth,  welchen  wir 
den  primitiveren  Einrichtungen  bei  der  Erklarung  des  vorliegen- 
den  Problems  glaubcu  beimessen  zu  miissen,  auch  uicht  im  Ent- 
ferntesten  herabzusetzen  vermogen. 

5)  Die  Excretionsorgane  endlich  stellen  rohrenformige  Durch- 
brechungen  der  Leibeswand  dar,  welche  den  Binnenraum  des  Coe- 
loms   mit   dem   umgebenden   Medium   in  Verbindung    setzen   und 


Die  Coelomtheorie.  51 

gleiclizeitig  aucli  zur  Eutleerung  der  Gesclilechtsproducte  dienen. 
Das  A  lies  erinnert  an  die  bei  den  Brachiopoden  beschriebeuen 
Zustiiude  und  an  die  Art  und  Weise,  wie  bei  den  Chaetoguathen 
das  Sperma  aus  dem  Schwanzsegment  durch  das  Vas  deferens  ent- 
leert  wird,  welches  sich  morphologisch  einem  Segmeutalorgan  reclit 
gut  vergleiclien  lasst,  weun  es  auch  eine  secretorische  Function 
als  Mere  nicht  ausiibt.  Die  Bezieliung  der  Segmentalorgane  zur 
Leibeshohle  und  durch  deren  Vermitteluug  zu  den  Geschlechtsor- 
ganen,  mit  einem  Wort,  die  Existeuz  eines  Urogenitalsystems,  wird 
nur  bei  den  Enterocoeliern,  dagegen  weder  bei  den  Rotatorien  noch 
den  Bryozoen,  weder  bei  den  Plathelminthen  noch  den  Mollusken, 
den  Vcrtretern  des  ersten  Typus,  jemals  beobachtet.  Bei  diesen 
fiihren  stets  die  Driisen,  welche  die  Geschlechtsstoffe  produciren, 
direct  in  eigene,  oft  sehr  complicirt  beschaffene  Ausfuhrwege.  Die 
Excretionskanale  stehen  ausser  jedem  Zusamnienhang  mit  den  Ge- 
schlechtsorganen,  welche  weder  vom  Epithel  des  Schizocoels  abstam- 
men  noch  auch  Eier  und  Samen  bei  der  Beife  in  dasselbe  ent- 
leeren. 

Wenn  wir  jetzt  noch  einmal  die  hervorgehobenen  entwicklungs- 
geschichtlichen  und  anatomischen  Befunde  der  Anneliden  liber- 
blicken  und  kurz  zusammenstellen,  das  Vorhandensein  zweier  Me- 
senterien  am  Darmkanal,  das  Flimmerepithel  der  Leibeshohle,  die 
Genese  der  Rumpfmuskulatur  aus  dem  Epithel  der  Leibeshohle, 
ihren  feineren  Bau  und  ihre  Anordnung,  dann  die  Genese  der 
Geschlechtsproducte  aus  dem  Coelomepithel ,  ihre  Entleerung  in 
die  Leibeshohle  und  aus  dieser  in  die  Excretion sorgane,  wenn  wir 
dies  Alles  liberblicken  und  mit  den  gleichen  Einrichtungen  der 
Chaetoguathen  und  Brachiopoden  vergieichen,  so  gewiunt  unsere 
Hypothese,  dass  die  Leibeshohle  der  Anneliden  ein  Enterocoel  ist, 
und  dass  die  beiden  Mesoblaststreifen  der  Larven  Urdarmdiver- 
tikeln  entsprechen,  einen  sicheren  Gruud  und  Boden.  Damit  ist 
aber  auch  zugleich  das  wichtigste  Hinderniss  hinweggeraumt,  wel- 
ches bisher  der  von  Steenstrup,  Morse  und  Gegenbaur  an- 
genommeuen  Verwandtschaft  der  Brachiopoden  und  Anneliden  ent- 
gegengestandeu  hat.  Beide  gehoren  zu  dem  Haupttypus  der  En- 
terocoelier. 


4.    Die  Nematoden.  * 

Schwieriger  als  bei  den  Anneliden  ist  bei  den  Nematoden  die 
Frage  zu  entscheiden,   ob  sie  zu  unserem  zweiten  Typus  hinzuge- 

4* 


52  0.  und  R,  Hertwig, 

rechnet  werden  diirfen.  Einerseits  ist  ihre  Entwicklung  auf  die 
fur  uns  wichtigen  Punkte  noch  nicht  geniigend  untersucht,  anderer- 
seits  gibt  uns  audi  der  Bau  und  die  Beziehung  der  Organe  zu 
einander  weniger  Anhaltspunkte  als  bei  den  Anneliden. 

Noch  am  besten  sind  die  ersten  Entwicklungsvorgange  vom 
Cucullanus  elegans  bekannt,  iiber  welchen  eine  Arbeit  von  Biitschli 
(76)  erschienen  ist.  Wie  auch  bei  anderen  Nematoden,  entsteht 
durch  Invagination  eine  Gastrula,  welche  erst  flach  ist,  dauu  sich 
niehr  in  die  Liinge  streckt  und  einen  engen  Urmund  erhalt.  Von 
dem  Rand  des  letzteren  nimmt  der  Mesoblast  seinen  Ursprung  als 
eine  diinne  Zellenlage,  die  vom  Entoblast  abstamrat,  sicli  zwischen 
die  primaren  einschichtigen  Keimblatter  liineinschiebt  und  sich 
allmiihlich  nach  dem  entgegengesetzten  Eude  zu  ausdehnt.  Das 
Weitere  ist  nicht  bekannt. 

Es  friigt  sich  nun,  ob  die  Zellenschicht  doppelt  und  durch 
Ausstiilpuug  vom  Urdarm  gebildet  worden  ist.  Biitschli  hatte, 
wie  er  selbst  bemerkt,  litngere  Zeit  geglaubt,  dass  dies  der  Fall 
sei,  dass  der  Mesoblast  „durch  einen  im  vorderen  Abschnitt  des 
inneren  Blattes  statthabenden  Faltungsprocess  sich  anlege",  hatte 
aber  diese  Vermuthung  bei  naherer  Einsicht  fallen  lassen.  Wir  moch- 
ten  jetzt  auf  dieselbe  doch  wieder  zuruckkommen.  Wer  die  Em- 
bryonen  der  Nematoden  aus  eigener  Anschauung  kennt,  weiss,  wie 
klein  dieselbeu  und  ihre  Elementartheile  sind,  und  wie  schwierig 
es  sein  kann,  auf  dem  optischen  Durchschnitt  zu  bestimmen,  ob 
eine  Zellenlage  einfach  oder  doppelt  ist.  Auf  jeden  Fall  weicht 
die  Entwicklung  der  Nematoden  von  derjenigen  der  Mollusken  darin 
ab,  dass  der  Mesoblast  eine  zusammenhangende  vom  Urmund  aus 
beginnende  Zellenschicht  darstellt  und  dass  die  Zellen  sich  nicht 
zerstreuen  und  ein  Mesenchym  bilden. 

Im  Uebrigen  ist  bei  den  Nematoden,  wie  bei  den  Anneliden, 
die  Anatomie  und  Histologic  fiir  unser  Urtheil  mehr  bestimmend 
gewesen  als  die  luckenhafte  Kenntniss  ihrer  Entwicklungsgeschichte. 
Das  Coelom  stellt  einen  schmalen  spaltformigen  Hohlraum  dar, 
welcher  die  Korperwand,  den  Darm  und  die  Geschlechtsorgane 
derart  trenut,  dass  sie  sich  beim  Zerschneiden  des  Thieres  auf 
das  Leichteste  von  einander  loslosen.  Nach  Aussen  wird  das  Coe- 
lom unmittelbar  vom  Muskelschlauch  begreuzt,  welcher  analoge 
Verhaltnisse  wie  bei .  den  Chaetognathen  und  niederen  Anneliden 
aufweist.  Er  setzt  sich  namlich  aus  einzelnen  grossen,  langge- 
Streckten  Muskelzellen  zusammen,  welche  in  einer  einfachen  Schicht 


Die  Coelomtheorie.  53 

unter  einander  zu  eicer  Art  Epithel  verbunden  sind  (Taf.  Ill 
Fig.  18). 

Jede  Maskelzelle  besteht  aus  eiuem  protoplasmatischen  Theil, 
welcher  dem  Coelom  zugekehrt  ist  und  oft  hockerartig  in  das- 
selbe  hineinspringt ,  und  aus  contractiler  Substanz,  welche  nach 
der  Hypodermis  zu  ausgesdiieden  worden  ist  und  sich  in  zalil- 
reiche  glatte  Fibrillen  zerlegen  liisst.  Diese  verlaufen  imnier  in  lon- 
gitudinaler  Eichtung  parallel  zu  einander,  liegen  in  einer  einfachen 
Schicht  und  sind  von  der  contractilen  Substanz  benadibarter  Zel- 
len  scbarf  abgegrenzt,  wodurch  eine  vollstandige  Isoliruug  der 
Muskelelemente  moglicb  ist.  In  der  Anordnung  der  Fibrillen 
herrscht  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  bei  den  verschiedenen  Arten. 
Das  einfachste  und  ursprilngliche  Verhalten  ist,  dass  die  Fibrillen 
des  gesammten  Muskelepithels  unter  der  Hypodermis  in  einer 
Flache  ausgebreitet  sind  und  so  einen  Cylindermantel  erzeugen. 
Eine  Abanderung  tritt  ein,  sowie  die  contractile  Substanz  an 
Masse  zunimmt.  Alsdann  faltet  sich  die  zu  je  einer  Zelle  gehorige 
Fibrilleiilage  zu  einer  Rinne  ein,  deren  nach  dem  Coelom  zu  ge- 
offnete  Hohlung  von  dem  formativen  Protoplasma  ausgefiillt  wird 
(Taf.  Ill  Fig.  18).  In  Folge  dessen  erscheint  die  urspriinglich 
glatt  ausgebreitete  Fibrillenschicht  des  ganzen  Muskelepithels  den 
einzeluen  Myoblasten  entsprechend  vielfach  gefaltet.  Je  nach  den 
Arten  konnen  die  Falten  bald  niedriger,  bald  hoher  sein.  Wenu 
der  Vermehrungsprocess  der  contractilen  Substanz  noch  weiter 
fortschreitet,  so  schliessen  sich  die  Rinnen  zu  von  links  nach 
rechts  platt  gedriickten  Rohren ,  deren  Mantel  von  parallelen  lon- 
gitudinalen  Fibrillen  gebildet  wird.  Ihr  Innercs  enthiilt  den  pro- 
toplasmatischen Theil,  welcher  gewohnlich  durch  eine  Oeffnung  in 
der  Mitte  der  Rohre  noch  in  die  Leibeshohle  heraustritt  und  als 
beutelformiger  Anhang  beschrieben  wird.  Gewohnlich  besitzt  die 
einzelne  Muskelzelle  einen  eiuzigen  grossen  ovalen  Kern  und  nur 
in  seltenen  Fallen  zahlreiche  kleinere  Kerne. 

Im  Allgemeinen  beobachten  wir  also  bei  den  Nematoden  ahn- 
liche  Umbildungsprocesse  der  Muskulatur,  wie  bei  den  Coelenteraten, 
Chaetognathen  und  Anneliden.  Die  Aehnlichkeit  von  Durchschnitten 
ist  zuweilen  eine  ganz  frappaute,  wie  z.  B.  aus  derAbbildung  her- 
vorgeht,  welche  Butschli  (75)  von  Pseudalius  inflexusgibt  (Taf.  Ill 
Fig.  11).  Wir  beobachten  ferner  dieselben  Lagerungsverhaltnisse 
der  Theile  zu  einander  wie  bei  den  Wtirmern  mit  Enterocoel,  in- 
dem  der  Hautmuskelschlauch  nur  aus  2  Epithelschichten  besteht,  aus 
einer  ausseren  unscheinbaren  Hypodermis,  welche  als  Schutzorgan 


54  0.  und  R.  Hertwig, 

die  Cuticula  iiach  Aussen  gebildet  liat,  und  aus  einem  innereu,  das 
Coelom  auskleidendeu  Muskelepitbel,  von  welchem  nach  dcr  Hypo- 
dermis  zu  die  Fibrillen  ausgeschieden  worden  sind.  Endlich  ist 
die  Langsmuskulatur  gewohnlich  audi  in  4  Felder,  2  dorsale  und 
2  ventrale  abgetheilt. 

Hinsichtlicb  einiger  anderer  Organe  mtissen  wir  es  zur  Zcit 
dahingestellt  sein  lassen,  ob  sie  nacb  dem  Typus  der  Enterocodicr 
gebaut  sind,  ob  zum  Beispiel  der  Darm  von  einem  Faserblatt, 
das  ja  nur  in  der  Form  endothelialer  Zellen  vorhanden  seiu  konnte, 
umhiillt  wird,  ob  ferner  die  Geschleditsorgaue  vom  Epithel  des 
Coeloms  abstammen.  Da  wir  iiber  diese  wichtigen  Punkte  noch 
nicht  aufgeklart  sind,  so  geschieht  es  von  uns  nur  mit  Vorbehalt, 
weun  wir,  bestimmt  namentlich  durch  die  Beschaffenbeit  der  Mus- 
kulatur,  in  dem  vorliegenden  Aufsatz  den  Nematoden  einen  Platz 
in  unserem  zweiten  Typus  anweisen. 

5.    Die  Wirbelthiere. 

Vor  wenigen  Jabren  hat  uns  Kowalevsky  (146)  mit  einem 
iiberaus  wichtigen  Vorgang  in  der  Entwiddung  des  Amphioxus  be- 
karint  gemadit;  iudem  er  Sdinitte  durch  erhilrtete  Larvcn  anfer- 
tigte,  konnte  er  zeigen,  dass  der  Mesoblast  und  die  Leibeshohle 
in  iihnlicher  Weise  wie  bei  den  Chaetognathen  angelegt  werden 
(Tafel  II  Figur  13).  Zur  Zeit,  wo  sich  das  Nervenrohr  ent- 
wickelt  und  die  Chorda  sich  vom  Eutoblast  ablost,  bildet  der  Ur- 
darm  nahe  am  aboralen  Pol  der  Gastrula  2  Aussackungen ,  die 
links  und  rechts  von  Chorda  und  Nervenrohr  nach  oben  zu  liegen 
kommen.  Noch  wahrend  dieselben  sich  abschnuren,  entstehen 
hinter  ihnen  in  gleicher  Weise  successive  neue  Aussackungen,  die 
ebenfalls  allmahlich  selbstandig  werden.  Durch  diesen  Vorgang 
zerfallt  der  Urdarm  in  den  bleibendcn  Darm  und  in  2  Reihen 
hinter  einander  gdegener  Sackchen,  die  als  Urwirbel  bezeichnet 
werden.  Letztere  umvvachsen  nach  und  nach  den  Darm  und  bil- 
den  sich  einerseits  in  die  scgmentirten  Muskelmassen,  anderer- 
seits  in  das  Darmfaserblatt  um.  Auch  vermuthet  Kowalevsky, 
dass  die  Urwirbelhohlen  zum  Coelom  werden.  Die  Richtigkeit  sei- 
ner Angaben  ist  soeben  auch  von  Hatschek  (59)  vollkommen 
bestatigt  worden  in  einem  Aufsatz,  der  uber  die  Entwicklungsge- 
schichte  von  Teredo  handelt. 

Da  nun  Amphioxus  als  das  niedrigst  organisirte  Wirbelthier 
unter  alien  Angehorigcn  des  Stammes  jedenfalls  den  ursprunglich- 
sten  Verlauf  der  Entwicklung  bewahrt  hat,   so  erwachst  hieraus 


Die  Coelomtheorie.  55 

fiir  den  Einbryologeii  von  selbst  die  Auffordening,  von  den  neu 
gewonuenen  Gesichtspunkten  aus  auch  bei  den  Cranioten  die  Ge- 
ncse  des  Mesoblasts  von  Neuem  zu  untersuclien. 

Wenn  wir  die  an  Widerspriichen  so  reiche  Keimblatt-Literatur 
iiberblicken ,  so  hat  sich  in  den  letzteu  Jahren  ein  wichtiger 
Fortschritt  vollzogen.  Die  friiher  am  weitesten  verbreiteten  An- 
sicliten,  dass  das  mittlere  Keimblatt  ein  Abspaltungsprodiikt  des 
Ektoblasts  oder  des  Eutoblasts  oder  beider  zusammen  sei,  wird 
jetzt  mehr  und  mehr  als  irrig  erkannt,  iind  die  besten  neueren 
Arbeiten,  welche  sich  auf  verschiedene  Wirbelthierclassen  erstrecken, 
fiihreu  zu  dem  Ergebniss,  dass  das  mittlere  Keimbhitt  von  ciner 
bestimmten  Region  der  Embryonalanlage,  von  der  Primitivrinne, 
aus  entsteht  und  von  hier  zwischen  die  beiden  primaren  Blatter, 
ohne  dass  sich  von  ihnen  Zellen  abspalten,  hineinwachst.  Ueber 
den  genaueren  Modus  der  Entw^icklung  weichen  freilich  auch  dann 
noch  die  einzelnen  Forscher  sehr  bedeutend  von  cinander  ab. 
Kolliker  (144,  145)  litsst  zu  beiden  Seiten  der  Primitivrinne 
Zellenmassen,  die  vom  Ektoblast  abstammen,  sich  zwischen  diesen 
und  den  Entoblast  hineinschieben.  Kupffer  (147)  bezeichnet  den 
Gastrulamund  als  den  Ort,  von  welchem  der  Process  der  Meso- 
blastbildung  ausgehe,  und  schliesst  sich  den  Angaben  an,  die 
Rabl  (68,  69)  und  Hatschek  (102j  von  Wirbellosen  gemacht 
haben.  Wichtige  Ergebnisse  gewann  Balfour  (lo2)  beim  Studium 
der  Ontogenese  der  Elasmobranchier ,  iudem  er  zeigte,  dass  der 
Mesoblast  vom  unteren  Keimblatt  und  zwar  vom  Urmund  aus  in 
Form  zweier  in  der  Mittellinie  getrennter  Massen  angelegt  werde. 
Seine  Darstellung  hat  in  zwei  kiirzlich  erschienenen  beachtens- 
werthen  Arbeiten  von  Scott  und  Osborn  (151)  und  von  Bambeke 
(133),  welche  die  Entwicklung  der  Tritonen  untersucht  haben,  eine 
Bestiitigung  gefunden. 

Balfour  hat  zugleich  aberauch  das  Verdienst,  eine  neue 
Hypothese  iiber  die  Genese  des  Mesoblasts  der  Wirbelthiere  im 
Anschluss  an  die  bedeutenden  Entdeckungen  K ow ale v sky's  auf- 
gestellt  zu  haben.  Bei  verschiedenen  Gelegeuheiten  (131,  132)  hat 
er  die  Ansicht  wahrscheinlich  zu  machen  gesucht,  dass  die  paarig 
auftretenden  Mesoblaststreifen  der  Wirbelthiere  als  paarige  Aus- 
sttilpungen  des  Urdarms  zu  betrachten  seieu,  dass  die  Leibeshohle 
daher  in  derselben  Weise  wie  bei  dem  Amphioxus  und  den  Chac- 
tognathen  ein  Enterocoel  sei. 

Fiir  Balfour's  Hypothese  glauben  Avir  jetzt  beweisende  Be- 
obachtungen  mittheilen   zu  konnen.    Kachdem  wir  durch  eigene 


56  0,  und  K.  Her  twig, 

Beobachtungen  mit  den  interessanteu  Verlialtnisseii  der  Sagit- 
ten  bekannt  geworden  waren,  iiahmeii  wir  die  Entwickluugsge- 
schiclite  der  Wirbelthiere  (142)  in  Angriflf,  in  der  Voraussicht,  hier 
eine  analoge  Genese  des  Mesoblasts  nachweisen  zu  konnen,  fiir 
welche  eine  Summe  vergleichend  anatomischer  und  entwicklungs- 
geschichtlicher  Momente  zu  sprecheu  schien.  Die  Uutersucliungen 
wurden  auf  mehrere  Objecte  ausgedehnt,  unter  welcben  die  Am- 
phibien  die  beweiseudsten  Resultate  geliefert  haben.  Indem  wir 
es  uns  vorbehalten,  anderen  Ortes  eine  ausfiibrlicbe  Darstellung 
der  beobachteten  Erscbeinungen  zu  geben,  wollen  wir  bier  in 
Kiirze  nur  die  Punkte  hervorbeben,  welcbe  uns  darzutbun  scbei- 
nen,  dass  der  Mesoblast  der  Wirbeltbiere  durch  Einfaltung  aus 
dem  Entoblast  entsteht  und  die  Leibesboble  von  Divertikeln  des 
Urdarms  abstammt. 

Bei  den  boloblastiscben  Eiern  der  Tritonen,  welcbe  wir  un- 
serer  Scbilderung  zu  Grunde  legen  wollen,  entAvickelt  sicb  wie 
beim  Froscbei  durch  Invagination  eine  typiscbe  Gastrula,  deren 
Urmund  erst  als  runder  Blastoporus,  dann  als  enger  Scblitz  noch 
lange  Zeit  am  hinteren  Ende  des  Embryo  erkennbar  ist.  Von  den 
beiden  primaren  Blattern  der  Gastrula  (Taf.  II  Fig.  9  u.  10)  setzt 
sicb  der  Ektoblast  (Eh)  aus  einer  einfacben  Scbicht  bober  Cylin- 
derzellen  zusammen ,  welcbe  sebr  regelmiissig  und  fest  aneinan- 
dergefiigt  sind,  der  Entoblast  (En)  dagegen  zeigt  in  den  ver- 
schiedenen  Regionen  des  Embryo  eine  abweichende  Bescbaffenbeit. 
Wahrend  nach  vorn  und  am  Riicken  die  Entoblastzellen  in  einer 
einfacben  Lage  angeordnet  sind,  ist  an  der  Seite  und  ventralwarts 
das  innere  Blatt  erbeblich  verdickt,  indem  grosse  Dotterzellen 
vielfacb  iiber  einander  liegen  und  eine  btigelartig  vorspringende 
Masse  darstellen ,  welcbe  zum  Theil  den  Gastrulamund  verlegt 
und  den  Urdarm  bis  auf  einen  Hoblraum  im  oberen  und  vorderen 
Theil  des  Eies  einengt.  Die  beiden  Blatter,  welche  an  den  Lip- 
pen  des  Urmundes  in  einander  iibergehen,  bleiben  durch  einen 
schmalen  Spalt  sebr  lange  von  einander  getrenut,  so  dass  sicb  leicht 
das  eine  vom  anderen  ablosen  lasst;  eine  Ausnahme  macht  nur 
ein  kleiner  Streifen  in  der  dorsalen  Mittellinie,  wo  spater  die 
Primitivrinne  erscheint  (Taf.  II  Fig.  10  Enc).  Hier  sind  die  En- 
toblastzellen mit  dem  ausseren  Keimblatt  fester  verlothet,  sie  neh- 
men  eine  cylindrische  Gestalt  an  und  schliessen,  wahrend  sie  an- 
derwjirts  unregelmassig  und  locker  zusammengefiigt  sind,  zu  einem 
regelraitssigen  Epithel  aneinauder.  Wir  wollen  in  Zukunft  den  so 
gekennzeichneten  Streifen  cylindrischer  Zellen  seiner  weiteren  Be- 


Die  Coelomtheorie.  57 

stimmimg  gemass  als  Chordaentoblast  von  dem  iibrigeu,  aiis  gros- 
seren  und  inelir  polygoualen  Elementeu  bestehenden  Theil  oder 
dem  Darmentoblast  imtersclieiden. 

Die  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes  (Me)  macM  sich 
sehr  Mh,  schou  zu  eiuer  Zeit  bemerkbar,  in  welcher  die  Fur- 
cliungsliolile  durcli  den  Invaginationsprocess  noch  nicht  ganz  ver- 
drangt  und  daher  die  Gastrula  noch  nicht  vollendet  ist;  sie  nimmt 
ihren  Ausgang  allein  von  den  Lippen  des  BLastoporus  (Taf.  II 
Fig.  9t0,  von  welcheu  aus  sich  linker-  und  rechterseits  je  eine 
kleinzellige  Masse  (Me)  zwischen  die  beiden  primaren  Kcimblat- 
ter  hineinschiebt,  um  sich  von  hier  aus  nach  vorn  und  ventral- 
warts  weiter  auszudehnen.  Am  Mesoblast  sind  von  Anfang  an 
wenigstens  zwei  Lagen  von  Zellen,  von  welchen  die  eine  an  den 
Ektoblast,  die  andere  an  den  Entoblast  angrenzt,  zu  unterschei- 
den  und  als  parietales  und  viscerales  Blatt  (Me^  und  Me^)  zu 
benennen.  Beide  sind  gewohnlich  fest  auf  einander  gepresst,  und 
nur  zuweilcn  konnte  vom  Blastoporus  aus  ein  schmaler  Spalt  eine 
kleine  Strecke  weit  zwischen  sie  hinein  verfolgt  werden.  Die  Meso- 
blastzellen  sind  klein  und  oval  und  weichen  in  Grosse  und  Ge- 
stalt  sowohl  von  den  hoheu  Cylinderzellen  des  Ektoblasts  als  auch 
von  den  grossen,  polygonalen  oder  ovalen  Dotterzelleu  des  Ento- 
bhxsts  nicht  unerheblich  ab.  Ferner  sind  sie  von  Anfang  an  und 
auch  spiiter  iiberall  scharf  und  deutlich  von  den  beiden  prima- 
ren Keimblattern  abgcgrenzt,  so  dass  eine  Entstehung  durch  Ab- 
spaltung  ganz  und  gar  ausgeschlossen  werden  muss.  Eine  Aus- 
nahme  macht  nur  die  Umgebung  des  Blastoporus.  Hier  geht  das 
parietale  Blatt  des  Mesoblasts  am  Rand  der  Urmundlippen  in  den 
Ektoblast,  das  viscerale  Blatt  dagegen  geht  in  die  Masse  der 
Dotterzelleu  liber  an  einer  Stelle,  wo  dieselben  sich  durch  Thei- 
lung  in  kleinere  Elemente  umgewandelt  haben.  In  dieser  Stelle 
mochten  wir  eine  Wucherungszone  erblicken,  welche  das  Zellen- 
material  zum  Wachsthum  des  Mesoblasts  liefert. 

Wie  schon  bemerkt,  wird  der  Mesoblast  von  Anfang  an  bei 
seinem  Wachsthum  vom  Blastoporus  aus  in  Form  paariger  Strei- 
fen  angelegt,  welche  sowohl  ventral  als  dorsal  in  keinem  Zusam- 
menhang  untereinander  stehen.  Dorsal  (Taf.  II  Fig.  10)  schiebt 
sich  zwischen  beide  der  Chordaentoblast  (Enc)  trennend  dazwi- 
schen.  Soweit  dersclbe  reicht,  ist  die  Wandung  der  Embryonal- 
form  verdiinnt  und  nur  aus  den  beiden  primaren  Bliittern  zu- 
sammengesetzt ,  wahrend  sie  links  und  rechts  von  ihm  verdickt 
ist  und  in  Folge  der  Anlage  des  Mesoblasts  aus  4  Blattern  be- 


58  0.  und  R.  Hertwig, 

stelit:  iiach  Aussen  aus  dem  cylinderzelligen  Ektoblast,  nach  Iiinen 
aus  dem  grosszelligeu  Darmentoblast  uud  zwischen  beiden  aus  dem 
parietalen  uud  visceralen  Blatt  des  Mesoblasts.  Die  beiden  letz- 
teren  siud  auch  hier  von  den  angreuzenden  primaren  Keimblat- 
tern  wieder  deutlicli  abgegrenzt  bis  auf  die  Gegend  zu  beiden 
Seiten  des  Chordaentobiasts.  Hier  hangt  das  parietale  Blatt  mit 
dem  cylinderzelligen  Cliordaeutoblast  zusammeu,  das  viscerale 
aber  sclilagt  sicli  in  den  Darmentoblast  um. 

Aus  den  mitgetheilten  Beobacbtungen  geht  hervor,  dass  das 
mittlere  Keimblatt  nicht  einer  Abspaltung,  sondern  einem  Einfal- 
tungsprocess  sein  Dasein  verdaukt,  und  zvvar  beginnt  die  Einfal- 
tung  zu  beiden  Seiten  des  Blastoporus  und  setzt  sich  von  hier 
links  und  rechts  von  der  Primitivrinne  und  dem  unter  ihr  gelege- 
nen  Chordaentoblast  weiter  nach  vorn  fort.  Wiirden  wir  uns  jetzt 
die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts  aus  einander  gewichen  vorstelleu, 
so  wiirden  wir  einen  linken  und  einen  rechten  Spaltraum  erhalten, 
von  denen  jeder  mit  dem  secundaren  Darm  commuuicirt  erstens 
nach  dem  Blastoporus  zu  uud  zweitens  in  grosser  Ausdehnung  am 
Riicken  der  Larve  beiderseits  von  der  Primitivrinne.  Bei  den 
Tritonen  zerfiillt  also  der  Urdarm,  wie  beim  Amphioxus,  den  Chae- 
tognathen ,  Brachiopoden  etc.  durch  zwei  Falten ,  die  dorsal  und 
nach  hiuten  einen  freien  Rand  besitzen,  in  einen  mittleren  Raum, 
den  definitiven  Darm,  und  in  zv/ei  seitliche  Divertikel  oder  die 
Coelomsacke. 

Um  die  Entwicklungsgeschichte  des  Mesoblasts  uud  der  Lei- 
beshohle  zu  beeuden,  haben  wir  jetzt  noch  auf  den  wichtigen  Punkt 
einzugeheu,  wie  der  Mittelraum  oder  der  bleibende  Darm  sich  an 
der  Riickenseite  der  Larve  schliesst,  und  wie  sich  der  Entoblast 
von  den  seitlichen  Mesoblaststreifen  abtrenut.  Es  ist  dies  ein 
Process,  welcher  sich  gleichzeitig  und  in  Zusammenhang  mit  der 
Anlage  der  Chorda  dorsalis  vollzieht.  Die  Chorda  stammt  vom 
Epithel  des  Urdarms  ab,  von  jenem  Streifen  cylindrischer  Zellen, 
welcher  unter  der  Primitivrinne  gelegeu  als  Chordaentoblast  von 
uns  bezeichnet  wurde.  Derselbe  ist  Anfangs  in  einer  glatten  Flache 
zwischen  den  beiden  Anlageu  des  mittleren  Keimblatts  ausgebrei- 
tet,  spater  beginnt  er  sich  einzufalten  und  eine  Rinne  zu  bilden, 
wobei  er  sich  vom  parietalen  Blatt  des  Mesoblasts  ganz  ablost; 
die  Rinne  wandelt  sich  darauf  allmiihlich  zu  einem  soliden  Zellen- 
stab ,  der  Chorda ,  um  (Taf.  II  Fig.  \lch),  deren  untere  Flache 
noch  geraume  Zeit  an  der  oberen  Begrenzung  des  Darms  Thoil 
nimmt.    Wahrend  dieser  Vorgange  niihern  sich  die  seitlich  gele- 


Die  Coelomtheorie.  59 

genen  Zellenmassen  mehr  der  Mittellinie,  dabei  versclimelzen  das 
parietale  und  viscerale  Blatt  des  Mesoblasts  zu  beiden  Seiteu  der 
sich  entwickeludeu  Chorda  unter  eiuander  uud  trennen  sicli  einer- 
seits  vom  rinnenformigen  Chordaentoblast,  andererseits  vom  Darm- 
entoblast  ab.  Die  grossen  polygonalen  Zellen  des  letztereu  riicken 
nun  aucli  immer  mebr  von  links  und  rechts  auf  einauder  zu, 
drangen  die  uutere  Fliiche  der  Chorda  aUmahlich  von  der  Begren- 
zung  des  Darms  ab  und  bewirken  endlich,  indem  sie  verschmel- 
zen,  den  dorsalen  Abschluss  des  letzteren.  Schluss  des  bleiben- 
den  Darms  an  der  Riickenseite,  Abschniirung  der  beiden  Meso- 
blastsiicke  vom  Entoblast  und  Genese  der  Chorda  dorsalis  aus 
dem  Chordaentoblast  sind  somit  Processe,  die  auf  das  Innigste  mit 
einander  verbunden  sind. 

Die  Abschntiruug  der  genannten  Theile  von  einander  beginut 
am  Kopfende  der  Larve  und  schreitet  von  hier  langsam  nach  hin- 
ten  vor,  wo  noch  lange  Zeit  eine  Neubildungszone  bestehen  bleibt, 
durch  deren  Vermittelung  das  Langenwachsthum  des  Korpers  in 
analoger  Weise,  wie  bei  den  Anneliden  durch  die  Wucherungszone 
der  Mesoblaststreifen,  bewirkt  wird.  Jetzt  ist  auch  der  Zeitpunkt 
gekommen,  auf  welchem  bei  den  Embryouen  der  Tritoneu  die  Lei- 
beshohle  sichtbar  wird.  Sowie  die  Abschniirung  der  oben  nam- 
haft  gemachten  Theile  vollendet  ist,  weichen  die  beiden  Mesoblast- 
blatter  am  Kopfende  des  Embryo  und  zu  beiden  Seiten  der  Chorda 
und  des  gieichfalls  entstandenen  Nervenrohrs  aus  einander  (Taf.  II 
Fig.  lie)  uud  lassen  ein  liukes  und  ein  rechtes  Enterocoel  her- 
vortreten,  welches  auf  den  vorhergeheuden  Stadien  nach  unserer 
Auffassung  nur  wegen  der  innigen  gegenseitigen  Beriihrung  seiner 
Wanduugeu  nicht  zu  erkennen  war. 

Um  zu  zeigen,  dass  eine  derartige  Annahme  keiue  unbegriin- 
dete  ist,  mochten  wir  hier  noch  einmal  auf  die  Eutwicklungsge- 
schichte  der  Chaetognathen  hinweiseu,  welche  in  vieler  Hinsicht 
sehr  lehrreich  ist.  Bei  den  Chaetognathen  sind  die  beiden  Meso- 
blastblatter  nur  sehr  kurze  Zeit  durch  einen  Spaltraum,  der  mit 
dem  bleibendeu  Darm  communicirt,  von  einander  getrennt;  dann 
legen  sie  sich,  wahrend  der  Embryo  sich  streckt,  ebenso  wie  die 
Darmwandungen  aneinander,  und  diese  Aneinandcrlagerung  wird  eine 
so  innige,  dass  jede  Spur  einer  Hohlung  im  wurmformigen  Korper 
schwindet,  und  dass  auf  optischen  und  natiirlichen  Querschnitten 
die  Darmanlage  und  die  seitlichen  Mesoblastmassen  vollkommen 
solid  sind.  Erst  spat  treten  die  Hohlungen  wieder  hervor,  wel- 
che schon  auf  eineni  friihen  Entwicklungsstadium ,   aber  nur  vor- 


60  0.  imd  K.  Hertwig, 

tibergeliend  bestaudeu  batten.  Und  sollen  Avir  nocb  an  weitere 
analogc  Fiille  erinnern,  so  brauchen  wir  nur  das  haufige  Auftre- 
teu  von  Gastmlaformen,  deren  Urdarmhoble  obliterirt  ist,  zu  nen- 
nen  oder  die  solide  Anlage  des  Nervenrohrs  der  Knochenfische 
Oder  die  solide  Anlage  der  meisten  Driisenschlaucbe.  In  alien 
diesen  Fallen  seben  wir,  wie  haufig  Tbeile,  die  ibrer  zukiinftigen 
Bestimniung  und  Function  nacb  bobl  sein  niiissen,  im  Entwick- 
lungsleben  sei  es  durcb  Einfaltung  oder  Ausstiilpung  als  compacte 
Zellenniassen  angelegt  werden  und  erst  spater  ibre  Hoblungen  er- 
balten. 

Dass  die  eben  gegebene  Skizze  von  der  Mesoblastbildung  der 
Wirbeltbiere  sicb  mit  den  neueren  Angaben  zablreicber  Forscber 
recbt  gut  in  den  wicbtigsten  Punkten  vereinbaren  lasst,  wollen  wir 
an  dieser  Stelle  nur  beilaufig  hervorbeben,  indem  wir  eine  ausfiibr- 
licbe  Erorterung  auf  die  spatere  Arbeit  verscbieben. 

Bis  bierbcr  baben  wir  uns  bemiibt,  an  der  Hand  der  Ent- 
wicklungsgescbicbte  auf  dem  Wege  directer  Beobacbtung  nacbzu- 
weisen ,  dass  das  mittlere  Keimblatt  aus  dem  Entoblast  durcb 
Einfaltung  eiitstebt  und  dass  die  Leibesboble  der  Wirbeltbiere  ein 
Enterocoel  ist.  Unscre  Tbeorie  findet  aber  aucb  nocb  eine  wei- 
tere Bestatigung  in  dem  anatomiscben  und  bistologiscben  Verbal- 
ten  einzelncr  Organsysteme,  welcbe  auffallende  Analogieen  zu  den 
Einricbtungen  der  Annelidcn  darbieten.  Wie  friiber  werden  wir 
daber  jetzt  nocb  successive  zu  betracbten  baben:  1.  die  Leibes- 
boble, 2.  die  Befestigungsweise  des  Darmkanals,  3.  die  Musku- 
latur,  4.  die  Gescblecbtsorgane  und  5,  das  Excretionssystem. 

1.  D  i  e  L  e  i  b  e  s  h  0  b  1  e  ist  ein  grosser,  einbeitlicber,  zwiscben 
Darm  und  Korperwand  gelegeiicr  Hohlraum,  welcber  allseitig  gegen 
das  Blutgcfasssystcni  abgescblossen  ist.  Bei  Fiscben  und  Ampbi- 
bien  wird  sie  auf  wcite  Strecken  von  einem  Flimmerepitbel  aus- 
gekleidet.  In  keinem  einzigen  Falle  entwickelt  sie  sicb  aus  einem 
Zusammenfliessen  zablreicber  einzelner  Spaltriiume  im  Mesencbym, 
sondern  erscbeint  sebr  friib  in  Form  zweier  mit  epitbelialen  Wan- 
dungen  versebener  Siicke,  welcbe  bald  ventralwarts  in  Communi- 
cation treten.  Dadurcb  stellt  sie  sicb  von  Anfang  an  in  Gegen- 
satz  zu  einer  anderen  Kategorie  von  Hoblraumen,  welcbe  im  Me- 
sencbym der  Wirbeltbiere  als  grossere  und  kleinere  I^acunen  zur 
Anlage  kommen,  Tbeile  des  Lympbgefiisssystems  sind  und  in  den  ein- 
zelnen  Staramen  der  Wirl)eltbicre  eine  sebr  verscbiedenartige  Aus- 
bildung  erreicben.  (Subcutane  Lympbraume  der  Amphibien,  Aracb- 
noideal-  und  Subaracbnoidealraum  des  Centraluervensystems  etc.). 


Die  Coelomtheorie.  61 

2.  Das  Darmrohr  ist  von  einem  Faserblatt  umgeben 
unci  dui'ch  ein  Mesenterium  dorsal  an  der  Rumpfwand  befestigt. 
Ein  ventrales  Mesenteiiuni  ist  nur  gauz  voriibergeheud  auf  friilien 
Stadien  der  Entwicklung  vorhanden  und  schwindet,  indem  linker 
und  rechter  Coelomsack  zu  einem  einzigen  Hohlraum  verschmelzen. 

3.  Die  animaleMuskulatur  der  Wirbelthieremuss 
nach  ihrer  feineren  Structur,  uach  ihrer Anordnung 
und  Entwicklungsweise  zum  epithelialen  Typus  hin- 
zugerechnet  werden.  Ihre  eiufachsten  Bestandtheile  sind  feine, 
quergestreifte  Fibrillen,  welche  in  grosserer  Anzahl  zu  hohercn 
Einheiten  verbunden  sind.  Die  Fibrillencomplexe,  in  welchen 
immer  mehrere  Myoblasten  als  sogenannte  Muskelkorperchen  nach- 
zuweisen  sind,  nehmen  in  den  einzelnen  Classen  der  Wirbclthiere 
verschiedene  Formen  an,  beim  Aoiphioxus  erscheinen  sie  als  Blat- 
ter (Grenacher  (141),  L  anger  bans  (149)),  bei  den  Cyclosto- 
men  als  Muskelkiistchen  (Grenacher  (141),  Langerhans  (148) 
Schneider  (153))  und  bei  den  iibrigen  Classen  als  Primitivbiin- 
del,  die  mit  einem  besonderen  Sarcolemm  umhiillt  sind.  Ursprung- 
lich  sind  alle  Elemente  parallel  zu  einander  und  in  longitudinaler 
Richtung  voUkommen  regelmassig  angeorduet,  wie  es  beim  Am- 
phioxus,  bei  den  Cyclostomen  und  Fischen  an  dem  grossten  Theil 
der  Muskulatur  auch  bei  dem  erwachsenen  Thiere  nodi  der  Fall 
ist.  Erst  bei  den  hohereu  Wirbelthieren  tritt  namentlich  in  Zu- 
sammenhang  mit  der  Entwicklung  der  Gliedmaassen  in  der  Ver- 
laufsrichtung  der  Muskelfasern  eine  grossere  Complication  ein, 
welche  indessen  von  dem  ursprunglichen  einfacheren  Verhalten 
ableitbar  ist. 

Noch  mehr  aber  als  durch  die  feinere  Structur  und  Anord- 
nung wird  die  epitheliale  Natur  der  animalen  Muskeln  der  Wirbel- 
thiere  durcli  ihre  Entwicklungsgeschichte  bewiesen,  durch  die  That- 
sache,  dass  sie  vom  Epithel  des  Coeloms  wie  die  Mus- 
keln der  Chaetognathen  und  Anneliden  abstammen. 
Um  dies  darzuthun,  habeu  wir  auf  die  Bildung  der  sogenannten 
Urwirbelplatten  und  Urwirbel  zuriickzugreifen. 

Wie  bei  den  Wiirmern,  so  findet  auch  bei  den  Wirbelthieren 
eine  Segmentirung  des  Korpers  statt,  die  von  den  Wandungen  des 
Fnterocoels  ausgeht  und  am  Kopfende  des  Embryo  begiunend  nach 
riickwilrts  fortschreitet.  Im  Unterschied  zu  den  Wiirmern  werden 
hier  aber  die  beiden  Coelomsiicke  nicht  voUstandig  segmentirt, 
sondern  nur  die  an  das  Nervenrohr  und  die  Chorda  angrenzen- 
den  Partieen ,  welche  sich  von   den  lateralen  Theilen  abschnureii 


62  0,  und  R.  Hertwig, 

uiid  zu  den  Urwirbelplatten  werden.  Beim  Triton  enthalten  die- 
selben  in  ilirem  Innern  eine  ziemlich  ansehuliche  Holiiung,  die 
nichts  anderes  als  ein  abgescbniirter  Theii  des  Cocloms  ist  (Taf.  II 
Fig.  11  c).  Durch  weitere  Faltungs-  und  Abscbniirungsprocessc 
zerfallt  alsbald  noch  jede  Urwirbelplatte  in  eine  Reibe  binter  eiu- 
ander  gelagerter  Urwirbel  oder  Ursegmente  (Taf.  II  Fig.  12  c^). 
Ein  jedes  derartiges  Segment  erscbeint  bei  Triton  als  ein  Sack- 
chen,  dessen  Wandung  aus  einem  Epitbel  bober  cybndriscber  Zel- 
len,  einem  directen  Abkommling  des  Coelomepitbels  bestebt;  bei 
Petromyzon  ist  es  solid,  indeni  seine  Wandungen  aufeinander  ge- 
presst  sind. 

Aus  den  Urwirbeln  nun  nimmt  die  Muskulatur 
ihren  Ursprung  und  zwar  aus  der  an  das  Nerve nrohr 
und  an  dieCbordaangrenzendenEpitbelschicbt,  wel- 
cbe  wir  als  die  myogene  bezeicbnen  wollen.  Ueber  den 
intimeren  Vorgang  mogen  uns  zwei  Otjjecte,  wolcbe  sich  nicbt 
gleicbartig  verbalten,  Petromyzon  Planeri  und  Triton  taeniatus, 
Aufklarung  geben. 

Bei  Petromyzon  (Taf.  Ill  Fig.  14)  werden  in  der  rayogenen 
Scbicbt  die  Zellen  selir  boob  und  langgestreckt  und  nebmen  die 
Form  von  Flatten  an,  welcbe  in  ibrer  Mitte  einen  ovalen  blascben- 
formigen  Kern  fiihren  und  senkrecbt  zur  Oberfliicbe  der  Cborda 
und  des  Nervenrobrs  in  longitudinaler  Ricbtung  gestellt  sind ;  nach 
der  dorsalen  und  der  ventraleu  Kante  der  Urwirbel  zu  werden  die 
Myoblasten  niedriger  und  geben  so  allmablicb  in  das  aussere  Epi- 
tbel (r)  iiber,  welcbes  an  die  Epidermis  angrenzt,  mebr  aus  cubi- 
schen  Elementen  zusammengesetzt  ist  und ,  da  es  die  Lederbaut 
bildet,  als  dermale  Scbicbt  benannt  werden  kann.  Allc  Zellen  sind 
auf  dem  vorliegenden  Stadium,  welcbes  neun  Tage  nacb  der  Be- 
frucbtung  eintritt,  nocb  insgesammt  reicblich  mit  Dotterkornern 
erfiillt.  Die  Ausscbeidung  von  Muskelfibrillen  bat  bereits,  wenn 
auch  in  geringem  Maasse,  begonnen.  Auf  unserer  Figur  (Taf.  Ill 
Fig.  14)  bemerkt  man  zwiscben  den  Seiteuwanden  benacbbarter 
Myoblasten  einzelne  glanzeude,  in  Reibeu  angeordnete  Korncben  (f), 
welcbe  die  Querschnitte  feiner  Muskelfibrillen  sind.  Deutlicbere 
Bilder  erbalt  man  indessen  erst  von  ausgescbliipften,  etwa  2  Wo- 
chen  alten  Larven  (Taf.  Ill  Fig.  16).  Bei  diesen  sind  die  Myo- 
blasten, in  welcben  die  Dotterkorncben  aufgebraucbt  worden  sind, 
bedeutend  scbmaler  geworden.  Muskelfibrillen  sind  in  grosserer 
Menge  zwiscben  ibnen  ausgescbiedeii  und  sind  zu  Blilttern  (B) 
Yereinigt,  welcbe  senkrecbt  der  Cborda  und  dem  Nervenrobr  auf- 


Die  Coelomtheorie.  63 

sitzen ;  sie  scliieben  sich  wie  Scheidewiinde  zwischen  die  Bilduiigs- 
zellen  hinein,  deren  ovale  Kerne  ^Yohl  durch  stattgehabte  Tliei- 
luiig  an  Grosse  eingebiisst  haben,  und  lassen  filr  jene  nur  schinale 
Interstitien  zwischen  sich  frei.  Jedes  Muskelblatt  ist  \'on  den  an- 
grenzenden  Seitenfliichen  zweier  Myoblasten  erzeugt  worden.  Dies 
gibt  sich  daran  zu  erlvennen,  dass  es  sich  aus  zvvei  Lagen  feinstcr 
Fibrillen  zusaramensetzt,  welche  durch  einen  zarten  Streifen  von 
Kittsubstanz  von  einander  getrennt  sind,  und  von  welchen  die  eiue 
Lage  dieser,  die  andere  Lage  jener  Bildungszelle  ihr  Dasein  ver- 
dankt.  Die  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Muskelbliittern  der  Chae- 
tognathen,  mancher  Nematoden  und  der  Anneliden  liegt  so  klar 
zu  Tage,  dass  es  geniigt  auf  dieselbe  aufmerksam  geraacht  zu  haben. 

An  den  vorliegenden  Praparaten  (Taf.  Ill  Fig.  16)  ist  ausser- 
dem  noch  sehr  deutlich  zu  beobachten ,  dass  bei  den  Larven 
eine  Neubildung  von  Muskelbliittern  fortwiihrend  statt  hat  und 
zwar  an  dem  dorsalen  und  dera  ventralen  Raude  eines  jeden  Ur- 
segmentes.  Hier  werden  die  Myoblasten  immer  niedriger,  haben 
immer  sparlichere  Muskelfibrillen  zwischen  sich  ausgeschieden  und 
stellen  endlich  rein  protoplasmatische,  cubische  Elemente  dar,  wel- 
che einen  Uebergang  zu  der  dermalen  Epithellage  (r)  vermit- 
teln ,  deren  Zellen  sich  jetzt  in  hohem  Maasse  abgeflacht  haben 
und  ganz  plattenforniig  geworden  sind.  Die  beideu  Eiinder  der 
Ursegmente  bilden  also  eine  Wucherungszone,  vermittelst  deren 
die  Rumpfmuskulatur  sich  immer  weiter  dorsal-  und  ventralwiirts 
ausdehnt. 

Eine  noch  vorgeriicktere  Phase  der  Muskelentwicklung  zeigt 
uns  Taf.  Ill  Fig.  13,  welche  einem  Querschuitt  durch  eiue  6  Wochen 
alte  Larve  entstammt.  Aus  den  Muskelbliittern  sind  jetzt  Muskel- 
kastchen  entstanden,  wie  Schneider  (153)  die  eigenthumlichen 
definitiven  Structurelemente  der  Cyclostomen  benannt  hat.  Es  haben 
sich  uiimlich  die  einander  zugekehrten  Fibrillenlagen  zweier  Bliit- 
ter,  welche  von  ein-  und  deraselben  Myoblasten  gebildet  worden 
sind,  mit  ihren  Riindern  untereinander  verbunden,  so  dass  jede 
Bildungszelle  von  den  ihr  zugehorigen  Fibrillen  rings  umschlossen 
wird.  Die  horaogene  Stiitzsubstanz,  welche  friiher  an  den  Bliittern 
nur  als  feine  Linie  angedeutet  war,  hat  zugenommen  und  liefert 
^lie  Septen  (s) ,  durch  welche  die  einzelnen  Muskelkiistchen  von 
einander  getrennt  werden.  Eine  dritte  Veranderung  endlich  beruht 
darin,  dass  die  protoplasmatische  Grundsubstanz  der  Myoblasten 
fast  vollstiindig  aufgebraucht  worden  ist,  und  dass  an  ihre  Stelle 
zahlreiche  feine  Fibrillen   getreten  sind,   welche  das  ganze  Innere 


64  0.  und  H.  Hertwig, 

des  Kiistchens  ausfiillen.  Zwischen  ihnen  sind  schi"  kleiDe  Kerne 
vorhandeii,  welche  auf  ein  Muskelelement  in  grosserer  Anzahl  kom- 
men  und  von  dem  urspriinglich  einfachea  Kern  sich  herleiten  miis- 
sen.  Unter  den  Fibrillen  eines  Kastcliens  kann  man  jetzt  zwei 
verschiedene  Arten  unterscheiden,  1.  Fibrillen,  welche  den  Septen 
fest  anhaften,  und  2.  Fibrillen,  welche  den  Binnenraum  ausfiillen. 

Die  mit  der  Grossenzunahme  des  Thieres  noch  weiter  eintre- 
tenden  Veriinderungen  sind  mehr  geringfiigiger  Art.  Wahrend  bei 
der  Larve  die  Muskelkastchen  noch  sehr  klein  sind,  erreichen  sie 
beim  Erwachsenen  eine  ausserordenllichc  Grosse  und  schliessen  zahl- 
reiche  zu  Flatten  verbundeue  Fibrillen  mit  zahlreichcn  Kernen  ein. 
Auch  tritt  jetzt  der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Arten  von 
Fibrillen,  den  wandstiindigen  und  den  central  gelegenen,  noch  viel 
schiirfer  hervor,  wie  dies  durch  die  schonen  Untersuchungen  von 
Grenacher  (141)  schon  langer  bekannt  und  neuerdings  auch 
wieder  durch  Schneider  (153)  bestiitigt  worden  ist.  Die  Grund- 
substanz  zwischen  den  Kiistchen  nimmt  ebenfalls  successive  etwas 
an  Masse  zu  und  es  kommen  in  ihr  sparliche  Zellen  zum  Vor- 
schein,  welche  dem  Mesenchym,  auf  dessen  Entstehung  wir  noch 
in  dem  tiber  die  Organsysteme  handelnden  Abschnitt  spater  ein- 
gehen  warden,  angehoren  und  in  die  Septen  eingewandert  sein 
miissen.  Auch  Blutgefasse  nehmen  in  den  Septen  ihren  Weg. 
Mit  eiuem  Worte,  es  findet  eine  Durchwachsung  der  Bildungspro- 
ducte  des  Coelomepithels  und  des  nur  in  geringem  Grade  ent- 
wickelten  Mesenchyms  statt. 

An  die  Muskulatur  der  Petromyzonten  reiht  sich  in  mancher 
Hinsicht  diejenige  des  Araphioxus  an.  Auch  bier  besteht  die  Mus- 
kelmasse  eines  Myocomma,  wie  Grenacher  (141)  und  Langer - 
hans  (149)  schildern,  aus  rhombischen  Flatten  longitudinaler  Fi- 
brillen mit  selten  aufzufindenden  Kernen. 

In  einer  etwas  anderen  Weise  als  bei  Petromyzon  Planed  er- 
folgt  die  Entwicklung  der  Muskelelemente  bei  Triton 
taenia tus.  Als  Ausgangspuukt  wiihlen  wir  auch  hier  wieder 
die  Ursegmente  (Taf.  11  Fig.  12  c^),  welche  einen  Hohlraum  ent- 
halten,  und  deren  Wand  aus  einer  einfachen  Schicht  grosser  cyhn- 
drischer  Zellen  gebildet  wird.  Die  nachsten  Stadien  lehren  uns,  dass 
in  dem  Theil  des  Epithels,  welcher  an  das  Nervenrohr  und  die 
Chorda  angrenzt,  eine  lebhafte  Zellvermehrung  vor  sich  geht.  Hier- 
bei  verlieren  die  Zellen  ihre  urspriingliche  Anordnung  und  Form ; 
sie  wandeln  sich  jetzt  in  longitudinal  verlaufende  Cylinder  um, 
seiche  die  Liinge  eines  Myocomma  erreichen  und  in  grosser  An- 


Die  Coelomtheorie.  65 

zahl  zu  beiden  Seiten  des  Riickenmarks  und  der  Chorda  neben 
einander  geschiclitet  sind  und  den  ursprlinglichen  Hohlraum  des 
Urwirbels  ganz  ausfiillen.  An  alteren  Laiven  umgiebt  sicli  jeder 
Cylinder,  der  in  seinem  Protoplasma  ausser  einem  Kern  auch  noch 
zahlreiche  Dotterplattchen  einschliesst,  mit  einem  Mantel  feinster 
quergestreifter  Fibrillen.  So  erkliirt  sich  das  in  Taf.  Ill  Fig.  15 
dargestellte  Querschnittsbild.  Unregelmassige  Ringe  von  stark 
glanzenden  Koruchen,  den  Durchschuitten  der  Fibrillen  (/"),  gren- 
zen  dicht  an  einander,  nur  durch  eiue  minimale  Spur  von  Zwischen- 
substanz  getreunt.  Im  Inneren  der  Ringe  beobachtet  man  Proto- 
plasma bald  mit  einem  grossen  blaschenformigen  Kern,  bald  mit 
mehreren  Dotterpliittcben  (Taf.  Ill  Fig.  20). 

Ein  solclier  Muskelcyliuder  ist  einem  Muskelkiistchen  der 
Petromyzonten  zu  vergleichen.  Auch  spielt  sich  hier  wie  dort 
eine  Reihe  iihnlicher  Veranderungen  weiter  ab.  Je  illter  die  Lar- 
ven  werden  (Taf.  Ill  Fig.  19),  um  so  mehr  werden  die  Dotter- 
plattchen aufgelost  und  um  so  mehr  Fibrillen  werden  ausgeschie- 
den,  welche  den  Binnenraum  des  Cylinders  allmahlich  ausfiillen 
und  nur  in  der  Axe  Stellen  frei  lassen,  in  welche  die  Kerne,  die 
sich  durch  Theilung  vervielfaltigt  haben,  zu  liegen  kommen.  Zwi- 
schen  den  Primitivbiindeln,  wie  wir  jetzt  die  Gebilde  auch  nennen 
ktinnen,  nimmt  nach  und  nach  die  trennende  Stutzsubstanz  (s)  an 
iVIasse  etwas  zu,  und  spater  werden  in  ihr  Zellen  und  Blut- 
gefiisse,  welche  dem  Mesenchym  angehoren,  wie  bei  den  Petro- 
myzonten, sichtbar. 

Auch  zu  diesem  Process  der  Muskelentwicklung  konnen  wir 
ein  Pendant  bei  den  Wirbellosen  und  sogar  in  dem  Stamm  der 
Coelenteraten  nachweisen.  Wir  crinnern  an  das  Muskelgewebe 
mancher  Actinien  und  der  Charybdeen  (Taf.  Ill  Fig.  8),  dessen 
Querschnitte  den  Ausgangsstadien  der  Wirbelthiermuskulatur  (Taf.  Ill 
Fig.  15)  auffallend  ahnlich  sind. 

Wir  resiimiren  also  kurz  die  Resultate  unserer  Untersuchung  ^) 
dahin :  Bei  den  Wirbelthieren  entwickelt  sich  die 
Rumpfmuskulaturaus  einem  Theil  des  Coelomepithels 
in  derselben  Weise,  wie  bei  den  Actinien  aus  dem 
Entoderm  und  bei  den  Chaetognathen  und  Anneliden 

^)  Anderen    Ortes    werde   ich    auf   die  Eutwicklung  und  verglei- 
chende  Histologie  des  Muskelgewebes  ausfiihrlicher  zuriickkommen  und 
dann    auch    auf   die   vielfach    abweicheudeu  Literaturangabeu   (Gotte 
[140],  Calberla  [136]  etc.)  uaher  eingehen.        (Oscar  Hertwig.) 
Bd.  XV.   N.  F.  vni,  1.  5 


66  0.  und  R.  Hertwig, 

aus  dem  parietalen  Blatte  des  Mesoblasts;  es  war- 
den die  einzelnen  Elemente  vom  Mesenchym  nacli- 
traglich  umwaclisen.  Die  zwei  Modificationen  des 
epithelialen  Miiskelgewebes  lasseii  sich  den  Muskel- 
blatteru  und  den  Priraitivbiindelu  der  Wirbellosen 
ve  rgleichen. 

4)  Eine  ausserordentlich  werthvolle  Stiitze  fiir  die  Theorie, 
dass  die  Leibeshohle  der  Wirbelthiere  ein  Enterocoel  ist,  liefert 
das  Verhalten  der  Geschlechtsorgane.  "Wie  nach  den 
Arbeiten  von  Pfliiger  (150),  Bornhaupt  (134),  Waldeyer 
(154)  und  zahlreichen  anderen  Forschern  jetzt  iiber  alien  Zweifel 
sicher  gestellt  ist,  nehmen  die  Eier  aus  dem  Coelomepi- 
thel  ihrenUrsprung  und  werden  erst  nachtniglich  vom  Mesen- 
chym, dem  Stroma  des  Eierstocks,  umhiillt.  Aber  auch  fiir  die 
Bildungszellen  der  Spermatozoen  ist  es  durch  die  Untersuchungen 
von  Bornhaupt  (134),  Egli  (137),  Semper(152),  Braun(135 
und  Kolliker  (144)  schon  mehr  als  wahrscheinlich  geworden, 
dass  sie  deraselben  Boden  wie  die  Eier,  dem  Keimepithel  des 
Enterocoels,  entstammen,  dass  sie  vom  Mesenchym  umwachsen 
werden  und  sich  erst  secundar  mit  den  zur  Ausfiihrung  dienen- 
den  Kanalen  des  Wolif' schen  Korpers  in  Verbiudung  setzen.  So- 
mit  herrscht  in  der  Genese  der  Geschlechtsorgane  vollstandige 
Uebereinstimmung  zwischen  den  Wirbelthieren  einerseits  und  den 
Chaetognathen ,  Brachiopoden  und  Anneliden  andererseits.  Die 
Uebereinstimmung  aussert  sich  aber  auch  noch  weiter  darin,  dass 
die  Geschlechtsproducte  der  Wirbelthiere  bei  ihrer 
Reife  in  das  Enterocoel  entleert  und  erst  von  da  durch 
besondere  Oeiinungen  und  Kaniile  nach  Aussen  befordert  werden. 
Mit  den  Eiern  geschieht  es  Uberall,  mit  den  Spermatozoen  wenig- 
steus  bei  einem  Theil  der  niederen  Wirbelthiere  (Cyclostomen, 
Teleostier).  Die  Entleerung  der  Geschlechtsproducte  in  die  Leibes- 
hohle wird  daher  als  der  urspriingliche  Zustand,  und  alle  anderen 
Arten  der  Ausfiihrung  werden  als  secundar  erworbene  Einrich- 
tungen  beurtheilt  werden  miissen,  wie  solche  ja  auch  in  den  hohe- 
ren  Abtheilungen  der  Anneliden  sich  in  der  verschiedensten  Weise 
ausgebildet  haben. 

5)  Das  Epithel  der  Leibeshohle  giebt  ferner  auch 
den  Mutterboden  fur  die  Excretionsorgane  ab,  welche 
sich  aus  ihm  durch  Einstiilpung  nach  Art  anderer  Driisen  ent- 
wickeln.  Auf  die  Uebereinstimmung  mit  den  Einrichtungen  der 
Anneliden    ist    schon  von    niehreren  Seiten    hingewiesen  worden 


Die  Coelomtheorie.  67 

(Semper  152,  Balfour  132).  Man  hat  die  ursprunglich  me- 
tainer  angeordneten  Urnierenkaniilchen  mit  ihreu  Winipertrichtern 
den  Segracntalorganen  oder  Sclileifcnkaniilen  vcrglichen,  wobei  in- 
dessen  zu  bemerken  ist,  dass  die  Uebereinstimmung  nur  eine  tlieil- 
weise  ist  (Gegenbaur  159,  Fiirb ringer  138,  139).  Denn  bei 
den  Gliederwiirmern  nmudet  jedes  Segmcntalorgan  fiir  sich  ge- 
trennt  nach  Aussen,  wilhrend  bei  den  Wirbelthieren  die  Urnieren- 
kanalchen  sich  mit  einem  gleichfalls  vom  Coelomepithcl  durch  Eiu- 
faltung  gebildeten  Liiugsstaram,  dem  Woltf'schen  Gang,  verbinden 
und  durch  Vermittlung  desselben  an  eiuer  cinzigen  Stelle  ihr  Ex- 
cret  nach  Aussen  entleeren.  Dagegen  ist  eine  weitere  Ueberein- 
einstimmung  noch  darin  zu  erblicken,  dass  bei  Anneliden  und 
Wirbelthieren  die  Excretionsorgane  in  vielen  Fallen  noch  die  Neben- 
function  iibernomnien  haben,  die  Geschlechtsproducte  nach  Aussen 
zu  entleeren.  Die  Vorbedingungeu  fiir  ein  solches  Ineinandergrei- 
fen  der  beiden  Organsysteme  scheiuen  uns  in  ihrem  gemeinsamen 
Ursprung  von  dem  Epithel  des  Enterocoels  gegebcn  zu  sein. 

Wenn  wir  die  zusammengestellten  Thatsachen  iiberblicken,  so 
scheint  uns  kein  Punkt  gegeu  die  Ansicht,  dass  die  Wirbelthiere 
Enterocoelier  sind,  zu  sprecheu,  viele  Punkte  dagegen  konnen  fiir 
dieselbe  geltend  gemacht  werden:  1)  Die  von  Kowalevsky 
und  Hatschek  in  iibereinstimmender  Weise  geraach- 
ten  Angaben  iiber  die  Entwicklung  des  Amphioxus 
lanceolatus;  2)  die  Anlage  des  Mesoblasts  bei  ver- 
schiedenen  cranioten  Wirbelthieren  durch  eine  Ein- 
faltung  des  Entoblasts,  welche  vom  Rand  des  Urmuudes 
aus  und  zu  beiden  Seiten  des  Chordaentoblasts  er- 
folgt;  3)  die  Differ enzirungen,  welche  das  Epithel  der 
Mesoblastsacke  erflihrt,  Genese  derMuskeln  aus  dem 
parietalen  Blatt  und  Structur  und  Anordnung  derselben, 
Abstammuug  der  Gesch lech ts-  und  Excretionsorgane 
aus  dem  Epithel  des  Coeloms  und  die  Beziehungen 
der  beiden  Organsysteme  zu  ein  an  der  und  zurLeibes- 
hohle;  4)  Befestigung  des  Darms  durch  ein  Mesente- 
riura;  5)  Unabhiingigkeit  der  Leibeshiihle  vom  Blut- 
gefasssystem  und  theilweise  Auskleidung  mit  einem 
Flimmerepithel. 

6.    Die  Arthropoden. 

Aus  den  zahlrcichen  Untersuchungcn  der  Neuzeit  iiber  die 
Entwicklung  der  Arthropoden  geht  unzwcifelhaft  hervor,  dass  bei 

5* 


68  0.  und  E.  Hertwig, 

den  zur  Bildung  der  Keimblatter  fiihrenden  Processen  erheb- 
liche  Unterschiede  in  den  einzelnen  Abtheilungen  herrschen,  und 
zwar  scheinen  die  Unterschiede  derart  vertheilt  zu  sein,  dass 
einerseits  sammtliche  Crustacean,  andererseits  sammtliche  Trachea- 
ten  entwicklungsgeschichtlich  einander  naher  stehen.  Wenn  nun 
auch  die  Verschiedenheiten  nicht  von  so  fundamentaler  Bedeutung 
sind,  dass  sie  nicht  auf  einander  oder  auf  einen  gemeinsamen  Aus- 
gangspunlit  zuriickgefiihrt  werden  konnten,  so  geniigen  sie  doch, 
um  eine  getrennte  Besprechung  beider  Abtheilungen  nothig  zu  ma- 
chen;  wir  beginnen  dabei  rait  den  Tracheaten,  fiir  die  wir  die 
Insekten  als  typische  Reprasentauten  wahlen,  weil  wir  uns  hier 
auf  Grund  eigener  Untersuchungen  ein  selbstandiges  Urtheil  bil- 
den  kOnnen. 

Die  Frage  nach  den  Keimblattern  der  Insekten  ist  lange  Zeit 
iiber  ein  Gegenstand  lebhaften  Streites  gewesen.  Nachdem  Kol- 
liker  und  Zaddach  Keimblatter,  wie  sie  von  Baer  und  Re- 
ma  k  bei  den  Wirbelthieren  entdeckt  worden  waren,  auch  fiir  die 
Insekten  zum  ersten  Male  nachzuweisen  versucht  batten,  war 
Weismann  (129)  auf  Grund  sehr  ausfuhrlicher  und  ausgedehn- 
ter  Untersuchungen  iiber  die  Dipteren  zu  dem  Resultat  gelangt, 
dass  die  Keimblattertheorie  in  keiner  Weise  auf  die  Insekten 
iibertragbar  sei.  An  diesem  Resultate  wurde  durch  die  umfang- 
reiche  Arbeit  Metschnikoff's  (125)  wenig  geiindert,  da  der  russi- 
sche  Forscher,  wenn  auch  selbst  zur  Annahme  von  Keimblattern 
hinneigend,  eine  Schichtung  der  embryonalen  Zellen  nur  in  den 
Extremitatenanlagen,  dagegen  nicht  im  Keimstreif  selbst  beobachten 
konnte.  Ein  nachhaltiger  Umschwung  wurde  erst  herbeigefiihrt, 
als  Kowalevsky  (123)  zum  ersten  Male  Querschnitte  durch  den 
Keimstreifen  der  Insekten  legte  und  damit  die  Forschung  in  neue 
Bahnen  lenkte.  Nach  Kowalevsky  stiilpt  sich  ein  Theil  der 
Blastodermschicht,  welche  die  centrale  Dottermasse  umgiebt,  in 
der  ganzen  Lange  des  Embryo  auf  der  spater  zur  Bauchseite  wer- 
denden  Flache  ein  und  liefert  die  gemeinsame  Anlage  fiir  das 
mittlere  und  untere  Keimblatt;  das  letztere  soil  sich  links  und 
rechts  von  der  Mittellinie  von  dem  eingestlilpten  Zellenmaterial 
in  Form  paariger  Zellenstreifen  abspalten,  welche  erst  spater  ven- 
tral und  dorsal  zusammenwachsen,  den  Dotter  umhiillen  und  so 
das  Darmrohr  erzeugen.  Die  Richtigkeit  dieser  Darstellung,  wel- 
cher  in  vieler  Hinsicht  auch  Hatschek  (121)  beipflichtete,  wurde 
in  Frage  gezogen,  als  Bobretzky  (115)  in  dem  vom  Blastoderm 
umschlossenen  Dotter  Zellen  nachwies,   welche  Kowalevsky  in 


Die  Coelomtheorie.  69 

seiner  BeschreibuDg  wenig  berucksichtigt  hatte.  Daher  hat  denn 
auch  der  neueste  Beobachter  der  Insektenentwicklung  Graber 
(117,  118)  sich  dahin  ausgesprochen ,  dass  die  Dotterzellen  der 
Entoblast  seien,  wahrend  die  Einstulpung  alleiii  das  mittlere  Keim- 
blatt  liefere. 

Die  Darstellungen  von  Kowalevsky  und  von  Graber  ha- 
beu  beide  etwas  Unbefriedigendes.  Nach  Kowalevsk}^  wiirdeu 
wir,  wenu  wir  seine Beobachtungen  durch  Bobretzky's  Entdeckung 
der  Dotterzellen  erganzen,  ein  Zellenmaterial  haben,  welches  durch 
Dotterreichthum  ganz  an  die  Entoblastzellen  anderer  Thiere  erin- 
nert,  sich  aber  am  Aufbau  des  Korpers  auch  nicht  im  Geringsten 
activ  betheiligt;  diese  Schwierigkeit  wiirde  durch  Graber  be- 
seitigt,  dafiir  aber  die  neue  Absonderlichkeit  eingetauscht  werden, 
dass  eine  Einstulpung,  welche  ausserordentlich  mit  der  Gastrula- 
einstiilpung  der  iibrigen  Thiere  iibereinstimmt,  Nichts  zur  Bildung 
des  Entoblasts  beitriigt,  sondern  allein  das  mittlere  Keimblatt  lie- 
fert.  In  beiden  Fallen  wiirde  es  unmoglich  sein ,  die  Keimblatt- 
bildung  der  Insekten  auf  die  der  iibrigen  Thiere,  die  nahe  ver- 
wandten  Crustaceen  nicht  ausgenommen,  zuriickzufiihren.  Das  al- 
lein ist  schon  geniigend  um  zu  zeigen,  dass  die  Beobachtungen  nicht 
erschopfeud  sind ,  eine  Ansicht,  von  deren  Richtigkeit  wir  uns  im 
Laufe  dieses  Sommers  durch  eigene  Untersuchungen  iiber  Schmet- 
terlinge  und  Kafer  haben  iiberzeugen  konnen.  Wir  haben  dabei 
nachweisen  konnen,  dass  die  Bildung  der  Keimblatter  bei  den  In- 
sekten principiell  sich  in  derselben  Art  vollzieht,  wie  bei  den 
Wirbelthieren  und  anderen  Enterocoeliern,  und  werden  dies  durch 
eine  kurze  Uebersicht  unserer  Ergebnisse  jetzt  naher  begriiuden. 

Aus  den  friihesten  Stadien  der  Insektenentwicklung ,  auf  die 
wir  hier  nicht  naher  einzugehen  brauchen,  sind  zwei  Momeute  fur 
uns  von  Bedeutung,  welche  beide  mit  dem  relativen  Reichthum 
an  Dottermaterial  zusammenhangen.  1.  Das  Ei  zerfallt  ausseror- 
dentlich spat  in  die  Furctiangskugeln,  besonders  spat  zerfallt  der 
centrale  dotterreiche  Theil,  welcher  nicht  etwa  bloss  die  Bedeutung 
eines  unorganisirten  Nahrmaterials  besitzt,  sondern  einen  Theil 
der  Embryonalzellen  repriisentirt  und  sich  am  Aufbau  des  Em- 
bryo betheiligt,  wie  dies  fiir  den  Dotter  der  Vogel,  Reptilien, 
Fische,  Cephalopoden ,  also  fiir  alle  analogen  Falle  erwiesen  ist. 
2.  Das  Ei  ist  jederzeit  solid ;  nach  Ablauf  der  Furchung  fehlt  die 
Furchungshohle,  ja  selbst  spater  ist  der  fertige  Darm  noch  von 
Dottermaterial  vollkommen  erfiillt,  und  nur  die  vom  Ektoblast 
eingestiilpten  Theile,  der  Anfangsdarm  und  der  Enddarm,  lassen 


70  O.  und  E.  Hertwig, 

ein    Lumen   eikeiiucn.     Audi  diu  Leibeshohle   ist    lange  Zeit  liber 
YOU  Dotterzellen  erftillt. 

Das  an  zweiter  Stelle  genanute  Moment  ist  ganz  besonders 
wichtig  fiir  die  Beschatfenheit  der  von  Kowalevsky  entdeckten 
Einstiilpung,  mit  welchcr  wir  unsere  zusammenhiingende  Darstel- 
lung  beginnen  woUen,  und  die  wir  kein  Bedenken  tragen  in  jeder 
Beziehung  der  Gastrulaeinstiilpung  der  iibrigen  Thiere  zu  verglei- 
chen.  Die  Gastrulaeinstiilpung  ist  niimlich  solid,  was  ein  genaue- 
res  Studium  ihrer  Zellenlagen  nicht  unwesentlicli  erscliwert;  doch 
lielfen  hinreichend  feine  Sclinitte  (lurch  den  Keimstreifen  senkrecht  zu 
dem  als  Langsspalte  ersclieinenden  Gastrulamund  iiber  die  Schwierig- 
keit  hinweg.  Die  hierbei  erlialtenen  Bilder  zeigeu  auffallige,  in  be- 
stimmten  Intervalleu,  wahrscheinlich  segmentweise,  wiederkehrende 
Verschiedenheiten.  Bald  besteht  die  Einstiilpung  nur  aus  einer 
einzigen  Zellenlage,  die  vom  Urmund  aus  nach  links  und  rechts 
sich  zwischen  Dotter  und  Ektoblast  einschiebt(Taf.nFig.  1  u.  2  Jfe), 
bald  wiederum  schlagt  sich  die  Zellenlage  an  ihren  beiden  Kan- 
deru  um  und  erzeugt  so  eine  zweite  unmittelbar  an  den  Dotter 
grenzende  Schicht,  welche  aber  in  der  Mitte  unter  dem  Gastrula- 
mund eine  Unterbrechung  hat  (Taf.  II  Fig.  3).  Das  letztbeschrie- 
bene  Bild  wird  stets  angetroli'en  bei  Aveiter  vorgeschrittenen  Ent- 
wicklungsstadien. 

Die  Gastrulaeinstiilpung  ist  somit  nicht,  wie  wir  sie  sonst  zu 
beobachten  gewohnt  sind,  ein  mit  Ausnahme  des  Urmunds  vollig 
geschlossener  Sack,  sondern  besitzt  eine  am  Grund  der  Einstiilpung 
gelegene  bald  weitere  bald  engere  Oeffnung.  Die  Oefiiiung  wird 
durch  den  Dotter  geschlossen,  welcher  anfiinglich  noch  eine  ein- 
zige  vielkernige  Riesenzelle  ist,  spiiter  in  ein  Multiplum  von  zahl- 
reichen  kleineren  Dotterzellen  zerfallt,  Diese  Wahrnehmung  ist 
fiir  die  Beurtheilung  der  Insektengastrula  von  grosser  Bedeutung, 
da  sie  lehrt,  dass  die  dotterarmen  kleinen  Zellen,  welche  in  ihrem 
Aussehen  mit  den  Elementen  des  Blastoderms  ubereinstimmen, 
nicht  fiir  sich  allein  die  Gastrulaeinstulpung  bilden,  sondern  in 
dieser  Function  durch  die  Dotterzellen  ergiinzt  werden.  Beiderlei 
Zellen  gehoren  somit  zusammen  und  reprasentiren  gemeinsam  den 
priuiaren  eiiigestiilpten  Entoblast. 

Gegeu  diese  Auffassungsweise  kounte  ein  Ein  wand  aus  dem 
verschiedcnen  Charakter  der  Zelleu,  welche  an  der  Zusammenset- 
zung  des  soliden  Urdarms  Theil  habeu,  erhobeu  werden,  weil  die 
einen  dotterreiche  grosse  Gebilde  mit  grossen  Kernen  sind,  die 
anderen  dagegeu  rein  protoplasmatische,  kleiue  Korper  haben.   Al- 


Die  Coelomtheorie.  71 

leiu  dieser  Einwaud  ist  uicht  stichhaltig,  da  die  durch  den  Dot- 
terreichtliuni  bedingteu  Verschiedenheiteu  keineswegs  fiir  die  nior- 
phologische  UuterscheiduDg  der  Embryoualzellen  vou  der  Bedeu- 
tung  sind,  welclie  mau  ihuen  vielfach  beizumessen  geneigt  ist. 
Die  Anhaufung  von  Dotterplattchen  im  Keim  ist  eine  enibryonale 
Anpassung,  welclie  sich  bei  zunehmender  Complication  des  thieri- 
sclien  Baues  geltend  macht,  wenn  die  Zellen  des  Embryo  von  der 
Nahruugszufulir  vou  aussen  abgeschuitten  sind  und  gleichwohl  eine 
grosse  Manuichfaltigkeit  morphologischer  und  histologisclier  Differen- 
zirungen  zu  lieferu  habeu.  Die  Art,  iu  welcher  daun  das  Dotter- 
uiaterial  auf  die  embryonaleu  Zelleu  vertheilt  wird,  kauu  sehr  ver- 
schiedenartig  sein,  weun  auch  eine  gewisse  Gesetzmiissigkeit  sich 
uicht  verkennen  lasst.  Im  Allgemeiueu  kann  mau  sagen,  dass  mit 
der  Zuuahme  des  Dotters  derselbe  sich  mehr  und  mehr  auf  be- 
stimmte  Zellen  beschraukt.  Anfauglich  auf  alle  Zellen  nahezu 
gleichmassig  vertheilt,  giebt  er  zunachst  den  Ektoblast  Preis,  spa- 
ter  auch  den  Mesoblast  und  hiiuft  sich  zuletzt  in  den  Zellen  des 
Darmdrusenblatts  an,  welche  ihrer  ganzen  Bestimmuug  nach  am 
meisten  zu  Eruahrungsorganen  taugen.  Schliesslich  tritt  auch 
zwischen  diesen  wieder  eine  Sonderung  ein,  indem  uur  ein  Theil 
mit  Dottermaterial  beladeu  und  bei  der  Eurchung  lauge  Zeit  iiber 
zu  einer  einzigen  grossen  Riesenzelle  vereiuigt  bleibt,  wahrend  ein 
anderer  Theil  iu  seiner  Beschaffenheit  sich  mehr  den  Mesoblast- 
und  Ektoblastzelleu  anschliesst.  Diese  Vorgiinge,  fiir  die  es  nicht 
schwer  fallt,  beweisende  Beispiele  namentlich  in  der  Classe  der 
Wirbelthiere  ausfindig  zu  macheu,  lehren,  dass  wie  im  Allgemei- 
nen  so  auch  im  vorliegenden  Falle  bei  den  Insekten  keiu  Grund 
dazu  vorliegt,  Zelleu  von  verschiedeuem  Gehalt  an  Dotterplatt- 
chen nicht  zu  demselben  Keimblatt  zu  rechnen. 

Der  Antheil,  welchen  die  Dotterzellen  an  der  Gastrulaeinstiil- 
puug  besitzen,  tritt  auf  den  weiteren  Stadien  der  Entwicklung 
uoch  klarer  hervor.  Je  mehr  der  Keimstreifen  in  Folge  fortge- 
setzten  Wachsthums  an  Breite  zunimmt,  um  so  mehr  dehnt  sich 
auch  die  Gastrulaeinsttilpung  nach  links  und  rechts  aus,  wahrend 
sich  der  Urmund  schliesst  (Taf.  Ill  Fig.  6).  Dabei  erweitert  sich 
am  Grund  der  Gastrulaeinstiilpung  die  Stelle,  in  deren  Bereich 
die  Dotterzellen  zur  Begrenzung  herangezogen  werden.  Der  lib- 
rige,  von  kleinen  protoplasmatischen  Zellen  gebildete  Theil  der 
Einstiilpung  lasst  deutlicher  als  bisher  seine  Zusammensetzung  aus 
zwei  Blattern  erkennen.  Das  eine  Blatt,  das  Hautfaserblatt  (Me'^), 
grenzt  an  den  Ektoblast,  mit  dem  es  frllher,  als  noch  der  Urmund 


72  0.   und  R.  Hertwig, 

existirte,  ziisammeiiliing;  es  verdickt  sich  bedeutend ,  indem  seiue 
Zellen  durch  Theiluug  eiue  vielschiclitige  Masse  lieferii,  und  geht 
links  und  reclits  durch  UmscUag  in  das  zweite  B\sitt(Me^)  oder  das 
Damifaserblatt  tiber,  welches  sich  vor  ihm  stets  durch  seine  Ein- 
schichtigkeit  auszeichnet.  Das  Darmfaserblatt  ist  durch  die  Dot- 
terzellen  unterbrochen  und  besteht  daher  aus  paarigen  Anlagen, 
zwei  schmalen  Streifen  von  kleineu  Cylinderzellen.  Beide  Blatter 
liegen  nicht  mehr  fest  gegeneinander  gepresst,  indem  Dotterzellen 
sich  zwischen  sie  hineingedriingt  haben  und  den  so  entstandenen 
Zwischenraum ,  der  spater  zur  Leibeshohle  wird,  ausfiillen.  Das 
Darmdrusenblatt  endlich  wird  zuniichst  noch  durch  die  Dotterzel- 
len reprasentirt ,  bildet  sich  aber  durch  Umwandlung  derselben 
bei  fortschreitender  Entwicklung  ebenfalls  zu  einer  Schicht  klei- 
ner  protoplasmatischer  Zellen  urn.  Die  Art,  wie  dies  geschieht,  lasst 
aufs  Neue  die  innigen  Beziehungen  erkennen,  in  denen  die  durch 
verschiedenen  Dotterreichthum  uuterschiedeneu  Theile  der  Gastrula- 
einstiilpung  zu  einander  stehen. 

Die  Umwandlung  der  Dotterzellen  wird  durch  eine  Auflosung 
der  Dotterkornchen  eingeleitet;  es  entste'ht  so  eine  homogene, 
wenig  kornige  Masse  mit  zahlreichen  eiugestreuten  Zellkernen, 
welche  von  wenig  Protoplasma  umgeben  werdeu.  Der  Process  be- 
ginnt  an  den  freien  Randern  des  Darmfaserblatts ,  dehut  sich  von 
hier  aus  in  der  ganzen  Peripherie  der  Dottermasse  aus  und  er- 
greift  besonders  alle  ventralen,  zwischen  Darm-  und  Hautfaserblatt 
gelegenen  Partieen  in  grosser  Ausdehnung. 

Im  Bereich  der  uragewandelten  Dotterzellen  und  oifenbar  in 
Folge  einer  weitereu  Metamorphose  derselben  treten  die  ersten 
Zellen  auf,  welche  die  bleibende  epitheliale  Auskleidung  des  Darm- 
canals,  eine  Schicht  kleiner  Cylinderzellen,  zu  bilden  bestimmt  sind 
(Taf.  Ill  Fig.  4  En).  Anfangiich  sind  es  ihrer  nur  einige  wenige 
und  diese  liegen  dorsal  vom  Darmfaserblatt,  dicht  an  dasselbe  an- 
gefiigt;  allmahlich  jedoch  gesellen  sich  neue  Elemente  zu  den  vor- 
handenen,  bis  sich  endlich  in  jeder  Hiilfte  des  Reims  im  Anschluss 
an  die  hier  gelegeue  Halfte  des  Darmfaserblatts  ein  Polster  von 
Cylinderzellen  (En)  entwickelt  hat.  Bei  seiner  Umwandlung  zu  einer 
Epithelschicht  stcllt  sich  uns  somit  das  Darmdrusenblatt  analog 
deni  Darmfaserblatt  als  eine  paarige  Anlage,  als  ein  rechter  und 
ein  linker  Zellstreifen,  dar. 

Die  Zellstreifen  beider  Blatter  wachsen  nun  nach  der  Mittellinie 
zusammen  und  vereinigen  sich  zur  Bildung  eines  einfachen  Darmfa- 
serblatts (Me^)  uudDarmdriisenblatts  (En)  (Taf.  Ill  Fig.  5).  Der  Weg, 


Die  Coeloratlieorie.  73 

welchen  sic  hierbei  uehmen ,  geht  quer  durcli  das  Dottermateritil 
liindurch,  welches  so  in  zwei  Theile  zerlegt  wird,  eineii  veutra- 
leii  kleiuercn  und  eiueu  dorsalen  grosseren.  Ersterer  fiillt  einen 
Raum  aus,  welcher  spiiter  zur  Leibeshohle  wird,  imd  cnthalt  nur 
Zellen,  welche  die  oben  beschricbene  Metamorphose  erlitten  haben ; 
letzterer  gelaugt  spater  ganz  in  den  Darin  und  ist  fast  nur  aus 
gewohnlicheu  Dotterzellen  zusammengesetzt. 

Auf  dcm  zulctzt  besprocheuen  Entwicklungsstadium ,  wel- 
ches iibrigeus  sehr  weit  vorgeschritten  ist,  und  auf  dem  sich 
schon  viele  Organe  des  Insekts  angelegt  haben,  sind  zum  ersten 
Mai  alle  Keimblatter  als  gesonderte  Zellschichten  erkeunbar.  Das 
iiussere  Keimblatt  bildet  die  Korperbedeckung  und  die  Embryo- 
nalhiillen,  das  mittlere  Keimblatt  gliedert  sich  in  zwei  Zellschich- 
ten, das  stark  verdickte  Hautfaserblatt  und  das  einschichtige,  quer 
durch  den  Embryo  ziehende  Darmfaserblatt ;  mit  letzterem  ist  das 
Darnidriisenblatt ,  ebeufalls  eine  quere  Zellschicht,  fest  verbun- 
den.  Die  weitere  Entvvicklung  besteht  nun  darin,  dass  die  fliichen- 
haft  ausgebreitete ,  zweischichtige  Darmwand  sich  dorsalwiirts  zu 
einem  rings  geschlossenen,  von  Dotterzellen  vollkommen  erftillten 
Darmrohr  zusammeukriimmt.  Dabei  muss  das  beiderseits  mit  dem 
Darmfaserblatt  zusammenhiingende  Hautfaserblatt  ebenfalls  nach 
dem  lilicken  emporwachsen ,  bis  sich  Haut-  und  Darmfaserblatt 
der  linken  und  rechten  Seite  vereinigen ;  es  kommt  dann  voriiber- 
gehend  zur  Bildung  eines  dorsalen  Mesenteriums. 

Die  kurze  Darstellung  von  der  Genese  der  Keimblatter, 
der  Leibeshohle  und  des  Darmkanales,  ftir  welche  spater  die  Be- 
weise  in  einer  ausfiihrlichereu  Darstellung  der  Insekten-Entwick- 
lung  beigebracht  werden  sollen,  bedarf  einiger  erlautcrnder  Bcmer- 
kungen,  welche  die  Beziehungen  zur  Entwicklungsweise  auderer 
Thiere  in  das  Auge  fassen.  Zu  dem  Zweck  miissen  wir  die  prin- 
cipiell  wichtigen  Charakterzuge  von  den  secundar  hinzugetretenen, 
die  palingenetischen  Vorgange  von  den  cenogenetischen  zu  trennen 
suchen. 

Wie  in  so  vielen  anderen  Fallen,  so  ist  es  auch  bei  den  In- 
sekten  die  ausserordentliche  Anhaufung  des  Dotters,  welche  den 
Entwicklungsgang  modificirt  und  ihm  das  fremdartige  Geprage 
verlieheu  hat.  Eine  Folge  davon  ist  der  Mangel  jeglicher  Hohl- 
raume,  da  aller  Raum  im  Ei  vom  Dotter  in  Anspruch  genommen 
ist.  Wie  wir  schon  friiher  die  Furchungshohle  und  Gastrulahohle 
vermissteu,  so  haben  Avir  jetzt  den  Mangel  eines  Lumens  fiir  den 
Darm  und  die  Leibeshohle  kennen  gelernt,  welche  beide  von  Dot- 


74  0.  und  R.  Hertwig, 

termaterial  ausgefiillt  siiid.  Wenn  wir  uns  dasselbe  gauz  entfernt 
Oder  an  Menge  bescliraukt  denken,  so  kommen  wir  zu  dem  Er- 
gebuiss,  dass  die  Raume,  welche  sich  spater  zur  Leibesliohle  und 
zuni  Darmrohr  gestalten,  lange  Zeit  mit  einander  zusammenhan- 
gen;  dies  wird  besonders  klar  dadurch  illustrirt,  dass  ein  Theil 
der  Dotterzellen  vom  Darin  aus  in  die  Leibesliohle  ragt  und  in 
diese  beim  Verschluss  der  Communication  aufgenommen  wird  (Taf.  II 
Fig.  4,  5). 

Eine  zweite  Folge  aussert  sich  darin,  dass  ausserordentlich 
langsam  das  Darmdriisenblatt  den  Charakter  einer  epithelialen 
Zellenschicht  annimmt,  indem  es  ganz  allmahlich  auf  Kosten  der 
Dotterzellen  durch  Aneinanderfiigung  von  Zelle  an  Zelle  wachst. 
Wiirden  die  Dotterablagerungeu  fehlen,  so  miisste  das  Darmdrii- 
senblatt gleich  von  Anfang  an  als  ein  Epithel  vorhanden  sein, 
und  kann  es  nur  fraglich  sein,  welche  Anordnung  dann  das  Darm- 
drusenblatt  wohl  zeigen  wiirde. 

Da  die  ersten  Zellen  an  den  Enden  des  Darmfaserblatts  auf- 
treten,  so  hat  die  Annahme  grosse  Wahrscheinlichkeit  fiir  sich, 
dass  das  Darmdriisenblatt  urspriinglich  eine  directe  Fortsetzung 
dieser  Zellenschicht  war.  Eine  solche  Annahme  wiirde  auch  mit 
der  friiher  hervorgehobeneu  Beobachtung  tibereiustimmen,  dass  die 
das  Darmdriisenblatt  reprasentirenden  Dotterzellen  in  den  ersten 
Stadien  der  Gastrulaeinstiilpung  den  zum  Mesoblast  werdenden 
Theil  der  Einstiilpung  erganzen.  Wir  wiirden  daher  urspriing- 
liche  Zustande  erhalteu,  wenn  wir  uns  die  Zellschicht,  welche  wir  in 
Taf.  Ill  Fig.  b  (En)  zum  ersten  Male  als  Repriisentanten  des  Darm- 
driiseublatts  auftreten  schen,  rings  um  den  Dotter  vervollstandigt 
diichten.  Das  Bild,  welches  dann  entstehen  wurde,  haben  wir  in 
eiuem  Schema  (Figur  8)  dargestellt.  (Um  die  Vergleichung  des 
Schema's  und  der  Figur  5  zu  erleichtern,  haben  wir  einen  Theil 
des  Darmdriisenblatts  als  aus  Dotterzellen  bestehend  gezeichnet.) 
Wir  sehen  auf  dem  Schema,  dass  das  Hautfaserblatt  (Me^J  jeder 
Seite  in  das  Darmfaserblatt  (Me'^J  und  dieses  wiederum  in  das 
Darmdrusenblatt  (En)  umbiegt. 

Das  aber  ist  im  Wesentlichen  die  Anordnung  und  das  Lage- 
verhiiltniss  der  Keimblatter,  wie  wir  es  bei  den  Chaetognathen 
kennen  gelernt  haben.  Da  ausserdem  Leibeshohle  und  Darmcanal 
lange  Zeit  mit  einander  conimuniciren ,  so  werden  wir  von  zwei 
verschiedenen  Seiten  aus  zu  dem  Resultat  gefiihrt,  dass  bei  den  In- 
sekten  die  primitive  Gastrulaeinstulpung  sich  durch  Einfaltung  in 
drei  Theile  sondert,   einen  medialen,  den  bleibenden  Darm,  und 


Die  Coelomtheorie.  75 

zwei  laterale,  die  Leibeshohlensacke.  Die  ersten  Spuren  der  Eiu- 
f.iItUDg  wiirden  iu  der  Entwicklungsgeschichte  weit  zAiriickzuver- 
legen  sein.  Denn  schoii  kurz  nach  der  Gastrulabildung  tritt  die 
umgesclilagene  Zellenscbiclit  auf,  welclie  die  Anlage  des  Darm- 
faserblatts  ist;  von  Anfang  an  zeigt  dieselbe  eine  segmentale  An- 
ordnung,  was  damit  zusaramenhangt,  class  die  Gliederuug  bei  den 
Arthropod  en  sehr  friibzeitig  bemerkbar  wird. 

Die  Eesultate,  welcbe  wir  bei  den  Insekten  erzielt  baben,  las- 
sen  sich  unserer  Ansicbt  nach  auch  auf  die  Arachniden  und 
Myriapoden  iibertragen.  Fiir  erstere  stiitzen  wir  uns  auf  die  Un- 
tersuchungen  Balfour's  (111),  welche  gezeigt  hal)en,  wie  gross 
die  Aehnlichkeit  in  der  Keimblattbildung  bei  Arachniden  und  In- 
sekten ist.  Auch  hier  finden  wir  eine  Gastrulaeinstiilpung,  welche 
allein  zum  Mesoblast  werden  soil,  und  eine  Masse  Dotterzellen, 
in  wclcben  der  englische  Forscher  die  Anlagen  von  Darni  und  Le- 
ber erblickt.  Leider  erfahren  wir  aber  nicht,  in  welcher  Weise 
sich  die  Dotterzellen  in  das  Darmepithel  uiubilden, 

Ueber  die  Myriapoden  liegen  nur  die  Beobachtungen  von 
Metschnikoff  (12(j,  127)  und  Stecker(128)  vor.  Ersterer  hat 
den  Verlauf  dor  Entwicklung  verfolgt,  so  weit  es  ohne  Anwendung 
von  Reagentien  geht;  seine  Beschreibung  macht  es  wahrscheiu- 
lich,  dass  die  Bildung  der  Keimblatter  im  Wesentlichen  nach  dem- 
selben  Princip  erfolgt  wie  bei  den  Insekten.  Ganz  anders  lauten 
die  Angaben  Stecker's,  welche  uns  aber,  obwohl  auf  Querschnitten 
basirend,   keinen  Vertrauen  erweckenden  Eindruck  machen. 

Ueber  die  Keimblattanlage  der  Crustaceen  endlich  mogen 
hier  nur  wenige  Worte  eingeschaltet  werden,  da  wir  keine  (Jele- 
genheit  batten,  sie  selbst  zu  untersuchen.  Fiir  die  Decapoden 
lehren  ubereinstimmend  die  Beobachtungen  von  Bobrctzky  (114), 
Haeckel  (162=*)  und  Mayer  (124),  dass  die  Gastrulaeinstiilpung 
den  Darni  liefert;  dabei  tritt  nur  insofern  eine  Complication  ein,  als 
das  Dottermaterial  eine  Zeit  lang  als  eine  acellulilre  Masse  zwi- 
scben  Ektoblast  und  Entoblast  im  Centrum  des  Eies  liegt  und 
erst  spiiter  von  den  Entoblastzellen  aufgenommen,  gleichsam  auf- 
gefressen  wird.  Die  anfanglich  unansehnliche,  kleinzeUige  Gastrula- 
einstulpung  wird  dadurch  zu  einer  umfangreichen ,  von  Cylinder- 
zellen  umgrenzten  Blase.  Der  Mesoblast  entsteht  im  Umkreis  des 
Gastrulamundes  als  ein  solider  Zellenhaufen,  der  erst  spater  in 
Darmfaserblatt  und  Hautfaserblatt  zerfallt.  Die  Entwicklungsge- 
schichten  der  Crustaceen  und  Tracheaten  ergimzen  sich  daher  ge- 
wissermaassen,  indem  in  der  einen  die  Betheiliguug  der  Gastrula- 


76  0.  und  R.  Hertwig, 

einstiilpung  am  Aufbau  des  Darms,  in  der  anderen  ihre  Bedeu- 
tiiiig  fiir  die  Bildung  des  mittleren  Keimblatts  deutlicher  zu  er- 
kennen  ist,  Der  Grund  zu  der  Verschiedenartigkeit  ist  wohl  in 
dem  wechselnden  Verhalten  des  Dotters  zu  sucheu,  welcher  bei 
den  Insekten  wie  ein  Ballast  die  Entfaltung  des  Darradrusen- 
blatts  behindert,  wahrend  er  bei  den  Crustaceen  eine  Zeit  lang 
aus  der  Entwicklung  ausgesclialtet  wird  und  zwischen  Ektoblast 
und  Entoblast  als  eine  zellenlose  Masse  liegt. 

Nach  der  Art,  wie  sich  ihre  Keimbliitter  differcnziren ,  geho- 
ren  die  Artliropoden  zu  den  Thieren,  welche  wir  als  Enterocoelier 
zusammengefasst  haben,  Dasselbe  lehrt  audi  die  Betrachtung  der 
iibrigen,  zum  Theil  anatomischeu,  zuni  Theil  entwicklungsgeschicht- 
lichen  Merkmale,  deren  Bedeutung  fiir  die  aufgeworfeneu  Eragen 
urn  so  mehr  in  den  Vordergrund  tritt,  je  raehr  wir  sie  durch  die 
einzelnen  Thierabtlieilungen  hindurch  verfolgen. 

Alle  Arthropoden  besitzen  eine  gerauraige  Leibeshohle,  wel- 
che sich  schon  friihzeitig  als  ein  zusammenhaugender  Raum  zwi- 
schen dem  Darm-  und  Hautfaserblatt  bemerkbar  macht.  Wenn 
auch  beim  ausgebildeten  Thier  der  Darm  frei  durch  diesen  Raum 
verliiuft,  so  existirt  doch  in  der  Entwicklungsgeschichte  ein  Sta- 
dium, wo  er  mittelst  eines  dorsalen  Mesenteriums  an  der  Korper- 
wand  befestigt  ist,  Freilich  ist  die  durch  das  Mesenterium  be- 
dingte  unvollstandige  Trennung  der  Leibeshohle  in  eine  linke  und 
rechte  Halfte  nur  von  kurzem  Bestand,  indem  sie  schon  wahrend 
des  embryonalen  Lcbens  wieder  verloren  geht. 

Die  Korpermuskulatur  zeigt  den  fibrillaren  Bau,  insofern  jede 
Muskelfaser  ein  Multiplum  quergestreifter  Fasercheu  ist,  zu  einer 
Einheit  verbunden  durch  das  gemeinsame  Sarkoiemm;  sie  stammt 
ferner  von  dem  Hautfaserblatt  und  somit  indirect  vom  primiiren  Ento- 
blast ab.  Ob  es  ferner  wird  moglich  sein  genetische  Beziehun- 
gen  zum  Epithel  der  Leibeshohle  nachzuweisen ,  muss  sehr  zwei- 
felhaft  erscheinen.  Denu  gerade  in  der  Anordnungsweise  der  Musku- 
latur  bewahren  die  Arthropoden  nicht  ira  entferntesten  so  ursprung- 
liche  Zustande,  wie  die  meisten  anderen  Enterocoelier,  z.  B.  selbst 
die  niederen  Wirbelthiere.  Schon  der  Peripatus  capensis,  welcher 
wohl  unter  alien  Arthropoden  den  gegliederten  Wiirmern  am  nach- 
sten  steht,  hat  einen  complicirten  Muskelverlauf. 

Endlich  ist  noch  von  Bedeutung  die  Entstehung  der  Geschlechts- 
organe;  schon  ziemlich  friih  sind  dieselben  erkennbar  als  einzelne 
wenige  Zellen,  die  im  Mesoblast  gelegen  die  iibrigen  Zellen  des- 
selben  an  Grosse  wesentlich  tibertreffen  und  unter  ihnen  auch  durch 


Die  Coelomtheorie.  77 

ihre  rundliche  Gestalt  auffallen.  Sie  driingen  sich  im  Laufe  der 
Entwicklung  mehr  und  inehr  zusaramen  und  bilden  einen  anfiing- 
lich  laiiggestreckten  spater  ovalen  Korper  ganz  dicht  vor  der  Stelle, 
wo  der  Hinterdarm  und  der  Mitteldarm  zusammentreffen.  Auf 
Querschiiitten  sieht  man  sie  in  dem  Winkel,  in  welchem  Hautfa- 
serblatt  und  Darmfaserblatt  zusammenstossen,  in  die  Leibeshohle 
vorspringen.  Die  grossen  Urzellen  der  Geschlechtsorgane  sind  von 
kleinen  epithelartigen  Zelleu  auf  ihrer  Oberflache  iiberzogen  und 
durch  ahnliclie  Zellen  auch  von  einander  getrennt.  Da  anfanglich 
der  Darm  rinnenformig  ist  und  den  dorsalen  Verschluss  vermissen 
lasst,  liegen  die  Geschlechtsorgane  der  beiden  Seiten  weit  aus 
einander;  erst  spater,  wenn  Darmdriisenblatt  und  Darmfaserblatt 
sich  empor  krummen  und  von  beiden  Seiten  dorsal  zusammenwach- 
sen,  waudern  auch  die  Geschlechtsorgane  einander  entgegen  und 
nehmen  ihren  definitiven  Platz  dicht  beiderseits  der  Mittellinie 
auf  der  Riickseite  des  Darms  ein. 

Auf  friihen  Stadien  der  Entwicklung  zeigen  somit  die  Ge- 
schlechtsorgane der  Arthropoden  noch  nicht  die  rohrige  Beschaf- 
fenheit,  die  ihnen  spater  zukonimt;  sie  sind  durchaus  solide  Kor- 
per und  gleichen  hierin  sowie  auch  in  der  Art  der  Eutstehung 
ausserordentlich  den  ersten  Anlagen,  welche  wir  von  den  Ova- 
rien  der  Chaetognathen  kennen.  Die  Umbildung  zu  Rohren  hangt 
mit  der  Entwicklung  der  Ausfiihrwcge  zusammen,  ein  Puiikt,  auf 
den  wir  hier  nicht  weiter  einzuarehen  brauchen. 


II.  Der  Einfluss  der  verschiedenen  Entwicklungsweise  des 
P/lesoderms  auf  den  Charakter  der  Organe. 

Der  Versuch,  die  Mesodermbildung  im  gesammten  Thierreich 
von  allgemeinen  Gesichtspunkten  aus  zu  beurtheilen,  hat  uns  dazu 
gefiihrt,  zwei  grosse  Gruppen  aufzustellen,  in  welchen  der  fiir  die 
Organisation  so  hochwichtige  Vorgang  sich  in  verschiedener  Weise 
vollzieht.  Ob  die  Gruppen  uberall  richtig  umgrenzt  sind  oder  ob 
etwa  einigen  Abtheilungen ,  deren  Bau  und  Entwicklung  zur  Zeit 
noch  ungeuiigend  bekannt  sind,  wie  z.  B.  den  Nematoden,  eine  an- 
dere  Stellung  wird  anzuweisen  sein,  daruber  moge  die  Entschei- 
dung  der  Zukunft  tiberlassen  bleiben;  das  Gegebene  kann  ja  nur 
als  ein  von  einer  bestimmten,  allgemeinen  Auffassung  aus  unter- 
noramener  Versuch  gelten,   der  im  Einzelnen  noch   der  Verbessq- 


78  0.  und  R.  Hertwig, 

rung  bediirfen  wird.  Uiis  kam  es  vor  alien  Dingen  darauf  an, 
die  Berechtigung  und  Durclifiihrbarkeit  unserer  Grundanschauun- 
gen  im  Grossen  und  Ganzen  darzuthun  nnd  den  Beweis  zu  fiihren, 
dass  (lurch  das  gesammte  Thierrcich  hindurch  sicli  ein  Gegensatz 
in  der  Mesodermbildung  verfolgen  lasst,  ein  Gegensatz,  welcher  alle 
spateren  Entwicklungsstadien  beeinflusst  und  sich  im  Bau  und  in  der 
Entwicklung  der  wichtigsten  Organsysteme  wiederspiegeit.  Der 
zuletzt  erwithnte  Punkt,  der  Einfluss  der  Mesodermbildung  auf  den 
Charakter  der  Organe,  wird  uns  noch  klarer  werden,  wenn  wir  an 
die  Betrachtung  der  einzelnen  Thierabtheilungen  nun  auch  eine 
Betrachtung  der  einzelnen  Organssysteme  anschliessen  und  dabei 
zeigen ,  wie  fast  ein  jedes  Organ  an  dem  tief  greifenden  Gegen- 
satz, welcher  im  Bau  und  in  der  Entwicklung  zwischen  Eutero- 
coeliern  und  Pseudocoeliern  besteht,  seinen  Antheil  hat.  Die  Organ- 
systeme, um  welche  es  sich  hierbei  handelt,  sind  folgende:  die 
Leibeshohle  und  das  Blutgefiisssystem ,  die  Geschlechtsorgane  und 
die  Excretionsorgane,  die  Muskulatur  und  das  ^Jervensy stem.  Einige 
einleitende  Worte  tiber  mesenchymatose  und  epitheliale  Gewebe 
mogen  vorausgeschickt  werden  ,  um  bestimmte  Verschiedenheiten, 
welche  fast  uberall  wiederkehren,  im  Zusammeuhang  zu  erlilutern. 

1.     Epithel  und  Mesenchym. 

An  der  elementaren  Zusammensetzung  des  thierischen  Kor- 
pers  betheiligen  sich  zwei  verschiedene  Gewebsformen,  das  Epithel 
und  das  Mesenchym ,  welche  beide  in  eiuem  ausgesprochenen  Ge- 
gensatz zu  eiiiander  stehen.  Im  Epithel  sind  die  einzelnen  Zellen 
unmittelbar  fest  zusammen  gelagert  und  zu  regelmassigen  Schich- 
ten  verbunden;  im  Mesenchym  dagegen  ist  der  Zusamnienhang 
und  die  regelmiissige  Anordnung  aufgehoben ;  die  Zellen ,  welche 
ihre  iiussere  Form  nun  verschiedenartiger  gestalten  konnen,  sind 
fiir  sich  isolirt  und  durch  mehr  oder  minder  reichliche  Intercellu- 
larsubstanz  getrennt.  Das  Epithel  dient  hauptsachlich  zur  Be- 
grenzung  der  Oberfliichen  des  Korpers,  wiihrend  das  Mesenchym 
sich  mitten  zwischen  die  Epithelschichten  ergiesst  und  ihnen  zur 
Verbinduug  und  zur  Stiitze  dient.  Jeues  ist  die  urspriingliche 
Gewebsform,  dieses  aus  ihm  entstauden,  indem  einzelne  Zellen  sich 
von  den  ilbrigen  losgelost  haben.  Daher  giebt  es  auch  Thiere,  wel- 
che im  cntwickelten  Zustande  weiter  nichts  als  histologisch  ditie- 
renzirtc  Epithellamollen  sind,  wie  unter  den  Coelenteraten  die  Hy- 
droidpnlypen   und   die  Medusen ,    deren   Ektoderm    und  Entoderm 


Die  Coeloratheorie.  79 

durch  eine  einfache  zellenfreie  Stiitzlamelle  getrennt  werden ,  oder 
unter  den  Wiirmern  die  Chactognathen  und  viele  Nematodeii,  wel- 
cheii  ja  gleichfalls  in  ihrcm  Korper  jede  Spur  eines  Bindegewebes 
fehlt.  Nur  sehr  gering  entwickelt  ist  endlich  das  Mesenchym  bei 
den  Anneliden. 

Je  nachdem  in  den  einzelnen  Thierabtheilungeu  die  epithelia- 
len  oder  die  mesenchymatosen  Gewebsfornien  uberwiegen,  wird  ihre 
feinere  Structur  und  selbst  ihre  grobere  Anatouiie  aiich  ein  ver- 
iludertes  Aussehen  gewinnen.  Im  Allgemeiueu  kann  man  hier  sagen, 
dass  bei  den  Thieren  unserer  ersteu  Abtheilung  die  mesenchy- 
matose  Gewebsentwicklung  in  den  Vordergrund  tritt,  die  epithe- 
liale  dagegen  bei  den  Euterocoeliern ,  bei  welclieu  durch  den  Ein- 
faltungsprocess  des  Eutoblasts  eine  so  ganz  bedeutende  Vergrosse- 
rung  der  epithelialen  Korperoberflache  geschaifen  wird.  Zuweilcn 
ist  der  hierdurch  verursachte  Gegeusatz  ein  sehr  auffalliger,  wie 
zvvischen  Turbellarien ,  Plathehninthen ,  Molhisken  einerseits  und 
Chaetognathen,  Anneliden,  Nematoden  andererseits.  Doch  kann 
der  Gegensatz  auch  vvieder  dadurch  mehr  verwischt  werden,  dass 
bei  den  Enterocoeliern  neben  einer  reichen  epithelialen  eine  stark 
mescuchymatose  Gewebsentwicklung  eiuhergeht,  wie  in  den  hoheren 
Classen  der  Wirbelthiere. 

Es  scheint  uns  hier  der  Ort  zu  seiu,  mit  einigen  Worten  auch 
auf  die  Art  und  Weise  einzugehen,  wie  sich  das  Mesenchym  in 
einzelnen  Thierstammen  nach  Ort  und  Zeit  verschieden  anlegt.  In 
manchen  Fallen  erscheint  es  schon  auf  dem  Blastulastadium.  Bei 
den  Seeigeln  zum  Beispiel  wandern  die  Mesenchymkeime,  noch 
ehe  die  Gastrula  gebildet  ist,  aus  dem  Epithel  an  der  Stelle,  wo 
bald  die  Einstiilpung  erfolgt,  in  den  Galiertkern  aus  (Taf.  I  Fig.  9). 
Bei  Alcyonium  palmatum  entwickelt  sich  das  Mesenchym  nach  den 
Angaben  von  Kowalevsky  (7)  auf  dem  Gastrulastadium  vom 
Ektoblast  aus.  Zwei  grosse  dotterreiche  Zellen,  die  links  und  rechts 
vom  Urmund  gelegen  sind,  geben  ihm  bei  den  Molluskeu  den  Ur- 
sprung,  wenn  wir  den  Angaben  von  Rabl  (G8.  69)  und  Hat- 
schek  (59)  folgen,  wiihrend  Fol  (53—57)  sich  hie  und  da  Zel- 
len aus  dem  Ektoblast  abspalten  lasst,  nachdem  die  Gastrula 
gebildet  ist.  Die  pelagischen  Larven  der  Anneliden  (Taf.  I 
Fig.  6)  zeigeu  friihzeitig  ein  Mesenchym,  iiber  dessen  Genese 
aus  dem  Ektoblast  oder  Entoblast  uns  noch  keiue  Beobachtungen 
vorzuliegen  scheinen.  Bei  anderen  Anneliden  mit  directer  Ent- 
wickluug  tritt  es  erst  nach  Bildung  der  beiden  Mesoblaststreifen 
auf.    Auch  in   der  Entwicklungsgeschichte   der  Wirbelthiere   wird 


80  0.  und  E.  Hertwig, 

es  relativ  spilt  angelegt,  zu  einer  Zeit,  wo  schon  parietales  und 
viscerales  Blatt  des  Mesoblasts  eingestiilpt  und  sogar  die  Chorda 
schon  vorhanden  ist.  Hier  wandern  dij  Mesenchymzellen,  —  we- 
nigstens  ist  es  so  bei  den  Cyclostomeu,  Elasmobranchiern  und  Am- 
jjhibien  —  aus  dem  Mesublast  in  der  Umgebung  der  Chorda  aus, 
um  welche  sie  eine  Scheide  forrairen.  Ob  nun  allein  von  hier  aus 
das  Mesenchym  selbstiindig  wachsend  sich  weiter  ausbreitet  und 
den  ganzen  Korper  durchdringt,  oder  ob  audi  an  anderen  Orten 
sich  Zellen  aus  dem  epithelialen  Verbande  loslosen  und  in  eine 
Zwischensubstanz  einwandern,  ist  vor  der  Hand  nicht  naher  zu 
beantworten.  Im  Ganzen  ist  eben  die  Entwicklungsgeschichte  die- 
ses Gevvebes  uoch  zu  wenig  bekannt;  imr  so  viel  sehen  wir,  dass 
es  in  den  einzelnen  Thierstammen  1.  aus  verschiedenen  Keimblat- 
tern  abstammt,  (Coeleuteraten,  Echinodermen ,  Wirbelthiere)  und 
2.  auf  sehr  verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  in  die  Erschei- 
nung  tritt.  Einmal  aber  gebildet  dringt  es  iiberall  zwischen  die 
Epithellamellen  und  die  aus  ihrer  Differenzirung  cntstandcnen  Pro- 
dukte  ein,  sie  umhUllend,  verbiudeud  und  stiitzend. 


2.    Das  Blutgefasssystem  und  die  Leibeshohle. 

Bei  unseren  Betrachtungen  haben  wir  Leibeshohle  und  Bhit- 
gefasssystem  in  einem  gemeinsamen  A.bschuitt  zusamuieugefasst, 
weil  sich  liber  das  gegenseitige  Verhaltniss  beider  Theile  schon 
seit  liingerer  Zeit  auf  vergleichend  anatomischem  Wege  die  weit 
verbreitete  Anschauungsweise  ausgebildet  hat,  dass  beide  auf  eine 
gleiche  Uranlage  zuriickfiihrbar  seien.  In  seiueu  Studien  zur  Ga- 
straeatheorie  (162  p.  42)  aussert  sich  Haeckel  hieriiber  folgeu- 
dermaassen :  „Wir  haben  bereits  gezeigt,  dass  Blutgefasssystem  und 
Coeloni  in  untrennbarem  Zusammenhang  stehen,  und  dass  die  wahre 
Leibeshohle  oder  das  Coelom  geradezu  als  der  erste  Anfang  des 
Gefasssystems  zu  betrachten  ist.  Erst  nach  eingetretener  Ent- 
wicklung des  Darmfaserblattes  bildete  sich  mit  seiner  Ablosung 
von  dem  anhaftenden  Hautfaserblatt  zwischen  diesen  beiden  Mus- 
kelblattern  eine  Hohle,  welche  sich  mit  dem  durch  die  Darmwand 
transsudirenden  Chylus  fiillte.  Das  war  das  Coelom  in  seiner  ein- 
fachsten  Gestalt,  und  erst  spiiter  hat  sich  dieses  Haemochylussy- 
stem  oder  primordiale  Urblutsytem  in  zwei  verschiedene  Saftsy- 
steme  difterenzirt,  in  das  Lymphsystem  und  das  eigentliche  Blut- 
system". 

Noch    cntschiedener  findet    sich    dieser  Ideengang  in   Lan- 


Die  Coelomtheorie.  81 

kester's  bekannter  Schrift  uber  die  Keimblatter  (168)  ausgespro- 
clieu,  uur  mit  dem  allerdings  sehr  wichtigen  Uuterscliied,  dass  der 
englische  Forscher  aucli  das  Wassergefasssystem  als  eiueu  liierher 
gehorigen  Theil,  ja  sogar  als  den  Ausgangspuukt  fiir  die  Bildung 
des  Coeloms  und  der  Blutgefasse  ansieht.  „Die  verschiedeueu  Gefass- 
uud  Sinussysteme  der  Triploblastica",  heisst  es,  „konnen  uicht  auge- 
sehen  werden  als  bedeutsame  Difterenzirungeu,  sondern  siud  vielmehr 
wenig  modificirte  oder  gesouderte  Theile  eines  und  desselbeu  Blut- 
lymphhohlraumes"  (p.  334).  „Eiu  Blutlymphgefasssystem  tritt  in 
seiner  einfaclisteu  P'orm  bei  den  Plattwiirmern  auf,  wo  der  Haupttlieil 
der  unter  dem  Namen  Wassergefasssystem  bekannten  Cauille  im 
Mesoderm  als  der  Anfang  des  Blutlympligefasssystems  angeseben 
werden  muss".  Die  Canale  sind  Ausliohlungen  im  mesodermalen 
Gewebe.  „Solch  eine  Ausbohluug,  weiter  ausgedehnt  und  ausge- 
weitet,  bildet  scliliesslich  den  perivisceralen  Kaum,  den  man  bei 
manchen  Nemertinen  und  bei  alien  Gephyreen,  Echinodermen  und 
Chaetopoden  antrilft.  Wenn  Theile  dieses  Hohlraums  von  paral- 
lelen  Theilen  getrennt  werden  und  mit  den  grosseren  sinusartigen 
Raumen  entweder  communiciren  oder  nicht  communiciren,  so  sind 
die  Bedingungen  gegeben  fiir  die  weitere  Umwandlung  dieser  pri- 
mitiveu  Gefassbildung  in  distincte  Blutgefasse,  Lacunen  und  ein 
pericardiales  Siuussystem,  wie  bei  den  Mollusken,  oder  in  ein  ge- 
scblossenes  Gefasssystem ,  welches  im  Innern  eines  perivisceralen 
Sinus  gelegen  ist,  wie  bei  den  Chaetopoden,  oder  in  geschlossene. 
Haemoglobin  enthaltende,  Orgaue  eiuscheidende  Gefasse,  wie  bei 
den  Blutegeln,  oder  endlich  in  grosse  sinuose  Hohlraume,  welche 
mittelst  eines  Lymphgefasssystems  in  ein  geschlossenes  Blutgefass- 
system  einmtinden,  wie  bei  den  Wirbelthieren"  (p.  332). 

Auch  spater  hat  Lankester  (170  p.  417)  an  der  Idee  eines  ge- 
meinsamen  Ursprungs  fiir  Coelom  und  Blutgefasssystem  festgehal- 
ten,  als  er  einer  damals  zuerst  sich  weiter  verbreitenden  An- 
schauung  folgend  die  Leibeshohle  fiir  ein  Divertikel  des  Urdarms 
erklarte.  Fur  ihn  blieb  die  Leibeshohle  „die  genetische  Quelle  der 
Canale  und  Hohlraume  des  Lymph-  und  Blutgefasssystems." 

Diese  Ideengange  begegnen  sich  mit  Anschauuugen,  welche  vor- 
nehmlich  durch  His  (165)  angeregt  auf  dem  Gebiete  der  Wirbelthier- 
anatomie  gepflegt  ,worden  sind  und  welche  alle  Hohlraumbildungen 
im  Mesoderm  des  Wirbelthierkorpers  unter  einen  einheitlichen  Ge- 
sichtspunkt  zu  bringen  suchen.  Demnach  wiirde  die  Pleuroperi- 
tonealhohle,  wie  der  Arachnoidealsack  zum  Lymphgefasssystem  zu 
rechnen  seiu.    Ihren  Ausdruck  fand  diese  Anschauungsweise  in  der 

Bd.  XV.  N.  F.  VIII,  1.  a 


82  0.  und  E.  Hertwig, 

Einfiiliruiig  des  gemeinsamen  Namens  „Endother'  fiir  die  epithe- 
lialen  Auskleidungcii  der  Blutgefasse,  Lympligefasse  und  sinuosen 
Holilraume. 

Es  wird  nunmehr  unsere  Aufgabe  sein,  die  Ansichten,  tiber 
welche  wir  hier  einen  kurzen  Ueberblick  gegeben  haben,  auf  ihre 
Verwerthbarkeit  zu  priifen.  Dabei  wird  sich  ergeben,  dass  in 
ihnen  unzweifelhaft  richtige  Gesichtspunkte  enthalten  sind,  dass 
dieselbeu  aber  in  der  Verallgemeinerung ,  in  welcher  sie  aufge- 
stellt  wurden,  nicht  aufrecht  erhalten  werden  konnen,  Denn  in 
den  beiden  Abtlieilungen  der  Euterocoelier  und  Pseudocoelier  sind 
die  Holilriiume  der  Leibeshohle  morpliologisch  keineswegs  gleicli- 
werthig  und  stehen  dalier  auch  in  ganz  verscliiedenen  Beziehungen 
zuni  Blutgefasssystem. 

Bei  unseren  Erorterungen  sehen  wir  von  den  Fallen  ab,  in 
denen  eine  sogenannte  primare  Leibeshohle  im  Sinne  von  Glaus 
und  Hatschek  (102)  vorliegt.  Als  primare  Leibeshohle  bezeich- 
net  Glaus  (157)  (p.  17)  den  Leibesraum,  welcher  „bei  vielen,  na- 
mentlich  zahlreichen,  wirbellosen  Thieren  zwischen  Darmanlage  und 
Korperhaut  sehr  friihzeitig  auftritt,  noch  bevor  die  Zellenanlagen 
der  zugehorigen  Muskulatur  gebildet  sind,  welcher  dem  innerhalb 
beider  Zellenschichten  der  sogenanuten  Gastrula  zuriickgebliebenen 
Zwischenraum  entspricht  und  somit  seiner  Eutstehuug  nach  in  der 
Kegel  auf  die  Gentralhohle  der  Keimblase  und  demgemass  auf  die 
Segnieutationshohle  des  sich  kliiftenden  Dotters  zuriickzuftihren  ist". 
Dieser  „primaren  und  als  solche  persistirenden  Leibeshohle  gegen- 
iiber  erscheint  die  Ablagerung  eines  Zwischenparenchyms  als  ein 
secundarer  Process.  Wird  der  Leibesraum  durch  dasselbe  ver- 
drangt,  so  erhalten  wir  die  parenchymatosen  Acoelomier,  wird  hin- 
gegen  das  zusammenhangende  zellige  Zwischeugewebe  oder  das 
mittlere  Keimblatt  wiederum  gespalten,  so  erscheint  die  secun- 
diire  Leibeshohle  oder  Pleuroperitonealhohle." 

Eine  „primare  Leibeshohle",  fiir  welche  Huxley  und 
Lankester  die  Namen  „Blastocoer'  und  „Pseudoblastocoel"  an- 
wenden,  findet  sich  bei  den  Rotatorien  und  den  Larven  vieler  An- 
ueliden  (Taf.  I  Fig.  6)  und  Mollusken  (Taf.  I  Fig.  11),  namentlich 
bei  alien  pelagischen  Larven  vom  Trochophora-  oder  Trochosphaera- 
typus  und  bei  den  Larven  der  Echinodermen  (Taf.  I  Fig.  10). 
In  einem  Theil  dieser  Falle  ist  es  ausserordentlich  fraglich,  ob 
iiberhaupt  ein  Hohlraum  vorliegt,  oder  ob  nicht  vielmehr  der  Zwi- 
schenraum zwischen  Darm  und  Haut  von  einer  zarten  durchsich- 
tigen  Gallerte,  wie  sie  pelagischen  Thieren  eigenthiimlich  ist,  ein- 


Die  Coelomtheorie.  ;  83 

genommen  wird.  Die  endoprocten  Bryozoen,  welclien  Hatsckek(17) 
eiue  primare  Leibesliolile  zuschreibt,  besitzen  eine  Gallertausfiil- 
lung  zweifellos;  auch  bei  den  grosseu  Larveu  der  Echiuodermeu 
kann  man  sich  leicht  von  der  Anwesenheit  der  dem  Korper  als 
Grundlage  dienenden  Gallerte  iiberzeugen,  walirend  in  auderen 
Fallen,  wie  z.  B.  bei  den  Larven  des  Echiurus  in  der  That  ein 
weiter  Hohlraum  in  der  gallertigen  Grundsubstanz  enthalten  ist. 

Aus  diesen  kurzen  Bemerkungen  geht  schon  hervor,  wie  wenig 
wir  liber  das  Wesen  des  Blastocoels  oder  der  primilren  Leibes- 
hohle  orientirt  siud.  Da  es  ausserdem  gar  nicht  ausgemacht  ist, 
ob  zwischen  dem  Blastocoel  und  dem  Schizocoel  ein  tiefgreifender 
Unterschied  besteht  —  wir  verweisen  hier  auf  das,  was  wir  iiber 
die  Mollusken  schon  friiher  gesagt  haben  —  so  haben  wir  es  I'tir 
zweckmassiger  gehalten,  nur  die  Fiille  iu's  Auge  zu  fassen,  wo 
mnschlossen  von  eiuem  wohl  eutwickelten  mesodermalen  Grund- 
gewebe  ein  weiter  die  Eingeweide  umhiillender  Hohlraum  nachge- 
wiesen  werden  kann.  Hier  haben  wir  nun  zwei  verschiedene  For- 
men  der  Leibeshohle  zu  unterscheiden ,  1)  die  achte  Leibeshohle 
der  Wirbelthiere ,  Arthropoden,  Gliedervviirmer  u.  s.  w.  oder  das 
Enterocoel  und  2)  das  Pseudocoel  oder  das  Schizocoel  der  Plathel- 
minthen  und  Mollusken ;  beide  werden  wir  nach  Bau,  Entwickluug 
und  nach  ihrem  Verhaltniss  zum  Blutgefasssystem  niiher  charak- 
terisiren. 

Das  Enterocoel  ist  genetisch  ein  Theil  des  Urdarms,  von 
welchem  es  sich  durch  eiue  beiderseits,  links  und  rechts,  erfolgende 
Einfaltung  der  Darmwaud  ablest;  durch  diese  Entstehungsweise 
wird  es  in  seiner  Auordnung  und  in  seiuem  definitiven  Bau  be- 
stimmt.  Erstens  ist  es  eine  urspriinglich  paarige  Bildung,  ein 
Sack,  welcher  durch  den  Darm  und  das  dorsale  und  das  ventrale 
Mesenterium  in  eine  linke  und  rechte  Halfte  vollkommen  geschieden 
wird;  erst  secundar  lliesseu  beide  Unterabthcilungen  in  einen  ein- 
heitlichen  Hohlraum  zusammen,  indem  die  Mesenterien  eine  theil- 
weise  oder  giinzliche  Riickbildung  erfahren.  Daher  kommt  es, 
dass  gerade  die  urspriinglichsten  Formen  die  Zweitheilung  der 
Leibeshohle  am  klarsteu  zeigen,  wie  die  Chaetognathen  und  Anne- 
liden,  wahreud  bei  den  Wirbelthieren  das  ventrale,  bei  den  Arthro- 
poden sogar  beide  Mesenterien  verloren  gegangen  sind.  Der  pri- 
mitiven  Zweitheilung  gegeniiber  sind  alle  tibrigen  Gliederungen  der 
Leibeshohle  in  getrennte  Raume  secuudarer  Natur,  so  die  Sonde- 
rung  in  metamere  Theile,  welche  bei  den  Anueliden  durch  die  aus 
Faltung  entstandenen  Dissepimeute  herbeigefiihrt  wird,  oder  der 

6* 


84  0.  und  R.  Hertwig, 

Zerfall  des  Coeloms  in  die  Pleural-,  Peritoneal-  und  Pericardial- 
hohle  bei  den  Wirbclthieren. 

Zweitens  ist  das  Enterocoel  von  Anfang  an  mit  epithelialen 
Wandungen  versehen,  welche  den  Ausgangspunkt  fiir  eine  sehr 
mannigfaltige  Organbildung  abgeben.  Wie  wir  dies  bei  den  ein- 
zelneu  Organen  noch  niiher  besprechen  werden,  stammen  die  Ge- 
schlechtsorgane  und  die  Muskeln  von  den  Epithelzellen  des  Ente- 
rocoels  ab,  ferner  alle  Excretionsorgane,  welche  dem  Typus  der  Seg- 
meutalorgane  folgen,  und  die  Wassergefasse,  welche  bei  den  Echino- 
derraen  und  manchen  Gephyreen  zum  Ausspritzen  erectiler  Organe, 
der  Tentakeln  und  Saugfiisschen,  benutzt  werden.  Auch  spater  bleibt 
das  Enterocoel  von  einem  Epithel  ausgekleidet,  welches  ab  und  zu 
theilweise  oder  in  ganzer  Ausdehnung  mit  Elimmern  bedeckt,  mei- 
stens  aber  zu  einem  diinuen  Plattenepithel  abgeflacht  ist. 

Wahrend  so  das  Enterocoel  fiir  die  Orgauentwicklung  von  der 
allergrossten  Bedcutung  ist,  steht  es  in  keinen  direkten  Be- 
ziehungen  zum  Blutgefasssystem,  und  wo  solche  vorliegen, 
wie  bei  den  Arthropoden,  sind  dieselben  offenbar  secundarer  Na- 
tur.  Das  Blutgefasssystem  ist  in  seiner  Auweseuheit  an  die  Exi- 
stenz  eines  Mesenchyms  gekuiipft  und  wird  daher  bei  alien  mesen- 
chymlosen  Thieren  vermisst.  Da  nun  in  der  Gruppe  der  Entero- 
coelier  die  Bildung  des  bleibenden  Mesenchyms  meist  von  den  Wan- 
dungen der  Leibeshohle  ausgeht,  ohne  dass  aber  eine  solche  Dif- 
ferenzirung  iiberall  vorhanden  zu  sein  braucht,  so  ergiebt  sich  von 
selbst  der  durch  zahlreiche  vergleichend  anatomische  Thatsachen 
bewiesene  Satz,  dass  die  Leibeshohle  in  der  Reihe  der  En- 
terocoelier  frtiher  auftritt  als  das  Blutgefasssystem. 
Zum  Beweis  fiihren  wir  die  Chaetognatheu  und  Nematoden  an, 
deren  Korper,  fast  allein  von  Stiitzlamellen  gefestigt,  die  Blut- 
gefilsse  vollkommen  vermissen  lasst. 

Auch  ontogenetisch  behauptet  das  Enterocoel  seine  Prioritiit. 
Bei  den  Wirbelthieren  hat  sich  die  „Spaltung"  des  Mesoblasts  in 
Darm-  und  Hautfaserblatt ,  welche  zur  Bildung  der  Leibeshohle 
fiihrt,  langst  vollzogen,  ehe  die  ersten  Gefiisse  im  Darmfaserblatt 
des  Dottersacks  auftreten;  und  ebenso  geht  bei  den  Anneliden  und 
Arthropoden  die  Leibeshohle  in  ihrer  Entwicklung  den  Gefassen 
voraus. 

Hierbei  ist  uns  ferner  wichtig,  dass  die  Blutgefasse  unab- 
hangig  von  der  Leibeshohle  entstehen,  wie  dies  so  ausserordent- 
lich  schon  und  uberzeugend  bei  den  Wirbelthieren  zu  erkennen  ist 
Weun  auch  noch  viel  tiber  die  histologischen  Details   gestritten 


Die  Coelomtheorie.  85 

wird,  so  ist  doch  das  Eine  klar,  dass  die  Lymph-  und  Blutgefasse 
zuerst  nur  Liicken  siiid,  welche  sich  in  dem  Mesenchym  des  stark 
verdickteu  Darnifaserblatts  durch  theilweise  Verfliissigung  des  Ge- 
webes  und  Umwandlung  der  Zellen  zu  Blutkorperclien  gebildet  lia- 
ben.  Die  Communicationen ,  welche  beim  entwickelten  Thier  zwi- 
schen  dem  Coelom  und  den  Lymphgefiissen  existiren,  sind  secun- 
dare  Bildungen.  Morphologisch  ist  es  dalier  uurichtig,  die  Leibes- 
hohle  zu  den  grossen  Lymphraumen  zu  rechneu,  wie  sie  als  Arach- 
noidealsack  das  Centralnervensystem  umhiillen,  den  niederen  Wir- 
belthieren  noch  vollig  fehlen  und  auch  bei  den  hoheren  relativ 
spat  angelegt  werden. 

Weniger  bestimmt  konnen  wir  uns  iiber  das  Verlialtniss  des 
Blutggefasssystems  zur  Leibeshohle  bei  den  Arthropoden  ausscrn, 
wenn  es  auch  wenig  wahrscheinlich  ist,  dass  die  fur  die  Wirbel- 
thiere  gewonuenen  Anschauungeu  nicht  auch  fiir  die  Gliederthiere 
Geltung  haben  sollten.  Genaue  entwicklungsgeschichtliche  Beob- 
achtungeu  liegen  in  der  Literatur  iiber  diesen  Gegenstand  nicht 
vor;  Balfour  (111)  halt  es  fiir  wahrscheinlich,  dass  bei  den 
Spinnen  das  Herz  zunachst  als  ein  solider  Zellenstrang  angelegt 
wird,  der  sich  spater  aushohlt,  indem  ein  Theil  der  Zellen  die 
Wandung  des  Herzens,  ein  anderer  die  in  ihm  enthaltenen  Blut- 
korperchen  liefert,  wie  dies  ja  auch  bei  den  Wirbelthieren  der 
Fall  ist;  aber  aus  seiner  Darstellung  lasst  sich  entnehmen,  dass 
der  Verfasser  diesem  Punkt  wenig  Beachtung  geschenkt  hat.  Wir 
selbst  sind  bei  unseren  Untersuchungen  noch  zu  keinem  bestimm- 
ten  Resultat  gelangt.  Und  so  wUrde  es  zur  Zeit  noch  rathsam 
sein,  bei  der  Erorterung  der  Beziehungen  die  vergleichende  Ana- 
tomie  in  erster  Linie  zu  beriicksichtigen ,  wenn  leider  nicht  auch 
der  auf  diesem  Weg  zu  erhaltende  Aufschluss  unbefriedigend  aus- 
fiele.  Wenn  bei  den  Insekten  Blutgefasse  und  Leibeshohle  mit 
einander  communiciren ,  so  kanu  daraus  keineswegs  gefolgert  wer- 
den, dass  beide  genetisch  zusammengehoren ,  dass  die  Blutgefasse 
abgeschniirte  Theile  der  Leibeshohle  sind.  Denn  das  Blutgefass- 
system  ist  bei  den  Lisekten  in  Folge  der  Tracheenathmung  hoch- 
gradig  ruckgebildet. 

Auch  bei  den  Crustaceen  liessen  sich  Thatsachen  zusam- 
menstellen  zu  Gunsten  der  Ansicht,  dass  das  Blutgefasssystem  als 
ein  Abkommling  der  Leibeshohle  zu  betrachten  sei.  Doch  wiirde 
es  mit  der  Beweiskraft  dieser  Thatsachen  nicht  besser  bestellt 
sein,  als  bei  den  Tracheaten.  Die  niederen  Krebse,  bei  denen  die 
Leibeshohle  als  ein  grosser  Blutsinus  fnngirt,  sind  kleine  Thiere, 


86  O.  und   II.  Hertwig, 

bei  di'iien  das  Blutgefasssystem  cbenfalls  riickgebildet  ist,  so  dass 
vielfach  sogar  das  Herz  fehlt.  Dass  aber  bei  Thieren  von  geringer 
Korpergnisse  die  Blutgefassc  iiberflussig  werden  und  sich  riick- 
bilden,  dafiir  liefern  ein  lehrreiches  Beispiel  die  Acariden,  bei  denen 
von  dem  reichen  Blutgefasssystem  der  iibrigen  Araneen  audi  nicht 
einnial  das  Herz  erhalten  geblieben  ist.  Auch  haben  die  Unter- 
suchungen  der  Neuzeit  gezeigt,  dass  unsere  Kenntnisse  von  der 
Beschaifenheit  des  Gefasssystems  bei  niederen  Crustaceeu  sehr  un- 
geniigend  sind.  Bei  parasitischen  Copepoden,  bei  denen  man  bis- 
her  nicht  einmal  ein  Herz  kannte,  ist  in  jiingster  Zeit  von 
V.  Beneden  (113)  und  v.  Heider  (122)  ein  Blutgefasssystem 
nachgewiesen  worden.  Heider  beschreibt  dasselbe  als  „ein  weit 
ausgebreitetes  System  geschlossener  Gefasse,  welche  in  keiner  un- 
mittclbaren  Verbindung  mit  den  Raumen  der  Leibcshohle  stehen. 
Als  Centralorgan  findet  sich  kein  Herz,  sondern  zwei  bauchseitig 
unter  und  neben  dem  Darm  verlaufende  Langsgefassstamme,  sowie 
eiii  iiber  die  Riickenseite  verlaufender,  iiber  dem  Darm  und  zwi- 
schen  den  paarigen  Geschlechtsdrusen  gelagerter  Langsstamm." 

Eine  Losung  der  uns  beschaftigenden  Frage  ist  iibrigens  nicht 
wolil  moglich  ohne  Beriicksichtigung  der  gegliederten  Wiirmer, 
die  wahrscheinlich  doch  die  Stammformen  der  Arthropoden  sind. 
Bei  diesen  ist  das  Gefasssystem  einfacher  Natur,  iudem  es  nur 
aus  liangsgefiissen  und  Quergefiissen  besteht,  aber  es  ist  gegen 
die  Leibeshohle  vollig  abgeschlossen.  Anatomisch  gleicht  es  somit 
dem  Gefassapparat  der  Copepoden  und  konnte  ganz  gut  als  ein 
Vorlaufer  desselben  gelten.  Entwicklungsgeschichtlich  wissen  wir 
durch  Kowalevsky,  dass  die  Gefasse  bei  Lumbricus  aus  Zellen 
hervorgehen,  welche  zwischen  Darmdriisenblatt  und  Darmfaser- 
blatt  liegen  und  von  letzterem  abstaramen,  was  denn  ganz  an  die 
Verhaltnisse  der  Wirbelthiere  erinnert. 

Unsere  Erorterungen  fiihren  demnach  zu  dem  Resultat,  dass 
die  Leibeshohle  der  Enterocoelier  friiher  als  das 
Blutgefasssystem  erscheint,  dass  das  letztere  sich 
unabhangig  von  ihr  aus  Spalten  und  Lticken  des  Me- 
senchyms  entwickelt  und  dass  die  Anwesenheit  von 
Communicationen  zwischen  beiden  H  ohlraumsyste- 
men  bei  den  Arthropoden  erst  secundar  erworbou 
w  u  r  d  e. 

Das  Alles  kat  keine  Giiltigkeit  fiir  die  Pseudocoelier,  un- 
ter denen  wir  die  mit  einem  Blastocoel  ausgestatteten  Rotatorien 
und  Bryozoen  aus  oben  erorterten  Gruudeu   ausser  Acht  lassen 


Die  Coelomtheoric.  87 

mid  uns  nur  auf  die  Plathelminthen  und  MoUuskeii  beschianken 
w'ollen.  Die  niedrigsten  dieser  Formen,  die  Plathelminthen,  haben 
uberhaupt  keinen  ansehnlichen  Hohlraum  im  Inneren  des  Korpers, 
wenn  wir  vom  Darracanal  absehen.  Inimerhin  beginnt  bei  den 
Plattwilrmern  sich  eine  sehr  primitive  Art  Gefiisssystem ,  ein  Sy- 
stem von  Spaltritumen  ,  bemerkbar  zu  machen ,  in  denen  der  er- 
nahrende  Gewebssaft  zu  circuliren  vermag;  bei  einem  Theil,  den 
Neraertinen,  kommt  es  sogar  zur  Sonderung  besonderer  blutflihren- 
der  Canale.  Aehnlichen  Zustanden  begegnen  wir  bei  den  niedersten 
Mollusken,  den  Schnecken  und  Muscheln,  doch  ist  hier  insofern 
eine  hohere  Entwickluugsstufe  erreicht,  als  ein  Herz  mit  Vorkam- 
mern,  welches  sich  eine  Strecke  weit  in  wohl  geschlossene  Gefasse 
fortsetzt,  zur  Anlage  gelangt  ist.  Nach  einiger  Zeit  offnen  sich 
die  Gefasse  in  weite  Sinus,  welche  iiamentlich  im  Umkreis  der 
Eingeweide  sehr  ansehnlich  sind  und  bei  den  Schnecken  sich  so- 
gar zu  einem  einheitlichen  Leibesraum  vereinigcn  konnen.  Ein 
besonderer  Sinus,  der  Herzbeutel,  umgiebt  den  Herzschlauch  und 
fungirt  zugleich  als  ein  Sammelort  fiir  einen  Theil  des  nach  dem 
Herzen  stromenden  Blutes. 

Bei  den  Cephalopoden  endlich  kommt  es  zu  einer  Trennung 
des  Blutgefasssy stems  von  der  Leibeshohle,  wobei  letztere  den  Cha- 
rakter  eines  weiten,  die  Eingeweide  bergenden  Raums  annimmt; 
aber  es  Ijisst  sich  entwicklungsgeschichtlich  beweisen,  dass  es  sich 
hier  nur  um  eine  hohere  Diflferenzirung  der  bei  den  niederen  Mol- 
lusken beobachteten  Verhaltnisse  handelt;  denn  Blutgefiisssystem 
und  Leibeshohle  durchlaufen  wiihrend  des  Embryonallebens  ein 
Stadium,  welches  bei  den  ubrigen  Mollusken  sich  dauernd  erhalt; 
sie  werden  als  ein  System  communicirender  Spaltraume  angelegt 
und  bilden  sich  erst  allmahlich  aus  dieser  indifferenten  Anlage 
hervor. 

Fiir  die  Mollusken  und  die  ihnen  angeschlossenen  Formen 
gilt  daher  die  so  weit  verbreitete  Ausicht,  dass  Leibeshohle 
und  Blutgefasssystem  mit  einander  nahe  verwaudt 
sind;  von  ihnen  ist  der  Satz  dann  mit  Unrecht  auf  die  ubrigen 
Thiere  verallgemeinert  worden,  wobei  man  verschiedenartige  Ge- 
bilde  als  einander  gleichwerthig  betrachtete.  Will  man  die  Ver- 
gleichungen  richtig  ziehen,  so  muss  man  Leibeshohle  und 
Blutgefasssystem  der  Mollusken  dem  Blut-  undLymph- 
gefasssystem  der  Wirbelthiere  gegeutiberstellen.  Man  kann 
dabei  den  Namen  „Leibeshohle"  fiir  beide  Falle  beibehalten,  wenn 
man  sich  nur  bewusst  bleibt.  dass  hierdurch  nur  eine  physio- 
logische  Gleichartigkeit  ausgedruckt  ^Yird,  dass  dagegen  zwei 


88  0.  tmd  R.  Hertwig, 

morphologisch  vollig  verschiedene  Bildungen  vorliegen.  Dem 
letzteren  Gesichtspunkt  kann  man  dadurch  zu  seinem  Rechte  ver- 
helfen ,  dass  nian  die  Leibeshohle  das  eiiie  Mai  als  Enterocoel, 
das  andere  Mai  als  Schizocoel  iiaher  kennzeichnet. 

Entsprechend  seiner  abweichenden  Entwicklungsweise  ist  das 
Schizocoel  auch  anatoniisch  vom  Enterocoel  leicht  zu  unterschei- 
den,  Ihm  fehlt  eine  besondere  epitheliale  Auskleidung;  es  ist  ein 
unregelmassiger  Raura,  an  dessen  Wand  die  Eingeweide  zwar  an- 
gewachsen  sein  konnen,  ohne  dass  es  jedoch  zur  Bildung  eines  dor- 
salen  und  ventralen  Mesenteriums  kommt;  es  steht  endlich  in  kei- 
ner  engeren  Beziehung  zu  den  wichtigen  Organsystemen,  zu  deren 
naherer  Betrachtung  wir  uns  im  Folgenden  wenden. 

3.     Die  Gesehleclitsorgane  und  das  Exoretionssystem. 

Die  Hiiufigkeit,  mit  welcher  der  vergleichende  Anatom  zwei 
in  ihren  Functionen  verschiedene  Systerae,  die  Geschlechts-  und 
die  Excretionsorgane,  unter  einander  vereinigt  findet,  ist  Veranlas- 
sung  geworden,  beide  als  Theile  eines  gemeinsamen  Apparats  un- 
ter  dem  Namen  „Urogenitalsystem"  zusammenzufassen.  In  der 
That  ist  es  auch  nicht  schwer,  eine  gewisse  Aehnlichkeit  in  der 
Functionsweise  beider  Organe  nachzuweisen  und  darin  einen  Grund 
zu  ihrer  Vereinigung  zu  erkennen.  Beidesmal  werden  Stoffe  er- 
zeugt,  welche  fiir  die  weitere  Entwicklung  des  Thierkorpers  nicht 
mehr  bestimmt  sind  und  nach  aussen  geleitet  werden  miissen. 
Kein  Wunder  daher,  dass  die  Excretionsorgane  ausser  den  Excre- 
ten  vielfach  auch  die  Geschlechtsproducte  aus  dem  Korper  ent- 
fernen. 

Indessen  kann  von  einem  Urogenitalsystem  nur  bei  einem 
Theil  der  Thiere  die  Rede  sein,  indem  bei  einem  anderen  Theil 
die  Vereinigung,  welche  eine  solche  Beueunung  rechtfertigen  wurde, 
ausgeblieben  ist,  und  die  Geschlechtsorgane  ihre  eigenen  Ausftihr- 
wege  entwickelt  haben.  Die  Wirbel thiere,  gegiiederten  Wiirmer, 
Chaetognathen ,  Brachiopoden  besitzen  ein  Urogenitalsystem,  die 
Plattwiirmer,  Mollusken,  Rotatorien  dagegen  getrennte  Geschlechts- 
organe und  Nieren.  Den  Grund  zu  dieser  Verschiedenheit  haben 
wir  darin  zu  suchen,  dass  das  physiologische  Moment  nicht 
ausreicht,  um  eine  Vereinigung  anzubahnen,  dass  vielmehr  noch 
weiter  giinstige  anatomische  Vorbedingungen  gegeben  sein  miis- 
sen. Das  ist  aber  nur  bei  den  Enterocoeliern  der  Fall,  bei  denen 
Geschlechtsorgane  und  Excretionsorgane  von  einem  gemeinsamen 
Mutterboden,  dem  Epithel  der  Leibeshohle,  abstammen;   nur  bei 


Die  Coelomtheorie.  89 

ihnen  sehen  wir  dalier  iu  der  Mehrzahl  der  Falle  —  die  Ausuali- 
men  werderi  wir  noch  besonders  besprechen  —  eine  Vereinigung 
vollzogen,  welche  bei  alien  Pseudocoeliern  unterblieben  ist. 

Wir  haben  hier  im  Allgemeineu  auf  eineu  fuudamentaleii  Uiiter- 
schied  zwischen  den  Enterocoeliern  und  den  Pseudocoeliern  in  der 
Beschaffenheit  des  Urogenitalsystems  aufmerksam  gemacht  und 
werden  diesen  Gedanken  jetzt  weiter  durchfiihren,  indem  wir  zuerst 
Bau  und  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane  und  darauf  der  Ex- 
cretionsorgane  in  beiden  Abtheilungen  eiuander  gegeniiberstelleu. 

Die  Geschlechtsorgane  der  Enterocoelier  entstehen  aus 
dem  Epithel  der  Leibeshohle,  wie  dies  fiir  die  Mehrzahl  der  For- 
men  sicher  bewiesen  und  fiir  die  ubrigeu  nach  Aualogie  wahr- 
scheinlich  ist.  In  der  ganzen  Abtheilung  der  Anneliden,  denen 
sich  auch  die  Gephyreen  anschliessen ,  liegen  die  Geschlechtspro- 
ducte  bis  zu  ihrer  Reife  im  Epithel  der  Leibeshohle,  urn  sich  dann 
loszulosen  und  in  die  Leibeshohle  selbst  zu  gerathen.  Da  die 
Oligochaeten  und  Hirudineeu  oflfenbar  nur  umgewandelte  polychaete 
Anneliden  siud,  so  werden  sie  auch  in  dieser  Hinsicht  sich  mit 
ihnen  gleich  verhalten;  in  der  That  mochte  es  auch  nicht  schwer 
fallen,  die  Geschlechtsbliischen  in  beiden  Abtheilungen  als  abge- 
kapselte  Theile  der  Leibeshohle  hinzustellen. 

Bei  den  Wirbelthieren  sind  die  ersten  Anlagen  der  Keimpro- 
ducte  in  den  Ureiern  gegeben;  diese  liegen  bei  miinnlichen  und 
weiblichen  Embryonen  im  Keimepithel,  welches  seinerseits  nichts 
ist,  als  ein  Theil  des  Peritonealepithels.  Das  gleiche  Verhalten 
haben  wir  auch  fiir  die  Arthropoden  aufgefunden.  Die  Geschlechts- 
organe im  fertigen  Zustand  siud  hier  langgestreckte  Rohren,  welche 
nach  Aussen  miinden  und  durch  ihren  Bau  einen  ektoderraalen 
Ursprung  so  sehr  wahrscheinlich  machen,  dass  in  der  That  auch 
Balfour  (111)  sich  kiirzlich  fiir  eine  solche  Entstehungsweise  aus- 
gesprochen  hat,  wenn  auch  nur  in  bedingter  Foi-m.  Aber  auch 
hier  lasst  sich  der  Zusammenhang  mit  grossen,  im  Peritonealepi- 
thel  gelegenen  Zellen  nachweisen,  welche  als  Ureier  bezeichnet 
werden  konnen.  Von  den  Arthropoden  wiederum  ist  der  Riick- 
schluss  auf  die  Rundwiirmer  gestattet.  Nicht  allein  sind  die  Ge- 
schlechtsorgane dieser  Thiere  Rohren,  die  an  ihrem  blindgeschlos- 
senen  fadenartig  ausgezogenen  Ende  ein  Keimepithel  bergen  und 
hierin  ausserordentlich  mit  den  Geuitalrohren  der  Insektcn  tiber- 
einstimmen,  sondern  die  Uebereinstimmung  erstreckt  sich  auch  auf 
die  Entwicklungsweise.  Die  jiingsten  Stadien  der  Geschlechtsor- 
gane sind  durch  Glaus  (78)  und  Leuckart  (81)  bei  verschie- 


90  0.  und  li.  Hertwig, 

(lenen  Ncmatoden  bekaniit  geworden  und  sind  geschlossene  ovale  und 
solide  Korper.  „Die  kleine  und  helle  Geschlechtsanlage  liegt  un- 
gefjihr  in  der  Mitte  des  Chylusdarms  auf  der  ventralen  Innenflache 
der  Korperwande  und  hat  im  Liingsschnitt  eine  fast  bohnenformige 
Gestalt.  Sie  misst  nur  selten  iiber  0,018  Mm  und  hat  bis  auf  einen 
Oder  einige  wenige  darin  eingeschlossene  Kerne  „ein  vollig  homo- 
genes  Aussehen".  „Bei  den  mannlichen  Thieren  wachst  nun  dieser 
Zellenhaufen  in  einen  spindelformigen  Schlauch  aus,  der  sich  be- 
sonders  nach  hinten  zu  verlangert  und  schliesslich  mit  dem  Mast- 
darm  in  Verbindung  tritt.  Dieselbe  Formveranderung  geht  mit 
der  Genitalanlage  der  Weibchen  in  denjenigen  Fallen  vor  sich,  in 
denen  die  Schliiuche  symmetrisch  in  der  Korperwand  angebracht 
sind."  Wie  bei  den  Insekten  sind  somit  die  Geschlechtsorgane 
bei  den  Nematoden  urspriinglich  solide,  in  der  Leibeshohle  liegende 
Korper,  spater  nach  Aussen  miindende  Rohren. 

In  der  Entwicklungsweise  der  Geschlechtsorgane  gleichen  die 
Enterocoelier  dem  Gesagten  zufolge  den  Actinien,  well  beidesmal 
in  letzter  Instanz  das  Epithel  des  Urdarms  die  Keimlager  erzeugt, 
well  ferner  die  Keimlager  in  die  Divertikel  des  Urdarms  zu  lie- 
gen  kommen,  welche  bei  den  Actinien  mit  dem  Darm  im  Zusam- 
menhang  bleiben,  bei  den  Enterocoeliern  sich  zur  Leibeshohle  ab- 
schnuren.  Dagegen  unterscheiden  sie  sich  von  den  Pseudocoeliern, 
bei  denen  schon  durch  den  Mangel  des  Enterocoels  eine  verschie- 
dene  Entwicklungsweise  den  Geschlechtsorganen  vorgeschrieben  ist. 

Aus  welchen  Keimbliittern  die  Geschlechtsorgane  der  Pseu- 
docoelier  stammen,  ist  leider  bisher  noch  in  keinem  Falle  mit 
Sicherheit  bewiesen.  Die  gewohnlichen  Angaben  lauten,  dass  Zel- 
leugruppen  des  Mesenchyms  durch  Theilung  und  Wachsthum  die 
Eier  und  Spermatozoon  liefern.  In  diesem  Sinne  haben  sich  Hat- 
schek  (17)  fur  Pedicellina,  Rabl  (69)  fur  die  Mollusken,  Hoff- 
mann (41)  und  Kennel  (45)  fiir  die  Nemertinen  ausgesprochen. 
Indessen  sind  audi  Stimmen  laut  geworden,  welche  die  Geschlechts- 
organe auf  die  Epithelien  der  beiden  primitiven  Keimblatter  zu- 
riickfiihren.  Im  Anschluss  an  v.  Beneden  (1)  lasstHallez  (30) 
bei  den  Turbellarien  die  Eier  vom  Entoblast,  die  Spermatozoon 
vom  Ektoblast  abstammen;  fiir  die  Mollusken  hat  Fol  eine  Zeit 
lang  dieselbe  Ansicht  behauptet.  —  Wenn  wir  nun  auch  durch 
zahlreicbe  Analogicu  dazu  berechtigt  sind,  eine  verschiedene  Ent- 
stehung  der  Eier  und  Spermatozoen  auszuschliessen ,  so  ware  es 
doch  immer  moglich,  dass  die  beiden  letztgenannten  Forscher  mit 
der  Annahme  eines  epithelialen  Ursprungs  Recht  batten.    Im  All- 


Die  Coelomthcorie.  91 

gemeinen  wiirde  dies  zu  unsereu  anderweitigen  Erfahrungen  pas- 
sen,  da  ausser  bei  den  Spongien  (F.  E.  Schulze  10)  bisher  noch 
nirgends  eine  mesenchymatose  Anlage  der  Geschlechtszellen  beob- 
achtet  worden  ist. 

Wahrend  bei  den  Enterocoeliern  besondere  Ausfuhrgange  der 
Geschlechtsorgane  nur  den  Arthropoden  und  den  Nematoden  zu- 
kommen  und  in  alien  ubrigen  Fallen  durch  die  sogleich  noch  ge- 
nauer  zu  besprechenden  Segmeutalorgane  ersetzt  werden,  sind  bei 
den  Pseudocoeliern  stets  Ausfiihrwege  vorhanden,  welclie  sich  so- 
gar  meist  durch  eine  ausserst  complicirte  Beschaffenheit  auszeich- 
uen;  sie  sind  die  Sammelcauale,  in  welche  die  einzelnen  Schlauche 
der  Geschlechtsdriisen  einmiinden. 

Was  nun  zweitens  die  Excretionsorgane  anlangt,  so  fol- 
gen  dieselben  bei  den  Enterocoeliern  dem  gemeinsamen  Typus  der 
Segmentalorgane.  In  ihren  einfachsten  Formen ,  bei  den  Chaeto- 
gnathen,  sind  sie  Durchbrechungen  der  Leibeswand,  welche  Conimu- 
nicationen  der  Leibeshohle  nach  aussen  bedingen  und  nicht  unpas- 
send  schon  ofters  mit  den  Poren  im  Mauerblatt  der  Actinien  und 
am  Ringcanal  der  Medusen  verglichen  worden  sind  (93).  In  ver- 
vollkommneter  Gestalt  treten  sie  uns  bei  den  Anneliden  und  Bra- 
chiopoden  entgegen  als  gewundene  Canale,  welche  in  der  Leibes- 
hohle mit  einera  Wimpertrichter  begiunen,  die  Muskelwand  durch- 
bohren  und  einzeln  nach  Aussen  miinden.  Aus  ahulichen  Aulagen 
entwickelt  sich  die  Niere  der  Wirbelthiere ,  wenn  auch  die  Ver- 
binduug  mit  der  Leibeshohle  nur  noch  bei  den  niedersten  Formen 
besteht  und  ein  weiterer  wichtiger  Unterschied  dadurch  herbeige- 
iuhrt  wird,  dass  alle  segmentalen  Gange  sich  mittelst  eiues  ge- 
meinsamen Ausfiihrungsgangs  nach  Aussen  off'uen.  Bei  den  Arthro- 
poden sind  typische  Segmentalorgane  nur  beim  Peripatus  (112) 
erhalten ,  bei  alien  ubrigen  Tracheaten  riickgebildet  und  durch 
Excretionsorgane  von  ganz  anderer  morphologischer  Bedeutung,  zu 
meist  durch  die  Malpighi'schen  Gefasse,  ersetzt.  Fiir  ihre  einstmalige 
Existenz  bei  den  Crustaceen  liegen  ebenfalls  Anzeigen  vor,  indem 
es  als  sehr  wahrschciulich  angcsehen  werden  muss,  dass  die  in 
homodynamer  Beiiie  auftretenden  Schalen-  und  Antennendriisen  die 
letzten  stark  modiiicirten  Reste  einer  Reihe  von  Segmentalorga- 
nen  sind  (Glaus  116),  (Grobben  119.  120).  Ob  endlich  auch 
die  Excretionsorgane  der  Nematoden  zu  den  hier  behandelten  Or- 
ganen  gehoren,  lasst  sich  bei  der  ungeniigenden  Kenntniss,  wel- 
che wir  von  ihrem  Bau  und  ihrer  Entwicklung  besitzen,  nicht  ent- 
scheiden ;  dass  sie  nur  in  einem  Paar  vorhanden  sind,  wiirde  zwar 


92  0.  uud  R.  Hertwig, 

iiicht  in  Betracht  kommeii ,  da  ja  die  Segmentalorgane  sicli  aus 
einfachen,  nicht  metamer  angcordneten  Organen  entwickclt  haben 
mussen,  dagegen  ist  es  wichtig,  dass  bisher  noch  keiiie  Verbiii- 
dungeu  mit  der  Leibeshohle  beobachtet  worden  sind. 

Ueber  die  Entwicklung  der  Segmentalorgane  liegen  sichere 
Beobachtungen  nur  fiir  die  Wirbelthiere  vor  und  zeigen,  dass 
ilire  Driisengiinge  vom  Epithel  der  Leibeshohle  in  ahnlicher  Weise 
abstammen,  wie  Driisen  vom  Epithel  des  Darmes  oder  von  der  Epi- 
dermis, indem  sie  als  solide,  spiiter  sich  aushohlende  Zellstrange 
in  das  unterliegende  Gewebe  wuchern.  Aehnliches  hat  Ko wa- 
le vsky  (105)  bei  Anneliden  beobachtet.  „Die  jungsten  Segmen- 
talorgane", heisst  es  in  der  Entwicklungsgeschichte  des  Lumbricus, 
„zeigen  einen  kleinen  Haufen  von  Zellen,  welche  auf  der  kaum 
gebildeten  vorderen  Wand  jedes  Dissepiments  aufsitzen  und  frei 
in  die  Hohle  des  Segments  hineinragen ;  wenn  man  diesen  Haufen 
genauer  und  bei  starkerer  Vergrosseruug  mustert,  so  geniigt  es, 
um  in  demselben  eine  Ausstiilpung  der  hinteren  Wand  des  Dis- 
sepiments und  in  dieser  schon  ein  schwach  ausgesprochenes  Lumen 
zu  erkennen".  Der  Verwerthbarkeit  dieser  Angaben  thut  aber  die 
Darstellung  Hatschek's  (102)  Abbruch,  welcher  die  Segmen- 
talorgane der  Anneliden  als  Zellenreihen  auftreten  lasst,  welche 
unabhiingig  von  der  Leibeshohle  zv/ischen  ihr  und  der  Korperober- 
flache  liegen ,  nach  unserer  Definition  somit  dem  Mesenchym  an- 
gehoren  und  erst  secundiir  sich  mit  der  Leibeshohle  verbinden. 
Die  Entwicklung  der  Schalendruse  der  Daphniden  aus  dem  Meso- 
blast  wurde  neuerdings  von  Grobben  (119)  beobachtet,  jedoch 
nicht  genau  genug,  um  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  sie  in  Bezie- 
hung  zur  Leibeshohle  steht  oder  nicht. 

Da  wir  uns  bei  der  Erorterung  der  Beobachtungen  auf  einem 
unsicheren  Boden  bewegen,  so  haben  wir  ein  Recht  auf  Analogieen 
grosseres  Gewicht  zu  legen  und  dem  eutsprechend  bei  der  Frage 
nach  dem  Ursprung  der  Segmentalorgane  die  an  Wirbelthieren 
gewonnene  sichere  Erfahrung  als  Ausgangspunkt  zu  benutzen.  Das 
wiirde  uns  aber  bestimmen  bei  alien  Enter ocoeliern  die 
Segmentalorgane  vom  Epithel  der  Leibeshohle  ab- 
zuleiten. 

So  sind  in  der  Beschaffenheit  der  Segmentalorgane  zwei  Momente 
gegeben,  welche  eine  Vereinigung  mit  dem  Geschlechts- 
apparat  begunstigen;  erstens  sind  sie  nach  der  Lei- 
beshohle zu  geoffnet,  welche  urspriinglich  jeden- 
falls  zur  Aufnahme  der  Geschlechtsprodukte  dient, 


Die  Coelomtheorie.  93 

wie  es  bei  den  Actinien  die  Radialkammern  thun, 
zweitens  entwickeln  sie  sich  aus  demselben  Epithel, 
wie  die  Geschlechtsorgane. 

Von  den  Segmentalorganen  warden  neuerdings  die  Excre- 
tionsorgane  der  Plattwiirmer,  Rotatorien  und  Mel- 
ius ken,  d,  h.  der  Pseudocoelier  auf  Grund  auatoraischer  Ver- 
schiedeuheiten  von  Fraipont  (27)  als  Gebilde  von'  ditferenter 
niorpliologischer  Bedeutung  getrennt.  Allein  die  Verschiedeuheiten 
sind  weder  in  die  Augen  springend  noch  sind  sie  duichgreifend. 
Bei  den  ersten  beiden  Gruppen  stellen  die  Organe  ein  veiasteltes, 
aus  starken  Hauptasten  und  schwachen  anastomosireuden  Nebcn- 
zweigen  bestehendes  Gefasssystem  vor,  dessen  Enden  mit  flimmern- 
den  Oeffnungen  versehen  sind  und  mit  den  Spalten  des  Mesen- 
chyms,  den  Anfangen  des  Schizocoels,  communiciren.  Aber  der 
Charakter  der  Verastelung  gilt  nicht  fiir  die  Nieren  der  Mollus- 
ken,  welche,  —  sowohl  die  embryonalen  Voruieren  als  auch  die 
bleibenden  Nieren  — ,  einfache  mit  der  Leibeshohle ,  resp.  dem 
Herzbeutel,  zusammenliangende  Gange  sind.  Gleichwohl  glauben 
wir  nicht,  dass  Fraipont  Unreclit  daran  gethan  hat,  einen- Un- 
terschied  zwischen  beiden  Formen  der  Segmentalorgane  fcstzustel- 
len,  wenn  wir  auch  diese  Idee  in  anderer  Weise  begriinden.  Die 
Excretionsorgane  entstehen  namlich  keinenfalls  aus  dem  Epithel 
der  Leibeshohle,  da  ein  solches  iiberhaupt  fehlt;  entweder  sind 
sie  Einstiilpungen  des  Ektoblasts,  wie  dies  Fol  (57)  und  But- 
schli  (51)  fiir  die  Mollusken  bchaupten,  oder  sie  sind  Differen- 
zirungen  des  Mesenchyms,  wie  es  Rabl  (69)  und  Hatschek 
(59)  annehmen,  und  gehen  aus  Zellenreiheu  hervor,  welche  erst 
spater  der  Lange  nach  sich  zu  eiuem  Canal  aushohlen.  In  beiden 
Fallen  wiirden  sie  in  anderer  Weise  gebildet  werden  als  die  Seg- 
mentalorgane der  Euterocoelier ;  ihre  Verbindungen  mit  der  Lei- 
beshohle und  dem  Gefasssystem  wiirden  secundarer  Natur  sein, 
ganz  abgesehon  davon,  dass  diese  Verbindungen  mit  den  Wimper- 
trichtern  der  Segmentalorgane  nicht  auf  gleiche  Stufe  gestellt  wer- 
den k()nnten,  da  Enterocoel  und  Schizocoel  nicht  bomolog  sind. 

Fiir  eine  Unterscheidung  der  beiden  Formen  der  Excretions- 
organe sprechen  endlich  noch  zwei  Momente,  von  denen  das  eine  von 
Fraipont  ebenfalls  schon  geltend  gemacht  worden  ist.  Bei  manchen 
Anneliden  kommen  beide  Excretionsorgane  zugleich  und  neben  ein- 
ander  vor ;  die  Larven  haben  die  sogenannte  Kopfniere,  welche  in 
ihrer  Verastelung  und  im  Besitz  der  Flimmerlappchen  an  die  Nie- 
ren der  Plattwiirmer  und  Rotatorien  erinnert;  sie  geht  zwar  spater 


94  0.  und  R.  Hertwig, 

als  ein  Larvenorgaii  verloren;  ehe  aber  dies  noch  eingetretcii  ist, 
bildeii  sich  unabhaiigig  von  ihr  die  Spgmentalorgane  im  geglie- 
derten  Rumpfe  der  Larve  aus,  uni  spater  allein  zu  functioniren. 
Zweitoiis  steheii  die  Excretionsorgane  niemals  mit  den  Geschlechts- 
organen  in  Verbindung,  was  bei  den  Enterocoeliern  die  Regel  ist. 
Es  erklart  sich  dies  daraus,  dass  beide  Theile  weder  anatomisch 
noch  entwicklungsgcschichtlich  in  gemeinsamer  Weise  mit  der  Lei- 
beshohle  verkniipft  sind. 

Zum  Schluss  stellen  wir  noch  einmal  kurz  die  Gegensatze 
einander  gegeniiber,  welche  zwischen  Enterocoeliern  und  Schizo- 
coeliern  im  Bereich  des  Urogenitalsystems  hervorzuheben  sind. 
Bei  den  Enterocoeliern  entwickeln  sich  Excretions- 
und  Geschlechtsorgan  e  vom  Epithel  der  Leibeshohle 
aus  und  ste  hen  mit  der  letzteren  stets  anfanglich, 
vielfach  sogardauernd  in  Verbindung;  daher  stammt 
die  Neigung,  welche  in  der  ganzen  Gruppe  beobach- 
tet  wird,  einen  Theil  der  Excretionsorgan  e  zu  Aus- 
fuhrwegen  der  Geschlechtsorgane  umzuwandeln.  Bei 
den  Pseudocoeliern  haben  beide  Organsysteme  raum- 
lich  gesonderte  Anlagen,  deren  Abstammung  noch 
nicht  mit  Sich erheitnachgewiesen  ist.  Mitdem  Schizo- 
coel  unterhalten  die  Geschlechtsorgane  gar  keine 
Beziehungen,  die  Excretionsorgane  dagegen  stehen 
mit  ihm  nur  in  secundiirer  Verbindung,  daher  blei- 
ben  beide  Organsysteme  stets  vollig  unabhiingig 
von  einander. 


4.    Die  Muskulatur. 

Den  Gegensatz  in  der  Beschatlenheit  und  der  Entwicklungs- 
weise  der  Muskeln  konnen  wir  kurz  als  den  Gegensatz  der 
epithelialen  und  mesenchymat5sen  Muskeln  bezeichnen. 
Die  epithelialen  Muskeln  sind  charakteristisch  fiir  die  Thiere  mit 
einem  Enterocoel,  die  mesenchymatosen  dagegen  konnen  zwar  bei 
diesen  auch  vorkommen,  wie  wir  dies  sogleich  noch  niiher  erliiutern 
werden,  treteu  aber  daun  hinter  den  epithelialen  Muskeln  zuriick; 
sie  bilden  dagegen  das  ausschliessliche  Muskelelement  bei  den  Pseu- 
docoeliern, welche  entweder  iiberhaupt  keine  Leibeshohle  oder  doch 
nur  ein  Schizocoel  besitzen. 

Unter  epithelialen  Muskeln  verstehcn  wir  Muskeln,  welche 
urspriinglich  von  Epithelflachen   ausgeschieden  worden   sind,   wie 


Die  Coelomtheorie.  95 

dies  am  schonsten  bei  den  Medusen  und  Actinien  zu  verfolgen  ist. 
Bei  den  Bilatericn  ist  die  myogeiie  Fliiche  die  epitheliale  Ausklei- 
dung  der  Bauchhohle  und  zwar  wolil  ausnahmslos  das  parietale 
Blatt.  Die  Epithelzellen  erzeugeu  an  ihrcr  Basis  Muskelfibrillen, 
welche  bald  von  grosser  Feinheit  wie  bei  den  Chaetognathen,  bald 
derber  wie  bei  den  Nematoden,  stets  in  parallelen  Lagen  ange- 
ordnet  sind.  Vielfach  ist  nur  eine  longitudinale  Lage  vorhanden 
(Chaetognathen) ,  noch  haufiger  jedoch  gesellt  sich  zu  ihr  eine 
zweite  circuliire  Lage;  die  Bildung  gekreuzter  Muskellagen  von 
demselben  Epithel  aus  hat  gleichfalls  ihr  Analogon  unter  den  Zoo- 
phyteu  bei  den  Siphonophoren  uad  Medusen.  Bei  vielen  Medusen 
scheidet  sogar  dieselbe  Zellenschicht  Muskelfasern  verschiedener 
Structur  aus,  so  dass  bei  Geryonia  z.  B.  das  subumbrellare  Epi- 
thel zu  den  nie  fehlenden,  circularen,  quergestreiften  Muskeln  noch 
radiale  Strange  glatter  Muskelfasern  hinzufugt. 

Von  Enterocoeliern,  bei  denen  die  Muskelfasern  in  einer  glat- 
ten  Lage  ausgebreitet  sind,  konnen  wir  nur  wenige  Beispiele  au- 
fiihren.  Ausser  dem  Protodrilus  Leukartii  sind  es  noch  einige  Ne- 
matoden, wie  z. B.  Ascaris  acuminata  (Schneider).  Dagegen  tritt 
die  beschriebene  Anorduung  sehr  haufig  wiihrend  der  Entwicklung 
auf,  bei  den  Larven  der  Chaetognathen  (0.  Hertwig)  (93)  und 
Polygordien  (Hatschek)  (102),  bei  den  Embryonen  der  ach- 
teu  Anneliden  (Hatschek  (102)  und  Kleinenberg)  u.  s.  w.  In 
alien  diesen  Fallen  geht  sie  einer  hoheren  Entwicklungsform  vor- 
aus,  indem  sich  die  aufanglich  glatte  Fibrillenlamelle  einfaltet  und 
Muskelblatter  liefert,  welche  wie  die  Blatter  eines  Buches  paral- 
lel neben  einander  liegen.  Der  Einfaltungsprocess  kann  sich  wieder- 
holen,  so  dass  auf  den  Hauptbliittern  secundare  Muskelblatter  auf- 
sitzen  und  dann  die  gefiederte  Anordnung  der  Muskelfibrillen  her- 
vorrufen,  welche  wir  durch  Claparede  (100)  vom  Regenwurm 
kennen. 

Bei  den  Wirbelthieren  endlich  erreicht  die  epitheliale  Musku- 
latur  zwei  weitere  Differenzirungsstufen  in  dem  sogenannten  Mus- 
kelkastchen  und  im  Fibrillenbiindel,  welche  beide  nicht  mehr  einer 
Epithelflache  angehoren,  sondern  im  Mesenchym  eingeschlossen 
sind.  Hier  sind  zahlreiche  Fibrillen  unter  einander  vereinigt  und 
erzeugen  gemeinsam  mit  den  Muskelkorperchen ,  den  myogenen 
Zellen,  eine  neue  Einheit,  welche  anfanglich  direct  in  das  Mesen- 
chym eingebettet  ist,  bei  fortschreitender  Entwicklung  aber  von 
einer  besonderen  Umhullung,  dem  Sarkolemm,  umgeben  wird. 
Die  Beziehungen  zum  Epithel  sind  in  beiden  Fallen  beim  ausge- 


96  0.  iind  R.  Hertwig, 

bildeten  Thiere  niclit  melir  erkennl)ar,  sie  konnen  aber  noch  nach- 
gewiesen  werden,  wenn  man  iu  der  Weise,  wie  wir  es  bei  Trito- 
nen  und  Petromyzonten  gethan  haben,  auf  friihe  Stadien  der  On- 
togenese  zuriickgreift ;  dabei  ergeben  sich  dann  iiii  Priucip  die  glei- 
chen  Verlialtnisse ,  Avelche  wir  zuerst  bei  deu  Coeleuteraten  beob- 
achtet  haben,  wo  ebenfalls  Biindel  epitlielialer  Fibrillen  secundilr 
voni  Mesendiym  umwachseu  werden. 

Mit  den  Wirbelthieren  stimmen  die  Arthropoden  iiberein,  in- 
dem  ihre  Muskulatur  sich  aus  Fibrillenbiindeln,  welche  von  einem 
Sarkolemm  umschlossen  sind,  zusammensetzt.  Dadurch  wird  auch 
hier  eine  Abstauimung  vom  Epithel  der  Leibeshohle  wahrschein- 
lich,  obwohl  wir  noch  keine  beweisenden  Beobachtungeu  fiir  diese 
Vermuthung  beibringen  konnen. 

Der  Ueberblick,  welchen  wir  iiber  die  verschiedenen  Formen 
des  epithelialen  Muskelgewebes  gegeben  haben,  liisst  uns  als  das 
einfachste  Element  desselben  die  Muskelfibrille  erkennen.  Es  ist 
dabei  fiir  die  morphologische  Auffassung  vollkommen  gleichgiiltig, 
ob  die  Muskelfibrille  quergestreift  ist,  wie  bei  den  Wirbelthieren 
und  Arthropoden,  oder  glatt,  wie  bei  den  meisten  Wiirmern.  Schou 
seit  langem  hat  ja  die  vergleichende  Untersuchung  des  Muskelge- 
webes zu  dem  Resultat  gefiihrt,  dass  es  sich  bei  dieser  Unter- 
scheidung  nur  um  verschiedene  Entwicklungsstufen  der  contracti- 
len  Substanz  handelt,  welche  nicht  durch  morphologische,  sondern 
einzig  und  allein  durch  physiologische  Verhaltuisse  bestimmt  wer- 
den. Das  Einzelthier  des  Hydroidenstockchens  hat  glatte  Muskel- 
fibrillen,  wenn  es  als  triiger  Hydroidpolyp  am  Stockchen  sitzen 
bleibt;  es  erhiilt  dagegen  quergestreifte  Fibrillen,  wenn  es  sich  als 
behende  Meduse  zu  einem  frei  beweglichen  Dasein  ablost.  Die 
Muskeln  des  Tentakelapparats  der  Ctenophoren  sind  fiir  gewohn- 
lich  glatt,  und  nur  an  den  Seitenfiiden  von  Euplocamis,  welche 
sich  ganz  besouders  kraftig  zusammenziehen  konnen,  sind  sie 
quer  gestreift;  und  so  liessen  sich  noch  zahlreiche  andere  Bei- 
spiele  als  Illustrationen  des  ausgesprocheuen  Satzes  zusammen- 
stellen. 

Die  grosse  Mannigfaltigkeit,  welche  das  epitheliale  Muskelge- 
webe  in  seiner  Erscheinungsweise  bekundet ,  wird  nur  durch  die 
verschiedene  Combination  seiner  Elementartheile  bedingt.  Diesen 
Gesichtspunkt  miissen  wir  fest  im  Auge  behalten,  wenn  wir  bei 
ciner  Vergleichung  iiberall  die  gleichwerthigen  Theile  einander  ge- 
geniiberstellen  wollen.  Bisher  ist  das  nicht  gescheheu,  wie  wir 
deun  fast  in  alien  Arbeiten  sehen  konnen,  dass  die  Muskelfibrille 


Die  Coelomtlieorie.  97 

einer  Mecluse  ocler  eines  Wurmes  clem  Fibrillenbundel  der  Wirbel- 
thiere  imd  Arthropoden  verglichen  worden  ist.  Im  Allgeiueiuen 
muss  es  als  ein  wichtiges  Merkmal  des  cpithelialen  Muskelgewe- 
bes  angeselieu  werden,  dass  seine  Elemeutartlieile,  die  Fibrillen,  uie- 
mals  einzeln,  sondern  stets  zu  hoheru  Eiiilieiteii  combiuirt  auftre- 
ten.  Als  solche  hohere  Einheiten  habeu  wir  die  Muskellamelle, 
das  Muskelblatt  und  das  Muskelprimitivbiiudel  keunen  gelernt. 
Ueberall  kommt  die  Fibrille  nicht  als  Einzelgebilde,  soiidem  uur 
als  Theil  eiues  Ganzen  zur  Geltung. 

Wenn  wir  von  der  Structur  und  der  Entwicklungsweise  absehen, 
so  ist  das  epitheliale  Muskelgewebe  drittens  nocli  durch  die  gross e 
Kegelmassigkeit,  mit  welcher  seineFasern  imKorper 
verlaufen,  gekennzeichuet.  Die  Tlieile  eines  Muskels  oder  einer 
Muskellamelle  sind  einauder  genau  parallel  und  werden  nicht  durch 
auderweitig  gerichtete  Fasern  durchkreuzt.  Sie  sind  stets  von  An- 
fang  an  in  einer  ubersichtlichen  und  einfachen  Weise  angeordnet 
und  werden  erst  bei  fortschreitender  Differenzirung  mehr  durch 
einander  geworfen.  Bei  den  niederen  Wlirmern  finden  wir  nur 
eine  Ring-  und  eine  Langsfaserschicht ;  bei  dem  Amphioxus  und 
den  Cyclostomen  ist  vorwiegend  die  letztere  ausgebildet,  die  er- 
stere  dagegen  rudimentar.  Aus  der  Langsfaserschicht  sind  wahr- 
scheinlich  die  complicirten  Muskelsysteme  der  iibrigen  Wirbelthiere 
im  Anschluss  an  das  Auftreten  von  Extremitaten  entstanden.  Wie 
einfache  Muskellagen  sich  zu  verschiedeu  verlaufenden  Muskel- 
gruppen  differenziren  konnen,  daflir  liefern  uns  die  Actinien  inter- 
essante  Beispiele,  da  bei  ihnen  die  Langsfasern  der  Septen  durch 
Einfaltung  Muskelschichten  mit  einer  abweichenden  Faserrichtung 
erzeugen  (3).  Aehnliche  Vorgange  mogen  vielleicht  auch  bei  den 
Wirbelthieren  thatig  gewesen  sein.  Mag  aber  auch  die  Anord- 
uung  der  Muskulatur  sich  noch  so  sehr  compliciren,  stets  bleibt 
doch  der  Grundcharakter  der  epithelialen  Muskulatur,  die  paral- 
lelfaserige  Beschaifenheit  des  Einzelmuskels,  gewahrt. 

Wahrend  epitheliale  Muskein  bei  den  Pseudocoeliern  fehleu, 
da  diese  nicht  mit  den  myoblastischea  Epithelschichten  eines  Entero- 
coels  ausgestattet  sind,  konnen  mesenchymatose  Muskein  in 
beiden  Abtheilungen  vorkommen,  wie  ja  auch  das  Mesen- 
chym  nicht  auf  eine  derselben  beschraukt  ist.  Doch  ist  immerhin 
ein  Unterschied  vorhanden.  Bei  den  Pseudocoeliern  sind  die  me- 
senchymatosen  Muskein  die  einzigen  contractilen  Elemente  und 
vermitteln  daher  allein  die  Korperbewegungen ;  bei  den  Entero- 
coeliern  dagegen  treten  sie  in  den  Fallen,  wo  sie  beobachtet  wer- 

M.  XV.  N.  F.  Vlll.  1.  Y 


98  0.  und  R.  Hertwig, 

deu ,  mehr  erganzend  zur  reichlicli  entwickelten  Korpermuskulatur 
hinzu;  dadurch  wird  ihnen  von  Aufang  au  eine  untergeordnete 
Rolle  im  Organismus  aiigewieseu.  Sie  dieneu  gleiclisam  zur  Aus- 
liiilfe,  werdeu  dazu  verwaiidt,  Organe,  welclie  urspriinglich  der  con- 
tractileu  Elemente  eutbehrten,  mit  solchen  zu  versorgen,  und  so 
sehen  wir  sie  tiberall  die  Functionen  der  unwillkiirlichen  oder  or- 
ganischen  Muskeln  erfiillen. 

Nach  dieser  kurzen  Vorbemerkung  werden  wir  die  mesenchy- 
matosen  Muskeln  von  denselben  Gesichtspunkten  aus  betrachten, 
wie  wir  es  im  Obigen  mit  dem  Epithelmuskelgewebe  gethan  lia- 
ben.  Wir  werden  dabei  nacli  einander  ihre  Eutwicklungs- 
weise,  ihren  Bau  und  ihre  Anordnung  in's  Auge  fassen. 

In  alien  Fallen,  wo  mesenchymatose  Muskelfasern  beobachtet 
werden,  entweder  in  der  Korpermuskulatur  der  Plattwiirmer,  Mol- 
lusken,  Kotatorien  und  Bryozoen  oder  in  den  Geweben  der  Anneli- 
denlarven  oder  endlich  in  den  Darmwandungen  der  Arthropoden 
und  Wirbelthiere ,  schliessen  sie  sich  in  ihrer  Entwicklung  an  die 
Zellen  der  Bindesubstanz  an;  sie  sind  kurzweg  als  besonders  dif- 
fereuzirte  Zellen  der  Bindesubstanz  anzusehen.  Am  langsten  ist 
dieser  Entwicklungsprocess  von  den  Ctenophoren  bekannt;  iiber  die 
Mollusken  und  Bryozoen  haben  wir  nilhere  Nachricht  durch  Fol, 
Btitsclili,  Hatschek  u.  A.,  welche  verfolgen  konnten,  dass 
einzelne  Zellen,  welclie  zwischen  Ektoblast  und  Entoblast  liegen,  zu 
Fasern  auswachsen  und  sich  mehr  oder  minder  vollstandig  in  Mus- 
kelsubstanz  umwandeln.  Fol  vermuthet  zwar,  dass  die  myogenen 
Zellen  direct  vom  Ektoblast  abstammen,  doch  thut  er  dies,  da  er 
keine  Beobachtungen  dafiir  giebt,  wohl  vorwiegeud  auf  Grund  der 
damals  weit  verbreiteten ,  in  der  Neuzeit  als  irrig  erkannten  All- 
gemeinvorstellung,  dass  das  aussere  Keimblatt  die  Matrix  der  Mus- 
kulatur  sei.  Alle  neueren  Untersuchuugen  weisen  dagegen  auf  das 
Bestimmteste  darauf  hin,  dass  die  Muskeln  den  schon  friihzeitig 
bei  Mollusken  angelegten  Mesenchymkeimen  angehoren.  Fiir  uns 
ist  tibrigens  diese  Frage  von  untergeordneter  Bedeutung,  da  kei- 
nenfalls  der  fur  uns  wichtigste  Punkt  in  Zweifel  gezogen  werden 
kaun,  dass  die  Zellen,  mogen  sie  stammen,  woher  sie  wollen,  als 
amoboide  indilferente  Zellen  zwischen  den  beiden  primaren  Keim- 
blattern  liegen  und  von  anderweitigen  Elementen  nicht  zu  unter- 
scheiden  sind,  bevor  sie  zu  Muskelfasern  werden.  Das  gleiche 
Resultat  ist  von  Biitschli  (39),  Kennel  (45)  und  Hallez  (30) 
bei  den  Plattwiirmern  gewonnen  worden. 

Wahrend  der  Entwicklung  ist  es  nicht  moglich,  eine  Grenze 


Die  Coelomtheorie.  99 

zu  Ziehen,  wann  eiue  Bindesubstanzzelle  aiifangt  eiue  Muskelzelle 
zu  seiu.  Dies  setzt  sich  aber  vielfacli  audi  auf  die  Zustiiude  der 
erwachsenen  Thiere  fort,  namentlich  in  den  Fallen,  wo  das  niesen- 
chymatose  Gewebe  iiberhaiipt  auf  einer  niedereu  Stufe  der  Aus- 
bildung  verharrt.  So  ist  es  bekanntlich  auf  dem  Gebiet  der  Ge- 
webelehre  vieler  Wirbelthierorgane  ein  in's  Endlose  sich  fortspin- 
nender  Streit,  ob  gewisse  Elemente  muskulos  sind  oder  dem  Binde- 
gewebe  angehoren.  His  (165)  und  viele  Andere  haben  daher  eine 
scharfe  Grenze  zwischen  Bindesubstanz-  und  Muskelzelle  in  Ab- 
rede  gestellt,  und  Flemming  (158)  hat  diesen  Gedanken  in  der 
Neuzeit  niiher  erlautert,  indem  er  die  Elemente  der  Harnblase  der 
Salamandrinen  einer  genauen  Uutersuchung  unterwarf  und  den 
ganz  allmahlichen  Uebergang  von  achten  Muskelzellen  zu  ilchten 
Bindesubstanzzellen  durch  Abbildung  zahlreicher  Zwischenformen 
demonstrirte. 

Aus  ihren  genetischen  Beziehungen  zur  vielge- 
staltigen  Bindesubstanzzelle  erklart  sich  dieFormen- 
mannigfaltigkeit,  in  welcher  die  m  esenchymatosen 
Muskelfasern  auftreten.  Ihre  haufigste  Gestalt  ist  eine  mehr 
Oder  minder  in  die  Liinge  gezogene  Spindel,  wie  sie  uns  die  con- 
tractile Faserzelle  oder  die  glatte  Muskelfaser  der  Wirbelthiere 
zeigt;  desgleichen  gelioren  hierher  als  vortreffliche  Beispiele  die 
Muskeln  der  Cephalopoden  und  der  meisten  MoUusken,  Seltener 
hat  sich  der  veriistelte  Charakter  der  meisten  Bindesubstanzzellen 
auf  die  Muskelfaser  vererbt  oder,  richtiger  gesagt,  bei  ihr  erhalten. 
Im  Allgemeinen  findcn  sich  veriistelte  Formen  bei  niedriger  orga- 
nisirten  Thieren ,  was  jedoch  nicht  ausschliesst ,  dass  sie  auch  bei 
hoch  organisirten  Crustaceen  (an  den  Leberschlauchen  der  Mala- 
kostraken  (Taf.  Ill  Fig.  9)  vorkommen.  Am  schonsten  sind  sie 
bei  den  Larven  nicht  allein  der  Mollusken  (Taf.  Ill  Fig  3),  son- 
dern  auch  vieler  Wiirmer  (Taf.  I  Fig.  6);  bei  den  Mollusken 
werden  sie  vielfach  in  die  bleibenden  Organismen  mit  hiniiberge- 
nommen,  wie  denn  namentlich  die  Pteropoden  mit  ganz  wuudervoll 
veriistelten  Muskeln  ausgestattet  sind.  Letztere  sind  ausserdem 
noch  haufig  bei  Planarien,  Rotatorien  und  Bryozoeu. 

In  der  Art  der  Verastelung  kommen  Verschiedenheiten  inso- 
fern  vor,  als  entweder  die  Faser  iiberall  und  uach  alien  Rich- 
tungen  hin  oder  nur  an  den  En  den  in  Auslaufer  ausstrahlt.  Im 
letztercn  Falle  herrscht  haufig  eiue  grosse  Regelmassigkeit,  indem 
die  Faser  sich  an  beideu  Enden  dichotomisch  gabelt  und  so  sich 
schliesslich  in  zahlreiche,  feinste  Endzweige  auflost. 

7* 


100  0.  und  E.  Hertwig, 

Weitere  histologische  Unterschiede  werden  durch  das  Verbal- 
ten  del'  contractilen  Substanz  herbeigefiihrt,  besonders  durcb  ihre 
Anordnung  und  Structur.  Zuweilen,  wie  bei  den  Planarien,  wer- 
den wir  an  das  Verhiiltniss  der  epithelialcn  Muskehi  erinnert, 
indem  die  contractile  Substanz  nur  einseitig  ausgeschicden  wird, 
so  dass  das  Muskelkorpercben  der  Faser  iiusserlicb  aufsitzt,  wie 
angeklebt;  allein  das  ist  selten  im  Verhiiltniss  zu  den  zabllosen 
Fallen,  wo  die  Zelle  sich  allseitig  mit  einem  Mantel  von  con- 
tractiler  Substanz  umgiebt.  Bleibt  von  der  Bildungszelle  viel  er- 
halten,  so  durchsetzt  ihr  Protoplasma  als  Axen-  oder  Marksub- 
stanz  die  ganze  Faser;  wird  sie  zum  grossten  Theil  aufgebraucht, 
so  bleibt  nur  der  Kern  mit  wenig  Protoplasma  iibrig  und  nimmt 
die  breiteste  Stelle  der  Faser  ein. 

Unser  Begriff  der  mesenchymatosen  Muskelfaser  fallt  gemei- 
niglich  mit  dem  Begriff  der  giatten  Muskelfaser  der  Histologen 
zusammen,  ohne  sich  jedoch  vollkommen  mit  ihm  zu  decken. 
Denn  wenn  auch  der  Kegel  nach  die  mesenchymatosen  Muskeln 
aus  homogener  contractiler  Substanz  bestehen,  so  giebt  cs  doch 
Ausnahmen,  wenn  auch  sparliche.  Quergestreifte,  verastelte  Faser- 
zellen  umhiillen  nach  Weber  (130)  die  Lebergange  vieler  Crusta- 
ceen  (Taf.  Ill  Fig.  9) ;  quergestreifte,  spindelige  und  anderweitig  ge- 
formte  Zellen  bilden  das  Herz  vieler  Thiere;  und  unter  den  Kor- 
permuskeln  finden  sich  quergestreifte  bei  Eotatorien  (Leydig,  Mo- 
bius)  und  Bryozoen  (Nitsche).  Der  Umstand,  dass  gelegent- 
lich  die  contractilen  Faserzellcn  wie  die  Primitivblindel  der  Ar- 
thropoden  und  Wirbelthiere  quergestreift  sein  konnen,  hat  wesent- 
lich  dazu  beigetragen,  eine  scharfe  histologische  Unterscheidung 
der  beiden  Typen  des  Muskelgewebes  zu  verhindern.  Die  Histo- 
logen kamen  immer  wieder  von  Neuem  auf  die  Ansicht  zuriick, 
dass  die  quergestreifteu  Faserzellen,  welche  z.  B.  auch  das  Herz 
der  Wirbelthiere  bilden,  vollkommene  Uebergange  zwischen  den 
giatten  Faserzellen  und  den  quergestreifteu  Fibrillenbiindeln  seien. 
Man  verfiel  hier  in  denselben  Fehler,  welcher  auch  sonst  so  haufig 
bei  der  Betrachtung  der  thierischen  Organisation  gemacht  wird, 
dass  man  nicht  zwischen  dem  morphologischen  Charakter  und  dem 
Grad  der  physiologischen  Vervolllvommnung  unterschied.  Wir  neh- 
men  daher  Veranlassung,  die  unterscheidenden,  histologischen  Merk- 
male  zwischen  epithelialeu  und  mesenchymatosen  Muskeln  hier  be- 
sonders zu  betonen,  und  mochten  dabei  namentlich  auf  zwei  Merk- 
male  aufmerksam  machen,  die  zwar  nicht  immer  gleich  deutlich  aus- 


Die  Coelomtheorie.  101 

gepriigt  siiid,  bei  deren  Berucksiclitigung  man  aber  im  Wosent- 
lichen  mit  seinem  Urtheil  richtig  geleitet  werden  moclite. 

Bei  den  mesenchymatosen  Muskelfasern  bleibt  mehr  oder  min- 
der der  Charakter  der  Einzelzelle  bewahrt,  weshalb  deun  auch 
der  Ausdruck  „contractile  Faserzellen"  fiir  sie  gut  gewahlt  ist, 
Gewohnlich  besitzen  sie  nur  einen  oder  zwei  Kerne,  welche  ent- 
weder  ausserlich  der  contractilen  Substanz  angefiigt  oder  in  ihr 
Inneres  eingebettet  sind.  Ab  und  zu  erfahrt  die  Anzahl  der  Kerne 
eiue  Vermehrung  in  derselben  Weise  wie  es  bei  den  Ctenophoren 
stets  der  Fall  ist,  so  dass  durch  die  langgezogene  Muskelfaser  sich 
ein  vielkeruiger  protoplasmatischer  Axenstrang  hinziebt.  Wahr- 
scheinlich  kommen  solche  Falle  auch  bei  den  Bilaterien,  obschon, 
soweit  wir  die  Literatur  kennen ,  im  Allgemeinen  nur  selten  vor. 
Dagegen  ist  es  bei  dem  epithelialen  Muskelgevvebe  die  Kegel,  dass 
die  einzelnen  Zellen  fiir  sich  keine  Rolle  spielen,  sondern  sich 
mit  den  benachbarten  dicht  anschhessenden  Zellen  zu  gemeinsaraer 
Thiitigkeit  vereinen,  wie  dies  bei  den  Muskellamellen,  Muskelbliit- 
tern  und  Fibrillenbiindeln  beobachtet  wird.  Freilich  miissen  wir 
hinzusetzen,  dass  die  Kegel  Ausnahmen  erfahren  kann;  so  sind 
z.  B.  bei  den  Nematoden  die  Muskelfibrillen  nach  Zellterritorien 
von  Anfang  an  getrennt,  und  auch  die  Fibrillenbiindel  der  Wirbel- 
thiere,  obwohl  spiiter  vielkernig,  entwickeln  sich  aus  einer  einzigen 
Zelle.  Als  Ausgaugspunkt  der  Muskelbilduug  wurde  sich  auch  hier 
wie  bei  den  Ctenophoren  nur  eine  einfache  Zelle  ergeben ,  welche 
beim  Wachsthum  zu  einer  vielkernigen  Zelle  geworden  ist. 

Zweitens  lassen  sich  die  mesenchymatosen  Muskelfasern  nicht 
in  Fibrillen  auflosen,  welche  der  eigentliche  Elementartheil  der 
epithelialen  Muskeln  sind.  Man  muss  sich  htiten  eine  feine  Liings- 
streifuug  der  Muskelsubstanz  ohne  Weiteres  als  den  Ausdruck  einer 
fibrilliiren  Structur  anzusehen;  hierzu  ist  man  nur  berechtigt,  wenn 
es  leicht  gelingt,  die  Fibrillen  zu  isoliren  oder  entwicklungsge- 
schichtlich  zu  beweisen,  dass  die  Muskelfaser  durch  Aneinander- 
fiigung  einzelner  Fibrillen  entstanden  ist.  Einen  derartigen  dop- 
pelten  Nachweis  kann  man  fiir  die  fibrilliiren  Muskeln  der  Arthro- 
poden  und  Wirbelthiere  fuhren,  nicht  aber  fiir  die  Muskeln  der 
Pseudocoelier ,  nicht  einmal  fiir  die  feinstreifigen  und  durch  an- 
sehnliche  Starke  ausgezeichneten  Muskelfasern  der  Ctenophoren, 
welche  ganz  sicher  nicht  fibrillar  sind.  Vielleicht  wird  jedoch 
auch  hier  die  Allgemeingiltigkeit  der  Kegel  durch  vereinzelte  Aus- 
nahmen eiugeschrankt.    In  seltenen  Fallen,  wie  bei  dem  Schliess- 


102  0.  und  R.  Hertwig, 

muskel  vieler  Muscheln  scheint  in  der  That  ciii  Zerfall  der  con- 
tractilen  Substanz  in  Fibrillen  zii  erfolgen ,  was  wir  dann  mit 
Schwalbe  (172)  als  eine  secundare  Erscheinung,  als  eine  Weiter- 
bildung  der  contractilen  Substanz  betrachten  mochten,  im  Gegen- 
satz  ZQ  den  Fibrillenbiindeln ,  deren  fibrillare  Structur  in  ihrer 
Entwicklungsweise  tief  begriindet  ist. 

In  der  Anordnung  der  mesenchymatosen  Muskeln  herrscht 
gewohnlich  eine  grosse  Regellosigkeit,  namentlich  sind  bei  alien 
niederen  Thieren  und  Larvenformen  die  Fasern  in  den  verschieden- 
sten  Richtungen  durch  einander  gekreuzt,  und  wenn  sie  in  grossen 
Mengen  im  Parenchym  auftreteu,  unter  einander  verfilzt.  Dieses 
Sichkreuzen  und  Durcheinanderflechten  der  Muskelfasern  fallt  so- 
fort  als  ein  gemeinsamer,  sehr  hervorstechender  Charakterzug  in 
die  Augen,  wenn  man  Quersclinitte  durch  den  Korper  von  Platt- 
wiirmern  (Taf.  I  Fig.  1 )  und  Mollusken  ( Taf.  Ill  Fig.  10)  oder  durch 
die  Eingeweide  (das  Herz,  die  Darmwandung,  die  Muskelmasse 
des  Uterus)  von  Wirbelthieren  durchmustert.  Auch  ist  es  leicht 
verstiindlich,  dass  die  mesenchymatosen  Muskeln  ihrer  ganzen  Ent- 
wicklungsweise zu  Folge  zu  einer  derartigen  wirren  Lagerung  hin- 
neigen ,  da  ihre  Bildungszellen  von  Aufang  regellos  zerstreut  und 
nirgends  wie  die  Epithelzellen  durch  Vereinigung  zu  Schichten  in 
bestimmter  Weise  geordnet  sind.  Natiirlich  handelt  es  sich  hier 
urn  Erscheinungen,  welche  durch  die  Eigenthiimlichkeiten  des  Ge- 
webes  nur  im  Allgemeinen  begiiustigt  werden  und  nicht  nothwen- 
dig  auftreten  miissen.  Daher  sehen  wir  denn  namentlich  bei  den 
hoher  organisirten  Pseudocoeliern  sich  aus  dem  contractilen  Paren- 
chym Muskeln  mit  parallelfaseriger  Anordnung  der  Elemente  her- 
aus  ditferenziren. 

Versuche,  die  verschiedenen  Formen  des  Muskelgewebes  inner- 
halb  des  gesammten  Thierreichs  auf  eine  oder  einige  wenige  Grund- 
formen  zuriickzufuhren ,  sind  schou  mehrfach  gemacht  worden, 
ohne  dass  dabei  eine  Uebereinstimmung  erlangt  worden  ware. 
Ftir  uns  hat  nur  einer  derselben,  welcher  von  Weismann  her- 
riihrt,  grosseres  Interesse,  weil  er  Resultate  ergeben  hat,  welche 
in  vielen  Punkten  mit  den  hier  dargestellten  ilbereinstimmen. 
Wie  wir  so  hat  auch  Weismann  (17o)  zwei  Typen  des  Muskel- 
gewebes aufgestellt,  den  Typus  der  contractilen  Zelle  und  den 
Typus  des  Primitivbiindels.  „Nach  dem  einen  setzen  sich  die  Mus- 
keln aus  Zellen  zusammen,  nach  dem  anderen  bestehen  sie  aus 
besonderen  Organen,  den  Primitivblindeln."  „Die  Muskelzelle  hat 
in  ihrem  Kern  ein  einziges  Centrum,  wahrend  ein  Primitivbiiudel, 


Die  Coelomtheorie.  103 

mag  es  entstanden  sein,  auf  welche  Weise  es  wolle,  stets  eine 
Vielheit  von  Kernen  enthalt."  Zwar  koniien  auch  in  dor  Muskel- 
zelle  ab  und  zu  mehr  (2 — 3)  Kerne  auftreten,  doch  „liegen  solche 
mehrfacbe  Kerne  in  der  Zelle  dicht  beisammen,  wahrend  sie  im 
Primitivbiindel  weit  umber  gestreut  sind."  Einen  zweiten  Unter- 
schied  erblickt  Weismann  in  der  Anordnungsweise.  „Die  Pri- 
mitivbiindel baben  ibre  Ansatzpunkte  mit  den  Ansatzpunkten  ihres 
Muskels  gemein,  ein  jedes  von  ihnen  gebt  von  Sehne  zu  Sehne; 
die  Mulvelzellen  sind  kiirzer  als  der  Muskel  und  die  Muskelhige, 
welcbe  aus  ihnen  sicb  zusammensetzt;  sie  fiigen  sicb  in  der  be- 
kannten  Weise  dacbziegelformig  zusammen ,  und  es  mtissen  stets 
mehrere  sicb  aneinaiiderreiben ,  um  von  einem  Ende  des  Muskels 
zum  anderen  zu  reicben.  Aucb  konnen  bier  Muskellagen  sicb 
wecbselseitig  durcbkreuzen ,  wabrend  Primitivbiindel  stets  mebr 
Oder  weniger  parallel  neben  einander  liegen." 

Das  sind  wobl,  moglicbst  mit  des  Verfasers  cigenen  Worten 
dargestellt,  die  wicbtigsten  Merkmale,  da  in  der  Geuese  Weis- 
mann keine  durcbgreifenden  Verscbiedenbeiten  bat  nacbweisen 
konnen.  Ueber  die  Vertbeilung  der  beiden  Formen  des  Muskel- 
gewebes  auf  die  Hauptabtbeilungen  des  Tbierreicbs  vverden  fol- 
gende  Mittbeilungen  gemacbt.  „Die  Muskulatur  der  Coelenteraten, 
Ecbinodermen,  Wtirmer  und  Mollusken  bestebt  ganz  allgeniein  aus 
eiiifachen  Zellen,  wahrend  bei  Arthropoden  und  Wirbeltbieren  be- 
sondere  complicirte  Gebilde,  die  Primitivbiindel,  die  Muskeln  zu- 
sammensetzen ,  Gebilde,  welcbe  in  ibrer  definitiven  Structur  unter 
einander  zwar  sebr  abnlicb,  in  ibrer  Genese  aber,  und  also  in 
ibrem  histologiscben  Wertb,  sebr  verscbieden  sind.  Bei  den  Wir- 
beltbieren findet  sicb  zugleich  aucb  die  nacb  dem  Zellentypus  ge- 
baute  Muskulatur  vertreten,  den  Arthropoden  mangelt  sie  ganz- 
licb.  Allein  also  die  Wirbeltbiere  und  zwar  alle  Classen  derselben 
besitzen  Muskeln  nacb  beiden  Gewebstypen,  den  Arthropoden  man- 
gelt ganzlicb  der  Zellentypus,  den  iibrigen  Classen  ebenso  voll- 
kommen  der  Typus  des  Primitivbiindels." 

Bei  einer  Beurtbeilung  der  Weismann 'scben  Anscbauungen 
miissen  wir  beriicksichtigen,  dass  sie  vor  einem  Zeitraum  von  bei- 
nabe  20  Jabren  niedergescbrieben  worden  sind,  also  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Kenntnisse  von  der  Muskulatur  der  Wirbellosen  aus- 
serordentlicb  viel  unvollstandiger  waren  als  jetzt,  wo  sogar  bei 
den  Wirbeltbieren  die  Frage  nacb  dem  Verbaltniss  von  Muskel- 
korpercben  und  Muskelsubstanz  kiirzlicb  erst  auf  s  Neue  zu  einem 
Gegenstand  lebbaftester  Controverse  geworden  war.  Damals  wurde 


104  0.  unci  11.   Hertwig, 

die  Praeexistcnz  (ler  Fibi'illen  im  Fibrilleiibiindel  angezweifclt,  man 
kanntc  noch  idclit  die  Bcziehungen  der  Muskelfil)iillen  zii  dun 
Epithclzellen  bei  Coelenterateii  uiid  vieleii  Wiirinern;  audi  war  es 
unbekannt,  dass  Muskelfibrilleii  sich  secuiidar  zu  Primitivbiindeln 
vcreinigen  konnen ,  wie  dies  bei  vielen  Coelenterateii  mit  Siclicr- 
heit  erweislich  ist.  Daraus  erkliirt  sich  zura  Tlieil ,  dass  die  Un- 
terschcidiing  zweier  Muskeltypen ,  so  berechtigt  sie  auch  an  mid 
fiir  sich  ist,  bei  We  ism  an  n  eine  Form  angenommen  hat,  in  wel- 
cher  sie  zweifellos  iinhaltbar  ist.  Die  verschiedeue  Kernzahl  ist 
durchaus  kein  unterscheidendes  Merkmal,  da  z.  B.  die  contractilen 
Zellen  der  Ctenophoren  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Kernen  enthal- 
ten  konnen;  luid  auch  die  betonten  Unterschiede  in  der  Anord- 
nung  sind  zwar  objectiv  berechtigt,  sie  wiirden  aber  nicht  zutref- 
fend  sein ,  wenn  wir  uns  auf  den  Standpunkt  Weismann's  stel- 
len.  Denn  die  Muskelfasern  der  Medusen,  Actinien  und  Anneliden 
vorlaufen  einander  genau  parallel,  sind  bei  letzteren  ganz  ansehn- 
lich  lang  und  konnen  sich  denen  der  Arthropoden  vollkommcn 
ebenbiirtig  an  die  Seite  setzen ;  sie  erstrecken  sich  durch  mehrerc 
Segmente  hindurch,  wiihrond  doch  schon  die  Liinge  von  Septum 
zu  Septum  geniessen  ausreichen  wurde,  urn  ihre  Anordnung  der 
Anordnung  der  Primitivl)undel  vergleichbar  zu  machen.  Auf  der 
anderen  Seite  ist  als  ein  sehr  wichtiger,  auch  heute  noch  voll- 
kommcn giltiger  Gesichtspunkt  aus  der  Arbeit  hervorzuheben,  dass 
Weismann  von  der  Beschaffenheit  der  contractilen  Substanz 
ganz  absieht  und  es  besonders  betont,  dass  sowohl  Muskelzelle 
als  auch  Primitivbiindel  quergestreift  sein  konnen. 

Die  von  Weismann  befiirwortete  Eintheilung  der  Muskulatur 
hat  keinen  durchgreifenden  Erfolg  errungen;  ein  Theil  der  Histo- 
logen  war  der  Ansicht,  dass  iiberhaupt  alle  contractilen  Elemente 
nach  demselben  Princip  gebaut  seien,  wobei  die  Einzelnen  bald 
das  Fibrillenbiindel  nur  als  eine  vergrosserte  contractile  Zelle  an- 
sahen,  bald  umgekehrt  in  der  contractilen  Zelle  die  Elemente  des 
Primitivbiindels,  die  Fibrillen,  nachzuweisen  suchten.  Andere  wie- 
der,  und  zwar  die  Mehrzahl  der  Forscher,  gaben  zwar  die  Unter- 
schiede zu,  behaupteten  aber,  dass  die  beiden  Formen  des  Muskel- 
gewebes  durch  vielerlei  Uebergangsformen  unter  einander  verbun- 
den  seien.  Diesen  Gesichtspunkt  hat  Schwalbe  (172)  durch  zahl- 
reiche  Beobachtungen  iiber  die  Muskulatur  der  Wirbellosen  und 
Rat z el  (106)  speciell  durch  Untersuchung  der  Wiirmer  zu  stiitzen 
versucht.  Beide  bcgriinden  ihre  Ansicht  ausserdem  noch  durch  den 
Hinweis,    dass   nach   den  Lehren  des  Darwinismus  Thierform  aus 


Die  Coelomtheorie.  «      105 

Thierform  hervorgegangen  sei  und  dass  mau  dalier  aucli  keineu 
schaifen  Gegeusatz  in  den  Gewebsformen  annehmen  konne.  Hier- 
bei  liesseu  sie  freilicli  ausser  Acht,  dass  functionell  verwandte  Ge- 
websformen sich  nicht  nothwendig  aus  einander  entwickeln  mussen, 
soudern  dass  sie  audi  in  divergenten  Thierreihen  selbstandig  ent- 
stehen  kounen. 


5.     Das  Nervensystem. 

Wie  an  alien  Organsystemen,  die  wir  bisher  betraclitet  habeii, 
so  ist  auch  am  Nervensystera  der  Pseudocoelier  und  der  Entero- 
coelier  ein  Gegensatz  nachweisbar,  der  sich  soNVohl  in  der  Beschaf- 
fenheit  der  Centralorgane  als  auch  in  der  Vertheilung  der  peri- 
pheren  Nerven  aussert. 

Bei  den  Enterocoeliern  sind  die  Centralorgane  epitheliale  Bil- 
dungen,  indem  sie  sich  aus  dem  Ektoderm  entwickeln.  Am  schon- 
sten  zeigt  sich  dies  in  den  niederen  Abtheilungen,  in  welchen  die 
einzelneu  Ganglienknoten  die  urspriingliche  Lage  in  ihreni  Mutter- 
boden  beibehalten,  wie  bei  den  Chaetognathen  und  vielen  niederen 
Anneliden.  Aber  auch  dann,  wenn  das  Centralorgan  auf  einer 
hoheren  Stufe  der  morphologischen  Entwicklung  anlangt,  sich  vom 
Mutterboden  ablost  und  in  das  Mesoderm  eingebettet  wird,  giebt 
sich  sein  ektodermaler  Ursprung  immer  noch  leicht  zu  erkennen. 
Es  bildet  eine  compacte,  gegen  andere  Gewebstheile  abgegrenzte 
Masse,  selbst  noch  in  den  Fallen,  wo  secundar  Blutgefiisse,  von 
Bindesubstanz  begleitet ,  in  sein  Inneres  hineinwachsen ,  wie  beim 
Gehirn  und  Riickenmark  der  hoheren  Wirbelthiere. 

Bei  den  Pseudocoeliern  scheinen  die  Centralorgane  keinen  ein- 
heitlichen  Ursprung  zu  haben,  sonderu  sich  theils  aus  epithelialen, 
theils  aus  mesenchymatosen  Zellen  hervorzubilden.  Wenigstens 
mochten  wir  dies  fiir  die  Turbellarien ,  Plathelminthen  und  Mol- 
lusken  behaupten,  gestutzt  auf  entwickluugsgeschichtliche  und  ver- 
gleichend  anatomische  Befunde.  Wie  uns  die  Entwicklungsgeschichte 
lehrt,  treten  mit  Ausnahme  der  Scheitelplatte  nirgends  Verdick- 
ungen  im  Ektoblast  auf,  vielmehr  machen  sich  die  Anlagen  der 
einzelnen  Ganglienknoten  durch  Anhaufung  von  Zellen  im  Mesen- 
chym  bemerkbar.  Die  Scheitelplatte  allein  ist  bei  den  Mollusken 
als  ektodermaler  Bestandtheil  am  Aufbau  des  oberen  Schlundgaug- 
lions  betheiligt.  Fenier  macht  uns  die  vergleichende  Anatomic 
mit  sehr  urspriinglichen  Formen  des  Nervensystems ,  die  im  Me- 
senchym  gelegen  sind,  bei  Turbellarien  und  Trematodeu  bekannt. 


106  0.  und  R.  Hertwig, 

Hicr  zeigen  die  Centralorgane  noch  einen  so  diffusen  Charakter, 
sind  so  wenig  von  ihrer  Umgebung  abgegrenzt  und  von  Bestand- 
theilen  des  Mesenchyms,  von  Bindegewebe  und  einzelnen  Muskel- 
fasern,  nacli  verschiedenen  Richtungen  so  vollstandig  durchwacli- 
sen,  dass  man  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  eine  ektodermale 
Herkunft  in  Abrede  stellen  kann. 

Wenn  wir  endlich  auch  von  einem  Gegensatz  im  peripheren 
Nervensystem  gesprocben  haben,  so  konnen  wir  dies  nur  in  einer 
hypothetiscben  Form  tbun.  1st  doch  bei  wirbellosen  Thieren  von 
der  Vertheilung  seusibler  und  motoriscber  Nerven  so  gut  wie  gar 
nicbts  bekannt!  Bei  den  Eiiterocoeliern  nun  mocbten  wir  ver- 
mutben,  dass  eine  von  der  Keimbbatterbildung  abbangige  Sonde- 
rung  des  peripberen  Nervensystems  in  einen  sensiblen  und  einen 
motoriscben  Abscbnitt  bestebt,  und  dass  der  eine  sicb  im  Anscbluss 
an  die  Sinnesorgane  aus  dem  Ektoblast ,  der  andere  sicb  im  An- 
schluss an  die  animale  Muskulatur  aus  dem  parietalen  Mesoblast 
entwickelt  bat.  Diese  Hypothese  griindet  sicb  auf  Befunde  bei 
den  Cbaetognatben  und  bei  den  Wirbeltbieren,  sowie  auf  die  All- 
gemcinvorstellung,  welcbe  wir  iiber  die  Genese  des  Neuromuskel- 
sy stems  scbon  in  friiberen  Scbriften  vorgetragen  haben.  Bei  den 
Cbaetognatben  konnten  wir  ektodermale  sensible  und  mesodermale 
im  Kopf  gelegeno  uiotoriscbe  Ganglienknoten,  einen  ektodermalen 
sensiblen  Nervenplexus  und  mesodermale  motoriscbe  Nerven  nach- 
weisen.  Bei  den  Wirbeltbieren  entspringen  sensible  und  motorische 
Wurzeln  getrennt  aus  dem  Riickenmark ,  woraus  wir  fiir  jene  auf 
einen  ektoblastiscben,  fiir  diese  auf  einen  mesoblastiscben  Ursprung 
scbliessen  mocbten.  Fiir  die  sensiblen  Ganglienknoten  ist  nun  auch 
ibre  Herkunft  aus  dem  Ektoblast  sicher  gestellt,  sowie  auch  meh- 
rere  Embryologen  einzelne  sensible  Nerven  (Nervus  lateralis  vagi) 
als  Verdickung  im  Ektoblast  entstehen  lassen ;  uber  die  Genese 
der  motoriscben  Nerven  dagegen  fehlen  noch  sicbere  Beobacbtun- 
gen,  welcbe  fiir  unsere  Ansicht  verwertbbar  waren.  Sollte  unsere 
Hypothese  sicb  durcb  weitere  Untersuchungen  bestatigen,  so  wiirde 
dadurch  eine  morpbologische  Erklarung  fiir  den  Bell'schen  Lehr- 
satz  gegeben  sein. 

Bei  den  Pseudocoeliern  ist  eine  derartige  vollkommen  gesetz- 
massige  Sonderung  in  sensible  und  motorische  Nerven  nach  der 
Entwicklung  des  gesammten  Systems  und  nach  der  Anlage  ihrer 
Keimblatter  nicht  zu  erwarten. 


Die  Coelomtheorie.  107 


III.    Zur  Systematik  der  Bilaterien. 

Seitdem  durch  Fritz  M  tiller  und  E.  Haeckel  die  Autfas- 
sung,  dass  die  Ontogenese  eiiies  Thieres  in  kurzen  Zugen  die  Phy- 
logenese  seiner  Vorfahren  recapitulire,  zu  einer  —  man  kann  jetzt 
wohl  sagen  —  allgemeingiltigen  erhoben  wordeu  ist,  seitdem  man 
ferner  auf  Gruud  der  Descendenztlieorie  sicli  darau  gewohnt  hat, 
das  System  ais  den  kurzen  Ausdruck  der  phylogenetischen  Ver- 
wandtscliaft  der  Tliiere  zu  betrachten,  ist  in  der  Morphologie  das 
Bestrebeu  in  den  Vordergrund  getreten,  das  System  des  Thier- 
reichs  vorwiegend  auf  entwicklungsgescliichtlicher  Basis  zu  be- 
griinden.  Zwar  wurde  hiermit  kein  neuer  Gesichtspunkt  in  die 
Zoologie  hineingetragen ,  da  schon  fruher  v.  Baer  die  auf  ver- 
gleichend  anatomischem  Wege  ausgebildete  Typenlehre  verglei- 
chend  eutwicklungsgeschichtlich  weiter  begrundet  hatte.  Auch 
waren  im  Einzelnen ,  z,  B.  bei  der  Trennung  von  Ampbibien  und 
Ileptilien,  bei  der  Einverleibung  der  Cirrbipedien  in  den  Stamm 
der  Crustaceen ,  vergleicheud  entwicklungsgeschichtliche  Ergebnisse 
maassgebend  gewesen.  Indessen  zu  keiner  Zeit  ist  der  embryo- 
logische  Gesichtspunkt  so  sehr  in  den  Vordergrund  gestellt  und 
mit  solcher  x\usschliesslichkeit  zur  Geltung  gebracht  worden  ,  wie 
in  den  zwei  letzten  Jahrzehnten  ;  zu  keiner  Zeit  hat  die  Idee  „eiuer 
embryologischen  Classification  des  Thierreichs"  so  sehr  die  zoo- 
logische  Literatur  beherrscht  wie  jetzt. 

Von  verschiedenen  Seiten  ist  es  schon  mit  Recht  hervorge- 
hoben  worden,  dass  es  sich  bei  der  embryologischen  Classification 
des  Thierreichs  um  eine  grosse  Einseitigkcit  handelt,  und  wie  jede 
Einseitigkeit,  so  hat  auch  die  vorliegende  eine  lebhafte  Reaction 
hervorgerufen ,  welche  freilich  nicht  immer  das  Maass  einer  be- 
rechtigten  Kritik  einzuhalten  vermochte  und  im  Bestreben,  die 
Irrthumer  der  entgegenstehenden  Richtung  aufzudecken,  auch  die 
richtigen  Gesichtspunkte  derselben  befehdete.  So  wurde  denn  in 
Abrede  gestellt,  dass  uberhaupt  den  eutwicklungsgeschichtlichen 
Vorgangcn  jene  durch  das  gesammte  Thierreich  zu  verfolgende 
Gesetzmiissigkeit  zukomme ,  ohne  welche  eine  systematische  Ver- 
werthung  unmoglich  sei.  Die  Lagerung  der  Zcllmassen  im  Keim 
werde  allein  bestimmt  durch  die  Lagerung  der  fertigen  Organe, 
zu  deren  Bildung  sie  verwerthet  werden  sollen ;  es  sei  daher  wohl 
moglich,   dass  selbst  in  verwandten  Abtheilungen  die  Keimblatter 


108  0.  und  E.  Hertwig, 

eine  verschieclene  Bedcutuiig  habeii  raochten ,  class  z.  B.  der  sonst 
aus  dem  Eiitoblast  staniniende  Darm  unter  Umstiinden  eiunial  von 
dem  Ektoblast  geliefert  werden  mochte, 

Indem  man  so  der  Entwicklungsgescliichte  eine  untergeord- 
nete  Bedeutung  fur  das  Verstilndniss  der  Formen  anwies,  legte 
man  alien  Nachdrack  auf  die  vergleichende  Auatomie.  Der  em- 
bryologischen  Classification  wiirde  die  vergleichend  anatoniische 
gegeniiber  gestellt  und  mit  gleicher  Bestimmtheit  und  gleicher  Ein- 
seitigkeit  als  die  al!ein  berechtigte  vertheidigt. 

Es  bedarf  nur  weniger  Worte  um  zu  zeigen,  wie  unzeitgemass 
der  Streit  ist,  dessen  Verlauf  wir  liier  kurz  skizzirt  haben.  Denn 
der  ganze  Entwicklungsgang  der  modernen  Morphologie  dritngt 
darauf  bin,  die  thierische  Organisation  nach  alien  Richtungen  bin 
zu  durcbforschen  und  von  den  verschiedensten  Gesichtspunkten 
aus  zu  betrachten,  um  so  auf  mebreren  Wegen  zu  einheitlichen 
Auffassungen  zu  gelangen.  Sclion  jetzt  konnen  wir  sagen,  dass 
die  Entwicklungsweise  der  Organe  auf  ihren  morphologischen 
Charakter,  auf  die  Art  ihres  Zusammenhangs,  ja  sogar  in  mehr 
Oder  minder  auffalliger  Weise  auf  die  Beschaffenheit  ihrer  Gewebe 
einen  nachhaltigen  Einfluss  ausiibt.  Unsere  Aufgabe  ist  es ,  die 
hierin  sich  ausdriickonden  innigen  Beziehungen  im  Einzelnen  nach- 
zuweisen  und  in  ilirer  Bedeutung  zu  wiirdigen.  Je  mehr  wir  uns 
der  Losung  dieser  Aufgabe  nahern,  um  so  mehr  werden  die 
Schwierigkeiten  schwinden,  welche  so  haufig  noch  bei  einer  gleich- 
massigen  Verwerthung  ontogenetischer  und  anatomischer  Beob- 
achtungen  uns  entgegentreten.  Wenn  die  Anatomie  und  die  Ent- 
wickiungsgeschichte  uns  scheinbar  zu  widersprechenden  Resultaten 
f (ihren,  so  ist  das  nur  ein  Zeichen  ungenugender  Kenntniss  oder 
unrichtiger  Beurtheilung  der  anatomischen  oder  entwicklungsge- 
schichtlichen  Thatsachen. 

Eine  Auffassung,  wie  wir  sie  hier  ausgesprochen  haben,  liisst 
sich  allerdings  nicht  im  Einzelnen  beweisen,  sondern  nur  allmali- 
lich  mehr  und  mehr  befestigen  durch  Veigrosserung  des  Beob- 
achtungsmaterials,  fiir  welches  sie  Geltung  besitzt.  Dazu  glaubeu 
wir  durch  die  vorliegende  Schrift  einen  weiteren  Beitrag  geliefert 
zu  haben;  denn  als  ihr  Endergebniss  konnen  wir  den  Nachweis 
ansehen,  dass  die  Betrachtung  eines  der  wichtigsten  ontogeneti- 
schen  Vorgiinge  im  Thierreich,  der  Mesodermbildung,  zu  denselben 
morphologischen  und  systematischen  Resultaten  fuhrt,  wie  die 
Betrachtung  der  Gesammtorganisation,  des  Baues  der  Organe  und 
ihrer  Gewebe,  und  dass  diese  Uebereinstimmung  ferner  begriindet 


Die  Coelomtheorie.  109 

ist  auf  dem  nothwendigen  Zusammenhang,  der  zwisclien  Entwick- 
lung  und  Organisation  bcsteht.  Wie  wir  jetzt  noch  in  Kurzera 
eiiiiutern  wollen,  fiiln't  die  Beriicksichtigung  der  verschiedenen 
Arteu  der  Mesodermbildung  zii  einer  diirchaus  naturgemassen  S3^ste- 
matischen  Anordnung  der  Thierformen ,  welche  auch  in  der  Ana- 
tomie  eine  feste  Stiitze  findet. 

Nach  Maassgabe  der  Art,  in  welcher  sich  die  mittlere  Korper- 
schicht  anlegt,  zerfallen  die  Bilaterien  in  zwei  grosse  Hauptab- 
theilungen,  diePseudocoelier  und  dieEnterocoelier.  Zu 
den  ersteren  geliort  der  Stamm  der  Mollusken  und  ein  Theil  der 
Wurmer,  bestehend  aus  den  Bryozoen,  Rotatorien  und  Plattwur- 
mern ;  zu  den  letzteren  rechnen  wir  die  tibrigen  Wiirraer,  nam- 
lich  die  Nematoden,  Chaetognathen,  Bracbiopoden ,  Anneliden  (in- 
clusive der  riickgebildeten  Formen  der  Gephyreen),  die  Entero- 
pneusten  und  wabrscheinlich  auch  die  Tunicaten,  ausserdem  noch 
die  Stiimme  der  Echinodermen ,  Arthropoden  und  Vertebraten. 
Die  Veriinderungen,  welche  hierdurch  im  System  bedingt  werden 
wiirden ,  sind  nur  in  zwei  Punkten  von  grosserer  Bedeutung, 
1.  Der  Stamm  der  Wiirmer  wilrde  in  zwei  Stamme  aufgeliist  wer- 
den, die  Scoleciden  und  die  Coelhelrainthen.  2.  Die  Stiirame  der 
Bilaterien  wiirden  nicht  ohne  Weiteres  aneinander  gereiht,  sondern 
zu  zwei  grossen  Gruppen  vereinigt  werden. 

Beides  sind  Veranderungen,  die  sich  durch  die  Untersuchung 
der  Neuzeit  im  Allgemeinen  als  nothwendig  herausgestellt  haben. 
Deun  es  giebt  wohl  wenig  Zoologen,  welche  nicht  in  dem  Stamme 
der  Wurmer  eine  Art  systematische  Rumpelkammer  erblicken  moch- 
ten,  in  welcher  Alles,  was  nicht  in  anderen  Stammen  naturgemiiss 
untergcbracht  werden  konnte,  seinen  Platz  fand;  und  ebensowenig 
wird  bezweifelt  werden,  dass  die  Verwandtschaft  zwischen  den 
einzelnen  Stammen  eine  verschiedenartige  ist.  Es  kann  daher  nur 
fraglich  sein,  ob  die  Art,  in  welcher  wir  die  Umgruppirung  vor- 
genommen  haben,  das  Rechte  getroffen  hat;  urn  dies  zu  cntschei- 
den,  wollen  wir  hier  noch  die  wichtigsten  Instanzen,  welche  dafiir 
und  dagegen  sprechen,  gegen  einauder  abwagen. 

Die  anatomische  Verwandtschaft,  welche  zwischen  den  Gliedern 
einer  jeden  der  beiden  Gruppen  obwaltet,  haben  wir  schon  be- 
sprochen  und  dabei  gezeigt,  wie  sie  im  Wesentlichen  eine  Folge  der 
besonderen  Form  der  Mesodermentwicklung  ist.  Wir  haben  daher 
nur  nothig  die  wichtigsten  Punkte  in  iibersichtlicher  Weise  zusam- 
menzustellen,  zunachst  fiir  die  Enterocoelier. 

1.  Alle  Enterocoelier  besitzen  eine  von  Epithel  ausgekleidete 


110  0.  und  R.  Hertwig, 

Leibeshohle,  welche  friiher  als  das  Blutgefasssystem  und  unabhan- 
gig  von  demselben  entsteht  als  ein  von  Anfang  an  paariger,  spii- 
ter  meist  einheitlicher  Hohlraum,  durcli  welchen  der  Darm  ge- 
wohnlicli  an  einein  Mesenterium  suspendirt  verlauft. 

2.  Das  Blutlymphgefasssystem  ist  eiu  System  von  Spaltcn  und 
Eohren ,  welche  sich  in  dem  Mesenchym  des  Korpers  ausbilden, 
urspriinglich  gegen  die  Leibeshohle  geschlossen  sind  und  erst  se- 
cundixr  mit  derselben  bei  Arthropoden  und  vielen  Gephyreen  in 
Verbindung  treten, 

3.  Die-  Geschlechtsorgane  stammen  vom  Epithel  der  Leibes- 
hohle ab;  sie  behalten  diese  Lagerung  unverandert  bei  (Anneliden 
und  Gephyreen,  Brachiopoden,  Chaetognathen)  oder  gerathen  in  das 
unterliegende  Gewebe,  von  wo  sie  bei  der  Reife  in  die  Leibeshohle 
entleert  werden  (die  meisten  Wirbelthiere),  oder  sie  verbinden  sich 
mit  anderweitig  entstandenen  Ausfiihrgangen  und  erzeugen  mit 
denselben  rohrige  Driisen.  Als  Ausfiihrgiinge  dienen  in  den  mei- 
sten Fallen  die  Excretionsorgane ,  welche  ebenfalls  Diliierenzirun- 
gen  des  Coelomepithels  sind.  Die  Excretionsorgane  sind  urspriing- 
lich segmental  angeorduet  und  communiciren  durch  die  Wimper- 
trichter  mit  der  Leibeshohle. 

4.  Die  Korpermuskeln  sind  von  Primitivfibrillen  gebildet,  welche 
in  verschiedenster  Weise  unter  einander  zu  weiteren  Eiuheiten, 
zu  Muskellamellen,  Muskelblattern,  Muskelprimitivbiindeln,  vereinigt 
sind  und  genetisch  wahrscheinlich  vom  Epithel  der  Leibeshohle 
abstammen.  Sie  zeichnen  sich  beim  fertigen  Thier  durch  die  Re- 
gelmitssigkeit  ihrer  Anordnung  aus,  indem  die  Fasern  einer  Lage 
genau  parallel  verlaufen  und  nicht  durch  Fasern  einer  zweiten 
Lage  gekreuzt  werden.  Dazu  konnen  sich  noch  contractile  Faser- 
zellen  hinzugesellen ,  welche  dann  aber  nur  den  vegetativen  Or- 
ganen  angehoren  und  mehr  oder  minder  von  dem  Willen  unab- 
hiingig  sind. 

5.  Das  Nervensystem  liegt  entweder  dauernd  im  Ektoderm 
oder  verlasst  das  aussere  Keimblatt  sehr  spat,  nachdem  es  in  sei- 
nen  wichtigsten  Theilen  fertig  gestellt  worden  ist,  so  dass  mit 
Leichtigkeit  sein   ektoblastischer  Ursprung  erkannt  werden   kann. 

DemgegeuUber  stehen  folgende  Charaktere  der  Pseudo- 
c  0  e  1  i  e  r. 

L  Die  Leibeshohle  fehlt  ganz  oder  wird  durch  ein  Liicken- 
system  vertreten  oder  sie  ist  ein  durch  Confluenz  zahlreicher 
Spalten  entstandener  weiter  Raum.  Sie  hiingt  urspriinglich  mit 
dem  Blutgefasssystem  zusammen,  welches  mit  ihr  eine  gemeinsame 


Die  Coelomtheorie.  Ill 

Anlage  hat  und    nur  selten  sich  gegen  sie  vollkommen  abschliesst 
(Cephalopoden). 

2.  Die  Geschlechtsorgane  sind  entweder  umgewandelte  Zellen 
des  Korpermeseiichyms  oder  stammen  vom  Ektoblast  ab.  (?)  Sie 
besitzeii  stets  ihre  besonderen  Ausfiihrgange,  ohne  sich  niit  den  Ex- 
cretionsorganen  zu  verbinden.  Letzteie  sind  gewohnlich  deiidri- 
tisch  verastelt,  wobei  ihre  feinsten  Auslaufer  mit  den  Mescnchym- 
spalten  oder  den  Gefiisssinus  durch  flimmerude  Stomata  commiini- 
ciren.     Ihre  Entwicklungsweise  ist  gleichfalls  strittig. 

3.  Die  gesammte  Muskulatur  des  Korpers  besteht  aus  con- 
tractilen  Faserzellen,  wie  sie  bei  den  Enterocoeliern  nur  als  orga- 
nische  Muskelzellen  vorkommen;  haufig  veriaufen  sie  ganz  wirr 
durcheinander ,  und  audi  da,  wo  sie  sich  zu  bestimmten  Lagen 
oder  zu  Muskelgruppen  anordnen,  sind  diese  fast  stets  durch  ein- 
zehie  Faserzellen  durchkreuzt. 

4.  Das  Nervensystem  liegt  selbst  bei  den  niedrig  stehenden 
Formen  im  Mesoderm,  aus  welcheni  es  zum  grossen  Theil  direct 
seinen  Ursprung  herzuleiten  scheint. 

Den  genannten  und  schon  friiher  ausfiihrlich  erorterten  Punk- 
ten  konnen  wir  noch  zwei  weitere  anfiigen,  in  welchen  Enterocoe- 
lier  und  Pseudocoelier  sich  verschieden  verhalten, 

Alle  Pseudocoelier  sind  ungegliedert;  denn  die  Ver- 
suche,  die  Nemertinen  als  gegliederte  Thiere  darzustellen,  halten 
einer  Kritik  nicht  Stand,  da  das  fiir  die  Erkenntniss  der  Segmen- 
tirung  wichtigste  Organsystem,  das  Nervenmuskelsystem,  gleichfor- 
mig  durch  den  ganzen  Korper  verlauft,  und  da  auch  keine  Grunde 
vorliegen,  eine  Umwandlung  durch  Ruckbildung  bier  anzunehmen. 
Wie  wesentlich  aber  die  Strobilation  der  Bandwurmer  von  der 
Segmentirung  verschieden  ist,  hat  schon  Semper  (171)  in  iiber- 
zeugender  Weise  dargethan, 

Ganz  anders  die  Enter ocoelier,  bei  welchen  die 
Tendenz  zur  Gliederung  so  gross  ist,  dass  fast  alle 
Thiere  diese  hohere  Stufe  morphologischer  Entwick- 
lung  erreichen!  Thiere,  welche  zweifellos  ungegliedert  sind, 
scheinen  nur  die  Nematoden  und  die  Euteropneusten  zu  sein. 
Chaetognathen  und  Brachiopoden  dagegen  bestehen  aus  3  Segmen- 
ten,  die  Gephyreen  sind  —  das  geht  wohl  aus  alien  neueren  Un- 
tersuchungenGreeff's(lOl),  Spengel's  (108),  Salensky's(107), 
Hatschek's  (103)  rait  Sicherheit  hervor  —  riickgebildete  Anneliden. 
Auch  die  Annahme,  dass  die  Tunicaten  urspriinglich  gegliedert 
waren,  findet  eine  Sttitze  iu  dem  Nachvveis,  dass  das  Riickenmark 


112  0.  und  R.  Hertwig, 

der  Appeudicularien  von  Stelle  zu  Stelle  im  Schwanz  zu  Ganglien- 
knotchenanscliwillt(Laiigerhans  (110),  Fol.  (109)).  Dazu  kom- 
men  dann  weiter  die  typisclien  Reprasentanten  der  gegliederten 
Thiere,  die  Aniielidcn,  Artliropoden  und  Vertebrateii. 

Der  zweite  Punkt,  den  wir  noch  uachtrilglich  hervorheben 
mochten,  ist  das  Verhalten  des  Gastrulamundes.  Es  scheint 
naralich,  —  bestimmter  sich  hieriiber  auszudriickeu,  erlaubt  die 
mangelhafte  Kenntniss  der  Entwicklungsgeschichte  nicht  —  als  ob 
der  Urmund  bei  alien  Enterocoeliern  verloren  ginge,  bei  alien 
Pseudocoeliern  dagegen  fortbestande  und  zum  bleibenden  Munde 
wiirde.  Bei  den  Plattwiirmern  ist  die  Persisteuz  des  Urmundes 
walirscbeinlich ,  weil  hier  haufig  liberhaupt  uur  eine  Darmoffnung 
vorhanden  ist,  wiihrend  der  After  noch  fehlt ;  auch  entwickelt  sich 
bei  den  mit  einem  After  vcrsehenen  Nemertinen  der  Endabschnitt 
des  Darmkaiials  sehr  spat.  Die  Mollusken  haben  zwar  Aulass  zu 
lebhaften  Controvcrsen  gegeben,  doch  scheint  uns  aus  denselben 
mit  jeder  neuen  Arbeit  siegreicher  die  Ansicht  Fol's  (53  —  57), 
Rabl's  (69),  Hatschek's  (59)  hervorzugehen,  dass  der  Urmund 
zum  bleibenden  Mund  und  nicht,  wie  Lankester  (64  65)  und 
Biitschli  (51)  wollen,  zum  After  wird. 

Uuter  den  Enterocoeliern  bilden  nur  die  Echinodermen  zwei- 
fellos  eine  Ausnahme;  allein  das  sind  Thiere,  welche  uberhaupt 
in  der  ganzen  Gruppe  weit  abseits  stehen. 

Unserer  Eintheilung  wird  man  nicht  den  Einwurf  machen 
konnen ,  dass  sie  klar  ausgesprochene  verwandtschaftliche  Bezie- 
hungen  durchkreuzt.  Denn  von  den  tiblichen  Anschauungen  ent- 
fernt  sie  sich  nur  in  zwei  Punkten,  1.  dass  sie  die  Mollusken  von 
den  Brachiopoden  und  Anneliden  vollig  trennt  und  2.  dass  sie 
keine  engere  Verwandtschaft  der  Anneliden  und  Eotatorien  zuliisst. 
Beides  kann  aber  mit  guten  Grunden  vertheidigt  werden. 

Seitdem  durch  Morse  (89)  und  Kowalevsky  (86)  der  Nach-* 
weis  gefiihrt  worden  ist,  dass  die  lange  Zeit  den  Mollusken  zu- 
gerechneten  Brachiopoden  viel  mehr  mit  den  gegliederten  Wtir- 
mern  Aehnlichkeiten  gemein  haben,  hat  sich  die  Ansicht  geltend 
gemacht  und  ist  namentlich  von  Gegenbaur  (159)  vertreten 
worden,  dass  Brachiopoden  und  Mollusken  riickgebildete  Anneliden 
seien,  wobei  den  Brachiopoden  naturgemass  eine  vermittelnde  Stel- 
lung  zwischen  Anneliden  und  Mollusken  zugewiesen  werden  miisste. 

Folgende  3  Punkte  konnen  fiir  diese  Anschauung  angefuhrt 
werden  und  mogen  daher  im  Folgenden  eine  genauere  Besprechung 
fiuden:  1.  die  Beschaffenheit  des  Nervensystems,  2.  die 


Die  Coelomtheorie.  113 

Anwesenheit  der  Segmentalgefasse.  3.  Die  Larven- 
formen. 

Gegenbaur  und  v.  Jheriiig  —  letzterer  freilich  nur  fiir 
einen  Theil  der  Mollusken,  seine  Arthrocochlidcn  —  halten  das 
Pedalganglion  der  Mollusken  fur  das  Horaologon  des  Strickleiter- 
nervensystems  der  Anneliden.  Dies  solle  wahrscheinlich  gcmacht 
werden  durch  die  Gattuugen  Chiton,  Fissurella  etc.,  bei  denen  sich 
das  Pedalganglion  in  zwei  Lilngsnerven  fortsetzt,  die  durch  quere 
Commissuren  unter  einander  verbunden  sind.  Eine  Priifung  der 
von  V.  Jhering  (GO)  gegebenen  Beschreibungen  und  Abbildungen 
des  Nervensystems  von  Chiton  und  Fissurella  litsst  nun  erkennen, 
dass  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Nervensystem  der  Anneliden  nicht 
in  dem  Maasse  iiberzeugend  ist,  als  der  Autor  es  darstellt.  Die 
beiden  Pedalnervenstanime  liegeu  weit  aus  einander  und  haben  keine 
gangliosen  Anschwellungen ,  die  Commissuren  sind  unregelmassig, 
bald  dicker,  bald  diinner,  bald  rechtwiukelig,  bald  unter  stumpfem 
Winkel  mit  den  Pedalnerven  verbunden;  ab  und  zu  verleihen  sie 
kleineren  Nervenstiimmen  den  Ursprung.  Allerdings  ist  es  mog- 
lich,  diese  Abweichungen  und  Unregelmassigkeiten  auf  Kosten  der 
Riickbildung  zu  setzen,  welche  der  Annahme  nach  die  Organisa- 
tion der  Mollusken  erlitten  haben  miisste,  aber  es  ist  dies  einmal 
an  sich  nicht  wahrscheinlich,  well  man  nach  Analogie  der  vielfach 
zum  Vergleich  herangezogenen  Gephyreen  u.  a.  Thiere  danu  auch 
eine  Verschmelzung  der  Langsstamme  erwarten  sollte;  zweitens 
w'ird  man  eine  solche  Annahme  nicht  machen,  wenn  nicht  noch 
anderweitige  Momente  zu  Gunsten  derselben  sprechen.  Endlich 
erinnert  der  ganze  Bau  des  Nervensystems  der  Chitonen  vielmehr 
an  die  Verhaltnisse  bei  den  Turbellarien ,  deren  ventrale  Nerven- 
stamme  ebenfalls  durch  quere  Commissuren  strickleiterartig  unter 
einander  verkniipft  sind.  Da  sie  Ganglienzellen  enthalten,  so  ware 
es  ganz  gut  denkbar,  dass  centrale  Theile  wie  die  Pedalganglien 
aus  ihnen  hervorgehen  konnten.  Wir  koramen  daher  zum  Schluss, 
dass  das  Nervensystem  der  Mollusken  sich  viel  leichter  aus  einer 
weitereu  Entwicklung  des  Nervensystems  der  Turbellarien  erklaren 
lasst,  als  aus  einer  Riickbildung  des  Nervensystems  der  Anneliden, 
dies  um  so  mehr,  als  ja  das  Pedalganglion  nicht  wie  das  Bauch- 
mark  der  Anneliden  aus  dem  ausseren  Keimblatt  entsteht. 

Wer  die  Mollusken  von  den  gegliederten  Wiirmern  ableiten 
will,  der  muss  sich  nach  anderen  Merkmalen  umsehen,  welche  auf 
eine  verlorene  Gliederung  hinweisen  konnten.  Ein  solches  konnte 
man  allein  noch  in  dem  doppelten  Vorkommen  der  excretorischen 

Bd.  XV.    N.  y.  VIII,  1.  g 


114  0.  imd  R.  Hertwig, 

Gefasse  bei  den  Gastropoden  fiuden.  Bei  denselben  legen  sicli  im 
embryonalen  Lebeii  ein  Paar  flimmeruder  Caiiale  an,  die  mit  Recht 
von  Allen,  welche  sie  beobachtet  haben,  mit  den  Wassergefassen  der 
Rotatorien  und  ferner  auch  mit  den  Kopfnieren  der  Anneliden- 
larven  homologisirt  werden.  Sie  sind  vorubergelieuder  Natiir,  func- 
tioniren  im  embryonalen  Leben  und  werden  dann  riickgebildet, 
walirend  an  ihre  Stelle  die  gewohnlich  unpaare,  viel  weiter  nach 
rtickwarts  gelegene  bleibende  Niere  tritt.  Sind  die  bleibenden 
und  embryonalen  Nieren  homodyname  Organe  ?  Diese  Frage  wird 
von  alien  Autoren  einstimmig  verneint ,  well  beide  Organe  selir 
verschieden  gebaut  sind;  es  werden  nur  die  embryonalen  Nieren 
den  Wassergefassen  der  Wiirmer  verglichen,  die  bleibenden  Nieren 
dagegen  fiir  Neubildungen  erklitrt,  welche  erst  von  den  Mollus- 
ken  erworben  wurden.  Damit  verlieren  aber  die  Organe  auch  das 
Wenige  von  Beweiskraft,  welches  man  ihnen  bei  der  Erorterung, 
ob  die  Mollusken  gegliederte  Thiere  sind,  zusprechen  konnte. 

So  bleibt  uns  nur  noch  die  sys tematische  Bedeutung 
derLarvenformen  zu  erortern  iibrig.  Hier  wollen  wir  un- 
serer  Darstellung  gleich  einen  weiteren  Rahmeu  geben  und  in  den 
Kreis  unserer  Betrachtungen  auch  die  iibrigen,  fast  ausschliesslich 
marinen  Larvenformen  Ziehen,  welche  bei  den  Echinodermen,  Bryo- 
zoen,  Turbellarien,  Nemertinen  u.  s.  w.  auftreten  und  von  Hux- 
ley, Gegenbaur  (159),  Lankester  (170),  Hatschek  (102), 
Balfour  (156)  und  zahlreichen  Anderen  auf  eine  gemeinsame  Grund- 
form  zuriickgeftihrt  werden.  Damit  erledigen  wir  zugleich  die  Frage 
nach  der  Verwandtschaft  der  Rotatorien  und  Anneliden,  well  die 
Aehnlichkeit  der  ersteren  mit  den  Larven  der  letzteren  der  ein- 
zige  Grund  ist,  beide  Gruppen  einander  im  System  zu  nahern. 
Da  ohnehin  in  der  Neuzeit  den  Larvenformen  eine  aussergewohn- 
liche  —  vielleicht  allzugrosse  —  Aufmerksamkeit  zugewandt  wer- 
den ist,  konnen  wir  uns  auf  wenige  Bemerkungen  beschranken. 

Die  in  Rede  stehenden  Larven  werden  gewohnlich  auf  eine  ge- 
meinsame Stammform  zuriickgefiihrt,  auf  einen  Organismus  ahulich 
den  Rotatorien,  ausgestattet  mit  Darm  und  cinem  Wimperreifen, 
uber  dessen  urspriinglichen  Verlauf  die  Ansichten  aus  einander 
gehen,  ferner  in  vielen  Fallen  wenigstens  ausgestattet  mit  einem 
verastelten  Excretionsorgan  und  der  Scheitelplatte ,  einer  Ekto- 
dermverdickung ,  welche  als  Anlage  des  oberen  Schlundganglions 
angesehen  wird.  Wahrend  ein  Mesoblast  fehlt ,  ist  ein  reichliches 
Mesenchym  vorhanden.  Die  Excretionsorgane  werden  wir  in  die 
Reihe  der  Bildungen  zu  stellen  haben ,    welche  bei  den  mesenchy- 


Die  Coelomtheorie.  115 

matoseu  Thieren  vorkommen,  nicht  in  die  Eeihe  der  Segmental- 
oi'gaue;  das  ist  namentlich  bei  den  wenigen  Anuelideularven,  bei 
welchen  ein  provisorisches  Larvenexcretionsorgan  beobachtet  wurde, 
sehr  deutlich,  da  das  letztere  hier  aiis  verastelten  Rohren  besteht 
und  auch  sonst  dem  Wassergefasssystem  der  Plattwurmer  und  Ro- 
tatorien  gleicht. 

Wie  in  derNeuzeit  Balfour  (156)  mit  Recht  hervorgehoben 
hat,  ist  die  Trochophoralarve  im  Thierreich  so  ausserordentlich 
verbreitet,  dass  Jeder,  welcher  ihr  eine  grosse  phylogenetische  Be- 
deutung  beimisst ,  gezwungen  ist,  ihre  urspriingliche  Existenz  bei 
sammtlichen  Bilaterien  anzunehmen.  Ihr  Fehlen  bei  den  Wirbel- 
thieren,  Tunicaten  und  Arthropoden  konnte  dann  nur  nach  dem 
Princip  der  abgekiirzten  Entwicklung  erkUirt  werden,  da  sich  die 
Trochophora  bei  den  Wurmabtheilungen  findet,  von  denen  jene 
hoheren  Formen  wahrscheinlich  abzuleiten  sind.  Ebenso  wiirde 
wohl  Niemand  sich  so  leicht  dazu  entschliessen ,  den  Chaetogna- 
then  und  Nematoden  nur  wegen  des  Mangels  der  Trochophora  eine 
selbstandige  Stellung  abseits  von  den  iibrigen  Thieren  anzuweisen. 
Wir  wiirden  daher  beim  Studium  der  Trochophoraformen  zum  Re- 
sultat  gelangen,  dass  sammtliche  Bilaterien  von  ihnen  abstammeu, 
Avoraus  dann  weiter  folgen  wiirde,  dass  die  Enterocoelier  urspriing- 
lich  aus  mesenchymatosen  Formen  entstanden  sind  und  dass  das 
Mesenchym  in  den  Fallen,  in  welchen  es  fehlt,  eine  durch  die 
Genese  des  Mesoblasts  veranlasste  Riickbildung  erfahren  hat, 

"Wir  haben  bisher,  der  allgemeinen  Anschauung  folgend,  an- 
genommen ,  dass  die  Trochophora  ein  palingenetisches  Entwick- 
lungsstadium  ist ;  indessen  ware  es  auch  denkbar,  dass  die  Larven- 
formen  erst  secundar  und  in  den  einzelnen  Abtheilungen  unab- 
hangig  von  einander  erworben  worden  sind.  Ihre  Uebereinstim- 
mung  wiirde  dann  nur  eine  Folge  convergenter  Ziichtung  sein  und 
auf  die  iiberall  gleiche  pelagische  Lebensweise  zuriickgeftihrt  wer- 
den miissen.  Eine  derartige  Auifassung  wird  uns  um  so  mehr  nahe 
gelegt,  als  die  Aehnlichkeit  schliesslich  in  der  Mehrzahl  der  Fiille 
keineswegs  so  iiberzeugend  ist,  als  von  vielen  Seiten  behauptet 
wird.  Scheitelplatte  und  Excretionsorgane  konnen  fehlen.  Die  An- 
wesenheit  des  Darms  und  des  Mesenchyms  ist  ein  ziemlich  indiffe- 
rentes  Merkmal ;  die  Wimperreifen  sind  sehr  verschieden  angeord- 
net  und,  wenn  es  auch  moglich  ist,  sie  auf  einander  zuriickzufiih- 
ren,  so  liegt  hierzu  doch  kein  zwingender  Grund  vor;  am  besten 
kann  das  wohl  daraus  entnommen  werden ,   dass  die  meisten  For- 

8* 


116  0.  und  R.  Hertwig, 

scher  bei  der  Zuriickfiihrung  zu  ganz  verschiedenen  Ausgangs- 
formen  gelangen. 

Im  Uebrigen  ist  es  fiir  die  Fragen,  welche  uns  hier  beschaf- 
tigen,  von  untergeordneter  Bedeutung,  ob  die  Trochophora  eine 
secundar  erworbene  Larvenform  ist  oder  nicht.  Wir  koiinen  die 
Eatscheidung  hieriiber  der  Zukunft  iiberlassen  und  heben  hier  nur 
hervor,  dass  es  dazu  nothwendig  sein  wird,  genaue  Kenntniss  von 
der  Entwicklungsweise  der  Geschlechtsorgane  zu  besitzen.  Bei 
den  Enterocoeliern ,  wo  das  Coelomepithel  allgemein  die  Eier  und 
Sperraatozoen  liefert ,  sind  wir  zwar  zur  Geniige  orieutirt ,  nicht 
so  bei  den  Pseudocoeliern.  Sollten  die  letzteren  mit  den  ersteren 
nahe  verwandt  sein,  so  miissten  ihre  Geschlechtsorgane  vom  pri- 
niaren  Entoblast  abstammen,  was  bei  dem  gegenwiirtigen  Stande 
unserer  Kenntnisse  nicht  recht  wahrscheinlich  ist. 

Nachdem  wir  die  Einwande,  welche  gegen  die  Eintheilung  in 
Pseudocoelier  und  Enterocoelier  gemacht  werden  konnten,  bespro- 
chen  haben,  halten  wir  es  fiir  zweckmassig,  zur  Erlauterung  unserer 
systematischen  Auffassung  eine  tabellarische  Uebersicht  der  me- 
tazoen  Thiere  zu  geben  (vergl.  p.  134).  Zu  derselben  bemerkeu 
wir,  dass  wir,  urn  moglichst  wenig  an  dem  bestehenden  System  zu 
andern,  im  Wesentlichen  die  Hauptstamme  im  alten  Umfang  bei- 
behalten  und  nur  eine  Trennung  der  Wlirmer  in  Scoleciden  und 
Coelhelminthen  vorgenommen  haben.  Zu  den  letzteren  stellen  wir 
die  Brachiopoden,  well  diese  keinenfalls  bei  den  Mollusken  verblei- 
ben  konnen ;  auch  haben  wir  die  Anneliden  bei  ihnen  belassen  und 
nicht  mit  den  Arthropoden  zum  Stamm  der  Articulaten  verbunden, 
zum  Theil  well  dies  die  gebrauchlichere  Eintheilungsweise  ist,  zum 
Theil  aber  auch,  weil  die  Gephyreen  von  den  Anneliden  nicht  ge- 
trennt  werden  konnen,  im  Stamm  der  Articulaten  dagegen  ein 
fremdartiges  Element  ausmachen  wiirden. 


Die  Coelomtheorie.  117 


Allgemeiiier  Theil. 


In  unsercn  Studien  zur  Blattertheorie,  welche  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  unser  Interesse  fast  ausschliesslich  in  Anspruch  genom- 
men  haben,  glauben  wir  mit  der  Begrundung  der  Coelomtlieorie, 
uuter  welchem  Namen  wir  die  von  uns  entwickelten  Ansichten 
iiber  die  Genese  der  Leibeshohle  im  Thierreich  kurzweg  zusam- 
nienfassen  wollen,  zu  einem  gewissen  vorlaufigen  Abschlusse  ge- 
langt  zu  sein.  Wir  ergreifeu  daher  jetzt  noch  die  Gelegeuheit, 
den  ini  speciellen  Theil  niedergelegten  Auseinaudersetzungen,  wel- 
che sich  auf  alle  Stiimme  des  Thierreichs  erstreckt  haben ,  einige 
allgemeine  Bemerkungen  zur  Blattertheorie  folgen  zu  lassen  und 
im  Zusammenhang  die  Anschauungen  zu  entwickeln,  zu  welchen 
wir  durch  die  neu  angestellten ,  auf  breiterer  Grundlage  ausge- 
fuhrten  Untersuchungen  gelangt  sind.  Es  soil  dies  noch  in  2 
Kapiteln  geschehen,  von  welchen  das  erste  iiber  die  Frage  han- 
delt,  was  man  unter  einem  mittleren  Keimblatt  zu  verstehen  habe, 
das  zweite  die  Erscheinungen  und  Processe  der  thierischen  Form- 
bildung  zum  Gegenstand  hat.  Am  Schluss  unserer  Abhandlung 
werden  wir  danu  endlich  noch  in  einem  dritten  Kapitel  eine  Ge- 
schichte  der  Coelomtheorie  geben  und  ein  vollstandiges  Bild  davon 
eutwerfen,  wie  allmahiich  die  Ansicht  gereift  ist,  dass  die  Ent- 
wicklungsweise  der  Leibeshohle  ein  Punkt  von  der  grossten  Be- 
deutung  fiir  das  Verstandniss  des  thierischen  Baues  ist. 

1.     Was  man  unter  einem  mittleren  Keimblatt  zu  verstehen 
hat? 

Das  mittlcre  Keimblatt  bezeichnet  schon  seit  vielen  Jahrzehn- 
ten  den  Kampfplatz ,  auf  welchem  sich  die  entgegengesetztesten 
Meinungen  befehdet  haben.  Noch  sind  die  Embryologen  dariiber 
uneinig,  ob  sich  dasselbe  iiberall  in  einer  wesentlich  gleichen  Weise 
entwickele,  und  ob  es  in  den  einzelnen  Thierstammen  eine  ver- 
gleichbare  Bildung  sei. 


118  0.  und  E.  Hcrtwig, 

Wio  wir  iiii  speciellen  Theile  glauben  gezeigt  zu  haben, 
fasst  man  augenblicklich  unter  mittlerem  Keimblatt  die  heterogen- 
sten  Dinge  zusammen,  —  man  versteht  darunter  sowohl  die  Zel- 
len,  welche  bei  den  Echinodermenlarven  in  die  Furchungshohle 
aus  der  epithelialen  Grenzschicht  der  Blastula  einwandern  und 
ein  Mesenchym  erzeugen,  als  audi  die  epithelialen  Waudungen  der 
Urdarmdivertikel  der  Bracliiopoden  und  Chaetognathen ;  man  ver- 
steht darunter  sowohl  die  grossen  Zellen  am  Urmundrand  der  Mol- 
lusken,  Turbellarien  und  Plattwurmer,  als  audi  die  paarigen  Keim- 
streifen  der  Anneliden,  Arthropoden  und  Wirbelthiere.  Man  lasst 
das  mittlere  Keimblatt  sich  auf  ganz  verschiedenen  Perioden  der 
Entwicklung  anlegen  und  hier  nur  einmal,  dort  in  mehreren  Ab- 
satzen  gebildet  werden.  So  lasst  man  es  bei  den  Echinodermen, 
Mollusken  etc.  schon  auf  dem  Blastulastadium  auftreten  zu  einer 
Zeit,  wo  der  Entoblast  noch  gar  nicht  vorhanden  ist,  in  den  mei- 
sten  Fallen  aber  erst  nach  der  Formation  der  beiden  primaien 
Keiniblatter,  also  nach  dem  Gastrulastadium.  Wenn  man  daher 
augenblicklich  erklaren  soil,  was  ein  mittleres  Keimblatt  ist,  so 
muss  man  mit  der  ganz  unbestimmten  und  allgemeinen  Definition 
antworten,  dass  damit  embryouale  Zellen,  welche  zwischen  die  bei- 
den priniaren  Keiniblatter  zu  liegen  kommen,  bezeichnet  werden. 
Mit  einer  solchen  Definition  wird  man  sich  aber  auf  die  Dauer 
nicht  zufrieden  geben  konnen. 

Es  geht  der  Blattertheorie,  wie  es  der  Zellentheorie  ergangen 
ist;  sie  muss  eine  Reihe  von  Entwicklungsphasen  durchlaufen,  bis 
das  Gesetzmassige,  was  durch  sie  ausgedriickt  werden  soil,  erfasst 
und  der  reine  Ausdruck  dafiir  gefunden  worden  ist.  In  der  Ge- 
schichte  der  Zellentheorie  gab  es  eine  Zeit,  wo  man  die  Hohlen 
des  thierischen  Korpers  Zellen  nannte  und  den  pflanzlichen  Zellen 
verglich,  und  wo  man  den  Darmkanal  und  die  Gefasse  aus  Ver- 
schmelzung  von  Zellenreihen  entstanden  sein  liess.  Dann  kam 
eine  schon  vorgeschrittenere  Zeit,  in  welcher  man  die  elementaren 
Bestandtheile  des  thierischen  Korpers  schon  richtiger  erkannte, 
dabei  aber  noch  in  so  verschiedenen  Gebilden,  wie  Keimblaschen, 
Kernen,  Vacuolen,  Fetttropfen  mit  Eiweisshiillen ,  in  Dotter-  und 
Starkekornern  Zellen  glaubte  erblicken  zu  diirfen.  Und  als  auch 
hier  eine  Einschrankung  gefunden  worden  war,  wie  ausserlich  blieb 
selbst  dann  der  Begrifi"  der  Zelle,  bis  durch  Max  Schultze  die 
Protoplasmatheorie  geschatfen  wurde. 

In  ahnlicher  Weise  hat  auch  die  Blattertheorie  schon  die  fol- 
genschwersteu   Umwandlungen   erfahren.     Wurde   doch   vor  noch 


Die  Coelomtheorie.  119 

niclit  lauger  Zeit  bezweifelt,  ob  die  Blatterbildung  tiberhaupt  ein 
allgemeines,  der  thierischen  Organisation  zu  Grunde  liegendes  Prin- 
zip  sei  und  ob  sie  bei  den  Arthropoden  und  anderen  Abtheilungen 
vorkomme.  Hier  musste  Schritt  fiir  Schritt  neues  Terrain  der 
Blattertheorie  erobert  und  ein  Irrthura  nach  dem  anderen  besei- 
tigt  werden.  Erst  dann  konnte  das  schwierigere  Problem  aufge- 
worfen  werden,  ob  sicb  die  Blatter  bei  den  Embryonen  verschie- 
dener  Thiere  vergleichen  lassen,  und  ob  eine  gemeinsame  Ursache 
die  Blatterbildung  veranlasst  babe.  Hier  bat  nun  Haeckel's 
(162,  163)  Gastraeatheorie,  wie  Schultze's  Protoplasmatheorie 
auf  dem  Gebiete  der  Zellenlehre,  eine  grosse  tiefgreifende  Reform 
bewirkt,  indem  sie  fiir  alle  Thiere  eine  gemeinsame  Grundform, 
die  Gastraea,  aufstellte  und  auf  ihre  beiden  Epithelschichten  die 
2  primaren  embryonalen  Blatter  zuriickfuhrte.  Wie  indessen  schon 
in  der  Einleitung  hervorgeboben  wurde,  hat  die  Gastraeatheorie 
nur  fiir  die  beiden  primaren  Keimblatter  eine  causale  Erklarung 
geliefert,  das  Problem  des  Mesoblasts  dagegen  noch  ungelost  ge- 
lassen, 

Wir  sehen  uns  daher  jetzt  vor  die  Auf  gab  e  gestellt,  zu  un- 
tersuchen,  ob  es  nicht  moglich  ist,  dem  Begriff  „mittleres  Keim- 
blatt"  eine  scharfere,  wissenschaftlichc  Fassung  zu  geben  und  so 
auf  der  Bahn  weiter  fortzuschreiten,  welche  Haeckel  mit  so  gros- 
sem  Erfolge  betreten  hat. 

Bei  unserer  Erorterung  gehen  wir  von  dem  Begriff  der  bei- 
den primaren  Keimblatter  aus.  Dieselben  sind  Schichten  epithe- 
lial angeordneter  embryonaler  Zellen,  welche  durch  Einfaltung  aus 
der  Keimblase  entstanden  sind;  sie  bilden  die  Begrenzungsflachen 
des  Korpers  nach  Aussen  und  nach  dem  Urdarm  zu.  Sie  sind 
auf  die  gemeinsame  Stammform  der  Gastraea  zu  beziehen;  sie 
gehen  in  ihrer  Genese  dem  mittleren  Keimblatt  voraus. 

Unter  dem,  was  man  augenblicklich  als  Mesoblast  bezeichnet, 
giebt  es  nun  Bildungen,  von  welchen  sich  eine  der  obigen  ahn- 
liche  Definition  geben  liisst.  Wir  meinen  die  beiden  mittleren 
Keimblatter  der  Chaetognathen,  Brachiopoden,  Anneliden,  Arthro- 
poden und  Wirbelthiere.  Dieselben  sind  gleichfalls  Schichten  epi- 
thelial angeordneter  Zellen,  welche  die  Flachenbegrenzung  des 
Korpers  nach  dem  neu  entstandenen  Coelom  zu  besorgen ;  sie  sind 
gleichfalls  durch  einen  Einfaltungsprozess  in  das  Leben  gerufen 
worden;  sie  sind  auf  eine  gemeinsame  Stammform  zu  beziehen, 
deren  Urdarm  sich  durch  2  Falten  in  3  Riiume  getheilt  hat.  Ihre 
Bildung  tritt  immer  erst  nach  der  Gastrulation  ein  und  deutet 


120  0.  und  K.  Hertwig, 

einen  weitereu  Scliritt  in  der  Organisation  an.  Wie  die  zweiblatt- 
rige  Gastrula  aus  der  einbliittrigen  Blastula,  so  ist  aus  der  zwei- 
bliittrigen  Gastrula  die  vierblattrige  Coelomform  abzuleiten. 

Die  Ansicht,  dass  wir  unter  den  vier  Keimblattern  Bildungen 
vor  uns  haben,  welche  nacli  einem  gemeinsamen  Princip  erfolgen, 
findet  eine  weitere  Stlitze  auch  darin,  dass  der  Mesoblast  genau 
in  derselben  Weise,  wie  der  Ektoblast  und  Entoblast,  histologische 
Differenzirungen  eingelien  kann.  Wie  wir  bei  den  Chaetognathen 
und  Anneliden,  den  Artliropoden  und  Wirbelthieren  gesehen  haben, 
liefert  die  Epitlielschicht ,  welche  das  Coelom  auskleidet,  Muskel- 
zellen  und  Geschlechtsproducte  in  ganz  derselben  Weise  wie  bei 
den  Coelenteraten  das  Ektoderni  und  das  Entoderm. 

Wenn  wir  alles  Andere  von  der  Bezeichnung  „mittleres  Keim- 
blatt"  ausschliessen,  dann  haben  wir  eine  einheitliche  und  scharfe 
Begriflfsbestimmung  gewonnen.  Wir  schliessen  also  aus  davon  die 
Zellen,  welche  bei  den  Echinodermen-  und  Wurmlarven  zwischen 
Ektoblast  und  Entoblast  ein  Mesenchym  erzeugen,  die  Zellen  am 
Urmund  der  Mollusken,  Turbellarien  und  Plathelminthen,  die  zer- 
streuten  Zellen  der  Bryozoen  und  Rotatorien  und  wir  schlagen  vor, 
dergleichen  Gebilde  mit  dem  besonderen  Namen  „Mesen- 
chymkeime  oder  Urzellen  des  Mesenchyms"  zu  be- 
legen.  Von  den  Keimblattern  unterscheiden  sie  sich  dadurch, 
dass  sie  nicht  epithelial  angeordnet  und  nicht  eingefaltete  Epithel- 
schichten  sind,  dass  sie  vielmehr  aus  dem  epithelialeu  Verbande  als 
Wanderzellen  ausscheiden,  um  zwischen  den  die  Form  bestimmeuden 
Keimblattern  oder  den  epithelialen  Begrenzungsschichten  eine  Ftill- 
masse  zu  bilden,  welche  die  verschiedeusten  Functionen  verrichten 
kann,  urspriinglich  aber  wohl  hauptsiichlich  als  ein  Stiitzorgan 
gedient  hat.  Ferner  unterscheiden  sich  die  Urzellen  des  Mesen- 
chyms von  den  Keimblattern,  welche  in  gleichmassiger  Reihenfolge 
nach  einander  angelegt  werden,  auch  dadurch,  dass  sie  in  ihrem 
Auftreten  an  keine  bestimmte  Zeit  der  embryonaleu  Entwicklung 
gekntiptt  sind.  Wahrend  sie  zum  Beispiel  bei  den  Echinodermen 
und  Mollusken,  ehe  noch  der  Entoblast  eingesttilpt  ist,  schon  aus- 
wandern,  treten  sie  bei  den  Wirbelthieren  erst  auf  dem  Stadium 
der  Urwirbelbildung  in  die  Erscheinung. 

Die  vorgenommene  Priifung  fiihrt  uns  somit  zu  dem  Ender- 
gebniss,  dass  man  unter  dem  Worte  „mittleres  Keimblatt" 
bisher  zwei  ganz  verschiedene  Bildungen  zusammen- 
gefasst  hat,  und  dass  es  jetzt  nothwendig  ist,  an 
Stelle  des   alten  unbestimmten  zwei  neue  scharfere 


Die  Coelomtheorie,  121 

Begriffe  eiuzufiiliren.  Durch  dieselben  werclen  die  Begriffs- 
bestimmungeu,  welclie  wir  im  ersteu  Heft  unserer  Studien  (3  pag.  192 
■ — 203)  ill  einem  besonderen  Abscbuitt  „uber  die  Benenuung  der  Keiin- 
bliitter  und  der  Korperscbicbten"  gegeben  baben,  iii  keiiier  Weise 
alterirt,  vielmebr  wird  das  dort  Begonnene  bier  nur  weiter  fort- 
gefiibrt.  Wir  benutzen  daber  diese  Gelegeiibeit,  jetzt  nocb  ein- 
mal  im  Zusaminenbang  eine  kurze  Definition  der  ver- 
scbiedenen  Begriffe  zii  gebeu,  welcbewir  zurBezeicb- 
nuug  und  Vergleicbuug  der  embryonalen  und  defini- 
tiven  Scbicbten  der  tbieriscben  Korper  fiir  notbwen- 
dig  eracbteu.  Wir  seben  uus  bierzu  urn  so  mebr  veranlasst, 
als  Balfour  (155)  unsere  im  ersten  Heft  gemacbteu  Vor- 
scblage  fiir  unnotbig  erklart  und  die  Befurcbtung  ausspricbt,  dass 
durcb  sie  nur  nocb  weitere  Verwirrung  in  eine  scbon  verwickelte 
Nomenclatur  eingefiibrt  werde.  Wir  sind  entgegengesetzter  An- 
sicbt.  Die  augenblicklicbe  Verwirrung  berubt  nicbt  auf  einer  coin- 
plicirten  Namengebung,  da  wir  es  ja  nur  mit  einigen  wenigen  Ter- 
minis  tecbnicis  zu  tbun  baben ,  sondern  weit  mebr  darauf ,  dass 
man  ganz  verscbiedene  morpbologiscbe  Tbeile  mit  ein  und  dem- 
selben  Namen  belegt.  Diesem  Uebelstand  aber  wollen  wir  gerade 
abbelfen. 

Aus  Griinden,  welcbe  wir  in  der  Bearbeitung  der  Actinien 
dargelegt  baben,  unterscbeiden  wir  zwiscben  den  Blattern  der 
Keiine  und  den  aus  ibnen  bervorgebenden  organologiscb  und  bi- 
stologiscb  differenzirten  Scbicbten  der  ausgebildeten  Or- 
gan is  men.  Die  embryonalen  Blatter  verscbiedener  Tbiere  sind 
direct  unter  einander  vergleicbbar  und  bomolog,  weil  die  tbieri- 
scben Grundformen,  als  deren  Bestandtbeile  sie  erscbeinen,  wie 
z.  B.  die  verscbicdenen  Gastrulaformen  einander  bomolog  sind; 
von  den  definitiven  Scbicbten  lasst  sicb  nicbt  das  Gleicbe  sagen; 
sie  sind  nur  in  sebr  bescbriinktem  Maasse  unter  einander  ver- 
gleicbbar und  sebr  inconiplet  bomolog,  weil  sie  sicb  in  den  ein- 
zelnen  Tbierstammen  in  der  verscbiedenartigsten  Weise  aus  dem 
urspriinglicb  gleichartigen  Zustand  weiter  ausgebildet  und  meta- 
morpbosirt  baben;  wie  denn  z. B.  das  Ektoderm  und  das  Entoderm 
einer  Actinie  und  einer  Meduse  sicb  organologiscb  und  bistologiscb 
ganz  anders  verbalten  als  die  gleicbnamigen  Scbicbten  der  Artbro- 
poden  und  Wirbeltbiere. 

Unter  einem  Keimblatt  versteben  wir  nacb  wie  vor  em- 
bryonale   Zellen,   welcbe   unter   einander  zu  einer  Epitbellamelle 


122  0.  imd  E.  Hertwig, 

verbimdeii  sind,  die  diircli  Faltimg  oder  Differenziruiig  die  Grund- 
lage  fiir  die  mannigfaltigsten  Forraen  abgiebt. 

Die  einzelnen  embryoualen  Blatter  bezeiclinen  wir  als  Ekto- 
blast  und  Eutoblast,  parietales  imd  viscerales  Blatt  des  Meso- 
blasts. 

Ektoblast  undEntoblast  sind  die  beiden  primaren  durcli 
Eiustiilpung  der  Blastula  entstandenen  Keim1)latter;  sie  werdeu 
daher  immer  zuerst  angelegt,  sie  sind  auf  eiue  einfache  Stamm- 
form,  die  Gastraea,  zuriickfiihrbar  und  begrenzen  den  Organismus 
nach  Aussen  und  nacli  dem  Urdarni  zu. 

Parietaler  und  visceraler  Mesoblast  oder  die  bei- 
den mittleren  Keimblatter  sind  stets  spilteren  Ursprungs 
und  entstehen  durch  Ausstiilpung  oder  Einfaltung  des  Entoblasts, 
dessen  Rest  nun  als  secundilrer  Entoblast  vom  primaren  unter- 
schieden  werden  kann.  Sie  begrenzen  einen  neugebildeten  Hohl- 
rauni,  das  Enterocoel,  welches  als  abgeschniirtes  Divertikel  des 
Urdarms  zu  betrachten  ist.  Wie  die  zweiblattrigen  Thiere  von 
der  Gastraea,  so  sind  die  vierblattrigen  von  einer  Coelomform  ab- 
leitbar. 

Embryonale  Zellen,  welche  einzeln  aus  dem  epithelialen 
Verbande  ausscheiden,  halteu  wir  fiir  etwas  von  den  Keimblattern 
Verschiedenes  und  legen  ihnen  den  besonderen  Namen  der  Mesen- 
chymkeime  oder  Urzellen  des  Mesenchyms  bei.  Sie  kon- 
nen  sich  sowohl  bei  zweiblattrigen  als  audi  bei  vierblattrigen  Thie- 
ren  entwickeln.  Sie  dienen  dazu,  zwischen  den  epithelialen  Be- 
grenzungslamellen  cin  mit  zerstreuten  Zellen  versehenes  Secret- 
oder  Bindegewebe  zu  erzeugen,  dessen  Zellen  indessen  gleich  den 
epithelialen  Elementen  die  mannigfachsten  Differenzirungen  ein- 
gehen  konnen.  So  entstehen  aus  ihnen  die  zahlreichen  Formen 
der  Bindesubstanz,  Muskelfaserzellen,  Nervengewebe ,  Blutgefilsse 
und  Blut.  Das  Secretgewebe  im  einfachon  oder  im  diti'erenzirten 
Zustande  mit  alien  seinen  Derivaten  bezeichnen  wir  als  Mesen- 
c  h  y  m. 

Fiir  die  Hauptschichten  der  ausgebildeten  Thiere  reser- 
viren  wir  die  von  A 11  man  fiir  die  Coelenteraten  in  gleichem  Sinne 
eingefiihrten  Worte:  Ektoderm,  Entoderm  und  Mesoderm. 

Unter  Ektoderm  und  Entoderm  verstehen  wir  die  aus- 
sere  und  innere  Begrenzungsschicht  des  ausgebildeten  Korpers, 
welche,  vom  Ektoblast  und  Entoblast  des  Keimes  abstammend,  das 
ursprungliche  Lageverhiiltniss  bewahrt  haben. 

Unter  Mesoderm  dagegen  begreifen  wir  die  Summe  aller 


Die  Coelomtheorie.  123 

Gewebe  und  Organe,  welche  zwischen  die  beiden  Begrenzungs- 
schichten  eingeschoben  sind,  mogen  sie  aus  Mesenchymkeiraen 
Oder  aus  dem  Mesoblast  oder  direct  aus  einem  der  primaren  Keim- 
blatter  ihren  Ursprung  nehmea.  Je  ferner  die  einzelnen  Thier- 
stamme  einander  stehen,  um  so  weniger  sind  ihre  Korperschicliten 
unter  einander  vergleichbar,  namentlich  aber  gewinnt  das  Meso- 
derm mit  der  Hohe  der  Organisation  ein  um  so  verschiedenar- 
tigeres  Gepritge  und  vereinigt  in  sich  Theile,  die  uach  ihrem  Ur- 
sprung von  einander  sehr  abweichen. 


2.    Ueber  die  Erscheinungen  und  Ursachen  der  thierischen 
Formbildung. 

Indem  wir  die  Thatsachen  der  vergleichenden  Entwicklungs- 
geschichte,  der  vergleichenden  Anatomic  und  der  vergleichenden 
Histologic  in  gleicher  Weise  beriicksichtigten ,  hoffeu  wir  einen 
Einblick  in  die  einzelnen  Processe  gewonnen  zu  haben,  welche  bei 
der  Erzeugung  thierischer  Formen  eine  Rolle  spielen.  Wenn  wir 
jetzt  das  friiher  Dargelegte  noch  einmal  iiberblicken  und  dabei 
aus  dem  Besonderen  das  allgemein  Gesetzliche  herauszufinden  su- 
chen,  dann  werden  wir  zu  dem  Ergebniss  gelangen,  dass  alle  ver- 
schiedcnartigen  Processe  sich  doch  in  zwei  Hauptgruppen  zusam- 
menfassen  lassen.  Alle  thierischen  Formen  sind  1)  durch  Lage- 
verschiebung  und  2)  durch  histologische  Differenzirung  von  Zellen 
entstanden.  Die  Lageverschiebung  kann  sich  dann  wieder  in  einer 
zweifachen  Weise  aussern :  entweder  in  einer  Einfaltung  und  Aus- 
stiilpung  epithclialer  Lamellen  oder  in  einer  Loslosung  einzelner 
Zellen  aus  dem  epithelialen  Verbande. 

1.  Was  den  ersten  Modus  der  Zellenverschiebung  anlangt,  so 
ist  es  die  Einfaltung  und  Ausstiilpung  epithclialer 
Lamellen,  welche  im  Allgemeinen  die  Architectonik  der  thieri- 
schen Korper  bestimmt  und  ihre  urspriingliche  und  allereinfachste 
Grundform,  die  Blastula,  in  immer  complicirtere  Formen  umge- 
wandelt  hat.  Aus  der  Hohlkugel  der  Blastula,  deren  Wand  eine 
eiufache  Epithellaraelle  ist,  geht  durch  Einstiilpung  der  einen  Halfte 
in  die  andere  ein  aus  zwei  Epithelblattern ,  aus  P^ktoblast  und 
Entoblast,  zusammengesetzter  Becher,  die  Gastrula,  hervor.  Wie 
dann  aus  der  Gastrula  durch  mannigfach  modificirte  Ausstiilpung 
und  Einfaltung  bald  nur  des  Ektoderms,  bald  des  Entoderms,  bald 
beider  zusammen  gar  wunderbar  verschiedene  Formen  entstehen 
konneu,  das  lehren  uns  die  hierfiir  besonders  interessanten  Coeleu- 


124  0.  und  E.  Hertwig, 

teraten,  indom  bier  Teutakeln  sicli  bilden,  dort  Septen  in  den 
Urdarm  liineinwachsen,  dort  Taschen  mit  vielfach  gefalteten  Wan- 
dungen  erzeugt  werden.  In  dieser  Weise  wird  bei  manchen  Lu- 
cernarien,  Acraspeden,  Authozoen  eine  so  hobe  Compbcation  der 
zweiblattrigen  Ausgangsform  bedingt,  dass  zum  vollen  Verstand- 
niss  schon  eine  grosse  Uebung  in  morpbologiscber  Anschauung 
gehort. 

Und  wieder  ist  es  der  Process  der  Faltenbildung,  welcher  den 
zweiblattrigen  in  einen  vierblattrigen  Organismus  umwandelt,  wenu 
aus  dem  Entoderm  zwei  Septen  hervorwachsen  und  den  Urdarm 
in  den  bleibenden  Darm  und  die  seitlichen  Coelorasacke  abtheilen. 
Derselben  Erscbeinung  begegnen  wir,  wenn  die  Coelomform  durch 
Segmentirung  eine  bobere  morpbologiscbe  Stufe  erreicbt,  sei  es, 
dass  bei  den  Anneliden  sicb  Dissepimente  aniegen,  sei  es,  dass 
bei  den  Wirbeltbieren  sicb  von  den  beiden  Coelorasacken  die  Ur- 
wirbel  oder  Ursegmente  abscbniiren. 

Durch  Faltung  und  Einstiilpung  epitbelialer  Lamellen  nebmen 
ferner  zablreicbe  Organe  des  Thierkorpers  ihren  Ursprung,  das 
Nervenrobr,  die  Sinnesorgane,  die  Drusen  der  Haut,  des  Darm- 
kanals  und  der  Leibesbohle. 

Durcb  Faltung  endlicb  werden  die  oft  so  erstaunlicb  compli- 
cirten  embryonalen  Hiillen  der  Embryonun  und  Larven  bervorge- 
rufen,  das  Amnion,  die  serose  Hiille,  die  Allantois  etc. 

So  tritt  uns,  wenn  wir  die  Blastula  zum  Ausgangspunkt  neb- 
men, in  der  Entwicklung  tbieriscber  Formen  immer  ein  und  die- 
selbe,  wenn  aucb  mannigfacb  variirte  Erscbeinung  entgegen,  durcb 
deren  bundertfaltige  Wiederbolung  die  complicirtesten  Systeme  ge- 
setzmassig  in  einander  gefalteter  Epitbellamellen  bedingt  werden. 

Es  wird  jetzt  immer  nocb  vielfacb  die  Frage  erortert  und 
oft  als  eine  nicbt  sprucbreife  bezeicbnet,  ob  die  Gastrulabildung 
durch  Invagination  der  ursprunglicbe  oder  ein  abgeleiteter  Modus 
sei.  Wer  sicb  die  hobe  Bedeutung  vergegenwiirtigt ,  welche  die 
Einfaltung  bei  der  Erzeugung  tbieriscber  Formen  bat,  der  wird 
wohl  nicbt  langer  zweifeln,  dass  die  Darstellung,  welcbe  Haeckel 
(162)  gegeben  hat  und  nicbt  die  Blastaeatheorie  von  Lan- 
kester  (168)  das  Rechte  getroffen  hat,  und  dass  man  daber 
weiter  festzustellen  haben  wird,  in  wie  weit  Falle,  in  denen  sicb 
durch  Delamination  eine  Gastrula  entwickeln  soil,  wirklich  vor- 
kommen. 

AusstiilpungundFaltenbildungsindderAusdruck 
fiir    ein    ungleichmassiges    Wachsthum   epitbelialer 


Die  Coelomtheorie.  125 

Lara  ell  en.  Jeder  Organismus  erfilhrt  fortwilhrend ,  so  lange  das 
Leben  dauert,  eine  Zunalinie  seiner  Zellen,  und  sofern  dieselben 
epithelial  angeorduet  sind,  muss  mit  ihrer  Zunahme  fortwah- 
rend  auch  eine  Oberflachenvergrossening  verbunden  sein.  Wenn 
nun  eine  Zellenvermehrung  in  alien  Theilen  einer  Epithellamelle 
sich  gleichmassig  abspielen  wiirde,  so  miisste  auch  eine  gleich- 
miissige  Vergrosserung  der  Oberfliiche  die  Folge  sein.  Eine  nach 
diesem  Priucip  wachsende  Blastula  zum  Beispiel  wiirde  keine  an- 
deren  Veranderungen  als  eine  bestandige  Vergrosserung  der  Kugel- 
oberflache  erkennen  lassen.  Wenn  dagegen  das  Wachsthum  in 
verschiedenen  Bezirken  der  Epithellamellen  verschieden  rasch  ab- 
lauft,  so  werden  nothwendigerweise  Formveranderungen  hierdurch 
veranlasst  werden;  rascher  wachsende  Theile  werden  aus  deni 
Niveau  der  tibrigen,  urn  Platz  zu  gewinnen,  herausrucken,  sie  wer- 
den sich  ausstiilpen  oder  einfalten. 

Die  hier  ausgesprochenen  Gesichtspunkte,  welche  auch  His 
(143)  in  seinen  Briefen  an  einen  befrcundeten  Naturforscher  ent- 
wickelt  hat ,  bedurfen  keines  naheren  Commentars ,  so  selbstver- 
stiindlich  erscheinen  sie.  Dagegen  ist  es  schon  schwieriger,  eine  Ant- 
wort  zu  geben,  wenn  wir  nach  den  Ursachen  fragen,  welche  dem 
ungleichen  Wachsthum  einer  Epithellamelle  zu  Grunde  liegen. 
^Die  Ursachen  mogen  mehrfachcr  Art  sein ,  jedenfalls  aber  ist 
hier  das  eine  Moment  von  grosser  Bedeutung,  dass  Zellen- 
gruppen  innerhalb  einer  Epithellamelle  besondere 
Functionen  iibernehmen  und  in  Folge  dessen  auch 
eigene  Wachsthumsenergieen  erhalten.  Es  ist  dies  ein 
Punkt ,  auf  welchen  wir  bei  Besprechung  der  histologischen  Diffe- 
renzirung  der  Zellen  noch  einmal  zuriickkommen  werden. 

Von  den  Lageveranderungen,  welche.  durch  Einfaltung  von 
Epithel-Lamellen  bewirkt  werden,  unterschieden  wir  oben  das  Aus- 
wandern  einzelner  Zellen  aus  dem  epithelialen  Ver- 
ba nde.  Hierdurch  wird  eine  besondere  Gewebsform,  das  Mesen- 
chym,  erzeugt,  welches  zum  Epithel  in  einen  gewissen  Gegensatz 
tritt  und  selbstandig  weiter  wachst.  Es  fiillt  den  Raum  zwischen 
den  Keimblattern  aus  und  dringt  in  alle  Lucken  ein,  welche  bei 
den  Faltungen  und  Ausstiilpungen  hervorgerufen  werden.  Es  giebt 
so  ein  verbindendes  und  stutzendes  Gertist  ab,  welchem  die  Epi- 
thelschichten  und  ihre  Bildungsprodukte ,  die  Driisen  mit  ihren 
Rohren  und  Blaschen,  die  Muskelprimitivbiindel  und  Nervenfasern, 
theils  aufgelagert,  theils  eingebettet  sind. 

Als  ein   zweites  Princip,   welches   auf  die  Form- 


126  0.  und  R.  Hertwig, 

bildiing  einen  grossen  Einfluss  ausubt,  wurde  die  lii- 
stologische  Differenzirung  der  Zellen  hingestellt. 
Sie  ist  eine  der  wichtigsteii  Vorbedingungen  der  Organent- 
W'icklung:  „So  lange  als  die  Zellen  eines  Orgauismus  gleichartig 
sind,  ist  nur  wenig  Veranlassuiig  vorhauden,  dass  einzelne  Korper- 
theile  sich  uugleich  entwickeln,  erst  wenn  sie  sich  histologisch 
differenzirt  haben,  wenn  ein  Theil  der  Zellen  zu  Muskeln,  ein  an- 
derer  zu  Nerven  geworden  ist,  ein  anderer  secretorische  oder  sen- 
sorielle  Eigenschaften  erworben  hat  etc.,  ist  ein  wirksamer  Hebel 
I'iir  eine  ungleiche  Entwicklung  der  Korperregionen  gegeben,  weil 
ein  jedes  Gewebe  eine  besondere,  von  seiner  Function  abbangige 
Wachsthumsenergie  erhalt."  (3  p.  214).  Fiir  die  Art  und  Weise, 
in  welcber  die  histologiscbe  Differenzirung  bei  der  Formbildung 
zur  Geltung  gelangt,  sind  leicht  zahlreiche  Beispiele  anzufuhren. 
"Wir  erinnern  an  das  Wacbsthum  einer  Muskellamelle  durcb  Ein- 
faltung,  an  die  Genese  der  Muskelprimitivbiindel,  an  die  Eutste- 
bung  einer  Driise  durch  Wucherung  aus  einem  umgrenzten  kleinen 
Bezirk  der  Epitheloberflacbe  u.  s.  w. 

Dera  histologischen  Diiferenzirungsprocess  unterliegen  in  der 
verschiedensten  Art  und  Weise  sowobl  die  Zellen  der  Epithella- 
mellen  als  auch  die  Zellen  des  Mesenchyms,  und  hier  wie  dort 
kann  es  zur  Entstehung  functionell  gleichwerthiger  Gewebe  kom- 
men.  Muskel-  und  Xervenzellen  zum  Beispiel  konnen  sich  so- 
wobl aus  jedem  der  vier  Keimblatter  als  auch  aus  dem  Mesen- 
cbym  entwickeln.  Denn  wie  wir  im  ersten  Heft  unserer  Studien 
durch  Anfiihrung  zahlreicher  Fiille  bewiesen  haben,  wohnt  den 
einzelnen  Keimblattern  kein  eigener  specifischer  histolo- 
giscbe r  Charakter  inne,  vielmehr  sind  es  lediglich  physiolo- 
gische  Momente,  welche  auf  ein  gegebenes  und  gesetzmiissig 
angeordnetes  Zellenmaterial  einwirkend  die  Gewebebildung  in  die- 
ser  und  jener  Form  hier  oder  dort  anregen. 

Auf  der  anderen  Seite  aber  muss  hervorgehoben  werden,  dass 
manche  Gewebsproducte  in  morphologischer  Hinsicht  ein  anderes 
Aussehen  gewinnen,  je  nachdem  sie  von  Epithel-  oder  von  Mesen- 
chymzellen  abstammen.  Konnten  wir  doch,  um  einen  recht  frap- 
panten  Fall  anzufuhren,  durch  einzelne  Stamrae  des  Thierreichs 
hindurch  einen  epithelialen  und  einen  mesenchymatosen  Typus  des 
Muskelgewebes  nachweisen.  Ja  es  konnen  selbst  einzelne  Stiimme 
des  Thierreichs  einen  oft  sehr  abweichenden  Charakter  zur  Schau 
tragen,  je  nachdem  die  histologiscbe  Differenzirung  sich  bei  ihnen 
mchr  an  Epithellamellen  oder  an  Mesenchymzellen  abspielt,  wie 


Die  Coelomtheorie.  127 

uns  ein  Vergleich  der  Turbellarieii ,  Plattwurmer  und  Mollusken 
mit  den  Chaetognatlien,  Aniieliden,  Arthropoden  und  Wirbelthiereu 
gelehrt  hat. 

3.     Die  Geschichte  der  Coelomtheorie. 

Die  Entstelmngsweise  der  Leibeshohle,  welche  wir  liier  vor- 
getragen  haben,  scheint  uns  fur  das  Verstiindniss  der  thierischcn 
Formbildung  von  weittragender  Bedeutung  zu  sein;  sie  bildet 
gleichsam  die  Angel,  um  welche  sich  eine  ganze  Summe  weite- 
rer  Folgen  bewegt.  In  Wmdiguiig  dieses  Verhiiltnisses  haben 
wir  einmal  unsere  Abhandlung,  trotzdem  noch  andere  Fragen  in 
ihr  besprochen  werden,  als  Coelomtheorie  betitelt  und  sehen  uns 
zweitens  jetzt  zum  Schlusse  noch  veranlasst,  in  einem  besonderen 
Abschnitt  ausfiihrlicher  auf  die  Geschichte  der  Coelomtheorie  ein- 
zugehen. 

Auf  Grund  von  Beobachtungen ,  welche  beim  Studium  der 
Entwicklungsgeschichte  der  Wirbelthiere  gewonnen  worden  waren, 
hatte  sich  unter  den  Morphologen  die  allgemein  angeuomniene  An- 
sicht  ausgebildet,  dass  die  Leibeshohle  durch  eine  Spaltuug  im 
mittleren  Keimblatt  entstehe.  Von  mauchen  Seiten  wurde  dann 
die  weitere  Theorie  hieraii  angeknlipft,  dass  der  zwischen  Darm- 
und  Korperwand  auftretende  Spaltraum  urspriinglich  den  Zweck 
gehabt  habe,  den  durch  die  Verdauung  im  Darm  erzeugten  und 
durch  seine  Wandung  traussudirendeu  Niihrsaft  aufzunehmen  und 
an  die  angrenzenden  Gewebe  abzugeben,  und  dass  er  dadurch 
zum  Ausgangspunkt  fur  das  Blut-  und  Lymphgefiisssystem  gewor- 
den  sei.  Die  Existenz  von  blutfiihrenden,  mit  Gefassen  communi- 
cirenden  Leibeshohleu  mancher  Thiere  schien  sehr  zu  Gunsten 
einer  derartigen  Hypothese  zu  sprechen. 

Die  Allgemeingiiltigkeit  dieser  Anschauungen  wurde  zum  er- 
sten  Male  im  Jahre  1864  durch  eine  von  Alexander  Agassiz 
(71)  an  Echinodermenlarven  gemachte  Entdeckung  erschiittert, 
nach  welcher  die  Leibeshohle  und  das  Wassergefasssystem  sich 
aus  Ausstiilpungen  des  Darmkanals  entwickeln.  Bald  darauf  be- 
statigte  Metschnikoff  (72)  1869  nicht  allein  die  Augaben  von 
Agassiz  in  seinen  ausgedehnten  Echinodermeustudien,  sonderu  er 
beobachtete  auch  noch  eineu  Fall  ahnlicher  Entwicklung  der  Lei- 
beshohle bei  der  Tornaria,  der  Larve  von  Balanoglossus ,  welche 
in  vielei-  Beziehung  einer  Asteridenlarve  gleicht  (98).  Noch  mehr 
Aufsehen  aber  erregte  es,  als  Kowalevsky  (94)  1871  seine  Ent- 


128  0.  imd  R.  Hertwig, 

wicklungsgescliichte  der  Sagitta  veroffentlichte  und  zeigte,  wie  der 
Urdarm  der  Gastrula  durch  2  Falten  in  3  Raume,  in  secundaren 
Darm  und  seitliche  Leibessacke,  abgetheilt  wird,  was  1873  durch 
Untersuchungen  von  Biitschli  (91)  eine  rasche  und  voile  Bestatigung 
erhielt.  Der  Sagittenentwicklung  liess  darauf  Kowalevskj  (86, 
87)  nach  kurzer  Pause  (1874)  seine  Brachiopodenarbeit  folgeu,  in 
welcher  er  wieder  die  Wissenschaft  mit  dem  neuen  wichtigen 
Factum  bereicherte ,  dass  audi  in  dieser  Classe  sich  die  Leibes- 
holile  in  derselben  Art,  wie  bei  den  Chaetognathen  anlege. 

Die  angefiihrten  Beobachtungen  wurden  der  Ausgangspunkt 
fiir  eine  Reilie  von  Speculationen,  welclie  durch  eine  Arbeit  Metsch- 
uikoffs  (9)  1874  eingeleitet  wurden.  Derselbe  verglich  die  Echi- 
nodermenlarven  auf  dem  Stadium,  wo  aus  dem  Urdarm  2  Aus- 
stiilpuugen  hervorsprossen ,  mit  den  Coelenteraten ,  besonders  mit 
den  Larven  der  Ctenophoren,  und  suchte  darzulegen,  dass  das  Ga- 
strovascularsystem  nicht  schlechtweg  fiir  einen  „Darmkanal  zu 
halten  sei,  vielmehr  einer  ganzen  Summe  von  Organen  des  Echi- 
nodermenkorpers  entspreche,  welche  wahrend  eines  vorubergehen- 
den  Coelenteratenstadiums  auch  hier  ein  gemeiuschaftliches  System 
bilden."  (p.  77).  Metschnikof f  trat  hiermit  einer  zuerst  von 
Leuckart  (8)  geausserteu  Ausicht  bei,  nach  welcher  Darmkanal 
und  Leibeshohle  der  iibrigen  Thiere  im  coelenterischen  Apparat 
noch  vereinigt  sind. 

Eine  vielseitige  Gestaltung  gewannen  indessen  die  Speculatio- 
nen iiber  das  Coelom  der  Thiere  erst  im  Geiste  von  drei  hervor- 
ragenden,  euglischen  Morphologen ,  von  Huxley  (166),  Lanke- 
ster  (169)  und  Balfour  (131),  welche  im  Jahre  1875  in  derasel- 
ben  Bande  des  Quarterly  journal  ihre  Essays  iiber  diesen  Gegen- 
stand  rasch  hinter  einander  veroffentlichten.  In  einem  kleinen 
Aufsatz  „Classification  of  the  animal  kingdom"  unterscheidet  Hux- 
ley 3  nach  ihrer  Genese  verschiedene  Arten  der  Leibeshohle  als 
Enterocoel,  Schizocoel  und  Epicoel.  Ein  Enterocoel,  welches  von 
Aussttilpungen  des  Urdarms  abstammt,  soil  den  Echinodermen,  der 
Sagitta  und  dem  Balanoglossus  zukommen  und  gewissermaassen 
schon  vorgebildet  sein  bei  den  Coelenteraten,  den  dendrocoelen 
Turbellarien  und  den  Trematoden  in  ihrem  mit  Aussackungen  reich- 
lich  versehenen  Ernahrungssystem  oder  coelenterischen  Apparat. 
Als  Schizocoel  bezeichnet  Huxley  einen  durch  Spaltung  im  Me- 
soderm auftretenden  Raum  und  liisst  mit  einem  solchen  die  Mol- 
lusken  und  Anneliden  versehen  sein,  wahrend  er  die  Frage  bei 
den  Brachiopoden  und  Polyzoen  als  cine  offene  behandelt.    Unter 


Bie  Coolomtheorie.  l2& 

einem  Epicoel  versteht  er  einen  Hohlraum,  der  durch  Einstiilpung 
des  Ektoblasts,  wie  der  Perithoracalraum  der  Tuuicaten  angolegt 
wird,  uiid  er  wirft  hierbei  die  Frage  auf,  ob  die  Spaltung  des 
Mesoblasts  bci  den  Wirbelthieren  nicbt  eine  andere  Bedeutuiig 
babe,  als  der  anscheinend  ahnliche  Process  bei  den  Arthropoden, 
Anneliden  und  Mollusken,  und  ob  Pericardium,  Pleura  und  Perito- 
neum nicbt  Theile  des  Ektoblasts  seien,  gleich  dem  Peritboracal- 
raum  der  Tunicaten. 

Angeregt  durch  M  e  t  s  c  h  n  i  k  o  f  f  und  Huxley  kommt  L  a  n  - 
kester  schon  im  nachsten  Heft  desselben  Journals  in  einem  Ar- 
tikel:  on  the  invaginate  Plauula  or  diploblastic  phase  of  Paludina 
vivipara,  auf  die  Coelomfrage  zu  sprechen,  die  an  erhohter  Bedeutung 
gewonnen  habe.  Bis  nicbt  entscheidende  Beweise  fur  eine  ver- 
schiedenartige  Genese  der  Leibeshohle  beigebracht  seien ,  will  er 
der  Hypothese  eines  bei  alien  Thieren  einheitlichen  Ursprungs  den 
Vorzug  geben ;  so  lasst  er  denn  das  Schizocoel  aus  dem  En- 
terocoel  hervorgegangen  und  in  manchen  Fallen  den  urspriingli- 
chen  Bildungsmodus  so  wcit  verwischt  sein,  dass  man  nur  noch 
einige  Mesoblastzellen  vom  Entoblast  abstammen  sehe.  Die  an- 
scheinende  Spaltung  des  Mesoblasts  erklart  er  in  der  Weise,  dass 
Ausstiilpungen  des  Urdarms  ihr  Lumen  verloren  haben,  dass  da- 
her  vom  Entoblast  solide  Zelleumassen  geliefert  werden,  welche 
nachtraglich  erst  wieder  eine  Hohlung  gewinnen  (p.  165). 

An  Lankester's  Aufsatz  schliesst  sich  unmittelbar  im  3ten 
Heft  des  Journals  die  Abhandlung  von  Balfour  „Early  stages 
in  the  development  of  vertebrates"  an,  deren  Ideengange  dann  einige 
Jahre  spater  in  der  ausgezeichneten  Monographie  iiber  die  Ent- 
wicklung  der  Elasmobranchier  (132)  noch  weiter  ausgefiihrt  sind, 
so  dass  wir  zweckmassig  beide  Schriften  gleich  gemeinsam  be- 
sprechen.  Balfour  geht  in  denselben  in  einer  mehr  critischen 
Weise  auf  die  Coelomtheorie  ein  und  beschrankt  sich  hauptsach- 
lich  auf  die  Erklarung  der  Verhaltnisse  der  Wirbelthiere.  Bei  einem 
Ueberblick  iiber  die  embryologische  Literatur  zeigt  er,  dass  fast 
in  alien  Thierabtheilungen  der  Mesoblast  vom  Entoblast  abstammt, 
und  dass  auch  die  Korpermuskulatur  fast  durchweg  mesoblasti- 
schen  und  somit  in  letzter  Instanz  entoblastischen  Ursprungs  ist. 
Indem  er  dann  die  Art  und  Weise  erortert,  in  welcher  der  Meso- 
blast sich  aus  dem  Entoblast  entvvickelt  und  mit  den  bei  den 
Echinodermen ,  Chaetognathen  und  Brachiopoden  sicher  gestellteu 
Befunden  beginnt,  sucht  er  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  auch 
bei  den  Wirbelthieren   der  Mesoblast  urspriinglich  nichts  Anderes 

Bd.  XV.    N.  F.  Vin,  1.  U 


130  0.  und  E.  Hertwig, 

als  die  Wandung  zweier  Divertikel  des  Urdarms  gewesen  sei.  Bei 
den  Elasniobraiichiern  entstehe  der  Mesoblast  nach  seinen  Un- 
tersuchungen  vom  Urmund  aus  in  Form  zweier  lateraler,  nach 
oben  und  unten  getrennter  Zellenmassen ,  welche  vom  Entoblast 
abstammen;  dadurch,  dass  in  jeder  Masse  alsbald  eine  gesonderte 
Hohle  auftrete ,  erscheine  das  Coelom  von  Anfang  an  als  eine  paa- 
rige  Bildung;  es  reiche  urspriinglich  audi  in  die  Urwirbel  hinein,  so 
dass  man  sagen  konne,  die  Korpermuskulatur  entwickele  sicli  aus 
der  Wandung  zweier  Coelonisacke.  Gegen  seine  Deutung ,  meint 
Balfour,  konne  die  anfanglich  solide  Beschaft'enheit  der  beiden 
Mesoblastmassen  nicht  in's  Gewicht  fallen,  da  in  zahlreichen  Fal- 
len Organe,  welche  eigentlich  Hohlungen  enthalten  miissten,  so- 
lid entwickelt  und  erst  nachtraglich  hohl  werden ,  wie  man  denn 
bei  manchen  Echinodermen  an  Steile  hohler  Divertikel  des  Urdarms 
solide  Zellenmassen  antreife.  Als  schwerer  verstandlich  bezeich- 
net  Balfour  die  Thatsache,  dass  die  Muskulatur  von  den  Wan- 
dungen  der  Urdarmdivertikel  herriihre ,  da  sie  doch  bei  den  Coe- 
lenteraten  von  dem  Ektoderm  geliefcrt  werde,  und  er  stellt  zur 
Erkliirung  dieses  Punktes  zwei  Hypothesen  auf,  die  wir  hier  iiber- 
gehen  wollen,  da  sie  von  keincr  Tragweite  sind. 

Eiaen  sicheren  Boden  gewann  die  Coelomtheorie,  als  K o wa- 
le vsky  (146)  im  Jahre  1877  wieder  mit  der  bedeutenden  Ent- 
deckung  hervortrat,  dass  beim  Araphioxus  lanceolatus  die  Urwirbel 
abgeschnlirte  Aussackungen  des  Urdarms  sind.  Auch  verfehlte 
Balfour  nicht,  noch  in  der  Einleitung  zu  seiner  Monographie 
der  Elasmobranchier  die  Arbeit  von  Kowalevsky  (132)  als  einen 
Beweis  fiir  seine  Ansicht  hervorzuheben. 

Mit  welchem  Eifer  man  in  England  die  wichtige  Frage  nach 
der  Genese  des  Coeloms  behandelt  hat,  erkennt  man  recht  deut- 
lich  daran,  dass  auch  in  den  letzten  3  Jahren  Huxley  sowohl 
als  Lankester  und  Balfour  immer  wieder  eine  Gelegenheit 
ergriffen  haben,  um  ihre  Ansichten  in  modificirter  Form  vorzu- 
tragen.  Huxley  (167)  kommt  an  mehreren  Stellen  seines  Lehr- 
buchs  der  wirbellosen  Thiere  auf  die  Coelomtheorie  zu  sprechen 
und  betont  die  sich  darbietenden  Schwierigkeiten,  wenu  es  zu  be- 
stimmen  gelte,  welche  von  den  unterschiedeuen  Formen  der  Leibes- 
hohle  sich  bei  einer  gegebenen  Thierabtheilung  vorfiude.  Auch 
liisst  er  es  jetzt  dahin  gestellt  sein,  ob  iiberhaupt  ein  fundamen- 
taler  Unterschied  zwischen  einem  Enterocoel  und  einem  Schizocoel 
aufrecht  zu  erhalten  und  ob  letzteres  nicht  vielleicht  nur  eine  Mo- 
dification  des   ersteren  sei.     Urn  seine  Urtheile  naher  kennen    zu 


Die  Coelomtheorie.  131 

Icrnen,  lese  man  die  Abschnitte  pag.  5G0— 563  imd  pag.  608 — 009 
seines  Lehrbuchs. 

Urn  so  bestimmter  tritt  Lankester  (170)  fiir  einen  einheit- 
liclien  Ursprung  des  Mesoderms  eiu ;  er  uimnit  iiberall  eiii  P^utero- 
coel  an  und  glaubt  in  keiueni  Falle  eine  spaltartige  Entstehung 
des  Coeloms  zulassen  zu  sollen,  wobei  seine  Speculationen  sich 
iramer  mehr  von  der  empirischen  Basis  entfeinen.  Weil  bei 
Hydra  die  Muskulatur  aus  dem  Ektoderm  abstammt,  folgert  er 
das  Gleiche  auch  fiir  die  iibrigen  Thiere  und  erkliirt  alle  die  Fillle, 
wo  die  Muskeln  vom  Mesoblast  abstammen,  durch  das  von  ihni 
aufgestellte  Priiicip  der  „precocious  segregation",  mit  welchen  man 
in  dieser  Fassung  Alles  erkliiren  kann.  In  derselbeu  gewaltsamen 
Weise  leitet  er  bei  alien  Thieren  das  Epithel  der  Leibeshohle  und 
der  Blut-  und  Lymphbahnen  und  die  Blut-  und  I>ymphkorperclieii 
von  gastrovascularen  AusstUlpungen  des  Urdarms  ab.  Selbst  sol- 
clie  P'alle,  in  welchen,  wie  bei  manchen  Mollusken,  eiuzelne  amoe- 
boide  Zellen  sich  vom  Epithel  abloseu  und  zwischeu  Ektoderm 
und  Entoderm  zerstreuen,  glaubt  er  noch  als  eine  modificirte 
Entwicklung  von  AusstUlpungen    des  Urdarms  deuten  zu  miissen. 

Der  von  Lankester  ausgesprochenen  Grundanschauung  von 
einem  einheitlichen  Ursprung  der  Leibeshohle  uahert  sich  Balfour, 
der  iibrigens  seine  Speculationen  mit  einer  berechtigten  Reserve 
vortriigt ,  in  zwei  kleineu ,  soeben  erschienenen  Abhandlungen ,  von 
welchen  die  eine  ,,uber  die  Structur  und  Homologieen  der  Keini- 
blatter  des  Embryo"  (155),  die  andere  „uber  Larvenformen"  (156) 
handelt.  Die  bis  jetzt  vorliegenden  Beobachtungen  Uber  die  Genese 
des  Mesoblasts  theilt  er  hierbei  in  6  Gruppen  ein  und  erortert 
die  Moglichkeit,  ob  dieselben  auf  einen  gemeinsamen  Typus  zu- 
ruckzufuhren  seien.  Er  findet  es  sehr  wahrscheinlich ,  dass  in 
alien  den  zahlreichen  Fallen,  wo  der  Mesoblast  in  Form  paariger 
Anlagen  von  den  Lippen  des  Blastoporus  hervorwlichst,  urspriing- 
lich  2  Divertikel  vorgelegen  haben  (Mollusken,  Polyzoen,  Chaetopo- 
den,  Gephyreen,  Nemathelminthen,  Vertebraten  etc.),  und  dass  liber- 
all,  wo  eine  Leibeshohle  vorkommt,  dieselbe  vom  Urdarm  abstammt. 
Im  Ungewissen  dagegen  ist  Balfour,  ob  die  coelomlosen  Thiere, 
die  Plathelminthen ,  vielleicht  eiumal  ein  Enterocoel,  welches  spiiter 
obliterirt  ist,  besessen  haben,  oder  ob  sie  sich  im  Mangel  einer 
Leibeshohle  direct  an  die  Coelenteraten  anschliessen.  „Vielleicht", 
bemerkt  er,  „sind  die  Triploblastica  aus  2  Gruppen  zusammenge- 
setzt,   einer  ursprunglichen  Grappe,  den  Plattwiirmern,  in  welcher 

9* 


132  0.  und  R.  Hertwig, 

keine  vom  Darm  unterschiedene  Leibeshohle  besteht,  und  einer 
zweiten  aus  ihnen  ableitbaren  Gruppc,  in  welcher  2  Divertikel  sich 
Yom  Darm  zur  Bildung  einer  Leibeshohle  abgetrennt  haben."  Auf 
unsere  Untersuchung  der  Actinien  gestutzt,  ist  er  der  Ansicht, 
dass  die  Muskulatur  sich  aus  deni  Entoblast  der  Divertikel  diffe- 
renzirt  habe.  Die  ganze  Mesoblastfrage  bezeichnet  indessen  Bal- 
four als  eine  noch  sehr  dunkle  in  folgenden  Satzen:  „However 
this  may  be,  the  above  considerations  are  sufficient  to  show,  how 
much  there  is,  that  is  still  obscure  with  reference  even  to  the 
body  cavity.  If  embryology  gives  no  certain  sound  as  to  the 
questions  just  raised  with  reference  to  the  body  cavity,  still  less 
is  it  to  be  hoped  that  the  remaining  questions  with  reference  to 
the  mesoblast  can  be  satisfactorily  answered." 

Wiihrend  in  England,  wie  uns  der  geschichtliche  Ueberblick 
gezeigt  hat,  die  Entdeckungen  von  Agassiz,  Metschnikoff 
und  Kowalevsky  auf  einen  fruchtbaren  Boden  gefallen  waren 
und  Morphologen  wie  Huxley,  Lankester  und  Balfour  zu 
weittragenden  und  zum  Theil  gliicklichen  Speculationen  veranlasst 
hatten,  ist  auf  diesem  Gebiete  in  Deutschland  keine  Bewegung  in 
das  Leben  gerufen  und  eine  Weiterbildung  der  besprochenen  Theo- 
rieen  nicht  versucht  worden ;  im  Gegentheil  waren  einige  Forscher, 
welche  sich  einem  einheitlichen  Ursprung  des  Mesoblasts  zuneigten, 
bestrebt,  in  den  Entwicklungszustiinden  der  Mollusken  die  Anknii- 
pfungspunkte  zu  einer  Erklarung  zu  suchen,  wie  z.  B.  Rabl  und 
Hatschek  (102)  den  am  Blastoporus  gelegenen  grossen  Urzellen 
des  Mesoderms  eine  grosse  Bedeutung  beigelegt  haben. 

Vor  zwei  Jahren  beganuen  wir  uns  naher  mit  der  Coelom- 
frage  zu  beschaftigen ;  im  Hinblick  auf  sie  wurde  ein  Aufenthalt 
in  Messina  benutzt,  die  so  wichtigen  Chaetognathen  anatomisch, 
histologisch  und  entwicklungsgeschichtlich  (93)  nach  alien  Rich- 
tungen  hin  zu  untersuchen.  Die  Beobachtungen  Kowalevsky 's 
(94)  wurden  bestatigt,  der  Bildungsmodus  der  Muskulatur  aus 
dem  Epithel  des  Enterocools  und  der  eutoblastische  Ursprung  der 
Geschlechtsorgaue  (Biitschli  91)  festgestellt ,  Beziehungen  zu  den 
Coelenteraten,  namentlich  zu  den  Actinien,  gewonnen.  Werthvolle 
Fingerzeige  fiir  die  Coelom-  und  Mesoblastfrage  erhielten  wir  dann 
ferner  durch  die  gleichzeitig  vorgenommene  histologische  Bearbei- 
tung  der  Actinien  und  der  Ctenophoren.  Bei  den  Actinien  (3) 
wurde  der  Nachweis  geliefert,  dass  der  wichtigste  Theil  der  Mus- 
kulatur sich  aus  dem  Epithel  des  Urdarms  und  zwar  noch  in  der 
ursprunglicheu  Form   von  Epithelmuskelzellen   entwickelt,   welche 


Die  Coelomtheorie.  133 

Thatsache  denn  audi  neuerdings  Balfour  in  passender  Weise 
zur  Erklarung  der  Genese  der  Muskulatur  bei  den  Vertebraten 
herangezogen  hat.  Die  entodermale  Abstammung  der  Geschlechts- 
zellen  bei  den  Anthozoen  wurde  beobachtet  und  als  ein  erklaren- 
des  Moment  fur  die  Bildung  der  Geschlechtsorgane  aus  dem  Epi- 
thel  der  Urdarmdivertikel  oder  des  Enterocoels  der  Chaetognathen 
benutzt.  Auf  der  anderen  Seite  zeigten  uns  die  Ctenophoren 
(5)  eine  von  den  ubrigen  Coelenteraten  ganz  abweichende  histolo- 
gische  Beschaffenheit  ihrer  Gewebe,  naraeutlich  ihrer  Muskeln  und 
Nerven,  und  dies  veranlasste  uns  schon  damals  auf  den  Gegensatz 
zwischen  der  histologischen  Diftercnzirung  eines  epithelialen  Ge- 
webes  und  eines  Secretgewebes  aufmerksam  zu  machen. 

So  waren  schon  im  Laufe  des  Sommers  1879  die  entscheiden- 
den  Gesichtspunkte  gewonnen,  aus  deren  Verfolgung  die  Coelom- 
theorie entstanden  ist.  Die  Entwicklungsgeschichte  der  Wirbel- 
thiere  und  Arthropoden  wurde  alsbald  in  Angriff  genoramen,  Thierc 
aus  mehreren  Abtheilungen  auf  diesen  und  jenen  Punkt  histolo- 
gisch  untersucht.  Durch  eigene  Beobachtung  sowohl  als  auch  aus 
der  Literatur  wurde  Material  fiir  die  vorliegende  Abhandlung  ge- 
sammelt,  fiir  welche  wir  schon  in  der  Einleitung  zur  Monographic 
der  Chaetognathen  (93  pag.  2)  gleichsam  das  Programm  in  folgen- 
den  Satzen  aufgestellt  haben: 

„Erstens  ist  es  in  systematischer  Beziehung  von  Werth  zu 
wissen,  in  welchen  Abtheilungen  des  Thierreichs  das  Coelom  durch 
Einfaltung,  in  welchen  durch  Spaltbildung  entsteht;  denn  je  nach- 
dem  das  eine  oder  andere  stattfindet,  wcrdcn  die  verwandtschaft- 
lichen  Verhaltnisse  der  Thiere  zu  einander  beurtheilt  werden  miis- 
sen.  Zweitens  scheint  uns  die  verschiedene  Bildungsweise  des  Coe- 
loms  fiir  den  ganzen  morphologischen  Aufbau  des  Organismus  von 
tief  eingreifender  Bedeutung  zu  sein.  Wie  wir  spiiter  noch  im  Ein- 
zelnen  nachzuweisen  gedenken,  wird  je  nach  der  Genese  des  Coe- 
loms  auch  die  Entwicklung  des  Mesoblasts  und  des  Mesoderms, 
der  Korpermuskulatur ,  der  Geschlechts-  und  Excretionsorgane  eine 
verschiedene  sein.  Es  wird  daher  das  Studium  der  Coelombildung 
auch  auf  die  Weiterentwicklung  der  Blattertheorie  seinen  Einfluss 
ausiiben  miissen." 


134  0.  und  Pt.  Hertwig, 


Tabellarische  Uebersicht  der 
Metazoen. 

I.  Coelenteraten. 

1.  Zoophyten. 

II.  Pseudocoelier. 

2.  ScolecideD. 

a.  Bryozoen. 

b.  Eotatorien. 

c.  Plathelmiuthen. 

3.  Mollusken. 

III.  Enterocoelier. 

4.  Coelhelminthen. 

a.  Nematoden. 

b.  Chaetognathen. 

c.  Brachiopoden. 

d.  Annelideu  (+  Gepliyreen). 

e.  Enteropneusten. 

f.  Tuni eaten. 

5.  Echinodermen. 

6.  Arthropoden. 

7.  Vertebraten. 


Die  Coelomtheorie.  135 


Vcrzeichiiiss  der  beuiitztcii  Literatiir, 

I.     Coelenteraten, 

1.  Beneden,  Ed.  v.,  De  la  distinction  originelle  du  testicule 
et  de  I'ovaire.  Bulletins  de  I'Acade'mie  royale  de  Belgique.  2'""  scrie. 
T.  XXX VII.  No.  5.   1874. 

2.  Hertwig,  Oscar  uud  Eichard,  Der  Organismus  der  Me- 
dusen  und  seine  Stellung  zur  Keimbliittertheorie.     Jena   1878. 

3.  Dieselben,  Die  Actinien,  anatomisch  und  histologiseh  mit 
besouderer  Beriicksichtigung  des  Nervenmuskelsystems  untersucht.  Stu- 
dien  zur  Blattertheorie.     Heft  I.    1879. 

4.  Hertwig,  Oscar,  Ueber  die  Muskulatur  der  Coelenteraten. 
Jenaische  Sitzungsberichte.    12.  Dec.    1879. 

5.  Hertwig,  Richard,  Ueber  den  Bau  der  Ctenophoren. 
Studien  zur  Blattertheorie.     Heft  III.     1880. 

6.  Kowalevsky,  A.,  Entwicklungsgeschichte  der  Eippeuqual- 
len.  Memoires  de  rAcademie  imperiale  des  sciences  de  St.  Peters- 
bourg.     VIPsdrie.    Tome  X.    No.  4.      1866. 

7.  Derselbe,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Alcyonidcn, 
Sympodium  coralloides  uud  Clavularia  crassa.  Zoologischer  Anzeiger. 
11.  Jahrg.  No.  38. 

8.  Leuckart,  R.,  Ueber  die  Morphologic  uud  Yerwandtschafts- 
verhaltnisse  der  wirbellosen  Thiere.  Ein  Beitrag  zur  Charakteristik 
und  Classification  der  thierischen  Formen.     Braunschweig   1848. 

9.  Metschnikoff,  El.,  Studien  liber  die  Entwicklung  der 
Medusen  und  Siphonophoren.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  XXIV  p.  15 
—  83.    1874. 

10.  Schulze,  E.  E. ,  Untersuchungen  liber  den  Bau  und  die 
Entwicklung  der  Spongien.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXIX 
—XXXII. 

II.     Pseudocoelier. 

Rotatorien. 

11.  Grenacher,  H.,  Einige  Beobachtungen  liber  Raderthiere. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XIX    p.  483—499. 


136  0.  und  E.  Hertwig, 

12.  Ley  dig,  F. ,  Uebcr  den  Bau  und  die  systematische  Stel- 
lung  der  Raderthiere.     Zeitschr,  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  VI. 

13.  M  obi  us,  K. ,  Ein  Beitrag  zur  Anatomie  des  Brachionus 
plicatilis,  eines  Eiiderthiers  der  Ostsee.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool. 
Bd.  XXV  p.  103—114. 

14.  Salensky,  W. ,  Beitrage  zur  Entwicklungsgeschichte  des 
Brachionus  urceolaris.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXII  p.  455 
—  467. 

15.  Semper,  Trochosphaera  aequatorialis,  das  Kugelraderthier 
der  Philippinen.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.     Bd.  XXII  p.  311 — 323. 

Bryozoen. 

16.  Barrois,  J.,  Recherches  sur  Tembryologie  des  Bryozoaires. 
Lille   1877. 

17.  Hatschek,  B.,  Embryonalentwicklung  und  Knospung  der 
Pedicellina  echinata.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXIX  p.  502 
—549. 

18.  Kowalevsky,  Beitrage  zur  Anatomie  und  Entwicklungs- 
geschichte des  Loxosoma  Xeapolitanum.  Mcmoires  de  I'Academie  ira- 
periale  des  sciences  de  St.  Petersbourg.    Se'r.  VIL  T,  X.  No.  2. 

19.  Nitsche,  H. ,  Beitrage  zur  Anatomie  und  Entwicklungsge- 
schichte der  phylactolaemen  Siisswasserbryozoen.  Archiv  f.  Anatomie 
u.   Physiol.    1868.  p.  465  —  521. 

20.  Derselbe,  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Bryozoen.  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XX  p.  1 — 37. 

21.  Derselbe,  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Bryozoen.  Neue 
Folge.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool    Bd.  XXI  p.  416—499. 

22.  Derselbe,  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Bryozoen.  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XXV.  Suppl.  p.  343—402. 

23.  Schmidt,  O.,  Die  Gattung  Loxosoma.  Archiv  f.  mikro- 
skop.  Anat.    Bd.  XII  p.  1  — 15. 

24.  Salensky,  W. ,  Etudes  sur  les  Bryozoaires  entoproctes. 
Annales  des  Sciences  Natur.    6«  Se'r.  Zool.  T.  V.  No.  3. 

25.  Vogt,  C,  Sur  le  Loxosome  des  Phascolosomes.  Archives 
de  Zool.  exp^r.  et  gener.    T.  V  p.  305 — 356. 

Plathelminthen. 
a.  Turbellarien  und  Trematoden. 

26.  Biitschli,  0.,  Bemerkungen  liber  den  excretorischen  Ge- 
fassapparat  der  Trematoden.     Zool.  Anzeig.   Bd.  II  p.  88. 


Die  Coelomtheorie.  137 

27.  Fraipont,  J.,  Recherches  sur  I'appareil  excreteur  des  Tre- 
niatodts  et  des  Cestoides.     Archives  de  Biologie.    Vol.  I.   1880. 

28.  Graff,  L. ,  Kurze  Berichte  liber  fortgesetzte  Turbellarien- 
studien.     Zeitschr.  f.  wisseasch.  Zool.     Bd.  XXX  Siipl.  p.  457 — 466. 

29.  Derselbe,  Ueber  Planaria  Limuli.  Zool.  Anz.  Bd.  II 
p.   202. 

30.  Hallez,  P.,  Contributions  a  I'histoire  naturelle  des  Tur- 
bellaries.     Trayaux  de  I'institut  zoologique  de  Lille.     Fasc.  11. 

31.  Hertwig,  Richard,  Ueber  das  Auge  der  Planarien,  Je- 
naische  Sitzungsberichte.    1880. 

32.  Jhering,  H.  v.,  Graffilla  muricicola,  eine  parasitische  Rhab- 
docoele.     Zeitschr,  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XXXIV. 

33.  Kennel,  J.  v.,  Bemerkungen  iiber  eiuheimische  Landpla- 
narien.     Zool.  Anzeig.    Bd.  I  p.  26. 

33 \  Derselbe,  Die  in  Deutschland  gefundenen  Landplanarieu, 
Rhynchodemus  terrestris  0.  F.  Miiller  und  Geodesmus  bilineatus  Metsch- 
nikoff.  Arbeiten  a.  d.  zool.  zoot.  Inst,  zu  Wiirzburg.  Bd.  V  p.  120 
—  161. 

34.  Lang,  A.,  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomic 
vmd  Histologie  des  Nervensystems  der  Plathelminthen.  Mittheilungen 
aus  der  zool.  Station  zu  Neapel.    Bd.  I  p.  459 — 489. 

35.  Derselbe,  Ueber  das  Nervensystem  der  Trematoden.  Mit- 
theilungen aus  der  zoologischen  Station  zu  Neapel.  II.  Bd.  1.  Heft 
p.  28—53.    1880. 

35*.  Derselbe,  Notiz  iiber  einen  neuen  Parasiten  der  Tethys 
aus  der  Abtheilung  der  rhabdocoelen  Turbellarien.  Mittheil.  a.  d.  zool. 
Station  zu  Neapel.    Bd.  II  p.  107—113. 

36.  M  e  tsehnikoff,  E.,  Ueber  Geodesmus  bilineatus  Nob.  (Fa- 
sciola  terrestris  0.  F.  Miiller?),  eine  europaische  Landplanarie.  Bul- 
letins de  I'Acad.  de  St.  Petersbourg.    T.  IX  p.  433—447. 

37.  Moseley,  On  the  Anatomy  and  Histology  of  the  Land- 
planarians  of  Ceylon.  Philosophical  Transactions.  Vol.  164,  Pt.  I 
p.  106—171. 

b.  Nemei-tinen. 

38.  Barrois,  J.,  Memoire  sur  I'embryologie  des  Ne'mertes.  An- 
nales  des  Sciences  Natur.  Zool.    Ser.  VI.  T.  VI.  No.  3. 

39.  Biitschli,  0.,  Einige  Bemerkungen  zur  Metamorphose  des 
Pilidium.     Archiv  f.  Naturg.    Jahrg.  39.  Bd.  I  p.  276—284. 

40.  Graff,  L. ,  Geonemertes  calicophora,  eine  neue  Landne- 
mertine.     Morpholog.  Jahrb.    Bd.  V  p.  430 — 449, 


138  0.  und  R.  Hertwig, 

41.  Hoffmann,  C.  K. ,  Beitriige  zur  Kenntniss  der  Nemerti- 
nen.  1.  Zur  Entwickluugsgeschichte  von  Tetrastemma  varicolor.  Nie- 
derland.  Arch.  f.  Zool.    Bd.  Ill  p.  205—217. 

42.  Derselbe,  Zur  Anatomie  und  Ontogenie  von  Malacobdella. 
Ebeuda.    Bd.  IV  p.  1—31. 

43.  Hubrecht,  A.  W. ,  Zur  Anatomie  und  Physiologie  des 
Nervensystems  der  Nemertinen.  Naturk.  Verb,  der  koninkl.  Akade- 
mie.    Deal  XX. 

44.  Intosh,  Mc,  A  monograph  of  the  British  Annelids.  Prt.  I. 
The  Nemerteans.     London   1873. 

45.  Kennel,  J.  v.,  Beitriige  zur  Kenntniss  der  Nemertineu, 
Arbeit,  a.  d.  zoolog.  zootom.  Institut  in  Wiirzburg.  Bd.  IV  p.  305 — 381. 

46.  Metschnikoff ,  E.,  Entwicklungsgeschichte  einiger  Ne- 
mertinen.  Studien  liber  die  Entwicklung  der  Echinodermen  und  Ne- 
mertinen.  Memoires  de  TAcademie  de  St.  Petersbourg.  S.  VII.  T.  XIV. 
No.  8.   1869. 

Melius  ken. 

47.  Boll,  Fr.,  Beitrage  zur  vergleichenden  Histologie  des  Mol- 
luskentypus.     Arch.  f.  mikrosk.  Anat.    Bd.  V.  Suppl. 

48.  Bobretzky,  Studien  iiber  die  embryonale  Entwicklung  der 
Gastropoden.     Arch.  f.  mikroskop,  Anat.  Bd.  XIII  p.  95 — 170. 

49.  Derselbe,  Untersuchung  iiber  die  Entwicklung  der  Ce- 
phalopoden.  Nachrichten  d.  kaiserl.  Ges.  der  Freunde  der  ISTaturw.  zu 
Moskau.  Bd.  XXIV.  Citirt  nach  Hofmann  Schwalbe's  Jahresber. 
f.   1878. 

50.  Brock,  Studien  einer  Phj'logenie  der  dibranchiaten  Cepha- 
lopoden.     Morphol.  Jahrb.   Bd.  VI. 

51.  Biitschli,  Entwicklungsgeschichtliche  Beitrage.  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXIX. 

52.  Flemming,  W. ,  Ueber  Biudesubstanz  und  Gefasswandung 
im  Schwellgewebe  der  Muschelu.  Archiv  f.  mikrosk.  Anat.  Bd.  XIII 
p.  817—868. 

53.  Fol,  H. ,  Note  sur  le  developpement  des  Mollusques  Pte- 
ropodes  et  Ce'phalopodes.  Archives  d.  Zool.  expe'r.  et  gener.  T.  Ill 
p.  XXXIII— LVI. 

54.  Derselbe,  Sur  le  de'veloppement  des  He'teropodes  et  des 
Gasteropodes  Pulmones.  Comptes  rendus.  T.  LXXXI  p.  472  —  474, 
523-526. 

55.  Derselbe,  Sur  le  developpement  des  Pteropodes.  Archi- 
ves de  Zool.  exp.  et  gener.    T.  IV. 


Die  Coelomtheorie.  139 

56.  Derselbe,  Sur  le  developpement  embryonnaire  et  larvaire 
dcs  Heteropodes.     Archives  de  Zool.  exper.  et  geaer.  T.  V  p.  105 — 158. 

57.  Derselbe,  Sur  le  developpement  des  Gaste'ropodes  Pulmo- 
nes.     Archives  de  Zool.  exp.  et  ge'ne'r.  T.  VIII  p.  103—232. 

58.  Gegenbaur,  Untersuchungen  iiber  Pteropoden  und  Hete- 
ropoden.  Ein  Beitrag  zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  die- 
ser  Thiere.     Leipzig  1855. 

59.  Hatschek,  B.,  Ueber  Entwicklungsgeschichte  von  Teredo. 
Arbeiten  des  zool.  Instituts  zu  Wien.    Bd.  III.    Heft  I.   1880. 

60.  Jhering,  H.  v.,  Beitrage  zur  Kenntniss  des  Nervensystems 
der  Amphineuren  und  Arthrocochliden.    Morphol.  Jahrb.  Bd.  Ill  p.  155. 

61.  Derselbe,  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Anatomie  von  Chi- 
ton.    Morphol.  Jahrb.  Bd.  IV  p.  128—146. 

62.  Kollmann,  Die  Bindesubstanz  der  Acephalen.  Arch.  f. 
mikroskop.  Anat.  Bd.  XIII  p.  558 — 603. 

62*.  Derselbe,  Der  Kreislauf  des  Blutes  bei  den  Laraellibran- 
chiern ,  den  Aplysien  und  den  Cephalopoden.  Zeitschr.  f.  wissensch. 
Zool.    Bd.  XXVI  p.  87—103. 

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of  the  Cephalopoda.  Quarterly  Journ.  of  microsc.  science.  N.  S. 
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the  Molluska.  Philosophical  Transactions.  Vol.  165  Pt.  I  p.  1 — 40. 
1875. 

65.  Derselbe,  Observations  on  the  development  of  the  Pond- 
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Microsc.  Sciences.    N.  S.    Vol.  XIV  p.  365—391.    1874. 

65\  Derselbe,  On  the  coincidence  of  the  Blastopore  and  Anus 
in  Paludina  vivipara.     Ebenda  Vol.  XVI  p.  377— 385.    1876. 

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mikroskop.  Anat.    Bd.  XI  p.  517 — 561. 

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Zeitschr.  Bd.  IX  p.  195—240. 

68.  Derselbe,  Ueber  die  Entwicklungsgeschichte  der  Maler- 
muschel.     Jenaische  Zeitschr.    Bd.  X  p.  310 — 393. 

69.  Derselbe,  Ueber  die  Entwicklung  der  Tellerschnecke. 
Morphol.  Jahrb.    Bd.  V  p.  562—660. 

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Archiv  f.  Naturgesch.    46.  Jahrg.  Bd.  I  p.  329—372. 


140  0.  und  R.  Hertwig, 

III.     Enterocoelier. 

Echi  nodermen. 

71.  Agassiz,  Alexander,  Embryology  of  the  starfish.  Con- 
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nodermen  und  Nemertinen.  Memoires  de  I'Acade'mie  imperiale  des 
sciences  de  St.  Petersbourg.    VIP  ser.  T.  XIV.   1869.  No.  8. 

73.  Selenka,  E.,  Zur  Entwicklung  der  Holothurien.  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XXVII.    1876. 

74.  Derselbe,  Keimblatter  und  Organanlage  bei  Echiniden. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool,    Bd.  XXXIII.    1879. 

Nematoden. 

75.  Biitschli,  Giebt  es  Holomyarierr  Zeitschr.  f.  wissensch. 
Zool.    Bd.  XXIII  p.  402. 

76.  Derselbe,  Zur  Entwicklungsgeschichte  des  Cucullanus  ele- 
gans.     Ebenda  Bd.  XXVI  p.  103. 

77.  Derselbe,  Untersuchungen  iiber  die  beiden  Oxyuren  der 
Blatta  orientalis.     Ebenda  Bd.  XXI  p.  252. 

78.  Claus,  Ueber  einige  im  Humus  lebende  Anguillulinen. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  Xlt  p.  354—359. 

79.  Grenacher,  Zur  Anatomie  der  Gattung  Gordius.  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XVIII  p.  322. 

80.  Derselbe,  Ueber  die  Muskeleleraente  von  Gordius.  Ebenda. 
Bd.  XIX  p.  287. 

81.  Leuckart,  Die  menschlichen  Parasiten.  II.    Leipzig  1876. 

82.  Schneider,  Noch  ein  Wort  liber  die  Musculatur  der  Ne- 
matoden.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XIX  p.  284. 

83.  Derselbe,  Ueber  Muskeln  und  Nerven  der  Nematoden. 
Archiv  f.   Anatomie  u.  Physiologic.    1860.    p.  224—243. 

84.  Derselbe,  Neue  Beitriige  zur  Anatomie  und  Morphologie 
der  Nematoden.     Archiv  f.   Anat.  u.   Phys.    1863. 

85.  Derselbe,  Monographic  der  Nematoden.     Berlin   1866. 

B  rachi  opoden. 
85*.     Huxley,   Contributions   to    the  anatomy    of  the  Brachio- 
poda.    Annals  and  Magaz.  of  Nat.  Hist.  Ser.  II.  Vol.  XIV  p.  285—294. 

86.  Kowalevsky,  A.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Bra- 
chiopoden.     Schwalbe's  Jahresbericht.     Bd.  II  p.  336. 

87.  Derselbe,  Untersuchungen  iiber  die  Entwicklung  der  Bra- 


Die  Coelomtheorie.  141 

chiopoden.  Nachrichten  der  kaiserl.  Gesellschaft  der  Freuiide  der  Na- 
turerkenntniss,  der  Anthiopologie  u.  Ethnographie.  Bd.  XIV.  Moskau 
1875.     (Russisch.) 

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Sciences  naturelles.     Zoologie.     4^  s^rie.    T.  XV  p.  259. 

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90.  Steenstrup,  J.,  Om  Anomia.  Oversigt  over  det  kong. 
Dauske  Videnskabernes  Selskabs  Forhandlinger.  Kiobenhavu  1848. 
(Citirt  nach  Morse.) 

C  haetogna then. 

91.  Blitschli,  0.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Sagitta. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XXIII  p.  409—413.    1873. 

92.  Derselbe,  Untersuchuugen  iiber  freilebende  Neraatoden 
uud  die  Gattung  Chaetonotus.  Ebenda  Bd.  XXVI  p.  393  u.  394  Anm. 
1876. 

93.  Hertwig,  Oscar,  Die  Chaetognathen.  Ihre  Anatomie,  Sy- 
stematik  und  Entwicklungsgeschichte.  Eine  Monographie.  Studien 
zur  Blattertheorie.     Heft  II. 

94.  Kowalevsky,  Entwicklungsgeschichte  der  Sagitta.  Me'- 
raoires  de  I'Acade'mie  iraperiale  des  sciences  de  St.  Potersbourg.  VII* 
serie.    T.  XVI.    No.  12.    1871. 

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natsbericht  der  kouigl.  Academic  der  Wissenschaften  zu  Berlin.    1878. 

Enteropneusten. 

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1873. 

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1866.     Memoires  de  I'Academ.  de  St.  Potersbourg.  S.  VII.  T.  X  .No.  3. 

98.  Metschnikoff ,  Untersuchungen  iiber  die  Metamorphose 
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Anneliden. 

100.  Claparede,  Edouard,  Histologische  Untersuchungen 
iiber  den  Regenwurm.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XIX  p.  563 
—620. 


142  0.  und  R.  Hertwig, 

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103.  Derselbe,  TJeber  Entwicklungsgeschichte  von  Echiurus 
und  die  systematische  Stellung  der  Echiuridae.  Ebenda.  Bd.  III. 
1880. 

104.  Derselbe,  Protodrilus  Leuckartii.  Eine  neue  Gattung 
der  Archianneliden.     Ebenda.     Bd.  III.    1880. 

105.  Kowalevsky,  Entwicklungsgeschichte  des  Euaxes.  Ent- 
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des  sciences  de  St.  Petersbourg.     VII.  ser.    T.  XVI.    No.  12. 

106.  Ratzel,  Histologische  TJntersuchungen  an  niederen  Thie- 
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107.  Salenskj'',  Ueber  die  Metamorphose  des  Echiurus.  Mor- 
phol.  Jahrb.    Bd.  II  p.  319—328. 

108.  Spengel,  Beitriige  zur  Kenntniss  der  Gephyreen.  Zeitschr. 
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Tuni  eaten. 

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113.  Bene  den,  E  d.  v.,  De  I'existence  d'uu  appareil  vasculaire  a 
sang  rouge   dans  quelques  Crustaces.     Zool.  Anz.    1880.  No.  47  u.  48. 

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nach  Hofmann  Schwalbe's  Jahresbericht  f.    1873.) 

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Die  Coeiomtheorie.  143 

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119.  Grobben,  C. ,  Die  Entwicklungsgeschichte  der  Moina  re- 
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Petersbourg.    VIP  serie.    Tom.  XVI.    No.  12. 

124.  Mayer,  P.,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Decapoden. 
Jenaische  Zeitschr.    Bd.  XI  p.  188—269. 

125.  M  etschnikoff ,  Embryologische  Studien  an  Insecten. 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.    Bd.  XVI  p.  389 — 500. 

126.  Derselbe,  Erabryologie  der  doppelfiissigeu  Myriapoden 
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129.  Weismann,  A.,  Die  Eutwicklung  der  Dipteren.  Eiu 
Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Insecten.  Leipzig  1864  (auch 
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144  0.  und  R.  Hertwig, 

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Jahrb.    Bd.  IV  p.  1—112.    1878. 

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der  Anneliden  und  Vertebraten.     Ebenda.     Bd.  lY  p.  663    1878. 

140.  Gotte,  Die  Entwicklungsgeschichte  der  Unke.  Leipzig  1875. 

141.  Grenacher,  Beitrage  zur  naheren  Kenntniss  der  Muscu- 
latur  der  Cyclostomen  und  Leptocardier.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool. 
Bd.  XVII  p.  577.    1867. 

142.  Hertwig,  Oscar,  Ueber  die  Entwicklung  des  mittleren 
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143.  His,  W. ,  Unsere  Korperform  und  das  physiologische  Pro- 
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Leipzig   1879. 

144.  Kolliker,  A.,  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen  und 
der  hoheren  Thiere.      1879. 

145.  Derselbe,  Die  Entwicklung  der  Kcimblatter  des  Kanin- 
chens.     Zool.  Anzeiger.    1880. 

146.  Kowalevsky,  A.,  Weitere  Studien  iiber  die  Entwick- 
lungsgeschichte des  Amphioxus  lanceolatus,  nebst  einem  Beitrage  zur 
Homologie  des  Nervensystems  der  Wiirraer  und  Wirbelthiere.  Archiv 
f.  mikrosk.  Anatomie.    Bd.  XIIL    1877. 

147.  Kupffer,  Die  Entstehung  der  Allantois  und  die  Gastrula 
der  Wirbelthiere.     Zool.  Anzeiger.     1879   p.  594 — 595. 

148.  L  anger  bans,  Untersuchuugen  iiber  Petromyzon  Planeri. 
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Die  Coelomtheorie.  145 

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seine  Bedeutung  fiir  das  der  librigen  Wirbelthiere.     \Yiirzburg   1875. 

153.  Schneider,  Beitriige  zur  vergleichenden  Anatomie  und 
Entwicklungsgeschichte  der  Wirbelthiere.      1879. 

154.  Waldeyer,  Eierstock  und  Ei.     Leipzig  1870. 

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157*.     Derselbe,  Grundziige  der  Zoologie. 

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162.  Derselbe,  Die  Gastraeatheorie ,  die  phylogenetische  Clas- 
sification des  Thiei'reichs  und  die  Homologie  der  Keimbliitter.  Jenai- 
sche  Zeitschr.    Bd.  VIII. 

162\  Derselbe,  Die  Gastrula  und  die  Eifurchung  der  Thiere. 
Ebfiuda.    Bd.  IX  p.  402—508. 

163.  Derselbe,  Nachtriige  zur  Gastraeatheorie.  Ebenda.  Bd. 
XI  p.  55—99. 

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der  Nerven  im  Schwanze  der  Froschlarve.  Virchow's  Archiv.  Bd. 
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165.  His,  W.,  Die  Haute  und  Hohlen  des  Korpers.    Basel  1865. 

16G.  Huxley,  Th.  H.,  On  the  classification  of  the  animal  king- 
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167.     Derselbe,  The  anatomy  of  invertebrated  animals.    1877. 

Bd.  XV.  N,  F.  vin.  1.  10 


146  0.  und  R.  Hertwig, 

Deutsche  Ausgabe  von  Span  gel:  Grundzuge  der  Anatomic  der  Wir- 
belthiere.      1878. 

168.  Lankester,  E.  Ray,  On  the  primitive  Cell-laj^ers  of  the 
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169.  Derselbe,  On  the  invaginate  plauula  or  diploblastic  phase 
of  Paludina  vivipara.  (Quarterly  journal  of  microscopical  science.  Vol. 
XV  p.  159—166.     1875. 

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the  animal  kingdom:  comprising  a  revision  of  speculations  relative  to 
the  origin  and  significance  of  the  germ-layers.  Quarterly  journal  of 
microscopical  science.    Vol.  XVII  p.  399  —  454.    1877. 

171.  Semper,  Die  Verwandtschaftsbeziehungen  der  geglicderteu 
Thiere.     Arbeiten  aus  dem  zoolog.  Institut  in  Wiirzburg.    1876. 

172.  Schwa  lb  e,  G.,  Ueber  den  feineren  Bau  der  Muskelfasern 
wirbelloser  Thiere.     Archiv  f.  mikroskop.  Anat.     Bd.  V  p.   205—248. 

173.  Weismann,  A.,  Ueber  die  zwei  Typen  contractilen  Ge- 
webes  und  ihre  Vertheilung  in  die  grossen  Grnppen  des  Thierreichs, 
sowie  iiber  die  histologische  Bedeutung  ihrer  Formelemente.  Zeitschr. 
fiir  rationelle  Medicin.  III.  R.  Bd.  XV  p.  60—103.    1862. 


Die  Coelomtheorie.  147 


Tafelerklarung. 


Fiir  alle  Figureu  gelten  folgende  Bezeichuungen. 

a  Zelleu  des  Meseuchyms. 

b  Epithelzellen  des  Enterocoels. 

c  Coelom.     Enterocoel. 

<:'  Abgeschnlirter  Theil  des  Enterocoels.     Hohle  der  Urwirbel. 
ch  Chorda. 

d  Darm. 
tif  Darmfaserblatt. 

e  Eierstock. 

/  Muskelfibrille. 

/>•  Ganglion. 
^z  Gauglienzellen. 

//  Kalknadeln. 
ho  Hoden. 

/■  Dotterpliittchen. 

k  Laterale  Scheibe  am  Darm  der  Toruaria. 

/  Leber. 

Id  Dorsales       )    ,, 

,     „  ,         I    Mesenterium. 

//'  Veutrales     ) 

Is  Leibesspalte. 

in  Muskelfaser. 

mc  Epitheliale  )   ,^     ,    ,„ 

,..       >  Muskelfaser. 
mm  Mesenchymatose    J 

ml  Transversale  Muskelfasei'n. 

mk  Muskelkern. 

n  Nerv. 

0  Mund. 

p  After. 

/'  Dermale  Schicht. 

*  Muskelseptum.     Stutzsubstanz. 

10* 


148  0.  und  R.  Hertwig, 

/  Primitivrinne. 

u  TJrmund. 

V  Blutgefasse. 

w  Gallerte. 

A  Amnion. 

B  Muskelblatt. 

D  Dotterzellen. 
Ek  Ektoblast. 
En  Entoblast. 
Enc  Chordaentoblast. 

K  Muskelkiistchen. 

P  Primitivbiindel. 
Me  Mesoblast. 
Me^  Viscerales  Blatt  des  Mesoblasts. 
Me^  Parietales  Blatt  des  Mesoblasts. 

N  Nervensystem.     Nervenrohr. 

T  Tracheen. 

Tafel  I. 

Fig.   1.     Querschnitt  durch  Planaria  polychroa.     95  raal  vergr. 

Fig.  2.  (Auerschnitt  aus  dem  vordereu  Drittel  des  Rumpfes  von 
Protodrilus  Leuckartii.  (Copie  uach  Hatschek,  Wiener  Arbeiten,  Bd. 
III.  Taf.  VIII  Fig.  17.) 

Fig.  3.  Querschnitt  durch  das  hintere  Ende  des  Rumpfsegmen- 
tes  einer  0,8  Cm  langen  Sagitta  bipunctata.      160  mal  vergr. 

Fig.  4.     Querschnitt  durch  Chiton  marginatus.     40  mal  vergr. 

Fig.  5.  Eine  junge  Tornaria.  (Copie  nach  MetschnikofF,  Zeitschr. 
f.  wissensch.  Zool.   Bd.  XX.  Taf.  XIII  Fig.  2.) 

Fig.  6.  Larve  von  Echiurus.  (Copie  nach  Hatschek,  Wiener 
Arbeiten,  Bd.  III.  Taf.  IV  Fig.  8.)     150  mal  vergr. 

Fig.  7.  Flachenschnitt  durch  das  Nervensystem  von  Planaria 
polychroa.     195  mal  vergr. 

Fig.  8.  Optischer  Langsschnitt  eines  Embryo  des  10'''"  Tages 
von  Malacobdella.  (Copie  nach  Hoffmann,  Niederl.  Arch.  Bd.  IV. 
Taf.  II  Fig.  33.)     300  mal  vergr. 

Fig.  9.  Blastula  von  Echinus  miliaris.  (Copie  nach  Seleuka, 
Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXXIII.  Taf.  V  Fig.  4.) 

Fig.  10.  Gastrula  von  Echinus  miliaris.  (Cop.  nach  Selenka, 
Ebenda.  Taf.  V  Fig.  9  und   13  combinirt.)     300  mal  vergr. 

Fig.  11.  Larve  von  Teredo.  (Copie  nach  Hatschek,  Wiener 
Arbeiten,  Bd.  III.  Taf.  II  Fig.  21.)     445  mal  vergr. 


Die  Coelomtheorie.  149 

Tafel  II. 

Fig.  1—3.  Quersclmitte  durch  den  Keimstreif  einer  Noctua  auf 
dem  Gastrulastadium.     470  mal  vergr.,  desgleichen  Fig.  4 — 6. 

Fig.  4.     Erste  Anlage  des  Darmdriisenblatts  von  Zygaena  Minos. 

Fig.  5.  Darmfaserblatt  und  Darmdriisenblatt  (Zygaena  Minos) 
del*  rechteu  und  linken  Seite  sind  einander  entgegengewachsen ,  aber 
noch  nicht  zur  medianen  Vereinigung  gelangt. 

Fig.  6.  Sonderung  des  Mesoblasts  in  Darmfaser-  und  Hautfaser- 
blatt,  Auflosung  der  Dotterzellen ,  von  einer  Noctua. 

Fig.  7.  Loxosoma  Raja  nach  0.  Schmidt  (Arch.  f.  mikrosk.  Auat. 
Bd.  XII,  Taf.  I  Fig.  1). 

Fig.  8.  Schematische  Darstellung  der  Insectengastrula  zur  Zeit, 
wo  der  Urdarm  durch  zwei  seitliche  Falten  in  den  bleibenden  Darm 
und  die  beiden  Leibeshohlensacke  zerlegt  wird  und  der  primare  Ento- 
blast  sich  in  den  Mesoblast  und  das  Darmdriisenblatt  sondert. 

Fig.  9.  Frontalschnitt  durch  einen  2^/^  Tage  alten  Embryo  von 
Triton  taeniatus.     Schwach  vergr. 

Fig.  10.  Uuerschnitt  durch  einen  2^/2  Tage  alten  Embryo  von 
Triton  taeniatus.     Schwach  vergr. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  einen  3  Tage  alten  Embryo  von 
Triton  taeniatus.     Schwach  vergr. 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  einen  4  Tage  alten  Embryo  von 
Triton  taeniatus.     Schwach  vergr. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch  einc  Larve  von  Amphioxus  lanceo- 
latus.  (Copie  nach  Kowalevsky,  Arch,  raikr.  Anat.  Bd.  XIII.  Taf.  XV 
Fig.  12.) 

Fig.  14.  Querschnitt  aus  dem  hintersten  Ende  einer  Polygor- 
diuslarve.  (Copie  nach  Hatschek ,  Wiener  Arbeit.  Bd.  I.  Taf.  XXX 
Fig.  84.) 

Fig  15.  Optischer  Durchschnitt  durch  den  Embryo  eines  Bra- 
chiopoden.  (Copie  nach  Kowalevsky,  Brachiopodenentwicklung.  Taf.  I 
Fig.  6.) 

Fig.  16.  Querschnitt  durch  den  Rumpf  eines  jungen  Polygordius. 
(Copie  nach  Hatschek,  Wiener  Arbeiten.  Bd  I.  Taf.  XXX  Fig.  89.) 

Fig.  17.  Die  beiden  Mesoblaststreifen  am  Afterpole  einer  un- 
gegliederten  Larve  von  Polygordius.  (Copie  nach  Hatschek,  ebenda. 
Taf.  XXVIII  Fig.  57.)     450  mal  vergr. 

Fig.  18.  Segmentirter  Mesoblaststreifen  einer  Larve  von  Echiu- 
rus.  (Copie  nach  Hatschek,  ebenda.  Bd.  III.  Taf.  V  Fig.  22.)  450 
mal  vergr. 


150  0.  und  R.  Hertwig,  Die  Coelomtheorie. 

Tafel  III. 

Fig.  1.  Quorschnitt  durch  die  Muskulatur  einer  Meckelia. 
240  mal  vergr. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  die  Muskulatur  eines  Nemertes. 
240  mal  vergr. 

Fig.  3.  Stiick  vom  Velum  einer  Larve  vou  Cavolinia  tridentata. 
(Copie  nach  Fol,  Pteropoden.  Taf.  IV  Fig.  48.)     200  mal  vergr. 

Fig,  4.  Ende  einer  mesenchj-matosen  Muskeifaser  von  Beroe 
ovatus.     (R.  Hertwig,  Ctenophoren.  Taf.  VI  Fig.  14.) 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  die  Muskulatur  eines  Septums  von 
Sagartia  parasitica  nahe  an  seiner  Befestigung.  (0.  u.  R.  Hertwig, 
Actinien.  Taf.  Ill  Fig.  2.) 

Fig.  6.  Querschnitt  durch  die  Muskulatur  der  Korperwand  von 
Cerianthus  membranaceus.  (0,  u.  R.  Hertwig,  Actinien.  Taf.  VIII 
Fig.  11.) 

Fig.  7.  Querschnitt  durch  die  Liiugsmuskulatur  des  Regen- 
wurms.     500  mal  vergr. 

Fig.  8.  Querschnitt  durch  die  Muskulatur  eines  Tentakels  von 
Charybdea  marsupialis.     500  mal  vergr. 

Fig.  9.  Muskulatur  eines  Darmdrlisenschlauches  von  Porcellio 
scaber.  (Copie  nach  Weber,  Arch.  mikr.  Anat.  Bd.  XVII.  Taf.  XXXVI 
Fig.  1.) 

Fig.  10.  Querschnitt  durch  die  Muskulatur  des  Hautmuskel- 
schlauches  von  Limax.     500  mal  vergr. 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  die  Bauchgegend  von  Pseudalius 
inHexus.  (Copie  nach  Biitschli,  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  XXIII. 
Taf.  XXII  Fig.  10.) 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  die  Liiugsmuskulatur  einer  0,8  Cm. 
langen  Sagitta  bipunctata.  (0.  Hertwig,  Chaetognathen.  Taf.  It  Fig. 
13.)     500  mal  vergr. 

Fig.  13.  Querschnitt  durch  die  Rumpfmuskulatur  einer  6  AVo- 
chen  alten  Larve  von  Petromyzon  Planeri.     500  mal  vergr. 

Fig.  14.  Querschnitt  durch  die  Rumpfmuskulatur  einer  9  Tage 
alten   Larve  von  Petromyzon  Planeri.     500  mal  vergr. 

Fig.  15.  Querschnitt  durch  die  Rumpfmuskulatur  einer  5  Tage 
alten  Larve  von  Triton  taeniatus.     500  raal  vergr. 

Fig.  16.  Querschnitt  durch  die  Rumpfmuskulatur  einer  14  Tage 
alten  Larve  von  Petromyzon  Planeri.     500  mal  vergr. 

Fig.  17.  Mesenchymatose  Muskeifaser  einer  Teredolarve.  (Co- 
pie nach  Hatschek,  Wiener  Arbeiten.  Bd.  III.  Taf.  II  Fig.  24  A.)  445 
mal  vergr. 

Fig.  18.  Durch  20  •'/^  Salpetersaure  isolirte  Muskeifaser  von 
einer  Ascaride  des  Aals. 

Fig.  19.  Querschnitt  durch  die  Rumpfmuskulatur  einer  10  Tage 
alten  Larve  von  Triton  taeniatus.     500  mal  vergr. 

Fig.  20.  Langsschnitt  durch  ein  Muskelsegraent  einer  5  Tage 
alten  Larve  von  Triton  taeniatus.     500  mal  vergr. 

Fig.  21.     Epithelmuskelzelle  einer  Actinic. 


Beitriig-e  zur  Kenntniss  des  Baues 

der 

Schmetterlings-Riissel. 

Von 

Wilhclin  Breitenbach. 

Hierzu  Tafel  IV— VI. 


I.    Geschichtliche  Einleitung. 

Es  ist  inimer  von  grossem  Nutzen,  wenn  man  einer  wissen- 
schaftlichen  Arbeit,  welche  irgend  einen  Gegenstand  eingehend 
behandelt,  eine  kurze  geschichtliche  Einleitung  vorausschickt. 
Eine  solche  Literatur-Uebersicht  hat  zwei  Hauptzwecke.  Erstens 
sehen  wir  aus  derselben,  was  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  in  dem  des 
Verfassers  eigene  Untersuchungen  begannen,  uber  den  behandel- 
ten  Gegenstand  bekannt  ist  und  wie  diese  Kenntnisse  im  Laufe 
der  Zeit  allmahlig  erworben  wurden.  Zweitens,  und  das  scheint 
mir  nianchmal  das  Wichtigste  zu  sein,  lasst  ein  historischer  Ueber- 
blick  iiber  das  bisher  Geleistete  erkennen,  was  der  Verfasser 
wirklich  Neues  bringt;  er  gestattet  also  erst  eine  richtige  Wiir- 
digung  der  ueuen  Arbeit.  Aus  diesen  Griinden  habe  ich  mich 
entschlossen ,  meine  Arbeit  ebenfalls  durch  einen  historischen 
Ueberblick  einzuleiten.  Ich  habe  selbstverstandlich  nur  die  wich- 
tigsten  Arbeiten  beriicksichtigen  konnen ,  d.  h,  solche ,  deren  Ver- 
fasser eigene  Untersuchungen  augestellt  haben.  Gleichzeitig  will 
ich  bemerken,  dass  ein  kleiner  Theil,  der  eigentlich  hierher  ge- 
hort  hatte,  an  einer  andern  Stelle  behandelt  werden  wird;  ich 
meine  die  Ansichten  liber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Schmetter- 
linge  saugen.  Da  die  vorliegende  Arbeit  zum  bei  Weitem  gross- 
ten  Theile  morphologischen  Inhaltes  ist,  so  habe  ich  es  vorgezo- 
gen,  jene  physiologische  Frage,  auch  in  ihrem  geschichtlichen 
Theile,  in  einem  besonderen  Theile  zusammenhangend  zu  bespre- 
chen. 

Da  die  alteren  Entomologen  bekanntlich  mit  grosser  Vorliebe 


152  Wilhelm  Breitenbach, 

stets  die  Muiidwerkzeuge  der  Insecten  untersucht  und  beschrieben 
habeii,  so  lasst  sich  eigentlicli  von  vornherein  erwarten,  dass  die- 
selben,  da  der  Saugriissel  fiir  das  einzige  Mundorgan  der  Schmet- 
terlinge  gehalten  wurde,  audi  diesem  ilire  besondere  Aufmerksam- 
keit  werden  gewidmet  haben.  In  der  That  giebt  auch  derjenige 
Naturforscher,  den  wir  aus  der  illteren  Zeit  bespreclien  wollen, 
namlich  R6aumur,  eine  sehr  eingehende  Schilderung  vom  Bau 
und  von  der  Function  unseres  Organes.  Da  Reaumur  der  erste 
Naturforscher  ist,  welcher  den  Sclimetterlingsriissel  eingehend  un- 
tersucht hat,  und  da  die  nachstfolgenden  Beobachter  nicht  iiber 
ihn  hinausgekommen  sind,  z.  B.  auch  Swammerdam,  so  wol- 
len v^ir  etwas  langer  bei  ihm  verweilen.  Uuser  Verfasser  hat 
seine  Untersuchungen  niedergelegt  in  dem  fiinften  Bande  seines 
„Menioires  pour  servir  a  Thistoire  des  insectes";  pag.  284 — 315. 

Reaumur  sagt,  man  finde  den  Riissel  bei  denjenigen  Schmet- 
terlingen,  welche  iiberhaupt  im  Besitze  eines  solchen  seien,  genau 
zwischen  den  Augen  befestigt.  Wenn  der  Schmetterling  keine 
Nahrung  zu  sich  nimmt,  so  ist  der  Riissel  wie  die  Spiralfeder 
einer  Uhr  aufgerollt  und  liegt  so  zwischen  Stiickeu  verborgen, 
welche  bei  den  verschiedenen  Schmetterlingen  eine  verschiedene 
Form  und  Grosse  haben.  Da  sie  mit  kurzen  Haaren  bedeckt  sind, 
so  werden  sie  als  „behaarte  Wande"  (cloisons  barbues)  oder  „Barte 
des  Schmetterlings"  (barbes  du  Papillon)  bezeichnet.  Was  diese 
cloisons  barbues  eigentlich  sind,  ist  Reaumur  nicht  klar  gewor- 
den;  es  sind  die  allerdings  bedeutend  veranderten  Unterlippen- 
taster. 

Nachdem  unser  Verfasser  im  Weiteren  sehr  hiibsch  beschrie- 
ben hat,  wie  die  Schmetterlinge  sich  ihres  Riissels  bedienen,  wenn 
sie  den  siissen  Saft  der  Rlumen  saugen,  geht  er  zur  Untersuchung 
der  Structurverhaltnisse  des  Organes  tiber.  Auf  den  ersten  Blick 
ist  der  Riissel  eine  Art  Klinge  (lame),  langer  als  dick,  aus  einer 
hornigen  Masse  bestehend;  von  der  Ansatzstelle  bis  zu  seinem 
freien  Ende  scheint  er  sich  zu  verjiingen.  Da  die  Ansatzstelle 
sich  genau  in  der  Mitte  des  Kopfes  befindet,  so  nimmt  der  Riis- 
sel gerade  die  Stelle  der  Nase  ein ;  und  in  der  That  haben  einige 
Autoren  (nach  Reaumur)  gesagt,  die  Schmetterlinge  batten  eine 
sehr  lange  Nase. 

Reaumur  hat  die  Beobachtung  gemacht,  dass  wenn  man 
den  im  aufgerollten  Zustande  befindlichen  Riissel  gewaltsam  ent- 
rollt,  derselbe  von  der  Spitze  an  sich  in  zwei  gleiche  Halften 
spaltet.    Dies  fiihrte  ihn  zu  einer  wichtigen  Frage:   Spalten  sich 


Beitriige  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-B-ussel.     153 

die  Rilssel  der  Schmetterlinge  desshalb  so  leiclit,  well  sie  so  fein 
imd  zerbreclilicli  sind,  oder  bestelien  sie  wirklich  aus  zwei  an- 
einander  gelegten  Stticken?  Das  Ergebniss  ist  die  Feststellung 
der  Thatsache,  dass  sich  die  Schmetterlingsriissel  in  der  That 
aus  zwei  gleichen,  aneinander  liegenden  Halfteu  zusammensetzen. 
Eine  nun  folgende,  sehr  unklare  Auseinandersetzung  iiber  den 
Bau  der  Rtisselhalften  wollen  wir  iibergehen,  da  Reaumur  mehr 
gesehen  hat,  wie  wirklich  vorhanden  ist.  Ein  Blick  auf  die  zu- 
gehorigen  Abbildungen  zeigt  das  auf  den  ersten  Blick, 

An  dem  Rlissel  bemerkte  Reaumur  eine  sehr  grosse  Anzahl 
von  „fibres  transversales  qui  ceignent  la  trompe  et  qui  semblent 
la  diviser  dans  une  infinite  d'anneaux  ou  de  tranches"  (pag.  295). 
Am  Yorderen,  freien  Ende  einiger  Rlissel  stehen  „hautige  Blatt- 
chen",  (des  feuillets  membraneuses) ,  auf  jeder  Riisselhalfte  zwei- 
zeilig  angeordnet.  Dieselben  sollen  eine  Art  Rinne  bilden,  „parce 
qu'ils  s'ecartent  les  uns  les  autres  en  s'eloignent  de  leur  base" 
(pag.  296).  Diese  Blattchen ,  in  denen  wir  spater  sehr  wichtige 
Theile  des  Riissels  wiedererkennen  werden ,  sollen  dazu  dienen, 
die  Spitze  schwacher  Riissel  zu  stiitzen,  da  man  dieselben  an 
starken  Riisseln  nicht  finde.  Wir  werden  spater  seheu,  dass  ge- 
rade  das  Gegentheil  viel  eher  richtig  ist,  dass  gerade  die  stark- 
sten  Riissel  mit  solchen  „Blattchen"  vorwiegend  versehen  sind. 

Ganz  richtig  ist  im  Allgemeinen  das,  was  unser  Verfasser 
iiber  den  Verschluss  der  beiden  Rlisselhalften  angiebt.  Die  Hiilf- 
tCii  legen  sich  nicht  mit  einer  coutinuirlichen  Flache  aneinander, 
wie  man  das  nach  der  Leichtigkeit ,  mit  der  sie  von  einander 
getrennt  werden  konnen,  vielleicht  erwarten  sollte,  soudern  der 
Verschluss  wird  durch  eine  grosse  Anzahl  dicht  bei  einander  ste- 
hender,  dlinner  Filden  (filets)  bewirkt,  welche  gegen  einander 
stossen.  Bei  einigen  Riisseln  hat  Reaumur  auch  iibereinander 
greifende  zahnartige  Bildungen  (dentelures)  bemerkt,  „qui  peuvent 
fortifier  Tunion  et  la  pourroient  faire  seules,  si  les  lances  n'e- 
toient  pas  composees  de  filets"  (pag.  300).  Diese  letztere  Ansicht 
werden  wir  spater  als  nicht  correct  kennen  lernen,  da  diese  zahn- 
artigen  Bildungen  auf  einer  Seite  den  Verschluss  allein  herstel- 
len,  wahrend  er  auf  der  entgegengesetzten  Seite  allein  von  den 
filets  bewirkt  wird. 

Da  die  beiden  Riisselhalften  auf  ihrer  inneren  Seite  halb  aus- 
gehohlt  sind,  so  dass  eine  Rinne  gebildet  wird,  so  entsteht  beim 
Aneinanderlegen  der  Halften  ein  mittlerer  Canal;  da  aber  ausser- 
dem  noch  jede  Riisselhalfte  von   einem  besonderen  Canal   durch- 


154  Wilhelm  Breitenbach, 

zogeii  ist,  so  hat  der  Riissel  im  Gauzeu  drei  Cauiile.  Dienen  alle 
drei  Cauiile  dazu,  die  siissen  Bluinensafte  dem  Korper  zuzufuh- 
ren?  Nach  einem  selir  laugatliiiiigen  Bericht  iiber  eine  dahin- 
zielende  Beobachtiing  kommt  Reaumur  zu  dem  Schlusse,  dass 
nur  durcli  deu  mittlereu  Canal  Fliissigkeit  aufgenommen  werde, 
dass  dagegen  die  seitlicheu  Canale  wohl  zur  Aufiiahme  von  Luft 
dienen.  Einige  Seiten  vorher  war  er,  wie  wir  noch  nachtraglich 
bemerken  wollen,  ebenfalls  durcli  eine  Beobachtung  zu  der  An- 
sicht  gekommen,  dass  audi  die  seitlichen  Canale  die  Nahrungs- 
fliissigkeit  dem  Korper  zufiihrten.  Dass  diese  beiden  Ansichten 
sich  widersprecheu,  scheint  Reaumur  gar  nicht  zu  merken.  Es 
ist  indessen  anzunelimen,  dass  er  in  der  Folge  die  erst  erwahnte 
fiir  die  richtige  gehalten  hat,  was  sie  ja  in  der  That  auch  ist. 

Endlich  wollen  wir  noch  einen  Punkt  anfiihren.  Die  kleinen 
Schmetterlingsriissel  sollen  nur  einen  mittleren  Canal  besitzen;  die 
Canale  der  Riisselhiilften  dagegen  sollen  fehlen.  Wenn  man  einen 
solchen  kleinen  Russel  durchschneidet ,  sagt  Reaumur,  so  be- 
nierkt  man  in  der  Mitte  einen  ovalen  Canal;  in  den  beiden  Sei- 
tenfeldern  sieht  man  je  einen  kleinen,  wohl  umschriebenen  Kreis, 
den  Durchschnitt  eines  Muskels.  Hier  hat  sich  Reaumur  griind- 
lich  geirrt;  denn  dieser  vermeintliche  Muskel  ist  thatsachlich  der 
Durchschnitt  des  Luftkanales.  Wenn  ich  aufmerksam  die  Zeich- 
nungen  betrachte,  so  will  es  mir  vorkommen,  als  wenn  Reau- 
mur bei  den  andern  Schmetterlingen  die  wirklichen  Tracheen  gar 
nicht  gesehen  hiitte.  Von  der  gaiizen  Riisselhalfte  ist  nur  die 
iUissere  Waudung  gezeichnet;  im  Uebrigen  ist  sie  hohl.  Das  ist 
aber  in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall;  vielmehr  ist  der  Raum  bis 
auf  die  verhiiltnissmassig  diinne  Trachee  mit  Muskeln  angefiillt. 
Also  gerade  da,  wo  Reaumur  die  Tracheen  der  Rtisselhalften 
nicht  gesehen  haben  will,  hat  er  sie  gerade  gesehen,  und  da  wo 
er  sie  gesehen  haben  will,  scheint  er  sie  nicht  gesehen  zu  haben. 

In  dem  ganzen  Meinoire,  dem  die  vorstehenden  Augabeu  ent- 
nonimen  sind,  und  welches  „principalement  desailes,  des  yeux, 
des  antennes  et  des  trompes"  handclt,  ist  von  keinen  weiteren 
Mundwerkzeugen  der  Schmetterlinge  die  Rede  wie  vom  Russel. 
In  der  That  kaunten  Reaumur  und  die  alteren  Entomologen 
uberhaupt  von  den  Mundtheilen  der  Schmetterlinge  nur  den  Riis- 
sel; hochstens  zahlte  man  noch  zu  deuselben  jene  beiden,  meist 
ziemlich  grossen  Anhange,  zwischen  denen  der  Russel  im  aufge- 
rollten  Zustande  verborgeu  liegt,  die  Uuterlippentaster.  Man  hielt 
in  Folge  desseu  die  Mundtheile  der  Schmetterlinge  fiir  etwas  ganz 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Riissel.      155 

Besonderes  und  von  deneu  der  ubrigen  lusecten  total  Verschiede- 
nes.  Diese  grosse  Verschiedeulieit  der  Muudwerkzeuge  der  Sclimet- 
terlinge  von  denen  der  andern  Insecten,  nameutlich  der  Kafer 
mit  beissenden  Mundtlieilen ,  musste  urn  so  mehr  auffallen,  als 
doch  die  Raupen,  aus  denen  die  Sclimetterlinge  hervorgingeu, 
ganz  ebensolclie  Mundtheile  wie  andere  beissende  Insecten  batten. 
In  der  Tbat  hatte  man  keine  Ahnung  davon,  dass  die  Mundtbeile 
der  Scbmetterlinge  trotz  aller  itusseren  Verschiedenheit  doch  nach 
demselben  Typus  gebaut  seien  wie  die  aller  andern  Insecten  und 
wie  die  der  Raupen. 

Savigny  fiihrt  in  dem  ersten  seiner  1816  erschienenen  vor- 
zuglichen  „Memoires  sur  les  animaux  sans  vertebres"  eine  bierher 
bezugliche  Stelle  an,  welcbe  wir  in  der  Uebersetzung  wiedergeben 
wollen.  „Der  gefeierte  Verfasser  der  „Vergleicbenden  Anatomie" 
geht  noch  welter.  „„Von  alien  Larveu,  sagt  er,  sind  es  diejeni- 
gen  der  Lepidopteren  oder  die  Raupen,  welcbe  sicb  in  Bezug  auf 
den  Mund  am  meisten  von  ibren  Insecten  unterscbeiden,  und  was 
nocb  sonderbarer  ist,  ibr  Mundapparat  ist  nacb  dem  Plan  der 
Insecten  mit  Kieferu  gebaut,  obgleicb  man  keine  Spur  davon  bei 
den  Scbmetterliugen  wiederfindet." "  Dem  gefeierten  Verfasser 
der  „Vergleicbenden  Anatomie",  in  dem  wir  obne  Zweifel  Cuvier 
zu  sucben  baben,  und  alien  Entomologen  tritt  nun  der  scbarfsin- 
nige  Savigny  entgegen,  indem  er,  gestiitzt  auf  vergleicbend- 
anatomische  Untersucbungen ,  den  bestimmten  Nacbweis  liefert, 
dass  die  Mundtbeile  der  Scbmetterlinge  nacb  demselben  Typus 
gebaut  seien  wie  die  der  andern  Insecten  und  der  Raupen.  „Die 
Scbmetterlinge  baben,  ebenso  wie  ibre  Raupen,  ebenso  wie  die 
Coleoptera,  Neuroptera  und  alle  beissenden  Insecten,  zwei  Lippen, 
eine  Oberlippe,  eine  Unterlippe,  zwei  Mandibeln  und  zwei  Kie- 
fern,"  (Prem.  Mem.  pag.  3.)  Natlirlicb  sind  audi  die  Unterkiefer- 
und  Unterlippeutaster  vorbanden.  Die  Mundtbeile  der  Scbmetter- 
linge sind  mit  Ausnahme  der  Unterkiefer  und  der  Unterlippeuta- 
ster sammtlich  bedeutend  rudimentiir  geworden,  da  sie  mit  der 
volligen  Umgestaltung  des  Raupenmundes  in  den  Scbmetterlings- 
mund  ibre  Function  verloren  baben.  Das  einzige  active  Mund- 
organ  ist  der  aus  den  Unterkiefern  hervorgegangene  Saugriissel. 
Die  Unterlippeutaster  sind,  wie  wir  scbon  wissen ,  jene  ziemlicb 
ansebnlicben ,  meist  stark  bebaarten  Gebilde,  zwiscben  denen  der 
eingerollte  Riissel  wie  in  einer  Scbeide  verborgen  liegt. 

Nacbdem   so  von   Savigny    die   Homologie  der  Mundtbeile 
der  kauenden  Insecten   mit   denen  der  Scbmetterlinge    erwiesen 


156  Wilhelm  Breitenbach, 

worden  ist,  und  nachdem  gezeigt  wurde,  dass  der  Rlissel  speciell 
den  Unterkiefern  entspreche,  macht  unser  Autor  audi  noch  einige 
BemerkuQgen  iiber  den  Ban  unseres  Organes.  „Wenn  wir  zu  den 
eigentlichen  Kiefern  tibergehen,  so  werden  wir  sehen,  dass  sic 
nicht  weniger  erkennbar  sind.  Ihr  Stamm  ist  an  den  Kopf  und 
an  die  Unterlippe  augeheftet,  aber  ihr  Endtheil  ist  frei,  schlank, 
zuweilen  sehr  laug,  biegsam,  rohrenformig,  aussen  abgerundet, 
iunen  mit  einer  Rinne  versehen,  deren  Rander  unmerklich  gekerbt 
sind  und  welclie,  indem  sie  genau  zu  der  Rinne  der  entsprechen- 
den  Lade  passen,  so  einen  hohleu  Cylinder  bilden.  Diese  beiden 
vereinigten  Laden  setzen  den  Riissel  oder  die  Zunge  der  Schmet- 
terlingc  zusammen.  Dieser  Riissel  ist  in  der  Quere  fein  gestreift 
und  gegen  das  Ende  mit  Rauheiten  versehen.  Er  kann  sich  ver- 
mittelst  seiner  ringformigen  Fasern  verlangern,  verkiirzen  oder 
sich  aufrollen." 

Das  ist  alles  Hierhergehorige  was  Savigny  angiebt;  aber 
die  seiner  Arbeit  beigegebenen  Zeichnungen  bieten  uns  noch  Et- 
was.  Die  Rauheiten  (asperites)  an  der  Riisselspitze,  in  denen  wir 
die  .,feuillets  membraneuses"  von  Reaumur  wiedererkennen,  zeich- 
net  Savigny  als  kleine  Cylinder,  wahrend  sie  bei  Reaumur 
in  der  That  wie  Blattchen  aussehen.  Ferner  sehen  wir  auf  der 
Oberseite  des  Rtissels  (Taf.  I,  Fig.  4)  jene  „filets"  gezeichnet,  wel- 
che  durch  ihr  Aneinanderlegen  den  Verschluss  der  beiden  Riis- 
selhalften  herbeifiihren ;  Reaumur  giebt  keine  Zeichnung  von 
denselben.  Wir  diirfeu  wohl  annehmen,  dass  der  so  ungemein 
sorgfaltige  Savigny  den  Bau  der  Schmetterlingsriissel  noch  ein- 
gehender  untersucht  hat  wie  aus  seiner  Arbeit  erkennbar  ist;  al- 
leiu  der  Zweck  seiner  Arbeit  machte  es  nicht  nothig  genauere 
Angaben  iiber  den  Bau  unseres  Organs  zu  machen. 

Bei  Kir  by  und  S  pence  (Einleitung  in  die  Entomologie  oder 
Elemente  der  Naturgeschichte  der  Insecten.  1823.  Ausgabe  von 
Oken.  Bd.  I  pag.  434—435)  linden  wir  einige  Angaben  iiber  un- 
sern  Gegenstand.  Nach  diesen  beiden  vorziiglichen  englischen 
Entomologen  ist  der  Riissel  der  Schmetterlinge  knorpelig  und  be- 
steht  ganz  bestimmt  aus  einer  Reihe  zahlloser,  aufeinander  fol- 
gender  Ringe,  die  durch  ebensoviele  Muskeln  in  Bewegung  gesetzt 
werden.  Wenn  schon  auch  nicht  gesagt  wird,  ob  diese  Muskeln 
Ringmuskeln  oder  Langsmuskeln  sind,  so  diirfen  wir  doch  wohl 
annehmen,  das  erstere  gemeint  sind.  Der  mittlere  Canal  dient 
zum  Saugen,  die  beiden  seitlichen  Canale  sind  Tracheenstamme. 
Der  mittlere  Canal  „besteht  aus  zwei  Furchen,  die  von  Vorsprun- 


Beitrage  zur  Kenntaiss  des  Baues  der  Schmetterliugs-Riissel.     157 

gen  der  Seitenrohren  gebildet  werdeu.  Diese  Furchen  greifeu 
mittelst  eines  sehr  merkwtirdigen  Apparates  vou  Hakchen,  oft 
wie  Riife  einer  Federspule,  in  einander  und  konnen  entweder  zu 
einer  luftdichten  Rohre  vereinigt,  oder  augeublicklicli  getrennt 
werden ,  nach  dem  Belieben  des  Kerfs."  (pag.  435.) 

In  dem  „Handbuch  der  Entomologie"  von  Burmeister  wird 
der  Schmetterlingsrussel  ebenfalls  besprochen.  Von  den  beztigli- 
chen  Bemerkungen  wollen  wir  indessen  nur  die  falschen  wieder- 
geben.  Nachdem  Burmeister  gesagt  hat,  dass  durch  Aneinan- 
derlegen  der  beiden  Riisselhalften  eiu  Canal  entsteht,  fabrt  er 
fort:  „Auch  die  fadenformigen  Kiefer  sind  hohl  und  stossen  mit 
ihrer  Hohle  auf  den  gabelformigen  Anfang  der  Speiserohre,  so 
dass  die  Schmetterlinge  gleichsam  zwei  Mauler,  oder  doch  zwei 
getrennte  Saugriissel  habeu."  (Bd.  I  pag.  67.)  Und  an  einer  an- 
dern  Stelle:  „Beide  Rtissel  bilden,  aneinander  gelegt,  einen  mitt- 
leren  Canal,  in  welchen  der  Ausgang  der  Speichelgefasse  miindet. 
Hier  ist  also  die  einfache  Mundoffnung  ganz  verschwunden ,  da- 
gegen  finden  sich  zwei  riisselformig  verlangerte  Saugmauler,  in 
welchen  der  Blumenhonig  ....  aufsteigt."  (Bd.  I  pag.  380.).  Von 
den  Muskein  des  Riissels,  die  nach  Kirby  und  S pence  wahr- 
scheinlich  Ringmuskeln  sind,  sagt  Burmeister:  „Bei  ihnen  (den 
Schmetterlingen  namlich)  verliiuft  in  jeder  Halfte  des  Riissels  ein 
doppelter,  bandartiger  Muskel,  welcher  die  ganzc  Hohle  ausklei- 
det  und  nur  einen  mittleren  engen  Canal  iibrig  liisst."  (Bd.  I 
pag.  276.) 

Nachdem  also  schon  Reaumur,  dann  Kirby  und  S pence, 
deutlich  ausgesprochen  batten,  dass  nur  der  mittlere  Canal  zum 
Aufsaugen  des  Bluraenhonigs  diene ,  dass  dagegen  die  beiden  Ca- 
nale,  welche  jede  Russelhalfte  durchziehen,  Luftrohren  seien,  ver- 
tritt  Burmeister  mit  aller  Entschiedenheit  doch  noch  die  ent- 
gegengesetzte  Ansicht.  Er  lasst  den  Honig  durch  die  beiden  Tra- 
cheen  aufsteigen  und  erklart  den  wirklichen  Saugcanal  fiir  den 
Ausfiihrungsgang  der  Speichelgefasse !  Dass  die  Fliichen ,  in  de- 
nen  sich  die  Rander  der  Riisselhalften  beriihren,  aus  einzeluen 
dicht  bei  einander  stehenden,  ineinander  greifenden  Hakchen  be- 
stehen,  wie  schon  Reaumur  beschrieben  hatte,  weiss  Burmei- 
ster gar  nicht;  er  hat  nur  eine  continuirliche  Leiste  gesehen, 
oder  was  das  Wahrscheinlichere  ist,  er  hat  gar  nicht  ordentlich 
zugesehen.  Auch  erwahnt  er  nicht  jene  „feuillets  membraneuses" 
an  der  Spitze  des  Riissels.  Im  Allgemeinen  muss  man  sagen, 
dass  Burmeister  sich  um  die  altere  Literatur  wenig  gekiimmert 


158  Wilhelm  Breiteubach, 

zii  haben  scheint  unci  dass  er  deu  Bau  des  Schmetterlingsriissels 
viel  weniger  genau  zii  kennen  scheint  wie  beinahe  hundert  Jahre 
vor  ilim  Reaumur^). 

Die  niichste  Arbeit,  welche  wir  auzufiihren  haben,  bezeich- 
net  einen  erfreulichen  Fortschritt  in  der  Kenntniss  unseres  Ge- 
genstandes,  wenigstens  nach  einer  Seite  hin.  Sie  riihrt  von  dera 
englischen  Entomologen  George  Newport  (Artikel:  Insecta  in: 
Cyclopaedia  of  Anatomy  and  Physiology.  Vol.  II.  1836 — 39,  pag. 
900 — 902).  Genauer  beschreibt  Newport  die  Anhange  am  freien 
Ende  des  Riissels.  „Bei  einigen  Arten  ist  das  ausserste  Ende 
jeder  Maxille  liings  seines  vorderen  und  seitlichen  Randes  mit 
einer  grossen  Anzahl  kleiuer  Papillen  besetzt.  Sie  sind  ausserst 
entwickelt  bei  einigen  Schmetterlingen,  so  bei  Vanessa  atalanta, 
wo  sie  etwas  langliche,  tonnchenformige  Korper  sind,  die  mit 
drei  kleineren  Papillen  endigen,  die  rund  urn  ihr  vorderes  Ende 
angeordnet  sind,  mit  einer  vierten,  etwas  grosser  als  die  andern, 
in  ihrer  Mitte  stehend.  Nach  ihrem  Bau  zu  urtheilen  und  nach 
dem  Umstand,  dass  sie  immer  tief  in  irgend  welche  Fliissigkeit 
eiugetaucht  werden,  wenn  das  Insect  Nahrung  zu  sich  nimmt, 
miissen  sie  wahrscheinlich  als  Tastorgane  betrachtet  werden."  Die 
der  Beschreibung  beigegebene  Zeichnung  stimmt  aber  mit  ersterer 
nicht  iiberein.  (Fig.  378.  4.  c.)  Newport  sagt,  die  Papillen 
endigen  in  drei  Spitzen,  zwischen  denen  noch  eine  liingere  vor- 
rage;  in  der  Abbildung  (von  Vanessa  atalanta)  sind  aber  im  Gan- 
zen  nur  drei  Spitzen  angegeben.     Wir  werden  spater  sehen,  dass 


1)  Wie  lange  sich  iibrigens  eine  falsche  Ansicht  halten  kann, 
trotzdem  sie  liingst  widerlegt  ist,  mag  Folgeudes  lehren.  Die  absolut 
irrige  Meinung  Burmeister's,  dass  die  Schmetterlinge  deu  Honig 
durch  die  beiden  Seiteucanale  aufsaugeu,  wird  noch  jetzt  vou  einem 
unserer  bedeutendsten  Sclimetterlingskeuner  vertreten,  namlich  von 
Dr.  A.  Speyer  in  lihoden.  Als  ich  denselben  vor  liingerer  Zeit  ein- 
mal  bat,  er  moge  mir  einige  Schmetterlinge  zur  Uutersuchung  iiber- 
lassen,  schrieb  er  mir  folgendes :  „Eine  Frage ,  die  mich  besonders 
interessirt,  ist  die,  ob  die  Schmetterlinge  ihre  fliissige  Nahrung  durch 
die  beiden  Seitenhalften  des  Saugers,  welche  ja  bekanntlich 
hohle  Cauiile  sind,  aufnehmen,  oder  durch  den  mittleren  Canal,  wel- 
cher  durch  das  Aueinanderlegen  jener  gebildet  wird.  Letztere  An- 
sicht iindet  sich  in  den  Handblichern  der  Zoologie  von  Gerstaecker 
und  Claus  ausgesprochen  und  scheint  iiberhaupt  jetzt  die  gang  und 
gabe  zu  sein.  Ich  zweifle  aber  sehr,  dass  sie  sich  auf  genaue  Un- 
tersuchungen  stiitzt  und  bin  sehr  geneigt,  die  friihere  Meinung,  dass 
der  Falter  ein  doppeltes  Maul  und  einen  entsprechend  gabelformig  ge- 
theilten  Anfang  des  Oesophagus  habe,  fiir  die  richtige  zu  halten." 


Beitriige  zur  Kenutuiss  des  Baues  der  Schmetterlings-Russel.      159 

weder  das  Eine  noch  das  Audere  gaiiz  riclitig  ist,  sonderu  dass 
die  Anzahl  der  Spitzen  eine  nocli  grossere  ist. 

Audi  den  „filets"  von  Reaumur,  die  durch  Aneinanderla- 
gern  die  Russelhalften  verschliessen,  hat  Newport  genauere  Auf- 
merksamkeit  zugeweudet.  „Bei  Vanessa  sind  sie  sichelformig  und 
etwas  unterhalb  der  Spitze  noch  mit  einem  Zahn  versehen.  Sie 
greifeu  iibereinander  wie  die  Zahne  gewisser  Fische,  und  wir  sind 
geneigt  zu  glauben ,  dass  die  Spitzen  der  Haken  an  einer  Riissel- 
halfte,  wenn  das  Organ  ausgestreckt  ist,  in  kleine  Vertiefungen 
zwischen  den  Zahnen  der  entgegeugesetzten  Seite  eiugreifen,  so 
dass  sie  die  vordere  Oberfiache  des  Canaies  bilden." 

Die  genauere  Beschreibung  der  Spitzenanhiinge  und  der  Hak- 
chen  muss  man  als  einen  nicht  uubedeutenden  Vorzug  der  Arbeit 
von  Newport  vor  den  en  seiner  Vorgjinger  betrachten.  Was  da- 
gegen  den  Bau  der  Maxillen  selbst  anbelangt,  so  folgt  unser  Autor 
den  Ansichten  von  Kir  by  und  S  pence.  Jede  Maxille  ist  „com- 
posed  of  an  immense  number  of  short,  transverse,  muscuhir  rings" 
(pag.  900). 

Im  Jahre  1853  verofifentlichte  Georg  Gerstfeldt  als  Doc- 
tor-Dissertation eine  vergleichend  -  anatomische  Arbeit  „iiber  die 
Mundtheile  der  saugendeu  Insecten",  in  welcher  auch  die  Schmet- 
terlingsriissel  ausfiihrlich  (pag.  6G— 74)  besprochen  werden.  Wir 
wollen  Einzelnes  aus  dieser  vortrefflichen  Arbeit  herausheben.  Die 
Papillen  an  der  Spitze  vieler  Riissel,  die  nach  Newport  als 
Tastorgane  zu  deuten  sind,  scheinen  Gerstfeldt  eher  den 
Schiippchen  vergleichbar,  „welche  bei  einigen  Schmetterlingen  die 
dreigliedrigen  Maxillartaster  besitzen  und  die  den  Fliigelschuppen 
analog  sind."  In  der  That  zeichnet  auch  Gerstfeldt  dieselbeu 
ganz  ahulich  wie  Fliigelschuppen,  und  die  folgende  Beschreibung 
ist  gleichfalls  dem  entsprechend.  In  der  Erkenntniss  dieser  Or- 
gane  ist  unser  Verfasser  hinter  Newport  zuriickgeblieben.  Die 
Hakchen  (filets)  dagegen  beschreibt  er  ganz  wie  Newport. 

Dagegen  ist  Gerstfeldt  in  einem  anderu  Punkte  weiter 
gekommen.  Schon  fruhere  Beobachter  batten  auf  der  Oberfiache 
der  Riissel  eine  feine  Querstreifung  bemerkt;  diesc  ist  von  Gerst- 
feldt genauer  untersucht  worden.  „Die  aussere  couvexe  Seite 
jeder  Maxille  zeigt  unziihlig  viele  hornige  Querstreifen ,  die  am 
haufigsten  gerade  von  einer  Randleiste  zu  der  anderen  verlaufen, 
sich  aber  auch  oft  in  zwei  oder  selbst  drei  Gabelzinken  theilen, 
und  dann  und  wann  durch  diese  mit  den  benachbarten  Hornbo- 
gen  zusammenfiiessen ;  sie  sind  es,  die  den  Russelhalften  das  An- 


160  Wilhelm  Breitenbach, 

sehen  geben,  als  ob  sie  aus  eiiier  grossen  Anzahl  an  einander 
gcreihter  Riiigabtheilimgeu  bestaiiden."    (pag.  66.) 

„Die  iimere  concave  Seite  der  Maxillen  ist  mit  einer  zarteu, 
fein  quergestreiften  Haut  ausgekleidet ,  die  von  einer  Randleiste 
bis  zu  der  anderen  reiclit;  die  Streifen  sind  dieser  Membran  eigen- 
thiimlicb  und  habeu  mit  den  Hornstreifen  der  ausseren  Maxillen- 
wand  NicMs  zu  thun."  (pag.  68.)  Auf  diesen  Punkt  hat  bisher 
noch  Niemand  aufmerksara  gemacht. 

Jede  Riisselhalfte  wird  nach  Gerstfeldt  von  zwei  Langs- 
muskeln  durchzogen,  von  einem  oberen  und  einem  unteren.  Von 
diesen  Langsmuskelu  sollen  sich  von  Zeit  zu  Zeit  Fasern  an  ein- 
zelne  der  Hornstreifen  der  ausseren  Wand  begeben.  Damit  ist 
natiirlich  die  Ansicbt,  als  bestehe  der  Riissel  aus  hintereinander 
liegenden  Ringen,  tiber  Bord  geworfen. 

Da  nach  Gerstfeldt  meines  Wissens  keine  weitere  Arbeit 
erschienen  ist,  in  welcher  die  Schmetterlingsriissel  den  Gegen- 
stand  einer  ausftihrlichen  Darstellung  bildeu,  so  konnen  wir  hier- 
mit  unsere  geschichtliche  Einleituug  schliessen.  Einige  specielle 
Arbeiten  tiber  Schmetterlingsriissel  aus  der  jiingsten  Zeit  von 
J.  Klinckel,  Francis  Darwin,  R.  B.  Read  und  mir  werden 
wir  spiiter  kennen  lernen.  Wollte  ich  dieselben  an  dieser  Stelle 
besprechen ,  so  wiirde  erst  eine  lauge  Auseinandersetzung  nothig 
sein,  welche  nicht  hierher  gehort.  Desshalb  werden  wir  auf  die- 
selben an  geeigneter  Stelle  eingehen. 

Wenn  wir  nun  schliesslich  gauz  im  Allgemeinen  festzustellen 
suchen ,  was  bis  auf  Gerstfeldt  liber  den  Bau  des  Schmetter- 
lingsriissels  thatsachlich  bekannt  ist,  so  diirfte  sich  etwa  Folgen- 
des  ergeben.  Der  Saugrussel  der  Schmetterlingsriissel  besteht  aus 
zwei  Stiicken,  welche  den  Unterkiefern  der  kauenden  Insecten  und 
audi  der  Schmetterlingsraupeu  homolog  sind.  Diese  beiden  Half- 
ten,  auf  ihrer  ausseren  Seite  convex,  auf  ihrer  inneren  Seite  con- 
cav,  legen  sich  so  aneinander,  dass  sie  eine  Rohre  bilden,  durch 
welche  der  Schmetterling  den  Honig  der  Blumen  aufsaugt.  Der 
Verschluss  der  beiden  Maxillen  wird  nicht  durch  das  blosse  An- 
einanderlegen  der  Rilnder  bewirkt,  sondern  durch  eine  grosse 
Anzahl  langs  der  Rander  stehender,  ineinander  greifender  Zahne 
Oder  Hiikchen.  Die  Oberflache  der  Maxillen  ist  aussen  und  innen 
je  mit  zahlreicheu  besonderen  hornigen  Querstreifen  ausgestattet. 
In  jeder  Maxille  befinden  sich  zwei  iibereiuander  liegende  Langs- 
muskeln,  von  denen  Seitenfasern  an  verschiedenen  jeuer  Horn- 
streifen der  ausseren  Wand  abgeheu.    In  jede  Maxille  geht  ferner 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Riissel.      161 

eine  am  freien  Ende  derselben  blind  endende  Tracheenrohre  liinein. 
An  der  Spitze  zahlreicher  Schraetterlingsriissel  fiuden  sicli  eigeu- 
thtimliche  papillenartige  Anhange  von  tonnchenformiger  Gestalt 
vor,  welche  in  vier  Spitzen  endigen,  von  denen  die  eine  die  iibri- 
gen  drei  tiberragt;  wahrscheinlich  sind  es  Tastorgane. 

Aus  dieser  gedrangten  Uebersicht  konnen  wir  nun  sofort  ab- 
leiten,  was  zu  einer  genauen  Kenntniss  der  Organisation  der 
Schmetterlingsmssel  noch  fehlt.  Es  sind  im  Wesentlichen  etwa 
folgende  Piinkte.  Genauere  Darstellung  des  VerscMusses  der  Riis- 
selhalften,  sowohl  auf  der  oberen  wie  auf  der  unteren  Seite.  Ein- 
gehendere  Untersuchung  der  Hornstreifen  der  Oberflacbe  der  Ma- 
xillen  und  Bedeutung  derselben  fiir  den  Riissel.  Darstellung  der 
inneren  Muskulatur  des  Russels.  Bau  und  Function  der  Papillen 
an  der  Russelspitze  bei  den  verschiedenen  Schmetterlingen  Da- 
ran  wiirden  sich  dann  noch  einige  andere  Fragen  reihen ,  deren 
Beantwortung  wiinschenswerth  ware,  oder  zu  deren  Beantwortung 
doch  wenigstens  der  Versuch  gemacht  werden  mtisste.  Es  sind 
namentlich  zwei.  Wie  haben  wir  uns  phylogenetisch  die  Ent- 
stehung  des  Schmetterlingsrussels  zu  denken  und  welche  Ursa- 
chen  haben  das  allmalige  Langerwerden  desselben  bewirkt?  Wie 
ist  die  Mechanik  des  Saugens  bei  den  Schmetterlingen?  Mit  die- 
sen  Bemer'kuugen  ist  zugleich  das  Ziel  der  vnrlicgenden  Arl)eit 
im  Allgemeinen  bezeichnet! 


II.    Gedanken  iiber  das  phylogenetische  Entstehen 

und 
das  allmalige  Langerwerden  des  Schmetterlingsrussels. 

Die  Schmetterlinge  mit  ihren  saugenden  Mundtheileu  stammen, 
wie  das  aus  ihrer  Ontogenese  und  aus  der  Vergieichung  ihrer  Mund- 
theile  mit  denen  anderer  Insecten  mit  voller  Sicherheit  hervorgeht, 
von  Insecten  mit  beissenden  oder  kauenden  Mundtheilen  ab.  In 
welcher  Weise  phylogenetisch  aus  den  beissenden  Unterkiefern  der 
wurmahnlichen  Vorfahren  der  Schmetterlinge,  die  uns  noch  heute 
durch  die  Raupen  vorgefiihrt  werden,  zuerst  ein  primitives  Saug- 
organ  wurde,  das  konnen  wir  an  den  heutigen  Schmetterlingen 
leider  nicht  mehr  erkennen.  Zwischen  jene  wurmiihnliche  Form 
und  die  ausgebildeten   Schmetterlinge  ist  eine   weitere  Entwick- 

Kd.  XV.     N.  K.   VIIT,   1.  J  J 


162  Wilhelm  Ereitenbach, 

lungsform  ontogeuetisch  eingeschaltet  worden ,  die  Puppe,  welche 
auf  kcinen  Fall  unmittelbar  auf  eine  phylogenetisclie  Entwick- 
lungsstufe  zuriickbezogen  werden  darf.  So  wie  uns  die  Schmet- 
terlingspuppeu  heute  eutgegeutreten ,  kOnneu  sie  phylogenetisch 
als  selbststilndige  Thiergruppe  niemals  existirt  habeu.  Die  Schmet- 
terlingspuppen  stellen  ein  Ruhestadium  vor,  in  welchem  ontoge- 
uetisch die  Umforraung  der  wurmahnlichen  Entwicklungsstufe  der 
Lepidoptera  in  die  mit  Flugeln  und  alien  andern  Merkmalen  des 
Imago  versehene  vor  sich  geht,  in  dem  also  diejenigen  Wandlun- 
gen,  welche  einst  im  Verlauf  langer  Zeitraume  aus  der  wurmahn- 
lichen  Stammform  die  entwickelte  Schmetterlingsgestalt  hervor- 
brachten,  in  wenigeu  Monaten  nach  dem  „biogenetischen  Grund- 
gesetz"  sich  en  miniature  und  in  modiiicirter  Form  wiederholen. 
Dass  phylogenetisch  diese  Umwandlung  nicht  in  einem  solchen 
Puppenzustande  vor  sich  gegangeu  sein  kann,  sondem  vielmehr 
in  freier  Form  im  offenen  Kampfe  urn  das  Dasein,  ist  selbstver- 
standlich,  da  eine  selbststandige  Thierklasse  im  Zustande  der 
Schmetterlingspuppen  zu  den  factischen  Unmoglichkeiten  gehort. 
Demzufolge  werden  wir  die  am  Schmetterlings-Organismus  wah- 
rend  des  Puppenstadiums  sich  ontogeuetisch  abspielenden  ausserst 
wichtigen  Vorgange  als  sehr  stark  cenogenetische  betrachten  mus- 
sen,  von  denen  wir  nur  sehr  vorsichtigen  Gebrauch  machen  diir- 
fen,  wenn  es  sich  um  Riickschliisse  auf  die  palingenetische  Ent- 
wicklung  handelt. 

Was  aber  vom  Ganzen  gilt,  das  gilt  auch  von  seinen  Thei- 
len.  Wir  werden  daher  nicht  crwarten  diirfen,  aus  dem  Studium 
der  Schmetterlingspuppen  deutliche  Fingerzeige  iiber  die  Art  und 
Weise  zu  erlangen,  wie  aus  den  beissenden  Unterkiefern  der  wurm- 
ahnlichen  Stammforraen  der  Schmetterlinge  das  erste  primitive 
Saugorgan  derselben  hervorging.  In  der  That  ist  diese  Vermu- 
thung  richtig;  denn  nach  den  neuen  Untersuchungen  von  Gra- 
b  e  r  (Insecten  II.  2  pag.  513)  sind  die  Theile  des  entwickelten 
Insectes  schon  in  der  sich  eben  zur  Verpuppung  anschickenden 
Raupe  angelegt.  Untersucht  man  namlich  das  Innere  eines  sol- 
chen Raupenkopfes ,  so  sieht  man  in  demselben  die  beiden  spate- 
ren  Riisselhalften  in  Gestalt  von  zwei  langen,  gebogenen  Strangeu 
liegen.  Wie  man  diese  ontogenetische  Thatsache  aber  phyloge- 
netisch verwenden  will,  mochte  schwer  zu  sagen  sein.  Jeden- 
falls  habeu  wir  hier  einen  sehr  stark  cenogenetischen  Prozess  vor 
uns.  Aber  vom  vergleichend-anatomischen  Standpunkte  aus  kon- 
neu  wir  sehr  wohl   einige  allgemeine  Vorstellungen  iiber  diesen 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Eiissel.      lOo 

wichtigen  Vorgang  uiis  bilden;  unci  das  wolleii  wir  denn  im  Fol- 
gendeu  versuchen. 

Zimachst  stellt  sich  uus  da  ganz  naturgemass  die  Frage  ent- 
gegeu :  Begauu  die  Umformung  der  beissenden  Unterkiefer  in  ein 
Saugorgan  schon  ])ei  den  wurmahnlichen  Stammformen ,  oder  erst 
bei  den  schon  fertigen  Schmetterlingen '?  Es  giebt  einige  wenige 
Insectenlarven  mit  saugenden  Mundtheilen ;  dahin  gehiiren  z.  B. 
die  Larven  der  Hemerobiden ,  Myrmecoleontiden  und  Dytisciden. 
Allein  diese  sind  fiir  unsern  Zweck  nicht  verweudbar.  Das  Saug- 
organ der  Schmetterlinge  hat  sich  als  Anpassung  an  die  Gewin- 
nung  von  Blumennahrung ,  u.  z.  des  Nectars  der  Blumen ,  entwi- 
ckelt.  Das  ist  bei  jenen  Larven  nicht  der  Fall.  Das  Wichtigste 
aber  ist,  dass  die  Imagines  jener  Larven  nicht  saugende,  sondern 
kauende  Mundwerkzeuge  besitzen.  Daraus  ergiebt  sich,  dass  wir 
es  hier  nur  mit  secundaren  Anpassungeu  der  Larven  selbst  zu 
tlmn  haben.  Und  da  ferner  Schmetterlingsraupen  mit  saugenden 
Mundwerkzeugen  nicht  bckannt  sind,  so  ist  auch  nicht  anzuneh- 
men,  dass  das  Saugorgan  schon  bei  ihnen  entstanden  sei;  viel- 
mehr  wird  es  sich  erst  bei  den  schon  fertigen  Schmetterlingen 
entwickelt  haben. 

Da  wir  aus  einem  Vergleich  der  jetzt  lebenden  Schmetter- 
linge keine  sichercn  Anhaltspunkte  fiir  die  Art  jener  Entwicklung 
gewinnen  konnen,  so  wollen  Avir  uns  einmal  an  die  muthmaassli- 
chen  Stammeltern  der  Schmetterlinge  wenden.  Als  diese  liaben 
sich  in  der  letzten  Zeit  mit  immer  steigender  Gewissheit  die 
Phryganideu  herausgestellt.  Die  Griinde  fiir  diese  im^  hoclisten 
Grade  wahrscheinliche  Stammverwandtschaft  will  ich  hier  nicht  er- 
ortern;  ich  verweise  einfach  auf  verschiedene  Arbeiten  von  H. 
Miiller  und  A.  Speyer.  Die  Mundtheile  der  Phryganiden  las- 
sen  noch  deutlich  den  Typus  der  kauenden  Insecten  erkennen; 
aber  ihrer  physiologischen  Function  nach  sind  sie  ausschliesslich 
saugend,  so  dass  wir  hier  die  Natur  gewissermaassen  bei  der  Um- 
bildung  ertappen.  Die  Oberkiefer  sind  schon  stark  rudimentar. 
Die  in  die  Lange  gestreckte,  meist  lanzettformige  Oberlippe  ist 
auf  ihrer  Unterseite  mit  einer  Langsrinne  versehen.  Die  Untei'- 
lippe  ist  gleichfalls  verlangert  und  an  ihrem  vorderen,  freien  Ende 
loffelformig  gestaltet ;  ausserdem  ist  sie  ahnlich  wie  die  Oberlippe, 
nur  natiirlich  auf  ihrer  oberen  Seite,  mit  einer  zum  Munde  fuh- 
renden  Langsrinne  versehen.  Die  Unterkiefer  sind  mit  ihrem 
Stammtheil  mit  dem  Basaltheil  der  Unterlippe  fest  verwachseu, 
wahrend  die  Laden  frei  sind  und  eine  lappenformige  Gestalt  ha- 
ll* 


164  Wilhelm  Breitenbach, 

ben.  Oberlippe  und  Uuterlippe  stehen  sich  gegeniiber,  und  indem 
nun  die  beiden  sich  gleichfalls  gegeniiber  stehenden  Unterkiefer 
seitlich  hinzutreten,  entsteht  das  einfache  Saugrohr  der  Phryga- 
niden. 

Aus  diesem  nur  in  seinen  .allgemeinen  Umrissen  angedeuteten 
Befunde  diirfen  wir  unter  Voraussetzung  der  Richtigkeit  der  An- 
nahme  von  der  Stammverwandtschaft  der  Lepidoptera  und  Phry- 
ganideu  wohl  aunehmen,  dass  bei  der  Umformung  der  kauendeu 
Mundtheile  der  Urschmetterlinge  in  saugende  sich  zunachst  nicht 
nur  die  Unterkiefer  allein  betheiligten ,  sondem  auch  noch  Unter- 
lippe  und  Oberlippe.  Da  nun  aber  bei  den  entwickelten  Schmet- 
terlingeu  das  Saugorgan  allein  aus  den  umgewandelten  Unterkie- 
fern  besteht,  so  miissen  nachtraglich  Unterlippe  und  Oberlippe 
ihre  Betheiligung  an  der  Zusammensetzung  des  Saugapparates  auf- 
gegeben  haben.  Die  beiden  Lippen  wurden  zum  Aufbau  des  Saug- 
organes  uberfliissig,  wenn  die  Unterkieferladen  etwas  naher  zu- 
sammentraten  und  wenn  ihre  oberen  und  untern  Rander  sich  so- 
weit  gegeneinander  bogen,  bis  sie  mit  einander  in  Beriihrung 
traten.  In  diesem  Falle  war  aus  den  Unterkiefern  allein  eine 
Rohre  gebildet. 

Was  lasst  sich  nun  etwa  zu  Gunsten  einer  solchen  Verande- 
rung,  wie  sie  in  den  Mundtheilen  der  Urschmetterlinge  nach  mei- 
ner  Auffassung  eingetreten  sein  muss,  angebenV  Aus  der  Dar- 
win'schen  Selectionstheorie  geht  unmittelbar  hervor,  dass  nur 
solche  Abanderungen  Aussicht  haben  im  Kampfe  um  das  Dasein 
durch  natiirliche  Zuchtung  erhalten  zu  werden,  welche  dem  Indi- 
viduum  Oder  der  Art  vortheilhaft  sind.  Nehmen  wir  die  ange- 
deutete  Veranderung  in  den  im  Entstehen  begriffenen  saugendeu 
Mundtheilen  der  Urschmetterlinge  an,  so  handelt  es  sich  nun 
fiir  uns  darum ,  zu  zeigeu ,  ob  und  welche  Vortheile  dieselbe  fiir 
die  Thiere  mit  sich  brachte.  Ich  glaube,  es  lassen  sich  hinrei- 
chend  genug  Vortheile  auffinden,  um  die  Annahme  der  angegebe- 
nen  Veranderung  als  nicht  zu  gewagt  erscheinen  und  damit  die 
vermuthete  Entwicklung  der  Mundtheile  der  Schmetterlinge  als 
wahrscheinlich  stattgefunden  annehmen  zu  lassen. 

Zunachst  ist  hervorzuheben,  dass  durch  die  Ausschaltuug  der 
Oberlippe  und  Unterlippe  aus  dem  Apparat  eine  ganz  bedeutende 
Vereinfachung  desselben  herbeigefiihrt  wurde.  Als  der  Saugappa- 
rat  sich  noch  aus  der  Oberlippe,  den  beiden  Unterkiefern  und 
aus  der  Unterlippe  zusammensetzte,  musste  der  Verschluss  zu 
einer  Rohre  natiirlich   an  vier  Linien   hergestellt   werden.    Jetzt, 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Eiissel.     165 

Each  Ausfall  der  beiclen  Lippen,  wird  der  Verschluss  an  uur  zwei 
Linien  bewirkt,  jedenfalls  eine  grosse  und  vortheilhafte  Vereinfa- 
chung;  deiin  mit  je  geringeren  Mitteln  ein  und  derselbe  Zweck 
erreicht  werden  kann ,  um  so  besser  ist  es  nattirlich  fiir  den  Be- 
sitzer.  Demgemass  wurde  jede  Abanderung  in  den  Mundtheileu 
der  Urschmetterlinge ,  welclie  darauf  hinzielte,  die  Unterkiefer 
einander  zu  nahern,  sicli  erhalten;  und  da  in  demselben  Maasse, 
wie  diese  Annaherung  stattfand,  Unterlippe  und  Oberlippe  ent- 
behrlich  wurden,  so  wurden  diese  allmalig  immer  mehr  riickge- 
bildet;  deuu  eine  allmalig  fortschreitende  Functionslosigkeit  eines 
Organes  hat  immer  eine  in  demselben  Verhaltniss  eintretende  mor- 
phologische  Verkiimmerung  im  Gefolge.  Auf  Kosten  dieser  Ver- 
kiimmerung  konnten  sich  aber  die  Unterkiefer  ihrerseits  mach ti- 
ger entwickeln;  denn  es  ist  ja  ein  allgemeines  Gesetz,  dass,  wenn 
gewisse  Organe  eingehen,  andere  zunehmen,  die  friiher  dem  be- 
treffenden  Organ  zukommende,  jetzt  nicht  mehr  an  dieser  Stelle 
gebrauchte  Bildungsmasse  wird  von  andeni  Organen  zu  ihreni 
eigenen  Vortheil  in  Anspruch  genommen.  Noch  einen  Gesichts- 
punkt  mochte  ich  hier  geltend  machen.  Die  Lebensweise  der 
Schraetterlinge  ist  eine  ausserst  einseitige,  da  sie  ausschliesslich 
von  flussiger  Nahrung  leben  und  diese  ausserdem  noch  stets  den 
Blumen  (mit  wenigen  Ausnahmen  allerdings  auch  den  Friichten) 
entnehmen.  Je  einseitiger  daher  das  dem  Zweck  der  Nahrungs- 
aufnahme  dienende  Organ  sich  entwickelte,  um  so  sicherer  wurdc 
nattirlich  die  Aussicht  auf  eine  erspriessliche  Erlangung  jenes  Nah- 
ruugssaftes,  d.  h.  um  so  mehr  Vortheile  brachte  eine  solche  Ent- 
wicklung  dem  betreffenden  Thier.  Ein  Apparat,  welcher  nur  einem 
Zwecke  dient,  kann  aber  diesen  Zweck  viel  vollkommener  erfullen, 
als  ein  anderer  Apparat,  welcher  zugleich  noch  andere  Arbeiteu 
auszufuhren  hat.  In  der  That  haben  denn  auch  die  Schmetter- 
linge,  was  die  Ausbeutung  der  Honig  fiihrenden  Blumen  anbe- 
langt,  alle  andern  Insecten  weit  hinter  sich  gelassen,  wie  das  aus 
einer  einfachen  Vergleichung  der  Riissellangen  bei  den  verschie- 
denen  Blumen  besuchenden  Insecten  unmittelbar  hervorgeht.  Da 
nun  aber  ein  einfacher  Apparat  zur  Entwicklung  nach  einer  ein- 
zigen  Richtung  augenscheinlich  vielmehr  Chancen  fiir  sich  hat  als 
ein  complicirter  Mechanismus,  so  wird  es  auch  von  diesem  Ge- 
sichtspunkte  aus  annehmbar  erscheinen,  dass  eine  Veranderung, 
wie  sie  oben  vermuthet  wurde,  thatsachlich  stattgefunden  hat. 
Es  darf  nattirlich  nicht  vergessen  werden,  dass  nachtraglich  in 
dem  urspriinglich   einfachen  Mechanismus    complicirte  secundare 


166  Wilhelm   Breiteubach, 

Bilduugeii  auftreten  konuen.  Als  s(^lclie  waren  in  unseriii  Fall 
namentlicli  der  Verschluss  der  Riisselhiilften  und  die  Papilleii  an 
der  Eiisselspitzc  anziifiiliren.  Allein  diese  secimdaren  Zuthaten 
kommen  hicr  gar  nicht  in  Bctracht,  da  sie  die  urspriingliclie  Be- 
stimmung  des  Organes  keineswegs  verandern  oder  gar  compliciren. 

Icli  habe  schon  im  Eingang  dieses  Abschnittes  darauf  binge- 
wiesen ,  dass  wir  nicht  im  Stande  sind ,  aus  einer  blossen  Ver- 
gleichung  der  Mundtheile  jetzt  lebender  Schmetterliuge  die  pby- 
logenetische  Entstebimg  des  Saiigriissels  al)zuleiten.  Allerdings 
giebt  es  zahlreiche  Schmetterlinge  niit  sehr  verkiimmerteu  Mund- 
werkzeugen.  Bei  einigen  Scbmetterlingen  bestehen  dieselben  ledig- 
lich  aus  hocbst  uuscheiubaren  Wiirzchen.  Da  aber  mit  diesen 
Warzchen  absolut  keine  Saugarbeit  verrichtet  werden  kaun,  so 
miissen  wir  annelmien,  dass  dieser  Zustand  der  Miindwerkzeuge 
keiu  iirspriinglicher,  d.  h.  nicht  der  Anfang  zu  einer  neuen  Ent- 
wicklung  ist,  sondern  vielmehr  ein  im  hochsten  Grade  riickgebil- 
deter,  d.  h.  das  Ende  einer  rlickschreitenden  Entwicklung.  Or- 
gane,  welche  absolut  keine  Function  haben ,  sind  wohl  immer  als 
riickgebildet  zu  betrachten,  wiihrend,  wenn  sie  noch  eine  Function 
ausuben,  und  sei  es  auch  eine  nur  unbedeutende ,  man  immer  in 
Zweifel  sein  kann,  ob  man  es  mit  dem  Anfang  «der  Ende  einer 
P^ntwicklung  zu  thun  hat.  So  darf  man  denn  auch  nicht  sagen, 
dass  a  lie  Schmetterlinge  mit  rudimentiirem  Saugorgan  rtickgebil- 
dete  Entwickhmgstufen  darstellten.  Eine  eingehende  vergleichende 
Untersuchung  der  bierher  gehorenden  Schmetterlinge  milsste  die- 
sen  Punkt  aufhellen.  Vielleicht  liessen  sich  dann  auch  noch  An- 
haltspunkte  fiir  die  Beantwortung  der  Frage  nach  der  phylogene- 
tischen  Entstehung  der  Schmetterlingsrtissel  gewinnen.  Bisher 
sind  aber  solche  Untersuchungen  noch  nicht  angestellt  worden 
und  mir  selbst  hat  es  an  Material  dazu  gefehlt.  Es  ware  aber 
wiinschenswerth ,  wenn  derartige  Untersuchungen  recht  bald  in 
ausgedehntester  Weise  ausgefiihrt  wiirden! 

Auf  den  vorhergehenden  Zeilen  glaube  ich  es  einigermaassen 
verstandlich  gemacht  zu  haben,  wit;  wir  uns  die  Entstehung  des 
Saugapparates  der  Schmetterlinge  mit  Zuhiilfenahme  der  aller- 
dings  sehr  sparlichen  in  der  jetzigen  Insectenwelt  (soweit  mir  be- 
kannt)  gegebenen  Daten  vorstellen  diirfen.  Es  ist,  wie  Jedermann 
weiss,  immer  misslich,  sich  in  derartige  Speculationen  einzulassen, 
zumal  wenn  so  wenig  thatsiichliche  Anhaltspunkte  vorhanden  sind 
wie  in  unserm  Falle.  Ein  Umstand  aber  scheint  mir  doch  gerade 
hier  eine  solche  phylogenetische  Betrachtung  zu  rechtfertigen.    Der 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Banes  der  Schmetterlings-Riissel.      167 

Saiigapparat  ist  von  alien  Mundtheilen  der  Insecten,  die  docli  so 
sehr  mannigfaltig  sind,  der  einfachste  und  einseitigste.  Diese 
Eiuseitigkeit  und  Einfachheit  in  der  Ausbildmig  der  fertigen  Form 
lasst  auch  auf  eine  einfaclie  Entwicklung  zuriickschliessen ;  und  eine 
einfache  Entwicklung  lasst  sich  nattirlich  leichter  construiren  als 
eine  coniplicirte.  In  der  That  haben  wir  gesehen,  dass  die  Ent- 
wicklung des  Rilssels  der  Schmetterlinge  wahrscheinlich  eine  sehr 
einfache  Avar. 

Nachdem  wir  vcrsucht  haben,  uns  eine  klare  Vorstellung  von 
der  ersten  Entstehung  des  Saugrussels  der  Schmetterlinge  zu  raa- 
chen,  wenden  wir  uns  zur  Aufsuchung  deijenigen  I'rsachen,  welche 
das  allmalige  Laugerwerden  des  Riissels  bewirkt  liabeu.  Durch 
die  umfassenden  Untersuchungen ,  die  in  den  letzten  Jahren,  na- 
mentlich  von  H,  Muller,  auf  dem  grossen  Gebiete  der  „Befruch- 
tung  der  Blumen  durch  Insecten"  angestellt  worden  sind,  hat 
sich  mit  immer  zunehniender  Gewissheit  herausgestellt ,  dass  ge- 
wisse  Eigenthiimlichkeiten  der  Blumen  und  gewisse  Eigenthiim- 
lichkeiteu  der  die  Blumen  besuchenden  Insecten  in  gegenseitiger 
Anpassung  aneinander  sich  cntwickelt  haben.  Da  die  insecten 
auf  den  Blumen  entweder  Hnnig  oder  Bliithenstaub,  oder  beides 
zugleich  suchen,  so  werden  sich  bei  ihnen  Anpassungen  linden, 
welche  sich  auf  die  Gewinnung  dieser  Stofte  beziehen.  Bei  den 
nur  Houig  saugeuden  Schmetterlingen  haben  wir  in  dem  Saug- 
riissel  eine  seiche  Anpassung.  Die  Verlangerung  des  Schmetter- 
lingsriissels  ist  in  gegenseitiger  Anpassung  mit  der  allmaligen 
Ausbildung  der  Honigbehalter  gewisser  Blumen  vor  sich  gegangen. 
Diesen  Satz  wollen  wir  durch  eine  kleine  Betrachtung  klar  zu  ma- 
cheu  suchen.  Die  urspriinglichen  Insectenbluraen  waren,  wie  das 
H.  Mttller  in  ausgezeichneter  Weise  zu  entwickeln  verstanden 
hat  (Kosmos,  Bd.  Ill),  einfache  offene  Blumen  mit  freiliegendem, 
allerdings  durch  eine  besondere  Vorrichtung  (Saftdecke)  geschiitz- 
tem  Honig.  Die  jetzigen  Schmetterlinge  sind  im  Allgemeinen  sol- 
cheu  Blumen  angepasst,  deren  Honig  sich  in  langen  Nectarien 
aufgespeichert  vorfindet.  Wir  werden  also  zunachst  zu  untersu- 
chen  haben ,  welchen  Vortheil  es  fur  die  Blume  mit  sich  brachte, 
wenn  ihr  Honig  in  eine  kleine  Vertiefung,  den  Anfang  einer  Rohre, 
eingeschlossen  wurde.  Offenbar  konnte  eine  grossere  Menge  von 
Honig  sich  ansammeln  und  gleichzeitig  war  derselbe  sowohl  ge- 
gen  Regen  mehr  geschiitzt,  als  auch  gegen  den  Raub  solcher  In- 
secten, welche  der  Blume  nicht  den  Dienst  der  Befruchtung  zu 
leisten  vermochten.    Eine  Anzahl  unnutzer  Gaste  wurde  also  bald 


168  Wilhelm  Breiteubach, 

voni  BesLich  dieser  Blunien  ausgesclilosseu.  Aber  auch  der  Blunie 
niitzliche  Insecten  wiirden  ausgesclilosseu  werden,  well  sie  mit 
ihreii  kurzeii  Mundwerkzeugen  den  tiefer  liegenden  Honig  nicht 
mehr  erreichen  konnten.  Das  scheint  zunaclist  ein  Nachtheil  fiir 
die  Blume  zu  sein.  Nelimen  wir  uun  aber  an,  es  seien  Schmet- 
terlinge  mit  langeren  Riisseln  aufgetreten,  welche  ira  Staude  wa- 
ren,  den  in  einer  Rohre  geborgenen  Honig  zu  erreichen!  Diese 
Schmetterlinge  wiirden  bald  den  Vortlieil,  den  diese  Blumen  mit 
verborgeuem  Honig  fiir  sie  batten,  erkennen  und  diese  uun  uui 
so  eifriger  besuchen.  Die  Schmetterlinge  bekamen  also  in  den 
entstandenen  Nectarien  ausgiebigere  Nahrungsquelleu,  da  die  kurz- 
riisseligeren  Concurrenten  fehlten;  und  die  Blumen  erhielteu  in 
den  Schmetterlingen  mit  langeren  Riisseln  stete  Gaste,  deren  re- 
gelmassiger  Besuch  ihuen  hinreicheud  Fremdbefruchtung  sicherte. 
So  erwiesen  sich  also  die  beiden  Variationen,  die  neu  entstande- 
nen Honigrohren  und  die  verlangerten  Riissel,  gegenseitig  als  vor- 
theilhaft;  in  Folge  dessen  wiirden  sie  sich  im  Kampfe  urn  das 
Dasein  erhalten.  Nachdem  aber  dieser  ursachliche  Zusammenhang 
zwischen  Honigrohren  und  Riisseln  sich  einmal  als  vortheilhat't 
herausgestellt  hatte,  musste  er  sich  naturnothwendig  erhalten  und 
gleichzeitig  musste  sich  die  einmal  eingeschlagene  Entwicklungs- 
richtuug  weitertreiben ,  da  ja  stets  dieselben  Vortheile  fiir  beide 
Parteien,  u.  z.  in  immer  gesteigertem  Maasse,  vorhanden  waren. 
Auf  der  einen  Seite  eutwickelten  sich  also  Schmetterlinge  mit  im- 
mer langerem  Saugriissel,  die  immer  mehr  Concurrenten  aus  dem 
Felde  schlugen;  auf  der  andereu  Seite  entstauden  Blumen  mit 
immer  langeren  Honigrohren,  wodurch  iramer  weitere  Kreise  von 
Insecten  mit  unzulanglich  langem  Riissel  von  dem  Besuch  der  be- 
treffenden  Blumen  ausgeschlossen  wurdeu. 

Mit  dieseu  kurzeu  Andeutungen  miissen  wir  es  hier  bewen- 
den  lassen ;  ich  wollte  dieseu  Gegeustaud  nur  erwahnt  haben.  Im 
Uebrigen  verweise  ich  auf  die  Arbeiten  H.  Miiller's. 


Auf  den  folgenden  Zeilen  soil  jetzt  der  Bau  des  Schmetter- 
lingsriissels  einer  eingehenderen  Betrachtung  unterzogen  werden. 
Da  wir  mit  dem  allgemeinen  Bau  uuseres  Organes  schon  aus  der 
geschichtlichen  Einleitung  her  bekanut  sind,  so  ist  es  iiberfliissig, 
hier  nochmals  darauf  zuriickzukommen.  Ich  gehe  daher  gleich 
zu  denjenigen  neuen  Untersuchungen  iiber,  welche  ich  selbst  liber 
verschiedene  Punkte  im  Bau  des  Schmetterlingsrussels  angestellt 
habe  und  durch  welche,  wie  ich  glaube,  ein  Schritt  weiter  gethau 


Beitriige  zur  Kenntiiiss  des  Baues  der  Schmetterlings-Kiissel.      169 

wird  in  der  Kenntniss  dieses  fiir  deu  Schmetteiliug  so  wichtigen 
Organes. 


II.    Die  Querstreifung  auf  der  Riisseloberflache. 

Schon  Reaumur  hatte  beobachtet,  dass  die  Oberflache  des 
Russels  fein  quergestreift  erscheine.  Spatere  Beobachter,  nament- 
lich  Kirby  uud  S pence  und  Newport,  erklarten  diese  Quer- 
streifen  fiir  deu  ilusseren  Ausdruck  von  deu  Riissel  zusammen- 
setzeuden  Riugeu,  denen  ini  Innern  daun  uieistens  ebensoviele 
Ringmuskeln  entsprechen  sollten.  Dieser  ganz  irrigen  Ansicht  trat 
nieiues  Wisseus  zuerst  Gerstfeldt  entgegeu,  indem  er  sagt,  diese 
Querstreifen  gaben  dem  Riissel  nur  das  Anselien,  als  wenu 
er  aus  Ringabtlieilungeu  bestaude.  Gerstfeldt  war  audi  der 
Erste,  der  eine  genauere  Untersuchuug  dieser  Querstreifen  oder 
„Hornbogen",  wie  er  sie  nennt,  voruahm,  woriiber  icli  schon  in 
der  geschichtlichen  Einleitung  berichtet  babe.  Allein  da  er  nur 
ganz  allgemeine  Angaben  macbt,  und  da  in  der  That  eine  ziem- 
lich  grosse  Mannigfaltigkeit  in  der  Form  der  Hornbogen  vorhan- 
den  zu  sein  scheint,  und  da  endlich  bisher  noch  Niemand  die 
Bedeutung  dieser  Bildungeu  fiir  den  Riissel  erortert  hat,  so  mag 
es  sich  wohl  der  Miihe  lohnen,  wenu  wir  einen  Augeublick  bei 
diesem  Theil  des  Schmetterlingsriissels  verweilen. 

Was  zunachst  den  Stofi"  anbelangt,  aus  dem  diese  sogeuanu- 
ten  „Hornb6gen"  bestehen,  so  ist  derselbe  natiirlich  keine  echte 
Hornsubstanz ,  sonderu  Chitin,  jene  Masse,  aus  der  alle  Skelet- 
theile  des  Insectenkorpers  sich  zum  iiberwiegenden  Theile  auf- 
bauen.  Wir  wollen  die  Hornbogen  daher  in  der  Folge  als  „Chi- 
tinleisten"  bezeichnen. 

Wie  Gerstfeldt  ganz  rich  tig  bemerkt,  laufen  die  Chitin- 
leisten  von  einer  Randleiste  (Randleisten  heissen  die  Rilnder  der 
Halbkanale  jeder  Maxille)  direct  zur  andern,  d.  h.  sie  umspannen 
die  aussere  convexe  Oberflache  der  Riisselhalften ,  wahrend  die 
innere,  concave  Oberflache,  die  Halbrinne,  ihre  eigenen  Chitin- 
leisten  besitzt.  In  den  meisten  Fallen  scheinen  die  Leisten  die 
Oberflache  in  der  Weise  zu  umziehen,  dass  eine  durch  ihren  Ver- 
lauf  gelegte  Ebene  senkrecht  zur  Langsaxe  des  Riissels  steht. 
Manchraal  dagegen  machen  auch  die  Leisten  auf  der  Riisselober- 
flache einen  raehr  oder  weniger  spitzen  Winkel  wahrend  ihres 
Verlaufes,  wie  das  wohl  zuerst  von  Francis  Darwin  bei  Ophi- 


170  Wilhelm   Breitenbach, 

deres  fulloiiica  beol)achtet  wordeii  ist  (Quarterly  Journal  of  mi- 
croscopical Science,   Vol.  XV.   New.  Ser.  pag.  389). 

In  Betreff  des  allgemeinen  Vorkommens  der  Chitinleisten  ist 
zu  sageu ,  dass  sie  in  mehr  oder  minder  starker  Ausbildung  wolil 
alien  entwickelten  Rtisseln  zuzukommen  scheinen,  wenngleich  sie 
bei  einigen  audi  nur  kaiim  angedeiitet  sind.  Wie  sicli  die  ganz 
rudimentaren  Riissel  in  dieser  Hinsicht  verhalten,  vermag  ich 
nicht  anzugeben,  da  ich  dieselben  daraufliin  nicht  uutersiicht  habe. 
Die  Starke  der  Chitinleisten  ist  bei  verchiedenen  Schmetterlingen 
eine  sehr  verschiedene.  Da  sie  zum  grossten  Theil  die  Festigkeit 
des  Riis.sels  bedingen ,  so  wird  man  im  Allgemeinen  sagen  diir- 
fen,  dass  die  Chitinleisten  um  so  dicker  und  starker  sind,  je  kraf- 
tiger  und  widerstandsfahiger  der  Rtissel  ist.  So  sind  bei  den 
Riisseln  derjenigen  Schmetterlinge,  welche  nicht  nur  den  aufge- 
speicherten  freien  Honig  der  Blumen  saugen,  sondern  pflanzliches 
Gewebe  zur  Erlangung  des  in  demselben  enthaltenen  Saftes  an- 
bohren,  die  Chitinleisten  sehr  dick,  bedeutend  starker  wie  bei 
den  Riisseln  der  Schmetterlinge  der  ersteren  Art.  Die  Chitinlei- 
sten sind  nicht  gleichmassig  iiber  die  ganze  Oberflache  des  Riis- 
sels  vertheilt :  an  der  Spitze  namentlich  sind  sie  in  der  Regel  viel 
AYeniger  zahlreich  mid  ausgebildet  als  weiter  hinten  am  Riissel. 
Ein  Griind  davon  ist  wohl  folgender.  Wie  wir  spater  eingehend 
erfahren  werden,  ist  die  Spitze  der  meisten  Schmetteriingsriissel 
mit  oft  sehr  zahlreichen  papillenartigen  Anhangen  besetzt.  Diese 
nehmen  durch  ihre  Ansatzstellen  einen  bedentenden  Platz  ein,  so 
dass  dann  der  Raum  fiir  die  Chitinleisten  sehr  eingeschrankt  ist. 
Einen  iioch  anderen  Grund  werden  wir  iiachher  kennen  lerneu, 
wenn  von  der  Bedeutung  der  Chitinleisten  iiberhaupt  die  Rede 
sein  wird. 

Bisher  habe  ich  immer  nur  von  Chitinleisten  gesprochen. 
Es  konnte  demnach  scheinen,  als  wenn  die  gedachten  Bildungen 
in  alien  Fallen  continuirliche  Leisten  oder  Strange  waren.  Das 
ist  aber  keineswegs  der  Fall;  vielmehr  kommen  anch  noch  andere 
P'ormen  vor.  Sehr  oft  finden  sich  Unterbrechungen,  so  dass  dann 
eine  Leiste  aus  mehreren  hintereinander  liegenden  Stiicken  be- 
steht.  Diese  Auflosung  der  continuirlichen  Leisten  in  gesonderte 
Abschnitte  kann  mitunter  so  weit  gehen,  dass  eine  solche  Leiste 
aus  sehr  vielen  kleinen ,  unregelmassig  rimdlichen  oder  ovaleu 
Chitinflecken  zusammengesetzt  erscheint.  An  vielen  Riisseln  kann 
man  auch  beobachten,  dass  beide  Extreme  (einzelne  Flecke  und 
continuirliche  Leisten)  ganz  allmalig  in  einauder  iibergehen.    Ein 


Beitriige  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterliugs-Riissel.      171 

aiisgezeichnetes  Beispiel  dieser  Art  bieten  uns  die  Riissel  iinseror 
gewohnlichen  Weissliiige,  Pieris,  die  wir  uns  daher  etwas  geiiauer 
anselien  wollen.  Untersucht  man  die  Spitze  des  Riissels,  so  sieht 
man,  dass  auf  der  Oberflache  zahlreiche  kleinc  schwarze  Chitin- 
flecke  ziemlich  dicht  bei  einander  stehen  (Fig.  1).  Bel  sorgfalti- 
ger  Betrachtung  dieser  Flecke  wird  man  bald  erkennen,  dass  die- 
selben  eiue  gewisse  Regelmassigkeit  in  der  Anordnung  zeigen ,  so 
zwar,  dass  sie  deutlidi  das  Bestreben  kuudgeben,  Querreihen  zu 
bilden. 

Seheu  wir  uns  jetzt  ein  Oberflaclienstuck  an ,  welches  weitcr 
der  Basis  des  Riissels  zu  liegt,  so  wird  das  Bild  ein  wenig  ver- 
ilndert  (Fig.  2).  Zunachst  erblickeu  wir  wieder  die  kleinen  Chi- 
tinflecke;  daneben  aber  erscheinen  einzelne  langere  Streifen.  Es 
sind  also  oiienbar  einige  jener  in  einer  Reihe  hintereiuander  ge- 
lagerter  Stticke  zu  langeren  Streifen  mit  einander  versclimolzen. 
Je  mehr  wir  uns  der  Basis  des  Riissels  naliern,  um  so  mehr  Chi- 
tinflecke  verschmelzen  rait  einander,  und  um  so  liinger  Averden 
die  dadurcli  entstandenen  Streifen,  bis  schliesslich  an  Stelle  der 
einzelnen  Flecke  continuirliche  Leisten  getreten  sind  (Fig  3). 

Schon  Gerstfeldt  hat,  wie  wir  aus  der  geschichtlichen  Ein- 
leitung  wissen ,  darauf  aufnierksam  gcmacht ,  dass  die  Chitinlei- 
sten  nicht  immer  einfach  sind,  sondern  sich  oft  gabelzinkig  thei- 
len.  Dabei  will  ich  bemerken,  dass,  wo  solche  Theilungen  vor- 
kommen,  immer  nur  zwei  Zinken  vorhanden  sind,  niemals  aber, 
wie  Gerstfeldt  angiebt,  auch  drei;  ich  habe  wenigstens  nie 
mehr  als  zwei  gefunden,  und  Gerstfeldt  sagt  uns  leider  auch 
nicht,  wo  er  drei  Zinken  angetroften  hat.  In  einzelnen  Fallen 
beobachtet  man  in  dem  Rauni,  welchen  die  beiden  Zinken  zwi- 
schen  sich  lassen ,  noch  ein  Chitinstiick  von  entsprechender  Liluge 
(Fig.  13).  Wahrend  aber  dieses  Vorkoramen  nicht  gerade  sehr 
haufig  ist,  da  die  Zinken  meist  sehr  dicht  zusammen  stehen,  kann 
man  dagegen  eine  andere  iVIodifikation  sehr  hiiufig  beobachten. 
Da  von  einer  mathematischen  Regelmassigkeit  der  Anordnung  der 
Chitinleisten  in  Parallelreihen  natilrlich  nicht  die  Rede  ist,  so 
linden  sich  oft  benachbarte  Leisten,  welche  in  einem  Theil  ihres 
Verlaufes  bedeutend  weiter  auseinanderstehen  als  im  andern.  In 
solchen  Fallen  tritt  dann  zAvischen  die  auseinander  geriickten  Theile 
der  Leisten  regelmassig  ein  Chitinstreifen  von  entsjjrechender  Lange, 
d.  h.  derselbe  reicht  bis  zu  dem  Punkte,  von  avo  an  die  benach- 
barten  Leisten  sich  wieder  naher  treten.  Natlirlich  beriihrt  der 
eingeschobene  Streifen  keine  der  Hauptleisten. 


172  Wjlhclm  Brcitenbach, 

Die  aiigedeuteteu  Verhaltnisse,  namentlich  die  unzusammen- 
hangendeu  Chitinflecke  und  die  Unregelmassigkeiten  in  der  An- 
ordnung  der  Leisten  zeigen  aufs  Unzweideutigste ,  dass  die  Chi- 
tinleisten  absolut  nicht  der  aussere  Ausdruck  von  den  Riissel  zu- 
sammensetzenden  Ringen  sein  konnen.  Was  sollen  wir  bei  dieser 
Vorstellung  mit  den  Gabelzinken  anfangen  oder  gar  mit  jenen 
kleinen  Streifen,  welche  zwischen  einen  Theil  des  Verlaufes  gan- 
zer  Leisten  eingeschaltet  sind  ?  Eine  eiufache  genaue  Betrachtuug 
der  Querstreifung  der  Riisseloberflache  hatte  also  sofort  die  Un- 
richtigkeit  der  Verrauthung  ergeben  miissen,  welclie  raau  gerade 
aus  derselben  iiber  den  Bau  des  Russels  ableitete,  dass  er  nam- 
lich  aus  Ringen  aufgebaut  sei. 

Woher  riihren  die  besprochenen  Unregelmassigkeiten  in  der 
Anordnung  der  Chitinleisten  V  Wir  erinnern  uns,  das  schon  bei 
den  einzelnen  Chitinflecken  an  der  Riisselspitze  (Fig.  1)  das  Be- 
streben  eiuer  Anordnung  in  Querreihen  unverkennbar  war.  Aber 
wie  ein  Blick  auf  die  Figur  lelirt,  ist  die  Anordnung  weit  davon 
entfernt  regehniissig  zu  sein.  Wtirde  in  unserer  Figur,  die  mit 
dera  Prisma  gezeiclmet  wurde  und  die  also  die  gegenseitige  La- 
genmg  der  Chitinstiicke  getreu  wiedergiebt ,  eine  Verschmelzung 
hintereinander  gelegeuer  Stiicke  eintreten,  so  wiirden  beispiels- 
weise  bei  a,  h  und  c  aller  Wahrscheinlichkeit  uach  Gabelzinken 
entstehen;  bei  a  wtirde  ausserdem  in  der  Zinke  noch  ein  Chitiu- 
stuck  zu  liegen  kommen.  Bei  b  konnte  indess  auch  ebensogut 
der  andere  Fall  eintreten;  kurz  hier  stehen  die  verschiedenen 
Moglichkeiteu  noch  selir  often.  Die  Unregelmassigkeiten  in  der 
Anordnung  der  ausgebildeten  Leisten  sind  also  schon  durch  Un- 
regelmassigkeit  der  Anlage  bedingt. 

Die  auf  dcm  Riissel  stets  vorhandenen  Haare  werden  in  der 
Kegel  von  den  Chitinleisten  umfasst,  so  zwar,  dass  die  Rander  der 
Leisten  nicht  mit  der  chitinosen  Basalumhullung  der  Haare  in  Ver- 
bindung  treten.  Indessen  kommt  es  auch  vor,  dass  Haare  in  den 
Chitinleisten  selbst  wurzeln;  dies  ist  gewohnlich  dann  der  Fall, 
wenn  die  Chitinleisten  sehr  breit  sind.  Immer  ist  aber  auch  in 
diesen  Fallen  noch  deutlich  die  Basalumhullung  der  Haare  von 
der  Chitinleiste  zu  unterscheiden.  Li  einem  spateren  Abschnitt 
werden  wir  auf  diesen  Punkt  noch  einmal  zuruckzukommen  haben. 

In  ahnlicher  Weise  wie  bei  Pieris  konnen  wir  die  allmalige 
Ausbildung  continuirlicher  Chitinleisten  aus  der  Verschmelzung  ur- 
sprunglich  getrennter,  einzelner  Stucke,  von  der  Spitze  anfangend 
und  zur  Basis  fortschreitend,  bei  Vanessa  verfolgen.    Die  einzelnen 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterliugs-Eiissel.     173 

Radien  sind  aber  hier  bei  Weitem  iiicht  so  deutlich  ausgepragt, 
wie  bei  Pieris,  da  schon  an  der  Spitze  eininal  die  eiuzeliien  Chi- 
tinstiicke  bedeuteiid  grosser  sind,  und  sodann  viel  niiher  bei  einan- 
der  stehen.  Ja  manchmal  scheint  es  bei  Vanessa  audi  vorzukoni- 
men,  dass  die  Vereinigung  der  einzelnen  ChitinstUcke  zu  continuir- 
lichen  Leisten  gar  nicht  voUstaudig  zu  Stande  kommt.  So  finde 
ich ,  dass  bei  Vanessa  Cardui  die  Querreihen  nie  vollstandig  sind, 
sondern  dass  auf  einer  Seite,  u.  z.  auf  der  oberen  Russelseite,  ini- 
mer  noch  einzelne  unverbundene  Stticke  sich  vorfinden. 

Es  giebt  also  Riissel,  bei  denen  es  nur  zu  einer  unvollkom- 
njeneu  Vereinigung  der  einzelnen  Chitinstiicke  zu  continuirlichen 
Leisten  kommt,  Diesen  gegeniiber  giebt  es  aber  auch  solche  Riis- 
sel, bei  denen  das  gerade  Gegentheil  statt  hat,  bei  denen  einzelne 
unverbundene  Chitinstiicke  iiberhaupt  nicht  mehr  anzutreti'en  sind. 
Von  der  Spitze  an  bis  zur  Basis  bemerkt  man  nur  continuirliche 
Leisten.    Diese  Form  scheint  ziemlich  haufig  vorzukommen. 

Wir  haben  jetzt  eine  Erscheinung  zu  besprechen ,  die  uns  zu 
einer  kleinen  Erwagung  iiber  die  Entstehungsart  der  Chitinleisten 
luhren  wird.  Soweit  meine  bisherigen  Erfahrungen  reichen ,  sind 
in  den  meisten  Fallen  die  Riinder  der  Chitinleisten  einfache,  frei- 
lich  mehr  oder  weniger  gekrummte  Linien.  (Vergl.  Pieris  oder 
Heliconius).  In  andern  Fallen  sind  dagegen  die  Rander  nicht  glatt, 
sondern  eingeschnitten,  gekerbt,  u.  z.  entweder  nur  auf  einer  Seite, 
oder  auf  beiden.  In  letzterem  Falle  sieht  die  Leiste  dann  perl- 
schnurartig  aus.  Auf  einer  Seite  gekerbt  sind  die  Rander  der 
Chitinleisten  z.  B.  von  Egybolis  Vaillantina.  Die  Einkerbungen 
linden  sich  an  der  der  Riisselspitze  zugekehrten  Seite  der  Leisten. 
Uebrigens  scheint  dieser  Fall  sehr  selten  vorzukommen;  denn  ich 
erinnere  mich  nicht,  demselben  bei  noch  andern  Schmetterlingen 
begegnet  zu  sein. 

Bei  Argynnis  sind  die  Chitinleisten  an  der  Spitze  und  in  der 
Nahe  derselben  mit  einfachen  Rilndern  versehen  (Fig.  5,  6).  Wel- 
ter der  Basis  zu  aber  sehen  wir  an  denselben  nach  und  nach  seit- 
liche  Einschniirungen  auftreten,  bis  schliesslich  eine  zierliche  Perl- 
schnurform  vor  uns  liegt  (Fig.  7).  Bei  dieser  Bildung  bleibt  es 
aber  nicht;  denn  wenn  wir  den  Riissel  noch  welter  hinten  unter- 
sucheu,  etwas  iiber  die  Mitte  seiner  Lange  hinaus  (von  der  Spitze 
zur  Basis  hin  gerechnet),  so  sehen  wir,  dass  die  perlschnurartigen 
Leisten  sich  zum  Theil  wieder  in  einzelne,  ovale  Stiicke  aufgelost 
haben,  und  schliesslich  wird  diese  Auflosung  auch  vollstandig 
(Fig.  8).    Am  Russel  von  Arge  Galathea  geht  dies  nicht  so  weit; 


174  Wilhelm  Ereitenbach, 

wolil  siud  die  Einschnurungen  schon  duich  die  gauze  Brcite  der 
Leisten  gegaugen,  aber  die  einzelnen  Stilcke  siiid  nocli  uicht  aus- 
eiiiander  geriickt,  resp.  eiuzeliie  sind  noch  nicht  aus  der  Reilie  ge- 
schwundeii.  Vergleiclien  wii'  den  Piii.ssel  von  Pieris  niit  dcm  von 
Aigyunis,  indem  wir  bei  Betrachtung  beider  an  der  Spitze  anfangeii 
und  von  da  zur  Basis  foitschieiten,  so  bekomnien  wir  bei  beideu 
im  Wesentlichen  dieselben  Bilder,  nur  bei  deni  einen  Riissel  in 
uingekehrter  Reilienfolge  wie  bei  dem  andeni. 

Wie  sind  nun  diese  Bilder  zu  deuten?  Bei  Pieris  haben  wir 
sie  stillscliweigend  so  gedeutet ,  als  hiitten  wir  es  mit  einem  Pro- 
zess  der  Verschmelzung  zu  than,  der  an  der  Basis  des  Piiissels 
angefangen  liabe  und  von  dort  zur  Spitze  fortgeschritten  sei.  Das 
Resultat  dieses  Vorganges  war  dann  das  Entstehen  continuiriicher 
Leisten  aus  urspriinglich  getrennten  Stiicken.  Nehmen  wir  auch 
bei  Argynuis  einen  solchen  Pruzess  der  Verschmelzung  an,  so  niiis- 
seii  wir  denselbeii  offenbar  in  der  umgekeliiten  Richtung  haben 
vor  sich  gehen  lassen  wie  bei  Pieris.  Abor  vielleicht  lassen  die 
Bilder  bei  Argjnnis  noch  cine  andere  Deutung  zu.  Moglicher 
Weise  konnten  wir  es  gar  nicht  mit  einer  Verschmelzung  urspriing- 
licher  getreimter  Stucke  zu  thun  haben,  sondern  vielmehr  mit 
einer  Auflosuug  urspriinglich  zusammenhiingender  Leisten  in  ein- 
zelne  Stiicke.  Dafiir  v.tirde  man  unter  Umstiinden  die  beider- 
seitigen  Einkerbungen  in's  Feld  fiihren  diiri'en,  nameutlich  audi 
die  Form  bei  Arge  Galathea,  wo  die  einzelnen  Stucke  schon  deut- 
lich  getreunt  sind,  nur  noch  dicht  aneinander  liegen.  Allein  eine 
solche  Auflosung  anstatt  der  Verschmelzung  angenomnien,  wesshalb 
finden  wir  denn  nicht  auch  bei  Pieris  jene  perlschnurartige  Form 
der  Leisten  vor? 

Es  scheint  mir  fast,  als  ob  sich  eine  einheitliche  Autiassurig 
dieser  Vorgiinge  gar  nicht  gewinnen  liesse;  wenigstens  gestatten 
die  bisherigen  Beobachtungen  eine  solche  nicht.  Wollten  wir  fur 
allc  Fiille  eine  Verschmelzung  urspriinglicher  Einzelstucke  anueh- 
men,  so  miisstcn  wir  uus  vorstellen,  der  Prozcss  sei  bei  den  ver- 
schiedenen  Schmetterlingen  bald  an  der  Riisselbcisis  (Pieris),  bald 
an  der  Spitze  angefangen  (Argjnnis).  Bei  Annahme  einer  Auf- 
losung ganzer  Leisten  in  Einzelstucke  miissten  wir  den  Vorgang 
bei  den  betreifeuden  Schmetterlingen  dann  genau  in  der  umgc- 
kehrten  Richtung  vor  sich  gehen  lassen.  Wollen  wir  aber  die 
Richtung  der  Vorgange  einhcitlich  autfassen ,  so  mussen  wir  zwei 
veischiedene  Prozesse  annehmeu.  Ich  weiss  nicht,  welche  Autias- 
bung  ctwa  den  Vorzug  verdicnen  niiichte.     In  Anbetracht  der  an- 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Bau3s  der  Schmetterliugs-Riissel.     175 

gedeuteteu,  ziomlich  verwickelten  Verhaltnisse  wird  es  voilaufig 
Avohl  das  Beste  scin,  auf  eine  einlieitliche  Auffassiing  Veizicht  zii 
leisteu  und  anzunehmcii,  dass  die  besprochenen  Bildungen  bei  doi 
V(3rschiedeiieu  Schiuetterlingen  auf  veischiedeno  AVcisc  zu  Stande 
gekommen  sind.  Vielieicht  vermogcn  uiufassendcre  Unter.suchungL'ii 
als  ich  si(i  bisber  anstelleii  konnte,  die  jetzt  vorhaiidenen  unver- 
einbar  scheinenden  Gegensatze  aufzuhel)cn. 

Nun  sei  es  mir  gestattet,  schiiesslicli  noch  einigo  besoiidere 
Forinen  der  Chitinleisten  vorzufiihreii.  Sehr  eigeuthumiich  sind 
diejeuigen  auf  dem  Russel  von  Agraulis  Juno  (Fig.  9).  Wir  be- 
merken  da  auf  den  ersten  Blick  zwei  verschiedene  Arteu,  niiralich 
schniale  und  bieite;  beide  Fornien  wechseln  in  griirister  Regeluiils- 
sigkeit  mit  einander  ab.  Die  sciunalen  Leisteu  sind  von  der  ge- 
wohnlichen  Art,  mit  ganzen  Randern;  sie  zeigen,  wie  es  scheint, 
liiemals  eine  Gabelung.  Die  andern  Formen  beginnen  auf  der  un- 
teren  Riisselhiilfte  als  ciufache  breite  Leisten  und  bleiben  so  etwa 
bis  zwei  Drittel  ihrer  Lauge.  Dann  werdeu  sie  nach  und  nach 
brciter,  indein  ihre  Umrisse  gleiclizeitig  sehr  unregelnuissig  werden. 
Innerhalb  dieser  verbreiterten,  luit  zahlreichen  Au&buchtungen  ver- 
sehenen  Enden  bleiben  gewohnlich  einzelne  Stellen  chitinfrei;  so 
konimen  mitunter  ganz  zierliche  Bildungen  zu  Standi.  Wie  diese 
eigentliiiniliche  Zusanimensti'llung  von  regelmiissig  niit  einander 
abuechselnden  schnialen  und  breiten  Chitinleisten  etNva  entstanden 
scin  mag,  und  wie  jeue  chitinfreien  Stellen  iii  den  verbreiterten 
]uiden  hervorgebracht  sein  niogen,  dariiber  vermag  ich  leider  kei- 
nen  niihereu  Aufschluss  zu  geben.  An  dem  cinzigcn ,  in  meinem 
Besitz  befiudlichen  Russel  liess  sich  durch  Vergleichung  verschie- 
dener  Stellen  des  Riissels  kein  Auhaltspunkt  filr  eine  Erkliirung 
gewinnen.  Uebrigens  finden  sich  ahnliche  Zusammenstellungen  von 
breiteren  und  schmaieren  Leisten  auch  noch  bei  cinigen  andern 
Schmetterliugen,  nur  uicht  in  so  ausgeprilgter  Weise  wie  bei  Agrau- 
lis Juno. 

Eine  andere  Bildung  bietet  uns  Anartia  Anialthea  (Fig.  10). 
Wir  selien  sehr  feine,  uicist  gut  parallel  laufende  Chitinleisten. 
In  den  zwischcn  denselben  befindlichen  Feldern  liegen  einreihig 
angeordnet  zahlreiche  unregelmassig  gestaltete  Chitiustiicke.  Wiir- 
den  diese  Stiicke  mit  einander  verschnielzen,  so  hiltteu  wir  auch 
hier  eine  Abwechseluug  von  breiten  und  schmalen  Leisten.  Viel- 
ieicht sind  die  Bildungen  bei  Agraulis  Juno  ahnlich  entstanden. 

Der  Bildung  bei  Anartia  Amalthea  nahestchend  ist  die  bei 
Fpicalia  Numilia  (Fig,  11),  nur  mit  dem  Unterschiedf,  dass  die  in 


176  Wilhelm  Breitenbach, 

deu  Feldern  liegeuden  Ohitinstucke  nicht  unregelmassig  gestaltet 
sind,  sondern  die  Form  eiiies  spitzeii  Dreiecks  besitzen,  dessen  Spitze 
sich  ein  weiiig  iiber  die  Riisseloberflache  zu  erheben  scheint.  Die 
Spitzen  der  Dreiecke  sind  sanimtlich  der  Riisselbasis  zugerichtet. 
Bei  aiidern  Schmetterlingen  werden  diese  Dreiecke  zu  sehr  feinen 
kleiuen  Stachelii. 

Aus  den  gemachten  Angaben  gelit  wohl  zur  Geniige  hervor, 
dass  in  der  iiusseren  Form  der  Chitinleisten  eine  ziemliche  Man- 
nigfaltigkeit  herrscht,  iind  sicherlich  ist  dieselbe  noch  weit  grosser, 
wie  es  nach  dem  Vorstehendeu  scheineu  mochte.  Ich  selbst  konnte 
noch  mehrore  Formen  vorfiihren,  und  audere  werden  bei  weiterer 
Nachforschung  sicherlich  noch  gefunden  werden.  Wir  woUen  es 
aber  bei  den  gemachten  Angaben  bewendeu  lassen.  Dagegen  mochte 
ich  mir  erlauben,  hier  noch  einmal  auf  die  von  mehreren  Forscheru 
vermuthete  Zusammensetzung  des  Riissels  aus  hintereinander  lie- 
genden  Ringen  zuriickzukommen.  W  enn  man  den  Rand  der  Riissel- 
halften  aufmerksam  betrachtet,  so  sieht  man  bei  scharfer  Einstellung 
manchmal  deutliche  Einschnitte  und  diesen  entsprechend  iiber  die 
(Jberfljiche  sich  hinziehende  Streifen.  Sehr  ausgeprtigt  kann  man 
dies  z.  B.  bei  Macroglossa  wahrnehmen  (Fig.  12).  Solche  Bilder 
konnen  naturlich  sehr  leicht  die  Vermuthung  erwecken,  als  hiltte 
man  es  wirklich  mit  Ringen  zu  thun.  Allein  wir  mussen  uns 
daran  erinnern,  dass  solche  Streifuugen  der  Einfaltungen  natur- 
nothwendig  entstehen  mussten,  wenn  der  doch  nicht  starre  Russel 
sich  bestandig  einrollte  und  wieder  entrollte.  Ganz  etwas  Aehn- 
liches  sehen  wir  ja  auch  an  verschiedenen  Theilen  unseres  eigenen 
Korpers,  wo  auch  an  denjenigen  Stellen  der  Haut,  welche  die  Ge- 
lenke  iiberzieheu ,  ahnliche  Falten  vorhanden  sind ,  z.  B.  an  den 
Fingern.  Im  Uebrigen  sind  auch  jene  Faltenbildungen  an  den 
Schmetterlingsrusseln  bei  Weitem  nicht  immer  so  regelmassig  und 
scharf  ausgepragt  wie  bei  Macroglossa.  Es  wiirde  also  ganz  falscli 
sein,  wollte  man  aus  diesen  Bildungeu  auf  entsprechende  Ringe 
schliessen;  dieselben  sind  thatsachlich  nicht  vorhanden. 

Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  das  Wesentlichste  der  Form- 
verhilltnisse  der  die  ilussere  Maxillarwandung  bekleidenden  Chitin- 
leisten, soweit  die  vorliegenden  Untersuchungen  es  gestatteten, 
kennen  gelernt  haben,  eriibrigt  uns  nun  noch  ein  Wort  iiber  die 
Bedeutung  dieser  Bildungen  fur  den  Schmetterlingsriissel  zu  sagen. 
Urspriinglich ,  d.  h.  bei  den  Urschmetterlingen,  werden  die  Maxil- 
len  vvahrscheinlich  gar  nicht  oder  doch  nur  hochst  unbedeutend 
chitinig  gewesen  sein.    Bei  den  Phiyganiden,  den  wahrscheinlichen 


Beitriige   zur  Kenntuiss  des  Bancs  der  Schmetterliugs-RiJssel.      177 

Stammeltern  der  Schmetterlinge,  sind  diejenigen  Theile  der  Unter- 
kiefer,  welche  sich  ziimeist  an  dem  Aufbau  des  Saugorgaiies  be- 
theiligen,  die  Laden,  einfache  hautige  Lappeu,  also  ohne  Chitin- 
stutzen.  Das  Ganze  wird  audi  wohl  durch  Oberlippe  uud  Unter- 
lippe  hinreichend  gefestigt.  Als  nuii  aber  bei  den  Urschraetter- 
lingen  diese  beiden  Organe  ihre  Betlieiligung  an  der  Zusanimen- 
setzung  des  Saugorganes  aufgaben  und  dieselbe  einzig  den  Unter- 
kieferladen  iiberliessen,  da  bedurften  diese,  zumal  bei  ihrer  all- 
miilig  fortschreiteuden  Yerlangerung,  einer  Stutze.  So  entwickelten 
sich  denn  wahrscheinlicli  an  verschiedenen  Stellen  Chitinstiickchen, 
welche  zunachst  unregelmassig  liber  die  ganze  Obertiache  zerstreut 
waren  und  aus  denen  nacbher  die  beschdebenen  Bildungen,  u.  z. 
iinter  dem  Einfluss  der  Holibewegungen  des  Russels  als  Querleisten, 
hervorgingeu.  Wesshalb  gerade  solche  Querleisten  sich  entwickel- 
ten und  nicht  einfach  ein  gleichniassiger  Chitiniiberzug  wie  an  an- 
dern  Korpertheilen  der  Insecten,  isL  ziemlich  leicht  zu  verstehen. 
Der  Riissel  rollt  sich  bestandig  auseinander  und  wieder  zusamnien. 
Dies  wiirde  er  aber  otlenbar  nicht  kiinnen,  wenn  seine  Obertiache 
von  einer  zusanmie.  hiingenden  Chitinschiclit  iiberkleidet  ware.  Fur 
den  gedachten  Zweck  stellen  jedenfalls  solche  den  Riissel  umzie- 
henden  Ringe  die  geeignetste  Vertheilung  des  Chitin  dar;  jede 
andere  Art  der  Vertheilung  der  Chitinstiicke  setzt  entschieden  den 
Bewegungen  des  Riissels  viel  mehr  Widerstand  entgegen  als  gerade 
diese  Ringe.  Ja,  da  die  Chitinstiicke  sich  wohl  erst  dann  ent- 
wickelt  haben ,  als  der  Riissel  schon  im  Stande  war,  sich  in  Spi- 
ralvvindungeu  zu  legen,  so  mussten  uuter  dem  Einfluss  der  Roll- 
bewegungen  naturnothwendig  solche  Ringe  entstehen;  jede  andere 
Anordnung  wurde  als  der  Bewegung  hiuderlich  durch  Naturauslese 
eliminirt. 

Am  Ende  dieses  Abschnittes  haben  wir  noch  von  der  innern 
concaven  Riisseloberflache  zu  reden;  wir  werden  bald  mit  derselben 
fertig  sein.  Wie  zuerst  Gerstfeldt  bemerkt,  ist  auch  sie  mit 
Querstreifen  ausgestattet;  dieselben  hilngen  nicht  mit  denen  der 
iiusseren  Obertiache  zusammen.  Die  Streifen  sind,  soweit  meine 
Erfahrungen  reichen,  stets  einfache,  sehr  schmale  Chitinstreifen 
mit  glatten  Random;  sie  gabeln  sich  uie,  noch  bilden  sie  sonst 
jene  Unregelmassigkeiten,  wie  wir  sie  oben  kennen  gelernt  haben. 
Meistens  sind  sie  ziemlich  parallel  und  stehen  wohl  immer  dichter 
zusammen  wie  die  Leisten  der  ausseren  Obertiache.  Entsprechend 
den  gleichmassigen  Existenzbedingungen  dieses  Theiles  des  Schmet- 
terlingsrussels  sind  auch  Form  und  Anordnung  der  Querleisten 
Bd.  XV.  N.  F.  vm,  1.  12 


178  Wilhelm  Breitenbach, 

sehr  gUiichfrnmig,  so  dass  wir  in  Einzelhoiten  gar  nicht  einzugehen 
brauchen. 


IV.    Die  Spitze  der  Schmetterlingsrussel. 

Die  Spitze  des  Riissels  ist  der  bei  Weitem  iiiteressanteste  Theil 
des  ganzen  Organes,  dem  ich  daher  aiich  seit  langerer  Zeit  meine 
besoiidere  Aufmerksamkeit  gewidmet  babe.  Schon  Reaumur 
hatte,  wie  wir  aus  der  geschichtlicben  Einleitung  her  wissen,  an 
der  Spitze  vieler  Schmetterlingsrussel  eigenthiimliche  Anhange  be- 
obachtet,  welche  er  als  „feuillets  membraneuses"  bezeichnete.  Aber 
erst  Newport  hat  dieselben  bei  Vanessa  atalanta  genauer  unter- 
sucht  und  ihren  Ban  bis  auf  eine  Einzelheit  ganz  richtig  erkannt. 
Diese  Gebilde,  deren  Form  bei  den  verschiedenen  Schmetterlingen 
eine  sehr  mannigfaltige  ist,  wollen  wir  ini  Folgenden  mit  dem  Na- 
men  „Saftbohrer"  ^)  belegen.  In  wie  weit  diese  Bezeichnung  ge- 
rcchtfertigt  ist,  werden  wir  nachher  sehen. 

Ueber  die  Saftbohrer  liegen  einige  Untersuchungen  aus  der 
neueren  Zeit  vor;  dieselben  gehen  aus  von  der  Boobachtung  des 
Russels  von  Oy)hideres  fuUonica  Boisd.  J.  Kiinckel  verotfent- 
lichte  1875  in  den  „Comptes  Rendus"  eine  mit  Zeichnungen  be- 
gleitete  Beschreibung  dieses  Riissels.  Nach  ihm  erschien  eine  kleine 
Arbeit  iiber  denselben  Gegenstand  von  Francis  Darwin  im 
„Q,narterly  Journal  of  microscopical  Science".  Vol.  XV,  New.  Ser., 
gleichfalls  mit  Abbildungen.  Durch  diese  Arbeit  wurde  ich  ver- 
anlasst,  die  Spitze  einer  Anzahl  von  Schmetterlingen  zu  untersu- 
chen.  Ich  wurde  bei  meinem  Unternehmen  in  der  freundlichsten 
Weise  unterstiitzt  von  dem  Herrn  Francis  Darwin,  der  mir 
Exemplare  von  Ophideres  und  Schmetterlingen  mit  ahnlichen  Riis- 
seln  iiberliess,  von  Herrn  Dr.  A.  Speyer  in  Rhoden,  Fritz  Miil- 
ler  in  Brasilien ,  H.  M tiller  in  Lippstadt^).  Ich  benutze  diese 
Gelegenheit,  um  den  genannten  Herren  meinen  vcrbindlichsten  Dank 
fiir  ihre  Liebenswiirdigkeit  abzustatten.  Ueber  die  Resultate  niei- 
ner  Untersuchungen  habe  ich  in  zwei  je  mit  einer  Tafel  Abbil- 
dungen begleiteten  Aufsatzen  berichtet,  welche  im  „Archiv  fiir 
mikroskopische  Anatomie",  Bd.  XIV  und  XV  veroffentlicht  worden 


*)  Oder  Opotrypen. 

*)  Unci  Herrn  Dr.  Riist  in   Gross-Eicklin^en  bei  Celle. 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schraetterlings-Iliissel.      179 

sind.  Schliesslich  ist  dann  noch  eiue  Arbeit  von  R.  B.  Read  aii- 
zutuhren,  die  sich  in  den  „Proceedings  of  the  Liniiean  Society  of 
New  South  Wales"  von  1878  findet.  In  Hinweis  auf  die  angefiihr- 
ten  Arbeiten  kann  ich  mich  bei  der  Beschreibung  der  verschie- 
denen  Forraen  der  Saftbohrer  auf  das  Wesentlichste  beschranken. 
Da  alle  jene  Saftbohrer  aus  vergleichend-anatomischen  Griin- 
den  von  den  auf  dem  Riissel  sich  findenden  Haaren  abgeleitet  wer- 
den  niiissen,  so  will  ich  dieselben  an  dieser  Stelle  ebenfalls  behan- 
deln.    Ich  bringe  die  Saftbohrer  in  verschiedene  Grnppen. 

1.     Einfache  Haare  (Fig.  14). 

Die  Haare  linden  sich  auf  alien  Schmetterlingsrusseln  vor, 
bald  in  grosserer,  bald  in  geringerer  Anzahl,  Im  Allgemeinen 
kann  man  sagen,  dass  sie  bei  denjenigen  Russeln,  deren  Spitze 
mit  entwickelten  Saftbohrern  besetzt  ist,  weit  weniger  zahlreich 
sind  als  bei  den  Riisseln  ohne  entwickelte  Saftbohrer.  Ein  be- 
stimmtes  Verhaltniss  lasst  sich  indessen  nicht  angeben ,  sowie  es 
auch  Ausnahmen  giebt.  In  der  Vertheilung  der  Haare  iiber  die 
Oberliacbe  des  Riissels  ist  keine  regelmiissige  Anordnung  bemerk- 
bar;  vielraehr  stehen  sie  ganz  unregelmassig  durcheinander. 

Was  den  Bau  der  Haare  anbelangt,  so  lassen  sich  zunachst 
zwei  Haupttheile  an  denselben  untcrscheiden,  der  cigcntliche  Haar- 
schaft  und  ein  die  Basis  dieses  umkleidender,  ziemlich  dicker  chi- 
tinoser  Ring,  den  wir  als  „Cylinder"  bezeichnen  wollen.  Dieser 
Chitincylinder  erscheint  von  oben  gesehen  ziemlich  regelmassig 
rund,  manchmal  auch  an  zwei  gegenuber  liegenden  Stellen  etwas 
in  die  Liinge  gezogen.  Er  ist  meiston?  fici  in  die  Grundmasse 
des  Russels  eingebettet  und  erhebt  sich  ein  wenig  iiber  die  Ober- 
flache  desselben.  Wenn  aber  ein  Haar  im  Verlauf  einer  Chitinleiste 
der  Oberflache  steht,  so  ist  der  Cliitincyiiuder,  falls  die  Leiste 
breit  ist,  nicht  gesondert,  vielmehr  mil  dem  Chitin  der  Querleiste 
verschmolzcn.  Schmale  Querleisten  gehen  um  den  Cylinder  des 
Haares  herum,  ohne  ihn  zu  beriihren,  wie  wir  das  bereits  aus  dem 
vorhergehenden  Abschnitt  wissen.  Aus  dem  Cylinder  ragt  nun  das 
eigeiitliche  Haar  hervor;  da  der  Durchmcsser  des  Cylinder-Innern 
grosser  ist  als  der  des  freien  Haarschaftes ,  so  miissen  wir  auch 
an  diesem  zwei  Theile  untei'scheiden,  einen  basalen,  der  den  Ilohl- 
raum  des  Cylinders  vollig  ausfullt,  und  den  von  dem  basalen  Theil 
sich  scliarf  absetzenden  Haarschaft,  der  frei  tiber  den  Cylinder 
hervorragt.  Die  Mitte  des  ganzen  Haai-es  durchzieht  stets  eine 
meistens  etwas  kornig  erscheinende  Masse,  die  wir  mit  dem  Namen 

12* 


180  Wilhelm  Brcitenbach, 

„Markstrahl"  b(3legen  woUen,  iiiid  welche  kurz  vor  der  Spitze  des 
Haares  blind  endigt.  Die  Lange  des  Haares  ist  bcdeuteiiden 
Schwankungen  unterworfen.  Wenn  der  Riissel  keine  Saftbohrer 
tragt,  so  sind  sammtliche  Haare  lang;  sind  Saftbohrer  vorhaiiden, 
so  sind  diejenigen  Haare,  wclchc  etwa  zwischen  den  Saftbohren 
Oder  in  deren  Nahe  sich  befinden,  kurz,  wahrend  sie  nach  der 
Riisselbasis  zii  wieder  langer  werden.  Die  in  alien  Fallen  der 
Rtisselspitze  zugekehrte  Spitze  des  Haares  ist  bei  den  kurzen  Haa- 
ren  stumpf,  abgerundet,  bei  den  langen  Haaren  dagegen  fein,  zu- 
gespitzt. 

Wir  wollen  festhalten,  dass  die  Haare  aus  zwei  Theilen  sich 
zusamniensetzen,  aus  einem  inneren  Haarschaft  und  aus  einem  iius- 
seren  Cylinder,  dessen  oberer  Rand  stets  von  der  Spitze  des  Haa- 
res tiberragt  wird.  Ganz  denselben  t}  pischen  Bau  werden  wir  nun 
in  der  Folge  bei  alien  Saftbohrern  antreffen.  Die  Verschiedenar- 
tigkeit  in  der  Form  der  Saftbohrer  ist  immer  zumeist  bedingt 
durch  eine  verschiedenartige  Ausbildung  der  chitinosen  Unihiillung 
der  Mittelmasse.  Mit  dem  Namen  „Mittelmasse  oder  Centralmasse" 
wollen  wir  in  der  Folge  denjenigen  Theil  der  Saftbohrer  bezeich- 
nen,  welcher  dem  Haarschaft  entspricht. 

2.  Saftbohrer  mit  Zahnen  auf  dem  oberen  Cylinderrand. 
Als  typisches  Beispiel  aus  dieser  Gruppe  wollen  wir  die  Saft- 
bohrer von  Vanessa  nehmen  (P'ig.  15).  Fs  sind  cylindrische  (V.  cor- 
dui)  Oder  mehr  tonnchenformige  (V.  Jo)  Gebilde,  welche  aus  der 
Mittelmasse  und  dem  diese  umkleidenden  Chitincylinder  bestehen. 
Den  oberen  Rand  des  Cylinders  zieren  sechs  bis  acht  ziemlich 
spitze  Ziihne.  Die  Mittelmasse  lauft  in  eine  ziemlich  stumpfe  Spi- 
tze aus,  welche  die  Zahne  der  Cylinderwand  tiberragt.  Diese  Saft- 
bohrer sind  dieselben,  welche  Newport  zuerst  bei  Vanepa  Ata- 
lanta  genauer  untersuchte.  Newport  hat  aber  nur  drei  Zahne 
auf  dem  Cylinderrand  gesehen,  und  von  diesen  hat  er  nur  zwei 
abgebildet.  Auch  hat  er  wohl  das  gauze  Gebilde  fiir  eine  zusam- 
menhangende  Masse  gehalten  und  nicht  seinen  Aufbau  aus  zwei 
Stiicken  erkannt. 

Nicht  alle  Saftbohrer  dieser  Gruppe  sind  cylindrisch  oder 
tonnchenformig.  Bei  Pyrameis  virginiensis  stellen  sie  eine  seitlich 
zusammcngedriickte  Keule  dar.  Denken  wir  uns  nun,  dass  unmit- 
telbar  unter  dem  bezahnten  Randc  an  einer  Seite-  eine  Wucherung 
der  Masse  eintritt,  so  wird  der  bezabnte  Rand  selbst  seitlich  ver- 


Beitriige  zur  Kenntuiss  des  Baues  der  Schmetierlings-Riissel.      181 

schoben  erscheiiien.     Solche   Foruieu   liabeu   Hypaiiartia  zabulina 
und  Eiirema  Lethe  (Fig.  16). 

3.     Saftbohrer  mit  radialen  Langsplatten. 

Ill  ihrer  typischen  Ausbilduiig  sind  diese  hochst  merkwurdigen 
Saftbohrer  folgendermassen  gestaltet.  Der  Chitiiimantel  der  Cen- 
tralniasse  lauft  iii  sechs  auf  der  Langsaxe  des  Gebildes  senkrecht 
stehende  radiale  Flatten  aus,  dcren  freies  Ende  zugespitzt  erscheiiit 
(Fig.  17).  In  schonster  Ausbildung  finden  wir  diese  Formen  z.  B. 
bei  unsern  Catorala-Arten,  bei  Noctua,  Plusia,  Mamestra,  Agrotis, 
Triphaena,  Trachea,  Phlogophora,  Euprepia,  Taeniocampa,  Eiicli- 
dia,  Neuronia,  Pseudothyatira,  Panopoda  u.  s.  w. 

Wir  konnen  die  allnuilige  Entstehung  dieser  sonderbaren  For- 
men von  Saftbohrern  aus  eiufachen  Haaren  an  verschiedenen  ver- 
bindenden  Zwischenstufen  ganz  deutlich  verfolgcn.  Den  ursprung- 
lichen  Haaren  am  nachsten  steheii  dit\jenigeii  Formen,  welche  wir 
an  der  Spitze  des  Rtissels  von  Pieris  finden  (Fig.  18),  Der  Cylin- 
der ist  nur  ein  wenig  grosser  wie  der  der  Haare.  Parallel  der 
Lfingsaxe  des  Cylinders  benierken  wir  auf  der  Wand  vier  um  90 " 
von  einander  stehende  leistenformige  Erhohungen ,  welche  vorn, 
d.  h.  am  Cylinderrande,  je  in  eine  kleine  stumpfe  Spitze  endigen. 
Dieselben  werden  natiirlich,  wie  immer,  von  der  Spitze  der  Cen- 
tralmasse  ein  wenig  iiberragt.  Die  Saftbohrer  bei  Zygaena  sind 
diesen  gleich;  nur  sind  sie  etwas  grosser  und  die  vier  Leisten  sind 
etwas  starker.  Bei  den  schon  wieder  etwas  grosseren  Formen  von 
Lycaena  (Fig.  19)  sind  diese  Verhaltnisse  noch  deutlicher  ausge- 
priigt;  die  Enden  der  Leisten  sind  nicht  mehr  stumpf,  sondern  zu- 
gespitzt. Bei  Epinephele  (Satyrus)  Janira  und  bei  Coenonympha 
kann  man  die  Leisten  schon  ganz  gut  als  radiale  Flatten  bezeich- 
nen,  wennschon  sie  noch  nicht  sehr  breit  sind.  ^Vachsen  dieselben 
aber  noch  ein  wenig,  so  bekommen  wir  ohne  Weiteres  die  ent- 
wickelten  Formen  von  Catorala  u.  s.  w.  Dass  bei  Pieris,  Lycaena 
und  Zygaena  nur  vier  Leisten  vorhanden  sind,  wahrend  wir  bei 
den  entwickelten  Formen  stets  sechs  Flatten  antreifen,  ist  kein 
Grund,  die  angedeutete  Entstehungsweise  nicht  anzunehmen.  Diese 
Bildungen  werden  urspriiuglich  viei  variirt  haben;  wir  sehen  das 
ja  noch  jetzt  bei  den  Zahnen  auf  dem  Cylinderrande  von  Vanessa, 
wo  bald  sechs,  bald  acht  vorhanden  sind,  u.  z.  an  demselben  Riis- 
sel.  Spater  hat  sich  dann  die  Zahl  sechs  befestigt.  Wenn  wir 
bei  alien  Saftbohrern  mit  ausgebildeten  Radialplatten  stets  sechs 
Flatten  finden,  so  dtirfen  wir  darin  vielleicht  eineii  Fingerzeig  fur 


182  Wilhelm  Breitenbach, 

tlio  gciiiciiisaiiie  Abstammuug  allcr  dieser  Fonneii  unci  damit  auch 
der  betietieudeii  Schniottciliuge  eiblickuu.  Doch  von  diesen  und 
ahnlichun  Fragcn  soil  spiiter  in  einem  besondeien  Abscbuitt  aus- 
fiihilich  die  Redo  seiu. 

4.  Die  Saftbohrer  von  Arge  Galathea  (Fig.  20). 
Dcr  obere  Rand  dcs  Cylinders  ist  mit  secbs  Zahnen  bewaffnet. 
Die  Ausriistung  dieser  Saftbohrer  beschriinkt  sich  aber  nicht  auf 
diese  secbs  oberen  Zahne,  soudern  es  sind  noch  drei  vveitere  Kreise 
von  Zalinen  vorbanden,  welche,  parallel  dera  oberen  Kreise,  unter- 
einander  liegen.  Die  Spitzen  der  Zahne  aller  Kreise  sind  nach 
der  Spitze  des  Saftbohrers  hin  gerichtet.  Die  Zahne  der  uuter- 
einander  liegenden  Kreise  wechseln  nicht  miteinander  ab,  sondern 
liegen  in  einer  Linie.  Im  Einzelnen  koramen  eiuige  kleine  Unre- 
gelmilssigkeiten  in  der  Anordnung  der  Zahne  vor,  woriiber  ich  fi'ii- 
her  eingehend  berichtet  habe  (Archiv  f.  niikroskop.  Anat.  Bd.  XV, 
pag.  18).  T-eber  die  vermuthliche  Art  der  Entstehung  dieser  eigen- 
thiimlicheu  Gebilde,  die  ich  in  dieser  vollendeten  Ausbildung  bis- 
her  nur  bei  Arge  Galathea  angetroffen  habe  (andere  Arten  von 
Arge  habe  ich  leider  nicht  untersuchen  kiinneu),  glaube  ich  einige 
Bemerkuiigen  niachen  zu  dtirfen.  Ich  habe  vorhin  die  Saftbohrer  von 
Cuenunyuipha  und  Epinephele  besprochen.  Nun  glaube  ich  einige 
Male  ganz  bestinimt  gesehen  zu  haben,  dass  die  Langsleisteu  die- 
ser Saftbohrer  aus  zwei  oder  mehreren  hintereinander  liegenden 
Stucken  bestanden,  deren  jedes  zugespitzt  war.  Sollte  sich  dies 
bei  weiterer  Untersuchung  bestatigen,  so  ware  damit  die  Entste- 
huugsweise  der  Saftbohrer  von  Arge  Galathea  augedcutet.  Dies 
ware  uni  so  interessanter,  als  Epinephele,  Coenonympha  und  Arge 
in  dieselbe  Familie  gehoren,  namlich  in  die  der  Satyrides.  Es  wiir- 
den  dann  nioglicher  Weise  die  Saftbohrer  von  Arge  und  die  der 
vorhergchendeu  Gruppe  mit  Radialplatten  denselben  Ursprung  ha- 
ben. Die  weitere  Verfolgung  dieser  Frage  wollen  wir  spater  un- 
ternehnien. 

5.     Saftbohrer  ohne  Zahne  auf  dem  Cylinderrande. 

Wir  konnen  uns  hier  sehr  kurz  fassen.  Die  ausseren  Fornien 
dieser  Saftbohrer  sind  dieselben  wie  diejeuigeu  mit  Zahnen  auf 
dem  oberen  Cylinderrande,  also  cylinderformig,  keulenformig,  hau- 
fig  plattgedriickt.  Manchmal  liegt  der  Rand  seitlich,  anstatt  in 
der  Langsaxe;  diese  Formen  sind  gleichfalls  durch  Wucheruug  der 
Masse  an  einer  Seite  entstanden  (Fig.  21).    Saftbohrer  ohne  Zahne 


Beitrage  zur  KenntaisB  des  Baues  der  Schmetterlinge-Kussel.     183 

habeii  z.  B.  Aigyunis  uud  Melitaea,  Epicalia  Numilia,  Gynaecia 
Dirce,  Ageronia  Arete,  Macroglossa,  Hesperia,  Taygetis  Xanthippe, 
feruer  die  Maiacujafalter,  also  Heliconius,  Eneides,  Colaenis  und 
Agraulis  oder  Dioiie;  u.  s.  w. 

Wir  habeu  uns  nun  noch  mit  einigen  besondereu  Formeu  vou 
Saftbohrein  bekaunt  zu  machen,  die  sich  am  besten  an  die  letzte 
Gruppe  auschliessen  lassen.  Da  auch  diese  Fornien  von  mir  schon 
friiher  beschrieben  und  abgebildet  worden  sind,  so  kann  ich  mich 
mit  Hervoihebung  des  Wicbtigsten  begniigen. 

6.  Saftbohrer  von  Scoliopteryx  libatrix. 
Es  lasseu  sich  zwei  Formen  unterscheiden,  die  allerdings  ganz 
allmalig  in  einander  ubergehen.  Die  eiue  Form  ist  folgendermassen 
gestaltet  (Fig.  22).  Wir  haben  einen  dickwandigen  Cylinder,  des- 
sen  Rand  iu  zwei  einander  gegeniiber  stehende,  meist  stumpfe, 
seltener  etwas  zugescharfte  Hervonagungeu  auslauft,  von  denen 
die  eine  gewohidich  etwas  langer  ist  als  die  audere.  Dazwischeu 
erhebt  sich  die  Spitze  der  Centralmasse ,  welche  entweder  hinter 
den  Spitzen  der  Hervorragungen  zuriicksteht ,  mit  einer  sich  auf 
gleicher  Hohe  befindet,  oder  dieselben  bcide  iiberragt.  Die  Spitze 
selbst  ist  gleichfalls  mit  einem  chitinosen  Ueberzuge  bekleidet. 
Diesen  nicht  gerade  sehr  zahlreichen  Formeu  steheu  andere  gegen- 
iiber (Fig.  23).  Die  Spitze  der  Centralmasse  ist  sehr  bedeutend 
verlangert,  so  dass  sie  dem  ubrigen  Theil  des  Saftbohrers  gleich 
kommt  Oder  ihn  an  Lange  selbst  noch  ubertritft.  Der  Chitinman- 
tel  der  Spitze  ist  ebenso  dick,  wie  der  des  ubrigen  Theiles  (Ento- 
mologische  Mittheiluugen  von  F.  Katter,  V.  Jahrg.,  Heft  18). 

7.     Die  Saftbohrer  von  Egybolia  Vaillantina  (Fig.  24). 

Die  Saftbohrer  dieses  afrikanischeu  Schmetterliugs  sind  aus- 
serst  dickwaudige  Cylinder  von  etwas  unregelmassiger  Gestalt.  Ihr 
Durchmesser  ist  an  der  Basis  meistens  grosser  als  am  vorderen 
Ende,  ausserdem  sind  sie  nicht  selten  schwach  gebogen.  Die  das 
Gebilde  seiner  Lange  nach  durchzieheude  Centralmasse  ist  ver- 
haltnissmassig  dunu,  meistens  diinuer  als  die  Wandung  des  sie  um- 
kleidenden  Chitiucylinders.  Gegen  das  freie  Ende  zu  schuiirt  sich 
die  Centralmasse  ein,  darauf  schwillt  sie  zu  einer  kleineu  Kugel 
an,  und  auf  dieser  sitzt  dann  erst  die  Spitze.  Die  eben  erwahnten 
Theile  der  Centralmasse,  Kugel  und  Spitze,  werden  von  dem  Cy- 
linder umgeben,  so  zwar,  dass  sie  frei  im  Inuern  des  oberen  Thei- 
les des  Cylinders  stehen,  wie  in  einer  Rohre. 


184  Wilhelm  Breitenbach, 

All  dicsc  Saftbohrer  schliesst  sicli  ganz  eiig  einc  andere  Form 
ail,  welche  sich  am  Russel  einer  mir  von  Francis  Darwin  iiber- 
saudten  australisclien  Motto  vorfindet.  Es  ist  das  derjeiiige  Rlis- 
sel,  dessen  Spitze  ich  friiher  schou  eiumal  abgebildet  habe  (Archiv 
fiir  mikroskopische  Anatomie,  Bd.  XIV,  Fig.  4).  Diese  Saftbohrer 
(Fig,  25)  stellen  einen  starken,  an  seinem  vorderen  Ende  zugespitz- 
ten  Chitincylinder  dar,  dessen  Inneres  von  einer  verhaltnissmassig 
(liinnen  Centralmasse  durchzogen  wird.  Etwa  da,  wo  der  Cylinder 
deiitlicli  den  Aufang  der  Zuspitzung  erkennen  liisst,  macht  die  Cen- 
tralmasse eine  seitliche  Biegung.  Kurz  nach  der  Umbiegung  ist 
eine  knopfchenformige  Anschwellung  bemerkbar,  welche  sich  in  eine 
kleine  Spitze  verjiingt,  die  ganz  wenig  oder  gar  nicht  seitlich  aus 
dem  Cylinder  hervorragt.  Ragt  sie  etwas  hervor,  so  steht  sie  frei 
in  einer  kleinen  Vertiefung  des  Chitinmantels.  In  einzelnen  Fallen 
bemerkt  man,  dass  von  der  Stelle  an,  wo  die  Centralmasse  sich 
zur  Seite  wendet,  noch  ein  diinner  Ast  derselben  geradeaus  geht, 
um  kurz  vor  der  Spitze  des  Chitinmantels  zu  enden.  Diese  Form 
lasst  sich,  wie  man  sieht,  immittelbar  von  der  bei  Egybolia  Vail- 
lantina  ableiten. 

8.  Die  Saftbohrer  in  Form  von  Widerhaken. 
Wir  kommen  nun  zu  den  ausgebildetsten  Formeu,  zu  den  Saft- 
bohrern  im  eigentlichsten  Sinne  des  Wortes.  Es  sind  jene  Wider- 
haken, welche  den  Russel  mehrerer  Schmetterlinge,  namentlich 
Ophideres,  zu  einem  selbst  der  menschlichen  Cultur  sehr  schad- 
lichen  Organ  machen.  In  der  That  sind  die  in  Australien  heimi- 
schen  Ophideres  im  Stande,  dadurch,  dass  sie  mit  ihrem  Russel 
die  Orangen,  Bananen,  Pfirsiche  und  andere  Friichte  des  in  ihnen 
enthaltenen  siissen  Saftes  wegen  anbohren,  ganze  Ernten  zu  ver- 
nichten.  Aehnlich  ist  es  in  Afrika  mit  Achaea  Chamaeleon  und 
Egybolia  Vaillantina.  Ich  habe  iiber  diese  Verhaltnisse  friiher  aus- 
fiihrlich  berichtet  (Arch.  f.  m.  Anat.,  Bd.  XV,  pag.  9— 11).  Was 
die  Organisation  der  Spitzen  dieser  Schmetterlingsriissel  iiberhaupt 
betriift,  so  verweise  ich  auf  die  im  Eingang  dieses  Abschnittes 
citirten  Schriften.  Nur  die  Widerhaken  sollen  hier  kurz  geschil- 
dert  werden  (Fig.  26).  Es  sind  kurze,  gedrungene,  ausserst  mas- 
sive, in  eine  von  einem  miichtigen  Wall  umgebene  Grube  einge- 
senkte  Korper  von  etwas  unregelmassiger  Gestalt,  an  der  Basis 
breiter  wie  vorn.  Im  Innern  ist  noch  deutlich  die  allerdings  sehr 
rudimentar  gewordene  Mittelmasse  zu  erkennen,  die  sogar  manch- 
mal  noch  mit  einer  kleinen  Spitze  seitlich  vorzustehen   scheint. 


Beitriige  zur  Kenntniss  <les  Baues  der  SGhmetterlings-Eussel.      185 

Vorn  an  der  Russelspitzc  sind  diese  niit  ihrer  Spitze  natiirlich 
der  Riisselbasis  zugerichteten  Widerhaken  kleiner  wie  weiter  hiu- 
teii.  Solche  Widerhaken  sind  mir  aus  eigener  Erfahrung  bekanut 
bei  Ophideres  fullonica,  Egybolia  Vaillantina  und  jenem  mir  dem 
Namen  nach  unbekannt  gebliebenen  Schmetterling,  von  dem  die 
zuletzt  beschriebenen  Saftbohrer  stammen;  hier  sind  die  Haken 
machtig  entwickelt.  Bei  Ophideres  fullonica  sind  zwolf  Haken 
vorhanden,  bei  den  andern  beiden  Schmetterlingen  weit  mehr. 
Endlich  hat  auch  Scoliopteryx  libatrix  Widerhaken;  sie  sind  aber 
nur  sehr  schwach  entwickelt. 

Die  Widerhaken  stehen  nicht  mit  den  andern  ain  Rlissel  vor- 
liandenen  Saftbohrern  durcheinander,  sondern  beide  Eormen  sind 
voUig  getrennt,  so  zwar,  dass  die  Widerhaken  die  ausserste  Spitze 
des  Riissels  besetzen  und  dann  die  andern  Eormen  folgen.  (Siehe 
die  von  mir  gegebene  Abbildung  a.  a.  0.)  Auch  bei  Ophideres 
linden  wir  hinter  den  Widerhaken  noch  einige  wenige  andere  Saft- 
bohrer; es  sind  massive  zugespitzte  Cylinder,  in  deren  Innerem 
man  noch  ein  Rudiment  der  Mittelmasse  bemerkt.  Damit  der  Le- 
ser  sich  eine  klare  Vorstellung  von  einem  solchen  Russel  machen 
konne,  gebe  ich  die  genaue  Abbildung  der  Spitze  des  Russels  von 
Egybolia  Vaillantina  (Eig.  27). 

Die  Eunction  der  Saftbohrer. 
Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  mit  den  Gestaltverhiiltnissen 
der  als  Saftbohrer  bezeichneten  Gebilde,  so  weit  es  die  bisher  vor- 
liegeuden  Untersuchungen  gestatteten,  im  Allgemeiuen  uns  vertraut 
gemacht  haben ,  treten  wir  jetzt  an  die  Aufgabe  heran ,  uns  iiber 
die  Bedeutung  derselben  fiir  den  Schmetterling  Aufklarung  zu  su- 
chen,  Oder  mit  andern  Worten,  ihre  physiologische  Eunction  zu 
ergriinden.  Die  Losung  der  Aufgabe  wird  zum  Theil  leicht,  zum 
Theil  schwer,  wenn  iiberhaupt  moglich  sein.  Die  physiologische 
Eunction  einiger  Eormen,  z.  B.  der  Widerhaken,  konnen  wir  mit 
grosster  Bestimmtheit  angebeu ,  wahrend  wir  bei  andern,  und  lei- 
der  bei  der  grossten  Mehrzahl,  rein  auf  Vermuthungen  angewiesen 
sind.  Es  ist  bekanntlich  innner  schwierig,  bei  Thieren  die  phy- 
siologische Eunction  eines  Organes  zu  bestimmen,  wenn  dieselbe 
nicht  sofort  in  die  Augen  springt;  und  um  so  schwieriger  wird 
die  Losung  dieser  Aufgabe,  je  weiter  die  betreffenden  Thiere  sich 
in  ihrer  Verwandtschaft  von  uns  entfernen.  In  solchen  Eallen 
sind  wir  dann  fast  ausschliesslich  auf  Analogieschlusse  angewiesen, 
und  diese  bleiben  der  Natur  der  Sache  nach  immer  in  hohem 


186  Wilhelm  Breitenbaeh, 

Grade  unsicher.  Deshalb  ist  es  sehr  leicht  moglich,  dass  eiu  gros- 
ser Theil  der  uachfolgendeu  Erorterungeu  uicht  das  Richtige  trifft; 
moge  es  danii  Berufenereu  gelingen,  deii  rechten  Weg  zu  findeii 
uad  die  vou  iiiir  ungelost  gelassenen  Frageu  zu  beautworteu! 

Da  wir  aus  vergleichend-anatomischen  Griinden  alle  Saftboh- 
rer  von  eiiifachen  Haareu  abzuleiten  genothigt  sind,  so  wird  es 
gut  sein,  wenn  wir  zunachst  eiuen  Augenblick  bei  den  Haareu 
selbst  verweileu.  Haben  dieselben  iiberhaupt  eine  physiologische 
Function,  und  welche?  Es  ist  bekannt,  dass  man  bei  vielen  der- 
artigen  Haarbildungeu  an  verschiedenen  Theilen  des  Insectenkor- 
pers  Nervenendigungen  ganz  unzweifelhaft  nachgewiesen  hat.  Die 
den  Haaren  am  Schmetterlingsrussel  ganz  gleich  gebildeteu  Haare 
Oder  Borsteu  auf  dem  vorderen  Theil  der  Fliegenriissel  sitzeu 
gangliosen  Auschvvellungen  der  Nervenendeu  auf;  derjenige  Bestand- 
theil  des  Haares,  den  wir  oben  als  Markstrahl  bezeichneten,  wiirde 
dann  als  das  Ende  des  Nerven  zu  betrachten  sein.  Diese  Haare 
werden  immer  als  Tastorgane  angesprochen.  Wenn  ich  nun  auch 
bei  den  Haareu  auf  den  Schmetterliugsriisseln  keine  Nerven  nach- 
gewiesen habe,  da  ich  iiber  diesen  Punkt  keine  Untersuchungen 
angestellt  habe,  so  ist  die  Gegenwart  von  Nerven  doch  ohne  Zwei- 
fel  zu  erwarten,  und  es  hindert  uns,  wie  ich  meine,  Nichts  daran, 
auch  diese  Haare  als  Tastorgane  zu  deuten.  Eine  physiologische 
Function  mussen  dieselben  haben,  soust  waren  sie  nicht  so  stark 
entwickelt  und  so  zahlreich  vorhandeu.  Functionslose  Organe  sind 
immer  in  hohem  Grade  rudimentar,  und  das  sind  diese  Haare  kei- 
ueswegs.  Nach  Analogie  zu  schliesseu,  mussen  wir  dieselben  also 
fiir  Tastorgane  halten. 

Von  den  Haaren  machen  wir  gleich  einen  grossen  Sprung  zu 
den  am  weitesten  von  ihnen  entfernt  stehenden  Saftbohrer  -  Bil- 
dungen,  zu  den  Widerhaken,  deren  Function  offen  zu  Tage  liegt. 
Die  Schmetterlinge,  welche  im  Besitz  von  Kusseln  mit  Widerhaken 
sind,  bohren  Fruchte  mit  dicker  Schale  und  saftigem  Gewebe  so 
energisch  an,  und  saugen  den  Saft  so  vollstandig  weg,  dass  manch- 
mal  von  einer  Frucht  nur  noch  die  vielfach  durchlocherte  Schale 
iibrig  bleibt.  Aus  dem  morphologischen  Befund  an  den  betreften- 
den  Russelu  geht  aber  ohne  alien  Zweifel  hervor,  dass  die  Thiere 
jene  erstaunlichen  Leistungen  nur  mit  Hiilfe  jener  starken  Wider- 
haken an  der  Riisselspitze  auszufiihren  vermogen.  Der  ganze  Rus- 
sel  ist  sehr  stark;  die  Spitze  besonders  ist  aus  dickem  Chitin 
aufgebaut,  so  dass  der  Schmetterling  wohl  sehr  leicht  den  Russel 
in  das  Gewebe  hineinstossen  kann.    Zieht  er  das  Organ  nun  wie- 


Beitriige  zur  Kenutuiss  des  Baues  der  Schmetterlings-Kussel.      187 

der  heraus,  so  mussen  die  Widerhakeu  gauz  uufehlbar  in  Wirk- 
samkeit  treten,  uud  zwar  werden  sie  der  Natur  der  Sache  nach 
das  Gewebe  bedeutend  zerreissen  mussen.  Dadurch  wird  eine  Menge 
Saft  freigelegt,  welcher  dann  von  dem  Schmetterling  unbehindert 
eingesogen  werden  kann.  Man  kann  demnach  die  Widerliaken  an 
der  Spitze  der  betr.  Schnietterlinge  als  Organe  bezeichnen,  welche 
wesentlich  zur  Erlangung  der  Nahrung  beitragen.  Ja  wenn  die  in 
Frage  stehenden  Schmetterlinge  gar  keinen  freien  Blumenhonig 
mehr  saugten,  sondern  nur  pflanzliches  Gewebe  anbohrten,  so  wur- 
den  die  Widerhaken  die  wichtigsten  Organe  zur  Gewinnung  der 
Nahrung  sein  und  dadurch  eine  ausserordentliche  Bedeutung  fiir 
den  Schmetterling  besitzen.  Ob  aber  Ophideres  uud  die  andern 
hierher  gehorigen  Schmetterlinge  thatsachlich  keinen  freien  Blu- 
menhonig mehr  saugen,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 

Wie  verhalt  sich  nun  die  Sache  mit  den  andern  Saftbohrern; 
ist  auch  fiir  sie  diese  Bezeichnung  giiltig,  oder  haben  sie  eine  an- 
dere  Function,  und  welche  etwa?  Directe  Beobachtungen  dariiber, 
ob  diese  Schmetterlinge  wirklich  pflanzliches  Gewebe  zur  Freileguug 
des  in  demseiben  enthaltenen  Saftes  mit  ihrera  Riissel  erfolgreich 
anzustechen  vermogeu,  so  dass  sie  den  etwa  blossgelegten  siisseu 
Saft  zu  ihrer  Ernahrung  verwenden  konnen,  liegen  allerdiugs  in 
der  iiberzeugenden  Weise  wie  bei  Ophideres  und  Egybolia  nicht 
vor.  Dagegen  sind  namentlich  von  H.  M  ii  1 1  e  r  Beobachtungen  be- 
kannt  gemacht  worden  (man  kann  dieselben  im  Sommer  fast  tag- 
lich  wiederholen),  welche  eine  derartige  Blumenthatigkeit  gewisser 
Schmetterlinge  indirect  erschliessen  lassen.  Es  giebt  namlich  eine 
Anzahl  Schmetterlinge,  welche  von  H.  M tiller  nicht  selten  an 
solchen  Blumen  beobachtet  wurden,  welche  keinen  freien  Honig 
enthalten.  „Auf  den  Alpen",  theilt  mir  mein  hochverehrter  Lehrer 
Dr.  H.  Muller  brieflich  mit,  „ist  es  etwas  sehr  Gewohnliches, 
Schmetterlinge  in  honigleeren  Blumen  mit  dem  Riissel  im  Grunde 
der  Bluthe  beschaftigt  zu  seheu ;  nach  einem  oder  einigen  solchen 
Versuchen  fliegen  sie  aber  in  der  Kegel  weg."  Sollten  sich  nun 
gerade  die  Schmetterlinge,  die  doch  in  ihrem  ganzen  Leben  sich 
fast  ausschliesslich  an  und  um  Blumen  herumtreiben,  immer  wie- 
der  nur  durch  den  blossen  Schein  tauschen  lassen?  Wenn  sie  in 
den  keinen  freien  Honig  enthaltenden  Blumen  wirklich  Nichts  fan- 
den  (uud  sie  konnen  nur  Honig  suchen),  sollten  sie  da  nicht 
schliesslich  die  honigleeren  Blumen  von  den  honigfuhrenden  unter- 
scheiden  lernen  und  erstere  dann  meiden?  Ich  glaube,  wir  durfen 
das  ganz  gewiss  annehmen.    Thun  wir  das  aber,  so  mussen   wir 


188  Wilhelm  Breiteubach, 

iiiis  Redioiischaft  iiber  die  Thatsache  zu  gebeii  sucliuii,  class  die 
Schnietterliiige  trotzdem  immer  jeiie  hoiiigleereii  Blunieii  besuchen 
imd  ini  Gruude  derselben  mit  ihrem  Riissel  arbeiten.  Die  Sclmiet- 
terliuge  mtissen  Etwas  in  deu  Blumen  finden,  uud  dieses  Etwas 
kanii  iiur  Honig  sein.  Da  derselbe  aber  niclit  frei  zu  Tage  liegt, 
so  ist  es  hochst  wahrscheinlich,  dass  sie  denselben  durch  Aufreis- 
scii  des  saftigeu  Ge\Yebes  gewiniien.  Diese  einfache  Sclilussfol- 
gerung  scheint  mir  nach  deu  ebeii  initgetlieilten  Beobachtuugeu 
unabweisbar  zu  sein. 

Da  aber  das  Aufreissen  der  Gewebe  nicht  direct  beobachtet 
worden  ist,  so  muss  die  Moglichkeit  desselbcn  durch  Untersuchung 
der  Sclimetterlingsriissel  entschieden  werden.  In  der  That  schei- 
nen  niir  wenigsteus  die  meisten  der  als  Saftbohrer  bezeichueteu 
Gebilde  zu  dcni  gedachten  Zwecke  ganz  vorziiglich  geeignet  zu  sein. 
Nehmen  wir  z.  B.  die  Saftbohrer  von  Vanessa.  Wie  leicht  wird 
nicht  die  mittlere  Spitze  die  zarte  Membran  eiuer  saftreichen  Zelle 
durchstossen  konnen!  Und  daun  kommen  unmittelbar  darauf  die 
sechs  Oder  acht  scharfeu  Chitinspitzen  des  Cylinderrandes  und  zer- 
trttmniern  noch  niehr  Zellen.  Wenu  wir  dann  weiter  in  Bctracht 
Ziehen,  dass  z.  B.  bei  Vanessa  Cardui  etwa  sechszig  solcher  Saft- 
bohrer, dreissig  auf  jeder  Seite,  die  Spitze  des  Riissels  bewaifneu, 
so  werden  wir  begreifen,  dass  eine  grosse  Anzahl  von  Zellen  an- 
gestochen  werden  konnen,  und  wenn  alle  diese  Zellen  etwas  sussen 
Saft  hergeben,  so  mag  sich  die  Arbeit  des  Anbohrens  dem  Schmet- 
terling  sebr  wohl  als  lohnend  erweisen.  Erwageu  wir  femer,  dass 
gerade  solche  Saftzelleu  ausserst  zart  sind,  so  werden  wir  die 
Saftbohrer  mit  jener  meist  ziemlich  starken  Chitinumhiillung  sicher- 
lich  auch  fest  genug  finden ;  sind  ja  doch  die  Hummeln  mit  ihren 
viel  zarteren  Maxillenspitzen  gleichfalls  im  Stande,  das  saftreiche 
Gewebe  der  honigleeren  Nectarien  mancher  Orchideen  mit  Erfolg 
anzustechen,  wie  zuerst  von  H.  Miiller  direct  beobachtet  wurde 
(Befruchtung  der  Blumen  durch  Insecten,  pag.  84).  Die  starken 
Saftbohrer  von  Scoliopteryx  libatrix  werden  ganz  gewiss  mit  Leich- 
tigkeit  in  pflanzliches  Gewebe  eindringen  konnen ;  dem  dicken  Chi- 
tinmantel  miissen  die  Membranen  der  Zellen  nur  einen  sehr  ge- 
ringen  Widerstand  entgegensetzen.  Und  so  wird  die  Sache  wohl 
auch  bei  den  meisten  andern  Saftbohrern  sein.  Der  ganze  Bau 
dieser  Gebilde  ist  keineswegs  dazu  angethan,  die  Annahme  als 
ungerechtfertigt  zuruckweisen  zu  lassen,  dass  die  Schmetterlinge 
mit  ihrer  Hiilfe  saftreiches  Gewebe  aufreissen.  Ausserdem  sehen 
wir,  wie  sich  aus  diesen  einfachen  Formen  eben  als  Anpassung  an 


Beitriige  zur  Keiintniss  des  Bauis  der  Schmetterlings-Rlissel.     189 

die  gedaclite  Thatigkeit  jene  raaclitigeu  Widerhaken  entwickelt 
haben,  welche  die  Besitzer  sogar  in  den  Stand  setzen  ganze  Friiclite 
vollig  zu  zerstoren.  Dies  kann  uus  in  der  Deutung  miserer  Ge- 
bilde  als  Avirkliclier  „Saftbohrer"  nieiner  Meinung  nacli  nur  bestar- 
ken.  Freilich  etwas  Auderes  ist  es  wohl  niit  jenen  ganz  unent- 
wickelten  Formen,  wie  wir  sie  bei  Pieris  oder  Zygaena  finden. 
AUein  da  absolut  kein  Grund  vorliegt,  diese  Bildungen  als  rudi- 
mentare  anzusprechen,  so  werden  wir  in  ihnen  Saftbolirer  auf  sehr 
niederer  Ausbildungsstiife  erblicken  diirfen,  gleichsani  den  Anfang 
der  Entwicklung. 

Dieser  von  mir  vertretenen  Autiassung,  die  alle  jene  oben  be- 
schriebenen  Bildungen  an  der  Spitze  der  Schmetterlingsriissel  ein- 
heitlich  als  wirkliche  Saftbohrer  betracbtet,  steht  eine  andere 
ziemlich  sdiroti"  gegeniiber.  Dieselbe  wird  von  keinem  Geringeren 
als  Fritz  Miiller  vertreteu.  Er  nennt  die  Saftbohrer  „Schmeck- 
stifte",  deutet  dieselben  also  als  Geschmacksorgane.  Eine  einge- 
hende  Begrtindung  seiner  Ansicht  hat  Fritz  Muller  nicht  ge- 
geben,  vielmehr  hat  er  dieselbe  nur  gelegentlich  in  einem  Aufsatze 
iiber  die  Maracuja-Falter  ausgesprochen  (Stettiner  Entomologische 
Zeitung,  1877,  pag.  494).  Da  diese  Autiassung  von  einem  so  her- 
vorragenden  l^orscher  herstammt,  so  miissen  wir  etwas  auf  die- 
selbe eingehen.  Ich  muss  von  vorn  lierein  gestehen,  dass  ich  niit 
der  Miiller'schen  Deutung  mich  durchaus  nicht  befreunden  kann. 
Die  in  Rede  stehenden  Gebilde  sind  Cuticularbildungen,  ganz  ohne 
zelligen  Character,  also  auch  wohl  ohne  Protoplasma.  Es  ist  ganz 
gleichgiiltig ,  ob  man  zur  Untersuchung  der  Saftbohrer  frisch  gc- 
fangene  Schmetterlinge  nimnit  oder  Samnilungs  -  Exemplare ,  die 
man  dann  natiirlich  erst  durch  irgend  ein  Mittel  wieder  aufweichen 
muss.  Ich  habe  gewohnlich  zu  diesem  Zwecke  eincn  feineu  Strahl 
Wasserdampf  in  Anwendung  gebracht.  Die  Bilder,  welche  man 
erhillt,  sind  in  beiden  Fallen  ganz  dieselben,  davon  habe  ich  mich 
wiederholt  tiberzeugt.  Das  wiirde  aber  sicherlich  nicht  der  Fall 
sein,  wenn  in  den  Saftbohrern  lebendes  Protoplasma  enthalten  ware. 

Eine  Geschmacksempfindung  kann  in  alien  Fallen  wohl  nur 
durch  chemische  Einwirkung  des  zu  schmeckenden  Stolies  auf  das 
Geschmacksorgan  zu  Stande  kommen.  Wie  aber  dies  bei  den  Saft- 
bohrern moglich  sein  soil,  ist  mir  ganz  unerfindlich,  zumal  jene 
characteristischen  „Schmeckzellen"  fehlen,  welche  in  alien  mit  Si- 
cherheit  als  solchen  erkannten  Geschmacksorganen  nachgewiesen 
wurden.  Prof.  Vitus  Graber  macht  ausserdem  (Die  Insecten, 
I.  Theil,   pag.  307)   mit  Recht  darauf  aufmerksam,   dass  das  Ge- 


190  Wilhelm  Breitenbach, 

schniacksorgau  der  Insecten  „seiiier  ganzen  Natur  und  Bestimmung 
halber  wohl  nur  im  Munde  gesucht  werden  kann."  Nun  noch  Eins ; 
wenn  die  Saftbohrer  wirklich  Geschmacksorgane  wareii,  wie  wollte 
man  dann  jene  seciiudaren  Bildungen  deuten,  wie  die  Zahne  auf 
dem  oberen  Cylinderrande  oder  gar  die  Radialplatten  ?  Sie  wiir- 
den  augenscheinlich  vollig  unverstandlich  sein,  wahrend  sie  von 
meinem  Standpunkte  aus,  wie  ich  glaube,  ohne  Weiteres  zu  ver- 
stehen  sind. 

Will  man  aber  die  Saftbohrer  ausserdem  noch  als  Sinnesor- 
gane  in  Anspruch  nehmen,  und  ich  glaube,  wir  miissen  das,  so 
konnen  sie  nur  als  Tastorgane  gedeutet  werden.  Diese  Function 
haben  sie  von  den  Haaren,  aus  denen  sie  hervorgegangen  sind, 
geerbt.  Und  in  der  That  sind  die  Saftbohrer  zu  Tastorganen  auch 
ganz  geeignet,  ebenso  gut  wie  die  Haare,  deren  typischen  Bau  sie 
auch  durchweg  bewahrt  haben.  In  diesera  Fall  wiirde  ihre  Function 
wohl  folgende  sein.  Wenn  der  Riissel  auf  saftreiches  Gewebe  stosst, 
so  werden  ihm  die  den  Haarspitzen  entsprechenden  Spitzen  der 
Centralmasse  des  Saftbohrers  mittheilen,  ob  das  Gewebe  zart  ge- 
nug  ist,  um  angebohrt  werden  zu  konnen.  Und  wenn  der  Russel 
in  Honig  enthaltende  Blumen  hineingesenkt  wird,  so  wird  der 
Schraetterling  durch  den  miuimalen  Widerstand,  dem  der  Russel 
begegnet,  erfahren,  dass  er  hier  gar  keine  Bohrthatigkeit  auszu- 
iiben  hat,  sondern  sofort  den  Saft  saugen  kann.  Mit  dieser  Deu- 
tung  der  Saftbohrer  als  Tastorgane  stimmt  auch  sehr  gut  der  mor- 
phologische  Befund  iiberein.  Denn  stets  ragt  die  Spitze  der  Mit- 
telmasse,  welcher  doch  die  Tast  -  Function  zugeschriebeu  werden 
muss,  etwas  aus  dem  Chitincylinder  hervor. 

Von  den  an  die  Saftbohrer  herantretenden  Nerven  gilt  das- 
selbe,  was  ich  obeu  von  den  Haaren  gesagt  babe.  Eigene  Unter- 
suchungen  habe  ich  nicht  angestellt,  da  mir  meistens  nur  getrock- 
nete  Schmetterlinge  zu  Gebote  standen.  Es  ist  aber  gar  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  thatsiichlich  Nerven  an  die  Saftbohrer  herantre- 
ten;  der  anatomische  Nachweis  muss  spateren  Untersuchungen 
vorbehalten  bleiben. 

Ich  glaube  es  im  Vorhergehenden  wahrscheinlich  gemacht  zu 
haben,  dass  wir  die  Deutung  Fritz  Muller's  aufgeben  mussen, 
und  so  bleibt  denn  vorlaufig  meine  Auttassung  bestehen.  Die  als 
Saftbohrer  bezeichneten  Gebilde  an  der  Spitze  der  Schmetterlings- 
russel  sind  in  der  That  in  mehr  oder  minder  grosser  Ausdehnuug 
Saftbohrer,  insofern  die  Schmetterlinge  mit  ihrer  Hiilfe  im 
Stande  sind,  pflanzliches  Gewebe  zur  Erlangung  des  in  demselben 


BeJtrage  zur  Kenatniss  des  Baues  der  Schraetterlings-Kiissel.     191 

enthaltenen  Saftes  anzubohren  oder  aufzureissen.  Gleichzeitig  fun- 
giren  die  Saftbohrer  als  Tastorgane,  insofern  sie  dem  Schmetter- 
ling  von  der  physikalischen  Beschafteuheit  der  Gewebe  Kunde  ge- 
beu  und  dadurch  ihii  in  den  Stand  setzen,  zu  beurtheilen,  ob  der 
Versuch  des  Aubohrens  der  betreffenden  Gewebe  erfolgreich  sein 
wird  Oder  nicht. 


V.    Gedanken  iiber  die  Entwickiung  der  Saftbohrer  und 
einige  damit  zusammenhangende  Fragen. 

In  unmittelbarem  Anschluss  an  den  vorliergehenden  Abschuitt 
soil  auf  den  folgenden  Zeilen  uber  die  P^ntvvicklung  der  Saftbohrer 
und  einige  daraus  abgeleitete  systematische  Fragen  gesprochen 
werden.  Die  nachfolgenden  Erorterungen  werden  auf  den  Leser 
zum  grossen  Theil  den  Eindruci^  grosser  Unvollkommenheit  ma- 
chen;  diese  Unvollkommenheit  liegt  in  der  Natur  der  Sache  be- 
grundet,  namlich  in  der  grossen  Unzulanglichkeit  des  uns  zu  Ge- 
bote  stehenden  Materials.  Ich  mochte  daher  das  Folgende  kaum 
als  einen  Versuch  angesehen  wissen,  sondern  vielmehr  als  blossen 
Hinweis  auf  einige  wichtige  Fragen,  welche  sich  naturnothwendig 
aus  dem  Studium  der  Saftbohrer  ableiten.  Da  eine  Beantwortung 
dieser  Fragen  aber  erst  bei  ausgedehntester  Kenntniss  der  Saft- 
l)ohrer  aller  Schmetterlingsgattungen  mit  Erfolg  unternonimen  wer- 
den kann,  so  liegt  in  den  folgenden  Zeilen  zugleicli  die  Auffor- 
derung,  die  von  niir  begonnenen  Uutersuchungen  iiber  moglichst 
alle  Schmetterlingsgattungen  zu  erstrecken.  Ich  muss  also  den 
Leser  fiir  die  nachstehenden  Erorterungen  um  Nachsicht  bitten, 

Wenn  wir  die  im  letzten  Abschnitt  mitgetheilten  Verhaltnisse 
iiber  den  Bau  der  Saftbohrer  noch  einmal  vergleichend  iiberblicken, 
so  stellt  sich  uns  sofort  die  wichtige  Thatsache  entgegcn,  dass 
alle  diese  Bildungen  nach  demselben  Typus  gebaut  sind.  Immer 
lassen  sich  an  den  Saftbohrern  zwei  Haupttheile  unterscheiden, 
eine  Centralmasse  und  eine  dieselbc  umkleideude  Chitinhiille.  Ganz 
ebenso  gebaut  sind  nun  aber  auch  die  einfachen  Haare  auf  dem 
Riissel  der  Schraetterlinge.  Der  Haarschaft  eutspricht  der  Cen- 
tralmasse und  der  die  Basis  des  Haarschaftes  umkleidende  Chi- 
tinring  dem  die  Centralmasse  der  Saftbohrer  umhiillenden  Chitin- 
cylinder.  Demzufolge  werden  wir  zunachst  alle  Saftbohrer  fur 
untereinander  homologe  Bildungen   erklaren,   welche   dann   selbst 


192  Wilhelm  Broitcnbach, 

wieder  den  Haareii  homolog  sind.  Frageii  wir  mm  uach  der  Grund- 
lago,  aus  welcher  sich  die  Saftl)ohrer  pliylogenetisch  werden  ent- 
wickelt  liaben,  so  stossen  wir  auf  die  Haare;  deim  andere  Bil- 
dungeii,  aus  denen  sie  liatten  hervorgeheii  konneii,  sind  am  lliissel 
nicht  vorhauden.  Die  Saftbohrer  auf  dem  Riissel  der 
Schmetterlinge  haben  sich  als  Aupassung  an  die  Ge- 
winnung  von  Nahrung  aus  Haaren  entwickelt '). 

Damit  ist  nun  aber  nocli  keineswegs  gesagt,  ob  die  Saftboh- 
rer monophyletischen  oder  polyphyletischen  Urspruugs  sind,  und  so 
stellt  sich  uns  deun  die  wichtigste  Frage  entgegen !  Hat  die  Eut- 
wicklung  der  Saftbohrer  schon  bei  den  Urschmetterlingen  ihren 
Anfang  genommeu,  und  sind  alle  die  verschiedenen  Formen  der- 
selben  nur  Modifikationen ,  oder  genauer  gesagt,  ebenso  viele  ver- 
schiedene  von  dieser  einen  Urform  ausgegangene  Eutwicklungs- 
richtuugen?  Oder  sind  die  verschiedenen  Formen  der  Saftbohrer 
an  niehreren  Stellen  des  Schmetterlings-Stammbaumes  zu  verschie- 
denen Zeiten  unabhangig  von  einander  entstanden?  Die  richtige 
Beantwortung  dieser  Fragen  ist  von  hervorragender  Wichtigkeit; 
denn  ware  das  erstere  der  Fall,  so  miissten  oiienbar  die  verschie- 
denen Entwickluugsrichtungen  der  Saftbohrer  mit  den  Verzwei- 
gungen  des  Schmetterlings-Stammbaumes  zusammeufallen,  und  da- 
mit batten  wir  dann  in  den  Saftbohrern  umgekehrt  ein  vorzug- 
liches  Mittel  zur  Klarlegung  dieser  Verzweigungen ,  die  bekannt- 
lich  noch  in  ziemliches  Dunkel  gehiillt  sind.  Ist  dagegen  das  letz- 
tere  der  Fall,  so  gestaltet  sich  dadurch  naturlich  die  Sache  un- 
endlich  complicirter,  und  wir  durfen  nur  mit  grosster  Vorsicht 
verfahren,  wenn  wir  von  den  Saftbohrern  fur  die  Construirung 
des  Stammbaumes  der  Schmetterlinge  Gebrauch  machen  wollen. 
Zur  definitiven  Entscheidung  der  beiden  Fragen  ware  es  naturlich 
nothw^endig,  Schmetterlinge  aus  mindestens  alien  Gattungen  auf 
die  Saftbohrer  bin  genau  zu  untersuchen.  Da  uns  bis  jetzt  aber 
erst  eine  verschwindend  kleine  Anzahl  von  Gattungen  in  dieser 
Hinsicht  bekannt  ist,  so  diirfen  wir  vorlaufig  keine  weitgehenden 
Aufschltisse  iiber  die  Verzweigungen  des  Schmetterlings-Stamm- 
baumes erwarteu.  Nichts  desto  weniger  mochte  ich  aber  doch 
einige  Punkte  zur  Sprache  bringen,  um  wenigstens  die  Verwend- 
barkeit  der  Saftbohrer  zu  dem  genannten  Zwecke  wahrscheinlich 
zu  machen. 


^)  lu  welcher  Weise  Avir  uns  diescn  Vorgang  etwa  vorzuslellen 
habeu,  habe  ich  schon  friihcr  anzudmiten  vcn-sucht  (Archiv  f.  raikr. 
Anat,   Band  XV,   pag.  24 — 27). 


Beitrlige  zur  Kemitniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Eussel.     193 

Sind  wir  iiberhaupt  jetzt  schon  im  Stande,  eine  der  oben  be- 
schriebenen  Saftbohrer-Formeu  von  ihrem  ausgebildeten  Zustande 
an  durcli  vermittelnde  Zwischenstufen  aiif  die  einfachen  Haare 
ziiriickzufiihren ,  und  was  wurde  aus  dieser  Mogliclikeit  etwa  zu 
folgern  sein?  Ich  glaube  oben  hinreichend  deutlich  gemacht  zu 
haben ,  dass  wir  uns  die  Entsteliuug  der  Saftbobrer  mit  Radial- 
platteu  aus  einfachen  Haaren  ganz  gut  vorstellen  konnen.  Von 
den  ausgebildeten  Formen,  wie  wir  sie  etwa  bei  Catocala  antref- 
fen,  fiihren  uns  Formen,  wie  sie  uns  Coenonympha,  Epinephele, 
Lycaena  und  Pieris  darbieten,  in  absteigender  Reihenfolge  zu  den 
Haaren  hinunter.  Ausserdem  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass 
wir  von  Saftbohreru  wie  bei  Epinephele  und  Coenonympha  audi 
ohne  Zwang  diejenigen  von  Arge  Galathea  ableiten  konnen. 

Aus  diesen  wenigen  Thatsachen  lassen  sich  zunachst  zwei 
Moglichkeiten  folgern.  Aus  den  einfachen  Haaren  sind  dadurch, 
dass  die  Cylinderwand  sich  in  einigen  Liingsstreifen  lokal  verdickte, 
Formen  wie  bei  Pieris  und  Lycaena  entstanden.  Durch  weitere 
Ausbildung  dieser  Leisten  gingen  aus  den  ersteren  Formen  die 
Saftbobrer  von  Epinephele  und  Coenonympha  hervor.  Aus  diesen 
Formen  konnen  wir  uns  nun  sowohl  diejenigen  von  Arge  Galathea 
wie  diejenigen  mit  Radialplatten  entstanden  denken.  Losten  sich 
die  Leisten  in  einige  je  mit  spitzem  Ende  versehene  Stucke  auf, 
so  bekommen  wir  die  Saftbobrer  von  Arge;  blieben  die  Leisten 
dagegen  ganz  und  entwickelten  sie  sich  zu  Flatten  weiter,  so  er- 
halten  wir  die  Saftbobrer  mit  Radialplatten. 

Jetzt  wollen  wir  einmal  das  bisherige  System  zu  Rathe  Zie- 
hen. Pieris,  Lycaena,  Epinephele  und  Coenonympha  gehoren  mit 
Arge  zu  den  Papilionidae ;  die  drei  letzten  Gattungen  sind  in  der 
Familie  der  Satyridae  vereinigt,  wiihrend  die  beiden  ersteren  je 
l)esouderen  Familien  zugetheilt  werden.  Erwagen  wir  nun,  dass 
unter  den  Papilionidae  kein  Schmetterling  sich  findet  (wenigstens 
so  weit  bekannt),  dessen  Riissel  mit  Radialplatten-Saftbohrern  in 
gut  entwickeltem  Zustande  ausgerustet  ist,  so  werden  wir  es  wohl 
wahrscheinlich  finden,  dass  bier  zwei  von  einander  unabhangige 
Entwicklungsreihen  vorliegen,  dass  aus  und  durch  Formen,  wie 
wir  sie  bei  Pieris,  Lycaena,  Epinephele  und  Coenonympha  antref- 
fen,  nur  die  Saftbobrer  von  Arge  sich  entwickelt  haben,  dass  da- 
gegen der  Ursprung  der  Saftbobrer  mit  ausgebildeten  Radialplat- 
ten an  einem  andern  Orte  des  Schmetterlings-Stammbaumes  ge- 
sucht  werden  muss. 

Ehe  wir  nun  aber  audi  diese  Verhitltnisse  niiher  zu  beleuch- 

Bd.  XV.  N.  F.  Till,  1.  IQ 


194  Wilhelm  Breitenbach, 

teu  versuchen,  wollen  wir  noch  auf  einen  andern  Punkt  bei  den 
Papilioniden  aufmerksam  raachen.  In  der  Familie  der  Nympha- 
liden  kommen  zwei  Fornieu  von  Saftbohrern  vor,  solche  mit  Zah- 
nen  auf  dem  oberen  Cylinderrand  und  solche  ohne  Zahne.  Erstere 
besitzen  unter  den  einheimischen  Gattungen,  soweit  ich  dieselben 
habe  untersuchen  konnen,  die  Vanessa -Arten;  letztere  babe  ich 
bei  Argynuis  und  Melitae  angetroffen.  Dagegen  sind  mir  mehrere 
brasilianische  Nymphaliden  und  zwei  der  nahe  verwandten  Heli- 
coniden  bekannt.  Die  nachstehende  Uebersicht  ergiebt  die  Ver- 
theilung  der  beiden  Saftbohrer-Formen  auf  die  verschiedenen  Gat- 
tungen. 


)  Saftbohrer  mit  Z 

ihnen: 

2)  Saftbohrer  ohne  Ziihne: 

Vanessa 

Argynnis 

Colaenis 

Hypanartia 

Melitaea 

Dione  (=Agrau 

Pyrameis 

Gynaecia 

lis) 

Eurema 

Epicalia 

Heliconius 

Ageronia 

Eneides 

Anartia 

Die  Frage  wiirde  nun  sein,  ob  wir  in  diesen  beiden  Gruppen 
zwei  Zweige  des  Stammbaumes  erblicken  diirfen.  Vor  einiger  Zeit 
hat  Fritz  Miiller  (Stettiner  Entomologische  Zeitung,  1877, 
p.  492 — 496)  die  Gattungen  Heliconius  und  Eneides  von  den  Heli- 
coninen,  die  Gattungen  Colaenis  und  Dione  von  den  Nymphaliden 
getrennt  und  zu  einer  eigenen  Familie,  der  der  Maracuja -  Falter, 
vereinigt.  Eins  der  Merkmale,  auf  Grund  deren  Fritz  Miiller 
diese  neue  Anordnung  vornahm,  bildet  auch  die  Uebereinstimmung 
in  den  Saftbohrern.  Es  heisst  an  genaunter  Stelle:  „Fuhler  und 
Mundtheile  stimmen  im  Wesentlichen  bei  alien  Arten  iiberein,  ohne 
freilich  etwas  besonders  Auszeichnendes  zu  bieten.  Dies  gilt  na- 
mentlich  auch  von  den  langs  der  Kiefer  stehenden  Anhangen  in 
Gestalt  einer  flachgedriickten  Keule,  die  am  Ende  einen  schiefste- 
henden  Stift  tragen."  Es  ware  vielleicht  sehr  wohl  moglich,  dass 
sich  bei  Vergleichung  der  librigen  Gattungen  ebenfalls  hinreichende 
unterscheidende  Merkmale  herausstellteu ,  welche  eine  derartige 
Anordnung  als  ganz  naturgemass  erscheinen  liesse,  wie  sie  oben 
sich  aus  der  Vertheilung  der  beiden  Saftbohrer-Formen  ergab.  Ich 
selbst  besitze  nicht  die  nothigen  systematischen  Keuntnisse  und 
noch  viel  weniger  hinreichendes  Material,  um  einen  derartigen  Ver- 
gleich  ausfiihren  zu  konnen.  Es  wiire  aber  wiinschenswerth,  wenn 
derselbe  recht  bald  in   eingehender    Weise  unternommen   wtirde; 


Beitriige  zur  Kenntnisg  des  Eaues  der  Schmetterlings-Riissel.      195 

denn  iiur  dadurch  konnte  die  Brauchbarkeit  oder  Unbrauchbarkeit 
der  Saftbohrer  zu  systeraatischen  Zwecken  endgiiltig  entschiedeu 
werden. 

Von  den  Sphingiden  habe  icli  nur  Sphinx  iind  Macroglossa 
untersucht.  Die  Saftbohrer  sind  sehr  kleine  Cylinder  ohne  Zahne, 
die  man  bei  Sphinx  ebenso  gut  als  Haare  mit  iiusserst  kleinem 
Haarschaft  bezeichnen  konnte. 

Wir  konimen  nun  zii  den  Saftbohrern  mit  Radialplatten ,  die 
den  beiden  vorhergehenden  Gruppen  der  Schmetterlinge  giinzlich 
fehlen ,  dagegen  in  den  noch  iibrigen  drei  grossen  Abtheihmgeu 
der  Bombyces,  Noctuae  und  Geometrae  ausserst  verbreitet  zu  sein 
scheinen.  In  folgenden  einheimischen  Gattungen  der  genannten 
drei  Schmetterlingsabtheilungen  habe  ich  Saftbohrer  rait  Radial- 
platten gefunden. 

1)  Bombyces. 

Setina,  Euchelia  (?),  Euprepia  (=  Arctia),  Gastropacha,  Zy- 
gaena  (nur  andeutungsweise;  siehe  vorigen  Abschnitt),  Pygaera 
(=  Phalera),  Notodonta  (=  Lophopteryx). 

2)  Noctuae. 

Arconycha,  Pauolis,  Taeniocampa,  Triphaena,  Agrotis,  Ma- 
mestra,  Hadena,  Plusia,  Gat(»cala,  Euclidia,  Rusina,  Neuronia, 
Phlogophorn,  Erastria. 

3)  Geometrae. 

Geometra,  Zonosoma,  P'.ugoiiia,  Gnophos,  Cidaria  (=  Laren- 
tia),  Eupithecia. 


Ausserdem  sind  mir  noch  Saftbohrer  mit  Radialplatten  von 
folgenden  fiinf  Gattungen  bekannt,  deren  systematische  Stellung 
mir  unbekannt  ist:  Trachea,  Orthodes,  Pseudothyatira,  Callidryas, 
Eunonia. 

Aus  den  vorstehenden  Angaben  gelit  wohl  zur  Geniige  hervor, 
dass  die  Saftbohrer  mit  Radialplatten  sehr  verbreitet  sind,  da  sie 
sich  iiber  drei  grosse  Schmetterlingsgruppen  ausdehnen.  Das  Merk- 
wiirdige  dabei  ist,  dass  diese  an  sich  schon  eigenthtimlichen  Eor- 
men   stets   in   derselben  Regelmassigkeit  wiederkehren ,   indem   in 

13* 


196  Wilhelra  Breitenbach, 

alien  Fallen  ^)  sechs  Flatten  vorhauden  sind.  Icli  glaube,  wir  dur- 
feu  diese  Thatsache  nicht  ftir  Zufall  halten,  sondern  wir  miissen 
vielmehr  annehmen,  dass  diese  Form  der  Saftbolirer  nur  einnial 
entstanden  ist,  und  dass  sicli  dieselbe  dann  mit  dem  allmahligen 
Entstehen  neuer  Zweige  am  Stammbaum  der  Lepidoptera  vererbt 
hat.  Leiten  wir  aber  die  Saftbohrer  von  einer  Form  ab,  so  miis- 
sen wir  auch  ftir  die  sie  besitzenden  Schmetterlinge  eiueu  einheit- 
lichen  Ursprmig  annehmen.  Die  Bombyces,  Noctuae  und  Geome- 
trae  wiirden  also  monophyletischen  Ursprungs  sein. 

Nun  giebt  es  aber  in  den  drei  Schmetterliugsgruppen  auch 
noch  andere  Saftbohrer,  u.  z.  gerade  die  abweichendsten.  Unter 
die  Noctuaden  stellt  man  zunachst  Scoliopteryx  libatrix;  die  spe- 
cielle  Stellung  dieser  Gattung  im  System  ist  aber  eine  sehr  unbe- 
stimmte.  Herr  Dr.  A.  Speyer  aus  Rhoden  schreibt  mir  dariiber: 
,, Scoliopteryx  libatrix  hat  keine  Verwandten  in  der  europaischen 
Fauna.  Die  Gattung  steht  isolirt  da  und  ist  desshalb  von  jedem 
Systematiker  an  einer  andern  Stelle  des  Systems  eingeschoben 
worden.  Auch  unter  den  Exoten  kenne  ich  keine  ihr  nahe  ste- 
hende  Gattung  oder  Art."  Wenn  so  die  Systematiker  von  ihrem 
Standpunkte  aus  die  Gattung  Scoliopteryx  nicht  unterzubringen 
wissen,  so  konnen  wir  ihr  auf  Grund  der  Saftbohrer  vorlaufig  auch 
keineu  bestimmten  Platz  auweiseu.  Sollte  es  aber  bei  wcitcrer 
Untersuchung  gelingen,  die  Saftbohrer  von  Scoliopteryx  an  andere 
ankntipfen  zu  konnen,  so  wiirde  dadurch,  wie  ich  meinc,  die  Stel- 
lung der  Gattung  recht  gut  zu  bestimmen  sein.  Damit  ware  denn 
mit  Hiilfe  der  Saftbohrer  eine  bis  jetzt  gar  nicht  unterzubringende 
Gattung  auf  ihren  vermuthlichen  Ursprung  zuriickgefiihrt. 

Aehnlich  verhalt  es  sich  auch  mit  Ophideres ,  die  man  ge- 
wohnlich,  so  viel  ich  weiss,  zu  den  (3pliiusidae  stellt,  zu  denen 
auch  Catocala  gehort.  Wie  weit  stehen  nicht  die  Saftbohrer  die- 
ser beideu  Gattungen  auseinander!  Auf  der  einen  Seite  solche 
mit  Radialplattcn  (Catocala),  auf  der  andern  jene  milchtigen  Wi- 
derhaken  (Ophideres).  Wenn  die  systematische  Stellung  der  Gat- 
tung Ophideres  wirklich  natiirlich  ist,  d.  h.  wenn  Ophideres  und 
Catocala  thatsiichlich  benachbarte  Zweige  eiues  Stammes  sind,  so 
muss  es  meiner  Ueberzeuguug  nach  auch  gelingen,  die  vermit- 
telnden  Zwischenstufen  zwischen  den  Widerhaken  bei  Ophideres 
und  den  Saftbohrern  mit  Radialplatten  aufzufinden.  Vermuthlich 
warden  noch  derartige  Zwischenstufen  vorhanden  sein,  da  doch 


')  Abgesehen  von  individuelleu   Variationeii. 


BeitrJige  zur  Keniituiss  ties  Baues  der  Schmetterliugs-Eussel.      197 

(lie  Eiitsteliuug  jcues  wuudervolleii  Apparates  bei  Ophideres  in 
eiiie  verbaltnissmassig  uicht  weit  zuriickliegeiide  Zeit  fallen  muss. 
Sollte  aber  eine  derartige  Zuriickfuhrimg  uicbt  geliugeu,  so  mtisste 
dann  wobl  aucb  die  jetzige  systematiscbe  Stelluug  der  Gattung 
Ophideres  aufgegeben  werdeu. 

Diese  beiden  Falle,  denen  sich  danu  auch  noch  Egybolia  an- 
reiht,  welche  Gattuug  man  bei  den  Liparidae  unter  den  Boniby- 
ces  uiitergebracht  bat,  gehoren  wobl  zu  den  scbwierigsten  auf 
dieseni  neuen  Gebiete;  aber  sie  sind  aucb  die  interessantesten. 
Durcb  auf  unifassende  vergleicbende  Untersucbungen  gegriindete 
Versucbe,  die  eigentbiinilicben  Saftbobrer  jener  drei  Gattuugeu 
auf  einfacbere,  besser  gesagt  auf  urspriiuglicbere,  zurtickzufiihren, 
wiirdu  gerade  die  Bedeutuug  der  Saftbobrer  fiir  die  Systematik 
ins  recbte  Licbt  gestellt  werden  kounen.  Dessbalb  ware  es  recbt 
wiinscbenswerth ,  wenn  solcbe  Versucbe  bald  in  der  ausgedebnte- 
sten  Weise  uuternommen  wiirden. 

Diese  weuigen  Angaben  mogen  geniigen,  urn  anzudeuten,  wel- 
che Bedeutung  die  Saftbobrer,  v.cun  man  sie  erst  in  grosserer 
Ausdehnung  kennen  gelernt  hat,  fiir  die  systematischen  Forschun- 
gen  in  der  Classe  der  Lepidoptera  allenfalls  erlaugen  konnen. 
Dass  sie  zu  diesem  Zwecke  iiberbaupt  Verwenduug  linden  konnen, 
scbeint  mir  zweifellos  zu  sein.  Sollte  sich  das  bei  weiteren  Un- 
tersucbungen bestatigen,  so  batten  wir  in  den  Saftbohrern  einen 
neuen  Anhaltspuukt  fiir  die  Construirung  des  Stamrabaumes  der 
Scbmetterlinge  gewonnen,  einer  Insectenklasse,  in  der  man,  wie 
Fritz  M tiller  sagt,  jeden  derartigen  Anhaltspuukt  mit  Freuden 
begriissen  muss.  Die  eingebende  Untersucbung  der  Schmetter- 
lingsrussel,  speciell  mit  Bezug  auf  die  Saftbobrer,  sei  daher  drin- 
gend  empfohleu. 

Die  in  diesem  Abschnitt  uiedergelegten ,  ganz  provisoriscbeu 
Erorteruugen  bezieben  sich,  wie  der  kundige  Leser  gemerkt  hat, 
nur  auf  die  Macrolepidoptera,  wabrend  die  Microlepidoptera  ganz 
unberiicksichtigt  geblieben  sind.  Der  Grund  davon  ist  der,  dass 
ich  iiber  Letztere  keiue  dies  bezuglicbeu  ^Kenntnisse  besitze.  In- 
dessen  es  werdeu  sich  auch  bier  Saftbobrer  vorfinden,  da  ja  auch 
Microlepidoptera  Blumen  besuchen.  Mogen  diese  sowie  andere 
empfindliche  Liicken  in  nieinen  Untersucbungen,  die  wesentlich 
durcb  den  Mangel  an  Untersuchungsmaterial  bedingt  sind,  bald 
ausgefiillt  werden! 


198  Wilhelm   Brcitcnbcich, 


V!.    Das  fnnere  der  Riisselhalften  (SVIuskeIn,  Nerven  und 
Tracheenrohr). 

In  diesem  Abschuitt  liabeu  wir  drei  verscliiedeuc  Theilo  der 
Maxillen  kennen  zu  lernen,  die  Muskeln,  Nerven  und  das  Tra- 
cheenrohr im  Inneren.  So  gewiss  es  in  hohem  Grade  interessant 
ware,  Genaues  liber  diese  Verhaltnisse  zu  erfahreu,  urn  so  mehr 
bedaure  ich,  gerade  bier  nur  ausserst  liickenhafte ,  ganz  allge- 
nieine  Bemerkungeu  machen  zu  konneu.  Wir  niiissen  aber  doch 
auf  diesen  Theil  der  Organisation  des  Schmetterlingsriissels  ein- 
geheu,  und  ware  es  auch  nur,  uni  das  Hierhergehorige  der  Voll- 
standigkeit  halber  wenigstens  anzufiihren. 

1.     Muskeln. 

Im  Vorhergehendeu  ist  schon  wiederholt  darauf  hiiigewiesen 
worden,  dass  die  Maxillen  nicht  aus  hintereinauder  liegendeu 
Riugen  besteheu;  desshalb  baut  sich  die  innere  Muskulatur  auch 
nicht  aus  Ringmuskelu  auf,  wie  sie  von  Newport  und  Anderen 
angenomraen  wurden.  Es  ist  ja  auch  von  vornherein  ziemlich  un- 
denkbar,  wie  solche  Ringinuskeln  die  Bewegungen  des  Rttssels 
vermitteln  solleu;  bei  ihrer  Contraction  wiirde  doch  nur  die  be- 
tretfende  Stelle  der  Maxille  zusammengedriickt,  d.  h.  das  Lumen 
verkleiuert  werden.  Die  Rollbewegungen  des  Riissels  verlangen 
entschieden  Langsmuskeln.  Gerstfeldt  nimmt  zwei  Langsmus- 
keln  an,  eiuen  oberen  und  einen  unteren;  von  diesen  solleu  von 
Zeit  zu  Zeit  Xebenaste  an  die  verschiedeuen  Chitinleisten  der 
Maxillar-Oberflache  abgehen.  Wie  diese  Nebenaste  verlaufen,  ob 
senkrecht  zur  Liingsaxe  der  Maxillen  oder  unter  einem  spitzen 
Winkel,  ist  leider  nicht  angegebeu;  wir  werden  aber  gleich  sehcn, 
dass  darauf  sehr  viel  ankonnnt. 

Meiue  Anschauung  von  der  inneren  Muskulatur  der  Maxillen 
ist  kurz  folgende.  Zunachst  wird  jede  Maxille  von  einem  Haupt- 
langsmuskel  von  der  Basis  bis  zur  Spitze  durchzogen;  derselbe 
verliluft  im  unteren  Theile  der  Maxille,  wenn  wir  uns  den  Rtissel 
in  seiner  natiirlichen  Lage  betindlich  denken.  Von  diesem  Langs- 
muskel  zweigen  sich  zahlreiche  kleinere  Muskeln  ab,  welche  sich 
in  schrager  Richtung,  also  unter  einem  spitzen  Winkel  zur  Liings- 
axe  der  Maxille,  an  die  obere  Seite  begeben,  um  sich  hier  anzu- 
heften.  Im  Allgemeinen  laufen  diese  Schragmuskeln  ziemlich  pa- 
rallel, sowie  sie  auch  ungefahr  dieselbe  Dicke  haben.    Diese  Mus- 


Beitrage  zur  Kenutuiss  des  Banes  der  Schmetterlings-Kussel.     199 

keln  siiid  mauchmal  so  zalilreich,  dass  sie  unmittelbar  nebeueinaii- 
der  liegeii,  withrend  sie  in  anderu  Fallen  etwas  auseinander  ge- 
riickt  stehen. 

Diese  Anscliauung  habe  icli  nicht  auf  Grund  auatomischer 
Zergliederung  gewonnen,  sondern  aus  der  Betrachtuug  ziemlicli 
durchsichtiger  Riissel.  Die  beigegebene  Figur  28  mag  das  Gesagte 
veranscbaulichen.  Leider  vermag  icb  weitere  Einzelbeiten  iiber 
die  innere  Muskulatur  der  Maxilleu  nicbt  anzugebeu.  Weun  sich 
der  Russel  einrollen  soil,  so  werden  sich  natmiicb  erst  diejenigen 
Schragnmskeln  contrabireu ,  welche  in  der  Riisselspitze  sich  be- 
linden,  und  von  da  schreitet  daini  die  Contraction  allmahlig  nach 
der  Basis  zu.  Beim  Entrollen  des  Rtissels  geht  die  Erschlaffung 
der  Muskeln  dann  in  umgekehrter  Reihenfolge  vor  sich.  Dass  die 
Muskeln  sehrag  verlaufen  miisseu  und  nicht  etwa  senkrecht  zur 
Langsaxe  der  Maxillen,  ist  klar.  Wtirde  das  Letztere  der  Fall 
seiu,  so  wiirde  bei  den  Contractionen  oftenbar  nur  die  obere  Ma- 
xillarflache  an  die  untere  herangezogen  werden,  niemals  aber 
konnte  ein  Einrollen  stattfinden.  So  aber,  wie  die  Verhilltnisse 
thatsachlich  liegen,  muss  bei  den  Contractionen  der  Muskeln  noth- 
wendig  eine  Kriimmung  des  Riissels  eintreten ,  die  in  ihrer  wei- 
teren  Ausfuhrung  dann  in  jene  bekannte  Spirale  iibergeht. 

2.  Nerven. 
Ueber  die  Nerven  der  Schmetterlingsriissel  besitze  ich  keine 
positiven  Kenntnisse;  in  der  ganzen  mir  bekannt  gewordeuen  Ij- 
teratur  iiber  Schmetterlingsriissel  ist  gleichfalls  Nichts  dariiber 
zu  fin  den.  Dass  iiberhaupt  Nerven  vorhanden  sind,  ist  selbstver- 
standlich,  und  da  dieselben  sich  im  Allgmeinen  dem  Verlauf  der 
Muskeln  auschliessen ,  so  werden  wir  vielleicht  einen  Hauptnerv 
annehmen  diirfen,  welcher  sich  an  den  Hauptlangsmuskel  aulegt. 
Zunachst  werden  dann  Aeste  in  die  Schragmuskeln  abgehen;  fer- 
ner  werden  Aeste  an  die  Haare  und  Saftbohrer  herantreten.  Die 
beiden  Nervenstiimrae  der  Maxillen  miissen  sich  vereinigen,  resp. 
von  einem  Punkte  ausgeheu.  Denn  da  die  Contractionen  der 
Schragmuskeln  in  den  Maxillen  beim  Einrollen  an  entsprechenden 
Stellen  gleichzeitig  vor  sich  gehen  miissen,  so  muss  auch  die  Ver- 
anlassung  zur  Contraction,  d.  h.  der  Reiz,  gleichzeitig  auf  die 
entsprechenden  Muskeln  einwirken.  Der  anatomische  Beweis  fiir 
diese  Vermuthungen  muss  spiiteren  Untersuchungen  vorbehalten 
bleiben. 


200  Wilhelm  Breiteubuch, 

3.     Tracheenrohr. 

lu  jede  der  beideu  Maxillen  tritt  eiu  Traclu;eiirolir  vuu  der 
gewohnlicheii  Beschatfeulieit  eiu.  Es  zielit  sich  in  scliwaclien  VViii- 
dimgeu  durch  die  ganze  Lange  der  Maxillen  liiudurch,  urn  in  der 
Spitze  derselben  blind  zu  eudigen.  Einige  Beobachter  lasseu  das 
Ende  des  Traclieenrohres  in  viele  feine,  gleichfalls  blind  endende 
Aeste  sich  auflosen.  Dies  ist  nicht  der  Fall ;  wenigstens  babe  ich 
es  nie  beobachtet,  und  die  iiltereu  Beobachter  gebeu  auch  nicht 
an,  bei  welchen  Schnietterliugen  sie  jene  Nebeuaste  gesehen  ha- 
beu  wollen. 

Eine  Beobachtung  mag  hier  Platz  finden.  Unter  einer  An- 
zahl  ausgeschliipfter  Euprepia  caja  befand  sich  ein  Exemplar  in 
sehr  verktimmertem  Zustande.  Natiirlich  untersuchte  ich  auch  den 
Riissel.  Dabei  stellte  sich  heraus,  dass  das  Tracheenrohr  trotz 
des  verkiinimerten  Zustandes  der  iibrigen  Riisseltheile  doch  augen- 
scheinlich  in  normalem  Zustande  sich  befand.  Wiihrend  es  im 
ausgebildeten  Riissel  in  schwachen  Windungen  sich  durch  die 
Maxille  hindurchzieht ,  sehen  wir,  dass  es  hier  in  dem  rudinien- 
tiiren  Riissel  zahlreiche  starke  Kriimmuugen  und  Verschlingungen 
macht,  so  dass  es  allein  von  alien  Riisseltheilen  nicht  rudimentar 
geworden  ist,  sondern  seine  normale  Lange,  wie  es  scheint,  bei- 
behalten  hat.  Jedenfalls  eine  hochst  merkwiirdige  Erscheinung! 
Wesshalb  ist  das  Tracheenrohr  nicht  auch  verkiimmert '?  Wir  ha- 
ben  hier  den  eigenthtimlichen  Fall  vor  uns,  dass  ein  Organ  ver- 
kiimmert, nur  ein  iutegrirender  Bestandtheil  desselben  nicht.  Ich 
weiss  nicht,  ob  derartige  Falle  schou  in  grosserer  Anzahl  bekannt 
sind;  ist  das  nicht  der  Fall,  so  ware  es  jedenfalls  der  Miihe 
werth,  auf  dieselben  in  Zukunft  zu  achten  und  nach  einer  Erklii- 
rung  derselben  zu  streben,  die  ich  in  dem  vorliegenden  Falle  al- 
lerdings  nicht  zu  geben  vermag. 

Leider  muss  ich  es  mit  den  vorstehenden  iiusserst  diirftigen 
Angaben  tiber  Muskeln,  Nerven  und  Tracheenrohr  der  Maxillen 
beweuden  lassen.  Mogen  Andere  diese  empfindliche  Liicke  recht 
bald  in  umfassender  Weise  ausfiillen! 


VII.    Der  Verschluss  der  beiden  Riisselhalften. 

In  einer  friiheren  Arbeit   (Archiv  fiir  mikroskopische   Ana- 
tomic ,   Band  XV)   habe  ich  versprochen ,    gelegentlich   tiber   den 


Beitrage  zur  Kenutniss  dcs   Banes  tier  Schmuttoi-liugs-Kiissel.     201 

Verscliluss  der  beideu  Sclimetterlingsmssel  -  Hillfteu  eingelieuder 
zu  berichten,  als  ich  es  an  jeuem  Orte  getlian  habe.  Dieses  Ver- 
spreclien  soil,  soweit  es  die  vorliegendeu  Beobaclitungeii  gestatteu, 
in  diesem  Absclmitt  eingelost  werden.  \Yie  vvir  bereits  in  der 
geschiclitlichen  Eiuleituug  erfahren  liabeu,  legen  sicli  die  Maxillen 
niit  iliren  Eandern  niclit  einfach  aneinander,  urn  den  Saugkanal 
zu  bildeu,  sondern  sie  werden  durch  besondere,  an  den  Randern 
betindliclie  Vorrichtuugeu  fest  zusammeugelialten.  Diese  Vorrich- 
tungen  bestelien  nacli  den  iilteren  Beobaclitern  aus  dicht  neben- 
einander  stehenden ,  iibereinauder  greifenden  Haaren.  Reaumur 
sah,  dass  der  Verscliluss  auf  der  uutern  Seite  ausser  durch  diese 
Haare  (filets)  auch  nucli  durch  eigenthiimliche  Zahubilduugen  her- 
gestellt  werde,  und  er  meint,  dass  diese  letzteren  den  Verschluss 
allein  wilrden  bewirken  konnen ,  wenn  nicht  jene  filets  vorhanden 
seien.  Das  ist  nicht  ganz  richtig;  wir  werden  gleich  sehen,  dass 
auf  der  untern  Seite  die  Zahubilduugen  allein  den  Verschluss  be- 
werkstelligeu,  dass  hier  die  filets  ganz  fehlen,  dass  dieselben  aus- 
schliesslich  auf  die  obere  Seite  beschrilnkt  siud. 

Bei  diesen  allgemeiuen  Angaben  ist  es  nun  auch  geblieben 
in  der  ganzen  mir  bekannt  gewordenen  Literatur  iiber  Schnietter- 
lingsriissel  —  und  ich  kenne  weit  mehr  als  die  angefiihrten  Ar- 
beiteu  —  ist  nirgendwo  eine  genaue  Darstellung  des  zuni  Ver- 
schluss der  beiden  Riisselhalften  dienenden  Apparates  gegeben. 
Erst  Francis  Darwin  that  einen  Schritt  welter;  er  beschreibt 
genauer  die  Zahnbildungeu ,  welche  die  Maxillen  von  Ophideres 
fullonica  auf  der  uuteren  Seite  zusammenhalten ;  eine  beigegebene 
halb  -  schematische  Abbildung  zeigt  uns  auch  die  Art  und  VVeise, 
wie  die  Zahne  oder  Haken  ineinandergreifeu.  Wie  der  Verschluss 
auf  der  oberen  Seite  hergestellt  wird,  ist  F.  Darwin  nicht  ganz 
klar  gewordeu;  er  sagt:  „the  delicate  spines  on  the  dorsal  sur- 
face may  perhaps  contribute  to  the  same  result",  namlich  wie  die 
Ziihue  der  Unterseite  zum  Verschluss.  In  der  Wirklichkeit  sind, 
wie  wir  sogleich  erfahren  werden,  diese  delicate  spines  einzig 
und  allein  die  den  Verschluss  auf  der  Oberseite  bewirkenden  Ele- 
mente.  Nach  Francis  Darwin  hat  dann  noch  Prof.  Vitus 
Graber  in  seinem  sehr  empfehlenswerthen  Buche  iiber  „die  In- 
secteu"  (Band  I  pag.  154  und  155)  eine  ziemlich  richtige  Dar- 
stellung unseres  Gegenstandes  gegeben;  auf  kleine  Feliler  werde 
ich  nachher  aufmerksam  machen. 

Ich  war  friiher  der  Meinung,  es  wtirde  sich  bei  ausgedehnter 
Untersuchuug    eine   bedeutende   Mannigfaltigkeit   des   Verschlies- 


202  Wilhelm   Breilenbach, 

snugs- Apparates  bei  den  verschiedeneu  Schnietterlings  -  Gruppen 
lierausstelleii.  Dies  hat  sich  nun  freilich  nicht  bestatigt ;  im  Gc- 
geutheil  ist,  vvenigsteus  nach  meiuen  Untersuchuugen ,  der  zum 
Verschluss  der  beiden  Riisselhalften  dieneude  Apparat  in  alien 
Schnietterlings  -  Abtlieiluugen  im  Wesentlichen  derselbe.  Diesc 
Thatsache  berechtigt  uns  denn  wohl  auch  zu  der  Annahme,  dass 
dieser  eigentiimliche  Mechanisraus  im  Verlauf  der  phylogeueti- 
schen  Entwicklungsgeschichte  der  Lepidoptera  nur  einraal  ent- 
standen  ist.  Er  vvird  sich  schon  bei  den  Urschmetterlingen  ent- 
wickelt  haben  iind  von  diesen  dann  auf  alle  andern  Schmetter- 
linge  in  ziemlich  unveriinderter  Gestalt  durch  Vererbung  uber- 
tragen  vvorden  sein. 

Da  der  die  beiden  Riisselhalften  zu  einer  Rohre  zusammen- 
schliessende  Apparat  bei  alien  Schmetterliugen  wesentlich  derselbe 
ist,  so  erzielen  wir  dadurch  eine  sehr  bedeutende  Vereinfachung 
und  Erleichterung  unserer  Darstellung.  Wenn  wir  uns  den  Me- 
chanismus  an  einem  noch  dazu  einfachen  Beispiele  vollig  klar 
machen,  so  haben  wir  damit  zugleich  den  gauzeu  Gegenstand  ver- 
stauden ,  und  wir  brauchen  dann  nur  noch  eiuige  kleine  bei  ver- 
schiedenen  Schmetterliugen  vorhandene  Diti'erenzen  kurz  anzudeu- 
ten,  um  das  Bild  zu  vervollstandigeu.  Ich  wahle  zur  Erlauterung 
den  Riissel  von  einem  unseres  Sphinx.  VVelche  Species  der  Zeich- 
nung  (Fig.  29)  zu  Grunde  gelegeu  hat,  kann  ich  leider  nicht  an- 
geben,  da  auf  dem  betreftenden  Praparat  der  Name  durch  ein 
Versehen  sich  nicht  vorfiudet. 

Vor  Allem  ist  zu  merken,  dass  der  Verschluss  auf  der  un- 
teren  Seite  ein  ganz  anderer  ist  wie  auf  der  oberen.  Unten  sind 
es  ineinander  greifende  Klammerhaken ,  ol)en  feine  Dornen  oder 
Haare ,  welche  die  Maxillen  zusammenhalteu.  Da  der  Riissel  sich 
ein-  und  ausrollt,  so  ist  es  klar,  dass  der  Apparat  nicht  ein  eiu- 
heitlich  zusammenhaugender  sein  kann,  sondern  dass  er  sich  aus 
vielen  einzelneu  Stiicken  zusammensetzen  muss,  gerade  so  wie 
aus  demselben  Grunde  die  aussere  Chitinbekleidung  des  Russels 
nicht  eine  zusammenhangende  Masse  darstellt,  sondern  vielmehr 
aus  einzeluen  Riugen  besteht.  Bestaude  der  Schliessapparat  nicht 
aus  einzeluen  Stiicken,  sondern  stellte  er  ein  zusammeuhiingendes 
Ganze  dar,  so  konnte  sich  eben  der  Riissel  nicht  ein-  und  ausrollen. 

Jede  Maxille  ist,  wie  wir  wissen,  auf  ihrer  lunenseite  rinnen- 
fonnig  eingedriickt,  so  dass  ein  Halbkanal  entsteht.  An  und  auf 
den  Randern  der  Rinne  befinden  sich  die  den  Verschluss  der  Ma- 
xillen  herstellenden  Vorrichtungen.    Betrachten  wir  zunachst  den 


Beitrtige  zur  Keuulniss  cles  Buues  tier  SchmctlerliDgs-Kiissel.     203 

uuteren  Verschluss.  Bei  eiuem  gelimgeuen  Querscliuitt  durch  den 
Riissel  seheii  wir,  dass  an  den  Raiideru  der  Rinne  auf  beiden 
Seiteu  je  eiue  ziemlich  starke,  aus  festem  Chitiu  besteheude  Klani- 
mer  sich  befindet.  Das  eine  Ende  der  Klammer  ist  scliiirfer  um- 
gebogeu  wie  das  audere,  so  dass  dadurch  ein  Hakeu  gcbildet 
wird.  Bei  zwei  benachbarten ,  nicht  derselben  Maxille  angehori- 
gen,  also  einander  gegenubersteheuden  Klammern  liegt  dieser  Ha- 
ken  bei  der  einen  Klammer  auf  der  eiitgegengesetzteii  Seite  wie 
bei  der  andeni.  Der  Verscliluss  kommt  nmi  dadurch  zu  Stande, 
dass  der  Haken  der  eiiieu  Klammer  in  die  entsprechende  Vertie- 
fung  der  andern  Klammer  eingreift,  wie  das  in  der  Zeichnuug  zu 
sehen  ist  (Fig.  29a).  Aus  der  Zeiclinung  ist  audi  erkennbar,  dass 
die  Art  und  VVeise,  wie  die  Klammern  ineinander  greifen,  zu- 
gleich  derart  ist,  dass  sowohl  ein  fester  Zusammenhang  der  bei- 
den Maxillen  lierbeigeftilirt  wird,  als  auch  ein  event.  Auseiuander- 
weiclien  derselben  mogiich  ist.  Von  der  Flache  gesehen  reprasen- 
tiren  sich  uus  die  Klammern  als  kleiue  Chitinplatten  von  der  Form 
eiues  Parallelogramms.  Die  einzelnen  Klammern  liegen  selbstver- 
standlich  sehr  dicht  aneinander,  da  ja  sonst  der  Verschluss  ein  uu- 
dichter  ware  und  dadurch  das  Saugen  erheblich  erschwert  wiirde. 

Die  Gestalt  der  Klammern  unterliegt  bei  den  verschiedenen 
Schmetterlingen  nur  ganz  unbedeutenden  Schwankungen,  auf  die 
wir  hier  gar  keinen  Bezug  zu  nehmen  brauchen.  Dass  natilrlich 
die  Dicke  und  die  damit  in  Zusammenhang  stehende  Festigkeit 
der  Klammern  bei  verschiedenen  Schmetterlingen  eine  andere  ist, 
ist  selbstverstandlich ,  da  ja  die  Riissel  selbst  sehr  verschieden 
fest  sind.  Bei  Riisseln,  welche  vermoge  ihrer  Bohrthatigkeit  auf 
vielfacheu  Widerstand  stossen,  konnte  es  bei  schwachen  Klammern 
und  dadurch  bedingtem  nicht  allzufestem  Zusannnenhang  der  Ma- 
xillen leicht  vorkommen,  dass  ein  Auseinanderweichen  der  Maxil- 
len eintrate.  Damit  dies  verhindert  werde,  sind  bei  ihnen  die 
Klammern  meist  starker  entwickelt,  und  sie  greifen  auch  fester 
ineinander. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  Verschluss  der  Oberseite.  An 
unserm  Durchschuitt  durch  den  Riissel  von  Sphinx  sehen  wir, 
dass  von  der  unteren  Seite  der  oberen  Rander  der  Rinnen  ein 
feiner  dornartiger  Fortsatz  ausgeht.  Der  eiue  dieser  Fortsiitze 
liegt  auf  dem  andern.  Graber  lasst  den  Fortsatz  auf  der  einen 
Seite  von  der  oberen  Flache,  auf  der  andern  von  der  unteren 
Flache  des  Rinnenrandes  ausgehen  (Die  Insecten  I.  Band  Fig.  105). 
Das  ist  falsch;   beide  Fortsatze  gehen  von  der  unteren  Seite  aus 


204  Wilhelm  Broitenbach, 

(Fig.  29  b).  iJiese  Fortsiitze  siiicl  dirccte  Verlangenmgeii  des  Riii- 
neiiraiidcs,  iiiclit  separate  Bildungeii.  Betracliteu  wir  diese  Bil- 
dimgen  vou  der  Fliiche  (Fig.  30),  so  eiiceimen  wir  sofort,  dass  es 
liicht  doruartige  Fortsatze  sind,  sondern  vielmehr  kleiiie  Platten, 
welche  iibereiiiander  liegen.  Die  Platten  der  beideu  Raiider,  wel- 
che  sicli  entspreclieii ,  declveu  sicli  nicht,  sonderu  greifen  iiber- 
eiiiander, so  dass  eine  deni  eiueu  Rande  angehorige  Platte  die 
Treiumngslinie  zwischen  zwei  unterlialb  liegeuden  tlieilweise  zu- 
deckt ;  ii.  z.  stehen  die  Platten  unter  einem  Winkel  zur  Langsaxe 
des  Riissels. 

Zu  deni  geschilderteu  Mechanismiis  konnen  bei  vieleii  (wie  es 
scheint,  den  iiieisten)  Scliniettcrliugen  secundiire  Vervollkoniinnun- 
gen  hinziitreteu.  Dieselbeu  betreft'eu  aber  iinnier  imr  den  obcreii 
Verscliluss  und  kommen  in  alien  Fallen  in  wesentlicli  derselben 
Weise  zu  Staiide.  Es  bleibt  namlicli  gewohulich  nicht  bei  jener 
eiuzigen  Reiiie  von  der  unteren  Seite  der  Rinnenrander  entsprin- 
genden  Platten ;  vielmehr  treten  oberhalb  derselben  noch  eiu  oder 
mehrere  Reihen  auf,  Hier  sind  es  aber  meistens  keine  Platten, 
sondern  in  der  Regel  etwas  gekriinimte  Dornchen  von  etwas  ver- 
schiedener  Grosse  mid  Gestalt  bei  den  verschiedenen  Schmetterlin- 
gen.  Newport  giebt  an,  dass  unterlialb  der  Spitze  dieser  Dorn- 
chen noch  ein  Haken  entspringe.  Ich  habe  etwas  Aehuliches  nur 
bei  Ophideres  fulionica  gesehen  (Fig.  31).  Bei  Vanessa  Jo  und 
V.  Cardui  habe  ich  es  nicht  gefundun ;  V.  Atalanta  habe  ich  da- 
rauf  hin  nicht  untersuchen  konnen;  ich  weiss  also  auch  nicht,  ob 
die  Angabe  Newport's  richtig  ist.  Bei  vielen  Schmetterlingen 
hat  es  den  Anschein ,  als  ob  solche  secmidare  Hakchen  vorhanden 
waren;  allein  wie  man  bei  genauerer  Betrachtung  bald  bemerkt, 
hat  man  es  meistens  mit  eiuein  Beobachtungsfehler  zu  thun.  Wenn 
man  eine  Reihe  von  jenen  Dornen  scharf  einstellt ,  so  sieht*  man 
mituuter  etwas  unterhalb  der  Spitze  der  Dornen  eine  zweite  etwas 
verschwoinmen  erscheinende  Spitze.  Diese  Spitzen  gehoren  aber 
nicht  den  Dornen  der  ersten  Reihe  an,  sondern  es  sind  die  Spi- 
tzen der  Dornen  einer  zweiten  unterhalb  der  ersten  liegenden 
Reihe.  Die  Dornen  stehen  meistens  weniger  dicht  zusammen  wie 
die  Platten,  welche  den  ersten  Verschluss  herstellen.  Auch  stehen 
die  Dornen  nicht  senkrecht  zur  Langsaxe  des  Riissels,  sondern 
unter  einem  spitzen  Winkel  zu  derselben  ,  wie  das  an  dera  Riissel 
von  Egybolia  zu  sehen  ist  (Fig.  27).  Ferner  sind  diese  Bildungen 
nicht  aus  Haareu  entstandeu,  sondern  es  sind  directe  Verlange- 
rungen  der  Russeloberflache ;   wenigstens  ist  in   keinem  Fall   der 


Beitrage  zur  Kenntuiss  dcs  Banes  der  Schraetterliiigs-Riissel.     205 

Bail  der  Haare  an  ihnen  zu  erkeuiien.  Indem  die  Dornen  der 
entgegeiigesetzten  Seiteii  iiber-  und  ineinander  greifen,  tragen  sie 
sicher  in  nicht  unbedeiitendem  Maasse  znr  Vervollkonimnimg  des 
Maxillen-Verschlusses  bei. 

Es  hat  keineu  Zwcck  einzelne  dieser  Bildnngen  niiher  zu  be- 
sclireiben ;  einige  Zeichnungen  geniigen  zur  Erliiuterung  (Fig.  32 
u.  33).  Die  vorstehenden  Angabeu  mogen  geniigen,  um  den  Ver- 
scliluss  der  beiden  Riisselhiilften  klar  zu  macheu.  Der  Meclianis- 
iniis  ist  eben  in  alien  Schraetterlings-Abtlieilungen  derselbe;  die 
wenigen  Aljweichungeu,  welche  sich  iiberliaupt  vorfinden,  siud  nur 
ganz  secundiirer  Natur.  Ueber  die  muthmaassliche  phylogeneti- 
sche  Entstehuug  dieses  gewiss  sehr  eigentliiiralichen  Apparates 
vermag  ich  vorlaufig  wenigstens  nocli  keine  klaren  Vermutliungen 
auszusprcchen ;  aus  eincr  vergleichenden  Betrachtung  bei  verscliie- 
denen  Schraetterlingen  lasst  sich  kein  sicherer  Anhaltspunkt  ge- 
winnen.  Vielleicht  wiirde  sich  aber  bei  eingohender  Untersuchuug 
niederer  Microlepidoptera  etwas  herausstellen ;  diese  Schmetterlinge 
seien  daher  der  spateren  Forschung  empfohlen. 


Vill.    Der  i^echanismus  des  Saugens;  historisch  und 
kritisch. 

Die  Art  und  Weise,  wie  die  Schmetterlinge  mit  ihrera  Riis- 
sel  den  Nectar  der  Blumeu  zu  sich  nehmen,  d.  h.  der  Mechanis- 
nnis  des  Saugens,  ist  nicht  von  jeher  in  der  richtigen  Weise  an- 
gegeben  worden ;  vielniehr  treffen  wir  einige  so  raerkwiirdige  Vor- 
stellungen  dariiber  an ,  dass  es  mir  interessant  genug  scheint, 
dieselben  hier  kurz  wiederzugeben.  Bei  Reaumur  finden  sich 
zwei  fremde  Ansichten,  die  wirklich  sehr  eigenthiimlich  siiid.  Die 
erste  riihrt  von  einem  Herrn  Puget.  Derselbe  vergleicht  den 
Russel  der  Schmetterlinge  mit  dem  der  Elephanten;  die  Saftboh- 
rer  stellen  gewissermaassen  Finger  vor,  so  dass  er  den  ganzen 
Russel  dann  eine  Art  Hand  nennt.  Vermittelst  der  Finger  soil 
der  Schmetterling  eine  dicke  Fliissigkeit  (liqueur  ipaisse)  aus  den 
Blumen  hervorholen,  und  indem  sich  der  Riissel  dann  einrollt, 
wird  die  Fliissigkeit  dem  Munde  zugefiihrt.  Spater  scheint  in- 
dess  Puget  diese  Ansicht  aufgegeben  zu  haben  und  aiif  die  rich- 
tige  gekommen  zu  sein,  dass  namlich  die  Schmetterlinge  durch 
einen  Canal  im  Innern  des  Riissels  saugen. 


206  Wilhelm   Breitenbach, 

Der  Pere  Bon  nam  ')  hielt  die  Saftbohrer  fiir  Saiigwarzen, 
welche  den  Saft  der  Blumen  aufsaiigen  und  in  die  die  Maxillen 
durchziehenden  Canale  leiten. 

Die  Ansicht  Reaumur's  tlber  den  Meclianismus  des  Saugens 
will  ich  in  moglichst  wortgetreiier  Uebersetzung  wiedergeben.  ,,Die 
Bewegungen  beim  Aufrollen  des  Riissels  sind  ira  Stande,  die  in 
seiner  Hohlung  befindlidie  Fltissigkeit  circulireu  zu  lassen;  denn 
eine  in  den  Canal  des  Riissels  eingetretene  Fltissigkeit  wird  darin 
aufsteigen  konnen,  indem  sie  bestandig  niedersteigt  wie  das  Was- 
ser  in  jener  ingenieusen,  unter  dem  Namen  der  Archiniedischen 
Schraube  (Vis  d'Archimede)  bekannten  Maschine  herabsteigt.  Es 
ist  das  gerade  eine  Maschine,  von  der  uns  der  Riissel  unserer 
Schmettei-linge  eine   Vorstellung   gel)en   kann.      Denn   sc^i  P  das 


Ende  des  Russels,  und  die  Fltissigkeit,  mit  welcber  er  beladen 
ist,  gebe  nur  bis  E;  es  ist  leiclit  einzusehen,  dass,  wenu  der 
Schmetterling  das  Ende  dieses  Rtissels  einrollt,  wie  in  2,  die 
Fltissigkeit,  welche  in  PE  ist,  eineu  Trieb  nach  B  herabzustei- 
gen  haben  wird,  und  dass  eine  folgeude  Rollbewegung  sie  verau- 
lassen  wird ,  dass  sie  dem  Urspruug  des  Russels  zugefuhrt  wird." 
Aut  diese  VYeise  wtirde  die  Fltissigkeit  allerdiugs  in  die  Kahe  des 
Mundes  kommen,  aber  doch  uicht  in  den  Korper  selbst  hiueiu, 
da  das  Ende  des  Rtissels  (der  Basaltheil)  uicht  senkrecht  oder 
schrag  nach  oben  gerichtet  ist,  sondern  eher  etw^as  nach  unten. 
Es  biiebe  also  immer  noch  zu  erklaren,  wie  der  Blumensaft  die- 
sen  letzten  Abschnitt  des  Saugrtissels  durchlauft. 

Einige  Autoren  haben  angeuommen,  die  Fltissigkeit  gelange 
einfach  durch  Capillaritat  in  den  Mund  hiuein.  Indesseu  diese 
Ansicht  wird  durch  die  directe  Beobachtuug  leicht  widerlegt.  Weun 
man  einen  Schmetterling,  dessen  Rtissel  hell  und  etwas  durch- 
scheiuend  ist,  veranlasst,  von  eiuer  gefarbten  Fltissigkeit  zu  sau- 
gen,  so  sieht  man,  dass  dieselbe  uicht  gleichmassig  in  dem  Rtis- 
sel emporsteigt,  sondern  ruckweise,  entsprechend  den  einzelueu 
aufeinandnr  folgeudeu   Saugacten.     Stiege   die  Fltissigkeit  durcli 


1)  Citirt  nnrli  Eeaumur  1.  c. 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  dei-   SchraetterlinG;s-Rlissel.     207 

Capillaritat  in  dem  Russel  empor,  so  durften  die  Ruckbewegun- 
gen  nicht  vorkommeii,  sondern  die  Bewegung  der  Fliissigkeit 
musste  eine  gleichmassige  sein. 

Die  nun  niitzutheilende  Ansiclit  wurde  von  sehr  vielen  Na- 
turforschern ,  und  unter  diesen  audi  von  Lamarck  vertreten 
(nach  Newport).  Wir  wissen,  dass  man  fruher  annahni,  der 
Russel  der  Schmetterlinge  bestehe  aus  einer  grossen  Anzahl  hin- 
tereinander  gelegener  Ringe,  zu  denen  ebenso  viele  Ringmuskehi 
hinzukommen  sollten.  Diesen  letzteren  sclirieb  man  beim  Saugen 
die  erste  Rolle  zu.  Newport  giebt  an,  dass  nach  der  Ansicht 
Lamarck's  und  Anderer  die  Fliissigkeit  durch  aufeinander  fol- 
gende  Contractionen  der  Seiten  des  Riissels  in  den  Korper  hinein- 
gepresst  werde.  Diese  Contractionen  sollen  durch  Quermuskeln, 
offenbar  Ringmuskeln,  bewirkt  werden,  Auch  diese  Vorstellung 
vom  Mechanismus  des  Saugens  ist  grundfalsch.  Wenn  durch  solche 
peristaltische  Bewegungen  die  Fliissigkeit  von  der  Spitze  des  Rus- 
sels  nach  seiner  Basis  geleitet  werden  soil ,  so  muss  sich  das  Lu- 
men des  Canales  von  der  Spitze  bis  zur  Basis  fortschreitend  ver- 
engern.  Geschieht  denn  dies  aber  durch  die  Contractionen  der 
Ringmuskeln,  die  wir  einmal  annehmen  wollen?  Offenbar  nicht; 
viel  eher  tritt  das  Gegentheil  ein!  Die  Ringmuskeln  sollen  sich 
doch  in  den  Maxillen  selbst  bcfinden,  nicht  aber  umgreifen  sie 
den  ganzen  Umfang  des  Russels.  Durch  ihre  Contractionen  kann 
also  nur  der  Durchmesser  der  einzelnen  Maxillen  verkleinert  wer- 
den. Tritt  aber  das  ein,  so  werden  ersichtlicher  Weise  die  Ma- 
xillen viel  eher  etwas  von  einander  entfernt  als  einander  geniihert, 
d.  h.  das  Lumen  des  Saugkanales  wird  nicht  verengert ,  sondern 
erweitert.  Es  tritt  also  gerade  das  Entgegengesetzte  von  dem 
ein,  was  eintreten  sollte!  Unter  Voraussetzung  der  Richtigkeit 
der  Ansicht  Burmeister's,  dass  das  Saugen  durch  die  beiden 
seitlichen  Canale  statthabe,  ware  diese  Ansicht  vielleicht  eher 
annehmbar.  Leider  hat  Newport  nicht  angegeben,  ob  diejenigen 
Naturforscher,  welche  die  besprochene  Mechanik  des  Saugens  an- 
nehmen, die  Ansicht  Burmeister's  theilen  oder  nicht. 

Kir  by  und  Spence  sagen  iiber  unsern  Gegenstand  Folgen- 
des :  „Bei  Thieren ,  welche  ohne  Lungen  sind  oder  durch  Luftroh- 
ren  athmen ,  muss  das  Saugen  anders  vor  sich  gehen ,  als  in  de- 
nen, welche  durch  den  Mund  athmen,  und  da  in  den  sehr  ge- 
streckten  fraglichen  Organen  (den  Russeln)  die  Fliissigkeit  einen 
langen  Raum  zu  durchlaufen  hat,  ehe  sie  den  Schlund  erreicht, 
so   mogen   diese  Seitenrohren   (die  Tracheen)   auf  diese   oder   die 


208  Wilhelm  Breitonbach, 

andere  A.rt  im  Stande  seiii,  eiiie  Lecre  in  der  mittlereu  Rohre 
hervorzubringen  und  so  den  Diirchgang  zu  crleichteni."  (Einlei- 
timg.  Bd.  Ill,  pag.  500.) 

Ehe  ich  micli  auf  eine  Besprechung  dieser  Ansicht  einlasse, 
will  ich  erst  noch  die  Ansicht  Newport's  wortlich  iibersetzt  wie- 
dergeben.  „In  dem  Aiigeublick,  in  welchem  ein  Insect  auf  eine 
Blume  fliegt,  macht  es  eine  heftige  exspiratorische  Anstrengung, 
durch  welche  die  l^uft  sowohl  aus  den  den  Riissel  durchziehenden 
Tracheen,  als  auch  aus  denjenigen  entferut  wird,  mit  welcheu  sie 
im  Kopf  und  im  Korper  in  Verbindung  stehen,  und  von  denen 
einige,  wie  wir  nachher  sehen  werden,  liber  den  Oesophagus  und 
Darmkanal  verbreitet  sind;  in  dem  Augenblick,  in  welchem  das 
Thier  seinen  Riissel  in  die  Nahrung  bringt,  macht  es  eine  inspi- 
ratorische  Anstrengung,  durch  welche  die  Rohre  erweitert  wird, 
und  die  Nahrung  steigt  sofort  in  derselben  empor,  um  das  Va- 
cuum zu  ersetzcn ,  und  sie  wird  durch  denselben  Act  dem  Munde 
zugefuhrt  und  von  da  durch  die  Thatigkeit  der  Muskeln  des  Pha- 
rynx in  den  Oesophagus  und  Magen,  ohne  irgend  eine  Unterbre- 
chung  der  Function  dcs  Athmens,  indem  das  bestandige  Aufstei- 
gen  der  Fliissigkeit  in  den  Mund  hinein  uuterstiitzt  wird  von  der 
Thatigkeit  der  Muskeln  des  Rtissels,  welche  wahrend  der  ganzen 
Zeit ,  in  der  das  Insect  Nahrung  zu  sich  uinmit,  arbeiten."  (1.  c. 
pag.  902.) 

Sehen  wir  uns  diese  Saugtheorie  Newport's  ein  wenig  na- 
her  an,  um  ihren  wahren  Gehalt  zu  erkennen.  Bevor  der  Schmet- 
terling  seinen  Riissel  in  den  Honig  hineinsenkt ,  soil  er  eine  Aus- 
athmung  machen.  Dadurch  wird  allerdings  aus  den  Tracheen  des 
Riissels  Luft  herausgezogen.  Auf  das  Saugrohr  kann  das  aber 
keinen  Einfluss  haben ,  da  dasselbe  ja  mit  der  ausseren  Luft  in 
offener  Verl)indung  steht.  In  dem  Augenblick,  in  dem  der  Schniet- 
terling  seinen  Riissel  in  den  Honig  senkt,  soil  eine  Einathmung 
stattfinden ;  dadurch  werden  die  Tracheen  wieder  mit  Luft  gefiillt. 
Nach  Newport  wird  das  Saugrohr  erweitert,  und  die  Fliissig- 
keit tritt  sofort  in  das  entstandene  Vacuum  ein.  Wesshalb  der 
Saugkaual  bei  einer  Einathmung  erweitert  werden  soil,  ist  mir 
unverstandlich ;  derselbe  wird  iiberhaupt  niemals  erweitert.  Fande 
das  statt,  so  gingen  die  Maxillen  auseinander,  und  der  Canal 
ware  gar  kein  Canal  mehr.  Dann  sehe  ich  auch  nicht  ein,  wo 
und  wie  bei  einer  Einathmung  in  der  Rohre  ein  Vacuum  entste- 
hen  soil.  Endlich  sind  noch  die  Riisselmuskeln  beim  Saugen  be- 
theiligt,    u.  z.  meint  Newport  Ringmuskeln,    wie  wir    wissen. 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Exissel.     209 

Die  Unterstiitziing  der  Ringmuskelu  beim  Saugen  wird  er  sich 
also  wohl  in  ahnliclier  Weise  denken,  wie  wir  das  obeu  kennen 
gelernt  und  als  unmoglich  nacligewiesen  haben. 

Da  solche  Ringmuskelu  im  Schmetterlings-Riissel  thatsachlicli 
niclit  Yorhanden  sind,  so  konnen  sie  beim  Saugen  audi  keine 
Rolle  spielen;  aber  noch  mehr.  Mogeu  wir  uoch  Ringmuskelu 
Oder  Langsmuskeln  haben,  keine  von  diesen  sind  in  irgend  wel- 
clier  Weise  beim  Mechanismus  des  Saugens  betheiligt;  sie  fallen 
also  bei  unserem  Erklarungsversuch  des  Saugens  ganz  weg. 

Wie  wir  selien,  lassen  uns  alle  bis  jetzt  iiber  das  Saugen 
der  Schmetterlinge  aufgestellten  Theorien  im  Stich.  Daher  miis- 
sen  wir  uns  nach  einer  befriedigenderen  umsehen.  Wir  werden 
dabei  erkennen,  dass  Kirby  und  S pence  der  Wahrheit  am 
nachsten  gekommen  sind. 

Das  Saugen  ganz  im  Allgemeinen  beruht  auf  der  Herstellung 
eines  luftverdiinnten  Raumes,  in  den  dann  die  aufzusaugende  Fliis- 
sigkeit  durch  den  Druck  der  ilusseren  Luft  hineingepresst  wird. 
Wenn  wir  mit  Hiilfe  eines  Rohres  eine  Fltissigkeit  aufsaugen  wol- 
len,  so  steckeu  wir  das  eine  Ende  des  Rohres  in  die  Fltissigkeit, 
das  andere  Ende  nehmen  wir  in  den  Mund,  und  nun  machen  wir 
eine  Einathmung,  d.  h.  wir  vergrossern  die  Hohlung  des  Brust- 
kastens  und  verdtinnen  damit  die  in  demselben  und  in  der  Rohre 
enthaltene  I^uft.  Die  atmnspharische  Luft  driickt  dann  einen  Theil 
der  zu  saugenden  Fltissigkeit  in  die  Rohre  hinein.  Wir  saugen 
also  bei  einer  Einathmung. 

Bei  den  Schmetterlingen  ist  die  Sache  aber  gerade  umgekehrt. 
Mit  der  Athmung,  d.  h.  mit  der  Function  der  Tracheen  hat  das 
Saugen  tiberhaupt  nichts  zu  thun.  Die  Tracheen  sind  von  Aussen 
in  den  Korper  eintretende,  im  Innern  aber  blind  endende  Caniile, 
die  mit  dem  Lumen  des  Saugrtissels  nicht  in  irgend  welcher  Com- 
munikatiou  stehen.  Wodurch  wird  denn  aber  die  Luft  im  Innern 
des  Riissels  verdtinnt?  Der  vordere  Theil  des  Verdauungs-Appa- 
rates,  der  zu  einem  bcsonderen  Saugmagen  sich  gestaltet  hat, 
erweitert  sich;  durch  diese  Erweiterung  wird  ein  luftverdunnter 
Raum  hergestellt,  und  da  der  Saugkanal  mit  dem  Saugmagen  in 
Communikation  steht,  so  wird  auch  die  in  ihm  enthaltene  Luft 
verdtinnt.  In  Folge  dessen  presst  die  aussere  Luft  einen  Theil 
der  zu  saugenden  Fltissigkeit  in  den  Rtissel  hinein.  So  ist  die 
Mechanik  des  Saugens  bei  den  Schmetterlingen. 


XV.     N.  F.  VIII,  1. 


14 


210  Wilhelm  Breitenbach, 


IX.     Literatur-Nachweis. 

1.  Reaumur:  Memoires  pour  servir  a  I'histoire  des  lusectes. 
Cinquieme  mdmoire.     pag.  284  —  315.     (1737.) 

2.  Jules-Cesar  Savigny:  Memoires  sur  les  animaux  sans 
vertebres.     Premier  me'moire.     (1816.) 

3.  Brulle:  Eecherches  sur  les  transformations  des  appendices 
dans  les  Articule's.  Annales  des  Sciences  naturelles.  Troisieme  Serie : 
Zoologie.     Tom.  I  pag.  298.     (1844.) 

4.  William  Kirby  und  William  Spence:  Einleitung  in  die 
Entomologie  oder  Elemente  der  Naturgeschichte  der  Insecten.  (1823.) 
Deutsche  Ausgabe  von  Ok  en.     Band  I  pag.  435.    Baud  lit  pag.  500. 

5.  H.  Burmeister:  Handbuch  der  Entomologie.  (1832.) 
Band  I  pag.  67  und  380—381. 

6.  George  Newport:  Insecta.  Cyclopaedia  of  Anatomy  and 
Physiology.     Vol.  II  pag.  900—902.     (1836—1839.) 

7.  Christian  Ratzebur g:-  Die  Forstinsecten.  11.  Theil.  Die 
Palter.     (1840.) 

8.  Georg  Gerstfeldt:  Ueber  die  Mundtheile  der  saugenden 
Insecten.     pag.  64  u.  flg.     (1853.) 

9.  Pritz  Mil  Her:  Die  Maracujafailer.  Stettiner  Eutomolo- 
gische  Zeitung.     (1877.)     pag.  494. 

10.  J.  Kiinckel:  Les  Lepidopteres  a  trompe  perforaute,  de- 
structeurs  des  oranges.     Comptes  Eendus.     (1875.)     pag.  397 — 400. 

11.  Prancis  Darwin:  On  the  structure  of  the  proboscis  of 
Ophideres  fuUonica,  an  orange -sucking  moth.  Quarterly  Journal  of 
microscopical  Science.     Vol.  XV.     New  Ser.    pag.  385—390.     (1876.) 

12.  Reginald  Bligh  Read:  Lepidoptera  having  the  autlia 
terminal  in  a  teretron  or  borer.  Proceedings  of  the  Linnean  Society 
of  New  South  Wales.     (1878.) 

13.  Vitus  Graber:  Die  Insecten.  I.  Theil:  Der  Organismus 
der  Insecten.     pag.  154 — 156. 

14.  Wilhelm  Breitenbach:  Vorlaulige  Mittheilung  liber 
einige  neue  Untersuchungen  an  Schmetterlingsriisseln.  Archiv  fiir 
mikrosk.  Anatomic.     Band  XIV  pag.  308—317.     (1877.) 


Beitrage  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Russel.     211 

15.  Wilhelm  Breitenbacli:  Untersuchungen  an  Schmetter- 
lingsriisseln.  Archiv  f.  mikrosk.  Anatomie.  Band  XV  pag.  8  —  29. 
(1878.) 

16.  Wilhelm  Breitenbach:  TJeber  Schmetterlingsriissel.  En- 
tomologische  ISTachrichten  von  D.  F.  Katter.  V.  Jahrg.  No.  18  pag. 
237—243.     (1879.) 

Vergleiche  ausserdem  die  verschiedenen  zoologischen  Handbii- 
cher. 


14 


212  Wilhelm  Breiteubach, 


X.    Erklarung  der  Abbildungen. 

Tafel  IV. 

Fig.  1.  Ein  kleines  Stuck  der  Riisseloberliache  vou  Pieris,  dicht 
an  der  Russelspitze. 

Fig,  2.  Dasselbe,  etwas  weiter  der  Basis  des  Eiissels  zu  ge- 
logen. 

Fig,  3,     Dasselbe,  noch  etwas  naher  von  der  Basis, 

Fig.  4.  Ein  kleines  Stiick  der  Riisseloberflache  von  Egybolia 
Vaillantina.     Der  Pfeil  zeigt  nach  der  Rlisselspitze. 

Fig.   5.     Die  Rlisselspitze  von  Argyuuis. 

Fig.  6.  Ein  Stiick  der  OberHiiclie  desselben  Riissels,  dicht  an 
der  Spitze. 

Fig.   7.     Dasselbe  etwas  weiter  der  Rlisselbasis  zu  gelegen. 

Fig.   8.     Dasselbe  noch  weiter  von  hinton. 

Fig.  9.     Stiick  der  Riisseloberfliiche  vou  Agraulis  Juno. 

Fig.   10.     Dasselbe  von  Anartia  Amalthea. 

Fig.  11.     Dasselbe  von  Epicalia  Numilia, 

Fig.  12.  Kleines  Stiick  einer  Maxille  vou  Macroglossa,  aus  der 
Niihe  der  Rlisselspitze. 

Fig.   13.     Stiick  der  Rlisseloberflache  von  Pieris. 

Fig.   15.     Saftbohrer  von  Vanessa  Cardui. 

Fig.  16.  Saftbohrer  von  Eurema  Lethe;  a  von  der  Fliiche, 
b  von  der  Seite  gesehen. 

Fig.   19.     Saftbohrer  von  Lycaena. 


Tafel  V. 

Fig.  14.  Einfache  Haare  von  der  Oberliache  eines  Schmetter- 
lingsrussels. 

Fig.  17.  Saftbohrer  mit  radialen  Liingsplatten.  (/y?  =  Radial- 
platten.) 

Fig.   18.     Saftbohrer  von  Pieris. 


I'ig. 

22. 

Fig. 

23. 

Fig. 

24. 

Fig. 

25. 

Fig. 

26. 

Beitriige  zur  Kenntniss  des  Baues  der  Schmetterlings-Eiissel.     213 

Fig.  20.     Saftbohrer  yon  Arge  Galathea. 

Fig.  21.     Saftbohrer   von  Epicalia  Numilia.     a  von  der  FUiche, 
von  der  Seite. 

Saftbohrer  von  Scoliopteryx  libatrix;  erste  Form. 
Saftbohrer  von  Scoliopteryx  libatrix;  zweite  Form. 
Saftbohrer  von  Egybolia  Vaillantina. 
%  iind  b.     Saftbohrer  einer  australischen  Motte. 
Widerhaken    von  der  Spitze  von    a  derjenigen  Motte, 
der  die  Saftbohrer  Fig.  25  entstammen,  b  Ophideres  fullonica. 

Fig.  28.  Optischer  Liingsschnitt  durch  einen  Theil  einer  Ma- 
xille  von  Pieris,  um  die  Anordnung  der  Muskulatur  zu  zeigen.  Im 
Langsmuskel.  sm  Schriigmuskeln.  /•  Rinne  oder  Halbkanal  der  Ma- 
xille  (halbschematisch). 

Fig.  29.  Querschuitt  dnrch  den  Rtissel  von  Sphinx  sp.,  um  den 
Verschluss  der  beideu  ^faxillen  zu  zeigen.  a  Untere  Seite.  b  Obere 
Seite.     c  Saugkanal.     //■  Trachee  (halbschematisch). 

In  Fig.  14  bedentet:  cm  Haarschaft;  cy  der  die  Basis  des  Haar- 
schaftes  umgebende  Chitinring.  In  alien  andern  Figuren  dieser  Tafel : 
cm  Centralmasse,  dem  Haarschaft  homolog ;  c\j  die  Centralmasse  um- 
hiillender  Chitincylinder,  dem  Chitinring  bei  den  Haaren  homolog; 
z  Zahne.  In  Fig.  26  ist  w  der  Chitinwall,  der  die  Grube  umgiebt, 
in  der  die  Widerhaken  eingesenkt  sind. 


Tafel  VI. 

Fig.  27.  Die  Spitze  des  Eiissels  von  Egybolia  Vaillantina,  von 
obeu  gesehen.  Die  iiusserste  Spitze  des  Riissels  ist  scharf  kegelfor- 
mig  und  mit  zahlreichen  "Widerhaken  besetzt,  die  keine  streng  regel- 
massige  Anordnung  erkennen  lassen.  Auf  der  Oberflache  des  Riissels 
bemerkt  man  zwischen  den  "Widerhaken  langere  und  kiirzere  Chitin- 
stlicke  von  unregelmassiger  Gestalt.  Von  der  Stelle  an,  an  welcher 
die  "Widerhaken  aufhoren,  wird  der  Riissel  mehr  cylindrisch,  und  hier 
stehen  auf  seiner  Oberflache  zahlreiche  Saftbohrer  von  der  in  Fig.  24 
abgebildeten  Form.  Das  mit  diesen  Saftbohrern  besetzte  Stiick  des 
Eiissels  ist  etwas  langer  als  die  mit  den  "Widerhaken  bewaffnete  Spitze. 

Die  beiden  Riisselhalften  sind  etwas  auseinander  gerlickt;  auf  der 
einen  Seite  sieht  man  einige  der  Chitinklammern  {chk) ,  welche  den 
Verschluss  auf  der  untern  Seite  herstellen.  Auf  der  obern  Seite  be- 
merkt man  sehr  zahlreiche  jeuer  dornartigen  Bildungen ,  welche  durch 
Ineinandergreifen   und  Uebereinanderlegen    den  oberen  Verschluss  der 


214      W.  Breitenbach,  Beitr.  z.  Kenntn.  d.  Baues  d.  Schmetterl.-Riissel. 

Maxillen  bewerkstelligen.  Dieselben  sind  in  "Wirklichkeit  aber  weit 
zahlreicher    und  stehen  viel  dichter  zusammen   wie  in  der  Zeichnung. 

Fig.  30.  Maxillenverschluss  der  Oberseite  des  Riissels  von  Ly- 
caena,  von  der  Fliiche  gesehen. 

Fig.  31.  Die  zum  oberen  Maxillenverschluss  dieneudeu  Dornen 
vom  Riissel  von  Ophideres  fullonica. 

Fig.  32.     Dasselbe  von  Noctua  libatrix. 

Fig.  33.     Dasselbe  von  Catocala  nupta. 


Druck  von  Eil.  Fro  in  maun 


Ueber  die  Augenmuskelnerven  der  Ganoiden. 


Von 

Dr.  Hciurich  Schneider 

aus  Saalfeld. 
Hierzu  Tafel  VII  und  VIII. 


Die  ersten  zusammenhangenden  Mittheilungen  iiber  die  Ner- 
ven  der  den  Augapfel  bevvegeuden  Muskeln  in  der  Klasse  der  Fische 
finden  sich,  abgesehen  vorliiufig  von  Lepidosteus,  in  dem  Werke 
von  Stan nius:  Das  peripherische  Nervensystem  der  Fische.  Die- 
ser  Forscher  spriclit  sicli  zuuiichst  dahin^)  aus,  dass  ganz  allge- 
niein  sammtlichen  Fischeu  mit  alleiniger  Ausuahme  des  Amphioxus 
und  der  Myxinoiden  selbststandige  Augenmuskelnerven  zukommen. 
Was  den  Ursprung  der  eiuzelnen  Nerven  aulangt,  so  soil  der  Nerv. 
trochlearis  aus  den  Crura  cerebelli  ad  corpora  quadrigemina  ent- 
stehen  und  zwischeu  Lobus  opticus  und  Cerebellum  aus  der  Hirn- 
substanz  hervortreten,  ferner  soil  der  Nerv.  oculomotorius  von  der 
vorderen  Pyramide  oder  dem  Pedunculus  cerebri  entspringen  und 
endlich  der  Nerv.  abducens  selir  weit  hinten  aus  den  Pyramiden 
der  medulla  oblongata  sich  entwickelu.  Wenn  irgendwo  Anoma- 
lieen  des  selbststandigen  Verlaufes  der  Art  vorkommen,  dass  ent- 
weder  einzelne  oder  alle  Augenmuskelnerven  aus  der  Bahn  des 
Nerv.  trigeminus  zu  entstehen  scheinen,  so  sind  dies  seiner  An- 
sicht  nach  einestheils  nur  Anlagerungen  beider  Nervenstamme, 
auderntheils  werden  sie  hervorgerufen  durch  Ablosungeu  einzelner 
Theile  und  Uebertritt  in  das  Trigeminus-Gebiet.  Selbst  von  einer 
untergeordneten  Betheiligung  des  Nerv.  quintus  bei  der  Versor- 
gung  des  Auges  glaubt  Stannius  absehen  zu  miisseu;  „denn", 
sagt  er,  „nirgends  scheinen  accessorische  Faden  aus  dem  Trige- 
minus in  die  Augenmuskeln  zu  treten."  Sehr  bestimmt  aussert 
er  sich   auch  iiber  oder  vielmehr  gegen  das  Vorhandensein  eines 


1)  Das  peripherische  Nervensystem  der  Fische  von  Dr.  H.  Stan 
uius.     Rostock    1849.     S.  16—20. 


216  Dr.   Heinrich  Schneider, 

Ganglion  des  Oculomotorius :  „niemals  finden  sich  in  den  Augen- 
niuskelnerven  gangliose  Elemeute."  Endlich  ist  er  auch  ein  ent- 
schiedener  Gegner  deijenigen  Ansicht,  welche  die  Augeumuskel- 
nerven,  insbesondere  den  Nerv.  oculomotorius  als  einen  den  Spi- 
nalnerven  gleichwerthigen  Hirnnerven  auliasst.  Er  spricht  sich 
liber  diesen  Punkt  folgendermassen  aus^):  „Aucli  (vorher  ist  von 
der  Vergleicliung  der  hoheren  Sinnes-  und  der  Spinalnerven  die 
Uede  gewesen)  der  Parallelisirung  der  Augenmuskelnerven  mit  Spi- 
nalnerven stellen  sich,  wegen  ihrer  eigenthiimlichen  Ursprungs- 
verhaltnisse,  des  ihnen  zukommenden  Mangels  an  Ganglien  und 
der  ausschliesslichen  Vertheilung  ihrer  ungemischten  Primitivroh- 
ren  in  den,  auch  ihrerseits  mit  Muskeln  der  Wirbelsaule  durchaus 
nicht  vergleichbaren ,  Muskeln  eines  Sinnes-Apparates  so  uuiiber- 
windliche  Schwierigkeiten  entgegen,  dass  von  einer  solchen  nicht 
fUglich  die  Rede  sein  kann." 

Wahrend  von  dieser  Seite  also  von  einer  Vergleichung  der 
Augenmuskelnerven  mit  Spinalnerven  vollstandig  Abstand  genom- 
men  wurde,  stellte  man  von  andrer  Seite  eine  Theorie  auf,  nach 
der  vorztiglich  der  Nerv.  oculomotorius  und  der  Nerv.  abducens, 
weniger  der  Nerv.  trochlearis,  nicht  als  selbststandige  Nerven  auf- 
zufassen,  sondern  der  Trigeminus-Gruppe  zuzurechnen  sind.  Der 
hauptsiichlichste  Vertreter  dieser  Ansicht,  Gegenbaur,  welcher 
seine  Untersuchungen  iiber  diesen  Gegenstand  allerdings  zunachst 
in  der  Klasse  der  Selachier  vornahm  -' ) ,  stiitzt  sich  hierbei  auf 
folgende  Punkte;  einmal  „darauf,  dass  die  Augenmuskelnerven  in 
Muskeln  einer  Region  sich  verzweigen,  deren  Hauttheile  vom  Tri- 
geminus versorgt  werden,  und  2)  auf  die  bei  manchen  Fischen  und 
Amphibien  vorkommende  Verbindung  mit  dem  Trigeminus.  Er 
fand,  dass  dieselbe  entweder  derart  sei,  dass  discrete  Nervenwur- 
zeln  in  den  Trigeminus  eingehen,  oder  dass  ohne  das  Bestehen 
solch  discreter  Wurzeln  der  Trigeminus  die  bezuglichen  Muskeln 
versorgt". 

Auch  der  selbststandige  Austritt  dieser  Nerven  —  so  lasst 
er  sich  weiter  liber  diese  Frage  aus  —  fallt  als  Gegengrund  weg, 
sobald  man  das  Verhalten  der  Spinalnerven  beachtet,  deren  nio- 
torische  Wurzeln  gleichfalls  getrennt  von  den  sensibien  die  Wan- 
dung  des  Rlickgratcanales  durchsetzen.     Es  ist  also  nur  der  Um- 

1)  1.  c.  S.  125. 

*)  Ueber  die  Kopfnerven  vou  Hexauchus  und  ihr  VerhJiltniss 
zuv  Wirbeltheorie  des  Schiidels.  Jenaische  Zeitschrift  fiir  Naturwis- 
seuschaft  Eaud  VI,    187  1,   »S.  5-18   u,    549. 


Ueber  die  Augeinuuskeluerveu   der  Ganoiden.      •  217 

staud,  dass  die  Augenmuskeluerveii  niclit  zusamnien  diirch  eine 
gemeiuschaftliclie  Scliadelotfimiig  aiistreteii  uud  dass  sie  ausserhalb 
des  Cranium  keine  Verbinduug  mit  dem  zweiteu  Trigeiniims-Aste 
eiugeben,  auflalleud  imd  unerklart.  Beides  wird  verstandlicher 
durcli  die  Beachtung  der  getreimt  liegeuden  Eudgebiete  uiid  der 
sofort  uacb  dem  Austritte  aus  der  Scbadelvvaiid  sicb  ergebenden 
Eudverbreitimg.  Auch  dadurcb  kann  mau  begreifen,  dass  die  Or- 
bitalvvand  erst  mit  der  Eiitstebung  des  Auges  eiue  bedeutende 
Ausdehnuag  gewann,  so  dass  aufanglich  nahe  beisarameu  liegende 
Theile  auseinauderriickten.  Als  eine  bis  jetzt  uulosbare  Frage 
bleibt  noch  die  Entferumig  der  Ursprungsstatten  dieser  Nerven, 
uamentlich  das  Verhiiltuiss  des  Oculomotorius  zum  Trochlearis 
und  Abducens  besteheu.  Selbst  nur  zur  liesprechung  dieser  Frage 
bediirfte  es  einer  tiefereu  Erkeuutniss  des  Gehirnes,  namentlich 
seines  vorderen  Absclinittes. 

Daraus  geht  aber  hervor,  dass  die  ganze  Tlieorie  auf  uusi- 
cherem  Boden  ruht  uud  Gegenbaur  giebt  dies  selbst  zu,  weun 
er  fortfiilirt:  „Ich  halte  daher  die  von  mir  aufgestellten  Bezie- 
hungen  der  genannten  Nerven  zu  einander  einer  ferneren  Begriin- 
dung  bediirftig  nnd  kann  fiir  meine  Ansicht  vorerst  nur  einen  ge- 
wissen  Grad  von  Wahrsclieiulicbkeit  beanspruchen.  Die  fiir  die 
hintere  Abtheiluug  der  Hirnnerven  aus  der  Vergleichung  hervor- 
gegangenen  Autiassungen  gestalten  sicli  demnach  viel  weniger  be- 
stimnit  fiir  die  vorderen;  das  dort  verhliltnissmassig  einfache  und 
klare  wird  bier  dunkel  und  complicirt  und  es  bleibt  aucb  bei  der 
genauesteu  Priifung  maucbes  problematisch."  Gewissermassen  als 
P^rklarung  bierzu  dient  dann  weiterbin  die  Stelle,  in  der  er  sagt: 
,je  weiter  nacb  vorn,  desto  mebr  verliert  sicb  der  eiufacbe  Typus 
der  Spinalnerven,  wie  ja  aucb  das  Gebirn,  welches  in  seinem  bin- 
tern  Theile  noch  Anlehuung  an  den  Bau  der  Medulla  zeigt,  in 
seinem  vorderen  Abschnitt  sich  mehr  und  mebr  ditferenzirt." 

Soweit  lasst  sich  in  der  oben  genannten  Schrift  Gegenbaur 
iiber  die  Frage  nach  der  Auftassung  der  Augenmuskeluerven  aus; 
in  einem  spitteren  Werke  ^)  kommt  er  nochmals  auf  diesen  Punkt 
zuriick  und  hier  iiussert  er  sich  ohne  Vorbehalt  und  bestimmt  in 
folgender  Weise:  „Die  Nerven  der  Augenmuskeln  erscheinen  als 
motorische  discret  austretende  Wurzeln  eines  Theiles  des  Trige- 
minus;  ihre  im  Verhaltuiss  zum  Trigeminus  veranderte  Lage  er- 

1)  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Wirbelthiere 
von  Dr.  C.  Gegenbaur.  3.  Heft:  Das  Kopfscelet  der  Selachier;  eiu 
Beitrag  etc.     Leipzig:  bei  Wilhelm  Engelmann.     1B72.    S.  289  u.  290. 


218  Dr.  Heiurich  Schneider, 

kliirt  sich  aus  den  mit  der  Entfaltimg  der  Orbita  zusammenhangen- 
den  Modificationen  des  Cranium." 

Allein  gegen  diese  Anschauung  wurden  bald  andre  Stimmen 
laut,  welche  sich  fiir  Selbststiiudigkeit  der  Augenmuskelnerven  aus- 
sprachen.  So  erklart  P.  Furb ringer  in  seinen  Untersuchungen 
iiber  die  Cyclostomen  ^),  wie  schou  Stannius,  dass  eine  eigent- 
liche  Verschmelzung  der  betrelTenden  Nerven  mit  dem  Trigeminus 
nirgends  sicher  constatirt  sei;  im  Gegen theil,  wie  er  sagt,  bieten 
alle  Wirbelthiere,  soviel  in  dieser  Hinsicht  untersucht  sind,  die 
Augenmuskehierven  in  discretem  Zustande  dar,  gesondert  ent- 
springend  und  gesondert  zu  den  betrefl'enden  Muskeln  verlaufend. 
Speciell  iiber  den  Nerv.  trochlearis  und  den  Nerv.  abducens  aus- 
sert  er  sich:  „ein  zwingender  Grund,  diese  beiden  Nerven  als  Zweig 
des  Trigeminus  zu  beurtheilen,  liegt  zunachst  nicht  vor:  die  An- 
gaben  Hyrtl's  und  M tiller's,  dass  bei  Lepidosiren  und  Lepido- 
steus  die  Augenmuskelnerven  vom  Trigeminus  abtreten,  bediirfen 
noch  sehr  der  Bestatigung."  Was  die  anatomischen  Verhaltnisse 
anlangt,  treten  nach  seinen  Untersuchungen  allerdings  Trochlearis, 
Abducens  und  Trigeminus  gemeinsam  aus  dem  Schadel,  allein  Fiir- 
b  ringer  glaubt  durch  den  Nachweis  des  verschiedenen  Faserver- 
laufes  der  einzelnen  Nerven  zu  der  Annahme  der  Selbststandigkeit 
des  vierten  und  sechsten  Hirnnerven  berechtigt  zu  sein.  Diese 
letzteren  Thatsachen  sind  indessen  auch  nicht  von  grossem  Be- 
lang,  da  sie  nach  neueren  Forschungen  nicht  sicher  feststehen;  so 
giebt  Wiedersheim'^)  an,  dass  er  sich  nicht  von  dem  gemein- 
schaftlichen  Austritt  des  Trochlearis  mit  Trigeminus  und  Abdu- 
cens habe  iiberzeugen  konnen. 

Ebenso  wie  Fiir b ringer,  der  iibrigens  aus  leicht  begreif- 
lichen  Griinden  in  seiner  Arbeit  eine  Vergleichung  der  Augenmus- 
kelnerven mit  Spinalnerven  nicht  anstellt,  treten  spater  auch  andre, 
namentlich  engiische,  Forscher  fiir  die  Selbststandigkeit  des  drit- 
ten,  vierten  nnd  sechsten  Hirnnerven  ein.  Vorziiglich  Balfour^) 
und  Marshall*)   weisen   auf  dem   Wege  der  Entwickelungsge- 

1)  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Anatomie  der  Musculatur 
des  Kopfsceletes  der  Cyclostomen  von  Br.  Paul  Fiirbringer.  Jena 
1875.      S.  60.     Anm.  4. 

^)  Morphologische  Studien  von  Dr.  Eobert  Wiedersheiin. 
I.  Das  Gehirn  von  Ammocoetes  und  Petromyzon  Planeri  mit  beson- 
derer  Beriicksichtigung  der  spiualartigen  Hirnnerven.    Jena  1880.  S.  21. 

^)  Balfour,  Development  of  the  elasmobranch  fishes. 

*)  Mil nes-Mar shall,  The  Development  of  the  cranial  nerves 
in    the  chick.      1878. 


Ueber  die  Augcnmuskelnerveu  der  Ganoiden.  219 

scliiclite  uach,  dass  beim  Huhnclien  die  gauze  Anlage  der  Augeii- 
miiskelnerven  getreunt  von  der  des  fiinfteu  Hirnnerven  geschieht, 
dass  beide  vollstandig  gleichwertliig  neben  einander  sich  entwickeln 
und  dass  der  Oculoraotorius  ebenso  gut  walirscheinlich  ein  eignes 
Segment  und  zwar  vorderes  Kopfsegment  versorgt,  wie  jeder  an- 
dere  Spinalnerv  auch.  Diesen  Angaben  widerspricht  nicbt,  was 
His')  in  seiuen  Untersucbungen  iiber  die  erste  Entwicklung  des 
Hiibnchens  in  Betretf  der  Eutstehung  des  Ganglion  ciliare  und 
der  Augenmuskelnerven  mittheilt,  obwohl  er  seine  Befunde  in  an- 
derer  Weise  deutet. 

Zu  alien  diesen  Angaben  kommen  nun  endlich  noch  die  jiingst 
erscbienenen  Mittheiluugen  von  Schwalbe^),  der  auf  Grund 
zahlreicher  Zusammenstellungen  aus  der  Literatur  und  umfassen- 
der  eigner  Untersucbungen  in  fast  sammtlicben  Klassen  der  Wir- 
beltbierreibe  sich  ebenfalls  dahin  ausspricht,  dass  der  Oculomoto- 
rius  nicbt  als  ein  Zweig  der  Trigeminus-Gruppe  anzuseben  ist, 
sondern  als  ein  selbststandiger  segmentaler  Kopfnerv  eines  vor- 
deren  Hirnabschnittes  gedeutet  werden  muss.  Und  zwar  stiitzt 
er  diese  Ansicbt  unter  Anderem  auf  den,  auf  dem  Wege  der  ver- 
gleicbenden  Anatomie  erbracbten  Nachweis  eines  Ganglion  oculo- 
motorii,  welches  den  Spinalganglien  vollstandig  homolog  ist.  Auch 
auf  die  Frage  nach  der  Stellung  des  Nerv.  trochlearis  in  der  Reihe 
der  iibrigen  Hirnnerven  geht  Scbwalbe^)  niiber  ein  und  gelangt 
zu  dem  Resultat,  dass  dieser  Nerv  entweder  als  eine  abgeloste 
dorsale  Wurzelportion  des  Trigeminus,  oder  aber  als  eine  dorsale 
selbststandig  verlaufende  Wurzel  des  Oculomotorius  anzusehen  ist. 
Fiir  diese  letztere  Moglichkeit  spricht  vor  alien  Diugen  der  gemein- 
same  Ursprung  beider  Nerven  aus  dem  Mittelhirn  und  es  ware 
dann  der  Trochlearis  ein  selbststandig  verlaufender  dorsaler  Ast 
des  Oculomotorius.  Dieser  Auffassung  schliesst  sich  auch  Wie- 
dersheim  in  seiner  oben  citirten  Schrift  an  und  benutzt  dieselbe 
gleichzeitig  als  Beweis  daftir,  dass  der  vierte  Hirnnerv  auch  sen- 
sible Elemente  enthalte,  welche  iibrigens  Schwalbe  bei  einem 
Selachier  direct  nachweiseu  konnte. 

Es  wiirde  viel  zu  weit  fiihren,  auf  alles  das,  was  SchAvalbe 
in  der  citirten  Schrift  zur  Begriindung  seiner  Auffassung  anfuhrt, 
naher  einzugehen;  fiir  die  Zwecke  dieser  Arbeit  dtirfte  wohl  auch 

^)  Die  erste  Entwickelung  des  Hlihnchens  im  Ei.    Leipzig  1868. 
^)  Jenaische  Zeitschrift  fiir  Naturwissenschaft.  Bd.  XIH.  Heft  2, 
Das  Gangl.  oculomotorii  S.  260. 
3)  1.  c.    S.  255—260. 


220  Dr.  Heiuvich  Schneider, 

das  Mitgetheilte  vollstandig  geniigeud  sein,  um  so  melir,  als  weiter 
unten  ein  Zuriickkommeu  auf  jene  Deductionen  mivermeidlich  sein 
wird;  es  mag  daher  geniigen,  hier  noch  jener  Stelle  Erwahuung 
zu  thun,  welche  zur  Entstehung  der  vorliegenden  Arbeit  geftilirt 
hat.  Da  namlich,  wo  es  sich  um  die  Auffindung  eines  Ganglions 
in  der  Klasse  der  Ganoiden  liandelt,  findet  sich  in  den  Zusammen- 
stellungen  eine  nur  hochst  ungeniigend  ausgefiillte  Liicke.  Ueber- 
dies  war  die  Angabe  J.  Mtiller's,  dass  bei  Lepidosteus  die 
Augenmiiskelnerven  aus  dem  Trigeminus  hervorgehen,  einer  ge- 
nauen  Priifung  zu  unterwerfen.  Schwalbe  selbst  hatte  bereits 
an  allerdings  schlecht  conservirtem  Material  Gelegenheit  gehabt, 
die  Richtigkeit  jener  Angabe  zu  bezweifeln.  Durch  eine  Sendung 
ausgezeichnet  conservirter  Kopfe  von  Lepidosteus,  welche  Herr 
Professor  Agassiz  die  grosse  Giite  hatte,  der  anatomischen  An- 
stalt  zu  Jena  auf  Bitte  des  Herrn  Prof.  Schwalbe  zu  iibersen- 
den,  wurde  ich  nun  in  die  Lage  versetzt,  das  Verhalten  der  Augen- 
muskelnerven  zum  Trigeminus  bei  Lepidosteus  vollstandig  sicher 
festzustellen  und  so  auch  diesen  Einwand  gegen  die  Selbststan- 
digkeit  des  Oculomotorius  zu  beseitigen. 

Meine  Untersuchungen  sind  in  dem  anatomischen  Institut  zu 
Jena  ausgefiihrt  worden.  Ausser  Lepidosteus  habeu  mir  von  den 
in  die  Gruppe  der  Ganoiden  gehorigen  Fischen  zur  Verfiigung  ge- 
standen  einerseits  Accipenser  Sturio  und  Scaphirhynchus ,  andrer- 
seits  Amia.  Fiir  die  so  ausserordentlich  liberale  Unterstiitzung 
mit  Lepidosteus-Material  sei  an  dieser  Stelle  Herrn  Prof.  Agas- 
siz mein  aufrichtigster  Dank  ausgesprochen.  Desgleichen  kann 
ich  nicht  umhin,  Herrn  Hofrath  Schwalbe  fiir  die  Freundlichkeit, 
mit  welcher  er  sich  meiner  Arbeit  augenommen  hat,  meinen  besten 
Dank  auszusprechen. 

Die  zur  Verfiigung  steheuden  Exemplare  von  Accipenser,  Sca- 
phirhynchus und  Amia  waren  alle  durch  Alkohol  langere  Zeit  con- 
servirt  worden.  Die  Methode  der  Untersuchung  geschah  mittelst 
Scalpel  und  Pincette  bei  den  alteren  Alkoholpriiparaten  und  zum 
Theil  auch  bei  den  frischeren  Objecten  des  Lepidosteus,  andern- 
theils  aber  wurde  hier  auch  die  fiir  diese  Untersuchungen  so  aus- 
serordentlich giinstige  Behaudlung  nut  20procentiger  Salpetersaure 
in  Anwendung  gebracht  und  ergab  vorziigliche  Resultate.  Es  geht 
daraus  hervor,  dass  dieselbe  nicht  nur  bei  ganz  frischen  Objecten 
anwendbar  ist,  sondern  auch  bei  solchen,  die  bereits  mehrere  Wo- 
chen  in  Alkohol  conservirt  sind.  Dass  die  Preparation  mit  dem 
Messer  tibrigens   in   einzelnen  Fallen,   namentlich  gegeniiber  den 


TJeber  die  Augeumuskelnervcii   der  Ganoiden.  221 

feineu,  oft  kaiim  sichtbaren  Faden  der  Ciliarnerven,  unzulanglich 
erscheint,  ist  mir  wohl  bewusst,  doch  geniigt  sie  immerhin,  um 
niit  Sicherheit  die  groberen  anatomischen  Verhaltnisse  der  Aiigen- 
muskelnerven  constatiren  zu  kounen.  Behufs  Erlangung  einer  kla- 
ren  Einsicht  in  die  feineren  liistologischeu  Verhaltnisse  der  Ner- 
ven  wurdeu  dieselben  in  toto  mit  Hamatoxylin  oder  Carmin  ge- 
fiirbt  und  blieben  dann  einige  Zeit  in  Glycerin  liegeu,  wodurch  die 
derbe  Bindegewebshiille,  welclie,  dem  Nervenstrang  eng  anliegend, 
die  Uutersiichung  sehr  erschwert,  sich  um  vieles  leichter  abstrei- 
fen  liess. 

Abgeselien  nun  zunachst  von  Lepidosteus,  dessen  Beschreibung 
gesondert  folgen  soil,  ist  vor  allem  ein  selbststiindiger  Urspruug 
des  Nerv.  oculomotor,  und  des  Nerv.  trochlearis  bei  siimmtlichen 
untersuchten  Fischen  zu  constatiren,  Der  dritte  Hirnnerv  liess 
sicli  bei  alien  Objecten  mit  grosster  Leichtigkeit  bis  zu  seiner  Aus- 
trittstelle  aus  dem  Gehirn  verfolgen,  schwieriger  war  dies  schon 
beim  vierten  Hirnnerven,  doch  gelang  es  bei  Accipenser  Sturio 
und  Amia  gleichfalls,  denselben  vollstiiudig  frei  zu  legeu.  Dage- 
gen  konnte  der  Austritt  aus  dem  Gehirn  bei  Scaphirhynchus  nicht 
aufgefundeu  werden;  allein  es  ist  wohl  annehmbar,  dass  wie  bei 
den  iibrigen  Gliedern  der  Gruppe  der  Nerv  auch  hier  selbststiin- 
dig  ist,  zumal  von  einem  Abgauge  desselben  vom  Oculomotorius 
oder  von  einem  Aste  des  Trigeminus  keine  Spur  zu  entdecken  war. 
In  den  beiden  sicher  constatirten  Fallen  trat  der  Xerv  aus  der 
Seitenflache  des  Gehirns  naher  der  Basis  aus  der  Furche  hers'or, 
welche  die  Grenzlinie  zwischen  dem  urspriinglichen  dritten  und 
vierten  Hirnblaschen,  also  zwischen  Mittel-  und  Hinterhirn  bildet 
(Figur  I  Gehirn  vom  Stor,  4). 

Die  Austrittsstelle  des  Oculomotorius  lag  dagegen  stets  an 
der  Basis  des  Gehirns  in  oder  vielmehr  direct  hinter  deroben'be- 
schriebenen  Furche  (Figur  I,  3). 

Was  den  sechsten  Hirnnerven  betrifft,  so  nimmt  man  von  ihm 
allgemein  ^ )  an ,  dass  er  als  selbststandiger  Nerv  aus  dem  Gehirn 
tritt.  Seinen  Ursprung  sicher  nachzuweisen ,  ist  mir  leider  der 
ausserordentlichen  Feinheit  desselben  wegen  bei  Scaphirhynchus 
und  Amia  nicht  gelungen,  dagegen  liess  er  sich  bei  Accipenser 
bis  dicht  an  die  Hirnsubstanz  freiprapariren.  Er  entsprang  hier 
aus  der  Basis  des  Nachhirnes  unter  dem  hintern  Theile  des  Wur- 

^)  Stannius:  Peripheres  Nerveusystem  der  Fische  S.    17. 
Jenaische  Zeitschrift  fiir  Naturwissenschaft.  Bd.  XIII  Heft  2,  das 
Ganglion  oculomotorii  S.  246, 


222  Dr.   Hcinrioh  Schueider, 

zelcomplexes  des  Trigeminus  facialis  unci  wandtc  sich  direct  nach 
aussen  und  etwas  nach  unten,  so  dass  er  sehr  tief  unter  dem 
Ganglion  Gasseri  in  die  Schadelwand  eintrat.  An  die  liintere  un- 
tere  Flache  dieses  Ganglions  legt  er  sicli  eng  an  und  erscheint  an 
der  vorderen  Ecke  desselben  in  der  Augenhohle.  Ebenso  wie  hier 
bei  Accipenser  Sturio  tritt  er,  urn  dies  sogleich  zusammen  zu 
stellen  ,  auch  bei  den  andern  Ganoiden  in  die  Orbita.  Ira  weite- 
ren  Verlauf  liegt  er  bei  alien  unterhalb  des  Ramus  ophthalmicus 
des  fiinften  Kopfnerven,  aber  iiber  alien  andern  vom  Ganglion  tri- 
gemini  nach  vorn  gehenden  Zweigen  desselben.  Er  versorgt  aus- 
schliesslich  den  Muse,  rectus  lateralis,  ist  seiner  Function  nach  also 
nur  motorisch.  Anastomosen  geht  er  nach  seinem  Eintritt  in  die 
Augenhohle  nicht  ein. 

Kehren  wir  nun  zu  den  beiden  andern  Augenmuskelnerven  zu- 
ruck,  so  gestaltet  sich  deren  Verlauf  innerhalb  der  Schadelhohle, 
die  bekanntlich  vom  Gehirn  bei  weitem  nicht  ausgefiillt  wird,  der- 
art,  dass  bei  alien  Ganoiden  der  Eintritt  des  Trochlearis  in  die 
Schadelwand  mehr  nach  vorn  und  oben,  d.  h.  dorsal,  liegt,  als 
der  des  Nerv.  oculomotorius.  Die  innere  Flache  der  Schadelwand 
von  Accipenser  ist  nicht  gleichmassig,  sondern  besitzt  seitlich  drei 
bogenformige  Auswolbungen  mit  der  Convexitat  nach  aussen.  In 
der  vordersten  derselben,  die  sich  vom  Eintritt  der  Nervi  olfactorii 
bis  zum  Mittelhirn  erstreckt,  verlaufen  der  Trochlearis  und  Oculo- 
motorius nebst  dem  Nerv.  opticus  in  der  Reihenfolge,  dass  der 
Trochlearis,  wie  gesagt,  am  weitesten  vorn  und  dorsal  zu  finden 
ist,  hinter  ihm  fast  ganz  am  Boden  der  Schadelhohle  der  Opticus 
eintritt  und  wieder  etwas  nach  hinten,  ziemlich  in  der  vertikalen 
Mitte  der  Seitenwand  der  Oculomotorius  verlauft.  Die  zweite  Aus- 
buchtung  wird  durchzogen  vom  Wurzelcomplexe  des  Trigeminus 
facialis,  sowie  vom  Abducens  und  die  dritte  am  weitesten  nach 
hinten  gelegene  vom  Nerv.  acusticus  und  den  iibrigen  Hirnner- 
ven  ^). 


1)  Im  Anschluss  hieran  mochte  ich  eine  Bemerkung  einschalten, 
die  bereits  schon  einmal,  namlich  Ton  B.  V  e  1 1  e  r  in  dessen  „Unter- 
suchungen  zur  vergieichenden  Anatomie  der  Kiemen-  und  Kiefermus- 
culatur  der  Fische"  (Band  XII  der  Jenaisclien  Zeitschrift  fiir  Natur- 
wissenschaft.  1878.  S.  470)  gemacht  worden  ist.  Vetter  spricht 
dort  die  Vermuthung  resp.  die  Ansicht  aus,  dass  Stannius  bei  sei- 
nen  Untersuchungen  iiber  die  peripheren  Nerven  der  Tische  uumog- 
lich  Accipenser  Sturio  benutzt  haben  konne,  da  dessen  Angaben  in 
vielen  Dingen  gar  nicht  mit  den  thatsachlichen  Verhaltnissen  in  Ein- 
klang    zu  bringen  seien,     Hauptsachlich    die  von  Stannius  gegebe- 


Ueber  die  Augenmuskelnerven   der  Ganoiden.  223 

Im  Cranium  von  Scaphirhynclius  und  Amia,  deren  Schiidel- 
wand  die  Auswolbungen  nicht  aufweist,  liegen  gleichfalls  die  bei- 
den  Augenmuskelnerven  mit  dem  Nerv.  opticus  der  Art  angeord- 
net,  dass,  von  vorn  nach  hinten  gezahlt,  zuerst  der  Trochlearis 
kommt,  dann  der  Opticus  und  endlich  der  Oculomotorius.  Dabei 
liegt  der  erste  ebenfalls  am  meisten  dorsal,  mehr  nach  der  Basis 
crauii  zu  der  Oculomotor,  und  am  tiefsten  d.  h.  am  meisten  ven- 
tral der  Nerv.  opticus.  Der  Kauai  fiir  den  Trochlearis  erstreckt 
sich  in  der  Schiidelwand,  gemass  der  Lage  des  zu  versorgenden 
Muskels,  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  und  ist  desshalb 
der  langste,  wogegen  der  des  Oculomotorius  sehr  kurz  ist,  ven- 
trale  Neigung  von  innen  nach  aussen  hat  und  fast  in  einer  Fron- 
talebene  liegt. 

In  der  Augenhohle  endlich  gestaltet  sich  der  weitere  Verlauf 
in  den  beiden  Klassen  der  Ganoiden  etwas  verschieden,  und  zwar 
in  Bezug  auf  das  Verhalten  zum  Ram.  ophthalmicus  des  Nerv. 
trigem.  Dieser  Nervenast  durchzieht  bei  sammtlichen  Ganoiden 
die  Augenhohle  gerade  von  hinten  nach  vorn  in  einiger  Entfer- 
nung  von  der  medialen  ^Yand,  bei  Lepidosteus,  wie  wir  spater 
sehen  werden,  an  dieselbe  angeheftet  und  verlauft  stets  iiber  sammt- 
lichen Augenmuskeln.    Der  Trochlearis  von  Accipenser   und  Sca- 


uen  Notizeii  iiber  die  Endverbreituiig  verschiedener  Aeste  des  Nerv. 
facialis,  sowie  des  Nerv.  maxillaris  inferior,  welche  durchaus  nicht 
mit  den  vou  mir  gefundenen  Eesultateu  iibereinstimmeu  wollten,  ver- 
anlassteu  mich,  der  vou  Vetter  aufgestellten  Behauptung  mehr  Be- 
achtung  zu  schenkeu,  und  ich  muss  jetzt,  weuigstens  was  die  Kiefer- 
musculatur  und  deren  Innervation  betrifft,  derselben  vollstandig  zu- 
stimmen.  Es  ist  gar  nicht  anders  moglich,  als  dass  Stannius  eine 
andere  Art  untersucht  hat,  denu  es  ist  nicht  wohl  annehmbar,  dass 
eiu  Untersucher  wie  er  die  eiufachsten  Verhiiltnisse,  wie  sie  z.  B.  fiir 
den  von  Vetter  so  genannten  Muse,  constrictor  superficialis  (1.  c. 
S.  468 — 472)  bestehen,  iibersehen  haben  sollte.  Gerade  iiber  diesen 
80  leicht  auffindbaren  Muskel  macht  er  entweder  gar  keine  oder  iiber 
einige  Theile  desselben  nur  unrichtige  Angaben  und  wie  hier,  so  ist 
es  auch  an  andern  Stellen  der  Fall.  —  Was  die  Innervation  dieses 
einmal  genannten  Muskels  iibrigens  betrifft,  so  bin  ich  in  der  Lage, 
die  Angaben  Vetters  daliiu  zu  erganzen,  dass  vou  den  sechs  Por- 
tionen,  in  die  der  gauze  Muskel  zerfallt,  die  erste,  die  zweite  und 
die  sechste  versorgt  wird  von  eiuem  Eudaste  des  Maxillaris  inferior 
Nervi  trigemini,  der  zu  diesem  Behufe  erst  deu  Belegknorpel  des  Un- 
terkiefers  durchbohren  muss,  dass  dagegeu  die  dritte,  vierte  und 
fiinfte  Portion  ihre  Nerven  erhalt  vora  Ram.  hyoideus  Nervi  facialis, 
der  auf  der  breiten  lateralen  Flache  des  Os  hyomandibulare  an  der 
Seite  des  Kopfes  herablauft. 


2wi  Dr.   Heiuricli  Sclniciclcr, 

pliirliyndius  verhalt  sicli  nun  so,  class  cr  dorsal  vom  Ram.  oph- 
tlialmicus  aus  der  Knorpelwand  tretend  direct  an  derselben  her- 
abgeht,  bis  er  in  gleiche  Hohe  mit  dem  genannten  Aste  des  Tri- 
geminus kommt.  Alsdann  wendet  er  sich  im  rechten  Winkel  um 
die  untere  Flache  desselben  herum ,  durch  Bindegewebe  ziemlicli 
eng  an  ihn  angeheftet  und  geht  nun  in  einem  der  vorderen  Au- 
genhohlenwand  fast  parallelen  Bogen  iiber  sammtlichen  Augenmus- 
keln  uach  der  vorderen,  lateralen,  dorsalen  Ecke  der  orbita,  wo 
er  den  Muse,  obliquus  superior  innervirt.  Bei  Amia  (und  dies  sei 
hier  erwahnt ,  aucli  bei  Lepidosteus)  ist  sein  Verhalten  insofern 
abweichend,  als  sein  Eintritt  in  die  Augenhohle  nicht  mehr  dorsal 
vom  Ram.  ophthalmicus,  sondern  ventral  von  demsclben  erfolgt, 
so  dass  also  eine  Kreuzung  nicht  raehr  stattfindet.  Im  tibrigen 
ist  sein  weiterer  Verlauf  wie  bei  den  Knorpelganoiden.  Ob  sich 
sensible  Elemente  in  ihm  finden,  oder  anders  ausgedriickt,  ob  er 
auch  noch  andere  Gebilde  versorgt,  wie  dies  z.  B.  bei  Selachiern^) 
constatirt  ist,  muss  einer  erneutcn  Untersuchung  liberlassen  blei- 
ben;  was  dafiir  spricht,  wird  spater  Beriicksichtigung  finden. 

Was  nun  den  Endverlauf  des  Nerv.  oculomotorius  betriflft,  so 
hat  er  bei  den  diei  Fischen  das  Gemeinsame,  dass  er  entweder 
schon  in  der  Schadelvvand  oder  doch  kurz  nach  seinem  Austritt 
aus  derselben  einen  fiir  den  Muse,  rectus  superior  bestimmten  Ast 
abgii'bt,  welcher  je  nach  der  Starke  des  betreffenden  Muskels  sich 
richtet  und  direct  denselben  versorgt.  Die  Austrittsstelle  ist,  wenn 
die  Theilung  innerhalb  des  Knorpels  erfolgt,  beiden  Aesten  ge- 
meinsam,  liegt  iiberhaupt  bei  alien  schrag  nach  oben,  hinten  vom 
Austritt  des  Nerv.  opticus,  meist  in  der  Frontalebene  der  Inser- 
tion der  Augenmuskeln  und  dorsal  von  denselben,  stets  aber  ven- 
tral vom  Ram.  ophthalmicus  des  Trigeminus,  mit  dem  der  Ocu- 
lomotorius iiberhaupt  keine  Communication  hat.  Der  Ast  fiir  den 
Muse,  rectus  superior  entspricht  dem  gleichnamigen  Ast  des  Ocu- 
lomotor, des  Meni^chen  fur  den  Muse,  rectus  superior  und  levator 
palpebrae  superioris.  Der  andere  Theil  des  Nerven,  Ramus  in- 
ferior, tritt  nach  Abgabe  einiger  Fadchen,  welche  in  dem  Zwi- 
schenraume  zwrschen  Muse,  rectus  super,  und  rectus  lateralis  nach 
aussen  zum  bulbus  oculi  verlaufen  (Fig.  I,  c^),  zwischen  den  bei- 
den genannten  Muskeln  in  den  von  den  geraden  Augenmuskeln 
gebildeteu  Kegel,  wendet  sich  uuter  den  Stamm  der  Nerv.  opti- 
cus hinab,  und  versorgt,  wie  bei  den  hoheren  Wirbelthieren,  mit 


^)  Zeitschrift  fiir  Naturwissenschaft.      Band  XIII  Heft  2  S.  186. 


Ueber  die  Augeumuskcluerveu   dcr  Gauoidcu.  225 

zwei  kurzeren  Seiteiizwcigen  die  Muse,  rectus  infer,  und  rectus 
medialis,  sowie  mit  dem  nacli  dcr  Lage  dieses  Muskels  langer  ge- 
streckteii  Endast  den  Muse,  obliquus  inferior.  An  der  Stelle,  wo 
er  sich  in  die  beiden  Endaste  theilt,  gehen  wiederum  einige  feine 
Faden  ab,  die  mit  der  Versorgung  der  Muskeln  nichts  zu  thun 
haben,  sondern  an  dem  Muse.  rect.  medial,  entlang  lateralwarts 
naeh  dem  bulbus  zu  verlaufen,  leider  aber  niclit  bis  an  ihr  Ende 
zu  verfolgen  waren  (Fig.  I,  c^). 

Wenden  wir  uns  nun  naeh  Darlegung  der  makroskopischen 
zu  den  feinercn,  histologischen  Verhaltuissen ,  so  ergiebt  die  mi- 
kroskopische  Untersuchung,  dass  der  Oeulomotorius  der  Ganoidcn 
aus  zwei  verschiedeuen  Bestandtheilen  zusammengesetzt  ist,  ein- 
raal  aus  Nervenfasern,  zweitens  aus  Ganglienzellen. 

Die  Nervenfasern  sind  wiederum  zweierlei  Art;  der  Haupt- 
sache  naeh  finden  wir  breite,  doppelt  conturirte,  markhaltige  und 
mit  Schwannscher  Scheide  verseheue  Fasern,  welebe  beim  Stor 
eine  Breite  von  durchschnittlich  0,02—0,033  mm.  inclusive  des 
Neurilemm's,  bei  Scaphirhynehus  und  Amia  eine  solehe  von  0,01 
— 0,02  mm.  besitzen,  im  Allgcmeinen  also  von  einander  nielit  we- 
sentlich  versehieden  sind.  Ihnen  gegenuber  stehen  die  in  gerin- 
gerer  Anzahl  vorhandenen  feinen,  anscheinend  marklosen,  aber  mit 
kernhaltiger  Scheide  versehenen  Fasern,  welehe  eine  durchschnitt- 
liehe  Breite  von  0,004  mm.  bei  alien  drei  Arten  besitzen.  Diese 
feinen  Nervenfasern  enthalten  in  alien  Fallen  die  Ganglienzellen, 
kommen  stets  in  gesonderten,  von  den  breiten  Fasern  schon  (lurch 
ihre  verschiedene  Structur  leicht  unterscheidbaren  Blindeln  im 
Stamme  des  Oeulomotorius  vor  und  bilden  bei  den  Knoehenganoi- 
den  eine  deutlich  fiir  sieh  bestehende  Portion  des  Nerven,  wiih- 
rend  sie  bei  Accipenser  und  Scaphirhynehus  noch  zwischen  die 
andern  eingelagert  erseheiuen.  Es  sei  schliesslich  noch  erwiihnt, 
dass  Theilungen  von  breiten  Nervenfasern,  wie  solehe  Stannius') 
fur  verschiedene  Teleostier  anfuhrt,  durch  die  er  zugleieh  die  ver- 
schiedene Breite  der  einzelnen  Fasern  erklart,  bei  den  Ganoiden 
nieht  gefunden  wurden. 

Der  zweite  Bestandtheil  des  Oeulomotorius,  die  Ganglienzel- 
len, finden  sieh  constant  in  alien  untersuehten  Arten,  je  naeh  der 
Starke  des  Nerven  in  grosserer  oder  geringerer  Anzahl  und  — 
wie  erwahnt  —  immer  innerhalb  der  feinen  Nervenfaserbiindel.  Es 
wird  also  durch   ihr  Vorkommen  die  Angabe  von  Stannius,  dass 

^)  Peripheres  Nerven  system  der  Fische  S.  19. 

B(l.  XV.  N.^F.  VIII.  2.  J^5 


226  Dr.  Hciurich  .Schneider, 

sich   in   den  Augenniuskelnerven   uiomals  gangliose  Elemente  fin- 
den  '),  hinieichend  widerlegt. 

Die  Anordnung  dieser  Ncrvcnzellen  gestaltete  sich  nun  beini 
St(»r  folgendermassen.  Ungefahr  1  ctm.  peripher  der  Abgabe  des 
Astes  fiir  den  Muse,  rectus  superior  liegen  auf  der  medialen  Seite 
des  Nerven  dicht  neben  einander  zwei  Haufen  von  Ganglienzellen 
und  ragen  halbkugelforraig  iiber  das  Niveau  des  ubrigen  Nerven 
hervor,  eiue  ziemliche  Anzahl  von  Zellen  in  sich  bergend.  Von 
jedeni  dieser  beiden  Zellenhaufen  und  zwar  am  peripheren  Endo 
geht  eiu  dunnes  Aestchen  ab,  das  je  aus  einigeu  markhaltigen 
Nervenfasern,  zum  grossten  Theil  aber  aus  diinnen  marklosen  Fa- 
sern  besteht,  welcbe  bei  vorsich tiger  Behandhiug  mit  der  Prapa- 
rirnadel  sich  in  vielen  Fallen  als  directe  Fortsatze  der  Ganglien- 
zellen erkennen  lassen.  Eiu  anderes  schmales  Biindel  feiner  Ner- 
ven geht  von  den  Ganglienhaufen  im  Stamme  des  Oculomotorius 
Belbst  welter,  verschwindet  jedoch  bald  zwischen  den  breiten  Fa- 
sern.  Ferner  findet  sich  eine  zweite  Gruppe  Ganglienzellen  in 
einem  von  der  ersten  ungefahr  ^|^  ctm.  peripher  abgehenden  fei- 
nen  Aestchen.  Dasselbe  besteht  nur  aus  dunnen  Fasern  und  bil- 
det  da,  wo  die  Zellen  liegen,  eine  spindelformige,  gegen  0,6  mm.  lange 
und  0,4  mm.  breite  Anschwellung,  die  vom  Stamme  des  Oculomo- 
torius nicht  welter  als  ^\^  ctm.  entfernt  ist.  Die  Zahl  der  Zellen 
ist  hier  geringer,  als  in  den  beiden  ersten  Haufen.  Die  drei  ge- 
nannten  Nervenzweige,  die  von  oder  mit  den  ihnen  zugehorigen 
Zellen  die  Bahn  des  Oculomotorius  verlassen,  wenden  sich  im  Zwi- 
schenraum  zwischen  Muse,  rectus  superior  und  M.  rect.  lateralis, 
direct  nach  aussen,  nach  dem  Bulbus  zu  und  konnten  in  einem 
Falle  bis  an  das  Auge  heran  verfolgt  werden.  Eine  dritte  Gruppe 
Ganghenzellen  endlich  liegt  in  der  Hohe  der  Theilungsstelle  des 
Nerven  in  seine  beiden  Endaste  (vergl.  Fig.  I)  und  fuhrt  von  alien 
die  geringste  Anzahl  von  Zellen.  Sie  findet  sich  angelagert  an 
den  Ast  fiir  den  Muse,  rectus  medialis  in  einem  durchschnittlich 
0,1  mm.  breiten  Biindel  markloser  Nerven,  welches  an  der  bezeich- 
neten  Stelle  zu  einem  gegen  0,2  mm.  langeu  und  fast  ebenso  brei- 
ten Ganglion  anschwillt.  Von  der  Theilungsstelle  des  Nervenstam- 
mes,  beziehungsweise  von  dem  Aste  fiir  den  Muse,  rectus  medialis 
gehen  ebenfalls  einige  sehr  feine  Faden  ab,  die  wenig  grobe,  gross- 
tentheils  schmale  Nervenfasern  enthalten  und  neben  dem  Muse, 
rectus  medialis  ihren  Verlauf  nach  dem  Bulbus  oculi  zu   nehmen. 


■)  1.  c.  S.  20. 


Ueber  die  Angenmuskelnerven  der  Ganoideu.  227 

Leider  gelang  es  nicht,  bei  der  Herausnahme  des  Nerven  dieselben 
in  ihrem  ganzen  Verlaufe  zu  erhalten. 

Ueber  die  Ganglienzellen  von  Scaphirhynchus  kann  ich  nichts 
Siclieres  aussagen ;  wohl  waren  beide  Arten  Nervenfasern  vorhan- 
den  iind  traten  namentlich  an  der  Theilungsstelle  in  die  beiden 
Enditste  die  feinen  Fasern  deutlich  liervor,  allein  selbst  bei  sorg- 
faltiger  Behandlung  mit  der  Nadel  konnten  weder  von  niir  noch 
von  Herrn  Hofrath  Schwalbe  unter  dem  Mikroskope  Zellen  cnt- 
deckt  werden.  Jedoch  ist  wohl  infolge  der  Anwesenheit  der  schma- 
len  Nervenfasern  niclit  daran  zu  zweifeln,  dass  dieselben  auch  vor- 
handen  sind,  und  hoffe  ich ,  sobald  mir  ein  zweites  Exemplar  der 
Gattung  zu  Gebote  stehen  wird,  ein  gunstigeres  Resultat  erzielen 
zu  konnen. 

Von  den  Knochenganoiden  zeigte  zunachst  Amia  an  zwei  Stel- 
len  des  Oculomotorius-Stammes  die  Ganglienzellen.  Die  erste  liegt 
etwas,  vielleicht  5  mm.  peripher  des  Abganges  des  Astes  fiir  den 
Muse,  rectus  superior  und  enthielt  eine  kleine  Ansammlung  von 
Ganglienzellen  nebst  einigen  isolirt  liegenden,  alle  inncr&alb  eines 
Stranges  feiner  Nervenfasern,  die,  an  den  viel  starkeren  Theil  der 
breiten  angelageit,  sich  ziemlich  deutlich  als  eine  besondere  Portion 
des  Nerven  erkennen  lassen.  Am  distalen  Ende  des  Ganglions, 
sowie  eine  kurze  Strecke  unterhalb  desselben  zweigen  sich  eben- 
falls  mehrere,  zum  grossten  Theil  aus  feinen  Nerven  zusammen- 
gesetzte  Aestchen  ab,  die,  obwohl  kurz  abgerissen,  ofifenbar  den 
an  derselben  Stelle  entstehenden ,  bereits  erwahnten  Aesten  bei 
Accipenser  entsprechen.  Der  grossere  Theil  der  feinen  Fasern  ver- 
lasst  auch  jenseits  der  Zellen  den  Stamm  des  Oculomotorius  nicht, 
sondern  ist  noch  eine  Strecke  weit  zur  Seite  der  breiten  Fasern 
deutlich  nachweisbar  und  verschwindet  erst  in  der  Gegend  der 
Abgabe  des  Astes  fiir  den  Muse,  rectus  inferior  zwischen  den  iibrigen 
Nervenfasern.  Das  andre  Ganglion  tindet  sich  etwas  peripher  von 
der  letzten  Gabelung  des  Nerven,  jedoch  nicht  wie  bei  Accipenser 
an  den  Ast  fur  den  Muse,  rectus  medialis,  sondern  an  den  fiir 
den  M.  obliquus  inferior  angelagert  und  entsendet  gleichfalls  einige 
feine  Aestchen  nach  dem  Bulbus  zu.  Die  Lange  desselben  betragt 
0,2  mm.,  die  grosste  Breite  0,1  mm. 

Ueber  den  histologischen  Bau  der  Nervenzellen  lasst  sich  im 
Allgemeinen  sagen,  dass  sie  bei  alien  drei  Arten  sehr  gleichartig 
gebaut  sind.  Von  Gestalt  meist  ein  kurzes  Oval,  zuweilen  eine 
rundliche  Form  darbietend,  betragt  die  Lange  bei  Sturio  durch- 
schnittlich  0,04  bis  hochstens  0,05  mm.,  die  Breite  0,025—0,03  mm., 

15* 


228  Dr.   Heiuricli  Schneider, 

bei  Amia  0,035—0,04  mm.  die  Breite,  0,05  mm.  die  Liinge,  und 
ganz  ahuliclie  Veihaltnisse  zeigt  Lepidosteus.  Es  ergiebt  sicli  also, 
dass  die  Grossenverhaltnisse  der  verschiedenen  Arten  nicht  sehr 
differiren.  Die  Structur  der  Zellen  ist  ebeufalls  immer  dieselbe; 
von  gleichmiissigem  kornigen  Gefiige  zeigen  sie  in  der  Mitte  oder 
an  einem  Pole  den  Kern,  am  andern  den  Fortsatz,  der  in  eine 
dttnne  schmale  Nervenfaser  ausgeht  (Figur  II,  a).  Erwalinen  will 
ich  hier  sogleich,  um  dies  zusammenzusteilen,  dass  bei  Lepidosteus 
auch  einige  Male  zwei  Fortsatze  wahrgonommen  wurden  (Fig.  II,  6). 
Umgeben  sind  die  Zellen  von  einem  festen,  derben,  sebr  kernrei- 
cbcn  Bindegewebe ,  dessen  Scheide  an  einer  resp.  an  zwei  Stellen 
von  dem  Fortsatze  durchbrochen  wird  (Figur  II).  Die  mit  zwei 
Fortsiitzen  versebenen  Zellen  wurden  also  obne  weiteres  dem  ge- 
wobnlichen  Bilde  der  bipolaren  Ganglienzelle  aus  dem  Spinal- 
ganglion  der  Fische  entsprechen ,  fiir  die  Zellen  mit  einem  Fort- 
satz ist  wabrscheinlich  eine  Theilung  1)  desselben  anzunehmen  und 
zwar  hier  in  grosserer  Entfernung  von  der  Zelle,  da  unmittelbar 
an  dem  Austritt  keine  Theilung  zu  constatiren  war.  Was  endlich 
den  Kern  betrifft,  so  zeigt  er  bei  alien  Arten  ein  korniges,  homo- 
genes  Substrat  mit  deutlich  sichtbarem  Kernkorperchen. 

Das  Hauptcrgebniss  der  Untersuchung  ware  also  fiir  die 
Augenmuskelnerven  der  drei  Arten  Accipenser  Sturio,  Scaphirhyu- 
chus  und  Amia  das ,  dass  1)  die  sammtlichen  Nerven  selbststandig 
aus  dem  Gehirn  entstehen  und  zwar  Trochlearis  und  Oculomoto- 
rius  aus  einem  vorderen  Abschnitt  desselben,  dass  2)  der  Troch- 
learis im  Vergleich  zum  Oculomotorius  ein  dorsaler  Nerv  genannt 
werden  muss  und  dass  3)  im  Stamme  des  Oculomotorius  sich 
ausser  zwei  Arten  von  Nervenfasern  zahlreiche  zellige  Elemente 
vorfinden. 

Waren  die  Verhaltnisse  nun  bei  diesen  Arten  relativ  einfach, 
so  gestalten  sie  sich  etwas  complicirter,  wenn  wir  an  die  Unter- 
suchung von  Lepidosteus  herantreten.  Massgebend  galten  bis- 
her  fur  diese  Gattung  die  Angaben  von  Johannes  M tiller,  in 
dessen  Schrift:  „Ueber  den  Bau  und  die  Grenzeu  der  Ganoiden" 
crschienen  in  den  Abhandlungen  der  Berliner  Academie  vom  Jahre 
1844.  Nach  den  dort  gegebenen  verschiedenen  Abbildungen  (Ta- 
fel  IV),  von  denen  uns  hauptsachlich  die  in  meiner  Figur  III  co- 
pirte  interessirt,  wurde  sich  fur  die  einschlaglichen  Verhaltnisse 
folgendes  ergeben  (vergl.  auch  das  Schema  Fig.  V,  &).     Der  Ocu- 

1)  Freud:  Ueber  Spinalgangliou  und  Eiickenmark  von  Petro- 
myzon.    Sitzuugsberichte  der  Wiener  Academie.     Band   78   Abth.  III. 


Ueber  die  Augenmuskeln erven  der  Ganoiden.  229 

lomotorius  tritt  aus  der  Schadelwand  in  die  Augenhohle  nicht  als 
selbststandiger  Nerv ,  soiidcrn  der  Ramus  ophthalmicus  des  Trige- 
minus (Fig,  III  /)  enthalt ,  wie  in  dem  dort  beigegebenen  Index 
gesagt  wird,  zugleich  den  ganzen  Oculomotorius  und  auch  den 
Trochlearis.  Es  trennen  sich  danu  in  ungefiihr  1  ctmtr.  Entfer- 
nung  von  der  Schadelwand  die  beiden  Nerven,  d.  h.  der  Ram. 
ophthalmicus,  der  an  der  medialen  Wand  der  Augenhohle  weiter 
nach  vorn  zieht  {6),  giebt  als  einen  Ast  den  Oculomotorius  («) 
ab,  welcher  seinerseits  nun  wieder  die  Augenmuskeln  versorgt, 
ferner  den  Trochlearis  entsendet,  sowie  die  Ciliarnerven.  Der  Ab- 
ducens  geht  mit  dem  Hauptstamme  des  Trigeminus,  aber  getrennt 
von  ihm  (c).  Angaben  iiber  das  Verhalten  der  betreffenden  Ner- 
ven in  der  Schadelhohle  und  iiber  ihren  Austritt  aus  dem  Gehirn 
fehlen  vollstiindig ;  J.  M  ii  1 1  e  r  scheint  diese  Theile  gar  nicht  un- 
tersucht  zu  haben. 

Unterzieht  man  sich  jedoch  dieser  Muhe,  so  gestaltet  sich 
bald  das  Resultat  ganz  anders,  man  wird  dann  sehr  bald,  nament- 
lich  mit  Zuhilfenahme  der  Salpetersiiure  die  Selbststandigkeit  der 
Augenmuskelnerven  constatiren  konnen.  Figur  IV  stellt  das  Ge- 
hirn, sowie  die  linksseitigen  vorderen  Kopfnerven  dar.  Die  ein- 
zelnen  Abschnitte  des  Gehirnes  sind  sehr  deutlich  zu  unterscheiden, 
V  ist  das  HemisphJirenhirn  mit  den  unterliegenden  Corpora  striata, 
M  das  Mittelhirn,  zwischen  beiden  liegt  in  der  Tiefe  versteckt 
das  hier  sehr  kleine  Zwischenhirn,  Sehr  machtig  entwickelt  ist 
das  Hinterhirn  H,  dem  sich  nach  hinten  und  unten  das  Nachhirn 
anschliesst.  Eines  merkwiirdigen  Gebildes  muss  ich  noch  erwah- 
nen,  iiber  dessen  Bedeutung  ich  mir  nicht  klar  geworden  bin;  es 
ist  dies  ein  stark  entwickelter  Querwulst,  der  wie  eine  Brucke  kurz 
hinter  der  Spitze  der  Rautengrube  iiber  dem  Riickenmark  sich 
ausspannt  L,  und  zu  beiden  Seiten  desselben  mit  je  einem  Fort- 
satz  in  die  Tiefe  sich  erstreckt.  Auf  dem  Schnitt  hot  er  markige 
Consistenz  und  sein  mikroskopisches  Bild  war  das  eines  Lymph- 
follikels  mit  sehr  weiten  Gefassen. 

Was  nun  die  hier  in  Betracht  kommenden  Hirnnerven  anlangt, 
so  ist  zunachst  iiber  den  Trochlearis  Folgendes  zu  erwiihnen. 
Dieser  Nerv  (Fig.  IV,  4)  kommt  selbststiindig  aus  der  Seite  des 
Mittelhirnes  und  zwar  aus  der  Furche,  die  das  ursprunglichc 
dritte  und  vierte  Gehirnblitschen  trennt,  Bei  einer  Gesammt- 
lilnge  des  ganzen  Gehirnes  von  25,5  mmtr.  (gemessen  vom  Beginn 
der  Rautengrube  bis  Austritt  des -Nerv.  olfactorius)  liegt  diese 
Stelle  2,5  mmtr.  iiber  und  fast  in  einer  Frontalebene  mit  dor  Aus- 


230  Dr.  Heinrich  Sclmeider, 

trittstelle  des  vorderen  Wurzelcomplexes  des  Trigeminus  facialis, 
also  vollstandig  dorsal.  Von  seiner  Austrittsstelle  wendet  sich  der 
Nerv  in  einem  wellenformigen  Bogen  und  dicht  dem  Gehirn  an- 
liegend  nach  vorn,  verlauft  ungefahr  1  mm.  dorsal  der  vorderen 
Wurzel  des  Oculomotorius,  biegt  neben  dem  hintern  Drittel  des  He- 
misphiirenhirns  zieralich  steil  nach  uuten  ab  und  tritt  median  vom 
Oculomotorius ,  in  gleicher  Hohe  mit  demselben ,  in  eiuem  eigenen 
Kanal  durch  die  hier  sehr  diinne  Schadelwand.  Kurz  nach  seinem 
Austritt  kreuzt  er  den  untersten  Theil  des  Ram.  ophthalmicus 
und  nimmt  dabei  einen  feinen  Faden  in  seine  Bahn  auf.  Alsdann 
verlauft  er  auf  demjenigen  Theile  des  Kaumuskels  K^  der  vom 
Sphenoideum  basilare  entspringt  (J oh.  M tiller),  quer  durch  die 
Augenhohle  und  gelangt  nach  ziemlich  langem  Verlaufe  zum  Muse, 
obliquus  superior.  Einen  weiteren  Endast,  wie  man  solchen  nach 
der  Verbindung  mit  dem  Ram.  ophthalmicus  voraussetzen  sollte 
und  wie  ihn  auch  J  oh.  M  tiller  beschreibt  (Fig.  Ill  tt),  habe  ich 
nicht  auffinden  konnen. 

Der  Oculomotorius  eutsteht  mit  2  Wurzeln  aus  dem  Gehirn, 
mit  einer  vorderen  mehr  dorsalen  und  einer  hinteren  ganz  ven- 
tralen  (Fig.  IV  3  v  und  3/0.  Die  Austrittstelle  der  vorderen  Wur- 
zel liegt  an  der  Seite  des  Mittelhirnes  in  dessen  hinterem  Drittel, 
ungefahr  1,5  mm.  uuter  und  etwas  vor  dem  Trochlearis-Austritt 
und  2  mm.  vor  und  dorsal  der  hinteren  Wurzel.  Sie  wendet 
sich  in  fast  horizontalem  Verlauf  unter  einem  sehr  spitzen  Winkel 
nach  vorn ,  durchbohrt  in  einem  eigenen  Canal  lateral  vom  Troch- 
learis  die  Schadelwand  und  vereinigt  sich  unmittelbar  vor  der- 
selben  mit  der  hinteren  Wurzel.  Diese  selbst  entspringt  dicht  vor 
dem  vorderen  Wurzelcomplexe  des  Trigeminus- facialis,  3/^,  und 
in  gleicher  Hohe  mit  demselben,  vom  Beginne  des  Nachhirnes, 
resp.  da,  wo  das  Mittelhirn  an  den  von  oben  her  sich  in  das 
Nachhirn  umbiegenden  Wulst  des  Hinterhirns  grenzt,  verlauft 
datm  in  der  Schiidelhohle  median  vom  Trigeminus,  tritt  zwischen 
diesem  und  der  vorderen  Wurzel  des  Oculomotorius  durch  die 
Schadelwand  und  bildet  die  bereits  erwahnte  ungefahr  3  mm.  lange, 
innige  Verbindung  mit  der  vorderen  Wurzel,  so  dass  es  in  der 
That  aussieht,  als  habe  man  nur  einen  Nerven  vor  sich.  Bei  sorg- 
fiiltiger  Behandlung  indessen  liisst  sich  bald  erkennen,  dass  die 
hintere  Wurzel  unter  der  vorderen  hingeht  und  zum  grossten  Theil 
in  den  untern  Ast  des  Ramus  ophthalmicus  inferior  tibertritt,  der, 
durch  einen  vom  Ganglion  trigemini  kommenden  Zweig  verstarkt, 
liings  der  Schadelwand  hinzieht  und  spilter  mit  dem  ebenfalls  vom 


Ueber  die   Augeumuskcluerven   der  Gauoideu.  2.'il 

Ganglion  Gasseri  entstehendeii  Ramus  ophthalmic,  super,  (r.  o.  s,) 
den  Nerv  ophthalm.  trigemini  bildet  (r.  o.).  Die  ganze  vordere 
Wurzel,  sowie  ein  Bruchtheil  der  hinteren  verlaufen  nun  andrer- 
seits  in  der  bisherigen  Richtung  nach  den  Augenmuskeln  weiter. 
Unmittelbar  nach  der  Trennung  von  der  hintern  Wurzel  wird  der 
Zweig  fur  den  Muse,  rectus  supor.  abgegeben,  der  seinerseits  wie- 
der,  ehe  er  an  diesen  Muskel  herantritt,  einen  feinen  Faden  ent- 
sendet  (Fig.  V  a,  c),  welcher  in  deni  Zwischenraum  zwischen  Muse, 
rectus  super,  uud  M.  rect.  lateralis  zum  Bulbus  zieht.  Dessgleichen 
vverden  nach  kurzer  Strecke  vom  Ram.  inferior  ein,  resp.  zwei  feine 
Aestchen  abgegeben,  die  gleichfalls  mit  dem  vom  Ram.  super,  zuni 
Auge  zu  verfolgen  sind.  Im  M^eiteren  Verlaufe  endlich  tritt  auch 
hier  der  Oculomotorius  hinter  dem  Muse.  rect.  superior  in  den 
Augenmuskelkegel,  versorgt  zunachst  den  Rect.  inferior  und.  theilt 
sich  schliesslich  in  die  beiden  Endaste  fiir  die  Muse.  rect.  medialis 
und  obliqu.  inferior.  Letzterer  ist  ebenfalls  der  liingere  Ast.  An 
dor  Theilungsstelle  wurden  keine  sonst  abgehenden  Aeste  bemerkt. 

Eudltch  der  Abducens,  der  dritte  Augenmuskelnerv,  entsteht 
gleichfalls  selbststandig  und  zwar  ventral  unter  dem  hinteren 
Wurzeiconiplexe  des  fiinften  und  siebenten  Kopfnerven,  geht  unter 
demselben  und  spilter  unter  dem  Ganglion  trigemini  nach  vorn 
und  koninit  zum  Vorschein  in  der  Augenhohle  median  dicht  neben 
dem  zvveiten  Aste  des  Trigeminus.  Ya'  versorgt  auch  hier  aus- 
schliesslich  den  Muse,  rectus  lateralis. 

Unser  Resultat  ist  nun  gegenliber  den  Angaben  von  J.  M til- 
ler insofern  von  Wichtigkeit,  als  es  die  Selbststandigkeit  der 
Augennmskelnerven  ausser  alien  Zweifel  stellt.  Vergleicht  man 
die  Figuren  V,  a  und  h,  so  sieht  man  allerdings  ein,  dass  es  sehr 
leicht  geschehen  konnte,  den  Oculomotorius  als  einen  Zweig  des 
Ram.  ophthalmicus  anzusehen  und  auch  den  Trochlearis  infolge 
seines  Zusammenhaiiges  mit  dem  genannten  Trigeminus-Aste  die- 
sem  unterzuordnen ,  wahrend  doch  beide  nichts  weiter  mit  einan- 
der  zu  thun  haben,  als  dass  jener  einige  Fasern  aus  der  Bahn 
des  funften  Hirnnerven  aufnimmt. 

In  histologischer  Beziehung  schliesst  sich  Lepidosteus  enge 
an  die  anderen  untersuchten  Ganoiden  an.  Es  finden  sich  bei  ihm 
ebenfalls  die  beiden  oben  beschriebenen  Nervenfasern ,  die  mark- 
haltigen  von  einer  durchschnittlichen  Breite  von  0,01 — 0,02  mm., 
die  marklosen  ungefahr  0,04  mm.  breit;  ferner  sind  die  Ganglien- 
zellen  ebenso  von  Gestalt  und  Zusammensetzung  wie  die  der  an- 
dern  Alien.     In  Betreii"  der  Vertheilung   dieser  verschiedenen  Be- 


232  Dr.  Heinricli  Scluieider, 

standtheile  ist  aber  Folgendes  dem  Lepidosteus  eigenthiimlich.  Die 
vordere  Wurzel  enthalt  nur  grobe  markhaltige  Fasern  (Fig.  VI,  v), 
dagegen  die  hintere  Wurzel  sowohl  grobe  als  auch  feine,  mark- 
lose  Fasern,  als  auch  Ganglienzclleii,  Letztere  finden  sich  perl- 
schnurartig  aneinandergereiht  schon  kurz  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Gehirn  in  geringerer  Anzahl,  hauptsachlich  jedoch  da,  wo 
die  Verbindung  mit  der  vorderen  Wurzel  stattfindet.  Hier  sind 
sie  massenhaft  zusammengedrangt  and  verbreiten  sich  noch  ziem- 
lich  weit  in  den  abtretenden  Theil  des  Ram.  ophthalmicus  hinein. 
Yon  dieser  hintern  Wurzel  gehen  aber  auch  zwei  geringere  Strange 
dicht  mit  Zellen  besetzter  feiner  Nervenfasern  in  die  Bahu  des 
Oculomotorius  iiber  und  vertheilen  sich  zunachst  so,  dass  sowohl 
der  Ramus  inferior,  als  auch  der  Ram.  super,  einen  Theil  dersel- 
ben  erhalt  (Fig.  VI  oc).  Von  dem  letzteren  geht  dann  bald  da- 
rauf  der  schon  bei  der  anatomischen  Beschreibung  erwahnte  feine 
Fadeu,  bestehend  aus  beiden  Nervenarten,  nach  dem  Bulbus  ab, 
wiihrend  im  Ram.  infer,  die  feinen  Fasern,  eine  von  den  andern 
deutlich  getrennte  Portion  bildend,  erst  noch  eine  Ganglienan- 
schwellung  bilden,  ehe  sie  in  mehren  Aestchen  die  Bahn  des  Ocu- 
lomotorius verlassen.  Diese  Anschwellung  (Fig.  V  a,  f)  liegt  ge- 
gen  10  mmtr.  von  der  Trennungsstelle  der  beiden  Wurzeln,  also 
ebenfalls  in  der  Strecke  zwischen  Abgang  des  Astes  fur  den  Rec- 
tus superior  und  des  fiir  den  Rectus  inferior  bestimmten,  enthalt 
eine  massige  Menge  Zellen  und  entsendet  direct  vom  peripheren 
Ende  einen  nur  aus  marklosen  Fasern  bestehenden  Ast,  der  mit 
dem  vom  Ramus  superior  kommenden  gleiches  Ziel  verfolgt.  End- 
lich  ging  bei  einem  Exemplar  in  dieser  Strecke  noch  ein  zweiter 
diesmal  gemischter  Ast  nach  dem  Bulbus  ab.  Sonstige  Ganglion 
wurden  nicht  beobachtet.  Bemerkt  muss  auch  noch  werden,  dass 
die  markhaltigen  Fasern  der  vorderen  Wurzel  keinen  Antheil  am 
Aufbau  des  Ram.  ophthalmicus  nehmen ,  sondern  alle  in  die  Bahn 
des  Oculomotorius  iibertreten. 

Wenn  es  sich  nun  unter  Beriicksichtigung  aller  der  gefunde- 
nen  Resultate  um  die  Frage  handelt,  welchem  von  den  genaunten 
Nerven  die  Ganglienzellen  zuzutheilen  seien,  ist  wohl  die  niichste 
Antwort  die,  dass  wir  hier  ein  jedenfalls  dem  Oculomotorius  an- 
gehoriges  Ganglion  vor  uns  haben.  Sollte  dies  nicht  der  Fall  sein, 
so  konnten  ausserdem  wohl  nur  zwei  Moglichkeiten  fiir  die  Unter- 
bringung  resp.  Zugehorigkeit  der  im  Stamme  des  Oculomotorius 
gefundenen  Zellen  in  Betracht  korameii,  einmal  die,  dass  zum 
Sympathicus  gehorige  Zellen   in  die  Bahn   des  dritten  Hirnnerven 


TJeber  die  Augeumusktluerveu  der  Ganoiden.  233 

iibergegangen  seieu,    und  andrerseits ,   dass   die   liier  befindliclien 
Ganglien  abgeloste  Portioueu  des  Ganglion  trigemini  darstellen. 

Abgesehen  nun  davou,  dass  bei  keiuer  der  untersucliteu  Ar- 
ten  an  irgend  einer  Stelle  des  dritten  Hirnnerven  eine  Verbindung 
mit  eiuem  dem  Sympathicus  iibnlicbeu  oder  aualogen  Nerveustrang 
nachgewieseu  werden  konnte,  ist  schon  durch  die  Untersuchungen 
vonStanuiusO  fiir  die  Ganoiden,  wenigstens  fur  Accipenser  ge- 
zeigt  worden,  dass  in  diesem  vorderen  Kopfabschnitt  der  Sympa- 
thicus nicht  existirt,  sondern  dass  derselbe  sich  erst  viel  weiter 
hinten,  im  Gebiete  des  Nerv.  vagus  vorfindet. 

Fiir  die  audre  Ansicht,  dass  die  Zellen  aus  dem  fiinften  Hirn- 
nerven stammen,  liesse  sich  wolil  vor  allem  das  Verhalten  bei  Le- 
pidosteus  verwerthen,  denn  es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  hier  in 
der  hintern  Wurzel  des  Oculomotorius,  die  dem  Nerven  die  Gang- 
lien  zufiihrt,  zum  grossten  Theil  Bestandtheile  des  Trigeminus  zu 
suchen  sind.  Es  ist  gewissermassen  die  vorderste  Wurzel  von 
denen  des  Trigeminus-facialis-Complexes,  welche  bei  Lepidosteus 
ganz  selbststandig  geworden  und  die  Verbindung  mit  dem  dritten 
Hirnnerven  eingegangen  ist,  Es  giebt  sich  dies  auch  schon  dar- 
aus  zu  erkennen,  dass  sie  sich  in  hervorragender  Weise  und  in 
Verbindung  mit  einem  vom  Ganglion  Gasseri  kommenden  Ast  an 
der  Bildung  des  I^am.  ophtalmic.  infer,  betheiligt,  ein  Verhalten, 
wie  es  ganz  ahnlich  auch  bei  den  andern  Ganoiden  beobachtet 
wird.  Denn  auch  bei  dieseu  baut  sich  der  Ram.  ophthalmicus  auf 
aus  der  vordersten  Wurzel,  die  nicht  am  Gangi.  trigemini  theil- 
nimmt  und  aus  einem  von  diesem  stammenden  Aste,  nur  dass  die 
Vereinigung  dicht  am  Ganglion  selbst  stattfindet.  Nach  dieseu 
Erwagungen  wurden  also  bei  Lepidosteus  die  gangli()sen  Elemente 
des  Oculomotorius  vom  Trigeminus  abstammen,  wenn  man  nicht 
zu  einer  andern  Deutung  seine  Zuflucht  nimmt,  nach  welcher  die 
die  Zellen  enthaltende  Wurzelportion  des  Oculomotorius  sich  von 
diesem  abgelost  und  mit  einer  gleichfalls  vom  Hauptstamm  des 
Trigeminus  abgetretenen  Wurzel  sich  vereinigt  hat.  Die  Beant- 
wortung  dieser  Frage  durfte  selbstverstiindlich  vorliiufig  schwierig 
sein  und  muss  ich  mich  hier  mit  Aufstellung  dieser  Moglichkeit 
begniigen. 

Bei  den  andern  Gattungen  der  Ganoiden  ist  jedoch  vor  alien 
Dingen  gegen  die  vielfach  verbreitete  Ansicht,    welche  das  Gang- 
lion oculomotorii  s.  ciliare  zum  Trigeminus  rechnet,  einzuwenden, 
dass  nirgends   der  Nerv.  oculomotor,   centralwarts  vom   Ganglion 
M  Peripher.  Nervensyst.  d.  Tische.     S.   133,   134. 


234  Dr.  Heiurich  Schneider, 

eine  Verbindung  zeigt,  die  zu  der  Vermuthmig  fiihreu  konne,  als 
handle  es  sich  urn  gangliose  Elemente  aus  der  Bahn  des  fiinften 
Hirnnerven. 

Diese  Verlialtiiisse  stehen  also,  wenn  wir  Lepidosteus  vorlaufig 
ausser  Acht  lassen,  im  Widersprucb  zu  der  Annahme,  dass  das 
Ganglion  in  das  Gebiet  eines  auderu  Hirnnerven  geboren  konne; 
es  bleibt  sorait  nur  die  durch  die  Untersuchung  schon  an  sich  am 
wahrscheiiilichsten  gewordene  Moglichkeit,  dass  wir  es  eben  mit 
einem  Ganglion  des  Oculomotorius  zu  thun  haben.  Wie  dies  in 
morphologischcr  Beziehung  sich  filr  die  Ganoiden  nachweisen  lasst, 
so   ist  es  audi  fiir  die  ganze  Wirbelthierreihe  dargethan  worden. 

Haudelt  es  sich  nun  weiter  darum,  festzustellen ,  in  welcher 
Anzahl  in  der  Gruppe  der  Ganoiden  Ganglien  des  Oculomotorius 
sich  finden,  so  ist  zuuachst  das  constaute  Vorkommen  mindestens 
einiger  Ganglienzellen  bezw.  eines  Ganglienhaufens  in  der  Strecke 
des  Nerven  zu  erwahnen,  welche  zwischen  dem  Abgange  des  Astes 
fiir  den  Muse,  rectus  superior  und  desjenigen  fiir  Muse,  rectus 
infer,  liegt.  Bei  Amia  ist  in  diesem  Abschnitte  ein  kleines  Gang- 
lion vorhanden,  auch  bei  Lepidosteus,  der  doch  schon  an  der  Kreu- 
zungsstelle  der  beideu  Wurzeln  massenhaft  Zellen  besitzt,  fehlt 
ein  solches  nicht  und  endlich  l)ei  Accipenser  finden  sich  deren  gar 
zwei.  Eine  besoudere  Stellung  nimmt  dieser  letztere  iibrigens 
noch  dadurch  ein,  dass  in  einem  kleinen,  innerhalb  genannter  Strecke 
vom  Stamme  abgehenden  Aste  ein  drittes  Ganglion  sich  vorfindet. 
Oftenbar  wird  das  Auftreten  aller  der  zelligen  Elemente  an  diesem 
Orte  bedingt  durch  den  hier  stattfindenden  Abgaug  der  feinen 
Aestchen,  die  man  als  Ciliarnerven  bezeichnen  muss,  und  die  Ab- 
gabe  dieser  Aeste  an  so  weit  central  gelegener  Stelle  wahrschein- 
lich  wiederum  durch  deren  Verhaltniss  zum  Nerv.  opticus.  Sie 
verlaufen  niimlich  alle  in  nachster  Nahe  dieses  Nerven,  sowie  der 
hinter  demselben  gelegenen  Arteria  ophthalmica  in  dem  Zwischeu- 
raum  zwischen  Muse.  rect.  super,  und  M.  rect.  lateralis  und  in- 
seriren,  wenigstens  bei  Stor  und  Lepidosteus,  dicht  hinter  dem 
Eintritt  des  Nerv.  opticus  in  den  bulbus.  Der  zweite  Punkt,  an 
welchem  sich  dann  noch  Ganglien  finden,  ist  die  Theilungsstelle 
des  Oculomotorius  in  die  beiden  Endaste  und  zwar  kommt  es  vor, 
dass  sowohl  an  den  Zweig  fiir  den  Muse.  rect.  medialis  als  auch 
an  den  fur  den  Muse,  obliqu.  inferior  die  Zellen  angelagert  sind, 
letzteres  bei  Amia,  ersteres  bei  Accipenser.  Lepidosteus  hat  an 
dteser  Stelle  keine  Zellen.  Der  Ort,  wo  die  Theilung  stattfindet, 
liegt  meist  dicht  vor  dem  Muse.  rect.  inferior,  also  nicht  weit  uu- 


Ueber  die  Augenmuskelu erven   der  Ganoiden.  235 

terhalb  des  Nerv.  opticus.  Es  ist  dalier  nicht  uuwalirsclieiiilich, 
dass  diese  Lagerung  gleichfalls  diirch  das  Verhiiltniss  zum  Opti- 
cus bestimmt  wird,  zumal  die  feinen  Ciliarnerven  auch  hier  in 
grosster  Nahe  desselben  verlaufen. 

In  alien  Fallen  liegen  die  gangliosen  Elemente  im  Stamme 
des  dritten  Hirnnerven  und  nur  das  eine  Mai,  bei  Accipenser, 
audi  entfernt  von  demselben  in  einem  Ciliarnerven,  Warum  hier 
dieses  eigenthiimliche  Verhalten  eingetreten,  ist  nicht  bestimmt 
zu  sageu,  allein  man  wird  wohl  nicht  viel  fehl  gehen,  wenn  man 
annimmt,  dasselbe  sei  die  Folge  der  grosseren  Lange  der  ganzen 
Nerven.  Denn  wie  bei  Lepidosteus  von  dem  kleineren  Ganglion 
im  Stamme  des  Oculomotorius  sich  einige  Zellen  ablosen  und  iiber 
den  Aufang  eines  Ciliarnerven  verbreiteu  kounen,  so  ist  es  wohl 
auch  moglich,  dass  bei  stiirkeren  Anforderungen  an  das  Wachs- 
thum  in  Folge  raumlich  grosserer  Verhiiltnisse  ein  ganzer  Gang- 
lientheil  sich  vollstiindig  vom  andern  abKisen  und  an  eine  weiter 
peripher  gelegene  Stelle  treten  kann.  Durch  diese  Annahme  wilrde 
sich  das  mehrfache  Vorkommen  der  Ganglien  iiberhaupt  erkliiren 
lassen. 

Weiter  entsteht  dann  die  Frage,  wenn  sich  im  Stamme  des 
Oculomotorius  zellige  Elemente  finden,  die  weder  dem  Trigeminus, 
noch  irgend  einem  andern  Nerven  angehoren,  ist  das  Ganglion, 
resp.  sind  die  mehrfachen  Ganglien  das  Homologon  eines  Spinal- 
ganglions?  Ich  glaube,  dass  diese  Frage  wohl  bejaht  werden 
muss,  und  dass  als  bester  Beweis  hierfur  das  Verhalten  der  Zel- 
len bei  Amia  angesehen  werden  kann.  Wie  schon  friiher  erwahnt, 
besteht  hier  der  Nerv  aus  zwei  relativ  deutlich  von  einander  trenn- 
baren  Theilen.  Der  schwachere,  aus  feinen  Fasern  zusammenge- 
setzt,  enthiilt  allein  die  zelligen  Elemente,  wahrend  die  starkere 
Portion,  aus  markhaltigen  Fasern  bestehend,  durchaus  keinen  Theil 
an  der  Bildung  des  Ganglions  nimrat.  Wenn  also  nahe  der  Ur- 
sprungstelle  aus  dem  Gehirn,  wie  dies  hier  der  Fall  ist,  zwei 
vollstandig  von  einander  isolirbare  Strange  auftreten,  deren  einer 
nur  das  resp.  die  Ganglien  enthiilt,  die  ausserdem  noch  durch 
ihren  histologischen  Ban  verschieden  sind,  so  lasst  sich  wohl  schon 
annehmen,  dass  genannte  Ganglienzellen  sich  verhalten,  wie  die  in 
der  hintern,  dorsalen  Wurzel  eines  Spinalnerven  gelegenen,  an  de- 
ren Bildung  die  vordere,  ventrale  Wurzel  gleichfalls  keinen  An- 
theil  hat. 

Ein  ganz  gleiches  Verhalten  des  Ganglion  ciliare  wird  bei 
Lepidosteus  beobachtet ;  auch  hier  liegen  die  zelligen  Elemente  in 


236  Dr.  Heinrich  Schneider, 

dem  Theile  des  Nerven,  der  nur  aus  raarkloseu  Fasern  besteht 
und  oline  Verbindung  mit  dem  andera  bleibt.  Doch  kann  man 
diese  Verhaltnisse  nicht  mit  Sicherbeit  verwertben,  da  eben  die 
Frage  nacb  der  Herkunft  der  Zellen  nocb  imgelost  ist. 

Bei  Accipenser  wird  das  Bild  in  sofern  geandert,  als  nicbt 
zwei  gleicbwertbig  neben  einander  berlaufeude  Portionen  des  Ocu- 
lomotorius  nabe  an  seiuem  Ursprunge  existiren  und  in  dieser  Be- 
ziebung  nicbt  das  vollstandige  Analogon  eines  Spinalnerven  gebo- 
ten  wird,  vielmebr  die  feinen  Nervenfasern,  zu  einzelnen  Strangen 
vereinigt,  zwiscben  den  breiten  eingelagert  sind.  Allein  da  aucb 
in  diesem  Falle  nur  sie  allein  die  zelligen  Elemente  entbalten,  da 
sie  ausserdem  den  entsprecbenden  Tbeilen  des  Oculomotorius  von 
Amia  und  Lepidosteus  aucb  in  bistologiscber  Beziebung  vollstan- 
dig  gleicben,  so  liegt  kein  Grund  vor,  sie  als  andre  Gebilde  an- 
zuseben.  Der  einzige  Unterscbied  liegt  nur  zwiscben  beiden  Ar- 
ten  der  Ganoiden  darin  —  denn  aucb  bei  Scapbirbyncbus  finden 
•sicb  die  marklosen  Fasern  nur  in  einzelnen  diinnen  Strangen  — , 
dass  die  feinen  Nerven  einmal  zu  einem  gescblossenen  Tbeile  des 
Nervenstammes  vereinigt,  im  andern  Falle  zerstreut  sind. 

Es  lasst  sicb  also  in  dieser  Hinsicbt  ungezwungen  die  An- 
nabme  recbtfertigen ,  das  Ganglion  ciliare  sei  ein  dem  Spinal- 
ganglion  bomologes  Gebilde.  Aber  aucb  der  Einwand,  den  man 
in  anderer  Hinsicbt  erbeben  konnte,  dass  ja  tiberall  nicbt  ein, 
sondern  mebrere  Ganglien  zum  Tbeil  an  sebr  weit  peripber  gelege- 
nen  Punkten  im  Oculomotorius-Stamme  sicb  finden  und  zweitens, 
dass  bereits  vor,  d.  b.  central  vom  Ganglion  ein  bedeutenderer 
Ast  fiir  den  Muse,  rectus  superior  vom  Nerven  abgebt,  aucb  die- 
ser Einwand,  sage  icb,  kann  durcb  den  Hinweis  auf  abnliche 
Vorkommnisse  in  andern  Klassen  der  Wirbeltbierreibe  entkraftet 
werden.  In  Bezug  auf  den  zweiten  Punkt  ist  bereits  durcb  die 
Untersucbungen  von  Stannius^)  festgestellt ,  dass  scbon  vor 
der  Vereinigung  der  beiden  Wurzeln  eines  Spinalnerven  von  einer 
oder  der  andern  Aeste  abgeben  konnen.  Was  die  mebrfacbe  Zabl 
der  Ganglien  anlangt,  so  weise  icb  nur  auf  die  sogenannten  Ganglia 
aberrantia  bin,  um  dieses  Bild,  allerdings  in  vergrossertem  Mass- 
stabe,  auf  die  vorliegenden  Verbaltnisse  zu  iibertragen. 

Ist  aber  die  Annabme  gerecbtfertigt ,  das  Ganglion  des  Ocu- 
lomotorius als  das  Homologon  eines  Spinalganglions  anzuseben 
und  den  Nerven  selbst  einem  Spinalnerven   gleicbwertbig  zu  er- 

1)  Peripher.  Nerveusyst.  d.  Fische.  S.  117,  118,  sowie  die  da- 
selbst  verzeichnete  Literatur.  *■ 


IJeber  die  Augenmuskelnerven  der  Ganoiden.  237 

achteu,  so  muss  weiter  als  nothwendige  Forderung  die  Selbststan- 
digkeit  des  dritten  Hirnnerven  aufgestellt  werdeu.  Dies  nun  zu 
beweisen,  fallt  nicht  schwer,  da  eben  bei  sammtlichen  Ganoiden 
ein  selbststandiger  Ursprung  nicht  nur  des  Oculomotorius ,  son- 
dern  auch  des  Trochlearis  aus  dem  Gehirn  stattfindet. 

Es  eriibrigt  nun  noch  darzutliun,  einmal,  dass  der  Nerv.  ocu- 
lomotorius, da  er  einem  Spinalnerven  gleichwerthig  sein  soil,  auch 
mit  zwei  Wurzeln,  einer  dorsalen  und  einer  ventralen  entsteht 
und  zweitens  zu  entscheiden ,  ob  die  histologisch  verschiedenen 
Nerven  der  beiden  Portionen,  welche  den  Oculomotorius  zusammen- 
setzen,  auch  physiologisch  verschiedene  Functionen  besitzen.  Da 
ich  bei  den  Ganoiden  iiber  den  ersten  Punkt  keine  diesbeziigli- 
chen  Resultate  auffinden  konnte,  sehe  ich  niich  genothigt,  eines- 
theils  aut  altere  Angaben,  als  auch  namentlich  auf  die  an  Sauge- 
thierhirnen  vorgenommeneu  Untersuchungen  von  Schwalbe^)  zu 
recurriren.  Als  eine  abgeloste  dorsale  Wurzel  des  Oculomotorius 
betrachte  ich  auch  den  Nerv.  trochlearis.  Ob  derselbe  ausser  sei- 
nen  motorischen  Fasern  auch  noch  sensible  enthalt,  muss  ich  un- 
entschieden  lassen;  vermuthen  sollte  man  es  nach  seinem  dorsa- 
len Austritt. 

Was  die  physiologische  Function  der  beiden  Portionen  des 
Oculomotorius  betrifft,  so  steht  natiirlich  nur  das  eine  fest,  dass 
der  grossere,  aus  den  breiten  Fasern  bestehende  Theil  des  Ner- 
ven  motorischer  Natur  ist.  Diese  Thatsache  wird  sofort  durch 
den  Zusammenhang  und  die  Endigung  dieser  Nervenfasern  in  den 
Augenmuskeln  erwiesen  und  ausserdem  durch  die  Verhaltnisse  in 
der  ganzen  Wirbelthierreihe  bestatigt.  Dagegen  stosst  die  Frage 
nach  der  Function  der  feinen  Nervenfasern  sov^^ie  der  in  ihnen 
enthaltenen  Zellen  auf  einige  Schwierigkeiten.  Es  kommen  hier- 
bei  noch  die  Ciliarnerven  in  Betracht.  Nach  den  Untersuchungen 
von  Schwalbe^)  existiren  deren  in  der  Abtheilung  der  Sela- 
chier  drei  Arten:  1)  ein  Ciliarnerv  aus  dem  Nerv.  oculomotorius, 
2)  ebenso  ein  Nerv  vom  Trigeminus,  3)  eine  verschiedene  Anzahl 
von  Nerven  aus  dem  Ganglienbtindel  des  Oculomotorius  hervor- 
gehend.  Der  Nerv  der  ersten  Gruppe  gilt  hierbei  als  der  moto- 
rische,  der  der  zweiten  als  der  sensible  und  endlich  die  der  drit- 
ten Gruppe  als  die  vasomotorischen  Nerven  des  Auges.  In  der 
Abtheilung  der  Ganoiden  verhalt  sich  die  Sache  ebenso;  beim 
Stor  konnteu  an  zwei  Exemplaren  Rami  ciliares  aufgefunden  wer- 

1)  Jen.  Zeitschr.  f.  Naturw.  B.  XIII  H.  3  S.  246—260. 

2)  1.  c.  S.  263. 


238  Br.   Heiuricli  Schneider, 

den,  die  vom  Trigeminus  kommend  mit  der  Art.  ophthalmica  in 
den  Zwischenraum  zwischeu  Muse,  rectus  super,  und  M.  rect.  la- 
teralis zogen  Oder  sich  mit  den  vom  Oculomotorius  -  Stamme  ab- 
gehenden  Ciliarasten  vereinigten.  Dieser,  iibrigens  schon  von 
Stannius^)  beschriebene  Ast,  wiirde  also  die  sensiblen  Fasern 
fiir  das  Auge  fiihren.  Aehnlich  verhalt  sich  die  Saclie  bei  Lepi- 
dosteus ,  nur  ist  sie  noch  viel  einfacher ,  indem  bei  der  Kreuzung 
der  beiden  Wurzeln  Faden  aus  der  sensiblen  hintern  Ophthalmicus- 
Wurzel  in  die  Bahn  des  Oculomotorius  direct  iibcrtreten  und  sich 
bis  an  den  Bulbus  verfolgen  lassen.  Leider  konnten  bei  Amia 
und  Scaphirhynchus  die  entsprechenden  Aeste  nicht  constatirt 
werden,  doch  sind  sie  bei  einer  geeigneteren  Untersuchungsme- 
thode  auch  nachweisbar,  da  kein  Grund  zu  der  Annahme  vorliegt, 
dass  diese  Objecte  sich  auders  verhalten  sollten,  wie  ihre  ver- 
wandten  Arten. 

Soviel  iiber  die  sensiblen  Ciliarnerven.  Was  die  motorischen 
und  vasomotorischen  anlangt,  so  entstehen  dieselben  selbstver- 
standlich  aus  der  Bahn  des  dritten  Hirnnerven,  Es  ist  uuter  dem 
Mikroskope  sehr  leicht  nachweisbar,  dass  die  meisten  Ciliarfaden 
ausser  den  feinen  Nervenfasern  breite  enthalten;  ausserdem  kom- 
men  Aestchen  vor,  welche  nur  feine,  und  wiederum  solche,  welche 
nur  grobe  Fasern  besitzen.  Die  Frage  nun,  wieweit  diese  letzte- 
ren  motorischer,  wieweit  sie  vasomotorischer  Natur  sind,  oder 
ob  nicht  diese  letzteren  iiberhaupt  aus  den  Ganglieubiindeln  des 
Nerven  stammen,  muss  vorliiufig  unentschieden  bleiben;  nach  der 
Thatsache  der  histologischen  Verschiedenheit  der  beiden  Nerven- 
theile  erscheint  eine  Annahme  getrenuter  physiologischer  Function 
mindestens  nicht  unnattirlich. 

Fassen  wir  nochmals  kurz  die  aus  vorstehenden  Untersuchun- 
gen  und  Erwagungen  sich  ergebenden  Thatsachen  zusammen,  so 
ist  als  Hauptergebniss  der  selbststiindige  Urspruug  des  Trochlea- 
ris  und  Oculomotorius  aus  einem  vorderen  Gehirnabschuitt  her- 
vorzuheben.  Ferner  enthalt  der  Oculomotorius  der  Ganoiden  stets 
ein,  meistens  einige  Gangiien,  die  jedenfalls  als  das  Homologon 
eines  Spinalganglions  anzusehen  sind.  Icli  folgere  daraus,  dass 
der  dritte  Hirnnerv  in  Verbindung  mit  dem  Trochlearis  in  der 
Abtheiluug  der  Ganoiden  einen  einem  vorderen  Hirnabschnitt  su- 
gehorigen  Kopfnerven  reprasentirt. 


')  Periph.  Ncrvens.  d.  Fische  S.  39. 


TJeber  die  Auscnrauskcluerven  der  Ganoideu.  239 


Tafelerklarung. 


r  i  g  u  r  I.      Gehirn  vom  Stor 

von  oben    gesehen ,    mit  den  austretenden  Kopfnerven ,    nebst  Schema 

der  Vertheilung  der  Augenmuskelnerven. 

F. 

Vorderhirn. 

Z. 

Zwischenhiru. 

M. 

Mittelhirn. 

H. 

Hinterhirn. 

N. 

Nachhirn  mit  Rautengrube. 

M.  S. 

Medulla  spinalis. 

ob.  s. 

muse,  obliqu.  super. 

r.  s. 

m.  rect.  super. 

r.  i. 

m.  rect.  infer. 

r.  I. 

m.  rect.  lateral. 

r.  m. 

m.  rect.  medialis. 

ob.   I. 

m.   obliquus  infer. 

t.     0. 

tuberculum  olfactorium. 

1. 

olfactorius. 

2. 

opticus. 

3. 

oculomotorius. 

4. 

trochlearis. 

6. 

abducens. 

5  t   7. 

trigeminus -facialis  mit  ganglion  Gasseri. 

8. 

acusticus. 

9  t  10. 

glossopharyngeus  nebst  vagus. 

r.   oph. 

Ramus  ophthalm.  n.  trigem. 

Die  Kreuze  f  im  Verlauf  des  oculomotor,  bezeichnen  die  Stel- 

len,  an  denen  sich  Ganglien  fanden. 

Cl.    C2. 

N.  n.  ciliares. 

240  Dr.  Hcinrich  Schueider, 

Figur  II. 
a.  isolirte  Ganglienzelle  vom  Stor. 

.     ,        I   Ganglieuzelle  von  Lepidosteus. 
c.  unipolare  ) 

Figur  III.     Lepidosteus  uach  Joh.  MUller. 

e.  operculum ;  /.  suboperculum. 

C.  Muskelbauch  des  Kaumuskels  vom  abgebrochenen  Schadcldach 

entspringend. 

D.  Fortsetzung  desselben. 

E.  Portion    des  Kaumuskels,    welcher    vom    sphenoideum  basilare 

entspringt. 

E.  Muskelbauch  des  Kaumuskels,  welcher  vom  Vordeckel  entspringt. 

G.  Muskel,    welcher    das    Gaumenbein   hebt    und    nach    auswarts 
zieht    (entspringt  vom  frontale  post,    und    den  die  Schlafe 
deckenden  Knochenplatten). 
«.  nerv.   olfactorius;  /3.  nerv.   opticus. 

y.  ramus  ophthalmicus  des  trigeminus,  enthalt  zugleich  den  gan- 
zen  oculomotorius  und  trochlearis.  Von  diesem  Stamme 
geht  der  Ast  6  ab ,  um  sich  mit  dem  Aste  t]  des  Haupt- 
stammes  des  trigem.  zu  vereinigen,  welcher  auf  der  Schei- 
dewand  des  Oberkiefers  fortUiuft.  V'  ist  ein  feinerer  Zweig 
von  ri,  der  ebenfalls  an  der  Scheidewand  fortgeht. 

f.  nerv.  oculomotor,  aus  dem  nerv.  ophthalm.  entspringend,  giebt 

Zweige  zum  rect.  super,  q,  zum  rect.  intern.  6,  zum  rect. 

inferior  x ,  zum  obliqu.  inferior  q) ,  auch  nervi  eiliares. 
J.  nerv.  abducens,    geht    mit  Hauptstamm    des   trigeminus,   aber 

getrennt  von  ihm. 
^.  Ast  aus  dem  Hauptstamm  des  trigemin.,  geht  iiber  Muskel  G 

und   unter    dem  Auge  weg.     Aus  ihm  entspringen  Zweige 

X  zum  Heber  des  Gaumenbeines  G   und  den  Kaumuskeln. 

Unter   dem  Auge   theilt   er  sich   in    einen  Oberkieferast  A, 

und  in  einen  Uuterkieferast.     jit  ist  alveolar,  inferior. 
V.  Stammchen,  welches  den  nerv.  trochlearis  und  supratrochlea- 

ris   vereinigt   darstellt ;    entspringt   aus    ophthalmicus    und 

theilt  sich  in  den  nerv.  supratrochlearis  n  zur  conjunctiva 

und  0  zum  muse,  trochlearis. 

Figur  IV.     Gehirn  und  Augenmuskelnerven  von  Lepidosteus. 
r.  Vorderhirn;  M.  Mittelhirn;  H.  Hinterhirn;  N.   Nachhirn. 
L.  Lymphoides  Organ,  quer  iiber  die  Medulla  gelagert. 


Ueber  die  Augenrauskelaerven  der  Ganoiden.  241 

K.   Kaumuskel,  vom  sphenoideum  basilare  entspringend. 
1.  n.  olfactorius. 

3.  D.  oculomotorius    mit  der   vorderen  Wurzel  3y    und  der  hin- 

tern  3  h   vom  Gehirn    entspringend ;    3  /•  ramus  super,    des 
oculomotor,  zum  muse.  rect.  super,  verlaufend. 

4.  n.  trochlearis,  inserirt  den  muse,  obliqu.  super,  ob  s. 

5  t  7.  Ganglion  trigemini  entsteht  aus  zwei  "Wurzelcomplexen,  giebt 
ab  den  ram.  ophthalm.  super,  r.  o.  s. ,  sowie  den  einen 
Theil  des  ram.  ophthalm.  infer.  t\  o.  i'.,  dessen  anderer  Ast 
vom  oculomotor,  kommt.  Beide,  ram.  ophthalm.  super. 
und  der  vereinigte  ram.  ophthalm.  infer,  bilden  den  an 
der  medialen  Scheidewand  verlaufenden  ramus  ophthalmi- 
cus   7".    0. 

8,  nerv.  acusticus. 

9.  nerv.  glossopharyngeus. 

Figur  V.     a.  Schematische  Darstellung  der  Augenmuskelnerven  von 
Lepidosteus,  b.  desgleichen  nach  J.  M tiller.    Der  schwarze  ausgezogene 
Strich  bedeutet  die  Greuze  (Schadelwand),    bis  zu  der  Job.  Miiller 
die    Augenmuskelnerven    beschriebeu.      Die  Kreuze  f   im  Verlauf  des 
oculomotor,  bezeichnen  die  Stellen,  an  denen  Ganglien  sich  fanden. 
r.   Vorderhirn. 
M.  Mittelhirn. 
H.  Hinterhirn. 
N.  Nachhirn. 
M.  S.  Medulla  spinalis. 

1.  nerv.  olfactorius. 

2.  nerv.  optic. 

3.  nerv.  oculomotorius  cntspringt  mit  zwei  Wurzeln,  einer  vor- 

deren 3v,    und    einer  hinteren    3  A.     Nach  Miiller   ent- 
springt  er  aus  dem  ramus  ophthalmicus  des  nerv.  trigemiu. 
Fig.  b.   5.     Er  versorgt  die  Muskeln. 
r.   s.  muse,  rectus  super, 
/•.   /.   muse,   rectus  infer. 
/'.   m.   muse,  rectus  medialis. 
ob.   i.  muse,  obliqu.  infer. 
c.  Ciliarn erven. 

4.  nerv.  trochlearis  versorgt  den  muse,  obliqu.  super,  ob.  s.,  nach 

Miiller  entsteht  er  aus  ram.  ophthalm.  infer. 
5f7.   Ganglion  trigemini. 

8.  nerv.  acusticus. 
Bd.  XV.   N.  F.  vm,  2.  16 


242      Dr.  H.  Sclmeider,  Uebcr  die  Augeumiiskeluerveu  der  Gunoiden. 

9.  nerv.  glossopharyngeus. 
r.   o.   ramus  ophthalmicus  nerv.  trigemiui,    entsteht    aus   ramus  su- 
per, a  und  ramus  inferior  b;  letzterer  wiederum  aus  2  Thei- 
len ,  einer  vom   oculomotor. ,  einer  vom   Gangl.   trigemini. 

Figur  VI.     Mikroskopisches  Bild    der  Kreuzung    der   beiden    Oculo- 
motorius  -  Wurzeln  von  Lepidosteus. 
V.   vordere   Wurzel. 
A.  hintere  Wurzel. 
r.   0.  ramus  ophthalmicus  infer. 
oc.   die  beiden  Aeste    des  oculomotorius    mit  den    beideu  Nerven- 
arten. 


Die  Mundarme  der  Rhizostomen 

iind 

ihre  Anhangsorgane. 

Von 

Otto  Hamanu, 

Assistent  am  zoologischen  Institut  in  Jena. 
Hierzu  Tafel  IX— XI. 


Die  vorliegenden  Uiitersucliungeu  wurden  unternommeii ,  um 
den  Ursprung  der  verschiedenen  Anhangsorgane,  welche  sich  an 
den  Mundarmen  der  Rhizostomen  finden,  zu  erkennen.  Es  gait 
die  Frage  zu  beantworten:  Sind  die  Appeudicuhirorgane,  welche 
sich  an  den  Krausen  der  Arme  entwickeln  und  von  ErnstHae- 
ckeP)  in  dem  neuen  Werke:  „Das  System  der  Medusen"  als 
„kolbenf6rmige  Blasen,  Saugnapfe,  peitscheniihnliche  P'ilamente" 
u.  s.  w.  aufgefurt  werden,  Bildungen  der  Gastralfilamente,  also  en- 
todermalen  Urspruuges,  oder  sind  sie  ectodermale  aus  den  Krausen 
arme,  iiber  hervorgegaugene  Bildungen? 

Um  diese  Frage  zu  beantworten,  war  es  notig,  sich  tiber- 
haupt  zuuachst  eine  genauere  Kenntniss  iiber  den  Bau  der  Mund- 
arme, iiber  den  ihrer  Krausen  zu  verschaHen. 

Trotz  der  Untersuchungen  der  letzten  Jare,  in  welchen  fest- 
gestellt  worden  war,  dass  die  Rhizostomen  durch  ihre  Armbil- 
dungen  keineswegs  eine  isolirte  Stellung  einnehmen,  sondern  in 
der  Jugend  gleich  alien  andereu  Medusen  einen  Mund  besitzen, 
welcher  nur  bei  zunehmendem  Alter  obliterire,  sind  die  Ansichten 
iiber  die  Mundoflhungen  der  Arme  noch  dieselben  wie  vor  fast 
hundert  Jaren  geblieben.  Die  Theorie  der  Saugotfnungen ,  durch 
welche  diese  Tiere  bekanntlich  ihre  Narung  aufsaugen  oder  sich 
sogar  an  andere  Tiere  festsaugen  sollten,  findet  sich  noch  heutigen 
Tages  in  alien  Lehrbiichern.    Ein  Grund,   dass  uns  vergleichende 

^)  Ernst  Haeckel,  Das  System  der  Medusen.  Erster  Theil 
einer  Monographie  der  Medusen.  Mit  Atlas  von  40  Tafeln.  Jena 
1879. 

16* 


244  Otto  Hamanii, 

Untersucliungen  mangeln,  durfte  wol  darin  zu  suchen  seiii,  dass 
es  bis  Yor  dem  Erscheineu  des  schon  genannten  Systems  der  Me- 
dusen  iiberhaupt  kaum  moglich  war,  mit  Sicherheit  anzugeben, 
was  eine  rbizostome  Meduse  sei.  —  Bei  der  Untersuchung  wurde 
sowol  der  feinere  Bau  der  Arme  als  der  Auhangsorgane  uuter- 
suclit.  Weiter  konnte  auch  die  Ontogenie  dieser  Organe  vollkom- 
meii  festgestellt  werden.  Audi  iiber  ihre  Phylogenie  sind  wir  voll- 
standig  im  sicheren,  wie  im  zweiten  Teile  gezeigt  werdeu  soil. 

Mit  der  Keuntuis  des  feineren  Baues  konute  dann  auch  an 
die  Frage  herangetreten  werden:  Wie  nehmen  die  Rhizostomen 
ihre  Narung  auf  ?  Wozu  dienen  ihnen  ihre  verschiedenen  Auhangs- 
organe ? 

Im  ersten  Teile  gebe  ich  zunachst  die  Specialbeschreibung 
der  uutersuchten  Tiere.  Hierauf  wird  eine  Zusammenfassung  der 
Ergebnisse  iiber  den  feineren  Bau  folgen,  um  dann  im  zweiten 
Teile  nach  einer  kurzeu  historischeu  Einleitung,  welche  den  bis- 
herigeu  Stand  der  Fragen,  die  uns  hier  beschaftigen ,  darlegen 
soil,  mit  der  Ontogenie  und  Phylogenie  zu  begiunen  und  endlich 
mit  der  Physiologie  zu  schliessen. 

Fiir  das  grosse  Material,  welches  zur  Untersuchung  Herr 
Prof.  Haeckel,  mein  hochvererter  Lehrer,  zu  iiberlassen  die 
Gute  hatte,  und  fiir  den  Rat,  den  ich  bei  der  Untersuchung  ge- 
noss,  sage  ich  meinen  tiefsten  Dank! 


Specieller  Teil. 

Nach  dem  „System  der  Medusen"  zerfallen  die  Rhizostomen 
in  vier  naturliche  Abteilungen.  Je  nach  der  Bildung  der  Krausen- 
besatze  der  Mundarme,  sowie  nach  der  Beschaftenheit  der  Subge- 
nitalholeu  richtet  sich  vornehmlich  ihre  Stellung  im  System. 

Die  „Unicrispaten"  besitzen  die  Krausen  nur  auf  ihrer  axialen 
Seite.  Zu  ihnen  gehoren  die  Toreumiden  und  Versuriden.  Diesen 
gegeniiber  stehen  die  Multicrispaten,  welche  sowol  auf  der  abaxia- 
len  Oder  dorsalen,  als  der  axialen  oder  ventralen  Seite  der  Arme 
Krausen  besitzen.  Weiter  ist  dann  ein  wichtiges  Bestimmungs- 
merkmal,  ob  die  vier  interradialen  Demnien  oder  Subgenital-Ho- 
len  sammt  den  ihren  Boden  bildenden  Gastrogenitalmembranen 
getrennt  bleiben ,  oder  centripetal  bis  zur  Beriirung  vordringen, 
sich  in  der  Mitte  der  Magenhole  an  einander  legen  und  mit  einan- 
der  verwachsen  (vergl.  S.  d.  M.  p.  472).    „Die  centrale  Verwach- 


Die  Muiidarme  der  Rhizostomcu  und  ihre  Anhangsorgane.     245 

sungsstelle,  vorzugsweise  durch  die  Gastrogenitalmembraneu  ge- 
bildet,  wird  sodann  durclibroclien,  und  so  entsteht  der  eigenthum- 
licli  centrale  Holraum"  ....  der  Subgenitalporticus. 

Toreumiden  imd  Pilemiden  besitzen  die  vier  Subgeni- 
talholen  noch  ungetrennt,  sie  werden  daher  als  „Tetrademiiia" 
bezeichuet. 

Versuriden  und  Crambessiden  besitzen  den  Subgenital- 
porticus und  werden  daher  als  „  M  o  n  o  d  e  m  n  i  a  "  bezeichnet. 

Es  ergiebt  sich  also  folgende  Tabelle,  welche  zugleich  die 
Verwandschaftsverhaltnisse  der  vier  Gruppen  zu  einander  darstel- 

^'^^^  S^^^-  4.  Fam.     Crambessi  dae. 

Centraler  Subgenitalporticus. 
Krausen  der  Mundarme  dorsal  und 
ventral. 
2.  Fam.     Pilemidae.  | 

4  Subgenitalholeu  getrennt.  3.  Fam.  Versuridae. 

Krausen  der  Mundarme  dorsal    und       Centraler  Subgenitalporticus. 

ventral.  Krausen   der  Mundarme  ventral. 

1.  Fam.     Toreumidae. 

4  Subgenitalholeu  getrennt. 

Krausen  der  Mundarme  ventral. 


A.   Toreumidae. 

Archirhiza  primordialis.     Haeckel,  n.  sp. 

Durch  die  Entdeckung  dieses  Rhizostoms  ist  es  gelungen,  der 
Theorie  von  der  Abstammung  sammtlicher  Rhizostomen  von  Aure- 
liden,  einer  Subfamilie  der  Ulmariden,  eine  feste  Stiitze  zu  geben. 
Denn  in  dieser  Art  haben  wir  in  Warheit  eine  Grundform  vor  uns, 
von  der  wir  one  jede  Schwierigkeit  alle  ubrigen  Formen  der  Rhi- 
zostomen ableiten  konnen;  eine  Grundform,  wie  sie  die  Theorie 
forderte,  ist  nun  hier  einmal  erhalten  geblieben! 

Die  acht  Mundarme,  deren  parweises  Zusammengehoren  be- 
sonders  schon  hervortritt,  sind  noch  ungegliedert,  unverastelt.  Sie 
sind  unmittelbar  durch  Verschmelzung  der  Krausen  der  Aurosa- 
Arme  entstanden.  Die  Mundoffiiung  ist  zugewachsen,  die  Rand- 
tentakeln  sind  verloreu  gegangen  und  wir  haben  Archirhiza  vor 
uns.  Auch  insofern  steht  diese  Art  auf  einer  niedrigen  Stufe,  als 
ihr  jede  Anhangsorgane  fehleu.  Es  verlauft  in  den  fast  cylindri- 
schen  Mundarmen  nur  ein  Kanal  oder  Gefass,  der  „Hauptkanal". 
Es  ist  dies  die  einfachste  Entwicklung  des  Kanalsystems.    An  der 


246  Otto  Hamanu, 

Axialseite  sind  die  Muudarme  mit  den  bisher  als  „Saugkrauseii" 
bezeiclmeten  BilduDgeii  besetzt.  Wir  schlagen  fur  dieselbeu  den 
Namen  „Tricliterkrausen"  vor  und  warden  die  Oeflftiung,  welcbe 
sich  in  jeder  Trichterkrause  findet,  „Triditeroffnung"  nennen.  Die 
Reclitfertigung  dieser  neuen  Benennuug  folgt  im  zweiten  Teile, 
wo  die  Trichterkrausenverhaltnisse  eingelieud  vergleicheud  bespro- 
chen  werdeu  sollen. 

Die  Tricliterkrausen  gleichen  denen  der  iibrigen  Rhizostomen. 
I]i  jede  Krause  furt  ein  Kanal,  der  am  Grunde  derselben  mlindet. 
Die  Krausen  sind  stets  trichterformig  gestaltet ;  die  Trichterwand 
wird  von  der  Krause  gebildet,  warend  den  Trichterstiel  der  Kanal 
vorstellt.  Diese  kleiueu  Kanale  miinden  samnitlicli  in  das  eine 
Hauptgefilss  des  Armes  (vergl.  d.  Abbildg.  im  S.  d.  M.  Taf.  XXXVI 
Fig.  1-2). 

Cephea  conifera.     Haeckel,  n.  sp. 

Diese  gleichfalls  neue  Species,  welche  den  Tropengiirtel  des 
pacifischen  Oceans  bewont,  zeichnet  sich  durch  die  langen  com- 
primirten  Unterarme  aus,  welche  doppelt  so  lang  sind  als  der  fest- 
angewachsene  Oberarm.  Die  Oberarme  sind  immer  zu  zwei  mit 
ihren  Abaxialraudern  an  der  Mundscheibe  verwachsen,  und  zwar 
beginnen  an  dem  Endpunkte  des  mit  der  Mundscheibe  verwachse- 
nen  Oberarmes  sofort  die  beiden  „Gabellappen"  der  Unterarme. 
Jeder  dieser  sechszehn  Gabellappen  ist  an  seinem  Distalende  wi- 
derum  in  zwei  kleine  Lappchen  getrennt.  Cephea  conifera  bildet 
iusofern  einen  Uebergang,  wie  E.  Haeckel  bemerkt,  zu  dem  Ge- 
nus Polyrhiza,  bei  welchem  die  acht  gabelteiligen  Unterarme  dop- 
pelt gabelspaltig  oder  dichotom  verastelt  sind.  Eine  Abbildung, 
welche  vortrefflich  diese  Beschahenheit  der  Mundarme  zeigt,  be- 
findet  sich  im  „System  der  Medusen",  Taf.  XXXVI,  Fig.  3—6. 

Was  die  Kanale  anlangt,  so  findet  sich  auch  hier  ein  Haupt- 
kanal,  der  am  Spirituspraparat ,  welches  uoch  dazu  nicht  beson- 
ders  erhalten  war  und  sehr  zusammengeschrumpft  erschieu,  ^  cm. 
betrug.  Am  lebenden  Tiere  durfte  der  Durchmesser  desselben 
wol  das  Dreifache  betragen.  Dieser  Hauptkanal  (Oberarmkanal) 
teilt  sich  in  zwei  „Nebenkanale",  so  wollen  wir  kiinftighin  die  sich 
abgrenzenden  und  einen  fast  dem  Hauptkanal  gleichstarken  Durch- 
messer zeigendeu  Kanale  nennen.  Die  Nebenkanale  kann  man 
auch  als  „Unterarmkanale"  bezeichnen,  da  sie  stets  in  denselben 
verlaufen.  Von  diesen  Kanalen  werden  kleinere  Kanale  abgege- 
ben,  welche  sich  in  die  Tricliterkrausen  vcrzweigen. 


Die  Muudarme  der  llhizostoiuou   uud  ihre   Auhaugsorgane.     247 

Von  Anhangsorganen  kominen  erstens  eigeiitiimliclie  lange 
schmale  fadenformige  Peitschen  vor.  Da  dieselben  ausserst  diclit 
mit  Nesselzellen  besetzt  sind,  so  wollen  wir  dieselben  „Nessel- 
peitschen"  nenneu.  Sie  fiuden  sich  bald  an  der  Verwachsungs- 
nat  des  Mundes,  bald  an  den  Armen.  Bei  dieser  Species  kommen 
dieselben  in  grosser  Auzal  vor.  Viele  Hundert  besetzen  die  Anne. 
Darunter  sind  mindestens  Eiuhundert,  welche  lauger  als  der  Durch- 
messer  des  Schirines  sind,  also  liinger  denn  12  cm.  Ueber  die  On- 
togenie  und  Pbylogeuie  derselben  wird  im  Allgemeinen  Telle  be- 
richtet  werden.  In  den  grosseren  sowol  wie  in  den  kleineren 
Nesselpeitschen  fiudet  sicb  ein  Kanal  vor.  Am  Distalende  miin- 
det  derselbe  nach  aussen.  Nicht  iiberall  war  es  zwar  moglich, 
eine  Oeffnung  mit  Sicberheit  zii  erkennen,  da  oft  die  Enden  ent- 
weder  ganzlicb  abgerissen  oder  scblecbt  erbalten  waren.  Wa- 
rend  bei  der  spater  zu  betrachtenden  Cramborhiza  die  Nessel- 
peitschen mit  zwei  Reihen  von  kleineu  Tentakeln  (Digitellen)  be- 
setzt waren,  feblen  diese  bei  unserer  Art.  Die  die  Trichterkrau- 
sen  umsaumenden  kleinen  Tentakeln  werden  wir  mit  dem  Namen 
„  Dig  it  el  leu"  belegen.  Welter  unten  wird  der  Bau  derselben 
naher  geschildert  werden. 

Ausser  diesen  Peitscbenorganen  findeu  sich  eigentiimliche  kol- 
benformige  Blasen  vor,  die  wir  „Nesselkolben"  benenneu.  Die- 
selben sind  bald  von  gestreckter  langlicber,  bald  von  der  bei  Co- 
tylorhiza  naher  zu  beschreibenden  Art. 

Bald  finden  sie  sich  kurz,  bald  lang  gestielt,  in  ziemlicher 
Anzal  zwischen  den  Trichterkraiisen  "zerstreut  sitzend.  Wol  immer 
besitzen  diesell)en  eine  Oeffnung  an  ihrer  Spitze.  Ihr  histologi- 
scher  Bau  stinimt  mit  den  bei  den  ubrigen  Rhizostomen  sich 
widerfindenden  gleichen  Gebilden  iiljerein. 

Polyrhiza  vesiculosa.     L.  Agassiz. 

Bei  diesem  im  roten  Meere  einheimischen  Genus  sind  die  acht 
Mundarme  gabelteilig.  Jeder  derselben  ist  widerum  doppelt  ga- 
])elspaltig  Oder  dichotom.  Der  Oberarm  setzt  sich  ebensowenig 
wie  bei  den  nahe  verwandten  Cepheen  iiber  die  erste  Gabeltei- 
lung  fort. 

Das  Gefasssystem  ist  dasselbe  wie  bei  Cephea  conifera.  In 
jedem  Oberarm  verlauft  ein  Hauptgefass,  welches  in  die  beiden 
Gabelaste  Nebengefasse  abgiebt.  Die  Kanale  selbst  sind  von  an- 
sehnlicher  Grosse.  Sehr  oft  finden  sich  die  Krausen  noch  gar 
nicht  verwachsen  (s.  Fig.  7).     Es   ist  dann   noch   gar  kein   Kanal 


248  Otto  Hamann, 

vorhanden,  sondern  eine  „Armrinne",  wie  sie  bei  den  Ulmariden 
zum  Beispiel  sich  findet.  Es  kaim  somit  Narung  oder  Wasser 
nicht  bios  durch  die  Trichterkrausen  an  den  verwachsenen  Par- 
tien  aufgenommen  werden,  sonderu  es  communicirt  das  ganze  Ca- 
nalsystem  mit  dem  ausseren  Medium.  Worauf  mag  aber  diese 
noch  nicht  vollendete  Verlotung  der  Armrander  beruhen?  Viel- 
leicht  lebt  diese  Art  in  einer  Umgebung,  in  welcher  ihr  dieser  Zustand 
der  Arme  zum  Vorteil  gereicht.  Es  ist  dieses  Vorkommen  eine 
glanzende  Bestatigung  der  zwar  auch  onehin  sclion  hinreicbend 
feststehenden  Theorie  der  Verwachsung  der  Rbizostomenarrae  und 
deren  Herleitung  von  aurosaanlichen  Formen  (vergl.  im  Allg.  Teil 
p.  269).  Es  sei  noch  bemerkt,  dass  das  untersuclite  Exemplar 
vollkommen  ausgewachsen  war,  nicht  etwa  ein  junges  Tier,  bei 
dem  erst  warend  des  zunehmenden  Alters  die  Verlotung  hatte 
noch  eintreten  konnen. 

Die  Trichterkrausen  zeigen  keinen  von  dem  allgemeinen  Ty- 
pus  abweichenden  Bau.  Sie  sind  zalreich  mit  den  kleinen  Digi- 
tellen  besetzt.  An  den  Krausen  findet  man  keine  Nesselpeitscheu, 
wol  aber  ist  das  Centrum  der  Armscheibe  dicht  besetzt  mit  einem 
Biischel  von  langen  Nesselpeitschen ,  die  langer  als  der  Schirm- 
durchmesser  sind.  Die  iibrigen  zu  diesem  Genus  gehorigen  Arten 
(P.  homopneusis  und  P.  Orithyia,  S.  d.  M.  p.  577)  besitzen  dieselben 
jedoch  auch  und  zwar  in  ziemlicher  Menge  zwischen  den  Krausen 
der  Mundarme.  — 

Cassiopea  ornata.  Haeckel,  n.  sp. 
Die  acht  Arme  sind  bei  dieser  Art  von  cylindrischer  Gestalt. 
Jeder  Arm  ist  gefiedert  in  drei  bis  vier  Par  Hauptaste,  welche 
widerum  in  kleine  Nebenaste  gefiedert  sind.  Die  Lange  der  Arme 
iibertrifft  den  Schirmradius,  welcher  6  cm.  misst.  Es  existirt  ein 
Hauptkanal,  der  bis  zur  Spitze  des  Unterarmes  verlauft  und  in 
die  drei  bis  vier  Par  Hauptaste  Nebenkanale  abgiebt.  Es  richtet 
sich  also  die  Zal  der  Nebengefasse  nach  der  Zal  der  Hauptaste 
des  Armes,  Von  diesen  gehen  dann  in  die  Krausen  Kanale  ab. 
Die  Krausen,  welche  nur  auf  der  axialen  Seite  der  Mundarme 
stehen,  bieten  keinen  abweichenden  Bau.  Zwischen  den  Trichter- 
krausen sitzen  „kolbenformige  Anhange",  die  Nesselkolben,  welche 
in  der  Grosse  der  Breite  der  Hauptaste  gleichen.  Sie  sitzen  meist 
an  langen  Stielen,  doch  kommen  auch  kurz  gestielte  vor.  Die 
durch  die  Verwachsung  des  Mundes  gebildeten  Krausen  sind  gleich- 
falls  mit  diesen  Nesselkolben  dicht  besetzt.    An  einem  der  Exem- 


Die  Mundarme  der  Ehizostomen  uud  ihre  Auhaugsorgane.     249 

plare  waren  diese  Orgaiie  abgerieben  imd  so  trat  die  Verwach- 
sungsnat  mit  den  uoch  stelieu  gebliebenen  Krausen  deutlich  her- 
vor  (S.  d.  M.  Taf.  XXXVII). 

Zusammenfassung. 

Wir  konnen  ungefar  folgendes  als  Ergebnis  zusammenfassen : 
Die  Toreumideu  reprasentiren  mit  Arcbirhiza  an  der  Spitze  den 
niedrigsten  Entwicklungszustand  der  Rbizostomen.  Von  Arcbi- 
rbiza  mit  ihren  nocb  ungegliederten  Armen,  in  denen  nur  ein  Ka- 
nal  verlauft,  lassen  sich  die  iibrigen  ableiten.  Bei  Cephea  und 
Polyrbiza  sind  die  Arme  gabelteilig  und  in  Folge  dessen  ist  das 
Hauptgefass  one  sich  selbst  fortzusetzen  in  zwei  Gefasse,  die  Ne- 
l)engefasse,  zerfallen.  Bei  Cassiopea  sind  die  Arme  mit  Fieder- 
ilsten  besetzt  und  in  Folge  dessen  ist  das  Gefasssystem  abge- 
andert,  die  Canale  ebenfalls  gefiedert. 

Warend  bei  Arcbirhiza  nur  Trichterkrausen  gefunden  werden, 
sind  bei  den  iibrigen  die  Anhangsorgane  vorhanden.  Die  Nesselkoll)en 
kommen  sowol  zwischen  den  Krausen  der  Arme,  als  auch  zwischen 
denen  der  Mundnat  vor,  Bei  den  Cepheen  treten  danu  neben  den 
Nesselkolben  auch  die  Nesselpeitschen  auf.  Dann  ware  noch  zu 
erwanen,  dass  sich  bei  Polyrbiza  die  Mundarme  in  noch  nicht 
verwachsenem  Zustande  vorfanden.  Die  Mundnat  war  bei  dieser 
Art  mit  Nesselpeitschen  dicht  besetzt. 


B.    Pilemidae. 

Lychnorhiza  lucerna.     Haeckel,  u.  sp. 

Eine  detaillirte  Beschreibuug  der  Mundarme  ist  bereits  im 
„System  der  Medusen"  gegeben,  wir  beschranken  uns  daher  auf 
Folgendes :  Der  Oberarm ,  der  in  einen  dreieckigen  Schulterlappen 
verbreitert  ist,  ist  lateral  comprimirt.  Der  Unterarm  beginnt  mit 
drei  breiten  Lappen;  er  ist  dreikantig  pyramidal.  Die  axiale 
Krausenreihe  des  Oberarmes  setzt  sich  in  die  des  Unterarmes 
fort,  wilhreud  die  die  beiden  abaxialen  grosseren  Fliigel  dessel- 
ben  besetzenden  Trichterkrausenreihen  Neubildungen  sind. 

Der  Verlauf  der  Gefasse  ist  folgender:  Es  findet  sich  im 
Oberarm  ein  Gefass,  das  Hauptgefass.  An  der  Basis  des  Unter- 
armes giebt  dasselbe  drei  Nebengefasse  ab ,  setzt  sich  aber  selbst 
fort  in  der  Axe  des  Unterarmes.  Jedes  der  drei  Nebengefasse 
versorgt  je  eine  Krausenreihe^    Die  Krausen  selbst  sind  von  an- 


250  Otto  Humaun, 

sehnlicher  Grosse,  dicht  buschig  besetzt  sind  die  Rander  dersel- 
ben  mit  Digitellen.  An  den  Unterarmen  finden  sich  die  langen 
Nesselpeitschen ,  die  an  15.  Ctm.  gross  waren. 

Die  histologische  Untersuchung  ergab,  dass  dieselben  keines- 
wegs  lange  Rohreu  vorstellen,  in  deren  Mitte  ein  Kanal  verlauft, 
so  wie  es  bei  Cephea  und  Polyrhiza  der  Fall  war,  sondern  dass 
dieselben  in  ganzer  Lange  aufgeschlitzt  waren.  Sie  stellen  eine 
in  die  Lange  gewachsene  Trichterkrause  vor.  An  beiden  Randern 
der  langen  Rinne  sitzt  je  eine  Reihe  von  Digitellen.  Aus  der 
urspriinglich  im  Kreise  stehenden  Digitellenreihe  der  Krause  sind 
durch  die  Langsauswachsung  die  zwei  Reihen  entstanden  (vergl. 
2.  Tbeil  p.  276). 

Pilema  pulmo,    Haeckel. 

Als  Vertreter  der  zweiten  Unterfamilie  der  Pilemiden,  der 
Eupilemiden,  wollen  wir  Pilema  pulmo  und  P.  clavigera  beschreiben. 

Wir  treffen  bei  den  Eupilemiden  auf  eine  neue  den  vorher- 
gehenden  Familien  noch  nicht  zukommcnde  Bildung.  Es  sind 
dies  die  „Schulterkrausen"  oder  „Scapuletten".  Sie  sitzen  an  der 
abaxialen  Flache  der  Oberarme.  Jede  Schulterkrause  besitzt  ihren 
eigenen  Kanal,  welcher  in  den  Oberarm  mundet.  Die  die  Schul- 
terkrausen  besetzenden  Trichterkrausen  sind  von  demselben  Bau 
wie  jene,  welche  auf  den  Mundarmen  vorkommen. 

Die  Unterarme  sind  dreikantig  pyramidal  gestaltet.  An  den 
drei  Kanten  sitzen  die  drei  Reihen  von  Trichterkrausen  auf.  Diese 
reichen  jedoch  nicht  bis  zum  Distalende  hinab,  sondern  besetzen 
nur  drei  Viertel  des  Unterarmes.  Der  letzte  Abschnitt  desselben 
ist  one  jeden  Anhang,  er  wird  als  „Terminalknopf"  bezeichnet. 
Das  Gefasssystem  besteht  aus  folgenden  Teilen.  Das  Hauptgefass 
nimmt  die  acht  Scapulettengefasse  auf,  um  dann  drei  Nebenka- 
nale  in  die  Unterarme  abzugeben.  Der  Hauptkanal  selbst  setzt 
sich  in  der  Axe  des  Unterarmes  fort,  wie  wir  es  schon  bei  Lych- 
norhiza  sahen.  Nach  dem  Aufhoren  der  Krausenreihen  miinden 
die  vier  Gefasse  zusammen,  verlaufen  ein  kurzes  Stiick  in  der 
Axe  des  Armes  um  dann  wieder  in  vier  zu  zerfallen,  von  denen 
das  eine  in  der  Axe  weiterlauft,  warend  die  ubrigen  drei  in  den 
Fliigel  verlaufen  und  sich  hier  verzweigen.  An  den  verschiedenen 
Oetfnungen  des  Terminalknopfes  finden  sich  an  jungeu  Exempla- 
ren  Digitellen  vor,  wenn  auch  nun  vereinzelt.  An  ausgewachsenen 
Tieren  findet  sich  jedoch  nur  eine  Oeffnung  an  der  Spitze  vor. 
Die  Terminalknopfe  sind  dicht  besetzt  mit  Nesselkapselzellen. 


Die  Muudarme  der  Ehizostomen  uud  ihre  Anhangsorgane.     251 

Die  Trichterkrausen  sind  oft  sehr  gelappt,  so  dass  es  schwie- 
rig  ist  die  Grosse  der  einzelnen  zu  bestimmen,  zumal  sie  dicht 
gedrangt  bei  einander  sitzen.  Die  Oeffnungen,  welche  in  die  Krau- 
sen  ftiren,  sind  mindestens  centimetergross ,  also  zur  Verdauuug 
von  ziemlich  grossen  Tieren  geeignet. 

Bei  einer  Pilema  waren  die  Trichterkrausen  dicht  angefiillt 
mit  kleinen  Crustaceen.  Sie  fanden  sich  in  halbverdautem  Zu- 
stande  und  zwar  lagen  in  deu  einzelnen  Krausen  die  Chitinteile 
derselben  in  grosser  Meuge. 

Aenlich  wie  P.  Pulmo  verhiilt  sich  P.  clavigera.  Die  Unter- 
arme  sind  gieichfalls  dreikantig  pyramidal  geformt.  Das  letztc 
Viertel  ist  auch  hier  zum  Terminalknopf  modificirt.  Was  diese 
Art  von  der  vorhergehenden  vornehmlich  unterscheidet ,  ist  das 
Auftreten  von  Nesselpeitschen  auf  dem  Mundkreuz;  sie  erreichen 
die  Grosse  des  Schiniiradius.  Doch  nicht  nur  auf  dem  Mund- 
kreuz treteu  diese  Organe  auf,  sondem  auch  auf  den  Scapuletten. 
Hier  sind  dieselben  aber  von  weit  geringerer  Lange.  Die  Trich- 
terkrausen sind  stark  gelappt  und  sitzen  eng  aneinauder. 

Was  diese  Art  besonders  iuteressant  macht,  ist  das  Vorkom- 
men  einer  Bildung,  die  wir  bei  weiter  keiner  Art  antrefien.  Ein- 
zelne  Trichterkrausen,  und  zwar  meist  diejenigen,  welche  an  den 
Enden  der  Arme  oder  Aestchen  derselben  stehen,  sind  im  Be- 
griffe  zu  Xesselpeitschen  zu  werden!  Es  sind  in  die  Lange  ge- 
wachsene  Krausen,  die  in  ihrer  ganzeu  Lange  —  sie  betragt 
1  Ctm.  —  geotfnet  sind,  so  dass  man  mit  der  Sonde  von  der  Basis 
bis  zur  Spitze  die  beiden  Rander  aus  einander  biegen  kann.  Jeder 
Rand  ist  mit  einer  Reihe  von  Digitellen  besetzt.  Das  obere  Ende 
ist  umgebogen  (siehe  die  Fig.).  Vielleicht  ist  diese  Erscheinung 
erst  sekundar  und  beim  Absterben  des  Tieres  als  eine  durch  Mus- 
kelcontraction  herbeigefiihrte  zu  betrachteu. 

Stomolophus  fritillaria.     Haeckel,  n.  sp. 

Aus  der  dritten  Unterfamilie  der  Pilemiden,  den  Stomolo- 
phiden,  soil  die  Gattung  Stomolophus  naher  betrachtet  werden. 
Wir  finden  bei  ihr  eigentiimlich  modificirte  Mundarme.  Dieselben 
sind  dichotom  verastelt  und  zu  drei  Viertel  ihrer  Lange  ver- 
wachsen. 

Was  aber  diese  Gattung  besonders  interessant  macht,  ist  das 
Verhalten  der  Gefasse.  An  jungen  Tieren  (vergl.  die  Abbildung 
im  S.  d.  M.  Tafel  XXXV.  Fig.  2,  3)  sind  die  beiden  Rander  der 
Arme  noch  nicht  einmal  aneinandergelegt ,  geschweige  denn  ver- 


252  Otto  Hamaun, 

wachsen.  An  alteren  Exemplaren  zeigt  sich  wol  eine  Zusammeii- 
faltung,  doch  keine  wahre  Verwachsung.  Die  Arme  sind  in  ganzer 
Lange  geoflhaet.  Es  liann  also  nicht  von  Kanalen  oder  Gefasseu, 
sondern  nur  von  Armrinnen  gesprochen  werden.  Trichterkrausen 
wie  bei  den  iibrigen  Rhizostomen  giebt  es  daher  nicht.  Die  Digi- 
tellen  finden  sich  die  Rander  besetzend. 

Auf  dem  Querschnitt  durch  das  gabelteilige  Distalende  eines 
Armes  sieht  man,  wie  die  beideu  Rander  aneinanderliegen ,  one 
verwachsen  zu  sein.  Ein  gleiches  Verhalten  bietet  sich  bei  den 
Schulterkrausen.  Es  sitzen  acht  Par  Scapuletten  auf  dem  durch 
die  acht  verwachsenen  Arme  gebildeten  Scheibenstamme  auf.  An 
jungen  Exemplaren  (s.  d.  Abbildg.  im  S.  d.  M.  Taf.  XXXV.  Fig.  3, 
4)  sind  dieselben  noch  einfach  gebaut  und  springen  als  langliche 
Blatter  parweis  vertical  hervor.  Ein  Querschnitt  durch  ein  sol- 
ches  Scapulett  zeigt  dasselbe  Verhalten  wie  der  durch  die  Arme 
gelegte.  Der  Kanal,  der  in  jedes  Scapulett  flirt,  ist  auch  hier 
in  seiner  Lange  geoffnet,  also  nur  eine  Rinne.  Bei  alteren  Tieren 
sind  die  Scapuletten  stark  gekrauselt,  Ob  sich  im  spiiteren  Alter 
dieVerlotung  noch  vollzieht,  lasse  ich  uneutschieden.  Ein  ausge- 
wachsenes  Exemplar  konnte  ich  nicht  untersuchen. 

Von  dem  Gefass-  oder  richtiger  Rinneusystem  ist  also  zu  sa- 
gen,  dass  sich  eine  Hauptrinne  findet,  welche  sich  in  zwei  Neben- 
rinnen  spaltet,  welche  wiederum  an  die  Aeste  Rinnen  abgeben. 
Eine  Uebereinstimmung  mit  den  Pilemiden  ist  also  nicht  vorhan- 
den.  Stomolophus  scheint  iiberhaupt  eine  isolirte  Stellung  einzu- 
nehmen.  Dasselbe  gilt  auch  von  Brachiolophus ,  aus  welchem  er- 
sterer  abzuleiten  ist.  Seine  Armbilduug  ist  nach  Haeckel  durch 
fortgeschrittene  Concrescenz  der  Arme  von  Brachiolophus  entstan- 
den.    Die  Dichotomic  der  Arme  ist  beiden  gemein. 

Irgend  welche  Anhangsorgane  existiren  bei  Stomolophus  nicht. 
Sie  nehmen  also  auch  in  dieser  Hinsicht  eine  tiefere  Entwick- 
lungsstufe  ein.  Wir  konnen  diese  eben  beschriebenen  Eigenttim- 
lichkeiten  des  Baues  als  urspriingiiches  Verhalten  ansehen  und 
sie  also  als  eincn  frlih  abgelosten  Zweig  der  Pilemiden,  der  sich 
nicht  weiter  entwickelt  hat,  oder  aber  als  riickgebildcte  Formen 
betrachten.  Dann  ware  den  Tieren  vielleicht  ein  Vorteil  in  der 
Ernaruug  gegeben  gegeniiber  der  friiheren  Trichterkrausenbildung. 
Doch  sind  dies  nur  Vermutungen. 

Zusammenfassung. 
Das   Kanalsystem   der  Lychnorhizideu  und  Eupilemiden  ist 


Die  Mundarme  der  Ehizostomen  und  ihre  Anhangsorgane.     253 

iibereinstimmend.  Es  findet  sich  eiii  Hauptgefiiss,  welches  bis 
zum  Ende  des  Uuterarmes  verlauft  und  an  der  Basis  desselben 
drei  Nebengefasse  abgiebt,  welche  dem  ersteren  parallel  verlaufen. 

Eupilemiden  und  Stomolophiden  stimmen  darin  iiberein,  dass 
das  Hauptgefass  die  seclizehn  aus  den  Schulterkrausen  austre- 
tendeu  Gefasse  aufniramt. 

Die  Trichterkrausen  sind  von  demselben  Bau  wie  bei  den 
Toreumiden,  nur  dass  sich  ausser  der  ventralen  Reihe  noch  zwei 
dorsale  Reiheu  finden.  Von  Anhangsorganen  findet  man  nur  die 
Nesselpeitschen. 


C.     Versuridae. 

Haplorhiza  und  Cannorhiza.     Haeckel,   n.  sp. 

In  diesen  beiden  Gattungen  bietet  sich  der  denkbar  einfachste 
Typus  der  Ehizostomen  mit  nur  einem  Subgenitalportikus  dar. 

Dieselbe  Armbildung  wie  sie  die  Toreumide  Archirhiza  zeigte, 
tritt  uus  hier  eutgegeu.  Dieselben  sind  ebenfalls  einfach,  weder 
verastelt  noch  gabelspaltig.  Auch  das  Gefasssystem  gleicht  dem 
bei  Archirhiza  gefundenen  vollstandig.  In  gleich  primitiver  Form 
findet  sich  nur  ein  Kanal,   welcher  die  Trichterkrausen  versorgt. 

„Wenn  bei  Archirhiza  die  vier  Subgenitalholen  centripetal  in 
die  Magenhole  hinein  bis  zur  Beriirung  verwachsen  und  die  Be- 
riirungsstellen  durchbrochen  werden,  so  entsteht  Haplorhiza  mit 
ihrem  einfachen  Subgenitalportikus."  (S.  d.  M,  p.  604.)  Verwach- 
sen nun  die  Arme  seitlich  niiteinander,  so  entsteht  Cannorhiza. 
Auch  bei  diesem  Genus  findet  sich  nur  das  eiae  Gefass  wie  bei 
Haplorhiza.  Besondere  Anhangsorgane  finden  sich  ebensowenig 
wie  bei  Archirhiza. 

Wir  fiiren  beide  Genera  hier  mit  auf  —  ohne  sie  selbst  un- 
tersucht  zu  haben  — ,  well  von  ihnen  die  tibrigen  Versuriden  sich 
ableiten  lassen. 

Versura  palmata.  Haeckel,  n.  sp. 
Die  Arme  der  Versuriden  sind  entweder  doppelt  fiederspaltig, 
wie  bei  dieser  Art,  oder  trichotom  verastelt.  Die  breiten  „hand- 
formigen"  Arme  sind  mit  sechs  bis  siebeu  Par  Fiederasten,  deren 
Lange  von  innen  nach  aussen  gleichmassig  abnimmt,  besetzt.  Der 
Oberarm  setzt  sich  in  den  Hauptzweig  des  Unterarmes  fort. 
Zwischen  den  Trichterkrausen  sitzen  eine  Menge  von  Nesselkol- 
ben.    Dieselben  haben  den  Bau  wie  die  bei  Cotylorhiza  beschrie- 


254  Otto  Hamann, 

benen.  Sie  besitzeu  nur  kurze  Stiele  uad  sind  vou  weit  geriu- 
gerer  Grosse  wic  bei  Cotylorhiza,  wie  tiberhaupt  letztere  erstere 
um  das  dreifache  ihrer  Grosse  iibertrifft.  In  jeden  Nesselkolben 
fiirt  ein  Kanal.  Ausser  diesen  Organen  finden  sich  noch  am 
Ende  jedes  Fiederastes  „keulenformige  Blasen".  Diese  Blasen 
sind  nichts  anderes  als  verwachsene  Trichterkrausen ,  welche  ihre 
Tentakeln  eingebiisst  haben.  Eiue  Oeffnung  in  denselben  existirt 
nicht,  wenigstens  konnte  an  keiner  Blase  dieselbe  gefunden  wer- 
den  (sielie  die  Figur  34).  Diese  keulenformigen  Blasen  sind  mit 
Nesselzellen  dicht  besetzt. 

Im  Ektoderm  finden  sich  hier  eigenttimliche  als  Driisen  an- 
gesprochene  Zellen,  die  wir  weitcr  unten  im  Zusammenhange  be- 
trachten  wollen. 

Das  Gefasssystem  schliesst  sich  eng  an  das  von  Haplorhiza 
imd  Cannorhiza  an.  Es  kann  nur  ein  Hauptkanal  imterschiedeu 
werden,  welcher  in  die  Fiederaste  Gefasse  abgiebt.  Diese  wie- 
derum  schicken  an  die  Trichterkrausen  Gefasse. 

Cotylorliiza  tuberculata.  L.  Agassiz. 
Bei  dieser  so  haufigen  Form  sind  die  acht  Mundarme  breit 
und  kurz.  Jeder  derselben  zerfallt  in  zwei  plattgedriickte  blatt- 
formig  comprimirte  Unterarme.  Der  Oberarm  setzt  sich  nicht 
liber  die  Gabelteilung  des  Unterarmes  fort.  An  der  ventralen 
Seite  sind  die  Arme  mit  Trichterkrausen  besetzt,  zwischen  denen 
in  der  Mitte  sich  „Saugroren"  befinden.  Ausser  diesen  kleinen 
„Saugroren"  —  es  sind  unsere  Nesselkolben  —  finden  sich  noch 
zehn  bis  zwanzig  langere,  die  besonders  an  der  Gabelteilung  des 
Oberarmes  in  die  beiden  Unterarme  sitzen.  In  jeden  der  acht 
Oberarme  verliiuft  ein  Hauptgefiiss,  welches  sich  an  der  Stelle 
der  Gabeluug  in  zwei  Gefasse  teilt,  die  beiden  Nebengefiisse.  In 
Fig.  4  sind  die  Unterarme  abgebildet ,  um  die  Verzweigung  der 
beiden  Nebengefasse  in  die  Trichterkrausen  und  Nesselkolben  zu 
zeigen.  Je  ein  Gefass  geht  in  eine  Krause  und  endet  in  einer 
Trichteroffnung  (s.  Fig.  21).  Jeder  der  Nesselkolben  besitzt  ein 
Gefass  fiir  sich.  Ehe  die  einzelneu  Gefasse  der  Trichterkrausen 
sowol  als  der  Nesselkolben  sich  vereinigen,  gehen  sie  zalreiche 
Anastomosen  ein.  — 

Zusammenfassung. 
Bei   den  Versuriden   finden   wir  die  Krausen  der  Mundarme 
nur  ventral.    In  Folge  dessen  ist  auch  das  Gefasssystem  einfach. 


Die  Mundarme  der  Rliizostomeu  uud  ihre  Auhaugeorgane.     255 

Bei  Haplorhiza  und  Canuorhiza  faiid  sich  uur  eiu  Kanal,  der 
Hauptkaual,  bei  Versura  teilt  er  sich  in  die  Aeste.  Bei  Coty- 
lorhiza  koDnen  wir  zwei  Nebengefasse  unterscheiden ,  welche  die 
beiden  Teilaste  des  Hauptgefasses  vorstelleu.  Von  dieseu  Neben- 
gefiisseu  fureii  danu  zii  den  Trichterkrausen  Gefasse  dritter  Ord- 
nung,  wie  dies  auch  bei  Toreumiden  uud  Pilemideu  der  Fall  ist. 
Von  Anhangsorgauen  fiudeu  sich  die  Nesselkolben  vor,  ausserdem 
die  „kolbenf6rmigen  Auhange"  und  bei  der  nicht  niiher  untersuch- 
ten  Stylorhiza  auch  die  Nesselpeitschen. 


D.     Crambessidae. 

Crambessa  Pictonum.     Haeckel. 

Ueber  deu  Bau  der  Crambessiden ,  dieser  im  Jare  1869  von 
E.  HaeckeP)  eutdeckteu  Familie,  siud  wir  jetzt  ziemlich  im 
Klaren.  Durch  diese  Untersuchungen  sowol  als  durch  die  spater 
folgenden  von  Grenacher  und  Noll*)  sind  wir  iiber  die  Krau- 
sen  und  ihren  Bau  hinreichend  aufgeklart.  Wir  wollen  deshalb 
uns  hieriiber  kurz  fassen  und  nur  auf  die  Entwicklung  des  Ka- 
nalsystems  naher  eingehen.  Der  Oberarm  ist  von  einer  Reihe 
Trichterkrausen  an  seiner  ventralen  Seite  besetzt.  Diese  setzt 
sich  in  den  Unterarm  fort.  Die  beiden  abaxialen  Flugel  dessel- 
ben  sind  bis  an  ihre  Spitze  mit  zwei  Krausenreihen  besetzt,  wel- 
che besonders  stark  gelappt  sind.  Die  Krausen  der  dreikantig 
pyramidalen  Unterarme  sind  „so  raannichfaltig  gefaltet  und  ge- 
krauselt",  die  Lappen  der  Krausen  so  nahe  aneinander  stehend, 
dass  die  ganze  Gesammtoberflache  des  Unterarmes  als  eine  sehr 
unregelmassig  zerkluftete  und  gefurchte,  von  fast  wolligem  Aus- 
sehen  erscheint  (vergl.  Gren.  u.  N.  a.  a.  0.).  An  der  Spitze  der 
Arme  werden  die  Krausen  kleiner,  sodass  das  Distalende  der 
Arme  das  Ende  einer  dreiseitigen  Pyramide  bildet. 

Ueber  das  Kanalsystem  findet  sich  bei  Gr e  n acher  uud  Noll 
nur  das  Vorkommen  von  einem  Hauptkanal  festgestellt.  Zwei 
Querschnitte  durch  den  Oberarm  sind  auf  Taf.  VII  Fig.  XV  b  u.  c 
gegeben.     Der  auf  dem   ersten  Querschnitt   sich   zeigende  Kana 


1)  Ueber  die  Crambessiden,  eine  neue  Medusenfamilie  der  Rhi- 
zostomengruppe,  Zeitschrift  t'lir  wissenschaftl.  Zoologie,  Band  19,  1869, 
mit  Abbildung. 

2)  Grenacher  und  Noll,  Beitriige  zur  Anatomie  und  SyBte- 
matik  der  Rhizostomen.     Frankfurt  a.  Main   1876. 


25G  Otto  Hamann, 

erschciut  von  eigentumlicher  Gestalt.  Das  niit  cbr  bezeichnete 
Lumen  ist  wol  nur  der  Hauptkanal ,  wiirend  der  spaltformige  Hol- 
raum,  welcher  das  zweite  kleinere  Lumen  verbindet,  wol  einen  auf 
dem  Querschnitt  getroffeneu  seitlich  abgehenden  Kauai  vorstellt. 
Aenlich  scheint  auch  der  zweite  Querschnitt  gedeutet  werden  zu 
miissen.  Durch  die  Gtite  des  Herrn  Prof.  Haeckel  konnte  ich 
Crambessiden  in  ihren  verschiedenen  Entwicklungsstadien  untersu- 
chen  und  somit  zugleicli  die  Entwicklung  des  Gefasssystems  fest- 
stellen. 

An  jungen  Crambessiden,  deren  Schirmdurchmesser  ungefar 
funf  Ctm.  betragt,  sind  die  acht  Arme  vollkommen  einfach,  weder 
verastelt  noch  an  ihren  Enden  gabelspaltig.  Sie  gleichen  denen 
von  Haplorhiza!  Wie  bei  dieser,  so  verlauft  auch  hier  nur  ein 
Gefass,  das  Hauptgefass,  welches  an  die  noch  sehr  kleinen  wenig 
Oder  gar  nicht  gelappten  Trichterkrausen  Gefasse  abgiebt.  An  vielen 
der  Krausen  sind  die  Digitellen  noch  gar  nicht  einmal  entwickelt, 
sondern  finden  sich  als  kleine  Papillen  den  Eand  der  Krausen 
umsaumend. 

Auf  dieses  Entwicklungsstadium  mit  noch  ungeteilten  Armen 
folgt  dann  ein  Stadium,  bei  welchem  eine  Gabelspaltung  des  Dis- 
taleudes  der  Arme  eingetreten  ist.  Das  Tier  hatte  einen  Schirm- 
durchmesser von  sechs  Ctm.  An  sieben  von  den  acht  Armen  war 
die  Gabelspaltung  bereits  eingetreten,  warend  an  dem  achten  Arme 
noch  nichts  davon  zu  sehen  war.  Jedes  der  kleinen  Gabellapp- 
chen  besass  bereits  einige  Gefasse.  An  diesem  Exemplar  (siehe 
Fig.  5)  war  die  Abgabe  der  Gefasse  in  die  Krausen  sehr  schon 
zu  beobachten.  In  gleichmiissigen  Intervallen  wird  ein  zum  Haupt- 
kanal rechtwinklig  stehendes  Gefass  an  die  Krausen  abgeschickt. 

An  den  beiden  Gabellappen ,  welche  spater  bei  zunehmendem 
Wachstum  zum  Unterarm  werden,  fanden  sich  noch  keine  Krau- 
sen vor,  warend  die  Gefasse  bereits  miteinander  verzweigt  waren. 
Die  Trichterkrausen  sind  jetzt  schon  stark  gelappt,  oft  zierliche 
BiUimchen  bildend,  sodass  es  bereits  schwierig  ist,  die  einzelnen 
von  einander  abzugrenzen. 

Bei  der  darauf  folgenden  Stufe  sind  die  Lappen  weiter 
gewachsen  und  an  ihren  Abaxialseiten  mit  Trichterkrausen  besetzt. 
Ein  solches  Stadium  ist  in  Fig.  4  dargestellt.  Die  Lappen  sind 
auseinandergelegt ,  um  die  Gefassverzweigung  deutlich  zur  An- 
schauung  zu  bringen.  Ein  Hauptgefass,  h,  giebt  zwei  Nebeuge- 
fasse  in  die  Lappen  ab.  Der  dritte  auf  der  Figur  nicht  zu  sehende 
Flugel  wird  noch  durch  einzelne   von  Zeit  zu  Zeit  vom  Hauptge- 


Die  Muudarme  der  Rliizostomeu  und  ihre  Auhaugsorgane.     257 

fass  abgehende  Gefiisse  versoi'gt.  Denkt  man  sich  nun,  wie  es  ja 
in  Warheit  geschiebt,  das  Distalende  des  Unterarms  in  die  Lange 
wachseud  und  mit  ihm  also  auch  die  Krausenreihen ,  so  entsteht 
der  lange  dreikantig  pyramidale  Unterarm  von  Crambessa  Tagi. 

Durch  das  Liingswachstum  werden  aber  auch  die  Gefasse  in 
die  Lange  wachsen  und  so  eine  zur  Axe  des  Armes  parallele  Stel- 
lung  nehmeu.  Wir  haben  dann  zwei  Nebengefasse  in  den  beiden 
Hauptfliigeln  des  Unterarmes,  warend  es  im  dritten  Fliigel  wol 
auch  zur  Bildung  eines  Kanales  gekommen  ist.  Es  finden  sich 
also  beim  erwachsenen  Tiere  drei  Gefasse  im  Unterarme. 

Mastigias  Papua.     L.  Agassiz. 

Die  Oberarme  sind  gross  und  frei,  die  Unterarme  wie  bei 
Crambessa  dreikantig  prismatisch  gestaltet.  Die  Trichterkrausen 
sind,  je  naher  sie  der  Basis  des  Unterarmes  stehen,  desto  grosser 
cntwickelt.  Sie  sitzen  oft  wie  auf  Stielen  auf  (s.  d.  Fig.  2).  Zwi- 
schen  den  Krausen  sind  Nesselkolben  eingestreut,  welche  aber  von 
kleiner  Gestalt  sind.  Die  Krausen  des  Unterarmes  sind  gleichfalls 
in  verschiedene  Lappen  zerfallen.  Sie  gleichen  dann  mit  ihren 
Stielen  zierlichen  Baumchen.  Je  tiefer  man  am  Unterarm  herun- 
tergeht,  desto  kiirzer  gestielt  erscheinen  dieselben.  Die  zweite 
Halfte  des  Unterarmes  ist  ihrer  Trichterkrausen  verlustig  gegangen 
und  erscheint  dann  als  dreikantig  pyramidaler  „Endanhang".  Es 
ist  dasselbe  Vorkommen ,  wie  wir  es  bei  Pilema  gesehen  haben. 
Eine  Oeffnung  findet  sich  an  diesem  „Terminalknopf"  vor.  Die 
einzelligen  Drusen  kommen  in  grosser  Zal  vor,  merkwiirdigerweise 
im  Ektoderm. 

Thysanostoma  thysanura.     Haeckel,  n.  sp. 

Warend  bei  Mastigias  die  Oberarme  von  ansehnlicher  Lange 
waren,  sind  sie  hier  wie  bei  Crambessa  kurz.  In  ihnen  verlaufen  die 
Hauptgefasse.  Die  Unterarme  sind  gleichfalls  dreikantig-prisma- 
tisch,  von  riemenformiger  Gestalt.  Ihre  Lange  iibertrifift  den  Durch- 
messer  des  Schirmes  —  dieser  betragt  acht  Ctm.  —  um  das 
Dreifache. 

Das  Oberarmgefass  teilt  sich  an  der  Basis  des  Unterarmes  in 
drei  Nebengefasse,  one  sich  selbst  fortzusetzen.  Jedes  verlauft  in 
einem  der  drei  schmalen  P'lugel  und  schickt  Gefasse  an  die  Trich- 
terkrausenreihen  ab  (vergl.  die  Fig.  3).  Diese  Gefasse  konnen  dann 
wieder  Anastomosen  uutereinauder  bilden.    Die  Trichterkrausen- 

Jid.  XV.  N.  F.  VIII.  a.  I'J 


258  Otto  HaraauD, 

offiiuiigen  siiid  zienilicli  gross,  was  sich  auch  an  den  Spirituspra- 
paraten  sehr  gut  nacliweisen  liess. 

Anhangsorgane  kommen  nicht  vor.  Bis  zum  Distalende  dor 
Arme  veiiaufen  die  Krausen.  Die  Driisenzellen  findeu  sich  suwol 
im  Ektodeim  als  im  Entoderm.  — 

Cramborhiza  flagellata.  Haeckel,  n.  sp. 
Diese  neu  entdeckte  Art  schliesst  sich  hinsichtlich  des  Kanal- 
systems  eng  an  die  vorhergehenden  an.  In  den  starken  freien 
Oberarmeu  verlauft  das  Hauptgcfass,  welches  in  die  drei  Neben- 
gefasse  sich  spaltet.  Jcdes  Nebengefass  verlauft  in  einem  der 
Fliigel  der  dreiseitig  pyraniidalen  Unterarme.  Oberarm  wie  Unter- 
arm  siod  sich  an  Grosse  gleich.  Die  Trichterkrausen  sind  von  be- 
deutender  Grosse  und  stark  gelappt.  Zwischen  ihnen  finden  sich 
Ncsselpeitscheu.  Sie  sind  sehr  lang  und  ubertrefFen  daher  die 
Unterarme  weit  an  Lange.  In  jeder  Peitsche  verlauft  ein  Gefass. 
An  den  iiber  und  iiber  mit  Nesselkapselzellen  bedeckten  Peitschen 
sitzen  zwei  Reihcn  von  Digitellen  auf.  Eine  Oeffnung  scheint  am 
Distalende  vorhanden  zu  sein.  Die  braunen  Driisenzellen  finden 
sich  auch  bei  dieser  Art. 

Zusammenfassung. 

Das  Verhalten  des  Gefasssystems  bei  den  untersuchten  Arten 
ist  folgendes :  Ein  Hauptgefass  verlauft  im  Oberarm  und  teilt  sich 
an  der  Basis  der  dreikantig  pyramidalen  Unterarme  in  drei  Neben- 
gefasse,  welche  in  die  drei  Trichterkrausenreihen  Gefasse  abgeben. 
Krausenreihen  finden  sich  zwei  an  der  dorsalen,  eine  an  der  ven- 
tralen  Seite,  doch  konnen  durch  Abschnurung  daraus  sechs  bis 
ueun  entstehen  (vergl.  uber  Himantostoma,  S.  d.  M.  p.  616). 

Die  Schulterkrausen  fehleu  den  Crambessiden  ganzlich. 


Die  Gallerte. 

Die  Gallertsubstanz  oder  das  Stiitzgewebe  besitztbei  sammt- 
lichen  Ehizostomen  Zellen.  Dieselben  sind  bald  von  sternformi- 
ger,  bald  von  ovaler  Gestalt.  Sie  finden  sich  oft  mit  langen  Fort- 
satzen,  Leukocyten  gleichend.  Nach  CI  a  us  i)  konnen  diese  Zel- 
len  „unter  lebhafter  amoboider  Bewegung  ihre   Lage  verandern." 

^)  C.  Claus,  Ueber  Charybdea  marsupialis.  Arbeiten  aus  dem 
zoolog.  Institut  Wieu.     II.  Heft  1878. 


Die  Mundarme  der  Rhizostoracn  uud  ihre   Anhaugsorgane.      259 

Man  findet  sie  bald  einzeln,  bald  zu  mehreren  zusammenliegend. 
Sie  pflanzen  sich  durcli  Teilung  fort.  Jeder  Zelle  kommt  ein 
Kern  zu. 

Nach  den  jetzigen  Ansichten  ist  die  Gallertsubstanz  ein  Aus- 
scheidungsprodukt  der  Entoderrazellen.  Die  sich  in  ihr  vorfinden- 
den  Zellen  siud  ausgewanderte  Entodermzellen. 

Indxjm  die  Entodermzellen  die  Gallerte  ausscheiden,  werden 
die  angrenzenden  Zellen  mit  in  dieselbe  hineingerissen,  Sie  wer- 
den nun  wie  vorher  zur  Bildung  der  Gallerte  so  auch  zur  Er- 
narung  derselben  tiitig  sein.  Es  ist  dies  ein  an  die  Thiitigkeit 
der  Osteoblasten  erinuernder  Vorgang.  Wie  diese  die  Grundsub- 
stanz  des  Knochengewebes  ausscheiden,  so  scheiden  hier  die  Ento- 
dermzellen die  Gallertsubstanz  aus.  Wie  dort  Zellen  mit  in  die 
Substanz  hinein  geraten,  so  ist  dies  auch  hier  der  Fall. 

Um  nicht  immer  eiue  Umschreibung  gebrauchen  zu  miissen, 
wie  „die  Zellen,  welche  sich  in  der  Gallerte  vorfinden"  ist  es  wol 
zweckmiissiger,  einen  Namen  fiir  dieselben  einzufiiren  und  sie  ana- 
log den  Osteoblasten  Co  Hob  las  ten  zu  nennen.  Ausser  diesen 
Colloblasten  kommen  in  der  Gallertsubstanz  Fasern  vor.  Sie  verlei- 
hen  derselben  eine  feste  Consistenz  und  sind  bei  den  Contractionen 
der  Arme  wol  auch  mit  ini  Spiele,  indem  sie  den  Muskelfibrillen 
entgegen  wirken.  Glaus  i)  fasst  dieselben  als  Verdichtungen  der 
Grundsubstanz  auf.  Die  Beschaffenheit  der  Fasern  ist  selir  ver- 
schieden.  Bald  sind  dieselben  sehr  fein,  bald  von  ziemhcher  Starke. 
Ihre  Form  ist  meist  eine  runde. 

Teilweise  siud  dieselben  korkzieherartig  aufgerollt,  was  aber 
erst  secundare  Erscheinungcn  sind.  Im  Leben  sind  dieselben  wie 
straife  Faden  ausgespannt  (vgl.  Glaus  a.  a.  0.). 

Bei  vielen  Rhizostomen  bildeten  diese  elastischen  Fibrillen 
ein  formliches  Netzwerk.  Dichtverschlungen  verlaufen  sie  hier  in 
den  verschiedensten  Richtungen  durcheinander.  Leider  achtete 
ich  Anfangs  nicht  auf  das  Vorkommen  der  Fasern  in  der  Gallerte, 
glaube  aber  sicher  zu  gehen,  wenn  ich  ihr  Vorkommen  als  ein 
sammtlichen  Rhizostomen  zukommendes  ansehe.  Bei  den  Craspe- 
doten  ist  ihr  Vorkommen  bei  Aeginiden,  Geryoniden  und  Trachy- 
nemiden  beobachtet.  Nach  Her  twig  ist  die  Verbreitung  dersel- 
ben bei  den  Craspedoten  eine  allgemeine. 

Bei   den  Acraspeden   sind   dieselben  bei  Pelagia,  Nausithoe, 


')  a.  a.  0.  p.  39. 

17 


200  Otto  Haraaiui, 

Aurelia,  Charybdea  gefunden  wordeii.    Bei  Aurelia  kommen  in  der 
Gallerte  ausserdem  nocli  die  Colloblasten  vor. 


Das  Entoderm. 

Das  Entoderm  kleidet  die  Gefilsse  oder  Kanille  aus;,  ausser- 
dem ist  die  Innenflache  der  Trichterkrausen  von  Entodermepithel 
iiberzogen.  Die  Zellen  des  Entoderms  sind  cylindrisch  und  bil- 
den,  wie  man  auf  Querschnitten  erkennt,  stets  nur  eine  Schicht. 
Jede  der  Entodermzellen  triigt  eine  Geissel ,  welche  zur  Fortbe- 
wegung  der  Narung  dient.  Diese  Zellen  assimiliren  die  Narung 
sowol  als  sie  dieselbe  aufspeichern  konnen,  worauf  das  Vorkommen 
von  Fetttropfen,  Concremeutkiigelchen  und  die  Vacuolenbildung  inner- 
halb  derselbeu  zu  deuten  scheinen  ^).  Bisweilen  wurden  Nessel- 
kapselzellen  im  Entoderm  aufgefunden. 

Wir  wollen  hier  uns  kurz  fassen ,  da  die  histologischen  Ver- 
haltnisse  schon  vielfach  dargestellt  worden  sind  und  erwanen  nur 
noch  das  von  Glaus  ^)  beobachtete  Vorkommen  der  Gefassplatte 
Oder  Entodermlamelle  auf  Querschnitten  durch  die  Arme  der  Rhi- 
zostomen. 


Das  Ektoderm  und  die  Muskulatur. 

Das  Ektoderm,  welches  die  Mundarme  iiberzieht,  besteht  aus- 
schliesslich  aus  Epithelrauskelzellen.  Die  Muskelfibrillen ,  die  der 
Querstreifung  entbehren  und  sehr  lang  sind,  verlaufen  in  der  Langs- 
richtung  des  Hauptkanals.  Die  Trichterkrausen  werden  von  aussen 
desgleichen  von  Epithelmuskelzellen  iiberkleidet,  sowie  iiberhaupt 
sammtliche  Anhangsorgane  der  Rhizostomenarme. 

Die  Nesselzellen  sind  iiber  das  ganze  Ektoderm  zerstreut.  Die 
Nesselkapseln  werden  in  den  verschiedensten  Formen  angetroffen 
(s.  die  Figuren).  Am  dichtesten  sitzen  sie  auf  den  weiter  untcn  zu 
beschreibenden  Digitellen  auf,  welche  die  Trichterkrausen  urasau- 
men.  Nesselwarzen  oder  Nesselpapillen,  so  wie  sie  noch  bei  Aure- 
lia sich  finden,  kommen  bei  keiner  Rhizostome  vor.  —  Das  Vor- 

1)  Der  Organismus  der  Medusen  und  seine  Stellung  zur  Keim- 
blattertheorie  von   0.  u.   R.   Her  twig.     Jena    1878. 

2)  Claus,  Grundziige  der  Zoologie,  Wien   1880,  p.  277. 


Die  Mundarme  der  Rhizostomeu   und  ihre  Anhaugsorgane.      201 

kommen  von  Ganglienzellen  konnte  nachgewiesen  werdon,  obgleich 
bei  der  Untersuchung  nur  conservirtes  Material  angewendet  wer- 
den  konnte  und  die  Fortsatze  derselben  nur  einigemal  bei  Coty- 
lorhiza  beobachtet  wurden.  —  Wir  giauben  aber  nicht  fehlzugehen, 
wenn  wir  iiberall  da,  wo  Epithelmuskelzellen  vorkoramen,  audi  das 
Vorkommeu  von  Nervenfibrillen  und  Ganglienzellen  annehmen  ^). 
(Vergl.  Fig.  8.) 


Die  „gelben  Drtisenzellen." 

Bei  einem  grossen  Teile  der  untersuchten  Rhizostomen  fanden 
sich  einzellige  Drtisen  vor,  welche  von  dem  Bau  der  gewonlich  be- 
schriebenen  Driisen  abweichen.  Diese  Drtisen,  denn  wir  lialten 
diese  Zellen  dafur,  kommen  entweder  einzeln  oder  in  Partien  an- 
gehauft  sowol  im  Ektoderm  als  im  Entoderm  vor.  So  finden  sie 
sich  bald  in  kugligen,  bald  in  traubenformigen  Partien  zusam- 
menliegend  in  die  Gallerte  hineinragend  vor  (vgl.  Fig.  22).  Sie 
sind  einzellig,  kugelrund  und  werden  von  einer  doppelt  contou- 
rirten  Membran  umgeben.  Der  Inlialt  dieser  Zellen  besteht  aus 
kleinen  Kornern,  zwischen  denen  ein  Zellkern  bei  Behandlung  mit 
Boraxcarmin  sehr  deutlich  hervortritt.  Ihre  Farbe  ist  meist  braun, 
soweit  an  conservirten  Exemplaren  dieselbe  tiberhaupt  mit  Sicher- 
heit  angegeben  werden  kann.  Vielfach  findet  man  diese  Zellen  in 
Teilung  begriffen.  Ein  scharfer  Contour  teilt  die  Kugel  im  Durch- 
messer  in  zwei  Teile.  Farbt  man  jetzt,  so  wird  in  jeder  Teilhiilfte 
ein  Kern  sichtbar.  Auch  fanden  sich  Zellen,  bei  denen  der  Inhalt 
in  drei  Teile  zerfallen  war,  wobei  also  das  eine  Teilsttick  sich  be- 
reits  wieder  geteilt  hatte.  —  Diese  eben  beschriebencn  Zellen  liaben 
grosse  Aenlichkeit  mit  den  von  Heidcr  2)  bei  Sagartia  troglodytes 
beschriebenen  Zellen.  Er  beschreibt  sie  als  Pigmentkorner,  rund, 
mit  doppeltem  Contour  umgeben,  mit  grobkornigem  und  dunkel- 
braunem  Inhalte.  Er  lasst  diese  Zellen  nach  Kleinenberg  zur 
Narungsaufnahme  in  Beziehung  stehen.  Wir  halten  diese  Anschauung 
ftir  richtig  und  sprechen  diese  Zellen  als  Drtisenzellen  an,  welche 
in  ihrer  Membran  jedenfalls  eine  kleine  schwer  erkennbare  Oeff- 


1)  Vgl.  0.  u.  E.  Her  twig,  Das  Nervensystem  und  die  Sinnes- 
organe  der  Medusen.     Leipzig,    1878. 

2)  A.  von  Heider,  Sagartia  troglodytes  Gosse,  Ein  Beitrag  zur 
Anatomic  der  Actinieu,  Sitzungsberichte  der  wiener  Academie,  1.  Ab' 
teilung    1877,  p.  385. 


2G2  Otto  Hamann, 

miiig  zur  Entloeruiig  ihres  Inhaltes  besitzen.  Eiii  Korn  sowol  wie 
die  in  Zweiteiluiig  begviffeiien  Zellcii  sind  Hcider  voUkommen  ent- 
gangen.  Erst  von  0.  u.  R.  Hertwig^)  wurde  derselbe  nachge- 
wiescn.  Jener  Ansicbt  von  H eider,  welcher  die  Zellen  als  Pig' 
mentk()rner  betraclitet,  stellten  0.  u.  R.  Her  twig  die  Ansicht  ge- 
geniiber,  dass  man  es  hier  mit  einzelligen  Parasiten  zu  tun  habe. 
Dieselben  glaubten  eine  Identitat  mit  den  bei  den  Radiolarien  be- 
schriebenen  „gelben  Zellen"  nachweisen  zu  konnen ,  die  bestimmt 
pflanzlicher  Natur  sind.  Ob  diese  Uebereinstimmung  wirklich  be- 
steht,  werden  wir  weiter  unten  untersuchen,  vorher  aber  sehen, 
ob  der  Deutung  als  Diiisen zellen  etwas  im  Wege  stehe. 

Wir  finden,  dass  weder  die  doppelt  contourirte  Membran 
noch  der  Kern  und  die  in  Teilung  begriffenen  Zellen  uns  irgendwie 
an  dieser  Deutung  hindern.  Was  aber  den  Nachweis  fiir  die  Identi- 
tat der  gelben  Radiolarienzellen  mit  den  braunen  oder  gelben  Ac- 
tinienzellen  betrifft,  so  scheint  derselbe  nicht  geliefert.  Die  gelben 
Zellen  der  Radiolarien,  welche  von  E.  HaeckeP)  besonders  ein- 
gehend  untersucht  wordeu  sind,  haben  andere  chemische  Reactio- 
nen  wie  die  der  Actinien.  Dass  sie  iiusserlicli  sicli  einander  glei- 
chen  und  zum  Verwecliseln  iinlich  sind,  kann  kaum  herangezogen 
werden.  Farbt  man  die  Radiolarienzellen  mit  Jod ,  so  farben  sie 
sicli  bekanntlich  sofort  blau  oder  violett,  ein  Zeicben,  dass  sie 
starkehaltig  sind.  Die  Behandlung  mit  Jod  wurde  von  O.  u.  R. 
Her  twig  audi  bei  den  Zellen  der  Actinien  angewendet,  one  dass 
eine  Fiirbung  eingetreteu  ware.  Sie  gleichen  hierin  den  bei  den 
Rhizostomen  gefundenen  Zellen. 

Diese  einzige  Reaction  ist  schon  fiir  sicli  beweiskraftig  genug 
urn  zu  zeigen,  dass  wir  es  liier  mit  ganzlich  verschiedencn  Bildungen 
zu  tun  haben.  Denn  niemals  farbten  sich  die  Actinienzellen  blau, 
in  keinem  ihrer  Entwicklungszustilnde;  das  ist  selir  wichtig,  da 
man  ja  den  Einwurf  maclien  konnte,  dass  sie  nur  zu  bestinimter 
Zeit  ihrer  Entwicklung  und  ihres  Wachstumes  starkemehlhaltig 
seien,  sei  es  vor  oder  nach  der  Teilung. 

Auch  die  iibrigen  von  den  genannten  Autoren  vorgenommenen 
Reactionen,  um  die  pflanzliche  Natur  derselben  nachzuweisen,  haben 
zu  keinem  Resultate  gefiirt.  Sie  berichten:  „Um  ferner  die  che- 
mische Beschaffenheit  der  Mernbran  festzustellen,  behandelten  wir 
isolirte  runde  Korper  sowol   mit  Chlorzinkjod   als  auch    mit  Jod- 


^)  0.  u.  R.  Her  twig,  Die  Actinien. 

2^  E.   Haeckel,  Studien   iiber  Mouereu  etc.,  p.  119. 


Die  Muudarme  der  Rhizostomeu  und  ihre   Anhaugsorgane.      263 

schwefelsaure  in  der  bei  Botaiiikern  ublichen  Weise.  Die  Mem- 
bran  nahm  nach  einiger  Zeit  einen  blaulichen  Schimmer  an,  eine 
ganz  iiberzeugende  Reaction  trat  aber  nicht  ein.  Immerhin 
mochte  in  Anbetracht  der  Kleinheit  des  Objektes  und  der  nicht 
vollig  sicheren  Wirkungsweise  der  beiden  Reagentien  das  erreichte 
Resultat  schon  dafiir  spreclien,  dass  die  Membran  von  Cellulose 
gebildet  ist"^),  Uns,  wie  gesagt,  wird  aus  diesen  Versuchen  nur 
das  Gegenteil  um  so  sicherer,  dass  wir  es  hier  mit  andren  Zellen 
als  den  bei  den  Radiolarien  gefundenen  zu  tun  haben,  dass  letztere 
pflanzlicher  Natur  sind,  erstere  aber  Drusen  vorstellen. 

Wir  nehmen  deshalb  niit  Cienkow  sky  an,  dass  die  jodhal- 
tigen  „gelben  Zellen"  der  Radiolarien  niederste  pflanzliche  Parasiten 
sind,  und  halten  die  bei  Actinien  in  oft  ungeheurer  Menge  auf- 
tretenden  Zellen  sovvie  die  bei  den  Rhizostomen  sich  findenden 
und  ersteren  an  Grosse  gleichenden  Zellen  fiir  zur  Narungsauf- 
nahme  und  zur  Verdauung  in  Beziehung  stehende  Zellen,  fiir  ein- 
zellige  Drusen,  — 

Wir  batten  jetzt  den  Bau  der  Digitellen, 

der  Trichterkrausen 
und  der  Auhangsorgane 
niiher  zu  beschreiben ,   ziehen  es  aber  vor,   dies  mit   im   zweiten 
Telle  zu  tun,  um  uns  nicht  zu  widerholen,  wenn  wir  die  Entwick- 
lung  der  eben  geuannten  Organe  widergebeu.  — 


II.  Teil. 

A.     Geschichtliches. 

Der  erste,  welcher  uberhaupt  die  Bezeichnung  „Rhizostomae", 
Wurzelmiindige,  einfurte,  war  Cuvier  im  Jare  1799  2),  ^^Nous 
avons  donn6  le  nom  general  de  Rh  izostomes  a  I'autre  moiti6 
du  grand  genre  Medusa,  comprenant  les  especes,  qui  n'ont  point 
de  bouche  ouverture  au  centre,  et  qui  paraissent  se  nourrir  par 
la  succion  des  ramifications  de  leur  pedicule"  etc. 

Cuvier  stellte  somit  die  Medusen  mit  Mundoffnung  streng 
gegenuber  den  Medusen  mit  obliterirtem  Mund. 

1)  a.  a.  0.  p.  49. 

2)  Citirt  von  E.  Haeckel,  System  der  Meduseu,  p.  560.  Cu- 
vier, Journal  de  Pliys.  Tom.   49.  p.  436. 


2Q4:  otto  Hamann, 

Nach  Cuvier  war  es  Eschscholtz,  welcher  die  Rhizosto- 
nieii  als  Familie  den  iibrigen  Acraspeden  gegenuberstellte.  Rei 
ihm  ist  die  Theorie,  nach  welcher  sich  diese  Tiere  durch  Saug- 
offnuiigen  ernaren  sollen,  zuerst  niit  klaren  Worten  ausgesprochen. 
Er  sagt:  „Es  mangelt  den  Tieren  dieser  Familie  eine  grosse  nach 
aussen  frei  geoffnete  Mundoffnung,  welche  bei  denen  der  anderen 
Familien  in  der  Mitte  zwischen  alien  Armeu  befindlich  ist.  Da- 
gegen  sind  ihre  vielfach  verastelten  oder  gespaltenen  Arme  mit 
vielen  Saugoffnungen  begabt,  und  zur  Aufnahme  des  eingesogenen 
Narungsstoifes  dienen  feine  Rorchen,  welche  den  Saft  zum  Magen 
fiiren,  indem  sie  sich  in  ihrem  Verlaufe  unter  einander  vereinigen" 
(1829,  System  der  Acalephen,  p.  42). 

Im  selbigen  Jare  1829  entwickelte  auch  Tilesius  i),  in  einer 
Schrift,  die  vornehmlich  iiber  Cassiopea  handelt,  die  Theorie  der 
Saugkrausen.  Nach  ihm  sind  die  Medusen  Animalia  siphonizantia, 
wie  schon  Forskal,  welchen  er  citirt,  dies  fur  Fistularien,  Sal- 
pen  und  Physophoren  gezeigt  habe.  Nach  Tile  si  us  ist  schon 
das  Vorhandensein  vieler  Mundoffnungen  ein  Criterium  des  Sau- 
gens.  Ebensowenig  aber  wie  die  Salpen  ihre  Narung  einsaugen, 
ebensowenig  ist  dies  auch  bei  den  Rhizostomeu  der  Fall.  Diese 
sollen  sich,  wie  er  sagt,  „durch  eine  zallose  Menge  von  Saugepo- 
ren  ernaren,  welche  an  der  ausseren  Flache  ihrer  acht  Arme  ihren 
Sitz  haben  und  den  abgesogenen  Narungssaft  durch  verastelte  Har- 
rorcheu  in  die  Roren  der  Arme  und  aus  diesen  in  den  Magen  er- 
giessen,  nach  Art  und  Form  der  Pflanzentiere"  etc.  An  einer  an- 
deren Stelle  bezeichuet  er  dann  die  Mundarme  als  mit  Saugwar- 
zen  von  aussen  besetzt.  Grosse  und  kleine  „Cotyledonen  und 
Sauger"  sollen  die  Beute  aussaugen  und  die  abgesogenen  Safte  in  den 
Magen  durch  die  kleinen  Roren  in  die  grossen  fiiren. 

Am  Ende  seiner  Abhandlung  zieht  er  dann  noch  eine  Parallele 
zwischen  einem  Tintenfisch,  Loligo,  und  den  Armen  der  Cassiopea. 
Offenbar  hat  er  iiberhaupt  die  Oeffnungen  an  den  Armen  keiner 
genauen  Untersuchung  unterworfen ,  sonst  hatte  ein  solcher  Ver- 
gleich  nicht  moglich  sein  kounen.  Dass  seine  Abhandlung  iiber- 
haupt nichts  taugt  und  seine  Mitteilungen,  welche  bisher  als  sehr 
exact  angenommen  wurden,  nichts  wert  sind,  ist  von  E.  Haeckel 
gezeigt  worden^).    Diese  Ansicht  von  Tilesius  hat  sich  bis  auf 

^)  Tilesius,  Zur  Naturgeschichte  der  Meduseu.  I.  Cassiopeae. 
1829.  Forskal,  Descriptioues  animalium,  quae  in  itiuere  orientali 
observavit  Petrus  Forskal.     Hafniae   1775,  p.  112. 

'^)   vgl.   8yst.   d.   Med.   p.  470,    568,    593. 


Die  Mundarme  der  Rhizostomciu   uud  ilire  Anhangsorgane,     2G5 

den  heutigen  Tag  erhalten  und  figuriren  die  Saugwarzen  der  Rhi- 
zostomen  noch  lieute  in  den  Lehrbiichern! 

Wir  haben  nun  niir  noch  einiger  Abhandlungen  zu  gedenken, 
welche  wohl  einen  Zweifel  gegen  diese  Ansicht  aufzuwerfen  ge- 
eignet  wareu. 

Die  erste  ist  von  Huxley  i).  Er  giebt  in  dieser  Abhandlung 
eine  Schilderung  des  Canalsystems  und  fiigt  eine  Abbildung  von 
Rhizostoma  mosaica  bei,  auf  welcher  die  Trichteroifnung  vortreff- 
lich  zu  sehen  ist.  Wenn  Huxley  audi  die  Gefassverzweigungen 
auf  den  Kanten  der  Arme  als  die  Magen  zalreicher  Polypentiere 
betrachtet  wissen  wollte,  so  war  er  doch  der  Warheit  urn  vieles 
naher  als  jene  vorher  genannten  Forscher. 

Von  den  folgenden  Arbeiten  haben  wir  die  von  Fr.  Miiller 
zu  erwanen,  der  die  Polystomie  auf  Verwachsung  der  Armrilnder 
zuruckfurte  ^).  Nach  Fr.  M  ii  1 1  e  r  war  es  A  g  a s s  i z  3)  im  Jare  1862, 
welcher  junge  Rhizostomen  beobachtete  und  das  Vorkommen  einer 
Mundoffnung  feststellte.  Er  beobachtete  zuerst  die  Verwachsung 
der  Riliider  des  Mundcs  und  stellte  den  Satz  auf,  dass  die  Poly- 
stomie eine  secundiire  Erscheinung  sei. 

Eine  im  Jare  1870  erschienene  Abhandlung  von  Brandt*) 
zerstreute  auch  den  letzten  Zweifel  an  dieser  Ansicht.  Dieser 
Forscher  untersuchte  Rhizostoma  Cuvieri  Lk.;  also  dieselbe  Me- 
duse,  welche  wir  jetzt  als  Pilema  pulmo  Hkl.  bezeichnen,  und  zwar 
war  es  ein  junges  Tier,  welches  er  beobachtete.  Brandt  stellte 
fest,  dass  in  der  Jugend  die  Rhizostomen  einen  Mund  besitzen, 
und  dass  dersclbe  erst  warend  des  spateren  Wachstumes  obliterirt. 
Jetzt  ist  diese  Tatsache  auch  bei  andereu  Gattungen  festgestellt 
und  das  Vorhandensein  eines  Mundes  an  jungen  Exemplaren  als 
iiberall  vorkommend  nachgewiesen. 

Weiterhin  kommt  Brandt  auf  die  Ernarung  zu  sprechen. 
Seine  eigenen  Worte  sind  folgende:  Da  dem  erwachsenen  Rhizo- 
stoma ein  Mund  fehlt,  so  nehmen  alle  Autoren  an,  dass  die  Na- 
rungsaufnahme   nur  durch   die  Mundarme  vor   sich   gehen   kann, 


1)  Huxley,  On  the  Anatomy  and  the  Affinities  of  the  Family 
of  the  Medusae,    1849,  Philosoph.  Transact. 

■'')  Fritz   Miiller,   Archiv  f.  Nat.   XXVII.    1861.  T.  p.  302. 

^)  L.  Agassiz,  Contributions  to  the  Natural  Hist,  of  the  U.  S, 
of  Amerika,   Vol.  IV,   1862,  p.  132. 

■1)  Al.  Brandt,  TJeber  Rhizostoma  Cuvieri  Lmk.,  Ein  Beitrag  zur 
^lorphologie  der  vielmiindigen  Medusen.  ]\Iemoires  de  I'Academie  im- 
periale  des  sciences  de  St.   Petersbourg.     Tome  XVI,  No.  6,   1870. 


^6Q  Otto  Hamaun, 

welche  Saugroren  darstellen.  Doch  nach  welchen  physikalischen 
Oder  inechanischen  Griindsatzen  diese  Aufnahme  von  statten  geht, 
bleibt  dunkel.  Man  hat  hierbei  besonders  auf  die  Capillaritat  der 
Gefasse  der  Saugarme  hingewiesen.  Moglicherweise  wirkt  audi 
die  Contractilitat  der  Gefasse  in  den  Armen  mit,  oder  es  nehmen 
die  Oscillationen  des  Wassers  der  membranosen  Wandungen  des 
Mageus  durch  das  rhytmische  Zu-  und  Aufklappen  des  Schirmes 
Anteil.  Exacte  physiologische  Experimente  haben  hieriiber  zu 
entscheiden.  .  .  .  Bisher  ist  selbst  das  Aufsaugen  von  Fliissigkeit 
durch  die  Arme  noch  keineswegs  eine  constatirte  Tatsache." 

Dann  wird  von  Brandt  noch  das  Vorkommen  von  Fischen 
in  der  Centralhole  des  Gastrovascular  -  Systemes  erwant  und  die 
darauf  bezugliche  Stelle  von  Blainville  citirt,  welcher  sagt:  J'ai 
moi  -  meme  aussi  trouv6  quelquefois  de  petits  poissons  dans  les 
6quorees  et  meme  dans  des  rhizostomes."  Brandt  will  diesen 
Fall  der  Verantwortlichkeit  des  Verfassers  iiberlassen,  wie  er  sagt; 
fiigt  jedoch  selbst  einen  Fall  hinzu,  wo  sich  in  der  Magenhole  eines 
halberwachsenen  Exemplars  von  Rhizostoma  ein  lebender  junger 
Portunus  holsatus  von  etwa  6  bis  8  mm,  Lange  befand.  „Ich 
iibernehme  es  nicht  zu  unterscheiden ,  wie  er  in  die  Centralhole 
des  Rhizostoma  gelangt  war,  doch-konnte  man  unter  Anderem  sehr 
wol  zulassen,  dass  er  bereits  als  Larve  oder  in  der  friihesten  Ju- 
gend  eingewandert  ist."  .  .  .  Dass  es  dieser  umstandlichen  Deutung 
nicht  bedarf,  die  iiberhaupt  auf  einer  Verkenuung  des  histologi- 
schen  Baues  des  Entoderms  beruht,  werden  wir  weiter  unten 
sehen.  —  —  Die  die  Krausen  besetzenden  kleinen  Digitellen  tut 
Brandt  mit  folgenden  Worten  ab:  „Die  Fliigel  sowohl,  als  auch 
die  blattformigen  Anhange  der  Arme  besitzen  feine  nach  aussen 
furende  Gefassoffnungen,  in  deren  Umgebung  auf  den  Krausen-Ran- 
dern  feine  franzenformige  Flilfaden  sitzen."  Und  wieviel  kommt 
gerade  auf  die  Kenntniss  des  Baues  der  Digitellen  an ! 

Einer  fiinften  und  letzten  Untersuchung  haben  wir  noch  zu 
gedenken,  namlich  der  Untersuchung  von  Grenacher  und  NolP) 
iiber  Crambessa  Tagi.  Die  Verfasser  sind  die  ersten,  welche  den 
waren  Sachverhalt  an  Crambessa  darstellten.  „Ueber  das  Wesen 
der  Mundoffnungen ,  so  berichten  dieselben,  namentlich  iiber  ihre 
Begrenzungen,  ihre  Grossenverhaltnisse,  und  damit  iiber  ihre  An- 
zal  ins  Klare  zu  kommen,  ist  durchaus  keine  so  einfache  Sache, 


^)  Grenacher  und  Noll,   Beitriige    zur  Anatomie    und    Syste- 
matik  der  Rhizostomeu.     Frankfurt  a.  M,   1876, 


Die  Muudarme  der  Ehizostomen  und  ihre  Anliangsorgane,     267 

wie  es  Manchem  erscheinen  mochte,  und  wir  haben,  da  wir  bei  der 
Uutersuchung  an  Ort  und  Stelle  iiber  etwaige  Vorarbeiten  im  Un- 
klaren  waren,  ziemlich  lange  Zeit  gebraucht,  urn  wenigstens  eini- 
germassen  zutreffende  Begriffe  dariiber  zu  erwerben.  Ganz  damit 
zu  Ende  zu  kommen,  ist  uns  freilich  auch  nicht  gegliickt.  .  .  .  Be- 
trachtet  man  den  freien  Rand  eines  mundtragenden  Lappens  (die- 
ser  Ausdruck  ist  gleich  unserem :  Trichterkrause)  mit  blossem  Auge 
Oder  mit  der  Lupe,  so  sieht  man,  dass  der  wollige  Besatz  des  Ran- 
des  sich  auf  alle  die  zalreichen  Ausbuchtungen,  secundaren  u.  s.  w. 
Lappchen  hinerstreckt.  Schneidet  man  mit  der  Scheere  einen  klei- 
nen  Teil  davon  ab  und  betraclitet  ihn  von  der  Seite  bei  schwa- 
cher  Vergrosserung,  so  erkennt  man,  dass  man  es  hier  mit  einem 
Teil  eines  vielfacli  gefalteten  Trichters  zu  tun  hat,  dessen  freier 
Rand  mit  iiusserst  zalreichen  contractilen  Tentakeln  besetzt  ist. 
Die  Wande  des  Trichters  sind  einander  sehr  genahert,  der  Hol- 
raum  desselben  also  ziemlich  eng.  ...  Sie  bestehen  aus  einer  durch- 
sichtigen  Gallertmasse  wie  die  des  Schirmes ;  diese  hebt  sich  scharf 
ab  von  dem  triiben  Epithelialbeleg  (Endoderm),  welcher  den  Hol- 
raum  des  Trichters  auskleidet."  Ueber  den  feineren  Bau  der  Di- 
gitellen  und  der  Krausen  selbst  wird  nichts  weiter  angegeben.  Wei- 
terhin  wird  dann  liber  die  Grosse  gesprochen,  welche  ein  solcher 
Trichter  besitzt.  „Mikroskopische  Oelfaungen  sind  es  keinesfalls; 
ihr  Umfang  misst  gewiss  nach  Centimetern ;  wie  gross  aber ,  das 
konnen  wir  mit  Bestimmtheit  nicht  angeben."  Dann  kommt  weiter 
eine  wichtige  Bemerkung,  die  allein  geniigt,  die  Theorie  der  Saug- 
miindchen  umzustossen.  Sie  berichten  namlich,  einmal  aus  einer 
dieser  TrichteroflFnungen  einen  kleinen  halbverdauten  Fisch  von 
etwa  Zolllange  herausgezogen  zu  haben,  ein  Beweis,  dass  es  sich 
hier  um  eine  Verdauung  innerhalb  der  Krause  handelte, 

Dass  diese  Beobachtungen  von  Grenacher  und  Noll  nicht 
in  die  Lehrbiicher  iibergingen,  liegt  wol  daran,  dass  sie  sich  nur 
auf  eine  Gattuug  erstreckten. 


B.     Entstehung  und  Bau  der  Digitellen. 

Untersucht  man  die  Trichterkrausen  niiher,  so  fiudet  man  den 
offenen  Rand  derselben  mit  kleinen  tentakeliinlichen  Organen  be- 
setzt. Man  wird  sofort  an  die  Gastralfilamente  erinnert,  und  fragt 
es  sich  nun,  ob  diese  kleinen  Organe  wie  die  Gastralfilamente  vom 
Entoderm  tiberzogen  sind  oder  vom  ausseren  Keimblatt.  Sind  dann 
zweitens  diese  Organe  Neubildungen ,  welche  allein   bei  den  Rhi- 


268  Otto  Hamanii, 

zostomen  vorkommen,  oder  findeii  sie  sich  auch  bei  dun  iibrigen 
Disconiedusen?  Urn  diese  Frage  zu  beantworten,  uiitcrsuchten  wir 
verschiedene  der  Discomedusen  daraufhin.  Von  den  Semostomen 
wurde  Pelagia  perla  untersucht.  Die  Randei-  der  langen  Mund- 
arme  eutbehrten  unserer  Organe;  dafiir  fanden  sich  aber  iiber  die 
ganze  Ectodermalflache  Nesselwarzen  oder  Nesselpapillen  zerstreut 
Es  siud  AnhaufuDgen  von  Nesselzellen ,  welche  iiber  das  iibrige 
Ektoderm  hervorrageud  auf  einer  Gallertwucherung  sitzen.  Zwi- 
scheu  diesen  Nesselpapillen  verlaufen  die  Epitlielmuskelzellen  in 
zierlicher  Weise.  Eine  solche  Nesselpapille  ist  in  Fig.  17  abge- 
bildet.  Warend  diese  niedere  Discomeduse  Mund  -  Tentakeln  ent- 
behrt,  besitzen  die  Cyaneiden  und  Ulmariden,  zu  welch  letzteren 
Aurelia  gehort,  dieselben.  Bei  Aurelia  finden  sich  sowol  die  Nessel- 
papillen als  auch  die  tentakelanlichen  Organe  vor.  Wiilt  man  aber 
junge  Exemplare,  so  sieht  man  nur  Nesselpapillen.  Die  Digitellen, 
wie  wir  diese  Organe  nennen  wollen,  sind  nichts  aiideres  als  wei- 
terentwickelte  Nesselpapillen.  Sie  entstehen  noch  jetzt  ontgenetisch 
als  blosse  Ansammlungen  von  Nesselwarzen  auf  einer  Gallertwu- 
cherung. Den  den  Randern  der  Arme  am  nachsten  sitzenden  wird 
jede,  auch  die  geringste  Grossenzunahrae  als  Vorteil  bei  der  Er- 
langung  der  Beute  gereicht  haben.  Indem  so  dieselben  ihre  Lan- 
genzunahme  auf  die  Nachkommen  ubertrugen,  entstanden  die  sich 
jetzt  findenden  Organe.  Sie  sind  also  ectodermalen  Ursprunges, 
wie  an  Fig.  15  zu  sehen  ist.  Auf  dieser  Figur  ist  von  einem  noch 
nicht  erwachsenen  Tiere  ein  Stiick  des  Armrandes  abgebildet. 
Man  sieht,  wie  die  Digitellen  an  der  Aussenflache  des  Ektoderms 
entspringen.  Auf  Fig.  16  ist  dann  das  Verhiilinis  bei  einem  er- 
wachsenen Tiere  dargestellt.  Das  Entoderm  beginnt  unterhalb  der 
Digitellen. 

Vergleicht  man  den  Bau  dieser  Digitellen  naher  mit  jeneu 
bei  den  Rhizostomen  sich  findenden  Digitellen,  so  sieht  man,  dass 
dieselben  ubereinstimmen.  Es  sind  ein  und  dieselben  Bildungen. 
Innerhalb  der  Digitellen  verlauft  eine  Gallertaxe,  so  wie  es  auch  bei 
den  Gastralfilanienten  der  Fall  ist.  Dieselbe  wird  vom  Ektoderm 
iiberzogen.  Die  Ektodermzellen  haben  an  ihrer  Basis  Muskelfi- 
brillen  ausgeschicden  (vgl.  Fig.  14),  Entfernt  man  das  Ektoderm, 
so  sieht  man,  wie  die  Gallertaxe  durcb  quere  Einschnitte  in 
chordaanliche  Zellen  zerlegt  wird.  Diese  Erscheinung  ist  jeden- 
falls  secundar  und  beim  Absterben  der  Tiere  eingetreteu ,  zumal 
die  Quereinschnitte  selten  eine  solche  Regelmassigkeit  zeigen,  wie 


Die  Muudarme  der  Kliizostomcn   und  ihre  Auhangsorgane.     2G'J 

auf  der  Figur  14  dargestellt  ist.  Der  Kopf  der  Digitellen  (s.  Fig.  13) 
ist  dicht  mit  Nesselkapselu  besetzt. 

Dass  diese  ebeu  beschriebeneii  Organe  einen  Nameii  fur  sicli 
verdienen,  um  nicht  mit  den  Tentakeln  und  den  Gastralfilameutcn 
verwechselt  zu  werden,  leuchtet  cin. 

Sowol  bei  den  soliden  wie  den  holen  Tentakeln  haben  wir  cs 
mit  Entodermbildungen  zu  tun,  das  heisst  bei  ersteren  ist  die  Axe, 
bei  letzteren  die  Auskleidung  entodermal.  Die  Magenfilamentc 
sind  vom  Entoderm  uberzogen,  wiirend  ihre  Axe  iibereinstimmend 
mit  den  Digitellen  aus  Gallertsubstanz  besteht.  Wir  unterschei- 
deu  demnach: 

1)  echte  Tentakeln,  urspriinglich  an  dem  Schirmrand  der 
Medusen  sitzend,  Axe  hoi  oder  aus  chordaanlichen  entoderma- 
len  Zellen  gebildet. 

2)  Gastralfilamente  (oder  Filamenttentakeln),  Axe  aus  Gal- 
lertsubstanz bestehend,  vom  Entoderm-Epithel  uberzogen. 

3)  Digitellen,  an  den  Mundarmen  sitzend;  Axe  aus  Gallert- 
substanz bestehend,  von  ektodermalen  Epithelmuskelzellen  uber- 
zogen. — 

Was  die  Funktionen  anlangt,  so  dienen  die  echten  Tentakeln 
sowie  die  Digitellen  als  Waff'en  zum  Fangen  der  Narung.  Ausser- 
dem  werden  beide  als  Tastorgane  fungiren. 

Die  Gastralfilamente  stchen  sowol  zur  Verdauung  in  Bezie- 
hung,  worauf  ihre  Driisenzellen  deuten,  als  sie  audi  als  Schutzor- 
gane  fiir  die  Geschlechtsorgane  dienen ,  wofiir  ihre  Lage  und  der 
dichte  Besatz  mit  Nesselkapseln ,  vornehmlich  an  ihrem  Distal- 
en  de,  sprechen.  — 


C.     Entstehung  der  Arme  und  des  Kanalsystems  der 
Khizostomen. 

Dass  die  Rhizostomen  mit  ihren  verwachsenen  Armen  von 
Discomedusen  mit  vier  Mundarmen  abzuleiten  sind,  ist  die  bishe- 
rige  Annahme.  Immerhin  blieb  noch  unerklarlich,  auf  welche  Weise 
aus  den  vier  Mundarmen  zum  Beispiel  einer  Aurelia  die  acht 
Mundarme  der  Rhizostomen  entstanden  seien.  Durch  die  wichtige 
Entdeckung  der  Aurosa  furcata  durch  E.  Haeckel  wurde  diese 
Liicke  ausgefiillt!  Wir  haben  jetzt  eine  Form,  bei  welcher  die 
vier  Mundarme  bereits  durch  einen  Einschnitt  in  zwei  divergente 
Schenkel  getheilt  sind.    Aurosa  gehort  zu  den  Ulmariden  und  ist 


270  Otto  Hamann, 

nachstverwandt  mit  Aurelia  ^).  Wie  letztere  so  besitzt  auch  sie 
acht  Sinneskolben  mit  acht  breiten  adradialen,  bisweilcn  zweiteili- 
gen  Velarlappen,  deren  jeder  auf  seiner  exumbralen  Oberseite,  eine 
Strecke  vom  Schirmrande  entfernt,  eine  Reihe  von  zalreichen  kur- 
zen  Tentakelu  triigt,  alternirend  mit  eben  so  vielen  kleinen  Dor- 
sallappchen.  Dies  ist  die  Diagnose  sowol  von  Aurelia,  wie  von 
Aurosa.  Nur  dass  erstere  vier  einfache,  letztere  vier  gespaltene 
Mundarme  besitzt,  ist  der  einzige  Unterschied  (vgl.  S.  d.  M.  p.  551 
u.  p.  559) ! 

An  dem  Arm  einer  Ulmaride  (s.  d.  Fig.  6)  unterscheidet  man 
die  Armrippe  (costa  brachialis)  und  die  Armspreiten,  welche  die 
beiden  symmetrisch  gleichen  Halften  der  blattformigen  Arme  vor- 
stellen.  Die  concave  innere  Flache  ist  vom  Entoderm,  die  con- 
vexe  aussere  hingegen  vom  Ektoderm  iiberzogen,  und  zwar  von 
ektodermalen  Epithelmuskelzellen.  Die  Riinder  der  „Armkrausen" 
werden  von  den  Digitellen  besetzt. 

Indem  nun  die  Rander  der  Armkrausen  mit  einander  ver- 
wachsen,  entsteht  ein  Kanal,  und  zwar  der  Hauptkanal.  Dieses 
Verwachsen  der  Armrander  zeigen  uns  noch  jetzt  die  Rhizostomen 
in  ihrer  Jugend.  Wir  konnen  diesen  Process  also  unter  unseren 
Augen  sich  vollziehen  sehen! 

Wie  entstehen  nun  aber  die  Gabellappen  und  innerhalb  der- 
selben  die  Kanale?  Hier  scheint  uns  die  Ontogenie  wichtige 
Schlusse  auf  die  Phylogenie  zu  gestatten.  An  jungen  Rhizostomen 
sind  die  Arme  noch  nicht  gespalten, .  sondern  gleichen  den  Armen 
der  am  einfachsten  gebauten  Rhizostome,  der  Archirhiza.  Es  fin- 
det  sich  nur  ein  Hauptkanal  vor.  Die  Entodermauskleidung  des- 
selben  besorgt  die  Gallertbildung.  Indem  nun  auch  am  Distalende 
des  Kanals  diese  Gallertausscheidung  von  statten  geht  und  der 
Kanal  selbst  weiter  wachst  durch  Vermehrung  seiner  Entoderm- 
zellen,  wird  leicht  eine  Teilung  des  Kanals  eintreten  konnen.  Diese 
Teilung  konnen  wir  uns  vorstellen  als  hervorgerufen  durch  das  un- 
gleichmassige  Wachstum  der  Entodermzellen,  welche  an  einer  Stelle 
starker  wuchern  als  an  der  andern. 

Es  ware  demnach  dieBildung  desKanales  primar, 
die   der  Lappen   secundar,   durch   erstere   bedingt.  — 


^)  Es  ist  von  E.  Haeckel  das  Vorkommen  von  zweispaltigen 
Mundlappen  schon  bei  einer  normalen  Ephyrula  von  Aurelia  beobach- 
tet  worden !  Siehe  hieriiber  Metagenesis  u.  Hypogenesis  von  Aurelia 
aurita.  Ein  Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  u.  Teratologic  der  Me- 
dusen  von  E.  Haeckel.     Jena   1881. 


Die  Muudarme  der  Rliizostomeu  uud  ihre  Auhaugsorgane.     271 

Indem  nun  die  Entodermzelleu  beider  Kanale  nach  verschiedenen 
Seiten  Gallerte  ausscheiden,  entsteht  die  Lappenbildung ,  wie  wir 
sie  in  den  verschiedensten  Formen  vorkomraen  sehen. 

Diese  Anschauung  wird  untersttitzt  durch  die  Beobachtung, 
dass  an  jungen  Crambessen  zum  Beispiel  die  Teilung  des  Kanales 
an  seinem  Distalcnde  eingetreten  ist,  aber  noch  keine  Lappenbil- 
dung.   Diese  tritt  erst  secundar  auf!  — 

Weiteren  Untersuchungen  ist  es  vorbehalten ,  nachzuweisen, 
ob  diese  Ansiclit  die  richtige  ist. 


D.     Entstehung  und  Bau  der  Trichterkrausen. 

Bei  der  Untersuchung  der  Trichterkrausen  zeigte  es  sich,  dass 
die  von  Al.  Brandt  (a.  a.  0.)  verlangte  pbysiologische  Beobach- 
tungsweise  an  lebenden  Tieren  nicht  notig  ist,  um  die  Funktionen 
der  Krausen  zu  erkennen.  Es  geniigt  auch  hier  die  Kenntnis  des 
feineren  Baues  der  Organe,  um  mit  voller  Sicherheit  auf  ihre  Funk- 
tionen zu  schliesseu.  —  Gehen  wir  noch  einmal  auf  das  Zusara- 
menwachsen  der  Arme  von  Aurosa  zuriick.  Es  verwachseu  die 
beiden  Bander  der  Arme,  nachdem  sie  sich  aneinander  gelegt 
haben,  in  verschiedenen  Berurungspunktcn.  Es  bleiben  also  eine 
Menge  von  Oeifnungcn  ubrig.  Um  diese  stehen  die  Digitellen. 
Wachsen  nun  die  freien  Bander,  welche  die  Oeffnungeu  umsaumen 
und  begrenzen,  in  die  Lange,  so  entsteht  naturgemass  ein  Trich- 
ter.  Die  Oeffnung  in  den  Kanal  wird  also  in  der  Tiefe  des  Trich- 
ters  liegen.  Dieser  selbst  kann  durch  Lappenbildung  stark  ver- 
grossert  werden,  sodass  seine  Eingangsoflfnung  nach  Centimetern 
misst.  Je  nach  dem  verschiedenen  Wachstum  sind  die  Trichter- 
krausen modificirt.  Wachst  zum  Beispiel  der  Trichter  und  mit 
ihm  die  Oeffnung  in  den  Kanal  in  die  Lange,  so  scheint  es,  als 
ob  ein  Kanal  aus  jeder  Trichterkrause  wegfurte  (vgl.  die  Figuren). 
So  finden  wir  es  zum  Beispiel  oft  bei  Cotylorhiza ,  wo  der  Kanal 
innerhalb  der  Krause  zu  verlaufen  scheint,  um  sich  dann  in  den 
geraumigen  Trichter  zu  otfnen.  Dieser  Kanal  ist  also  die  in  die 
Lange  gewachsene  ursprungliche  Verwachsungsstelle  der  beiden 
Armrander. 

Die  Trichterkrausen  werden  vom  Entoderm  ausgekleidet,  des- 
sen  Zellen  von  hoher  cylindrischer  Gestalt  sind.  Auf  das  Entoderm 
folgt  eine  dunne  Lage  Gallerte  und  auf  diese  die  Epithelmuskel- 
zellen  des  Ektoderms.  Die  Muskelfibrillen  verlaufen  in  der  Rich- 
tung  der  durch  die  Krause  gelegten  Langsaxe. 


272  Otto  HamanD, 

Das  ganze  Organ  niit  seineii  Digitellen  ist  eiiier  ausseroident- 
lichen  Ausdelmung  fiihig.  Douken  wir  an  unsere  Siisswasser-Hydra, 
wclchc  dieselben  Epithelmuskelzelleii  besitzt.  Sie  kann  sich  von 
cinem  bis  auf  wcnige  Millimeter  contrahirten  Zustand  bis  zu  meh- 
rereu  Centinietern  ausdehnen.  Und  vvie  sich  dann  weiter  die  Ten- 
takeln  eiuer  Hydra  contrahiren  und  ausdehnen  konnen,  so  werden 
es  auch  die  Digitellen  vermogen.  Die  Trichterkrausen  besetzen, 
Avie  schon  obeu  erwant,  bei  Toreumiden  und  Versuriden  nur  die 
ventrale  Armseite  mit  einer  Langsreihe.  Bei  den  Pilemiden  und 
Crambessidcn  hingegeu  finden  sich  noch  zwei  dorsale  Reihen.  Ueber 
die  Entstehung  derselben  sagt  E.  Haeckel  im  System  der  Me- 
dusen  p.  581 :  „Wareiid  so  die  Ventralcrispe  der  Pilemiden  unzwei- 
felhaft  als  Homologon  der  einfachen  Axial-Krause  der  Toreumiden 
sich  ergiebt,  so  erscheinen  dagegen  die  beiden  Dorsal- Crispen  der 
Ersteren  als  eigentiimliche  Bildungen,  welche  den  Letzteren  feh- 
len.  Indessen  ergiebt  die  genauere  Untersuchung,  namentlich  der 
Entwickelung ,  sowie  die  ausgcdehnte  Vergleichung  der  mannich- 
faltigen  verschiedenen  Krausen-Formen ,  dass  dies  nicht  der  Fall 
ist.  Vielmehr  sind  die  beiden  Abaxialkrausen  derMul- 
ticrispen  selbstandige  Fortbildungen  der  beiden  Ga- 
bellappen,  welche  bei  vielen  Unicrispen  am  Distal- 
cnde  der  8  Arme  durch  deren  Gabelspaltung  entste- 
hen.  Indem  zwischen  diesen  beiden  Gabellappen  der  Hauptstamm 
des  Amies  mit  seiner  einfachen  Ventral-Krause  in  der  urspriing- 
lichen  Richtung  weiter  wachst  und  sich  in  den  starken  „Unterarm" 
fortsetzt,  driingt  er  die  beiden  Gabellappen  dergestalt  auf  die  Dor- 
salseite  hinaus,  dass  sie  unter  Axendrehung  um  ihre  Insertions- 
Basis  vollig  umgeschlagen  werden  und  dass  ihre  beiden  Krausen 
eine  ganz  abaxiale  Lage  erhalten"  (s.  p.  582  S.  d.  M.). 

In  derselben  Weise  wie  bei  den  Pilemiden  wird  auch  die  Ent- 
stehung der  zwei  dorsalen  Trichterkrausen  bei  den  Crambessiden 
von  Statten  gehen.  — 

Die  Bildung  der  Trichterkrausen ,  wie  sie  geschildert  worden 
ist,  kann  sowol  anjungen  Exemplaren  als  auch  an  alteren  und  aus- 
gewachsenen  Tieren  beobachtet  werden.  So  bei  Polyrhiza  vesi- 
culosa, wo  die  Kanale  noch  im  Verwachsen  begriffen  sind  und  die 
Trichterkrausen  noch  im  Entstehen  sind  (vgl.  im  spec.  Telle  Po- 
lyrhiza vesiculosa).  Auch  Stomolophus  fritillaria  konnen  wir  hier 
anfiiren  (vgl.  p.  253). 

Es  entstehen  diese  Organe  ontogenetisch  auf  dieselbe  Weise, 


Die  Mundarme  der  Ehizostoraen   nnd   ihre   Anhangsorgane.     273 

me  sie  sich  im  Laiife  der  Zeit  bei  ihreu  Vorfahren  gebildet  hal^eii. 
Cenogenetisclie  Ersclieinungeu  sind  niclit  eingetreten. 


E.     Entstehung  der  Scapuletten    oder  Schulterkrausen. 

Scapuletteii  oder  Schulterkrausen  sind  die  am  abaxialen  Schul- 
ter-Rande  der  Oberarme  sich  findenden  blattformigen  oder  kamm- 
formigen  Anhange  von  E.  Haeckel  genannt  worden.  Sie  kommen 
bei  den  Pilemiden  vor  und  fehlen  den  drei  iibrigen  Familien.  Es 
finden  sich  stets  sechzehn  Scapuletten,  von  denen  immer  je  zwei 
zusammenstehen.  Die  Schulterkrausen  sind  die  obersten  Lappen 
der  Dorsal-Krausen,  „\velche  durch  einen  tiefen  Einschnitt  von  den 
untereu  Hauptstiickcn  der  letzteren  getrennt  und  abgelost  werden." 
Dieser  Einschnitt  ist  von  E.  Haeckel  die  Scapular-Bucht  ge- 
nannt worden  (S.  d.  M.  p.  582),  Durch  Fortwachsen  des  Unterar- 
mes  ist  dann  die  Bucht  grosser  und  grosser  geworden,  sodass  man 
dann  glauben  konute ,  Neubildungen  vor  sich  zu  haben.  An  jeder 
Schulterkrause  unterscheidet  man  nach  E.  Haeckel  drei  Rander, 
einen  inneren ,  oberen  und  unteren  Rand.  Mit  dem  inneren  axialen 
Rande  ist  die  Krause  festgewachsen.  Der  obere  Rand  ist  meist 
sichelformig  gekrummt  und  mit  Trichterkrausen  besetzt.  Der  untere 
Rand  ist  glatt  und  concav  ausgeschnitten.  Krtimmt  man,  den  con- 
vexen  glatten  Abaxial-Rand  des  Oberarmes  aufwarts  nach  aussen, 
so  legt  sich  dieser  Rand  mit  dem  concaven  unteren  oder  „Fissions- 
Rand"  der  Schulterkrause  zusammen,  sodass  keine  Liicke  bleibt 
(a.  a.  0.).  Was  aber  die  Richtigkeit  dieser  Ansicht,  nach  welcher 
die  Scapuletten  der  oberste  Teil  der  Krausenreihe  sind,  am  mei- 
sten  beweist,  ist  der  Bau  derselben.  Die  dieselben  besetzenden 
Trichterkrausen  sind  von  demselben  Bau  wie  die  auf  den  Armen 
sitzenden.     Sie  haben  dieselben  Digitellen  wie  letztere.  — 


Nachdem  wir  die  Anhangsorgane  I.  Ordnung,  die 
Trichterkrausen  und  die  Digitellen,  betrachtet  haben, 
kommen  wir  zu  Organen,  welche  nicht  sammtlicheu  Rhizostoraen 
zukommeu,  sondern  nur  vereinzelt  auftreten.  Sammtliche  im  Fol- 
genden  zu  beschreibenden  Organe  dienen  als  Waff  en,  mit  Htilfe 
deren  die  Beute  ergrilfen  wird.  Einigen  werden  auch  noch  andere 
Funktionen  zukommen,  wie  wir  sehen  werden. 


Bd.  XV.  N.  F.  Vm.  2. 


18 


274  Otto   Hamann, 

Anhaiigsorgane  II.  Ordiiuug. 

Alle  die  nun  zu  besprechenden  Organe  nennen  wir  Organe 
II.  Ordnung,  da  sie  aus  Krausen  hervorgegangen  sind,  nicht  aber 
Neiibildungen  vorstellen.  Wir  konnen  unmittelbar  die  Ontogenesis 
derselben  verfolgen!  — 

Diese  Organe  zerfallen  in  zwei  Gruppen.  Diese  zwei  Grup- 
pen  entstehen  naturgemass  durch  Verwachsung  der  Trichterkrau- 
sen  in  zweifacher  Weise.  Eine  dritte  mogliche  Weise  der  Ver- 
wachsung giebt  es  iiberhaupt  nicht. 

I.  Erstens  konnen  die  Trichterkrausen  incircularer 
Richtung  verwachsen;  es  entstehen  dann  die  ver- 
schiedenen  Formen  der  Nesselkolben.  Diese  Art 
der  Verwachsung  nennen  wir  Ringverwachsung 
(concrescentia  annularis). 
II.  Zweitens  konnen  die  Trichterkrausen  in  longitu- 
dinaler  Richtung  verwachsen;  es  entstehen  dann 
die  verschiedenen  Formen  der  Nesselpeitschen. 
Diese  Art  der  Verwachsung  nennen  wir  Langsver- 
wachsung  (concrescentia  longitudinalis). 
Wir  beginnen  mit  der  Darstellung  der  durch  Ringverwachsung 
entstandenen  Organe. 

A.     Entstehung  iind  Bau  der  Nesselkolben. 

Wir  schildern  im  Folgenden  den  Bau  und  die  Entstehung  der 
Nesselkolben  vornehmlich  von  Cotylorhiza  tuberculata,  welche  im 
bestconservirten  Zustande  vorlag.  — 

An  jedem  Nesselkolben  (s.  Fig.  24)  unterscheiden  wir  den 
Stiel  und  den  Kopf.  Der  Kopf  zerfallt  widerum  in  einzelne  Telle, 
in  die  capitula.  Untersucht  man  die  verschiedenen  Trichterkrau- 
sen einer  Cotylorhiza,  so  findet  man  solche,  bei  denen  die  noch 
kleinen  Digitellen,  welche  im  Kreise  dieselbe  umsaumen,  sich  eng 
aneinander  gelegt  haben.  Bei  anderen  sieht  man,  wie  einzelne 
der  Digitellen  zu  Gruppen  mit  einander  verschmolzen  sind ,  Stiel 
mit  Stiel,  Kopf  mit  Kopf,  sodass  letztere  ein  Nesselpolster  vor- 
stellen. Dann  trifft  man  Formen  an,  wo  sammtliche  Digitellen  in 
einzelne  Partien  verschmolzen  sind.  Es  scheint  dann  die  Oeiftiung 
der  Krause  geschlossen  zu  sein.  Hier  und  da  steht  noch  eine 
Digitelle  isolirt,  urn  dann  abzufallen.  Indem  nun  diese  verschmol- 
zenen  Digitellen  —  die  Capitula  der  Nesselkolben  —  wachsen  und 


Die  Muudarme  der  Rhizostomen  und  ihre  Anhaugsorgaue.     275 

ebenso  die  Krause  wachst,  entsteht  der  Nesselkolben.  Bald  ist  er 
lang  gestielt,  bald  kurz  gestielt. 

Betrachtet  man  ein  Capitulum  (s.  Fig.  26),  so  kann  man  an 
den  Einscbnitten  erkenneu,  wieviel  Kopfe  der  Digitelleu  an  der 
Bildung  desselbeu  beteiligt  waren. 

In  jeden  Nesselkolben  fiirt  ein  Kanal ,  der  sicb  in  der  Mitte 
zwischen  den  Capitulis  otfnet.  An  Querscbnitten  siebt  man,  wie 
die  Kopfe  der  Kolben  bol  sind,  sodass  also  der  Kanal  vor  dem 
Austritt  in  eine  weite  Hole  miindet. 

An  Klopfpraparaten  siebt  man,  wie  unter  den  dicbt  gedrangt 
sitzenden  Nesselkapseln  das  Epitbel  zuni  Vorschein  kommt.  Es 
bestebt  aus  grossen  polygonalen  Zellen,  in  denen  an  Carminprapa- 
raten  die  Kerne  sebr  scbon  hervortreten  (s.  Fig.  28).  Das  Epitbel 
der  Stiele  bestebt  selbstverstandlicb  wie  das  der  Tricbterkrausen 
aus  Epitbelmuskelzellen,  welcbe  parallel  der  Langsaxe  des  Nessel- 
kolbens  verlaufen.  Unter  dem  Epitbel  folgt  die  Gallerte  und  das 
Entoderm,  welcbes  den  Kanal  auskleidet.  Im  Entoderm  finden 
sicb  die  „einzelligen  Driisen"  bald  einzeln  bald  in  Paketen  zusam- 
menliegend  vor.  — 

Sind  wir  so  im  Klaren  iiber  die  Entwicklungsgescbicbte  der 
Nesselkolben,  so  werfen  wir  die  Frage  auf,  wie  sind  dieselben  pby- 
logenetiscb  entstanden?  Konnen  sie  anders  entstanden  sein  als 
wie  sie  nocb  jetzt  entsteben  ?  Sie  sind  im  Verlaufe  von  vielen  Ge- 
nerationen  auf  dieselbe  Weise  entstanden ,  wie  sie  jetzt  im  Laufe 
der  Entwicklung  eines  ludividuums  entsteben.  Es  wird  ein  Ueber- 
fluss  an  Mundoffiiungen  vorbanden  gewesen  sein.,  in  Folge  dessen 
werden  einzelne,  indem  sie  nicbt  im  Gebraucbe  waren,  verwacbsen 
sein.  Durcb  die  Verwacbsung  wurde  aber  ein  Vorteil  fiir  das  Tier 
gebracbt,  indem  auf  einer  Stelle  eine  Menge  von  Nesselkapseln  ange- 
biiuft  wurden  (die  verwacbsenden  Kopfe  der  Digitellen),  und  so  ent- 
stand  zunacbst  eine  Waffe,  die  sicb  nur  nocb  wenig  zu  vervollkomm- 
nen  braucbte,  um  zu  dem  jetzt  vor  uns  stebenden  Organ  zu  werden. 

Von  dem  Bau  der  Nesselkolben  bei  Cotylorbiza  weicben  die 
der  iibrigen  Rbizostomen  wenig  ab.  Es  ist  nur  in  der  Grosse  ein 
Unterscbied ,  und  dieser  ist  widerum  in  der  Grosse  der  Krausen 
bedingt,  und  diese  wider  in  der  Grosse  der  einzelnen  Arten. 


B.     Entstehuug  und  Bau  der  Nesselpeitschen. 

Der  Verwacbsung  der  Tricbterkrausen  im  Kreis  stebt  die  Ver- 
wacbsung in  die  Lange  entgegen.    Es  verwacbsen  in  diesem  Falle 


18^ 


276 


Otto   liamaun, 


nicht  die  einzelnen  Digitellen  miteinander,  sondern  es  zieht  sich  die 
Krause  gleichsam  in  die  Liiiige  (in  a  b),  sodass  aus  der  ursprung- 
lichen  rundenTrichteroffuung  einelauggozogene  schlitzformige  Oeff- 
nimg  entstelit,  an  derun  beiden  Rixudern  die  Digitellen  in  je  einer 
Pieihe  stehen. 


Hoclist  interessant  ist  es,  dass  wir  dieses  Stadium  mit  lang- 
aufgeschlitzter  Oeftnung  bei  einer  Rbizostome  constant  antreffen, 
namlicb  bei  Pilenia  clavigera.  In  Fig.  31  ist  eine  solcbe  modifi- 
cirte  Krause  abgebildet.  Das  Ende  derselben  ist  stets  umgebo- 
gen,  was  wahrscbeinlich  dureb  starke  Muskelcontractiou  beim  Ab- 
sterben  zu  erklaren  ist. 

An  diese  modificirteu  Tricbterkrausen  scbliessen  sicb  eng  an 
die  Nesselpeitscben  der  Lycbnorbiziden.  Man  denke  sicb  die  Krause 
der  P.  clavigera  nocb  weiter  in  die  Lange  gewacbseu  und  man 
bat  die  Nesselpeitscben  der  Lycbnorbiza  vor  sicb.  Diese  sind  also 
in  ibrer  ganzen  Lange  geoffnet.  Docb  kommen  aucb  scbon  Peit- 
scben  vor,  an  welcben  eine  Verlotung  der  beiden  Riinder  eingetre- 
ten  ist.  Diese  Verlotung  gescbiebt  dann  unterbalb  der  Digitellen, 
sodass  diese  wie  auf  einer  Leiste  aufsitzen. 

Eine  dritte  Form  von  Nesselpeitscben,  welcbe  von  denen  der 
eben  genannten  Art  abzuleiten  sind,  lindet  sicb  bei  Cepbea.  Die 
Verlotung  der  beiden  Pander  ist  vor  sicb  gegangen.  Es  findet 
sicb  ein  Kanal  iunerbalb  der  Peitscbe,  welcber  bis  zum  Distaleude 
verlauft.  Die  Digitellenreiben  sind  verscbwunden.  Die  Peitscbe 
ist  in  ganzer  Lange  mit  Nesselkapseln  dicbt  bedeckt.  — 

Aucb  an  diesen  Organen  wie  an  den  Nesselkolben  zeigt  es 
sicb,  wie  zweckmassige  Bildungen  entsteben  konnen  durcb  zufallige 
Abiinderungen ,  wie  bier  die  Verwacbsung  der  Tricbterkrausen. 
Wie  eine  Abauderung,  die  dem  ludividuum  zum  Vorteil  gereicbt, 
sicb  vererbt,  weiter  fortbildet  und  wir  scbliesslicb  vor  einem  neuen 
Organe  stehen,  welches  uicbts  mebr  von  seiuem  Urspruuge  zeigt, 


Die  Mundarrae  der  Ehizostomen  und  ihre  Anhangsorgane.     277 

sondern  one  Kenntnis  seiner  Entwicklung  uns  als  etwas  Neugebil- 
detes  erscheint,  dies  zeigt  uns  die  Entstehung  der  Anhangsorgane 
vortrefflich.  Was  aber  diese  Organe  besonders  interessant  macht, 
ist  die  unverfalschte  Widerholung  der  Stammesgeschichte. 

Wie  Arnibildung  und  Kanale,  wie  Tricliterkrausen  und  Digi- 
tellen,  wie  Nesselkolben  und  Nesselpeitscheu  einst  entstauden  sind 
und  sich  entwickelt  haben,  so  entwickeln  sie  sich  noch  heute  an 
jedem  einzelnen  Individuum!  — 


C.     Die  Terminalknopfe. 

Schon  im  speciellen  Teil  haben  wir  auf  die  Entstehung  der 
Terminalknopfe  hingewiesen.  Bei  Pilema  pulmo  gingen  jedenfalls 
die  Trichterkrausen  urspriinglich  bis  zum  Distalende  des  Armes 
hinab.  Dass  sich  jetzt  das  letzte  Drittel  des  Unterarmes  one  Krau- 
senbildung  findet,  ist  vielleicht  auf  eiuen  Ueberfluss  an  Trichter- 
krausen zuriickzufiiren ,  sodass  die  unteren  verkiimmerten.  Eine 
Tatsache,  die  fiir  den  urspriinglichen  Krausenbesatz  spricht,  ist 
die  Teilung  des  Hauptkanales  unterhalb  der  Krausen  in  drei  Ne- 
benkanale.  Weiter  konnen  wir  das  Vorkommen  von  Digitelleu  an 
den  OeffQungen  des  Terminalknopfes  bei  jungen  Tieren  als  Beweis 
anfiiren. 

Bei  Versura  findet  sich  am  Ende  eines  jeden  Unterarmes  ein 
„Terminalkolben".  Derselbe  ist  als  modificirte  Krause  aufzufassen 
und  gehort  zu  den  Nesselkolben. 


Die  IJriiuriiuv  der  Rhizostomcii  und  die  Bedeutuiig  ihrei' 
Anhangsorgane. 

Nach  den  bisherigen  Ansichten,  wie  sie  in  den  Lehrbiichern 
zum  Ausdruck  kommen,  sollte  die  Ernarung  in  folgender  Weise 
von  Statten  gehen.  Die  Rhizostomen  sollten  mit  ihreu  Armen  die 
Beute  erfassen  und  vermittels  der  „Saugoffnungen"  dieselbe  aus- 
saugen.  Die  Nesselkolben  einer  Cotylorhiza  wurden  auch  als 
Saugroren  gedeutet.  Nachdem  wir  aber  gesehen  haben,  dass  es 
gar  keine  „Saugoffiiungen"  giebt,  sondern  dass  zur  Aufnahme  der 
Narung  geraumige  centimetergrosse  Trichter  dienen,  an  deren  Proxi- 
mal-Ende  ein  Kanal  ausgeht,  welcher  zu  den  Nebengefassen  fiirt, 
wie   es  schon  bei  Crambessa  von  G  r  e  n  a  c  h  e  r  und  Noll  darge- 


278  Otto  Hamann, 

stellt  wurde,  ist  die  Ansicht  von  den  Saugkrausen  hinfallig  ge- 
worden  ^). 

Die  Narungsaufnahme  vollzieht  sich  in  folgender  Weise.  Die 
Trichterkrausen  mit  iliren  Trichteroffnungen  und  den  im  Kreise 
den  Rand  derselben  besetzenden  Digitellen  sind  weit  geoffnet; 
kommt  nun  ein  Tier,  sei  es  ein  kleiner  Fiscli  oder  Krebs,  in  die 
Nalie  der  Oeft'uung,  so  ist  die  Krause  durch  ihren  Besatz  von 
Epithelmuskelzellen  im  Stande  sich  auszudehnen  und  mittels  der 
Digitellen  die  Beute  aufzunehmen.  Hierbei  werden  die  Digitellen 
sowol  als  Watfen  als  audi  als  Tastorgane  fungiren.  Innerlialb  der 
Tricliterkrause  (s.  die  Fig.  21a ,  auf  welclier  die  Digitellen  fiber 
der  Beute  zusammengesclilagen  sind)  werden  die  gefangenen  Tiere 
durch  die  Entodermbekleidung  verdaut.  Man  findet  Krausen,  in 
welchen  die  Reste  von  Krebsen  in  halbverdautem  Zustande  sich 
befinden.  Der  durch  die  Ausscheidung  der  Entodermzellen  gewon- 
nene  Narungsbrei  wird  nun  durch  die  Kanale  mittels  des  Flimmer- 
epithels  der  Zellen,  wie  auch  durch  die  Muskelcontractionen  ge- 
trieben.  Wie  dehnbar  diese  Gefasse  sind,  kann  man  aus  den  oben 
angefiirten  Beispielen  ersehen,  wo  man  Fische  von  ziemlicher  Grosse 
in  denselben  angetroffen  hat.  Die  unverdauten  Telle,  das  Skelet 
der  Krebse  zum  Beispiel,  werden  dann  durch  eiufaches  Oeffiien 
der  Krausen  wieder  entieert.  Die  Ernaruug  der  Rhizostomen  ist 
also  nur  in  sofern  verschieden  von  der  der  tibrigen  Medusen,  als 
die  Verdauung  nicht  im  Magen  stattfindet,  sondern  bereits  in  den 
Trichterkrausen  und  den  Kanalen.  — 

Welchen  Zwecken  dienen  aber  die  Anhangsorgane  ?  Die  durch 
die  Ringverwachsung  entstandenen  Organe  haben  wir  deshalb  „Nes- 
selkolben"  genannt,  um  ihre  Funktion  als  Waffe  anzudeuten.  Sie 
werden  beim  Fange  durch  die  Masse  von  sich  entladenden  Nessel- 
kapseln  die  Ergreifung  der  Beute  erleichtern.  Bei  Cotylorhiza 
sitzen  viele  derselben  auf  langen  Stielen  und  sind  als  Saugroren 
gedeutet  worden.  Die  Oetfnung  wird  jedoch  zur  Entleerung  von 
Excrementen  dienen,  vielleicht  auch,  obgleich  dies  unwarschein- 
licher  ist,  zur  Aufnahme  von  Wasser.  Saugroren  sind  diese  Or- 
gane mit  ihren  von  Nesselkapseln  dicht  besetzten  Kopfen  kaum, 
es  miissten   denn  die  Nesselkapseln  selbst  zur  Anheftung  dienen. 

Die  Terminalknopfe,  wie  sie  sich  bei  Pilema  am  Distal-Ende 

1)  Wir  bemerken  an  dieser  Stelle  noch,  dass  bei  vielen  Khizo- 
stomen  die  Krausen  durch  das  Wasser  abgewaschen  oder  durch  Tiere 
abgebissen  sind.  Es  ist  deshalb  bei  der  Untersuchung  Vorsicht  notig, 
ura  nicht  das  abnorme  Verhaltnis  flir  das  norraale  zu  halten. 


Die  Mundarme  cler  Rhizostomen  und  ilire  Anhangsorgane.      279 

der  Arme  findeii,  dienen,  da  sie  ebenfalls  mit  Nesselkapseln  dicht 
besctzt  sind,  audi  warschcinlich  als  Watfeu. 

Was  nun  die  Nesselpeitschen  anlangt,  so  miissen  wir  unter- 
scheidcn  zwischen  denen,  bei  weldien  sich  ein  Kanal  findet,  also 
die  Rander  der  urspriingiiclien  Trichterkrause  verwachsen  sind, 
und  zwisdien  denen,  bei  weldaen  dies  nicht  der  Fall  ist. 

Bei  Pilema  davigera  werden  die  modificirten  Krausen  noch 
zur  Narungsaufnahme  dienen.  Bei  Lychnorhiza  werden  die  schon 
selir  langeu  Peitsclien  trotz  ihrer  noch  in  ganzer  Lilnge  verlaufen- 
den  Oeffnung  sowol  zur  Narungsaufnahme,  als  auch  vornehmlich 
zura  Umschlingen  grosserer  Tiere  geeignet  sein. 

Nur  als  Fangarme  dienen  die  Nesselpeitschen  bei  den  Cepheen, 
wo  sie  dicht  mit  Nesselzellen  besetzt  sind  und  die  Verlotung  der 
Rander  zu  einem  Kanal  eingetreten  ist.  In  Folge  der  Contrac- 
tilitat  der  Muskelfibrillen  werden  diese  langen  Peitschen  vortreff- 
lich  zum  Fangen  sich  eigneu.  Der  Kanal,  der  in  der  Axe  ver- 
liiuft,  dient  nur  zur  Ernarung  der  Peitsche.  Wenn  sich  am  Ende 
derselben  eine  Oeffnung  findet,  so  wird  diese  wol  denselben  Zweck 
liaben,  wie  die  Oeffnung  in  den  Nesselkolben.  — 

Zum  Schluss  wollen  wir  noch  erwanen,  dass  bei  keiner  Rliizo- 
stome  ctwas  den  Bruttaschen  der  Aurelien  Analoges  sich  findet. 
Wiirend  die  Eier  bei  Aurelia  in  die  Arme  gelangen,  in  weldien 
Aussackungen  entstehen  und  die  Eier  aufnchmen,  und  bis  zum 
Gastrulastadium  beherbergcn,  scheinen  bei  den  Rhizostomen  die 
einzelnen  Trichterkrausen  als  Bruttaschen  zu  fungiren,  doch  fehlen 
noch  nahere  Beobachtungen  hieruber. 


Kurze  Aiigabc  der  Resultale. 

Wir  wollen  nun  in  wcnig  Worten  die  gefundenen  Resultate 
zusammenfassen. 

Dieselben  betreft'en  erstens  das  Gefasssystem  der  Arme,  zwei- 
tens  den  Ban  derselben,  drittens  den  Bau  und  die  Entwicklung 
der  Anhangsorgane,  und  viertens  die  physiologische  Bedeutung 
derselben. 

Was  das  Gefasssystem  anlangt,  so  findet  sich  im  Oberarm  bei 
siimmtlichen  Rhizostomen  nur  ein  Gefass,  das  Hauptgefass.  Das- 
selbe  giebt  an  der  Basis  des  Unterarmes  die  Nebengefasse  ab, 
und  setzt  sich  selbst  in  der  Axe  des  Unterarmes  fort  (Pilemidae), 


280  Otto   Hamaun, 

Oder  es  zerfallt  sell^st  in  die  Nebengefiisse ,  welche  also  directe 
Fortsetzuiigen  des  Hauptgefiisses  sind. 

1st  der  Unterarm  gabelteilig,  so  finden  sich  z^Yei  Nebengefasse; 
ist  er  dreikantig  pyramidal,  so  findet  man  drei  parallel  verlaufeude 
Nebeiigefasse.  Ira  Allgemeinen  gilt  der  Satz:  Jede  Krausenreihe 
besitzt  ein  Nebengefiiss.  — 

Was  dann  die  Arme  selbst  anlangt,  so  ist  zu  bemerken,  dass 
ihre  Abaxial-Seite  mit  ectodermalen  Epithelmuskelzellen  besetzt 
ist;  der  Verlaiif  der  Fibrillen  ist  parallel  der  Armaxe. 

Es  wurde  dann  weiter  die  Unhaltbarkeit  der  Saugoffnungen- 
Tbeorie  gezeigt,  und  statt  der  Saiigkraiisen  der  Name  Trichter- 
krausen  eiugefiirt.  Die  dieselbeu  besetzenden  Digit  ell  en  wur- 
den  als  ectodermale  Bildungen  erkannt  und  die  Entstehung  der 
Anhangsorgane  aiis  Tricbterkrausen  verfolgt.  Wir  teilten  diese 
Anhangsorgaue  in  zwei  Gruppen  ein,  je  nach  der  Verwacbsmig  der 
Krausen.  Die  erste  Gruppe,  bei  der  die  Organe  durcb  Ringver- 
wachsung  entstauden,  umfasst  die  Nesselkolben,  Die  zweite 
Gruppe,  in  welche  die  durch  Langsverwachsung  entstandenen  Or- 
gane gehoren,  umfasst  die  Nesselpeitschen.  Nach  der  Kennt- 
nis  des  histologischen  Baues  wurde  dann  die  Frage  entschieden, 
welchen  Nutzen  diese  Organe  bringen,  und  gefunden,  dass  sie  als 
Waffeu  bei  dem  Fang  der  Beute  dienen. 


Nach  dem  Niederschreil)en  dieser  Zeilen  finde  ich  ira  Zoologi- 
schen  Anzeiger  vom  21.  Februar  1881  eine  Mitteilung  von  Prof. 
C.  Glaus  in  Wien,  in  welcher  derselbe  zu  teilweise  anderen  Er- 
gebnissen  gelangt  ist  wie  ich. 

Ehe  ich  jedoch  hierauf  eingehe,  sei  beraerkt,  dass  ich  den  Ton, 
den  Prof.  C.  Glaus  in  seiner  Mitteilung  einzuschlagen  fiir  notig 
befunden  hat,  nicht  beibehalten  will.  Wenn  er  von  „unbegreiflicher 
Misdeutung"  spricht  oder  Satze  ausspricht  wie:  „Man  sieht  wieder, 
zu  welchen  Irrungen  die  Phantasie  beim  Mangel  einer  tatsiich- 
lichen  Basis  verleiten  kann"  oder  von  Sachen,  „die  wieder  nur  der 
Theorie  zu  lieb  erschlossen"  seien,  „von  durch  nichts  erwiesenen 
falschen  Annahmen",  so  ist  es  sehr  schwer  nicht  mit  gleicher 
Munze  zu  zalen,  zumal  diese  Ausdrucke  jedes  Grundes  und  An- 
haltes  entbehren! 

Wenn  sich  G.  Glaus  zunachst  gegeu  die  Einteilung  Hae- 
ckels  im  System  der  Mcdusen  wendet,  sowie  dicselbe  auch  in  der 
vorliegenden  Arbeit  benutzt  ist,  so  ist  das  wenig  Stichhaltige  seiner 


Die  Mundarme  der  Eliizostomen  und  ihre  Anliangsorgane.     281 

Polemik  fiir  jeden  Kundigen  auf  der  Hand  liegend,  so  dass  eine 
Erwiderung  kaum  notig  ist. 

Er  will  unter  R  h  i  z  o  s  t  o  m  e  a  e  die  den  Semostomen  gegeniiber 
steliende  Abteilung  der  wurzelmiindigen  Acalephen  begriffen  wissen 
und  die  Bezeiclmiing  Rhizostoraidae  fiir  die  Familie  und  die 
Gattungsbezeiclinung  Rliizostoma  aufreclit  erhalten  wissen.  Es 
ist  also  rait  anderen  VVorten  das  alte  System  von  Louis  Agassi z, 
welches  Glaus  beibehalten*  will.  Nachdem  aber  die  Unlialtbarkeit 
desselbeu  von  Haeckel  nachgewiesen  worden  ist,  ersclieint  eine 
Beibehaltung  desselben  als  unmoglich, 

Ob  die  Haeckel'sche  Nomenclatur  oder  die  Agassiz- 
Claus'sche  einfacher  ist,  iiberlassen  wir  denen,  welclie  one  Vor- 
eingenoniraenlieit  dieselbe  prufen.  C.  Glaus  glaubt  danu  einige 
Irrttimer  Prof.  Haeckels  nachweisen  zu  konnen,  die  audi  in 
der  vorliegenden  Arbeit  nach  Glaus  begangen  sind.  Er  glaubt 
sie  auf  die  irrige  Annahme  zuriickfiiren  zu  konnen,  nach  welcher 
die  Digitellen  als  „entoderraale  Buccal-  oder  Brachialfilaraente" 
morphologisch  hervorgegangen  sein  sollten  aus  den  Taeniolen  des 
Scyphostoma.  Dass  in  einem  Werke,  welches  Tausende  von  neuen 
Tatsachen  und  Gedanken  bringt,  nicht  Alles  richtig  und  one  Fehl 
sein  kann,  ist  selbstverstandlich,  sagt  doch  der  Verfasser  des  Sy- 
stems der  Medusen  selbst,  indem  er  darauf  hinweist,  dass  die  Ar- 
beiten  seiner  Vorgiinger  „reich  an  Irrttimern",  viele  „voll  von  Feh- 
lern  seien":  „Auch  mein  System  der  Medusen  wird  in  dieser  Be- 
ziehung  alien  seinen  Vorgangern  gleichen." 

Was  aber  diese  „Brachialfilamente"  anlangt,  so  ist  zu  be- 
merken,  dass  Prof.  Haeckel  an  verschiedenen  Stelleu  hervorhebt, 
dass  diese  Bildungen  eiuer  genaueren  Untersuchung 
bedurfen,  und  dass  dieselben  zu  untersuchen  seien  auf  ihren 
ectodermalen  oder  entodermalen  Ursprung  hin;  indem  er  diese 
Untersuchung  mir  iibertrug,  entstand  eben  diese  Arbeit. 

Hieraus  sieht  man,  wie  Prof.  Haeckel  diese  Frage  fiir  eine 
offene  und  noch  unentschiedene  hielt! 

Einen  zweiten  Punkt  betriftt  die  Polemik  gegen  die  Ansicht 
der  Entstehung  der  Velarlappen  der  Rhizostomen  durch  Intercala- 
tion. Letztere  ist  aber  von  G.  Glaus  selbst  bei  Stheno- 
niden  und  Aureliden  beobachtet.  Sie  unterscheidet  sich 
von  der  Lappenvermehrung  durch  Fission  (wobei  aus  den  sechzehn 
urspriinglichen  Ephyralappen  die  Velarlappen  entstehen)  dadurch, 
dass  zwischen  die  sechzehn  Ephyralappen  neu  gebildete  Velarlappen 
eingeschaltet  werden. 


282  Otto  Hamann, 

Da  wir  (und  wol  auch  CI  a  us!)  eine  nalie  Vcrwandtschaft  der 
Aurelidcn  init  den  Rliizostomcn  annelimeii,  so  ware  die  Annahme 
gereditfertigt  gewesen,  dass  bei  den  Rhizostomen  sich  die  Velar- 
lappen  auch  durcli  Intercalation  anlegen  mocliten.  Vergleicht  man 
nun  aber  die  Stelle  in  E.  Haeclcels  S.  d.  M,  p.  461  u,  540,  so 
ist  von  einer  Annahnie  kaum  die  Rede,  es  steht  wortlich  folgendes 
da:  „Diese  besondere  Form  des  Wachstums  (Intercalation)  findet 
sich  bei  zwei  Subfamilien  der  Ulmariden,  bei  den  Sthenoniden  und 
Aureliden,  und  ausserdem  wahrscheinlich  bei  vielen  (oder 
sammtlichen?)  Rhizostomen." 

Also  vvolgemerkt,  es  heisst  nur  „warscheinlich".  Und  mit  wel- 
chen  Worten  entgegnet  hierauf  C.  Glaus?!  Er  sagt:  „Somit  (niim- 
lich  nach  seineu  Beobachtungen)  erweist  sich  die  iibrigens  schon 
an  und  fiir  sich  unwarscheinliche  (!)  und  durch  nichts  begTiindete(!) 
Annahme  E,  Haeckels  ,  .  .  .  als  dem  waren  Sachverhalt  gerade 
eutgegengesetzt."  Konnte  denn  iiberhaupt  hier  eine  Annahme  bes- 
ser  begriindet  sein?  — 

Noch  bemerke  ich,  dass  C.  Glaus  nur  Larven  von  Pilema 
pulmo  untersuchte!  Von  diesen  Larven  einer  einzigen  Art 
schliesst  er,  dass  diese  Wachstumsverhaltnisse,  wie  er  sie  namlich 
beobachtet  hat,  bei  alien  Rhizostomen  dieselben  seien!  C.  Glaus 
riigt  sonst  so  gern  bei  anderen  Forscheru  voreilige  Schlusse,  ist 
jedoch  selbst  weit  entfernt,  solche  zu  vermeiden.  Was  fiir  das 
Wachstum  der  Velarlappen  bei  Pilema  gelten  mag,  gilt  vielleicht 
fiir  die  Pilemiden,  hingegeu  noch  lange  nicht  fiir  Toreumiden,  Ver- 
suriden  und  Crambessiden.  Ueber  das  Wachstum  der  Velarlappen 
bei  diesen  Familien  haben  noch  die  Untersuchungen  zu  entscheiden. 

Der  dritte  streitige  Punkt  betrifft  die  Entstehung  der  Scapu- 
letten  oder  Schulterkrausen,  wie  E.  Haeckel  diese  Bildungen  ge- 
nannt  hat.  Nach  ihm  sind  dieselben  die  obersten  abgeschniirten 
Lappen  der  Dorsalkrausen.  Dieser  Erklaruug  habc  ich  (siehe  oben) 
mich  angeschlossen  und  zwar  hauptsachlich  auf  den  gleichen  Bau 
der  Trichterkrauseu  und  Digitellen  hin  mit  denen  der  Krausen- 
reihen. 

G.  Glaus  will  nun  die  Entstehung  der  Schulterkrausen  an 
Larven  beobachtet  haben  und  giebt  eine  Schilderung,  welche  an 
Unwarscheinlichkeit,  in  Vergleich  mit  unseren  jetzigen  Ansichten 
iiber  die  Entstehung  der  Organe  bei  den  Medusen,  nicht  iiber- 
troffen  wcrden  kann.  Sollte  sich  die  Bildung  der  Scapuletten  in 
Warheit  so  vollziehen,  wie  es  G.  Glaus  angiebt,  und  sollte  er 
sich  nicht  getauscht  haben,   so  standeu   wir  vor  einer  Tatsache, 


Die  Mundarmo  der  Rhizostomen  \ind  ihre   Anhangsorgane.     283 

fiir  (lie  uns  jetzt  jede  Erklarung  fehlt.  Es  sollcii  nacli  ihm  sicli 
diese  Organe  parweise  in  den  Adradien  und  Intcrradien  anlegen 
und  wiirend  des  Wachstumes  wandern,  so  dass  spiiter  ihre  verti- 
calen  Radialebenen  mit  denjenigen  der  beiden  dorsalen  Krausen- 
reihen  zusammenfallen ! 

Die  Forscher  auf  diesem  Gebiete  werden  es  fiir  selbstverstilnd- 
licli  erachteu,  wenn  die  Beobachtungen  des  Herrn  Glaus  so  lauge 
fiir  noch  nicht  geniigend  beglaubigt  gehalteu  werden,  als  bis  von 
anderer  unparteiischer  Seite  her  dieselben  bestiitigt  siud.  — 


284  Otto  Hamann, 


Tafelerklarung. 

Taf.  IX. 

Fig.  1.  Trichterkrause  weit  geoffnet,  von  Cotylorhiza  tuber- 
culata.     vergr. 

Fig.  2,     Trichterkrause  von  Mastigias  Papua,     vergr. 

Fig.  3.  Stiick  eines  Armes  von  Thysanostoma.  Man  sieht  zwei 
Kanale,  von  welchen  aus  in  die  Trichterkrausen  Kanale  abgegeben  wer- 
den.     Der  dritte  Kanal  ist  nicht  zu  sehen. 

Fig.  4.  Crambessa  Tagi.  Unterarm  eines  jungen  Tieres.  Z/^'- Haupt- 
gefass.     ng  Nebengefiiss. 

Fig.  5.  Crambessa  Tagi.  Arm  eines  sehr  jungen  Tieres.  Der- 
selbe  ist  am  Distaleude  in  zwei  Lappeu  zerfallen.  Es  findet  sich  nur 
das  Hauptgefliss  (Haplorhizastadium).     wenig  vergr. 

Fig.  6.  Aurosa  furcata.  Der  doppelt  gespaltcne  Arm,  aus  wel- 
chem  die  der  Ehizostomen  abzuleiten   sind   (nach  E.   Haeckel). 

Fig.  7.  Polyrhiza  vesiculosa.  Man  sieht  die  noch  nicht  ver- 
wachsenen  Rauder  der  Arme.     wenig  vergr. 

Fig.   8.     Ectodermepithel  von  Cotylorhiza  tuberculata.    Zeiss  F.  2. 

Fig.   9.      Gallerte  von  Cotylorhiza  tuberculata.     Zeiss  F.  2. 

Fig.  10  bis  Fig.  12.  Stomolophus  fritillaria.  10.  Distalende 
des  Armes,  11.  Querschnitt  in  ub  durch  denselben.  12.  Uuerschnitt 
durch  ein  Scapulett.  ca  Gefass.  Die  Rander  der  Arme  sind  noch  nicht 
verwachsen. 

Taf.  X. 

Fig.  13.  Digitelle  von  Pilema  imlmo.  g  Gallertaxe.  ec  Ectoderm. 
Der  Kopf  ist  dicht  mit  Nesselkapselu  besetzt.  Daneben  verschiedene 
Formen  derselben.     Zeiss  F.  2. 

Fig.  11a.  Digitelle  von  Crambessa  Tagi.  Das  Epithel  ist  ent- 
fernt,  um  die  Muskelfibrillen  zu  zeigen;  darunter  liegt  die  Gallertaxe. 
Zeiss  F.  2.      14  b.    Nesselkapselu  von  Crambessa  Tagi. 


Die  Mundarme  der  Rliizostomcn  iind  ihrc  Anliangsorgane.     285 

Fig.  15.  Aurelia  aurita.  Stiick  des  Armrandes,  urn  den  ccto- 
dermalen  Ursprung  der  Digitellen  zu  zeigen.     en  Entoderm,     vergr. 

Fig.   16.     Aelteres  Exemplar,     ec  Ectoderm,     en  Entoderm. 

Fig.   17.     Nesselpapille  yergrossert  von  Pelagia  perla.    Zeiss  D.  1. 

Fig.  18.  Armrand  von  Pelagia  perla.  Es  finden  sich  nur  auf 
der  ectodermalen  Seite  die  Nesselpapillen,  aber  noch  keine  Digitellen. 
Zeiss  A.  2. 

Fig.  19.  Arm  von  Cotylorhiza  tuberculata  mit  den  grossercn 
und  kleineren   Nesselkolben.     nat.   Grosse. 

Fig.  2  0.  Trichterkrause  von  Cotylorhiza  tuberculata  in  geschlos- 
senem  Zustande. 

Fig.  2  1.  Von  derselben  Art  eine  vielfach  gelappte  Krause  (nach 
einem  Canadabalsampraparat). 

Fig.   2  2.      Driisenzellen  von   derselben  Art.     n   Kern. 

Fig.  2  3.  Einzelne  Zellen,  in  Teilung  begriffene.  «  Kern.  Zeiss 
F.  4   u.   2. 

Fig.   34.     Nesselkolbcn  von  Versura.    Von  der  Seite  und  von  oben. 

Fig.  35.  Nesselkolben  von  Cotylorhiza.  Nach  einer  nach  dem 
Lcben   gemaltcu   Skizze  von  Herrn   Prof.  Haeckel. 

Taf.  XI. 

Fig.    2  4.     Zwei   Nesselkolben  von   Cotylorhiza.     nat.   Grosse. 

Fig.  2  5.  Ein  Nesselkolben  stark  vergrcissert.  c  capitulum. 
ca  Gcfiiss.     vergr. 

Fig.   2  6.      Ein   Capitulum  von   oben.     stark  vergr. 

Fig.   2  7.      Ein   Capitulum   von  der  Seite. 

Fig.  2  8.  Ein  Capitulum  mit  tlieilweise  entfernten  Nesselzellen. 
Darunter  sieht  man   das  Epithel. 

Fig.   2  9.     Nesselkolben  von  Cephea   conifera.      vergr. 

Fig.   3  0.     Desgleicheu.      ca  Canal. 

Fig.  3  1.  Modificirte  Trichterkrause  von  Pilema  clavigera.  ca  Ka- 
uai,     di  Digitellen.     vergr. 

Fig.   3  2.      Oberes  Ende  ciner  Nesselpeitschc  von  Lychnorhiza. 

Fig.  3  3.  Querschnitt  durch  diesolbe.  Die  Pander  sind  noch 
nicht  verldtet.     ca  Kanal.     v  Verlotuugspunkt. 


Die  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes 
der  Wirbelthiere. 


Von 

Dr.  Oscar  llertwig. 


(Hierzu  Taf.  XII -XV). 


Ill  der  kiirzlicli  von  meineni  Brudcr  imd  mir  herausgegebcnen 
Schrift:  „Die  Coelomtheorie"  hatte  ich  die  Auffassung  dnrchzu- 
fiihren  gesuclit,  dass  das  mittlere  Keimblatt  sich  bei  den  cranioten 
Wirbelthieren  in  ahnlicher  Weise  wie  bei  den  Chaetognatlien,  den 
Brachiopoden  und  bei  dem  Amphioxus  lanceolatus  entwickele,  indem 
es  von  dem  Epithel  des  Urdarms  durch  Eiufaltung  erzeugt  werde. 
Eine  nahere  Begriindung  dieses  Satzes  durch  eine  Reihe  umfas- 
sender  Beobachtungen  hatte  ich  in  Aussicht  gestellt.  Schon  seit 
langerer  Zeit  war  es  meiu  Plan  gewesen,  im  Hinblick  auf  die 
Coelomtheorie  die  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes  in  der 
ganzen  Reihe  der  Wirbelthiere  zu  verfolgen,  um  auf  dem  Wege 
der  Vergleichung  festen  Boden  auf  einem  Gebiete  zu  gewinnen, 
welches  in  der  ganzen  embryologischen  Literatur  zu  den  wider- 
spruchreichsten  gehort.  Zu  dem  Zwecke  hatte  ich  mir  sowohl  von 
verschiedenen  holoblastischen  als  auch  von  meroblastischen  Eiern 
Serien  von  Entwicklungsstadien  zur  Untersuclumg  vorbereitet.  Als 
Vertreter  des  holoblastischen  Typus  wurden  verschieden  weit  ent- 
wickelte  Eier  von  Petromyzon  fluviatilis,  von  Triton  taeuiatus 
und  Rana  temporaria  in  Schnittserien  zerlegt;  als  Vertreter  des 
meroblastischen  Typus  wurden  die  Eier  von  Trutta  fario  gewahlt. 


0.  Hertwig,  Die  Entwickl.  d.  mittl.  Keimbl.  d.  Wirboltli.      287 

Den  giinstigsten  Verlauf  nalini  meiiie  Untersiiclniiig  bci  den 
Anipliibien  und  ganz  -  besonders  bei  Triton  taeniatus,  eincm  Ob- 
jecte,  an  welchem  schon  Scott  und  Osborn  vor  eineni  Jahrc 
so  werthvolle  Resiiltate  erhalteu  haben.  In  der  Coelomtheoric 
liaben  daher  auch  die  an  den  Eiern  von  Triton  gemachten  Be- 
obachtungen  meiner  Ansicht  von  der  Entwicklung  des  Mesoblasts 
der  Wirbelthiere  zur  Grundlage  gedient  ^ ). 

Seitdem  hat  durch  die  Uebernahme  eines  neuen  Lehramtes 
nieine  Arbeitszeit  fiir  wissenschaftliche  Forschung  vorlaufig  eine 
erliebliclie  Einschrankung  erfaliren,  so  dass  ich  nicht  bestinmien 
kann,  in  wie  weit  es  mir  in  der  nachsten  Zeit  moglich  sein  wird, 
die  geplante  Untersuchung  in  ihreni  vollen  Urafange  diirchzufUh- 
ren.  Desshalb  sehe  ich  mich  veranlasst,  den  Theil,  welcher  schon 
abgeschlossen  vor  mir  liegt  und  welcher  uber  die  holoblastischen 
Eier  der  Amphilnen  handelt,  fiir  sich  zu  veroffentlichen ;  hotfent- 
lich  wird  ihm  in  nicht  allzulauger  Zeit  der  zweite  Theil,  der 
dann  die  meroblastischen  Eier  zum  Gegenstand  hatte,  nachfolgen. 


*)  Oscar  Hertwig  und  Richard  Hertwig,  Die  Coelom- 
theorie  etc.    1881.  pag.   54 — 60. 

Oscar  Hertwig,  Ueber  die  Entwicklung  des  mittleren  Keim- 
blattes  der  "Wirbelthiere.  Sitzungsberi elite  der  Jenaischen  Gesellscbai't 
f.  Mcdicin  und  Naturwissenscbaft.  Jahrg.  1880.  Sitzung  vom  5.  No- 
Tember. 


288  0.  Hcrtwig, 


I.  Theil.    Die  holoblastischen  Eier. 
Das  mittlere  Keimblatt  der  Amphibien. 

a.    Triton  taeniatus. 

Unter  den  von  mir  untersuchten  Objecten  ist  Triton  taenia- 
tus ohne  Frage  zum  Studium  der  Keimblattbildung  am  meisten 
geeignet.  Verscliiedene  giinstige  Bedingungen  vereinigen  sich, 
welche  in  Zukunft  gewiss  dieses  Tliier  zu  einem  Lieblingsobjekte 
der  Embryologcn  machen  werdeu.  Von  Mai  bis  Ende  Juli  sind 
seine  Eier  leicht  in  beliebiger  Zahl  zu  erlangen,  sie  sind  bei  ge- 
eigneter  Behandlung  gut  zu  conserviren  und  aus  den  schiitzenden 
Hiillen  zu  befreien.  Die  Entwicklung  der  Gastrula,  des  Meso- 
blasts,  der  Chorda,  der  Urwirbel  etc.  ist  hier  noch  nicht  durch  die 
Ansaranilung  von  Dottermaterial  wie  bei  den  Eiern  der  Anuren 
beeinflusst  und  vollzieht  sich  in  einer  mehr  urspriinglichen  Weise, 
Avie  dies  schon  aus  den  schonen  Untersuchungen  von  Scott  und 
0  s  b  0  r  11  zu  ersehen  ist.  Alles  in  Allem  verdient  Triton  den  Vor- 
zug  vor  den  Anuren,  welchen  die  Embryologen  bisher  fast  aus- 
schliesslich  ihre  Aufmerksamkeit  geschenkt  haben  und  iiber  welche 
eine  ziemlich  umfangreiche  Literatur  vorhanden  ist,  wahrend  iiber 
die  Urodelen  bis  jetzt  nur  Bambeke^),  Scott  und  Osborn^) 
Untersuchungen  publicirt  haben. 

Um  von  den  Tritonen  eine  Serie  von  Entwicklungsstadien 
zu  erhalten,   kann  man   zwci  verschiedene  Verfahren  einschlagen. 

>)  Bambeke  Ch.  van.  Nouvelles  recherches  sur  I'embryologie 
des  Batraciens.    Archives  de  Biologie  Bd,  1,  p,  305 — 380. 

Derselbe,  rormation  des  feuillets  embryonnaires  et  de  la  no- 
tocorde  chez  les  urodeles.  Bulletins  de  I'Academie  royale  de  Belgi- 
que  2'""   serie.     tome  L.    n"  8.    1880. 

2)  W.  B.  Scott  and  H.  E.  Osborn.  On  some  points  in  the 
early  development  of  the  common  newt.  Studies  from  the  morpho- 
logical laboratory  in  the  university  of  Cambridge.  1880  p.  34 — 61. 
Tafel  IV  u.  V.  Derselbe  Aufsatz  ist  auch  erschienen  in:  Quarterly 
journal  of  microscopical  science.    Vol.  XIX.   1879.  p.  449 — 475. 


Die  Entwickl.  des  mittleren  Keimblattes  cler  Wirbelthiere.       289 

Entweder  man  sammelt  —  und  so  scheineii  bisher  alle  Autoren 
verfahren  zu  haben  —  die  Eier,  welche  von  den  Weibchen  kurze 
Zeit  nach  ihrer  Gefangennalime  einzeln  an  Wasserpflanzen  abge- 
setzt  werden.  Man  hat  hier  mit  dem  Nachtheil  zu  kiimpfen,  dass 
man  das  Alter  der  Eier  gewohnlich  nicht  bestimmen  kann,  und 
dass  man  nach  den  iiusseren  Veriinderungen  der  Oberflache  eine 
Entwicklungsserie  sich  herstellen  muss.  Auch  hat  man  Sorge  zu 
tragen,  aus  den  Glasern  die  Eier  moglichst  bald  nach  der  Ablage 
zu  entfernen,  da  sie  sonst  von  den  gefrassigen  Tritonen  selbst 
wieder  verzehrt  werden.  Es  verdient  daher  entschieden  die  an- 
dere  Methode  den  Vorzug,  Tritoneier  auf  kiinstlichem  Wege  zu 
befruchten  und  von  Zeit  zu  Zeit  einen  Theil  derselben  einzulegen, 
deren  Alter  man  dann  auf  Stunde  und  Minute  genau  zu  bestim- 
men in  der  Lage  ist.  Man  kann  so  Serien  mit  beliebig  grossen 
Intervallen  herstellen,  was  fur  entwicklungsgeschichtliche  Unter- 
suchungen  ein  grosser  Vortheil  ist. 

Wiihrend  bei  den  Anuren  die  kiinstliche  Befruchtung  sich 
leicht  vornehmen  litsst  und  seit  den  Zeiten  Spallanzani's  sclion 
vielmals  geiibt  worden  ist,  stosst  sie  bei  den  Tritonen  auf  Schwie- 
rigkeiten  und  scheint  noch  nicht  mit  Erfolg  ausgefiihrt  worden  zu 
sein.  Dies  riihrt  daher,  dass  bei  den  Anuren  eine  ilussere,  bei  den 
Tritonen  eine  innere  Begattung  stattfindet,  dass  dort  die  Eier  im 
Wasser,  hier  im  Endabschnitt  der  Ausfiihrwege  kurze  Zeit  vor 
ihrem  Austritt  befruchtet  werden,  dass  dort  die  Spermatozoen  im 
Wasser  lange  Zeit  ihre  Lebensfahigkeit  behalten,  hier  sehr  rasch 
verlieren,  ehe  sie  noch  die  Hiille  der  Eier  durchdringen  und  die 
Befruchtung  bewirken  konnen.  So  blieb  mir  denn  auch  bei  den 
Tritonen  stets  der  Erfolg  aus,  der  bei  den  Anuren  ausnahmslos 
eintritt,  wenn  man  die  reifcn  Eier  im  Wasser  mit  dem  Sperma 
vermischt.  Da  das  Misslingen  ofienbar  dadurch  verursacht  wird, 
dass  im  Wasser  die  Spermatozoen  absterben,  weil  sie  auf  die 
Fliissigkeit  in  den  Oviducten  angepasst  sind,  so  veranderte  ich 
das  Menstruum  und  ersetzte  es  durch  eine  an  Salzen  und  Col- 
loidstoffen  reichere  Fliissigkeit.  In  der  That  blieben  nun  auch  die 
Spermatozoen  sowohl  in  einprocentiger  Kochsalzlosung  als  auch  in 
Serum  aus  der  Bauchhohle  der  Tritonen  und  in  verdiinntem  Hu- 
mor aqueus  eines  beliebigen  Wirbelthieres  langere  Zeit  beweglich 
und  behielten  ihre  Fahigkeit  zu  befruchten.  Nach  Feststellung 
dieser  Thatsache  nahm  ich  die  kunstliche  Befruchtung  in  folgen- 
der  Weise  vor. 

Eine  grossere  Anzahl   frisch   eingefangener  mannlicher  und 

Bd.  XV.    N.  ¥.  VJII,  2.  19 


290  0.  Hcutmg, 

Avoil)licher  Tritonen  werden  getodtet;  die  Oviducte  und  die  Vasa 
deferentia  werden  frei  priiparirt.  Die  beideii  Oviducte  eines  Weib- 
clieiis  bergen  gewohulich  10  reife,  von  Gallerthullen  umgebenc, 
aber  noch  unbefruchtete  Eier;  sie  werden  in  ein  Uhrschiilchen  iiber- 
tragen  und  in  kleine  Stucke  zerschnitten ,  aus  welchen  die  Eier 
gewohnlidi  durch  Contraction  der  Eileiterwandung  von  selbst  her- 
ausgepresst,  anderen  Falles  vorsichtig  mit  Nadeln  herausgezogen 
werden.  Man  befeuchtet  die  Eier  niit  einigen  Tropfen  einer  der  oben 
genaunten  Flussigkeiten  und  bringt  sie,  wenn  man  20—30  Stuck 
in  einem  Uhrschiilchen  gesammelt  hat,  rait  dem  Sperma  in  Be- 
ruhrung.  Von  einem  Miinnchen  wird  das  von  Mai  bis  Juli  mit 
Samen  angefiillte  Vas  deferens  freigelegt  und  auf  dem  Uhrschiil- 
chen  in  kleine  Stucke  zerschnitten,  aus  welchen  man  die  Milch 
liber  den  Eiern  ausfliessen  liisst.  Man  muss  dafiir  sorgen,  dass 
die  Sameufliissigkeit  iiberall  hindringt,  sei  es  durch  ofteres  Schiit- 
teln  des  Uhrschiilchens  oder  noch  besser  dadurch,  dass  man  mit 
einem  in  eine  capillare  Spitze  ausgezogenen  Glasrohrchen  die  Milch 
aufsaugt  und  tropfenweise  iiber  die  einzelnen  Eier  wieder  entleert. 
Darauf  bleiben  die  Uhrschalchen  etwa  eine  halbe  Stunde  in  einer 
feuchten  Kammer  stehen  und  werden  zuletzt  in  eine  Schale  mit 
Wasser  gesetzt,  in  welcher  nun  die  weitere  Entwicklung  ungestort 
von  Statten  geht.  In  wenigen  Stunden  kann  man  auf  diese  Weise 
in  verschiedeuen  Uhrschalchen  an  hundert  Eier  befruchten,  die  sich 
nahezu  gleichzeitig  entwickeln.  Nur  bei  einem  sehr  geringen  Bruch- 
theile  war  in  meinen  Versuchen  keine  Befruchtung  erfolgt  und 
blieb  die  Entwicklung  aus.  So  habe  ich  mir  verschiedene  Ent- 
wicklungsreihen  hergestellt  und  kann  fiir  jedes  einzelne  Stadium 
geuau  die  Stunden  angeben,  welche  seit  der  Vornahme  der  Be- 
fruchtung verflossen  sind. 

Scott  und  0 shorn  klagen,  dass  die  Conservirung  und  Pra- 
paration  der  Eier  auf  Schwierigkeiten  stosst.  Es  sind  namlich 
die  Eier  von  verschiedeuen  Hiillen  umgeben,  welche  dem  Ein- 
driugen  der  Reagentien  einen  Widerstand  entgegensetzen.  Zu- 
nachst  auf  dem  Dotter  liegt  eine  ziemlich  dtinne  Dotterhaut, 
welche  leicht  einreisst,  und  auf  diese  folgen  noch  Gallerthiillen, 
welche  in  einander  iibergehen  und  von  welchen  die  innerste  die 
diinnste,  aber  zugleich  die  festeste  ist.  Eine  sehr  genaue  Be- 
schreibung  derselben,  auf  welche  hiermit  verwiesen  wird,  hat  kiirz- 
lich  Bambeke  gegeben.  Die  innere  feste  Gallerthiille  schliesst 
sich  nicht  unmittelbar  an  die  Dotterhaut  an,  sondern  bleibt  von 
ihr  durch  einen  mit  eiweissreicher  Fliissigkeit  erfuUten  Zwischen- 


Die  Entwickl.  des  mittlereu  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     291 

raum  getrennt,  der  bei  den  einzelnen  Eiern  in  seiner  Grosse  va- 
riirt.  Urn  nun  die  Einbryonen  gut  zu  conservireu,  haben  Scott 
und  Osborn  dieselben  in  friscbem  Zustand  aus  den  Gallerthiil- 
len  uiit  feinen  Sclieereu  und  Nadeln  herauspriiparirt  und  dann 
erst  in  Kleinenberg's  Picrinscliwefelsaure  erhartet.  Das  ist 
allerdings  eine  sehr  zeitraubende  und  miihsame  Arbeit,  welche 
oft  zu  einer  Verletzung  des  Eies  fuhrt.  Ich  habe  mir  die  Con- 
servirung  vereinfacht,  indem  ich  die  Eier  mit  ihren  Hiillen  in  ein 
leicht  eindringendes  Reagens  brachte.  Als  ein  solches  betrachte 
ich  ein  Gemisch  von  2"/o  Essigsiiure  und  0,o"/o  Chromsaure.  Die 
zvveiprocentige  Essigsiiure  macht  die  Hiillen  etwas  quellen  und 
todtet  die  Zellen  rasch  ab,  vvorauf  sie  durch  die  0,5*^/0  Chrom- 
saure noch  mehr  erhartet  werden.  In  10  Stuuden  ist  die  Hiirtung 
so  weit  vorgeschritten ,  dass  die  Eier  aus  der  Umhiillung  leicht 
und  ohne  Schaden  zu  leiden  herausgelost  werden  konnen.  Mit 
einer  Scheere  schneidet  man  ein  Stiick  von  den  Gallerthiillen  ab, 
so  dass  der  Raum,  in  welchem  das  Ei  liegt,  geoffnet  wird,  und 
liisst  dasselbe  aus  der  Oeffiiung  austreten,  wobei  man  mit  Nadeln 
nachhilft.  Dann  werden  die  Eier  nach  einander  in  70<^/o,  80*^/0, 
9U*^/o  Alcohol  tibertragen,  damit  sie  von  der  uberschussigea 
Chromsaure  befreit  und  noch  weiter  gehartet  werden.  Sie  bleibeu 
bei  dieser  Procedur  nicht  allein  in  ihrer  Form  vollstandig  unver- 
iindert  erhalten,  sondern  lassen  auch  manche  Structurverhaltnisse 
ihrer  Obertlache  noch  deutlicher  als  in  frischem  Zustande  wahr- 
nehmen.  Ferner  farben  sie  sich  in  der  alcoholischen  Boraxlosung 
von  Greuacher  auf  das  vortrefflichste. 

Um  die  Darstellung  iibersichtlicher  zu  machen,  will  ich  in 
der  Entwicklung  der  Keimblatter  4  verschiedene  Perioden  unter- 
scheiden.  Von  diesen  umfasst  die  erste  Periode  die  Umbildung 
der  Blastula  in  die  Gastrula,  die  zweite  Periode  macht  uns  mit 
dem  ersten  Auftreten  des  mittleren  Keimblattes  bekannt,  in  der 
dritten  Periode  entwickelt  sich  die  Chorda  dorsalis  und  lost  sich 
das  mittlere  Keimblatt  von  seinem  Mutterboden  ab,  in  der  vierten 
Periode  endlich  difterenziren  sich  die  Ursegmente  zu  beiden  Seiten 
der  Chorda. 


Erste  Periode. 

Die  Darstellung  der  ersten  Periode  hat  von  der  Beschatien- 
heit  der  Blastula  auszugehen.  An  derselbeu  sind  der  animale  und 
der  vegetative  Pol   nicht  minder  deutlich  als  an  der  Blastula  des 

19* 


202  0.  Horiwig, 

Froscheies  zu  uuterscheiden ,  da  der  erstere  etwas  braunlich  pig- 
mentirt  ist  uud  aus  kleineren  Zelleu  besteht,  der  letztere  dagegen 
pignieiitlos,  grosszellig  und  wegen  der  an  ihm  stattfmdenden  mas- 
sigen  Anhaufung  der  Zellen  und  seiner  grosseren  Schwere  stets 
nach  abwarts  gekehrt  ist.  Wenn  man  daher  das  Ei  drelit,  so 
weudet  es  sich  sofort  in  seine  urspriingliche  Lage  wieder  zuriick. 
Die  Furchungshohle  (Taf.  XIII  Fig.  1  F)  ist  wie  beim  Froschei  von 
ansehnlicher  Grosse  uud  mit  einer  eiweissreicheu ,  kornig  gerinnen- 
deu  Fliissigkeit  erfullt.  Nach  Scott  uud  Osborn  soil  ihre  Wan- 
dung  nach  dem  animalen  Pole  zu  nur  von  einer  einfachen  Zellen- 
lage  gebildet  seiu  uud  hierin  mit  der  Blastula  von  Amphioxus  und 
den  Cyclostomen  ubereinstimmen,  dagegen  von  der  Blastula  des 
Frosches  abweichen,  deren  Decke  zwei  bis  drei  Zellenlagen  ent- 
hiilt.  Diese  Angaben  kann  ich  nicht  bestatigen  und  finde  ebenso 
wie  Bambeke  keine  wesentliche  Abweichung  vom  Froschei.  Am 
animalen  Pole  besteht  die  Wanduug  (Taf.  XIII  Fig.  1)  aus  zwei 
bis  drei  Lageu  kleiner,  unregelmassig  cubischer  Zellen,  nach  dem 
vegetativeu  Pole  zu  wird  sie  zunachst  3—4  Lagen  dick  und  geht 
dann  in  eine  Zellenmasse  (B)  iiber,  welche  hugelartig  in  die  Fur- 
chungshohle hiueinragt  und  sie  zum  Theil  ausfullt.  Die  ihr  an- 
gehorenden  Zellen  sind  grosse,  verschieden  geformte  Korper,  welche 
nach  der  Eiperipherie  zu  polygonal  und  fest  an  einander  gefiigt  sind, 
nach  innen  zu  lockerer  zusammengehauft  kleine  Zwischenraume 
zwischen  sich  frei  lassen  und  daher  auch  mehr  kugelige  und  ovale 
Formen  annehmen.  Obwohl  alle  Zellen  der  Blastula  gleichmassig 
mit  kleinen  Dotterplilttchen  erfiillt  sind,  wollen  wir  doch  dem  Bei- 
spiel  der  iibrigen  Autoreu  folgend  nur  die  grossen  zu  einer  Masse 
augehiiuften  Elemente  am  vegetativeu  Pole  als  Dotterzellen  be- 
zeichnen. 

Die  Gastrulation  erfolgt  am  zweiten  Tage  nach  der  Befruch- 
tung.  In  einem  Falle  begann  sie  bei  einer  Wassertemperatur  von 
15  Grad  C.  nach  46  Stunden,  in  einem  anderen  Falle,  in  welchem 
die  Wassertemperatur  auf  20  Grad  gestiegen  war,  trat  sie  schon 
in  der  30sten  Stunde  ein. 

Die  bei  der  Gastrulation  schon  ilusserlich  wahrnehmbaren 
Veranderungen  ergeben  drei  verschiedene  Bilder  (Taf.  XII  Fig.  1 
— 3).  Zuerst  eutsteht  an  der  nach  abwarts  gekehrten  Fliiche  der 
Blastula  (Fig.  1)  in  einiger  Entfernung  vom  vegetativeu  Pole,  als 
erstes  Anzeichen  der  beginnendeu  Einstiilpung,  eine  kleine  Grube  (u). 
Um  dieselbe  schon  am  lebenden  Objecte  zu  erkennen,  muss  man 
die  Eier  im  Wasser  umwenden  und  rasch  untersuchen,  ehe  sie  in 


Die  Eutwicld.  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbeltliiere.    293 

ihre  alte  Lage  zuriickrotirt  sind.  Auf  einem  weiteren  Stadium 
(Fig.  2)  —  etwa  4—6  Stunden  spater  —  ist  seitlich  vom  vege- 
tativen  Pole  der  Kugel  eine  hufeiseuformig  gekriimmte  Rinne  (u) 
zu  bemerkeu,  welclie  den  spaltformig  gewordenen  Gastrulamund 
darstellt.  Schon  an  Embryonen  dieses  friihen  Alters  kann  man 
sich  vollstandig  iiber  die  verschiedeneu  Hauptebeneu  und  Axen 
des  zukiinftigen  Thieres  orientiren.  Der  Gastrulamund  bezeichnet 
das  spatere  hintere  Ende,  seine  Convexitat  ist  dem  Riicken,  die 
Concavitat  der  Bauchseite  zugekelirt,  an  welcher  die  Dottermasse 
angehauft  ist;  linke  und  rechte  Seite  ergeben  sich  hieraus  von 
selbst*).  Auf  dem  dritten  Stadium  habeu  sich  die  beiden  Schen- 
kel  des  Hufeiseus  ventralwilrts  genahert;  die  hufeisenformige  Rinne 
ist  daher  jetzt  in  eine  kreisformige  ubergegangeu  (Taf.  XII  Fig.  3w). 
Das  sich  immer  mehr  verkleiuernde,  von  der  Rinne  umgrenzte 
Feld  (d)  besteht  aus  Dottermasse,  welche  auf  diesem  Stadium  der 
Einstiilpung  alleiu  noch  uicht  umwachsen  und  von  aussen  daher 
noch  zu  sehen  ist;  es  ist  der  sogenannte  Rusconi'sche  Dotterpfropf, 
welcher  den  Zugang  zur  Gastrulahohle  bis  auf  einen  kleinen  dor- 
sal gelegenen  Spalt  vollkommen  ausfiillt. 

Durchschnitte  lehren,  dass  die  Einstiilpung  an  einer  Stella 
beginnt,  an  welcher  der  verdiinnte  Theil  der  Blastula-Wandung  in 
die  Masse  der  Dotterzellen  iibergeht  (Taf.  XIII,  Fig.  1—4).  Da- 
durch  wird  die  Gastrula,  was  eine  Eigenschaft  aller  Wirbelthiere 
mit  Ausnahme  des  Amphioxus  ist,  bilateral  symmetrisch,  indem 
die  Dottermasse  ventralwarts  zu  liegen  kommt  und  dorsale  Seite 
und  ventrale  Seite  von  Anfang  an  einen  verschiedeneu  Character 
erhalten.  Wie  Balfour,  Scott  und  0 shorn  ganz  richtig  her- 
vorgehoben  haben,  ist  die  so  friih  hervortretende  bilaterale  Sym- 
metrie  der  Gastrula  auf  die  Ansammlung  des  Dottermateriales 
zuriickzufiihren. 

Den  genaueren  Vorgang  der  Gastrulabildung  veranschaulichen 
uns  die  Figuren  2—4  (Taf.  XIII),  welche  Serien  von  Sagittalschuit- 
ten  durch  drei  verschiedene  Stadien  entnommen  sind.  In  Figur  2 
ist  der  Urdarm  {dh)  noch  sehr  klein,  dorsoventral  stark  comprimirt» 
und  lasst  noch  neben  sich  in  grosser  Ausdehnung  die  Furchungs- 

1)  Die  Schnitte,  welche  man  durch  das  Ei  hindurcUegen  kami, 
wollen  wir  als  Sagittal-  oder  Langsschnitte,  als  Querschnitte  und  als 
Frontalschnitte  bezeichnen.  Die  Langsschnitte  verlaufen  parallel  der 
Medianebeue;  die  Querschnitte  trefFen  die  letztere  rechtwinklig,  die 
Eroutalschnitte  gehen  der  Bauch-  und  Riickeutlaclie  parallel. 


294  0.   Hortwig, 

hohle  (F)  bestehen,  welche  den  vorderen  oder  den  Kopftheil  des 
Eies  einnimmt.  Die  Wandung  der  Gastrula  ist  dorsal  am  diiun- 
sten  mid  setzt  sich  hier  aus  zwei  Blattern,  dem  Ektoblast  {EJc) 
nnd  dem  Entoblast  {JEn),  zusammen,  welche  durch  eiuen  sehr 
sclimalen  Spalt  von  einander  getrennt  sind.  Die  Stelle,  wo  beidc 
Bliitter  in  einander  umbiegen,  begrenzt  die  oben  beschriebene  huf- 
eisenformige  Rinne  imd  soil  als  dorsale  Urmundlippe  {Id)  bezeichnet 
werden.  Von  den  beiden  primaren  Keimblattern  besteht  der  Ekto- 
blast aus  2—3,  der  dickere  Entoblast  aus  3—4  Zellenlageu.  Ven- 
tral ist  die  Gastrulaliohle  nur  von  der  Dotterzellenmasse  (D)  be- 
grenzt, an  welcher  wir  jotzt  drei  Flachen  zu  unterscheiden  habeu: 
eine  gastrale,  eine  zweite  der  Eioberflache  und  eine  dritte  der 
Eurclmngshohle  zugevvandte ;  an  jeder  trelifen  wir  eine  andere  Zel- 
lenform  an.  Nach  der  Furchungshohle  zu  schliessen  die  Zellen 
locker  zusammen  und  sind  tlieils  kugelig,  theils  oval;  nach  dem 
Urdarra  sowohl  als  nach  aussen  sind  sie  fest  zusammengefiigt  und 
gewinnen  dort  eine  langgestreckt  cylindrische,  hier  mehr  eine  un- 
regelmiissig  polygonale  Form. 

Die  Zellenschicht,  welche  die  Furchungshohle  nach  aussen  be- 
grenzt und  friiher  die  animale  Seite  der  Blastula  bildete,  hat  eine 
Veriinderung  erfahren.  Wahrend  sie  auf  dem  vorhergehenden  Sta- 
dium drei  Zellen  dick  war,  beginnt  sie  sich  mit  dem  Eintritt  der  Ga- 
strulation  allmahlich  vom  urspriinglich  animalen  Pol  oder  dem  zu- 
kiinftigen  vorderen  Ende  des  Embryo  aus  zu  verdiinnen.  An  einem 
kleinen  Theil  der  Oberilache  finden  wir  auf  dem  Durchschnitte  nur 
zwei  Lagen  von  Zellen,  welche,  unregelmassig  gestaltet,  meist  eine 
breitere  und  eine  schmalere  Endflache  besitzen  und  mit  denselben 
alteruirend  keilformig  in  einander  gefiigt  sind  (Fig.  2). 

Auf  einem  weiteren  Entwicklungsstadium  (Figur  3)  hat  sich 
der  uoch  immer  spaltformige  Urdarm  {dh)  mehr  nach  vorn  auf 
Kosten  der  sich  verkleinernden  Furchungshohle  (F)  ausgedehnt. 
Die  dorsale  Wand  hat  sich  in  der  Mittellinie  verdiinnt,  da  die 
Entoblastzellen  gegen  friiher  kleiner  geworden  und  nur  noch  in 
zwei  bis  drei  Lagen  angeordnet  sind.  Am  meisten  hat  sich  in 
Lage  und  Form  die  Dotterzellenmasse  D  verandert,  welche  weit 
mehr  in  das  Innere  des  Eies  aufgenommen  wordeu  ist.  Ihre  in 
Figur  2  nach  aussen  gekehrte  Flitche  hat  sich  dadurch,  dass  ein 
weiterer  Theil  zur  Begrenzung  des  Urdarm s  mit  eingestiilpt  wor- 
den  ist,  erheblich  verkleinert.  Die  Furchungshohle  (F)  ist  enger  ge- 
worden ;  denn  es  hat  sich  nun  auch  die  zwischen  den  Zeichen  *  —  o 
gelegene  Strecke  der  eingestiilpten  Dottermasse  dem  Ektoblast  an- 


Die  Entwickl.  des  mittlereu  Keimblattes  der  "Wirbelthiere.     295 

gesclimiegt.  Die  Masse  der  Dotterzellen  selbst  hat  sich  bei  diesen 
Lageveranderungen  in  zwei  durcli  eiue  tiefe  Furclie  getrenute  hiige- 
lige  Partieen  gesondert,  in  cine  grossere  am  Urmund  und  eine 
kleinere  mehr  nacli  vorn  gelagerte.  Der  Ektoblast  liat  sich  jctzt, 
soweit  als  noch  die  Furchuugshohle  erhalten  ist,  zu  eiuer  ein- 
fachen  Zellenscliicht  verdiinnt.  Die  Zellen  sind  nicht  mehr  un- 
rcgelmassig  geformt  und  alternirend  in  einander  gekeilt,  sondern 
stellen  ein  Epithel  rcgelmassiger  hoher  Cylinderzellen  dar.  Nach 
dcm  Urmund  zu  ist  der  Ektoblast  noch  zweischichtig. 

Erst  mit  dem  Schwund  der  Furchuugshohle  konuen  wir  die 
Gastrulabildung  als  abgeschlossen  erklaren.  Es  ist  dies  Ziel  er- 
reicht,  wenn  der  Urmund  kreisformig  geworden  und  der  Dotter- 
pfropf  allseitig  scharf  umschrieben  ist  (Taf.  XII,  Fig.  3).  Bei  einer 
derartigen  Grenzbestimmung  erfordert  die  Gastrulation  zu  ihrer 
Vollendung  bei  einer  Wassertemperatur  von  15  —  20  *^  R.  etwa 
10—14  Stunden.  Der  sagittale  Durchschnitt  (Taf.  XIII,  Fig.  4) 
zeigt  uns  jetzt  die  Gastrula  in  gauzer  Ausdehnung  zweiblatterig, 
ohne  dass  iudessen  iiberall  Ektoblast  und  Entoblast  gleichmiissig 
fest  an  einander  schlossen.  Die  in  zwei  hiigelige  Partieen  gesonderte 
Dottermasse  ist  in  das  Innere  des  Eies  vollstandig  aufgenommen 
worden  und  lasst  so  nur  noch  zwei  Flachen  unterscheiden ,  eine 
den  Urdarm  begrenzende  und  eine  dem  Ektoblast  zugekehrte.  Eine 
kleine  Partie  schiebt  sich  in  den  Urmund  (w)  hinein,  ihu  als  Dot- 
terpfropf  (d)  verstopfend.  Der  Urdarm  beginnt  daselbst  als  ein 
euger  Spalt  {dh'),  weitet  sich  aber  im  Kopftheil  des  Eies  zu  einer 
geraumigen  Hohle  {dJi-)  aus.  Der  Ektoblast  {Ek)  ist  mit  Voll- 
endung der  Gastrulabildung  in  ganzer  Ausdehnung  in  eine  einzige 
Schicht  gleichmiissig  hoher,  fest  an  einander  schliessender  Cylinder- 
zellen umgebildet.  Der  Entoblast  dagegen  besitzt  verschiedenar- 
tigere  Zellenformeu  und  eine  nach  den  einzelnen  Regionen  wech- 
selnde  Dicke.  An  der  Decke  des  Urdarms  ist  er  verdiinnt  zu 
einem  einfachen  Epithel  cylindrischer  Zellen  (Enc),  welche  einen 
schmalen,  mit  der  zukunftigen  Axe  des  Embryo  zusammenfallenden 
Streifen  formiren.  Im  Bereich  des  Streifens  ist  die  Gastrulawan- 
dung  am  diinnsten  und  haften  die  beiden  Keimblatter  am  festesten 
an  einander.  Nach  vorn  zu  werden  die  Zellen  grosser,  nehmen  mehr 
eine  runde  oder  ovale  Form  an,  sind  in  ein  oder  zwei  Lagen 
locker  zusammengefugt  und  auch  dem  Ektoblast  weniger  innig  ver- 
bunden.  Ventrahvarts  und  seitlich  dehnt  sich  die  Masse  der  Dot- 
terzellen aus,  die  sich  durch  Theilung  nur  unerheblich  verkleinert 
habeu.  Bemerkenswerth  ist  noch  die  dorsale  Urmundlippe  (Taf.  XIII, 


296  0.  Hertwig, 

Fig.  4  {Id)),  welche  durcli  Ansammlung  kleiner,  in  mehreren  Schicli- 
ten  zusammen  gedriingter  Zellen  wiilstformig  verdickt  ist. 

Wahrend  Scott  imd  Osborn  iiber  die  Entwicklung  der  Ga- 
strula  kurz  hinweg  gehen,  bin  ich  bei  der  Beschreibung  der  einzel- 
nen  Stadien  langer  verweilt,  um  in  den  Process  der  Einstiilpung 
einen  Einblick  zu  gewinnen.  Aus  den  angefiihrten  Thatsachen  geht 
nun  klar  hervor,  dass  wahrend  der  Gastrulaeutwicklung  eine  con- 
tinuirliche  und  betrachtliche  Oberfliichenvergrosserung  der  Zellen- 
merabran  der  Blastula  stattfiudet.  Sie  ilussert  sich  in  einer  dop- 
pelten  Weise:  erstens  in  einer  Vermebrung  und  flachenartigen  Aus- 
breitung  der  animalen  Zellen;  urspriinglich  in  3 — 4  Lagen  ange- 
ordnet,  verdiinnen  sie  sich  schliesslich  zu  einer  einfachen  Cylinder- 
zellenmembran.  Da  die  Verdiinnung  am  animalen  Pole  sich  zuerst 
und  am  meisten  bemerkbar  macht  und  von  hier  nach  dem  vege- 
tativen  Pole  fortschreitet ,  so  muss  fortwiihrend  eine  Verschiebung 
Oder  ein  Wandern  der  Zellen  vom  animalen  nach  dem  vegetativen 
Pole  zu  erfolgen.  Zweitens  aussert  sich  die  Oberflachenvergrosse- 
rung  auch  darin,  dass  sich  die  Dotterzellen  an  Zahl  vermehren 
und  weiter  ausbreiten.  Da  nun  eine  irgendwie  erheblichere  Volums- 
zunahme  der  Kugel  nicht  erfolgt,  ihr  Radius  nahezu  derselbe  bleibt 
und  hochstens  um  ein  Unbedeutendes  wachst,  so  muss  eine  Ein- 
stiilpung und  eine  Verdoppelung  der  die  Kugeloberflache  bildenden 
Membran  die  Folge  sein.  Bei  der  Einstiilpung  bilden  die  vom 
animalen  Pole  sich  vorschiebenden  kleinen  Zellen  die  Decke  der 
Urdarmhohle,  indem  sie  um  den  oberen  Lippenrand  in  das  Innere 
wandern,  die  Dottermasse  dagegen  liefert  die  ventralen  und  seit- 
lichen  Theile  des  Entoblasts.  Sie  gerath  allmahlich  vollstandig 
in  das  Innere  des  Eies  dadurch,  dass  sie  um  die  mit  *  bezeich- 
nete  Stelle  (Taf.  XIII,  Fig.  1  —  4)  wie  um  einen  festen  Punkt 
rotirt,  bis  ihre  urspiingiiche  iiussere  Flache  (Fig.  1  —  3  *  —  f) 
ganz  zur  Begrenzung  der  Urdarmhohle  aufgebraucht  worden  ist. 
Bei  dieser  Art  der  Einstiilpung  nahert  sich  die  Umschlagstelle  * 
immer  mehr  der  dorsalen  Urmundlippe  (Id)  und  erganzt  dieselbe 
zum  kreisformigen  Blastoporus  (Taf.  XII,  Fig.  3).  Die  Dottermasse 
wird  also  gleichfalls  bei  der  Gastrulation  vollstandig  mit  invaginirt. 

Zweite  Periode. 

Noch  ehe  die  Gastrula  ganz  vollendet  ist,  also  noch  vor  dem 
Stadium,  welches  Fig.  4  darstellt,  haben  sich  im  Umkreis  des  Ur- 
mundes  schon  einige  Veriinderungen  abgespielt,  die  mit  der  Ent- 


Die  Entwickl.  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiei'e.     297 

stehung  des  mittleren  Keimblattes  ziisammenliaiigen.  Dieselben 
babe  icb  bis  jetzt  iibergaiigen ,  um  sie  erst  bei  der  Bescbreibung 
der  zweiten  Periode,  welcbe  durcb  die  Eutstebuiig  des  mittleren 
Keimblattes  characterisirt  ist,  mit  zu  besprecben. 

Aiicb  wabrend  der  zweiten  Periode  erleiden  die  Eier  an  der 
ilusseren  Oberflacbe  iuteressante  Veranderungen ,  welche  uns  zur 
Bestimmuug  ibres  Alters  einen  sicberen  Maassstab  an  die  Hand 
geben  (Taf.  XII,  Fig.  4—  6).  Es  bleibt  namlicb  der  Blastoporus  (u) 
niir  kurze  Zeit  in  seiner  runden  Form  erbalten  (Fig.  4) ;  dann 
wacbsen  seine  Bander  von  links  und  recbts  tiber  den  Dotter- 
pfropf  beriiber,  bis  sie  nur  nocb  einen  scbmalen  und  tiefen  Spalt 
Ijegrenzen  (Fig.  5).  Dieser  liegt  in  der  Langsaxe  des  Embryo  am 
aboralen  Pol  und  erhalt  sieb  ziemlicb  unveriindert,  wodurcb  es 
ermoglicbt  wird,  die  relative  Lage  der  Organe  zum  Urmund  fest- 
zustellen. 

Ausser  dem  Urmundspalt  entwickeln  sicb  nocb  drei  weitere 
Binnen  auf  der  Oberflacbe  des  Eies.  In  einiger  Entfernung  links 
und  recbts  von  ibm  erscbeinen  zwei  kleine  halbmondformige  Fur- 
cben  (r),  welcbe  sich  langsam  vergrossern,  bis  sie  ventralwiirts 
unter  einander  verbunden  sind  (Taf.  XII,  Fig.  4  u.  5).  Sie  um- 
grenzen  von  der  Seite  und  von  unten  das  Urmundfeld,  welches  sicb 
spilter  etwas  biigelartig  iiber  das  Niveau  der  Eioberfliicbe  empor- 
bebt  (Fig.  6).  Wichtiger  ist  die  andere  Bildung  (^),  welcbe  wie 
die  Primitivrinne  der  amnioten  Wirbeltbiere  verliiuft.  Nacb  vorn 
vom  Urmundspalt  (u)  und  in  geringer  Entfernung  von  ibm  senkt 
sich  die  Oberflacbe  des  Eies  zu  einer  kleinen  Furche  ein,  die  mit 
der  Langsaxe  des  Eies  zusammenfallt  (Taf.  XII,  Fig.  4 — 6).  An- 
fiinglich  kurz  (Fig.  4)  verlangert  sie  sich  mehr  und  mehr  nach 
vorn  und  nimmt  schliesslich  die  ganze  Dorsalflache  des  Eies  ein 
(Fig.  6).  Sie  soil  als  Biickenrinne  (t)  bezeichnet  werden.  Mit  dem 
gleicb  gerichteten  Urmundspalt  fliesst  sie  weder  Anfangs  nocb  auch 
spater  zusammen,  sondern  bleibt  von  ibm  durcb  einen  queren 
Wall  (w)  getrennt,  wodurcb  deutlicb  bewiesen  ist,  dass  beide  Bil- 
duugen  in  ihrer  Genese  vollkommen  unabhangig  von  einander  sind. 
Da  mit  der  Verlangerung  der  Biickenrinne  nach  vorn  auch  das  Ei 
in  eine  mehr  ovale  Form  iibergebt,  ist  auf  diesem  Stadium  die 
Orientirung  liber  Bauch-  und  Biickenflache,  iiber  vorn  und  hinten 
in  bohem  Grade  erleichtert. 

Wabrend  dieser  ausseren  Erscheinungen ,  die  einen  Zeitraum 
von  12 — 15  Stunden  fur  sich  in  Anspruch  nehmen,  gehen  im  In- 
neren  des  Eies  die  wichtigen  Veranderungen  vor  sich,  welche  das 


298  0.  Hertwig, 

niittlere  Keimblatt  in's  Leben  rufen  und  welcbe  der  hauptsach- 
liche  Gegenstand  der  vorliegendcn  Untersucbung  sind.  Urn  in  die- 
selbeii  eiiien  vollstandigen  Einblick  zu  erbalten,  muss  man  das  Ei 
in  quere,  frontale  und  sagittale  Scbnitte  zerlegen.  Dabei  bat  man 
mit  der  Scbwierigkeit  zu  kampfen,  dass  aus  eiuer  Scbnittserie 
immer  nur  eine  geringe  Anzabl  von  Scbnitten  vollkommen  braucb- 
bar  ist,  da  bei  dem  grosseren  Tbeil  wegen  der  kugeligen  Ober- 
flacbe  des  Eies  die  Zellenscbicbten  nicbt  genau  senkrecbt,  sondern 
in  hoberem  oder  geringereni  Grade  scbriig  durcbscbnitten  werden, 
was  die  Deutlicbkeit  der  Bilder  beeintracbtigt.  Will  man  von  den 
wichtigen  Regionen  vollkommene  Ansicbten  erbalten,  so  muss  man 
entweder  mebrere  und  zwar  beim  Scbneiden  verscbieden  orieutirte 
Eier  zerlegen  oder  man  muss  wabrend  des  Scbneidens  die  Scbnitt- 
ricbtuug  ofters  iindern. 

Die  nacbste  Umgebung  des  Blastoporus  ist  es,  in  welcber  die 
Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes  scbon  vor  Ablauf  der  ersten 
Periode  beginnt.  Drei  Frontalscbnitte  (siebe  Anmerkung  pag.  293), 
die  durcb  den  Blastoporus  und  seine  Umgebung  bindurcbgelegt 
worden  sind  (Taf.  XIII,  Fig.  9.  Taf.  XV,  Fig.  6  u.  17),  geben  uns 
Aufscbluss  bieriiber.  Der  in  Figur  9  abgebildete  Frontalscbnitt, 
welcber  gewissermassen  ein  Pendant  zu  Figur  4,  einem  Sagittal- 
scbnitt,  darstellt,  bat  gerade  in  der  durcb  die  Linie  c  —  d  (Fig.  4) 
bezeicbneten  Ricbtung  den  Dotterpfropf  {d)  getrofifen,  der  aus  gros- 
sen  Zellen  zusammengesetzt  nocb  aus  dem  Blastoporus  berausragt. 
Die  Urmundlippen,  welcbe  denselben  so  fest  einzwangen,  dass 
nicbt  einmal  ein  scbmaler  ringformiger  Spaltraum  iibrig  bleibt 
(Fig.  9),  sind  verdickt  und  besteben  aus  zwei  am  freien  Rand  in 
einander  tibergebenden  Membranen,  die  aus  mebreren  Lagen  klei- 
ner  Zellen  gebildet  sind.  Die  innere  Membran  oder  der  Entoblast 
des  Gastrulamundes  bangt  nun  aber  nicbt  unmittelbar  mit  der  ein- 
gestiilpten  Masse  der  grossen  Dotterzellen  (D)  zusammen,  deren 
Fortsetzung  nacb  Aussen  der  Dotterpfropf  {d)  ist ;  vielmebr  seben 
wir  sie  in  eine  mebrfacbe  Lage  kleiner  Zellen  iibergeben,  die  auf 
dem  Durcbscbnitte  als  zwei  keilformige  Massen  erscbeinen  (Fig.  9 
Me'^  Me^).  Die  beiden  Keile  drangen  sicb  nacb  links  und  recbts 
mit  ihrem  zugescbarften  Rande  zwiscben  den  Ektoblast  {Eh)  und 
die  grossen  Dotterzellen  (D)  binein,  welcbe  den  Urdarm  {dh'^) 
ventral  begrenzen;  sie  sind  von  beiden,  namentlicb  aber  vom  Ekto- 
blast, durcb  einen  Spaltraum  eine  Strecke  weit  gesondert.  Xacb 
Inneu,  nacb  dem  Dotterpfropf  {d)  zu  geben  sie  in  die  Masse  der 
Dotterzellen  iiber,   die  sicb   bier  iunerbalb   einer  scbmaleu  Zone 


Die  Entwiclcl.  des  mittleren  Keimhlafte?  der  "Wirbelthiere.     209 

diirch  Theilung  vervielfaltigt  haben  imd  durch  ihre  Kleinheit  von 
den  gewohnlichen  grossen  Dotterzellen  unterschieden  sind.  Die 
beiden  links  und  rechts  vom  Blastopoms  entstandenen  Anlagen 
stellen  den  Mesoblast  dar.  In  denselben  sab  ich  an  einzebien 
Durcbscbnitten  (Taf.  XIII,  Fig.  9)  von  dem  den  Dotterpfropf  uni- 
gebenden  Raiim  {dh^)  einen  kieinen  Spalt  eindringen,  so  dass  die 
Zellenmasse  in  ein  ausseres  oder  parietales  und  in  ein  inneres  oder 
viscerales  Blatt  zerlegt  wurde,  von  welcben  jedes  zwei  bis  drei 
Zellen  dick  ist.  Das  viscerale  Blatt  (Me^)  vereinigt  sich  mit  der 
in  lebhafter  Zellenvermebrung  begriffeuen  Dottermasse,  das  parie- 
tale  (Jfe^)  dagegen  geht  an  der  Urmundlippe  in  den  Ektoblast  iiber. 
Von  den  beiden  anderen  Schnitten  (Taf.  XV,  Fig.  6  u.  Fig.  17) 
ist  der  eine  in  einiger  Entfernimg  vor  dem  BL^stoporus,  der  andere 
etwas  hinter  ihm  durch  das  Ei  hindurcbgelegt  worden.  Der  Schnitt 
vor  dem  Blastoporus  (Fig.  6)  lauft  in  einer  Richtung,  welche  durch 
die  Linie  x — y  in  dem  Sagittalschnitt  (Taf.  XIII,  Fig.  4)  angedeutet 
wird.  Der  Urdarm  ist  durch  zwischengeschobene  Dottermasse  in 
zv/ei  Raume  getrenut,  in  eine  grosse,  ventrale  Hohle  dh^ ,  und 
einen  schmalen,  dorsal  gelegenen  Spalt  dh^ ,  welcher  nach  riick- 
warts  (Taf.  XIII,  Fig.  4)  mit  dem  Blastoporus  (u)  und  nach  vor- 
warts  mit  der  grossen  Darmhohle  dh^  communicirt.  Der  schmalc 
Spalt  wird  nach  oben  von  einer  einfachen  Schicht  cylindrischer 
Entoblastzellen  (Taf.  XV,  Fig.  6  Enc)  begrenzt,  welche  bald  am 
centralen,  bald  am  peripheren  Ende  verbreitert  sind  und  mit  dem 
dariiber  gelegenen  gleichfalls  aus  cylindrischen  Zellen  bestehenden 
Ektoblast  ziemlich  fest  zusammcnhjingen.  Letzteres  muss  beson- 
ders  hervorgehoben  werden,  da  mit  Ausnahme  dieser  Gegend,  welche 
zum  Theil  der  alsbald  sichtbar  werdenden  Riickcnrinne  entspricht, 
der  Ektoblast  mit  den  innen  liegenden  Membranen  nur  locker  ver- 
bunden,  wenn  nicht  sogar  durch  einen  kieinen  Spaltraum  von  ihnen 
getrennt  ist.  Auf  Durcbscbnitten  kann  man  daher  auch  leicht  die 
aussere  Schicht  der  Cylinderzellen  mit  Ausnahme  der  kieinen  dor- 
salen  Partie  sehr  bequem  vom  Mesoblast  und  Entoblast  als  zusam- 
men  haugenden  Ring  ablosen.  Ventral  wird  der  Darraspalt  von  der 
grosszelligen  Dottermasse  umgeben  (D),  welche  wie  der  Sagittal- 
schnitt (Taf.  XIIT,  Fig.  4)  schon  erliiutert,  in  den  Urdarm  wall- 
artig  hineingeschoben  ist  und  ihn  in  die  beiden  oben  beschriebenen 
Hohlen  zerlegt.  Unsere  besondere  Beachtung  aber  verdienen  an 
dem  vorliegcnden  Frontalschnitt  (Taf.  XV,  Fig.  6)  wieder  zwei 
Streifen  kleiuer  Zellen  {Me^  Jfe^),  welche  links  und  rechts  von 
der  Wandung  des  Darmspaltes  ausgehend  sich  eine  kleine  Strecke 


300  0.  Hevtwig,      ■ 

weit  zwischen  Ektoblast  imd  Dotterniasse,  von  beiclcn  durch  einen 
Zwischenraum  deutlicli  getrennt,  hinein  schiebeu.  Sie  entsprechcn 
offenbar  den  auf  Taf,  XIII,  Fig.  9  schon  aufgefundenen  Mesoblast- 
streifen,  in  welcbe  sie,  wie  die  Verfolgung  der  Schnittscrie  ergiebt, 
auch  iibergehen.  Im  Vergleich  zu  diesen  sind  sie  aber  unansehn- 
lidier  geworden,  da  sie  nur  2  bis  3  Lagen  kleiner  ovaler  Zellen 
enthalten.  Wahrend  nun  die  beiden  Mesoblaststreifen  unsererFigur 
allseitig  gut  abgesondert  sind,  hangen  sie  nach  der  Mittellinie  zu 
mit  der  Epithelbegrenzung  des  Urdarms  zusainmen.  Die  aussere 
Oder  parietale  Zellenschicht  (3Ie^)  geht  in  das  dorsale  Cylinder- 
cpithel  {Enc),  die  viscerale  Schicht  (Me^)  in  die  Dotterzellen  (D) 
iiber,  welche  den  Darmspalt  (dh^)  nach  unten  abschliessen.  Aehn- 
liche  Bilder  beobachtet  man  noch  auf  den  nachst  folgenden  Schnit- 
ten,  dann  aber  andert  sich  das  Bild,  indem  etwas  weiter  nach  dem 
Kopfende  des  Eies  zu  der  Mesoblast  schwindet  und  die  beiden 
primilren  Keimblatter  sich  unmittelbar  beriihren. 

Was  endlich  den  dritten  hinter  dem  Blastoporus  angefertigten 
Schnitt  anbetrifft,  so  hat  derselbe  (Taf.  XV,  Fig.  17)  gerade  die 
Umschlagstelle  des  Ektoblasts  in  die  Dottermasse  getrot!en  in  einer 
Richtung,  welche  durch  die  Linie  ah  in  Figur  4  der  Tafel  XIII  an- 
gedeutet  wird.  Man  sieht  Ektoblast  und  Dottermasse,  welche  an- 
derswo  durch  einen  Spalt  getrennt  sind,  eine  Strecke  weit  ver- 
schmolzen  und  die  Dottermasse  in  grosser  Ausdehnung  in  kleine 
Elemente  von  der  Grosse  der  Mesoblastzellen  zerfallen.  Auf  einem 
weiteren  Schnitt,  der  nicht  mit  dargestellt  wurde,  ist  die  Ver- 
schmelzungsstelle  kleiner  geworden,  dann  wird  die  Trennung  uberall 
eine  vollstandige.  Die  Zone  kleiner  Zellen  im  Dotter  wird  immer 
beschrilnkter  und  verliert  sich  rasch  vollstandig,  so  dass  in  kurzer 
Entfernung  vom  Blastoporus  dem  Ektoblast  ausschliesslich  grosse 
Dotterzellen  anliegen. 

An  etwas  alteren  Eiern,  an  denen  die  Ruckenrinne  niehr  und 
mehr  in  Ausbildung  begritlen  ist,  macht  auch  die  Entwicklung 
des  Mesoblasts  rasche  Fortschritte  und  liefert  auf  Frontal-  und 
Sagittalschnitten  klare  und  iiberzeugende  Bilder. 

Der  auf  Tafel  XIII  dargestellten  Figur  9  des  vorhergehenden 
Stadiums  entspricht  der  daneben  gezeichnete  Durchschnitt  Figur  10, 
welcher  gleichfalls  durch  den  Gastrulamund  (m)  hiudurchgelegt 
ist.  Der  letztere  ist  hier  schon  zu  einem  schmalen  Langsspalt 
verengt,  in  welchen  noch  ein  Rest  des  Dotters  in  einen  diinnen 
Zipfel  (d)  ausgezogen  hineinragt. 

Links  und  rechts  vom  Urmund  nehmen  die  beiden  Mesoblast- 


Die  Entwickl.   des  mittleren  Keinibltittes  der  "Wirbelthiere.     301 

massen  (3Ie^  und  Me^)  ihren  Anfang  und  sind  schon  urn  die 
halbe  Circumferenz  des  Eies  herumgewucliert;  sie  lassen  jetzt 
ebenso  deutlich  wie  friiher  erkenueu,  dass  sie  sowohl  vom  ein- 
schichtigen  Ektoblast  (EJc)  als  auch  vom  Entoblast  {En)  durch 
einen  oft  ziemlich  weiten  Spalt  scharf  geschieden  sind  imd  mit 
ihnen  nur  an  einer  beschrankten  Stelle,  am  Urmund,  zusammen- 
hangen.  Hier  gelien  sie  erstens  in  den  verdickteu  Entoblast  der 
Urmundlippen  und  zweitens  in  die  Dottermasse  uber,  die  sich  in 
den  oben  erwahnten  Zipfel  verlangert.  Auch  konnte  ich  meistens 
auf  meinen  Durch schnitten  den  spaltformigen  Anfangs  -  Theil  des 
Urdarms  (dh^),  welcher  zwischen  den  Gastrulalippen  (Is)  und  dem 
Dotterzipfel  (d)  gelegen  ist,  sich  in  die  beiden  Mesoblastmassen 
eine  Strecke  weit  hinein  verlangern  und  dieselben  in  zwei  Blatter 
(Me^  und  Me^)  zerlegen  sehen.  Im  Vergleich  zu  Mheren  Sta- 
dien  sind  die  Mesoblastzellen  durch  Theilung  kleiner  geworden 
und  lieben  sich  dadurch  urn  so  besser  von  den  viel  grosseren  Dot- 
terzellen  des  Entoblasts  (D)  ab. 

Der  eben  beschriebenen  Figur  schliessen  sich  die  in  verschie- 
dener  Entfernung  vor  dem  Gastrulamund  hindurchgelegten  Schnitte 
an,  welche  raehreren  Schnittserien  durch  gleich  weit  entwickelte 
Eier  entnommen  sind  (Taf.  XV  Fig.  15  u.  4.  Taf.  XIII  Fig.  11. 
Taf.  XIV  Fig.  1  u.  2). 

Der  auf  Taf.  XV  Fig.  15  abgebildete  Schnitt  hat  gerade  den 
oben  erwahnten  Wall  (Taf.  XII  Fig.  4^<;)  getroifen,  durch  welchen 
der  spaltforraige  Urmund  und  die  Ruckenrinne  getrennt   werden. 

Der  Wall  (w)  springt  etwas  liber  die  Kugeloberfliiche  des 
Eies  hervor  und  ist  links  und  rechts  von  zwei  Furchen  (r)  uni- 
grenzt,  die  uns  schon  bei  Betrachtung  der  Eioberfliiche  in  die 
Augen  fielen,  Er  bildet  die  Decke  des  nahe  an  seiner  Ausmun- 
dung  spaltformigen  Urdarmes  (dh^)  und  besteht  aus  2  nur  wenig 
von  einander  gesonderten  Blilttern,  dem  einschichtigen  Ektoblast 
und  dem  Entoblast  {Enc),  der  aus  mehreren  Lagen  spindelformi- 
ger  Elemente  zusammengesetzt  wird.  Die  untere  Fliiche  des  Ur- 
darms wird  von  4—6  Lagen  Dotterzellen  (D)  gebildet,  die  von 
der  ventralen  Hauptmasse  des  Dotters  als  eine  Barriere  zwischen 
den  Anfang  und  den  erweiterten  Theil  des  Urdarms  hinein  gescho- 
ben  sind  (Taf.  XIII  Fig.  4).  Die  links  und  rechts  gelegenen  bei- 
den Mesoblaststreifen  {Me)  sind  jetzt  nur  2  —  3  Zelllagen  dick 
und  sind  von  ihrer  Umgebung  allseitig  gut  abgegrenzt  bis  auf 
die  beiden  Winkel   des  Darmspaltes,   wo  sie  einerseits  mit  dem 


302  0.  Kcrtwig, 

dorsalen,  andererseits  mit  dem  ventralen  Entoblast  an  den  mit 
Sternchen  *  bezeichneten  Punkten  zusammenhangcn. 

Auf  einem  der  naclist  folgonden  Schnitte  (Taf.  XV  Fig.  4)  ist 
der  Anfang  der  Ruckenrinne  {i)  getroffen.  In  ihrem  Bereich  ist 
die  Decke  des  Urdarms  stark  verdiinnt,  weil  der  in  Figur  15  noch 
niehrschichtige  Entoblast  auf  eine  einfache  Schicht  hoher  cylin- 
drischer  Zellen  (Enc) ,  welclie  an  das  aussere  Keimblatt  direct 
angrenzen ,  reducirt  ist.  Das  zur  Abbildung  gewahlte  Praparat 
ist  auch  in  sofern  von  Interesse,  als  gerade  das  Ende  der  Dot- 
termasse  (D)  durchschnitten  ist,  welche  als  Wulst  vorspringend 
den  Urdarm  in  eine  spaltforraige  und  in  eine  geriiumige  Holile 
scheidet.  Der  vorgeschobene  Wulst  ist  auf  der  linken  Seite  noch 
mit  der  Darmwand  verbunden ,  wahrend  er  rechts  mit  abgerun- 
deter  Oberflache  frei  in  den  Urdarm  hineinragt,  dessen  spaltfor- 
miger  (dh^)  und  erweiterter  Theil  (dh^)  somit  in  Communication 
zu  treten  beginnen.  .Die  Beschreibung  des  Mesoblasts  kann  hier 
iibergangen  werden,  da  die  Verhaltnisse  genau  dieselben  sind  wie 
auf  den  durch  die  Mitte  der  Riickenrinne  gefiihrten  Schnitten, 
welche  wir  nunmehr  nach  3  verschiedenen  Abbildungen  (Taf.  XIII 
Fig.  11,  Taf.  XIV  Fig.  1  u.  2)  ausfuhrlich  beschreiben  wollen. 

An  zwei  Schnitten  ist  die  Rinnenbildung  it)  nur  schwach  an- 
gedeutet ,  auf  dem  dritten  (Taf.  XIV  Fig.  2)  ist  sie  ziemlich  tief, 
und  springt  in  Folge  dessen  die  Decke  des  Urdarms,  welcher 
sich  jetzt  zu  einer  grossen  Hohle  im  Innern  des  Eies  ausgeweitet 
hat,  entsprechend  nach  Innen  leistenartig  vor.  Im  ganzen  Be- 
reich der  Ruckenrinne  stossen  die  beiden  primaren  Keirablatter 
unmittelbar  zusammen,  sind  ziemlich  innig  unter  einander  ver- 
bunden und  bestehen  ein  jedes  in  ganz  gleicher  Weise  aus  einer 
einzigen  Lage  hoher  cylindrischer  Zellen.  Links  und  rechts  von 
der  Ruckenrinne  ist  der  Mesoblast  gebildet  und  zugleich  auch 
der  Character  des  Entoblasts  ein  total  veranderter.  An  Stellc 
der  2  Blatter  sind  plotzlich  4  deutlich  gesonderte  Zellenlagen  ge- 
treten,  von  welch  en  die  aussere  und  die  innere  den  Ektoblast  (EJc) 
und  den  Entoblast  (End),  die  beiden  mittleren  das  parietale  und 
das  viscerale  Blatt  des  Mesoblasts  {Me^  u.  Jfe*)  darstellen.  Der 
Ektoblast  allein  bietet  dasselbe  Aussehen  wie  an  der  Riickenrinne 
dar,  dagegen  besteht  keines  der  drei  iibrigen  Blatter  aus  Cylinder- 
zellen  ,  wie  der  Entoblast  der  dorsalen  Mittellinie. 

Der  seitlich  den  Urdarm  begrenzende  Entoblast  (Taf.  XIII 
Fig.  11  u.  Taf.  XIV  Fig.  1  End)  zeigt  uns  ganz  anders  geformte, 
ctwas  grossere,  unregelmassig  polygonale  Elemente,   ahnlich  den 


Die  Eiitwickl.  des  mitlleron  Kcimbbltcs  dor  WirbcUhierc.      303 

Elcmciiten,  aus  cleiicn  auch  die  Dottcrmassc  ziisammcngesctzt  ist, 
die  beideu  Bliltter  des  Mesoblasts  dagegen  enthalten,  wie  auf  den 
schon  friiher  beschriebenen  Stadien ,  kleiiiere ,  ovale ,  locker  zu- 
sammenhangende  Zellen ;  sie  liaben  sich  jctzt  etvva  iiber  die  oberc 
Ilalfte  des  kugeligen  Eies  ausgedehut  und  sind  iiberall  nach  aus- 
sen  und  nach  innen  durch  einen  scharfen  Contour  vom  Ektoblast 
und  Entoblast  getrennt  bis  auf  die  wichtige  und  beachtenswerthe 
Stelle  zu  beiden  Seiten  der  Riickenrinne,  wo  eiu  Zusammenliang 
und  zwar  in  folgender  Weise  stattfindet.  Die  Cylinderzellen  des 
dorsalen  Entoblasts  (Taf.  XIV  Fig.  1  Enc)  werden  nach  der  Seitc 
zu  plotzlich  etwas  niedriger  und  l)ilden  so  einen  Uebergang  zu 
den  cubischen  und  ovalen  Zellen  des  parietalen  Blattes  (ilfe^)  des 
Mesoblasts,  welche  sich  eng  an  sie  anschliessen.  Die  viscerale  Me- 
soblastlamelle  (Jfe^)  aber  steht  mit  dem  seitlichen  Entoblast  (End) 
in  Beziehuug,  indem  sie  in  deuselben  scharf  umbiegt.  Der  Um- 
schlagsrand  (*)  liegt  zum  Theil  den  Cylinderzellen  des  dorsalen 
Entoblasts  an  ihrem  Uebergang  in  das  parietale  Blatt  des  Meso- 
blasts test  an ,  zum  Theil  bedingt  er  auf  der  Innenflache  des  Eies 
nach  dem  Urdarm  zu  einen  kleinen  Vorsprung  (*).  Wir  sehen 
also  an  dieser  Stelle  —  und  das  ist  das  besonders  Bemerkens- 
werthe,  —  dass  der  aus  Cylinderzellen  bestehende  dorsale  Theil 
(Enc)  und  der  aus  grosseren  polygonalen  Zellen  bestehende  seit- 
liche  Theil  des  Entoblasts  {End)  nicht  unmittelbar  an  einandcr 
schlicssen  und  einer  in  den  andern  iibergeht,  sondern  dass  beidc 
durch  die  Mesoblastentwicklung  von  einander  getrennt  sind. 

Fiir  die  Richtigkeit  einer  derartigen  Auffassung  scheinen  mir 
ausser  anderen  noch  spilter  zu  erwahnenden  Verhaltnissen  ganz 
besonders  einige  Praparate  zu  sprechen,  an  welchen  eine  Locke- 
rung  der  einzelnen  normaler  Weise  fest  zusammenschliessenden 
Zellschichten  durch  den  Zug  des  Rasirmessers  beim  Schneiden  be- 
wirkt  worden  war.  Ein  derartiger  schadhafter,  aber  deswegen 
doch  immer  lehrreicher  und  fiir  Manches  beweiskriiftiger  Schnitt 
ist  aus  einer  Anzahl  anderer  zur  Abbildung  (Taf.  XIV  Fig.  2)  ge- 
wilhlt  worden.  Wir  sehen  jetzt  vom  Urdarm  (dh)  aus  jederseits 
einen  Spalt  in  die  paarigen  Anlagen  des  Mesoblasts  hineinreichen 
und  seine  beiden  Zelleuschichten  trennen,  ebenso  trennt  der  Spalt 
auch  den  unter  der  Riickenrinne  {t)  gelegenen  Entoblast  von  dem 
seitlichen  grosszelligen  Theil.  An  den  kiinstlich  getrennten  Thei- 
len  erkennt  man  jetzt  besser  die  zusaramengehorigen  Zellenlagen. 
So  bilden  die  Cylinderzellenschicht  des  Entoblasts  (Enc)  und  die 
beiden  parietalen   Blatter  des   Mesoblasts  {3Ie'^)  zusammen  eine 


304  0.  Hrrtwig, 

cinzige,  an  das  iiussere  Keimblatt  aiigrenzende  Scliicht,  in  wel- 
clier  nur  auf  der  linken  Seite  cine  Lockerung  der  Elemente  her- 
beigefiilirt  worden  ist.  Sie  stellen  die  obere  Wand  des  Urdarnis 
und  der  von  ibm  ausgehenden  beiden  Spalten  dar.  Auf  der  an- 
dern  Seite  schliessen  die  visceralen  Blatter  des  Mesoblasts  (Me^) 
und  die  seitlichen  grosszelligen  Theile  des  Entoblasts  {End)  an 
einander  und  vereinigen  sich  zu  zwei  Falten,  deren  Umschlags- 
rander  die  Communicatiouen  zMischeu  dera  Urdarm  und  den  2  kiinst- 
lich  bewirkten  Spaltraumen  im  mittleren  Keimblatt  begrenzen. 

Die  durch  Zug  getrennten  und  histologisch  ditferenten  Zell- 
schichten  unterscheiden  sich  aucb  durch  ihre  fernere  Bestimmung. 
Wie  sich  bei  Beschreibung  der  dritten  Periode  ergeben  wird,  ent- 
Avickelt  sich  aus  dem  unter  der  Riickenrinne  gelegenen  Streifen  der 
cylindrischen  Zellen  die  Chorda  dorsalis,  aus  den  grossen,  poly- 
gonalen  Elenienten  des  Entoblasts  dagegen  die  gesammte  epithe- 
liale  Auskleidung  des  Darmcanales.  Wir  wollen  daher  der  beque- 
nieren  Verstiindigung  wegen  in  Zukunft  die  beiden  den  Urdarm 
umschliessenden  Abtheilungen  des  Entoblasts  kurzweg  im  Hinblick 
auf  die  aus  ihnen  hervorgehenden  Organe  als  Chordaentoblast 
(Enc)  und  als  Darmentoblast  {End)  bezeichnen.  Von  den  beiden 
Zellschichten  des  mittleren  Keimblattes  wird  die  eine  zum  Haut- 
faserblatt,  die  andere  zum  Darmfaserblatt. 

Einen  weiteren  Einblick  in  die  Vertheilung  und  in  den  Zu- 
sammenhang  der  Zellmassen  liefern  Sagittalschnitte ,  von  welchen 
drei  aus  2  verschiedenen  Serien  zur  bildlichen  Wiedergabe  aus- 
gewahlt  worden  sind  (Taf,  XIII,  Fig.  5,  6  u.  7).  Fig.  5  stellt 
einen  genau  durch  die  Mitte  des  Eies  gefiihrten  Sagittalschnitt 
dar.  Er  zeigt  uns  am  hintern  Ende  des  Embryo  den  kleinen  Ur- 
mund  (w),  welcher  in  den  spaltformigen  Theil  des  Urdarms  {dh^)- 
fiilirt.  Der  letztere  wird  von  der  geraumigen  Urdarmhohle  {dh^) 
durch  eine  wulstformige  Verdickung  der  ventralen  Dottermasse 
getrennt.  Die  ganze  vordere  und  obere  Wand  des  Urdarms  be- 
steht  nur  aus  2  Lagen  von  Zellen,  die,  wie  wir  schon  an  Quer- 
schnitten  gesehen  haben ,  im  Bereich  der  Riickenrinne  cylindrisch 
sind  und  von  welchen  die  innere  als  Chordaentoblast  {Enc)  be- 
zcichnet  wurde.  Nach  vorn  wandeln  sich  die  Cylinderzellen  des 
Chordaentoblasts  in  grossere  cubische  und  polygonale  Dotterzel- 
Icn  um,  die  erst  in  einer,  dann  in  2  und  3  Schichten  angeord- 
iiet  sind  und  so  einen  Uebergang  zu  der  ventralen  Dottermasse 
vermitteln.  Ebenso  horen  sie  in  einiger  Entferuung  vom  Urmund 
auf  und  werdeu  zu  kleinen ,  mehr  spindeligen  Elementen ,  welchc 


Die  Eotwickl.   dcs  mittlcren  Keimblattcs  der  "VVirbelthicre.      305 

in  melireren  Lagen  augcordiict  die  Vcrdickuug  der  obereii  Ur- 
muudlippeu  (Id)  init  hervorrufcu.  Es  stimmen  somit  diese  Be- 
fuiide  vollkommen  niit  den  entsprechenden  Quersclinitten  durch 
die  verschiedenen  Regionen  des  Eies  tiberein  (Taf.  XIII,  Fig.  11. 
Taf.  XV,  Fig.  4  u.  15). 

In  unserer  Abbildung  schiebt  sich  ferner  eine  kleinzellige 
Partie  ventral  vom  Urmund  in  Form  eines  Keils  (Mev)  zwisdien 
Ektoblast  und  Dottermasse  (D)  hinein  und  hangt  mit  beiden  nur 
an  ihrem  Ursprunge  zusammen,  in  einer  Gegend,  in  welcher  sich 
die  Dotterzellen  durch  geriugere  Grosse  auszeichnen  und  offenbar 
in  Wucherung  begriften  sind.  Die  kleinzellige  Masse  ist  auch  auf 
Frontalschnitten  gut  zu  sehen,  welche  unterhalb  des  Gastrulaspal- 
tes  von  mir  angefertigt,  aber  nicht  mit  abgebildet  worden  sind. 
Sie  erscheint  hier  in  der  Gestalt  einer  Mondsichel  mit  zugeschiirf- 
ten  Randern  und  wird,  Avenn  wir  uns  vom  unteren  Rande  des  Ur- 
raundes  in  der  Schnittserie  entfernen,  sowohl  nach  dem  Ektoblast 
als  nach  der  Dottermasse  zu  scharf  abgegrenzt.  Wir  werden  die- 
selbe  als  einen  Theil  des  mittleren  Keimblattes  deuteu  mussen, 
welcher  sich  auf  dem  vorliegenden  Stadium  seitlich  und  riickwarts 
vom  Urmund  eine  Strecke  weit  auszubreiten  beginnt. 

Der  zweite  zur  Darstelkmg  gelangte  Sagittalschnitt  (Taf.  XIII 
Fig.  G)  ist  in  geringer  Entfernung  von  der  Mittellinie  durch  das 
Ei  hindurchgefiihrt  worden  und  zwar,  wie  ich  glaube,  ein  klein 
wenig  schrag,  so  dass  er  sich  nach  hinten  der  Sagittalebene  et- 
was  nahert  und  sich  nach  vorn  von  ihr  entfernt.  Nach  hinten  ist 
daher  noch  die  Gegend  der  Riickenrinne  und  des  Chordaentoblasts 
(Enc),  nach  vorn  dagegen  schon  die  Anlage  des  Mesoblasts  der 
einen  Seite  mit  getrofifen.  Dort  wird  die  Decke  des  Urdarms  aus 
zwei  Lagen  cylindrischer  Zellen,  hier  aus  vier  Slattern  gebildet; 
dieselben  sind  ebenso  wie  an  dem  Querschnitt  (Taf.  XIV  Fig.  1) 
beschaffen  und  verbinden  sich  auch  an  der  Stelle,  wo  der  zwei- 
bliitterige  und  der  vierbliitterige  Theil  der  Decke  des  Urdarms  zu- 
sammenstossen  (^'),  in  der  frilher  angegebenen  Weise.  Die  fiir 
das  Verstandniss  der  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes  iiber- 
aus  wichtige  Stelle  ist  noch  einmal  bei  starkerer  Vergrosserung 
auf  Taf.  XV  Fig.  16  abgel)ildet  worden.  Deutlich  sieht  man  an 
ihr  die  Cylinderzellen  des  Chordaentoblasts  (Enc)  in  das  parie- 
tale  Blatt  des  Mesoblasts  (Me^)  ubergeheu,  wahrend  der  aus  po- 
lygonalen  Zellen  zusammengesetzte  Darmentoblast  (End)  sich  in 
das  viscerale  Blatt  (Me^)  umschlagt.  Ferner  kann  man  sich  an 
dem  Sagittalschnitt  (Taf.  XIII  Fig.  6)  davon  iiberzeugen,  dass  an 

lid.  .W.  N.  F.  VIII.  2.  20 


306  0.  Hertwig, 

der  Kopfregion  dcs  Eies  die  Mesoblastanlagc  aufhort  und  der  ein- 
schichtige  Entoblast  nun  wieder  unmittelbar  an  den  Ektoblast  an- 
stosst.  Was  dann  endlich  noch  die  Umgebung  des  Urmundes  an- 
betrifft,  so  ist  auf  unserem  Praparate  gerade  eiuc  seitliche  als 
Verdickung  ersclicincnde  Urmuudlippe  (Is)  getroifen;  auch  ist  die 
ventral  vom  Urmund  erfolgende  Ausbreitung  des  Mesoblasts  (Mev) 
zu  sehen.  Dieselbe  bietet  einen  ahnlichen  Befund  wie  in  der  ne- 
ben  stebenden  Figur  5  dar,  indeni  sie  von  einer  Wucherungszonc 
in  der  Dottermasse  und  der  verdickten  Urmundlippe  ausgehend 
sich  keilforniig  und  von  ihrer  Umgebung  deutlich  abgesondert 
nach  abwiirts  erstreckt. 

Von  der  Sagittalebene  noch  weiter  entfernt  ist  der  dritte 
Schnitt  (Taf.  XIII  Fig.  7).  In  der  ganzen  Circumferenz  des  Eies 
ist  der  Ektoblast  von  den  nach  innen  gelegeuen  Zellschichten  voll- 
kommen  geschieden  bis  auf  die  Stelle,  welche  der  seitlichen  Ur- 
mundlippe (IsJ  entspricht,  wo  sich  der  Ektoblast  nach  innen  in 
don  Entoblast  mnschlagt.  Hier  bemerkt  man  in  der  an  dem  hin- 
tcren  Ende  des  Eies  angehituften  Zellenmasse  einen  spaltformigen 
Hohlraum  (dh^),  welcher  nichts  anderes  als  der  seitliche  Theil  des 
Urdarms  ist.  Er  verlauft  dorsoventral  und  wird  nach  aussen  von 
den  kleinen  Zellen  der  Urmundlippe,  nach  innen  von  3 — 4  Lagen 
Dotterzellen  umgeben.  Von  seiuen  beiden  Winkeln  (*)  geht  ein 
dorsaler  und  ein  ventraler  Mesoblaststreifen  aus,  dessen  Zellen- 
mass(;n  einerseits  von  der  Dotteransammlung,  andererseits  von  dem 
inneren  Blatt  der  seitlichen  Urmundlippen  abstammen.  Sonst 
stohen  die  beiden  Streifen  ausser  jeder  Beziehung  zu  den  anlie- 
gcnden  Keimblattern. 

Auf  den  weiter  folgenden  Schnitten  ist  der  spaltformige  Theil 
dcs  Urdarms  verschwuuden.  Man  nimmt  dann  an  der  hinteren 
und  oberen  Region  des  Eies  einen  einzigen  zusammenhangenden, 
siclielformigen  Mesoblaststreifen  wahr,  der  sich  von  den  beiden 
primiiren  Keimblattern  nun  iiberall  durch  einen  glatten  Contour 
absctzt. 

Geschichtliches.  Ueber  die  Veranderungen ,  welche  das 
Tritonei  in  der  zweiten  Entwicklungsperiode  zu  durchlaufen  hat, 
handeln  die  schon  erwiihnten  verdienstvollen  Untcrsuchungen  von 
Scott  und  0 shorn  sowie  von  Bambeke.  Durch  dieselben 
sind  bereits  manche  fiir  die  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes 
wichtige  Thatsachen  festgestellt,  aber  auch  manche  Verhaltnisse 
entwedcr  falsch  beurtheilt  oder  libersehen  worden,  woher  es  kommt, 
dass  ich  in  der   ganzen  Auffassung   der  Entwicklungsvorgange  in 


Die  Entwickl.  ties  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     307 

der  zweiten  Periode  in  nicht  unwesentliclien  Punkten  von  ihnen 
differire. 

Die  bei  Flaclienbetrachtung  schon  sichtbare  Riickenrinne  wird 
von  Scott  und  Osborn  als  Medullarfurche  bezeichnet  (pag.  41 
u.  Taf.  IV  Fig.  4).  Dem  gegeniiber  bemerkt  Bambeke  mit  Reclit, 
dass  beide  Bildungen  etwas  Verschiedenes  seien,  dass  die  Medul- 
larfurche erst  spiiter  erscheine,  da  man  unter  ihr  nur  die  brei- 
tere  von  den  Medullarwlilsten  umschlossene  Vertiefung  verstelien 
konne.  Hierbei  wirft  er  die  Frage  auf,  ob  die  Riickenrinne  der 
Amphibien  (sillon  median)  und  die  Primitivrinne  der  Vogelembryo- 
nen  vergleicbbar  seien,  ohne  sie  indessen  zu  beantworten  oder  in 
eine  naliere  Discussion  des  Gegenstandes  einzutreten.  „Je  sou- 
leverai  maintenant,  bemerkt  Bambeke,  niais  seulement  a  titre 
d'hypothese ,  la  question  de  savoir,  si  le  sillon  median  n'est  pas 
Thomologue  de  celui  qui,  cliez  vertebrcs  superieurs,  est  situ6  en 
arriere  du  sillon  dorsal,  je  veux  dire  du  sillon  primitif.  Les  sil- 
lons  primitif  et  dorsal  ou  medullaire,  superposes  en  quelque  sorte 
cliez  les  Batraciens  (le  dorsal  etant  toutefois  plus  eteudu  en  avant 
et  le  primitif  etant  en  general  d'autant  plus  developp6  qu'on 
s'61oigne  davantage  de  I'extr^mite  cephalique)  seraient  venus  se 
placer,  chez  les  vert^bres  superieurs,  a  la  suite  I'un  de  Tautrc." 
Ich  babe  mir  die  Frage  gleichfalls  vorgelegt  und  glaube  micli  da- 
hin  aussprechen  zu  mtissen:  Wenn  die  Primitivrinne  der  Vogel, 
wie  jetzt  viell'ach  angenommen  wird  (Gasser,  Rauber,  Braun), 
als  Verschlussstelle  des  Urmuudes  angesehen  werden  muss,  so  ent- 
spricht  sie  dem  Blastoporus  der  Amphibien,  welcher  spiiter  eben- 
falls  zu  einem  kurzen  Langsspalt  auswiichst  (Taf.  XII  Fig.  5  u.  10), 
dann  aber  kann  sie  uicht  mit  der  Riickenrinne  der  Tritonen  ver- 
glichen  werden.  Denn  die  letztere  bildet  sich  vor  dem  Blastoporus, 
in  einer  Gegend,  wo  derselbe  niemals  gelegen  hat,  und  ist  von  An- 
fang  an  durch  einen  Wulst  von  ihm  getrennt.  Das  ist  der  Gruud, 
warum  ich  den  Namen  Primitivrinne  nicht  fiir  sie  gewiihlt  habe. 

Die  Riickenrinne  der  Tritonen  scheint  mir  nun  in  einfach- 
ster  Weise  sich  aus  der  paarigen  Entwicklung  des  Mesoblasts  er- 
klaren  zu  lassen.  Wenn  die  beiden  Mesoblaststreifen  vom  Urnmnd 
aus  links  und  rechts  von  der  Mittelliuie  nach  vorwarts  wachsen, 
drangen  sie  die  beiden  primaren  Keimbliitter  nach  aussen  und  in- 
nen  von  einander,  wolben  sie  hervor  und  bewirken  eine  Verdickung 
der  Wandung  des  Eies,  in  welcher  der  verdiinnt  bleibende  Strei- 
fen  als  eine  Rinne  erscheinen  muss.  Bis  in  den  Blastoporus  aber 
reicht  die  Rinne  desswegen  nicht  hinein,   weii  die  obere  Urmuud- 

20* 


308  0.  Hertwig, 

lippe  verdickt  ist  imd  so  als  cin  Querwulst  zwischen  beide  dazwi- 
schen  tritt. 

Am  meisten  bcdiirfen  dor  Besprechung  die  Anschauungen,  zu 
welchen  Scott,  Osboru  uiid  Bambeke  iiber  die  Entwicklung 
des  raittleren  Keimblattes  gelangt  sind.  Demi  sie  beruhren  einen 
Gegenstand  von  hoher  allgemeiner  Bedeutiiug.  Scott  und  Os- 
boru haben  nun  zuerst  die  wichtige  Thatsache  ermittelt,  welche 
von  Bambeke  bestatigt  worden  ist,  dass  bei  den  Tritonen  der 
Mesoblast  in  der  Form  von  zwei  Streifen  angelegt  wird,  welche 
in  der  Mittellinie  durch  eine  einfache  Schicbt  cylindrischer  Ento- 
blastzellen  getrennt  werden.  Im  Anschluss  an  die  Anschauungen 
Balfour's  lassen  sie  die  bei  den  Streifen  schon  wjihrend  der  Ga- 
strulation  gleichfalls  durch  Einstiilpung  vom  Urmund  aus  gebildet 
werden.  Auch  Bambeke  fasst  den  Vorgang  in  derselben  Weise 
auf,  indem  er  bemerkt :  Le  role  de  Tinvagination  dans  la  forma- 
tion du  mesoblaste  me  parait  incontestable. 

In  soweit  befinden  wir  uns  alle  in  voller  Uebereinstimmung, 
dagegen  gehen  unsere  Beobachtungen  in  folgenden  nicht  unwich- 
tigen  Punkten  weit  auseinander.  Nach  Scott  und  Osborn  soil 
das  Wachsthum  des  Mesoblasts  zum  Theil  durch  Zelltheilung  in 
den  beiden  zuerst  angelegten  Streifen  veranlasst  werden,  zum 
grossten  Theil  aber  auf  Kosten  der  Dottermasse  geschehen,  in  der 
Weise,  dass  sich  von  ihr  grosse  quadratische  Zellen  ablosen,  sich 
weiter  vermehren,  sich  zu  dem  Mesoblast  hinzugesellen  und  an 
den  Seiten  des  Eies  nach  abwarts  wachsen.  „The  invagination 
mesoblast",  erklaren  die  beiden  Forscher  in  der  Zusammenfassung 
am  Schluss  ihrer  Arbeit,  „is  supplemented  by  other  cells,  which 
split  off  from  the  yolk  hypoblast". 

Diese  zweite  Art  des  Wachsthums  glaube  ich  mit  Eutschie- 
denheit  in  Abrede  stellen  zu  miissen.  An  den  sehr  zahlreichen 
von  mir  angefertigten  Schnitten  habe  ich  ein  an  den  Seiten  statt- 
findendes  Abspalten  von  Dotterzellen  nicht  beobachten  konneu, 
stets  musste  ich  zwischen  Mesoblast  und  Entoblast  eine  deutliche 
Trennung  mit  Ausnahme  der  frtiher  angefuhrten  Stellen  constati- 
ren.  Auch  Bambeke  betrachtet  „die  Fortentwicklung  des  Meso- 
blasts aus  Dotterzellen  als  zweifelhaft,  ohne  sie  indessen  mit  Be- 
stimmtheit  in  Abrede  stellen  zu  wollen".  Er  glaubt  vielmehr,  wo- 
rin  ich  ihm  ganz  beistimme,  dass  man  eher  „eine  Wanderung  der 
eingestiilpten  Zellen  als  Ursache  fiir  die  Ausbreitung  des  Meso- 
blasts zulassen  konne". 

Einen   zwei  ten   wesentlichen  Dift'erenzpunkt   zwischen  Scott, 


Die  Entwicld.  dcs  mittleren  Keimblattes  der  "Wirbelthiere.     309 

Osborn  und  mir  finde  ich  darin,  dass  jene  den  Mesoblast  zu 
beiden  Seiten  der  Mittellinie  als  eiue  einfache  Lage  sclimaler  Zellen 
begiunen  und  den  Chordaeutoblast  sich  direct  an  die  nach  innen 
von  den  Mesoblaststreifeu  gelegenen  quadratischen  Entoblastzellen 
anschliessen  lassen  (just  below  the  tow  slight  folds  on  either  side 
of  the  medullary  groove  the  mesoblast  begins  to  intervene  as  a 
single  layer  of  small  cells.  Beneath  these  the  hypoblast  cells  lose 
their  columnar  shape  and  becoming  more  quadrate  are  gradually 
reflected  around  the  sides  ol  the  alimentary  canal).  Auch  Bam- 
beke  ist  derselben  Ansicht,  wenn  er  in  seiner  vorlaufigen  Mit- 
theilung  bemerkt:  „De  chaque  cote  de  la  saillie  notochordale  I'hypo- 
blaste  invagine  se  continue  insensiblement  avec  les  cellules  formant 
le  plancher  de  la  cavite  viscerale." 

Nach  meinen  Beobachtungen  dagegen  erscheiut  jeder  Meso- 
blaststreifeu an  seinem  medialen  Rande  stets  in  der  Form  von 
wenigstens  zwei  Zellenlagen,  von  welchen  die  eine  in  den  Chorda- 
eutoblast, die  andere  in  den  Darmentoblast  iibergeht.  Dadurch 
aber  gewinnt  die  Auffassung  von  der  Art  und  Weise,  wie  das  mitt- 
lere  Keimblatt  sich  einfaltet,  eine  ganz  andere  Gestalt.  Auch  der 
Einfaltuugsproccss  in  der  Umgebung  des  Blastoporus  ist  nach  den 
Beschreibungen  und  Abbildungen  von  Scott  und  Osborn  nur  uu- 
geniigend  aufgekliirt,  wie  denn  zum  Beispiel  die  Entwicklung  des 
Mesoblasts  nach  riickwarts  vom  Urmund  ganz  unerwiihnt  geblie- 
ben  ist. 

Endlich  kann  ich  den  beiden  Forschern  nicht  beistimmen, 
wenn  sie  die  oberflachlichsten  Zellen  der  Dottermasse,  welche  an 
den  Darmraum  und  an  den  Mesoblast  nach  aussen  ringsum  an- 
grenzen,  als  eine  besondere  durch  Umwandlung  von  Dotterzellen 
entstandene  Entoblastschicht  bezeichnen  und  als  „yolk  hypoblast" 
von  den  an  der  Decke  des  Urdarms  gelegenen  Zellen  oder  dem 
„invaginate  hypoblast"  unterscheiden.  Weder  durch  Beobachtung 
noch  aus  allgemeinen  Griinden  lasst  sich,  wie  auch  Bambeke 
hervorhebt,  die  Abtrennung  einer  solchen  peripheren  Schicht  vom 
Dotter  rechtfertigen,  vielmehr  scheint  mir  die  A.nsicht  naturgemass 
zu  sein,  dass  die  ganze  Masse  der  Dotterzellen  nichts  anderes  als 
eine  verdickte  Partie  im  Epithel  des  Urdarms,  mithin  ein  Bestand- 
theil  des  inneren  Keimblattes  ist. 

Die  Eintheilung  in  yolk  hypoblast  und  invaginate  hypoblast, 
welche  Bambeke  angenommen  hat,  betrachte  ich  als  keine  gliick- 
liche,  denn  wie  bei  der  Darstellung  der  ersteu  Periode  gezeigt 
wurde,  wird  wiihrend  der  Gastrulation  die  ganze  Dottermasse  der 


310  0.  Hertwig, 

Blastula  in  das  Innere  des  Eies  ebenso  gut  mit  eiiigestiilpt,  wie 
der  sogfniaiiiite  invagiiiate  hypoblast.  Da  nioclite  es  sicli  wohl 
iTiehr  einpfehlen,  die  cylindrischcii  Entoblastzellen  an  der  Decke 
des  Urdarms  iind  die  an  der  Seite  und  am  Boden  gelegcnen,  gros- 
sen  Dotterschollen  im  Hinblick  auf  ihre  zukiinftige  Bestimniung 
als  Chord aentoblast  und  als  Darmentoblast  zu  beuennen. 

Beurtheilung  und  Zusammenfassung'  der  Befunde. 

Am  Schluss  der  historischen  Darstellung  haben  wir  uns  selbst 
die  Frage  vorzulegen,  in  welcher  Weise  die  oben  ausfiihrlich  vou 
mir  geschilderten  Beobachtungen  eine  einheitliche  Deutung  und 
Erkliirung  zulassen. 

Zunachst  miissen  wir  auf  Grund  unserer  Befunde  der  noch 
immer  weit  verbreiteten  Ansicht  entgegentreten ,  dass  der  Meso- 
blast  sich  von  einem  der  beiden  primiiren  Keiml)latter  oder  von 
beiden  zugleich  abspalte.  Bei  Triton  scheint  mir  jede  Moglich- 
keit  eines  derartigen  Geschehens  ganz  ausgeschlossen  zu  sein.  Vom 
Ektobhist  konnen  sich  nicht  Elemente  abspalten,  denn  dieser  stellt 
sclion  auf  dem  Gastrulastadium  eine  einschichtige  Membran  dicht 
an  einander  gefugter  hoher  Cylinderzellen  dar.  An  Durchschnitten 
kann  man  die  Membran  vom  Mesoblast,  da  sie  von  ihm  durch 
einen  Spaltraum  getrennt  ist,  sehr  leicht  ablosen,  ja  sie  hebt  sich 
oft  ganz  von  selbst  an  diinnen  unvollstiindigen  Schnitten  ab.  Frei- 
lich  besteht  der  Riickenrinne  {t)  eutlang  ein  fester  Zusammenhang 
des  Ektoblasts  mit  dem  Chordaentoblast,  aber  die  vollkommen  re- 
gelmiissige  Anordnung  der  Zellen  zu  einem  Cylinderepithel  schliesst 
jede  Moglichkeit  aus,  dass  der  Riickenrinne  entlang  Elemente  aus 
dem  Ektoblast  in  den  Mesoblast  hineinwucherten.  Ebenso  wenig 
spaltet  sich  der  Mesoblast  vom  inneren  prinuiren  Keimblatt  ab, 
von  welchem  er  gleichfalls  durch  einen  Spaltraum  geschieden  ist 
und  von  welchem  er  sich  an  Durchschnitten  ebenso  leicht  ab- 
heben  lasst. 

Die  Abspaltungstheorie  kann  also  bei  den  Eiern  der  Tritonen 
die  Entwicklung  des  mittleren  Keimblattes  nicht  erkliiren  und  muss 
aufgegeben  werden.  Fiir  eine  neue  Theorie  aber  sind  folgende 
Thatsachen  maassgebend. 

1.  Der  Mesoblast  wird  nicht  an  dieser  und  jener  Stelle  aus 
isolirten  Zellenhaufeu,  sondern  in  Form  von  zwei  Massen  blattartig 
verbundener  Zellen  angelegt. 

2.  Die  beiden  Mesoblaststreifen  sind  wonigstens  zwei  Zellen- 


Die  Entwickl,  des  mittleren  Keimblattes  der  "Wirbelthiere.     311 

lagen  dick  und  werden  von  einander  in  der  dorsalen  Mittellinie 
unter  der  Riickenrinne  durcli  den  Chordaentoblast  geschiedcn. 

3.  Dieselben  erscheinen  zuerst  in  der  Umgebuug  des  Blasto- 
porus  und  zu  beiden  Seiten  des  Chordaentoblasts,  von  hier  aus 
delinen  sie  sich  allmahlich  iiber  die  Eioberflache  aus  und  wachsen 
ventralwarts  und  nach  vorn  zwiscben  die  beiden  primiireu  Keim- 
blatter  trennend  hinein. 

4.  Die  Umgebung  des  Blastoporus  und  die  beiden  Rander  des 
Chordaentoblasts  sind  die  einzigen  Stellen,  an  welchen  eine  Ab- 
grenzung  der  Mesoblaststreifen  von  den  angrenzenden  Zellenlagen 
nicht  moglich  ist.  Von  hier  aus  allein  konnen  Elemente  der  bei- 
den primaren  Keimblatter  in  das  mittlere  ubertreten. 

Aus  den  angefiihrten  Thatsachen  geht  hervor,  dass  die  Art, 
wie  die  Zellschichten  1)  am  Bhistoporus,  2)  unterhalb  der  Riicken- 
rinne zusammenhangen ,  genauer  festgestellt  werden  muss,  wenn 
man  iiber  die  Genese  des  Mesoblasts  Klarheit  gewinnen  will. 

Am  Blastoporus  setzt  sich  der  Mesoblast  einerseits  continuir- 
lich  in  das  innere  Blatt  der  Urmundlippen  fort,  andererseits  ver- 
biudet  er  sich  mit  der  Dottermasse,  wo  dieselbe  sich  als  Pfropf 
in  den  Urmund  hineinschiebt.  Hier  findet  sich  eine  Wucherungs- 
zone,  eine  Masse  kleiner  Zellen,  die  ich  mir  nicht  anders  als  durch 
wiederholte  Theilung  der  angrenzenden  grossen  Dotterzellen  ent- 
standen  denken  kann.  Aus  diesen  Beobachtungen  werden  wir  zur 
Annahme  berechtigt,  dass  der  Mesoblast  das  Zellenmaterial  zu  sei- 
ner Entstehung  und  zu  seinem  Wachsthum  von  der  Dottermasse  in 
der  Umgebung  des  Blastoporus  bczieht  und  dass  er  mithin  vom 
Entoblast  abstammt,  insofern  die  Dottermasse  nur  ein  verdickter 
Theil  desselben  ist.  Das  hintere  Ende  des  Embryo  stellt  eine 
Wucherungszone  dar,  wie  auf  spateren  Stadien  immer  noch  besser 
ersichtlich  werden  wird. 

Man  kann  aber  ferner  noch  annehmen,  dass  auch  durch  die 
Verbindung  mit  dem  inneren  Blatt  der  Urmundlippen  dem  Me- 
soblast zu  seiner  Vergrosseruug  Zellen  zugefiihrt  werden,  und 
dass  das  innere  Blatt  seinerseits  sich  fortwahrend  wieder  aus  dem 
Ektoblast  erganzt,  aus  welchem  am  Umschlagsrand  des  Blasto- 
porus auch  spater  Zellen  in  derselben  Weise  wie  bei  der  Gastrula- 
bildung  nach  Innen  einwandern  konnten.  Wenn  ein  derartiges  Ein- 
wandern  von  Zellen  stattfinden  sollte,  was  ich  vorlaufig  nicht  aus- 
schliessen  kann,  so  ist  dasselbe  jedenfalls  ein  sehr  geringfugiges, 
da  der  auf  eine  einfache  Schicht  reducirtc  Ektoblast  nicht  viel 
Material  abzugeben  im  Stande  ist.    Die  an  der  ventralen  Seite  zu 


312  0.  Hertwig, 

beobachtende  Grossenabnahme  der  Ektoblastzellen,  welche  zu  einer 
Oberflachenvergrosserung  dcr  Membran  fiihren  miisste,  wird  wieder 
compensirt  durch  die  Verlangerung  der  dorsal  gelegenen  Zellen, 
welche  die  Medullarplatten  liefern,  und  spiiter  durch  die  alsbald 
erfolgende  Entwickluiig  der  Medullarwiilste,  durch  welche  sich  die 
Oberflache  des  Ektoblasts  durch  Einfaltung  vergrossert. 

Der  zweite  Ort,  welcher  bei  der  Entstehung  des  Mesoblasts 
in  Frage  kommt,  ist  die  Riickenrinne.  Es  ist  gewiss  eine  be- 
merkenswerthe  Erscheinung,  dass  da,  wo  der  Chordaentoblast  auf- 
hort,  an  beiden  Seiten  desselben  gleich  drei  Zellblatter  erschei- 
nen,  der  parietale  und  der  viscerale  Mesoblast  und  der  Darmen- 
toblast.  Diese  Blatter  hangen  unter  einander  in  der  Weise  zusam- 
men,  dass  der  parietale  Mesoblast  in  den  Chordaentoblast  und 
der  viscerale  Mesoblast  in  den  Darmentoblast  iibergeht.  Es  konnte 
also  dem  mittleren  Keimblatt  sowohl  voni  Chorda-  als  vom  Darm- 
entoblast aus  Zellenmaterial  zu  seiueni  Wachsthum  geliefert  wer- 
den.  Von  dieseu  aber  kann  der  Chordaentoblast,  da  er  ein  schou 
kleinzelliger,  schmaler,  mitten  iune  liegender  und  so  allseitig  iso- 
lirter  Streifen  ist,  als  Bezugsquelle  ausgeschlossen  werden.  Da- 
gegen  ist  es  wohl  moglich,  dass  Zellen  vom  Darmentoblast,  der 
sich  selbst  von  der  ventral  gelegenen  Dottermasse  fortwahrend 
regeneriren  kann,  am  Umschlagsrand  in  den  visceralen  Mesoblast 
iibertreten. 

Wie  aus  der  Zusammenstellung  der  Beobachtungen  hervor- 
geht,  so  sprechen  alle  Thatsachen  dafiir  und  keine  einzige  dage- 
gen,  dass  sich  der  Mesoblast  aus  dem  primiiren  inneren  Keim- 
blatt entwickle.  Schwieriger  ist  ein  zweiter  Punkt  zu  entscheiden, 
welcher  im  Hinblick  auf  die  Bildung  des  Mesoblasts  beim  Am- 
phioxus  lanceolatus  in  Zukunft  nicht  unberlicksichtigt  gelassen 
werden  darf  und  sich  immer  mehr  in  den  Vordergrund  der  Dis- 
cussion drangen  wird.  Ich  meine  die  Annahme,  dass  die  paari- 
gen  Mesoblaststreifen  der  Tritonen  morphologisch  nichts  anderes 
sind  als  zwei  durch  Einfaltung  des  Entoblasts  entstandene  Diver- 
tikel,  deren  Wandungen  fest  auf  einander  gepresst  sind.  Fur  eine 
solche  Annahme  scheinen  mir  zwei  Verhaltnisse  in  meinen  Be- 
obachtungen zu  sprechen.  Erstens  treten  bei  der  Mesoblastent- 
wicklung  die  Zellen  nicht  einzeln  filr  sich  zwischen  die  beiden 
primaren  Keimblatter,  sondern  sind  stets  zu  regelmassigen  Schich- 
ten  verbunden.  Dabei  findet  man  von  Anfang  an  den  Mesoblast 
uberall  wenigstens  aus  zwei  Zellenschichten  zusammengesetzt. 
Zweiteus   wurde  in   vieleu  Fallen  beobachtet,   dass  sich   der  Ur- 


Die  Entwickl.  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     313 

darin  in  der  Umgebung  des  Blastoporus  eiue  Strecke  weit  in  die 
paarigen  Mcsoblaststreifen  als  feine  Spalte  fortsetzt,  ein  parieta- 
les  und  ein  viscerales  Blatt  von  einander  treunend.  Dass  in  den 
Mesoblaststreifen  von  Anfang  an  die  Holilungen  fehlen,  kann  nicht 
als  triftiger  Grund  gegeu  unsere  Annabme  gcltend  gemacbt  wer- 
den.  Denn  wie  schon  in  einer  friibereu  Arbeit  bervorgehoben 
wiirde,  lebrt  uns  das  Studium  verschiedener  Entwicklungsgescbich- 
ten,  dass  baufig  Tbeile,  die  ibrer  zukiinftigcn  Bestimmung  und 
Function  nacb  hohl  sein  miissen,  iui  Eutwicklungsleben ,  sei  es 
durch  Einfaltuug  oder  Ausstiilpung,  als  compacte  Zellenmassen  an- 
gelegt  werden  und  erst  spater  ibre  Hoblungen  erbalten.  Wir  seben 
aucb,  wie  urspriinglicb  boble  Bildungen  voxiibergebend  vollkoni- 
men  solid  werden  (z.  B,  die  Darmdivertikel  der  Cbaetognatben), 
um  erst  in  eiuem  dritten  Stadium  sich  wieder  auszuboblen. 

Die  Veranderungen,  welcbe  in  der  zweiten  Entwicklungsperiode 
am  Triton-Ei  eintreten,  resiimire  icb  auf  Grund  der  vorausgescbick- 
ten  P>orterungen  jetzt  kurz  dabin:  Das  mittlere  Keimblatt  cut- 
stebt  durcb  eine  paarige  Einfaltung  des  Entoblasts  scbon  zu  einer 
Zeit,  wo  die  Gastrulaeinstiilpung  nocb  nicbt  ganz  vollendet  ist. 
Die  Einfaltung  beginnt  zu  beiden  Seiten  des  Blastoporus  und  setzt 
sich  von  bier  links  und  recbts  von  der  Riickenrinne  und  dem 
unter  ibr  gelegeuen  Cbordaeutoblast  weiter  nacb  vorn  fort.  Wenn 
wir  uns  jetzt  die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts ,  die  bei  der  Ein- 
faltung natiirlicb  gleicbzeitig  gebildet  werden,  aus  einander  gewi- 
cben  vorstellen ,  so  erbalten  wir  einen  linken  und  eineu  recbten 
Spaltraum,  von  welcben  jeder  mit  dem  spateren  Darmraum  com- 
municirt  erstens  nacb  dem  Blastoporus  zu  und  zweitens  in  gros- 
ser Ausdebnung  am  Riicken  des  Embryo  beiderseits  von  der  Rii- 
ckenrinne. Demnacb  zerfallt  aucb  bei  den  Tritonen  der  Urdarm, 
wie  beim  Ampbioxus,  den  Cbaetognatben,  Bracbiopoden  etc.  durcb 
2  Falten,  die  dorsal  und  nacb  binten  einen  freien  Rand  besitzen, 
in  einen  mittleren  Raum,  den  bleibendeu  Darni,  und  in  2  seitlicbe 
Divertikel  oder  die  Leibessacke. 


Die  dritte  Periode. 

In  der  dritten  Periode,  welcbe  wir  in  der  Entwicklung  des 
mittleren  Keimblattes  unterscbeiden  wollen,  vollziebt  sicb  die  Bil- 
dung  der  Cborda  dorsalis  und  die  Abscbniirung  der  beiden  durch 
Einfaltung  erzeugtcm  Mesoblastsacke  von  ibrem  Muttei'boden,  dem 
primaren  Entoblast.    Sie  wird  ilusserlich  durcb  das  Auftreten  der 


314  0.  Hertwig, 

Medullarwiilste  gekennzeichnet ,  welclie  sich  am  Anfang  des  vier- 
ten  Tages  zu  eiitwickeln  beginnen.  An  dem  Riicken  des  Embryo 
bildet  der  Ektoblast  (Taf.  XII,  Fig.  7)  parallel  zur  Riickenrinne  [t) 
uud  jederseits  in  ziemlicher  Entfernung  von  derselben  zwei  Fal- 
len (iV),  welche  die  ausserordentlich  breite  Medullarplatte  uragren- 
zen ;  letztere  nimmt  fast  die  ganze  Riickenflache  des  Eies  ein  und 
wird  durch  die  Ruckenrinne  in  eine  linke  und  eine  rechte  Halfte 
abgetheilt.  Die  Stelle,  wo  sich  die  Wiilste  zuerst  erheben,  ent- 
spricht  der  spiiteren  Cervicalgegend  des  Embryo,  von  hier  delinen 
sie  sich  auf  den  Kopfpol  des  Eies  ventralwarts  aus  (Taf.  XII, 
Fig.  8) ,  wachsen  einander  vor  dem  Ende  der  Ruckenrinne  im  Bo- 
gen  entgegen  und  grenzen  nach  vorn  ein  grosses  rundliches  Feld, 
die  Hirnplatte  (if),  ab,  welche  am  vorderen  Pole  des  Eies  gele- 
gen  nach  oben  uud  hinten  in  die  dorsale  Medullarplatte  (M)  um- 
biegt.  Nach  hinten  werden  die  Medullarwiilste  allmahlich  niedri- 
ger  und  verstreichen  in  kurzer  Entfernung  vor  dem  Urmund,  der 
als  ein  schmaler,  kurzer  Langsspalt  an  der  Grenze  zur  ventralen 
Fliiche  bemerkt  wird  (Taf.  XII,  Fig.  7  u). 

Ueber  die  Veriinderungen ,  welche  wahrenddem  im  Innern 
des  Eies  am  Entoblast  und  Mesoblast  eintreten,  belehren  uns  die 
einer  Serie  von  Querschnitten  entuommenen  Figuren  3 — 6  der  Ta- 
fel  XIV.  Dieselben  schliessen  sich  dem  zuletzt  beschriebenen  Sta- 
dium (Taf.  XIV,  Fig.  1 — 2)  an,  auf  welchem  wir  unter  der  Riicken- 
rinne einen  flachen  Streifen  von  Cylinderzellen  (Enc)  und  zu  bei- 
den  Seiten  derselben  die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts  und  den 
Darm-Entoblast  {End)  angetrotien  hatten. 

In  den  verschiedeuen  Regionen  des  Ektoblasts  haben  jetzt 
die  Zellen,  welche  friiher  gleichmassig  cylindrisch  waren,  einen 
abweichenden  Charakter  angenommeu.  Ventral  und  seitwiirts  ha- 
ben sie  sich  abgeflacht  und  stellen  eine  eiufache  Lage  kleiner, 
cubischer  Gebilde  dar;  dorsal wiirts  dagegen  {N-N)  sind  sie  noch 
mehr  in  die  Lange  gewachsen  uud  sind  zu  langen  Cylindern  und 
Spindeln  geworden,  die  gewohnlich  in  der  Weise  alternirend  ste- 
hen,  dass  die  einen  ihr  verbreitertes  Ende  nach  dem  Mesoblast, 
die  anderen  nach  der  freien  Oberflache  gewandt  haben.  Dem  ent- 
sprechend  sind  auch  ihre  Kerne  bald  oberflachlicher,  bald  tiefer 
gelegen.  An  den  Riindern  der  verdickten  Epithelpartie  oder  der 
Medullarplatte  beginnt  sich  der  Ektoblast  in  zwei  Falten  (Taf.  XIV, 
Fig.  5— 6  iV^,  ^.)  zu  legen,  welche  wir  bei  Betrachtung  von  der 
Flache  als  Medullarwiilste  beschrieben  haben.  Am  Faltenrand 
geht  das  abgeplattete  und  das  verdickte  Epithel  in  einander  uber, 


Die  Entwickl.  des  mittlerexi  Keirablattes  dcr  "Wirbelthiere.      315 

indem  das  ausserc  Blatt  der  Falte  aus  cubischeii,  das  iunerc  aus 
verlaugerten  Zellen  besteht. 

Die  Riickenrinne,  eiue  unbedeutende  Vertiefung  in  der  Lixngs- 
axe,  ist  unscheinbarer  geworden,  als  in  der  vorausgegangenen  Pe- 
riode.  Unter  ilir  ist  der  Chordaentoblast  in  Umwandlung  begrilfen. 
Wahrend  er  sich  vordem  als  ein  flach  ausgebreiteter  Streifen  cylin- 
drischer  Zellen  (Taf.  XIV,  Fig.  1  u.  2  Enc)  zwischeu  die  paarigen 
Mesoblastmassen  einscliob,  ist  er  jetzt  zu  einer  in  das  Darmlumen 
geoflfueten  Halbrinue  geworden,  wodurcli  sein  Querdurchmesser  eut- 
sprechend  verringert  worden  ist  (Taf.  XIV,  Fig.  3  Enc).  Die  con- 
vexe  iiussere  Flache  der  Rinne  grenzt  theils  an  die  Medullarplatte 
an,  welche  zu  ihrer  Aufuahme  unter  der  Riickenrinne  {t)  eine  kleine 
Vertiefung  zeigt,  und  ist  vielleicht  die  Ursache,  warum  die  Riicken- 
rinne sich  abgeflacht  hat,  theils  grenzt  sie  links  und  rechts  an  den 
Mesoblast.  Ueberall  ist  sie  von  den  benachbarten  Zellenlagen  durch 
einen  scharfen  Contour  getrennt,  bis  auf  ihre  Riinder,  wo  die  Ab- 
grenzung  fehlt. 

In  Folge  der  rinnenformigen  Unibildung  des  Chordaentoblasts 
sind  die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts  (l/e^  u.  3Ie^)  und  die  gros- 
sen  Dotterzellen  des  Darmentoblasts  {Eyul)  mehr  nach  der  Mittel- 
linie  an  einander  geriickt,  wo  sie  auf  die  Seitenwtinde  und  die  freien 
Rander  der  Chordarinne  stossen.  Das  ist  die  critische  Stelle,  an 
welcher  ein  Zusammenhang  der  beiden  mittleren  Keimblatter  mit 
dem  Darmentoblast  und  mit  dera  Chordaentoblast  auch  auf  dem 
vorliegenden  Stadium  und  zwar  in  folgender  Weise  noch  deutlich 
nachgewiesen  werden  kann.  Die  am  Gruud  der  Rinne  hoch  cy- 
lindrischen  Chordazellen  werden  nach  den  Randeru  zu  niedriger 
und  setzen  sich  an  denselben  in  eine  einfache  Lage  cubischer  Zel- 
len fort,  welche  der  ausseren  Flache  der  Chordarinne  anliegen 
und  in  das  parietale  Blatt  des  Mesoblasts  {Me^)  weiter  verfolgt 
werden  konnen.  Wir  erhalten  somit  dasselbe  Resultat ,  zu  wel- 
chem  wir  auch  beim  Studium  der  zweiten  Entwicklungsperiode 
gefiihrt  wurden,  dass  Chordaentoblast  und  parietaler  Mesoblast 
eine  einzige  Zellenschicht  reprasentiren ,  deren  mittlerer  Theil 
nach  dem  Urdarm  zu  frei  liegt  und  hier  in  ein  Cylinderepithel 
umgewandelt  ist.  Die  Chordarinne  selbst  aber  ist  auf  eine  dop- 
pelte  Faltenbildung  zuriickzufiihren.  VVie  im  Ektoblast  zu  beiden 
Seiten  der  Medullarplatten  sich  die  Medullarwiilste  erheben,  von 
denen  das  aussere  Blatt  sich  aus  kleinen  cubischen  Zellen  und  das 
innere  Blatt  sich  aus  cylindrischen  Elementen  zusammensetzt ,  so 
sind  auch  in  der  als  einheitlich  nachgewiesenen  Zellenschicht  zwei 


316  0.  Hertwig, 

kleine  Falten  entstanden,  welche  unmittelbar  neben  einander  ge- 
legeu  eine  schmale  Rinnc  zwischeu  sicli  fasseu  uiid  iiach  der  Rinne 
zu  aus  cylindrischen ,  nach  aussen  aus  cubisclien  Zellen  bestehen. 
Wir  wolleu  sie  fortan  zur  raschercn  Verstaiidigung  als  Chorda- 
falten  bezeidmen.  An  das  ilussere  Blatt  derselbeu  lagern  sich 
der  viscerale  Mesoblast  (Taf.  XIV,  Fig.  3  ilfe')  und  der  Darmen- 
toblast  (End)  an  und  gehen  hier  in  der  sclion  oben  beschriebenen 
Weisc  in  einander  liber,  die  beiden  Darmfalten  erzeugend. 

Wenn  imsere  Beschreibung  der  Figur  3  die  richtige  ist,  dann 
haben  wir  das  interessante  Verhaltniss  vor  uns,  dass  an  der  Decke 
des  Urdarms  im  Ganzen  zwei  Paar  Falten,  die  beiden  Chorda- 
uud  die  beiden  Darm-Falten  sich  trelfen  und  mit  ihren  Random 
fest  zusannnengelegt  sind.  Zu  beachten  ist  hierbei  eine  Erscbei- 
nung,  welche  man  auch  in  der  Entwicklungsgeschichte  anderer 
Thiere  sowohl  beim  Studium  von  lebenden  durchsichtigen  Ob- 
jecten  als  auch  von  Schnitten  beobachten  kann,  dass  die  Con- 
touren  zwischen  zwei  Blattern  eiuer  Falte  stets  viel  scharfere  und 
deutlichere  sind,  als  zwischen  zwei  mit  ihren  freien  Fliichen  zu- 
sammcngcpressten  Zellenlagen.  Ektoblast  und  parietaler  Meso- 
blast und  ebenso  visceraler  Mesoblast  und  Darm  -  Entoblast  sind 
besser  von  einander  abgesetzt  als  die  beiden  mittleren  Keimblat- 
ter.  Es  erklart  sich  dies  aus  der  Art  und  Weise,  wie  epitheliale 
Zellen  an  einander  gefiigt  sind.  Die  basalen  Enden  schliessen  im- 
mer  fester  zusammen  und  stellen  eine  glattcre  Grenzflache  dar, 
als  die  bald  mehr,  bald  minder  als  kleine  Hocker  vorspringenden 
peripheren  Enden. 

Die  weiteren  Veranderungen  bis  zur  Bildung  der  Chorda  sind 
an  den  Figuren  4 — 6  zu  ersehen.  In  Figur  4  ist  die  Chordarinue 
noch  mehr  vertieft  und  verengt  und  von  zwei  Wanden  begrenzt, 
die  nach  der  Medullarplatte  zu  unter  einem  spitzen  Winkel  zu- 
sammenstossen.  Die  beiden  Darmfalten  sind  mit  ihren  freien  Ran- 
dern  nach  der  Mittellinie  zu  vorgewachsen.  Der  auf  dem  vorher- 
geheuden  Schnitt  beschriebene  Zusammenhang  der  einzelnen  Blatter 
ist  jetzt  undeutlicher  geworden;  einerseits  fugt  sich  das  viscerale 
Blatt  des  Mesoblasts  unmittelbar  an  den  zur  Seite  der  Chorda 
gelegenen  Theil  des  parietalen  Mesoblasts,  andererseits  grenzen 
die  aussersten  Dotterzellen  des  Darmentoblasts  gleich  an  den 
Chordaentoblast  an. 

Auf  einem  der  nachsten  Schnitte  (  Fig.  5)  ist  die  Rinnen- 
bildung  verschwundeu ,  indem  die  medialen  Blatter  der  beiden 
Chordafalten    sich  fest  zusammen   gelegt    und  so    einen  soliden 


Die  Entwickl.  dfs  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.      317 

runden  Zellenstab,  die  Chorda  {ch\  gebildet  liabeu.  Die  urspriing- 
lich  cylindrischeu  Zelleu  liaben  bei  diesen  Lageveranderungen  sich 
in  ihrem  Aussehen  verandert  und  eine  mehr  cubische  uud  unre- 
gelniassige  Form  angenommen.  Feruer  ist  die  Chordaanlage,  wel- 
clie  frlilier  das  Dach  des  Urdarms  lierstellte,  jetzt  von  der  Be- 
grenzung  desselben,  da  sich  die  beiden  Hillften  des  Darmcnto- 
blasts  fast  bis  zur  Beriihrung  genahert  haben,  bis  auf  einen 
schmalen  Spalt  ausgeschlossen.  Gleichzeitig  haben  die  beiden 
mittleren  Keimblatter  ihren  friiheren  Zusammenhang  sowohl  mit 
dem  Darmentoblast  als  auch  niit  dem  Chord aentoblast  vollstandig 
aufgegeben,  uud  anstatt  dessen  ist  auf  jeder  Seite  der  Chorda 
das  viscerale  mit  dem  parietalen  Blatt  in  Verbindung  getreten. 
Die  Chorda  ist  daher  in  Figur  5  sowohl  nach  der  Medullarplatte, 
als  auch  nach  den  seitlichen  Mesoblastmassen,  dagegen  nicht  nach 
dem  Darmentoblast  (End)  und  dem  Darm  {dh)  zu  deutlich  und 
scharf  contourirt. 

Auf  dem  niichsten  Schnitt  Fig.  6  ist  die  Sonderung  auch  hier 
erfolgt.  Die  beiden  Halften  des  Darmentoblasts  {End)  sind  in 
der  dorsalen  Mittellinie  verwachsen  und  haben  die  Chorda  {ch), 
die  nun  eine  untere  deutliche  Contour  aufweist,  vom  Darmlmnen 
{dh)  ganz  ausgeschlossen.  Letzteres  ist  ringsum  von  Dotterzellen 
umgeben,  die  durch  ihre  Grosse  sich  von  den  Nachbarzelleu  un- 
terscheiden. 

Damit  hat  eine  Reihe  Avichtiger  Eutwicklungsvorgange  ihren 
Abschluss  gefuuden;  wahrend  am  Ende  der  zweiten  Periode  noch 
die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts,  Chorda  und  Darmanlage,  con- 
tinuirlich  in  einander  iibergingen  und  gemeinsam  an  der  Begren- 
zung  des  Darms  Theil  nahmen,  ist  jetzt  eine  vollstiiudige  Son- 
derung eingetreten ;  Chorda,  Darmrohr  uud  die  beiden  Mesoblast- 
streifen  sind  selbstiindige  Organe  geworden. 

Wenn  wir  auf  die  Veranderuugen  in  der  dritten  Entwicklungs- 
periode  zuriickblickend  nach  den  Processen  fragen,  durch  welche  die 
verschiedenen  Bilder  hervorgerufen  worden  sind,  so  glauben  wir  auch 
hier  wie  schon  in  dem  vorhergehenden  Capitel  den  Schliissel  zuin 
Verstandniss  in  der  Faltenbildung  gefunden  zu  haben.  Alle  Veran- 
deruugen erkliiren  sich  uns  theils  aus  einer  Fortsetzung  der  Falten- 
bildungen,  welche  bereits  in  der  zweiten  Periode  entstanden  waren, 
theils  aus  der  Bildung  und  Verwachsung  der  zwei  neu  hinzutreten- 
den  Chordafalten.  Die  an  einer  Schnittserie  genau  geschilderten  Eut- 
wicklungsvorgange werdeu  wir  dann  am  besten  in  folgender  Weise 
zusammenfassen  kouneu,  wobei  wir  uns  die  beiden  mittleren  Keim- 


318  0.  Hertwig, 

blatter  von  einaiidcr  gczogcn  uiid  durch  einen  kleinen  Spaltraum 
getreunt  deiikeii  wollen. 

Am  Aufang  der  dritten  Periode  sind  die  beiden  Rander  der 
Darmfalten,  durch  welche  der  Urdarm  in  einen  Mittelraiim  und 
zwei  seitlicbe  Divertikel  abgetheilt  worden  ist,  an  dem  Riicken 
des  Embryo  durch  eiue  ziemlich  weite  Liicke  geschieden,  an  wel- 
cher  ein  Streifen  cylindrischer  Zcllen ,  der  Chordaentoblast ,  die 
Dccke  des  Mittelraums  bildet.  Dann  aber  wachsen  die  Rander 
der  beiden  Darmfalten,  an  welchen  Darmentoblast  imd  viscerales 
Blatt  des  Mesoblasts  zusammenstossen,  einander  entgegen  mid 
glcichzeitig  entwickeln  sich  die  zwei  kleinen  Chordafalten  an  der 
Stelle,  wo  der  Chordaentoblast  und  die  parietalen  Blatter  des  Me- 
soblasts urspriinglich  in  einander  tibergingen.  Alle  vier  Falten 
treffeu  sich  nach  einiger  Zeit,  indem  sie  raedianwarts  vorwachsen, 
in  der  dorsaleu  Mittellinie  und  verschmelzeu  hier.  Die  inncren 
Blatter  der  beiden  Chordafalten  (der  Chordaentoblast)  erzeugen 
einen  soliden  Zellenstab,  die  Chorda,  und  losen  sich  hierbei  von 
den  ausseren  Blattern  ab,  welche  die  eingefalteten  Theile  des 
parietalen  Mesoblasts  sind;  diese  dagegen  verbinden  sich  zu  bei- 
den Seiten  der  Chorda  mit  den  dorsalen  Riiudern  der  visceralen 
Mcsoblastblatter,  welche  nun  auch  ihrerseits  gleichzeitig  den  Zu- 
sammenhang  mit  dem  Darmentoblast  aufgeben.  Der  Darmento- 
blast endlich  oder  das  inncre  Blatt  der  Darmfalte  verlothet  mit 
demjenigen  der  entgegengesetzten  Seite.  Mit  anderen  Worten, 
die  drei  aus  dem  Urdarm  entstandenen  Raume,  welche  urspriing- 
lich am  Riicken  des  Embryo  in  Communication  stehen,  werden 
in  der  dritten  Periode  der  Entwicklung  gesondert  und  in  den 
bleibenden  Darm  und  die  beiden  Coelomsiicke  zerlegt  und  es  wer- 
den jetzt  Mesoblast  und  secundarer  Entoblast  iiberall  deutlich  un- 
terscheidbar.  Somit  haben  wir  in  dem  Schluss  des  bleibenden 
Darms  an  der  Riickenseite,  in  der  Abschntirung  der  beiden  Me- 
soblastsacke  vora  Entoblast  und  in  der  Genese  der  Chorda  dor- 
salis  aus  dem  Chordaentoblast  Processe  kennen  gelernt,  die  auf 
das  Innigste  mit  einander  verknupft  sind. 

In  der  hier  gegebenen  Darstelluug  und  Deutung  finde  ich 
mich  mit  nieinen  Vorgjingern  nur  zum  Theil  ira  Einklang.  Scott 
und  O shorn  haben  zuerst  bei  den  Tritonen  die  Thatsache  fest- 
gestellt,  dass  die  Chorda  sich  aus  der  Schicht  cylindrischer  Ento- 
blastzellen  an  der  Decke  des  Urdarms  entwickelt,  ihre  Darstellung 
im  Einzelucn  wird  aber  dadurch  eine  abweichende,  dass  sie  den 
Mesoblast  als  eine  vollig  gesonderte  Zellenmasse  beschreiben  und 


Die   Entwickl.   des  mittleren   Keimblattes  der  Wirbelthiere.      319 

dalicr  die  Chordaanlage,  wie  sclioii  oben  erwahnt  wurde,  vom  pa- 
rietaleu  Blatt  getrennt  sein  und  iu  deu  Darmentoblast  coutiimirlicli 
iibergclien  lassen.  Das  ist  ein  selir  bedeutsamer  Difi'ereuzpuiikt, 
welcher  zu  eiuer  ganz  anderen  Auffassung  des  embryonaleii  Pro- 
cesses fuhrt.  Die  Genese  der  Chorda  geschieht  denn  auch  nach 
Scott  und  Osborii  in  der  Weise,  dass  die  vollstandig  isolirten 
Mesoblastniassen  von  der  Seite  nach  der  Mittellinie  vorwachscn 
und  dadurch  die  Schicht  der  Cylinderzellen  zusammendrangen. 
Diese  faltet  sich  ein,  bis  die  Wande  der  Rinne  sich  treffcn  und 
ein  solider  Stab  mit  radial  angeordneten  Zellen  gebildet  worden 
ist.  Der  Stab  gibt  nun  seine  Verbindung  mit  dem  Darmentoblast 
auf,  nimmt  aber  noch  eine  Zeit  lang  an  der  oberen  Begrenzung  des 
Darms  Theil.  Erst  spater  kommen  unter  ihm  die  Darmzcllen  zur 
Vereiniguug,  indem  sie  von  der  Seite  nach  Innen  vorrucken.  Auch 
(lie  Abbildungeu,  welche  die  genannten  Forscher  gcgeben  haben 
(Taf.  IV,  Fig.  5,  6,  7),  weichen  von  den  meinigen  nicht  uuweseut- 
lich  ab. 

B  a  m  b  c  k  e  bestatigt  in  seiner  vorlaufigen  Mittheilung  die  An- 
gaben  von  Scott  und  Osborn  hinsichtlich  der  Entwicklung  der 
Chorda  dorsalis  und  beschreibt  eine  gcringfiigige  Abiinderung  bei 
Triton  alpestris,  die  darin  bestcht,  dass  der  Cliordaentoblast  als 
eine  Leiste  in  den  Urdarm  hinein  Torragt  (saillie  uotocordale). 


Die  vierte  Period e. 

Die  vierte  Periode  in  der  Entwicklung  des  Mesoblasts  umfasst 
die  Bildung  und  das  Wachsthum  der  Ursegmente  oder  Urvvirbel 
bis  zur  Differenzirung  der  Korpermuskulatur.  Wahrend  derselben 
sehen  wir  ausserlich  am  Ei  sich  folgende  Verandcrungen  abspielen : 

Es  beginnen  die  Medullarwiilste  von  der  Stelle  ihres  ersten 
Auftretens  an,  welche  der  Cervicalregion  entspricht,  sich  mehr 
empor  zu  heben  und  dabei  einander  cntgegen  zu  wachsen  (Taf.  XII, 
P'ig.  8  N).  Infolge  dessen  nimmt  jetzt  die  von  den  Wiilsten  um- 
gebenc  Anlage  des  Nervensystems ,  wie  Bambekc  ganz  passend 
bemerkt  hat,  die  Form  einer  Lyra  oder  Guitarre  an.  Die  einge- 
schniirte  Stelle  der  Lyra  bezeichnet  die  Halsgegend,  an  welcher 
die  Hirn-  und  die  MeduUarplatte  {H  u.  M)  in  einander  iibergehen. 
An  etwas  iilteren  Embryonen  nahern  sich  die  emporwachsenden 
Willste  mit  ihren  Raudern  und  zwar  am  raschesten  in  der  Cer- 
vicalgegend  und  der  nach  riickwarts  angrenzenden  Partie,  wahrend 
sie  am  Kopfende  noch  weit  aus  einander  stehen.    So  kommt  das  auf 


320  0.  Hertwig, 

Taf.  XII,  Fig.  9  dargestellte  Bild  zu  Stande.  Am  Kopfende  ura- 
schliessen  die  stark  hervorspringenden  Wiilstc  die  Hirnanlage  (H), 
ein  rundes  Feld,  das  gegen  friiher  sich  eiii  wenig  verklcinert  hat, 
iind  nach  wie  vor  durch  das  vordere  Ende  der  Ruckenriinie  in 
eine  linke  und  reclite  Halfte  getheilt  ist.  Am  hinteren  Ende  der 
noch  weit  geoifneten  Hirnanlage  sind  sich  die  Wiilste  fast  bis  zur 
Beriihrung  genahert  und  begrenzen  eine  Strecke  weit  eine  tiefe 
Medullarfurche  (M),  um  dann  nach  dem  Urmund  zu  mehr  aus- 
einander  zu  weichen  und  sich  allmahlich  abzuflachen, 

Spitter  (Taf.  XII,  Fig.  10)  stossen  die  Wulste  auch  im  Bereich 
des  Kopfes  zusammen,  wodurch  die  eiust  so  deutliche  Grenze  zwi- 
schen  der  Anlage  des  Gehirns  und  des  Riickenmarks  wieder  ver- 
wischt  wird.  Die  Anlage  des  Nervensystems  im  Ganzen  stellt  dann 
einen  tiefen  Kanal  dar,  der  sich  nur  durch  einen  feinen  Spalt  nach 
aussen  offnet  und  zwei  Drittel  der  Eicircumferenz  im  Bogen  um- 
fasst.  Noch  spater  ist  er  geschlossen  und  an  seinem  vorderen  Ende 
beginnen  sich  die  einzelnen  Hirnblasen  zu  differenziren  (Taf.  XII, 
Fig.  11  u.  12). 

Wahrend  dieser  Vorgange  hat  der  Embryo  seine  urspriingliche 
Kugelgestalt  verloren  und  sich  etwas  in  die  Lange  gestreckt.  In 
seiner  iiusseren  Form  macht  sich  ein  Gegensatz  zwischen  Bauch- 
und  Rlickenflache  in  der  Weise  geltend,  dass  die  erstere  fast  voll- 
kommen  eben,  die  letztere  dagegen  stark  gekriimmt  ist  (Taf.  XII, 
Fig.  8 — 10).  Auch  in  der  Lage  des  Blastoporus  (w)  ist  eine  Ver- 
jinderung  wahrzunehmen.  Wahrend  derselbe  in  der  dritten  Pe- 
riode  der  Hirnplatte  gerade  gegentiber  lag  und  daher  bei  Betrach- 
tung  von  der  Bauchseite  nicht  gesehen  werden  konnte,  beginut  er 
allmahlich  vom  hinteren  Ende  des  ovalen  Embryo  nach  abwarts 
und  nach  vorn  zu  riicken.  War  der  Spalt  ursprunglich  vertical, 
so  ist  or  jetzt  horizontal  gestellt.  Um  ihn  zu  sehen,  muss  man 
den  Embryo  von  seiner  Bauchseite  aus  bctrachten  (Taf.  XII,  Fig. 
10m).  Es  findet  also  eine  langsame  Verschiebung  des  Urmundes 
um  die  Eiperipherie  in  der  Weise  statt,  dass  an  der  Riickenflache 
des  Embryo  sich  sein  Abstand  von  der  Hirnanlage  vergrossert, 
wahrend  er  sich  ventral  ihrem  vorderen  Rande  nahert  (Fig.  10—12). 
Gleichzeitig  verlangert  sich  durch  Ruckwartswachsen  der  Medullar- 
wiilste  das  Nervenrohr  und  nimmt  einen  immer  grosseren  Theil 
der  Eiperipherie  ein.  In  Folge  dessen  gewinnt  der  Riicken  des 
Embryo  ein  bedeutendes  Uebergewicht  iiber  die  Bauchflache,  unter 
welcher  wir  die  zwischen  Gehirn  und  Blastoporus  gelegene  Strecke 
begreifen  wollen  (Fig.  10—12). 


Die  Entwickl.  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     321 

Die  hier  beschriebenen  Vorgiinge  erinuern  an  die  Wachsthuius- 
ersclieinungeu  der  raeroblastischeii  Eier.  Hier  wie  dort  vcrgrossert 
sich  der  embryonale  Korper  an  seiueni  hinteren  Ende,  iiidem  der 
Urniund  iiach  riickwiirts  wandert  und  iu  demselben  Maasse,  als  er 
sich  von  vorn  schliesst,  die  Medullarwiilste  ihm  nacli  riickwiirts 
nachfolgen. 

Von  den  altesten  zur  Darstellung  gelangten  Stadien  (Fig.  11 
u.  12)  ist  endlicli  noch  zii  erwahnen,  dass  die  nachste  Umgebung 
des  Urmunds,  wenu  dieser  ventralwarts  nur  noch  durch  einen  ge- 
ringen  Abstand  vom  Vorderhirn  entfernt  ist,  in  der  Form  eines 
kleinen  Kegels,  dessen  Spitze  nach  vorn  gerichtet  ist,  iiber  die 
Eioberflache  hervortritt. 

Um  in  die  inneren  Gestaltungsvorgange  einen  Einblick  zu  ge- 
winnen,  sind  wieder  quere,  sagittale  und  frontale  Schnitte  er- 
forderlich.  Sie  zeigen  ims,  dass  nach  voUstandiger  Abschniirnng 
der  Chorda  die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts  aus  einander  weichen 
und  das  Coelom  als  einen  schmalen  Spalt  zwischen  sich  hervor- 
treten  lassen  (Taf.  XIV ,  Fig.  6  u.  7  c).  Ein  solcher  erscheint  in- 
dessen  nur  zu  beiden  Seiten  der  Chorda,  wahrend  weiter  ventral- 
warts und  ebenso  nach  dem  Blastoporus  zu  die  beiden  Zellen- 
schichten  noch  fest  an  einander  haften.  Das  Auseinanderweichen 
der  letzteren  hangt  offenbar  mit  der  Bildung  der  Medullarrinnc 
zusanipien.  Es  faltet  sich  namlich  die  breite  Medullarplatte  in  der 
Weise  ein,  dass  ihr  mittlerer,  iiber  der  Chorda  gelegener  Theil 
seine  urspriingliche  Lage  beibehiilt,  die  seitlichen  Theile  dagegen 
nach  aussen  iiber  das  ursprungliche  Niveau  der  Kugeloberfiache 
des  Eies  hervortreten ,  indem  sie  mit  den  angrenzenden  Partieen 
des  Hornblatts  zwei  Falten  oder  Wlilste  bilden  (Taf.  XIV,  Fig.  7). 
In  demselben  Maasse  als  sich  so  die  seitlichen  Theile  der  Medullar- 
platte von  dem  Darmentoblast  entfernen,  folgt  ihneu  auch  das  an- 
grenzende  parietale  Blatt  des  Mesoblasts  nach,  hebt  sich  vom  vis- 
ceralen  Blatt  ab,  tritt  in  die  Basis  der  Medullarwiilste  ein  und 
fiillt  eine  flache  Rinne  zwischen  Medullarplatte  und  Hornblatt  aus. 
Bis  in  die  Spitze  der  Falte  dringt  das  mittlere  Keimblatt  jedoch 
nicht  mit  ein,  da  hier  die  beiden  Faltenblatter  des  Ektoblasts  fest 
zusammen  schliessen. 

In  Folge  dieses  Vorgangs  erhalt  die  zu  beiden  Seiten  der 
Chorda  gelcgene  Partie  des  Mesoblasts  vier  Begrenzungsflilchen, 
die  sich  thcils  uuter  rechten,  theils  stumpfen  Winkeln  tretfen,  eine 
untere,  eine  mediale  und  zwei  obcre.  Die  uutere  grenzt  an  den 
Entoblast,  die  mediale  an  die  Chorda;  von  den  beiden  obereu  Fla- 
lid.  XV.  N.  V.  vni.  2.  21 


322  0.  Hertwig, 

chon,  die  unter  einem  stumpfen  Winkel  zusammenstossen ,  lagert 
die  eino  der  Medullarplatte ,  die  andere  dem  Hornblatt  an,  bcide 
bildcu  iiber  dem  Coeloraspalt  eine  Art  Dacli,  dessen  Firste  in  die 
Basis  der  MeduUarwiilste  hineinspringt.  Der  so  begrenzte  Theil 
des  mittleren  Keimblatts  entspricht  der  Urvvirbelplatte  der  am- 
nioten  Wirbelthiere ,  er  iinterscheidet  sich  von  ihr  dadurch,  dass 
er  von  Anfang  an  eine  Holilung  besitzt,  die  weiter  nichts  als  der 
mediale  erweiterte  Tlieil  des  primaren  Coeloms  ist  und  von  einer 
einfaclien  Lage  cubischer  Zellen,  einem  Epithel,  ausgekleidet  wird. 

Die  Diflterenzirung  der  Urwirbel  oder,  wie  wir  besser  und 
richtiger  sagen  sollten,  der  Ursegmente,  macht  sich  sehr  friib- 
zeitig,  wenn  noch  die  MeduUarwiilste  weit  aus  einander  stehen,  be- 
merkbar;  der  Process  beginnt  in  der  Cervicalregion  und  dehnt 
sich  von  hier  allmahlich  nach  dem  Schwan,zende  zu  aus,  wo  noch 
langere  Zeit  nach  Verschluss  des  Medullarrohrs  die  Urwirbelplat- 
ten  sich  ungesondert  erhalten,  wahreud  nach  vorn  schon  zahlreiche 
Ursegmente  angelegt  sind.  Um  ihre  Entstehung  kennen  zu  lerneu, 
betrachten  wir  zuuiichst  eine  Serie  von  Querschnitten  durch  einen 
Tritonembryo  mit  noch  weit  aus  einander  stehenden  Medullarwillsten. 

Auf  der  linkeu  Seite  der  Figur  7  (Taf.  XIV)  communicirt  die 
Hohle  der  Urwirbelplatten  mit  dem  seitlichen  Theil  der  Coelom- 
spalten  nicht  mehr,  well  die  beiden  Blatter  des  Mesoblasts  sich 
eine  kleine  Strecke  weit  fest  zusammengelegt  haben.  Auch  be- 
merkt  man  in  dieser  Gegend,  dass  sich  die  Urwirbelplatten  durch 
cine  dorsale  und  ventrale  Furche  (*)  seitlich  abzugrenzen  beginnen. 
Die  Furchen  sind  dadurch  entstanden,  dass  sich  der  parietale  Meso- 
blast  vom  Hornblatt  und  der  viscerale  vom  Entoblast  etwas  ab- 
gehoben  haben,  demgemass  in  den  Coelomspalt  vorspringen  und 
sich  mit  den  abgehobenen  Theilen  zusammengelegt  haben.  Das 
heisst  mit  anderen  Worteu:  Parietales  und  viscerales  Blatt  des 
Mesoblasts  haben  zwei  kleine  Falten  gebildet,  die  einander  ent- 
gegengesetzt  von  oben  und  unten  in  das  Coelom  hineinwachsen, 
mit  ihren  Randern  sich  sogleich  treffen  und  dadurch  die  Hohlungen 
der  Ursegmentplatte  seitlich  abgrenzen. 

Auf  einem  der  nachsten  Schnitte  ist  das  Bild  verandert  (Taf.  XV, 
Fig.  7).  Zu  beiden  Seiten  der  Chorda  (cJi)  liegt  jetzt  eine  solide 
Zellenmasse,  die  dorsal  und  ventral  durch  eine  kleine  Einkerbung  (*) 
sich  lateralwarts  absetzt. 

Auf  einer  Serie  von  Schnitten  erscheinen  nun  die  Ursegment- 
plattcn  bald  als  solide  Korper,  bald  mit  einem  Hohlraum  im  In- 
neren,  .  Sagittale  Schnitte  gebeu  uns  eine  Erklarung  fiir  diese  in 


Die  Entwicld,  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     323 

wechseluder  Folge  wiederkehrenden  Befunde  (Taf.  XV,  Fig.  2).  Sie 
leliren  uiis,  dass  die  Flatten  von  der  Cervicalregion  an  in  eine 
Reihe  hinter  eiuander  gelagerter  Ursegmente  zerfallen  sind,  dercn 
Zahl  mit  dem  Alter  des  Embryo  zunimmt.  Bei  einem  Embryo 
mit  weit  entfernten  Medullarwulsten  sind  ihrer  zwei  vorhanden, 
bei  einem  anderen  mit  geschlossenem  Nervenrohr  eine  grosse  An- 
zahl.  Jedes  Ursegment  ist  ein  langliches,  rings  geschlossenes  Sack- 
chen,  dessen  Wandung  aus  einer  einfacben  Lage  cubiscber  Zellen 
bestebt  und  eine  enge  Holile  (c^)  im  Inneren  umscbliesst.  Aiif 
einem  Langsscbnitt  stossen  die  vorderen  und  binteren  Wande  der 
Sackchen  fast  unmittelbar  an  einander  und  lassen  nur  einen  scbma- 
len  Spaltrauni  zwiscben  sicb  frei.  Je  nacbdem  auf  einer  Serie  von 
Querscbnitten  die  vordere  und  bintere  Wand  oder  die  Mitte  eines 
Sackcbens  getroHen  worden  ist,  erklaren  sicb  die  oben  bescbriebc- 
nen  Bilder  (Taf.  XIV,  Fig.  7.   Taf.  XV,  Fig.  7). 

In  welcber  Weise  sind  die  Sackcben  aus  den  Ursegmentplat- 
teu  gebildet  worden  ?  Um  diesen  Process  festzustellen,  betracbten 
wir  den  Langsscbnitt  (Taf.  XV,  Fig.  2),  welcber  uns  nach  dem 
Kopfeude  zu  deutlicb  abgegrenzte  Ursegmente  und  nacb  binten  die 
nocb  ungetbeilte  Platte  zeigt.  An  letzterer  ist  ein  Ursegment  eben 
in  Bildung  begriften!  In  einiger  Entfernung  von  ibrer  vorderen 
Wand  ist  an  der  oberen  und  unteren  Flacbe  je  eine  kleine  Quer- 
furcbe  C^)  entstanden,  durcb  welche  ein  vorderer  Tlieil,  der  die 
Lange  eines  Sackcbens  bat,  von  der  iibrigen  Platte  abgegrenzt 
wird.  Die  spaltformigen  Hoblungen  in  beiden  Tbeilen  steben  gleicb- 
falls  nicbt  mebr  in  Zusammenbang,  da  an  der  Stelle  der  beiden 
Furcben  das  parietale  und  das  viscerale  Blatt  des  Mesoblasts  verlo- 
thet  sind.  Also  aucb  bier  seben  wir  wie  an  den  Querscbnitten  die 
beiden  mittleren  Keimblatter  sicb  einerseits  vom  Ektoblast,  ande- 
rerseits  vom  Entoblast  abbeben  und  in  Falten  legen,  welche  in 
den  Coelomspalt  vordringen.  Denken  wir  uns  den  in  seinem  Be- 
ginn  beobacbteten  Process  jetzt  nur  nocb  weiter  fortgesetzt;  lassen 
wir  die  Spalten  zwiscben  den  Blattern  der  zwei  kleinen  Falten 
sicb  entgegen  dringen  und,  indem  sie  die  verlotbete  Zellenmasse 
der  Faltenrander  durcbscbneiden ,  zu  einem  einfacben  Querspalt 
verscbmelzen,  so  erbalten  wir  ein  fertiges  Sackcben.  Aus  den  vor- 
deren Faltenblattern  gebt  die  bintere  Wand  des  neugebildeten  Ur- 
segments,  aus  den  binteren  Faltenblattern  die  vordere  Wand  der 
Ursegmentplatte  bervor. 

Hinsicbtlich  der  weiteren  F^ntwicklung  der  Ursegmente  ver- 
weise  ich  auf  die  Figuren  8  und  9  der  Taf.  XIV.    Das  eine  Quer- 

21* 


324  0.  Hertwig, 

schnittsbild  (Fig.  8)  riihrt  von  cinem  Embryo  her,  bei  welchem 
sich  das  Nervenrohr  (N)  eben  geschlossen  hat  und  nach  aussen 
vom  Hornblatt  iiberzogen  wird.  Das  Ursegment  mit  seiner  Hohle 
(c^)  ist  durch  einen  Spalt  lateral wiirts  vom  iibrigen  Theil  des 
mittleren  Keimblatts,  dem  Haut-  und  Uarmfaserblatt ,  scharf  ab- 
gegrenzt,  im  Vergleich  zu  friiheren  Stadieu  hat  es  an  Hohe  zuge- 
nommen,  indem  seine  beiden  oberen  in  einer  Firste  zusammen- 
stosseuden  Begrenzungsflachen  sich  zwischen  Nervenrohr  und  Horn- 
blatt weiter  hineingeschoben  haben.  In  noch  hoherem  Maasse  ist 
dies  auf  dem  zweiten  Querschnittsbild  der  Fall  (Fig.  9),  welches 
uns  die  Ursegmente  auf  der  Hohe  ihrer  Entvvicklung  vor  Eintritt 
der  histologischen  DiHerenzirung  zeigt.  Es  sind  beinahe  cubische 
Korper,  deren  Hohe  der  Breite  ziemlich  gleich  kommt,  mit  einer 
weiten  Hohle  {c^)  im  luneren.  Die  mediale  Flache  grenzt  an 
Chorda  und  Nervenrohr,  die  laterale  an  den  seitlichen  Theil  des 
mittleren  Keimblatts,  die  untere  an  den  Dotter,  die  obere  an  das 
Hornblatt.  Von  den  Ursegmenten  ist  das  Nervenrohr  noch  weiter 
umwachsen  worden ;  deun  wiihrend  in  der  Figur  8  noch  die  ganze 
obere  Hiilfte,  wird  in  der  Figur  9  nur  noch  ein  Drittel  seiner 
Circumferenz  vom  Hornblatt  unmittelbar  bedeckt. 

Eine  weitere  Ergiinzung  findet  endlich  unsere  Vorstellung  von 
dem  Bau  und  der  Lagerung  der  Ursegmente  durch  Betrachtung 
eines  Frontalschnittes ,  der  durch  den  Biicken  eines  altereu  Em- 
bryo hindurchgelegt  wurde  (Taf.  XV  Fig.  14).  Durch  die  Mitte 
der  Figur  verlauft  die  Chorda  dorsalis  (ch),  auf  beiden  Seiten  be- 
grenzt  von  den  Ursegmenten,  die  nahezu  eine  quadratische  Form 
besitzen  und  nach  aussen  vom  Hornblatt  iiberzogen  werden.  Die 
Ursegmente  beider  Seiten  entsprechen  einander  genau  in  ihrer 
Stellung  zur  Chorda.  Ihre  vorderen  und  hinteren  Wande  stehen 
nicht  quer,  sondern  etwas  schrag  zu  ihr  in  der  Weise,  dass  die 
eutsprecheuden  Wande  beider  Seiten  zusammen  einen  nach  hiuten 
geoffneten  stumpfen  Winkel  beschreiben.  So  leitet  sich  jetzt  schou 
das  schrilge  Wachsthum  der  Ursegmente  ein,  welches  auf  spiite- 
ren  Stadien  immer  mehr  zunimmt  und  die  fur  Fische  und  Am- 
phibien  charakteristische  Anordnung  der  Myomeren  bedingt. 

Wahrend  der  verschiedeueu  Stadien  unserer  vierten  Periode 
sind  die  Elemente,  welche  die  einzelneu  unterscheidbaren  Theile 
zusammensetzen ,  in  Form  und  Grosse  immer  unahnlicher  gewor- 
den.  Die  Zellen  des  Hornblatts  haben  sich  abgeflacht  zu  diinnen 
Pliittchen,  die  am  Biicken  in  zwei  Schichten,  ventralwiirts  dagegen 
in  einer  einzigen  Schicht  angeordnet  sind.    Die  Zellen    des  Ner- 


Die  Entwickl.  des  mittlercn  Keirablattes  der  Wirbelthiere.     325 

venrohrs  siud  hohe,  keilformige  Gebilde,  welclie  eine  breite  Eud- 
flaclie  bald  nach  aussen,  bald  nach  inneu  dem  Centralcanal  zii- 
kehren.  Die  Wandungen  des  letztereu  siud  anfanglich  gleichmas- 
sig  dick  (Taf.  XIV  Fig.  8),  spiiter  iibertreflen  die  Seitemvanduu- 
gen  an  Dicke  die  vordere  und  hintere  Wand,  welclie  zur  Commis- 
sura  anterior  und  posterior  wird  (Taf.  XIV  Fig.  9).  Die  Zelleu 
der  Ursegmeute  siud  dadurch  ausgezeichnet ,  dass  sie  im  Laufe 
der  Entwicklung  an  Lauge  bedeutend  zunehmen.  Aus  cubischen 
Gebildeu  (Taf.  XIV  Fig.  6  u.  7)  wachsen  sie  zu  langeu  Cylindern 
mit  grossen,  ovalen  Kernen  heran,  welche  in  einfacher  Schicht  die 
Hohle  (c'^)  des  Ursegments  als  ein  wohl  ausgebildetes  Cylinder- 
epithel  umgebeu  (Taf.  XIV  Fig.  8  u.  9.  Taf  XV  Fig.  14  u.  13). 
Sie  gerathen  hierdurch  in  eiueu  ausgesprochenen  Gegensatz  zu 
den  Zelleu  der  2  iibrigen  mittleren  Keimblatter,  welche  sich  wilh- 
renddem  in  entgegengesetzter  Richtung  umwaudelu,  ihre  cubiscbe 
Form  verliereu  und  mehr  abgcplattet  werden  (Taf.  XIV  Fig.  7 — 9). 

Auch  die  Cbordazellen  haben  bedeutende  Veranderungen  er- 
fahreu.  Anfanglich  cyliudrisch  (Taf.  XIV  Fig.  1—4),  dann  spinde- 
lig  gestaltet  und  in  radiarer  Richtung  urn  die  Langsaxe  der 
Chorda  angeordnet  (Fig.  5 — 7),  haben  sie  sich  auf  uuserem  letz- 
teu  Stadium  zu  diiunen,  mehr  oder  minder  vollstandigeu  Scheiben 
abgeplattet,  welche  ihren  Kern  ziemlich  genau  in  der  Mitte  fiih- 
ren.  Die  Scheiben  sind  wie  die  Stiicke  einer  Geldrolle  hinter  ein- 
ander  geschichtet  und  werden  nach  aussen  durch  eine  feine  Mem- 
bran,  die  erste  Spur  der  Chordascheide,  von  den  umgebenden 
Theilen  getrennt  (Taf.  XV,  Fig.  14  u.  8).  In  ganz  derselbeu  Weise 
lilsst  neuerdings  auch  Kupffer  in  seiner  Entwicklungsgeschichte 
des  Herings^  die  Chorda  dorsalis  der  Teleostier  auf  friiheu  em- 
bryonalen  Stadien  gebaut  sein. 

Die  Zellen  des  Darmkanals  endlich  sind  grosse,  polygonale 
Gebilde,  welche  unterhalb  der  Chorda  uur  einen  kleinen  Hohl- 
raum,  nach  vorn  aber  die  geriiumige  Kopfdarmhohle  begrenzen 
(Taf.  XIV  Fig.  7—9  dh).  Alle  Elemente  des  Embryo's  ohne  Aus- 
nahme  sind  noch  dicht-  mit  Dotterkornern  erfullt,  wie  dies  zuni 
Beispiel  an  den  bei  starker  Vergrosserung  gezeichneten  Cborda- 
zellen und  cylindrischen  Zellen  der  Ursegmente  (Taf.  XV  Fig.  8  u. 
13)  zu  sehen  ist. 


1)  Kupffer,  C,  Laicheu  uud  Entwicklung  des  Ostsee-Herings^ 
Jahresbericht  der  Commission  zur  wissenschaftlichen  Untersuchuu*; 
der  Deutschen  Meere.     Berlin   1878. 


326  0.  Hertwig, 

Literatur.  In  der  Arbeit  von  Scott  unci  Osborn  finden 
sich  Abbilduugen  von  Querschnitten  dnrch  die  Urwirbelplatten 
und  die  abgeschniirten  Ursegmente;  dagcgen  felilen  tiber  den  Mo- 
dus ihrer  Entstehung  im  Text  uahere  Angaben.  Auch  Bambeke 
beriihrt  in  seiner  vorlaufigen  Mittheiiuug  diese  Verhiiltnisse  nicht 
niiher. 

Die  im  4.  Abschnitt  erhaltenen  Resultate  lassen  sich  kurz  in 
folgende  Satze  zusammenfasseu:  die  Ui'segmente  entwickeln  sich 
aus  den  beiden  Coelomsacken  durch  einen  sich  vielfach  successive 
wiederholenden  Faltungsprocess,  welcher  in  der  Cervicairegion  des 
Embryos  beginnt  und  nach  dem  Schwanzende  zu  langsam  forschrei- 
tet.  Es  legt  sich  die  epitheliale  Wand  des  Coeloms,  wo  sie  an 
Chorda  und  Medullarplatte  augrenzt,  in  Querfalten,  so  dass  eine 
E-eihe  hinter  einander  gereihter  hohler  Divertikel,  welche  lateral- 
warts  noch  durch  eine  Oeffnung  mit  dem  Coelomsack  eine  Zeit 
lang  communiciren ,  gebildet  wird.  Spater  schniiren  sich  die  Di- 
vertikel vollstandig  ab  und  stellen  dann  kleine,  zu  beiden  Seiten 
der  Chorda  gelegene  Sackchen  dar.  Die  Ursegmenthohlen  sind 
deninach  weiter  nichts  als  abgeschnurte  Theile  des  primiiren  Coe- 
loms, ihre  Waudungen  bestehen  aus  Epithelzellen ,  welche  vom 
Coelomepithel  abstammen. 

5.     Veranderungen  in  der  Umgebung  des  Blastoporus 
wahrend  der  dritten  und  vierten  Periode. 

In  den  vorhergehenden  zwei  Capiteln  habeu  wir  Schritt  fiir 
Schritt  die  Veranderungen  verfolgt,  welche  zur  Differenzirung  der 
Chorda  und  der  Urwirbel  fiihrten;  dabei  haben  wir  andere  Ver- 
anderungen, welche  sich  an  denselben  Embryonen  in  der  Umge- 
bung des  Blastoporus  abspielen,  unberiicksichtigt  gelassen,  um 
nicht  die  Darstellung  der  lortschreitenden  Entwicklung  des  Meso- 
blasts  zu  storen. 

In  der  Umgebung  des  Blastoporus  namlich  beobachtet  man 
bei  Embryonen  vom  Aufang  des  dritten  bis  zum  Ende  des  vier- 
ten Stadiums  und  selbst  bei  noch  alteren  Embryonen,  dass  der 
Entwicklungsprocess ,  welcher  zur  ersten  Anlage  des  mittleren 
Keimblattes  gefuhrt  hat,  auch  spater  noch  ohne  Unterbrechung 
geraume  Zeit  fortdauert,  und  so  kann  man  auf  Durchschnitten 
Bilder  erhalten,  welche  den  Bildern  unseres  zweiten  Entwicklungs- 
stadiunis  entsprecheu.  Wenn  man  dann  vom  Blastoporus  aus 
nach   voru  in   der   Untersuchung  von   Schuittserien   fortschreitet, 


■    Die  Entwickl.   des  mittleren  Kcimblattes  der  Wirbcltliiere.     327 

lernt  man  an  ein  unci  demselben  Embryo,  bei  welcliera  in  der  Cer- 
vicalregion  sclion  zahlreiche  Urwirbel  wohl  ausgebildet  siud,  nur 
in  wenig  modificirter  Wcise  alle  die  verschiedenen  Dificrenziruugs- 
processe  des  Mesobiasts  kennen,  welche  im  dritten  und  vierten 
Kapitel  von  verschieden  weit  entwickelten  Eiern  beschrieben  wurden. 

Die  holoblastischen  Eier  gleiclien  hierin  den  meroblastiscben 
auch  in  jeder  Beziehuug.  Bei  beiden  beginnt  die  Differenziruug 
am  Kopfende  des  embryonalen  Korpers  und  schreitet  von  hier 
langsam  nacli  hinten  weiter.  Walireud  vorn  bereits  die  Urwirbel 
sich  histologiscli  umwandeln,  bleibt  hinten  uoch  lange  Zeit  eine 
Neubildungszone  bestehen,  durch  deren  Vermittlung  das  Langen- 
wachsthum  des  Korpers  in  analoger  AYeise,  wie  bei  den  Anne- 
liden  durch  die  Wucherungszone  der  Mesoblaststreifen  bewirkt 
wird. 

Dem  Studium  der  Neubildungszone  sei  jetzt  noch  das  fiinfte 
Kapitel  unseres  Aufsatzes  ausschliesslich  gewidmet.  Mit  Schnit- 
ten  durch  den  Blastoporus  beginneud,  wollen  wir  nach  vorn  fort- 
schreiten  und  so  die  sich  hier  vollziehende  weitere  Differenziruug 
der  Mesoblastanlagen  untersuchen. 

Bei  Anfertigung  der  Schnitte  ist  es  jetzt  noch  schwieriger  als 
friiher,  in  der  Zone,  die  man  gerade  studiren  will,  die  Keimblatter 
senkrecht  zu  ihrer  Oberflache  zu  durchschneiden.  Da  der  Ur- 
mund,  wie  schon  friiher  erwahnt  wurde,  seine  Lage  an  der  Ei- 
peripherie  verandert,  indem  er  sich  dem  Vorderrand  des  sich  ab- 
schniirendcu  Gehirns  successive  nahert,  wird  dem  entsprechend 
auch  die  Schnittrichtung  je  nach  dem  Alter  der  Eier  variiren 
miissen. 

Taf.  XIII  Fig.  8,  Taf.  XIV  Fig.  10,  Taf.  XV  Fig.  9  stellen 
Schnitte  durch  den  Unnund  verschieden  alter  Embryonen  dar. 
Der  erste  Schnitt  ist  in  frontaler  Richtuug  durch  ein  Ei  hin- 
durchgefiihrt,  auf  dessen  Riickenfliiche  sich  die  Medullarwiilste  zu 
erheben  begiunen  und  die  Medullarplatte  noch  sehr  breit  ist,  wie 
auf  den  in  Fig.  7  und  8  der  Taf.  XII  abgebildeten  Stadien.  Dem 
Urmund  (u)  gegentiber  am  Kopfpol  des  Eies  ist  der  Ektoblast 
zur  Hirnplatte  (N)  verdickt.  Dieselbe  besteht  aus  hohen  cylin- 
drischen  Zellen  und  setzt  sich  links  und  rechts  durch  eine  sanfte 
Einschntirung  gegen  die  mehr  cubischen  Elemente  der  Epidermis 
ab.  An  die  Hirnplatte  grenzt  unmittelbar  eine  einfache  Schicht 
grosser  cubischer  Entodermzellen,  das  Epithel  der  auf  dem  Fron- 
talschnitt  halbmondformig  erscheinenden  Kopfdarmhohle  (dh^),  de- 
ren entgegengesetzte  Wo.nd  die  Dottermasse  ist.    Diese  fullt  die 


S^8  "  0.  Hertwig, 

ganze  Mitte  des  Eies  mit  ihren  ovalen,  deutlich  von  links  nach 
rechts  quergestellten  Zellen  aus  und  schiebt  sich  als  ein  Wall 
zwischen  den  weiten  Kopfdarm  und  den  kleineren  am  Blastopo- 
rus  gelegenen  Theil  der  Darmhohle  hinein  (dh''^).  Der  Blastopo- 
rus  (u)  erscheint  als  ein  sehmaler  Gang  zwischen  den  verdickten 
seitlichen  Urmundlippen  (Is),  an  welchen  sich  der  Ektoblast  in 
den  aus  3 — 4  Zellenlagen  bestehenden  Entoblast  umschlagt. 

Von  den  Urmundlippen  (Is)  aus  nehmen  die  beiden  Mesoblast- 
streifen  ihren  Ursprung,  dringen  zwischen  Dottermasse  und  Epi- 
dermis bis  zum  Kopfpol  vor  und  enden  links  und  rechts  von  der 
Kopfdarmhohle  an  der  Stelle,  wo  sich  die  Hirnplatte  von  ihrer 
Umgebung  durch  zwei  Furchen  abgesetzt  hat.  Sie  sind  vom  Dot- 
ter  und  vom  Ektoblast  mit  aller  nur  wiinschenswerthen  Deutlich- 
keit  durch  einen  schmalen  Spaltraum  getrennt,  nur  nicht  in  der 
Umgebung  des  Blastoporus  und  der  Urdarmhohle;  hier  werden  die 
beiden  Mesoblaststreifen,  wahrend  sie  anderen  Orts  aus  zwei  La- 
gen  kleiner  ovaler  Zellen  bestehen,  drei  bis  vier  Zellenlagen  dick 
und  gehen,  indem  sie  in  zwei  Blatter  auseinander  weichen,  einer- 
seits  in  den  Entoblast  (En)  der  Urmundlippen,  andererseits  in  die 
Dottermasse  iiber,  welche  die  vordere  Wand  der  Urdarmhohle  bil- 
det.  An  der  Uebergangsstelle  jederseits  sind  die  grossen  Dotter- 
schollen  wieder  in  einen  Haufen  kleinerer  Zellen  zerfallen,  eine 
Wucherungszone  darstellend. 

Aehnliches  lehren  die  Schnitte  durch  altere  Embryonen,  de- 
ren  Nervenrohr  sich  zu  schliessen  beginnt  (Taf.  XIV  Fig.  10  u. 
12).  In  Figur  10  ist  das  hinterste  Ende  des  Urmundes  getroffen. 
In  denselben  dringt  von  der  Dottermasse  eine  kleine  zipfelformige 
Verlangerung  als  Dotterpfropf  (d)  hinein,  die  kleine  Urdarmhohle 
fast  vollstandig  ausfiillend.  Von  der  Anlage  eines  mittleren  Keim- 
blattes  ist  noch  nichts  wahrzunehmen.  Die  seitlichen  Urmund- 
lippen sind  verdickt  und  aus  kleinen  Zellen  zusammengesetzt;  ihr 
inneres  Blatt  oder  der  primare  Entoblast  (En)  hangt  unmittel- 
bar  mit  der  Dottermasse  zusamraen,  deren  Elemente  in  der  Um- 
gebung des  Urdarms  wieder  in  Wucherung  begriflfen  sind.  Denn 
man  sieht  nach  dem  Urdarm  zu  die  grossen  ovalen  Dotterschol- 
len  allmahlich  kleiner  werden  und  so  in  mehrere  Lagen  von  Zel- 
len ubergehen,  welche  in  ihrer  Grosse  den  Zellen  des  Entoblasts 
der  Urmundlippen  entsprechen. 

Nur  wenige  Schnitte  weiter  nach  vorn  (Taf.  XIV  Fig.  12) 
hat  sich  das  Bild  verandert.  Die  seitlichen  Urmundlippen  haben 
sich  in  der  Mittellinie  fest  zusammengelegt ,  so  dass  ihre  Tren- 


Die  Entwicld,  des  mittleren  Keimblattes   der  "Wirbel'thiere.     329 

nung  alleiii  iiocli  durch  eine  zarte  Linie  angedeutet  wird,  uud  bil- 
deii  die  iiiissere  Decke  des  Urdarms  (dh^),  der  als  sclimaler  lialb- 
mondformig  gekrummter  Spalt  erscheiut.  In  seiner  Umgebung  ist 
die  DotteiTnasse  aucli  auf  diesem  Scbnitt  in  kleine  Zellen  zerfal- 
len.  Von  den  beiden  Winkeln  des  Urdarms  geben  kleinzellige 
Massen,  die  beiden  Mesoblaststreifeu  (Me)  aus,  die  sicb  zwischen 
Ektoblast  und  Dottermasse  bineinscbieben  und  von  welcben  das- 
selbe  wie  von  den  Mesoblaststreifen  des  etwas  jungeren  Stadiums 
(Taf.  XIII  Fig.  8)  gesagt  werden  kann.  Sie  ban  gen  in  der  Um- 
gebung des  Urnmndes  einerseits  mit  dem  Entoblast  der  Urmund- 
lippen,  andererseits  mit  der  Wucberungszone  im  Dotter  zusammen 
und  sind,  von  dieser  bescbriinkten  Region  abgeseben,  allseitig  von 
den  angrenzenden  Keimblattern  wohl  gesondert. 

Sebr  lebrreicb  ist  aucb  die  auf  Tafel  XV  (Figur  9 — 10)  bei 
scbwacher  Vergrosserung  gezeicbuete  Scbnittserie  durcb  die  Um- 
gebung des  Urmunds  von  einem  nocb  etwas  alteren  Embryo,  bei 
welcbem  sicb  das  Nervenrobr  in  der  Cervicalregion  eine  kleine 
Strecke  weit  gescblossen  bat.  Das  bintere  Ende  des  Embryo 
(Fig.  9)  bestebt  aus  einer  kleinzelligen  Masse,  welcbe  nacb  innen 
durcb  Uebergangszellen  mit  dem  Dotter  verbunden  ist,  nacb  aus- 
sen  dagegen  nocb  von  einem  besondereu  diinnen  Blatt,  dem  Ekto- 
blast, bedeckt  wird.  In  dieselbe  ist  der  Urmund  (u)  in  Form 
einer  Rinne  eingegraben,  begrenzt  von  zwei  seitlicben  Wiilsten, 
auf  deren  Hobe  sicb  der  Ektoblast  in  die  Wucberungszone  um- 
scblagt.  Die  Rinne  fubrt  in  den  kleinen  spaltformigen  Urdarm, 
der  auf  einem  der  nacbstfolgenden  Scbnitte  (Fig.  10)  erscbeint 
und  nacb  aussen  von  einer  raacbtigen,  durcb  Verschmelzung  der 
seitlicben  Urmundlippen  entstandeneu  Lage  kleiner  Zellen  bedeckt 
wird.  Im  Bereicb  der  letzteren  (der  verscbmolzenen  Umschlags- 
rander)  sind  die  beiden  primaren  Keirablatter  nicht  getrennt  und 
erst  in  einiger  Entfernung  von  der  Sagittalebene  beginnt  der  Ek- 
toblast sicb  als  ein  diinues  Blatt  cubiscber  Zellen  abzusetzeu. 
Auch  die  Mesoblastanlage  tritt  jetzt  deutlicb  in  die  Erscbeinung, 
indem  von  der  kleinzelligen  Masse,  welcbe  ringsum  den  Urdarm 
umscbliesst,  zwei  gleicb  bescbaffene  Streifen  zwiscben  Dotter  und 
Ektoblast  bineinwacbsen.  Die  Verbaltnisse  sind  ahnlicb  wie  auf 
dem  Taf.  XIV  Figur  12  bescbriebenen  Scbnitt. 

Nacbdem  wir  so  am  binteren  Ende  alterer  Embryonen  die 
Fortdauer  der  Mesoblastentwicklung  in  unmittelbarer  Umgebung 
des  Blastoporus  nacbgewiesen  baben,  bleibt  jetzt  nocb  die  weitere 
Frage  zu  untersucben,  in  welcher  Weise  sicb  aus  dem  Zellenma- 


330  0.  Hertwig, 

terial  die  Chorda  differenzirt  und  wie  sich  die  beideii  Mesoblast- 
streifen  aus  ilirem  Verband  niit  den  begrenzenden  Zellenscliiditen 
des  Urdarms  loslosen.  Alles  dieses  vollzieht  sich  iu  einer  kleinen 
Uebergangszone  vor  dein  Urmund.  Wenn  wir  in  der  Betrachtung 
der  letzten  Schuittserie  fortfahreu,  so  schliesst  sich  an  den  zuletzt 
beschriebenen  Schnitt  (Taf.  XV,  Fig.  10),  indem  wir  einige  wenige 
Zwischenstufen  iiberspringen ,  Figur  11  und  an  diese  bald  darauf 
Fig.  12  an.  In  beiden  ist  die  ungetheilte  Zellenmasse  der  Fig.  10, 
welche  auf  eine  Verschmelzuug  der  beiden  seitlichen  Urmundlippen 
zuriiclvgefiihrt  wurde,  durch  eine  deutlich  niarkirte  Linie  in  Ekto- 
blast  und  Entoblast  gesondert.  Der  Ektoblast,  der  seitlich  eine 
einfache  Lage  cubischer  Zellen  darstellt,  ist  in  der  Mittellinie  auf 
3 — 4  Lagen  verdickt  und  auf  seiner  Aussenflache  mit  einer  von 
niedrigen  Wiilsten  umgebenen  Liingsfurche  versehen,  welche  nach 
vorn  in  das  Nerveurohr  iibergeht ;  nach  innen  springt  er  in  Folge 
dessen  kielartig  vor  und  wolbt  den  Entoblast  in  den  Urdarm  hinein, 
der,  sichelformig  gestaltet,  seine  Concavitat  der  Ektoblastverdickung 
zukehrt.  In  letzterer  haben  wir  die  Anlage  des  Nervensystems 
vor  uns  mit  der  Medullarfurche  und  den  beiden  Medullarwiilsten, 
welche  am  hinteren  Ende  alterer  Embryonen  mehr  abgeflacht,  mehr 
zusammengedrangt  und  iiberhaupt  weniger  entwickelt  sind,  weil 
von  vorn  herein  der  als  Medullarplatte  zu  bezeichnende  Zellen- 
streifen  schmaler  angelegt  ist  und  sich  alsbald  nach  innen  einzu- 
senken  beginnt. 

Unter  der  Anlage  des  Riickenniarks  ist  der  Entoblast  drei 
bis  vier  Lagen  dick;  seitwarts  gehen  iu  ihn  ohne  Unterbrechung 
die  beiden  Mesoblaststreifen  {3Ie)  liber,  welche  am  Urdarm  viel- 
schichtig  sind  und  danu  nur  zwei  Zellenlagen  dick  werden.  Die- 
selben  hangen  ausserdem  auch  noch  eine  kurze  Strecke  mit  der 
Dottermasse  (D)  zusammen,  welche  den  Urdarm  ventral  begrenzt 
und  in  Figur  11  wie  auf  den  vorhergehenden  Schnitten  (Fig.  9  u. 
10)  noch  kleinzellig  ist,  wahrend  sie  in  Figur  12  und  auf  alien 
sich  weiter  anschliessenden  Schnitten  aus  grossen  Dotterschollen 
zusammengesetzt  wird,  welche  dann  mit  den  kleinen  Zellen  an  der 
Decke  des  Urdarms  auffallig  contrastiren. 

Genaueren  Aufschluss  iiber  die  Verbindung  der  Zellenschich- 
ten  gibt  uns  die  bei  stiirkerer  Vergrosserung  gezeichnete  Figur  5 
(Taf.  XV),  welche  iin  Ganzen  der  Figur  12  entspricht,  aber  einer 
anderen  Schuittserie  durch  einen  etwas  jiingeren  Embryo  entnom- 
meu  ist. 

Die  Anlage  des  Nervensystems  zeigt  stark  verlangerte  Zellen, 


Die  Entwickl.  cles  miitlorcn  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     331 

die  keilformig  in  einander  geschoben  sind.  Unter  ihr  hat  sicli  der 
Eutoblast  auf  zwei  Lagen  von  Zellen  verdiinnt,  die  sich  etwas  in 
die  Liinge  gestreckt  haben  und  mit  einseitig  ziigespitzten  Enden 
alternirend  in  einander  greifen.  Am  Mesoblast  lasst  sich  ein  pa- 
rietales  und  viscerales  Blatt  imterscheiden,  welche  dicht  zusamnicn- 
schliessen.  Von  diesen  bildet  das  erstere  (Me-)  mit  dem  spindel- 
zelligen  Entoblast  (Enc)  eine  einzige  an  den  Ektoblast  angren- 
zende  Schicht,  das  viscerale  Blatt  [Me'^)  dagegeu  biegt  an  der 
mit  einem  Stern  *  bezeichneten  Stelle  in  die  grossen  Dotterzellen 
(End)  um,  welche  die  Seiten  und  den  Boden  der  Urdarmhohle  be- 
decken. 

Mit  derartigen  Befunden  beginnend,  werden  wir  in  der  Unter- 
suchung  von  Schnittserien  zu  der  Kegion  gefiihrt,  in  welcher  sich 
die  Differenzirung  der  Chorda  und  die  Loslosung  der  beiden  Meso- 
blaststreifen  vollzieht.  Unserer  Darstellung'  legen  wir  drei  Durch- 
schnitte  durch  zwei  verschieden  weit  entwickelte  Embryonen  zu 
Grunde  (Taf.  XIII,  Fig.  12.   Taf.  XIV,  Fig.  11.    Taf.  XV,  Fig.  3). 

Figur  12  ist  ein  Frontalschnitt  durch  ein  in  die  Lange  ge- 
strecktes  ovales  Ei,  welches  auf  dem  Stadium  der  Fig.  10  (Taf.  XII) 
stelit.  Die  Anlage  des  Nervensystems  und  des  Darms  ist  zweimal 
getroffen.  An  dem  vorderen  Pole  des  Ovals  hat  sich  das  Nerven- 
rohr  (N)  an  einer  Stelle,  welche  wohl  dem  Uebergang  des  Ge- 
hirns  in  das  Ruckeumark  entspricht,  bis  auf  einen  schmalen  Spalt 
geschlossen.  An  seiner  rechteu  und  linken  Seite  lagern  Urwirbel 
mit  einer  wohl  entwickelten  Hohle  (c')-  ^^ach  innen  folgt  die  ge- 
raumige  Kopfdaraihohle  [dh^),  von  grossen,  etwas  cylindrischen 
Dotterzellen  rings  umgeben.  Am  entgegengesetzten  Pole  des  Ovals 
ist  die  Anlage  des  Nervensystems  (N)  zum  zweitcn  Male,  aber  auf 
einem  weniger  weit  vorgeriickten  Stadium  durchschnitten.  Die  ver- 
dickte  Medullarplatte  beginnt  sich  eben  einzufalten  und  zeigt  uns 
auf  ihrer  ausseren  Flache  eine  von  niedrigen  Wiilsten  eingefasste 
Furche.  Sie  springt  nach  innen  etwas  kielartig  in  der  Weise  vor, 
dass  sie  von  drei  unter  stumpfen  Winkelu  zusammenstossenden 
ziemlich  ebenen  Flachen,  von  zwei  seitlichen  und  einer  Mittelflache 
begrenzt  wird.  Unter  der  letzteren  erblickt  man  eine  einfachc 
Schicht  hoher,  cylindrischer,  schmaler  Entoblastzellen  (Enc),  welche 
die  eine  Wand  der  hier  zum  zweiten  Male  durchschnittenen  kleiuen 
Darmhohle  bilJcn,  wahrend  die  andere  Wand  vom  Dotter  geliefert 
wird,  welcher  mit  seinen  ovalen  quer  gestellten  Zellen  den  Binnen- 
raum  des  Eies  bis  zum  Kopfdarm  ausfiillt. 

Die  einfache  Schicht  cylindrischer  Zellen  gibt  sich  sofort  ihrer 


332  0.  Hertwig, 

Lage  iind  Bescliaffeulieit  nacli  als  Cliordaentoblast  zu  erkennen, 
auch  lasst  sie  sicli  beim  Studium  einer  ganzen  Schnittserie  nach 
vorn  durch  allmahliche  Uebergaiige  in  die  Chorda,  nach  hiuten 
in  die  verdickte  Decke  des  Urdarms  verfolgen.  Aus  letzterer  muss 
sie  sich  durch  Verschiebung  und  Hohenzunahme  der  Zellen  ent- 
wickelt  haben,  wenn  eine  von  hinteu  nach  vorn  fortschreitende  Dif- 
ferenzirung,  fiir  welche  ja  alle  Verhaltnisse  sprecheu,  stattfindet. 
In  einer  derartigen  Entwickluugsreihe  wiirde  Figur  5  (Taf.  XV) 
mit  den  zwei  Lagen  keilformiger,  alternirend  gestellter  Entoblast- 
zellen  ein  Mittelstadium  bilden  zwischen  Figur  11  mit  ihren  drei 
Lagen  und  Figur  12  (Taf.  XIII)  mit  dem  charakteristisch  beschaf- 
fenen  Chordaentoblast. 

Links  und  rechts  vom  Chordaentoblast  (Taf.  XIII,  Fig.  12  Enc) 
beginnen  die  beiden  Mesoblaststreifen  (il/e-,  Me^),  welche  an  die 
seitlichen,  schrag  gestellten  Flachen  der  Medullarplatten  ange- 
lagert  sich  den  Seiteuwandungen  des  Schnittes  entlang  bis  zu  den 
beiden  oben  erwahnten  Urwirbeln  (c^)  erstreckeu.  Zum  genaue- 
ren  Studium  ihrer  Ursprungsstelle  verweise  ich  auf  die  bei  star- 
kerer  Vergrosserung  dargestellte  Figur  11  (Tafel  XIV).  Sie  ent- 
stammt  einer  Schnittserie  durch  einen  zweiten,  etwa  gleich  alteu 
Embryo  und  zeigt  uns  den  Chordaentoblast  auf  einem  nur  urn 
weniges  weiter  vorgeriickten  Stadium.  Der  letztere  hat  sich  zu 
der  nach  dem  Darmraum  zu  geoUneten  Chordarinne  (Enc)  umge- 
wandelt.  Die  seitlich  gelegeueu  cylindrischen  Zellen  stossen  mit 
ihrer  Basis  nicht  mehr  an  die  Medullarplatte  an,  sondern  sind  von 
ihr  wie  von  dem  angrenzenden  parietalen  Mesoblast  durch  einen 
kleinen  Spalt  getrennt.  Wie  in  der  friiher  beschriebenen  Figur  3 
Taf.  XIV  sind  also  auch  hier  zwei  kleine  Chordafalten  entstanden, 
zwischen  deren  Blattern  der  Spalt  sichtbar  ist.  Ihre  freien  Ban- 
der haben  sich  den  Randern  der  Darmfalten,  an  welch  en  der  Darm- 
entoblast  in  das  viscerale  Blatt  des  Mesoblasts  iibergeht,  so  inuig 
angeschmiegt,  dass  eine  deutliche  Grenze  zwischen  beiden  nicht 
wahrzunehmen  ist.  Dagegen  sind  in  geringer  Entfernung  davon 
die  beiden  mittleren  Keimblatter  durch  einen  engen  Spalt,  die 
Coelomhohle  (c),  getrennt.  Das  Erscheinen  der  letzteren  ist  ge- 
wiss  auf  die  Einfaltung  der  Medullarplatte  zuriickzuflihren,  deren 
seitliche  Partieeu,  indem  sie  nach  Aussen  hervortreten,  das  parie- 
tale  vom  visceralen  Blatt  abgehoben  haben. 

Die  nach  vorn  nachst  folgendcn  Schnitte,  welche  uns  in  die 
Umbildung  der  Chordarinne  zur  Chorda  einen  Einblick  gewahren, 
licfern   eine  Reihenfolge  ahnlicher  Bilder,   wie  die  Figuren  4  —  6 


Die  Entwickl.  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.     333 

(Taf.  XIV)  eines  jiiiigeren  Stadiums,  und  bediirfeu,  da  sie  keine  Be- 
sonderheiten  bieten,  keiner  naheren  Bescbreibung.  Dagegen  ver- 
dieut  noch  besonders  erwahut  zu  werden  ein  Querschnitt  durch  die 
Region  der  Chordariune  von  eiuem  scbon  weit  entwickelten  Embryo, 
bei  welchem  sich  am  binteren  Eude  des  Korpers  in  geringer  Ent- 
femung  von  dem  nocb  sicbtbaren  Blastoporus  das  Nervensystem 
bereits  zu  einem  von  oben  nach  uuten  etwas  platt  gedriickten  Robr 
geschlossen  hat  (Taf.  XV,  Fig.  3).  Uuter  dem  Nervenrobr  ist  die 
Chorda  erst  noch  in  Entwickkmg  begriften.  Man  sieht  die  cylin- 
drischen  Zellen  des  Chordaentoblasts  (Enc)  zu  einer  tiefen  Rinne 
zusammen  gekriimmt.  Die  Rander  derselben  stossen  unmittelbar  an 
die  grossen  Zellen  des  Darmentoblasts  (End)  an  und  scheinen  mit 
ihnen  eine  continuirliche,  das  Darmlumen  umschliessende  Zellen- 
schicht  zu  bilden.  Von  derselben  sind  die  beiden  Mesoblaststreifen 
—  und  hierin  beruht  ein  bemerkenswerther  Unterschied  zu  den 
fruher  erhaltenen  Befunden  —  sclion  voUkommen  abgelost,  indem 
an  der  Stelle,  wo  friiher  die  Verbindung  bestand,  ein  Spalt  hin- 
durchgeht  und  parietales  und  viscerales  Blatt  in  einander  umbiegen. 

Wenn  wir  von  der  beschriebenen  Stelle  aus  die  Umwandlun- 
gen  des  Chordaentoblasts  nach  vorwilrts  nnd  nach  riickwarts  wel- 
ter verfolgen,  so  sehen  wir  auch  bei  diesem  Embryo,  dass  sich 
vorn  die  Rinne  alsbald  zum  soliden  Stab  schliesst  und  dass  unter 
ihr  die  grossen  Zellen  des  Darmentoblasts  zusammen  riicken  und 
die  obere  Darmwand  bilden.  Bei  Verfolgung  der  Schnittserie 
nach  riickwarts  ist  der  Nachweis  zu  fuhren,  dass  die  Mesoblast- 
streifen mit  Chorda-  und  Darmentoblast  eine  Strecke  weit  ver- 
schmolzen  sind. 

Der  abweichende  Refund  der  Figur  3  ist  Icicht  zu  erklaren. 
Der  Gang,  nach  welchem  normaler  Weise  die  iiusseren  und  in- 
neren  Blatter  der  Darm-  und  Chordafalten  verlothen,  hat  eine 
kleine  zeitliche  Abanderuug  erfahren.  Die  dem  Darmlumen  abge- 
wandten  Faltenblatter  sind  etwas  vorzeitiger  als  gewohnlich  ver- 
schmolzen,  wodurch  sich  die  beiden  Mesoblaststreifen  fruher  iso- 
lirt  haben.  Die  inneren  Blatter  dagegen  sind  in  ihrem  Verschmel- 
zungsprocess  zu  Chorda  und  oberer  Darmwand  noch  etwas  zuriick. 

Jetzt  erklart  sich  mir  auch  eine  Abbilduug,  welche  Scott 
und  0 shorn  von  der  Entwicklung  der  Chorda  gegeben  haben 
(1.  c.  Taf.  IV,  Fig.  7).  Auf  derselben  ist  ein  von  der  Epidermis 
iiberzogenes  Nervenrobr  zu  sehen,  zu  seinen  beiden  Seiten  sind 
die  Mesoblaststreifen  schon  vollstandig  aus  ibren  urspriinglichen 
Verbindungen  losgelost  und,  wie  mir  scheint,  in  der  Differenzi- 


334  0.   HerUvig, 

rung  zu  Urwirbeln  begriffeii,  denu  pariotaler  und  visccralei"  Me- 
soblast  sind  diirch  cine  geraiimige  Ilohle  cine  Strecke  weit  ge- 
scliieden  imd  in  der  Umgebung  der  Hohle  aus  langen  cylindri- 
schcn  Zellen,  wie  sie  filr  die  Urwirbel  charakteristiscli  sind,  zu- 
sammengesetzt.  Die  unter  dem  Riickenmark  gelegene  Chordaan- 
lage  ist  zum  Stab  uragebildet,  dcrselbe  nimmt  aber  uoch  mit 
seiner  unteren  Fliiche  an  der  dorsalen  Begrenziing  des  Darmlii- 
mens  Tlieil  und  drangt  sich  zwischen  die  beiden  Halften  dcs 
Darmeiitoblasts  hinein,  die  nodi  niclit  mit  ihren  Rauderu  in  der 
Mittellinie  verwachsen  sind.  Mir  sclieint  der  vorliegeude  Schnitt 
aus  der  liinteren  Region  eines  ziemlich  weit  entwickelten  Embryo 
zu  stammen  und  dadurch  ausgezeichuet  zu  sein,  dass  die  Ver- 
sclimelzung  der  inneren  Blatter  der  Darmfalten ,  welche  bei  jiin- 
geren  Embryonen  mit  den  tibrigen  Verwaclisungen  der  Chorda 
und  der  Mesoblastblatter  ziemlich  gleichzeitig  geschieht,  aufgehal- 
ten  worden  ist. 

Scott,  Osborn  und  Bambeke  haben  auf  die  Verandcrun- 
gen,  welche  wahrend  der  dritten  und  vierten  Entwicklungsperiode 
in  der  Umgebung  des  Blastoporus  erfolgen,  kein  bcsunderes  Stu- 
dium  verwandt;  ein  solches  muss  ihnen  aber  zu  Theil  werdeu, 
wenn  man  iiber  das  Wachsthum  des  Mesoblasts  Klarheit  gewin- 
nen  will.  — 

Wenn  wir  die  im  fiinften  Capitel  mitgetheilten  Beobachtun- 
gen  zusammen  fassen,  so  geht  aus  ihnen  wohl  mit  geniigender 
Sicherheit  das  eine  Resultat  hcrvor,  dass  das  raittlere  Keimblatt 
fn  derselben  Weise,  wie  es  sich  zuerst  angelegt  hat,  noch  liingere 
Zeit  weiter  witchst  und  sich  vergrossert.  Der  im  zwcitcu  Abschnitt 
niiher  erlauterte  Einfaltungsprocess  in  der  Umgebung  des  Blasto- 
porus nimmt  seinen  ungestorten  Fortgang.  Vom  inneren  Blatt 
der  Urmundlippen  und  von  der  den  Urmund  verschliessenden  Masse 
der  Dotterzellen  schieben  sich  nach  wie  vor  Zellen  zwischen  die 
beiden  primiiren  Keimbliitter  hinein  und  dienen  dem  visceralen 
und  parietalen  Blatte  des  Mesoblasts  zur  Vergrosserung.  Beson- 
ders  lebhaft  aber  sind  hicrbei  die  Dotterzellen  betheiligt,  welche 
am  hintern  Ende  des  Embryo  sich  thdleii  und  eine  kleinzellige 
Wucheruugszone  herstellen. 

Wenn  man  sich  die  beiden  mittleren  Keimbliitter  wicder  von 
einander  gezogeu  denkt,  so  dass  ein  kleiner  Spaltraum  zwischen 
ihnen  sichtbar  wird,  dann  kann  man  bei  den-altcren  Embryonen 
vom  Blastoporus  und  von  dem  hiiitercn  Ende  des  Darmkanals  aus 
in  die  beiden  Spaltraume  eindringen  und  kann  dann  weiter  in  die 


Die   Eutwickl.   des  mill'ereii   Kciiubltittcs  der  \yirbelthicre.      335 

zwei  Coclomsacke  gelangeii,  von  wclclien  sich  im  vorderen  Bereich 
cks  Embryo  die  Urwirbel  abgeschniirt  haben.  Bei  altereu  Em- 
bryonen  liisst  sich  demnach  der  Darnikanal  vom  Kopf  bis  zum 
Blastoporus  in  zwei  Abschnitte  sondern,  in  einen  vorderen  Ab- 
schnitt ,  welcher  ringsum  von  Darmentoblast  unigeben  ist  und  in 
dessen  Bereich  sich  die  Chorda  als  runder  Zellstrang  entwickelt 
hat  und  der  Zusammenhang  mit  den  Mesoblaststreifen  aufgehobeu 
ist,  und  zweitens  in  einen  hinteren  Abschnitt,  der  zur  Decke  den 
Chordaentoblast  hat  und  seitlich  rait  den  Spaltraumen  in  den 
mittleren  Keimblattern  communicirt.  Man  kann  zweckmassiger 
Weise  den  einen  Theil  als  secundaren  Darm,  den  anderen  als 
mittleren  Hohlraum  des  Urdarms  oder  als  undifferenzirten  End- 
darm  bezeichnen. 

Die  an  den  Zellenschichten  des  noch  undifferenzirten  Enddarms 
cintretcnden  Processe  sind  wieder  ganz  dieselben  wie  bei  jiingeren 
Embryonen.  Der  Chordaentoblast  mit  den  angrenzenden  Theilen 
des  parietalen  Mesoblasts  erhebt  sich  zu  2  Chordafalten.  Die 
beiden  Blatter  derselben  und  der  Darmfalten  verschraelzen  darauf 
in  der  friiher  angegebenen  Weise.  Nur  in  der  zeitlichen  Aufeinan- 
derfolgc  der  eiiizelnen  Verschmelzungsacte  ist  jetzt  eine  an  sich 
nebensachliche  Veriinderung  wahrnehmbar.  Wiihrend  friiher  die 
Verschmclzung  der  verschiedenen  Blatter  zieralich  gleichzeitig  cr- 
folgte,  geschieht  sie  jetzt  in  zeitlichen  Intervallen.  Zuerst  ver- 
bindet  sich  jeclerseits  der  Chordaanlage  der  parietale  Mesoblast 
mit  dem  visceralen  und  trennt  sich  vom  Mittelraum  des  Urdarms 
als  Coelomsack  ab.  Dann  erst  legen  sich  die  Riinder  der  Chorda- 
rinne  zum  Chordastab  zusammen  und  zuletzt  findet  der  Verschluss 
der  beiden  Riinder  des  Darmentoblasts  zum  secundaren  Darm  statt. 

Eine  noch  auffalligere  Vcrschiebung  in  der  Zeitfolge  einzelner 
Entwicklungsprocesse  ist  zu  constatiren ,  wenn  wir  die  Entwick- 
lung  der  Organe  des  ausseren  und  des  inneren  Keimblattes  ver- 
gleichen.  In  der  dritten  von  uns  unterschiedenen  Periode  erfolgt 
die  Differenzirung  der  Chorda  zu  einer  Zeit,  wo  im  Ektoblast  die 
breiten  Medullarplatten  sich  eben  an  ihren  Randern  etwas  cinzu- 
falten  beginnen  (Taf.  XIV,  Fig.  6).  An  alteren  Embryonen  sieht 
man  in  der  Region  des  Wachsthums  die  genannten  Organe  ein 
verschieden  raschcs  Tempo  in  ihrer  Entwicklung  einhalten,  iudem 
das  Nervensystcm  den  Anlagen  des  inneren  Keimblattes  immer 
mchr  vorauseilt.  So  ist  in  Figur  11  (Taf.  XIV)  die  Medullarplatte 
schon  tief  rinnenformig  ausgehohlt,  wahrcnd  unter  ihr  der  Chor- 
daentoblast sich  eben  einfaltct,   und  auf  einem  noch  alteren  Sta- 


336  0.  Hertwig, 

dium  (Taf  XV,  Fig.  3)  ist  das  Nervenrohr  schon  vollstandig  ge- 
schlossen  au  einer  Stelle,  wo  die  Chorda  noch  in  der  Anlage  be- 
griflfen  ist. 

Derartige  Erscheinungen  sind  von  untergeordneter  Bedeutung 
im  Vergleich  zu  den  fundamentalen  Vorgangen  der  Keimblatter- 
bildung.  Im  Hinblick  auf  diese  aber  hat  uns  das  Studium  der 
Wachsthumszone  am  hinteren  Endc  alterer  Embryonen  wieder 
Bilder  geliefert,  die  in  iiberzeugendcr  Weise  fiir  die  Richtigkeit 
der  Ansichten  sprechen,  welche  in  unserer  Coclomtheorie  uber 
die  Entwickluug  des  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere  aus- 
gesprochen  wurden. 


Die  Eutwickl.  des  mittlerou  Keimblattes  der  Wirbelthiere.      337 


Tafelerklarung. 

Flir  alle  Figuren  gelten  folgende  Bezeichnungeu. 

c  Coelom.     Eiiterocoel. 
ci   Abgeschniirter  Theil   des  Euterocoels,     Hohle  der  Urwirbel  oder 

Ursegmente. 
ch  Chorda. 
d  Dotterpfropf. 
dfi  Urdarm.     Darmhohle. 
dh"^   enger  Theil  der  Darmhohle. 

dh^   vorderer  erweiterter  Theil  derselbeu.     Kopfdarmhdhle, 
/  Urraundlippe. 
Id  dorsale.     Is  seitliche.     Iv  ventrale  Urmundlippe. 
/•  llinne ,  welche  das  Urmundfeld  umgibt. 
/  Kiickeurinne. 
u  Urmund.     Blastoporus. 
w  AVall  zwischen  Urmuud  uud  Riickenrinne. 
I)  Dotter. 
Eli  Ektoblast. 
En  Eutoblast. 
Enc  Chordaentoblast. 
End  Darmentoblast. 
F  Furchungshohle. 
//  Hirnplatte. 
M  Medullarplatte. 
Me  Mesoblast. 
Me^    Viscerales  Blatt  des  Mesoblasts. 
Me'^   Parietales  Blatt  des  Mesoblasts. 
Mev  Ventral  vom  Blastoporus  gelegencr  Mesoblast. 
.  N  Ceutralnervensystem.     MedullarwUlste. 

Bd.  XV.    N.  F.  VIII,  2.  22 


338  0.  Hcrtwig, 

Taf.  XII. 

Alle  Figuren  etwa  20  mal  vergrossert  (Zeiss  A.  obere  Linse   Oc.  1). 

rig.  1.  ]5eginu  der  Gastrulabildung.  Seric  I.  30  Stuudtn  iiach 
kiinstlichcr  Befruchtung. 

Fig.  2.  Etwas  yorgeriicktercs  Stadium  der  Gastrulation.  Serie  I. 
45  Stuudcu   nach  kiinstl.  Befr. 

Fig.  3.  Entwickeltes  Gastrulastadium  mit  Blasto])orus  und  Dot- 
terpfropf.     Serie  I.    50  Stunden  nach  kiinstl.  Befr. 

Fig.  4.  Entwicklung  der  Eiickenrinne.  Serie  I,  60  Stunden  nach 
kuustl.  Befr. 

Fig.  5.  Ei  mit  deutlich  entwickelter  Riickenrinue.  Serie  IV. 
53  Stunden  nach  kiiustl.  Befr.     Vom  Urmund  aus  geschcn. 

Fig.  6.     Dasselbe  Ei  vom  Riicken  aus  gesehen. 

Fig.  7.  Erste  Anlage  der  Medullarwiilste.  Serie  IV.  56  Stunden 
nach  kiinstl.  Befr.  vom  Riicken  aus  gesehen. 

Fig.  8.  Deutlich  eutwickelte  Medullarwiilste.  Serie  IV.  60  Stun- 
den nach  kiinstl.  Befr. 

Fig.  9.  Medullarwiilste  neigen  sich  mit  ihren  Randern  zum  Rohr 
zusaramen.     Serie  II.    77  Stunden  nach  kiinstl.  Befr. 

Fig.  10.  Etwas  weiter  vorgeriicktes  Stadium  von  der  Bauch- 
fiiiche  gesehen.     Serie  II.    81  Stunden  nach  kiinstl.  Befr. 

Fig.  11.  Abgeschniirtes  Medullarrohr.  Vorderes  und  hinteres 
Endc  kriimmen  sich  einander  zu.  Serie  III.  82  Stunden  nach  kiinstl. 
Befr. 

Taf.  XIII. 

Die  Durchschuitte    sind  bei   70maliger  Vergrosserung  (Zeiss  A.  Oc.  2) 
gezeichnet  und  danu  etwas  verkleinert. 

Fig.    1.     Durchschnitt  durch  die  Blastula. 

Fig.  2.  Sagittalschnitt  durch  ein  Ei  mit  beginuender  Gastrula- 
einstiilpung  (Stadium   Taf.  XII,  Fig.  1). 

Fig.  3.  Sagittalschnitt  durch  ein  Ei  mit  weiter  vorgeschrittener 
Gastrulaeinstiilpung  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  2). 

Fig.  4.  Sagittalschnitt  durch  cine  vollstiindig  entwickelte  Ga- 
strula,  bei  welcher  sich  bereits  der  Mesoblast  zu  bilden  beginnt  (Sta- 
dium Taf.  XII,  Fig.  3—4). 

Fig.  5  —  7.  Drei  Sagittalschuitte  durch  ein  Ei  mit  Riickenrinue. 
In  Fig.  5  geht  der  Schnitt  durch  die  Medianebcne,  in  Fig.  6  etwas 
seitlich  von  derselben,  in  Fig.  7  noch  mehr  seitlich  (Stadium  Taf.  XII, 
Fig.  5-6). 


Die  Entwicld.  cles  mittleren  Keimblattes  der  Wirbelthiere.    339 

Fig.  8.  Frontalschnitt  durch  ein  Ei,  an  welchem  die  Medullar- 
wiilste  hervorzutreten  beginnen  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  7  —  8), 

Fig.  9.  Frontalschnitt  durch  eine  vollstiindig  entwickelte  Ga- 
strula,  bei  welcher  sich  der  Mesoblast  bereits  zu  bilden  beginnt  (Pen- 
dant zu  Fig.  4,  Stadium  Taf.  XII,  Fig  3  —  4). 

Fig.  10.  Frontalschnitt  durch  ein  Ei  mit  Riickenrinne  (Stadium 
Taf.  XII,  Fig.  5  u.  6). 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  ein  Ei  mit  schwach  ausgepriigter 
Riickenrinne  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  4). 

Fig.  12.  Frontalschnitt  durch  ein  Ei  mit  zum  Rohr  sich  schlies- 
senden  MeduUarwiilsten  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  10). 

Taf.  XIV. 

Alle  Figuren  sind  bei  SOfacher  Vergrosserung  (Zeiss  C.  Oc.  1) 
gezeichnet. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  die  Riickenrinne  (Stadium  Taf.  XII, 
Fig.  5  —  6). 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  dasselbe  Stadium.  Die  Zellenschichten 
haben  sich  beim  Schneiden  etwas  von  einander  abgelost. 

Fig.  3  —  6.  Vier  Querschnitte  aus  einer  Schnittserie  durch  ein 
Ei,  an  welchem  die  Medullarwiilste  hervorzutreten  beginnen  (Stadium 
Taf.  XII,  Fig.  7).  Die  Schnitte  illustriren  die  Entwicklung  der  Chorda 
aus  dem  Chordaentoblast  und  die  Abschniirung  der  beiden  Mesoblast- 
streifen. 

Fig.  7.  Querschnitt  durch  ein  Ei,  dessen  Medullarfurche  dem 
Verschluss  nahe  ist.  Chordabildung  voUendet.  Die  Urwirbel  beginnen 
sich  auf  dem  vorliegenden  Schnitt  von  den  Coelomsacken  abzuschniiren 
(Stadium  Taf.  XII,  Fig.  10). 

Fig.  8.  Querschnitt  durch  ein  Ei  mit  geschlossenem  Nerven- 
rohr  und  wohl  entwickelten  Ursegmenten. 

Fig.  9.  Querschnitt  durch  ein  etwas  alteres  Stadium,  in  welchem 
die  Zellen  der  Ursegmente  cylinderforraig  geworden  sind. 

Fig.  10.  Schnitt  durch  den  Blastoporus  eines  Eies,  dessen  Me- 
dullarrinne  zum  Theil  geschlossen  ist  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  10). 

Fig.  11.  Querschnitt  durch  ein  Ei  mit  enger  Medullarfurche 
(Stadium  Taf.  XII,  Fig.  9).  Der  Schnitt  hat  die  Gegend  etwas  vor  dem 
Blastoporus  getroffen. 

Fig.  12.  Schnitt  aus  derselben  Schnittserie,  aus  welcher  auch 
Fig.  10  ausgewiihlt  ist.  Der  Schnitt  hat  die  Gegend  unmittelbar  vor 
dem  Blastoporus  getroffen. 

22* 


340  0.  Her  twig, 

Taf.  XV. 

Die   Figuren  1 — 7,    15 — 17   sind  bei   SOfacher   Vergrosserung  (Zeiss  C. 

Oc.  1),   die  Figuren  9  —  12  und    14   bei   SOfacher  Vergrosserung 

(Zeiss  A.   Oc.  1)  gezeichnet. 

Fig.  1.  Schnitt  durch  das  hintere  Ende  eines  Eies,  dessen  Me-, 
dullarfurchc  sich  z\i  schliessen  bcginiit. 

Fig.  2.  Laugsschnitt  durch  die  Urwirbel  und  Urwirbelplatte  eines 
Eies,   dessen  Medullarfurche  sich  geschlossen  hat. 

Fig.  3.  Querschnitt  durch  das  hintere  Ende  eines  Eies  mit  ge- 
schlossenem  Nervenrohi*. 

Fig.  4.  Querschnitt  durch  ein  Ei  mit  Riickenrinne  (Stadium 
Taf.  Xir,  Fig.  4). 

Fig.  5.  Schnitt  durch  das  hintere  Ende  eines  Eies,  dessen  Me- 
dullarfurche im  Verschluss  begriffen  ist.  Die  Gegend  vor  dem  Blasto- 
porus  ist  durchschnitten  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  9 — 10). 

Fig.  6.  Schnitt  durch  ein  Ei,  das  sich  am  Ende  des  Gastrula- 
stadiums  befindet.  Die  Gegend  vor  dem  Blastoporus  ist  getroffen  (Sta- 
dium Taf.  XIL,  Fig.  3). 

Fig.  7.  Theil  eines  Querschuittes  von  einem  Ei  mit  enger  Me- 
dullarfurche. Abgeschniirte  Chorda.  Die  vordere  Wand  eines  in  Bil- 
dung  begriffenen  Urwirbels  ist  getroffen. 

Fig.   8.    Laugsschnitt  durch  die  Chorda  (Fig.  1 4),  stark  vergrdssert. 

Fig.  9 — 12.  Vier  Schnitte  durch  den  Blastoporus  und  die  Ge- 
gend vor  dem  Blastoporus  aus  einer  Schnittserie  eines  mit  enger  Me- 
dullarfurche verseheuen  Eies. 

Fig.  13.  Cylindrische  Zellen  der  Urwirbel  (Fig.  14),  stark  ver- 
grossert. 

Fig.  14.  Frontalschnitt  durch  eine  Larve  mit  wohl  entwickelten 
Ursegmenten. 

Fig.  15.  Uuerschnitt  durch  ein  Ei,  an  welchem  die  Riicken- 
rinne deutlich  zu  werdcn  beginut  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  4).  Der 
Schnitt  geht  durch  den   Wulst  zwischen  Riickenrinne  und  XJrmund. 

Fig.  16.  Sagittalschnitt  durch  ein  Ei  mit  deutlich  entwickelter 
Ruckenrinne  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  5  u.  6). 

Fig.  17.  Schnitt  durch  ein  Ei,  das  sich  am  Ende  des  Gastrula- 
stadiums  befindet  (Stadium  Taf.  XII,  Fig.  3).  Der  Schnitt  hat  die 
Gegend  hinter  dem  Blastoporus  getroffen. 


Pruck  von  Ed.  Frommai 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack 
der  Angiospermen 

mit  bcsonderer  Berucksicbtigung 

der  hierbei  stattfindenden  Vorgange  der  KerntheHung. 

Von 

Dr.  Friedrich  Soltwcdel. 


Hierzu  Tafel  XVI— XVIII. 


Nachdcm  Strasburger  gezeigt  hat,  dass  bei  den  Angio- 
spermen die  Zellen  des  Eiapparates,  der  Gegenfiisslerinncn,  und 
die  Zelle,  welchc  den  secundaren  Embryosackkern  einschliesst,  den 
Zelleii  des  Eiweisskorpers  der  Gymnospermen  gleichwerthig  sind, 
kann  man  bei  den  Angiospermen  zwei  Arten  von  Endosperm 
unterscheiden :  prim  ares  und  secun  dares.  Das  primare  Endo- 
sperm entsteht  vor  der  Befruchtung  im  Embryosack  der 
Phanerogamen  und,  soweit  die  Beobachtiingen  reichen,  iiberall 
durch  freie  Zellbildung.  Unter  freier  Zellbildung  verstehe 
ich  nach  der  Definition  von  Strasburger  diejenige  Zellbildung, 
bei  der  nicht  nach  jeder  Kerntheilung  cine  Zellwand  zwischcn  den 
Tochterkernen  gebildet  wird,  sondern  die  Zellwande  erst  nach  wie- 
derholt  stattgefundener  Kerntheilung  in  der  Kegel  zwischen  je  zwei 
benachbarten  Kernen  nachtraglich  auftreten. 

Das  primare  Endosperm  besteht  in  der  Kegel  aus  sieben  Zellen. 
Drei  der  Zellen  befinden  sich  im  oberen  (der  Mikropyle  zunachst 
gelegenen)  Ende  des  Embryosackes  und  bilden  den  Eiapparat. 
Drei  Zellen  des  primaren  Endosperms,  die  Gegenfiisslerinncn,  sind 
im  unteren  (der  Chalaza  zunachst  gelegenen)  Ende  des  Embryo- 
sackes gelegen  und  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Zellgruppen  be- 
findet  sich  die  bei  weitem  grosste  Zelle  mit  dem  secundaren  Em- 
bryosackkern ,  der  aus  der  Verschmelzung  von  zwei  freien  Kernen 
hervorgegangen  ist,  Aus  dieser  Zelle  allein  entwickelt  sich 
nach  erfolgter  Befruchtung  der  Eizelle  das  secun  dare  Endo- 
sperm,  und   ich   nenne   daher   diese  Zelle   Mutter  zelle  des 


342  Dr.  Friedricli  Soltwedel, 

sccundareii  Endosperms.  Diese  Zelle  ist  aber  nicht  gleich- 
bcdeutend  mit  Embryosack,  mit  dem  Hofmeister  dieselbe  haufig 
gleicbsetzt,  sondern  sie  ist  nur  eiii  Thcil  desselben.  Zum  Embryo- 
sack  gehoren  ausserdem   noch   der  Eiapparat  und  die  Antipoden. 

Um  den  Unterschied  zwischen  freier  Zellbildung  und  Zellthei- 
lung  klarzulegen,  babe  ich  in  meinen  Untersuchungen  die  Entwick- 
lung  des  secLindiircn  Endosperms  verfolgt.  Wenn  in  der  Arbeit 
schlechthin  von  Endospermnmtterzelle  die  Rede  ist ,  so  ist  stets 
die  Mutterzelle  des  secundaren  Endosperms  darunter  verstanden 
und  daher  ist  dies  Wort  in  derselben  Bedeutung  angeweudet,  wie 
cs  schon  Hofmeister  gebraucht  hat. 

Vor  Allem  war  ich  bestrebt  die  Wahrheit  des  von  Stras- 
burger  ausgesprochenen  Satzes:  „Eine  freie  Kerubildung 
in  den  Embryosacken  giebt  es  nicht,  alle  Kerne  ge- 
hen  aus  einander  durch  Theiiung  hervor"  an  moglichst 
vielen  Beispielen  zu  zeigen, 

Nach  den  vielen  eiugehenden  Untersuchungen  Hofmeister's 
tiber  den  Embryosack  sollen  aber  bei  der  Bildung  des  secundaren 
Endosperms  an  zwei  Stellen  die  Kerne  frei  aus  dem  Protoplasma 
entstehen:  erstens  in  den  Aussackungen  des  Embryosa- 
ckes  derjenigeu  Angiospermen ,  deren  Endosperm  durch  Zellthei- 
lung  gebildet  wird,  und  zweitens  ini  Embryosack  aller  Angiosper- 
men,  deren  secundares  Endosperm  zuerst  durch  freie  Zellbildung 
angelegt  wird.  Auf  diese  beiden  Punkte  ist  daher  in  der  Arbeit 
besonders  geachtet. 

Die  Resultate  sind  fast  ausschliesslich  an  Alkohol  -  Material 
gewonneu.  Nur  die  Entwicklung  der  kleiuen  durchsichtigen  Eichen 
von  Monotropa  und  Pirola  wurde  auch  in  einprozentiger  Zucker- 
losung  lebend  unter  dem  Mikroskop  verfolgt.  Die  Praparate,  die 
sich  nur  von  erhartetem  Material  aufbewahren  liessen,  sind  ent- 
weder  in  Glycerin  oder  in  Glycerin-Gelatine  gelegt. 

Die  Untersuchungen  wurden  ini  botauischen  Institut  zu  Jena 
unter  der  Leitung  des  Herrn  Hofiath  Stras  burger  gemacht. 
Es  moge  mir  hier  vergonnt  sein,  meinem  verehrten  Lehrer,  der 
mich  auf  alle  Fragen  aufmerksani  machte,  die  bei  dieser  Unter- 
suchung  zu  losen  waren,  fiir  seine  Unterstutzung  meinen  innigsten 
Dank  auszusprechen. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiospermen   etc.  343 

Geschichtliches. 

Hofraeister  war  der  erste,  welcher  in  scinen  zahlreicheii 
Arbeiten  liber  Enibryobildung  auf  die  iiiteressanten  Vorgange  im 
Embryosack  die  Aufmerksamiceit  geleukt  bat.  VVeim  es  ihm  iiicht 
immer  gelang,  die  Entstehung  des  Embryo  und  des  Endosperms 
bis  in  die  Einzelheiten  klar  zu  legen,  so  lag  dies  wobl  ziim  aller- 
grossten  Theil  an  der  damals  noch  sehr  unvolikommenen  Methode 
der  mikroskopischen  Untersucbung. 

Dem  Vorkommeu  und  besouders  der  Entstehungsweise  des 
Endosperms  legte  Hofmeister^)  eiuen  so  hoben  Wertb  bei,  dass 
er  darnacb  auf  die  Verwaudtscbaltsbeziebungen  der  Plianzeufami- 
lien  scbloss.  So  unterschied  er  drei  grosse  Gruppen  unter  den 
Angiospermen:  endospermlose  Pflauzen,  PHanzen,  deren 
Endosperm  durch  wiederholte  Zweitbeilung  einer  einzigen 
Mutterzelle  entstebt,  und  solcbe,  bei  deneu  gleicbzeitig 
mehrere  freie  Endospermzellen  gebildet  werden.  Nacb 
der  verschiedenartigeu  Entwicklungsweise  des  Endosperms  werden 
daber  nacb  Hof  meister  weit  getrennt  „die  Boragineen  von  den 
Labiaten,  die  Solanaceen  von  den  Scrojphularineen,  die  Gentia- 
neen  von  den  Orobanchen,  die  Loaseen  von  den  Passifloren." 

Jedocb  bebt  Hof  meister  an  einer  andern  Stelle^)  die  IScbwie- 
rigkeit  bervor,  „die  Grenze  zwiscben  den  Fhanerogamen 
mit  nur  durcb  Zelltbeilung  wacbseudem  Endosperm, 
und  denen,  deren  Endosperm  durcb  freie  Zellbil- 
dung augelegt  wird,  mit  Genauigkeit  zu  zieben." 

Zu  den  endospermlusen  Piianzen  recbnet  Hof  meister  ^)  alia 
diejenigen,  bei  denen  die  Bildung  eines  gescblossenen  Gewebes  von 
Endospermzellen  uuterbleibt.  Hierber  geboren  die  Najaden,  Fo- 
tamogetoneen ,  Alismaceen,  Orchideen,  Cannaceen  u,  s.  w.  Wobl 
soUen  bei  einzelnen  Ptlanzen  dieser  Gruppe  voriibergehend  einige 
Zellkerne  im  protoplasmatiscben  Wandbeleg  des  Embryosackes  auf- 
treten,  docb  werden  keiue  Zellwande  um  die  Kerne  gebildet. 

Bei  alien  Pflanzen ,    deren  Endosperm  durcb   Tbeilung  einer 


^)  Neue  Eeobaclituugeu  uber  Embryobilduug  der  Pka/icrogawt-zi. 
Jahrbiicher  fur  wiss.  Bolanik.     iJd.  1.     p.    185. 

2)  Neue  Jieitrage  zur  Keiintniss  der  Embryobildung  der  P/iuiie- 
rogamen.  Abhaudl.  d.  math.  phys.  CI.  d.  konigl.  siicha.  Geseilscli.  d.  Wiss. 
lid.  IV.    p.   537. 

3)  1.  c.     Bd.   V.    p.   704. 


344  Dr.  Fricdrirh  Roltwedel, 

Mutterzelle  gebildet  wird,  konnen  beide  Tochterzellen  sich  weiter 
theilen  odcr  nur  die  eine  von  beiden.  In  der  anderen  Tochter- 
zelle  sollen  dann  gewohnlich  noch  freie  Zellkerne  auftreten.  Bei 
ProstantJiera  violacea  und  Catalpa  syringaefolia  soil  nacli  Hof- 
nieister  in  der  oberen  Tochterzelle  wirkliche  freie 
Zellbildung  stattfinden,  wahrend  in  dem  unteren  Ende  des 
Embryosackes  das  Endosperm  durch  Theilung  der  anderen  Toch- 
terzelle angelegt  wird. 

Ueber  die  freie  Zellbildung  giebt  Hofmeisteri)  sehr  aus- 
fiihrliche  Angaben,  Nach  seineu  Beobachtungen  wird  im  Embryo- 
sack  der  Mehrzahl  der  Phanerogamen  bald  nach  der  Befruchtung 
der  primare  Zellkern  verfliissigt.  In  dem  protoplasmatischen  Wand- 
belege  des  Embryosackes  sollen  darauf  die  Zellkerne  zuerst  als 
blaschenahnliche  Gebilde,  ohne  feste  Bildungen  im  Innern  auftreten, 
deren  Grosse  diejenige  der  spiiter  in  ihneu  entstehenden  Kernkorper- 
chen  erheblich  iibertrifft.  Urn  jeden  Kern  soil  sich  ein  Ballen  dich- 
teren  Protoplasmas  haufen,  dessen  Peripherie  die  Beschaffenheit 
einer  Hautschicht  besitzt,  und  der  so  eine  Primordialzelle  dar- 
stellt. 

Diese  Primordialzellen   sind  zunachst  von  einander   entfernt. 

Indem  sie  unter  Bildung  von  Vacuolen  im  Innern  wachsen,  sollen 
sie  bald  seitlich  in  Beruhrung  treten,  durch  gegenseitigeji  Druck 
polygonal  werden  und  an  den  Beriihrungsstellen  feste  elastische 
Membranen  bilden.  Bei  einigen  Pflanzen  sollen  die  jungen  Endo- 
sperrazellen  Kugelgestalt  annehmen,  sich  von  der  Wandschicht  des 
Embryosaclies  ablosen  und  in  dessen  mit  Fliissigkeit  erfullte  Va- 
cuole treten.  In  diesen  Zellen  soil  dann  spater  die  Bildung  freier 
Tochterzellen  oder  auch  Zelltheilung  stattfinden. 

Wahrend  nach  Hofmeister  bei  der  freien  Zellbildung  zu- 
erst die  Kerne  und  spater  in  diesen  die  Kernkorperchen  entstehen 
sollen,  treten  nach  Schleiden^),  Schwann^),  Nageli^)  und 
Schacht^)  zuerst  die  Kernkorperchen  auf  und  um  diese  spater 
erst  die  Kernmembran. 


1)  Lehre  von  der  Pliauzeuzelle.     1867,  p.    116. 

^)  Beitriige  zur  Phytogeuesis.     M  tiller's  Arch.   1838,   p.    13  7. 

3)  Mikroskop.  Unters.  liber  die  Uebereinstimmung  in  der  Struetur 
und  dem  Wachsthum  der  Thiere  und  Pllanzen,   1839,  p.   207. 

4)  Zeitschrift  fiir  wiss.  Botanik.     Heft  III  und  IV.    1846,  p.  34 
und  36. 

^)  Lehrbuch    der   Anat.    und  Phys.    der    Plianzeu,  Bd.  I.    1866, 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  dcr  Angiospermen  etc.  345 

DippeP)  koniite  sich  zii  keiuer  vou  beiden  Anschauungcn 
eutschliesseu,  da  er  bci  der  freien  Zellbildung  im  Embryosack  der 
Flianerogamen  stets  scbon  ausgebildete  grossere  und  kleinere  Zell- 
kerne  autraf,  die  das  Kernkorperchen  und  die  Kernmembran  deut- 
lich  erkenneu  liessen. 

Danu  war  Strasburger-),  der  die  Vorgange  bei  der  freieu 
Zellbildung  im  Embryosack  von  Phaseolus  verfolgt  hatte,  zu  der 
Ueberzeugung  gelangt,  dass  die  Zellkerne  zuerst  als  kleine  diclite 
Kiigelchen  auftreten,  die  von  Aufang  an  von  einer  Zellmembran 
umgebeu  sind. 

Wahrend  die  kleinen  Kerne  zu  ihrer  definitiven  Grosse  her- 
anwachsen,  sollteii  auch  die  kugeligen  Zellen  schnell  an  Grosse 
zunehmen,  schliesslich  auf  einander  stossen  und  sich  so  zu  eiuem 
geschlossenen  Gewebe  vereiuigen. 

Strasburger  gebiihrt  das  Verdienst,  bei  seinen  mikrosko- 
pischen  Untersuchungen  zuerst  in  absolutem  Alkohol  erhartetes 
Material  verwendet  zu  haben.  Durcli  zahlreiche  Coutroluntersu- 
chungen  stellte  er  fest,  dass  der  Alkohol  das  Protoplasma  schnell 
fixirt,  den  feineren  Bau  desselben  besser  hervortreten  lasst  und 
Dur  wasserentziehend  auf  das  Plasma  wirkt.  Wenn  es  sich  darum 
haudelt,  das  erhartete  Material  zum  Schneiden  tauglicher  zu  ma- 
chen,  legt  man  dasselbe  24  Stunden  lang  in  ein  Gemisch  vou  Gly- 
cerin und  Alkohol.  Glycerin  veriindert  die  Structur  des  erharteten 
Protoplasmas  nicht  mehr. 

Mittelst  dieser  Methode  gelang  es  Strasburger ')  bei  vieleu 
Pflanzen  nachzuweisen ,  dass  die  Kerne  des  Eiapparates  und  dcr 
Gegenfiisslerinnen  nicht  nach  der  bis  dahin  gelaufigen  Annahme 
frei  im  Protoplasma  entstehen,  sondern  durch  Theilung  aus  dem 
primaren  Embryosackkern  hervorgehen. 

Ebeufalls  verfolgte  er  bei  dieser  Untersuchung  die  Bildung 
der  ersten  secundiiren  P^ndospermzellen  an  den  kleinen  durchsich- 
tigen  Eichcn  vou  Monotro]}a  Hypopitys  und  beobachtete  die  dabei 
stattfindenden  Kerntheilungen  am  lebeuden  Objekt. 

Im  Embryosack  von  Cap)sella  Bursa xmstoris  sollen  nach  Stras- 
burger (1.  c.  p.  71)  im  Wandplasma  nach  Auflosung  des  secun- 
daren  Erabryosackkerns  zunachst  wenige,  spater  durch  Einschal- 
tung  zwischen  die  vorhandenen  neue  Kerne  entstehen.  Wahrend 
die  juugen  Kerne  bei  Phaseolus  vollig  homogen  waren,  zeigen  die 

1)  Mikroskop,  Bd.  II.    1869,  p.   43. 

2)  Zellbildung  uud  Zclltheilung,    1876,  p.   7. 

3)  Befruchtung  uud  Zelltheiluug,   1878. 


34G  Dr.  Friudrich  Sollwcdel, 

von  Capsella  oin  Kernkorperchen  uiid  eine  Kernhiille.  Die  Kerne 
sind  auch  hier  bei  ihrem  ersten  Auftreten  sofort  von  einer  H.iut- 
schicht  umgeben. 

Indem  Hegel maier^)  bei  seinen  Untersuchungen  iiber  „Ent- 
wicklung  Bicotyler  Keime"  auch  Alkoholmaterial  verwendete, 
fand  er  im  Embryosack  von  EschscJiolMa  die  mit  einem  grossen, 
stark  lichtbrechenden  Kernkorperchen  versehenen  Kerne  als  deut- 
lich  umscliriebene,  aber  von  keinem  diiferenten  Contour  umgebene 
Partieen  in  dem  feinkornigen  Wandbeleg  aus  Protoplasma.  Vor 
der  Bildung  der  Trennungslinieu  sind  die  Kerne  von  radienformig 
verlaufenden  Strangen  korniger  Substanz  umgeben.  Die  Bildung 
der  feiukornigen  Trennungslinien  geschieht  von  der  Mikropyle 
gegen  dieChalaza  desEichens  fortschreitend.  TJeberein- 
stimmend  mit  Eschscholtzia  sollen  die  Vorgange  bei  Hypecoum, 
Chelidonium  und  Glaucium  sein,  jedoch  „zeigt  bei  Cory  dolls 
die  Endospermbildung  jedeiifalls  verschiedene  Er- 
scheinungen  2)."  Anhaltspunktc  fur  die  etwaige  Annahme  einer 
stattgehabten  Theilung  sind  Hegelmaier  nicht  aufgestossen,  da 
nur  ausnahmsweise  zwei  Kerne  einander  genahert  lagen. 

Darauf  zeigte  Strasburger  in  der  botanischen  Zeitung  3), 
dass  bei  der  freien  Endospermbildung  gar  keine  freie  Ent- 
stehung  von  Zellkernen  stattfindet,  dass  alle  Kerne  aus 
schon  vorhandenen  durch  Theilung  hervorgehen.  Die 
spatere  Bildung  der  Scheidewande  erfolgt  im  Wesentlichen  in  der 
von  Hegelmaier  geschilderten  Weise. 

Ein  wenig  spater  behauptete  wieder  Darapsky*),  dass  bei 
Hyacinthus  ciUatus  M.  B.  der  Doppelkern  des  Embi-yosackes  auf- 
gelost  werde  und  die  jungen  Endospermkerne  frei  im  Protoplasma 
auftauchen.  Im  Protoplasma  findet  man  langlich  verzogene  oder 
eckig  gedruckte  Kornchen  ziemlich  regelmassig  zu  kleinen  Grup- 
pen  angeordnet,  urn  solche  Vereinigungen  taucht  dann  ein  leichter, 
leis  hingehauchter  Contour  auf.  Auch  bei  Myosurus  minimus 
gelang  es  ihm  nicht,  weder  den  secunditren  Embryosackkern  noch 
die  freien  Endospermkerne  im  Theilungsstadium  zu  fixiren. 

Fischer-^)  fand  in  seinen  Untersuchungen  iiber  „Embryo- 


^)   Vcrgl.  Unters.  iiber  Entwickluug  Z^/V-o/y/c/-  Keiiue,    1878,  p.  22. 

2)  1.   c.   p.   92. 

3)  Bot.  Zeitung,   1879,  Nr.    17   uud   18. 
^)  Bot.  Zeituug,   1879,  Nr.  35. 

s)  Jenaische    Zeitschrift    fur    Naturwissensch.    Bd.  XIV.     Heft   1, 
Tafel  III,  Fig.  28  uud  29. 


Freie  ZellbilduDg  im  Embryosack  der  Augiospermcu  etc.  347 

s  a  c  k  e  n  t  w  i  c  k  1  u  11  g  "  bei  EhrJiarta  panicea  die  Tochterkerne  des 
secuudaren  Embryosackkernes  und  die  Theiluiig  der  noch  freieii 
Endospermkerne. 

In  seiuen  Untersuclmngeii  iiber  „Eiiibryogenie  undE  n  do- 
sperm  e  n  t  w  i  c  k  1  u  n  g  v  o  n  Lupimis"  faiid  H  e  g  e  1  m  a  i  e  r  ' ),  dass 
bei  dieser  Pflauze  die  freien  Zellkerne  im  protoplasmatischen  Wand- 
belege  des  Embryosackes  zum  grosseu  Theil  ruckgebildet  werdeii, 
und  dass  nur  in  der  Umgebung  des  Keimes  ein  Endospermkorper 
gebildet  wird  (1.  c.  Sp.  129).  Wenn  es  ihm  auch  nicht  gelaiig, 
die  Herkunft  der  freien  Endospermkerne  aus  Theilung  eines  ein- 
zigen  festzustellen ,  so  hatte  er  doch  wiederholt  Gelegenheit  vor- 
bereitende  Zustande  der  Kernvermehrung  „in  den  bekannten 
Erscheiuungen  der  Faden-  und  Ton  nenbildung"  zu  be- 
obachten  und  zwar  dann  stets  in  grosser  Aiizahl.  Bei  der  Rtick- 
bildung  der  freien  Endospermkerne  treten  nach  Hegel maier 
eine  Anzahl  charakteristischer  Erscheinungen  auf  (1.  c.  Sp.  131). 
Der  Kern  wird  bis  zum  15faclien  Durchmessor  aufgeblaht,  seine 
Contouren  werden  undeutlicher  und  eutschwinden  schliesslich  der 
Wahrnehmung,  wahrend  die  Kernkorperchen  ebenfalls  bedeutend 
an  Grosse  zunehmen,  stark  lichtbrecliend  werden  und  Vacuolen 
bilden.  Vor  ihrem  defiuitiven  Aufgelostwerden  konnen  die  Kern- 
korperchen „durch  Ausbreitung  und  Zusammenfliessen 
der  Vacuolen  in  einige  glanzende  Stuckchen  zerf al- 
ien; GruppensolcherPartikelsindalsdaiin  dasletzte 
sichtbare  Residuum  der  friiheren  Endospermkerne." 
Endlich  hat  Strasburger  in  der  dritten  Auflage  seines  Ba- 
ches uber  „Zellbildung  und  Zelltheilung"  die  Theilung  der 
noch  freien  Endospermkerne  von  mehreren  Pflaiizen  nach  Prapa- 
raten,  die  ich  dargestellt  hatte,  veroti'entlicht.  In  einem  Aufsatze 
iiber  „Vielkernige  Zellen  und  uber  die  Embryogenie 
von  Lupinus^)"-  theilte  derselbe  dann  noch  mit,  dass  er  im  Em- 
bryosack von  Lupinus  subcarnosus  die  vier  ersten  Endospermkerne 
und  wiederholt  die  Theilung  von  noch  freien  Endospermkernen  ge- 
funden  habe. 


1)  Bot.  Zoituug   1880,  Nr.  5—9. 

2)  Bot.  Zcitung   1880,  Nr.  50   und   51. 


348  Dr.   Frifdrlch  SolLwedel, 

Entwicklung  des  secundaren  Endosperms. 

Pflanzen  ohne  secundares  Endosperm. 

Ill)  Embryosiick  von  Orchis  pallens  fiiidet,  wie  sclioii  S  t  r  a  s - 
burger  1)  in  seinem  Werke  iibcr  „Bt;fruchtuug  unci  Zelltlieilung" 
gezeigt  hat,  nach  dcr  Befruchtung  nur  die  Weiterentwickluug  der 
Eizelle  statt.  Die  Gehiilfinnen,  die  Gegeufiisslerinnen  und  die  Mut- 
terzelle  des  secundaren  Endosperms  werden  bald  desorganisirt  und 
vom  beranwachsenden  Embryo  als  Nahrungsstoff  verbraudit.  Das- 
selbe  ist  der  Fall  bei  Begonia  Froebeli.  Nach  der  ersten  Theilung 
der  Eizelle  sind  die  Gegenfusslerinnen  und  der  secundare  Embryo- 
sackkern  bereits  verschvvundeu  und  Rudimente  der  Gehiilfinnen 
sind  noch  als  formlose  Protoplasmamassen  zu  erkennen.  Nur  sehr 
selten  kam  es  vor,  dass  die  Mutterzelle  des  Endosperms  sich  in 
zwei  Tochterzelleu  theilte. 

Bei  Alisma  Planiago  gelang  es  mir,  die  vier  ersten  Endo- 
spermkerne  im  Theilungszustande  frei  im  protoplasmatischen  Wand- 
belege  des  Embryosackes  zu  finden.  Zur  Bilduug  von  secundiireu 
Eudospermzellen  kommt  es  bei  dieser  Pflanze  nicht. 

Da  im  Embryosack  der  Aiigiospermen,  wie  Stras burger  2) 
gezeigt  hat,  vor  der  Befruchtung  der  Eiapparat,  die  Gegeufiissle- 
rinnen und  die  Mutterzelle  des  secundaren  Endosperms  in  derselbeu 
Weise  wie  bei  den  Gymnospermeu  der  Eiweisskorper  durch  freie 
Zellbildung  entstehen  und  daher  jene  als  Eudospermzellen  aufge- 
lasst  werden  mussen,  so  ist  es  selbstverstandUch,  dass  man  nicht 
mehrvou  en dospermlosen  Pflanzen  sprechen  kann. 
Man  hat  daher  bei  den  Angiospermen  vielmehr  die  Pflanzen  dar- 
nach  zu  unterscheiden ,  ob  sie  nur  primares  oder  auch  se- 
cundares Endosperm  bilden. 

Entwicklung  des  secundaren  Endosperms  durch 
Zelltheilung. 

Bei  eiuer  Reihe  von  Familien  der  Dicotylen  entsteht  das  se- 
cundare Endosperm  durch  Theilung  einer  Mutterzelle.  Im 
Allgemeineu  gehoren  hierher  die  Pflanzen,  welche  verhaltuissmas- 
sig  nur  we  nig  Endosperm  bilden  und  deren  Samen  daher 
meistens  nur  sehr  klein  sind,  wie  z.  B.  die  Samen  der  Aristo- 


1)  Befruchtung  uud  ZeUtheilung,    1879,  p.  70. 

2)  Jngiospermcn  imd   Cyinnospei'inen,    1879,  p.    137. 


Freie  Zellbilduug  im   KiuLryosack   dur  Aiigiosix-rmen   etc.  349 

locJiieen,  Orohancheu,  Serophularineen,  Verhenacecn,  Planfagineeu, 
Campanulaceen  imd  Droseraceen. 

Die  Entwickelung  des  secundaren  Endosperms  bei  Monotropa 
Hypopitys  hat  S trasburger i)  bereits  beschrieben.  Nach  der 
Theilung  des  secundaren  Embryosackkernes  wird  zwischen  deu 
Tochterkernen  eine  Zellwand  gebildet,  die  den  Embryosack  in  zwoi 
nahezu  gleiche  Hiilften  theilt.  Die  Theilimgen  der  beideu  Tochter- 
zellen  erfolgen  fast  gleichzeitig ,  doch  so,  dass  die  obere  (der 
Mikropyle  zunachst  gelegene)  Zelle  mit  der  Theilung  be- 
gin nt.  Wenn  das  Endosperm  schon  aus  vier  libereinander  lie- 
genden  Zellen  besteht,  hat  sich  die  Eizelle  zwar  sehr  gestreckt, 
aber  noch  nicht  getheilt.  Sie  wachst  durch  die  oberste  Zelle,  lost 
die  die  beiden  obersten  Endospermzellen  trennende  Zellwand  an 
einer  Stelle  auf  uud  gelangt  auf  diese  Weise  in  die  zweite  Zelle. 
Der  Inhalt  der  obersten  Zelle  wird  in  diesem  Stadium  meistens 
resorbirt  und  es  finden  nur  noch  Theilungen  in  den  drei  anderen 
Zellen  statt. 

In  den  kleinen  durchsichtigen  Eichen  von  Monotropa  und 
Plrola  kann  man  die  Bildung  des  Endosperms  in  ein-  bis  drei- 
prozentiger  Zuckerlosung  lebend  unter  dem  Mikroskop  verfolgen. 
Am  funften  Tage  nach  der  Bestilubung  hat  der  Pollenschlauch 
den  Eiapparat  erreicht  und  gleich  nach  der  Befruchtung  findet 
die  Endospermbildung  statt. 

Noch  besser  treten  die  Theilungsfiguren  an  Alkoholmaterial 
hervor;  nur  darf  man  bei  Monotropa  den  Alkohol  nur  wenige 
Stuuden  einwirken  lassen,  weil  bei  weiterer  Einwirkung  die  Eichen 
sich  hier  schwarzen  uud  undurchsichtig  werden.  Doch  geniigt 
diese  Zeit,  urn  das  Protoplasma  vollstandig  zu  fixiren ,  uud  solche 
Eichen  lassen  sich  dann  gut  in  Glycerin  aufbewahren. 

Wahrend  der  Embryosack  bei  Monotropa  und  Pirola  gleich- 
miissig  nach  alien  Richtungen  hin  an  Grosse  zunimmt,  kann  er 
bei  anderen  Pflanzen  durch  ungleichmassiges  W  achsthum 
bei  seiner  Weiterentwickelung  sehr  unregelmassige  Gestal- 
ten  annehmen  und  grossere  Aussackungen  in  den  Nucellus 
treiben.  In  dieseu  Aussackungen  findet  man  einige  wenige  freie 
Kerne,  die  aber  in  den  meisten  Eiillen  wieder  rilckgebildet  werden. 

Eur  Bartonia  aurea  hat  Strasburger -)  festgestcUt ,  dass 
es  hier  die  Gehiilfinnen  sind,  welche  in  das  Nucellargewebe 


^)  Befruchtung  uud  Zelltheiluug,  p.  70. 
2)  Befruchtuug  uud  Zelltheiluug,  p.   43. 


350  Dr.  Fricdricli  Soltwodcl, 

ausvvachsen,  und  class  die  Zellkcrne,  die  in  dieser  Aussackung  zii 
fiuden  sind,  den  Gehtilfinnen  angehoren. 

Bei  Laniium  album  ist  das  untere  Ende  des  Embryosackes 
seitlich  abgebogen  und  von  einer  Schicht  stark  verdickter  Zellen 
umgeben.  Fig.  1,  Taf.  XVI  stellt  den  Embryosack  gleich  nach  er- 
folgter  Befruchtung  dar.  Die  Eizelle  hat  sich  bereits  gestreckt 
und  neben  ilir  sind  noch  Reste  der  Gehtilfinnen  zu  sehen.  Von 
den  GegeufLisslerinnen  sind  auch  nur  noch  Rudimente  vorhanden. 
Der  secundare  Embryosackkern  ist  im  unteren  Theile  des  Embryo- 
sackes auf  Protoplasmafaden  suspendirt.  Diese  Lage  behalt  er 
wahrend  der  Theiluug  bei  und  daher  wird  die  Endospermmutter- 
zelle  in  zwei  sehr  ungleich  grosse  Tochterzellen  getheilt  (Fig.  2). 
Beide  Zellen  theilen  sich  noch  einmal  und  zwar  die  obere  wieder 
in  eine  kleine  untere  und  eine  grosse  obere.  Wahrend  in  den 
unteren  Endospermzellen  fortan  immer  Zelltheilun- 
gen  stattfinden,  erfolgen  in  der  obersten  nur  einige  Kern- 
theilungen  und  Zellwande  werden  nicht  gebildet.  In 
Fig.  3  befindet  sich  im  untern  Theil  des  Embryosackes  ein  viel- 
zelliger  Eudospermkorper,  in  den  schon  friihzeitig  der  Embryo 
hineiugewachsen  ist.  In  der  oberen  Zelle  befinden  sich  einige  Zell- 
kerne  frei  im  Protoplasma,  ihre  Zahl  schwankte  stets  zwischen  1 
und  8.  Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  der  Embryosack  bei  seiner 
Entwicklung  an  der  Stelle,  wo  die  verdickten  Zellen  der  Embryo- 
sackwand  aufhoren ,  eine  starke  Einschniirung  erfahrt.  Dadurch 
wird  der  Endospermkorper  von  dem  oberen  mit  Fliissigkeit  er- 
fiilltcn  Raum  des  Embryosackes  abgeschlossen. 

Nach  Hofmeister  soil  bei  einer  anderen  Labiate  und  zwar 
bei  Prostanthera  violacea  im  oberen  Ende  des  Embryosackes 
freie  Zellbildung  stattfinden,  wahrend  im  unteren  Ende 
das  Endosperm  von  Anfang  an  durch  Zelltheilung  entsteht. 
Ebenso  sollen  bei  CataljM  syringaefolia  „in  der  oberen  An- 
schwellung  freie  Zellkerne  und  Zellen  auftreten, 
welche  spater  wieder  versch winden,  ohne  geschlos- 
senes  Gewebe  zu  bilden." 

Ganz  in  derselben  Weise  wie  bei  Lamiuni  album  wird  auch 
bei  Veronica  Buxbaumii  durch  Einschniirung  des  mittleren  Theiles 
der  Embryosack  in  zwei  Riiume  getheilt,  die  nur  durch  eineu 
engen  Kanal  in  Verbindung  stehen.  Da  auch  bier  im  oberen 
Theile  kein  secundares  Endosperm  gebildet  wird,  so  muss 
der  Embryo  mittelst  eines  Suspensors  durch  den  Kanal  in  den 
Endospermkorper  gefiihrt  werden. 


Freie  Zellbilduug  im  Embryotack  der  Angiospermcn  etc.  351 

Zur  Zeit  der  Befruchtung  ist  das  obere  Ende  dcs  Eiiibryo- 
sackes  keulenformig  angeschwolleD,  wahrend  das  untere  Ende  eincii 
langen,  schmalen  Fortsatz  in  das  Nucellargewebe  darstellt  (Fig.  5, 
Tafel  XVI).  Nach  der  Theilung  des  secundiiren  Embryosackkcrncs 
wird  das  obere  angescliwollene  Ende  des  Embryosackes  durch  eine 
Zellwand  vom  unteren  schmalen  Ende  getrennt.  Der  Kern  in  der 
grossen  oberen  Zelle  theilt  sich  und  ebenso  dessen  Tochterkerne; 
doch  die  Z  e  1 1  w  a  n  d  b  i  1  d  u  n  g  u  n  t  e  r  b  1  e  i  b  t. 

In  der  unteren  Zelle  findet  eine  achte  Zelltheilung  statt,  so 
dass  auf  diesem  Stadium  das  Endosperm  aus  drei  iibereinauder 
liegenden  Zellen  besteht.  Nur  die  mi ttlere  Zelle  giebt  dem 
E  n  d  osperrakorper  denUrsprung.  Die  unterste  Zelle 
nimmt  wohl  noch  an  Grosse  zu,  ihr  Kern  theilt  sich 
noch  einmal;  doch  damit  ist  die  Weiterentwickl  ung 
abgeschlossen.  Die  Kerne  der  beiden  Endzellen  schwellen  noch 
zu  bedeutender  Grosse  an,  werden  aber  darauf  desorganisirt.  In 
Fig.  6  ist  das  secundare  Endosperm,  welches  aus  einer  Enkelzelle 
der  Endospermmutterzelle  hervorgegangen  ist,  bereits  achtzellig; 
in  der  untersten  Zelle  befinden  sich  zwei  freie  Kerne  und  in  der 
obersten  drei,  indem  vielleicht  ein  Kern  durch  den  Schnitt  ent- 
fernt  ist.  Der  Embryo  ist  bereits  bis  in  den  Kanal  hineingewach- 
sen.  In  Fig.  7  ist  der  Embryo  bis  in  den  vielzelligen  Endosperm- 
korper  vorgedrungen. 

Der  Erabryosack  von  Loasa  tricolor  (Fig.  8,  Taf.  XVI)  hat  eine 
sehr  schlanke  Gestalt.  Das  obere  vom  Funiculus  abgebogene  Ende 
ist  von  nicht  differenzirten  Zellen  des  Nucellus  umgeben.  An  der 
Stelle,  wo  die  Kriimmung  beginnt,  wird  schon  vor  der  Befruch- 
tung eine  Aussackung  in  das  Nucellargewebe  gebildet, 
indem  an  der  betreffenden  Stelle  die  Zellen  des  Nucellus  resorbirt 
werden.  Die  Ausstulpung  ist  stets  von  dem  Funiculus  abgewen- 
det.  Unterhalb  der  Aussackung  erweitert  sich  der  Embryosack 
bauchig,  um  sich  nahe  dem -unteren  Ende  wieder  zu  verengen. 
Dieser  Bauch  ist  von  einer  Schicht  von  Nucellarzellen  umgeben, 
die  durch  die  starke  Verdickung  der  Zellwande  auffallen.  Unter- 
halb des  Bauches  bildet  der  Embryosack  noch  eine  kleine  An- 
schwellung,  in  der  auch  noch  in  weit  vorgeschrittenen  Entwick- 
lungszustiinden  die  drei  Gegenfusslerinnen  zu  erkennen  sind.  Der 
secundare  Embryosackkern  befindet  sich  immer  in  der  Nahe  der 
Aussackung.  Nach  der  Befruchtung  werden  die  Gehiilfinnen  schnell 
desorganisirt  (Fig.  10),  der  secundare  Embryosackkern  theilt  sich 
und  zwischen   den  Tochtcrkernen   wird  ein  wenig  unterhalb  der 


352  Dr.  Iriediicli  Solhvcdol, 

Aussackuiig  eiiie  Zellwand  gebildet  (Fig.  9).  Dcr  Kern  der  oberen 
Zelle  waudert  darauf  in  die  Aussackung  (Fig.  12).  Auf  dieser 
Stufe  der  Entwickluug  wird  raeistens  eiue  Ausstiilpuug  von  der 
uuteren  Anschwellung  des  Embryosackes  aus  gebildet  (Fig.  11). 
Hiiufig  kommt  es  audi  vor,  dass  die  Zellschicht,  welche  die  bauchige 
Anschwellung  umgiebt,  an  einzelnen  Stellen  resorbirt  wird,  doch 
warden  danu  keine  tieferu  Aussackungen  gebildet. 

In  der  oberen  Ausstiilpung  des  Embryosackes,  in  welche  der 
eine  Tochterkern  des  secundaren  Enibryosackkernes  gewandert  ibt, 
finden  nur  noch  eiuige  Kerntheilungen  statt.  Wiederholt 
land  ich  nach  der  Weiterentwicklung  acht  freie  Kerne  in  dieser 
Ausbuchtung  des  Embryosackes  (Fig.  14).  In  der  untereu  Toch- 
terzelle  der  Endospermmutterzelle  wird  durchZelltheilung 
ein  vielzelliger  Eudospermkorper  gebildet,  in  den  der  Embryo  auf 
einem  Suspensor  hineingefiihrt  wird.  Wenn  nach  der  Theilung  des 
Kerns  der  zu  der  Zeit  untersten  Endospermzelle  eine  Zellwand  in 
der  untereu  Einschniirung  gebildet  ward,  gelangt  ein  Kern  in  die 
untere  Anschwellung  des  Embryosackes.  Hier  findet  noch  eine 
Kern  theilung  statt,  jedoch  eine  Zellwand  wird  nicht  gebil- 
det (Fig.  13). 

Bei  Scrophularia  vernalis  und  Pedicularis  sylvatica  bildet  der 
Embryosack  nach  der  Befruchtung  eine  Ausstiilpuug,  die 
genau  dieselbe  Lage  hat  als  die  am  oberen  Ende  des  Embryo- 
sackes von  Loasa.  In  der  Aussackung  land  ich  einen,  zwei 
Oder  auch  vier  freie  Zellkerne.  Im  eigentlichen  Embryo- 
sack  entsteht  auch  bei  diesen  Pflanzen  das  Endosperm  durch  Zell- 
theilung. 

Entwicklung  des  secundaren  Endosperms  durch  freie 
Zellbildung. 

Die  Entwicklung  des  secundaren  Endosperms  kann  zweitens 
in  der  Weise  erfolgen,  dass  zuniichst  nur  Kerntheilungen  statt- 
fiudeu,  oline  dass  Zellwande  gebildet  werden.  Diese  treten  erst 
auf,  wenn  der  Embryosack  fast  seine  definitive  Grosse  erreicht  hat, 

Interessant  ist  es,  dass  bei  vieleu  untersuchten  Pflanzen,  deren 
secundares  Endosperm  durch  freie  Zellbildung  entsteht,  nach 
jeder  Kerntheilung  in  den  Verbindungsfiiden  (Strasburger) 
der  jungen  Kerne  eine  Zell plat te  mehr  oder  minder  stark  aus- 
gebildet  wird.  Bei  einigen  Pflanzen  z.  B.  bei  Lilium  wird  sogar 
eine  frei  in  das  Protoplasma  endende  Zellwand  gebildet,   die  bei 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  fler  Angiosperraeii  etc.  353 

der  Weiterentwicklung  wieder  resorbirt  wird.  Vielleicht  ist  aus 
dieser  Tliatsacbe  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  die  freie  Zell- 
bildung bei  den  Anglospermen  aus  der  typischen  Zell- 
tbeilung  erst  spater  entstanden  ist. 

Nachdem  Strasburger*)  gezeigt  hatte,  dass  bei  Myosurus 
der  secundiire  Embryosackkeru  nicht  aufgelost  wird,  sondern  sich 
theilt  und  ebenso  dessen  Nachkomraen,  fand  auch  Fischer 2)  bei 
Ehrharta  x>anicea  die  beiden  jungen  Tochterkerne  des  secundaren 
Embryosackkenies. 

Es  gelang  mir  den  secundaren  Embryosackkern  in  Theilung 
zu  finden  bei  Lysimachia  Ephemerum  und  Lilium  Martagon.  Bei 
der  letzten  Pflanze  sah  ich  auch  die  beiden  Tochterkerne  im  Thei- 
lungsstadium.  VVeiter  faud  ich  bei  Hyacinthus  ciliatus  den  secun- 
daren Embryosackkern  in  Vorbereitung  zur  Theilung  und  gleich 
nach  der  Theilung  der  beiden  Tochterkerne  und  schliesslich  bei 
Leucojum  aestivum  die  vier  ersten  Endospermkerne  in  Theilung. 
So  schwierig  es  ist,  den  secundaren  Embryosackkern  im  Theilungs- 
stadium  zu  finden,  so  leicht  ist  es  anderseits,  die  Theilung  der 
noch  freien  Endospermkerne  in  weiter  entwickelten  Samen  zu  be- 
obachten.  An  Alkoholmaterial  gelingt  es  leicht,  die  erhartete  Proto- 
plasmaschicht,  welche  meistens  schon  durch  die  Einwirkung  des 
Alkohols  von  der  Embryosackwand  abgehoben  wird,  aus  dem  Em- 
bryosack herauszuprapariren.  Bei  schwacher  Vergrosserung  kann 
man  dann  schnell  feststellen,  ob  Kerntheilungen  vorhanden  sind 
Oder  nicht.  Auf  diese  Weise  habe  ich  die  Theilung  von  noch  freien 
Endospermkernen  bei  einer  Reihe  von  Pfianzen  aus  verschiedenen 
Familien  gefunden. 

Bei  den  untersuchten  Pflanzen  theilen  sich  die  Kerne  im  proto- 
plasmatischen  Wandbelege  des  Embryosackes  ziemlich  gleichzeitig, 
doch  so,  dass  in  anatropen  Eichen  meistens  die  Kerne  in  der 
Gegend  der  Mikropyle  mit  der  Theilung  beginnen  und  die  Kerne 
im  Chalaza-Ende  sich  am  spiitesten  theilen.  Bei  Caltha  palustris 
fand  ich  hiiufig  die  jungsten  Kerutheilungsstadien  im  Chalaza- 
Ende  des  Embryosackes;  doch  in  einem  Eichen  fand  ich  auch  ein- 
mal  das  Entgegengesetzte.  Dort  waren  die  jungsten  Stadien  im 
Mikropyle-Ende  und  die  altesten  im  Chalaza-Ende.  Von  ortho- 
tropen  Eichen  habe  ich  nach  dieser  Richtung  hin  nur  Polygo- 
num Bistorta  und  Urtica  piluUfera  untersucht.     Bei  der  ersteren 

1)  Bot.  Zeitung,   1879,  Nr.   17  uud   18. 

2)  Jenaische  Zeitsclirift  lur  Naturwiss.  Bd.  XIV.  1880,  p.  105, 
Fig.  28,  Taf.  III. 

Bd.  XV.  N.  F.  vm.  3.  23 


354  Dr.  Friedrich  Soltwedel, 

Pflanze  schreiten  die  Kerntheilungen  mikropylewarts,  bei  der  zwei- 
ten  dagegen  chalazawarts  fort.  Ebenfalls  schreitet  dann  auch  die 
Bildung  der  Zellwande  in  derselben  RiclituDg  als  die  Kerntheilungen 
fort.  Wenn  sich  alle  Eudospermlierue  getheilt  haben ,  tritt  eine 
langere  Ruhepause  ein.  Hire  Zahl  ^ird  in  dieser  Zeit  im  Allge- 
meinen  gleich  einer  Potenz  von  "^  sein,  da  sie  durch  wiederholte 
Zweitheilung  aus  einem  Einzigen  entstandeu  sind.  So  hat  schon 
Hofmeister  in  seinem  Werke  „Entstehung  des  Embryo 
der  Fhanerogmnen'"''  fiir  Sorghum  hicolor  sehr  rich  tig  in  Figur  24 
auf  Taf.  XVII  zwei  Endospermkerne  uud  in  den  Figuren  25  und 
26  je  16  freie  Kerne  abgebildet. 

Da  nun  die  Kerntheilungen  stets  in  einem  Ende  des  Embryo- 
sackes  beginnen  und  sich  die  Theiluug  von  hier  aus  allmahlich 
auf  alle  anderen  Kerne  erstreckt,  so  hndet  man  nicht  selten  im 
Wandplasma  des  Embryosackes  Hunderte  von  Theilungsfiguren 
(Fig.  40,  Taf.  XVII),  deren  jede  folgende  ein  wenig  mehr  ent- 
wickelt  ist  als  die  vorhergehende.  Uud  aus  dieseni  Giunde  eignen 
sich  solche  Praparate  ganz  besonders  gut  zum  Studium  der  Kern- 
theilung.  Dazu  kommt  noch,  dass  hier  die  haufig  storenden  Zell- 
wande fehlen,  uud  dass  man  die  Theilungsfiguren  immer  in  der- 
selben Lage  (senkrecht  zur  Spindelachse)  sieht. 

Bei  Leucojum,  Ins  und  den  Aroideen  sollen  sich  nach  Hof- 
meister^) um  die  in  der  Inhal tsf liissigkeit  des  Embryo- 
sackes frei  entstandeneu  Kerne  spharische  Zellen  bilden,  in  denen 
dann  zuweilen  noch  die  Bildung  freier  Tuchterzellen  statttindet. 
An  einer  anderen  Stelle  sagt  H  ofmeister  ^)  fiir  Hyacinthus  orien- 
talis  :  „  VV  i  e  bei  den  m  e  i  s  t  e  n  Liliaceen ,  Irideen  und  Nar- 
cissineeu  erfolgt  die  Bildung  des  Endosperms  in  der 
Weise,  dass  der  Innenwand  des  Embryosackes  die  in 
dessen  Inhaltsfliissigkeit  freischwimmend  entstan- 
deneu Zellen  sich  schich tenweise  aulageru."  Bei  alien 
untersuchteu  Pflanzen  (auch  bei  Leucojum,  Iris  uud  Hyacinthus 
orientalis)  faud  ich  an  erhartetem  Material  stets  nur  den 
secundaren  Embryosackker u  auf  Protoplasmafaden 
in  der  Mitte  des  Embryosackes  suspendirt.  Sobald  mehrere 
Kerne  vorhanden  waieu,  lageu  diese  in  der  protoplasma ti- 
schen  VVaudschicht,  und  in  derselben  fanden  die  Kernthei- 
lungen statt.    Freie  spharische  Zellen  habe  ich  nie  ge- 

1)  Neue  Beobachtungeu,  Jahrb.  f.  wisseusch.  Bot.  Bd.  1.  1858, 
p.   181. 

^)  Entstehung  des  Embryo,    1849,  p.    18. 


Freie  Zellbiklung  im  Embryosack  der   Angiospermen   etc.  355 

sehen,  sondern  jede  Zellwand  treniite  gleich  nach  ihrem  Ent- 
stehen  zwei  benachbarte  Zellen,  wie  in  Fig.  47,  Taf.  XVII  fiir 
Agrimonia  Eupatoria  abgebildet  ist. 

Die  jungen  Zellwande  des  Endosperms  setzen  an  die  Innen- 
wand  des  Embryosackes  an  und  wachsen  in  dessen  Lumen  hinein. 
Wenn  sie  eine  bestimmte  Grosse  erreicht  haben,  werden  die  nocli 
offenen  Zellen  auch  von  der  Inhaltsfliissigkeit  des  Embryosackes 
durch  eine  Zellulosewaud  abgeschlossen.  Die  so  entstandenen  Zel- 
len vermehren  sich  fortan  durch  Tlieilung  und  bilden  bald  oin 
geschlosseues  Gewebe,  welches  den  Embryo  urahiillt. 

Zusammenfassung. 

Das  wichtigste  Ergebniss  der  Untersuchung  ist  kurz  folgendes: 
A  lie  freien  Kerne,  die  nach  der  Befruchtung  im  Embryo- 
sack  der  Angiospermen  auftreten ,  stammen  vom  secunda- 
ren  Embryosackkern  ab;  eine  freie  Entstehung  von 
Zellkernen  findet  nicht  statt.  Ob  aber  das  secundare  Endo- 
sperm durch  Theilung  einer  Mutterzelle  gebildet  wird,  oder  ob 
in  dieser  Mutterzelle  zuerst  nur  Kerntheilungen  stattfiiiden  und 
spater  um  die  freien  Kerne  Zellwande  auftreten,  scheint  nur  von 
der  Grosse  dieser  Zelle  abzuhitngen,  Im  Allgemeinen  finden  wir, 
dass  das  secundare  Endosperm  in  grossen  Embryosack  en 
durch  freie  Zellbildung,  in  kleinereu  dagegen  durch 
Zelltheilung  entsteht.  Nun  kann  es  auch  vorkommen,  dass 
in  ein  und  demselben  Embryosack,  wie  z.  13.  bei  Lamium  album, 
in  dem  eiuen  schmalereu  Ende  Zelltheilung,  im  an- 
dereu  weitereu  Ende  dagegen  nur  Kerntheilung  statt- 
lindet.  Wahrend  aber  bei  Lamium  die  freien  Kerne  fruhzeitig 
resorbirt  werdeu,  kbnnen  nach  Hofmeister  um  die  freien  Kerne 
im  oberen  Ende  des  Embryosackes  von  Prostanthera  violacea  auch 
Zellwande  gebildet  werdeu.  Diese  Thatsache  aber,  dass  bei 
einzeluen  Pflauzen  das  secundare  Endosperm  zum  Theil  durch 
freie  Zellbildung,  zum  Theil  durch  Zelltheilung  ge- 
bildet wird,  wie  ferner  der  Umstand,  dass  bei  den  Pflanzen,  deren 
secuudares  Endosperm  durch  freie  Zellbildung  entsteht,  die  Kerne 
nicht  frei  entsteheu,  sondern  durch  Theilung  auseinander 
hervorgehen,  und  dass  bei  vielen  Pflauzen  nach  jeder  freien  Kern- 
theilung eine  transitorische  Zellplatte  gebildet  wird,  las- 
sen  die  beideu  Entwicklungsweisen  des  secundaren  Endosperms  als 
nicht    wesentlich    verschieden    von    einander   erscheinen, 

23* 


350  Dr.  Friedricli  Soltwerlel, 

Daraiis  crgicbt  sich  aber,  class  man  aus  der  vevschiedenen  Ent- 
stehuiigsart  des  Endosperms  keine  sicheren  Schliisse  auf  die  Ver- 
waiidtschaftsbeziehungen  der  einzclnen  Eamilicn  ziehen  kann. 

Kerntheilung  von  freien  Endospermkernen. 

Terminologisches. 

Bevor  ich  zur  Besclireibung  der  Kernfiguren  ubergehe,  will 
ich  kurz  die  Ausdriicke,  deren  ich  mich  bedient,  und  in  welcher 
Bedeutung  ich  dieselben  gebraucht  habe,  vorausschicken. 

Am  entwickeltei)  Kern  unterscheide  ich,  wie  zuerst  R.  Hert- 
wig^)  vorgeschlagen  hat,  zwei  Bestandtheile ,  Kernsubstanz 
und  Kernsaft.  Zur  Kernsubstanz  rechne  ich  alle  tingirba- 
ren  Theile  des  Kernes,  Keynrindenschicht,  Kernnetz  und  Kern- 
korperchen.  Ausserhalb  der  Kern  rind  ens  chic  ht  nehme  ich 
(wenigstens  bei  einzelnen  Kernen)  noch  eine  ausserst  feine  Kern- 
membran  an,  die  aus  einem  von  den  iibrigen  Kernbestandtheilen 
difterenten  Stoi!' gebildet  ist.  Von  Kern  wand  werde  ich  spre- 
chen,  wenn  ich  es  uneutschieden  lasse,  ob  die  itussere  Begrenzung 
des  Kernes  nur  aus  einer  Kernrindenschicht,  oder  nur  aus  einer 
Kernmembran,  oder  aus  beiden  Theilen  gebildet  ist.  Als  Kern- 
saft bezeichne  ich  den  nicht  tingirbaren  Rest  des  Kernes.  Die 
Bezeichnuugen  Spindelfasern,  Kernplatte ,  Zellplatte  behalte  ich  in 
derselben  Bedeutung  bei,  als  sie  Strasburger  angewendet  hat. 

Wahrend  jeder  Kerntheilung  unterscheide  ich  vier  verschie- 
dene  Spindelstadien,  deren  jede  zwei  Pole,  eine  Achse  und 
den  Aequator  besitzt.  Die  erste  oder  „primitive  Spindel" 
scheint  nur  aus  Kernsubstanz  gebildet  zu  sein  (Fig.  10  und  19, 
Taf.  XVII).  Aus  dieser  geht  die  „einplattige  Spindel" 
(Kernspindel,  Strasburger)  hervor,  indem  die  Kernsubstauz- 
massen  in  den  Aequator  zusammengedrangt  werden  (Fig.  1  und 
11,  Taf.  XVII).  Mit  der  Theilung  der  Kernplatte  entsteht  die 
„zweiplattige  Spindel"  (Fig.  2  und  12,  Taf.  XVII).  Nach 
der  Bildung  der  beiden  Tochterkerne  an  den  beiden  Polen  bleibt 
die  „kernplattenlose  Spindel"  zuriick  (Figur  4  und  14, 
Tafel  XVII). 


1)  Beitrag  zu    einer    einheitlicheu  Auffassung    der    verschiedeueu 
Kernformen,  Morpholog.  Jahrbuch,  Bd.  II.  S.   63—81. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Augiospermcn  etc.         357 


Specielles. 

Bei  Iris  sibirica  treten  die  Theilungsfiguren  der  Endosperm- 
kerne  im  protoplasmatischen  Wandbeleg  des  Embryosackes  sehr 
deutlich  hervor.  Die  Kernplatte  der  einplattigen  Spindel  besteht 
aus  getrennten  Kornchen  der  Kernsubstanz  (Fig.  1,  Taf.  XVII). 
Diese  Kornchen  erscheinen  als  mittlere  Verdickungen  der  nicht 
tingirbaren  Spindelfasern.  Weun  wir  diese  Theilungsfigur  korper- 
licli  betracliteu,  so  liegen  die  Spindelfasern  auf  der  Mantelflache 
eiues  Doppelkegels  und  die  Kernplatteuelemente  auf  der  Peripherie 
des  Beriihrungskreises  der  beiden  Kegel.  Das  Protoplasm  a 
beriihrt  die  Elemente  der  Spindel  von  alien  Seiten. 
In  weiter  vorgeschrittenen  Stadien  hat  sich  jedes  Kornchen  der 
Kernplatte  in  zwei  Theile  getrennt,  welche  an  oder  in  den  Spin- 
delfasern den  beiden  Polen  zuwaudern.  Fig.  2  und  3,  Taf.  XVII 
sind  solche  zweiplattige  Spindeln.  An  den  beiden  Polen  verschmel- 
zen  die  einzelnen  Kornchen  zu  je  einer  homogenen  Masse, 
welche  die  beiden  Tochterkerne  darstellen  (Fig.  4).  Zwischen  den 
Tochterkernen  ist  noch  eine  Zeit  lang  die  kernplattenlose  Spindel 
zu  sehen,  die  nur  aus  Spindelfasern  gebildet  ist.  In  der  Mitte 
der  Spindelfasern  wird  eine  Zellplatte  gebildet,  die  bei  ihrem  er- 
sten  Auftreten  aus  kleinen  Kornchen  besteht  (Fig.  5),  welche  sich 
in  Borax-Carmin  nicht  tingiren.  Darauf  werden  die  Zellplatte  und 
die  kernplattenlose  Spindel  wieder  riickgebildet  und  entschwinden 
schliesslich  ganz  und  gar  der  Beobachtung.  In  den  homogenen 
Tochterkernen  werden  Vacuolen  gebildet,  indem  jedenfalls  Fliis- 
sigkeit  von  der  Kernsubstanz  abgesondert  wird.  Dadurch  wird 
eine  Kernwand  abgehoben  und  die  Kernsubstanz  zerfallt  in  zahl- 
reiche  Korner,  die  durch  Kernsaft  getrennt  sind.  In  diesem  Sta- 
dium verharren  die  Kerne  langere  Zeit,  wahrend  sie  allmiihlich 
an  Grosse  zunehmen.  Wenn  sie  eine  bestimmte  Grosse  erreicht 
haben ,  verschmelzen  im  Innern  die  Korner  zu  Faden ,  welche  die 
primitive  Spindel  bilden.  Die  Kernwand  und  der  Kernsaft  sind 
geschwunden  und  das  umgebende  Protoplasma  umgiebt  die  Spin- 
delelemente  von  alien  Seiten.  Diese  Spindel  scheiiit  nur  aus  Kern- 
substanz gebildet  zu  seiu ;  von  Spindelfasern  ist  noch  nichts  zu 
sehen  (Fig.  10,  Taf.  XVII).  Letztere  treten  erst  auf,  wenn  sich 
die  Kernsubstanz  im  Aequator  zu  einzelnen  Kornern  angesammelt 
hat,  und  somit  die  einplattige  Spindel  gebildet  ist. 

Wahrend  die  ersten   und  letzten  Stadien  der  Kerntheilungen 


358  Dr.  Eriedricli  Soltwedel, 

auch  bei  verschiedenen  Pflanzen  nur  ausserst  geringe  Abweicliun- 
gen  darbieten,  besitzt  die  einplattige  Spindel  keineswegs  stets  den 
typischcn  Bau,    wie  in  Fig.  1,  Taf.  XVII  fur  Iris   abgebildet  ist. 

Bei  Asparagus  officinalis,  Euphorbia  myrsinites,  Chelidonium 
majus^  Reseda  odorata,  Viola  palustris  und  Oxalis  stricta  sind  die 
einplattigen  Spindeln  selir  klein,  doch  erkeunt  man  noch  deutlich, 
dass  bei  diesen  Pflanzen  die  Kernplatte  ebenfalls  aus  getrennten 
Koruchen  besteht,  an  welche  die  Spindelfasern  ansetzen. 

Die  einplattigen  Spindeln  aus  deni  protoplasmatischen  Wand- 
belege  des  Embryosackes  von  Staphylea  pinnata  waren  in  einem 
Falle  sammtlich  typisch  ausgebildet,  walirend  in  einem  anderen 
Eichen  derselben  Pflanze  die  aequatorialen  Kornchen  der  Kern- 
platte so  nahe  an  einander  gelagert  waren,  dass  man  die  Grenze 
der  einzelnen  Kornchen  nicht  mehr  erkennen  konnte. 

Noch  variabeler  sind  die  einplattigen  Spindeln  von  Leucojum 
aestivum  (Fig.  1,  7,  8,  9,  10,  Taf.  XVIII),  wenn  sie  auch  in  dem- 
selben  Eichen  die  grosste  Aehnlichkeit  besitzen.  In  Fig.  1,  Taf.  XVIII 
sind  die  Kernplattenelemente  sehr  nahe  an  einander  gereiht  und 
die  Spindelfasern  bilden  zur  Ebene  des  Aequators  einen  sehr  spi- 
tzen  Winkel.  Fig.  6  stellt  das  Bild  einer  solchen  Spindel  schrag 
von  oben  gesehen  dar.  Die  Fig.  7  zeigt  die  einplattige  Spindel 
typisch  ausgebildet.  In  Fig.  8  besteht  die  Kernplatte  aus  kurzen 
Stabchen,  und  einzelne  Kernplattenelemente  liegen  seitlich  von  der 
Spindel  getrennt.  In  Fig.  9  ist  die  primitive  Spindel  mit  der  ein- 
plattigen Spindel  identisch ;  die  Kernsubstanzmassen  werden  nicht 
vor  der  Theilung  in  den  Aequator  gedriingt  und  daher  werden  an 
den  Polen  die  Spindelfasern  gar  nicht  sichtbar;  oder  mit  anderen 
Worten:  die  Kernplattenelemente  bestehen  aus  langen  Stabchen, 
welche  bis  zu  den  beiden  Polen  reichen.  In  Fig.  10  besteht  die 
Kernplatte  aus  ineinandergeschlangelten  Faden,  und  die  Pole  sind 
verhaltnissmassig  weit  vom  Aequator  eutfernt. 

Die  einplattige  Spindel  von  Lilium  croceum  besitzt  eiue  Kern- 
platte, die  aus  eng  aneinandergelagerten  Stabchen  besteht.  Der 
Verlauf  der  einzelnen  Stabchen  ist  nicht  geuau  zu  verfolgen ;  doch 
sieht  man  von  den  Enden  derselben  die  Spindelfasern  zu  den  bei- 
den Polen  gerichtet  (Fig.  11,  Taf.  XVII).  Auf  dieses  Stadium 
folgt  bald  durch  die  Quertheilung  der  einzelnen  Stabchen  die  zwei- 
plattige  Spindel  (Fig.  12)  und  die  beiden  Kernplattenhalften  wei- 
cheu  bis  zu  den  Polen  auseinander  (Fig.  13).  An  den  Polen  ver- 
schmelzen  die  Elemente  der  Kernplattenhalften  zu  je  einem  ho- 
rn o  g  e  n  e  n  Korper,  welche  die  jungen  Tochter kerne,  nur  aus 


Freie  Zellbildunj?  im  Erabryosack  der  Angiospermen  etc.  359 

Kernsubstanz  bestehend,  darstellen  (Fig.  14),  Zwischen 
den  Tochterkernen  bleibt  die  kernplatteiilose  Spindel,  welche  nur 
aus  Spindelfasern  gebildet  ist.  Ein  wenig  spater  erkennt  man  an 
den  Tochterkernen  eine  Kernwand,  die  Kernsubstanz  ist  in  viele 
Kornchen  zerfallen,  die  im  Kernsaft  zerstreut  liegen.  Zwischen 
den  Tochterkernen  ist  innerhalb  der  kernplattenlosen  Spindel  eine 
homogene  Zellplatte  gebildet  (Fig.  15),  die  bald  stark  aufquillt 
(Fig.  16)  und  darauf  mit  dieser  Spindel  spurlos  wieder  verschwin- 
det.  Man  findet  dann  die  Kerne  im  feinkornigen  Wandplasma  ziem- 
lich  regelmassig  vertheilt  und  durch  einzelne  dicke  Protoplasma- 
faden  mit  den  Nachbarkernen  verbunden  (Fig.  20).  Die  Kernsub- 
stanz ist  zum  grossten  Theil  auf  zahlreiche  grossere  und  kleincre 
Kornchen  beschrankt,  von  denen  fast  jedes  im  Innern  eine  Vacuole 
besitzt.  Ob  alle  diese  Kornchen  mit  einander  in  Verbindung  ste- 
hen,  Hess  sich  nicht  erkennen.  Nur  sehr  selten  kounte  man  sich 
iiberzeugen,  dass  zwei  benachbarte  Kornchen  durch  einen  feiuen 
Faden,  der  ebent'alls  aus  Kernsubstanz  bestand,  verbunden  waren. 

Wenn  sich  der  Kern  zur  Theilung  anschickt,  sieht  man  die 
Kornchen  zu  Faden  ausgezogen ,  die  wirr  durcheinander  laufen 
(Fig.  17,  Taf.  XVII).  Bald  darauf  scheint  die  Kernwand  veischwun- 
den  zu  sein  (Fig.  18)  und  das  umgebende  Protoplasma  drangt  sich 
in  die  Lucken  des  Fadenkniiuels.  Die  Fiiden  werden  dann  der 
Lange  nach  nebeneinander  gereiht  und  stellen  die  primitive  Spin- 
del  dar  (Fig.  19).  Dieses  Stadium  bleibt  verhaltnissmassig  lange 
unverandert  und  erst  kurz  vor  der  Theilung  der  Kernplatte  wird 
die  Kernsubstanz  in  den  Aequator  zusammengedrangt  und  dann 
treten  an  den  Polen  die  Spindelfasern  auf  (Fig.  11,  Taf.  XVII). 

Eine  einplattige  Spindel,  deren  Kernplatte  aus  langen  Stab- 
chen  zusammengesetzt  ist,  wie  es  Fig.  11,  Taf.  XVII  ftir  Lilium 
croceum  zeigt,  habe  ich  nur  bei  Monocotylen  gefunden  und  zwar 
noch  bei  Lilium  Martagon,  Fritillaria  imperialis  und  Meleagris 
und  bei  Ryacinthus  orientalis.  Eine  Mittelform  zwischen  diesen 
einplattigen  Spindeln  und  denen,  deren  Kernplatte  aus  einzelnen 
getrennten  Kornern  besteht,  bieten  uns  die  einplattigen  Spindeln 
dar,  deren  Kernplatten  aus  kurzen  Stabchen  gebildet  sind.  Solche 
einplattige  Spindeln  fand  ich  bei  Secale  cereale,  BuTbocodium 
vernum,  Csachia  Liliastrum,  Polygonatum  officinale,  Leucojum 
aestivum  (Fig.  8,  Taf.  XVIII)  und  bei  Agrimonia  Eupatoria. 

Bei  Galanthus  nivalis  schien  die  Kernplatte  aus  einer  un- 
unterbrochenen  Masse  von  Kernsubstanz  gebildet  zu  sein,  von  wel- 
cher  einzelne  Fortsiitze  zu  den  beiden  Polen  gerichtet  waren  (Fig.  15 


360  Dr.  Friedrifh  Soltwedel, 

und  16,  Taf.  XVIII).  Aehnlich  sind  die  einplattigen  Spindeln  boi 
Leucojum  vernum,  Tulpia  Gesneriana,  Vicia  narhonensis  und 
Pisum  sativum. 

Haufig  findet  man  die  Kernplatte  aus  dicht  aneinander  ge- 
drangten  KOrnern  bestehend,  wie  in  Fig.  21,  Taf.  XVII  fiir  Sta- 
pJiylea  pinnafa,  in  Fig.  31,  Taf.  XVII  fur  Dictamnus  albus  und 
in  Fig.  11 ,  Taf.  XVIII  fur  Omithagalum  nutans  abgebildet  ist. 
Solche  einplattige  Spindeln  fand  ich  ausserdem  noch  bei  Muscaria 
racemosa,  Allium  odorum,  Convallaria  majalis,  Sisyrinchimn  iri- 
difolium,  Caltha  palustris,  Alliaria  officinalis,  Evonymus  latifo- 
lius,  Circaea  lutetiana,  Primula  elatior  und  Cuscuta  europaea. 

Endlich  kann  die  Kernplatte  aus  einer  homogenen  Masse  von 
Kernsubstanz  bestehen.  So  bei  Hemerocallis  graminea,  Urtica 
pilulifera,  Corydalis  cava,  Corydalis  pallida  und  lutea  und  bei 
Cynoglossum  officinale. 

Im  Erabryosack  einiger  Pflanzen  habe  ich  noch  die  Theilung 
von  freien  Endospermkerneu  gefunden;  doch  war  die  Theilung  so 
weit  vorgeschritten ,  dass  ich  die  einplattige  Spindel  nicht  beob- 
achtet  habe.  Dieses  war  der  Fall  bei  Tradescantia  virginica, 
Luzula  pilosa,  Pulsatilla  vulgaris,  Armeria  vulgaris.  Polygonum, 
Bistorta,  Malva  rotundifolia,  Cytisus  Laburnum  und  Senecio  vul- 


Bei  Staphylea  pinnata  wird  nach  der  Theilung  zwischen  den 
Tochterkernen  inuerhalb  der  kernplattenlosen  Spindel  eine  feste 
transitorische  Zellplatte  gebildet  (Fig.  25,  Taf.  XVII).  Vor  der 
Bildung  der  Spindel  kann  sich  die  Kernsubstanz  zu  einer  homo- 
genen Masse  zusammenballen  (Fig.  28,  Taf.  XVII).  Dasselbe  Ver- 
halten  fand  ich  auch  zuweilen  bei  Leucojum  aestivum  (Fig.  34  und 
35,  Taf.  XVIII). 

Nach  jeder  Theilung  der  freien  Endospermkerne  von  Dic- 
tamnus albus  wird  die  transitorische  Zellplatte  nur  schwach  an- 
gedeutet  (Fig.  35,  Taf.  XVII).  Bei  Corydalis  cava,  C.  pallida, 
Euphorbia  myrsinites,  Urtica  pilulifera,  Vicia  narbonensis  und 
Agrimonia  Eupatoria  tritt  keine  Zellplatte  auf. 

In  den  Kernkorperchen  der  entwickelteu  Kerne  von  Dictam- 
nus werden  haufig  grosse  Vacuolen  gebildet  (Fig.  36  und  37, 
Taf.  XVII).  Von  noch  bedeuteuderer  Grosse  sah  ich  Vacuolen  in 
den  Kernkorperchen  der  secundaren  Embryosackkerne  von  Loasa 
tricolor  (Fig.  43,  Taf,  XVII).  In  einem  Falle  traf  ich  ein  solches 
Kernkorperchen  direkt  vom  Protoplasma  umgeben  (Figur  44, 
Tafel  XVII) ;  der  Kerncontour  war  verschwunden.   Leider  konute  ich 


Freie  Zellbilduug  im  Embryosack  der  Augiospermen  etc.  361 

hier  uicht  feststellen,  ob  das  Eichen  befruchtet  war,  oder  ob  die 
Befruchtung  ausgeblicben  war  und  der  secundare  Erabryosackkern 
daher  vielleicht  in  Ruckbildung  begriffen  war. 

Wahrend  sich  die  Kerne  im  protoplasmatischen  Wandbelege 
des  Embryosackes  meistens  durch  Zweitheilung  vermehren, 
hatte  ich  einige  Male  Gelegenheit  abnormausgebildete  Spin- 
deln  zu  beobachten,  bei  deuen  die  Spindelfasern  nach  drei  ver- 
schiedeuen  Punkten  convergiren.  Den  einen  Fall  hat  Strasbur- 
ger  in  der  dritten  Auflage  seines  Buches  iiber  „Z ell b  11  dung 
und  Zelltheilung"  fiir  Beseda  odorata  in  Fig.  28,  Taf.  XVII 
abgebildet.  Die  Spindelfasern  convergiren  hier  nach  drei  verschie- 
denen  Poleu.  Aus  der  Fig.  29,  Taf.  XVII  (I  c.)  kann  man  aber 
aus  dem  Grunde  nicht  auf  eine  stattgefundene  Dreitheilung  schlies- 
sen,  als  ein  Kern  von  dem  niittleren  verdeckt  ist.  Die  feine  Proto- 
plasmaschicht  ist  namlich  beim  Herauspriipariren  aus  dem  Em- 
bryosack nicht  sorgfaltig  ausgebreitet,  so  dass  sie  umgeschlagen 
ist  und  daher  an  dieser  Stelle  aus  einer  doppelten  Lage  besteht. 
Ein  Kernpaar  liegt  in  der  oberen,  ein  zweites  in  der  unteren  Proto- 
plasm aschicht. 

In  Fig.  2,  3  und  4  auf  Taf.  XVIII  sind  einige  abnorm  aus- 
gebildete  (dreipolige)  Spindelu  aus  dem  Embryosack  von  Leuco- 
jum  aestivum  abgebildet.  Gauz  in  der  Nithe  derselben  hatten  die 
iibrigen  einplattigeu  Spindeln  das  Aussehen,  wie  Fig.  1,  Taf.  XVIII 
zeigt.  Aehnliche  dreipolige  Spindeln  fand  ich  auch  im  Embryosack 
von  Ornithogalum  nutans  (Fig.  12,  13  und  14,  Taf.  XVIII).  Diese 
lagen  ebenfalls  zwischen  normal  ausgebildeten  einplattigen  Spin- 
deln (Fig.  11)  zerstreut. 

Im  Embryosack  vieler  (wenn  nicht  aller)  Papilionaceen  wer- 
den,  wie  schon  Hegelmaier^)  und  Stras burger 2)  erwahnt 
haben,  die  noch  freieu  Endospermkerne,  welche  durch  wiederholte 
Zweitheilung  aus  dem  secundaren  Embryosackkern  hervorgcgangen 
sind,  zum  grossten  Theil  wieder  riickgebildet.  Endospermzellen 
werden  nur  in  der  Nahe  des  Embryo  gebildet.  Die  in  Riickbil- 
dung  begriffenen  Kerne  nehmen  bedeutend  an  Grosse  zu,  schliess- 
lich  schwindet  die  Kernwand,  der  Kernsaft  mischt 
sich  mit  dem  umgebenden  Protoplasma  und  dieKern- 
substanz  zerfallt  unterBildung  vonVacuolen  imln- 
uern  in  kleine  Stiicke,   die  spater  spurlos  im  Protoplasma 


1)  Bot.  Zeitung   1880,  Nr.   8  Sp.   131. 

2)  Bot.  Zeituug  1880,  Nr.   51   Sp.  865. 


362  Dr.  Eriedrich  Soltwedol, 

verschwiudeii.  Fig.  26,  27  und  28,  Taf.  XVIII  stellen  solche  Stadicu 
des  Zerfalls  von  Kernen  aus  dem  Wandplasma  des  Embryosackes 
von  Fliaseolus  vulgaris  dar.  Im  Embryosack  von  Leucojum  aesti- 
vum  fand  icli  an  eincr  Stelle  ahnliche  Bildcir  (Fig.  36  und  37, 
Taf.  XVIII),  die  ebenfalls  auf  ein  Zerfallen  von  Endospermkernen 
schliessen  lassen. 

Allgemeines  tiber  die  Kerntheilung. 

Wenn  wir  vorhin  die  Veischiedenheiten  kennen  gelenit  habeu, 
welclie  bei  der  Theilimg  von  Zellkernen  vorkommen  konnen,  so  wird 
es  auf  der  anderen  Seite  nicht  weniger  interessant  sein,  die  Gleich- 
artigkeit  dieser  Vorgiinge  aufzusuchen.  Indem  wir  dieses  thun, 
werden  wir  zugleich  das  Wesentliche  vom  Unwesentlichen  tren- 
nen;  denn  wir  konnen .  annehmen,  dass  das  Gemeinsame  wesent- 
lich  ist,  und  die  individuellen  Verscliiedenheiten  zum  Verstand- 
niss  des  Theilungsvorganges  weniger  wichtig  sind.  Im  Folgenden 
werde  ich  daher  gleichsam  ein  Schema  der  Kerutheilung  entwer- 
fen,  welches  aus  den  Theilungsfiguren  von  freien  Endospermkernen 
an  den  oben  aufgezahlten  Pflanzen  gewonnen  ist.  Was  die  Art 
der  Beschreibung  anbetrifFt,  so  werde  ich  die  Entwicklung  des 
Kernes  von  dem  Augenblicke  an ,  wo  er  ein  einheitliches  Ganze 
darstellt,  bis  zu  der  Zeit  verfolgen,  wo  aus  dem  Mutterkern  zwci 
dicsem  ahnliche  Tochterkerne  entstandeu  sind.  Da  aber  schon 
langst  von  verschiedenen  Seiten  die  Aehnlichkeit  der  Kernthei- 
lungsvorgange  im  Pflanzen-  und  Thierreich  hervorgehoben  ist,  so 
werde  ich  auch  die  verschiedenen  Ansichten  von  einigen  Autoren 
auf  dieseni  Gebiete  mittheilen. 

Der  junge  Zellkern,  welcher  aus  einer  Kernplattenhiilfte  her- 
vorgegangen  ist,  erscheint  zuuiichst  als  ein  vollig  homogener 
Korper  stark  lichtbrechender  Substanz,  die  sich  in  Farbstofflo- 
sungen  weit  iutensiver  imbibirt,  als  das  umgebende  Protoplasma. 
In  den  Fallen,  wo  eine  ho  mo  gene  Kernplatte  vorhanden  ist, 
wie  z.  B.  bei  Galanthus  nivalis,  sind  die  Tochterkerne  gleich 
nach  der  Theilung  der  Ke  rnpl  atte  gebildet.  Wo  jedoch 
die  Kernplatte  aus  getrenntenElementen  besteht,  fiudet  die 
Bildung  der  Tochterkerne  erst  an  den  Polen  statt,  indem  hier 
die  Halften  der  einzelnen  Korner  oder  Stabchen  zu  einem  einheit- 
lichen  Korper  verschmelzen.  Der  Kern  besteht  in  diesem  Stadium 
scheinbar  nur  aus  Kernsubstanz,  von  Kernsaft  oder  einer  differen- 
ten  Kernwand  lasst  sich  nichts  erkennen.     Die  Art  seiner  Eatste- 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiospermen   etc.         363 

liuug,  die  leichte  Veraiiderlichkeit  seiner  Form,  wie  auch  das  Ver- 
niogen  Vacuolen  im  Innerii  zu  bilden ,  lassen  schliessen,  dass  wir 
es  hier  mit  einer  zahfliissigen,  dem  Protoplasma  alinlichen  Materie 
zu  thun  haben. 

Indem  im  Innern  des  jungen  Keroes  zahlreiche  Vacuolen  ge- 
bildet  werden,  der  Inhalt  der  Vacuolen  an  vielen  Stellen  zusam- 
meufliesst,  zerfallt  die  Kernsubstanz  in  viele  grosserc 
und  kleinere  Massen,  die  haufig  noch  durch  zarte  Fadchen 
in  Verbindung  stehen.  Auf  diese  Weise  entstehen  aus 
der  einheitlichen  Kernsubstanz  zahlreiche  Kern- 
kor  perch  en,  die  daher  auch  alle  Eigenschaften  der 
Kernsubstanz  besitzen.  Die  Flussigkeit,  welche  sich  zu- 
erst  nur  in  den  Vacuolen  befand,  stellt  den  Kernsaft  dar,  der  die 
Kernkorperchen  umgiebt,  Ob  im  entwickelten  Kern  alle  Kern- 
korperchen  durch  Kernsubstanz  in  Verbindung  stehen,  konnte  nicht 
beobachtet  werden,  Eine  solche  Verbindung  wird  aber  durch  die 
Art  der  Entstehung  der  Kernkorperchen  aus  der  einheitlichen, 
protoplasmaiihnlichen  Masse  des  jungen  Kernes  wahrscheinlich  ge- 
macht. 

Der  Kernsaft  ist  scharf  gegen  das  Protoplasma  abgegrenzt. 
Ob  zwischen  Protoplasma  und  Kernsaft  eine  aus  ditterentem  Stoff 
gebildete  Membran  besteht,  liess  sich  auf  dieser  Stufe  der  Eut- 
wicklung  nicht  sicher  feststellen.  Ich  nehme  an,  dass  das  Proto- 
plasma, wie  es  iiberall  nach  aussen  hin  sich  mit  einer  dichteren 
Schicht  umgiebt,  auch  um  eiuen  differ enten  Korper,  in  die- 
sem  Falle  um  den  Zellkern  eine  dichtere  Beschaffeu- 
heit  annimmt.  Wenn  dieses  der  Fall  ist,  so  ist  der  Kern  bei 
seinem  ersteu  Entstehen  von  einer  Membran  unigeben,  die  das 
Product  der  chemischen  Vereinigung  von  Kernsubstanz  und  Proto- 
plasma ist. 

Ansichten  verschiedener  Autoren. 

Zuerst  bat  Auerbach  1)  die  Aehnlichkeit  der  Nucleolar- 
substauz  mit  dem  Protoplasma  hervorgehobeu.  Er  fiihrt  vor  Al- 
lem  folgende  Eigenschaften  an,  die  beiden  Korperu  gemeinsam 
sind:  „die  Fiihigkeit  und  Neigung,  im  lebendigen 
Zustande  Vacuolen  in  sich  zu  entwickeln,"  das  Ver- 
mogen,   amoboide  Formverilnderungen  auszufiihren  und  „die  Fa- 


')  Organologische  Studien,  Heft  1,   1874,  p.    167  uud   168. 


3GJ:  Dr.  rriedrich  Soltwedol, 

liigkeit  zu  organise  hem  Wachsthum  mid  zur  Ver- 
mehruiig  durch  Selbstthcilun g."  Diese  Aehnlichkeit  maclit 
es  Auerbach^)  sehr  wahrscheinlich ,  „dass  die  Nucleoli 
aus  einer  Substanz  bestehen,  welche  mit  dem  Pro- 
toplasmajunger  Zellen  ideiitisch  is t."  Ueber  die  Ent- 
stehung  der  Kerumcmbran  sagt  Auerbach^)  folgendes: 

„DerKern  ist  bei  seiner  Entstehung  eine  ArtVa- 
cuole,  d,  h.  eine  t  r  opf  en  formige  Ansammlung  einer 
vom  eigentlichenProtoplasma  verschiedenen,  dick- 
flussigen,  hellen  und  homogeuen  Substanz  in  einer 
anfangs  wandungslo  sen ,  d.  h.  nicht  durch  einebe- 
sofidere  Schicht  eingeschlossenen  Hohle  des  Proto- 
plasma.  Nachtraglich  verdichtet  sich  eine  derOber- 
flache  des  Tr  op  fens  an  liege  ode  Grenzschicht  des 
Protoplasma  zu  einer  besonderen  Wan  dung  derKern- 
membran.  Die  Kernhohle  ist  also  das  Priraare  am 
Kern,  seine  Membran  ein  ausseres  Accidenz."  Schon 
vor  Auerbach  hatte  la  Vale tte  St.  George  ^)  amoboide  Kern- 
korperbewegung  beschrieben,  und  die  sogen.  Nucleoliui  als  Vacu- 
olen  ira  Keimfleck  erklitrt.  Auch  hatte  Strasburger*)  die  Thei- 
lung  der  Kernkorperchen  in  zwei  neue  Nucleoli  beobachtet.  Es 
standen  jedoch  damals  diese  Angaben  so  vereinzelt  da,  dass  man 
sie  nicht  als  characteristische  Eigenschaften  der  Kernkorperchen 
ansehen  konnte. 

Spater  wurden  auch  von  Brandt^),  Eimer'')  undGreff) 
amoboide  Beweguugen  an  Keimflecken  wahrgenommen,  und  ebenso 
von  Kidd^)  solche  an  den  Kernkorperchen  in  den  Zellen  des 
Mundepithels  vom  Frosch.     Biitschli^)   unterscheidet  am  ditfe- 

1)  1.  c.  p.  165. 

2)  Zelle  und  Zellkern,  Beitrage  zur  Biologie  der  Plianzeu  von 
Cohn  Bd.  II.  p.  6. 

3)  Ueber  den  Keimfleck  und  die  Deutung  der  Eitheile.  Archiv 
fiir  mikr.   Anatomie,  Bd.  II.   1866,  p.   56. 

*)  Die   Coniferen  und  die   Gneluccen,   Jena,    1872,  p.   85. 

^)  Ueber  aktive  Formveranderungen  des  Kernkorperchen,  Arch, 
f.  mikr.  A.     Bd.   10,  p.   507. 

^)  Ueber  amoboide  Bewegungen  des  Kernkorperchens,  Arch.  f. 
mikr.  A.     Bd.    11,  p.   325. 

■?)  Jahresber.  liber  Fortsch.  d.  Auat.  u.  Phj-siol.  Bd.  V.  1876,  p.  41, 

^)  Observations  on  spontaneous  mouvement  of  nucleoli,  Quart, 
journ.  of  microscop.  science,    1875,     V.    15. 

^)  Studien  iiber  die  ersteu  Entwickelungsvorgauge  der  Eizelle, 
Abhandl.  der  Senckenb.  naturf.  Gesellsch.  Bd.  X, 


Freie  Zellbilduug  im  Embryosack  der  Angiospermeu  etc.  365 

reiizirten  Kern  die  Kernmaterie  von  der  Kernfliissigkeit.  Die  Keni- 
materie  kann  allein  fiir  sich  einen  Kern  bilden ;  sie  differenzirt 
sich  spater  in  Htille  und  Inlialtskorper,  welch  letztere  als  Kern- 
korpercheu  oder  faserige  Gebilde  ersclieinen  konnen. 

Biitschli  sagt  ausdriicklich  (1.  c.  p.  197).  „Eine  weitere 
Folge  ist  jedocli  auch  die  Zusammeugeho  rigkei  t  der 
sogenannten  Membran  der  thierisclieu  Kerne  und  de- 
ren  Bin  neukorper;  beide  sind  Differenzi  rungspro - 
dukte  eines  urspriinglichhomogenenKorperchen  und 
es  ist  daher  ganz  verfehlt,  wenn  Auerbach  die  Mem- 
bran  der  Kerne  als  eine  vom  umgebenden  Protoplas- 
ma  erzeugte  Umhiillung  auffasst."  An  eiuer anderen  Stelle 
sagt  Biitschli^):  „Die  grossen  Keimzellen  aus  den  Ho- 
dcn  won  Blatta  germanica  enthalten  nichts,  was  man  Kern - 
korper  bezeichnen  kounte,  dagegen  eine  betracht- 
licheAnzahl  dunkleKorner(nacli  Essigsilurebehand- 
lung),  die  alle,  indem  sie  sich  in  Fasern  fortsetzen, 
mit  einer  gewissen  Strecke  derKernhiilleinVerbin- 
duug  treten." 

V.  Ben e den  "^)  erkennt  im  Kern  des  reifen  Eies  von  Asfe- 
racanikion  ruhens,  der  von  einer  feinen  Membran  umgeben  ist, 
einen  Nucleolus  und  mehrere  von  diesem  chemisch  differente  Kor- 
perchen,  die  Pseudonucleolen ,  welche  in  einem  das  Innere  des 
Keimblaschens  durchziehenden  veranderlichen  feinen  Netze  einer 
feiukornigen  Substanz,  „Nucleoplasma",  suspendirt  sind.  Die  jungen 
Kerne  bestehen  aus  einer  homogenen  Materie  „essence  uucl6- 
aire."  Aus  dem  Protoplasma  wird  beim  Wachsthum  des  Kernes 
uoch  der  Kernsaft  aufgenommen.  Aus  der  Vereinigung  von  Kern- 
essenz  und  Kernsaft  entsteht  die  Kernsubstanz.  Die  Membran 
und  die  Kernkorpercheu  bestehen  auschliesslich  aus  essence 
nucleaire.  Beide  losen  sich  vor  der  Theilung  in  der  Kernsub- 
stanz auf,  wodurch  der  Kontour  des  Kernes  schwindet.  Die  Va- 
cuolen  im  Kernkorperchen  sind  das  Produkt  der  Vereinigung  von 
Nucleolarsubstanz  mit  dem  Kernsaft. 

Sehr  ausftihrliche  Angaben  iiber  die  Bestandtheile  des  Kernes 


1)  Mittheilung  iiber  die  Coujugation  der  Infusorien  und  die  Zell- 
theilung,  Zeitschrift  fiir  wiss.  Zoologie.     Bd.   25,   1875,  p.   432. 

^)  Contributions  a  I'histoire  de  la  vesicule  germinative.  Bull,  de 
I'acad.  roy.  de  Belgique.     P.  41,   1876. 


3G6  Dr.  Fricdrieli  Soltwcdel, 

der  Ganglieiizelle  giebt  Scliwalbe').  Derselbe  hat  beobachtct, 
dass  die  Kernkorperchen  feine  Auslaufer  besitzen,  die  von  der- 
selben  Substaiiz  gebildet  sind  als  die  Kernkorperchen  und  die  Kern- 
merabran,  namlich  von  Nucleolarsubstanz.  Wenn  im  Innern  des 
Kernes  die  Nucleoli  fehlen,  treten  dafur  wandstandige  Kernkor- 
perchen auf,  die  mit  der  Kernmembran  eng  verschmolzen  sind. 
„Die  Substanz,  aus  der  die  spatere  Kernmembran  und 
die  Nucleoli  bestehen,  ist  anfangs  gleichmassig 
durch  den  ganzen  Kern  vertheilt  und  fiillt  densel- 
ben  mehr  oder  weniger  vollkommen  aus,  indem  sie 
von  zahlreichen  mit  einer  anderen  Masse  erfullten 
Vacuolen  durchsetzt  ist.  Beim  Wachsthum  des  Kerns 
nimmt  die  Vacuolensubstanz  zu,  ohne  dass  eine  we- 
sentliche  Zunahme  des  anderen  Kernbestandtheils 
zu  constatiren  ware.  Die  Folge  davon  ist,  dass  letz- 
tere  in  verschied ene  Portionen  zerrissen  wird,  von 
denen  eine  stets  die  Oberflache  des  Kernes  einnimmt, 
zur  sog.  Kernmembran  wird,  mit  einer  Anzahl  za- 
ekigerVorsprunge,  den  wands tandigen  Kernkorper- 
chen, in  das  Innere  des  Kernes  hineiuragt,  wahrend 
andere  Portionen  sich  zu  einem  oder  mehreren  Nu- 
cleolis  zusammenballen.  In  dem  Maasse,  als  die 
helle  Substanz  im  Innern  des  Kernes  zunimmt,  wer- 
den  die  in  n  eren  Pr  ominenzen  der  Kernmembran  in 
Folge  zunehmender  Ausdehnung  des  letzteren  im- 
mermehrverstreichen.  Man  kann  also  den  ganzen 
Prozessals  eineVacuolisirung  auffassen,  ahnlicher 
Art,  wie  sie  innerhalb  der  Pflanzenzellen  zur  Schei- 
dung  von  Protoplasraa  und  Zellsaft  fiihrt.  Ich  werde 
hinfort  den  glanzenden,  die  Kernmembran  und  die 
Kernkorperchen  constituirenden  Bestandtheil  der 
fertigen  Kerne  als  Nucleolarsubstanz  bezeichnen, 
den  wasserklaren  das  Innere  des  Kerns  erfiillenden 
als  Kernsaft."  Ferner  betont  Schwalbe  an  den  Kernen  vieler 
Ganglienzellen  das  Fehlen  einer  Kernmembran.  „Der  helle  klare 
Kernsaft  wird  unmittelbar  von  der  Zellsubstanz  be- 
grenzt." 

R.  Hertwig^)  unterscheidet  im  Kern  zwei  Bestandtheile,  die 

1)  Bemerkungen  iiber  die  Xerue  der  Ganglieiizelle,  Jenaische 
Zeitschrift  f.  Naturw.  Bd.   10.   1876  p.   29  u.  ff. 

''')  Beitrdge  zu  einer  einheitlicheu  Auffassung  der  verschiedeueu 
Kernformen,  Zoolog.  Jahrb.     Bd.  II.     1876. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  dcr  Augiospermcu  etc.  oG7 

Kernsubstanz  und  den  Kernsaft.  Die  Kernsubstauz  ist  durcli  au- 
tomatisclie  Bewegungen  charakterisirt,  die  sich  entweder  in  amo- 
boiden  Formveranderungen  kund  geben,  oder  in  bestimmten  Rich- 
tungeu  vor  sich  gehen,  und  dann  zur  Kerutlieiluug  fuhren.  Die 
Starke  Lichtbrechung  und  die  Einwirkung  verschiedener  chemischer 
Reagentien  zeigen,  dass  die  Kernsubstanz  einen  vom  Protoplasma 
verschiedenen  Stoff  darstellt.  Die  Kernkorperchen,  welche  vorwie- 
geud  die  Kernsubstanz  enthalten  ,  sind  die  Trager  der  Kernfunc- 
tionen.  Der  Kernsaft  ist  eine  Fliissigkeit ,  welche  die  Kernsub- 
stanz durchtriinkt.  Das  Netzwerk  im  Kern  scheiut  ein  protoplas- 
niatisches  Gebilde  zu  sein.  „Wahrscheinlich  communicir t 
dasselbe  mittelst  feiuer  Poren  der  Nucleusmerabr  a  n 
mit  dem  umgebenden  Protoplasma  der  Eizelle,  von 
welchem  es  wie  es  scheint  auch  seiner  Entstehung  nach 
abgeleitet  werden  muss"^). 

Nach  der  Vertheilung  der  beiden  Kernbestandtheile  unterschei- 
det  K  Her  twig  primitive  und  secundare  Kerne.  Die  primitiven 
Kerne  erscheinen  homogen ;  die  Kernsubstauz  ist  gleichmiissig  vom 
Kernsaft  durchtrankt  (Embryonale  Kerne,  Eikern  von  0.  Hert- 
wig,  Kerne  der  Furchungszellen ,  Kerne  der  Infusorien,  Mono- 
thalamien,  Foraminiferen).  Zu  den  secundiiren  Kernen  gehoren 
alle  diejenigen,  bei  denen  eine  Sonderung  der  beiden  Kernbestand- 
theile stattgefundeu  hat.  Dies  fiihrt  im  einfachsteu  Falle  zum 
Auftreten  von  Vacuolen  in  der  Kernsubstanz  (Pflanzenkerne) ;  oder 
abcr  die  Kernsubstauz  zerfallt  in  mehrere  Nucleolen,  die  mit  dem 
Kernsaft  von  einer  Kernrindenschicht  umgeben  sind  (bei  Actino- 
spJidriden).  Die  Kernrindenschicht  besteht  wie  die  Nucleolen  aus 
Kernsubstanz.  Eine  weitere  Ditferenziruug  der  Kerne  findet  statt, 
weun  eine  wirklich  cheniisch  differeute  Kernmembran  gebildet  wird 
(Keimbliischen  vieler  Eier,  In/wsmew-Kerne).  Letztere  verhiilt 
sich  zur  Kernrindenschicht  wie  die  Zellmembran  zur  Hautschicht 
des  Protoplasma.  Schliesslich  konnen  noch  die  Kernkorperchen 
unter  sich  und  mit  der  Kernmembran  durch  ein  Protoplasmanetz 
verbunden  werden. 

F lemming 2)  fand  in  den  Kernen  der  verschiedenstcn  Ge- 
wcbszellen  von  Salamandra  schon  im  lebenden  Zustande  feiue 
Netze  aus  einer  Substanz  gebildet,   die  von   der  iibrigen  Masse 


1)  1.  c.  p.  77. 

2)  Beobachtungen    liber    die  Beschaffenheit   des  Zellkerns.     Arch, 
f.  mikro?.   A.     Bd.  XIII. 


3G8  Dr.  Priedrich  Soltwedel, 

des  Kernes  wie  audi  vom  umgebenden  Protoplasma  (R.  Hert- 
wig  s.  obeii)  chemisch  verscliieden  ist.  Nach  Anwendung  der 
Herraann'schen  Aniliiifarbung  werden  einzelne  Tlieile  des  Keru- 
iietzes  starker  tingirt  als  aiidere,  woraus  sich  auf  Stelleii  von  dif- 
ferenter  Beschaffenheit  des  Netzgeriistes  schliessen  lasst.  In  dera 
Netz  siud  die  Nucleoleu  und  Nebennucleolen ,  zwei  Korper  von 
vcrschiedenartiger  Substanz,  suspendirt.  Von  der  Kernmembran 
sagt  Flemming'):  „Es  macht  mir  den  Eindruck,  dass 
die  Kernmembran  nicht  entsteht,  indem  eine  zusam- 
menhangende  Schicht  ausgeschieden  wurde  oder  sich 
verfestigte,  sondern,  indem  periphere  Theile  desGe- 
riistes  sich  zu  einer  diinnen  Wandschicht  2)  an  der 
Grenze  des  Plasma  vereinigen."  Spater  hat  Flemming  •'') 
noch  besonders  das  Verhalteu  der  Nucleolen  bei  der  Kerntheilung 
beobachtet,  ohne  zu  einem  befriedigenden  Resultat  zu  gelangeu. 
„Fur  Salamandra  liess  sich  dabei  ganz  sicher  stellen, 
dass  sie  (die  Nucleolen)  schon  in  sehr  friihen  Stadien 
des  Mutterkniiuls  verschwunden  sein  konnen  und  dass 
sie,  umgekehrt  entsprechend,  erst  in  den  spatesten 
Tochterstadien  wieder  auftreten.  In  beiden  Fallen 
zeigen  sich  die  betreffenden  Korpercheu  iibrigens 
als  Verdickungen  der  Netzbalkchen;  ob  sie  schon  den 
eigentlichen  Nucleolen  entsprechen,  oder  nur  Ver- 
dickungen der  Balkchen,  in  welchen  noch  die  Nucleo- 
len als  besondere  Korper  liegen,  od^r  sich  bilden 
werden,  ist  hier  nicht  zu  entscheiden." 

In  den  farblosen  Blutzellen  von  Triton  hat  Strieker*)  Form- 
veranderungen  der  Zellkerne  wie  auch  amoboide  Bewegungen  des 
innei-en  Gerustes  wahrgenommeii.  Die  Kernhiille  ist  haufig  unter- 
brocheii,  zuweilen  kann  sie  bis  auf  ein  Drittel  oder  auf  die  Hiilfte 
ihres  friiheren  Umfanges  reducirt  werden,  so  dass  das  Innengeriiste 
dann  contiuuirlich  in  den  Zellleib  ubergeht.  Da  die  Kernhulle  und 
das  Geriiste  gleichartig  zu  sein   scheinen,  bezeichnet  Strieker 


')  Beitrage  zur  Kenutniss  der  Zelle  und  ihrer  Lebeuserschei- 
uungen,   Arch.  f.  mikr.   Auat.     Bd.    16. 

^)  Diese  Wandschicht  wiirde  der  Kernriadeuschicht  von  R.  Hert- 
wig  entsprechen. 

^)  Beitrage  zur  Kenntniss  der  Zelle  und  ihrer  Lebenserscheinun- 
geu,  Arch.  f.  mikrosc.   Anatomie.     Bd.    18,    1880,  p.    195. 

*)  Beobachtungen  liber  die  Entstehung  des  Zellkerus,  Sitzungs- 
berichte  d.  Wien.  Acad.     Bd.  76.  III.  Abth. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiosperraeu  etc.  360 

beide  als  Kernsubstanz  und  die  hellere  Masse  in  den  Maschen  als 
Kernsaft.  „I)er  freie  Kern  mit  dem  beweglichen  Innen- 
gerust  ist  nichts  anderes  als  ein  abgekapsel ter  Zell- 
leib^).  Ferner  sagt  Strieker^):  „Die  Kernkorperchen 
sind  eben  Theile  oder  Reste  eines  anioboiden  Kor- 
pers  im  Kerue.  Theile,  insofern  sie  Bestandtheile  des 
Reticulums  sind,  wie  es  Fleraming  und  auch  Fiimer  an- 
n  eh  men;  Reste  hingegen,  wenn  das  Reticulum  zer- 
roisst."  „Wenn  man  Kerue  mitlebhaft  amoboidem 
Reticulum  beobachtet,  so  sieht  man,  dass  Kernkor- 
perchen, respective  einzelne  Knotenpunkte  desReti- 
culums,   unter  den  Augen  entsteheu   und  schwinden." 

Ebenfalls  beobachtete  Unger^j  in  den  Kernen  von  verschie- 
denen  Gewebszellen  vom  Frosch,  Triton,  Hund,  Kaninchen  und 
Mensch  Bevvegungen  des  Innengeriistes  und  Brandt'*)  nahm  Form- 
veriinderungen  am  Keimbliischen  und  amoboide  Bewegungen  des 
Keimlleckes  wahr.  „Die  amoboide  Beweglichkeit  (des 
Keimfleckes)  veranlasst  nicht  selten  das  Loslosen 
einzelner  Partikel,  welche,  wie  der  Keimfleck  selbst, 
amoboid  contractu  sind.  Die  Zahl  und  Grosse  dieser 
gelegentlich  wieder  zusammenfliessenden  Partikel 
isteineausserst  verschiedene.  Bisvveilen  zerfiillt 
der  Keimfleck  in  eine  Anzahl  unter einander  mehr 
Oder  weniger  gleic her  Theile  oder  es  losen  sich  von 
ihm  so  zahlreiche  Stiicke,  dass  seine  Haupt masse 
verdeckt  wird,  oder  endlich  der  ganze  Keimfleck 
ist  in  feine  Kornchen  zerfallen,  so  dass  er  zu  feh- 
len  scheint  und  man  fuglich  von  eiuem  granulirten 
Keimblaschen  reden  kann"^). 

Klein  ^)  konnte  sich  uberzeugen,  dass  die  Kerne  der  ver- 
schiedenartigsten  Zellen  von  Triton  cristatus  eine  deutlich  ausge- 
pragte  netzformige  Stiuctur  besitzen.  Dies  intranucleare  Netz- 
werk  steht  mit  einem  ahulichen  des  Zellleibes,  dem  intracellularen 


1)  1.  c.  p.   14. 

2)  ].   c.  p.   22. 

3)  Ueber   amoboide    Kernbewegungen    in    normalen    und    entziin- 
deten  Geweben.     Wien.  med.  Jahrb.    1878. 

4)  Das  Ei.      1878. 

5)  1.  c.  p.   179. 

^)   Observations  on  the  structure  of  cells   and  nuclei,   Quart,  journ, 
of  micros,   science.      1878.     p.   315   und  fF. 

Bd.  XV.  N.  1'.  VIII.  3.  24 


370  Dr.  Friedrich  Soltwcclel, 

P'asernetz,  in  Vcrbindung.  Dio  Mombran  des  Kernes  bestelit  aus 
zwei  Schichten,  einer  ansseren  dichteren  —  der  eigentlichen  Grenz- 
haut  —  und  einer  inneren,  welche  aus  derselben  Substanz  als  das 
Netzwerk  besteht.  Die  Kernkorperchen  sind  nur  Verdichtungen 
der  Netzbalken.  An  einer  anderen  Stelle  *)  sagt  Klein:  „Diese 
Nucleolen  bestehen  ganz  aus  derselben  stark  licht- 
brec bender  Substanz  als  die  Faden  des  Netzes  und 
hangen  mit  diesen  allentbalben  z  usamm  en,  sind  also 
nur  verdickte  Partieen  desselben.  Die  dickeren  Fa- 
den des  Netzes  zeigen  zuweilen  kleinere  oder  gros- 
sere  Vacuolen  und  dasselbe  ist  auch  der  Fall  mit 
den  Nucleolen;  dieses  ist  somit  ein  weiterer  Grund, 
die  Nucleolen  als  einfache  Verdickungen  der  Netz- 
faden  zu  betrachten."  Zuweilen  kann  das  Netzwerk  ganz 
gleichinassig  ausgebildet  sein  und  dann  fehlen  die  Kernkorperchen. 
Strasburger  ^)  rechnet  zur  Kernsubstanz  alle  tingirbaren 
Theile  des  Kernes,  die  Kernwand,  die  Korner  und  Netze,  wie  auch 
die  Kernkorperchen.  Von  der  Kernsubstanz  wesentlich  verschie- 
den  ist  der  Kerusaft,  welcher  die  Raume  zwischen  den  geforniten 
Kerntheilen  erfullt.  „In  gewissen  Fallen  scheint  sich  das 
umgebende  Protoplasma  an  der  Bildung  der  Kern- 
wandung  zu  betheiligen.  Die  Kernwandung  wtirde 
dann  nur  zum  Theil  der  Kernsubstanz  angehoren." 
„Das  Abheben  der  Membran  bei  den  moisten  pflanz- 
lichen  Kernen  wirdjeden falls  durch  Aufnahme  wassri- 
ger  Fllissigkeit  aus  derUmgebung  veranlasst.  Diese 
bildet  den  Kernsaft"^), 

Allgemeines  tiber  die  Kernbestandtheile. 

Wie  sehr  auch  die  Ansichten  iiber  die  Zusaramensetzung  des 
Zellkernes  auseinander  gehen,  so  scheint  doch  aus  der  Gleich- 
artigkeit  der  an  den  verschiedensten  Stellen  gewonnenen  einzelnen 
Resultate  hervorzugehen ,  dass  uberall  stets  dieselben  Vorgiinge 
wiederkehren. 

Ueber  die  Gleichheit  oder  Verschiedenheit  der  einzelnen  Be- 
standtheile  muss  aber  vor  Allem  die  Entwicklung  des  Kernes  von 


^)  Ein  Beitrag  zur  Keantniss    des  Zellkernes  u.  s.  w.,    Centralbl. 
f.  d.  med.   Wiss.    1879,   p.   291. 

2)  Zellbildung  und  Zelltheilung.     III.   AuH.   1880,  p.  322. 

3)  1.  c.  p.   336. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiospermeu  etc.         371 

seinem  ersten  Auftreten  als  einhcitliches  Ganze  an  Aufschluss 
geben.  Indem  ich  diese  ersten  Differenzirungen  des  Kernes  ver- 
folgte,  gelangte  ich  zii  Resultaten,  die  im  Wesentlichen  mit  denen 
von  BUtschli,  Schwalbe,  R.  Hertwig,  Strieker,  Klein 
und  Str  as  burger  iibereinstimmen. 

Wenn  BUtschli  die  Kernmembran  zur  Kernsubstauz  hinzu- 
rechnet  undAuerbach  dieselbe  als  eine  Grenzschicht  des  Proto- 
plasma  ansieht,  so  liegt  die  Differenz  nur  darin,  dass  BUtschli 
die  Kernrindenschicht  (R.  Hertwig)  nicht  von  der  Kernmem- 
bran unterscheidet.  Von  R.  Her  twig's  Ansieht  unterscheidet 
sich  meiue  nur  dadurch,  dass  ich  das  intranucleare  Netzwerk  nicht 
als  ein  protoplasmatisches  Gebilde  auffasse,  soudern  es  zur  Kern- 
substanz  gehorig  betrachte.  Mit  Klein  theile  ich  nicht  die  An- 
sieht, dass  das  intranucleare  Netzwerk  mit  deni  intracellularen  in 
direkter  Verbiudung  steht. 

Wenn  R.  Hertwig  i)  die  Nucleoli,  welche  vorwiegend  die 
Kernsubstauz  enthalten,  als  „die  Trager  der  Kerufunctio- 
n en"  ansieht  und  in  ihnen  „dieThatigkeitscentren  des 
Kernes"  erblickt,  so  mochte  ich  sagen :  Das  Weseu  desKerns 
ist  allein  durch  die  Kernsubstanz  bedingt;  denn  der 
jugendliche  Kern  besteht  nur  aus  Kernsubstanz,  der 
Kernsaft  wird  durch  die  Vacuolenentwicklung  erst 
spate r  gebildet.  Da  die  im  entwickelten  Kern  vorhandenen 
Kernkorperchen  nur  unveranderte  Theile  der  vorhin  einheitlichen 
Kernsubstanz  darstellen,  so  ist  die  Bezeichnung  „Kerukorper- 
chen"  uberflUssig. 

Die  Kernmembran,  welche  aus  eiuem  von  der  Kernsubstanz 
verschiedenen  Stoflf  besteht,  betrachte  ich  mit  Auerbach^),  O. 
Hertwig  3)  und  S  trasburger  •*)  als  ein  Differenzirungsprodukt 
des  angrenzenden  Protoplasma,  „als  ein  accidentelles  Ge- 
bilde des  Kernes." 

Bei  der  Kernvermehruiig  theilt  sich  nur  die  Kernsubstanz, 
welche  vorher  als  Kernkorperchen,  Netzwerk  oder  Kerni-indenschicht 
vorhauden  war.    In  den  Fallen,  wo  sehr  viele  Kernkorperchen  im 


^)  Beitrage  zu   eiaer    eiuheitlichen   Auffassuug   der  verschiedeneu 
Kernformen,  Zoolog.  Jahrbuch;  Bd.   II.    1876,  p.   75, 

2)  Zelle  und  Zellkern,   Beitrage  zur  Biologie  der  PHanzen.  Cohn, 
H.  2.     1877.    p.   6. 

^)   Heitrage  zur  Kenntniss    der  Bilduag,    Befruchtung    und    Tliei- 
lung  d.  thier.   Eies,  Morpholog,  Jahrb.  Bd.  1.   1876,  p.   349. 

*)  Zellbildung  und  Zelltheilung  III.   Aufl.   p.   322. 

24* 


372  Dr.  Friedricli  Soltwedel, 

entwickclten  Kern  vorhanden  sind,  wird  vor  der  Theilung  ein  vvirr 
durcheinandcrlaufender  Kniiuel  gebildet.  Wenii  dagegen  die  Kern- 
substanz  vorwiegend  nur  auf  wenige  Kernkorperchen  vertheilt  ge- 
wesen  ist,  kann  es  vorkommen,  dass  die  Kernsubstanz  vor  der  Thei- 
lung zu  einem  einheitlichen  Korper  sich  zusamraenballt.  In  diesen 
Stadien  pflegt  meistens  der  Kernsaft  zu  schwinden  und  das  Proto- 
plasma  tritt  unraittelbar  an  die  Kernsubstanz  hinan.  Vielleicht 
hat  der  Kern  vorher  eine  von  der  Kernsubstanz  chemisch  ditfe- 
rente  Membran  besessen,  welche  jetzt  aufgelost  oder  gesprengt  ist 
und  somit  das  Protoplasraa  von  dem  Kernsaft  nicht  mehr  trennt. 
Bahl  darauf  sieht  man  die  Faden  des  Knauels  regelmassiger  neben- 
einander  gereiht,  so  dass  die  primitive  Spindel  entsteht,  die  be- 
reits  zwei  Pole  erkennen  liisst.  Wenn  die  Kernsubstanz  vor  der 
Theilung  zu  einem  Kliimpchen  zusammengeballt  war,  so  zerfiillt 
dieses  wieder  in  einzelne  kurze  Stabchen,  welche  ebenfalls  nach 
zwei  verschiedenen  Punkten  gerichtet  werden. 

Vor  der  Theilung  wird  dann  die  tingirbare  Kernsubstanz  in 
den  Aequator  zusammengedrangt  und  an  den  beiden  Polen  treten 
die  nicht  tingirbaren  Spindelfasern  auf,  welche  bei  alien  verschie- 
denen Spindelformen  mit  Ausnahme  der  in  Fig.  9,  Taf.  XVIII  ab- 
gebildeten  beobachtet  sind.  Zuweilen  sind  die  Spindelfasern  nur 
schwer  wahrnehmbar;  doch  treten  sie  dann  nach  Einwirkung  von 
Essigsaure  hinreichend  deutlich  hervor.  Die  Ansammlung  der  Kern- 
substanz im  Aequator  ist  auch  von  Flemming^)  besonders  be- 
tont  worden:  „es  tritt  immer  ganz  unfehlbar  ein  Sta- 
dium dazwischen  ein,  wo  die  Faden  in  den  Aequator 
zusammend  rangen." 

Was  die  Spindelfasern  anbetrifft,  so  bin  ich  geneigt,  dieselben 
nicht  als  massive  Stabchen,  sondern  als  Rohren  oder  Schlauche 
anzusehen,  welche  die  Kernsubstanz  einschliessen.  Zu  dieser  An- 
sicht  bin  ich  auf  deraselben  Wege  wie  friiher  Butschli^)  und 
Strasburger  3)  gelangt,  namlich  dadurch,  well  es  mir  schien, 
dass  bei  einzelnen  einplattigen  Spindeln  (Fig.  1,  Taf.  XVII)  die 
Kernplattenelemente  Verdickuugen  der  Spindelfasern  darstellten 
und  dass  die  Kernsubstanz  beim  Auseinanderweichen  der  Kern- 
plattenhiilften  nur  in   den  Spindelfasern  sich  bewegt.    Ich  denke 

1)  Beitriige  zur  Keuntuiss  der  Zelle  und  ihrer  Lebeuserscheinun- 
gen,  Theil  II.  Arch.  f.  mikr.  Anat.  Bd.    18,    1880,  p.    169. 

2)  Eizelle,  Zelltheiluug  u.  s.  w.  Abhandl.  der  Senckb.  naturf. 
Ges.  Bd.  X  p.    192. 

3)  Zellbild.  und  Zellth.      III.  Aufl.,   1880,  p.   326. 


Freie  Zellbilduug  im  Embryosack  der  Angiospermen  etc.         373 

mil",  dass  die  Spindelfasern  aus  dem  umgebenden  Protoplasraa  ge- 
bildet  sind,  indem  dieses,  sobald  es  an  die  primitive  Spiudel  hin- 
antritt,  die  einzelnen  Elemeute  derselben  mit  einer  dichten  Haut- 
schicht  umgiebt.  Dann  wiirden  die  Spindelfasern  in  derselben 
Weise  entstehen  wie  die  Kernmembran,  und  beide  miissten  aus 
derselben  Substanz  bestehen.  Die  kernplattenlose  Spindel  wiirde 
demnach  nur  die  Hiille  der  primitiyen  Spindel  darstellen.  Die  von 
Baranetzky^)  beschriebenen  Spindelfasern  ura  die  wurstformig 
gewundenen  Kernsubstanzmassen  in  den  Pollenmutterzellen  von 
Tradescantia  virginica  mochte  ich  audi  nicht  als  Artefacte,  son- 
dern  als  spiralige  Verdickuug  der  Spindelfasern  ansehen. 

Wenn  wir  aber  annehmen,  dass  die  Kernsubstanz  sich  in  fei- 
nen  Scblauchen  bewegt,  so  hiingt  die  Gestalt  der  einplattigen  Spin- 
del  nur  von  der  Widerstandsfahigkeit  und  Elasticitat  der  Schlauche 
und  von  der  Grosse  der  Kraft  ab,  welche  die  Kernsubstanzmassen 
in  den  Aequator  zusammeudrangt.  Besitzen  die  Schlauche  eine 
grosse  Elasticitat,  so  wird  die  Kernplatte  aus  einzelnen  Kornchen 
zusammengesetzt  sein  (Fig.  1,  Taf.  XVII),  sind  sie  sehr  widerstands- 
fiihig,  so  wird  die  Kernplatte  aus  Stabchen  gebildet  sein  (Fig.  11, 
Taf.  XVII),  sind  die  Schlauche  aber  schwach  gebaut,  so  werden  sie 
im  Aequator  gespreugt  werden ,  die  austretende  Kernsubstanz 
fliesst  zusammen  und  bildet  eine  homogene  Kernplatte  (Fig.  31, 
Taf.  XVII). 

Nach  jeder  freier  Kerntheilung  wird  bei  vielen  Pflanzen  zwi- 
schen  den  beideu  Tochterkernen  im  Aequator  der  kernplattenlosen 
Spindel  eine  transitorische  Zellplatte  mehr  oder  minder  deutlich 
ausgebildet.  Mit  der  Zellplatte  verschwindet  auch  die  kernplat- 
tenlose Spiudel  wieder,  und  die  Kerne  werden,  wenn  die  feinkor- 
nige  Protoplasmaschicht  sehr  zart  ist,  durch  einzelne  starkere 
Protoplasmafaden  verbunden  (Fig.  20  und  46,  Taf.  XVII). 

Haufig  fand  ich  an  Praparaten  von  Lilium  croceum.  L.  Mar- 
tagon,  Fritillaria  imperialis,  Polygonum  Bistorta  und  Caltlia  'pa- 
lustris  neben  den  schon  weit  vorgeschrittenen  Theilungsfiguren  sehr 
feine  Hiiutcben  liegen,  die  sich  in  Methylgrtin  oder  Borax- Carmin 
nicht  tingirten  (Fig.  22,  23,  24,  25,  Taf.  XVIII).  Vielleicht  sind 
diese  Hautchen  als  Membranen  der  Mutterkerne  zu  betrachten,  die 
vor  ihrer  Auflosung  gespreugt  und  abgeworfen  wurden. 


1)  Die  Kerntheilung   in    den  Pollenmutterzellen    einiger    Trades- 
caiUien,  Bot.  Zeit.   1880,  Nr.  15—17,  Sp.  285.     Fig.  41,  Taf.  V. 


374  Dr.  Eriedrich  Soltwedel, 


Zellwandbildung  und  Kernverschmelzung. 

Wenn  der  Embryosack  fast  seine  definitive  Grosse  erreicht 
hat,  beginnt  die  Zellwandbildung  um  die  noch  freien  Endosperm- 
kerne.  Die  ersten  Zellwande  treten  in  anotropen  Eichen  in  der 
Gegend  der  Mikropyle  zuerst  auf  und  ihre  Bildung  schreitet  von 
hier  chalazawarts  fort.  Sie  scheinen  zuerst  aus  kleinen  Korn- 
clien  zii  bestehen,  die  zu  geraden  Reihen  in  der  Kegel  in  der  Mitte 
zwischen  je  zwei  benachbarten  Kernen  angeordnet  sind  (Fig.  45 
und  47,  Taf.  XVII,  Fig.  80,  Taf.  XVIII).  Diese  kleinen  Kornchen 
werden  durch  Borax-Carmin  oder  Methylgriin  nicht  tingirt.  Ob 
dieselben  an  Ort  und  Stelle  gebildet  werden,  oder  ob  sie  vom 
Protoplasma  erst  dorthin  gefuhrt  werden,  konnte  nicht  sicher  ge- 
stellt  werden.  Indem  die  Korhchen  mit  einander  vcrschmelzen, 
bilden  sie  feste  Zellwande,  die  an  die  Innenwand  des  Embryosackes 
ansetzen  und  die  einzelnen  Kerne  von  einander  trennen. 

Strasburger  1)  hat  bereits  gezeigt,  dass  im  Embryosack 
von  Corydalis  cava  die  ersten  Endospermzellen  viele  Zellkerne  ent- 
halten  konnen,  deren  Anzahl  gewohnlich  zwischen  1  und  7  schwankt. 
Alle  Kerne  in  einer  Zelle  konnen  dann  zu  einem  Einzigen  verschmel- 
zen.  Solche  Kerne  erlangen  dadurch  eine  sehr  bedeutende  Grosse. 
Wahrend  die  noch  freien  Endospermkerne  gewohnlich  nur  ein  gros- 
ses Kernkorperchen  besitzen,  zeigen  die  Kei-ne,  welche  aus  der 
Verschmelzung  von  mehreren  hervorgegangen  sind,  deren  viele,  die 
hochst  wahrscheinlich  auch  noch  mit  einander  verschmelzen  konnen. 

Wie  Corydalis  cava  verhalt  sich  auch  Corydalis  pallida;  doch 
verlauft  die  Endospermbildung  im  Flnibryosack  von  Corydalis  luiea 
in  ganz  normaler  Weise,  so  dass  die  ersten  Endospermzellen  stets 
gleich  eineu  Kern  enthalten.  Auch  bei  Galanthus  nivalis,  Leii- 
cojiim  aestivum,  Fulmonaria  officinalis,  Stajfhylea  pinnata  und  Vr- 
tica  pnlulifera  kam  es  nicht  selten  vor,  dass  zwei,  drei  oder  auch 
vier  Zellkerne  in  einer  Zelle  eingeschlossen  waren.  Die  Kerne  in 
einer  Zelle  konnen  entweder  noch  nachtriiglich  Scheidewiinde  zwi- 
schen sich  bilden  und  auf  diese  Weise  einkernige  Zellen  darstellen, 
oder  aber  sie  verschmelzen  mit  einander,  sei  es  vor  der  Theilung, 
sei  es  wahrend  oder  gleich  nach  der  Theilung.  In  Fig.  5,  Taf.  XVIII 
ist  ein  Stiick  Wandplasma  aus  dem  Embryosack  von  Leucojum 
aestivum  bald   nach  der  ersten  Anlage   der  Zellwande  abgebildet. 


')  Zellbilduug  und  Zelltheilung-  HI.   Auil.  p.   24. 


Freie  Zellbildung  im  Embryoi^uck  der  Angiospermen  etc.  375 

In  der  grossen  Zelle  links  befindet  sich  oben  ein  Kern ,  der  nocli 
deutlich  erkenncn  liisst,  dass  er  aus  der  Verschmelzung  von  zweien 
hervorgegangen  ist.  In  derselben  Zelle  befindet  sich  unten  nocli 
ein  Kern  und  zwischen  beiden  wird  nachtriiglich  eine  Zellwand 
gebildet.  In  der  Zelle  rechts  befindet  sich  ein  grosser  Kern,  der  je- 
denfalls  auch  durch  Verschmelzung  von  zweien  gebildet  ist.  Fig.  16, 
Taf.  XVIII  stellt  eine  nach  oben  bin  (zum  Beschauer  bin)  noch 
nicht  geschlossene  Zelle  aus  dem  protoplasmatischen  Wandbeleg 
des  Embryosackes  von  Galanthus  nivalis  dar.  In  der  Zelle  haben 
sich  zwei  einplattige  Spindeln  in  der  Weise  eng  aneinander  gelegt, 
dass  ihre  Aequatorebenen  zusammenfallen  und  die  Kernplatten  der 
beiden  einplattigen  Spindeln  zu  einer  einzigen  verschmolzen  sind. 
Dies  Bild  von  Galanthus  nivalis  kann  uns  aber  Aufschluss  geben 
iiber  einige  merkwiirdige  Kernfiguren,  die  noch  frei  im  Wandplasma 
des  Embryosackes  von  Lilium  croceum  lagen.  Solche  Theilungs- 
stadien  sind  in  den  Fig.  17,  18,  19,  20  auf  Taf.  XVIII  abge- 
bildet.  In  Fig.  17  haben  wir  eine  grosse  zweiplattige  Spindel, 
die  aber  aus  zwei  zweiplattigen  Spindeln  zusammengesetzt  zu  sein 
scheint.  In  den  Figuren  18,  19,  20  liegen  zwischen  je  zwei  gros- 
sen Tochterkernen  je  zwei  kernplattenlose  Spindeln.  Vergleicht 
man  diese  Bilder  mit  der  Fig.  16,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich, 
dass  hier  wahrend  der  Theilung  von  zwei  Kernen  gleichzeitig  eine 
Verschmelzung  der  beiden  Kerne  (resp.  Tochterkernpaare)  statt- 
gefunden  hat.  Auf  diese  Weise  ist  es  also  moglich,  dass  aus  der 
Theilung  von  zwei  Kernen  wieder  zwei  Kerne  hervorgehen.  Ganz 
einzig  in  seiner  Art  ist  aber  das  in  Fig.  21,  Taf.  XVIII  gezeich- 
nete  Bild  einer  Verschmelzung.  Ich  weiss  fur  dieses  Bild  keine 
andere  Deutung,  als  dass  nach  vollendeter  Kerntheilung  auf  dem 
Stadium,  wo  in  der  kernplattenlosen  Spindel  die  Zellplatte  gebil- 
det wird,  eine  Verschmelzung  von  zwei  Tochterkernen  und  einem 
andern  Nach  bar  kern  stattgefunden  hat. 

Im  Wandplasma  aus  dem  Embryosack  von  Leucojum  aestivum 
und  Hemerocallis  fulva  babe  ich  schliesslich  noch  einzelne  sehr 
grosse  Kerne  (Fig.  33,  38,  Taf.  XVIII)  und  in  deren  Nahe  lang- 
gestreckte  Kerne  (Fig.  31,  32,  Taf.  XVIII)  gefunden.  Aus  diesen 
Bildern  mochte  ich  hier  ebenfalls  auf  die  Moglichkeit  einer  statt- 
gefundenen  Verschmelzung  von  noch  freien  Endospermkernen  schlies- 
sen. 


376  Dr.  Friedrich  Soltwedel, 


Zusammenfassung. 

Die  Vorgange  bei  der  Entwicklung,  Theilung,  Verschmelziing 
und  Riickbildung  der  Zellkerne  wie  die  Vorgange  bei  der  Zell- 
wandbildung  lassen  sich  kurz  etwa  folgendermaassen  zusammen- 
fassen. 

Die  Art  der  Eiitstehung  des  entwickelten  Kernes  aus  dem 
anfangs  homogenen  Klumpchen  von  Kernsubstanz  lasst  sich  als 
eine  Vacuolenbildung  der  Kernsubstanz  auffassen.  Der  Inhalt 
der  Vacuolen  bildet  den  Kernsaft  und  aus  der  Kern- 
substanz gehen  die  Nucleolen,  das  Kernnetz  und 
die  Kernrindenschicht  hervor.  Da  an  vielen  entwickel- 
ten Kernen  nichts  von  einer  Kernrindenschicht  zu  erkennen  ist 
und  da  in  diesen  Fallen  der  Kernsaft  stets  scharf  vom  umgeben- 
den  Protoplasma  abgegrenzt  ist,  so  nehme  ich  an,  dass  der  Kern 
von  einer  Kernmembran  umgeben  ist.  Die  Kernmembran  kann 
durch  eine  chemische  Einwirkung  entweder  der  Kernsubstanz  oder 
des  Kernsaftes  auf  das  unigebeude  Protoplasma  gebildet  sein. 

Bei  der  Vermehrung  der  Zellkerne  theilt  sich  nur  die  Kern- 
substanz, welche  zunachst  die  primitive  Spiudel  bildet.  Der 
Kernsaft  dringt  auf  diesem  Stadium  in  das  umgebende  Proto- 
plasma, da  die  Kernmembran  jedenfalls  aufgelost  oder  gesprengt 
ist.  Das  Protoplasma,  welches  jetzt  an  die  Stabchen  der  primitiven 
Spindel  hinantritt,  umgiebt  dieselben  mit  einer  dichteren  Haut- 
schicht  und  bildet  auf  diese  Weise  die  Spindelfasern.  Diese  wer- 
den  an  den  Polen  sichtbar,  wenn  die  Kernsubstanz  in  den  Aequa- 
tor  gedrangt  wird.  Nach  dem  Auseinaudergehen  der  Kernplatten- 
halften  bleiben  zwischeu  ihnen  die  Spindelfasern  als  leere  Schlauche 
zuriick,  die  spater  wieder  ruckgebildet  werden. 

Die  Verschmelzung  der  Kerne  geschieht  in  der  Weise,  dass 
die  Kernmembraneu  an  den  Beriihrungsstellen  der  Kerne  verschwin- 
den  und  die  gleichwerthigen  Bestandtheile  sich  vereinigen. 

Vor  dem  Zerfall  der  Zellkerne  erreichen  dieselben  eine  sehr 
bedeutende  Grosse,  ihre  Membran  wird  schliesslich  aufgelost,  der 
Kernsaft  mischt  sich  mit  dem  unigebenden  Protoplasma  und  die 
Kernsubstanz  zerfallt  unter  Bildung  von  Vacuolen  im  Innern  in 
kleine  Stiicke,  die  spater  im  Protoplasma  zerfliessen. 

Die  Zellwande  werden  aus  kleinen  Kornchen  aufgebaut,  deren 
Substanz  sich  uicht  erkennen  liess. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiospermen  etc.         377 


Tafelerklarung. 


Tafel  XVi. 

Fig.   1 — 4.     Lam  ill  m  album. 

Fig.  1.  Befruchteter  Embryosack.  Der  secundare  Embryosack- 
kcrn  liegt  auf  Protoplasmafaden  suspendirt  iu  dem  unteren  abgeboge- 
nen  Eude  des  Embryosackes,  der  von  eiuer  einfachen  Schicht  vou 
Zellcn  mit  verdickteu  Wandeu  umgeben  ist.     Vergr.   220. 

Fig.  2.  Das  untere  Eude  des  Embryosackes  uach  der  ersten 
Theilung  der  Endospermmutterzelle.      Vergr.   440. 

Fig.  3.  Im  untereu  Ende  des  Embryosackes  ist  eiii  vielzelligur 
Endospermkdrper  gebildet,  in  den  der  Embryo  auf  einem  Suspensor 
hinein  gewachsen  ist.  Im  obereu  Theile  des  Embryosackes  liegen 
einige  freie  Zellkerne  im  Protoplasma.     Vergr.  220. 

Fig.  4.  Der  Embryosack  hat  bei  seiner  Weiterentwicklung  in 
der  Mitte  eine  Einschniirung  erfahren.     Vergr.    160. 

Fig.   5 — 7.      Veronica  Buxb  aumii. 

Fig.  5.     Embryosack  gleich  nach  der  Befruchtung.     Vergr.   160. 

Fig.  6.  Der  Embryosack  ist  in  der  Mitte  stark  eingeschniirt 
und  hat  nach  unten  hin  eine  Ausstiilpung  getrieben.  Der  Endosperm- 
kdrper besteht  aus  acht  Zellen.     Vergr.  220. 

Fig.  7.  Der  Embryo  ist  in  den  Endospermkdrper  hineingewach- 
sen.     Vergx*.  440. 

Fig.  8 — 14.      L  0  a  s  a   Ivicnlor. 

Fig.  8.  Der  Embryosack  hat  vor  der  Befruchtung  erne  Aus- 
stiilpung in  das  Nucellargewebe  getrieben.     Vergr.  90. 

Fig.  9.  Mittlerer  Theil  des  Embryosackes  nach  der  ersten  Thei- 
lung der  Endospermmutterzelle.      Vergr.   220. 

Fig.   10.     Der  Eiapparat  gleich  nach  der  Befruchtung.    Vergr.  440. 

Fig.  11.  Die  untere  Anschwellung  hat  eine  Aussackung  in  das 
Nucellargewebe  getrieben.     Vergr.   220. 

Fig.  12.  Ein  Tochterkern  des  secundareu  Embryosackkernes  ist 
in  die  Ausstiilpung  gewandert.     Vergr.  220. 


378  Dr.  Friedrich  Soltwedel, 

rig.  13.  lu  der  AusBtiilpung  sind  einige  freic  Zellkcrne.  Der 
Endospermkorper  ist  bereits  vielzollig.  Im  unteren  Raumc  sind  noch 
die  Oegenfiisslerirmen  und  zwei  freie  Endospermkerne  zu  sehen. 
Vergr.  90. 

Fig.  14.  Die  obere  Ausstiilpung  des  Erabryosackes.  In  der- 
selben  befinden  sich  acht  freie  Zellkerne.      Vergr.   220. 

Tafel  XVII. 

Fig.    1 — 10.     Iris  sihirica.      Vergr.   820. 

Fig.   1.     Eiuplattige  Spindel. 

Fig.   2  und   3.     Zweiplattige  Spiudeln. 

Fig.  4.  Zwei  Tochterkerne,  zwischen  dcncn  noch  die  kernplat- 
tenlose  Spindel  zu  sehen   ist. 

Fig.  5.  In  der  kernplattenlosen  Spindel  ist  die  Zcllplatte  ge- 
bildct. 

Fig.  6.  Zellplatte  und  kernplattenlose  Spindel  sind  wieder  rlick- 
gebildet. 

Fig.   7.     Ein  Eudosperrakern   mit  vielen   Korukorperchen. 

Fig.  8.  Die  Kernkdrperchen  sind  theils  mit  einander  verschmol- 
zen,  theils  sind  sie  zu  Faden  ausgczogeu. 

Fig.  9.     Die  Kernwand  ist  verschwunden. 

Fig,   10.     Primitive  Spindel. 

Fig.    11 — 2  0.     Li  Hum  croc.  cum.      Vergr.  440. 

Fig.    11.     Einplattige  Spindel. 

Fig.    12  und    1  3.     Zweiplattige  Spindeln. 

Fig.  14.  Zwischen  den  beiden  Tochterkernen  liegt  die  kern- 
plattenlose Spindel. 

Fig.  15.  An  den  Tochterkernen  sind  die  Kernkorperchen ,  der 
Kernsaft  und  die  Kernwand  zu  erkennen.  In  der  kernplattenlosen 
Spindel  ist  die  Zellplatte  gebildet. 

Fig.    16.     Riickbildung  der  Zellplatte. 

Fig.    17.     Aus  der  Kernsubstanz  ist  ein  Fadenkniiuel  gebildet. 

F  i  g.   1  8.     Die  Kernwand  ist  geschwunden. 

Fig.   19.     Primitive  Spindel. 

Fig.  2  0.  Ein  Stiick  Wandplasraa.  Die  freien  Endospermkerne 
sind  durch  eiuzelne  dicke  Protoplasmafadeu  vcrbunden.  Die  Kern- 
korperchen zeigen   Vacuolen  im   Innern. 

Fig.   2  1  —  3  0.      S I  a  i>liy  I  c  n  pi  niKi  t  n. 
Fig.   2  1.      Einplattige  Spindel.      Vergr.   820. 
Fig.   2  2.     Zweiplattige  Spindel.      Vergr.   820. 


Freie  Zellbildung  im  Embryosack  der  Angiospermen   etc.  379 

Fig.  2  3  iind  2  4.  An  den  Polen  der  kernplattenlosen  Spindel 
sind  die  Tochterkerne  gebildet.     Vergr.   820. 

Fig.  2  5.  Die  Tochterkerne  besteheu  aus  Kei-nsubstanz  und  Kern- 
saft.  In  der  kernplattenlosen  Spindel  ist  die  Zellplatte  gebildet.  Vergr. 
820. 

Fig.  2  6,  Die  kernplatteiilose  Spindel  ist  rait  der  Zellplatte  riick- 
gebildet.      Vergr.   820. 

Fig.   2  7.     Ein  Endospermkern  nahe  vor  der  Theilung.   Vergr.  820. 

Fig.  2  8.  Kernwand  und  Kernsaft  sind  geschwundeu.  Die  Kern- 
substanz  hat  sich  zu  einer  horaogenen  Masse  zusammengeballt.  Vergr. 
820. 

Fig.   2  9.      Bildung  der  priraitiven  Spindel.      Vergr.   820. 

Fig.  3  0.  Die  Kernfiguren  liegen  im  Protoplasraa  von  Zellwan- 
den  eingeschlossen,  welche  stark  gequollen   sind.      Vergr.  440. 

Fig.   31  —  40.      I)  i  c  I  (I  mn  u  s  a /bus. 

Fig.   3  1.     Einplattige  Spindel.     Vergr.   820. 

Fig.  3  2.     Zweiplattige  Spindel.     Vergr.  820. 

Fig.  3  3  und  3  4.  An  den  Polen  der  kernplattenlosen  Spindclu 
sind  die  Tochterkerne  gebildet.      Vergr.   820. 

Fig.  3  5.  In  der  kernplattenlosen  Spindel  ist  die  Zellplatte  schwach 
angedeutet.  Die  Tochterkerne  bestehen  aus  Kernsaft  und  Kcrnsub- 
stanz.     Vergr.   820. 

Fig.  3  6  und  3  7.  Endospermkerne  nahe  vor  der  Theilung.  Vergr. 
820. 

Fig.  3  8.  Die  Kernwand  und  der  Kernsaft  sind  geschwundeu. 
Vergr.   820. 

Fig.   3  9.     Bildung  der  priraitiven  Spindel.      Vergr.   820. 

Fig.  4  0.  Ein  Stiick  Wandplasraa  aus  dem  Embryosack,  die 
Kerntheilungen  zeigend.     Vergr.    160. 

Fig.  4  1  —  4  4.     Loasa    tricolor.      Vergr.   440. 
Fig.  4  1 — 4  3.     Secuudjire  Embryosackkerne. 
Fig.   4  4.      Der  secuudare  Erabrj^osackkern  besteht  nur  aus  einem 
Kerukorperchen,  welches   Vacuolen  im  lunern  zeigt. 

Fig.   4  5.     Callha  pa  In  sir  is.     Vergr.  440. 
Fig.   4  5.     Zellwandbildung  im  Erabryosack. 

Fig.   4  6  und  4  7.     Agvimonia  Eupator  ia.      Vergr.   440. 

Fig.  4  6.  Die  Endosperrakerne  sind  durch  dicke  Protoplasraa- 
faden  verbuuden. 

Fig.  4  7.  Beginu  der  Zellwandbildung  ura  die  freien  Endosperm- 
kerne. 


380  Dr.  Friedrich  Soltwcdel,  Freie  Zellbildung  etc. 

Tafel  XVIII. 

Fig.    1  —  10.      Leucoj urn  neslivum.     Vergr.  440. 
Fig.   1.     Einplattige  Spindel. 
Fig.   2  —  4.     Dreipolige  Spindeln. 

Fig.   5.     Zellwandbildung.      Verschmelzung  von  ZcUkernen. 
Fig.   6.     Eine  einplattige  Spindel  schrag  von   oben  gesehcu. 
Fig.   7  — 10.     Einplattige  Spindeln    aus    verschiedenen  Embryo - 
sacken. 

Fig.   11  —  14.     Ornilho^aliim  nutans.     Vergr.  440. 
Fig.   11.     Einplattige  Spindel. 
Fig.   12 — 14.     Dreipolige  Spindeln. 

Fig.    15  —  16.      Galanthnsnivn  lis.     Vergr.   440. 
Fig.   15.     Einplattige  Spindel. 

Fig.    16.     Zwei  einplattige  Spindeln  liegen  in  einer  jungen  Endo- 
spermzelle  nahe  aneinander. 

Fig.    17  —  2  3.     Lilium  croc  cum.     Vergr.  440. 
Fig.    17  —  2  1.      Verschmelzung  von  Theilungstigurcn. 
Fig.  2  2  uud  2  3.     Neben  den  Theilungsfiguren  liegen  feine  Mem- 
branen. 

Fig.   2  4  und  2  5.     Lilium  Mar  I  ago  n.      Vergr.   440. 
Fig.   2  4  und  2  5.     Neben  den  Theilungstigurcn  liegen  feine  Mem- 
branen. 

Fig.   26  —  28.     Phaseolus   vulgaris.      Vergr.  440. 
Fig.   2  6  —  2  8.     Zerfall  von   Endosperrakernen. 

Fig.   29—3  0.     Reseda  odora  fa.     Vergr.  440. 
Fig.   2  9.     Zellwandauflosung. 
Fig.  3  0.     Zellwandbildung. 

Fig.  3  1  —  3  3.     Hemerocallis  fulva.     Vergr.   350. 
Fig.  3  1 — 3  3.     Grosse  freie  Endospermkerne. 

Fig.  3  4 — 3  8.     Lcucojum  aestivum.     Vergr.   350, 
Fig.  3  4    und    3  5.     Zwei    freie    Endospermkerne    nahe    vor    der 
Theilung. 

Fig.   3  6  und  3  7.     Zerfall  von  freien  Endospermkerncn. 
Fig.   3  8.     Ein  grosser,    freier,    unregelmassig    gcstaltcter  Endo- 
sperm kern. 


Ueber  sogenannte  Compasspflanzen 


von 


E.  Stahl. 

Hierzu  Tafel  XIX. 


Die  sonderbare  Eigenschaft  einer  nordamerikanischen  Pflanze, 
ilire  Blatter  in  der  Meridianebene  auszubreiten,  so  dass  die  Riin- 
dor  derselben  uach  Nordeu  oder  nach  Silden  gekehrt  sind,  ist  in 
ncuerer  Zeit  mehrfacli  in  wissenschaftlichen  und  nicht  wissenscliaft- 
lichen  Zeitungen  zur  Sprache  gekommen.  Eine  Erklaruug  diesor 
Erscheinung,  d.  h.  eine  ZurUckfiihrung  dieses  Ausnahmefalles  auf 
bereits  bekannte  Eigenthiimliclikeiten  der  Laubbliitter,  ist  bisher 
noch  nicht  versucht  worden. 

Die  genaunte  Eigenschaft  ist  keineswegs  auf  das  nordameri- 
kanische  Silphium  laciniatum  beschrankt;  sie  kann  in  ebenso 
ausgepragter  Weise  bei  der  einheimischen  Lactuca  scariola  be- 
obachtet  werden.  Da  die  letztere  Pflanze,  bei  ihrer  allgemeinercu 
Verbreitung,  einem  jeden  leicht  zugiinglich  ist,  so  theile  ich  hier 
zunachst  die  an  derselben  ausgefiihrten  Beobachtungen  mit,  uni 
erst  nachher  fremde  und  eigene  Mittheilungen  iiber  Silphium 
laciniatum  beizufiigen. 

Lactuca  scariola. 

Es  ist  eine  allgemein  bekannte  und  in  den  meisten  Floren 
angefiihrte  Thatsache,  dass  die  Blatter  von  Lactuca  scariola 
vertical  gestellt  sind:  der  eine  Seitenrand  ist  nach  oben,  der  an- 
dere  nach  unten  gekehrt.  Die  Blatter  unserer  Pflanze  sind  un- 
gefahr  nach  der  Divergenz  ^j^  am  Stengel  vertheilt.  Betrachtet 
man  geuauer  frei  stehende  Pflanzen,  so  bemerkt  man  jedoch,  dass 
die  verticalen  Blattspreiten  nicht,  ihrer  Insertion  gemass,  in  acht 
Langsreihen  vom  Stengel  ausstrahlen,  sondern  mehr  oder  weniger 
deutlich  die  Neigung  zeigen   sich  alle  in  parallele  Verticalebenen 


382  E.   Stahl, 

zu  ordnen.  Diese  Eigenthumliclikeit  tritt  jc  nach  Standorten  iind 
Individuen  in  verschieden  hohem  Maasse  hervor. 

Am  starksten  ausgepriigt  ist  dieselbe  bei  mageren  Pflanzen, 
welche  auf  diirrem  Boden  an  sonnigen  Standorten  wachsen  und  es 
ist  in  hohem  Grade  auffallend  zahlreiche  Pflanzen,  mit  parallel  ge- 
richteten  Blattern,  neben  einander  stehen  zu  sehen,  um  so  mehr 
als  die  Orientirung  der  Blatter  ziemlich  genau  mit  der  Meridian- 
ebene  zusammenfallt. 

Ein  Theil  der  Blatter  kehrt  die  Spitze  nach  Siiden,  ein  an- 
derer  nach  Norden ;  nach  Osten  imd  Westen  stehen  keine  Blatter  ab. 

Der  Einfachheit  der  Darstellung  halber  bezeichne  ich  die  vier 
nach  den  Cardinalpunkten  schauenden  Langsseiten  des  Stengels 
als  Nord-,  SM-,  Ost-  und  Westseiten. 

Die  auf  der  Siidseite  inserirten  Blatter  haben  durch  eine  circa 
90"'  betragende,  dicht  tiber  der  Basis  erfolgte  Torsion  ihre  Spreite 
in  die  Meridianebene  gebracht.  Der  Winkel  von  Blattrippe  und 
Stengelaxe  betriigt  50  —  70  Grad. 

Blatter,  deren  Insertion  auf  die  Nordseite  fallt,  verhalten  sich 
ganz  ahnlich.  Die  Spreite  des  mit  der  Spitze  nach  Norden  ge- 
kehrten  Blattes  ist  durch  Drehung  ebenfalls  vertical  geworden. 

Die  Oberfljiche  der  auf  Nord-  und  Siidseite  inserirten  Blatter 
schaut  bei  den  einen  nach  Osten,   bei  den  anderen  nach  Westen. 

Wesentlich  verschieden  verhalten  sich  die  nach  Osten  und 
Westen  am  Stengel  sitzenden  Blatter.  Hier  ist  oft  keine  Spur  von 
Torsion  vorhanden :  die  Blatter  sind  einfach  steil  aufgerichtet,  ihre 
Oberflache  der  Stengeloberflache  angeschraiegt.  Bei  anderen  Blat- 
tern —  so  auch  in  dem  bildlich  dargestellten  Fall  —  ist  mit  der 
Torsion  der  Mittelrippe  eine  Kriimmung  verbunden,  wodurch  die 
Spreite  wieder  annahernd  in  die  Meridianebene  zu  stehen  kommt. 
Jc  nachdem  die  Kriimmung  nach  der  einen  oder  nach  der  anderen 
Scite  stattgefunden  hat,  ist  die  Spitze  des  Blattes  nach  Norden 
oder  nach  Siiden  gewendet. 

Die  auf  der  Ostseite  inserirten  Blatter  kehren  ihre  Oberflache 
nach  Westen,  wahrend  die  der  entgegengesetzten  Seite  nach  Osten 
schauen. 

Die  hier  geschilderten  Stellungsverhaltnisse  sind  bald  mehr 
bald  weniger  scharf  ausgepriigt;  am  schiirfsten  treten  sie  gewohn- 
lich  hervor  an  den  uuteren  Blattern  des  eben  aufschiessenden  Sten- 
gels, am  schwachsten  an  den  kleineren  Blattern  in  der  Bliithen- 
standregion.     Die  Neigung  sich  in   die  Meridianebene  zu  stellen 


TJeber  sogenaimic  Compasspflanzen.  383 

fand  ich  schon,  wenn  auch  schwach  ausgebildet,  am  ersten  auf  die 
Cotyledouen  folgenden  Blatte  bei  im  Monat  Juli  gekeimten  Pflanz- 
cheu.  Beim  dritten  und  vierten  Blatt  der  allerdings  bereits  auf- 
schiessenden  Pflanzchen  war  die  Meridianstellung  schon  sehr  auf- 
fallend. 

Durcli  welche  iiussere  Ursachen  wird  nun  diese  eigenthtim- 
liche  Orientirung  der  Blatter  hervorgerufen.  Dass  dieselbe  zu  dem 
Erdmagnetismus  in  keinerlei  Beziehung  steht,  war  mir  von  vorn- 
herein  klar;  auch  bezweifelte  ich  nicht,  dass  hier  nur  ein  beson- 
dcrer  Fall  von  Heliotropismus  vorliege. 

Wiesner^),  dem  wir  zahlreiche  schone  Beobachtungen  iiber 
die  Senkrechtstellung  der  Blatter  zum  Lichte  verdanken,  spricht 
sich,  nach  Erorterung  der  Stellungsverhiiltnisse  der  schwertformi- 
gen  Iris-  und  Xy risblatter,  iiber  unsere  Pflanze  folgendermaas- 
sen  aus:  „Weniger  einfach  sind  die  Verhiiltnisse  bei  Lactuca 
scar io la,  deren  Blatter  auf  sonnigen  Standorten  vertical  aufge- 
richtet  sind.  Die  Blatter  stehen  in  verticalen  Ebenen  in  der  Kich- 
tung  eines  radialen  Stammlangsschnittes,  ohne  weitere  Orien- 
tirung zum  Lichte  2).  Diese  eigenthiimliche  Lage  ist  um  so 
auffallender,  als  das  Blatt  dieser  Pflanze  ganz  ausgesprochen  dorsi- 
ventral  erscheint.  Ueber  das  Zustaudekommen  dieser  seltsamen 
Lage  des  Blattes  kann  ich  nichts  Bestimmtes  aussagen  und  spreche 
nur  die  Vermuthung  aus,  dass  das  Gewebe  der  stark  entwickelten 
Mittelrippe  in  der  auf  die  Meridiane  senkrechten  Richtung  negativ 
geotropisch  (und  moglicher  Weise  auch  positiv  heliotropisch)  ist." 

Schon  die  einfache  Thatsache,  dass  die  oben  beschriebene  Me- 
ridianstellung in  ausgeprilgter  Weise  nur  an  solchen  Pflanzen  her- 
vortritt,  welche  an  sonnigen  Standorten  gewachsen  sind,  spricht 
dafiir,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Wirkung  des  Lichtes  und  zwar 
des  directen  Sonnenlichtes  zu  thun  haben. 

Um  die  Wirkungsweise  des  Lichtes  auf  die  Blatter  von  Lac- 
tuca scariola  festzustellen ,  cultivirte  ich  zunachst  Exemplare 
bei  diffusem  Tageslichte:  Pflanzen,  die  in  einem  nach  Norden  ge- 
legeuen  Zimmer  aufwuchsen  und  nur  das  vom  Fenster  her  einfal- 
lende  diffuse  Licht  genossen,  neigten  ihre  Stengelspitzen  dem  Fen- 
ster zu,  wahrend  die  Blatter  sich  senkrecht  zum  Lichteinfall  oricn- 
tirten.    In  Gruben  oder  zwischen  Gebtisch  aufgewachsene  Pflanzen, 


^)  Die  heliotropischen  Erscheinungen  im  Pflanzenreiche  II.  Theil 
in  Denkschriften  der  mathematischen  -  naturw.  Classe  der  K.  Ac.  der 
Wissensch.     Wien   1880. 

2)  Die  Meridianstellung  der  Blatter  war  "Wiesner  nicht  bekannt. 


384  E.  Stahl, 

die  wahrend  ihrer  Entwickeluiig  nur  vom  diffusen  Lichte  des  Him- 
melsgewolbes  getroffen  worden  wareri,  zeigten  genau  horizontal  ge- 
stellte  Blatter. 

Aus  diesen  Versuchen  gelit  hervor,  dass  die  Blatter  des  wil- 
den  Lattichs  schwachem  Lichte  gegeniiber  sich  ganz  genau  so  ver- 
bal ten  .wie  diejenigen  anderer  Dicotylen;  sie  sind,  nach  der  von 
Darwin   eingefuhrten  Bezeichnungsweise ,   diaheliotropisch. 

Urn  die  Wirkungsweise  des  Sonnenlichtes  auf  die  Stellung  der 
Lattichblatter  festzustellen,  warden  folgende  Versuche  ausgefiihrt. 

Zwei  Blumentopfe  mit  gleich  alten  Pflanzen  wurden,  der  eine 
nur  wahrend  der  Mittagsstunden  von  10  Uhr  bis  3  Uhr  dem  direc- 
ten  Sonnenlichte  ausgesetzt,  die  ubrige  Zeit  dunkel  gehalten;  der 
andere  von  10  Uhr  bis  3  Uhr  verdunkelt,  die  ubrige  Zeit  ins  Freie 
gestellt,  so  dass  also  die  Pflanzen  von  3  Uhr  bis  zum  Sonnenunter- 
gang  und  von  Sonnenaufgang  an  bis  10  Uhr  beleuchtet  waren.  Da 
die  Versuche  bei  anhaltend  schoner  Witterung  ausgefiihrt  wurden, 
so  genossen  die  Versuchspflanzen  wahrend  der  Beleuchtungszeiten 
fast  fortwahrcnd  directes  Sonnenlicht.  Die  Pflanzen  entwickelteu 
sich,  wenn  auch  langsam,  weiter.  Die  neu  gebildeten  Blatter  der 
wahrend  der  Mittagsstunden  beleuchteten  Exemplare  zeigten  keine 
Spur  von  Meridianstellung,  wahrend  diese  letztere  ganz  entschieden 
hervortrat  bei  den  Stocken,  die  wahrend  der  Vor-  und  Nachmit- 
tagsstunden  das  Sonnenlicht  genossen  hatten. 

Da  diese  Versuche,  wie  leicht  einzusehen,  nicht  vollstandig 
vorwurfsfrei  sind,  andcrte  ich  dieselben  in  folgender  Weise  ab. 

Einige  im  Freien  stehende  Exemplare  bedeckte  ich  mit  einem 
auf  vier  Pfosten  ruhenden  horizontalen  Brete  in  der  Weise,  dass 
sie  wahrend  der  Mittagsstunden  gegen  das  directe  Sonnenlicht  ge- 
schutzt,  demselben  aber  wahrend  der  Morgen-  und  Abendstunden 
ausgesetzt  waren.  Bei  diesen  Pflanzen  trat  an  den  neu  entfalteten 
Blattern  die  Meridianstellung  in  ebenso  characteristischer  Weise 
hervor  als  bei  solchen,  welche  den  ganzen  Tag  iiber  der  Sonne 
ausgesetzt  stehen. 

Andere  Stocke  wurden  zwischen  Gebiische  gestellt,  so  dass  sie 
nur  von  der  hochstehenden  Sonne  getrofl"en  werden  konnten.  Ob- 
wohl  diese  Pflanzen  den  ganzen  Tag  iiber  von  oben  her  diffuses 
Licht  empfangen  hatten,  waren  ihre  Blatter  keineswegs  horizontal. 
Ihre  Stellung  war  vielmehr  sichtlich  durch  das  directe  Sonnenhcht 
beeinflusst,  die  Oberseite  nach  Siiden  oder  Siidwesten  gekehrt. 

Dass  die  Meridianstellung  der  Blatter  vollstandig  frei  stehen- 


TJeber  sogenannte  Compasspilanzen.  385 

der  Pflanzen  durcli  das  Liclit  der  am  Horizont  stehenden  Sonne 
bedingt  wird,  geht  besonders  deutlich  aus  folgendem  Versuclie 
hervor. 

Ein  Topf  mit  einigen  jungen  Pflanzen  wurde  vor  ein  nach 
Norden  gelegenes  Fenster  gebracht,  in  welcher  Lage  die  Pflanzen 
wenige  Stunden  vor  Sonnenuntergang  und  nach  Sonnenaufgang  das 
directe  Sonnenlicht  empfingen.  Alle  unter  den  genannten  Bedin- 
gungeu  entfalteten  Blatter  neigten  mit  ihrer  Spitze  nach  Norden, 
die  Oberseite  war  nach  Osten  oder  nach  Westen  gekehrt.  Wur- 
den  die  Versuchsexemplare  etwas  weiter  nach  dem  Zimmer  zu  ge- 
riickt,  so  dass  sie  nicht  mehr  von  der  Sonne  beschienen  werden 
konnten,  so  trat  die  oben  beschriebene  senkrechte  Lage  zum  dif- 
fusen  Lichte  ein. 

Die  Meridianstelluug  der  Blatter  von  Lactuca 
scariola  ist  also  auf  den  gewohnlichen  Diaheliotro- 
pismus,  wie  derselbe  bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Laubbliitter 
beobachtet  wird,  zuriickzufiihren;  die  Blatter  des  wilden  Lat- 
tichs  unterscheiden  sich  von  denen  anderer  Pflanzen  nur  durch 
ihre  grossere  Empfindlichkeit  gegeniiber  intensivem  Lichte. 

Wiener  (1.  c.  p.  43)  hat  gezeigt,  dass  die  fixe  Lichtlage  der 
Blatter  im  Allgemeinen  nicht  durch  das  directe  Sonnenlicht,  son- 
dern  durch  das  zerstreute  Licht  bestimmt  wird.  Wenn  man  nam- 
lich  Blattrosetten  von  Cap  sella  bursa  pastor  is,  Bellis  pe- 
rennis  und  ahnlicher  auf  sonnigen  Standorten  vorkommender 
Pflanzen  nur  durch  die  Morgensonne  beleuchtet,  im  Uebrigen  aber 
im  zerstreuten  Lichte  halt,  so  richten  sich  die  Blatter  nicht  senk- 
recht  auf  die  Strahlen  der  Morgensonne,  sondern  nach  dem  herr- 
schenden  stiirksten  zerstreuten  Lichte. 

Gerade  in  diesem  Punkte  macht  also  der  wilde  Lattich  cine 
Ausnahme.  Pflanzen,  die  nur  in  den  Morgenstunden  von  der  Sonne 
beschienen  werden,  stellen  ihre  Blatter  senkrecht  auf  die  Strahlen 
der  Morgensonne;  das  gleiche  gilt  mutatis  mutandis  fur  Stockc, 
die  nur  in  den  Nachmittagsstunden  das  Sonnenlicht  geniessen.  Bei 
vollstandig  frei  stehenden  und  den  ganzen  Tag  iiber  besonnten 
Pflanzen  ist  die  Oberseite  der  einen  Blatter  nach  Osten,  die  der 
andern  nach  Westen  gekehrt. 

Diese  Erscheinung  ist  an  der  Hand  der  bekanuten  Wachs- 
thumsgesetze  leicht  zu  erklaren. 

Das  Licht  der  aufgehenden  Sonne  fiillt  bei  einem  Theil  der 
in  Entstehung  begriffenen  Blatter  auf  die  Kuckseite,  bei  einem  an- 

Bd.  XV.  N.  F.  VUI,  3.  25 


3SG  E.   Stahl, 

(leren  unter  mehr  oder  wenigcr  spitzcm  Winkel  auf  die  Vorder- 
seite.  Diese  letzteren  Blatter  werden  die  nothwendigen  Kriim- 
muiigen  resp.  Torsionen  ausfuhren,  bis  sie  mit  ihrer  Oberseite 
senkrecht  zum  Sonnenlichte  stehen.  Bald  nimmt  aber  in  Folge 
der  starken  Beleuchtung  iind  der  gesteigerten  Transpiration  die 
Wachstliumsintensitat  und  mit  ihr  die  Fahigkeit  heliotropischc  Be- 
wegungen  auszufiihren  ab:  die  Blatter  verharreu  in  der  eingenom- 
menen  Stellung.  Gegen  Abend,  wo  die  Wachsthumsbedingungen 
wieder  giinstiger  werden,  nehmen  dann  die  schon  in  der  Knospcn- 
lage  nacli  "Westen  schauenden  Blatter  die  Senkrechtstellung  zum 
Licht  der  untergeheuden  Sonne  ein. 

Die  Ausbildung  der  Lactucablatter  geht,  selbst  unter  giin- 
stigen  Vegetationsbedingungen,  ziemlich  langsam  von  Statten;  audi 
verstreicht  einige  Zeit,  bis  die  freie  Lichtlage  erreicht  ist. 

Junge,  aber  bereits  orientirte  Blatter  konnen,  aus  ihrer  Lage 
gebracht,  die  Meridianstellung  wieder  erreicben;  bei  alteren  Blat- 
tern  hort  diese  Fahigkeit  auf. 

Die  Meridianstellung  ist,  wie  schon  hervorgehoben,  nicht  immer 
so  scharf  ausgepragt,  so  namentlich  bei  sebr  iippigen  Exemplaren; 
hier  ist  es  oft  nur  der  obere  Theil  der  Blattspreite,  welcher  durch 
Torsion  oder  Kriimmung,  oder  durch  beide  Processe  zugleich  in 
die  Meridianebene  gebracht  wird. 

Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  die  wahrend  der  Ausbildung 
der  Blatter  herrschenden  Witterungsverhaltnisse  von  grossem  Ein- 
fluss  auf  das  Zustandekommen  der  Meridianstellung  sein  miissen  ^). 

Fragen  wir  uns  nun,  welche  Bedeutung  die  Meridianstellung 
der  Blatter  fiir  den  Haushalt  des  wilden  Lattichs  wohl  haben  moge, 
so  giebt  uns  die  Betrachtung  der  Pflanze  an  ihrem  urspriinglichen 
Standorte  die  Antwort. 

Der  aufgehenden  Sonne  kchren  die  verticalen  Blatter  ihre 
grosste  Flache  zu.  In  dem  Maasse  als  die  Sonne  hoher  steigt, 
wird  auch  der  Winkel,  unter  welchem  ihre  Strahlen  die  Blatt- 
fliiche  treffen,  geringer,  bis  schliesslich  zur  Mittagszeit  alle  Blatter, 
in  der  Richtung  der  Sonnenstrahlen  betrachtet,  im  Profil  gesehen 
werden.  In  den  Nachmittagsstunden  nimmt  dann  der  Einfallswinkel 
der  Sonnenstrahlen  auf  die  Blatter  wieder  allmalig  zu,   so  dass 


')  Wegen  Mangel  geeigueter  Eotationsapparate  konnte  ich  nicht 
feststellen,  ob  bei  der  Verticalstellung  der  Blattspreiten  nicht  etwa 
auch  die  Schwerkraft  mit  in  Betracht  komme.  Aus  den  ira  Yorher- 
gehenden  mitgetheilten  Versuchen  geht  jedoch  zweifellos  hervor,  dass 
hier  das  Licht  den  Ausschlag  giebt. 


Ueber  sogeuannte  Compasspflanzen.  387 

diese  letzteren  gegen  Abend   wieder  senkrecht  von  dem  Sounen- 
lichte  getroffen  werdeii. 

Die  Blatter  vieler  Papilionaceen,  z.  B.  der  Bohnen,  nehmen 
bekanntlich  bei  intensiver  Insolation  Profilstellung  ein:  durch  Kriini- 
mung  der  Gelenkpolster  werden  die  Blattchen  in  eine  Lage  ge- 
bracht,  in  welcher  sie  der  Sonne  die  geringste  Fliiche  darbieten. 
Hierdurch  werden  ubermiissige  Erwarmung  und  Beleuchtung  ver- 
mieden. 

Auf  ganz  anderem  Wege  wird  ein  ahnliches  Resultat  durch 
die  bleibende  Meridianstellung  der  Lattichblatter  erreicht.  Gerin- 
gerer  Wasserverlust  durch  Transpiration,  Milderung  des  zu  inten- 
siven  Sonnenlichtes,  dies  sind  die  Vortheile,  weiche  der  Pflanze 
aus  ihrer  eigenthiimlichen  Blattorientirung  erwachsen.  Bekraftigt 
wird  diese  Annahme  durch  den  Umstand,  dass  die  Meridianstel- 
lung am  scharfsten  hervortritt  bei  Exemplaren,  die  an  trockenen 
Standorten  vegetiren.  Bei  diesen  letzteren  sind  auch  die  Borsten, 
weiche  die  Mittelrippe  auf  der  Blattunterseite  bedecken,  am  stark- 
sten  entwickelt  und  bilden  nebst  den  etwas  schwiicheren  Rand- 
borsten  der  Blatter  ein  allseitig  abstehendes  Borstensj^stem,  durch 
welches  die  zarteren  Blattspreiten  gegen  Beruhrung  geschiitzt  sind. 


Silphium  laciniatum. 

Silphium  laciniatum  ist  eine  ebenfalls  zur  Familie  der 
Compositcn  gehorige,  in  Nordamerika  —  von  Michigan  und  Wis- 
consin, westlich  bis  zum  Felsengebirge,  siidlich  bis  Texas  und 
Alabama  —  sehr  verbreitete  Prairienpflanze.  Eingehendere  An- 
gaben  iiber  das  Verhalten  derselben  finden  wir  zusammengestellt 
in  „Curtis'  Botanical  Magasine  Januar  1881"  i).  Die  Pflanze  ist 
schon  1781  in  Europa  eingefiihrt  worden  und  wird  jetzt  in  vielen 
botanischen  Garten  cultivirt. 

Die  Eigenthilmlichkeit  der  Blatter  von  Silphium  lacinia- 
tum ihre  Bander  nach  Norden  und  Suden  zu  kehren  wurde  zuerst 
vom  General  Alvord  im  Jahre  1842  in  seinen  Mittheilungen  an  die 
„American  association  for  the  Advancement  of  Science"  geschildert. 
Die  Thatsache  scheint  jedoch  schon  langc  den  Jagern,  weiche  die 
Prairieen  durchstreifen ,  in  welchen  diese  Pflanze  haufig  ist,  be- 
kannt  gewesen  zu  sein.     Diese  Angaben  wurden  spater  bezweifelt, 


^)  Daselbst  eine  Abbildung  der  bluhendcn  Ptianze. 

25* 


388  E.  Stahl, 

da  es  nicht  gelang  dieselben  an  den  im  Botanischen  Garten  zu 
Cambridge  (U.  S.  A.)  cultivirtcn  Exomplarcn  zu  verificiren. 

Wiederholte  Bcobachtungen  in  den  Prairieen,  Messungen  ver- 
mittelst  des  Compasses  an  hunderten  von  Blattern,  insbesondere  der 
Wurzelblatter,  haben  gezeigt,  dass,  in  Bezug  auf  die  dominirende 
Orientirung,  der  populare  Glaube  begriindet  ist. 

Zu  diesen  von  Asa  Gray  herriihrenden  Angaben  fiigt  Hoo- 
ker die  Bemerkung  hinzu,  dass  er  an  den  in  Kew  cultivirten 
Exemplaren  keine  Spur  von  Orientirung  habe  bemerken  konnen; 
dieselben  seien  jedoch  nicht  gut  exponirt  gewesen,  so  dass  ihr  Ver- 
halten  nicht  als  maassgebend  betrachtet  werden  konne. 

In  der  That  miissen  die  Silphien  an  freiem,  sonnigem  Stand- 
orte  cultivirt  werden,  weun  die  Meridianstellung  der  Blatter  deut- 
lich  hervortreten  soil. 

An  zwei  in  Topfen  cultivirten  Exemplaren,  die  sowohl  von  der 
Morgen-  als  von  der  Abendsonne  beschienen  worden  waren,  stan- 
den  die  Wurzelblatter  vertical  und  ziemlich  genau  in  der  Meridian- 
ebene.  Je  nach  ihrer  Stellung  am  Stengel  war  die  Meridianstel- 
lung entweder  einfach  durch  Aufrichtung  oder  durch  Torsion  im 
oberen  Theil  des  Blattstiels  zu  Stande  gekommen.  Wurde  ein 
Blatt  kiinstlich  aus  seiner  Meridianstellung  gebracht  und  in  der 
veriinderten  Stellung  befestigt,  so  erreichte  die  Lamina  ihre  vor- 
herige  Lage  durch  Kriimmung  oder  Torsion  des  Blattstiels.  Waren 
die  Bewegungen  des  Blattstiels  durch  die  Befestigungsweise  ver- 
hindert  worden,  so  traten  Torsionen  bezw.  Kriimmungen  im  oberen 
Theil  der  Spreite  oder  in  den  Fiedern  selbst  ein,  wodurch  die  obe- 
ren freien  Theile  wieder  in  die  Meridianebene  gebracht  wurden. 
Die  Blatter  von  S i  1  p h i u m  kehren,  wie  die  von  Lactuca  sca- 
riola,  ihre  Oberseite  entweder  nach  Osten  oder  nach  Westen.  Ich 
sah  immer  mehrere  Tage  verstreichen,  ehe  die  definitive  Stellung 
crreicht  wurde;  ein  Blatt,  dessen  Oberflache  Aufangs  nach  Osten 
gekehrt  war,  fand  ich  nach  einigen  Tagen  nach  Westen  schauend. 

Bei  diflfuser  einseitiger  Beleuchtung  stellen  die  Silphium- 
b latter  ihre  Spreite  senkrecht  zum  eiufallenden  Lichte. 

Weitere  Versuche  habe  ich  mit  Silphium  nicht  angestellt;  ich 
bezweifle  jedoch  nicht,  dass  bei  dieser  Ptlanze,  wie  bei  Lactuca 
scariola,  die  Meridianstellung  durch  dieselbe  Eigenschaft  der 
Blatter  auf  das  directe  Sonnenlicht  zu  reagiren  hervorgerufen  werde. 

Ausser  den  beiden  besprochenen  Pflanzen  kann  ich  nur  noch 
cine  nennen  —  Aplopappus  rubiginosus,  ebenfalls  eine  Com- 
posite — ,  bei  welcher  die  Meridianstellung  deutlich  hervortritt; 


TJeber  sogenannte  Compasspflanzen.  389 

eine  geringe  Neigung  ilire  Blatter  in  die  Meridianebene  zu  stellen 
fand  ich  ausserdem  bei  Lactuca  saligna  und  Chondrilla 
juncea.  Es  ist  aber  kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  Zahl  der  so- 
genaiinten  Compasspflanzen  sich  noch  betrjichtlich  vurmehren  wird, 
sobald  man,  namentlich  in  trockcnen  Vegetationsgebieten ,  diesen 
Verhaltnissen  mehr  Aufmerksamkeit  schenken  wird. 


Erklarung  der  Tafel  XIX. 

Eine  Lattichpflanze  mit  besonders  stark  ausgepi'iigter  Meridian- 
stellung  der  Blatter,  yon  Osten  betrachtet.  Die  Blattoberseiten  sind 
dunkel  gebalten ;  die  Unterseiten  sind  an  den  Borsten ,  welche  die 
Mittelrippe  bedecken,  keuntlich. 


Muskel  und  Fascie. 

Von 

Karl  Bardelcbeii. 


Im  Jahre  1878  habc  icli  in  den  Jenaischen  Sitzungsbcrichten 
eino  kurz  zusanimengcfassto  Mittcilung  iibor  Fascion  und  Fascion 
spannonde  Muskuln  gemacht.  Da  diesclbe,  trotz  odcr  wegen  ihrcr 
Kiirzo,  so  gut  wio  ganz  unbeachtet  gebliebcn  zu  sein  sclioint,  niuchtci 
icli  durch  speciellerc  Angaben  die  Aufmerksamkeit  der  I<\acligenoR- 
scii  auf  den  Gegenstand  zu  lenken  noclnnals  vcrsuclien.  Viclloicht 
ist  es  diesem  Bestreben  dienlich,  gleich  von  vorn  herein  hervorzu- 
lieben,  dass  der  damals  stark  betonten  mechanisch-physiologisclicn 
Auffassung  gegeniiber  jetzt  die  rein  niorphologische  melir  Bcriick- 
sichtigung  finden  soil.  Leider  ist  allerdings  das  bisher  vorhandeno 
vergleichend-anatomische  Material  noch  bei  Wcitcm  nicht  ausrei- 
chend,  urn  cine  fortlaufende  Entwickelungsreihe  der  in  Eede  stc- 
henden  Gebilde  zu  erkennen,  so  dass  ich  audi  diesmal,  auf  die 
Gefahr  bin,  bier  und  da  anzustossen,  mich  vorzugsweisc  dem  Men- 
schen,  dem  sicber  am  besten,  aber  noch  imnier  lange  nicht  ge- 
niigend  untersuchten  und  bekannten  Wirbelthiere,  zuwenden  muss. 

I. 

Fine  Reihe  von  Muskeln  besitzen  beim  Menschcn  normal  Ur- 
sprung  Oder  Fndigung  (Ansatz,  Insertion)  in  Fascien,  von  denen 
dies  bisher  nicht  bekannt  war  oder  nicht  beachtet  wurde  odor 
aber  als  Ausnahme  (Varietiit)  hingestellt  wurde.  Ich  stelle  diese 
Muskeln  hier  zusammen. 


A.     Stamm. 

1.  Cucullaris  (Trapezius)  inserirt  a)  in  der  oberflachlichen 
Halsfasci(!,  vorn;  b)  in  der  Nackenfascie ;  c)  in  der  Fascia  infra- 
spinata.     Am  Halse  und  Nacken  stellt  der  Muskel  uberbaupt  eiue 


Karl  Bardeleben,  Muskel  und  Fascie.  391 

„muscul6se  Fascie"  dar,  die  sich  individuell  verscliieden  weit  nach 
vorii  erstreckt.  Bekanntlich  kann  ja  der  Muskel,  wie  bci  Tliiercn, 
audi  beira  Mcnsclien  bis  an  den  Sternocleidomastoideus  reichen 
(vgl.  diesen),  wodurch  dann  die  ganze  oberflacbliche  Fascie  der 
Regio  colli  lateralis  musculos  wird. 

2.  Splenius  capitis  inserirt  in  seinen  oberen  Particn  in 
die  Nackenfascie  resp.  liegt  ibr  sebr  innig  auf;  bildet  cine  „muscu- 
liise  Fascie"  in  dem  von  Ciicullaris  und  Sternocleidomastoideus  frei- 
gelassenen  Raume. 

3.  B  i  V  e  n  t  e  r  c  e  r  v  i  c  i  s  (medialer  Kopf  des  Semispinalis  ca- 
pitis) inserirt  in  die  Fascia  nuchae. 

4.  Levator  scapulae  ist  nur  kiinstlich  von  der  untcr  ibm 
gelegenen  Fascie  zu  trennen.  Oft  sieht  man  besondere  Biindel  in 
die  Fascie  gehen. 

5.  Rectus  abdominis  inserirt  a)  an  die  Inscriptiones; 
b)  an  die  Linea  alba  und  die  Rectusscbeide  (Fascia  recta,  Krause) 
iiberbaupt;  c)  in  die  Fascia  transversa  binein;  d)  lateralwiirts  in 
die  Bauchaponeurose^). 

6.  Orbicularis  oculi  (s.  palpebrarum)  bat  regelmiissig 
seinen  Ursprung  (oder  „Ansatz",  wie  man  will)  in  der  Fascia  tem- 
poralis superficialis,  welcbe  bekanntlicb  nacb  oben  in  die  Galea, 
nacb  unten  in  die  Fascia  parotideo-masseterica  tibergeht.  Dies 
bezielit  sicb  auf  den  eigentlicben  Orbicularis,  nicht  auf  die  malare 
Zacke,  welcbe  in  den  Zygomaticus  minor  iibergebt  und  ibn  mebr 
Oder  weniger  ersetzen  kann.  Von  diesem  malaren  Bundel  gibt 
aucb  Henle  (1.  c.  S.  148,  151)  an  resp.  bildet  ab,  dass  es  aus  der 
Fascie  der  Scblafengegend  entspringe  2).  Von  eigentlicben  or])i- 
cularcn  Fasern  bleibt  allerdings  so  nicht  viel  mebr  iibrig  (s.  u.). 

7.  Sternocleidomastoideus  scndct  Fasern  in  die  ibn 
umbiillende  Schcide,  also  in  die  oberflacbliche  und  in  die  zwiscben 
soinon  Portionen  frei  gelegene  Partie  der  Halsfascic.  Teilweisc, 
so  bcsonders  am  unteren  und  oberen  Drittel,  wo  dor  Muskel  sich 
platt  ausbreitet  —  oben  wie  unten   am   hinteren  Randc  —  kann 


^)  Henle  (Muskellehre  S.  56)  lasst  uur  einige  der  lateralsten 
Biindel  der  lateralen  Sehne  schon  oberhalb  des  Beckons  in  der 
Sclioifle  des  Rectus  endigen. 

2)  Von  der  Kichfcigkeit  meiuer  Angabe  kann  man  sich  leicht  an 
sich  selbst  iiberzeugen.  "VVenn  man  die  Augonlider  i-echt  fest  achliesst, 
so  wird  nicht  nur  der  ganze  oben  genannte  Fasciencomplex  gcspannt, 
sondern  sogar  u.  a.  der  Tragus  auriculae  bewegt.  Icli  hcire  sogar  ein 
Geviiusch  im  ausseren  Gehorgang  dabei. 


392  Karl  Bardelebeu, 

man  den  Muskel  direct  als  Vertreter  der  Fascie  auffassen.  Nicht 
imraer  ist  dies  deutlich  am  unteren  Ende  des  clavicularen  Kopfes, 
dagegeii  durchgehends  hinten-oben,  an  der  Fascia  niichac. 

8.  Pectoral  is  major^)  entspringt  bekauntlich  mit  seiner 
abdominalen  Portion  von  der  Rectusscheide  oder  der  Sehne  des 
Obliquus  abdominis  externus ''^).  Ein  Teil  des  Pectoralis  endet  in 
der  Fascia  axillaris,  partiell  mit  der  Sehiie  des  Latissimus  dorsi 
sehnig  (Langer'sclier  Axelbogen),  manchmal  musculos  (wic  bei 
Affen)  verbunden  —  sowie  ferner  in  der  Fascie  des  Oberarmes. 

9.  Die  Sehne  des  Pectoralis  minor  breitet  sich  vor  der 
Endigung,  nach  den  Piandern  dtinner  werdend,  meist  recbt  crheb- 
lich  aus  und  gebt  so  allmahlicli  in  die  tiefe  Brustfascie,  Fascia 
coraco-pectoralis,  sowie  in  die  F.  axillaris  iiber.  Die  Ursprungs- 
„Zacken"  des  Pectoralis  minor,  welche  gewohnlich  nur  kiinstlich 
von  einander  zu  trennen  sind,  gelien  in  die  Ligamenta  coruscantia 
(intercostalia)  iiber.  Da  icli  letztere  als  rudimentiir  (sehnig)  ge- 
wordene  Fortsetzung  des  Ptcctus  abdominis  auffassen  muss  (sic 
verlaufen  senkrecht,  nicht  schriig),  wiire  somit  der  Pectoralis  minor, 
wenigstens  zum  Teil,  als  Fortsetzung  des  geraden  Bauchmuskels 
anzusprechen. 

B.     Extremitaten. 

10.  Der  lange  Kopf  des  Triceps  b  r  a  c h  i  i  entspringt  (nicht 
immer)  von  der  Fascie  des  Teres  minor,  eincr  Fortsetzung  der 
Fascia  infraspinata,  ferner  von  der  Fascia  subscapularis. 

11.  Der  Pronator  teres  nimmt  seinen  Ursprung  nicht  nur 
vom  Lig.  intermusculare  mediale  und  dem  „gemeinsamen  Sehnen- 
blatte"  (Henle),  sondern  auch  direct  von  der  Fascie  des  Ober- 
und  des  Unterarms. 

12.  Ausser  der  bekannten  Sehneninsertion  besitzt  der  Bra- 
chial is  in  tern  us  auch  noch  cine  Endigung  in  die  Fascie  des 
Unterarms  hinein,   und  zwar  an   der  radialen  Seite.     Gegenuber 

1)  Die  beideu  Pectorales  werden  hier  wegen  ihrer  Urspriinge 
dem  Stamme  zugerechnet. 

2)  Henle  (1.  c.  S.  87)  rechnet  die  abdomiuale  Zacke  dem  01)- 
liquus  abdominis  externus  zu.  Die  vergleichend  -  anatomiscben  Tat- 
sachen  sprechen  aber  eiilscbieden  zu  Gunsten  der  obigon  Darstellung. 
Auclx  beim  Menschen  kaun  man  sicli  so  den  Pectoralis,  wic  bei  vielen 
Tliieren,  dnrch  Yermittelung  der  Kectusscheide  bis  zum  Beckeuraude 
binab  reichend  vorstelleu. 


Muskcl  uud  Fascie.  393 

dem  sitU'ken  sog.  Lacertus  fibrosus  der  Biceps  (uebonbei  ein  Arte- 
fact, da  die  Fascicniiisei'tion  desselbeii  welt  ausgedehiitcr  ist)  er- 
scheiiit  die  Eudigung  des  Bracliialis  iuteriius  allerdiiigs  uiierlieblich. 

13.  Der  Brachioradialis  (Supinator  lougus)  cndet  iiicht 
imr  in  der  Fascie  der  Streckseite  (Henle),  soudern  audi  in  der- 
jenigen  der  Beugeseite.  Auch  die  von  Henle  erwahnte  Fascien- 
insertion  scheint  noch  nicht  allgemein  anerkannt  zu  seiu  ^). 

.14.  Der  Fascienursprmig  des  Flexor  carpi  ulnaris  (Ul- 
naris  internus)  ist  wol  meist  noch  ausgedehnter  als  Henle  (1.  c. 
S.  206)  angibt.  Die  Insertion  des  Muskels  an  das  Lig.  carpi  volare 
uud  den  Zusanimenhaug  mit  der  Fascia  palmaris  muss  ich  als 
Kegel  hinstellen  (Henle  1.  c.  sagt:  „Die  Insertionssehne  gibt  niit- 
unter  Fasern  in  das  Lig.  carpi  volare").  Die  vergleicliend  -  ana- 
tomiscli  nachweisbarc  Abspaltung  des  Palmaris  longus  aus  dem 
Ulnaris  2)  maclit  dies  Verhalten,  sowie  die  Varietiit,  in  der  der 
Ulnaris  den  Palmaris  vertritt,  verstandlich. 

15.  Vom  Sartorius  loseu  sicli  wahrend  seines  Verlaufs  am 
Oberschenkel  Muskelfasern  ab,  welche  in  die  von  der  Oberschenkel- 
fascie  gebildete  Scheide  des  Muskels  gehen.  Manclimal  geht  ein 
formliclier  Kopf  oder  Baucli  des  Muskels  zur  Fascia  lata. 

16.  Der  Ursprung  des  einen  Sehnenzipfels  des  Rectus  femoris 
liiingt  mit  der  Fascia  iliaca  zusammen.  Vielleicht  liegt  hier  das 
Gegenstiick  zu  dem  oben  er\Yahnten  Verhalten  des  Caput  longum 
tricipitis  (Fascia  subscapularis)  vor? 

17.  Der  Semimembranosus  soil  sich  nach  Henle  in  3, 
nach  W.  Krause  in  4  Zipfel  spalten.  Mir  kommt  das  etwas 
kiinstlich  vor.  Eiufacher  und  nattirlicher  scheint  folgende  Dar- 
stellung:  der  Semimembranosus  setzt  sich  a)  an  die  Tibia  an, 
b)  in  die  Fascie  des  Unterschenkels  fort  und  zwar  radiar  nach 
vorn,  unten,  hinten  ausstrahlend,  in  die  obertiiichliche  und  tiefe 
Fascie  (F.  poplitea). 

Weun  wir  nun  diese  neuen  Ursprunge  und  Eudigungen  von 
Muskeln  und  Fascien  mit  den  bereits  anderweitig  beschriebeuen  zu- 
sammenstellen,  so  ergibt  sich  nach  Korperregionen  geordnet  folgende 

^)  Weiiigstens  hebt  von  Bischoff  (Beitriige  zur  Anatomie  des 
Gorilla.  Abh.  d.  k.  bair.  Akad.  Bd,  XIII.  3.  Abth.  1879)  den  „Ueber- 
gaug  eines  Biindels  des  Supinator  lougus  in  die  Fascia  antibrachii" 
beim  Gorilla  besonders  hervor. 

2)  Vgl  Aeby,  Die  Muskeln  des  Vorderarms  und  der  Hand  bei 
Saugethieren  und  beim  Menschen.  Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  X. 
S,  34flf.    1  Taf.    1859. 


394  Karl  Bardeleben, 

11. 

Uebersicht  der  Fascien 

mit  den  n  o  r  lu  a  1  von  ihnen  cotspriugcnden  oder  in  denselbeu 
endigenden  Muskeln. 

A.     Stamm. 
1.    Rumpf. 

a)  Kiicken  und  Nacken. 

Fascia  1  urn  b  o  d  o  r  s  a  1  i  s. 
U.  ^)  Latissimus  dorsi,  U.  Obliquus  abdom.  int. 

U.  Sacrospiualis.  U.  Gluteus  maxinius. 

U.  Serratus  post.  inf. 

Fascia  nuchae  (superficialis). 
U.  (E.?)  Transversus  nuchae.         E.  Splenius  capitis. 
E.  Cucullaris.  E.  Sternocleidomastoideus. 

E.  Biventer.  E.  Levator  scapulae. 

Tiefe  Nackenfascie. 
E.  Recti  und  Obliqui  cap.  post. 

b)  Bauch. 
Rectussclieide  und  Linea  alba. 

E.  Rectus.  E.  Transversus. 

E.  Obliquus  externus.  E.  Pyramidalis. 

E.  Obliquus  internus.  U.  Pectoralis  major. 

Fascie  des  Qua  drat  us  lumboruni. 
E.  Quadratus  lunib.    (Xorm?)         U.  Zwerchfell. 

c)  Becken. 
Fascia  pelvis. 

U.  Psoas  major  (uicht  constant). 

Fascia  iliaca. 
E.  Psoas  minor.  U.  Pectineus. 

E.  Obliquus   abdom.   externus 
(Lig.  inguinale  ext.). 


0  U.  =  Urspruug;  E.  =  Endiguug  (Ausatz,  lusertiou). 


Muskel  uud  Fascie.  395 

„  L  i  g  a  111  c  u  t  u  m  "  s  a  c  r  0 1  u  b  e  r  0  s  II  m . 
U.  Gluteus  maximus.  U.  Obturator  iiiternus. 

Membraua  obturator!  a. 
U.  Obturator  exteruus.  U.  Obturator  iuternus. 

Fascio  des  Obturator  iuternus. 
U.  Obturator  iuternus  (vgl.  Langer). 

Fascia  glutea. 
U.  Gluteus  maximus.  U.  Tensor  fasciae  latae. 

U.  Gluteus  medius.  E.  Obliquus  abdom.  externus. 

Dammfascien. 
Verlauf:  Transversus  perinei  su-     Verlauf:  Transversus  perinei  jjro- 
perficialis.  fundus. 

d)  Brust. 
Fascia  pectoralis  superficialis, 
E.  Platysma. 

Fascia  pectoralis  profunda. 
E.  Rectus    abdominis    (Fort-        U.  und  E.  Pectoralis  minor, 
setzung  des  Muskels,  s.  o.). 

2.  Kopf. 

Galea  aponeurotica, 
E.  Epicrauius  (frontalis,  temporalis,  auricularis  superior,  occipitalis). 

Fascia  temporalis  superficialis. 
U.    Epicrauius  temporalis.  U.  Orbicularis  oculi. 

Fascia  temporalis  profunda. 
U.  Temporalis. 

Fascia  par otideo-massetcrica. 
Platysma.  Malaris. 

Risorius. 

3.  Hals. 

Fascia  colli  superficialis. 
Platysma  (Verlauf).  E.  Cucullaris. 

E.  Sternocleidomastoideus. 


396  Karl  Bardeleben, 

Fascia  colli  profunda  (media). 
E.  Biventer  inandibulae.  E.  Omohyoideus. 

E.  Stylohyoideus. 

(Fascia  Duchae  s.  o.) 

B.     Extremitaten. 

1.    Obere  Extremitat. 

a)  Schulter   uud   Achsel. 

Fasciasupraspiuata. 
U.  Supraspinatus. 

Fascia  infraspiuata. 
U.  Infraspinatus.  U.  Deltoides. 

U.  Teres  minor.  U.  Cucullaris. 

U.  Teres  major. 

Fascie  des  Teres  minor. 
U.  Teres  minor.  U.  Tricipitis  caput  longum. 

Fascia  subscapularis. 
E.  Serratus  auticus  major.  U.  Tricipitis  caput  longum. 

Fascia  axillaris. 
E.  Latissimus  dorsi.  (U.  Triceps    von    Latissimus- 

E.  Pectoralis  major.  Sehne,  wie  bei  Thieren.) 

E.  Pectoralis  minor. 

b)  Oberarm. 
Streckseite,  Fascia  deltoidea  etc. 
E.  Platysma.  E.  Triceps. 

E.  Deltoides.  U.  Brachioradialis. 

Beugeseite. 
E.  Pectoralis  major.  E.  Teres  major  (?  normal). 

E.  Latissimus  dorsi.  U.  Pronator  teres. 

Ligam.  inter musculare  lateral e. 
E.  Deltoides.  U.  Brachioradialis. 

U.  Brachialis  internus.  (U.  Extensor  carpi  radialis  lon- 

U.  Tricipitis  caput  breve.  gus,  nicht  immer.) 

Ligam.  intermusculare  mediale. 
E.  Coracobrachialis.  U.  Pronator  teres. 


Muskel  uud  Fascie.  397 

c)  Unterarm. 
S  t  r  e  c  k  s  e  i  t  e. 
E.  Triceps.  U.  Abductor  pollicis  longus. 

E.  Brachioradialis.  U.  Extensor  pollicis  longus. 

U.  Extensor  carpi  ulnaris.  U.  Extensor  indicis  proprius. 

B  e  u  g  e  s  e  i  t  e. 
E.  Biceps,  Ulnarseite.  U.  Elexor  carpi  radialis. 

E.  Brachialis  iuternus,   Radial-     U.  Palniaris  longus. 

seite.  U.  Flexor  carpi  ulnaris. 

E.  Brachioradialis.  U.  Pronator  teres. 

Ligani.  iuterosscum. 
E.  Brachialis    internus    verniit-     U.  Extensor  indicis  proprius  u.  a. 

telst  der  Chorda  obliqua.  (Pronator    quadratus:     Ver- 

U.  Extensores  pollicis  longus  und  lauf). 

b  re  vis. 

Ligam.  carpi  volare  propriuni. 
E.  Palniaris  longus.  U.  Flexor  pollicis  brevis. 

E.  Flexor  carpi  ulnaris.  U.  Opponens  pollicis. 

U.  Palmaris  brevis.  U.  Opponens  digiti  minimi. 

U.  Abductor  pollicis  brevis. 

Ligam.  carpi  volare  profundum. 
U.  Flexor  pollicis  brevis.  U.  Opponens  digiti  minimi. 

U.  Abductor  pollicis.  "^ 

d)  Hand. 
Fascia  palmaris. 
E.  Palmaris  longus.  U.   Lepine's    Muskel    (Palmaris 

E.  Flexor  carpi  ulnaris  brevis  radialis). 

U.  Palmaris  brevis  (ulnaris). 

O  b  e  r  f  1  a  c  h  1  i  c  h  e  1 1  a  n  d  r  ii  c  k  e  n  f  a  s  c  i  e . 
E.  Extensoren-Sehnen. 

T i e f e  Ha n d r ii c k e n fa s c i e. 
U.  Interossei. 
Die  Finger  fa  scion  sind  idcntisch  mit  den  Sehneuausbreituugen. 


398  Karl  Bardeleben, 

2.    Untere  Extremitat. 

a)  Oberschenkel. 
Vorderseite,  Fascia  lata. 
E.  Rectus  abdomiuis,   Adducto-     E.  Sartorius. 

renfascic.  E.  Tensor  fasciae  latae. 

E.  Obliquus  abdominis  cxternus,     U.  Pectineus   (Fascia  pectinea). 
Lig.  inguin.  ext. 

Tiefc  Fascic,  Fortsetzung  der  Fascia  iliaca. 
U.  Rectus  femoris. 

Fascie  der  Ruckseite. 
E.  Gluteus  niaximus. 

Li  gam.  intermusculare  mediale. 
E.  Adductor  femoris  longus.  U.  Vastus  medialis. 

E.  Adductor  femoris  magnus. 

Ligam.  intermusculare  laterale. 
U.  Vastus  lateralis. 

b)  Unterschenkel. 

Innenseite. 
E.  Sartorius.  E.  Semitendiuosus. 

E.  Gracilis.  E.  Semimembranosus. 

(Alle  vier  Muskeln  aucb  vorn.) 

Vorderseite. 
Ausser  den  eben  genannteu  vier  Muskeln: 
E.  Quadriceps  durch  Ligam.  pa-     U.  Tibialis  anticus. 

tell.  lat.  u.  med.  U.  Extensor  digitorum  longus. 

Aussenseite. 
E.  Gluteus  raaximus.  E.  Biceps  femoris. 

E.  Tensor  fasciae  latae  (Ligam. 
iliotibiale,  H.  von  Meyer). 

Ruckseite. 
E.  Semimembranosus.  E.  Plantaris  (ganz  unten). 

(Ferner:  Ausstrahlungen  von  den  Seiten.) 

Tiefe  Fascie  der  Ruckseite. 
E.  Semimembranosus.  U.  Popliteus. 


Muskel  uud   Fascie.  399 

Ligam.  intermusculaie  fibulare. 
U.  Exteusor  digitoruni  longus.        U.  Peroneus  longus. 
U.  Peruueus  tertius.  U.  Peroueus  brcvis. 

Ligam.  interosseum. 
U.  Tibialis  anticus.  U.  Peroueus  tertius. 

U.  Extensor  digitoruni  longus.        U.  Tibialis  posticus. 
U.  Exteusor  hallucis  longus.  U.  Flexor  hallucis  longus. 

c)  Fuss. 
Fussriicken. 

Ligam.  cruciatum. 
U.  Extensor  hallucis  brcvis  (med.  Kopf). 

F  u  s  s  s  o  h  1  c. 

Fascia  plantar  is  (superficialis). 
E.  Gastrocnemius  uud  Solousver-     E.  Tibialis  posticus. 

mittelst  dcr  Tuberositas  cal-     E.  Flexor  hallucis  longus. 
canei.  U.  Flexor  digitorum  brevis. 

Fascia  plantaris  profunda  s.  Ligam.  calcaneo- 
cuboideum  plantare. 
U.  Caro  quadrata.  U.  Adductor  hallucis. 

U.  Flexor  hallucis  brevis.  U.  Flexor  brevis  digiti  minimi. 


Aus  dieser  Zusammenstellung  geht  auf  das  klarstc  hervor, 
dass  alle  Fascien  des  meuschlichen  Korpers  mit  Mus- 
keln  in  Verbindung  stehen.  Alle  diese  Fascien  sind  somit 
als  Fortsetzungen  von  Muskeln  anzusehen,  sie  sind  mehr  oder  we- 
niger  Producte  der  Muskeln,  nicht  uur  Umhiillungen  derselben, 
sondcru  Apoucurosen  oder  Sehuen. 

Einige  bishei-  als  Fascien  bezeichnete  Biudcgewebslamellen  feh- 
leu  in  der  Uebersicht.  Dies  sind  ebeu  keiue  wirklicheu  Fascien. 
Als  solche  siud  nach  meinen  Uutersuchungen  uur  Gebilde  zu  be- 
zeichnen,  in  welche  Muskeln  inseriren.  Andererseits  wird  der 
Begriff  Fascie  insofern  erweitert,  als  man  die  mit  Muskeln  in 
Verbindung  stehendeu  Membranen,  Bander  u.  dgl.  auch  hierher 
zu  rechnen  hat.  Wo  will  man  sonst  die  Grenze  zwischen  den 
Extremitatenfascien  uud  den  Ligamenta  intermuscularia  ziehen  ? 
Man  kanu  sie  ebensowenig  trennen,  wie  Compacta  uud  Spougiosa 
des  Kuocheus. 


400  Karl  Bardeleben, 

Seheii  wir  uiis  zweiteiis  die  Reihe  der  obeu  aufgei'uliiten  Mus- 
kdii  an,  so  crscheint  ihrc  Aiizahl  entschiedeii  ciiorni  gross.  Icli 
muss  gcstehen,  dass  micli  bei  ciner  ersten  voilaufigeii  Zusauiiiicn- 
stelluiig  bereits  die  Zahl  frappirt  hat.  Diese  wuchs  aber  nodi 
durch  Ucbertraguug  von  bisher  als  Varietiit  beschriebeneu  Fascien- 
ui'spriingen  und  -endigungen  in  die  Norm,  sowie  durch  eigene 
Forschungen  an  weit  iiber  100  Cadavern.  Die  Zahl  der  von  Henle 
namentlich  aufgefiihrten  Mus.keln  betragt  (abgesehen  von  den  Va- 
rietiiten,  wie  Sternalis  u.  a.)  155;  die  Zahl  der  oben  zusammen- 
gestellten  Muskehi  (jeder  uatiirlich  uur  einmal  gezahlt)  105!  Sieht 
man  nun  von  den  tiefen  Riickenmuskeln  ab,  auf  die  hier  aus  ver- 
schiedenen  Griinden  nicht  eingegangen  werden  soil,  so  ergibt  sich, 
dass  weit  iiber  zwei  Drittel  aller  Skeletmuskeln  von 
Fascien  entspringen  oder  in  Fascicn  endigen  oder 
aber  beides  thun,  dass  sonach  nach  der  physiologischen  Auf- 
fassung  und  Bezeichnung  iiber  zwei  Drittel  aller  Muskelu  „Fascien- 
spanner"  sind. 

Die  Fascien  dieuen  so  zu  einer  Vermitteluug  zwischen  Mus- 
kulatur  und  Skelet,  sowie  zwischen  Muskel  und  Muskel,  indem  ein 
Muskel  von  der  Fascie  oder  Sehne  des  andern  entspringt.  Die 
Fascien  werden  somit  toils  zu  Muskclbestandteilen  oder  -  fort- 
setzungen,  teils  zu  Skcletbestaudteilen  oder  -  fortsetzungen,  Sie 
vertreten  ferner  Muskeln  und  sie  vertreten  Knochen.  Sie  konnen 
aus  Muskelu  durch  Reduction  entstehen,  und  sie  konnen  wiederum 
ihrerseits  zu  Knochen  werden.  Man  kann  die  Fascien  nicht  nur 
riiumlich,  sondern  auch  zeitlich  (phylogenetisch)  und  histologisch 
als  Binde-  oder  Zwischenglieder  zwischen  Muskeln  und  Knochen 
hinstellen. 

Vollstandige  Klarheit  kann  in  diese  Verhiiltnisse  erst  die  ver- 
gleichende  Anatomie  bringen.  In  Ermangelung  ausgedehnteren  Ma- 
terials werden  aber  auch  die  beim  Menschen  bcobachteten  Varie- 
tilten,  welche  meist,  wenn  nicht  immer,  normale  Vorkommnisse  bei 
Thiereu  wiederspiegeln,  Auskunft  geben  konnen.  Ich  habe  die  seit 
ca.  25  Jahren  publicirten,  auf  Fascien  beziiglichen,  meist  direct 
als  „Fascienspauner''  bezeichneten,  sowie  eine  grosse  Reihe  selbst 
beobachteter  Varictaten  mit  kurzer  Angabe  des  Autors  und  des 
Jahres  zusammengestellt.  Die  Reihenfolge  ist  dieselbe,  wie  oben 
uuter  II. 


Muskel  uiul   Fascio.  401 

in. 
Ubersicht  der  Fascien 

mit  flen  vaiiabel  von  ihnen  cntspringnnflen  oder  in  denselbeu 
endigenden  Muskeln. 

Riickenfascicn. 

E.  Subcutaneus  nuchae.     C.  Krause. 

E.  Aponcurose  von  der  Cucullaris-Insertion  (an  Spina  scapulae)  zur 

Fascia  lumbodorsalis. 
E.  „Hautmuskel"  von  Scapula  auf  Fascia  inlVaspinata  zum  untercn 

Randc  des  Cucullaiis.     (Normal  gewohnlich  ein  starker  S(!hnen- 

streif.  Verf.) 
E.  Dorsofascialis.     Turner.  1871. 
E.  „Stcrno-omoideus  Bucknill's",  Pittard  1850,  in  Fascie  des  Cu- 

cullaris. 
E.  Fin  Muskel  von  (?)   der  Fascie  des  Serratus  posticus  sup(M-ior 

zur  3.  Ursprungssehne  des  Levator  scapulae.     Perrin.  1870. 
U.  Cucullaris.     Flesch.  1879. 

R  e  c  t  u  s  s  c  h  e  i  d  c  u  n  d  Fascia  t  r  a  n  s  v  e  r  s  a  1  i  s. 
E.  „Sternalis"   der  Autoren.     Viele  fremde   und   eigene  P>eobach- 

tungen  des  Verf. 
E.  Ein  Muskel  von  der  Aussenflilche  der  8.  Rippe  zur  Sehnc  des 

Obliquus  internus.    Fig.  Beob. 
E.  „Tensor  lam.  post.  vag.  muse,  recti  abdom."  Gruber.     7  Falle. 

1874.    1877.    1880.    Verf.  (Fast  immer  Frauen). 
E.  M.  pubio-peritonealis.     Macalister.     1867. 
E.  Pubo-transversalis.     Luschka  1870. 
E.  Protractor  arcus  cruralis.     Gruber.     1874. 
E.  Obliquus  abdom.  ext.   secundus.     Gruber.     1874.     Von  der  11. 

Rippe  (2mal);   von  der  10.  Rippe  zur  Rectusscheide.     Gruber. 

Vom  Arcus  cruralis.    Kelch. 
Glatte  Muskeln   in  der  hintercn  Wand  der  Rectusscheide,    unter- 

halb  des  Nabels.   Curnow.  1874. 
U.  Crcniaster  von  Fasc.  transversalis.  Ilenle.    Ein  mit  seiner  Ingui- 

nalportion    durch   die   ganze   Regio    inguinalis   sich   herab   er- 

streckender  Transversus  abdom.     Gruber.     1880. 

Bd.  XV.    N.  F.  VIH.  3.  26 


402  Karl  Bardelebeu, 

Beckenfascicn,  Glutcalfascicii. 
U.  Psoas  minor  sendet  Sohne  zum  Vastus  medius.     Eig.  Beob. 
E.  Psoas  minor  gelit  ziir  Ease,  pelvis.    Perrin.     1872. 
U.  Ein  Muskd  gelit  von  dor  Gluteal-  und  Oberschenkelfascie,  iiher 

Crista  ilei,  zum  Obliquus  ext.  Turner.     18G7. 
E.  Transversus  perinci   superfic.  erstreckt  sich   bis  in   die  Fascia 

glutea.     Gruber.     3  Mai.     1876. 

Br  ustfascien. 

U.  Biindel  von  der  F.  pectoralis  zum  Latissimus  dnrsi  und  Axel- 
bogen.     Turner. 

E.  Varictiiten  des  Platysma.     Verf. 

E.  Stcrnalis  mchrere  Falle.     Verf. 

E.  Infraclavicularis.     Verf. 

E.  Sternocoracoideus,  Schwcgel   1859,  in  Fascia  coracopectoralis. 

E.  Ein  Muskel  von  der  Clavicula  in  di(!  „Fascie  der  Fossa  infra- 
clavicularis."    Zuckerkandl  1880. 

Fascia  temporalis  supcrficiali  s. 
Vielfaclie  Varietiiten  des  Epicranius  temporalis  eigener  Beob. 
Selbstilndiger,  1  cm  breitcn*  Muskel  von  F.  temp,  zum  Ohr.    (Ausser 
dem  Epicran.)     Verf. 

F  a  s  c  i  a  p  a  r  0 1  i  d  e  0  -  m  a  s  s  e  t  e  r  i  c  a . 
Varietiitcm  d(!s  Platysma  und  dc^s  Ptisorius  eig.  Beob. 

rialsfascien. 
(Sammtlich:  Endigungen  in  der  Fascie.) 
Clcidofascialis.     Rambaud  und  Carcassonne  1864.     Macalister. 
Supraclavicularis  proprius.     Gruber.  (?) 
Transversus  colli.     Luschka  1858. 

Biventer  mandibulae,  iiber/ahliger  Baucb,  s.  Ilenle  S.  118. 
Mento-hyoideus.    Macalister. 
(Nach  meinen  Erfahrungen  ist  die  Verdoppelung  des  mit  der  Fascie 

innig  verbundenen  vorderen  Bauches  des  Biventer  fast  so  biiufig, 

wie  die  Norm.) 
Omoliyoideus ,   erhalt  Fasern  aus   der   Fascie;   od(!r  sein  unterer 

Bauch  geht  in  letztere  auf. 
Vorderer  Bauch  des  Omohyoideus  doppelt,   dreifach ;   iiberzahlige 

in  die  Fascie.  .  Wood  1867. 


Muskel  und  Fascie.  403 

Hyofascialis.     Gruber.    4  Fiille.     1878. 

Ein  Stuck  der  Halsfascie,  besonders  Gefiissscheide ,   ist  musculos. 

Eig.  Beob.  1878/79. 
Coracocervicalis  Krause,  s.  Henle  S.  121. 
Supracostalis  in  Fascie.    Macalister  1866. 
Sternocleidomastoideus  gibt  Bundel  zur  Fascie.     Bankart  etc.  1869. 

(Eigentlich  Norm!     Verf.) 
Stcrnothyreoideus  geht  in  tiefe  Submaxillar-Fascie.     Dieselben. 
Stern  ofascialis.     Gruber  1874. 

Costofascialis.     Wood  1864.    (Variet.  des  Stcrnothyreoideus.) 
Ein  Bundel  des   Stcrnothyreoideus  aus   der   Scheide   der  Halsge- 

fasse.     Henle  (S.  124). 
Levator  scapulae  gibt  eine  Sehne  zur  1.  Rippe,  die  mit  der  Fascie 

zusammenhangt.    Verf.  mehrere  Male. 
Cleidohyoideus  neben   Omohyoideus,   liegt   der  Fascie   innig   auf. 

Verf.  mehrere  Male. 
Cucullaris  reicht  welter  iiach  vorn,  als  gewohnlich.     Verf. 
Cucullaris  hat  besondero  vordere  Biindel  zur  Mitte  der  Chivicula. 

Flesch  1879. 
Vom  Cucullaris  g(!hen  Bundel  zum  Platysma.     Verf.  UKjlirere  Mnle. 

Flesch.  1879. 
Ein  sehr  breiter  Sternocleidomastoideus  bedeckt  (und  vtn'tritt)  fast 

die  ganze  Fascie.    Verf.  wiederholt. 

S  c  h  u  1 1  e  r  1)  1  a  1 1  f  a  s  c  i  c  n. 
E.  Ein  Muskel  geht   vom    Cucullaris   zu  Fascia  infraspinata   und 

zur  Fascie  iibor  dem  Acromion.  Turner  1867.   (Teilweise  Norm! 

Verf.) 
E,  Tensor  fasciae  deltoideae,  von  dieser  zur  F.  infraspinata.     Po- 

poflf.     1873. 
Aehnlich  \\o\:  Zincone's  Muskel  von  der  F.  infraspinata  zur  Begio 

deltoidea.     1877.     „Erinnert  an  den  Ilautnuiskel  des  Pferdes." 
Deltoides  erhiilt  Ursprungsbiindel  aus  F.  infraspinata.    Flesch   1879. 

(Bis  zu  gewissem  Grade  Norm:  Henle,  Verf.) 

Fascia  axillaris. 
Axelbogen    (Langer)  ist   musculos.     Merkel.     H.  Virchow  und  Th. 
Kolliker  1879.     Verf.  mehrere  Male;  der  Nerv  kommt  vom  Tho- 
racic, ant.,  Verf. 
E.  Abirrende  Bundel  des  Latissimus.   Wood,  1867.  Calori.    Fritsch 
1869. 

26* 


404  Karl  Bavdclcben, 

E.  Verstilrkung  der  in  der  Fascie  eiidigeiiden  Biindel  des  I.atissi- 
mus  diirch  den  Pectoralis  major;  zu  diesem  treten  oberfiiich- 
liche  Biindel  von  der  F.  pectoralis  oder  von  der  Fascie  des 
Serrat.  ant.  maj.,  Verf. 

E.  Pectoralis  major  sendet  links,  Pectoralis  minor  rechts  besondere 
Biindel  zur  Fascie.    Verf, 

E.  Starke  accessorische  Biindel  vom  Pectoralis  major  zur  Fascia 
axillaris  imd  Armfascie.     Verf.  1879. 

Fascia  deltoidea. 
E.  Infraclaviciilaris  K.  Bardeleben. 
Tensor  f.  deltoideae  iind  Zincone's  Muskel  s.  o. 
E.  Vom  Pectoralis  major  gehen  Biindel  in  die  Fascie,  die  dadurch 
teilweise  miisculos  wird.    Verf.  1880. 

0 be r armfascie  mit  Ligg.  intermuscularia. 

E.  Vom  Latissimus  dorsi  eine  Verstilrkung  der  Fascie  durcli  einen 
musculos-sehnigen  Streifen,  der  bis  zum  Oberarm  reicht.  Maca- 
lister.     1866.     (Normal  bei  Atfen,  ahnlich  beim  Pferd.) 

E.  Besondere  Biindel,  welche  vom  Pectoralis  major  in  Sehne  uud 
Fascie  des  Coracobrachialis  iibergehen  (Wood,  1867),  sowie 
Sehnenbogen  liber  Coracobracbialis  und  Biceps  herliber  (Verf.), 
an  die  der  Pectoralis  inserirt,  sind  wol  nur  weitere  Ausbildun- 
gen  der  Norm. 

E.  Vom  Pectoralis  major  entsteht  ein  2,5  cm  breiter  Sehnenstreif, 
der  mit  dem  Lig.  intermuscul.  med.  zusammen  bis  zum  Epi- 
condylus  verlauft.    Verf.  1879. 

E.  Vom  Pectoralis  major  kommen  2  accessorische  Muskelbiindel 
(beiderseits) ,  welche  zur  Fascia  axillaris  und  besonders  zur 
Oberarmfascie  verlaufen.    Verf.  1879.  « 

E.  Vom  Deltoides  (Spina-Portion)  spaltet  sich  ein  fingerbreites  Mus- 
kelbiindel ab,  das  in  eine  fiicherformige ,  aussen  in  die  Ober- 
armfascie endigende  Sehne  iibergeht.    Zuckerkandl.  1880. 

E.  Von  der  Sehne  des  Pectoralis  major  geht  ein  Sehnenstrang  aus, 
kreuzt  den  Sulcus  bicipitis  int.  und  endigt  im  Lig.  intermuscu- 
lare  med.    Derselbe. 

E.  Die  Sehne  des  Pectoralis  major  geht  in  die  des  Coracobrachia- 
lis liber.     Derselbe. 

E.  Ein  von  der  Clavicula  entspringender,  unter  dem  Pectoralis 
minor   oelegener   Muskel    liiuft   vor   den  Gefiissen   und  Nerven 


Muskel  uud  Fascie.  405 

bis  zur  Mittc  des  Oberarms,  wird  hier  sehnig  und  endet  im 
Lig.  iiitermuscul.  med.    Derselbe. 

E.  Spanner  des  Sehnenbogens  des  Coracobrachialis  vom  Tubercu- 
lum  minus.  Calori  1867. 

Der  die  Seline  des  Latissimus  iiberbruckende  Sehnenstreif  (Bo- 
gen)  des  Coracobrachialis  ist  in  einen  Muskel  unigevvandult. 
Clason  1868. 

E.  Coracobrachialis  besitzt  cine  2  cm  breite  Fortsetzung,  die  in 
das  Lig.  intermuscul.  med.  ubergeht.  Zuckerkandl.  1880.  (Vgl. 
Norm.) 

E.  Coracobrachialis  ist  doppelt,  der  iiberzahlige  geht  in  das  Lig. 
intermusc.  med.  und  strahlt  weit  nach  hinten  in  die  Fascie  aus. 
Verf.  1878/79. 

E.  Biindel  des  Pectoralis  minor  in  Fascia  humeri.  Bankart  etc. 
1869. 

E.  Vom  medialen  Rande  des  kurzen  Bicepskopfes  gehen  Biindel 
in  die  P^ascie  und  das  Lig.  intermusculare  med.  Quain.    Gruber. 

E.  Vom  Caput  breve  bicipitis  Insertion  in  die  Fascie  des  Ober- 
und  Unterarms.    Flesch.     1879. 

E.  Vom  Biceps  kommt  ein  kleiner  Muskel,  der  den  Brachialis  int. 
kreuzt  und  in  das  Ligam.  intermuscul.  med.  geht.  Zuckerkandl. 
1880. 

E.  Ein  4.  Kopf  des  Triceps  geht  teilweise  in  das  Lig.  intermuscu- 
lare med.    Flesch  1879. 

U.  Biceps  entspringt  auch  vom  Lig.  intermusculare  mediale.  Gruber. 

U.  Pronator  teres  von  der  tiefen  Fascie.     Bankart  etc.  1869. 

U.  Ueberzahliger  Palmaris  longus  aus  der  Fascie  am  Epicondylus. 
Verf. 

U.  Aehnlich  entspringt  ein  Sehnenstreif  statt  eines  fehleuden  Pal- 
maris longus.  Verf.  (Dursy,  Henle,  Hallett  haben  dasselbe 
beobachtet.) 

Unterarmfascie. 
E.  Dritter  Kopf  des  Biceps  inserirt  in  die  oberflachliche   Sehne 

(Fascie).    Haufiig.    Henle.    Verf. 
E.  Verdoppelung  des  oberflachlichen  Teiles   des  Biceps  und  des 

Lacertus.     Henle  u.  a. 
E.  Ein  vom  Caput  longum  bicipitis  abgehender  „Tensor  der  Dor- 

salfascie  des  Unterarms".     Gruber  1879. 
E.  Ueberzahliger  Kopf  des  Biceps  zur  Fascie  des  Supinator  longus. 

Wood  1867. 


40G  Karl  Bardelebcn, 

E.  „Nicht  selten"  goht  nach  Henle  (S.  194)  ein  Bundel  von  der 
lateralen,  selten  von  der  medialen  Seite  des  Brachialis  internus 
ab,  um  sich  in  der  Ellenbeuge  gleich  dem  Biceps  theils  am 
Radius,  theils  in  der  Fascie  zu  inseriren.  (Vgl.  oben  u.  Norm.) 
S.  a.  Oberarmfascie ,  Var.  v.  Flesch.  Wol  identisch  mit :  Su- 
pinator brevis  acccssorius  Halberstma  und  Brachiofascialis 
Wood. 

E.  Vom  Brachialis  int.  geht  ein  Lacertus  fibrosus  in  die  Fascie, 
dicht  hinter  und  Uber  dem  Lacertus  des  Biceps.  Verf.  Ebenso : 
Flesch  1879,  Virchow  und  Kolliker. 

E.  Vom  Brachialis  int.  sich  ablosende  Bundel  gehen  auf  der  ra- 
dialen  und  ulnaren  Seite  in  die  Fascie.     Gruber  1867. 

E.  Vom  Brach.  int.  Sehnenstreifen  zur  Scheide  des  Art.  radialis. 
Clason  1868. 

E,  Supinator  longus  geht  mit  einem  Teil  seiner  Sehne  in  die  Fascie 
der  Streckseite.     Embleton  1872.     Verf.  1876. 

E.  Starkes  breites  Muskelbiindel  des  Brachioradialis  geht  zur  Fascie 
der  Beugeseite,  die  mit  der  Sehne  des  Muskels  innig  verwach- 
sen  ist.  (Auf  der  anderen  Korperseite  wurde  der  Brachioradia- 
lis vom  Brachialis  int.  verstitrkt.)     Verf.  1877. 

E.  Vom  Rande  der  Sehne  des  Brachioradialis  entsteht  ein  Muskel, 
der  in  das  „Bindege\vebe"  zwischen  ihm  und  dem  Radialis  ext. 
long,  iibergeht.  (Von  hier  aus  geht  ein  anderer  Muskel  zur 
Fascie  des  Daumenballens,  s.  u.).    Zuckerkandl  1880. 

E.  Ein  uberzahliger  Palmaris  longus  endet  in  der  Fascie  des  Vor- 
derarms  4  cm  uber  dem  Handgelenk.     Flesch  1879. 

E.  u.  U.  Palmaris  longus  entspringt  vom  Lacertus  bicipitis,  inserirt 
in  Unterarmfascie.     Gruber  1868.     Flesch  1875.     Verf. 

U.  Abductor  digiti  V  aus  der  Fascie.  Oefter  beobachtet.  Giinther. 
Macalister.     Wood. 

U.  Ein  uberzahliger  Palmaris  longus  entspringt  aus  der  Fascie 
nahe  dem  Handgelenk.    Flesch  1879. 

U.  Ein  zweiter  Kopf  des  Opponens  dig.  V  aus  der  Fascie.  Henle 
S.  204. 

Lig.  interosseum  und  Chorda  obliqua. 
U.  Flexor  pollicis  longus.     Henle.     Verf. 

Lig.  carpi  volar e. 
E.  Flexor  carpi  ulnaris  inserirt  sich  hier  bei  Fehlen  und  Vorhan- 
densein  des  Palmaris  longus,  s.  Norm.     • 


Muskel  und  Fascie.  407 

E.  Ein  besonderer  zweiter  Kopf  des  Flexor  c.  uln.  geht  zum  Baude. 

Verf.  1879. 
E.  Ein  vom  Flexor  digiti  sublimis  kommender   kraftiger  Muskel- 

bauch  inserirt  sehnig   am  Bande.     Von  hier  erhalt   der  Abd. 

poll,  brevis  accessorische  Fasern.    Verf.  1878. 
E.  Ein  halbgefiederter  Muskel  beginnt  neben  dem  Flexor  pollicis 

longus  und  geht  in  das  Band.    Zuckerkandl.  1880. 
U.  Ein   dreikopfiger  Abduct,   dig.   V   entspringt   vom   Bande   etc. 

Macalister  1868.     Henle  S.  243. 
U.  Accessorischer  Kopf  zur  Zeigefingersehne  des  Flexor  digiti  subli- 
mis vom  Bande.    Bankart  etc.  1869. 
U.  Der  oberflachliche  Beuger  des  fiinften  Fingers  entspringt  von 

der  Innenflache  des  Bandes.     Moser.     (Henle  S.  208.) 

Fascia  palmaris. 
E.  Radialis  internus,  vertritt  den  Palmaris  longus.     Gruber  1872 

u.  a.    Verf. 
E.  Ulnaris  internus,  vertritt  den  Palmaris  longus.    Verf.  u.  a. 
E.  Radialis  und  Ulnaris  int.  in  Fascie,  bei  Fehlen   des  Palmaris 

longus.    Emblcton  1872. 
E.  Verdoppelung  des  Palmaris  longus.   Gruber.    (s.  Monographie.) 

Macalister.     Flesch.    Verf.  u.  a.     Eigene  Beobachtungen : 

a)  Der  uberzahlige   Palmaris  longus  entspringt   von 
Fascia  humeri  — 

b)  inserirt  am  ulnaren  Rande  der  Fascia  palmaris  — 

c)  entspringt  neben  Flexor  carpi   ulnaris,   endet  in  der  tiefen 
Schicht  der  F.  palmaris.     (Palmaris  brevis  sehr  stark), 

d)  die  Sehne  des  uberziihligen  P.  1.  geht  in  Abd.  dig.  V  iiber, 

e)  der  iiberzahlige  liegt  dem  Ulnaris  int.  dicht  an,  inserirt  an 
Os  pisiforme  und  Fascie, 

f)  einer  der  beiden  Palmares  ist  durch  einen  Sehnenstreif  dar- 
gestellt.   (Dies  kann  auch  den  einzig  vorhandenen  betreffen.) 

E.  Dreifacher  Palmaris  longus.    Hallett.     Gruber. 
U.  Oberflachlicher  Beuger  des  fiinften  Fingers  von  der  Innenflache 
der  Fascie  (und  des  Lig.  carpi  vol.)  s.  o. 

Fascie  des  Daumenballens. 
E.  Ein  Muskel  vom  Radius  in  die  Fascie.    Zuckerkandl.  1880. 
E.  Ein  Muskel  von  der  F.  antibrachii  hierher.     Derselbe  (s.  o.). 
E.  Lupine's  Muskel.     1864,  Norm? 


408  Karl  Bardeleben, 

An  hang: 

M.  pisi-uncinatus,  vom  Os  pisiforme  zum  Haken  des  Uncina- 
tuui,  also  ein  (vollstandiger  ?)  Ersatz  des  Bandes  durch  Mus- 
kel.     Calori  1867  '). 

Oberschenkelfascie. 
E.  Sehne  des  Psoas  minor  zum  Vastus  medialis   und  Lig.  inter- 

muscul.  medial.     Verf. 
E.  Quadratus  femoris  geht  mit  einem   starken  Teil  seiner  Fasern 

in  die  Fascie.     Verf. 
E.  Vom  langen  Kopf  des  Biceps  geht  ein  Muskel  ab,  der  sich  in 

der  Gegend    des   Ursprungs  des   kurzen  Kopfes  in   die  Fascie 

verliert.     Henle. 
E.  Der  Sartorius  kann  mit  einem  Teil  seiner  Fasern  in  die  Fascie 

(Norm!     Verf.)   oder   in    das   Lig.    patellare    inf.    iibergehen. 

Hallett. 
E.  Zuckerkandl  (1880)  beschreibt  besondere  Biindel  des  Sartorius 

zur  Fascie.     S.  o.  Norm. 
E.  Der  Sartorius  ist  durch  eine  l'/2  '^oll  lange  Zwischensehne  fest 

mit  der  Fascie  verwachsen.     Kelch. 
U.  Von  der  inneren  Flache  der  Fascieninsertion  des  Gluteus  maxi- 

mus  entspringt  ein  Muskel,   der  zum  langen  Kopf  des  Biceps 

geht.     Verf, 
U.  Ein  iiberzahliger  langer  Bicepskopf  von  der  Fascie.    Henle. 
U.  Sartorius  entspringt  vom  Schenkelbogen.    Macalister  1868. 

Un  terse  h  en  k  elf  ascie. 
E.  Von  der  medialen  Ursprungssehne  des  Soleus  geht  ein  Muskel 

zum  tiefen  Blatt  der  Fascie.    Clason.    Verf. 
E.  Popliteus  minor.  Calori.     Wood.     Gruber.    Verf. 
E.  Vom  langen  Kopf  des  Biceps  femoris   geht  ein  Muskel   in  die 

Fascie.     Clason. 
E.  „Tensor  fasciae  suralis"  vom  Biceps.    Gruber  1871. 
E.  „Tensor   fasciae   cruralis"   vom  Semitendinosus.    Gruber  1874. 

Turner  1872.     Gruber  1878,  2  Falle. 


^)  Diese  Varietal  scheint  weniger  selten  zu  sein,  als  man  ge- 
meinhin  annimmt.  Interessant  ist  jedenfalls  (vielleicht  bisher  iiber- 
sehen),  dass  der  Muskel  in  Henle's  Figur  114  (S.  233)  —  die  doch 
die  Norm  zeigen  soil  —  dargestellt  ist. 


Muskel  unci  Fascie.  409 

E.  Plantarissehne  geht  oberhalb  des  Fersenbeines  in  die  Fascie. 
Wood  1864. 

E.  Plaiitaris  endet  am  mittleren  Drittel  des  Unterschenkels  apo- 
neurotisch.    Macalister  1868. 

E.  „Tibiofascialis"  Macalister  =  Tibialis  anticus  accessorius  s.  pro- 
fundus Bahnsen,  zum  Lig.  cruciatum.     1868. 

U.  Dritter  Kopf  des  Gastrocnemius  aus  der  Fascie.  Meckel.  Quain. 
Verf. 

U.  Ein  auf  der  Fascie  der  tiefen  Beugemuskel  herabgehender  Mus- 
kel zum  Fusssohlenkopf  des  Flexor  digitorum  longus. 

U.  Von  der  ausseren  Flache  der  tiefen  Fascie  (unteres  Drittel) 
entspringt  ein  zweikopfiger  Muskel,  dessen  Sehne  zum  Fuss- 
sohlenkopf des  Flexor  digitorum  longus  geht.     Henle. 

U.  Von  der  inneren  Flache  der  oberflachlichen  Fascie  entsteht  ein 
zweikopfiger  Muskel  zum  Flexor  digit,  long,  und  Flexor  hallu- 
cis  longus.     Turner. 

U.  Von  der  Fascie  des  Tibialis  posticus  entspringt  ein  Muskel, 
der  sich  in  zwei  Bauche  teilt,  deren  einer  in  die  Fascie  geht. 
Ehlers. 

U.  Flexor  digit,  long,  erhalt  einen  zweiten  Kopf  aus  der  F.  surae. 
Zuckerkandl  1880. 

U.  Ein  zweiter  Kopf  der  Caro  quadrata  aus  der  Fascia  surae. 
Derselbe. 

U.  Ueberzahliger  Kopf  des  Plantaris  vom  Lig.  popliteum.  Gruber 
1874  (6  Fallc). 

U.  Muskelbundel  zum  Soleus  aus  der  tiefen  Fascie.    Bankart  etc, 

U.  Muskel  von  der  tiefen  Fascie  zum  Calcaneus.  Dieselben.  Zucker- 
kandl. 

Fascie  des  Fussriickens. 
E.  „Tensor  fasciae  dorsalis  pedis",  Wood,  Sehnenbiindel  vom  Tib. 

anticus.     1867. 
E.  Mit  Extensor  hallucis  brevis   entspringendes  Muskelbundel   zur 

Fascie  des  inneren  Fussrandes.     Meckel. 

Fascie  der  Fusssohle, 
E.  Lepine's  Muskel. 


410  Karl  Bardeleben, 

IV. 

Vergleichend-Anatomisches. 

Eine  grosse  Reilie  vorgleichend-anatomischer  Thatsachen  kaiin 
zum  Verstandniss  oder,  wenn  man  so  will,  zur  Erklarung  der  oben 
dargestellten  Verhaltnisse ,  sowie  als  Stiitze  der  1878  bereits  vor- 
getragenen  neiien  Auffassung  der  Fascien  als  Fortsetzungen  der 
Muskeln  herangezogen  werden. 

Bei  den  Fischen  kann  man  nur  insofern  von  Fascien  reden, 
als  man  die  Ligamenta  intermuscularia  ftir  solclie  auffassen  darf. 

Bei  Amphibien  sehen  wir  zuniichst  an  der  dorsalen  Seite 
des  Rumpfes  die  Fascia  dorsalis,  welche  dem  Depressor  maxillae 
inferioris  (Cervico-maxillaris),  dem  Latissimus  dorsi  und  dem  Ob- 
liquus  abdominis  externus  zum  Ursprung  dient  oder  als  Teil  der 
genannten  Muskeln  angesehen  werden  kann.  Die  Fascia  oder  Apo- 
neurosis palmaris  erscheint  sclion  auf  den  ersten  Blick  als  Fort- 
setzung  des  Flexor  digitorum  communis,  wahrend  sie  andererseits 
wieder  den  einzelnen  Fingerbeugern  als  Ursprung  dient.  Die  Fascia 
cruris  wird  wesentlich  vom  Extensor  cruris  (triceps)  gebildet,  wah- 
rend die  Fascia  (Aponeurosis)  plantaris,  wie  die  F.  palmaris,  Mus- 
keln zur  Endigung  und  zum  Ursprung  dient.  Es  endigeu  in  die- 
selbe :  Gastrocnemius,  Plantaris,  Transversi  plantae  —  es  entsprin- 
gen  von  ihr:  Flexoren  der  Zehen,  Lumbricales  etc. 

Die  Sauropsida  bieten  wenig  hierher  Gehoriges  dar.  Auch 
von  dem  Standpuncte  unseres  Thema's  aus  lassen  sich  die  Ver- 
haltnisse bei  den  Saugethieren  besser  an  diejenigen  bei  Amphibien, 
als  bei  Reptilien  und  Vogeln  ankniipfen. 

Saugethiere. 

Latissimus  dorsi. 
Geht  bei  Ornithorhynchus  an  die  untere  Halfte  des  Oberarms, 
bei  Myrmecophaga  und  Didelphys  (besonderer  Bauch)  zum  Olecra- 
non, zur  Ulna  und  Unterarmfascie  bei  Dasypus,  zum  Condylus  me- 
dialis  humeri  (teilweise)  bei  Bradypus,  indirect  (durch  Anconaeus 
longus)  zur  Vorderarmfascie  bei  einigen  Carnivoren  (vgl.  Mensch), 
bei  anderen  direct  an  diese  Fascie  (Procyon) ,  ja  bis  zur  Hand 
(Phoca).  Noch  bei  Halbatfen  geht  der  Muskel  bis  zur  Vorder- 
armfascie,  bei  Affen  wenigstens  bis   zum  Olecranon.    Vielfach  ist 


Muskel  uiid  Fascie.  411 

der  Latissimus  niusculos,  bei  hoheren  Saugern  in  der  Kegel  iiur 
durch  Fascien-  oder  Sehnenstreifen  mit  deni  Pectoralis  major  ver- 
bundeu.    (Ersteres  beim  Menschen  als  Varietat.) 

Die  Serrati  post  i  ci 
wcrden  beim  Menscheu  als  zwei  getrennte  Muskeln  beschrieben. 
Das  Verhalten  bei  Thieren  zeigt ,  dass  sie  eigentlicli  nur  e  i  n  c  n 
Muskel  bilden.  Die  beim  Menschen  zwischen  ihnen  gelegene  „Fas- 
cie"  ist,  wie  das  unschwer  sich  nachweisen  lasst,  eine  Fortsetzung 
besonders  des  Serratus  post,  inferior,  sie  ist  als  riickgebildeter 
Muskel  zu  betrachten.  Uebrigens  reicht  auch  beim  Menschen  das 
Muskelfleisch  oft  hoher  hinauf,  als  man  gewohnlich  angibt. 

Cucullaris. 
Die  vordere  Portion  desselben  geht  bei  Nagern,  Ungulaten 
Carnivoren  u.  a.  zur  Hals  -  und  Schulterfascie.  Bei  Amphibien 
und  Reptilien  ist  diese  Fascie  noch  nicht  vorhanden,  sonderu  durch 
Muskeln  vertreten.  Auch  bei  vielen  Siiugethieren  hangt  der  Cu- 
cullaris mit  dem  Cleidomastoideus  (eventuell  noch  dem  Deltoides) 
zusammen.  Dann  ist  also  die  Halsfascie  musculos,  ein  —  wie  be- 
kannt  —  beim  Menschen,  allerdings  selten,  vorkommender  Zustand. 

Steruocleidomastoideus. 
Die  Ausbildung  desselben  resp.  des  Cleidomastoideus  ist  von 
derjenigen  der  Clavicula  abhangig,  Der  dem  Schliisselbeinkopf  des 
Menschen  entsprechende  Muskel  des  Pferdes  u.  a.  geht  in  Nacken- 
und  Halsfascie  uber,  wahrend  sich  der  „Sternomaxillaris"  der  Ein- 
und  Zweihufer  zur  Fascia  parotidea  (resp.  der  der  Backenmuskeln) 
begibt. 

Rectus  abdominis 
reicht  bekanntlich  bei  den  meisten  Thieren  sehr  viel  weiter  nach 
vorn ,  als  beim  Menschen.  Er  erstreckt  sich  bis  zur  ersten  Rippe 
bei  Monotremen,  Edentaten,  Marsupialia,  Ungulaten,  Carnivoren, 
Insectivoren ,  Prosimii,  Affen.  Das  vordere  Ende  kann  ganz  oder 
teilweise  sehnig  sein,  so  bei  Carnivoren,  beim  Pferde,  wo  man 
den  vordersten  Teil  des  Rectus  als  Transversus  costarum  zu  be- 
zeichnen  sich  vcranlasst  gesehen  hat,  weil  die  Unterbrechung  des 
Rectus  durch  sehnige  Partieen  etwas  grosser  ist,  als  weiter  cau- 
dalwarts.  Bei  Monotremen  setzen  sich  die  lateralen  Fasern  des 
Muskels  an  das  Coracoid.    Welche  Thiere  Meckel  (S.  452,  vgl. 


412  Karl  Barcleleben, 

auch  Owen,  S.  6)  im  Auge  hatte ,  bei  dencn  der  Rectus  aii's 
Schulterblatt  gehen  sollte,  habe  ich  nicht  eruiren  konnen.  Auch 
beim  Menschen  kann  man  den  Rectus  sehr  hiiufig  weiter  nach  oben, 
ja  bis  zur  ersten  Rippe  bin  verfolgen.  Er  wird  bier  durcb  die 
parallel  der  Korperaxe  verlaufenden  Sehnenteile  (liigg.  coruscantia) 
dargestellt,  welcbe  die  Intercostalmuskeln  bedecken.  Bei  star- 
kerer  Entwickelung  koramt  es  dann  dazu,  dass  der  Muskel  fleischig 
iiber  die  funfte  Rippe  nach  oben  geht  (Rectus  thoracis  Turner, 
Accessorius  ad  rectum  H  a  1  b  e  r  t  s  m  a)  ^ ). 

Pec  tor  a  lis  major. 
Erstreckt  sich  bei  niedoren  Saugeru  bis  zum  Vordcrarme,  bei 
anderen  wenigstens  bis  zum  distalen  Humerus-Ende,  sei  es  fleischig, 
sei  es  partiell  sehnig,  aponeurotisch.  Bei  den  hoheren  Saugethieren 
geht  der  Knochenansatz  nicht  iiber  die  Mitte  des  Humerus  hinaus, 
erreicht  dieselbe  oft  gar  nicht.  Die  Endigung  eines  Teiles  der 
Fasern  in  die.  Fascie  des  Oberarms  scheint  iiberall  Norm  zu  sein. 
Vielfach  geht  ein  besonderes  Biindel,  ein  Bauch  oder  Kopf  zur 
Fascie  (Sterno-aponeuroticus  des  Pferdes  etc.)-  Die  Beziehungen 
des  Pectoralis  zum  Rectus  und  Obliquus  abdominis  externus,  zum 
Langs-  resp.  zum  Intercostalmuskel-System,  welche  sich  von  den 
Amphibien  bis  zu  den  hochsten  Saugethieren  nachweisen  lassen, 
sollen  an  anderer  Stelle  besprochen  werden.  Hier  sei  nur  der 
Verbindungen  mit  dem  Latissimus  dorsi  (s.  o.)  und  mit  dem  Del- 
toides  gedacht,  welche  sich  bis  zum  Menschen  bin  finden. 

Digastricus  max.  inf. 
Vielfach  bestehen  Beziehungen  zur  Halsfascie  (z.  B,  Ungula- 
ten).  Die  bei  diesen  vom  hinteren  Bauche  direct  zum  Unterkiefer 
gehenden  Muskelbiindel  finden  wir  beim  Menschen  als  Fascien- 
streifen  („Ligament")  wieder.  Die  bei  Wiederkauern  zwischen  den 
Muskeln  beider  Korperseiten  quer  verlaufenden  Muskelfasern  sind 
beim  Menschen,  wol  in  der  Mehrzahl  der  Falle,  zur  Fascie  de- 
generirt,  sehr  oft  aber  auch  hier  noch  als  Muskel  erhalten. 

Orbicularis  palpebrarum, 
Geht   bei  Ungulaten   in   die  Muskulatur   des   ausseren  Ohres 
liber,   sodass  hier  die  Fascia  temporalis  superficialis    grossenteils 

1)  Vergl.  hierzu:  K.  Bardeleben,  Der  Musculus  „steraalis", 
Zcitschr.  f.  Anal,  und  Eutwickelungsgesch.  I.  1876,  S.  424 — 458; 
bes.   S.   4  43—447. 


Muskel  und  Fascie.  413 

musculos  ist,  ebenso  wie  die  beim  Menschen  meist  nur  iioch  bindc- 
gewebige  Fascia  parotidea  (Muse,  paiotideo-auricularis).  Eine  ge- 
nauere  Untersuchung  des  Orbicularis  beim  Menschen  und  die  Ver- 
gleichung  mit  Thieren  versetzt  iibrigens  der  heute  geltenden  Lehre 
von  dem  ringformig  in  sich  geschlossenen  Verlaufe  des  Muskels 
einen  argen  Stoss.  Ich  kann  den  „Orbicularis  oculi"  ebensowenig 
wie  den  „Orbicularis  oris"  als  selbstandigen  Ringmuskel  ^  aner- 
kennen.  Auch  bier  wie  an  der  Mundspalte  beginnen  und  enden  die 
Muskelfasern  an  festen  Punkten  (Haut,  Fascie,  Bander,  —  indirect 
also  Knochen),  auch  hier  besteht  der  sog.  Ringmuskel  wesentlich 
aus  erborgten  Elementen,  die  oben  vom  Epicranius  (bes.  frontalis) 
kommen,  die  unten  zur  Wange  und  Oberlippe  gehen. 

Coracobrachialis, 
Reicht  bei  Wiederkauern,  bei  Hystrix,  Sciurus,  bei  einem  Teil 
der  Carnivoren ,  auch  bei  Halbatfen  bis  zum  Coudylus  medialis 
humeri.  Haufig  erstreckt  sich  wenigstens  der  oberfliichlichere  Kopf, 
wenn  deren  zwei  vorhanden  sind,  bis  an  das  distale  Ende  des 
Humerus. 

Biceps  brachii. 
Bei  vielen  Saugethieren  geht  der  Biceps  an  beide  Vorderarm- 
knochen,  so  bei  Beutelthieren,  Edentaten,  beim  Schweine;  bei  an- 
deren  setzt  er  sich  weiter  distalwarts  am  Radius  an,  als  beim 
Menschen,  bei  anderen  dagegen  nur  an  der  Ulna  (Nager,  Insecti- 
voren,  Hyrax).  Jedenfalls  aber  sendet  der  Muskel,  auch  wenn  er 
nur  an  einen  der  beiden  Knochen  sich  inserirt,  eine  der  anderen 
Knocheninsertion  entsprechende  Aponeurose,  auch  wol  einen  beson- 
deren  Kopf  (Kameel)  zur  Fascie  des  Unterarms.  Beim  Menschen 
konimt  letzteres  bekanntlich  als  Varietat  vor. 

Brachialis  internus. 
Wiihrend  der  Biceps  vielfach  an  die  Ulna  inserirt,  heftet  sich 
der  Brachialis  internus  bei  einigen  Thieren  an  den  Radius,  so  bei 
Ornithorhynchus,  Bradypus,  Ungulaten.    Beim  Pferd  wird  ein  Seh- 
nenzug  beschrieben,  der  zur  Ulna  geht. 

Psoas  minor. 
Dieser  Muskel  ist  bei  Ornithorliynchus  und  Halmaturus  ausser- 


^)   Vgl.  Aeby,     Die    Muskulatur    der    meusclilichen    Mundspalte. 
Arch.  f.  mikroskop.   Auat.    lid.  XYI.  S.  651  — 664. 


414  Karl  Bardeleben, 

ordcntlich  stark  entwickelt  und  ubertrifft  hier  dcu  anderen  Psoas 
(„major")  um  ein  violfaches  an  Volumeii.  Bei  Phoca,  wo  die  In- 
sertion des  Iliopsoas  bis  zum  Condylus  medialis  femoris  hinab- 
reicht,  ist  gleichfalls  der  hier  nur  cum  grano  salis  so  zu  nennende 
Psoas  minor  dem  Iliopsoas  weit  tiberlegen.  Er  teilt  sich  in  zwei 
Kopfe,  von  denen  einer  die  von  den  hoheren  Saugethieren  beibe- 
haltene  Insertion  an  der  Eminentia  ilio-pectinea  walilt,  wahrend 
der  andere  zum  Femur  geht.  Audi  bei  Fledermausen  und  Halb- 
afFen,  sowie  bei  einem  Teile  der  Affen  ist  der  Psoas  minor  noch 
relativ  kraftig.  In  eine  sehr  starke  Fascie  lauft  der  Muskel  bei 
Ungulaten,  besonders  denen  mit  grossem  Korper  (Kameel,  Pferd 
u.  a.)  aus. 

Gluteus  maxim  us. 
Bei  Ornithorhynchus  geht  der  Gluteus  bis  zur  Fusssohle,  bei 
Myrmecophaga  und  Halmaturus  bis  zum  distalen  Femurende.  Bei 
Hyrax  bedeckt  er  den  ganzen  Oberschenkel  und  endet  an  dessen 
lateralcm  Condylus,  sowie  der  Tibia  und  Patella,  ithnlich  bei  Hys- 
trix  und  Halbaffen.  Die  DifFerenzirung  von  eigentlichen  Gluteal- 
muskeln  und  dem  „Tensor  fasciae  latae"  hat  sich  bei  den  niederen 
Saugethieren  noch  nicht  vollzogen.  Auch  beim  Pferde  sind  die 
Muskeln  noch  (oder  wieder?)  verbunden,  ja  sogar  bei  Affen.  Ueberall 
kann  die  Fascie  des  0"berschenkels  als  directe  Fortsetzung  des 
Gluteus  betrachtet  werden. 

Tensor  fasciae  latae. 
Dieser  xar'  f^oxrjv  sogenannte  Fascienspanner  zweigt  sich  vom 
Gluteus  ab,  mit  dem  er  bis  zum  Menschen  hin  innige  Beziehungen 
beibehalt.  Beim  Kiinguruh  findet  Meckel  (S.  621)  einen  kleinen 
Tensor  f.  1.,  der  sich  an  die  distale  Sehne  des  Extensor  cruris  an- 
setzt.  Bei  Hyrax  geht  er  an  den  Condylus  lateralis  femoris,  Pa- 
tella und  oberes  Ende  der  Tibia,  ahnlich  bei  Sus;  bei  Phoca  an 
die  Patella.  Beim  Pferd  inserirt  er  an  die  Patella  und  in  die 
Fascie,  welche  eine  Vereinigung  mit  der  Endaponeurose  des  Biceps 
vermittelt.  Sehr  stark  ist  der  Muskel  beim  Dromedar;  dagegen 
fehlt  er  z.  B.  bei  Lemur  mongoz,  welcher  statt  dessen  einen  vom 
Hautmuskel  in  die  Fascia  lata  verlaufenden  Streif  besitzt.  Am 
weitesten  proximalwiirts  gerlickt  ist  der  Muskel  bei  Aifen  und  Men- 
schen, wo  er  auch  nur  in  die  Fascie  geht.  Trotz  der  vollstandi- 
gen  Trennung  von  den  Gluteen  verriith  auch  beim  Menschen  noch 
die  Innervation  seine  Abstammung. 


Muskel  uud  Fascie.  415 

Sartorius, 
Endet  bereits  beim  Frosch  vermittelst  eines  „Pes  anserinus" 
(Ecker)  in  die  Fascia  cruris,  mit  dem  Semitendinosus  zusammeii. 
Diese  Endigung  bleibt  durch  die  ganze  Wirbelthierreihe  (sovveit  mir 
bekannt)  im  Wesentlichen  erhalten,  auch  neben  derjenigen  an  der 
Tibia.  Bei  Bradypus  endet  ein  besonderer  Bauch  am  Oberschenkel, 
ein  Verhalten,  das  beim  Menschen  von  mir  als  Varietat  beobachtet 
wurde,  wol  auch  bei  anderen  Saugern  sicb  noch  finden  diirfte. 

Biceps  fern  or  is. 
Reicht  bei  niederen  und  einem  Teil  der  hoheren  Saugethiere 
bis  zum  Calcaneus  oder  doch  bis  zu  den  Malleolen  hinab.  Hier- 
her  gehoren  Bradypus,  Myrmecophaga,  Ungulaten,  viele  Nager  und 
Carnivoren.  Vielfach  endet  der  Muskel  in  der  Fascia  cruris  und 
geht  in  die  Achillessehne  uber,  mit  der  er  dann  bis  zur  Ferse  ge- 
langt.  In  Folge  der  ausgedehnten  Insertion  wird  dann  einmal  mehr 
die  Tibia,  einmal  mehr  die  Fibula  beansprucht.  Wir  haben  uns 
den  Biceps  demnach  als  einen  urspriinglich  vom  Becken  und  der 
Wirbelsaule  bis  zum  Ende  der  Extremitat  verlaufenden  Muskel 
vorzustellen,  der,  wie  ich  vermuthe,  innige  genetische  Beziehungen 
zum  Gluteus  einer-,  zum  Semitendinosus  und  Semimembranosus 
andererseits  besitzt. 

Semitendinosus. 
Erstreckt  sich  bei  niederen  Saugern  bis  zum  Fersenbein.  Auch 
bei  Ungulaten  und  Nagern  findet  sich  ein  ahnliches  Verhalten. 
So  lauft  beim  Pferd  ein  Sehnenzug  mit  der  Achillessehne  herab 
bis  zum  Fersenhocker  (mit  Biceps  -  Endigung) ;  bei  Wiederkaucrn 
ist  es  ahnlich,  auch  bei  Kaninchen  und  Meerschweinchen.  Unter 
den  Carnivoren  zeichnet  sich  der  Bar  durch  eine  sehr  tief  hinab- 
reichende  Insertion  aus  (untere  Halfte  der  Tibia).  Bei  anderen 
Carnivoren  und  Phoca  endet  der  Muskel  ungefahr  in  der  Mitte 
der  Tibia.  Bei  den  oberen  Abteilungen  der  Siiuger,  Halbaflfen, 
Fledermausen ,  Primaten  ist  die  Knocheniusertion  weit  hinauf  ge- 
riickt.  Vielfach  enden  Semitendinosus  und  Gracilis  gemeinsam 
(s.  u.)  —  Der  Semimembranosus  heftet  sich  bereits  bei  nie- 
deren Siiugethieren  hoch  oben  an.  Ob  das  Verhalten  bei  Phoca 
(Insertion  am  distalen  Ende  der  Tibia  und  Calcaneus)  als  ein  ur- 
sprungliches  oder  neu  aufgetretenes  zu  erachten  sei,  wage  ich 
nicht  zu  entscheiden. 


416  Karl  Bardeleben, 

Gracilis. 
Niniint  bei  Bradypus  fast  die  ganze  Lange  der  Tibia  ein  uiid 
schickt  Faserii  an  die  Wadeiimuskulatur.  Bei  Oniithorhynchus 
und  Myrmecophaga  inserirt  er  beieits  etwas  iiber  der  Mitte  der 
Tibia,  ahidich  bei  Hyrax.  Auffallend  ist  auch  fiir  diesen  Muskel 
das  Verhalten  bei  Phoca,  wo  er  iiber  die  Mitte  der  Tibia  hinaus- 
reicht  und  eine  starke  Sehne  zur  Sohle  entsendet.  Beim  Pferd 
setzt  sich  der  Gracilis,  mit  der  Adductoren- Sehne  verbunden,  an 
Patella  und  Tibia,  seine  Sehne  verschmilzt  sodann  mit  der  des 
Semitendinosus  und  stellt  so  ini  wesentlichen  die  Fascia  cmris  dan 
Bei  hoheren  Saugern  endet  der  Gracilis,  wie  seine  Nachbarn,  hoch 
oben  am  Unterschenkel ,  ohne  indess  die  Beziehungen  zur  Fascie 
aufzugeben. 

Fasseu  wir  die  Tatsachen  zusammen,  welche  beim  Menschen 
(als  Norm  und  als  Varietat)  und  bei  den  Wirbel-,  besonders  den 
Saugethieren  beobachtet  werden,  so  erscheint  es  zunachst  wenig 
gerechtfertigt,  beim  Menschen  bestimmte  wenige  Muskeln  als  „Fas- 
cienspanner"  zu  bezeichnen,  insofern  als  die  meisten  Muskeln,  die 
der  Extremitaten  fast  alle,  in  diese  Kategorie  gebracht  werden 
konnen,  wenn  wir  eben  das  ganze  Verhaltniss  vom  mechanisch- 
physiologischem  Standpunkte  auffassen.  Morphologisch  betrachtet 
sind  die  Fascien  im  Wesentlichen  Fortsetzungen  der  Muskeln,  also 
mit  den  Sehnen  oder  „Aponeurosen"  in  eine  Linie  zu  stellen. 

Durch  Sehnen  oder  Fascien  konnen  ferner  Muskeln  in  mehrere 
geteilt,  andererseits  aber  auch  physiologisch  und  morphologisch 
mehrere  Muskeln  zu  einem  vereinigt  werden. 

Eine  allgemeine  Erscheinung  ist  es,  dass  die  Muskelendigung 
von  den  niederen  bis  zu  den  hoheren  Thieren  hin  an  den  Extremi- 
taten proximalwarts  ruckt.  Die  ganzen  Muskeln  oder  doch  das 
eigentliche  Muskelfleisch  zieht  sich  hoher  hinauf,  der  distale  Toil 
wird  zur  Fascie,  die  an  immer  mehr  proximal  gelegencn  Knochen- 
punkten  ihre  Hauptbefestigung  findet.  Die  Sehnen  und  Aponeu- 
rosen  der  Muskeln  werden  so  phylogenetisch  allmahlich  langer  und 
langer,  ein  Vorgang,  der  wol  mit  der  ontogenetischen  ja  vielleicht 
mit  der  mechanischen  Verlangerung  (Dehnuug)  in  Parallele  gesetzt, 
wenn  nicht  durch  letztere  erklart  werden  kann.  Auf  solche  Vor- 
gange  weist  das  verschiedene  Langenverhaltniss  von  Muskelfleisch 
und  Sehne  bei  verschiedenen  Thieren  und  Menschen,  bei  letzterem 
(wol  auch  jenen)  je  nach  Alter  und  Individuum  hin.    Die  Muskeln 


Muskel  und  Fascie.  417 

verkiirzen  sich  soiiiit  iiicht  iiur  physiologisch ,  sondern  auch  ana- 
tomisch  und  zwar  onto-  wie  pbylogenetisch. 

Es  scheint,  als  ob  die  absolute  Korpergrosse  von  Bedeutung 
in  diesem  Vorgange  sei.  Im  Allgemeiuen  kann  man  nemlich  con- 
statiren,  dass  grossere  Thiere  relativ  kiirzere  (bes.  Extremitiiten-) 
Muskeln,  dafiir  liingere  Aponeurosen,  Fascien,  besitzen,  als  kleinere. 
Halt  man  hiermit  zusammen,  dass  die  einzelnc  Species  im  Laufe 
der  phylogenetischen  Entwickelung  regelmassig  an  Korpergrosse 
zuzunehmen  scheint  (vom  Pferde  hat  Marsh  dies  ja  unwiderleg- 
lich  nachgewiesen ;  auch  fur  den  Menschen  ist  es  wol  mit  Sicher- 
heit  anzunehmen),  so  erhalten  wir  eine  interessante  Parallele.  Ftir 
die  Extremitatenmuskeln  kommt  natiirlich  vor  allem  die  Lange  der 
Gliedmassen  und  ihrer  einzelnen  Abschnitte  in  Betracht.  —  Das 
eben  Angedeutete  im  Einzelnen  zu  verfolgen  uud  mit  Tatsachen 
zu  begrtinden,  wiirde  hier  zu  weit  fuhren.  Nur  soil  zum  Schluss 
noch  auf  die  Verhilltnisse  bei  Phoca  hingewiesen  werden,  wo  kurze, 
richtiger  verkiirzte  Extremitaten  und  lange  Muskeln  sich  finden. 
Vielleicht  eroffuet  sich  hier  ein  Verstandniss  fur  die  Beziehungen 
zwischeu  Muskelfleisch  uud  Sehne  oder  Fascie,  sowie  zwischen 
diesen  Gebilden  und  der  Grosse  des  Korpers,  der  Lange  der  Ex- 
tremitaten, also  der  Knocheu. 


27 


Entwurf  eines 
R  a  d  i  0  i  a  r  i  e  n  -  S  y  s  t  e  m  s 

auf  Grund  von  Studien  der 

Challenger-Radiolarien. 

Von 

Ernst  Haeckel. 


Als  ich  vor  fiinf  Jahren  (im  Herbst  1876),  einer  ehrenvollen 
Aufforderung  von  Sir  Wyville  Thomson  folgend,  in  Edinburgh 
die  Bearbeitung  der  „Challenger-Radiolarien"  iibernahm,  er- 
schien  mir  bei  der  ersten  Durchmiisterung  der  von  dieser  denk- 
wurdigen  Reise  mitgebrachten  Schatze  der  Reichthum  an  Radio- 
larien  erstaunlich  gross.  Ich  schatzte  nach  oberflachlicher  Ueber- 
sicht  die  Zahl  der  neuen,  als  „Species"  unterscheidbaren  Formen 
auf  mehr  als  tausend,  und  erkliirte,  dass,  wenn  alle  diese  Arten 
vollstandig  abgebildet  werden  soUten,  dazu  gegen  hundert  Tafeln 
erforderlich  sein  wiirden.  Die  genauere  Untersuchung  jener  wunder- 
baren  Protisteu-Welt  —  hauptsiichlich  aus  den  Tiefen  des  pacifi- 
schen  Oceans  —  hat  mich  jedoch  belehrt,  dass  jene  anscheinend 
hohe  Schiitzung  in  der  That  viel  zu  tief  gegriffen  war.  Schon 
jetzt,  nach  funfjiihrigem  Studium,  bin  ich  im  Stande  gewesen, 
mehr  als  zweitausend  „novae  species"  zu  unterscheiden;  das 
sind  mehr  denn  doppelt  so  viele  Arten,  als  bisher  iiberhaupt  aus 
dieser  formenreichsten,  von  Johannes  Muller  begriindeten  Pro- 
tisten-Klasse  bekannt  waren.  Nach  der  Zusammenstellung,  welche 
ktirzlich  Stohr  in  seiner  fossilen  „Radiolarien-Fauna  der  Tripoli- 
ner  Grotte  in  Sicilien"  gegeben  hat  (Palaeontographica,  1880 
p.  73),  betragt  die  Gesammtzahl  der  bis  jetzt  bekannten  Radio- 
larien-Species  865,  von  denen  460  lebend,  die  ubrigen  fossil  sind; 


Ernst  Haeckel,   Entwurf  oines  Radiolavi en-Systems  etc.        410 

iiidessen  ist  dabei  zu  bemerken,  class  viele  der  hier  anerkannten 
und  mit  gerechncten  von  Eiirenbeeg  aufgestellten  Arten  entweder 
iiur  sehr  unvollkommen  diagnosticirt  oder  uberhaupt  ganz  unhalt- 
bar  sind;  kaum  300  lebendc  und  ungefiihr  eben  so  viele  fossile 
Arten  waren  bisher  kenntlich  beschrieben  und  abgebildet.  Andrer- 
seits  aber  zweiflc  ich  nicht,  dass  ein  Beobachter,  der  weitere  zebn 
Jahre  auf  die  geuaueste  Durchforschung  des  von  mir  untersuchten, 
fast  unergriindlich  reichen  Challenger-Materials  verwenden  wurde, 
die  Zahl  der  neuen ,  darin  befindlichen  Species  ( —  bei  mittlerer 
Ausdehnung  des  Species-Begriffs  — )  wohl  noch  urn  mehr  als  weitere 
tausend  Arten  wiirde  erhohen  konnen,  besonders  jvenn  dabei  alle 
die  kleineren  und  kleinsten  (zum  Theil  sehr  unscheinbaren)  Formen 
genau  unterschieden  wtirden.  Jedenfalls  ubertrifft  die  Gesanimt- 
zahl  der  neuen  lebenden  Radiolarien- Species,  welche  sich  in  den 
Sammlungen  der  Challenger-Expedition  vorfinden,  urn  mehr  als 
das  Dreifache  die  Gesainmtzahl  aller  Arten  dieser  Rhizopoden- 
Klasse,  welche  bisher  lebend  oder  fossil  beobachtet  worden  sind. 
Sowohl  dem  wissenschaftlichen  Director  der  Challenger-Expe- 
dition, Sir  Wyville  Thomson,  als  seinem  ersten  Assistenten,  Mr. 
John  Murray,  bin  ich  fiir  die  grosse  Liberalitiit,  mit  der  mir 
alles  auf  die  Radiolarien  beziigliche  Material  der  Challenger- 
Sammlung  uberlassen  wurde,  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet; 
ebenso  auch  Dr.  Rae  und  Mr.  Piercey  fiir  eine  Anzahl  vorziig- 
licher  Priiparate.  Die  vollstandige  systematische  Beschreibung  der 
neuen  Formen  wird  ira  Laufe  der  nachsten  Jahre  erscheinen,  so- 
bald  die  zugehorigen  Tafeln  (im  Quart-Format  des  Challenger- 
Werks)  alle  lithographirt  und  gedruckt  sind.  Bis  jetzt  sind  deren 
funfzig  fertig.  Dreissig  andere  befinden  sich  in  lithographi- 
scher  Arbeit  und  fiir  vierzig  weitere  Tafeln  liegen  die  Zeich- 
nungen  (sammtlich  mit  der  Camera  lucida  gefertigt)  vollstandig 
vor;  indessen  reicht  diese  grosse  Zahl  immerhin  noch  lange  nicht 
aus,  um  alle  neuen  Arten  vollstandig  abbilden  zu  konnen.  Letz- 
teres  erscheint  zunachst  auch  kaum  erforderlich,  da  das  hohe  nior- 
phologische  luteresse  der  neuen  Formenwelt  nicht  sowohl  in  der 
unendlichen  Variabilitiit  einzelner  Gestalten-Gruppen  besteht,  als 
vielmehr  in  der  vollstiindigen  Reihe  allmahlicher  Uebergangs-For- 
men,  welche  die  divergenten  Typen  zu  phylogenetischen 
Reihen  zu  verkniipfen  gestattet.  Trotz  der  endlosen  Mannich- 
faltigkeit  der  Gestaltung,  welche  die  An  pas  sung  bedingt,  bleibt 
dennoch  die  Einheit  des  „Bauplans",  welche  die  Vererbung 
bewirkt,  auch  hier  iiberall  erkennbar. 


420  Ernst  Haeckel, 

Da  ich  einerseits  gegenwiirtig  mit  den  Vorarbeiten  zu  diesem 
Werke  zu  einem  gewissen  Abschlusse  gekommen  bin,  und  da  ich 
andrerseits  im  Begriffe  steho,  in  wenigen  Tagen  eine  halbjahrige 
wissenschaftliche  Reise  nach  Indien  (hauptsachlich  nach  Ceylon) 
anzutreten,  erscheint  es  niir  zweckmassig,  bier  einen  vorliiufigen 
Ent\Yurf  des  neuen  Radiolarien-Systenis  zu  veroffentlichen,  wie  sich 
dasselbe  durch  den  ungcheuern  Zuwachs  an  neuen  Formen  um- 
gestaltet  bat.  Dabei  babe  icb  die  Familien  und  Genera,  welcbe 
icb  1862  in  nieiner  Monographie  der  Radiolarien  veroffentlicht, 
grosstentheils  beibebalten,  nur  um  Vieles  vermebren  konnen.  Hin- 
gegen  ist  die  Gruppiiung  der  FamiUen  und  ihre  Zusammenstel- 
lung  zu  Ordnungen  wesentlich  verbessert  worden,  wie  ich  theil- 
weise  bereits  in  meinem  „Protistenreich"  (1878)  andeutete.  Die 
Ordnungen,  welcbe  nacbstebend  unterscbieden  wuiden,  sind  haupt- 
sachlich auf  die  trefflicben  Untersucbungen  von  Richard  Hert- 
wiG  gegrundet,  welcber  in  seiner  wicbtigen  Abhandlung  iiber  „den 
Organismus  der  Radiolarien"  (1879)  zuerst  die  Histologic  dieser 
Protisten  vollstandig  aufgcklart  und  ihr  Verbaltniss  zur  gegen- 
wiirtigen,  neuerdings  so  bedeutend  reforniirten  Zellen-Theorie  fest- 
gestellt  bat.  In  den  meisten  Punkten  fiibren  nieine  Untersucbungen 
zu  einer  erfreulicben  Bestiitigung  der  neuen  Anschauungen,  welcbe 
von  Hertwig  auf  ein  verhiiltnissmassig  sebr  beschranktes  Unter- 
suchungs-Material  gegrundet  wurden.  Als  wesentlichstes  Merkmal 
der  Radiolarien-Klasse  —  gegenuber  den  anderen  Rbizopo- 
den  —  bleibt  demnach  die  von  mir  1862  zuerst  unterschiedene 
Centralkapsel  bestehen,  jene  bedeutungsvolle  Zellmembran, 
welcbe  den  centralen  Theil  des  einzelligen  Korpers  von  dem  peri- 
pheriscben  scbeidet.  Innerbalb  der  Centralkapsel  liegt  der  Kern 
der  Zelle  und  entwickeln  sich  die  kleinen,  mit  einer  Geissel  ver- 
sebenen  Schwarmsporen.  Ausserhalb  der  Centralkapsel  liegt  zu- 
niicbst  die  Matrix  der  Pseudopodien  und  darUber  die  voluminose 
Gallerthulle,  durch  welcbe  die  von  der  ersteren  ausstrahlendeu 
Pseudopodien  hindurchtreten. 


Entwurf  eines  Radiolarien-Systems  etc. 


421 


Conspectus  ordinum  Radiolarium  classis. 


I  A.  Capsula 

central!  ubi- 

que  poris 

perforata, 

ab  origine 

sphaerica 

(homaxonia) 

membrana 

capsulae 

simplici; 

[Holo- 
trypasta.] 


IB.  Capsula 
central! 

monaxonia, 
parte  non 
perforata, 
parte  area 

porosa  unica 

vel 

multiplici 

perforata 

[Mero- 
trypasta.] 


1.  Skeleto  deficiente  aut  solum 
spiculis  siliceis  (rare  calca- 
reis)  pluribus  separatis  soli- 
dis  composito,  nucleo  cel- 
lulae  unico. 

2.  Skeleto  reticulato,  testam 
siliceam  clathratam  aut  spon- 
giosam  referente ;  ab  origine 
sphaera  clathrata  centrali ; 
deinde  modo  globoso  modo 
discoideo  aut  irregulari,  nu- 
cleo cellulae  unico. 

3.  Skeleto  spiculis  vel  aculeis 
acanthinicis  (rare  siliceis), 
in  uno  puncto  radiatim  con- 
iunctis  composito,  interdum 
ramis  aculeorum  testam  cla- 
thratam sphaericam  forman- 
tibus,  nucleis  cellulae  plu- 
ribus. 

4.  Skeleto  monaxonio  siliceo 
clathrato  (plerumque  trira- 
diato) ,  membrana  capsulari 
simplici,  area  porosa  unica, 
nucleo  cellulae  unico. 

5.  Skeleto  siliceo  polymorpho, 
plerumque  tubulis  siliceis  in- 
signi;  membrana  capsulari 
duplici,  areis  porosis  pluri- 
bus (una  principal!  et  una 
vel  pluribus  accessoriis),  nu- 
cleo cellulae  unico. 


Ordo  I. 
Collodaria 
(=  ThalassicoUae 
=  Pancolla). 

Ordo  II. 
Peripylaria 

(=  Pen'pylea 
=  Sputnellaria 
=  Sp/iaerellaria). 


Ordo  III. 
Acantharia 
(=  Acantliometrae 
=  Punacantha 
=  Acanthomelrea). 


Ordo  IV. 
Monopylaria 
(=  Monopylea 
=  Nasseltaria 
=  Cyrtellaria). 
Ordo  V. 
Phaeodaria 
(=  Tripyleae 
=  Pausolenia). 


II.  Subciassis:  Polycyttaria 
{Badiolaria  poly 00a). 

!apsulis  centralibus  pluribus, 

in  coenobium  consociatis, 

colla  alveolata  connexis, 

ubique  poris  perforatis, 

nucleis  cellulae  pluribus. 


Skeleto  cujusvis  capsu- 
lae testam  siliceam  cla- 
thratam sub  sphaericam 
formante. 

Skeleto  deficiente  aut 
spiculis  siliceis  pluribus 
separatis  composito. 


Ordo  VI. 
Symbelaria 
=  Collosp/iaeinda. 

Ordo  VIL 
Syncollaria 
=  Sphaerozoida. 


422        Ernst  Haeckel,  Entwurf  eines  Radiolarien-Systems  etc. 

Die  Species  der  Radiolarien,  welche  unter  den  hier  auf- 
gefulirten  630  Genera  unterschieden  werden  kcinnen  und  deren  Zahl 
(niit  Eiiischluss  der  friiher  schon  unterscliiedenen)  Dreitausend 
iiberstcigt,  verlialten  sich  niit  Bezug  auf  ihren  specifischen  Cha- 
rakter  und  ihre  Constanz  ganz  ebenso  wie  die  sogenannten  „Spe- 
cies"  in  den  niederen  und  hoheren  Klassen  des  Thier-  und  Pflanzen- 
Reiclis.  Ein  Theil  derselben  ist  sehr  constant  und  kommt  in 
lauseiidcn  von  Individuen  von  derselben  typischen  Form  vor;  ein 
anderer  Theil  ist  unigekehrt  sehr  variabel  und  zeigt  unter  zahl- 
reichen  Individuen  kaum  zwei  ganz  gleiche  Formen ;  zwischen  die- 
sen  beiden  Extremen  finden  sich  alle  Mittelstufcn  vor.  Hinsicht- 
lich  der  topographischen  Verbreitung  lassen  sich  unter  den 
Radiolarien  im  Allgemeinen  drei  Gruppen  unterscheiden:  A.  pe- 
lagische,  an  der  Oberflache  des  ruhigen  Meeres  schwebende; 
B,  z  on  are,  in  bestimmten  Zonen  der  Meerestiefen  (bis  uber 
20,000  Fuss  hinab)  schwebende,  und  C.  profunde,  auf  dem  Boden 
des  tiefen  Meeres  lebende.  Ini  Allgemeinen  entsprechen  (bis  zu 
27,000  Fuss  hinab)  den  verschiedenen  Tiefen-Zonen  verschiedene 
Form- Charaktere,  nameutlich  in  der  Bildung  des  Kiesel-Skelets; 
die  zierlichsten  und  zartesten  Formen  finden  sich  grosstentheils  an 
der  Meeres -Oberflache;  die  schwerfiilligsten  und  massivsten  um- 
gekehrt  in  den  grossten  Tiefen;  letztere  gleichen  am  meisten  den 
fossilen  Arten  von  Barbados.  Viele  lebende  und  fossile  Arten  sind 
identisch.  Innerhalb  der  einzelnen  Ordnungen  der  Radiolarien- 
Klasse  lassen  sich  die  verwandten  Genera  mit  mehr  oder  minder 
grosser  Wahrscheinlichkeit  phylogcnetisch  von  einer  gemeinsamen 
Stammform  ableiten;  ihr  Verwandtschafts- Verhiiltniss  entspricht 
den  Grundsatzen  der  En twickelungs-Theorie.  — 


Prodiomus  Systematis  Radiolarium. 


Classis :   Radiolaria. 

Rhizopoda  niarina  capsula  centrali  munita  et  sporis  flagellatis  in 
ea  forniatis  propagaiitia.  (Protoplasmate  corporis  unicellularis 
diviso  ill  duas  partes,  interiiam  vel  iiitracapsularem  a  mem- 
brana  cellulae  inclusam  et  iiucleum  continentem,  et  exteriiam 
vel  extracapsularem  ab  involucro  gelatinoso  circuindatam  et 
pseudopodia  iiumerosa  tcnnissima  emittentem), 
(N.B.  Genera  *  uotala  sunt  nova*'') 

I.  Ordo:  Monopylaria. 

{Monopylaria  vel  Monopylea,  Hertwicj,  1879.) 
{Nassellaria ,  inclusis  Spyridinis,  Eiirenberg,  1875.) 

Radiolaria  monocyttaria,  capsula  centrali  solitaria,'monaxonia,  area 
porosa  capsulae  unica,  membrana  capsulae  simplici,  nucleo  unico, 
skeleto  siliceo  extracapsulari  plerunique  testam  clatliratam  ino- 
uaxoniam  formante. 

I.  Familiar    Plectida. 
(=  Plegniidea,  H.  1878,  =  Plagiacantliida),  —   Monopylaria  ske- 
leto siliceo  spinoso,  aut  aculeis  in  centro  conjunctis  composito, 
aut   ramis  aculeorum   vinientum  laxum  (sed   noii   testam  cla- 
thratam)  formante.     Capsula  centrali  extrae  skeleto  adjacenti. 

1.  Subfamilia:    Plagonida. 
Plectida  skeleto  spinoso,  nonnisi  aculeis  siliceis  in  centro  conjunctis 
composito,  quorum  rami  liberi  non  coalescunt  nee  vimenta  for- 
mant.     Capsula  centrali  lateraliter  skeleto  adjacenti. 
la.  Tribus:   Triplagida. 
Skeleto  aculeis  tribus,  simplicibus  aut  ramosis,  ex  uno  puncto  ra- 
diantibus  composito. 

A.  Tribus  aculeis  simplicibus.  1.  Triplagia*. 

B.  Tribus  aculeis  ramosis. 

BI.    ramis  regulariter  in  series  dispositis. 

2.  Plagiacantha. 
BII.  ramis  irregulariter  dispersis.  3.  Plagonium*. 


424  Ernst  Haeckel, 

lb.  Tribus:   Tetraplagida. 
Skeleto  aculeis  quatuor,  simplicibus  aut  ramosis,  e  centre  radian- 
tibus  composito. 

A.  Quatuor  aculeis  simplicibus.  4.  Tetraplagia*. 

B.  Quatuor  aculeis  ramosis. 

BI.    ramis  regulariter  dispositis.  5.  Plagiocarpa*. 

BII.  ramis  irregulariter  dispersis.  6.  Plagonidium*. 

Ic.  Tribus:    Polyplagida. 
Skeleto  aculeis  multis  (quinque  aut  pluribus),  e  centro  radiantibus 
composito. 

A.  aculeis  sex  simplicibus.  7.  Hexaplagia*. 

B.  acul.  sex  ramosis,  ramis  regular,  disp.  8.  Hexaplagidium  *. 

C.  aculeis  novem  simplicibus.  9.  Enneaplagia  *. 

D.  acul.  nov.  ramosis  ramis  irregul.  disp.  10.  Enneplagidium*. 

2.  Subfamilia:   Plectanida. 

Plectida  skeleto  vimiuali,   aculeis  siliceis  ramosis   in   centro  con- 

junctis,  quorum  rami  coalescunt  et  vimenta  laxa  formant. 

2a.  Tribus:   Triplectida. 

Skeleto  viminali,   aculeis  tribus  ramosis  composito,   quorum  rami 

caliti  vimentum  laxum  formant. 

A.  vimento  regulari ,  tribus  aculeis  ordine  dispositis. 

A  I.  Aculeis  tribus  in  aequa  planitie  sitis,  vimento  reti- 
culum planum  formante.  11.  Triplecta*. 

AIL  Aculeis  tribus  costas  pyramidis  triangul.  formantibus, 
cujus  tria  lat.  vimentum  occupat.     12.  Plectanium  *. 

B.  vim.  irreg.,  acul.  tiib.  sine  ord.  disp.     13.  Plectophora *. 

2b.  Tribus:   Tetraplectida. 
Skeleto  viminali,  aculeis  quatuor  ramosis  composito,  quorum  rami 
coaliti  vimentum  laxum  formant: 

A.  vimento  regulari,  latera  pyramidis  triangularis  occupante, 
cujus  tres  costas  tres  aculei  formant,  quarto  aculeo  in  apice 
culminante. 

AI.    vimento  monocyrt.  simil.,  cap.  ap.    14.  Tetraplecta*. 
All.  vimento  dicyrtidi  similis,  utroque  articulo  aperto. 

15.  Amphiplecta*. 

B.  vim.  irreg.,  aculeis  quatuor  sine  ord.  disp.  16.  Pertplecta*. 

2c.  Tribus:   Polyplectida. 
Skeleto  viminali  aculeis  multis  (quinque  aut  pluribus)  ramosis  com- 
posito, quorum  rami  coaliti  vimentum  laxum  formant. 


Eutwurf  eiues  Radiolarien-Systems  u.  s.  w.  425 

A.  aculeis  quinque  ramosis,  e  centro  radiantibus,  quorum  rami 
coaliti  vimentum  irregulare  formant.     17.  Pentaplegma*. 

B.  aculeis  sex  ramosis,   e  centro   radiantibus,  quorum  rami 
coaliti  vimentum  regulare  formant.        18.  Hexaplegma*. 

C.  aculeis  novem,   e  centro  radiantibus,  quorum  rami  coaliti 
vimentum  regulare  formant.  19.  Enneaplegma*. 

D.  aculeis  plurimis  (10  —  20  aut  pluribus)  e  centro  radianti- 
bus, quorum  rami  coaliti  vimentum  irregulare      formant. 

20.  Plegmatium*. 

II.  Familia:    Cyrtida  (B.  1862). 

Monopylaria  testa  silicea  clathrata  monaxonia  aut  triradiata  (Ske- 
leto  a  tribus  aculeis  siliceis  in  centro  conjunctis  derivato,  quo- 
rum rami  testam  regularem  cancellatum  formant;  promorpha 
testae  bilaterali  —  triradiata;  testae  polo  apicali  clauso,  polo 
basali  alias  clauso,  alias  aperto;  testa  modo  siniplici  inarticulata, 
sine  stricturis  (Monocyrtida) ,  modo  stricturis  transversis  in 
articulos  duo  aut  plures  seriem  formantes  divisa  (Polycyrtida) ; 
capsula  centrali  a  testa  involuta. 

Die  Familie  der  Cyrtiden  oder  Cyrtoideen  bildet  die  formen- 
reichste  und  wichtigste  Gruppe  unter  den  Monopylarien.  Sie  ist 
wahrscheinlich  phylogenetisch  von  den  Plectiden  abzuleiten,  welche 
ich  als  die  Stammgruppe  dieser  Ordnung  betrachte.  Indem  die 
3  Stacheln  der  Triplagiden  (oder  die  4  Stacheln  der  Tetraplagiden) 
sich  verasteln  und  die  Aeste  derselben  zu  einem  Netzwerke  sich 
verbinden,  entstehen  die  lockeren  Geflechte  der  Triplectiden  und 
Tetraplectiden.  Diese  gehen  ohne  scharfe  Grenze  in  die  einkam- 
merigen  Gitterschalen  der  Monocyrtiden  iiber,  welche  dem  ersten 
Gliede  oder  dem  „Kopfchen"  der  tibrigen  Cyrtiden  entsprechen. 
Auch  diese  sind  urspriinglich  wohl  alle  dreistrahlig,  indem  drei 
basale  Stacheln  von  der  Schalen-Mlindung  ausgehen,  ein  hinterer 
(caudaler)  und  zwei  vordere  (laterale).  Als  vierter  Stachel  tritt 
dazu  der  nach  oben  gerichtete  capitale.  Dieser  lauft  bald  frei 
durch  die  Axe  des  Schalenraums,  bald  in  dessen  hinterer  Gitter- 
wand  nach  aufwarts.  Er  entspricht  wahrscheinlich  der  hinteren 
Halfte  des  Ringes  der  Spyrideen  und  Stephiden.  Aus  den  drei- 
strahligen  Cyrtiden  sind  die  strahlenlosen  durch  Riickbildung,  die 
vielstrahligen  durch  Vermehrung  der  drei  urspriinglichen  Radien 
abzuleiten. 


426 


Ernst  Haeckel, 


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Dyocyrtida 

articulis  duobus. 

Monocyrtida 

articulo  uno 

Farailiae 

Cyrtidum. 

C.  T.  =  Tabulae 

Challeuger-Rad. 

Conspectus 
5  subfamiliarum 
et  30  tribuum. 

Stichocorida 
c.  Taf.  79,  80. 

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Entwurf  eiuos  Kadiolaricn-Systcius  u.  s.  w.  427 

1.  Subfamilia:   Monocyrtida. 
Cyrtoidea  nionothalamia  vel  unicamera,  sine  strictiiiis, 
la.  Tribus:   Archicorida. 
Monocyrtida  aperta  eradiata. 

A.  Archicorida    limbata   (=    Cyrtocaljnda).      (Archicorida 
margine  ostii  laevi  aut  succiso). 

A  I.    obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.  testa  oviformi,  ostio  coarctato.      21.  Cyrtocalpis. 
lb.  testa  conica,  sensim  versus  ostium  dilatata. 

bf    coni  axi  recta.  22.  Coenutella. 

bft  coni  axi  curvata,  23.  Cornutissa  *. 

Ic.  testa  mitraef.,  subito  dilat.  24.  Mitrocalpis  *. 

All.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 
la.  testa  oviformi,  ostio  coarctato. 

af     spina  capituli  unica.  25.  Archicorys*. 

aff  spinis  capituli  pluribus.       2G.  Archilophus  *. 
lb.  testa  conica,  sens.  vers.  ost.  dil. 

bf      coni  axi  recta.  27.  Cornutanna*. 

bft    coni  axi  curvata.  28.  Cornutosa*. 

bftt  coni  axi  spirali.  29.  Cornutura*. 

B.  Archicorida  coronata  (=  Carpocanida).    (Archicorida 
margine  ostii  dentium  corona  ornato). 

BI.    obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.    testa  oviformi,  ostio  coarctato.    30.  Carpocanium. 
lb.    testa  mitraef.,  ostio  dilatato.     31.  Halicalyptra. 
BII.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

II  a.  spina  capituli  unica.  32.  Acrocalpis*. 

lib.  testa  spinosa,  multis  spinis  obtecta. 

af      spinis  testa  esimplicibus.   33.  Echinocalpis*. 
aft    spinis  ramosis.  34.  Cladocalpis  *. 

affi  spallio  aruchnoideo.        35.  Arac  hnocalpis 
lb.  Tribus:    Archipilida. 
Monocyrtida  aperta  triradiata. 
A.  Archipilida  limbata  (=  Trissopilida).    (Archipilida  mar- 
gine ostii  laevi  aut  succiso). 
A  I.    obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.    tribus  spinis  later,  simplicibus.    36.  Archipilium  * 
lb.    tribus  alls  lateralib.  clathratis.    37.  Pteropilium  * 
AIL  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

II  a.  tribus  spinis  lateralibus.  38.  Trissopilium  *. 

lib.  tribus  costis  longitudinalibus.    39.  Tripleueium*. 


428  Erust  Haeckel, 

B.  Archipilidacoronata  (=  Tripocalpida).  ( Archipilida  mar- 
gine  ostii  dentium  corona  ornato). 

BI.    obtusa  (capit.  laevi,  non  spin.).    40.  Tripterocalpis*. 
BII.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi).    41.  Tripocalpis *. 

C.  Archipilidatripoda  (=  Tripodiscida).  ( Archipilida mar- 
gine  ostii  tribus  appendicibus  ornato). 

BI.    obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.    tribus  pedibus  simplicibus.  42.  Tripodiscus *. 

lb.    tribus  pedibus  ramosis.  43.  Tripodiscium*. 

BII.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

II  a.  tribus  costis  lateralibus  dentatis,  intres  den  tes  ter- 

minales  productis.  44.  Triprionium*. 

lib.  tribus  pedibus  terminalibus  sine  costis  lateralibus 

longitudinalibus. 

of      pedibus  simplicibus.  45.  Tripilidium *. 

eft    pedibus  ramosis.  46.  Tripodocorys *. 

cftt  pedibus  clathratis.  47.  Tridictyopus  *. 

Ic.  Tribus:    Archiphormida. 
Monocyrtida  aperta  multiradiata. 

A.  Archiphormida  limbata  (Acropyramida).  Testa  pyra- 
midal!, versus  ostium  sensim  ampliata,  costis  rectis  quatuor 
aut  pluribus  in  angulis  pyramidis  (poris  cancelli  quadratis  vel 
rectangulis);  margine  ostii  laevi  aut  succiso. 

A  I.    Testa  laevi,  nee  spinosa  nee  spongiosa. 

la.    simplicibus  clathris.  48.  Bathropyramis *. 

lb.    dupplicibus  clathris.  49.  Cinclopyramis *. 

AIL  Testa  spinosa  vel  spongiosa. 

II  a.  testa  spinis  simplicibus  obtecta.  50.  Acropyramis*. 

lib.  testa  spinis  ramosis  obtecta.    51.  Cladopyramis * 

lie.  testae  spinis  in  pallium  arachnoideum  vel  spongio- 
sum unitis.  52.  Peripyramis  *. 

B.  Archiphormida  coronata  (Halipliormida).  Testa  ovi- 
formi,  versus  ostium  sensim  coarctata,  costis  longitudinalibus 
in  spinas  coronae  terrainalis  protractis. 

BI.    obtusa  (capit.  laevi,  non  spinoso).   53.  Archiphormis*. 
BII.  acuata  (cap.  spinoso,  non  laevi).       54.  Haliphormis. 

Id.  Tribus:    Archicapsida. 
Monocyrtida  clausa  eradiata  (Testa  oviformi  vel  subsphaerica). 
A,  Archicapsida  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso) 
testa  laevissima.  55.  Archicapsa*. 


Entwurf  eines  Eadiolarien-Systeras  u.   s.   w.  429 

B.  Arcliicapsida  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

BI.    testa  laevi,  spina  uiiica  capitali.  56.  Halicapsa*. 

BII.  testa  spinosa.  57.  Echinocapsa*. 

le.  Tribus:   Archiperida. 
Monocyrtida  clausa  triradiata. 

A.  Archiperida  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

A  I.    testa  oviformi,  non  compr.,  tripoda.     58.  Archibursa  * 
AIL  testa  bursaeformi,  dorsoventraliter  compressa. 

spinis  tribus  simplicibus.  59.  Platybursa*. 

pedibus  tribus  clathratis.  60.  Clathrobursa*. 

B.  Archiperida  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

BI.    cavo  testae  libero,  sine  axi  centrali  (spina  capituli  cum 

spina   caudali  per  bacillum  conjuncto,    qui  in  pariete 

testae  dorsali  situs  est). 

la.    pedibus  tribus  simplicibus.  61.  Archipera*. 

lb.    pedibus  tribus  ramosis.  62.  Arciiiperidium*. 

Ic.    pedibus  tribus  alatis,  per  alas  tres  clathratas  cum 

spina  apicali  conjunctis.  63.  Pteroperidium ''•'. 

BII.  cavo  testae   cum   axi   centrali  (spina   capitali  infra   in 

bacillum  axialem  prolongate  qui  in  centro  ostii  cum  pe- 
dibus tribus  conjungit). 

II  a.  pedibus  tribus  simplicibus.       64.  Archiscenium  *. 

lib.  pedibus  tribus  ramosis.  65.  Cladoscenium *. 

lie.  pedibus  tribus  alatis,  per  alas  tres  clathratas  cum 
spina  apicali  conjunctis.  66.  Pteroscenium*. 

If.  Tribus:  Archiphatnida. 
Monocyrtida  clausa  multiradiata. 

A.  Archiphatnida  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 
A  I.     corona  spinarum  quatuor. 

la.   spinis  termin.  quatuor  simpl.    67.  Archiphatna *. 
lb.    spinis  termin.  quat.  ramosis.     68.  Cladophatna* 
AIL   corona  spinarum  quinque  aut  plurium. 

II  a.  spinis  coronae  simplicibus.  69.  Coronophatna  *. 
lib.   spinis  coronae  ramosis.      70.  Stephanophatna*. 

B.  Archiphatnida  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 
A  I.     corona  spinorum  quatuor. 

la.  spinis  termin.  quat.  simplic.  71.  Tetrarhabda  *. 
lb.  spinis  term.  quat.  ramos.  72.  Tetracorethra  *. 
Ic.    alls  clathr.  quat.  vertic.         73.  Tetrapteroma *. 


430  Ernst  Haeckel, 

AIL   corona  spinarum  quinque  aut  plurium. 

II a.  spinis  coronae  siraplicibus.        74.  Acrocorona*. 
lib.   spinis  coronae  ramosis.  75.  Cladocorona  *. 

2.  Subfamilia:  Dyocyrtida. 
Cyrtoidea  dithalamia  vel  bicamera,  strictura  transversa  articulum 
testae  primum  (vel  capitale)  a  secundo  (vel  basali)  separante. 
2a.  Tribus:  Sethocorida. 
Dyocyrtida  aperta  eradiata. 
A.  Sethocorida  limbata   =  Lophophaenida.     (Sethocorida 
margine  ostii  laevi  aut  succiso), 
AL     obtusa  (capitulo  laevi,  nou  spinoso). 

la.     secundo  articulo  oviformi,  ostio  coarctato. 

af     primo  articulo  libero.      76.  Dictocephalus. 

aft  primo  art.  incluso.      77.  Cryptocephalus *. 

lb.     secundo  articulo  conico  aut  disciformi,  ostio  di- 

latato.  78.  Platycryphalus  *. 

AIL    acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

II  a.   secundo  articulo  oviformi,  ostio  coarctato. 

af     spina  capituli  unica.  79.  Sethocorys*. 

aft  spinis  capituli  pluribus.    80.  Lophophaena. 
lib.   secundo  articulo  conico,  ostio  nee  coarctato  nee 
dilatato. 

bf     spina  apicali  unica.        81.  Cornutellium  *. 
bff  spinis  capituli  pluribus. 

§L  sec.  articulo  laevi.    82.  Conarachnium  *. 
§  2.  secundo  articulo  spinis  simplicibus  ob- 
tecto.  83.  Phlebarachnium  *. 

§  3.  secundo  articulo  spinis  ramosis  obtecto. 
84.  Cladarachnium*. 
§  4.  secundo  articulo  pallio  arachnoideo  in- 
cluso. 85.  Periarachnium  *• 
lie.    secundo   articulo   disciformi  applanato,  ostio  dila- 
tato. 86.  Sethodiscus  *. 
B.   Sethocorida.  COY oiL&.tsi  (==  Anthoc^rtida).    (Sethocorida 
margine  ostii  dentium  corona  ornato). 
BI.     obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.     secundo  articulo  oviformi,  ostio  coarctato. 

af     primo  articulo  libero.       87.  Dictyoprora *. 
aft  primo  art.  incluso.  88.  Cryptoprora. 

lb.     secundo  articulo  conico  aut  disciformi,  ostio  di- 
latato, 89,  Platysestrum*. 


Eutwurf  eiues  Radiol arien-Systeras  u.  s.  w.  431 

BlI.    acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

II  a.   secundo  artic.  oviformi,  ostio  coarctato. 

af     corona  spinarum  terminali,  in  margine  ostii. 

90.  Antiiocyktis. 
aft  corona  spinarum   subterrainali ,  supra  mar- 
ginem  ostii.  91    Anthocyrtidium  *. 

lib.   secundo  articulo  conico,  ostio  dilatato. 

bf     spina  capit.  unica.     92.  Eucyrtomphalus  *. 
btt  spinis  cap.  pluribus.      93.  Eucecryphalus. 
2b.  Tribus:  Sethopilida. 
Dyocyrtida  aperta  triradiata. 

A.  Sethopilidalimbataf Callimitrida).  (Sethopilida margine 
ostii  laevi  aut  succiso). 

A  I.     secundo  articulo  simpliciter  clathrato. 

I  a.    secundo  articulo  tricostato. 

at     obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

94.  Lamprodiscus. 
aft  acuta  (cap.  sp.,  n.  1.).   95.  Lamprodisculus*. 
lb.    secundo  articulo  trispinoso. 

af     obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

96.   PSILOMELISSA  *. 

aft  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

§  1.  spina  capituli  unica.    97.  LrrnOMELissA. 
§  2.  spinis  cap.  plurib.     98.  Sethomelissa*. 
Ic.     secundo  articulo  tribus  alls  cancellatis. 

99.  Callimitra*. 
AIL   secundo  articulo  trifido  (tribus  aperturis  magnis  inter 
tres  costas  clathratas). 

II  a.   obtusa  (cap.  laevi,  non  spin.).  100.  Sethopilium  *. 
lib.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

bf     sine  pall,  arachnoid.     101.  Clathrocanium. 
bft  cum  pallio  arachnoidea. 

102.  Clathrolychnus  *. 

B.  Sethopilidacoronata  (Lampromitrida).    Sethopilida  m ar- 
gine  ostii  dentium  corona  ornato.  —  omnia  acuta. 

BI.     sec.  articulo  simpliciter  clathrato.     103.  Lampromitra*. 

BII.   secundo  articulo  trifido  (tribus  aperturis  magnis  inter 

tres  costas  clathratas).  104.  Clathrocorona  *. 


432  Erust  Haeckel, 

C.   Setliopilida  tripod  a  (Lychnocanida)  —  omnia  acuta. 
CI.     secundo  articulo  simpliciter  clathrato. 

I  a.     tribus  costis  art.  secundi  in  spinas  terminales  pro- 

ductis. 

af     spina  capituli  unica.       105.  Dictyophimus. 

aft  spin  is  capituli  plurib.  106.  Lampkoteipus*. 
lb.     tribus  pedibus,  sine  costis. 

bf     pedibus  solidis.  107.  Lychnocanium. 

bft  pedib.  basi  clathrat.  108.  Lychnodictyum  *. 
CXI.  secundo  articulo  trifido  (tribus  aperturis  magnis  inter 
tres  costas  clatbratas). 

II  a.  secundo  art.  trispinoso.        109.  Clathromitra*. 
lib.  sec.  art.  tribus  alis  cancell.    110.  Clathrocorys*. 

2c.  Tribus:  Sethophormida. 
Dyocyrtida  aperta  multiradiata. 

A.  Sethophormida  complanata  (testa  plana,  secundo  ar- 
ticulo disciformi  aut  parum  elevato,  radiis  4  aut  pluribus 
fortibus,  valde  divergentibus,  primo  articulo  plerumque  magno 
obtuso). 

A  I.     costis  secundi  articuli  quatuor.     111.  Tetraphormis  *. 
All.    cost.  sec.  art.  quinque.  112.  Pentaphormis *. 

A  III.  cost.  sec.  art.  sex.  113.  Hexaphormis  *. 

A IV.  cost.  sec.  art.  novem.  114.  Enneaphormis  *. 

B.  Sethophormida  elevata  (testa  elevata,  secundo  articulo 
pyramidali,  radiis  4  aut  pluribus  parum  divergentibus,  primo 
articulo  plerumque  parvo  acuminato). 

BI.     secundo  articulo  laevi,  noa  spinoso. 

la.     sec.  art.  simplic.  clathr.    115.  Cephalopyramis *. 
lb.     sec.   art.   dupliciter   clathrato   (reticulis    tenuissi- 
mis  in  cancellis  testae).      116.  Plectopyramis  *. 
BII.    secundo  articulo  spinoso. 

II  a.  spin.  art.  sec.  simplicibus.     117.  Acantmocorys*. 

lib.  spinis  art.  secundi  inter  se  fills  tenuibus  conjun- 

ctis,   pallium  arachuoideum  (etiam  capitulum  in- 

vclvens)  formantibus.  118.  Arachnocorys. 

Bin.  secundo   articulo   alis  cancellatis   quatuor   verticalibus 

cum  primo  conjuncto.  119.  Sethopyramis*. 


Entwurf  eiues  Radiolarieu-Systems  u.   s.   w.  433 

2d.  Tribus:  Sethocapsicla. 
Dyocyrtida  clausa  eradiata. 

A.  Sethocapsidaobtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 
A  I.     capitulo  non  tubuloso. 

la.     capitulo  libero.  120.  Sethocapsa *. 

lb.     capitulo  partim  a  secundo  articulo  involuto. 

121.  Cryptocapsa*. 

AIL  capitulo  tubuloso  (poro  uno  in  tubulum  lateralera  pro- 

ducto).  122.  Dicolocapsa  *. 

B.  Sethocapsida  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 
BI.     spina  capituli  unica. 

la.     capitulo  libero.  123.  Lithopera. 

lb.     capitulo  partim  a  secundo  articulo  involuto. 

124.  Cryptopera*. 
BII.   spinis  capituli  pluribus.  125.  Lopiiocapsa  *. 

2e.  Tribus:  Sethoperida. 
Dyocyrtida  clausa  triradiata. 

A.  Sethoperida  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

A  I.  secundo  articulo  rotundato ,  tribus  spinis  lateralibus 
ornato.  126.  Peromelissa*. 

A II.  secundo  articulo  pyramidato,  tribus  spinis  terminalibus 
armatOo  127.  Micromelissa*. 

B.  Sethoperida  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi). 

BI.  secundo  articulo  rotundato,  tribus  spinis  lateralibus 
ornato. 

la.     spina  capituli  unica.  128.  Sethopera*. 

lb.     spinis  capituli  pluribus.      129.  Sethoperidium *. 

BII.   secundo  articulo  pyramidato,   tribus  appendicibus  ter- 
minalibus armato. 
II  a.   tribus  basis  appendicibus  spinaeformibus. 

130.  Tetraedrina*. 
lib.   trib.  bas.  append,  clathrat.     131.  Sethochytris *. 

2f.  Tribus:  Sethophatnida. 
Dyocyrtida  clausa  multiradiata. 

A.  Sethophatnida  obtusa,  secundo  articulo  rotundato. 
quatuor  spinis  lateralibus.  132.  Sethophatna*. 

B.  Sethophatnida  acuta,  secundo  articulo  pyramidato. 
sex  costis  et  sex  spinis  terminalibus.     133.  Clistopiiatna  *. 

Bd.  XV.  N.  F.  vm,  3.  28 


434  Erust  Haeckel, 

3.  Subfamilia:  Triocyrtida. 

Cyrtoidea  trithalamia  vel  tricamera,  testa  stricturis  duabus  trans- 
versis  in  tres  articulos  divisa. 

3a.  Tribus:  Theocorida. 
Triocyrtida  aperta  eradiata. 

A.  Theocorida  limbata  (LopJwcorida).    margine  ostii  laevi 
aut  succiso. 

A  I.     obtusa  (cap.  laevi,  Dou  spinoso).     134.  Tricolocampe*. 
AIL   acuta  (capit.  spiu.,  iioii  laevi).     135.  Cecrypiialium *. 
II  a.  cum  bacillo  axiali  interno.  136.  Axocorys*. 

lib.  sine  bacillo  axiali  interno. 
bf     tertio  articulo  costato. 

§  cost.  long,  tribus.  137.  Trilampterium*. 
§§  cost,  lougit.  quatuor.  138.  Lampterium*. 
§§§  cost.  long,  multis.  139.  Cycladopiiora*. 
bft  tertio  articulo  non  costato  (sine  costis  lon- 
gitudinalibus). 

§     tertio    articulo    oviformi,    nee    tubiformi 
nee  disciform!. 

§  a.   spina  cap.  unica.    140.  Theocorys  *. 
§b.  spinis  cap.  mult.  141.  Lophocorys*. 
§§  tertio  articulo  aut  tubiformi  aut  discif. 
§§a.  tertio  articulo  coarctato,  in  tubum  ar- 
ctum  longum  producto. 

141.  Theosyringium*. 

§§b.  tertio  artic.  dilatato,  discum  annul. 

formante.  142.  Theocalyptra. 

B.  Theocorida  coronata  (Calocyclida).    margine  ostii  co- 
rona spinarum  terminali  ornato.  —  Omnia  acuta. 

BI.     corona  simplici. 

la.     dentibus  coronae  spinosis.  143.  Calocyclas. 

lb.     dent.  cor.  poris  perforat.     144.  Clathrocyclas *. 
BII.    corona  duplici  aut  multiplici. 

II  a.   duabus  vel  pluribus  coronis  terminalibus. 

145.  Lamprocyclas*. 

II  b.  una  corona  terminali,  altera  aequatoriali  (inter  II. 

ct  III.  articulum).  146.  Diplocyclas  *. 


Entwurf  eines  Kadiolarieu-Systems  u.  s.  w.  435 

3b.  Tribus:  Theopilida. 
Tricystida  aperta  triradiata. 
A.  Theopilida   secundo    articulo   triradiato   (Pteroco- 
rida)  (=  costis  aut  appeudicibus   iiiedii  articuli  tribus  per- 
spicuis). 

A  I.     limbata  (ostia  testae  laevi  aut  succiso). 
la.     secundo  articulo  simpliciter  clathrato. 

af     costis  articuli  secundi  tribus  non  prominen- 
tibus.  147.  Theopilium*. 

aft  costis  articuli  secundi  tribus  in  spinas  pro- 
ductis.  148.  Ptkrocorys*. 

aftt  costis   articuli   secundi  tribus  in  alas   cla- 
tliratas  productis. 
§     tribus  alls  non  in  capitulum  productis. 

149.   DiGTYOCERAS. 

§§  tribus  alls  in  capitulum  productis. 

150.  Ptekopilium  *. 

I  b.    secundo  articulo  tribus  aperturis  raagnis  inter  tres 

costas  clathratas. 

bf     sine  pallio  testae  arachnoideo. 

151.  Clathropilium  *. 
bft  testa  pallio  arachnoideo  involuta. 

152.  Arachnopilium*. 
AIL    coronata  (ostio  testae  corona  spinarum  terminali  or- 

nata). 

II  a.  spinis  tribus  articuli  secundi  et  dentibus  coronae 

simplicibus.  153.  Pterocodon. 

lib.  alls  tribus   articuli  secundi   et  dentibus  coronae 

clathratis.  154.  Dictyocodon  *. 

AXIL  trip 0 da  (ostio  testae  tribus  appendicibus  aut  pedibus 

ornato). 

III  a.  spinis  terminalibus  tribus  simplicibus. 

155.  Theopodium*. 
Illb.  alls  terminalibus  tribus  clathratis. 

156.   DiCTYOPODlUM  *. 

B.  Theopilida  tertio  articulo  triradiato  (Podocyrtida) 
=  costis  aut  appendicibus  tribus  solo  in  tertio,  sed  non  in 
secundo  articulo  perspicuis. 


28* 


430  Ernst  Haeckel, 

BI.    trip 0 da  (ostia  testae  tribus  appendicibus  ornato). 

la.     tribus  appendicibus  ostii  spinosis,  uon  clathratis. 
af    tertio  articulo  non  tricostato. 

§      pedibus  simplicibus.      157.  Podocyrtis. 
§§     pedibus  ramosis.       158.  Tiiyhsocyrtis. 
aft  tertio  artic.  tricostato.      159.  Pterocanium. 
lb.     tribus  appendicibus  ostii  clathratis. 

bf     tert.  art.  non  tricost.     160.  Sestropodium  *. 
bft  tert.  art.  tricostato.      161.  Pleuropodium  *. 
BIX.    coronata    (ostio   testae    corona    spinarum    terrainali 
ornato). 

tertio  articulo  tricostato.  162.  Pleurocorys*. 

3c.  Tribus:  Theophormida. 
Tricyrtida  aperta  multiradiata. 

A.  Theophormida  quadriradiata. 

A  I.     secundo  articulo  quatuor  radiis.     163.  Theophormis*. 
AIL  tertio  articulo  quatuor  radiis. 

II  a.   radiis  non  prominentibus.        164.  Theocanium*. 

lib.   radiis  in  pedes  prolongat.     165.  Tetralacorys *. 

B.  Theophormida  quinqueradiata:  tertio  articulo  appen- 
dicibus qniuque  radiosis.  166.  Pentalacorys  *. 

C.  Theophormida  sexradiata:  tertio  articulo  appendicibus 
sex  radiosis.  167.  Hexalacorys  *. 

3d.  Tribus:   Theocapsida. 
Tricyrtida  clausa  eradiata. 

A.  Theocapsida  obtusa  (sine  spina  apicali). 

A  I.    capitulo  non  tubuloso.  168.  Theocapsa*. 

AIL  cap.  tub.  (por. uno  in  tub.  lat.  prod.).  169.  Tkicolocapsa*. 

B.  Theocapsida  acuta  (cum  spina  apicali). 

BI.    testa  laevi.  170.  Tricolopera *. 

BII.  testa  spinosa.  171.  Lophopera*. 

3e.  Tribus:    T  he  o  peri  da. 
Tricyrtida  clausa  triradiata. 
A.  Theoperida  secundo  articulo   triradiato  (Litliorni- 
thida). 
A  I.    tribus  appendicibus  in  secundo  articulo  solo. 

la.    appendicibus  simplic.  spin.      172.  Lithornithium. 

lb.    appendicibus  clathratis.       173.  Sestrornithium  *. 

AIL  trib.  append,  a  sec.  art.  in  tert.  prod.     174.  Theopera*. 


Entwurf  eiiies  Eadiolarien-Systems  u.  s.  w.  437 

B.  Theoperida  tertioartic.  triradiato  (Bhopalocanida). 

BL    appendicibiis  teitii  artic.  later,  spinosis  (non  clathratis). 

la.    cono  basali  obtuso.  175.  Rhopalocanium *. 

lb.    cono  bas.  acuminato.  176.  Rhopalatractus*. 

BII.  appendicibus  tertii  articuli  clathratis. 

11  a.  appendicibus  lateralibus.       177.  Dictyatkactus*. 
lib.  appendicibus  terminalibus.      178.  Lithochytris *. 

3f.  Tribus:    The'ophatnida. 
Tricyrtida  clausa  multiradiata. 

A.  appendic.  lateralibus  tertii  articuli  sex.     179.  Theophaena*. 

B.  appendic.  lateralibus  tertii  artic.  novem.     180.  Theophatna*. 

4.  Subfamilia:    Tetracyrtida. 

Cyrtoidea  tetrathalamia   vel  quadricamera,  testa  stricturis  tribus 
transversis  in  quatuor  articulos  divisa. 

4a.  Tribus:  Artocorida. 
Tetracyrtida  aperta  eradiata. 

A.  Artocorida  limbata  (ostio  laevi  aut  succiso). 
A  I.    obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso). 

la.    capitulo  non  tubuloso.  181.  Lithocampium*. 

lb.    capitulo  tubuloso.  182.  Siphocampium *. 

AIL  acuta  (capitulo  spinoso  non  laevi). 

II  a.  quarto  articulo  in  tubulum  non  producto. 

af     testa  laevi.  183.  Eucyrtidium  *. 

aft  testa  spinosa.  184.  Acantiiocyrtis  *. 

lib.  quarto  artic.  in  tub.  long.  prod.   185.  Eusyringium*. 

B.  Artocorida  coronata  (ostio  dentium  corona  oruato). 
BL    testa  laevi.  186.  Anthocorys*. 
BII.  testa  spinosa.  187.  Artocorys*. 

4b.  Tribus:   Artopilida. 
Tetracyrtida  aperta  triradiata. 

A.  Artopilida  alata  (appendicibus  tribus  lateralibus). 

A  I.    costis  tribus  spinosis  lateralibus.        188.  Triacartus*. 
AIL  alis  tribus  clathratis  later.  189.  Trictenartus* 

ostii  limbo  succiso  aut  laevi.     190.  Pterocorythium*. 

ostii  limbo  spin,  sex  clathr.  ornato.    191.  Artopilium *. 

B.  Artopilida  pedata  (appendicibus  tribus  terminalibus). 
BL    pedibus  trib.  spinosis,  non  clathratis.    192.  Acotripus*. 
BII.  pedibus  tribus  clathratis.  193.  Plectotripus * 


438  Ernst  Haeckel, 

4c.  Tribus:   Artophormida. 

Tetracyrtida  aperta  multiradiata. 

costis  lateral,  sex  spinosis.  194,  Artophormis*. 

4d.  Tribus:   Artocapsida. 

Tetracyrtida  clausa  eradiata. 

A.  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso).  195.  Tetracapsa*. 

B.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi).  196.  Artocapsa*. 

4e.  Tribus:   Artoperida. 
Tetracyrtida  clausa  triradiata. 

A.  spinis  tribus  lateralibus.  197.  Tetrapera*. 

B.  costis  tribus  lateralibus  clathratis.  198.  Artopera*. 

4f.  Tribus:  Artophatnida. 
Tetracyrtida  clausa  multiradiata. 
spinis  sex  lateralibus  radian tibus.  199.  Artophatna*. 

5.  Subfamilia:    Stichocyrtida. 

Cyrtoidea  polythalamia   vel  multicamera,  testa  stricturis  quatuor 
aut  pluribus  transversis  in  articulos  quinque  aut  plures  divisa. 
5a.  Tribus:  Stichocorida. 
Stichocyrtida  aperta  eradiata. 

A.  Stichocorida  limbata  (ostio  laevi  aut  succiso). 
A  I.    obtusa  (capitulo  laevi  non  spinoso). 

la.    stricturis  omnibus  separatis  annuliformibus. 

at    capitulo  non  tubuloso.  200.  Lithocampe. 

aft  capitulo  tubuloso  (poro  uno  in  tubulum  late- 

ralem  producto).  201.  Siphocampe*. 

lb.    stricturis  partim  contiguis,  in  liueam  spiralem  con- 

tinuam  productis.  202.  Spirocampe*. 

All.  acuta  (capitulo  spinoso  non  laevi). 

II  a.  stricturis  omnibus  separatis  annuliformibus. 

af    testa  laevi.  203.  Eucyrtis*. 

aft  testa  spinosa.  204.  Stichocyrtis*. 

lib.  stricturis  partim  contiguis,  in  lineam  spiralem  con- 

tinuam  productis.  205.  Spirocyrtis*. 

B.  Stichocorida  coronata  (ostio  dcntium  corona  ornato). 
BI.  obtusa  (capit.  laevi  non  spinoso).  206.  Cyrtocoris*. 
B II.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi).  207.  Stichocorys  *. 


Eutwurf  eiues  Radiolarien- Systems  u.  s.  w.  439 

5b.  Tribus:   Stichopilida. 
Stichocyrtida  aperta  triradiata. 

A.  Stichopilida  alata  (appeiidicibus  tribus  lateralibus). 
A  I.    alis  tribus  spinosis,  iion  clathratis. 

la.    0 b t u s a  (cap. laevi,  non  spin.).   208.  Stichocampe *. 
lb.    acuta  (cap.  spin,  non  laevi).    209.  Stichopilium*. 
All.  alis  tribus  lateralibus  clathratis. 

II  a.  simpliciter  clathrata.         210.  Stichopterygium  *. 

lib.  clathris  trifidis  (tribus  aperturis  magnis  inter  tres 

alas  clathratas).  211.  Clathropyrgus  *. 

B.  Stichopilida  pedata  (appendicibus  tribus  terminalibus). 
Bl.  pedibus  tribus  spinosis.  212.  Podocampe  *. 
Bll.  pedibus  tribus  clathratis.                213.  Stichopodium *. 

5c.  Tribus:  Stichophormida. 

Stichocyrtida  aperta  multiradiata.  —  sex  costis  lateralibus  in  sex 

pedes  clathratos  productis.  214.  Sticiiophormis  *. 

5d.  Tribus:   Stichocapsida. 

Stichocyrtida  clausa  eradiata. 

A.  obtusa  (capitulo  laevi,  non  spinoso).      215.  Stichocapsa *. 

B.  acuta  (capitulo  spinoso,  non  laevi).  216.  Cyrtocapsa*. 

5e.  Tribus:   Stichoperida. 
Stichocyrtida  clausa  triradiata. 

A.  spinis  tribus  lateralibus.  217.  Stichopera*. 

B.  costis  tribus  lateralibus  clathratis.  218.  Cyrtopera*. 

5f.  Tribus:   Stichophatnida. 
Stichocyrt.  clausa  mult,  sex  costis  lat.  spin.     219.  Stichopiiatna*. 

III.  Familia:  Botrida. 
(Botryoidea  =  Polycyrtida,  H.  18G2.)  Monopylaria  irregularia, 
testa  silicea  clathrata  pluribus  cameris  sine  ordine  certo  agglo- 
meratis  composita.  ( —  Proniorpha  asymmetrica.  Derivanda  a 
Monocyrtidibus?  Aut  partim  a  Spyridibus?  Capitulo  vel  prime 
articulo  testae  subsphaerico  duo  aut  pluria  altera  articula  an- 
nexa  sunt,  non  seriem  simplicem  formantibus  ut  in  Cyrtidibus. 
Stricturae  testae,  articulos  separantes,  partim  longitudinales,  par- 
tim (pleraeque)  obliquae.  Forma,  amplitudo  et  appositio  arti- 
culorum  plerumque  ita  irregulares,  ut  legem  formationis  certam 
cognoscere  non  liceant.  Ostio  articuli  postremi  (et  recentissimi) 
alias  aperto  simplici,  alias  clauso  clathrato.  Ex  uno  vel  e  duo- 
bus  (raro  pluribus)  articulis  saope  tnbuli  porosi  vel  clatlirati 
exeunt  caminis  instar.     Capsula  ceutrali  a  testa  inclusa. 


440  Ernst  Haeckel, 

1.  Subfamilia:   Pylobotrida. 

Botrida  aperta,  ostio  testae  (vel  apertura  articuli  terminalis)  sim- 
plici  amplo,  non  clathrato. 

A.  Testa  tubulis  porosis  carente. 

A  I.    testae  laevi  iion  spinosa.  220.  Botryocyrtis. 

All.  testa  spinis  armata. 

II  a.  spina  una  capituli.  221.  Acrobotrys*. 

lib.  spinis  pluribus.  222.  Botryacantha *. 

B.  Testa  tubulis  porosis  instructa  (laevi). 

BI.    tubulo  uno.  223.  Botryopyle*. 

BII.  tubulis  duobus.  224.  Pylobotrys*. 

2.  Subfamilia:   Cannobotrida. 
Botrida  clausa,  ostio  testae  (vel  apertura  articuli  terminalis)  cla- 
thrato. 

A.  Testa  tubulis  porosis  carente. 

A  I.    testa  laevi,  non  spinosa.  225.  Lithobotrys. 

All.  testa  spinis  armata. 

II  a.  spina  una  capituli.  226.  Botryocampe. 

lib.  spinis  duobus.  227.  Spyridobotrys*. 

lie.  spinis  pluribus.  228.  Echinobotrys*. 

B.  Testa  tubulis  porosis  instructa  (laevi), 

BI.      tubulo  uno.  229.  Botryocanna *. 

BII.    tubulis  duobus.  230.  Cannobotrys *. 

Bin,  tubulis  tribus.  231.  Phormobotrys*. 

IV,  Familia:    Spyrida. 

{=  Spyroidea,  Hkl.;  =  Spyridina,  Ehrenberg,  1847; 

Zygocyrtida,  Hkl.,  1862). 

Monopylaria  gemina,  testa  silicea  clathrata  gemina,  cameris  binis 
juxta  compositis,  annulo  verticali  sagittali  contiguis;  capsula 
centrali  a  testa  inclusa.  ( —  Promorpha  dipleura  vel  bilateral!, 
dextro  et  sinistro  antimero  symmetricis,  piano  sagittali  annu- 
loque  separatis.  Polum  superiorem  axis  verticalis  vel  princi- 
palis plerumque  spina  apicalis  (vel  occipitalis)  occupat,  polum 
inferiorem  ostium  clathratum  (poris  tribus  aut  quatuor  aut  pluri- 
bus) et  spina  caudalis  (posterior).  Ad  dextram  et  sinistram 
duae  spinae  laterales  distant.  Ab  hac  forma  tripoda  (Mono- 
cyrtida  triradiata  acuta  cum  animlo  mediano)  diversae  Spyridum 
formae  derivaudae  sunt. 


Entwurf  eines  Kadiolarien-Systeras  u.  s.  w.  441 

1.  Subfamilia:   Triospyrida. 

Spyrida  tripoda,  pedibus  basalibus  tribus,  (uno  caudali  posteriori, 
altero  dextro,  altero  sinistro). 

la.  Tribus:   Acrospyrida. 
Triospyrida  acuta,  cum  spiua  apicali  (vel  occipitali). 

A.  spina  apicali  simplici  libera. 

A  I.    pedibus  tribus  simplicibus.  232.  Tripodospyris*. 

AIL  pedibus  tribus  ramosis.  233.  Acrospyris*. 

B.  spina  apicali  ramosa,  ramis  confluentibus  cupulara  clathratam 
formantibus. 

BI.    pedibus  tribus  simplicibus.  234.  Tholospyris  *. 
BII.  pedibus  tribus  ramosis. 

II  a.  ramis  pedum  liberis.  235.  Cladospyris  *. 

lib.  ramis  ped.  al.  clathr.  form.  236.  Lamprospyris*. 

C.  spina  apicali  triplici  (media  occipitali,  duabus  parietalibus). 
CI.  pedibus  tribus  simplicibus.  237.  Triospyris *. 
CII.  pedibus  tribus  ramosis.  238.  Triceraspyris  *. 

lb.  Tribus:    Cephalospyrida. 
Triospyrida  obtusa,  sine  spina  apicali. 

A.  pedibus  tribus  simplicibus.  239.  Tristylospyris  *. 

B.  pedibus  tribus  ramosis.  240.  Cephalospyris  *. 

2.  Subfamilia:    Dyospyrida. 

Spyrida  dipoda,  pedibus  basalibus  duobus,   altero  dextro,  altero 
sinistro  (pede  caudali  perdito). 

2a.  Tribus:   Dipodospy rida. 
Dyospyrida  acuta,  cum  spina  apicali  (simplici,  occipitali). 

A.  pedibus  duobus  liberis,  non  unitis. 

A  I.     pedibus  laevibus  simplicibus.  241.  Dipodospyris*. 

All.    pedibus  spinarum  serie  obsitis.     242.  Dorcadospyris*. 
AIII.  pedibus  ramosis  aut  dichotomis.     243.  Dendrospyris*. 

B.  pedibus  duobus  curvatis  in  annulum  coalitis. 

BI.     pedibus  laevibus  simplicibus.  244.  Gamospyris* 

BII.    pedib.  spinarum  serie  obsitis.    245.  Stephanospyris *. 

2b.  Tribus:   Brachiospyrida. 
Dyospyrida  obtusa,  sine  spina  capitali. 

A.  pedibus  duobus  simplicibus  laevibus.  246.  Dyospyris*. 

B.  pedibus  duobus  ramosis.  247.  Brachiospyris  *. 


442  Ernst  Haeckul, 

3.  Subfamilia:  Tetraspyrida. 

Spyrida  tetrapoda,  pedibus  basalibus  liberis  quatuor  (duobus  dor- 
salibus,  duobus  ventralibus),  pede  caudali  perdito. 

3a.  Tribus:  Taurospyrida. 
Tetraspyrida  acuta,  cum  spina  apicali. 

A.  spina  apicali  simplici  (occipitali),  pedibus  simplicibus. 

248.  Tetraspyris*. 

B.  spinis  apicalibus   tribus   (media  occipitali,   duabus  parieta- 
libus). 

BI.    pedibus  simplicibus.  249.  Giraffospyris  *. 

BII.  pedibus  ramosis.  250.  Elaphospyris  *. 

C.  spinis  apicalibus  duabus  parietalibus  (media  occipitali  per- 
dita)  pedibus  simplicibus.  251.  Taurospyris  *. 

3b.  Tribus:  Therospyrida. 
Tetraspyrida  obtusa,  sine  spina  apicali. 

A.  pedibus  quatuor  simplicibus,  252.  Therospyrts*. 

B.  pedibus  quatuor  ramosis.  253.  Tessarospyris  *. 

4.  Subfamilia:  Pentaspyrida. 

Spyrida  pentapoda,  pedibus  basalibus  liberis  quinque  (medio  cau- 
dali, duobus  posticis,  duobus  anticis). 

4a.  Tribus:  Aegospyrida. 
Pentaspyrida  acuta,  cum  spina  apicali  (pedibus  simplicibus). 

A.  spina  apicali  simplici  (occipitali),         254,  Clathrospyris  *. 

B.  spinis  apicalibus  tribus  (media  occipitali,  duabus  parietalibus). 

255,  Aegospyris*. 

C.  spinis  apicalibus  quinque  (media  occipitali,  duabus  parieta- 
libus, duabus  temporalibus),  256.  Pentaspyris  *. 

4b.  Tribus:  Phormospyrida. 
Pentaspyrida  obtusa,  sine  spina  apicali  (pedibus  simplicibus). 

257,  Phormospykis*. 

5,  Subfamilia:  Polyspyrida. 

Spyrida  coronata  vel  polypoda,  corona  basali  pedum  liberorum  mul- 
torum  (sex  aut  plurium)  ornata. 


Entwurf  eiues  Eadiolarien-Systeras  u.   s.  w.  443 

5a.  Tribus:  Petalospyrida. 
Polyspyrida  acuta  (cum  spina  apicali). 

A.  spina  apicali  simplici  (occipitali). 

AL      pedibus  simplicibus  laevibus.  258.  Petalospyris. 

AIL   pedibus  ramosis  aut  spinosis.        259.  Sepalospyhis*. 
A  III.  pedibus  basi  membrana  clathrata  junctis. 

260.  Patagospyris  *. 

B.  spinis  apicalibus  tribus  (media  occipitali,  duabus  parietalibus). 
BI.  pedibus  simplicibus.  261.  Anthospyris  *. 
BII.  pedibus  ramosis.  262.  Liriospyris*. 
B  III.  pedibus  basi  membrana  clathrata  junctis. 

263.   RlIODOSPYRIS  *. 

C.  spinis  apicalibus  duabus  parietalibus  (media  occipitali  per- 
dita)  pedibus  simplicibus.  264.  Corythospyris*. 

D.  spinis  apicalibus  multis  (quatuor  aut  pluribus). 

DI.     pedibus  simplicibus.  265.  Ceratospyris. 

DII.   pedibus  ramosis. 

II  a.   ramis  liberis.  266.  Lophospyris  ". 

lib.   ramis  confluentibus.  267.  Polyspyris*. 

E.  spinis  apicalibus  ramosis,  ramis  confluentibus  cupolam  cla- 
thratam  formantibus,  pedibus  multis  simplicibus. 

268.  Tiarospyris  *. 

5b.  Tribus:  Gorgospyrida. 
Polyspyrida  obtusa  (sine  spina  apicali). 

A.  pedibus  simplicibus  laevibus.  269.  Gorgospyrts *. 

B.  pedibus  ramosis.  270.  Thamnospyris  *. 

C.  pedibus  basi  membrana  clathr.  junctis.    271.  De8mospyris  *. 

6.  Subfamilia:  Perispyrida. 

Spyrida  iuvoluta,  tam  pedibus  basalibus  quam  spinis  apicalibus 
ramosis,  ramis  confluentibus  testam  clathratam  formantibus, 
quae  pedes  et  spinas  ipsos  involvit  (pedibus  liberis  nullis). 

6a.  Tribus:  Circospyrida. 
Perispyrida  triarticulata ,  articulo  superiori  cupolam  forraante,  ar- 
ticulo  medio  annulum  involvente,   articulo   inferior!  cauistrum 
basale  formante. 
A.  clathris  testae  continuis. 

A  I.     clathris  simplicibus  (sine  pallio  externo). 

272.  Tricolospyris*. 


444  Ernst  Hacckel, 

AIL   clathris  duplicibus    (pallio   spongioso    aut   arachnoideo 
extra  involuto.  273.  Perispyris*. 

B.   clathris  testae  aperturis  hiantibus  interruptis,  margine  late- 
ral! solo  continuis. 

BL     clathrorum  arcadibus  polychotom.     274.  Amphispyris*. 
BIL    clathrorum  arcadibus  dicliotomis.      275.  Cirgospyris*. 

6b.  Tribus.     Paradictyida. 
Perispyrida  reniformia,   testa  applanata  reniformi,  iucisura  basali 
profunda,  infra  annulum  medium. 

A.  testae  reniformis  margine  clathrato  attenuate. 

276.  Nephrodictyum  *. 

B.  testae  reniformis  margine  clathrato  inflato, 

277.  Paradictyum  *. 

7.  Subfamilia:  Pleurospyrida. 

Spyrida  apoda  laevia,  tam  pedibus  basalibus,  quam  spinis  apica- 
libus  carentia  (omnibus  processibus  testae  clathratae  geminae 
reductis  et  perditis). 

testae  superficie  aspera.  278.  Pleurospyris, 

testae  superficie  laevissima.  279.  Dictyospyris. 


V.  Familia:  Step  hid  a. 

Monopylaria  cricoidea,  skeleto  siliceo  annuloso,  aut  annulum  sim- 
plicem  formante,  aut  pluribus  annulis  conjunctis  composita 
quorum  rami  interdum  coalescunt  et  vimentum  laxum  (sed  non 
testam  clathratam)  forraant;  capsula  centrali  ab  annulo  circum- 
data.  —  (Annulus  Stephidum  primarius  vel  princeps  planum 
sagittale  corporis  determinat  et  annulo  mediano  Spyridum  ho- 
mologus  est ;  inde  axis  corporis  principalis  in  piano  annuli  ver- 
ticali  situs  est,  superiori  polo  apicali,  inferiori  basali.  Pro- 
morphe  annuli  et  skeleti  ab  eo  formati  semper  dipleura  vel  bi- 
lateralis.  Annuli  secundarii  vel  accessorii  ambo  latera  (dex- 
trum  et  simistrum)  testae  dipleurae  occupant.  Area  porosa  cap- 
sulae  centralis  (quam  annulus  mediam  amplectitur)  polo  annuli 
basali  adjacet).  —  Formae  cricoideae  Stephidum  diversae  ab 
annulo  siliceo  simplici  derivanda  et  Spyridum  Familia  ab  ea 
Stephidum  progenita  esse  videntur;  sed  re  vera  potius  Spy- 
rida a  Cyrtidibus  et  Stephida  a  Spyridibus   derivanda   sunt, 


Entwurf  eiues  Radiolurien-Systems  u.  s.  w.  445 

metamorphosi  skeleti  silicei  retrograda.  Aimulus  Monostephi 
et  Litliocirci  simplex  uon  principium,  sed  finis  seriei  Mouopy- 
larium  a  Plectidibus  orientis. 

1.  Subfamilia:  Triostephida. 

Stephida  triannularia,  skeleto  aunulis  tribus  coraposito,  qui  iu  tri- 
bus  plauis  iuvicem  perpendicularibus  jacent.  (Annulo  primario 
sagittali,  planum  corporis  medianum  occupante,  verticali;  an- 
nulo secundario  laterali,  planum  corporis  dextro-sinistrum  occu- 
pante, verticali;  annulo  tertiario  basali,  planum  oralem  occu- 
pante, horizontali.  Area  porosa  capsulae  centralis  in  piano 
orali  sita  est. 

la.  Tribus:  Eucoronida. 
Annulis  sagittali  et  basali   completo,  laterali  incompleto   (Annuli 
primarii   pars   basalis  lumen   annuli  tertiarii  in  duo  luminella 
vel  aperturas  laterales,  dextram  et  sinistram  dividit). 

A.  annulis  laevibus  simplicibus.  280.  Eucokonis*. 

B.  annulis  spinosis. 

BI.     spinis  simplicibus.  281.  Acrocoronis*. 

BII.    spinis  ramosis.  282.  Lithocoronis  *. 

C.  annulis  spinosis  ramosis,  ramorum  junctione  vimenta  laxa 
formantibus. 

CI.     annulo  basali  apode.  283.  Plectocoronis *. 

CII.    annulo  basali  pedato. 

II  a.  tripoda  (pede  medio  caudali,  duobus  lateralibus). 

284.  Tripocoronis  *. 
lib.  dipoda  (pedibus  duobus  lateralibus). 

285.  DiPOcoRONis  *. 
lie.   tetrapoda   (pedibus   quatuor,   duobus  lateralibus, 
uno  caudali,  uno  veutrali.     286.  Tetracoronis*. 
lid.  polypoda  (pedibus  5  aut  pluribus). 

287.  PODOCORONIS*. 

lb.  Tribus:   Acantliodesmida. 
Aunulis  sagittali  et  laterali  incompleto,   basali  completo  (Annuli 
primarii  parte   basali   perdito   lumen  annuli   tertiarii   simplex 
restat). 

A.  annulis  laevibus.  288.  Triostephus  *. 

B.  annulis  spinosis. 

BI.    spinis  simplicibus.  289.  Acanthodesmia. 

BII.  spinis  ramosis.  290.  Tristephaniscus*. 


446  Ernst  Hacckol, 

Ic.  Tribiis:   Trissocy clida. 
Anmilis  tribus  completis,  inviccm  bipartitis. 

A.  annulis  laevibus.  291.  Telssooyclus  *. 

B.  annulis  spinosis. 

BL    spinis  simplicibus.  292.  Twssocmcus*. 

BII.  spinis  ramosis.  293.  Trissocircus*. 

C.  annulis  spinosis  ramosis,  ramorum  junctione  vimenta  laxa  for- 
mantibus.  294.  Tricyclidium  *. 

2.  Subfamilia:    Dyostephida. 

Stephida  biannualaria,  skeleto   annulis  duobus  composito,  qui  in 
duobus  planis  invicem  perpendicularibus  jacent. 
2a.  Tribus:   Zygostephanida. 
anibobus  annulis  verticalibus  (altero  sagittali,  altero  laterali). 

A.  annulis  laevibus.  295.  Zygostephus  *. 

B.  annulis  spinosis. 

BI.    spinis  simplicibus.  296.  Zygostephanus. 

BII.  spinis  ramosis.  297.  Zygostephaniscus *. 

2b.  Tribus:   Dyostephanida. 
altero  annulo  fsagittali)  verticali,  altero  (basali)  horizontali. 

A.  annul,  laevibus.  298.  Dyostephus*. 

B.  annulis  spinosis. 

BI.    spinis  simplicibus.  299.  Dyostepiianus*. 

BII.  spinis  ramosis.  300.  Dyostephaniscus*. 

3.  Subfamilia:    Parastephida. 

Stephida  biannularia,   skeleto  annulis  duobus  composito,   qui   in 
duobus  planis  parallelis  jacent  (annulis  per  bacillos  parallelos 
conjunctis,   qui  cum  annulis  ambobus  perpendiculum  formant). 
3a.  Tribus:   Parastephanida. 
Lumine  annulorum  ambo  parallelorum  simplici  (non  clathrato). 

A.  Ambobus  annulis  parallelis  non  nisi  per  duos  bacillos  oppo- 
sitos  parallelos  conjunctis. 

A  I.    annulis  laevibus.  301.  Parastephus  *. 

AIL  annulis  spinosis.  302.  Parastephanus *. 

B.  Ambobus  annulis  per  tres  bacillos  aequidistantes  conjunctis. 
BI.  annulis  laevibus.  303.  Prismatidium *. 
BII.  annulis  spinosis.  304.  Prismatium. 


Entwurf  eiucs  Kadiolarieu-Systems  u.  s.  w.  447 

C.  Ambobus  annulis  per  quatuor  bacillos  aequidistantes  conjimctis. 
CI.  annulis  laevibus.  305.  Lithocubus*. 
CII.  annulis  spinosis. 

II  a.  spinis  simplicibus.  306.  Acrocubus*. 

lib.  spinis  ramosis.  307.  Microcubus*. 

D.  Ambobus  annulis  per  multos  (quinque  aut  plures)  bacillos 
parallelos  conjunctis. 

DI.  annulis  laevibus.  308.  Protympanium  *. 
DII.  annulis  spinosis. 

II  a.  spinis  simplicibus.  309.  Tympanium*. 

lib.  spinis  ramosis.  310.  Eutympanium *. 

3b.  Tribus:    Paraty mpanida. 
Lumine  annulorum  anibo  parallelorum  clathrato. 
clathris  laevibus.  311.  Paratympanium  *. 

clathris  spinosis.  312.  Lithotympanium  *. 

4.  Subfamilia:   Monostephida. 

Stephida  uniannularia ,   skeleto  uuum   annulum   simplicem  (verti- 
calem,  sagittalem)  formante. 

A.  annuloso  spinoso. 

A  I.  spinis  simplicibus.  313.  Lithocircus. 
AIL  spinis  ramosis. 

II  a.  ramis  liberis.  314.  Dendrocircus  *. 

lib.  ramis  comm.  viment.  form.     315.  Clathrocircus *. 

lie.  ramis  communicantibus  sphaeram  clathratam  for- 

mantibus.  316.  Sphaerocircus  *. 

B.  annulo  laevi  simplicissimo.  317.  Monostephus  *. 


II.  Ordo:  Peripylaria. 

(Peri2)ylaria  vel  Peripylea,  Hertwig,  1879.) 
{Spumellaria,  exclusis  Spyridinis,  Ehrenberg,  1875.) 

Radiolaria  monocyttaria,  capsula  ccntrali  solitaria,  polyaxonia,  mem- 
brana  capsulae  ubique  poris  perforata,  simplici ;  nuclco  unico; 
skeleto  siliceo  reticulato  testam  clathratam  aut  spongiosam,  ab 
origine  sphaericam  referente  (Forma  skeleti  primaria  globosa, 
secundaria  aut  discoidea,  aut  rhabdoidea,  aut  irregulari). 


448  Ernst  Hacckel, 

VI.  Familia:   Sphaerida  (Sphaeroidea). 

Peripylaria  (vel  Spumellaria)  globosa,  testa  clathrata  sphaerica  aut 
polyedrico-endosphaerica ,  interdum  pallio  spongioso  involuta; 
modo  siniplici,  modo  globis  pluribus  concentricis  composito  (nee 
discoidea,  applanata,  nee  irregulari).  Capsula  central!  globosa, 
alias  testam  includente  alias  a  testa  inclusa,  saepe  multis  ap- 
pendicibus  radiatis,  per  poros  testae  exeuntes. 

1.  Subfamilia:   Monosphaeria  (Monosphaerida). 
Sphaerida  simplicia,  testa  globosa  clathrata  unica. 

la.  Tribus:   Ethmosphaerida  (Monosphaeria  anacantha). 
Testa  globosa  simplici  inermi  (laevi  aut  aspera,  sed  nou  spinosa). 

A.  clathris  regularibus  (poris  aequalibus). 

AT.    poris  hexagonis.  318.  Phormospiiaera *. 

AIL  poris  rotundis. 

II  a.  poris  planis. 

lib.  poris  ethmoideis  conicis. 

bf    conis  centrifugis,  apice  extrorsum  versis. 

319.  Etiimosphaera. 
bft  conis  centripetis,  apice  introrsura  versis. 

320.  Ceriospiiaera  *. 

B.  clathris  irregularibus  (poris  inaequalibus). 

BI.    poris  polygonis.  321.  Cyrtidospiiaera. 

BII.  poris  rotundis.  322.  Cenosphaera. 

(Die  formenrciche  Gruppe  der  Sphaeriden  ist  als  die  Stamm- 
gruppe  der  Peripylarien  zu  betrachten  and  beginnt  mit  den 
einfachen  M on o s p h  ae r i e n.  Unter  den  zusammengesetzten  Sphae- 
riden (mit  zwei  oder  mehreren  concentrischen  Gitterschalen)  sind 
vielleicht  genetische  „Gitterkugeln"  und  „Kieselnetze"  zu  unter- 
seheiden,  me  Hertwig  1879  versucht  hat;  praktisch  ist  diese 
Unterscheidung  aber  nicht  anwendbar). 


Entwurf  eines  Eadiolarien-Systems  u.  s.  w. 


449 


1 

aculeis  multis, 

(octo  aut  pluribus), 

plerumque  irregu- 

lariter  dispersis. 

polyacantka. 

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Lychnosphaerida 
C.  T.  11,  29. 

Cromyoramida 
C.  T.  30. 

Arachnosphaerida 
C.  T.  29, 

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Liosphaeria. 

sine  aculeis, 

testa  laevi  aut 

aspera  (spinis 

minimis). 

anacantha. 

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Bd.  XV.    N.  F.  VIII,  3. 


29 


450  Ernst  Haeckel, 

lb.  Tribus:    Xiphostylida. 
Monosphaeria  dissacantha  (aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi  sitis). 

A.  aculeis  liberis,  non  annulo  conjunctis. 

AL    ambobus  aculeis  aequalibus,  forma  et  magnitudine  pa- 
ribus. 323.  XiPHOSPHAERA  *. 

AIL  ambob.  aculeis  inaequal.,  forma  aut  magnitudine  diversis. 

II  a.  ambobus  aculeis  simplicibus.     324.  Xiphostylus  *. 

lib.  altero   aculeo  simplici,   altero  spinarum   fascicule 

basali  circumdato.  325.  Lithomespilus  *. 

B.  aculeis  apice  annulo  siliceo  conjunctis. 

BI.    annulo  laevi.  326.  Saturnalis*. 

BII.  annulo  spinoso.  327.  Saturnalium* 

Ic.  Tribus:   Staurostylida. 
Monosphaeria  tetracantha  (aculeis  quatuor  ad  formam  crucis  rec- 
tangularis  dispositis). 

A.  omnes  4  aculei  eadcm  magnitud.     328.  Staurosphaera  *. 

B.  aculei  4  diversa  magnitudine. 

aculei  axis  longitudinalis  aequales  longiores  aculeis  trans- 
versis  (aequalibus).  329.  Staurostylus  *. 

aculei  longitudinales  inaequales,  uno  longior  aculeis  trans- 
versis  (aequalibus).  330.  Stylostaurus*. 

Id.  Tribus:   Hexastylida. 
Monosphaeria  hexacantha  (aculeis  sex,   in  tribus  axibus  invicem 
perpendicularibus  sitis). 

A.  sine  spinis  adventiciis.  331.  Hexastylus*. 

B.  cum  multis  spinis  adventiciis.  332.  Hexastylidium  *. 

le.  Tribus:  Heliosphaerida. 
Monosphaeria  polyacantha  (aculeis  multis  —  octo  vel  pluribus  — , 
plerumque  sine  ordine  dispersis). 

A.  aculeis  simplicibus. 

A  I.    poris  sphaerae  regularibus. 

la.    poris  hexagonis.  333.  Heliosphaera. 

lb.    poris  rotundis.  334.  Rhaphtdococcus. 

All.  poris  irregularibus. 

II  a.  poris  polygonis.  335.  Rhaphidosphaera  *. 

lib.  poris  rotundis.  33G.  Acanthosphaera. 

B.  aculeis  ramosis. 

BI.    aculeis  trichotomis.  337.  Cladococcus. 

BII.  aculeis  dichotomis.  338.  Elaphococcus *. 


Entwurf  eines  Kadiolarieu-Systems  u.  s.  w.  451 

C.    aculeis  basi  inflatis,  clathratis. 

CI.     aculeis  basi  conica.  339.  Conosphaera* 

CII.  aculeis  basi  pyramidali.  340.  Oeosphaeka  *. 

2.  Subfamilia:   Dyosphaeria  (Disphaerida). 

Sphaerida  duplicia,  testa  duobus  globis  clathratis  coiiceiitricis  com- 
posita,  per  radios  unitis. 

2a.  Tribus:   Carposphaerida, 
Dyosphaeria  inermia,  anacantha  (testae  globosae  superficie  externa 
laevi  aut  aspera,  sed  iion  spinosa). 

A.  clathris  regularibus  (poris  aequalibus). 

AI.     poris  externis  hexagonis.       341.  Melittosphaera  *. 
AIL  poris  externis  rotundis.  342.  Cerasospiiaera *. 

B.  clathris  irregularibus  (poris  inaequalibus  rotundis). 

BI.    poris  externis  polygonis.  343.  Prunospiiaera  *. 

BII.  poris  externis  rotundis.  344.  Carposphaera*. 

2b.  Tribus:   Sphaerosty lida. 
Dyosphaeria  dissacantha  (aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi  sitis). 

A.  aculeis  liberis,  nou  annulo  conjunctis. 

A  I.    ambobus  aculeis  aequalibus.  345.  Stylosphaera. 

AIL  ambobus  aculeis  inaequalibus.      346.  Sphaerostylus *. 

B.  aculeis  apice  annulo  siliceo  laevi  conjunct.    347.  Saturnulus  *. 

2c.  Tribus:    Staurolonchida. 
Dyosphaeria   tetracantha   (aculeis   quatuor  ad  formam  crucis  rec- 
tangularis  dispositis). 

A.  aculeis  simplicibus.  348.  Staurolonciie*. 

B.  aculeis  ramosis.  349.  Staurancistra  *. 

C.  aculeis  spongiosis.  350.  Astromma. 

2d.  Tribus:    Hexalonchida. 
Dyosphaeria  hexacantha  (aculeis  sex  in  tribus  axibus  invicem  per- 
pendicularibus  sitis). 

A.  testa  sine  spinis  adventiciis.  351.  Hexalonciie*. 

B.  testa  cum  spinis  adventiciis. 

B.L     sex  aculeis  simplicibus.        352.  Hexalonchidium*. 

BII.    sex  aculeis  trifariis.  353.  Hexancistra* 

Bill,  sex  aculeis  verticillatis.  354.  Hexapitys*'. 

2e.  Tribus:   Diplo sphaerida. 

Dyosphaeria  polyacantha  (aculeis  multis  —  octo  aut  pluribus  — , 

plerumque  sine  ordine  dispersis). 

09* 


452  Ernst  Haeckel, 

A.   aculeis  simplicibus. 

A  I,    omnibus  aculeis  aequalibus.  355.  Haltomma. 

AIL  spinis  accessoriis  inter  aculeos.       356.  Heliosoma*. 
R.    aculeis  ramosis  aut  verticillatis. 

BI.    spinis  adventiciis  simplicibus.      357.  Diplosphaera. 

BII.  spinis  adventiciis  ramosis.        358.  Drymosphaera  *. 

3.  Subfamilia:  Triosphaeria  (Trisphaerida). 

Sphaerida  triplicia,  testa  tribus  giobis  clathratis  coucentricis  com- 
posita,  per  radios  unitis. 

3a.  Tribus:  Thecosphaerida. 
Triosphaeria  anacantha,  testae  globosae  superficie   externa  laevi 
aut  aspera,  sed  non  spinosa. 

A.  clathris  regularibus  (poris  aequalibus). 

AI.     poris  externis  hexagonis.  359.  Rhodosphaera  *. 

AIL   poris  externis  rotundis.  360.  Sethospiiaera *. 

B.  clathris  irregularibus  (poris  inaequalibus). 

36  L  Thecosphaera  *. 

3b.  Tribus:  Amphistylida. 
Triosphaeria   dissacantha   (aculeis   duobus  oppositis,   in   uno   axi 
sitis). 

A.  aculeis  ambobus  aequalibus.  362.  Amphisphaera  * 

B.  aculeis  ambobus  diversis.  363.  Ampiiistylus  *. 

3c.  Tribus:  Stauracontida. 
Triosphaeria  tetracantha   (aculeis  quatuor  ad  formam   crucis  rec- 
tangularis  dispositis). 

aculeis  4  simplicibus  aequalibus.         364.  Stauracontium*. 

3d.  Tribus:  Hexacontida. 
Triosphaeria  hexacantha  (aculeis  sex  in  tribus  axibus  invicem  per- 
pendicularibus  sitis). 

A.  sine  spinis  adventiciis.  365.  Hexacontium *. 

B.  cum  spinis  adventiciis. 

BI.    sex  aculeis  simplicibus.  366.  Hexadrymium* 

BII.  sex  aculeis  verticillatis.  367.  Hexadendrum *. 

3e.  Tribus:  Lychnosphaerida. 
Triosphaeria  polyacautha  (aculeis  multis,  octo  aut  pluribus)  ple- 
rumque  sine  ordine  dispersis). 


Entwurf  eines  Radiolarien-Systems  u.  s.  w.  453 

A.  aculeis  simplicibus. 

A  I.     omnibus  aculeis  aequalibus.  368.  Actinomma. 

All.    spiuis  accessoriis  iuter  aculeos.         369.  Echinomma*. 

B.  aculeis  ramosis  aut  verticillatis. 

BI.     tribus  globis  nomiisi  per  radios  communicantibus. 

370.    PiTY'OMMA*. 

BII.    tribus  giobis  uon  solum  per  radios    sed  etiam  per  ra- 
nmlos  ramorum  communicantibus. 

371.  Lychnosphaera  *. 

4.  Subfamilia:  Tetrasphaeria  (Tetrasphaerida). 

Spliaerida  quadruplicia ,  testa  quatuor  giobis  clatliratis  coucentri- 
cis  composita,  per  radios  unitis. 

4a.  Tribus:  Cromyosphaerida. 
Tetrasphaeria  auacantha   (testae  globosae  superficie  externa  laevi 
aut  aspera,  sed  non  spinosa). 

A.  poris  externis  regularibus  bexagonis.     372.  Cromyosphaera  *. 

B.  poris  externis  irregularibus.  373.  Cromyosphaerium  * 

4b.  Tribus:  Cromyostylida. 
Tetrasphaeria   dissacantha   (aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi 
sitis). 

A.  aculeis  ambobus  aequalibus.  374.  Stylocromyum*. 

B.  aculeis  ambobus  diversis.  375.  Cromyostylus*. 

4c.  Tribus:  Staurocromyida. 
Tetrasphaeria  tetracantha  (aculeis  quatuor  ad  formam  crucis  rec- 
taugularis  dispositis). 

A.  aculeis  simplicibus.  376,  Staurocromyum  *. 

B.  aculeis  verticillatis.  377.  Cromyostaurus  *. 

4d.  Tribus:  Hexacromyida. 
Tetrasphaeria  hexacantha   (aculeis   sex  in   tribus   axibus  invicera 
perpendicularibus  sitis). 

A.  testa  laevi,  sine  spiuis  adventiciis.        378.  Hexacromyum  *. 

B.  spinosa,  cum  spinis  adventiciis.  379.  Hexacromydium  *. 

4e.  Tribus:  Cromyommida. 
Tetrasphaeria  polyacautha  (aculeis  multis  —  octo  aut  pluribus  — , 
plerumque  sine  ordine  dispersis). 


454  Erust  Haeckel, 

A.  aculeis  simplicibus. 

A  I,     omnibus  aculeis  aequalibus.  380.  Cromyomma. 

AIL   spiiiis  accessoriis  inter  aculeos.    381.  Ckomyechinus*. 

B.  aculeis  ramosis.  382.  Cromyodrymus  *. 

5.  Subfamilia:  Polysphaeria. 

Sphaerida  multiplicia,   testa  globis  clathratis  concentricis  quinque 
aut  pluribus  composita,  per  radios  unitis. 

5a.  Tribus:  Gary osphaerida. 
Polysphaeria  anacantha   (testae   globosae   superficie  externa  laevi 
aut  aspera,  sed  non  spinosa). 
poris  externis  irregularibus.  383.  Caryosphaera  *. 

5b.  Caryostylida. 
Polysphaeria  dissacantha  (aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi  sitis), 

A.  aculeis  ambobus  aequalibus. 

A  I.     aculeis  laevibus.  384.  Caryoxiphus  *. 

AIL    aculeis  spinosis  sive  verticillatis.     385.  Caryostylus *. 
A  III.  aculeis  spinosis  versus  apicem  spongiosis. 

386.  Caryodoras*. 

B.  aculeis  ambobus  inaequalibus  (laev.).      387.  Caryolonche  *. 

5c.  Tribus:  Staurocaryida. 
Polysphaeria  tetracantha   (aculeis  quatuor  ad  formam  crucis  rec- 
tangularis  dispositis). 

testae  superficie  laevi.  388.  Caryostaurus  *. 

testae  superficie  spinis  ramosis  arm.    389.  Staurocaryum  *. 

5d.  Tribus:  Hexacaryida. 
Polysphaeria    hexacantha    (aculeis   sex  in  tribus  axibus    iuvicem 
perpendicularibus  sitis). 
aculeis  spinosis.  390.  Hexagaryum*. 

5e.  Tribus:  Arachnosphaerida. 
Polysphaeria  polyacantha  (aculeis  multis  —  octo  aut  pluribus  — 
plerumque  sine  ordine  dispersis). 

A.  globis  concentricis  non  nisi  per  radios  communicantibus. 

39L  Arachnosphaera. 

B.  globis  concentricis  non   solum  per  radios  sed  etiam  per  ra- 
mulos  radiorum  communicantibus.        392.  Araciinopegma  *. 


Eutwurf  eiues  Radiolarien-Systems  u.  s.  w.  455 

6.  Subfamilia:  Spongosphaeria. 

Sphaerida  spongiosa,  testa  silicea  globosa,  aut  tota  spongiaeformi, 
aut  cortice  externa  telam  spongiosam  formante,  ramulis  siliceis 
innumeris  sine  ordine  perplexis.  Testae  siliceae  globosae  cla- 
thratae  internae  (vel  „testae  niedullares")  in  centro  globi 
spongiosi  modo  desunt  modo  adsuut. 

6a.  Tribus:  Plegmosphaerida. 
Spongosphaeria   anacantha,   testae  globosae  spongiosae  superficie 
externa  laevi  aut  aspera,  sed  non  aculeata. 

A.  testis  medullaribus  (testis  globosis  clathratis  centralibus)  in 
centro  globi  spongiosi  aut  una  aut  pluribus. 

A  I.     testa  medullari  siiuplici.  393.  Spongoplegma*. 

AIL   testa  medullari  duplici.  394.  Dictyoplegma. 

A  III.  testa  medullari  triplici.  395.  Spongodictyum. 

B.  globo  spongioso  sine  testis  medullaribus. 

BI.     globo  cavo  centrali.  396.  Plegmosphaera  *. 

BII.    globo  solido.  397.  St yptosphaeka  *. 

6b.  Tribus:  Spongostylida. 
Spongosphaeria   dissacantha   (aculeis  duobus  oppositis  aequalibus, 
in  uno  axo  sitis). 

A.  testa  medullari  simplici.  398.  Spongostylus*. 

B.  testa  medullari  duplici.  399.  Spongostylium  *. 

C.  sine  testa  medullari.  400.  Spongolonche  *. 

6c.  Tribus:  Staurodorida. 
Spongosphaeria  tetracantha  (aculeis  quatuor  aequalibus  ad  formam 
crucis  rectangularis  dispositis). 
sine  testa  medullari.  401.  Staukodoras '^ 

6d.  Tribus:  Hexadorida. 
Spongosphaeria   hexacantha   (aculeis  sex  in  tribus  axibus  invicem 
perpendicularibus  sitis). 

A.  testa  medullari  simplici.  402.  Hexadoras*. 

B.  testa  medullari  duplici.  403.  Hexadorium*. 

C.  testa  medullari  triplici.  404.  Hexadoridium  *. 

6e.  Tribus:  Rhizosphaerida. 
Spongosphaeria  polyacantha  (aculeis  multis  —  octo  aut  pluribus  — 
plerumque  sine  ordine  dispersis). 


456  Ernst  Haeckel, 

A.  testis  medullaribus  una  vel  pluribus. 

A  I.     cortice  spongioso  per  liberum  intervallum  (radios  coii- 
tinens)  a  testis  medullaribus  separate. 

A.  testa  medullari  siraplici.  405.  Rhizoplegma  *. 

B.  testa  med.  duplici.  406.  Rhizosphaera. 
AIL    cortice  spongioso   testas  medullares  sine  intervallo  in- 

volvente. 

A.  testa  med.  simplici.  407.  Spongopila*. 

B.  testa  med.  duplici.  408.  Spongosphaera. 

C.  testa  med.  triplici.  409.  Spongosphaerium  *. 

B.  sine  testa  medullari. 

A.  aculeis  simplicibus.  410.  Spongechinus  * 

B.  aculeis  arborescentibus.  411.  Spongodrymus  *. 


Vn.  Familia:  Disci  da. 
(Discida  vel  Discoidea,  Hkl.,  1862.) 

Peripylaria  (vel  Spumellaria)  discoidea,  testa  clathrata  disciformi 
aut  lentiformi  biconvexa,  interdum  pallio  spongioso  involuta. 
(A.  Sphaeridum  familia  Discida  derivanda  sunt  compressione 
testae  globosae  vel  sphaeroideae  primordialis ,  cujus  axis  re- 
ductus  est.)  Trium  axium  invicem  perpendicularium,  qui  in 
Sphaeridibus  plurimis  perspicui  sunt,  unus  in  Discidibus  decur- 
tatus  est.  In  centro  Discidum  semper  sphaera  parva  clathrata 
manet,  pars  skeleti  primaria,  in  cujus  piano  aequatoriali  vi- 
menta  silicea  secundaria  accrescunt.  Capsula  centralis  formam 
skeleti  discoideam  imitat,  quo  circumdatur. 

(Die  Ableitung  der  Disciden  von  Litheliden,  welclie  Hertwig 
1879  (auf  zu  geringes  Material  gestiitzt)  versucht  hat,  halte  ich 
fiir  irrthiimlich  und  bleibe  bei  der  Ableitung  von  Sphaeriden,  welche 
ich  1862  gegeben  habe). 

1.  Subfamilia:  Phacodiscida. 

Discida  testa  clathrata  biconvex!  lentiformi  aut  discoidea,  sim- 
plici, in  cujus  centro  testa  medullaris  ( —  testa  clathrata  glo- 
bosa  parva  centralis  — )  simplex  aut  duplex  inclusa  est.  Nee 
annuli  camerati  nee  tela  spongiosa  in  peripheria  lentis.  Saepe 
aculei,  in  piano  aequatoriali  siti,  e  margiue  testae  lentiformis 
exeunt. 


Eutwurf  eiucs  Radiolarieu-Systems  u.  s.  w.  457 

la.  Tribus:  Setliodiscida. 
Phacodiscida  laevia  aut  aspera,  sine  aculeis  marginalibus. 

A.  testa  medullari  simplici. 

A  I.     testa  lentifonni  sine  zona.  412.  Setiiodiscus*. 

AIL    testa  zona  aequatoriali   (cingulo  laminam  siliceani  im- 

perforatam  referente).  413.  Periphaena. 

B.  testa  medullari  duplici. 

BI.     testa  lentiformi  sine  zona.  414.  Phacodiscus  *. 

BII.    testa  zona  aequatoriali.  415.  Perizona*. 

lb.  Tribus:  Heliodiscida. 
Phacodiscida  aculeata,   cum  aculeis  marginalibus  in  piano  lentis 
aequatoriali  sitis. 

A.  aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi  sitis. 
A  I.     testa  medullari  simplici. 

la.    sine  zona  spinarum.  416.  Sethostylus *. 

lb.     cum  zona  spinarum.  417.  Heliostylus *. 

A II.    testa  medullari  duplici  (sine  zona  spinarum). 

418.  Phacostylus*. 

B.  aculeis  tribus  aequidistantibus  (testa  medullari  simplici,   sine 
zona  spinarum).  419.  Triactis*. 

C.  aculeis  quatuor,  ad  formam  crucis  rectangularis  dispositis. 
CI.     testa  med.  simplici. 

la.     sine  zona  spinarum.  420.  Sethostaurus *. 

lb.     cum  zona  spinarum.  421.  Heliostaurus *. 

OIL   testa  med.  duplici. 

II a. 'sine  zona  spinarum.  422.  Phacostaurus *. 

lib.  cum  zona  spinarum.  423.  Astrostaurus *. 

D.  aculeis  multis  marginalibus  (quinque  aut  pluribus,  plerumque 
sine  ordine  in  zona  aequatoriali  radiantibus), 

DI.     testa  med.  simplici. 

la.    aculeis  omnibus  simplicibus. 

af     testae  superficie  laevi.    424.  Heliosestrum*. 

aft  testae  superficie  spinosa.    425.  Heliodiscus. 
lb.    aculeis  omnibus  aut  partim  ramosis. 

bf     testae  superficie  laevi.    426.  Heliocladus* 

bft  testae  superf.  spinosa.    427.  Heliodrymus  *. 
DII.    testa  med.  duplici  (aculeis  omnibus  simplicibus). 

II  a.  testae  superficie  laevi.  428.  Astrosestrum  * 

lib.  testae  superficie  spinosa.        429.  Astrophacus  *. 


458  Ernst  HuLckel, 

2.  Subfamilia:  Coccodiscida. 

Discida  testa  clathrata  biconvexi  lentiformi  aut  discoidea,  in  cujus 
centro  testa  medullaris  ( —  testa  clathrata  globosa  parva  cen- 
tralis — )  simplex  aut  duplex  inclusa  est.  Peripheriam  lentis 
zona  annulorum  cameratorum  occupat,  annulis  concentricis  per 
radios  numerosos  in  cameras  regalares  divisis.  Saepe  aculei  ra- 
diosi  aut  brachia  camerata  in  piano  aequatoriali  sita  e  margine 
testae  lentiformis  exeunt. 

2a.  Tribus:  Lithocyclida. 
Coccodiscida  inermia  vel  anacantlia,   sine  aculeis  marginalibus  et 
sine  brachiis  cameratis. 

A.  testa  medullar!  simplici  430.  LrniocYci.rA. 

B.  testa  medullar!  duplici.  431.  Coccodiscus. 

2  b.  Tribus:  Stauro  eyelid  a. 
Coccodiscida  aculeata,    aculeis   marginalibus  in  piano  aequatoriali 
sitis   et   e  margine  lentis   radiantibus   (sed   sine  brachiis   ca- 
meratis). 

A.  aculeis  duobus  oppositis,  in  uno  axi  sitis. 

A  I.     testa  med.  simplici.  432.  Sttlocyclia. 

AIL   testa  med.  duplici.  433.  Amphicyclia*. 

B.  aculeis  tribus  aequidistantibus 

testa  medullari  simplici.  434.  Teipocyclia  *. 

C.  aculeis  quatuor,  ad  formam  crucis  rectangularis  dispositis. 

A  I.     testa  med.  simplici.  435.  Staurocyclia  *. 

AIL   testa  med.  duplici.  436.  Coccostaurus*. 

D.  aculeis  multis  marginalibus  (quinque  aut  pluribus,  plerumque 
sine  ordine  radiantibus). 

AX.     testa  med.  simplici.  437.  Astrocyclia *. 

AIL   testa  med.  duplici.  438.  Coccocyclia *. 

2c.  Tribus:  Astracturida. 
Coccodiscida  brachiata,   brachiis   cameratis   in  piano  aequatoriali 
sitis  et  e  margine  lentis  radiantibus  (saepe  aculeis  brachiorum 
termiualibus ,   saepe   brachiis  patagio   (vel  vimeuto   camerato) 
conjunctis). 
A.  brachiis  duobus  oppositis. 

A  I.     brachiis  liberis.  439.  Diplactura*. 

AIL   l)rachiis  patagio  junctis.  440.  Amphactura *. 


Eutwurf  eiucs  Eailiolurien-Sysfems  u.  s.  w.  459 

B.  brachiis  tribus. 

BI.     brachiis  liberis.  441.  Trtgonactura  *. 

BII.    brachiis  patagio  junctis.  442.  Hymenactura*. 

C.  brachiis  quatuor,  criicem  rectaugularem  formantibus. 

CI.     brachiis  liberis.  443.  Astractura*. 

CII.    brachiis  patagio  jimctis.  444.  Stauractura  *. 

D.  brachiis  qiiinque  (liberis).  445.  Pentactura*. 

E.  brachiis  sex  (liberis).  446.  Hexactura*. 

3.  Subfainilia:  Porodiscida. 
Discida  testa  clathrata  discoidea  aut  lentiformi  biconvexa,  iu  cu- 
jus  centre  locum  testae  medullaris  camera  minima  clathrata 
occupat,  inclusa  anuulis  concentricis  (aut  spiralibus),  qui  per 
radios  interruptos  in  cameras  minimas  irrcgulares  dividuntur. 
Ambas  superficies  disci  lamina  cribrosa  silicea  occupat.  Saepe 
aculei  radiosi  aut  bi'achia  camerata  e  margine  testae  exeunt. 

3  a.  Tribus :  T  r  e  m  a  t  o  d  i  s  c  i  d  a. 
Porodiscida  inermia  vel  anacantha,    sine  aculeis  marginalibus  et 
sine  brachiis  cameratis. 

A.  testa  disciformi  simplici  sine  ostio  margiuali  coronato. 
A  I.     disco  sine  zona  porosa  aut  spongiosa. 

447.   PORODISCUS  *. 

la.    annulis  omnibus  concentric.    448.  Trematodiscus. 
lb.    annulis  intra  concentricis,  extra  spiralibus. 

449.  Perispira*. 
Ic.    annulis  intra  spiralibus,  extra  concentricis. 

450.  Centrospira*. 
Id.   annulis  omnibus  spiralibus.  451.  Discospira. 

le.    annulis  irregularibus  et  interruptis. 

452.  Atactodiscus  *. 

A II.    disco  zona  lata  porosa  (cingulo  laminam  aequatorialem 

porosam  formante).  453.  P]':riciilamydium. 

A  III.  disco  zona  spongiosa.  454.  Perispongidium*. 

B.  testa  disciformi  simplici,  marginis  ostio  spinis  coronato  (Cyr- 
tidum  apertorum  ostio  coronato  simillimo)  —  an  Mono- 
pylaria??  ^  455.  Ommatodiscus. 

3b.  Tribus:  Stylodictyida. 
Porodiscida  aculeata,   aculeis  marginalibus  in  piano  aequatoriali 
sitis   et  e   margine  disci   radiantibus   (sed   sine   brachiis    ca- 
meratis). 


4G0  Ernst  Haeckel, 

A.  aculeis  duobus  oppositis.  456.  Xiphodictya  *. 

B.  aculeis  tribus  aequidistautibus.  457.  Tripodictya*. 

C.  aculeis  quatuor  ad  formam  crucis  rectaugularis  dispositis. 

458.  Staurodictya  *. 

D.  aculeis  multis  raarginalibus  (quinque  aut  pluribus  plerumquc 
sine  ordine  radiantibus). 

D  I.  disco  sine  zona  porosa  aut  spong.  459.  Stylodictya. 
DII.  disco  zona  lata  spougiosa.  460.  Stylochlamydium  *. 
Dill,  disco  zona  spongiosa.  461.  Stylospongidium *. 

3c.  Tribus:  Euchitonida. 

Porodiscida  brachiata,  brachiis  cameratis  in  piano  aequatoriali  sitis 
et  e  margine  disci  radiantibus  (saepe  aculeis  brachiorum  ter- 
niinalibus,  saepe  brachiis  patagio  vel  vimento  camerato  con- 
junctis). 

A.  brachiis  duobus  oppositis. 
A  I.    brachiis  simplicibus. 

la.    sine  patagio.  462.  AMPniBRACHiUM*. 

lb.    cum  patagio.  463.  Amphymenium *. 

All.  brachiis  dichotomis  aut  ramosis. 

II  a.  sine  patagio.  464.  Amphirhopalum  *. 

lib.  cum  patagio.  465.  Amphicraspedum *. 

B.  brachiis  tribus. 

BI.    brachiis  simplicibus. 

la.    sine  patagio.  466.  Rhopalastrum. 

lb.    patagio  basali.  467.  Hymeniastrum. 

I  c.    patagio  totali.  468.  Euchitonia. 
BII.  brachiis  dichotomis  aut  ramosis. 

II  a.  sine  patagio.  469.  Dictyastrum. 
lib.  cum  patagio.                      470.  Chitonastrum *. 

C.  brachiis  quatuor,  ad  formam  crucis  rectangularis  dispositis. 
CI.    brachiis  simplicibus. 

la.  sine  patagio.  471,  Hagiastrum*. 

lb.  patagio  basali.  472.  Histiastrum. 

I  c.  patagio  totali.  473.  Tesserastrum  *. 
Id.  patagio  apicali.  474.  Stephanastrum. 

CII.  bi-achiis  dichotomis  aut  ramosis  (sine  patagio). 

II  a.  cruce  rectangulari.  475.  Dicranastrum  *. 
lib.  cruce  irregulari.  476.  Cerata strum *. 
lie.  cruce  quadricorni.  477.  Myelastrum*. 
lid.  cruce  raniis  trichotomis.    478.  Tricranastrubi *. 


Entwurf  cines  Eadiolarien-Syt^lems  u.  s.  w.  461 

D.  brachiis  quinque. 

DI.    sine  patagio.  479.  Pentalastkum '^ 

DII.  cum  patagio.  480.  Pentinastrum*. 

E.  brachiis  sex. 

EI.    sine  patagio.  481.  Hexalastkum *. 

EII.  cum  patagio.  482.  Hexinastrum  *. 

4.  Subfamilia:  Spongodiscida. 

Discida  testa  spongiosa  discoidea  aut  lentiformi  biconvexa,  ramulis 
inniimerosis  siliceis  vimentum  densum  aut  laxum  formantibus 
(sine  annulis  concentricis  Coccodiscidum  et  Porodiscidura ,  sine 
laminis  cribrosis  regularibus  superficiei.  Saepe  testa  medullaris 
simplex  aut  duplex  in  centro  disci;  saepe  aculei  aut  brachia 
spongiosa  e  margine  disci  radiantes). 

4a.  Tribus:  Spongophacida. 
Spongodiscida   inermia,   sine  aculeis  marginalibus  et  sine  brachiis 
spongiosis. 

A.  disci  tela  spongiosa  homogenea.  483.  Spongodiscus. 

B.  disci  tela  spongiosa  heterogenea  (substantia  medullari  densa, 
a  corticali  laxa  distincta).  484.  Spongophacus  *. 

4b.  Tribus:  Spongotrochida. 
Spongodiscida  aculeata  (sed  non  brachiata)   cum  aculeis  margina- 
libus in  piano  disci  sitis. 

A.  aculeis  duobus  oppositis.  485.  Spongolonche*. 

B.  aculeis  tribus  aequidistantibus.  486.  Spongotripus*. 

C.  aculeis  quatuor  ad  crucis  form.  disp.  487.  Spongostaurus*. 

D.  aculeis  multis  (quinque  aut  pluribus). 

DI.    aculeis  in  margine  disci  solo.     488.  Stylotrochus. 
DII.  aculeis  e  superficie  utraque  disci  radiantibus. 

489.  Spongotrociius. 

4c.  Tribus:  Spongobrachida. 
Spongodiscida  brachiata,  brachiis  spongiosis  in  piano  disci  sitis  et 
e  margine  radiantibus,  saepe  patagio  spongioso  (tela  reticulata 
laxiori)  involutis. 

A.  brachiis  duobus  oppositis. 

A  I.    sine  patagio.  490.  Spongurus. 

All.  cum  patagio.  491.  Spongobrachium * 

B.  brachiis  tribus. 

BI.    sine  patagio.  492.  Rhopalodictyum. 

BII.  cum  patagio.  493.  Dictyocokyne. 


462  Ernst   Ilaeckel, 

C.    bracliiis  quatuor,  criicem  furniautibus. 

CI.    sine  patagio.  494.  Spongasteriscus. 

C  II.  cum  patagio.  495.  Spongaster. 


VIII.  Familia:  Zygartida. 

Peripylaria  (vel  Spumellaria)  gemiiia,  testa  clathrata  gemina  ob- 
longa,  strictura  aequatoriali  annuliformi  in  duo  diniidia  hemi- 
elliptica  divisa;  plerumque  testa  medullari  (—  testa  globosa 
parva  centrali  — )  simplici  aut  duplici  praedita,  quae  radiis  cum 
strictura  testae  conjuncta  est.  Saepe  in  axi  longitudinali  vel 
principal!  ( —  cujus  poli  ambo  aequales  sunt  — )  testa  prolon- 
gatur  aut  in  duas  spinas  oppositas  aut  in  duos  tubulos  poroses, 
aut  in  duo  brachia  canierata.  Capsula  centrali  geniina,  stri- 
ctura aequatoriali  constricta,  a  testa  inclusa.  Zygartiduni  Fa- 
milia a  Spbaeridibus  dissacanthis  (Stylosphaera  etc.)  derivauda 
est,  quorum  testa  in  directione  axis  principalis  (in  quo  ambo 
aculei  oppositi  jacent)  prolongatur  et  medio  constringitur. 

1.  Subfamilia:  Artiseida. 

Zygartida  simplicia,  sine  testa  medullari.  Testa  clathrata  simplici 
ellipsoide,  medio  constricta. 

A.  sine  pi-ocessibus  axis  principalis. 

A  I.    testa  laevi.  496.  Artiscus*. 

All.  testa  spinosa.  497.  Artidium*. 

B.  cum  processibus  axis  principalis. 

BI.    duobus  aculeis  solidis  oppositis.      498.  Stylartus*. 
BII.  duobus  tubulis  porosis  oppositis.   499.  Cannartus*. 

2.  Subfamilia:  Cyphinida. 

Zygai-tida  testa  medullari  simplici  aut  duplici  praedita,   quae  ra- 
diis cum  strictura  testae  ellipsoidis  clathratae  aequatoriali  con- 
juncta est. 
A.   sine  processibus  axis  principalis. 

A  I.     testa  laevi.  500.  Ommatospyris. 

All.    testa  spinosa.  501.  Didymocyrtis. 

A  III.  testa  pallio  spongioso  involuta.  502.  Didymophormis* 


Entwurf  eiiics  Kadiolarien-Systcms  u.   s.   w.  -jOo 

B.   cum  processibus  axis  principalis. 

BI.  duobus  aculeis  solidis  oppositis.  503.  Cypiiinus* 
BII.  duobus  tubulis  porosis  oppositis.  504.  Panakium'''\ 
B  III.  duobus  brachiis  cameratis  oppositis. 

Ill  a.  testa  laevi.  505.  Ommatocampe. 

Illb.  testa  spinosa.  506.  Ommatartus*. 

Ill  c.  testa  pallio  spongioso  involuta. 

c  t    pallio  simplici  laevi.  507.  Ommatogram]\ia. 
eft  pallio  duplici  spinoso.     508.  Zygartus*. 

IX.  Familia:  Pylonida. 

Peripylaria  (vel  Spumellaria)  pylophora  vel  portaria,  testa  cla- 
thrata  subspbaerica  oblonga,  fissuris  niagnis  vel  portis  cla- 
throrum  insigni,  pleruraque  testa  raedullari  ( —  testa  ccntrnli 
parva  — )  elliptica,  quae  radiis  cum  poiitibus  clathratis  (inter 
fissuras)  conjuncta  est.  Promorpha  geometrica  „allostaura  octo- 
pleura",  formam  crystallorum  systematis  rbombici  (vel  Octae- 
drum  rhombicum)  aequat,  tribus  axibus  (invicem  perpendicu- 
laribus)  inaequalibus  homopolis;  pontes  clathratae  inter  fissuras 
plerumque  polls  axium  correspondent.  Pylonida  a  Sphaeridibus 
derivanda  per  crescentiam  inaequalem  testae  clatbratae  in  tribus 
axibus.    Capsula  centralis  ellipsoides  vel  lobata. 

1.  Subfamilia:  Pylocapsida. 

Pylonida  simplicia,  sine  testa  medullari.  Testa  clathrata  simplici 
elliptica,  fissuris  magnis  symmetricis  insigni. 

A.  fissuris  duabus  oppositis  in  polls  axis  longitudinalis. 

509.  Pylosphaera. 

B.  fissuris  quatuor  cruciatis 

(duobus  in  polls  axis  longitudinalis, 
duobus  in  polls  axis  transversalis).       510.  Pylocapsa*. 

2.  Subfamilia:  Pylophormida. 

Pylonida  testa  medullari  simplici  aut  duplici  praedita,  quae  radiis 

cum   pontibus  clathratis  (inter  fissuras   testae  ellipticae  com- 

planatae  magnas  sitis)  conjuncta  est. 

A.   fissuris  duabus  oppositis  (in  polls  axis  longitudinalis). 

A  I.     testa  bifida  simplici.  511.  Amphipyle* 

AIL    testa  bifida  duplici.  512.  AMPraPYLONiuM * 


4G4  Ernst  Ilaeckol, 

B.  fissuris  tribus  aequidistantibus. 

testa  trifida  siniplici.  513.  Triopyle*. 

C.  fissuris  quatuor  symmetricis  lateralibus. 

CI.     testa  quadrifida  simplici.  514.  Tetrapyle. 

CII.    testa  quadrifida  duplici.  515.  Tetrapylonium  * 

cm.  testa  quadrif.  pallio  spong.  516.  Tetraspongonium* 

D.  fissuris  sex  symmetricis. 

DI.     testa  sexfida  simplici.  517.  Hexapyle* 

D 11.    testa  sexfida  pallio  spoiigioso.  518.  Hexaspongonium* 

E.  fissuris  octo  symmetricis. 

testa  octofida  simplici.  519.  Octopyle* 

F.  fissuris  multis  (decem  vel  pluribus). 

testa  multifida  simplici.  520.  Pylonium*. 

X.  Familia:  Lithelida. 

Peripylaria  (vel  Spumellaria)  agglomerata,  plerumque  subsphaerica 
irregularia,  aut  testa  clatlirata  unica  spiraliter  involuta  aut 
testis  pluribus  coiiglomeratis.  Promorpha  geometrica  plerum- 
que irregularis.  In  centro  testae  clathratae  semper  testa  me- 
dullaris  globosa  subsphaerica  aut  elliptica  jacet,  circum  quam 
aut  clathri  irregulares  aut  ambitus  spiralis  continuus  clathratus 
aut  glomus  camerarum  accrescunt. 

1.  Subfamilia:  Phortieida. 

Lithelida  subglobosa:  testa  clathrata  irregulari,  uec  spirali,  nee 
glomerata. 

A.  testa  laevi.  521.  Phorticium*. 

B.  testa  spinosa.  522.  Echinosphaera. 

C.  testa  pallio  spongioso  involuta.        523.  Spongophortis *. 

2.  Subfamiha:  Soreumida. 

Lithelida  conglomerata:  testis  clathratis  pluribus,  sine  certo  ordine 
circum  testam  medullarem  centralem  accretis. 

A.  testa  laevi,  524.  Soreuma* 

B.  testa  spinosa.  525.  Soreumidium* 

3.  Subfamilia:  Spireuma. 
Lithelida  spiralia;  testa  clathrata  subglobosa  spiraliter  involuta. 

A.  testa  laevi.  526.  Spjreuma* 

B.  testa  spinosa. 

B  I.    aculeis  simplicibus.  527.  Lithelius. 

BII.  aculeis  ramosis.  528,  Drymospira* 


Eiitwurf  eines  Radiolarieu-Systeras  u.  s.  w.  405 


III.  Ordo:  Acantharia. 

Acanthometrae ,  Johannes  Mullee,  1868. 
Acanthometrida ,  Biploconida  et  Dorataspida,  Hkl.,  186'i. 
Panacaniha,  Hkl.,  1878. 
Acanthometreae ,  Hertwig,  1879. 

Radiolaria  moiiocyttaria,  capsula  centrali  solitaria,  polyaxonia  (ab 
origine  sphaerica);  membrana  capsulae  simplici,  ubique  poris 
perforata;  nucleis  cellulae  pluribus;  skeleto  acanthinico  (raro 
siliceo)  spiculis  aut  aculeis  pluribus  in  uno  puncto  radiate  coii- 
junctis  ab  origine  coniposito,  interdum  testam  clathratam  for- 
mante. 

XL     Familiar   Acanthonida. 

Acantharia  skeleto  spiculoso,  e  viginti  aculeis  acantbinicis  (ad 
legem  Johannis  Miilleri  in  quinque  zonas  parallelas  quadrispinas 
dispositis),  in  centro  conjuiictis  coniposito;  aculeis  simplicibus, 
ramosis  aut  clathratis,  sed  testam  clathratam  perfectam  non 
componentibus. 

1.  Subfamilia:    Acanthometrida. 
Acanthonida  aculeis  viginti  aequalibus. 

la.  Tribus:   Astrolonchida. 
Aculeis  separatis,   in  centro  corporis  invicem  innisis  et  contiguis, 
sed  non  coalitis. 

A.  aculeis  simplicibus,  sine  processibus  transversis. 

A  I.     acul.  acuform.  simplicissimis.     529.  Acanthometra. 
All.    aculeis  bifidis  vel  furcatis.  530.  Zygacantiia. 

AIII.  aculeis  trifidis  vel  trilobis.        531.  Lithophyllium. 
A IV.  aculeis  quadrif.  vel  quadrifoliis.    532.  Acanthonia  *. 

B.  aculeis  processibus  transversis  duobus  oppositis. 

BI.     processibus  simplicibus.  533.  Astrolonche* 

BIL    processibus  ramosis.  534.  Phractacantha  * 

Bill,  processibus  clathratis.  535.  Doratacantha *. 

C.  aculeis  processibus  transversis  quatuor  cruciatis. 

CI.      processibus  simplicibus.  536.  Xiphacantha. 

CII.    processibus  ramosis.  537.  Stauracantha  *. 

Bin.  processibus  clathratis.      .      .538.  Phatnacantha *. 

Cd.  XV.     N.   F.  VIII,  3.  30 


400  Ernst  Haeckel, 

lb.  Tribus:   Astroli thida. 
Aculeis  omnibus  coalitis,  in  ccntro  corporis  confusis  (simplicibus). 

539.    ASTROLITHIUM. 

1  c.  Tribus :    A  c  a  n  t  h  o  c  h  i  a  s  in  i  d  a. 
Aculeis  oppositis  binis  coalitis  (inde  skeleto  decern  aculeis  aequa- 
libus  composite,  in  centre  cruciatis).       540.  Agantiiochiasma. 

2.  Subfarailia:    Aeanthostaurida. 

Acantlionida  aculeis  aequatorialibus  quatuor  forma  aut  magnitudine 
a  ceteris  sedecim  diversis. 

2a.  Tribus:   Staurolonchida. 
Aculeis  separatis,   in  centro  corporis  invicem   innisis  et  contiguis, 
sed  non  coalitis. 

A.  aculeis  sine  processib.  transversis.    541.  Acanthostaurus. 

B.  aculeis  processibus  transversis  duobus  oppositis. 

BL     processibus  simplicibus.  542.  Stauroptera  *. 

BII.    processibus  ramosis.  543.  Xiphoptera*. 

Bin.  processibus  clathratis.  544.  Lithoptera. 

C.  aculeis  processibus  transversis  quatuor  cruciatis. 

CI.      processibus  simplicibus.  545.  Staurolonche *. 

CII.     processibus  ramosis.  540.  Staurobelone *. 

CIII.  processibus  clathratis.  547.  Staurodoras  *. 

2b.  Tribus:   Stauroli thida. 
Aculeis  omnibus  coalitis,  in  centro  corporis  confusis  (simplicibus). 

548.  Staurolitiiium  *. 

3.  Subfamilia:   Acantholonehida. 
Acanthonida   aculeis    aequatorialibus  duobus   oppositis  forma  aut 
magnitudine  a  ceteris  octodecim  diversis. 

3a.  Tribus:   Amphilonchida. 
Aculeis  separatis,  in  centro  corporis  invicem  innisis  et  contiguis,  sed 
non  coalitis  (simplicibus). 

A.  aculeis  aequat.  ambobus  aequalibus.       549.  Ampiiilonciie. 

B.  aculeis  aequat.  amb.  inaequalibus.    550.  Acantholonche*. 

3b.  Tribus:    Amphilithida. 
Aculeis  omnibus  coalitis,  in  centro  corporis  confusis  (simplicibus). 

A.  aculeis  aequator.  ambobus  aequalibus.     551.  Ampiiilitiiium *. 

B.  aculeis  aequator.  ambob.  inaequalibus.     552.  Ampiiibelone*. 


Entwurf  oines  Eadiolurieu-Systenis  ii.  s.  w.  4G1 


XII.  Familia:   Diploconida. 

Acanthaiia  skeleto  amphiconico,  testam  acanthinicani  solidam  (iiec 
clathratani  iiec  porosani)  forma  coni  duplicis  refeiente.  Forma 
peculiaris  ab  AmphiUthio  derivaiida,  cujus  aculei  octo  tropici 
foliacei  in  duos  conos  oppositos  coaliti  sunt;  (axem  communoni 
amborum  conorum  aculeus  maximus  occupat  coalitione  duorum 
aculeorum  aequatorialium  oppositorum  ortus.  Aculeorum  cetc- 
rorum  decern  (duorum  aequatorialium  et  octo  polarium)  rudi- 
menta  parva  restaut. 
Genus  unicum  charactere  familiae:  553.  Diploconus. 


XIIJ.  Familia:    Dorataspida. 

{Borataspida ,  Hkl.,  18G2). 
{Acanthophractida ,  Hertwig,  187U). 

Acantharia  skeleto  sphaeroidali,  testam  clathratam  sphaericam, 
subsphaericam  aut  ellipticam,  simplicem  aut  duplicem  referente; 
testa  componitur  ramis  communicantibus  processuum  transver- 
sorum  viginti  aculeorum,  qui  in  centro  globi  conjuncti  et  api- 
cibus  terminalibus  in  quinque  zonas  parallelas  quadrispinas  (ad 
legem  Johannis  Miilleri)  dispositi  sunt. 

1.  Subfamilia:    Phraetaspida. 
Dorataspida  testa  clathrata  globosa  aut  elliptica  simplici. 

la.  Tribus:    Stauraspida. 
processibus  transversis  aculeorum  (testam  formantibus)  dichotomis 
aut  ramosis,  sed  uon  clathratis  (ramis  cujusque  aculei  inter  se 
nou  coalitis)  testa  sphaerica. 

A.  aculeorum  processibus  transversis  duobus  oppositis. 

A  I.     sine  spinis  testae  accessoriis.       554.  Phractaspis  *. 
AIL   multis  spinis  testae  accessoriis.      555.  Pleuraspis*. 

B.  aculeorum  processibus  transversis  quatuor  cruciatis. 

BI.     sine  spinis  testae  accessoriis.  556.  Stauraspis'". 

BII.   multis  spinis  testae  accessoriis.       557.  Echinaspis*. 

lb.  Tribus:    Lychnaspida. 
processibus   transversis  aculeorum    (testam  formantibus)  clathratis 
(ramis  processuum  cujusque  aculei  coalitis  et  scutum  perforatum 
referentibus). 

30* 


4G8  Ernst  Haeckel, 

A.  aculeorum   processibus  transversis  duobus  oppositis   (inde 
20  scutis  centro  biforis). 

A  I.      testa  laevi,  sine  spinis  accessoriis. 

la.    testa  sphaerica.  558.  Dorataspis. 

lb.    testa  elliptica.  559.  Thoeacaspis*. 

AIL    testa  (sphaerica)  laevi  (sine  spin,  ace),   sed  viginti 

pluteis  insigni  aculeorum  processibus  transversis  se- 

cundariis  (extra  testam)  form.  560.  Orophaspis* 
A  in.  testa  aspera,  multis  spinis  accessoriis. 

II  a.  spinis  accessoriis  simplicibus  liberis. 

af    testa  sphaerica.  561.  Acontaspis*. 

aft  testa  elliptica.  562.  Belonaspis*. 

lib.  spinis  accessoriis  foliaceis,  in  viginti  tubulos 
coronatos  confusis,  vaginarum  instar  basin  acu- 
leorum circumdantes. 

bf     testa  sphaerica.  563.  Ceriaspis*. 

bff  testa  elliptica.  564.  Coleaspls*. 

B.  aculeorum  processibus   transversis  quatuor  cruciatis  (inde 
20  scutis  centro  quadriforis). 

A  I.     testa  laevi,  sine  spinis  accessoriis. 

la.  testa  sphaerica.  565.  Tessaraspis *. 

lb.  testa  polyedrica  (20  angulis).     566.  Icosaspis *. 

Ic.  testa  elliptica.  567.  Phatnaspis*. 

All.    testa    sphaerica  laevi   (sine  spinis  accessoriis),   sed 

viginti  pluteis  insigni,  aculeorum  processibus  trans- 

vers.  secund.  (extra  testam)  form.  568.  Stec4ASpis*. 
A  III.  testa  aspera   (sphaerica),   multis  spinis  accessoriis. 

569.  Lychnaspis*. 

2.  Subfamilia:   Phraetopelmida, 
Dorataspida  testa  clathrata  globosa  aut  elliptica  duplici  concentrica 
(clathris  interuis  primariis,  externis  secundariis). 

2a.  Tribus:   Stauropelmida. 
processibus  transversis  aculeorum  (testam  formantibus)  dichotomis 
aut  ramosis,  sed  non  clathratis  (ramis  cujusque  aculei  inter  se 
non  coalitis).  —  Testa  sphaerica  duplici  laevi,  sine  spinis  ac- 
cessoriis). 

A.  aculeorum  proc.  transv.  duob.  oppos.   570.  Phractopelma  *. 

B.  aculeorum  process,  transv.  quat.  cruc.  571.  Stauropelma*. 


Entwurf  eines  Radiolari en-Systems  u,  s.  w.  469 

2b.  Tribus:    Dory  pel  mi  da. 
processibus  traiisversis  aculeorum  (testam  formantibus)   clathratis 
(rarais  processuum  cujusquc  aculei  coalitis  ct  scutum  perfora- 
tum referentibus).  —  (Testa  sphaerica  duplici  laevi,  sine  spinis 
accessoriis). 

A.  aculeorum  proc.  trausv.  duobus  oppos.    572.  Dorypelma*. 

B.  acul.  proc.  tr.  quatuor  cruciatis.        573.  Tessaropelma  *. 

XIV.  Familiar   Sphaerocapsida. 

Acantharia  skeleto  sphaerico,  testam  acanthinicam  porosam  sim- 
plicem  formante,  quae  apices  terminales  viginti  aculeorum  ra- 
dialium,  in  centro  conjunctorum  et  ad  Johannes  Muelleri 
legem  dispositorum  conjungit.  Forma  peculiaris  ab  Astrolithio 
simplici  derivanda,  cujus  20  aculei  apice  (in  superficie  involucri 
gelatinosi)  membrana  acanthinica  globosa  conjuncti  sunt. 
Genus  unicum  charactere  familiae:        574.  Sphaerocapsa  *. 

XV.  Familia:   Litholophida. 

Acantharia  irregularia,  skeleto  e  multis  aculeis  acanthinicis ,  sine 
certo  numero  et  ordine  ex  uno  puncto  radiantibus  composito. 

A.  aculeorum  fasciculo  conico,  aculeis  simplicibus  multis  intra 
globi  quadrantcm  radiantibus.  575.  Litholophus. 

B.  aculeorum  fasciculo   sphaerico,   aculeis   simplicibus   multis 
ubique  radiantibus.  576.  Astrolophus*. 


IV.  Ordo:  CollodarJa 

(=  Thalassicollea ,  =  Collida,  =  PancoUa). 

Radiolaria  monozoa,  capsula  centrali  unica,  ubique  poris  perforata, 
membrana  capsulae  simplici,  nucleo  unico,  sine  skeleto  aut  cum 
skeleto  multis  spiculis  siliceis  solidis  separatis  composito. 

XVI.  Familia:   Thalassocollida  (Hkl.  1862). 

Collodaria  mollia,  sine  skeleto. 
A.  Capsula  centrali  sine  pallio  alveolorum. 

A  I.    nucleo  globoso  simplici.  577.  Thalassolampe. 

AIL  nucleo  ramoso.  578.  TnALASsapiLA *. 


470  Ernst  Haeckel, 

B.  Capsula  central!  in  pallium  alveoloruui  iuclusa. 

BI.    nucleo  gluboao  laevi.  579.  Thalassocolla. 

BII.  nucleo  ramoso  vel  papilloso.        580.  Thalassophysa* 

XVll.  tamilia:   Thalassosphaerida  (Hkl.  1862). 

Collodaria  spiculifera,  skeleto  multis  spiculis  siliceis  solidis,  capsu- 
1am  centralem  circumdantibus  composito. 

A.  Capsula  central!  sine  conis  internis  centripetalibus. 

A  I.    spiculis  simplicibus.  581.  Thalassosphaera. 

All.  spiculis  ramosis.  582.  Thalassoxanthium*. 

B.  Capsula  central!  cum  conis  internis  centripetalibus,  spiculis 
simplicibus.  583.  Physematium. 


V.  Oido:  Phoeodaria. 

{Pansolenia ,  Hkl.,  1878). 
{Tripylea,  Hertwicj,  1879.) 

Radiolaria  monocyttaria,  capsula  central!  solitaria,  membrana  cap- 
sular! duplic!  insigni;  areis  porosis  membranae  pluribus  (una 
principal!  ad  polum  axis  principalis  oralem,  et  una  vel  pluri- 
bus areis  accessoriis);  nucleo  cellulae  unico;  pigmento  extra- 
capsular! phaeo;  skeleto  siliceo  extracapsular!  polymorpho,  ple- 
rumque  tubulis  siliceis  cavis  insigni. 

Conspectus  familiarum  et  generum  hujus  ordinis  (aut  classis  sepa- 
ratae?)  jam  datus  est  in:  „S!tzungsber!chte  der  Jen.  Gesellsch. 
fur  Medic,  und  Naturw.  1879"  (12.  December). 

Will.  Familia:   Phaeocystida. 

1.  Sub  familia:  Phaeodinida.  Genera:  584.  Phaeodina. 
585.  Phaeogolla. 

2.  Subfamilia:  Cannorhaphida.  Genera:  586.  Cannurhaphis. 
587.  Thalassoplancta.    588.  Dictyocha. 

3.  Subfamilia:    Aulacanthida.        Genera:   589.   Aulagantha. 

.590.    AlJLANCORA.      591.   AULOGRAPHIUM. 

XIX.  Familia:   Phaeo gromida. 

1.  Subfamilia:  Challengerida.  Genera:  592.  Challengeria. 
593.  TuscARoRA.  594.  Gazelletta.  595.  Porcupinia.  596.  Ento- 
cannula.    597.  Lithogromia. 


Eutwurf  eiues  Eadiolarien-8ystems  u,  s.  w.  471 

2.  Subfainilia:   Castanellida.         Goiiera:    598.    Castanella. 

599.  Castanidium.  6(X).  Castanissa.  601.  Castanopsls.  G02.  Ca- 

STANURA. 

3.  Subfamilia:    Circoporida.  Genera:    603.    Cikcopokus. 
604.  CiKCosPATHis.   605.  Circostephanus.    606.  Porostepha- 

NUS.      607.   POKOSPATHIS. 

XX.  P'amilia:    Phaeosphaerida. 

1.  Subfamilia:   Aulosphaerida.      Genera:  608.  Aulosphaera. 

609.  AuLODiCTYUM.     610.  Auloplegma. 

2.  Subfamilia:  Cannosphaerida.      Genera:  611.  Cannacantha. 

612.  Cannosphaera.  613.  Coelacantha. 

XXI.  Faniilia:   Phaeoconchida. 

1.  Subfamilia:    Concharida.  Genera:     614.   Concharium. 
615.  CoNCHOPSis.     616.  Conchidium.    617.  Conchoceras. 

2.  Subfamilia:  Coelodendrida.       Genera:  618.  Coelodendrum. 

619.    CUELOTHAMNUS.     620.    COELODRYMUS.    621.  COELOTHAUMA. 


VL  Ordu:  Symbelaria. 

{CoUosphaerida,    Hkl.  ,    1862.) 

Radiolaria  polycyttaria,  capsulis  centralibus  pluribus  in  coenobium 
consociatis,  colla  alveolata  connexis;  membrana  capsularum  sim- 
plici,  ubique  poris  perforata;  nucleis  cujusque  cellulae  pluribus. 
Skeleto  testas  siliceas  clathratas  subglobosas  (simplices  aut  du- 
plices)  circa  singulas  capsulas  formante. 

XXII.  Familia:    CoUosphaerida. 

1.  Subfamilia:   Acroaphaerida. 
Symbelaria  testis  clathratis  simplicibus  subglobosis  irregularibus. 

A.  testae  laevi,  sine  spinis  et  tubulis.  622.  Collosphaera. 

B.  testa  spinosa ,  "spinis  basi  clathratis.       623.  Agrosphaera  *. 

C.  testa  bacillis  radiosis  centripetis,  ab  interna  testae  facie 
introrsum  prodeuntibus.  624.  Tribonosphaera  *. 

D.  testa  tubulosa,  pororiira  parte  in  tubulos  clathratos  producta. 

625.    SiPHONOSPHAERA. 


472      Ernst  Haeckel,  Entwurf  eines  Eadiolari en- Systems  u.  s.  w. 

2.  Subfamilia :    Clathrosphaerida. 
Symbelaiia  testis  clathratis  subglobosis  duplicibus  conceiitricis  (ex- 
tenio  et  interno  globo  per  rad.  unitis). 

A.  testae  externae  superficie  laevi.       626.  Clathrosphaera * 

B.  testae  externae  superficie  spinosa.     627.  Xanthiosphaera*, 


VII.  Ordo:  Syncollaria. 

{Sphaerozoida ,  Hkl.,  1862.) 

Radiolaria  polycyttaria,  capsulis  centralibus  pluribus  in  coenobium 
consociatis,  colla  alveolata  connexis;  membrana  capsularuni  sim- 
plici,  ubique  poris  perforata;  nucleis  cuj usque  cellulae  pluribus. 
Skeleto  aut  deficiente  aut  spiculis  siliceis  solidis  separatis  inultis, 
capsulas  centrales  extra  circumdantibus  composito. 

XXIII.  Familiar   Sphaerozoida. 

Syncollaria  spiculosa,  skeleto  siliceo  spiculis  multis  separatis  solidis, 
capsulas  centrales  extra  circumdantibus  composito. 

A.  spiculis  omnibus  simplicibus  (nee  ramosis  nee  compositis). 

628.  Rhaphidozoum. 

B.  spiculis  (omnibus  aut  parte)  compositis  aut  ramosis. 

629.  Sphaerozoum. 


XXIV.  Faiiiilia:   Collozoida. 

Syncollaria  mollia,  sine  skeleto. 
Genus  familiae  unicum:  630.  Collozoum. 


Frommannsche  Buehdruckerei  (Hermann  Pohle) 
iu  Jena. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen. 


Dr.  Otto  Uaniami, 

Assistent  nm  znologischen  Institut  in  Jena. 

Hierzu  Tafel  XX— XXV. 


Einleitung. 

Die  folgenden  Untersuchungen  wurden  im  Herbst  1880  in  Hel- 
goland begonnen.  An  conservirtem  Material  warden  dann  die  Stu- 
dien  an  Tubularia  coronata  fortgesetzt.  Durch  andero  Arbeiten 
beschiiftigt,  setzte  ich  dieselben  aus  bis  zum  Sommer  1881,  wo 
dieselben  von  neuem  begonnen  wurden.  Ein  Winteraufentbalt  von 
f)  Monaten  an  der  zoologischen  Station  in  Neapel  liess  die  Arbeit 
bis  zum  Schlusse  fiiren. 

Urspriinglich  sollte  die  Entstehung  der  Geschlechtsstoffe  mit 
erforscht  werden,  doch  da  dieselben  bereits  von  Prof.  Weisniann 
in  vergieichender  Weise  bei  den  Coelenteraten  untersucht  wird, 
so  wurde  dieser  Teil  bei  Seite  gelassen  und  nur  von  einer  Hale- 
ciumart  die  Entstehung  geschildert. 

Die  Histologie  der  Hydroidpolypen  war  bisher  noch  nicht  ver- 
gleichcnd  dargestellt  vvorden.  Ueber  die  meisten  Arten  fehlten 
bisher  iiberhaupt  Angaben.  In  Folge  dessen  ist  auch  ein  natur- 
liches  System  der  Polypen  noch  nicht  vorhanden. 

Im  Folgenden  soil  zuniichst  eine  Zusammenstellung  der  all- 
gemeineren  Resultate  folgen,  und  zum  Schluss  die  Histologie  einiger 
Arten  gegeben  werden. 

Kurzer  Ueberblick  der  die  Histologie  behandelnden 
Abhandlungen. 

Alle  bis  zum  Jare  1870  erschienenen  Arbeiten  uber  Hydroid- 
polypen sind  in  dem  grossen  Werke  von  AUman^)  zusammen- 
gestellt  worden.     Dieselben  euthalten  wenig  oder  nichts,  was  auf 


i)Allman,    A  monograph    of  the  Gymnoblastic  or  Tubularian 
Hydroids,  London   1871. 


474  Dr.  Otto  Hamann, 

den  feineren  Bau  der  Hydroidpolypen  Bezug  hiitte  und  haben  wir 
uns  deshalb  auf  die  neueren  Arbeiten  zu  beschranken. 

Der  ersten  Arbeit,  welche  zur  richtigen  Erkcnntnis  des  feine- 
ren Baues  der  Poly  pen  beitrug,  von  Fr.  E.  Schultze'),  folgte 
die  Monographie  Kleinenbergs^)  uber  Hydra. 

Ersterer  Forscher  unterschied  zuerst  die  3  Schicliten ,  welche 
den  Korper  zusammensetzen ,  das  Exoderm  mit  der  Muskelschicht, 
die  Stiitzlamelle  und  das  Entoderm. 

In  einer  1873  erschienenen  Arbeit  weist  dann  derselbe  For- 
scher 3)  auch  bei  Syncoryne  das  Vorhandenscin  der  vier  genann- 
ten  Gewebselemente  nach. 

Weiter  ist  dann  eine  Abhandlung  von  C.  Grobben^)  zu 
nennen,  welche  sich  mit  dem  feineren  Bau  von  Podocoryne  be- 
schaftigt.  In  dieser  Arbeit  weist  der  Verfasser  das  Vorkommen 
von  Taeniolen  im  Entoderm  mit  Entschiedenheit  zuruck.  Wie  wir 
aber  sehen  werden,  finden  sich  dieselben  dennoch  vor. 

Dieser  Arbeit  folgte  1879  eine  Abhandlung  von  Ciamician^), 
welche  sich  betitelt:  „Ueber  den  ferneren  Bau  und  die  Entvvick- 
lung  von  Tubularia  Mesembryanthemum."  Trotz  des  Titels  findet 
sich  jedoch  nur  die  Histologie  der  Tentakel  dargestellt.  Die  An- 
gaben  dieses  Forschers  konnen  wir  mit  gutem  Gewissen  als  in 
alien  Teilen  falsch  erklaren.  Das  Vorkommen  von  Ringmuskel- 
fasern,  die  merkwiirdige  Zellschicht,  die  von  den  Fortsatzen  der 
Nesselkapselzellen  gebildet  werden  soil,  habe  ich  nirgends  gefun- 
den.  Gegen  seine  Darstellung  der  Entwicklung  sind  bereits  Zweifel 
von  Balfour*')  erhoben  worden.  Die  ganze  Darstellung  ist  ein 
Conglomerat  von  Fehlern.  Die  epibolische  Gastrula,  deren  Bildung 
uns  sogar  durch  Abbildungen  erlautert  wird,  existirt  gar  nicht! 

Was  die  iibrigen  Angaben  betrifft,  so  ist  bereits  von  anderer 
Seite  die  von  ihm  gegebene  Entstehung  der  Eier  in  den  Gono- 
phoren  bei  Eudendrium  widerlegt  worden.  Auch  diese  Bildung 
erlautert   er   durch   Abbildungen!     Uebcr   Tubularia    hatte   auch 


^)  Fr.  E.  Schultze,    TJeber    den    Bau    und    Entwicklung    von 
Cordylophora  lacustris.     1871,     Leipzig. 

2)  Klein enb erg,  Hydra.      1872. 

3)  Fr.  E.  Schultze,    XJeber    den    Bau    von    Syncoryne    Sarsii. 
1873.     Leipzig. 

■*)  C.   Grobben,    Podocoryne  carnea,  Sitzungsberichte  der  Aca- 
demie  d.  Wissenschaften  zu  Wien   1875. 

»)  Ciamician,  Zeitschrift  f.  wissenscliaftl.  Zoologie ,  Bd.  32. 
*^)  Balfour,    Handbuch  der  Embryologie,  p.  148.     Jena,  1880, 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  475 

V.  Koch^)  einige  Notizen  gegeben.  Die  Histologie  von  Clado- 
coryne  floccosa  behandelte  Du  Plessis*)  und  die  von  Campa- 
nularia  Fraipont  ^). 

In  neuester  Zeit  ist  von  Weismann^)  auf  den  feineren  Bau 
von  Eudendrium  bezugliches  in  einer  Arbeit,  welche  iiber  bisher 
noch  nicht  gekannte  Organe  handelt,  veroffentlicht  worden;  des- 
gleichen  hat  derselbe  Forscher  in  liurzen  Mitteilungen  uber  die 
Entstehung  der  Geschlechtsstoffe  auch  Einiges  iiber  den  feineren 
Bau  bezugliches  zugefugt. 

Die  genannten  Arbeiten  bieten  uns  nur  die  Histologie  inso- 
weit  dar,  als  dieselbe  one  Schnitte  anzufertigen ,  zu  erkennen  ist. 
Mit  Ausnahnie  von  Koch,  welcher  einige  Schnitte  durch  Tubu- 
laria  abbildet,  ist  die  Schnittmethode  nicht  angevvendet  worden. 

Da  auch  die  Polypen  der  Siphonophoren  untersucht  wurden, 
so  sind  hier  die  Arbeiten  von  Glaus  s)  zu  nennen,  in  welchen 
das  Vorkommen  von  Liingswulsten  bei  Halistemma  festgestellt 
wurde,  und  die  vorlilufige  Mitteilung  von  Chun*^),  welcher  liber 
das  Vorkommen  von  Ganglienzellen  und  Nerven  berichtet.  Die 
iibrigen  hier  nicht  genannten  Arbeiten  iiber  Polypen  werden  in  den 
Anmerkungen  citirt  werden. 

Methoden  zur  Untersuchung. 

Da  es  jetzt  allgemein  Mode  geworden  ist,  den  Arbeiten  eine 
Beschreibung  der  angewendeten  Untersuchungsraethoden  beizuge- 
ben,  so  soil  auch  hier  dicser  Sitte  gefolgt  werden. 

Um  die  Hydroidpolypen  untersuchen  zu  konnen,  ist  lebendes 
Material  unerlasslich.  Ueber  die  Bewimperung  zum  Beispiel  der 
Entodermzellen  ist  man  nur  am  lebenden  Tiere  im  Stande  zu  be- 
richten. 

Daneben  ist  jedoch  die  Untersuchung  an  Schnittserien  uner- 
lasslich. Ebenso  sind  die  Macerationsmethoden  von  grossem 
Werte. 

Zum  Toten  der  Tiere  empfielt  sich  Kleinenbergs  Pikrinschwe- 

1)  V.  Koch,  Jen.  Zeitschr.  7.  Jargg.  Mitteilungen  iiber  Coelen- 
teraten. 

2)  Du  Plessis,  Sur  le  Cladocoryne  floccosa,  Neapler  Mittei- 
lungen, Bd.  2. 

3)  Fraipont,  Campanul.  angulata.     Arch.  zool.   exper.  Tom.  8, 
*)  Weismann,  Zur  Entstehg.  d.  Geschlechtsstoffe,  Zoolog.  An- 

zeiger.  —  "Weismann,  Ueber  eigentiimliche  Oi'gaue  bei  Eudendrium 
racemosum.     Neapler  Mitteilungen,    1881. 

5)  C.  Glaus,  Ueber  Halistemma  tergestinum,   1878.     Wien. 

^)  Chun,  Zoolog.  Anzeiger,  1880. 


476  Dr.  Otto  Hamann, 

felsiiure  in  unverdunntem  Zustande  am  meisten.  Daneben  kann 
audi  die  Totung  durch  Sublimat  bewirkt  werden,  doch  hat  dieses 
den  Nachteil,  dass  die  Zellgrenzen  des  Entoderms  verwischt  er- 
scheinen. 

Die  Einbettung  geschah  mit  der  neuen  Methode  in  Chloro- 
form iind  Paraffin  1).  Die  Schnitte  warden  mit  einer  ScheUack- 
losung  fest  auf  den  Objekttriiger  befestigt.  Von  Caldwell  ist  die 
an  selbiger  Stelle  angegebene  Methode  vereinfacht  worden  und 
zwar  auf  folgende  Weise.  Man  stellt  sich  eine  Liisung  von  Schcl- 
lack  (womoglich  des  weissen  in  Stangen  vorkommenden)  in  Kreo- 
sot  her,  indem  man  (lurch  Erwilrmen  das  Schellack  lost.  Die  L'6- 
sung  braucht  keineswegs  concentrirt  zu  sein.  Man  hat  hi(!rbei 
vor  dcm  Zutritt  von  Feuchtigkeit,  wie  Wasserdiimpfen,  das  Kreo- 
sot  in  Acht  zu  nehmen.  Mit  dieser  Losung,  die  man  vor  dem 
Gebrauch  filtriren  kann,  bestreicht  man  mittels  eines  Pinsels  ganz 
diinn  den  Objekttrager.  Die  Schnitte  werden  nun  auf  den  mit  der 
Losung  bestrichenen  Objekttrager  gebracht  und  das  Kreosot  durch 
Verdampfen  auf  einem  50 «  Cels.  bcsitzenden  Wasscrbad  lieseitigt. 
Durch  Riechen  an  dem  Objekttrager  tiberzeugt  man  sich,  ob  das 
Kreosot  vollkommen  verdampft  ist.  Man  spiilt  nun  mit  Terpen- 
tinol  das  Paraffin  ab  und  verfilrt  weiter  in  der  bekanntcn  Weise. 
Zum  Farben  wurde  das  Grenachersche  Alkohol-P)oraxcarmin  und 
das  Ranviersche  Pikrocarmin  verwendet. 

Die  Isolationspraparate  wurden  auf  folgende  Weise  gewonnen. 
Man  fertigt  Schnitte  an,  die  nicht  allzufein  zu  sein  brauchen, 
bringt  dieselben  in  Alkohol  zuriick,  wenn  man  zum  Schneiden  in 
Paraffin  eingebettet  hatte  und  isolirt  nun  die  Zellen  durch  klopfen 
auf  das  Deckgliischen. 

Will  man  die  Zellen  der  Polypen  in  demselben  Zustande  er- 
halten  haben,  in  welchem  sie  im  Momentc  dei'  Fixirung  sind ,  so 
ist  ein  rasches  Uebergiessen  mit  heisscm  Sublimat  zu  empfehlen.  — 

Dieses  sind  im  Grossen  und  Ganzen  die  angewendeten  Me- 
thoden.  — 

Die  Terminologie  der  Hydroi  d  polyp  en. 
Die  Terminologie  erfreut  sich  bei  dieser  Abteilung  einer  un- 
geheuren    Ausdehnung.      Durch    Hincks'^)    und    Allman^)    ist 


1)  siehe  Zoolog.  Anzeiger,    Kr.  92.    1881.     Zur  Schneideteclinik 
von  Giesbrecht. 

2)  Hincks,   A  History   of  the  British  Hydroid  Zoophytes.    Lou- 
don  1868. 

3)  All  man,  A  monograph  of  the  Gymnoblastie  Hydroids.     Lon- 
don 1871/72. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  477 

eine  feste  Bezeichnuiig  eingefiirt  wordeii.  Wir  werden  in  den 
meisten  Bezeichnungeu  diesen  Forschern  folgen,  oue  aber  die  ver- 
schicdenen  unnotigen  Namen  alio  zu  gebrauclien. 

Wir  sclieiden  die  verschiedeneii  Personen  der  Hydroidpolypen 
in  drei  Abteilungen.  Zur  ersten  gehoren  die  Ntirpolypen  oder  Tro- 
phopolypen  ,  zur  zweiten  die  Geschlcchtspolypen  oder  Gonopolypen 
iind  zur  dritten  die  Wehrpolypen  oder  Machopolypen.  Unter  letz- 
tere  Kategorie  gehoren  die  sogenannten  Spiralzoids. 

Die  Gonopolypen  sind  riickgebildete,  nur  noch  zur  Aufnahme 
der  Geschleclitsstoffe  dienende  Polypen.  Die  Geschlechtskapseln 
selbst  nennen  wir  Gonophoren  und  unterscheidcn,  um  der  Nomen- 
clatur  aus  dem  Wege  zu  gehen ,  in  der  sich  niclitssagende  Worte, 
wie  „Sporosac",  linden: 

1)  polypoide  Gonophoren, 

2)  medusoide  Gonophoren. 

Die  ersteren  sind  stets  von  einer  Chitinhiille  umgeben,  den 
letzteren  fehlt  dieselbe. 

Die  ersteren  sind  riickgebildete  Polypenkorper,  die  letzteren 
hingegen  nicht  zur  Ablosung  gekoniniene  Mcdusen, 

Die  Skelcttrore  wird  als  Polyparium  bezcichnet.  Sobald  man 
aber  nur  das  Skelett  der  einzelucn  Person  meint,  spricht  man  von 
der  Hydrothcka  oder  dem  Calyx.  Es  ist  der  Calyx  also  die 
becherformige  Erweiterung,  welche  dem  Korper  zum  Schutze  dient. 
Das  Skelett  hingegen,  der  die  einzelnen  Tiere  verbindende  Weicli- 
korper,  wird  als  Perisa^k  bezeichnct,  und  die  von  ihm  umschlos- 
senen  Weichteile  als  Coenosa^k. 

Die  von  All  man  gegebenen  detaillirten  Bezeichnungen  fiir 
die  Telle  des  Gonophors,  wie  Gonoblastidium,  Spadix  u.  s.  w.  er- 
wanen  wir  unten,  wenn  wir  sie  anwenden. 


Erster   Teil. 

I.  Kapitel. 

Zur  Tectologie, 

Von  den  vier  Hauptstufen  der  Individualitaten ,  wie  sie  von 
E.  Haeckel  aufgestellt  wurden,  der  Plastide,  dem  Idorgan,  der 
Person  und  dem  Stock  treten  uns  bei  den  Hydroidpolypen  die 
letzten  zwei  entgegen. 


478  Dr.  Otto  Hamann, 

Die  meisten  dieser  Tiere  bilden  Stocke  und  nur  wenige  For- 
men  bleiben  als  solitiirc  Personen  bestehen,  vvie  die  Siisswasser- 
form  Hydra.  Jede  Person  besitzt  ihren  eigenen  Mund  uud  Magen. 
Uni  den  Mund  stehen  die  Tentakel  meist  stralenformig  in  einem 
Kreise  angeordnet.  Bei  vielen  Arteu  sind  diese  Organe  noch  nicht 
auf  einen  Kreis  urn  den  Mund  beschrankt,  sondern  stehen  an  dem 
ganzen  Korper  verteilt  (z.  B.  Corydendrium ,  Syncoryue).  Ausser 
diesen  schlechthin  als  Oraltentakeln  zu  bezeichnenden  Tentakeln 
tritt  bei  einigen  Arten  ein  zweiter  Tentakelkranz  an  der  Basis  des 
Korpers  auf  (z.  B.  Tubularia). 

Wir  unterscheiden  nur  eine  constante  Axe,  die  Langsaxe  (axon 
principalis).  Ihr  einer  Pol  ist  der  Mund-  oder  Oralpol,  warend 
der  andere,  der  Gegenpol,  als  Fuss-  oder  Aboralpol  bezeichnet 
wird.     Mit  dem  Aboralpol  heften  sich  die  Tiere  fest. 

Die  Stocke  (cormi)  werden  durch  Personen  gebildet,  welche 
gleichfalls  einaxig  ungegliedert  sind.  Sie  entstehen  auf  zweifache 
Weise. 

Bei  der  einen  Gruppe  entstehen  die  Stocke  dadurch,  dass  an 
einer  Person  neue  Personen  durch  Sprossung  entstehen.  Diese 
konimen  nicht  zur  Ablosung  von  der  Mutterperson,  wie  es  zum 
Beispiel  noch  der  Fall  ist  bei  Hydra,  sondern  bleiben  im  Zusani- 
menhang  mit  derselben,  sodass  auch  ihr  Magen  mit  dem  der  er- 
steren  in  Communication  bleibt.  Erfolgt  die  Sprossung  nach  be- 
stimmten  Gesetzen ,  so  entstehen  die  regelmassigen  Stocke  (z,  B. 
Plumularien). 

Bei  der  zweiten  Gruppe  treibt  der  den  Stock  erzeugende  Po- 
lyp an  seiner  Basis  einen  Wurzelstock,  und  es  entspringen  die 
einzelnen  Personen  von  diesem  als  Rhizom  zu  bezeichnenden  Ge- 
bilde  gesondert.    Auch  hier  bleiben  dieselben   in  Communication. 

Steht  bei  der  ersten  Gruppe  der  Stock  senkrecht  zur  Anhef- 
tungsfiache,  so  kriecht  er  bei  der  zweiten  auf  derselben  und  die 
Personen  erheben  sich  senkrecht  von  dem  kriechenden  Stock,  der 
oben  als  Rhizom  bezeichnet  wurde.  — 

Haben  wir  oben  als  Person  jedes  Individuum  angesprochen, 
welches  eine  centrale  Hole,  die  Magenhole  und  eine  Oeffnung,  die 
Mundoflfnung  besass ,  so  gilt  dies  nur  fur  die  Grundperson  der  Po- 
lypen.  Die  weiter  unten  naher  zu  besprechende  Arbeitsteilung 
lehrt  uns  den  Begriff  der  Person  zu  erweitern.  Wir  haben  riick- 
gebildete  Polypenpersonen  vor  uns,  welche  Mund  und  oft  auch 
die  Magenhole  eingebiisst  haben.  Zu  ersteren  gehoren  die  soge- 
nannten  Spiralzoids  bei  der  Podocoryne-Gattung  und  die  polypoiden 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  479 

Gonophoren,  wiirend  zu  letzterer  die  als  Nematophoren  bezeich- 
neten  Bildungeii  gehoren. 

Warend  wir  an  deu  Hydroid-Polypen  im  AUgenieinen  imr  eine 
Axe,  die  Liiiigsaxe  unterscheiden  konnen  uiid  die  Organc  noch 
nicht  ill  bestimniteii  Radien  augelegt  siiid,  wie  dies  bei  den  Ko- 
rallenpolypen  und  weiter  bei  den  Medusen  der  Fall  ist,  so  giebt 
es  doch  eine  Art  und  vielleicht  mehrere,  nur  ist  es  bei  den  an- 
deren  noch  nicht  erkannt  worden,  bei  welcher  sich  die  Tentakel 
in  bestiinniten  Radien  anlegeu!  Diese  neue  im  Golf  von  Neapel 
gefundene  Art,  wclchc  zu  der  Gattung  Podocoryne  gehort,  haben 
wir  unteu  niiher  beschrieben  und  als  Podocoryne  Haeckeli  be- 
zeichnet. 

Wir  unterscheiden  an  derselben  die  durch  das  iiberall  kennt- 
liche  Mundkrcuz  gebildeten  vier  Radien  erster  Ordnung,  die  Per- 
radieii.  In  diesen  vier  Perradien  legen  sich  die  vier  primiiren 
Tentakel  an  (vergl.  die  Abbildungen  auf  Tafel  XXIV).  Dieselben 
sind  stets  durch  ihre  auti'allende  Grosse  kenutlich.  In  den  zwischen 
den  Perradien  liegenden  vier  Interradien  entstehen  die  4  niichst- 
I'olgenden  Tentakel.  Sie  bleiben  stets  an  Wachstum  hinter  den 
perradialen  Tentakeln  zuruck.  Die  folgenden  Tentakeln  —  es  ent- 
stehen nur  noch  zwci  —  entstehen  in  den  zwischen  letztereii  Ra- 
dien gelegenen  Adradien.  Man  triftt  nur  Personen  init  acht  oder 
zehn  Tentakeln  an,  wiirend  die  jungcn  Poly  pen  deren  nur  vier  be- 
sitzen. 

Es  ist  also  die  gesetzmiissige  Anlage  der  Organe  nicht  erst 
bei  den  Medusen  entstanden,  sondern  sie  ist  bereits  bei  den  Hy- 
droidpolypen vorhanden,  wie  eben  gezeigt  wurde. 


Die  Grundform 

des  Hydroidpolyp  ist  ein  Cylinder,  dessen  Meridianebene  ein 
Rechteck  ist.  Auf  der  eiiien  Kreisfiitche  sitzt  ein  Kegel  auf,  dessen 
Endfliiche  mit  der  des  Cylinders  zusammenfiillt.  Die  durch  die 
Spitze  des  Kegels  und  durch  das  Centrum  der  gegeniiberliegenden 
Endfliiche  gehende  Axe  ist  die  Langsaxe.  In  der  Spitze  des  Ke- 
gels ist  der  Mund  gelegen ,  wiirend  der  Kegel  selbst  den  vorstiilp- 
baren  Mundkegel  (Hypostoni)  vorstellt.  Die  Endfliiche  des  Cylin- 
ders bildet  die  Fussfliiche  der  Polypen.  An  der  Basis  des  Kegels 
inseriren  die  Tentakeln,  welche  gleichfalls  von  cylindrischer  Ge- 
stalt  sind. 


480  ■  Dr.  Otto  Hamann, 

Die  Wandung  des  Cylinders  besteht  aus  den  zwei  Keimblat- 
tern,  dem  Exo-  und  Entoderm.  Letzteres  hat  eine  oft  als  Meso- 
derm bezeichnete  Stiitzlamclle  ausgeschieden,  wiirend  das  Exoderm 
einc  Chitinhiille  in  Form  eines  den  Polypen  umgcbenden  Cylinders 
gebildet  hat. 

Da  die  Tentakeln  Ausstiilpungen  der  Magenholc  sind,  so  mils- 
sen  sich  auch  dieselben  Schichten  auf  ihnen  vorfinden. 


Die  Gewebe  des  Entoderms. 

Sammtliche  im  Folgenden  zu  besprechenden  Gewebeformen 
sind  entstauden  oder  gebildet  von  dem  Entoderm  der  Gastrula, 
welche  uns  bei  alien  Hydroiden  begegnet  und  bald  als  Planula, 
bald  als  Actinula  benannt  wird. 

Beginnen  wir  unsere  Schilderung  mit  der  histologischen  Be- 
trachtung  des  Entoderms  der  Actinulae. 

Nachdem  sich  bei  dem  Genus  Tubularia  die  Gastrula  gebildet 
hat  (die  Beschreibung  siehc  unten),  also  der  Embryo  aus  den  zwei 
primitren  Keimbliittern  besteht,  treten  zuerst  zwei  Ausstiilpungen 
auf,  die  zwei  primaren  Tentakeln.  Ihnen  folgen  zugleich  die  iibri- 
gen  in  unbestimmter  Anzal  nach.  Zugleich  mit  der  Anlage  der 
Tentakeln  bricht  der  Mund  hervor.  Sehen  wir  uns  nun  einen 
solchen  Embryo  naher  an ,  so  treten  uns  im  Entoderm  bereits  fol- 
gende  zwei  Bildungen  entgegen.  Die  Magenhole  wird  von  flim- 
mernden  Zellen  ausgekleidet ;  die  Tentakel  hingegen  zeigen  in  ihrer 
Axe  ein  eigenes  Gewebe,  das  wir  als 

I.     Das  entodermale  Bindegewebe 

bezeichnen  wollen.  Diese  Zellen  der  Tentakelaxen  gehen  nicht  un- 
mittelbar  in  die  Zellen  des  Entoderms  iiber,  sondern  bilden  einen 
Ringwulst  in  der  Mitte  des  Korpers  (siehe  die  Abbildungen). 
Zwischen  diesen  Bindesubstanzzellen  und  den  erniirenden  Ento- 
dermzellen  kommt  eine  Stiitzlamelle  zur  Ausscheidung. 

Die  Zellen  dieser  Bindesubstanz  liegen  in  der  Tentakelaxe 
wie  die  Geldstiicke  in  einer  Geldrolle  oder  die  Zellen  im  Chorda- 
gewebe.  Dieses  Verhalten  ist  bei  alien  Hydroidpolypen,  welche 
solide  Tentakeln  besitzen,  dasselbe.  Auch  bei  den  Tentakelaxen 
der  jungen  Actinulae  ist  dies  der  Fall. 

Beim  erwachsenen  Tier  hingegen  liegen  dieselben  regellos  an- 
geordnet,   wie  sie  auch  im  Ringwulst  vorkommen.    Wie  wir  die 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen.  481 

EntstehuDg  dieser  Zellen  uns  zii  deiikcii  haben,  wird  im  dritten 
Teile  gezeigt  werdeii. 

Was  nun  den  Bau  dieser  Zellen  anlangt,  so  bcsitzen  sie  eine 
feste  Menibran,  in  deren  Innerera  eine  wasserhelle  Fliissigkeit  sich 
findet.  Das  Protoplasma  umgiebt  den  Kern  and  suspendirt  ihn 
im  Centrum  der  Zelle  an  Faden.  Der  Beleg  des  Protoplasma  ist 
itusserst  tliinn  und  oft  kaum  erkennbar.  Warend  bei  den  Zellen 
der  Tentakelaxe  der  Kern  stets  in  der  Mitte  sich  befindct,  liegt 
er  bei  den  Zellen  der  Tentakeln  der  Tubularien,  sowie  in  den 
Zellen  der  Wiilste  der  ZcUwandung  an.  Das  Protoplasma  ist  liier 
kaum  naclizuweisen  und  scheint  es  wie  geschwuuden  zu  sein.  Die 
Form  der  Zellen  ist  eine  blasige,  kuglige,  warend  sie  bei  einsei- 
tiger  Lage  die  Form  von  Geldstiicken  annehmeu. 

Je  nach  dem  Zustande  der  Contraction  der  Tentakel  besitzen 
die  Zellen  ein  grosses  oder  kleines  Lumen.  Wir  crwiinen,  dass 
in  diesen  Zellen  haufig  Ablagerungen  von  farbigen  Concrementen 
vorkommen,  so  vorziiglich  in  den  Tentakelspitzen  von  Pennaria 
Cavolinii.  Ebenso  bei  den  Spiralzoids  von  Podocoryne  Haeckeli, 
wo  sic  in  der  Mitte  der  Zellen  dieser  Gebilde  liegen. 

Sehen  wir  uns  nach  dem  Vorkommen  dieser  Bindegewebszel- 
len  bei  den  iibrigen  Coelenteraten  uni,  so  finden  wir  sie  bei  den 
Medusen  wieder,  wo  sie  gleichfalls  die  Axe  der  soliden  Tentakeln 
bilden.  Nirgends  treten  sie  aber  in  Form  eines  so  milchtig  ent- 
wickelten  Gewebes  auf,  wie  es  bei  der  Gattung  Tubularia  der  Fall 
ist  (vergl.  die  Querschnittc  Fig.  4,  5,  7  auf  Tafel  XXIII). 

Wenn  wir  dieses  Gewebe  der  Bindesubstanz  zuzalen,  so  fol- 
gen  wir  dem  Vorgange  von  Haeckel')  und  Kollicker^). 


II.     Die  Flimmerzellen. 

Siiramtliche  Holritume  des  Hydroidenkorpcrs  werden  von  dem 
inneren  Keimblatte  ausgekleidet.  Die  Magenhole  und  der  Trich- 
termund  und  ebenso  die  Tentakeln ,  falls  dieselben  hoi  sind,  wer- 
den von  stets  flimmernden  Zellen,  deren  Form  bald  cylinderformig, 
bald  abgeplattet  sein  kann,  ausgekleidet.  Wie  schon  Klein  en- 
berg  hervorhebt,  wechselt  ihre  Gestalt  je  nach  den  Contractionen 
des  Tieres.  Das  Flimmerhar  —  jeder  Zelle  kommt  nur  eins  zu  — 
j&ndet  sich  iiberall.     Diese  Zellen   sind  also  als  Geisselzellen  zu 


1)  E.  Haeckel,  Die   Geryoniden.     Jen.  Zeitschrift  Bd.  II. 

2)  A.  Kollicker,  Icones  histologicae.    Leipzig,   1865. 

Bd.  XV.  N.  F.  VIII.  4.  31 


482  Dr.  Otto  Hamann, 

benennen  im  Gegensatz  zu  jeneii  Zellcn,  welche  zwei  oder  mehrere 
Wiinpcni  tragen  unci  von  E.  Haeckel  den  ersteren  als  Wimper- 
zellcn  gcgeniibergcstellt  wcrden. 

Die  Geisselzellen  sind  Plasniaschlauche,  deren  Holraum  mit 
einer  wasserhellen  Fliissigkeit  angefullt  ist.  Der  Kern  nebst  seinem 
iiberall  sich  findenden  Kernkorperchen  liegt  im  Plasma  eingebettet. 
An  dem  nach  dem  Magen  zu  liegenden  Ende  der  Zelle  findet  eine 
starkere  Ansammlung  der  Protoplasmas  statt,  warend  eine  andere 
den  Kern  einschliesst.  Von  letzterer  setzen  feine  Faden  durch 
die  das  Zelllumen  erfiillende  Flussigkeit  zu  der  den  Zellschlauch 
bildenden  Protoplasmaschicht  ^). 

Stimmen  nun  die  Zellen  meist  uberein  mit  dem  eben  geschil- 
derten  Bau,  so  ist  bei  sammtliclien  Hydroidpolypen  eine  Sonde- 
rung  der  Entodermzellen  in  zwei  Gruppen  erkennbar.  Es  unter- 
scheiden  sich  die 

Zellen  des  oralen  Teiles,  des  Hypostomes  in  ihrer  Ge- 
stalt  von  den  Zellen  des  mittleren  und  basalen  Teiles.  Hierin 
ist  zugleich  die  verschiedene  Funktion  ausgedruckt,  welche  beide 
Arten  ausiiben. 

Schon  bei  Hydra  linden  sich  zwei  Arten  vor.  Die  Zellen  des 
oralen  Teiles  sind  von  langerer  und  gestreckterer  Gestalt,  als  die 
ubrigen.  Ihr  Hohendurchmesser  ubertrifft  den  Breitendurchmesser 
bereits  bei  Hydra  uni  niehr  als  das  sechsfache,  warend  bei  Cam- 
pauularien  die  Zellen  fadenformige  Gestalt  angeuommen  haben. 
Im  Gegensatz  zu  ihnen  sind  die  den  Magen  auskleidenden  Zellen 
von  wurielforniiger  Gestalt. 

Betrachten  wir  den  Liingsschnitt  Figur  10  auf  Tafel  XXV  von 
Halecium,  so  fallt  uns  der  Unterschied  sofort  in  die  Augen.  Wie 
wir  nun  im  dritteu  Telle  sehen  werden ,  haben  wir  den  Zellen  des 
Hypostomes  eine  Sekretabsonderung  zuzuschreiben,  warend  die 
grosseren  Zellen  des  Magens  die  Naruug  zu  assimiliren  haben. 

Bei  den  bisher  als  Tubularien  beschriebenen  Formen,  also  den 
Tubulariden,  Pennariden,  Eudendriden  u.  s.  w.  kommt  diese  Son- 
derung  der  Zellen  gleichfalls  vor,  doch  da  hier  noch  andre  Um- 
bildungen  eingetreten  sind,  betrachten  wir  diese  als  Taeniolen  zu 
bezeichuenden  Gebilde  gesondert. 


*)  vergl.  Kleinenberg,   Hydra  uud  Fr.  E.  Schultze,  Cordy- 
lophora. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  483 

III.    Die  Langswiilste  oder  Taeniolen, 

Bisher  warcn  in  den  Magen  vorspringende  Liingswiilste  nur 
bei  der  Gattung  Tubularia  naher  bekannt  geworden,  wo  sie 
G.  V.  Koch^)  meines  Wissens  zuerst  abgebildet  hat, 

Diese  Langswiilste  oder  Taeniolen  sind  jedoch  keiueswegs  auf 
diese  Gattung  beschrankt,  sondern  koramen  alien  bisher  als  Tu- 
bularien  beschriebenen  Polypen  zu.  Es  ist  somit  die  von  All- 
mann  auf  das  Skelett  begniudete  kiinstliche  System  audi  ein  dem 
histologischen  Bau  entsprechendes.  Ich  bemerke  hier  noch,  dass 
audi  bei  Syncoryne,  Podocoryne,  Cladocoryne  diese  Wiilste  sidi 
finden  und  zwar  gerade  in  ausgezeichneter  Weise,  obgleich  sie  in 
den  oben  genannten  Abhandlungen  nidit  besprodien  werden,  oder 
wie  bei  Podocoryne  geradezu  in  Abrede  gestellt  werden.  Am  Hy- 
postom  erheben  sich  bei  sammtlichen  Tubularien  meist  fiinf  (oder 
auch  vier)  Langswiilste.  Diese  Langswiilste  teilen  sich  beim  Ueber- 
gange  des  Hypostomes  in  den  Magen,  sodass  man  auf  Querschnit- 
ten,  welche  durch  den  Korper  gelegt  sind,  je  uach  der  Stelle,  wo 
der  Schnitt  gefurt  ist,  bald  8,  10,  12  bis  20  Langswiilste  ziilen 
kann.  Wiirend  dieselben  am  Hypostom  glatt  verlaufen,  bilden  sie 
nach  der  Verzweigung  vorspringende  Wiilste,  wie  auf  dem  Liings- 
schnitt  durch  Podocoryne  carnea  in  Figur  3  auf  Tafel  XX  zu 
sehen  ist.  Dcutlich  erkennbar  ist  auch  hier  der  Unterschied  zwi- 
schen  den  Zellen  des  Hypostomes  und  denen  der  Magenwiilste. 
Im  ersteren  sind  die  Zellen  von  fast  fadenformiger  Gestalt. 

Sammtliche  Zellen    haben   an  ihrer  Basis  Muskclfibrillen  ab- 
gesondert.     Besonders    stark    entwickelt   sind   dieselben   bei   den         ^  , 
Zellen  des  Hypostomes.     Auch  bei  den  Campanarien    und  Sertu-     t^/ 
larien   scheinen   die  Zellen    des   Hypostomes,    und   zwar  nur   des 
Hypostomes,  Ringmuskeln  zu  besitzen,  vvenngleich  wegen  der  Klein- 
heit  der  Zellen  ein  Nachweis  sehr  schwer  zu  ftiren  ist. 

Die  Muskeln  verlaufen  stets  ringformig.  Sie  bewerkstelligen 
also  den  Verschluss  des  Hypostomes. 

Die  Zellen  der  Magenwiilste  sind  in  ihrem  freien  Endteil 
breiter  gestaltet.  Nach  der  Basis  zu  verengen  sie  sich  spindel- 
formig.  Die  Wiilste  verjiingen  sich  allmiilich,  um  unterhalb  der 
Korpermitte  in  die  Entodermzellcn  iiberzugehcn.  Dieses  Verbal- 
ten  ist  auf  derselben  Tafel  in  Fig  4  dargestellt. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  den  Entodermzellcn  im  Allgemeinen 

^)  G.  V.  Koch,  Jen.  Zeitschrift,  Mitteil.  iiber  Coelenteraten  Bd.  7. 

31* 


484  Dr.   Otto  Hamann, 

zuriick,  uni  die  Einschliisse  zu  betrachteii,  welche  sich  in  densel- 
ben  find  en. 

Bei  alien  Polypen  tiiulen  sich  Fiirbstotfe  abgelagert,  welche 
die  Farbe  der  ciiizelneii  bedingen.  Bald  sind  diesc  Elenientc 
orange,  bald  braun,  bald  rosa  wie  bei  einer  Clava,  oder  schwarz. 
Die  Zellen  des  Hypostomes   zeigen  nie  Einlagcrungen    dieser  Art. 

Aiisscr  diesen  Concrenientcn  tinden  sich  Ei\veissk()rperchen, 
Oeltropfen  vor.  Diese  Bildungen  liegen  alle  im  Plasma  eingebet- 
tet.  Die  „gelben  Zellen",  welche  als  Einschliisse  vorkommen,  be- 
sprechen  wir  weiter  unten. 

IV.     Die  Langswiilste  der  Siphonophorenpolypen. 

Da  wir  dieselben  im  speciellen  Teile  naher  betrachten  werden, 
so  benierken  wir  an  dieser  Stclle  nur,  dass  sich  die  Polypen  die- 
ser Coelenteratenklasse  im  histologischen  Bau  gerade  so  verhalten 
wie  die  Tubularien.  Die  Wulstbildungen  sind  dieselben,  wie  bei 
letzteren.  Die  Stiitzlamelle  beteiligt  sich  auch  bei  ihnen  nicht 
an  der  Biklung  der  Wiilste  wie  bei  dem  Scyphostoma  und  Spon- 
gicola  tistularis  ^),  dem  durch  Schultzes  Untersuchungen  niiher 
bekannt  gewordenen  immer  noch  riitselhaften  Polypen. 

V.     Die  Drxisenzellen  des  Entoderms. 

Haben  wir  die  Zellen  des  Hypostomes  als  Driisenzellen  an- 
zusprechen,  welche  die  Verdauung  durch  Secretion  eines  Magen- 
saftes  einleiteu,  so  treten  doch  bereits  bei  den  hoheren  Polypen 
besondere  erkenntliche  Zellen  hervor,  welche  fur  Driisenzellen  er- 
kliirt  werden  miissen.  Bei  Fiirbung  mit  Carmin  tingiren  sie  sich 
dunkelrot.  Sie  sind  leicht  zu  isoliren,  und  ist  dann  deutlich  in 
den  meist  oval  geformten  Zellen  eine  Menge  runder  kleiner  Kor- 
ner  zu  sehen.  Bei  Pennaria  sind  diese  Zellen  sehr  leicht  durch 
Maceration  des  Tieres  in  Essigsaure  zu  erkennen.  Auch  im  Coe- 
nosark  finden  sich  dieselben  bei  Eudendrium,  Tubularia  und  den 
iibrigen.  Ausser  diesen  Kornerzellen  kommt  noch  eine  andre  Form 
zur  Unterscheidung.  Es  sind  dies  einfache  protoplasmareiche  Zel- 
len, die  sich  gleichfalls  stark  tingiren.  Bei  dem  Genus  Tubularia 
kommen  sie  in  grosser  Menge  in  den  Gonoblastidium  vor,  das 
ist  der  Stiel,  an  welchem  die  Gouophoren  sitzen,  Dass  man  es 
hier  nicht  etwa  mit  Eizellen,  die  sich   im  Coenosark   bilden,  zu 

1)  Fr.  E.  Schultze,  Ueber  Spongicola  fistularis.  .Vrchiv  fiir 
mikroskop.  Anatomie.    Bd.  13. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen,  485 

tun  hat,  ist  aus  dem  Kern  nebst  Kernkoperchen  ersichtlicli.  Das- 
selbe  gleicht  stets  dem  der  iibrigen  gewonlichen  Entodermzellen 
(vergl.  die  Abbildungen  Fig.  10,  11  Taf.  XXI,  BMg.  17  Taf.  XXII). 

VI.  Die  Muskelzellen  des  Entoderms. 

Bisher  war  das  Vorkonimen  von  entodermalen  Miiskeln  bei 
Hydroidpolypen  noch  nicht  bekannt  ^ ).  Ich  fand  dieselbon  bei 
Tubularia  coronata  zuerst  ini  „Knopt'",  wo  sic  am  stiirksten  aiis- 
gebildet  sind.  Waren  sie  einmal  hier  constatirt,  so  hielt  es  nicht 
schwer,  ihr  Vorkommen  audi  an  den  anderen  Teilen  dieser  wie 
der  ubrigen  Polypen  zu  constatiren. 

Siimmtlichcn  mit  Taeniolen  versehenen  Polypen  kommt  eine 
entodermale  Muskulatur  zu  und  zwar  stets  eine  Ringmuskulatur. 
Niemals  sind  Liingsfasern  vorhanden  wie  im  Exoderm.  Am  Hypo- 
stom  sind  diese  Muskelfasern  am  stiirksten  entwickelt.  Auf  dem 
Liingsschnitt  treten  sie  in  Form  einer  punktirten  Schicht  auf. 

Die  Muskulatur  erstreckt  sich  aber  keineswegs  wio  schon  an- 
g(!(i('utet,  nur  auf  das  Hypostom,  sie  ist  vielmehr  am  Magen  ebenso 
entwickelt.  Im  Coenosark  gelang  es  nie,  Fasern  nachzuweisen  und 
ist  ihr  Vorkommen  hier  sehr  unwarscheinlich. 

Die  Muskelfibrillen  sind,  soweit  es  sich  constatiren  liisst,  stets 
im  Zusammcnhang  mit  ihreu  Bildnerinnen,  den  Geissclzellen ,  ge- 
blieben.  Selbst  bei  den  Tubularien  scheinen  keine  cchton  mit 
Kernen  versehenen  Fasern  vorzukommen.  Bei  den  Polypen  der 
Siphonophoren  finden  sich  dieselben  ebenfalls  vor.  Bei  den  nied- 
riger  organisirten  Polypen,  welchen  die  Taeniolen  fehlen,  kommen 
die  Entodermmuskeln  nur  im  Hypostom  vor.  Dies  glauben  wir 
mit  Bestimmtheit  behaupten  zu  konnen,  wenn  es  auch  nur  selten 
gelingt  sie  nachzuweisen.  — 

Eine  Querstreifung  habe  ich  nicht  bemerken  konnen,  die  Mus- 
keln  sind  stets  glatt  und  glaube  ich  dass  da,  wo  eine  solche  auf 
kleine  Strecken  auftritt,  dieselbe  vielleicht  nur  kunstlicher  Natur 
ist,  durch  die  Behandlung  mit  Reagentien  hervorgerufen.  — 

VII.  Die  gelben  Zellen  im  Entoderm. 

Die  gelben  Zellen,  welche  zuerst  bei  den  Radiolarien  von  E. 
HaeckeP),   dann   bei   den  Actinien   von  Heider^)  und  Ilert- 

^)  Weismann  bcschreibt  die  entodermalen  Muskeln  zuerst  bei 
Eudendrium,  in  ,,Ueber  eigentiiniliche  Organe"  u.  s.  w.    1881. 

2)  E.   llueckel,  Studien   iiber  Moneren,  p.  119. 

3)  A.  V.  H  eider,  Sagartia  troglodytes.  1877.  Sitzungs-Berichte 
d.  Acad,  zu  Wien. 


486  Dr.  Otto  Ham  aim, 

wig')  naher  untersucht  wurden  und  dann  von  mir  bei  den  Rhi- 
zostomen  Medusen  2)  gefunden  wurden,  kommen  auch  bei  den 
Hydroidpolypen  vor,  wenn  auch  nur  selten.  Vorzuglich  habe  ich 
dieselben  bei  einer  Aglaophenia  angetroffen,  wo  das  ganze  Ento- 
derm angefiillt  ist  von  denselben.  Ich  glaubte  friiher  zwischen 
den  bei  Radiolarien  gefundenen  und  als  jodhaltig  nachgewiesenen 
Zellen  und  den  bei  Actinien  und  Rhizostomen  vorkommenden  un- 
terscheiden  zu  raussen,  da  die  Reactionen  beider  Zellarten  ver- 
schieden  waren,  indera  niemals  bei  letzteren  Starke  nachzuweisen 
war.  (Vergl.  Her  twig,  Actinien  p.  39).  Da  aber  ihr  constantes 
Vorkommcn  im  Entoderm  darauf  hinwies,  dass  sie  zur  Narungs- 
aufnahme  in  Beziehung  standen,  so  beschrieb  ich  sie  als  Driisen- 
zellen.  Durch  neue  Untersuchungen  von  Geddes^)  ist  es  jedoch 
gehingen  ihre  Identitixt  mit  den  bei  den  Radiolarien  gefundenen 
nachzuweisen.  Eine  Cellulosemembran  kann  iiberall  erwiesen  wer- 
den,  ebenso  dass  die  Zellen  Starkekorner  enthalten.  Es  ist  dem- 
nach  kaum  noch  zweifelhaft,  dass  diese  „gelben  Zellen"  einzellige 
Algen  sind  und  im  Entoderm  der  Coelenteraten  (auch  bei  den 
Siphonophorcn  finden  sie  sich)  durch  ihre  Aufnahme  von  Kolen- 
saure  und  Abgabe  von  Sauerstoff  vielleicht  dem  Ernarungsprocess 
zu  Statten  kommen. 


Die  Grewebe  des  Exoderms. 

Das  Exoderm  tritt  bei  den  niedersten  Polypen  in  Form  eines 
Epithels  auf.  Denn  auch  die  sogenannten  interstitiellen  Zellen 
haben  wir  als  ursprtingliche  Epithelzollen  anzusehen.  Bei  den  am 
hochst  organisirten  Formen  hat  es  aber  seine  epitheliale  Form 
insofern  aufgegeben,  als  bereits  eine  Muskelschicht  mit  echten 
Muskelfasern  entstanden  ist. 

Wir  konnen  im  Exoderm  folgende  Zellformen  unterscheiden : 

1)  Epithelzellen,    welche    im    Zusammenhange    stehen    mit   den 
Muskeln,  (Neuromuskel-  oder  Epithelmuskelzellen). 

2)  Epithelzellen  one  Zusammenhang  mit  den  Muskeln. 

3)  Interstitielle  Zellen,   welche  in  die  Tiefe  geriickte  Epithelzel- 
len sind. 


')  Her  twig,  Actinien.     Jena,   1879. 

2)  Hamann,  Mundarme  und  Anhangsorpjane  der  Rhizostomen. 
Jen.  Zeitschr.   Bd.  VIII.      1881. 

^)  Geddes,  Further  researches  on  animals  containing  chloro- 
phyll.    Nature,   26.  Jan.    1882. 


Der  Orgaaismus  der  Hydroidpolypen.  487 

4)  Echte  Muskelzellen. 
:   5)  Ci^idozellen  oder  Nesselkapselzellen,  das  sind  iinioebildete  in- 
terstitielle  Zellen. 
6)  Driisenzellen,  das  sind  umgebildete  Epithelzellen. 

VVir  beginuen  mit  der  Betrachtung  der 

I.     Epithelmuskelzellen. 

Das  Epithel  der  Korper  der  Hydroiden  besteht  aus  den  grossen 
Zellen  mit  ellipsoidischcn  Kernen,  wie  sie  bei  Hydra  zuerst  be- 
schrieben  vvurden.  Dieselben  besitzen  an  ihrer  Oberfliiche  einen 
verdichteten  Plasmasaum,  der  scharf  gegen  die  innere  Masse  sich 
abgrenzt.  Dieser  Saura  wurde  von  Fr.  E.  Schultze  bei  Cordy- 
lophora  und  Syncoryne  nachgewiesen ,  sowie  ebenfalls  bei  Hydra 
von  K lei nen berg.  Er  zeigt  eine  feine  Kornelung,  die  beini  Ab- 
sterben  des  Tieres  fast  immer  vollstiindig  verschwindet.  An  ihrer 
Basis  haben  diese  grossen  Zellen  entweder  einen  oder  niehrere 
Ausliiufer,  die  Muskelfibrillen,  ausgeschieden ,  welche  parallel  der 
Aussenfliiche  und  der  Liingsaxe  des  Tieres  verlaufen.  Bei  siinimt- 
lichen  Hydroiden  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Genus  Tubularia 
bleibt  der  Zusammenhang  zwischen  Muskelfibrille  und  Epithel- 
zelle  bestehen. 

Warend  die  Zellen  am  Korper  von  grosser  Gestalt  sind,  so 
bilden  sie  an  den  Tentakeln  oft  nur  eine  dunne  Lage.  Von  oben 
gesehen  bilden  ihre  Begrenzuugsflachen  Polygone.  Der  Kern  mit 
Kerukorper  ist  oft  schon  am  lebenden  Tiere  zu  erkennen.  Das 
Protoplasma  erfiillt  nicht  die  ganze  Zelle,  sondern  durchzieht  die- 
selbe  in  Form  von  Netzen. 

Im  Coenosark  erscheinen  die  Epithelzellen  bald  abgeplattet, 
bald  aber  haben  sie  dieselbe  Gestalt. wie  am  Korper  beibehalten. 
Schon  aus  der  Art  der  Entwicklung  geht  hervor,  dass  auch  im 
Coenosark  Muskeln  sich  linden  mussen.  So  besitzt  die  Actinula 
am  ganzen  Korper  Muskeln. 

Dieselben  mussten  also,  wenn  sie  am  erwachsenen  Tiere  nicht 
mehr  vorhanden  waren,  riickgebildet  worden  sein.  Auch  bei  Syn- 
coryne, wo  dieselben  nicht  vorkommen  sollten,  finden  sie  sich. 

Von  den  geschilderten  Exodermzellen  weichen  die  im  folgen- 
den  zu  beschreibenden  ab.  An  Teilen,  welche  im  Wachstum  be- 
gritfen  sind,  so  an  dem  fortwachsenden  Wurzelskelett,  bei  der 
Sprossiing  jiinger  Polypen,  nehmen  die  Epithelmuskelzellen  eine 
cylindrische  Gestalt  an.    Zugleich  ist  ihr  Plasma  feinkornig.    Die- 


488  Dr.  Otto  Hamann, 

ses  Wachstum  der  Zellen  in  ihrer  Langsaxe  hangt  zusammen  mit 
der  neuen  Funktion,  die  dieselben  tibernommen  haben.  Sie  sondern 
ein  Sckret  ab,  welches  das  Perisark  an  der  Stelle,  wo  das  Wachs- 
tum beginnen  soil,  aufiost.  Es  ist  dies  bereits  von  Weismann*) 
bei  der  Bildung  der  Gonophoren  geschildert  worden.  An  den 
])olypoiden  Gonophoren  fiudet  man  die  Zellen  der  riickgebildeten 
Polypen  am  Distalende  in  lange  fadenformige  Zellen  ausgezogen, 
welche  durch  ihr  Sekret  einen  diinnen  Verschluss  erzeugen,  wel- 
cher  das  Eindringen  sei  es  des  Seewassers  oder  fremder  Korper 
in  das  Gonophor  verhindern  soil.  — 

Dieselbe  Form,  welche  wir  bei  den  Epithelmuskelzellen  oben 
beschrieben  haben,  tritt  uns  in  der  Fussscheibe  der  Polypen  ent- 
gegen.  Sowol  bei  den  Actinulis,  den  Gastrulis  der  Medusen,  den 
Planulis  der  Polypen  kommt  diese  Form  zur  Beobachtung.  Es 
erfaren  die  Zellen  der  Fussscheibe  eine  Verlangerung  ihres  Langs- 
dnrchmessers,  wiirend  sie  an  Breite  abnehmen. 

Constant  bleibt  diese  Zellform  warend  des  Lebens  des  aus- 
gewachsenen  Tieres  bei  Hydra,  weshalb  wir  sie  hier  besprechen 
wollen.  Zuvor  betrachten  wir  jedoch  die  Eigenschaft,  welche  den 
Epithelmuskelzellen  eigen  ist,  niimlich  Pseudopodien  zu  entsenden. 
Diese  pseudopodienartige  Bewegung  ist  bei  den  Hydroiden  schon 
langst  bekannt.  Am  schonsten  ist  die  Bewegung  im  Coenosark 
zu  sehen.  Hier  sind  die  Zellgrenzen  nicht  mehr  kenntlich.  Das 
Plasma  der  Exodermzellen  strait  in  Fiiden  nach  dem  Perisark 
aus  und  bewerkstelligt  so  die  Festheftung.  Auch  in  den  Gono- 
phoren ist  dieselbe  Erscheinung  zu  linden. 

Bei  Hydra  findet  sich  die  Eigenschaft  Pseudopodien  auszu- 
strecken  bei  den  Zellen  der  Fussscheibe  vor. 

Wir  nennen  dieselben  daher: 


II.     Die  Pseudopodienzellen  der  Pusssch.eibe  bei  Hydra. 

Da  bereits  an  einem  anderen  Orte  dieselben  ausfuhrlich  be- 
sprochen  werden,  so  fassen  wir  uns  hier  kurz. 

Die  Zellen  der  Fussscheibe  sind  von  cylinderformiger  Gestalt. 
Das  Protoplasma  erscheint  fein  granulirt.  Wie  die  ubrigen  Exo- 
dermzellen so  haben  auch  sie  Muskelfibrillen  ausgeschieden,  doch 
kommt  einer  jeden  Zelle  immer  nur  eine  Fibrille  zu.  Die  Zellen 
sondern  eine  schleimartige  Masse  ab,  welche  zur  Anheftung  dient. 


)  Weismann,  Zool.   Anzeiger,  Nr.  55,   61,   77.      1880/81. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  489 

Bewegt  sich  nun  aber  das  Tier  und  andert  seinen  Ort,  so 
Ziehen  sich  die  Zellen  der  Fussscheibe  in  Pseudopodien  aus.  Da- 
durch  gleitet  es  immer  auf  der  Unterlage  hin.  Die  Zellgrenzen 
gehen  vollkommen  verloren.  „Es  gewart  nun  ein  hiibsches  Bild, 
wenn  man  sieht,  wie  die  Pseudopodien  auftreten,  wider  eingezo- 
gen  werden,  warend  schon  wider  andere  Fortsatze  auftreten,  mit 
einander  verschmelzen ,  um  wider  zu  regelrechten  Zellen  zu  wer- 
den". Jede  Zelle  besitzt  ihren  Kern  in  der  Mitte  im  Plasma 
liegend. 

Die  Eigenschaft  Pseudopodien  zu  entsenden,  isf  den  Zellen 
der  Fussscheibe  bei  den  Planulis  nicht  mehr  eigen,  was  daraus 
zu  erkliiren  ist,  dass  dieselben  nicht  ihren  Platz  wechseln,  sonderu 
einmal  festgesetzt  an  demselben  Orte  verharren. 

Fine  hiervon  ganz  verschiedene  Erscheinung  tritt  uns  entge- 
gen,  wenn  wir 


III.     Die  Exodermzellen  der  Nematophoren 

betrachten.  Zur  Untersuchung  dieser  Gebilde  sind  die  Plumula- 
rien  am  gunstigsten.  Doch  kann  auch  fur  die  Nematophoren  der 
Aglaophenien  das  im  Folgenden  zu  beschreibende  Verhaltnis  leicht 
nachgewiesen  werden. 

Oberhalb  und  unterhalb  der  in  Kelchen  sitzendcn  Trophopo- 
lypen  finden  sich  kleinere  Kelche  vor,  in  welchen  der  Weichkorper 
sich  findet.  Von  Huxley  sind  diese  kleinen  Kelche  sammt  ihrem 
Inhalt  als  Nematophoren  bezeichnet  worden.  A 11  man')  be- 
schreibt  dieselben  niiher  bei  Aglaophenia  und  Antennularia  an- 
tennina. 

„The  whole  nematophore  is  foiled  with  a  granular  proto- 
plasm." Er  hat  in  demselben  jedoch  bei  Antennularia  keine 
Cnidozellen  nachweisen  konnen,  warend  er  sie  bei  Aglaophenia 
gefunden  hat. 

Wie  aus  dem  folgenden  hervorgeht,  haben  wir  es  mit  rilck- 
gebildeten  Persouen  zu  tun,  bei  denen  Mund  und  Magen  obliterirt 
ist  und  in  Folge  dessen  auch  die  Mund-  oder  Oraltentakeln  ver- 
loren gegangen  sind.  Verfolgen  wir  die  Entstehung  dieser  Ge- 
bilde.   Es  entsteht  unterhalb  des  sprossenden  Trophopolypen  eine 


1)  All  man,  On  the  Occurence  of  Amoebiform  Protoplasma  and 
the  Emission  of  Pseudopodia  among  the  Hydroida  ,  Annals  and  Ma- 
gaziu  of  natural  history.      1864.      Vol.  XIII,  p.  202. 


490  Dr.  Otto  Hamann, 

Ausstulpung  des  Exoderms  wic  des  Entoderms  und  der  zwischen 
beiden  gelegenen  Stutzlamelle  (siehe  Figur  5  auf  Tafel  XXV).  Die 
Exodermzellen  sind  von  fadenformiger  Gestalt.  Das  ganze  Gebilde 
wird  von  einer  von  den  ausgestulpten  P^xodermzellen  erzeugten 
feinen  Chitinhiille  umgeben.  1st  eine  gewisse  Grosse  erreiclit,  so 
bricht  das  Exoderm  durch  das  Distalende  der  Chitinbulle,  welche 
den  Becher  vorstellt  und  so  ist  das  Nematopbor  gebildet.  Die 
Zellen  wacbsen  nun  und  stellen  am  ausgebildeten  Nematopbor 
das  in  Figur  7  dargcstellte  Bild  dar.  Im  inneren  desselben  ver- 
lauft  die  Entodermaxe  mit  ihren  Zellen,  in  denen  Kerne  nacb- 
weisbar  sind.  An  der  Spitze  des  als  riickgebildeten  Polypen  an- 
zusehenden  Gebildes  entstehen  Nesselkapseln.  Dieselben  sind  nie 
zalreicb  bei  den  Plumularien  vorhanden;  ja  oft  sucht  man  ver- 
gebens  nach  denselben.  Bei  den  Aglaophenien  hingegen  stehen 
sie  dicht  gedriingt  an  der  Miindung  des  Bcchers  (siebe  Figur  9). 

Der  Polyp  kann  sicb  nun  ungebeuer  ausdebnen,  sodass  er 
beinabe  fadenformig  erscbeinen  kann.  Dies  mag  zu  der  Annabme 
Veranlassung  gegeben  baben,  dass  es  Protoplasma  im  Kelcbe  sei, 
welcber  Pseudopodien  entsenden  konne.  Diese  Debnbarkoit  ist  je- 
docb  nur  vermittels  der  Muskelfibrillen  moglicb,  welcbe 
diese  Zellen  besitzen  (s.  Fig.  15).  Sie  biingen  mit  ibren 
Bildnerinnen  zusammen. 

Nacb  der  Scbilderung  des  Baucs  wird  unsere  oben  ausge- 
sprocbene  Behauptung,  dass  wir  bier  als  Macbopolypen  zu  be- 
zeichnende  Bildungen  vor  uns  baben,  als  gerecbtfertigt  gelten 
konnen. 

Eine  Bescbreibung  der  Nematopboren  bei  Antennularia,  Ag- 
laopbenia  und  den  iibrigen  Gattungen  zu  geben  balte  icb  fiir  iiber- 
fliissig,  da  sicb  uberall  derselbe  Bau  widerholt. 

IV.     Die  interstitiellen  Zellen  und  die  Nesselkapseln. 

Ausser  den  grossen  Epitbelzellen  findet  sicb  eine  zweite  Zel- 
lenart,  welcbe  an  der  Basis  der  ersteren,  wo  die  Fibrillen  ausge- 
ben,  liegt.  Diese  Zellen  sind  klein,  spindeltormig  und  bergen 
im  Inneren  einen  grossen  Kern,  Von  Kleinenberg^)  wurden 
sie  als  „interstitielles  Gewebe"  aufgefurt.  Da  sie  sicb  jedoch  nicbt 
uberall  finden  and  oft  nur  vereinzelt  vorkomnien,  so  ist  es  wol 
besser  nur  von  interstitiellen  Zellen  zu  sprecben.     Sie  finden  sicb 


)  Kleinenberg,  a.  a.  0. 


Dei*  Organismus  der  Hyrlroidpolypen.  491 

bei  alien  Hydroidpolypen  und  sind  die  Bildnerinnen  der  Nesselkap- 
seln  und  der  Eier,  wie  bei  Hydra  und  Eudendriumi)  nachgewicsen  ist. 

Der  erste,  welcher  iiber  die  Nesselkapseln  eigene  Untersu- 
chungen  anstellte,  war  Mobius^).  Wir  recapituliren  im  Fol- 
genden  kurz  das  bisher  bekannte  und  fiigen  unsre  eigenen  Unter- 
suchungen  kurz  an,  vvelche  die  Frage,  ob  wir  es  mit  Sinnesorga- 
nen  zu  tun  haben,  der  Entscheidung  naher  zu  bringen  geeignet 
scheinen, 

Wir  unterscheiden  an  den  Nesselkapselzellen  einen  Proto- 
plasmakorper,  in  dessen  Inneren  eine  diinnwandige  Kapsel  abge- 
schieden  worden  ist.  Im  Protoplasma  liegt  der  Kapsel  an  der 
Zellkern  der  interstitiellen  Bildungszelle.  Oberhalb  der  Zelle  er- 
hebt  sich  ein  feiner  Protoplasraafortsatz,  der  als  Cuidocil  benannt 
wird,  wixrend  am  entgegengesetzten  Ende  ein  Fortsatz  in  die 
Tiefe  abgeht. 

An  einem  anderen  Orte  haben  wir  nachgewiesen ,  dass  diese 
Fortsatze  mit  der  Stutzlamelle  in  Zusammenhang  stehen.  Als 
bestes  Objekt  bot  sich  uns  hierzu  Carmarina  hastata,  eine  craspe- 
dote  Meduse.  In  Figur  16  auf  Tafel  XXII  sieht  man  an  einem 
Qucrschnitt  durch  einen  Tentakel  dieser  Meduse  die  mit  fs  be- 
zeichneten  Fortsatze  direkt  in  die  Stutzlamelle  ubergehen. 

Diese  Fortsatze  finden  sich  an  alien  Cnidozellen  vor,  selbst 
an  denen  der  Nematophoren. 

Hiernach  durfte  die  Ansicht,  dass  die  Cnidozellen  Sinneszel- 
len  seien  als  falsch  zuruckzuweisen  sein.  Die  Fortsatze  dienen 
der  in  die  Hohe  geruckten  Zelle  als  Stutzfasern  und  haben  nichts 
mit  Nerven  oder  Muskel  zu  tun. 

Die  Cnidocils,  die  man  gern  als  Sinnesharchen  ansehen  mochte, 
sind  dazu  da,  um  durch  den  Druck,  der  auf  sie  von  aussen  aus- 
geiibt  wird,  die  darunter  liegende  Kapsel  zur  Entladung  zu  brin- 
gen. So  haben  wir  diese  Nesselkapseln  als  Waffen  anzusehen, 
welche  zum  Schutze  der  Tiere,  zum  Fangen  der  Beute  dienen, 
worauf  auch  die  in  ihnen  enthaltene  Flussigkeit,  welche  der  Amei- 
sensaure  nahe  steht,  hinweist,  durch  welche  die  mit  dera  aus  der 
Kapsel  hervorgesclmellten  Faden  in  Beriirung  gekommenen  Tiere 
gelamt  und  getotet  werden. 


^)  Klein enberg,  Ueber  die  Entstehung  der  Eier  bei  Euden- 
drium,  Zeitschrift  fiir  wissenschaftl.  Zoologie,   1881,   bd.  35. 

2)  Mobius,  Ueber  den  Bau  und  den  Mecbanismus  und  die  Eut- 
wicklung  der  Nesselkapseln.  Abhandlungen  des  Vereins  Hamburg 
1866,  Bd.  5. 


492  Dr.  Otto  Hamann, 

V.     Die  Muskeln  des  Exoderms. 

Bei  sammtlichen  Hydroidpolypen  finden  sich  Muskelfibrillen 
und  zwar  stets  nur  Langsmuskeln ,  das  heisst  solche  Muskeln, 
welche  mit  der  Longitudinalaxe  parallel  laufen. 

Die  Muskeln  convergiren  am  Hypostom.  Zur  Bildung  von 
Ringmuskeln  kommt  es  weder  hier  noch  an  den  Tentakeln,  wo  es 
Ciamician  beschrieben  hat.  An  letzteren  finden  sich  auch  stets 
nur  Langsfasern  vor. 

Das  Coenosark  besitzt,  wie  im  vorigen  Kapitel  bereits  erwant 
wurde,  ebenfalls  Muskelfasern. 

Was  nun  die  Fibrillen  selbst  betrifft,  so  hangen  dieselben 
entweder  mit  den  Epithelzellen  noch  zusammen,  —  dies  ist  bei 
alien  niederen  Formen  der  Fall  —  oder  sie  sind  zu  selbstandi- 
gen  Fibrillen  mit  cigenem  Kern  differenzirt,  wie  es  bei  der  Gat- 
tung  Tubularia  der  Fall  ist.  Auch  bei  Corymorpha  werden  sich 
wol  echte  Muskeln  finden.  In  keinem  Falle  war  cine  Querstrei- 
fung  zu  erkennen.  Die  Muskelfibrillen  sind  immer  als  glatte  zu 
bezeichnen  (s.  dieFigur9  auf  Tafel  XXIII).  Es  sind  also  die  bei 
den  Craspedoten  auftretenden  quergestreiften  Muskeln  als  eine 
ueue  Erwerbung  und  nicht  als  von  den  Polypen  ererbt  zu  be- 
trachten. 


VI.     Nerven  und  Ganglienzellen. 

Da  bei  den  mit  den  Hydroidpolypen  in  Generationswechsel 
stehenden  Craspedoten  Sinnesorgane  vorkommen  und  die  Nerven 
und  Ganglienzellen  bereits  einen  Plexus  bildcn,  so  war  die  Frage 
nicht  ungerechtfertigt :  Finden  sich  bei  den  Hydroiden  schon  Sin- 
nesorgane, Oder  doch  wenigstens  Nerven  und  Ganglienzellen  vor? 
Wir  mussen  diese  Frage  fur  die  einfachen  Polypen  verneinen.  Nie- 
mals  haben  wir  Ganglienzellen  constatiren  konnen.  Anders  steht 
es  mit  den  Polypen  der  Siphonophorenstockc.  Bereits  Chun^) 
hat  das  Vorkommen  von  Nerven  und  Ganglienzellen  angegeben. 
Ich  untersuchte  speciell  Velella  spirans,  welche  sich  sehr  gut  zur 
Untersuchung  eignet.  Es  finden  sich  an  den  Polypen  die  Nerven 
mit  den  Ganglien  im  Exoderm  vor.  Sie  liegen  den  Musk(ilfibril- 
len  auf, 

Es  fragt  sich  nun,  durfen  wir  immer  noch  annehnien,   nach- 


^)  Chun,  Vorlaufige  Mitteilg.  im  Zoolg.   Anzg.     N.  71    1880. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  493 

dem  wir  bei  den  Polypen  der  Siphonophoren ,  Neiven  und  Gang- 
lien  gefuuden  hiiben,  dass  auch  die  Hydroidpolypen  dieselben  be- 
sitzen,  obgleicli  sie  hier  niemals  gefundeu  worden  sind?  Die  Si- 
phonoplioreupolypeu  siud  keineswegs  grosser  als  eine  Tubularia, 
wariini  sollen  wir  sie  aber  nur  bei  ersteren  nie  bei  letzteren  fin- 
den?  Ebensogut  wie  sie  bei  letzteren  auf  Schnitten  nachweisbar 
sind,  miissten  wir  sie  doch  wol  audi  bei  ersteren  nachweisen 
konuen? 

Haben  wir  bei  den  Hydroidpolypen  nicht  vielmehr  ein  nie- 
deres  Entwicklungs-Stadium  vor  uns,  in  welchem  dem  Protoplasma 
der  Epithelzelle  noch  allein  die  Funktion  der  Enipfinduug  zukonmit 
und  der  Reiz  durch  die  Zelle  weiter  auf  den  Muskel  geleitet  wird? 

Wenn  wir  deshalb  die  Epithelzellen  des  Hydroidpolypen  als 
Neuromuskelzellcu  im  Sinne  Kleinenbergs  ausprechen,  so  hul- 
digen  wir  damit  keineswegs  der  Ansicht,  welclie  aus  einer  Zelle 
Muskel  und  Nerv  ableiten  will,  da  wie  O.  und  R.  Hertwig  be- 
tonen,  im  Tierreich  ;die  histologischeu  Souderungsprocesse  nicht 
auf  der  Trennung  und  dem  Selbstandigwerden  verscliieden  diffe- 
renzirter  Zellteile,  sondern  auf  der  verschiedenen  Differenzirung 
getrenuter  und  urspriinglich  gleichartiger  Zellen  beruhen.  Wie 
wir  uns  die  Entstehung  der  Nerven  und  Ganglienzellen  denken, 
wird  im  dritten  Teile  gezeigt  werden.  — 

Die  genannten  Autoren  nehmen  in  consequeuter  Durchfiilirung 
ilirer  Ausichten  auch  fiir  die  Hydroiden  Ganglienzellen  und  Ner- 
ven an,  ja  sie  stellen  ihr  Vorkommcn  als  selbstverstiindlich  liin, 
da  man  one  diesclben  die  Contraktionen  einer  Hydra  zum  Bei- 
spiel  nicht  erklilrcn  konne.  Es  ist  gegen  dicse  Anschauung  ein- 
zuwenden ,  dass  wir  ja  im  Tierreiche  Muskeln  antreffen ,  welche 
one  Vermittelung  eiues  Nerven  ihre  Funktionen  vollziehen  und 
dass  wir,  solange  der  Nachweis  ihres  Vorkommens  nicht  erbracht 
ist,  auch  Schlusse  und  mogen  sie  noch  so  logisch  erscheinen, 
nicht  anerkennen  konnen,  wenn  die  Tatsachen  nicht  iibereinstim- 
men.  Solange  also  ein  Nervensystem  nicht  bekannt  ist,  halten 
wir  an  der  Kleinenberg'schen  Anschauung  fest;  trotzdem  konnen 
wir  die  Frage  nach  demselben  als  eine  immer  noch  oifene  be- 
zeichnen. 


VII.     Die  Driisenzellen  des  Exoderms. 

Jede  Exodermzelle  hat  die  Fahigkeit  eine  Driiscnzelle  zu  wer- 
den,  das  heisst  ein  Sekret  abzusondern.    An  der  Stelle,  wo  die 


494  Dr.  otto  Hamaun, 

Gonophoren  auftreten  uiid  an  audreu  oben  benannten  Stellen 
waiiclelu  sich  die  Exodcrnizcllcn  in  Driisunzellen  urn.  Die  Zellen 
der  Fussbdieibe  guhoren  ebeufalls  hierher. 

Als  Drusenzellen  crklaren  wir  aber  jenen  eigentumlichen  Kranz 
Yon  Zellen,  der  an  der  Basis  der  Trophopolypen  bei  Eudendriuin 
vorkommt').  Diese  Zellen  (s.  Figur  1  Taf.  XXI)  sind  niit  fein 
granulirtem  Protoplasma  erfiillt,  in  welchem  ein  grosser  Kern  sich 
findet.  Sie  fiirbeu  sich  intensiv  rot  mit  Carmin.  Der  nach  aussen 
gewendete  Distalteil  der  Zellen  ist  frei  von  Protoplasma.  Er  er- 
scheint  als  heller  Saum  und  farbt  sich  nicht.  Ausser  diesen  Zel- 
len, deren  Natur  als  Driisenzellen  ubrigens  nicht  ganz  zweifellos 
ist,  fiuden  sich  im  Exoderm  nirgends   specielle  Driisenzellen  vor. 


Die  Sttitzlamelle. 

Bei  sanimtlichen  Polypen  findet  sich  zvvischen  den  beiden 
Keimblattern  cine  hyaline  Schicht.  Sie  fehlt  weder  in  den  Ten- 
takeln  noch  im  Coenosark;  sie  ist  am  ganzen  Korper  vorhanden. 
Sie  erreicht  niemals  eine  solche  Milchtigkeit  wie  etwa  bei  den 
Medusen,  sondern  bleibt  stets  als  dunnes  Blatt  nachweisbar. 

Sie  zeigt  niemals  eine  Struktur;  niemals  finden  sich  Zellen 
in  derselben,  wie  bei  den  Medusen,  wo  die  Bildnerinnen  der  Sttitz- 
lamelle, die  Entodermzellen,  mit  in  dieselbe  hineingerissen  werdeu. 

Die  Stiitzlamelle  endet  in  den  Tentakel  stets  bhndsackartig. 
Eine  geringe  Verdickung  findet  sich  hier  an  ihrem  Distalende, 
welches  mit  nach  aussen  vorstehenden  Spitzen  und  Zacken  be- 
setzt  ist,  wie  Fr.  E.  S  c  h  u  1 1  z  e  sagt.  Diese  vorstehenden  Spitzen 
und  Zacken  rtiren  von  den  abgerissenen  Fortsatzen  der  Cnido- 
zellen  her,  welche,  wie  wir  oben  zeigten,  in  Verbindung  mit  der 
Stiitzlamelle  stehen.  Da  die  Cnidozellen  an  der  Spitze  der  Ten- 
takel besonders  reichlich  sich  finden,  und  da  hier  gewonUch  die 
Makrokuidien  vorkommen,  welche  sich  durcli  stiirkere  Fortsatze 
auszeichnen,  so  treten  die  abgerissenen  Enden  besonders  deut- 
lich  hervor. 

Die  Stiitzlamelle  wird  vom  Entoderm  abgeschieden.  Dies 
liisst  sich  direkt  nachweisen.  Nachdem  an  den  Planidis  oder  den 
Actinulis  die  Tentakeln  entstanden  sind  und  in  ihnen  sich  bereits 


*)  Vergl.    Wei  s  maun,    Ueber   eigent.  Organe,    Neapler    Mittei- 
lungen  1881. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypeu.  495 

die  Chordazelleii  von  dem  ubrigen  Entodermgewebe  gesondert  ha- 
ben,  tritt  zwischcn  beideu  die  Stutzlamelle  auf  luid  trennt  so  das 
eutodenuale  Eriuiriiugsgevvebe  von  dem  entodermaleu  Bindesub- 
stauz-Gewcbe.  Bei  den  Tubulaiieu  wird  letztercs  Gewebe,  wo  es 
in  den  beideu  Wulsten  auftritt,  ebenfalls  von  der  Entodermschicht 
durch  eine  Stiitzlanielle  getreunt. 

Die  Stutzlamelle  ist  friih  erkeuubar.  So  besitzen  die  Acti- 
nulae  beim  Verlassen  der  Gonophorcn  dieselbe  bereits.  Bei  den 
Planulis  tritt  dieselbe  aui",  wenu  sie  im  Begriff  sind  sich  festzu- 
setzen. 

Die  Stutzlamelle  niacbt  alle  die  Ausstiilpungen  zur  Anlage 
neucr  Polypen  oder  Gonophorcn,  oder  Nematophoren  u.  a.  mit. 
Sie  ist  in  den  ersteren  stets  uachweisbar.  Bei  den  medusoiden 
Gonophoren  der  Tubularieu  ist  sie  im  Gonoblastidium  -  der  Stiel, 
an  vvelclieni  die  Gonophoren  sprossen  —  stets  zu  finden  (s.  Figur 
3  Tafel  XXIV). 

Dass  sie  in  den  Nematophoren  vorkommt,  ist  bereits  oben 
geschildert. 

Das  Chitinskelett. 

(Peris  ark.) 

Das  Skelett,  welches  die  meisten  Hydroidpolypen  umgiebt, 
ist  von  Fr.  E.  Schultze^)  niiher  uutersucht  worden  und  hat 
derselbe  festgestellt,  dass  es  aus  Cliitin  oder  wenigstens  einem 
Material  besteht,  welches  in  seinem  Verhalten  gegen  chemische 
Reageutien  von  demselben  nicht  verschiedeu  ist,  Wiirend  bei 
Hydra  dieses  Skelett  nicht  vorhanden  ist,  besitzen  es  alle  ubrigen 
Polypen.  Das  Wachstum  geschieht  von  Innen  her  durch  Ablage- 
rung  neuer  Telle,  sodass  man  an  alteren  Chitinroren  eine  concen- 
trische  Schichtung  warnehmen  kann,  eine  Zusammensctzung  des 
cylinderformigen  Skelettes  aus  Lamellen. 

Das  Skelett  wird  in  Form  einer  dunnen  Hiille  angelegt  und 
zwar  wird  es  bei  den  Planulis  sofort  nach  der  Festsetzung  aus- 
geschieden.  Man  sieht  es  dann  als  heller  Saum  dem  Exoderm 
aufliegen. 

Bei  den  Actinulis  der  Tubularieu  wird  es  bereits  vor  der 
Festsetzung  gebildet.    Es  ist  an  dem  Aboralpol  dcrselben  bereits 


^)  Fr.  E.  Schultze,  Cordylophora. 


496  Dr.  Otto  Hamann, 

warend  des  Schwiramens  zu  unterscheiden,  wie  unten  im  speciellen 
Telle  gezelgt  werden  wird. 

Die  Eigenschaft  elue  Skeletthtille  zu  bilden  1st  alien  Exo- 
dermzellen  clgeii.  Bel  den  elnen  wird  es  aber  uur  am  Stiele  ab- 
geschleden,  warend  der  Polyp  selbst  frei  davon  1st,  (Tiibularla) 
warend  bel  anderen  audi  der  Polyp  von  elner  Hiille  umgeben  wird, 
die  als  Becher  oder  Theca  bezeichnet  wird. 

Elne  besondere  Form  geht  das  Skelett  bei  den  als  Corbulis 
bezeichneten  Formen  ein,  (es  verschmelzen  hler'  die  elnzelnen  Be- 
cher) welche  bei  den  Aglaopheuieu  vorkommen  (vergl.  den  spe- 
ciellen Tell). 


II.  Kapitel. 
Der  Polymorphismus  und  die  Entstehung  der  Medusen. 

Nachdem  wir  die  histologischen  Verhaltnisse  betrachtet  haben, 
wollen  wir  die  unter  den  Namen  Polymorphismus  oder  Arbeits- 
teilung  bekannten  Erscheinungen  naher  ins  Auge  fassen. 

Geheu  wir  von  deni  als  niedrigsten  unter  den  jetzt  existiren- 
den  Polypen,  der  Hydra,  aus,  so  finden  wir  die  verschiedenen 
Funktionen  als  Ernaruug,  Verteidigung,  Fortpflanzung  auf  nur  eine 
Person  beschrankt.  Warend  aber  bei  Hydra  die  Entstehung  der 
Geschlechtsstoffe  auf  das  Exoderm  beschrankt  ist,  und  zwar  liier 
sogar  auf  bestimrate  Stellen,  —  tlie  Hoden  entstehen  uuterhalb 
der  Tentakel  die  Ovarien  der  Basis  naher  —  so  miisseu  wir  au- 
nehmen,  dass  bei  den  Urpolypen  diese  Eigenschaft  beiden  Keim- 
blattern  zugleich  eigen  war. 

Tuen  wir  einen  Schritt  welter,  so  finden  wir,  dass  einzelne 
Personen  zu  Behaltern  der  Geschlechtsstoffe  umgewandelt  sind. 
Es  sind  dies  Polypen,  die  entweder  Mund  und  Tentakel  eiugebusst 
haben,  oder  bei  denen  doch  noch  Tentakelrudimente  nachwelsbar 
sind,  wie  bei  den  Coryneen  ^). 

Friiher  glaubte  man,  dass  in  diesen  als  polypoiden  Gonopho- 
ren  bezeichnenden  Gebilden  die  Eier  eutstanden.  Durch  die  Un- 
tersuchungeu  von  Weismann^)  und  Kleinenberg^)  sind  wir 


1)  Gegenbaur,  Zur  Lehre  vom  Generationswechsel  1854  (p. 38). 

2)  Weismann,   a.  a.  0.  und  Observations  sur  le  cellules  sexu- 
elles  des  Hydroides,   1881.     Annales   des   sciences    Naturelles.     I.  XI. 

3)  Kleinenberg,    Ueber  die  Entstehung  d.  Eier  bei  Eudendr. 
Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  35.     1881. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  497 

aber  uber  das  ware  Verhiiltnis  aufgeklilrt  wordeii.  Die  Eier  eut- 
stehen  iiu  Coeuosark  uiid  wandern  danii  iii  die  riickgebildeten 
Polypeii  (vergl.  unten). 

Mit  dieser  Tatsache  ist  jene  Ansicht  ziiriickgevviesen,  welche 
den  Generationswechsel  oder  die  Entstehung  der  Mcdusen  an  den 
Hydroidpolypen  auf  Arbeitsteiluug  zuriickfiiren  wollte. 

Wir  haben  uus  die  Entstehung  der  Medusen  vielmehr  auf 
folgende  Weise  zu  erklaren. 

Wir  gehen  hierbei  von  eiuem  Polypenstock  aus,  an  welchem 
an  alien  Teilen,  vvie  es  noch  heute  der  Fall  ist,  Eier  und  Sperma 
entstehen  kann.  Das  heisst  jede  Zelle  der  beiden  Keiniblatter 
kauu  zu  einer  Eizelle  oder  zu  einer  Spermazelle  werden. 

Denken  wir  uns  nun  einzelne  Personen  voni  Stamme  losge- 
rissen,  oder  getrennt,  wie  es  noch  jetzt  bei  der  Sprossung  von 
Tochterpolypen  am  Mutterpolypen  bei  Hydra  und  Tiarella  singu- 
laris  ^)  geschieht,  so  werden  diese  Polypen  gezwungen  worden 
sein  sich  anzupassen  an  das  neue  Element.  Sie  werden  im  Meere 
herumgetrieben  worden  sein  und  vermittels  ihrer  Tentakeln  sich 
wie  vorher  Narung  gesucht  haben.  Diejenigen  nun,  welche  sich 
anpassen  konnteu  an  das  neue  Element,  werden  es  zur  Hervorbrin- 
gung  von  Geschlechtsstoffen  uach  wie  vor  gebracht  haben,  da  ja 
jede  Zelle  eine  Propagationszelle  werden  kann.  Aus  diesen  Ge- 
schlechtsstoffen werden  nun  wider  Hydroidpolypcnstocke  hervorge- 
gangen  sein,  deren  Einzeltiere  vom  Stocke  losgerissen  schon  eher 
als  ihrc  Vorfaren  an  das  freie  Schwimnileben  sich  anpassten. 
So  wird  sich  dieser  Vorgang  immer  widerholt  haben  und  schliess- 
lich  haben  die  abgelosten  Polypen,  die  durch  das  freie  Wasser- 
leben  eine  Mengc  neuer  Organe  erworben  haben,  und  jetzt  als 
Medusen  benannt  werden,  die  Funktion  der  Fortpflanzung  aus- 
schliesslich  iibernommen.  Damit  ist  jedoch  keineswegs  behauptet, 
dass  nun  die  iibrigen  Zellen  des  Stockes  nicht  zu  Propagations- 
zellen  werden  konnen.  Im  Gegenteil  haben  dieselbcn  nach  wie 
vor  noch  diese  Eigenschaft  und  es  finden  sich  an  Medusen  bilden- 
den  Poly  penstock  en  im  Coenosarke  Eier  vor  2). 

Da  eine  vollkommene  Homologie  zwischen  Polyp  und  Mcduse 
besteht,  ist  gegen  die  eben  gegebene  Entstehung  der  Medusen 
nichts  einzuwenden. 


^)  Tiarella  siugularis,  ein  neuer  Hydroidpolyp,  Fr.  E.  Schultze, 
Zeitschrift  f.  Zoologie   lid.  27. 

2)  Diese  Angabe  beruht  nicht  auf  eigner  Untersuchung,   eondern 
wurde  mir  von   Herru   Prof.   Weismann  gesprachsweise  mitgeteilt. 
Bd.  XV,  N.  y.  VIII.  i.  32 


498  Dr.  Otto  Hamann, 

Wir  geheii  nun  zuriick  zur  Arbeitsteilung  und  betrachten 
kurz  (lie  diirch  dieselben  umgcbildeten  iibiigen  Polypen.  Wir 
farcn  niit  den  Welirpcrsuncn  uder  Machopolypen  fort.  Die  Nema- 
toplioren,  welche  iiberhaupt  ziini  ersteu  Male  von  Meneghinii) 
bcschrieben  wurdcn,  haben  wir  bereits  oben  niiher  kennen  gelernt 
und  als  Polypen  rait  riickgebildetera  Mund,  Magen  und  Tentakel- 
kranz  bezeichnet. 

Bei  den  hoher  organisirten  Polypen,  die  wir  weiter  uuten  als 
Taeniolaten  bezeichnet  haben,  tritt  eine  andere  Form  von  Macho- 
polypen  auf,  die  sogenannten  „Spiralzoids".  Dieselben  waren  bei 
Podocoryne  carnea  niiher  bekannt  und  bilden  Polypen,  denen  Mund 
und  Tentakel  verloren  gegangen  sind,  welche  aber  noch  die  Magen- 
hole  besitzen,  Bei  der  von  mir  neugefundenen  Art  P.  Haeckelii 
ist  in  den  Spiralzoids  auch  noch  die  Magenhole  obliterirt  und  niit 
Bindesubstanzzellen  ausgefiillt.  Es  sind  das  dieselben  Entoderm- 
zellen,  wie  sie  in  den  Wiilsten  und  Tentakelu  der  Tubularien  zum 
Beispiel  auftreten. 

Ausser  dieseu  Machopolypen  ist  noch  eine  dritte  Art  als 
Skelettpolypen  aufgestellt  worden.  Es  sind  dies  Ausstiilpungen 
des  kriechenden  Wurzelstocks,  welche  voui  Chitinskelett  iiberzogeu 
werden  und  als  spitze  Zacken  zwischen  den  Polypen  stehen.  Da 
nun  aber  weder  Tropho-  noch  Machopolypen  von  einer  Chitinrore 
unihiillt  werden,  —  dieselbe  hort  an  der  Basis  bereits  auf  —  und 
diose  Skelettspitzen  eine  solche  besitzen,  so  scheint  niir  die  Deu- 
tung  als  riickgebildete  Polypen  zum  mindesten  gewagt. 


Die  Homologieen  zwischen  medusoidem  Gonophor 
(Sporasac)  und  Meduse. 

Die  Homologieen,  welche  zwischen  Polyp  und  Meduse  bestehen, 
sind  bereits  von  Glaus  2)  und  von  O.  und  R.  Hertwig^*)  fest- 
gestellt  worden.  Vorzuglich  letztere  Forscher  haben  in  vorzug- 
lichster  Weise  bis  in  die  Details  dieselben  beriicksichtigt,  sodass 
etwas  neues  zu  sagen  nicht  gut  moglich  ist. 

Wir  wenden  uns  daher  zu  den  medusoiden  Gonophoren,  wie 
sie  sich  bei  Tubularia,  Gonothyraea,  Garveia  finden. 


')  Meneghini,  Memorie  del  lustituto  Veneto   1845. 

''')  Glaus,  an  verschied.   Orten, 

3)  Hertwig,  Der  Organismus  der  Medusen. 


Der  Organismus  der  Hyclroidpolypen.  499 

Auch  bei  dem  Geuus  Tubularia  unci  deu  ubrigen  genannteu 
ist  der  Gcueratiouswcchsel  auf  diesolbc  ebcii  dargcstelltc  Weise 
entstandon  gcwcsen.  Durcli  irgeiid  welchen  aussercn  Grund  siiid 
aber  die  Mcdusen  nicht  raehr  zur  Loslosung  gekommen,  sonderii 
sind  im  Zusammenhaug  mit  dem  Stocke  gebliebcn  und  iu  Folgc 
dessen  riickgebildet  worden.  Dass  diese  Anscliauung  die  alleiii 
richtige  ist,  hoffe  ich  im  P'olgenden  klar  erweisen  zu  kouiien. 
Wir  betrachten  zuerst  uur  die  Tubularien,  und  zwar  indivisa, 
mesembryantliemum,  larynx  und  coronata,  welche  nilher  untcrsudit 
wurden. 

Bei  Tubularia  entsteht  eine  Ausstiilpung  der  beiden  Keim- 
blatter.  Diese  wird  zu  dem  Gonophor.  In  gleichei-  Weise  bildet 
sich  auch  die  Meduse  als  einfache  Ausstiilpung.  In  beiden  Fallen 
wuchert  jetzt  das  Exoderm.  In  Figur  1  auf  Tafel  XXIV  ist  die 
Knospe  einer  Tubularie,  in  Figur  6  und  7  die  einer  Obelia  dar- 
gestellt.  ludem  nun  in  beiden  Fallen  die  Exodermwucherung  sich 
abschniiren  will,  wird  sie  vom  Entoderm  umwachsen,  dessen  beide 
Schichten,  bei  der  Meduse  Fig.  7,  durch  spiiteres  Zusammen- 
wachsen  die  Gefasslamelle  vorstellen,  Bei  Tubularia  coronata  ist 
uur  selten  (Fig.  3)  eine  Doppelschicht  zu  erkenneu.  In  den  Fi- 
gureu  ist  diese  Gefiisslamulle  mit  gf  bezeichnet.  Bei  Tubularia 
indivisa  bilden  sich  wie  bei  Obelia  und  iiberhaupt  den  Medusen 
durch  Verwachsuug  vier  Liingskanale  aus,  die  am  Distalende  in 
einen  Ringkanal  zusammenlaufen. 

Bei  Garveia  nutans  entstehen  auch  die  vier  Kaniile,  doch 
endigen  sie  nach  kurzem  Verlaufe  blind,  Es  ist  bis  zu  einem  ge- 
wissen  Punkte  die  Entwicklung  der  Medusenknospe  vollkommen 
gleich  mit  der  des  Gonophors.  Es  finden  sich  hier  wie  dort  die- 
selben  Schichten  vor. 

Auf  den  Querschnitten  ist  dies  am  besten  zu  erkennen!  In 
Figur  4  ist  ein  Querschnitt  durch  den  obereii  Teil  eines  medusoi- 
dem  Gonophor  von  Tubularia  coronata  (Fig.  2)  dargestellt.  Die 
ausserste  Schicht  ist  das  primare  Exoderm  (e*'^),  es  wird  an  der 
Meduse  zum  Exoderm  der  ausseren  Schirmfliiche.  Die  Gefass- 
lamelle igf)  bildet  nur  eine  Schicht;  es  sind  die  Kanale  bei  dieser 
Art  bereits  ruckgebildet,  wiirend  sie,  wie  ein  Querschnitt  durch 
Tubularia  indivisa  (Fig.  5)  lehrt,  hier  noch  bestehen.  Der  Quer- 
schnitt kommt  vollkommen  gleich  einem  durch  eine  junge  Obelia 
(Fig.  9)  gelegten  Querschnitt. 

Fig.  8  zeigt  uns  ein  Stadium  einer  Meduse,  wo  die  Kanale 
noch  nicht  gebildet  sind. 

32* 


500  Dr.   Otto  Hamann, 

Es  entspricht  nun  an  deni  in  Fig.  3  abgebildeten  Gonophor 
die  mit  ex"^  bezcichnete  Scliiclit,  deren  Entstelmng  aus  Fig.  2  klar 
wird,  deni  Exoderin  der  vuntralun  Schirmflaclic ,  wiircnd  die  mit 
ex'^  bezeichnete  Paitie  beini  Gonophor  die  Gcschleclitsstolit'e  vor- 
stellt  und  an  der  Meduse  dem  Exoderm  der  Magenwand  homolog 
ist,  wie  aus  ilirer  Entstehung  einleuclitet. 

Bei  Garveia  entstehen  die  Geschlechtsstoii'e  nicht  iin  Gono- 
phor, sondern  im  Coenosark  und  wandern  erst  sekundar  in  das- 
selbe. 

Die  von  van  Beneden  als  Euto-,  Meso-  und  Exotheka  be- 
zeichneten  Schichten  sind  die  mit  ex^,  gf  und  ex^  bezeichneten 
Schichten  in  unseren  Figuren. 

Die  medusoiden  Gonophoren  der  Tubuhirien  bieten  uns  eine 
stufenweise  Riickbildung  dar. 

Tubuluria  indivisa  besitzt  4  Kanale  nebst  Ringkanal,  hat  je- 
doch  die  Tentakeln  eingebiisst.  Bei  Tub.  meserabryanthemum  finden 
sich  noch  8  den  Tentakehi  der  Medusen  homologe  Bildungen  vor. 
Bei  Tub.  coronata  hingegen  ist  die  Zahl  derselben  bercits  auf  4 
reducirt  und  bei  Tub.  larynx  fehleu  sie  iiberhaupt.  Bei  den  letzt- 
genannten  Arten  finden  sich  die  Kanale  nicht  mehr  vor.  Auch 
sie  sind  verloren  gegangen. 

Es  gehen  somit  alle  diejenigen  Bildungen,  welche  der  losge- 
loste  Polyp  in  Folge  der  neuen  Lebensweise  erworben  hatte,  und 
welche  ihn  eben  zur  Meduse  machten,  wider  schrittweise  verloren, 
indem  die  Meduse  nicht  mehr  zur  Ablosung  kam.  Sinnesorgane 
finden  sich  an  keinem  medusoiden  Gonophor  mehr  vor;  sie  sind 
zuerst  wider  verschwunden.  Die  Zeugung  von  Geschlechtsstoffen 
ist  den  Gonophoren  der  Tubulariaarten  geblieben,  dieselbe  ist  je- 
doch  schon  wider  verloren  gegangen  bei  Garveia  nutans.  Eine 
andere  Umbildung  ist  hiermit  Hand  in  Hand  gegangen.  Die  Em- 
bryonen  verlassen  erst  nach  erlangtem  I'entakelkranze  nach  der 
Ausbildung  aller  Gewebe  das  Gonophor.  Dass  dies  erst  eine  secuu- 
dare  Erscheinung  ist,  geht  daraus  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die 
Actiuulae  auf  verschiedenen  Stufen  der  Ausbildung  stehen,  sobald 
sie  aus  dem  Gonophor  treten,  indem  namlich  dieselben  bei  Tub. 
coronata  ausschlupfen,  indem  sie  nur  im  Besitze  der  Aboraltentakel 
sind.  Bei  Tub.  larynx  hingegen  besitzen  sie  entweder  bereits  die 
vier  primaren  Oraltentakel  oder  sie  schltipfen  auch  one  dieselben 
aus,  wie  G.  v.  Koch  beschreibt.  Bei  Tub.  mesembryanthemum 
endlich  sind  sie  im  Besitze  sowol  des  Aboral-  als  auch  des  Oral- 
tentakelkranzcs.  —   Stelleu  wir  noch  eiumal   in  einer  Tabelle  die 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypeu. 


501 


verschiedene  Ruckbilduiig  der  Medusen   dar,   welche  dieselbeii  zu 
medusoiden  Gonophoren  machen. 


Radiarkanale 

Tentakel- 

Entstehung  der 

und  Ringkanal 

rudimente 

Geschlechtsstoffe 

Tub.  indiyisa     .      .      . 

vorhanden 

fehlen 

1        in  den 
/  medusoiden 
1   Gonophoren 

„      coronata    . 

fehlen 

4  vorhanden 

„      mesembryanth.    . 

fehlen 

8  vorhanden 

„      laryux  .... 

fehlen 

fehlen 

Garveia  nutans       .     . 

in  Riickbildung 
begrifFen 

fehlen 

? 

Hydractinia  echinata  . 

fehlen 

fehlen 

im  Gouophor 

Gonothyraea  Lovenii  . 

vorhanden 

fehlen 

im  Coenosark 

Zur  Embryologie. 

I.    Entstehung  der  Eier  von  Plumularia  fragilis  n.  sp. 

Bei  dicser  warscheinlich  iioch  nicht  beschricbenen  Art  ent- 
stehen  die  Eier  im  Entoderm  des  Coenosarkes,  wie  am  lebenden 
wie  conservirten  Material  festgestellt  werden  kann. 

Betrachtet  man  unter  dem  Mikroskope  die  lebenden  Zweige 
dieses  Polypenstockes,  so  sieht  man  uberall  im  Entoderm  Zellen, 
welche  sich  durch  Grosse  von  den  iibrigen  Entodermzellen  unter- 
scheiden.  Bei  manchen  derselben  erblickt  man  Ausliiufer,  ja  man 
sieht  wie  sich  dieselben  amobenformig  bewegen.  Es  sind  dies 
die  Eizellen,  welche  im  Entoderm  herumwandern. 

Das  Entodermepithel  ist  an  vielen  Stellen  des  Stammes  ein 
Keimepithel  zu  nennen.  Jede  Zelle  hat  die  Eigenschaft  eine  Eizelle 
zu  werden.  Auf  Flachenansichten  (Fig.  18,  Taf.  XXIV)  bemerkt 
man,  wie  unter  den  Epithelzellen  einige  durch  Grosse  hervorragen, 
(dieselben  sind  mit  dunklem  Kernkorperchen  dargestellt)  und  zu- 
gleich  ist  eine  schon  merkliche  Vergrosserung  des  Kernes  einge- 
treten.  An  den  schon  jetzt  als  Eizellen  anzusprechenden  Zellen 
tritt  nun  ein  Wachsthum  ein,  indem  sich  der  protoplasmatische 
Teil  der  Zelle,  sowie  der  Kern  mit  seinem  Kernkorperchen  ver- 
grossert.  Nach  Erlangung  einer  gewissen  Grosse  fangen  diese 
Zellen  zu  wandern  an  (s.  Fig.  20)  und  erreichen  endlich  die  in 
Fig.  19  angegebene  Grosse.  (Sammtliche  Figuren  sind  mit  Zeiss' 
Immers.  V12  ^^-  ^  gezeichnet.)  Die  letzte  grosse  Zelle  ist  dar- 
gestellt wie  sie  auf  der  Stiitzlamelle  hingleitet.  Will  man  die 
Zellen  in  dem  Zustande  der  Bewegung  darstellen,  so  iibergiesse 


502  Dr.   Otto  Hamanii, 

man  den  Zweig  niit  heisser  Subliniatlosung.    Es  tritt  dann  momen- 
tan  due  Fixirung  der  Zellen  ein. 

Das  Protoplasma  der  Eier  ist  stets  fein  granulirt.  Das  Kern- 
korperchen  zeichnet  sich  durch  seine  stark(i  Lichtbrcjchung  aus 
und  macht  das  Auffiuden  der  Eier  sehr  leicht. 


II.    Die  Wanderung  der  Eier  in  das  Gonophor. 

Wenn  bei  Plumularia  die  Eier,  welche  aus  dem  Entoderm- 
epithel  entstanden,  bis  zu  einer  gcwissen  Grbsse  herangewachsen 
sind,  beginnen  die  Gonophoren  sich  zu  bilden  als  Ausstiilpungen 
des  Coenosarks.  An  einem  Punkte  wachsen  die  Exodermzellen 
in  die  Liiuge  und  liefern  ein  Sekret,  welches  die  Perisarkschichten 
auflost,  wie  dies  auch  von  Weismann')  bereits  dargestellt  ist. 
Nun  erfolgt  eine  Ausstiilpung  des  Coenosarks,  welche  in  die  Liinge 
wiichst  und  zugleich  urn  sich  die  Ausscheidung  einer  neuen  diinnen 
glashellen  Chitinhiille  fortsetzt.  An  ihrem  Distalende  bleibt  die 
Exodermschicht  in  Verbindung  mit  der  Chitinkapsel.  Die  Befesti- 
gung  an  der  nicht  iiberall  anliegeuden  Hiille  geschieht  durch 
Pseudopodien,  welche  die  Exodermzellen  entsenden. 

Bei  PI.  fragilis  enthalten  dieselben  eine  Menge  von  Nessel- 
kapseln;  auch  im  Coenosark  kommen  dieselben  vor.  Nachdem 
nun  das  Gonophor  angelegt  ist,  beginnt  die  Wanderung  der  Ei- 
zellen  auf  folgende  Weise.  Dieselben  bewegen  sich  nach  Art  der 
Amoeben  auf  der  Stiitzlamelle  hiu,  dieselbe  als  Unterlage  nehmend, 
und  sind  von  dem  Entodermepithel  iiberdeckt,  wie  es  Fig.  3, 
Taf.  XXV  zeigt.  Indem  nun  die  Eizelle  am  Ende  des  Gonophors 
angelangt  ist,  beginnt  eine  Lage  von  Entodermzellen  dieselben  zu 
umwuchern,  sodass  jetzt  das  Ei,  zu  welchem  sich  noch  andere 
vordem  gesellt  haben  konnen,  allseitig  vom  Entoderm  umschlossen 
ist  (Fig.  4).  Die  spater  einwanderndeu  Eier  gelangen  unterhalb 
der  ersteren  zu  liegen,  sodass  die  Eier  desto  junger  sind,  je  naher 
sie  der  Basis  des  Gonophoren  liegen.  Indem  nun  auf  alien  Seiten 
des  kreisformigen  Gonophors  die  Einlagerung  von  Eiern  erfolgt, 
bleibt  der  Kanal  in  der  Mitte  liegen.  Bei  vielen  Arten  verzweigt 
sich  jedoch  derselbe  und  die  Eier  liegen  dann  von  Kanalen  ein- 
geschlossen.  Bei  Halecium  liegen  die  Eizellen  jede  von  der  an- 
deren  durch  eine  Zelllage  abgegrenzt  im  Kreise  urn  den  Kanal. 
Innerhalb   des   Gonophoren    nuiss   nun   die   Befruchtung  erfolgen. 


^)  Weismaun  a.  a.  O. 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen.  503 

Die  Spermatozoen  dringen  jedenfalls  durch  das  Distalende  des 
Gonophors  eiii,  doch  liegt  hieriiber  keine  sichere  Beobachtung  vor. 

Was  nun  die  Entstehung  der  Gonophoren  anlangt,  so  geschieht 
dieselbe  an  beliebigen  Punkten.  Nach  Weismann  gewohnlich 
da,  wo  die  Eier  in  grosser  Anzahl  vorhanden  sind.  Es  ist  dies 
in  der  Tat  auch  oft  nachzuweisen.  Nichtdestoweniger  findet  man 
oft  Gonophoren  in  zienilicher  Menge  vor,  wenn  sich  keine  Eier 
Oder  Hodenzellen  im  Coenosark  in  der  Nahe  finden.  Es  scheint 
deswegen  nicht  unbedingt  die  Bildung  der  Gonophoren  von  dem 
Vorhandenscin  der  Eier  abzuhangen. 

Merkwurdig  ist  die  Bildung  der  Gonophoren  bei  den  Aglao- 
phenien.  Hier  entstehen  dieselbeu  sicher  ganz  unabhiingig  von 
den  Eiern,  denn  es  sind  die  Stellen  schon  bei  der  Entwickhmg 
der  Aeste  bestimmt.  Warend  die  Aeste  alternirend  abgchen,  sieht 
man  wie  hier  und  da  nur  ein  Rudiment  vorhanden  ist.  Dieses 
wiichst  zur  Zeit  der  Entstehung  der  GeschlechtsstofCe  zum  Gono- 
phor,  das  man  hier  Corbula,  der  Form  wegen,  nennt,  sodass  Gono- 
phor  und  Aeste  hier  alternirend  stehen.  An  dieser  Stelle  erwilne 
ich  die  cigentiimlichen  Kornerzellen,  welche  sich  ini  Exoderm  der 
Gonophoren  finden  (s.  Figur  3).  Sie  sind  vielleicht  den  Driisen- 
zellen  zuzuzahlen. 


III.     Die  Purohung  und  die  Bildung  der  Gastrula  (Planula). 

Die  Furchung  wurde  nur  insoweit  verfolgt,  als  es  sich  um  die 
Entstehung  der  Gastrula  handelte,  da  mir  eine  solche  durch 
Bildung  von  Delamination  nicht  warscheinlich  schien. 

Bei  Tubularia  ist  dieselbe  unten  naher  beschrieben.  Bei  einer 
Aglaophenia  und  verschiedenen  Plumularien  untersuchte  ich  die- 
selbe und  konnte  nirgends  eine  Gastrulabildung  durch  Invagination 
entdecken.  Es  scheint,  dass  bei  alien  Hydroidpolypen  (mit  Aus- 
nahme  von  Hydra)  auf  die  2,  4,  8  u.  s.  w.  Teilung  eine  Blasto- 
sphaera  folgt,  und  nun  eine  iiussere  Zellschicht  durch  raschere 
Vermehrung  der  ilusseren  Zellen  der  Blastosphaera  entsteht,  welche 
das  Exoderm  vorstellt.  So  verlauft  der  Vorgang  bei  Tubularia 
und  anderen  untersuchten  Plumularien.  Bei  Cordylophora  hat 
Fr.  E.  Schultze  ebenfalls  eine  Art  Delamination  dargestellt.  Es 
scheint,  dass  die  Planula  stets  durch  einen  Delaminationsvorgang 
gebildet  wird.  Bei  einer  Aglaophenia  besteht  die  Planula  a  us 
einer  ilusseren  pallisadenformigen  Schicht  von  Exodermzellen,  und 
das  Innere  ist  von  den  Entoderrazellen  ausgefullt,  die  unregel- 


504  Dr.   Otto  Hamann, 

massig  angeordnet  sind.  Die  Planula  gelangt  in  diesem  Zustand 
mit  einem  Wimperkleid  versehen  zum  Ausschlupfen.  Jetzt  wachst 
dieselbe  in  die  Liinge  (Fig.  22  u.  23)  und  bewegt  sich  vermittels 
ihres  Wimperiiberzuges  uni  ihre  eigene  Axe  rotirend  ira  Wasser 
umher.  Eine  Hole  im  Inneren  der  Planula  ist  noch  nicht  zu 
untcrscheiden,  sie  tritt  erst  auf  kurz  vor  dem  Festsetzen,  wie  an 
Schnitten  zu  constatiren  ist.  Das  Exoderm  besteht  aus  cylinder- 
formigen  Zellen  (s.  Fig.  23)  und  sind  Nesselkapseln  schon  vor- 
handen. 

In  seinen  Untersuchungen  iiber  die  Entodermbildung  der  Coe- 
lenteraten  glaubt  Metsclinikoff  den  schon  fruher  ausgesproche- 
nen  Satz  aufrecht  erhalten  zu  konnen,  „dass  sich  bei  den  echten 
Coelenteraten  die  niederen  Formen,  one  ein  Gastrulastadium  zu 
durchlaufen,  entwickeln".  Aus  seinen  Beobachtungen ,  dass  das 
Entoderm  durch  Teilung  der  Blastodermzellen  entsteht,  folgt  dieser 
Schluss  doch  keineswegs.  Wir  halten  die  durch  Delamination  ent- 
standene  Planula  der  Hydroiden,  —  welche  faktisch  besteht  —  und 
in  welchen  die  Furchungshole  fehlt,  ebenso  fur  eine  Gastrulaform 
als  wie  die  durch  Epibolie  oder  einen  anderen  Modus  entstandene 
Form.  Die  Delamination  ist  eine  abgekiirzte  Entwicklungsforra 
und  jedenfalls  aus  der  Invagination  herzuleiten.  Damit  vertragt 
sich  jedoch  die  Ansicht,  welche  Balfour  aufstellt,  dass  namlich 
die  Planula  die  Widerholung  einer  freien  Vorfarenform  der  Coe- 
lenteraten sei,  nicht.  Er  glaubt,  dass  diesen  Vorfaren  der  Ver- 
dauungskanal  gefehlt  habe.  Diese  Ansicht  scheint  mir  jedoch  so 
vielen  Bedenken  zu  begegnen,  dass  sie  wol  nie  zu  allgemeiner 
Anerkennung  kommen  wird.  Angesichts  des  sonst  allgemeinen 
Vorkommens  einer  Gastrula  wird  jedenfalls  die  Ansicht,  welche 
die  Planula  fiir  eine  umgebildete  Gastrula  halt,  in  Geltung  bleiben. 
Dass  wir  iiberhaupt  bei  den  niedersten  echten  Coelenteraten  sehr 
modificirte  von  dem  ursprunglichen  Typus  abweichende  Bildungen 
vor  uns  haben,  sehen  wir  bei  den  Taeniolaten  -  Polypen ,  wo  nahe 
verwandte  Arten  sich  in  der  Entwicklungsweise  vollkommeu  untcr- 
scheiden. Deun  warend  die  einen  ein  Planulastadium  besitzen, 
fehlt  dasselbe  den  nachst  verwandten  Arten  und  es  koramt  bei- 
spielsweise  zur  Bildung  einer  Actinula. 

Durch  die  Tatsache  der  Delamination  ist  keineswegs,  wie 
Mctschnikoff  glaubt,  die  Gastraeatheorie  zum  Wanken  gebracht, 
denn  die  Planula  ist  eben  eine  Gastrulaform,  und  es  heisst  den 
Tatsachen  Gewalt  antun,  wenn  man  sie  einer  Theorie  zu  Liebe 
in  so  gezwunseuer  Weise  deuten  will. 


Dei*  Organismus  der  Hydroidpolypen.  505 

Nach  Metsclinikoff  darf  man  iiberhaupt  nicht  von  einer 
Gastrula  reden,  sobald  Blastoporus  uud  Furchungshole  fehlen. 
W(3nn  derselbe  Autor  bei  diesem  Satze  stehen  bleibt,  ist  t:in  Streiten 
aussicbtslos  und  nutzlos,  denn  wir  glaubeu  auch  dann  nocb  von 
einer  Gastrula  sprechen  zu  diirfen,  sobald  es  warscheinlicb  ge- 
niacht  werden  kann,  dass  das  Fcblen  beider  Bildungen  cnst  sekun- 
darer  Natnr  ist.  Wir  bezeichnen  desbalb  als  Planula  die 
diirch  Delimination  entstandene  abgeanderte  Gastrula- 
form. 


Die  Verwandtschaft  der  Hydroidpolypen  mit  den 

Siphonophoren  und  Anthozoen,  nebst 

Stammbaum  derselben. 

Wenn  wir  in  den  nachsten  Zeilen  iiber  die  Verwandtschaft 
der  Polypen  mit  den  Siphonophoren  handeln  werden,  so  brauchen 
wir  nicht  zur  Entwicklungslehre  Zuflucht  zu  nehmen,  um  Beweise 
fur  dieselbe  herbeizubringen,  sondern  fussen  einfach  auf  den  iiber- 
einstimmenden  Bau  der  Siphonophorenpolypen  mit  denen  der  mit 
Taeniolen  versehenen  Polypen.  Betrachten  wir  die  Leibesschichten 
eines  hoheren  Polypen  und  eines  Siphonophorenpolypen,  so  tritt 
uns  der  ubereinstimmende  Bau  beider  in  die  Augen.  Hier  wie 
dort  haben  wir  die  Langswiilste,  hier  wie  dort  eine  entodcrmale 
Muskulatur.  Die  Stiitzlamelle  hat  weder  bei  Siphonophoren  noch 
bei  Polypen  Teil  genommen  an  diesen  Bildungen,  wie  etwa  bei 
dem  Scyphostoma  und  der  Spongien  bewonenden  Spongicola  es  der 
Fall  ist.  Bei  den  Siphonophoren  sind  nicht  etwa  cinzeln  Polypen 
mit  Taeniolen  versehen,  sondern,  wenn  zum  Beispiel  zwei  verschie- 
dene  Arten  derselben  vorkommen,  wie  es  bei  Velella  der  Fall  ist, 
so  besitzen  beide  diese  Wulstbildungen.  Der  Bau  der  Zeilen  ist 
vollkoramen  ubereinstimmend  bei  Taeniolaten  und  Siphonophoren- 
polypen. 

Von  E.  Haeckel  ist  die  Ansicht  aufgestellt  worden,  dass  die 
Siphonophoren  von  den  Anthomedusen  abgeleitet  werden  miissen. 
Nun  sind  aber  die  Anthomedusen  in  Generationswechsel  mit  den 
Taeniolatenpolypen  und  erfart  somit  diese  Annahme  eine  neue  Be- 
statigung,  indem  die  Polypen  beider  Gruppen  im  Bau  uberein- 
stimmen. 

Wir  haben  demnach  die  Siphonophoren,  welche  wir  als  Tier- 
stocke  ansehen ,  welche  aus  Anthomedusen   und  Taeniolaten  ge- 


506  Dr.  Otto  Hamann, 

bildet  sind,  von  den  letzteren  abzuleiten.  Bei  den  Anthozoen, 
und  zwar  wollen  wir  nur  die  Actinien  naher  ins  Auge  fassen, 
liaben  wir  bei  den  entwickelten  Tieren  weit  complicirterc  Bildungen 
vor  uns.  In  der  Entwicklung  wird  jedoch  ein  Stadium  durchlaufen, 
welches  zu  einem  Vergleiche  herangezogen  werden  kann.  Die 
junge  Larve  mit  ihren  vier  priraiiren  Taeniolen  (oder  Septeii)  re- 
capitulirt  den  Bau  eines  Taeniolaten.  Der  Unterschied  besteht 
nur  darin,  dass  die  Wiilste  in  bestimmter  Anzal  angelegt  sind 
und  dass  sich  die  Stiitzlamelle  bereits  an  denselben  beteiligt.  Da 
letzteres  jedoch  auch  bei  den  Spongicoliden  der  Fall  ist,  so  steht 
es  nicht  als  Ausnahme  dar. 

Una  kurz  zusammenzufassen ,  haben  wir  als  Ausgangspunkt 
eine  unserer  Hydra  anliche  Form  anzunehmen.  Nach  der  einen 
Seite  bin  haben  sich  die  Intaeniolaten  (Campanularinae  und  Sertula- 
rinae)  entwickelt,  nach  der  anderen  Seite  entwickelten  sich  Polypen 
mit  Langswtilsten ,  von  denen  als  Seitenzweig  die  Spongicoliden 
und  die  Scyphostomen  zu  betrachten  sind,  wiirend  als  ein  ande- 
rer  Seitenzweig  die  Aktinien  anzusehen  sind.  Von  Taeniolaten, 
welche  Medusen  gebildet  hatten,  zweigten  sich  die  Siphonopho- 
ren  ab. 

Wenn  wir  nun  diese  dargelegten  Ansichten  in  einen  Stamm- 
baum  zusammenstellen  wollen ,  so  wird  derselbe  folgendes  Bild 
geben : 

Siphonophora 

I     Scyphostoma 
Koralla  / 

Spongicolidae 


Intaeniolatae 
Taeniolatae  (Hydroidpol.  one  Taeu.) 

(Hydroidpol.  m.  Taeu.)  (1)  Sertulaviuae)  Hydrocorallineae 

I   20   Familien     (2)  Campanularinae)  I 


Hydra 


(Hydrusae) 
Archydra 


Der  Organiamus  der  Hydroidpolypeu.  507 


Das  System  der  Hydroidpolypen. 

Wenn  wir  die  bisherigen  Systeine  durchmusteru ,  so  finden 
wir  nur  das  einzige  von  Hincks,  welches  er  seinen  „British 
Hydroid  Zoophytes"  zu  Grunde  gelegt  hat,  das  der  Beachtuug 
verdieut.     Auch  All  man  hat  sich  demselben  angeschlossen. 

Das  eben  erwante  System  von  Hincks  ist  ein  kiinstliches. 
Er  stUtzt  sich  auf  aussere  Merkmale,  namlich  auf  die  Bildung  der 
Skelettroren ,  uicht  aber  auf  anatoraische  und  histologische  Tat- 
sachen,  da  dieselben  eben  zu  jeuer  Zeit  noch  nicht  bekannt  vvareu. 

Allman  hat  in  neuester  Zeit ' )  die  Hydroidpolypen  eingeteilt 
in  die  beiden  Subordnungen  der  Gymnoblastea  und  Calyptoblastea. 
Letztere  hat  er  nur  in  zwei  Tribus  geteilt  in  die  Campanularinae 
und  Sertularinae. 

Worauf  haben  wir  aber  ein  naturliches  System  bei  diesen 
Polypen  zu  griinden? 

O.  und  R.  Her  twig  glaubten  auf  die  Enstehung  der  Ge- 
schlechtsstoffe  eine  solche  Einteilung  vornehmen  zu  konnen  und 
schieden  die  Coelenteraten  in  zwei  Gruppen  als  Exo-  und  Ento- 
carpen.  Bei  den  ersteren  sollten  die  Geschlechtsorgane  im  Exo- 
derm,  bei  letzteren  ira  Entoderm  entstehen.  Es  zeigte  sich  jedoch 
bald,  dass  eine  solche  Einteilung  nicht  durchfiirbar  sei.  Auch 
nicht  einmal  fiir  kleinere  Gruppen  ist  eine  Einteilung  nach  der 
Entstehung  der  Geschlechtsorgane  moglich.  Denn  wollteu  wir  zum 
Beispiel  nach  diesem  Princip  die  Hydroidpolypen  gliedern,  so 
wurden  nachst  verwandte  Arten  getrennt  werdeu,  ja  eine  Art 
wiirde  zerrissen  werden,  sobald  die  mannlichen  Geschlechtspro- 
dukte  in  einem  anderen  Keimblatte  als  die  weiblichen  entstanden. 

Hiermit  ist  die  Unzulanglichkeit  dieser  Einteilung  bewiesen, 

Ein  anderer  Gedanke  ware  der,  der  Systematik  den  Genera- 
tionswechsel  zu  Grunde  zu  legen  und  zu  unterscheiden  zwischen 
Polypen,  welche  Medusen  erzeugen  und  solchen,  welche  nur  poly- 
poide  Gonophoren  hervorbringen.  Doch  auch  eine  solche  Ein- 
teilung ist  zuriickzuweisen ,  da  wir  dem  Generationswechsel  keine 
systematische  Bedeutung  zuerkennen  konnen,  da  er  bei  verschie- 
denen  Polypen  zu  verschiedenen  Zeiten  unabhangig  wird  entstanden 
sein.    Dann  wurden  auch  bei  dieser  Einteilung  nahe  verwandte 


1)  Allman,  Report  of  the  Hydroida  of  the  Golf  Stream.    Cam- 
bridge 1877. 


508  Dr.   Otto  Hamanu, 

Formen,  wie  Corymorpha  und  Monocanlis  zum  Beispiel  von  ein- 
ander  getrennt  wcrden,  da  bei  der  ersteren  Medusen  zur  Bildiing 
kommeii,  bei  letzterer  jedoch  nicht.  Eine  andere  Eiiiteilung,  nacli 
welclier  die  Hydroidpolypen  in  2  Gruppen  geschieden  wurden^), 
je  nachdeni  die  Eier  und  Hoden  im  Coenosark  oder  in  Geschlechts- 
kapselu  eutstehen,  ist  ebenfalls  nicht  durchfiirbar,  da  dann  im 
System  zum  Beispiel  nalie  verwandte  Gattungen  wie  Eudendrium 
und  Tubularia  getrennt  werden  wtirdeu. 

So  bleibt  uns  denn  nur  allein  ubrig  die  Systematik  auf  die 
Anatomie  und  Histologic  zu  begriinden.  Wenn  wir  dies  nun  im 
Folgendeu  tun  werden,  so  wird  es  auffallen,  wie  unsere  auf  den 
histologischen  Bau  gegriindete  Einteilung  im  Grossen  und  Ganzen 
tibereinstimmt  mit  der  von  Hincks  und  All  man.  Die  Idee,  das 
kiinstliche  System  auf  die  Bildung  des  Skelettes  zu  grunden,  ist 
insofern  als  gliickliche  zu  bezeichnen,  da  eine  Wechselwirkung 
zwischen  Perisarkbildung  und  der  Entwicklung  der  von  demselben 
umschlossenen  Polypen  besteht.  Bei  der  einen  Gruppe,  den  Theca- 
phora  von  Hincks,  ist  das  Skelett  am  weitesten  ausgebildet,  in- 
dem  Hiillen  fiir  die  einzelnen  Polypen  gebildet  sind.  Indem  aber 
die  Polypen  auf  diese  Weise  gegen  die  Aussenwelt  geschiitzt  waren, 
passten  sie  sich  nicht  weiter  an  und  blieben  auf  der  erreichten 
Entwicklungsstufe  stehen.  Diejenigeu  Polypen  jedoch,  welche  die 
Schutzbecher  nicht  besitzen,  behielten  ihre  freiere  Bewegung  bei 
und  vervollkommneten  sich  allmalich  im  Kampfe  mit  den  sie  um- 
gebenden  Elementen. 

Wir  teilen  die  Hydroidpolypen  naturgemass  in  zwei  Gruppen 
und  zwar  in  solche,  bei  welcheu  sich  keine  Langswiilste  oder  Tae- 
niolen  im  Magen  gebildet  haben  und  in  solche,  bei  welchcn  die- 
selben  zur  Bildung  gekomnien  sind.  Die  ersteren  stellen  wir  den 
letzteren  als  Taeniolatae  zu  bezeichnenden  als  Intaeniolatae  gegen- 
Uber.  Die  Intaeniolatae  fallen  mit  der  von  A  11m an  als  Calypto- 
blastea  bezeichnenden  und  von  Hincks  als  Thecaphora  benannteu 
Gruppe  zusammen. 

Die  Taeniolaten  bilden  die  Allman'schen  Gymnoblastea  oder 
die  Hincks'schen  Athecata. 

Die  Intaeniolaten  zerfallen  in  zwei  Gruppen,  in  die  Campanu- 
linae  und  Sertularinae.  Zu  ersterer  gehoreu  die  Campanularia-  und 
Haleciumarten ,  wiirend  die  letztere  die  Familien  der  Sertulariden 
und  Plumulariden  umfasst,  denen  All  man  noch  als  dritte  Familie 
die  Gramaridae  zugesellt. 

^)  vergl.  Weismann,  Zool.  Anz.   1880/81. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen,  509 

Fiir  die  Siisswasserform  Hydra  und  Protohydra,  deren  Vor- 
kommen  als  selbstandige  Form  jedoch  noch  bezweifelt  wird,  rich- 
ten  wir  unter  den  Intaeniolaten  eine  besondere  Familie  ein,  oder 
wir  kounen  eine  Ordnung  als  Hydrariae  den  Intaeniolaten  und  Tae- 
niolaten  gegeniiberstellen  und  als  einzige  Familie  die  Hydridae 
mit  den  Gattungen  Hydra  und  Protohydra  (?)  aufstellen. 

In  jedem  P'alle  darf  jedoch  Hydra  nicht  mehr  zu  den  Taenio- 
laten  gestellt  werden ,  wie  es  Glaus  ^)  tut,  wenn  er  sie  zu  deu 
Gymnoblastea  als  erste  Familie  stellt. 

Das  System  der  Hydroidpolypen  wird  sich  also  etwa  folgen- 
dermassen  gestalten. 

Die  Hydroidpolypen  sehen  wir  an  als   die  erste  Legion  der 

als  Polypen  oder  Hydrusae  bezeichneten  Klasse  der  Coelenteraten, 

warend  die  zweite  von   den  Korallenpolypen  (Hydrocoralla)  gebil- 

det  wird. 

Klasse.  Legion.  Ordnungen. 

/     1)  Hydroidpolypen,  1)  Intacniolatae. 

Polypen      \  Hydromenae  s.  ^,  „         ,  . 

„  ;{*  ]         TT    I    •,     1     •  2)  Taemolatae. 

Hydrusae    /  Hydroidpolypi.  ^ 

s.  Polypi.     /    2)  Korallpolypen  s.  3)  Milleporidae. 

'  Hydrocoralla.  4)  Stylasteridae. 

I.  Legion:   Hydropolypi. 

1.  Ordnung:  Iiitaeuiolatac,  Polypen  one  Magenwiilste.    Das  Ske- 

lett  bildet  Kapseln  fiir  die  Polypenpersonen. 

1.  Familie:  Hydrinae,  Gattung:  Hydra,  Protohydra  (?). 

2.  „      :  Oam^^awMZarmftc,  Gattung:  Campanularia,Obelia, 

Lafoea,  Leptoscyphus  u.  s.  w. 

3.  „      :  Sertularinae ,    Gattung:   Sertularia,  Antennula- 

ria,  Plumularia,  Aglaophcnia. 

2.  Ordnung:  Taeniolatae. 

1.  Unterorduung:  Acolloblastae.   Die  Stutzlamelle  ist  nicht  bei 
der  Bildung  der  Taenioleu  beteiligt. 

1.  Familie:  Clavidae,    Gattung:   Turris,  Clava,   Coryden- 

drium,  Cordylophore. 

2.  „      :  Oor^/mt^ae,  Gattung:  Coryne,Syncoryne,Zanclea. 

3.  „      :  Atractylidae,    Gattung:    Atractylis,   Perigoni- 

mus,  Garveia,  Dicoryne,  Bimcria,  Bongainvillia, 
Diplura. 

*)  Claus,  Lehrbuch  der  Zoologie  p.  260. 


510  Dr.   Otto  Hamann, 

4.  Familie:  Eudendridae,   Gattung:  Eudendriura. 

5.  „      :  Hydractinidae,  Gattung:  Hydractinia. 

6.  „      :  Podocorynidae ^    Gattung:    Podocoryne,   Cory- 

nopsis, 

7.  „      :  Cladonemidae,   Gattung:  Cladoneuia. 

8.  „      :  Nemopsidae,   Gattung:  Neniopsis. 

9.  „      :  Pennaridae ,    Gattung:   Pennaria,  Stauridium, 

Vorticlava  etc. 

10.  „      :  Cladocorynidae ,  Gattung:  Cladocoryne. 

11.  „      :  Myriothelidae ,   Gattung:  Myriothcla. 

12.  „      :  ClavateUidae,  Gattung:  Clavatella. 

13.  „      :  Monocaulidae ,   Gattung:  Monocaulii. 

14.  „      :  Tubularidae,  Gattung:  Tubularia,  Corymorpha, 

Ectopleura,  Hybocodon,  Amalthaea,  Acaulis. 
2.  Unterordnung:  Colloblastae.     Die  Stiitzlamelle   ist  bei  der 
Bilduug  der  Taeniolen  beteiligt. 

1.  Familie:  Spongicolidae ,   Gattung:  Spongicola. 

2.  „      :  Scypliostomidae. 


Zweiter  Teil. 
Ordnung:    Taeniolatae. 

Das  Genus  Tubularia. 

Tubularia  coronata, 
„        „      larynx, 
„        „      mesembryanthemum. 

Die  drei  genannten  Arten  dienten  zur  Untersuchung.  Wir 
beginnen,  ehe  wir  das  fertige  ausgewachsene  Tier  untersuchen, 
mit  der  Entwicklungsgeschichte  derselben. 

Obgleich  dieselbe  von  Ciamician  ^)  dargestellt  ist,  und  zwar 
sehr  ausfiirlich ,  schien  dieselbe  doch  von  neuem  in  Angriff  genom- 
men  werden  zu  miissen ,  da  ich  dieselbe  fiir  nicht  richtig  ansehen 
musste,  nachdem  ich  siimmtliche  iibrigen  Augaben  desselben  For- 
schers  als  falsch  erkannt  hatte.    Umsomehr  war  man  hierzu  be- 


^)  Ciamician,  a.  a,  0, 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  511 

rechtigt,  als  bereits  Balfour^),  auf  Angaben  Kleinenbergs 
gestutzt,  Zweifel  gegeu  die  Darstellung  Ciamicians  aufgeworfen 
hatte. 

Nach  clem  Abschluss  meiner  Untersucliuugen  erschien  eine 
Abhandlung  von  Metschnikoff 2),  in  welclier  gleiclifalls  die 
Darstellung  des  genannteu  Autors  als  falsch  zuriickgewiesen  wird. 


Erabryologie. 

Das  reife  Ei  von  Tubularia  besteht  aus  zvvei  Teilen,  aus  einer 
ausseren  Schicht  von  hoinogenen  Protoplasraa  and  einer  inneren 
Schicht,  welche  aus  eineni  Netzwerk  von  Protoplasnia  besteht.  In 
deinselben  liegen  die  Pseudozellen  Kleinenbergs  eingestreut, 
welche  stets  durch  ihre  dunklere  Farbung  hervortreten.  Um  die 
zwei  Schichten  des  Eies  zu  erkennen,  ist  es  notig,  Schnitte  zu 
fertigen.  Das  Ei  bietet  also  denselben  Bau  dar,  wie  die  Eier  der 
Medusen  uud  Siphouophoren. 

Der  Zweiteilung  des  Eies  folgt  eine  Vierteilung  und  so  fort. 
Das  Eude  der  Furchung  ftirt  zu  einem  Zellcomplex  von  gleichen 
Zellen  one  Hole  im  Inneren  (Fig.  11).  Jetzt  beginnen  nun  die 
ausseren  Zellen  des  kugligen  Embryos  rascher  sich  zu  vermehren. 
Man  trifift  jetzt  in  der  ausseren  Schicht  eine  Menge  von  Keruen 
an ,  welche  die  Kerne  der  neu  entstehenden  Exodermschicht  sind. 
Fig.  13  zeigt  auf  dem  Querschnitt  einen  als  Planula  zu  bezeich- 
nenden  Embryo.  Wiirend  sich  die  Exodermschicht  auf  diese  Weise 
bildet,  wird  die  innere  Zellschicht  zu  dem  Entoderm.  Hierbei 
entsteht  die  Magenhole  im  Centrum.  Die  Entodermzellen  besitzen 
jetzt  sclion  ihre  typische  Gestalt,  Es  sind  cylinderformige  Zell- 
schlauche,  in  denen  die  Vacuolen  schon  deuthch  hervortreten. 

Nach  der  Anlage  der  Furchungshole  treten  an  dem  Embryo 
zunachst  zwei  Tentakel,  welchen  aber  sofort  die  iibrigen  folgcn, 
auf.  Mit  dem  Auftreten  der  Tentakeln  erfolgt  der  Durchbruch  des 
Mundes,  welcher  in  Gestalt  eines  Kreuzes  sich  anlegt  (Fig.  8). 
In  dieser  Form  schliipft  der  jetzt  als  Actinula  bezeichnete  Em- 
bryo bei  T.  coronata  aus.  Er  besitzt  bei  dieser  Art  eine  eiformige 
Gestalt.  Ungefar  in  der  Mitte  desselben  sind  die  Tentakel  inse- 
rirt,  deren  sich  bald  sechs,  acht,  ja  bis  zwolf  finden  konnen.  Be- 
reits wenn   die  Actinula  noch  im  Gonophor  weilt,   entstehen  die 

^)  Balfour,  Vergl.  Embryologie.  p.  148. 

2)  Metschnikoff,  Vergleichend-embryologische  Studien  p.  433. 
Zeitschrift  f.  wiss.  Zoologie  1881. 


512  Dr.   Otto  Hamann, 

Nesselkapselii  im  Exoderm.  Das  Exoderm  besteht  am  Aboralpol 
aus  laiigen  pallisadeiiiorniigcii  Zellcn,  welche  nach  den  Tentakeln 
bin  an  Il<)be  abnehnicn,  warend  dieselben  am  Pol  selbst  ibre  grosste 
Hobc  erreicben. 

Das  Entoderm  der  Tentakel  bestebt  jetzt  aus  einer  Reihe 
von  Zellen,  den  „cbordaanlicben"  Zellen.  Wiirend  dieselben  in 
dicser  Entwicklungsstufe  nodi  in  einer  Reibe  liegen  —  dies  ist 
der  persistirende  Zustand  fiir  die  iibrigen  Hydroidpolypen  —  wird 
die  Lage  derselben  in  Folge  unregehniissiger  Teilung  unregel- 
massig.  Man  findet  erst  zwei,  dann  mebrere  nicbt  mebr  unter- 
scheidbare  Reihen  vor.  In  gleicber  Zeit  bildet  sicb  der  „Abo- 
ralwulst",  wie  wir  denselben  im  Gegensatz  zu  der  am  Munde 
vorkommenden  und  als  Oral  vvu  1st  zu  bezeicbnenden  Bildung 
nennen  wollen.  Derselbe  bestebt  aus  denselben  Zellen  wie  die 
Axe  der  Tentakel.  Fig.  4  zeigt  uns  einen  Radialscbnitt  durcb  eine 
Actinula,  wiirend  Fig.  5  uns  einen  Tangentialscbnitt  vorstellt,  um 
die  Lage  des  Wulstes  zu  erkennen.  Derselbe  ist  von  dem  eigent- 
lichen  Entoderm  durcb  ein  ieiues  Hiiutcben,  die  Stutzlamelle,  ab- 
gegrenzt,  ebenso  wie  von  dem  Exoderm.  An  der  in  Figur  2  ab- 
gebildeten  Actinula  sind  die  Muskelfibrillen  bereits  deutlich  zu 
unterscheiden.  Zugleicb  ist  jetzt  am  Aboralpol  ein  dunnes  Hiiut- 
chen  zu  erkennen,  das  als  belle  Membran  sicb  deutlicb  abbebt. 
Dieses  Hautcben  ist  ein  Produkt  der  pallisadenformigen  Aboral- 
zellen  und  stellt  die  erste  Anlage  des  Ferisarkes  vor. 
Seben  wir  aber  nun  die  weitere  Entwickluug  der  Actinula  von  T. 
coronata  an !  .  Der  Aboralpol  wiicbst  mebr  und  mebr  in  die  Liinge, 
wiirend  eine  Einscbniirung  oberbalb  der  Tentakeln  auftritt.  An 
dem  Oralpol  bilden  sicb  in  der  Umgebung  der  Mundotfnung  vier 
kleine  Hocker.  Das  Hautcben  am  Aboralpol  ist  miicbtiger  entfal- 
tet  und  erstreckt  sicb  weiter  als  im  vorbergehend  geschildertcu 
Zustand,  wo  er  nur  als  kleine  Kappe  dem  Aboralpol  aufsass. 

Im  folgenden  Stadium  sind  die  vier  Hocker  gewacbsen.  Es 
ist  Exo-  wie  Entoderm  deutlicb  zu  unterscbeiden.  Jetzt  sind  auf 
denselben,  den  vier  primaren  Mundtentakeln ,  bereits  Nesselkap- 
seln  in  ziemlicber  Anzal  zu  erkennen. 

Was  die  Stutzlamelle  anlangt,  so  ist  dieselbe  erst  jetzt  deut- 
licb warnebmbar.  Sie  scbeint  von  alien  Geweben  am  letzten  zu 
entstehen. 

Wiirend  wir  eben  die  Bildung  der  Actinula  von  T.  coronata 
scbilderten,  so  wollen  wir  jetzt  dieselbe  von  T.  mesembryantbemum 


Der  Organismiis  der  Hydroidpolypen.  513 

widergeben.  Obgleich  bcide  Arteii  sich  kaum  im  histologischen 
Bau  untcrsclieiden,  ist  die  Bilduiig  ihrer  Embryonun  verscbieden. 

Warend  namlich  bei  T.  coronata  die  Eutstehung  der  Oralteii- 
takel  im  Wasser  erfolgt,  so  verlasst  die  Actinula  der  andereu  Art 
erst  nach  Bildung  der  vier  primiireu  Mundtentakel  das  Gonopbor. 
Auch  ill  ihrer  Gestalt  unterscbeidet  sie  sich  von  der  der  ersteren 
Art  (vergl.  Fig.  10).  Nachdeni  iiuii  die  Actinula  eine  Zeit  lang 
auf  dem  Boden  des  Gefasses  sicb  verniittels  der  Tentakeln  bewegt 
hat,  (Wimpern  fehleu  ibr  stets,  bei  keiner  Art  ist  die  Actinula 
bewimpert)  setzt  sie  sich  vermittels  ihres  Aboralpoles  fest  (Fig.  11), 
Sie  wiichst  nun  bedeuteud  in  die  Lange  (Fig.  13).  Es  entwickelt 
sich  jetzt  das  Chitinskelett,  welches  bis  uuterhalb  der  Aboralten- 
takeln  reicht.  Der  Oralwulst  erreicht  bald  seine  giosste  Miichtig- 
keit  und  in  kurzer  Zeit  hat  der  Polyp  seine  vollkonmiene  Grosse 
erreicht. 

Bevor  wir  nun  die  Histologie  der  ausgewachsenen  Polypen 
geben,  wollen  wir  kurz  die  Entstehung  der  Gonophoren,  in  welchen 
die  Eier  gebildet  werden,  betrachten. 

Oberhalb  der  Aboraltentakeln  bilden  sich  Ausstiilpungen  der 
Magcnhole,  welche  also  aus  Exo-  und  Entoderm  bestchen ,  und 
auch  die  Stutzlamelle  mit  einschliessen.  An  dieser  Aussackung, 
welche  bald  als  Stiel  erscheint  —  in  Folge  des  Langswachstums  — 
entstehen  secundar  die  eigeutlichen  Gonophoren  widerum  durch 
Ausstulpung  des  Exo-  und  Entoderms.  Eine  Stutzlamelle  tritt 
hier  nicht  auf.  Der  Stiel,  an  welchem  die  Gonophoren  sitzen, 
wird  von  All  man  als  Gonoblastidium  bezeichnet.  Die  Bildung 
der  Eier  und  Sperma  aus  dem  Exoderm  ist  in  neuester  Zeit  von 
Weismann  bei  T.  mesembryanthemum  bestatigt  worden.  Ich 
babe  bei  T.  coronata  dieselbe  verfolgt  und  geschieht  sie  in  folgen- 
der  Weise.  Das  Exoderm  der  Holknospe,  so  konnen  wir  die  Aus- 
stiilpung  des  Gonoblastidiums  nennen,  beginnt  am  Distalende  zu 
wucheru  und  drangt  in  Folge  dessen  die  Entodernizellen  nach 
inneu.  Die  Exodermzellen  werden  nach  und  nach  von  der  ilussc- 
reu  Exodermschicht  abgeschniirt,  indem  das  {Entoderm  dieselben 
umschliesst  (gf).  Jetzt  wuchern  die  zuriickgedrangten  Zellen  des 
Entoderm  in  die  Exoderraverdickuiig  und  stollen  den  sogeiiaiinten 
Spadix  her.  Die  Exodermzellen,  welche  in  ihrem  Inneren  eine 
Holung  zeigen,  sitzen  in  Form  einer  zweischichtigen  Kappe  auf 
dem  Spadix.  Die  Entstehung  der  Geschlechtsstoffe  verlauft  ganz 
wie  bei  Hydractinia^).     Aus   der  mit  ex^  in  Fig.  2  u.  3  bezcich- 

^)  Die    Darstellung    Ciamicians    ist    auch    in    diesem  Punkte 

Bd.  XV.    N.  F,  VIII.  4.,  33 


514  Dr.   Otto   Hamann, 

neten  Schicht  eutwickeln  sich  die  Geschlcchtsstotfe.  Fig.  3  stellt 
ein  spaturcs  Stadium  dar.  Die  dunkel  gelialtene  Partie  sind  die 
Geschlechtszellen. 

Das  medusoide  Gonophor  ist  jetzt  dreischichtig.  ex^  ist  die 
urspriiugliche  primare  Exodormschicht.  Mit  gf  ist  die  der  Gefass- 
lamelle  liomologe  Zellschicht  des  Entoderm  bezeichnet.  Mit  ex^^ 
ist  die  dritte  Schicht,  von  Allman  als  Enthoteca  benannt,  be- 
zeichnet. Ihre  Entstehung  wird  aus  Fig.  2  deutlich.  Die  Gefass- 
lamelle  ist  stets  einschichtig. 

Auf  die  Homologieen,  welche  zwischen  Meduse  und  medusoi- 
dem  Gonophor  bestehen,  ist  bereits  oben  aufmerksara  gemacht 
worden,  sodass  wir  hier  uur  darauf  verweisen. 

Bei  T.  coronata  entwickelt  sich  immer  nur  eine  Zelle  zur  Ei- 
zelle.  Bei  den  anderen  Arten  wie  T.  mesembr.  findet  man  jedoch 
in  einera  Gonophor  deren  mehrere  in  verschiedeueu  Entwicklungs- 
zustanden  vor.  Warend  sich  die  Eizellen  ausbilden ,  treten  am 
Distaleude  des  Gonophors  vier  Verdickungen  auf;  es  entstehen  vier 
vom  Exoderm  uberzogene  Hocker.  Zugleich  tritt  zwischen  den- 
selben  eine  Oelinung  auf,  durch  welche  spater  die  Actinulae  aus- 
schlupfen.  Bei  T.  mesembr.  und  larynx  erfolgt  die  Bildung  der 
Oeffuuug  durch  das  Hervorwachsen  der  Spadix.  Derselbe  durch- 
bricht  die  beiden  Zellschichten.  Bei  T.  coronata  ragt  der  Spadix 
niemals  zur  Oeffnung  heraus,  da  er  nie  bis  zu  solcher  Lange  an- 
wachst.  Er  findet  sich  in  vielen  Fallen  von  dem  Embryo  ganz 
auf  die  Seite  gedriingt.  Das  Verlassen  des  Gonophors  durch  den 
Embryo  geschieht  gleichfalls  auf  verschiedene  Weise.  Bei  T.  co- 
ronata verlasst  derselbe  das  Gonophor,  indem  er  mit  dem  Aboral- 
pol  herausschlupft ,  warend  er  bei  den  anderen  Arten  (larynx, 
mesembr.)  mit  den  Tentakeln  zuerst  heraustritt.  Noch  ist  zu  er- 
wanen ,  dass  bei  T.  mesembr,  sich  acht  Hocker  um  die  Oeffnung 
finden,  und  zwar  bei  den  weiblichen  Gonophoren  deutlich  ausge- 
pragt,  warend  sie  an  den  mannlichen  kaum  angelegt  sind. 

Histologic  und  Anatomic  der  ausgebildeten  Polypen. 

Geheu  wir  nun  zu  der  Betrachtung  der  ausgebildeten  Polypen 
liber!  Beti-achtet  man  einen  Polypen  von  aussen,  so  treten  zwei 
Wulstbildungen  uns  entgegen ;  von  jedem  entspringen  die  Teutakel. 


falscli.     Nach    ihm    soil    sich    die  Entodermlamelle    als    zweischichtig 
anlegen  u.  s.  w.! 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  515 

Von  dem  oberen,  als  Oralwulst  zu  bcuenneiideu ,  geheu  die  Oral- 
tentakeln  ab,  wiircnd  an  doni  untercn  weit  grosseren  Aboralwulst, 
wio  wir  ihn  nennen  wollcn,  die  Aboraltentakel  inscrireu.  Unter- 
halb  dieser  Tentakeln  geht  der  Korper  nicht  sofort  in  den  Stiel 
uber,  sondern  bildet  nach  einer  circularen  Einschniirung  eine  am- 
l)ullenforinige  Erweiterung,  um  dann  erst  in  den  Sticl  iibcrzugehen. 
Das  Perisark  reicht  bis  unterhalb  dieser  knopfformigen  Erweite- 
rung. 

Die  Gewebe  der  Tentakel,  welche  bisher  allein  Gegenstand 
von  Untersuchungen  gewesen  sind,  sind  folgende.  Zuniichst  haben 
wir  die  gewoulichen  Exodermzellen  zu  erwanen ,  zwischen  denen 
die  interstitiellen  Zellen  sich  reichlich  vertreten  vorfinden.  Auf 
diese  Zellschicht  folgt  eine  Schicht  von  parallel  mit  der  Tentakel- 
axe  verlaufenden  Muskelfibrillen ;  jede  Fibrille  besitzt  ihren  Kern 
von  Protoplasma  umgeben.  Derselbe  liegt  in  der  Mitte  der  stets 
glatten  Muskelfaser.  Bereits  All  man')  hat  diese  Muskeln'  ge- 
sehen.  Niemals  kommt  es  jedoch  zur  Bildung  von  Quermuskel- 
fibrillen,  wie  solche  Ciamician  sogar  isolirt  zu  liaben  vorgiebt 
uud  abbildet! 

Was  derselbe  als  Quermuskeln  angesehen  hat,  sind  die  Zell- 
grenzen  des  Axeugewebes.  Bei  Tubularia  liegen  die  Zellen  dieses 
Bindegewebes  nicht  wie  Geldrollen  aneinander,  sondern  sind  in 
unregelmassiger  Lage  vorbanden.  An  gefarbten  Priiparaten  kanu 
man  nun  in  der  Tat  zu  der  Ansicht  verleitet  werden,  dass  hier 
Quermuskeln  vorliegen.  Doch  halt  einen  hiervon  schon  die  Starke 
dieser  vermeintlichen  Muskeln  ab,  sie  als  solche  zu  deuten.  Die 
Stiitzlamelle  ist  ein  diinnes  strukturloses  Hautchen,  welches  im 
Distalende  des  Tentakels  blindsackartig  endet.  Das  grossblasige 
Bindegewebe  besprechen  wir  weiter  unten. 

Der  Oralwulst,  welcher  in  einer  starken  Entwicklung  einer 
von  dem  Entoderm  ausgeschiedenen  Bindesubstanz  besteht,  beruht 
in  seinem  oberen  Telle  darauf,  dass  die  Tentakel  nicht  sofort  vom 
Korper  ausgehen,  sondern  erst  eine  Strecke  nebeneinander  noch  in 
Verbindung  herlaufen,  um  erst  dann  frei  nach  aussen  zu  diver- 
giren.  Ein  Blick  auf  die  Schnitte  ah  in  Fig.  2  und  Fig.  3  macht  dies 
klar.  Erstere  Figur  zeigt  die  Tentakel,  welche  noch  nebeneinander 
verbunden  herlaufen.     An  jedem  Tentakelquerschnitt  erkennt  man 


1)  AUman,  A  monograph  of  the  Gymnobl.   or  Tubularian  Hy- 
droids  p.  206/7. 

33* 


516  Dr.  Otto  Hamann, 

das  Exoderm  mit  seineu  Muskelfascrn ,  warend  innen  vou  der 
Stiitzlaincllc  uiiischlu.stjeii  die  grossblasigcii  Zullcii  licgeii. 

Iktracliteii  wir  jutzt  uineii  Qucrschuitt,  der  durch  deu  Pulypen 
der  Basis  naher  gelegen  gefiirt  ist,  so  sieht  rnau,  wie  das  Gewebe 
des  Wulstes  an  Dicke  abgeuoinmeu  hat,  und  dass  beide  Stiitzla- 
niellen  zuletzt  miteinander  verschmelzen  (s.  d.  Langsschnitt  Fig.  1). 
Jetzt  ist  der  Korper  bis  an  die  Basis  der  Aboraltentakel  aus  deu 
drei  typischeu  Scliichten,  Exo-,  Entoderm  und  Stiitzlamelle  zu- 
sammengesetzt. 

Der  Aboralwulst  hat  eine  weit  grossere  Machtigkeit  erlangt, 
als  der  erstere.  Er  lasst  in  seineni  Centrum  nur  eiuen  kleinen 
Kanal,  welcher  von  dem  Entoderm  ausgekleidet  ist,  und  welcher 
von  dem  Magen  der  Polypen  nach  der  Kuopfhole  lurt. 

Diese  grossblasigen  Zellen  der  beiden  Wiilste  sind  von  der- 
selben  Beschaflfeuheit  wie  die  „chordaanlichen  Zellen"  in  der  Ten- 
takelaxe  der  Setularien,  Campanarien  und  der  iibrigen  Polypen. 

Das  Entoderm,  welches  die  Holraume  auskleidet,  zeigt  fol- 
gende  Bildungeu.  Schon,  wenn  man  einen  Polypen  von  aussen  bei 
miissiger  Lupenvergrosserung  betrachtet ,  erkennt  man  Laugsstrei- 
fungeii  an  demselben,  welche  Langswiilsten  im  Entoderm  entsprechen. 
Am  Hypostom  erheben  sich  nieist  ftinf  Liiugswiilste ,  welche  auf 
ihrem  Wege  nach  der  Basis  der  Polypen  zu  sich  verzweigen.  Sie 
erreichen  ihre  grosste  Entwicklung  vor  der  Mitte  der  Polypens, 
um  dann  sich  zu  verjiingen  und  an  der  Stelle,  wo  die  Gonopbo- 
ren  entspringen,  in  das  einschichtige  Epithel  uberzugehen.  Die 
Zellen  dieser  Liingswiilste  oder  Taeniolen  sind  in  die  Lange  ge- 
wachseue  Zellen,  dereu  Kern,  vom  Plasma  umhtillt,  meist  in  dem 
dem  Magen  zugewendeteu  Zellteile  liegt.  In  diesen  Zellen  sind 
Farbstoftconcremente  der  verschiechuisten  Art  abgelagert. 

Warend  die  Gastralhole  ihre  grosste  Ausdehnung  oberhalb  des 
Aboralwulstes  erreicht,  lurt  ein  kleiuer  Canal  in  den  Knopf,  In- 
nerhalb  desselben  findet  man  die  Zellen  oft  zottenformig  ausge- 
streckt.  Sie  sind  auch  hier  dicht  mit  Farbstoffpartikelchcn  an- 
gefullt. 

Die  Querschnitte  in  Fig.  5  und  6  brauchen  keine  weitere  Er- 
lauterung,  da  sie  verstiindlich  sind,  sobald  man  deu  in  Fig.  1  ge- 
gebenen  Langsschnitt  mit  betrachtet. 

Warend  das  Entoderm  in  der  verschicdensten  Weise  modifi- 
cirt  ist,  erleidet  das  Exoderm  nur  im  „Knopf"  eine  Aenderuug 
(Fig.  7).  Es  bildet  hier  gleichfalls  einen  Wulst,  der  dadurch  zu 
Stande  kommt,   dass  das  ganze  Exoderm   in  Falten  gelegt  ist. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypeu.  517 

Die  Stiitzlamelle  reicht  in  Zipfeln  in  dieselben  hinein.  Eine  weit 
gewaltigere  Entwicklung  hat  das  Exoderm  bei  T.  coronata  (s.  die 
Figur),  wo  oberhalb  der  eingefalteton  Partieen  eine  Lage  von 
Fxoderrazcllen  mit  Nesselkapseln  sich  vorfinden.  Diese  Lage  ist 
in  der  Figur  weggelassen. 

Die  Entodermzellen,  welche  an  ihrer  Basis  Muskeln  ausge- 
schieden  haben,  besitzen  im  Knopfe  die  schon  oben  geschilderte 
Anordnung.  Die  Muskeln  sind  hier  von  gauz  besonderer  Ent- 
wicklung. 

Das  Verhalten  der  Stiitzlamelle  wird  aus  der  Figur  1  ersicht- 
lich.  Sie  trennt  stets  das  Gewebe  der  Wiilste  sowol  vom  Ento- 
derm als  dem  Exoderm. 


Podocoryne  carnea. 

Diese  Art  ist  bereits  G(!genstand  einer  besondcren  Abhand- 
lung ' )  gewesen ,  in  welcher  jedoch  nur  die  an  Situsprilparaten 
gewonnenen  Resnltate  berichtet  werdcn. 

Die  einzelnen  Polypen  sind  vermittels  eines  Wurzelskelettes 
auf  gcmcinsamer  Unterlage  befestigt.  Sie  iiberziehen  meist  die 
Schalen  von  Schnecken,  welche  von  Eupagurusarten  bewont  werden. 

Aus  dem  Wurzelskelett  ragen  zuniichst  die  Niirtiere  h(;rvor, 
die  Tiophopolypen.  Zwischen  ihnen  stehen  kleine  Spitzen,  welche 
vom  Chitinskelett  gebildet  werden  und  von  G  rob  ben  als  riickge- 
bildete  Trophopolypen  angesehen  werden.  Zwischen  beiden  Ge- 
bilden,  den  Polypen  und  deii  Skelettspitzen ,  finden  sich  die  von 
A  11m an  als  Spiralzoid  benannteii  riickgebildeten  Polypen  vor, 
welche  ihren  Mund  nebst  Tentakelkranz  verloren  haben.  Sie  gh^i- 
chen  schwingenden  Peitschen  und  sind  als  die  Polizei  des  Stockes, 
als  Wehrtiere  anzusehen. 

An  den  Trophopolypen  treten  schon  bei  iiusserer  Betrachtung 
am  Hypostom  mit  der  Axe  parallel  verlaufendc  Streifen  auf. 
Grobben  sagt:  „Vier  dunkle  wie  Leberstreifen  aussehende  Kih'- 
per,  welche  am  Hypostom  vorkommen,  sind  nichts  anders  als  vier 
Falten,  die  das  Exoderm  bildet,  sobald  sich  die  Mundoffnung 
schliesst". 

-  Dem  ist  zu  entgegnen,  dass  erstens  diese  „Leberstreifen",  wie 
er  sie  nennt,  n  i  c  h  t  durch  Faltung  entstchen,  s o  n  d  e  r  n  f  e  s t  b  e  s  t  e  - 
hende  Bildungen  sind,  und  zwcitens,  dass  sie  nicht  vom  Exo- 

1)  C.  Grobben,   Podocoryue  carnea. 


518  Dr.  Otto  Ham  an  11, 

derm  sondern  vom  Entoderm  gebildet  werden!  Von  seiner 
irrigen  Ansicht  hatte  sicli  der  Verfasser  der  genanuten  Arbeit 
leiclit  iiberzeugen  kounen,  wenn  er  einen  Querschnitt  durch  das 
Tier  angefertigt  hatte. 

Das  Entoderm  springt  am  Hypostom  in  meist  fiinf  (nie  vier) 
konischen  Verdickungen  nach  innen  vor.  Es  sind  dies  dieselben 
Taeniolen  wie  sie  bei  dem  Genus  Tubularia  vorhanden  sind.  Auch 
hier  verzweigen  sich  dieselben  in  mannichfacher  Weise.  In  der 
ungefiiren  Mitte  des  Polypen  erreichen  sie  ihre  grosste  Milclitig- 
keit,  um  dann  melir  und  mehr  abzunehmen.  Nachdem  diese  Tae- 
niolen das  Hypostom  verlassen  haben ,  bilden  sie  zottenfurmige 
Ausstiilpungen ,  wie  auf  dem  Langsschnitt  schon  hervortritt.  (Fi- 
gur  3  Tafel  XX). 

Die  Taeniolen  werden  am  Hypostom  von  mit  ausserst  gerin- 
gem  Durchmesser  besitzenden  Zellen  gebildet.  Niemals  finden  sich 
Concremente  von  Farbstoffen  in  denselben  vor.  Erst  in  den  weit 
grosseren  Zellen  der  Wtilste  des  Korpers  treten  dieselben  auf.  Der 
Bau  der  Zellen  ist  derselbe  wie  bei  den  Tubularien.  Echte  Drii- 
senzellen  mit  kornigem  Inhalt  finden  sich  auch  hier  wie  bei  Tubu- 
laria vor,  wo  wir  sie  nicht  naher  erwant  haben,  da  sie  bereits 
im  ersten  Teil  eingehend  besprochen  wurden. 

Die  Stutzlamelle  beteiligt  sich  auch  bei  diesen  Taeniolen  nie. 
Je  nilher  die  Taeniolen  der  Basis  der  Polypen  kommen,  desto 
mehr  nehmen  die  Zellen  an  Grosse  ab,  um  eudlich  in  einfache 
cylinderformige  Entodermzellen  iiberzugehen,  wie  es  in  Fig.  4 
dargestellt  ist. 

Die  Tentakel,  deren  10  bis  15  sich  finden,  gehcn  unmittelbar 
vom  Polypenleib  ab.  Es  findet  sich  nichts  den  Wulstbildungen 
des  Genus  Tubularia  an  die  Seite  zu  stellendes.  Die  Axe  besteht 
aus  den  bekannten  Chordazellen. 

Was  nun  den  Bau  der  Spiralzoids  anlangt,  so  stellen  diesel- 
ben hole  vom  Entoderm  ausgekleidete  Schlauche  vor.  Ihre  Di- 
stalcnden  sind  dicht  mit  Cnidozellen  besetzt.  Ihre  Muskulatur 
ist  ganz  besonders  entwickelt,  doch  kommen  nur  Muskelfibrillen 
vor,  welche  mit  ihren  Bildnerinnen ,  den  Exodermzellen  noch  in 
Verbindung  stehen,  wie  es  auch  am  Korper  der  Fall  ist.  Die 
Stutzlamelle  bietet  nichts  bcmerkenswertes  dar.  Besonders  deut- 
lich  trat  auf  Liingsschnitten  die  Bingmuskulatur  des  Hypostoms 
hervor. 

Von  Nesselkapseln  kommen  die  beiden  Arten  vor,  Makro- 
wie  Mikrocnidien. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  519 

Was  iiber  den  Bau  sonst  noch  zu  sagen  wiire,  findet  sicli  bei 
Grobben  vor.  Seine  Darstellung  der  Entodermzellen  entspricht 
selbstverstiindlich  nicht  den  Tatsaclien. 

Wir  wollen  zum  Schluss  noch  erwanen,  dass  der  Korper  dor 
Podocoryniden  vollstandig  nackt  ist.  Die  von  Grobben  beschrie- 
bene  feine  Cuticula,  welche  den  ganzen  Korper,  Tentakel  und  Hy- 
postoni  unikleiden  soil,  ist  doch  wol  der  helle  fei-ne  Grenzrauni 
der  Exodermzellen,  wie  er  hier  und  bei  Syncoryne  besonders  deut- 
lich  hervortritt.  Bei  letzterer  Art  wurde  er  von  Fr.  E.  Schultze  ^) 
beschrieben. 


Podocoryne  Haeckelii,     n.  sp. 

Diese  neue  Art  uberzieht  meist  kleine  Kiiriier,  wie  kleine  Steine, 
abgebrochene  Aestchen,  doch  kommt  sie  auch  oft  mit  Syncoryne 
zusammen  vor  und  biklet  dann  einen  hellrosa  Ueberzug  auf  weite 
Strecken  bin. 

Die  Polypen  sind  viel  kleiner  als  bei  der  vorhergehenden 
Art.  Sie  erreichen  im  ausgestreckten  Zustande  nur  die  Grosse 
von  2  mill.     Die  Farbe  ist  hellrosa  bis  weiss. 

Es  finden  sich  die  Tropliopolypen ,  die  Spiralzoids  oder  Ma- 
chopolypen  und  drittens  auch  die  Skelettpolypen  vor.  Die  Figur 
15  zeigt  uns  die  Polypen,  wie  sie  auf  einem  runden  abgebrochenen 
Aestchen  sitzen. 

Diese  Art  ist  besonders  wichtig,  da  die  Tentakel  bereits  in 
bestimmten  Radien  erscheinen. 

Der  Mund  ist  stets  vierlappig.  Wir  unterscheiden  die  Radien 
des  Mundkreuzes  als  die  vier  Perradien.  In  diesen  4  Perradien 
legen  sich  die  4  primiiren  Tentakel  an.  Diese  vier  primiiren  Ten- 
takel iiberragen  die  nun  entstehenden  4  nachsten  Tentakel  stets 
an  Grosse.  Die  4  secundiiren  Tentakel  legen  sich  in  den  Inter- 
radien  an  und  zwar  kommen  sie  etwas  tiefer  zu  stehen  als  die 
erstercn  (siehe  Figur  15).  Die  meisten  Polypen  besitzen  8  Tenta- 
kel, von  denen  also  4  perradial  und  4  interradial  liegen.  Die  nun 
folgenden  Tentakel  legen  sich  nicht  in  bestimmten  Radien  an, 
sonderu  entstehen  beliebig  an  verschiedenen  Orten.  Ausser  den 
8  Tentakeln  entstehen  iiberhaupt  nur  noch  2  Tentakel.  Nie  be- 
sitzt  ein  Trophopolyp  mehr  als  10  Tentakel. 

Warend  bei  alien  Polypen  die  Organe  sich  nicht  in  bestimmter 


')  Fr.  E.  Schultze,  Syncoryne  Sarsii. 


520  Dr.  Otto  Hamanu, 

Arizahl  anlegen,  oder  in  bestimmtcn  Radien  liegeu,  wie  bei  den 
Medusen,  so  ist  dies  die  einzige  Art,  bei  welcher  dies  der  Fall  ist. 

lui  Entoderm  laufen  am  Hypostom  meist  4  Langstaeniolen 
herab,  welche  sich  jedoch  alsbald  in  mehrere  teilen.  Die  Taenio- 
len  sind  schon  entwickelt  und  schliessen  sich  ira  Bau  an  die  der 
tibrigen  Taeniolaten  an. 

Es  finden  sich  Epithelmuskelzellen  vor,  ebenso  wie  an  den 
Alachopolypen.  Letztere  stehen  auf  einer  hoheren  Entwicklungs- 
stufe  als  die  der  Podocoryne  carnea,  da  ihre  Axe  nicht  hoi  ist, 
sondern  mit  Chordazellen  ausgefiillt  ist.  In  Figur  15  ist  in  h^  ein 
Machopolyp  in  ausgestrecktem  Zustande  dargestellt,  wilrend  in  6' 
ein  solcher  contrahirt  gezcichuet  ist.  Die  Polypen  konnen  sich 
stark  contrahiren.  Ihre  Tentakel  sind  ebenfalls  stark  zusammen- 
ziehbar,  wie  an  dem  mit  a^  bezeichneten  Trophopolyp  zu  sehen 
ist.  Die  Skelettspitzen  sind  im  Inneren  von  beiden  Zellschichten 
ausgekleidet  und  besitzen  einen  blindsackartigen  Kanal.  Es  ist 
ihnen  also  dersclbc  Ban  wie  denen  der  ersteren  Art  eigen. 

Die  Fortpflanzung  zu  eiforschen  ist  leider  nicht  gelungen. 
Niemals  fandeu  sich  geschlechtsreife  Tiere  vor.  Diese  Art  wird 
wie  die  vorhergehende  jedenfalls  Medusen  aufammen. 


Pennaria  Cavolinii. 

Von  den  Pennariden  kommt  im  Golfe  von  Neapel  nur  diese 
eine  Art  vor,  nicht  aber  auch  P.  gibbosa,  wie  Du  Plessis*) 
falschlich  angiebt. 

Diese  Art  bildet  filcherformige  Stocke.  Von  einem  Haupt- 
stamm  gehen  abwechselnd  bald  rechts  bald  links  Zweige  ab,  auf 
welchen  die  einzelnen  Personen  sitzen.  Der  am  Ende  jedes  Zwei- 
ges  wie  am  Distalende  des  Hauptstammes  sitzende  Polyp  ist 
grosser  als  die  ubrigen.  Die  Polypen  sind  von  keulenformiger 
Gestalt.  Ihr  Leib  ist  mit  kleinen  kurzen  Tentakelchen  gespickt, 
warend  an  der  Basis  des  Korpers  ein  Kranz  von  grossen  Tenta- 
keln  sich  befindet.  Unterhalb  desselben  findet  sich  eine  knopf- 
formige  Verdickimg,  unter  welcher  das  Chitinskelett  beginnt,  wel- 
ches gcringelt  erscheint.  Der  Bau  der  Polypen  weicht  in  mehre- 
ren  Punkten  von  dem  der  anderen  Taeniolaten  ab.  Was  zuniichst 
den  Bau  der  Aboraltcntakeln  betrifl"t,  so  bic^tot  derselbe  folgeudes 
Verhalten  dar. 


>■)  Du  Plessis,   Catalogue  provisoire,  Neapler  Milteilungen  Bd.  2. 
1380. 


Der  Oi'ganisraus  der  Hydvoidpolypen.  521 

Die  Cnidozellen  sind  sammtlich  auf  die  eiiie  Seite  der  Ten- 
takeln  geriickt  iind  zwar  auf  die  vom  Polypen  abgewendete.  Zu- 
gleich  ist  liiermit  eine  Zunahine  der  Grosse  der  Exodermzellen 
verbunden.  Auf  Figur  14  sieht  man,  wie  das  Exoderm  auf  der 
einen  Seite  urn  mehr  denn  das  funffache  verdickt  erscheiut,  wii- 
rend  es  auf  der  dem  Kiirper  zugewendeten  Tentakelseite  nur 
eine  diinne  Lage  von  P^pithelmuskelzellen  bildet.  Eine  Schicht 
von  Chordazellen  bildet  die  Axe  derselben.  Wie  mag  aber  dieser 
sich  bei  keinem  anderen  Polypen  vortindeude  Bau  zu  Stande  ge- 
kommen  sein?  Reizt  man  einen  Polypen,  so  schlagt  er  die  Ten- 
takel  iiber  den  Korper  zusammen.  Die  Cnidozellen  erschcinen 
aber  an  der  dem  Korper  zugewendeten  Seite  unnotig,  da  hier  ihr 
Dienst  von  den  Cnidozellen  der  iiberall  am  Kiirper  zerstreut  sitzen- 
den  Oraltentakel  iibernommen  wird.  Bei  Tubularia  sitzen  diesel- 
ben  in  einem  Kranz  um  den  Mund  und  sind  die  Cnidozellen  in 
Folge  dessen  auf  alien  Seiteu  der  Aboraltentakeln  glcichmiissig 
entwickelt.  Wir  konnen  deshalb  annehmen,  dass  die  urspriinglicb 
an  der  dem  Korper  zugewendeten  Seite  der  Tentakel  sitzenden 
Cnidozellen  an  die  entgegengesetzte  zu  liegen  kamen.  Ungemein 
stark  entwickelt  sind  hier  die  Fortsittze  der  Cnidozellen. 

Die  Oraltentakeln,  oder  wie  wir  sie  hier  besser  nennen  miissten, 
die  Corporaltentakeln  sind  wie  die  ersteren  solid,  das  heisst  ihre 
Axe  wird  von  Chordazellen  gebildet.  An  ihrem  Distalende  ist  eine 
Wucherung  von  Exodermzellen  eingetreten,  welche  grosse  und  kleine 
Nesselkapseln  entwickeln  (s.  Fig.  13  Taf.  XXI),  Die  Exodermzellen 
des  Polypen  sind  am  Oralende  abgeplattet,  warend  sie  nach  der 
Korperbasis  zu  an  Lange  zunehmen.  In  der  Gegend  des  Knopfes 
werden  sie  zu  langen  Cylinderzellen.  An  ihrer  Basis  haben  sie  zwei 
Muskelfibrillen  ausgeschieden.  Auch  im  Coenosark  findet  sich  diese 
Form  der  Epithelmuskelzellen  wider.  Im  Coenosark  gleichen  die 
Exodermzellen,  welche  wie  eben  geschildert  cylinderformig  sind, 
dcnen  des  inneren  Keimblattes  vollkommen  an  Gestalt.  Sehr  schon 
ist  bei  dieser  Art  die  Pseudopodienentsendung  der  Exodermzellen 
behufs  Anheftung  an  das  Perisark  zu  sehen  (Fig.  16).  Die  Nes- 
selkapseln finden  sich  auch  im  Coenosark  vor  und  zwar  in  zicnii- 
licher  Anzal.  Was  nun  das  Korperentoderm  anlangt,  so  verlaufen 
auch  hier  im  Hypostom  die  Taeniolen.  Die  Zellen  besitzen  im 
Hypostom  einen  Jiusserst  geringen  Durchmesser,  wai-end  ihre  Lange 
zugenommen  hat.  In  einer  Verdickung  der  diinnen  Zelle  liegt  der 
Zellkern.  Auch  hier  teilen  sich  die  Taeniolen  am  Ende  des  Hy- 
postoms,  und  finden  sich  echte  kornerhaltige  Drusenzellen  in  den- 


522  Dr.  Otto  Haraann, 

selben  vor.  Die  Zellen  sincl  stark  mit  Concrementen  augefiillt. 
Die  Farbe  der  Tiere  riirt  voii  diesen  im  Entoderm  liegenden  Con- 
crementen her.  Hervorzuhcben  ist  das  Vorkommen  von  schwarzen 
Pigmentanhaufungen  in  den  Spitzen  der  bciden  Tcntakelarten. 
Da  diesc  sich  in  den  Chordazellcn  vorkommendcMi  Pignientkoriier 
bei  alien  Polypen  constant  finden,  so  stehen  sie  jcidenfalls  zii  ir- 
gend  welcher  Funktion  in  niiherer  Beziebung.  — 


Cladocoryne  floceosa. 

Eine  Beschreibung  dieser  Art  ist  von  Dii  Plessis^)  gege- 
ben  worden.  Wir  fassen  uns  deshalb  kurz  und  heben  nur  fol- 
gende  Punkte  hervor.  Zwischen  den  Oraltcntakeln  am  Mundkegel 
besitzt  die  Art  im  Exoderm  einen  Kranz  von  grossen  Nesselkap- 
seln  wie  in  Figiir  2  auf  dem  Querschnitt  zu  sehen  ist.  Desglei- 
cben  kommen  diese  grossen  Kapseln  in  Anhiiufungen  zwischen 
den  der  Korperbasis  am  niichst  liegenden  Aboraltentakeln  vor. 

Das  Vorkommen  von  Taeniolen  hat  Du  PI  ess  is  iibersehen, 
da  er  nur  die  Tiere  an  Situspriiparaten  untersiichte.  Es  lassen 
sich  fiinf  oder  sechs  Taeniolen  am  Hypostom  erkennen,  die  sich 
alsbald  teilen.  Die  oben  erwanten  grossen  Nesselkapseln  kommen 
im  Coenosark  hiiufig  vor  und  sind  hier  meist  parallel  mit  der 
Oberfliiche  gerichtct. 

Die  Tentakeln  gehen  unmittelbar  vom  Kijrper  aus.  Hire 
Chordazellen  sind  nur  durch  die  Stutzlamelle  vom  Verdauungs- 
entoderm  geschiedeu. 

Eudendrium  racemosum  Cav.  und  ramosum. 

In  einer  Arbeit  iiber  Waffen,  die  bei  dieser  Art  sich  finden, 
hat  Weismann'^)  bereits  einiges  von  unseren  Beobachtungen 
zuvorgenonunen.  So  das  Vorkommen  der  Ringfurche  mit  den 
eigentiimlichen  von  ihm  als  Drusenzellen  angesehenen  Zellen,  der- 
gleichen  hat  or  Entodermmuskeln  gefunden.  Betrachten  wir  sofort 
den  in  Figur  7  auf  Tafel  XXI  gegebenen  Liingsschnitt.  Es  tritt 
uns  hier  sofort  das  grosse  Hypostom  entgegen,  welches  soweit 
nach  aussen  gebogen   sein  kann ,  dass   die  Entodermzellen  frei  in 

^)  Du  Plossis,  Neapler  Mitteilungon   Bd.  2. 
2)  TJeber    eigentiimliche  Organe    bei    Eudendr.  racemosum.     Mit- 
teil.  d.  Stat.  Neapel  III.  Bd.   1881. 


Der  Oi'ganismus  der  Hydroidpolypen.  523 

das  Wasser  hervorrageii.  Am  Gruiide  dieser  Zellen  sieht  man  die 
auf  dem  Langsschnitt  getroffenen  Ringmuskeln,  welche  als  Punkte 
hervortreten.     In  Fig.  8  ist  dies  noch  deutlicher  zu  sehen. 

Im  zusammengeschlagenen  Zustande  erhalt  man  auf  einen 
Langsschnitt  durch  das  Hypostom  das  in  Fig.  9  gegebene  Bild. 

Im  Hypostom  laufen  auch  bei  dieser  Art  meist  fiinf  Langs- 
taeniolen,  die  sich  dann  vielfach  verzweigen.  In  Figur  6  auf  Ta- 
fel  XX  ist  ein  Querschnitt  in  ungefiirer  Mitte  des  Korpers  dar- 
gostellt. 

Das  Exoderm  bietet  nichts  abweichendes  dar  ausser  der  eigen- 
tiimlichen  Ringfurche,  welche  den  Korper  einschniirt,  ehe  derselbe 
in  den  Stiel  iibergeht.  Figur  1  stellt  die  untere  Partie  eines  Po- 
lypen  dar  von  Eud.  ramosum  ^).  Das  Exoderm  des  Korpers  ist 
an  der  Ringfurche  dicht  besat  mit  Cnidozellen.  Jenseits  der  Ring- 
furche liegt  ein  Kranz  von  merliwurdigen  Zellen.  Dieselben  zeich- 
nen  sich  durch  ihren  Protoplasmainhalt  aus,  welcher  jedoch  nicht 
bis  zura  Ende  der  Zelle  reicht,  sondern  hier  einen  hellen  Saum 
iibrig  lasst  (Figur  2).  Diese  Zellen,  die  auch  bei  Eud.  racemosum 
vorkommen  und  hier  von  Weismann  beschrieben  wurden,  sind 
ihrer  Funktion  nach  unbekannt.  Letzterer  Forscher  glaubt  Drii- 
senzellen  in  ihnen  zu  sehen  und  glaubt,  dass  die  Ringfurche  zur 
Aiifnahme  des  Sekretes  diene.  Dieser  Deutung  schliesse  ich  mich 
an,  solange  keine  andcre  bessere  gegeben  ist.  Immerhin  unerklart 
bleibt  die  starke  Ansammlung  von  Nesselkapselzellen ,  welche  als 
Schutz  fiir  diesen  Zollenring  bestimmt  zu  sein  scheint. 

Was  nun  die  eigentiimlichen  Organe  betritft,  so  sind  dieselben 
Ausstulpungen  des  Magens  und  erreichen,  wie  Figur  6  zeigt,  oft 
die  drei-  ja  vierfache  Gestalt  des  Polypen  in  ausgewachsenem  Zu- 
stande. Es  finden  sich  im  Entoderm  Ringmuskeln  vor,  warend 
die  Zellen  des  Exoderms  Langsmuskeln  sind.  Das  nahere  ist  in 
der  ervviinten  Abhandlung  zu  finden.  — 


Bongainvillia  fructicosa. 

Bei  dieser  Gattung  steht  ein  Tentakelkranz  um  den  Mund. 
Die  Tentakel  sind  nicht  wie  geknopft,  sondern  verlaufen  bis  zu 
ihrem  Distalende  gleichmiissig.  An  den  in  Fructification  begrif- 
fenen  Stocken  finden  sich  lange  peitschcnformige  Organe  vor,  wie 


1)  Diese  Art    wurde    von    Rerrn    Prf.   Haeckel    Sommer    1880 
aus  Portofiuo  mitgebracht. 


524  Dr.  Otto  Hamann, 

sie  unter  der  Ataeuiolaten  bei  Campanularia  angulata^)  beschrie- 
ben  wird.  Dieselben  liaben  nichts  mil  Wafifen  gemeiu,  da  sie  von 
eincr  Chitinhiille  umgebcn  sind.  Ich  halte  diese  ran  ken  form  igen 
Gebilde  hier  wie  dort  fiir  sprossende  Acste,  an  deren  Spitze 
durch  irgend  welche  Ursache  der  Polyp  nicht  zur 
Entwicklung  gekommen  ist,  und  der  sprossende  Teil  in  die 
Lange  gevvachsen  ist.  — 

Audi  bei  Bongainvillia  iinden  sich  die  Langswulste  oder  Tae- 
nioleu  vor  und  zwar  ist  ihr  Bau  wie  bei  den  vorher  bescbriebenen 
Arten ,  nur  dass  dieselben  nicht  in  so  miichtiger  Weise  wie  bei 
den  vorh(n'ffelienden  entwickelt  sind. 


Syncoryne  Sarsii. 
Coryne,  Corydendrium  parasitieum,  Clava. 

Die  erstere  Art  Syncoryne  ist  histologisch  durch  die  Unter- 
suchung  von  Fr.  E.  Schultze  bekannt.  Ich  trage  hier  nur  nach, 
dass  sich  auch  bei  dieser  Art  die  Taeniolcn  in  ausgezeichneter 
Entwicklung  vorfinden,  wie  der  in  Figur  11  auf  Tafel  XX  wider- 
gegebene  Querschnitt  zeigt.  Auch  bei  dieser  Art  finden  sich  Epi- 
thelmuskelzellcn  im  Coenosark  vor.  Denselbcn  Taeniol(>nverlauf 
zeigen  auch  die  verschiedenen  Arten  von  Clava.  Da  die  Schil- 
derung  mit  der  bei  den  vorhergenanntcni  Art(;n  ubei-einstimmt, 
widerholen  wir  ihn  hier  nicht  writer.  Auch  Coryne  bietet  die 
Langswiilstc!  in  der  gleichen  Entwicklung. 

Corydendrium  parasitieum  besitzt  wie  Bongainvillia  giatte  Ten- 
takel,  das  heisst  dieselben  sind  nicht  am  Distalende  knopffih'mig 
verdickt. 

Eigentiimlich  ist  das  Verhalten  des  Coenosarkes.  Warend 
bei  den  tibrigen  Polypen  die  sprossenden  Polypen  im  Coenosark 
inseriren,  so  laufen  die  Stiele  ders(>lben  hier  im  Perisarkror  neben 
dem  Ilauptcocnosarkstamm  her  und  die  jungen  Polypen  ragen 
dann  unterhalb  der  iilteren  aus  ein  und  derselben  Perisarkriire 
heraus.  Auf  dem  Querschnitt  sieht  man ,  wie  die  jiingeren  Coe- 
nosarkroren  eine  Chitinhiille  abgeschieden  habcn,  sodass,  wenn  3 
Roren  verlaufen,  das  Perisark  in  drei  Kammern  geteilt  ist,  wie 
in  Figur  18  auf  Tafel  XXI  daroestellt  ist. 


^)  Fraipout,   Recherches  sur  rorganisation  de  la  Camp,  augul. 
Arch.  zool.  I.   VIII.      1879. 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen.  525 

Die  Polypen  der  Siphouophoren. 
Velella  spirans. 

An  Velella  uiiterscheiden  wir  deii  grossen  im  Centrum  sitzen- 
den  Polyp  luid  die  ihn  umgebeudeii  kleiuereu  Polypen,  an  deren 
Basis  die  jungeu  Medusen  knospen.  Im  Krcise  um  die  letzte- 
reu  stehen  eine  dritte  Art  von  Polypen,  wclche  rilckgebildet  er- 
scheinen,  —  ilir  Mund  ist  obliterirt  —  sie  fuugireu  als  Wehrtiere 
und  gleichen  im  Aeusseren  Tentakeln. 

Betrachten  wir  zunachst  die  Organisation  der  ceutralen  Poly- 
pen, so  besitzt  derselbe  die  bei  den  Taeniolaten  geschilderten 
Laugswiilste.  Auch  bei  den  Siphonophoren  beteiligt  sich  die 
Stiitzlamelle  uicht  bei  der  Bildung  der  Wiilste.  Figur  5  auf  Ta- 
fel  XX  zeigt  uns  ein  Stuck  eiues  Querschnittes  durch  den  cen- 
tralen  Trophopolypen. 

Untersuclit  man  die  kleineren  um  erstereu  herumstehenden 
Polypen,  so  treten  auch  an  diesem  diesclben  Bildungen  auf.  Er 
besitzt  dieselbe  Taeniolenbildung  wie  irgend  eine  Art  der  Tae- 
niolaten. 

Die  ruckgebildcten  tentakelformigen  Polypen  haben  jedoch  die 
Wulstbildung  verloren,  was  mit  der  Einbusse  des  Mundes  zusam- 
menliiingt. 

Doch  nicht  bios  den  Polypen  der  Velellen  kommen  diese  Liings- 
wiilste  zu,  sie  fiuden  sich  bei  sammtlicheu  Siphouophorenpolypen. 
So  sind  dieselben  von  Glaus  bei  Halistemma  ^)  bereits  beschrie- 
ben  und  abgebildet  worden. 

Was  uns  aber  die  Polypen  der  Siphonophoren  besonders  in- 
teressant  macht,  ist  das  Vorkommen  von  Nervenfibrillen  und  Gang- 
lienzellen  bei  den  Polypen.  Von  Chun 2)  ist  hieriiber  in  eiuer 
vorliiufigen  Mitteilung  im  zoolog.  Anzeiger  berichtet  worden. 

In  Figur  22  geben  wir  die  Abbildung  von  zwci  Ganglienzellen 
von  Velella.  Die  Nerven  nebst  den  Ganglienzellen  liegen  oberhalb 
der  Muskelfibrillen,  welche  noch  mit  den  Epithelzellen  im  Zusam- 
menhang  stehen.  Meist  findet  man  bi-  oder  tripolare  Ganglien- 
zellen vor.  Auch  auf  den  Querschnitten  findet  man  dieselben 
leicht  auf. 

Das  Exoderm  besteht  aus  meist  cylinderformigen  Epithelmus- 
kelzelleu,   welche  besonders  da,   wo  Cnidozellen  vorkommen,  vom 


*)  Halistemma  lersjestiuum,    1878.     Wieu. 
2)  Zoologischer  Auzeiger,   1880. 


526  Dr.   otto  Hamann, 

schmachtiger  Gestalt  erscheineu.  Niilier  aiit'  den  Bau  der  Polypen 
eiiizuguheii  liegt  ausserhalb  dein  Plane  dieser  Arbeit  (vergl.  oben 
die  Verwaudtschaft  der  Polypeii  mit  deii  Siphonoplioren). 

Spongicola  fistularis. 

Bei  der  Untersuchung  dieser  Polypen  kam  es  niir  nur  darauf 
an  festzustellen,  ob  die  Stutzlarpelle  bei  der  Bildung  der  Taenio- 
len  mitbeteiligt  sei.  Der  histologische  Bau  ist  bcreits  von  Fr.  E. 
SchultzeO  beschrieben  worden. 

Die  Wulste  beginnen  im  Hypostom  und  zwar  erhalt  man  durch 
einen  unterhalb  der  Tentakeln  gelegten  Schnitt  das  in  Figur  17 
gegebene  Bild.  Die  vier  entodermalen  Taeniolen  werden  durch 
vier  ihrem  Ursprung  uach  warsclieiulich  exodermale  rait  ersteren 
parallel  verlaufenden  Wiilsten  gestutzt.  Diese  vier  exodermalen 
Wulste  verlaufen  konisch  nach  der  Basis  des  Polypen  zu,  sodass 
sie,  je  tiefer  man  die  Schnitte  legt,  desto  weniger  ausgepragt  sind. 
Dieselben  sind  noch  nicht  beschrieben  worden.  Bei  der  Bildung 
der  vier  entodermalen  Langswiilste  beteiligt  sich  die  Stutzlaraelle. 
Es  sind  die  Spongicoliden  also  zu  trennen  von  den  ubrigen  Poly- 
pen und  mit  den  Scyphostomeu  in  eine  als  Colloblastae  zu  be- 
zeichnende  Unterordnung  den  als  Acolloblastae  zu  bezeichnenden 
Taeniolaten  gegeniiberzustellen.  Fr.  E.  Schultze  halt  die  Spon- 
gicoliden fiir  Scyptostomaformen  also  I'tir  ein  ungeschlechtliches 
Gencratiousstadium  einer  acraspedoten  Meduse.  — 


Ordnung:  Intaeniolatae. 

Polypen  one  Magenwiilste.     Das  Skelett  bildet 
Kapseln  fiir  die  Polypen. 

1.  Familie:  Campanularinae. 

Obelia  geniculata. 

Die  Gattung  Obelia  besitzt  zierliche  Becher,  deren  Rand  bald 
glatt,  bald  gezackt  erscheint. 

Die  Histologie  bietet  nichts  von  dem  gewohnlichen  Bau  ab- 
weichendes. 


^)  Spongicola   iistularis,    ein    in  Spongien    wonendes  Hydrozoon, 
Archiv  f.  mikrosk.  Anatomie  Ed.  13. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  527 

Das  Exoderm  besetzt  Muskelfibrilleii  uud  zwar  nur  Liingsfi- 
brillen,  welche  niit  deu  Zelleu  selbst  iioch  iu  Verbiudung  geblie- 
beii  siod.  Zu  eincu  Soudcruug  iu  eclitii  Muskdu  kommt  es  iiber- 
haupt  boi  keiner  Art  der  lutacniolateu.  Bei  vielen  Artcn  ist  uis 
oft  wogeu  der  Kleinheit  der  Tiere  uumoglich  zu  einer  bestimmten 
Anscliauung  zu  kommeD,  da  eine  Isolirung  schwer  geliugt.  Was 
aber  die  geuaante  Art  betriflft,  so  ist  der  Zusammenhang  zwischen 
Zelle  uiid  Muskelfibrille  deutlich  nachweisbar.  Die  Tentakel  sind 
niemals  hoi,  sondern  es  wird  ihre  Axe  von  den  cliordaaulicheu 
Zellen  gebildet.  Das  Hypostom  ist  bei  alien  Arten  weit  vorstreck- 
bar  und  bcsteben  die  Eutodermzellen  derselben  aus  feinen  cylin- 
derformigeu  Gebilden,  welche  an  ihrer  Basis  Muskelfibrillen  abge- 
schieden  liaben.  Dieselben  verlaufen  ringformig  und  konncn  die 
Muudotinuug  durch  ihre  circulare  Coutraktion  schliessen. 

Die  Zellen  des  Urdarmes  sind  mehr  von  quadratischer  Gestalt 
und  bieten  uichts  bemerkenswerthes.  Wir  gehen  deshalb  sogleich 
zur  Entstehung  der  Medusen  iiber.  Es  bilden  sich  iu  deu  Gouopho- 
ren  am  Blastostyl  kleiue  Aussackuugen,  an  welchem  das  Exoderm, 
die  Gallertlamelle  und  das  Entoderm  Teil  nehmen  (vergl.  die  Fig.  6, 
7  Taf.  XXIV).  Aus  dieser  eiufacheu  Ausstiilpung  bildet  sich  eine 
Meduse  aus,  welche  zur  Ablosung  gelaugt,  Geschlechtsstoli'e  her- 
vorbriugt,  aus  welchen  dann  widerum  Polypen  hervorgehen.  Die 
Aussackuugen  oder  Knospen  erfareu  nun  eine  Verdickung  an  ihrem 
Distalende.  Das  Exoderm  wiichst  in  das  Innere  hiuein  und  stiilpt 
so  das  Entoderm  ein,  welches  die  Form  eines  zweiblattrigeu  Bechers 
einuimmt.  Die  zwischen  den  beiden  Blatteru  zuriickgebliebene 
Holung  obliterirt  nun  in  vier  „iuterradiale  Felder."  Glaus')  hat 
dieses  Wachstum  zuerst  bei  den  Siphonophoreu ,  am  ausfiirlich- 
steu  bei  Halistemma  beschriebeu  und  zwar  entwickeln  sich  hier 
die  Schwimmglocken  auf  diese  Weise.  Glaus  betont,  dass  er  bei 
Podocoryne  an  den  juugen  Medusenknospen  dieselbe  Form  des 
Wachstums  erkannt  habe.  Dieses  Wachstum  fiudet  nun  bei  alien 
Medusenknospen  statt  und  zwar  eutstehen  die  Radiargefasse  uberall 
durch  Verwachsung,  uicht  aber,  wie  man  friiher  annahm,  durch 
das  Auftreteu  vou  vier  Holkuospen. 

Die  weitere  Entwicklung  ist  vou  A  gas  si  z  2)  wie  Glaus  ein- 
gehend  verfolgt  und  verweisen  wir  deshalb  auf  diese  Augaben. 


1)  a.  a.  0. 

2)  Agassiz,  Contributions  to  the  natural  history   of  the  united 
states  of  Amerika.     Bd.  IV. 


528 


Dr.  Otto  Hamanu, 


Halecium  tenellum. 

Wareiid  bei  dem  Genus  Tubularia  die  Entwicklung  der  Pla- 
nula  durch  Delaminatiou  vor  sich  geht,  habeu  wir  bei  dieser  Art 
einen  andcren  Eiitwicklungsmodus,  der  zwischen  der  Delaminatiou 
und  Invagination  zu  stehen  scheint,  vor  uns.  Auf  die  regulare 
Zwei-,  Vier-  u.  s.  w.  Teilung  folgt  die  Bildung  einer  einscliichtigen 
Keimblase.  Jetzt  riicken  Zellen,  welche  vom  ausseren  Keimblatte 
gebildet  werden,  in  die  Furchungshole  hinein.  Auf  diese  Weise 
wird  die  Furchungshole  allmalich  von  einem  Zellmaterial  ausgefiillt, 
welches  deni  Exoderm  entstammt.  Von  einer  Delamination  kann 
hier  kauni  geredet  werden.  Der  Vorgang  scheint  sich  eher  der 
Invagination  anzuschliessen.  Auf  Querschnitten  erhalt  man  oft  das 
auf  dem  ersten  Holzschnitt  angegebene  Bild.  (Auf  dicseni  Holz- 
schnitt  ist  die  ausserc  Contour  wegzudenken). 


Die  zweite  Figur  stellt  einen  Querschnitt  durch  eine  Planula 
kurz  vor  dem  Ausschliipfen  vor.  Das  Ausschliipfen  der  Planula 
sowie  die  Bildung  der  Magenhole  konnte  leider  nicht  beobachtet 
werden,  da  es  an  Material  gebrach.  Hoti'entlich  gelingt  es  einem 
anderen  Forscher,  die  Entwicklungsgeschichte  dieser  Art  an  gutem 
Material  genauer  darzustellen. 


II.  Familie :     S  e  r  t  a  1  a  r  i  ii  a  e. 


1.  Subfamilie: 

2.  Subfamilie: 


S  e  r  t  u  1  a  r  i  d  a  e. 
P 1  u  m  u  1  a  r  i  d  a  e. 


Die  Sertularinae  besitzen  Epithelmuskelzellen.    Eine  Beschrei- 
bung  von  einer  Sertularide  zu  geben,  ist  unnotig,   da  dieselben 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen.  529 

im  Ganzen  den  typischuii  Bau   der  ubrigen  Polypen  zeigen.    Wir 
gehen  deshalb  sogleich  aii  die  Beschi'eibung  der  Plumularideii. 


Flumularia  fragilis  u.  sp. 

Die  diiniieii  Stiimmclien  siiid  uicht  verzweigt.  Die  Zweige 
siud  vvecliselstiludig.  Aus  jedem  Stauiuiglied  gelit  eiii  Zweig  her- 
vor.  Untcihalb  eiuer  jedeii  Person  tiudet  sicli  ciu  Nematotliek. 
An  den  Zwischengliedern  felilen  jeduch  dieseiben.  Die  Gonothelien 
eutstehen  am  Stamme;  sie  sind  glatt,  von  lauglich  eiformiger 
Gestalt. 

Diese  Art  ist,  soweit  icli  die  Literatur  kenne,  nuch  nicht  be- 
schrieben.  Da  die  Zweige  iiusserst  fein,  dem  Auge  fadeuformig 
erscheinend  sind,  nanuten  wir  diese  Plumidaria  PI.  fragilis. 

An  den  Polypen  der  Gattung  Plumularia  zertallt  der  Urdarm 
in  zwei  Teile,  der  Korper  ist  in  der  Mitte  zusamniengescliniirt. 
Der  obere  Teil,  den  man  als  Vormagen  bezeicbnen  kann,  wird 
durch  lange  entoderniale  Cylinderzellen  ausgckleidet.  In  diesem 
Teil  verweilt  die  Narung  zuniichst,  utn  sclion  in  halb  verdautem 
Zustande  durch  eine  enge  Oetinung  (oe)  in  den  cigentliclien  Magen 
zu  gelangen.  Die  Polypen  sitzen  in  einem  Becher,  welcher  jedoch 
uur  den  unteren  Teil  desselben  umschliesst,  wiirend  der  Vormagen 
mit  Proboscis  und  Tentakeln  frei  liervorragt. 

Die  Eier  entstehen  bei  dieser  Art  im  Entoderm ,  wic  oben 
schon  geschildert  wiirde.  Desgleichen  wurde  die  Wanderung  der 
Eier  in  das  Gonophor  bereits  geschildert. 

Antennularia  antennina. 

Im  Golfe  von  Neapel  kommt  sowol  diese  Art  wie  A.  ramosa 
vor.  Der  Bau  beider  weicht  von  der  von  Hincks  gegebenen 
Schilderung  ab,  doch  glauben  wir  dies  aut"  die  mangelhafte  Unter- 
suchung  zuriickfuren  zu  konnen  und  halten  die  beiden  Neapeler 
Arten  fur  identisch  mit  den  ersteren. 

Hincks  zeichnet  einen  Querschnitt  dieser  Art,  auf  welcher 
8  Aeste  getroffen  sind.  Dies  ist  nicht  rich  tig.  Betrachtet  man 
einen  Stamm  von  oben,  so  sieht  man  sechs  Aeste  abgehen  und 
zwar  bilden  je  zwei  einen  Winkel  von  GC.  Untersucht  man  aber 
den  Stamm  auf  Querschnitten ,  so  erkennt  man,  dass  inimer  nur 
drei  Aeste  in  einer  Ebene  liegcn  und  zv/ar  betriigt  der  Winkel 
von  je  zwei  Aesten  120^.    Die  auf  diese  drei  Aeste  nun  folgenden 

Bd.  XV.  N.  F.  VIII.  4.  34 


530  Dr.   Otto  Hamann, 

drei  Aeste  eiitspringeii  iiuii  so  vom  Stanime,  sodass  man  glauben 
kanii,  dass  diesclbeu  iu  derselben  Eboiic  licgen  uiid  allu  6  Aeste 
in  Winkein  von  6U"  abgclien. 

Folgondes  Diagramm  maclit  dies  deutlidier.  Wir  denken  uns 
deu  Stamm  der  Antennularia  kouisch  und 
tragen  nun  jede  Insertion  der  Aeste,  welche 
in  einer  Ebene  liegen,  auf  je  einem  Kreise 
ein.  Die  ersten  Aeste,  mit  1,  1,  1  be- 
zeichnet,  entspringen  in  Winkein  von  120*'. 
Die  dariiberliegendeu  desgleichen,  doch 
so,  dass  sie  zwischen  die  ersteren  zu  lie- 
gen kommen.  Die  nacbstfolgenden  Aeste 
liegen  wieder  senkrecht  iiber  den  ersteren 
und  so  fort. 
Inncrhalb  des  Perisarkes  verlauft  bei  dieser  Gattung  nicht 
eine  Coenosarkrore,  sondern  bald  8,  bald  10,  bald  mehr,  je  nach- 
dem  man  den  Sclinitt  an  die  Nilhe  des  Distalendes  oder  an  der 
Basis  legt.  Sammtliche  vom  Entoderm  ausgekleidete  Koren  werden 
vom  P^ktoderm  umschlossen.  Das  Centrum  der  Perisarkrore  ist 
hoi  (Fig.  13).  Bei  der  Bildung  der  Seiteuaste  beteiligen  sich 
meist  zwei  der  Roreu  des  Coeuosark.  In  Figur  12  ist  ein  Sclinitt 
von  Ant.  ramosa  abgebildet  und  in  Figur  14  ein  Stiick  vergrossert, 
um  die  Abgabe  des  Astes  zu  zeigen.  Bevor  das  Coeuosark  in 
den  A  St  eiutritt,  versorgt  es  die  Nematotbeken  n  n^.  Im  Ento- 
derm sieht  man  vereinzelt  Eier  liegen,  welche  hier  eutstanden 
sind  und  von  hier  iu  die  Gouophoren  wandern. 

Das  Ektoderm  hat  Muskelfibrillen  ausgeschieden ,   welche  im 
Stamm  ebenso  nachzuweisen  sind  wie  an  den  Personen. 

Die  Coenosarkroren  commuuiciren  mit  eiuander,  je  naher  sie 
an  das  Distalende  kommen,  um  schliesslich  blind  zu  enden. 


Antennularia  ramosa. 

Auch  bei  dieser  Art  ist  die  Verzweigung  der  Aeste  irrig  dar- 
gestellt.  Betrachtct  man  einen  Stamm  von  oben,  so  scheint  es, 
als  wenn  4  Aeste  in  einer  Ebene  abgingen,  welche  rechte  Winkel 
mit  einander  bilden, 

Deni  ist  jedoch  nicht  so.  Es  gehen  stets  2  Aeste,  welche 
sich  gegentibersten  iu  einer  Ebene,  ab,  warend  die  daruber  ab- 
gehenden  Aeste  mit  denselben  alterniren.    Wir  haben  es  also  hier 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen. 


531 


mit  zweizalig  alternirendeu  Aesten  zu  tun 
unci  konnen  wir  diesc  Stelluug  als  gekreuzt 
decussirt  bezeichneu.  Jc  zwei  Aeste  siud 
also  einander  opponirt,  um  die  Bezeicli- 
nuug,  wie  sie  bei  Botauikcrn  iiblich  ist,  an- 
zuwenden.  Beifolgeudes  Diagramm  maclit 
dies  noch  deutliclier.  Wir  seheu  liier 
deutlich,  wie  die  Aeste  in  vier  seukrecht 
zu  einander  stehenden  Linien  verlaufen. 


Dritter  Teil. 
Histio  gene  sis. 

In  den  nachfolgcnden  Zeilen  sollen  alle  Veranderungen  der 
Zellen  der  beiden  Keimblatter  dargestellt  werden,  welclie  dieselben 
bei  der  Difierenzirung  in  bestimmte  Gewebe  orleidcn.  So  soil  ge- 
zeigt  werden,  welche  typischen  Veranderungen  in  einer  Zelle  ein- 
trcten,  sobald  sie  zur  Driisenzelle,  zur  Eizelle  u.  s.  w.  wird.  Wir 
lassen  hierbei  die  Fragen  uuberiicksichtigt,  die  nach  Griiuden  ver- 
langen,  welche  die  Umbildungen  der  einzelnen  Zellen  erklaren 
sollen,  sobald  dieselben  niclit  klar  zu  Tage  liegen.  Wir  gclien  im 
nachstfolgenden  von  einer  Planulaform  aus,  bei  welcber  wir  uns 
die  beiden  Keimblatter  als  physiologisch  und  histologisch  noch 
nicht  gegliedert  vorstellen.  Wir  werden  dann  tinden,  dass  die 
Fahigkeit  sich  zu  ditierenziren  in  einer  Steigerung  der  Empfind- 
lichkeit  gegen  aussere  Einfliisse  besteht. 

Als  erstes  Gesetz  konnen  wir  folgendeu  Satz  aufstellen: 

Die  Zellen  der  beiden  Keimblatter  reagiren  auf 
aussere  Reize  in  der  Weise,  dass  sie  nach  der  Seite 
des  Reizes  Protoplasmafaden  entsenden,  welche  sich 
zu  Flimme'rharen  differenziren. 

Diese  Flimmerhare  dienen  nun  zur  Bewegung  und  zwar  zur 
activen  Bewegung  bei  den  Zellen  des  Exoderms,  zur  Bewegung 
von  anderen  Gegenstitnden  bei  den  Zellen  des  Entoderms. 

Sobald  als  die  tlimmernde  Larve  sich  festgesetzt  hat,  verliert 
sie  friiher  oder  spater  den  Wimperbesatz ,   oder  aber  es  konnen 

34* 


532  Dr.   Otto  Hamann, 

sich  die  Fortsatze,  wie  bei  Actiuieu  es  der  Fall  ist,  erhalten 
(vei'gl.  wciter  uuteu). 

II.  JcdcZelledci'bcidcii  KcimblatteristimStande 
eiiieu  Fortsatz  ihres  Protoplasmas  uach  dcr  dcm  Reize 
abgoweudctcu  Soite  zu  senden. 

Die  Fortsatze  der  beiden  Zellscliichteii  habeu  wir  uus  zu- 
uiichst  uocli  als  vollkommen  indiliereut  vorzustelleu,  das  lieisst  sie 
sind  wedcr  ausschliesslich  uervoser  nocli  muskuloser  Natur.  lu- 
deni  uuu  die  eiiieu  Fortsatze  besonders  geeignet  waren  die  Reize 
fortzupflauzen  und  andere  sich  als  contractile  Elenieiite  sonderteu, 
eutstanden  die  Nerven-  und  die  Muskelfibrillen.  Bei  den  Ilydroid- 
polypen  sclieint  nun  eine  solclie  Sonderung  noch  niclit  eingetreten 
zu  sein,  da  wir  nur  Muskellibrillen  linden,  und  ist  vielleiclit  die 
Ansicht  nicht  ganz  unriclitig,  welclie  meint,  dass  erst  mit  der 
freien  Bewegung  der  Polypeu,  wie  es  bei  den  Siphonoplioren  der 
Fall  ist,  sich  dieselben  entwickelt  haben.  Sobald  wir  nur  Muskel- 
fibrillen linden,  uiilssen  wir  wol  den  Zellen,  welche  denselbeu  nach 
aussen  aufliegen,  eine  Fahigkeit,  die  Reize  aufzufangen  und  den 
Fibrilleu  zuzuleiten,  zugestehen,  Sowol  das  Exoderni  wie  das 
Entoderm  erzeugt  bei  den  Hydroidpolypen  Muskcln.  Bei  den 
Actinieu  erzeugen  beide  Zellenschichten  nervose  Elemente. 

Weiter  ist  jede  Zelle  befahigt  uuter  bestiminten  Veranderun- 
gen  zur  Driisenzelle  zu  werden.  Wir  konnen  diese  Unigestaltung 
der  Zellen  beim  Exoderm  uuter  unseren  Augen  sich  vollziehen 
sehen ! 

Bei  Hydra  sondern  sich  die  Zellen  der  Fussscheibe  von  denen 
des  ilbrigen  Korpers,  indem  sie  eine  langgestreckte  cylindrische 
Form  annehmen.  Zugleich  werden  die  Zellen  protoplasmareicher 
und  dasselbe  erscheint  als  feinkornig  oder  granulirt.  Mit  Farb- 
stotlen  iDehaudelt  farben  sich  diese  Zellen  intensiver  als  die  iibrigen 
Exodermzellen.  Diese  cylindrischen  Zellen  sondern  eine  schleim- 
artigc  Masse  ab,  welche  zur  Auheftung  dient.  Diese  typische 
Umanderung  der  Zellen  konnen  wir  so  formuliren: 

Jede  Zelle  der  beiden  Keimblatter  kann  durch 
Langenzunahme  und  Abnahme  ihrer  Breite  zu  einer 
sekretalsondernden  Zelle,  einer  Driisenzelle,  werden. 
Dabei  wird  ihr  Protoplasma  feinkornig,  granulirt. 
Ausser  dieser  neuen  Funktion  iibt  die  Zelle  (wenig- 
stens  zuniichst)  ihre  alten  Funktionen  weiter  aus. 

Betrachten  Avir  die  Actinula  der  Tubulariden.  An  der  jungen 
Actinula  benierkt  man,  wie  die  Zellen   des  Aboralpoles  nach  und 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen,  533 

nach  eine  lauge  cylinderformige  Gestalt  amiehmen,  wiirend  ilir 
Breitendurchmesser  derselbe  bleibt  (s.  Fig.  1,  3,  10,  Taf.  XXII). 
Zugleich  tritt  aber  auf  ihrer  Aussenflache  eiu  feines  Hiiutcbeu  auf, 
welches  sie  aiissclieiden,  die  erste  Anlage  des  Chitinskelettes.  Sehen 
wir  uus  nun  in  der  Literatur  um,  so  finden  wir  diese  Umwand- 
lung  der  Exodermzellen  beschrieben  bei  der  Gastrula  der  Aurelia, 
dem  Scypbostoma.  Hier  beschreibt  Glaus  ^)  dieselbeu  als  Cy- 
linderzellen  mit  feinkornigem  Inhalt.  Ebeuso  beschreibt  Haeckel  ^) 
dieselben  bei  der  Gastrula  der  Discomeduseu  am  aboraleu  Pol. 
Sie  scheiden  hier  ein  Sekret  ab,  vermittels  desseu  die  Anheftung 
geschieht. 

Bei  den  Planulis  ist  die  Urawandlung  der  Exodermzellen  an 
dem  Pol,  mit  welchem  sie  sich  festsetzen,  ebenfalls  zu  sehen. 
Direkt  beobachten  konnen  wir  diese  Zellen  in  ihrer  Funktion  am 
lebeuden  Tier  bei  der  Anlage  der  Gonophoren.  Hier  hat  es 
Weismann^)  beschrieben.  Bei  der  Sprossung  neuer  Polypen 
findet  derselbe  Vorgang  statt.  In  den  Gonophoren  selbst  wandcln 
sich  die  Exodermzellen  des  Spadix  am  Distalende  in  solche  Zellen 
um  und  bilden  einen  Verschluss  desselben  gegen  das  Wasser. 

Im  Entoderm  zeigen  sich  dieselben  Veriinderungen.  Im  Ilypo- 
stom  der  Hydra  sind  die  Zellen  bereits  von  denen  des  Magens 
durch  ihre  cylinderformige  Gestalt  zu  unterscheiden.  Bei  den 
Intaeniolaten  ist  die  Sonderung  des  Entoderms  in  cylinderformige 
Zellen,  welche  im  Hypostom  vorkommen,  und  in  die  des  Magens 
vollzogen.  Erstere  sondern  ein  Verdauungssekret  ab,  wiirend  letz- 
tere  die  Narungsaufuahme  besorgen.  Bei  den  Taeuiolaten  ist 
gleichfalls  ein  tiefer  Unterschied  zwischen  den  Zellen  des  Ilypo- 
stoms  und  denen  des  Magens  zu  erkennen  (vergl.  die  Abbildungen 
von  Eudendrium  u.  s.  w.). 

Wiirend  sich  bei  den  Planulis,  den  Actinulis  die  Zellen  der 
Fussscheibe  besonders  auszeichnen  durch  ihre  Liingc,  so  sind  auch 
die  ubrigen  Korperzellen  auffallend  cylinderformig  gestaltet,  wiirend 
am  erwachsenen  Tier  dies  nicht  mehr  der  Fall  ist.  Es  kommt 
dies  daher,  dass  sammtliche  Zellen  nach  der  Festsetzung  an  der 
Ausscheidung  des  Perisarkcs  sich  gieichmiissig  beteiligen.  In  ge- 
wissem  Sinne  sind  also  sammtliche  Exodermzellen  driisiger  Natur. 
Dasselbe  gilt  auch  von  den  Entodermzellen ,  denn  diese  sondern 
eine  Stiitzsubstanz   ab  zwischen   sich  und  dem  Exoderm,   welche 


*)  Glaus,   Qualleu   uud  Polypen  der  Adria. 

^)  Haeckel,  Metagenesis  u.  Hypogenesis  v.  Aurelia.    Jena,  1881. 

^)  Weismann,  a.  a.  0. 


534  Dr.  Otto  Hamann, 

als  Stiitzlamelle  zu  bezeichnen  ist.  Das  Verhalten  der  Entoderm- 
zelleii  ist  jedoch  weit  verwickelter ,  da  dieselben  nebeii  dieser 
Fuuktion  noch  zu  Muskelbildnerinneu  mid  Verdauungssekret-Bild- 
nerinneii  geworden  sind  uud  drittens  noch  die  Narung  aufnehmen. 

Wenn  wir  oben  sagten,  dass  die  Zellen  des  Hypostomes  das 
VerdauuDgssekret  lieferu,  so  ist  damit  keineswegs  behauptet,  dass 
iiicht  auch  andere  Zellen  des  Urdarmes  sekretliefernd  sein  konn- 
ten.  Im  Gegenteil  finden  sich  hier  besonders  protoplasmareiche 
Zellen  vor,  die  bald  mit  Kornern  angefiillt  sind,  oder  denen  die- 
selben fehlen.  Diese  Zellen  haben  wir  als  echte  Driisenzellen  an- 
zusehen. 

Dass  wir  alle  diese  Funktionen  der  Zellen  erst  als  nach  und 
nach  erworbene  anzusehen  haben,  dies  lehrt  die  Entwicklungs- 
geschichte.  Zuerst  hat  es  sich  urn  den  Schutz  gegen  iiussere  Ein- 
fliisse  gehandelt,  und  die  Zellen  sonderten  Chin  ab.  In  welcher 
Weise  die  Entodermzellen  ihre  Funktionen  erworben  haben,  und 
wie  wir  uns  dies  vorzustellen  haben,  wenn  wir  Formen  wie  Hydra, 
Sertularia  und  Tubularia  vergleichen,  darauf  soil  hier  nicht  niiher 
eingegangen  werden. 

Wir  erwanen  hier  noch,  dass  die  als  erster  Satz  formulirte 
Tatsache  der  Entsendung  eines  Fortsatzes  nach  der  Stelle  des 
Reizes  auch  bei  den  tiefer  liegenden  Exodermzellen ,  den  inter- 
stitiellen  Zellen  in  Geltung  steht.  Sobald  diese  Zellen  an  die 
Oberflilche  rucken  und  in  ihrem  Inueren  eine  Nesselkapsel  gebildet 
haben,  tritt  ein  harformiger  Protoplasm afortsatz,  das  Cnidocil,  auf. 

Wie  wenig  aber  im  Ganzen  das  Protoplasma  sich  dilferenzirt 
hat  und  wie  es  vorziiglich  in  dem  Stamme  der  Polypencolonieen, 
dem  Coenosarke  noch  seinen  chemischen  und  physikalischen  Eigen- 
schaften  nach  gleich  geblieben  sein  muss  dem  der  ursprunglichen 
Eizelle,  geht  aus  der  Tatsache  hervor,  dass: 

Jede  Zelle  des  Exoderms  und  Entoderms  sich  zu 
einer  Fortpflanzungszelle  umwandeln  kann.  Und  zwar 
ist  hierbei  das  Wachstum  allein  das  Umbildende.  Aus  den  epoche- 
machenden  Untersuchungen  Weismanns  i)  geht  sogar  hervor,  dass 
bei  zwei  Arten  desselben  Genus  die  Eicr  bald  im  Entoderm,  bald 
im  Exoderm  entstehen  konnen.  Das  Wachstum  der  einzelnen  Zellen 
besteht  sowol  in  der  Vergrosserung  des  Zellleibes  als  auch  des 
Zellkernes  nebst  Kernkorperchen  (vergl.  oben  1.  Teil).  Wiirend 
des  Wachstumes  wird  das  Protoplasma  jedenfalls  in  physikalischer 
wie  chemischer  Hiusicht  veriindert  werden. 

^)  Weismanu  a.  a.  0. 


Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen.  535 

Wir  habeu  mm  nocli  eiue  andere  Form  der  Entodermzellen 
zu  erwiinen,  welche  dieselben  annehmen  konnen.  Dieselbe  kommt 
in  deu  Tentakeln  vor  uiid  bildet  hier  die  Axe.  Urspriiuglich 
haben  wir  uns,  wie  es  bei  Hydra  der  Fall  ist,  hole  Teutakeln  vor- 
ziistelleii.  Dies  ist  das  urspriingliche  Verhalten,  niclit  aber  werden 
die  soliden  Tentakeln,  wie  G.  v.  Koch  will,  das  primiire  Verhillt- 
nis  darstellen.  Die  Tentakel  sehen  wir  als  Ausstulpungen  des 
Urdarraes  an.  Erst  secundar  ist  eine  Wucherung  von  Entoderm- 
zellen eingetreten  und  sind  so  die  Tentakeln  zu  soliden  geworden. 
Wie  aber  aus  den  soliden  Tentakeln  sich  die  ersteren  sollten  ent- 
wickelt  haben,  ist  nicht  gut  einzusehen. 

Der  Bau  dieser  Zellen,  welche  die  Funktion,  Muskeliibrillen 
zu  bilden,  aufgegeben  haben,  ist  oben  bereits  geschildert  worden. 
Wir  sahcn,  dass  sie  eine  teste  Membran  besassen,  welcher  das 
Protoplasma  randstilndig  anlag,  warend  der  Kern  an  Faden  im 
Inneren  der  Zelle  aufgehangen  war.  Das  Lumen  der  Zelle  ist  mit 
einer  hellen  Flussigkeit  erfullt,  Bei  dem  Genus  Tubularia  war 
der  Kern  jedoch  der  Wandung  anliegend,  es  zeigte  sich  hier  iiber- 
haupt  eine  Weiterentwicklung  dieses  Gewebes. 

Welches  ist  aber  die  Funktion  dieser  Zellen  V 

Betrachten  wir  dieselben  am  lebenden  Tiere! 

Wenn  die  Tentakel  vermittels  der  Langsmuskeln  contrahirt 
sind,  so  werden  sammtliche  Axenzellen  zusammengepresst  (s.  Fig.  4, 
Taf.  XXI).  Die  Zellen  konnen  so  bis  auf  ein  viertel  und  noch  mehr 
ihres  urspriinglichen  Lumens  zusammengepresst  werden.  V(u-ni(ige 
ihrer  Elasticitilt  sind  nun  diese  Zellen  bestrebt,  sich  wider  auszu- 
dehnen  und  bringen  auf  diese  Weise  deu  Tentakel  schneller  zur 
Ausdehnung.  So  wirken  diese  Zellen  als  Antagonisten  der 
Langsmuskeln.  Auf  einfache  Weise  ist  hier  aus  den  Entoderm- 
zellen eine  neue  Zellform  geziichtet  worden,  welche  die  Entstehung 
von  Ringmuskeln  unnotig  machte.  Da  schon  so  wie  so  alien 
Entodermzellen  das  Bestreben  innewont  nach  der  Contraction  sich 
wider  auszudehnen,  so  war  jedenfalls  dieser  Wcg  einfacher  als 
die  Bildung  von  Ringmuskeln.  Bei  Hydra  sind  die  Tentakeln  hoi 
und  wir  sehen,  dass  das  Zusammenziehen  nach  einer  Beriirung 
zum  Beispiel  rasch  und  plotzlich  erfolgt,  das  Ausstrecken  jedoch 
langsam  und  schwerfallig  von  Statten  geht.  Auch  hier  wirken 
die  Entodermzellen  als  Antagonisten,  doch  ist  dies  uur  eine  Ne])en- 
funktion  derselben.  Warend  aber  Hydra  ihre  holen  Tentakeln  so 
stark  zusammenziehen  kann,  sodass  sie  wie  Punkte  erschcinen 
konnen,   warend  sie  im   ausgestreckten  Zustande  centimetergross 


530  Dr.  Otto  Hamanu, 

sincl,  ist  flics  den  mit  Axeiizelleii  versehonen  Tentakelu  nicht  mog- 
lich.  Dafiir  ist  jedocli  eiue  grosserc  Beweglichkeit  eingetreten. 
Die  Contraction  kanu  zwar  nicht  soweit  geschehen,  dafiir  aber 
desto  rascher  auf  einander  folgen. 

In  den  Wiilsten  bei  dem  Genus  Tubularia  ist  dieses  Gewebe 
gleicbfalls  zur  Ausbildung  gekommen  und  wirkt  bier  jedenfalls  in 
analoger  Weise. 

In  den  Gonopboren  vieler  Hydroidpolypen  ist  ebenfalls  En- 
todermgewebe  zu  Bindegewebe  unigewandelt ,  in  welcbem  dann 
die  Eizellen  liegen. 

Wenn  wir  so  mit  wenigen  Strichen  die  Gewebeentstebung  der 
Hydroidpolypen  zeicbneten,  so  sehen  wir,  dass  den  Keimbliittern 
„ein  bestimmter  histologischer  Charakter"  nicbt  aufgepragt  ist, 
wie  dies  von  O.  und  R,  H  e  r  t  w  i  g  ' )  in  ihrem  Actinienwerke  ge- 
zeigt  wurde.  Die  Entwicklung  aus  den  Keirablattern  als  Ein- 
teiliing  der  Gewebe  zu  nehnieu,  wie  es  viele  Histologen  wollen, 
wird  durcb  die  Histiogenesis  bei  den  Hydroidpolypen  besonders 
scblagend  widerlegt,  da  bier  sowol  die  Exodermzellen  wie  die  des 
Entoderms  Muskeln  bilden,  da  beide  sekretbildend  sind, 
und  was  vor  alien  die  erwante  Einteilung  als  uurich- 
tig  zuriickweisen  lasst,  die  Tatsache  namlicb,  dassbei 
dieser  Gruppe  Eizellen  und  Spermazellen  bald  aus  den 
Exoderm-,  bald  aus  Entodermzellen  bervorgehen  kon- 
nen.  Desbalb  ist  der  von  den  genannten  Autoren  angegebene 
^Yeg,  die  Gewebe  nach  ibrer  histologiscben  Beschaftenbeit  und 
ibren  Funktionen  zu  classificiren,  der  allein  richtige. 


Kurze  Zusammeiifassung  der  llesultate. 

Im  ersten  Telle  sind  die  bei  der  Specialuntersuchung  gewon- 
nenen  Resultate  gegeben.  Wir  sahen,  dass  im  Allgenieinen  bei 
den  Hydioidpolypen  nur  eine  Axe,  die  Liingsaxe,  unterschieden 
werden  kann,  dass  aber  bei  einer  Art  bereits  die  Tentakel  sich 
in  bestimmten  Radien  anlegen ,  sodass  also  die  symmetrische  An- 
lage  der  verschiedenen  Organe  nicht  erst  bei  den  Medusen  eut- 
standen  zu  seiu  braucht.  Dann  betrachteten  wir  das  Entoderm 
mit  seinem  Bindegewebe,  welches  besonders  bei  Tubularia  machtig 
entwickelt  ist.  Vor  Allem  aber  sei  der  Auffindung  der  Taenio- 
len   Oder  Liingswiilste  gedacht,   welche  man  bisher  nur  dem 

1)   0.   unci  R.   Hertwig,  Die  Actiuien,  p.  208—217. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  537 

Genus  Tubularia  zuschrieb.  Wir  fanden,  dass  diese  Langswulste 
alien  bisber  unter  den  Namen  „Tubularien"  oder  „Gymno- 
b  las  tea"  bekannten  Hydroiden  zukommen,  warend  die  iibrigen 
derselben  entbehren. 

Wir  teilen  deshalb  die  Polypen  in  zwei  Gruppen  ein,  in  solche 
mit  Magenwiilsten  und  in  solche  one  Magenwulste ,  in  Taenio- 
latae  und  Intaeniolatae.  Auch  wurden  echte  Drusenzellen 
aufgefunden. 

Weiterhin  gelang  es  nachzuweisen ,  dass  sammtliche  Tae- 
niolatae  eine  Entodermmuskulatur  sowol  im  Hypostom,  als 
auch  im  Magen  besitzen,  warend  die  Intaeniolatae  dieselben  nur 
im  Hypostom  zu  besitzen  scheinen. 

Bei  der  Untersuchung  des  Exoderms  gelang  es  nie,  irgend- 
welche  Sinneszellen  oder  Nerven  rait  voller  Gewisheit  nachzuweisen. 
Oft  glaubte  ich,  dieselben  gefunden  zu  haben,  doch  stets  zeigte 
es  sich,  dass  die  vermeintlichen  Ganglienzellen  nur  interstitielle 
Zellen  waren. 

Weiter  wurden  dann  die  Nematophoren  untersucht  und  bereits 
aus  der  Entstehung  derselben  gesehen,  dass  man  es  hier  mit  riick- 
gebildeten  Polypen  zu  tun  habe,  keinenfalls  aber  mit  amuboiden 
Protoplasma.  In  Kiirze  wurde  dann  der  Pseudopodienbildung  der 
Zellen  der  Fussscheibe  von  Hydra  gedacht,  iiber  welche  an  anderer 
Stelle  ausfurlich  berichtet  werden  wird,  ebenso  wie  uber  die  Na- 
tur  der  Fortsatze  der  Nesselkapselzellen. 

Im  zweiten  Kapitel  wurde  dann  die  Entstehung  der  Medusen 
abgehandelt,  sowie  die  Homologieen  zwischen  denselben  und  den 
„Sporosacs"  oder  medusoiden  Gonophoren  besprochen. 

Die  Entstehung  der  Eier  und  ihre  Wanderung  in  das  Gono- 
phor,  sowie  die  Bildung  der  Planula,  welche  stets  durch  Delami- 
nation  oder  durch  Einwanderung  von  Zellen,  welche  von  dem  Exo- 
derm  der  einschichtigen  Keimblase  herstammen,  zu  entstehen 
scheint,  wurde  dann  mitgeteilt. 

Die  histologischen  Funde  gestatteten  weiterhin  die  Verwand- 
schaft  der  Polypen  mit  den  Siphonophoren  und  Anthozoen  aufzu- 
klaren  und  einen  Stammbaum  aufzustellen. 

Im  zweiten  Teil  wurde  der  Bau  vornehmlich  von  Tubularia 
geschildert.  Bisher  war  iiber  diese  Gattung  so  gut  wie  garnichts 
bekannt,  zumal  die  Abhandlungen  von  Ciamician  viel  Falsches 
enthielten.  Die  Entwicklungsgeschichte  dieser  Art,  welche  zu  einer 
Gastrula  durch  Delamination  furt,  wurde  klargestellt  und  die  Hi- 
stologie  der  Actinulae  sowol  als  des  erwachsenen  Tieres  gegeben. 


538  Dr.  Otto  Hamann, 

Die  ubrigen  Taeniolaten  wurden  berucksichtigt,  soweit  ihr  Bau 
vom  allgemeinen  Typus  Abweichendes  bot.  Am  Ende  des  zweiten 
Teiles  wurden  oinige  Punkte  in  der  Anatomie  der  Antennularien 
verbessert. 

Im  dritten  Teil  folgte  oin  Versuch  einer  Histiogenie  der  Hy- 
droidpolypen. 

Es  wurden  die  Veriinderungen  beschrieben,  welche  die  Zelleu 
des  Embryos  zu  erleiden  haben,  bis  sie  in  die  Zellclemente  des 
ausgewachsencn  Tieres  iibergehen,  Es  wurde  festgestellt ,  dass 
jede  Zelle  sowol  des  Exoderras  wie  des  Entoderms  die  Fahigkeit 
besitzt,  in  eine  Propagationszelle,  Driisenzelle,  Muskelzelle  u.  s.  w. 
uberzugchen.  Dann  wurde  unter  anderem  die  Funktion  der  so- 
genannten  cbordaithnlichen  Zellen  in  den  Tentakelaxen  zu  bestim- 
men  gesucht  und  auf  die  verschiedene  Differenzirung  des  Ento- 
derms hingewiesen,  und  der  das  Hypostom  auskleidende  Teil  als 
sekretabsondernd ,  der  den  eigentlichen  Magenraum  auskleidende 
hingegen  als  der  verdauende  Teil  in  Anspruch  genommen. 


Der  Orgauismus  der  Hj^droidpolypen.  539 


Tafelerklarung. 

Tafel  XX. 

Fig.   1.     Querschnitt  durch  Podocoryne  caruea. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  Cladocoryne  floccosa  oberhalb  der 
Oralteutakel.      Man  sieht  die  grosseu  Nesselkapselu.      I),  nc.  2. 

Fig.  3,  Liingsschuitt  durch  Podocoryne  carnea.  Der  Unterschied 
zwischen  den  laugen  Cylinderzellen  der  Hypostomwiilste  uud  der  der 
Mageuwulste  ist  deutlich  zu  seheu. 

Fig.  4.  Stiick  eines  Langsschnittes  durch  Podocorjaie  stark  ver- 
grdssert,  um  den  Uebergang  der  Taenioleuzelleu  in  die  grossen  Ento- 
dermzellen  zu  zeigen.     F.  oc.  2. 

Fig.  6.  Querschnitt  durch  den  centralen  Fresspolyp  von  Velella 
spirans.     A.  oc.  2.     mf.  =  Muskelfibrillen.  si  I.  =  Stutzlamelle. 

Fig.  6.  Stiick  eines  Querschnittes  durch  Eudendrium  racemo- 
sum  in  der  Mitte  des  Kdrpers  gefiirt. 

Fig.   7.     Querschnitt  durch  Clava.     U.  2. 

Fig.  8.  Querschnitt  durch  den  Mundkegel  von  Corydendrium 
parasiticum.     D.  oc.  2. 

Fig.  9.  Ende  des  sogenannten  Tentakelpolypen  von  Velella  spi- 
rans.    I),  oc.  2.    Laugsschnitt. 

Fig.  10.  Querschnitt  durch  eine  juuge  Actinienlarve.  Kopie 
nach  Kowalevsky. 

Fig.    11.      Querschnitt  durch  Syncoryne  Sarsii.     .4.  oc.  4. 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  eineu  Fresspolypen  von  Velella 
spirans.     ^.  oc.  2. 

Tafel  XXI. 

Fig.  1 .  Eudendrium  ramosum.  Basis  eines  Polypen ,  um  die 
Ringfurche  mit  dem  darunter  liegenden  Driisenring  zu  zeigen.  JSw.  = 
Nesselwulst.    Rf.  =  Ringfurche.     J.  oc.  2. 

Fig.  2.  Driisenzellen  des  Driisenringes.  Immersion  Zeiss  ^/jg* 
oc.  2. 


540  Dr.   Otto   Hamaun, 

Fig.   3.     Entodermzelleu  vom  Korper  von  Eudendrium  ramosum. 

Fig.  4.  Stiick  eines  Tentakels,  coutrahirt  von  einem  mit  Os- 
miumsaure  getotetem  Tiere.  Die  Axenzellen  sind  stark  contraliirt. 
F.  oc.  2. 

Fig.  5.  Stiick  eines  Tentakels  im  ausgestreckten  Zustande  von 
mnem  mit  Alk.  abs.  getotetem  Polypen.  Man  erkennt,  wie  der  Kern 
an   Protoplasmafaden  aufgehiiugt  ist. 

Fig.  6.  Ein  Polyp  von  Eudendrium  raeemosum  mit  der  langen 
Nesselpeitsche  =  up. 

Fig.  7.  Kadialsehnitt  durch  Eud.  racemos.  Der  Trichter  in 
aufgeklapptem  Zustande. 

Fig.  8.  Stiick  des  Trichters  (Hypostoms)  starker  vergr.  Man 
sielit  am  Gruude  des  Entoderms  die  auf  dem  Querschnitte  getroffenen 
Muskelfibrillen  =  entm. 

Fig.   9.     Tangentialschuitt  durch  das  Hypostom  desselb.  Polypen. 

Fig.  10.  Entoderm  rait  Driisenzelleu  desselb.  Polypen.  Imm. 
Vx2-     «^'    4. 

Fig.  11.  Driisenzelleu  aus  dem  Entoderm  von  Penuaria  Cavo- 
linii.     Imm.    ^/^g.     wc.    4. 

Fig.    12.      Penuaria  Cavoliuii.     ^.  oc.    1. 

Fig.  13.  Oraltentakelspitze  vergroasert.  D.  oc.  2.  Man  sieht 
die  Makro  -  und  Mikrocuidien. 

Fig.    14.     Aboralteutakel  desselben   Polypen.     ^4.  oc.  2. 

Fig.  15.  Stiick  eines  Aboraltentakels  macei-irt.  ect.  =  Exo- 
derm. 

Fig.  16.  Exoderm,  Pseudopodien  nach  dem  Perisark  entsen- 
dend.    Penn.   Cav.      D.  oc.   2. 

Fig.    17.      Querschnitt  durch  das  Coenosark  v.   Peunaria  C. 

Fig.  18.  Querschnitt  durch  das  Coenosark  von  Corydendr.  pa- 
rasiticum. 

Fig.    19.     Polyp  von   Corydendrium  parasiticum. 

Tafel  XXII. 

Fig.  1.  Actiuula  von  Tubularia  coronata  nach  dem  Ausschliipfen 
aus  dem  Gonophor.     (Stadium    1). 

Fig.  2.  Weiteres  Stadium.  Anlage  der  vier  Oraltentakeln.  (Sta- 
dium  2). 

Fig.  3.  Desgleichen  Actinula  mit  entwickelten  Oraltentakeln. 
(Stadium   3). 

Fig.  4.  Kadialsehnitt  durch  Stadium  2,  um  die  Anlage  des 
Aboralwulstes  mit  den   Bindesubstauzzellen   darzustellen. 


Der  OrganiBmus  der  Hydroidpolypen.  541 

Fig.  5.  Taugentialschnitt  durch  Stadium  3.  ch.  =  Chitineke- 
lett.     entw.  =  Eotoderraaler  Aboralwuist. 

Fig.  6,  Tentakelende  vou  Stadium  3 ,  um  die  eine  Eeihe  der 
Axeuzellen  zu  zeigen. 

Fig.  7.  Tentakelende  von  derselben  Actinula.  Es  siud  schon 
zwei   Reihen  von   unregelmassigen   Axenzellen  kenntlich. 

Fig.  8.  Junge  Actinula  im  Gonophor  von  Tubularia  mosem- 
bryauthemum.  Es  entstehen  die  Tentakel  und  zugleich  der  Mund  in 
Gestalt  eines  Kreuzes.     J    oc.  2. 

Fig.   9.     Actinula  vor  dem  Ausschliipfen.     Tub.   mesbr. 

Fig.  10.  Actinula  nach  dem  Ausschliipfen  mit  vier  Oralten- 
takeln.     Tub.  mesbr. 

Fig.   11.     Actinula,    1  Tag  nach  der  Festsetzung.     Tub.  mesbr. 

Fig.    12.     Junger  Polyp  von  derselben  Art  2  Tage  alt. 

Fig.  13.  Aelterer  Polyp.  Das  Wurzelskelett  beginnt  sich  zu 
entwickelu.      ah  die  Linie ,    bis  zu  welcher  die  Perisarkaulage  reicht. 

Fig.  14.  Natiirliche  Grosse  des  in  Fig.  13  vergrossort  darge- 
stellten  Polypcn. 

Fig.    15.     Fussscheibe  von   Hydra,  Pseudopodien   entsendend. 

Fig.  16.  Stiick  des  Exoderm  von  cinem  Querschnitt  von  Car- 
marina  hastata.  D.  oc.  2.  nkz.  =  Nesselkapselzellen.  fs.  =  Fort- 
satze  dossclbeu.     gf//.  =  Stiitzlamello. 

Fig.  17.  Protoplasmareiche  Zellen  vou  Tub.  mesembryanthe- 
mum,  aus  dem   Gonoblastidium. 

Tafel  XXIII. 

Fig.  1.  Liingsschnitt  durch  eine  Tubularia,  halbschematisch. 
Das  Exoderm  ist  durch  Schattiruug  vom  Entoderm  zu  uuterscheiden. 
Der  Verlauf  der  StUtzlamelle,  wclche  weiss  gehalten  ist,  zwischen 
Exoderm  und  dem  die  Holraume  auskleidenden  Entodermzellen  und 
dem  Bindosubstanzgewebe  im  Oral  -  und  Aboralwuist  ist  deutlich  zu 
sehen.     ow.  =  Oralwulst.     abow.  =  Aboralwuist.     ./.  or.  2. 

Fig.  2.  Querschnitt  durch  eine  Tub.  coronata  in  der  Kichtung 
ah.      D.  oc.  2. 

Ein  Stuck  desselben    starker   vergrdssert    vou   Tubular. 

oc.    1. 

Querschnitt  in  der  Richtung  ef. 

Querschnitt  in   der  Richtung  gh. 

Die  Entodermzellen  des  Knopfes  vergrdssert. 

Querschnitt  in  ik,    um  den  Exodermwulst  des  Knopfes 
mit  den  Muskelfibrillen  zu  zeigen. 


Fig. 

3. 

Qata. 

F. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

Fig. 

7. 

542  Dr.  Otto  Hamann, 

Fig.   8.     Exodermzellen   vom  Korper.     Imm.    Vi2-     ^^-   '*• 

Fig.   9.      Exodermale   Muskoltibrilleu,   durch   Maceration  isolirt. 

Fig.    10.     Exodormzelleii   vom  Teutakel  vou  Tub.   coronata. 

Fig.  11.  Entodermzellen  aus  dem  Coenosark  vou  Tub,  mesem- 
bryanthemum.     F.  oc.  2. 

Fig  12.  Chord aiinliche  Zellen  aus  der  Tentakelaxe  einer  Pe-  • 
nuaria  Cav.  mit  Sublimat  behandelt. 

Fig.    13.     Driisenzelle    einer  Tub,   mesembr.     Imm.    '/i2*  "^-   '^• 

Fig.  14,  Querschnitt  durch  den  Exodermwulst  des  Knopfes  von 
Tubul.  coronata. 

Tafel  XXIV. 

Fig.  1,  Langsschnitt  durch  die  Anlage  eines  Gouophors  vou 
Tub,  mesembryanthemum. 

Fig.  2.  Langsschnitt  durch  ein  weiter  vorgeschrittenes  Stadium. 
ex^  =  aussere  Exodermschicht.  gf.  =  Gefasslamelle.  ex^  =  Schicht, 
aus  welcher  sich  die  GeschlechtsstofFe  entwickeln. 

Fig.  3,  Reifes  Gonophor,  Die  Stiitzlamelle  sfl.  im  Gouoblasti- 
dium  zu  sehen. 

Fig.  4.  Querschnitt  durch  den  oberen  Toil  eines  Gonophors 
von  Tub.  mesembr. 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  das  Gonophor  vom  Tub.  indivisa. 
Die  vier  Radiarkanale   sind  auf  dem   Querschnitt  geiroffen. 

Fig.  6.  Anlage  einer  Meduse  (Obelia)  als  einlache  Ausstiilpuug 
vom  Exo  -  und  Entoderm.     F.  oc.  2, 

Fig.  7,     Weiter  vorgeschrittenes  Stadium  derselben. 

Fig.   8.     Querschnitt  durch  Fig.  7, 

Fig.  9.  Junge  Obeliaknospe.  Die  vier  Radiarkanale  sind  zu 
erkennen,     F.  oc.  2. 

Fig.  10a.  Reifes  Ei  vom  Tub.  mesembr.  Eine  Sonderung  in 
eine  aussere  Schicht  und  eine  innere  von  Protoplasmanetzeu  durch- 
zogene  iat  zu  unterscheiden. 

Fig.  I  0  b.  Ei  in  Furchung  begriffen.  Die  Pseudozcllen  sind  in 
der  vorhergeheuden  und  den  folgenden  Figuren  dunkel  gehalten,  da 
sie  sich  starker  mit  Farbstoff  tingiren  als  die  iibrigen  Teile.    Querschnitt. 

Fig.   11.     Weiteres  Furchungsstadium.     Querschnitt. 

Fig.    12.     Einzelne  Zelle  desselben.      Querschnitt. 

Fig.   13.     Gastrula  durch  Delamination   entstanden. 

Fig,  14.  Entoderm  und  Exoderm  nach  Anlage  der  Gaatralhole 
der  Actinula. 

Fig.  15.  Podocorync  Haeckelii.  n^  und  a^  Trophopolypen, 
Z»j   b^   Machopolypen,    c  Skelettspitze. 


Der  Organismus  der  Hydroidpolypen.  543 

Fig.  16.  Ein  Polypenkopf  von  obeu ,  um  das  Mundkreuz ,  die 
vier  perradialen  und  die   vier  interradialen  Teutakeln  zu  zeigen. 

Fig.  17.  Querschuitt  durch  Spougicola  fistularis.  exw.  =  Exo- 
dermwulst. 

Eig.  18.  Coenosarkeutoderm  vou  Plumularia  fragilis.  Imm.  ^I^^' 
oc.  2.  Man  sieht,  wie  eiuige  Zellen  sich  vergrossert  habeu ,  um  zu 
Eizellen  zu  werden. 

Fig.    19  und  2  0.    lu  Bewegung  begriffeue  Eizellon  derselben  Art. 

Fig.  21.  Planula  einer  Aglaophenia  kurz  nach  dem  Ausschliipfen 
aus  dem  Gonophor.     Man  sieht  die  Bewimperung. 

Fig.  2  2.  Planula  vor  dem  Festsetzen,  Die  Bewegung  geschieht 
mit  dem  verdickten  Ende  nach  vorn. 

Fig.  2  3.  Liingsschnitt  durch  dieselbe.  Es  ist  die  Gastralhole 
zur  AnJage  gokommeu. 

Tafel  XXV. 

Fig.    1.      Plumularia  fragilis  in  nat.   Grosse. 

Fig.  2.  Langsschnitt  durch  eine  Plumularia,  um  die  Einschnii- 
rung  des  Korpers  in  zwei  Teile  zu  zeigen.      /lyf/.  =  Hypostom. 

Fig.  3,  Gonophor  von  Plumularia.  Wanderuug  der  Eier  in 
dasselbe.     ou.  =  Eizelle.      /).   oc.  2. 

Fig.  4.  Die  Eizelle  ist  von  alien  Seiten  vom  Entoderm  um- 
wachseu  worden.      D.  oc.   2. 

Fig.  5.  Anlage  eines  Nematophoren  vou  Plumularia.  pel'.  =  Pe- 
risark.     c.r.  =  Exoderm.     en(.  =  Entoderm.      F.  oc.  2. 

Fig.   6.     Zwei  Neraatophoren. 

Fig.  7.  Ende  des  riickgebildeteu  Polypeu  eines  Nematophors. 
Die  Exodermzellen  enthalten  an  der  Spitze  desselben  Nesselkapseln. 
Die  Axe  besteht  aus  Entodermzellen ,  welchc  durch  die  Stiitzlamelle 
vom   Exoderm  getrennt  werden. 

Fig.   8.     Calyx  mit  Nematophorcu  von  einer  Aglaophenia. 

Fig.  9.  Ein  Nematophor  stark  vergrossert  von  Aglaophenia. 
nk.   =  Nesselkapseln. 

Fig.  10.  Langsschnitt  durch  einen  Polyp  von  Sertularella  po- 
lyzonias.     /lyp.  =  Hypostom. 

Fig.  11.  Langsschnitt  durch  einen  Polypen  derselben  Art,  um 
das  Chitinskelett  zu  zeigen. 

Fig.  12.  Querschnitt  durch  den  Stamra  von  Antennularia  ra- 
mosa,  um  die  Absendung  der  zwei  gegeniiberstehonden  Aeste  zu 
zeigen.     ^.  oc.  2. 


544     Dr.  Otto  Hamauu,  Der  Orgauismus  der  Hydroidpolypen. 

Fig.  13.  Querschuitt  durch  den  Stamm  an  eiuer  Stelle,  wo 
keine  Aeste  abgchen.  ex,  =  Exoderm.  cut.  ==  Entoderm,  per.  =  Pe- 
ri sark. 

Fig.  14.  Stiick  des  in  Fig,  12  gegebonen  Querschnittes  stark 
vergrossert.  Man  sieht  im  Entoderm  die  Eizellen.  D.  oc.  2.  «.  =  Ne- 
matophor. 

Fig.  16.  Exodermzellen  mit  Muskelfibrillen  vom  Ncmatophoren 
einer  Plumularia. 


Studien  iiber  Coelenteraten. 

Von 

Dr.  Otto  Uauianii, 

Assistent  am  zoologischen  lustitut  zu  Jena. 
Hierzu  Tafel  XXVI  u.  XXVII. 


I.     Zur  Anatomie  der  Xesselkapselzellen. 

Seit  langerer  Zcit  mit  Untersuchungcii  iibor  Ilychoiclpolypen 
beschiiftigt ,  widmete  ich  den  Nesselkapselzellen  besoiidcrc  Auf- 
merksamkeit.  Ich  glaubte  in  densclbcn  Sinncsorganc ,  Tastorgane 
zu  finden  und  hoffte,  einen  Zusammcnhang  mit  Nervcn  cunstatireu 
zu  konnen.  Umsomehr  war  eine  solche  Anschauung  beroclitigt,  als 
O.  und  R.  H  e  r  t  w  i  g  bei  den  Actinien  die  Fortsatze  dieser  Zelleu 
als  Nerven  deuten  zu  miissen  glaubeu. 

Wir  dehnten  die  Untersuchungen  auf  sammtliche  Gruppen  der 
Coelenteraten  aus.  Im  Folgenden  sollen  zuerst  die  gefundcnen  Tat- 
sachen  gegeben  werden ,  um  dann  zu  sehen ,  zu  welchen  Schliissen 
dieselben  verwendet  werden  konnen. 

Wir  beginnen  mit  der  Betrachtuug  unseres  Siisswassercoelen- 
teraten,  der  Hydra,  welche  in  beiden  Arteu,  fusca  wie  viridis, 
zur  Untersuchung  diente.  An  Zerzupfuugspriiparaten  des  mit  Es- 
sigsaure  macerirten  Tieres  gelingt  es  bald,  die  Nesselkapselzellen 
Oder  Cnidozelleu,  wie  wir  im  Folgenden  dieselben  der  Kiirze  wcgen 
nennen  werden,  zu  isoliren.  An  jeder  Cnidozelle  findet  man  die 
Nesselkapsel,  iiber  derselben  das  Cnidocil  und  im  Plasma  der  Zelle 
den  Kern  eingebettet  liegen.  An  der  Basis  der  Zelle  sieht  man 
einen  feinen  Fortsatz  ausgehen ,  der  je  nach  der  Maceration  bald 
kurz,  bald  lang  erhalten  ist.  Im  Allgemeinen  ist  derselbe  bei  der 
griinen  Art  liinger  als  bei  H.  fusca,  was  mit  der  Entwicklung 
des  Exoderms  zusammenhangt.  Die  Zellen  sind  namlich  bei  erste- 
rer  Art  hoher  als  bei  letzterer. 

Bd.  XV.    N.  F.  VIII.  4.  35 


546  Dr.   Otto  Hamann, 

All  Schiiittpraparatcii  gelingt  cs  nie,  iibcr  die  ware  Endigung 
dieses  Fortsatzes  klar  zu  werdeu ;  soviel  ist  jeduch  festzustelien, 
dass  derselbe  bis  an  die  Gallertlainelle  heraureicht ,  sich  jedoch 
iiieinals  teilt  uiid  auch  nicht  niit  den  Muskelfibrillen  verlauft.  Da 
die  Cnidozellen  senkrecht  zur  Stutzlamclle  stehen,  so  steht  auch 
der  Fortsatz  rechtwinklig  zu  derselben.  Schon  hieriu  ist  ein  Un- 
tersdiied  zwischeii  ilim  und  den  Muskelauslaufern  der  grosseu 
Exodermzellen  gegeben,  da  dieselben  parallel  zur  Stiitzlamelle 
auflagern. 

Von  Kleinenbergi)  sind  diese  Fortsatze  in  seiner  Hydra- 
Monographie  nicht  beschrieben  worden  und  ebensowenig  von  Fr. 
E.  Schultze'-^).  Letzterer  Forscher  war  es  jedoch,  der  die  Auf- 
nierksamkeit  zuerst  auf  diese  Fortsatze  lenkte,  indem  er  sie  bei 
Syncoryne^)  entdeckte.  Spater  sind  dieselben  auch  bei  Podoco- 
ryne^)  und  Tubularia-^)  aufgefunden  worden. 

Was  nun  zunachst  die  Hydroidpolypen  anlangt,  so  untersuchte 
ich  verschiedene  Arten  der  Tubularien ,  Aglaophenien,  Sertularien, 
Plumularien  u.  a.  Es  finden  sich  bei  alien  Hydroidpolypen  diese 
Fortsatze  vor  und  sind  sie  sowol  an  den  Makroknidieii ,  wie  Fr. 
E.  Schultze  die  grossen  Cnidozellen  nennt,  vorhanden  als  wie 
auch  an  den  kleineren,  die  er  Mikroknidien  benennt. 

Betrachten  wir  Pennaria  Cavolini.  Die  Cnidozellen  stehen 
hier  an  den  Enden  der  Oraltentakeln  dicht  gedrangt,  so  wollen 
wir  die  uni  den  Muiid  herunistehenden  Tentakeln  ini  Gegensatze 
zu  deni  zweiten  Tentakelkranz  an  der  Basis  des  Korpers,  den  Abo- 
raltentakeln  nennen.  Sie  stehen  hier  in  Haufen  augeordnet  und 
zwar  convergiren  die  Fortsatze  nach  der  Stiitzlamelle  zu.  Man 
hat  diese  Tentakeln  wegen  der  Anhaufung  der  Cnidozellen  geknopfte 
genannt.  An  Schnitten  lassen  sich  die  Fortsatze  bis  an  die  Stiitz- 
lamelle verfolgen.  Ein  Umbiegen  derselben  und  eine  etwaige  Auf- 
lagerung  auf  derselben  in  Form  von  Fasern  ist  nicht  zu  schen. 

Wenden  wir  uns  nun  gleich  zu  dem  Genus  Tubularia,  von 
welchem  drei  Arten,  T.  mesembryanthemum,  larynx  und  coronata 
untcrsucht  wurden. 

Ciamician  beschreibt   in  einer  Arbeit,   welche  betitelt  ist: 


^)  Kleinenberg,    Hydra,  Leipzig  1872. 
2)  Fr.  E.  Schultze,  Cordylophora ,  Leipzig   1871. 
^)  Fr.  E.   Schultze,  Syncoryne  Sarsii,  Leipzig  1873. 
*)  Grobben,  Sitzungsber.  d.   Wiener  Akademie  1875. 
•'')  Ciamician,    Zeitschrift   fiir  wissenschaftl.  Zoologie    Bd.   32. 
1879. 


Studien  iiber  Coelenteraten.  547 

„Ueber  den  feinercn  Bau  der  Tubularion  u.  s.  w."  diese  Fortsatze 
bei  T.  mesenibryanthemum.  Seine  Darstcllung  des  feineren  Baues 
erstreckt  sich  jedoch  nur  auf  die  Untersucliung  der  Tentakeln  un- 
ter  deni  Mikroskop!  Nun  sind  dieselben  schon  an  und  fur  sich 
ziemlich  durchsichtig  und  hat  es  derselbe  deshalb  flir  unnotig  bc- 
funden,  die  Schnittmethode  zur  Hilfe  zu  uehmen.  Infolge  dessen 
ist  er  zu  falscheu  Anschauungen  gelangt,  wie  ich  an  einem  ande- 
ren  Orte  dargetan  habe. 

Nach  diesem  Autor  sollen  die  Fortsatze  sich  zu  eiuer  Schicht 
feinster  Fibrillen  uber  den  Muskelfibrillen  auflagern.  Nie  habe 
ich  dies  beobachten  konnen.  Kein  Querschnitt  durch  die  Teutakel, 
kein  Schnitt  durch  das  Tier  zeigt  ein  solches  Verhalteu.  Es  be- 
ruht  diese,  wie  fast  alle  anderen  Beobachtungen  in  dieser  Arbeit 
auf  Tauschungen, 

Die  Fortsatze  enden  bei  Tubularia  zwischen  den  Muskel- 
fibrillen, das  heisst,  sie  konnen  nicht  weiter  verfolgt  werden.  Uni 
iiber  ihre  ware  Endigung  klar  zu  werden,  ist  diese  Gattung  ein 
schlechtes  Objekt,  da  diese  Fortsatze  sehr  fein  sind. 

Das  Ektoderm  der  Tubularien  b(;steht  erstcns  aus  den  schon 
von  Hydra  her  bekannten  grossen  Exoderrazellen ,  zweitens  aus 
kleineren  Zellen,  welche  zwischen  den  grosseren  an  der  Basis  zer- 
streut  liegen  und  oft  auf  weite  Strecken  garnicht  zu  finden  sind. 
Diese  beidcn  Zdlenarten  liegen  einer  Schicht  von  echten  Muskel- 
fibrillen auf,  welche  wiederuni  der  Stiitzlamelle  aufliegt. 

Die  Cnidozellcn  entsenden  nun  einen  oder  mehrere,  oftmals 
beobachtet  man  drei,  feine  Fortsiitzc  nach  der  Stiitzlamelle.  Schon 
an  jungen  Actinulae  kann  man  dieselben  beobachten  (s.  Fig.  10 
Taf.  XXVI). 

Wir  wollen  hier  nicht  niiher  auf  die  Beschrcibung  der  Ubrigen 
Polypen  eingehen.  Wir  constatiren  das  Vorkommen  von  Fortstitzen 
bei  sammthchen  Polypen. 

In  Fig.  14  sind  Cnidozellen  von  oben  gesehen,  wie  sie  an 
Carmin-Canadabalsampraparateu  sich  zeigen.  Das  Protoplasma  ist 
dann  zu  einer  sternformigen  Figur  um  die  Kapscl  zusammenge- 
schrumpft.  * 

In  Fig.  17  ist  von  Pennaria  eine  Makroknidie,  in  Fig.  19  Cni- 
dozellen von  Aglaophenia  abgebildet. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  don  Siphonophoren.  Hier  sind  die 
Fortsatze  zuerst  von  Glaus  bekannt  gegebcn  und  ihre  Natur  als 
Stiitzfasern  angesprochen  worden. 

Bei  Velella  spirans  sind  die  Fortsatze,  welche  von  ziemlicher 

35* 


548  Dr.    otto   Hamann, 

Starke  erschcinen ,  bis  an  die  Stiitzlamelle  zu  verfolgeii.  Sie  sind 
hier  weit  stiirker  als  die  Muskeln.  Bei  Velella  fiiiden  sicli  iiberall 
ira  Exodenii ,  audi  auf  den  Polypeii ,  Ganglienzellen  und  Nerven- 
faden  zerstreut  vor.  Ein  Uebergang  jedoch  von  diesen  Fortsatzen 
in  Nerveu  ist  nirgends,  an  keinem  Quer-  oder  Langsschnitt  zu 
constatiren.  Oft  glaubt  man,  dass  dem  Fortsatz  ein  Kern  anliege. 
Doch  bei  nalierem  Zusehen  findet  man,  dass  dies  der  Kern  mit 
der  Epithelmuskelzelle  ist,  welche  von  cylinderformiger  Gestalt 
erscheint  und  der  Cnidozelle  nebst  Fortsatz  eng  anliegt. 

An  Isolationspraparaten ,  die  durch  klopfen  erzielt  werdcn, 
kanu  man  beobachten,  wie  jeder  Fortsatz  fest  aufsitzt,  ob  auf  der 
Stiitzlamelle  oder  der  Muskelschicht ,  ist  jedoch  nicht  zu  unter- 
sclieiden  —  nur  soviel  ist  zu  sehen ,  dass  er  eben  fest  auf  einer 
Unterlage  aufsitzt,  sich  jedoch  nicht  in  Form  von  Fibrillen  auf 
dersclben  auflegt. 

Das  ware  Verhalten  der  Fortsatze  wird  uns  erst  bei  der  Un- 
tersuchung  der  Craspedoten  -  Medusen  kund.  Wir  untersuchten 
Tiara  pileata,  Geryonia  und  Carmarina  hastata.  Die  Cnidozellen 
entsenden  iiberall  Fortsatze. 

Das  schonste  Untersuchungsobjekt  ist  Carmarina  hastata,  die 
grosste  unter  den  Geryoniden, 

Schon  an  Situspraparaten  fallen  die  Cnidozellen  auf  mit  ihrem 
langen  Fortsatz,  der  meist  von  der  Zelle  selbst  sich  ablost. 

Legt  man  nun  Querschnitte  durch  die  Tentakel,  so  erhiilt  man 
folgendes  Bild  (Fig.  1,  2,  Taf.  XXVI). 

Zuniichst  fallt  das  stark  entwickelte  Exoderm  auf.  Die  Cni- 
dozellen stehen  dicht  gedrangt  die  eine  an  der  anderen.  Die 
eigentlichen  Exodermzellen  sind  von  cylindrischer  Gestalt. 

Die  Muskelfibrillen  sind  in  die  Stiitzlamelle  geruckt  und  liegen 
hier  in  Faltungen.  An  feinen  Querschnitten  kann  man  nun  deut- 
lich  die  einzelnen  Fortsatze  der  Cnidozellen  erkennen  und  zwar 
ist  hier  die  Endigung  des  Fortsatzes  in  der  Stiitzlamelle  zu  con- 
statiren. Hiermit  ist  die  Natur  der  Fortsatze  der  Cnidozellen  als 
Stiitzfasern  erkannt. 

Hat  man  vor  dem  Schneiden  mit  Pikrocarmin,  welchem  man 
3  •'/„  Ammoniakcarmin  zugefiigt  hat,  den  Tentakel  gefarbt,  so 
wird  die  Stiitzlamelle  nebst  den  ausgehenden  Fortsatzen  rosa  ge- 
farbt und  der  direkte  Uebergang  von  Fortsatz  in  die  Stiitzlamelle 
ist  schon  und  deutlich  zu  erkennen. 

Auch  an  Isolationspraparaten,  welche  zur  Controlc  angefertigt 


Studien  liber  Coelenteraten.  549 

warden,  uberzeugt  mau  sich  von  der  Richtigkeit  der  ebon  gege- 
beuen  Darstellung. 

Zur  Darstellung  von  Isolationspraparaten  eignet  sich  folgeude 
Methode.  Man  fertige  nicht  zu  duune  Schnitte,  welche  man  in 
Glycerin  untersucht  und  isolirt  die  cinzelnen  Telle  durch  klopfen 
auf  das  Deckglas.  Oder,  falls  man  in  Paraffin  eingebettet  hatte, 
bringe  mau  die  Schnitte  wiederum  in  Alkohol  zuriick  und  isolire 
nun  die  cinzelnen  Gewebselemente  durch  klopfen.  In  vielcn  Fall(;n 
ist  diese  Methode  der  Macerirung  vorzuziehen,  da  die  Gewebe 
nicht  leideu. 

Oft  findet  man,  dass  sich  der  Fortsatz  einer  Cnidozelle  in 
zwei  Auslaufer  teilt,  welche  dann  getrennt  zur  Stiitzlamelle  laufen.  — 

Was  nun  die  hoheren  Medusen,  die  Acraspeden  anlangt,  so 
wurde  Pelagia  perla  und  noctiluca  untersucht.  An  Querschnitten 
durch  den  Tentakel,  der  sich  am  besten  von  alien  Organen  der 
Medusen  zur  Untersuchung  der  Cnidozellen  eignet,  findet  man  zu- 
nachst  das  Exoderm  mit  der  Muskelschicht  am  Grunde  derselben. 
Die  stark  entwickelte  Muskulatur  ist  auch  hier  der  miichtigen  Stiitz- 
lamelle eiugelagert  und  stellt  das  in  Fig.  3  gegebenc  Bild  dar. 
In  Fig.  4  ist  ein  Stiick  des  Exoderm  starker  vergrossert  abgebildet, 
urn  die  Fortsatze  der  Cnidozellen  zu  zeigen.  Jede  Cnidozelle  ent- 
sendet  Fortsatze  und  zwar  meist  drei  aus,  wiirend  an  anderen 
nur  ein  einziger  beobachtet  wird.  Die  Endigung  der  Fortsiitze 
ist  hier  wegen  der  Feinheit  der  Fortsatze  nicht  zu  sehen,  doch 
steht  auch  hier  soviel  fest,  dass  dieselben  nicht  etwa  sich  in  (ie- 
stalt  von  Muskelfibrillen  oder  gar  Nerven  verzweigen.  — 

Es  bleiben  nun  noch  die  Actinien  ubrig,  bei  wclchen  O,  und 
R.  Her  twig  den  Fortsatz  als  Nerven  deuten  zu  konnen  glauben. 
Das  entwickelte  Tier  schien  mir  zur  Untersuchung  nicht  geeignet 
und  nahm  ich  deswegen  die  Larven  vor.  An  Quer-  und  Liings- 
schnitten  durch  junge  Larven,  bei  welchen  sich  bereits  8  Septen 
augelegt  hatten,  ist  nun  der  Uebergang  des  Fortsatzes  in  die 
Stiitzlamelle  zu  constatiren.  An  diesen  jungen  Larven  geht  der 
ziemlich  stark  entwickelte  Fortsatz  senkrecht  zur  Stiitzlamelle. 
Als  nervos  kann  derselbe  deshalb  nicht  bezeichnet  werden  und 
sind  die  Cnidozellen  auch  bei  den  Actinien  keine  Sinuesorgane. 

In  Fig.  20  ist  eine  Cnidozelle  einer  Actinienlarve  abgebildet, 
warend  in  Fig.  24  zwei  Stiitzzellon,  welche  ebeiifalls  auf  der  Stutz- 
lamelle  inseriren,  abgebildet  sind. 


550  Dr.  Otto  Hamanu, 


Entstehung  der  Portsatze  und  Deutung  der  Cnidozellen. 

Wir  treten  nun  an  die  Fragen  heran:  Wie  siud  diese  Fort- 
siitze  entstanden  und  wie  haben  wir  nach  den  raitgeteilten  Beobach- 
tungen  die  Cnidozellen  als  Sinnesorgane  zu  deuten? 

Wenn  wir  an  die  Beantwortung  der  ersten  Frage  gehen,  so 
miissen  wir  gestelien,  dass  wir  nur  Vermutungen  iiber  den  Ursprung 
del"  Fortsiitze  vorbringen  konnen. 

Wir  wissen  bestimmt,  dass  die  Cnidozellen  interstitielle  Zellen 
sind,  welche  eine  Nesselkapsel  im  Inneren  gebildet  haben  und 
dann  aus  der  Tiefe  nach  der  Peripherie  des  Exoderms  wandern. 
Dass  die  Kapsel  vom  Protoplasma  der  Zelle  ausgeschieden  wird 
und  nicht  aus  der  Umbildung  des  Kernes  entsteht,  ist  durch  das 
Auffinden  desselben  nach  der  Entstehung  der  Kapsel  entschieden. 

Man  kann  nun  entweder  den  Fortsatz  als  Rest  der  Bildungs- 
zelle  der  Nesselkapsel  ansehen,  oder  aber  als  ein  neues  Produkt 
derselben. 

Wir  miissen ,  denn  dies  ist  das  Wahrscheiniichere ,  der  inter- 
stitiellen  Zelle  die  Tiitigkeit  zuerkennen ,  eine  Kapsel  zu  erzeugen 
und  zugleich  einen  Fortsatz  auszuscheiden,  welcher  mit  der  Stiitz- 
lamelle  in  Verbindung  tritt.  Dieser  Fortsatz  ist,  wie  die  gleiche 
Farbung  mit  der  Stiitzlamelle  zeigt,  von  derselben  oder  doch  sehr 
iinlichen  Beschaffenheit.  Er  ist  nicht  ein  einfacher  Protoplasma- 
fortsatz,  denn  warum  sollte  man  denselben  dann  nicht  stets  bei 
jeder  belieben  Maceration  noch  in  Verbindung  mit  dem  Plasma 
der  Zelle  finden?  Dass  man  ihn  nur  bei  sehr  sorgfaltiger  Mace- 
ration bei  den  meisten  Coelenteraten  antrifft,  hat  seinen  Grund 
in  der  verschiedenen  Beschaffenheit  seiner  Substanz  von  dem  Pro- 
toplasma der  Bildungszelle. 

Lange  Zeit  hat  man  ja  iiberhaupt  diese  Fortsatze  nicht  ge- 
funden,  erst  mit  den  neueren  Methoden  war  es  moglich,  sie  zu 
entdeckon.  So  beschreibt  Mobius^),  der  erste,  welcher  die  Cni- 
dozellen auf  Funktion  und  Entstehung  niiher  untersuchte,  dieselbeu 
noch  nicht. 

Wie  haben  wir  nun  die  Nesselkapseln  zu  deuten?  Sind  sie 
Sinnesorgane  ? 


1)  Mobius,  TJeber  den  Bau,  Mechanismus  und  Entwicklung 
der  Nesselkapseln.  Abhandlungen  des  naturwiss.  Vereins  zu  Ham- 
burg, 1866. 


Sfcudien  iiber  Coelenterateu.  551 

Was  die  Fortsiitze  anlangt,  so  wurden  dieselben  von  Ko- 
rotneff  in  seinen  Untersucliungen  iiber  Lucernarien  schlechthiu 
als  Nerven  angesprochen ,  eine  Ansicht,  die  jeder  Begrundung  ent- 
behrte  und  bereits  von  Glaus  i)  zuriickgewiesen  wurde.  Was  nun 
aber  zu  Gunston  einer  Deutung  als  Sinnesorgane  spricht,  ist  das 
Vorhandensein  des  von  Fr.  E.  Schultze-)  nalier  beschriebenen 
und  Cnidocil  benannten  Harcheus,  „wclclies  neben  dem  Ausstul- 
pungspole  der  Nesselkapsel  abgeht  als  eine  direkte  Fortsetzung 
des  die  Kapsel  umhiillenden  kornigen  Zellenleibes." 

Gewis  lag  zuniichst  nichts  naher,  als  dieses  Harchen,  welches 
iiber  die  Exodermzellen  frei  hervorragt,  als  ein  den  Siuneshar- 
chen  der  Medusen  homologes  Gebilde  zu  erklitreu.  Ein  Nachweis 
jedoch  musste  vor  allem  erbracht  werden,  wenn  man  die  Cnido- 
zellen  selbst  als  Sinnesorgane  betrachten  sollte,  namlicb  der  des 
Zusaniraenhanges  mit  Nerven. 

Die  Deutung,  welche  von  Fr.  E.  Schultze  iiber  die  Funk- 
tion  der  Cnidozellen  aufgestellt  ist,  halte  ich  fiir  die  der  Warheit 
am  niichsten  kommende.  Sie  wird  durch  die  Beobachtungen,  iiber 
die  wir  obeu  berichteten,  gestiitzt.  Der  genannte  Forscher  findet 
in  dem  auf  die  Cnidocils  ausgeiibten  Druck  den  ersten  Anstoss 
zur  Entladung  der  darunter  gelegenen  Kapsel,  sei  es  nun,  dass 
man  sich  eine  direkte  Uebertragung  dieses  Druckes  auf  die  als 
Basis  jeden  Hilrchens  dienende  Protoplasmahiille  der  Nesselzcillen 
und  durch  diese  auf  die  Seitenwand  der  Kapsel,  oder  eine  durch 
den  mechanischen  Reiz  hervorgerufene  Contraktion  des  Proto- 
plasmas  der  Nesselzelle  vorstellt." 

Dieser  Ansicht  pflichte  ich  bei  und  halte,  da  nachgewiesen 
ist,  dass  der  bei  alien  Cnidozellen  vorkommende  Fortsatz  mit  der 
Stiitzlamelle  in  Zusammenhang  steht,  und  folglich  als  Stiitzfaser 
betrachtct  werden  muss,  die  Ansicht  fiir  widerlegt ,  welche  in  den 
Cnidozellen  Sinneszellen  zu  finden  glaubte.  Es  sind  teils  zum 
Schutze,  teils  zum  Fangen  der  Beute  dienende  Waffen,  worauf 
auch  die  in  den  Kapseln  enthaltene  Fliissigkeit,  welche  der  Ameisen- 
saure  nahe  steht,  hinweist,  durch  welche  die  mit  dem  aus  der 
Kapsel  hervorgeschnellten  Faden  in  Berurung  gekommenen  Tiere 
getotet  werden.  — 


')  Glaus,  Ueber  Halistemma  tergestinum,  Wien,   1878.  pag.  41. 
2)  Fr.  E.  Schultze,  Cordylophora. 


552  Br.   Otto  Hamann, 


II.     Die  Pseudopodienzellen  bei  Hydra. 

Obgleich  Hydra  in  ihreii  beiden  Arten  schon  so  oft  Objckt 
der  Untersudiungen  gewesen  ist  und  durcli  die  Monographic 
Klein  en  bergs  der  Gegenstand  erschopft  zu  sein  schien,  so  ist 
denuoch  Manchcs  unaufgeklilrt.  So  ist  bisher  die  Frage :  Wie  ge- 
schieht  die  Anlieftung  an  fremde  Gegenstande  vermittels  des  Fusses? 
noch  nicht  niiher  beantwortet.  Warend  die  Hydroidpolypen  des 
Meeres  einmal  festgesetzt  auf  ihrem  Flecke  verharren,  so  kann, 
wie  bekanut,  Hydra  iliren  Ort  beliebig  wechseln. 

Betrachtet  man  den  Fussteil  einer  Hydra,  es  ist  gleicli,  welche 
Art  cs  ist,  so  erkennt  man,  dass  die  Exodermzellen  derselben  von 
anderer  Besdiafifenheit  sind  als  die  des  iibrigen  Korpers.  Sclion 
Kleinenberg  bemerkte  den  Unterschied  und  bildet  auf  der  er- 
sten  Tafel  seiner  Monographie  einige  solche  Zellen  ab. 

Diese  Zellen  sind  von  cylindrischer  Gestalt;  ihr  Inhalt  er- 
scheint  nicht  wie  der  der  iibrigen  Zellen  hell ,  sondern  das  Proto- 
plasma  ist  lein  granulirt.  Nach  vorhergegangener  Farbung  tritt 
in  jeder  Zelle  ein  Kern  hervor,  der  mit  seinem  Kernkorperchen 
meist  in  der  Mitte  der  Zelle  liegt. 

Isolirt  man  aber  die  Zellen  durch  Maceration,  so  treten  die 
als  Muskelfibrillen  bekannten  Fortsatze  zu  Tage.  Warend  aber 
an  den  Exodermzellen  des  Korpers  von  jeder  Zelle  zwei  Fibrillen 
ausgclien,  findet  sich  hier  immer  nur  einer  an  jeder  Zelle. 

Urspriinglich  sind  also  diese  Zellen  Nervenmuskelzellen  und 
erst  sekundiir  haben  sie  die  Funktion,  Schleim  abzusondern,  und 
dadurch  die  Anheftung  des  Tieres  zu  bewirken,  erlangt.  Dass 
aber  wirklich  ein  Sekret  zur  Abscheidung  gelangt,  erkennt  man 
am  besten  auf  folgende  Weise.  Man  bringt  die  Hydra  auf  einen 
hoi  geschliffenen  Objekttrager  und  deckt  die  Cavitat  mit  einem 
Deckglas  zu.  Binnen  kurzem  wird  es  sich  mit  der  Fussscheibe 
an  dem  Deckglase  anheften.  Man  kann  nun  vermittels  mittlerer 
Vergrosserung  einen  hellen  Saum  von  einem  schleimartigen  Sekrete 
herrurend,  rings  um  die  Fussscheibe  warnehmen.  Sieht  man  Itlnger 
zu,  so  erblickt  man  Pseudopodien,  welche  von  den  Zellen  der 
Fussscheibe  ausgesendet  und  wieder  eingezogen  werden.  Oder, 
um  es  besser  auszudrucken,  die  Zellen  der  Fussscheibe  ziehen  sich 
in  Pseudopodien  aus,  warend  das  Tier  in  Bewegung  ist. 

Hydra  bewegt  sich  meist  vermittels  der  Tentakeln  vorwarts 
und  riickt  nun  die  Fussscheibe  auf  der  Unterlage  gleitend  nach. 


Studien  iiber  Coelenteraten,  553 

Wareud  sich  die  einzelnen  Zellen  in  Pseudopodieu  ausziehen,  gehen 
die  Zellgrenzen  ganzlich  verloren.  Es  gewart  nun  ein  hubsches 
Bild,  wcnn  man  sieht,  wie  die  Protoplasmafiidcn  auftreten,  wieder 
eingezogen  werden ,  warend  schon  wieder  andcre  Fortsatze  auftre- 
ten ,  mit  einander  verschmelzen ,  um  wieder  zu  regelrechten  Zellen 
zu  werden. 

Setzt  man  eine  geringe  Quantitat  Essigsliure  hinzu,  so  ge- 
schieht  die  Bewegung  des  Tieres  noch  schneller  als  unter  norma- 
len  Verhaltnissen. 

Ich  fiige  noch  hinzu,  dass  in  der  Fussscheibe  sich  nicht  die 
interstitiellen  Zellen  finden  und  dass  niemals  Nesselkapseln  in 
derselben  angetroffen  werden. 

In  Fig.  5  und  6  sind  die  Fussscheiben  von  in  Bewegung  be- 
griffenen  Poly  pen  von  der  Seite  gesehen  dargestellt.  Man  sieht 
neben  Zellen,  welche  ihre  urspriingliche  Gestalt  besitzen,  andere, 
welche  in  Pseudopodieu  ausgezogen  sind. 

Findet  nun  etwa  bei  den  iibrigen  Polypen  eine  gleiche  Eigen- 
schaft  der  Fussscheibe,  Pseudopodieu  auszusenden,  Statt? 

Bei  dem  Scyphostoma  von  Aurelia  habe  ich  nie  etwas  derar- 
tiges  warnehmen  konnen.  Die  Zellen  selbst  gleichen  denen  der 
Hydra,  doch  scheiuen  sie  diese  Fahigkeit  eingebusst  zu  haben. 
Denu  dass  wir  es  hier  mit  einem  primitiven  Zustande  zu  tun 
haben,  ist  wol  einleuchtend. 

Was  nun  die  Planulae  der  Polypen  anlangt,  so  habe  ich  die 
Entsendung  von  Pseudopodieu  nie  sehen  konnen.  Die  Planulae 
wechseln  aber  nie  ihren  Platz,  sondern  setzen  sich  nach  langerem 
Umherschwimmen  an  einer  bestimmten  Stelle  fest,  um  hier  zum 
fertigen  Polyp  auszuwachsen.  Es  wird  von  den  Zellen  der  Fuss- 
scheibe sofort  eine  chitinartige  Masse  ausgeschieden ,  welche  die 
Fixirung  vollkommen  herstellt. 

Bei  dem  Genus  Tubularia  bieten  die  Actinulae  zwar  auch  den 
Unterschied  der  Zellformen  des  Ektoderms  dar,  doch  wird  hier 
bereits  warend  des  Umherschwarmens  um  die  Fussscheibe  ein  feines 
Chitinhautchen  abgeschieden  und  somit  jede  etwaige  Pseudopodien- 
entsendung  gehindert. 

Urspriinglich  werden  alle  Zellen  des  Exoderms  die  Fahigkeit 
gehabt  haben,  Pseudopodieu  auszustrecken. 

Die  einschichtige  Blastosphaera  wird  ein  Haufen  von  Zellen 
gewesen  sein,  welche  sammtlich  die  Eigenschaft  hatten,  vermittels 
Pseudopodieu  sich  fortzubewegen.  Dadurch  aber,  dass  einzelne 
Pseudopodieu    fixirt    wurden    und    zu   Flimmerharen    umgebildet 


554  Di*.   Otto  Hamann, 

erscheinea,  ist  eine  weitere  hohere  Entwicklungsstufe  erreicht.  Wir 
sehen  die  Flimmerhare  als  fixirte  Pseudopodien  an.  — 

Ucberdies  ist  diese  Eigenschaft  der  Pseudopodienentseud\jiig 
noch  iiisoferu  alien  Zellen  des  Polypenleibes  innewonend,  als  sie 
sofort  eintreten  kanu,  wenn  cin  Vorteil  fiir  das  Tier  damit  ver- 
kniipft  ist.  So  ist  oft  das  Exoderm  in  den  Chitinroren,  dera  Pe- 
risark  in  Pseudopodien  ausgezogen,  welche  die  Anheftung  ver- 
mittcln. 

Ebenso  tritt  dieses  Verhalten  an  den  Gonophoren  und  an- 
deren  Orten  ein,  wie  ich  in  einer  grosseren  demnachst  erscheinen- 
den  Arbeit  dartun  werde. 

Etwas  anliclies  finden  wir  in  den  Nematophoren  der  Plumu- 
larien  und  Aglaophenien.  Hier  haben  die  Zellen  eine  ilnliche 
Eigenschaft.  Doch  werde  ich  auch  hieriiber  an  einem  anderen 
Orte  berichten. 

Ich  glaube ,  dass  die  mitgeteilte  Beobachtung  eine  neue  Stutze 
ist  fiir  die  Ansicht ,  dass  Hydra  eine  der  Stammform  der  Hydroid- 
polypen  sehr  nahestehende  Form  ist. 

Denn  warend  bei  alien  anderen  Polypen  bereits  ein  Skelett 
gebildet  wird,  ist  dies  bei  Hydra  nicht  der  Fall,  es  kommt  nur 
zur  Ausscheidung  eines  Sekretes  seitens  der  drusigen  Zellen  der 
Fussscheibe.  Es  scheint  letzteres  der  primitive  Zustand  zu  sein. 
Freilich  konnen  Gegner  dieser  Ansicht  einwenden,  dass  im  Siiss- 
wasser  das  Skelett  riickgebildet  worden  sei. 

Was  aber  mir  zu  Gunsten  der  ersteren  Ansicht  zu  sprechen 
scheint ,  ist  das  Verhalten  der  Tentakelu  bei  Hydra.  Warend  die- 
selben  bei  alien  anderen  Polypen  solid  sind,  sind  sie  hier  hoi. 
Und  den  ersteren  Zustand  als  den  urspriinglichen  anzunehmen  ist 
undenkbar  und  unmoglich,  doch  hiervon  auch  an  anderem  Orte 
mehr.  — 


Nach  dem  Abschlusse  dieses  Manuskriptes  im  Dezember  1881 
—  die  Veroffcntlichung  wurde  verzogert  —  erschien  im  zool.  An- 
zeiger  Nr.  99  1881  eine  Mitteilung  von  Chun  iiber  die  „Natur 
und  Wirkungsweise  der  Nesselzellen  bei  Coclenteraten."  Obgleich 
seine  Untersuchuugen  sich  nur  auf  ein  in  Osmiumsaure  conservir- 
tes  Stuck  einer  Siphonophore ,  Physalia,  beziehen,  hat  er  diese 
gefundenen  Tatsachen  als  fiir  siimmtliche  Coclenteraten  geltend  an- 
genommen.  Diese  Verallgemeinerung  ist  jedoch  nicht  richtig.  Chun 
beschreibt,   um   einen  Hauptpunkt  hervorzuheben ,   an   den  Fort- 


Studien  iiber  Coelenteraten,  555 

satzen  der  Nesselkapselzellen  eine  feine  Querstreifung  (bei  Phy- 
salia)  imd  glaubt,  sie  als  Muskelfascrii  aiisprechen  zu  miissen. 

.  Mag  sich  nun  dies  bcwarbeiteu ,  so  steht  soviel  fest,  dass  bei 
den  iibrigen  Sipbonopboren,  wie  Velellen,  bei  Halistemma,  die 
Fortsatze  nicbt  muskuloser  Natur  sind,  sonderu  Sttitzfasern.  In 
den  Angabeu  von- CI  a  us  i)  iiber  Sipbonopboren  wird  dies  in  be- 
stimmtester  Weise  bebauptet  und  balte  icb  diese  Ansicbt  fiir  allein 
ricbtig  und  den  Tatsacben  entsprecbend. 

Chun  stiitzt  sich  daun  auf  die  Angaben  von  Ciamician  an 
Tubularia,  und  0.  u.  R.  Her  twig.  Er  sagt,  dass  die  Gebruder 
Hertwig  die  Fortsatze  „mit  Entschiedenbeit"  als  nervose  Auslaufer 
erkliirt  hatten. 

Gerade  das  Gegenteil  ist  der  Fall.  Diese  Autoren  sagen  sehr 
vorsicbtig:  „Mebrere  Beobacbtuugen  macben  es  warscheinlich,  dass 
die  Nesselzelleu  mit  dein  Nervensystem  in  Verbindung  steben, 
indeni  sie  nach  der  Stiitzlamellc  zu  sich  in  feine  Fibrillen  ver- 
laugern"2).  An  jungen  Larven,  wclcbe  0.  u.  R.  Hertwig  nicbt 
untersucbten,  ist  aber  der  Zusanimenhang  rait  der  Stlitzlamelle 
nachweisbar ,  wie  oben  bemerkt  wurde. 

Wie  dem  nun  aucb  sei,  wir  balten  unserc  Anschauung  fur 
rich  tig  undglauben,  dass  die  Chunsche  Auffassung  aucb  fiir  die 
Sipbonopboren  uicht  baltbar  ist.  — 

^)  C.  Glaus,  Ueber  Halistomma  tGrgestinum,  Wien  1878,  p.  40|41. 
2)  0.  u.  R.  Hortwig,  Die  Aciinicn.     Jena,   1879.  p.  176. 


556  Dr.   Otto  Hamann, 


Erklarung  der  Tafeln. 

Tafel  XXVI. 

Fig.  1 .  Querschnitt  durch  eiueu  Teutakel  von  Carmarina  ha- 
stata.  eki.  =  Exoderm  mil  den  Nesselkapselu,  ///.  =  Muskeln, 
welchc  auf  dem  Querschnitt  getroffen  sind.  ^<ill-  =  Stiitzlamelle. 
eiil.   =  Entoderm. 

Fig.  2.  Das  mit  x  bezeichnete  Stiick  von  Fig.  1  starker  ver- 
grossert,  um  den  Zusammenhaug  des  Fortsatzes  (/)  der  Nesselkap- 
sel  nkz.  mit  der  Stiitzlamelle  (ga/l.)  zu  zeigen.  Zeiss.  /).  oc.  2. 
Die  Exodermzelleu ,  welche  zwischen  den  Stutzfasern  liegen,  siud 
nicht  mitgezeichnet. 

Fig.  3.  (iuerschnitt  durch  einen  Tentakel  von  Pelagia  perla. 
Bezeichnung  wie  in  Fig.  1. 

Fig.  4.     Ein  Stiick  des  Exoderms  vergrossert. 

Fig.  5.  Einzelne  Cnidozellen  mit  Fortsatzen  von  derselben  Art. 
en.  =  Cnidocil.     b\  oc.  1. 

Fig.   6.     Cnidozellen  von  Tiara  pileata.      F.  oc.  2. 

Fig.  7.  Stiick  eines  Schnittes  durch  einen  Polypen  von  Velella 
spirans.  Im  Exoderm  sieht  man  die  Kapseln  mit  den  Fortsatzen. 
Zwischen  letzteren  liegen  die  pallisadenformigen  Epithelmuskelzellen 
mit  ihren  Kernen.     D.  oc.  2. 

Fig.  8.  Einzelne  Cnidozelle  mit  anliegender  Epithelmuskelzelle. 
n  =  Kern  der  letzteren. 

Fig.  9.     Desgleichen. 

Fig.  10.  Exoderm  von  einer  Actinula  von  Tubularia  larynx, 
zwei  Tage  nach  der  Anheftung.  n  =  Kern  der  grossen  Exoderm- 
zellen.     Immers.   ^/^g-     oc.  4. 

Fig.  11.  Zwei  Cnidozellen  von  Tubularia  larynx.  Imm.  ^/^j. 
oc.   4. 

Fig  12.  Cnidozellen  im  Zusammenhang  von  derselben  Art.  F. 
oc.    2. 


Studien  iiber  Coeleuteraten.  557 

Fig.  13.  Cnidozelleu  vou  obeu  gosehen  von  den  Aboralteuta- 
keln.     Imm.    7^^.     oc.   4.     n  =  Kern*  der  Cuidozelle. 

Fig.  14.  Desgleichen  Cnidozellen  von  obeu  gesehcu.  Canada- 
balsampraparat.  Das  Protoplasma  bildet  eiue  sterufdrmigc  Gcstalt  um 
die  Kapsel.     Imm.   ^/i^*     '^^'   '^■ 

Fig.   15.     Drei  Cnidozellen  von  Hydra  viridis.     F.  oc.  2. 

Fig.   16.     Zwei  Cnidozellen  von  Hydra  fusca.    Imm.  ^/^g.    uc.  2. 

Fig.   17.     Makroknidie  von  Pennaria  Cavolini.     F.  uc.  2. 

Fig.   18.     Zwei  Mikroknidien  von  derselben  Art.      ^/^g-     "<'•   4. 

Fig.  19.  Zwei  Cnidozellen  von  Aglaophenia  aus  den  Nemato- 
phoren.     en.   =  Cnidocil.    //  =  Kern  der  Zelle. 

Fig.  2  0.  Cnidozelle  von  einer  Actinienlarve  uach  Anlago  der 
acht  Septen. 

Fig.  2  1.     Palpocil  von  Syncoryne  Sarsii  nach  F  r.  E.  Schultze. 

Fig.  2  2.     Ganglienzelleu  von  Velella  spirans.     Polyp. 

Fig.  2  3.  Exoderm  einer  Actinienlarve,  um  die  Nesselkapsel- 
zeUen  zu  zeigen.      in  der  Mitte  liegt  eine  Driisenzelle.      F.   oc.  2. 

Fig.  2  4.     Stiitzzellen  derselben   Art  mit  den  Flimmerharen. 

Tafel  XXVn. 

Sammtliche  Figuren  beziehen    sich  auf  Hydra. 

Fig.  1.  Die  Ektodermzellen  der  Fussscheibe  von  der  Seite  ge- 
sehen  am  lebenden   Tier.     F.  oc.  2. 

Fig.  2.     Dieselben  Zellen   von  oben  gesehen. 

Fig.  3.  Zwei  isolirte  Zellen,  um  die  Muskelfibrillen  zu  zeigen. 
In  der  Mitte  der  Zelle  wird  der  Kern  sichtbar  //. 

Fig.  4.  Die  Fussscheibe  von  der  Seite.  Man  sieht  den  von 
den  Zellen  abgesonderteu  uud  zur  Anheftung  dienenden  Schleim.  D. 
oc.   2. 

Fig.  5.  Die  Fussscheibe  eines  lebenden  Tieres.  Sammtliche 
Zellen  sind  in  Pseudopodien  ausgezogcn.  Die  Bewegung  geschieht 
in  der  Richtung  des  Pfeiles.     D.  oc.  2. 

Fig.  6.  Desgleichen.  Man  sieht,  wie  cinzelne  Zellen  ihre  Ge- 
stalt  bchalten  haben,  uud  andero  in  Pseudopodien  ausgezogen  sind. 
D.  oc.  2. 


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Frommannsche  Buchdruckerei  (Hermann  Pohle) 
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Verla»"v  GustavKscher  in  J  n 


LitKAnsty.GCMuUiT.Jena. 


Jen<iisch£  Z^eitsckrift,Bd.Xl^ 


Taf.F 


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W.Breitenbach  del. 


Verlagi/.Custav  Fischer^Jena. 


'ith.CC.MullerJena. 


Jmaische  Zeitschrift,  Bd.  M^ 


TafV. 


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W.Breitenbach  del. 


Verla|;v  Custav  FischenJena 


lith.CaMullerJena. 


Jtnaische  Zeit^cJ-irift,  EdXl". 


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W.8reitenbach  d 


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Verlag'v.Gustav  Fischer  in  Jena. 


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LitUnstvCCMulkJena 


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Jtnaische  Zd/schrifi,  Bd. M' 


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Verlag  »or  tustav  Fischer  in  Jena 


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Verlag vGustav  Fisrher  in  Jena 


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Jenaisclie  Zeitschrift 


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NATUPiWISSENSCHAFT 

herausgegeben 
von  der 

medicinisch  -  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 
zu  Jena. 


Fiinfzehnter  Band. 

Neue  Folge,   Achter  Band. 
Erstes   Heft. 


Mit  6  Tafeln. 


Preis :  6  Mark. 


J  e  u  a^ 

Verlag  von  Gustav  Fischer 

vormals  Fi'iedrich  Mauke. 

1881. 


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Zusendungen  an  die  Eedaktion  erbittet  man  durcli  die  Verlagsbuchhandluug. 


1 


I  n  h  a  1 1. 

Seite 
Oscar  und  Richard  Hertwig,  Die  Coelomtheorie.    Versuch 

einer  Erklarung  des  mittleren  Keimblattes ,  mit  3  Tafeln      .  1 

Wilhelm  Breiteubach,    Beitrage    zur  Kenntniss  des  Baues 

der  Sehmetterlings-Eiissel,  mit  3  Tafeln 151 


Verlag  von  Gebriider  Borntraeger   in  Berlin: 

Die  Pflanzen-Mischlinge. 

Ein  Beitrag  zur  Biologie  der  Gewachse 

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Wilhelm  Olbers  Focke. 

1880,  IV  u.  569  S.  gr.  8.     geh.     Preis  11  M. 


Diesem  Hefte  liegt  das  300.  Blicher-Verzeichniss   von  R.  Fried- 
lander  &  Sohn  in  Berlin  bei. 


Druck  Ton  E  fl.  From  man  n  in  Jena. 


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Jenaisclie  Zeitscbrift 


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NATURWISSENSCIIAFT 

herausgogeben 
von   del" 

medicinisch  -  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 
zu  Jena. 


Funfzehnter  Band. 

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Mit  9  Tafeln. 


Preis:   6  Mark. 


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A'oimals   Fiictlricli   I\[;uiUe. 

1881. 


Zusendungeu  an  die  Reduktlon  erbitlet  mau   durch  die  Verlagsbuchhandlung. 
Ausgegeben   am   31.  Juli    1881. 


I II  h  n  1 1. 

Seite 
"^Heinrich  Sclineider,  Uebcr  die  Augenranskelnorveu   der  Cia- 

noiden,  mit  2  Tafeln 215 

Otto   Ham  anil,  Die  Mundarme  der  Ilhizostomen  und  ihre  An- 

liangsorgane,  mit  3  Tafeln 243 

O,  Hertwig,    Die  Entwicklung  des  raittleren  Keimblattes  der 

Wirbelthiere,  mit  4  Tafeln 286 

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Mit  Bewillij;nng  des  Yert'assers  aus   dem  Eiiglisclien   ubcrsetzt 

von 

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I.  Theil  und  II.  Theil  1.  Halfte. 

Preis:    12   Mark.    Der  Schhiss  des  Werkes  erscheint  im  Laufe  des  niiclisten  JmIh'os. 


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NATURWISSENSCIIAFT 

herausgegeben 

von  der 

medicinisch  -  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 
zu  Jena. 


Flinfzehnter  Band. 

Neue  Folge,  Achter  Band. 
Drittes  Heft. 


Mit  4  Tafeln. 


Prois:  6  Mark. 


J  e  u  a, 

Verlag  vou  Gustav  Fischer 

vormals  Friedrich  Maukc. 

1881. 


Zusendungcn  an   die  Kedaktion   crbittet  man   durch  die  Vcrlagsbuchhaudluug. 
Ausgegeben  am  25.  November  1881. 


Im  V^orlaf^i'  von  Gustav  Fischer  in  Jona  is(  socben  erschienon: 

Handbucli 

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Vergleichenden  Embryologie 

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Francis  M.  Balfour,  M.  A.,F.R.  S. 

Mit  Bcwilligung  des   Veifassers  aiis  dem  Englisclien  iifcersetzt 
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Zweiter  Band,  erste  Halfto. 

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allgemeinen  und  speciellen 

Pathologischen  Anatomie 

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Patliogcnese. 

Mit  einem  Anhangc  liber  die  Technik  dcr  patholog.-anatom. 
Untersuchung. 

Fur  Aerzte  und  Studirende. 

Von 

Dr.  Emst  Ziegler. 

I.  Theil  und  II.  Theil   1.  Halfte. 
Preis:   12  Mark. 


1 11  h  a  1 1. 

Seite 
Friedrich   Soltwedel,     Freie     Zellbildung    im  Erabryosack 
der  Angiospermen  mit  besonderer  Beriicksichtigung  der  hier- 
bei  stattfindendeu  Vorgange  der  Kerntheilung,   mit    3  Tafeln      341 
E.   Stahl,    Ueber    sogenannte  Compasspflanzen,  mit   1   Tafel     .      381 

Karl  Bardeleben,  Muskel  und  Fascie 390 

Ernst  Hackel,  Entwurf  eines  Radiolarien-Systems  auf  Grund 

von  Studien  der  Challenger-Kadiolarien 418 


Verlag  von  F.  A.  Brockhaus  in  Leipzig. 

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Diesem  Hefte  liegt  ein  Prospect  der  Gutmann'schen  Buchhand- 
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Krommannsche  Buchdruckcrci  (Hermann  Pohlc) 
in  Jona. 


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Jenaische  Zeitschrift 


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NATURWISSENSCHAFT 

herausgegeben 
von  der 

medicinisch  -  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 


zu  Jena. 


Fiinfzehnter  Band. 

INeue  Folge,  Achter  Band. 
Viertes   Heft. 

Mit  10  Tafeln. 

Preis:  6  Mark. 


J  c  11  a , 

Verlag  von  Gustav  Fischer 
1882. 


Zusendungen  an  die  Eedaktion  erbittet  man  durch  die  Verlagsbuchhandlung. 
Ausgegeben  am  20.  Juni   1882. 


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(XLIV  u.  XLV) 1—62 


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