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Full text of "Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft"

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OF 


COMPARATIVE ZOOLOGY, 
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. 


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Jenaische Zeitschrift 


fiir 


NATURWISSENSCHAFT 


herausgegeben 


von der 


medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft 


zu Jena, 


Siebenundzwanzigster Band. 


Neue Folge, Zwanzigster Band. 
Mit 25 lithographischen Tafeln und 9 Abbildungen im Texte. 
Se 


Jena, 


Verlag von Gustav Fischer 
“1892. 


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Luft) kano! 


anion: net. 


Rawitz, Dr. Bernnarp, Der Mantelrand der Acephalen. Dritter 
Teil: Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrach- 
tungen. Mit Tafel I—VII und 5 Abbildungen im Texte 

Frenzet, Prof. Jouannes, Uber einige argentinische Gregarinen. 
Ein Beitrag zur Organisation und Physiologie der Gregarinen 
iiberhaupt. Mit Tafel VIII Si, abet Rog ane eine 

Antipa, Dr. Gr., Eine neue Art von Drymonema. Mit Tafel IX 

GressteR, Dr. Rupotr, Die Lokalisation der Oxalsiure in der 
Pflanze RS te aM a MP eg Da 

Scuneiper, Dr. Kart Camitto, Einige histologische Befunde an 
Coelenteraten. Mit Tafel X—XVI . 

Ranpotex, Dr. Haregret, Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 
Mit Tafel XVII—XIX oy Pe pene 

Hevuscuer, J.. Zur Anatomie und Histologie ies eaneonienn 
Sluiteri Hubrecht. Mit Tafel XX—XXIII und 4 Ab- 
bildungen im Texte 

Romer, Dr. phil. F., Uber den Bau an ae Ree ioketens tes 
Panzers der Giirteltiere. Mit Tafel XXIV—XXYV . 

Harcxet, Ernst, Plankton-Composition. Vorlaufige Mitteilung . 


Seite 


513 
559 


Der Mantelrand der Acephalen. 


Dritter Teil. 


Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine 
Betrachtungen. 


Von 
Dr. Bernhard Rawitz, 


Privatdocenten an der Universitit Berlin. 


Hierzu Taf. I—VII und 5 Abbildungen im Texte. 


In der Vorbemerkung zum zweiten Teile dieser Arbeit 
(Jenaische Zeitschrift Bd. XXIV) habe ich ausgefiihrt, da’ ich im 
Friihjahr 1888 durch die Munificenz der K6niglichen Akademie 
der Wissenschaften zu Berlin in den Stand gesetzt war, das den 
folgenden Untersuchungen zu Grunde liegende Material in der 
zoologischen Station zu Neapel sammeln zu kénnen. Im Laufe 
der Durcharbeitung ergab sich die Notwendigkeit eines neuen 
Aufenthaltes an genannter Station, der mir durch die Gewiahrung 
eines Stipendium aus der Grifin Luise Bose-Stiftung seitens der 
medicinischen Fakultat hiesiger Universitit in den Sommerferien 
von 1890 erméglicht wurde. Der Fakultaét sage ich meinen besten 
Dank. Vollendet wurde die Arbeit im physiologischen Institut 
der hiesigen tierarztlichen Hochschule, dessen Mittel Herr Pro- 
fessor Munk, dem ich dafiir zu groBem Danke verpflichtet bin, 
mir bereitwilligst zur Verfiigung stellte. 


Berlin, Mai/Juni 1891. 


Bd, XXVII, N. F, XX. 1 


a Dr. Bernhard Rawitz, 


Siphoniata. 


VY. Lucinacea ‘). 
(Fig. 1—5.) 


A. Allgemeines. 


Aus dieser Ordnung habe ich nur die Arten Cardita sul- 
cata Lam., Astarte fusca Pout und Lucina spinifera 
Turt. untersucht. 

Die Innenfliche der Schale von Cardita sulcata hat in 
ihrem Randteile zahlreiche Rippen, zwischen denen sich Ver- 
tiefungen finden, wihrend sie in ihrer ganzen tibrigen Ausdehnung 
glatt ist. In der vorderen und hinteren Partie sind die Rippen 
kurz und flach, die Vertiefungen daher seicht; der Mitte des Schalen- 
randes zu sind beide starker entwickelt. Den Vertiefungen der 
Schale entsprechen Erhéhungen auf der Auf enfliche des Mantel- 
randes, die mit breiter, durch einen parallel zum Rande gerich- 
teten gelbbraunen Pigmentstreifen kenntlich gemachter Basis ent- 
springen und dreieckige Gestalt haben. Die Spitze des Dreiecks 
iiberragt um weniges das Niveau des Mantelrandes. Der Mantel 
ist von vorn bis nach hinten zu der Stelle, an der das hintere 
Ende der Kiemen sich findet, offen. Man kann an seinem beim 
lebenden Tiere orangefarbenen Rande schon mit blokem Auge 
zwei deutlich getrennte Falten unterscheiden, von denen die dufere 
die dreieckigen Verdickungen besitzt. Proximalwirts der inneren, 
im eigentlichen Rande, erkennt man einen ziemlich breiten Wulst, 
der in den vorderen Partieen nur schwach ausgebildet ist, nach 
hinten zu allmihlich an Ausdehnung zunimmt und dabei gleich- 


1) Ich bezeichne die einzelnen Ordnungen, welche in diesem 
Teile wie in den beiden friiheren untersucht wurden, mit fortlaufen- 
den Nummern; daher hat die Ordnung der Lucinacea hier eine V. 
Im iibrigen folge ich stets dem System des Handbuches von Carus- 
Grrsticker. Darnach gehéren die Gattungen Cardita und Astarte 
zur Familie der Astartidae und der Ordnung der Lucinacea, 
und nicht, wie Mryrr und Mosius fiir Astarte, Carribre (Ar- 
beiten aus dem zoologisch-zootomischen Institut in Wirzburg, Bd. V, 
1882) fiir Astarte und Cardita angeben, zur Familie der 
Cyprinidae. Die Cyprinidae-Glossidae gehéren, fide 
Carvus-Gerstickrr, zu den Veneracea. Die Histiologie des Mantel- 
randes spricht fiir die Richtigkeit der in dem genannten Handbuche 
gegebenen Einteilung. 


Der Mantelrand der Acephalen. 3 


zeitig eine der Liingsachse der Schale parallele Runzelung zeigt. 
Entsprechend der Gegend des hinteren Endes der Kiemen sind die 
Innenfalten der rechten und linken Seite auf eine kurze Strecke ver- 
wachsen, um sich dann wieder zu trennen und erst beim Umbiegen 
zur Riickenfliche des Tieres sich von neuem und nunmehr dauernd 
zu vereinigen. So entsteht eine kreisférmige Offnung, die den 
Analsipho reprasentiert. An demselben finden sich keinerlei Pa- 
pillen, wie bei den gleichen Gebilden anderer Siphoniaten. 

Astarte fusca zeigt hinsichtlich des grob wahrnehmbaren 
Baues ihres Mantelrandes im allgemeinen ein ahnliches Verhalten, 
wie Cardita suleata. Ein gerunzelter Randwulst fehlt jedoch hier. 
Vorn ganz schmal beginnend wird der Mantelrand nach hinten zu 
breiter, um in den hintersten noch vor dem gleich zu erwihnen- 
den Analsipho gelegenen Partien am starksten zu sein. In den 
hinteren Dreiviertel seiner Liingenausdehnung ist er pigmentiert; 
das Pigment erscheint auf die Innenfliche beschriinkt und ist von 
schmutzigbrauner Farbe. Die Bildung des Analsipho, der etwas 
hinter der Gegend des hinteren Endes der Kiemen sich findet, 
erfolgt ganz wie bei Cardita. Mit dem vorhin erwihnten Auf- 
treten des Pigmentes im Rande erscheinen an dessen innerer 
Flache gleichzeitig eigentiimliche Gebilde, die bei Betrachtung mit 
blofem Auge der Oberfliche ein leicht welliges Aussehen verleihen, 
bei Lupenvergréferung als kleine weifSe, knopfférmige Erhaben- 
heiten imponieren. In den mittleren und hinteren Partien des 
Randes sind dieselben in sehr grofer Zahl vorhanden und _ stehen 
ziemlich dicht bei einander, wihrend sie in den vorderen Regionen 
ganz fehlen. Im Analsipho finden sich derartige Gebilde nicht vor. 

Beziiglich des Mantelrandes von Lucina spinifera ist zu 
bemerken, da derselbe dem der beiden anderen untersuchten 
Species dieser Ordnung fast véllig gleicht und sich von dem der 
Cardita nur durch Abwesenheit des Randwulstes, von dem der 
Astarte durch den Mangel jener weiflichen knopfférmigen Er- 
habenheiten unterscheidet. 


B. Specielle Beschreibung. 


In den histiologischen Einzelheiten weichen die drei Arten in 
wesentlichen Punkten voneinander ab, so da jede fiir sich be- 
schrieben werden muf. 

Cardita sulcata. Untersucht man eine vom lebenden 
Tiere abgeschnittene kleine Partie des Mantelrandes frisch in See- 

1* 


4 Dr. Bernhard Rawitz, 


wasser, so erkennt man, daf die Oberfliche mit einem wimper- 
losen Kpithel bedeckt ist; nimmt man dagegen ein Stiick von der 
Gegend des Randwulstes, so findet man deutlichen Cilienbesatz. 
In dem ersten Stiicke wird der freie Saum der Epitheldecke iiber- 
ragt von schmalen, bei schwacher VergréSerung homogen er- 
scheinenden, leicht glinzenden Stacheln, welche in dem vom Rand- 
wulste stammenden Stiicke zwischen den Wimpern sichtbar sind, 
keine Eigenbewegung besitzen, sondern in dem Wimperstrome 
trige hin und herschwanken. Die indifferenten, etwas gelblich 
aussehenden Zellen, seien sie bewimpert oder wimperlos, sind 
cylindrische Gebilde mit basaler wurzelférmiger Ausfaserung. Die 
Stacheln, die sich bei Anwendung stirkerer Linsen oder nach 
geeigneter Maceration als ein schwaches Biindel feiner Borsten 
praisentieren, sitzen auf Zellen auf, die in jeder Hinsicht dem von 
FLEMMING in seiner ersten Arbeit tiber Molluken (14)!) auf- 
gestellten Schema der Sinneszelle (Pinselzelle) entsprechen. Man 
trifft also an ihnen ein mit Borsten besetztes Képfchen, einen 
schmalen langen Hals und eine spindelférmige, basale, im sub- 
epithelialen Gewebe wurzelnde Verbreiterung, die kernhaltig ist 
und in eine feine varikése Nervenendfaser tibergeht. Dies sind 
also die Sinneszellen im Mantelrande dieser Species. In der vom 
Randwulste abgetragenen Partie sieht man reichlich an der Schnitt- 
stelle, sparlicher aber doch sehr deutlich durch die Epitheldecke 
hindurch etwas zahfliissige Massen in Form kleiner Tropfen aus- 
treten, die einen matten Glanz besitzen und nach kurzer Zeit in 
dem zur Beobachtung verwendeten Seewasser konfluieren. 

Schnittpraparate lehren folgendes: 

Der Rand geht in drei Falten aus, von denen die beiden 
inneren der bei makroskopischer Betrachtung einheitlich erscheinen- 
den inneren entsprechen. Die innerste Falte ist auf dem Schnitte 
von kegelf6rmigem Aussehen und ist stets die kleinste, wihrend 
die mittlere und aéufere Falte, zwischen denen die Epicuticula 
entsteht, an GréSe abwechseln. Und zwar so, da’, wenn die in 
der allgemeinen Beschreibung erwahnte dreieckige Erhéhung der 
Aufenflache vorhanden ist, die Aufenfalte, wenn sie fehlt, die 
Mittelfalte die héhere von beiden ist. Letztere hat im Schnitte 2) 


1) Die Zahl hinter den Namen weist auf das dem ersten Teile 
beigegebene Litteraturverzeichnis hin. 

2) Die Schnittrichtung durch den Mantelrand war stets so ge- 
waihlt, daf seine Innen- wie Aufenfliche gleichzeitig im mikro- 
skopischen Bilde vorhanden waren: also quer zur Liingsachse des Tieres. 


Der Mantelrand der Acephalen. 5 


stets handschuhfingerformige Gestalt, wahrend die Form der 
Aufenfalte durch das abwechselnde Auftreten und Verschwinden 
der dreieckigen Erhéhung eine sehr variable ist. Gegen den Wulst 
hin findet sich eine meist seichte, selten tiefe Einziehung, welche 
somit die Falten- und die Wulstregion des Randes trennt. Hier 
in dieser Gegend liegt in spater zu beschreibender Weise der 
Ringnerv des Mantels. Es ist das derjenige Nerv, welcher in den 
hinteren Partien eine Fortsetzung des Duvernoy’schen_,,palléal 
postérieur“, in den vorderen eine Fortsetzung des AuBeren Astes 
des ,,palléal antérieur“’ ist, aus deren beider Vereinigung er 
entsteht. 

Das Epithel der Falten nach innen von der Epicuticula und 
das der Innenfliche des Randes besteht aus etwa 16,2 4% hohen 
und 5,4 « breiten Cylinderzellen, welche im Wulste 3,6 uw hohe 
Wimpern besitzen. Zwischen denselben sind die Sinneszellen als 
ganz schmale Gebilde von héchstens 1,8 « Breite zu sehen, deren 
Kern im Gegensatze zu dem der indifferenten Zellen, welcher ein 
deutliches Geriist zeigt und blaf ist, stets sehr dunkel gefarbt; 
homogen und stabchenformig erscheint. Die basale Grenze des 
Epithels gegen das subepitheliale Gewebe ist undeutlich. An der 
Auf8enfalte sind die Epithelzellen etwa 30 « hoch, um dann gegen 
die Aufenflache des Randes an Hohe allmahlich bis zu dem 
Mafe von 8 uw abzunehmen. Im eigentlichen Rande aber ist das 
AuBenepithel wieder anders geartet. Es farbt sich zunachst viel 
intensiver, als das Epithel der tibrigen Regionen, ist etwa 25 wu 
hoch, 4 w breit und besitzt ovale, basal gelegene Kerne, die ganz 
homogen erscheinen. Die einzelnen Zellen sind sehr scharf gegen- 
einander konturiert und durch eine deutlich ausgepragte Linie 
basalwarts gegen das subepitheliale Gewebe abgesetzt. Gegeniiber 
dem proximalen Kontur des inneren Randwulstes wird dann das 
Fpithel der AuSenfliche von neuem niedrig, etwa 7 uw, und behalt 
dieses Maf nunmehr auf der ganzen Flache bei. Gleichzeitig 
bleibt der Zellleib in den verschiedensten der angewendeten Farb- 
stoffe fast véllig farblos. 

Das gleiche Verhalten, wie der Rand, bietet im mikro- 
skopischen Bilde der Analsipho dar, sowohl hinsichtlich der Falten 
als auch in betreff der Epithelzellen. 

PaTtren (32) giebt in seiner oft citierten und _ kritisierten 
Arbeit an, daf bei Cardita sulcata Ommatidien vorkommen. Er 
findet nahe am oralen Ende des Mantelrandes fiinf bis sechs 
breite, pigmentierte Flecken, deren Centrum dunkelbraun, fast 


e 


6 Dr. Bernhard Rawitz, 


schwarz, deren Peripherie blasser ist. In diesen Pigmentstellen, 
wo der cuticulare Saum des Epithels besonders dick, aber nicht 
facettiert sein soll, ,one may see numerous, scattered omma- 
tidia, consisting of four or five dark-colored cells arranged 
around a single, central one, two of which are often situated 
close together“ (p. 614 1. ¢.). Es war mir wahrend des letzten 
wie wahrend des vorigen Aufenthaltes in Neapel an den zahlreichen 
mir zur Verfiigung stehenden Exemplaren dieser Species absolut 
unmoglich, die Parren’schen Pigmentflecken wiederzufinden. Da 
auBerdem im Schnitte — Parren hat von dieser Species keine 
Schnitte angefertigt — nicht die geringste Andeutung von Omma- 
tidien zu sehen ist, vielmehr auch im vorderen Abschnitte des 
Mantelrandes die Epitheldecke dasselbe harmlose und wenig inter- 
essante Aussehen darbietet, wie in allen tibrigen Partien, so halte 
ich mich fiir berechtigt, die Parren’sche Angabe als durchaus 
irrig zu bezeichnen. 

Von physiologisch und histiologisch gréftem Interesse sind die 
sekretorischen Gebilde im Mantelrande. In vier Formen 
erscheinen dieselben. Erstens als Driisen, welche in der Mittel- 
falte vorkommen und an deren Innenfliche miinden (Fig. 1 md), 
sowie als Driisen gleichen Charakters, welche an der Innenflache 
distalwarts vom Randwulste bis zur Innenfalte sich finden. Zwei- 
tens als amorphe Sekretmassen, welche im Randwulste vorhanden 
sind oder vielmehr den Randwulst bilden (Fig. 2 gd). Drittens 
trifft man Driisen von eigentiimlichem Habitus in der Aufenfalte 
(Fig. 3 gd) und endlich viertens sind zu den sekretorischen Ge- 
bilden noch Becherzellen zu rechnen, die im Epithel des Rand- 
wulstes und proximalwarts von demselben bis in die Innenflache 
des eigentlichen Mantels zu sehen sind (Fig. 2 be). 

Uber die Driisen, welche der Mittelfalte angehéren, ist folgen- 
des festzustellen (Fig. 1 md). Dieselben sind, soweit sie in der 
Substanz der betreffenden Falte liegen, schmale aber lange Ge- 
bilde, deren Kérper, da die Falte sehr schmal ist, oft bis in die 
Nahe des Epithels der AuSenflache derselben reicht. Ist im 
Schnitte der Ausfiihrungsgang mit dem Driisenkérper, als dessen 
direkte Fortsetzung er zu betrachten ist, in Verbindung, dann 
haben die Gebilde flaschenformige Gestalt; ist der Ausfiihrungs- 
gang nicht mitgetroffen, dann ist die Form eine ganz unregel- 
mafige. Der Ausfiihrungsgang ist sehr lang, er schlingelt sich in 
den verschiedensten Windungen durch das Gewebe und dringt 
zwischen die Epithelzellen der Innenfliiche hinein, hier durch inter- 


Der Mantelrand der Acephalen. 7 


epitheliale Liicken sein Sekret ergiefend (Fig. 1). Tropfen des 
Sekretes sieht man zum Teil noch zwischen den Epithelzellen 
stecken, zum Teil tiber dieselben hinausragen. Die Hauptmasse 
der Driisen steckt an der Basis der Falte und reicht ziemlich 
tief in die Substanz des eigentlichen Randes hinein. Wahrend in 
der Falte die Driisen sich deutlich als einzellige Gebilde pra- 
sentieren, sind sie an deren Basis so zahlreich und zugleich 
so eng gepackt, da, trotz der gut wahrnehmbaren Kerne (Fig. 1) 
kaum die Grenzen der einzelnen Zellen zu erkennen sind, die 
Gesamtheit vielmehr den Eindruck eines einheitlichen Driisen- 
paketes mit zahlreichen Ausfiihrungsgiingen hervorruft. Diese 
letzteren fiihren alle zum Epithel der Innenflaiche der Mittelfalte. 
Bei Anwendung basischer Anilinfarben, besonders des Bismarck- 
brauns, erkennt man zwei Hauptnuancen der Tinction. Es er- 
scheint nimlich ein Teil der Driisen hellbraun, von fast homogener 
Beschaffenheit (Fig. 1), wihrend ein anderer Teil tief dunkelbraun, 
fast schwarz aussieht. Driisen der letzteren Art zeigen zuweilen 
ihren Inhalt wie in einzelne Schollen zerfallen. Die Ausfihrungs- 
ginge sind stets dunkelbraun tingiert, ihr Inhalt besteht aus zahl- 
reichen kleinen, dicht gedrangten Tropfen. (In der Abbildung 
(Fig. 1) sind diese Verhiltnisse nicht wiedergegeben; die geschil- 
derten Einzelheiten sind nur bei Anwendung starker Systeme zu 
erkennen.) Zwischen den beiden erwihnten Extremen finden sich 
nun Ubergiinge in der Farbung. Es sind daher die beiden Haupt- 
nuancen als das Anfangs- bez. Endstadium der Driisenthatigkeit 
anzusehen, und zwar die dunkelbraune Nuance — ich gehe hier- 
bei von den mit Bismarckbraun gefirbten Praparaten aus —, weil 
die Ausfiihrungsginge dieselbe fast ausschlieBlich zeigen, als das 
End- oder sekretgefiillte, die hellbraune als das Anfangs- oder 
sekretleere Stadium. Im Verlaufe der Driisenthitigkeit geht so- 
nach mit der chemischen Umbildung des Zellplasma auch eine 
Veranderung im tinctorialen Verhalten einher, insofern die in der 
Ruhe nur in geringem Grade vorhandene Neigung zu der basischen 
Anilinfarbe sich mit der Thatigkeit allmahlich steigert, um 
schlieflich die vorhin beschriebenen Bilder zu liefern. Aus dieser 
Neigung der sekretgefiillten Driise zu dem Farbstoffe lift sich 
aber auch ein Schlu& auf die physiologische Bedeutung des Driisen- 
produktes ziehen. Aus Griinden, die ich im zweiten Teile 
(p. 23/24 des Sonderabdruckes) auseinandergesetzt habe, sind die 
Driisen, mit denen wir es hier zu thun haben, Mucindriisen. 


8 Dr. Bernhard Rawitz, 


Die Driisen auf der Innenfliche, distalwarts vom Randwulste, 
liegen nicht so massenhaft beisammen, wie die der Mittelfalte, 
sind aber sonst, sowohl hinsichtlich des histiologischen Verhaltens 
wie ihrer physiologischen Wertigkeit, mit jenen in vollkommener 
Ubereinstimmung. 

Die amorphen Sekretmassen, welche den Randwulst 
bilden, haben sich mit Bismarckbraun hellgelbbraun tingiert und 
zeigen zu gleicher Zeit einen eigentiimlichen matten Glanz. In- 
folge der coagulierenden Wirkung der Fixierungs- und Hartungs- 
fliissigkeiten erscheinen sie im mikroskopischen Bilde entweder 
als groke unregelmafig gestaltete Schollen oder als kleine, mehr 
oder weniger dicht gepreBte Kriimel (Fig. 2 gd). Die Erhirtung 
macht diese Massen so spréde, da sie beim Schneiden — nach 
Paraffindurchtrinkung — knirschen, sehr briichig sind und daher 
meist aus dem Schnitte herausfallen, oder da der Schnitt auch 
bei schonendster Vornahme der zur Farbung notigen Mani- 
pulationen leicht zerreift. Diese amorphen Massen — amorph, 
weil sie nicht als histiologisch differenzierte Driisen erscheinen — 
liegen in Nestern der Bindesubstanz des Wulstes (Fig. 2 gd). Das 
Bindegewebe bildet naimlich Maschen von verschiedener, meist 
betrichtlicher GréBe, welche die Sekretmassen beherbergen. Die 
Maschen sind alle langsoval, die Richtung des grofen Durch- 
messers derselben geht vom Innenepithel zur Aufenseite — ohne 
diese zu erreichen — also quer zur Liangsrichtung des Wulstes. 
Sie werden von zarten Bindegewebslamellen gebildet, die auf dem 
Schnitte als Fibrillen imponieren und einen leicht geschlangelten 
Verlauf haben (Fig. 2). In der Wand der Lamellen trifft man spar- 
liche Kerne, die, wenn sie von der Seite gesehen werden, als 
stabchenformige Gebilde, wenn von der Flache, als ovale sich 
darstellen; die Kerne, die sich ziemlich intensiv farben, sind also 
platt gedriickte Ovoide. Sind die Maschen von den Sekretmassen 
ausgefiillt, was man aus den oben angefiihrten Griinden nur selten 
zu sehen bekommt, dann erkennt man, daf die Bindegewebskerne 
gegen die Massen leicht prominieren. Alle Maschen stehen unter- 
einander in ausgiebiger Kommunikation und so bildet der Rand- 
wulst, als Ganzes betrachtet, eine einzige sehr ausgedehnte Driise. 
Die Entleerung des Sekretes geschieht durch interepitheliale 
Liicken, nicht aber durch Vermittelung der spater noch zu er- 
wihnenden, hier sich vorfindenden Becherzellen (Fig. 2). Daf 
es sich bei diesen Massen wirklich um ein fliissiges Sekret han- 
delt, dafiir ist meines Erachtens die am lebenden, abgeschnittenen 


Der Mantelrand der Acephalen. 9 


Stiicke leicht anzustellende und oben mitgeteilte Beobachtung voll 
beweisend. Diejenigen Gebilde, durch deren Thatigkeit dieses 
massenhafte Sekret geliefert wird, sind die FLemmrna’schen Zellen 
der Bindesubstanz. Dieselben trifft man bald isoliert, bald zu 
mehreren in einer entsprechend grofen Masche. Ihr Protoplasma 
ist auferordentlich zart und zeigt ein nur geringes Farbungs- 
vermégen, die Kerne sind stets blag tingiert und bedeutend 
créfer, als die der Bindesubstanz. In den sekretgefiillten Maschen 
findet man in seltenen Fallen als Reste dieser Zellen leicht ge- 
schrumpfte, von nur wenig Zellsubstanz umgebene Kerne, die in 
die Wand gedriickt sind und von den Bindegewebskernen nur durch 
ihre differente Farbung sich unterscheiden. Meistens, wie auch 
in der beigegebenen Abbildung (Fig 2) sind diese Reste nicht 
mehr erkennbar. Uberginge zwischen den FLemmina’schen Zellen 
und den sekretgefiillten Maschen, welche die physiologische und 
histiologische Zusammengehdorigkeit beider darthun, sind, wenn 
auch nicht allzureichlich, anzutreffen. Man sieht namlich Maschen, 
in welchen aufer den genannten Zellen sich sparliche Sekrettropfen 
finden, Maschen, in denen das Sekret reichlicher, die Zellen aber 
noch immer deutlich sind, bis schlieBlich das geschilderte Extrem 
der sekretgefiillten Bindegewebsmasche erreicht ist. 

Die dritte Form, in der im Rande das Sekret erscheint, 
sind die eigentiimlichen Driisen der AuBenfalte (Fig. 3). Dieselben 
finden sich, wenn die Falte in ihrer vollen Ausdehnung im Schnitte 
getroffen ist, besonders an der Innenfliche, miinden also, und zwar 
durch interepitheliale Lticken (Fig. 3), gegen die Epicuticula; die 
Spitze der Falte ist stets sekretfrei. ,,Eigentiimlich“ nannte 
ich diese Driisen. Man sieht namlich ein eigentliches Driisen- 
plasma an ihnen nicht, sondern findet nur sehr grofe, nach Farbung 
in Bismarckbraun hellbraune, ovale oder kreisrunde Konglomerate 
von Tropfen. Dieselben liegen alle in ziemlicher Nahe des Epi- 
thels (Fig. 3 gd). Nur selten sind in ihnen kleine Kerne zu er- 
kennen. Sehr viel sparlicher trifft man diese Tropfenkonglomerate 
auch in der Nahe des Epithels der AuSenflache der Falte und 
ebenso in der Aufenflaiche des Randes. Es ist an diesen Gebilden 
ganz auferordentlich schwer zu entscheiden, ob sie aus nur einer, 
ob aus mehreren Zellen bestehen. Aus dem Umstande, daf man 
fast in jedem dieser Tropfenkonglomerate, die sich iibrigens als 
ziemlich scharf konturiert darstellen, wenn iiberhaupt, min- 
destens zwei, meist mehr Kerne findet, glaube ich den Schluf 


10 Dr. Bernhard Rawitz, 


zichen zu diirfen, daB wir es hier mit mehrzelligen Driisen zu 
thun haben. 

Die Becherzellen endlich, deren Vorkommen im Epithel 
des Randwulstes (Fig. 2 be) schon erwaihnt wurde, farben sich, 
wie die Driisen der Innenflache und der Mittelfalte, in Bismarck- 
braun intensiv dunkelbraun. Ihre Gestalt entspricht dem Schema 
der Becherzellen in allen Stiicken. Im sekretgefiillten Zustande 
also sind sie ei- oder becherformig (Fig. 2 be) und haben die 
indifferenten Nachbarzellen beiseite gedrangt; dabei sind die 
Wimpern tiber der gefiillten Theca vorhanden. Der Kern der 
Zellen, von einem bei schwachen Vergréferungen nicht wahrnehm- 
baren Reste von Protoplasma umgeben, ist durch das Sekret ganz 
basal gequetscht (Fig. 2 be). Im sekretleeren Zustande gleichen 
sie den indifferenten Wimperzellen so, da8 sie von ihnen nicht zu 
unterscheiden sind. Mit den unter ihnen gelegenen amorphen 
Sekretmassen des Randwulstes stehen sie in keiner Verbindung. 

Im Analsipho kommen von sekretorischen Gebilden nur 
amorphe Sekretmassen, aber in zwei scharf geschiedenen Formen 
vor. Die eine Form findet sich in den Innenflaichen der Falten 
und zwar als Massen auferordentlich kleiner Tropfen, welche 
dicht gedrangt in den Maschen der Bindesubstanz liegen. Die 
andere Form besteht aus verstreut stehenden Tropfenkonglo- 
meraten, die nach der Au8enfliche zu miinden und denen gleichen, 
die man in der AufSenfalte und -fliche des Randes antrifft. 

Es wurde schon erwihnt, daf die in der Mittelfalte und der 
Innenflache des Randes zu beobachtenden Driisen sowie die 
secherzellen sich in Bismarckbraun intensiv dunkelbraun farben, 
was auf eine Mucin bereitende Funktion dieser Gebilde schliefen 
lie’. Dieser SchluS wird bestatigt, wenn man noch andere Tinc- 
tionen als die genannte wahlt. In Orange-Hamatoxylin, in EKosin- 
Hamatoxylin werden die Driisen veilchenblau, in dem Dreifarben- 
gemisch von EnriicH-Bionpi pfaublau: das ist eine ganz exquisite 
Mucinreaktion. Die amorphen Sekretmassen des Wulstes und 
der Innenflachen der Analsiphofalten haben in den zuletzt ge- 
nannten drei Tinctionsmitteln einen leuchtend orangenen, bez. 
flammendroten oder hochroten (Fig. 2 gd) Farbenton angenommen, 
Die Driisen oder Tropfenkonglomerate der Aufenfalte des Ran- 
des, der Aufenflache und des Sipho sind in Orange- oder Eosin- 
Hamatoxylin viel intensiver gelb bez. rot gefarbt, als die Massen 
des Wulstes; im Enrurcn-Bronprschen Farbengemisch iiberwiegt 
der orangene Ton (Fig. 3 gd). - 


Der Mantelrand der Acephalen. 11 


Aus Griinden, die ebenfalls bereits im zweiten Teile der Ar- 
beit auseinandergesetzt wurden, weist diese tinctoriale Kigenheit, 
welche die amorphen Massen des Randwulstes zeigen, darauf hin, 
da& wir es hier mit einem eiweifahnlichen Sekrete zu thun 
haben. Da nun diese Massen sowohl in ihrer histiologischen Er- 
scheinung wie in ihrem mikrochemischen Verhalten vollig denen 
cleichen, die wir im Mantelrande von Pectunculus glycimeris und 
Arca diluvii kennen gelernt haben, so wird hier ihre physio- 
logische Bedeutung dieselbe sein, wie dort; die amorphen Sekret- 
mmassen sind demnach Giftmassen und der innere Randwulst repra- 
sentiert eine grofe Giftdriise. Cardita sulcata hat einen 
Mantelrand, der jeglicher specieller Sinnesorgane entbehrt, er ist 
nichts als eine tactil empfindliche schmale Fliche. Nur dann 
also kann diese Muschel ihr feindliche oder schadliche Objekte 
wahrnehmen, wenn deren Anwesenheit ihr durch Berithrung zur 
Kenntnis gebracht wird. Jede Beriihrung aber lést eine Kontrak- 
tion des Mantelrandes aus, die sich in einer Runzelung seiner 
Oberflache aufert. Mit der Kontraktion wird gleichzeitig Sekret 
aus dem Randwulste gepreft — davon kann man sich in geeig- 
neter Weise am lebenden Tiere tiberzeugen — und somit ist die 
Méglichkeit gewahrt, daf{i durch dessen chemische Eigenschaften 
lebende Feinde vernichtet, durch seine Massenhaftigkeit anorga- 
nische Partikel eingehiillt und unschadlich gemacht werden. 

Stellt so der Randwulst ein zur Verteidigung geeignetes 
Organ dar, so wird man diese Funktion fiir die Tropfenkonglo- 
merate in der AufSenfalte und der Aufenflache nicht annehmen 
diirfen, schon aus dem Grunde nicht, weil sich dieses Sekret in 
den Raum zwischen Epicuticula und Schale entleert. Vielleicht 
dient dasselbe dazu, in gewissem Grade die Kontractionsbe- 
wegungen, i. e. die Runzelungen des Mantelrandes, welche derselbe 
nach Beriihrungen ausfiihrt, zu erleichtern, wie ich dies im zwei- 
ten Teile fiir die in gleicher Gegend sich findenden Mucindriisen 
der Arcaceen als sehr wahrscheinlich hinstellte (cfr. 1. ¢. p. 26 
des Sonderabdruckes). Vielleicht aber auch tragt dies Sekret zur 
Bildung der Schale selber mit bei. Eine pracise Entscheidung 
wage ich hier nicht zu treffen. 

Schwer verstandlich ist fiir mich die Bedeutung, welche die 
Mucindriisen in den Falten und die Becherzellen des Randwulstes 
besitzen. Nach dem Orte des Vorkommens dieser Gebilde muf 
sich ihr Sekret mit dem viel massenhafteren des Randwulstes 
mischen, kann also eine specifische Wirkung kaum_ entfalten. 


12 Dr. Bernhard Rawitz, 


Vielleicht bewirkt es eine Verdiinnung der zahfliissigen giftigen 
Massen. 

Die Muskulatur des Randes zerfallt in Langs- und Quer- 
muskeln, wobei ich die zufolge der gewahlten Schnittrichtung 
— quer zur Langsachse des Tieres — quergetroffenen als Quer- 
muskeln, die langsgetroffenen als Langsmuskeln betrachte; jene 
ziehen von vorn nach hinten, diese von oben nach unten. Die 
Langsmuskeln finden sich als massiges Biindel dicht unter dem 
Epithel der Auffenflache, so da der Randwulst nach innen von 
ihnen gelegen ist. Dies Biindel teilt sich in zwei Hauptziige, von 
denen der aufere zur Aufenflache der Aufenfalte, der innere zur 
Innenfliche der Aufenfalte und zu den beiden anderen Falten 
geht. In denselben lésen sich die Muskelbiindel in einzelne Fasern 
auf, welche zum Teil der Spitze der Falten zustreben, zum Teil sich 
in die Nahe der Epithelzellen begeben, wo sie in einer nicht weiter 
erkennbaren Weise enden. Von der Hauptmasse gehen zahlreiche, 
aber nicht besonders gruppierte Fasern zur Innenflache des Wul- 
stes hin und durchsetzen so die amorphen Sekretmassen. Die 
Kontraktion dieser Fasern bewirkt offenbar die Entleerung des 
Sekretes. Die Quermuskeln trifft man als kompakte Masse distal- 
warts des Randes am Epithel der Innenfléche bis in die Innen- 
falte hinein. Die Mucindriisen des Randes liegen zwischen ihnen 
und dem Epithel. 

Was schlieflich die Innervation anlangt, so finden wir 
den Ringnerven gegeniiber der die Falten- und Wulstregion tren- 
nenden Einziehung in einer Entfernung von etwa 0,2 mm von der 
Innen- und von 0,5 mm von der Aufenfliche. Er hat kreis- 
runden oder elliptischen Querschnitt, besitzt zahlreiche polyclone 
Ganglienzellen, welche fast ausschlieSlich in seiner Peripherie 
gelegen sind, und giebt zahlreiche zarte Aste zu den Falten ab, 
die in deren Achse verlaufen und die einzelnen Endfibrillen zu 
den Pinselzellen entsenden. 


Astarte fusca. Der Rand geht, wie das mikroskopische 
Schnittbild lehrt, in drei Falten aus. Von diesen ist die innerste 
die kleinste, wihrend mittlere und dubere an GréBe einander glei- 
chen; nur selten tiberragt die Mittelfalte (Fig. 4). Die Gestalt der 
Innenfalte, die etwa 0,2 mm tiefer steht als die iibrigen Falten, ist 
im Schnitte warzenihnlich, die Mittelfalte hat fingerformige, die 
Aufenfalte etwa konische Gestalt; zwischen den beiden letzteren 
entsteht die Epicuticula (Fig. 4 cu). Das Epithel der Innenfalte 


Der Mantelrand der Acephalen. 13 


besteht aus Cylinderzellen, welche groBe ovale und basal gelegene 
Kerne besitzen; es hat an der Aufenfliiche der Falte einen sehr 
schwachen, an der Innenflache einen etwas stirkeren cuticularen 
Saum. Innen geht es kontinuierlich in das gleich geartete Epithel 
der Innenfliche iiber. In den Zellen dieser Regionen findet sich 
ein sparliches braungelbes oder schmutzigbraunes Pigment (Fig. 
4 u. 5), das aus kleinen Kérnern besteht, welche distal vom Kern 
liegen. Wimpern habe ich an den Epithelzellen nicht wahrnehmen 
kénnen. Zwar habe ich keine Macerationspraiparate anfertigen 
kénnen, weil das Material dazu zu sparlich war — im ganzen 
standen mir nur zwei Exemplare dieser im Neapeler Golfe, wie 
es scheint, sehr seltenen Art zur Verfiigung —, ich kann daher 
die Wimperlosigkeit dieser Zellen nicht absolut sicher behaupten. 
Andererseits aber wire es sonderbar, daf die zur Fixierung ver- 
wandte Pikrinsalpetersiure, welche sonst die Wimpern gut erhilt, 
gerade hier dieselben sollte zerstért haben. Es ist somit die 
Wimperlosigkeit aller Randepithelien héchst wahrscheinlich. Die 
Sinneszellen sind sehr schmale Gebilde und zeichnen sich deut- 
lich von den indifferenten aus; ihre Zahl ist relativ gering. 
Die Epithelzellen der Innenflaiche der Mittelfalte gleichen denen 
der bisher besprochenen Regionen durch ihren Pigmentgehalt; ihre 
Gestalt ist eine kubische. Die Epithelzellen der AuSenfliche die- 
ser Falte sind an der Epicuticulabildung beteiligt; das an ihnen 
zu beobachtende Detail soll daher erst besprochen werden, wenn 
ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen iiber die Epicuticula- 
bildung schildern werde. An der Aufenfalte sind die Epithel- 
zellen niedrig, fast platt, ohne cuticularen Saum und ohne Pigment 
und zeigen dies Verhalten auch an der Aufenfliche des Randes. 

Der Sipho unterscheidet sich vom Rande nur durch Ab- 
wesenheit der kleinen inneren Falte und der gleich zu beschrei- 
benden Driisen, stimmt mit ihm aber hinsichtlich seiner Epithel- 
zellen vollkommen tiberein. 

Ich komme zu den sekretorischen Gebilden, die 
sich in zweierlei Formen im Mantelrande dieser Species vorfinden. 

Die erste Form wird reprisentiert von Driisen, die aus einem 
einzigen Acinus bestehen (Fig. 5). In der Mitte des Randes nim- 
lich wie besonders in dessen hinteren Partien finden sich in sehr 
grofer Zahl Gebilde vor, die auf einem Schnitte durch ihre Mitte 
als Epitheleinsenkungen mit schmalem Halse erscheinen (Fig 4 ad). 
Verfolgt man sie in der Serie, so sté$t man zunichst auf einen 
rundlichen Zellhaufen, der vom Epithel der Innenfliche der 


14 Dr. Bernhard Rawit?, 


Mittelfalte, selten der Innenfalte, mehr oder weniger entfernt in 
die Substanz der Falte eingebettet ist. Allmahlich, je weiter man 
kommt, 6ffnet sich der Zellhaufen, indem in seinem Centrum und 
an der zur Epitheldecke gerichteten Stelle die Zellen schwin- 
den, wihrend gleichzeitig das Faltenepithel sich einstiilpt. Genau 
in der Achse findet man die erwihnte nach der Innenfliche der 
Mittelfalte mit enger Offnung versehene Einsenkung (Fig. 4 ad) 
um dann in derselben Weise, in der man es auftreten sah, das 
Gebilde wieder verschwinden zu sehen. Wie das noch zu_ er- 
drternde histiologische Verhalten der diese Bildungen zusammen- 
setzenden Zellen beweist, haben wir es hier mit Driisen zu thun, 
die an ihrem kurzen und schmalen Ausfiihrungsgange etwa wie 
eine Beere an ihrem Stiele sitzen; jede einzelne Driise gleicht 
einem Acinus. In den vorderen Randpartien und im Sipho fehlen 
sie ginzlich, in der tibrigen Ausdehnung des Mantelrandes stehen 
sie ziemlich dicht, doch ist nie mehr als eine Driise auf einmal 
im Schnitte zu treffen. Die eine Driise mu erst verschwunden 
sein, ehe eine zweite auftreten kann. Zuweilen hat es allerdings 
den Anschein, als ob zwei Driisen gleichzeitig vorkimen; doch 
giebt die Serie hieriiber bald Klarheit, indem sich zeigt, daf die 
scheinbaren zwei Acini schon im néchsten Abschnitte ineinander 
flieSen. Die Tauschung ist wohl darauf zuriickzufiihren, da’ der 
ziemlich groBe Acinus nicht gerade ausgestreckt, sondern etwas 
gebogen in der Substanz der Falte lag. Der Dickendurchmesser 
der Driisen, wie er sich aus der Anzahl der Schnitte berechnen 
Jafit, in welchen man sie trifft, ist ein sehr variabler. Ich fand 
Driisen in 4, 5, 7, 8, 11, 22 und 30 Schnitten; da nun die Schnitt- 
dicke ausnahmslos 5 u betrug, so ergiebt sich ein Minimum von 
20 uw, i. e. O02 mm und ein Maximum von 150 4 i. e. 0,15 mm, 
also ein Schwanken innerhalb ziemlich weiter Grenzen. Je gerin- 
ger der Dickendurchmesser, desto flacher ist die Einsenkung, d. h. 
desto geringer ist die Tiefe der Driisen,. desto mehr ist also im 
Minimum eine blofe Einbiegung der Epitheldecke vorhanden. Je 
erdber dagegen die Dicke, desto gréfer die Tiefe, um so mehr 
handelt es sich um eine mit engem Eingange versehene Epithel- 
tasche. Nicht gleichen Schritt mit Tiefe und Dicke halt das 
Lumen der Driise. Um zwei Beispiele anzufiihren. Eine Driise 
mittlerer Dicke, etwa von 0,04 mm Durchmesser hatte eine Tiefe 
von 56 w und eine Weite von 36 w; eine andere, die zu den 
erébten tiberhaupt vorhandenen gehérte — ihr Dickendurchmesser 
betrug 0,15 mm — hatte eine Tiefe von 108 w und eine Weite 


Der Mantelrand der Acephalen. 15 


von 54 uw. Wahrend also die Tiefe nahezu das Doppeite bei der 
zWweiten betrug, waren die Lumina der beiden Driisen nur wenig 
verschieden. Der Hals der ersten Driise war 12 u, der der zwei- 
ten 24 « lang. Nach dem Lumen der Driise hin konvergieren 
die Driisenzellen, die durchschnittlich eine Linge von 22 «w be- 
sitzen. Soviel erkennt man, wenn man mittlere VergréSerungen 
beniitzt; ein sehr interessantes Detail wird bei Anwendung stark- 
ster Systeme enthiillt. Die beiden Teile der Driisen, Hals und 
K6rper, haben ein in einfacher Schicht angeordnetes Epithel, das 
auf einer duferst zarten strukturlosen Tunica propria aufsitzt. 
(Der Hals ist iibrigens nicht immer deutlich ausgebildet (ig. 5).) 
Der cuticulare Saum des indifierenten Faltenepithels setzt sich 
eine kurze Strecke auf die Zellen des Driisenhalses fort, welche 
jenen vollig gleichen, fehlt aber an den Zellen des Driisenkérpers. 
Diese letzteren haben basal gelegene grofe, kreisrunde Kerne, die 
sich intensiv fairben, deutliche Nucleoli und zahlreiche Granu- 
lationen enthalten (Fig. 5). Um die Kerne herum ist das Plasma 


sehr zart granuliert — die folgend geschilderten Einzelheiten sind 
in Kigur 5 zu erkennen — oder vielmehr es bildet ein aufer- 


ordentlich enges Netzwerk, dessen Strange sehr fein sind. Nach 
dem Lumen zu erhalt es ein schaumiges Aussehen. Es geschieht 
das so, dal die Plasmastriinge durch das Auftreten von Vakuolen 
ineinander fliefSen, dadurch selber massiger erscheinen, infolge 
jener Hohlenbildung auseinander gedrangt werden und nun ein 
neues Netzwerk bilden, das von dem vorigen aber durchaus ver- 
schieden ist. Das im basalen Teile der Zellen gelegene Netzwerk 
wird durch die Filarsubstanz gebildet, das im schaumigen Ab- 
schnitte sich findende besteht aus Filar- und Interfilarsubstanz. 
Die von diesen letzteren Stringen gebildeten Maschen 6ffnen sich 
alle in das Lumen des Driisenkérpers. In grofen Driisen, in wel- 
chen des schaumige Aussehen der Driisenzellen viel deutlicher ist, 
als in kleinen, trifft man dann noch eine Erscheinung, die an den 
kleinen fast durchgingig zu vermissen ist. Man sieht namlich in 
den Vakuolen bald in gréferer bald in geringerer Menge Tropfen 
liegen, die sich etwas intensiver fairben, als die die Vakuolen be- 
grenzenden Plasmastringe. Nicht alle Zellen derselben Driise 
haben gleiche Gréfe; man _ trifft vielmehr einige an, welche 
nur den um den Kern gelegenen Plasmahof besitzen, wahrend 
ihnen der schaumige Teil fehlt. Offenbar sind das solche Driisen, 
die ihre sekretorische ‘Thaitigkeit beendet haben, d. h. solche, 
deren Plasma zum gréfiten Teile in fliissiges Sekret umgewandelt 


16 Dr. Bernhard Rawitz, 


und so in das Lumen der Driise entleert worden ist. Diese 
miissen sich nunmehr durch eine regenerative Thitigkeit des er- 
halten gebliebenen Zellrestes von neuem zur Ausiibung ihrer 
Funktion geschickt machen. Ein Ersatz namlich der erschépften 
Driisenzellen von aufen her, etwa durch Umwandlung von ein- 
gewanderten Bindesubstanzzellen, findet sicher nicht statt, denn 
nichts deutet auf einen solchen Vorgang hin, und fir eine vdollige 
Neubildung der sekretorischen Elemente fehlt in den Driisen das 
Material. 

Das tinctoriale Verhalten dieser Driisenzellen ist folgendes : 
In Bismarckbraun firbt sich das den Kern umgebende Plasma 
gelbbraun, die Plasmastrange des schaumigen Abschnittes sind 
blasser, wiihrend die Tropfen in den Vakuolen ungefarbt bleiben. 
In Orange-Hamatoxylin ist die Farbung eine blabgelbe, im 
Enruicu-Bionpi’schen Farbengemisch werden Plasmastringe und 
Tropfen rot. 

Die zweite Form, in der die sekretorischen Elemente im 
Mantelrande der Astarte anzutretien sind, kommt in der Sub- 
stanz der Falten nicht vor, sie findet sich vielmehr nur im Rande 
und zwar entweder in der Medianlinie (Fig. 4 zd) oder dem 
Epithel der Aufenflache genaihert. Dieselbe wird reprasentiert 
durch einen zu einem einheitlichen Gebilde vereinigten Komplex 
von Driisenzellen. Die Gestalt der Driisen ist eine laingliche; die 
einzelnen Zellen liegen dicht bei einander, sind von rundlicher 
Form und enthalten einen meist central gelegenen kleinen Kern. 
Der allen Zellen des Komplexes gemeinsame Ausfiihrungsgang 
strebt zur Mittelfalte in die Nihe des vorhin beschriebenen Acinus 
und miindet distal von ihm an der Innenfliche der Mittelfalte 
(Fig. 4 zd). Indessen findet sich keine besonders differenzierte 
Driisenmiindung, sondern es zerspaltet sich der Ausfiihrungsgang, 
der nichts weiter ist als die direkte Fortsetzung simtlicher 
Driisenzellen, in der Nahe des Epithels in feinste Astchen, von 
denen jeder fiir sich durch eine interepitheliale Liicke sein Sekret 
nach aufen fiihrt. Es ist dies Verhaltnis iibrigens sehr schwer 
zu sehen, weil in der Nahe des isolierten Acinus der Ausfiihrungs- 
gang aus der Ebene des Driisenkérpers herausbiegt. Man trifft 
daher im Schnitte von ihm nur noch Bruchstiicke an, deren Be- 
ziehungen zu den Driisen sich selten genau feststellen lassen. 
Die Driise, die einer Membrana propria entbehrt, gleicht, wenn 
sie in ihrer vollen Ausdehnung zu sehen ist, einer Mrrpom’schen 
Driise aus dem Augenlide eines Siiugers auffallend (Fig. 4 2d). 


Der Mantelrand der Acephalen. 17 


Die Driisenzellen erscheinen bei Anwendung stiirkster Vergrife- 
rungen wie ein Konglomerat sehr kleiner auferordentlich dicht 
stehender Tropfen, die sich in Orange-Himatoxylin oder in Enr- 
LicH-Bronpi’schem Farbengemisch leuchtend orange bez. rubinrot 
gefiirbt haben, also das gleiche tinctoriale Verhalten zeigen, wie 
die amorphen Massen im Randwulste von Cardita. 

Die isolierten Acini und diese vielzelligen Driisen sind es, 
welche die in der allgemeinen Beschreibung erwihnten weiflichen 
Erhabenheiten bilden. Daf bei Lupenbetrachtung diese Gebilde 
erhaben, prominent tiber die Fliche erscheinen, was sie, wie das 
Mikroskop lehrt, thatsichlich nicht sind, ist wohl als ein optisches 
Phinomen anzusehen. Es heben sich dieselben von dem das 
Licht nur matt reflektierenden Mantelrande durch ihr stirkeres 
Brechungsvermégen scharf ab und rufen dadurch jene Tiiuschung 
hervor. 

Was die Bedeutung der beiden Arten sekretorischer Elemente 
fiir die Physiologie des Tieres anlangt, so glaube ich dieselben 
fiir einen Giftapparat ansehen zu kénnen, aus Griinden, die in 
ihrem oben geschilderten Verhalten gegen Farbstoffe beruhen. 

Schwieriger diirfte es sein, zu erkliren, wie das Produkt der 
vielzelligen Driisen aus den am meisten basal gelegenen Zellen in 
den Ausfiihrungsgang gelangt. Das Bild, das die Driisen im 
Schnitte darbieten, wo Zelle eng an Zelle liegt, manche eine 
polyedrische Form angenommen hat, ist wohl in gewissem Grade 
als artefiziell, bedingt durch die schrumpfende Wirkung des er- 
hartenden Alkohols, aufzufassen. In vivo liegen vielleicht — ich 
habe leider, wie schon bemerkt, zu Beobachtungen frischer Objekte 
nicht gentigend Material gehabt — die einzelnen Driisenzellen 
nicht so eng, es sind vielleicht wenn auch noch so schmale Zwi- 
schenriiume zwischen ihnen vorhanden, in welchen die Ausfiihrungs- 
giinge sich distalwirts ziehen, um sich dann an dem am meisten 
faltenwirts gelegenen Punkte zu vereinigen, wie dies fiir die bei- 
den distalsten Zellen die Figur 4 zd wiedergiebt. So ware die 
Méglichkeit vorhanden, da das Sekret jeder einzelnen Zelle zur 
Miindung hingelangen kann. 

Wenn hier und bei den einzelligen Driisen von Cardita (auch 
von Arca etc. im If. Teile) von ,,Ausfiihrungsgang“ die Rede war 
und bei den gleichen Gebilden der noch zu besprechenden Ord- 
nungen die Rede sein wird, so ist dieser Ausdruck selbstverstaind- 
lich nicht in dem Sinne aufzufassen, wie er in der Wirbeltier- 


histiologie gebraucht wird. Ein besonders differenzierter Ausfiih- 
Bd, XXVIII, N, F. XX. 2 


18 Dr. Bernhard Rawitz, 


rungsgang existiert nicht. Was hier der Bequemlichkeit wegen 
so genannt wurde, ist integrierender Bestandteil der Driisenzelle 
selber, also gleichfalls der Umwandlung in Sekret fihig. Ich 
denke mir den Sekretionsvorgang in diesen Gebilden so ablaufend, 
daf von einer Stelle aus in jeder Driisenzelle der Impuls zur 
Thatigkeit erfolgt, vielleicht von derjenigen, die in der Nahe des 
Kernes gelegen ist. Dieser Impuls pflanzt sich dann _peripher 
zur Miindungsstelle, i. e. dem sogenannten Ausfiihrungsgange fort, 
der also zuletzt in Thatigkeit treten wiirde. Wenn schlieflich 
alles Umwandlungsfihige zu Sekret geworden, dann erfolgt die 
Ausstofung desselben und zuriick bleibt ein Rest von erschépftem 
Protoplasma, der sich iiber die ganze Zelle, also auch tiber den 
,»Ausfiihrungsgang’ genannten Fortsatz verteilt und der nur um 
den Kern herum etwas konsistenter und normaler geblieben ist. 
Wir sehen selten oder nie dieses Stadium, weil einmal die Ele- 
mente, wenigstens bei den Acephalen, zu klein sind, und dann, 
weil die Farbbarkeit des Plasmarestes eine so geringe ist, daf 
die benachbarten, intensiver tingierten Teile ihre Wahrnehmung 
verhindern. Die Regeneration findet von diesem Reste aus statt, 
zuniichst wohl durch den anregenden Einflu8 des Kernes, dann 
auch durch die sich erneuernde Kraft des Zellplasma (cfr. tiber 
diese Frage meine Abhandlung ,,iiber die Fufdriise der Opistho- 
branchier“, 36). 

Es eriibrigt noch die Beschreibung der Muskulatur; die 
Innervationsverhiltnisse sind in Ubereinstimmung mit denen von 
Cardita. Man sieht in den Schnitten durch den Mantelrand, die 
quer zur Liingsachse des Tieres gelegt sind, zwei Hauptbiindel 
lingsgetroffener Fasern, von denen das stairkere der Innenseite, 
das schwachere der AufSenseite angehért. Letzeres giebt in seinem 
Verlaufe wenige Fasern ab, die quer nach innen gehen; es endet 
in der Aufenfliche der Auf enfalte, nachdem es nach innen noch 
ein Paar stirkere Faserbiindel zur Begrenzung der Driisen der 
zweiten Art entsandte. Das innere Biindel teilt sich in zwei 
Partieen. Die schwichere derselben zieht dicht unter dem Epithel 
der Innenfliiche des Randes und der Innenflache und Aufenflaiche 
der Innenfalte dahin. Die zweite stiirkere und medial gelegene 
Partie umfaft die Driisenmasse und giebt fiir beide Flachen der 
Mittelfalte und fiir die innere der Aufenfalte die Langsmuskeln 
ab. Die bei der gewihlten Schnittrichtung quergetroffenen Biin- 
del, die also eine Art Ringmuskel des Randes darstellen, sind 
im proximalsten Teile des Randes nur gering entwickelt, in den 


Der Mantelrand der Acephalen. 19 


mehr distalen, d. h. den Falten nahe liegenden Regionen sind sie 
sehr kraftig. Sie liegen nach innen von der Medianlinie des Ran- 
des und gehen dann in die Innenfalte tiber (Fig. 4m); in der 
Mittelfalte sind sie nur ganz sparlich anzutreffen. 


Lucina spinifera. Der Mantelrand dieser Species geht 
in zwei schmale, handschuhfingerférmige Falten aus, von denen 
die innere kleiner bez. niedriger ist, als die aufere. Von der 
Aufenflache der inneren entspringt die Epicuticula. Das in- 
differente Epithel der Falten ist ein niedriges, wimperloses Cylin- 
derepithel, dessen freier Rand doppelt konturiert erscheint. Die 
Sinneszellen, welche im Schnitte sich durch ihre schmale Gestalt 
und die intensive Farbung ihrer Kerne deutlich von den indiffe- 
renten abheben, sind auf der Innenfliche der Innenfalte besonders 
reichlich vorhanden, auf den anderen Stellen des Randes nur sehr 
spirlich. Die isolierten Acini, die bei Astarte vorkamen, sowie 
die amorphen Massen, die bei Cardita gefunden wurden, fehlen 
hier; die bei Astarte erwihnte zweite, vielzellige Driisenform ist 
indessen, in allerdings nur sehr geringer Menge, anzutreffen. 


VI. Dreissensia polymorpha VAN BEN. 
(Fig. 6 und 7.) 


A. Allgemeines. 


Unsere systematischen Handbiicher stellen auf Grund der 
Form der Schalen diese Siif{wassermuschel zu den Mytilaceen. 
So richtig eine solche Klassifikation von diesem Gesichtspunkte 
aus sein mag, so unzutretfend ist dieselbe, wenn man andere Ver- 
hiltnisse in Betracht zieht. Schon in meiner Abhandlung iiber 
das centrale Nervensystem der Acephalen (34) konnte ich darthun, 
da die Konfiguration des Visceralganglion diese Art zu den 
Siphoniaten weist (cfr. p. 5 und 6 des Sonderabdruckes); das 
Studium des Mantelrandes liefert einen neuen Beweis fiir meine 
Auffassung. Die Ausbildung zweier kurzer Siphonen, die simt- 
lichen hier zu beobachtenden Einzelheiten sind meines Erachtens 
gentigend triftige Griinde, um die Muschel, wenigstens bei einer ver- 
gleichend histiologischen Untersuchung, von den Mytilaceen zu 
trennen. Ich habe sie zwischen die Lucinacea und Veneracea 

Q* 


20 Dr. Bernhard Rawitz, 


hier eingefiigt, ohne damit im geringsten etwas fiir die syste- 
matische Stellung priijudiciren zu wollen, sondern lediglich aus 
dem Grunde, weil die Histiologie des Mantelrandes dies zu er- 
fordern scheint +). 


Die Rander der beiden Mantelhalften sind auf der ventralen 
Seite in ihrer ganzen Ausdehnung in der Medianlinie verwachsen ; 
nur da, wo der Byssus austritt, also ungefahr in der Mitte, ist 
eine groBe kreisformige Offnung vorhanden. Entsprechend den 
hinteren spitzen Winkeln der Schalen, finden sich ziemlich dicht 
bei einander zwei weitere Offnungen, welche die beiden kurzen 
Siphonen reprisentieren: der ventrale ist der Branchial-, der dor- 
sale der Analsipho. Alle drei Offnungen unterscheiden sich deut- 
lich durch ihre Pigmentierung; die Byssuséffnung ist nur sehr 
wenig, der Atemsipho sehr dunkel, der Analsipho etwas _heller 
pigmentiert. Die Pigmentierung hat hier einen ganz eigentiimlichen 
Charakter. Da, wo der Rand jederseits der Schale anliegt und 
wo sich anscheinend eine niedrige, kammartige Falte erhebt, ist 
rechts wie links ein sehr schmaler, schwarzer Streifen vorhanden. 
Medial von demselben und wiederum vergesellschaftet mit einer 
kammartigen, diesmal aber hohen, mit der Epicuticula in Be- 
ziehung stehenden Falte zieht ebenfalls rechts und links je ein 
intensiv schwarzer Pigmentstreifen. Der erstere schmale Streif 
endet auf der Ventralseite des verwachsenen Randes, nicht weit 
vor dem unteren Sipho, wahrend er auf dem Riicken bis unter 
das Schalenschlo8 zu verfolgen ist. Der zweite breitere Pigment- 
streifen wird allmahlich schmaler und geht auf der Bauchseite 
des Randes bis nach vorn; am Riicken verschwindet er bald. Die 
Siphonen besitzen zahlreiche, die Offnungen umkranzende, kegel- 
formige Papillen, von denen die innersten viel dichter stehen, als 
die mehr peripheren. 


B. Specielle Beschreibung. 


Wie FLEemmMinG in seiner fiir die Histiologie der Muscheln 
grundlegenden Arbeit (14) vortrefflich ausgefiihrt hat, kommen 


1) In einer soeben erschienenen Arbeit meines Freundes Paut 
PEtsencER ,,Contribution a 1’étude des lamellibranches“ (Archives 
de Biologie par van Beneden et van Bambeke T. XI) finde ich zu 
meiner Freude, dafi dieser Forscher, geleitet durch morphologische 


Gesichtspunkte, Dreissensia ebenfalls yon den Mytilaceen entfernt. 


Der Mantelrand der Acephalen. 21 


in den Siphopapillen der Dreissensia und, wie ich hinzufiigen 
moéchte, auch im Rande, mit Ausnahme von dessen dem Branchial- 
raum zugekehrter Flaiche, Wimperzellen nicht vor. Die einzigen 
Haare tragenden Gebilde sind hier die Pinselzellen. Uber deren 
Verhalten etwas anzufiihren ist iiberfliissig, weil die FLEmmina’sche 
Darstellung in jeder Beziehung erschépfend ist. 

Ich wende mich daher sofort zur Besprechung derjenigen 
Resultate, welche das Studium von Schnittpraparaten liefert. 

Im Atemsipho, dem der Analsipho in seinem histiologischen 
Verhalten voéllig gleicht, nur daf er nicht so dunkel pigmentiert 
ist, muf man zwei Partieen unterscheiden: die Papillen tra- 
gende und die Faltenpartie. Die Falten, deren zwei, eine innere 
und eine auBere, von wechselnder Ausdehnung vorhanden sind, 
iibertreffen die Papillen bedeutend an Hohe. Zwischen den 
beiden Falten entsteht die Epicuticula, und zwar so, da die 
Aufenflache der Innenfalte nur in ganz geringem Grade, die 
Innenflaiche der Aufenfalte dagegen in ihrer ganzen Ausdehnung 
an dieser Bildung beteiligt sind. An der Aufenfalte trifft man 
im Schnitte zuweilen sekundaire Falten, so dass sie doppelt und 
dreifach erscheinen kann, die sekundéren sondern dann ebenfalls 
die Epicuticula ab (Fig. 65 cw). 

Die Innenfalte hat auf ihrer Innenfliche einen epithelialen 
Belag, der aus stark pigmentierten, auf ihrer AuBenfliche einen 
solchen, der aus pigmentfreien, wimperlosen Zellen von cylin- 
drischer Gestalt besteht. Die Zellen sind 18 « hoch und besitzen 
einen 5,4 uw dicken, ganz homogen erscheinenden cuticularen 
Saum. Ihre Breite ist 4 4% und entspricht der Breite der basal 
gelegenen, lingsovalen, 9 «. Langsdurchmesser habenden Kerne. 
An der Innenflache ist der ganze Teil der Zelle, der zwischen 
Kern und cuticularem Saume gelegen ist, von Pigment prall aus- 
gefiillt. Dasselbe besteht aus sehr kleinen, dicht gedrangt stehen- 
den Kérnern von schmutzig grauschwarzer Firbung. Suarp (43) 
erklart diese Pigmentzellen — oder die der Papillen, das geht 
aus seiner unklaren Beschreibung nicht sicher hervor — fiir 
lichtempfindlich oder, wie es in der Figurenerklaérung heiBt, fiir 
»retina cells‘. Die Angabe, daf der cuticulare Saum sehr breit 
ist, ]48t vermuten, da8 Suarp’s Abbildung einem Priiparate aus 
dieser Gegend entstammt; aber wie er, lediglich gestiizt auf diese 
Breite des Epithelsaumes, ohne sonst irgend einen Beweis beizu- 
bringen, die Zellen als Sehzellen bezeichnen konnte, ist mir véllig 
unerfindlich. Die Sinneszellen sind nur sparlich vorhanden und 


22 Dr. Bernhard Rawitz, 


infolge der Pigmentierung der indifferenten sehr schwer zu erkennen. 
Basalwarts, zur Ursprungsstelle der Falte zu, in der Nahe der 
Papillenregion, wird das Epithel niedriger, um in dem Thale, das 
sich zwischen Falte und Papillen findet, fast platt zu erscheinen; 
es hat hier nur eine Héhe von 3,6 w und ist gleichzeitig fast 
vollig pigmentfrei. Das Epithel der AuSenflache der Innenfalte, 
wie das der Innenfliche der Aufenfalte gehért, wie bereits be- 
merkt, der Epicuticula an. 

Was die AuSenfliche der AuBenfalte anlangt, so ist tiber die- 
selbe folgendes auszusagen. Von der Spitze ab proximalwarts in 
einer linearen Ausdehnung yon ungefahr 0,8 mm zeigen sich die 
Epithelzellen, die hier, wie selbstverstindlich, ebenfalls wimperlos 
sind, in ganz derselben Weise pigmentiert, wie auf der Innenflache 
der Innenfalte; ihre Hohe betragt 16,2 uw. Nur fehlt hier, im 
Gegensatze zu dort, den Zellen der cuticulare Saum. Von da 
ab abwarts, d. h. dem Mantel zu, sind die Epithelzellen pigment- 
frei; darauf kommt eine pigmentierte Zone von etwa 0,22 mm 
linearer Ausdehnung und endlich das pigmentlose Epithel der 
AuBenflache des Randes und Mantels. In der ersten erwahnten 
pigmentfreien Zone zeigen sich die Epithelzellen in einer linearen 
Ausdehnung von etwa 0,3 mm besonders gestaltet. Sie sind sehr 
schmal, nur 2,7 w breit, dagegen sehr hoch, etwa 46,8 «w; die 
Kerne sind langsoval, ihr gréfter Durchmesser betragt 17,2 u, 
ihre Breite entspricht der der Zellen, sie liegen entweder genau in 
der Mitte oder noch vor derselben, dem freien Epithelrande ge- 
nihert. Das Plasma dieser Epithelzellen, die sicher nicht als 
Driisenzellen zu deuten sind, farbt sich sehr viel intensiver als 
das der iibrigen, die im allgemeinen Farbstoffe nur wenig anneh- 
men, der freie Rand der uns hier beschaftigenden Gebilde zeigt 
nur bei Anwendung starkster Vergroéferungen eine leichte Andeu- 
tung von doppelter Konturierung. 

Die zweite der vorhin erwihnten Pigmentzonen entspricht 
dem eingangs geschilderten dunklen Streifen; das Epithel, ein 
gewohnliches indifferentes, beherbergt die Pigmentkérner in der- 
selben Weise, wie das der Innenfalte. 

Wenden wir uns zu den Siphopapillen. Die Linge der- 
selben schwankt innerhalb enger Grenzen, sie betragt etwa 
0,25—0,3 mm. Die wimperlosen Epithelzellen sind teils pigment- 
haltig, teils pigmentfrei. Die ersteren gleichen denen der Innen- 
falte, nur daf ihr cuticularer Saum halb so breit ist, wie dort. 
Die Sinneszellen, welche hier reichlicher vorkommen, als in der 


Der Mantelrand der Acephalen. 23 


Innenfalte, und die in der Papillenspitze ziemlich dicht stehen, er- 
scheinen als sehr schmale Gebilde, die einen stabchenformigen, sich 
intensiv farbenden Kern besitzen. Zwischen den pigmentierten 
Zellen sind sie nicht zu erkennen, wohl aber deutlich zwischen 
den pigmentfreien (Fig. 6 sz). 

Sekretorische Gebilde finden sich nur in der Papillen- 
region, nicht aber in den Falten, und erscheinen stets als amorphe 
Massen. In den Papillen liegen sie sowohl dicht an dem Epithel, 
wie auch der Medianlinie zu (Fig. 6 gd). Ferner trifft man sie 
in der Substanz, aus der die Papillen entspringen, und zwar auf 
der dem Branchialraume zugekehrten Seite. In dem Thale, das zwi- 
schen Papillen und Innenfalte liegt, sind sie ebenfalls vorhanden, 
aber nur sehr sparlich. Ganz ausnahmsweise sieht man sie in 
der Spitze der Innenfalte. Die tinctorialen Reaktionen zeigen, daf 
wir es hier mit einem eiweifahnlichen Sekrete, also, nach meiner 
oftmals begriindeten Auffassung, mit Giftmassen zu thun haben. 
In Boraxcarmin bleiben sie farblos, in Bismarckbraun werden sie 
hellgelbbraun, in Orange-Hamatoxylin leuchtend orange. Diese 
Massen, die sich bald als gréBere oder kleinere Klumpen, 
bald als mehr oder minder ausgedehnte Infiltrationen der 
Bindesubstanz darstellen, unter dieser Form besonders in den 
Papillen (Fig. 6 gd), erscheinen bei Betrachtung mit mittleren 
Systemen wie homogene Gebilde, die dicht mit dunklen Kor- 
nern besetzt sind. Bei Anwendung starker VergréSerungen 
aber erkennt man, da es sehr kleine dicht aneinander ge- 
drangte Tropfen sind, welche die Maschen des Bindegewebes 
erfillen. In ihnen sind zahlreiche Kerne vorhanden (Fig. 
6 gd), welche zuweilen von einem mehr oder minder betracht- 
lichen Plasmahofe umgeben sind. Es sind dies offenbar die 
FLeMMinG’schen Zellen der Bindesubstanz, deren Plasma durch 
Umwandlung jene Tropfenmassen liefert. Eine genaue Entscheidung 
tiber die Herkunft der letzteren ist aber darum sehr schwierig, 
weil man eigentliche Uberginge zwischen normaler FLEmMinG’scher 
Zelle in der Bindesubstanz und Tropfenkonglomerat nicht zu sehen 
bekommt. Doch ist es sehr wahrscheinlich, daf jene Zellen in 
dieser Weise funktionieren, weil keine anderen histiologischen Ele- 
mente, die dafiir in Anspruch genommen werden k6nnten, vor- 
handen sind. Die Entleerung des Sekretes geschieht durch inter- 
epitheliale Liicken, wie man daraus schlieBen kann, daf im Epithel 
bez. zwischen den Epithelzellen Tropfen, die wie jene Massen ge- 
farbt sind, vielfach angetroffen werden (Fig. 6 bei x). Mucin- 


24 Dr. Bernhard Rawitz, 


bereitende Driisen, sowie Becherzellen sind weder in den bisher 
betrachteten Regionen, noch in den anderen Partieen vorhanden. 

Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Je 
nach dem Grade der Kontraktion, den derselbe bei der Hartung 
erhalten, bietet er ein verschiedenes Aussehen dar. Bei starker 
Kontraktion namlich hat sich seine Oberflache in zahlreiche Fal- 
ten gelegt, die im mikroskopischen Bilde als Epithelzotten sich 
darstellen; bei schwacher Kontraktion ist die Oberfliche dagegen 
nur leicht gewellt. Diese Differenz betrifft hauptsichlich die Par- 
tieen dicht an der medianen Verwachsungsstelle mit EKinschluf des 
Pigmentstreifens; nach aufen von letzterer, also schalenwarts, ist 
die Oberfliche meist glatt. Die Pigmentzone ist noch dadurch aus- 
gezeichnet, das von ihr die Epicuticula entspringt. Sinneszellen 
finden sich im Rande ganz auferordentlich sparlich. Die indiffe- 
renten Epithelzellen, welche die zentrale, dem umgebenden Medium 
zugekehrte Flache des Randes bekleiden, sind wimperlos; diejenigen 
dagegen, welche die innere, also dem Kiemenraum zugewandte 
Seite iiberziehen, tragen ziemlich hohe Cilien. Die pigmentierten 
Epithelzellen der ventralen Flache gleichen denen der Papillen 
und der Falten vollstindig; ihre Hohe betrigt etwa 10 w. Der 
Schale zu werden sie allmahlich flach, bis zu 3,6 « Hohe, um 
dann ganz plétzlich im Mantel, und zwar in derjenigen Partie 
desselben, welche der Schaleninnenflaiche anliegt, in ganz aufer- 
ordentlich hohe Zellen tiberzugehen, welche circa 0,1 mm in der 
Hohe und bis 9 « in der Breite messen (Fig. 7). Dieses Epithel 
ist durch eine gut ausgepragte Grundmembran scharf von der 
darunter liegenden Bindesubstanz abgesetzt. Die Zellen selber, 
welche eine besondere Membran haben (Fig. 7), stellen sich als 
Konvolute von Massen dar, die von Staben oder Schollen ge- 
bildet werden (Fig. 7), die sich in Boraxcarmin rosarot gefarbt 
haben. Durch die zum Konservieren angewandten Reagentien 
werden diese Massen ziemlich briichig, so da nicht alle Zell- 
membranen im Schnitte von ihnen vdllig ausgefiillt erscheinen. 
Ihre Kerne, central gelegen oder dem freien Rande genahert und 
stets der Membran dicht angepreft, sind zuweilen von einem 
schwachen plasmatischen Hofe umgeben. Es ahneln somit, wie 
aus der Beschreibung und Abbildung (Fig. 7) erhellt, die Zellen 
der Aufenfliche des Mantels bei Dreissensia denen der gleichen 
Region von Arca (cfr. II. Teil); die Funktion derselben wird also 
héchst wahrscheinlich hier dieselbe sein, wie dort. Aus den im 
zweiten Teile entwickelten Griinden (cfr. 1. c. p. 14 des Sonder- 


Der Mantelrand der Acephalen. 25 


abdruckes) bin ich der Ansicht, dafi die Aufenflache des Mantels 
als an der Bildung der Schale beteiligt, mit anderen Worten, als 
eine kalkbereitende Driise aufzufassen ist. 

Uber die Muskulatur ist folgendes anzumerken. Auf 
Langsschnitten durch die Siphonen sieht man yom Mantel her 
ein machtiges Muskelbiindel an der AuSenseite des Randes empor- 
steigen, das sich innerhalb der Siphonalsubstanz in zwei ungleiche 
Partieen spaltet. Die aufSere derselben, die zugleich die schwichere 
ist, verliert sich in die Falten, die machtigere innere geht in die 
Papillenregion. Hier findet man ein aus dorsoventral, lateral, 
diagonal und quer verlaufenden Fasern gebildetes Muskelnetz, wel- 
ches so dicht ist, da bestimmte Gruppen sich nicht aussondern 
lassen. Diese Anordnung verbiirgt einen hohen Grad von Kon- 
traktilitat in dieser Gegend. Im Rande trifft man auf Quer- 
schnitten hauptsachlich solche Muskelbiindel, welche in seiner 
Langsachse verlaufen. 


VII. Veneraeea. 


Aus der Familie der Cardiidae wurden untersucht: Car- 
dium edule L., C. oblongum CHemy., C. tuberculatum L.; aus der 
Familie der Glossidae stand mir nur Cyprina islandica zur 
Verfiigung, aus der der Veneridae Artemis exoleta L., Cytherea 
chione L., Venus gallina L., Venus verrucosa L., Tapes decussata 
lL. und endlich aus der Familie der Petricolidae Petricola 
lithophaga Retz. 

Die Exemplare von Cyprina islandica, die ich untersuchen 
konnte, stammten simtlich, die von Cardium edule zum Teil aus 
der Kieler Bucht; ein anderer Teil der erwahnten Cardiumart so- 
wie alle tibrigen Species waren aus dem Golfe von Neapel. 

Die Form der Siphonen und deren histiologische Struktur 
bei den Familien der Cardiidae und Glossidae ist sehr verschieden 
von der der Siphonen der Veneridae und Petricolidae; ich halte 
es daher fiir sachlich geboten, hier eine Zweiteilung vorzunehmen 
und zunachst die Mantelrandorgane der ersten beiden und dann 
erst die der anderen beiden Familien zu beschreiben. * 


26 Dr. Bernhard Rawitz, 


Vila: Cardiidae und Glossidae. 
(Fig. 8—25.) 


A. Allgemeines. 


Der Mantel von Cardium edule ist von vorn bis hinten 
zu den Siphonen in seiner ganzen Ausdehnung offen. Der Mantel- 
rand, welcher eine nur mafige Verdickung desselben darstellt, 
spaltet sich, wie man schon bei Betrachtung mit unbewaffnetem 
Auge erkennen kann, in zwei Falten, welche durch eine ziemlich 
breite und tiefe Furche voneinander geschieden sind. Die aufere 
von diesen Falten, die zugleich an der Epicuticulabildung beteiligt 
ist, ist auf ihrer inneren Flache glatt, wahrend sie auf ihrer 
Aufenflache dadurch, daf sie sich in die auf der Innenseite der 
Schalen vorhandenen tiefen Furchen einlegt, uneben ist. Diese 
Unebenheiten erscheinen am Rande wie kammartige Verdickungen, 
die mantelwarts niedriger und schmaler werden, in einer den 
Schalenfurchen entsprechenden Weise. Die Aufenfalte begleitet 
die Siphonen und vereinigt sich mit der der Gegenseite auf dem 
Riicken des Tieres. Die Innenfalte, anscheinend ein wenig nie- 
driger und schmaler als die aufere, vereinigt sich mit der 
der Gegenseite ventralwirts des Analsipho in einem nach vorn 
konkaven Bogen. So entsteht eine Duplikatur, die als eine quer- 
gespannte Membran den Branchialraum in der Siphonalgegend 
abschlie8t und dadurch bei der natiirlichen Lage des Tieres, wenn 
also der Kérper im Sande steckt und nur die Siphonen heraus- 
ragen, das Eindringen von fremden Gegenstinden in den Kiemen- 
raum von dieser Gegend aus mechanisch unméglich macht. Die 
Innenfliche des Randes zeigt einen im konservierten Objekte weiB- 
lich aussehenden Fleck, welcher vorn dicht unterhalb des vorderen 
SchlieSmuskels ganz schmal beginnt, allmihlich an Breite zunimmt 
und von der Mitte der Lange des Tieres ab wieder an Umfang schnell 
geringer wird, um spitz zu enden. Er ist gegen den Rand kon- 
vex, gegen den Mantel konkavy begrenzt und hat somit sichel- 
formiges Aussehen; das Niveau der Innenfliche des Mantels tber- 
ragt er nicht. 

Von den beiden Siphonen ist der Atemsipho der langere und 
weitere; die Offnungen beider werden von einer Reihe dicht 
stehender Papillen umkranzt, welche an ihren Basen eine braun- 


Der Mantelrand der Acephalen. 27 


liche Pigmentierung besitzen, sonst aber farblos sind. Auferdem 
finden sich auf der Aufenwandung beider Siphonen mehrere 
Reihen verstreut angeordneter Papillen, von denen eine grofe Zahl, 
aber nicht alle, einen gelbbraunen Pigmentfleck auf der Innenflache 
dicht an der Spitze erkennen laft. Diese Flecken sollen die 
Augen“ von Cardium edule sein. Ebensowenig wie Drosr (9) 
konnte ich die Angabe von Carrie (6) bestiitigen, daf diese 
Papillen einen besonderen metallischen Glanz besitzen; auch die 
von dem letzten Autor und yon Parren (32) behauptete rotliche 
Farbung der Papillenspitze habe ich an den Exemplaren dieser 
Species, die ich im lebenden Zustande beobachten konnte, nicht 
gesehen. Auch nicht bei Cardium echinatum, auf welches die 
Carrizre’sche Angabe geht, das mir nur in einem Exemplare, 
dessen Konservierung mir leider miflang, zu Gebote stand. 

Meine Angaben iiber die Verteilung der Papillen auf der 
Siphowandung decken sich mit der Darstellung, welche diese Ver- 
haltnisse auf der Figur 1 der Cardiumtafel in dem bekannten 
Werke von Meyer und Mosrus (80) erhalten haben. In Figur 2 
derselben Tafel finden wir dagegen fiir den Atemsipho nur zwei 
Reihen, fiir den Kloakensipho nur eine Reihe Papillen gezeichnet, 
und zwar ist die einzige Reihe bei letzterem wie die aufBere Reihe 
bei ersterem Sipho durch die sogenannten Augenpapillen repra- 
sentiert. Im konservierten Materiale, namentlich wenn die Siphonen 
beim Einbringen in das fixierende Reagens sich briisk kontrahiert 
haben, kann man wohl die dem natiirlichen Verhalten keineswegs 
entsprechende Gruppierung in zwei Reihen antreffen; nur eine ein- 
zige Reihe Papillen aber habe ich nie gesehen. 

Auger jenen erwahnten, auf die Papillen beschrankten Pig- 
mentanhaufungen findet sich noch eine Pigmentierung der Aufen- 
wand der Siphonen, die aus verstreuten, bald gréferen, bald 
kleineren hellbraunen Flecken besteht. 

Nach Drosr (9) hat die Innenflache der Siphonen eine ,,weibe 
Farbe mit einem perlenartigen Schimmer. Nicht gleichmafig ist 
die glinzende Farbung verteilt, sondern in dichtgedrangten Ban- 
dern und Flecken angeordnet“ (p. 31 des Sonderabdruckes). Diese 
Angabe kann ich vollkommen bestatigen. 

Cardium tuberculatum gleicht hinsichtlich der Kon- 
figuration des Mantels und der Siphonen durchaus der vorigen 
Species. Nur insoweit findet sich hier eine beachtenswerte Differenz, 
als keine Papillen vorkommen, welche einen auf die Innenflache 
der Spitze beschrinkten Pigmentfleck haben. Die Papillen sind 


28 Dr. Bernhard Rawitz, 


fast alle pigmentiert und das Pigment in ihnen in ganz unregel- 
maBiger Weise verteilt. Die Innenflache der Siphonen zeigt hier 
einen ahnlichen Perlenglanz, wie bei Cardium edule. 

Bei Cardium oblongum sind die Siphonen kurze Gebilde, 
deren Offnungen von einer Reihe sehr zahlreicher kleiner, kegel- 
formiger Papillen umstanden sind. Vom dorsalen Sipho dorsal- 
warts bis zum Schalenbande, und vom ventralen Sipho ventral- 
wirts bis zum Auseinanderweichen der Rander finden sich ebenfalls 
sehr zahlreiche Papillen, die sich von den ersteren, abgesehen 
von ihrer gréferen Lange und bedeutenderen Dicke, dadurch un- 
terscheiden, daf sie eine am lebenden Tiere prachtvolle rubinrote 
Farbung besitzen, die sich bei der Konservierung in Alkohol vdllig 
verliert, wahrend die um die Siphoéffnungen stehenden Papillen 
stets farblos sind. Die Innenflache der Siphonen besitzt beim 
lebenden Tiere einen herrlichen Silberglanz, der durch Reflexion 
des auf die Siphoneninnenwand fallenden Lichtes hervorgebracht 
wird. Die Gebilde, welche reflektieren, werden wir in der spe- 
ciellen Beschreibung kennen lernen. Ein eigenes Leuchtvermégen 
kommt dem Tiere nicht zu, wie man daraus erkennt, da bei Ab- 
schlu8 des Lichtes der Silberglanz der Siphonen verschwindet. 
Die Konfiguration des Randes ist wie bei Cardium edule; hier 
und bei Cardium tuberculatum habe ich aber den friiher beschrie- 
benen sichelf6rmigen Fleck nicht gefunden. 

Der Mantelrand von Cyprina islandica ist von vorn bis 
hinten zu einer Stelle, welche der hintersten Partie des Fufes 
gegeniiberliegt, offen. Von jener Stelle ab erheben sich die beiden 
getrennten, kurzen Siphonen, von welchen der ventrale kiirzer ist, 
aber ein weiteres Lumen besitzt, als der dorsale. Beide Offnungen 
sind von einer grofen Zahl kegelférmiger Papillen umkranzt, die 
ventralwarts bis fast zur Mitte des Randes, dorsalwarts bis zum 
Schalenbande sich fortsetzen. Dieselben haben, wie dies schon 
Meyer und Mosrus (30) angeben, eine gelbe Farbung mit braun- 
roter Basis. Der Mantelrand, welcher sich in zwei Falten auf- 
spaltet, zeigt auf der dem Branchialraum zugekehrten Flache in 
seiner ganzen Ausdehnung eine machtige, wulstformige Verdickung, 
die von vorn bis etwa zu der dem hinteren Drittel des Fufes entspre- 
chenden Gegend von einer seichten Furche, die parallel zur Langs- 
achse des Tieres verlauft, durchzogen wird. Die mehr faltenwarts, 
also mehr zum eigentlichen Rande zu gelegene Partie ist weiflich, 
die zweite mehr branchialwarts sich findende Partie ist gelblich 
gefarbt. Die beiden Falten, in welche sich der Mantelrand auf- 


Der Mantelrand der Acephalen. 29 


Spaltet, begleiten die Siphonen aufSen an deren Basis bis zum 
Riicken des Tieres; sie sind von den Papillen durch eine breite, 
ebene Flache getrennt. 


Uber die durch Praparation zu erkennende Innervierung des 
Mantelrandes glaube ich nicht nétig zu haben, besondere Angaben 
zu machen. Die Analyse des Nervensystems, die Drosr (9) von 
Cardium edule gegeben hat, welche Species mit den iibrigen hier 
behandelten Formen hinsichtlich dieser Verhiltnisse in vollkom- 
mener Ubereinstimmung sich befindet, ist so erschépfend und 
richtig, da’ ich nichts derselben hinzuzufiigen weil. Ich kann 
daher auf den betreffenden Abschnitt der Drost’schen Abhand- 
lung (9; p. 2—10 des Sonderabdruckes) hiermit einfach verweisen. 


B. Spezielle Beschreibung. 


Wie bereits in der den ersten Teil der Abhandlung einleitenden 
historischen Ubersicht (cfr. I. Teil, p. 7 ff. des Sonderabdruckes) 
angegeben wurde, hat Drosr (9) fiir die Siphonen von Cardium 
edule vier Arten von Sinneszellen beschrieben. Zwei davon sind 
auf der ganzen Kérperoberfliche zu finden; von diesen gleicht die 
eine Art dem gewéhnlichen, von FLEMMING aufgestellten Schema 
der Molluskensinneszelle, wihrend die zweite Art ein sehr breites, 
Borsten tragendes Képfchen besitzt, dem ein besonderes Cuticular- 
wirzchen entspricht. Eine dritte Art kommt nur lokalisiert vor 
und zwar in einer seichten Kinbuchtung auf der Spitze der Sipho- 
papillen. Die Sinneshaare dieser Zellen, schon von Mryrer und 
Mosius (30) erwihnt, sind sehr lang, die Zellen selber nach 
Drosr dadurch besonders gekennzeichnet, da’ sie auferst kleine, 
runde Kerne besitzen, welche in ihrem oberen Drittel gelegen sind. 

Ich kann fiir Cardium edule diese Angaben von Drosr 
im wesentlichen bestaétigen und habe nur lediglich das hinzuzufiigen, 
dass die dritte, lokalisiert vorkommende Art der Sinneszellen nie 
auf den Siphopapillen der innersten Reihe, sondern nur auf einer 
grofen Zahl, aber nicht allen, der tiefer auf der Aufenwand der 
Siphonen stehenden Papillen sich findet. 

Als eine vierte Art von Sinneszellen hat dann Drosr die- 
jenigen Pigmentzellen bezeichnet, welche die erwabnten gelbbraunen 
Flecken auf der Innenfliche zahlreicher Papillen dicht an deren Spitze 
bilden. Die Entscheidung dariiber, ob diese Pigmentzellen wirk- 


80 Dr. Bernhard Rawit2z, 


lich Sinneszellen sind oder nicht, soll mit der Histiologie der be- 
treffenden Papillen gegeben werden. 

Bei Cardium tuberculatum, oblongum und bei 
Cyprina islandica habe ich nur eine Art yon Sinneszellen 
angetroffen, nimlich die gewohnlichen, dem FLemmine’schen Schema 
entsprechenden Pinselzellen. 

Bei der Schilderung der an Schnittpraparaten zu erkennenden 
histiologischen Einzelheiten miissen die vier angefiihrten Arten 
gesondert behandelt werden, weil sie in vielen und wichtigen 
Punkten voneinander abweichen. 


Cardium edule. Das Epithel der SiphoauSenflache 
hat sich je nach dem durch die Konservierung bewirkten Kontrak- 
tionsgrade in mehr oder minder zahlreiche Falten gelegt, die von 
ungleicher Ausdehnung und ungleicher Héhe sind. Diese Falten 
erscheinen auf dem Schnitte als Epithelzotten. Die Epithelzellen 
sind cylindrische, wimperlose Gebilde von 10,8 «w Hohe, 5,4 wu 
Breite und einem cuticularen Saume von 1,8 « Dicke. Die Kerne 
sind oval oder kreisrund und basal gelegen. Die basale Grenze 
des Epithels bildet eine scharfe Linie, welche die Zellen von dem 
homogen erscheinenden subepithelialen Gewebe deutlich scheidet, 
in welchem die letzten Ausliufer der Muskeln liegen, die sich in 
Form kleiner Stippchen priasentieren (Fig. 8m). Nach Drost 
enden die Muskeln vor der homogenen Partie der Bindesubstanz ; 
das ist nicht richtig und die Angabe ist wohl darauf zuriickzu- 
fiihren, da’ Drosr keine geeigneten Tinctionsmethoden angewandt 
hat. Uber die eigentiimlichen Erscheinungen dieser Muskelstipp- 
chen und ihre Beziehungen zu den Epithelzellen will ich mich 
erst niiher bei Besprechung der Histiologie der Veneriden 
iiufern, weil bei dieser Familie diese Verhiltnisse viel klarer 
liegen, als hier bei Cardium. 

Im Schnitte sind die Sinneszellen zwischen den indifferenten 
nicht zu erkennen. An verstreuten Stellen sind die lezteren pig- 
mentiert; das Pigment besteht aus ziemlich grofen Kérnern von 
briunlicher oder auch griingelber Farbe und erfiillt die distal vom 
Kern gelegene Partie der Zellen. In sehr geringer Menge und 
nur an wenigen unregelmifig verteilten Stellen sieht man zwischen 
den Epithelzellen eigentiimliche Gebilde liegen, die meist von 
kreisrunder Gestalt sind, etwa 5,4 « Durchmesser besitzen, entweder 
ganz homogen erscheinen oder ein Konglomerat von Tropfen oder 
Schollen darstellen (Fig. 9 hk). Sie farben sich in Orange-Haima- 


Der Mantelrand der Acephalen. 31 


toxylin Jeuchtend orange, in Kosin-Hamatoxylin flammendrot, in 
dem Dreifarbengemisch von Enriicu-Bionpt1 tief violett, wihrend 
sie in Bismarckbraun oder in einfachen Hamatoxylinpraparaten 
nicht erkennbar sind. Gleich gefairbte Bildungen sieht man in 
der Niihe des Epithels in der Bindesubstanz legen, welche sich 
yon den erwihnten intercellulairen K6rpern dadurch unterscheiden, 
dali sie eine zarte Plasmazeichnung erkennen lassen oder grob 
granuliert sind und einen meist central, selten excentrisch gelegenen 
Kern besitzen, der sich intensiv tingiert hat (Fig. 9 /g). Jene 
homogenen Kérper und diese Zellen, welche die FLemmina’schen 
Zellen der Bindesubstanz sind, gehéren offenbar zusammen. Die 
FLemmina’schen Zellen wandern durch das Epithel hindurch, 
verandern wahrend des Durchwanderns ihre Plasmastruktur, in- 
dem sie homogen werden, und verlieren den Kern. Daf diese 
Auffassung richtig ist, geht daraus hervor, dafi’ man in aller- 
dings ganz seltenen Fallen in einzelnen homogenen Kdérpern 
noch den Kern erkennen kann; derselbse ist geschrumpft, hat 
sich nur noch wenig gefarbt und ist bei einzelnen so excentrisch 
geriickt, dal er fast wie eine Kappe den Gebilden aufliegt. 
Diese homogenen aber kernhaltigen Kérper sind meines Erach- 
tens als die Ubergangsstufen von den normalen FLEmMmina’schen 
Zellen zu den homogenen, kernlosen Gebilden zu betrachten. Die 
vorhin erwahnten, gleich den homogenen Ké6rpern gefirbten — 
also leuchtend orange etc. — FLemmina’schen Zellen stellen ihrer- 
seits schon ein Entwickelungsstadium auf dem Durchwanderungs- 
prozesse dar, indem namlich fiir gewéhnlich dieselben sich nur 
bla8 — also schwach gelb etc. — fiarben. Sind diese Gebilde 
durch das Epithel hindurchgetreten oder herausgepreft, dann 
schwinden die so zwischen den Epithelzellen entstandenen Liicken 
nicht sofort, sondern persistieren noch eine Zeit lang; man trifft 
daher im Schnitte zuweilen zwischen den Epithelzellen grofe 
Liicken von rundlicher Begrenzung an, die ganz leer sind. An 
ungeeignet tingierten Schnitten, namentlich an solchen, die von 
durchgefarbtem Materiale angefertigt wurden, kénnte man dadurch 
leicht zu der Meinung yerleitet werden, als habe man hier Becher- 
zellen yor sich. Diese Annahme wiire aber, wie meine obige 
Schilderung lehrt, ganz falsch; Becherzellen kommen tiberhaupt im 
Sipho dieser Art nirgends vor. 

Die Innenfliche der Siphonen (Atem- und Analsipho ver- 
halten sich ganz gleichmifig) hat einen epithelialen Belag, der 
sich in nur wenige sehr breite und niedrige Falten gelegt hat, 


32 Dr. Bernhard Rawitz, 


Die Epithelzellen sind wimperlos, von cylindrischer Gestalt, messeti 
9 « in der Hohe, 4 « in der Breite und haben einen cuticularen 
Saum von knapp 1 « Dicke. Sinneszellen sind zwischen den in- 
differenten nicht zu erkennen. Ks finden sich hier dieselben homo- 
genen Koérper zwischen den Epithelzellen liegend und es zeigen sich 
die gleichen Umwandlungsstufen der gewohnlichen FLEmMinG’schen 
Zellen zu denselben, wie auf der AuSenflache; nur sind hier, 
innen, die Gebilde bedeutend zahlreicher als au’en. Deswegen 
habe ich die diese Verhaltnisse illustrierende Figur 9 von der 
Innenflache des Sipho gewahlt. 

Was den Hauptunterschied der Innenflache von der Aufen- 
fliche bildet, der auf den ersten Blick in die Augen fallt (cfr. 
Fig. 10 und 8), das ist das Vorkommen ganz eigenartiger Zellen 
auf der ersteren, die auf der letzteren vollstiindig fehlen. Die- 
selben wurden schon von Drosr (9) beobachtet und als die Ur- 
sache des perlenartigen Glanzes der Siphoinnenflache erkannt, 
Nach diesem Autor lagern sich dieselben in den Liicken des soge- 
nannten Schwellnetzes ,,an der Stelle der LANGER’schen Blasen‘‘ und 
finden sich auf der Siphoinnenfliche zwischen den subepithelialen 
Muskeln und der Hauptmuskelmasse ,,in selten unterbrochenem, 
breiten Bande von oben bis unten“ (I. c. p. 32 des 8.-A.). Die 
Kerne liegen, ,,wenn sie sichtbar sind, stets an einem Pol und 
sind an der dichteren geronnenen Masse wie angebacken, so daf 
an ibrer Zugehorigkeit zu dieser kein Zweifel walten kann“ (ibidem). 
Meine eigenen Beobachtungen ergaben folgende Resultate. Die 
Zellen liegen nicht dicht am Epithel, sondern sind von ihm durch 
eine von der Basis der Epithelzellen an gemessene circa 12,6 u 
dicke homogene, bindegewebige Schicht getrennt, in welcher nur 
die letzten stippchenfoérmigen Auslaufer der Muskeln vorkommen 
(Fig. 10 m). Inkonstant trifft man auch medianwarts von den 
Stippchen, zwischen ihnen und den Zellen, einige in der Liings- 
achse verlaufende Muskelfasern an. Die Zellen sind durchgingig 
ovoide Gebilde, deren Lingsdurchmesser zwischen 9 w nnd 18 uw, 
deren Breitendurchmesser zwischen 5,4 « und 7,2 uw schwankt. 
Breite und Lange der Zellen stehen in keinem Verhialtnisse zu 
einander, insofern nimlich die breiten Zellen nicht zugleich die 
kiirzesten, die langen nicht die schmalsten sind, und umgekehrt. 
Die Zellen finden sich alle schrig im Gewebe, d. h. ihr langer Durch- 
messer ist so orientiert, daf er von unten aufen schrig nach oben 
innen geht (Fig. 10 fz), wenn man proximal hierbei als unten, 
distal als oben bezeichnet. Die Zellen liegen alle dicht bei ein- 


Der Mantelrand der Acephalen. 3b 


ander, fast durch keine Zwischensubstanz getrennt; nur zuweilen 
sieht man einige von der Aufen- nach der Innenfliche ziehende 
Muskelbiindel sie durchsetzen. Ihre schrige Orientierung giebt 
der ganzen Gegend, namentlich bei Anwendung schwacher Linsen- 
systeme, ein ganz eigentiimliches und charakteristisches Geprige 
(Fig. 10). Jede dieser Zellen besitzt einen Kern, niemals feblt 
derselbe, wie Drosr anzunehmen scheint. Der Kern hat sich 
stets intensiv gefirbt, ist meist oval von Gestalt und liegt aus- 
nahumslos am spitzen Pole der Zelle, demjenigen also, welcher nach 
oben gekehrt ist (Fig. 10 fz); er sitzt der Zelle wie eine Kappe 
auf. Das Plasma der Zellen zeigt eine ungemein zarte Granu- 
lierung; es hat sich in Orange-Haimatoxylin gelb gefarbt, entbehrt 
aber durchaus jenes leuchtenden Glanzes, wie ihn diejenigen 
FLEMMING’schen Zellen annehmen, welche durch das Epithel hin- 
durch wandern. In Bismarckbraun ist die Farbung heilgelb mit 
einem Stich ins Braunliche, in einfachem Hamatoxylin blaSblau, 
in Kosin-Hamatoxylin tiefrot, aber ohne Glanz, und in dem Enr- 
LIcH-Bionpi'schen Farbengemisch rot, aber sehr viel blasser als 
bei den homogenen Kérpern. Ich citierte vorhin die Angabe von 
Drost, wonach diese Zellen sich in Form eines ununterbrochenen 
Bandes auf der Innenflache des Sipho durch seine ganze Linge 
hinziehen sollen. Dies kann ich nicht bestétigen; nach meinen 
Praparaten vielmehr zeigt der Zug dieser Zellen stellenweise recht 
betrichtliche Unterbrechungen. Wenn ferner Drosr diese Ge- 
bilde als ,,Schleimzellen“ bezeichnet, so ist der Name ungliicklich 
gewahlt, denn Schleimzellen sensu strictiori, i. e. Mucinzellen, sind 
diese Zellen nicht, da weder ihr Plasma Mucinreaktion darbietet, 
noch sie eine sekretorische Thatigkeit entfalten, durch welche 
Mucin bereitet wiirde: und nur solche Zellen sollte man ,,Schleim- 
zellen“’ nennen, welche ein mucinahnliches Sekret liefern. 

Finden sich somit diese Zellen an der Siphoninnenfliche in 
grober Menge, so kommen sie in nur geringer Zahl in den mehr 
medialen Partieen der Siphowand, in der Basis und im Innern 
derjenigen Papillen vor, welche von der AuSenwand des Sipho 
entspringen, sowie in den Papillen der innersten Reihe. Hier 
aber sind sie nie so gelagert, wie an der Innenflache. 

Anders wird das mikroskopische Bild, wenn man die Papillar- 
region der Siphoninnenflache untersucht. Als Papillarregion michte 
ich das distalste Viertel des Sipho bezeichnen, welches so kon- 
tinuierlich in die Innenflaiche der Papillen der innersten Reihe 
iibergeht, dai, im Schnitte wenigstens, eine Grenze zwischen Sipho- 


bd, XXV1I, N, F, XX, 3 


34 Dr. Bernhard Rawitz, 


wand und Papille nicht zu erkennen ist. Hier nun treten die 
Zellen zuriick und an ihrer statt ist eine amorphe Masse zu 
sehen (Fig. 11 gd), innerhalb welcher wohl noch Zellen vorkom- 
men, aber immer nur in sehr geringer Menge. Diese Massen 
firben sich in der gleichen Weise, wie die Zellen, nur erscheint 
die Farbung im allgemeinen intensiver. Sie sind auch in den 
Papillen der innersten Reihe vorhanden und liegen dicht unter 
dem epithelialen Belage derselben auf beiden Seiten, also innen 
wie aufen. Was die amorphen Massen von den _ beschriebenen 
Zellen der mehr proximalen Abschnitte des Sipho unterscheidet, 
ist der Umstand, daf man erstere in interepithelialen Liicken findet 
(Fig. 11 bei xz), die Zellen aber nie, denn letztere diirfen nicht 
mit den friiher beschriebenen homogenen Koérpern in einen Zu- 
sammenhang gebracht werden. Jene sind also Sekretmassen und 
zwar, wie aus der tinctorialen Reaktion derselben hervorgeht, 
Giftmassen. Die physiologische Dignitét derselben ist leicht ver- 
stindlich; sie dienen offenbar dazu, etwaige in die Siphonen 
eingedrungene lebende Koérper zu vernichten. Uber die Bedeutung 
der Zellen der inneren proximalen Abschnitte kann ich aber das- 
Selbe nicht aussagen. Denn diese liefern durchaus kein Sekret, 
wenigstens habe ich niemals bei den zahlreichen Exemplaren von 
Cardium edule, die ich untersuchte, auch nur eine Andeutung davon 
gefunden, daf} das Plasma derselben irgendwie eine Thatigkeit in dem 
gedachten Sinne entfaltet. Es ist mir vollstindig unverstandlich 
geblieben, warum in den proximalen Siphoabschnitten die Zellen 
ihren histiologischen Charakter unverandert beibehalten, wahrend 
sie im distalen Viertel sekretorisch funktionieren. Denn daf die 
amorphen Massen ein Derviat jener Zellen sind, das geht aus 
Bildern deutlich hervor, die man in den Papillen der innersten 
Reihe zu sehen bekommt. Hier nimlich findet man an ein- 
zelnen Stellen die Zellen in der Majoritit, an anderen Zellen 
und amorphe Massen einander das Gleichgewicht haltend und an 
noch anderen Stellen endlich die Massen bedeutend tiberwiegend ; 
in letzteren sind die Kerne nur sparlich vorhanden. Ob bei die- 
sem physiologischen Umwandlungsprozesse, bei der Bildung der 
amorphen Massen, das ganze Zellplasma zerfallt oder nur ein Teil 
desselben, dariiber geben meine Praéparate keinen Aufschluf. Ist 
das erstere der Fall, wird die ganze Zelle verbraucht fiir die Bil- 
dung der Sekretmassen, dann miiften die FLemmrina’schen Zellen 
der Bindesubstanz der benachbarten Partieen als Ersatz eintreten ; 
darauf aber deutet nichts hin. 


Der Mantelrand der Acephalen. 39 


Das Epithel der Papillen der innersten Reihe gleicht dem 
der Siphoinnenfliche vollkommen; die Sinneszellen sind zwischen 
den indifferenten in Schnitten nicht zu erkennen. 

Auf allen Schnitten durch die Siphonen trifft man in deren 
Substanz Gebilde an, die durch ihre intensive Pigmentierung so- 
fort auffallen und durch ihre eigentiimlichen Gestalten den Pra- 
paraten ein ganz eigenartiges Aussehen verleihen (Fig. 12), ein 
Aussehen, wie man es bei Acephalen nie wieder in den Siphonen 
oder im Mantelrande antrifft. Es ist ein entschiedenes Verdienst 
von Drosr (9), da er zuerst die Aufmerksamkeit auf die zu be- 
sprechenden Bildungen hingelenkt hat, die er als Driisen von 
acindsem Baue glaubt betrachten zu diirfen. 

Drost (9; p. 23 ff. des Sonderabdruckes) sagt tiber diese 
pigmentierten Gebilde folgendes: Dieselben schimmern durch das 
zarte Gewebe des Sipho hindurch und dokumentieren sich daher 
bei makroskopischer Betrachtung als Pigmentflecke auf der Sipho- 
aufenwand. Bei Untersuchung eines Stiickes des Sipho unter dem 
Mikroskope sieht man dann, daf jede Pigmentmasse lappig ver- 
zweigt erscheint und durch eine Einsenkung des hier gleichfalls 
pigmenthaltigen Epithels der Aufenfliche nach aufen miindet. 
Auf Schnitten findet man fast immer einzelne oder mehrere 
traubig zusammengeballte rundliche Figuren, deren Wandungen 
yon einer Lage ziemlich grofer, ausnahmslos mit braunen Pigment- 
kérnern angefiillter Zellen gebildet werden. Letztere sind der 
Form nach nur mit Epithelzellen zu vergleichen und besitzen den- 
selben grofen Kern wie diese, der zwar meist durch das Pigment 
verdeckt wird, aber auf stark gefirbten Hiamatoxylinpraparaten 
gewohnlich klar hervortritt. Die Zellen sind im Verhiltnis so 
groB, daf nur kleine Hohlriume im Innern frei bleiben. Wo auf 
Schnitten die Zellwinde nicht deutlich sind, sind doch durch die 
getrennten Pigmenthaufchen die einzelnen Zellen gekennzeichnet.“ 
Man findet dann auf liickenloser Serie stets, daf diese Pigment- 
massen mit einer EKinbuchtung des Epithels in Kommunikation 
treten; jede Pigmentmasse ferner stellt sich als ein vielfach ver- 
zweigter Schlauch von Zellen dar. Der Zusammenhang mit dem 
Epithel 1a8t diese Bildungen als echte und zwar acinése Driisen 
erscheinen, tiber deren funktionelle Bedeutung aber nichts auszu- 
sagen ist. Die Driisen reichen oft durch die ganze Dicke der 
Siphowand und miinden meistens auf der Aufenfliche. 

Meine eigenen Untersuchungen, durch die ich die thatsich- 


* 
Vv 


36 Dr. Bernhard Rawitz, 


lichen Angaben von Drosr in vielen Punkten bestatigen kani, 
haben mir folgendes ergeben: 

Man’) findet die beregten Gebilde nur in der distalen Halfte 
der Siphonen, wahrend sie in der proximalen nie vorkommen, 
Man trifft sie teils ganz isoliert, teils in grofen Massen (Fig. 
12 pd) sowohl in der Substanz des Sipho tief eingebettet, wie 
seiner Innenfliehe und seiner AuSenfliche genihert, in den Pa- 
pillen der innersten Reihe durch die ganze Dicke, wahrend sie in 
den duferen Papillen stets fehlen. Sie sind von runder oder 
ovaler Form, ihre GréSe schwankt zwischen 16 « und 56 u. Die 
Gebilde sind Haufen dicht stehender Pigmentkérner, die vielfach 
einen farblosen centralen Fleck oder ein feines centrales Lumen 
begrenzen (Fig. 12). Bei Anwendung starkster Linsensysteme 
sieht man an der Peripherie dieser Kérper eine Andeutung einer 
Tunica propria (Fig. 14). Auf der Serie erkennt man, daf die 
Haufen, welche ganz kontinuierlich sind, allmahlich einen centralen 
Fleck bez. ein helles Lumen erhalten, um bald wieder ununter- 
brochen pigmentiert zu erscheinen. Es handelt sich also um 
kugelige oder eiférmige Hohlkérper, die eine pigmentierte Wan- 
dung besitzen. Man sieht ferner auf der Serie, daf da, wo diese 
Bildungen in gréSerer Menge beisammen liegen, einzelne, aber kei- 
neswegs alle, ineinander fliefen, indem sich ihre Lumina vereinigen. 
Durch das Pigment schimmern stellenweise Kerne von kreisrunder 
Gestalt hindurch, die, wie Priparate aus Indigcarmin-Boraxcarmin 
lehren, an den Basen kleiner kubischer oder cylindrischer Zellen 
liegen (Fig. 14). Durch die zur Differenzierung der genannten 
Doppelfairbung verwandte Oxalsiure wird namlich das Pigment 
ein wenig gelést und man erkennt dann die die Bildungen zu- 
sammensetzenden Zellen. Das Plasma derselben zeigt keinerlei 
feinere Struktureigentiimlichkeiten, sondern erscheint stets homogen, 
die Kérnelung desselben, die man in Fig. 14 sieht, ist durch das 
nur zum Teil entfernte Pigment bedingt. Die natiirliche Farbe 


1) Als einen Beweis fiir die grofe Unzuverlissigkeit der Beob- 
achtungen, die SHarr in seiner hiufiger von mir kritisierten Arbeit 
niedergelegt hat (43), will ich anfiihren, da dieser Autor angiebt, 
er habe nirgend bei Cardium edule Pigment angetroffen. Seine Mei- 
nung, daf in seinem Materiale das Pigment miglicherweise durch den 
langen Aufenthalt in Alkohol zerstért war, ist ganz und gar hinfillig, 
denn ich habe die Pigmentierung noch wohl erhalten gefunden an 
Exemplaren dieser Species, die drei Jahre in 90°%/, Alkohol auf- 
bewahrt gewesen waren. 


Der Mantelrand der Acephalen. 37 


des Pigmentes ist ein helles Goldbraun. Dieser Farbenton erhalt 
sich unverindert in Alauncarminpraparaten, erleidet aber verschie- 
dene Nuancierungen, sobald man andere Tinctionsmittel anwendet. 
In Bismarckbraun erscheint das Pigment schmutzig dunkelbraun, 
in Orange-Himatoxylin griinlich schwarz, in Eosin-Hamatoxylin 
schwarz, in Indigcarmin-Boraxcarmin hellgelb. Diese Nuancen- 
veranderung ist darauf zuriickzufiihren, daf das Plasma der das 
Pigment enthaltenden Zellen eine dem betrefftenden Plamafarbstoff 
entsprechende blasse Farbe angenommen hat und diese nunmehr 
sich mit der des Pigmentes vermischt. An Kérpern, die im 
Schnitte ein Lumen erkennen lassen, zeigt sich letzteres, wie 
schon Drost angegeben, zuweilen mit einer in meinen Praparaten 
stets homogen erscheinenden Masse erfiillt, die sich in Indigcarmin- 
Boraxcarmin gefirbt hat, und zwar intensiv blau (Fig. 14). Das 
Bild, das man so erhalt, erinnert lebhaft, wenn wir von dem Pig- 
mentgehalte der Zellen absehen, an einen quergeschnittenen Acinus 
der Speicheldriise eines Wirbeltieres (Fig. 14). Meistens aber ist 
das Lumen leer bez. nimmt ein etwaiger Inhalt keinen Farbstoff 
aufer dem erwaihnten an. Auf der Serie erkennt man endlich, 
wie Drost schon angegeben, daf diese Bildungen mit dem Epithel 
in Verbindung treten und zwar ausnahmslos mit dem Epithel der 
Aufenflaiche (Fig. 13 bei x). Die Zellen des Epithels namlich 
sind an einzelnen verstreuten Stellen pigmentiert und es hat das 
Pigment dieselbe Farbe und dieselbe kérnige Beschaffenheit wie 
das der fraglichen Gebilde. Dieses Pigmentepithel senkt sich nun 
in die Siphosubstanz ein und die Bucht der Hinsenkung tritt in 
Kommunikation mit den feinen Lumina der Pigmentgebilde (Fig. 
13). So erscheinen die Bildungen allerdings, wie es Drost an- 
gegeben hat, wie Driisenacini, die an einem durch eine Epithel- 
invagination gebildeten Ausfiihrungsgange haingen; ich will sie 
daher als acinése Pigmentdriisen bezeichnen, ohne damit 
aber definitiv aussprechen zu wollen, da sie wirkliche Driisen 
sind. Indessen, und hier befinde ich mich in einem entschiedenen 
Gegensatze zu Drost, treten durchaus nicht alle Pigmentacini in 
Kommunikation mit dem Epithel, vielmehr ist nur der bei weitem 
kleinste Teil derselben mit einem Ausfiihrungsgange versehen. 
In einer liickenlosen Serie durch den Branchialsipho eines Tieres, 
welche 800 Schnitte (a 5 «) zahlte, habe ich im ganzen nur vier- 
mal eine solche Epitheleinsenkung gesehen, in manchen anderen 
kleineren Serien haufig keine. Nun sind aber viele tausend 
Pigmentacini in einem Sipho vorhanden, die man auftauchen und 


38 Dr. Bernhard Rawitz, 


verschwinden sieht, ohne daf sie sich mit ihren Nachbarn ver- 
bunden hatten. Man findet Stellen, wo nur ein einziger Acinus 
vorkommt, der in der Mitte der siphonalen Wand liegt, und der 
ebenfalls niemals mit dem Epithel sich vereinigt, sondern stets in 
seiner isolierten Lage verharrt. Die drei in Fig. 14 bei sehr starker 
VergréSerung abgebildeten Acini Jagen in der Mitte der Sipho- 
wand; sie vereinigten sich nicht untereinander und traten auch 
in gar keine Beziehungen zum Epithel, isoliert vielmehr, wie sie 
im mikroskopischen Bilde erschienen, blieben sie auch bis zu ihrem 
Verschwinden. Andere Acini sieht man bis dicht an das Epithel 
der Innen- wie der Auf enfliche herangehen, aber die Kinsenkung 
des Epithels fehlt, und untersucht man den Schnitt, welcher auf 
denjenigen folgt, der die Annaherung an das Epithel zeigte, so 
haben sich die Acini von dem letzteren wieder entfernt, ein Aus- 
fiihrungsgang wurde nicht gebildet. So haben wir also acinése 
Pigmentdriisen mit Ausfiihrungsgang in nur ganz geringer Zahl; 
nach meinen Untersuchungen kann ich bestimmt sagen, daf der 
gréfkte Teil der Acini oder der pigmenthaltigen Hohlkérper in 
sich abgeschlossen, fern von der Siphowandung bleibt und niemals 
einen epithelialen Ausfiihrungsgang erlangt. Zufalliger Natur 
kénnen diese Bildungen nicht sein, denn ich habe sie an allen 
Muscheln aus der Kieler Bucht wie aus dem Golfe von Neapel in 
stets gleicher histiologischer Eigentiimlichkeit angetroften. 

Sind die acindsen Pigmentdriisen, d. h. diejenigen Pigment- 
kérper, welche mit dem Epithel in Verbindung treten und dadurch 
einen Ausfiihrungsgang erhalten, schon eine ratselvolle Erschei- 
nung — denn itiber ihre funktionelle Stellung giebt die histio- 
logische Untersuchung gar keinen Aufschlu8, namentlich nicht 
dariiber, ob wir es wirklich mit Driisen zu thun haben —, so 
bieten die isoliert bleibenden Pigmentkérper erst recht keinen 
Anhalt dar, um tiber ihre Bedeutung auch nur eine Vermutung 
aufzustellen. Was diese sonderbaren Massen sollen, welche Funk- 
tion sie im Haushalte des Tieres versehen, dariiber wei ich 
nichts zu sagen; mir sind diese Bildungen vollkommen unver- 
standlich geblieben. 

Erwahnen will ich noch, da& man sehr haufig in der Nahe 
der Pigmentacini, wie dies Fig. 12 bei naherer Betrachtung deut- 
lich zeigt, isolierte Pigmentkérner in der Substanz der Siphonen 
liegen sieht. 


Der Mantelrand der Acephalen. 39 


Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung der Papillen, 
welche auf der SiphoauSenwand stehen. 

Schon bei Verwendung schwacher Vergréferungen erkennt 
man, daf zwei Arten von Papillen vorhanden sind, von denen 
die eine durch diejenigen reprasentiert wird, welche an_ ihrer 
Spitze die in der allgemeinen Beschreibung erwahnte circumscripte 
Pigmentierung, das sogenannte ,,Auge“, besitzen, wahrend die an- 
dere Art dieser Bildung entbehrt. Diese lJetzteren Papillen zeigen 
folgenden Bau. Ihr epithelialer Belag hat sich stellenweise in 
zahlreiche niedrige und schmale Falten gelegt, die auf dem Schnitte 
wie Zotten erscheinen. Die stets pigmentfreien Zellen haben eine 
Hoéhe von 7,2 ~, eine Breite von 3,6 « und einen cuticularen Saum 
von 1,8 « Dicke. Die Kerne, teils kreisrund, teils oval, sind basal 
gelegen. Die Abgrenzung der Epithelzellen gegen das_ sub- 
epitheliale Gewebe ist durch eine zarte, kontinuierliche Linie ge- 
bildet. Bei denjenigen Papillen, deren Spitze konvex gerundet 
ist, ist damit die Beschreibung des Epithels erschépft. Eine grofe 
Zah] von ihnen aber hat an der Spitze eine seichte Einbuchtung 
und hier trifft man das von Drosr (9) entdeckte Sinnesorgan. 
Die ungefahre lineare Ausdehnung der Bucht betragt 27 4; die 
Zellen, welche in derselben stehen, sind mit 9 w langen Haaren 
besetzt, die im konservierten Objekte eine leichte Andeutung von 
Zerfall in Kérnchen zeigen (Fig. 15 so). Daf dies Sinneshaare 
und nicht Wimpern sind, hat bekanntlich Drosr durch die Unter- 
suchung frischen Materiales dargethan. An den itibrigen Epithel- 
zellen finden sich weder Sinneshaare noch Wimpern, auch sind 
die Sinneszellen im Schnitte zwischen den indifferenten nicht zu 
erkennen. Jene Haare tragenden Zellen auf der Papillenspitze 
haben ungefahr eine Héhe von 12,6 w, ihr cuticularer Saum ist 
2,7 w dick; die Kerne sind kreisrund und basal gelegen (Fig. 
15 so). Drost sagt, da’ sich hier eine Anordnung vorfinde, wo- 
nach Sinnes- und inditferente Stiitzzellen abwechseln, ahnlich der 
Anordnung, welche die Seitenorgane der Rhipidoglossen nach Baia 
Haver darbieten. Ich habe in meinen Praparaten gerade bei 
dieser Art eine solche Gruppierung beider Zellformen nicht finden 
kénnen, wie ich denn auch darin nicht mit Drosr tibereinstimmen 
kann, daf die Kerne der Sinneszellen dieser Gebilde in deren 
distaler Partie gelegen sind. Nach meinen Untersuchungen finden 
sich vielmehr die Kerne basal und es scheinen die Sinneszellen 
unmittelbar nebeneinander zu liegen, ohne da Stiitzzellen inter- 
poliert waren. Sinnesorgane, die keine Stiitzzellen haben, sind 


40 Dr. Bernhard Rawitz, 


ja, wie meine Darlegungen im I. Teile der Arbeit beweisen, bei 
Acephalen nichts Ungewohnliches. Dicht an den Zellen des Sinnes- 
organes findet sich in der Substanz der Papille eine grdéfere 
Zahl von Zellen, die, wie man bei Anwendung homogener Im- 
mersion erkennt, unregelmaBig vielstrahlig sind (in Fig. 15 gz ist 
dieses Detail wegen der gewihlten geringen VergréSerung nicht 
sichtbar). Die Kerne derselben sind stets grof, blaschenformig 
und haben jeder ein deutliches Kernkérperehen. Von diesen Zellen 
gehen zunaichst zarte Fortsitze zu den Zellen des Sinnesorganes 
hin, dann finden sich ebenfalls zarte Fortsatze, durch welche sie 
untereinander in Verbindung stehen und endlich sieht man Fort- 
sitze von den Zellen proximalwirts in der Richtung zur Median- 
linie der Papille verlaufen. Drost betrachtet diese Zellen als 
Ganglienzellen und ich kann mich dieser Deutung vollkommen 
anschliefen. 

Proximalwarts der Ganglienzellen sind in der Substanz der 
Papillen amorphe Massen vorhanden, welche dem Epithel der 
Innenflache dicht anliegen (Fig. 15 gd). Dieselben bestehen aus 
feinen, dichtgedrangten Trépfchen, von welchen man einzelne zu- 
weilen zwischen den Epithelzellen antrifft. Innerhalb der Tropfen- 
massen sieht man einige geschrumpft erscheinende Kerne (Fig. 15). 
Es handelt sich hier um amorphe Sekretmassen, die denen vollkom- 
men gleichen, welche von der Papillarregion der Siphoinnenflaiche be- 
schrieben und also gleich diesen als Massen eines giftigen Sekretes 
zu betrachten sind. Ferner trifft man in der Basis einiger Pa- 
pillen, da also, wo dieselben sich aus der Siphowand erheben, 
einige wenige Zellen an, die denen gleich sich verhalten, welche 
von den proximalen Teilen der Siphoinnenflache her bekannt sind. 

Amorphe Sekretmassen kommen nur in solchen Papillen vor, 
welche das vorhin beschriebene Sinnesorgan besitzen; Papillen, 
denen ein solches abgeht, haben auch keine amorphen Massen, 
dafiir aber in relativ betrachtlicher Menge die bekannten ovoiden 
Zellen, welche sich durch die ganze Substanz dieser Papillen ver- 
teilt finden. 

Die erwaihnten amorphen Sekretmassen hat Drost schon ge- 
sehen, und zwar in den die sogenannten Augen tragenden Papillen, 
und dieselben ganz richtig als die Umwandlungsprodukte der 
ovoiden Zellen, i. e. der Fremmrna’schen Bindesubstanzzellen er- 
kannt. Daf er dieselben als eine faserige Masse beschreibt, ist 
wohl darauf zuriickzufiihren, da er nicht gecignete Farbungs- 
methoden gebraucht hat;. iiber ihre physiologische Bedeu- 


Der Mantelrand der Acephalen. 41 


tung ist er aus demselben Grunde zu keiner klaren Ansicht 
gelangt. 

Uber die Funktion der von ihm auf der Spitze einer Anzahl 
Papillen entdeckten Sinnesorgane hat Drosr keine bestimmte Mei- 
nung geiufert. Er hebt hervor, daf sie zwar den BéELA-HALLER- 
schen Seitenorganen der Rhipidoglossen hinsichtlich ihres Baues 
gleichen, glaubt aber nicht, da sie wie diese funktionieren kén- 
nen, weil die zarten Sinneshaare bei Cardium sich wesentlich von 
den kurzen, massiven bei jenen Schnecken unterscheiden. 

Das ist meines Erachtens zweifellos, daf die Sinneszellen des 
Papillenorganes anders funktionieren werden, wie die beiden Arten 
von FLEemmMina’schen Pinselzellen, welche sich tiber den ganzen 
Kérper zerstreut finden. Diese werden nur dann in Aktion treten, 
wenn die Siphowand direkt beriihrt wird oder an irgend einen 
Gegenstand ansté8t. Die strenge Lokalisation jenes Sinnesepithels 
dagegen weist darauf hin, daf es Sitz einer mehr _ speciali- 
sierten Empfindung ist. Bestimmt indessen die Frage zu beant- 
worten, welcher Art diese Empfindung sei, bin ich nicht in der 
Lage, da ich Experimente anzustellen, welche einen unzweideutigen 
Aufschlu8 hatten geben kénnen, keine Méglichkeit sah. Allein 
auch durch die blofe Reflexion kann man, glaube ich, dazu ge- 
langen, die funktionelle Bedeutung der fraglichen Organe mit 
einiger Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Drost namilich teilt mit, 
da wo er die physiologische Wertigkeit der sogenannten Augen 
diskutiert, da schon leise Erschiitterungen des Gefisses, in wel- 
chem sich mehrere Exemplare von Cardium edule befanden, aus- 
reichend waren, um eine Kontraktion der Siphonen hervorzurufen, 
wahrend z. B. Mya arenaria in gleicher Weise nicht erregt wer- 
den konnte. Zwar reagierten nicht alle Cardien iibereinstimmend 
und schnell (die Drost’sche Versuchsanordnung war keine ganz 
gliickliche und seine sonstigen Resultate sind nur mit Vorsicht 
aufzunehmen), Drosr meint aber, und anscheinend mit Recht, daf 
die empfindlicheren Tiere sich wohler in dem zur Untersuchung 
verwandten Gefale befanden, als die weniger empfindlichen. Nun 
ist es eine Erfahrung, die jeder gemacht hat, welcher lebende 
Muscheln in Aquarien zu beobachten Gelegenheit hatte, da8 die 
meisten Arten der Siphoniaten im allgemeinen selbst gegen starke 
Erschiitterungen, also gegen kraftige Wasserwellen, ziemlich un- 
empfindlich sind. Manche aber, und hierzu gehéren Cardium edule 
und, wie wir spater sehen werden, einige Veneriden, zeigen fiir 
die Bewegungen des Wassers einen hohen Grad von Sensitivitat. 


49 Dr. Bernhard Rawitz, 


Offenbar sind diese Tiere mit Sinnesapparaten ausgestattet, welche 
ihnen schon leichte Wellenbewegungen des umgebenden Medium 
zur Kenntnis bringen, d. h. also mit Apparaten, welche analog 
den Organen der Seitenlinie gewisser Vertebraten funktionieren 
werden. Solche Organe, welche zu ihrer Erregung nur minimer 
Reize bediirfen, besitzt aber Cardium nach der schénen Entdeckung 
von Drostr in den Sinneszellen, welche in den napfférmig einge- 
zogenen Kuppen einer Anzahl von Papillen sich finden. Es wer- 
den héchst wahrscheinlich diese Zellen, bez. die Organe, zu denen 
sie gehéren, gleich den Organen der Seitenlinie der Vertebraten 
funktionieren und sie sind daher als Seitenorgane, ganz wie die 
HatieEr’schen Organe der Rhipidoglossen, zu betrachten. DaB bei 
den letzteren die Sinneshaare kurz sind, wahrend sie bei unserer 
Art eine betrachtliche Linge besitzen, das ist meines Erachtens 
eine Differenz, die bei der Beurteilung ihres funktionellen Wertes 
eine besondere Bedeutung kaum besitzt +). 


1) Drost scheint sich, wie aus einem Passus seiner Abhandlung 
(9; p. 20/21 d. S.-A.) hervorgeht, der Ansicht von SimrotH (44) an- 
zuschliefen, daf taktil empfindliche Zellen auch auf chemische Ein- 
fliisse reagieren. Die Stwrotu’sche Deduktion habe ich bereits als 
unhaltbar, weil auf ganz falschen physiologischen Vorstellungen 
basierend, nuachgewicsen (cfr. I. Teil, p. 89 d. S-A., Anmerkung). 
Auch die Drost’sche Auffassung ist verfehlt und der von dem Autor 
angestellte Versuch bedeutungslos. Es heift bei Drost, im Anschluf 
an ein Citat aus Srwgorn’s Arbeit (9, 1. c.): ,,.Ich kann nur hinzu- 
fiigen, da ich allerdings eine grofe Reizbarkeit gegen chemische 
Einfliisse beobachten konnte. Ich spritzte mit einer Pipette sehr 
stark verdiinnte Saiuren unter Wasser, wobei also die Verdiinnung 
noch weiter ging, von oben oder seitlich gegen die Siphonen. So- 
fort geschah eine heftige Kontraktion sowohl bei Cardium edule, als 
auch bei Mya arenaria, die doch nur die eine gewodhnliche Form 
der Sinneszellen besitzt.“ Hierdurch wird mcines Dafiirhaltens nichts 
fiir eine chemische Empfindlichkeit der gewéhnlichen FLemmine’schen 
Pinselzellen noch der speciellen Sinneszellen der Papillenorgane be- 
wiesen. Um sich zu iiberzeugen, dafi die Siphonen yon Cardium 
edule nicht Sitz einer Empfindung sind, die auf chemische Reize 
besonders abgestimmt ist, hatte Drost gar nicht ndtig, seinen Ver- 
such anzustellen. (Wenn hier von chemischen Reizen die Rede ist, 
so ist das nur in dem Sinne von Drosr der Fall, also von Reizen, 
die durch Fliissigkeiten differenter Natur hervorgebracht werden.) 
Die tigliche Erfahrung beim Konservieren hitte ihm das gleiche 
Resultat wie sein Experiment geliefert, sie hatte ihn aber auch vor 
seiner Annahme bewahrt. Denn es ist offenbar ganz dasselbe, ob ich 
gegen den Sipho einer Muschel eine verdiinnte Siéure, z. B. Salpeter- 
sdure, spritze, oder ob ich das ganze Tier zur Fixierung behufs 


Der Mantelrand der Acephalen. 43 


Die , Augen“ von Cardium edule. Uber diese Ge- 
bilde liegen zwei eingehende Arbeiten vor, die von Drosr (9) und 
die von Parren (32). Die phantastische Schilderung, welche 
Witt von den betreffenden Organen dieser Art, wie von denen 
der iibrigen Muscheln, entworfen (49), hat kaum noch historischen 
Wert. CaARnRizRE ist in seinem bekannten Buche ,,Die Sehorgane 
der Tiere“ (6) in eine Diskussion iiber den Bau dieser Bildungen 
nicht eingetreten, weil er in ihnen Sehorgane nicht zu erkennen 
vermochte, und SHarp (43), der sonst jede harmlose Pigmentzelle 
als ein primitives Auge betrachtet, hat, wunderlich genug, bei 
Cardium edule Pigment iiberhaupt nicht gesehen. 

Die Darstellungen von Drost (9) und yon PAaTTEN (52) wei- 
chen in ihren Einzelheiten sehr bedeutend voneinander ab. 

Der erstere Autor giebt folgende Analyse der uns jetzt be- 
schaftigenden Gebilde. Dieselben Papillen, welche das die lan- 
gen Haare tragende Sinnesorgan besitzen, haben proximalwarts 
ihrer Spitze auf der dem Sipho zugewendeten Seite ,,eine rund- 


histiologischer Untersuchung in ein Salpetersiiure enthaltendes Ge- 
misch, z. B. Pikrinsalpetersiiure, werfe. In beiden Fallen erfolgt 
eine heftige Kontraktion der mit der Fliissigkeit in Beriihrung kom- 
menden Kérperteile; es ist aber wohl noch keinem Forscher einge- 
fallen, anzunehmen, daf die bei briiskem Einbringen in ein fixierendes 
Reagens eintretende Kontraktion der Objekte auf einer Fahigkeit der- 
selben beruhe, chemische Stoffe als solche wahrzunehmen. Offenbar 
machen Drost wie Stwrota diese Annahme, andernfalls wiren die 
ganzen diesen Punkt betreffenden Auslassungen beider Autoren un- 
verstiindlich. Die Ursache des fraglichen Phinomens beruht nicht 
auf einer besonderen chemischen Empfindlichkeit (sit venia verbo), 
sondern ist zuriickzufihren auf eine mehr oder minder tiefgreifende 
Alteration in der chemischen Zusammensetzung der Gewebe. In beiden 
Fallen, in dem Versuche mit der Séure wie bei der Fixierung, findet 
eine Gerinnung der Gewebssidfte statt, die dort lokal begrenzt ist und 
sich bald wieder ausgleicht, hier eine totale und bleibende ist; beide 
Falle sind also nur verschieden durch den Grad, nicht durch die 
Art der Alteration. Wohl hat das Tier eine Empfindung bei der 
Sdéurewirkung, wie bei der Fixierung, aber diese Empfindung ist 
keine chemische, ich will damit sagen, da® sie keine spezifische, von 
den anderen durch die Kérperoberflache vermittelten Sensationen sich 
unterscheidende ist, sondern sie ist diesen gleich, ist ein heftiger, 
durch den Druck der geronnenen Gewebsmassen auf die Sinneszellen 
entstandener Schmerz. Und Schmerzempfindung ist keine chemische 
Empfindung, wie der Geruch, sondern nur eine intensive Beriihrungs- 
empfindung. Ich verweise hierzu auf die citierte Anmerkung des 
ersten Teiles. Das Vorstehende geniigt, wie mich dinkt, um das 
Trrige der Drost’schen Annahme darzuthun, 


44 Dr. Bernhard Rawitz, 


liche vorgewélbte Flache, welche eine zusammenhangende, halbmond- 
férmige Schicht pigmentierter Epithelzellen tragt.“ (Das ist, wie 
ich hier noch einmal bemerken méchte, nicht ganz richtig, da nach 
meinen Untersuchungen auch mit Seitenorganen ausgestattete Pa- 
pillen vorkommen, welche keine Pigmentflecken besitzen) (cfr. Fig. 
15). Der Nerv, welcher in der Spitze der Papillen verschiedene 
Ganglienkomplexe bildet, ist der auSeren Wand der Papille ge- 
nahert, geht dann nach der inneren Seite zu und in ein Ganglion 
iiber, das unter dem Pigmentfleck gelegen ist. Die Zellen des 
Ganglion sind blasse und grofe multipolare Gebilde. Zu seiten 
eines eigentiimlichen faserigen Gewebes breitet sich das Ganglion 
aus und sendet Aste ab, die mit den Pigmentzellen in Verbindung 
treten. Zwar hat Drosr diese Verbindungen im Schnitte nicht 
gesehen, aber er ,,zweifelt“ nicht an ihrem Vorhandensein, zumal 
die Pigmentzellen sich nicht wie indifferente Zellen véllig ab- 
macerieren lassen, zuweilen sogar an einem sehr zarten Faden 
in der Untersuchungsfliissigkeit flottieren. Das Pigment der sich 
durch ihre betrachtliche Lange von den iibrigen unterscheidenden 
Zellen ist von brauner Farbe, erfiillt den distal vom Kern gelege- 
nen Abschnitt, oder vielmehr es umhiillt wie ein Mantel den Zell- 
kérper. Der Papillennerv innerviert ferner das Organ, welches 
aus den bereits erwahnten Sinneszellen besteht. 

Drost, der in den vorstehend referierten Beobachtungen 
offenbar die histiologischen Kriterien von Augen auf einer nie- 
drigen Stufe der Entwickelung erblickt (seine physiologischen Be- 
trachtungen sollen erst spiter gewiirdigt werden), bezieht sich 
fiir seine Auffassung héchst ungliicklicherweise auf SHarP und 
CARRIERE. Daf SHarp’s Angaben iiber die als niedrig entwickelte 
Augen zu betrachtenden Pigmentzellen keinerlei Bedeutung beizu- 
messen ist, habe ich bereits wiederholt dargethan. CArrtiRE (6) 
hat in seinem Buche eine kurze und nicht ganz richtige Beschrei- 
bung des Arcaceenauges — denn auf diese weist Drost hin — 
gegeben, dieselbe aber durch seine Abhandlung ,,Uber Mollusken- 
augen“ (Archiv f. mikr. Anat., Bd. XXXIII) so wesentlich und in 
einer den Verhialtnissen mehr entsprechenden Weise (cfr. dazu 
auch meine Angaben, II. Teil) modifiziert, da’ von einer Ahnlich- 
keit der Augen von Arca mit den Gebilden bei Cardium, wie sie 
Drost annimmt, absolut nicht mehr die Rede sein kann. 

Ganz anders wie die Drost’schen lauten die PatTren’schen 
Angaben (32; p. 609—613). Nach diesem Autor ist auf dem 
Ende der Papillen, die er zuweilen gablig geteilt gesehen hat, in 


Der Mantelrand der Acephaleii. 45 


welchem Falle jedes Teilstiick ein Auge trug, tnter dem Pig- 
mentflecke ein Organ zu finden, welches alle charakteristischen 
Elemente eines Auges besitzt. Es besteht aus einer kugeligen 
Masse grofer Zellen, die im Leben eine roétliche Substanz ent- 
halten und durchsichtig sein sollen, so da man durch sie hin- 
durch das yon einem glinzenden Tapetum reflektierte Licht er- 
blicken kann. Die ganz aufergewohnlich einfache Retina, welche 
oblonge Gestalt hat, ,,consists of five or six rows of cells, the 
ends of which are directed inwards and rest upon the mass of 
connective tissue fibres, which serve at once as capsule and 
tapetum. ‘The opposite extremities, near which situated the large, 
oval and sharply stained nuclei, appear to terminate in single nerve 
fibres, which pass out of the capsule, on the side opposite the 
pigmented band, and, bending at right angles, extend along the 
axis of the tentacle as isolated fibres“. Am Winkel dieser Retina- 
zellen finden sich kleine Zellen mit intensiv gefarbten Kernen. 
Kine zarte Membran scheint sich zwischen der Retina und den 
roten Zellen auszuspannen. Das Tapetum ahnelt dem von Pecten 
und besteht aus Bindegewebszellen, deren Kérper zu Membranen 
ausgebreitet sind, welche aus kleinen Licht brechenden Feldern 
sich zusammengesetzt zeigen. Auf Schnitten scheint das Tapetum 
aus feinen Fasern gebildet, die dann irrtiimlich fiir Nervenfasern 
gehalten werden kénnen. Die Zellen des Tapetum besitzen noch 
ihre Kerne, welche sehr zahlreich sind. Das Auge wird von dem 
Tapetum ganz eingehiillt; seine (des Tapetum) stirkste Seite ist 
die den Pigmentzellen anliegende und die der Basis der Papille 
zu gerichtete Partie, wihrend es auf den beiden anderen Seiten, 
also der Papillenspitze und der Papillenachse zu einer diimnen 
hyalinen Membran reduziert ist, durch welche hindurch die Nerven- 
fasern zur Retina treten. ,,It is thus evident, that the light must 
come from the summit of the tentacle, and indeed from the in- 
vaginated portion away from the pigmented side; the ends of the 
retina cells are therefore parallel to the rays of light, as we 
should expect.‘ Ob die inneren Enden der Retinazellen Stabchen 
haben, konnte Parren nicht definitiv entscheiden. Indessen neigt 
er zu dieser Annahme und betrachtet daher die breiten Zellen als 
Retinophoren und die ihnen anliegenden schmalen als Ganglienzellen 
und erkennt in beiden Bildungen die Homologa der gleichen Partieen 
des Pectenauges. Der zwischen hyalinem Teile des Tapetum und 
Ganglienzellenschicht gelegene Abschnitt des Auges, der als Linse 
zu betrachten ist und wahrscheinlich noch in anderer Weise funk- 


46 Dr. Bernhard Rawit2, 


tioniert, besteht aus grofen Zellen, welche indessen nicht auf diese 
Region allein beschrinkt sind, sondern sich in doppelter Reihe 
fast durch die halbe Linge der Papillen erstrecken. Die Kerne 
der Zellen des Pigmentfleckes farben sich tiefer als die Kerne 
der tibrigen Epithelzeilen. 

Seit Witt ist bekannt, dafi das Tier die Papillenenden be- 
liebig einziehen oder ausstrecken kann. ,,The former process is 
accomplished by the contraction of longitudinal muscular fibres, 
the thickened, nucleated ends of which form a muscular ring 
attached to the inner surface of the hypodermis at the apex of 
the tentacle. By the contraction of these muscles only that part 
of the apex away from the eye will be invaginated. Even in the 
most extended natural condition the tip of the tentacles is never 
convex, but on the contrary, slightly concave.“ 

Der Annahme, dafi dieses so gebaute Organ ein Auge ist, 
kann, so meint Parren, keine ernsthafte Opposition gemacht wer- 
den. Sein Bau ist auferordentlich einfach, demnach ist auch 
sein Leistungsvermégen ein sehr geringes. ,,I consider, therefore, 
that during the long and complicated series of changes necessary 
for the evolution of such an organ, it at one time probably 
reached a much higher structural, as well as functional con- 
dition, and that the present very simple organ is due to 
degeneration.“ 

Aus den vorstehend referierten Untersuchungen von Drostr 
und Parren erhellt zunachst, dafi beide Autoren als Auge von 
Cardium edule zwei ganz verschiedene Bildungen ansprechen. 
Drost halt die Pigmentzellen des Fleckes fiir die histiologischen 
Substrate des Sehorganes, ParTTEN erwahnt diese Zellen nur neben- 
bei und betrachtet vielmehr ein Gebilde als Auge, das unter den 
Pigmentzellen in der Substanz der Papille gelegen ist. Und wie 
in diesem Hauptpunkte, so differieren beide Autoren auch so ziem- 
lich in allen Nebenpunkten. Was bei Drosr ein Haufen Ganglien- 
zellen ist, das ist bei ParrEn die Linse; was Drost als Fasermasse 
beschreibt, die von FLEMMine’schen Bindesubstanzzellen produziert 
wird, das ist fiir PArrEN das Tapetum. Die die langen Haare tra- 
genden Sinneszellen, welche sich auf der Spitze der Papille finden, 
erwihnt Parren nicht, wiaihrend Drosr die Parren’sche Gang- 
lienzellenschicht, die Retina, das Septum nicht kennt. Nur darin 
sind beide Autoren einig, da8 Cardium edule Augen hat. 

Ich gehe nunmehr dazu iiber, die Resultate meiner eigenen 
Beobachtungen zu schildern, wobei ich mich zunichst auf ein rein 


Der Mantelrand der Acephalen. 47 


descriptives Verhalten beschranken, alle physiologischen Deutungen 
aber vermeiden will. 

An der Innenflache einer grofen Zahl von Papillen, dicht an 
deren Spitze, findet sich ein meist kreisrunder, selten ovaler Fleck 
yon gelbbrauner Farbe. Derselbe wird von cylindrischen Epithel- 
zellen gebildet, deren Héhe 14,4 «, deren Breite 5,4 w betrigt, 
wihrend der cuticulare Saum fast 2 « dick ist. Die Zellen haben 
kreisrunde basal gelegene Kerne, deren Durchmesser dem Breiten- 
durchmesser der Zellen entspricht. Zwischen Kern und cuticularem 
Saume ist das Pigment gelegen, welches den Zellleib prall erfiillt 
und aus dicht gedrangten kleinen Kérnern besteht. Zuweilen ver- 
deckt das Pigment auch die Kerne. Die basale Grenze dieser 
Epithelzellen ist nicht scharf ausgesprochen; man findet keine 
deutliche Linie, aber man sieht auch nicht eine wurzelférmige 
Ausfaserung derselben, sondern erkennt nur, dafi das subepitheliale, 
eigentiimlich kérnig erscheinende Gewebe bis in die Nahe der 
Epithelkerne reicht und erst von diesen sich durch differente 
Farbung etwas scharfer absetzt. Nach unten innen geht das 
Pigmentepithel in das gewoéhnliche wimperlose Papillenepithel 
iiber, das sich zu zahlreichen Zotten gruppiert hat. Der Uber- 
gang nach oben aufen zur Papillenspitze ist etwas anders, indem 
nimlich eine leichte Einziehung des véllig pigmentfreien epi- 
thelialen Belages zu erkennen ist, welche dadurch entsteht, daf 
die an die Pigmentzellen angrenzenden ersten beiden nicht pig- 
mentierten Zellen niedriger sind, als jene. Bis zur Spitze oder 
vielmehr bis zu der Stelle hin, wo die Kuppe der Papille in die 
Aufenfiache umbiegt, ist der epitheliale Belag ganz glatt, wie in 
der Pigmentregion; erst die Aufenflache zeigt wieder starke Fal- 
tenbildung. Diese glatte Epithelstelle besitzt etwa zwei Drittel 
der Ausdehnung des Pigmentfleckes; die Zellen sind etwas niedri- 
ger als die pigmentierten, von cylindrischer Gestalt, mit basal gele- 
- genen kreisrunden Kernen und mit einem ziemlich dicken cuticularen 
Saume versehen. Weder in der pigmentierten noch in der pig- 
mentfreien Region bis zur Spitze sind besonders gestaltete Sinnes- 
zellen vorhanden; auch findet sich das von friiher her an einzelnen 
Papillen bekannte Sinnesorgan in der Spitze nicht vor. Basal- 
wirts von dem Epithel der Papillenspitze, nach innen, d. h. 
axialwarts vom Pigmentepithel, findet sich in der Substanz der 
Papille ein eigentiimliches Gebilde von eiférmiger Gestalt, dessen 
kleiner Durchmesser distal-proximal orientiert ist. In einem durch 
die Medianebene desselben gelegten Schnitte erkennt man, dali 


48 Dr. Bernhard Rawitz, 


es aus zwei Teilen zusammengesetzt ist. Der eine Teil, welcher 
an die pigmentfreie Region angrenzt und nach innen, der Papillen- 
achse zu, gelegen ist, bestcht aus grofen vielstrahligen Zellen, die 
untereinander zusammenhingen. Dieselben haben ein sehr zart 
granuliertes Plasma und grofe ovale, blasse Kerne, deren jeder 
einen Nucleolus enthalt. Der andere Teil des Gebildes, welcher 
dem vorigen an Umfang gleich ist, liegt dem Pigmentepithel an 
und bildet zugleich gewissermaBen ein basales Polster des vorigen. 
Er ist sehr dicht und grob granuliert und enthilt zahlreiche kleine 
teils kreisrunde, teils ovale Kerne, die sich intensiv gefirbt haben. 
Weder sieht man einen Nerven an das Gebilde herantreten, noch 
ist dasselbe durch bindegewebige Scheiden besonders abgegrenzt. 

Bei dem Tiere, von dem die obige Schilderung entnommen 
ist, hatten alle sogenannten Augenpapillen ausnahmslos das gleiche 
Aussehen. 

In Praparaten, die von einem anderen Exemplare von Car- 
dium stammten, war folgendes zu sehen: Die Epithelzellen der 
Pigmentregion sowie die pigmentfreien bis zur AuSenfliche haben 
denselben Charakter wie die vorhin beschriebenen. Die Papillen- 
Spitze ist ein wenig napfférmig eingezogen (Fig. 16). Das in der 
Substanz der Papillenspitze gelegene Gebilde, das auch hier von 
eiformiger Gestalt ist, ist von einigen Bindegewebsfasern einge- 
scheidet und so deutlich von der Papillensubstanz sowohl wie vom 
Epithel abgesetzt (Fig. 16). Man sieht an diesem Gebilde wie- 
derum eine Zweiteilung. Die eine Partie, welche an Masse be- 
deutend geringer ist, liegt unter dem Pigmentepithel und zieht 
sich basalwirts bis zur halben Hohe der Aufengrenze des Ge- 
bildes. Sie hat sichelartige Gestalt und kehrt ihre konvexe Seite 
der Papillensubstanz, bez. der einscheidenden Bindegewebshiille, 
ihre konkave Seite der anderen Partie zu. In ihr liegen zerstreut 
kleine, ovale, sehr intensiv gefarbte Kerne, welche den bogenfor- 
migen Konturen der Partie parallel gerichtet sind (Fig. 16 gd). 
Bei Anwendung starker Systeme sieht man, daf sie von kleinen, 
dicht gedrangt stehenden Tropfen gebildet wird, welche in Bis- 
marckbraun eine gelbbraune Farbung angenommen haben. Die 
andere, bedeutend michtigere Partie, welche im Gegensatze zu 
der stets intensiv sich tingierenden Sichel blaf gefairbt ist, wird 
ihrerseits wiederum in zwei Abschnitte zerlegt. Und zwar ge- 
schieht dies durch eine schmale Bindegewebslamelle, welche von 
der unter dem pigmentfreien Epithel gelegenen Partie der ein- 
scheidenden Hiille stammend.zundichst dem konkaven Kontur der 


Der Mantelrand der Acephalen. 49 


Sichel anliegt, sich dann von derselben trennt und quer durch 
den hellen Abschnitt bis fast zur auferen Grenze zieht (Fig. 16 s). 
Die beiden Partieen, die somit in demselben Abschnitte des Ge- 
bildes entstehen, sind von sehr verschiedener Grofe und zeigen 
anscheinend sehr verschiedene Zellenarten. Distal von dem Sep- 
tum, also zum Epithel zu, liegt die gréfere Partie, welche zahl- 
reiche sternformige Zellen enthalt, die miteinander nicht in Ver- 
bindung treten. Das Plasma der Zellen ist zart granuliert und 
enthalt grofe blaischenférmige Kerne mit je einem Kernkérperchen 
(Fig. 16 2). Basalwarts von dem Septum, zwischen diesem und 
der Sichel, ist die Farbung eine etwas intensivere. Die Zellen 
dieser Partie sind in ihrer Gestalt nicht genau zu erkennen, weil 
die gegenseitigen Konturen nicht zu sehen sind. Die Kerne lie- 
gen der Lamelle dicht an und bilden eine Reihe (Fig. 16s); 
sie sind kleiner und intensiver gefarbt als die der vorigen Partie. 

Dicht unter dem Epithel der Spitze, da wo letztere in die 
Aufenflache umbiegt, findet sich ein Komplex von Kernen, die sich 
durch ihre blassere Farbung von den Kernen des Bindegewebes 
deutlich unterscheiden (Fig. 16 gz). Das Plasma der Zellen, in 
welchem sie liegen, hat sich nur wenig gefarbt, immerhin aber 
intensiver als das der Zellen des eif6érmigen Gebildes. In diesem 
Kernkomplexe sieht man zahlreiche durcheinander gewirrte Faden, 
welche nicht bindegewebiger Natur sind, sondern eher als Nerven- 
fibrillen betrachtet werden miissen. Sie sind weicher als die 
Fibrillen der Bindesubstanz, stellenweise leicht varikés; einen Zu- 
sammenhang desselben mit dem Papillennerven habe ich allerdings 
nicht gesehen. 

An Praparaten, die von einem dritten Tiere angefertigt waren, 
stellten sich die Verhaltnisse in mancher Hinsicht wiederum an- 
ders dar. Die Zelien der Pigmentregion nehmen nach der Basis 
der Papille hin an Gréfie bedeutend zu, so dafi ihr Héhenmas 
an der proximalsten Stelle des Fleckes fast das Doppelte von dem 
an der distalsten Stelle betrigt (Fig. 17 pz). Das Pigment  be- 
steht, wie auch bei den vorigen Tieren, aus kleinen gelbbraunen 
Kérnern; auferdem findet sich aber in jeder Zelle mindestens ein 
Pigmentkorn, manchmal aber auch mehr, das die iibrigen an 
Gréfe um ein Vielfaches iibertrifft (Fig. 17 pz). Diese groben 
Pigmentkérner sind von gelber Farbe und haben einen eigentiim- 
lichen, fast an Oltropfen erinnernden Glanz. Das Gebilde, welches 
das Hauptcharacteristicum dieser Papillen darstellt, reicht nach 


aufen hin nur wenig iiber die Achse der Papille hinaus, liegt 
Bd, XXVI, N, F. XX. 4 


50 Dr. Bernhard Rawitz, 


innen der distalen Halfte der Pigmentregion dicht an, wahrend 
es zu der proximalen Halfte derselben keine Beziehungen hat; es 
ist also nur halb so grof wie der Pigmentfleck (Fig. 17). Ebenso 
steht es nur mit einer kleinen und zwar der inneren Partie des 
pigmentfreien Epithels der napfférmig eingezogenen Papillenkuppe 
in Konnex (Fig. 17). Seine Form ist hier nicht die eines Ovoids, 
sondern die einer Kugel. Man hat auch hier die Zweiteilung zu 
konstatieren. Der kleinere, sichelférmig gestaltete Teil, welcher die 
innere und die basale Partie einnimmt und sich in einem ab- 
erranten Fortsatze bis zum Epithel der AuSenfliche hinzieht (Fig. 
17 gd), besteht aus kleinen, dicht gedrangten Tropfen, die sich im 
Enruicu-Bronpr’schen Dreifarbengemische intensiv dunkelviolett ge- 
firbt haben, in denen aber Kerne nicht zu sehen sind. Die einschei- 
dende Bindegewebsschicht besteht hier aus einer Lamelle, welche 
nur an dem zweiten Teile des Gebildes zu sehen ist, aufen auf 
der sichelférmigen Tropfenmasse aber nicht vorkommt. Diese 
bindegewebige Lamelle sendet nach innen in dem basalen Ab- 
schnitte des Gebildes einen feinen Fortsatz, der quer durch den 
zweiten hellen Teil zieht und diesen in zwei ungleiche Abschnitte 
zerlegt (Fig. 17s). Der gréBere distale enthalt grofe polyedrische 
Zellen, die eng aneinander liegen, sehr zarte Plasmastruktur be- 
sitzen und je einen grofen mit Nucleolus versehenen Kern haben 
(Fig. 17 2). Der proximal vom Septum gelegene Abschnitt besteht 
aus nur wenigen kleinen, dunkel granulierten und sich intensiver 
als die vorigen farbenden Zellen, deren Kerne alle in einer Reihe 
liegen, dicht an der bindegewebigen Scheidewand (Fig. 17 s). 
Ebenso wie bei dem vorhin beschriebenen Gebilde ist auch hier 
in der Spitze, dem Epithel der Aufenflache genihert, ein Komplex 
von Kernen zu sehen, die, in schwach granulierter protoplas- 
matischer Substanz gelegen — Zellkonturen sind nicht zu beob- 
achten — sich auf den ersten Blick von den Kernen der Binde- 
substanz durch ihr blasses Aussehen und ibre blaschenférmige 
Beschafienheit unterscheiden (Fig. 17 gz). Jeder Kern enthalt 
einen Nucleolus. Zwischen den Kernen findet sich eine faserige 
Masse, deren Zusammenhang mit dem Papillennerven zwar nicht 
direkt zu sehen, wohl aber aus der Serie zu konstruieren ist. 

In den proximalen Teilen der Papillen kommen sparlich in 
unregelmifiger Anordnung die von der Sipho-Innenflache her be- 
kannten FLemMinG’schen Zellen vor (Fig. 17 fz). 

Bei einem vierten Exemplare endlich zeigten sich wiederum 
die Details der hier interessierenden Bildung in anderer Weise, 


Der Mantelrand der Acephalen. 51 


Hier ist zunichst der Pigmentfleck bedeutend kleiner, als in den 
bisher beschriebenen Papillen, die pigmentlose Zone von ihm bis 
zur Aufenfliche bedeutend gréfer (Fig. 18 pz). Der etwa 45 wu 
in linearer Ausdehnung messende Fleck setzt sich in die nicht 
pigmentierte Partie fort, welche nach einer kurzen Wolbung in 
eine napfférmige Einsenkung in der Spitze tibergeht. Die pig- 
meuthaltigen Zellen und die ihnen distalwirts benachbarten pig- 
mentfreien zeigen das gleiche Verhalten, wie es bisher gefunden 
wurde. In der Bucht an der Spitze sind die Epithelzellen sehr 
schmal und tragen auf ihrem cuticularen Saume sehr hohe Bor- 
sten (Fig. 18 so). Hier haben wir also wieder das Sinnesorgan, 
welches yon den pigmentfleck-freien Papillen her bekannt ist. 
Unter den von mir untersuchten Cardien war dies das einzige 
Exemplar, bei dem auf den sogenannten Augenpapillen das Organ 
deutlich durch die vorhandenen Sinnesborsten zu erkennen war. 
DaB da, wo dieselben nicht wahrgenommen wurden, die Borsten 
zerstért waren und dadurch die Existenz der Seitenorgane nicht 
erkannt wurde, ist, namentlich im Hinblicke auf die noch 
zu wiirdigenden Kernkomplexe, wahrscheinlich, wobei allerdings 
hervorzuheben ist, daf bei denjenigen Papillen, welche den soge- 
nannten Augenfleck nicht, wohl aber das Seitenorgan besafen, die 
Sinnesborsten gut erhalten waren. Immerhin aber weist das Er- 
haltensein der Borsten hier (Fig. 18 so) darauf hin, dal die Fixie- 
rung eine besonders gute war, und darum sind die folgenden 
Einzelheiten zur Beurteilung des Pigmentfleckes von hervorragen- 
der Bedeutung. Was das diese Papillen charakterisierende Organ 
anlangt, so kann man auch hier eine Zweiteilung konstatieren, 
doch sind die Grenzen bez. die Groéfenverhaltnisse beider ‘eile 
nicht die gleichen wie vorher (Fig. 18). Die friiher als halbmond- 
formige Sichel beschriebene Partie tiberwiegt hier bedeutend 
an Masse iiber die andere Partie und hat eine ganz unregelmabige 
Gestalt (Fig. 18 gd). Sie reicht namentlich basalwirts viel tiefer 
in die Substanz der Papille herab, als dies bei den bisher betrach- 
teten Gebilden der Fall war. Wahrend diese nie die proximale 
Grenze des Pigmentfleckes erreichten, deckt hier das Pigment- 
epithel nur einen Teil der aus dicht gedringten ‘Tropfen- 
massen bestehenden Partie (Fig. 18). Diese Tropfenmassen sind 
yon unregelmafigen Spalten unterbrochen, welche bei schwacher 
VergréBerung dem Ganzen ein Aussehen verleihen, als be- 
stimde es aus Fasern. In den Massen liegen unregelmafig 
zerstreut zahlreiche ovale Kerne, die sich sehr intensiv farben; 
4% 


52 Dr. Bernhard Rawitz, 


diese sind mit ihrer Langsachse im basalen Teile der Masse 
so orientiert, daf dieselbe in der Richtung vom Epithel der 
Innen- zu dem der Aufenfliche geht, wahrend sie unter dem Pig- 
mentepithel in der Liingsachse der Papillen liegen (Fig. 18 gd). 
Die zweite, hier sehr viel schwacher als sonst erscheinende Partie 
besteht aus groBen polyedrischen Zellen, welche dicht aneinander 
liegen, zart granuliert sind und je einen grofen blaschenfoérmigen 
Kern mit einfachem Kernkérperchen haben. Sie haben in ihrer 
Gesamtheit etwa halbmondférmige Gestalt, ruhen auf der Tropfen- 
masse auf und nehmen einen Teil der distalen und einen Teil der 
iuBeren Wand des Organes ein, so wie dies Fig. 18 z zeigt. Eine 
Einscheidung des Gebildes durch eine besondere bindegewebige 
Hiille und ein von dieser ausgehendes, dasselbe durchsetzendes 
Septum ist hier nicht vorhanden. Wie bei den Papillen ohne 
deutliches Seitenorgan findet sich auch an diesen in der duferen 
Ecke der Kuppe jener Komplex von Kernen mit all den bereits 
erwihnten Eigentiimlichkeiten (Fig. 18 gz). 

An quergeschnittenen Papillen dieses Exemplares erkennt 
man, dafi die Tropfenmasse die Partie der hellen, grofkernigen 
Zellen wie eine Kapsel umgiebt (Fig. 19 gd). Man trifft im 
Schnitte zuerst nur Tropfen, dann treten, allmahlich an Zahl zu- 
nehmend, die Zellen auf, um schlieSlich wieder voéllig den Tropfen 
zu weichen. Hier umhiillen also die Tropfenmassen die rein 
zellige Partie ganz. 

Der Nerv verlauft in allen diesen Papillen in der Achse; auf 
einem Medianschnitte durch das Gebilde ist er aber nie oder 
nur selten und dann nur bruchstiicksweise zu treffen, weil die 
Medianebene des Gebildes mit der der Papille — diese so ge- 
schnitten, daf AuSen- und Innenfliche zugleich zu sehen sind — 
nicht zusammenfallt, das Gebilde also nicht genau central in der 
Papille liegt. 


Ich habe in vorstehenden Zeilen detailliert die Ergebnisse 
meiner an vier verschiedenen Individuen von Cardium angestellten 
Beobachtungen geschildert, um zu zeigen, daf die zur Diskussion 
stehende Bildung keineswegs in allen Punkten ihres Baues bei 
den verschiedenen Exemplaren iibereinstimmt. Namentlich die 
Abweichungen in der Struktur bei dem letzten, bestkonservierten 
Exemplare von der der ersterwahnten sind nicht unbedeutende. 
Aber nicht blo8 bei verschiedenen Exemplaren, sondern auch in 
den verschiedenen Papillen desselben Tieres sind die erhaltenen 


Der Mantelrand der Acephalen. d3 


Resultate nicht kongruent; vielmehr finden sich stets mehr oder 
minder betrachtliche Differenzen vor. Wohl sind allenthalben 
Pigmentepithel, Tropfenmasse und helle Zellen vorhanden; doch 
die Beziehungen dieser Elemente zu einander sind wechselnde 
und so inkonstante, wie sie bei einem als ,,Auge‘’ funktionieren- 
den Organe bei derselben Species, wenn wir die an den verschie- 
denen ,,Augen** desselben Tieres sich findenden Differenzen bei- 
seite lassen, nicht vorkommen diirfen, selbst dann nicht, wenn 
man verschiedenaltrige Tiere untersucht. Denn wir miissen fest- 
halten, daf eine Funktion, wie die des Sehens, sei dieselbe auch 
noch so gering entwickelt, stets an die gleichen histiologischen 
Substrate gebunden ist, die in ihrer Ausbildung und Gruppierung 
bei den einzelnen Arten einer Gattung oder Familie tiefgreifende 
Verschiedenheiten zeigen kénnen, bei den Individuen derselben 
Art dagegen absolut iibereinstimmen miissen. Es ist nicht denk- 
bar — und kommt auch sicher nicht vor —, daf ein wirklich 
funktionierendes Auge bei den Individuen derselben Art unter 
normalen Bedingungen auch nur einigermafen betrachtliche Diffe- 
renzen in seinem Baue darbieten kann; die Elemente eines Auges 
miissen nicht blof bei allen Individuen die gleichen sein, sie 
miissen auch unbedingt und unter allen Umstianden in stets der- 
selben Gruppierung und stets in der bis ins feinste Detail hinein 
iibereinstimmenden Ausbildung vorhanden sein. Ist das nicht der 
Fall, kommen Differenzen vor, wie sie das letzterwaihnte, wie auch 
das erste Exemplar untereinander und von dem zweiten und drit- 
ten darbieten, so ist der Zweifel berechtigt, ob wir es wirklich 
mit einem wenn auch auf tiefer Stufe der Ausbildung stehenden 
Auge zuthun haben, oder ob nicht eine andere Funktion vorliegt. 

Bevor ich indessen diese Frage definitiv zu beantworten ver- 
suche, muf ich erst meine Resultate mit den histiologischen Er- 
gebnissen von Drost (9) und ParreNn (32) vergleichen. 

Beide Forscher haben vieles richtig erkannt, aber auch vieles 
total verkannt. Es ist durchaus zutreffend, wenn Drosr die 
Tropfenmassen als ein Derivat der FLEmmine’schen Bindesubstanz- 
zellen erklart, denn in der That werden dieselben von derartigen 
Zellen sezerniert. Nur sind letztere nicht identisch mit den klei- 
nen ovoiden Zellen, wie sie sonst vorkommen, sondern es sind 
ganz andere, von Drosr in ihrer Bedeutung vollig verkannte Ge- 
bilde, welche zu den Tropfenmassen in genetischer Beziehung 
stehen. Wenn Drosr sie als Fasermassen bezeichnet, so ist 
der Irrtui, wie bereits friiher bei Besprechung der pigmentfreien 


D4 Dr. Bernhard Rawitz, 


Papillen angemerkt wurde, auf die nicht geeignete Farbungs- 
methode zuriickzufiihren, deren Drostr sich bediente; Anilinfarben 
oder Doppeltinktionen lassen dariiber keinen Zweifel, daf die 
Fasermassen yon Drost ‘Tropfenkonglomerate sind. V6llig ver- 
kannt worden aber sind dieselben von Parren. Es ist mir kaum 
verstindlich, wie dieser Forscher hier Bindegewebsfibrillen mit 
eingelagerten glanzenden Koérperchen beschreiben und somit die 
Tropfenmassen als Tapetum deuten konnte. Hatte Parren ge- 
eignete Tinktionsmethoden verwendet, so ware er sicher nicht in 
diesen Irrtum verfallen; denn so farbt sich faseriges Bindegewebe 
niemals, wie es die Tropfenmassen z. B. in dem EKHRLICH-BIONDI- 
schen Farbengemisch oder in Bismarckbraun thun. 

Die hellen, bald polyedrisch, bald polyklon erscheinenden Zel- 
len sind von Drost als Ganglienzellen, von PatTren als Linse 
gedeutet worden. Die basalwarts des sogenannten Septum liegen- 
den Zellen, deren Kerne zuweilen in einer Reihe angeordnet sind, 
hat Drosr gar nicht beschrieben, Parren als Retinazellen be- 
zeichnet. ) 

Was zunachst die Deutung der hellen grofen Zellen mit blas- 
chenférmigem Kerne als Ganglienzellen anlangt, so begriindet 
Drost dieselbe durch die Angabe, dai der Papillennerv in diese 
Zellen, welche das Augenganglion bilden sollen, tibergehe. Von 
einem solchen Ubergange aber habe ich nichts gesehen. Die 
Konfiguration des Organes ist auch stets so, dah da, wo der Nerv 
eintreten kénnte, die Sekretmassen liegen, welch letztere, nach 
ihrer tinktorialen Reaktion zu schlieBen, als Giftmassen betrachtet 
werden miissen. Den Zusammenhang der Nerven mit zelligen Ge- 
bilden iiberhaupt konnte ich zwar nie direkt in einem Schnitte 
finden, wohl aber aus der Serie rekonstruieren, und die Gebilde, 
mit welchen der Nerv sich verband, waren dann stets und aus- 
nahmslos nur die oben erwihnten Kernkomplexe. Die Zellen, 
welchen diese Kerne angehéren, sind allerdings Ganglienzellen, sie 
innervieren aber nicht die Zellen des Pigmentfleckes, sondern die 
des Seitenorganes, wofiir die Beweise von mir bereits friiher bei 
Besprechung der ,,augenlosen‘‘ Papillen beigebracht wurden. Die 
grofen hellen Zellen von polyedrischer Gestalt aber haben mit 
dem Nerven nichts zu thun, die gegenteilige Angabe von Drosr 
kann ich nur als Irrtum bezeichnen; sie sind daher auch nicht 
als Ganglienzellen zu betrachten. Bilden sie also, wie PATTEN 
will, in ihrer Gesamtheit eine Linse? Wenn Parren nur den ge- 
ringsten Beweis fiir diese Deutung beigebracht hatte. Dadurch, 


Der Mantelrand der Acephalen. 5D 


dafi er ganz einfach das ganze Gebilde fiir ein Auge erklart und 
nun die fraglichen Zellen wegen ihrer Lagerung fiir Linsenzellen 
anspricht, ist doch der Beweis sicher nicht erbracht. Denn wie 
die abweichende Auffassung von Drost lehrt, braucht man das 
Gebilde als ein Auge gar nicht zu betrachten und kann bei Car- 
dium dennoch eine Sehfunktion anerkennen. Da ich mich der 
Patren’schen Auffassung nicht anschlieBe, so bilden fiir mich die 
hellen Zellen auch keine Linse und sind die proximalwarts des 
Septum gelegenen Zellen keine Retinazellen. Die ganze Darstel- 
lung von Parrrn, die beherrscht wird von dem Grundgedanken, 
bei Cardium die Augen zu finden, die dieser Muschel zukommen 
sollen, ist eine durchaus phantastische. Sekretmassen werden als 
Tapetum, grofe Zellen als Linsenzellen, kleine als Retinazellen mit 
Stabchen gedeutet, ohne daf fiir die Deutung der histiologische 
Bau auch nur eine Spur von Berechtigung bietet. Es ist daher 
auch ganz unmoglich, die Parren’schen Angaben und seine an 
dieselben gekniipften phylogenetischen Exkurse zu diskutieren. 
Wer die Verhaltnisse, um welche es sich bei Cardium handelt, 
aus eigener Anschauung kennt, der sagt sich sofort, daf die gan- 
zen Ausfiihrungen von Parren, mégen dieselben auch durch eine 
schéne Abbildung illustriert sein, vollkommen falsch sind. 

Ich habe in meiner obigen Darstellung meiner eigenen Be- 
funde, die von verschiedenen Exemplaren gewonnen wurden — 
im ganzen habe ich acht Cardium edule auf diese Verhaltnisse 
untersucht — das Septum erwahnt und dabei ausgefiihrt, daf es 
von einer das sogenannte Auge einscheidenden Bindegewebslamelle 
abstammt. Die Ausdriicke ,,Septum‘ und ,,einscheidende Binde- 
gewebslamelle“ sind aber nur der Bequemlichkeit halber gewahlt, 
um fiir die Beschreibung eine prazise Bezeichnung zu _ haben; 
eine physiologische Berechtigung fiir eine solche Benennung ist 
durchaus nicht vorhanden. Ich mufte mich oben zunachst an die 
durch die vorliegenden Untersuchungen gegebenen Erklarungen 
halten, ohne damit fiir die eigene Ansicht etwas zu prajudizieren. 
Nach meiner Auffassung ist das von Parren als Auge, von Drost 
als Ganglion und Fasermasse (Tropfenmasse) gedeutete Gebilde 
kein einheitlicher K6érper, kein in sich abgeschlossenes Organ. 
Denn ebenso oft, wie man die einhiillende Bindegewebslamelle und 
das Septum trifft, ebenso oft vermisst man sie, und das sogenannte 
Organ geht ohne scharfe Grenze in die Umgebung iiber. Nament- 
lich das Septum und die ihm sich: anlagernden Zellen sind rein 
zulallige Erscheinungen, denen eine fundamentale Bedeutung, wie 


56 Dr. Bernhard Rawitz, 


sie ihnen Patten vindiziert, entschieden nicht zukommt. Es han- 
delt sich bei der in Rede stehenden Bildung meines Erachtens 
um einen Komplex von ungewoéhnlich grofen FLemMina’schen 
Bindesubstanzzellen, welche die Tropfenmassen produzieren. Was 
mich zu dieser Deutung bestimmt, ist namentlich der Umstand, 
daS man die grofen hellen Zellen mit blaschenformigem Kerne 
nicht blo& hier, sondern auch in der Substanz der betreffenden 
Papillen in allerdings geringer Menge antrifft. Es scheint, daf 
Parren etwas Ahnliches gesehen hat, wenn auch aus seiner An- 
gabe das nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist. Man findet in 
den Maschen der Bindesubstanz dieser Papillen groBe Zellen lie- 
gen, in deren zart strukturiertem Plasma grofe blaschenformige 
Kerne mit deutlichem Kernk6érperchen enthalten sind. Nur dab 
diese Zellen keine polyedrische Gestalt haben; aber diese letztere 
Formeigentiimlichkeit, welche an den in der Papillenspitze ge- 
legenen Zellen auffallt, ist lediglich ein Produkt der Konservie- 
rung. Durch die bei derselben eintretende Schrumpfung werden 
die Zellen aneinander gepreft und nehmen infolgedessen jene Gestalt 
an. Sie sind es, welche die Sekretmassen produzieren, und darum 
trifft man sie auch in bald gré8erer, bald geringerer Zahl in der 
Spitze der Papille an, je nachdem die Sekretmassen sparlich oder 
reichlich vorhanden sind. Es wurde oben erwahnt, daf die dem 
sogenannten Septum anliegenden Zellen sich dunkler farben als 
die polyedrischen. Es ist diese intensivere Tingierbarkeit ein 
Zeichen der Umwandlung des Zellplasma in Sekret, wozu als 
zweites Zeichen noch hinzukommt, daf8 der urspriinglich zart 
granulierte Zellleib pari passu mit dem sich verandernden Ver- 
halten gegen Farbstoffe grob granuliert wird. Diese grobe Gra- 
nulierung ist der erste Ausdruck fiir den beginnenden Tropfen- 
zerfall. Mit der allmahlichen Umwandlung des Zellplasma halt 
gleichen Schritt eine Verdinderung des Zellkernes. Derselbe, im 
Anfange, d. h. in der Ruhe, grof und blaschenférmig, verliert all- 
mahlich an Umfang, nimmt aber gleichzeitig an Farbungsvermégen 
zu, bis er in den Tropfenmassen, also nach vollendeter Sekretion, 
ein fast stabchenformiges Aussehen zeigt und sich sehr intensiv 
tingiert. Die Anhaufung dieser sekretorisch thatigen Bindesub- 
stanzzellen in der Spitze der Papille kann man aber, wie bereits 
angemerkt, nicht als ein besonderes Organ, als eine Driise be- 
zeichnen, weil eine scharfe Abgrenzung mangelt. Immerhin aber 
finden wir in der Spitze der mit einem Pigmentflecke versehenen 
Papillen Sekretmassen amorpher Natur in grofer Menge vor, und 


re) 
Der Mantelrand der Acephalen. 57 


diese Menge ist es, welche die Gegend vor anderen charakterisiert. 
Die Ausmiindung des Sekretes findet, wie der Papillenbau zeigt, 
auf der Seite des Pigmentepithels wahrscheinlich durch inter- 
epitheliale Liicken statt. 

Diese Erkenntnis, dafi das sogenannte Auge eine Sekretmasse 
ist, erklart zur Geniige die wechselnden Bilder, welche man bei 
der mikroskopischen Untersuchung erhalt. Es ist ohne weiteres 
klar, da& die Variabilitat der Erscheinung bedingt wird durch die 
verschiedenen Stadien der Sekretbereitung, in welchen sich die 
Zellen in den einzelnen Papillen und bei verschiedenen Tieren 
befinden, bez. durch die verschiedene Massenhaftigkeit des Sekre- 
tes, das zur Zeit der Fixierung in den Papillen vorhanden war. 
Man mu8 bei Beurteilung der abweichenden Resultate, welche man 
erhalt, ferner noch in Betracht ziehen, da8 dann, wenn man ein 
ganz frisches Tier in die Fixierungsflissigkeit einbringt, infolge 
der briisken Kontraktion aller Papillen sehr leicht Sekretmassen 
aus dem Gewebe ausgepreBt werden kénnen, was nicht oder in 
nur geringem Mafe der Fall sein wird, hat man das Material 
vorher langsam abgetétet oder betaubt. 

Indem ich somit das sogenannte Ganglion von Drost, das 
Auge von PATTeNn als einen Komplex sekretorisch thatiger Zellen 
bezeichne, habe ich implicite die von dem ersteren Autor ge- 
gebenen physiologischen Erklarungsversuche abgelehnt. Nach Drost 
besitzt Cardium edule ein geringstes Sehvermégen, die Unterschei- 
dung von Licht und Schatten, ,,wenn auch diese Begabung ge- 
wissermafen eine einseitige zu nennen ist. Denn nur bei plotz- 
lichem Uberschatten scheint es einen Reiz zu spiiren, es zieht 
sofort die Siphonen ein, als ob eine Gefahr ihm drohe, gerade 
wie bei der Beriihrung durch einen fremden Gegenstand“ (9; p. 
19 d. S.-A.). Es heift dann weiter am Ende derselben Seite: 
wie es fiir eine erhaltungsmafige Brauchbarkeit des Sehorgans 
schon die Uberlegung fordert, wird auch durch einen sehr schwa- 
chen Schatten ein Reiz ausgeiibt.“ In der Abendstunde oder bei 
bewélktem Himmel reagieren nach Drost die Tiere sehr viel 
leichter auf Verdunkelung als am Tage bei hellem Lichte. Im 
iibrigen soll das Verhalten der Cardien in der Gefangenschaft ein 
sehr verschiedenes sein; diejenigen, welche gegen leise Erschiitte- 
rungen sich sehr empfindlich zeigten, waren es auch auf verschie- 
dene Beleuchtungsgrade. 

Es ist zunadchst durchaus irrig, wenn Drost den Schatten 
als einen Reiz bezeichnet. Ein Reiz kann immer nur von etwas 


58 Dr. Bernhard Rawitz, 


Positivem, also in diesem Falle vom Lichte, ausgeiibt werden, nie- 
mals aber von einer Negation. Und Schatten ist eine Negation, 
die des Lichtes namlich. Wenn das retinale Pigment bei hoch 
entwickelten Augen sich von den Stabchen unter dem Einflusse 
der Dunkelheit zuriickzieht, so ist das nicht das Resultat eines 
Reizes. Im Vertebratenauge umhiillen normalerweise die Pigment- 
zellen durch Fortsatze die Stabchen; das Pigment zieht sich aus letz- 
teren im Dunkeln zuriick, weil der Reiz, der die Ausstreckung des- 
selben bedingt hat, das Licht, fortfallt. Die Zellen kehren gleichsam 
in die Ruhelage zuriick, wie eine Amébe durch Einziehen der Fort- 
satze und Annahme der Kugelgestalt in die Ruhelage zuriickkehrt. 
Sind also die oben referierten Beobachtungen von Drost richtig, dann 
miifte man sagen, daf die durch das Beschatten hervorgerufene Kon- 
traktion der Siphopapillen das Zuriickgehen dieser Gebilde in die 
Ruhelage andeutet. Auf Pecten kann man hierbei nicht exempli- 
fizieren, denn diese Muschel sieht wirklich, weil sie gut ausgebildete 
Augen hat. Sie nimmt den Schatten als den Ausdruck eines zwischen 
sie und die Lichtquelle tretenden Kérpers wahr, und diese Wahr- 
nehmung, d. h. das auf der Retina erzeugte Bild lést die Reak- 
tion — den Schalenschlu8 — aus. Von solch einer Wahrnehmung 
kann hier bei Cardium aber darum nicht die Rede sein, weil diese 
Muschel ein ausgebildetes Auge eben nicht besitzt; die von Drost 
beobachteten Erscheinungen sind daher auch nicht als die AuBe- 
rungen eines Sehvorganges zu betrachten. 

Ich kann nicht umhin, das, was Drost von seinen tiber das 
Sehen von Cardium angestellten Experimenten erwabnt, mit eini- 
gem Miftrauen zu betrachten. Sollen derartige Versuche, die ftir 
die Erkennung taktiler Empfindlichkeit allenfalls hinreichen, in 
so intrikaten Fragen, wie das Sehen der Tiere, irgendwie beweis- 
kraftig sein, so miissen sie unter Bedingungen angestellt werden, 
welche den natiirlichen Existenzbedingungen der Tiere moglichst 
nahe kommen.. Ob das aber bei den Drost’schen Versuchen der 
Fall gewesen, ist mir sehr zweifelhaft. Es geniigt keineswegs, dah 
man die Tiere in einem mit Sand bedeckten Bassin halt, es ist 
durchaus nétig, daB das Wasser in bestandiger Cirkulation erhal- 
ten wird; denn geschieht dies nicht, so sind pathologische Mo- 
mente vorhanden, die eine Hypersensibilitat hervorrufen kénnen, 
welche die Resultate falscht. 

Ich kann mich also der Auffassung von Drost nicht an- 
schlieBen, wonach die Pigmentflecken als Augen zu _ betrachten 
sind, und kann daher auch den von ihm gegen CARRIERE aus- 


Der Mantelrand der Acephalen. 59 


gesprochenen Tadel nicht billigen. CaRrriERE war vollkommen im 
Rechte, wenn er die Besprechung dieser Bildungen in seinem 
Buche tiber die Sehorgane der Tiere (6) nicht unternahm. 

Ganz sonderbar ist die Meinung von Drost, daf die Stellung 
der Pigmentflecken auf der Innenflache der Papillen besonders 
beweisend fiir die Augennatur derselben sein soll. ,,Steckt Car- 
dium in seiner gewoéhnlichen Lage im Sande, so da das hintere 
Ende emporgerichtet ist, so ragen die ausgedehnten Siphonen nur 
ein wenig hervor, und die Cirren sind ringsum fast horizontal ge- 
streckt. Die vielen Augen umspannen dann ein méglichst grofes 
Gebiet und sind nach oben gekehrt, woher in solcher Lage der 
Muschel die Lichtstrahlen auf sie fallen‘ (1. c. p. 19 d. S.-A.). 
Sehr vorteilhaft fiir das Tier kann man aber, wie ich im Gegen- 
satze zu Drost meine, die nach oben gerichtete Stellung der an- 
geblichen Augen nicht gerade nennen, denn nunmehr sieht das 
Tier nichts von dem, was sich ihm seitlich nahert, und es kann 
daher sehr leicht Angriffen erliegen, gegen die ihn besser gestellte 
Augen hatten schiitzen kénnen. Wohl aber ist diese Stellung 
wichtig, wenn man die Pigmentflecke als lichtempfindliche, 
wenn auch nicht als Licht empfindende Partieen betrachtet. 
Man muf namlich die Begriffe der Lichtempfindlichkeit und 
der Lichtempfindung streng auseinanderhalten; die letztere 
kann ohne die erstere nicht existieren, erstere wohl aber ohne 
letztere. Ich will in diesem Abschnitte der Arbeit auf diese 
Frage nicht naher eingehen, dieselbe vielmehr erst in den allge- 
meinen Betrachtungen erértern. Diese Unterscheidung aber hat 
weder Drost gemacht, noch sein Gewahrsmann SHarP, dessen 
ungliickselige Arbeit ,,on the visual organs in Lamellibranchiata“ 
wie in allen anderen Punkten, so auch in diesem eine vollkom- 
mene Begriffsverwirrung zeigt. 

Lichtempfindlichkeit besitzt Cardium wahrscheinlich in hohem 
Grade, und diejenigen Elemente, welche lichtempfindlich sind, sind 
die Pigmentflecken auf der Innenflache einer grofen Zahl von 
Siphopapillen. Das regelmafbige, streng lokalisierte Vorkommen 
des Pigmentes spricht fiir diese Auffassung, die durch die in- 
differente Struktur der Flecken, welche mit einem Auge nichts 
gemein hat, entschieden gestiitzt wird. 


Es ertibrigt noch die Betrachtung des Mantelrandes. 
Aus der Beschreibung der makroskopisch erkennbaren Eigen- 
tiimlichkeiten der hier interessierenden Korperteile yon Cardium 


60 Dr. Bernhard Rawitz, 


edule ist bekannt, daf{ der Mantelrand sich in zwei Falten auf- 
spaltet, von denen die aufere lings der Basen der Siphonen, der 
Schaleninnenflache dicht anliegend, dahinzieht. Diese Falte soll 
zunachst besprochen werden. Dieselbe zeigt sich auf mikro- 
skopischen Schnitten stets aus drei auf einem gemeinsamen Stiele 
sitzenden Falten zusammengesetzt (Fig. 20), nicht bloB aus zwei, 
wie Drost angiebt und zeichnet. Zwischen der inneren und mitt- 
leren entsteht die Epicuticula (Fig. 20 cu). Die mittlere der 
sekundaren Falten hat etwa konische Gestalt, die beiden anderen 
sind unregelmabig gebildet. Die AuSenflache geht kontinuierlich 
in die Aufenflache des Mantels iiber, wihrend die Innenflache des 
Stieles sich in die Aufenwand der Siphonen ununterbrochen fort- 
setzt. Das Epithel der Innenfliche des Stieles und der sekun- 
daren Falten besteht aus cylindrischen, 9 « hohen, 5,4 w breiten 
Zellen, deren cuticularer Saum kaum 0,6 uw dick ist; die basal 
gelegenen kreisrunden Kerne haben einen Durchmesser von 3,6 J. 
Sinneszellen sind zwischen den indifferenten im Schnitte nicht er- 
kennbar. Auf der AuBenflache besteht das Epithel, das an der 
Epicuticulabildung beteiligt ist, aus 16,2 « hohen, 3,6 w breiten 
Zellen mit basal gelegenen ovalen Kernen. Die Mittelfalte, die 
an ihrer inneren Flache ebenfalls an der Epicuticulabildung be- 
teiligt ist, hat innen 18 « hohe, 2 « breite Zellen, deren ovale 
Kerne basal gelegen sind. Auf der Aufenflache der Falte hat 
das Epithel dieselbe Beschaffenheit wie auf der Innenflache der 
Innenfalte. Ebenso ist das Epithel.der sekundaren Aufenfalte 
auf beiden Seiten beschaffen. Erst im gemeinsamen Stiele, auf 
dessen Aufenflache, nimmt es einen anderen Habitus an, indem 
es sehr viel héher und schmaler wird. Die Zellen messen hier 
und auf der Aufenflache abwiarts zum Mantel 28 « in der 
Lange, wahrend sie héchstens 2 « breit sind. Dieses letztere 
Maf entspricht dem Breitendurchmesser der Kerne, die von ovaler 
Gestalt sind, 8 4 Langsdurchmesser besitzen und bald basal, bald 
central gelegen sind. In der Innenfalte sind einige sparliche 
Mucindriisen, die man nicht auf allen Schnitten antrifft, dicht am 
Epithel gelegen, waihrend im Epithel die von den Siphonen her 
bekannten homogenen K6rper sich finden (Fig. 20 hk). Grofe 
Mucindriisen, als solche kenntlich durch ihre grofe Verwandt- 
schaft zu basischen Anilinfarben und zu Hamatoxylin, kommen in 
geringer Zahl abwirts des Stieles auf der AuBenflache des Man- 
tels vor (Fig. 20 md). Sie miinden in interepithelialen Liicken, 
sind einzellige Gebilde und lassen bei Anwendung starker Ver- 


Der Mantelrand der Acephalen. 61 


groBerungen eine zierliche, netzformige Zeichnung erkennen, welche 
nicht der Ausdruck einer Plasmastruktur ist, sondern darauf zu- 
riickzufiihren ist, da das Sekret durch die Kinwirkung der 
fixierenden uud konservierenden Reagentien zu zarten Strangen 
geronnen ist. Diese Driisen hat Drosr bereits gesehen; er hat 
deren Bau aber yollstaindig verkannt. Denn wenn er angiebt, dab 
die Ausfiihrungsginge zarte Schlauche seien, die stets zu mehre- 
ren nebeneinander liegen und umeinander sich winden, um gemein- 
sam in einer interepithelialen Liicke zu miinden, und wenn er 
ferner sagt, da& die Schliuche auf einem feinmaschigen Netze 
enden, ,,das ganz den Eindruck von einem durchschnittenen Knauel 
dieser Schliuche macht‘ (1. c. p. 25/26 d. S.-A.), so ist das eine 
ganz irrige Interpretation einer an und fir sich richtigen Beob- 
achtang. Drosr besaf nicht geniigende Erfahrungen iiber die 
Struktureigentiimlichkeiten der Mucindriisen der Mollusken; da- 
her ist sein Irrtum erklirlich und entschuldbar. 

Diejenige Stelle der Sipho-Innenwand, welche dem Falten- 
ursprunge gegeniiberliegt — man trifft auf diese Stelle, wenn man 
sich die Innenfliche des Faltenstieles proximalwarts durch die 
Siphosubstanz verlangert denkt — hat Wimperepithe!, unter 
welchem zahlreiche Mucindriisen anzutreffen sind. Drosr hat 
diese Gegend sehr genau und gut beschrieben. 

Der eigentliche Mantelrand besteht aus zwei Falten, von 
welchen die Innenfalte einfach ist, wahrend die Aufenfalte, im 
Gegensatze zu der eben beschriebenen, aus nur zwei sekundiren 
Abteilungen zusammengesetzt ist. Von letzteren ist die innere 
sekundare eine schmale, niedrige Falte, wogegen die aufiere sekun- 
dire eine breite, vielfach gelappte Falte darstellt, welche in die 
Aufenflache des Mantels iibergeht. Zwischen der kleinen und ge- 
lappten Falte entsteht die Epicuticula. Der epitheliale Belag der 
Innenfalte, der sich in zahlreiche Zotten gelegt hat, enthalt sehr 
viel Sinneszellen und gleicht im iibrigen dem epithelialen Belage 
der sekundiren inneren von der die Siphonen begleitenden Falte. 
Das Epithel der gelappten Falte gleicht dem der sekundaren 
Augenfalte am Sipho. Beim Ubergange in die Innenfliche des 
Mantels wird das Epithel bewimpert. 

Im Rande kommen Mucindriisen vor. In der Innenfalte sind 
sie nur sparlich vorhanden und miinden hier auf der Innenflache. 
In der Region, in welcher die Wimpern sich finden, die aber noch 
zum Rande zu rechnen ist, sind sie dagegen sehr zahlreich, um 
im Mantel selber, der auf dem Schnitte als eine ganz dine Platte 


62 Dr. Bernhard Rawit2, 


erscheint, zu fehlen. In der Aufenfalte sind Driisen nicht vor- 
handen. - 

Der in der vorderen Partie des Mantels sich findende weif- 
liche Fleck stellt sich bei mikroskopischer Untersuchung als eine 
grofbe Mucindriise dar. Das Epithel, welches bewimpert ist, ent- 
halt zahlreiche, Mucinreaktion darbietende Becherzellen (Fig. 21 be), 
wahrend subepithelial das Gewebe zu grofen ovalen Maschen aus- 
geweitet ist durch zahlreiche Mucindriisenzellen (Fig. 21 md). In 
einer Bindegewebsmasche liegen stets mehrere Zellen. Man kann 
diese Driisenzellen als ein einheitliches Gebilde auffassen, wenn 
ihnen auch ein ditferenzierter gemeinsamer Ausfiihrungsgang feblt, 
weil sie alle dasselbe an einer Gegend sich entleerende Sekret 
liefern. Die Bildung erinnert etwas an die von mir beschriebenen 
FuBdriisen der Opisthobranchier (36). 

Von einer Beschreibung der Muskulatur und der Binde- 
substanz kann ich absehen, da dieselbe von Dros? in ganz 
vorziiglicher Weise geliefert ist; ich verweise auf die Darstellung 
dieser Verhaltnisse in der oft citierten Arbeit. 


Cardium tuberculatum. Die Epithelien der Sipho-Innen- 
und Aufenfliche, die einander vollkommen gleichen, sind 12,6 u 
hohe, 3,6 « breite Zellen mit einem 2 « dicken cuticularen Saume, 
auf dem keine Wimpern stehen und Kérnchenbrei als Andeutung 
zerstorter Sinnesborsten in nur ganz geringer Menge vorhanden ist. 
Die Kerne sind teils oval, teils kreisrund und liegen basal. Die 
Abgrenzung der Epithelzellen basalwarts ist keine scharfe Linie, 
vielmehr kann man die von Mazerationspraparaten her bekannte 
wurzelf6rmige Ausfaserung der Zellen ziemlich deutlich sehen. 
Zwischen diesen so gearteten indifferenten sind die Sinneszellen 
im Schnitte nicht zu erkennen. 

Die Papillen, welche die Miindungen der Siphonen um- 
krinzen, haben pigmentierte und pigmentfreie Epithelzellen. Es 
giebt Papillen, deren Epithelzellen simtlich pigmentfrei sind, und 
es giebt Papillen — diese bilden die Mehrzahl —, deren epithe- 
lialer Belag zum Teil aus pigmentierten, zum Theil aus nicht- 
pigmentierten Zellen besteht. Die Verteilung der Pigmentzellen 
ist eine ganz unregelmifige; sie finden sich sowohl in der Basis, 
in der Mitte, wie auch an der Spitze der Papillen. Nirgends aber 
hat eine besondere, stets wiederkehrende Gruppierung derselben 
Platz gegrifien. Nur das ist zu sagen, dal zwischen den Pigment- 
zellen andere Zellen nicht stehen. Im einzelnen ist Folgendes an- 


Der Mantelrand der Acephalen. 63 


zumerken. Die Pigmentzellen sind cylindrische wimperlose Gebilde 
mit basal gelegenen, kreisrunden Kernen. Das Pigment besteht 
aus kleinen Kérnchen, welche bei durchfallendem Lichte griinlich- 
gelb aussehen und die Zellen so dicht erfiillen, da’ deren Kerne 
zum Teil verdeckt sind. Die Mafe der Zellen entsprechen im all- 
gemeinen denen der Zellen der Siphowandung. In den pigment- 
freien Stellen der pigmentierten Papillen, wie in den nicht pig- 
mentierten Papillen allenthalben, sind zwischen den indifferenten 
Zellen, welche cylindrische Gebilde mit basal gelegenen kreisrunden 
Kernen sind, zahlreiche Sinneszellen zu erkennen. Diese haben 
dieselbe Hohe wie die indifferenten Zellen, sind sehr schmal — 
ihre Breite betragt knapp 1 « —, ihre Kerne sind sehr lang, 
stibchenformig und sehr intensiv gefirbt. Diese Kerne reichen 
iibrigens nirgends tiefer in das subepitheliale Gewebe hinein, ihre 
basale Grenze findet sich vielmehr in gleicher Héhe mit der basalen 
Grenze des Epithelbelages iiberhaupt. 

Seitenorgane von dem Baue, wie sie bei Cardium edule zu 
finden waren, habe ich bei dieser Species niemals angetroffen. 

Die von Cardium edule her bekannten acinésen Pigmentdriisen 
fehlen bei Cardium tuberculatum vollkommen; dafiir sind auf der 
Aubenfliche der Siphonen spirliche Mucindriisen vorhanden. Auf 
der Sipho-Innenflache findet man in der Papillarregion amorphe 
Sekretmassen, in den mehr proximalen Abschnitten ovoide Zellen 
subepithelial gelegen, welche mit den gleichen Gebilden von C. 
edule vollkommen ibereinstimmen, so da das dort Gesagte 
hier buchstabliche Anwendung findet. Die tiefsten Partieen der 
Sipho-Innenflache, welche schon in den Mantel hinabragen, haben 
Mucindriisen. 

Die Papillen sind ganz frei von sekretorischen Klementen, da- 
gegen findet man hier zwischen den Epithelzellen in nicht unbe- 
trichtlicher Menge jene homogenen Kérper liegen, die bei Cardium 
edule nur zwischen den Epithelzellen der Sipho-Innen- und -Aulen- 
flache anzutreffen waren. 


Cardium oblongum. Das Epithel der Siphopapillen 
hat sich in zahlreiche Falten gelegt, die im Schnitte als schmale, 
gleich hohe Zotten erscheinen. Die Zellen sind wimperlose, ziem- 
Jich hohe, cylindrische Gebilde, welche kleine, kreisrunde Kerne 
enthalten, die basal gelegen sind. Die schéne Farbe, welche die 
Papillen intra vitam haben, verschwindet, wie bereits bemerkt, 
beim Konservieren vollstandig. In den Papillen, in der Nahe der 


64 Dr. Bernhard RawitzZ, 


freien Enden derselben, finden sich Driisen, welche stets in deren 
Aubenflache miinden (Fig. 22 zd). Dieselben sind sehr umfang- 
reich und scheinen zu mehreren in einer Papille vorzukommen. 
Es sind Gebilde, welche an die verzweigt tubulésen Driisen der 
Vertebraten erinnern (Fig. 23); sie messen von der Mindung bis 
zum Fundus etwa 88 « und besitzen eine gréSte Breite von un- 
gefahr 72 u. Die Ausfiihrungsgange verlaufen zuweilen wellig- 
gebogen in der Papillensubstanz, denn man sieht sie an einzelnen 
Stellen bis dicht an das Epithel herangehen (Fig. 23), ihre Miin- 
dung erfolgt aber erst an einem anderen Orte. Die einzelnen 
Drisenschlauche werden von zahlreichen sehr zart granulierten 
Zellen gebildet, die in mehreren Reihen neben und tibereinander 
liegen. Dieselben haben keulenférmige Gestalt; die schmalen Teile 
der Keule einer jeden Zelle legen sich eng aneinander und bilden 
den Abschnitt, den ich als Ausfiihrungsgang bezeichnet habe. Ks 
reicht also jede Driisenzelle bis zur Miindungsstelle. Wenn dieser 
Ausfiihrungsgang in die Nahe des Epithels gelangt, so senkt sich 
dasselbe oft tief ein (Fig.22). Die Driisen fairben sich in Hamato- 
xylin hellblau, in Bismarckbraun gelbbraun, sind also keine 
Mucindriisen, aber auch, wenn man die tinktoriale Differenz, die 
sie z. B. mit den Giftmassen der Cardita zeigen, erwaigt, keine 
Giftdriisen. 

Auf der Sipho-Innenflache, deren epithelialer Belag dem 
der Papillen gleicht, finden sich amorphe Massen in grofer Mach- 
tigkeit (Fig. 24). Die Anwesenheit derselben ist es, welche den 
schénen metallischen Glanz hervorruft, den man an dieser Region 
wabrend des Lebens der Tiere wahrnehmen kann. Diese Massen, 
welche sich in Bismarckbraun rotlichbraun farben, liegen in den 
Maschen der Bindesubstanz und miinden durch interepitheliale 
Liicken. Ihr Aussehen ist ein ganz eigentiimliches (Fig. 24 gd). 
Sie erscheinen bei Anwendung stirkerer Systeme wie aus Fi- 
brillen zusammengesetzt, was in der Figur 24 der zu geringen 
Vergréferung wegen nicht wiedergegeben werden konnte. Sie er- 
fiillen die kleinen, runden oder ovalen Maschen des Bindegewebes 
nicht vollstindig und erhalten dadurch ein fast stibchenformiges 
Aussehen. Jedem in einer Masche gelegenen Gebilde gehért ein 
kleiner Kern an. Die Massen finden sich auch in den proximalsten 
Partieen der Sipho-Innenflache, die durch die Bewimperung des 
Epithels sich vor den mehr distalen auszeichnen. 

Die Siphonen werden aufen an ihrer Basis von einer Rand- 
falte begleitet, welche sich im Schnitte aus zwei sekundaren 


Der Mantelrand der Acephalen. 6d 


Falten bestehend darstellt, zwischen welchen die Epicuticula ge- 
bildet wird. Die sekundare Aufenfalte hat ein gelapptes Aussehen 
und bietet insofern ein Interesse dar, als sich in ihren einzelnen, 
nach aufen von der Epicuticula gelegenen Komponenten zahlreiche 
Mucindriisen, als solche kenntlich durch ihre tinktorialen Reaktionen, 
vorfinden. Dieselben sind alle einzelliger Natur, flaschenférmige 
Gebilde und liegen bald dicht am Epithel, bald tief in die Sub- 
stanz der Falte eingebettet. 


Cyprina islandica. Das Epithel der Sipho-Innen- 
flache (Branchial- und Kloakensipho verhalten sich vollkommen 
iibereinstimmend) ist ein 34 uw hohes, 2 w breites Cylinderepithel, 
auf dessen 3,6 uw dickem cuticularem Saume keine Wimpern stehen. 
Die Kerne liegen im basalen Teile der Zellen und sind oval, von 
7,2 «w Langsdurchmesser; man erkennt in ihnen deutlich ein bis 
zwei Kernkérperchen. Sinneszellen sind nur sparlich zwischen den 
indifferenten vorhanden. Dicht an der Ursprungsstitte der Papillen 
der innersten Reihe sind die Epithelzellen véllig pigmentfrei; dann 
tritt Pigment auf, zunichst in Gestalt sparlicher gelbbrauner 
Koérnchen, die aber bald so massenhaft werden, da8 sie die Zellen 
dicht erfiillen und zum Teil auch die Kernpartie bedecken. Auf 
der Sipho-Innenfliche kommen driisige Apparate nicht vor, erst 
in den basalsten Partieen, die aber schon zum Branchialraum zu 
rechnen sind, finden sich mucinhaltige Becherzellen. 

Die Epithelzellen der Papillen sind 25 u hohe, 9 w breite 
Cylinderzellen, deren cuticularer Saum 2 wu dick ist. Auf dem- 
selben sind Wimpern nicht vorhanden, wohl aber liegt auf ihm 
ein reichlicher Kérnchenbrei, der von den zerstérten Sinnesborsten 
herriihrt. Die kreisrunden Kerne, deren Durchmesser der Breite 
der Zellen entspricht, finden sich in der basalen Halfte der Zellen, 
beriihren aber die Basis nicht; sie haben ein deutliches Kern- 
kérperchen. Pigment kommt in den Zellen der innersten Papillen- 
reihe nicht vor, wohl aber in den duferen Papillen und gleicht 
hier dem vollkommen, welches auf der Sipho-Innenfliche zu sehen 
ist. Zwischen diesen indifferenten erkennt man Zellen, die nur 
1,8 « breit sind; dieselben haben einen schmalen, stabchenformigen 
Kern yon 10,8 « Lange, welcher sich sehr intensiv fairbt und tief 
in die Papillensubstanz hineinragt. Es sind dies die Sinneszellen, 
deren Aussehen im Schnitte vollkommen dem entspricht, was 


Mazerationspriparate lehren. Die Sinneszellen finden sich in sehr 


Bd, XXVII, N, F. XX. 5) 


66 Dr. Bernhard Rawitz, 


grofer Zahl. Sekretorische Apparate sind in den Papillen nicht 
vorhanden. 

Die AuBenwand der Siphonen, d. i. die die Papillen von 
der in der allgemeinen Beschreibung erwihnten Falte trennende 
Flache, hat sich je nach der Einwirkung der konservierenden 
Reagentien in mehr oder minder zahlreiche Falten gelegt. Die 
Epithelzellen sind im allgemeinen 32,4 w hoch, 7,2 u breit und 
haben einen 3,6 « dicken, wimperlosen Cuticularsaum. Die in der 
basalen Halfte gelegenen Kerne sind kreisrund, besitzen einen 
Durchmesser von 5,4 « und haben deutlich je einen Nucleolus. 
Das Pigment, das sich in nur geringer Menge in den Zellen vor- 
findet, besteht aus einzelnen braungelben Koérnchen und ist distal 
vom Kern gelegen. Sekretorische Apparate fehlen vollkommen. 

Die den Siphonen auSen folgende Doppelfalte zeigt nach- 
stehende Einzelheiten. Die innere von ihnen ist die héhere und 
schmalere, die ‘iuBere die niedrigere und breitere. Letztere geht 
kontinuierlich in die der Schaleninnenfliche anliegende AuSenflache 
des Mantels tiber und hat auf dem Durchschnitte pilzhutahnliche 
oder breit-gelappte Gestalt, wiahrend die erstere handschuhfinger- 
formig aussieht. Das Epithel der Innenfliche der Innenfalte gleicht 
dem der SiphoauSenflache vollkommen, das Epithel der Aufen- 
fliche dieser und der Innenflaiche der Aufenfalte ist an der Bildung 
der Epicuticula beteiligt und soll daher erst spater besprochen 
werden. Alle hier vorhandenen Epithelzellen sind stark pigmen- 
tiert. In dieser Region kommen weder Driisen noch amorphe 
Sekretmassen vor. Abwarts der Aufenfalte, auf der Aufenflaiche 
des Mantels ist das Epithel pigmentlos, sehr niedrig, und hier 
finden sich sparliche Mucindriisen, welche in interepithelialen 
Liicken miinden. 

In mikroskopischen Schnitten durch den Rand erkennt man, 
da die Innenfalte, welche schon makroskopisch sichtbar ist, sich 
in zwei sekundire Falten aufspaltet. Zwischen der dauferen dieser 
beiden und der eigentlichen Aufenfalte entsteht die Epicuticula. 
Die pigmenthaltigen Epithelzellen gleichen in jeder Hinsicht denen 
von der Doppelfalte, welche die Siphonen begleitet; das dort Ge- 
sagte findet daher hier vollstindig Anwendung. Sinneszellen sind 
nach aufen von der Epicuticula gar nicht, nach innen nur sparlich 
zu erkennen. Auf dem Randwulste ist distal der in der allge- 
meinen Beschreibung erwahnten Langsfurche das Epithel mit sehr 
langen, proximal derselben mit kurzen Wimpern besetzt (Fig. 25), 
in den Falten ist es wimperfrei. Das Wimperepithel hat eine Hohe 


Der Mantelrand der Acephalen. 67 


von 14,4 w und eine Breite von 3,6 w; die Linge der Wimpern, die 
auf sehr schmalem cuticularem Saume stehen, betriigt im distalen 
Abschnitte des Wulstes ungefahr 12,6 «, im proximalen 4 w. Die 
basal gelegenen Kerne haben ovale Gestalt und messen 5,4 w in 
der Linge, 3,6 « in der Breite. Die wimperlosen Epithelzellen 
haben 18 « Hohe und 3,6 u Breite; ihre Kerne sind oval und 
zeigen dieselben Mase wie die der wimpernden. 

Wie an der Doppelfalte der Siphonen, so fehlen auch hier in 
den Falten des Randes driisige Elemente vollstiindig; nur auf der 
schon zum Mantel zu rechnenden Partie der AuSenfliche kommen 
in nicht unbetrachtlicher Menge Mucindriisen vor. Auf der Innen- 
fliche sind sekretorische Apparate erst im Wulste vorhanden, und 
zwar im marginalen Teile desselben, also dem distal von der 
Langsfurche gelegenen, wie auch im branchialen Teile, proximal 
der Furche, amorphe Massen und Mucindriisen (Fig. 25 gd, md). 
Die amorphen Sekretmassen sind Giftmassen, wie aus ihrem 
tinktorialen Verhalten hervorgeht (cfr. die Begriindung im II. Teile); 
sie farben sich nimlich in Kosin-Hamatoxylin leuchtend rot, in 
Orange-Haimatoxylin leuchtend orange, hellgelbbraun in Bismarck- 
braun und rubinrot im ExnriicH-Bronpi’schen Farbengemisch 
(Fig. 25 gd)1). Sie verhalten sich hinsichtlich ihrer tinktorialen 
Kigenschaften in der ganzen Ausdehnung des Wulstes gleichmabig, 
ihre dufere Erscheinung zeigt sich in einem zwiefachen Bilde. In 
einer kleinen an die Furche angrenzenden Partie sind sie durch 
die erhartenden Reagentien zu mittelgrofen Tropfen, in den iibrigen 
Abschnitten zu grofen Schollen geronnen. Diese Schollen wiederum 
sind entweder homogener Natur oder aber sie sind, ob durch die 
zum Schneiden nétigen Manipulationen verwandelt oder nicht, bleibe 
dahingestellt , in kleine Kriimel oder dicht stehende Tropfen zer- 
fallen (Fig. 25 gd). Die Massen liegen in ovalen Maschen des 


1) Die Differenz, welche sich in der Firbung der amorphen Gift- 
massen in dem Exuruitcu-Bronpr’schen Farbengemisch hier im Wulste yon 
Cyprina islandica yon der der gleichen Gebilde bei Cardita und Cy- 
therea (Fig. 2, 25, 27) zeigt, ist darauf zuriickzufiihren, daf® das Gemisch, 
wenn es auch noch so genau hergestellt wurde, bei liingerem Stehen 
seine Farbekraft in unberechenbarer Weise iindert. Namentlich ist 
das in dem Gemisch enthaltene Saurefuchsin ein Stoff, welcher ganz 
differente Niiancen liefert. Dadurch geschieht es, dal man solche 
Variationen des Farbentones antrifft, wie in den angezogenen drei 
Figuren. Die Veriinderung betrifft aber nie die elektiven Eigenschaften 
der Komponenten des Gemisches. 


5* 


68 Dr. Bernhard RawitZ, 


Bindegewebes, welche quer zur Lingsachse des Randes, also in der 
Richtung von innen nach aufen orientiert sind und untereinander 
in ausgiebiger Kommunikation stehen (Fig. 25). In der Nahe des 
Epithels zerfallen die Massen haufig in kleine Fragmente, und diese 
sowohl wie auch grofe zusammenhingende Schollen (Fig. 25 gd) 
fndet man zwischen den Epithelzellen in interepithelialen Liicken, 
durch welche hindurch das Sekret in den Branchialraum tritt. Das 
im ersten Augenblicke Befremdende, welches die Anwesenheit 
groBer Sekretschollen zwischen den Epithelzellen im Schnitte dar- 
bietet, verschwindet, wenn man beriicksichtigt, daf die Erscheinung 
der Massen unter dem Bilde von Schollen artefizieller Natur ist, 
hervorgebracht durch die koagulierende Wirkung der fixierenden 
und erhairtenden Reagentien, da’ sie selbstverstaéndlich in vivo 
fliissig sind und infolge ihres Aggregatzustandes sich relativ leicht 
durch die Epithelliicken hindurchpressen kénnen. Man sieht ferner 
in den die Tropfenmassen enthaltenden Bindegewebsmaschen, wenn 
auch in sehr geringer Menge, FLeEmmina’sche Bindesubstanzzellen, 
welche in der gleichen Weise wie die Massen sich gefarbt haben. 
Durch die Thitigkeit dieser Zellen werden die Massen produziert. 

Man findet, wie schon bemerkt, ferner im Wulste Mucin- 
driisen. Dieselben sind einzellige ziemlich kleine Gebilde, welche 
dicht am Epithel liegen und wie die amorphen Massen in inter- 
epithelialen Liticken miinden. Beide Arten der sekretorischen 
Bildungen haben nichts mit einander gemein, wie man sehr deut- 
lich an geeignet tingierten Schnitten sieht (Fig. 25 md). Hier er- 
kennt man zwar dicht bei einander, doch ohne irgend welchen 
Zusammenhang untereinander, Mucindriisen und amorphe Sekret- 
massen im Epithel (Fig. 25) und kann gleichzeitig auf das schénste 
ihre Miindungsweise an den oft weit tiber die freie Epithelflache 
sich hinausschiebenden Tropfen beobachten, die sich bisweilen vom 
Epithel getrennt haben (Fig. 25). 


VIIb. Veneridae und Petricolidae. 
(Fig. 26—33.) 


A. Allgemeines. 


Bei der allgemeinen Beschreibung der Mantelrandverhiltnisse 
der aus diesen Familien untersuchten Species will ich von Venus 
gallina ausgehen. Der Mantelrand dieser Art ist von vorn nach 


Der Mantelrand der Acephalen. 69 


hinten bis zu derjenigen Stelle, welche dem hinteren Ende der 
Kiemen entspricht, offen. Wahrend dieses Verlaufes zeigt er eine 
schon mit bloBem Auge wahrnehmbare Aufspaltung in zwei Falten, 
eine innere und eine fufere. Die letztere, welche der Schalen- 
innenflache dicht anliegt, ist sehr niedrig und von gleichmafiger 
Beschaffenheit in ihrer ganzen Lingenausdehnung. Die Innenfalte 
tiberragt die auBere um ein bedeutendes und besitzt ein zierliches 
halskrausenformiges Aussehen. Von vorn nach hinten zieht unten 
und innen von der Innenfalte ein im frischen Objekte weiflicher, 
im konservierten opak aussehender, anfanglich schmaler Wulst dahin, 
der sich in derselben Richtung allmahlich verbreitert und eine 
leichte Langsrunzelung erkennen aft. In der hintersten Partie, 
entsprechend dem Kiemenende, sind die Rander beider Seiten mit- 
einander verwachsen und hier finden sich die beiden Siphonen. 
Die Innenfalte hért am ventralen Sipho auf, die Aufenfalte be- 
gleitet auch die AuSenseite der Siphonen, tiefer stehend als diese 
und von ihnen durch ein ziemlich breites Thal getrennt. Sie ver- 
schwindet erst auf dem Riicken des Tieres. Von den Siphonen 
ist der ventrale oder Atemsipho der langere und umfanglichere. 
Sie sind mit den Basen miteinander verwachsen, sonst aber in 
ihrer tibrigen Lingenausdehnung voneinander  getrennt. Ihre 
distalen Miindungen sind von kegelférmigen Papillen umkranzt, 
welche um den Atemsipho herum zahlreicher sind, als um den 
Kloakensipho. Die Papillen sind stellenweise schwarzlich pigmen- 
tiert, die AuSenflache der Siphonen ist rétlichbraun mit schwarzen 
Punkten; in den Randfalten habe ich Pigment nicht wahrge- 
nommen. 

In Ubereinstimmung mit dieser Species ist Venus ver- 
rucosa. 

Bei Cytherea chione sind die Siphonenverhiltnisse im 
wesentlichen dieselben, nur die Pigmentierung ist ein wenig modi- 
fiziert. Die Papillen namlich sind ziemlich dunkel, und diese Pig- 
mentierung erstreckt sich auSen wie innen auf die Siphonen selber. 
Anfanglich sehr intensiv, namentlich innen, wird sie allmahlich 
schwacher; proximalwiarts des letzten Viertels bis zur Wurzel sind 
die Siphonen farblos. Der Mantelrand, der am lebenden Tiere 
eine lebhafte Rotfirbung zeigt, welche bei der Konservierung 
schwindet, hat ein halskrausenformiges Aussehen; makroskopisch 
ist die Zahl der Falten, in die er ausgeht, nicht zu erkennen. 
Der Randwulst zeigt hier eine machtige Entwickelung. Auf der 
Aufenseite der Siphonen, dem Riicken des Tieres zustrebend, findet 


70 Dr. Bernhard Rawitz, 


sich eine Falte, welche mit zahlreichen kurzen, kegelf6érmigen und 
pigmentfreien Papillen besetzt ist. Erst unter der Schale, wo 
beide Randfalten miteinander verwachsen sind, fehlen diese 
Papillen. Ebenso findet man den Rand in den vordersten, der 
Mundregion nahe liegenden Partieen mit kurzen Papillen besetzt, 
die bald schwinden und dem erwahnten halskrausenartigen Aus- 
sehen Platz machen. 

Tapes decussata hat zwei in halber Lange verwachsene 
Siphonen. Ihre Offnungen sind getrennt und sind umgeben von 
zahlreichen Papillen, die auf dem langeren und staérkeren Atem- 
sipho zahlreicher sind, als auf dem kiirzeren und diinneren Anal- 
sipho. Die auferste Spitze der Siphonen zeigt eine dunkle, fast 
schwarze Pigmentierung, wahrend die Papillen sehr viel heller 
sind. Die Farbung der AuBenflache der Siphonen, die am Branchial- 
sipho sehr viel intensiver ausgepragt ist, als am Analsipho, wo 
sie auch nicht so tief herabreicht wie an jenem, nimmt proximal- 
warts an Intensitat allmahlich ab. Drei Viertel der Siphoaufen- 
flache ist pigmentfrei. Die Innenflache der Siphonen zeigt an der 
Papillarregion ebenfalls eine sehr tiefe dunkle Farbung, die all- 
mahlich an Starke abnimmt, aber sehr viel weiter nach abwarts 
reicht als aufen, etwa bis zur Halfte der Lingenausdehnung. Hat 
man das Tier auf die ventrale Seite gestellt, so liegen die ausge- 
streckten Siphonen in einer Ebene. Denkt man sie sich nun in 
derselben halbiert, so trifft man in den Halbierungslinien sowohl 
dorsal wie ventral je einen Pigmentstreifen, der im dorsalen Sipho 
bis zur Wurzel, im ventralen nur bis zur halben Lange reicht. 
Die Streifen sind in letzterem auf der dorsalen, in ersterem auf 
der ventralen Seite am starksten ausgepragt. In der Nahe der 
Siphonen ist der Rand halskrausenformig gestaltet, wird dann aber 
glatt und entbehrt des Randwulstes. Seine aubere Fliche zeigt 
eine schmale, ockerfarbene Pigmentlinie. 

Die Siphonen von Artemis exoleta sind klein und mit 
den einander zugekehrten Randern verwachsen, so daf also die 
dorsale Wand des ventralen und die ventrale Wand des dorsalen 
Sipho das Septum bilden. Der Randwulst ist sehr stark ent- 
wickelt. 

Bei Petricola lithophaga endlich sind die Verhaltnisse 
die gleichen, wie bei Cytherea chione, nur daf die Mantelrander 
ventral mit einander verwachsen sind. 

L. Rouse (57) giebt an, da’ die AufSenflache der Siphonen 
yon Tapes decussata mit ringformigen Wiilsten umhiillt sei (. c. 


Der Mantelrand der Acephalen. 71 


g. 37), welche sich im mikroskopischen Schnittbilde als eine Art 
Lappenbildung des Epithels prasentieren sollen (1. c. pg. 41). Und 
zwar hat er diese Wulstbildung am konservierten Objekte selbst 
bei moéglichst geringer Kontraktion desselben wahrgenommen. Wie 
ich mich auf das bestimmteste am lebenden Tiere zu tiberzeugen 
vermochte, sind die Wiilste rein artefizieller Natur. Sie erscheinen 
intra vitam, wenn die Siphonen zusammengezogen werden, ver- 
schwinden aber bei volliger Ausdehnung derselben und werden im 
konservierten Objekte durch die infolge der verwendeten Reagentien 
unausbleiblich sich einstellende Schrumpfung hervorgebracht. Das 
ist der Fall bei allen von mir untersuchten Arten. 

Wie ich beziiglich der Nervenverteilung im Mantel der 
Cardiidae und Glossidae auf die vortreftliche Analyse dieser Ver- 
haltnisse von Drosr (9) hinweisen konnte, so kann ich hier, bei 
den Veneridae und Petricolidae, auf die Beschreibung von Du- 
VERNOY (10) mich beziehen. Seine Schilderung des Nervensystems 
von Cytherea chione (I. c. XVII Monographie) habe ich ledig- 
lich zu bestatigen, sowohl fiir die genannte, wie auch fiir die 
ibrigen von mir untersuchten Arten, von denen DuverNnoy nur 
Tapes (Venus) decussata in den Kreis seiner Bearbeitung gezogen 
hatte. 


B. Spezielle Beschreibung. 


Vom lebenden Tiere abgeschnittene Papillen der Siphonen- 
Offhnungen zeigen, frisch in Seewasser betrachtet, bei allen Arten 
so ziemlich die gleichen Verhaltnisse. Man erkennt einen mit 
cuticularem Saume, der bei den verschiedenen Species verschieden 
breit ist, versehenen epithelialen Belag, der absolut frei von 
Wimpern ist. Auch auf der AuSen- und Innenfliche der Siphonen 
und auf den Falten des Mantelrandes findet sich wimperloses 
Epithel. Der cuticulare Saum des Epithels der Siphopapillen wird 
uberragt von dornenartigen Gebilden, die kurz sind, mit breiter 
Basis aufsitzen, spitz enden, eine Héhe von etwa 4,5 uw haben und 
frisch ganz homogen erscheinen (Fig. 26 d). An den freien Enden 
der Papillen sind diese Dornen sehr zahlreich, werden nach den 
Seiten zu seltener (Fig. 26 d) und sind in den Thalern zwischen 
den Papillen so sparlich, da8 sie fiir die oberflaichliche Betrachtung 
ganz zu fehlen scheinen. Diese Dornenbesitze finden sich auch 
auf den kleinen Mantelrandpapillen von Cytherea, im Mantelrande 
aller Species, stehen aber an beiden letgteren Orten sehr zer- 


12 Dr. Bernhard Rawitz, 


streut. Bei Venus verrucosa, gallina und Tapes decussata, nicht 
aber bei den itibrigen Arten, sieht man schon bei Anwendung 
mittelstarker Systeme noch eine zweite Art von Haargebilden, 
welche sich ganz wesentlich von den Dornen unterscheidet 
(Fig. 26 so), den cuticularen Saum des Epithels iiberragen. Die 
Haare finden sich nur auf der Spitze einiger weniger, nicht aller 
Siphopapillen und fehlen im Mantelrande vollstandig. Man erkennt 
sie leicht, weil die Papillenspitzen hier ein wenig napfformig ein- 
gezogen sind; sie stellen sich dar als ein Biischel sehr langer, 
circa 2428 « messender feiner Haare (Fig. 26 so), die einen 
mafigen Glanz besitzen, sehr dicht stehen und in ihren freien 
Enden divergieren. Haare wie Dornen gehdren zu Zellen, welche 
sonst voéllig dem Typus der Ftemmina’schen Pinselzelle entsprechen. 
Die Dornen lésen sich in den zur Mazeration verwendeten Re- 
agentien in kurze Haare auf, die etwa zu vier bis sechs auf einer 
Zelle stehen. Im konservierten Praparate sind die Dornen nicht 
mehr vorhanden, wohl aber die langen Haare; letztere, welche 
wie die kurzen als Sinneshaare zu betrachten sind, fehlen dagegen 
in Isolationspraparaten, die Zellen, zu denen sie gehoren, sind 
daher nicht genauer zu studieren. 

Es finden sich also bei Tapes decussata, Venus verrucosa und 
gallina zwei Arten von Sinneszellen, welche sich durch ihren be- 
sonderen Haarbesatz unterscheiden. Die langen Sinneshaare glei- 
chen den ahnlichen Gebilden, wie sie von Drost und mir fiir die 
griibchenartig eingezogenen Spitzen einiger tieferstehenden Sipho- 
papillen von Cardium edule beschrieben wurden. 


Bei Schilderung der an Schnittpraparaten zu erkennenden 
Kinzelheiten will ich von Cytherea chione ausgehen. 

Die Epithelzellen der Papillen der Siphonen — Atem- wie 
Analsipho gleichen einander in ihrem histiologischen Verhalten 
vollkommen — sind von cylindrischer Gestalt und haben 12,6 « 
Lange und 3,6—7,2 uw Breite. Ihr cuticularer Saum ist sehr 
schmal. Sie sind entweder pigmentfrei oder pigmentiert; in letz- 
terem Falle erfillt das aus dunkelbraunen, fast schwarzen Kornern 
bestehende Pigment die Zellen so dicht, daf der Kern vollig un- 
sichtbar ist (Fig. 27 pi). Injden pigmentfreien Zellen sieht man 
daf die Kerne kreisrund und basal gelegen sind. Zwischen den 
indifferenten sind die Sinneszellen als ganz schmale, etwa 1,8 
in der Breite messende Gebilde zu erkennen, deren Kerne stab- 
chenformig sind und die Farbstoffe intensiv aufgenommen haben. 


Der Mantelrand der Acephalen. 73 


An der Sipho-Innenflache hat das Epithel dieselbe Hohe 
und Breite, wie in den Papillen, und zeigt auch die gleichen Ver- 
haltnisse hinsichtlich seines Pigmentgehaltes (Fig. 27 pi). Die 
Verteilung des Pigmentepithels ist eine ganz unregelmafige ; pig- 
mentierte und nicht pigmentierte Stellen wechseln regellos mit 
einander ab, doch so, da’ man, entsprechend der makroskopisch 
wahrnehmbaren Farbung, je mehr man basalwarts zum Ursprung 
des Sipho fortschreitet, um so ausgedehntere pigmentfreie Stellen 
trifit, bis schlieBlich die Pigmentzellen ganz fehlen. Die Sinnes- 
zellen sind gut zwischen den indifferenten wahrnehmbar, doch 
kommen sie nicht allzu reichlich vor. Infolge der bei der Kon- 
servierung eintretenden Kontraktion der Siphonen hat sich die in- 
nere Oberfliche derselben in Falten gelegt, die auf dem Langs- 
schnitte als verschieden breite aber gleich hohe Epithelzotten sich 
darstellen (Fig. 27). 

An der Aufenflaiche der Siphonen hat sich das Kpithel 
ebenfalls gefaltet, erscheint also im Schnitte zu Zotten gruppiert, 
welche aber breiter und héher sind, als auf der Innenflache 
(Fig. 28). Die Zellen des Epithels, pigmentfreie wie pigment- 
haltige, sind héher als die der Innenfliche und der Siphonen 
— sie messen etwa 23 « — und haben einen 2,7 uw dicken 
cuticularen Saum; ihre Breite betragt 3,6 «. Die ovalen Kerne, 
deren Breite der der Zellen entspricht, sind basal gelegen und 
besitzen einen Lingsdurchmesser von 9 w. 

Die histiologisch und physiologisch interessantesten Gebilde 
in den Siphonen sind die sekretorischen Apparate. Auf 
der Innenflache finden sich dieselben in zweierlei Formen: als 
amorphe Massen und als einzellige Driisen, von welchen nur die 
ersteren in nicht zu betrachtlicher Menge und unter denselben 
histiologischen Erscheinungen in den Papillen anzutreffen sind. 
Die amorphen Sekretmassen, welche sich hellgelbbraun in Bis- 
marckbraun, hellorange in Orange-Hamatoxylin, leuchtend rot oder 
auch schmutzig purpurn in dem Enruicn-Bronprschen Farben- 
gemisch (Fig. 27 gd) und blaugriin in Indigkarmin-Boraxkarmin 
gefarbt haben'), sind Giftmassen; in der Nahe der Papillarregion 


1) Ich méchte hier bemerken, dafi die zuletzt erwahnte Doppel- 
farbung, die fiir die Erkennung der Muskeln ganz ausgezeichnete 
Dienste leistet (cfr. meinen ,,Leitfaden‘‘) auch diagnostischen Wert fiir 
driisige Elemente besitzt. Zellen der Eiweifdriisen und der _histio- 
logisch verwandten Giftdriisen werden leuchtend blaugriin, Mucin- 


74 Dr. Bernhard Rawitz, 


sind sie nur sparlich vorhanden. Je mehr man aber im Sipho 
abwarts steigt, um so starker sind sie entwickelt. Wie weit sie 
iiberhaupt basalwarts reichen, habe ich nicht festgestellt, da ich 
iiber die distale Halfte hinaus nach der Siphowurzel hin Schnitt- 
praparate nicht angefertigt habe. Sie stellen kein zusammen- 
hangendes, unter dem Epithel gelegenes einheitliches Ganzes dar, 
sondern erscheinen als Strange, die vom Epithel der Innenflache, 
quer auf die Langsachse des Sipho orientiert, nach der Richtung 
des Epithels der Auf enflache hinziehen (Fig. 27 gd). Fast zu 
jeder Epithelzotte gehért ein solcher Strang der amorphen Sekret- 
massen. Die Strange zeigen eine ganz auBerordentliche Ausdeh- 
nung nach der Aufenflache hin, reichen beinahe dicht bis an die 
dort gelegenen sekretorischen Gebilde und haben eine Lange von 
ungefahr 0,87 mm, wahrend ihr Breitendurchmesser, der also in 
der Langsachse des Sipho gelegen ist, nur 40 « betragt. Bei 
Anwendung starkster Linsensysteme zeigen sich diese Sekret- 
strange zusammengesetzt aus einer Unzahl dicht aneinander stehen- 
der kleinster Trépfchen (Fig. 30 gd). Sie miinden in das Lumen 
des Sipho durch interepitheliale Liicken, wie man daran erkennt, 
das gleich gefarbte Tropfen zwischen den Epithelzellen zu tretfen 
sind, und sind auf ihrem Zuge durch das Bindegewebe zum 
Epithel von zahlreichen Bindegewebsfibrillen, von Nerven und 
von Langsmuskeln durchsetzt, welch letztere bald als stirkere 
Biindel bald als isolierte Fasern zwischen den Massen liegen. 
Oder vielmehr, man muf sagen, es winden sich die Giftmassen 
zwischen den genannten Gebilden hindurch um zur Miindung zu 
gelangen (Fig. 27 und 30 gd). Nur in denjenigen Partieen, welche 
den Zotten angehéren, also dicht am Epithel, sind die Massen 
relativ frei, weil hier gréfere Biindel von Muskelfasern fehlen. 
Die Farbung der die Tropfenmasse durchsetzenden Bestandteile 
des Sipho ist stets eine andere, wie die der Massen selber (Fig. 
27 und 30), beide sind daher leicht voneinander zu unterscheiden. 
Man kénnte mir hier einwenden, daf das Aussehen dieser Massen, 
die in ihrer auSeren Erscheinung so wesentlich von den amorphen 
Massen im Randwulste z. B. von Cardita (Fig. 2), Cyprina 
islandica (Fig. 25) und von Cytherea selber (Fig. 29) differieren, 
nicht berechtigt, dieselben als ein Sekretionsprodukt zu betrachten, 


driisenzcllen werden entweder gar nicht gefarbt oder nur leicht rosa 
angehaucht. Die Differenz diescr Firbungen an geeigneten Objekten 
(z. B, Amphibienhaut) ist ganz evident. 


Der Mantelrand der Acephalen. 15 


da die erwahnten Affinitaten zu den verschiedenen Farbstoffen 
allein nicht so ohne weiteres zu dieser Deutung notigten. Man 
kénnte mir vorhalten, dal es sich vielleicht um Pigmentmassen 
oder etwa um Kalkablagerungen handelte; auch der Umstand, 
daf man die Tropfenmassen in beiden Siphonen in ganz gleicher 
Ausbildung findet, kénnte gegen meine Deutung verwertet werden. 
Dieser letzte Einwand soll spater erértert werden; dic anderen 
beiden aber glaube ich beseitigen zu miissen, bevor ich weitergehe. 
Schneidet man von der Innenflaéche des Sipho am lebenden Tiere 
mit gebogener Scheere eine Falte ab und untersucht dieselbe in 
Seewasser, so bieten diese Tropfenmassen in ihrem auf eren Habi- 
tus dasselbe Aussehen dar, wie im Schnitte; ihre natiirliche Far- 
bung ist dabei eine schmutzig gelbe. Zusatz von Salzsiure macht 
die Massen weder aufbrausen noch verschwinden, was unbedingt 
eintreten miifte, handelte es sich hier um Kalkablagerungen. Da- 
gegen konnte ich deutlich in solchen Praéparaten erkennen, daf 
diese Massen zahfliissiger Natur sind. Nach kurzem Verweilen des 
abgeschnittenen Stiickes in dem Seewasser beobachtete ich, dab 
reichlich an der Schnittstelle, sparlich durch das Epithel hindurch 
kleine, allmahlich konfluierende Tropfen austraten, die, wie ich 
verfolgen konnte, sich von den Massen langsam losgelést und 
durch das Epithel bez. die angeschnittene Bindesubstanz bewegt 
hatten. Diese Thatsache widerlegt aber auch den etwaigen Hin- 
wand, daf hier Pigmentanhaufungen lagen. 

Ich wende mich zu der Beschreibung der Schnittbilder zuriick. 

Innerhalb dieser so gearteten Tropfenmassen finden sich zahl- 
reiche teils wohlkonturierte, teils geschrumpfte Kerne (Fig. 30 fz 
und &) (in Fig. 27 von Cytherea sind diese Einzelheiten wegen 
der geringen Vergréferung nicht zu sehen), die manchmal, nament- 
lich im Enruicu-Bronpr’schen Farbengemisch, nur sehr schwer 
erkennbar sind. Meistens sind dieselben von einem hellen, fast 
farblosen Hofe umgeben (Fig. 30 fz), welcher sehr verschiedenen 
Umfang hat. Bald ist der Hof sehr klein, so daf er nur wie 
ein schmaler, heller Saum um den Kern herum erscheint, oder 
aber er ist sehr gro’, so dai er wie eine grofe Blase in den 
Massen aussieht, in der der Kern gelegen ist. Zwischen diesen 
beiden Stadien kommen alle méglichen Ubergangsstufen vor, welche 
die allmahliche Abnahme des hellen Kernhofes bis zum ganz 
schmalen Saume zeigen. Offenbar handelt es sich hier um die- 
jenigen zelligen Gebilde der Bindesubstanz, deren Plasma durch 
seine Umwandlung die Sekretmassen erzeugt; denn der helle Hof 


76 Dr, Bernhard Rawitz, 


um den Kern ist nichts anderes, als das Plasma einer Zelle oder 
dessen Rest, und die Zellen sind die FLeEmMina’schen Zellen der 
Bindesubstanz. 

Die einzelligen Driisen, die, wie bereits erwahnt, noch neben den 
amorphen Massen auf der Innenflache der Siphonen sich finden, 
fallen zunichst durch ihre lebhafte Farbung auf, die in scharfem 
Kontraste zu der der amorphen Massen steht (Fig. 27 md). Sie 
farben sich im Enruicu-Bionpi’schen Farbengemische leuchtend 
pfaublau, veilchenblau in Orange-Hamatoxylin, tief dunkelbraun 
in Bismarckbraun, zeigen also entschiedene Mucinreaktion, wahrend 
die Tropfenmassen die Reaktion von giftigen Sekreten haben. 
Diese Mucindriisen liegen niemals in den Tropfenmassen, sondern 
sind stets von ihnen getrennt (Fig. 27), d. h. beiderlei Gebilde 
miinden stets fiir sich allein, nie werden die Mucindriisen von den 
Tropfenmassen umschlossen. Meistens auch liegen beide nicht 
zusammen; Stellen, wo die Mucindriisen neben den Giftmassen 
sich finden, wie dies Fig. 27 zeigt, sind sehr selten. Ein anderer 
nicht minder beachtenswerter Unterschied ist noch ferner zu kon- 
statieren. Wahrend die Giftmassen stets auf der Hohe der Epithel- 
zotten miinden, niemals aber in einer Bucht zwischen zwei 
Zotten, ist die Miindung der Mucindriisen keineswegs so streng 
lokalisiert, denn man sieht ihr Sekret sowohl auf der Zottenhihe, 
wie auf deren Seite und auch in der Bucht durch das Epithel 
hindurchtreten (Fig. 27). Die Mucindriisen reichen selten tief in 
die Substanz auf der Sipho-Innenflache hinein, in den Buchten 
zwischen den Zotten liegen sie meist dicht unter dem KEpithel. 
Sie sind einzellige Gebilde, welche stets isoliert, nie zu gréferen 
Haufen gruppiert vorkommen; ihre Gestalt ist flaschenahnlich, 
wenn ihr schmaler dem Epithel zustrebender und als Ausfiihrungs- 
gang funktionierender Fortsatz im Schnitte mitzusehen ist. Sie 
mtinden in interepithelialen Liicken — Becherzellen fehlen im 
Sipho vollstindig — und man kann vielfach ihr Sekret das 
Epithel knopfférmig iiberragen sehen. Beziiglich ihrer feineren, 
nur bei Anwendung starkster Linsensysteme erkennbaren Struktur 
ist zu sagen, da8 sich in einer homogen erscheinenden, bla8 ge- 
farbten Grundsubstanz ein dichtes intensiv gefarbtes Netz vorfindet, 
das undeutlich auch in dem Ausfiihrungsgange erkannt werden kann. 

Auch auf der AuSenflache der Siphonen kommen sekretorische 
Apparate vor und zwar Mucindriisen, deren Charakter aus den 
so haufig angegebenen tinktorialen Reaktionen zu diagnostizieren 
ist (Fig. 28 md). Sie finden sich nicht in den Falten des Epithels, 


Der Mantelrand der Acephalen. vi 


i. e. den Zotten, sondern medialwirts von diesen; von der Basis 
der Zottenbucht sind sie 30 «, von der Kuppe der Zotten 0,2 mm 
entfernt. Sie bilden eine durch ihre charakteristische Farbung 
deutlich abgesetzte kontinuierliche Schicht von 80 w« Tiefe, in 
welcher Driise neben Driise liegt, aber keine besonderen Gruppen 
oder Haufen sich gebildet haben (Fig. 28 md). In dieser Schicht 
liegen nur die Driisenkérper, wihrend die Ausfiihrungsginge 
epithelwirts von derselben zu treffen sind (Fig. 28). Die sehr 
zahlreichen Driisen sind alle einzellig; sie miinden jede fiir sich, 
isoliert von den Nachbarn in interepithelialen Liicken (Kig. 28 a); 
niemals habe ich beobachtet, dai einander benachbarte Ausfiih- 
rungsgiinge konfluierten oder da die Driisenkérper durch Fort- 
siitze in Verbindung mit einander standen. Wahrend die Tropfen- 
massen auf der Innenfliche von Langsmuskeln durchsetzt wer- 
den, findet man hier in der Mucindriisenschicht der Auf enflache 
sehr zahlreiche Quermuskeln, d. h. Muskeln, welche auf einem 
Liangsschnitte durch den Sipho quergetroffen sind (Fig. 28). Um 
dieselben miissen sich die Ausfiihrungsginge herum winden, 
um zum Epithel zu gelangen. Dadurch daf die Tropfenmassen 
sehr tief in die Siphosubstanz hineinreichen, grenzen beide Re- 
gionen, die ein giftiges und die ein schleimiges Sekret liefernde, 
eng aneinander, ja beriihren sich sogar stellenweise. 

Im mikroskopischen Bilde zeigt der eigentliche Mantelrand 
drei Falten. Die innerste, welche die kleinste ist, steht ziemlich 
senkrecht zur Liingsachse des Randes, so da8 ihre Innenfliche 
abwirts zum Branchialraum sieht, wihrend die Aufenfliiche auf- 
warts gekehrt ist. Die Mittelfalte bedingt das bei der allgemeinen 
Beschreibung erwiihnte halskrausenférmige Aussehen des Randes. 
Infolge ihrer Gestalt bekommt man sie im Schnitte nie in ihrer 
vollen Ausdehnung zu sehen, sondern erhalt vielmehr vier bis 
finf verschieden hohe und verschieden ausgedehnte sekundire 
Falten. Von der Mittelfalte durch die Epicuticula getrennt findet 
sich die Aufenfalte, welche abwarts kontinuierlich in die AufSen- 
fliche des Mantels iibergeht. 

Das Epithel der Innenfalte besteht aus 10 « hohen, mit einem 
1,8 w messenden cuticularen Saume versehenen wimperlosen Zellen, 
deren basal gelegene Kerne queroval sind, indem ihr gréfter Durch- 
messer, welcher 7,2 « betrigt, im Breitendurchmesser der Zellen liegt. 
Die Epithelzellen der Mantelkrause sind 9—12,6 uw hohe mit 3,6— 
5,4 w dickem cuticularem Saume bedeckte wimperlose Zellen, deren 
basal gelegene kreisrunde Kerne 3,6—7,2 « Durchmesser haben, 


18 Dr. Bernhard Rawitz, 


welches Maf der Breite der Zellen entspricht. Das Epithel der 
Aufenfalte wird von 21—26 wu hohen, sehr schmalen Zellen gebildet, 
welche keinen cuticularen Saum haben und laingsovale, im basalen 
Abschnitte gelegene Kerne besitzen. Gegen die Aufenflache des Ran- 
des zu wird das Epithel allmahlich platt. Pigment kommt in den 
Kpithelzellen des Randes nicht vor; die Sinneszellen sind aufer- 
ordentlich sparlich vorhanden. Das Epithel des Randwulstes endlich 
ist ein niedriges Cylinderepithel mit schmalem cuticularem Saume 
und grofen basal gelegenen Kernen. Hier sind im Gegensatze zu 
den Randfalten die Epithelzellen bewimpert (Fig. 29). 

In den Falten des Randes kommen Driisen vor, deren tink- 
toriales Verhalten sie als Mucindriisen charakterisiert. In der 
Innenfalte finden sie sich nur sparlich und miinden hier auf der 
Innenfliche, in der krausenartigen Mittelfalte dagegen sind sie in 
sehr grofer Zahl vorhanden. An der Innenfliche der Aufenfalte 
trifit man ganz zerstreut einige Driisen. Dieselben sind einzellige 
Gebilde, die, wenn ihr Ausfiihrungsgang im Schnitte in Verbindung 
mit dem Driisenkérper zu sehen ist, flaschenahnliche Gestalt haben. 
Sie liegen in der Mittelfalte in Gruppen, haufig so dicht bei 
einander, dafs der Anschein erweckt wird, als handle es sich um 
vielzellige Driisenkomplexe. Man kann aber die Selbstandigkeit 
jeder einzelnen Zelle in solchen Gruppen bei Anwendung starker 
Linsensysteme daran erkennen, daf stets etwas Bindesubstanz um 
die Driisen herum liegt und sie so von einander isoliert. Das 
Plasma dieser Mucindriisen erscheint ganz homogen, ohne die ge- 
ringste Andeutung einer Netzzeichnung, wie sie in den gleichen 
Gebilden der Sipho-Innenflache zu beobachten war. Die Entleerung 
des Sekretes findet stets durch interepitheliale Liicken statt; Becher- 
zellen, die vermittelnd eintreten kénnen, kommen im ganzen Rande 
ebensowenig wie in den Siphonen vor. 

Im Randwulste finden sich amorphe Massen und Mucindriisen. 
Die letzteren, stets dicht am Epithel gelegen, erscheinen wie 
schmale Strange, die mit einem diinnen Fortsatze ins Epithel 
reichen und hier in interepithelialen Liicken miinden (Fig. 29 md). 
Sie stehen weder mit einander noch mit den amorphen Massen in 
irgendwelcher Verbindung. Diese, durch ihre stets sehr intensive 
Firbung in den sauren Anilinfarben ausgezeichnet und dadurch 
in scharfem Gegensatze zu den Mucindriisen, gleichen hierin und 
auch in ihrem sonstigen Verhalten den gleichen Massen im Rand- 
wulste von Cardita, sind also ein giftiges Sekret (Fig. 29 gd). Sie 
erscheinen infolge der coagulierenden Wirkung der fixierenden und 


Der Mantelrand der Acephalen. 19 


erhiirtenden Reagentien als Schollen verschiedenster Gréfe, die 
von meist homogener, selten kérniger Beschaffenheit und eigentiim- 
lichem Glanze sind. Sie liegen in ziemlich grofen ovalen Maschen 
der Bindesubstanz, welche in der Richtung vom Epithel des Wulstes 
zur Augenfliche ziehen, also quer zur Liangsachse des Randes orien- 
tiert sind (Fig. 29). Die Lamellen des Bindegewebes, welche diese 
Maschen bilden, sind sehr schmal und haben ovale Kerne. Die 
Ausstofung der amorphen Massen geschieht, wie die der Mucin- 
driisen, durch interepitheliale Liicken, nie aber, das sei noch ein- 
mal scharf betont, miinden beide sekretorischen Elemente des 
Randwulstes zusammen in derselben Liicke oder haben sonst eine 
Beziehung zu einander. Wie bei Cardita, so sind auch hier die 
amorphen Massen, deren miachtige Ausbildung die wulstformige 
Verdickung des Randes bedingt, als ein Produkt der Thatigkeit 
der FLemmina’schen Zellen in der Bindesubstanz zu betrachten. 

Auf Liangsschnitten durch die Siphonen trifft man die Mus- 
kulatur teils lings, teils quer getroffen. Die lingsgetroffenen 
Biindel sind in zwei Gruppen zu trennen; die eine zieht in der 
Liangsachse der Siphonen dahin, das sind die Fasern des ,,retractor“, 
deren Kontraktion die Einziehung der Siphonen in die Schalen 
bewirkt. Die zweite zieht vom Epithel der Innen- zu dem der 
Aufenfliche; diese nie kompakt auftretenden Muskeln nenne ich 
, compressor“, weil offenbar durch ihre Kontraktion Aufen- und 
Innenfliche einander, wenn auch nur wenig, geniihert werden miissen 
und so die Substanz der Siphonen zusammengepreft wird. Die in 
Liangsschnitten quer getroffenen Biindel sind solche, welche man 
auf Querschnitten ringformig in der Siphosubstanz verlaufen sieht; 
ich nenne sie ,,constrictor, weil ihre Kontraktion das Lumen 
der Siphonen verengern mus. Die Hauptmasse des Retractor, 
welche ein massiges Biindel darstellt, ist nach innen von der 
Mucindriisenschicht der Sipho-Aufenfliche gelegen (Fig. 23 m), 
durchkreuzt die erwahnten Tropfenmassen, zerspaltet sich in der 
Nahe der Papillarregion und endet schlieSlich in den Papillen. 
Dicht unter dem Epithel der Aufenfliche findet sich ein ganz 
schmales Biindelchen von Retractorfasern, aus dem, wie auch aus 
der Hauptmasse, die Fasern des Compressor durch Umbiegen in 
eine andere Verlaufsrichtung hervorgehen. Die Biindel des Con- 
strictor liegen hauptsichlich in der iuSeren Mucindriisenregion und 
reichen nach innen bis etwa zur Mittellinie. 

Im Rande ist die hauptsachliche Richtung der Muskelfasern 
parallel zur Langsachse; man trifit dieselben daher bei der gewahlten 


8) Dr. Bernhard Rawitz, 


Schnittrichtung, welche quer zur Langsachse war, quergeschnitten. 
Sie ziehen dicht am Randwulste, nach aufen von demselben, als 
kompakte Masse dahin und geben Biindel ab, die nach den Falten 
hin umbiegen. 

Uber die Innervation ist nur wenig zu berichten. Auf 
Querschnitten durch die Siphonen sieht man zahlreiche, teils dicke, 
teils zarte Nervenstimme in der Nahe des Epithels der Innen- 
fliche, selten in der Hauptmasse der Retractorfasern liegen. In 
den Papillen verlaufen sie in deren Achse; sie enthalten allenthalben 
polyclone Ganglienzellen in grofer Zahl. Ihre schlieBliche Endigung 
im Epithel vermochte ich hier nicht zu eruieren, da ich gelungene 
Goldpraparate nicht erhalten konnte, die gewéhnlichen Konser- 
vierungsmethoden ‘aber fiir diese Verhaltnisse bei dieser Species 
nicht ausreichten. Das allein ist mit Bestimmtheit auszusprechen, 
dafi in den Verlauf der Endfibrillen Ganglienzellen nicht einge- 
schaltet sein kénnen, da weder in den Papillen noch im Sipho 
irgendwelche Bildungen darauf hindeuten. 


Venus gallina zeigt im grofen und ganzen das gleiche 
Verhalten beziiglich der histiologischen Struktur seiner Siphonen 
und des Mantelrandes, wie Cytherea. Doch finden sich auch Ab- 
weichungen vor, und diese sind immerhin interessant genug, um 
eine besondere Besprechung dieser Art zu rechtfertigen. 

Die Siphopapillen besitzen ein Epithel, das aus 16,2 bis 
20 w hohen und 3,6—5,4. breiten, mit einem 1,8—2,7 « dicken 
cuticularen Saume bedeckten wimperlosen Cylinderzellen besteht, 
deren basal gelegene Kerne von meist kreisrunder Gestalt sind und 
einen Durchmesser von ungefaéhr 3 « haben. Die hohen Cylinder- 
zellen finden sich mehr in der proximalen, die niedrigeren mehr 
in der distalen Papillenhalfte. In den Zellen ist zuweilen Pigment 
vorhanden, welches in Form tiefdunkler Kérnchen dieselben so 
dicht erfiillt, da die Kerne von ihnen vdllig verdeckt werden. 
Die Pigmentzellen kommen in ganz unregelmaiger Verteilung im 
Epithel vor, sowohl auf der nach auSen, wie auf der nach innen 
gerichteten Flache der Papillen; nur in der Spitze fehlen sie voll- 
stindig. Die gewéhnlichen Sinneszellen, deren Haarbesatz in 
meinen Priparaten nicht mehr erhalten war, stehen zwischen den 
indifferenten an der Papillenbasis in nur spiarlicher, nach der 
Spitze zu in betriichtlicher Zahl und sind in der Spitze selber 
sehr reichlich vorhanden. Sie sind dadurch kenntlich, da sie 
sehr schmal sind, kaum die Halfte des Breitendurchmessers der 


Der Mantelrand der Acephalen. Si 


indifferenten besitzen und einen stabchenformigen, intensiv ge- 
farbten und manchmal in das subepitheliale Gewebe hineinragenden 
Kern haben (Fig. 32). Bei Anwendung guter homogener Immersionen 
kann man, wenn auch sehr selten, Fibrillen an die Basis dieser 
Zellen herantreten sehen; die Fibrillen stammen aus dem Papillen- 
nerven, wie man ebenfalls sieht, und sind somit Nervenend- 
fasern, in deren Verlauf vom Stamme bis zur Sinneszelle keine 
Ganglienzellen interpoliert sind. In jenen Siphopapillen, in denen 
frisch die langen Sinneshaare gefunden wurden, erkennt man die- 
selben auch im konservierten Objekte, und zwar am freien, meist 
etwas napffirmig eingezogenen Ende der Papillen (Fig. 32 so). 
Hier sind die Sinneshaare meistens noch erhalten; haben dieselben 
auch nicht mehr die ihnen in vivo eigene und sie charakterisierende 
Linge, so sind sie doch immerhin deutlich vorhanden. Zwischen 
je zwei Sinneszellen, die in ihrem sonstigen Erscheinen den ge- 
wohnlichen Pinselzellen im Schnitte véllig gleichen, findet sich 
immer eine indifferente Zelle (Fig. 32 so), und man trifft somit in 
der Papillenspitze ein besonderes durch abwechselnd auf einander 
folgende Sinnes- und Stiitzzellen gebildetes Organ. Anhiufung von 
Ganglienzellen in der Nahe dieses Organes konnte ich bei dieser 
Art und auch bei Tapes decussata, von der die Figur 32 stammt, 
nicht wahrnehmen. Es unterscheidet sich also das Organ hier 
von dem gleichen Gebilde bei Cardium edule, wie ich es geschil- 
dert, nicht unbedeutend (cfr. Fig. 82 und 15): einmal durch die 
alternierende Gruppierung von Sinnes- und Stiitzzellen hier, die 
dort fehlt, und dann durch den eben hervorgehobenen Mangel eines 
interpolierten Ganglion. Indessen sind diese Differenzen fiir die 
Deutung des physiologischen Wertes des Papillenorganes von Venus 
und Tapes irrelevant, es handelt sich hier offenbar, wie bei Car- 
dium, um Seitenorgane, deren Wert fiir das Tier schon friiher, bei 
Besprechung von Cardium, diskutiert wurde. 

Auf der Innenflache der Siphonen zeigen die Epithelzellen 
die ganz gleichen Verhaltnisse, sowohl hinsichtlich ihrer Mafe, als 
auch ihrer Pigmentierung, wie die Epithelzellen der Papillen; das 
dort Gesagte findet daher hier buchstabliche Anwendung. Nur die 
Pinselzeilen sind selten. Wie bei Cytherea erscheinen auch hier 
die Zellen zu kleinen niedrigen Zotten gruppiert. 

In den distalsten Partieen der Sipho-Aufenflache glei- 
chen die Epithelzellen ebenfalls denen der Papillen. Mehr proxi- 
malwarts werden sie héher, sie messen dann 18—30 uw, haben 


einen cuticularen Saum von 1,8 u Breite und basal gelegene ovale 
Bd, XXVII, N. F. XX. 6 


82 - Dr. Bernhard Rawitz, 


oder kreisrunde Kerne. Nach der Ursprungsstelle der Siphonen 
werden die Epithelzellen wiederum niedrig, 7,2 «, und sind schlief- 
lich in der Bucht, welche zwischen der in der allgemeinen Be- 
schreibung erwihnten Falte und den Siphonen vorhanden ist, ganz 
platt, nur etwa 3,6 wu hoch. 

Auf der Sipho-Innenfliiche finden sich dieselben amorphen 
Sekretmassen, wie in der gleichen Region von Cytherea 
(Fig. 30), doch bestehen einige nicht unwesentliche Unterschiede. 
Sie bilden wie bei der vorigen Species Strange, die aus dicht gedriing- 
ten Trépfchen zusammengesetzt sind, miinden stets auf der Hohe 
einer Epithelzotte in interepithelialen Liicken (ig. 30), haben aber 
bei weitem nicht die Ausdehnung nach der Mittellinie der Siphosub- 
stanz hin, wie bei Cytherea. Sie erstrecken sich, von der Basis 
der Epithelzellen auf der Héhe der Zotte gemessen, etwa 0,24 mm 
tief in die Bindesubstanz; ihre mediale Grenze entspricht somit 
ungefihr den Basen der Zottenbuchten. In der Nihe der Papillar- 
region der Siphonen sind sie nur wenig entwickelt, werden dann 
proximalwiarts allmahlich starker, um gegen die Siphowurzel hin 
wieder abzunehmen. Sie schwinden aber nicht vollstandig, sondern 
sind noch an der Stelle, wo die Innenfalten beider Rander ver- 
wachsen sind (cfr. allgemeine Beschreibung) in ziemlich betracht- 
licher Menge vorhanden. Die tinktorialen Reaktionen dieser 
Tropfenmassen, die feineren Einzelheiten, die man an ihnen be- 
obachten kann und ihre Durchkreuzung von Fasern des Retractor 
sind in Ubereinstimmung mit Cytherea (Fig. 30). Auch in den 
Papillen kommen dieselben vor und zeigen hier folgende interes- 
sante Verteilung. In den innersten Papillen miinden sie in deren 
basalen Abschnitten auf der Auf enflaiche, in den distalen auf der 
Innenflache; in den mehr peripher stehenden Papillen miinden sie 
in allen Abschnitten auf der Innenflache, selten nur auf der Aufen- 
fliche. In den Spitzen der Papillen endlich fehlen sie ganz. 

Stimmt so die Innenfliche der Siphonen von Venus gallina 
mit der von Cytharea chione durch die Existenz der Tropfen- 
massen tiberein, so unterscheidet sie sich von derselben durch 
das Fehlen der kleinen einzelligen Mucindriisen. Die Farbung 
derselben ist stets eine so charakteristische, ihr Unterschied von 
der der giftigen Tropfenmassen ein so in die Augen springender 
(cfr. Fig. 27 von Cytherea), da, waren sie vorhanden, ich sie 
sicher nicht tibersehen haben wiirde. 

Auf der Sipho-Aufenfliche dieser Species kommen ebenfalls 
Mucindriisen vor, wie bei Cytherea, aber auch hier sind nicht 


Der Mantelrand der Acephalen. 83 


unwichtige Unterschiede vorhanden. Die Driisen, welche ein- 
zellige Gebilde sind, sind nimlich ganz auferordentlich spir- 
lich vorhanden, kommen durchaus nicht in jeder Epithelzotte 
vor und sind so klein, dal’ man sie bei Anwendung schwacher 
Linsen leicht tibersehen kann. Ihre Ausfiihrungsgange sind so 
schmal, daf sie nur mit sehr starken Systemen zwischen den 
Epithelzellen erkannt werden kénnen. Sie finden sich ferner 
zwischen den Biindeln des Retractor vor, auch hierin im Gegen- 
satze zu Cytherea. 

Ich wende mich zur Beschreibung des eigentlichen Mantel- 
randes. Die schon makroskopisch sichtbare Aufspaltung des- 
selben in zwei Falten wird durch das mikroskopische Schnittbild 
bestitigt. Die innere derselben ist im Schnitte wegen ihrer hals- 
krausenartigen Gestalt nie in voller Ausdehnung zu erkennen; die 
Aufenfalte, welche sich bekanntlich auch nach aufen von den 
Siphonen findet, zerfallt in drei bis vier sekundiére Falten. Dies 
ist wegen des Ursprungs der Epicuticula von Wichtigkeit, der 
sich zwischen den beiden auf ersten sekundiren Falten findet. Das 
Epithel besteht auf beiden Hauptfalten aus etwa 9 wu hohen und 
ebenso breiten, also kubischen Zellen, die einen Wimperbesatz nur 
iiber dem Randwulste zeigen, und zwischen denen Pinselzellen 
sich nur duferst spirlich vorfinden. Da wo die krausenférmige 
Innenfalte sich gegen den Randwulst absetzt, trifft man einen 
konisch gestalteten, gegen den Branchialraum gerichteten Vor- 
sprung, den man als accessorische Falte bezeichnen kann. Die 
Epithelzellen der letzteren gleichen denen der tibrigen Randfalten, 
nur entbehren sie des deutlich doppelt konturierten Saumes. 

Ganz eigenartige Verhialtnisse zeigen die sekretorischen 
Elemente des Randes. 

In der Falte, welche der Schale anliegend, die Siphonen be- 
gleitet, kommen zwei Formen von Driisen vor. Die eine Form wird 
reprisentiert von meist kreisrunden Zellen, welche einkernig sind, 
dicht aneinander gedriingt liegen und der Aufenflache angehéren. 
Sie miinden mit feinen Fortsatzen (Ausfiihrungsgangen) in inter- 
epithelialen Liicken und zeigen die Farbenreaktionen der Mucin- 
driisen. Ebenso finden sie sich, wenn auch sehr spirlich, abwiarts 
vom Rande eine kurze Strecke weit in der AufSSenfliche des Man- 
tels selber vor. Die zweite Form liegt an der Innenfliche der 
Falte und besteht aus sehr sparsam verteilten, isolierten einzelligen 
Driisen. Ihre Fiarbung ist der der Mucindriisen gerade entgegen- 
gesetzt, was also auf eine eiweif-iihnliche, i. e. giftige Beschaften- 

6* 


84 Dr. Bernhard Rawitz, 


heit des Sekretes hinweist. Sie erscheinen meistens unter dem 
Bilde von 'Tropfenkonglomeraten, wihrend das Plasma der Mucin- 
driisen eine zarte netzformige Zeichnung erkennen laf$t. Nur an 
einer Stelle, da nimlich, wo sich die Falte aufspaltet, liegen diese 
Driisen massenhafter und zeigen zugleich mehrfach Ubergange von 
zarter Plasmastruktur zu Tropfenzerfall, miinden aber auch hier 
auf der Innenflache. 

Im eigentlichen Rande kommen die sekretorischen Apparate 
in dreierlet Gestalt vor. Die einen sind einzellige kleine Mucin- 
driisen; sie finden sich proximalwirts vom Randwulste an der 
ganzen Innenflache, ziemlich tief in die Substanz eindringend , im 
Randwulste selber dem Epithel dicht anliegend, in der Bucht 
zwischen Innen- und Aufenfalte, hier sowohl innen wie aufen 
miindend, und auch auf der Aufenflaiche des Randes. An letzterem 
Orte héren sie an einer Stelle auf, welche dem proximalen Kon- 
tur des Wulstes gegeniiberliegt. Mit Ausnahme der letztgenannten 
Region, wo sie nur sparlich sind, und des Wulstes selber, wo die 
zweite Form vorwiegt, sind sie so massenhaft vorhanden, daf' sie 
das mikroskopische Bild beherrschen. Man kann an diesen Drii- 
sen folgendes Detail erkennen. Im Ruhestadium, in welchem sie 
sich schon ziemlich intensiv in basischen Anilinfarben tingieren, 
erscheint ihr Plasma homogen. Mit Beginn der Thitigkeit stellt 
sich zuerst eine netzférmige Zeichnung ein, die bald einen Tropfen- 
zerfall Platz macht, nur daf die Tropfen hier ein anderes Far- 
bungsverhalten zeigen, wie z. B. in der vorhin erwahnten zweiten 
Driisenform der Aufenfalte an den Siphonen. Die Ausfiihrungs- 
eiinge der Driisen, welche direkte Fortsetzungen des Zellplasma 
sind, dokumentieren sich im Stadium der Ruhe, wenn man an 
Bismarckbraunpraparaten beobachtet, als schmale braune Strange, 
welche zwischen den Epithelzellen in interepithelialen Liicken lie- 
gen. Hat die Umwandlung in Sekret stattgefunden und sind die 
Ausfiihrungsginge mit den auszustofenden Massen erfiillt, dann 
erscheinen sie bei der erwiahnten Fiarbung tief dunkelbraun, 
bauchig aufgetrieben und haben die Epithelzellen, zwischen wel- 
chen sie liegen, auseinander gepreft. Sie sind in der ganzen Aus- 
dehnung, in der sie im Epithel liegen, mit Sekret gefillt und glei- 
chen dadurch fast auf’s Haar Becherzellen, von denen sie sich nur 
durch den Mangel eigener Kerne unterscheiden. Man findet nun, 
was beweisend ist fiir das allmahliche Vorriicken des Sekretes, 
zwischen den schmalen im Epithel liegenden Stringen und den 
bauchigen Auftreibungen zahlreiche Uberginge. Man sieht Aus- 


Der Mantelrand der Acephalen. 85 


fiihrungsgiinge, bei denen nur der basale Abschnitt der im Epithel 
steckenden Partie aufgetrieben ist, wihrend der distale noch 
schmal ist: hier ist also das Sekret noch im Anmarsche von der 
Tiefe her. Eine andere Erscheinungsart ist die, wo der ganze 
im Epithel gelegene Ausfiihrungsgang aufgetrieben ist: hier ist 
er also in seiner vollen Ausdehnung mit Sekret gefiillt. Und 
drittens trifft man sie so, daS der distale Abschnitt aufgetrieben, 
der basale schmal ist: hier ist also nur noch ein Rest von Sekret 
im Ausfiihrungsgange vorhanden, der gréfere Teil ist ausgetrieben, 
der basale Abschnitt daher wieder zusammengefallen. 

Die zweite Form der sekretorischen Gebilde wird durch die 
amorphen Massen reprasentiert, welche den Randwulst bilden. Sie 
sind von den mit ihnen zugleich auf der Innenfliche, aber von 
ihnen gesondert miindenden Mucindriisen scharf zu trennen und 
zeigen sowohl in ihrem histiologischen als auch tinktorialen Ver- 
halten die gleichen Einzelheiten, wie die Massen des Randwulstes 
von Cardita und Cyprina. Ein Unterschied von Cytherea besteht 
nur darin, daf’ die Massen hier relativ sparlich im Vergleich mit 
ihrer machtigen Entwickelung bei jener Species sich finden. 

Die dritte Form endlich sind Tropfenmassen, welche die Ma- 
schen des Bindegewebes erfiillen. Sie liegen in der Basis der 
krausenartigen, in der accessorischen Falte, miinden in ersterer 
auf beiden Seiten, innen und aufen, in letzterer nur aufen, also 
auf der Flache, welche dem Branchialraum abgewendet ist. Zwi- 
schen ihnen finden sich Mucindriisen; beide Formen aber stehen 
in keinerlei Verbindung mit einander. Ihr tinktoriales Verhalten 
gleicht dem der amorphen Massen im Wulste bez. der Tropfen- 
massen der Sipho-Innenfliche. Ab und an kann man in ihnen 
undeutlich gefarbte Kerne erkennen. 


Die Muskulatur der Siphonen unterscheidet sich von der 
bei Cytherea dadurch, daf hier die Constrictorfasern nur ganz 
schwach entwickelt sind; die Verteilung der Fasern des Retractor 
und Compressor ist in Ubereinstimmung mit jener Species. Ganz 
eigenartige Bilder erhalt man von den zarten Muskeln, die dicht 
unter dem Epithel der Sipho-Aufenfliche verlaufen. Hier trifft 
man namlich zahlreiche strichartige Figuren, welche auch auf der 
Innenflache vorhanden sind, dort aber von den amorphen Massen 
fast véllig verdeckt werden. Bei Anwendung von Zerss apochro- 
mat. homogen. Immersion *° Ocular 8 findet man folgende Einzel- 


1,30 
heiten. Die indifferenten Epithelzellen namentlich der Aufenflache 


86 Dr. Bernhard Rawitz, 


lassen die sonst nur an Mazerationspraparaten sichtbare basale 
wurzelformige Ausfaserung deutlich erkennen (Fig. 31). Die Com- 
pressorfasern und zum Teil auch Fasern, die vom Retractor stam- 
men, spalten sich in der Nahe der Epithelbasen auseinander und 
diese letzten Enden, welche keinen gerade gestreckten Verlauf 
haben, sondern sich durch verschiedene Ebenen ziehen, daher nie 
im Schnitte in voller Linge getroffen sind, sondern als jene strich- 
artigen Bildungen sich darstellen, gehen dicht in die Nahe der 
Epithelzellen, treten mit denselben aber nicht in Verbindung (Fig. 
31). Stellenweise erhaJt man allerdings den Kindruck, als ob die 
Striche ein wenig tiber die Basen der Zellen hinausragen und 
sich dann an den Zellkérper inserierten oder auch direkt mit 
den einzelnen basalen Ausfaserungen verschmélzen. Sieht man 
aber genauer zu, so erkennt man, dafi die Muskelenden niemals 
direkt an das Epithel herantreten, sondern ver den Zellbasen um- 
und zuriickbiegen, wie man dies bei genauer Betrachtung der 
Fig. 31 erkennt, und sich unter einander vereinigen, so ein Netz- 
werk bildend, das, verstarkt durch die Fibrillen des Bindegewebes, 
einen subepithelialen Filz darstellt, in welchem indifferente und 
Pinselzellen stecken. Daf hier keine Verwechselung mit Nerven- 
endfiden oder mit Bindegewebsfibrillen vorliegt, dafiir biirgt die 
Farbung dieser Gebilde in Indigkarmin — Boraxkarmin. In den 
genannten Farbstoffen haben sie sich, wie alle Muskelfasern inten- 
siv blau tingiert, wahrend Nervenfibrillen darin stets rétlich wer- 
den, Bindegewebsfasern, wenn sie, was gelegentlich vorkommt, 
sich blau farben, nie in solcher Stippchenform erscheinen. Selbst- 
verstandlich lassen sich diese Details nur an gut konserviertem 
Materiale und an sehr feinen Schnitten erkennen; eine Schnitt- 
dicke von 5 w ist hier fast noch zu stark, die geschilderten 
Einzelheiten habe ich an Schnitten von nur 3 « Dicke beob- 
achtet. Notwendig ist ferner eine distinkte Farbung, einfache 
Karmin- oder Hiamatoxylintinktionen sind fiir diese intricaten 
Dinge wertlos. 

Beziiglich der feineren Verhaltnisse der Innervierung kann 
ich nicht mehr aussagen, als wie bei Cytherea. 


Tapes decussata zeigt folgende histiologischen Einzel- 
heiten. Die wimperlosen indifferenten Epithelzellen der Papillen 
und der Sipho-Innenflache sind hohe schmale Cylinderzellen 
mit schmalem cuticularem Saume, basal gelegenen ovalen Kernen und 
sind entweder pigmenthaltig oder pigmentirei. Im ersteren Falle 


Der Mantelrand der Acephalen. 87 


erfiillt das aus grauschwarzen kleinen Kérnern bestehende Pig- 
ment meist die Zellen so dicht, daf auch die Region des Kernes 
vollig verdeckt ist; selten nur ist die basale Partie frei und dann 
der Kern sichtbar. Die Hohe der Epithelzellen betragt 28,8 yw, 
ihre Breite, welcher die des Kernes entspricht, ist 3,6 wu, der 
Langsdurchmesser der Kerne betrigt 14,4 «. In den Papillen 
hat sich das Epithel in nicht zu zahlreiche, verschieden breite 
und ziemlich hohe Zotten gelegt; an der Sipho-Innenflache sind 
die Zotten niedrig und stehen sehr dicht aneinander. Die Sinnes- 
zellen sind zwischen den indifferenten an der Sipho-Innenflache 
nur spérlich vorhanden, reichlich dagegen in den Papillen und 
besonders in deren freien Enden (Fig. 32 sz). Ebenso wie bei 
Venus gallina konnte ich hier an denjenigen Papillen, welche die 
langen Sinnesborsten bei Untersuchung frischer Objekte erkennen 
lieSen, ein besonders gebautes und auf die Spitze lokalisiertes 
Sinnesorgan auffinden (Fig. 32 so). Der Bau derselben gleicht in 
allen Punkten dem der Seitenorgane von Venus. 

An der Sipho-AuSenflache ist die Héhe der Epithel- 
zellen 32,4—36 w, ihre Breite 3,6 uw, der Liingsdurchmesser der 
ovalen Kerne 7,2 uw. Pigmenthaltige und nicht pigmentierte Zellen 
kommen in den distalsten Partieen der Aufenflaiche promiscue vor, 
in den basalen drei Viertel der Langsausdehnung fehlt den Zellen 
das Pigment. Das Epithel hat sich in zahlreiche, hohe Zotten 
gruppiert, die dicht aneinander liegen (Fig. 33). 

Es sei noch bemerkt, daf in den Siphonen Becherzellen nir- 
gends zwischen den Epithelzellen sich finden. 

Die sekretorischen Apparate bieten eine groBe Uberein- 
stimmung mit denen von Cytherea dar. Es finden sich amorphe 
Massen oder richtiger Tropfenmassen in den Papillen vor, welche 
in der ganzen Substanz derselben verteilt sind und sowohl auf 
der nach innen, wie der nach aufen gerichteten Flache miinden. 
Diese Tropfenmassen finden sich auch auf der Sipho-Innenflache. 
Von den gleichen Gebilden bei Cytherea und Venus unterscheiden 
sie sich dadurch, daf sie in einer Ausdehnung von héchstens 90 wu 
von der Basis der Epithelzellen ab in die Siphonalsubstanz sich 
erstrecken und da sie nicht, wie bei jenen Arten, von einander 
getrennte Strange darstellen, sondern eine zusammenhangende 
Masse bilden. Sie miinden naimlich nicht blo8 in den Zottenhéhen, 
sondern auch in den Zottenbuchten, finden sich also in der ganzen 
Lange der Innenflaiche unter dem Epithel. Sie werden daher auch 
nicht von den Fasern des Retractor durchzogen, wie dies bei 


88 Dr. Bernhard Rawitz, 


Cytherea und Venus der Fall ist. In ihren tinktorialen Eigen- 
schaften sind sie in vollkommener Ubereinstimmung mit den 
Massen der bisher besprochenen beiden Arten, stellen also ein 
eiftiges Sekret dar. 

Ferner kommen an der Innenflache der Siphonen von Tapes 
noch kleine einzellige Mucindriisen vor, ganz wie bei Cytherea, 
nur daf sie hier recht sparlich sind. 

An der Sipho-Aufenfliche finden sich, ebenfalls wie bei 
Cytherea, in sehr grofer Menge Mucindriisen, deren Lagerung 
nach aufen von den Fasern des Retractor und zwischen den 
Biindeln des Constrictor dem gleichen Verhalten bei Cytherea 
vollig entspricht (Fig. 33). Die wahrend der Driisenthatigkeit in 
dem homogenen Plasma auftretende Netzzeichnung ist hier beson- 
ders deutlich und lift sich auch bis in die in interepithelialen 
Liicken steckenden Ausfiihrungsginge verfolgen (Fig. 33 md), Die 
Driisenzellen, die dicht an der Papillarregion nur vereinzelt stehen, 
mehr proximalwarts aber sehr massenhaft sind, sind zuweilen so 
eng aneinander gepreft, da ihre gegenseitigen Grenzen nicht 
mehr wahrnehmbar sind. Dennoch lat sich feststellen, daf sie 
nie ineinander tibergehen oder mit einander zusammenhangen, dah 
vielmehr jede Driise von ihren Nachbarn isoliert bleibt und jede 
ihren eigenen Ausfiihrungsgang gesondert von denen der da- 
neben liegenden Drisen in das Epithel hineinsendet. An einzelnen 
Stellen sieht man das Sekret das Niveau der Epithelzellen tiber- 
ragen (Fig. 33 2). 

Die histiologischen Verhaltnisse des Mantelrandes sind 
folgende. Er spaltet. sich in vier Falten, von denen drei nach 
innen, eine nach aufen von der Epicuticula sich finden. Alle 
haben im mikroskopischen Bilde kegelf6rmige Gestalt. Die innerste 
Falte ist mit ihrer Innenflache dem Branchialraum zugekehrt, 
wahrend ihre Aufenflache in ein breites Plateau tibergeht, an 
dessen auBerem Rande sich die Falte erhebt. Diese setzt sich 
nach aufen in eine schmale Bucht fort, von der aus die dritte 
Falte aufsteigt, deren AufSenfliche sich tief herabsenkt, um dann 
in die vierte, die Aufenfalte, iiberzugehen. Die Epithelzellen der 
innersten Falte sind wimperlose, cylindrische Gebilde von 16,2 u 
Hohe, die sich ziemlich scharf vom subepithelialen Gewebe ab- 
setzen. Ihre kreisrunden oder ovalen Kerne liegen basal. Sinnes- 
zellen sind hier, wie an den iibrigen nach innen von der Epi- 
cuticula stehenden Falten nur sparlich vorhanden. Im Plateau 
haben sich die Epithelzellen zu zahlreichen kleinen Zotten grup- 


Der Mantelrand der Acephalen. 89 


piert, wahrend sie gleichzeitig bedeutend héher geworden sind; 
sie messen 28,8 «, sind wimperlos und besitzen einen schmalen 
cuticularen Saum. Das Epithel der zweiten Falte gleicht dem 
der Plateaus, auf der dritten Falte sind die Zellen niedriger, 
18 uw, haben dasselbe Maf auf der Auf enfalte, flachen sich an 
deren Aufenfliche allmahlich ab und gehen in das fast platte 
Epithel der Aufenflaiche des Randes tiber. Auf der Innenflache 
des Randes, in welche die der innersten Falte des Randes sich 
kontinuierlich fortsetzt, ist das Epithel bewimpert, 23 « hoch, 
sehr schmal und mit teils ovalen, teils kreisrunden Kernen ver- 
sehen. 

Von den sekretorischen Apparaten sind bei weitem 
am reichlichsten die Mucindriisen vorhanden. Dieselbe finden sich 
an der ganzen Innenfliche des Randes, in den drei Falten nach 
innen von der Epicuticula und, allerdings nur spirlich, an der 
Aufenfliche des Randes. Sie miinden mit schmalen Ausfithrungs- 
gangen in interepithelialen Liicken. 

Weniger reichlich entwickelt und darum auch keine wulst- 
formige Verdickung des Randes bedingend sind dic amorphen 
Sekretmassen, welche sich wie die von Cytherea fairben. Sie fin- 
den sich namentlich in der innersten Falte, auf deren Aufenfliche 
sie miinden, wihrend die Mucindriisen ihr Sekret nach innen, 
in den Branchialraum hinein entleeren, und kommen ebenso zahl- 
reich am innersten distalsten Abschnitte des Randes vor. Weniger 
reichlich sind sie in der dritten Falte. Sie liegen vielfach um 
die Mucindriisen herum, unterscheiden sich aber von diesen durch 
ihre ganz andere Farbung und miinden stets fiir sich, von den 
Driisen getrennt, in interepithelialen Liicken. 

Eine ganz eigentiimliche Erscheinung bietet die Bindesub- 
stanz des Randes dieser Art dar. Bei Anwendung schwacher 
Vergréf%erungen erhalt man den Eindruck, als ob in der Nahe des 
Epithels, und zwar starker ausgesprochen auf der Innenseite, 
schwacher auf der Aufenseite, eine Anhaufung von Kernen sich 
finde, die sich bis in die Falten erstreckt. Starke Systeme lassen 
hier eine Art zelliger Infiltration des Gewebes erkennen. Die 
Zellen sind membranlos, die scharfen Konturen, welche man um 
sie herum findet, riihren von den sie einscheidenden Fibrillen der 
Bindesubstanz her. Ihr Plasma ist fein gekérnt und farbt sich 
nur wenig; ihre Gestalt ist entsprechend den Maschen des Binde- 
gewebes eine rundliche, hat aber stellenweise durch gegenseitigen 
Druck einer polyedrischen Platz gemacht. Die Kerne, die meist 


90 Dr. Bernhard Rawitz, 


einzeln, selten zu zweien in einer Zelle vorkommen, sind kreis- 
rund und central gelegen. Diese Zellen sind die FLEmmine’schen 
Zellen der Bindesubstanz; in dieser massenhaften Anhéiufung habe 
ich sie aber nur selten bei den Acephalen getroffen. 

Beziiglich der Muskulatur ist nur hervorzuheben, daf 
Retractorfasern weder in den Tropfenmassen der Innen-, noch 
zwischen den Mucindriisen der Aufenflache vorkommen; sonst ist 
die Verteilung derselben wie bei Cytherea. 

Auch beziiglich der Innervierungsverhaltnisse kann auf 
das bei jener Art Gesagte verwiesen werden. 


Von Artemis exoleta habe ich nur den Mantelrand unter- 
sucht. Derselbe geht in vier Falten aus, welche Mucindriisen in 
ziemlich betrachtlicher Menge enthalten, und besitzt einen Wulst, 
welcher von sehr reichlich vorhandenen Sekretmassen gebildet 
wird. Eine eingehendere Beschreibung ist unnétig, da die 
histiologischen Verhaltnisse, Kleinigkeiten abgerechnet, denen im 
Rande von Cytherea vollstaindig gleichen; das dort Gesagte findet 
daher hier Anwendung. 


Auch beziiglich der Petricola lithophaga kann ich mich 
kurz fassen. Hier sind die Einzelheiten in fast genauer Uber- 
einstimmung mit Cytherea, mit der Mafgabe allerdings, daB die 
giftigen Sekretmassen der Innenflache der Siphonen sehr schwach 
entwickelt sind, da’ innen keine Mucindriisen vorkommen und 
daf in den Siphopapillen sowohl Mucindriisen wie Giftmassen sich 
finden. Der Rand geht in zwei Falten aus, und besitzt einen 
machtig entwickelten Randwulst. Das Detail ist ebenfalls das 
gleiche wie bei Cytherea. 


Aus den vorstehend im einzelnen geschilderten histiologischen 
Verhaltnissen der Siphonen und des Mantelrandes in den Fami- 
lien der Veneriden und Petricoliden geht als physiologisch inter- 
essanteste uud wichtigste Thatsache hervor, daf bei allen unter- 
suchten Arten auf den Innenflachen der genannten Organe 
hauptsachlich ein Sekret gebildet wird, das wegen seiner chemi- 
schen Eigenschaften, soweit dieselben durch die tinktoriale Reak- 
tion sich kundgeben, als ein giftig wirkendes betrachtet werden 
muf. Die Aufenflache der Siphonen und die Falten, in welche 
sich der Mantelrand spaltet, enthalten dagegen Apparate, welche 
Mucin bereiten. Beide Formen dienen den betreffenden Tieren 


Der Mantelrand der Acephalen. 91 


zum Schutze; aber wie die Art des Sekretes eine verschiedene 
ist, so wird auch die Schutzwirkung, ich meine die Bedeutung 
der produzierten Stoffe fiir die Erhaltung des Individuum, eine 
verschiedene sein. 

Die Schleimdriisen auf der AuSenfliche der Siphonen umgeben 
dieselben mit einer mehr oder weniger dicken Sekretschicht, die 
einmal den direkten Kontakt des Seewassers mit dem epithelialen 
Belage verhindern wird und dann dazu geeignet ist, die Siphonen 
bei ihren Bewegungen im Sande oder Schlamme vor groberen 
Verletzungen zu bewahren. Wie ich in den mir von der Ver- 
waltung der zoologischen Station zu Neapel zur Verfiigung ge- 
stellten Aquarien, deren Boden ich mit Sand bedeckt hatte, beob- 
achten konnte, vergraben sich die hier behandelten Arten so, daf 
nur die Siphonen aus dem Sande hervorragen. Leicht kénnte es 
daher geschehen, namentlich bei briisken Retraktionen, wie sie 
die Tiere, oft anscheinend ohne Veranlassung, ausfiihren, daf die 
AuSenflache der Siphonen in unliebsame Berithrung mit den Kan- 
ten kleiner Steinchen gelangte. Dies verhiitet aber jener Schleim, 
welcher nicht blo& eine Decke um die Siphonen bildet, sondern 
auch die Sandschicht, die jene umgiebt, glattend tiberzieht. Und 
ahnlich liegen die Verhaltnisse fiir die Falten des eigentlichen 
Randes; diese werden gelegentlich tiber die Schalen vorgestreckt, 
sind also denselben duferen Fahrlichkeiten ausgesetzt, wie die 
Siphonen. 

Anders die Bedeutung und Wirkung der Giftmassen. 

Wenn die die Siphonenéffnungen umstehenden Papillen, welche 
die hauptsiachlichsten Trager taktiler Empfindlichkeit sind, berihrt 
werden, so antworten sie darauf mit einer Kontraktion. Diese 
wird entweder nur geringfiigiger Art sein oder sich ausbreiten 
und bis zum ydélligen Zuriickziehen der Siphonen gehen kénnen, 
je nachdem der Insult nur ein minimaler oder ein sehr heftiger 
ist. In dem einen wie in dem anderen Falle wird durch die Kon- 
traktion das Sekret aus der Bindesubstanz der Papillen bezw. der 
Sipho-Innenflache durch die interepithelialen Liicken ausgepreft 
und dadurch das den Insult hervorrufende Objekt unschadlich ge- 
macht. Ist dasselbe ein lebendes Wesen, so wird es infolge der 
Giftigkeit der Tropfenmassen getotet, ist es lebloser Natur, so 
wird es von dem in reichlicher Menge vorhandenen Sekrete so 
umhiillt, daf es einen Schaden nicht weiter anrichten kann. 

Diese Betrachtung erklart den anscheinend auffallenden Um- 
stand, dal nicht blo{ im Branchial-, sondern auch im Kloaken- 


92 Dr. Bernhard Rawitz, 


sipho giftiges Sekret produziert wird. Es ist meines Dafiirhaltens 
ohne weiteres einleuchtend, daf auch der Kloakensipho einen Ver- 
teidigungsapparat haben muf, weil er den gleichen Angriffen, wie 
der Atemsipho, namentlich durch mikroskopisch kleine Wesen, aus- 
gesetzt ist. Diese kénnen ebenso gut in den einen wie in den 
anderen Sipho eindringen bezw. einzudringen versuchen und miissen 
hier wie dort unschadlich gemacht werden. 

Und was fiir die Siphonen, das gilt mutatis mutandis fiir den 
Branchialraum, dessen ventraler Schutz durch den Randwulst ge- 
bildet wird. 


Ich habe die von mir gefundenen histiologischen Details im 
Zusammenhange dargestellt und absichtlich, um den Uberblick 
nicht zu erschweren, unterlassen, auf diejenigen Arbeiten dabei 
Riicksicht zu nehmen, welche iiber dieselben Arten in der Littera- 
tur vorliegen. Dieses Verséiumnis soll jetzt nachgeholt werden. 

SHARP (43) hat bei Venus mercenaria, V. verrucosa, Tapes 
decussata und Petricola pholadiformis zwar keine komplizierten 
Augen, wie Wiit (49), wohl aber Pigmentzellen gesehen, welche 
als lichtempfindlich, als ,,retina cells‘ von ihm gedeutet werden. 
Worauf diese Auffassung basiert, welche physiologischen Thatsachen 
diese Erklarung aufnétigen, dariiber laft sich Suarp nicht naher 
aus. Ihm geniigt es vollstandig, daf gewisse Epithelzellen pig- 
mentiert sind und einen breiten cuticularen Saum haben, um sie 
zu Sehzellen zu stempeln. Ich hatte diese in sich haltlosen An- 
gaben, die noch dazu auf ganz oberflachlichen Beobachtungen be- 
ruhen — die Driisen an der Sipho-Aufenflache brauchte SHarp, 
als fiir seine Zwecke nebensachlich, nicht zu erwihnen, aber 
zeichnen mute er sie, wenn seine Abbildungen naturgetreu sein 
sollten — gar nicht weiter kritisiert, wenn dieselben nicht von 
ernsten Forschern als Beweise fiir die allmahliche, phylogenetische 
Entwickelung der Augen aus einfachen Pigmentzellen wiederholt 
citiert worden waren. Nach meinen eigenen Untersuchungen muf 
ich sagen, daf SHarp nur eine nicht bestreitbare Thatsache 
mitgeteilt hat, namlich daf bei Muscheln Pigmentzellen vorkommen, 
und diese war schon vor ihm bekannt. Alle iibrigen Angaben dieses 
Forschers sind absolut irrig und wertlos. 

Der zweite Histiologe, welcher die Siphonen und den Mantel- 
rand der Veneriden einer Analyse unterworfen hat, ist RouLE in 
seiner Arbeit ,,Recherches histologiques sur les mollusques lamelli- 
branches“ (37). Er beschreibt die Siphonen von Tapes decussata 


Der Mantelrand der Acephalen. 3 


und den Mantelrand yon Tapes aurea (pg. 37 und ff. l.c.). Seine 
Angaben iiber die Verteilung der Muskeln in den Siphonen decken 
sich vollig mit den meinigen; seine sonstigen Untersuchungsergeb- 
nisse aber, abgesehen von dem hier nicht naher interessierenden 
Nachweise, daf eine direkte Wasseraufnahme nicht statt hat, stehen 
zu den meinigen in denkbar schirfstem Gegensatze. 

Auf der AufSenflaiche der Siphonen von Tapes findet er ein 
cylindrisches Epithel, in welchem zerstreut Becherzellen yvorkommen 
sollen, und aufSerdem stibchenformige Gebilde, welche sich durch 
Fibrillen yon granuliertem Aussehen mit zahlreichen grofen Zellen 
vereinigen. Letztere sollen unterhalb des epithelialen Belages in 
der Bindesubstanz gelegen sein, durch Fortsaitze untereinander 
anastomosieren und so ein engmaschiges Netz bilden. Stabchen, 
Fibrillen und Zellen firben sich nach Route intensivy sowohl in 
Bismarckbraun als auch in Kosin-Hamatoxylin (RouLE hat letztere 
Farbung nach der Renaut’schen Methode ausgefiihrt). Die Zellen 
sind bi- und multipolar, die stiibchenférmigen Gebilde sind varikés 
und zeigen, wie die Fibrillen, zahlreiche kleine Granulationen. Die 
Zellen sind nach Route Ganglienzellen, die zu einem subepithelialen 
Plexus vereinigt sind, die stabchenformigen Kérper, die im Epithel 
liegen, sind Nervenendapparate (,,terminaisons tactilest) und also 
sind, was Route allerdings nicht sagt, aber was aus seiner Dar- 
stellung von selber folgt, die beide Gebilde verbindenden Fibrillen — 
Nervenfasern. In den Nervenendapparaten kommen keine Kerne 
vor, wenigstens ist es eine seltene Ausnahme, daf man in ihnen 
welche antrifft. 

Wenn man sich der Darstellung erinnert und die Figur be- 
trachtet, die ich selber yon der Aufenflaiche der Siphonen von 
Tapes gegeben habe (Fig. 33), so wird es klar, dafS wir beide das- 
selbe gesehen haben, da jedoch Route diejenigen Bildungen fir 
nerviser Natur halt, die ich als Mucindriisen bezeichnet habe 
(Fig. 33 md). Rove erscheint zwar seine Deutung aufer allem 
Zweifel, ich aber muS sie fiir véllig verfehlt halten. Zunichst ist 
es hiéchst auffallend, da jenen Forscher die Abwesenheit der 
Kerne in den taktilen Endapparaten nicht stutzig gemacht hat. 
Wohl citiert er FLemmina’s erste Arbeit iiber die Histiologie der 
Muselfeln, doch hat er dieselbe offenbar nicht sorgfaltig genug 
studiert, sonst hatte ihm nicht entgehen kénnen, dafi nach FLEM- 
MING fiir die taktilen Endapparate, i. e. fiir die Pinselzellen, nicht 
blo&S das Vorhandensein eines Kernes, sondern auch dessen beson- 
dere Lagerung charakteristisch ist. 


94 Dr. Bernhard Rawitz, 


Doch auch abgesehen davon ist die Deutung, die RouLe 
giebt, vollstiindig irrig. Wie der Autor selber sagt, farben sich 
die fraglichen Bestandteile der Sipho-AufSenflache in Bismarck- 
braun sehr intensiv. Und das ist eine Eigenschaft, welche weder 
Sinneszellen, noch namentlich Ganglienzellen zukommt. Wer nur 
irgendwie eine Erfahrung dariber besitzt, in welcher Weise die 
physiologisch verschiedenen Zellen des Metazoenkérpers auf die 
einzelnen Farbstoffe, besonders die Aniline, reagieren, der muf die 
Route’sche Erklarung verwerfen. Ob man Sublimateisessig, wie 
Rouse, oder Pikrinsalpetersiure, wie ich, oder irgend ein beliebig 
anderes der gebrauchlichen Fixationsmittel verwendet, ist gleich- 
giltig: das Plasma der Ganglienzellen, die Nervenfasern und Nerven- 
endapparate fairben sich in Anilinen gar nicht oder nehmen nur 
ein zartes Kolorit an. Hiatte Route die sogenannten Ganglien- 
zellen dieser Gegend mit den wirklichen Ganglienzellen, wie sie 
sich im Siphonerven zahlreich genug vorfinden, verglichen, so 
wiirde ihn der erste Blick belehrt haben, da’ hier eine tinktorial 
und darum auch physiologisch von den Ganglienzellen unterschie- 
dene Zellart vorliegt. Der Einwand diirfte wohl kaum gemacht 
werden, dafi die periphere, zwischen Nervenstamm und Endapparat 
eingeschaltete Ganglienzelle ein von der mehr central gelegenen 
verschiedenes Farbungsvermégen besitzt; histiologisch bleibt Gang- 
lienzelle — Ganglienzelle, wo sie auch immer im Ko6rper vor- 
kommen mége. 

Ein anderes Moment, was Route hatte stutzig machen sollen, 
ist die betrachtliche Dicke der Fibrillen, welche Zellen und stab- 
chenformige Kérper miteinander verbinden (Fig. 33). So dick, so 
in die Augen springend sind die Nervenendfibrillen leider weder 
bei den Acephalen, noch den Mollusken tiberhaupt. Im Gegenteil, 
dieselben sind so zart und fein, so tiberaus schwierig zu erkennen, 
da8 es der gréSten Aufmerksamkeit und der besten und starksten 
Linsen bedarf, um sie tiberhaupt in dem Gewirr der Faden von 
Bindegewebsfibrillen zu unterscheiden. 

Und als letztes Moment gegen die nervése Natur der betref- 
fenden Bildungen spricht ihre von Router ganz richtig hervor- 
gehobene grobe Granulierung. Das ist ebenfalls eine Struktur- 
eigentiimlichkeit, welche Ganglienzellen, Nerven und Nervenend- 
apparaten durchaus abgeht. Ganglienzellen sind stets sehr zart 
granuliert, Nervenfasern und Nervenendzellen aber gar nicht. 

Die Gebilde sind also sicher nicht nerviés, sie kénnen viel- 
mehr nur driisiger Natur sein, denn nur Driisenzellen, und zwar 


Der Mantelrand der Acephalen. Yo 


Mucindriisenzellen, zeigen das Vermégen, sich intensiy in basischen 
Anilinen zu farben. 

Nunmehr kann sich auch Route nicht wundern, dal die stiib- 
chenfoérmigen Gebilde — das sind die in den interepithelialen 
Liicken miindenden Driisenausfiihrungsginge — in den Papillen 
so spirlich sind, ja in deren Spitze ganz fehlen, oder, wie der 
Autor meint, dafi die Papillen arm an solchen Nervenendapparaten 
seien. Die Papillen sind reich an Pinselzellen, nur zeigen letztere 
im mikroskopischen Schnittbilde ein anderes Verhalten, als RouLE 
glaubte (cfr. Fig. 52 und 33). 

Rouse hat ferner in dem Epithel der Innen- wie der Auben- 
fliche der Siphonen Becherzellen gesehen. Das ist entschieden ein 
Irrtum, denn Becherzellen fairben sich meistens, wenn sie niamlich 
mucinhaltig sind, in Bismarckbraun so intensiv, wie die Driisen- 
ausfiihrungsgiinge; nicht mucinhaltige kommen aber sicher nicht 
vor. 

Hat so Rouse eine Driisenform, welche in den Siphonen vor- 
kommt, vollig verkannt, so hat er die amorphen Tropfenmassen 
iiberhaupt nicht erkannt. Und doch geben die von ihm beniitzten 
Farbungsmethoden, namentlich EKosin-Himatoxylin, so klare, scharfe 
Bilder derselben, daf sie eigentlich nicht gut zu iibersehen sind. 
Dafi dies bei Route dennoch der Fall gewesen, ist, glaube ich, 
auf das von ihm verwandte Fixationsmittel zuriickzufiihren. Subli- 
mat, so vorziiglich es sonst ist, ist zum Studium histiologischer 
Verhaltnisse bei Muscheln wie bei Mollusken iiberhaupt nach 
meinen Krfahrungen unbrauchbar, weil es nicht geniigend schnell 
in die Tiefe der Gewebe eindringt. Daf RouLe nicht sonderlich 
konserviertes Material untersuchte, geht, wie mich bediinken will, 
aus seinen Abbildungen hervor, die mir vielfach den Eindruck er- 
wecken, als waren seine Objekte stark gequollen gewesen. 


VIII. Tellinacea. 
(Fig. 34—38.) 


Untersucht wurden Donax trunculus L., Psammobia vesper- 
tina Lam., Tellina nitida Poli und Tellina planata L. 


A. Allgemeines. 


Psammobiavespertina besitzt zwei vollstandig getrennte 
Siphonen von milchweifer Farbe, von denen der Atemsipho stets 


96 Dr. Bernhard Rawit32, 


weiter ausgestreckt werden kann, als der Analsipho. An ihren 
freien distalen Enden tragen sie in den meisten Fallen 6, selten 
8 kurze kegelférmige Papillen, die gleich weit voneinander entfernt 
stehen und den Siphonenenden ein mauerzinnenartiges Aussehen 
verleihen. Von jeder Papille aus geht durch die ganze Lange der 
Siphonen auf deren Aufenfliiche eine weife, scharf markierte Linie, 
die bei Lupenbetrachtung leicht prominent erscheint. Diese Linien, 
6 bezw. 8 an Zahl in jedem Sipho, kénnen als Rippen der Sipho- 
nen bezeichnet werden. 

Der in seiner ganzen Ausdehnung offene Mantelrand dieser 
Species ist mit einer leicht zerreiflichen Epicuticula bedeckt, die 
von bradunlicher Fiarbung ist. Hat man dieselbe abgezogen, so 
treten sehr kurze kegelf6rmige Papillen zu Tage, welche in einer 
Reihe und ziemlich weit voneinander entfernt stehend sich auf 
der Innenfalte des Randes finden. Kin Randwulst ist nicht vor- 
handen. 

Die makroskopisch wahrnehmbaren Einzelheiten der Siphonen 
und des Randes von Tellina nitida weichen ein wenig von 
denen von Psammobia ab. Die Siphonen, welche ebenfalls vollig 
getrennt sind und von denen der branchiale bedeutend langer ist 
als der Analsipho, haben an ihren distalen Oftnungen kegelférmige 
Papillen, welche in viel gréSerer Zahl sich finden, als bei Psam- 
mobia. Dagegen kommen Rippen auf der Aufenfliche der Siphonen 
nicht vor. Der Mantelrand, dessen Epicuticula sehr zart ist, ist 
in seiner ganzen Ausdehnung vom vorderen SchlieSmuskel ab bis 
zu den Siphonen offen. Nach auSen yon letzteren und von den- 
selben durch ein relativ breites Thal getrennt, findet sich eine 
vom Mantelrande her kommende Falte, welche nach dem Riicken 
des Tieres hinzieht und hier mit der der Gegenseite verwichst. 
Von vorn bis hinten ist die Innenfalte des Randes — in wie viele 
derselbe sich spaltet, la8t sich makroskopisch nicht erkennen — 
mit kleinen Papillen besetzt, die dem Rande bei Betrachtung mit 
bloBem Auge ein gezihneltes Aussehen verleihen. Ein Randwalst 
fehlt wie bei Psammobia so auch hier. 

Die ganz gleichen Verhiiltnisse, wie bei Tellina nitida, finden 
sich bei Tellina planata und Donax trunculus. 

Uber die Nervenverteilung ist folgendes anzumerken: 
Das Visceralganglion von Psammobia vespertina ist an seinem 
vorderen Ende in zwei konische Verlangerungen ausgezogen, von 
denen jederseits das Cerebrovisceralkonnektiv entspringt. Seitlich 
geht von dem Ganglion jederseits der Kiemennerv ab. Nach hinten 


Der Mantelrand der Acephalen. 7 


entspringt von den hinteren Winkeln 
des, wie bei allen Siphoniaten, vier- 
eckigen Ganglion jederseits ein Nerv, 
der Fasern fiir den hinteren Schlief- 
muskel, das Rectum und die Siphonen 
enthalt. Dieser beiderseits der Median- 
linie, also paarig vorhandene Nerv 
giebt kurz hinter der Afterpapille auf 
der medialen Seite einen Nerven fiir 
den hinteren SchlieSmuskel ab. Hinter 
dem Muskelnerven entspringen die 
Nerven fiir die Siphonen; der niher 
zum Ganglion entspringende ist fiir den 
dorsalen, der in weiterer Entfernung 
sich abzweigende fiir den ventralen 


Fig. I. 


Sipho bestimmt. Jeder Siphonerv teilt 
sich in drei bis vier Aste, so dah 
also entsprechend der Zahl der Sipho- 
rippen in jedem Sipho sechs bis acht 
Nervenstémme verlaufen. Vom dor- 
salen Siphonerven zweigt sich ferner 
noch ein kleiner Ast ab, der in kur- 
zem Bogen riicklaufend sich zum Rek- 
tum begiebt. Da, wo der fiir den 


Schematische Darstel- 
lung des Centralnerven- 
systems von Psammobia 

vespertina. 

C. Cerebral-, P. Pedal-, V. 
Visceralganglon; nbr, Kiemen- 
nerv; com. Commissur; pp. 
Nervus pallialis posterior; mm. 
Muskelnerv; msd. Dorsalsipho- 
nerv; sb. Branchialsiphonerv ; 
nr. Rectalnerv; np Mantelnerv; 
mpd. uervus pallialis anterior; 


2 z “ ‘ A. Afterpapille. 
Atemsipho bestimmte Nerv sich ab- 


trennt, macht der Rest des Hauptstammes einen nach hinten kon- 
vexen Bogen und geht in den Mantelrand hinein, hier nach 
vorn ziehend. Die Siphoneniste wiirden, wenn man die Duver- 
noy’sche Nomenklatur acceptieren will, dem hinteren, der Endast 
dem seitlichen Mantelnerven entsprechen. Die Differenz der Schil- 
derung von Duvernoy (10; XXII Monographie) und der meinigen 
ist nicht unbetriachtlich. Nach jenem Autor gehéren namlich die 
beiden (rechter und linker) Nervenstamme des Kloakensipho zum 
»palléal postérieur“, wihrend er die Stémme, die im Mantel und 
dem ventralen Sipho sich ramifizieren, zum ,,palléal latéral* 
rechnet. Auch die Ursprungsweisen der einzelnen Nerven giebt 
DuvERNOY anders an, wie ich; auf wessen Seite das Recht ist, 
miissen neue Untersuchungen entscheiden. 

Von den Cerebralganglien entspringt auBer den Konnektiven 
und der Kommissur jederseits ein Nerv, welcher direkt nach vorn 


Bd, XXVII, N. F, XX, 7 


98 Dr. Bernhard Rawitz, 


gehend zunachst durch einen dieselbe Verlaufsrichtung innehalten- 
den, feinen Zweig den vorderen SchlieSmuskel innerviert. Dann 
biegt der Nerv in einem nach vorn konvexen Bogen in den Mantel- 
rand ein, giebt einen Ast fiir die vordere Mantelpartie ab und 
lauft dann im Mantelrande, in diesem sich ramifizierend, nach 
hinten. Die wahrscheinliche Vereinigung des vom Cerebral- und 
des vom Visceralganglion kommenden Mantelnerven habe ich durch 
Praiparation nicht darstellen kénnen. 

Das Nervensystem von Tellina planata, welchem das von 
T. nitida und Donax trunculus vollstandig gleicht, weicht von dem 
von Psammobia nur insofern ab, als die Nerven fiir den hinteren 
Schlie8muskel — ein Nerv jederseits der Medianlinie — direkt 
vom Visceralganglion entspringen und nicht, wie dort, aus dem 
vereinigten hinteren und auBeren Mantelnerven stammen. 


B. Spezielle Beschreibung. 


Psammobia vespertina zeigt in der feineren Struktur 
seiner Siphonen so bemerkenswerte Unterschiede von den tibrigen 
von mir untersuchten Tellinaceen, daf eine gesonderte Beschreibung 
der bei dieser Art zu beobachtenden Einzelheiten notwendig ist. 
Diese soll daher zunachst erfolgen. 

Untersucht man eine der kurzen Papillen, welche die Enden 
der Siphonen umstehen, oder eine Mantelrandpapille frisch in 
Seewasser, so hat man zunachst die Abwesenheit der Wimper- 
bewegung zu konstatieren, da die indifferenten Zellen dieser 
Regionen véllig wimperfrei sind. Die Epithelzellen der Papillen, 
welche niemals Pigment enthalten, haben einen homogenen, leicht 
glinzenden, 4 « dicken cuticularen Saum, welcher von schmalen 
Dornen tiberragt wird, die, von circa 4 uw Hohe, unbeweglich auf 
dem Saume stehen. Wahrend diese Dornen auf den Seitenwanden 
der Papillen nur spirlich zu treffen sind, sind sie in deren Spitzen 
sehr reichlich vorhanden (Fig. 34 d). Bei Anwendung mittelstarker 
Systeme (etwa Zeif D) erkennt man, daf die Dornen auf kleinen 
Hiigeln aufsitzen, die namentlich in der Papillenspitze fast halb- 
kugelig gewélbt sind (Fig. 34d). Die Hiigel sind zart, durch- 
sichtig und man kann den Dorn in sie hinein verfolgen, der so- 
mit als ihre Achse erscheint (Fig. 34). An Macerationspraparaten, 
welche einen weiteren Aufschluf geben, findet man jeden dieser 
Hiigel von drei nebeneinander liegenden Zellen gebildet, die an- 


Der Mantelrand der Acephalen. 9Y 


scheinend — etwas Gewisses habe ich hinsichtlich dieses Punktes 
leider nicht feststellen kénnen — von einer zarten Membran zu einem 
einheitlichen Ganzen zusammengefa8t sind. Die beiden lateral ge- 
legenen Zellen sind dunkel granuliert, ihr proximales Ende ist 
wurzelformig ausgefasert ; ihre Gestalt ist im allgemeinen gebogen 
keulenformig (Fig. 35), und zwar so, daf sie am freien Ende 
maibig aufgetrieben erscheinen, wihrend sie basalwarts sich all- 
mahlich verjiingen und dabei gleichzeitig nach der Medianlinie 
des Gebildes zu sich leicht konkav einbiegen. Der Kern jeder 
dieser Zellen liegt im distalen Drittel. In der Mitte ist eine Zelle 
gelegen (Fig. 35), deren Gestalt das gerade Gegenteil der beiden 
anderen ist, sie ist also an ihrem distalen Abschnitte schmal und 
wird proximalwarts breiter. In ibrer proximalsten, mifig ange- 
schwollenen Partie ist ein ovaler Kern gelegen. Sie setzt sich 
dann in eine im Macerationspraparate nur ausnahmsweise erhaltene 
feine Faser fort, welche kleine Varikositaten besitzt (Fig.35). Der 
schmale distale Abschnitt der medianen Zelle zeigt an seinem 
freien Ende entweder einen schmalen, doppelt konturierten Saum, 
oder, bei giinstiger Lagerung, eine ovale Oberflache, von welcher 
kurze Haare entspringen, die in dem macerierenden Reagens leicht 
knotig geworden sind und in sehr vielen Fallen, bei zu weit vor- 
geschrittener Maceration nimlich, ganz fehlen kénnen. Der freie 
Saum iiber den lateralen Zellen dieser dreiteiligen Bildungen er- 
scheint zuweilen doppelt konturiert; ob der doppelte Kontur aber, 
der sich auch auf die Seiten der Gebilde fortsetzt, als Membran 
aufzufassen ist oder nicht, das habe ich, wie schon oben bemerkt, 
nicht definitiv entscheiden kénnen. 

Wenn man sich der Darstellung erinnert, welche ich im ersten 
Teile von den Sinneszellen in den Mantelrandfiden der Pectiniden 
gegeben habe (cfr. I. Teil, p. 66 u. ff. des Sonderabdruckes) und 
wenn man die Figuren dort (Fig. 25 und 26) mit den hier beige- 
gebenen (Fig. 34 und 35) und mit obiger Schilderung vergleichen 
will, so wird man eine vollkommene Ubereinstimmung anerkennen 
mniissen. Denn die median gelegene Zelle ist eine FLEMMiING’sche 
Pinselzelle, deren Schema sie vollkommen entspricht, die feine 
Faser, in welche sie sich fortsetzt, ist eine Nervenfibrille, die beiden 
lateralen Zellen sind indifferente Stiitzzellen, die mit jener ein ein- 
heitliches Sinnesorgan bilden. So finden wir also hier bei Psam- 
mobia ganz wie bei Pecten ein dreiteiliges Sinnesorgan als Analo- 
gon der sonst einfachen und unregelmikig zwischen den indiflerenten 


(ca 


100 Dr. Bernhard Rawitz, 


Epithelien verteilten Pinselzelle: eine Eigentiimlichkeit, auf die ich 
in der allgemeinen Betrachtung spezieller werde zuriickkommen 
mussen. 

Die indifferenten Zellen, zwischen welchen sich die drei- 
teiligen Organe finden, sind meistens kubische, selten abge- 
stumpft konische Gebilde mit basal gelegenen Kernen und deutlich 
ausgesprochener wurzelformiger Ausfaserung der Basis. 

Auf der Sipho-Aufenfliche ist das indifferente Epithel, wie 
auf den Papillen, wimperlos und nicht pigmentiert. Pinselzellen 
von gewohnlichem Habitus habe ich in nur sehr geringer Menge 
wahrgenommen. In den Siphorippen findet man Gebilde ganz 
eigentiimlicher Art, welche sich als Knospen sehr komplizierter 
Struktur darstellen, deren Zusammensetzung ich an Zupfpraparaten 
aber nicht genau eruieren konnte. 

Was endlich die Sipho-Innenfliche anlangt, so wird deren 
epithelialer Belag aus indifferenten Zellen von cylindrischer Gestalt 
gebildet, zwischen denen ich Sinneszellen nicht auffinden konnte. 
Dieselben sind, wenn tiberhaupt, jedenfalls nur sehr sparlich vor- 
handen. 

Das Studium von Schnittpraiparaten liefert folgende Re- 
sultate. 

Die Epithelzellen der Innenflache der Siphonen — 
Anal- und Atemsipho verhalten sich vollkommen tibereinstimmend 
— haben sich infolge der Konservierung in zahlreiche Falten ge- 
legt, die auf Lings- und Querschnitten als kleine, eng aneinander 
liegende, gleich hohe Zotten imponieren. Die Zellen sind ungefahr 
12,6 uw hoch, 3,6 « breit und haben einen schmalen cuticularen 
Saum. Ihre Kerne sind langsoval von etwa 7,2 uw gréS%tem Durch- 
messer und liegen in der Basis der Zellen. Auch im Schnitte 
konnten, wie im frischen bezw. im Macerationspriiparate, Sinnes- 
zellen nicht wahrgenommen werden. Dicht an der Basis der 
Zotten entlang ziehend findet sich eine im Lingsschnitte durch 
die Siphonen langsgetroffene Muskellage, welche in die Zotten 
hinein in reichlicher Menge Muskelfibrillen abgiebt. Medialwarts 
dieser Schicht, durch einen schmalen Zwischenraum von ihr ge- 
trennt, findet sich eine bedeutend starkere Langsmuskellage. In 
der Zwischenschicht nun, oder vielmehr in den grofen runden 
Liicken, welche das die Zwischenschicht bildende lockere Gewebe 
besitzt, liegen zahlreiche Zellen, die ein zartes Plasma und kleine 
intensiv gefirbte Kerne zeigen. Dieselben sind Blutkérperchen, 
die Licken sind Blutlakunen. 


Der Mantelrand der Acephalen. 101 


Amorphe giftige Sekretmassen kommen auf der Sipho-Innen- 
fliche nicht vor; es finden sich nur Mucindriisen, die aber so 
sparlich und klein sind und so verstreut stehen, daf man sie 
leicht, trotz ihrer charakteristischen Farbung, besonders bei Ver- 
wendung zu schwacher Linsen, iibersehen kann. In manchen 
Schnitten fehlen sie ganz, in anderen sind etwa vier Driisen vor- 
handen, die héchste Zahl, die ich auf einem Querschnitte fiir die 
ganze Innenflache gefunden, war zwélf Driisen. 

Die Papillen gleichen in allen Einzelheiten der Innenflache. 
Die dreiteiligen Sinnesorgane sind als solche auf Schnitten, offen- 
bar infolge der bei der Hartung eingetretenen Schrumpfung, nicht 
zu erkennen. Auch hier finden sich keine Giftmassen, auferdem 
aber fehlen die Mucindriisen. 

Auf der Sipho-AuSenflache hat sich, ganz wie innen, 
das Epithel in ziemlich hohe Zotten gelegt. Die indifferenten 
Zellen gleichen denen der Innenflaiche vollkommen. Im Gegensatze 
zu innen kommen hier an der AuSenfliche in sehr grofer Menge 
Mucindriisen vor. Die Driisenkérper liegen in ziemlich betracht- 
licher Entfernung vom Epithel der Au8enflaiche und sind so ge- 
ordnet, daf sie alle in einer ganz bestimmten Gegend zu treffen 
sind, von welcher epithelwarts nur die schmalen, strangartigen 
Ausfiihrungsgange sich finden. In dieser die Ausfiihrungsgange 
enthaltenden Gegend sind zahlreiche auf Lingsschnitten querge- 
troffene Biindel von Muskelfasern vorhanden; die Driisenregion 
selber wird von einigen, tibrigens nicht konstanten, Biindeln von 
Langsmuskeln durchzogen und durch dieselben in eine laterale 
gréBere und eine mediale kleinere Partie geteilt. Die Entfernung 
der Driisenkérper von der Basis der Epithelzellen betragt etwa 
100—148 uw; das geringere Maf ist von der Bucht, das gréfere 
von der Héhe der Zotten gewonnen. Die Breite der Driisenregion, 
also ihre Ausdehnung medianwarts, mift 36 «. Die Driisen sind 
einzellige Gebilde, die in ihrem Plasma eine Zusammensetzung 
aus zwei Substanzen deutlich erkennen lassen, namlich aus einer 
Substanz, welche von netzformig ineinander geflochtenen Strangen 
gebildet wird, und aus einer zweiten, die in den Maschen des 
Netzes gelegen ist. Die erstere firbt sich z. B. in Bismarckbraun 
tiefdunkgl-, fast schwarzbraun, die letztere in dem gleichen Farb- 
stoffe hellbraun. Je dichter das Netzwerk der ersteren ist, um so 
intensiver und dunkler, je schwacher es ausgebildet ist, um so heller 
ist die Farbung der ganzen Driise. Die gleiche Zusammensetzung 
und somit auch die gleiche Farbung wie die Driisenkérper bieten 


102 Dr. Bernhard Rawitz, 


die schmalen langen Ausfiihrungsgainge dar, die in interepithelialen 
Liicken miinden. Becherzellen sind nicht vorhanden. 

Uber die an der Sipho-Aufenflache sich findenden Rippen 
ist an Laings- und Querschnitten folgendes zu eruieren. 

Die Knospen, welche man, wie die Untersuchung frischer Ob- 
jekte gelehrt hatte, in den Rippen antrifft, oder vielmehr von 
welchen die Rippen gebildet werden (Fig. 36 so), ragen tiber das 
Epithel nicht unbedeutend hervor und sind in zwei Langsreihen 
so geordnet, daf die Knospen der einen Reihe mit denen der an- 
deren alternieren und beide ihre freien Seiten voneinander ab- 
kehren, also nach verschiedenen Richtungen sehen. Ihre Form 
gleicht denjenigen Gebilden, welche man an der menschlichen Haut 
als ,,molluscum pendulum“ bezeichnet. Sie sitzen auf Stielen auf, 
welche schmal sind und in der Bindesubstanz der Siphonen 
wurzeln, und gehen dann jenseits des Niveau der gewohnlichen 
Epithelzellen in eine pilzhutahnliche Verbreiterung tiber (Fig. 37 so). 
Meistens ist der freie Kontur dieser Verbreiterung eine schén ge- 
schwungene bogenférmige Linie, vielfach aber auch ist die freie 
Flache in zwei Spitzen oder Lappen ausgezogen. Die Knospen 
oder Warzchen sind an allen sechs bezw. acht Rippen eines jeden 
Sipho in vollkommener Ubereinstimmung sowohl hinsichtlich des 
feineren Baues wie der GréBe. Was die letztere anlangt, so be- 
tragt die ganze Lange einer Knospe im Mittel 88 ~, wobei als 
ihre Basis die Basis der Zottenbucht zu rechnen ist; 36 4 von 
diesem Mafe entfallen auf den Knospenstiel, die tbrige Lange 
kommt auf die pilzhutformige Verbreiterung. Das Maf des Stieles 
entspricht etwa dem der Hohe der Zotten, so da’ die Verbreiterung 
also das Niveau der letzteren iiberragt. Die Breite des Stieles ist 
etwa 44 w, die der pilzhutahnlichen Verbreiterung in ihrem groften 
Durchmesser etwa 72 w. 

Das Epithel, welches Stiel wie Pilzhut bekleidet, enthalt in- 
differente Zellen, welche sich in nichts von denjenigen Zellen 
unterscheiden, die sich in den tibrigen Partieen der Sipho-AuBen- 
flache finden. Zwischen denselben und zwar ausschlieflich in der 
Verbreiterung sieht man Zellen liegen, die ganz wesentlich von 
ihnen differieren. (Es bedarf zur Erkennung dieser Kinzelheiten 
selbstverstandlich der starksten Linsensysteme.) Sie sind, schmal, 
sehr blaB gefarbt und besitzen Kerne, die, von stabchenformigem 
Aussehen, tiefer in der Substanz der Knospe stecken, als die der 
iibrigen Zellen (Fig. 37 so). Da wo die Zellen liegen, findet man 
auch stets auf ibren freien Enden Kérnchenbrei in gréBerer Menge 


Der Mantelrand der Acephalen. 103 


liegen (Fig. 37), den wir seit Ersra’s (13) bekannten Untersuchungen 
als Rest zerstérter Sinnesborsten betrachten diirfen. An diese 
Kerne oder richtiger an die Basen der zu ihnen gehdrigen Zellen 
treten feine Fibrillen heran, die als Nervenendfibrillen aufzufassen 
sind. Dieselben gehen namlich in Zellen vielstrahliger Gestalt 
iiber (Fig. 37 gz), die medianwarts mit Fasern zusammenhangen, 
welche aus den Siphonervenstémmen sich abgezweigt haben 
(Fig. 37 n). Jene Fibrillen sind also Nervenfasern, wahrend die 
Zellen als Ganglienzellen zu betrachten sind, die in nicht unbe- 
trichtlicher Zahl in die vom Siphonerven stammenden Fasern 
interpoliert sind. Die die Rippenknospen versorgenden Nerven- 
aste gehen vom Hauptstamm radiar durch die Siphosubstanz und 
sind begleitet von Muskelbiindeln, welche in die Knospen ein- 
strahlen und sich dicht unter dem Epithel in dem Filze des sub- 
epithelialen Gewebes verlieren. Dieser Nerv-Muskelzug ist kennt- 
lich durch eine ziemlich betriachtliche Masse von ovalen Kernen, 
die in ihm liegen und deren Lingsachsen dem Zuge parallel ge- 
richtet sind (Fig. 37). Die Unterscheidung von Nerv und Muskel 
geschieht am besten in Indigcarmin - Boraxcarminpraparaten, in 
denen die Muskeln tiefblau, die Nerven roétlich gefarbt sind. 

Da, wo die Rippen vorkommen, fehlen die weiter oben er- 
wahnten Mucindriisen. Diese an Nerven, Ganglienzellen und 
Sinneszellen reichen retractilen Knospen stellen also ganz eigen- 
tiimliche, komplizierte Sinnesorgane dar. Die Gesamtheit der in 
zwei dicht bei einander stehenden Langsreihen angeordneten Knos- 
pen bildet eine Rippe (Fig. 36 so); jede Rippe reprasentiert dem- 
nach eine Summe von ganz gleich gebauten Sinnesorganen. Die 
Rippen sind wohl als Analoga der von den verschiedenen Tier- 
klassen und Tiertypen her bekannten Seitenlinien zu betrachten 
und es hatte darnach Psammobia 12 oder 16 Seitenlinien, 6 bez. 
8 in jedem Sipho. Wahrend die Funktionen der dreiteiligen Sin- 
nesorgane in den Papillen ganz wie bei den Pectiniden die sein 
wird, die Wahrnehmung direkter tactiler Reize zu erméglichen, 
werden die Seitenlinien in den Siphonen dazu dienen, auch die 
leisesten Bewegungen im Wasser dem Tiere zur Kenntnis zu brin- 
gen. Jene Organe reagieren nur auf grobe, unmittelbare Insulte, 
diese auf geringe Reize, die schon aus der Entfernung sich gel- 
tend machen kénnen. Psammobia vespertina besitzt also in 
diesen Seitenlinien eine auferordentlich empfindliche Einrichtung, 
welche das Tier befahigt, durch Retraction seiner Siphonen sich 
gegen noch entfernte Angriffe zu schiitzen. Und dieser Schutz ist 


104 Dr. Bernhard Rawitz, 


fiir die Muschel eine Existenznotwendigkeit, da sie zur Unschad 
lichmachung von lebenden oder toten Gegenstanden, welche in- 
ihre Siphonen eindringen kénnten, keinerlei Verteidigungsapparate 
besitzt. Giftmassen fehlen bekanntlich géinzlich und die auf der 
Innenfliche sich findenden Mucindriisen sind so auf erordentlich 
sparlich, da8 ihr Sekret als Verteidigungsmittel gar nicht in Be- 
tracht kommen kann. Die Mucindriisen auf der Sipho-AuSenflache 
sind eine Schutzeinrichtung, aber offenbar nur dazu da, mit einer 
Schleimschicht die aus Schlamm und Sand von dem darin ver- 
grabenen Tiere herausgestreckten Siphonen zu umgeben und so, 
wie bei den Veneriden, eine Verletzung derselben durch scharfe 
Sandpartikel bei ihren Bewegungen zu verhiiten. 

Es eriibrigt noch die Beschreibung der Innervationsverhalt- 
nisse und der Muskelverteilung. 

An Querschnitten durch die Siphonen erkennt man, daf in 
deren Laingsachse immer soviel Nervenstamme verlaufen, als 
Rippen vorhanden sind, also in den meisten Fallen sechs (Fig. 
36 ~) und zwar finden sich die Nerven genau gegeniiber den 
Rippen. Eine von einer Rippe auf die Achse der Siphonen ge- 
zogen gedachte senkrechte Linie trifft stets die Mitte des zuge- 
hérigen Nervenstammes. Die Nerven sind dem Epithel der Innen- 
fliche genahert, von demselben durch zwei Muskellagen, eine 
Constrictor- und eine Retractorlage, getrennt (Fig. 36); sie liegen 
nach aufen von der letztgenannten Muskellage zwischen ihr und 
der Hauptmasse des Retractor und sind in ein spongiéses Binde- 
gewebe eingebettet. Von den Nervenstémmen gehen im Sipho in 
der bereits besprochenen Art radiair Aste zu den Knospenorganen 
der Seitenlinien. In den Papillen verlauft je ein zarter Nerv in 
deren Langsachse, zerfasert sich hier und tritt zu den dreiteiligen 
Sinnesorganen. Die letzten Enden dieser Nerven sind im Schnitte 
nicht zu erkennen. 

Die Muskeln der Siphonen, deren Verteilung am besten an 
Querschnitten zu studieren ist, erscheinen als Retractoren, Con- 
Strictoren und Compressoren, Bezeichnungen, welche bei Beschrei- 
bung der Siphomuskulatur von Cytherea chione in ihrer Bedeu- 
tung erlautert worden sind. Zu innerst, dicht unter dem Epithel 
der Innenflache, ist eine Constrictorschicht von geringer Entwicke- 
Inng vorhanden, welcher nach aufen zu einige in zerstreuten 
Fibrillen auftretende Retractorfasern anliegen. Auf letztere folgt 
nach aufen hin, durch eine schwache Schicht der gewohnlichen 
spongidsen Bindesubstanz getrennt, der innerc Retractor, der die 


Der Mantelrand der Acephalen. 105 


innere Begrenzung der Nerven bildet. Durch wenig Bindegewebe 
getrennt, das nur da, wo die Nerven liegen, etwas massiger vor- 
handen ist, folgt dann nach aufen~ vom inneren Retractor der 
zweite Constrictor, eine Muskelschicht, die fast doppelt so stark 
ist, wie die innerste gleich verlaufende. Wiederum kommt jetzt 
eine Bindegewebslage und nach aufen von ihr der aufere Retrac- 
tor, der eine sehr machtige Muskelmasse bildet. Demselben liegt 
aufen dicht an ein drittes Constrictorbiindel. Dann folgen spar- 
liche Retractorfibrillen und endlich dicht unter dem Au8eren 
Epithel eine ganz schmale Constrictorlage. Wahrend die Fasern 
der Retractoren und Constrictoren selbstindig sind, d. h. nicht 
ineinander tibergehen, ist der Compressor kein selbstandiger Faser- 
zug, sondern entsteht teils aus dem Retractor, teils aus dem Con- 
strictor. Er bildet nirgend eine kompakte Masse, sondern besteht 
aus einzelnen, nicht zu starken Faserbiindeln, die durch Zwischen - 
raume getrennt sind, welche den Durchmesser der Compressor- 
biindel um ein Vielfaches iibertreffen. Trotz dieser Isolierung der 
einzelnen Faserbiindel bilden diese dennoch in ihrer Gesamtheit 
ein physiologische Einheit. Durch seine Verlaufsrichtung von 
Epithel zu Epithel zerteilt der Compressor namentlich die Massen 
des auferen Retractor in oblonge Abschnitte und bedingt so, wenn 
man das Praparat mit schwachen Linsen betrachtet, ein karriertes 
Aussehen des Querschnittsbildes. 


Die tibrigen untersuchten Tellinaceen, Tellina nitida und 
planata und Donax trunculus besitzen in ihren Siphonen, 
wie in der allgemeinen Beschreibung schon hervorgehoben, keine 
Seitenlinien; es fehlen daher hier auch die knospenformigen Sin- 
nesorgane. Aber auch die taktil empfindlichen Elemente dieser 
Arten unterscheiden sich von denen von Psammobia. Hier giebt 
es keine dreiteiligen Sinnesorgane, sondern nur gewohnliche typische 
FLemmina’sche Pinselzellen, die verstreut zwischen den allent- 
halben wimperlosen indifferenten stehen (Wimperung ist erst auf 
der Innenfliche des eigentlichen Mantels vorhanden), sehr schmal 
sind, in den Siphopapillen sehr reichlich, sparlich in den Mantel- 
randpapillen und der Sipho-Aufenflache sich finden und auf der 
Sipho-Innenflache ganz zu fehlen scheinen. Sie sind frisch bei 
Donax durch kurze Dornen kenntlich, welche den cuticularen 
Saum des epithelialen Belages iiberragen, wahrend bei Tellina 
ihre Existenz durch lange, etwa 7,2 « messende, zu vier bis sechs 
nebeneinander stehende und gut sichtbare bewegungslose Haare 


106 Dr. Bernhard Rawitz, 


sich kundgiebt. Bemerkt zu werden verdient noch, daf die Sipho- 
papillen von Donax verzweigt sind und zwar zeigt meistens die 
ganze Papille ein vielfach verastigtes Aussehen, selten nur ist 
blo8 die Spitze geteilt. 

Die Untersuchung von Schnittpraparaten ergiebt folgendes. 
Der epitheliale Belag der Siphopapillen von Tellina 
nitida besteht aus cylindrisch gestalteten Zellen, welche einen 
breiten, wimperlosen cuticularen Saum besitzen und basal gelegene 
kreisrunde Kerne haben. Die Zellen sind 9,0 « hoch, ihr Saum 
mift 1,8 «, ihre Breite, welcher der Durchmesser der Kerne ent- 
spricht, betragt 3,6 uw. Die Pinselzellen sind im Schnitte nicht 
mehr zwischen den indifferenten zu erkennen. In den Papillen 
kommen weder Mucindriisen, noch giftige Sekretmassen, noch auch 
Becherzellen vor. 

Auf der Innenflache der Siphonen (Anal- und Bran- 
chialsipho verhalten sich ganz gleich) kommen zweierlei Formen 
von indifferenten Zellen vor. Die einen sind kubische Gebilde 
von 7,2 « Hohen- und Breitendurchmesser mit basal gelegenen 
kreisrunden Kernen von 3,6 « Durchmesser. Die anderen indiffe- 
renten Zellen haben eine Héhe von 10,8 «, eine Breite von 5,4 
und kreisrunde Kerne von 3,6 « Durchmesser, die basal gelegen 
sind. Die Differenz dieser Zellen ist nicht bedingt durch eine 
Zottenbildung des Epithels, infolge deren die niedrigen in der 
Bucht, die langen auf der Hohe der Zotten zu finden waren. Die 
Innenfliche der Siphonen ist vielmehr glatt geblieben und jene 
differenten Mafie zeigen das Vorhandensein zweier verschiedener 
Zellformen an. Bei beiden Formen ist der cuticulare Saum nur 
schwach ausgebildet. Pinselzellen sind im Schnitte wie auch im 
frischen Praparate nicht zu erkennen. 

Auf der Innenflache miinden, wie man deutlich an Quer- 
schnitten erkennen kann, Driisen, deren tinktoriales Verhalten sie 
als Mucindriisen charakterisiert. Sie sind einzellige Gebilde, 
nicht zu zahlreich, aber immer noch bedeutend reichlicher als 
bei Psammobia vorhanden und miinden in interepithelialen Liicken. 

Das Epithel der Sipho-Au8Senflache ist von dem der 
Innenfliche abweichend. Die Zellen sind 16,2 u hoch, 5,4 « breit 
und haben einen cuticularen Saum, dessen MafS 1,8 w betragt. 
Ihre Kerne sind basal gelegen und kreisrund oder oval. Bei letz- 
teren mift der langste Durchmesser 7,2 uw, die Breite betragt 
3,6 uw; bei ersteren entspricht der Durchmesser dem Breitenmaf 
der Zelle. Die Pinselzellen sind, wie in den Papillen, im Schnitte 


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Der Mantelrand der Acephalen. 107 


als solche nicht mehr zu erkennen. Auch auf der Aufenflaiche 
kommen Mucindriisen vor, nur sind sie hier bedeutend reichlicher 
vorhanden als innen. 

In viélliger Ubereinstimmung mit Tellina nitida zeigen sich 
die histiologischen Einzelheiten der Siphonen bei Tellina planata. 

Bei Donax trunculus findet sich eine Abweichung nur 
hinsichtlich der sekretorischen Apparate. Dieselben, die als Mucin 
bereitende sich darstellen, sind in den Siphopapillen sehr stark 
entwickelt und imponieren hier als amorphe Massen, welche in 
den Liicken zwischen den Epithelzellen sowohl der Innen- wie der 
Aufenwand miinden (Fig. 38 md). Auf der Sipho-Innenflache sind 
sowohl einzellige Mucindriisen als auch amorphe Mucinmassen 
promiscue vorhanden, indessen nicht in der reichlichen Entwicke- 
lung wie in den Papillen. An der AufSenflache der Siphonen da- 
gegen fehlen Driisen vollstindig. 

Ich komme zur Schilderung des Mantelrandes, welcher 
bei beiden Tellinae und bei Donax vollkommen iibereinstimmende 
Verhaltnisse zeigt. 

Zunachst fallen durch ihre tiber das Niveau des Randes her- 
vorragende Hohe die Papillen auf, welche man schon bei makro- 
skopischer Betrachtung erkennen kann. Eine solche Papille hat 
im konservierten Objekte eine ungefahre Lingenausdehnung von 
0,33 mm und eine basale Breite von circa 0,15 mm; ihre Gestalt ist 
kegelf6rmig. Nach auSen von denselben finden sich drei im Schnitte 
konisch aussehende Randfalten, die kaum halb so hoch sind, wie die 
Papillen. Nach innen von letzteren trifft man eine Falte, deren 
Langsachse lotrecht auf der der Papillen steht; sie ist also dem 
Branchialraum zugekehrt. Uber das Epithel ist nicht viel aus- 
zusagen. Es besteht im allgemeinen aus 16,2 « hohen, 7,2 
breiten Cylinderzellen — nur in der letzterwahnten Falte sind 
die Zellen niedriger — mit schmalem, wimperfreiem cuticularem 
Saume und basal gelegenen ovalen Kernen. Zwischen diesen in- 
differenten Zellen trifft man in den Papillen des Randes ab und 
zu ganz schmale Zellen, deren stabchenformige Kerne in die Sub- 
stanz der Papillen hineinreichen, also noch medialwarts von der 
basalen Grenze der indifferenten Zellen zu treffen sind. Das sind 
die Pinselzellen der Papillen und dies hier der einzige Ort, wo 
sie, wenigstens in meinen Praparaten von den Siphonen und dem 
Rande, in Schnitten erkennbar sind. 

Im Rande kommen an sekretorischen Elementen nur 
Mucindriisen vor. Sie finden sich ausschlieSlich proximalwarts 


108 Dr. Bernhard Rawitz, 


der quer in den Branchialraum hineinsehenden Falte, kénnen 
somit schon als zum Mantel selber gehérig betrachtet werden. 
In den Papillen und in den Falten fehlen Driisen sowie amorphe 
Massen vollstandig. 

An Nerven, deren Verteilung in den Siphonen am deut- 
lichsten an Querschnitten erkannt wird, sind sowohl im Anal- wie 
im Branchialsipho sechs Stémme vorhanden, deren Lagerung in 
der Substanz bei den hier behandelten drei Arten ganz die gleiche 
ist, wie bei Psammobia. Infolge des Fehlens der Seitenlinien 
kommen natiirlich auch jene radiar durch die Siphonen gehenden 
Aste nicht vor. In den Siphopapillen verlaufen die von den Haupt- 
nerven stammenden Zweige, die zahlreiche multipolare Ganglien- 
zellen enthalten, in der Lingsachse, der Innenflache etwas ge- 
nahert. Sie gehen nicht bis in die Spitze hinein, sondern 
enden etwa an der Grenze zwischen dem distalen dritten und 
vierten Viertel der Papillen. In der Spitze finden sich nur 
Fibrillen, die zerstreut liegen und deren letzte Endigung nicht zu 
eruieren ist. 

Beziiglich der Muskulatur der Siphonen sei auf das bei 
Psammobia Gesagte verwiesen, da diese Verhaltnisse bei allen 
Tellinaceen die gleichen sind. 


IX. Myacea. 
(Fig. 39—53.) 


Untersucht wurden aus der Familie der Solenidae: Sole- 
curtus strigillatus L., Solen ensis L., Solen legumen L., Solen si- 
liqua L. und Solen vagina L.; aus der Familie der Anatinidae 
Lyonsia arenosa; aus der Familie der Mactridae Mactra stul- 
torum L. und Mactra helvacea Cuemn.; aus der Familie der 
M yidae endlich Mya arenaria L. Die letztere Muschel stammte 
aus der Kieler Bucht, die iibrigen Arten sammelte ich in Neapel. 


A. Allgemeines. 


Der Mantelrand von Solecurtus strigillatus L., welcher 
sich vom Mantel durch eine kammartige Falte deutlich absetzt, 
liegt an seiner Basis der Schaleninnenflache dicht an und ist hier 
sebr dick. Der Medianlinie zu entfernt er sich von der Schale, 


Der Mantelrand der Acephalen, 109 


verschmiichtigt sich allmihlich und endet mit scharfem Kontur, 
In der oralen Halfte tiberdeckt er den sehr machtig entwickelten 
Fu’. In der aboralen Halfte, genau von der Mitte der Schalen 
ab, findet sich eine Verdickung, die mit der der gegeniiberliegen- 
den Seite verwichst, so eine Decke fiir die hier hegenden Kiemen 
bildend. Kurz yor dem hinteren Ende der Schalen schligt sich 
diese Decke nach unten und vorn um und geht in eine weite 
Rohre tiber, welche die Kiemenenden enthalt. Am distalen Ende 
der Réhre entspringen die vollstandig voneinander getrennten 
Siphonen, von welchen der ventrale linger und breiter ist und 
ein viel gréferes Lumen besitzt, als der dorsale. Sie heben sich 
turmartig von ihrer Ursprungsstatte ab. Die Farbe aller frei- 
liegenden Kérpergegenden ist ein schénes Rotbraun. In den Si- 
phonen finden sich Streifen, welche in deren Liingsachse verlaufen 
und vollig pigmentfrei sind; dieselben treten daher als weibe 
Linien, namentlich wenn das Tier die Siphonen weit ausgestreckt 
hat, sebr scharf hervor. Man kann Haupt- und Nebenstreifen 
unterscheiden. Die Hauptstreifen, die ziemlich breit sind, enden 
jeder in eine kurze kegelférmige Papille, die auf dem freien Ende 
der Siphonen steht; diese Papillen kontrahieren sich bei der Kon- 
servierung bis zur Unkenntlichkeit, selbst dann, wenn die Siphonen 
ziemlich ausgestreckt bleiben. Die Nebenstreifen, doppelt so zahl- 
reich und viel schmaler als die Hauptstreifen, gehen nie in eine 
Papille iiber. Der Atemsipho hat sechs Hauptstreifen und dem- 
gemil} ebensoviele Papillen; der Kloakensipho hat die doppelte 
Zahl von Hauptstreifen und Papillen. 

Es seien hier noch einige an den lebenden Exemplaren von 
Solecurtus zu beobachtende physiologische Erscheinungen er- 
wahnt. 

Beriihrt man vorsichtig mit einer Nadelspitze die Enden der 
Siphonen entfernt von der Stelle, wo die kurzen kegelférmigen 
Papillen sich finden, oder streicht man sanft mit der Nadel die 
gefarbten Partieen der Siphooberflaiche entlang, oder endlich be- 
rihrt man die Innenfliche der weit geédtfneten Siphonen: in allen 
Fallen erhilt man nur eine ganz minimale Reaktion. Erst dann 
wird dieselbe starker, wenn auch der ausgeibte Reiz ein groéferer 
wird, und zwar muf er so sehr verstarkt werden, daf er gerade- 
zu eine Verletzung hervorruft, um eine Retraktion der Siphonen 
auszulésen. Sehr viel leichter dagegen ist ein Erfolg zu erzielen, 
wenn man die farbfreien Hauptstreifen, welche in Papillen tber- 
gehen, reizt; hier werden unmittelbar auf den Insult die Siphonen 


110 Dr. Bernhard Rawitz, 


eingezogen; Reizung vou den Nebenstreifen aus bleibt jedoch ef- 
gebnislos. Bei dieser Retraktion, die zugleich mit einer Ver- 
engerung des Lumen verbunden ist, bilden sich an den Siphonen 
ringformige Einschniirungen, so dal dieselben wie aus kleinen 
iibereinander gestellten Damensteinen zusammengesetzt erscheinen. 
Je intensiver der Reiz, um so schneller tritt die Kontraktion ein 
und um so tiefer werden die ringformigen Kinschniirungen, die in 
excessiven Fallen bis zur volligen Lostrennung eines oder einer 
mehr oder minder grofen Zahl eingeschniirter Partieen der Siphonen 
gehen kénnen. Es tritt hier also eine Art Selbstverstiimmelung 
des Tieres ein. Hat man das Tier in alkoholisiertem Seewasser 
langsam absterben lassen und bringt dasselbe dann in ein fixieren- 
des Reagens, so bilden sich gleichfalls zahlreiche ringformige Kin- 
schniirungen; bringt man das lebende Tier in ein Reagens, so 
wirft es die Siphonen unter Bildung von zahlreichen damenstein- 
artigen Fragmenten vollstindig ab. Bei der Konservierung so- 
wohl des betaiubten wie des frischen Tieres tritt noch die eigen- 
tiimliche Erscheinung auf, daf namentlich die distalsten ring- 
formigen Abschnitte der Siphonen oft wie édematés anschwellen, 
wihrend die proximalen gleichzeitig bis zur Unkenntlichkeit 
schrumpfen. Es ist daher nach meinen Erfahrungen unméglich, 
die Siphonen dieser Art in einer fir histiologische Untersuchungen, 
namentlich fiir Liingsschnitte, vollig geeigneten Weise zu konser- 
vieren. 

Die vorsichtige Beriihrung der Siphonen also blieb fast ohne 
Erfolg. Ganz anders aber werden die Erscheinungen, wenn man 
die die Kiemenenden bedeckende Partie priift. Hier geniigt schon 
eine leise Beriihrung mit der Nadelspitze, um eine ziemlich aus- 
giebige Runzelung der Oberflache hervorzurufen, und stirkerer 
Insult hat eine intensive Kontraktion der ganzen Gegend zur 
Folge. 

Auch am Mantelrande sind die Empfindlichkeitsverhaltnisse 
sehr interessant. Beriihrt man sehr vorsichtig dessen innersten 
scharfen Rand am gut ausgestreckten Tiere, so erfolgt eine starke 
und ausgedehnte Kontraktion. Geht man schalenwarts vor, so 
wird die Reaktion immer trager, bis sie von der Stelle ab, wo die 
Epicuticula entspringt, ganz ausbleibt. 

Sehr beachtenswert ist die Art und Weise, wie Solecurtus 
seinen miichtigen Fu8 gebraucht. Entweder benutzt das Tier ihn 
dazu, sich in den Sand einzugraben; dabei macht es mit dem- 
selben zuerst pendelartige Bewegungen, wodurch der Sand beiseite 


Der Mantelrand der Acephalen. 111 


geschafft wird, und steckt ihn dann in die so gemachte Grube 
tief hinein, dadurch den ganzen Koérper senkend. Oder es bewegt 
ihn nach Art eines Fischschwanzes ein paarmal hin und her und 
schieSt dann, ihn plétzlich in die Hohe werfend, in weitem Satze 
durch das Wasser. Bei allen diesen Bewegungen, den grabenden 
wie den zum Sprunge vorbereitenden, liegt das Tier stets auf dem 
Riicken, die Ventralseite also nach oben kehrend. 


Der Mantel von Solen vagina ist ventralwirts in seiner 
ganzen Ausdehnung vollstindig verwachsen. Am vordersten Ende 
findet sich eine ovale Offnung, durch die der keilférmige Fu hin- 
durchgestreckt werden kann. Hier an dieser Stelle ist jederseits 
eine velumartige, nach innen gerichtete Duplikatur des Mantels 
vorhanden, die, wenn der Ful} ganz in die Schalen eingezogen ist, 
sich mit der der Gegenseite beriihrt und so den Branchialraum 
abschlieft. Ist der Fuf hervorgestreckt, so liegen diese Ver- 
langerungen ihm kappenartig an. Die velumartige Verliingerung 
endet mit scharfem Rande und ist ohne Papillen. Dagegen finden 
sich an der Stelle, wo am Riicken sich beide Verlangerungen ver- 
einigen, zwei lange peitschenschnurartig gewundene Tentakel. Die 
ganze ventrale Flaiche ist mit einer sehr dicken Epicuticula iiber- 
zogen, die eine braune, durchsichtige, wachsartig glinzende Haut 
darstellt. Die Siphonen, welche bis auf ihre freien Enden in ihrer 
ganzen Liinge miteinander verwachsen sind, tragen eine geringe 
Anzahl yerschieden groSer Papillen. Sie kénnen, und darin unter- 
scheidet sich diese Art von den noch zu erwahnenden S. siliqua 
und ensis, weit vorgestreckt werden. Kontrahieren sich die Siphonen, 
so treten, wie bei Solecurtus, ringformige Einschniirungen auf, die 
bei heftigen Bewegungen, wie sie auf starke Insulte folgen, bis zur 
villigen Abschniirung einzelner Stiicke fihren kénnen. Atem- und 
Kloakensipho, die sich turmartig von ihrer Ursprungsstiatte er- 
heben, sind duferlich durch eine in der Langsachse sowohl rechts 
wie links verlaufende Linie, welche dem Septum entspricht, von- 
einander abgegrenzt. In den Schnittpunkten der bei der Kon- 
traktion auftretenden ringfoérmigen Einschniirungen mit den die 
Grenzen beider Siphonen markierenden Linien findet man kleine, 
helle Stellen, die von dunkelbraunen Konturen eingesiumt sind. 
Dieselben haben etwa dreieckige Gestalt und kehren ihre Basis 
der Papillenregion, ihre Spitze dem Siphoursprunge zu. Dadurch 
daf diese Flecken in einer Reihe hintereinander liegen, entsteht 
eine Art unterbrochenen Liniensystems, das aber mit dem von 


112 Dr. Bernhard Rawitz, 


Solecurtus beschriebenen darum nicht zu _ parallelisieren ist, 
weil diese Linien nicht zu den Papillen, denen sie an Zahl weit 
nachstehen, hinfiihren. 

Der Mantelrand und die Siphonen von Solen ensis und 
Solen siliqua, welche beide Arten einander vdllig gleichen, 
weichen in manchen Punkten ihrer auberen Konfiguration nicht 
unbedeutend von Solen vagina ab. Am vordersten Ende hat der 
Mantelrand, hierin dem von Solen vagina ahnelnd, einen velum- 
artigen Anhang, der nach innen hangt und mit dem der Gegen- 
seite bei eingezogenem Fue sich beriihrt, so einen Verschluf 
bildend. Am vordersten Teile des Riickens, da, wo diese Anhange 
miteinander verwachsen sind, finden sich, ebenfalls wie bei Solen 
vagina, zwei lange Tentakel. Der Mantel selber ist ventralwarts 
von vorn bis etwas tber die Mitte hinaus offen, so da’ der Ful 
sich hier herausstrecken kann. Am hintersten Teile der offenen 
Stelle, welche dem hinteren Ende der Mundlappen entspricht, 
findet sich jederseits eine einzige Reihe kegelférmiger Papillen. 
Von dieser Papillepregion aus nach hinten sind die Mantelhalften 
ventralwarts verwachsen; die Verwachsungsstelle macht sich als 
ein heller Streifen bemerklich. Der Rand geht dann iiber in die 
beiden kurzen und getrennten Siphonen, von denen der ventrale 
wesentlich starkere Wandungen und ein weiteres Lumen besitzt, 
als der dorsale. Dieselben sind mit Papillen von Kegelgestalt be- 
setzt, die um die Offnungen einen mehrreihigen Kranz bilden. Zu 
innerst stehen sie sehr dicht und sind zart und kurz, nach aufen 
zu nimmt ihre Zahl ab und gleichzeitig werden sie umfangreicher 
und langer. Die Papillen sind sowohl an ihren Basen wie an ihren 
Seiten braunlich pigmentiert; die seitlichen Pigmentstreifen, in 
jeder Papille zwei, sind so gestellt, da’ sie dem Lumen des Sipho 
zu- bezw. abgewendet sind. Von der Basis der zinnenartig vor- 
springenden Siphonen durch ein schmales Thal getrennt, findet 
sich eine vom Mantelrande stammende, der Schale dicht anlie- 
vende Falte, die mit einer einzigen Reihe sehr kurzer, nicht pig- 
mentierter Papillen besetzt ist. Die Epicuticula, welche die ven- 
trale Flache des Randes tiberzieht, hat dasselbe Aussehen, wie bei 
S. vagina. 

sei Solen legumen sind die Siphonen bis auf die Wurzel 
vuneinander getrennt und kénnen sehr weit hervorgestreckt werden, 
so daf sich diese Art dadurch von den tibrigen Soleniden deutlich 
unterscbeidet. Sie sind an ihren Miindungen von mehreren Reihen 


Der Mantelrand der Acephalen. 113 


kegelférmiger, farbloser Papillen umkranzt. Es unterscheidet sich 
diese Art ferner von allen bisher betrachteten Siphoniaten, mit 
Ausnahme von Cyprina, welche zwei getrennte Siphonen haben, 
dadurch, daf der Analsipho viel weiter vorgestreckt werden kann, 
als der Branchialsipho, stimmt aber insofern mit ihnen iiberein, 
als letzterer ein weiteres Lumen besitzt als ersterer. Beide Mantel- 
halften sind ventralwarts in ihrer ganzen Ausdehnung miteinander 
verwachsen. Auf der dem Branchialraum zugekehrten Fliche der 
verwachsenen Partie finden sich zwei (jederseits der Medianlinie 
eine) schmale Falten, die hinten bis zur Siphowurzel reichen, nach 
vorn durch die ganze Lange des Randes sich erstrecken und an dem 
Schlitz fiir den Fuf enden. Am vordersten Ende nimlich tritt 
der Fuf aus dem Mantelraum heraus und hier ist eine ganz kurze 
Strecke weit der Mantel ventralwarts aufgeschlitzt. Der Rand ist 
an dem Schlitze mit sehr kurzen, kegelférmigen Papillen besetzt, 
die in einer Reihe angeordnet und ziemlich spirlich vorhanden 
sind. Die Epicuticula, welche die ventrale Flache iiberzieht, hat 
die gleiche Beschaffenheit, wie die von Solen siliqua und vagina. 


Die Siphonen von Lyonsia arenosa sind in ihrer ganzen 
Ausdehnung miteinander verwachsen und auf ihrer Aufenflache 
von der Epicuticula tiberzogen. Ihre Miindungen sind von mehreren 
Reihen von Papillen umsiiumt. Auch die Mantelrainder sind ven- 
tralwirts vollkommen yon vorn bis hinten verwachsen. 


Bei Mactra stultorum und helvacea, die einander bis 
auf kleine nebensachliche Differenzen vdéllig gleichen, sind die 
Mantelhalften ventralwarts nicht verwachsen, sondern in ihrer 
ganzen Ausdehnung offen. Die Réinder sind mit der Epicuticula 
bedeckt; zieht man diese ab, so sieht man eine groBe Zahl kurzer, 
kegelférmiger Papillen in einer Reihe der Lange nach angeordnet, 
welche dem Mantelrande ein leicht gezalfmeltes Aussehen geben, 
Die Siphonen, an ihren Miindungen von kegelférmigen Papillen 
umstanden, sind vollsténdig miteinander verwachsen; die Epicuti- 
cula bedeckt ihre basalen Partieen. 


Uber Mya arenaria ist folgendes anzumerken. Der Mantel 
ist ventralwarts in der ganzen Ausdehnuug verwachsen, nur am 
vordersten Kérperende findet sich ein laingsovaler Schlitz, durch 
welchen der Fuf hindurchtritt (cfr. auch Meyer und Méstus 30). 

Bd, XXVII. N. F. XX. 8 


114 Dr. Bernhard Rawitz, 


Nach hinten ist der Mantel in zwei sehr grofe Siphonen ausge- 
zogen, die in ihrer ganzen Lange miteinander verwachsen sind. 
Beide sind also gleich lang, der Atemsipho aber hat ein weiteres 
Lumen als der Kloakensipho. Beider Offnungen sind von zwei 
Reihen kegelférmiger Papillen umstanden, von denen die der in- 
neren Reihe kurz und diinn, die der 4ueren langer und dick sind. 
Die Siphonen sind von einer Epicuticula tiberzogen, die sehr dick 
und von dunkelbrauner Farbe ist. Sie ist im allgemeinen weich 
und sehr weit, so daf sie sich bei Kontraktion der Siphonen in 
dicke Falten legt. Zieht man die Epicuticula von ihrer Unterlage 
ab, so erkennt man, da die Siphonen in ihrer basalen Halfte nur 
wenig oder gar nicht pigmentiert sind, in ihrer distalen Halfte 
dagegen fast schwarz erscheinen. Die Papillen lassen bei makro- 
skopischer Betrachtung eine Pigmentierung nicht erkennen. Schneidet 
man die Siphonen der Lange nach auf, so ist diejenige Partie der 
Innenflache derselben, welche an die Papillarregion dicht angrenzt, 
sehr intensiv pigmentiert; mehr proximalwarts wird die Pigmen- 
tierung schwacher und erscheint nur noch in Form von zarten 
dunklen Streifen. Im basalen Viertel fehlt sie, ganz wie aufen, 
iiberhaupt. Die Epicuticula der Siphonen setzt sich kontinuierlich 
auf die 4ufere Flache des Randes fort, ist hier aber diinn und 
von schmutziggrauer Farbe. Der Fufschlitz ist von der Epicuti- 
cula nicht iiberdacht. Zieht man sie vom Rande ab, so erscheint 
derselbe vollkommen farblos in seiner ganzen Ausdehnung. Man 
findet auf ihm beiderseits der Medianlinie je eine Falte, die kamm- 
artig vorspringend bis nach vorn zieht und am Fulschlitze dicht 
dem inneren leicht gefranzten Rande desselben anliegt. Der Rand 
grenzt sich nach aufen gegen den Mantel ab durch eine scharfe, 
weifliche Linie, welche am Fufschlitze zu einer deutlich hervor- 
springenden Falte anwachst. Hat man den Rand in der Median- 
linie aufgeschnitten, so erscheint seine Innenfliche ganz glatt und 
ohne besondere Differenzierungen. Nur am Fufschlitze ist auf der 
Innenfliche eine Bildung zu treffen, welche dem von Cardium 
edule her bekannten weiflichen Fleck auf der Innenflache der vor- 
deren Mantelpartie ahnelt. Man sieht hier naimlich einen linsen- 
formigen, leicht gelblichen Fleck, dessen Oberfliche im konser- 
vierten Objekte quergerunzelt (quer zur Lingsachse des Tieres) 
erscheint. Der Fleck, der keine wulstférmige Verdickung der 
Innenwand bedingt, denn er ragt gar nicht oder doch nur in ganz 
geringem Mafe iiber das Niveau seiner Umgebung hervor, hat 


Der Mantelrand der Acephalen. 115 


dieselbe Ausdehnung wie der Schlitz. Sein vorderes Ende ist konvex 
abgerundet, sein hinteres Ende ein wenig spitz ausgezogen. 


Ich wende mich nunmehr zur Beschreibung der Inner- 

vation der uns hier interessierenden Partieen. 
Bei Solecurtus strigil- 

latus sendet das Visceral- 
ganglion von seiner vorderen 
Flache nach yorn ab die beiden 
Konnektive, wahrend von den 
vorderen Winkeln in einem nach 
vorn konvexen Bogen die Kie- 
mennerven entspringen. Nach 
hinten, von der hinteren Flache, 
dicht an der Medianlinie ent- 
springend, entfernen sich zwei 
diinne Nervenastchen, die sich 
im Muskel und vielleicht auch 
(etwas Definitives habe ich 
nicht feststellen kénnen) in der 
Afterpapille verzweigen. Von 
den hintern Winkeln des Gang- 
lion entspringt jederseits ein 


machtiger Nervenstamm, wel- te et & 

. = . : Schematische Darstellung des 
cher die Fasern fiir die Sipho- Centralnervensystems von 
nen und den Mantelrand ent- Solecurtus strigillatus. 


E i C. Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceralgan- 
halt. Derselbe verlauft zu- glion; ndr. Kiemennery ; com. Commissur ; 


nachst schrag nach hinten auBen ””- Muskelnerven ; _npp. nervus pallialis 
fh : 5 ; posterior; usd. Ast fiir den dorsalen Sipho ; 
und giebt hierbei von seiner 75, Aste fiir den Branchialsipho; np Man- 
Innenflache einen Ast ab, wel- telnerv. 
cher in den dorsalen Sipho tritt. Kurz nach Abgang dieser Ner- 
ven biegt der Hauptstamm in leichtem Bogen direkt nach aufen 
um und zerfallt schlieZlich in drei Endaste, von denen der innere 
und mittlere sich nach hinten wenden und den Atemsipho inner- 
vieren, wahrend der aufere Endast in kurzem, scharfem Bogen 
nach vorn geht und, im Mantelrande verlaufend, diesen und den 
Mantel versorgt. Diese drei Aste sind ziemlich starke Nerven. 
Von den durch eine Commissur verbundenen Cerebralganglien 
gehen ab nach hinten die Konnektive und nach vorn jeder- 
seits ein sehr zarter Nerv, der jedenfalls den vorderen Schlieb- 
muskel versorgt und zum Mantel umbiegt. Bei den grofen 
g* 


116 Dr. Bernhard Rawitz, 


Schwierigkeiten, welche durch die ungemeine Kontraktilitat der 
betreffenden Partieen fiir die Praparation vorhanden sind, habe 
ich tiber das endliche Schicksal dieser Nerven nichts feststellen 
kénnen. 

Bei Solen siliqua — von den 
iibrigen untersuchten Soleniden habe 
ich das Nervensystem nicht prapa- 
riert — sind die Verhaltnisse fol- 
gende: Das Visceralganglion, das, 
wie Duvernoy (10; XXIV Mono- 
graphie) ganz richtig angiebt, im 
Verhaltnis zur GréSe des Tieres 
relativ klein ist, sendet von seiner 
vorderen Flache nach vorn die bei- 
den Cerebrovisceralkonnektive, nach 
den Seiten von den vorderen Win- 
keln die beiden Kiemennerven. Nach 
hinten gehen aus den hinteren Win- 
keln zwei starke Nerven, jederseits 
der Medianlinie einer, in schrager 
Richtung ab, welche die Fasern fiir 
den hinteren SchlieSmuskel, die 
Siphonen und den Mantelrand ent- 
halten. Dicht hinter der Afterpa- 
pille entspringen von der Innenseite 
des Hauptstammes drei bis vier 
Nerven kurz nacheinander, von 


Fig. III. 


Schematische Darstellung i i 
desCentralnervensystems denen der am meisten proximal ge- 


von Solen siliqua. D . 3 
C. Cerebral, P. Pedal., V. Vis- legene im Muskel sich verzweigt, 


ceralganglion; com. Commissur ; wihrend die ubrigen zum Analsipho 
nbr. Kiemennerv; mpp. nervus pal- yiehen und hier dessen proximale 
lialis posterior; mpa. nervus palli- 4 : ® a 

alis anterior; mm. Muskelnerven; ZWei Drittel innervieren. Meistens 
nsd. Dorsalsiphonerven; nsb. Bran- zwischen dem zweiten und dritten 
chialsiphonerven; mp. Mantelnerv ; 4 y J 
nv. Velumnerven; J, J, II, 7V seltener zwischen dem dritten und 
piper, vierten dieser Nerven entspringt von 
der AufSenseite des Hauptstammes ein zarter Ast, welcher im 
Bogen nach vorn biegt und bis zu der Stelle des Mantels zu ver- 
folgen ist, an der sich die friiher beschriebenen kurzen, den Mund- 
lappen gegeniiberliegenden Papillen befinden. Er verliuft an der 
Grenze zwischen Mantel und Mantelrand. Kurz nach dem Ab- 


gange des letzten der vorhin erwahnten, von der Innenseite des 


Der Mantelrand der Acephalen. 117 


Hauptstammes sich abzweigenden Nerven zerfallt der Hauptstamm 
selber dichotomisch in zwei Endaste. Der innere derselben, wel- 
cher zugleich der schwiichere ist, geht in den Analsipho hinein 
und versorgt dessen distales Drittel. Der aufere stirkere End- 
ast teilt sich noch einmal in zwei Zweige, von denen der innere 
sich im branchialen Sipho verliert, wahrend der aufere derselben 
nur zum kleineren Teil Fasern fiir die Papillen des Atemsipho 
fiihrt, zum gréBeren Teile die hintersten Mantelpartieen versorgt, 
sich dabei nach vorn wendend. Duvernoy (10; p. 144), von 
dessen Beschreibung die meinige bedeutend abweicht — die Ab- 
weichungen hier naiher zu erértern, liegt nicht im Plane der Ab- 
handlung —, giebt an, daf derjenige der von ihm gefundenen 
Nerven, welcher sich im Analsipho verzweigen soll, einen kleinen, 
arkadenférmig gebogenen Ast zur Kommunikation mit dem Bran- 
chialsiphonerven entsendet. Weder diese Angabe noch jene an- 
dere, wonach sich der die hinterste Mantelpartie versorgende 
Zweig mit dem vorhin erwihnten, im Mantel verlaufenden Nerven 
vereinigen soll, vermag ich zu bestitigen, wie ich denn iiberhaupt 
die vielfachen Plexusbildungen, die Duvernoy hier beschreibt 
und zeichnet, trotz gréf&ter Aufmerksamkeit nicht habe wieder- 
finden kénnen. 

Von den durch die Commissur verbundenen Cerebralganglion 
gehen ab nach hinten die Konnektive zum Visceralganglion und 
zum Pedalganglion. Nach vorn kommt aus ihnen, aufer einem 
zarten Nerven fiir den vorderen Muskel, jederseits ein Nerv, der 
in weitem Bogen sich nach hinten umschliagt und sich mit dem 
vom Visceralganglion stammenden Nerven im Mantel vereinigt. 
Auf diesem Wege giebt der Nerv kurz vor seiner Umbiegung zwei 
zarte Aste ab, die zum velumartigen Anhange des Mantels sich 
begeben. Weiter nach hinten, jenseits der Umbiegung kommt 
aus dem Nerven, der an dieser Stelle eine leichte Kinknickung 
zeigt, ein zarter Ast, der sich bald dichotomisch teilt und zu den 
vordersten Mantelpartieen sich begiebt. 


Duvernoy beschreibt in der XIX. Monographie seines be- 
riihmten Werkes das Nervensystem von Mactra semistriata und 
fiihrt dabei aus, daf dasselbe sehr grofe Ubereinstimmung mit dem 
von Cytherea complanata zeige. Ich kann dies fiir das Nerven- 
system von Mactra stultorum bestatigen. Dasselbe gleicht 
in allen Hauptsachen in seiner Konfiguration dem der Veneriden ; 
da es ferner in nichts von dem der Mactra semistriata abweicht, 


118 Dr. Bernhard Rawitz, 


so kann ich hinsichtlich dieser Art einfach auf die DuveRrNoy- 
sche Auseinandersetzung hinweisen. 


Anders liegt die Sache bei Mya arenaria. Die Ergebnisse, 
die ich hinsichtlich der Nervenverteilung in Mantel und Siphonen 
bei dieser Art durch Praparation erhielt, weichen nicht unbetracht- 
lich von denen ab, die DuvERNoy in der XX. Monographie von 
der gleichen Species schildert. 

Das Visceralganglion ist in 
seiner vorderen Partie in zwei 
konische Fortsatze ausgezogen, 
welche in die beiden Cere- 
brovisceralkonnektive tibergehen. 
Seitlich von denselben, mehr von 
der ventralen Flache des Ganglion, 
kommen die Kiemennerven her- 
vor, welche zunachst eine ziem- 
liche Strecke weit schrag nach 
auBen und vorn verlaufen, da- 
durch mit den Konnektiven einen 
spitzen Winkel bildend, und erst 
spater im Bogen sich zu den 
Kiemen wenden. Dicht am Ur- 
sprunge der Kiemennerven gehen 
aus denselben nacheinander zwei 
feine Fasern hervor, die nach in- 
nen konvergierend sich bald ver- 
einigen; der aus der Vereinigung 


if } 
ns@ vA ea > 
Fig. IV. 


Schematische Darstellung 
des Centralnervensystems 
von Mya arenaria. 


C. Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceral- 
ganglion; com. Commissur; nbr. Kie- 
mennerv ; 7c. nervi communicantes zum 
Konnektiv; mm. Muskelnerven; pp. 
nervus pallialis posterior ; npa. nervus 
pallialis anterior; nsd. Analsiphonerv; 
ms. Septalnerv; sb. Branchialsipho- 
nerv; mpi. innerer, npe. diuferer Man- 


entstandene Nery geht dann in 
das Konnektiv tiber. Nach hin- 
ten von den _ Branchialnerven 
kommt jederseits ein Nerv aus 
der Seitenwand des Ganglion mit 
doppelter Wurzel hervor, der sich 
im Muskel verliert. Das Visceral- 
ganglion setzt sich dann nach 


felner ya fleck, hinten in zwei breite divergierende 


Nervenstamme fort, welche Siphonen und Mantel versorgen. Dicht 
hinter dem hinteren Ende des Muskels entspringt von der Innen- 
flache eines jeden Stammes ein Nerv, der sich bald in drei Aste 
spaltet. Dieselben verzweigen sich im Analsipho, der somit sechs 


Der Mantelrand der Acephalen. 119 


Hauptnerven enthalt. Weiter abwarts geht dann von der Innen- 
seite des Hauptstammes ein Nerv ab, der in das Septum tritt; 
dieses hat also zwei Nerven. Weiter entspringen dann ebenfalls 
von der Innenseite des Hauptstammes dicht nebeneinander vier 
Nerven, welche den Branchialsipho, der also acht Hauptnerven 
besitzt, innervieren. Beide Siphonen und das Septum haben so- 
nach 16 Nerven. Der schmale Rest des Stammes geht in den 
Mantelrand bogenférmig hinein und verlauft hier als auSerer 
Mantelnerv in dessen Substanz nach vorn. Zwischen dem Nerven 
fiir den dorsalen Sipho und dem fiir das Septum entspringt auf 
der AuBenflaiche des Hauptstammes ein zarter Ast, der zundchst 
parallel zum Hauptstamm, dann parallel zum au8eren als innerer 
Mantelnerv bogenférmig nach vorn sich begiebt, an der Grenze 
zwischen Rand und Mantel verlaufend. Kommunikationen zwi- 
schen diesen Mantelnerven habe ich durch Praparation nicht nach- 
weisen k6énnen. 

Von den durch eine Kommissur verbundenen Cerebralganglien 
gehen ab nach hinten die Konnektive. Von der vorderen Flache 
entspringen jederseits zwei Nerven; der innere zarte Ast ist fir 
den vorderen SchlieSmuskel bestimmt, der dufere Ast geht in 
steilem Bogen nach hinten, tritt in den Mantel ein und teilt sich 
hier in zwei nach hinten verlaufende Zweige; der auBere Zweig 
vereinigt sich mit dem auBeren, der innere mit dem inneren der 
beiden aus dem Visceralganglion stammenden Nerven; jener ver- 
lauft in der Substanz des Randes, dieser in der Grenze zwischen 
Rand und Mantel. Zwischen den beiden Nerven ist der friiher 
beschriebene, am Fufschlitze sich findende gelbliche Fleck gelegen. 


B. Spezielle Beschreibung. 


Wie die auSere Konfiguration der Siphonen und des Mantels 
bei den von mir untersuchten Arten dieser Ordnung eine sehr 
verschiedene ist, so ist dies auch hinsichtlich des feineren Baues 
der Fall; es miissen daher die einzelnen Arten gesondert behan- 
delt werden. 

Solecurtus strigillatus. Die folgenden die Siphonen 
betreffenden Details sind, da aus den in der allgemeinen Beschrei- 
bung entwickelten Griinden Material, das zu Langsschnitten sich 
eignete, nicht zu erhalten war, ausschlieSlich an Querschnitten 
gewonnen. 


120 Dr. Bernhard Rawitz, 


Betrachtet man den Querschnitt des Atemsipho mit sehr 
schwachen Linsen, so erhalt man folgendes Bild (Fig. 39). Der 
Sipho erscheint infolge seiner auferordentlich starken Kontraktion 
als eine kompakte Masse, die in der Mitte eine feine Offnung, das 
Lumen, enthalt. Dieses Lumen ist nicht kreisrund, sondern un- 
regelmaBig sternformig gezackt. Man erkennt sieben Strahlen, 
welche sich an ihren gegen die Siphosubstanz gekehrten Spitzen 
meistens gabelig spalten. Diese Formation ist dadurch entstanden, 
daf der epitheliale Belag der Innenflache und die zu demselben 
gehérige Muskulatur sich bei der Konservierung in hohe und nie- 
drige Falten gelegt hat, derart, da zwischen einer hohen fast 
immer eine niedrige, im Schnitte als Zotte erscheinende Falte sich 
findet (Fig. 39). Das ganze Bild erinnert lebhaft an die Quer- 
schnittsbilder, die man vom Darme kleiner Vertebraten erhalt. 
In den Zotten liegen Driisen, welche infolge ihrer Massenhaftigkeit 
und ihres spater noch zu schildernden tinktorialen Verhaltens 
selbst bei so schwacher Vergréferung, wie sie Zei8B a* liefert, 
deutlich sichtbar sind (Fig. 39 md). Dabei hat es den Anschein, 
als ob die Driisen nur in den hohen Zotten vorkommen, in den 
niedrigen aber fehlen. Die AufSenflache zeigt, im Gegensatze zur 
inneren, eine gleichmafige, kreisférmige Begrenzung, eine irgend- 
wie erhebliche Zottenbildung fehlt. Hier finden sich, ganz wie 
innen, zahlreiche Driisen vor (Fig. 39 md). 

Das Bild, das der Analsipho im Querschnitte darbietet, 
weicht insofern von dem des Branchialsipho ab, als der Umfang 
ein viel geringerer ist, die Zotten, welche gegen das Lumen vor- 
springen, dagegen sehr viel zahlreicher sind. Hinsichtlich der 
feineren, nur bei Anwendung starker Linsensysteme erkennbaren 
Details gleichen beide Siphonen einander véllig. 

Das Epithel der Sipho-Aufenflache besteht aus Cylinder- 
zellen von 10,8 4 Hohe, die einen hellen cuticularen Saum von 
3,6 w besitzen. Wimpern kommen auf demselben nicht vor; Kérn- 
chenbrei als Andeutung zerstérter Sinnesborsten ist nur spurweise 
auf dem Saume zu finden. Die indifferenten Epithelzellen, deren 
basale wurzelférmige Ausfaserung, die man sonst nur in Mace- 
rationspraparaten zu sehen bekommt, auch im Schnitte sehr deut- 
lich erkennbar ist, sind 3,6 wu breit. Ihre Kerne sind basal gelegen 
und kreisrund oder oval; der Langsdurchmesser der letzteren be- 
tragt 15,4, der Breitendurchmesser entspricht dem der Zellen. 
Die Epithelzellen sind hier, wie auch in den itibrigen noch zu be- 
schreibenden Partieen pigmentfrei. Die schéne rotbraune Farbung 


Der Mantelrand der Acephalen. 121 


der frei liegenden Ké6rperteile des lebenden Tieres ist im konser- 
vierten Objekte nicht mehr zu sehen, der Farbstoff ist durch den 
zur Aufbewahrung verwendeten Alkohol vollig ausgezogen worden. 
Zwischen den indifferenten findet man sehr sparlich ganz schmale 
Zellen liegen, deren stabchenformige, intensiv gefarbte Kerne tiefer 
in die Substanz des Sipho sich hinein erstrecken, als die basale 
Ausfaserung der anderen Zellen reicht. Zuweilen kann man einen 
feinen Faden an die Basen dieser schmalen Zellen herantreten sehen. 
Es sind dies offenbar die Pinselzellen der Sipho-Aufenflache. 

Die makroskopische Betrachtung hatte gelehrt, daf an der 
Aufienwand der Siphonen helle Streifen vorhanden sind. Diesen 
Streifen entsprechen im mikroskopischen Schnitte ganz bestimmte 
Bildungen (Fig. 40 so). An zahlreichen Stellen senkt sich das 
Epithel tief ein, ungefahr 108 «, und es erheben sich hier vom 
Grunde papillenahnliche Gebilde, welche niemals tiber das Niveau 
des Epitheis der Aufenfliche hervorragen, sondern stets tief in 
der Bucht bleiben (Fig. 40). Dieselben sind an der Basis etwa 
40 w, an ihrer breitesten Stelle circa 66 « breit. Thr epithelialer 
Belag besteht an den Seitenflachen aus gewoéhnlichen indifferenten, 
an der freien Flache ausschlieSlich aus Pinselzellen (Fig. 40 sz), 
welche durch ihr vorhin beschriebenes Aussehen und durch reich- 
lichen, auf ihrem freien Saume lagernden K6rnchenbrei sich scharf 
von den indifferenten unterscheiden (Fig. 40 hk). Man sieht ganz 
deutlich zu allen diesen papillenahnlichen Bildungen Muskeln und 
Nervenfasern radiir durch die Siphosubstanz ziehen (Fig. 40 7). 
In der Nahe der Basen der Pinselzellen finden sich im subepi- 
thelialen Gewebe zahlreiche vielstrahlige Zellen mit grofen, blaschen- 
formigen Kernen. Dieselben sind Ganglienzellen (Fig. 40 gz), wie 
daraus hervorgeht, daf die Nervenfasern erst durch ihre Vermit- 
telung in die Sinneszellen eintreten. Es diirfte wohl keinem Zweifel 
unterliegen, daf die Art und Weise, wie sich die am lebenden 
Tiere zu beobachtenden hellen Streifen im Schnitte prasentieren, auf 
die durch die Konservierung bedingte Schrumpfung zuriickzufiihren, 
also als ein Kunstprodukt zu betrachten ist. Die Papillen wiirden, 
falls sie in vivo in dieser Form yorkimen, in ihrer Gesamtheit 
Bildungen darstellen, etwa wie bei Psammobia vespertina, welche 
Species bekanntlich aufere Rippen — Seitenlinien — an ihren 
Siphonen besitzt. Solche Erhebungen kommen aber bei dem leben- 
den Solecurtus nicht vor, die farbfreien Streifen iiberragen nicht 
im geringsten die Aufenflache, die papillenartigen Gebilde sind 
also nicht der Ausdruck thatsichlicher Verhaltnisse. Andererseits 


122 Dr. Bernhard Rawitz, 


aber diinkt mich durch das am lebenden Tiere Beobachtete wie 
durch die Erkenntnis des ausschlieSlichen Vorkommens von Pinsel- 
zellen auf der Héhe der sogenannten Papillen — und diese Héhe 
allein entspricht den Streifen — véllig sichergestellt, da’ die farb- 
freien Seitenstreifen der Sipho-AufSenflache der hauptsachliche Sitz 
der Sensibilitat sind; dieselben wiirden darnach in Analogie mit 
den Rippen der Siphonen von Psammobia zu bringen, also als 
Seitenlinien zu betrachten sein. Wie aus den friiher mitgeteilten 
Beobachtungen hervorgeht, kénnen nur die von mir sogenannten 
, Hauptstreifen“ Sitz dieser Bildungen sein. 

Ich wende mich zu den Drtisen der AufSenflache 
(Fig. 41). Aus den tinktorialen Reaktionen derselben ergiebt sich, 
da8 wir es hier mit Mucindriisen zu thun haben. Die Driisen- 
region reicht von der Basis des Epithels ab etwa 0,3 mm tief in 
die Substanz des Sipho hinein. Die einzelnen Driisen sind sehr 
lange, schmale Gebilde, welche durch interepitheliale Liicken nach 
aufen miinden. Sie sind deutlich mehrzellig und zeigen bei An- 
wendung starkerer Linsen eine hochst. zierliche Zeichnung 
(Fig. 41 md). Die Grundsubstanz ist z. B. in Hamatoxylin blaf- 
blau gefiirbt und beherbergt ein Netzwerk, das aus zarten, inten- 
siv dunkelblau tingierten Strangen geflochten ist. Sind die Maschen 
des Netzes weit, so ist die Farbung der Driisen in Hamatoxylin 
eine hellblaue; je enger sie werden, um se intensiver wird auch die 
Farbung. In den Seitenstreifen und deren nachster Umgebung, 
also in den papillenartigen Bildungen, kommen Driisen nicht vor. 

Die Innenflaiche der Siphonen zeigt, wie bereits erwahnt, 
hohe und niedrige Zotten, von denen die letzteren in den tiefen 
Buchten zwischen den ersteren sich finden und von denselben auch 
dadurch unterschieden sind, daf sie entweder gar keine oder nur 
spirliche Driisen besitzen, welche, wie spater noch zu zeigen sein 
wird, von den in den hohen Zotten vorkommenden nicht unwesent- 
lich in ihrem Aussehen differieren. Das Epithel ist auf der Hohe 
der grofen Zotten nur schwer zu erkennen, weil das Sekret der 
in ihnen sich findenden Driisen teils in Form kompakter Massen, 
teils in Gestalt von Strangen die Zellen fast verdeckt (Fig. 42 md‘). 
An den Seiten der grofen und auf den kleinen Zotten besteht das 
Epithel aus cylindrischen, 18 u hohen, 2,7 « breiten Zellen, die 
einen zarten cuticularen Saum haben und wimperfrei sind. Die 
Kerne sind basal gelegen und kreisrund, ihr Durchmesser ent- 
spricht der Breite der Zellen. Zwischen ihnen kommen ganz aufer- 
ordentlich selten Pinselzellen vor, die durch ihre schmale Gestalt 


Der Mantelrand der Acephalen. 123 


— sie sind héchstens halb so breit wie die indifferenten — und 
ihre stabchenformigen, intensiv gefairbten und etwa 12,6 w langen 
Kerne kenntlich sind. 

Die Driisen der Innenfliche sind, wie die der Aufenflache, 
Mucindrisen, erkennbar als solche durch ihr genugsam geschildertes 
Verhalten gegen Farbstoffe (Fig. 42 md). In den grofen Zotten 
trifft man sie in zwei Lagen an, von denen die innere dicht am 
Epithel zwischen den Fasern eines hier gelegenen Constrictor- 
biindels zu finden ist, wahrend die aufere jenseits dieses Muskels 
und auch jenseits einer Lage von Retractorfasern in der Substanz 
des Sipho gelegen ist. Beide Driisenlagen bestehen aus schlauch- 
oder flaschenférmigen, mehrzelligen Driisen, welche ohne Inter- 
kurrenz von Becherzellen — solche kommen nirgends bei Solecurtus 
vor — durch oft sehr weite interepitheliale Liicken miinden. Sie 
lassen, wie die Driisen der Aufenfliche, eine zierliche netzformige 
Zeichnung erkennen; da das Netz allenthalben in den Driisen der 
grofen Zotten ein sehr weites ist, so ist deren Farbung sehr viel 
blasser, als die der Driisen der Aufenfliche. 

Die in den kleinen Zotten vorkommenden Driisen sind kleine, 
einzellige, intensiv gefarbte Mucindriisen, die nicht, wie die der 
grofen Zotten, in grofen Massen zusammenliegen, sondern nur ein- 
zeln und in nur sehr geringer Zahl in den Zotten zu treffen sind. 
Auch sie miinden in interepithelialen Liicken. 

Die Muskulatur der Siphonen besteht aus Retractor-, Con- 
strictor- und Compressorbiindeln (Fig. 39); die Lagerung der ein- 
zelnen Muskelgruppen von aufen nach innen ist folgende. Unter 
dem Epithel der Au8enfliiche findet sich zunachst die Driisen- 
schicht, auf welche nach innen zu eine machtige Lage auf dem 
Querschnitte langsgetroffener, ringférmig durch den Sipho ziehen- 
der, also zum Constrictor gehériger Muskeln folgt. Dann kommt 
nach innen die Hauptmasse des Retractor. Dieselbe ist durch 
Bindegewebsscheiden und Compressorbiindel in ovale Gruppen 
zerlegt, deren Langsachse in der Richtung von innen nach aufen 
geht. Auf diese Retractormassen folgt wiederum eine Constrictor- 
schicht und dann zu innerst die Fasern, welche der Zottenregion 
angehéren. Zunichst findet sich eine Retractorschicht, die an der 
vorhin erwahnten Constrictorpartie von ziemlich dicht stehenden 
Biindeln gebildet wird, welche nach innen zu sparlicher werden 
und in Compressorfasern tbergehen. Dicht unter dem Epithel 
der Innenflache liegt wiederum ein Constrictorbiindel. 

Die letzten Endigungen der Nerven sind im Schnitte nicht 


124 Dr. Bernhard Rawitz, 


zu erkennen. Die makroskopische Praparation hatte fiir den 
Atemsipho in summa vier, fiir den Kloakensipho in summa zwei 
Hauptstamme kennen gelehrt. Diese zerfallen in ihrem Verlaufe 
weiter in Zweige, so daf man in den Querschnitten durch den 
Sipho sechs bis acht und mehr Nerven antrifft (Fig. 39 7). 

Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Bei An- 
wendung sehr schwacher Linsen (Zeif a*) erkennt man als 
héchsten Punkt des Randes eine Falte, die auf dem Schnitte von 
konischer Gestalt ist (Fig. 43). Die Aufenfliche derselben ist 
stark gewellt und geht kontinuierlich in die AuSenflaiche des Man- 
tels iiber. Bei diesem Ubergange findet sich die Ursprungsstiitte 
der Epicuticula, deren distalster Punkt genau der inneren Basis 
der Falte gegeniiber gelegen ist (Fig. 43 cw). Nach innen senkt 
sich die Aufenfalte mit ziemlich glatter Oberflaiche tief ein und 
aus der Bucht geht nach innen zu die Innenfalte hervor. Die- 
selbe ist auf dem Schnitte sehr breit, fast halbkugelig gewo6lbt 
und setzt sich nach innen in einen Wulst fort, der auf dem Fube 
des Tieres aufliegt und eine riesige Mucindriise darstellt (Fig. 
43 md). Die letztere Bezeichnung ergiebt sich aus dem tinkto- 
rialen Verhalten. Man kann an dem Mucinwulste zwei Schichten 
unterscheiden, eine schmale, auSerordentlich intensiv gefarbte, 
welche dem Epithel angehért, und eine breite, etwas weniger 
stark tingierte, welche nach der Substanz des Randes zu gelegen 
ist (Fig. 43 md). Bei Anwendung starkerer Linsensysteme er- 
kennt man folgende Einzelheiten. Das Epithel der Au8enfalte 
und das der Innenfalte bis zum Wulste besteht aus hohen Cylin- 
derzellen, die einen breiten cuticularen Saum ohne Wimperbesatz 
haben. Basalwarts ist das Epithel scharf abgegrenzt, so daf die 
wurzelférmige Ausfaserung der indifferenten Zellen hier nicht zu 
sehen ist. Die Kerne der Epithelzellen sind langlich oval und 
liegen fast dicht an der Basis. Die Hohe der indifferenten Zellen 
betragt 22 «, der cuticulare Saum mit 3,6 uw, die Breite, wel- 
cher der kleine Durchmesser der Kerne entspricht, ist 5,4 uw; der 
srofe Durchmesser der Kerne schwankt zwischen 7,2—9 uw. Die 
Sinneszellen lassen sich auch hier deutlich erkennen als Gebilde, 
die kaum halb so breit sind, wie die indifferenten, und intensiv 
gefirbte, stibchenformige Kerne besitzen. Das Epithel der AufSen- 
flache ist an der Epicuticulabildung beteiligt; von demselben sei 
nur erwihnt, daf es im Gegensatze zu dem Epithel der tibrigen 
Partieen, welches die zur Tinktion verwendeten Stoffe in geringem 
Grade angenommen hat, sich gar nicht farbt. 


Der Maitelrand der Acephalen, 125 


In der AuSenfalte und in demjenigen Teile der Innenfalte, 
welcher nicht zum Mucinwulste gehdért, finden sich in ganz ge- 
ringer Zahl einzellige Mucindritisen vor. 

Die Epithelzellen des Mucinwulstes, welche nur an weni- 
gen Stellen gut zu erkennen sind, weil sie meistens von dem 
ausgetretenen und intensiv gefiirbten Sekrete bedeckt werden, un- 
terscheiden sich yon denen der Falte auf das schirfste dadurch, 
daf sie Wimperhaare tragen. Die Mucinmassen miinden in Liicken 
zwischen diesen Zellen und haben dabei dieselben, besonders deren 
basale Abschnitte, ganz schmal gepreft. Die Wimperzellen ge- 
winnen dadurch das Aussehen von Dreiecken, deren Basis nach 
der freien Seite, deren Spitze nach den Sekretmassen zu gerichtet 
ist und deren Rainder konkay eingebogen sind. Dadurch erschei- 
nen die von den Sekretmassen eingenommenen Intercellularliicken 
becherférmig gestaltet. Man hat es aber nicht mit Becherzellen 
zu thun, denn das Kriterium der Zelle, der Kern, ist in diesen 
Liicken nicht vorhanden. An Hohe stimmen die Wimperzellen 
iiberein mit den wimperlosen der Falten; ihre Kerne liegen teils 
basal — bei den weniger komprimierten —, teils central — bei 
den stark komprimierten. Die Mucinmassen erfiillen prall die 
Maschen des Bindegewebes, welche in der Richtung von innen 
nach auSen oval gestaltet sind. Diese Maschen kommunizieren 
untereinander und darum kann man diesen Wulst als eine einzige 
Mucindriise betrachten, welche keinen differenzierten Ausfiihrungs- 
gang besitzt, sondern das von ihr bereitete Sekret allenthalben 
auf ihrer freien Flaiche nach aufen treten laBt. Die Massen be- 
stehen nicht aus Tropfen, sondern erscheinen ganz homogen. In 
ihnen kann man vielfach die kleinen runden Kerne der FLEMMING- 
schen Bindesubstanzzellen erkennen, welch letztere offenbar die 
Mucinmassen produzieren; die Kerne des Bindegewebes sind oval. 

Die Bindesubstanz des Mantelrandes, soweit sie nicht 
an der Produktion der Mucinmassen beteiligt ist, hat das gew6hn- 
liche Aussehen, wie man es im Mantelrande der Acephalen findet; 
sie ist also eine spongiése Substanz, die aus bald zu engen, bald 
zu weiten Maschen verflochtenen kernhaltigen Fibrillen besteht. 
In den Maschen liegen die Fremmine’schen Zellen. An der 
Grenze des Epithels, da wo dieses im Bindegewebe wurzelt, er- 
leidet letzteres in seiner Struktur eine Abiénderung, die sich am 
Epithel der Falten von der am Epithel der Epicuticularegion 
wahrnehmbaren unterscheidet. Unter dem Epicuticulaepithel findet 
man ein sehr enges, aber deutliches Netz durcheinander gefloch- 


126 _ Dr. Bernhard Rawitz, 


tener Fibrillen und Fibrillenbiindel, deren ovale Kerne gut zt 
erkennen sind. Am Faltenepithel dagegen flechten sich die Fi- 
brillen so eng und dicht durcheinander, dali die Bindesubstanz, 
also das subepitheliale Gewebe, in welchem die Kpithelzellen wur- 
zeln, fast homogen ezscheint. 

Es sei schlieBlich noch die ventrale die Kiemenenden be- 
deckende Fliche erwahnt. Die aufere Seite derselben hat einen 
epithelialen Belag, der, stark mit Sinneszellen durchsetzt, sich in 
zahlreiche Falten gelegt hat, im itibrigen aber dem epithelialen 
Belage der Falten gleicht. Es kommen hier sehr sparlich Mucin- 
driisen vor. An der dem Branchialraume zugekehrten Seite sind 
die Epithelzellen mit langen Wimpern versehen und es finden sich 
sehr reichlich mehrzellige Mucindriisen, welche in interepithelialen 
Liicken minden. 


Solen vagina. Die Epithelzellen der Siphopapillen 
erscheinen in Schnittpraparaten von regelmafig cylindrischer Ge- 
stalt mit breitem, wimperfreiem cuticularem Saume; ihre Hohe 
betrigt 18 wu, ihre Breite 3,6 uw, der Saum mift 35 uw. Die Kerne 
sind oval oder kreisrund und liegen der Basis dicht an. Zwischen 
ihnen findet man zahlreiche schmale Zellen mit langen, stabchen- 
férmigen und sehr intensiv gefarbten Kernen; es sind das die 
Sinneszellen. Driisen kommen in den Papillen nicht vor, wohl 
aber finden sich amorphe Sekretmassen, die in Orange-Hima- 
toxylin einen schwach gelben, in Bismarckbraun einen gelbbraunen 
Farbenton angenommen haben. Diese Massen sind nur spiirlich 
entwickelt und sind kenntlich als ein schmaler Zug kleiner Tro- 
pfen, welche dicht aneinander stehen, in nur geringer Ausdeh- 
nung in den Maschen des Bindegewebes liegen und von der 
Spitze bis zur Grenze des distalen und mittleren Drittels der 
Papillen in der Medianlinie dahinziehen. Sie miinden durch 
interepitheliale Liicken, in ihnen sieht man sparlich geschrumpft 
erscheinende Kerne legen. 

Die Innenflaiche der Siphonen zeigt fulgendes Detail. Das 
Epithel hat sich zu zahlreichen, kleinen uud flachen Zotten grup- 
piert; seine meist konischen Zellen sind 12,6 uw hoch und 2 u 
breit. Die Kerne, welche basal gelegen sind, sind kreisrund; ihr 
Durchmesser entspricht dem Breitendurchmesser der Zellen. Diese 
letzteren enthalten stellenweise ein braungelbes, kérniges Pigment, 
das die Kernpartie frei laBt, die anderen Abschnitte der Zellen 
aber dicht erfillt. Die freie Seite der Epithelzellen besitzt keinen 


Der Mantelrand der Acephalen. 197 


cuticularen Saum; Wimpern sind nicht vorhanden. Die Sinnes- 
zellen dokumentieren sich in derselben Weise, wie in den Papil- 
len; sie finden sich in nur geringer Zahl. Auf der Innenfliche 
kommen Driisen abwirts der Papillarregion vor. Dieselben liegen 
dicht unter dem Epithel, sind schmale, einzellige Gebilde (Fig. 45), 
die ihren feinen, fadenformigen Ausfiihrungsgang zwischen die 
Epithelzellen hineinsenden. Sie liegen sehr nahe bei einander, 
doch treten die Driisenkérper niemals miteinander in Verbindung. 
Sie fiirben sich in Bismarckbraun hellgelbbraun, in Orange-Haima- 
toxylin orangegelb, zeigen also, wie die in den Papillen vorkom- 
menden Massen, Giftdriisenreaktion. 

Die AuSenflache der Siphonen ist mit cylindrischen Kpi- 
thelzellen bekleidet, welche eine breite, wimperfreie Cuticula be- 
sitzen. Die Kerne, kreisrund oder oval, sind fast dicht an der 
Basis gelegen!). Das Epithel hat sich zu zahlreichen, umfang- 
lichen und im allgemeinen gleich breiten Zotten gruppiert. Die 
Mage der Zellen hier entsprechen denen an den Papillen; wie 
allenthalben, so sind auch hier die Sinneszellen durch ihre schmale 
Gestalt und ihre stabchenformigen Kerne kenntlich (Fig. 44 sz); 
die Sinnesborsten sind aber nicht erhalten, ebensowenig wie in 
den anderen bisher beschriebenen Partieen. Es finden sich 
unter dem Epithel in sehr geringer Zahl kleine einzellige Mucin- 
driisen. 

Was endlich die bei der allgemeinen Beschreibung erwahnten 
peitschenschnurférmigen Tentakel betrifft, die vorn am Riicken 
des Tieres an der Verwachsungsstelle der velumartigen Verlange- 
rung sich finden, so gleichen dieselben in ihrem feineren Baue 
den Siphopapillen fast véllig. Sie entbehren aber der amorphen 
Massen durchaus. 

Die Muskulatur der Siphonen besteht aus den drei Grup- 
pen der Retractoren, Constrictoren und Compressoren. Die erste- 
ren imponieren hier nicht, wie dies bei den bisher behandelten 
Siphoniaten der Fall war, durch ihre Massenhaftigkeit, sie sind 
vielmehr in kleinere Biindel durch die sehr stark entwickelten 
Constrictoren zerteilt. Diese wiederum werden durch die Com- 
pressorbiindel in zahlreiche Gruppen zerlegt. 


1) In dem Epithel der Aufenfliche habe ich einmal in einer 
Zelle eine Mitose gesehen, welche die Form darbot, wie sie in Fig. 
44 bei x wiedergegeben ist. Es ist dies das einzige Mal, daf ich 
im Epithel der Mantelrandorgane bei Acephalen eine solche Erschei- 
nung getroffen. 


128 Dr. Bernhard Rawitz, 


Im Atem- wie im Analsipho verlaufen je sieben Nerven- 
stimme, waihrend ich im Septum keinen gesehen habe. In den 
Papillen liegen die Nerven in der Achse, ihre letzten Endigungen 
sind im Schnitte nicht zu erkennen. 

Genau in der Mitte der ventralen, also auferen, Flaiche des 
Randes findet sich eine Falte, deren Durchschnittsbild einem 
Blatte gleicht. Hier ist das Epithel ein cylindrisches von 18 uw 
Hohe und 1,8 « Breite mit basal gelegenen ovalen Kernen von 
9 uw Linge. Differenzen zwischen indifferenten und Sinneszellen 
sind nicht zu erkennen; letztere sind, wenn sie tiberhaupt hier 
vorkommen, jedenfalls sehr sparlich. Nach aufen von dieser 
Falte entsteht die Epicuticula und zwar beteiligt sich daran die 
Aufenseite der Falte in ihrer basalen Halfte und das ganze 
iibrige Epithel bis zur Schale; Driisen finden sich hier nicht vor. 
Die dem Branchialraum zugekehrte innere Flache des Randes hat 
ein hohes Wimperepithel, unter dem einzellige Mucindriisen in 
sehr grofer Zahl gelegen sind (Fig. 46 md). 


Solen siliqua und S. ensis. Nach Meyer und Mésius 
(30) finden sich bei Solen pellucidus, welche Art nach der von 
jenen Autoren gegebenen, allerdings nicht erschépfenden Beschrei- 
bung des Mantelrandes und der Siphonen und nach den Figuren 
zu schliefen den hier zu behandelnden beiden Species ahnelt, an 
den Mantelrandcirren Warzchen, deren Ende vertieft ist. In den 
Vertiefungen steht ein Biischel Haare. Diese Warzchen scheinen 
nach FLEMMING’s Annahme (17) in ihrem Baue den an den Man- 
telrandfiiden von Pecten Jacobaeus vorkommenden Warzchen zu 
gleichen. Es ist daher eine sehr beachtenswerte Differenz, dat 
bei Solen siliqua und ensis keine Spur dieser Warzchen zu finden 
ist. Untersucht man die Papillen des Atem- oder des Analsipho 
oder die kurzen am Mantelschlitze stehenden Papillen (cfr. all- 
gemeine Beschreibung) frisch in Seewasser, so konstatiert man 
zunachst die véllige Abwesenheit jeder Wimperbewegung. Man 
konstatiert aber auch ferner, daf der breite cuticulare Saum des 
epithelialen Belages dieser Gebilde nicht von Dornen oder starren 
Haaren iiberragt wird. Die Sinneszellen, die unbedingt hier vor- 
handen sein miissen, denn diese Teile sind bei Beriihrung sehr 
empfindlich, entbehren also, wie ich mich wiederholt auf das be- 
stimmteste zu iiberzeugen vermochte, eines Haarbesatzes. Und 
was die Betrachtung frischer Objekte lehrt, das wird durch Ma- 
cerationspriparate Dbestitigt. Die Sinneszellen, die im tbrigen 


Der Mantelrand der Acephalen. 129 


nach dem Schema der FLEMMiNG’schen Pinselzelle gebaut sind, 
haben einen schmalen, einfach konturierten Saum, auf dem weder 
Haare noch Reste derselben zu finden sind. Lang dauernde Ma- 
cerationen vernichten allerdings die Sinnesborsten, bei kurzer 
Einwirkung der macerierenden Reagentien aber sind dieselben 
meistens unversehrt erhalten und dann als kurze, leicht knotige 
Haare zu erkennen; ihr Fehlen in guten Macerationspriparaten 
beweist demnach die Richtigkeit des an frischem Materiale Kon- 
statierten. Wir haben hier also ein Beispiel dafiir, dai} eine tak- 
tile Empfindlichkeit vorhanden ist, ohne daf der Reiz durch haar- 
artige Differenzierungen auf die Zellsubstanz tibertragen zu wer- 
den braucht. Es ahneln also die Siphopapillen dieser Arten durch 
die Abwesenheit der Sinneshaare den gleichen Gebilden yon Mya 
truncata, bei denen FrLemmine (14) ebenfalls den cuticularen 
Saum iiberragende Sinnesborsten nicht aufzufinden vermochte. 

Ich wende mich zur Schilderung der Ergebnisse, zu welchen 
das Studium von Schnittpriparaten fiihrt. Beide Arten, Solen si- 
liqua und ensis, verhalten sich voéllig tibereinstimmend. 

Das Epithel der zahlreichen Papillen, welche den Atem- 
sipho umkrinzen, besteht aus 12,6 w hohen und 5,4—9 w breiten 
wimperlosen Cylinderzellen, welche basal gelegene kreisrunde, selten 
ovale Kerne enthalten. Die Sinneszellen machen sich als héchstens 
1 « breite, mit intensiv gefiirbten, stabchenférmigen Kernen ver- 
sehene Gebilde bemerkbar. Wahrend sonst ein mehr oder minder 
reichlicher Kérnchenbrei auf die durch die Reagentien zerstorten 
Sinnesborsten hinweist, fehlt ein solcher Kérnchenbrei hier voll- 
stindig. Einzelne indifferente Zellen — im allgemeinen nicht viele 
— sind mit einem goldgelben Pigmente versehen, das in Form 
kleiner Kérnchen den distal vom Kern gelegenen Abschnitt dicht 
erfiillt. Die basale Abgrenzung der indifferenten Zellen ist in 
manchen Praparaten eine scharfe kontinuierliche Linie, in manchen 
aber ist die wurzelférmige Ausfaserung deutlich zu erkennen. In 
den Papillen sowohl wie in den Buchten zwischen denselben 
kommen amorphe Sekretmassen in nicht unbetrachtlicher Menge 
vor. Das Verhalten derselben gegen Farbstoffe charakterisiert sie 
als Giftmassen. Neben den amorphen Massen kommen auch, wenn- 
gleich spirlich, einzellige Driisen von der gleichen physiologischen 
Bedeutung vor. Die amorphen Massen sind oft tief in die Sub- 
stanz eingebettet, durch die sie sich hindurch winden miissen, um 
durch interepitheliale Liicken zu miinden. 


Bd, XXVII, N, F. XX. 9 


130 Dr. Bernhard Rawitz, 


Abwarts der Papillarregion, auf der Innenflache der Si- 
phonen, liegen die Verhaltnisse anders. Die wimperlosen Epithel- 
zellen, die sich in ziemlich breite Zotten gelegt haben, sind 10 u 
hoch, 5,4 breit; ihr cuticularer Saum ist sehr schmal. Die 
Kerne, stets basal gelegen, sind von ovaler Gestalt und messen 
9 wu in der Lange, waihrend ihre Breite der der Zellen entspricht; 
Pigment kommt in dieser Region nicht vor. Die Sinneszellen sind 
nur sparlich vorhanden. Auf der Innenfliche der Siphonen miin- 
den Driisen, die sich als Giftdriisen darstellen. Sie sind in der 
an die Papillarregion grenzenden Partie sehr reichlich vorhanden ; 
mehr abwarts, der Wurzel der Siphonen zu, werden sie sparlicher, 
schwinden aber nie véllig. Wie man bei sehr starker VergréSerung 
erkennt, handelt es sich um flaschenformige, einzellige Gebilde, 
die zwar stets zu mehreren in einer Gruppe zusammenliegen, aber 
immer jede fiir sich gesondert in Epithelliicken minden. 

Auf der Sipho-Au8enflache haben die Epithelzellen 
30,6 « Hohe und 5,4 Breite; ihr cuticularer Saum mit 3 w. 
Die Kerne sind oval, basal gelegen und 7,2 lang. Einzelne 
Zellen sind in der vorhin beschriebenen Weise pigmentiert. Driisen 
kommen hier ebenfalls vor, die sich von denen der Innenfliche 
dadurch unterscheiden, daf sie Mucindriisen sind. Sie sind in 
wechselnder Zahl vorhanden, sind einzellige Gebilde von flaschen- 
formigem Aussehen und miinden in interepithelialen Liicken. 

Die bei der allgemeinen Beschreibung erwahnte, vom Mantel- 
rande stammende Falte, welche durch einen schmalen Zwischen- 
raum von der Siphowand getrennt ist, erscheint im Schnitte als 
eine auf gemeinsamem Stiele sitzende Doppelfalte. Die indiffe- 
renten Epithelzellen sind 18 uw hoch, 7,2 u breit und haben basal 
gelegene, kreisrunde Kerne. Sinneszellen sind hier nur aufer- 
ordentlich sparlich vorhanden. 

Die zahlreichen Papillen des Branchialsipho, die nicht direkt 
um die Offnung desselben gelegen sind, sondern mehr entfernt von 
derselben auf den Seitenwandungen stehen, zeigen genau die glei- 
chen histiologischen Einzelheiten, wie die tibrigen Papillen. 

Die Muskulatur besteht aus den bekannten drei Grup- 
pen, die im allgemeinen das gleiche Bild, wie bei Solen vagina, 
darbieten. 

Der Kloakensipho stimmt in jeder Beziechung mit dem Atem- 
sipho tiberein. 

Die dufere ventrale Fliche des Randes zeigt im Schnitte 
folgende Konfiguration. Die mediane Verwachsungslinie ist durch 


Der Mantelrand der Acephalen. 131 


eine tiefe Furche angedeutet, welche sich an manchen Stellen bis 
fast zur halben Dicke des Randes einsenkt. Nach aufen von 
dieser Furche folgen jederseits zwei niedrige, im Schnitte kegel- 
formig erscheinende Falten. Darauf folgt eine je nach dem durch 
die Konservierung bedingten gréferen oder geringeren Grade der 
Kontraktion verschieden aussehende Falte, von deren innerer Flaiche 
die Epicuticula entsteht. Nach aufen fgeht die Falte allmahlich 
in den Mantel tiber. Die Epithelzellen dieser Falten gleichen 
einander im allgemeinen; es sind 14,4 hohe, 5,4 breite 
wimperlose Zellen mit schmalem, cuticularem Saume und basal 
gelegenen, ovalen Kernen von 9 uw Linge. Driisen kommen hier 
nicht vor. 

Einen ganz anderen Charakter hat die innere, dem Branchial- 
raume zugekehrte Flache des Randes und zwar wird die Ditterenz 
bedingt durch die Anwesenheit von Wimperzellen und von Mucin- 
driisen. Die Wimperzellen haben 27 u Lange, 1 wu Breite und 
besitzen central gelegene ovale Kerne mit 5,4 « Langsdurchmesser. 
Die sehr weichen, im Schnitte wellig gebogenen Wimpern sind 
144—16w lang. Auf die Epithelzellen folgt eine ganz diinne, 
nur 3,6 « messende Lage Muskeln, die von rechts nach links 
zieht, daher im Querschnitte laingsgetroffen ist. Auf die Muskeln 
folgen dann die Mucindriisen, welche als eine kontinuierliche Schicht 
circa 36 wu tief in der Richtung zum Epithel der Aufenflache in 
die Substanz des Randes hineinragen. Die Driisen, als Mucindriisen 
durch ihre bekannten Affinitaéten zu den verschiedenen Farbstoffen 
kenntlich, stehen auferordentlich dicht, sind alle einzellig und 
senden ihre fadendiinnen Ausfiihrungsginge in die Liicken zwischen 
die Epithelzellen. Becherzellen kommen nicht vor. 


Solen legumen. Das Epithel der Siphopapillen be- 
steht aus nicht sehr hohen cylindrischen, stets pigmentfreien 
Zellen mit, dickem cuticularem Saume, auf welchem weder Wimpern 
stehen, noch Borstenreste zu finden sind. Die Kerne der Zellen 
liegen basal und sind oval oder kreisrund. Die Hohe der Zellen 
ist etwa 14 wu, die Breite 5 u, der cuticulare Saum mift 4 w. Die 
Sinneszellen sind nur sehr schwer unter den indifferenten zu er- 
kennen. Von besonderem Interesse ist hier die Bindesubstanz. 
Dieselbe prasentiert sich als ein engmaschiges, von durcheinander 
geflochtenen Fibrillen gebildetes Netz, in dessen Maschen zahl- 
reiche Zellen liegen, die unter zwei fundamental verschiedenen 
Formen erscheinen. Die eine Form hat sich in dem Dreifarben- 

g* 


132 Dr. Bernhard Rawitz, 


gemisch von Enruicu-Bionpi tiefrot, die andere blaugriin gefarbt, 
die erstere Zellart ist kérnig, die zweite homogen. Ob dieselben 
als Driisenzellen zu deuten sind, kann ich nicht entscheiden, da 
ich sie nie zwischen den Epithelzellen liegen sah. Andere Ge- 
bilde, welche ein Sekret liefern kénnten, kommen in den Papillen 
nicht vor. 

Das Epithel der Sipho-Innenfliche sowie das der 
Sipho-Au8enfliche gleicht in jeder Beziehung dem der Pa- 
pillen. Auf der Innenflaiche miinden Mucinmassen, wahrend auf 
der AuSenfliche sekretorische Apparate fehlen. 

In den Siphonen sind je sechs Nervenstaémme vorhanden, 
die ziemlich dicht unter dem Epithel der Innenfliche verlaufen. 
Sie liegen in den Papillen in deren Langsachse; ihre letzten En- 
digungen sind im Schnitte nicht zu erkennen. 

Die Muskulatur der Siphonen gleicht der in den Siphonen 
der tibrigen Soleniden. 

Am Rande sind mehrere Falten seitlich der Medianlinie zu 
erkennen, deren epithelialer Belag im allgemeinen aus 12 « hohen 
und 3,6 uw breiten wimperlosen Zellen besteht, deren kreisrunde 
Kerne basal gelegen sind. Es finden sich im Rande allenthalben 
aber in geringer Zahl sekretorische Apparate, die teils Mucin be- 
reitende, teils einen giftigen Stoff liefernde sind. 


Lyonsia arenosa. Die Papillen des Atem- und des 
Kloakensipho gleichen einander vollkommen. Die Epithelzellen 
derselben zeigen ein verschiedenes Aussehen je nach dem Orte, 
wo sie stehen. An den Spitzen der Papillen sind die Zellen 14,4 u 
hoch und 3,6 u breit. Sie haben einen knapp 1 messenden 
cuticularen Saum, der voéllig wimperfrei ist. Die Kerne sind kreis- 
rund und liegen central. Auf den Seitenflaichen der Papillen be- 
steht dagegen das Epithel aus nur 7,2 4 hohen, fast,kubischen 
Zellen ohne cuticularen Saum mit kleinen 3,6 « im Durchmesser 
haltenden kreisrunden Kernen. Die Sinneszellen sind im Schnitte 
kaum zwischen den indifferenten zu erkennen. In den Papillen 
kommt Pigment vor, das nicht blo’ an die Epithelzellen gebunden 
ist, sondern sich auch auferdem in der Bindesubstanz ganz un- 
regelmaig verteilt, bald sparlich, bald sehr massenhaft, in Form 
von kreisrunden Flecken vorfindet. Die distalen drei Viertel der 
Papillen sind stets pigmentfrei. Die Farbe des Pigmentes ist bei 
durchfallendem Lichte und bei auffallendem eine dunkelschwarze ; 


Der Mantelrand der Acephalen. 133 


es besteht aus kleinen Kornern, die dicht aneinander gedringt in 
der Bindesubstanz bez. im Epithel liegen. 

Von besonderem Interesse ist die Bindesubstanz der Papillen. 
Sie gleicht der sonst im Mantelrande der Acephalen zu treffenden 
spongidsen Bindesubstanz vollkommen, enthalt aber ganz unge- 
wohnlich grofe FLemMina’sche Zellen in ihren Maschen. Diese 
Zellen finden sich nur an der Innenfliche der auSeren Papillen — 
die Papillen der innersten Reihe zeigen ein davon abweichendes, 
spaiter noch zu erwahnendes Verhalten — und zwar sowohl der Anal- 
als auch der Branchialsiphopapillen, wihrend sie an deren Aufen- 
flache nicht vorkommen (Fig. 47 fz). Sie sind hiillenlose Gebilde 
und liegen in ein bis zwei Reihen; erst im basalsten Teile der 
Papillen sind sie in mehreren Reihen vorhanden. Ihr Plasma ist 
sehr zart granuliert, der Kern ist klein, blaschenfoérmig und cen- 
tral gelegen und enthalt ein deutlich wahrnehmbares Kernkérper- 
chen (Fig. 47). In Eosin-Hamatoxylin, um nur eine der gewahlten 
Farbungsmethoden zu erwihnen, haben sie sich gréftenteils ganz 
schwach rosa gefirbt und nur im basalsten Teile der Papillen ist 
dieses Kolorit streckenweise in ein flammendrotes tibergegangen. 
Mit der vermehrten Intensitait der Farbung ist gleichzeitig die 
Form der Zellen undeutlicher geworden, sie erscheinen jetzt mehr 
als Tropfenkonglomerate. Fortsitze dieser Zellen nach dem Epithel 
hin, wodurch sie sich als Driisenzellen darstellen wiirden, habe 
ich ebensowenig wahrgenommen, wie ihr Einriicken in interepithe- 
liale Liicken. In den Papillen der innersten Reihe, die also dem 
Sipholumen dicht angrenzen, finden sich keine FLEMMING’schen 
Zellen, sondern nur amorphe Massen vor, welche dieselben tink- 
torialen Reaktionen zeigen, wie die FLEmMinG’schen Zellen. Sie 
sind an beiden Seiten der Papillen, aber nur in deren distaler 
Halfte, zu treffen; in der proximalen fehlen wie die FLEMMING’schen 
Zellen so auch die amorphen Massen. 

Bei der Beschreibung der feineren Struktur der Siphonen 
miissen die Aufenwand des Branchial-, die des Analsipho und das 
Septum gesondert behandelt werden. 

Das Epithel der Auenwand des Branchialsipho be- 
steht auf der Auf&enfliche aus hohen, schmalen Cylinderzellen, 
deren basale Enden sich nicht scharf gegen die Siphosubstanz ab- 
setzen, aber auch keine wurzelférmige Ausfaserung erkennen 
lassen. Ein cuticularer Saum ist nicht vorhanden, Wimpern fehlen. 
Die Kerne sind von ovaler Gestalt und sind central gelegen. Die 
Hohe der Zellen betragt circa 22 , ihre Breite 2 u, die Lange 


134 Dr, Bernhard Rawitz, 


des Kernes 7,2 wu. Zwischen diesen indifferenten Zellen sind Sinnes- 
zellen nicht wahrzunehmen, was nicht verwundern darf, da die 
AufSenflache beim Branchialsipho wie auch beim Analsipho, der 
hierin die gleichen Verhaltnisse zeigt, die Epicuticula bildet, 
welche die verwachsenen Siphonen iiberzieht. Driisen kommen 
hier nicht vor. 

Das Epithel der AuSenwand des Branchialsipho hat auf der 
Innenflache niedrige, kubische Zellen, deren cuticularer Saum 
wimperfrei ist. Die kleinen kreisrunden Kerne sind basal gelegen ; 
Sinneszellen sind nicht zu erkennen. Unter dem Epithel, in der 
ganzen Lange des Sipho, finden sich amorphe Sekretmassen (Fig. 
48 gd). Dieselben sind ungleich verteilt, d. h. nicht die ganze sub- 
epitheliale Substanz enthalt dieselben in einer kontinuierlichen 
Schicht, sondern auf Stellen, welche mit Sekretmassen erfillt sind, 
folgen Stellen, die sekretleer sind. Dabei wechselt das Verhaltnis 
in der Serie so, daf an Stellen, die in einigen Schnitten amorphe 
Sekretmassen enthielten, in den darauf folgenden Schnitten die- 
selben fehlten. Die Massen sind besonders machtig dicht unter 
dem Epithel, ziehen sich aber noch tief in die Substanz des Sipho 
in der Richtung zur AuBenfliche hinein. Sie farben sich in Orange- 
Hamatoxylin orangegelb, in Eosin- Haimatoxylin leuchtend rot, in 
dem ExriicH-Bronpi’schen Farbengemisch schmutzig violett, in 
Indigkarmin-Boraxkarmin blaugriin und in Bismarckbraun réotlich- 
braun, zeigen also mit anderen Worten dieselben Reaktionen wie 
die amorphen Massen der Sipho-Innenflache bei den Veneriden 
und sind daher, wie jene, als Giftmassen zu betrachten. Sie be- 
stehen, wie man bei Anwendung sehr starker Linsen erkennt, aus 
kleinsten Trépfchen, die auSerordentlich dicht bei einander stehen, 
und miinden in Liicken zwischen den Epithelzellen. Innerhalb der 
Massen sieht man Kerne von ovaler oder kreisrunder Gestalt in 
nicht unbetrachtlicher Zahl liegen; es fehlt aber um dieselben her- 
um, im Gegensatze zu den Erscheinungen bei den Veneriden, ein 
auch nur angedeuteter plasmatischer Hof. Trotz dieses Mangels 
glaube ich aber, im Anschluf an das bei den Veneriden Gesagte, 
auch hier die FLEemmina’schen Zellen der Bindesubstanz, deren 
Existenz nur noch durch die Kerne dargethan wird, als Bildungs- 
statten dieser Massen ansprechen zu diirfen. Einzelne Muskel- 
fasern und Bindegewebsfibrillen in geringer Zahl sind ferner in 
den Massen zu treffen. In der Tiefe der Siphonalsubstanz, d. h. 
zur Aufenflache zu, sind die Massen etwas lockerer, wobei man 
ein interessantes Verhalten beobachten kann. Die hier in der 


Der Mantelrand der Acephalen. 135 


Nahe reichlicher vorhandenen Muskelfasern werden von den Sekret- 
massen gewissermafen eingescheidet, so daf in den weitaus meisten 
Fallen ein schmaler, véllig farbloser Hof um die Muskeln herum 
zu erkennen ist. Manchmal gehen die Sekretmassen dicht an die 
Muskelfasern heran, sind aber auch dann noch, wie man nament- 
lich in Bismarckbraunpraparaten sieht, in denen die Massen rot- 
lichbraun, die Muskeln gelb sich gefarbt haben, von den letzteren 
getrennt. Die Sekretmassen folgen somit dem Zuge der Muskeln 
und dadurch haben sie ein ganz eigenartiges gestrecktes Aus- 
sehen gewonnen. 

Die Innenflache der AuBenwand des Analsipho 
hat in einer linearen Ausdehnung von ungefahr 4 mm ein wimper- 
freies Epithel, das in seinen Einzelheiten dem der Innenfliche des 
Branchialsipho gleicht. Von da ab proximalwarts sind die Zellen 
bewimpert. Betrachtet man den proximalen Kontur des noch zu 
besprechenden Septum auch als das proximale Ende der Siphonen, 
dann haben bewimperte und wimperfreie Region des Analsipho 
die gleiche Ausdehnung. Die Zellen des distalen Abschnittes, 
also die wimperlosen, haben sich zu zahlreichen niedrigen Zotten 
gruppiert, die des proximalen bewimperten zeigen die Zottenan- 
ordnung nur in ganz geringem Mafe. In der wimperfreien Region 
finden sich ferner unter dem Epithel amorphe Sekretmassen, die 
in jeder Beziehung denen des Atemsipho gleichen. In der Region 
der Wimperzellen dagegen fehlen diese Massen; dafiir sind Becher- 
zellen vorhanden, welche bis zu der dem proximalen Ende des 
Septum gegeniiberliegenden Stelle nicht sehr zahlreich sind, da- 
gegen in den diesseits vom Septum gelegenen, also streng ge- 
nommen schon zum Mantel zu rechnenden Partieen hiufiger wer- 
den. Die Becherzellen sondern Mucin ab, wie dies aus ihrem Ver- 
halten gegen Farbstoffe deutlich hervorgeht. In zwei Arten, einer 
blassen und einer intensiven, tritt die Farbung auf. Die blassen 
Becherzellen sind homogen, die intensiv gefairbten erscheinen als 
ein Tropfenkonglomerat; beide reprasentieren verschiedene Stadien 
des Sekretionsprozesses. Die Becherzellen, deren basal gelegene 
Kerne schwer zu sehen sind, haben meistens die gleiche Hohe wie 
die tibrigen Epithelzellen und reichen nur selten basalwarts tiefer 
in die subepitheliale Substanz hinein. In den proximal vom Sep- 
tumende gelegenen Partieen der Analsipho-Innenflaiche sind noch 
ganz eigentiimliche Erscheinungen zu beobachten. Man trifft nam- 
lich in der Substanz der Siphowand bald dicht unter dem Epithel, 
bald tiefer gelegen in nicht zu grofer Zahl Gebilde von kreis- 


136 Dr. Bernhard Rawitz, 


runder oder ovaler Gestalt und von verschiedener Gréfe an, die 
in ihrem tinktorialen Verhalten den Becherzellen gleichen. Sie 
liegen 20, 30 bis héchstens 100 uw von der Oberfliche des Epithels 
entfernt und haben einen Durchmesser, der zwischen 30 und 80 1 
schwankt. Ihre Gréfe ist unabhingig von ihrer Entfernung vom 
Epithel. Sie sind von einer deutlichen Membran umgeben, die 
vielfach gefaltet erscheint, und bestehen aus Zellen mit basal ge- 
legenen kleinen Kernen, deren Plasma ein wirres Netzwerk von 
Faden erkennen aft. Wir haben es hier also wahrscheinlich mit 
einer ganz eigentiimlichen, bei Acephalen von mir sonst nicht 
beobachteten Art von Mucindriisen zu thun. Zwar habe ich die 
Ausfiihrungsgainge dieser Gebilde nicht sehen kénnen, doch recht- 
fertigt, glaube ich, ihr tinktoriales Verhalten wie ihre feinere 
Struktur meine Deutung. Andere Organe namlich, wie Driisen, 
zeigen keine solche Farbung und keine derartige Plasmazeichnung. 
Ks erinnern diese Gebilde, von denen noch bemerkenswert ist, 
da8 sie nur da vorkommen, wo sich mucinhaltige Becherzellen 
finden, sehr stark an die Mucindriisen in der Haut der anuren 
Amphibien. 

Uber das Verhalten des Septum ist folgendes anzumerken. 
Die Siphonen waren der Lange nach geschnitten, so daf beide 
gleichzeitig im mikroskopischen Bilde zu erkennen waren. Daher 
ist auch das Septum in seiner ganzen Ausdehnung in meinen 
Praparaten vorhanden. Seine Gestalt ist ungefahr die eines gro- 
Ben lateinischen T (Fig. 48); der Querbalken ist am proximal- 
sten Ende gelegen, der lange Schenkel bildet die Scheidewand 
zwischen den Siphonen und geht in seiner distalsten Partie 
in die beiden Papillarregionen iiber. Hier ist das Septum am 
breitesten, es mift ungefahr 0,28 mm. Weiter proximalwarts 
wird es schmaler bis zu einer minimalen Breite von ungefahr 
0,12 mm, um gegen den Querbalken hin wieder an Umfang zuzu- 
nehmen, bis zu 0,18 mm. Der lange Schenkel des Septum sitzt 
in der Mitte des Querbalkens auf, welch letzterer also gleich- 
mifig in das Lumen des Atem- wie des Analsipho hineinragt 
(Fig. 48), dieses dadurch ein wenig verengend. Die Epithelzellen 
des Septum sind auf derjenigen Seite, welche dem Branchialsipho 
angehort, wimperlos, auf der, welche dem Lumen des Analsipho 
zugekehrt ist, nur zu einem Teile wimperlos, zu einem anderen 
Teile dagegen bewimpert (Fig. 48 bs und ¢s). Und zwar fangt 
das Wimperepithel auf der Analsiphoseite des Septum genau an 
der Stelle an, welche jener gegeniiberliegt, an der auf der Innen- 


Der Mantelrand der Acephalen. 15¢ 


flache der Aufenwand desselben Sipho ebenfalls zuerst die Wim- 
perzellen auftreten. Diejenige Hialfte des Querbalkens, welche 
zum Branchialsipho sieht, hat ein wimperloses, diejenige Halfte, 
die dem Analsipho gehért, hat bewimpertes Epithel (Fig. 48). 
Die dem Branchialraum zugekehrte Flache des Querbalkens ist 
in ihrer ganzen Ausdehnung bewimpert. Im Septum kommen 
amorphe Sekretmassen unter ganz denselben histiologischen Er- 
scheinungen, wie auf den Innenflichen der SiphoauSenwinde vor 
(Fig. 48). Sie finden sich auf beiden Seiten in gleicher Machtig- 
keit und miinden sowohl in den Branchial- wie in den Analsipho 
(Fig. 48). Die in den einen Sipho miindenden Massen reichen 
an manchen Stellen (Fig. 48) bis ins Epithel des anderen Sipho. 
Auch im Querbalken kommen amorphe Giftmassen vor, doch 
kénnen dieselben, infolge ihrer Lagerung, nur in das Lumen der 
Siphonen, nie aber in den Branchialraum sich entleeren. 

Der Mantelrand, der, wie die makroskopische Betrachtung 
gelehrt hatte, in seiner ganzen Ausdehnung verwachsen ist, zeigt 
auf seiner auBeren, ventralen Flache diese Verwachsungslinie im 
Schnitte als eine median verlaufende, sehr seichte Furche, die 
jederseits von einer nicht zu hohen Falte begrenzt ist. Das 
Epithel dieser Furche, der Falten, wie das der seitlich von 
ihnen zum Mantel abfallenden Randpartieen hat sich in sehr zahl- 
reiche, kleine Zotten gelegt und besteht aus Zellen, welche denen 
der Siphonen, was Hohe, Breite und Wimperlosigkeit anlangt, 
vollkommen gleichen. Driisen kommen hier nirgends vor. 

Auf der dem Branchialraume zugekehrten Flache des Randes 
sind die Epithelzellen niedrig, schmal cylindrisch und sind mit 
Wimpern besetzt. Hier kommen zahlreiche Becherzellen vor, 
welche Mucinreaktion zeigen. 


Mactra stultorum und Mactra helvacea.  Beide 
Arten stimmen, von kleinen, unbedeutenden Unterschieden abge- 
sehen, in ihrem histiologischen Verhalten tiberein, so dafi die fol- 
gende, von Mactra stultorum entnommene Schilderung auch fiir 
die andere Art Giiltigkeit hat. 

Frisch untersucht zeigen die Papillen der Siphonen und 
des Randes einen epithelialen Belag, dessen breiter cuticularer 
Saum frei von Wimpern und von Dornen bez. Sinneshaaren ist. 
Hier findet sich also dasselbe Verhaltnis wie bei Solen siliqua 
und ensis und Mya truncata (cfr. FLemMinG 17, p. 429/430). Die 
Siphopapillen sind pigmentiert und das Pigment erscheint bei 


138 Dr. Bernhard Rawitz, 


durchfallendem Lichte fast blau. Parren (32) behauptet im An- 
schlusse an SHArp (43), da’ bei Mactra stultorum Pigmentflecken 
(,,pigmented areas‘) an den Enden der Siphonen vorkommen, in 
denen die Pigmentzellen zu kleinen Gruppen arrangiert sein sollen, 
in deren Centrum ein heller, strahlenbrechender Fleck sich findet. 
An den Basen der Tentakel (Papillen) sind die Zellen dieser Bil- 
dungen zu intensiv gefarbt, um einen genauen Einblick in ihre 
Zusammensetzung ohne weiteres zu gestatten. Der Autor sagt dann: 
jl believe that the clusters of pigmented cells, in the centre of which 
were the clear refractive points, are the same structures we have 
seen in Arca, that is ommatidia, composed of pigmented cover 
cells surrounding a central corlorless one“ (1. c. p. 606). Weder 
ParrEN noch SHarp, die beide auch eine Lichtempfindlichkeit 
oder vielmehr richtiger eine Wahrnehmung von hell und dunkel 
bei verschiedenen Arten von Mactra konstatiert haben wollen, 
geben eine Zeichnung der von ihnen als Augen gedeuteten Ge- 
bilde. Es ist daher auch ganz unméglich zu erkennen, wodurch 
besonders ParTrEeN zu seiner Angabe verleitet worden ist; denn 
das kann ich nach meinen Beobachtungen sagen, daf Bildungen, 
wie sie Parren beschreibt, die den Augen von Arca auch nur 
entfernt gleichen, absolut nicht vorkommen. Ich habe weder 
an frischem Materiale noch an Schnittpraparaten auch nur an- 
deutungsweise etwas von dem gesehen, was ParTen beobachtet 
haben will. Fand ich auch stellenweise die Pigmentzellen dichter 
stehen und nur sparliche pigmenthaltige zwischen ihnen: darauf- 
hin, glaube ich, darf man noch nicht die Behauptung von dem 
Vorkommen von Augen aufstellen. 

Die Resultate, zu denen mich das Studium von Schnittpra- 
paraten gefiihrt hat, sind folgende. 

Die AuSenflache der Siphonen — beide gleichen ein- 
ander vollkommen — ist in ihrer ganzen Ausdehnung an der 
Epicuticulabildung beteiligt. Die Epithelzellen derselben sind 
9 mw hohe, 2,7 « breite konische Zellen, deren freier Saum einfach 
konturiert ist und in die Epicuticula tibergeht. Wimpern fehlen 
vollkommen. Einzelne Zellen sind pigmenthaltig; das dunkle 
Pigment besteht aus kleinen K6rnern, welche die vom Kern distal 
gelegene Partie der Zellen dicht erfiillen. Die Kerne sind stets 
basal gelegen, entweder kreisrund und klein oder oval und lang. 
Der Durchmesser der ersteren schwankt zwischen 2 und 3 yn, 
die Lange der letzteren betragt etwa 6 uw. Die Sinneszellen sind 


Der Mantelrand der Acephalen. 139 


zwischen den indifferenten im Schnitte nicht zu erkennen. Driisen 
kommen hier nicht vor. 

Das Epithel der Innenflache der Siphonen hat sich in 
breite, aber niedrige Zotten gelegt. Die Epithelzellen sind nie- 
drige, nur 5,4 « hohe und 2 w breite Gebilde, die basal gelegene 
ovale Kerne von 3,6 « Lange besitzen; sie haben keinen doppelt 
konturierten cuticularen Saum. Auf ihrer freien Flache sind 
weder Wimpern noch Borstenreste zu erkennen, dagegen sieht 
man auf ihnen und im Lumen der Siphonen kriimliche Massen 
liegen, die offenbar von dem unter dem Epithel vorhandenen und 
in das Lumen sich entleerenden amorphen Sekretmassen her- 
riihren. Uber die letzteren ist folgendes anzumerken. Dicht an 
der Miindung der Siphonen, proximalwarts der Papillarregion 
sind sie am reichlichsten vorhanden, werden von da ab, je mehr 
man sich der Wurzel der Siphonen nahert, sparlicher. Sie liegen 
in den Epithelzotten und reichen basalwairts von denselben nur 
wenig in die Substanz des Sipho hinein (Fig. 49 gd). Die Unter- 
suchung mit schwachen Linsensystemen zeigt dieselben von fast 
fiederformigem Aussehen (Fig. 49). Bei Anwendung starkerer 
Systeme erkennt man, daf sie sich von den bisher bekannten 
amorphen Sekretmassen dadurch unterscheiden, daf sie weder 
aus Tropfenkonglomeraten bestehen, noch zu Schollen geronnen 
sind. Sie sind vielmehr aus einzelnen kleinen Strichen oder 
linienartigen Elementen zusammengesetzt, die eine weitere Struk- 
tur nicht darbieten. Die einzelnen feinen Linien sind zu schma- 
len Ziigen zusammengefaft, die in den Maschen der Bindesubstanz 
liegen und dem Zuge der Muskeln folgen. Dadurch nun, daf 
letztere fiederférmig in den Epithelzotten auseinander fahren, ist 
auch das Bild der Sekretmassenverteilung ein fiederférmiges. Die- 
ses Bild (Fig. 49) ist so frappant, so different von allem, was ich 
bisher im Mantelrande der Muscheln beobachtet und beschrieben 
habe, dai ich zuerst zweifelhaft war, ob es wirklich Sekretmassen 
sind, um die es sich hier handelt. Vermehrt wurde der Zweifel 
noch dadurch, daf man zwischen den Massen zwar die Kerne der 
Bindesubstanzfibrillen, innerhalb der Massen aber nicht die Kerne 
derjenigen Zellen antriffit, welche durch ihre Thatigkeit die Mas- 
sen produzieren. Was meines Erachtens als vollgiiltiger Beweis 
dafiir, da’ die Massen wirklich Sekretmassen sind, anzusehen ist, 
ist der Umstand, da man sie in interepithelialen Liicken und 
jenseit derselben im Sipholumen antrifft. Sie farben sich im 
Eneuicu-Bionpi’schen Farbengemisch tiefrot, in Orange-Hama~ 


140 Dr. Bernhard Rawitz, 


toxylin leuchtend orange, in Eosin-Haimatoxylin flammendrot und 
in Bismarckbraun, hierin wiederum eine Besonderheit darbietend, 
rotlich (Fig. 49); die Massen sind also Giftmassen. 

Die Papillen, welche die Siphoéffnung umkranzen, haben 
Epithelzellen, deren Habitus denen auf der Sipho-Innenflaiche so 
vollstandig gleicht, daf das dort Gesagte hier buchstabliche An- 
wendung findet. Das eine ware noch zu erwahnen, da8 man in 
in den basalen Partieen der Papillen pigmenthaltige Zellen an- 
trifft, deren Verteilung aber, wie schon einmal hervorgehoben, in 
keiner Weise auf das Vorhandensein spezieller Sinnesorgane hin- 
deutet. Die Sinneszellen sind im Schnitte nur schwer als ganz 
schmale Gebilde zu erkennen. Ferner gleichen die Papillen noch 
dadurch der Sipho-Innenfliche, da in ihnen amorphe Sekretmas- 
sen von ganz dem gleichen Aussehen und ganz der gleichen Be- 
schaffenheit vorkommen wie dort. 

Uber die Muskulatur ist etwas Besonderes nicht zu be- 
merken; ihre Verteilung stimmt im allgemeinen mit der Sipho- 
muskulatur der bisher behandelten Myaceen iiberein. 

Ich komme zur Beschreibung des Mantelrandes. Bei 
Anwendung schwachster Vergréferungen erscheint derselbe als 
ein wenig ausgedehntes Plateau, das nach innen in eine kurze, 
kegelformige Papille iibergeht, nach aufen in einer Falte endet, 
welche hoch und breit ist, etwa handschuhfingerformige Gestalt 
hat und aufen nach einer im Schnitte leicht kolbig erscheinenden 
Anschwellung in die Aufenflache iibergeht. Die Grofenverhalt- 
nisse des Randes sind folgende. Die Falte hat eine ungefahre 
Hoéhe von 0,7 mm bei einer maximalen Breite, welche zugleich 
die basale ist, von 0.32 mm, wahrend die distale Breite nur 
0,12 mm betragt. Das Plateau setzt sich durch eine seichte Ein- 
biegung von der Falte ab und geht innen in die Papille tier, 
deren Héhe etwa 0,35 mm ist. Das Epithel der Falte besteht 
aus 8 « hohen, 3 « breiten wimperlosen Cylinderzellen, deren 
basal gelegene kreisrunde Kerne etwa 2 « Durchmesser besitzen. 
Der cuticulare Saum ist schmal, Pigment kommt hier, wie auch 
in den iibrigen Partieen des Randes, nicht vor. Die Sinnes- 
zellen sind als sehr schmale Gebilde mit intensiv gefiarbten, 
stabchenformigen Kernen kenntlich. Auf dem Plateau zeigen die 
Epithelzellen dieselbe Beschaffenheit, wie auf der Falte. 

Die Epithelzellen der Papillen sind niedrige, nur 7 uw mes- 
sende Gebilde von kubischer Gestalt mit breitem cuticularem 
Saume und kleinen, kreisrunden, basal gelegenen Kernen. Die 


Der Mantelrand der Acephaleén. 141 


Sinneszellen, kenntlich wie tiberall durch ihre schmale Gestalt 
und ihre stibchenférmigen Kerne, sind sehr zahlreich. 

Innen geht das Epithel kontinuierlich tiber in das wimpernde 
Epithel der Mantelinnenflache. 

Die Falte wie die ganze Aufenfliche des Randes und des 
Mantels sind driisenlos. Im Plateau finden sich im Anfang spir- 
lich, dann mehr nach innen zu in groéferer Menge Mucindriisen, 
die besonders reichlich auf der Innenfliche des eigentlichen Man- 
tels vorkommen. Sie liegen ziemlich dicht am Epithel und miin- 
den in interepithelialen Liicken. Es sind ein- und mehrzellige 
Gebilde, die in Gruppen beisammen stehen; Becherzellen kommen 
nicht vor. 

Uber die Bindesubstanz sind einige Besonderheiten zu 
notieren. In der AufSenfliiche des Randes mit Einschluf der 
Falte und in der AuSenhalfte des Mantels hat dieselbe den ge- 
wohnlichen, bei Acephalen vorkommenden Charakter der spon- 
gidsen bindesubstanz. Anders aber ist ihre Struktur in der 
Innenhalfte. Hier erscheint das Gewebe bei mittlerer Vergrife- 
rung (etwa ZeifS D) fast homogen; man erkennt in ihm nur 
kleine Falten, die in der Richtung von innen nach aufen, also 
von Epithel zu Epithel verlaufen und kreisrunde oder ovale 
Liicken fiir die durchtretenden meist quergetroffenen Muskeln be- 
sitzen. Die Kerne der Bindesubstanz sind hier ganz auferordent- 
lich sparlich. Im Gegensatze zu dem gewodhnlichen spongidsen 
Gewebe, das die Farbstoffe nur wenig anzunehmen pflegt, farbt 
sich dieses ziemlich intensiv. Die Farbung wird dann gegen 
das Epithel der Innenfliche sehr stark und schlieflich erscheint 
das Gewebe am Epithel in einer Dicke von 3 w fast dunkel 
gefirbt und homogen. Bei homogener Immersion erkennt man 
in diesen letzteren Partieen noch eine Andeutung von Fibrillen, 
indem feine, dicht bei einander stehende Linien in der Richtung 
nach aufen verlaufen. 


Mya arenaria. In seiner ersten Arbeit tiber Mollusken 
hat FLemuine (17), wie bereits erwahnt, hervorgehoben, dal die 
Sinneszellen von Mya truncata des Haarbesatzes véllig entbehren. 
Nach meinen Untersuchungen an Mya arenaria kann ich diese 
Augabe vollauf bestitigen. Der ziemlich breite cuticulare Saum 
des Papillenepithels hat keinerlei Haarbesatz, weder Wimpern 
noch Sinnesborsten. 


142 Dr. Bernhard Rawitz, 


Uber die feineren Verhiltnisse gelangte ich an meinen Pra- 
paraten zu folgenden Resultaten, die sich vielfach mit denen 
decken, welche Rouse (37) von der gleichen Art erhielt. 

Die kegelférmigen Papillen, welche in zwei Reihen um die 
Siphodfinungen stehen, sind um ‘so massiver, je weiter sie von 
denselben entfernt sind. Nach aufen von den Papillen finden sich 
zwei niedrige Falten, die zum Teil mit an der Epicuticulabildung 
beteiligt sind. Die Papillen sind nur an ihren Basen pigmentiert, 
sonst aber pigmentfrei. Ihre Epithelzellen sind 32 w hoch, 3,6 « 
breit; der cuticulare Saum mift 1,8 «. Die Kerne sind central 
gelegen und von ovaler Gestalt; sie sind 5,4 w lang, 3 wu breit. 
Zwischen diesen indifferenten Zellen finden sich ganz schmale, 
kaum halb so breit wie jene erscheinende Gebilde, welche stiab- 
chenfoérmige Kerne besitzen, die von der Mitte der Zelle bis zur 
Basis reichen. Die gegenseitigen Konturen der Epithelzellen sind 
. sehr scharf, die wurzelf6rmige Ausfaserung ist im Schnitte nicht 
sichtbar. In den mehr lateral stehenden Papillen ist der epithe- 
liale Uberzug glatt, wihrend in den mehr medialen derselbe sich 
gefaltet hat, die Zellen daher auf Schnitten zu Zotten gruppiert 
erscheinen. Die vorhin erwaihnten schmalen Zellen, die als die 
taktil empfindlichen Sinneszellen zu betrachten sind, sind nament- 
lich in den den Siphoéffnungen nahestehenden Papillen sehr 
reichlich. 

In den Papillen fehlen jegliche sekretorische Apparate; es 
sind weder Becherzellen, noch Mucindriisen, noch Giftmassen vor- 
handen. 

Kine ganz eigenartige Erscheinung bietet hier die Binde- 
substanz dar, besonders in Praiparaten, die in Orange-Haima- 
toxylin gefarbt sind. Dicht unter dem Epithel ist dieselbe ganz 
homogen. Die Zellsubstanz der Epithelien hat sich in der ge- 
nannten Doppelfirbung blaSgelb gefarbt, die homogene Schicht 
der Bindesubstanz ist ebenfalls blafgelb. Diese Schicht hat eine 
ungefihre Machtigkeit von 4 uw. Auf dieselbe folgt eine gleich- 
falls homogene Schicht, die sich veilchenblau (in Bismarckbraun 
tief dunkelbraun) tingiert hat (Fig. 50); dieselbe geht ohne scharfe 
Grenze allmahlich in die wie allenthalben bei jener Doppel- 
firbung blaugrau aussehende Bindesubstanz der Papillen iiber. 
An der Grenze zwischen beiden homogenen Schichten finden sich 
haufig die letzten Fibrillen der Compressorfasern, die wie feine 
Stippchen aussehen. Besonders intensiv ist die veilchenblaue 


Der Mantelrand der Acephalen. 143 


Farbung an der inneren der beiden oben erwihnten Falten, deren 
epithelialer Belag iibrigens dem der Papillen gleicht. 

Die Innenflache der Siphonen, die im Branchialsipho 
dieselben Einzelheiten zeigt wie im Analsipho, ist in einer Art 
pigmentiert, die bei der allgemeinen Beschreibung eingehend ge- 
schildert worden ist. Die Epithelzellen sind 21,6 uw hohe Cylin- 
derzellen, welche einen 1,8 uw breiten, wimperfreien cuticularen 
Saum besitzen; ihre Breite ist nicht genau zu messen. Die 
Kerne sind kreisrund und liegen central. Das Pigment, das aus 
kleinen schwarzen Kérnern besteht, erfiillt die Zellen sehr dicht 
und bedeckt auch die Kerne noch zum Teil, so da8 diesel- 
ben in ihrer ganzen Lange nicht sichtbar sind. Die basale 
Grenze der Epithelien bildet eine zarte, aber deutlich ausge- 
sprochene Linie. Sinneszellen sind zwischen den indifferenten 
nicht zu beobachten. Auf der Innenfliche finden sich, ganz wie 
in den Papillen, keinerlei sekretorische Apparate vor. 

Die Pigmentverteilung auf der Sipho-AuSenflache ist bei 
der allgemeinen Beschreibung bereits geschildert. Das Epithel 
hat sich in auferordentlich zahlreiche Zotten gelegt, welche von 
sehr verschiedener Héhe und Breite sind. Die Zellen sind Cylin- 
derzellen ohne doppelt konturierten Saum; ihre Hohe betragt 
23 uw. Sie haben ovale Kerne, welche in der basalen Zellhalfte 
gelegen sind. Die Linge derselben betrigt 7,2—9 u, ihre Breite, 
welche der der Zellen entspricht, ist 3,6 wu. Die Zellen sind fast 
durchgiingig pigmentiert, das Pigment, von derselben Farbe wie 
innen, ist bald reichlich, bald nur sparlich in den Zellen vor- 
handen und besteht, ebenfalls wie innen, aus kleinen Kornern. 
Die Bindesubstanz, die in den Epithelzotten sich findet, 
zeigt auch hier aufen, wie in den Papillen und auf der Innen- 
fliche , jene eigentiimliche, bereits geschilderte Farbung und 
Schichtung. Driisige Organe fehlen auch auf der Aufenflache 
vollkommen. 

Uber die Epicuticula, welche von der ganzen Sipho-AuBen- 
fliche entsteht, soll spater berichtet werden. 

Die Nerven verlaufen in den Papillen in deren Lingsachse, 
aber nicht in ein und derselben Ebene, sie sind vielmehr wellig 
gebogen, so daS man sie in den Schnitten nur bruchstiicksweise 
erkennen kann; ihre letzten Endigungen sind nicht zu eruieren. 
Die Anzahl der die Siphonen versorgenden Nervenstémme ist be- 
reits durch die Praparation festgestellt; die weitere grébere Ra- 
mifikation ist daher hier nicht mehr von Interesse. In den 


144 Dr. Bernhard Rawitz, 


Nerven trifft man sowohl central wie peripher gelegen zahlreiche 
polyclone Ganglienzellen. 

Die Muskulatur der Siphonen ist am besten an Quer- 
schnitten zu studieren und zeigt folgende Verhaltnisse. Dicht 
unter dem Epithel der Innenfliiche findet sich eine schmale Schicht 
Constrictorfasern; aut dieselbe folgen einige sparliche Retractor- 
fasern, die allmahlich in kolossale Retractormassen itbergehen, 
welche bis zum Epithel der Aufenttiche, diesem dicht anliegend, 
reichen. Diese Massen sind von verstreuten, bald sehr starken, 
bald nur schwachen Constrictorbiindeln durchsetzt, welche nir- 
gends eine einheitliche, besonders abgesetzte Masse bilden, wie bei 
anderen Siphoniaten. Die Compressorfasern durchsetzen die 
Biindel des Retractor und des Constrictor. Im Septum kommen 
nur wenige Retractorfasern, dagegen sehr zahlreiche, stark durch- 
einander gekreuzte Constrictorbiindel vor. In den Papillen finden 
sich die Muskeln nirgends in besonderer Gruppierung, sondern 
sind zu einem dichten Netze durcheinander geflochten. 

Aus meiner Beschreibung der makroskopisch wahrnehmbaren 
Verhiltnisse des Mantelrandes ist bekannt, daf zwei hohe 
Falten, welche rechts und links von der Medianlinie stehen, durch 
die ganze Linge des Randes auf dessen auferer Flache zu finden 
sind. Diese Falten erscheinen auf dem Querschnitte von hand- 
schuhfingerformigem Aussehen. Man kann an ihnen nach der 
Beschatienheit des Epithels zwei Abteilungen unterscheiden; die 
distale Halfte hat einen glatten epithelialen Belag, wahrend der 
der proximalen Halfte sich in zahlreiche Zotten gelegt hat. Letz- 
tere sind von sehr unregelmafiger Gestalt; bald sind sie hoch 
und schmal, bald niedrig und breit, im ersteren Falle stehen sie 
eng aneinander, im letzteren weit auseinander. Die Epicuticula 
entsteht von beiden Partieen der Falten in ganz gleicher Weise. 
Diese Zottenbildung des Epithels findet sich ferner in der medial 
zwischen beiden Falten gelegenen Bucht und ebenso lateralwirts 
der Falten bis zu der in der allgemeinen Beschreibung erwahnten 
weiflichen auferen Grenzlinie. Von hier ab andert sich der Cha- 
rakter des Epithels; die Zotten, zu denen sich dasselbe gruppiert 
hat, werden gleichmafbiger, sie sind von gleicher Hohe und Breite 
und stehen eng aneinander. Diese Partie fihrt dann kontinuier- 
lich zu dem Epithel der Aufenfliche des Mantels, welche der 
Schale eng anliegt. 

Die feineren Einzelheiten, die hier zu beobachten sind, sind 
folgende ; . 


Der Mantelrand der Acephalen. 145 


Das Epithel der distalen Halfte der Randfalten besteht aus 
Zellen, welche 10 uw Breite haben und kreisrunde Kerne besitzen, 
deren Durchmesser der Breite der Zelle entspricht. Die Kerne 
liegen dem freien Rande der Zelle genihert, welcher einfach kon- 
turiert ist, wie stets da, wo die Zellen an der Bildung der Epi- 
cuticula beteiligt sind. Die basale Endigung der Epithelzellen 
ist durch eine scharfe Linie ausgeprigt, die wurzelfoérmige Aus- 
faserung ist im Schnitte nicht zu sehen. Das Epithel der proxi- 
malen Halfe der Falten hat eine Hohe von 14,4 uw; die Breite der 
Zellen ist nicht zu messen, da die Zellkonturen nicht sichtbar sind. 
Die Kerne liegen basal und sind oval; ihr langer Durchmesser 
betrigt 5,4 uw, ihr schmaler 1,8 u. In Ubereinstimmung mit die- 
sen Zellen sind diejenigen, welche die Bucht zwischen den beiden 
Falten bekleiden. Lateralwirts der Falten werden die Epithel- 
zellen zunachst niedriger; ihre Hohe betragt nur noch 9 w, ihre 
Breite ist nicht genau zu messen, die Kerne sind schmal und 
lang, 1,8: 5,4 uw, und liegen dicht dem freien Epithelsaume an. 
Weiter nach aufen zu werden die Zellen wieder hoher, bis sie 
etwa 18 « messen; sie sind dabei sehr schmal, 1 uw, haben central 
gelegene ovale Kerne von 5,4 « Linge, deren Breite der der 
Zellen entspricht. In allen diesen Regionen sind die Sinneszellen 
zwischen den indifferenten nicht zu erkennen. 

Die Epithelzellen der Falten und der medial wie lateral von 
denselben gelegenen Partieen bis zu jenen von 18 « Hohe, welche 
die weibliche Grenzlinie bezeichnen, farben sich ziemlich intensiv, 
namentlich in Anilinstoffen. Die nach aufen von der Grenzlinie 
gelegenen Abschnitte des Randes haben ein Epithel, das sich nur 
sehr bla tingiert und dadurch sich von dem bisher beschriebenen 
deutlich unterscheidet. Die Zellen sind 30,6 wu hoch, 2,7 w breit; 
die Kerne, basal gelegen und von ovaler Gestalt, messen 9,2 «. 
Dieses Epithel geht kontinuierlich iiber in das der Mantelaufen- 
fliche, das aus circa 41 w hohen Zellen besteht, deren freier 
Saum 2,5—3 w mift (Fig. 51); ihre Breite schwankt zwischen 
5,4 und 14,4 w, ihre Kerne sind kreisrund, haben einen Durch- 
messer von 5,4 « und liegen der sehr scharf konturierten Basis 
an. Das Plasma dieser Zellen ist sehr zart granuliert und unter- 
scheidet sich dadurch und durch die Abwesenheit eines in Stibe 
oder Schollen zerfallenen Inhaltes von dem Epithel der Mantel- 
aufenfliche, wie es bei anderen Species (Arca, Dreissensia) beob- 
achtet werden konnte. Die Zellen der Mantelaufenfliche sind 


scharf gegen einander begrenzt; die Konturen werden von binde- 
Bd, XXVII, N. F, XX. 10 


146 Dr. Bernhard Rawitz, 


gewebigen Membranen gebildet, die aus dem subepithelialen Ge- 
webe mit schmalem, dreieckigem Fue entstehen (Fig. 51). Die 
Membranen farben sich zum Unterschiede gegen das Plasma der 
Zellen, das Farbstoffe fast gar nicht annimmt, sehr intensiv. 

Hervorzuheben ist noch, daf’ die Epithelzellen aller der hier 
behandelten Partieen pigmentfrei sind. 

Driisen kommen auf der Aufenflache des Randes zwischen 
der Auferen Grenzlinie und der medialen Furche nicht vor, eben- 
sowenig amorphe Sekretmassen und Becherzellen. Nur in den 
nach aufen von jener Grenzlinie gelegenen Partieen, deren Epi- 
thel sich bla8 gefarbt hat, finden sich Mucindriisen, tiber welche 
Folgendes auszusagen ist. Die Driisen, als Mucindriisen durch 
ihre bekannten tinktorialen Eigenschaften gekennzeichnet, sind 
auBerordentlich sparlich vorhanden; sie sind einzellige Gebilde 
von flaschenformigem Aussehen und miinden in interepithelialen 
Liicken. Ihr Sekret ergiefSt sich in der Richtung gegen die Schale, 
aber noch in den von der Epicuticula bedeckten Raum hinein; 
in der eigentlichen Aufenflache des Mantels fehlen sie. 

Auf der inneren, dem Branchialraume zugekehrten Flache des 
Randes haben die mit hohen Wimpern versehenen Kpithelzellen, 
zwischen denen ich keine Sinneszellen wahrnehmen konnte, sich 
zu zahlreichen und dicht stehenden, gleich hohen Zotten gruppiert. 
Die Hohe der Zellen betragt 21,6 uw, ihre Breite 3,6 uw, die Linge 
der auf schmalem cuticularem Saume aufsitzenden Wimpern > 
schwankt zwischen 5,4 vu und 14,6 uw (Fig. 52). Die ovalen Kerne, 
deren Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht, wéihrend 
ihre Linge 7,2 « betrigt, sind central gelegen. Diejenigen Ge- 
bilde, welche der branchialen Flache des Randes das sie von der 
iuBeren unterscheidende Merkmal aufdriicken, sind die Mucin- 
driisen, die in der Mitte der Flache sehr zahlreich sind. Als 
Mitte ist diejenige Strecke zu betrachten, welche zwischen zwei 
Lotrechten liegt, die man sich von der AuSenfliche der Randfalten 
durch den Rand gezogen denken muf. Hier nun sind, wie be- 
merkt, die Mucindriisen sehr zahlreich. Lateralwirts dieser Mit- 
telpartie, rechts wie links, werden die Driisen sparlicher, um dann 
in den Abschnitten ganz zu verschwinden, welche nach aufen 
von zwei Lotrechten liegen, die man sich von den bekannten 
weiflichen Grenzlinien branchialwarts gezogen denken mu. Die 
Driisen sind stets, da sowohl, wo sie massenhaft, wie da, wo sie 
nur sparlich vorkommen, einzellige Gebilde, die immer vonein- 


Der Mantelrand der Acephalen. 14% 


ander getrennt bleiben und durch interepitheliale Liicken miinden 
(Fig. 52 md). Becherzellen kommen nicht vor. 

Mit der Abnahme der Zahl der Mucindriisen geht eine Er- 
scheinung einher, welche sehr beachtenswert ist. Es treten nim- 
lich in der Bindesubstanz die FLEMMiING’schen Zellen, die man 
da, wo viele Mucindriisen liegen, kaum wahrnehmen kann, in den 
lateralen driisenarmen und driisenfreien Partieen so zahlreich auf, 
dai sie das mikroskopische Bild beherrschen (Fig. 52 fz). Sie 
imponieren, trotzdem sie von Muskelfasern vielfach durchsetzt 
sind, als eine einheitliche Masse und stehen so dicht bei einander, 
daf sie durch gegenseitigen Druck eine polyedrische Gestalt er- 
langt haben (Fig. 52). Bei schwachen Vergréferungen erkennt 
man nur einen dichten Haufen von Kernen, weil der Plasmahof 
um dieselben relativ gering entwickelt ist. Dieser Plasmahof hat 
sich in Orange-Hamatoxylin orangegelb, in Bismarckbraun_hell- 
gelbbraun tingiert und erscheint bei Anwendung starker Systeme 
dicht granuliert. Diese Zellen nun sind auch zwischen den Epi- 
thelzellen anzutreffen. Man findet sie als vollkommen intakte 
Gebilde zwischen den Wimperzellen (Fig. 52), die sie auseinander- 
gedraingt haben, in allen Héhen des Epithels, also sowohl an der 
Basis, wie auch in der Nahe des Wimpersaumes. Diese Erschei- 
nungen erinnern lebhaft an die von SrOHR an verschiedenen Or- 
ganen der Siugetiere beobachtete Durchwanderung von Leukocyten 
durch das Epithel. In den Stellen der branchialen Fliche des 
Randes, in denen die Mucindriisen spérlich sind, trifft man die 
FLemmina’schen Bindesubstanzzellen ebenfalls im Epithel (Fig. 52), 
und zwar liegen sie zuweilen mit einem Driisenausfihrungsgange 
zugleich in derselben Epithelliicke. Manchmal zeigen die im 
Epithel sich findenden FLemminea’schen Zellen eine Verinderung 
ihres Aussehens, die lebhaft an die bei Cardium edule gefundenen 
Erscheinungen erinnert. Sie prasentieren sich namlich auch als 
glinzende Kérper, in denen eine Zellstruktur nicht mehr zu sehen 
ist, sie sind homogen und nur hie und da wie in kleine Schollen 
zerfallen (Fig. 52 hk). 

Dieser ganz ungewodhnliche Reichtum der Bindesubstanz an 
Fremmina’schen Zellen findet sich auch in der Bindesubstanz 
der diuferen Randfliche; namentlich sind es hier die distalen 
Hialften der Falten, welche eine grofe Zahl dieser Gebilde beher- 
bergen. In der Siphosubstanz kommt diese Erscheinung nicht vor. 
Ein Unterschied der auferen von der branchialen Flache hinsicht- 
lich der FLemmMinG’schen Zellen besteht darin, dab sie auf jener 

10* 


148 Dr. Bernhard Rawitzd, 


nicht durch das Epithel zu wandern scheinen, sondern in der 
Bindesubstanz bleiben, wenigstens habe ich sie nie in inter- 
epithelialen Liicken angetroffen. 

Hinsichtlich einer anderen Struktureigentiimlichkeit der Bin de- 
substanz erinnert die aufere Randfliche an die Siphonen. Dicht 
am Epithel, ohne Interkurrenz einer homogenen Zwischenschicht, 
ist die Bindesubstanz naimlich intensiv gefirbt, in Bismarckbraun 
dunkelbraun (Fig. 506), in Orange-Haimatoxylin veilchenblau. 
Lateralwirts der Falten erstreckt sich diese Farbungseigentiim- 
lichkeit nur bis zur Grenzlinie; dort hért sie auf. Auf Mucin- 
massen, die hier subepithelial angehiuft waren, deutet diese 
Fiairbung nicht hin, da dieselbe nie zwischen die Epithelzellen 
eindringt. 

Die Muskulatur bietet in Querschnitten durch den Mantel- 
rand das Bild zahlreicher langsgetroffener Fasern, die sich kreu- 
zen und zwar in der Richtung von innen links nach aufen rechts 
und von aufen links nach innen rechts. Quergeschnittene Mus- 
kelbiindel, also solche, die in der Liinge des Randes verlaufen, 
sind nur sparlich vorhanden und zwar nur dicht unter dem Epi- 
thel der auBeren und der inneren Flache; an der letzteren findet 
man sie nur in der mittleren Partie, an der ersteren reichen sie 
bis zur auferen Grenzlinie. 

Es ertibrigt noch die Beschreibung des Fufschlitzes (Fig. 53). 
Betrachtet man einen Querschnitt durch diese Stelle bei sehr ge- 
ringer VergréBerung, so erkennt man dicht an der Offnung eine 
konische Falte, die nach aufen in ein breites Thal tibergeht, das 
wiederum zu einer konischen Falte fiihrt, welche ebenso hoch ist, 
wie die erstere. Diese zweite Falte ist die direkte Fortsetzung 
der auBeren Grenzlinie (cfr. allgemeine Beschreibung). Die zweite 
Falte geht dann auSen kontinuierlich tiber in die Aufenfliche des 
Mantels. Nach innen setzt sich die Innenfliche der Innenfalte in 
eine unregelmafig gewellte Fliche fort, von welcher in der Mitte 
ihrer linearen Ausdehnung eine kurze, kegelf6rmig im Schnitte 
aussehende Falte sich erhebt, deren Spitze gegen das Lumen des 
Schlitzes gerichtet ist. Durch diese Falte wird die Innenwand 
des Schlitzes halbiert; dieselbe endet mit einer sehr schmalen 
Falte, welche senkrecht in den Branchialraum hineinreicht. Die 
branchiale Flaiche dieser Partie des Randes ist ziemlich glatt. 
Denkt man sich von der Innenfliche der duferen der beiden oben 
erwihnten Falten eine Senkrechte branchialwiirts gezogen, so 
trifft dieselbe den inneren Kontur des quergeschnittenen Fleckes 


Der Mantelrand der Acephalen. 149 


(cfr. allgemeine Beschreibung), dessen branchiale Flache, wie die 
des Randes an dieser Stelle tiberhaupt, leicht konkav ist, waihrend 
die Begrenzung des Fleckes gegen die Substanz des Randes eine 
konvexe ist. Der Fleck fallt sofort auf, als eine im Querschnitt 
halbmondartig gestaltete Masse von besonderer Farbung. Das 
Querschnittsbild einer Randhafte am Fufschlitze gleicht einer Keule, 
deren Stiel vom Mantel, deren Auftreibung vom Schlitzrande ge- 
bildet wird. 

Die Héhe der beiden oben erwahnten Falten betragt etwa 
0,5 mm, das Thal zwischen ihnen hat eine ungefahre lineare Aus- 
dehnung yon 0,95 mm. Die senkrecht gegen das Lumen des 
Schlitzes gerichtete Falte hat eine Hohe von circa 0,22 mm, die 
Hohe der Endfalte betragt 0,30 mm. Von dem Innenrande des 
Schlitzes ist der Fleck 1 mm entfernt; er hat im Querschnitte 
eine Breite, also eine Ausdehnung nach aufen, von 1,4 mm, wah- 
rend seine Dicke 0,15 mm betragt. 

Die Epicuticula wird von der ganzen auferen Flache dieser 
Gegend gebildet, ihre Ursprungsstiatte erstreckt sich innen bis 
zu der kleinen, senkrecht gestellten Falte, branchialwarts von 
letzterer hat das Epithel mit der Epicuticula nichts mehr 
zu thun. 

Wenden wir uns nunmehr zur Beschreibung der feineren 
Verhaltnisse. 

Das Epithel der beiden Falten, des zwischen ihnen gelegenen 
Thales sowie das Epithel abwarts der Innenfalte bis zur senkrecht 
stehenden Falte hat sich in auBerordentlich zahlreiche Zotten ge- 
legt. Es besteht in allen diesen Regionen aus Zellen, welche 
kubische Gestalt haben, 7,2 4 messen und kleine basal gelegene, 
kreisrunde Kerne besitzen, deren Durchmesser 3,6 uw betragt. Ihr 
freier Saum ist nicht doppelt konturiert. In der proximalen 
Halfte der Aufenfliche der auferen Falte sind die Epithelzellen 
12,6 uw hoch; die Kerne sind langsoval, ihr Langsdurchmesser 
4 u, ihr Breitendurchmesser, welcher dem der Zelle entspricht, 
betragt 1,8 «. Nach aufen von der Aufenfalte sind die Zellen 
nur 9 w hoch, wahrend ihre Breite nicht zu messen ist, die 
Kerne sind kreisrund, haben einen Durchmesser von 3,6 u und 
liegen dem freien Saume der Zellen fast dicht an. 

Sekretorische Organe kommen hier nirgend vor. 

Abwarts von der senkrecht gegen das Lumen des Fufschlitzes 
stehenden Falte, bis zur branchialwirts gekehrten Endfalte hat 
sich das Epithel ebenfalls in zahlreiche Zotten gelegt. Gleicht 


150 Dr. Bernhard Rawitz, 


es in seinen Gréfenverhaltnissen dem Epithel der vorhin be- 
sprochenen Partieen, so unterscheidet es sich von jenen da- 
durch, daf es einen ziemlich dicken cuticularen Saum besitzt. 
Sinneszellen sind hier ebensowenig zu erkennen, wie in den vori- 
gen Regionen. 

Auf der branchialen Flaiche ist das Epithel bewimpert und 
gleicht vollkommen dem Wimperepithel, das bereits von der bran- 
chialen Randflaiche beschrieben wurde. 

Kinzellige Mucindriisen, wie solche in der tibrigen Ausdehnung 
der Innenfliiche des Randes zu beobachten waren, fehlen hier, fiir 
sie tritt vicariierend der ovale gelbliche Fleck ein. Derselbe 
farbt sich in Bismarckbraun dunkelbraun, in Orange-Haimatoxylin 
veilchenblau, in Indigkarmin-Boraxkarmin rosarot (Fig. 53 md), 
zeigt also ausgesprochene Mucinreaktion. Sein Bau erinnert leb- 
haft an den der von mir beschriebenen Fufdriisen der Opistho- 
branchier (36); er stellt eine kompakte Masse von Driisenzellen 
dar, welche eines gemeinsamen, differenzierten Ausfithrungsganges 
entbehren, ihr Sekret vielmehr an allen Punkten der von ihnen 
eingenommenen Partie der branchialen Flache durch interepi- 
theliale Liicken entleeren (Fig. 53). Trotz des Fehlens eines 
besonderen Ausfiihrungsganges aber kann man die ganze Bil- 
dung als eine grofe Mucindriise betrachten. Die Bindesubstanz 
hat hier grofe ovale Maschen, deren Langsachse in der Rich- 
tung vom Epithel der branchialen zum Epithel der 4uBeren Flache 
orientiert ist. In diesen Maschen, die bis zu der friiher bereits 
angegebenen Tiefe in die Substanz des Randes hineinreichen, liegen 
zahlreiche Driisenzellen von verschiedener Groéfe, die oft zwei- 
und mehrkernig erscheinen (lig. 53 md). Die Kerne sind klein 
und kreisrund. Das Plasma der Driisenzellen zeigt bei Betrach- 
tung mit starken Vergréferungen eine sehr weite Netzzeichnung. 
In einer homogenen, in den erwahnten Farbstoffen hellbraun, 
blaSblau oder hellrosa gefarbten Grundsubstanz finden sich zarte, 
aber intensiv tingierte Strange, welche zu einem weiten Maschen- 
werke verflochten sind. Andere Driisenzellen zeigen deutlich 
einen Zerfall in kleine, sehr intensiv gefirbte Tropfen; diese 
Tropfen trifft man in den Liicken des wimpernden Epithels, wel- 
ches das ganze Gebilde bedeckt (Fig. 53 md ,). 


Der Mantelrand der Acephalen. 151 


X. Pholadacea. 
(Fig. 54—58.) 


Untersucht wurden Teredo navalis L. und Pholas dactylus L. 


1. Teredo navalis. 


Der lange, wurmférmige Kérper dieser Muschel geht in zwei 
Siphonen aus, die an ihrem distalsten Ende eine leicht gelbliche 
Pigmentierung besitzen. Die Offmung des Atemsipho wird von 
einer geringen Anzahl kurzer Papillen umstanden. 

In dem Werke von Meyer und Mostus (30, p. 137) ist eine 
ausfiihrliche Beschreibung der hier interessicrenden, grob wahr- 
nehmbaren Verhaltnisse enthalten, auf welche ich, da ich sie in 
allen Punkten bestatigen kann, hiermit verweise. 

Uber die histiologischen Einzelheiten der Siphonen ist Folgen- 
des auszusagen. 

Die Epithelzellen der kurzen, kegelférmigen Papillen und 
die der Sipho-AufSenflache stimmen in allen Punkten iiber- 
ein. Sie sind wimperlose, cylindrische Zellen von 14,4 « Hohe, 
welche einen schmalen cuticularen Saum besitzen. Die Kerne 
liegen basal und sind kreisrund oder oval; man erkennt in ihnen 
deutlich einen bis zwei Nucleoli. Pigment ist in den Zellen nur 
im distalsten Abschnitte der Siphonen vorhanden. Zwischen die- 
sen indifferenten Zellen finden sich ganz au8erordentlich schmale 
Zellen, die sehr lange, stabchenformige Kerne besitzen. Dieselben 
reichen viel tiefer in die Papillen- bez. Siphonalsubstanz hinein, 
als die der indifferenten, und man sieht von den Kernen bez. 
von den Zellen je einen fadenférmigen Fortsatz abgehen, der bis 
tief in die Bindesubstanz zu verfolgen ist, dessen endliches Schick- 
sal aber nicht eruiert werden konnte. Es sind dies die Sinnes- 
zellen von Teredo. 

Das Epithel der Sipho-Innenflache hat dieselbe Grée 
wie das der Aufenflache und der Papillen; es differiert nur in- 
sofern, als es keinen cuticularen Saum besitzt. 

In den Siphonen kommen in den Papillen wie auf der AuBen- 
flache keinerlei sekretorische Apparate vor; auf der Innenflache 
finden sich Mucindriisen. Proximalwarts der Siphonen sind Mucin- 
driisen auch auf der AuBenflaiche vorhanden. Dieselben sind ein- 


152 Dr. Bernhard Rawitz, 


zellige Gebilde, welche mit schmalen Ausfiihrungsgangen in inter- 
epithelialen Liicken miinden. 

Die Muskulatur besteht hauptsachlich aus zwei Retractor- 
massen, welche in der Liingsachse der Siphonen unter dem Epithel 
dahinziehen. In die Zotten, zu denen sich das Epithel aufen wie 
innen gruppiert hat, strahlen die Muskeln als ziemlich kompakte 
Compressorbiindel ein, zerfasern sich dann schnell und streben in 
die Nahe der Basen der Epithelzellen. Hier gewahren die letzten 
Muskelenden, die kurz vor dem Epithel umbiegen und sich in der 
Bindesubstanz untereinander verflechten, ganz dasselbe Aussehen, 
das ich von den Veneriden beschrieben und gezeichnet habe (cfr. 
Fig. 31). 

Auf Querschnitten durch die Wurzel der Siphonen, welche 
hier verwachsen sind, erkennt man im ganzen zwei Nerven- 
staémme, von denen der eine mehr dorsal gelegene den Anal- 
sipho, der andere den Atemsipho versorgt. 


2, Pholas dactylus. 


A. Allgemeines. 


Beide Mantelhalften sind auf der ventralen Seite des Tieres 
von der Stelle ab, an welcher der keilformige Fu nach aufen 
tritt, bis in die Nahe des hinteren Viertels der Schalen verwach- 
sen. Die Verwachsungsmembran, welche durch eine von der 
Innenflache des Mantels ausgehende Duplikatur gebildet wird, be- 
dingt einen nur mafigen Grad der Offnungsméglichkeit der Scha- 
len. Am vorderen Ende geht die Quermembran in die Innenflache 
des Mantels iiber. Hinten setzt sie sich unmittelbar, ohne scharfe 
Grenze, in die ventrale Wand des ventralen Sipho fort, wahrend 
die Aufenfalte des Mantelrandes — man kann namlich die Quer- 
membran als die Innenfalte betrachten — sich weiter am Rande 
der Schaleninnenfliche hinzieht, um am Riicken sich mit der der 
Gegenseite zu vereinigen. Quermembran und Mantelrand sind 
pigmentlos. 

Die Siphonen sind in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen, 
nur ihre Miindungen sind getrennt; der Atemsipho besitzt ein 
weiteres Lumen als der Analsipho. Die Verwachsungsstelle wird 
an der AuSenwand, wie dies Mryrer und Mosius (30) auch fir 
Pholas crispata L. angeben, durch zwei seichte, bei der Konser- 
vierung schwindende Furchen angedeutet, von denen die eine an 


Der Mantelrand der Acephalen. 153 


der rechten, die andere an der linken Seite der vereinten Si- 
phonen zu finden ist. Bis fast in die auferste Spitze hinein 
sind die Siphonen auf ihrer Aufenfliche farblos, erst in dem 
distalsten Abschnitte zeigt sich eine unregelmafige Pigmentierung, 
die gegen den Rand des Sipholumens hin sehr stark wird und 
von hier aus, nachdem sie auch auf die die beiden Lumina um- 
kranzenden kegelférmigen Papillen iibergegangen ist, auf die 
Innenflache sich fortsetzt. Auf letzterer ist die Pigmentierung 
eine viel intensivere und daher dunklere, als auf der Aufen- 
flache. 

Hat man den ventralen Sipho durch einen Scheerenschnitt 
in der Lange gestalten und die Schalen nach aufen umgeklappt, 
so treten diejenigen Organe zu Tage, die seit PANCERI’s grund- 
legender Arbeit!) als Leuchtorgane bekannt sind. Das Leuchten 
von Pholas wird schon, wie PAnceri anfiihrt, von PLinius er- 
wahnt; Poni in seinem beriihmten Werke ,,Testacea utriusque 
Siciliae“* Tom. I hat auf Taf. VIII, Fig. 1 und 6 die Leucht- 
organe dieser Species abgebildet, beide Male dieselben durch bei- 
gesetzte Buchstaben hervorgehoben, in der Tafelerklarung aber 
auf sie nicht weiter Riicksicht genommen. Im Texte spricht sich 
Pour iiber die Bedeutung dieser Gebilde nicht definitiv aus. 

Die anatomischen Angaben von PAnceri sind folgende. Drei 
Orte sind es, an welchen man spezielle Organe antrifft, die das 
Leuchten hervorbringen: 1) der obere Mantelrand bis zur Mitte 
jeder Schale (Fig. 54 a); 2) zwei dreieckige Flecke, welche am 
Eingange des vorderen (soll heiBen: ventralen) Sipho zu beiden 
Seiten der Medianlinie gelegen sind (Fig. 546), und 3) zwei in 
die Linge gezogene, parallel zu einander verlaufende Streifen im 
ventralen Sipho (Fig. 54 c). Die dreieckigen Organe haben eine 
unebene Oberfliche oder vielmehr zeigen dadurch, da von ihrem 
inneren zu ihrem duferen Rande parallele Furchen ziehen, eine 
Zusammensetzung aus fiinf und mehr Lappen. Die Siphonen- 
streifen sind ebenfalls gefurcht und zwar parallel zu ihrer Quer- 
achse, die Furchen vermehren oder vermindern sich, je nachdem 
der Sipho sich kontrahiert oder sich ausstreckt. Besondere, fiir 
diese wie fiir die Leuchtorgane des Mantelrandes bestimmte Ge- 


1) Pancert, Gli organi luminosi e la luce dei pirosomi e delle 
foladi. Atti della R. Accademia delle scienze fisiche e matematiche, 
Napoli 1873, Vol. V, Nr. 13. 


154 Dr. Bernhard Rawitz, 


faBe hat Pancerr nicht auffinden kénnen. Uber die Nerven, die 
er beschreibt, soll spaiter gesprochen werden. 

Diese in aller Kiirze berichteten Angaben des italienischen 
Autors decken sich in fast allen Punkten mit meinen hier folgen- 
den Befunden. 

Vom Ursprunge des ventralen Sipho bis zur Papillarregion, 
i. ec. derjenigen Partie, an welcher die Pigmentierung der Innen- 
flache des Sipho anfangt, trifif man zu beiden Seiten der Kiemen, 
auf dem Septum aufliegend, zwei Streifen, die, als ganz schmale 
Striche beginnend, allmahlich eine Breite von mehreren Milli- 
metern erlangen, sich an ihrem distalen Ende wieder verjiingen, 
um an der Pigmentgrenze als ganz feine, schwer wahrnehm- 
bare Linien zu verschwinden. Sie haben am lebenden Tiere 
ein milchweies Aussehen und prominieren iiber die Oberfliche 
nicht unbedeutend. Im dorsalen Sipho fehlen diese Streifen voll- 
kommen. 

Die seitlichen Flecken haben nicht immer dreieckige Gestalt, 
wie PANcERI angiebt; manchmal sind sie viereckig, manchmal 
ganz unregelmakig gestaltet. 

Beziiglich der Organe, welche am vorderen Mantelrande sich 
finden, ist zu bemerken, daf dieselben breit beginnen, sie folgen 
dann der Biegung des Mantels und laufen gegen die Mitte der 
Schale zu spitz aus. 

Alle drei Organpaare besitzen, wie PANcERI ganz richtig her- 
vorgehoben hat, eine gefurchte Oberfliache. 

Ist das Tier in Ruhe, so bringt es durchaus kein Leuchten 
hervor, schiittelt man dagegen das Wasser, in dem es sich befin- 
det, stark, so sieht man leuchtende Wolken aus seinem Atem- 
sipho!) herauskommen, die schlieSlich das Wasser selber leuch- 
tend machen. Den Beweis dafiir, da die oben beschriebenen 
drei Organpaare es sind, welche dieses Phainomen hervorrrufen, 
hat Pancert in folgender Weise gefiihrt. Entfernte er namlich 
die von ihm als Leuchtorgane betrachteten Gebilde mittelst des 
Messers und wusch er darauf sorgfaltig das operierte Tier mit 
Wasser, so blieb jede Leuchterscheinung auch bei gré8tem 
Reize aus. 

Von den anderen Experimenten, die er tber die Leuchtorgane 


1) Pancrrr spricht falschlicherweise immer von einem ,,sifone 
anteriore’. Ein Sipho anterior existiert nicht, sondern nur ein Sipho 
inferior und ein Sipho superior. 


Der Mantelrand der Acephalen. 155 


angestellt hat, scien folgende hier noch erwihnt. Am toten Tiere 
konnte er das Leuchten der dreieckigen Flecke selbst dann noch 
wahrnehmen, als die faulige Zersetzung bereits begonnen hatte; 
in einem Falle sogar noch 6 Tage nach dem Tode. Wasser, 
destilliertes wie gewohnliches, erhilt nach ihm langere Zeit die 
Leuchtkraft der Organe, wihrend Alkohol und Ather ungiinstig 
einwirken. 

Meine eigenen, in einem mir von der Verwaltung der ,,Zoo- 
logischen Station“ bereitwilligst zur Verfiigung gestellten Dunkel- 
zimmer gemachten Beobachtungen ergaben die folgenden Resultate. 

Offnet man an einer lebenden Pholas durch einen Lingsschnitt 
den Atemsipho und den Mantel, so hat man im verdunkelten 
Zimmer den Anblick des Leuchtens. Und zwar treten in den 
meisten Fallen bei den aus dem Wasser herausgenommenen Tieren 
zuerst die dreieckigen Flecken, dann die Siphonalstreifen und zu- 
letzt der Mantelrand leuchtend hervor. Das Licht ist schwach, 
ein blauliches Weif. Reizt man nunmehr die geéffnete Pholas mit 
einer Scheerenspitze, einem Skalpellstiel oder irgend einem anderen 
Instrumente, indem man iiber die ganze Innenflache des Tieres 
haufig hiniiberstreicht, so verbreitert sich die Lichterscheinung 
bedeutend. Bei anhaltender Fortsetzung des Reizes leuchtet dann 
die ganze Muschel, die Farbe wird dabei intensiv milchweif, und 
der leuchtende Stoff, welcher fliissiger Natur ist, geht tiber auf 
das Instrument und auf die Finger des Beobachters. Unerlafliche 
Bedingung, um eine solche Ausdehnung des Phinomens zu er- 
halten, ist, da’ man anhaltend mit dem Instrumente tiber die ge- 
éffneten Partieen hinstreicht. Daraus glaube ich schlieSen zu 
diirfen, da8 es nicht der mechanische Reiz als solcher ist, welcher 
die allmahlich zunehmende Ausdehnung des Leuchtens bewirkt, 
sondern daf der ausgeiibte Druck, der, sei er auch noch so gering, 
bei der oben angegebenen Untersuchungsweise gar nicht vermieden 
werden kann, als die Ursache der Ausbreitung zu betrachten ist. 
Durch den Druck namlich wird allmahlich der das Leuchten her- 
vorbringende Stoff aus den Organen gepreft; er gelangt tiber die 
gedriickten Stellen vermége seiner fliissigen Beschaftenheit, und so 
kommt es zuwege, daf selbst die Finger des Beobachters schlief- 
lich zu leuchten anfangen. LieB ich eine Anzahl der gedffneten 
Tiere, nur mit einem Glase bedeckt, stehen, so konnte ich, ganz 
wie PANcERI, noch nach Tagen, als schon Faulnis eingetreten war, 
durch erneutes Uberstreichen das Phinomen hervorrufen. Doch 


156 Dr. Bernhard Rawitz, 


war nunmehr die Lichterscheinung bei weitem nicht so schén und 
so intensiv, wie am frischen Tiere. 

Wenn man die Organe, welche den leuchtenden Stoff produ- 
zieren, in verschiedenen Fliissigkeiten untersucht, so erhalt man 
ganz verschiedene Resultate. In Alkohol absolutus, Alkohol von 
90 Proz., in Ather + Alkohol absolutus und in Glycerin tritt kein 
Leuchten ein, wenn man die Organe mit dem die Fliissigkeit ent- 
haltenden GefiBe ordentlich schiittelt, die Leuchtkraft erlischt 
unmittelbar nach dem Einbringen der Teile in die genannten 
Reagentien. In reinem Ather sulfuricus entsteht ein leichtes Auf- 
leuchten, das bald vollstaindig verschwindet. Schiittelt man die 
Organe in einer 33-proz. Lésung von Kali aceticum, so bekommt 
man einen schwachen Schimmer, welcher denselben Eindruck er- 
weckt, wie wenn man in tiefdunkler Nacht in sehr weiter Ferne ein 
Licht schimmern sieht. In Chloroform leuchten die Organe heller auf 
als in der vorigen Fliissigkeit, und es verteilt sich die leuchtende 
Substanz in geringem Grade in dem Reagens, so daf{ man dieses 
beim Schiitteln des GefiBes ein wenig schimmern sieht. Intensiv 
wird die Verteilung und intensiv das Leuchten dagegen in Aqua 
destillata und ganz besonders in Aqua communis. In diesen 
Fliissigkeiten ist nach kurzem Verweilen der Organe die leuch- 
tende Masse verteilt, ein Schiitteln der Gefife ist nicht not- 
wendig, ihr Inhalt leuchtet von selbst, und in dem leuchtenden 
Wasser sieht man wie helle Sterne die Leuchtorgane schweben. 

In einer Reihe von Mitteilungen, die sich auf die letzten vier 
Jahre erstrecken, hat RapHarL Dusors') eine Erklarung fiir die 
Leuchterscheinungen gegeben, welche der von PANCERI vertretenen 
und von mir angenommenen widerspricht. In dem Aufsatze, welcher 
in den Berichten der Pariser Akademie, Bd. 107, abgedruckt ist, 
stellt Dusors, sich anlehnend an eine kurz vorher in der Société 
de biologie (1888) unter dem Titel ,Sur la production de la 
lumicre chez le Pholas dactylus“ veréffentlichte Mitteilung, die 
Behauptung auf, daf es nicht das Sekret der Pancert’schen Or- 


1) Rarnart Dusors: Comptes rendus de l’académie des sciences. 
Paris, Bd. 107, 10. September 1888; ibidem Bd. 109, 5. August und 
9. August 1889; ibidem Bd. 111, 25. August 1890. 

Ferner in: Comptes rendus de la société de biologie. Paris, 
Série VIIT, Tome IV, 1887, pg. 564 ff., und Mémoires, ibidem ,,Les 
vacuolides“, sowie dieselbe Zeitschrift, Série VIII, Tome V, 1888, 
g. 451 ff und pg. 714 ff., und ibidem Série IX, Tome I, pg. 521 ff 
und pg. 611 ff. 


Der Mantelrand der Acephalen. 157 


gane sei, durch welche das Phianomen des Leuchtens hervorge- 
bracht werde, sondern daf das Leuchten nur durch die Symbiose 
eines Mikroorganismus, des von ihm entdeckten ,,Bacillus Pholas“ 
(in der Mitteilung in der Société de Biologie 1889 spricht er von 
einem ,,Bacterium Pholas‘) mit der Muschel zustande komme. 
In den Comptes rendus, Tome 107, pg. 502, heift es wortlich: 
BM acd. sik nous avons fait connaitre...... a l’ état normal, dans 
les parois du siphon des Pholas dactylus, de micro - organismes 
(Bacillus Pholas) qui donnent une belle lumiére lorsqu’ on les 
cultive dans un bouillon préparé avec les tissus phosphorescentes 
de 1’ animal vivant. Ces tissus contiennent, en effet, la substance 
que nous nommons provisoirement luciférine, sur laquelle le 
ferment porte son action. La réaction nécessite en outre, pour 
s’effectuer avec production de lumiéere, un milieu convenable; il 
doit étre salé et alcalinisé dans des proportions déterminées. Pen- 
dant la vie, le bouillon est fourni par l animal, qui le modifie 
suivant les cas; il n’est pas le méme chez le mollusque au repos, 
qui ne brille pas, et chez lui qui est excité et rejette au dehors 
une abondante quantité de liquide phosphorescent. On est donc, 
chez le Pholas dactylus, en présence d’un nouveau cas de sym- 
biose . . . etc.“S In den Berichten der Société de biologie, Série IX, 
Tome I, pg. 615 heift es mit anderen Worten ahnlich: ,,1°. La 
phosphorescence du Pholas dactylus est le résultat d’une fermen- 
tation. 2°. Le ferment n’est pas une diastase sécrétée par V ani- 
mal, mais un ferment figuré symbiotique (Bacterium pholas). 
5°. Ces organes ne brillent jamais spontanément, mais seulement 
lorsque l animal vivant est excité fortement (was PANcERr bereits 
nachgewiesen hatte). Le parasite physiologique prend alors une 
activité particuliére, grace aux modifications provoqués dans les 
organes lumineux par I excitation.“ 

A priori ist die Méglichkeit nicht abzuweisen, daf8 ein Bacil- 
lus, der in Pholas anzutrefien ist, teilhat an dem Phanomen des 
Leuchtens; solche phosphorescierende Mikroorganismen sind ja 
lingst bekapnt. Das Leuchten, das man in verschiedenen Meeren 
zu sehen Gelegenheit hat, wird hiufig ebenfails durch ein Bacterium 
produziert. So wurde z. B. vor mehreren Jahren von Herrn HERMES, 
dem Direktor des Berliner Aquariums, ein leuchtender Mikro- 
organismus aus der Siidsee rein geziichtet; sowohl die Kulturen 
wie die mit denselben geimpften toten, vorher sterilisierten Fische 
zeigten ein sehr intensives Leuchten. 

Aber, um auf die Dupois’sche Auseinandersetzung zuriickzu- 


158 Dr. Bernhard Rawitys, 


kommen, durch die Anwesenheit jenes Bacillus ist noch nicht dar- 
gethan, daf die Pancerrschen Organe nicht eigene Leuchtkraft 
pesitzen. Diesen Beweis hat Dupois in jenen Aufsitzen, aus denen 
die wortlich hier wiedergegebenen Auseinandersetzungen stammen, 
wie auch in seinen anderen Mitteilungen nicht geliefert. Die Lebens- 
erscheinungen seines Bacillus hat der Autor eingehend studiert, 
aber die Experimente, welche die photogene Indifferenz der Pan- 
cERI'schen Organe hatten beweisen sollen, ist er schuldig geblieben. 
Und diesen Beweis zu liefern, mu fiir Dusors wohl unméglich 
gewesen sein, denn in seiner letzten mir vorliegenden Mitteilung, 
welche den hier interessierenden Gegenstand behandelt (Comptes 
rendus, T. 111, 25. Aug. 1890, pg. 363 ff.), schrankt er seine Be- 
hauptung tiber die Bedeutung des Bacillus fiir das Leuchten be- 
deutend ein. In einer Anmerkung heift es namlich wéortlich: 
fet: CRANE je me suis assuré que, si ce mollusque (d. h. Pholas) 
peut parfois contenir dans son siphon des micro-organismes lu- 
mineux symbiotiques, qui m’avaient fait croire tout d’ abord a 
l existence d’un ferment soluble dans le mucus sécrétée par cet 
organe, il posséde aussi une luminosité propre, prenant naissance 
dans toute la couche, que jai décrite sous le nom de couche 
neuro-conjonctive. Le tissu photogéne n’est pas limité aux 
cordons et aux triangles de Poni et ceux-ci ne méritent pas le 
nom d’organes lumineux proposé par Pancerr, bien que 
la lumiére s’y manifeste avec plus d’intensité qu’ autre part. Ce 
sont, comme je lai indiqué ailleurs des organes sécréteurs, qui 
semblent en outre destinés a laisser échapper des éléments migra- 
teurs bourrés de granulations arrondies (vacuolides). J’ai reconnu 
que les éléments migrateurs étaient les véritables agents de la 
luminosité propre de la Pholade, laquelle doit étre distinguée 
de la luminosité symbiotique ou parasitaire.“ 

Sehen wir hier von den histiologischen Angaben ab, die in 
dem citierten Abschnitte iiber den ,,couche neuro-conjonctive‘ und 
iiber die auswandernden Elemente enthalten sind, so diinken mich 
die tibrigen Bemerkungen fiir die Erklarung des Leuchtphanomens 
insofern von grofer Wichtigkeit, als sie die Bedeutung des Bacil- 
lus in einem ganz anderen Lichte erscheinen lassen. Dusors sagt 
»parfois, ,,bisweilen‘‘ kann im Sipho von Pholas dactylus sein 
Bacillus vorkommen; bisweilen kann er also fehlen, in letzterem 
Falle ist das Leuchten auf die eigene Leuchtkraft des Tieres 
zuriickzufiihren. Mir will scheinen, als wenn mit diesem Zuge- 
standunisse der eigenen Leuchtkraft die Rolle, welche der Bacillus 


Der Mantelrand der Acephalen. 159 


zu spielen hat, eine ganz nebcusiichliche geworden ist. Sind die 
Organe des Tieres imstande, einen Stoff zu produzieren, der im 
Dunkeln proprio motu, d. h. ohne Dazwischenkunft eines fremden 
Organismus, leuchtet, danu kann fernerhin logischerweise von einer 
durch Symbiose hervorgebrachten Leuchterscheinung nicht mehr 
die Rede sein. Leuchten die Teile des Tieres auch ohne Bacillus, 
so ist dessen Anwesenheit eine rein zufillige, fiir den physio- 
logischen Vorgang dann vollstiindig gleichgiltige. Das Leuchten 
kann durch den Bacillus vielleicht (!) beeinflu’t werden, durch ihn 
hervorgebracht aber wird es sicher nicht. Ja, man kann in der 
Kritik noch weiter gehen und sagen, daf es nunmehr, nachdem 
das eigene Leuchtvermégen von Pholas bewiesen ist, héchst zweifel- 
haft geworden, ob der Bacillus Pholas Dupots seinerseits tiberhaupt 
eigenes Leuchtvermégen besitzt. Die leuchtenden Reinkulturen, 
welche Dusors angefertigt, liefern nun gar keinen Beweis mehr. 
Der Bacillus kann wahrend seines Verweilens im Branchialsipho 
der Muschel von den leuchtenden Substanzen Teile in irgend einer 
fiir uns durchaus nicht erkennbaren Form in sich aufgenommen 
und aufgespeichert und dadurch selber das Vermégen zu leuchten 
erlangt haben, das ihm urspriinglich héchst wahrscheinlich gar 
nicht innewohnte. Der Beweis, ob diese Vermutung — denn nur 
als solche méchte ich den obigen Gedanken hinstellen — richtig 
ist oder nicht, ware so zu fiihren, daf} man ausprobt, ob der Mikro- 
organismus seine Leuchtkraft noch nach vielen Generationen un- 
verandert beibehalten hat, oder ob sich diese Eigenschaft verliert 
und erst dann sich wiederherstellt, wenn derselbe von neuem in 
eine Pholas gebracht wurde. Soviel ich wei’, hat Dusors solche 
Experimente, die eigentlich ziemlich nahe lagen, nicht angestellt. 
Indessen wie dies auch sein mag, so viel hat die Kritik der 
Dusois’schen Angaben festgestellt: es kommt der Pholas dactylus 
ein eigenes Leuchtvermégen zu. Nun sagt Dusors in der zweiten 
oben citierten Stelle, da die Pancert’schen Organe, obgleich an 
ihnen das Phinomen deutlicher hervortritt als an anderen Kérper- 
teilen, dennoch nicht den Namen ,,Leuchtorgane“ verdienen. Tir 
diese Behauptung vermisse ich jeglichen Beweis. Daf die betrel- 
fenden Organe Sekretionsorgane sind, hat PANcert selber und nicht 
erst Dusois angegeben; jener Autor nennt sie ,,organi speciali che 
si illuminano in particolari casi e producono anche, a modo di 
secrezione, una materia lucente (1. c. pg. 41). Es sollen nun 
nach Dusors nicht die Organe selber leuchten, sondern Elemente, 
die aus ihnen auswandern, sollen die Trager des Leuchtstottes 


160 Dr. Bernhard Rawitd, 


sein. Aber woher diese Elemente stammen, sagt Dupors gar nicht. 
Denn die von ihm sogenannten ,,Vacuoliden‘t hat er hinsichtlich 
ihrer Herkunft bei Pholas nicht naher studiert, wenigstens nichts 
Genaues dariiber publiziert. (Der Aufsatz ,,Les vacuolides* in Mé- 
moires de la société de biologie 1887 handelt nicht mit einem 
Worte von Pholas.) Sind die sogenannten Vacuoliden Gebilde, 
welche mit den Leukocyten der Vertebraten in Analogie zu bringen 
sind, so wire es doch wunderbar, warum gerade hier, an diesen 
drei Organpaaren, die Auswanderung hauptsichlich statthat und 
nicht auch an anderen Koérperpartieen. Und sind es Gebilde sui 
generis, um die es sich bei diesen Auswanderern handelt, dann 
ist durch Dusors nicht gesagt, wo sie entstehen und warum sie 
wiederum nur hier austreten. Denn daf der Austritt der leach- 
tenden Massen nur von der Oberflache der PANcErr’schen Organe 
aus statt hat, das beweisen die Versuche von PANCERI und mir. 
Um zu wiederholen, was ich oben ausgefiihrt: der beim Experimen- 
tieren auf diese Stellen ausgeiibte Druck preft das Sekret aus, 
das, weil es fliissig ist, sich iiber die anderen Korperteile und iiber 
die Instrumente verbreitet. 

Der Versuch also, die drei PANcEri’schen Organpaare ihrer 
von PANcerRI ihnen vindizierten Funktion zu entkleiden, ist ent- 
schieden als mifSlungen zu bezeichnen; die von dem trefflichen 
italienischen Forscher gemachten physiologischen Angaben bestehen 
vielmehr ungemindert zu Recht. 

Damit soll tibrigens kein verwerfendes Urteil tiber die anderen 
Experimente von Dusors gegeben sein. Seine Ausfiihrungen nament- 
lich in Tome IV, Série VIII der ,,Comptes rendus de la société de 
biologie’*‘ yom Jahre 1887 sind von hohem Interesse. Auf diese 
Ausfiihrungen hier naher einzugehen, wiirde zu weit fiihren, da 
dieselben sich auf einem Gebiete bewegen, welches mit den hier 
ventilierten Fragen kaum einen Zusammenhang besitzt. 


Eine sehr interessante Thatsache ist an unserer Species von 
RapHaEL Dupors*) berichtet worden, naémlich die Empfindlichkeit 
von Pholas auf verschiedene Lichteindriicke. Der Autor sagt 
(Comptes rendus der Pariser Akademie, T. 109, 5. Aug. 1889, 
pg. 233): ,,le passage de Tl obscurité a la lumiére ou de la lumiére 
a Pobscurité, un léger nuage du fumée, suffisent pour provoquer 


1) Die friiher citierten Mitteilungen dieses Autors enthalten auch 
die jetzt zu besprechenden Angaben. 


Der Mantelrand der Acephalen. 161 


une contraction plus ou moins brusque du siphon.‘“S In der Num- 
mer vom 19. August desselben Bandes der Comptes rendus giebt 
er dann eine ausfiihrliche Analyse dieser Erscheinung, indem er 
den Einflu8 der Temperatur, der Ermiidung, der Dauer und In- 
tensitat der Belichtung, sowie der verschiedenen Teile des 
Spektrum auf dieselbe priift. Der Umstand, dafi Pholas keiner- 
lei augenahnliche Organe besitzt, fiihrt ihn dazu, hier eine ,,pho- 
todermatische“ Funktion anzunehmen, fiir die er eine besondere 
anatomische Einrichtung gefunden zu haben glaubt. 

Uber diesen letzten Punkt, da er auf die feinere Struktur 
der Siphonen Bezug hat, will ich mich erst bei der speziellen 
Beschreibung auBern; hier soll nur das folgen, was ich selber iiber 
den physiologischen Vorgang habe eruieren kénnen. 

Die Angabe von Dusots, daf} Pholas lichtempfindlich ist, kann 
ich vollkommen bestitigen. 

In den mir in der Neapler Station zur Verfiigung stehenden 
Bassins, deren Boden etwa 5 cm hoch mit Meeressand bedeckt 
war, befand sich eine grofe Menge der verschiedensten Arten 
von Acephalen. Die Siphoniaten unter ihnen hatten sich in den 
Sand eingegraben und streckten ihre Siphonen aus demselben her- 
aus: ein Zeichen, dal sie sich sehr wohl befanden; die Limen 
schwammen umher oder hatten Nester gebaut. Lenkte ich nun 
bei Nacht mittelst eines Reflektors das von einer Petroleumlampe 
ausgehende Licht auf die Siphonen einer Tellina, Venus, Tapes 
oder Solen, so war der Effekt gleich Null. Die Tiere kehrten sich 
gar nicht daran, ob die Siphonen grell beleuchtet wurden oder ob 
sie dunkel blieben; die Siphonen bewegten sich in dem einen wie 
in dem anderen Falle ruhig umher, und nichts deutete darauf hin, 
da8 das Licht auch nur den geringsten EKindruck machte. Ebenso 
erfolglos war die Beleuchtung einer Lima. Anders aber verhielten 
sich die Exemplare von Pholas. Sobald der vom Reflektor aus- 
gehende Lichtkegel auf die Siphoenden von da, wo die Papillen 
sitzen, bis zu der Stelle der Aufenflache, wo das Pigment auf- 
hérte, fiel, zogen sich dieselben lebhaft, ja man kann fast sagen, 
krampfhaft zusammen. Und zwar wurden die Papillen nach innen 
gezogen, die Offnungen der Siphonen schlossen sich, und letztere 
nahmen an ihrem Ende eine gerundete Form an. Wurde eine 
nicht pigmentierte Stelle des Sipho oder des Mantels beleuchtet, 
so war ein Effekt nicht zu erzielen. Wurde der Reflektor ent- 
fernt, so dehnten sich die Siphonen aus, um bei neuer Belichtung 
sich von neuem zusammenzuziehen. Der scharfe Gegensatz, der 

Bd, XXVII, N, F, XX, 11 


162 Dr. Bernhard Rawitg, 


sich so zwischen Pholas und den iibrigen Muscheln dokumentiert, 
deutet entschieden auf eine Lichtempfindlichkeit der Papillar- und 
Pigmentregion der Siphonen hin. Wollte man die Reaktion, welche 
Pholas zeigt, auf eine wenn auch noch so minime Warmestrahlung 
zuriickfiihren, dann bliebe es unerklarlich, warum nicht die an- 
deren hier erwahnten Arten eine gleiche Empfindlichkeit offen- 
barten. 

Fiir meine Zwecke glaubte ich mich mit dieser Bestatigung 
der schénen Beobachtung von Dusors begniigen zu kénnen. Pho- 
las, die einzige Muschel, welche leuchtet, ist zugleich unter all 
den Acephalen, welche keine besonderen Sehorgane besitzen , die 
einzige Species, bei der eine Lichtempfindlichkeit sicher nachge- 
wiesen ist. 


Ich komme zur Beschreibung des Nervensystems der Art, 
soweit dasselbe uns hier interessiert. 

Vom Visceralganglion gehen ab nach vorn die beiden Kon- 
nektive, deren Ursprungsweise hier eine ganz eigentiimliche ist. 
Von den vorderen Ecken des Ganglion namlich entspringen zwei 
zarte Nervenstéimmchen, die, nach vorn konvergierend, sich zu 
einem kleinen Ganglion vereinigen und sich vielleicht in dem- 
selben kreuzen. Erst aus diesem Ganglion kommen die Cerebro- 
visceralkonnektive heraus. Von den Seiten des Visceralganglion 
gehen ab die beiden Branchialnerven. Von den hinteren beiden 
Winkeln kommt jederseits ein starker Nervenstamm, der Fasern 
fiir die Siphonen und den Mantel fiihrt. Von der Innenflaiche des- 
selben entspringt ein Nerv, der zum Analsipho geht und wahr- 
scheinlich auch den hinteren SchlieSmuskel versorgt. Dann zweigt 
sich von derselben Seite ein Nerv fiir das Septum und ferner 
einer fiir den Branchialsipho ab. Die Ursprungsstelle des letzten 
Astes ist durch eine kleine gangliése Anschwellung ausgezeichnet. 
Es erhalten also der Analsipho zwei, das Septum zwei und zwar 
die stirksten, und ebenso der Branchialsipho zwei Hauptnerven, 
welche sich dann in der Substanz der betreffenden Regionen weiter 
verzweigen. Der Rest des Hauptstammes zerfillt dann dicho- 
tomisch. Von den beiden Endasten versorgt der innere Ast die 
hintere Partie des Mantels, wahrend der dufere im Bogen nach 
vorn geht und, im Mantel verlaufend, diesen innerviert. 

Die durch eine Kommissur verbundenen beiden Cerebralgan- 
glien entsenden die beiden Konnektivpaare und je nach vorn zwei 
Aste, von denen der innere den vorderen SchlieSmuskel versorgt, 


Der Mantelrand der Acephalen. 163 
der auSere nach hinten um- 
biegt und sich im Mantelrande 
verzweigt. Wahrscheinlich ver- 
einigt sich dieser Nerv mit dem 
gleich verlaufenden, der vom 
Visceralganglion stammt. 
Diese meine Darstellung 
weicht in einigen Punkten so- 
wohl von der ab, welche PAn- 
CERI, wie von der, welche 
Duvernoy gegeben hat. Nach 
dem letzteren Autor (10; XXVI 
Monographie) geht von den 
hinteren Winkeln des Visceral- 
ganglion ein einfacher Nerven- 
stamm, sein ,,palléal posté- 
rieur“, ab, welcher unter dem 
Retractor der Siphonen in drei 
Zweige zerfallt. Von diesen 
innerviert der eine den ge- 


nannten Muskel, der zweite 
versorgt den Analsipho, wah- 
rend der dritte Ast ,,dépasse 


Fig. V. 


Schematische Darstellung des 
Centralnervensystems von Pho- 


las dactylus. 


C, Cerebral-, P. Pedal-, V. Visceralgang- 
lion; com. Commissur; ndr. Kiemennery ; 


la cloison des deux tubes, 
arrive a la paroi supérieure du 
tube inférieur et se distribue 
dans son premier tiers“ (l. c¢. 
pg. 152). Diese Angaben sind 
nach meinen Untersuchungen 
nicht richtig. Abgesehen davon, 
da’ DuverNnoy die beiden besonderen Septalnerven nicht gesehen 
zu haben scheint, deren Existenz Querschnitte durch die Siphonen 
auBer allen Zweifel setzen (Fig. 56”), so spricht fiir die Fliich- 
tigkeit seiner Schilderung, daS er den Mantelnerven weder er- 
wihnt noch zeichnet. 

Sorgfaltiger sind die Angaben von Panceri. Nach ihm ist 
das Verhiltnis so, da8 jeder der beiden von den hinteren Win- 
keln des Visceralganglion kommenden Nerven nach kurzem Ver- 
laufe zu einem kleinen Ganglion anschwillt, von welchem zuerst 
zwei Nerven sich abzweigen, welche zusammen mit den beiden 


Siphoarterien den siphonalen Leuchtorganen entlang verlaufen und 
pi 


npp. Nervus pallialis posterior; msd. Anal- 
siphonerv; ns. Septumnery; nsb. Branchial- 
siphonerv; mp. und np’. Mantelnerv; npa, 
Nervus pallialis anterior; nm. Muskelnerv ; 
g}. und g®. accessorische Ganglien; A. After- 
papille, 


164 Dr. Bernhard Rawitz, 


diese durch zahlreiche Seitenzweige innervieren. Das sind nach 
meiner Darstellung die Septalnerven, die, weil die siphonalen 
Leuchtorgane auf dem Septum liegen, selbstverstindlich auch diese 
Organe versorgen miissen. Der andere, vom accessorischen Gan- 
glion stammende Nerv teilt sich nach PANCERI in vier Zweige, 
welche den Branchialsipho und durch einen kleinen Nebenzweig 
auch die dreieckigen Organe innervieren. Von dem Ganglion geht 
auBerdem ein feines Reiserchen ab, das sehr nahe bei dem vor- 
deren Winkel der dreieckigen Organe vorbeizieht, ohne mit den- 
selben in Verbindung zu treten. 

An dieser Darstellung ist zunachst das unrichtig, daf die im 
Septum sich verzweigenden Nerven von einem accessorischen Gan- 
glion entspringen; ein solches ist nur an der Ursprungsstelle des 
fiir den Branchialsipho bestimmten Nerven vorhanden. Dann hat 
PancerI den Abgang des Analsiphonerven tiberhaupt nicht ge- 
sehen. Hinsichtlich seiner Angaben tiber die Innervation der drei- 
eckigen Flecke kann ich ein abschliefSendes Urteil leider nicht ab- 
geben, da ich den von den Branchialsiphostimmen kommenden 
Zweig nicht wahrgenommen habe. 


B. Spezielle Beschreibung. 


Die Siphopapillen, vom lebenden Tiere abgeschnitten und 
frisch in Seewasser untersucht, erscheinen wie ein mit zahlreichen 
Zweigen besetzter Baum. Ihr epithelialer Belag entbehrt der 
Wimpern; der nicht sehr dicke cuticulare Saum derselben wird 
von Sinnesborsten iiberragt, die man allerdings erst bei Anwendung 
starker Tauchlinsen erkennen kann. Sie gleichen kurzen Dornen, 
die ziemlich breit dem cuticularen Saume der Epitheldecke auf- 
sitzen und schnell spitz zulaufen. 

Im Mazerationspraparate erkennt man, daf die Sinneszellen 
vollkommen dem Typus der FLemmrina’schen Pinselzelle entsprechen. 
Die indifferenten Zellen der AufSenfliche und der Innenflache der 
Siphonen — die Leuchtorgane sollen spater gesondert besprochen 
werden — sind entweder pigmentiert oder pigmentfrei. Die pig- 
menthaltigen Epithelzellen sind cylindrische, mittelgrofe, schmale 
Gebilde mit schmalem cuticularem Saume, deren kreisrunde Kerne 
im basalen Abschnitte der Zellen gelegen sind. Der distal vom 
Kerne sich findende Abschnitt einer Zelle der Siphoaufenwand wird 
vom Pigmente ziemlich dicht erfiillt. Die indifferenten pigment- 
haltigen Zellen der Innenflaiche sind dagegen in ihrer ganzen Aus- 


Der Mantelrand der Acephalen. 165 


dehnung mit dem kérnigen Pigmente erfiillt, so da8 der Kern von 
demselben fast vollig verdeckt wird. Die nicht pigmentierten 
Zellen sind wenigstens um ein Drittel langer als die pigmentierten 
und sind schmale, keulenférmige Gebilde. Wahrend die wurzel- 
formige Ausfaserung der Pigmentzellen deutlich entwickelt ist, ist 
sie bei den nicht pigmentierten kaum angedeutet vorhanden. Die 
letzteren haben einen breiten, cuticularen Saum, der so wider- 
standskraftig ist, daB er stellenweise in Gestalt einer homogenen 
Membran im Mazerationspraiparate von den unter ihm gelegenen 
Zellen abgerissen ist; letztere erscheinen dann auf ihrer peri- 
pheren Flache wie gezihnelt. Der breite Teil der Keule liegt 
der Cuticula an, der schmale Teil, der etwa die Halfte der 
Zelle ausmacht, ist oft leicht gebogen; er enthalt den schmalen, 
ovalen Kern. 

Schnittpraparate zeigen folgende Einzelheiten: 

Die Papillen der Siphonen besitzen 7,2 « hohe und 3,6 bis 
5,4 w breite indifferente Epithelzellen, deren cuticularer Saum 
héchstens 0,9 w dick ist. Vielfach sind die Zellen pigmentiert; 
die Verteilung des Pigmentes ist hier die gleiche, wie sie vorhin 
fiir die indifferenten Zellen der Sipho-Innenwand beschrieben wurde. 
Das Pigment erfiillt naimlich ebenfalls in Form sehr kleiner, bei 
durchfallendem Lichte dunkelgelb oder braungelb aussehender 
Kérnchen die Zellen von ihrem freien Rande bis zur basalen En- 
digung so dicht, daf auch der Kern von ihm vollstandig verdeckt 
wird. Die Kerne der nicht pigmentierten indifferenten Zellen zeigen 
eine starke Kérnelung und einen deutlichen Nucleolus. Die Pinsel- 
zellen sind ganz schmale Gebilde mit stabchenfoérmigen, intensiv 
gefarbten Kernen, an deren basale Endigung man, allerdings nur 
bei Anwendung stairkster VergréSerung, eine feine Faser heran- 
treten sieht, deren Ursprung aus dem in der Achse der Papillen 
verlaufenden Nerven gelegentlich zu erkennen ist. 

Die Bindesubstanz der Papillen, im allgemeinen den gewohn- 
lichen Charakter des engmaschigen Gewebes wie meistens bei den 
Acephalen darbietend, ist dicht an dem epithelialen Belage homo- 
gen. Hier sieht man nun, ganz wie bei den Veneriden, die 
letzten Ausliufer der Muskelfasern in Form kleiner Stippchen, 
also teils strichformiger, teils punktartiger Gebilde, in der Nahe 
der basalen Endigungen der Zellen. Wie bei den Veneriden ist 
auch hier zu konstatieren, daf diese Endfibrillen vor den Epithel- 
enden umbiegen und sich untereinander verflechten; mit den Epi- 


166 Dr. Bernhard Rawitz, 


thelzellen aber treten sie in keine Verbindung, wie ich noch ganz 
besonders betonen méchte. 

Sekretorische Apparate kommen in den Papillen nicht vor. 

Eine auf den ersten Blick wahrnehmbare Differenz zwischen 
der AuSfen- und der Innenflache der Siphonen la8t sich kurz 
dahin prazisieren, da die innere Flache in ihren distalen Partieen 
ein viel pigmentreicheres Epithel besitzt, als die aufere, und daf 
ferner die Epithelien der Innenflache sich zu nur wenigen kleinen, 
niedrigen Zotten gruppiert haben, wihrend aufen die Zotten- 
bildung eine weit entwickeltere ist. Sie ist aufen so stark, daf 
schon bei makroskopischer Betrachtung der Schnitte wie des 
konservierten Materiales diese Flache wie mit kleinen Warzchen 
besetzt erscheint. 

Es soll zunachst die feinere Beschaffenheit der Sipho- 
Innenflache und zwar in der Papillarregion beschrieben wer- 
den, d. h. derjenigen, welche distal von den Enden der Leucht- 
organe gelegen ist. 

Das Epithel, tiber dessen Pigmentgehalt ,das Notige schon 
weiter oben gesagt wurde, besteht aus indifferenten Zellen, die be- 
deutend langer sind als die der Papillen; dieselben sind frei von 
Wimpern. Ihre Lange schwankt zwischen 28,8 w und 43,2 , von 
welchem Mage 2 u auf den cuticularen Saum entfallen, die Breite 
schwankt zwischen 3,6 und 7,2; die idngeren Zellen sind die 
pigmentfreien. Die Kerne, meist kreisrund, selten oval, sind basal 
gelegen und lassen mehrere Nucleoli erkennen; ihre Durchmesser 
schwanken zwischen 1,8 und 5,4 uw. Die Sinneszellen, welche nicht 
allzu reichlich vorhanden zu sein scheinen, sind deutlich zwischen 
den indifferenten zu unterscheiden. Sie sind hier dadurch ausge- 
zeichnet, daf ihre stets intensiv gefairbten Kerne noch jenseits der 
basalen Endigung der indifferenten Zellen in der Substanz des 
Sipho zu sehen sind (Fig. 55 sz). Die in Mazerationspraparaten 
wahrnehmbare, durch die Kerne bedingte spindelférmige Anschwel- 
lung der Zellen ist auch im Schnitte zu erkennen. Der distal vom 
Kerne gelegene Abschnitt der Sinneszellen, der auf seinem freien 
Saume die, hier durch die Konservierung zerstorten, Sinnesborsten 
tragt, ist ganz auferordentlich schmal, fast fadenformig und kann 
daher nur mit Miihe zwischen den indifferenten erkannt werden 
(Fig. 55). Nach innen zu geht die kernhaltige Anschwellung 
dieser Zellart in eine allerfeinste Fibrille tiber (Fig. 55 nf), deren 
endliches Schicksal, im Gegensatze zu den gleichen Gebilden in 
den Papillen, nicht eruiert werden konnte. 


Der Mantelrand der Acephalen. 167 


Die indifferenten Zellen zeigen zuweilen sehr deutlich ihre wur- 
zelformige Ausfaserung auch im Schnitte. In die Nahe dieser Zell- 
enden treten feine Muskelfibrillen, die man deutlich von den Biin- 
deln des Constrictor und teilweise auch des Retractor sich ab- 
zweigen sieht. Nicht immer sind diese Endfibrillen in ihrer ganzen 
Ausdehnung zu verfolgen, sondern sind nur, da sie vielfach wellig 
verlaufen, gewissermaBen als kleine Fragmente, Stippchen, in der 
Ebene eines Schnittes vorhanden. Deutlicher als in den Sipho- 
papillen und auch deutlicher als bei den Veneriden erkennt man 
hier, daf eine Vereinigung von Epithelzelle und Muskelfibrille nicht 
statthat. Ist an jenen Stellen eine derartige Autfassung nur mit 
Miihe abzuweisen, so ist hier leicht zu erkennen, da8 die Fibrillen 
kurz vor dem basalen Ende der Epithelzellen zuriickbiegen und 
sich untereinander und mit den Fibrillen des Bindegewebes, von 
welchen sie bei Anwendung geeigneter Farbungsmethoden — 
Orange-Hamatoxylin und Indigkarmin-Boraxkarmin — sehr leicht 
zu unterscheiden sind, zu einem Filze verflechten, in welchem die 
Epithelzellen wurzeln. 

Eigentiimliche Einschliisse habe ich in der Substanz der Epi- 
thelien der Innenfliche der Papillarregion angetroffen. Es sind 
dies kreisrunde Kérper, die stets distal vom Kerne gelegen sind. 
Sie farben sich in Alaunkarmin violettrot, in Bismarckbraun hell- 
braun, in Orange-Hamatoxylin blaulich. Selbst bei homogener 
Immersion konnte in ihnen eine Struktur nicht wahrgenommen 
werden. Sie waren, wie bemerkt, stets in der Substanz der in- 
differenten Epithelzellen gelegen, besafen einen hellen Hof und 
waren entweder in der Einzahl oder zu zweien, héchstens zu 
dreien in den Zellen vorhanden. Fand sich mehr als einer dieser 
Kérper, dann lagen sie in einer Reihe hintereinander. Mit dem 
Sekrete der spaéter voch zu erwahnenden Driisen konnten sie nicht 
verwechselt werden, denn dieses ist zwischen den Zellen, nicht in 
denselben zu finden. Ob sie mit den bei Cardium edule beschrie- 
benen auswandernden FLemmuinea’schen Bindesubstanzzellen zu identi- 
fizieren sind, konnte hier nicht bestimmt eruiert werden, denn 
es fehlten an den Fiemmine’schen Zellen der Siphosubstanz die 
von jener Art her bekannten Ubergangsstadien. Ebensowenig 
konnte ich dariiber zu einem definitiven Urteile gelangen, ob die 
fraglichen Gebilde vielleicht parasitirer Natur sind; ich neige mich 
jedoch, im Hinblicke auf die gleichen von anderen Arten in diesem 
Teile der Arbeit beschriebenen Erscheinungen, der Auffassung zu, 
da8 es auswandernde und zwar durch die Epithelzellen wandernde 


168 Dr. Bernhard Rawitz, 


FLemmina’sche Zellen der Bindesubstanz sind. Das Durchwandern 
durch die Substanz der Epithelzellen ist fir Leukocyten bei 
Vertebraten bekanntlich von Sr6HR zuerst genauer beschrieben 
worden. 

Die Sipho-Aufenfliche, deren Pigmentierung bereits 
bei der allgemeinen Besprechung behandelt wurde, besitzt einen 
zu hohen und breiten Zotten gruppierten epithelialen Belag, der 
aus schmalen, cylindrischen Zellen besteht, deren Hohenmaf 
zwischen 14,4 « und 50,4 « schwankt, ihre Breite betragt circa 
4. Der cuticulare Saum der pigmentierten Zellen mift knapp 
1 w, der der nicht pigmentierten 4 u. Die Kerne sind basal ge- 
legen und von ovaler Gestalt, ihr langer Durchmesser betragt 
etwa 5 «, waihrend der breite dem Breitendurchmesser der Zellen 
entspricht. Die wurzelférmige Ausfaserung der indifferenten Zellen 
ist hier nicht zu erkennen, ihre basale Endigung erscheint als eine 
kontinuierliche scharfe Linie (Fig. 55). Die Pinselzellen, die in 
der Aufenflache, namentlich in der Nahe der Papillen (Fig. 55 sa) 
sehr zahlreich sind, sind besonders deutlich in Alaunkarminpra- 
paraten und ferner in solchem Materiale zu erkennen, welches nach 
der Vorschrift von MAHRENTHAL nach Fixierung in FLeEmMMinG’schem 
Chromosmiumeisessiggemisch mit rohem Holzessig behandelt waren‘). 
Die indifferenten, pigmentfreien Zellen erscheinen in solchen Pra- 
paraten grau, waihrend die Pinselzellen dunkelschwarz gefarbt sind 
und selbst zwischen den pigmenthaltigen deutlich erkannt werden 
kénnen. Die an diesen Zellen zu beobachtenden Kinzelheiten 
stimmen mit den bereits beschriebenen in allen Punkten iiberein 
(Fig. 55 sz). Noch deutlicher als an der Innenflaiche erkennt man 
in der Pigmentregion der Sipho-Aufenflache, daf die Muskel- 
stippchen, die letzten Enden der Muskelfasern, niemals in direkte 
Verbindung mit den Epithelzellen treten, sondern vor deren Basen 
umbiegen und sich mit den Fibrillen der Bindesubstanz verflechten 
(Fig. 55 m). 

Uber die im Sipho sich findenden Driisen ist folgendes zu 
bemerken. Es kommen zwei Arten von Driisen vor, welche sich 
durch ihr Verhalten gegen Farbstoffe deutlich voneinander unter- 
scheiden. Die eine Art dokumentiert sich als Mucindriisen, die 
andere fairbt sich in Orange-Hamatoxylin oder Eosin-Hamatoxylin 
hellgelb bezw. leuchtendrot. Die Mucindriisen finden sich sowohl 


1) Beziiglich dieser Methode cfr. meinen ,,Leitfaden fiir histiolo- 
gische Untersuchungen“. Jena, Gustay Fischer. 


Der Mantelrand der Acephalen. 169 


auf der Aufenflache (Fig. 55 md), wie auch auf der Innenflache; 
die zweite Art ist nur auf der Aufenflache vorhanden. Hinsicht- 
lich der Verteilung der Driisen ist zu sagen, daf sie proximal- 
warts von den Papillen — in diesen fehlen sie bekanntlich — in 
der Papillarregion ziemlich spirlich sind, erst mehr gegen das 
mittlere Drittel an Zahl zunehmen. Aufen sind weniger Mucin- 
driisen vorhanden als innen. In den tieferen Partieen der Siphonen, 
da wo sich deren Leuchtorgane finden, erleidet die geschilderte 
Verteilung eine Abanderung dahin, daf an der Aufenflaiche die 
Driisen der zweiten Art fast ganz zuriicktreten gegen die nun- 
mehr in grofer Masse vorhandenen Mucindriisen. Die Situation 
auf der Innenfliche ist ebenfalls eine bedeutend veranderte; sie 
soll bei Besprechung der Leuchtorgane naher erértert werden. 

Die Mucindriisen sind einzellige Gebilde, welche, wenn sie in 
Verbindung mit ihrem schmalen, oft fadenférmig erscheinenden 
Ausfiihrungsgange im Schnitte zu sehen sind, flaschenformiges Aus- 
sehen haben (Fig. 55 md). Selbst da, wo sie reichlich vorkommen, 
sind sie nie zu Gruppen vereint, sondern bleiben stets gesondert. 
Die Miindung geschieht innen wie aufen durch interepitheliale 
Liicken; Becherzellen kommen nirgends vor. Die Driisen auf der 
AuBenflaiche erscheinen, im Gegensatze zu denen der Innenfliche, 
zuweilen mehrzellig. Dabei ist es merkwiirdig, daf die einzelnen 
Zellen einer Driise, nicht wie das sonst der Fall ist, nebeneinander 
liegen, sondern in einer Reihe hintereinander angeordnet sind 
(Fig. 55 md). Das Bild, welches man von diesen Driisen erhalt, 
erweckt den Eindruck, als ob in den Ausfiihrungsgang der am 
tiefsten in die Substanz eingebetteten Zelle eine zweite oder manch- 
mal sogar mehrere spindelf6rmige, mucinartig gefarbte Zellen 
hintereinander interpoliert seien. Die Anordnung ist also eine perl- 
schnurartige. 

Im Gegensatze zu den Mucindriisen sind die Driisen der 
zweiten Art, welche, wie bereits bemerkt, nur auf der Aufenflache 
zu treffen sind, fast immer zu Gruppen von 10 und mehr Zellen 
vereint; vereinzelt liegende findet man sehr selten. Diese Driisen 
sind stets einzellig; sie sind im allgemeinen gréfSer als die vorige 
Art, zeigen eine auferordentlich zierliche Netzzeichnung ihres 
Plasma und miinden in interepithelialen Liicken. 


Auf Querschnitten durch beide Siphonen sieht man, daf die 
Hauptmasse der Muskulatur aus dem Retractor besteht, dessen 
massige Bindel die Mitte der Siphonalwandung einnehmen 


170 Dr. Bernhard Rawitz, 


(Fig. 56 m,). Diese Biindel sind grofe Ovale, deren langster 
Durchmesser von aufen nach innen geht; sie sind voneinander 
durch schmale, ebenfalls von aufen nach innen gehende Septa ge- 
trennt, die aus Bindegewebsziigen und Muskelfasern, welch letztere 
den Compressor bilden, bestehen. Unmittelbar den Massen des 
Retractor anliegend finden sich zerstreute Muskelbiindel, die, auf 
dem Querschnitte quergetroffen, gleichfalls zu dem Retractor zu 
rechnen sind. Nur liegen die einzelnen Fasern derselben nicht so 
eng aneinander, sondern sind mehr gelockert, weil zwischen ihnen 
die Bindesubstanz ziemlich reichlich entwickelt ist, die zwischen 
den Fasern der Hauptmasse fehlt. Auf jene zerstreuten Retractor- 
fasern folgen nach auSen wie nach innen zu die Biindel des Con- 
strictor, die nicht sehr massig auftreten (Fig. 56 m,). Auf den 
inneren Constrictor folgt dann nach innen eine schmale Retractor- 
schicht und darauf, dicht in der Nahe des Epithels hinziehend, 
wiederum eine diinne Constrictorlage. Die nach aufen vom aufe- 
ren Constrictor gelegenen Muskelbiindel, aus Constrictor- und 
Retractorfasern bestehend, liegen zerstreut und sind nur sparlich 
entwickelt. Die Fasern des bereits erwaihnten Compressor ent- 
wickeln sich hauptsichlich aus dem Constrictor und nur zum Teil 
aus dem Retractor. 

Der Analsipho zeigt im wesentlichen, wenn wir von der 
Fxistenz der Leuchtorgane und der durch dieselben bedingten, 
spater noch zu beschreibenden Eigentiimlichkeiten der Innenflache 
des Atemsipho absehen, die gleichen histiologischen Details, wie 
letzterer. 


Wir haben nunmehr den feineren Bau der Siphonen von 
Pholas, mit Ausnahme der Leuchtorgane, kennen gelernt. Bevor 
ich zur Darstellung meiner an diesen Gebilden gewonnenen Unter- 
suchungsergebnisse tibergehe, muf ich die von RAPHAEL Dusois 
aufgestellte Theorie der ,,photodermatischen Funktion“ 
oder vielmehr die von jenem Autor derselben zu Grunde gelegten 
histiologischen Angaben einer Kritik unterwerfen. 

In der Nummer vom 5. August 1889 der Comptes rendus 
der Pariser Akademie (Bd. 109) sagt Dusors in ziemlich genauer 
Wiedergabe einer kurz vorher veréffentlichten Mitteilung in den 
Berichten der Société de biologie (Série IX, Tome I, 1889, p. 521 
ff. vom 27. Juli), da die durch die Beleuchtung hervorgerufene 
totale Kontraktion der Siphonen sich zusammensetze aus dem Spiel 
zweier verschiedener und voneinander unabhangiger Muskelsysteme, 


Der Mantelrand der Acephalen. 171 


von welchen das eine die Rolle eines benachrichtigenden Apparates: 
versieht. Die anatomische Untersuchung soll darthun, dafi dieser 
kontraktile Benachrichtigungsapparat sich aus Muskelfasern (Mus- 
kelsegment) zusammensetzt, die nichts als die Fortsetzungen der 
Pigmentepithelien ‘sind. Diese stellen eine zusammenhangende 
Lage (Farbsegment) auf der Oberfliche des Sipho dar. Beide Seg- 
mente bilden das Lichtmuskelelement (élément photo-musculaire). 
Der Benachrichtigungsapparat steht mehr oder minder unmittelbar 
in Beziehung zu den empfindenden Elementen der Peripherie. 
Wenn nun ein Lichtstrahl auf die Oberflache des Sipho fallt 
(rétine photo-dermatique), so geht er durch die Cuticula des Epi- 
thels und entfaltet im Farbsegment seine Wirkung; und die da- 
durch bedingten Verinderungen lisen sofort eine Kontraktion des 
Muskelsegmentes aus. Diese Kontraktion erregt die peripheren 
Nervenelemente genau so, wie wenn man mechanisch durch Be- 
riihrung der Oberfliche den Sipho reizt. Dieser Gefiihlseindruck 
wird durch centripetale Nervenfasern zu den Ganglien geleitet, 
von wo aus reflektorisch die Retractorfasern des Sipho erregt wer- 
den. Es stellt sich somit der Mechanismus ,,des Sehens* (de la 
vision) dar als eine wahre taktile Erscheinung. 

In einer anderen Mitteilung an die Pariser Akademie (Bd. 
109, 11. November 1889) heift es in abgekiirzter Wiedergabe der 
obigen, fast wortgetreuen Ubersetzung, da die photodermatische 
Funktion durch ein besonderes Element, das Lichtmuskelelement, 
zustande kommt, welches aus zwei verschiedenen, aber zusammen- 
hangenden Segmenten besteht, namlich: ,le segment pig men- 
taire, formé par une cellule ectodermique pigmentée et sensible 
ila lumiére, et le segment musculaire, donnant al animal, 
par une contraction, Je signal de I’ impression reguet (p. 749 1. ¢.). 

Beim Studium der Dusois’schen Mitteilungen konnte ich 
mich des Eindruckes nicht entschlagen, als habe der Autor seine 
Anschauungen iiber die Existenz und den Zusammenhang der bei- 
den Segmente nicht empirisch, durch Untersuchung mikrosko- 
pischer Praparate, gewonnen, sondern spekulativ, geleitet durch 
das Bestreben, die Thatsache der Lichtempfindlichkeit zu erklaren, 
sich konstruiert. Denn sonst kann ich nicht begreifen, wie er 
dazu kommt, einen Zusammenhang von Epithelzelle und Muskel- 


faser — und wohl gemerkt einen direkten Zusammenhang, wo 
also die Epithelzelle basalwarts ohne Unterbrechung in eine Mus- 
kelfibrille iibergeht — zu behaupten, von dem in Wirklichkeit 


nicht eine Spur vorhanden ist. Ich habe in meiner obigen Be- 


172 Dr. Bernhard Rawitz, 


‘schreibung ausfiihrlich auseinandergesetzt, wie das Verhalten der. 
letzten Muskelfibrillen in der Nahe des Epithels ist, und kann da- 
her auf das dort Gesagte hiermit verweisen. Selbstverstandlich 
bedarf es, will man solch’ intrikate Verhaltnisse verstehen, ein- 
gehendster Studien an sehr gut vorbereitetem Materiale. Daf 
aber Dusors solches Material gehabt hat, ist mir etwas zweifel- 
haft. Er sagt namlich an einer anderen Stelle der zuerst hier 
citierten Mitteilung, an der er von den Pancrri’schen Organen 
handelt, da8 deren Zerzupfung nach Behandlung mit MOLLER- 
scher Fliissigkeit sehr leicht gelinge. Fast méchte ich daraus 
schliefen, daf er auch die Struktur der Siphonenwandung, wenn 
er iiberhaupt histiologische Beobachtungen gemacht hat, nur an 
Zupfpraparaten aus Mixuer’scher Lisung studiert hat. Ware 
das aber der Fall, dann sind seine histiologischen Unterlagen 
fir die Theorie ganz ungeniigende, denn Zupfpraparate konnen 
kaum je iiber solch schwierige Verhaltnisse endgiltigen Auf- 
schlu8 geben. 

Die Annahme, daf zunachst ein besonderer Apparat — 
,appareil avertisseur“’ — von den Lichtstrahlen erregt und erst 
reflektorisch die Kontraktion des ganzen Sipho ausgelést werde, 
stiitzt Dusors durch Anfiihrung zweier von ihm angestellter phy- 
siologischer Versuche. Er sagt nimlich, daS die erste Kontrak- 
tion sich gesondert von der zweiten durch einen von ihm kon- 
struierten Apparat aufzeichnen lasse, und verweist gleichzeitig in 
einer Anmerkung (C. R. 109, p. 2033) auf eine spatere Abhand- 
lung hin, in welcher er diese Angaben genauer begriinden werde. 
Diese spiitere Abhandlung ist héchst wahrscheinlich die in der 
Nummer vom 19. August desselben Bandes (109) der Comptes 
rendus abgedruckte, da mir eine diesen Gegenstand in extenso 
behandelnde Mitteilung von jiingerem Datum trotz eifrigen Su- 
chens nicht bekannt geworden ist. In der Nummer vom 19. 
August ist aber eine ausfiihrliche Darlegung des hier speziell 
interessierenden Punktes, namlich der zeitlich getrennten und 
graphisch zu isolierenden beiden Kontraktionen — der speziellen 
des ,,appareil avertiseur“ und der allgemeinen des ganzen Sipho 
— nicht gegeben. Der Autor erwahnt nur (1. c. p. 321), wo er 
von dem Einflusse der Belichtung spricht, dass: ,,avec les durées 
minima de —_ seconde, on obtient seulement la contraction du 
systéme avertisseur, avec 00 de seconde, on peut pro- 
voquer la contraction réflexe total du siphon.“ Sonst ist hier in 
diesem Aufsatze nur die Rede von einer latenten Periode der 


Der Mantelrand der Acephalen. 173 


Kontraktion. Ob ferner bei Anwendung starken Lichtreizes, mége 
letzterer nun in lang andauernder Einwirkung einer schwachen 
oder kurzer einer starken Lichtquelle bestehen, auch noch eine 
gesonderte doppelte Kontraktion statthat, die, sei das Intervall 
noch so gering, graphisch zum Ausdrucke gebracht werden kann, 
dariiber berichtet Duspors leider ebenfalls nichts. Wohl hat der 
Autor in einem Aufsatze in der Société de biologie (1888, p. 
714 ff.) bei Beschreibungen seiner graphischen Methode FEinzel- 
heiten angefiihrt, aber dariiber, worauf es ankommt, sich nicht 
ausgelassen. Und doch wire es ein experimentum crucis fiir 
die Dusots’sche Theorie, zeigten sich bei intensiver Belichtung 
die beiden angenommenen Kontraktionsphasen noch getrennt. Was 
Duszors iiber den Einflu8 der Intensitat des Lichtes a. a. O. an- 
fiihrt, hat auf die beregte Frage gar keinen Bezug. Ubrigens, 
wie mich bediinken will, bedarf es auch gar nicht der histio- 
logisch extravaganten Annahme von Dupois, um die von ihm be- 
obachteten Erscheinungen zu erklaren. Ich glaube, die Unter- 
scheidung eines besonderen ,,appareil avertiseur“ und die Trennung 
der Kontraktion desselben von der des Sipho ist, wie sie ana- 
tomisch keine Unterlage hat, auch physiologisch nicht begriindet. 
Die Differenzen, die hier stattfinden, sind lediglich verursacht 
durch die Intensitit der Reizung. Je geringer der Reiz ist, der 
auf die lichtempfindliche Partie des Sipho ausgeiibt wird, desto 
geringer auch die Antwort des Tieres. Bei ganz schwacher oder 
ganz kurz dauernder Belichtung tritt daher nur eine schwache 
und kurz dauernde Kontraktion der erregten Stelle ein, die sich 
eben wegen ihrer Geringfiigigkeit nicht weiter propagieren kann. 
Mit zunehmender Intensitat im einen wie im anderen Sinne wird 
die Erregung eine umfangreichere und stirkere, und daher sind 
auch die Kontraktionen des Sipho ausgiebiger Natur. Der Aus- 
druck, den Dusors hierbei gebraucht, ,,contraction totale“, ist, 
nebenbei bemerkt, ungenau. Es zieht sich keineswegs der ganze 
Sipho zusammen, sondern nur die Spitze bez. die Papillar- 
region desselben, wie ich dies im allgemeinen Teile naher be- 
schrieben habe. 

Wie hat man sich nun die durch das Auffallen von Licht- 
strahlen auf das Pigmentepithel der Sipho-AuSenflache bedingte 
Kontraktion des Sipho zu erklaren? Nach Dusois dringt das 
Licht durch den cuticularen Saum der Epithelzelle, wirkt auf 
das Pigment und erregt dadurch die mit der Zelle (angeblich) 
zusammenhiingende Muskelfaser; durch letztere wird dann die 


174 Dr. Bernhard Rawit2, 


Pinselzelle irritiert und so reflektorisch die allgemeine Kontraktion 
ausgelést. Durch meine histiologischen Angaben wie durch die 
obige kritische Auseinandersetzung ist bewiesen worden, da ein 
Zusammenhang von Epithel- und Muskelzelle nicht existiert ; dar- 
aus folgt mit Notwendigkeit, dafi die Dusors’sche Erklarung des 
Phanomens hinfallig ist. Das auf das Pigmentepithel, dessen cuti- 
cularer Saum, wie aus meinen Angaben erinnerlich ist, sehr schmal 
ist 1), fallende Licht bringt in dem Pigmente Veranderungen viel- 
leicht chemischer Natur hervor. Diese Veranderungen, die mit 
dem Fortfall des Reizes sich leicht wieder ausgleichen werden, 
miissen nun einen erregenden Einfluf’ auf die Pinselzellen, die ja 
in der Pigmentregion reichlich vorhanden sind, ausiiben, und die 
Erregung der letzteren wird sich auf die mit ihnen in inniger 
Verbindung stehenden Nervenendfibrillen fortpflanzen und so zum 
Centrum, dem Visceralganglion, gelangen. Von hier aus wird 
dann reflektorisch auf den Bahnen der von mir nachgewiesenen 
Fasersysteme (34) die Kontraktion des Sipho ausgelést. Je ge- 
ringer die Lichtintensitaét oder je kiirzer die Dauer der Belichtung 
ist, um so geringer natiirlich ist die supponierte Veranderung im 
Pigmente, und um so schwiicher sind daher die durch die letztere 
bedingten Erscheinungen. Je starker dagegen der Reiz, um so 
stirker auch der Erfolg. 

Ich sagte, die Veranderungen, welche das Licht im Pigmente 
hervorrufe, seien vielleicht chemischer Natur. An Verdénderungen 
des Pigmentes, wie sie im Vertebratenauge und im Auge der 
Arthropoden durch ANGELuccI-BoLL bez. EXNER-STEFANOWSKA 
nachgewiesen sind ?), kann man hier, glaube ich, nicht denken. 
Jene Verinderungen namlich sind morphologischer Natur; Licht 
uud Dunkel bedingen, ganz allgemein ausgedriickt, eine Verschie- 
bung des Pigmentes in den Augen. Solche Verschiebungen, Orts- 


1) Die Schmalheit dieses Saumes méchte ich besonders hervor- 
heben. Parren und SHarp nimlich haben die ganz besondere Dicke 
des cuticularen Saumes von Pigmentepithelien oft als einzigen histio- 
logischen Beweis fiir deren Lichtempfindlichkeit angefiihrt. Hier nun 
bei Pholas, wo eine Lichtempfindlichkeit aufer Zweifel ist, ist der 
Saum schmal, zeigt also ein ganz anderes Verhalten, als wie es nach 
Suarp notwendig sein soll. Man kann aus dieser Thatsache entneh- 
men, wie sehr die Suarp’schen Behauptungen jeder Begriindung ent- 
behren. 

2) Ahnliche morphologische Veranderungen habe ich im Cephalo- 
podenauge nachgewiesen, wie aus meiner im Arch. f. Physiol. v. 
pu Bors-Rrymonp 1891 publizierten Mitteilung hervorgeht. 


Der Mantelrand der Acephalen. 175 


veranderungen, kénnen aber hier darum nicht stattfinden, weil die 
Pigmentzellen gar keinen Platz haben, um sich ausbreiten zu 
kénnen. Basalwarts hindert sie das Bindegewebe, seitlich die 
benachbarten Zellen, distalwairts, dem freien Saume zu, ist eine 
Bewegung ebenfalls unméglich. Morphologischer Art kénnen also 
die Veranderungen nicht sein. Wie aber wirken die chemischen 
Alterationen, die das Pigment durch den Lichtstrahl erfihrt, auf 
die zwischen den indifferenten steckenden Pinselzellen, werden 
letztere durch den im Pigmente sich abspielenden Vorgang eben- 
falls chemisch erregt oder nicht? Diese Frage entscheidend zu 
beantworten, bin ich nicht in der Lage; wahrscheinlich diinkt es 
mir, daf es sich auch um chemische Einfliisse auf die Pinselzellen 
handelt. Doch méchte ich deswegen noch keine zwiefache Erreg- 
barkeit der Sinneszellen — eine Abstimmung derselben auf mecha- 
nische und auf chemische Reize — annehmen. Vielmehr halte 
ich es fiir wahrscheinlich, daf die in der Pigmentregion vorkom- 
menden Pinselzellen nur auf chemische Einfliisse reagieren, auf 
mechanische aber nicht. Daf sie den gleichen Bau wie die taktil 
empfindlichen Sinneszellen haben, wiirde kein Gegenbeweis sein, 
denn wir kénnen den auf dem freien Saume einer Epithelzelle 
sitzenden Sinneshaaren nicht ansehen, welche Reize auf sie ein- 
wirken. Um ein Beispiel anzufiihren: die Haare der Riech- 
epithelien unterscheiden sich nicht von denen der Hoérzellen, und 
doch sind beide auf ganz verschiedenem Wege erregbar, die einen 
durch Gase, die anderen mechanisch durch Schallwellen. So un- 
gefabr kénnen auch die Pinselzellen der Pigmentregion der Sipho- 
Aufenflaiche und der Papillen bei aller anatomischer Gleich- 
artigkeit physiologisch sehr differenter Natur sein, indem diese 
nur auf mechanische Insulte antworten, jene auf chemische, in 
der Nachbarschaft sich abspielende Prozesse reagieren. 

Die Lichtempfindlichkeit von Pholas dactylus ist darum von 
besonderem Interesse, weil diese Art, wie Dusors vollkommen 
zutrettend hervorgehoben hat, keinerlei Apparate besitzt, welche 
auch nur entfernt an Augen erinnern. Der hier wirklich vorhan- 
dene und jederzeit mit Leichtigkeit nachweisbare Einfluf8 des 
Lichtes als solchen auf die Pigmentepithelien tritt somit in eine 
gewisse Parallele oder vielmehr richtiger in einen Gegensatz zu 
der fiir andere Muscheln pratendierten, dort aber nicht nachweis- 
baren Lichtempfindlichkeit. Hierauf naiher einzugehen, behalte 
ich mir fiir die am Schluf der Arbeit zu gebenden allgemeinen 
Betrachtungen vor. 


176 Dr. Bernhard Rawité, 


Die Leuchtorgane. Seine Auseinandersetzungen iiber 
den feineren Bau dieser Gebilde leitet Pancert mit folgenden 
Worten ein: ,,Venendo ora alla struttura di questi organi, diréd 
che le sezioni, fatte in ogni senso e con diversi metodi di pre- 
parazione mi hanno dimostrato trattarsi non altro che di pulvinuli 
sporgenti di tessuto unitivo compatto come sarebbo quello del 
derma, i quali alla superficie sono rivestiti di un epitelio speciale“ 
(I. c. p. 29). Dieses Spezialepithel soll es sein, welches die leuch- 
tenden Massen hervorbringt. 

Die dreieckigen Organe und die Siphonalstreifen sind mit 
einem Wimperepithel bekleidet, das in seiner Form und seinen 
Grofenverhaltnissen demjenigen gleicht, mit welchem die benach- 
barten Organe bedeckt sind, das sich aber von diesem durch den 
Inhalt seiner Zellen bedeutend unterscheidet. 

Der Kern der Zellen zeigt sich stark granuliert; die Granula 
sind gewoéhnlich auch im ganzen Zellleibe enthalten. Im Unter- 
schiede von den gewéhnlichen Epithelzellen sind diese Zellen sehr 
leicht zerreiflich und lassen dann den Inhalt austreten. So ge- 
niigt eine Beriihrung der Oberflache eines dieser Organe mit 
einem Objekttrager, um alsbald einen weilichen Brei zu erhalten, 
der aus granulierten Kernen, kleinsten Kornchen, Fetttrépfchen 
und aus Massen zusammengesetzt ist, welche den Inhalt einer 
Epithelzelle bildeten und deren Form auch nach dem Austritte 
vollig bewahrt haben. Auferdem sieht man in dem Brei auch 
kleine bewimperte Kérper, welche in denselben sich umherbe- 
wegen, als wiren sie Epithelzellen, die zwar im Stadium der 
Atrophie sich befinden, aber dennoch eine eigene Bewegung be- 
sitzen. 

Dieser weiliche Brei, léslich in Alkohol und Ather, verleiht 
den leuchtenden Glanz diesem Epithel oder vielmehr ist die 
leuchtende Materie von Pholas. Die Léslichkeit des Stoffes in 
Alkohol verursacht, dafi in Praparaten, welche behufs Anferti- 
gung mikroskopischer Schnitte in Alcohol absolutus gehéartet 
waren, nichts von demselben mehr zu sehen ist, zu seiner Er- 
kennung bedarf es daher der Untersuchung frischen Materiales. 

Kine ungewoéhnliche Eigentiimlichkeit dieses Spezialepithels 
ist noch zu notieren, man sieht nimlich in Zwischenraumen Cilien 
stehen, die, bedeutend langer als die tibrigen, sich in langsamem 
Rhythmus bewegen. 

Die Fahigkeit des Leuchtens berechtigt, dieses Epithel ein 
Leucbtepithel zu nennen, und die Organe, welche mit demselben 


Der Mantelrand der Acephalen. 177 


bedeckt sind, wiirden als Driisen bezeichnet werden kénnen ,solo 
che non sogliono, come le altre (glandole) figurare a modo di 
approfondamenti, ma per contrario a modo di sporgenze rivestite 
di speciali elementi glandolari“ (1. c¢. p. 31). 

So weit Pancert. Die von ihm gegebene histiologische Ana- 
lyse lehrt somit, daf nur das Epithel, welches die drei Organ- 
paare bedeckt, die leuchtenden Massen hervorbringt, daf andere 
gewebliche Elemente dagegen an diesem Prozesse nicht beteiligt 
sind. Wie wir spater sehen werden, hat PANcert den feineren 
Bau der Leuchtorgane vollig verkannt, was wohl darauf zuriick- 
zufiihren ist, daf’ er zu einer Zeit diese Objekte untersuchte, in 
der von einer guten histiologischen Technik noch nicht die Rede 
war. Um die Leuchtorgane mikroskopisch durchzuarbeiten, bedarf 
es anderer Konservierungsmethoden als des einfachen Alcohol 
absolutus; mit guten Methoden aber findet man, daB, wie ich 
spiter zu beweisen haben werde, das Epithel der Organe fiir die 
Produktion der leuchtenden Massen nur eine nebensichliche Be- 
deutung hat, der Sitz der produzierenden Elemente vielmehr in 
dem vom Epithel bedeckten Gewebe zu finden ist. Es sind die 
»pulvinuli* von Pancert, tiber die dieser Autor sich nicht néiher 
geiufert hat, welche den physiologisch wichtigen Bestandteil der 
Organe bilden. 

Indessen bei aller Ungenauigkeit sind die Angaben von PAn- 
CERI noch immer eingehender und relativ richtiger, als diejenigen, 
welche RAPHAEL Duspors in seinen mehrfach citierten Mitteilungen 
iiber die fraglichen Gebilde gemacht hat. 

Der letztgenannte Autor sagt (Comptes rendus, T. 109, 1889, 
p. 234/35), daf die Leuchtorgane (dreieckige Organe und Siphonal- 
streifen) die groften Analogieen in ihrem Baue darbieten mit den 
yon ihnen nicht eingenommenen inneren Siphowandungen und mit 
der von Dusois sogenannten ,,rétine photodermatique’. Mit dem 
Unterschiede allerdings, daf die ,éléments fondamentaux de ces 
cordons et de ces triangles au lieu d’étre recouverts par une 
cuticule réfringente, portent des cils vibratiles. Ils sont formés 
dun segment épithélial en forme de calice, qui se continue 
directement avec un segment musculaire ou contractile en 
fuseau allongé, dont l’extrémité se rend dans le tissu conjonctif 
sousjacent. La dissociation de ces éléments fondamentaux des 
cordons et des triangles est particulierement facile aprés séjour 
prolongé de ces parties dans la liqueur de MULLER. On reconnait 


alors facilement leurs connexions avec les cellules nerveuses, qui 
Bd, XXVII, N, F, XX. 12 


178 Dr. Bernhard Rawitz, 


forment en réalité un troisiéme segment (Segment neural), 
L’ensemble des deux premiers segments constitue ? élément 
myophotogeéne (I. ¢.). 

Dann folgen auf die citierten Zeilen einige Angaben tiber die 
Muskulatur. Die becherférmigen epithelialen Segmente sind in 
frischem Zustande mit einer Substanz erfillt, welche sie auf Rei- 
zung yon sich geben. Durch Kontraktion der Muskulatur wird 
die Substanz ausgepreft, und man trifft alsdann auf der Ober- 
fliche der Leuchtorgane eine unzahlige Menge von Trépfchen oder 
glanzenden Kérnchen, 

Aus diesen angeblichen Thatsachen erkennt Dusois eine tiber- 
raschende Ahnlichkeit in Bau und Funktion der Leuchtorgane 
mit denjenigen Partieen, welche die sogenannte photodermatische 
Funktion besitzen. Aber wihrend letztere in Thiitigkeit tritt un- 
ter der Einwirkung von Lichtstrahlen, bringen die Leuchtorgane 
durch ihre Funktion selber Licht hervor. 

Die referierten Angaben von Duxois stimmen in einzelnen 
Punkten genau mit denen von PANcERI tiberein. Der oben wort- 
lich citierte Passus zeigt aber, daf}’ Dusors den Bau der Leucht- 
organe, den er offenbar an ganz ungeniigend vorbereitetem Ma- 
teriale studiert hat, nach jeder Richtung hin verkannt hat. Was 
er tiber das epitheliale Segment und dessen Zusammenhang mit 
dem Muskelsegmente sagt, hat gar keine thatsachliche Unterlage, 
und diese an sich schon irrigen Ausfiihrungen werden durch die 
Verquickung mit seiner histiologischen Hypothese tiber die Grund- 
lagen fiir die photodermatische Funktion noch verwirrter. Es ist mir 
vollig unbegreiflich, wie der Autor zwischen dem lichtempfindlichen, 
wimperlosen Pigmentepithel der Sipho-AuSenflache und dem wim- 
pernden, angeblich einen leuchtenden Stoff produzierenden, dabei 
vollig pigmentfreien Epithel der Pancerrschen Organe auch nur 
eine Spur von Analogie erkennen konnte. Sowohl die Art und 
Weise, wie beide Elemente ihre Wirksamkeit entfalten, als auch 
der fundamental verschiedene histiologische Charakter beider ver- 
bietet, meine ich, eine solche Annahme ohne weiteres. Eine ein- 
gehende histiologische Analyse der Organe hat Duszors nicht ge- 
geben und damit auch fiir das Verstaindnis der lunktion derselben 
nichts beigetragen. Zu letzterem aber ist das erstere unbedingt 
erforderlich; erst dann, wenn wir den Bau eines Organes genau 
kennen, sind wir imstande, uns iiber seine Verrichtung eine an- 
nihernd richtige Vorstellung zu bilden. 


Der Mantelrand der Acephalen. Wes) 


Ich verschreite nunmehr dazu, die Resultate, zu denen mich 
eigenes Studium gefiihrt hat, in extenso darzulegen. 

Bei der Untersuchung der das Leuchten bewirkenden Partieen 
in frischem Zustande erkennt man, dal das Epithel, welches diese 
Stellen bedeckt, ein Wimperepithel ganz eigener Art ist. Ks sind 
nimlich Zellen von zweierlei Formen vorhanden, einmal ge- 
wohnliche Wimperzellen, d. h. relativ niedrige cylindrische Ge- 
bilde, die auf schmalem cuticularem Saume zahlreiche sehr schnell 
schlagende weiche Haare tragen, und dann Zellen, auf deren cuti- 
cularem Saume bei dieser Art der Betrachtung nur eine Wimper 
zu sitzen scheint. Diese Wimper ist sehr lang, 12,6 w, ist tief 
in die Zelle hinein zu verfolgen und gleicht einem Dore, der mit 
circa 9,9 uw breitem FuBe auf dem freien Rande der Zelle auf- 
sitzt. Diese Form der anscheinend einheitlichen Wimper erinnert 
lebhaft an die langen Sinneshaare auf den Pinselzellen von Litho- 
domus dactylus (cfr. Il. Teil); nur unterscheiden sich die Bil- 
dungen hier bei Pholas von denen bei Lithodomus dadurch, dal 
sie schnell im Sinne der iibrigen Wimperbewegung hin und her 
schlagen, und zwar so schnell, daf diese Bewegung ihnen nicht 
you anderen Wimpern mitgeteilt sein kann, sondern auf eigener 
Vahigkeit dazu beruhen mu. Diese Eigenbewegung der langen 
Wimpern, die iibrigens Pancrert schon deutlich gesehen und gut 
beschrieben hat, deutet aber darauf hin, daf die zu den Wimpern 
gehérigen Zellen keine Sinneszellen, sondern gewoéhnliche inditte- 
rente sind; denn der Haarbesatz der FLemmina’schen Pinselzellen 
entbehrt der Eigenbewegung durchaus. 

Die unter dem Epithel gelegene Substanz der Organe, die 
,pulvinuli von Panceri, besitzt einen ungemein hohen Grad von 
Viskositait. Wenn man das frisch abgeschnittene Stiick von der 
Scheere auf den Objekttriger iiberfiihrt, so zieht sich von dem 
Stiick zu der sich entfernenden Scheere ein feiner, farbloser, sehr 
zaher Faden aus, der auferordentlich schwer abreift. Im Inneren 
des Gewebes, bei Betrachtung frischer Objekte, kann man in der 
viskésen Substanz keine besonderen Einzelheiten entdecken; dort 
dagegen, wo sie an der Schnittstelle des untersuchten Stiickes aus 
den Maschen der Bindesubstanz austritt, erkennt man folgende 
Kinzelheiten. Man findet verschieden grofe und verschieden ge- 
staltete Tropfen, die von einem Konvolute ganz kleiner, dicht an- 
einander stehender Trépfchen gebildet werden; man findet ferner 
Tropfen, die ganz homogen sind und dabei matt glinzen, und 
endlich trifft man Gebilde, die in leicht griinlich glainzender, 


12* 


180 Dr. Bernhard Rawitz, 


homogener Grundlage einen, zwei oder drei kernartig aussehende, 
kreisrunde Kirper eingelagert enthalten. Kurz: die Beobachtung 
eines vom lebenden Tiere abgeschnittenen Stiickes der Organe be- 
stitigte nur die villige Richtigkeit der von Pancert mit der glei- 
chen Methode gewonnenen Resultate. 

Die Durcharbeitung mazerierten Materiales zeigt nicht viel 
mehr als die Untersuchung frischer Objekte. Beziiglich der Zellen 
mit den langen Wimpern erkennt man, daf dieselben drei Fort- 
sitze besitzen: zwei davon liegen neben einander, sie sind die 
Wurzeln, mit denen die Zellen im subepithelialen Gewebe hat- 
ten; der dritte, polar entgegengesetze Fortsatz ist die auch im 
Mazerationspraparate einfach erscheinende Wimper. 

Einen tieferen Einblick in den Bau der uns hier beschaftigen- 
den Gebilde erhalt man erst, wenn man mikroskopische Schnitte 
von gut konserviertem Materiale studiert *). 

Die siphonalen Leuchtorgane, welche, wie aus der allgemei- 
nen Beschreibung erinnerlich, auf dem den Atem- von dem Anal- 
sipho trennenden Septum aufsitzen und nach dem Innenraume des 
ersteren gerichtet sind, gleichen auf einem Querschnitte durch 
beide Siphonen (Fig. 56 7) schmalen Calotten, welche ihre konvyexe 
Seite dem Sipho-Innenraume zukehren, mit ihrer konkaven der 
Substanz des Septum aufliegen. An Praparaten, die in Hamato- 
xylin, Safranin, Fuchsin und Bismarckbraun gefarbt sind, sind 
sie schon bei Betrachtung mit blofem Auge durch ihr dem be- 
treffenden Farbstoffe entsprechendes intensives Kolorit kenntlich; 
nach Farbung in Orange-Himatoxylin oder Eosin-Hamatoxylin 
heben sie sich deutlich als veilchenblaue oder violette Kuppen 
von dem orangegelb bez. dunkelrot gefairbten Grundgewebe ab. 

Mikroskopische Betrachtung lehrt, da’ man es mit einem aus 
drei Abschnitten bestehenden Organe zu thun hat, von welchen 
Abschnitten der von innen gerechnet erste, der dem Epithel ent- 
spricht, und der zweite allein in der eben beschriebenen Weise 
intensiv gefarbt sind (Fig. 57), wahrend die Farbung des dritten 


1) Am besten eignen sich zur Fixierung Pikrinsalpetersiiure 
und Fremmine’sche Lésung, letztere mit Nachbehandlung des Ma- 
teriales in rohem Holzessig nach MAurenrHat. Schnitte von Holz- 
essigobjekten brauchen nicht mehr gefarbt zu werden, Schnitte von 
Pikrinsalpetersiurematerial tingiert man am _ besten mit _ basischen 
Anilinen und mit meiner Doppelfarbung Orange-Hiimatoxylin. Die 
Methoden sind ecingehend in meinem ,,Leitfaden fir histiologische 
Untersuchungen“ beschrieben. — 


Der Mantelrand der Acephalen. 181 


Abschnittes von der jener beiden abweicht. Die relativen Grofen- 
verhaltnisse der drei Partieen zu einander sind wie 1:4: 6; es 
hatte in einem Ealle das Epithel eine Héhe von 24 u, der mitt- 
lere Abschnitt war 96 mw, der aufere 144 w dick. 

Bei Anwendung starker Vergréferungen erkennt man folgende 
Einzelheiten. Der epitheliale Belag der Organe — und die nun 
folgenden Angaben gelten fiir alle drei Paare — besteht, in Uber- 
einstimmung mit dem frisch und durch Mazeration Festgestellten, 
aus schmalen Cylinderzellen, welche auf ihrem cuticularen Saume 
sehr lange Wimpern tragen (Fig. 57). Die kleinen Kerne sind 
kreisrund und liegen basal. Eine Differenz beider Arten von 
Wimperzellen ist im Schnitte nicht mehr zu erkennen. An den 
meisten Stellen sind diese Zellen durch becherférmige Gebilde so 
auseinandergespreft, daf sie meist konisch erscheinen. Diese 
becherf6rmigen Gebilde sind interepitheliale Liicken von sehr 
groBer Ausdehnung, aber keine Becherzellen (Fig. 57). Das zur 
Bezeichnung ,,Zelle“ unbedingt notwendige Kriterium, das Vor- 
handensein eines Kernes, geht den Gebilden vollstindig ab. Man 
trifft diese Liicken in allen Stadien der Fiillung, bald ganz prall 
gefiillt, bald nur im basalen, bald nur im distalen Teile Sekret 
enthaltend (Fig. 57). Je weniger Sekret in den Liicken vorhan- 
den ist, desto breiter sind die die Liicken begrenzenden Epithel- 
zellen, deren distaler, mit Wimpern besetzter Saum gegen den 
Druck viel widerstandskraftiger ist, als die tibrige Zellsubstanz. 
Infolge davon haben, wie bemerkt, die Zellen konische Gestalt, und 
es ist die Basis des Conus der Wimpersaum, die Spitze desselben 
die basale kernhaltige Partie, 

Die Wimperzellen haben sich, wie alle gewéhnlichen Epithel- 
zellen, nur schwach tingiert, bei Doppelfarbungen haben sie stets 
den Plasmafarbstoff (z. B. Orange oder Eosin) angenommen (Fig. 57). 
Wenn yorher gesagt wurde, daf der innerste epitheliale und der 
zweite Abschnitt der Leuchtorgane die gleiche intensive Tinktion 
z. B. in basischen Anilinen angenommen haben, so ist diese An- 
gabe nunmehr dahin zu spezialisieren, daf es die in den inter- 
epithelialen Liicken liegenden Massen sind, welche jenes Kolorit 
angenommen haben, was natiirlich ist, da diese Massen nur die 
direkte Fortsetzung der im mittleren Abschnitte sich findenden 
Substanz sind (Fig. 57). 

Pancert hat angegeben, daf er bei Untersuchung des leuch- 
tenden Stoffes in demselben Tropfenmassen gefunden hat, welche 
noch die Gestalt der Zelle beibehalten hatten; er hat dann ferner 


182 Dr. Bernhard Rawitz, 


die von mir als interepitheliale Liicken erklarten Bildungen als 
Zellen bezeichnet. Was die erstere Angabe, die eiférmig aus- 
sehenden Tropfenkonglomerate betrifft, so ist diese Erscheinung 
leicht zu erklaren: die Sekrettropfen kleben infolge ihrer Visko- 
sitat aneinander und behalten deshalb, wenn sie durch den mecha- 
nichen Druck, der bei Anfertigung eines mikroskopischen Pra- 
parates von frischem Materiale notwendig ausgeiibt werden muf, 
aus dem Epithel herausgepreBt werden, die Form der inter- 
epithelialen Liicke bei. Wenn Pancerr diese Liicken als Zellen 
zeichnet, so beruht das auf einer Verkennung der Thatsachen ; 
Anwendung geeigneter Kernfairbemittel lehrt, da8 Zellen hier nicht 
vorliegen. 

Der dritte, d. h. der der Substanz des Septum direkt auf- 
liegende Abschnitt, der sich in Orange-Hamatoxylin orange (Fig. 
57), in Kosin-Hamatoxylin hellrot gefarbt hat, besteht aus einzel- 
nen Zellen, welche meist von oblonger Gestalt sind, manchmal 
auch infolge gegenseitigen Druckes eine polyedrische oder ganz 
unregelmafige Form angenommen haben. Die Zellen sind gegen- 
einander scharf abgegrenzt, eine besondere Membran um dieselben 
habe ich aber nicht wahrnehmen kénnen. Die in Fig. 57 sicht- 
baren zarten violetten Linien sind keine Zellmembranen, sondern 
die Maschen der Bindesubstanz. Jede Zelle hat einen Kern, nie 
mehr, der in den einen central, in den anderen exzentrisch sich 
findet, manchmal dicht am Kontur der Zelle anliegt. Die Kerne 
sind klein und kreisrund und unterscheiden sich dadurch ganz 
scharf von den stets ovalen Kernen des iibrigens nur in sehr 
spirlicher Menge im ganzen Organe vorhandenen Bindegewebes. 

Diese Zellen des basalen Organabschnittes gehen tiber in die 
Massen, welche die mittlere Partie bilden. In den allermeisten Fallen 
ist die Differenz, welche die bereits erwahnte Farbung beider Par- 
tieen darbietet, eine ganz scharfe, unvermittelte (Fig. 57). An 
einigen, wenn auch nur wenigen Stellen findet man indessen, daf beide 
Farbenniiancen kontinuierlich ineinander tibergehen. Das Plasma der 
den basalen Abschnitt bildenden Zellen erscheint sehr stark granu- 
liert, fast wie aus einzelnen Tropfen bestehend. Allmahlich, beim 
Ubergange zum mittleren Abschnitte, wird das Plasma homogener 
und nimmt, beispielsweise in Orange-Himatoxylinpraparaten, eine 
andere Farbung an, indem das Hellgelb einem violetten Tone zu 
weichen beginnt. Dieser violette Ton wird nach und nach inten- 
siver, bis wir im mittleren Drittel intensiv gefarbte, in der er- 
wahnten Doppelfarbung tief veilchenblaue Massen antreffen (Fig. 


Der Mantelrand der Acephalen. 183 


57). Die Massen, welche den mittleren Abschnitt bilden, setzen 
sich unmittelbar fort in die interepithelialen Liicken, durch welche 
hindurch sie sich entleeren (Fig. 57); sie entbehren der Zellkerne 
vollstandig. Die einzigen kernhaltigen, also zelligen Elemente der 
Leuchtorgane sind daher nur im basalen, grofen Abschnitte vor- 
handen. 

Es sei noch erwahnt, da man an einigen Stellen die Zellen 
des basalen Abschnittes bis an das Epithel heranreichen sieht. 
Es fehlen hier also im mittleren Abschnitte die intensiv gefarbten 
Massen, d. h. mit anderen Worten: es befindet sich das Organ 
an dieser Stelle in Ruhe, ist sekretleer; eine Umwandlung des 
Plasma seiner Zellen hat noch nicht stattgefunden. Sehr beach- 
tenswert ist dabei, daf an solchen Punkten, die eine Sekretions- 
pause zeigen, im Epithel Liicken nicht vorhanden sind, die Epi- 
theldecke vielmehr in ununterbrochener Kontinuitaét diese Stellen 
iiberzieht. Das zeigt meines Erachtens deutlich, da jene 
becherformigen Liicken in der That nur Liicken sind, die ent- 
stehen, wenn das in der Tiefe bereitete Sekret epithelwarts riickt, 
und die verschwinden, wenn das Sekret ausgestoBen ist, indem 
nunmehr die vorher auseinandergepreften Wimperzellen wieder 
ihre normale Gestalt annehmen und folglich sich eng aneinander 
Jagern. 

Alle drei Abschnitte bilden mithin eine histiologische und 
physiologische Einheit; sie sind als eine einzige, in den Siphonen 
auferordentlich lang ausgedehnte, vielzellige Driise zu betrachten, 
deren Zellen fiir sich, ohne einen besonders differenzierten ge- 
meinsamen Ausfiihrungsgang zu besitzen, das von ihnen bereitete 
Sekret nach aufen fiihren. Durch tief im Gewebe liegende 
Driisenzellen werden also die leuchtenden Massen produziert und 
nicht durch Epithelzellen, wie Pancerr und Dusors falschlich be- 
hauptet haben. 

Die tinktoriale Eigentiimlichkeit, welche im Schnittpraparate 
das Sekret dieser Organe, also die leuchtende Materie, darbietet, 
die ungemeine Affinitaét zu basischen Anilinen und zum Hamato- 
xylin (Fig. 57) charakterisiert die Massen als Mucinmassen. 
Worin die Differenz vom gewoébnlichen Mucin beruht, welche Mo- 
mente es sind, die das Leuchten bedingen, das kann ich nicht 
sagen — der Bacillus Pholas ist es jedenfalls nicht —; hieriiber 
kénnen nur spezielle physiologisch-chemische Untersuchungen Auf- 
schluf verschaffen, 


184 Dr. Bernhard Rawitz, 


Dusois spricht von Nervenzellen, die in den Leuchtorganen 
vorkommen sollen, sie stellen sein ,,segment neural’ dar und 
sind nach ihm nach Zerzupfung in Miuer’scher Fliissigkeit 
leicht zu erkennen. Ich kann hier nur einen fundamentalen Irr- 
tum von Dusois annehmen, denn nirgends im ganzen Organe, 
so wenig wie unter ihm finden sich Nervenzellen i. e. Ganglien- 
zellen vor. 

Von der Substanz des Septum sind die siphonalen Leucht- 
‘organe, wie dies PaNceRI schon im allgemeinen ganz richtig an- 
geben hat, durch Muskelbiindel getrennt, die ihnen dicht an- 
liegen und im Querschnitte langsgetroffen sind (Fig. 57 m), also 
zur Constrictorgruppe gehéren. Zwischen Epithel und eigent- 
licher Driisensubstanz finden sich einige wenige Muskelbiindel. 
Von einem direkten Zusammenhange von Epithelzelle und Muskel- 
faser, wie ihn Dupois angegeben hat, kann also auch hier nicht 
gesprochen werden. 


Durch die Anwesenheit der Leuchtorgane ist eine Beschaffen- 
heit der Epithelzellen der Sipho-Innenflache bedingt, die 
in vielen und sehr wesentlichen Punkten abweicht von der Be- 
schaffenheit der Epithelzellen der Papillarregion; diese Higentiim- 
lichkeit haben weder PANcERI noch Dusois erkannt. 

Auf der zwischen den beiden siphonalen Leuchtorganen ge- 
legenen Partie des Septum (Fig. 56) findet sich ein niedriges 
Epithel, das nur in den unmittelbar an die Organe angrenzen- 
den Zellen Wimpern hat, sonst aber der Wimpern entbehrt. Die 
Zellen haben eine ungefahre Hohe von 10,8 w (die Epithelzellen 
der Leuchtorgane messen 24 mw), sie sind schmal, haben keinen 
doppelt konturierten cuticularen Saum und sind zu schmalen 
Zotten gruppiert. Sie haben kleine ovale Kerne, welche basal 
gelegen sind. Zwischen ihnen miinden einige sparliche Mucin- 
driisen, als solche kenntlich durch ihre charakteristische Farben- 
reaktion. 

Geht man seitlich von den Leuchtorganen weg der Partie 
zu, welche dem Septum gegeniiberliegt, so trifft man zunachst 
ein Epithel, das ebenfalls aus niedrigeren Zellen besteht, als sie 
auf den Leuchtorganen sich finden (ihre Hohe betragt 14,4 w), 
das aber im Gegensatze zu den Epithelzellen des Septum Wim- 
pern besitzt, die etwa 7,2 mw lang sind. Je weiter man sich seit- 
lich von den Leuchtorganen entfernt, um so héher wird das Epi- 
thel, um so langer werden zugleich die Wimpern, bis die Zellen 


Der Mantelrand der Acephalen. 185 


endlich in der direkt den Leuchtorganen gegeniiber liegenden, 
also ventralsten Stelle der Innenflache des Sipho ihre grote Aus- 
bildung sowohl an Hohe wie an Lange ihrer Wimpern erreicht 
haben (Fig. 58). Es mift das Epithel hier allein 43,2 « an Hohe, 
wahrend die sehr weichen Wimpern 46,8 « lang sind. Noch eine 
andere Erscheinung ist hierbei zu notieren. Anfangs namlich, 
dicht an den Leuchtorganen, haben sich die Epithelzellen nur in 
wenige schmale Zotten gelegt; die Zottenbildung wird um so 
stirker, je weiter ventralwairts man geht, um am Orte der héch- 
sten Hohe der Epithelzellen ebenfalls die héchste Ausbildung er- 
langt zu haben. Eine dritte héchst wichtige Eigentiimlichkeit geht 
mit der Umgestaltung des Epithels Hand in Hand. Seitlich i. e. 
ventralwarts von den Leuchtorganen liegen dicht unter dem Epi- 
thel nur sparliche einzellige Mucindriisen, welche in interepithe- 
lialen Liicken miinden, und gleichzeitig finden sich Becherzellen, 
ebenfalls nicht allzu reichlich, im Epithel vor. Je mebr man ven- 
tralwarts vorriickt, um so mehr nehmen an Zahl die Mucindriisen 
zu, um so reichlicher auch werden die Becherzellen, die beide end- 
lich im ventralsten Teile, im hohen Wimperepithel, so zahlreich 
sind, daf sie das mikroskopische Bild beherrschen (Fig. 57 md). 
Sie bereiten, wie aus ihrem tinktorialen Verhalten hervorgeht, ein 
mucinartiges Sekret. 

Es eriibrigt noch die Beschreibung der im mikroskopischen 
Schnitte wahrzunehmenden Nervenverteilung in den Sipho- 
nen. Die Praparation mittelst Messer und Pinzette hatte be- 
kanntlich ergeben, daS Analsipho, Septum und Branchialsipho 
je zwei Nervenstimme erhalten. Betrachtet man Querschnitte 
durch die Siphonen bei sehr schwacher Vergréferung, so erkennt 
man nur die beiden Septalnerven (Fig. 56 7), welche die mach- 
tigsten der sechs Nerven sind. Bei stirkerer VergréfSerung sieht 
man eine grofe Zahl von Nerven, in welche die Hauptstamme 
zerfallen sind. In der Nahe der Septalnerven, von welchen keine 
besonderen Zweige zu den Leuchtorganen abgehen, finden sich die 
beiden HauptgefaBe fiir die Siphonen (Fig. 56 g), von denen das 
eine mehr in der Substanz des Anal-, das andere mehr in der 
Substanz des Branchialsipho gelegen ist. 

Die Entleerung des von den siphonalen und dreieckigen 
Leuchtorganen bereiteten Sekretes findet wohl hauptsachlich durch 
die Kontraktion der machtigen Bindel des Retractor statt. Trifft 
ein Reiz den Sipho, welcher eine Zusammenziehung, namentlich 
ein Zuriickziehen desselben zur Folge hat, so werden die be- 


186 Dr. Bernhard Rawitz, 


treffenden Organe zusammengedriickt und dadurch mechanisch 
die in ihnen enthaltenen fliissigen Massen ausgepreBt. Die Starke 
der Muskelkontraktion treibt zugleich bei geéffneter Miindung die 
Massen aus dem Sipho in das umgebende Wasser, in welchem sie 
sich ausbreiten und das sie dadurch erleuchten. 


Der Mantelrand geht in zwei Falten aus, die einen aus 
cylindrischen, wimperlosen Zellen bestehenden epithelialen Belag 
haben. Driisen kommen in ihm nicht vor, erst auf der schon 
zum Mantel zu rechnenden Innenflache, welche zugleich ein Wim- 
perepithel hat, finden sich Becherzellen mit Mucinreaktion. 


Epicuticulabildung. 


(Fig. 59—65.) 


Beziiglich der Bildungsweise der Epicuticula, des ,,Periostra- 
cum“ nach TuLLBERG, bei der Ordnung der Ostreaceen kann 
ich mich kurz fassen. Im Gegensatze zu TuLLBeRG!) konnte 
ich bei Ostrea edulis, wenn auch nicht in allen Fallen, 
eine Epicuticula finden. Den Mangel dieser Bildung sucht TuLt- 
BERG dadurch zu erklaren, da8 der ganze Mantelrand dieser Spe- 
cies auferordentlich beweglich ist. Sehr haufig vermifte ich die 
Epicuticula, und in den Praparaten deutete nichts darauf hin, 
daB dieselbe artefiziell entfernt war, namentlich konnte eine Ver- 
letzung der dieselbe erzeugenden Epithelzellen nicht nachgewiesen 
werden. Ich lasse es indessen dahingestellt, ob wirklich hin- 
sichtlich dieses Punktes bei Ostrea individuelle Differenzen vor- 
handen sind. 

Stets dagegen vermiSte ich die Epicuticula bei Anomia und 
Lima. 

Eine deutliche Epicuticula zeigen die Pectiniden. Die- 
selbe ist zart und diinn und leicht zerreiflich. Sie entsteht, wie 


1) Tycuo Tutisere: Studien tiber den Bau und das Wachstum 
des Hummerpanzers und der Molluskenschalen; in Kongliga Svenska 
Vetenskaps-Akademiens Handlingar, Ny Foljd 19. Bd., 1881, Stock- 
holm. 


Der Mantelrand der Acephalen. 187 


ich dies schon im I. Teile kurz angegeben, in der Bucht, die 
sich zwischen den Papillen der vorletzten Reihe und dem von 
mir beschriebenen Seitenwulste findet, und zwar so, dak sie von 
den Epithelzellen der proximalsten Partie der vorletzten Papillen 
Verstarkungen erhalt. Der Seitenwulst aber hat mit der Epi- 
cuticula nichts zu thun, wie ich mich bei wiederholter Durchsicht 
meiner friiheren und an neu gefertigten Praparaten deutlich zu 
iiberzeugen vermochte; meine im ersten Teile der Arbeit enthal- 
tene Abbildung von Pecten pusio (Fig. 32 |. c.) giebt die Ver- 
haltnisse genau und richtig wieder. 

CarrizRE'), dem J. THreLe einfach nachbetet, hat daher 


1) Cargrbre unterwirft in demjenigen Abschnitte seiner oben er- 
wihnten Arbeit, welcher das Pectenauge behandelt, den sich hierauf 
beziehenden Absatz meiner Publikation (I. Teil) einer eingehenden, 
streng sachlich gehaltenen Kritik und kommt zu dem Resultate, einen 
_ groBen Teil meiner thatsachlichen Mitteilungen zu bestitigen und nur 
in einigen, mir wenigstens sehr nebensdchlich erscheinenden, Punkten 
abzuweichen. Um so sonderbarer beriihrte mich daher der mit kleinen 
Lettern gedruckte Anhang der Carribre’schen Arbeit. Die Fassung 
desselben ist eine derartige, da sie mir fast den Eindruck erweckt, 
als ob es Carrrbre leid gethan hat, meinen Untersuchungen iiber das 
Pectenauge zustimmen zu miissen. Denn nur so wird mir eine ab- 
fallige Kritik begreiflich, die sachlich weder geboten noch berechtigt 
war. Ich habe als der Erste nachgewiesen, dafi die Mantelrandfaden 
von Lima Driisenfaden sind, Warum Caxrrihre die dieselben zusam- 
mensetzenden Driisenzellen, in Erinnerung an die Ctenophoren, ,,Kleb- 
zellen“ nennt, ist mir unerfindlich; die Differenz kommt im Grunde 
auf eine Wortspielerei hinaus. CarriirE hat nur in Osmiumsdure 
konserviertes Material benutzt; hatte er frische und auf andere Weise 
konservierte Driisenfaden von Lima untersucht, so hatte er nicht die 
ganz hinfallige Vermutung aussprechen konnen, dai zwei Zellformen 
in denselben nebeneinander vorkommen, wo man thatsichlich nur 
eine Driisenform in allerdings verschiedenen Stadien des Sekretions- 
prozesses antrifft, und hitte nicht leugnen kénnen, daf® im Stiel der 
Driisenzellen ein Kern sich findet. Cargirre’s an Lima nur mit einer 
Methode und nur gelegentlich gewonnene Resultate sind daher irrig, 
soweit sie den meinigen von frischem und verschiedenartig konser- 
viertem Materiale durch spezielle Untersuchung erhaltenen widerspre- 
chen. — Carnibre erklart ferner meinen Seitenwulst bei Pecten fiir 
die Statte der Epicuticulabildung. Uber dem Striche habe ich gezeigt, 
dali das irrig ist, Aber selbst wenn Carriere hierin Recht hatte, so 
ware das noch immer kein Grund, die an der Mantelklappe von Pec- 
ten flexuosus yon mir gefundenen Sinneshiigel a priori abzulehnen. 
Ich kann eine solche Kritik nicht als objektiv und als berechtigt 
anerkennen und kann verlangen, wie jeder Forscher gegebenen Falls 


188 Dr. Bernhard Rawitz, 


Unrecht, wenn er in seiner Arbeit ,,iiber Molluskenaugen“ (Archiv 
f. mikr. Anat., Bd. 33) behauptet, der von mir als Seitenorgan 
gedeutete Seitenwulst der Pectiniden sei die Ursprungsstatte der 
Epicuticula. Weswegen Carriere bei dieser Gelegenheit besonders 
auf die Arbeit von TuULLBERG hinweist, ist mir nicht ganz ver- 
stindlich, denn TuLLBerG hat die Pectiniden gar nicht unter- 
sucht. Woher tibrigens CARRImRE wissen will, daf ich die Arbeit 
TULLBERG’sS bei Abfassung des ersten Teiles des ,,Mantelrandes* 
nicht kannte, ist mir unerfindlich. Im Litteraturverzeichnisse habe 
ich sie allerdings nicht aufgefiihrt, weil ich nur diejenigen Ar- 
beiten in dasselbe aufgenommen habe, die mir von Bedeutung 
fiir die von mir zu-erérternden Verhaltnisse zu sein schienen; 
eine solche Bedeutung kommt der TuLupera’schen Arbeit aber 
nach meinem Dafiirhalten fiir die Histiologie des Mantelrandes 
gar nicht, fiir den hier zu behandelnden Prozef der Epicuticula- 
bildung in nur geringem Grade zu. 

Arcacea. Im zweiten Teile der Arbeit ist bereits ange- 
geben worden, daf bei dieser Ordnung in der Bucht zwischen 
der Innen- und Mittelfalte des Randes die Epicuticula entsteht, 
und daf somit ihre Lage eine derartige ist, dafi sie die auf der 
Mittelfalte bez. auf deren innerster Komponente stehenden Augen 
iiberdeckt, ohne denselben dicht aufzuliegen. Im einzelnen er- 
kennt man nun folgendes: 

Bei Arca Noae erhebt sich in der genannten Bucht plotz- 
lich ein Epithel, das aus sehr schmalen Zellen besteht (Fig. 59). 
Dieselben haben ungefahr eine Héhe von 45 w und eine Breite von 
3,6 bis 4,9 «. Die Kerne sind oval, ihre Breite entspricht der der 
Zellen, ihre Liinge betragt etwa 4,5 bis 7,2 w, sie sind im ba- 
salen Abschnitte der Zellen gelegen. In den Zellen der Bucht 
finden sich bei dieser Species einige ganz wenige Pigmentkorner, 
kaum 3—4 in der Zelle, und zwar fast durchweg in der proximal 
vom Kern gelegenen Partie (Fig. 59). Dieses so geartete Epithel 
steigt auf der Innenflache der Mittelfalte in die Héhe und behalt 
seine Eigenschaften bis etwa ein Drittel der Faltenlange bei. 
Nur daf jetzt die Pigmentierung der Zellen allmahlich eine dich- 
tere wird, die gelbbraunen Pigmentkérner, anfangs nur sparlich 


yon mir verlangt, dai, wer mich widerlegen will, meine Methoden 
nachmacht und mir den Irrtum nachweist. Die Resultate sorgfaltiger 
Untersuchungen gelegentlich durch ein Apercu beseitigen zu wollen, 
ist entschieden unzulassig. 


Der Mantelrand der Acephalen. 189 


vorhanden, erfiillen bald die Zellen in ihrer ganzen Ausdehnung. 
Im zweiten Drittel der Innenfliche der Mittelfalte wird dann das 
Epithel schnell niedriger, bis zu 16,2 uw, wahrend seine Breite 
dieselbe bleibt. Die Kerne sind kreisrund und basal gelegen. 
Die Pigmentierung findet sich nur noch im distal vom Kerne ge- 
legenen Abschnitte der Zelle und ist sehr viel schwicher geworden. 
Im distalen Drittel der Falte, auf der Grenze zwischen ihm und 
dem mittleren, betragt die Héhe der Zellen nur noch 7,2 «, und 
gleichzeitig wird die Pigmentierung wieder starker. Dieses distale 
Faltendrittel hat mit der Epicuticula nichts zu thun, wohl aber 
die beiden proximalen Drittel. 

Nachdem so die Grenzen der Bildungsstitte der Epicuticula 
und die Mae der dieselbe produzierenden Zellen angegeben sind, 
soll nunmehr das Detail folgen, das man bei Anwendung stark- 
ster VergréfSerung (Zeif apochromat. homogen. Immersion so 
Ocular 8) erkennt. Das unter den Zellen der Bucht gelegene Ge- 
webe, in welchem diese wurzeln, besteht aus einem dichten Ge- 
flecht von Muskelfasern und Bindegewebsfibrillen und setzt sich 
nicht scharf gegen die Zellen ab (Fig. 59). Die Gestalt der Zel- 
jen ist eine spindlige zu nennen. Basalwarts der Kernpartie 
nimlich verschmichtigen sie sich ein wenig und ebenso distal- 
wirts derselben; doch ist die Verschmiichtigung in beiden Fallen 
oder, was dasselbe sagen will, die durch den Kern bedingte Auf- 
treibung nicht sehr stark. Die Zellen stehen senkrecht zu ihrer 
Grundflache, sind aber, da diese sich nach oben zur Mittelfalte 
bogenformig heraufzieht, schrag nach innen zur Querachse des 
Mantelrandes orientiert. Das Plasma der Zellen ist zart granuliert 
und lést sich an seinem distalen Ende in zahlreiche Faden auf, die 
stumpfwinklig nach oben zur Innenfliche der Mittelfalte umbiegen 
und, sich dicht aneinander legend, die Epicuticula bilden (Fig. 59). 
Das vorhin angegebene Héhenmaf ist von der Basis der Zellen 
bis zur Umbiegungsstelle inklusive genommen, denn es unterschei- 
det sich das Plasma dieser Umbiegung in nichts vom Plasma des 
iibrigen Zellabschnittes, man kann Zellsubstanz und Epicuticula 
in der That nicht trennen. Die Faden, in welche sich die Zellen auf- 
spalten, sind auferordentlich fein (in Fig. 59 nicht gut wiedergegeben) 
und in Karmin fast farblos geblieben ; erst wenn sie sich zur Epicuti- 
cula zusammengelegt haben, also nach der Umbiegung, nehmen sie 
eine hellrote Farbe in dem genannten Reagens an. Dieselben Er- 
scheinungen zeigen auch die pigmentierten Zellen des proximalen 
Drittels der Innenfliche der Mittelfalte, nur daf hier die Epicuti- 


190 Dr. Bernhard Rawitz, 


cula schon dicker ist, als auf jenen Zellen der Faltenbucht. Man 
sieht auch hier, daf die Zellsubstanz sich in Faden auszieht, nur 
daf die Faden sich diesmal rechtwinklig nach oben umschlagen. 
Dabei ist das Aussehen der Epicuticula ein lamellires, indem die 
von den Zellen abstammenden Faden sich zu schmalen Platten 
aneinander gelagert haben. Die Farbung in Boraxkarmin haben 
nur die altesten Schichten, die also, welche der Aufenflache der 
Innenfalte zunachst liegen, angenommen, wahrend die auf den 
Zellen aufruhenden ungefarbt sind. Das ist der Fall in der Fal- 
tenbucht und im proximalen Drittel der Mittelfalte. 

Eine Ausfaserung der Epithelzellen findet sich aber im mitt- 
leren Drittel der Falteninnenflache nicht, man sieht hier vielmehr 
einen deutlichen einfachen Kontur zwischen Epicuticulaschicht und 
freiem Zellsaume. Im proximalen Drittel der Falte sind die Zel- 
len schrag nach oben, im mittleren senkrecht gegen die Epicuticula 
gerichtet. 

Jenseits der Falte zeigt die Epicuticula, die stets eine zarte 
Haut darstellt, ein homogenes Aussehen. 

Etwas anders erweist sich die Situation bei Arca barbata 
(Fig. 60). Der auffalligste Unterschied besteht wohl darin, dal 
hier bei dieser Art nicht blof das Epithel der Faltenbucht und 
das der Innenfliche der Mittelfalte sich an der Bildung der Epi- 
cuticula beteiligen, sondern auch das Epithel der auSersten Kom- 
ponente der Innenfalte. Man erkennt an letzterer folgendes. Das 
Epithel der AufSenflache der genannten Falte ist ein gewéhnliches, 
pigmentiertes Wimperepithel (Fig. 60 pz), das bis zu der proxi- 
malsten Partie der Falte sich gleich bleibt. Erst hier in einer unge- 
fahren linearen Ausdehnung von 63 w zeigt es einen ganz anderen 
Charakter. Die Zellen sind pigmentlos, haben nur eine Hohe von 3,6 u, 
waihrend die Breite nicht genau anzugeben ist, da man die gegen- 
seitigen Konturen nicht immer deutlich sehen kann; die Kerne sind 
kreisrund und haben etwa 2 u Durchmesser. Dieses Epithel liegt nun, 
im konservierten Objekte wenigstens, dem Epithel der Faltenbucht 
so dicht auf, da sein freier Saum und der des letzteren sich 
direkt beriihren (Fig. 60). Das Epithel der Faltenbucht stellt 
einen Wulst mit gewdélbter Oberfliche dar; auf der Stelle, 
welche etwas iiber den Durchmesser der Wd6lbung hinaus nach 
auben reicht, ist das Epithel der Innenfalte in eine etwa 14,4 uw 
dicke, zungenartige Verlingerung ausgezogen. Das Plasma der 
Zellen der Innenfalte, welche an der Epicuticulabildung sich be- 
teiligen, hat sich in Boraxkarmin gar nicht gefirbt und zieht sich 


Der Mantelrand der Acephalei. 191 


in Faden aus, die sich an der freien Seite der Zellei, also dem 
freien Kontur der Zellen der Faltenbucht, zur Epicuticula anein- 
ander lagern (Fig. 60). Die in der Bucht stehenden Epithelzellen, 
welche basalwirts scharf begrenzt sind, sind ziemlich gleichmabig 
cylindrische Zellen, die in einer Reihe liegen (Fig. 60). Ihre 
ovalen Kerne, welche deutlich einen Nucleolus erkennen lassen, 
stehen nicht in gleicher Hohe, sondern es liegen einzelne basal, 
einzelne central, manche auch in der Mitte der Zellen (Fig. 60 ep), 
und dadurch kann gelegentlich der mit den Thatsachen nicht 
iibereinstimmende Eindruck hervorgerufen werden, als ob hier ein 
mehrschichtiges Epithel vorhanden ware. Das Plasma der Zellen 
ist sehr zart granuliert und hat sich in Boraxkarmin, namentlich 
in der um den Kern herum gelegenen Partie, schwach rot gefarbt. 
Im distalsten Abschnitte der Zellen wird es plotzlich, ohne Uber- 
gang, farblos und zerfallt in einzelne Strange, die noch deutlicher 
als bei Arca Noae (Fig. 60) sind. Diese Faden biegen sich in 
stumpfem Winkel nach oben um und legen sich eng aneinander, 
so mit denen, welche von den gegeniiberliegenden Zellen der 
AuBenflache der Innenfalte stammen, die Epicuticula bildend (Fig. 
60). Die Breite dieser Buchtzellen, welche schriig gegen die Achse 
der Innenfalte orientiert sind, ist 4,5 u, die héchsten unter ihnen 
messen 54 uw, die niedrigeren, welche die Seiten des Wulstes bil- 
den, 27 uw. Die ovalen Kerne haben einen Langsdurchmesser von 
9 u, wahrend der Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht. 
Auf der Innenflache der Mittelfalte, von welcher nur das proximale 
Drittel zu der Epicuticula Beziehungen hat, ist das Epithel nie- 
driger bis zu 14,4 w; diese Zellen, welche spindelformige, basal 
gelegene Kerne besitzen, gehen ganz wie die Epithelzellen der 
Faltenbucht in die Epicuticula tiber (Fig. 60). 

Wie Arca barbata so verhalten sich Arca tetragona, A. lactea 
und Nucula nucleus. 

CaRRIERE sagt in seiner Arbeit ,,iiber Molluskenaugen“ (p. 
400 1. c.): ,,bei allen Muscheln mit dickerem Periostracum wird 
dasselbe durch Sekretmassen, welche bei Arca z. B. von dem Epi- 
thel der Schalenseite der mittleren Falte des Mantelrandes abge- 
sondert werden, verstarkt.* Diese Bemerkung, die fiir die Siphoniaten 
zutrifft, ist, wie ich schon im zweiten Teile der Arbeit (cfr. ]. ¢. 
p. 9 des Sonderabdruckes) in einer Anmerkung hervorgehoben 
und wie ich hier bewiesen habe, nicht in Ubereinstimmung wit 
den Thatsachen. Das ,,Epithel der Schalenseite der mittleren 
Falte“, also das Epithel der AuBenflache der Mittelfalte hat mit 


192 Dr. Bernhard Rawitz, 


der Epicuticula nicht das Geringste zu thun, weder indirekt, in- 
dem seine Zellen der Epicuticula nicht anliegen, noch direkt, in- 
sofern das Epithel keine Sekretmassen absondert. Eher trifft die 
Bemerkung Carribre’s zu fiir Arca diluvii und Pectunculus gly- 
cimeris, nur hat CArRibRE erstere Art nicht untersucht, letztere 
nicht erwihnt. Hier némlich besteht die Epicuticula aus zwei 
Schichten, von denen die am Mantelrande innere, welche beim 
Umbiegen der Epicuticula auf die Schale die auBere wird, in der 
gleichen Weise entsteht, wie die einzige Schicht der oben genann- 
ten Arten, wahrend die am Mantelrande dufere, die beim Um- 
biegen zur inneren wird, von einem Teile der Aufenflache der die 
Epicuticula erzeugenden Falte hervorgebracht wird. 

Mytilacea. Bei dieser Ordnung hat TuLiBere die Epi- 
cuticulabildung von Mytilus edulis und Modiola modiolus unter- 
sucht. Seine Beobachtungen sind folgende. Bei Mytilus edulis 
biegt sich die der Schale auSen aufliegende Epicuticula an deren 
Rande nach innen um und ist innerhalb des Schalensaumes in 
einer Falte des Mantelrandes befestigt. Diesen eingebogenen 
Teil nennt er das ,,innere Periostracum“, den der Schale aufen 
aufliegenden das ,,iuSere Periostracum“. ,,Am aufersten Rande 
der Schale bei dem Punkte, wo das Periostracum von einem in- 
neren zu einem auferen tibergeht, hat es seine volle Entwickelung 
erreicht, und in dem oben auf der Schale befindlichen Teile des- 
selben findet kein weiterer Zuwachs statt. Der innere Tei! nimmt 
dagegen von innen nach aufen an Dicke zu, und der innerste Teil 
ist so diinn, dafi es mir nicht gelungen ist, an Querschnitten des 
Mantelrandes auch bei der starksten Vergréferung mit Bestimmt- 
heit seine Grenze zu sehen, die jedoch ohne Zweifel im innersten 
Teile der I‘alte liegt, imnerhalb welcher das Periostracum einge- 
senkt ist, und in welchem sie mit ihrer der Mantelhéhle zuge- 
wandten Seite befestigt ist‘ (p. 16 1. c.)'). Die au8ere Epicuticula 
besteht aus zahlreichen Lamellen, die im Schnitte als feine Strei- 
fen sich darstellen, schrag von innen nach aufen gehen, so daf 
die auferen Teile derselben niher am Schalensaume liegen. ,,Diese 
Schichtung wird auch direkt auf dem inneren Periostracum fort- 


1) In dem citierten Passus ist der letzte Relativsatz von ,,in 
welchem“ ab unverstindlich. Soll es heif®en, die Falte ist im Periostra- 
cum — das ,,welchem“ geht scheinbar auf Periostracum — befestigt, 
oder soll es heifen, das Periostracum ist in der Falte befestigt. Viel- 
leicht liegen hier mehrere Druckfehler vor, die zu erkennen aber nicht 
gut méglich ist, 


Der Mantelrand der Acephalen. 193 


_ gesetzt und der jiingste Teil des Periostracum ist immer die 
- Schicht, welche auf der der Schale zugewandten Seite des inneren 
Periestracum von dem Schalensaume bis an den Boden der Falte 
des Mantelsaumes sich erstreckt. Aufer der Schichtung kommen 
in der Epicuticula Héhlungen vor, welche an dicken Hiiuten deut- 
licher als an diinnen zu sehen sind. Sie stehen mit ihrer Lings- 
achse senkrecht zur Oberflache der Epicuticula und liegen dicht 
aneinander. Der Hauptort des Wachstums der Epicuticula ist 
diejenige Falte des Mantelrandes, in welche die innere Epicuticula 
sich hineinstreckt; sobald die letztere nimlich den Schalenrand 
erreicht hat, nimmt sie an Dicke nicht mehr zu. Der hauptsich- 
lichste Teil der Epicuticula wird aber von der inneren freien 
Oberflache der auferen Falte des Mantelrandes geliefert und nicht 
von denjenigen Zellen, welche an ihr befestigt,sind. Dies geht 
daraus hervor, da’ die Schichten der Epicuticula, welche auf der 
Aubenseite der Schale von innen nach auBen gegen den Schalen- 
saum orientiert sind, in derselben Anordnung sich innen finden. Die 
jiingste Schicht liegt daher innen immer dicht an der dueren Falte 
des Mantelrandes und kann in ihrer ganzen Ausdehnung von der- 
selben beriihrt werden. ,,Der eigentliche Zuwachs des Periostracum 
muf also durch neue Schichten von dieser Seite her zustande 
kommen, weil sonst, wenn er von der entgegengesetzten Seite aus 
geschihe, das heift von den festsitzenden Zellen aus, die Schich- 
tenreihe eine ganz andere sein wiirde, indem dann die jiingsten 
Schichten parallel mit den festsitzenden Zellen liegen miiSten und 
die Schichten sich umgekehrt erstrecken wiirden“ (p. 27). Die 
Rolle der Zellen, welche eben erwahnt wurden, ist die, daf sie 
die Epicuticula befestigen, und dieser Funktion kommen sie da- 
durch nach, daS ihr auBerer Teil sich selber in Epicuticula um- 
wandelt. Hierbei stéft die Frage auf, ,,wie das Periostracum, da 
es auf die oben erwadhnte Weise befestigt ist, je nachdem sein 
dem Schalenrande naher liegender Teil am Zuwachse der Schale 
in iuferes Periostracum iibergeht, iiber die Zellschicht, woran es 
_ befestigt ist, nach auBen geschoben werden kann“ (p. 28). Es soll 
das so geschehen, daf die aufersten Zellen fortwihrend resorbiert 
oder in wirkliche Cylinderzellen umgewandelt werden, ,,je nach- 
dem neue Zellen an dem innersten Rande des Periostracum sich 
entwickeln. Die oben genannten Zellen — und diese Thatsache 
soll die geiuSerte Auflassung bestitigen, — nehmen gegen den 
Rand der duferen Lamelle des inneren Blattes des Mantelrandes 


Bd, XXVII. N. F. XX, 13 


194 Dr. Bernhard Rawitz, 


nach und nach an Lange ab, bis sie schlieBlich ganz schwin- 
den. Modiola modiolus zeigt das gleiche Verhalten wie Mytilus. 

Soweit TuLLBERG. In mancher Hinsicht anders lauten die 
Angaben von EHRENBAUM (12), dessen Arbeit tibrigens auch eine 
ausfiihrliche Besprechung der iiber den hier uns beschaftigenden 
Gegenstand vorhandenen Litteratur bringt. Die Epicuticula ist 
nach diesen Autor mit ihrem 4ussersten Ende in einer Vertiefung 
des Mantelrandes befestigt, von dem sie entsteht. Sie wachst 
von der Ursprungsstelle bis zum Schalenrande allmahlich. Die 
Epicuticula erscheint bei makroskopischer Betrachtung glatt, ,,un- 
ter dem Mikroskope bemerkt man jedoch auf giinstigen Flachen- 
ansichten ein System von sehr feinen parallelen Rillen, die auf 
senkrecht zu ihrer Richtung gefiihrten Querschnitten eine fein- 
zackige Ausrandung hervorrufen (1. c. p. 6).“* Diese rillige Auben- 
fliche der Epicuticula liegt den ,,Epithelzellen des betreffenden 
Mantellappens“ auf (damit ist die von mir als Aufenlamelle be- 
zeichnete Partie gemeint, cfr. I. Teil). Die Epicuticula enthalt 
Hoéhlungen, die sich bis zur Ursprungsstelle verfolgen lassen; sie 
sind in den jiingsten Teilen der Epicuticula sparlich und grof, 
dem Schalenrande zu klein und zahlreich. Auf Schnitten er- 
scheinen diese Héhlungen zunachst, d. h. in den basalen Partieen 
der Epicuticulafalte, als flache, sich allmahlich vertiefende Aus- 
randungen, die weiter distalwarts sich schliefen und in das 
Innere der Epicuticula hineinwandern. ,,Die Héhlenbildung selbst 
hat man sich jedenfalls so zu erklaren, dass eine ganz bestimmte 
Zone des Epithels unvollkommen sezerniert, da} aber spater beim 
Fortriicken der Cuticularmasse die entstandenen Lécher von gleich- 
mibig sezernierenden Teilen des Epithels mit einer kontinuier- 
lichen Decke versehen werden“ (p. 7 1. ¢.). (Dieses angeblich 
ungleichmafig sezernierende Epithel ist, wie ich nebenbei bemer- 
ken méchte, das Epithel der Innenfliche der Aufenlamelle; cfr. 
II. Teil Fig. 17). Beziiglich der feineren histiologischen Verhalt- 
nisse bestreitet KHRENBAUM zunachst die Richtigkeit der Angabe 
von TULLBERG, dass die Epithelzellen, die sich an der Epicuticula 
beteiligen, sich zerfasern; seinen Beobachtungen nach erscheint viel- 
mehr jede Zelle auf der ganzen Linge des mittleren Mantellappens 
»mit deutlichen Grenzen, deutlichem Kerne und gleichmakig kérne- 
ligem Inhalte“ (1. ¢. p. 38). Nur einmal hat KEHrENBAU™ die oberflaich- 
liche Zone eines Teiles der Epithelzellen von streifigem Aussehen 
gefunden, also ahnlich, wie es TULLBERG zeichnet, indessen konnte 
er feststellen, daf die feineren Streifen nicht den Epithelzellen 


Der Mantelrand der Acephalen. 195 


selber angehérten, sondern vielmehr von der unteren den Zellen 
aufliegenden Seite der Epicuticula herriihrten und nur sichtbar 
waren infolge einer schragen, bei den welligen Biegungen der 
Epicuticula leicht erklarlichen Schnittrichtung. 

Das sind die Angaben, die EnrRENBAUm iiber Mytilus gemacht 
hat; seine anderen andere Species betreffenden Darstellungen 
sollen spater beriicksichtigt werden. 

Meine eigenen Beobachtungen iiber die Epicuticulabildung 
bei Mytilus edulis ergaben mir folgende Resultate : 

Die Epicuticula entsteht, wie dies im II. Teil bereits ange- 
ceben wurde, von der Ausenflache der Mittellamelle. (Uber die 
Bezeichnung cfr. I. Teil). Das Epithel der AuBenlamelle auf der 
der Epicuticula zugewandten Seite sowie das Epithel der Innen- 
fliche der Mittellamelle sind in ihrem histiologischen Figentiim- 
lichkeiten ebenfalls im I. Teile bereits geschildert worden. In- 
dem ich auf den betreffenden Abschnitt verweise, will ich hier 
nur hervorheben, dal die Abbildung, die EnrENBAUM vom Innen- 
epithel der AufSenlamelle giebt (12, Fig. 5b), von der meinigen 
(il. Teil Fig. 17) ganz bedeutend abweicht; EnreENBAUM zeichnet 
z. B. in den Zellen keinen Kern. Die Differenz ist darauf zuriick- 
zufiihren, da’ ExHRENBAUM sein Material in Chromsaure fixiert 
hat; dieses Reagens ist aber fiir die Untersuchung mariner Mol- 
lusken eines der gefihrlichsten, weil es niemals gute Bilder 
liefert und weil die von ihm hervorgerufenen Artefacte in ganz 
unregelmafiger und unkontrollierbarer Weise voneinander verschie- 
den sind. 

Das eigentiimliche, hohe Epithel, welches die Innenfliche der 
Aufenlamelle auszeichnet, ist auch noch in der Bucht zur Mittel- 
lamelle vorhanden und setzt sich eine kurze Strecke noch auf 
auf den Ful der letzteren fort. Der epitheliale Belag hat an 
dieser Stelle die Gestalt eines Hiigels, der auf dem Durchschnitte 
die Form eines gleichschenkligen Dreiecks besitzt. Die Zellen 
gleichen vollstaéndig denen der Innenfliche der AufSenlamelle, nur 
sind sie pigmentfrei. Da, wo dieses Epithel an der AuBenfliiche 
der Mittellamelle aufhért, beginnt die Region der Epicuticula, mit 
welcher das Epithel des FuBes und das der AuSenlamelle keinen 
Zusammenhang haben. Die gegenteiligen Angaben von TULLBERG 
und EHRENBAUM sind mir um so weniger verstandlich, als keiner 
von den beiden Autoren, die einen solchen Zusammenhang behaup- 
ten, ihn abgebildet hat; die Enrensaum’sche Figur 5 (12, 1. ¢. 


13* 


196 Dr. Bernhard Rawitz, 


Taf. I) namentlich, welche zum Teil unnatiirliche Verhaltnisse 
wiedergiebt, spricht eher gegen als fiir die Behauptung jener 
Forscher. 

Das Epithel der Aufenfliche der Mittellamelle, von dem die 
die Epicuticula entspringt, zeigt einen ganz eigenartigen Charakter. 
Die Zellen, welche schrag gegen die Langsachse der Falte und 
somit auch schrig gegen die Epicuticula orientiert sind (Fig. 
61 a, ep), sind in ihren gegenseitigen Konturen sehr undeutlich, 
wie ich im Anschlusse an TULLBERG gegen EHRENBAUM finde. Die 
Epithelzellen sind sehr in die Linge gezogen und enthalten ovale 
Kerne, die indessen nur undeutlich sichtbar sind (Fig. 61 ep); 
dieselben farben sich in Himatoxylin nur angehaucht blau. Das 
Plasma der Zellen zeigt, wie ich wiederum im Gegensatze zu 
EHRENBAUM hervorheben muf, in deren ganzer Liinge einen deut- 
lichen Zerfall in nicht zu zarte Strange, die im basalen Teile der 
Zellen fast an die von den gewoéhnlichen indifferenten Epithelien 
her bekannte wurzelf6rmige Ausfaserung erinnern, distalwarts des 
Kernes sich direkt in die Epicuticula fortsetzen (Fig. 61 ep). 
Diese Epicuticula, die im proximalen Abschnitte der Lamelle sehr 
diinn ist, farbt sich sofort, d. h. dicht auf den Zellen der basalen 
Partie der Lamelle in Orange-Hamatoxylin leuchtend orange und 
unterscheidet sich dadurch von den gewodhnlichen cuticularen 
Zellstumen auf das scharfste, die ausnahmslos in der genannten 
Doppelfarbung sich nur blagelb tingieren. Die Stabchen- 
struktur der Zellen ist in der ganzen Ausdehnung der La- 
mellen-Aufenfliiche zu erkennen, am deutlichsten allerdings in 
deren basaler Partie, weil hier die Zellen sich etwas intensiver 
gefarbt haben, als in den distalen Abschnitten, wo sie so 
bla’ sind, da’ sie als Zellen nur durch ihre Kerne erkannt 
werden kénnen (Fig. 61 ep). In der duSersten Lamellen- 
spitze allein ist die Staébchenstruktur undeutlich und es gewinnt 
stellenweise den Anschein, als ob die Zellen ganz fehlen. Die 
Substanz der Lamelle ist an dieser Stelle so reduziert, daf es 
fast aussieht, als ob die Zellen der Innenfliche der Epicuticula 
direkt anliegen (Fig. G1 c). Wahrend in der proximalen Partie 
der Lamelle die Epicuticula eine sehr diinne Membran darstellt 
und infolge dessen als besonderes Gebilde nur durch ihre inten- 
sive Farbung diagnostizierbar ist (Fig. 61 a, cw), ist die Grenze 
zwischen ihr und den sie erzeugenden Zellen von der Mitte der 
Lamelle ab sehr deutlich, infolge der nunmehr in ihr auftretenden 


Der Mantelrand der Acephalen. 197 


Struktur (Fig. 61 6). Es schiebt sich namlich zwischen die in 
Orange-Hamatoxylin leuchtend orange gefarbte Partie — ich werde 
mich in der folgenden Beschreibung wesentlich an diese Farbung 
halten — welche allmahlich an Dicke zunimmt, und die Epithel- 
zellen eine Substanz ein, die anders strukturiert und anders ge- 
farbt ist. Diese Schicht ist anfanglich ganz schmal, wird aber bald 
so stark, dass sie die erste Schicht um ein Vielfaches an Dicke 
iibertrifft. Sie farbt sich blaulich und zwar in der Abstufung, 
dass sie dicht an den Zellen ganz blaf ist, nach aufen zu etwas 
dunkler wird; sie setzt sich somit von der orangenen Schicht scharf 
ab. Gleichzeitig zeigt sie eine deutliche Querstreifung (Fig. 61 0). 
Die Streifen, welche sich als zarte blaue Linien prasentieren, die 
an der Aufenpartie intensiver gefarbt sind als innen, liegen sehr 
dicht nebeneinander, sind parallel und stehen senkrecht auf der 
Lamellenachse, bilden also mit den Zellstrangen einen proximal- 
warts offenen stumpfen Winkel (Fig 61 b, vz). Etwas distal der 
Mitte findet sich in der blauen Schicht eine dieselbe halbierende 
spindelférmige Anschwellung (Fig. 61 b, y), in deren Achse ein 
heller, doppelt konturierter Streifen zu sehen ist. Nach dem 
Schwinden der Anschwellung wird auch die Streifung schwacher, 
die Streifen selber, welche nach wie vor den Zellen aufliegen, 
farben sich intensiv gelb und sind von der aufersten Partie durch 
eine blaue Schicht getrennt. In dieser Gegend, etwas distal der 
Mitte der Lamelle, haben wir also folgenden Bau der Epicuticula 
(Fig. 61 b und c, cw). Zu innerst die stabchenformig strukturierten 
Zellen, dann die gelb gefarbte geriefte Schicht und von ihr sich 
undeutlich absetzend eine intensiv gelbe homogene Schicht. Auf 
dieselbe folgt eine blaulich gefarbte Schicht, die ungefahr halb so 
breit ist wie die vorigen zusammen, und auf diese zu auferst wie- 
der eine leuchtend orange gefarbte schmale Partie. Letztere ist 
die direkte Fortsetzung der einfachen homogenen Epicuticula der 
proximalen Partieen der Lamelle; die Grenzen der einzelnen 
Schichten gegen einander sind nicht sehr scharf (Fig. 61 0). 

Etwas anders, als ich es eben gethan, schildert KHrRENBAUM 
den Bau der Epicuticula; ich glaube aber nicht nétig zu haben 
auf die Abweichungen einzugehen, da ExHReNBAUM nicht die mit 
dem sie erzeugenden Epithel noch zusammenhangende Epicuticula, 
sondern die jenseits der Lamelle auf der Schale innen aufliegende 
als Objekt seiner Darstellung gewahlt hat. 

In der aufersten Schicht der Epicuticula treten im distalsten 
Abschnitte der Lamelle im Schnitte halbmondférmig erscheinende 


198 Dr. Bernhard Rawitz, 


Einbuchtungen auf (Fig 61 ¢, r) — die ,,Héhlungen’ von EnREeN- 
BAUM —, welche bis auf die blaiuliche Schicht gehen, die jenseits der 
Falte in der Epicuticula nicht mehr vorhanden ist, ebensowenig 
wie die gestreifte Partie. Die Kinbuchtungen riicken allmahlich in 
das Innere der Epicuticula und erscheinen als Héhlungen derselben 
(Fig. 61 c). EnrenspAuM meinte, da8 sie im natiilichen Zustande 
jedenfalls mit Fliissigkeit gefiillt sind, die beim Praparieren durch 
Luftblasen verdrangt wiirde. Ob die Annahme, daf in den Hoh- 
lungen Fliissigkeit sich findet, richtig ist oder nicht, will ich nicht 
entscheiden; auffallig und zugleich interessant ist es, daf die- 
selben in Orange-Hamatoxylin sich veilchenblau farben, was in 
Fig. 61 ¢ durch den dunklen Ton wiedergegeben ist. 

Eine eigentiimliche Abweichung zeigte sich in einigen meiner 
Praparate; die Abweichung betraf nicht den Modus der Epicuti- 
culabildung, wie er bisher besprochen wurde -— der war vielmehr 
derselbe —, sondern die Abweichung betraf die Konfiguration 
der Lamelle, von welcher die Epicuticula entsteht (Fig. 62). Im 
zweiten Teile dieser Arbeit unterschied ich bekanntlich die Man- 
telzacke uud die Aufenfalte, von welchen letztere in drei Lamellen 
zerfallt; die mittlere derselben ist es, von welcher die Epicuticula 
entsteht. In den erwahnten Praiparaten nun waren vier Lamellen 
vorhanden; das Epithel der Innenflache der vierten und das der 
Aubenflache der zweiten Lamelle — diese ist das eine Novum — 
gleichen einander vollkommen und entsprechen dem Epithel der 
Innenfliiche der Aufenlamelle der normalen Praparate. Die dritte 
Lamelle ist die friithere Mittellamelle; hier nun sieht man — und 
das ist das zweite Novum —, daf die Epicuticula von den beiden 
Seiten derselben, der AuSen- und Innenseite, entsteht, sich also 
aus zwei ganz gleich strukturierten Blattern zusammensetzt, von 
denen jedes einzelne Blatt die vorhin beschriebenen Eigentiimlich- 
keiten zeigt (Fig. 62 cu). Leider war in den betreffenden Pra- 
paraten die Epicuticula nicht in voller Ausdehnung erhalten, son- 
dern von der Mitte ab distalwarts mit dem Epithel abgerissen, 
so daS die Ubereinstimmung nur fiir die proximalen Partieen 
der Lamelle gilt und daf namentlich nicht beobachtet werden 
konnte, ob und in welcher Weise sich beide Blatter aneinander 
legten. Als drittes Novum kommt endlich hinzu, daf die Lamelle 
an ihrer Spitze eine tiefe, bis zu einem Drittel der Héhe gehende 
Spalte zeigt (Fig. 67). Dieselbe ist mit Epithel ausgekleidet und 
dieses gleicht dem der Innenfliehe der normalen Mittelfalte. Die 
soeben geschilderte Erscheinung ist auf Schragschnitte durch den 


Der Mantelrand der Acephalen. 199 


Mantelrand sicher nicht zuriickzufiihren, denn ich wiifSte nicht, 
wie bei einer abweichenden Schnittrichtung das Bild, nament- 
lich die zweite der auferen gleichende Falte zustande kommen 
sollte. 

Uber den Ort, an dem bei Lithodomus dactylus die 
Epicuticulabildung stattfindet, habe ich mich bereits ausfiihrlich 
im zweiten Teile gedufert: er ist, wie bei Mytilus, die Aufen- 
flache der Mittellamelle. Von dem Epithel der zwischen letzterer 
und der Aufenlamelle vorhandenen Bucht ab findet sich an der 
betreffenden Flache die Epicuticula. Die Epithelzellen, welche 
dieselbe bilden, sind, ganz wie bei Mytilus, von unten nach oben 
auBen schrig gegen die Lamellenachse orientiert; hier wie dort, 
zeigt das Plasma dieser Zellen einen Zerfall in Strange. Die ba- 
sale Grenze der Zelle ist undeutlich; bis an sie heran reichen 
die Muskelfasern. Die Epicuticula ist von Anfang an durch ihre 
eigentiimliche, mit der bei Mytilus konstatierten tibereinstimmende 
Farbung von ihren Epithelzellen scharf abgesetzt. An den basal- 
sten Partieen der Lamelle ist die Epicuticula schmal, nimmt aber 
rasch an Dicke zu und iibertrifft hierin die gleiche Bildung von 
Mytilus. Sie zeigt eine Zusammensetzung aus zwei Schichten. 
Dicht auf den Zellen ist sie homogen, und diese homogene Schicht 
erhalt sich als ein doppelt konturierter Saum auf der Innenflache 
bis tber die Lamelle hinaus. Die aufere Schicht hat einen 
blattrigen Bau; die Blatter, breit und wellig gebogen, sind kurz, 
schrag gegen die Falte orientiert, in derselben Verlaufsweise wie 
die Strange des Protoplasma der Zellen. Die Blatter enden aufen 
in einen homogenen, im Anfange kaum wahrnehmbaren Saum, 
welcher an Dicke erst jenseits der Falte zunimmt. Derselbe ist 
in allen Farbstoffen ungefarbt geblieben und hat daher ein gelb- 
liches leicht glanzendes Aussehen im scharfen Gegensatze zu der 
intensiv gefarbten Innenschicht. Erst jenseits der AufSenlamelle 
nimmt dieser Saum der Epicuticula rasch an Dicke zu, um bald 
ganz so stark zu sein, wie die innere Schicht. Gleichzeitig wird 
der Innenkontur der Innenschicht zackig, die Flache also wellig; 
die Zacken stehen weit auseinander. Es besteht somit die Epi- 
cuticula an der Stelle, an welcher sie nach aufen auf die Schale 
umbiegt, aus zwei Schichten, aus einer hellen farblos bleibenden 
auferen und aus einer sich intensiv farbenden inneren, welch’ 
letztere im Anfange blittrig ist, von da ab, wo die Zacken an 
ihr auftreten, aber homogen erscheint, zum wenigsten keine Blat- 
terbildung mehr wie anfanglich zeigt. Wohl kann man aber an 


200 Dr. Bernhard Rawitz, 


dieser Schicht noch eine Art Struktur erkennen. Man sieht nam- 
lich einen breiten, sich intensiv farbenden innersten Doppelkontur, 
auf welchen nach aufen eine homogene Partie folgt, die eine Spur 
heller gefarbt ist als der Kontur, und endlich einen .schmalen, 
wiederum intensiv gefairbten doppelten Kontur, der die Schicht 
gegen die aufere abgrenzt. Und ebenso erkennt man in letzterer 
zwei etwas dunkle, glanzende Grenzstreifen und eine breite helle 
Mittelpartie. Ob die geschilderten Erscheinungen aber wirklich 
Struktureigentiimlichkeiten oder blof optische Phinomene sind, 
bleibe dahingestellt. 

Modiola barbata zeigt im wesentlichen mit Mytilus tber- 
einstimmende Verhaltnisse. 

Wenn ich diese meine Beobachtungen nunmehr in Parallele 
bringe mit den weiter oben referierten Angaben von TULLBERG 
und EHRENBAUM, so ergiebt sich zunachst, da8 ich mit jenen bei- 
den Autoren nur insofern iibereinstimme, als ich gleich ihnen die 
Aufenflache der Mittellamelle fiir die Epicuticula in Anspruch 
nehme. Der Angabe beider Forscher, daf das Epithel der Innen- 
flache der AufSenlamelle ebenfalls, nach TuLLBERG sogar in her- 
vorragendem Mage an der Bildung der Epicuticula beteiligt ist, 
mu ich ganz entschieden widersprechen. Keiner von beiden hat 
auch nur den geringsten thatsachlichen Beweis fiir diese Angabe 
vorgebracht. Wenn das Epithel an dem Prozesse in irgend: einer 
Weise beteiligt ware, etwa, um mit CARRIiRE zu reden, ,,Sekret- 
massen“ absonderte, so miifte man doch irgendwie an gut kon- 
serviertem Materiale diese Massen oder die sonstige Beteiligungs- 
art zu Gesicht bekommen, so wie es Fall ist bei den Siphoniaten 
(cfr. z. B. Fig. 64 von Cardium edule). Davon ist hier bei den 
Mytilaceen aber gar keine Rede; die Zellen der genannten La- 
melle liegen mehr oder weniger weit von dem auferen Kontur 
der Epicuticula entfernt, beriihren denselben jedoch nicht und 
senden weder Sekret- noch Fasermassen zur Verstarkung der 
Epicuticula ab. EnrEeNBAum’s hierher gehérige Figur zeigt die 
betreffenden Zellen ganz entstellt, wie das aus den oben ange- 
gebenen Griinden auch nicht anders méglich war; ebenso ist an 
der TuLLBERG’schen Figur nichts zu erkennen, was die behauptete 
Beteiligung auch nur wahrscheinlich machte. Denn ich halte es 
fiir vollstandig ausgeschlossen, daf die accessorischen Massen, 
Sekretmassen im Sinne CARRIERE’s, sich dem Blicke entziehen 
kénnten, eben weil die anderen Ordnungen dieselben ganz deut- 
lich zeigen. | 


Der Mantelrand der Acephalen. 201 


Die Annahme oder vielmehr die Behauptung, da das Innen- 
epithel der AuSenlamelle die Epicuticula mitbilde, griinden Tutt- 
BERG wie anscheinend auch EnRenBAUM, wenn letzterer Forscher 
auch nicht expressis verbis, lediglich auf eine theoretische Uber- 
legung. Betrachtet man nimlich die Schichtung, welche die Kpi- 
cuticula an der Mantelrandlamelle darbietet, so wird man, wie 
TULLBERG meint, die zu auferst liegende Partie als die Altere, 
die innere als die jiingere ansprechen miissen. Da nun die Epi- 
cuticula beim Umbiegen zur Schale ihre Schichtenbildung beibe- 
halt, so wiirden danach die Alteren Partieen auf der Schale lie- 
gen, die jiingeren dagegen in direkter Beritihrung mit dem See- 
wasser sein. Dies halt TuLtperG fiir unméglich und darum muf 
das Hauptwachstum an der Innenflaiche der Aufenlamelle statt- 
finden; ist das aber der Fall, so sind auch nach dem Um- 
biegen die jiingsten Schichten auf der Schale liegend zu treffen. 
Der Gedanke ist logisch durchgefiihrt und gegen die Folgerung 
liefe sich nichts einwenden, wenn die Pramisse, auf welcher die 
Uberlegung basiert, richtig ware. Das ist aber meines Dafiir- 
haltens nicht der Fall und darum auch die AuSenlamelle, deren 
Beteiligung mikroskopisch nicht nachweisbar ist, bei der theore- 
tischen Uberlegung beiseite zu lassen. Ich finde namlich durch- 
aus nicht dargethan, daf die Schichten, welche die innere Epi- 
cuticula zeigt, solche Verschiedenheiten darbieten, wie sie TULL- 
BERG anzunehmen scheint, wenn er von jungen und alten Schichten 
spricht: also wohl Verschiedenheiten, die in einer bei den jungen 
weichen, bei den alten harten Konsistenz bestehen werden. Die 
weiter oben im einzelnen besprochenen Farbungseigentiimlichkeiten 
beweisen, daf fast unmittelbar auf den Zellen der Lamelle die 
Epicuticula dieselben Eigenschaften zeigt, wie in ihren auferen 
Partieen. Die zu beobachtenden Struktureigentiimlichkeiten (pa- 
rallele Streifung etc. bei Mytilus, blattriger Bau bei Lithodomus) 
kommen nur in Betracht fiir die Strecke auf der Lamelle; jen- 
seits dieser sind dieselben, welche als Altersunterschiede gedeu- 
tet werden kénnen, nicht mehr vorhanden und die Epicuticula ist 
innen so hart wie aufen. So betrachtet bietet die nur auf dem 
Epithel der Aufenflache der Mittellamelle sich vollziehende Bil- 
dung der Epicuticula dem Verstiéndnisse gar kee Schwierigkei- 
ten und es liegt daher auch keine Nétigung vor, sich gedank- 
lich einen Prozef zu konstruieren, der thatsichlich nicht statt- 
findet. 


202 Dr. Bernhard Rawitz, 


Sind die Angaben TuLLBERG’s tiber die Entstehung der Epi- 
cuticula von den Zellen der Aufenlamelle, wie sich eben heraus- 
gestellt hat, irrige, so sind seine Ansichten iiber die Beziehungen, 
welche zwischen den Zellen der Mittellamelle und der Epicuticula 
herrschen, mir ganzlich unverstaéndlich. TuLLBErRG meint namlich, 
wie aus den oben gegebenen Citaten und Referaten erinnerlich, 
da8 die der Mantelhéhle zugewandte Seite der inneren Epicuti- 
cula mit den darunter liegenden Zellen vereinigt sei, und sieht 
den Zweck dieser EFinrichtung darin, die Epicuticula zu befestigen. 
Diese Befestigung geschieht dann so, da8 der aufere Teil der Zellen 
sich in Epicuticula umwandele. Ich bekenne offen, da’ es mir ganz 
unméglich gewesen ist, diesem Gedankengange TULLBERG’s einen 
histiologischen Sinn unterzulegen. Ich verstehe nicht, was das heifen 
soll: gewisse Zellen dienen zur Befestigung der Epicuticula und 
thun dies, indem sie sich an ihrer Bildung beteiligen. Da8 ein 
cuticulares Produkt auf seiner Matrix haftet, an derselben also 
befestigt ist, ist selbstverstindlich; es haftet, eben weil es hier 
gebildet wird. Aber zu sagen, wie es hier TuLLBerG thut: ein 
cuticulares Gebilde wird von gewissen Zellen abgesondert, damit 
es auf denselben haften kann, das heift den cellularphysiologischen 
Prozef umkehren, die Wirkung, i. e. das cuticulare Gebilde, ge- 
wissermafien zur Ursache zu machen. Mit den gang und gaben 
Vorstellungen laf%t sich der TuLiLBera’sche Gedankengang mei- 
ner Auffassung nach in gar keine Verbindung bringen; was aber 
dem Autor eigentlich vorgeschwebt hat, ist mir unerfindlich. 

Nicht minder sonderbar ist die Ansicht TuLLBera’s, dab 
Zellen, welche urspriinglich an der Bildung oder Befestigung der 
Fpicuticula beteiligt waren, bei dem Verschieben derselben, 
das infolge ihres Wachstums stattfindet, resorbiert oder in wirk- 
liche Cylinderzellen umgewandelt werden sollen. Daf Zellen, die 
fiir die Weiterbildung einer cuticularen Membran wertlos gewor- 
den sind, resorbiert werden kénnen, ist méglich, nur in dem hier 
vorliegenden Falle nicht wirklich. Was das aber heifen soll, dab 
diese Zellen, falls sie nicht verschwinden, in wimpernde Cylinder- 
zellen umgewandelt werden, ist mir ganzlich unbegreiflich. Ich 
bin absolut nicht imstande, mir auch nur einigermafen ein Bild 
von dem cellularen Prozesse zu machen, den TULLBERG dabei im 
Sinne gehabt, und die Bedeutung dieses Prozesses zu verstehen. 
Ich kann nur sagen, dafS§ dieser wie der vorhin kritisierte Ge- 
dankengang TuLLBera’s auf ganz unklaren und unméglichen Vor- 
stellungen iiber histiologische Vorgange basiert. 


Der Mantelrand der Acephalen. 203 


Klarer in der Darstellung und klarer in der Auffassung ist 
ExRENBAUM. Worin ich von ihm differiere, habe ich bereits ausein- 
andergesetzt; daf ich daher auch seine Theorie von der ungleich- 
miiBigen Sekretion der Zellen an der Innenflache der Aufen- 
lamelle nicht acceptiere, ist nur eine notwendige Folge dieser 
Differenz. 

Unionacea. Im zweiten Teile dieser Arbeit (p. 77 des 
Sonderabdruckes) habe ich angegeben, da8 die auferste Papillen- 
reihe an ihrer Aufenseite die Epicuticula tragt. Diese Notiz be- 
darf einer Berichtigung. Nicht die iuerste Papillenreihe ist Sitz 
der Epicuticulabildung, sondern die AuSenfalte selber; dieselbe 
teilt sich namlich in zwei Lamellen und von der Aufenflache der 
inneren von ihnen entsteht die Epicuticula. Das Epithel der 
Innenflache der AuSenlamelle ist ein hohes Cylinderepithel mit 
stabchenformigen Kernen; die Epithelzellen der AufSenflache der 
Innenlamelle sind dagegen niedrig bis zum distalen Viertel. Dieses 
hat mit der Epicuticula nichts zu thun, die basalen drei Viertel 
dagegen sind die Statte, wo die Epicuticula entsteht. Dieselbe 
ist ein diinnes véllig homogenes Hautchen, das sich sehr leicht 
von seiner zelligen Matrix list, wie dies auch TuLLBERG fiir Mar- 
garitana margaritifera angegeben hat. Die Farbung der Epicuti- 
cula entspricht ganz der bei den Mytilaceen konstatierten. Die 
Zellen, welche die Epicuticula bilden, bieten nur eine Andeutung 
von Stabchenstruktur dar. 

Vorstehende Angaben beziehen sich auf Unio pictorum und 
Anodonta anatina. Sie decken sich im wesentlichen mit der Schil- 
derung TULLBERG’s von Margaritana margaritifera. Da in meinen 
Praparaten die Epicuticula nur wenig iiber die Lamelle hinaus 
erhalten war, so konnte ich auch nicht feststellen, ob bei den von 
mir untersuchten Arten sich eine gleiche Faltenbildung zeigt, wie 
bei der von TuLLBerG behandelten Species. Die theoretischen 
Erwagungen, die der schwedische Forscher an seine thatsich- 
lichen Auseinandersetzungen kniipft, stehen in innigem gedank- 
lichem Konnexe mit denen, die er bei Mytilus gedufert hatte; 
da ich letztere bereits eingehend kritisiert habe, so kann ich da- 
von absehen, die von ihm bei Margaritana vorgebrachten zu be- 
sprechen. 

Die Epicuticulabildung, wie ich sie bei den Lucinacea gefun- 
den habe, erinnert in vielen Punkten an die der Mytilaceen. Bei 
Astarte fusca ist das Epithel der Aufenfliche der Mittelfalte, das 
aus kubischen Zellen besteht, fein gestreift, und zwar gehen die 


204 Dr. Bernhard Rawitz, 


Streifen von den Basen der Zellen schrag nach aufen und oben 
gegen die Epicuticula hin. Letzere ist ein sehr zartes, homogenes 
Hautchen, das fest auf seiner Unterlage haftet und sich von An- 
fang an ziemlich intensiv, im selben Sinne wie bei Mytilus, farbt. 
Nach Enrensaum. sollen bei Astarte borealis ,,zwei von den vor- 
handenen drei Mantellappen, der innerste nur zum Teil an der 
Abscheidung der Epicuticula beteiligt“ sein. Ist das richtig, so 
lagen bei den beiden Arten der Gattung Astarte vollkommen ver- 
schiedene Verhiltnisse vor. Indessen bringe ich den Angaben von 
EHRENBAUM, soweit sie die Epicuticula betreffen, nicht allzuviel 
Vertrauen entgegen. Seine schematischen Zeichnungen, die nach 
Schnitten von ungeniigend konserviertem Materiale gemacht wur- 
den, zeigen eigentlich gar nichts; auferdem aber hat er bei vielen 
Siphoniaten, die ich selber untersucht habe, die Situation voll- 
standig verkannt, so daf die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, es 
seien ihm auch bei den von mir nicht bearbeiteten Species Irr- 
tiimer passiert. 

Ahnlich wie bei Astarte bildet sich die Epicuticula bei Car- 
dita suleata und Lucina spinifera. 

Die Epicuticula der iibrigen im ersten Abschnitte dieses Tei- 
les behandelten Siphoniatenordnungen — von den Phola- 
daceen habe ich keine guten Praparate iiber diesen Punkt erhal- 
ten, kann daher auch von ihnen hieriiber nichts aussagen — 
zeigt allenthalben deutlich eine Zusammensetzung aus zwei Par- 
tieen, welche sich durch ihre differente Farbung auf das scharfste 
unterscheiden (Fig. 63—65 cu). Die eine Partie, welche stets die 
diinnere ist, farbt sich in Bismarckbraun rétlichbraun, in Orange- 
Hamatoxylin leuchtendorange, in Eosin-Hamatoxylin flammendrot. 
Die andere Partie, welche stets die dickere ist, hat sich in den 
genannten Tinktionsmitteln blaBgelbbraun, blaugrau bez. blaBviolett 
gefarbt. Jene stellt die mehr hornartige, diese die mehr weiche 
Substanz dar. Beim Verlassen des Mantelrandes und vor dem 
Ubergange zur Schale wird die blasse Partie schmichtiger, iiber- 
trifft aber immer noch die intensiv gefarbte um ein bedeutendes 
an Masse. Das Verhalten der Epicuticula auf der Schale habe 
ich hier so wenig wie friiher untersucht. 

Die Einzeldarstellung will ich mit Cyprina islandica 
beginnen. Der Ort der Entstehung der Epicuticula bei dieser 
Art ist, wie bereits friiher angegeben, die Bucht zwischen Innen- 
und Aufenfalte bei der die Siphonen begleitenden Doppelfalte 
(Fig. 63) und die Bucht zwischen sekundirer Mittelfalte und 


Der Mantelrand der Acephalew. 205 


Aufenfalte im Rande. In beiden Regionen sind selbstverstind- 
lich die Verhaltnisse in voller Ubereinstimmung; ich will mich 
in der folgenden Beschreibung an die Doppelfalte der Siphonen 
halten. 

Das Epithel der AuSenflache der Innenfalte besteht aus Cylin- 
derzellen, welche eine Hohe von ungefaihr 18 « bei einer Breite 
von nur 3 w haben. Die Kerne derselben sind klein und kreis- 
rund, meist basal, seltener central gelegen. Das Epithel der 
Aubenfalte wird von Cylinderzellen gebildet, deren Héhe 54—72 u 
betragt, wihrend sie in der Breite nur 2—3 uw messen. Die 
Kerne liegen an der Grenze des basalen und mittleren Drittels 
der Zellen, manchmal auch ganz central, sind von ovaler Gestalt 
und haben einen Lingsdurchmesser von etwa 9 mw, wihrend ihr 
Breitendurchmesser dem der Zellen entspricht. Die beiden Par- 
tieen, aus welchen sich, wie oben angemerkt, die Epicuticula der 
Siphoniaten zusammensetzt, verteilen sich so, daf die diinne in- 
tensiv gefarbte von den Zellen der AuSentliche der Innenfalte (Fig. 
63 as), die breite blasse von den Zellen der Innenfliche der Aulen- 
falte entsteht (Fig. 63 2s). Die Héhe und AuB8enfliiche der letz- 
teren hat mit der Epicuticula nichts mehr zu thun (Fig. 63). 
Die intensiv gefairbte Partie ist nach dem Umbiegen auf die 
Schale die aubere, die blasse die innere; mit Riicksicht auf dieses 
Verhaltnis will ich hier und bei den tibrigen Siphoniaten jene die 
Ausenschicht, diese die Innenschicht nennen. Man muf aber 
dabei festhalten, dai im Mantelrande erstere nach innen yon 
letzterer gebildet wird. Beide Schichten liegen von Anfang an 
in der Bucht zwischen beiden Falten eng aneinander und bleiben 
auch miteinander verbunden bis zum Umbiegen auf die Schalen- 
auBenflache (Fig. 63 cw). Die Aufenschicht ist in der Tiefe der 
Faltenbucht sehr zart und fein und ist nur durch ihre pragnante 
Farbung kenntlich; nach der Spitze der Falte zu wird sie etwas 
dicker und erscheint als ein doppelt konturierter Saum. Sie ist 
mit den unter ihr liegenden Zellen, ihrer Matrix, so innig verbun- 
den, da, wenn sie durch den Zug des Messers beim Anfertigen 
des Schnittes abgehoben ist, die distalen Rinder der Zellen wie 
ausgenagt erscheinen. Die Zellen selber lassen bei Anwendung 
starker Linsensysteme eine deutliche Langsstreifung ihres Plasma 
erkennen, in der gleichen Weise, wie dies bei Mytilus zu beob- 
achten war. Die Streifen sind untereinander parallel, schrag zur 
Epicuticula gerichtet und gehen in dieselbe kontinuierlich unter 
Veranderung ihrer Farbbarkeit iiber. 


206 Dr. Bernhard Rawitz, 


6 

Die Innenschicht, welche die bla gefarbte ist, ist in der 
Bucht, da wo beide Falten eng aneinander liegen, ziemlich schmal, 
nimmt aber bald an Masse bedeutend zu (Fig. 637s). Sie liegt 
ebenfalls ihrer Matrix dicht auf und es ist nicht ohne Interesse 
zu sehen, dali da, wo die Epithelzellen im Schnitte sich in Zotten 
geleet haben, die Innenschicht der Epicuticula schopfformig aus 
den Zottenbuchten herausragt. Wo sie sich von den Epithelzellen 
abgehoben hat, bieten diese das gleiche Aussehen an ihrer freien 
Fliche dar, wie bei der AuSenschicht. Das Plasma der Epithel- 
zellen ist hier stets homogen. Wahrend an der Aufenschicht 
eine Struktur nicht zu erkennen ist, zeigt die Innenschicht der 
Epicuticula stellenweise eine Zusammensetzung aus Lamellen, die 
allerdings erst in nicht unbetrichtlicher Entfernung vom Epithel 
auftreten. 

EurENBAUM (12) giebt an, daf bei Cyprina die normalen, 
d. h. die niedrigen Zellen der Aufenfliiche der Mittelfalte im 
Mantelrande die Epicuticula bilden, wihrend die hohen Zellen auf 
der Innenfliche der Auenfalte das Dickenwachstum derselben 
bedingen. ,,Dies erscheint gerade hier bei Cyprina um so plau- 
sibler, als die Epicuticula beim Verlassen der Mantelfalte nur 
noch sehr diinn ist und von hier ab eine ganze Strecke frei ver- 
lauft, bis sie bedeutend verdickt den Schalenrand erreicht. Gerade 
dieser Umstand, da die Epicuticula auf einer grofen Strecke, 
wo sie fortwahrend an Dicke zunimmt, frei zu verlaufen scheint, 
berechtigt zu der Annahme, das die langen Zellen, welche auf der 
Oberfliche des Mantels noch in auferordentlicher Ausdehnung 
vorhanden sind, das Dickenwachstum der Schale erméglichen. 
Die Beriihrung dieser Zellen mit dem frei erscheinenden Teile 
der Epicuticula wird durch die auSerordentliche Beweglichkeit des 
Mantelrandes in der vollkommensten Weise garantiert (I. ¢. p. 41).“ 
Aus diesen Worten geht hervor, dai EurENBAUM zwar manches 
erraten, aber nichts beobachtet hat, was auch aus seiner hierher 
gehérigen Figur 21 zu schliefen ist. Die Zweischichtigkeit der 
Epicuticula, die von Anfang an zu konstatieren ist, ist ihm voll- 
kommen entgangen und demzufolge auch die Art und Weise, wie 
sich die Epithelzellen auf der Innenfliiche der AuSenfalte an dem 
Prozesse beteiligen. Diese Beteiligung braucht man nicht anzu- 
nehmen, man kann sie direkt beobachten. Ganz sonderbar aber 
mutet der letzte Satz der oben citierten Stelle aus KHRENBAUM’S 
Arbeit an. Denn was die Méglichkeit, daf die hohen Zellen der 
Aufenfalte sich mit der Epicuticula beriihren — eine Méglichkeit, 


Der Mantelrand der Acephalen. 207 


welche, wie aus meiner Figur 63 erhellt, niemals zur Wirklichkeit 
wird, sondern durch das Vorhandensein der Innenschicht eine 
thatsaichliche Unméglichkeit ist —, dazu beitragen soll, da’ die 
Epicuticula an Dicke zunimmt, kann ich nicht verstehen. Hier 
otfenbart EuRENBAUM iihnliche verworrene Anschauungen iiber 
cellulare Vorgiinge, wie TULLBERG. 

Bei Cardium edule findet sich die Stitte der Epicuticula- 
bildung, wie bereits friiher angegeben wurde, zwischen der kleinen 
und groBen sekundiren AuSenfalte (Fig. 64). Beziiglich der letz- 
teren sei folgendes noch bemerkt. Nach aufen von der kleinen 
sekundaren Falte kommt zuniichst eine Lamelle, welche im 
Schnitte pilzhutihnliche Gestalt hat; diese liegt der kleinen Falte 
ganz dicht an. Auf sie folgen dann einige niedrige wie Epithel- 
zotten aussehende Lamellen, die schlieSlich in eine ziemlich hohe 
Aufenlamelle itibergehen, welche direkt der Schalen-Innenfliche 
anliegt. Mit Ausnahme dieser letzteren Lamelle sind alle itibrigen 
Partieen an der Epicuticulabildung beteiligt; von der kleinen 
schmalen Falte ist es die Auenfliche (Fig. 64). Und zwar ist 
die Beteiligung so, dali die AuSfenschicht der Epicuticula von dem 
Epithel der AuSenflache der kleinen Falte und dem der Innen- 
fliche der pilzhutférmigen Lamelle gebildet wird (Fig. 64 as), 
wahrend die Innenschicht von den Epithelzellen der iibrigen hier 
nicht in Betracht kommenden Regionen entsteht (Fig. 64 7s). Die 
AufSenschicht der Epicuticula hat also hier einen doppelten Ur- 
sprung, nimlich von den Epithelien der einander zugekehrten 
Flachen zweier Falten (Fig. 64). Dak dies wirklich der Fall ist, 
geht daraus mit Sicherheit hervor, dal die Epicuticula feine Fort- 
siitze sowohl zwischen den Zellen der kleinen Falte wie der pilz- 
hutférmigen Lamelle besitzt, wie man dies bei genauer Betrach- 
tung der Figur 64 deutlich sehen kann. Die Zellen zeigen hier 
nicht, wie bei Cyprina, eine streifige Struktur, sondern sind ganz 
homogen. 

Die Innenschicht der Epicuticula wird von den anderen er- 
waihnten Regionen gebildet und reicht an der pilzhutformigen La- 
melle bis fast genau an die Grenze von deren Wélbung und Innen- 
fliche (Fig. 64 is). Diese Schicht ist stets homogen, im allge- 
meinen blag gefairbt und erscheint nur da etwas dunkler, wo sie 
mehr zusammengefaBt ist, immer aber ist sie anders tingiert, als 
die AuSenschicht. Diese letztere haftet fest an den sie erzeugen- 
den Zellen und kann nur unter Zerstérung derselben abgezogen 


208 Dr. Bernhard Rawité, 


werden; die Innenschicht haftet nur locker und lést sich leicht 
ohne Verletzung der Zellen (Fig. 64). 

Nach EnRENBAUM (1. c. p. 40) soll ein auffallend kleiner Teil 
des stark gegliederten Mantels an der Epicuticulabildung beteiligt 
sein. ,,An einer Stelle, wo der Mantel in der Mitte verwachsen 
war, zaihlte ich sieben grofe innere Lappen jederseits, die jeg- 
licher Beziehung entbehrten. Erst in dem Grunde der Falte, 
zwischen dem achten und neunten kleinen Lappen, welche beide 
ganz auf die Aufenseite des Mantels geriickt sind, erscheint die 
Epicuticula.‘ Die Zellen, welche die Epicuticula bilden, gleichen 
den gewohnlichen Epithelzellen, die der Epicuticula gegeniiber 
liegenden Zellen aber sollen auffallig hoch und schmal sein. Keine 
von diesen Angaben EnRENBAUM’s entspricht den Thatsachen ; 
weder ist, wie aus meiner Figur 64 hervorgeht, ein auffallend 
kleiner Teil des Mantelrandes an der Epicuticula beteiligt, noch 
sind die der Epicuticula gegentiberliegenden Zellen der Aufen- 
falte irgendwie von den anderen Epithelzellen ausgezeichnet. Da- 
durch, daf{i EKnrensAum hier die Innenschicht der Epicuticula 
nicht gesehen hat, ganz wie bei Cyprina islandica, sind ihm die 
thatsichlichen Verhialtnisse verhillt geblieben, und dadurch, 
dafS er ganz ungeniigende Konservierungs- und Farbungsme- 
thoden anwandte, hat er niemals gute mikroskopische Bilder 
erhalten. 

Ahnliche Verhiltnisse, wie Cardium, bietet Dreissensia 
polymorpha dar. Indem ich auf das verweise, was ich iiber 
den Ort der Epicuticulabildung bereits im vorigen Abschnitte die- 
ses Teiles angegeben habe, will ich hier das hinzufiigen, was fir 
die Kenntnis des Prozesses selber von Interesse sein diirfte. Die 
Epithelzellen sind in der ganzen Epicuticularegion intensiv pig- 
mentiert (Fig. 65), infolgedessen kénnen an ihnen etwaige Struk- 
tureigentiimlichkeiten nicht wahrgenommen werden. Die Aulen- 
schicht ist sehr zart, stark gefaltet (Fig. 65 as) und nimmt die 
bekannte intensive Farbung erst jenseits der Falte an, wahrend 
sie auf dem Epithel nur schwach tingiert ist. Ihr liegen stets 
zahlreiche Diatomeenschalen auf (Fig. 65 di). Die Innenschicht 
zeigt tibereinstimmende Einzelheiten mit Cardium edule (Fig. 65 7s). 

Die Epicuticula der Veneriden ist sehr diinn; ihre Bildung 
und Struktur gleicht der der Cardiiden und Glossiden vollstandig. 
Kbenso verhalten sich die Tellinacea. 

Bei den Myaceen sind die Soleniden wegen der unge- 
meinen Dicke der Epicuticula von besonderem Interesse. Bei 


Der Mantelrand der Acephalen. 209 


Solen vagina, dem sich §. siliqua, ensis und legumen anschliefen, 
entsteht die Epicuticula im Rande, wie bereits hervorgehoben, 
von dem basalen Teile der Aufenfliche einer blattférmigen Falte 
bis zum Schalenrande. Die AuSenschicht, welche hier ein brau- 
nes, glanzendes, horniges Aussehen hat, zeigt eine Art von Struk- 
tur, indem zwei intensiv gefairbte Streifen einen weniger intensiv 
tingierten einschlieSen. Die breite Innenschicht der Epicuticula 
laft stellenweise einen fibrillaren Bau erkennen. Die sehr zarten 
Fibrillen liegen dicht und parallel zu einander und sind zuniichst 
senkrecht auf die breite Fliche des Epithels orientiert, um dann 
in fast rechtem Winkel nach auSen umzubiegen. 

Schlieflich sei noch die Epicuticulabildung von Mya are- 
naria erwihnt. Diese Muschel ist bekanntlich dadurch ausge- 
zeichnet, da8 ihre verwachsenen Siphonen auf der ganzen Aufen- 
fliche von einer weiten faltigen Epicuticula iiberzogen sind. Die 
bisher gebrauchte Bezeichnung fiir die Schichten der Epicuticula 
trifft hier besonders zu, da die AufSenschicht an den Siphonen 
von vornherein aufen liegt und auf Querschnitten durch dieselben 
wie ein doppelt konturierter, nur anders gefirbter Saum der 
Innenschicht sich darstellt. Der freie Rand der Epithelzellen ist 
sehr zart; von ihm entspringt. die Innenschicht. Die Epithel- 
zellen, welche eine Stabchenstruktur nicht erkennen lassen, eben- 
sowenig wie die von Solen, gehen direkt in diese Schicht itiber. 
Dieselbe besteht dicht an den Epithelzellen aus eng gepackten 
Fibrillen, welche wie ein Biischel Haare aussehen. Allmiihlich 
fahren die Fibrillen auseinander, werden breiter und bilden da- 
durch Lamellen. Zuweilen hat es den Anschein, als ob die Fi- 
brillen sich netzartig durchflechten. Gegen die Aufenschicht zu 
wird die Innenschicht allmahlich homogen, es verschwinden die 
Fibrillen und gleichzeitig wird die Farbung blasser. Die Aufen- 
schicht ist ganz homogen und setzt sich scharf durch ibre diffe- 
rente Farbung von der inneren ab. EnrRENBAUM (12) und ROULE 
(37) haben wohl die doppelte Schichtung der Epicuticula bei die- 
ser Art gesehen, die fibrilliire Struktur der Innenschicht aber 
nicht erkannt. 


Wenn wir die vorstehend in extenso dargestellten Thatsachen 
der Epicuticulabildung iiberblicken, so zeigt sich, daf von den 
Arcaceen und Ostreaceen an ein stetiger Fortschritt insofern zu 
konstatieren ist, als bei jenen Ordnungen nur eine diinne, struk- 
turlose und durchsichtige Haut vorhanden ist, wahrend bei den 

Bd, XXVUL. N, F, XX. 14 


210 Dr. Bernhard Rawitz, 


iibrigen Ordnungen dieselbe an Dicke und Undurchsichkeit wie 
auch an relativer Kompliziertheit der Struktur zunimmt. Bei 
Arca und Pecten ist es ein nur sehr kleiner Teil des Mantel- 
randepithels, welcher die Epicuticula bildet, bei den Mytilaceen 
sind schon etwas umfangreichere Particen beteiligt, zugleich aber 
ist auch die Epicuticula dick und undurchsichtig, bei den Sipho- 
niata endlich bilden die Epithelzellen des Mantelrandes in grofer 
Ausdehnung diese Haut und letztere zeigt eine deutliche Zu- 
sammensetzung aus zwei nach Bau und Entstehungsort verschie- 
denen Schichten. Bei einzelnen Arten der Ordnung der Myacea 
ist dann die héchste Ausbildung erreicht, indem nun nicht mehr 
blo8 die Falten des Mantelrandes, sondern auch das Epithel der 
ganzen Sipho-Au8enfliche an dem Hervorbringen der Epicuticula 
beteiligt sind. 

Von jeher hatte man den Prozef} der Epicuticulabildung, wie 
aus dem alten Namen hervorgeht, als einen cuticularen betrachtet, 
d. h. das Produkt, die Epicuticula, als das Resultat eines Sekre- 
tionsvorganges angesehen. Diese Auffassung hat in jiingster 
Zeit namentlich KHRENBAUM mit Entschiedenheit vertreten und 
dabei sich gegen TuLLBERG erklirt, der, wie er glaubt annehmen 
zu diirfen, eine abweichende Anschauung zu vertreten scheint. 
TULLBERG erwihnt namlich bei Besprechung der Bildung des 
Hummerpanzers eine Hypothese, welche HuxLey in seiner Mono- 
egraphie ,,der Flu8krebs“ (internationale wissenschaftliche Bibliothek, 
48. Bd.) aufgestellt hat; zu einem klaren, unzweideutigen Aus- 
drucke gelangt die Ansicht TULLBERG’s indessen nirgends. EHREN- 
BAUM ging offenbar von der Annahme aus, daf die Huxiery’sche 
Hypothese den Prozefi der Epicuticulabildung in schroffen Gegen- 
satz stelle zu der gewoéhnlichen Cuticulabildung; dies ist falsch. 
Die Anschauung, die EnrRENBAUM aber selber vorbringt und die 
sich vollkommen deckt mit der bisher giing und gaben, ist in 
ihrer Kinseitigkeit unhaltbar. Hux ey sagt (I. ¢. p. 165): ,,Das 
ganze Exoskelet des Krebses wird in der That von den darunter 
liegenden Zellen erzeugt, entweder indem diese eine Chitinsub- 
stanz ausschwitzen, die dann erhartet, oder — was wahrschein- 
licher ist — durch chemische Metamorphose der oberflaichlichen 
Zone der Zellkérper zu Chitin. Wie es sich jedoch damit ver- 
halten mag, jedenfalls bilden die Cuticulargebilde anliegender 
Zellen zuerst ein einfaches, zusammenhiingendes, diinnes Haut- 
chen. Durch Fortsetzung des Prozesses, durch den dieses ent- 
standen ist, nimmt die Dicke der Cuticula zu.‘ Dann heiBt es 


Der Mantelrand der Acephalen. 2i1 


auf der folgenden Seite, nachdem Huxtry den Unterschied der 
Cuticulargebilde von den epidermoidalen scharf betont hat: ,,Die 
Cuticula mit allen ihren Anhingen dagegen ist, obwohl sie in 
ihrer Existenz nicht minder von Zellen abhingig ist (scilicet als 
die epidermoidalen Bildungen), ein abgeleitetes Produkt, dessen 
Bildung nicht die vollstindige Umwandlung und mithin Zerstérung 
der Zellen bedingt, denen sie ihren Ursprung verdankt*. Mutatis 
mutandis (d. h. wenn man statt ,,Exoskelet des Flufkrebses: Epi- 
cuticula setzt, etc.) passen diese Worte vollkommen auf den Pro- 
ze$ der Epicuticulabildung bei Muscheln. Dal wir es hier in 
der That nicht mit einem Sekretionsvorgange, wie er gewéhnlich 
aufgefaBt wird, zu thun haben, daf vielmehr die Epicuticula 
,durch chemische Metamorphose der oberflichlichen Zone der 
Zellkérper“ entsteht, dafiir sind meines Erachtens die Bilder voll be- 
weisend, welche man bei den meisten der oben besprochenen Muschel- 
arten, ganz besonders aber bei Arca und Mytilus erhalt. Der streifige 
Bau, die Stabchenstruktur des Zellplasma und der namentlich bei 
Arca ungemein deutliche direkte Ubergang der Stabchen in die 
Epicuticula sind nur verstiéndlich, wenn man mit Huxuey hierin 
eine chemische Umwandlung des Zellplasma sieht. Es unter- 
scheidet sich diese Art der Bildung von der Sekretion dadurch, 
dai, wahrend bei letzterer das Produkt gar keinen oder nur 
einen lockeren Zusammenhang mit dem sezernicrenden Zelllager 
behilt, bei der von HuxLEy gemeinten chemischen Umwandlung 
Produkt und produzierende Matrix in steter, inniger Verbindung 
bleiben. Und dies ist hier der Fall. Die Differenz zwischen beiden 
Arten der Absonderung einer cuticularen Membran ist also eine grofe, 
aber dennoch nur eine graduelle, keineswegs eine Differenz der Art. 
Dagegen ist zwischen dem Entstehen epidermoidaler und cuticularer 
Bildungen ein ganz fundamentaler Unterschied vorhanden, wie das 
Hux.ey mit Recht auf’s schirfste betont. Im ersteren Falle werden 
die Zellen vernichtet, da ihre Leiber selbst das Produkt darstellen, 
in letzterem Falle werden sie erhalten. Hat also TULLBERG der 
Auffassung Huxtery’s Geltung auch fiir die Epicuticula der Mu- 
scheln vindiziert, was, wie gesagt, aus seinen Auslassungen nicht 
klar hervorgeht, so war er im Rechte, EnreNBAUM aber hatte 
Unrecht, gegen die Auffassung von Huxtey zu polemisieren, die 
er offenbar nicht verstanden, die aber ihre sichere Begriindung 
durch die bei der Epicuticulabildung der Acephalen zu beobach- 
tenden Erscheinungen erhialt. 


14* 


212 Dr. Bernhard Rawitz, 


Allgemeine Betrachtungen. 


Wir iiberblicken nunmehr die Thatsachen, welche das Studium 
des feineren Baues des Mantelrandes der Acephalen uns liefert. 
Die theoretische Bedeutung der einzelnen ist im Laufe der Dar- 
stellung da hervorgehoben worden, wo es die Natur der Dinge zu 
erfordern schien. Es war aus leicht ersichtlichen Griinden nicht 
angiingig, die physiologische Stellung der Augen der Pectiniden 
und Arcaceen, die der sogenannten Augen von Cardium, die der 
Leuchtorgane von Pholas etc. erst am Ende der Untersuchungs- 
reihe zu diskutieren; es muften die verschiedenen Arten der 
sekretorischen Gebilde und die wihrend des Sekretionsprozesses 
sich abspielenden cellularphysiologischen Vorginge bei Behand- 
lung der Ordnungen gewiirdigt werden, bei denen sie zu beob- 
achten waren. 

Hier in den allgemeinen Betrachtungen will ich das Facit aus 
der Gesamtdarstellung ziehen. Daf die Untersuchungen des Man- 
telrandes nicht zu Ergebnissen hinfiihren, welche fiir die Phylo- 
genie, i. e. fiir die Erkenntnif’ der Verhiltnisse der Stammesver- 
wandtschaft der Acephalen verwertbar sind, ist selbstverstiandlich. 
Die Beschrankung auf ein einziges Organsystem und die Durch- 
forschung desselben lediglich behufs Erkennung seiner intimeren 
Struktur schlieft von vornherein die Méglichkeit aus, zu Resul- 
taten von morphologischer Bedeutung zu gelangen. 

Aber diese Beschrainkung zeitigt auf der anderen Seite eine 
Summe von Erfahrungen, die fiir die Diskussion gewisser, die 
Phylogenie der Funktionen betreffender Fragen nicht 
ohne einigen Wert sein diirften. Und dies um so mehr, wenn, 
wie im vorliegenden Falle, der untersuchte Kdérperteil der Sitz 
derjenigen Organe ist, welche den Verkehr der Tiere mit der 
Aufenwelt vermitteln. 

Ich will zunachst die Beziehungen erértern, welche 


Sinnesorgane und sekretorische Apparate 


zu einander haben. 
Als das wichtigste Ergebnis meiner in dieser Arbeit nieder- 
gelegten Beobachtungen, dem ich eine allgemeine Bedeutung bei- 


Der Mantelrand der Acephalen. 213 


messe, betrachte ich namlich die Erscheinung, da die Aus- 
bildung spezifischer Sinnesorgane in einem deut- 
lichen Gegensatze steht zur Ausbildung sekre- 
torisch thatiger Apparate. Je reichlicher eine Muschel 
mit Sinneswerkzeugen verschiedener Funktion ausgeriistet ist, um 
so weniger Driisen besitzt sie in ihrer Haut, i. e. dem Mantel- 
rande, ja dieselben kénnen zuweilen ganz fehlen; je weniger Sin- 
neswerkzeuge dagegen vorhanden sind, um so massenhafter treten 
Driisen bez. fliissige Sekrete auf. 

Es lat sich diese Thatsache mit Leichtigkeit aus den ein- 
zelnen Beobachtungen ablesen, die ich kurz rekapitulieren will. 

Unter den Ostreaceen besitzen die Pectiniden Augen, 
Geruchsorgane, Seitenorgane; die Tastzellen sind, im Gegensatze 
zu dem iiblichen Schema, dreiteilige Sinnesorgane: gleichzeitig 
aber fehlen Driisen vollkommen. Lima hat aufer den auf eine 
ganz bestimmte Region des Mantelrandes beschrankten Pinsel- 
zellen (die wenigen Pinselzellen in den Driisenfiden kénnen bei 
dieser Erérterung aufer Betracht gelassen werden; cfr. I. Teil) 
keinerlei Sinnesorgane: dafiir sind in den Faden des Mantel- 
randes die sekretorischen Apparate ungemein stark entwickelt. 
Ostrea hat ebenfalls nur gewéhnliche Pinselzellen, ist aber reich- 
lich mit Driisen ausgestattet. 

Unter den Arcaceen haben Arca Noae, barbata und 
tetragona Augen; hier aber sind im Gegensatze zu den Pectiniden 
Giftdriisen vorhanden. Es ist diese Erscheinung erklarlich, einmal 
weil die Augen von Arca zufolge ihres Uberdecktseins durch die Epi- 
cuticula weniger gut funktionieren, als die von Pecten (cfr. II. Teil), 
dann weil die anderen Sinneswerkzeuge, deren sich Pecten erfreut, 
fehlen und endlich weil Arca des Vermégens der freien Bewegung 
von Ort zu Ort entbehrt, wodurch Pecten in so hervorragender 
Weise sich vor allen tibrigen Muscheln auszeichnet. Doch zeigt 
sich der Einfluf der speziellen Sinnesorgane insofern, als die Gift- 
driisen in nur geringer Menge vorhanden sind. (Auf die para- 
doxe Stellung von Pectunculus habe ich schon im zweiten Teile 
hingewiesen.) Ist somit das Vorhandensein der driisigen Apparate 
erklarlich, so bleibt doch die Existenz der Augen selber unerklart. 
Daf hier bei einer Muschel Facettenaugen, und noch dazu in 
einer von physiologischen Gesichtspunkten aus so sehr ungiinstigen 
Lagerung, sich finden, ist ein vollkommenes Ratsel, das zu lésen 
noch nicht unternommen worden ist. Mit der Bemerkung namlich, 
daf die Augen eine Neuerwerbung sind, ist im Grunde genommen 


214 Dr. Bernhard Rawitz, 


gar nichts erklart, da die Ursachen, warum eine solche Bildung 
hier Platz greifen konnte und mufte, dadurch in keiner Weise 
aufgezeigt sind. Arca diluvii hat, wie ich nachgewiesen habe, 
keine Augen, besitzt dafiir aber sekretorische Apparate, welche 
ein giftiges Sekret in grofer Menge produzieren '). 

Den Mytilaceen kommt nur die gewohnliche Pinselzellen 
zu und hier finden sich Giftmassen. 

Die Najaden besitzen keine Gift- wohl aber Mucinmassen; 
ihnen fehlen spezielle Sinnesorgane. 

Bei den Siphoniaten erreicht die Ausbildung der Gift- 
massen in dem bekannten Randwulste und auf der Innenhache 
der Siphonen einen ungemein hohen Grad, sie finden sich auch 
in verschiedener Machtigkeit in den die Siphodffnungen umkran- 
zenden Papillen vor. Bei einigen Arten (Donax, Solecurtus) sind an 
diesen Stellen Mucinmassen vorhanden. Hier tritt aufer dem Mangel 
an Sinnesorganen noch die Abwesenheit von Wimperzellen auf 
der AufSenseite der Siphonen hinzu, die durch das nie fehlende Vor- 
handensein von Mucindriisen auf dieser Seite kompensiert wird. 
Die Funktion der Wimpern besteht offenbar darin, durch den 
stetig unterhaltenen Wasserstrom die Verunreinigung und Ver- 
letzung des Kérpers durch anorganische Partikel zu verhiiten. 
Fallt diese Einrichtung fort, dann ware das auf oder im Sande 
lebende Tier schweren Lisionen ausgesetzt. Die Mucindriisen, 
welche sich hier vorfinden, tibernehmen daher insofern die Rolle 
der Wimpern, als sie solche Laisionen fern halten; es geschieht 
dies, indem eine wenn auch nur diinne Schleimschicht um den 


1) Ich habe stets, geleitet durch die tinktorialen Reaktionen und 
mich anlehnend an meine Erfahrungen aus der Histiologie der Verte- 
braten, gewisse Driisen oder Sekretmassen als Giftdriisen bez. -massen 
bezeichnet. Diese Deutung steht und fallt mit der von mir geiibten 
Technik des Schneidens und Firbens. Ich habe ausschlieflich Schnitte 
mit den an den einzelnen Orten und in den Tafelerklarungen ange- 
fiihrten Stoffen gefirbt und habe einen Teil der von mir gesehenen 
Bilder in Farben wiedergegeben. Ein Blick auf die betreffenden 
Figuren lehrt, da8 man solche Resultate nie mit den tblichen Me- 
thoden der Durchfirbung erhdlt, auch dann nicht, wie ich versichern 
kann, wenn man den durchgefarbten Schnitt nachfirbt. Es ist még- 
lich, da& meine Resultate und meine Deutungen Zweifeln begegnen 
werden ; ich werde aber nur die Zweifler als legitimiert und die Kri- 
tiker als berechtigt anerkennen, welche meine Methoden in genau 
derselben Weise nachgemacht haben. Die Durchfarbung ist gut fir 
anatomische und embryologische Zwecke, sie ist wertlos und irreleitend 
bei Fragcn, wie die von mir behandelten. 


Der Mantelrand der Acephalen. 215 


betreffenden besonders exponierten Kérperteil sezerniert wird, 
welche das Eindringen gefihrlicher Gegenstiinde unméglich macht. 

Cardium edule und einige Veneriden haben zwar 
Seitenorgane, doch ist die Existenz derselben auf die Ausbildung 
der Giftmassen von nicht allzu grofem Einflusse, weil sie auf nur 
wenige Papillen beschrankt sind. 

Ein fast klassisches Beispiel fiir die Richtigkeit des hier ver- 
tretenen Gedankens von der Gegensatzlichkeit von Sinnesorganen 
und Driisen liefert Psammobia vespertina. Diese Muschel 
hat an der AufSenseite der Siphonen sechs bis acht Rippen, die 
als ebenso viele Seitenlinien zu betrachten sind, hat in den Sipho- 
papillen statt der gewéhnlichen FLEemMine’schen Pinselzelle das 
dreiteilige Sinnesorgan, wie es den Pectiniden zukommt: entbehrt 
dafiir aber der Giftmassen voéllig und besitzt auf der Sipho-Innen- 
fliche fast gar keine Mucindriisen. Die anderen Tellinaceen 
dagegen, welche keine Seitenlinien und keine dreiteiligen Sinnes- 
organe haben, enthalten Driisen in nicht unbetrichtlicher Menge. 

Mya arenaria scheint eine paradoxe Stellung einzuneh- 
men; sie hat weder spezielle Sinnesorgane, noch, wenn wir den 
Fufschlitz ausnehmen, irgend welche sekretorischen Apparate. 
Die Erklarung hierfiir ist darin zu suchen, da8 die Siphonen mit 
einer dicken Epicuticula in der ganzen Ausdehnung bedeckt und 
dadurch geschiitzt sind. 

Pholas dactylus endlich besitzt ebenfalls keine speziellen 
Sinnesapparate, dafiir sind driisige Organe von besonderer Ent- 
wicklung vorhanden, welche die Kigentiimlichkeit haben, ein leuch- 
tendes Sekret zu produzieren. 

So wie die Situation bei den Muscheln, ist sie auch ander- 
warts und wir erkennen, daf iiberall da, wo wir eine starke Ent- 
wickelung der sekretorischen Funktion der Haut antreffen, auch 
entweder keine Sinnesorgane zu finden sind oder doch nur solche, 
deren Leistungsvermégen ein sehr geringes ist. Ein vorziigliches 
Beispiel hierfiir liefern die pulmonaten Gastropoden. Die 
Augen der Stylommatophoren besitzen unstreitig ein ganz mini- 
males Sehvermégen, denn sie erkennen, wie wohl Jeder schon be- 
obachtet hat, nicht das geringste. Niemals werden diese Schnecken 
durch optische Eindriicke in nennens- und bemerkenswerter Weise 
beeinfluf£t, sie sehen erst dann — wenn man hier iiberhaupt von 
»sehen‘ reden darf —, wenn sie mit ihren Augenfiihlern den 
Gegenstand beriihrt haben. Und auch dann noch erkennen sie 
nichts, denn trotz des Insultes, der ein heftiges Zuriickschnellen 


216 Dr. Bernhard Rawitz, 


der Fiihler zur Folge hatte, beriihren sie unmittelbar darauf die- 
selbe Stelle, an der sie sich eben gestofen hatten, von neuem. 
Die stylommatophoren Pulmonaten besitzen aber nach Leypia und 
FLEMMING ungemein stark ausgebildete Hautdriisen, deren Sekret, 
sowie es den Kérper vor dem Vertrocknen schiitzt, auch dazu 
dient, alle Verletzungen zu verhiiten und Angriffe unschadlich zu 
machen, denen die Tiere bei der Tragheit ihrer Bewegungen und 
bei der hochgradigen Unvollkommenheit ihrer Sinne nicht ent- 
gehen kénnen. 

Und in gleicher Weise, meine ich, kénnen wir von den 
Amphibien sagen, da8 ihre héheren Sinnesorgane eine nicht 
sehr entwickelte Leistungsfihigkeit besitzen und auch hier finden 
wir, ganz besonders bei den Urodelen, in der Haut Giftdriisen 
ausgebildet, deren Funktion nur die einer Verteidigungswatie 
sein kann. 


So ist also der Satz erwiesen, daf die Ausbildung der Sinnes- 
organe und die Entwicklung driisiger Organe in der Haut in 
umgekehrtem Verhaltnisse zu einander stehen: je bessere Sinnes- 
organe, um so weniger Driisen in der Haut; je mehr Driisen, um 
so schlechtere Sinnesorgane. 


Sehen wir nunmehr zu, welche Momente es gewesen sind, die 
bei den Acephalen bewirkt haben, daf sekretorische Apparate an 
die Stelle von Sinneswerkzeugen getreten sind. 

Die Acephalen haben, als sie sich von dem gemeinsamen Vor- 
fahren der Mollusken abzweigten, die sedentare Lebensweise an- 
genommen (cfr. auch Lana: Uber den Einflu8 der festsitzenden 
Lebensweise etc.). Damit trat ein Riickbildungsprozef’ ein, der, 
wie ich dies schon im II. Teile hervorgehoben habe, seinen 
pragnantesten morphologischen Ausdruck im Verluste des Kopfes 
fand. Gleichzeitig kamen keine Kauwerkzeuge mehr zur Ausbil- 
dung, das Nervensystem erhielt eine ungemein einfache Gliede- 
rung, der als Lokomotionsorgan dienende, bei dem Urmollusk gut 
entwickelte FuS erlitt eine bedeutende Reduktion. Die fiir un- 
sere Betrachtung wichtigste Verainderung aber war die Kinlage- 
rung des Kérpers in die Schalen. Wahrend bei dem unter den 
Gastropoden zu suchenden Urmollusk die ganze Kérperoberflache 
mit dem umgebenden Medium, der AufSenwelt, in Rapport stand, 
wurde hier bei den Muscheln durch jene Einrichtung die zu einem 
solchen Rapporte geeignete Partie auf einen schmalen, dem in- 


Der Mantelrand der Acephalen. yaw 


neren Rande der Schale dicht anliegenden Streifen beschrankt, 
den Mantelrand. 

Die sedentaire Lebensweise der phylogenetisch altesten Mu- 
scheln besteht darin, daf die Tiere sich durch ein Sekret, Byssus, 
auf irgend eine Unterlage festkleben und in dieser Stellung fast 
ihr ganzes Dasein verharren. Die phylogenetisch jiingeren Ace- 
phalen vergraben sich mit dem Vorderteile des Kérpers in Sand 
oder Schlamm, so daf nur die hinterste Partie herausragt. Die 
Annahme dieser Gewohnheit hatte zur Folge die Ausbildung der 
Siphonen, durch deren einen das Atemwasser eintritt, wahrend 
die Exkretstoffe durch den anderen entleert werden. Die Reduk- 
tion der mit der Aufenwelt in Beziehung bleibenden Kérperpar- 
tieen ist hier also noch weiter gegangen als bei den phylogenetisch 
alteren Asiphonia; die Siphonen und besonders deren Miindungen 
sind es allein, welche den genannten Rapport herstellen, wihrend 
der Mantelrand, der im Sande steckt, dazu gar nicht oder nur 
noch wenig geeignet ist. 

Mit dieser Einschrankung der sich zum Sitze der Empfin- 
dung eignenden K®6rperoberfliche hielt als fernere Folge der 
sedentiren Lebensweise gleichen Schritt die Riickbildung der 
Sinnesorgane. 

Tiere, welchen eine freie Ortsbeweglichkeit mangelt, kénnen 
ihre Nahrung nicht aufsuchen, ihren Feinden nicht entfliehen; 
Organe, welche hierfiir bei frei beweglichen Tieren Vorteil brin- 
gen, sind daher bei sedentéren vom Uberflu8 und verschwinden 
infolgedessen allmahlich vollstandig. Aber nicht blof die Organe, 
welche das Suchen und die Flucht erméglichen, sondern auch 
die, durch welche das Gesuchte wie das zu Fliehende erkannt 
werden, erliegen naturgemaf einer bis zum volligen Schwund 
gehenden Riickbildung. 

So waren denn die Muscheln, die von allen denjenigen Ein- 
richtungen entbl6ft sind, deren sich frei lebende Tiere im Kampfe 
um das Dasein mit Erfolg bedienen, und weil ihre Beziehung zum 
umgebenden Medium einzig und allein durch die taktile Empfin- 
dung hergestellt wird, véllig wehrlos jeglichen Angriffen preis- 
gegeben. Hatten sich bei ihnen nicht Apparate ausgebildet, 
welche zur Verteidigung zu gebrauchen waren, so hatten sie 
nicht existieren kénnen. Als solche Verteidigungs-, als Schutz- 
einrichtungen sind die Giftmassen (bei einigen Gruppen, wie den 
Najaden, Tellinaceen, Solecurtus und Pholas die Mucinmassen) 
geeignet sowohl durch die Art ihrer chemischen Wirkung, durch 


218 Dr. Bernhard Rawitz, 


die Massenhaftigkeit, mit der sie produziert werden, wie auch 
durch die Stellen, an denen sie sich finden. Aus meiner friiheren 
Einzelbeschreibung geht mit Evidenz hervor, da diese sekre- 
torischen Apparate gerade da vorhanden sind, wo der feindliche 
Angriff am ehesten und leichtesten erfolgen kann. Ich brauche 
dies unter Hinweis auf meine thatsachlichen Mitteilungen nicht 
weiter auszufiihren. 

Sehr lehrreich fiir die Erkennung der Folgen, welche die 
sedentiare Lebensweise nach sich zieht, sind die Ostreaceen. Pecten 
hat ein sehr entwickeltes Lokomotionsvermégen wieder erlangt. 
Gleichzeitig sind damit die sekretorischen Apparate vollig ver- 
schwunden, dafiir aber haben sich Sinneswerkzeuge in grofer 
Menge und Mannigfaltigkeit ausgebildet. Ostrea ist nicht nur zur 
sedentiren Lebensweise zurtickgekehrt, sie ist sogar auf ihrer 
Unterlage festgewachsen und darum finden wir hier einen voll- 
stindigen Mangel an Sinnesorganen und einen relativen Reichtum 
an driisigen Apparaten. 

Kigenartig ist die Erscheinung von Lima. Diese Muschel 
hat das Vermégen freier Ortsbeweglichkeit, besitzt indessen keine 
speziellen Sinneswerkzeuge, wohl aber massenhaft Driisen. Es 
wird durch diese Thatsache einerseits die Gegensatzlichkeit in 
der Ausbildung von Sinnes- und Driisenapparaten klar dargethan, 
andererseits aber zeigt sich, daf freie Beweglichkeit und Exi- 
stenz von Sinnesorganen nicht notwendig gleichen Schritt halten 
miissen. 

Interessant ist auch das Verhaltnis zwischen den beiden zur 
selben Ordnung gehérigen Arten Cardita und Astarte. Erstere 
Muschel, welche am Strande lebt, besitzt einen. miachtig ent- 
wickelten, ein giftiges Sekret produzierenden Randwulst. Astarte, 
welche, wie mir in Neapel mitgeteilt wurde, nur mit der Dredge 
erlangt werden kann, lebt in grofen Tiefen und hier sind nur 
wenige Driisen vorhanden, wie ich dies friiher angegeben. Die 
Erklarung fiir diese Erscheinung diirfte wohl darin gefunden wer- 
den, daf’ jene Species, weil sie in bewegteren, lebensvolleren 
Schichten des Meeres sich aufhalt, leichter feindlichen Angriffen 
ausgesetzt ist und darum mit Verteidigungswaffen reichlicher aus- 
gestattet sein mul, als diese, welche auf dem Grunde des Meeres 
existierend von Fahrlichkeiten viel weniger betroffen wird. 

Eine histiologisch wichtige Verainderung halt bei den Muscheln 
gleichen Schritt mit dem Schwinden der Sinnesorgane und der 
Ausbildung der sekretorischen Apparate; sie betrifft die Binde- 


Der Mantelrand der Acephalen. 219 


substanz. Bei den Ostreaceen und unter den Arcaceen bei den 
mit Augen versehenen (Pectunculus ausgenommen) hat dieselbe 
zwar den Charakter des spongiésen Gewebes, wie es MAx 
ScHuLTzE genannt hat, das Netzwerk aber ist ungemein dicht, 
die Maschen sind eng und die denselben eingelagerten Zellen (die 
FiLemMina’schen Bindesubstanzzellen) sehr klein. Mit der star- 
keren sekretorischen Thatigkeit, unter dem Bediirfnisse nach grofen 
Massen fliissiger, zur Verteidigung geeigneter Produkte andert 
sich auch ihr Bau. Die Fibrillen erscheinen lockerer geflochten, das 
Netz wird weiter, die FLEmMina’schen Zellen gréfer und diese 
erlangen nunmehr eine Funktion, die ihnen als Bindesubstanz- 
zellen urspriinglich fremd ist. Sie sind es namlich, wie ich 
wiederholt dargethan habe, welche das massenhafte bei den 
einen Arten giftige, bei den anderen mucinése amorphe Sekret 
liefern. 

Im ersten Teile dieser Arbeit habe ich die Auffassung be- 
kampft, welche FLemmine in seiner Abhandlung ,,Untersuchungen 
iiber Sinnesepithelien der Mollusken‘“ (15) aufgestellt hat, wonach 
die ,,Zelle des Bindegewebes.... . durch Metamorphose ihres 
Leibes die Massen von Schleim produziert (1. c. p. 464). Ich 
war zu meinem Widerspruche berechtigt, weil FLEMMING diesem 
Satze eine allgemeine Giiltigkeit vindizierte, die ihm thatsachlich 
nicht zukommt. Ich méchte hier aber dem etwaigen Mifverstiind- 
nisse ausdriicklich entgegentreten, als ob ich durch meinen Wider- 
streit die Richtigkeit der FLEmmine’schen Anschauung tiberhaupt 
geleugnet hatte. Das ist durchaus nicht der Fall. War die An- 
sicht fiir jenen speziellen Fall nicht ein Ausdruck der Thatsachen 
(es handelte sich bekanntlich um die Ostreaceen), so ist sie es 
doch, wenn man die ganze Klasse der Muscheln daraufhin ansieht. 
Mit der allerdings sehr wichtigen Einschrankung, die FLEMMING 
nicht gemacht hatte und infolge des Umstandes, daf er nur we- 
nige Species bearbeitet, auch nicht machen konnte, daf die von 
den Bindesubstanzzellen erworbene Fahigkeit, sekretorisch thatig 
zu sein, nicht ein Zeichen der Norm, sondern der Ausdruck eines 
Riickbildungsprozesses, eines degenerativen Vorganges ist, welcher 
sein ursichliches Moment in der festsitzenden Lebensweise der 
Muscheln hat. 


Wir konnen also ganz allgemein sagen : 
Die sedentare Lebensweise hat zur Folge eine bis zum vdl- 
ligen Schwunde gehende Riickbildung spezieller, d. h. hoherer 


220 Dr. Bernhard Rawitz, 


Sinnesorgane und somit eine Reduktion des Sinneslebens auf die 
einfache taktile Erregbarkeit, welche nunmehr allein den Rapport 
der Organismen mit der AufSenwelt vermittelt. Sie wiirde die 
die Tiere wehrlos und damit existenzunfaihig machen, wenn nicht 
gleichzeitig driisige Organe in gréferer Menge und mit beson- 
derer Funktion entstiinden, welche zwar nicht feindliche Angriffe 
verhiiten kénnen, wohl aber imstande sind, durch Vernichtung 
des Feindes einer durch denselben méglichen tieferen Schadigung 
vorzubeugen. 


Die Riickbildungsprozesse, die hier betrachtet worden sind, 
und die Erkennung der Thatsache, da’ unter ihrem Einflusse 
ein Ersatz sensorischer durch sekretorische Funktionen eintritt, 
sind, wie ich glaube, nicht ohne einiges naturphilosophisches 
Interesse. 

Die Veranderungen zu diskutieren, welche die Morphe einer 
Tiergruppe durch Annahme der sedentéren Lebensweise erleidet, 
ist hier nicht der Ort. Die Veranderungen und Umbildungen, 
welchen die Sinneswerkzeuge, die Substrate der Psyche, unterwor- 
fen sind, fiihren, so glaubeich schlieSen zu diirfen, auf dem Wege 
riickwarts, auf dem von den Protozoen an vorwarts die Ausbildung 
der Sinnesapparate gegangen ist. 

Bei denjenigen Lebewesen, welche auf der untersten Stufe 
tierischer Organisation stehen, bei denen von einer Differenzierung 
verschiedener Sinnesmodalitaiten fiiglich noch nicht gesprochen wer- 
den kann, wo also nur eine allgemeine mechanische Irritabilitat des 
Protoplasmakliimpchens vorhanden ist, zeigt sich, wie aus dem 
trefflichen Werke von VrERworN ,,Psychophysiologische Protisten- 
studien“ hervorgeht (cfr. besonders p. 75—90 1. c.), die inter- 
essante Erscheinung, da8 ein mechanischer Reiz einen Sekretions- 
vorgang auslést. Wenn ein Pseudopod einer Difflugia mechanisch 
irritiert wird, sei es experimentell, sei es aus einer natiirlichen 
Ursache, so wird dasselbe uneben, es quellen Tropfen einer 
klebrigen Substanz aus ihm heraus, durch welche das Irritament 
festgehalten wird. Es sezerniert also aus seinem Protoplasma das 
Protist eine zur Verteidigung geeignete Substanz. 

Da, wo eine Differenzierung schon Platz gegriffen hat, wo 
Organoide (Geieln, Wimpern, Cuticula) ausgebildet sind, die neben 
der lokomotorischen bez. schiitzenden Funktion in gewisser Hin- 
sicht eine Art Sinnesfunktion besitzen, tritt dieser Vorgang nicht 
ein; eine Sekretion findet nicht statt. 


Der Mantelrand der Acephalen. 221 


So zeigt sich also schon auf tiefster Stufe des Lebens die 
Gegensitzlichkeit von Sinneswerkzeugen und Sekretion. 

Je komplizierter der tierische Organismus wird, je mannig- 
faltiger sich seine Beziehungen zur Aulenwelt gestalten, je reicher 
also sein Sinnesleben sich entwickelt, um so mehr tritt die pri- 
mitive Funktion der Absonderung fliissiger, zur Verteidigung ge- 
eigneter Produkte in den Hintergrund. Das ist, glaube ich, eine 
nicht zu bestreitende Thatsache. 

DaS nun dann, wenn durch Anpassung an eine besondere 
Lebensweise die Sinnesorgane und somit die Sinneswahrneh- 
mungen bis auf die taktile Empfindung, d. h. bis auf eine all- 
gemeine Irritabilitait verschwinden, wiederum, gewissermafen 
vicariierend, die sekretorischen Funktionen, die Absonderung zur 
Verteidigung geeigneter fliissiger Sekrete in den Vordergrund 
tritt: das ist eine Erscheinung von gréftem Interesse. 

Wir lernen zum mindesten das aus derselben, da’, mag der 
Formgestaltungstrieb auch eine unendliche Fiille der verschieden- 
artigsten Gebilde gezeitigt haben, der Weg, den die Ausbildung 
der Sinne, d. h. die Entwickelung der Psyche gegangen ‘ist, ein 
einfacher, gradliniger ist. 


Eine zweite, nicht minder interessante Frage, zu deren Be- 
antwortung das Studium des Mantelrandes der Acephalen die 
Moglichkeit gewihrt, ist die des Verhaltnisses zwischen 


Lichtempfindung und Lichtempfindlichkeit. 


Seit den Zeiten von Port hat das Bestreben geherrscht, bei 
den Acephalen Sehorgane nachzuweisen. Witu (49) hat an Re- 
prisentanten fast aller Familien Augen beobachtet, an denen er 
ziemlich alle Teile des Vertebratenauges gefunden zu haben be- 
hauptete. Die Bedeutung, die man den Wiuw’schen Angaben bei- 
ma, erhellt unter anderem daraus, daf sie in das Lehrbuch von 
StesoLp tibergegangen sind. Bald aber, durch Anwendung bes- 
serer Untersuchungsmethoden und bei kritischerem Verhalten der 
Forscher, schrumpften die Resultate der Wu.w’schen Arbeit fast 
zu nichts zusammen, denn nahezu bei allen Muscheln, die er 
untersucht hatte — Pecten und Arca ausgenommen — erkannte 
man die Abwesenheit kompliziert gebauter Sehorgane. 

Damit indessen war der Neigung, fiir die Muscheln Substrate 
des Gesichtssinnes nachzuweisen, keineswegs ein Ziel gesetzt; 


BD? Dr. Bernhard Rawitz, 


man schraubte nur die Anspriiche an die Struktur wie an die 
Funktion des Substrates zuriick. Es wurde einerseits nicht mehr 
als notwendig betrachtet, besondere dioptrische Apparate und 
lichtempfindliche, mit Nervenfasern versehene Bildungen zu finden ; 
es geniigte vielmehr vollkommen, wenn man Epithelzellen zeigen 
konnte, die pigmenthaltig waren und deren cuticularer Saum dick 
und hell erschien. Andererseits glaubte man eine Gesichtsempfin- 
dung, ein Sehen schon da konstatieren zu kénnen, wo angeblich 
»exakte“ Versuche eine Empfindlichkeit der Tiere auf Lichtreize 
darzuthun schienen. So konnten SHarp, Ryper, Parren und 
Drost eine Lichtempfindung, ein Sehen Tieren zuschreiben, 
denen Augen von zusammengesetztem Baue vollkommen fehlen. 

Es wurden diese Angaben wiederum, wie die W1ILL’schen, 
kritiklos geglaubt, ohne allerdings in Lehrbiicher tiberzugehen, 
weil sie anscheinend mit gewissen Vorstellungen in bester Uber- 
einstimmung standen, welche iiber die Phylogenese des Gesichts- 
sinnes im Schwange sind. Es reihten sich die Beobachtungen 
der genannten Forscher ganz vortrefilich dem Gedankengange an, 
daf Augen, im eigentlichen Sipne des Wortes, sich im Laufe der 
Stammesentwicklung der Tiere aus indifferenten Pigmentzellen 
herausgebildet haben miissen. 

Kine Stiitze schien die Annahme eines auch bei augenlosen 
Muscheln vorhandenen Sehvermégens durch die Beobachtung von 
RAPHAEL DuBois zu gewinnen, da Pholas dactylus, die eigent- 
licher Augen entbehrt, einen hohen Grad von Lichtempfindlichkeit 
zeigt. Dupors nannte die hier beobachtete Erscheinung, wenn 
ich nicht irre als der Erste, ,,photodermatische Funktion’S und 
sprach von dem dieselbe bewirkenden Mechanismus als einem 
Mechanismus des Sehens, ,,de la vision’. Von einer anderen Seite 
ist diese Funktion mit dem Namen der _ ,,dermatoptischen“ belegt 
worden und damit schirfer, als bisher, der Auffassung Ausdruck 
gegeben, daf es sich bei all den augenlosen Muscheln, welche 
angeblich oder wirklich auf Licht reagieren, um einen Akt des 
Sehens handelt. 

Der fundamentale logische Irrtum, der den Ansichten von 
SHaArP, RypEer, Parren, Drosr und Dusors zu Grunde liegt, 
beruht in einer Verwechselung von Lichtempfindlichkeit und 
Lichtempfindung. Diese Begriffsverwirrung tritt besonders in 
einem kiirzlich erschienenen kritischen Essai von WILLEM !) zu- 


1) Vicrok Wittem: Sur les perceptions dermatoptiques; résumé 
historique et critique: in Bulletin scientifique de la France et de la 


Der Mantelrand der Acephalen. 293 


tage, der meint: ,,que les excitations lumineuses, excitations nor- 
males des téguments, différant essentiellement des ébranlements 
dis au contact, 4 la chaleur, donnent naissance dans le sensorium 
i des sensations qui, par le fait méme que leur apparition est 
une conséquence fatale de ces excitations lumineuses, possédent 
un caractére propre, qui les distingue des sensations de douleur, 
de chaud, de froid. Ce caractére en fait, en d’autres termes, de 
véritables sensations optiques“ (p. 341). 

Dal von ,,optischen Empfindungen“, von einem ,,Sehen“ bei 
den augenlosen, lichtempfindlichen Muscheln nicht gesprochen 
werden darf, will ich in den folgenden Zeilen nachweisen. 

Als Ausgangspunkt und Grundlage meiner Erérterungen seien 
einige Saitze angefiihrt, welche sich in dem ,,Handbuche der Phy- 
siologie des Menschen‘ von JOHANNES MULuer finden. Es heift 
in Band II, Buch V, Abschnitt 1, Kap. 1 (p. 280/81 der Ausgabe 
yom Jahre 1840): ,,Es ist hier der Ort, einige falsche Vorstellun- 
gen zu widerlegen, die man sich hin und wieder aus Unkenntnis 
der zum Sehen notwendigen physikalischen Bedingungen macht. 
Man stellt sich oft vor, da’ es Tiere gebe, die Lichtempfindung 
durch die Haut haben. Es ist nicht zu bezweifeln, da manche 
niedere Tiere, welche gegen den Einfluf’ des Lichtprinzips rea- 
gieren, keine Augen haben .... Was nun die Reaktion niederer 
Tiere ohne Augen gegen das Licht betrifft, so liegen keine That- 
sachen vor, welche beweisen, dal diese Tiere durch die Haut oder 
die ganze Oberflache ihres Kérpers vom Prinzip des Lichtstottes, 
oder von den Undulationen dieses Prinzips wirklich die Licht- 
empfindung und nicht eine andere Empfindung haben. Wir empfin- 
den vom Prinzip des Lichtes auch etwas durch die Haut, nimlich 
Warme, aber wir haben keine Lichtempfindung davon, deren, wenn 
wir den Thatsachen folgen wollen, nur der Sehnerve fahig ist. 
Von dieser Art mégen die Reaktionen niederer ‘Tiere ohne Augen 
gegen das Licht sein...... GRUITHUISEN ..... nimmt an, 
dai jede dunkle Stelle der Haut einigermafen mit der Natur 


Belgique publié par Giarv, Tome XXIII, 1891. Zu meiner Ver- 
wunderung hat der Autor, dem ich fiir die Ubersendung eines Sonder- 
-abdruckes zu Danke verptlichtet bin, in seiner historischen Ubersicht 
ein Werk vollstiindig vernachlissigt, das nicht nur fiir die Frage des 
Heliotropismus der Protozoen, sondern auch fiir alle anderen physio. 
psychologischen Vorgiinge dieser niedersten Tiere von hervorragender 
Bedeutung ist. Ich meine das Werk von Verworn: Psycho-physio- 
logische Protistenstudien. Jena 1889. 


294 Dr. Bernhard Rawitz, 


eines Sehorganes in Beziehung stehe, weil sie mehr Licht absor- 
biert. Dies ist offenbar unrichtig; denn die erste Bedingung zum 
Sehen ist die spezifische Sensibilitat des Nerven und dafi der zum 
Sehen dienende Nerve kein Gefiihlsnerve sei.“ 

Analysieren wir nunmehr die als Sehen gedeuteten Erschei- 
nungen bei den augenlosen Muscheln. 

Schon im ersten Teile der Arbeit (p. 42/43 d. S.-A.) konnte 
ich darthun, dafi die von Parren, RypER und SHarp behauptete 
Sehfunktion bei Ostrea nicht vorhanden ist. Von den wtbrigen 
Muscheln, die ich untersucht habe, besitzt Cardium edule Ein- 
richtungen, die eine Lichtempfindlichkeit dieser Species 
héchst wahrscheinlich machen. Thatsiichlich nachgewiesen ist diese 
Eigenschaft aber nur bei Pholas dactylus. Im ersten Abschnitte 
dieses Teiles der Arbeit ist ausfiihrlich dargestellt worden, wie 
sich Pholas auf Lichtreize verhilt. Berechtigt aber dies Verhal- 
ten uns dazu, hier von einem Sehen zu sprechen, wie Dusois und 
Wittem meinen? Erkennen wir die Richtigkeit der obigen Siatze 
von JOHANNES MULLER an, dann sicherlich nicht. 

Bei Pholas ist allerdings vollstandig ausgeschlossen, da8 durch 
die Belichtung eine Warmeempfindung hervorgerufen werden kénne. 
Denn die Reaktion des Tieres erfolgt so schnell, selbst wenn eine 
betrichtliche Wasser- und Luftsiule zwischen ihm und der Licht- 
quelle sich befindet, da8 eine Temperaturverinderung sicher noch 
nicht erfolgt sein kann, wenn die Lichtwirkung sich zeigt. Es 
ist also ein thermischer Effekt nicht anzunehmen. Darum aber, 
weil das Licht als solches das Tier beeinflu8t, wird es durchaus 
noch nicht als Licht, als ,,Undulationen des Prinzips‘‘ wahrgenom- 
men, die Lichtwirkung nétigt keineswegs zur Annahme einer 
Lichtem pfindung, zur Annahme, da ein ,,Sehen“ statthat. 

, sehen“ ist, physiologisch gesprochen, eine durch Licht be- 
dingte Zustandsinderung in besonders differenzierten epithelialen 
Elementen, die durch Nervenfasern, welche mit jenen in direkter 
Verbindung stehen, zu einem Centrum weiter geleitet und dort 
perzipiert wird. Sind solche differenzierten Epithelien nicht vor- 
handen, oder fehlt die centripetale Nervenverbindung, so kann 
auch kein Sehen zustande kommen, selbst nicht in der primitivsten 
Form, in einem blofen Wahrnehmen der Unterschiede von hell: 
und dunkel, wenn wir iiberhaupt dies schon ein physiologisches 
Sehen zu nennen berechtigt sind. Denn fehlen die Epithelien, 
dann kann der Lichtstrahl nicht wirken, und fehlen die Nerven, 
dann kann die Wirkung sich nicht fortpflanzen. 


Der Mantelrand der Acephalen. 225 


Zum ,,Sehen“ gehért aber noch ferner die Konzentrierung der 
Aufmerksamkeit auf die im Bildfelde des Sehorganes vorhandenen, 
das Sehorgan erregenden Gegenstainde plus der Abstraktion, d. h. 
der Erkennung eines Objektes auferhalb des Sehenden. Die op- 
tische Erregung allein, ohne die Thiatigkeit der sogenannten Psyche, 
ist noch kein eigentliches Sehen. Wenn man in’s Weite stiert, d. h. 
seine Accommodation auf die Unendlichkeit eingestellt hat, dann 
werden auf der Netzhaut alle im Bereich der Sehachsen liegenden 
Objekte abgebildet, wir ,,sehen“ aber noch nicht. Erst wenn die 
Aufmerksamkeit auf einen Punkt gerichtet wird, die Accommodation 
also in Thatigkeit tritt, kommt zum blofen Wahrnehmen die Ab- 
straktion hinzu, und erst dann kénnen wir sprechen: wir sehen. 

Diese scharfe Umgrenzung des physiologischem Aktes des 
,sehens“ einerseits und ihre Gegensitzlichkeit zur blofen Licht- 
empfindlichkeit andererseits sind eigentlich selbstverstandlich, und 
es kénnte daher fast iiberfliissig erscheinen, daf ich sie tiberhaupt 
hervorgehoben. Indessen die fundamentale Verwechselung, welche 
die oben genannten Autoren bis einschlieflich WitLem begangen 
haben, darf wohl als meine Rechtfertigung gelten. 

Von einem Sehen, wie es eben definiert wurde, kann aber weder 
bei Pholas, noch bei irgend einer anderen augenlosen Muschel 
die Rede sein, ,,denn“, um den Satz von JoHANNES MULLER zu 
wiederholen, .,die erste Bedingung zum Sehen ist die spezifische 
Sensibilitét des Nerven und daf der zum Sehen dienende Nerve 
kein Gefiihlsnerve sei‘‘. Ein spezifischer Nerv aber ist bei Pholas 
und bei Cardium — die anderen Muscheln fallen tiberhaupt bei 
dieser Betrachtung aus — nicht vorhanden, ebenso fehlen spezi- 
fische Epithelien. 

Aber, so kénnte man mir einwenden, wenn bei den genannten 
Muscheln auch kein wirkliches Sehen stattfindet, so kann doch 
eine Lichtempfindung, eine Empfindung der ,,Undulationen des 
Prinzips‘ vorhanden sein. Dieser Einwand wire nicht  stich- 
haltig. Damit Licht empfunden werde, miissen die Atherschwing- 
ungen rein, ohne chemische und thermische Nebenwirkungen sich 
entfalten kénnen. Das ist aber bei Pholas und Cardium unmég- 
lich, weil an den Stellen, welche als die peripheren Sitze der 
Lichtwahrnehmung betrachtet werden, sich nur Pigmentzellen fin- 
den, und diese leiten kein Licht, sondern absorbieren es. Durch 
die Absorption der Strahlen ist aber die Empfindung des Lichtes 
— und diese letztere ist die Vorbedingung des Sehens — ausge- 
schlossen. Damit Licht — Licht bleibt, muf es auf Gebilde tref- 


Bd. XXVII, N. F. XX. . 15 


226 Dr. Bernhard Rawitz, 


fen, welche die Lichtwellen fortpflanzen, also Gebilde, in denen 
selber Schwingungen, ahnlich denen des Lichtathers, hervorgerufen 
werden kénnen. Wenn aber ein Bestandteil des tierischen Kérpers 
zu dieser Funktion nicht geeignet ist, so ist es das Pigment, wel- 
ches durch Aufsaugen des Lichtes dessen Schwingungen in ganz 
andere Bewegungen umsetzt. 

Fiir die meisten Falle trifft die Bemerkung von JOHANNES 
MULLER zu, dafi die auf der Haut durch das Licht bedingten 
Empfindungen Warme sein werden; bei Pholas (und auch bei 
Cardium ?) werden sich infolge einer besonderen Molekularstruktur 
des Pigmentes andere, chemische Wirkungen entfalten, die aber 
niemals als eine Lichtempfindung betrachtet werden diirfen. 

Lichtempfindend also ist Pholas, sind die anderen Mu- 
scheln nicht, und es ist daher unlogisch, wenn Dusors hier von 
einem Mechanismus ,,de la vision“, WILLEM von ,,perceptions der- 
matoptiques“, Parren, RypDER und SHARP von ,,primitive visual 
organs“ sprechen. Dagegen ist Pholas lichtempfindlich, d. h. 
Lichtstrahlen, welche auf bestimmte Teile der K6rperoberfliche 
dieses Tieres fallen, bewirken eigentiimliche, nicht niher erkenn- 
bare Veraénderungen in dem Pigmente seiner Zellen, die von dem 
Tiere, wie aus den charakteristischen Bewegungen hervorgeht, 
empfunden werden. Eine Lichtwirkung haben wir hier, die einen 
der Warmeempfindung analogen, wenn auch damit nicht iden- 
tischen Effekt hervorruft. Daf iibrigens nicht jedes Pigment durch 
Licht in seiner Zusammensetzung alteriert wird, also nicht jedes 
lichtempfindlich ist, beweisen die anderen Siphoniaten, die auf 
Beleuchtung nicht reagieren (cfr. diesen Teil p. 161). 

Die Ursache der Begriffsverwechselung jener Autoren beruht 
offenbar in einer Uberschatzung der Bedeutung des Pigmentes fiir 
das Sehen, die ihren absurdesten Ausdruck in der Arbeit von 
SHARP (43) gefunden hat. Pigment ist fiir das Sehen, d. h. fiir 
die Lichtwahrnehmung, nur von accessorischer Bedeutung, denn 
es ist in wirklichen Sehorganen stets so angebracht, daf es tiber- 
schiissige Lichtmassen absorbiert und so die Licht perzipierenden 
Elemente vor zu groSer Erregung schiitzt. Mit dem Sehakte als 
solchem aber hat es nicht das Geringste zu thun. Es kann be- 
kanntlich, wenn auch nur in pathologischen Fallen, ganz fehlen, wie 
die Augen der Albinos beweisen. 

Wir miissen also sagen, dafi in Pigmentflecken oder Pigment- 
zellen niemals eine Lichtempfindung, ein Sehen zustande kommen 


Der Mantelrand der Acephalen. 227 


kann, und haben daher auch nicht das Recht, solche Zellen oder 
Flecke als ,,primitive Sehorgane“ zu bezeichnen. 

Damit soll aber durchaus nicht geleugnet sein, daf im Laufe 
der Stammesgeschichte der Tiere komplizierte Augen aus einfachen 
Pigmentzellen sich herausgebildet haben kénnen. Es ist vollkom- 
men richtig, wenn HarcKen in seinem Vortrage ,,ber Ursprung 
und Entwicklung der Sinneswerkzeuge’ (Gesammelte populare 
Vortrige, Heft 2, p. 153) sagt: ,,In ahnlicher Weise, wie der 
Hirsinn des Ohres aus dem Tastsinn der Haut, hat sich der 
Lichtsinn des Auges aus dem Wairmesinn der Haut hervor- 
gebildet.* Nur darf man dabei nicht auSer Acht lassen, daf die 
Pigmentzelle oder der Pigmentfleck — der Sitz der Warmewir- 
kung — eine durchgreifende histiologische Umwandlung erfahren 
haben mu, oder aber, was mir wahrscheinlicher diinkt, da gegen 
Licht indifferente Partieen in der nachsten Umgebung des Pig- 
mentes sich zu Licht perzipierenden differenziert und dabei die 
urspriingliche Fanktion des Pigmentes unterdriickt haben. 

Wunderlicherweise betrachtet WiLLEM in seiner angefihrten 
Arbeit die bekannten Erscheinungen des Heliotropismus der Tiere 
als ,,perceptions dermatoptiques“. Seine oben wiedergegebenen 
Worte lassen keinen Zweifel dariiber, daf er den Heliotropismus 
als eine AuSerung optischer Wahrnehmungen auffa8t. Das ist 
ganz irrig. Das, was JOHANNES MiLuer iiber die angebliche 
Lichtempfindung durch die Haut gesagt hat, trifft voll zu auf den 
Heliotropismus, der, wie tibrigens auch Foret nachgewiesen hat, 
nur als Ausdruck der Empfindungen von Warm und Kalt und da- 
mit auch als der Ausdruck individuell verschiedener Lust- und 
Unlustgefiihle zu gelten hat, keineswegs aber auf optische Kin- 
driicke zuriickzufiihren ist. 


15* 


228 Dr. Bernhard Rawitz, 


Erklarung der Abbildungen. 


Tafel I—VII. 


Die Figuren 34 und 35 sind mit der freien Hand entworfen, 
Fig. 54 ist eie Kopie, alle tibrigen sind mit der Abbe’schen Camera 
gezeichnet. 

Es bedeutet: e¢. iufvere, ¢. innere Seite; pr. proximale, dz. distale 
Flache; ecw. Epicuticula; md. Mucindriisen bez. Mucinmassen; gd. Gift- 
driisen bez. Giftmassen; /s. Fiemmine’sche Bindesubstanzzellen; m. 
Muskelfasern. 


Fig. 1—5. Lucinacea. 


Fig. 1. Mittelfalte von Cardita sulcata. Vergr. 325; Bis- 
marckbraun. 

Fig, 2. Randwulst von Cardita sulcata. Vergr. 325; Eur- 
LicH-Bionpi'sches Gemisch; be. Becherzellen. 

Fig. 3. Aufenfliche von Cardita sulcata. Vergr. 325; ge- 
firbt wie Figur 2. 

Fig. 4. Schnitt durch den Mantelrand yon Astarte fusca. 
Vergr. 115; Indigkarmin-Boraxkarmin; ad. acindse Driise; 3d. zusam- 
mengesetzte Driise. 

Fig. 5. <Acindse Driise von Astarte fusca, Vergr. 1000; 
gefarbt wie Fig. 4. 


Fig. 6 und 7, Dreissensia polymorpha. 


Fig. 6. Lingsschnitt einer Siphopapille. Vergr. 420; Orange- 
Himatoxylin; pz. Pigmentzellen; sz. Sinneszellen; 2. Giftmassen im 
Epithel. 

Fig. 7. Epithel der Aufenfliiche des Mantelrandes. Vergr. 400. 


Fig. 8—25. Cardiidae und Glossidae. 


Fig. 8. Aufenfliiche des Atemsipho von Cardium edule. 
Vergr. 400; Orange-Hiimatoxylin. 

Fig. 9. Innenfliche des Atemsipho von Cardium edule. 
Vergr. 1000; Orange-Hiimatoxylin; 44. homogene Korper. 

Fig. 10. Innenfliche des Atemsipho von Cardium edule, 
Vergr. 325; Orange-Himatoxylin, 

Fig. 11. Innenfliche des Atemsipho von Cardium edule 
(Papillarregion). Vergr. 325; Exnruicu-Bronpi’sches Gemisch. 


Der Mantelrand der Acephalen. 229 


Fig. 12. Schnitt durch die Wandung des Atemsipho von Car- 
dium edule. Vergr. 325; Orange-Himatoxylin; pd. acindse Pig- 
mentdriisen. 

Fig. 18. Acindse Pigmentdriise (pd) yon Cardium edule. 
Vergr. 375; Safranin; bei x Miindung derselben. 

Fig. 14. Acindse Pigmentdriise von Cardium edule, Ent- 
worfen bei Zeifi 2 F; Detail gezeichnet bei Zeif homogener apochro- 


mat. Immersion a Okular 8; Indigkarmin-Boraxkarmin. 

Fig. 15. Siphopapille im Lingsschnitte von Cardium edule. 
Vergr. 325; Safranin; so. Seitenorgan; gz. Ganglienzellen. 

Fig. 16. Augenpapille im Langsschnitte von Cardium edule. 
Vergr. 200; Bismarckbraun; pz. Pigmentzellen; s. Septum; =. helle 
Zellen; g=. Ganglienzellen. 

Fig. 17. Augenpapille im Lingsschnitte von Cardium edule. 
Vergr. 790; Exrttcu-Bronpr’sches Gemisch. Bezeichnungen wie 
Fig. 16. 

Fig. 18. Augenpapille im Liangsschnitte von Cardium edule. 
Entworfen bei Zeif 2 F; Detail bei Zeif homogener apochromat. Im- 


mersion Okular 8; Himatoxylin; so. Seitenorgan; die tibrigen Be- 


2,0 
1,30” 
zeichnungen wie Fig. 16. 

Fig. 19. Augenpapille im Querschnitte von Cardium edule. 
Vergr. 420; Gentianaviolett; Bezeichnung wie in Fig. 16. 

Fig. 20. Sipho-Aufenfalte von Cardium edule. Vergr. 325; 
Orange-Hiimatoxylin; Ak. homogene Koérper. 

Fig. 21. Heller Fleck des Mantelrandes von Cardium edule. 
Vergr. 325; Orange-Himatoxylin; be. Becherzellen. 

Fig. 22. Querschnitt einer Siphopapille von Cardium oblon- 
gum. Vergr. 200; Hiimatoxylin; zd. Driise; 2. Nerv. 

Fig. 23. Driise aus einer Siphopapille von Cardium oblon- 
gum. Vergr. 1000; Bismarckbraun. 

Fig. 28. Sipho-Innenfliche von Cardium oblongum. Vergr. 
325; Bismarekbraun. 

Fig. 25. Randwulst von Cyprina islandica. Vergr. 325; 
Exrticu-Bronpr’sches Gemisch. 


Fig. 26—33. Veneridae. 


Fig. 26. Skizze einer Siphopapille von Venus verrucosa, 
frisch in Seewasser untersucht. Vergr. 325. d. Dornen; so. Seiten- 
organ. 

Fig. 27. Sipho-Innenfliche yon Cytherea chione. Vergr. 
115; Exrutcu-Bronni'sches Gemisch; pz. Pigmentzellen. 

Fig. 28. Sipho-AufSenfliche von Cytherea chione. Vergr. 
115; Orange-Hamatoxylin; a. Driisenausfiihrungsginge. 

Fig. 29. Randwulst von Cytherea chione. Vergr. 325; 
Bismarckbraun. 

Fig. 30. Innenfliche des Atemsipho von Venus gallina. 


Entworfen bei Zeifi 2 F, Detail bei Zeifé homogener apochromat, Im- 
2,0 


mersi sk 
ersion Ty 


Okular 8; Enrutca-Bronpi’sches Gemisch. 


230 Dr. Bernhard Rawitz, 


Fig. 31. Aufenfliiche des Analsipho von Venus gallina. 
Entworfen bei Zei® 2 F, Detail bei Zeifi’ homogener apochromat. Im- 
2,0 
1,30? 

Fig. 32. Siphopapille im Liangsschnitte von Tapes decus- 
cata. Vergr. 1000; Orange-Himatoxylin; so. Seitenorgan; sz. Sin- 
neszellen. 

Fig. 83. Sipho-Aufenfliche von Tapes decussata. Vergr. 
3825; Bismarckbraun; zr. Sekrettropfen im Epithel. 


mersion Okular 8; Indigkarmin-Boraxkarmin; sz. Sinneszellen. 


Fig. 34—38. Tellinacea, 


Fig. 34. Siphopapille von Psammobia vespertina, frisch 
untersucht. Vergr. 325; d. die dreiteiligen Sinnesorgane. 


Fig. 35. Dreiteiliges Sinnesorgan von Psammobia vesper- 
tina, Mazerationspréparat. Vergr. 790. 

Fig. 36. Querschnitt durch den Atemsipho von Psammobia 
vespertina. Vergr. 14; so. Organe der Seitenlinien; 2. Nerven- 
stamme. 

Fig. 37. Organ der Seitenlinien von Psammobia vesper- 
tina. Entworfen bei Zeif 2 F, Detail bei Zeifi homogener apochro- 


RY 
mat. Immersion [35 
Seitenorgan; A. Sinneshaare (zerstért); sz. Sinneszellen; gs. Ganglien- 
zellen; x. Nervenfasern. 


Okular 8. Chromosmiumessigsiure-Holzessig; so. 


Fig. 38. Léngsschnitt durch eine Siphopapille von Donax 
trunculus. Vergr. 200. Orange-Hamatoxylin. 


Fig. 39—53. Myacea. 


Fig. 39. Querschnitt durch den Atemsipho von Solecurtus 
strigillatus. Vergr. 7; Haimatoxylin; m,. Constrictor-, m,. Retrac- 
torfasern; z. Nervenstémme. 

Fig. 40. Seitenorgan der Aufenfliche am Atemsipho von Sole- 
curtus strigillatus. Vergr. 420; Hamatoxylin; so. Seitenorgan ; 
n. zerstérte Sinneshaare; sz. Sinneszellen; gz. Ganglienzellen; n. Ner- 
venfasern. 

Fig. 41. AufSenwand des Atemsipho von Solecurtus stri- 
gillatus. Vergr. 325; Héamatoxylin; Detail gezeichnet bei Vergr. 
790. 

Fig. 42. Innenwand des Atemsipho von Solecurtus stri- 
gillatus. Vergr. 115; Hiimatoxylin; md,. Schleimmassen. 

Fig. 43. Mantelrand von Solecurtus strigillatus. Vergr. 
7; Orange-Hiaimatoxylin. 

Fig. 44. Aufenwand des Atemsipho von Solen vagina. 
Vergr. 325; Alaunkarmin; sz. Sinneszellen; x. Karyokinese. 

Fig. 45. Innenwand des Atemsipho yon Solen vagina. 
Vergr. 325; Bismarckbraun. 

Fig. 46. Branchiale Flache des Mantelrandes von Solen va- 
gina. Vergr. 200; Bismarckbraun. 

Fig. 47. Teil eines Schnittes durch eine Siphopapille der 


Der Mantelrand der Acephalen. 231 


diuferen Reihe von Lyonsia arenosa. Vergr. 790; Eosin-Himato- 
xylin. 

f Fig. 48. Schnitt durch das Septum der Siphonen yon Lyonsia 
arenosa. Vergr. 200; Exnruiica-Bronpi’sches Gemisch; 6s. Bran- 
chial-, es. Kloakensipho; dr. Branchialraum. 

Fig. 49. Innenfliche des Atemsipho von Mactra stultorum. 
Vergr. 325; Bismarckbraun. 

Fig. 50. Teil eines Schnittes durch den Mantelrand (ventrale 
Fliche) von Mya arenaria. Vergr, 325; Bismarckbraun; 6. Binde- 
substanz; die Epicuticula ist entfernt. 

Fig. 51. Epithel der Aufenflache des Mantels von Mya are- 
naria. Vergr. 585; Orange-Hamatoxylin. 

Fig. 52. Branchiale Flache des Mantelrandes von Mya are- 
naria, Vergr. 1000; Orange-Himatoxylin; 44. homogene Korper. 

Fig. 53. Mucindriise am Fufschlitze von Mya arenaria. 
Vergr. 325; Indigkarmin-Boraxkarmin; md,. Mucinmassen zwischen 
den Epithelzellen. 


Fig. 54—58. Pholadacea. 


Fig. 54. Leuchtorgane von Pholas dactylus, Kopie nach 
PancerI. a. Organe des vorderen Mantelrandes; 6. die dreieckigen 
Organe; ec. die siphonalen Organe. 

Fig. 55. Schnitt durch die lichtempfindliche Pigmentregion der 
Sipho-Aufenwand yon Pholas dactylus. Entworfen bei Zeif 2 F, 


Detail bei Zei® homogener apochromatischer Immersion ae Okular 8. 
Die Einzelheiten der Muskelfasern m. in der Nahe des pigmentierten 
Epithels sind nach einem in Orange-Hamatoxylin gefiarbten Pri- 
parate hineingezeichnet; man sieht dieses Detail nicht in Alaun- 
karminpraparaten, nach deren einem die Figur gezeichnet ist. Hierin 
treten aber die Sinneszellen sz. und ihre Nervenfiden xf. klarer als 
sonst hervor. 

Fig. 56. Querschnitt durch die Siphonen von Pholas dac- 
tylus. Vergr. 7; Bismarckbraun; bs. Branchial-, cs. Kloakensipho; 
1. Leuchtorgane; ep. Wimperepithel der gegeniiberliegenden Seite; 
n. Nerven; g. Gefiibe; m,. Retractor-, m,. Constrictorfasern. 

Fig. 57. Siphonales Leuchtorgan von Pholas dactylus. Vergr. 
265; Orange-Himatoxylin. 

Fig. 58, Epithel und Driisen der den siphonalen Leuchtorganen 
gegentiberliegenden Stelle von Pholas dactylus. Vergr. 825; 
Orange-Himatoxylin. 


Fig. 59—65. Epicuticulabildung. 


Fig. 59. Arca Noae. Entworfen bei Zeif 2 F, Detail bei 


- 2,0 
Zeib homogener apochromat. Immersion 55, Okular 8. Boraxkarmin. 


Fig. 60. Arca barbata. Vergr. und Firbung wie Fig. 59; 
pt. Pigmentepithel; ep. Epicuticulaepithel. 

Fig. 61. Mytilus edulis. Vergr. wie Fig. 59; 61a. ep. Epi- 
cuticulaepithel; 610. ep. Epicuticulaepithel; z. parallele Streifung; 


232 Dr. Bernhard Rawitz, Der Mantelrand der Accphalen. 


y. Mittelschicht; z. Aufenschicht; 61c. Bezeichnungen wie in 4; 
r. Einbuchtungen. Orange-Hamatoxylin. 

Fig. 62, Mytilus edulis. Doppelte Epicuticula; cfr. Text; 
skizziert bei Vergr. 85; Eosin-Himatoxylin. 

Fig. 63. Cyprina islandica. Vergr. 115; Orange-Hamato- 
xylin; as. Auffenschicht; zs. Innenschicht. 

Fig. 64. Cardium edule. Vergr. 325; Bismarckbraun; Be- 
zeichnungen wie Fig. 63. 

Fig. 65. Dreissensia polymorpha. Vergr. 200; Bismarck- 
braun; dz. Diatomeenschalen. 


Untersuchungen tiber die mikroskop. Fauna Argentiniens. 


Uber einige argentinische Gregarinen. 


Ein Beitrag zur Organisation und Physiologie der Gregarinen 
tiberhaupt. 


Von 
Prof. Johannes Frenzel. 


Mit Tafel VIII. 


Die nachfolgende Mitteilung hat in faunistischer Hinsicht 
insofern einen geringeren Wert, als es nur wenige Gregarinen 
sind, welche ich aufzuzihlen imstande bin. Dies liegt wohl nicht 
daran, daf in hiesigen Arthropoden und Wiirmern weniger von 
diesen Schmarotzern leben sollten als an anderen Orten der Erde. 
Allein der Zufall mochte dabei eine Rolle spielen, daf gerade die 
Tiere, welche mir in die Hinde fielen, ein negatives Resultat er- 
gaben, welches sich freilich in manchen Punkten gedndert hatte, 
wenn ich meine Aufmerksamkeit in héherem Mafe darauf hatte 
richten kiénnen, und wenn iiberhaupt die hiesige Fauna eine reich- 
haltigere und mannigfaltigere ware. 

Das Wenige, was ich vorlaufig bieten kann, laf%t nun auf 
den ersten Blick erkennen, dass die hier lebenden Gregarinen in 
allen wesentlichen Punkten mit den schon bekannten Formen 
Europas iibereinstimmen, wie wir dies ja auch von den nord- 
amerikanischen!) wissen; ferner fand ich in der kosmopoliten 


1) Jos. Lerpy, On several Gregarines, and a singular mode of 
conjugation of one of them. Proceed. of the Academy of Natural 
Sciences of Philadelphia, 1889 Januar, — und Andere. 


234 Johannes Frenzel, 


Blatta wie auch in einer Blaps-Art nicht selten Gregarinenarten, 
welche mir véllig mit denen der Gattungen Clepsidrina und Stylo- 
rhynchus iibereinzustimmen schienen. Diese wiirden mithin eben- 
falls als kosmopolit anzusehen sein. 

Es wiirde nun vielleicht zwecklos erscheinen, die wenigen 
nachfolgenden Arten in einer besonderen Publikation zu behandeln. 
Sie boten jedoch in ihrer Organisation manche bemerkenswerten 
Kigentiimlichkeiten dar, welche deshalb eingehender besprochen 
sein mégen, als sich Homologa und Analoga dazu wohl auch 
an anderen Stellen finden werden, und vielleicht eine weitere 
Verbreitung haben. 

Es sind nachfolgende Insekten als Wirtstiere der Gregarinen 
autzufiihren: Dermestes vulpinus Fapr. u. D. peruvianus CASTELN, 
Corynetes ruficollis F. (?), Statira unicolor BLAncu., Blabera Cla- 
raziana Sauss. und Panchlora exoleta Kiue. 

Nutzlos wiirde es sein, die zahlreichen Insekten aufzuzahlen, 
welche ich ohne Erfolg untersuchte; von Interesse aber ist es viel- 
leicht, daf sich darunter besonders viel Phasmiden und Mantiden 
befanden, welche nach Bi'rscHi1!) bis jetzt tiberhaupt noch keine 
Gregarinen geliefert hatten. Es ist mithin sehr wahrscheinlich, 
daf diese Familien niemals oder sehr selten zu Gregarinenwirten 
werden. 

Wie schon friiher?), so habe ich es auch jetzt unterlassen, 
neve Gattungsnamen aufzustellen, da mir die Summe der Merk- 
male hierfiir nicht geniigend erschien. Die nachfolgenden Arten 
seien daher vorlaufig in der Sammelgruppe Gregarina vereinigt, 
mit Ausnahme der letzten, welche ohne Zweifel mit der schon 
bekannten Pyxinia rubecula HAmMMERScHM. nahe verwandt ist. 


Polycystidea. 
1. Gregarina statirae n. sp. (Fig. 1 bis inkl. 15.) 


Langlich-walzenférmig (jung) bis kugelig (er- 
wachsen). Geringe Differenzierung von Ekto- und 
Entoplasma, kein Sarkocyt. Protomerit kugelig 
(jung) bis kuppenférmig (erwachsen), vorne hell und 
kérnerfrei, in der Jugend mit kleinem, zapfenfor- 


1) O. Btrscu1t1, Protozoa, Bd. I, I. Abteilung, Leipzig 1880— 
82, p. 583, 

2) Jon. Frenzet, Uber einige in Seetieren lebende Gregarinen. 
Arch. f, mikroskop. Anatomie, Bd. 24, p. 545 ff. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 235 


migem Epimerit. Kern blaschenférmig mit maul 
beerartigem Kernkérper (Morulit). 

Vorkommen: Mitteldarm von Statira unicolor 
BLancH. — Cordoba (Argentinien). 

Wegen der Beschaffenheit des Epimerits kénnte man wohl 
berechtigt sein, diese Gregarine der Gattung Clepsidrina unter- 
zuordnen. Da mir aber iiber die Art und Weise der Fortpflan- 
zung, die ja bei diesem Genus sehr genau studiert ist, nichts be- 
kannt geworden ist, so machten sich doch manche Bedenken gel- 
tend, welche schlieBlich die Einordnung unter der Rubrik ,,Gre- 
garina’’ veranlafBten. Auch Letpy') hat seine in Hoplocephala 
bicornis gefundene G. microcephala, deren auferes Ansehen nicht 
unahnlich ist, eben dorthin gestellt. 

Die Gré&e unserer Gregarine kann eine recht betrachtliche 
werden. Manche Individuen messen ca. 0,3 mm bis 0,35 mm in 
der Lange und fast 0,2 mm in der Breite. 

Es finden sich dann meist zwei gleich grofe und gleich be- 
schaffene Individuen konjugiert, von denen jedes fast kugelférmig 
ist, besonders das hintere, da dessen Protomerit ganz flach ge- 
driickt ist (Fig. 1). Zuweilen, aber doch recht selten, trifft man 
auch ein einzelnes, nicht konjugiertes Individuum an, das 
dann gleichfalls Kugelgestalt hat. Es mag sein, daS es einst 
konjugiert war und sich wieder getrennt hat. Auf keinen Fall 
ist aber anzunehmen, dafi es aus der Verschmelzung zweier 
Individuen hervorgegangen sei. Ebensowenig ist zu vermuten, 
dafi es bei der Praéparation mechanisch losgerissen sei, da hier 
die Syzygien einen sehr festen Verband bilden. 

Derartige Riesenformen sind im allgemeinen nicht haufig in 
einem und demselben Darm. In der Regel vergesellschaften sie 
sich vielmehr mit kleineren, welche etwa 0,16 bis 0,20 mm lang 
sind. Der Kern dieser Formen ist dann ca. 0,025 bis 0,03 mm. 
Andere, noch kleinere messen ca. 0,08 mm; ihr Kern ca. 0,016. 
Wenn sich das Protomerit deutlich vom Deutomerit getrennt zeigt 
(Fig. 12), haben sie eine Linge von 0,02 bis 0,025 mm. Sie sind 
dann noch nicht konjugiert, sondern sitzen in einer Darmzelle 
etwas eingesenkt. Die kleinsten Formen, welche mir zu Gesicht 
kamen, waren fast kubisch und mafen héchstens 0,014 mm 
(Fig. 13). 


1) Jos. Lemy 1, c, Ac. Nat, Sc, Philad. 1889, p. 11. 


236 Johannes Frenzel, 


Die aufere Gestalt dieser Gregarinen ist, wie wir schon 
sahen, im erwachsenen Zustande eine fast kugelige (Figg. 
1, 4, 9), oft eine allseitig abgerundete ohne hervortretendes Proto- 
merit (Fig. 4). Eine ganz abnliche Form haben die jiingsten In- 
dividuen, namlich eine annahernd isodiametrische (Fig. 13). Doch 
sind sie nicht allseitig abgerundet, sondern vielmehr napf- oder 
tassenfomig, indem zumeist der dem Protomerit entsprechende 
Vorderteil ein wenig verbreitert erscheint. Beim fortschreitenden 
Wachstum tritt nun eine bedeutende Lingsstreckung ein, so daf 
jetzt sogar die absolute Dicke sich etwas verringern kann und 
auch weiterhin im Wachstum zuriickbleibt, infogedessen nun eine 
langlich-walzenformige Gestalt entsteht (Figg. 3, 8, 12). Ja, die 
sich eben erst konjugierenden Gregarinen kénnen sogar recht 
schlank aussehen und etwa 3- bis 4mal so lang als breit sein. 
Dann aber, oder meist schon vor erfolgter Konjugation nimmt 
ihr Breitendurchmesser stetig zu (Fig. 2), bis er, wie schon er- 
wahnt, den der Lange erreichen oder in selteneren Fallen sogar 
noch tibertreffen kann (Fig. 4). 

Der Querschnitt scheint immer ein Kreis zu sein. Eine 
Bandform lief sich nie nachweisen, wenn nicht vielleicht bei sehr 
grofen Exemplaren durch auBeren Einflu8 eine leichte Abflachung 
eintritt. 

Das Protomerit ist immer klein und erreicht auch in der 
Jugend nicht so bedeutende Dimensionen, wie es an anderen Orten 
wohl der Fall ist. Zwar ist es zuerst, wie wir sahen, breit an- 
gelegt, aber dabei doch sehr flach (Fig. 13). Schon kurz vor 
der Bildung der Scheidewand ist es etwa kugelig und bleibt so 
waihrend der Anfangsstadien der Konjugation (Figg. 12, 3, 2, 7). 
Dann jedoch machen sich Veranderungen geltend, welche weiterhin 
zu besprechen sein werden. 

Das Epimerit tritt schon vor Entstehung der Scheide- 
wand auf (Fig. 8). Es hat eine kurze cylindrisch-zapfenformige 
Gestalt, indem es am freien Vorderende abgerundet ist. Es kann 
daher nicht besonders tief in die Mitteldarmzelle des Wirttieres 
eingesenkt werden, sondern verhalt sich ebenso wie das gleiche 
Organ der Clepsidrina Blattarum!). Bald nach dem Lostrennen 
des Parasiten und kurz vor der Konjugation besteht es nur noch 
aus einem kleinen knopfférmigen Zapfchen, eine Erscheinung, die 
uns spaterhin weiter beschaftigen soll (Fig. 2). Den Syzygien 


1) Bérscut1, Protozoa, Bd, I 1, c., Taf. 35, Fig. 9. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 237 


fehlt es natiirlich, und zwar schon von Anfang an (Fig. 3), woraus 
zu schliefen ist, daf es entweder vor oder, was weniger wahr- 
scheinlich, wihrend der Konjugation zu Grunde geht. 

Die Cuticula mag an dieser Stelle etwas ausfiihrlicher be- 
handelt werden, da iiber dieses so einheitliche Organ der Gre- 
garinen einige Kontroversen obwalten, die aber méglicherweise 
ihre natirliche Begriindung haben. Denn wie dieses nicht iiber- 
all denselben Bau und dasselbe Aussehen zeigt, so bleibt seine 
chemische Zusammensetzung vielleicht auch nicht iiberall die- 
selbe. So kénnte man wohl vermuten, daf die Cuticula einer 
darmbewohnenden Gregarine einen héheren Grad von 
Widerstandsfahigkeit haben miisse, als die einer solchen, die im 
Leibesraum ihres Wirtes gedeiht, oder da’ sie, was auf dasselbe 
hinauskommen kénnte, in jenem Falle mit einem Antienzyme 
behaftet sei, welches sie gegen die Einwirkung der Enzyme des 
Mitteldarmes immun mache, wie an einer anderen Stelle ausfiihr- 
licher erértert worden ist '). 

Man kénnte sogar noch weitergehen und der Cuticula der 
Mitteldarm-Gregarinen spezifische Unterschiede zuschreiben, 
da ja diese Parasiten nicht ihren Aufenthalt nach Belieben ver- 
tauschen kénnen, auf einen bestimmten Wirt angewiesen sind und 
endlich, in einen anderen verpflanzt, zu Grunde gehen wiirden, 
gerade wie es etwa bei den Bandwiirmern der Fall ist. Trotzdem 
kann ja die Cuticula grofe Ubereinstimmungen zeigen, wie sie 
z. B. im allgemeinen eine hohe Widerstandsfahigkeit gegen che- 
mische Insulte besitzt. Nach dem Berichte Bircanurs (1. ¢. p. 508) 
soll sie, wie AIME SCHNEIDER fand, in Essigsiure und Ammoniak 
leicht léslich sein, waihrend K6OLLIKER das erstere nur teilweise 
konstatieren konnte. Ich (1. c. Seegregarinen, p. 581) hatteyschon 
friiher, bei einer ganzen Anzahl von Gregarinen, festgestellt, da’ 
in Essigséure jeden Grades keine Lésung eintritt. BirscHi 2) 
fand ferner bei Clepsidrina Blattarum ihre Unléslichkeit in kochen- 
dem Wasser und in Speichel (bei 40° C). 

Im Nachfolgenden wird man nun ersehen kénnen, dab die 
Reaktion gegen Essigsiure eine allgemeine Eigenschaft der 


1) Die Verdauung lebenden Gewebes und die Darmparasiten. 
Archiy fiir Anatomie u. Physiologie, Physiolog. Abteilung, 1891, 
p- 293 ff. 

2) Bemerkungen tiber einen dem Glykogen verwandten Kérper 
in den Gregarinen, von O. Birscutr. Zeitschrift fiir Biologie, Bd. 
XXI, N. F. Ill, ‘p. 606 u. 607. 


238 Johannes Frenzel, 


Cuticula zu sein scheint, wie auch ihre Unlésbarkeit in Wasser, | 
Alkohol, Chloroform etc. Da aber zuweilen doch gewisse Ver- 
_inderungen der Cuticula bei Behandlung mit Essigsiure eintreten, 
so mochte sich hierin eine gewisse Differenzierung vorbereiten, die 
weiterhin noch bei Behandlung mit anderen Chemikalien ihren 
Ausdruck findet. 

Bei Besprechung des feineren Baues der Cuticula unserer 
Gregarina statirae haben wir zwischen alten und jungen Indi- 
viduen zu unterscheiden und die Uberginge zwischen beiden 
Stadien zu beobachten. Vielleicht ist dieser Umstand auch fiir die 
chemische Struktur nicht ohne allen Kinflug’ und mag — es 
ist dies nichts als eine Méglichkeit — an den oben erwihn- 
ten Kontroversen mit schuld sein. 

Die Dicke dieser Cuticula ist tiberall eine verhaltnismifig 
geringe, und kann man sie noch als ,,doppeltkonturiert‘‘ ansehen. 
Namentlich bei grofen Individuen ist sie sehr diimn, bei jungen 
aber absolut dicker (vergl. Figg. 1, 4 und 8, 12). Ihr Wachstum 
halt mithin mit dem des Kérpers nicht gleichen Schritt, so daf 
sie durch eine nicht unbetrachtliche Dehnung eine Verdiinnung 
erfahrt, wie spiter noch genauer zu zeigen ist. 

Bei mittelgrofen oder groSen Individuen ist ihre Dicke fer- 
ner eine nahezu gleichmafige (Figg. 1, 2 etc.), wahrend sie bei 
ganz jungen und halbjungen am hinteren Ende erheblich ver- 
dickt ist, eine Erscheinung, der wir weiter unten noch einmal 
begegnen werden und die vielleicht von weiterer Verbreitung ist 
Wiggs Syl 2.oh3): 

An halbjungen Exemplaren kann man an dem abgerundeten 
hinteren Ende auferdem regelmafige und ziemlich tiefe EKinker- 
bungen wahrnehmen (Figg. 8, 12), welche der Ausdruck der 
Langsstreifung der Cuticula sind. Daraus geht hervor, daf 
dieses so weit verbreitete Streifensystem nicht aus Leistchen auf 
der Cuticula besteht, sondern vielmehr feine Rillen oder Furchen 
reprasentiert, welche sich in den dickeren Teil der Cuticula etwas 
tiefer als sonst einsenken. Diese Streifung tritt schon friihzeitig 
auf und laft sich schon konstatieren, ehe noch das Proto- yom 
Deutomerit getrennt ist (Fig. 8). Hier sieht man es nicht bei 
ganz hoher Einstellung des Tubus, sondern erst, wenn man damit 
ein ganz klein wenig niedriger geht, ein Umstand, der ihre Rillen- 
natur von neuem demonstriert. Die jiingsten Individuen haben 
aber noch keine Lingsstreifung, sondern tiberhaupt eine etwas ab- 
weichend konstruierte Cuticula. Diese ist hier, wie wir schon 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 239 


wissen, recht dick (Fig. 13). Stellt man nun den optischen Schnitt 
scharf ein, so bemerkt man am hinteren Rande zwar auch eine 
Zeichnung, welche man fiir die obigen Einkerbungen halten 
kénnte. Allein dieselbe Zeichnung zieht sich gleichmifig iiber 
die Seitenrander hin fort und umgiebt den gréften Teil des 
isodiametrischen Korpers; es ist eine Querstreifung, welche senk- 
recht die Wandung der Cuticula durchsetzt, weshalb sie also 
gar nicht der Ausdruck einer Langsstreifung sein kann. Man 
miifte hier ein besonderes, komplizierteres Streifensystem anneh- 
men, welches teils aus Liangs-, teils aus Querrillen bestinde. 
Sieht man scharfer zu, so vermift man aber wirkliche Einker- 
bungen, wie wir sie oben sahen, und es wird der Eindruck her- 
vorgebracht, als wenn die Cuticula senkrecht von Poren durch- 
setzt, oder als wenn sie aus mosaikartig aneinandergereihten 
Prismen aufgebaut ware, ein Verhalten, dem wir spiter gleich- 
falls noch einmal begegnen werden. Wird nun das Mikroskop 
héher eingestellt, so kann man sich tiberzeugen, daf die oben 
beschriebene Langsstreifung bei diesen jiingsten Individuen iiber- 
haupt noch gar nicht ausgepragt ist, was ein weiterer Beweis ist, 
daf sie nicht Ursache der porenartigen Skulptur der Cuticula 
sein kann '). 

Wie bei den jiingsten Individuen, so wird auch bei halb und 
ganz erwachsenen die Lingsfurchung der Cuticula vermift, wah- 
rend man sie bei mittelgrofen leicht sehen kann. Man bemerkt 
hier auch, da8 sie keine genau parallele ist, sondern da die Linien 
zuweilen ineinander laufen, wobei sie aber immer mdglichst langs- 
gerichtet bleiben (Fig. 12). Wie bei anderen Gregarinen sind sie 
sehr fein und dicht aneinandergereiht und erstrecken sich sowohl 
tiber das Deuto- wie tiber das Protomerit, dieweil sie am Epimerit 
nicht mehr nachweisbar waren. Wahrend sie aber hinten, wie 
schon erwahnt, ziemlich tiefe Furchen darstellen, verflachen sich 
dieselben im Verlauf nach vorne und sind am vorderen Ende des 
Protomerits sehr fein und zart. 

Der Umstand, daf diese Lingsstreifen, deren Richtung iibri- 
gens nicht genau mit der Lingsachse parallel, sondern eine leicht 
schraubige ist, bei grofen Individuen fehlen, kénnte vielleicht so 
gedeutet werden, daf sie nur eine Faltung der Cuticula reprasen- 
tieren, die sich bei der schon genannten Dehnung der letzteren 
ausgleiche. Daf dies nicht so ist, haben schon Birscur (1. c¢. 


1) Auch eine Faltung ist hier ausgeschlossen. 


240 Johannes Frenzel, 


p. 509) und andere Beobahter gezeigt, wie ersterer auch bei der 
Monocystis magna am vorderen Ende eine rippen- oder zahnchen- 
artige Skulptur sah, die dort jedenfalls darauf beruht, daf die 
Streifen feine Leistchen und keine Furchen darstellen, wie mir 
dies auch bei der Aggregata portunidarum wahrscheinlich erschien. 
Damit soll aber nicht ein wesentlicher Unterschied zwischen 
beiden Systemen statuiert werden, denn in der Regel stehen die Strei- 
fen so enggedraingt, da der zwischen ihnen vorhandene Zwischen- 
raum nicht viel breiter ist, als die Streifen selbst, so dafS man mit- 
hin sowohl ein Leistchen- wie auch ein Rillensystem herausfinden 
kann, je nachdem man mehr Wert auf die Erhebungen oder Ver- 
tiefungen legt. Nur dort, wo die Streifen mehr auseianderweichen, 
kann das eine oder das andere tiberwiegen. Ein solches Ausein- 
anderweichen findet hier nun am Hinterende statt, so da die 
Vertiefungen schmaler sind und wie Einkerbungen erscheinen, 
waihrend am Vorderende ein Zusammenlaufen die Regel ist, 
so da8 sich hier die Zwischenriumen verengern, wodurch eine 
Leistenbildung zustande kommt, welche den Rand zahnchenartig 
erscheinen lat (Fig. 10). 

Schon AImE SCHNEIDER war es aufgefallen, da8 die Langs- 
faltung der Cuticula, die sich oft neben der Streifung findet, 
im Leben nicht sichtbar ist, sondern es erst durch Reagentien 
werde. Wenngleich nun das erstere nach Birscuti (1. ¢. p. 509) 
nicht allgemein richtig ist, so haben doch die Reagentien auf das 
schirfere Hervortreten der Skulpturierung einen unverkennbaren 
Einfluf. Es war schon weiter oben gesagt worden, da bei groBen 
Individuen der Gr. statirae die Lingsstreifung der Cuticula nicht 
zu sehen ist. Dennoch aber ist sie vorhanden und kann wie jene 
Lingsfaltung anderer Gregarinen durch passende Behandlung 
sichtbar gemacht werden, so etwa mit Essigsaure, Alkohol, Gly- 
cerin etc. Es ist schwer, fiir diese Erscheinung einen Grund zu 
finden. Vielleicht tritt in der Substanz der Cuticula eine gewisse 
Veriinderung, eine Koagulation etwa, ein; vielleicht aber ist die 
dichte Erfiillung des Entoplasmas mit Kérnern mit daran schuld, 
dafi die Streifung verdeckt wird, denn man kann sie zuweilen 
noch an kérnchenfreieren Stellen, so vorne am Protomerit, erken- 
nen (Fig. 10). Ferner mag es auch sein, daf die Dehnung, welche 
die Cuticula bei reiferen Individuen erfaihrt, eine Verflachung 
der Skulptur herbeifiihrt, wie auch die zuerst so deutliche Kin- 
kerbung am hinteren Ende mit der Zeit verschwindet. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 241 


Das Epimerit besitzt gleichfalls eine Cuticula; doch ist 
sie hier sehr diinn und zart. Ferner hat sie keinen so glatten 
Umri8 wie am eigentlichen Kérper (Figg. 8, 9). Fast scheint es, 
als wenn das Epimerit nichts sei als eine Ausstiilpung des Proto- 
merits, so da sich die urspriinglich dickere Cuticula an dieser 
Stelle ganz diinn ausgezogen hat, dergestalt, als wenn man an einer 
Kautschukmembran an einem Punkte mit dem Finger eine Her- 
yorwolbung verursacht. Fiir diese Auffassung wiirde noch ein 
anderer Umstand sprechen, der weiter unten zu beriihren ist. 
Anderenfalls unterscheidet sich die Membran des Epimerits von 
der Cuticula, da ihr die dieser eigene Streifung fehlt, was 
sich vielleicht von der grofen Verdiinnung der Cuticula ab- 
leiten lieSe. 

Da ich friiher hinsichtlich des chemischen Verhaltens der 
Cuticula zu Resultaten gekommen war, welche sich mit denen 
meiner Vorganger nicht ganz deckten, so glaube ich auf diesen 
Umstand von neuem mein Augenmerk richten zu miissen. Ist 
doch diese Eigenschaft der Cuticula deswegen von Interesse, als 
wir in ihr teilweise wenigstens eine Erklarung fiir den erstaun- 
lichen Widerstand suchen miissen, welchen die Gregarinen den 
Einwirkungen des Mitteldarm- Enzymes entgegenzusetzen im- 
stande sind. Es ist allerdings eigentiimlich, um dessen schon 
hier zu gedenken, daf die Cuticula gerade Siuren gegentiber so 
resistent ist, mit denen sie im Mitteldarm der Wirbellosen gar 
nicht einmal in Beriihrung kommt. 

Behandelt man nun Exemplare jeden Alters — von ganz 
jungen jedoch abgesehen, wo mir die Erfahrungen fehlen — mit 
Essigsiure, so treten folgende Erscheinungen ein, welche 
nur deswegen nicht immer ganz konstant sind, als das Reagens 
nicht immer gleichmaSig genug unter dem Deckglas zur Wirkung 
kommt. 

Starke (halb bis ganz konzentrierte) Essigsiure verursacht 
gewohnlich eine solche Quellung des Plasmas, da die Cuticula 
dem Druck nicht mehr widerstehen kann und einreiSt. Dann 
aber verharrt sie nicht bei der durch diese Quellung verursachten 
Dehnung, sondern zieht sich sofort wieder elastisch zusammen, so 
daf der Inhalt zum guten Teil hinausgetrieben wird. Ja, diese 
Zusammenziehung schreitet noch weiter, so daf der von der Cuti- 
cula umgebene Raum nun kleiner als vorher, als im Leben des 
Tieres ist. Dies kénnte auf zwei Ursachen beruhen, entweder 


auf einer direkt zusammenziehenden Wirkung der Essigsaure, oder 
Bd. XXVII. N. F. XX. 16 


242 Johannes Frenzel, 


auf einem Turgor, einer Spannung, welcher die Cuticula im 
Leben unterworfen ist. — Wie bereits weiter oben vorweggenom- 
men, ist letzteres das Richtige; denn zerdriickt man eine Gre- 
garine, derartig daf ein Teil des Inhaltes sich entleert, so wird 
man meist finden, daf sich die Cuticula etwas zusammenzieht 
und einen kleineren Kérper umschlieSt als vorher. Und daf diese 
Kontraktion nicht etwa vom lebenden Plasma des Tieres ausgeht 
oder vom Sarkocyt, erkennt man wieder daraus, daf sie gerade dann 
am schoénsten eintritt, wenn ein so kraftiges Reagens, wie konzentr. 
Essigsiure, jede Lebensthatigkeit zum Erléschen gefiihrt hat. 

Nachdem das Plasma zum Quellen gebracht und noch ehe 
die Cuticula geplatzt ist, was oft gar nicht eintritt, da sie einen 
hohen Grad von Dehnbarkeit und Festigkeit besitzt, laBt sich 
ihre Langsstreifung besonders klar erkennen, wenn sie auch vor- 
her verdeckt war. Hierin legt nun der Beweis, daf ihr keine 
Faltung zu Grunde liegt, da eine solche Anordnung bei einer 
Dehnung doch eher verschwinden und nicht deutlicher werden 
wiirde. 

Wird bald nach der Behandlung mit Essigsiure mit Wasser 
ausgewaschen, wobei der gesamte Zellinhalt schrumpft, so zieht 
sich auch, wie kaum anders zu erwarten, die Cuticula in gleichem 
Mae zusammen, ohne Falten zu schlagen. Auch hier diirfte die 
Kontraktion itiber das normale Ma hinausgehen, so daf der 
Gesamtkérper jetzt etwas kleiner als im Leben erscheint. Da 
ferner, wie wir oben sahen, die Cuticula durch die Essigsaéure 
direkt nicht irgendwie beeinfluSt wurde, so wird auch jene Kon- 
traktion auf Rechnung des Plasmas zu setzen sein, da nicht zu 
erwarten ist, dafi Wasser einen kontrahierenden Einfluf auf die 
Cuticula ausiibe. Sie folgt eben aus der Bewegung des Plasmas. 

Nachdem man erst mit Essigsiure behandelt und dann mit 
Wasser ausgewaschen hat, kann man wieder Essigsiure hinzu- 
fiigen: der Inhalt wird von neuem ausgedehnt, und die Cuticula 
nimmt daran wie gewohnlich teil, wenn sie nicht platzt. Wascht 
man nun noch einmal mit Wasser aus, so wiederholt sich auch 
das Spiel der Schrumpfung von vorn. 

Aus diesen Versuchen sollte man nun schliefen kénnen, da die 
Substanz der Cuticula durch Essigsiiure keine Anderung erfahre. In 
der That bleibt ihr Aussehen das gleiche. LaSt man aber diese Saure 
in konzentriertem Zustande langere Zeit, z. B. 24 Stunden und mehr, 
einwirken, so verschwindet nach und nach der starke Glanz, der 
ihr stets eigen ist, so daf sie nachher eigentiimlich rauh und 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 243 


kérnig erscheint, fast als wenn sie angeatzt ware. Dies kommt 
natiirlich absolut keiner Auflésung gleich, wovon man sich leicht 
iiberzeugen kann, wenn man nunmehr mit Wasser auswascht. 
Das Plasma zieht sich zusammen in der oben ausfiihrlich geschil- 
derten Weise, die Cuticula zwar nicht mehr ebenso, aber man 
kann sie nun um so deutlicher sehen, da sie Falten wirft. Sie 
hat namlich, und das ist der wichtigste Erfolg der Siurebehand- 
lung, ihre Elastizitat verloren und folgt jetzt der Kontrak- 
tion des Plasmas, wie die Schale bei einer eingetrockneten Frucht 
es thut. 

Selbst in grofer Verdtinnung wirkt die Essigséiure in der be- 
schriebenen Weise, bis schlieBlich ein solcher Grad von Verdiin- 
nung erreicht ist, wo sie weder Quellung noch Schrumpfung ver- 
ursacht. Dann sind auch kaum noch zerstérende Folgen fiir die 
Cuticula wahrzunehmen. 

Von weiterem Interesse ist das Verhalten der Cuticula gegen 
Salpetersiure. Wirkt diese in konzentriertem Zustande, so ist die 
erste Folge eine der bei Essigsiure beobachteten entgegengesetzte, 
indem sich das Plasma kontrahiert, wobei der Turgor der Cuticula 
einer elastischen Zusammenziehung, wie zu erwarten, Platz macht. 
Gleich darauf aber tritt eine leichte Quellung ein, bis ungefahr 
der natiirliche Umfang wieder erreicht ist, wobei sich die Cuticula 
also ebenfalls dehnt. Sowohl bei der Schrumpfung, wie auch bei der 
Quellung ist die vorher nicht entdeckte Langsstreifung vollkommen 
deutlich. — Wird nun mit Wasser behandelt, wobei eine starke 
Schrumpfung des Plasmas statthat, so wird die Elastizitatsgrenze 
nach unten so weit iiberschritten, dal keine weitere Kontraktion 
der Cuticula mehr erfolgen kann und diese sich nun in Falten 
dem Plasma anschmiegt. Es geht daraus hervor, daf ihre Deh- 
nung oder ihre Kontraktionsfahigkeit doch nur eine begrenzte ist, 
und daf sie, bei gegebener Gestalt, sich nicht bis zum Minimum 
des Volumens und der Oberfliche zusammenziehen kann. Wir 
werden mithin den gewoéhnlichen Zustand der Cuticula als ihr 
Optimum, ihre Dehnung bis zum Platzen als ihr Maximum und 
ihre Kontraktion bis zum Faltenwerfen als ihr Minimum zu be- 
zeichnen haben. 

Eine weitere Abweichung folgt dem Einfluf der Salpetersiure 
bei langerer Einwirkung. Noch nach 24 Stunden und mehr 
zeigt sich die Cuticula namlich véllig unverdndert, nicht 
nur nicht gelést, sondern, im Gegensatz zu Essigsdure, nicht ein- 
mal in ihrem Aussehen, ihrem Glanze herabgesetzt. 

LG* 


244 Johannes Frenzel, 


Verdiinnte Salpetersaure verhalt sich im allgemeinen ahnlich. 
Auch sie bewirkt nach 24 Stunden keine irgendwie sichtbare Um- 
formung der Cuticula. 

Stehen sich trotzdem Essigséure und Salpetersiure hier in 
ihren Wirkungen ziemlich nahe, so gilt dies nicht mehr von 
Schwefelsaure. Ist diese konzentriert, so geht die Cuticula nim- 
lich langsam in Liésung, so dafZ man ihrem Schwinden mit dem 
Auge folgen kann. In halbverdiinnter Schwefelsiure widersteht 
sie schon etwas linger und bleibt noch einige Zeit nach Lésung 
der Korner, ein Verhalten, das sich um so mehr markiert, je 
mehr die Séiure verdiinnt ist. In etwa 15-prozentiger Siure kann 
man sodann die Cuticula und ihre Streifung noch etwa 1/, Stunde 
lang verfolgen; und wenn dann die Korner in Lésung gehen, so 
bleibt sie noch lange als leere Hiille zuriick. 

Da 15-prozentige Schwefelsiure immer noch als starke Saure 
anzusehen ist, so werden wir nunmehr im allgemeinen konstatieren 
diirfen, daf die Cuticula der Gr. statirae in Sauren jeder Art 
und jeden Grades sehr schwer oder gar nicht léslich ist. 

Von Alkalien habe ich zwar nur Natronlauge zur Anwendung 
gebracht, aber ein mit dem obigen ziemlich tbereinstimmendes 
Resultat erhalten. Bereits Aimé& ScHNEIDER fand die Léslichkeit 
der Cuticula im Ammoniak; bei Callyntrochlamys Frenz. (I. c. 
p. 548) dagegen sah ich sie in Kalilauge nicht gelést, wahrend 
dies bei Gr. salpae (1. c. p. 567) in verdiinntem Ammoniak und 
5-prozentiger Kalilauge (?) geschah. 

Bei der Gr. statirae wie auch bei Clepsidrina polymorpha, 
die ich friiher untersuchte, wurde die Cuticula durch konzentrierte 
Natronlage langsam, aber sichtbar gelést. In verdiinnter Natron- 
lauge, deren Gehalt leider nicht festgestellt wurde, blieb die Cuti- 
cula hingegen erhalten und widerstand sogar anhaltendem 
Kochen, nachdem die Kérner schon langst gelést waren. 

Daraus 1a%t sich ungefahr der Schluf ziehen, da die Cuticula 
auch den Alkalien kraftig widersteht, aber nicht so kraftig wie 
den Sauren, daf sie sich in konzentrierten lést, in verdiinnten 
jedoch erhalt. 

Zum Schluf sei noch erwahnt, daf die Einwirkung von Spei- 
chel wahrend 24 Stunden bei ca. 42° C keine bemerkenswerten 
Folgen hatte, ein Resultat, das sich dem von Birscuui erhaltenen 
an die Seite stellt. 

Fassen wir nunmehr die oben gewonnenen Ergebnisse zu- 
sammen, so kénnen wir den Satz aufstellen, dafi die Cuticula der 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 245 


Gr. statirae sowohl in mechanischer wie auch in chemischer Hin- 
sicht eine im hohem Grade kraftige ist. Btrscui1!) hatte nun 
gefunden, da die Lésung der im Plasma enthaltenen Kérner ,,jeden- 
falls sehr schwer durch die beim Kochen nicht zerstérte Cuticula 
diffundiert“. Daraus kénnte man nun vielleicht schliefen, daf sie 
iiberhaupt und ganz allgemein nicht oder in geringem Grade 
permeabel sei. Aber nur wenn dieser Schluf auf die tote 
Cuticula beschrinkt wird, kénnte er Giltigkeit haben. Ferner 
konnte ich mich leicht tiberzeugen, dafi bei den oben ausgefiihrten 
Reaktionen die Séuren sowohl wie die Alkalien, wie dann noch 
Wasser, Alkohol etc. recht leicht durch die tote Cuticula hindurch- 
passieren. Jener Schlu8 muf also noch weiter beschrankt werden 
und hat vielleicht nur fiir schleimige Substanzen oder Colloide 
Giltigkeit. Die lebende Cuticula hingegen mu8 auf alle Fille 
sehr durchlassig sein, denn sie vermittelt ja die Aufnahme 
der Nahrung, die vermutlich in Peptonen, Zucker, Wasser u. s. w., 
also den Produkten der Verdauung im Mitteldarme des Wirttieres 
besteht. Es gelang mir, die Statira unicolor, einen niedlichen, 
lebhaften, braunen Kafer, langere Zeit in der Gefangenschaft zu 
halten und mit Weifbrot zu fiittern, das er gerne fraf. Die ge- 
téteten Exemplare waren immer reich an grofen und kleinen Gre- 
garinen, ein Beweis, dal jene Speise eine zusagende war. Sie be- 
stand also zum gréften Teile aus Kohlehydraten (Starke, Dextrin 
etc.), und ich konnte auch im sog. Magen des Kafers viele Stirke- 
kérner in halbverdautem Zustande antreffen. Die Nahrung unserer 
Gregarine besteht folglich auch zum groéften Teil aus umgewan- 
delten Kohlehydraten, und da Birscnui (Zeitschr. f. Biologie) 
gefunden hatte, um es schon hier zu erwahnen, daf die Kérner 
des Entoplasmas einen dem Glykogen nahestehenden K6rper 
darstellen, welcher bei Behandlung mit Schwefelsiure reduzieren- 
den Zucker ergiebt, so ist es nicht unwahrscheinlich, daf jene 
Korner wenigstens teilweise die unmittelbaren Abkémmlinge dieser 
Starkenahrung sind. Schwieriger freilich liegt der Fall, wenn wir 
Gregarinen aus solchen Tieren in Betracht ziehen, die nicht von 
Kohlehydraten leben, ein Fall, auf den wir jedoch erst weiter un- 
ten genauer einzugehen haben. 

Haben wir nunmehr gesehen, daf die Cuticula einen recht 
bemerkenswerten Grad von Durchlassigkeit besitzen mu8, so hat 
man sich doch wohl zu fragen, ob denn diese Durchlassigkeit nur fiir 


1) Zeitschrift fiir Biologie 1. c. p. 606. 


246 Johannes Frenzel, 


gewisse Substanzen, namlich fiir Kohlehydrate und Peptone 
gelte, und nicht auch fiir die Enzyme, namlich fiir das tryptische 
Ferment des Mitteldarms. Zwar hat ja BwirscHLi eine ge- 
wisse Undurchlassigkeit konstatiert, aber doch nur fiir die tote 
Membran. Uber ihren Zustand im Leben wissen wir nichts. 
Die Peptone und Kohlehydrate sind wasserige Lésungen, welche 
leicht durch eine tierische Membran diffundieren; aber auch die 
Enzyme sind wisserige Lésungen, und warum sollte man nicht 
das Gleiche von ihnen erwarten? Setzen wir aber den Fall, die 
Enzyme diffundierten nicht durch die Cuticula, sondern blieben 
auferhalb derselbep, so ist damit noch nicht ihre Unzerstérbarkeit 
durch die Enzyme erklart, da sie ja an ihrer auferen Oberflache 
in innige Beriihrung damit kommt. Aber, so wird man sagen, 
die Cuticula ist doch so auferordentlich resistent und ist wahr- 
scheinlich nicht verdaubar. Es ist somit die Verdaubarkeit 
der Cuticula zu priifen. 

Daf die lebende Cuticula nicht verdaut wird, sehen wir 
unzweifelhaft. Man kann im Mitteldarmsaft schwimmende Gre- 
garinen langere Zeit beobachten, wie sie sich kriimmen, kon- 
trahieren und langsam wandern. Man sieht aber niemals eine 
Veranderung der Cuticula, denn sie bleibt immer vollkommen 
glattrandig. Es ware nur noch moglich, daf sie sehr schwer 
léslich sei, daf sie aufen langsam angegriffen werde und sich 
von innen heraus immer wieder gleichmafig erganze. Aber man 
kann sich nur schwer eine solche auferordentliche Gleichmakigkeit 
in diesen Vorgangen vorstellen, wie ja auch von organisierten 
Substanzen bekannt ist, daf ihre Lésung gewohnlich im selben 
Grade von innen heraus wie von aufen herein vor sich 
geht, beispielsweise die eines Starkekornes. Der nachfolgende 
Versuch giebt dariiber weitere Auskunft. 

Nach allen Uberlegungen schien mir die Unverdaubarkeit 
der lebenden Cuticula unabweisbar. Was aber, so fragte ich 
mich, wiifde geschehen, wenn man sie in ihrem toten Zustande 
einer Verdauungsprobe unterwerfen wiirde. 

Zunachst setzte ich zu einem Praparate, welches lebende Gre- 
garinen enthielt, verdiinntes Glycerin, das wohl diese Tierchen 
tétet, aber, was bekannt ist, die Wirksamkeit der Enzyme nicht 
aufhebt. Die Gregarinen starben, wobei sie mafig schrumpften, 
aber die Cuticula blieb. Hier mochte nur wenig Verdauungs- 
ferment vorhanden sein, weshalb der Versuch verandert wurde. 
Ich zerrieb jetzt einige Kaferdarme mit den Gregarinen, versetzte 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 247 


mit verdiinntem Glycerin und beobachtete unter dem Mikroskop. 
Allein auch jetzt war keine Wirkung. Da nun aber die Cuticula 
der Gregarinen gegen starke Chemikalien sehr widerstandsfihig 
ist, so war mit diesen Versuchen doch héchstens ihre Sch werver- 
daulichkeit festgestellt. Der zweite Versuch muBte also auf lan- 
gere Zeit ausgedehnt werden, was in der Weise bewerkstelligt 
wurde, daf der Objekttrager auf etwa 24 Stunden in die feuchte 
Kammer gelegt wurde. Und jetzt zeigte sich ein ganz anderes 
Resultat, denn die Cuticula war teilweise verschwunden, teilweise 
fanden sich noch Fetzen und Reste von ihr vor. Es war also 
eine Zerstérung derselben eingetreten, die nur auf Rechnung der 
fermentativen Einwirkung des Verdauungssaftes gesetzt werden 
konnte, womit die Verdaubarkeit der Cuticula bewiesen sein 
diirfte 1). Damit ist aber auch zugleich gezeigt, daf die Verdau- 
ung derselben nicht gleichmassig von auSen nach innen fortschreitet, 
sondern daf sie ebenso unregelmaBig vor sich geht, wie etwa 
bei einem Stiick Fleisch, einem Starkekorn oder einem Chitin- 
hautchen. 

Kehren wir nunmehr zum Ausgangspunkt zuriick, und halten 
wir fest, da die Cuticula der Gregarinen als solche im Prinzip 
auch verdaubar ist, so muf sie im Leben einen ganz besonderen, 
freilich noch etwas mystischen Schutz erhalten, den ich als einen 
antienzymatischen bezeichnet habe, wie an anderer Stelle?) 
ausfiihrlicher nachzulesen ist. 

Das Plasma. — Wie die Gregarinen aufen von einer Cuti- 
cula umgeben werden, so werden sie innen von einem Plasma er- 
fiillt, das man gewéhnlich wie bei den iibrigen Protozoen in ein 
Ekto- und Entoplasma einteilt, ohne dafi immer eine scharfe 
Scheidung méglich ware. Es scheint dies der Grund zu sein, 
weswegen manche, wie z. B. Fr. Leypia, lieber von einem Hyalo- 
plasma sprechen, welches sich sowohl aufen wie innen verteile 
und innen gewohnlich Kérnchen fiihre. Allein aus theoretischen 
Griinden bin ich der Ansicht, da jedes Protoplasma tiberhaupt hyalin 
sei und daher als Hyaloplasma zu bezeichnen ware, so daf alles das 
was als Kérnchen, Kriimelchen, Trépfchen u. s. w. erscheint, nicht 
unmittelbar zu dem lebenden Protoplasma gehére, sondern 
tote Produkte desselben oder wasserirmere Reservestoffe oder 
dergl. darstelle. Wie man nicht selten wohlausgebildete Krystalle 
in den Zellen antrifft, die gerade wie die Krystalle nicht-organi- 


1) Bakterien diirften hier nur nebenbei in Betracht kommen. 
2) Die Verdauung lebenden Gewebes und die Darmparasiten 1. c. 


248 Johannes Frenzel, 


sierter Substanzen wasserarmere Zustinde darstellen als ihre 
Lésungen, so werden die geformten Bestandteile des Zellplasmas 
im allgemeinen nichts anderes sein, als wasserarmere Zustande 
des Protoplasmas, seiner Teile und seiner Produkte, eine Einrich- 
tung, die deshalb besonders vorteilhaft erscheinen muf, als eine 
Zelle auf diese Weise ja mehr Materie enthalten kann, als wenn 
sich alles in ihr in Lésung befande. Sie hat, mit anderen Wor- 
ten, das iiberfliissige Wasser abgegeben. 

Betrachtet man eine Gr. statirae, so wird man ein eigent- 
liches Ektoplasma nicht finden kénnen. Alle grofen Individuen 
besonders sind mit den Paraglykogenkérnern bis zur Cuticula hin 
gleichmafig erfillt (Fig. 1, 4, 7, 9). Aber auch bei jungen 
Tieren, wo dies nicht statthat, laft sich im Plasma keine Grenze 
ziehen (Fig. 7, 12, 13). Bei mittelgrossen hauft sich zwar auch 
hier, wie dies bei anderen Gregarinen nicht selten ist, der Kérner- 
inhalt mehr central an, ohne sich aber scharf vom helleren') Aufen- 
plasma abzuscheiden (Fig. 12, 15). Zweier Ausnahmen ist nur 
zu gedenken, namlich des Protomerits auf der einen Seite und 
einer méglicherweise vorhandenen sehr zarten, subcuticularen 
Grenzlamelle auf der anderen Seite. 

Bei einem grofen Individuum (Fig. 1, 4 etc.) scheinen nam- 
lich die Paraglykogenkérner bis dicht an die auffallend diinne 
Cuticula heranzutreten. Fiigt man nun aber ein fixierendes Re- 
agens, z. B. diinne Sublimatlésung hinzu, so springt plétzlich 
zwischen Cuticula und Kérnern eine sehr diinne, helle, homogene 
und scharf konturierte Lamelle hervor. Dies kénnte allenfalls ein 
Ektoplasma, ein Sarkocyt, sein. Da es jedoch so véllig homogen 
bleibt, so wird diese Deutung recht zweifelhaft, und eine andere 
Deutung wurde mir in mindestens gleichem Grade ebenso wahr- 
scheinlich. Es kann namlich die Lamelle die innere Grenzlinie 
(Kontur) der Cuticula sein, deren Lichtbrechungskraft wahrend des 
Lebens derjenigen des Plasmas so nahe kame, daf sie hier von diesem 
nicht scharf zu scheiden ware. Da ferner das Plasma durch das 
Sublimat kérnig wird und seinen Glanz Andert, so tritt nun die 
nicht so verainderte innere Grenzlinie scharf hervor. Hiergegen 
lieSe sich einwenden, daf§ doch das Plasma jene groben Kérner 
besitzt, welche sich nur bis zu dieser Grenzlinie erstrecken kénn- 


1) Dieser Ausdruck wie auch die iibrigen bezieht sich auf das 
Aussehen bei durchfallendem Lichte, wenn nicht ausdriicklich 
das Gegenteil bemerkt ist, 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 249 


ten. Wahrend des Lebens aber ist diese Linie nicht nur nicht 
wahrzunehmen, sondern, wie ich angegeben, die Kérner erstrecken 
sich sogar bis zur duferen Grenzlinie hin, so daf die Cuticula 
einfach konturiert aussieht. 

Eine zufallig an anderer Stelle gemachte Beobachtung gab 
mir nun die wahrscheinliche Lésung dieses Ratsels. Bei der wei- 
ter unten zu beschreibenden Pyxinia crystalligera, welche eine 
sehr dicke Cuticula hat, sah ich namlich eine eigentiimliche Struk- 
tur derselben vorgetiuscht, welche offenbar von einer Spiege- 
lung der Korner an der inneren Flache der auSeren Grenzschicht 
herriihrte (Fig. 43). Die Cuticula der Gregarinen stellt wie eine 
Spiegeltafel einen starkglanzenden, von zwei parallelen 
Flachen begrenzten Kérper dar. Bringt man nun, was ja all- 
gemein bekannt ist, einen Gegenstand an die eine Flache eines 
Spiegels, so wird er von der anderen Flache reflektiert. Das 
Gleiche diirfte daher auch bei diesen Gregarinen der Fall sein, 
denn hier sind die Korner dicht an die eine Flache geriickt, wer- 
den von der (auBeren) Flache reflektiert und tauschen nun inner- 
halb der Substanz der Cuticula eine weitere Lage von Kérnern vor, 
die thatsichlich gar nicht vorhanden sind. So liefe sich auch die auf- 
fallend geringe Dicke der Cuticula von reifen Individuen erklaren, 
die in Wahrheit nur eine scheinbare ist. Weiterhin haben wir noch 
anzunehmen, daf die Struktur der Cuticula durch koagulierende 
Substanzen etwas veraindert werde, so daf die starke Spiegelung 
nun fortfallt oder doch sehr gemafigt wird. Endlich ist noch zu 
bedenken, daf sowohl das Aussehen des Plasmas wie auch der 
Korner eine Veranderung erfihrt, so daf nun, wenn noch Reflexion 
stattfindet, diese eine mehr diffuse und nicht so distinkte ist, 
wie im Leben, wo die einzelnen Korner scharf aus dem Plasma 


hervorglanzen. 
Die andere Ausnahme, welche oben angedeutet ist, bezieht 
sich auf das Protomerit. — Bei Gregarinen bemerkt man nicht 


selten, da8 dieser Kérperteil nicht so vollkommen von den Para- 
glykogenkérnern erfiillt wird, wie das Deutomerit. Schon friiher 
(Seegregarinen 1. c. p. 562, 568) hatte ich diesen Umstand be- 
rihrt und bei der Aggregata, bei der Gregarina salpae etc. eine 
ungleichmafige Verteilung gefunden. Dies ist auch bei unserer Gr. 
statirae der Fall (Fig. 1, 2, 3, 7,9, 10). Dennoch aber kann man 
hier nicht wohl von der Differenzierung eines Ektoplasmas von 
einem Entoplasma sprechen, sondern nur von einem feinkérnigen 
Plasma, welches yorne frei von Paraglykogenkérnern ist. 


250 Johannes Frenzel, 


Wird eine Gregarina statirae mit koagulierenden Mitteln, 
beispielsweise mit Alkohol oder Sublimat behandelt, so kann man 
Ofters bei gréBeren Individuen zwischen der inneren Lamelle der 
Cuticula des Deutomerits und dem eigentlichen Plasma noch einer 
weiteren Differenzierung ansichtig werden, welche im _ optischen 
Schnitte aus einer Reihe ganz feiner Piinktchen lings der Cuticula 
besteht. Auch bei Einwirkung von Essigsaure laft sie sich nach- 
weisen, ist aber itiberall so undeutlich, dafS man iiber ihre wahre 
Natur an dieser Stelle keine Klarheit erlangen kénnte. Wir ver- 
schieben daher ihre Besprechung bis zu der gleichen Erscheinung, 
welche sich bei der Gr. blaberae darbietet. 

Eine irgendwie anders gestaltete Differenzierung, ein Sarkocyt, 
eine Fibrillenschicht lat sich bei unserer Gr. statirae nicht nach- 
weisen. 

Wo der Koérnerinhalt eine mehr centrale Anordnung zeigt, 
wie dies bei jiingeren Individuen der Gregarinen gewdohnlich ist, 
oder wo man ihn durch Quetschen etwas herausgetrieben hat, 
sieht man ein Plasma zuriickbleiben, welches — auch im lebenden 
Tiere — feine punktformige Kérnchen enthalt, und diese weisen, 
von allerjiingsten Stadien abgesehen, eine unverkennbar centri- 
fugale Lagerung im Gegensaz zu jenen groberen K6rnern (Fig. 
12, 15). Sie liegen in der Aufenschicht des Plasmas etwas dich- 
ter gedrangt und verschwinden nach innen zu ganz allmahlich; 
auch bei héherer Einstellung des Mikroskopes sieht man sie un- 
ter der Cuticula liegen. Meist sind sie punktférmig klein und 
recht scharf aufblitzend; untermischt sind sie, was aber eigentlich 
nur an koérnchenfreien Exemplaren gut zu sehen ist, mit einigen 
gréferen K6rnchen und Kiigelchen (Fig. 8, 13), die sich, was 
spater noch zu zeigen ist, z. T. als Fett erweisen. Solange noch 
keine Paraglykogenkérner aufgetreten sind, ist die Verteilung jener 
feinen Kérnchen und Kiigelchen im Plasma junger Tiere eine ziem- 
lich gleichmaBige. Die Sonderung erscheint also erst in spateren 
Stadien. 

Die Natur der feinen Kérnchen, soweit sie nicht Fett sind, 
ist kaum zu erweisen; denn bei Behandlung mit Reagentien ge- 
rinnt zumeist das gesamte Plasma und laft die urspriinglichen 
K6érnchen von den neu entstandenen nicht mehr unterscheiden. 
Vielleicht sind die ersteren auch weiter nichts als geronnene Ei- 
weiSpartikelchen oder solche in wasserarmerem Zustande, wie 
bereits oben vyermutet worden ist, 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 251 


Schon beim Absterben einer Gregarine treten jene Kérnchen 
scharfer hervor. Behandelt man ferner eine solche mit Essigsdiure 
(konz.), wobei, wie wir wissen, Quellung des Ganzen erfolgt, so 
tritt gleichfalls ein feinkérniger Niederschlag im Plasma auf, der 
jenen ersten Kérnchen ganz gleicht. Dies ist also ein Eiweif- 
coagulum aus dem vorher hyalinen Protoplasma, und da dieses 
durch den ganzen Kérper der Gregarinen ziemlich gleichmafig 
zwischen den Paraglykogenkérnern verteilt ist, so ist jetzt die 
feine Kérnelung eine ganz gleichmafige, ohne also noch eine 
Unterscheidung einer Rinden- von einer Centralschicht zuzu- 
lassen. 

Hat man erst mit Essigsiure behandelt und wascht nun mit 
Wasser aus, wobei gewoéhnlich Schrumpfung folgt, so bleibt der 
feine staubartige Niederschlag unverandert und ungelist bestehen. 
Wird sodann durch starke Essigsiure von neuem eine Quellung 
hervorgerufen, so dehnt sich also das Plasma wieder aus und die 
feinen Kérnchen riicken auseinander. Es gelang mir nicht, an 
ihnen selbst eine Quellung, ein GréfSerwerden, zu konstatieren, so 
daf ich zu der Annahme geneigt bin, dafS die Quellung einzig 
und allein in dem nicht koagulierten, also wahrscheinlich nicht 
eiweifhaltigen Plasma stattfinde. Da bekanntlich unter den tie- 
rischen Substanzen die Leimstoffe durch diese Saure zum 
Quellen gebracht werden, so liegt der Gedanke gewifi sehr nahe, 
daS wir hier eine Art von Leimstoff, oder, da dieser doch in 
Essigsiure mit der Zeit vollig gelést werden miifte, was hier wohl 
nicht geschieht, gewissermafen eine leimgebende Substanz 
vor uns haben, die etwa derjenigen des fibrillaren Bindegewebes 
der héheren Tiere entspricht. 

Die soeben geschilderten Vorginge lassen sich sowohl bei 
jingeren wie auch bei alteren Gregarinen beobachten, bei letz- 
teren nur schwieriger, da die ungelést bleibenden Paraglykogen- 
kérner das Bild zu triiben geeignet sind. Es ist daher eine Be- 
handlung mit Salpetersaure noch lehrreicher, da hierbei diese 
Korner verschwinden. 

Es ist schon mitgeteilt worden, daf diese Saure in konzen- 
triertem Zustande zuerst eine Schrumpfung des Plasmas verursacht, 
der schnell eine leichte Quellung folgt. Noch ehe sich dies aber 
ereignet, tritt sofort innerhalb desselben eine Gerinnung ein, wie 
wir sie schon bei Zusatz von Essigséure sahen. Nur ist jetzt die 
Triibung eine noch starkere, so daf der Gregarinenkorper ganz 
undurchsichtig wird, Tritt nun, namentlich bei Wasserzusatz, was 


252 Johannes Frenzel, 


eine neue Schrumpfung verursacht, die Lésung des Paraglykogens 
ein, so bleibt die Triibung noch eine kurze Zeit bestehen, um dann 
gleichfalls zu verschwinden, indem also der EiweifSniederschlag 
gré8tenteils in der verdiinnten Salpeterséure gelést wird. Ein 
anderer Teil bleibt im Plasma zuriick und bildet ein Maschenwerk, 
dessen Knotenpunkte sich etwas mehr markieren, von unregel- 
mafiger Form und Dichte. Die Faidchen bestehen aus ganz feinen 
aneinandergereihten Kérnchen, welche noch nach 24 Stunden und 
linger wohl erhalten bleiben. Sie erweisen sich zum grofen Teil 
aus Fett, was man daran erkennt, daf sie sich schon vielfach in 
starkem Alkohol, weiterhin aber auch in nachher zugefiigtem Chloro- 
form lésen. Bereits frither hatte ich bei einer Anzahl von Grega- 
rinen Fett nachgewiesen (s. Seegregarinen |. c.), und wenn BUTSCHLI 
(s. Zeitschr. f. Biolog. p. 608) darauf hinweist, daf er schon bei 
friiherer Gelegenheit auf jene in Wasser, Speichel und verdiinnter 
Schwefelsiure ungelésten Kérnchen aufmerksam gemacht habe, 
indem er seine Protozoa I, p. 517 citiert, so hob er dort doch 
ausdriicklich hervor, daf ,,ihre chemische Natur unsicher blieb“. 
Den eigentlichen Nachweis von Fett glaube ich daher bei den 
Gregarinen zuerst erbracht zu haben (Seegregarinen 1. c. p. 551, | 
558, 570, 574 etc.). 

Die Einwirkung der Schwefelsaure ist im ganzen eine 
ahnliche. — Diese Saure ruft in etwas verdiinntem (ca. 25 Proz.) 
Zustande wie Salpeterséure zuerst eine Schrumpfung hervor, welche 
vielleicht nur auf Wasserentziehung beruht, und darauf folgt 
gleichfalls eine schwache Quellung. Mittlerweile hat sich sodann 
derselbe feinkérnige Niederschlag eingestellt, der nun aber gerade 
wie das Paraglykogen rasch in Lésung geht. Das koagulierte Ei- 
weif wird also fast sofort in ein Acidalbuminat tbergefiihrt. — 
Ist die Schwefelsiure noch dinner, namlich nur ca. 12°/,, so bleibt 
das Volumen der Gregarine fast unverandert, indem weder Quel- 
lung noch Schrumpfung bemerkbar werden. Der entstandene Nie- 
derschlag lést sich langsam wie die groben Korner und es bleibt 
ein schwaches Netzwerk zuriick. 

Starke Schwefelsiiure hingegen (halbverdiinnt bis konzentriert) 
veranlaft zuerst eine kraftigere Schrumpfung des Plasmas als ca. 
25-prozentige, der eine etwa gleiche Quellung folgt, wahrend sich 
der EiweiBniederschlag gerade wie jene Ké6rner rasch lost und 
nur ein Netzwerk mit Knotenpunkten zuriicklaBt, wie wir es ja 
schon oben gesehen haben (Fig. /11). 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 253 


Das Plasma resp. Entoplasma dieser Gregarine besteht mit- 
hin aus Albuminen, welche erst koaguliert werden und sich dann 
in Acidalbuminate verwandeln, ferner aus einer quellbaren Sub- 
stanz, welche durch die Siéuren nicht koaguliert wird und die 
wir als Protocollagen bezeichnen wollen, und endlich aus 
einer vielleicht nicht eiweifartigen, in Sauren koagulierten, aber 
nicht gelésten Substanz, welche das trajektorische Netzwerk 
resp. die Winde von Alveolen bildet, der sich noch Fetttrépfchen 
hinzugesellen. 

K. Branpt!) hatte friiher in Protozoen einen Kérper gefun- 
den, welcher sich weder in 10-prozentiger Kochsalzlésung, noch 
Natriumkarbonat (1°/,), noch in verdiinnten Sauren etc. lost, und 
den er, da dies in Kupferoxyd-Ammoniak etc. geschah, als ein 
der Cellulose ahnliches Kohlehydrat ansah, obgleich weder die 
so wichtige Jodreaktion mit Schwefelsiure noch mit Chlorzink 
eintraf. Auch die Kernmembran der Amében hielt Branpr fir 
einen celluloseartigen Stoff, was man aber mit Birscaii?) kaum 
wird fir richtig halten kénnen. 

Die von uns gefundene Substanz hat nun manches mit der 
Branpi’schen gemein, in der ich jedoch nicht eine sichere Cellu- 
losereaktion sehen kann, da ja gerade die mit Jod ausbleibt und 
die Léslichkeit in Kupferoxyd-Ammoniak doch wohl allein nicht 
ausschlaggebend ist *). Ein wesentlicher Unterschied zwischen bei- 
den Substanzen liegt im Verhalten gegen konzentrierte Sauren, in 
denen unsere ja unldslich ist. Birscuur (Protozoa |. c. I, p. 517) 
hatte ferner bei der Clepsidrina festgestellt, daf das Netzwerk 
in Kali unldslich sei. Dasselbe diirfte tiberhaupt ein allge- 
meines EKigentum der Gregarinen sein, denn ich hatte es auch 
schon (Seegregarinen |. c. p. 551 etc.) bei Callyntrochlamys, bei 
Gregarina cionae und anderen dargestellt und werde spater noch 
darauf zuriickzukommen haben. Da es sich z. B. bei Callyn- 
trochlamys mit Karmin, wenngleich nur schwach farbt und auch 
im sonstigen Verhalten nicht abweicht, — ist es doch besonders 
durch Sublimat, Alkohol etc. gut fixierbar —, so ist es vermutlich 
dem Maschenwerk gleichzustellen, welches bereits als eine ganz 


1) Mikroskopische Untersuchungen, — Sitzungsberichte der phy- 
siolog, Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 138. Dez. 1878, p. 34 
und 35. 

2) Protozoa 1. c. I[I, p. 1472 und 1506. 

3) Auch Seide lést sich ganz oder teilweise in diesem Mittel 
auf, ohne daf man sie deshalb fir celluloseartig ansehen diirfte. 


254 Johannes Frenzel, 


allgemeine Eigenschaft der tierischen Zellen anerkannt ist, sei es, 
da8 es nun ein fadiges Netzwerk nach HrrrzMAnn u. a., oder 
ein Waben- oder Alveolenwerk nach Biscuit darstellt'). Wéah- 
rend man bisher aber geneigt war, in diesem Strukturgebilde eine 
eiweifartige Substanz zu erblicken, worauf das Koaguliertwerden 
durch Alkohol etc. hinweist, so kann dies mit Bericksichtigung 
der iibrigen Reaktionen nicht mehr véllig zugegeben werden. Ob- 
gleich bis jetzt noch der Nachweis der chemischen Ubereinstimmung 
nicht gebracht ist, so daf die Méglichkeit offen bleibt, da’ sich 
das Gleichartige nur auf eine morphologische Ubereinstimmung 
beschranke, so méchte ich doch das erstere als wahrschein- 
licher vermuten, wobei ja immer noch gewisse Differenzen zwischen 
den verschiedenen Zellen offen bleiben kénnten, gerade wie auch 
das eigentliche Protoplasma nicht tiberall die gleiche Zusammen- 
setzung haben kann. Auch das Nuclein kénnen wir nicht als 
einheitlichen chemischen Koérper mehr betrachten, seitdem in 
ihm der Trager der so vielgestaltigen Vererbung gefunden wor- 
den ist. 

Eine gewisse Anziehung, welche unsere Substanz gegen Kar- 
min besitzt, wiirde die Vermutung entstehen lassen, daf sie dem 
Nuclein verwandt sei, eine Vermutung, welche, wie wir spater 
sehen werden, der Begriindung nicht ganz entbehrt. Solange 
aber der Beweis hierfiir fehlt, ist Vorsicht am Platze, weshalb ich 
fiir diese Maschensubstanz des Plasmas vorliufig die Bezeichnung 
»Alveolin“ vorschlagen méchte. 

Die nunmehr besprochenen Eigentiimlichkeiten des Plasmas 
beziehen sich vornehmlich auf das Deutomerit, und hier in erster 
Linie auf die Umgebung des Kernes, wo das Netzwerk die regel- 
mabigste und dichteste Anordnung besitzt (Fig. 11); darin kénnte 
man vielleicht schon eine Beziehung zum Kerne erblicken. Auch 
im Protomerit entsteht ein Netzwerk, das aber hier durch die 
starke Anhiufung von feinen Fetttrépfchen mehr verdeckt wird. 
Die Quellungs- und Schrumpfungserscheinungen sind hier im tbri- 
gen die gleichen wie im Deutomerit, woraus auf denselben Gehalt 
an Protocollagen zu schliefen ist. 


1) Ein wesentlicher Unterschied liegt beiden Auschauungen 
wohl gar nicht zu Grunde, was an andern Orten besprochen werden 
soll. Wie eine sich stetig verdiinnende Alveolenmembran lings ihrer 
gré®ten Dicke zum Faden, so kénnte ein solcher, wenn er sich in 
der Fliche ausdehnt, zur Alveolenwand werden. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 255 


Das Netzwerk, wie es nach koagulierenden Mitteln erscheint, 
besteht nun nicht, was noch erwahnt werden soll, ausschliefSlich 
aus unserem Alveolin, sondern aufer den feinen Fetttrépfchen 
noch aus niedergeschlagenen EiweiSkérnchen etc., so da’ es ver- 
haltnismaBig grob und dicht aussieht. Dieses Coagulum sammelt 
sich ganz besonders um die Balken der Maschen, oder schligt 
sich gar auf diese nieder, wihrend ein anderer Teil die Maschen- 
oder Alveolenhohlriume erfiillt, soweit diese nicht von den Para- 
glykogenkérnern eingenommen werden. Hauptsichlich werden wir 
darin, wie schon gesagt, Albuminstoffe zu sehen haben. Wendet 
man aber eine Mazeration in Speichel bei ca. 42° C, wie 
schon Biscuit es that, an, so verschwindet ein grofer Teil des 
Coagulums, wie auch (s. unten) das Paraglykogen, und es bleiben 
aufer dem Alveolin, das sich in Speichel nicht veriindert, nur 
noch Fett und echtes EiweifS tibrig. Der verschwundene Kérper 
war mithin kein EiweiS, da er durch Speichel zerstért wird, 
scheint aber wie dieses erst fliissig, dann koagulierbar und in 
Sauren und Alkalien léslich zu sein. Vielleicht deutet diese Sub- 
stanz auf die Branpt’sche sog. Cellulose, vielleicht aber auch 
auf eine andere Kombination hin, deren genaueres Studium noch 
aussieht. Wir wollen sie hier als Paralveolin benennen. 

Das Studium dieses Paralveolins wie auch der tibrigen Kér- 
per wird sich am besten an jiingeren Individuen ausfiihren lassen, 
wo die Paraglykogenkorper sich nicht so bemerkbar machen oder 
wohl noch ganz fehlen. Diese jungen Tiere sind namlich, nament- 
lich solange die Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit 
fehlt, von dem Plasma ziemlich gleichartig erfiillt (Fig. 8) und 
enthalten nur relativ sparliche Granulationen, von denen die gré- 
Seren zum Teil Fett, zum Teil Paraglykogen sind. Werden diese 
Tiere mit Jod behandelt, so farben sie sich nur hellgelb, wobei 
gewohnlich auch das Netzwerk sichtbar wird, dessen Farbung 
nicht abweicht. Jiingere, im Entstehen begriffene Paraglykogen- 
kérner mit Jod nachzuweisen, gelang nicht sicher. 

Werden junge Gregarinen ohne Korner mit starker Essig- 
siure behandelt, so tritt gerade wie bei den gréferen eine starke 
Gerinnung ein, so daf das Ganze triibe und bei auffallendem 
Lichte schneeweif wird. Wird jetzt Jod hinzugefiigt, so 
zeigt sich dieselbe Gelbfarbung wie ohne Essigsiure. Auch bei 
Digestion in Speichel verhalten sich die Jugendformen den rei- 
feren ihnlich, wie auch hier, was noch bemerkt sein mége, die 


256 Johannes Frenzel, 


Cuticula trotz ihres etwas abweichenden Aussehens (Fig. 13) un- 
gelést bleibt. 

Der Kérnerinhalt. Betrachtet man irgend eine grifere 
Gregarine, so findet man als ihren massigsten Bestandteil die 
Kérner, welche von Birscuu als Paraglykogen bezeichnet wor- 
den sind, nachdem er seine friihere Ansicht, daf sie ein Amyloid 
seien, zuriickgezogen hatte. Dies geschah auf die EKinwinde hin, 
welche ich s. Z. auf Grund gewisser Reaktionen dagegen erhoben 
hatte; und da, wie Birscuxi (Zeitschr. f. Biolog. p. 605) selbst 
sagt, ,,EKinreden gewoéhnlich das Gute mit sich fiihren, neue Er- 
fahrungen zu veranlassen‘‘, so verdanken wir den Bemiihungen 
dieses Forschers eine Reihe von weiteren Kenntnissen iiber diesen 
Korper. 

Bei meiner friiheren Untersuchung tiber die Seegregarinen 
war mir die Reaktion mit Jod und Schwefelsiure nicht gegliickt; 
und wiewohl ich mich nachtraglich von ihrer Richtigkeit bei 
Clepsidrina tiberzeugt habe und meine damalige Argumentation 
zuricknehmen mu, so kann ich doch noch nicht in ihre Allge- 
meingiltigkeit einstimmen, solange die Reaktionen an See- 
gregarinen nicht wiederholt sind, wozu mir jetzt leider die Ge- 
legenheit verwehrt ist. Denn obgleich ich zugebe, die Behandlung 
mit Jod und Schwefelsiure vielleicht nicht richtig angestellt zu 
haben, so kénnen damit doch nicht die einmal gewonnenen Resul- 
tate aus der Welt geschafft werden, und man wird mindestens 
anerkennen miissen, daf jene Reaktion nicht unter allen Um- 
stinden und gleichma8ig eintrete. Schon das Aussehen der 
K6érner tiberhaupt ist kein an allen Orten tibereinstimmendes und 
zeigt mehr Abarten, als das vielleicht noch weiter verbreitete 
Paramylon. Bei manchen Gregarinen sind die Korner sehr grob, 
bei anderen um vieles feiner. Hier glinzen sie stark, dort weni- 
ger; einmal sind sie mehr glatt, das andere Mal mehr rauh und 
runzelig. Ihre Farbe ist schlieSlich bei auffallendem Lichte eine 
bald rein weife, bald gelbliche etc. — Aber nicht nur ihr Aus- 
sehen ist ein etwas verschiedenes, sondern auch ihr Verhalten 
Reagentien gegeniiber, was z. B. bei einem verwandten Korper, 
der bei den Flagellaten eine so bedeutende Rolle spielt, dem 
Paramylon, nicht in dem Mae der Fall ist, wahrend fir die 
Cuticula der Gregarinen, wie spaiter noch zu zeigen sein wird, 
etwas dem ersten ahnliches gilt. Bereits friiher (Seegregarinen 
l. c. p. 583) hatte ich auf diese Umstinde Bezug genommen. 
Wahrend namlich Birscuri (Protozoa |. c. I, p. 517) von den 


ay 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 57 
bisher bekannten Gregarinen mit Recht aussagen konnte, dal die 
Kérner von ,,verdiinntem Kali und konzentrierten Mineralsiuren 
rasch gelést‘‘ werden, so vermochte ich dies bei Callyntrochlamys, 
Gr. portuni, Gr. salpae etc. nicht zu bestatigen, wihrend es mir 
bei Clepsidrina gelang. Daraus folgerte ich, daf jene Korner 
,sich nicht iiberall in gleicher Weise verhalten und demnach 
wahrscheinlich auch nicht denselben chemischen Bau _ besitzen, 
wenngleich sie auch eine gewisse Ubereinstimmuug  tiberall 
zeigen” etc. 

Es ist weiter oben schon der Ernihrung der Gregarinen und 
ihrer Wirte gedacht worden, und wir haben bei unserer Gr. sta- 
tirae schon ausgesprochen, daf der kérnige Inhalt ein mehr oder 
minder direkter Abkémmling der Kohlehydrate sein kénnte, von 
denen das Wirttier lebt. Anders ist dies bei den Seegregarinen, 
deren Wirte mehr omnivor sind und wahrscheinlich wohl in 
gleichem Mafe von _ stickstoffhaltigen Stoffen wie von Kohle- 
hydraten existieren. Auch die nicht im Darme schmarotzenden 
Gregarinen finden ohne Zweifel in ihrer Behausung Stoffe beiderlei 
Charakters, wenn nicht tiberwiegend die ersteren vor. 

Sollte es nicht méglich sein, daf rein durch den verschieden- 
artigen Aufenthaltsort der Gregarinen das in ihnen aufgehiufte 
Koérnermaterial, dessen Zweck noch ein dunkler ist, eine etwas 
verschiedene Zusammensetzung erhalt; oder sollte es nicht denk- 
bar sein, daf die Kérner weniger einen einheitlichen chemischen 
K6rper als vielmehr ein Gemisch darstellten ? 

Wie dem auch sein mége, so soll der von BUTscutt gliicklich 
gewihlte Name ,,Paraglykogen“ fiir jene Kérner doch beibehalten 
werden. — Dem schon friiher Bekannten hatte Brass!) und spiater 
Birscuui hinzugefiigt, daf die Kérner in kochendem Wasser ge- 
lést werden, indem sie vorher quellen. Durch Speichel nicht 
sicher, dagegen durch verdiinnte Schwefelsiure werden sie in 
reduzierenden Zucker tiberfiihrt (Zeitschr. f. Biolog. p. 620). Ich 
hatte friiher noch bei Stylorhynchus, Clepsidrina u. a. (Seegregar. 
l. c. p. 583 und 584) ihre Léslichkeit in 10-prozentiger Koch- 
salzsolution angegeben, was BirTscuii entgangen zu sein scheint, 
trotzdem es fiir die Natur dieser Substanz doch nicht ohne jeg- 
liche Bedeutung sein diirfte. Zwar kann ich nach den Befunden 
Burscuur’s die Ansicht, dal sie eiweifartig sei, nicht mehr in 


1) Die Organisation der tierischen Zelle (2 Teile, 1884) von 
ARNOLD Brass. 
Bd, XXVII, N, F. XX, iy) 


258 Johannes Frenzel, 


dem Sinne wie friiher aufrecht erhalten. Doch schlieBen jene Be- 
funde nicht aus, daf die Kérner aufer dem Paraglykogen noch 
einen anderen Stoff enthielten, oder daf ihre Mischungsverhaltnisse 
bei allen Gregarinen nicht konstante waren. 

Im nachfolgenden werde ich nun meine Erfahrungen iiber die 
Kérner mitteilen, welche frither schon bei Clepsidrina polymorpha 
gewonnen und sodann bei unserer Gr. statirae bestatigt und er- 
weitert wurden. 

Die Jod-Schwefelséure-Reaktion lie& sich gut ausfiihren, wenn 
erst mit ca. 30-prozentiger Saure behandelt wurde, der unmittel- 
bar eine diinne Jodlésung folgte, welche etwa die sog. Madeira- 
Farbe hatte. Bei jiingeren Individuen, wo erst wenige und klei- 
nere Kérner vorhanden waren, trat sie gewohnlich nicht unmittel- 
bar ein, sondern erst beim Erwirmen, wobei die Kérner aufquollen 
und glasig wurden. 

Ging ich von dieser Normalschwefelsiure, wie ich sie be- 
zeichnen michte, nach unten indem sie auf etwa 20°/, ver- 
diinnt wurde, so wichen die Kérner bei der Quellung des Proto- 
collagens auseinander und fingen an, sich langsam zu lésen, wobei 
sie vorher ein wenig quollen. Wurde mittlerweile die obige Jod- 
tinktur hinzugesetzt, so trat wie uben ebenfalls eine schéne Violett- 
farbung ein. 

Wurde jetzt die Schwefelsiiure auf etwa 10 bis 12°/, gebracht, 
wobei, wie wir sahen, keine Quellung des Protocollagens mehr 
deutlich wird, so ist die Jodreaktion keine sichere mehr und eine 
Verinderung der Kérner findet sehr langsam statt, wie ja auch die 
Cuticula noch lange restiert. 

Wenn nunmehr von diesem Minimum zu einem Maximum 
der Schwefelsiiure iibergesprungen wird, indem man eine solche 
in halbverdiinntem bis konzentriertem Zustand anwendet, so wer- 
den die Kérner schnell gelést, und man kann an ihnen selbst die 
Jodreaktion nachweisen. Der ganze Zellinhalt farbt sich vielmehr 
difftus rotviolett, ein Beweis, daf das Paraglykogen, wie ja schon 
Birscuuir fand, zwar geliést, aber nicht auch sofort chemisch ver- 
indert wird, was, wie unten zu zeigen, unter anderen Umstanden 
der Fall ist. 

Ein bei weitem nicht so sicheres Resultat wurde erhalten, 
wenn die Versuchsordnung geindert und erst mit Jod und dann 
mit Schwefelsiure behandelt wurde. Die Jodlésung war wie oben 
eine diinne und rief jedesmal die braune bis braunviolette Farbe 
hervor. Setzte ich nun bei G. statirae starke, etwa 50-prozentige 


Ueber einige atgentinische Gregarinen. B59 


Saure hinzu, so geschah in der Regel nichts. Die Kérner quollen 
weder, noch wurden sie gelést, was doch sofort eintritt, wenn man 
von vornherein starke Schwefelsiure anwendet. Dann, oft erst 
nach Minuten, machte sich die Quellung bemerkbar, welcher eine 
Auflésung nachfolgte, ohne daf gewoéhnlich die Farbenverainderung 
sichtbar wurde. So erklire ich mir auch meinen friiheren Mil- 
erfolg, wenigstens soweit er sich aufClepsidrina bezieht, denn ich 
hatte stets die Behandlung mit Jod vorangehen lassen. Als ich 
daher nach Birscuii’s Entgeguung bei Clepsidrina den Versuch 
wiederholte, sah ich die Reaktion ohne weiteres bei Schwefelsiure 
und Jod, dagegen seltener und unreiner in umgekehrter Anord- 
nung. Es kann daher wohl kaum zweifelhaft bleiben, dai die 
Struktur der Korner durch die Jodeinwirkung eine gewisse Ver- 
iinderung erfahrt; denn fiir gew6hnlich lésen sie sich in starker 
Schwefelsiure schnell auf, waihrend dies nach vorhergehender 
Jodbehandlung bedeutend langsamer geschieht. Dal auch die 
Essigsiure, welche scheinbar keine Verainderung der Korner her- 
yorruft, dies doch thut, wird weiter unten noch zu zeigen sein. 

Wie die durch Jod hervorgerufene Verinderung nicht zu 
unterschiitzen ist, lehrt ein anderer Umstand. Zerdriickt man 
nimlich eine (grofe) Gregarine, so daf die Kérner frei werden, 
und lift man sodann Jod hinzutreten, so bleibt die Reaktion 
nicht bei der bekannten Braunviolettfiirbung bestehen, sondern 
die Kérner quellen sofort — also ohne Beihilfe von Siéure —— auf 
und nehmen eine schén weinrote Farbe an. Warum diese Ver- 
iinderung nicht schon innerhalb des Gregarinenkérpers bemerkbar 
wird, bleibt noch unklar. Daf aber die Isolierung der Korner 
von Kinflu8 auf das Zustandekommen der Reaktion ist, hebt schon 
Birscuit hervor (Zeitschr. f. Biolog. p. 605), und ich halte es 
fiir sehr wahrscheinlich, daf unter solchen Umstinden auch die 
Zufiigung von Schwefelsiiure die Reaktion zustande kommen 1a8t. 
Méglicherweise hat diese Saure keinen anderen Zweck, als eine Quel- 
lung zu bewirken, und wo diese auBerhalb der Gregarinen an den 
Kérnern durch Jod yon selbst eintritt, hat die Siure vielleicht nur 
noch eine fordernde Bedeutung *). 

Es ist bereits oben gesagt worden, daf Jod schon fiir sich 
allein eine braunrote bis braunviolette, etwa pflaumenfarbige Ver- 
inderung innerhalb der Zelle verursacht. Besonders schén ist sie 
bei grofen Individuen zu sehen, welche von den Kérnern ganz 


1) Vergleiche hieriitber Btrscuti1, Protozoa III, |. c. p. 1471, 
17? 


260 Johannes Frenzel, 


vollgepropft sind. — Wird nun eine solche Gregarine erst mit 
Kssigsiiure behandelt, wobei eine so starke Gerinnung im Plasma 
eintritt, da die Kérner kaum noch zu unterscheiden sind, so 
bleibt nun — wenigstens bei Gr. statirae — der violette Farben- 
ton aus und es restiert ein mehr rotbrauner, wie er dem Glykogen 
eigen ist. Hat man ferner die Kérner vorher herausgequetscht 
und last der Jodeinwirkung eine solche mit Essigsiure voran- 
gehen, so bleibt jetzt die Quellung und Violettfarbung ebenfalls 
aus. Daraus ist zu ersehen, wie auch Essigsdéure, nicht ohne Hin- 
flu8 auf die Paraglykogenkérner ist; denn vermutlich verhindert 
sie im Gegensatz zu den Mineralsiuren die Quellung. Es ist 
hierbei sogar die Gegenwart jener Saéure nicht mehr erforderlich, 
denn man kann sie, ohne Aenderung des Resultates zu verur- 
sachen, mit Wasser auswaschen. Auch andere Substanzen, die so 
harmlos erscheinen, gesellen sich ihr zu. Man kann namlich eine 
Gregarine erst einer Behandlung mit Sublimatlésung unterziehen 
und darauf dieses durch Alkohol und Wasser entfernen. Fiigt 
man endlich Jod hinzu, so vermift man hier nicht minder wie 
oben eine Quellung und eine Violettfairbung. Diese ist vielmehr 
durchaus rotbraun und nicht einmal braunrot. 

Die Essigsiure hat noch eine andere Wirkung. Ist namlich 
die Quellung im Plasma eingetreten, wobei die Cuticula einreifend 
sich wieder zusammenzieht, so draingt sie einen Teil der Korner 
heraus. Diese erscheinen lebhaft, fast wie Fett glinzend, etwas 
runzelig und bei auffallendem Licht deutlich gelblich und wenig 
durchscheinend. Lat man im weiteren Verlauf das Praparat in 
der feuchten Kammer ca. 24 Stunden liegen, so wird man die 
Korner nicht mehr so glinzend, sondern vielmehr etwas getribt 
finden, was bei auffallendem Licht einer weiSeren Farbe ent- 
spricht, als sie urspriinglich hatten. 

Auf diese Erscheinungen hin méchte man auf die Idee kom- 
men, daf die Gregarinenkérner ein organisches, vielleicht eiw ei8- 
artiges Stroma oder eine Grundsubstanz besitzen, welcher 
erst das Paraglykogen eingelagert ist. Allerdipgs ist es noch 
nicht gegliickt, ein solches Stroma nachzuweisen und zu isolieren, 
da es im allgemeinen dieselben Lislichkeitseigenschaften wie jener 
Stoff zu haben scheint). Méglich ist es auch, da es nur ein 
Vorstadium oder ein Ubergangsprodukt zum Paraglykogen sei. 


1) Abweichend ist die. Liéslichkeit vielleioht in 10°/, Salz- 
losung. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 261 


Wenn man aber daran denkt, daB’ so vielen Konkretionen eine 
Grundsubstanz zu Grunde liegt, z. B. den Starkekérnern, den 
Kérnern der sog. Molluskenleber, den Kalkkérpern des niamlichen 
Organes und anderer Organismen, so wirde hier in der Annahme 
einer selchen Substanz nicht nur nichts Sonderbares, sondern so- 
gar etwas Wahrscheinliches liegen. 

Wahrend die Paraglykogenkérner durch Essigséiure doch nur 
wenig verindert werden und in Schwefelsaure zuvérderst auch 
nur eine Lésung erfahren, so tritt mit Salpetersaure der Fall ein, 
daf sie chemisch verwandelt werden. 

Behandelt man die Gr. statirae mit starker Salpetersdure, 
wobei, wie wir schon wissen, Schrumpfung des Plasmas erfolgt, 
so bleiben die Kérner zuniachst ungelést und anscheinend unbe- 
einfluBt, was sich auch nicht andert, wenn sich mittlerweile das 
Plasma wieder ausdehnt. Erst wenn man etwas Wasser hinzufiigt, 
so daf eine neue Schrumpfung des Ganzen erfolgt, verschwinden 
die Kérner sehr schnell dem Blick. Sie verhalten sich mithin 
ahnlich wie ein Eiweifkérper, der ja starken Saéuren auch mehr 
als weniger starken widersteht. Eine Quellung findet hier nicht 
statt, ein Umstand, welcher es erklarlich zu machen scheint, daf 
bei Einwirkung von Jod und nachfolgender Salpetersiure eine 
Violettfairbung ausbleibt. Haben sich ferner freigewordene Korner 
mit Jod unter leichter Quellung rotviolett verfarbt, so verschwin- 
det diese Farbe sofort, sobald Salpeterséure hinzugefiigt wird, 
wobei ferner die Kérner aufgelést werden. Innerhalb des Gre- 
garinenkérpers kommt es gar nicht erst, wie schon bekannt, zur 
violetten Reaktion und Quellung, sondern die mehr braunvioletten 
Kérper verlieren sofort ihre Farbe, sobald sie mit der Salpeter- 
sdure in Beriihrung kommen, um darauf selbst zu verschwinden. 
Zwischen beiden Erscheinungen bleiben die Kérner aber doch 
einen Augenblick in ihrer Gestalt sichtbar, woraus der Schluf zu 
ziehen ist, da8 sie durch jene Saure chemisch verandert werden, 
wobei sie die Reaktion verlieren, um dann ganz in Lésung zu 
gehen. Das Jod scheidet sich gleichzeitig in Form kleiner Kry- 
stalle aus. 

Ganz besonders interessant erweist sich eine Kombination 
von Essigsiiure, Jod und Salpetersiure, deren Folgen wieder 
zu zeigen geeignet sind, wie die Essigsiure bestimmend auf die 
K6érner wirkt. 

Essigsiure und Jod geben keine charakteristische Reaktion, 
Jod und Salpeterséure ebensowenig, worauf schon hingewiesen ist. 


262 Johannes Frenzel, 


Wartet man aber nach Einwirkung und Auswaschen von Kssig- 
siure ab, bis hinzugefiigtes Jod eine lebhafte mahagonibraune 
Farbe erzeugt, so kann man jetzt bei Zugabe von Salpetersaure 
eine Reaktion eintreten sehen, welche derjenigcn mit Jod und 
Schwefelséure erhaltenen sehr nahe kommt. Nur fallt jene Quellung 
ganz aus und es tritt an deren Stelle allmahliche Lésung der 
Kérner, worauf sich der gesamte Inhalt des Deutomerits pracht- 
voll lila oder violettrosa farbt. Die Essigsiure bewirkt mithin, 
daf die Kérner durch die Salpetersaure nicht so schnell chemisch 
umgeandert werden, ohne die Lésung freilich verhindern zu k6én- 
nen. Ferner kénnen wir konstatieren, dafi die Kérner nicht nur 
in gequollenem Zustande, sondern auch in salpetersaurer Lésung 
die richtige Jodreaktion geben. Von Dauer ist diese allerdings 
nicht und mit einer Quellung im Plasma vollzieht sich ein ganz- 
liches Verblassen der Masse, ein Beweis, da’ nun die chemische 
Umwandlung vor sich geht. 

Das nun entstandene salpetersaure Paraglykogen, 
um es so zu bezeichnen, ist hier eine fast hyaline Fliissigkeit ; 
bei einer anderen Gregarine wird sich aber nachweisen lassen, 
daf es auch in Form eines feinkérnigen Niederschlags auf- 
treten kann. 

Da, wie bereits dargelegt, der Sitz der Paraglycogenkorner 
hauptsachlich das Deutomerit is, so vollziehen sich hier all die 
beschriebenen Erscheinungen am schénsten. Doch auch im Proto- 
merit sind sie zu konstatieren, soweit es Paraglykogenkérner be- 
sitzt, und nur das Epimerit zeigt mit Jod etc. eine einfache Gelb- 
farbung, da es dieser Korner véllig entbehrt. 

Es ist sehr wahrscheinlich, daf sich die Gregarinen orga- 
nischen wie Mineralséuren gegeniiber iibereinstimmend verhalten. 
Anders gestaltet sich die Sachlage jedoch bei Benutzung von 
Alkalien, wie ich bereits friiher betont hatte (Seegregarinen 1. c. 
p. 583). 

Neuerdings wandte ich sowohl bei Clepsidrina wie bei Gr. 
statirae nur Natronlauge, jedoch in zweierlei Graden an. — Nimmt 
man zuerst starke Natronlauge, so quellen die Korner stark 
auf, um sich darauf ziemlich langsam zu lésen. Auch in ver- 
diinnter Lauge tritt das erstere ein, ohne jedoch das letztere 
zu veranlassen. Erst nach langerem Warten oder beim Erhitzen 
verschwinden die Kérner, wihrend die Cuticula noch unzerstort 
bleibt. Meine friihere Angabe von der Unléslichkeit mancher 
Koérnersorten in Kalilauge oder Ammoniak wird sich daher wohl 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 263 


dahin korrigieren lassen, daf dies keine absolute Unléslichkeit 
sei, und daf sie vermutlich beim Erwarmen ebenfalls aufhére. 

Schon Birscuxi (Zeitschr. f. Biolog. p. 607) hat die Lésung 
der Paraglykogenkérner in Speichel bei ca. 40° konstatiert, eine 
Angabe, die wir bestaétigen kénnen. Bereits nach etwa 2 Stunden 
laBt sich diese Wirkung erkennen. Fiigt man jetzt Jod hinzu, so 
sieht man eine schéne violette Reaktion eintreten, ein Beweis, dal 
die Uberfiihrung der Korner in Zucker noch nicht erfolgt ist, und 
daf wir es mit einer Paraglykogenl6sung zu thun haben. Nach 
24 Stunden pflegt jedoch dieser Kérper vollig verschwunden zu 
sein, denn eine nunmehrige Priifung mit Jod ergiebt ein negatives 
Resultat. 

Birscuui fand nach Digestion der Korner mit Speichel kei- 
nen reduzierenden Zucker, dagegen wohl nach Kochen ihrer was- 
serigen Lisung mit verdiinnter Schwefelsaure. Ich kann nun den 
weiteren Nachweis bringen, daf das Speichelprodukt, mit Schwefel- 
saure behandelt, Zucker ergiebt. 

Dieser Nachweis ist ein mikrochemischer. — Es wurden zu 
dem Behufe mehrere grofe Gregarinen aus dem Darm isoliert 
und mit Wasser wiederholt gewaschen. Mit zuckerfreiem Speichel 
wurden sie 24 Stunden lang bei ca. 42° C digeriert, was auf dem 
Objekttrager geschah. Da véllige Lésung erfolgt war, wurde 
starke (50°/,) Schwefelsaure hinzugesetzt und vorsichtig bis zum 
Kochen erhitzt. Es trat innerhalb der Gregarinenleiber eine leb- 
hafte wein- bis rosenrote Farbung auf, die unzweifelhaft auf 
Zucker bei Gegenwart von Fiweifi hindeutet. Als Vergleichsver- 
such behandelte ich den Darminhalt der Statira in derselben 
Weise mit Schwefelsiure: auch hier dieselbe Farbenerscheinung, 
der Nachweis des Zuckers im Darm. Mehrere frische Gregarinen 
jedoch, mit Wasser gewaschen und ausgezogen, liefen die rote 
Reaktion nicht entstehen, woraus zu ersehen ist, daf die K6érner 
durch die Schwefelsaiure noch nicht in Zucker verwandelt waren. 
Vielleicht wiirde auch dies nach langerer Einwirkung nach- 
weisbar sein, woriiber mir aber die Erfahrungen fehlen. 

Bei Gelegenheit der Besprechung der Cuticula war schon 
ihre Verdaubarkeit durch das tryptische Enzym an der Hand 
eines Versuchs erlautert worden. Wie sich nun die Kérner hier- 
bei verhalten, konnte ich nicht genau ermitteln und mu mich 
mit der Andeutung begniigen, da8 nach 24-stiindiger Digestion 
jedenfalls noch welche davon vorhanden waren. Schlieft dies auch 
ihre Verdaubarkeit nicht gerade aus, so wird diese wohl ihre 


264 Johannes Frenzel, 


Lésung zur Vorbedingung haben, und diese scheint im fast neu- 
tralen Darmsafte nicht oder nur sehr langsam stattzuhaben. 

Werden Gregarinen, welche im Darmsafte ihres Wirtes schwim- 
men, unmittelbar mit Speichel digeriert, ohne isoliert und gewa- 
schen zu sein, so ist das Resultat ein etwas verschiedeneres, als 
wenn dies letztere geschieht. Die K6érner werden freilich unter 
beiden Umstinden zerstért; doch schien es mir, als ob es im ersten 
Fall etwas schneller von statten ging. Darauf sei nun weniger 
Gewicht gelegt. Der tibrige Zellinhalt jedoch lie einige Diffe- 
renzen erkennen, denn bei Gegenwart des tryptischen Darm- 
enzyms verschwand ein grofer Teil der feinkérnigen Substanzen, 
so daf nur das aus Alveolin bestehende Maschenwerk und einige 
Fetttrépfchen zuriickblieben. Das erstere wird mithin, um dies 
seinen schon bekannten Eigenschaften noch hinzuzufiigen, weder 
durch das diastatische noch durch das tryptische Ferment zer- 
stért, ein Hinweis, daf es weder ein echter Eiweikérper noch 
Kohlehydrat sei und dem sich ahnlich verhaltenden Nuclein auch 
in dieser Richtung naher steht. Den Gegensatz hierzu bildet das 
im Speiche! und Trypsin verschwindende Paralveolin, das also 
mehr Verwandtschaft zu den Kohlehydraten aufweist, wahrend 
der Rest des Koagulums aus eigentlichen Albuminstoffen besteht, 
die nicht durch Speichel, dagegen wohl durch Trypsin umgewan- 
delt werden. 

Bereits mehrfach war einer hypothetischen Substanz, des 
Anti-Enzyms, gedacht worden. Wenngleich nun diese ihren 
Sitz vornehmlich in der Cuticula haben muf, wie wir schon sahen, 
so kann sie in dieser kaum entstehen, sondern muf8 vielmehr ein 
Produkt des lebenden Plasmas sein. Nahe wiirde es liegen, das 
Anti-Enzym im Ektoplasma entstehen zu lassen. Da wir aber sahen, 
dafi unsere Gr. statirae wie auch manche andere Gregarine gar kein 
differenziertes Plasma dieses Namens besitzt, so wird es richtiger sein, 
Substanz im gesamten Plasma zu suchen. Diese muf, wie wir unsere 
ferner sahen, unverdaubar sein; und da sich das (notabene to te) 
Alveolin als unverdaubar erweist, so liegt der Gedanke doch ge- 
wi8 nahe, beide Kérper zu identifizieren und das Anti-Enzym ge- 
wissermaSen als lebendes Alveolin anzusehen. Gern gebe ich 
zu, da dies keineswegs irgendwie bewiesen ist; doch wiirde da- 
mit die Hypothese des Anti-Enzyms eine weitere Stiitze erhalten 
und dieser Stoff selbst den mystischen Schleier abstreifen, der 
ihn bisher verhiillte. Manches wiirde auch fiir, manches gegen 
diese Annahme sprechen. Bei den Infusorien existiert, wie bekannt, 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 265 


in weiterer Verbreitung eine ektoplasmatische Alveolenschicht, wel- 
cher man zunachst die Bedeutung eines mechanischen Schutz- 
apparates zuschreiben sollte. Ware es nun nicht moéglich, daf sie 
auch einen chemischen Schutz gewahrt? Alle die mehr oder 
weniger nackten wasserbewohnenden Tiere, vornehmlich also die 
Protozoen, miissen doch einen Schutz gegen die chemische 
Einwirkung des Wassers besitzen, in dem sie leben, gegen die 
Salze, die darin gelést sind u. s. w. Und da sie gemeinhin, man 
sehe eine Amébe an, einer Cuticula oder sonstigen festen, mem- 
branésen Hiille entbehren, so wire es meiner Meinung nach nicht 
zu gewagt, in der ektoplasmatischen Corticalschicht einen Stoff 
zu suchen, welcher gleich dem Anti-Enzym in chemischer Weise 
den schidigenden Einfluf’ des umgebenden Mediums aufhebt. 
Diese Corticalschicht erfihrt zwar nur bei den so fein organi- 
sierten Infusorien eine morphologisch nachweisbare Ausbildung, 
denen sich iibrigens noch meine Salinella anschlieSt, diirfte aber 
wohl unter dem Namen der ,,Kittsubstanz“ eine weiter verbreitete 
Eigentiimlichkeit der Zellen im allgemeinen sein. 

Gegen die Annahme der Identitat des Anti-Enzyms mit dem 
Alveolin wiirde sprechen, daf dies gerade bei den Gregarinen im 
Centrum resp. um den Kern herum dichter angesammelt ist (Fig. 
11, 19). Bei Gr. cionae fand ich es jedoch gleichmakig verteilt 
(Seegregarinen, Taf. 25, Fig. 19). Auch ist es nicht unwahr- 
scheinlich, dafS der Kern der Gregarinen von einer anders organi- 
sierten Substanz hofartig umgeben ist, wie dies bei Callyntro- 
chlamys und Gr. salpae angegeben ist (Seegregarinen, Taf. 25, Fig. 
13, 15; Taf. 26, Fig. 38). Ferner lie&e sich annehmen, daf die 
Bildungsstatte des Anti-Enzyms vielleicht im Innern des Plasmas 
in der Nahe seines physiologischen Mittelpunktes, des Kernes, zu 
suchen ist, von wo es radienartig ausstrahle. 

Noch einmal haben wir auf die Paraglykogenkérner zuriick- 
zukommen und nach ihrer Bedeutung zu fragen. — Bei der Gr. 
statirae sind sie ziemlich grob, von fettartigem Aussehen und bei 
auffallendem Licht von gelblicher Farbe, wahrend eine gréfere 
Gregarine bei durchfallendem Licht fast schwarz erscheint (Fig. 
1, 4, 7, 9), eine Farbe, die offenbar von dem starken Glanze und 
der dichten Anhaufung der Korner herriihrt. Das erstere einer- 
seits, sowie eine gewisse Triibung ihrer Substanz, wodurch sie 
sich von Fettkérnchen unterscheiden, ist daran schuld, daf ihre 
Masse nur wenig durchscheinend ist, weshalb der Kern bei einem 
gréferen Exemplar (Fig. 4) durchschimmert oder giinzlich ver- 


266 Johannes Frenzel, 


schwindet (Fig. 7, 9). Stellt man den Rand der Kérner — also 
im optischen Durchschnitt — scharf ein, so erscheint dieser dick 
und dunkel, das Centrum auBerst hell. Wenn man aber den 
Tubus hebt und senkt, so wird letzteres schwarz, die niachste 
Schicht dunkelgelb und der Rand hellgelb. Ihre Gestalt ist eine 
annahernd kugelige, die Oberflache aber stark runzelig (Fig. 15). 

Die GréSe der Korner ist eine recht konstante sowohl im 
Proto- wie im Deutomerit, sowohl bei gréferen, wie auch bei 
jiingeren Individuen. Nur ganz junge Tierchen, wo die Korner 
gerade erst erscheinen, diirften kleincre haben. Wie die Bildung 
derselben aber vor sich geht, steht noch nicht fest; vermutlich 
sind jedoch die jiingsten Kérner am kleinsten und wachsen durch 
Intussusception. Es ist schon oben erwahnt worden, daf, ehe 
eine Scheidewand zwischen Proto- und Deutomerit existiert, die 
Korner sehr sparlich sind und sich vom Fett kaum unterscheiden 
lassen (Fig. 8). Sie vermehren sich jedoch wahrend des Cepha- 
lontenstadium stetig (Fig. 12) und werden bei konjugierten Tieren 
nie vermift (Fig. 3 etc.). 

Wenngleich bei der Gr. statirae wie bei anderen Gregarinen 
die Anordnung der Korner eine mehr centrale ist, so entstehen 
sie zuerst doch isoliert voneinander (Fig. 12), oder sie bilden, 
was nicht selten ist, weiterhin im Deutomerit unregelmafig ver- 
teilte kompaktere Klumpen, zwischen denen sich lichtere Stellen 
mit isolierter legenden K6érnern zeigen (Fig. 2). Eine centrale 
Anhaufung besteht dann nicht mehr. Abhnlich ist es auch im 
Protomerit, wo die Kérner von Anfang an isolierter und durch 
den Raum verteilt liegen, untermischt mit ahnlich aussehenden 
Fettkiigelchen (Fig. 12), um sich spater nach dem hinteren Teil 
des Protomerits zuriickzuziehen (Fig. 2, 7, 9, 10), wo sie erst 
ganz so gedrangt aneinander geschoben werden (Fig. 1, 4, 10), 
wie dies bei reiferen Individuen im Deutomerit gewoéhnlich der 
Fall ist (Fig. 1, 4, 7, 9). Die Konjugation erfolgt in der Regel 
erst, wenn die Tiere schon eine namhaftere Gréfe erreicht haben 
und das Paraglykogen in Masse vorhanden ist (Fig. 2). Ausnahmen 
kommen jedoch gar nicht selten vor, indem sich kleine und helle 
Individuen konjugieren (Fig. 3). 

Die Bedeutung!) und der Zweck des Paraglykogens ist ein 
durchaus unklarer, weshalb wir uns darauf beschrinken miissen, 


1) Siehe Notiz iiber eine im Darmkanal von Balanus improvisus 
etc. lebende Gregarine yon Brernaarp Soteer und spater. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 267 


sie mit R. Leuckart als aufgestapelte Reservenahrung zu_be- 
trachten. Zwar hob Birscnur (Protozoa I, p. 517) hervor, daf 
bis jetzt nicht recht abzusehen ist, wann dieser Nahrungsvorrat 
zur Verwendung kommen soll. ,,Wir wissen wenigstens‘, so fuhr 
er fort, ,,daf% zahlreiche Gregariniden die Hauptmenge der Kérner 
bei der Fortpflanzung ganz unverbraucht zuriicklassen“, weshalb 
jene Auffassung nur in beschranktem Sinne zulassig sei. Spater 
hat jedoch jener Autor seine Meinung nicht unwesentlich geandert 
(Zeitschr. f. Biolog. p. 610 und 611) und halt die physiologische 
Rolle der Kérner fiir ,,jedenfalls identisch mit der der Amylon- 
oder Paramylon-Einlagerungen“ der Flagellaten. Denn wenn auch 
das Paraglykogen bei der Fortpflanzung der Gregarinen gewohn- 
lich nur zum kleinen Teil verbraucht werde, so biete ja die Fort- 
pflanzung bei zahlreichen Metazoen ganz Entsprechendes, ,,denn 
auch hier geht. . . . dabei... . haufig der gréfte Teil des K6rper- 
materials nutzlos zu Grunde und nur ein kleiner Teil lebt in den 
Nachkommen weiter“. 

Damit diirfte Birscntr das Richtige getroffen haben. 

Ich hatte bereits friiher (Seegreg., p. 582) als Argument gegen 
die jetzt verlassene Amyloidnatur der K6rner geschlossen, da 
sie bei dem Stoffwechsel der Gregarinen von grofer Bedeutung 
seien, ,,was sich auch schon darin dufert, da sie wie bei der 
Ageregata portunidarum zur Bildung der sichelformigen Keime 
vollig aufgebraucht werden.“ Ich sah sie, worin Birscuut jetzt 
mit mir tibereinstimmt, nicht als unbrauchbares, sondern 
unter gewissen Umstaénden als unverbrauchtes Material an. 
— Fiir den Stoftwechsel der Gregarinen scheinen die Korner je- 
doch keinen unmittelbaren Wert zu haben, und sie dienen nicht 
unzweifelhaft als Aushilfe wahrend Nahrungsmangels'). Um 
dies zu bestimmen, lie’ ich einige Statirakafer hungern und unter- 
suchte dann den Darminhalt, als sie am Sterben waren. Wiirde 
das Paraglykogen ein gewoéhnlicher Reservestoff sein, so kénnte 
man erwarten, ihn wahrend des Hungerns verbraucht zu sehen, 
etwa wie ein héheres Tier sein Fett aufzehrt. Dies geschah nun 
nicht; denn entweder fehlten die Gregarinen ganz, sei es, daf 
sie schon gestorben oder auch ausgewandert waren, oder sie er- 
Wiesen sich noch unveradndert und mit den Kornern normal 
erfiillt. 


1) B. Sorcerer |. c. kommt jedoch zu einem anderen Resultat, 
worauf spiter noch einzugehen ist. 


268 Johannes Frenzel, 


Dies Resultat macht daher die Bedeutung des Paraglykogens 
als eines bei der Fortpflanzung zur Verwendung kommenden Re- 
servestofttes am wahrscheinlichsten, wie man ihn ja auch nach der 
Encystierung ganz oder teilweise verschwinden sieht. Das Para- 
elykogen wird also entweder gelést oder chemisch verandert, viel- 
leicht in Zucker iibergefiihrt, wozu aber ein Lésungsmittel oder 
ein Ferment erforderlich ist, welches. entweder in der freien Gre- 
garine noch nicht existiert oder nicht zur Wirkung gelangt. Mir 
scheint nun aber eine einfache Auflésung des Paraglykogens nicht 
gentigend zu sein, denn um zweckentsprechend zu sein, muf es 
doch weiter umgewandelt werden, so etwa, wie es durch Speichel 
oder durch heife Schwefelséiure chemisch verindert wird. Da die 
Annahme einer freien Saiure innerhalb der Gregarinen jedoch auf 
grofe Schwierigkeiten stofen wiirde, und da eine solche, wie aus 
den Experimenten BiTscuur’s hervorgeht, doch erst nach langerem 
Kochen ihren Zweck erfiillt, so bleibt wohl nichts anderes iibrig, 
als das Vorhandensein eines diastatischen Ferments in 
der Gregarine anzunehmen. 

Fiir gewohnlich ist man freilich der Ansicht, da8 mund- und 
darmlose, sich von aufen ernihrende Schmarotzer keine Verdauung 
vollziehen und keiner Fermente hierzu bediirfen; man denke blo8 
an die Cestoden, Opalinen, Gregarinen und manche Amében. Mit 
obigen Schlu’folgerungen muf aber wohl die Allgemeingiltigkeit 
obiger Annahme erschiittert sein. Ob nun das diastatische Fer- 
ment schon in der freilebenden, d. h. nicht encystierten Gregarine 
existiere, bedarf noch der Erwaigung. Offenbar werden die Para- 
glykogenkérner normalerweise waihrend des Lebens der Gregarine 
nicht angegriffen, wie sie auch, so scheint es doch, bei Nahrungs- 
mangel nicht resorbiert werden. Danach sollte man auf das Feh- 
len jenes Fermentes schlieSen kénnen. Ein Versuch, den ich 
zu diesem Zwecke anstellte, gab kein sicheres Resultat. Es wur- 
den namlich einige Gregarinen, nachdem sie gewaschen waren, auf 
dem Objekttrager mit wenig Wasser in der feuchten Kammer 
digeriert. Nach 24 Stunden waren zwar ihre Korper stark zer- 
setzt, doch war bei der herrschenden Warme von ca. 32° C (im 
Zimmer) Faulnis eingetreten, welcher die Paraglykogenk6érner nicht 
widerstehen kénnen diirften. 

Dennoch aber kénnte jenes Ferment oder eine Vorstufe vor- 
handen sein!), so daS es erst nach der Encystierung in Aktion 


1) Hierfiir wiirde die Beobachtung SotcEr’s sprechen. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 269 


tritt. Die Korner liegen inuerhalb des Maschenwerkes, umgeber 
von Alveolin; und da wir dies schon einmal fiir antienzymatisch 
ansprachen, so wiire es nicht undenkbar, dafi es im Innern des 
Gregarinenkérpers als antidiastatisches Ferment (Antiptialin) fun- 
giert und die Wirkung des diastatischen paralysiert. Wenn dann 
weiterhin eine Encystierung der Gregarinen eintritt, wobei sich 
eine sehr dicke und kriftige Cystenhiille bildet, so ist ein Anti- 
enzyin kaum noch erforderlich und verschwindet méglicherweise 
villig. Damit kann auch das Antiptialin wegfallen, das dia- 
statische Ferment wird frei und verwandelt endlich das Para- 
glykogen so, wie es der Haushalt der Gregarinen erfordert. 

Der Kern der Gr. statira, dem wir uns jetzt zuwenden, 
wird unser Interesse namentlich deswegen erregen, als seine Be- 
ziehung zum Alveolin zu priifen ist. 

Bei den meisten Gregarinen hat der Nucleus keine ganz 
bestimmte Lage, da er oft innerhalb des Deutomerits wandert. 
Dennoch giebt es fiir ihn einige Regeln, wenn zwischen Cepha- 
lonten und Sporonten unterschieden wird. Die ersteren nimlich, 
sowie die jiingsten noch freien Individuen haben es nicht ndétig, 
sich zu bewegen; ihr Plasma strémt kaum und der Nucleus liegt 
daher fast in der Mitte des Deutomerits (Fig. 8, 12, 13). Doch 
auch bei den freischwimmenden Syzygien der Gr. statirae ist seine 
Lage keine ganz unbestimmte, denn meist sieht man ihn in der 
Langsachse und mehr in der hinteren Hialfte des Deutomerits 
(Fig. 1, 3). Ferner darf nicht unerwihnt bleiben, da diese 
Gregarine keine lebhaften Plasmastrémungen ausfihrt, weshalb 
der Kern nur wenig aus seiner Lage verriickt wird. Es sind 
besonders die grofen Syzygien, welche sich durch Trigheit aus- 
zeichnen. 

Ganz unabhiingig von dem Alterszustand unserer Gregarine 
stellt der Nucleus immer ein kugeliges wasserklares Blaschen 
dar, in dessen Centrum ein gleichfalls ziemlich kugeliger Kérper 
schwebt, den wir als Morulit bezeichnen wollen (Fig. 5, 8, 12, 
13). Auch bei den anderen Gregarinen ist der Bau des Kernes 
ein ,,exquisit blischenformiger“ (Protozoa I, p. 523), dessen Inhalt 
aus einer hellen, sonder Zweifel mehr oder minder fliissigen Masse 
besteht, die bei der Betrachtung im lebenden Zustand keine wei- 
teren Strukturverhaltnisse wahrnehmen aft“. Es kann nun 
der Gregarinenkern scheinbar nichts weiter enthalten; meist 
aber fiihrt er einen oder d6fter mehrere Binnenkérper oder 
Nucleoli. So hatte ich es auch bei mehreren Seegregarinen gefun- 


270 Johannes Frenzel, 


den, z. B. bei Callyntrochlamys, Gr. portuni, Aggregata portuni- 
darum u. s. w., wo in der Regel mehrere Nucleoli vorhanden 
sind. Die Einzahl des Nucleolus hingegen scheint seltener zu sein 
und beschrankt sich mehr auf Jugendstadien, z. B. bei Gr. cionae, 
Gr. bonelliae etc. — Hier, bei Gr. statirae also, ist immer nur 
ein Kernkérper zu entdecken. Dazu kommt ein weiterer Unter- 
schied, der im Bau dieses Gebildes liegt. Wahrend namlich nach 
Birscuxt die Nukleolen aus einer ziemlich stark lichtbrechenden, 
meist homogen und dicht erscheinenden Masse bestehen, was ich 
bestaétigen kann, so erscheint unser Kérperchen eigentiimlich 
tribe glinzend mit einem schwach gelblichen Schimmer und 
dabei an der Oberfliche rauh und warzig-runzelig 1), geradeso wie 
es vielen anderen Protozoen und besonders Rhizopoden (Amében) 
eigentiimlich ist, weshalb es zumeist maulbeerférmig genannt 
wird. Sein so haufiges und iibereinstimmendes Auftreten lift es 
wiinschenswert erscheinen, diesen Kérper von den tibrigen anders 
gestalteten Kerneinschliissen abzusondern und ihm als ,,Maulbeer- 
kernkérper“ oder kiirzer ,,Morulit’’ eine bestimmtere Stellung 
zu geben. In seinen Reaktionen verhalt er sich an allen Orten 
aihnlich wie Nuklein, wie nachfolgende Angaben zu zeigen be- 
stimmt sind. 

Bei Behandlung mit konz. Essigsiure entsteht in dem vorher 
ganz homogenen Kern ein zartes, feines und ziemlich weit- 
maschiges Netzwerk, wahrend das Morulit nur wenig beeinfluSt 
wird, indem es jetzt noch triiber und daher etwas weniges glan- 
zend als friiher erscheint. Der iibrige Kerninhalt bleibt klar wie 
eine homogene Fliissigkeit, wie auch die Gestalt des Kernes und 
seines Morulits kaum affiziert wird, alles Erscheinungen, die man 
noch nach ca, 24-stiindiger EKinwirkung der Siure konstatieren kann. 
Es ist also wohl der ganze Besitz des Kernes an Nukleinen im 
Morulit konzentriert, und nur wenige diinne Strange vermitteln 
gewissermafen den Verkehr dieser Substanz mit der AuBenwelt, 
wihrend das tibrige aus Kernsaft etc. besteht, der von einer 
deutlichen Kernmembran umbhiillt ist, wie sogleich zu sehen 
sein wird. 

In starker Salpetersiure erweist sich das Morulit nicht als 
resistent, denn es verschwindet mit der Zeit, d. h. nicht sofort, 
giinzlich und la8t nur jenes Netzwerk etc. zuriick, wahrend der 


1) Ich wiirde den Volksausdruck ,,schrumplig“ dafiir anwenden, 
wenn er allgemein gebrauchlich ware. 


Ueber einige argentinische Gregarinet. yal 


Kern wie auch bei Behandlung mit Essigsiure meist prall bleibt 
ein Resultat, das noch besser zu Tage tritt, wenn eine Jodbehand- 
lung vorangegangen ist. Dann sieht man auch sehr schén, wie 
die Membran sich abhebt und sogar einen doppelten Umrifi (Kon- 
tur) zeigt (Fig. 14). 

Dieser Versuch lehrt uns nun, daf weder diese Membran 
noch jenes Netzwerk echtes Nuklein und identisch mit dem des 
Morulits sein kénnen, eine Deutung, auf welche deswegen 
einiges Gewicht zu legen ist, als oft auch die Kernmembran 
fiir Nuklein angesehen wird. Sie scheint vielmehr eine gewisse 
Ubereinstimmung mit dem gleichen Gebilde der ciliaten Infusorien 
aufzuweisen (Protozoa III, p. 1505 ff.) und besteht jedenfalls nicht 
aus Chitin (Stern) oder Cellulose (C. Branpr). An jenem Orte 
fand Borscuti ihre Léslichkeit in Wasser oder verdiinnter Kssig- 
siure, was mir aber bei den Gregarinen noch zweifelhaft ist, da 
sie sich z. B. in dem so wiisserigen Speichel gut hilt. Stellt 
man nimlich, um dies schon jetzt zu bringen, eine Digestion mit 
Speichel und Darmsaft bei ca. 42° C wahrend 24 Stunden ein, 
so bleibt auch jetzt die Gestalt des Kernes gut erhalten und seine 
zarte Membran deutlich sichtbar (Fig. 6). Stark veridndert ist 
nur das Morulit, sei es durch das diastatische, sei es durch das 
tryptische Ferment, welches nicht ausgeschlossen war, so daf es zwar 
noch ebenso grof wie friiher erscheint, dabei aber prall, glatt und 
homogen aussieht und in der Mitte eine Héhlung oder vielleicht 
einen anderen Kérper birgt. Es liegt hier somit eine gewisse 
enzymatische Verindernng des Nucleins vor, wihrend man fiir 
gewohnlich ja annimmt, daf diese Substanz nicht verdaut werde. 
Vielleicht handelt es sich hier daher um eine Spezialisierung des 
Nukleins, die man als Morulin bezeichnen kénnte. 

Es war schon bei der Besprechung der Paraglykogenkérner 
darauf hingewiesen worden, dal sie sich gegen Salpetersaure an- 
ders als fiir gewhnlich verhalten, wenn sie vorher mit Essigsiure 
behandelt worden sind. Ein gleicher Kinflu$ macht sich nun auch 
am Kerne geltend. 

Um dies in Erfahrung zu bringen, behandelte ich einige Gre- 
garinen zuerst mit starker Essigsiure, wobei das schon bekannte 
Netzwerk niedergeschlagen wurde und das Morulit erhalten blieb. 
Dann wurde ausgewaschen, Jod hinzugegeben, wieder ausgewaschen 
und mit starker Salpetersiure der Beschluf gemacht. Man hatte jetzt 
eine Lisung des Morulits erwarten sollen. — Dies geschah aber 
nicht (Fig. 11), sondern es wurde nur blasser und grobkérnig 


272 Johannes Frenzel, 


Daraus kiénnte man schlicBen, da8 sich nur einer seiner Bestand- 
teile léste, wahrend der oder die tibrigen mit Essigsdure fixierten 
durch Essigsiure nicht zerstért wurden. Es ware also vielleicht 
ein essigsaures Morulin entstanden, das der Gruppe der 
essigsauren Nukleine angehéren wiirde. Im Gegensatz hierzu ist 
das Netzwerk des Kernes, ebenso wie in Essig-, so auch in Sal- 
petersiiure nicht léslich und behalt natiirlich auch diese Higen- 
schaft, wenn es mit beiden Saéuren zugleich in Bertihrung komunt. 
Ks la8t jetzt sogar besonders deutliche Knotenpunkte erkennen 
(Fig. 11), die in direkter Salpeterséiurebehandlung wie das Moru- 
lit verschwanden, woraus wohl deren Zugehérigkeit zum Morulit- 
nuklein zu schliefen ist. Das Netzwerk hingegen ist den Fermenten 
leichter zugénglich und daher vielleicht den Albuminsubstanzen 
naher stehend als das resistentere Nuklein. Da ich aus Ergeb- 
nissen, die an anderen Orten gewonnen sind, vermute, daf dieses 
Netzwerk speziell eine Eigentiimlichkeit der blaschenférmigen mo- 
rulithaltigen Kerne ist, so méchte ich der ihm zu Grunde lie- 
genden Substanz — mit Ausschluf der ditferenten Knotenpunkte — 
den Namen Paramorulin geben’). 

Nachdem wir schon weiter oben gesehen, daf die Kombination 
von Essig- und Salpetersiure das Maschenwerk im Plasma gut 
hervortreten aft, so finden wir hierin eine hohe Ubereinstimmung 
zwischen dem Alveolin, der Kernmembran, dem Kernnetzwerk und 
dem essigsauren Uberrest des Morulits (Fig. 11), eine Uberein- 
stimmung, welche um so mehr zu Tage tritt, als sich das Alveolen- 
netzwerk besonders schén um den Kern gruppiert und von diesem 
ganz unverkennbar radienartig ausstrahlt, was ich, wenn auch 
in abweichender Form, bereits dem Prinzipe nach bei Callyntro- 
chlamys (Seegreg., Taf. 25, Fig. 13, 15) angegeben hatte. Da nun 
das Morulit (Morulin) in Salpetersiure gelést wird, so kann es 
nicht in Betracht kommen; da ferner das Paramorulin bei der 
Digestion das gleiche Ergebnis liefert, so fallt es gleichfalls aus. 
Hs bleiben dann als nachste Verwandte des Alveolins im Gre- 
garinenkérper nur noch die Kernmembran und das essigsaure 
Morulin tibrig. Welche von diesen beiden Substanzen nun dem 


| 
| 


Alveolin niiher steht, mu8 noch eine offene Frage bleiben. Wie — 


wir aber in diesen letzteren einen Schutz gegen die Enzyme ver- 
muteten, so wird auch die Kernmembran — in diesem Falle 


wenigstens — eine dhnliche Bedeutung haben kénnen, namlich — 


1) Zu untersuchen wire dabei, wie sich dies Paramorulin zur 
achromatischen Substanz resp. zum Linin verhiilt. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 273 


nicht nur die eines mechanischen Schutzapparates, sondern, wozu 
ihre Schwerléslichkeit schon ausreichen wiirde, auch die einer 
chemischen Schutzsubstanz. 

Mit dem bis jetzt Besprochenen ist ungefahr alles das erledigt, 
was tiber die einzelnen Organisationselemente der Gr. statirae zu 
sagen ware. Liner spaiteren Untersuchung und einem weitgehen- 
dem Vergleichen mag es vorbehalten sein, die Allgemeinheit oder 
die Beschrankung der hier gewonnenen Resultate zu priifen, die 
auf die Gesamtheit der Gregarinen oder gar der Elementar- 
organismen auszudehnen, mindestens verfriiht sein wiirde, wie die 
Beschreibung der nachfolgenden Gregarinen darthun kénnte. Es 
bleibt jetzt noch tibrig, die einzelnen Organe der Gr. statirae 
und ihren Aufbau aus jenen Elementen kurz abzuhandeln. 

Der ansehnlichste Teil des Gregarinenkérpers ist der Regel nach 
das Deutomerit, wahrend nur bei wenigen, so bei Bothriopsis 
das Protomerit bedeutend gréfer ist. In kleineren bis mittel- 
grofen, noch in die Epithelzellen eingesenkten Exemplaren zeigt 
unsere Gregarine etwa ein normales Verhalten (Fig. 12), so wie 
man es bei den Gregarinen gewoéhnlich findet. Nach der Kon- 
jugation aber Andert sich das Verhaltnis zwischen den beiden 
K6rperabschnitten, wie spiter gezeigt werden soll. 

Das Deutomerit besitzt alle die oben besprochenen Organi- 
sationselemente, wahrend dem Protomerit bekanntlich ein Kern 
mangelt. Ferner ist auf die Lagerung des Ko6rnerinhalts bereits 
aufmerksam gemacht worden. Sobald nimlich die ersten Korner 
auftreten, scheinen sie, ehe noch die Scheidewand existiert, keinen 
der beiden Abschnitte zu bevorzugen; sobald aber die Teilung 
eingetreten ist, sieht man sie in gréSerer Menge im Protomerit 
(Fig. 12), mit Fetttrépfchen untermischt. Wenn sie sich nun spa- 
ter, wie schon erwahnt, auf den hinteren Teil des Protomerits 
zuriickziehen, so woélbt sich ihre Masse mit einer Kuppe nach 
vorne vor (Fig. 1, 2, 3, 7, 9, 10) und grenzt sich scharf, jedoch 
ohne eigentliche Membranbildung, gegen die vordere Partie ab, 
welche ein dichtes feinkérniges Plasma enthalt, dessen etwas gré- 
Sere Kiigelchen die bereits friiher vorhandenen Fetttrépfchen sind. 
Das Ubrige scheint dem Plasma des Deutomerits zu entsprechen, 
dort, wo es kérnchenfrei ist, wie bei jiingeren Tieren. * Es quillt 
in Essigsaiure, bildet ein feinkérniges Netzwerk etc. 

Die Scheidewand zwischen den beiden K6érperabschnit- 
ten ist von Birscuii (Protozoa I, p. 515) nach dem Vorgang 


Bd, XXVII. N, F, XX. 18 


274 Johannes Frenzel, 


yon vAN BenepEN und Scunemer (Armé) als eine Bildung des 
Sarkocyts, und wo dies fehlt, des Ektoplasmas angesprochen wor- 
den. So konnten die beiden Ersteren feststellen, ,,daf die Scheide- 
wand bei den mit Sarkocyt versehenen Polycystideen durch eine 
Einfaltung desselben gebildet wird‘, wie auch Birscuxt bei Clep- 
sidrina einmal ,deutliche Anzeichen einer Zweischichtigkeit der 
Scheidewand zu beobachten“ glaubte. Bei den sarkocytlosen For- 
men endlich soll dieselbe ein Diaphragma sein, welches mit dem 
hyalinen Ektoplasma in Verbindung steht. Daf dies auferdem 
uch von betrachtlicher Festigkeit sei, hebt BUrscai1 noch be- 
sonders hervor. Im Gegensatz hierzu hatte ich beilaufig die Ver- 
mutung (Seegregarinen, p. 568) ausgesprochen, daf die Scheide- 
wand wohl der Cuticula zugehérig und von gleicher chemischer 
Zusammensetzung sel. 

Bei Gr. statirae erscheint dieses Organ nun als eine diinne 
Lamelle, welche sich, sobald sie auftritt, als fast ebene, gerade 
Flache zwischen den beiden K6rperteilen ausspannt, indem sie sich 
an die Cuticula anheftet (Fig. 12). Je mehr die Gregarine aber 
im Sporontenstadium heranwichst, um so mehr wolbt sich die 
Wand nach hinten in Form einer erst flachen, nachher hohen Kugel- 
miitze vor (Fig. 2, 9, 10), wobei die Form des Protomerits des 
vorderen Individuums einer Syzygie in eine Kugel (Fig. 10) und 
dann sogar in eine langsgerichtete Ellipse tibergehen kann (Fig. 9). 
Es herrscht also bei zunehmender Gré’e im Protomerit wahr- 
scheinlich ein héherer Druck als im Deutomerit, oder es befindet 
sich, was auch moglich ist, das Protocollagen des ersteren in einem 
Zustand einer gewissen Quellung. 

Es war bereits gezeigt worden, daf die Gr. statirae kein 
eigentliches Ektoplasma besitzt. Wenn also die Scheidewand das 
Produkt eines solchen sein soll, so st6Bt diese Theorie auf eine 
eroBbe Schwierigkeit, und man miifte erst eigens, um sie entstehen 
zu lassen, eine solche Plasmazone supponieren. Andererseits ist 
es klar, daf wenigstens das tibrige Plasma die Wand hervor- 
gebracht haben muf, gerade wie dies ja auch mit der Cuticula 
geschehen ist. Es fragt sich dann nur noch, ob wir die Scheide- 
. wand als eine plasmatische oder cuticulare Substanz auffassen 
sollen. 

Wie es scheint, halt BUrscuir an dem ersteren fest, obgleich 
ihm ja auch die grofe Festigkeit der Wand aufgefallen ist. Die- 
ser Umstand sowohl wie ferner ihr chemisches Verhalten veran- 
lassen mich aber im Gegensatz hierzu meine friihere Ansicht 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 275 


aufrecht zu erhalten, wobei ich aber den friiher gemachten Beob- 
achtungen keineswegs entgegentreten und leugnen will, da sich 
auch Ektoplasma resp. Sarkocyt an der Bildung der Scheidewand 
beteiligen mégen, so etwa, daf ihre mittlere Lamelle cuticular, 
die beiden auferen hingegen plasmatisch seien. 

Bei Behandlung mit starker Essigsiure bleibt bekanntlich die 
Cuticula ungelést und unverandert sich erst etwas nach langerer Ein- 
wirkung. Das Gleiche konnte ich nun auch an jener Scheidewand 
konstatieren, welche noch nach 24 Stunden ungelést war und zum 
Teil dieselbe Umwandlung erfahren hatte. Sie ist elastisch wie 
die Cuticula und dehnt und kontrahiert sich bei abwechselndem 
Zufiigen von Essigsiure und Wasser ganz wie diese es thut. Da 
sie aber erheblich diinner ist und sich, wie wir sahen, bei gréferen 
Tieren bereits in einem gespannten Zustand befindet, so platzt sie 
viel leichter, was auch schon geschehen kann, wenn man eine 
grofe Gregarine einem gewissen Druck unterwirft. 

Auch der Salpetersiure gegeniiber zeigte die Scheidewand 
dieselben Reaktionen wie die Cuticula; trotzdem aber braucht ihre 
Substanz. mit dieser noch nicht identisch zu sein und kann 
allenfalls eine Zwischenstufe zwischen Plasma und Cuticularsub- 
stanz reprasentieren. 

Zum Schluf haben wir noch des Epimerits zu gedenken, 
welches, wie wir schon sahen, bei unserer Gregarine sehr klein 
und unscheinbar ist. Relativ am grékten ist es bei denjenigen 
Chephalonten, welche bereits eine Scheidewand gebildet haben 
(Fig. 12). Je mehr die Tiere aber wachsen, um so kleiner wird 
es verhaltnismafig (Fig. 2) und absolut genommen. Es wird nim- 
lich héchstwahrscheinlich nicht abgeworfen, sondern resor- 
biert, wie bei anderen Gregarinen eingehender behandelt werden 
soll. Ebensowenig ist es vom Protomerit durch eine Scheidewand 
geschieden, wenn es auch einen ganz anderen Inhalt besitzt. Es 
enthalt namlich keine morphologisch differenzierten Gebilde wie 
Paraglykogenkérner, Koérnchen etc., sondern ein helles ,,struktur- 
loses Plasma“ (Fig. 2, 8, 12) und macht im allgemeinen den Ein- 
druck eines Blischens. Wenn das Epimerit abreift, was bei star- 
ken Insulten leicht geschieht, so zeigt sich an seiner statt vorn 
am Protomerit eine Offnung, aus welcher eine klare homogene 
Flissigkeit in Form einer kugeligen Blase herausquillt, eine Beob- 
achtung, die wir weiter unten wiederholen werden. 

Die Konjugation. Mit Recht ist allgemein die Konjugation 
oder Syzygienbildung der Gregarinen als das Anfangsstadium der 

is* 


276 Johannes Frenzel, 


Fortpflanzung angesehen worden. Nur PLare!) war der merk- 
wiirdigen Ansicht, daf die ,,sog. Konjugation oder Syzygienbildung 
der Gregarinen nichts mit der Konjugation der Ciliaten zu thun‘ 
habe. Nach seiner Ansicht sollte vielmehr die Kettenbildung nur 
dazu dienen, den hinteren Individuen die Fortbewegung zu er- 
leichtern, wie ja auch viele Zugvégel bei ihren Wanderungen in 
einer Reihe sich hintereinander ordnen, um den Widerstand der 
Luft und des Windes auf diese Weise leichter tiberwinden zu 
kénnen. Prare vergift dabei nur, daf die Gregarimen im Darm 
ihres Wirtes gar nicht auf eine schnelle Ortsbewegung angewie- 
sen sind, die ihnen auch dann sehr erschwert werden wiirde, 
nimlich durch die Darmkontenta, so daS ihnen sogar eine noch 
so schlaue Hintereinanderreihung wenig niitzen wiirde. Gegen 
Flissigkeits- oder gar Luftstr6mungen haben gerade sie am wenig- 
sten zu kimpfen. Die Ortsbewegungen der Gregarinen sind ganz 
im Gegenteil auferordentlich trige, und wenn sie auch in einem 
mikroskopischen Priparat zuweilen eine etwas gréfere Beweglich- 
keit zur Schau tragen, so sind sie eben durch die gewaltthatigen 
Eingriffe der Zoologen in Beunruhigung versetzt und aus ihrem 
Stillleben aufgeriittelt worden. Geradeso verhalten sich ja die 
ciliaten Infusorien, die in einem frischen mikroskopischen Praparat 
zuerst sinn- und zwecklos durcheinanderschiefen, um sich im 
weiteren Verlaufe allméhlich zu beruhigen. Will man sich von 
den eigentlichen LebensiiuSerungen der Gregarinen ein Bild ver- 
schaffen, so muS man sie im unyerletzten Darme ihres Wirtes 
beobachten, wozu etwa die so durchsichtige Phronima (Seegregar., 
p. 546) gut geeignet erscheint. Dort ist, was ich bei friiherer 
Gelegenheit zu bemerken unterlassen habe, tiberhaupt kaum eine 
Ortsverinderung der Parasiten zu konstatieren gewesen. 

Ein noch um vieles offener Einwand gegen die Ansicht 
PLATE’s muf aber aus dem Umstande abgeleitet werden, dah, was 
gar nicht mehr bewiesen zu werden braucht, die Syzygien der 
Gregarinen sich gemeinsam behufs der Fortpflanzung in einer 
Cyste konjugieren. Wie Birscuri1 den im Prinzipe ahnlichen 
Vorgang der Ciliaten als eine ,,Reorganisation“ auffaSte (Protozoa, 
III, p. 1637), so wird diese Auffassung in gewissem Sinne auch 
bei den Gregarinen zu gelten haben. Hier werden wir im all- 
gemeinen sowohl eine Vereinigung der Eigenschaften der konju- 


1) Zeitschrift fiir wissenschaftliche Zoologie, Bd. 43, 1886, 
p. 238 ete. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 2 


gierenden Individuen wie auch einen Ausgleich der Besonder- 
heiten zu erkennen haben. Denn wenn auch zwei sich konju- 
gierende Gregarinen dem Blicke des Mikroskopikers véllig gleich- 
artig erscheinen mdgen, wenn es ihm auch nicht gelingt, irgend 
welche morphologischen Differenzen zwischen beiden heraus- 
zufinden, so ist damit doch keineswegs ihre absolute und in allen 
Punkten bestehende Gleichartigkeit bewiesen. Denn man darf 
hier nicht auf einem ausschlieflich morphologischen Standpunkte 
beharren und von einem iibereinstimmenden Aussehen auf eine 
liibereinstimmende Wesenheit schlicben wollen. Jede 
Gregarine sammelt doch wie jedes andere Tier wahrend ihres 
Daseins eine Summe von Erfahrungen; jede hat ferner von ihren 
Vorfahren eine Summe von Erfahrungen geerbt; das eine Indi- 
viduum hat giinstige Bedingungen angetroffen und hat sich schnell 
entwickelt, das andere vielleicht nicht; jenes hat vielleicht mehr 
Peptone etc. aufgenommen, dieses dagegen nicht. Kurz die verschie- 
denen Daseinsbedingungen haben Differenzen zwischen den Indi- 
viduen hervorgerufen, welche vererbbar sind und ohne Zweifel doch 
ein plasmatisches Substrat zu Grunde liegen haben, das 
die Vererbung vermittelt. Wenn wir diese nun nicht zu sehen 
bekommen, so diirfen wir durchaus nicht auf ihre Abwesenheit 
schliefen. 

Man wird mir vielleicht den Vorwurf machen, da’ ich mich, 
den exakten Gang der Forschung verlassend, auf ein trans- 
cendentales Gebiet begebe und von ,,Dingen zwischen Himmel 
und Erde“ spreche. Dies aber muf ich bestreiten, denn ich be- 
trete allenfalls nur ein noch recht dunkles physiologisches 
Gebiet, von dem sich allerdings unsere Schulweisheit nicht allzu 
viel traumen abt. 

Im Grunde genommen, dies ist meine Meinung, wird man 
auch schon bei der Konjugation von einer Abanderung des 
sog. Keimplasmas sprechen kénnen, wie dies in wirklich merk- 
barer Weise bei der Kopulation und geschlechtlichen Vermehrung 
berechtigt ist. Auch Birscutr suchte ja schon Konjugation und 
Befruchtung sogar in ihren feineren Vorgingen zu parallelisieren, 
worin sich ihm Bawpranr!) hinsichtlich der Ciliaten im wesent- 
lichen anschlof, und den Konjugationsakt der Ciliaten wenigstens 
aus der Kopulation der niederen Protozoen abzuleiten, ,,eine An- 


1) O. Birscutr, Balbiani und die Konjugation der Infusorien; 
und E. G. Baxrsrani, Biitschli et la conjugaison des Infusoires. — 
_ Zoolog. Anzeiger, 1883, p. 10—14 und p. 192—196. 


278 Johannes Frenzel, 


sicht, welche auch GruBER (1886) vertrat“ (Protozoa, III, p. 1638). 
Wie Birrscuur ferner zu dem Schlusse kommt, ,,daf die Konju- 
gation ein Vorgang ist, ohne dessen Eintreten die Ciliaten aus- 
sterben wiirden, ‘hnlich wie die Metazoen ohne die geschlecht- 
liche Fortpflanzung“, so wird dieser Satz auch fir diejenigen 
Gregarinen zu gelten haben, welche sich behufs der Fortpflanzung 
konjugieren. Anders allerdings lage der Fall bei denjenigen Gre- 
garinen, welche sich solitar encystieren, wenn es nicht noch 
besonderer Untersuchungen bediirfte, um festzustellen, ob sich in 
eine Reihe von Generationen nicht doch ab und zu Stadien der 
konjugierten Encystierung einschieben. Da man sich mit Recht 
der Ansicht zuneigt, daf die Gregarinen tiberhaupt riickgebildete 
Abkémmlinge 1) héherer Organismen seien, so wiirden diesen viel- 
leicht die sich konjugierenden naherstehen, als die anderen, welche 
schon die letzten Reste einer geschlechtlichen Vermischung ver- 
loren haben oder im Begriff sind, sie zu verlieren, wie besonders 
die Coccidien, welche ja auch in anderen Beziehungen als eine 
sehr niedrig stehende Gruppe der Gregarinen zu gelten haben. 
Bekanntlich konjugieren die Gregarinen sich gewéhnlich nur 
zu je zwei Individuen. Abgesehen von alteren, etwas unsicheren 
Angaben konnte ich friiher zwei Falle konstatieren, wo mehrere 
Individuen konjugiert sind, namlich einmal bei Callyntrochlamys 
(Seegreg., Taf. 25, Fig. 3) und als Regel bei Aggregata (ebenda 
Taf. 25, Fig. 26 und Taf. 26, Fig. 30 und 31), wahrend im Gegen- 
teil die Anheftung mehrerer jiingerer Individuen nebenein- 
ander an das Hinterende eines grofen 6fter beobachtet ist, ohne 
da dies den Wert einer echten Konjugation hatte, da allemal die 
iiberschiissigen verloren gehen, so daf nur eine gewéhnliche 
Syzygie zuriickbleibt (BirscHi1, Protozoa, I, p. 530 und FRENzEL, 
Seegreg., Taf. 25, Fig. 2 und Taf. 26, Fig. 50), wie ich dies un- 
zweideutig bei Callyntrochlamys nachweisen konnte. 
Normalerweise bestehen nun die Syzygien der Gr. statirae 
auch nur aus zwei Individuen (Fig. 1, 4, 7, 9). Einmal jedoch 
traf ich eine an, aus drei gleichgrofen, noch jungen Tierchen 
zusammengesetzt und wie gewohnlich mit den ungleichnamigen 
Enden aneinandergeheftet (Fig. 3). Ob eine solche Kette aber 


1) Nicht ohne Bedeutung hierfiir erscheint die iiberraschende 
Angabe Gasrret’s iiber das Vorhandensein zahlreicher Quersepten 
bei der Gregarinide aus Typton spongicola. Spiterhin werde ich 
einen Befund mitzuteilen haben, welcher gewissermafen ein Analogon 
hierzu liefert (Pyxinia crystalligera). Vielleicht ein Riickschlag! 


Ueber einige argentinische Gregarinen, 279 


bis und nach der Encystierung erhalten bleibt, wie es bei Aggre- 
gata stets geschieht, kann nicht beurteilt werden, da diese Er- 
scheinung doch eine recht seltene zu sein scheint. Jedenfalls be- 
standen die zahlreichen von mir gesehenen grofen Exemplare 
gemeinhin nur aus zwei Teilen, waihrend reife, solitare Indi- 
viduen, wie schon zu Anfang dieser Schrift angegeben, recht selten 
sein mégen. Diese hatten sich entweder niemals konjugiert oder 
nach erfolgter Konjugation wieder getrennt, wie an jener Stelle 
bereits vermutungsweise ausgesprochen ist. Da ich ferner tiber 
die Encystierung der Gr. statirae iiberhaupt nichts mitzuteilen 
imstande bin, so kann auch nicht bestimmt werden, ob sich hier 
ein solitares Tier encystieren kann oder ob es, ohne sich fortzu- 
flanzen, zu Grunde gehen mu, wie ferner eine freiwillige Tren- 
nung nach erfolgter Konjugation keineswegs bewiesen ist. Sehen 
wir jedoch einen ahnlichen Vorgang bei manchen Ciliaten und 
bei Heliozoen, woriiber ich beabsichtige, an anderen Orten zu be- 
richten, so liegt nichts gegen seine Méglichkeit bei den Gregarinen 
vor, welche auch schon von STEIN angenommen wurde. Er fand 
nicht selten das hintere Individuum kleiner und meinte, ,,daf 
ein Paar verwachsener Individuen durch Zufall getrennt worden 
sei und nun nachtraglich eine Verbindung mit einem jiingeren, 
kleineren Exemplar stattgefunden habe“. Einen weiteren Erkla- 
rungsversuch méchte ich nicht unterlassen. 

Schon oben hatten wir die Konjugation ungleichartiger 
Teilstiicke als Postulat ausgesprochen. Es kénnte nun sein, daf 
sich zuweilen zwei Gregarinen vereinigen, um nachher zu finden, 
dafi die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen sowohl wie 
Differenzen nicht geniigen, um einen ,,Bund fiir’s Leben“ einzu- 
gehen, weshalb sie sich wieder trennen, um einen anderen Ge- 
fahrten zu suchen. 

Die Konjugation ungleichartiger Teilstiicke ist bei Gr. statirae 
sogar eine recht gewéhnliche Erscheinung, und wenn sie zunachst 
auch nur in den GroSenverhaltnissen der Konjuganten ihren sicht- 
baren Ausdruck findet (Fig. 4, 7, 9), so ist damit doch schon der 
Anfang jener postulierten Ungleichheiten gemacht. Es ist ferner 
moglich, daf sich sowohl zwei verschieden grofe Exemplare ver- 
einigen, um sich bei fortschreitendem Wachstum teilweise auszuglei- 
chen (Fig. 4), wie es auch denkbar ist, da8 von urspriinglich gleich 
grofen das eine gegen das andere in der Entwickelung zuriick- 
geblieben ist (Fig.9). Die gré8ten, also auch die reifsten Syzygien 
der Gr. statirae bestehen entweder aus zwei gleichen Individuen 


280 Johannes Frenzel, 


(Fig. 1), die aber, um es noch einmal zu betonen, nur gleich 
erscheinen, wie etwa zwei Ameisen dem ungeiibten und unbe- 
watineten Blicke ebenfalls véllig ,,gleich‘ erscheinen; oder die 
reifen Syzygien setzen sich auch aus zwei verschieden grofen und 
mithin verschiedenartigen Teilstiicken zusammen, wobei freilich 
noch zu beweisen iibrig bleibt, daf sie in diesem namlichen Zu- 
stande zur Encystierung schreiten. 

AuBer dem vermutlichen ungleichmaBigen Wachstum beider 
Halften l48t sich aber noch eine weitere Differenz zwischen ihnen 
erblicken. Man kann wohl mit Recht behaupten, daf alle Cepha- 
lonten eine ungefahr gleiche Gestalt haben (Fig. 8, 12). Nach 
der Konjugation aber flacht sich das Protomerit des hinteren 
Sporonten zu einer oft ganz diinnen Scheibe ab (Fig. 1, 9), so 
dafi es in gewissen Fallen gar nicht mehr aufzufinden ist (Fig. 
4). Das Protomerit des vorderen Sporonten hingegen bleibt ent- 
weder nahezu unverdndert (Fig. 1, 7, 9) oder es gestaltet sich 
auch, doch in anderer Weise, um, indem es sich teils mehr ins 
Deutomerit zuriickzieht (Fig. 10), teils auch seine aufere Ober- 
flache mit der des letzteren auszugleichen sucht, so daf man nun 
am vorderen Teilstiick gleichfalls kaum etwas von einer Separation 
in zwei Kérperabschnitte gewahrt. Ja diese scheinbare Verschmel- 
zung kann eine so tauschende werden, daf man wahnt, die 
Syzygie eines Monocystidenpaares vor sich zu haben (Fig. 4). So 
glaubte ich anfanglich im Darme der Statira eine neue Gregarine 
zu sehen, und erst eine Behandlung mit Jod lief plétzlich die 
Scheidewand sowie die tibrigen Differenzen zwischen beiden Meri- 
ten hervorspringen, wie es in Fig. 10 etwa dargestellt ist. 

Es kann sein, daf in jener Abrundung der Kérperoberflache, 
womit gleichzeitig eine starke Verktirzung der Langsachse Hand 
in Hand geht (Fig. 1, 4), die Vorbereitung zur Encystierung ge- 
geben ist, wahrend die Abplattung des Protomerits des hinteren 
Sporonten bald nach erfolgter Konjugation niemals vermift wird, 
wobei es fraglich ist, ob sie sich einzig und allein durch den 
Druck erklaren la%t, welchen das hinterste Individuum auf das 
vordere in dem Bestreben ausiibt, sich méglichst innig mit ihm 
zu vereinigen, und dessen Folge die Abplattung des Protomerits 
recht wohl sein kann, da es ja wenig feste Substanzen enthalt. Ob 
auch sein Volumen hierbei eine Einbufe erfahrt, vermag ich nicht 
anzugeben, doch scheint der Turgor der Gregarinenzelle, der intra- 
cellulire Druck, sein Ubergewicht in jenem Kérperteil verloren 
zu haben, was aus dem jetzt so geringen Widerstand gegen die 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 281 


Abplattungskraft gefolgert werden kann. Méchte nicht auch dies 
als eine weitere Differenzierung zwischen den beiden Konjuganten 
aufzufassen sein? Nicht ganz leicht lieBe sich tibrigens der in 
der Lingsrichtung ausgeiibte Druck erkliren, dem das _ hintere 
Protomerit unterworfen ist. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, 
da8 er vom vorderen Individuum ausgehe, da dieses sich ja 
gerade nach der entgegengesetzten Richtung hin bewegt, um vor- 
warts zu gelangen. Dem hinteren Individuum spricht man — 
siehe PLATE — eine selbstiindige Bewegung gern ab und denkt 
sich die Syzygie etwa wie ein zusammengekoppeltes Paar von 
Lokomotiven, von denen nur die vordere dampft, die hintere nach- 
schleppend. Dahingegen hat B. Songer!) eine deutliche Be- 
wegung am zweiten Paarling seiner Gregarinen wahrgenommen, 
so dafi man nunmehr das Zustandekommen des genannten Druckes 
geradezu als die Folge eines stirkeren Bestrebens der Vor- 
wirtsbewegung des hinteren Tieres erkliren kann, wie etwa, um 
das obige Bild beizubehalten, die einer anderen nacheilende Loko- 
motive auf diese trifft, sie vor sich herschiebt und den Tender, 
unser Protomerit, zerdriickt. 

Trotzdem ich eine ganze Anzahl von Statiradirmen daraufhin 
untersuchte, so gliickte mir doch niemals die Auffindung einer Cyste, 
was mir um so ratselhafter blieb, als fast jeder Darm eine oder 
mehrere grofe Syzygien enthielt. Soll man nun annehmen, dal 
diese durch den Enddarm auswandern, um sich an einem anderen 
Orte zu entwickeln, oder ist nicht auch der Fall denkbar, daf sie 
einen passenden Zufluchtsort im K6érperinnern des Wirtes suchen ? 
Sie kénnten dann etwa in die Mavpicur’schen Gefife geraten. 
Allerdings fand ich weder dort noch in einem anderen Organ 
oder Gewebe des Kafers eine Cyste oder ein Gebilde ahnlicher 
Art. Dagegen waren die Mauricurschen Gefaife ohne Auswahl 
bestimmter Regionen oft vollgepfropft von kugeligen Behaltern, 
welche eine Anzahl von den Pebrinekérperchen oder Psorospermien 
ganz ahnlichen Organismen umschlossen, wie sie mir in fast glei- 
cher Gestaltung bereits friiher im Mitteldarm von Raupen?) ent- 


1) Notiz tiber eine im Darmkanal von Balanus improvisus Darw. 
(var. gryphicus Mvurnter) lebende Gregarine. Von Brrnu. Sorcrr. 
Mitteilungen des naturwissenschaftl. Vereines von Neuvorpommern 
und Riigen, 22. Jahrg., 1890. — (Sollte B. S. iibrigens nicht viel- 
leicht jiingere Cephalonten mit Epimerit iibersehen oder zufillig 
nicht angetroffen haben 2) 

2) Einiges tiber den Mitteldarm der Insekten sowie iiber Epithel- 


282 Johannes Frenzel, 


gegengetreten waren. Wenn man aber erwagt, daf einmal die 
Fortpflanzung der echten Psorospermien noch ganz dunkel ist, 
da8 ferner die isolierten Kérperchen des Raupendarmepithels 
und der Mavpicur’schen GefafSe der Statira und anderer Insekten 
in ihrem Aussehen auf die sichelf6rmigen Keime der Gregarinen 
hindeuten, so ist noch nicht jeder Zusammenhang zwischen bei- 
derlei Gebilden, im besonderen aber zwischen denen der MAL- 
praHr’schen GefaBe und den Gregarinen des Darmes von Statira, 
von der Hand zu weisen. 

Indem diese fraglichen Kérperchen anhangsweise besprochen 
werden mégen, sei nur zum Schluf noch einmal auf die jiingsten 
Stadien der Gr. statirae hingewiesen, welche sich innerhalb eines 
Darmes meist in Menge finden, wahrend, wie wir bereits sahen, 
reife Individuen um vieles sparlicher sind. Daraus kénnte man 
den Schlu& ziehen, daS eine nicht unbetrachtliche Anzahl dieser 
Gregarinen wahrend ihrer Heranbildung zu Grunde geht, so dab 
nur einige von ihnen die volle Reife erlangen, wenn nicht die 
Moglichkeit fiir die allmahliche Auswanderung heranreifender oder 
nahezu herangereifter Exemplare vorliegen wiirde. 

Es ist schon gezeigt worden, daf die jiingsten Gregarinen 
eine abweichende Gestalt und Cuticula besitzen (Fig. 13), eine 
Gestalt, die ein Analogon in den jungen Clepsidrinen des Blatta- 
darmes findet (Protozoa, I, Taf. 35, Fig. 8). Nur halte ich dafir, 
daf bei der Statira diese Tierchen noch frei sind. Bald formen 
sie sich um, ohne zunachst dabei an Volumen zuzunehmen, indem 
sie sich etwas strecken und zu einem Rotationsellipsoid abrunden 
(wie etwa Fig. 21). Gleichzeitig erhalten sie durch Ausstiilpung 
eines vorderen Bezirkes des Protomerits ein Epimerit (Fig. 8), 
senken sich in eine Darmzelle ein und wachsen zum vollkom- 
menen Organismus heran, wie ich es versucht habe, in den voran- 
gehenden Zeilen zu beschreiben. 


regeneration. Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. 26, Taf. 7, Fig. 4, 
sowie: Zum feineren Bau des Wimperapparates; ebenda Bd. 28, 
p. 78 Anmerkung, und G. Batprani, Les Sporozoaires, Paris 1884. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 283 


Anhang. 


1. Die Psorospermien-ahnlichen Organismen der 
Matrient’ schen GefiBe von Statira unicolor BLAncn. 


Die Maupicur’schen GefaBe der Statira besitzen den gewéhn- 
lichen Bau dieses Organes; die Epithelzellen sind von mittlerer 
Gréfe, ziemlich isodiametrisch und besitzen einen gut entwickelten 
hohen Harchensaum, welcher etwa die Hialfte der Zelloberflache 
iiberkleidet, ein Verhalten, welches ich, um es nebenbei zu er- 
wahnen, noch mehr ausgepragt im Mitteldarmepithel der Cicaden 
antraf, wo die einzelnen Zellen gré8tenteils und fast vollig von- 
einander isoliert stehen, wodurch ihre freie Oberflache ganz aufer- 
ordentlich vergréfert ist. 

Oft fand ich diese Matricur’schen Gefife nun normal und 
keineswegs verandert; oft aber waren sie unregelmafig erfillt von 
teils mehr vereinzelten Parasiten oder von den _ blasenartigen 
Paketen, deren jedes von gleicher Groéfe und auch- sonst von 
gleichem Aussehen im optischen Schnitte etwa 10—12 parallel 
aneinandergelagerter dichtgedrangter Parasiten enthielt, wahrend 
die geringen Zwischenréume zwischen diesen von einer klaren, 
jedenfalls fliissigen und ganz homogenen Masse durchtrankt waren. 
An manchen Stellen zeigte sich in diesem Falle das Epithel un- 
verletzt, an anderen Stellen aber pathologisch umgeformt, indem 
sich an einzelnen Punkten aneurysmenartige Aussackungen mit 
Verkiimmerung der Zellen gebildet hatten, wenn, wie auch an 
nichtausgesackten Stellen, nicht ein ganzlicher Schwund derselben 
eingetreten war. 

Die Gestalt der Parasiten, im freien sowohl als auch im einge- 
kapselten Zustande identisch, ist ungefaihr die eines dicken, plumpen 
Bacillus, vorn und hinten etwas verjiingt und dann _halbkugelig 
abgerundet. Einige zeigten sich fast gerade, andere leicht ge- 
kriimmt oder annahernd bohnenférmig. Ihre Gréfe war eine bei- 
nahe iibereinstimmende, und maf ich die Linge zu ca. 0,012 bis 
0,013 mm, ihre Breite zu 0,0035 mm. Sie sind also gréf8er als 
die im Mitteldarm von Porthesia chrysorrhoea, wo ihre Lange 
etwa 0,008, ihre Dicke 0,0025 mm betragt1), und wo ferner ihre 


yi) Einiges tiber den Mitteldarm der Insekten etc. Archiv fiir 
mikroskop. Anatomie, Bd. 26, p. 274 und Taf. 7, Fig. 4. 


284 Johannes Frenzel, 


Verpackung in der Blase eine ganz andere, nicht parallel gerichtete, 
sondern mehr kreuzweise geschichtete ist. Eine Eigenbewegung 
fehlt den K6rperchen in beiden Fallen, wie auch iiberhaupt irgend 
welche Lebenszeichen, Gestaltsveranderungen, Kontraktionen 
u. s. w. nicht zu bemerken sind, ein Umstand, der die Ansicht 
Birscuur’s von ihrer pflanzlichen Natur unterstiitzt, obgleich die 
cuticulaartige membranése Umhiillung die Jodreaktion nicht geben 
wollte. 

Die Organisation der Parasiten erscheint ebenso einfach, wie 
die der Bakterien, denn man kann aufer der stark glanzenden, 
scharf umschriebenen Cuticula und einem triibhomogenen Inhalt 
kaum hervorragende Besonderheiten unterscheiden. Das Aussehen 
dieser Cuticula bewirkt einen lebhaften Glanz des Tieres, wahrend 
das Plasma matt ist. Es giebt jedoch sehr viele teils frei lie- 
gende, teils aber auch noch eingekapselte Individuen, denen eine 
derartig differenzierte Cuticula abgeht, und die nun durch ihren 
ganzen Koérper hindurch matt und schwach lichtbrechend aussehen, 
womit aber noch nicht auf das Fehlen jenes Gebildes geschlossen 
werden soll, da der Umrif nach wie vor ein scharfer ist. Man 
kann also eigentlich nur sagen, dafi sich nun die Cuticula in ihrem 
Lichtbrechungsvermégen kaum noch vom Plasma abhebt. 

Die glinzenden Kérperchen zeigen haufig der Cuticula auf- 
gelagert einige wenige, zwei bis fiinf, kleine, halbkugelige, also 
knétchenformige Auftreibungen oder Verdickungen, innen anschei- 
nend hohl und von demselben Glanze und Aussehen. Man kénnte 
sie zuerst fiir Fetttrépfchen im Innern halten, wenn man sie bei 
Verschiebungen und Drehungen nicht deutlich an der Aufenseite 
sehen wiirde. 

Das, wie schon gesagt, fast homogene Plasma lat nur zu- 
weilen ganz kleine, feine, staubartige K6rnchen entstehen, die cen- 
tral angeordnet sind. Manchmal erkennt man auch, wenn man 
die Kérperchen als Ellipse betrachten wiirde, etwa in deren Brenn- 
punkten je einen dunkleren rundlichen, von einem helleren Hofe 
umgebenen Fleck, welcher durch Zusatz von Essigséure deutlicher 
wird, so dafi man auf zwei Kerne schlieBen kénnte, wenn nicht 
durch diese Saéure noch einige andere, abnlich beschaffene Flecke 
oder Triibungen hervorgebracht wiirden. Sonst bleibt itbrigens 
das Plasma bei dieser Behandlung verhaltnismafig klar und durch- 
sichtig und nur einige mehr vakuolenartige hellere Flecken wer- 
den sichtbar, die alle, wie auch die zuerst genannten, mehr oder 


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Ueber einige argentinische Gregarinen. 985 


weniger in einer Reihe angeordnet, in der centralen Langsachse 
des Kérpers liegen. 

Leider vermochte ich die Kernnatur der Flecken mit den 
mir zur Verfiigung stehenden Mitteln nicht zu erbringen, da die 
Firbung immer eine diffuse blieb, wahrend es mir z. B. nicht 
schwer gelang, nach dem Vorgange BirscHii’s!) bei einer frei- 
lich viel gréferen Bakterie zwei Centralkérper (Kerne?) zu 
demonstrieren. 

Bei Behandlung mit Jod, sowohl fiir sich allein oder in Ver- 
bindung mit Essigsiure oder Schwefelsiiure, war nur eine leichte 
Gelbfirbung der Cuticula und des Plasmas zu erzielen, wahrend 
die durch Essigsiure hervorgerufenen Flecken ungefarbt blieben, 
was gleichfalls auf ihre Vakuolenbedeutung hinweist. Wabhr- 
scheinlich sind sie daher weiter nichts als Fliissigkeitsansamm- 
lungen, entstanden nach der Kontraktion des Plasmas durch 
Essigsiure. 

Das mikrochemische Verhalten unserer Koérperchen stimmt 
mit dem Resultat, welches friiher an den ahnlichen Gebilden aus 
dem Raupendarm gewonnen worden war. Sowohl in starker Sal- 
petersiure wie in ebensolcher Essigsiure nicht angegriffen, ver- 
schwinden sie schnell in konz. Schwefelsaure. 

Wahrend Leypic und BaLpiani die wahrscheinlich identischen 
Organismen der Pebrinekrankheit zu den Sporozoen ziehen, halten 
Naceti und Butscuui sie eher fiir schizomycetenartige Pflanzen. 
Welche von beiden Meinungen nun mehr fiir sich haben, kann ich 
nach meinén Erfahrungen nicht beurteilen, zumal ich keine Fort- 
pilanzungsvorgiinge anzutreffen vermochte, obgleich ich sehr viele 
von diesen Organismen zu sehen bekam. Weder fand ich aber 
jemals eine Querteilung nach Art der Bacillen, noch ein Auswach- 
sen im Sinne Banpiani’s. Nur der Verlust des starken Licht- 
brechungsvermégens sowie die vakuolenartigen Flecken deuten 
auf schon yon Batpiani gemachte Beobachtungen hin, die aber 
deswegen nicht gut mit der Fortpflanzung in Beziehung stehen 
diirften, als sie bereits den in Kapseln eingeschlossenen K6rper- 
chen eigentiimlich sein kénnen. 


1) Uber den Bau der Bakterien und verwandter Organismen. 
Vortrag etc. 6. Dez. 1889 von Prof. Dr. O. Biérscuxr, C, F. Winter's 
Verlag, Leipzig 1890. 


286 Johannes Frenzel, 


2. Gregarina bergi’) nov. spec. (Fig. 16 bis inkl. 19.) 


Langlich eiférmig, in der Jugend hinten spitz, 
im Alter abgerundet. Stets solitar. Protomerit in 
der Jugend hell, mit groBem, spitz-kegeligem Epi- 
merit. Cuticula derb. Kein Sarkocyt und Ekto- 
plasma. Kern mit einem Morulit. 

Vorkommen: Mitteldarm von Corynetes (Necro- 
bia) spec. wohl C. ruficollis Cordoba (Argentinien). 


In Gemeinschaft mit Dermestes vulpinus fand ich hier zwi- 
schen alten Knochen und Abfallen einigemale einen kleinen, flin- 
ken, blauen Kafer (Cleride), welcher, wie Herr Prof. Cart Bere die 
Freundlichkeit hatte zu bestimmen, ein Corynetes (Necrobia) ist. 

Fast jedes Exemplar dieses Kifers beherbergte in seinem 
Mitteldarm einige, aber nur sparliche Gregarinen, meist in ver- 
schiedenen Altersstufen. Sie sehen bei durchfallendem Lichte 
grau bis grauschwarz, jedoch bei weitem nicht so dunkel und 
glanzend wie die Gr. statirae aus. Bei auffallendem Licht?) sind 
sie rein weil, Der Kern und sein Inhalt tritt auch bei grofen 
und dicken Exemplaren immer deutlich hervor. 

Die Gestalt der Gr. bergi ist eine typisch ,,gregarinen- 
artige“, d. h. so, wie man sich gewoéhnlich eine Gregarine vor- 
stellt (Fig. 17), z. B. Clepsidrina blattarum Sres., Actinocephalus 
stelliformis Aim. Scun. oder den zuerst entdeckten Repriasentanten 
dieser Klasse: Gr. conformis Dims. (Seegregar., Taf. 26, Fig. 65), 
nur dal} sie etwas mehr gedrungen ist. Wahrend ferner bei vie- 
len anderen Gregarinen die Jugendformen ganz erheblich schlan- 
ker sind, was uns ja auch bei der Gr. statirae auffiel, so macht 
sich hier eine derartig tiefgreifende Differenz nicht bemerkbar, 
wenngleich ein jingeres Cephalontenindividuum, vom Epimerit ab- 
gesehen, immer etwas schlanker als ein reiferes Sporontenindi- 


1) Nach meinem verehrten Kollegen, Herrn Prof. Dr. Cartos 
Bere, Direktor des National-Museums in Montevideo, benannt. 

2) Ich habe meinen Arbeitsplatz hier so gewihlt, da’ ich das 
Licht zum Mikroskopieren von der Nord-, hier also von der 
Sonnenseite herbeziehe. Den Spiegel des Mikroskops stelle ich 
so, dafi er die untere Schicht des Himmelsgewélbes auffingt, wo 
das Blau des selten getriibten Himmels in die gelblichen Téne iiber- 
geht. Das Licht ist viel schéner als das des sonnenlosen Siidens. 


} 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 287 


viduum ist, was sich namentlich am hinteren Korperende geltend 
macht, das im ersteren Falle spitz, im letzteren breit abgerundet 
ausliuft (Fig. 16, 17). Auch setzt sich dort das Protomerit etwas 
schirfer vom Deutomerit ab als hier. Seine Gestalt ist inde’ 
fast stets die einer Halbkugel, mit vorn abgerundeter Oberflache, 
doch so, daf bei jungen Tieren seine Hohe etwa der Breite gleich- 
kommt, wahrend es im weiteren Verlauf des Wachstums breiter 
als hoch wird (Fig. 18). 

Ganz junge und kleine Exemplare dieser Gregarine habe ich 
nicht zu sehen bekommen; die kleinsten, die ich auffand, hatten 
schon eine ganz stattliche Gréfe und ein wohl entwickeltes Epi- 
merit (Fig. 16). Die Lange eines solchen mit Epimerit betrug 
ca. 0,12 mm, ohne dieses ca. 0,09 mm, wahrend die gréSte 
Breite des Deutomerits ungefahr 0,038 mm war. Kin grofes 
Exemplar hingegen maf anndhernd '/, mm in der Lange und 
0,09 mm in der Breite; ein mittleres, noch mit einem kleinen 
Epimerit versehen, hatte ohne dieses die Mafe 0,18 mm (L.) 
und 0,07 mm (Br). 

Wie bei anderen Gregarinen, so ist auch bei unserer Gr. 
bergi die ortsverindernde Bewegung eine trage. Kontraktionen 
des Koérpers, wenn schon ebenfalls nur langsame, sieht man hier 
jedoch 6fters, und zwar, obgleich seltener, ahnlich so, wie SoLGER 
(1. c. Abbild.) sie fiir seine Gregarine angiebt, oder, und das hau- 
figer, daf sich nur an einer Seite des Deutomerits eine oder 
zwei tiefe Kinschniirungen markieren, welche langsam bis zum 
Protomerit hinwandern, zuweilen auch einen entgegengesetzten 
Verlauf nehmen. Jedenfalls haben derartige Kontraktionen oder Er- 
scheinungen blof’ wenig mit der Weiterbewegung des Tieres zu thun, 
was schon ihre Seltenheit ausschliefen diirfte. Songer fiihrte sie 
wohl mit Recht auf einen unnatiirlichen Reizzustand zuriick. Wir 
haben hierin daher eine Fahigkeit der Gregarinen, die nur selten 
zur Anwendung kommt, denn, so kénnen wir es sagen, diese 
Schmarotzer haben eine Kontraktionsthitigkeit nicht mehr nétig 
und verlernen ihre Ausiibung allmahlich, um schlieflich, das sehen 
Wir an manchen yon ihnen, diese Fahigkeit ganz zu verlieren, 
wahrend ihre héher organisierten Vorfahren sie in viel héherem 
Grade besessen haben migen. 

Wie die Ortveraénderung der Gregarinen, bestehend in einem 
Jangsamen Vorwartsgleiten oder -schwimmen, ausgefiihrt wird, ist 
bekanntlich noch véllig dunkel. Man wei nur, da sie ihre Pa- 


| rallele bei den beweglichen Diatomeen (?) und gewissen Bacillen fin- 


———e—eEeEeEeE————eeeeEeEeEere—™ 


288 Johannes Frenzel, 


det. Bei ersteren sah ich wiederholt die eigentiimliche Erschei- 
nung, wie ein kleiner, an sich unbeweglicher Fremdkoérper lebhaft 
langs der Naviculacee hin und her glitt, um dann abgestofen zu 
werden, wie wenn er von feinen Greiforganen erfaft und hin und 
her geschoben worden ware!), Von derartigen Gebilden war natiir- 
lich nichts zu sehen, wie man sich auch denken koénnte, daf er 
vom Protoplasma der Zelle abwechselnd angezogen und abgestofen 
worden ware. Was mich dabei aber interessierte, das war das 
Sichtbarwerden einer Lebensthatigkeit, die sich sonst nur in der so 
ritselhaften Vorwiirtsbewegung offenbart. Derartige Erscheinungen 
sind nun leider bei den Gregarinen niemals zu konstatieren, und 
diese Ratselhaftigkeit muff um so verwunderlicher werden, als 
diese Organismen doch von so erheblicher Gréfe sind, daf einmal 
die sie, wenn auch nur trage vorwartstreibende Kraft keine so 
ganz geringe sein kann, und daf ferner doch von Rechts wegen 
etwas von dieser Kraft und ihren Organen handgreiflich zu sehen 
sein miiBte. Forschen wir aber genauer nach, so kann nicht ein 
einziges Organgebilde des Gregarinenkérpers im Ernste mit der 
Vorwartsbewegung in Beziehung gebracht werden. Denn das 
Sarkocyt und seine etwa vorhandenen Fibrillen kénnte, angenommen, 
es sei selbstindig kontrahierbar und muskulés, was ja kein Mensch 
weil}, allenfalls eine der oben besprochenen Einschniirungen be- 
wirken, aber niemals das Vorwartsgleiten, weil dazu viel lebhaf- 
tere Kontraktionen erforderlich wiren, so etwa wie bei den Regen- 
wiirmern. Auch miiSten dann die Ringkontraktionen iiberall 
nachweisbar sein, was wie schon gesagt, ganz im Gegenteil nicht 
der Fall ist. 

Man stellt sich oft die Schwimmbewegungen dieser und ana- 
loger Organismen so vor, daf am Vorderende oder langs des 
Korpers gewissermafen Wasser eingepumpt werde, um hinten 
mit Gewalt ausgestoBen zu werden, wodurch allerdings ein solcher 
Kffekt erzielt werden kénnte. Dann miiften sich aber doch — 
man bedenke eine 500- bis 1000-fache Vergréferung dieser Vor- 
ginge — irgendwelche Strémungen innerhalb wie auferhalb der 
Gregarine bemerkbar machen. Welchen Strudel bringt nicht eine 
etwa ebenso grofe Opalina oder Bursaria mit den Cilien hervor, 
auch wenn sie langsam vom Fleck gleiten! Nun giebt es zwar 
gewisse Gregarinen, deren Entoplasma ziemlich lebhafte Strémun- 
gen nach Art einer Amébe ausfihrt (Monocystis agilis); bei den 
meisten anderen weil} man davon aber nichts zu melden, und 


1) Vergl. M. Scuutrze, Arch. f. mikr. Anatom., Bd, I. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 289 


kann bei vielen nicht einmal eine Molekularbewegung der Korner 
zugeben. ,,Und sie bewegt sich doch‘, so mu man ausrufen, 
wenn man das Schwimmen einer Gregarine ohne sichtbare Thatig- 
keit ihrer Organe verfolgt oder wenn dies an einer Heliozoe ge- 
schieht. Denn die dort zu beobachtende Schiefstellung der Strah- 
len (Actinosphaerium)1) mag vielleicht durch Verringerung des 
Widerstandes im Wasser die Bewegung unterstiitzen, ohne diese 
indessen verursachen zu kénnen, was schon daraus hervorgeht, 
daf sie bei den meisten Heliozoen durchaus vermift wird. 

Bei den Diatomaceen wird das Vorhandensein von ganz feinen 
Pseudopodien wohl noch vermutet, um dadurch eine Erklarung 
finden zu kénnen. Daf dort in der That irgend etwas an der 
Oberflaiche der Zelle vor sich geht, mag die oben angegebene Be- 
obachtung beleuchten. Wenn jedoch bei einer Gregarine derartige 
Organe vorhanden waren, so miiSten sie doch bei einem so um- 
fangreichen Tiere von betrachtlicher Gréfe sein, um eine nennens- 
werte Wirkung entfalten zu kénnen, was dann zur Folge hatte, 
daf man sie klar und deutlich sehen und in ihrer Thatigkeit be- 
obachten sollte ?). 

Da auch dieser Erklirungsversuch daher fallen muf, so wiirde 
ich, wenn die uns interessierende Erscheinung nicht auch bei 
den freilebenden Heliozoen u. s. w. vorlage, einem anderen Versuch 
mehr Raum geben, als dies im folgenden geschehen soll. Ganz 
unterdriickt mége er aber deswegen nicht werden, alser sich nicht 
nur an die zuerst referierte Erklarung anlehnt, sondern vielleicht 
doch auch mit einer kleinen Variante auf die freilebenden Proto- 
zoen tibertragen werden kénnte. 

Die Gregarinen nahren sich offenbar von dem verdauten 
Darminhalt ihres Wirtes, indem sie also Stoffe von aufSen in fliis- 
siger Form aufnehmen. Diese Aufnahme ist eine anziehende Funk- 
tion ihres Protoplamas und sehr wahrscheinlich nicht eine einfach 
endosmotische, sondern eine auf einer chemischen Thatigkeit 
beruhende. Man kénnte nun diese Thatigkeit mehr in das vor- 
dere Glied, in das Protomerit verlegen, worauf ja schon das 
gleichfalls zur Nahrungsaufnahme bestimmte Epimerit der Cepha- 
lonten hinweist, derartig, dafi die aufzunehmenden Stoffe und das 


1) Cant Branpt, Untersuchungen an den Achsenfiiden der Helio- 
zoen. Sitzungsbericht der Gesellschaft Naturforschender Freunde in 
Berlin, 15. Oktober 1878, p. 171 ff. — l. c. p. 176. 

2) Siehe ,,Nachtrag“. 


Bay XVI, No Fs &X- 19 


290 Johannes Frenzel, 


Protoplasma eine Anziehung aufeinander ausiiben, die das 
Tier wie ein Magnet nach vorwarts treibt, bis zu einem 
Punkte, wo jene Stoffe in groer Menge angehauft sind. Dorthin 
muf die Gregarine gelangen, um Nahrung aufzunehmen, woher 
sich vielleicht das sofort beobachtete plétzliche Anhalten der Be- 
wegung erklart. Ferner nimmt die Gregarine hierbei wahrschein- 
lich mehr Wasser auf, als sie bedarf und giebt es in langsamem 
Strome nach hinten hin von sich, wodurch die vorwartstreibende 
Kraft noch vermehrt wird. Dieser Strom wiirde, wo die Lebens- 
energie eine gréfere ist, die Molekularbewegung der Korner oder 
die Strémungen im Entoplasma erkliren kénnen. 

Wie aber, so wird man fragen, sollen nun die offenbar so 
gleichartigen Vorginge an denjenigen Protisten erklairt werden, 
die nicht als Schmarotzer eine sie nahrende und anziehende 
Flissigkeit aufnehmen. Ich denke mir daher, da auch in diesem 
Falle im Wasser Anziehungspunkte existieren, sei es in Gestalt 
anderer Organismen, welche eine Beute der ersteren werden 
kénnten, sei es, wie bei Protophyten-Kohlensiure oder dergl., 
deren sie zur Assimilation bediirfen. Freilich darf dabei nicht 
aufer acht gelassen werden, daf diese Erklarung nicht recht 
fiir das Gegenteil jener Erscheinungen herhalten will, nam- 
lich fiir das voéllig ruhige Daliegen so vieler Diatomeen oder 
Bakterien. Nicht ohne Recht wird man sich fragen miissen, 
warum nicht auch sie von der allgemeinen Wanderlust ge- 
packt werden. Wie jedoch die Astronomie eine Anziehungs- 
kraft annimmt, welche die Himmelskérper in ihren Bahnen 
lenkt, wie die Chemie in die Atome und Molekiile der Materie 
die gleichen Krifte verlegt, so wird man sie auch zwischen Kér- 
pern bestehen lassen kénnen, welche hinsichtlich ihrer Grofe und 
Konstitution nichts anderes sind, als die Zwischenglieder in der 
endlosen Kette zwischen einem Atom und einer Weltensonne. 
Die Anziehung kénnte nur eine schwache sein, so daf sie ihr 
Minimum erreicht in der Molekularbewegung kleinster Gebilde, 
welche etwa nach allen Richtungen hin ungleichmafig angezogen 
wurden, woraus das eigentiimliche Schwingen und Tanzen entsteht. 
Sie verschwindet endlich bei ruhenden Organismen vdllig, derartig 
vielleicht, daf deren Lebensthatigkeit eine zu geringe ist, um sich 
in Bewegungen zu iufern oder daf diese sich festheften wie 
z. B. gestielte Diatomeen, Suctorien und echte Pflanzen, wenn 
nicht, wie es besonders bei den echten Tieren zu Tage tritt, eigens 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 291 


konstruierte Organe eine Eigenbewegung hervorrufen, welche der 
Anziehungskraft entgegenzuwirken imstande ware '). 

Der feinere Bau der Gr. bergi schlieft sich ziemlich enge 
an den der Gr. statirae an. 

Die Cuticula, um mit dieser zu beginnen, ist etwas derber 
als dort und schon deutlich doppelt konturiert, wenn auch nicht 
yon einer solchen Dicke, wie sie manchen anderen Polycystiden 
zukommt. Mit Ausnahme des Epimerits iiberzieht sie den Koérper 
in gleichmafiger Dicke, ohne im besonderen am vorderen oder 
hinteren Ende eine Verstaérkung zu erfahren (Fig. 16, 17). In 
ihrem Aussehen ist sie wie gewohnlich glashell und farblos, ohne 
aber jemals eine Skulpturierung, eine Langsstreifung, Rippung oder 
dergl. aufzuweisen, eine Eigentiimlichkeit, welche auch bei Be- 
handlung mit Reagentien (Essigsiure, Glycerin) bestehen bleibt. 

In ihrem chemischen Verhalten stimmt die Cuticula mit der 
von Gr. statirae tiberein. In Essigsiure oder Salpetersiure lost 
sie sich nicht, wihrend Jod sie leicht gelb farbt. 

Im Plasma, sowohl bei jungen wie bei alteren Individuen, 
sowohl im Proto- wie im Deutomerit ist irgend eine Ditferenzie- 
rung in Ektoplasma, Sarkocyt, Fibrillen, Punktreihen etc. nicht 
nachweisbar. Zwar sieht man die Paraglykogenkérner nicht an 
allen Stellen der Cuticula dicht anliegen, so daf hier und dort 
zwischen jenen und dieser ein schmaler spaltartiger Raum aus- 
gespart bleibt. Das erstere ereignet sich aber wenigstens eben 
so oft, so dai man im letzteren Falle doch nur auf eine mehr 
zufallige Abwesenheit einiger Korner in der Nahe der Cuticula 
schlieSen darf. 

Das Plasma ist so dicht von den Kérnern erfiillt, da’ es nur 
im helleren Protomerit jiingerer Individuen als eine wasserklare, 
hyaline Fliissigkeit zu erkennen ist (Fig. 16). 

Wenn bei einer Behandlung mit Wasser und Speichel das 
Epimerit sich von der Gregarine ablést, so quillt an der jetzt 
offenen Ansatzstelle aus dem Protomerit eine kugelige, schnell 
wachsende wasserklare Blase hervor, in welche bei dieser Gre- 
garine meist auch der Kérnerinhalt jenes Abschnittes hineinstrémt, 
um bei dem alsbald stattfindenden Platzen der Blase mit deren 
fliissigem Inhalt zerstreut zu werden, worauf die Gregarine ab- 


1) Vergl.: Uber die primitiven Ortsbewegungen der Organismen 
von Dr. Jou. Frenzet. Biolog. Centralblatt, Bd. 11, Nr. 15 und 16, 
p. 465 ff. 


19* 


292 Johannes Frenzel, 


stirbt. Dieser Vorgang sei deswegen betont, als er uns nachher 
noch mehrfach wird beschaéftigen miissen. Er aufert sich nament- 
lich an jiingeren Individuen mit noch grofem Epimerit. 

Bei Behandlung mit Essigsiure entsteht im Plasma die be- 
kannte Triibung, welche so intensiv ist, daf der urspriinglich 
sichtbare Kern vollig verdeckt wird. Ein wenig spiter erst macht 
sich die Quellung des Protocollagens bemerkbar, ohne aber einen so 
hohen Grad wie bei der Gr. statirae zu erreichen. Folgt auf jene 
Siure Salpetersiure, so geht ein grofer Teil der Triibung in L6- 
sung — wie natiirlich auch die Paraglykogenkérner — und es 
bleibt ein sehr bestimmtes Maschenwerk iibrig, das sich auch hier 
besonders schén um den Kern herum abhebt (Fig. 19), wo die 
Hauptstringe des Alveolins wie Radien ausstrahlen, um sich spitz- 
winklig zu veristeln. An den Verastelungsstellen sind die Knoten- 
punkte sehr deutlich, eine Wirkung, die auch durch Salpetersiure 
fiir sich allein in konzentriertem oder verdiinntem Zustand er- 
reicht wird, namentlich bei vorhergehender Jodbehandlung. Im 
Protomerit indes ist das Maschenwerk sehr undeutlich, vielleicht 
weil dort nur wenig Alveolin vorhanden. Folgt endlich das Jod 
der Salpetersiiure, so farben sich die Fiden schwach gelblich, 
eine Farbe, welche bei Sublimatzusatz rasch verschwindet, als Be- 
weis, dafi das Jod nur ganz lose gebunden ist. 

Kin Teil der Maschenknotenpunkte besteht aus Fett, wie die 
Léslichkeit zeigt; dasselbe ist auch im Protomerit in gréSeren 
und zahlreicheren Trépfchen vorhanden, die jedoch keiner be- 
stimmteren Anordnung unterworfen zu sein scheinen. 

Wirkt nur Essigsiure und darauf Jod ein, wobei die Korner 
rotbraun gefirbt werden, so macht sich im Protomerit, namentlich 
jiingerer Individuen, eine gelbliche Grundfarbung bemerkbar, welche 
nicht in verdiinnter, dagegen wohl in konzentrierter Salpetersiure 
verschwindet. Da sie im Deutomerit erheblich schwacher ist, 
so kann man folgern, daf echtes Albumin, niedergeschlagen in 
feinen K6érnchen, ungelést in verdiinnter, gelést in starker Sal- 
petersiure, reichlicher im Protomerit als im Deutomerit vorhanden 
ist, welch letzteres vielmehr in héherem Mafe als Ablagerungsort 
fiir die Paraglykogenkérner dient. 

Diese Korner sind hier bei auffallendem Licht von rein weifer 
Farbe und besitzen bei durchfallendem Licht bei weitem nicht 
den Glanz und das Feuer wie die Kérner von Gr. statirae, woher 
es kommt, daf sogar das Kernmorulit so deutlich zu sehen ist, 
da es starker glinzt. Im iibrigen sind sie recht grob, stark 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 293 


runzelig, abgerundet eckig und dicht gedrangt, und zwar hinsicht- 
lich des Deutomerits sowohl bei jiingeren (Cephalonten) wie bei 
reiferen Individuen (Sporonten) (Fig. 16, 17). Bei den letzteren 
ist zwar auch das Protomerit dicht erfiillt (Fig. 17), doch so, da8 
sich ein Teil des Ké6rnerinhaltes als Fett erweist. Der gleiche 
Kérperabschnitt jiingerer Cephalonten ist im Gegensatz hierzu 
hell und gleichmafig durchsetzt von durch Zwischenriume ge- 
trennten Kérnern (Fig. 16), eine Erscheinung, welche sich bei zu- 
nehmender Reife schon im Cephalontenstadium ausgleicht (Fig. 18). 

LaBt man auf die Korner unmittelbar Jod einwirken, so 
nehmen sie eine mahagoniartige oder braunrote Farbe an, ohne 
glasig aufzuquellen und ohne erkennbaren Stich ins Violette. Wird 
nun starke Salpetersiure hinzugefiigt, so wird die ganze Masse 
tiefdunkelbraun, etwa wie Sepia, worauf die Kérner ohne zu 
quellen und mit gleichzeitigem Verlust der Farbe verschwinden, 
indem sich das Jod in Krystallform niederschlagt. Auch hier ist 
eine violette Verfirbung nicht vorhanden, ein Zeichen, daf durch 
die starke Saure die Paraglykogensubstanz sofort chemisch ver- 
andert wird. Recht auffallig ist nur die tiefdunkelbraune voran- 
gehende Jodfarbung, die vielleicht so zu erkliren ist, daf die 
Paraglykogen-Jodverbindung umgeformt wird in salpetersaures 
Paraglykogen, welches sich mit Jod nicht verbindet, wobei eine 
Zwischenstufe momentan entsteht, die mit Jod eine dunkelbraune 
Verbindung bildet. Nach dieser Behandlung, welche von einer 
Quellung des Protocollagens begleitet wird, bleibt auSer Fett, wie 
wir sahen,-nur noch das Alveolin zuriick. 

Wenn die Jodfarbung mit Essigsiure kombiniert wird, so er- 
halten die K6érner dieselbe braunrote Farbe, in ganz gleicher 
Weise wie bei reiner Jodeinwirkung. Das essigsaure Paraglykogen 
verhalt sich hierin demnach wie das reine Paraglykogen, wihrend 
wir bei Gr. statirae doch einen gewissen Unterschied finden. Wird 
aber nun verdiinnte Salpetersiiure hinzugesetzt, so macht sich eine 
schon bei jener Gregarine konstatierte Reaktion geltend. Die 
K6rner, jetzt etwa als essigsaures Jod-Paraglykogen zu bezeichnen, 
lésen sich nun langsam, wobei eine schéne rotviolette Lésung zu- 
riickbleibt, ein Zeichen, da’ eine chemische Verdnderung dieser 
Paraglykogenkombination nicht eintritt. Diese rotviolette Farbe 
im Deutomerit mischt sich mit der gelblichen Eiweifjodfarbe im 
Protomerit. Erst eine stirkere Salpetersiure ist endlich imstande, 
die salpetersaure Essig-Jod-Kombination des Paraglykogens zu 
zerspalten, so da das Jod ganz austritt, was auch geschieht, 


294 Johannes Frenzel, 


wenn anstatt jener konz. Saure Sublimat angewendet wird. Da 
die verdiinnte Salpetersaure wohl eine Lésung, nicht aber eine 
Quellung der Korner verursacht, so sieht man, daf die Jod- 
reaktion, auch ohne diese eintreten kann. Eine Vergleichsprobe 
mit Schwefelsiure lift jedoch bei der Gr. bergi wie bei den 
iibrigen Gregarinen eine solche Quellung nicht vermissen. 

Der Kern unserer Gregarinen hat keine ganz bestimmte Lage, 
zieht indes im allgemeinen den hinteren Teil des Deutomerits 
vor, wo er bald mehr central (Fig. 16), bald mehr seitlich zu 
finden ist. Wie das Plasma tiberhaupt keine erkennbaren Stro6- 
mungen ausfiihrt, so bleibt auch der Kern ruhig an seinem Orte 
liegen. Er stellt ganz wie derjenige von Gr. statirae ein kugeliges, 
wasserhelles Bléschen von ca. 0,025 mm im Durchmesser dar, 
im Innern bald central, bald mehr peripherisch ein einziges 
K6rperchen mit den Charakteren eines Morulits bergend, dessen 
Durchmesser ca. 0,01 mm betrigt. 

Da Kern sowohl wie Morulit in allen Fallen deutlich hervor- 
schimmern, so laf%t sich ihr Verhalten wahrend der Lebensthatig- 
keit der Gregarine recht gut verfolgen, wobei aber niemals irgend 
welche Bewegungserscheinungen, Gestaltsveranderungen oder der- 
gleichen zu konstatieren sind. Das Morulit im besondern verharrt 
in absoluter Starrheit. 

Bei Einwirkung von Essigsiure wird die sehr feine Kern- 
membran deutlich und das Morulit sehr triibe. Sonst jedoch ent- 
stehen nur ganz geringe Granulationen in dem klar bleibenden 
Kernsafte. Starke Salpetersiure hingegen lost das Morulit vollig 
auf, so daf eine ziemlich feine Triibung im Kernsafte restiert, 
wahrend die Kernmembran ungelést bleibt und nur unregelmabig 
einschrumpft. Verdiinnte Salpetersdure oder besser eine Kombi- 
nation solcher mit Essigséure greift das Morulit kaum an, woraus 
wohl auf Nuclein zu schlieSen ist, wie auch im Kernsaft eine 
ziemlich dichte feine Granulierung bleibt, bestehend aus einem 
sehr undeutlichen Netzwerke mit feineren und etwas gréberen 
Punkten. Wird sodann starkere Salpetersaure mit Essigsaure 
kombiniert, was wir schon bei Gr. statirae thaten, so verdndert 
sich das Morulit gerade wie dort in starkerem Grade, wird matter 
und grobkérniger (Fig. 19). 

Da die Kernmembran auch in starker Salpetersdéure unver- 
andert bleibt, genau so wie die Zellcuticula, so liegt hierin eine 
weitere Ubereinstimmung mit den bei Gr. statirae gewonnenen 
Resultaten. Vergleicht man ihre Eigenschaften mit histologischen 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 295 


Elementen héherer Metazoen, so wird man in den elastischen 
Fasern und Membranen der Arthropoden (Darm), der Wirbeltiere 
(Arterien, Lunge etc.) etc. die nachsten Analoga finden, weshalb 
wir die bei den Gregarinen vorliegende Substanz als Proto- 
elastin bezeichnen wollen, ohne damit ihre Ubereinstimmung 
in Cuticula und Kernmembran auszudriicken, wie auch weiterhin 
die Zugehérigkeit der Scheidewand zwischen Proto- und Deuto- 
merit noch zweifelhaft bleiben soll. 

Diese Scheidewand spannt sich bei der Gr. bergi als zarte 
Membran fast ohne Konvexitiét zwischen diesen beiden Meriten 
aus (Fig. 16, 17, 18). Vor allem ist sie viel diinner als die Cu- 
ticula. 

Ich halte es dagegen fiir sehr zweifelhaft, da auch das 
Epimerit, dem wir uns jetzt zuwenden, durch eine solche Mem- 
bran von dem Protomerit abgegrenzt sei, wie Aims SCHNEIDER 
es wollte oder doch bildlich darstellt (Protozoa I, p. 515 und 
Taf. 56, Fig. 14 u. 37, Fig. 8a). Ich kann nur sagen, da8 ich 
sie niemals gesehen habe, wie auch gegen ihr Vorhandensein das 
oben erwibnte Austreten des Plasmas aus der Offnung des Proto- 
merits spricht. 

Im allgemeinen findet man nicht allzuviel Angaben tiber das 
Epimerit, so da8 es scheint, als wenn viele Polycystideen keinen 
solchen Apparat besitzen. Die nachfolgenden Mitteilungen werden 
es aber nicht unwahrscheinlich machen, da’ in manchen Fallen 
wenigstens das Epimerit wihrend der Priparation verloren ge- 
gangen sei, da es zu seiner guten Erhaltung absolut notwendig 
ist, die Gregarinen einzig und allein im Darmsafte ihrer Wirte 
zu untersuchen, eine Regel, die kaum in allen Fallen strenge be- 
folgt sein mag. So vermilte ich das Epimerit im allgemeinen bei 
den Seegregarinen, die ich oft in verdiinntem Seewasser pra- 
parierte, wahrend die von Ecker und KO.LuLiKeEr beschriebene Gr. 
balani einen ,,verkehrt eifoérmigen unbewaffneten Riissel’ erkennen 
lieS, so daf ich die Vermutung nicht ganz unterdriicken kann, 
es sei B. Songer, der ja teilweise wenigstens auch in Seewasser 
beobachtete, dieser Riissel vielleicht entgangen. 

Die Bedeutung des Epimerits der Gregarinen wird mit Recht 
in seiner Funktion als Haftapparat gesucht, der ich noch die eines 
Saugapparates (Riissel KOLLIKER’s) hinzufiigen méchte. Sobald die 
Gregarinen sich konjugieren wollen, bediirfen sie dieses Apparates 
nicht mehr; er geht verloren. Alle friiheren Beobachter sind nun 
einmiitig der Meinung, daf hier eine ,,Verstiimmelung* vorliege: 


296 Johannes Frenzel, 


das heift das Abwerfen des Haftapparates“ (Protozoa I, p. 526), 
wie es von v. Srepotp, STein, FRantTzius und namentlich Aimé 
ScHNEIDER vVielleicht weniger direkt beobachtet, als vielmehr 
erschlossen worden ist. Deshalb sagt Birscuur vorsichtig 
auch nur (p. 527): ,,Das Abwerfen der Haftapparate scheint stets 
in der Weise vor sich zu gehen, daf dieselben thatsachlich von 
dem Protomerit . . . . losgelést werden und hierauf sehr rasch in 
definitiven Zerfall tibergehen.“ 

Auch mir erschien diese Deutung durchaus zulassig, zumal 
als ich unter Auferachtlassen der schon genannten VorsichtsmaB- 
regel das Ablésen des Epimerits mit eigenen Augen vor sich 
gehen sah, Andere Befunde widersprachen dem aber vdllig, so 
da8 ich in diesem Ablésen nur noch einen pathologischen 
Vorgang anerkennen kann. Eine Selbstverstiimmelung der Tiere 
scheint wohl niemals oder doch sehr selten eine freiwillige 
Operation zu sein, begriindet in ihrem Wesen und in ihrer Orga- 
nisation. Friiher sprach man zwar leichthin von einem Abwerfen 
der GliedmafSen!) mancher Arthropoden oder des Schwanzes der 
Eidechsen und Kaulquappen, ohne im letzteren Falle aber stets 
auf die Korrektheit dieses Ausdruckes Gewicht zu legen, was oft 
genug zu MiSverstandnissen gefiihrt hat. 

Wenn ein freiwilliges Abschniiren des Epimerits in der von 
BurscHui angedeuteten Weise stattfande, so miiSte es im Uber- 
gange aus dem Cephalonten- in das Sporontenstadium am haufigsten 
zu beobachten sein. Ferner miifte es, da es ein normaler Vor- 
gang sein soll, stets unter normalen Verhaltnissen auftreten. Hs 
ist aber keins von beiden thatsachlich der Fall, wie ich mich so- 
wohl hier wie auch bei anderen Gregarinen tiberzeugt habe (Gr. 
blaberae und Pyxinia crystalligera.) 

Beobachtet man jiingere und etwas 4ltere Individuen von 
Gr. bergi in reinem Wasser oder in einem Gemisch von Wasser 
und Speichel oder in schwacher Salzlésung, so sieht man die 
Ablésung des Epimerits besonders bei den ersteren und zwar so, 
wie es oben schon kurz angegeben ist, indem sich namlich zwischen 
seiner Ansatzstelle und dem Protomerit eine sehr zarte, ganz 


1) Dieses wirkliche Abwerfen z. B. der Springbeine der Heu- 
schrecken oder der Fiibe der Krebse ist ein reflektorischer Akt der 
Notwehr und wird keineswegs aus purem Vergniigen oder ,,in der Wut“ 
ausgefiihrt, etwa nach dem Bibelwort: ,,Argert dich dein Auge, 80 
rei®’ es aus und wirf es von dir“, 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 297 


hyaline Blase hervorwélbt (vergl. Fig. 38), welche aus der Offnung 
des letzteren entspringt und am entgegengesetzten Pol das Epimerit 
tragt, das entweder alsbald abfallt oder gleichzeitig mit dem 
Platzen dieser Blase verloren geht. In reinem Wasser bemerkte 
ich hier wie auch bei anderen Gregarinen weiter nichts, aufer 
dafi auch das Epimerit stark aufquoll; in Speichel hingegen trat 
auch ein Teil des Kérnerinhaltes heraus, wie schon angegeben. 
Allemal gingen ferner die Gregarinen unter solchen Umstanden 
zu Grunde, ein Hinweis darauf, wie unnatiirlich die Ablésung 
jenes Organes ist. Reifere Cephalonten, welche, wie wir noch 
sehen werden, ein sehr viel kleineres Epimerit tragen, verhielten 
sich in den meisten Fallen viel resistenter und verloren dies nicht, 
ein Resultat, welches gerade umgekehrt ist, als wie man erwarten 
sollte. Denn man sollte doch ein Festersitzen desselben vor allem 
bei jungen Individuen erwarten, welche des Haftapparates in 
hoéherem Grade bediirfen als altere. 

Es ist sehr schwierig, diese Gregarine im Darmsafte des 
Wirtes zu praparieren, in Anbetracht seiner grofen Kleinheit. 
Daher mufte ich mir so aushelfen, daf ich zu einem Praparat 
mehrere Kafer opferte, um die geniigende Fliissigkeitsmenge zu 
erhalten. Das Resultat war nun insofern iiberraschend, als 
samtliche Cephalonten ihr Epimerit behielten. Sie verlieren es 
mithin gar nicht unter normalen Verhaltnissen, ein Schluf, gegen 
den man vielleicht einwenden wiirde, da8 dies fiir gewohnlich auch 
so sein miisse und daf unter diesen Verhaltnissen normalerweise 
eben nur das Epimerit grofer Cephalonten abgestofen werde, was 
offenbar viel seltener zu beobachten sei. 

Hiergegen spricht aber eine weitere Beobachtung, welche schon 
bei der Gr. statirae gemacht worden war, wo das Epimerit heran- 
gewachsener Exemplare, wie gezeigt worden, stets ganz auffallig 
kleiner als das noch festsitzender jiingerer ist (vergl. Fig. 2, 8, 
12). Genau dieselbe Beobachtung lat sich nun auch hier wieder- 
holen, wenn nur, was notwendig ist, im Darmsafte prapariert 
wird; und da sich ihr das Gleiche bei den beiden spater zu be- 
sprechenden Gregarinen anschlieSt, so zweifle ich nicht mehr, 
hierin die wahre Ursache des Epimeritverlustes suchen zu miissen. 

Meist erblickt man zwar nur Cephalonten mit grofem 
Epimerit und Sporonten ohne ein solches. Hin und wieder aber 
trifft sich ein mittleres Exemplar (Fig. 18), auf dem Protomerit 
mit einem ganz kurzen Stummel versehen, der nur dcr reduzierte 
Uberrest des einstmals grofSen Epimerits (Fig. 16) sein kann. 


298 Johannes Frenzel, 


Der Verlust des Haftapparats beruht also ganz unzweideutig 
auf einer allmahlichen Resorption desselben, die wahrscheinlich 
aber immerhin schnell genug vor sich geht, jedenfalls sofort nach 
dem Loslésen der Gregarine, um verhaltnismafig nur selten zum 
Bemerktwerden zu gelangen. Eine Resorption, welche in der des 
Kaulquappenschwanzes u. s. w. ihr Analogon findet und eine zweck- 
mifigere Einrichtung sein diirfte, als das Fortwerfen eines K6érper- 
teils, welches auferdem noch die grofe Gefahr mit sich brachte, 
daf die Gregarinen an der sich bildenden offenen Stelle am Pro- 
tomerit sich gewissermaBen verbluten wiirden, wie wir es an dem 
Heraustreten der Flissigkeitsblase ja bereits gesehen haben. Von 
dem immer mehr und mebr absorbierten Epimerit jedoch kénnen 
wir annehmen, daf es schlieflich in ginzlich zusammengeschrumpfter 
Form wie ein Deckel das Protomerit nach vorne hin absperre und 
vollig in die tibrige Cuticula iibergehe. 

Leider habe ich nicht festgestellt, ob die Membran des Epi- 
merits dieselben Eigenschaften wie das Protoélastin der Cuticula 
besitze. Jedenfalls aber ist sie sehr viel feiner und zarter, sowie 
auch nicht so prall gespannt, sondern 6fters ein wenig knitterig 
oder gefaltet. Das Innere des Epimerits birgt eine fast homogene 
Flissigkeit ohne Paraglykogenkérner und sonstige kérnige Ein- 
schliisse. Nur an der Wandung der Membran bemerkt man stets 
eine mafige Anzahl ziemlich gleich grofer Kiigelchen von unbe- 
kannter Bedeutung. Sie glanzen weniger stark als das Paragly- 
kogen und Fett (Fig. 16, 18). Die Gestalt des Epimerits ist in 
der Jugend eine langgezogen zwiebelférmige, spater eine eben- 
solche verkiirzte, indem es sich mit einer erheblichen Kinschniirung 
vom Protomerit absetzt, dann bauchig erweitert wird, um sich 
verjiingend ziemlich spitz zu enden. 

Konjugations- und Encystierungserscheinungen habe ich bei 
dieser Gregarine nicht wahrgenommen, tiberhaupt nichts, was auf 
die Fortpflanzung ein Licht zu werfen geeignet ware. — Die MAL- 
prcnrschen GefaBe des Corynetes waren frei von Parasiten. 


© 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 29 


3. Gregarina panchlorae nov. spec. (Fig. 20). 


Abends bei Lampenschein kamen mir hin und wieder im 
Januar einige Exemplare einer Schabe, Panchlora exoleta Kua. 
zugeflogen, welche im Mitteldarm 6fters die nachfolgenden Gre- 
garinen beherbergten. 

Lang und schmal-cylindrisch. Protomerit und 
Deutomerit gleichmafig von Koérnern erfillt; kein 
Sarkocyt. Kern mit einem Morulit. Zu zwei Indi- 
viduen konjugiert. 

Vorkommen: Mitteldarm von Panchlora exoleta. 
— Cordoba, Argentinien. 

Von dieser Gregarine habe ich nur Sporonten und zwar meist 
im konjugierten Zustande angetroffen. Die Lange eines Einzel- 
tieres betrug ca. 0,18 mm; die Breite, verhaltnismafig gering, 
war ca. 0,03 bis 0,035 mm. In ihrer Form stimmen alle Indi- 
viduen tiberein; indem sie fast genau cylindrisch, ohne irgend 
welche Anschwellungen und sowobl vorn wie auch _hinten halb- 
kugelig abgerundet sind. Um einen Vergleich zu ziehen, so méchte 
man in der Gestalt einer Gr. dromiae oder Gr. caprellae (See- 
gregarinen, Taf. 26, Fig. 49, 63) eine gewisse Ahnlichkeit an- 
treffen. 

Nur das hintere Individuum weicht insofern davon ab, als 
es sich mit seinem Protomerit handschuhfingerartig tiber das 
Hinterende des ersten Individuums geschoben hat, eine Erschei- 
nung, die wohl auch hier in der andraingenden Kraft des hinteren 
ihre Erklarung finden mag und die vielleicht gleichfalls auf einer 
molekularen Anziehung beruht, welche beide Konjuganten aufein- 
ander ausiiben (Fig. 20). 

Die Cuticula der Gr. panchlorae, tiberall von gleichmafiger 
Dicke , ist doppelt konturiert, derb, glanzend und ohne irgend 
welche Skulpturierung. Ich vermochte wenigstens keine Streifung 
zu bemerken, trotzdem der K6rnerinhalt sie zu verdecken nicht 
imstande sein sollte. 

Der Ko6rperinhalt sowohl des Proto- wie auch des Deuto- 
merits besteht aus recht groben Kérnern, die zwar das Plasma 
allseitig erfiillen, aber doch nicht so vollig eng gedrangt liegen, 
um den Kern zu verdecken, wie bei Gr. statirae. Sie erstrecken 
sich bis dicht unter die Cuticula, ohne fiir ein Ektoplasma, Sar- 


300 Johannes Frenzel, 


kocyt, Fibrillen etc. irgend welchen Raum zu lassen. Bei auf- 
fallendem Lichte erscheinen die Gregarinen wie auch die ein- 
zelnen Korner nicht, wie es sonst gewohnlich, hell, sondern viel- 
mehr dunkel und bei durchfallendem Licht sind sie auch Auferst 
blaf und wenig glanzend, ein Verhalten, in dem ein merkwiirdiges 
Abweichen von den meisten Gregarinen liegt, gleichzeitig demon- 
strierend, wie verschieden das Aussehen der Paraglykogenkérner 
sein kann. Der Inhalt des Proto- unterscheidet sich durchaus 
nicht in Gréfe, Anordnung etc. der Kérner vom Deutomerit. Die 
ebenso gedrangt liegenden Korner verteilen sich ebenso gleich- 
mafig. 

Auch die Reaktion derselben zeigt einige Abweichungen, so 
daf man, verleitet durch ihr Aussehen, einen etwas gequollenen 
Zustand der Kérner vermuten sollte. Bei Jodbehandlung entsteht 
namlich schon innerhalb der Zelle eine deutliche violette Far- 
bung, wahrend sie an anderen Orten doch einen brauneren Ton 
zeigt. 

Den blischenformigen Kern traf ich meist im vorderen Teile 
des Deutomerits an. Er hat einen Durchmesser von ca. 0,018 bis 
0,02 mm und birgt auch hier einen maulbeerformigen, triibe-gelblich 
glanzenden Korper, ein Morulit, dessen Gréfenverhaltnis das nam- 
liche wie bei den vorher besprochenen Gregarinen ‘') ist (d = Ca. 
0,009 mm). Das Plasma der Gr. panchlorae strémt nicht und 
der Kern liegt ruhig und ohne Eigenbewegung, sowohl seiner selbst 
wie seines Morulits. 

Das Schicksal der Syzygien ist noch vollig dunkel und eine 
Excystierung und Weiterentwickelung nicht beobachtet. 


4. Gregarina blaberae nov. spec. (Abbild.: Fig. 21 bis 
incl. 33). 


Grog. — Langlich eiférmig (Sporont) bis lang- 
lich walzenférmig (Cephalont und Embryo). Proto- 
merit halbkugelig oder fast kugelig, vorne hell 


1) Es ist bei Gr. bergi noch hinzufiigen, daf das Morulit jiin- 
gerer Cephalonten meist relativ kleiner als in einem Sporonten war. 
Dieser Korper spielt vielleicht seine Hauptrolle erst bei der Fort- 
pflanzung. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 304 


und koérnerfrei. Cephalont mit langem, kegelfér- 


migem Epimerit. — Cuticula mit punktierten lings- 
schiefverlaufenden feinen Streifen. — Ektoplasma 


mit Sarkocytfibrillen und dazwischen mit Punkt- 
reihen, letztere auch im Protomerit. 

Habit.: Mitteldarm von Blabera claraziana und 
Verwandten, Cordoba, Argentinien. 

In ihrer Gestalt schlieBt sich diese Gregarine sehr an 
Gr. statirae an, ohne indessen jemals so dick und plump zu 
werden. Merkwiirdig ist, da8 die allerjiingsten Formen, die wir 
wegen des Fehlens des Epimerits als Embryonen bezeichnen wollen, 
in ihrer Figur einem reifen Sporonten vollig ahneln (Fig. 21, 23). 
Erst spiter strecken sie sich und dann gleich ganz gewaltig in 
die Lange, so daf sie im letzten Embryonalstadium relativ und 
absolut genommen schlanker als urspriinglich sind (Fig. 22), um 
spaiter wieder ein betrachtliches Dickenwachstum nachfolgen zu 
lassen (Fig. 24). Das soeben Konstatierte bezieht sich auf beide 
Meriten in gleicher Weise: das Protomerit ist erst halbkugelig 
(Fig. 21), streckt sich darauf lang aus (Fig. 22) und verkiirzt 
und verbreitert sich so, daf es schlieBlich mehr oder weniger in 
eine héhere oder flachere Halbkugel tibergeht. 

Die jiingsten, iibrigens schon mit einer Scheidewand verseheuen 
Embryonen, welche ich auffand, waren ca. 0,035 mm lang und Ca. 
0,02 mm breit (Fig. 21); die langen Embryonen hingegen hatten 
die respektable Lange von 0,3 mm bei einer Breite von 0,018 bis 
0,02 mm. Ein grofer Cephalont maf auch 0,3 mm (L.) und 
0,06 mm Br.), ein Sporozont endlich: Linge = ca. 0,5 mm und 
Breite = ca. 0,15 mm. 

Diese Gregarine kann mithin eine recht stattliche Grofe er- 
reichen, zumal wenn man das Epimerit mitrechnet, welches etwa 
halb so lang wie die beiden anderen Meriten zusammengenommen 
wird (Fig. 24). 

Das Protomerit ist immer relativ grof und verschwindet auch 
in den reifsten Stadien nicht. Doch ist es in dieser Richtung bei 
den Embryonen mehr entwickelt als bei den Sporonten. Ks ist 
hier bei einem vorderen Konjuganten schmiler als das Deutomerit 
(Fig. 23), bei dem hinteren Konjuganten indessen ebenso breit 
wie dies, aber flacher als das vordere Protomerit. Die grifte 
Breite des Deutomerits liegt mehr nach vorn. 

Der Querschnitt der Gr. blaberae ist immer ein mehr oder 
weniger kreisférmiger, 


302 Johannes Frenzel, 


Die Cuticula ist dick und bei groBen Tieren doppelt kon- 
turiert (Fig. 25, 28), bei den Embryonen jedoch sehr zart (Fig. 
21, 22). Uberall zeigt sie eine gleichmakige Dicke, mit Ausnahme 
des Protomerits des hinteren Konjuganten, wo sie oft erheblich 
verdickt ist, namentlich dort, wo sie eine Falte bildet (Fig. 25). 
Am hinteren oder vorderen Ende tragt sie keine Kinkerbungen, 
Leisten etc. Bei den Embryonen ist sie ferner ohne jede Skulptur 
und erst ungefihr mit dem Auftreten des Epimerits bildet sich 
die bekannte Langsstreifung aus, die aber so fein ist, daf sie erst 
mit Reagentien, z. B. mit Alkohol, Sublimat u. s. w. deutlich 
hervortritt. Bei einer durch Essig- oder Salpetersiure hervor- 
gerufenen Quellung des Protocollagens im Plasma wurde sie meist 
noch deutlicher gemacht, schien aber einmal bei einer sehr starken 
Ausdehnung der Cuticula zu verschwinden. 

Man sieht deutlich, daf die Skulptur der auSeren Oberfliche 
angehért; doch wage ich nicht zu entscheiden, ob hier eher Rillen, 
also Vertiefungen, oder Leistchen, Erhéhungen, vorliegen, da die 
Hohenunterschiede hier gar zu feine sind. Doch sind sie am 
Protomerit etwas deutlicher, weshalb sich unter giinstigen Um- 
stinden hier vielleicht das richtige Verhaltnis feststellen lieBe. 

Sowohl am vorderen (Fig. 31) wie auch am hinteren Pole der 
Gregarinen laufen alle Streifen in einem Punkte zusammen. Sie 
nehmen aber, vom Protomerit abgesehen, eine etwas schiefe Rich- 
tung, eine steile Schraubenlinie an (Fig. 32), wie schon fir Gr. 
statirae festgestellt worden war. Wahrend indessen im allge- 
meinen die Skulptur der Gregarinencuticula nur geschlossene (nicht 
unterbrochene) Linien erkennen lat, so bestehen diese hier in 
Wahrheit aus ganz feinen, etwas langlichen Piinktchen, in ihrer 
Aneinanderreihung mithin ge brochene Linien darstellend (Fig.31), 
was besonders nach einer durch Essig-Salpetersiure bewirkten 
Ausdehnung der Cuticula schén zu sehen ist, wobei die Streifen, 
mehr auseinanderriickend und durch den Kérnerinhalt nicht mehr 
verdeckt, scharfer zu Tage treten. 

Betrachtet man ein lebendes grofes Sporontenindividuum, so 
kann man die beiden Grenzlinien (Konturen) der Cuticula im 
optischen Schnitt unterscheiden, die aber die Verschiedenheit dar- 
bieten, daf sich die aiuBere viel scharfer als die innere markiert 
(Fig. 25, 26, 28). Zweierlei Ursachen kénnte man dafiir angeben. 
Erstens hat offenbar das aufere Medium, der Darmsaft, ein an- 
deres Lichtbrechungsvermégen als das Plasma der Gregarine, so 


da8 sich mithin die aufere Grenzlinie scharfer als die innere ab- — 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 303 


hebt, wie wir dies schon in ahnlicher Weise bei grofen Exem- 
plaren yon Gr. statirae gefunden hatten. Zweitens aber kénnte 
die Zusammensetzung der Cuticula eine andere sein an ihrer 
iiuferen Oberflaiche als an der inneren, weshalb sie dort einen 
starkeren Glanz als hier haben wiirde. — Welche von diesen beiden 
Erklairungen nun mehr fiir sich hat, méchte deswegen nicht ent- 
schieden werden, als mir scheint, daS beide ihre Berechtigung 
haben und hier zusammenwirken mégen, wie bei der Besprechung 
der nachstfolgenden Gregarinen genauer erlaiutert werden soll. 

Das chemische Verhalten der Cuticula ist wie folgt: 

Etwa 25-prozentige Essigsiure bewirkt durch Quellung im 
Plasma eine leichte Dehnung der Cuticula, der bei Wasserzusatz 
wieder eine elastische Zusammenziehung folgt, wie man noch nach 
mehrstiindiger Wirkung der Saéure sehen kann, ein Zeichen, dal 
innerhalb dieser Zeit eine Umanderung des Protoélastins noch 
nicht stattgefunden hat. Auch bei der jetzt durch starke Essig- 
siure erneuerten Quellung nimmt die Cuticula in unveranderter 
Weise teil, wobei es sehr zweifelhaft bleibt, ob die fiir Gr. statirae 
festgestellte Verwandlung gleichfalls hier Giiltigkeit hat. 

Wird eine Gregarine mit starker Salpetersiure behandelt, wo- 
durch hier eine sehr starke Aufquellung bewirkt wird, nament- 
lich nach voraufgehender Behandlung mit Essigsiure, so dehnt 
sich auch die Cuticula sehr stark, um dann, wenn das Maximum 
ihrer Dehnbarkeit erreicht ist, zu platzen. Die des Protomerits 
platzt hierbei jedoch nicht so leicht, teils weil sie zuweilen etwas 
verdickt ist, teils weil jedenfalls der Druck in diesem Korperteil 
kein so grofer wird, da die quellende Masse ein geringeres Volumen 
hat als im Deutomerit. Sei sie indessen geplatzt oder nicht, so 
erweist sich die Cuticula noch nach mehrstiindiger Einwirkung yon 
konz. Salpetersiiure vollkommen unverdndert, was man auch von 
ibrer Langsstreifung behaupten darf, die selten deutlicher ist 
(Fig. 31). 

Die Scheidewand zwischen den beiden Meriten ist auch hier 
eine diinne Membran, welche sich bei den Embryonen, wo sie be- 
deutend friher als das Epimerit auftritt — im Gegensatz zu 
Gr. statirae —, in ebener Fliche ausspannt (Fig. 21, 22). Bei 
den Cephalonten wélbt sie sich zuweilen etwas vor, zuweilen etwas 
zuriick (Fig. 24, 28), jedoch immer nur in flacher Kuppe. Die 
Druckunterschiede in beiden Meriten kénnen daher keine erheb- 
lichen sein. 


304 Johannes Frenzel, 


Bei der oben angewendeten chemischen Behandlung der Cuti- 
cula ergiebt sich fiir diese Scheidewand ein ganz genau tberein- 
stimmendes Verhalten: sie ist in hohem Grade dehnbar und wird 
weder durch Essig- noch Salpetersiure sichtbar verandert und an- 
georiffen. Dem im Deutomerit durch Quellung bedingten Drucke 
widersteht sie in hohem Grade und wéolbt sich zumeist in das 
Protomerit hinein, ohne so leicht zu platzen wie die Cuticula, 
trotzdem sie doch erheblich diinner ist. Alles dies giebt weitere 
Griinde ab fiir die Zuziehung der Scheidewand zu den cuticularen 
Gebilden, zu dem Protoélastin. 

Das Plasma der Gr. blaberae ist in einem Grade differen- 
ziert, wie es kaum bei irgend einer schon bekannten Gregarine 
der Fall sein diirfte. Wahrend nimlich im Ektoplasma gewoéhn- 
lich nur eine Sarkocytlamelle und in dieser bei manchen Formen, 
z. B. bei Porospora gigantea v. Ben., Aggregata portunidarum 
FRENZ. u. a., eine Fibrillenschicht entwickelt ist, so tritt hier, wie 
vermutlich auch bei Gr. statirae und unzweideutig bei der nach- 
folgenden Pyxinia crystalligera ein neues Strukturelement hinzu, 
namlich ein System von Punktreihen, das ich aber, um es 
hier noch hervorzuheben, bei der Gr. bergi und Gr. panchlorae 
durchaus vermifte. Wenngleich es also nicht unwahrscheinlich 
auch bei anderen Formen wird nachgewiesen werden kénnen, so 
wird es gemeinhin wohl kaum hiufiger sein, als jene Fibrillen- 
schicht, mit welcher es aber, wie die Pyxinia crystalligera lehrt, 
nicht etwa in inniger und abhangiger Beziehung steht. 

Um iiber das Vorhandensein der Punktreihen an anderen 
Orten ins klare zu kommen — sie mochten mir friiher entgangen 
sein — revidierte ich einige Balsampraparate von Seegregarinen, 
ohne aber, so bei Gr. salpae, etwas Sicheres zu konstatieren. Nur 
bei einem gleichfalls alten Praparat von Stylorhynchus, fixiert mit 
Osmiumsaiure 1% und gefirbt mit Karmin, sah ich eine mir noch 
ganz unbekannte Erscheinung. Die Cuticula zunachst hob sich 
deutlich ab, die feine Langsstreifung zur Schau tragend. Die 
Paraglykogenkérner des Deutomerits, an einigen Stellen zum grofen 
Teil verschwunden, lagen an anderen Stellen wie zu Klumpen 
zusammengeklebt. Zwischen ihnen, sowohl im Ekto- wie im Ento- 
plasma beider Meriten sah ich nun in regelmafiger Verteilung, 
fast wie die Knétchen eines feinen Maschensystems, ganz kleine 
dunkle Piinktchen, durch Osmiumsaure leicht gebraunt und durch 
Karmin gefirbt. Da sie gut glinzten, so hatte ich sie fir Fett 
gehalten, wenn dasselbe nicht in ungefirbten gréferen und schwar- 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 305 


zeren Trépfchen!) dagelegen hatte. Jene bildeten ferner im 
optischen Schnitt lings der Cuticula eine ziemlich regelmafige 
Reihe, wie wir sie in vollkommener Form im folgenden sehen 
werden, wo auch eine Deutung dieser Gebilde versucht werden soll. 

Obgleich bei den Gregarinen wohl selten eine scharfe Trennung 
yon Ekto- und Entoplasma méglich ist, so méchte ich doch, wie 
schon eingangs bemerkt, auch hier im Anschluf an Birscuii 
eine solche im Prinzip aufrecht erhalten wissen, wenn schon oft 
genug nichts anderes zur Erscheinung als eine Art Metaplasma 
im Sinne Armée ScHNEIDER’s kommt, das wahrscheinlich dem 
Hyaloplasma Lrypia’s u. a. gleichzustellen ist. Es giebt aber, um 
an das weiter oben Gesagte anzukniipfen, Organismen, wo das 
letztere deutlich in zwei Regionen geschieden ist, so etwa bei 
den Vampyrellen, wohl auch bei den Nuklearien und, wie an an- 
deren Orten?) gezeigt werden soll, bei manchen Amében, wo 
beide Plasmen vollig hyalin und fast kérnchenfrei sind. (Améba 
pellucida FRENZ.) 

Bei unserer Gregarine findet nun auch keine so scharfe Tren- 
nung beider Regionen statt, da8 sie sich etwa durch verschiedenen 
Glanz oder verschiedene Dichtigkeit scharf sondern. Allein ich 
méchte mit LANKESTER, E. vAN BENEDEN und BUrscuLt (Protozoa, 
I, p. 511) annehmen, da8 ,,angesichts des ganz allmahlichen Ueber- 
gangs der beiden Plasmaregionen .... sich die Konsistenz des 
Ektoplasmas nach Innen mehr und mehr verringert, bis sie all- 
mahlich in die relativ fliissige des Entoplasmas tibergeht.“ Da- 
hingegen hat Atmmé ScHNEIDER insofern Recht, als der Nachweis 
des verschiedenen Fliissigkeitszustandes der einzelnen Regionen 
durchaus nicht iiberall gebracht ist, und wahrscheinlich auch nur 
auf gréBere und weiterdiffenzierte Gregarinen beschrankt sein wird. 

Einen schon im lebenden Tiere nachzuweisenden Ausdruck 
findet jene Regionenbildung, wie bekannt, einmal in Strémungs- 
erscheinungen, ein anderes Mal in der Lagerung der Paraglykogen- 
kérner. Jedoch auch diese Strémungen haben eine recht beschrankte 
Verbreitung, wahrend sie doch fiir Rhizopoden und Ciliaten so 
charakteristisch sind. So sind sie auch bei der Gr. blaberae nicht 


1) Wie P. Mayer und spiiter ich fanden, wird die Osmium- 
Fettverbindung nicht oder wenig durch Fettlésungsmittel angegriffen. 

2) Diese ,,Untersuchungen“, Vorliufiger Bericht, Taf. I, Fig. 1 
und 2, sowie: diese ,, Untersuchungen“ Erster Teil: Die Protozoén, 
Eine Monograhie etc. I. u. Il. Abteil., S. 29. Bibliotheca zoo- 
logica, Heft 12. 


Bd. XXVII. N. F. XX. 20 


306 Johannes Frenzel, 


wahrzunehmen, wovon natiirlich ganz zarte, fast als ein Postulat 
zu betrachtende Strémungen und Molekularbewegungen, auch wenn 
nicht unmittelbar sichtbar, nicht ausgeschlossen werden diirfen. 
Dahingegen ist die, eine mehr oder weniger ausgesprochene centrale 
Saule bildende Anhaufung der Paraglykogenkérner hier oft eben- 
so bestimmt lokalisiert, wie z. B. bei einer Porospora oder bei 
Gregarina clausi. Dies trifft erstens im Protomerit zu, wo der 
Koérnerhaufen stets eine hintere Halbkugel bildet, und zweitens 
auch nicht selten im Deutomerit, namentlich, wie zu erwarten, 
jungerer Individuen, ohne daf hier aber die Sonderung des kérner- 
haltigen vom kérnerfreien Plasma jemals so bestimmt wird, wie 
an jenem Orte (Fig. 23, 24, 28, 33). 

Tritt in der Aufenschichte des Ektoplasmas eine scharfe, 
kérnchenfreie, lamellenartige Absonderung ein, so benennt man sie, 
wie bekannt, als Sarkocyt (AimE SCHNEIDER), in welchem sodann 
als weitere Differenzierung die ringfoérmigen Fibrillen entstehen 
kénnen. Wahrend man aber anzunehmen scheint, dafi dies nicht 
ohne das Vorhandensein des ersteren geschehen kann (Protozoa, 
I, p. 512 und 513), so glaube ich doch, diese Fibrillen auch dort 
angetroffen zu haben, wo ein gesondertes, lamellenartiges Sarkocyt 
nicht hinreichend sicher markiert war, wie ich in derselben Weise 
bei der uns vorliegenden Gr. blaberae dariiber nicht véllig ins 
Reine gekommen bin. Denn jene Schicht, welche im optischen 
Schnitt langs der Cuticula des Deutomerits die Schnittpunkte der 
Fibrillen und der Punktreihen birgt, ist zwar frei von Paragly- 
kogenkornern und anderen Kornchen, daher auch hell und homogen, 
trennt sich indessen nicht durch eine ausreichend sichtbare Linie 
vom tbrigen Plasma (Fig. 33), wie dies etwa bei Porospora oder 
bei Aggregata statthat. Nun soll zwar nach AIME SCHNEIDER 
das Sarkocyt eine recht vergingliche Bildung sein und, obgleich 
bei Cephalonten vorhanden, bei Sporonten vollstindig resorbiert 
werden (Hoplorhynchus), wobei iibrigens nicht zu erraten ist, ob 
sich dies auch auf die Fibrillen erstrecke; allein diese Beobachtung 
vermag ich bei Gr. blaberae nicht zu bestitigen. Denn die Em- 
bryonen zunachst besitzen hier weder ein gesondertes Ektoplasma, 
noch ein Sarkocyt oder Fibrillen (Fig. 21, 22), und die Cephalonten, 
wo gerade ein Ektoplasma nicht selten vorhanden, lassen zwar 
die Fibrillen, aber durchaus nicht ein Sarkocyt gut erkennen (Fig. 
24, 28). Immerhin kann allerdings nichts gegen die Benennung 
der Fibrillenregion als Sarkocyt eingewandt werden, womit indes 
ihre Bedeutung als muskuléser Apparat nicht irgendwie betont 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 307 


werden soll, da ja, wie wir wissen, Kontraktionen und Biegungen 
des Kérpers unabhangig von jenen Bildungen sein kénnen. 

Wiahrend die Fibrillen, fiir deren Bezeichnung ScHNEIDER 
den Ausdruck ,Myocyt“ in Vorschlag brachte, an anderen Orten 
sehr dicht zusammengestellt sind und meist beiden Meriten an- 
gehéren, so fehlen sie zuweilen dem Protomerit ganz (Aggregata) 
oder teilweise (Porospora). An diese letzteren schlieSt sich nun 
unsere Gregarine an, wo sie durchaus auf das Deutomerit be- 
schrankt sind (Fig. 24, 28), wo sie ferner eine sehr weitlaufige 
Lagerung annehmen, so da zwischen ihnen ein immer ungefahr 
gleichbleibender Zwischenraum bleibt, ein Mehrfaches breiter 
als jede Faser (Fig. 28, 32). Zwar hatte ich schon bei Aggregata 
gesehen, wie sie nicht so enge gedrangt liegen als sonst; doch 
sind dort die Zwischenriume nicht so breit als hier (Seegregarin. 
Taf. 25, Fig. 28). 

Bei unserer Gr. blaberae erscheint jede Faser als ein ring- 
artig verlaufendes, voéllig homogenes, farbloses, glinzendes Biand- 
chen oder Stabchen, allerdings von kaum mefbarer Breite, aber 
von der Flache gesehen doch mit zwei deutlichen Grenzlinien 
(Konturen), vielleicht den dritten oder vierten Teil so dick wie 
die Cuticula (Fig. 32). Die Fasern sind parallel und anastomo- 
sieren nicht miteinander, was SCHNEIDER fiir Clepsidrina munieri 
angiebt, sind auch nicht aus Kérnchen nach Art eines sog. Perl- 
stabes zusammengesetzt, wie bei Porospora. Der optische Schnitt 
der Fasern endlich giebt einen glinzenden, kreisartigen, dicken 
Punkt (Fig. 28, 32). 

Hinsichtlich des chemischen Verhaltens dieser Fibrillen sei 
folgendes bemerkt. 

Essigsiure von 25%, welche auch in der dufieren Lage des 
Ektoplasmas eine starke Gerinnung hervorbringt, vernichtet die 
Myocytschicht resp. die Fibrillen, so daf diese ganz verschwinden, 
die spiter zu betrachtenden Punktreihen zuriicklassend, eine Er- 
scheinung, die bei nachtraglichem Auswaschen mit Wasser bestehen 
bleibt. Auch bei nachtraglichem Zusatz von Salpetersiure werden 
die Fibrillen nicht wieder hervorgerufen, wie auch wahrscheinlich 
bei direkter Salpeterséurebehandlung ihre Lésung eintritt. Wenn- 
gleich sie nun andererseits in Alkohol oder Sublimat erhalten 
bleiben, was auch in konz. Essigsiure wenigstens eine Zeitlang 
der Fall ist (Seegregar., p. 561), so tritt doch weder hier wie dort 
eine sichtbare Koagulation oder eine Gerinnung ihrer Substanz ein, 
weshalb diese nicht als echtes, unveraindertes Eiweif betrachtet werden 

20* 


308 Johannes Frenzel, 


darf. Andererseits sind diese spirlichen Reaktionen nicht zu einer 
sicheren Beurteilung ihrer Natur ausreichend, obwohl gewisse Uber- 
einstimmungen mit kontraktiler Muskelsubstanz nicht von der 
Hand zu weisen sind. Wahrend nun AIME SCHNEIDER geneigt 
war, in dieser Fibrillenschicht einen Stiitzapparat zu sehen, so 
faite ihr Entdecker v. BENEDEN ,sie als kontraktile, muskelfaser- 
ihnliche Elemente auf, vergleichbar den kontraktilen Fibrillen 
gewisser Infusorien“. Was aber wieder gegen diese letztere Deu- 
tung sprechen diirfte, ist der Umstand, daf sie oft denjenigen 
Gregarinen fehlen, welche lebhafte Kontraktionen ausfihren, z. B. 
Pyxinia crystalligera (s. diese), und daf gerade unsere Gr. blaberae 
trotz des Vorhandenseins der Fibrillen keine oder aiuSerst schwache 
Kontraktionen bemerken lat. Méglich ist es aber immer noch, 
da8 sie bei der Fortpflanzung oder bei der Encystierung eine 
Rolle spielen +). 

Die Punktreihen. Stellt man den optischen Querschnitt 
eines Cephalonten oder mittelgrofen Sporonten ein, wo der Kérner- 
inhalt nicht zu dicht ist, so sieht man zwischen den grofen 
Myocytpunkten zwei bis drei kérnchenartige, aber viel kleinere und 
blassere Punkte liegen, regelmafig in einer Reihe angeordnet und 
alle von gleicher Gréfe und gleichem Aussehen. Sie sind auch 
viel kleiner und blasser als die Paraglykogenkérner, dahingegen 
erdfer als die feinen Kérnchen des Ektoplasmas (Fig. 32, 33). 
Da sie beiden Meriten angehéren, so sind sie mit Leichtigkeit im 
kérnchenfreien Teil des Protomerits auch grofer und dicker Spo- 
ronten zu sehen (Fig. 25). Stellt man nun den Tubus hoher ein 
bis zum deutlichen Sichtbarwerden der querlaufenden Fibrillen des 
Deutomerits, so sieht man zwischen diesen sehr feine, mit ihnen 
genau parallel verlaufende Linien, die aus jenen aneinander- 
gereihten Piinktchen bestehen, eine Erscheinung, die im helleren 
Teile des Protomerits noch mehr hervortritt, namentlich wenn 
man vorsichtig von der Langsstreifung der Cuticula nach unten 
geht, bis man, also ziemlich dicht unter derselben, auf die ein 
wenig grébere Querstreifung stéBt (Fig. 25, 26, 32), die nun zu- 
weilen auch, namentlich im Protomerit, nicht unterbrochen durch 
die eigentlichen Fibrillen, eine Liingsstreifung unter der Cuticula 
vortiiuschen kann, da das System eben aus ziemlich dicht anein- 


1) Die Fibrillen gehen nichtim Verlauf des Wachstums zu Grunde 
(siehe Aggregata), werden aber bei grofen Sporonten infolge des 
Uberhandnehmnes der Korner undeutlich. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 309 


andergereihten Punkten besteht, die sowohl Lings- wie Querlinien 
entstehen lassen kénnen. Im allgemeinen sind die Punkte jedoch 
in der Querlinie etwas naher aneinander als in der Lingslinie 
geriickt, so dafS das Bild der ersteren stets tiberwiegt, nament- 
lich im Deutomerit, wo das Bild der Langslinien durch die 
Fibrillen merklich unterbrochen wird (Fig. 32), was ja bei den 
mehr schrag verlaufenden Streifen der Cuticula nicht der Fall ist. 

Wie schon die Querschnittspunkte, so sind auch die ihnen 
entsprechenden Querpunktreihen feiner und diinner als die Fibrillen, 
welche auferdem, wie wir wissen, nicht punktierte Stabchen dar- 
stellen. Die Abstinde hingegen zwischen den Punktreihen und 
den mit ihnen alternierenden Fibrillea sind etwa gleich breite, so 
daf sich in regelmafigen Abstanden stets zwei oder meist drei 
Linien der ersteren und dann eine der letzteren Ordnung folgen. 

Das chemische Verhalten lehrt uns weiter die Verschieden- 
heit der Punktreihen von den Fibrillen. Zunachst werden jene 
durch koagulierende Mittel, wie Sublimat oder Alkohol, in héherem 
Grade deutlich gemacht, als wenn in der Substanz der Punkte 
eine Koagulation stattfinde, oder als wenn sie glanzender wiirden 
(Fig. 26). 

Essigsiure von 25%, welche die Fibrillen zum Verschwinden 
brachte, erhalt nicht nur die Punktreihen, sondern hebt sie noch 
mehr hervor (Fig. 33). Ahnlich auBert sich stairkere und ferner 
sehr verdiinnte Saiure, wie auch Auswaschen mit Wasser. 

Starke Salpetersiure hingegen greift die Punkte sehr an, 
aber etwas weniger, wenn diese vorher mit Essigsiure fixiert 
worden sind, so daf nach einiger Zeit noch Spuren davon be- 
merkbar bleiben. 

Welche Funktion oder welche Bedeutung diese Punkte haben 
mégen, laft sich vorliufig kaum sagen, wenngleich zu vermuten 
ist, da sie etwas mehr als ein einfacher Stiitzapparat seien. An 
der Hand des oben mitgeteilten Befundes bei Stylorhynchus und 
der Ergebnisse bei Pyxinia werden wir noch einmal darauf zu- 
riickzukommen nétig haben. An diesem Orte sei daher nur auf 
ihre Verschiedenheit von den Fibrillen hingewiesen. 

Bei der Anwendung der genannten Reagentien machen sich 
auch am Plasma, ohne Unterschied seiner Regionen, wichtige 
Veranderungen bemerkbar, auf die nunmehr einzugehen ist. 

Eine verdiinnte, zu Konservierungszwecken benutzte alkoho- 
lische Sublimatlésung veranlaBt die Koagulation der Eiweilstoffe. 
In der kérnerfreien Kuppe des Protomerits entsteht zunachst ein 


310 Johannes Frenzel, 


dichter Niederschlag, aus feineren und gréberen Kérnchen zu- 
sammengesetzt (Fig. 27) und sich noch am hinteren Teil dieses 
Kornerabschnittes zwischen Kérnerhaufen und Cuticula drangend. 
Sehr gering hingegen bleibt die Koagulation innerhalb dieses Hau- 
fens, wo sich nur unter teilweiser Zusammendrangung der Kérner 
eine Anzahl] vakuolenartiger, mit klarer homogener Fliissigkeit 
gefiillter Hohlraume abscheiden (Fig. 27). Ahnlich ist es ferner 
im Deutomerit, wo die Koagulation nur einen geringen Grad 
erreicht. 

Man sollte hieraus fast Veranlassung nehmen, auf einen ge- 
ringen Eiweifgehalt der Gregarine zu schliefen, was zum min- 
desten aber sehr sonderbar ware. Eine Behandlung mit Essig- 
siure giebt daher auch ein anderes Resultat. Diese, von 25%, 
ruft zunachst eine michtige Quellung des Protocollagens hervor, 
wobei sich die Kérnermasse selbst kontrahierend einen breiteren 
Raum zwischen sich und der Cuticula frei lift. Bei Verdiinnung 
mit Wasser schrumpft das Protocollagen wieder, waihrend gleich- 
zeitig ein intensiver Niederschlag zwischen dem centralen Kérner- 
haufen und der Cuticula entsteht. Dies sind mithin in starker 
Essigsaure lésliche, in verdiinnter unlésliche Eiweifstoffe, die aber 
nach ihrer Koagulation in ersterer schwerléslich werden, wie 
ein nachtragliches Zufiigen von konz. Essigsiure lehrt. Zwischen 
den dicht liegenden feineren und gréberen Kérnchen gewahrt man 
auch unlésliche, gréBere, flache und helle Schollen. Es existieren 
in dieser Gregarine demnach zwei verschiedene Gruppen von 
Albuminen, die einen leicht fixierbar durch Sublimat oder Essig- 
siure, die andern durch ersteres nicht oder nur schwer fixierbar, 
eine Erscheinung, welche mit den bei der Konservierung von Ge- 
weben mittels Sublimats zu histiologischen Zwecken gemachten 
Erfahrungen vollig iibereinstimmt. Denn dort sieht man oft einen 
Teil der urspriinglich koagulierten Substanzen wieder erweicht 
werden und in Lésung gehen, wobei sich wahrscheinlich eine an- 
dere Albumin-Quecksilberverbindung bildet. 

Nachdem mit Essigsdiure eine Quellung und Gerinnung her- 
vorgerufen, kann man erstere, wie schon besprochen, durch Zusatz 
von Wasser wieder riickgingig machen, so daf die Gregarine ihre 
natiirliche Form und GréBe von neuem annimmt. Sie unterschei- 
det sich dann von einer lebenden ihrer Art nur durch das Fehlen 
des Myocyts und durch die Koagulation, welche so kraftig ist, 
da8 sie die Paraglykogenkérner fast unsichtbar machen kann. Ein 
nunmehriger Zusatz von starker Salpetersiure verursacht aber 


Ueber einige argentinische Gregarinen. all 


neben einer starken Quellung auch das Verschwinden nicht nur 
des Paraglykogens, sondern auch des essigsauren Albumins, so 
daf nur noch ein weitliufiges Maschenwerk iibrigbleibt. Auffallig 
ist zunichst jene starke Quellung des Protocollagens, wie wir sie 
ja bei der Gr. statirae durchaus vermiften, ein Hinweis, daf alle 
diese Substanzen gerade wie Albumin, Nuclein etc. nur Gruppen 
oder Gemenge von Grundstoffen darstellen, welche in ihrer Zu- 
sammensetzung innerhalb bestimmterer Grenzen variieren kénnen. 

Das oben entstandene Maschenwerk (Fig. 30) durchzieht so- 
wohl das Proto- wie auch das Deutomerit in gleicher Anordnung, 
um den Kern herum blo8, wie gewéhnlich, etwas dichter und radiar 
gestellt, wahrend es im tbrigen nur unregelmifig grofe und des- 
gleichen gestaltete Polyeder — im optischen Schnitt — umgiebt. Es 
ist hier grob genug, um zu erkennen, ob es aus Faden oder den 
Schnittbildern von (flachenhaften) Wanden bestehe, und ich 
zweifle nicht, daf an diesem Orte das erstere maSgebender sei. 
Die ihm zu Grunde liegende Substanz ist das in Essig-Salpeter- 
siure etc. ungeliste Alveolin, erkennbar in Form feiner Piinktchen, 
die nun aber von viel gréberen glanzenden Kiigelchen fast vollig 
verdeckt werden, dergestalt, da das Maschenwerk nur noch aus 
diesem zu bestehen scheint (Fig. 30). Beide Meriten zeigen fer- 
ner auch in dieser Hinsicht das gleiche Verhalten, und eine 
Probe mit Alkohol und Chloroform ergiebt die Fettnatur des 
gréBten Teiles dieser Kiigelchen, sei es, daf sie schon praformiert 
waren, sei es, daf sie sich durch Zusammenlaufen noch feinerer 
Trépfchen erst vereinigt haben. 

Die Paraglykogenkérner, denen wir uns jetzt zuwen- 
den, sind auch bei dieser Gregarine von betrachtlicher Gréfe, 
stark glinzend und daher fast schwarz, im auffallendem Lichte 
aber schneewei. Den Embryonen noch mangelnd, diirften sie 
etwa gleichzeitig mit dem Epimerit oder auch etwas friiher auf- 
treten, um bei mittelgrofen Cephalonten (Fig. 24) schon das ganze 
Deutomerit mehr oder weniger dicht zu erfiillen. Im Protomerit 
erscheinen sie dagegen zuerst sparlicher und mehr auseinander- 
gertickt (Fig. 28), um spaterhin sich mehr und mehr zu verdich- 
ten, wobei ihre Anhaufung stets mehr oder weniger eine vom 
tibrigen Inhalt scharf abgegrenzte Halbkugel formiert (Fig. 23, 
24, 25, 28), wie dies in Ahnlicher Weise auch bei Gr. statirae 
der Fall ist. 

Hine reifere Sporonte erscheint hier fast so schwarz, wie eine 
solche von Gr. statirae, und auch der Kern wird von ihnen ganz 


312 Johannes Frenzel, 


zum Verschwinden gebracht (Fig. 23); dennoch sehen die Korner 
bei beiden Gregarinen etwas verschieden aus, ohne daf man so 
recht sagen kénnte, worin diese Verschiedenheit bestehe. 

Wie zu erwarten, so sind die Paraglykogenkérner véllig un- 
léslich in Essigsiure, werden aber etwas triiber und ziehen sich 
zu einem kompakten Klumpen zusammen, was indessen wohl vom 
sich dehnenden Plasma bewirkt wird, vielleicht durch gleichzeitige 
Schrumpfung des Alveolins oder einer anderen Substanz. Nach- 
triiglicher Zusatz von Salpetersiure lést die Kérner in eigentiim- 
licher, noch nicht beschriebener Weise. Sie quellen hier namlich 
unter Beibehaltung ihrer Gestalt auf, also nicht so wie durch 
Schwefelsiure, worin sie véllig prall-kugelig und glasig werden, 
und lésen sich nun von innen heraus, indem sich zuerst ein 
heller Punkt bildet, der sich, allmahlich wachsend, zum Hohlraum 
ausbildet und so das Korn schlieSlich zum Zerfall bringt. Wird, 
noch ehe die Lésung beendet, Jod hinzugebracht, so farben sich 
die freien Ké6rner rot-violett, die eingeschlossenen jedoch mehr 
violett-braun, ein Unterschied, schon von BUrscui1 bemerkt, des- 
sen Erklarung ja noch aussteht. 

Die Embry onen der Gr. blaberae sind, wie wir schon sahen, 
ehe ein Epimerit vorhanden ist, noch vollig hell und klar (Fig. 
21, 22). Bei den jiingsten, die ich auffand, ergab die Jodprobe 
die Abwesenheit von Paraglykogen, auch wenn die Kombination 
von Essig-Jod-Salpetersiure angewendet wurde, welche oft eine 
feinere Reaktion als Jod-Schwefelsiure ergiebt. Der Inhalt dieser 
Embryonen, in beiden Meriten anscheinend ganz gleich, differen- 
zierte sich noch nicht sichtbar in zwei Plasmaregionen und ent- 
hielt eine mabige Anzahl mehr oder weniger feiner Kérnchen und 
Fetttrépfchen. Der blaschenartige Kern enthielt ein K6érperchen, 
das aber nur als Nucleolus bezeichnet sein mége, da es zu sehr 
glanzte und zu glatt war, um als Morulit zu gelten. 

Groéfere Embryonen von der schlankeren Form (Fig. 22) hat- 
ten ungefaihr noch denselben Inhalt. Doch hatte sich schon etwas 
Paraglykogen in Gestalt feiner Kornchen niedergeschlagen, die 
sich zwar von den itibrigen durch den Blick nicht trennen liefen, 
aber bei erfolgender Lésung mit Jod-Salpetersdure eine violette 
Flissigkeit entstehen machten. Die iibrigbleibenden Kérnchen 
waren Alveolin und Fett. 

Diese Embryonen schwimmen noch frei im Darmsafte. Nicht 
langere, aber um so dickere dagegen tragen ein grofes Epimerit 
und stecken fest in irgend einer Darmzelle. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 313 


Das Epimerit dieser Cephalonten bildet einen langen spitzen 
Kegel, dessen unterer breiter Teil halsartig verengt ist (Fig. 28, 
29), so daf es sich mit einer scharfen Einschniirung vom Proto- 
merit absetzt, dessen Cuticula aber nicht mit einer plétzlichen 
Verdiinnung, sondern vielmehr ganz allmahlich in die des Epimerits 
iibergeht, so daf dessen Membran also am basalen Teil erheblich 
stirker als am distalen ist (Fig. 24, 28). Ohne Bestimmtes tiber 
die Entstehung dieses Organes iufern zu kénnen, méchte ich nicht 
unterlassen, auf diesen allmahlichen Ubergang besonders hinzu- 
weisen, der erstens zeigt, daf die Cuticularsubstanz nicht wesent- 
lich von der des Kérpers verschieden sein kann, und der zweitens 
die Ansicht von einer Ausstiilpung und Verdiinnung dieser Cuti- 
cula nach Mafstab eines Kautschukhautchens durchaus zulaft. 

Die Struktur des Epimerits ist der von der Gr. bergi recht 
ahnlich. Zunachst ist die Membran meist glatt gespannt und 
schrumpft nur etwas oder knittert sich auch beim Losldésen eines 
Cephalonten von seiner Darmzelle (Fig. 24). Der Inhalt des 
Organes ist gleichfalls ein heller, aus einer klaren Fliissigkeit be- 
stehend, wahrend der Membran innen einzelne Kérnchen und 
Kiigelchen angelagert sind, die wir schon bei Gr. bergi bemerkt 
hatten. 

Das Epimerit ist bis zu seiner halsartigen Einschniirung in 
die Mitteldarmzelle des Wirttieres eingesenkt. Es sitzt so fest 
darin (Fig. 28), daB es beim hastigen Praparieren oft abreift und 
zwar mit zackiger Bruchstelle (Fig. 26); oder daf sich die Zelle 
mit der anhaingenden Gregarine von ihrem Substrate loslést 
(Fig. 28), wobei sie oft platzt. Einige Male sah ich Gregarinen, 
welche auf ihrem Epimerit noch den anscheinend aufgespiefSten 
Zellkern trugen (Fig. 29), ohne daf ich sicher unterscheiden konnte, 
ob dasselbe wirklich in diesen eingedrungen war. Bei gréferen 
Cephalonten machte sich endlich ein Zusammenschrumpfen des 
Epimerits geltend, was spaiter noch zu eroértern ist, wie diese 
Tiere ferner auch nur noch lose in der Darmzelle sitzen. 

Die Konjugation der Gr. blaberae findet meist zwischen 
gleich grofen Individuen statt. Ofters bemerkte ich aber auch 
Syzygien, welche aus einem vorderen kleineren und einem dickeren 
und langeren hinteren Konjuganten bestanden. Die Vereinigung 
erfolgt ahnlich wie bei Gr. panchlorae, indem das Hinterende des 
ersten ein wenig vom Protomerit des folgenden umfaSt wird, wo- 
bei es sich meist etwas verschmilert und seine Cuticula ver- 
dickt. Am Protomerit des zweiten Individuums bildet sich in 


314 Johannes Frenzel, 


der Regel eine tellerartige Delle mit fast senkrechtem Rand, der 
durch eine Duplikation der Cuticula geformt wird (Fig. 28). Nur 
dieser dient eigentlich zum Umfassen des ersten Individuums, 
wahrend der innere Druck im Protomerit noch grof genug bleibt, 
um seinen mittleren Deckel mit schwacher Konvexitit nach vorn 
zu treiben, so daf daher das Hinterende des vorderen Individuums 
wie ein Flaschenboden eine gelinde Eintreibung erfahrt. 

Bei dieser Art der Verbindung kénnte vielleicht schon der 
iufere Luftdruck zu einer geniigenden Befestigung hinreichen, 
wenn dem nicht der, obzwar schwache, innere Druck des Proto- 
merits entgegenwirken wiirde. Die Vereinigung ist tibrigens gerade 
bei dieser Gregarine eine recht lockere. 

Die Gregarina blaberae lebt im Mitteldarm von Blabera 
claraziana, ohne sich, wie es scheint, streng darauf zu beschranken; 
ich glaube sie friiher wenigstens auch in verwandten hiesigen 
Schaben gesehen zu haben. Uber ihre Fortpflanzung ist mir 
nichts bekannt geworden. 


5. Pyxinia crystalligera nov. spec. (Fig. 34 bis 
inkl. 50.) 


Groff. — Lang ei- bis bandférmig, hinten ver- 
schmalert. Protomerit kugelig bis halbkugelig. 
Epimerit nadelférmig, auf einer Krone. Unter der 
Cuticula: Punkt-Querreihen, in der Jugend fehlend. 
Cuticula dick. Plasma mit grof8en, stark glanzen- 
den Krystallen und Kérnern. Kern beweglich, mit 
mehreren Nukleolen. Keine Konjugation. 

Vorkommen: Im Mitteldarm von Dermestes vul- 
pinus Fase. und D. peruvianus CaTeLn. und dessen 
Larven. Cordoba, Argentinien. 

Wenn man unsere Abbildungen Fig. 36 und Fig. 39 sowie Fig. 49 
mit der Abbildung vergleicht, welche BUTSCHII in seinen ,,Protozoa“ 
I, Taf. 36, Fig. 12a und b von Pyxinia rubecula HAMMERSCHM. 
giebt, und wenn man weiterhin beachtet, da diese altbekannte 
Polycystidee gleichfalls in einem Dermestes, resp. in dessen Larve 
gefunden worden ist, so wird man mit mir darin iibereinstimmen, 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 315 


da’ hier zwei Glieder eines und desselben Genus vorliegen. Da 
mir leider in diesem abgelegenen Teile der Welt die von BirscHit1 
zitierten Abhandlungen von C. E. Hammerscumipr, AL. von 
FRANTZIUS und AIME SCHNEIDER nicht zu Gebote stehen, so kann 
ich nicht mit Sicherheit feststellen, ob diese beiden Glieder als 
Spezies voneinander zu trennen sind, zumal dazu eine ver- 
gleichende Untersuchung an europdischen Formen notwendig wire. 
Ich glaube aber vorlaiufig als ersten Artunterschied das Vor- 
handensein von Krystallen dahinstellen zu kénnen, die in der 
europiischen Art zu fehlen scheinen, da sie im entgegengesetzten 
Falle doch sicher nicht von einem so sorgfaltigen Beobachter wie 
Aime ScHNEIDER tibersehen worden waren. Soweit ich mich an 
der Hand eines ziemlich ausfiihrlichen Auszuges iiber den Inhalt 
seiner Untersuchung ') orientieren kann, gedenkt er ihrer nicht, 
wie auch BirscHui dessen nicht Erwihnung thut, dem doch ohne 
Zweifel eine solche Mitteilung wichtig genug erschienen wire, um 
sie nicht aufer acht zu lassen, zumal er sich ja spater noch ganz 
im besonderen mit der Frage nach dem Ko6rperinhalt der Gre- 
garinen beschaftigte. 

Um die Gestalt der uns vorliegenden Gregarine richtig auf- 
zufassen, mufsS man zwischen jiingeren und alteren Individuen wohl 
unterscheiden. Die jiingsten der von mir aufgefundenen Exemplare 
gleichen denen von Gr. blaberae (vergl. Fig. 21 und 48), gewisser- 
mafen die typische Gregarinengestalt darstellend. Im Verlauf des 
Wachstums — vom Epimerit immer abgesehen — findet nun eine 
charakteristische Ausbildung statt, indem sich das Schwanzende 
konisch zuspitzt (Fig. 35), wahrend sich die gréfte Breite am 
vordersten Teil des Deutomerits entwickelt, so daf dieses fast eine 
Kegelform erhalten kann (Fig. 39, 49), womit aber keineswegs die 
Entwickelung beendet ist. Jetzt sind die Tiere vielmehr erst in 
das Sporontenstadium eingetreten und dehnen sich mehr und 
mehr ganz bedeutend in die Linge, wobei nicht nur eine Aus- 
gleichung der vorderen Verdickung, sondern auch eine Abplat- 
tung zur Bandform eintritt, doch so, da’ das Schwanzende 
stets deutlich verjiingt (Fig. 40), das Protomerit hingegen kuglig 
bleibt. 


1) Armé Scuyerper, Contributions 4 |’ histoire des Grégarines des 
invertebr. de Paris, et Roscorr, Archiv. de zoolog. expérim. et génér. 
IV, 1875, p. 4983—604, Taf. 16 bis 22 (zitiert nach Birscuir und 
Frenzet, Seegregarinen). 


316 Johannes Frenzel, 


Die GréBenverhaltnisse der Pyxinia crystalligera sind 
etwa folgende. Die allerjiingsten Stadien werde ich wohl noch 
nicht gesehen haben, denn die kleinsten Individuen, obwohl noch 
freie Embryonen ohne Epimerit, mafen ca. 0,05 mm in der Linge 
und ca. 0,02 mm in der Breite (Fig. 48). Die kleinsten Cepha- 
lonten waren (ohne Epimerit) ca. 0,06 mm lang und 0,025 mm 
breit, also wenig gréfer (Fig. 34), wahrend die folgenden etwa 
0,10 mm (L.) und 0,03 mm (Br.) hatten (Fig. 35). Jiingere Spo- 
ronten mafen ungefahr: Linge 0,13 mm (Fig. 49), Breite 0,042 
min, altere L. 0,25 mm, Br. 0,09 mm (Fig.39). Grofe Sporonten 
endlich waren zumeist wieder etwas schlanker und ca. 0,5 bis 
0,75 mm lang (Fig. 40). 

Das Protomerit ist relativ klein. Bei Embryonen und jungen 
Cephalonten zwar etwa so dick wie das Deutomerit (Fig. 48, 35), 
und mehr als '/, oder fast 1/, so lang, bleibt es nachher erheb- 
lich im Wachstum zuriick, um bei jungen Sporonten etwas diinner 
als der Durchschnitt des Deutomerits zu werden, wahrend seine 
Lange (Hohe) nur noch 1/, bis héchstens 1/, so viel wie die 
des letzteren ausmacht. Bei erwachsenen Individuen, wo das 
Deutomerit sich verschmilert, erscheint jenes zwar wieder relativ 
ebenso breit, ist in der Langsachse aber noch mehr zuriickgeblie- 
ben und nur noch ca. 1/; so lang wie dieses. 

Die doppeltkonturierte Cuticula besitzt bei dieser Gregarine 
eine recht betrachtliche Dicke, und wahrend sie sich am Proto- 
merit ein wenig verdiinnt, verdickt sie sich sowohl bei jiingeren 
wie alteren Tieren am Schwanzende ganz bedeutend (Fig. 34, 39, 
43). Sie hat einen auferordentlich lebhaften Glanz und einen 
Schein ins Stahlblaue oder Hell-Flaschengriine, welche Farbe mit 
der gelblichen des Inhalts einen schénen Kontrast giebt. Fir ge- 
wohnlich ist — im optischen Schnitt — die iuSere Grenzlinie 
der Cuticula schwarz und haarscharf, die innere hingegen matt, 
fast verschwommen, wie wir es schon bei der Gr. blaberae wahr- 
genommen hatten (Fig, 36, 37, 39, 43, 44, 46). Bei hoher Ein- 
stellung sieht man die auch hier etwas schraig verlaufende, aus 
feinen Linien bestehende Langsstreifung, die am hinteren dicke- 
ren Teil der Cuticula viel bestimmter wird und auf dem Proto- 
merit fast verschwindet, um vielleicht an der ,,Krone“ desselben 
wieder ins Dasein zu treten. 

Von Embryonen abgesehen, wo die Cuticula am Schwanzende 
noch keine Verdickung erfihrt, lassen sich bei den meisten Cepha- 
lonten und noch bei vielen Sporonten an diesem Ende scharfe 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 317 


Einkerbungen erkennen (Fig. 34, 43, 47, 49), die wohl gerade 
wegen der betrachtlichen Dicke der Cuticula so pragnant sind. 
Offenbar entsprechen sie der gleichen Erscheinung, die uns schon 
bei Gr. statirae (Fig. 12) aufgefallen war und sind auch hier der 
Ausdruck der Langsstreifen, welche sich nach hinten hin vertie- 
fend, Furchen darstellen, die durch ziemlich breite Wiilste von- 
einander getrennnt sind (Fig. 47). Davon kann man sich beim 
Heben und Senken des Tubus wohl tiberzeugen. Wegen dieser 
Weitliufigkeit am hinteren Ende sollte man auf die gleiche Struk- 
tur auf dem iibrigen Teil der Cuticula schliefen kénnen. Allein 
hier laufen die zarten Streifen immer enge gedrangt, weshalb man 
eine teilweise Vereinigung derselben annehmen miifte. Da man 
aber zuweilen zwischen den Furchen und auf den Wiilsten des 
Schwanzes noch feine Linien erkennen kann, so ist es wohl wahr- 
scheinlicher, daf’ jene Furchen (Einkerbungen) ein etwas davon 
verschiedenes System vorstellen, gewissermafen Faltungen der 
Cuticula, die nach vorne hin sich allmahlich verflachend in die 
Streifen auslaufen. Wie weit ferner die ahnliche Erscheinung bei 
Gr. statirae dem entspricht, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu 
beurteilen, da dort die Kerbe dichter gedrangt stehen, wodurch 
die Untersuchung wesentlich erschwert wird. 

Die Einkerbungen des Schwanzendes sind nicht immer gleich 
tief und gleich regelmafig, gehéren aber im allgemeinen nur der 
aiuBeren Oberfliche der Cuticula an, was deswegen schwer zu 
konstatieren ist, als sie sich mit einer anderen, sobald zu er- 
wihnenden Erscheinung kombinierend, leicht ein Trugbild ent- 
stehen lassen (Fig. 43). 

Schon bei der Gr. statirae hatten wir es als wahrscheinlich 
dahinzustellen gesucht, daf an der auferen Oberfliche eine Spiege- 
lung der der inneren, weniger glinzenden Oberfliche der Cuticula 
anliegenden Korner statthat. Wegen der relativ geringen Dicke 
dieser letzteren Membran war dort aber schwer der richtige Sach- 
verhalt festzustellen gewesen. Bei gréferen, sich lebhaft be- 
wegenden Individuen unserer Gregarine bemerkt man nun nicht 
selten innerhalb der Cuticula an einer Lingsseite des Ké6rpers 
oder nur an einem zusammenhaingenden Stiick derselben eine 
eigentiimliche Zeichnung, welche gerade so aussieht, als wenn die 
Cuticula von Poren durchsetzt wire, wie wir dies fiir Embryonen 
von Gr. statirae (Fig. 13) als wahrscheinlich angenommen hatten. 
Bei schirferem Zusehen im optischen Schnitt findet man indessen 
die fraglichen Porenkanile nicht die ganze Wandung der Cuticula 


318 Johannes Frenzel, 


durchsetzend, sondern meist auf deren aufere oder mittlere Schich- 
ten beschrankt, wie sie auch nur blafi und nicht scharf und di- 
stinkt begrenzt sind. Kriimmt sich nun die Gregarine lebhaft, so 
kann diese Zeichnung plotzlich an einer Stelle verschwinden, um an 
einer anderen wieder aufzutauchen, oder sie kann wandern. Und 
da nun bei diesen Bewegungen der Gregarine der grobe Inhalt 
des Plasmas selbst in Strémung begriffen ist, so kann man pa- 
rallel damit das Wandern jener Zeichnung verfolgen. Nach diesen 
Befunden scheint mir daher keine Erklarung einfacher und plau- 
sibeler, als daf auch hier eine Spiegelung erfolge. 

Die Cuticula besitzt ferner, wie wir oben sahen, zwei Grenz- 
flichen, eine aulere glanzende und eine innere matte, weshalb 
wohl die erstere und nicht die letztere geeignet sein mul, den 
aus gleichfalls glinzenden Kérnern und Krystallen bestehenden 
Plasmainhalt zu reflektieren, wodurch nun jene langlichen brei- 
teren oder schmaleren Strichelchen innerhalb der Cuticula zustande 
kommen (Fig. 43)'). Abwohl auferdem im Schwanzende jener 
Inhalt meist ein sparlicher ist, so kann doch gerade dort oft 
eine schéne Spiegelung hervorgerufen werden, da gerade hier 
das Bild ein weniger verwirrtes wird, wiaihrend z. B. am Vorder- 
ende des Deutomerits die Reflexion eine so lebhafte sein mubB, 
daf ein Spiegelbild das andere verdeckt oder verwischt. Unter 
solchen Umstinden muf sodann eine scheinbare Dunkelfarbung der 
Cuticula zustande kommen, was nun auch in der That geschieht. 
Denn wihrend sie doch eine glashelle, leicht griinliche Substanz 
ist, so erscheint sie oft an der einen oder anderen Seite des 
Deutomerits dunkelstahlblau, was sich zum grofen Teil allerdings 
auch durch ihr starkes Lichtbrechungsvermégen erklaren liefe, 
wenn sich nicht auch eine undeutliche, eben durch jene Spiegel- 
bilder verursachte Triibung ihrer Substanz bemerkbar machen 
wiirde, welche natiirlich bei irgend einer Wendung der Gregarine 
sofort wieder dem hellsten Glanze Platz macht. 

Etwas verschieden von diesen Erscheinungen ist diejenige, 
die uns in Fig. 34 entgegentritt. Dies ist ein sehr jugendlicher 
Cephalont mit abgeschniirtem Hinterende, dessen Cuticula eine 
allseitige Einkerbung aufweist, die hier nicht auf Spiegelung 
beruhen kann, weil ja der grobe Inhalt noch fehlt. Da ferner 
auch die Langsstreifung noch nicht entwickelt ist, so kann es 
sich nur um eine Skulptur sui generis, vielleicht um dieselbe 


1) In dieser Abbildung ist der Inhalt zum Teil fortgelassen. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 319 


Faltung handeln, die als Furchenbildung am Hinterende gréferer 
Individuen auftritt, wenn nicht méglicherweise — das Tier ist 
ganz abnorm — wirkliche Poren vorhanden sein sollten. 

In ihrem chemischen Verhalten zeigt die Cuticula der 
Pyxinia keine Abweichungen. 

AuSerordentlich resistent ist sie gegen Essigsiure, durch 
deren 24-stiindige Einwirkung sie gar keine Veranderung erleidet. 
Erst nach etwa 14-tigigem Liegen in dieser Siure erscheint sie 
weniger, hellglinzend, fast als wenn sie erweicht oder ein wenig 
gequollen ware, ohne jedoch in Lésung gegangen zu sein. Viel- 
leicht kann ihre Substanz hier wie an anderen Orten aus zwei 
Teilen, einem in Essigséure verinderbaren und einem nicht oder 
weniger verandertem bestehen. Noch nach 4 Wochen endlich ist 
die Cuticula in Essigsiure zu erkennen '). 

Durch starke Salpetersiure wird die Cuticula selbst nach 24- 
stiindiger Einwirkung, bei ca. 30° C, nicht irgendwie in ihrer 
Konsistenz, in ihrem Glanz etc. beeinfluSt. 

Jod farbt sie leicht gelb und macht die Streifung deutlich. 

Alle die genannten Reagentien rufen nun aber noch eine 
andere Erscheinung hervor. Schon mehrfach sahen wir namlich 
die innere Grenzlinie der Cuticula auferordentlich zart. Bei 
obiger Behandlung wird sie jedoch genau ebenso deutlich und 
schwarz, d. h. glainzend wie die aufere Grenzlinie, was nun nicht 
etwa auf einen Kontrast gegen das veranderte Plasma zuriick- 
zufiihren ist, sondern als ein innerhalb der Cuticularsubstanz 
stattfindender Vorgang angesehen werden mu. Denn diese Er- 
scheinung bleibt noch nach dem Verschwinden des Plasmas be- 
stehen (Fig. 44, 45) und erhalt sich ebenso lange wie die Cuti- 
cula selbst. Es ist mithin die Substanz der Cuticula, das Proto- 
elastin, entweder keine véllig einheitliche oder doch nicht einheitlich 
in derselben verteilt. 

Wird ein Gemisch aus dem Darmsafte des Tieres und Speichel 
bei ca. 42° C mit einigen Pyxinien angesetzt, so verschwindet 
nach und nach die Cuticula im Zeitraum von etwa 1 Stunde, in- 
dem hier und da noch Fetzen davon wahrzunehmen sind. Da 


1) Zu diesem Zweck wird ein Deckglaspriparat mit einem 
Wachsrahmen umzogen, indem man einen diinnen Wachsstock einen 
Augenblick brennen la®t, ihn ausblist und mit nach unten gekehr- 
tem Docht, diesen als Pinsel benutzend, ausstreicht, so oft, bis der 
Rahmen fertig ist. 


320 Johannes Frenzel, 


auch das beigefiigte Darmgewebe des Dermestes in ihnlicher Weise 
verschwindet, so ist hier wohl eher auf eine tryptische denn auf 
eine diastatische Wirkung zu schlieBen. Sie beweist aber hin- 
langlich die relativ leichte Verdaubarkeit der (toten) Cuticula. Ob 
hier ferner, wie es fast scheint, auch der Speichel von Einfluf auf 
sie wird, konnte ich leider nicht mehr sicher feststellen. 

Die Cuticula der Embryonen ergiebt mit den obigen iiber- 
einstimmende Reaktionen. 

Obwohl das Plasma der Pyxinia kaum in Regionene zerlegt 
werden kann, so konzentriert sich doch auch auch hier der grobe 
Inhalt im Protomerit auf eine hintere, in sich abgeschlossene 
Halbkugel und im Deutomerit auf das Centrum, so daf nament- 
lich das Schwanzende arm daran ist (Fig. 36, 37, 39, 43, 49). 

Kin eigentliches Sarkocyt, wie auch ein sog. Myocyt (Fibril- 
len) fehlen. Dahingegen ist das dem ersteren (raéumlich) homo- 
loge System der Kérnchenreihen hier ebenso schén wie 
bei Gr. blaberae ausgebildet. Es zeigt sich auch hier zu- 
nachst im optischen Schnitt als eine langs der Cuticula ver- 
laufende punktierte Linie, aus regelmafig geordneten kleinen, 
scharfen Kérnchen bestehend und sich durch das ganze Deuto- 
merit bis zum auSersten Schwanzende (Fig. 49), im Protomerit 
aber bis weit in die ,,Krone“ hinein erstreckend, wihrend es dem 
Epimerit abgeht (Fig. 36, 37). Da ja die Fibrillen nicht vorhan- 
den sind, so erleiden die bei héherer Einstellung unter der Cuti- 
cula gut sichtbaren queren Punktreihen keine Unterbrechung, wie 
es bei Gr. blaberae der Fall war. Sie gehéren sowohl dem 
Cephalonten- wie auch dem Sporontenstadium an, werden aber 
bei Embryonen und jiingeren Cephalonten durchaus vermift (Fig. 
34, 48). 

Die Substanz dieser Querreihen wird durch starke Salpeter- 
sdure nicht gelést, sondern nur noch scharfer sichtbar gemacht 
(Fig. 42), ohne daf sich dabei sicher von einer Veranderung einer 
Granulation in der Substanz der Kornchen reden 1la8t. Liegt 
hierin ein gewisser Unterschied von den gleichen Gebilden der 
Gr. blaberae, so darf doch nicht vergessen werden, da’ die Punkte 
auch dort nach vorangehender Behandlung mit Essigsaure viel 
resistenter werden. Diese letztere macht auch die Punkte bei 
Pyxinia deutlicher, wenn sie nicht durch das starke Koagulum 
verdeckt werden (Fig. 45). 

Kine Digestion mit Darmsaft und Speichel vernichtet die 
Punktreihen véllig, wenngleich es nicht ausgeschlossen ist, da8 sie 

\ 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 321 


auch hier durch Essigsdiure resistenter werden. Mit Jod geben 
sie keine charakterische Farbung. 

Schon bei der Gr. blaberae hatten wir tiber die Bedeutung 
der Punktreihen nicht ins klare kommen kénnen. Wenn schon 
die Fibrillen nicht als Stiitzapparat anzusehen sein werden, so 
muf} dies noch vielmehr von den bedeutend zarteren Punkten zu 
gelten haben, wie tiberhaupt die Cuticula der Gregarinen ihrer 
Dicke wegen gar keiner besonderen Stiitze bedarf und sie auch 
in den schwachen Reifensystemen der Fibrillen und Punktreihen 
kaum finden wiirde, denen sie vielmehr als festes Widerlager zu 
dienen hat. 

Bei der Pyxinia ergiebt sich in den Reaktionen der Punkte 
eine gewisse Ahnlichkeit mit dem Alveolin, das ja auch gegen 
Saiuren resistent ist. Nur im Verhalten gegen Speichel liegt eine 
Abweichung, so daf danach ein stairkeres Hindeuten zu dem Paral- 
yeolin geschehen wiirde. Erinnert man sich sodann meiner oben 
gemachten Angabe von Stylorhynchus, so wiirden vielleicht die 
Punktreihen zu dem Maschenwerk in Beziehung stehen und ge- 
wissermafen dessen Ansatzstellen markieren. — Es kann aber 
auch anders sein. 

Der grobe Inhalt der Pyxinia ist ein so eigentiimlicher 
und von simtlichen naher bekannten Gregarinen abweichender, 
dafi wir dies Verhalten in der Artbezeichnung ,,crystalligera“ aus- 
gedriickt haben. 

Bei durchfallendem Lichte und schwacher Vergréferung sehen 
die Pyxinien fast blauschwarz oder dunkelstahlblau aus, so etwa 
wie stark angelaufener Stahl. Bei stirkerer Vergréferung ist diese 
Farbe eine mehr gelbschwarze, die sich im auffallenden Lichte 
entweder als schneeweif} oder ganz leicht gelblich erweist. Diese 
Erscheinung riihrt ausschlieSlich von dem Inhalte her, dessen 
Korner und Krystalle, einzeln gesehen, duferst stark glinzende 
Kérperchen vorstellen, welche je nach der Einstellung dunkelblau 
oder — im optischen Schnitt — mit dickem, schwarzem Rande und 
hellgelbem Centralglanz erscheinen, der aber zum wenigsten einem 
besonderen Farbstoff als vielmehr einer optischen Wirkung eigen 
ist, wie Abblenden des durchfallenden Lichtes lehrt. 

Die Embryonen fiihren weder grobe Kérner noch Krystalle 
(Fig. 48). Beiderlei Gebilde erscheinen vielmehr gleichzeitig erst 
nach Entwicklung des Epimerits in maSiger Menge (Fig. 34, 35, 
49) und bleiben auch weiterhin im Protomeritklumpen weniger 


dicht angehauft als in der vorderen, massigeren Hilfte des Deu- 
Bd, XXVII, N, F. XX, 21 


322 Johannes Frenzel, 


tomerits (Fig. 36, 37), wie auch das Schwanzende ihrer mehr oder 
weniger, selbst bei reifen Sporonten, entbehrt (Fig. 39, 49). Sonst 
machen sich kaum irgend welche Unterschiede zwischen einem 
Cephalonten und Sporonten hinsichtlich dieses Inhaltes bemerkbar, 
auBer daf in letzterem die Krystalle eine mehr periphere, die 
Korner eine mehr centrale Lage einnehmen. 

Oft iiberwiegen die Kérner, oft die Krystalle, und nicht selten 
fehlt eins von beiden vollig, ohne daf eine Ursache hierfiir nach- 
weisbar wire. 

Wie schon gesagt, besitzen beide Inhaltsmassen dasselbe Aus- 
sehen und denselben Glanz. Die Krystalle sind aber zumeist er- 
heblich gréBer, ohne indessen ein bestimmtes Krystallisationssystem 
erkennen zu lassen, denn meist sieht man kiirzere oder langere 
Stiibchen, Wiirfel, Tetraéder etc., selten jedoch Platten und 
Tafelchen (Fig. 36, 37, 39, 43, 44, 45, 49). Auch die Korner 
sind gréfer, als sonst die Paraglykogenkérner zu sein pflegen, 
dabei mehr scharfeckig und sehr runzelig, doch meist wohl von 
den Krystallen zu unterscheiden, deren Glanz vielleicht noch ein 
hoherer ist. 

Die Krystalle gehéren wie die groben Korner der Gregarine 
zu eigen und sind ihr Produkt, denn man findet sie weder im 
Darmsafte des Dermestes frei, noch in seinem Darmepithel, noch 
in anderen Geweben. Auch seine Speise, die in der Gefangen- 
schaft aus Knorpel und Knochen bestand, war durchaus frei von 
derartigen Krystallen. 

Chemischen Reagentien gegeniiber verhalten sich, wie wir 
sehen werden, die Kérner und die Krystalle recht ahnlich, indem 
sie aber zugleich auf eine wesentliche Verschiedenheit von anderen 
Paraglykogensubstanzen hinweisen. Diese werden bekanntlich 
durch Acidum aceticum nicht wesentlich verindert resp. nicht 
gelést. Behandelt man nun unsere Gregarine mit dieser Saure, 
so entsteht zunichst nur die bekannte EiweiSgerinnung, ohne 
dafi der grobe Inhalt eine merkliche Verinderung zeigt. Nach 
etwa einstiindiger Einwirkung einer etwa halb verdiinnten Essig- 
siure verschwindet er aber vollstindig mit Hinterlassung 
eines amorphen groben Niederschlages, der sich seinem AuBeren 
nach wenig von dem LEiweifniederschlag unterscheidet, einen 
braunlich-grauen Ton hat und bei auffallendem Licht weif ist. 
Wird nun die Jodprobe vorgenommen, so bleibt die charakteristische 
Farbung vollkommen aus, denn hier ist nichts mehr als eine 
gelbliche, eiweiBahnliche Masse zu sehen. Der grobkérnige und 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 323 


krystallinische Inhalt ist daher nicht nur gelést, sondern unter 
dem Kinflu8 der Essigsiure chemisch verindert worden. Wenn 
man dann zum Uberfiu8 noch Ac. nitricum hinzusetzt, das ja 
sonst immer eine violette Farbung hervorruft, so bleibt diese hier 
gleichfalls aus, was auch gilt, wenn statt ihrer Schwefelsiure be- 
nutzt wird. 

Wahrend Salpetersiure an anderen Orten, direkt angewendet, 
zunichst nur eine klare Lésung des Paraglykogens bewerkstelligt, 
so ist dies hier anders. Zwar verschwinden die Kérner wie die 
Krystalle gleich nach dem Eindringen dieser Siure. Sie ,,ver- 
duften“’ indessen nicht spurlos, sondern hinterlassen einen dem 
obigen ganz analogen Riickstand (Fig. 42, 50), welcher um vieles 
eréber als der feine staubartige Niederschlag des Plasmas ist, wie 
er sich unvermischt in der vorderen Kuppe des Protomerits 
(Fig. 42) sowie im Schwanzende vorfindet. Gleichzeitig macht 
sich mit Ausnahme dieser beiden Abschnitte eine diffuse Gelb- 
farbung bemerkbar, wie man sie oft bei EKinwirkung von Salpeter- 
siure auf Eiweif sehen kann. Der so entstandene salpetersaure 
Niederschlag, in dieser Séure sehr resistent und noch nach 24- 
stiindigem Liegen wohl erhalten, ergiebt ebensowenig wie der 
essigsaure die Jodreaktion. 

Dennoch indessen haben die uns beschaftigenden Kérper eine 
enge Beziehung zum Paraglykogen, wenn die direkte Jodprobe 
angestellt wird, wobei die Reaktion noch besser als gewoéhnlich 
eintritt, mit Ausnahme allerdings der Krystalle. Hine Behandlung 
mit Jod ergiebt niamlich sofort eine braunviolette Farbung der 
Kérner, wie man sie besser gar nicht wiinschen kann, wahrend 
die Krystalle entweder gar nicht, oder doch nur gelblich gefarbt 
werden, was wegen ihres ihnlichen Glanzes schwer konstatiert 
werden kann. 

Hieran schlieft sich die Speichelprobe. Es wird zu diesem 
Zweck ein Praparat mit Speichel versetzt. Schon nach 15 Mi- 
nuten ruft das Jod nun eine diffuse violette Farbung der Flissig- 
keit in der Gregarine hervor, zum Beweis, daf ein Teil des groben 
Inhaltes gelést worden ist. 

Halt die Digestion mit Speichel (und Darmsaft) bei ca 42° C 
linger als eine Stunde an, so verschwinden die Gregarinen bis auf 
geringe Uberreste von Cuticula, Krystallen, Fett, Alveolin etc., 
indem im besonderen die Kérner und Krystalle zerstért werden 
und zwar nun auch chemisch, da die Jod-violett-Reaktion nicht 


mehr auftritt. 
ae 


324 Johannes Frenzel, 


An einer frischen Gregarine endlich tritt die Jodreaktion an 
den Kérnern sowohl mit Schwefel- wie merkwiirdigerweise auch 
mit Salpetersiure ein, wihrend, wie wir schon sahen, mit letz- 
terer auf umgekehrtem Wege nichts erfolgt, da sie sofort eine Um- 
setzung bewirkt. Hat man aber erst mit Jod die braunviolette 
Farbung erzielt, so geht diese bei vorsichtigem NachflieSen von 
Salpeterséure zumeist in eine schéne veilchenblaue tiber, wahrend 
bei den Krystallen nur die kérnige Lésung erfolgt. 

Wir kénnen aus diesen Resultaten nunmehr den Schlu8 ziehen, 
dali die groben Kérner und die Krystalle der Pyxinia Modifikationen 
einer und derselben Substanz sind, welche, obgleich dem Para- 
glykogen ahnlich, doch erheblich davon verschieden ist und mit 
Sauren eine ungeléste eiweiZartige Verbindung giebt. Diese Sub- 
stanz wollen wir mit Pyxinin bezeichnen. 

Das Plasma. Bei Behandlung mit KEssigsiure tritt im 
Plasma nur eine geringe Quellung auf, woraus man folgern darf, 
dali das Protocollagen weniger reichlich oder in einer weniger 
quellbaren Modifikation vorliege. 

Wihrend das Plasma anderer Gregarinen mehr hyalin ist, 
so enthalt es bei der Pyxinia im Gegenteil feinere und grébere 
Kérnchen in reichlicher Menge, besonders in den von Pyxinin- 
substanzen freien K6rperteilen (Fig. 36, 37, 39, 43, 49). 

Acidum aceticum ruft im Plasma, wie bekannt, eine starke 
Gerinnung hervor, ohne da sich dabei entscheiden lieBe, ob jene 
urspriinglichen Granulationen dabei erhalten bleiben. Mir scheint 
es nicht unwahrscheinlich. Der neuentstandene Niederschlag hat 
einen graubriunlichen Ton (Fig. 46). Die Salpetersiure, der 
erst allmihlich eine geringe Quellung folgt, ruft gleichfalls eine 
feinkérnige, allmahlich verschwindende Gerinnung der EiweiSsub- 
stanzen heryor (Fig. 42), wahrend Digestion in Speichel und 
Darmsaft auch hier eine Lésung herbeifiihrt. 

Mit den bekannten Mitteln gelang es mir bei dieser Gregarine 
nicht, das Alveolin zur Darstellung zu bringen, da das beste davon, 
Salpetersiure, das massenhafte Pyxinin nicht lést, wodurch ein 
vorhandenes Maschenwerk vdéllig verdeckt wird. Da ferner bei 
der Digestion auch die Cuticula schwindet, so ist dasselbe jeden- 
falls nicht mehr imstande, seinen Zusammenhang aufrecht zu erhalten. 

Von ferneren Einschliissen seien endlich noch eigentiimliche 
vakuolenartige Fliissigkeitsriume erwiahnt, welche sich zuweilen 


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im Schwanzende verteilt finden, wie ich dies friiher schon bei — 


Gr. dromiae (Seegregarinen, Taf. 26, Fig. 50, 51) gesehen und 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 325 


als ,,klumpigen Inhalt‘‘ beschrieben hatte. Thr Inhalt scheint, wie 
gesagt, fliissig zu sein, la8t aber auf ein AusgestoBenwerden nicht 
schliefen, wenn auch seine stets hintere Lage darauf hinzuweisen 
scheint (Fig. 43). 

Die Embryonen der Pyxinia sowie ihre jiingeren Cephalonten 
ergeben nur insofern ein abweichendes Verhalten ihres Plasmas, 
als es durch die Abwesenheit des Pyxinins bedingt wird. Bei 
ihnen giebt die Jodprobe auch kein Resultat: sie werden nur 
gelblich. Der kérnige Inhalt der Embryonen scheint, wie der- 
jenige der reiferen Tiere, sich in Salpetersiure zu halten. 

Der Nucleus der Pyxinia macht eine beachtenswerte Ver- 
wandlung durch. Er ist zwar immer wasserklar und _ blaschen- 
artig. In Embryonen jedoch besitzt er ein richtiges, triibe 
glinzendes Morulit (Fig. 48), das sich weiterhin verdndert. 
Noch im ersten Cephalontenstadium vermag man es zu kon- 
statieren (Fig. 34).  Darauf aber wird der Kern langlich, 
ohne bestimmte Gestalt, da diese sich bei den Bewegungen des 
Tieres andert, und erhilt mehrere helle, klare, glattrandige und 
lebhaft glinzende Nucleoli im gewéhnlichen Sinne (Fig. 49), die 
oft noch einen anderen Koérper (Nucleololus) oder — es ist nicht 
zu entscheiden — einen Fliissigkeitsraum im Innern bergen, so 
daf sie dann im optischen Schnitt ringartig erscheinen. Sie 
farben sich leicht gelblich mit Jod, wahrend der Kernsaft klar 
bleibt. Bei der Digestion in Speichel und Darmsaft bleibt der 
Kern mit seinem Inhalte fast véllig intakt, wie es auch dbnlich 
in konz. Acid. nitr. ist, wo die Membran sich nicht lést, der Kern- 
saft ganz klar bleibt und nur die Nucleolen triibe werden und 
ihre Differenzierung verlieren (Fig. 50). Mit der Zeit scheinen 
sie sich jedoch zu lésen. Die Kernmembran, eine Art wie Proto- 
elastin, diirfte der der oben besprochenen Gregarinen gleichen, 
wahrend die Nukleolen mehr dem echten Nuclein und nicht dem 
Morulin nahe zu stehen scheinen. Samtliches Nuclein scheint auf 
die Nukleolen konzentriert zu sein. 

Laft sich ein Embryo einer Pyxinia kaum von einem 
solchen einer Gr. blaberae unterscheiden, so gilt dies, wie 
wir sahen, nicht mehr fiir die ersten Cephalonten, da diese 
nun ein charakteristisches Epimerit entwickeln, wie dies 
nun auch fiir die Pyxinia zutrifft. Meist diirfte hier ferner 
die normale Entwickelung vor sich zu gehen. FKinmal sah ich 
dahingegen eine Erscheinung, die deswegen an Interesse gewinnt, 
als sie sich an andere Beobachtungen auschlieBt. Es handelt sich 


326 Johannes Frenzel, 


namlich um eine Differenzierung des Schwanzendes, so daB es 
etwas abgeschniirt und teilweise durch eine Scheidewand vom 
iibrigen Deutomerit abgesperrt ist (Fig. 34). Die Cuticula des 
hinteren Endes wies gleichzeitig die schon erwahnten allseitigen 
Einkerbungen auf. Die membranése Scheidewand besa im Cen- 
trum ein Loch, sei es, da sie noch in der Bildung begriffen, oder 
sei es, daf sie nachtraglich perforiert worden war, wie ich dies 
z. B. bei Callyntrochlamys gefunden hatte, wo aber von einer 
Syzygie die Rede ist (Seegregarinen, Taf. 25, Fig. 12). Daf hier 
jedoch eine Syzygie nicht vorliege, sieht man sofort am Fehlen 
eines zweiten Kernes. Im Hinblick auf die Befunde GaAprIEt’s 
an der Gregarine von Typton, wo mehrere Quersepten vorhanden 
sein sollen, war weiter oben schon die Vermutung geaéufert worden, 
da es sich hierbei vielleicht um einen Riickschlag in eine un- 
bekannte Stammform handele, da ja, wie die Pathologie lehrt, die 
MifSbildungen durchaus nicht auf reinem Zufall beruhen und doch 
gewissen Gesetzen unterworfen sind, weshalb auch, dies sei neben- 
bei erwahnt, ihre Vererbbarkeit nicht ausgeschlossen werden kann. 

Junge Cephalonten besitzen schon ein ausgebildetes Epimerit, 
zu dessen Untersuchung auch hier die Gegenwart reinen Darm- 
saftes erforderlich ist. Sonst lost es sich — ganz einerlei, ob bei 
jungen oder alteren Exemplaren — auferordentlich leicht los und 
zwar in derselben Weise, wie es weiter oben schon angegeben 
worden war. Als ich, diese Regel aufer acht lassend, in ver- 
diinnter Salzlésung praparierte, da ja diese kleinen Kafer und 
Larven von Dermestes nicht hinreichend Darmsaft liefern, fand 
ich iiberhaupt keine Cephalonten, dahingegen 6fters junge Indi- 
viduen, welche vorn am Protomerit eine halsartige Offnung zeigten, 
die eine ganz hyaline sich wenig vom umgebenden Medium ab- 
hebende Blase trugen, welche bald platzte, nachdem sie oft noch 
sichtlich angeschwollen war (Fig. 34, 41). Als ich sodann ein 
anderes Praiparat mit Speichel herstellte, konnte ich die Abloésung 
des Epimerits Schritt fiir Schritt mit den Augen verfolgen. Dieses 
Organ hat hier namlich die Gestalt einer spitzen Nadel, mehr als 
halb so lang wie das Deutomerit, welche als Basalteil einen zwiebel- 
artigen Knopf hat. Die Loslésung erfolgt nun allemal ohne Aus- 
nahme an der Basis dieses Knopfes, dort wo er in die Krone des 
Protomerits iibergeht, welche, durch eine dickere Cuticula ausge- 
zeichnet, eine halsartig-cylindrische Gestalt hat und als eine Ver- 
jiingung des Protomerits anzusprechen ist (Fig. 37, 38, 41). Es 
bildet sich zunachst eine Trennung zwischen dem Epimerit und 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 327 


der Krone in Gestalt eines hellen Zwischenraumes, der sich nun 
allmaihlich zu jener wasserklaren Blase ausbildet, die ihrerseits 
ohne Membran ist, infolgedessen sie stets platzt, so daf das Epi- 
merit endlich abfallt. 

Alle diese Erscheinungen blieben aus, als ich, durch friihere 
Ergebnisse darauf hingewiesen, die natiirlichen Verhaltnisse még- 
lichst nachahmend, im Darmsafte des Dermestes untersuchte, wozu 
sich am besten seine groBen Larven eigneten. Jetzt geschah nie- 
mals eine Ablésung oder Blasenbildung und dergl., so daf das 
Epimerit in seinem natiirlichen Zusammenhang mit dem Proto- 
merit gesehen werden konnte (Fig. 37). Wiirde man nicht durch 
die beim Ablésen zu Tage tretenden Erscheinungen eines anderen 
belehrt werden, so wiirde man die untere breite Basis des Kpi- 
merits zum Protomerit rechnen, wozu sie aber nicht mehr gehdrt. 
Dieses erstreckt sich vielmehr nur so weit, wie die Cuticula noch 
doppelt konturiert ist und die Punktreihen sichtbar bleiben (Fig. 
37). Ebensowenig wie bei Gr. blaberae bricht die Cuticula in- 
dessen ab, um plétzlich in die diinne Membran des Epimerits 
iiberzugehen. Es findet vielmehr auch hier ein allmahlicher 
Ubergang statt, der sich darin auBert, daS die Membran der 
Basis erheblich dicker als die des Schaftes des Epimerits ist 
(Fig. 37, 38). 

Wenn die bereits weiter oben vorgetragene Ansicht von 
einem Einschrumpfen, einer Resorption, dieses Organes richtig 
ist, so miissen sich grofe Cephalonten mit verkiimmertem Epimerit 
finden, was auch in der That der Fall ist. Offenbar stellt die 
von Birscuir wiedergegebene Abbildung (Protozoa, I, Taf. 36, 
Fig. 126) von Pyxinia rubecula einen solchen Fall vor. Und da8 
die friiheren Beobachter dort keine Exemplare mit wohlentwickel- 
tem Epimerit gesehen haben, erklart sich wahrscheinlich daraus, 
daf’ sich dieses tiberall abgelést hatte, was aber, und das ist das 
Merkwiirdigste, ein schon reduziertes Epimerit so leicht nicht 
thut, also gerade umgekehrt, als wie man erwarten sollte. Denn 
nach der Abwerfetheorie sollte man doch meinen, da ein alter 
Cephalont sein Epimerit leichter verlieren wiirde als ein junger, 
der dessen noch sehr bedarf. Wie allgemein iibrigens die blasige 
Ablésung verbreitet ist, zeigt ein Blick auf die Abbildung von 
Actinocephalus Dujardini Arm. Scun., welche BirrscHi1 wieder- 
giebt (Protozoa I, Taf. 36, Fig. 13d). 

Mehreremal sah ich nun grofe Cephalonten von Pyxinia 
crystalligera, deren Epimerit nur noch aus einer kurzen Nadel 


328 Johannes Frenzel, 


bestand, aus einem ,,fadenformigen Anhang‘, welche einer ,,ge- 
zabnten ScheibeS aufsaB (Fig. 36), die nichts weiter ist als die 
gleichfalls reduzierte Krone. Als ich zuerst derartige Gregarinen 
erblickte, glaubte ich ein Losreifen des Epimerits annehmen zu 
miissen, so daf ein centraler Faden iibrig bliebe. Ein solcher 
innerhalb dieses Organes, ist aber gar nicht vorhanden, was sich 
leicht nachweisen lift, da ein regulares Epimerit véllig hohl ist, 
wie sich namentlich an den sich ablésenden konstatieren abt 
(Fig. 37, 38). Es bleibt mithin, so meine ich, nichts anderes 
als der Schluf iibrig, da auch hier das Epimerit allmahlich zu 
einem diinnen Faden zusammenschrumpft, um schlieflich ganz 
einzugehen, worauf auch die ,,Krone“ und der halsartige Vor- 
sprung eingezogen werden. An ganz jungen Sporonten kann man 
davon oft noch Spuren in Gestalt eines kappenférmigen Aufsatzes 
nachweisen (Fig. 49). 

Der Bau des Epimerits ist im iibrigen ein sehr einfacher. 
Es besitzt keine 4uBeren Anhaénge, sondern nur eine zarte Mem- 
bran, einen klaren Inhalt mit einigen wie sonst wandstandigen 
flockenartigen, blassen K6rperchen von rundlicher Form und eine 
lange diinne Spitze. Daf’ es vom Protomerit durch eine Scheide- 
wand (Membran) abgegrenzt sei, kann auch hier nicht bestatigt 
werden. 

Die Pyxinia crystalligera lebt im Mitteldarm der Kafer und 
Larven von Dermestes vulpinus Fasr. und in D. peruvianus 
CASTLN. 

Die meisten jener Tiere enthalten stets einige Gregarinen von 
verschiedenem Alter, mit Ausnahme wohl ganz junger Larven. In 
solchen von 1 mm Lange vermifte ich die Schmarotzer. 

Solange die Gregarine noch im Cephalontenstadium in einer 
Darmzelle steckt, fiihrt sie keine lebhaften Bewegungen aus. Auch 
im friihen Sporontenstadium, wo sie von plumper Gestalt ist, 
zeichnet sie sich durch Tragheit aus. Spater aber erwacht sie 
aus ihrer Lethargie und vollfiihrt eigentiimliche Biegungen und 
Verrenkungen ihres Kérpers, indem sie dabei teils am Fleck bleibt, 
teils weiter wandert. Hier sind die Kontraktionen oft so lebhaft, 
daS man sie fiir die Ursache der Vorwartsbewegung halten sollte, 
wenn die Beobachtungen an anderen Gregarinen diese Deutung 
zuliefen. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen sein, daf jene oft 
schlangenartigen Biegungen im Vereine mit einer lebhaften Plasma- 
strémung, welche den Kern mit sich zieht und seine Gestalt be- 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 329 


einfluft, wohl imstande sind, die sonst meist langsame Vorwarts- 
bewegung dieser eigentiimlichen Organismen zu befordern und zu 
unterstitzen. 


Schlufs. 


Der Darstellung der aufgezahlten fiinf Gregarinen ist im 
obigen etwas mehr Raum gegénnt worden, als es sonst wohl in 
einer blof faunistischen Untersuchung Sitte ist. Ich glaube aber 
mit denen iibereinstimmen zu miissen, welche meinen, daf die 
Tiere nicht nur dazu da sind, um mit einem Namen belegt und 
allenfalls einem geographischen Gebiete zuerteilt zu werden. Denn 
wenn es sich um Organismen handelt, deren physiologische und 
morphologische Verhialtnisse noch so auferordentlich dunkle sind, 
so mufi es doch das Bestreben eines jeden denkenden Forschers 
sein, in jeder Richtung so weit, wie es ihm moglich ist, vorzudringen 
um an der Hand einer Entwickelungsgeschichte die genealogische 
Stellung seines Objektes zu ergriinden, ihm auf morphologische 
Charaktere hin einen Platz im System einzuraumen und die phy- 
siologische Grundlage seiner Lebensbedingungen abzugrenzen. 
Leider aber ist das letztere Moment noch ein Problem, das von 
wichtigeren Tagesfragen gar zu sehr in den Hintergrund gedrangt 
wird. Ich glaubte ihm daher eine ganz besondere Beachtung 
schenken zu miissen; und sollte ich den Fehler begangen haben, 
de omnibus rebus et quibusdam aliis gesprochen zu haben, so 
méchte eine Entschuldigung darin gesehen werden, daf die Grega- 
rinen als einzellige Protozoén eben Elementarorganismen sind 
und mithin die Verwirklichung von elementaren Problemen dar- 
stellen, welche die Grundlage fiir eine allgemeine auf vergleichen- 
der Kunde begriindete Physiologie abgeben. 

Die physiologische Wissenschaft ist vor allem nicht ohne eine 
genaue Kenntnis der Gestaltung und des feineren Baues der Or- 
ganismen denkbar; und wie R. VircHow einst nachgewiesen 
hat, daf die eigentlichen Werkstatten des Lebens die Zellen eines 
héheren Organismus sind, so wird man in den einzelnen Partikel- 
chen und Teilchen einer Zelle, sei sie ein selbstandiger Organis- 
mus oder nicht, die einzelnen Werkzeuge und Maschinen die- 
Ser Werkstatten erblicken miissen. Ist nun fiir eine derartige 
Auffassung schon der Anfang gemacht, indem man, auf streng 
morphologischer Grundlage, die Beziehungen des Zellkernes zur 
Fortpflanzung innerhalb gewisser Grenzen aufgefunden hat, so 


330 Johannes Frenzel, 


wird man einen Schritt weiter gehen und die iibrigen Organi- 
sationselemente der Zelle auf ihre physiologische Bedeutung prii- 
fen miissen. 

In der vorliegenden Schrift glaubte ich dieses Ziel besonders 
im Auge haben zu sollen; und wenn ich mir wohl bewu8t bin, 
schon am Anfange des Weges stecken geblieben zu sein, so meine 
ich doch, keinen falschen Weg eingeschlagen zu haben. Wie nam- 
lich der lebende Elementarorganismus selbst dem scharfbewafine- 
tem Auge wenig Anhaltspunkte zu einer Analyse bietet, wo doch 
eine solche so notwendig wird, um gewissen Arten gewisse Fahig- 
keiten und Thatigkeiten zuzuschreiben, so hat man den Versuch 
zu machen, eine solche Analyse auf einem anderen Wege zu er- 
reichen. Der erste Schritt, noch unsicher und zaghaft, zu einem 
solchen Versuch ist in der obigen Untersuchung nun gethan wor- 
den, indem der mikrochemischen Analyse ein breiterer 
Raum gestattet wurde, als es sonst zu geschehen pflegt und als 
es auf den ersten Blick wohl zweckdienlich erscheinen mag. Wenn 
ich aber darauf hindeute, dafi es mir doch gelang, wenigstens 
eine kleine Anzahl von chemischen Kérpern in ihren Umrissen 
und allgemeinen Reaktionen etwas genauer zu sondern, so wird 
man darin allerdings noch lange nicht die n6étigen Erklarungen 
fir das Leben und die Thatigkeit der Zellen auffinden kénnen; 
man wird aber mit Befolgung der oben ausgesprochenen Grund- 
satze nach und nach eine Chemie und Morphologie der Zelle auf- 
bauen kénnen, welche ebenso imstande sein werden, physiologische 
Prozesse zu deuten und klarzulegen, wie die Chemie und Morpho- 
logie (Anatomie) eines héheren Organismus es thun. 

Nicht jede Zelle ist fiir eine derartige Untersuchung gleich gut 
geeignet, denn schon eine geringe Gré8e schlieBt ein tieferes Ein- 
dringen und Sondern aus. Bei einzelligen Organismen wirken 
wieder aufgenommene Fremdstoffe stérend, und wenn auch das 
in grofer Menge in einer Gregarine aufgehaufte tote Material 
eine feinere Struktur zu verdecken geeignet ist, so ist doch die- 
ses Material in Gestalt des Paraglykogens schon zu gut bekannt 
und leicht genug zu entfernen, so daf die Gregarinen sich ganz 
besonders fiir eine eingehende chemische Analyse der Zelle fahig 
erweisen. 

Uberblicken wir die Gesamtheit der oben gewonnenen Resul- 
tate, so werden wir in allgemeiner Umgrenzung und 
mit Zulassung von Ausnahmen etwa folgende Substanzen 
fiir einen Gregarinenkérper nennen kénnen: 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 331 


1) Protoélastin, die Substanz der Cuticula und vielleicht 
auch der Epimeritmembran, der Scheidewand und der Kernmem- 
bran. Ungeldst in Essig- und Salpetersdure, in Alkohol, Ather, 
Chloroform etc.; léslich mehr oder weniger in Alkalien; durch 
Essigsiure allmihlich chemisch verandert und in eine nicht elasti- 
sche Modifikation iibergefiihrt. Meist ungelést in Speichel, aber 
verdaubar. 

2) Alveolin, die Substanz des Maschenwerkes. Ungelést 
in Essig-, Schwefel- und Salpetersiure, Kalilauge und Speichel, 
fixiert durch Alkohol, Sublimat etc. Massig farbbar mit Karmin, 
ohne Jodreaktion. 

3) Paralveolin, Begleiter des Alveolins und diesem 4hn- 
lich, jedoch gelést in Speichel, Siuren und Alkalien. 

4) Neutralfett, in Gestalt von Trépfchen etc., namentlich 
im Protomerit. 

5) Albuminstoffe in zwei Modifikationen 

a) fixiert durch Sublimat, 
b) fixiert auch durch Sauren. 

6) Protocollagen. Quellbar in Essigsaéure und z. T. in 
Salpetersiure, schrumpfend in Wasser. 

7) Paraglykogen in den Kérnern. Jodreaktion rot bis 
violett mit Hiilfe von H,SO, oder Essigsiure + Acid. nitric. 
Durch heife Schwefelsiure in Zucker iibergefiihrt (BiTScHLI) 
oder durch Speichel und Schwefelsiure (FRENZEL). 

8) Pyxinin. Der entsprechende Stoff der Pyxinia, durch 
Acid. acetic. oder nitric. in eine amorphe Substanz ohne Jodreak- 
tion iibergefihrt. 

9) Antienzym. Hypothetischer Stoff, die Verdauung ver- 
hindernd. 

10) Morulin. Die Substanz des Kernmorulits. Geloést durch 
Salpetersaure, nicht gelést durch Essigséaure. In Enzymen nicht 
vollig gelost. 

11) Paramorulin. Das Netzwerk im Zellkern. Fixiert 
durch Essig- und Salpetersiure. Verdaubar. Linin ? 

12) Nuclein. In den Nukleolen von Pyxinia ete. 

13) Kernsaft; klare, nicht gerinnende Flissigkeit. 

14) Zellsaft; klare nicht gerinnende Fliissigkeit, aus dem 
offenen Protomerit entweichend. 

Hieran schlieBen sich noch die weniger bekannten Kérnchen 
der Punktreihen, z. T. nicht gelést in Essig- oder Salpetersaure, 
die Kérnchen der vorderen Protomeritkuppe, die des Deutomerits, 


332 Johannes Frenzel, 


sowie diejenigen des Epimerits und endlich die Sarkocytfibrillen 
und die seltenen vakuolenartigen Raume. Daf sodann auch noch 
ein diastatisches Ferment in der Gregarine — latent oder thatig 
— enthalten sei, habe ich gleichfalls versucht, wahrscheinlich zu 
machen. 

Ohne, zum Schluf, die oben gewonnenen Resultate saimtlich 
verallgemeinern zu wollen, so wird man doch folgende Anschau- 
ung von den Gregarinen gewinnen kénnen: Sie sind vermutlich 
von héheren Organismen abstammende, einzellige, schmarotzende 
Tiere, welche von Peptonen und gelésten Kohlehydraten auf dem 
Wege der Absorption (,,Aufsaugung“) sich ernahren, sich durch 
ein Antienzym gegen die Verdauungsfermente schiitzen und ein 
Reservematerial in festerer Form anhaufen, bestehend aus Para- 
glykogenen (resp. Pyxinin), welche sie durch ein diastatisches Fer- 
ment zu geeigneter Zeit wieder ganz oder teilweise aufbrauchen. 
Sie sind ferner durch eine starke, sehr resistente, aber ver- 
daubare Cuticula, eine Protoélastinsubstanz, geschiitzt, zeigen 
im Plasma eine quellbare Substanz, das Protocollagen und eine 
netzartig angeordnete, das Alveolin. Der blaschenférmige Kern 
enthalt entweder ein Morulit, wie viele Rhizopoden, oder Nukleolen 
in bekannter Beschaffenheit. — Die Fortpflanzung der Gregarinen 
endlich charakterisiert sie in besonderer Weise, wie friihere Un- 
tersuchungen hinlanglich ergeben haben. Ihre Konjugation ist als 
Uberrest einer ehemals geschlechtlichen Vermischung aufzufassen 
und erklart sich so als eine, wenngleich schon geringe, Verteilung, 
Ausgleichung und Mischung verschiedenartiger EKigenschaften. In 
dieser Hinsicht sind mithin die einzeln sich fortpflanzenden 
Gregarinen (und Coccidien) als niedriger stehende Organismen 
aufzufassen. 

In physiologischer Beziehung ist die Gregarine gewissermafen 
das Schema einer resorbierenden Darmzelle von Wirbeltieren und 
Arthropoden, wie die Opaline es ist mit Bezug auf eine bewim- 
perte Darmzelle wirbelloser Tiere. Eine solche Auffassung zu 
Grunde legend, wird man, so meine ich, einstmals den Prozessen 
der Verdauung und Resorption naher riicken k6nnen. 


C 6 rdoba (Argentinien), im April 1891. 


. . & * 4 
Ueber einige atgentinische Gregarinen. 


Inhalt. 

Pnlevuney ys GF Sinise pemesreehlein 
1, Gregarina statirae n. sp. i a 

Gostal fete. eatin Wek wes A's 

Cuticula . 

Plasma Mea uef ts 

Kérnerinhalt . . . 

Kern 

Konjugation 


Anhang: Psorospermien ... .- 
2. Gregarina bergi n. sp. 
Bewegungen ce eet ated 
Cuticula 
Plagmes * po is 
Korner 
Kern 
Epimerit . sae idee 
Gregarina panchlorae n. sp. 
4, Gregarina blaberae n. sp. 
Cuticula 
Plasma 
Fibrillen , 
Punktreihen ; 
Paraglykogenkorner 
Embryonen es 
5, Pyxinia crystalligera n. sp. 
Cuticula 
Punktreihen . 
Krystalle . 
Plasma und Kern . 
Epimerit . 
SchluB ; 


333 


Seite 
233 
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247 
247 
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275 
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286 
287 
291 
291 
292 
294 
295 
299 
300 
302 
304 
307 
308 
311 
312 
314 
316 
320 
321 
324 
325 
329 


334 Johannes Frenzel, 


Erklarung der ‘Abbildungen auf Taf. VIII. 


Fig. 1 bis inkl. 15. Gregarina statirae n. sp. 


Fig. 1. Konjugation zweier etwa gleichbeschaffener Individuen. 
Vergr. 120 X. 

Fig. 2. Kin jiingeres, aber schon freies Individuum, mit noch 
unvollstindigem, klumpigem Inhalt. Vergr. 600 X. 

Fig. 3. Drei junge Individuen hintereinander konjugiert. Vergr. 
300 X. 

Fig. 4. Konjugation eines vorderen kleineren mit einem hin- 
teren grdferen Individuum. In beiden ist das Protomerit undeutlich 
geworden. Vergr. 120 X. 

Fig. 5. Blischenartiger Kern mit einem grofen, maulbeerfor- 
migen Kernkérper. Vergr. 600 X. 

Fig. 6. Ein dhnlicher Kern, nach Behandlung mit Speichel, 
wobei der Kernkérper veraindert wird. Vergr. 600 X. 

Fig. 7. Konjugation eines liénglichen vorderen mit einem dicke- 
ren hinteren Individuum. Vergr. 120 

Fig. 8. Junges Individuum, noch ohne Scheidewand, jedoch 
schon mit Epimerit, Die Cuticula zeigt am Hinterende Kinkerbungen. 
Werer. 600": 

Fig. 9. Konjugation eines vorderen grofen mit einem hinteren 
kleineren Individuum. Vergr. 120 X. 

Fig. 10. Vorderende eines sehr grofen Individuums. Das Proto- 
merit erscheint in das Deutomerit eingesenkt. Eine schwache Lings- 
streifung ist wahrnehmbar Vergr. 400 X. 

Fig. 11. Nucleus in radiir-netzartig angeordnetem Plasma lie- 
gend, nach Behandlung mit Salpetersiiure. Vergr. 600 X. 

Fig. 12. Ein junges Individuum mit dem knopfartigen Epi- 
merit in einer Darmzelle steckend. Die eine Hilfte des Deuto- 
merits zeigt bei hoher Einstellung die Lingsstreifung. Vergr. 600 X. 

Fig. 13. Kin ganz junges, fast kubisches Individuum. Die 
Cuticula erscheint gréftenteils wie von Poren durchsetzt. Vergr. 
1000 X. 

Fig. 14. Kern eines grofen Individuums nach Behandlung mit 
Jod-Salpetersiure. Man erkennt einen doppelten Umri’. Vergr. 600 X. 

Fig. 15. Halbschematische Darstellung der Anordnung von Ekto- 
und Endosark eines halbreifen Individuums, Vergr. 1000 X. 


Ueber einige argentinische Gregarinen. 335 


Fig. 16 bis inkl. 19, Gregarina bergi n. sp. 


Fig. 16, Jiingeres Individuum mit noch wohlentwickeltem Epi- 
merit. Vergr. 300 X. 

Fig. 17. GréSeres Individuum ohne Epimerit. Vergr. 300 X. 

Fig. 18. Mittleres Individuum mit verkiimmerndem Epimerit. 
Vergr. 400 X. 

Fig. 19. Kern in einem radiir-netzartigen Plasma liegend, nach 
Behandlung mit Sublimat-Salpetersiure. Vergr. 600 X. 


Fig. 20. Gregarina panchlorae n., sp. 


Fig. 20. Einsenkung des vorderen Individuums in das Proto- 
merit des hinteren. Vergr. 300 X. 


Fig. 21 bis inkl. 33. Gregarina blaberae np. sp. 


Fig. 21. Junges Individuum yon gedrungener Gestalt. Vergr. 
300 X. 

Fig. 22. Etwas ilteres, langgestrecktes Individuum. Vergr. 300 x. 

Fig. 28. Ein ziemlich erwachsenes Individuum. Vergr. 200 X. 

Fig. 24. Jiingeres Individuum, dessen Epimerit zu verkiimmern 
anfingt. Vergr. 300 X. 

Fig. 25. Kopfende, mit ringformigem Wulste, eines grofien In- 
dividuums. Vergr. 600 X. 

Fig. 26. Protomerit mit der punktierten Querstreifung im Ekto- 
plasma. Das Epimerit ist abgerissen. Vergr. 600 X. 

Fig. 27. Protomerit, nach Behandlung mit Sublimat. Vergr. 
600 X. 

Fig. 28. Kopfteil eines jiingeren Individuums. Das wohlent- 
wickelte Epimerit ist einer Darmzelle des Wirttieres eingesenkt. 
Vergr. 1000 X. 

Fig. 29. Epimerit mit dem Kern einer Darmzelle verbunden 
(eingesenkt?). Vergr. 800 X. 

Fig. 30. Vorderende eines gréferen Individuums nach Behand- 
lung mit Kssigsiure und Salpetersiiure. Es bleiben Fetttroépfchen in 
netziger Anordnung zuriick. Vergr. 600 X. 

Fig. 31. Vorderteil eines éihnlichen Individuums nach derselben 
Behandlung und bei hoher Einstellung des Mikroskops. Fcinpunk- 
tierte Lingsstreifung. Vergr. 600 X. 

Fig. 32. Halbschematische Ubersicht iiber die drei Streifen- 
systeme. Die Liingsstreifung geht schief. Zwischen je zwei Sarkocyt- 
fasern erkennt man in der Regel drei Punktreihen. Vergr. 1000 X. 

Fig. 33. Deutomerit nach Behandlung mit Essigsiéure. Vergr. 
1000 X. 


Fig. 34 bisinkl. 50. Pyxinia crystalligera n.sp. 


Fig. 34. Junges abnormes Individuum, hinten eine Abschnii- 
tung aufweisend. Das Epimerit ist abgerissen. Vergr. 600 X. 

Fig. 35. Ein etwa ebenso junges Individuum mit Epimerit, 
Vergr. 300 X. 


336 Johannes Frenzel, Ueber einige argentinische Gregarinen. 


Fig. 36. Kopfende eines reiferen Tieres mit verkiimmertem 
Epimerit. Vergr. 500 x. 

Fig. 37. Protomerit eines jiingeren Individuums mit normalem 
Epimerit. Vergr. 800 X. 

Fig. 38. Ablésung des Epimerits durch Bildung einer Blase am 
Fue desselben. Vergr. 600 X. 

Fig. 39. Ein halberwachsenes Individuum. Vergr. 300 x. 

Fig. 40. Ubersichtsbild eines grofen bandférmigen Tieres. Vergy. 
100 . 

Fig. 41. Protomerit nach Abstobung des Deutomerits. Vergr. 
600 X. 

Fig. 42. Protomerit nach Behandlung mit Acid. nitricum. 
Vergr. 600 X 

Fig. 43. Endteil eines jiingeren Individuums, mit tropfenartigem 
Inhalt, Einkerbungen und scheinbaren Porenzeichnungen der Cuticula. 
Vergr. 800 X. 

Fig. 44. Ein Stiick der Leibeswand. Vergr. 1000 X. 

Fig. 45. Dasselbe nach Behandlung mit Acid. aceticum. Vergr. 
1000 X. 

Fig. 46. Endteil, nach Behandlung mit Acid. nitricum. Vergr. 
600 X. 

Fig. 47. Zusammenhang der hinteren Einkerbungen mit den 
Liangsstreifen. Vergr. 1000 X. 

Fig. 48. Junges Individuum, noch ohne Scheidewand zwischen 
Proto- und Deutomerit. Vergr. 300 xX. 

Fig. 49. Halbjunges Tier, mit einem Rest des Epimerits. Der 
Kern mit ringartig erscheinenden Nucleolen. Vergr. 600 X. 

Fig. 50. Derselbe Kern, nach Behandlung mit Salpetersiure. 
Vergr, 600 &X. 


Frommaunsche Buchdruckerei (Hermann Poble) in Jena. — 1030 


JUN 8 1893 


Eine neue Art von Drymonema. 
Von 
Dr. Gr. Antipa. 


Hierzu Tafel IX, 


Als Herr Prof. Hamcken im Jahre 1887 seine zweite Reise 
nach Kleinasien unternahm, fand er den ganzen Golf von Smyrna 
erfillt von Scharen einer bisher unbekannten Scyphomeduse; sie 
gehérte der merkwiirdigen Gruppe der Drymonemiden an. — Da 
er sie bei Cordelio fand, nannte er sie Drymonema Cordelio und 
erwahnte sie voritibergehend unter diesem Namen, ohne sie weiter 
zu beschreiben, in seinem Buche tiber Planktonstudien '). 

Der Mangel an Zeit gestattete Prof. HAncker nicht, das mit- 
gebrachte Material selbst zu bearbeiten, weswegen er die Giite 
hatte, mir die konservierten Exemplare zur Bestimmung und Be- 
arbeitung zu tiberlassen; auch die damals nach dem Leben auf- 
genommenen Notizen betreffs Farbe, Grofe etc. des Tieres wurden 
mir in freundlichster Weise zur Verfiigung gestellt. Wie sehr ich 
mich hierfiir, sowie fiir die Erlaubnis, in dem Laboratorium des 
Zoologischen Institutes arbeiten zu diirfen, dem Herrn gegeniiber 
zum Danke verpflichtet fiihle, brauche ich kaum noch zu sagen. 

Bevor ich zur eigentlichen Beschreibung der neuen Spezies 
iibergehe, halte ich es fiir zweckmafig, noch einige Worte iiber 
die Geschichte dieser Tiere zu sagen. Die Drymonemiden sind 
semostome Discomedusen und gehéren zu der, durch die be- 
deutende Gréfe ihrer Vertreter ausgezeichneten Familie der Cy a- 


1) E. Hagcxet, Plankton-Studien. Vergl. Unters. etc. Jona 1890. 
Bd, XXVII, N. F. XX. 22 


338 Gr. Antipa, 


neiden, unterscheiden sich jedoch von den iibrigen Formen durch 
zahlreiche wichtige Merkmale, vor allen Dingen: 1) durch die 
ganzen Bildungsverhaltnisse der Subumbrella und des peripheren 
Kanalsystems (einerseits Riickbildung des Kranzmuskels und der 
16 breiten Radialtaschen, andererseits starke Ausbreitung der 
Tentakelzone und verastelten Lappentaschen), 2) durch die voll- 
standige Verwachsung der Randlappen zu einem Velarium und 
die eigentiimliche, véllig subumbrellare Lage der Rhopalien, die 
sich in einer Art Nischen verstecken. 

Obwohl diese Verhaltnisse sich in sehr schéner Weise auf 
die der tibrigen Cyaneiden zuriickfiihren lassen, wiegen oben be- 
merkte Unterschiede doch sehr schwer, so dafi’ HaEcKEL sich ge- 
notigt sah, aus ihnen eine besondere Subfamilie zu griinden. 

Man kannte bis jetzt nur 2 Arten, die dazu gehéren. Die 
erste wurde im Jahre 1879 von Dr. BuccicH an der Kiste von 
Dalmatien gefunden und von HAEcKEt in seinen ,,Tiefsee-Medusen 
der Challenger-Reise“ 1) beschrieben; er nannte sie Drymonema 
Victoria (dovmdcg = Wald, v7 = Faden). — Ein Fragment einer 
von der Challenger-Expedition in der GibraltarstraBe im Jahre 1873 
gefundenen Medusa soll auch damit identisch sein. 

Die zweite Art, Drymonema Gorgo MULL., wurde dreimal 
(6./1. 57, 11./11. 60 und 3/11 61) von Fritz MUiLier an der 
Kiiste von Brasilien, nérdlich von Desterro gefunden und in einer 
Notiz im Zool. Anzeiger*) beschrieben. Sie unterscheidet sich 
von Drymonema Victoria durch einige kleinere Artmerkmale, 
hauptsachlich aber durch die Bildung des peripherischen Kranz- 
darmes. — Mit D. Gorgo wurde auch der Beweis erbracht, daf 
die Drymonemiden kleine Tiefseemedusen sind, eine Frage die von 
HAECKEL offen gelassen war. 

Die Beschreibung der neuen dritten Art, die ich in folgendem 
geben werde, stiitzt sich auf die Vergleichung von ungefahr 10, 
mit Alaun fixierten und im Alkohol konservierten Exemplaren 
von verschiedener Grife und Alter, die aber alle schon auf der 
vollstandig entwickelten Drymonema-Stufe standen. Leider waren 
die Tiere infolge der Behandlung mit Alaun und auch wegen des 
etwas schwachen Spiritus, in dem sie gelegen hatten, nicht mehr 
zur histologischen Untersuchung brauchbar. 


1) Haxcken, 1, c. p. 105—111. 
2) Frirz Mtter, Drymonema an der Kiiste von Brasilien. Zool. 
Anz., Bd. VI, 1888, p. 220-—222. 


i 


Eine neve Art yon Drymonema. 339 


Als Namen werde ich selbstverstandlicherweise den von 
HAECKEL vorgeschlagenen als sehr passend beibehalten. 


Drymonema Cordelio') n. sp. 


Diese Art bildet durch die GréSe ihrer Mundgardinen, ihren 
peripheren Kranzdarm etc. einigermafien einen Ubergang zwischen 
den beiden anderen Arten; doch entfernt sie sich durch mehrere 
Merkmale, wie z. B. die Hufeisenform der Gonaden, die Lage der 
Rhopalien niher dem Schirmrande etc. etc., von ihnen. 

In ihrer GréBe iibertrifft sie gewaltig die beiden anderen; 
waihrend die D. Victoria einen Horizontaldiameter von 0,12—0,16 m 
und die Gorgo einen Diameter von 0,3 und hoéchstens 0,5 m hat, 
besafen unsere Tiere im lebenden Zustande durchschnittlich einen 
Diameter von 0,5 m, die gré8ten aber tiberstiegen sogar 1 m. — 
Die von mir untersuchten, infolge der Konservierung zusammen- 
gezogenen Spiritusexemplare waren in allen GréSen von 0,10—0,26 
vertreten. 

Die Umbrella stellt eine flach gewélbte Scheibe vor. Ihre 
Gallerte erreicht in der Mitte (centrale Schirmscheibe) eine an- 
sehnliche Dicke; an dieser Stelle ist sie sehr fest und knorpelhart, 
am Rande aber (Velarium) wird sie viel diinner und zarter. 

Die Exumbrella, welche im Leben rotlich-weif aussieht, 
ist glatt und unterscheidet sich von der der anderen Arten da- 
durch, daf& sie keinen dunklen Radialstreifen auf der Oberflache 
ihrer Centralscheibe traigt. — Das Velarium, dessen Breite 
sich zum Schirmradius ungefahr wie 1:3 (3:9,5) verhalt, ist stark 
gekriimmt und gegen die Subumbrella zuriickgeschlagen. Auf 
seiner Oberfliiche sieht man 72 tiefe Radialfurchen, die von seinem 
proximalen Teil (Velarfurche) bis zum Schirmrande verlaufen; 
zwischen diesen Furchen treten 72 andere neue auf, die aber nur 
von der Mitte des Velariums bis an den Rand gehen, so daf man 
jetzt im ganzen 144 Randfurchen hat; dementsprechend zeigt auch 
der Schirmrand 144 verhaltnismafig tiefe Kerben. Diese Furchen 
entsprechen den Nahten der mit den Réandern verschmolzenen 
Randlappen, von denen es also auch im ganzen 144 giebt, davon 16 
Ocular- und 128 Tentacularlappen. 


1) Im Laufe der folgenden Beschreibung werde ich die von 
HakckeEL in seiner Monographie der Medusen angewendete Termino- 
logie beniitzen. 


22* 


340 Gr. Antipa, 


Subumbrella. Gleich beim ersten Blick fallt die machtige 
Entwickelung des ,centralen Peristomfeldes“ auf. Wiah- 
rend namlich bei den anderen Arten ,,der Radius der mittleren 
Zone (Tentakelzone) fast doppelt so grof ist, als der der beiden 
anderen (Peristomfeld und Velarium), die nahezu gleich sind 1)‘, 
ist bei unserer Art einerseits das Peristomfeld, andererseits die 
Mittelzone so stark zusammengedrangt und verkleinert, da’ der 
Radius der ersteren den der zweiten beinahe tbertrifft. 

Die Tentakelzone selbst ist wie bei den anderen Arten durch 
radiale Furchen gerippt; die 8 Prinzipalfurchen, begrenzt durch 
16 Prinzipalwiilste, verlaufen unverzweigt bis zum Schirmrande 
und tragen die Sinneskolben. — Die zwischen diesen gelegenen 
Furchen resp. Wiilste verzweigen sich immer mehr dichotomisch, bis 
zur Velariumfurche, wo sie schliefSlich aufhéren (die Art und Weise, 
wie das vor sich geht, kann man genauer auf der Abbildung Fig. 1 
(II) sehen): in diesen Furchen liegen die Tentakeln. Diese 
letzteren sind sehr zahlreich und grof, im Leben sollen sie 3—6- 
mal so lang als der Schirmdiameter sein, ihre Farbe ist, nach 
den Aufzeichnungen von Prof. HAECKEL, meist weil, in der Mitte mit 
einem rétlichen Kanal. — In der peripheren Lappenzone (V ela- 
rium) finden wir auch einen wichtigen Unterschied von den an- 
deren Arten, nimlich: die Rhopalien sind sekundar aus ihrer ur- 
spriinglichen Lage, in der sie subumbral der Velarfurche dicht 
anlagen, nach dem Schirmrande zu geriickt, so dafi sie jetzt nur 
etwas tiber der Mitte des Velariums zu liegen kommen. Wahrend bei 
der D. Victoria ihre Entfernung vom Schirmrande ungefihr 1/, 
des Schirmradius einnimmt, nimmt sie hier noch etwas weniger 
ais?#) / ein: 

Die Rhopalien selbst zeigen einen auSerordentlich interes- 
santen Bau; leider waren die Tiere zu schlecht erhalten, um 
deren genauere Beschaffenheit studieren zu kénnen. AufSerlich 
haben sie die Form, welche Fig. 2 angiebt; bei einem Exemplare, 
das ich mit Farbe injizierte, um den Verlauf der Gastro-vascular- 
kanale zu sehen, beobachtete ich in den 2 Lippen, welche die 
Sinnesnischen umgeben, eine Menge kleiner Kanilchen. Auch 
einige Sinushaare glaube ich in der Nische gesehen zu haben, 
doch kann ich das nicht mit Sicherheit angeben, da, wie gesagt, 
die Epithelien alle schon ziemlich stark mazeriert waren. 

Das Gastro-vascularsystem zeigt auch in vielen Be- 


1) Haxcegt, ]. c. p. 107. 


Eine neue Art von Drymonema. 341 


ziehungen Verschiedenheiten von dem der anderen Arten. Der 
,knorpelring, der das auSerordentlich weite Mundkreuz umgiebt, 
ist an 8 gewissen Stellen (jedesmal auf den beiden Seiten eines 
jeden Mundkreuzschenkels) sehr stark verdickt, so daf wir 8 
subradiale feste Knorpelknépfe haben, die am Kingange in die 
Armrinnen stehen. In den Interradien ist der Knorpelring viel 
diinner und nach dem Centrum zu konkav. 

Die Mundgardinen unterscheiden sich sowohl durch ihre 
Gréfe als auch durch ihre Beschaffenheit von denen der anderen 
Arten: Wahrend namlich ihre Linge bei der D. Victoria ungefahr 
dem Schirmradius gleich ist, bei der D. Gorgo aber den Durch- 
messer der Scheibe iibertrifft, nehmen sie bei unserer Art die 
Mitte zwischen den beiden ein, sind also ungefahr 1!/,-mal so 
grof wie der Schirmradius. — In die Breite sind sie auSerordent- 
lich stark entwickelt und faltenreich. Auch sind sie nicht wie 
bei den anderen Arten in den Interradien voneinander getrennt, 
sondern hingen auch hier zusammen und bilden so ein Continuum; 
an dieser Stelle (Interradien) haben sie eine Lange, die ungefahr 
derjenigen des Schirmradius gleicht. — Jede knorpelige Armrinne 
teilt sich, gleich wenn sie aus dem Mundkreuzschenkel ausgeht, 
dichotomisch, und da dementsprechend jede Gardine in der Mitte 
kiirzer bleibt, zeigt auch jede 2 adradiale lingere Zipfel. 

Der periphere Kranzdarm bildet auch eine Art Ubergang 
zwischen dem der D. Victoria und dem der D. Gorgo; wahrend 
bei der ersteren jede Tentaculartasche sich 3mal gabelt, also 8 
Randtaschen giebt (8 >< 8-+-16 Oculartaschen — 80 Randtaschen 
im ganzen), gabelt sich bei der letzteren jede Tentaculartasche 
4 mal und 4 von diesen letzten Randtaschen noch zum 5D. Mal, 
also im ganzen 8X 20-+16—176. Bei unserer Art triffit die 
Teilung nur 4mal ein, so daf wir im ganzen 128-+-16 Ocular- 
taschen = 144 Randtaschen haben. 

Auch die 4 interradialen Gonaden (Fig. 1, Quadr. I u. III, 
Fig. 3) weichen durch ihre Form von denen der anderen Arten 
ab. Jede besteht aus einer blindsackformigen Ausstiilpung des 
Magenbodens, die Gastrogenitaltasche, auf deren innerer 
Wand sich das stark gefaltete Genitalband hufeisenformig anheftet ; 
die Wand der ersteren wird dadurch in zwei geteilt und sieht so aus, 
wie zwei auf die beiden Seiten des Hufeisens aufgespannte Mem- 
branen. — Auf die innere Flache der inneren Wand der Genital- 
tasche setzen sich in zwei Biischeln die grofen, aber wenig zahl- 
reichen Gastralfilamente an (vergl. hierzu Fig. 3 gf). Die Genital- 


342 Gr. Antipa, 


ostien liegen am Eingange in die Mundéffnung und sind von einem 
Knorpelring umgeben. 


Nachdem wir mit der speziellen Beschreibung fertig sind, 
wollen wir nun die Unterschiede von den anderen Arten und die 
Hauptresultate kurz zusammenfassen und folgende 


Spezies-Diagnose 
aufstellen. 

Schirm flach gewoélbt, scheibenférmig; Vela- 
rium sehr breit, mit gekerbtem Rande und 144 exum- 
bralen Radialfurchen, zwischen welchen 144 Rand- 
lappen vortreten. 8 Rhopalien, etwas tiber der 
Mitte des Velariums gelegen, in tiefen Nischen der 
Subumbrella, um ungefahr +/, des Schirmradius vom 
Schirmrande entfernt. 4 perradiale Mundgardinen, 
deren 8 Zipfel mehr als 1*/,-mal so lang als der 
Schirmradius sind, hangen in den Interradien mit- 
einander zusammen und decken die Subumbrella 
vollkommen. Ein weiter ,,Knorpelring“” des Mundes 
mit 8 subradialen, dicken ,,Knorpelknoépfen“™. 144 
(128 tentaculare und 16 oculare) Randtaschen des 
Gastro-vascularsystems. Tentakel sehr lang und 
zahlreich, nur auf der Mittelzone der Subumbrella. 
Gonaden hufeisenférmig, herabhangend. 


Jena, 4. September 1891. 


Gr. Antipa, Eine neve Art von Drymonema. 343 


Tafelerklirung. 


Tafel IX. 


Fig. 11), Drymonema Cordelio von der Subumbrellaseite 
aus gesehen. Um '/, verkleinert. — Nur auf der einen Hilfte (I) 
sind die Mundgardinen ganz geblieben, auf der anderen sind sie weg- 
geschnitten, damit man die iibrigen Organe der Subumbrella sehen 
kann. — In dem mit II bezeichneten Oktant sind die Tentakeln 
weggenommen, man sieht nur ihre Ansatzstelle und die Art und 
Weise der Verzweigung der Radialfurchen in der Tentakelzone. — 
Bei (vz) bemerkt man den Eingang in der abgeschnittenen Gastro- 
genitultasche. In dem Quadrant III sind 1) die Tentakeln und 2) 
eine yon den hufeisenformigen Gonaden zu sehen; das Genitalband 


tritt nach dem Munde zu aus der Genitaltasche etwas heraus. — In 
Oktant [V ist das Gastro-vascularsystem dargestellt; c == Kanile 
(Randtaschen), v] == Verwachsungsleisten. 


Fig. 2. Ein Rhopalium. 12mal vergrofert. 

Fig. 3. Eine Gonade, von der nach dem Centrum zugekehr- 
ten Seite aus gesehen; die innere Wand ist abgeschnitten und um- 
geschlagen, damit man die auf ihr inserierten Gastralfilamente (gf) 
sehen kann. gd = Geschlechtsdriise, gm == Gastrogenitalmembran. 


1) Fig. 1 ist von Herrn Lithograph Giltsch gezeichnet, dem ich hierdurch 
fiir die besondere Miihe, die er sich dabei gegeben hat, herzlichst danke. 


Die Lokalisation der Oxalsaure in der Pflanze. 


Von 
Dr. Rudolf Giessler. 


Einer Reihe pflanzlicher Substanzen, iiber deren Bedeutung 
im Haushalt der Pflanzen wenig Sicheres bekannt war, miissen 
wir nach den Untersuchungen von Sranu!) jetzt wenigstens die 
eine Aufgabe zuerkennen, die Pflanze im Kampfe mit der Tier- 
welt gegen deren Angriffe zu schiitzen. Hierbei kommen soge- 
nannte spezifische Pflanzenstoffe (Alkaloide, Gerbstoffe, Bitterstoffe, 
aitherische Ole, Milchsifte u. a. m.) in Betracht, deren zum Teil 
giftige Wirkungen schon langst bekannt sind. Wenn wegen letzterer 
Eigenschaft dieselben schon friiher als Schutz- und Verteidigungs- 
mittel der Pflanze hingestellt worden sind, namlich von Kunrzx ”), 
Focke *), ErrerA *), KERNER °) u.S. W., So ist diese Ansicht jedoch 
nie durch planmafig ausgefiihrte Versuche gestiitzt worden. Bekannt- 
lich hat Srann ®) in dieser Frage eine Entscheidung mittelst des 
zum ersten Male in grofem Mafstabe angewandten Experimentes 
herbeigefiihrt. Durch seine Versuche, zu welchen er hauptsach- 
lich die als Pflanzenfeinde gefiirchteten Schnecken benutzte, ist die 
Bedeutung der angefiihrten Stoffe als Schutzmittel fiir feststehend 
zu betrachten. Selbstverstandlich soll hiermit nicht gesagt sein, 
da8 sie nicht noch andere Funktionen zu erfiillen hatten. 


1) E. Srant, Pflanzen und Schnecken. Eine biologische Studie 
iiber die Schutzmittel der Pflanzen gegen Schneckenfrafs. Jena, 
G, Fiscuer, 1888. 

2) O. Kunrzz, Schutzmittel der Pflanzen gegen Tiere und Wetter- 
ungunst. Leipzig 1877. 

3) W. O. Focxe, Die Schutzmittel der Pflanze gegen niedere 
Pilze. Kosmos, Bd. X. Stuttgart 1881—82. 

4) Esrera, Matsrrtau et Crauretav, Recherches sur la locali- 
sation et signification des alcaloides. Bruxelles 1887. 

5) Kerner, Pflanzenleben. I. Bd., pag. 400. 

6) E. Sraut, 1. c. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 345 


Die im Pflanzenreich weit verbreitete Oxalsiure oder deren 
saures Kaliumsalz, das Kaliumbioxalat ist von Staut ebenfalls in 
den Bereich seiner Untersuchungen gezogen worden, und nach diesen 
kénnen beide neben dem Gerbstoff zu den wirksamsten Schutz- 
sekreten gezihlt werden. Nach Stanvw’s Versuchen nimlich bleiben 
Oxalsiiure fiihrende Pflanzen, auger bei bedeutend gesteigerter 
Nahrungsnot, von Schnecken unberiibrt, wahrend ausgelaugte Exem- 
plare rasch verzehrt werden. Uberraschend ist das Experiment, 
nach welchem von den Schnecken sehr gesuchte Nahrobjekte 
(Daucus carota), mit Kaliumbioxalatlésungen von nur 1 pro 
mille getrinkt, wenigstens eine Zeit lang vor dem Benagen von 
Seiten dieser gefrassigen Tiergruppe gesichert sind. Dieses Ergeb- 
nis, ebenso wie die Thatsache, daf das Betropfen der Versuchstiere 
mit der gleichen schwachen Lésung schon starke Reizwirkungen 
bei diesen zur Folge hat, erscheint um so bemerkenswerter, als 
der Zellsaft der in Betracht kommenden Pflanzen eine viel héher 
konzentrierte Saurelésung als die hier angegebene darstellt. 


Fassen wir die Lokalisation der Schutzstoffe in das Auge, so 
begegnen wir der wichtigen Thatsache, daf die Ablagerung in den 
Geweben fiir viele derselben eine periphere ist. 


Fiir den Gerbstoff sind als Ablagerungsorte gréftenteils die 
Epidermis mit deren Anhangsgebilden und die GefafSbiindelscheiden 
durch zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre festgestellt worden ‘). 


ErrERA, MAIstRIAU und CLAuTRIAU 7) wiesen fiir einige Al- 
kaloide ein fast gleiches Verhalten nach. Diesen Untersuchungen 
schliefen sich diejenigen von pE Wevras *) tiber die Lokalisation des 
Atropins bei Atropa Belladonna an, durch welche vorwiegend 
die Oberhaut, subepidermales Parenchym und Phloém als Speicher- 
orte des Alkaloids erkannt worden sind. Das Veratrin ist nach 
Borscow *) in ahnlicher Weise, nimlich in den Epidermen der 
Wurzel, der unterirdischen Stengelteile und Zwiebelschuppen lokali- 


1) Vergl. die Gerbstofflitteratur, zusammengestellt bei Kraus, 
Physiologie des Gerbstoffes, Leipzig 1889, und bei L. Brarmer, 
Les Tannoides. Introduction critique a |’ histoire physiologique des 
Tannins, Toulouse 1891. 


2) Errera, Maisrerav und Cravretian, |. c. 

3) A. pE Wevras, Journal de Pharmacie et de Chimie, I, March., 
pag. 262. 

4) Beitriige zur Histochemie der Pflanzen. Botan. Zeitung, 1874, 
pag. 17. 


346 Rudolf Giessler, 


siert. Analoge Resultate erhielt ferner Voret ') fiir die von STann 
als wirksame Schutzsekrete erkannten Lauchéle der Alliumarten. 
Die atherischen Ole der letzteren werden nach diesen Untersuchungen 
in den Wurzeln, Stengeln, Blattstielen und Blattern innerhalb der 
Epidermen und Schutzscheiden gespeichert. 

Die Wichtigkeit der peripheren Ablagerung dieser Schutzstoffe 
leuchtet ohne weiteres ein, da eine derartige Anordnung auf dem 
Querschnitt der Organe das unbedingt notwendige Erfordernis zur 
erfolgreichen Verteidigung der wertvolleren, inneren Gewebe dar- 
stellt. Sraant konnte auf die Bedeutung dieser Verhaltnisse fiir 
die Abwehr kleiner Tiere nach seinen Untersuchungen ganz be- 
sonders hinweisen. Er spricht auferdem die Vermutung aus, daf 
fiir viele andere, durch seine Versuche als Schutzmittel charakte- 
risierte Stoffe eine Oberflichenlagerung noch gefunden werden 
wiirde ?), 

Die Verteilung der Oxalséure in der Pflanze ist von diesem 
Gesichtspunkte aus noch nicht naher studiert worden. Ich habe 
mir daher in der folgenden Untersuchung die Aufgabe gestellt, 
ihr Auftreten innerhalb des Pflanzenkérpers zu verfolgen und zu 
untersuchen, ob und wie weit die gefundenen Thatsachen mit der 
Schutzmittelfunktion der Oxalsiure in Einklang zu bringen seien. 
Ich will gleich mitteilen, da8 sich in der Verteilung der Oxalsaure eine 
weitgehende Analogie mit derjenigen der vorerwahnten Schutzstoffe 
ergeben hat. Namentlich fallt, ebenso wie bei diesen, fiir die Oxal- 
siiure gleichfalls die Ablagerung in den peripherischen Geweben auf. 

Im Einzelnen lieferte meine Arbeit auSerdem einige Beitrage 
zu der Erscheinung des Vikariierens von Schutzmitteln, welche von 
STaHL im letzten Kapitel seines zitierten Buches besprochen ist 
und in unserem Fall neue Belege fiir die Schutzmittelfunktion der 
Oxalsaure bietet. ) 

Fir die Untersuchung kommen natiirlich nur oxalsaurehaltige 
Pflanzen mit hervortretender Aciditat in Betracht, wobei letztere 
vorwiegend durch das in der Pflanze geléste Kaliumbioxalat be- 
dingt wird). Die Frage, ob dieses oder die freie Oxalsaure im 


1) A. Voter, Lokalisierung des ditherischen Oles in den Geweben 
der Alliumarten. Arb. d. Hamburger Bot. Mus., 1889. 

2) Sraut, |. c. pag. 119 ff. # 

3) Husemann, Pflanzenstoffe. Berlin 1884. — Ap. Maysr, Uber 
die Bedeutung der organ. Sdéuren in den Pflanzen. Landwirtsch. Ver- 
suchestationen, XVIII., pag. 410. — A. Tscurrcn, Angewandte Pflanzen- 
anatomie, I., pag. 140. — O. Warsure, Uber die Bedeutung d. organ. 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 347 


Zellsaft vorhanden war, ist bei der gleichen Giftwirkung beider 
Stoffe und bei analogem chemischen Nachweis in Riicksicht auf 
die biologische Fragestellung der Arbeit ohne Bedeutung. In der 
Folge habe ich deshalb der Kiirze halber gewoéhbnlich die Be- 
zeichnung Oxalsdiure oder Siure gewahlt. 


Von bisherigen Angaben iiber Saureverteilung (oxalsaure 
Pflanzen inbegriffen), ist das Folgende bekannt. Nach der allge- 
meinen Regel von Kraus?), auch anwendbar fiir Pflanzen mit 
nicht hervortretendem Siuregehalt, sind die Gesamtsifte der ein- 
zelnen Pflanzenorgane insofern ungleich sauer, als die Blatter am 
erheblichsten, die Wurzeln am wenigsten Saiure enthalten, wihrend 
der Stengel mittlere Aciditét besitzt. Kraus findet auSerdem im 
Stengel die Rinde resp. das griine Gewebe saurer als das Mark 
und den (gewoéhnlich chlorophyllirmeren) Blattstiel siurearmer als 
die Blattfliche. Bei WArpuRG?) findet sich neben der Bestati- 
gung dieser Angaben der Zusatz, daf das Wassergewebe der 
Blatter in der Regel siureirmer als das griine Gewebe ist und 
ferner die Bliiten meist héheren Sauregehalt als die Blatter be- 
sitzen. Als Resultat der Untersuchungen von BerTHELOT und 
AnprE *) iiber die Verteilung der Oxalsiure in Rumex acetosa 
zeigte sich, daf bei Bestimmung der relativen Aciditaét der einzel- 
nen Organe die Wurzel nur Spuren von Saure enthielt. Die 
oberirdischen Teile speicherten ziemlich betrichtliche Siuremengen, 
so daf sich das Acidititsverhaltnis von Wurzel zu Blattstiel oder 
Hauptnerven zur Blattspreite wie 0: 1:3 stellt. In den angefiihr- 
ten Arbeiten ist, wie ersichtlich, stets die Sauremenge ganzer 
Pflanzenorgane bestimmt und weniger auf die Saureverteilung in 
den einzelnen Geweben geachtet worden, so da fiir uns direkt ver- 
wertbare Resultate nicht vorhanden sind. Auf einige derselben 
wird jedoch noch zuriickzukommen sein. 


Die mikrochemisch-anatomische Methode, die es ermédglicht, 


Saduren fiir die Lebensprozesse der Pflanzen. Tiibinger Untersuchungen, 
Bd. II, Heft I, pag. 53. 

1) Kraus, Uber die Wasserverteilung in der Pflanze. LV. Die 
Aciditét des Zellsaftes. Abhandlung der Naturf. Gesellsch. zu Halle, 
XVI, Bd. II. 

2) Warsoure, |. c. 

3) Uber die Bildung der Oxalsiiure in Pflanzen. Studie iiber 
Rumex acetosa. Comptes rend. T. CII, p. 995. 


348 Rudolf Giessler, 


den Sauregehalt jeder einzelnen Zelle in situ nachzuweisen, war 
fiir die vorliegende Untersuchung die allein geeignete. 

Der Nachweis der Oxalsiure geschah nach vergleichenden Re- 
aktionsversuchen mit verschiedenen in Frage kommenden Reagentien 
durch Chlorcalcium. Dasselbe bewirkt in den angewendeten, ziem- 
lich konzentrierten Lésungen ein schnelles Abtéten der eingelegten 
Objekte und innerhalb der Gewebe eine pracise Ausfallung des oxal- 
sauren Kalkes. Um die bei Einwirkung des Calciumchlorids auf 
lésliche oxalsaure Salze entstehende Salzsiure unschidlich zu 
machen, wurde zur Neutralisation beim Injicieren Natriumacetat 
verwendet. Das Verfahren, auf Laings- und Querschnitte unter 
dem Mikroskop das Reagens einwirken zu lassen, erwies sich 
als unvorteilhaft, weil an den Schnitten die leicht herausdiffun- 
dierende Saure nicht an ihrem urspriinglichen Lagerort gefallt wird. 

Gewohnlich injizierte ich die Objekte mit Chlorcalcium (1 Teil 
auf 3—4 Teile Wasser) unter Anwendung der Luftpumpe. Die 
einzulegenden Pflanzenteile diirfen dabei nicht mit Einschnitten, um 
etwa das Eindringen des Reagens zu foérdern, versehen werden, 
da durch dieses Verfahren eine pricise Fallung, ebenfalls aus den 
ebenerwahnten Griinden, in der Nahe der Schnittrander unméglich 
wird Das im Reagens abgetéitete Material wurde im Wasser aus- 
gewaschen und fiir die mikroskopische Untersuchung in absolutem 
Alkohol gehartet. In vielen Fallen kann verwertbares Material 
durch Eintauchen von Pflanzenteilen in kochende Chlorcalcium- 
lésung gewonnen werden. 

Ohne ausfiihrliche quantitative Bestimmung vorzunehmen, 
schlof ich auf die Menge der vorher vorhandenen Saure aus der 
Quantitat des gebildeten Niederschlags, und es hat sich dieser 
allerdings nur approximative Riickschlu8 bei der gewahlten Frage- 
stellung fiir ausreichend genau erwiesen. 

Was die Formen des gefallten Kalkoxalats betrifft, so waren 
dieselben in den verschiedenen Geweben und selbst innerhalb der 
einzelnen Zellen ungemein wechselnd. Meistens lagen auferordent- 
lich unregelmaifige Gestalten vor. Die Unterschiede der Saure- 
konzentration bestimmter Gewebe oder Zellen nach den gefallten 
Krystallformen zu bestimmen, wie es nach den Versuchen von 


1) L. Kyy, Uber Krystallbildung beim Oxalat. Ber. der d. bot. 
Ges. V, p. 387. 

2) F.G. Kout, Anatomisch-physiolog. Untersuchungen der Kalk- 
salze und Kieselsiure in der Pflanze. Marburg 1889. 


re 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 349 


Kny!) und von Kout *) vielleicht hatte angestrebt werden kinnen, 
war aus diesem Grunde nur in wenigen Fallen méglich. 

Das niedergeschlagene Kalkoxalat stellt hiaufig eine duferst 
feinkérnige, kryptokrystallinische Masse dar, die entweder aufer- 
halb oder innerhalb des kontrahierten Plasmaschlauchs erscheint. 
Das abgetitete Plasma mit dem anlagernden, feinkérnigen Aggregat 
ergiebt bei gekreuzten Nicols nur eine schwache Polarisations- 
wirkung, die bei Anwendung von Lésungsreagentien sofort aufge- 
hoben wird. Diese Verhialtnisse liegen gewéhnlich in Zellen von 
wenig betrachtlicher Aciditét oder in langgestreckten und flachen 
Zellen vor, in denen ein eingeengter Saftraum die Ausbildung gréSerer 
Krystallindividuen verhindert. Beispiele hierfiir finden sich ‘in 
den Blattstiel- und Stengelepidermen, ferner gewéhnlich in den 
Zellen des Assimilationsparenchyms. 

Sphaerite von mannigfachster Gestaltung wurden vielfach be- 
obachtet, sie entsprechen gewoéhnlich den bei Kon!) abge- 
bildeten Formen, zeigen allerdings éfter eine centrale Hohle 
oder zerkliiftetes und zerfressenes Aussere. Dieselben durch- 
setzen in einer grofen Mehrzahl von Fallen die Zellmem- 
branen und zwar ist diese Niederschlagsart fiir sehr diinn- 
wandiges Gewebe charakteristisch, wie wir es z. B. in Bliiten- und 
Kelchblattern, Blattstipulae und schlieSlich auch Blattstielepi- 
dermen der Oxalideen und Begonien mehrfach antreffen. 
In manchen Gewebepartien konnte das gesamte gefillte Kalk- 
oxalat der Zelle in dieser Lagerung und Gestaltung sich prisen- 
tieren. Krystalle von wirklich regelmafiger Ausbildung wurden relatiy 
selten beobachtet, dagegen waren Gestalten mit geringer Anzahl aus- 
gebildeter Krystallflachen und von schwer erkennbarem System 
desto haufiger. Nur in verhiltnismaig wenigen Fallen bestand in 
Zellen mit gréferem Zellsaftraume und gréferer Aciditaét der 
gesamte Niederschlag aus regelmafigen, monoklinen Krystallen, den 
sogenannten rhombischen Tafelchen. (Beispiele hierfiir liefern die 
grofen Blattstiel- und Bliitenstengelzellen einiger O xalisspecies.) 
Am allerhaufigsten war in den weitlumigen Zellelementen der ausge- 
fallte oxalsaure Kalk in formlosen Klumpen zusammengeballt. Die- 
selben waren stark lichtbrechend, von Bogenflichen begrenzt und 
meist stark zerkliiftet. Sie sind anzusehen als Krystall- und 
Sphaeritkonglomerate, zusammengesetzt aus reduzierten und stark 
yerzerrten Einzelindividuen oder auch als Ubergangsformen zwi- 


1) F. G. Kon, 1. c. 


350 Rudolf Giessler, 


schen beiden Erscheinungen. Diese merkwiirdigen, geballten Massen 
machen entweder die gesamte Niederschlagsmenge einer Zelle aus 
oder es kénnen neben solchen Klumpen auSerdem noch regel- 
maBige oder halbregelmaBige Krystalle und Sphaerite neben Kalk- 
oxalat in Sand- und Kérnerform gefallt sein. 

Naher darauf einzugehen, durch welche Bedingungen diese 
komplizierten Verhaltnisse bei der Ausfaillung des Kalkoxalates in 
der Pflanze geschaffen werden, halte ich an dieser Stelle fiir un- 
angebracht. Ks ist selbstverstandlich anzunehmen, daf das Entstehen 
einer bestimmten Kalkoxalatform und die Lagerung derselben 
innerhalb der Zelle in der Hauptsache von dem Konzentrations- 
grad der einwirkenden Stoffe und der Schnelligkeit der Einwir- 
kung des Fallmittels abhingig ist *). 

Zur Priifung des erhaltenen Niederschlags wurden die fiir das 
Kalkoxalat charakteristischen Erkennungsreagentien, Essigsaure, 
Salzsiure, Salpetersiure und Schwefelsiure angewendet. Ausgezeich- 
nete Dienste leistete Schwefelsiure, durch welche bei gentigender 
Verdiinnung sehr geringe Niederschlagsmengen durch sofortiges 
Aufschiefen von Gypsnadeln ermittelt werden konnten. Erfolg- 
reiche Verwendung fand auch der Polarisationsapparat, besonders 
fiir vorher in Chloralhydrat durchsichtig gemachte Schnitte und 
ganze Blatter. Im Bezug auf letztere war das Verfahren mit 
Chloralhydrat besonders angebracht um zu einem klaren Urteil in 
der Siureverteilung tiber die ganze Blattflaiche zu gelangen. 

Das Untersuchungsmaterial bestand aus Species der Gattungen 
Rumex, Oxalis und Begonia des hiesigen botanischen Gar- 
tens. Verschiedene interessante, fiir unsere Zwecke gut sich eig- 
nende Oxalisspecies erhielt ich aus dem Freiburger botanischen 
Garten, fiir deren giitige Uberlassung ich Herrn Professor HitpeE- 
BRAND ganz besonders Dank schuldig bin. 

Jede Species wurde wegen des vielfach bemerkbaren ad- 
stringierenden Geschmackes zugleich auf Gerbstoff unter Ver- 
wendung von Kaliumbichromat untersucht. Fiir diese Doppel- 
injektion wurden beiderseitig Versuchsstiicke derselben Pflanze 
und nahezu gleich ausgebildete Organe ausgewahlt. Zur Kontrolle 
sind stets einige derselben halbiert und die verschiedenen Halften 
zur Gerbstoff- resp. Saureuntersuchung herangezogen worden. Die 
mit Kaliumbichromat behandelten Stiicke dienten zugleich als 
L)oE. G: Won, lore: 

i, Kaye: 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pfianze. 351 


Kontrollobjekte, um tiber das eventuelle Vorhandensein schon vor- 
her in der Pflanze abgelagerten Kalkoxalats Aufschlu8 zu_be- 
kommen. 

Was die Untersuchung auf Gerbstoff mittelst Kaliumbichromat 
betrifft, so weif ich sehr wohl, dafi nach neueren Arbeiten durch 
dieses Reagens aufer Gerbstoffen auch chemisch mit diesem nicht 
verwandte Substanzen den bekannten braunen Niederschlag geben. 
Durch die Bezeichnung ,,Gerbstoff' soll daher tiber die chemische 
Natur der durch Kaliumbichromat gefillten Stoffe nichts gesagt 
sein. Es muf aber darauf hingewiesen werden, dal, soweit darauf 
gepriift wurde, die betreffenden Substanzen auSer der Chromat- 
reaktion den adstringierenden Geschmack und diejenigen Reak- 
tionen mit Kupferacetat, Eisenchlorid u. a. zeigten, welche von 
den Chemikern bis vor kurzem fiir die als ,,Gerbstotfes hinge- 
stellten Kérper angegeben worden sind. 

Die folgenden Untersuchungen wurden mit freundlicher Unter- 
stiitzung des Herrn Professor Stann ausgefiihrt. Demselben fiir 
sein liebenswirdiges Entgegenkommen meinen ergebensten Dank 
auszusprechen, ist mir eine angenehme Verpflichtung. 


II. Untersuchungen an Rumexarten. 


Die Aciditatsverhiltnisse sind innerhalb einer und derselben 
Gattung an besonders geeigneten Species etwas ausfiihrlich dargestellt 
worden, wahrend fiir die tibrigen bei der vielfach vorhandenen 
Gleichheit der Resultate nur abweichende Vorkommnisse hervor- 
gehoben sind. Die ersten Untersuchungen erstreckten sich auf 
Rumexarten, speziell auf Rumex acetosa, welche Art beziiglich 
ihres Saéuregehaltes ungefihr eine Mittelstellung unter den sdure- 
fiihrenden Species aller drei Gattungen einnimmt. Wenn daher 
die untersuchten Formen oder deren Teile im Laufe der Darstellung 
als siurereich oder siurearm bezeichnet werden, so liegen dieser 
Abschatzung als Mafstab die bei Rumex acetosa vorgefundenen 
Verhiltnisse zu Grunde. 


Rumex acetosa. 


An den Blattern des Sauerampfers fiihrt die Epidermis der 
Unterseite die meisten Spaltéfinungen. Die Spreite besteht aus 
ein- oder zweischichtigem Palissadenparenchym und engmaschigem 
Schwammgewebe, welches unterhalb der Palissadenschichten Zel- 
len mit Kalkoxalatdrusen und Einzelkrystallen enthalt. Auf der 


352 Rudolf Giessler, 


Ober- und Unterseite des Blattes sitzen mehrzellige, papillése 
und langere, starre, einzellige Haare. lLetztere sind besonders 
haufig an der Nervenunterseite, ferner kommen sie vor am Blatt- 
stiel und am Stengel und zwar an letzteren besonders in der Bliiten- 
region. Sie besitzen eine durch vorspringende Cuticularknétchen 
oder -Leisten bedingte, rauhe Oberflache, eine Erscheinung, die man 
an den Epidermiszellen des Blattrandes und des Stengels mehr- 
fach nachweisen kann. Die gestielten, grundstandigen Blatter sind 
in ihrem Bau von den Stengelblaéttern nicht verschieden. Der 
erhaltene Kalkoxalatniederschlag war in den Blaittern meist fein- 
kérnig, kryptokrystallinisch. 


In den beiderseitigen Epidermen ausgewachsener Blatter ist 
die Siure am starksten angehauft. Die Zellen sind nicht im glei- 
chen Mafe sdurespeichernd, denn neben saurereichen, mit Nieder- 
schlag fast angefiillten sind leicht séureirmere oder sogar siure- 
freie zu unterscheiden. Letzteres bezieht sich nur auf die SchlieB- 
zellen der Spaltéffnungen und deren Nebenzellen, wobei die 
SchlieSzellen immer séurefrei sind. Die in der Vierzahl vor- 
handenen Nebenzellen dagegen waren bald alle saurefrei, oder es 
fihrten nur einzelne derselben geringe Saiuremengen. In der 
unteren Epidermis laft sich daher bei der bedeutend gréferen 
Anzahl von Spaltéffnungen gegentiber der Oberseite meist ein be- 
trichtlicher Ausfall von Saure feststellen. 

In den Krystalldrusenzellen habe ich keine weitere Ausfillung 
beobachten kénnen. 

Die nach dem Blattrand zu linger gestreckten, und wie schon 
erwaihnt, mit kérnig verdickten und tiberhaupt mit starkeren Mem- 
branen versehenen Zellen enthalten weniger Saure als diejenigen 
der Blattflache; ahnlich verhalten sich die kurzen, borstigen Haare, 
wiihrend die papillésen Haare sich stets als siurefrei erweisen. 

Untersuchungen an minder entwickelten Blattern ergeben 
weniger deutliche Resultate, da die Saiuremengen sich um so ge- 
ringer zeigen, je jiinger die Blatter sind. Wenn dies auch in ge- 
wissem Grade nach der allgemeinen Acidititsregel, nach welcher 
fiir die einzelnen Organe der Pflanze die Sauremenge mit dem 
Alter relativ zunimmt, vorauszusehen war '), so wurde fiir Rumex 
acetosa das Zuriickweichen der Saure in der Epidermis der Stengel- 
blatter nach jiingeren Organen zu als auffillig schnell festgestellt. 
Schon gut entwickelte, gegeniiber ausgewachsenen um die Halfte 


1) G. Kravs, 1. «. 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 353 
kleinere Blatter enthielten sehr geringe Saurequantititen. Etwas ver- 
inderte Verhaltnisse liegen bei den grundstaindigen, am Standort 
gewohnlich im Gras verborgenen Blattern vor. An diesen waren 
in kleinen, unentwickelten Spreiten noch erhebliche Mengen Saure 
nachweisbar. Man kann dies schon an dem Geschmack erkennen, 
auch belehrt derselbe sogleich dariiber, dal mit dem Zuriick- 
treten der Saure der Gerbstoff sich bemerkbar macht. Von dem 
gleichzeitigen Auftreten des Gerbstoffes in den Geweben soll je- 
doch erst spater die Rede sein. 

In manchen Fallen dehnte sich in jiingeren Blattern, in 
denen der Saurenachweis noch deutlich gelang, der Saure- 
mangel auf einen gréferen Umkreis um die Spaltéffnungen aus. 
Nur wenige mit Saure erfillte Zellen fanden sich in der un- 
teren, eine gréSere Anzahl in der oberen Epidermis. Blatter in 
den jiingsten Stadien der Entwickelung, welche eben entfaltet 
oder noch von den Blattstipulae eingehillt sind, zeigen keine 
Spur von Saure. 

Die Epidermis des Mittelnerven ist in jingeren Blattern, in 
denen die Oberhautzellen der Blatttiache schon  betrachtlichen 
Sauremangel erkennen lassen, vor allem nach der Blattbasis 
zu siurereich, ebenso das Parenchym. Die stiirkeren, sekun- 
daren Nerven schliefSen sich nur beziiglich des Parenchyms dem 
Hauptnerven an. 

Die Oberhaut des Blattstiels ist siureirmer als die Blatt- 
oberhaut, und das subepidermale Collenchym enthalt nur Spuren 
von Saure. Das Parenchym ist hingegen saurereich, und dieses 
gilt sowohl fiir das peripher gelegene, als fiir das Markparen- 
chym. Das an das griine Gewebe anstofende Rindenparenchym, 
speichert in seinen grofen Zellen Siéurequantititen, wie sie bei 
Rumex acetosa in keinem anderen Gewebe gefunden werden 
konnten. Die Bestandteile des GefiSbiindels sind wie schon im 
Blatt auch hier saurefrei. 

Der Stengel ist tiberall und hauptsachlich in der Bliitenregion 
reich mit mechanischen Elementen versehen. Die Kanten sind durch 
Collenchympartien gestirkt, wahrend starkes, die GefiSbiindel 
zum Teil umfassendes und zum konzentrischen Ring zusammenschlie- 
Sendes Sklerenchym beinahe die Hauptmasse des Gewebes ausmacht. 
Bei diesem Mangel an saftreichen Gewebeelementen steht daher der 
relative Sauregehalt im Stamm der Pflanze demjenigen des Blatt- 
stiels bedeutend nach. Die Epidermis der starkeren Stengelpartien 


birgt ebenso wie das Collenchym geringe Siiurequantitaten und es 
Bd. XXVII. N. F. XX. 23 


354 Rudolf Giessler, 


muf in der Sprofaxe von Rumex acetosa das Parenchym als 
das siurereichste Gewebe bezeichnet worden. Fiir die Gefaifbiindel- 
teile bleiben die fiir den Blattstiel angegebenen Thatsachen bestehen, 
und ich bemerke gleich an dieser Stelle, da die Saureleere der 
Gefafbiindelelemente ganz allgemein fiir die untersuchten Species 
der drei Gattungen festzustellen ist. Nach der Bliitenregion 
nimmt die Sauremenge in allen Geweben schnell ab, so dak 
die obersten Internodien nur noch im Parenchym einigermafen 
siurehaltig sind. Das Zuriicktreten der Saure in der Bliiten- 
region fallt um so mehr auf, als man gewohnt ist, in derselben 
haufig eine Verstarkung der bereits vorhandenen Schutzmittel 
zu beobachten. Samtliche Bltitenteile: Perigon, Fruchtknoten, 
Staubfaden und Griffel sind saurefrei. 

Die nach friiheren Untersuchungen selbst bei Pflanzen mit 
hervorragender Aciditét als séureirmstes Organ hingestellte Wur- 
zel, fiir welche bei Rumex acetosa nach genauer quantitativer 
Methode von BrERTHELOT und ANDRE!) keine oder nur Spuren 
von Oxalsiure konstatiert worden waren, fand ich stets_ voll- 
stindig saureleer. 

Bei der Untersuchung von Rumex acetosa fallt stérend 
die gleichzeitige Anwesenheit von Gerbstoff in das Gewicht. Der- 
selbe, mit der Siure zum Teil in dem gleichen Gewebe auftretend, 
wird durch Chlorcalcium, sobald er in starkerer Konzentration 
vorhanden ist, als grau-schwarzliche oder auch als_ braunliche 
Masse niedergeschlagen, welche ein deutliches Hervortreten des 
gefallten Kalkoxalats verhindert. Wegen dieser Unannehmlichkeit 
ist Rumex acetosa, noch weniger Rumex acetosella ge- 
eignet, ein klares Bild der Siureverteilung zu geben. Als vor- 
ziigliches Objekt innerhalb der Gattung kann dagegen in dieser 
Hinsicht die folgende Species, Rumex scutatus gelten, welche 
bei gréBerem Saurereichtum wenig Gerbstoff enthalt. 


Rumex seutatus. 


Die ziemlich succulenten Blatter dieser sehr sauren Ampfer- 
art zeigen ahnlichen Bau wie diejenigen von Rumex acetosa. 
Es finden sich auch die kleinen mehrzelligen, képfchenférmigen 
Haare wieder, die hier ebenfalls sdéurefrei sind. 

An ausgewachsenen Blattern kénnen bei Rumex scutatus 
besonders deutlich die beiden Epidermen als Speichergewebe der 


1) BerrHetor und Anoppré, |. c. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 355 


Saiure erkannt werden. Obere und, untere Epidermis bergen da- 
von fast gleiche Mengen, nur wird ein geringer Saureausfall fiir 
die Unterseite durch die Saureleere der Spaltétfnungsschliefzellen 
bedingt. Die bei Rumex acetosa beobachteten Unregelmabig- 
keiten in der Siureverteilung beziiglich der Nebenzellen fielen 
hier weg. Keine Region der Blattflache war durch besondere 
Saureanhiufung ausgezeichnet, so dafi die Oberhaut in der Gegend 
der Blattspitze, am Blattgrund und am Blattrand ebenso siure- 
haltig als an den mittleren Blattpartien ist. 

Die Siure nimmt nach den jiingeren Blattern zu, in den Epidermen 
nicht so schnell ab, als es bei Rumex acetosa der Fallist. Blatter, 
an Fliche um die Halfte kleiner als ausgewachsene, haben relativ 
viel Saiure in beiden Oberhauten und selbst in unentfalteten, zu- 
sammengerollten Blattchen ist noch deutlich Saure nachzuweisen. 

Rumex scutatus giebt beziiglich des Blattes auch genauen 
Aufschluf iiber den Sauregehalt des Chlorophyllgewebes. Saure 
enthalten die an die Epidermen grenzenden Chlorophyllschichten, 
die aus gréferen, chlorophyllarmeren Zellen bestehen, wahrend die 
mittleren Zellschichten des Blattes aufer den zahlreichen Krystall- 
drusen kein Kalkoxalat erkennen lassen. Gegeniiber den Saure- 
quantititen der Epidermen miissen jedoch diejenigen der ange- 
gebenen Chlorophylischichten als geringe bezeichnet werden. 

In jungen, saftigen Stipulargebilden sind hauptsachlich die 
Epidermen die Saurespeicher, nur nach der Basis zu gehen sie 
dieses Vorzugs verlustig, da alle Gewebsschichten gleich grofe 
Siurequantitaten enthalten. Nach dem nur aus zwei kleinzelligen 
Zellschichten bestehenden Spitzenteil der Stipulae tritt die Saure 
erheblich zuriick. Bemerkenswert ist, da die von ihnen umschlos- 
senen, jungen Blattchen vollstandig sdurefrei sind. 

Die Blattstielepidermis fiihrt relativ weniger Saure als die Ober- 
haut der Blatter. An den Kanten ist der Saureinhalt der Zellen ein 
geringerer als an den tibrigen Stellen des Umfangs. Merkwiirdig 
dabei ist, da’ manche Zellen von Niederschlag ganz erfiillt an- 
getrofien werden, wiahrend bei anderen das Gegenteil der Fall 
ist. Im griinen Rindengewebe des Blattstiels wurden geringere 
Siuremengen gefunden, die aber nach dem mehr central gelegenen, 
chlorophyllarmen Gewebe zu sich verstirken. Dieses. zwischen 
Chlorophyll und Saure, hier wie im Blatt sich ergebende antago- 
nistische Verhaltnis kann iiberhaupt als Regel gelten und es 
la8t sich dasselbe an jedem weiteren Untersuchungsobjekt mit 
Leichtigkeit verfolgen. 

23* 


356 Rudolf Giessler, 


Kine Beyorzugung der GefaSbiindelscheide als Saureablage- 
rungsort analog dem bekannten Verhalten anderer chemischer 
Schutzstoffe ist nicht zu bemerken, im Gegenteil finden sich 
in dem die GefaiSbiindel umgebenden kleinzelligen Gewebecylinder 
nur unerhebliche Siuremengen. 

Im Stengel, wo ebenso wie bei Rumex acetosa durch 
Ausbildung betrachtlicher, mechanischer Gewebepartien die Gelegen- 
heit zur Saureablagerung verringert wird, enthalt die Epidermis 
noch hinreichende Mengen sauren Saftes. Im saftreichen Mark 
finden sich langgestreckte, grofe Zellen, welche bei einer Lange 
von 0,6—0,7 mm oft enorme Saéurequantitaéten enthalten. 

In Krystalldrusenzellen, in denen die Kalkoxalatgebilde fast 
den ganzen Zellraum beanspruchen, wurden, und es gilt dies fiir 
alle untersuchten Pflanzen, niemals durch Chlorcalcium Fallungen 
erzielt. 

In der Bliitenregion sind die Stengelinternodien viel saure- 
reicher, als bei der vorigen Species wie dies schon der Geschmack 
und das Fallen des ausgepreBten Saftes beweist; allerdings mul 
hervorgehoben werden, daf die Epidermis ebenfalls nicht sehr her- 
vorragenden Anteil an der Saurespeicherung nimmt, sondern wie 
dort diese Funktion mehr den parenchymatischen Elementen tiberlast. 

Das Perigon ist in allen Zellschichten gering sdurehaltig, 
dagegen sind die kleinen Bliitendeckblatter, solange sie unent- 
wickelte Bliiten schiitzend einhiillen, siurereich und speichern die 
Sauren vorwiegend in den Epidermen. 

Im stark holzigen Rhizom von Rumex scutatus wurden 
sehr geringe Sauremengen in den Parenchymzellen gefunden. Der 
saure Geschmack dieses Organs ist einem adstringierenden ge- 
wichen. Letztere Eigenschaft ist auch an der Wurzel bemerkbar, 
die in allen Teilen: Wurzelrinde, axiler Teil, Wurzelspitze und | 
Wurzelhaaren als voéllig siurefrei gelten kann. 

Analoge Befunde wie Rumex scutatus lieferte Rumex 
roseus, Rumex vesicarius und Oxyria elatior. Eine 
Darstellung der Aciditatsverhaltnisse fiir diese Species wiirde fast 
einer Wiederholung der an Rumex scutatus gewonnenen 
Resultate gleich kommen. 

Rumex acetosella zeigt beziiglich der Saureverteilung 
ihnliche Verhiltnisse wie Rumex acetosa, wenngleich der 
Nachweis der Saure an der kleineren Ampferart ihrer geringeren 
Aciditat halber schwieriger ist. Als siiurespeichernd kommen im 
vollig ausgebildeten Blatt von Rumex acetosella gleichfalls 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 357 


beide Epidermen in Betracht, und zwar steht die untere 
Epidermis der oberen an Sdaurereichtum um ein kleines nach. 
Beziiglich der iibrigen Organe und Gewebe sind die Befunde von 
Rumex acetosa in den Hauptsachen zu wiederholen. 


Von anderen Rumexarten wurden weiterhin untersucht: R. 
sanguineus, R. patientia, R. alpinus, R. salicifolius, 
R. crispus, R. conglomeratus. Samtliche Species schme- 
cken durchaus nicht sauer, dagegen adstringierend, jedoch werden 
aus den ausgepreBten Blatt- und Stengelséften von R. patientia 
und R. crispus minimale Kalkoxalatmengen gefallt. Die Unter- 
suchung stellt bei letzteren Species im Parenchym des Stengels, 
Blattstiels und der Blattrippen auferordentlich geringe Saure- 
quantitaten fest. 


III. Untersuchungen an Begonien. 


Die Untersuchung an oxalsauren Begonien Aandert in der 
Hauptsache an den bisherigen Resultaten durchaus nichts, es 
werden jedoch interessante Verhiltnisse in der Saurespeicherung 
durch einige fiir diese Gattung charakteristische, morphologische 
Kigenschaften bedingt. Ausfiihrlicher von den untersuchten Species 
bespreche ich nur Begonia manicata. 


Begonia manicata. 


Dieselbe besitzt als obere Epidermis ein zwei-, an einigen 
Stellen dreischichtiges Wassergewebe, wahrend die Unterseite 
standig ein doppeltes aufweist. Die auerste Wassergewebsschicht 
beider Seiten besteht aus kleinen Zellen, die an Gréfe weit von 
denen der unteren Schicht iibertroffen werden. Die grofen, aus- 
schlieflich an der Unterseite sich findenden Spaltéffinungen treten 
zu kleinen Gruppen mit grofer gemeinsamer Atemhéhle zusam- 
men. Auf Ober- und Unterseite des Blattes stehen vereinzelt, in 
das Wassergewebe eingesenkt und durch einen mehrzelligen Ful 
mit dem Chlorophyllgewebe direkt verbunden, kurz gestielte Képf- 
chenhaare, deren Endzelle ein stark lichtbrechendes, Gerbstoff- 
reaktion zeigendes Sekret enthalt. AuSerdem sind von Tricho- 
men die den meisten Begonien eigenen Zotten vorhanden, 
welche bei Begonia manicata und einigen anderen Species 
éfters in breitere, gefranzte Schuppen iibergehen und besonders 
den oberen Teil des Blattstiels manschetten- oder ringkragen- 


358 Rudolf Giessler, 


formig angefiigt sind. Von Kerner!) werden sie als Abwehr- 
einrichtung der Begoniablitter gegen kleinere, aufkriechende 
Insekten und Schnecken aufgefa8t, eine Ansicht, die ich meiner- 
seits durch Beobachtungen nie bestitigt gefunden habe. Der 
-Blattstiel hat einfache Epidermis, subepidermal folgt, wie bei den 
meisten Begonien collenchymatisches Gewebe. Die GefaSbiindel 
liegen inmitten zartwandigen Parenchyms, dessen Zellen bis zum 
Mark vereinzelte Chlorophyllkérner enthalten. Der Stamm ist viel- 
fach mit Korkschichten versehen. 


Die ganze Pflanze ist auferst saftreich, jedes Organ liefert, 
ausgenommen die stark adstringierend schmeckende Wurzel, inten- 
siv sauren Zellsaft, aus welchem auf dem Objekttrager grofe 
Kalkoxalatmengen gefallt werden kénnen. 

Im Blatt wird die Saiure, wie voranszusehen war, in bedeu- 
tenden Mengen in den Schichten der zellsaftreichen, beiderseitigen 
Wassergewebe abgelagert. Die kleinzellige, gew6hnlich Leukoplasten 
fiihrende, auferste Schicht derselben zeigt nur geringen Sauregehalt, 
dagegen sind die an das Chlorophyllgewebe stoBenden, aus grofen 
Zellen bestehenden Schichten auferordentlich saurereich. Der 
Niederschlag in letzteren besteht gewéhnlich aus den erwahnten 
hellglanzenden, geballten Kalkoxalatmassen, neben denen ziemlich 
gut ausgebildete Krystalle nicht selten sind. 


Die Képfchenhaare fand ich bei Begonia manicata, ebenso 
wie bei allen anderen Gattungsgenossen immer saureleer. Anders 
verhalten sich die Zotten und gefranzten Schuppen. In dem 
ganzen Zottengewebe sind nicht unbedeutende Saéuremengen ent- 
halten, und zwar ist die Basis des Trichoms meist reicher bedacht 
als die Spitze. Die Zellen der Zotten speichern oft mehr Saure, 
als z. B. in den, ungefaihr gleich grofen Zellen der Blattstiel- 
epidermen von Rumexarten aufgefunden werden konnte. 

Die grofen SchlieBzellen der Spaltéffnungen sind fast immer 
sdurefrei, die Nebenzellen gewéhnlich saurefrei oder gering sdure- 
haltig. 

Im Chlorophyllgewebe sind im Vergleich zu den epidermalen 
Blattschichten unbedeutende Saurequantitaten abgelagert, hierbei 
ist das Schwammparenchym als Speicherort um ein geringes bevor- 


1) A. Kerner, Die Schutzmittel der Bliiten gegen unberufene 
Gaste. Festschrift dk. k. zoolog. bot. Gesellsch, Wien, 1876, p. 201. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 359 


zugt. Am Blattrand enthalt die aus niedrigen Zellen zusammen- 
gesetzte, einschichtig gewordene Epidermis geringe Sauremengen. 

Die aus chlorophyllarmen, saftreichem Gewebe bestehenden 
Stipulargebilde speichern in allen Gewebeschichten, ohne daf in 
dieser Hinsicht die Epidermis in den Vordergrund tritt, reichlich 
Saure. 

In der gering siurehaltigen Epidermis und dem Collenchym 
der Blattrippen fanden sich manchmal isolierte oder auch zu Reihen 
in der Lings- oder Querrichtung geordnete Zellen, die von nieder- 
geschlagenem Kalkoxalat vollstandig erfillt waren. In der Um- 
gebung dieser Zellen lieB sich dann jedesmal ein Mangel an ge- 
falltem, oxalsaurem Kalk konstatieren. Schon bei Rumex scu- 
tatus hatten wir diese Thatsache beobachten kénnen und bei 
Begonien und Oxalideen kann diese Erscheinung ebenfalls 
in den verschiedenen Organen hie und da bemerkt werden. Aus 
diesem Befund ist auf eine diesem Verhalten entsprechende Saure- 
ablagerung wohl nicht zu schliefen, und die betreffenden Zellen 
diirften als Séureidioblasten nicht anzusehen sein. Man wird viel- 
mehr diese Erscheinung auf Mangel der Praparationsmethode zu- 
rickzufiihren haben, da zahlreiche andere Objektstiicke eine regel- 
mafige Verteilung des Niederschlags erkennen lieBen. 

Das Parenchym der Blattnerven ist sehr reich an Saure, die 
in der kleinzelligen Gefafbiindelscheide, ebenso wie bei Rumex 
scutatus deutlich zuriicktritt. Die an den Blattrippen gewon- 
nenen Resultate wiederholen sich in entsprechender Weise bei der 
Untersuchung am Blattstiel. Im Stamme von Begonia mani- 
cata werden in der Epidermis und im Rindenparenchym geringe 
Saurequantititen abgelagert. Siurefrei ist der Cambiumring, saure- 
reicher als das Rindengewebe dagegen das Mark. Nach dem Rhizom 
bimmt der Sauregehalt mehr und mehr ab, und es weicht der 
saure Geschmack einem adstringierenden. Die Untersuchung an 
Wurzeln ergiebt schlieBlich betreffs der Saurespeicherung ein 
vollig negatives Resultat, wie tiberhaupt ganzlicher Sauremangel 
dieser Organe bei allen Be gonien festzustellen ist. Die Wurzeln 
derselben zeigen in hervorragender Weise einen intensiv bitteren 
und adstringierenden Geschmack, auf welche Eigenschaften schon 
Kiorzscu!) in seiner Monographie hinweist. 

Anfiihren will ich endlich noch, daf die Untersuchung an jiingeren 
Organen von Begonia manicata, hauptsachlich Blattern, zu Er- 


1) Kiorzsch, Begoniaceen- Gattungen und Arten. Abhandl. d. 
Berliner Kgl. Akad. d. Wissenschaften, 1854. 


360 Rudolf Giessler, 


gebnissen fiihrt, wie sie fiir die Rumexarten schon erwahnt wurden. 
In unentfalteten Blattchen von ungefahr 5 qem Flache sind noch er- 
hebliche SAuremengen in den Wassergeweben vorhanden, jedoch ist 
dasjenige der Unterseite siureaérmer als das der oberen. In dem 
oberen Wassergewebe fiel auferdem die ungleichmafige Verteilung 
des Kalkoxalatniederschlags auf die einzelnen Zellen sonders auf. 
Die Zotten und Schuppen dieser jungen Blattchen sind schwach sauer. 


Abnliches Verhalten wie Begonia manicata zeigt Be- 
gonia stygmosa. Fiir die Blatter derselben gelten die bei 
voriger Species gemachten Angaben. Der mit gefranzten, schwach 
siurehaltigen Schuppen besetzte Blattstiel fiihrt Saure in Epi- 
dermis und besonders im Rindenparenchym. Die peripheren Paren- 
chymzonen waren in einem Falle allein saurespeichernd, da die 
centralen Partien allmahlich in starkefiihrende tibergingen. Dieses 
antagonistische Verhaltnis in der Saure- und Starkeablagerung, 
abnlich demjenigen zwischen Saure und Chlorophyll, Jaft sich tiber- 
haupt immer feststellen. Der grofenteils mit Periderm versehene 
Stamm speichert minimale SAuremengen in der an manchen Stellen 
noch unveranderten Epidermis; wenig erhebliche Quantitaten treffen 
wir im Parenchym desselben an. 

Allen in der Folge untersuchten Begonien kommt im Bezug 
auf die Laubblatter gleichfalls die Eigenschaft zu, in den mehr oder 
minder als Wassergewebe ausgebildeten Epidermen fast ausschiief- 
lich die Saure abzulagern. Schwach sauer sind die mit einschich- 
tigen Wassergeweben versehenen Blatter von: B. Rex nebst ihren 
Varietaten, B. Olbia, B. argyrostigma, B.imperialis var. 
smaragdina. Erheblicheren Saurequantitaten begegnen wir da- 
gegen in den ebenfalls einfachen Wassergeweben von Knollen- 
begonien, B. prestoniensis und B. Liminghi. Die mehr- 
schichtigen Oberhautgewebe der tibrigen untersuchten Begonien 
sind zum Teil von sehr betrachtlicher Aciditét. Beginnen wir mit 
den gering sauren Species, so erhalten wir ungefahr folgende 
Reihenfolge: B. scandens, B. metallica, B. acerifolia, 
B. Scharffiana, B. gogoensis, B. ricinifolia, B. hera- 
cleifolia-nigrescens, B. nelumbifolia und B. incana. 

Begonia incana mit einem wolligen, an der Blattunterseite 
besonders dichten Haarfilz bedeckt, entwickelt an der Oberseite 
ausgewachsener Blatter ein ungefaéhr achtschichtiges, aus grofen 
Zellen bestehendes Wassergewebe, welches enorme Mengen Saure 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 361 


speichert. Das wenig machtige, zwei- oder dreischichtige Wasser- 
gewebe der Unterseite macht zusammen mit dem Assimilations- 
gewebe an Ausdehnung ungefihr den dritten Teil des Blattquer- 
schnittes aus. Das Wassergewebe der Blattoberseite enthalt nach 
der Behandlung mit Chlorcalcium gewéhnlich alle Niederschlags- 
formen des Kalkoxalats, welches, in grosser Menge ausgefallt, an 
Querschnitten mit blokem Auge wahrgenommen werden kann. Das 
untere Wassergewebe enthalt relativ ebenfalls betrachtliche Saure- 
mengen. Junge Blatter sind bei einem Liangsdurchmesser von 3 cm 
noch stark sauer, schmecken zugleich aber auch sehr adstrin- 
gierend. Die jiingsten, mit auSerordentlich dichtem Haarfilz be- 
deckten Blattchen entbehren der Saure in den minimal entwickelten 
Wassergeweben. Jugendstadien der spater luftfihrenden Wollhaare 
findet man an Blattern jiingeren Alters 6fters sdurefiihrend. 

Wie Begonia incana, so entwickeln noch viele andere Be- 
gonien an der Oberseite der Blatter ein starkeres Wassergewebe 
und speichern in demselben eine entsprechend gréfere Sauremenge, 
als es fiir die Blattunterseite der Fall ist. Dieses Verhaltnis zeigen 
besonders die Arten: B. incana, B.argyrostigma, B. ricini- 
folia, B.nelumbifolia, B. Scharffiana und B. heraclei- 
folia-nigrescens. Ein umgekehrtes Verhaltnis findet sich bei 
B. gogoensis, deren obere Blattepidermen an Gréfe der Zellen 
und an Sdurereichtum den Wassergeweben an der Unterseite der 
Blatter nachstehen. 

Kaum ndétig ist es, nochmals darauf hinzuweisen, daf mit 
wenigen Ausnahmen die Assimilationslamelle der Blatter, analog 
dem Verhalten von Begonia manicata, auch bei den iibrigen 
Begonien als saurespeichernd fast nicht in Betracht kommt. 
Nur bei B. Rex fiihrten die subepidermalen Schwammparenchym- 
schichten ungefiahr gleiche Mengen Saure wie die anstofende Ober- 
haut der Blattunterseite. In keinem anderen Fall hat sich fiir 
Zellschichten des inneren Blattgewebes dieses Resultat wiederholt. 
Geringe Saduremengen im Blattparenchym enthielten ferner B. 
Scharffiana, B. gogoensis, B. ricinifolia, B. heraclei- 
folia-nigrescens und die Knollenbegonien. Auferdem 
ist noch anzufiihren, da8 in dem nur wenig Chlorophyll fiihrenden 
Blattparenchym der Nebenblitter aller Species sich neben den 
Sauremengen der Epidermis stets sehr bemerkenswerte Quantitaten 
finden. 

Hervorzuheben ist schlieflich, daB Begonien von geringerer 
Aciditaét vor allem wenig Saure in der Epidermis und den sub- 


362 Rudolf Giessler, 


epidermalen Schichten des Blattstieles und auch des Stengels ent- 
halten, wahrend das centrale Gewebe sehr saurereich sein kann; 
dies ist der Fall bei B. Rex, B. argyrostigma, B. metal- 
lica, B. scandens, B. fuchsioides, B. gogoensis, B. 
acerifolia. Geringere Sauremengen enthalten bei diesen Formen 
ferner die Zotten und keine Saure, wie schon erwahnt, die Sekret- 
haare, so da8 auf die Peripherie dieser Organe nur geringe Quan- 
titaten derselben kommen. Die genannten Species gehéren alle zu 
den stark adstringierend schmeckenden, wahrend die Arten mit 
mehr hervor tretender Aciditaét hinsichtlich der genannten Gewebe 
sich dem Verhalten von B. manicata anschliefen. 

Die Bliiten der Begonien sind gewohnlich von erheblicher 
Aciditat. Als typisches Beispiel fiihre ich die bei B. heraclei- 
folia-nigrescens festgestellten Verhaltnisse an. 

In der Achse der Inflorescenz zeigt sich die Siure wie im 
Blattstiele verteilt. Die Bliitenvorblatter, vornehmlich in beiden 
Epidermen Saure ablagernd, unterscheiden sich in dieser Hinsicht 
wesentlich von dem Perigon, in dessen Blattern der Nachweis reich- 
licher Saurequantitaten fiir alle Zellschichten gelingt. Hierbei tritt 
sogar das grofzellige innere Gewebe in den Vordergrund, denn es 
bleibt nach der Spitze der Bliitenblatter zu fast allein saiurehaltig. 
Bemerkenswert war im Perigonblatt der gréfere Sauregehalt der 
unteren Epidermis. 

Die Fruchtknotenfliigel sind in allen Geweben gleichmabig 
sdurereich, wahrend die Fruchtknotenwand in der Epidermis groB8e, 
sich nach den inneren Zelllagen zu stetig verringernde Saure- 
mengen enthalt. 


IV. Untersuchungen an Oxalisarten. 


Oxalis acetosella. 


Die Blattoberseite tragt zahlreiche, flach anliegende einzellige 
Borstenhaare, deren verdickter Membran zahlreiche, aus Cuticular- 
substanz bestehende Knétchen aufsitzen. Diese Héckerhaare sind 
bei fast allen untersuchten Oxalisspecies bald haufiger, bald in 
geringer Anzahl an den Organen anzutreffen. Sie finden sich an 
ausgewachsenen Blattern von Oxalis acetosella hauptsachlich 
am Blattrand und auf der Unterseite besonders am Mittelnerven. 
Die Epidermis der Unterseite wird von etwas blasig aufgetriebenen 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 363 


Zellen gebildet, zwischen denen zahlreiche, auSerordentlich kleine 
Spaltéffnungen sich befinden. 

Siurespeichernde Gewebe der Blatter sind bei Oxalis ace- 
tosella und den iibrigen sauren Oxalisarten fast ausschlieflich 
die Epidermen. Die Saurequantitaiten der oberen Blattepidermis 
iiberstiegen gewohnlich um ein geringes diejenigen der unteren. Die 
Héckerhaare waren siurefrei, ebenso keulenférmige, glattwandige 
Trichome, die wohl fir jiingere Stadien der ersteren anzusehen 
sind. Uberhaupt habe ich, wie gleich hier hervorgehoben werden 
soll, die mit Knétchen versehenen, stirkere Wandungen als die 
anstoBenden Epidermiszellen besitzenden Haare, bei allen Oxalis- 
species siureleer gefunden, mochten sie auch mitten in séure- 
reichen Geweben inseriert sein. 

Im Assimilationsgewebe ist sehr wenig Saure enthalten und 
nur in den an die Epidermen grenzenden Schichten werden geringe 
Mengen von Kalkoxalatkérnchen niedergeschlagen. 

Auf der Blattunterseite ist die Epidermis des dicht mit an- 
gedriickten Héckerhaaren besetzten Mittelnerven schwach sauer, 
dafiir enthalt aber die subepidermale, aus grossen, gestreckten 
Zellen bestehende Parenchymschicht desselben, die allmahlich zu 
beiden Seiten in das Schwammgewebe des Blattes iibergeht, gréfere 
Mengen Saure. Im centralen, Chlorophyll fiihrenden Gewebekérper 
der Hauptrippe ist keine Saure nachweisbar. 

Jiingere Blatter stehen, was Saurereichtnm der Epidermis 
betrifit, ausgewachsenen wenig nach, sie sind trotz geringerer 
Flachenentwickelung gewoéhnlich relativ saurer als diese. In 
Blattchen von Oxalis acetosella, deren Gewicht ein Drit- 
teil von ausgewachsenen betrug, fand Mayer!) bei quantitativer 
Bestimmung der in der Pflanze gelésten, oxalsauren Verbindungen 
nur 11/, °/, Saure weniger, als in fertig ausgebildeten von 12- 
prozentiger Aciditéat. In jiingeren Blattern tritt die Saure ganz 
allmahlich zuriick, so dass in der Knospenlage befindliche, zu- 
sammengefaltete Teilblattchen von ungefahr 6 mm im Querdurch- 
messer erst siurefrei sind. Die Saure lat sich jedesmal dann in den 
Epidermen derselben deutlich nachweisen, sobald ihre beiden Blatt- 
halften ausgebreitet werden. Hierbei mu8 jedoch bemerkt werden, 
dass die zugehérigen Blattstiele sich anders verhalten und daf an 


1) Ap. Mayer, Ueber die Bedeutung der organischen Siduren in 
den Pflanzen. Landw. Versuchsstationen Bd. XVIII, 1875, pg. 422. 


364 Rudolf Giessler, 


jugendlichen, saurefreien Stadien der Blatter, deren Stiele schon 
sehr viel Saéure in den peripheren Geweben speichern. 

Der Blattstiel ausgewachsener Blatter besitzt eine aus flachen, 
gestreckten Zellen bestehende Epidermis, auf welche eine einzige 
Schicht enger, Chlorophyll fiihrender Zellen folgt. Das iibrige 
Rindenparenchym wird aus Zellen von auffalliger Weite und Lange 
gebildet, die mitunter direkt bis zur Epidermis vorgeschoben sind. 
Der centrale Gewebecylinder besteht, auSer den dicht zusammen- 
gedrangten GefaSbiindeln, aus kleinzelligem, wenig Chlorophyll 
fiihrendem Parenchym. 

Die Epidermis der Blattstiele ist der Oberhaut der Blatter 
gegentiber gering sdurehaltig, ebenso die subepidermale, griine 
Schicht. Die in diesen beiden Schichten enthaltenen Saurequanti- 
taiten werden bedeutend yon denjenigen der grofen Rindenparen- 
chymzellen tibertroffen, von welchen die peripher gelegenen gewohn- 
lich die weitesten Lumina und den gréSten Sauregehalt besitzen. 
An Lange messen sie bei Oxalis acetosella nur 0,5 mm, bei 
anderen Species begegnet man Zellen des peripheren Rindengewebes 
von drei- bis vierfacher Ausdehnung und ganz enormen Saureinhalt. 
Das anstofende, kleinzellige Parenchym speichert unerhebliche 
Sauremengen, ebenso der ganze centrale Gewebecylinder, der ge- 
wohnlich Starke fiihrt. Eine hervortretende Anhaufung der Saure 
in der Gefafbiindelscheide konnte auch hier nicht festgestellt 
werden. 

Der niederliegende Stengel von Oxalis acetosella, in ge- 
draingter Folge die stehengebliebenen, zu Reservestoffbehaltern um- 
gewandelten Blattstielbasen der vorjahrigen Blatter tragend, enthalt 
geringe Siuremengen in der Epidermis und dem peripheren Ge- 
webe dieser Stieliiberreste, ferner in der Oberhaut der dazwischen- 
liegenden Stengelpartien. Der innere, stets Starke enthaltende Ge- 
webekorper ist dagegen saurefrei. Die aus den Achseln der ver- 
starkten Blattstielreste entspringenden unterirdischen Seitenzweige, 
mit langgestreckten, zellsaftreichen Internodien zeigen in der Saure- 
verteilung analoge Verhaltnisse wie die Blattstiele, die Saurequan- 
titaten ihrer Gewebe sind jedoch trotz gréferer Dimensionen der 
Zellen geringer als bei jenen Organen. Saure findet sich erheb- 
licher in der auferen Epidermis und den angrenzenden Gewebe- 
schichten der dicht angedriickten, schuppigen Niederblatter an- 
gehauft. In den Wurzeln wurde, wie zu erwarten war, keine 
Saure gefunden. 


Die lLokalisation der Oxalsiure in der Pfianze. 365 


Bei der Mannigfaltigkeit in den vegetativen Verhaltnissen der 
Oxalideen zeigt fast jede Art in der Aciditat der verschiedenen 
Organe einige Besonderheiten. Prinzipielle Abweichungen von den 
bei Oxalis acetosella dargestellten Ergebnissen in der Saure- 
verteilung sind dagegen nur wenige festzustellen gewesen. 

Fast immer lat sich die Thatsache verfolgen, daB an den 
untersuchten Oxalisarten beide Epidermen der Laubblitter von 
eleichen Saéuremengen erfillt werden und nur in wenigen Fallen 
ist bei der Séurespeicherung die Blattoberseite gegentiber der 
unteren um ein geringes im Vorteil. Zu erwahnen in letzterer 
Hinsicht wire O. crassicaulis, O. Ortgiesii, O. brasi- 
liensis. Einige Species speichern in den, meist aus emporgewélbten 
Zellen bestehenden Blattepidermen, ganz bedeutende Saurequan- 
titaten. Hierher gehéren O. Piottae, O. incarnata, O.fabi- 
folia, O. variabilis, O. cernua, O. Bowiei und vor allen 
O. carnosa. Von diesen enthalten schon wenige Millimeter lange 
Blattchen betrachtliche Sauremengen in den Epidermen. Manche 
Blattformen derselben erinnern sowohl im Bau der Epidermen als 
auch beziiglich ihres grofen Sduregehaltes an die Wassergewebe 
der Begonien. Soz. B. hauptsachlich diejenigen von O. Bo wiei 
und O. carnosa. Letztere Species ist in mehrfacher Hinsicht 
fiir unsere Frage interessant. In beiden Biattepidermen derselben, 
besonders in denjenigen der Unterseite, deren kugelig ausge- 
bauchte Zellen an die Blasen von Mesembryanthemum 
crystallinum erinnern’), finden sich, im Vergleich zu allen 
andern untersuchten Oxalisspecies, relativ die gréSten Saure- 
quantitaten. Auch alle tibrigeu Organe der Pflanze, mit Ausnahme 
des durch Korkschichten geschiitzten, holzigen Stammes, sind un- 
gemein saurereich, so daf sich O. carnosa zur Orientierung 
iiber die Saureverteilung ganz besonders eignet. 

Geringere, aber immer uoch stark hervortretende Sauremengen 
treffen wir an, in den Blattepidermen von O. crassicaulis, O. 
stricta, O. Ortgiesii, O. brasiliensis; O. lobata, 0. 
Smithii, O. lasiandra, O. Deppii, O. corniculata, O. 
articulata Savign. und O. chilensis. Die beiden letzteren 
Species speichern in den Epidermiszellen am oberen Rand der Teil- 
blattchen geringere Siuremengen, als in der Oberhaut der iibrigen 
Blattflache. In den eben genannten, saiurearmen Blattpartien be- 


1) F. Httpesranp, Die Lebensverhiltnisse der Oxalisarten. 
Jena 1884. 


366 Rudolf Giessler, 


finden sich rétliche Schwielen und Streifen eines harzigen Sekretes, 
welche am Blattrand rechts und links von der Einbuchtung der 
Teilblattchen in mehreren Reihen angeordnet sind. An der Unter- 
seite des Blattes subepidermal gelegen, gileichen diese Sekret- 
behalter denen von Lysimachia punctata!). Sie kommen 
bei vielen Sauerkleearten in Blattern und Zwiebelschuppen vor, und 
werden von HiLpEBRAND*) als Schutzeinrichtungen gegen Tiere 
angesprochen. 

Bemerkenswert ist fast bei allen Species, selbst bei den sauer- 
sten, die unbedeutende Saéureanhaufung in den Epidermiszellen 
der Blatt- und Bliitenstiele und der Stengelgebilde. Die Oxalis- 
arten tibertreffen in dieser Beziehung die Rumex- und Begonia- 
species. Nur in den Epidermen basaler, fliigelartiger und hautiger 
Blattstielverbreiterungen von O. crassicaulis, O. variabilis, 
O. lobata und O. cernua sind gréSere Sauremengen nachzu- 
weisen. In den tibrigen Fallen tibernimmt, wie schon fiir O. 
acetosella hervorgehoben wurde, an Stelle der gering siurehal- 
tigen Epidermis und des schwach entwickelten, subepidermalen 
Chlorophyllgewebes, das anstoBende Rindenparenchym, welches aus 
mehreren Schichten sehr grofer Zellen besteht, die Speicherung be- 
deutender Saurequantitaiten. Diese EKigenschaft des peripheren Paren- 
chyms genannter Organe tritt ebenfalls bei den Oxalis arten mehr in 
den Vordergrund als bei den Arten der Gattungen Rumex und Be- 
gonia, und man kann die betreffenden Gewebeschichten, was Saure- 
reichtum anbetrifft, mit den Wassergeweben hervorragend saurer 
Begoniablitter in eine Linie stellen. An die letzteren erinnern 
sie auch im Bezug auf Chlorophyllmangel und Ausdehnung ihrer 
Zellen, welche ich, um nur ein Beispiel anzufiihren, in der Haupt- 
achse von O. incarnata bis zu 2,3 mm Lange und 0,12 mm 
Weite angetroffen habe. Bei kleineren Arten findet man natiirlich 
entsprechend geringere Dimensionen. Hinzufiigen will ich noch, 
da in Blattstielen und Bliitenstanden mit hervortretenden Mark- 
kérper erhebliche Sauremengen auch dieses Gewebe auszeichnen. 

Die bei den meisten untersuchten Oxalis species zur Bewerk- 
stelligung von Schlafbewegungen an der Basis der Teilblattchen 
und am Grunde der Blattstiele und Bliitensténde vorhandenen Glie- 
derungen oder Gelenke bestehen aus sehr schwach saurem oder 
siurefreiem Gewebe. Die sehr kleinzellige Epidermis des Gelenkes, 
ebenso das Parenchym sind gewohnlich siurefrei, wihrend die ober- 


1) pvE Bary, Verg]. Anatomie, p. 219. 
2) F. Hirpesranp, 1. c. p. 125. 


_—E—— rr r——.— 


Die Lokalisation der Oxalsiure in der Pflanze. 367 


oder unter Stelle anstofenden Partierhalb diesen die Siure in der 
fiir die betreffenden Organe charakteristischen Verteilung enthalten. 

Die Zwiebeln der verschiedenen Oxalisspecies entbehren in 
ihren Schutz- und Nahrschuppen vollstindig der Siure. Nur O, 
crassicaulis macht hierin eine Ausnahme. Die durch Ver- 
wachsung der fleischigen Achse mit den ebenso fleischigen Blattern 
entstandenen, knollenihnlichen Zwiebeln derselben, denen Schutz- 
schuppen und Korkschichten fehlen, besitzen zellsaftreiche, peri- 
phere Schichten, welche nach innen in starkefiihrende tibergehen. 
Diese Knollenrinde, nebst der zartwandigen Epidermis speichern 
geringe Siuremengen. 

Als gering saurehaltige, unterirdische Organe fiihre ich 
schlieflich noch die zu Wasserspeichern ausgebildeten, riibig an- 
geschwollenen Wurzeln von O. Deppii und O. lasiandra an. 

In allen Teilen fast siurefreie Species sind O. rubella und 
O. hirta. Aus dem Stengelsaft beider werden auf dem Object- 
triger minimale Kalkoxalatmengen ausgefallt, in der Pflanze 
jedoch ist der Niederschlag wegen der Anwesenheit groBer Gerb- 
stofiquantitaten, die durch Chlorcalcium schwarzlich gefallt werden, 
nicht erkennbar. Von saurem Geschmack ist bei beiden Species 
nichts wahrzunehmen, dagegen tritt der adstringierende hervor. 

Zum Schluf gebe ich noch eine Darstellung der Siureverteilung 
in den Bliiten und Friichten der Oxalisarten. Auch in diesen Or- 
ganen ist dieselbe eine vorwiegend periphere. WaArsBura’s!) An- 
gabe, dass die Bliiten die relativ sauersten pflanzlichen Organe 
darstellen, fand ich, soweit es bei der angewandten Methode ab- 
zuschaitzen war, wie schon bei den Begonien so auch bei den 
untersuchten Oxalisbliiten bestiatigt. Die Aciditatsverhaltnisse 
derselben, die fiir die verschiedenen Species nahezu die gleichen 
sind, lassen sich sehr gut an Bliiten von O. Ortgiesii beschreiben. 

Der Bliitenstiel ist in der Epidermis und den peripheren Ge- 
webepartien sehr sdurereich. Der Bliitenboden besteht aus einem 
centralen, kleinzelligen und gering sdéurehaltigen Gewebe, dagegen 
haben sich die peripheren Gewebeteile, auSer der Epidermis zu 
einem ziemlich miachtigen, sehr grofzelligen, und zartwandigen 
Wassergewebe entwickelt. Dasselbe umfaft an dem breitesten 
Teil des Bliitengrundes, unterhalb der Insertion von Kelch- und 
Blitenblattern drei stark saurehaltige Schichten, wahrend die 
iiberlagernde Epidermis yon geringerer Acididat ist. Fiir die 


1) O. Warsore, |. e, 


368 Rudolf Giessler, 


Kelchblatter sind ahnliche Verhialtnisse beibehalten. Auf die ziem- 
lich saure, aufSere Epidermis folgt ein siurereiches, grof8zelliges 
Parenchym, dessen Machtigkeit und dessen Séuregehalt sich nach 
den Kelchzipfeln zu etwas vermindert. Hieran grenzt siurearmes, 
griines Gewebe, auf das die, ebenfalls geringe Saiuremengen fiih- 
rende, innere Epidermis folgt. 

Die Blitenblatter sind am Grunde in allen Gewebeschichten 
ziemlich sauer. Nach der Spitze zu bleibt das grofSzellige Paren- 
chym das saurereichste, wahrend in der Epidermis die Siure mehr 
und mehr zuriicktritt, bis schlieSlich auch das tibrige Gewebe nur 
minimale Saéuremengen enthalt. Die Filamente und die Griffel- 
siule sind in ihren basalen Partien in Epidermis und subepider- 
malem Gewebe séurehaltig, in ihren oberen Teilen ist dagegen keine 
Saure nachzuweisen. Am sdaurereichsten fand ich die Bliitenteile 
von O. carnosa, und zwar besonders die succulenten Kelch- 
blatter. Die beiden auSeren Kelchblatter, welche vor dem Auf- 
gehen der Bliite die drei tibrigen und auferdem alle anderen 
Bliitenteile schiitzend umschlieBen, sind am saurereichsten. 

Oxalisfriichte, von denen mir nur solche von O. stricta 
und O. acetosella zur Verfiigung standen, sind vor der Samen- 
reife auferordentlich siurereich. Auf die aufere, séurereiche Epi- 
dermis der Fruchtwand folgt ein wasserreiches, grokzelliges Gewebe, 
welches insofern eine merkwiirdige Anordnung seiner langge- 
streckten Zellen zeigt, als die Langsachse derselben gegen die 
anstoBenden Gewebeschichten geneigt ist. Diese schiefe Lage 
der Zellen ist nur an den weniger michtigen Gewebepartien, 
in der Nahe der Verwachsungsstellen der Carpelle und unterhalb 
der Riickennaht, an welcher Stelle zur Entlassung der Samen der 
Langsrif erfolgt, nicht vorhanden. Die Aciditét der Kapselepi- 
dermis wird bedeutend von dem Saurreichtum der beschriebenen, 
wasserreichen Schicht tibertroffen. Nur die Rindenparenchymzellen 
in den Blattstielen der sauersten Oxalisspecies kénnen, was Saure- 
inhalt anbetrifft, den Zellen dieses Gewebes an die Seite gestellt 
werden. Gegeniiber den peripheren sind die inneren Schichten der 
Kapselaufenwand, naimlich das Chlorophyll fiihrende Gewebe und die 
innere Epidermis mit ihren in den Fruchtraum hineinragenden, kur- 
zen Haaren fast siurefrei; ebenso die Gewebe der radialen Facher- 
wandungen. Die Aufenwand der Oxaliskapsel zeigt demnach in 
der Siureverteilung eine ziemliche Ubereinstimmung mit den Kelch- 
blattern. Bei beiden findet sich die Saure in der auBeren Epidermis 
und in den zellsaftreichen, subepidermalen Schichten, wahrend das 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 369 


angrenzende, nach innen gelegene Gewebe an ihrer Speicherung 
nur geringen Anteil nimmt. 


V. Allgemeine Resultate. 


Aus den im vorstehenden Kapitel mitgeteilten Beobachtungen 
ergiebt sich ohne weiteres als Hauptresultat, da’ die Oxalsiure 
in der Epidermis oder doch vorwiegend in den peripheren Ge- 
weben der vegetativen Organe lokalisiert ist. Unterscheiden wir 
zuerst zwischen ober- und unterirdischen Teilen, so erhalt man 
die allgemeine Regel, daf die in der Erde verborgenen Teile meist 
siurefrei sind oder wenn man Riicksicht nimmt auf Auslaufer, 
Rhizome etc., relativ weniger Siure speichern als die iiber der 
Erdoberfliche befindlichen. An den oberirdischen Organen ist die 
epidermale Ablagerung der Saéure am deutlichsten in den Laub- 
blattern ausgepragt. Tritt die Saure zugleich im Assimilations- 
parenchym derselben auf, so geschieht dies gegeniiber den in den 
Oberhauten abgelagerten Quantitaiten in sehr geringen Mengen. 
Die Haargebilde, vielleicht mit Ausnahme der Begoniazotten 
sind als séurespeichernd kaum anzufiihren. In zarten und diinnen 
pflanzlichen Teilen [Nebenblattern, Bliitenteilen der Oxalis- und 
Begoniaarten| tritt neben der Epidermis auch das Parenchym 
und sogar dann hauptsachlich als séurespeichernd auf. Ebenso 
iibernimmt in den Stengelgebilden, Blatt- und Bliitenstielen die 
Epidermis nicht allein, sondern die Rindenpartie des Paren- 
chyms gemeinschaftlich mit der ersteren die Speicherfunktion. 
Selbst das Mark kann in vielen Fallen erhebliche Siuremengen 
enthalten. 

Im allgemeinen lift sich feststellen, daf in zellsaftarmen Zellen 
geringe Séuremengen gespeichert werden. Es zeigt sich dies im 
allmahlichen Zuriicktreten der Saiure nach den jungen pflanzlichen 
Organen zu, im Mangel derselben an jungen Keimpflanzen, in den 
plasmareichen Zellen am Vegetationspunkt, in cambialen Geweben 
und in den von Krystalldrusen, Chlorophyll oder Starke erfiillten 
Zellen. Wenn das friihzeitige Erscheinen in jugendlichen pflanz- 
lichen Organen als eine charakteristische Eigenschaft vieler Schutz- 
Sekrete gelten kann, so macht demnach die Oxalsiure in dieser 
Hinsicht eine Ausnahme. Die Saure ist erst in Alteren Wachs- 
tumsstadien der Gewebe deutlich nachweisbar, sobald deren Zellen 
groéfere Zellsaftmengen aufzuspeichern vermigen. Je alter, saft- 

Bd. XXVIII. N. F. XX. 24 


370 Rudolf Giessier, 


reicher die Gewebe einer oxalsauren Pflanze sind, desto ‘saure- 
reicher wurden sie gefunden. Das beste Beispiel hierfiir ist der 
Saurereichtum des Parenchyms in Stengeln und Blattstielen und 
die hohe Aciditat der Wassergewebe ausgewachsener Blatter. 
Warpura’s Angabe, daf die Wassergewebe stets am wenigsten 
Saure, vor allem weniger als das griine Gewebe enthalten sollen, 
hat sich demnach fiir unser, allerdings nur kleines Untersuchungs- 
gebiet, nicht bestatigt *). 


Wenn wir auf die in der Einleitung gegebene Fragestellung 
zuriickblicken, so ergiebt sich durch die eben angefiihrten Resul- 
tate der anatomischen Untersuchung, daf die Lokalisation der 
Oxalsiure in der Pflanze sich thatsachlich im Einklang mit ihrer 
von Srant auf Grund seiner Versuche behaupteten Schutzmittel- 
function befindet. In der peripheren Verteilung der Oxalsaure 
auf dem Querschnitt der Organe besitzen oxalsiurehaltige Pflanzen 
ohne Zweifel eine vorteilhafte Einrichtung zum Schutze gegen die 
Angriffe kleiner Tiere. Es ist vielleicht nicht uninteressant, wenn 
zur Charakterisierung dieser biologischen Function der Oxalsaure 
noch einige weitere Beobachtungen mitgeteilt werden. 

Stan?) hat mit Schnecken Fiitterungsversuche nur an oxal- 
sauren Rumexarten angestellt und damit gezeigt, da letztere nur 
in grofer Nahrungsnot oder nach Auslaugung des oxalsauren Se- 
kretes genossen werden. Ahnliche Experimente habe ich mit 
Schnecken an den meisten untersuchten Species aller drei Gat- 
tnngen vorgenommen, und ich fihre ganz kurz einige der Ver- 
suchsergebnisse hier an. 

Die bei uns wildwachsenden, oxalsiurehaltigen Species Ru- 
mex acetosa, Rumex acetosella, Oxalis acetosella, 
Oxalis stricta zeigen an ihren natiirlichen Standorten seitens 
der Tiere niemals intensive Beschidigungen, die eventuell einen 
Riickgang des Individuums zur Folge hitten. Am wenigsten ver- 
letzt fand ich immer die an Aciditat die beiden Rumexarten tiber- | 
treffenden Oxalis acetosella und Oxalis stricta. Es ge- } 
lang mir nicht eine einzige Tierspecies zu entdecken, die mit Vor- — 
liebe diese oxalsauren Species als Nihrmittel benutzte, jedoch — 
kann vielleicht auch bei der fiir den Organismus allgemein 


1) O. Warsore, 1. c. | 
2) E. Srant, 1. c. pag. 80. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. aia 


als giftig erkannten Oxalsiure die gegenteilige Anpassung ge- 
wisser Tiere fiir dieses Schutzmittel nicht als ausgeschlossen be- 
trachtet werden. 

Aus den mit omnivoren Schnecken angestellten Experimenten 
im geschlossenen Raume geht hervor, daf sauerschmeckende Ver- 
suchsstiicke, solange sie frisch sind, fast regelmaBig unberiihrt 
bleiben. Zufillig verhandene, abgestorbene und welke Partien der 
gereichten Objekte werden sofort verzehrt und das Zerstérungs- 
werk genau bis zu den noch lebenden, siurehaltigen Gewebe aus- 
gedehnt. Wenn weiterhin bei sich einstellender grofer Nahrungs- 
not im Anfang die vorgelegten, oxalsauren Pflanzenteile versuchs- 
weise verletzt werden, so wird das Zerstérungswerk jedoch von 
den Schnecken in kiirzester Zeit wieder eingestellt. In der 
Folge wird erst das Welken und Eintrocknen der Verletzungs- 
rinder und der angrenzenden Blattpartien abgewartet und diese 
Stellen sieht man dann von den hungernden Tieren eifrig benagt 
werden. 

Nur an den mit sehr geringem Sauregehalt versehenen und 
mit anderweitigen Schutzmitteln nicht ausgestatteten Pflanzen- 
teilen, (z. B. Blumenkronenblatter der Oxalisarten in ihren oberen 
Hilften, junge Blatter der verschiedenen Species etc.) werden bei 
ginzlicher Abwesenheit zusagender Nihrobjekte von ausgehunger- 
ten Schnecken nach kiirzerer Zeit die Angriffsversuche wiederholt 
und die einzelnen Stiicke langsam verzehrt. 

Fiir die Wichtigkeit der epidermalen Saureablagerung in 
biologischer Hinsicht spricht ein Versuch mit Oxalis Bowiei, 
bei welcher es gelang, ohne Schadigung des Assimilationsgewebes 
die sdurereiche Oberhaut der Blattunterseite abzuziehen. Wah- 
rend intakte Blatter an beiden Epidermen nur mit der Lupe be- 
merkbare Verletzungen seitens der Versuchstiere erkennen liefen, 
wurde das durch Abziehen der unteren Epidermis freiliegende 
griine Gewebe sofort erheblich beschadigt. Die Fre8versuche sei- 
tens der Schnecken wurden jedoch an diesem bequemen Angriffs- 
punkt, wie die mikroskopische Untersuchung zeigte, sehr bald 
deswegen aufgegeben, weil es den Schnecken unméglich gewesen 
war, Verletzungen der unterhalb des griinen Gewebes noch befind- 
lichen siurereichen Epidermis zu vermeiden. Die Saure dieses Ge- 
webes hatte sie schlieflich zum Riickzug gebracht. Dieser Versuch 
kann auferdem als Beweis fiir die Saureleere des Assimilationsge- 
webes, einer in den Epidermen gréfere Siuremengen speichernden 
Species gelten. 

24* 


372 Rudolf Giessler, 


Schnecken [Limax agrestis und Helix hortensis], die 
sich unter Glasglocken zusammen mit Oxalis Bowieiund Oxalis 
carnosa befanden, nahrten sich drei Wochen von dem zur Feucht- 
haltung des Raumes benutzten FlieSpapier, ohne die Pflanzen im 
geringsten anzufressen. Mit Hilfe des Mikroskops konnten aller- 
dings bei beiden Species Verletzungen an verschiedenen Teilen der 
Blattepidermen leicht festgestellt werden, dabei war jedoch zu er- 
kennen, daf es sich nur um ein einmaliges Anschneiden der Ober- 
hautzellen handelte. Der hervortretende, stark saure Zellsaft hatte 
den Schnecken jeden ausgedehnteren Zerstérungsversuch unmdég- 
lich gemacht. Ebenso unbedeutende, makroskopisch kaum wahr- 
nehmbare Verletzungen an Blattstielen von seiten der Schnecken 
gingen, wie an Querschnitten zu sehen war, bis zu dem grof- 
zelligen Rindenparenchym, aus denen die Saéure vollstandig ausge- 
treten war. 

Kommen die Mundteile ankriechender Schnecken mit einem Tro- 
pfen oxalsauren Zellsaftes, dessen Hervortreten aus Epidermen und 
subepidermalen Geweben man mittelst eines Nadelstiches bewirkt hat, 
in Beriihrung, so werden die Tiere, selbst wenn schwache Saure- 
konzentrationen in Frage kommen, sofort zur Umkehr gebracht. 
Helix hortensis lief sich bei Anstellen dieses Versuches an 
Blattstielen saurer Oxalisarten, unter schneller Ausscheidung von 
Schleim, in vielen Fallen direkt zu Boden fallen. Zuletzt sei darauf 
hingewiesen, daf alle zu den Versuchen verwandte Objekte, sobald 
in ihnen die Saéure durch Chlorcalcium niedergeschlagen ist, nach 
sorgfailtigem Auswaschen in Wasser sofort von den Versuchstieren 
vertilgt werden. 

Sehr geschidigt werden sah ich oxalsdurehaltige Pflanzen 
(Oxalisarten) nur durch Blattliuse. Nach den Untersuchungen 
von BisGen!) kann es jedoch nicht tberraschen, wenn der giftige 
Saureinhalt gegen diese Tiere keinen Schutz bedeutet. Dieselben 
wissen einfach das Anstechen saurehaltiger Zellen zu vermeiden. 
Querschnitte der von den Aphiden befallenen Organe lassen deutlich 
analog den Resultaten von Biscen den Verlauf des Stichkanals 
zwischen den Membranen saurereicher Zellen nach saurelosen Ge- 
webspartien, namlich nach dem Stirkeparenchym und dem Siebteil 
erkennen. Entsprechende Versuche zeigen, daf die Oxalsiure und 
das Kaliumbioxalat mindestens ein ebenso starkes Gift fiir Blattlause 
darstellen, als sie es beide nach den eingehenden Versuchen STAHL’s 


1) M. Biscen, Der Honigtau. Jena 1891. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 373 


fiir die Schnecken sind. Schon schwach konzentrierte Lésungen 
beider Stoffe sind geeignet, das lastige Ungeziefer zu vertreiben. 


Mein Interesse erregten auch die mir waihrend der Arbeit vor- 
gekommenen, und die Bedeutung der Oxalséure als Schutzsekret 
charakterisierenden Falle des Vikariierens derselben mit anderen 
Schutzmitteln. Die hier in Betracht kommenden Verhaltnisse sind 
zum erstenmale von Sranu ausfiihrlich in seiner Arbeit behandelt 
worden, so dafi zur naheren Orientierung auf die dort erérterten, 
interessanten Gesichtspunkte verwiesen werden muf. 

Auf Seite 62 der citierten Abhandlung wird von Sraui 
die Regel aufgestellt, daf Pflanzenteile, welche den Schnecken 
der glatten Oberflache und weichen Konsistenz wegen leicht 
zugainglich, also mechanisch nicht geschiitzt sind, chemischen 
Schutz aufweisen, und daf umgekehrt mechanisch geschiitzte 
Pflanzen chemisch schutzlos gefunden werden. Belege fir die 
Richtigkeit dieser wohl nicht nur in Bezug auf Schnecken giltigen 
Behauptung kann ich nur nach einer Seite bringen, da unter 
den untersuchten Species solche mit hervortretendem mecha- 
nischen Schutze fehlen. Dieses Zuriicktreten der mechanischen 
Schutzmittel war, die Richtigkeit der von Sranu aufgestellten 
Regel vorausgesetzt, bei den Oxalsaure speichernden Species zu 
erwarten. Als wenig wirksame mechanische Schutzmittel sind an 
dem vorgefiihrten Material héchstens die rauhen Oberflaichen der 
Rumexarten und vielleicht die spitzen, mit Cuticularknétchen 
versehenen Haare der Oxalideen zu betrachten. In der That 
kann man an dem zur Untersuchung herangezogenen Material vor- 
wiegend den Satz: Chemisch geschitzte Planzen oder 
Pflanzenteile entbehren des mechanischen Schutzes, 
vollstandig bestatigt finden. 

Die durch starken Sauregeschmack ihrer Safte sich auszeich- 
nenden Arten besitzen gewoéhnlich nicht die geringste Andeutung eines 
mechanischen Schutzes. Intensiv saure Organe derselben sind von 
weicher Konsistenz, ihre Gewebe auferordentlich diinnwandig, zart 
und durch Tiere leicht verletzbar. Als Beispiele seien unter anderen 
nur Rumex scutatus, Rumex roseus, Oxaliscarnosa, 
Oxalis variabilis, Begonia manicata angefihrt. 

Weiterhin ist zu beobachten, da ein sehr geringer Grad von 
Aciditiit oder das ganzliche Fehlen der Siure das Auftreten eines 
anderen Schutzmittels in den betreffenden pflanzlichen Organen im 


374 Rudolf Giessler, 


Gefolge hat. An dem zur Untersuchung verfiigbaren Material 
tritt fast durchweg der als Schutzstoff auBerst wirksame Gerb- 
stoff') mit der Saure im Vikariationsverhiltnis auf. Fast immer 
entspricht einem Fehlen der Saéure in irgend einem pflanzlichen 
Organ eine peripherische Anhiufung von Gerbstoff. Wechselbe- 
ziehungen der Saure mit anderweitigen Schutzmitteln sind selten. 

Saure und Gerbstoff vikariieren miteinander entweder bei 
verschiedenen Arten innerhalb der Gattung oder in den Vege- 
tationsorganen eines und desselben Individuums. Was die Vikariation 
der Schutzmittel innerhalb derselben Gattung anbetrifft, so mége zur 
Charakterisierung der Verhaltnisse ein von Stan. gefundenes Bei- 
spiel nochmals angefiihrt sein. 

Sedum acre fihrt ein brennend scharfes Alkaloid und 
auferdem sehr geringe, zur Schutzwirkung nicht geeignete Mengen 
Gerbstoff. Sedum boloniense (sexangulare) dagegen ist 
durch starken Gerbstofigehalt ausgezeichnet, so daf demnach als 
Schutzmittel bei diesen beiden, sich sehr nahe stehenden Species 
das Alkaloid und der Gerbstoft vikariieren. 

Ahnliche Beispiele begegnen uns innerhalb des vorliegenden 
Untersuchungsgebietes bei den Rumexarten. Wie schon her- 
vorgehoben wurde, sind R. alpinus, R. sanguineus, R. 
salicifolius und R. conglomeratus saurefreie Species und 
R. patientia und R. crispus enthalten nur Spuren von Saure, 
durch welche die Immunitaét der Pflanze keineswegs bewirkt 
werden kann. Alle diese Arten sind dafiir aber typische Gerb- 
stoffpflanzen, welche den Gerbstoff in allen Teilen in betracht- 
licher Konzentration, hauptsachlich auch in der Wurzel enthalten. 
Die Verteilung dieses Sekretes auf dem Querschnitt der Organe 
ist wie bei der Saure vorwiegend die periphere. 

Dieselbe Erscheinung lasst sich innerhalb der Gattung Oxalis 
fir O. rubella und O. hirta feststellen. Bei diesen konnten 
im Stengel minimale Saéurequantitaéten nachgewiesen werden, welche 
als Schutzmittel fiir die Pflanze ganzlich nutzlos sind. Dagegen 
ist als Schutzsekret bei beiden Arten der Gerbstoff in grofSen 
Quantitaten innerhalb derjenigen peripheren Gewebe abgelagert, 
welche bei oxalsauren Formen von der Séure eingenommen werden. 

Kine gréfere Mannigfaltigkeit im Vikariieren von Gerbstoff 
und Saure la%t sich an einer und derselben Pflanze verfolgen. 
Bei keiner sauren Species war die Oxalsiure als Schutzmittel 


1) E. Sraut, 1. c. pag. 32 ff. 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 31D 


in allen Organen vorhanden, sondern Saureleere gewisser Teile 
ist an jeder Art nachgewiesen worden. In den meisten Fallen 
wird dann durch das Auftreten von Gerbstoff in den saurefreien 
Teilen die Pflanze allerorts gegen tierische Angriffe geschiitzt. 

Ganz allgemein ist in dieser Hinsicht bei Oxalsaure fiihren- 
den Formen die Vikariation des Gerbstoffs mit der Saéure im 
Bezug auf die unterirdischen Organe. 

Die saurefreien Wurzeln aller drei Gattungen sind gerb- 
stoffreich und als speichernde Gewebe fungieren die Epidermis, 
Rinde und Schutzscheide. Ebenso enthalten die saurefreien 
Rhizome der Begonien stark adstringierende Safte, und in 
den Oxaliszwiebeln, mit Ausnahme derer von Oxalis crassi- 
caulis, welche, wie oben erwahnt wurde, in den peripheren 
Geweben Saure speichern, findet sich der Gerbstoff reichlich in den 
Schutz- und Nahrschuppen abgelagert. Nebenbei bemerkt kommen 
bei verschiedenen Oxalisarten als chemische Schutzstoffe neben 
dem Gerbstoff auch noch klebrige, dlige Substanzen, welche an 
der Peripherie der Zwiebelschuppen ausgeschieden werden, in 
Betracht. Ferner ist ein rotliches Harz in den subepidermalen 
Gewebeschichten der Schuppen nicht zu vergessen, welches schon 
von HinpEBRAND!), wie erwahnt wurde, als Schutzmittel der 
Zwiebelschuppen gegen Tierfraf angesehen wird. 

In den oberirdischen Organen saurer Species vikariiert gleich- 
falls der Gerbstoff mehrfach mit der Saure. Von Interesse in 
dieser Hinsicht sind hauptsachlich die Vikariationsverhaltnisse an 
den des Schutzes gegen Tierangriffe in erster Linie bediirftigen, 
jiingsten, vegetativen Pflanzenteilen. An diesen wurde, wie man 
sich erinnern wird, innerhalb der drei Gattungen gewoéhnlich ein 
ganzliches Fehlen der Saéure oder das Vorhandensein nur geringer 
Quantititen festgestellt, dagegen 6fters auf den an diesen Teilen 
sich bemerkbar machenden, adstringierenden Geschmack hinge- 
wiesen. Thatsachlich tibernimmt in diesen Fallen der Gerbstoff 
die Rolle als Schutzsekret, nur da’ er an diesen Jugendstadien 
der Organe weniger in den Epidermen und spiter saure Safte 
fiihrenden Geweben, als vielmehr in den Haargebilden, Spalt- 
dffMungen und den Chlorophyll enthaltenden Geweben abgelagert 
wird. 

Junge, siureleere Blattchen von Rumex acetosella und 
Rumex acetosa sind in allen Geweben gerbstoffhaltig, vornehm- 
lich in den Papillenhaaren, den zahlreichen Spaltéffnungen und 


1) F. Hitpksranp, 1. ce. 


376 Rudolf Giessler, 


deren Nebenzellen. Die tbrigen, sauren Rumexarten speichern 
in den von den Stipulae umschlossenen, saureleeren Blattern 
reichlich Gerbstoff und bei simtlichen Begonien sind die jungen 
Organe innerhalb der breiten, stark sauren Nebenblattgebilde 
hauptsachlich in den dichtstehenden Zotten, den Képfchenhaaren 
und im Assimilationsgewebe gerbstoffreich. 

Bei den sauren Oxalisarten, mit Ausnahme von Oxalis 
carnosa, deren junge, aus dem Stamm hervortretende Organe 
schon sehr siurehaltig sind, treffen wir an den jiingsten Blattern 
und Bliitenknospen auf eine dichte Hoéckerhaarbekleidung. Die- 
selbe schon durch die hervorgerufene rauhe Oberflache als Schutz- 
einrichtung bedeutsam'!), wirkt in letzterer Hinsicht auSerdem 
durch den intensiven Gerbstoffgehalt der einzelnen Trichome. Die 
eng zusammenstehenden, dicht anliegenden Haare, welche stets 
siurefrei gefunden wurden, ersetzen aus dem genannten Grunde 
eine gerbstofireiche Epidermis und, wie Versuche zeigen, werden 
in dieser Weise geschiitzte Pflanzenteile von Schnecken ebenso 
unverletzt gelassen, als siurehaltige Objekte. 

Was fertig ausgebildete, pflanzliche Teile saurer Species be- 
trifit, so giebt es nur wenige Falle, in welchen als Schutzsekret 
ausschlieflieh der Gerbstoff in Frage kommt. Vikariationsbei- 
spiele in dieser Hinsicht liefern allein die saurefreien Bliitenteile 
von Rumex acetosa und Rumex acetosella, ferner die 
Samen von den Species aller drei Gattungen. 


Mit dem Erscheinen der Saure in alteren Entwickelungs- 
stadien jugendlicher Organe tritt die Bedeutung des Gerbstofis 
als Schutzmittel zuriick. Intensiv saure Pflanzenteile enthalten 
meistenteils nur ganz geringe, fiir die Schutzwirkung nicht in Be- 
tracht zu ziehende Gerbstoffmengen. Unbedeutenden Gerbstoffnieder- 
schlag erzielt man bei ihnen héchstens in den séurefrei oder siure- 
schwach gefundenen, Chlorophyll fiihrenden Geweben, in den Spalt- 
éffmungen nebst deren Nebenzellen (Rumexarten, Begonien) 
und in den vereinzelt stehenden Haargebilden. Ein anderes Ver- 
halten, auf welches zum Schlu8 in wenigen Worten noch einge- 
gangen werden soll, bemerkt man jedoch vielfach an pflanzlichen 
Organen, denen eine geringe Aciditat zukommt. In den Geweben 
derselben lassen sich oft Saiure und Gerbstoff nebeneinander an- 


1) Uber die Bedeutung von rauhen Oberflichen als Schutzmittel 
vergl. Kunrzz, 1. c. und Sraut, 1. ¢. 


| 


Die Lokalisation der Oxalsiiure in der Pflanze. 377 


treffen, und da beide Sekrete auch in der Peripherie der Organe 
abgelagert werden, so ist die Immunitaét der letzteren ohne Zwei- 
fel beiden zugleich zu verdanken. Solche Pflanzenteile schmecken 
sowohl sauer als adstringierend. Saure und Gerbstoff stehen 
bei diesem gleichzeitigen Auftreten in den Geweben und inner- 
halb der Zellen in einem 4hnlichen antagonistischen Verhiltnis, 
wie es schon zwischen der Saiure und anderen Zellinhalten ange- 
deutet wurde. In vielen Fallen speichern die Zellen, in denen 
Gerbstoffreaktion eintritt, roten Farbstoff. 

Von Pflanzen, welche diese Verhaltnisse aufweisen, sind die 
beiden Ampferarten Rumex acetosella und Rumex ace- 
tosa zu nennen. Dieselben fiihren Gerbstoff in der gering siure- 
haltigen Epidermis und dem griinen Gewebe jiingerer Blatter. Im 
Blattstiel speichern die Epidermis nebst Collenchym und Rinden- 
parenchym neben der Saéure auch Gerbstofi, ferner ist die saure- 
freie GefaSbiindelscheide gerbstofthaltig. Gleiche Verhaltnisse 
zeigt der Stengel dieser Pflanzen, vor allem in der Bliitenregion, 
in welcher Gegend den basalen Stengelpartien gegeniiber sich stets 
eine Abnahme der Aciditat feststellen lieB. 

Die Begonien mittlerer Aciditat (B. Rex, B. ricinifolia, 
B. imperialis-smaragdina, B. scandens, B.Scharffiana, 
B. argyrostigma, B. fuchsioides, B. acerifolia) 
speichern in den peripheren Geweben ihrer Blattstiele und Stémme 
(Epidermis mit Zotten, Collenchym, Rindenparenchym), ferner 
in der unteren Blattepidermis, am Blattrand und den Haarge- 
bilden neben der Saure oft grofe Gerbstoffquantitaten. Auch die 
Sprofachsen der Oxalisarten enthalten in ihren Geweben neben 
der Saure oft bedeutende Gerbstofimengen (O. carnosa, O. 
Ortgiesii, O. stricta u. a.). 


Die gegebene Darstellung von Vikariationserscheinungen 
schlieft ohne Zweifel neue Beweisgriinde fiir die hier in Frage 
kommende biologische Aufgabe der Oxalsiure in sich und so 
diirfte, wenn man das gesamte vorgefiihrte Thatsachenmaterial in 
Rechnung zieht, die Bedeutung der Oxalsiure als Schutzstoff sicher 
festgestellt sein. Am Schlusse der Arbeit méchte ich jedoch hin- 
sichtlich der Untersuchungsergebnisse in kurzen Worten noch an 
die in der Einleitung gemachte Bemerkung ankniipfen, nach wel- 
cher die Schutzfunktion eines Sekretes in keiner Weise andere 
Leistungen desselben ausschlieBt. Beispielsweise kann die vor- 
wiegend periphere Lokalisation der Oxalséiure mit einer weiteren 


378 Rudolf Giessler, Lokalisation d. Oxalsiure in d. Pflanze. 


Funktion, als der des Schutzes und vielleicht sogar in erster 
Linie mit dieser anderen in Zusammenhang gebracht werden. 

Wenn wir die Epidermis der vegetativen Organe nach WESTER- 
MAIER!) als ein Wasserversorgungssystem fiir die tibrigen, vor 
allem fiir das subepidermale Assimilationsgewebe auffassen, so 
laft sich zweifellos zu dieser Funktion der Oberhaut die in 
ihr erfolgende Saureablagerung in engste Beziehung bringen. Die 
osmotisch auferst wirksamen, organischen Saiuren?), also auch die 
Oxalsiure, vermitteln unter fiir die Wasseraufnahme giinstigen Ver- 
haltnissen eine starke Fillung der Zellen, in denen sie enthalten 
sind. Bei eingetretener Trockenheit kommt dann das aufgespei- 
cherte Wasser den tibrigen Geweben zu gute. Bedenkt man, daf 
z. B. die succulenten Begonien und Sauerkleearten*) meist an 
den trockensten Standorten zu finden sind, so tritt diese Bedeutung 
der epidermal abgelagerten Oxalsiure als Schutzmittel gegen die 
Gefahren des Austrocknens in den Vordergrund. 

e Diese Funktion der Oxalsiure gewinnt noch an Bedeutung, 
wenn man beriicksichtigt, daf die mit hervorragender Aciditat 
ausgestatteten Pflanzen oder deren Organe fast jedes sonstigen 
Schutzmittels gegen gesteigerte Transpiration entbehren. Je hoher 
die Aciditét der pflanzlichen Organe gefunden wird, desto geringer 
ist bei allen untersuchten Formen die Behaarung, desto diinn- 
wandiger sind die peripheren Gewebe. Bei oberflichlicher Be- 
trachtung scheinen die sauersten Species gegen die Verdunstung 
ihrer Zellinhalte vollstandig wehrlos. 

Das analoge Wechselverhaltnis fand ich bei schwach sauren 
und séurelosen Organen, an denen dann unzweifelhafte Schutzein- 
richtungen gegen Gefahren von Trockenperioden erscheinen, also 
Haarbekleidung, Membranverdickung und Peridermbildung, oder bei 
einigen Begonien (B. argyrostigma, B. Scharffiana) in 
der Epidermis collenchymatische Aussteifungsgertiste gegen ein Zu- 
sammenschrumpfen der Zellschichten bei starker Transpiration *). 


1) W. Wesrermater, Uber Bau und Funktion des pflanzlichen 
Hautgewebesystems. Prinesurim’s Jahrb. fiir wissenschaftl. Botanik, 
Bd. XIV, Heft 1, 1883, p. 43 ff. 

2) H. pr Vries, Uber die Bedeutung der Pflanzensiiuren fiir den 
Turgor der Zellen. Bot. Ztg. 1879, p. 847. 

— —, Uber den Anteil der Pflanzensiiuren an d. Turgorkraft 
wachsender Organe. Bot. Ztg. 1883, p. 849. 

3) W. Hivpesranp, |. ec. 

4) W. Westermater, l.: c. 


Einige histologische Befunde an 
Coelenteraten. 


Erster Teil. 


Von 
Dr. Karl Camilio Sehneider, Breslau. 


Mit Tafel X—XVI. 


Einleitung. 


In meiner Arbeit tiber die Zelle (14) war ich betreffs des 
Zellbaues von Eiern zu Ergebnissen gelangt, die sich folgender- 
mafen formulieren lassen: 

1) Die Zellen (speziell die von mir untersuchten) bestehen 
aus einem Maschenwerk von geschliingelt verlaufenden, gleich- 
mibig starken Faden (Fasern, Balken, Fibrillen, Aivov); aus kor- 
nigen Gebilden (z. B. Chromatin) und aus einer, der Substanz 
nach nicht naher zu charakterisierenden, Grundmasse (Zwischen- 
masse, Interfilarsubstanz). 

2) Die Fasern sind kontraktionsfahig und besorgen die Be- 
wegungen (aktive) der Zelle (z. B. durch Hervorragen aus der 
Grundmasse als Wimpern) und die Verlagerungen bewegungsun- 
fahiger Substanzen in der Zelle. 

3) Die Kern-, Vakuolen- und viele Zellmembranen erscheinen 
als Verkittungsprodukte der Fibrillen; ein Unterschied von Kern- 
und Protoplasmasubstanz besteht demnach in Bezug auf das Ge- 
riist nicht. 

4) Die Kernmembran bewirkt die dauernde Gruppierung der 
Chromatinkérner auf einen bestimmten Raum, indem sie die im 

Kern gelegenen Faserabschnitte in der Wandung fixiert und so 


380 Karl Camillo Schneider, 


in ihren Bewegungsiuferungen behindert. Jedenfalls ist diese 
Vereinigung (meist Centrierung) fiir die vegetativen Vorgange in 
der Zelle (Ernaihrung, Teilung) von gréftem Werte. 

5) Die Teilung (indirekte) aufert sich als eine Verlagerung 
der halben Chromatinmassen durch Arbeit der Fibrillen (Sphare, 
Sonne, Spindel) in die zwei Zerfallprodukte des Zellkérpers. 

Diese fiinf Ergebnisse, die ja im grofen Ganzen durch die 
so bedeutungsvollen Arbeiten vAN BENEDEN’s, BoverRt’s, FLEM- 
minG’s, der Gebriider Hertwic, Rasu’s und vieler anderer For- 
scher angebahnt wurden und auf ihnen beruhen, bildeten fir mich 
die Grundlage der in dieser Arbeit zu schildernden Untersuchun- 
gen. Als Arbeitsmaterial dienten mir wahrend eines fast 6-monat- 
lichen Aufenthaltes an der Zoologischen Station zu Neapel Ver- 
treter aller Coelenteratengruppen (mit Ausnahme der Spongien); 
da die Untersuchung bei einzelnen Species sich nur auf einen 
Vergleich mancher Verhaltnisse mit denen anderer, ausftihrlicher 
untersuchter, beschrankte, so werde ich die Befunde an ersteren 
Formen nur kurz der Beschreibung letzterer zuftigen. 

Fiir die Erméglichung der Arbeit bin ich dem sachsischen 
Ministeriam des Kultus, welches mir einen Arbeitsplatz bewilligte, 
sowie dem Ministerium des Kéniglichen Hauses, welches mir ein 
reichhaltiges Stipendium aus der ,,Kénig-Johann-Stiftung™ er- 
wirkte, zu besonderem Danke verpflichtet. Auch spreche ich fir 
die Zuvorkommenheit, mit der von den Beamten der Station 
meinen Wiinschen Beriicksichtigung zu teil wurde, meinen auf- 
richtigen Dank aus. 


Methoden. 


Als giinstig fiir die Untersuchungen erwies sich nur das 
Mazerationsverfahren in Verbindung mit Tinktion durch Pikro- 
karmin oder Brae’s Karmin. Farbungen des lebenden Tieres 
mit Methylenblau, die ich bei Ctenophoren und acraspeden Me- 
dusen versuchte, mifgliickten durchaus; ich gab deshalb die Ver- 
suche, die mir nur Zeit raubten, bald auf; vielleicht ist der Er- 
folg bei andauernder und methodischer Behandlung  grofer. 
Schnitte wurden nur zur Orientierung angefertigt; fiir rein histo- 
logische Fragen fand ich sie nicht brauchbar. Als mazerierende 
Fliissigkeit gebrauchte ich eine dem Hrerrwia’schen Gemisch (5) 
aibnliche Mischung der Osmium- und Essigsiure: auf 22 Teile 
Seewasser kamen 2 Teile 1-proz, Osmiumsiure und 1 Teil Eisessig. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 381 


Diese Mischung war gleich giinstig fiir alle untersuchten Tiere, 
nur mufte die Anwendungsdauer wechseln. Mafgebend fiir diese 
erschien mir die Farbung, welche die Tiere in der Fliissigkeit 
annahmen; sobald eine lichte Braiunung eintrat, war meist die 
Hartung und Mazerierung eine geniigende (die Zeit schwankte 
zwischen 1'/, fiir sehr zarte bis gegen 10 Minuten fiir wider- 
standsfahigere Objekte). Die Erfahrung ist hier die einzige, aus- 
reichende Lehrerin; auch ertragen die Tiere oft ganz verschieden 
lang die Einwirkung der Reagentien, was mir vor allem bei Ab- 
tétung des Stammes der Siphonophoren unangenehme Schwierig- 
keiten bereitete. 


Untersuchungen. 


A. Siphonophoren. 
Forskalea contorta LEUCK. 


Das Ektoderm des Mauerblattes der Polypen bildet eine flache 
Zellenlage (Fig. 1), in welcher die Zellumrisse nur hie und da zu er- 
kennen sind. Man sieht, im Protoplasma eingeschlossen, grofe, meist 
ovale, sich nur sehr leicht tingierende Kerne mit gro’em Nucleolus, 
und einzelne, deutlich begrenzte Zellen, entweder mit mehr homoge- 
nem, sich gleichfalls fairbendem Inhalt, oder von vakuolirem Bau. 
Vielleicht haben wir in diesen Elementen Driisenzellen zu erkennen. 
Die lingsverlaufenden Muskelfasern sind schmal-bandformig, mit 
spitz zulaufenden Enden, die éfters direkt in die Stiitzlamelle ein 
gehen; basale Fortsatze in letztere fand ich nirgends. Die untere 
Kante der Bander ist etwas in die Lamelle eingesenkt; hieraus er- 
klart sich die feste Vereinigung beider. Ganglienzellen konnten bei 
guter Mazeration isoliert werden; sie zeigen (Fig. 2 u. 3) grofe 
Kerne mit kleinen Kernkérperchen und stimmen in Form und 
Verhalten zu Farbstoffen ganz mit den von den Medusen be- 
kannten tiberein. Die Stiitzlamelle enthalt feinste Fasern, die viel 
zarter als die Muskelbinder sind und gestreckt verlaufen. AuSer- 
dem finden sich auch vereinzelte spiralig gewundene, die an ela- 
stische Fasern erinnern. 

Die Verdickung des Ektoderms an der Basis der Polypen 
zeigt bei Osmium-Essigsiuremazeration eine Fille merkwiirdig ge- 
stalteter, locker zusammengefiigter Elemente, die sofort an die Knor- 
pelzellen des Nesselwulstes der Carmarina, wie sie von den Ge- 
briidern Hertwic (5) beschrieben wurden, erinnern; sie erscheinen 


382 Karl Camillo Schneider, 


héchst unregelmafig umrissen und von starrem, solidem Aussehen; 
es treten glinzende, meist symmetrisch angeordnete Leisten hervor, 
die dem Ganzen allerdings den Charakter eines Stiitzelementes ver- 
leihen. Lebend ahneln diese Gebilde indessen durchaus den Jugend- 
stadien der Nesselzellen, und es gelang mir in der That auch, die 
Identitat beider festzustellen. Da das Gleiche nach meinen Be- 
obachtungen auch fiir Carmarina hastata gilt — eine sekun- 
dire Umbildung der jungen Nesselzellen zur Erhéhung der Stiitz- 
fahigkeit konnte ich nirgends auffinden — so erscheint mir die 
Deutung der ektodermalen Verdickungen als Stiitzwulste nicht 
allgemeingiltig und ihre Funktion geniigend erschépfend. Denn 
inwiefern hatte ein leicht beweglicher Polyp, wie die Nahrtiere 
der Siphonophoren, eine Stiitze nétig? Sollte dagegen nicht die tiber- 
all zu konstatierende Nebeneinandergruppierung der Bildungs- 
stiitten von Nesselzellen mit den Verbrauchsstatten auf Beziehun- 
gen zwischen beiden hinweisen? Vom Stiel der Polypen, direkt 
an deren Basis, entspringen die Fangfiden, auf denen, und zwar 
in den Nesselknépfen, ein enormer Verbrauch an Geschossen 
statthat; bei Carmarina erheben sich die Tentakeln aus dem 
Nesselwulst, bei Cunoctantha octonaria oberhalb der Peronien 
(die Wiison (15) gleichfalls als Stiitzwulste auffaBt) — daraus 
scheint mir zu folgen, dal eine Wanderung der jungen Nessel- 
zellen von dem Entstehungsherde nach den Punkten reichlichen 
Verbrauches angenommen werden mu. Diesen Vorgang direkt 
zu beobachten, war mir indessen unmédglich. 

Der Zusatz der Osmium-Essigsiure zum lebenden Objekt 
wirkt auf die jungen Nesselzellen des Wulstes stark verandernd 
und selbst zerstérend ein. Die Wandung um den inneren, sekret- 
gefiillten Raum zerplatzt meist, und die Zelle gewinnt hierdurch, 
wie durch die gleich noch zu schildernde Lagerung des Schlau- 
ches ihr groteskes Ansehen. Da man an den lebenden Zellen 
aufer den Widerhaken nichts vom Schlauch wahrnimmt, so muf 
ich es als einen gliicklichen Zufall betrachten, der mich versuchs- 
weise 50 Proz. Essigsiure dem Gewebe zusetzen lief und die 
iiberraschendsten Bilder lieferte. Man kann die Einwirkung er- 
wihnter Siure an den isoliert im Wulst liegenden, nur in gerin- 
ger Anzahl vorhandenen, Jugendstadien der grofen, ovalen Nessel- 
zellen, die uns in den Nesselknépfen begegnen werden, sehr gut 
beobachten; es macht sich sogleich eine Wandung um einen 
homogenen Raum und réhrenférmige, lichte Streifen im Umkreis 
derselben, wo auch Protoplasma vorhanden ist, bemerkbar. Die 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 383 


Streifen sind Fortsetzungen des scharf umgrenzten Raumes und 
stellen als solehe die Anlage des Nesselschlauches au8erhalb 
der Kapsel dar. Von einer Auswerfung des etwa beim lebenden 
Objekte im Innern der Kapsel gelagerten Schlauches durch den 
Reiz, wie die starke KEssigsiure ihn ausiibt, kann nicht die 
Rede sein, denn dieser Vorgang miifte zur Beobachtung gelangen 
— er ist sonst mit Leichtigkeit bei jeder Nesselzelle zu konsta- 
tieren —; ferner ist die Lagerung des Schlauches um die Kapsel 
eine durchaus regelmafige und drittens erscheimt der Schlauch 
nicht frei aufgerollt, sondern von den Fasern der Protoplasma- 
decke dicht umsponnen. Schlieflich deutet die Anordnung 
des Protoplasmageriistes an ganz jungen Stadien, die einen 
Schlauch noch nicht wahrnehmen lassen, auch auf eine Ent- 
wickelung desselben aulerhalb der Kapsel. In der gleich fol- 
genden Schilderung des Entwickelungsganges, wie ich ihn jetzt 
annehme, werde ich daher die auf Tafel X dargestellte Bilderreihe 
im angegebenen Sinne zu deuten versuchen, und wenn es mir 
auch nicht gelang, samtliche Einzelheiten physiologisch aufzukliren, 
so scheint mir doch die fernere Vertretung einer Entstehung im 
Kapselinnern, wie ich sie in meiner Arbeit tiber Hydra (13) an- 
nahm, durchaus unstatthaft (siehe weiteres in der Litteraturbe- 
sprechung). 

Ich habe nur die Ausbildung der grofen, ovalen Nesselkapseln 
genauer studiert; von der der tibrigen kann ich allein angeben, 
daf der Faden auch auferhalb der Kapsel angelegt wird. Alle 
gehen hervor aus indifferenten, kleinen Zellen, die in der Tiefe 
des Wulstes liegen und oft fast nur aus dem Kern bestehen. Die 
Umrisse sind sehr verschieden, die Protoplasmastruktur aber in 
allen die gleiche (siehe Fig. 22 u. 23), d. h. das Protoplasma 
stimmt im Bau tiberein mit dem der Eier des Strongylocentrotus 
lividus, die ich in meiner diesbeziiglichen Arbeit (14) als ganz 
urspriinglich in der Substanzanordnung hinstellte (siehe S%. 
3—) der citierten Arbeit und Nr. 1 der Zusammenstellungen in 
der oben gegebenen Einleitung). Als jiingstes Entwickelungs- 
_ Stadium ist Fig. 4 aufzufassen; es zeigt sich hier im Innern der 
stark vergréferten, indifferenten Zelle ein sekretgefiillter Raum, 
um welchen sich die Protoplasmafaden zum Teil ziemlich regel- 
mafig anordnen. Daf der Raum von einer Membran umschlossen 
wird, deutet schon die scharfe, rundliche Begrenzung desselben 
an; Fig. 7, die die Protoplasmahiille vermissen laft — sie ist 
jedenfalls durch Druck abgestreift worden — zeigt die Wandung 


384 Karl Camillo Schneider, 


jedoch sehr klar und giebt zugleich iiber deren wahrscheinliche 
Entstehung willkommen Aufschluf. Wir bemerken namlich dort, 
wo das verjiingte Kapselende abgerissen erscheint, die Enden 
zarter Fibrillen, welch letztere direkt in die Membran eingehen 
und in dieser noch streckenweise zu verfolgen sind. Hieraus 
folgere ich, dafi die inneren Kapselwandungen auf gleiche Weise 
entstehen, wie die Kern-, Vakuolen- und andere Membranen (siehe 
Einleitung); daf sie Verklebungsprodukte der Linen des Geriistes 
sind. Nur der Unterschied wiirde zu den anderen, angefiihrten 
Membranen vorliegen, daf hier der Zusammenhang der Faden in 
der Membran mit denen des Protoplasmas und Kerns aufgegeben 
wird. Dies darf uns indessen gar nicht befremden, da ja bei Zell- 
teilungen gleichfalls eine teilweise Ablésung der Linien von der Mem- 
bran statthat. — Wie die Kapselwand, so scheint auch die Schlauch- 
wandung durch Fibrillenverklebung sich zu bilden, denn an Stelle 
der gleichmaSig den Sekretraum umziehenden Fasern finden sich an 
vorgeschritteneren Stadien die Windungen des fast immer ebenso 
regelmifig gelagerten Schlauches, nachdem schon friiher (Fig. 5 
u. 6) der dickere Anfangsteil als buckelf6érmiger Aufsatz auf der 
Kapsel oder als weiter, lichter Streifen in deren Umkreis bemerkbar 
wurde. Fig. 6 zeigt noch, da’ die gleichmafig verteilten Fasern 
nicht die ganze Wandung der Kapsel tiberziehen; der rundliche, 
hellere Fleck lait Fibrillen tiberhaupt fast ganz vermissen. An 
Fig. 8 fallt auBer der extrakapsularen Lagerung des Schlauches 
und des hier etwas unregelmafigeren Verlaufes desselben vor 
allem seine relativ ziemlich bedeutende Dicke auf, die wir an 
allen spateren Stadien, welche ihn noch auBerhalb der Kapsel 
zeigen (Fig. 9, 10, 11 u. 12), gleichfalls erkennen, und die beweist, 
da8 mit der fortschreitenden Schlauchbildung auch eine Verschie- 
bung oder Neubildung von Sekret in dem Schlauchinnern sich 
volizieht. Sobald der Schlauch sich im Kapselinnern befindet, 
erscheint er sehr diinn, also sekretleer, und es ist daher 
denkbar, da’ die Verdrangung des Sekretes aus dem Schlauch 
mit der Einstilpung desselben in einem bestimmten causalen Ver- 
hiltnis steht. Da jedoch hierfiir kein direkter Beweis erbracht 
werden konnte, begniige ich mich damit, die vorliegenden Bilder 
in der Reihenfolge, in der sie aufeinander zu folgen schei- 
nen, morphologisch zu deuten. Wie Fig. 9, wo durch Druck 
die Protoplasmahiille von der Kapsel abgestreift sich darstellt, 
zeigen Fig, 11, 12 und 13 den Schlauch entweder vollig isoliert 
von der Kapsel abgehoben oder doch im Verein mit dem Proto- 
plasma von dieser entfernt; die beiden letzteren geben aber auch 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 385 


in klarster Weise ein Bild von der Verlagerung des Schlauches 
in das Kapselinnere, und zwar sehen wir, daf das Schlauchende, 
nicht der dicke Anfangsteil, zuerst in die Kapsel eintritt. Ein 
Teil des diinnen Abschnittes, wie auch der dickere befinden sich 
noch in der Protoplasmadecke, wahrend ein anderer Teil bereits 
als zarter, dicht zusammengerollter Faden im Sekretraum glinzt; 
in Fig. 13 ist sogar nur noch die der Kapsel néichste Partie des 
Anfangsstiickes auSferhalb zu sehen, und auch diese deutet durch 
die Querrunzelung auf eine baldige Einstiilpung hin. Véllig voll- 
zogen ist sie in Fig. 14, wo der Anfangsteil des Schlauches noch 
stiirker geschrumpft sich darstellt, als in Fig. 13 auferhalb der 
Kapsel. Wie es scheint, geht die Streckung desselben, die Fig. 
15 und 16 wiedergeben, Hand in Hand mit der Ausbildung der 
Widerhaken, die sich in seinem Innern vollzieht. Da ich jedoch 
mehr, als die zuletzt genannten Bilder darstellen, nicht ermitteln 
konnte, so muf ich hier die Entwickelung der Nesselkapseln ab- 
schliefen, und es bleibt daher die Lésung der Fragen nach Ur- 
sprung der Haken und der duferen Kapselwandung (die aber 
sicher im Wulst der Polypen sich nicht ausbildet) der zukiinf- 
tigen Forschung vorbehalten. 

Zwischen den Jugendformen der Nesselzellen finden sich im 
Basalwulst der Polypen lingliche Elemente, die als Stiitzzellen 
aufgefafit werden kénnen. Fig. 17 und 18 geben ein Bild ihrer un- 
regelmaBigen Formen; die rundlichen Einbuchtungen riihren vom 
Druck der angelagerten Nesselzellen her. In der zweiten Ab- 
bildung habe ich mich bemiiht, die Struktur des Protoplasmas, 
die eine fiir die Stiitzzellen im allgemeinen sehr charakteristische 
— meinen Befunden gemals — zu sein scheint, darzustellen. Ks 
fallen sofort Verdickungen der Geriistsubstanz auf, die im grofen 
Ganzen lings ziehen und ganz regellos sich spalten oder mit an- 
deren vereinen. Die Ubergainge zwischen diesen groben Geriist- 
bildungen zu den zarten, welche in den indifferenten Zellen von 
mir beschrieben wurden (siehe Einleitung) und auch hier vorkom- 
men und yon mir, so gut es ging, als zartes Maschenwerk ange- 
deutet wurden, machen es mir héchst wahrscheinlich, daf die 
dicken Balken auch aus Faden aufgebaut sind, die, wie in den 
Membranen, untereinander verklebten. Als Anlaf fiir diese sekun- 
dire Vereinigung diirfen wir jedenfalls die Druckauferung der 
umgebenden Nesselzellen ansehen, die ja schon die Einbuch- 
tungen im Protoplasma der Stiitzzellen und deren lang ausge- 


zogene Form hervorrief. 
Bd, XXVIII. N, F. XX. 25 


386 Karl Camillo Schneider, 


Litteratur: Da ich die verschiedenen Auffassungen iiber 
die Bedeutung der Wulstbildungen, die sich aus Jugendstadien 
von Nesselzellen zusammensetzen, schon im Text erwahnt habe, 
so bleibt hier nur noch eine Besprechung der Ansichten betreffs 
der Nesselkapsel- und Schlauchentwickelung tibrig. Nur Jicker 
(6) und NusspAum (12) vertraten eine Schlauchbildung auSerhalb 
der Kapseln, welcher Auffassung sich neuerdings auch Zoua (17) 
anschlof; simtliche iibrige Autoren, wie auch ich selbst (13) frii- 
her, beobachteten aber eine intrakapsulire Anlage; so zuerst 
Mosius (11) in seiner vorziiglichen Schilderung der Nesselge- 
schosse, weiterhin Bepor bei Hydra, Porpita und Velella (1), 
ferner WILSON (16) bei einer neuen Actinie, Hoplophoria coralligens, 
und vor kurzem noch Cuun (3) bei Stephanomyiden der Canarischen 
Inseln. So schwerwiegend diese Ansichten auch den von mir 
jetzt vertretenen gegentiber erscheinen miissen, so kann ich sie 
doch nicht als beweiskraftig genug ansehen; denn ebensogut, wie 
ich glaube, bei Hydra verschiedene Stadien der Entwickelungsreihe 
tibersehen zu haben — bedarf es ja doch einer vorziiglichen Konser- 
vierung des lebenden Gewebes, um klare Bilder zu gewinnen — 
mochte ich dies auch fiir jene Beobachtungen fiir méglich erachten. 

Im Entoderm der Polypen fanden sich vier Zellarten, deren 
eine aber nur durch besonders giinstige Mazeration isoliert wer- 
den konnte. Wir miissen in dieser Nahrzellen erkennen, da die 
tibrigen sich als Sekret-, indifferente und Ganglienzellen erweisen. 
Die Struktur der ersteren ist eine auferordentlich lockere und 
unregelmabige; wir sehen in Fig. 19 und 20 dicke Geriistbildungen 
welche geriistleere Riume umschlieSfen (vielleicht Vakuolen) und 
die selbst wieder von zartem Maschenwerk mit glinzenden, kér- 
nigen Einlagerungen, welche in Fig. 19 am deutlichsten gezeich- 
net sind, umsponnen werden. Diese merkwiirtlige strukturelle 
Ausbildung der Nahr- oder Epithelmuskelzellen ist Ursache, daf 
bei Zusatz der Reagentien die einzelnen Elemente leicht in eine 
Menge Bruchstiicke zerfallen, wodurch natiirlich eine Diagnose 
unméglich wird. Nur peripher und in der Kern- und Muskel- 
region ist das Geriist engmaschiger; die schmal-bandformigen 
Muskeln werden von ihm in ihrem ganzen Verlauf, welcher 
ein weit kiirzerer, als der der ektodermalen Muskeln, ist, be- 
gleitet. Mit der Lamelle sind die Muskeln, wie ja auch jene 
nicht durch Zapfenbildungen (was z. B. bei Hydra (18) der Fall 
ist) verbunden; da sie auch nicht im geringsten in diese einge- 
senkt erscheinen, so ist erklarlich, da sie sich sehr leicht ab- 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 387 


lésen und in Verbindung mit der Zelle isoliert werden kénnen 
Von den Strangbildungen im Geriist sind die Bander trotz des 
gleichen Glanzes — ich habe nur der Unterscheidung wegen 
erstere dunkel, letztere hell gezeichnet — leicht durch die regel- 
mifige Begrenzung und den sich gleichbleibenden Durchmesser 
zu unterscheiden; die Strange in ihrer wechselnden Ausbildung 
erinnern sofort an jene in der Stiitzzelle (Fig. 18) und kénnen 
vielleicht wie diese gedeutet werden. 

Daf die in Fig. 21 dargestellte Zellform als driisiges Element 
aufzufassen ist, unterliegt wohl keinem Zweifel, obgleich eine aus- 
gesprochene kérnige Struktur nicht zu Tage tritt. Das kompakte 
Aussehen jedoch, die Lage des Kerns am basalen Zellende, die 
faserige Geriistanordnung und vor allem die ausgesprochene Farb- 
barkeit erscheinen wohl hierfiir beweisend; auch vermift man 
Kérnerbildungen ja nicht durchaus. Bei Apolemia werden wir 
ganz ebenso geformte Zellen finden, die aber dicht angefiillt von 
glanzenden Kérnern sind und daher keinen Zweifel an ihrer 
driisigen Natur aufkommen lassen. 

Die Geriiststruktur der indifferenten Zellen (siehe Kinleitung) 
ist in Fig. 22 und 23 sehr gut wahrzunehmen. Die Formen- 
inkonstanz derselben habe ich schon weiter oben erwihnt; als 
charakteristisch fiir indifferente Zellen erscheint mir, meinen Be- 
funden gemifS, nur die Geriistverteilung, die mit der von den 
Hiern des Strongylocentrotus geschilderten (14) iibereinstimmt. 

Litteratur: Ciaus (4) erwahnt aus dem Entoderm der Nahr- 
polypen nur unregelmifige, driiseniihnliche Zellen, die mit grofen 
rundlichen Kérnern erfiillt sind. Welcher der beiden, von mir 
beschriebenen Zellarten jene Art entspricht, ist nicht zu _ be- 
stimmen. 

Um den Bau der Nesselknépfe verstehen zu kénnen, bedarf 
es zuerst einer Klarstellung der Verhiltnisse am Fangfaden, 
weil beide direkt ineinander tibergehen. Da ich weder die Be- 
schreibung KorotNnerr’s (9), noch die mit vorztiglichen Bildern 
versehene Darstellung Cuun’s (3) fiir ganz erschépfend halte, so 
werde ich auf die so komplizierten Wehrorgane der Siphonophoren 
moglichst genau eingehen und an die Schilderung der Verhaltnisse 
bei Forskalea sogleich die des Nesselknopfes einer verwandten Art, 
die ich leider nicht genau bestimmen konnte, anschliefen. Bei 
ersterer Species zeigt der Durchschnitt der Seiten- oder Neben- 
fangfiiden, welche die Knépfe tragen, vor allem eine bedeutende 
Entwickelung der Lamelle (Fig. 24). Es erheben sich eine Menge 

26* 


388 Karl Camillo Schneider, 


oft sich wieder ‘spaltender Langsleisten , die wir auf Fig. 25, 
welche ein abgespaltenes Stiick des Fangfadens, seitlich betrachtet, 
reprasentiert, von der Fliche sehen. Hier zeigt sich ferner, dal 
die Lamelle auch quere Fortsdtze in den vom Entoderm um- 
kleideten inneren Kanal abgiebt, die eine eigentiimliche Anordnung 
des Entoderms, und zwar geldrollenartig, veranlassen. Fig. 27 
giebt ein Bild von einer isolierten derartigen Abteilung des Ento- 
derms; wir bemerken, da& die Zellenleiber in eins zusammen- 
geflossen sind und einen, nach der ventralen Seite des Fangarms 
gedfineten, Ring bilden. Vier Kerne finden sich mit groSer Regel- 
mafigkeit vor. Das Ektoderm besteht aus einfachen Kpithelzellen, 
aus driisenihnlichen, d. h. mit weitmaschigem Geriistwerk ver-— 
sehenen und halbkugelig hervorragenden, Elementen und aus jugend- 
lichen Nesselzellen. Fig. 25 und 28 geben ein Bild von diesen 
Verhiltnissen. In den Nesselzellen ist hie und da (Fig. 29) ein 
dunkler Streifen angedeutet, der wabrscheinlich auf den dicken 
Anfangsteil des Schlauches und die Widerhaken zu beziehen ist. 
Die Lingsleisten der Lamelle zeigen isoliert und von der Seite 
gesehen (Fig. 26) eine langsfaserige Beschaffenheit; die Fasern 
ziehen wellenartig gebogen dahin und sind hie und da, wie 
die linke isolierte Faser der Figur darstellt, abgeplattet und im 
feinere Faden aufgelést. Daf diese Fasern nicht als Muskeln 
des Ektoderms zu deuten sind, sondern zur Lamelle gehéren, 
beweist einmal ihr Verhaltnis zum elastischen Band des Nessel- 
knopfes, und zweitens die Anwesenheit anderer, zarter Fasern, 
die im Ektoderm, vom Protoplasma umsponnen, lings dahinziehen 
und als Muskeln, am Fangfaden zwar nicht leicht, am Knopf 
jedoch mit Sicherheit, zu erkennen sind. — Betreffs der jugend- 
lichen Nesselzellen muf ich noch anfiihren, daf diese stellenweis 
in Menge (Fig. 28), stellenweis gar nicht (Fig. 25) vorkommen ; 
es kénnte dies immerhin auf eine zeitweise Beforderung gréBerer 
Mengen der Jugendformen vom Wulst der Polypen nach den 
Knopfen zu hindeuten. 

Der Knopf besteht, wie aus Fig. 33 zum Teil ersichtlich ist, 
aus dem flach ausgebreiteten Entoderm, das allseitig von der La- 
melle und deren Umbildungsprodukten (elastische Fasern und 
Angelband) umhiillt ist und aus dem Ektoderm, welches einseitig 
(dorsal) sehr hoch ist, und hier das Nesselpolster bildet, ventral 
dagegen sich sehr abplattet und hier die Muskelfasern enthalt. — 
Seitliche Partien fehlen auf Grund der flichenartigen Ausbildung 
des Entoderms ganz. Der Nesselkopf ist in anderthalb Spiral- — 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 389 


windungen gedreht; die Begriffe dorsal und ventral sind deshalb 
nur in Beziehung zum Bau des Fangfadens verwertbar. Die be- 
deutendsten Veriinderungen unter den drei Schichten der Fang- 
faden macht bei Ubergang dieser in die Nesselknipfe die 
Stiitzlamelle durch. Nur ventral erhait sie sich als gleichmahig 
dickes oder vielmehr diinnes Blatt; an den Seiten schwillt sie zu 
zwei auferordentlich kraftigen Bindern an (Fig. 33 u. 30), die 
am Ende des Knopfes ineinander tibergehen (elastische Band- 
schlinge); dorsal schlieBlich bildet sie eine etwas gewélbte Decke, 
in welcher sich die Fasern, die wir an den Langsleisten auf den 
Fanefiden kennen lernten, regelmafig, in stark geknicktem 
Verlauf, nebeneinander anordnen. Diese seltsame Anordnung 
lehrt, dafi die Faser erst bei der Entladung des Knopfes 
ihre volle Liinge entfalten soll, da dann die Verbreitung der 
Geschosse auf einem méglichst grofen Raum yon bedeutendem 
Vorteil ist. Deshalb sind aber die Kapseln nicht dicht neben- 
einander, sondern in bestimmten, gréSeren Abstaénden der Faser 
angefiigt (siehe in Fig. 32 die eine isolierte Faser links), denn 
wiire ersteres der Fall, so kénnten nicht eine so grofe Menge 
Fasern der gegebenen Liinge auf dem engen Polsterraum ver- 
einigt sein, da dann die Zahl der Nesselzellen eine viel zu be- 
trachtliche ware. — In Fig. 30 ist die regelmifige Anordnung der 
Kriimmungen (die die dichte Aneinanderfiigung der Kapseln im 
Polster zur Folge hat) nicht mehr ersichtlich, da die Zerstérung 
des Knopfes auch die Lagebeziehungen der Fasern verdnderte 
und die starken Kriimmungen entrollte. Das Gleiche gilt fiir das 
elastische oder Angelband, denn auch dies bestand aus einer 
Menge gleichmafig zusammengefiigter Fasern, die aber wie Fig. 31 
zeigt, durch die Zertriimmerung des Ganzen sich entwirrten und 
dabei zumeist streckten. Wahrend die dorsalen Fasern die klei- 
neren, langen Nesselkapseln (Fig. 32, 53) tragen, stehen die Fia- 
den des Angelbandes, wie es scheint, in Beziehung zu den grofen, 
ovalen Kapseln (Fig. 33). Wir haben in diesen jedenfalls die 
gleichen Elemente, nur in vollendeter Ausbildung, zu sehen, die 
als Jugendstadien im basalen Ektodermwulst der Polypen sich 
vorfinden und oben beschrieben wurden. Ihre Wanderung yom 
Wulst zum Knopf konnte allerdings bis jetzt nur erschlossen wer- 
den; sichere Beobachtungen dariiber sind noch zu gewinnen. Die 
schlieBliche Ausbildung geben Fig. 35, 38 und 39 wieder. Die in- 
nere, zartere Kapselwand, die sich in den dicken Anfangsteil des 
Schlauches fortsetzt — was Fig. 36 besonders klar zeigt — tritt 


390 Karl Camillo Schneider, 


in Fig. 35 deutlich hervor, da sie sich lokal von der duferen, 
stirkeren Wand etwas abhebt. Diese umschlieft auch das Vorder- 
ende der Kapsel; ja, der VerschluS wird bei dieser Kapsel- 
form sogar noch durch einen polsterartigen Knopf von homogener 
Beschaffenheit verstarkt. Im Anfangsteil liegen die Widerhaken, 
die Fig. 38 auSerhalb vorstellt; hier, wie in Fig. 37, sehen wir 
auch, wie der Prozefi der Kapselentleerung durch Ausstiilpung 
des Schlauches bewirkt wird; wie der, im Kapselinnern diinne, 
weil sekretleere, Schlauch durch den Druck des _ eintretenden 
Sekretes auferordentlich erweitert wird, aus der Kapsel vortritt 
und den noch unumgestiilpten Abschnitt in sich mit fortreisst. 
Was die Ursache des Vorganges ist, ist speziell fiir die Verhalt- 
nisse hier im Knopf kaum zu ersehen. Da die Beobachtung 
muskuléser Vorrichtungen im Umkreis der Kapseln (19), eine 
Druckwirkung von aufen auf das Sekret iiber jeden Zweifel 
erhebt, so kann von einer Ausliésung von Spannkraften im 
Sekret selbst nicht die Rede sein; in der Umgebung der 
Nesselkapseln des Knopfes findet sich aber nur eine ganz 
geringe Menge von stark pigmentiertem Protoplasma und_ nicht 
die Spur von muskulésen Gebilden — daher bleibt nur_ iibrig, 
die daufere starke Wandung selbst als muskulés aufzufassen. 
Dem wiirde ja auch nicht die Anwesenheit echter Muskelhiillen 
bei anderen Kapselarten widersprechen, weil diese wohl nur eine 
Vervollkommnung der DruckaufSerung bezweckt; dafiir aber 
spricht das Vorhandensein einer zweiten Hille um den Sekret- 
raum tiberhaupt, denn um das Austreten von Sekret aus dem 
gegebenen Raum zu verhtiten, gentigte ja schon die innere Wan- 
dung, wie wir dies an den Jugendstadien z. B., die sich auf 
den Fangfaiden vorfinden, mit Sicherheit ersehen. 

Die sonderbare Anordnung des Entoderms erhalt sich auch 
am Nesselknopf, wie Fig. 33 lehrt; nur sind hier die Geldrollen 
flach ausgebreitet, da der Innenraum zwischen den beiden Flachen 
der Lamelle ein schmaler ist. Ventral auf dieser bildet das Ekto- 
derm nur eine ganz diinne Schicht — wahrend es hingegen dorsal 
zu dem hohen, dicken Nesselpolster anschwillt —; diese Schicht 
ist aber deshalb duBerst interessant, da sie deutlich langsziehende 
Muskelfaiden erkennen ]aft, die auf diesen Raum beschrankt sind. 
Es giebt also in der That Muskeln im Nesselknopf, deren Aus- 
sehen ein durchaus verschiedenes von dem der geknickt ziehenden 
Stiitzlamellenfasern ist. Diese Feststellung, die durch die Befunde 
bei der gleich zur Schilderung kommenden anderen Siphonophore 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 391 


auferhalb jedes Zweifels gestellt wird, beweist sicher, da8 die Mus- 
culatur mit den Nesselkapseln hier nichts zu schaffen hat; daf 
als Traiger dieser vielmehr einzig und allein die im Fangfaden 
vorgebildeten, im Knopf so regelmafig gelagerten Fasern der Stiitz- 
lamelle bezeichnet werden miissen. Und da diese Fasern selbst 
nicht muskuléser Natur sein kénnen, erhellt aus ihrem eigentiim- 
lichen Verlauf, aus ihrer vélligen Isoliertheit von Zellen so klar, 
daf aufer Korornerr, der sagt (9): ,,In diesem Sinne darf also 
das elastische Band als eine Muskelbildung figurieren‘‘, wohl nie- 
mand dieser Ansicht entgegentreten wird. 

Der Endfaden ist ebenfalls an Nesselzellen reich, die, wie im 
Knopf, elastischen Fasern (Fig. 54), d. h. Fasern, die von der 
Lamelle sich herleiten, aufsitzen. Die Kapseln gehéren der langen, 
schmalen Form (Fig. 32) an, welche die Hauptmasse des Nessel- 
polsters bildet. In diesem haften sie verkehrt, also mit dem Pol, 
durch den der Schlauch austritt, den elastischen Faden an, die 
grofen, ovalen Kapseln dagegen normal, nur etwas schrig geneigt 
(Fig. 53) am Polsterrand fixiert sind. Ich konstatierte stets 2 Fasern 
im Endfaden, die also, wie im Polster, Aquivalente der Lamelle 
sind; eine Verwechselung mit Muskeln ist hier ebensogut unmég- 
lich, wie dort, denn es finden sich solche, die denen des Knopfes 
vollig gleichen, neben ihnen vor. Man erkennt langsziehende, ge- 
streckte, zarte Faden, die vom Protoplasma umsponnen sind — 
diese eigentiimliche Lagerungsweise erklart sich jedenfalls aus der 
Abwesenheit einer soliden Stiitzlamelle. 

Unbestimmte Agalmide. Unter dem von der Station ge- 
lieferten Material an Siphonophoren befand sich auch ein Exemplar 
einer kleineren Form, welches ich leider konservierte, ohne es vorher 
naiher zu bestimmen, da ich es fiir eine Forskalea ansah. Wie ich 
spiter fand, unterschied es sich von dieser wesentlich auch nur in 
wenigen Stiicken, vor allem im Bau der Nesselknépfe; genau jedoch 
die Gattung zu ermitteln, der diese Art eingereiht werden muf, 
gelang mir weder nach den Zeichnungen von Nesselknépfen der 
alteren Werke von Leuckart (10) und K6OLLIKER (8), noch nach 
dem grofen HarcKen’schen Werke (18), oder den Arbeiten von 
Korornerr (9) und Cuun (3). Ich muf mich deshalb begniigen, 
erwaihnte Form als unbestimmte Agalmide anzufiihren; um jedoch 
eine Nachbestimmung zu erméglichen, werde ich in der Beschrei- 
bung der Knépfe so genau wie moglich sein. 

Der Nesselknopf (Fig. 40) stellt eine nicht allzu dicke, 
cylindrische Erweiterung des Fangfadens vor, die am freien Ende, 


392 Karl Camillo Schneider, 


sich verschmachtigend, abgerundet endet und einen kurzen End- 
faden tragt. Die peripheren Zellen sind grofblasig und polygonal 
umrissen; sie umhiillen das starke, anfangs dicht aufgerollte 
elastische Band und nach vorn zu die Anhaiufung der Nesselzellen, 
die gegen das Band zuriickgebogen ist. Es kommt hierdurch also 
eine Involucralbildung zustande, denn das Nesselpolster, welches 
wie bei Forskalea auf einer Schlinge des Bandes ruht, miBte ja 
eigentlich in dessen Verlingerung liegen. In dieser Hinsicht unter- 
scheidet sich der Knopf von denen aller anderen Siphonophoren, deren 
Beschreibung ich nachschlug. Ein sehr deutlicher Muskelstrang 
zieht an der gestreckteren Seite des Cylinders entlang und verliert 
sich vorn in einem dicken, kurzen, stark pigmentierten Wulst, der 
dem Ganzen anfsitzt und den Endfaden trigt. So leicht das bis 
jetzt Angefiihrte zu erkennen war, so schwer fiel die Spezialisierung 
der einzelnen Gewebe. Dies gilt vor allem fiir das Entoderm. Im 
Senkfaden stellt es einen diinnen Strang vor, der bei Beginn des 
Knopfes plétzlich stark anschwillt. Es bildet grofe Zellen, die 
aber dort, wo das elastische Band, dicht aufgerollt, anfangt, ver- 
schwinden. Daf es aufgehért haben sollte, schien mir der plétz- 
lichen Verdickung wegen wunwahrscheinlich; aber das_ solide, 
elastische Band zeigte in seiner Umgebung nur die grofSblasigen 
Zellen, die auch peripher lagen. Ks flel mir indessen auf, dafi eine 
fortlaufende Membran 2 Schichten unter ihnen sonderte. (In der 
Figur sind die Zellen auferhalb der Membran dunkler als die 
innerhalb gezeichnet.) Untersucht man nun die Ubergangsstelle 
der Lamelle in das Band genau, so kann man sehr miihsam er- 
kennen, dafi hier das Entoderm, das ja im Innern des Bandes 
nicht verbleiben kénnte, durch allerdings nicht sicher darzustellende 
Liicken austritt und das Band im Knopfe umgiebt. Ektoderm 
und Entoderm sind morphologisch also gleichartig beschaffen und, 
statt durch eine Stiitzlamelle, die ja als Angelband vom Entoderm 
umhiillt wird, nur durch eine diinnere, sekundire Membran ge- 
trennt. Das Entoderm ist mit seinen seitlichen Zellwandungen 
innig dem Band vereint, und man nimmt selbst am _ isolierten 
Band meist noch abgerissene Teile derselben war. Das Proto- 
plasma der Zellen (auch im Ektoderm) erscheint vollig in die 
dicken, festen Zellwinde umgewandelt; selbst am peripher gelege-— 
nen Kern ist kaum eine Spur noch nachzuweisen. Nach dem 
Nesselpolster zu verliert sich das Entoderm allmahlich im Um- 
kreis des elastischen Bandes; im Polster selbst ist es nicht mehr 
anzutreffen. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 393 


Das Angelband erscheint erst in enge Windungen zusammen- 
gelegt; diese werden jedoch lockerer, wobei sich das Band ver- 
dickt, und vor dem Polster ist es bei starker Verjiingung fast 
ganz gestreckt. Hier biegt es in das Polster um und teilt sich 
in zwei seitlich ziehende, starke Aste, die sich am Polsterende 
wieder vereinen. In ihrem Verlauf geben sie eine Menge diinner 
Seitenfaiden (Fig. 41) ab, die, ganz wie bei Forskalea, in dicht 
aneinander gepreften Windungen dahinziehen und die Nesselzellen 
tragen. Sie sind ebenfalls im Band bereits praformiert, wie die 
Figur lehrt, die letzteres etwas gelockert wiedergiebt; es zerfallt 
also auch hier die Lamelle der Senkfiden in eine Menge gleich- 
mafig starker, bald weniger, bald mehr, schlieSlich sogar sehr 
dicht gewundener Fasern, die véllig denen im Knopf der Forskalca 
gleichen. 

Hochst interessant ist aber vor allem die Ausbildung der 
Muskulatur; sie ist eine derart klare und durchsichtige, daf auch 
die Beobachtungen iiber die Muskelfaser bei Forskalea wesentlich 
dadurch gestiitzt werden. Wie dort, ist auch hier die Muskulatur 
einseitig gelagert, und zwar ebenfalls auf der dem Polster ent- 
gegengesetzten Seite. Im Ektoderm der weniger gekriimmten Langs- 
flache des Knopfes tritt sehr deutlich ein faseriger Strang hervor, 
der sich dem Senkfaden zu in zartere Faden auflést. Isoliert 
erkennt man diese als selbstandige Muskelzellen (Fig. 42) mit 
langlichem Kern und locker-fibrillirer Struktur. Jede Zelle be- 
steht aus zarten Langsfasern, die — wie es scheint, durch den 
Reagentieneinflu8 — leicht geschlangelt und wenig innig verbun- 
den dahinziehen und nur hie und da durch eine homogene Binde- 
masse fester vereint und regelmafiger geordnet, d. h. deutlich 
parallel gestreckt, erscheinen. Diese Zellen als andere denn mus- 
kulése Elemente aufzufassen, scheint mir durchaus unhaltbar, 
denn die geschilderte morphologische und strukturelle Ausbildung 
spricht unzweideutig fiir die eben gegebene Erklirung. Ganglien- 
zellen, die derart plump enden, habe ich nirgends gefunden, und 
noch andere Deutungen verbietet die ektodermale Lage. Was 
aus ihnen nach dem Eintritt in den terminalen dicken Wulst 
wird, konnte ich nicht feststellen, da mir eine selbst nur mafige 
Isolation der Elemente desselben nicht gelang. Ich kann von ihm 
nur angeben, da er stark pigmentierte Nesselzellen enthialt. 

Die Anordnung der Nesselzellen im Polster entspricht durch- 
aus der bei Forskalea beobachteten; es finden sich gleichfalls nor- 
mal befestigte, groBe, ovale und mit dem Vorderende angeheftete, 


394 Karl Camillo Schneider, 


kleinere, langliche Kapseln vor. Der Endfaden enthalt stark blasig 
vorgewolbte Gebilde und diirfte deshalb reich an Driisenzellen 
sein. Eine Isolierung seiner Bestandteile gelang mir jedoch nicht. 

Litteratur: Craus (4) halt die an den Septen der Stiitz- 
lamelle in den Senkfaden verlaufenden Lingsfasern, die ich als 
zu dieser direkt gehérig auffasse, fiir Muskelfibrillen; tiber die Be- 
schaffenheit des Bandes ist er zweifelhaft. Doch ist ihm aufge- 
fallen, dafi die Nesselzellen sowohl an Lamelle (d. h. der aus 
dieser hervorgegangenen Bandschlinge), wie an Muskeln angeheftet 
sein sollten. Nur das erscheint ihm sicher, daf das Band nicht 
entodermalen Ursprungs sein kann, denn Entoderm findet sich 
ja innerhalb der Spiralziige des Doppelbandes (siehe meine Fig. 
33). KOROTNFFF’s (9) Untersuchungen verbreiten sich iiber eine 
Menge verschiedener Siphonophorenarten; es wird hierdurch sehr 
erschwert, seine ohnehin nicht leicht verstandlichen Schilderungen, 
die sehr reich an Folgerungen sind, unter einander zu beurteilen 
und in ihren Beziehungen zu einander abzuschiitzen. Da CuHun 
(3) in seiner letzten Siphonophorenarbeit bereits eine Kritik der- 
selben bringt, so begniige ich mich damit, nur Weniges hervor- 
zuheben. Wie Ciaus halt auch Korornerr die Fasern, welche 
die Zellen des Polsters tragen, fiir muskulé6s — wie schon oben 
angefiihrt, faBt er ja sogar auch das elastische Band als Muskel- 
bildung auf, obgleich er dessen Zusammenhang mit der Stiitz- 
lamelle bei Abyla konstatiert —; ,,da die Muskelfibrillen des End- 
fadens (womit er die zwei elastischen Fasern, welche die Nessel- 
zellen tragen, meint) mit den Nesselkapseln ektodermal sind, so 
ist die entodermale Entstehung der Bandnesselorgane, welche zum 
elastischen Band gerade in dem gleichen Verhaltnis stehen, wie 
die des Endfadens, sehr plausibel.“‘ Fiir das Ektoderm bleibt am 
Knopf da allerdings, wie auch Caun hervorhebt, sehr wenig iibrig. 
Auch die Erklirung des Entladungsvorganges wird durch die eben 
skizzierten Betrachtungen hinfallig. Korornerr giebt ftir Fors- 
kalea ophiura an, dafi die zwei Schniire, in welche sich das Band 
teilt, ehe es in die Platte gelangt, sich spiralig umeinander win- 
den und dann die bekannte Schlinge bilden. ,,Bei der gréSten 
Anstrengung der Gebilde kénnen sich die Umbiegungen und die 
Spirale auseinanderwickeln — es ist also eine Reserve der kine- 
tischen Kraft.“ Ich muf gestehen, daf mir diese Folgerung mehr 
als gewagt erscheint; denn wenn das Band in der That kinetische 
Krafte in sich reserviert, also Spannkrafte enthalt, so ist doch 
eine Entfaltung dieser bei gréBter Anstrengung der Gebilde selbst 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 395 


nicht denkbar. Es ist indessen méglich, daf KoroTNerr in seiner 
Deutung des Bandes als Muskelbildung eine Erklarung hierfir 
fand; ich kann mich derselben jedoch, ebensowenig wie CHuN, 
anschliefen. Nach Cuun (3) hat jedoch das Band folgende Funk- 
tion; er giebt an, da’ ,nie ein Lockern der Serpentinwindungen 
zur Beobachtung gelangt‘‘, da vielmehr der ,,von elastischen 
Kriften ausgeiibte Zug‘t ein Zusammenziehen auseinandergedehnter 
Kriimmungen bewirke. ,,Das Angelband spielt die Rolle eines 
Accumulators: ein AbreiSen der Beute bei energischen Flucht- 
bewegungen wird verhiitet durch das Lockern der Schleifen, 
welche andererseits bei dem Nachlassen solcher Versuche sich 
wieder eng aneinanderlegen.‘* Ich schliefSe mich dieser Deutung 
vollig an; bei einem Zug am Bande wird in dieses Spannkraft 
eingefiihrt, die eine Riickkehr in die alte Lage bewirkt. Die Win- 
dungen miissen also priformierte, von allem Anfang an vorhanden 
gewesen sein, da sonst umgekehrt, bei Annahme einer Druckwir- 
kung auf das urspriinglich gestreckte Band, die Windungen sich 
von selbst auflésen miiSten. Bei den elastischen Faden jedoch 
scheint mir die gleiche Annahme nicht vertretbar, denn im End- 
faden haben sie einen fast gestreckten Verlauf. Es wird zu einer 
Entrollung der im Polster angehauften Faden kommen (bei der 
Zersprengung des Knopfes durch Kontraktion der Muskelfasern) 
und hierdurch die Wirkung der Nesselzellen auf gréSere Distanzen 
hin méglich werden. Von einer Thatigkeit der Fasern im Sinne 
des Bandes kinnte auch deshalb keine Rede sein, da die elasti- 
schen Fasern gar nicht dem Zug des Beutetieres ausgesetzt wer- 
den, wie dies fiir das Band gilt, welches durch die Anheftung des 
Endfadens an das Tier (durch die Abscheidung klebriger Sekrete) 
mit diesem in Verbindung tritt, sondern frei sich im Wasser verteilen. 


Forskalea contorta. Der Stamm besteht, wie be- 
kannt, aus einem von Entoderm ausgekleideten Centralkanal (der 
bei Forskalea ganz excentrisch liegt), aus einer dorsal aufer- 
ordentlich entwickelten, mit septalen Leisten besetzten, Stiitz- 
lamelle, an welcher die auf erst kraftige Muskulatur sich anheftet, 
und aus dem hochinteressanten Ektodermepithel. Da es mir nicht 
gelang, ersteres in seine Bestandteile zu zerlegen — denn durch 
die ganze Tiefe des Ektoderms und der Lamelle dringen die 
Reagentien nur sehr ungeniigend — so verzichtete ich auf eine 
nahere Untersuchung; vor allem zog mich auch das Studium des 
Ektoderms an, dessen Beschreibung durch Korotnerr (9) mir 


396 Karl Camillo Schneider, 


wenig gentigend erschien. In der That weichen meine Befunde 
von den seinigen auch sehr betrachtlich ab; ich werde deshalb 
die letzteren zuerst kurz skizzieren und dann die meinen folgen 
lassen. 

Das ektodermale Epithel besteht nach KoroTNEFF aus zwei 
Schichten; zu oberst finden sich spindelf6rmig verlingerte Zellen, 
deren faserformige Enden eine unter den Zellen liegende horizon- 
tale Schicht bilden, die vielleicht als quere Muskulatur aufzufassen 
ist; darunter bemerkt man eine unterbrochene Lage von konischen 
Zellen, die sich in lange, centripetale Ausliufer fortsetzen und 
mittels dieser an die starken Lingsmuskeln treten, deren Bild- 
nerinnen sie sind. KOrOTNEFF erkennt in diesen konischen Zel- 
len ,,Neuromuskelzellen‘, die an der ventralen Stammseite in 
Tastzellen tibergehen und dort ein starres Haar tragen. Es schie- 
nen also endlich die bis jetzt nirgends gefundenen, von KLEINEN- 
BERG postulierten Elemente nachgewiesen zu sein; als ich jedoch 
selbst nach den ,,unter dem Epithel gelegenen‘‘ Neuromuskel- 
zellen suchte, fand ich sie, wie ich erwartet hatte, nicht, wohl 
aber andere, hochinteressante Gebilde. Die zweierlei Zellen, 
welche KorotNerr unterscheidet, fallen nimlich in eins zusammen; 
es giebt nur eine Schicht Epithelzellen, und diese zeigen sowohl 
die peripher-horizontalen, wie die centripetalen Auslaiufer. Be- 
trachtet man ein Epithelstiick von oben, so erkennt man genau 
das, was KoroTnerr sagt (Fig. 43): schmale, langgezogene Ele- 
mente, deren Enden jedoch wohl nur am stark kontrahierten 
Tier, wie es selbst die beste Konservierung darbietet, in die Tiefe 
treten. Von der Seite gesehen geben die Zellen ein ganz anderes 
Bild (Fig. 44); zu dem schmiachtigen, von oben wahrgenommenen 
Teil tritt ein verschieden, aber meist viel stairker, entwickel- 
ter Kérper, der sich basal in wechselnd gestaltete Ausliufer ver- 
langert. Um die verschiedene Ausbildung des unteren Zellab- 
schnittes zu verstehen, muf man die septalartige Anordnung der 
Lamelle beriicksichtigen; wir werden dort die langsten basalen 
Fortsitze suchen miissen, wo die Muskulatur tief im Grund der 
Interseptalraume hinzieht. Daf die Fortsitze direkt mit den 
kontraktilen Baindern zusammenhingen, scheint mir nicht zweifel- 
haft, obgleich ich es nicht unzweideutig beobachten konnte; da 
jedoch eigene Muskelzellen nicht existieren, da ferner bei anderen 
Siphonophoren die Verbindung eine thatsiichlich nachweisbare ist 
(siehe ,,unbestimmte Agalmide“, weiter unten), so haben wir die 
Ektodermzellen wohl als Epithelmuskelzellen zu deuten, Je nach 


Einige histologische Befunde an Coelenteratcn. 397 


der stiirkeren Entwickelung des peripher oder tiefer gelegenen 
Teiles der Zellen liegt der Kern bald héher, wo er ling- 
lich, oder tiefer, wo er plumper gebildet erscheint. Die Formen 
der ganzen Zellen sind ganz aulerordentlich mannigfaltige; an 
den Seitenpartien des Stammes sind die peripheren Ausliufer 
fast immer gut ausgebildet (Fig. 44); letztere sind bald einfach 
und gleichmaSig begrenzt, bald teilen sie sich in der wechselnd- 
sten Weise (Fig. 45), bald gehen sie darin sogar so weit, dal sie 
der Zelle Formen verleihen, die diese einer Ganglienzelle tau- 
schend ahnlich erscheinen lassen (Fig. 46 und in Fig. 45 eine 
scharf markiert gezeichnete Zelle). Bei letzteren Gebilden man- 
geln centripetale Auslaufer haufig ganz; jedoch die stellenweise 
plumpe und unregelmaBige Ausbildung der horizontalen Fortsatze, 
vor allem aber die Zwischenformen, die von den gewdhnlichen 
Epithelzellen zu den ganglienzellibnlich gestalteten tiberleiten, 
Jassen eine Deutung dieser als nervése Gebilde nur schwach be- 
griindet erscheinen. An der dorsalen Seite imponiert das Epithel 
derartig geformt, wie KOROTNEFF es fiir seine Schicht der Neuro- 
muskelzellen schildert. Die Zellen sind von cylindrischer oder 
konischer Gestalt (Fig. 47), und es kommen (Fig. 48) die oberen 
Auslaufer fast ganz in Weegfall. Dafiir ist die Ausbildung der 
centripetalen Partien eine betrachtliche, und da dorsal die Septen 
der Lamelle schmaler erscheinen, so gehen die Fortsitze in ge- 
ringen Abstaénden zu gréferer Tiefe. Auch deren Form ist eben- 
sowenig, wie die der oben beschriebenen Auslaufer, eine kon- 
stante; es kommen sowohl einfache, wie mehrfach gespaltene 
vor. Ihr Protoplasma ist, wie auch das der mittleren Zell- 
partien, meist flichenartig abgeplattet; es ist dies am _ leben- 
den Objekt jedenfalls nicht oder in geringem Male der Fall, denn 
wir haben die starke Kontraktion des Stammes in der Langs- 
richtung, die eine Verlangerung und Abplattung der Elemente 
in der Querrichtung zur Folge haben mu, dafiir verantwortlich 
zu machen. 

In der Mitte der dorsalen Stammfliiche bemerkt man schon 
mit bloBem Auge eine dunkle Linie, die sich durch die Anwesenheit 
subepithelialer, riesiger Elemente ergiebt, die in einer Reihe an- 
geordnet sind. Korornerr (9) schildert sie als plump geformte 
Zellen, welche kurze, pseudopodienartige Fortsaitze an die Umgebung 
abgeben und erklart auf Grund dieser Befunde die Zellreihe als 
das Gehirn der Siphonophoren. Die Beobachtungen Korot- 
NEFF’s berechtigen zu diesem Schluf sicher nicht, indessen bin auch 


398 Karl Camillo Schneider, 


ich der Ansicht, da wir die Elemente der Reihe als nervése zu 
deuten haben, aber auf Grund von Isolationen dieser, die durch- 
aus andere Bilder lieferten, als KoroTNEFF sie darstellt. Fiir die 
genannte Autfassung spricht die Anwesenheit von zum Teil ganz 
auferordentlich langen Auslaéufern (lig. 50 [hier nur angedeutet] 
u. 51) und die dunkle, gelblich-braune Farbung, wie sie die Zellen 
durch die Einwirkung der Osmium-Essigsiure annehmen. Da- 
gegen ist aber Verschiedenes anzufiihren; so vor allem die plumpe 
wechselnde Form (Fig. 49) der einkernigen Elemente; der Zu- 
sammenhang aller in der Lingslinie der Reihe durch dicke Proto- 
plasmabriicken, und besonders die syncytienartige Ausbildung vie- 
ler Reihenglieder (Fig. 50). Ohne daf die geringste Spur von 
Zellgrenzen wahrgenommen werden kénnte, erscheint ein solches 
Glied als kompakte, in der Querrichtung des Stammes (Fig. 50) 
verlangerte Protoplasmamasse mit einer wechselnden Zahl an Ker- 
nen. Auch in den riesigen Ausliufern, die stets sehr scharf begrenzt 
und in dem Durchmesser wenig schwankend erscheinen, finden sich 
Kerne; es laft sich aber auch hier das Territorium der einzelnen 
Zellen nicht im geringsten feststellen. Das Ganze gleicht dem- 
nach einem ungeheuren Protoplasmastrang, der im steten Wechsel 
bald plumpe einzellige, bald noch plumpere vielkernige Anschwel- 
lungen darstellt, die durch derbe Briicken verbunden sind. Und 
von diesem Riesensyncytium strahlen nach rechts und links und 
unten kraftige Fortsitze, selbst mit Kernen versehen, aus, die 
den Stamm im Epithel umspinnen, sich spalten, zarte Aste ab- 
geben und jedenfalls mit anderen Elementen in Verbindung tre- 
ten. Konstatieren konnte ich diese nicht; je mehr sich jedoch 
die Ausliufer ausziehen und verschmachtigen, desto mehr vermin- 
dert sich die RegelmaSigkeit ihrer Begrenzung, und desto schwie- 
riger halt es, sie von den Fortsitzen der Epithelzellen, die ja 
auch bunt in allen Richtungen, besonders bei den ganglienzell- 
iuhnlichen Gebilden, ziehen, zu unterscheiden. Mit Sicherheit még- 
lich ist es tiberhaupt nur dann, wenn die Liinge des Gebildes sie 
als nicht zu Epithelzellen gehérig erweist. 

Ist man nun berechtigt, ein derartig ausgebildetes Zell- und 
Syncytialsystem als Centralstelle des Nervensystems zu bezeich- 
nen? Daf ein solches tiberhaupt vorhanden sein diirfte, legt 
allerdings die geradezu blitzschnelle Reiziibertragung tiber selbst 
sehr ausgedehnte Forskalea-Exemplare hin nahe. Bei Apolemia 
uvaria, Wo eine entsprechende Bildung, wie sie eben geschildert 
wurde, fehlt, beobachten wir auch nicht diese ruckartigen Ver- 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 399 


kiirzungen des Ganzen; hier erfolgen Kontraktionen des Stammes 
langsamer und gewohnlich nur lokal (bei grofen Exemplaren). 
In diesem physiologischen Befunde scheint mir in der That eine 
Gewiahrleistung fiir die Richtigkeit der oben von mir ausgespro- 
chenen Ansicht gegeben zu sein, und wenn wir es auch nicht mit 
einem Gehirn, wie Korornerr will, zu thun haben, so doch 
jedenfalls mit einer Vereinigung nervéser Elemente zu einer ftir 
blitzschnelle Reiziibermittelung geeigneten Leitbahn am Forskalea- 
stamme. 

Uber die starken Lingsmuskeln ist an dieser Stelle wenig 
zu sagen. Wie Craus (4) und Korotnerr (9) schildern, sind es 
gleichmabig breite, beiderseits spitz endende, diinne Binder, an 
deren schmalen Flachen und Spitzen meist Protoplasma ange- 
heftet ist, das jedenfalls den Zusammenhang der Bander unter- 
einander und mit den Epithelzellen vermittelt. Wie Fig. 52 zeigt, 
laft sich eine zarte Lingsstreifung der Muskeln, wenigstens meist, 
beobachten. 

Die Stiitzlamelle zeigt deutliche Fasersysteme, in denen Ciaus 
(4) ,,aus verdichteter Substanz der hyalinen Stiitzlage gebildete 
Fibrillenziige erkennt. Betrefls meiner Auffassung derselben ver- 
weise ich auf den zweiten Teil dieser Arbeit, in der ich den fein- 
sten Bau der hier beschriebenen und dort noch zu _ schildernden 
Gewebselemente als Hauptgegenstand der Untersuchung besonders 
hervorheben werde. 

Unbestimmte Agalmide. Anhangsweise gebe ich noch 
kurz meine Beobachtungen tiber den Stammbau dieser Siphono- 
phore wieder, der ein sehr einfacher, aber gerade deshalb 
sehr interessanter ist. Der Centralkanal bildet eine weite Réhre 
mit niedriger Umhiillung; die Stiitzlamelle bildet Septen von nur 
geringer Hohe. Das Ektodermepithel ist tiberall gleichartig be- 
schatien; man erkennt sowohl quer zum Stammverlanf als auch 
in die Tiefe ziehende Fortsitze, welch letztere in direktem Zu- 
Sammenhang mit den Lingsmuskeln stehen. Es ist dies hier eben- 
so leicht nachzuweisen, wie bei den Epithelmuskelzellen der Poly- 
pen z. B. Die Muskelbinder, wie die Stiitzlamelle, gleichen in 
der Beschaffenheit den von Forskalea beschriebenen, entsprechen- 
den Bildungen durchaus. 


Apolemia uvaria Escu. Die Ubergangsstelle von Ekto- 
derm in Entoderm an der Mundoffnung der Nahrpolypen 
zeigt Verhaltnisse im Bau, die von den im Entoderm der For- 


400 Karl Camillo Schneider, 


skaleapolypen gefundenen nur wenig abweichen. Man bemerkt 
Epithelmuskelzellen, Driisenzellen und Ganglienzellen wie dort; 
erstere besitzen eine dichtere Anordnung des Geriistes und sind 
deshalb leichter zu isolieren; die Driisenzellen lassen genau die 
gleiche, faserige Struktur, die gelb-braéunliche Farbung und nur 
eine geringe Anzahl von Koérnern, wie die der Forskalea, erkennen; 
die Ganglienzellen endlich entsprechen vollig den von den Hydro- 
iden sonst bekannten, nervésen Elementen. Fig. 53. stellt eine 
Muskelzelle mit drei Muskelfasern dar; letztere sind zart und 
rundlich und von Protoplasma eingehiillt, nur die basale Seite fin- 
det sich, wie wir schon bei Forskalea sahen, frei von Anhangseln, 
die zur festeren Vereinigung mit der Lamelle dienen kénnten. 
Das Zellgeriist ist gleichmafig engmaschig, der Kern grof mit 
eroBem Nucleolus. Eigentiimlich erscheint die abgerundete periphere 
Flache; wihrend hier andere Muskelzellen mit einer deutlichen 
Cuticula versehen sind, auf der sich ein Wald von Wimpern er- 
hebt, fehlt hier beides. Wir kénnen uns diesen Mangel jedenfalls 
durch das Ubergreifen des peripheren Zellteils samt der Cuticula 
an vielen anderen Zellen der gleichen Art erkliren; es gelangt 
so eine echte Epithelzelle zufallig unter die vorspringenden oberen 
Partien anderer, sie wird scheinbar subepithelial; ihre Beziehung 
zur Muskulatur, wie die sonstige formale und strukturelle Aus- 
bildung 1a8t jedoch den Gedanken, da wir es hier mit einer an- 
deren, abweichenden Zellart zu thun hatten, nicht aufkommen. — 
Neu zu den angefiihrten drei Klementen bemerken wir Nesselzellen, 
wie Fig. 55, und Sinneszellen, wie Fig. 54 sie darstellen. Bei 
ersteren erkennt man sehr gut das Ubergehen der inneren Kapsel- 
wandung in den Anfangsteil des Schlauches; auSerhalb der auferen 
Wand ist noch eine Membran vorhanden, die oben. tiber der 
Kapselifinung einen kegelférmigen, abgeschnittenen Aufsatz bil- 
det, von dessen Innenseite sich noch ein gleichmafig dicker 
Fortsatz erhebt. Basal geht die Membran bis an den grofen 
Kern, wo sie endet; sie ist jedenfalls ein Umwandlungsprodukt 
der sonst meist zu beobachtenden Protoplasmahiille. Der haar- 
artige Fortsatz, der oben von ihr entspringt, ist wohl als Cnidocil 
zu deuten. — Die Sinneszellen (Fig. 54) sind auferordentlich 
schmichtige, nur in der Kerngegend spindelartig verdickte Ele- 
mente, die basal in zarte Auslaéufer sich verlingern und mittels 
dieser, gleich den nervésen Fasern, sich auf den Muskeln ver- 
breiten. Sie tragen mehrere zarte Wimpern, die durchaus denen 
der Muskelzellen entsprechen. MHierin einen Beweis gegen ihre 


: 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. AOI 


Funktion als Sinneszellen zu sehen, halte ich fiir unberechtigt ; 
nur miissen wir sie als indifferente Sinneszellen, gewissermafen 
als Ganglienzellen, die bis an die Oberfliche reichen, auffassen. 
Es kommt zu keiner Spezialisierung des Reizes, wie dies z. B. 
bei Anwesenheit von Sehstaébchen oder Riechborsten statthatt ; 
sondern der Reiz wird nur in derselben Weise, wie von den um- 
gebenden Epithelzellen empfangen, vermége der formalen und 
strukturellen Ausbildung des Zellkérpers aber weit rascher fort- 
geleitet. Ftir die nervése Natur sprechen ferner noch verwandte 
Zellen, die als Ubergangselemente zu den Ganglienzellen gedeutet 
werden diirfen, da sie bei gleicher Kérperform, wie die Sinnes- 
zellen, unter der Peripherie spitz auslaufend enden. Gleiche, in 
die Tiefe sinkende Gebilde beschreiben auch die Gebriider 
Hertwie (5) und Ciaus (4); auch ich habe in meiner Arbeit 
tiber Hydra (13) entsprechende Zellen konstatiert. Sehr aufiallend 
ist in den Sinneszellen die Anwesenheit eines glinzenden, farb- 
losen Kornes von unregelmafigen Umrissen, das meist oberhalb 
des Kerns, diesem dicht anliegend, zu bemerken ist. Seine Be- 
deutung ist mir ratselhaft geblieben; Korotnerr (9) bemerkt 
aber dazu: ,,Die stark lichtbrechenden Kérper in Tastzellen die- 
nen wahrscheinlich als Lichtbrechungsmedien, um die Empfindung 
der Tastzellen zu verstairken.“ Vielleicht ist die Verbreitung die- 
ser Einlagerungen eine allgemeinere, denn Herr Dr. Bircer, 
mit dem ich in Neapel zusammenarbeitete, machte mich darauf 
aufmerksam, da er bei Nemertinen ganz Ahnliches beobachtet 
habe. 

Die Tasterspitze unterscheidet sich fast gar nicht von 
der der Polypen. In den Driisenzellen nimmt man hier eine 
grofie Menge von Sekretkérnern wahr; die Struktur ist sonst 
ganz dieselbe, wie die der oben beschriebenen Zellen. AuSer der 
plumpen Nesselzellart findet sich noch eine zweite, weit kleinere 
(Fig. 56), die einen zarten, gleichmaSig dicken, vielleicht mus- 
kulésen Stiel besitzt. Dieser beginnt an der Kapselwandung, zieht 
am Kern entlang, zeigt dann auf eine lingere Strecke fast gar 
keine Protoplasmabegleitung und endet unten in einer dreieckigen 
Platte, die von zarten Fasern der Lange nach durchzogen wird. 
Vielleicht hat sich der homogene, glinzende Stiel in diese aufge- 
lést und haftet mittels derselben der Stiitzlamelle an. In die 
Muskeln der Epithelzellen biegt er sicher nicht um, wie Cuun (2) 
will. — Einen Zusammenhang von Ganglienzellfortsitzen mit an- 

Bd. XXVII, N. F. XX, 26 


402 Karli Camillo Schneider, 


deren Elementen des Epithels, den CaHun (2) beobachtete, konnte 
ich nicht konstatieren, will ihn indessen nicht im geringsten be- 
streiten. 

Das Studium der Pneumatophore der Apolemia ist ein 
hochinteressantes, denn es macht uns mit einer abweichenden 
Ausbildung der ektodermalen Epithelzellen bekannt. Wie am 
Stamm der Forskalea erscheinen dieselben quer zur Lingsachse 
des Organs lang ausgezogen und bedingen so die Ringelung der 
Luftblase, die sich in die des Stammes fortsetzt. Man erkennt 
einen oberflachlich gelegenen, schmalen, scharf begrenzten Zellleib, 
der in der Mitte der Langserstreckung den ovalen Kern enthalt 
und sich der Tiefe zu in eine weniger scharf umrissene Proto- 
plasmalage fortsetzt (Fig. 57). An der Basis dieser finden sich 
zarte, gleichmafig dicke, homogene Fasern in gréferer Anzahl; 
sie ziehen simtlich parallel der Lingserstreckung der Zelle. Der 
Beschafienheit, wie der Lage an der Zellbasis nach, miissen wir 
in diesen Gebilden Muskelfasern erkennen, die also eine quere 
Muskelschicht im Ektoderm vorstellen wiirden. Ist nun der Nach- 
weis einer solchen im Ektoderm iiberhaupt tiberraschend, so mu 
er dies um so mehr sein, da das Ektoderm auch eine stark ent- 
wickelte Lingsmuskulatur besitzt, die sich vom Stamm auf die 
Pneumatophore fortsetzt. Letztere stellt insofern auch die nor- 
malerweise ausgebildete dar, indem die in grofer Menge vor- 
handenen Ganglienzellen auf ihr dahinziehen, wihrend umgekehrt 
die quere Muskelschicht auf jenen sich vorfindet. Es kann sich 
also nur um eine sekundire Entwickelung letzterer handeln, die 
vielleicht mit dem Mangel querziehender Muskeln im Entoderm in 
ein kausales Verhiltnis zu bringen ist. — Eigentiimliche Bilder ge- 
wihren die Kerne simtlicher Elemente der Pheumatophore und des 
Stammes tiberhaupt. Man nimmt nicht, wie sonst, ein meist gleich- 
mabig verteiltes Maschenwerk mit Chromatinkérnern und einem 
Nucleolus wahr, sondern bemerkt in der durchgehend gefarbten 
Kernmasse (Fig. 57) nur wenige, groBe Maschen des Geriists und 
das Chromatin in groBen, wechselnd geformten Brocken in diesen 
verteilt. Was die Ursache dieser ganz allgemein auftretenden 
Struktur ist, lie sich nicht ermitteh. — Uber die Anwesen- 
heit einer groSen Menge von Ganglienzellen ist yon CHun (2) 


und Korornerr (9) schon berichtet worden; ich gebe in Fig. — 
58 ein Ubersichtsbild ihrer Lagebeziehungen zu einander, wie ZU — 


den queren Muskelfasern. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 405 


Das Ektoderm der Luftflasche ist eine sehr flache Proto- 
plasmalage (Fig. 60), in der grofe, lichte Kerne eingebettet sind. 
Sie erscheint sehr deutlich quer gefasert; indessen diese parallel 
und gestreckt ziehenden Fibrillen sind so zarter Natur, daf sie 
nicht als Muskelfiden gedeutet werden kénnen. Line chitinige 
Luftflasche wird, wie bekannt, von diesem Epithel nicht abge- 
schieden. 

Im entgegengesetzten Sinne verlaufend erscheint in den bei- 
den Schichten des Entoderms, welche die Fortsetzung des Stamm- 
centralkanales auskleiden, ebenfalls eine deutliche Faserung des 
Protoplasmas der einzelnen Zellen ausgebildet, die jedoch auch zu 
zart ist, um als Muskulatur gelten zu kénnen. Die Fasern ziehen 
parallel der Lingsachse der Zellen und der Pheumatophore, wie es 
in Fig. 59 zu erkennen ist. Die Kerne sind lang gestreckt und 
sehr gro; im Protoplasma finden sich eine Menge kleiner Kérner, 
welche durchaus an die in den Kpithelmuskelzellen des Polypen- 
entoderms der Forskalea contorta beobachteten erinnern. Die 
Lage der Korner im Entoderm mu die Frage anregen, ob wir 
sie nicht in Beziehung zu den Ernihrungsvorgingen zu _bringen 
haben. Ganz ahnliche Gebilde finden sich aber auch in Ekto- 
derm- und Mesodermzellen bei Anthozoen, wie im zweiten Teil 
der Arbeit berichtet werden wird. 

Selten bemerkt man wohl Faserungen in den Stiitzlamellen 
so deutlich ausgepragt, als hier in der Pneumatophore. Betrach- 
ten wir die Lamelle der Luftflasche von der ektodermalen Seite, 
so sehen wir Fasern feinster Art in parallelem Verlauf entspre- 
chend den Fibrillen des Protoplasmaiiberzuges dahinziehen. Von 
der entodermalen Seite jedoch gesehen treten Fasern hervyor, 
die zu den geschilderten unter rechtem Winkel verlaufen; es 
sind also zwei sich kreuzende Fasersysteme in der Lamelle ent- 
wickelt, die in Fig. 60 an der Stelle, wo das Protoplasma von 
der Unterlage entfernt ist, sichtbar werden. Als Faltungen oder 
Runzelungen der Lamelle sind diese zarten Ziige sicher nicht an- 
zusehen; dem widerspricht vor allem das Vorhandensein zweier 
verschieden laufender Systeme; ich bin vielmehr der Ansicht, da, 
da die Lamellen Abscheidungsprodukte der Epithelien sind, diese 
auch einen Teil ihrer Geriistmasse in jene eingesenkt haben, wel- 
cher sich dann in der geschilderten Weise anordnete. 

Am Stamm der Apolemia begegneten wir ganz ahnlich ge- 
formten Elementen, wie bei Forskalea, nur sind die Grdéfen- 
Yerhaltnisse hier bedeutendere. Vor allem die centripetalen Fort- 

26* 


404 Karl Camillo Schneider, 


satze der Epithelmuskelzellen erreichen Dimensionen, die in Er- 
staunen setzen. Peripher finden sich die gleichen, quer zur 
Stammachse verlaufenden Verlingerungen der Zellkérper, wie bei 
Forskalea; sie sind entweder ungeteilt oder spalten sich wie dort 
in der mannigfachsten Weise. Andere Zellen lassen sie wieder 
fast ganz vermissen. Fig. 61 stellt einen Haufen von Epithelzellen 
dar, deren eine nach oben, und eine nach unten umgeschlagen 
sind. Von peripheren Auslaufern sieht man hier wenig; nur die 
nach unten hertibergebogene Zelle zeigt 3 solche, die durch 
ihre schmachtige Form das Ganze als Ganglienzelle erscheinen 
lassen. Zuerst glaubte ich auch dies Element als ein nervéses 
deuten zu miissen, und brachte es in Beziehung zu den 2 
Wimpern, die auf der Peripherielinie des Zellhaufens zu gewahren 
sind. Ks stellte sich aber heraus, da’ diese Wimpern gar nicht 
dem dort verlaufenden Fortsatz erwihnter Zelle, sondern einer 
daneben liegenden angehéren, und da ferner der Fortsatz dort 
gar nicht endet, sondern peripher weiter zieht, daf tiberhaupt die 
ganze Zelle als peripher gelagert zu denken ist. Wir sehen in ihr 
also wieder ein solch absonderliches Gebilde, wie wir sie bei Fors- 
kalea schon konstatierten; von Bedeutung ist es aber, dab, wie 
es mir bestimmt nachzuweisen gelang, viele derselben hier bei 
Apolemia eine durchaus subepitheliale Lagerung einnehmen. Eine 
derartige Zelle ist in Fig. 62 wiedergegeben; so wenig scharf 
und regelmafig auch deren Begrenzungslinien verlaufen, so ist 
doch in der Ausbildung der Auslaufer und deren Verteilung nach 
den verschiedensten Richtungen hin eine gro8e Ubereinstimmung 
mit den Ganglienzellen der Hydroiden gegeben. Da auferdem ein 
Centralsystem, wie bei Forskalea, und andere Elemente, die eher 
als nervése zu deuten waren, véllig mangeln, so scheint mir doch 
die Auffassung jener als wirkliche Ganglienzellen nicht unberech- 
tigt, denn wir diirfen wohl kaum annehmen, daf der Apolemia- 
stamm trotz der weniger geschwinden Reiziibertragung, als bei 
Forskalea, ganz der nervésen Zellen entbehren sollte. Schwer- 
wiegend dagegen spricht allerdings, da zwischen den als Gan- 
glienzellen anzusprechenden Gebilden und den gewohnlichen © 
Epithelzellen ein scharfer Unterschied nicht zu machen ist; es 
finden sich Zwischenformen der mannigfaltigsten Art, die indessen — 
vielleicht auch als Ubergangsglieder der letzteren Zellart in die 
erstere betrachtet werden kénnten. 

Hochst seltsam ist die strukturelle Ausbildung vieler, wohl der 


meisten Epithelzellen, die wohl ohne Analogon dasteht. Wie wir 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 405 


bei den entsprechenden Zellen der Pneumatophore zweierlei Muskel- 
bildungen zum Epithel in Beziehung bringen muBten, so auch hier; 
die neben den Langsbandern vorkommenden kontraktilen Elemente 
sind aber véllig anders angeordnet und ausgebildet als die der 
Pneumatophore. Es war mir sogleich bei Beginn meiner Unter- 
suchungen am Apolemiastamm aufgefallen, daf sich eine Menge 
rundlicher, kernloser Gebilde vorfanden, die ein sehr homogenes 
Aussehen zeigten. Da beobachtete ich die in Fig. 62 ge- 
zeichneten Zellen und wurde hierdurch rasch tiber den fraglichen 
Punkt aufgeklart. Die dichten, rundlichen Klumpen, die sich 
isoliert umhertrieben, stellten sich als stark kontrahierte Fibrillen- 
ziige heraus, die im Protoplasma der Epithelzellen dahinziehen, 
durch die plétzliche, tibermifige Verkiirzung aber nach aufen 
gelangten, sich losrissen. Ein Fibrillenzug, deren es in vielen 
Zellen mehrere giebt, besteht, wie Fig. 62 lehrt, aus einer grofen 
Anzahl dicht aneinander gelagerter, sehr zarter, gestreckter Fasern, 
zwischen denen eine sich licht-rosa farbende Bindemasse wahrnehnn- 
bar ist, welche zumeist die deutliche Abhebung jener vom umgeben- 
den Protoplasma bewirkt. Denn auch dies zeigt zarte, lings — also 
parallel — zur Zell- oder Fortsatzachse ziehende Fasern, die hier 
aber von gleich zarten, geschlingelt verlaufenden, anderen Faden 
des Geriistes durchflochten werden und jedenfalls als ebensolche, 
aber gestreckte, Geriistlinen anzusehen sind. Aus Fig. 62 kénnen 
wir weiterhin das Zustandekommen der beschriebenen Klumpen 
erschliefen; wir sehen Fibrillenziige, die eine Verkiirzung nicht 
bemerken lassen; dann solche, die noch normalerweise im Proto- 
plasma liegen, aber schon sichtlich verkiirzt sind, und endlich 
die dichten Knauel mit umgebendem, fortgerissenen Protoplasma. 

Diese Muskelbildungen sind nicht allein auf die centripetalen 
Auslaiufer und den Zellkérper beschriénkt, sondern sind auch in 
den peripheren Fortsitzen anzutrefien, so daf allerdings eine Art 
quere Muskulatur, wie bei den Zellen der Pneumatophore, zu- 
stande kommt. Charakteristisch fiir die Fibrillenziige ist die 
Deutlichkeit, mit der man in ihnen die einzelnen kontraktilen, 
feinsten Fasern erkennt, und die intraprotoplasmatische Lage. 
Wo sie mit der AuSenwelt in Beriihrung scheinen, ist sicher die 
vorhanden gewesene Protoplasmahiille durch mechanische Eingriffe 
entfernt worden. 

Im iibrigen ist vom Stamm der Apolemia nichts Besonderes 
weiter anzufiihren. Sowohl die starken Langsmuskeln, wie die 
Stiitzlamelle zeigen Verhaltnisse, die vollstandig den bei Forskalea 


406 Karl Camillo Schneider, 


geschilderten gleichen; nur ist der Zusammenhang der Muskeln 
mit der Lamelle hier ein sehr ziher, so da’ die Isolation ersterer 
nicht leicht gelingt. 

Nach KorornerF (9) sind die Epithelzellen echte Neuromuskel- 
zellen in gleich subepithelialer Lagerung, wie bei Forskalea. Von 
den inneren Muskelbildungen erwahnt er nichts, dagegen beschreibt 
er auch hier den Zusammenhang von Epithelzellen und Langs- 
muskeln. In der dorsalen Medianlinie fehlen die Riesenzellen, 
dagegen tritt hier eine Langsvertiefung auf, die von gréferen 
Epithelzellen umkleidet ist und vielleicht ein Homologon der 
Nervenrinne der Gliedertiere vorstellt (?). Auf diese Zellen 
stiitzt sich Korornerr bei seiner phylogenetischen Ableitung der 
Riesenzellen. Die Ausbildung der grofen Zellkérperdimensionen 
erklart er durch mechanische Prinzipien. Die langen basalen 
Fortsatze der konischen Zellen werden eingezogen und bilden 
schlieBlich nur noch die kurzen, pseudopodienartigen Auslaufer, 
die er von Forskalea beschreibt. Durch Abschlufi der Rinne 
geraten die Neuromuskelzellen (die doch nach ihm schon in der 
Tiefe lagen) in die Tiefe, wo sie das Centralnervensystem dar- 
stellen. Ich gehe hier auch auf die Befunde KoroTNEFF’s an 
anderen Siphonophoren der Vollstandigkeit wegen ein, da sonst 
manche seiner Folgerungen nicht gentigend beurteilt werden kénnen. 
Bei Halistemma rubrum fand er gleichfalls subepitheliale, conische 
Zellen mit einem oder mehreren basalen Ausliiufern, die an die 
Muskelsepten treten und stark lichtbrechend erscheinen. (Vielleicht 
finden sich hier éhnliche muskulése Bildungen, wie in den ent- 
sprechenden Zellen der Apolemia; Korotnerr kommt aber zu 
dem Schluf, daf sie nicht als muskulés zu bezeichnen sind, es 
wiirde dies ja auch die Deutung der Zelle als Neuromuskelzelle 
nicht gestatten.) Von Forskalea ophiura werden neben den Neuro- 
muskelzellen auch Tastzellen beschrieben, die lateral, der ventralen 
Seite genihert, sich vorfinden sollen. Die Bezeichnung: Tastzelle, 
erhalten die hier gelegenen Elemente, weil sie ein Tasthaar tragen — 
sollen! Was man an der gezeichneten Zelle. am peripheren Ende 
wahrnimmt, ist aber kein Haar, sondern ein mechanisch stark 
beeinfluBtes Zellende, das fiir gar nichts beweisend ist. Ich habe 
in der angegebenen Gegend auch durchaus keine anders beschaffnen 
Elemente, als weiter nach der dorsalen Fliche zu, gefunden. 
Korornerr giebt von diesen Tastzellen ebenfalls an, daf sie mit 
den Langsmuskeln in Zusammenhang stehen. Physophora enthalt 
einfache Neuromuskelzellen und kolbenformige Tastzellen, welch ; 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 407 


letztere die gleichen basalen Fortsatze besitzen, wie jene, peripher 
sich aber diinner ausziehen und feine Wimpern tragen. Bei einer 
jungen Halistemma wird auf die Ausbildung der Neuromuskelzellen 
und des Gehirns ontogenetisches Licht geworfen. Die Zellen tiber 
den Muskelsepten sind flach, die zwischen jenen konisch verlaingert ; 
letztere sinken in die Tiefe und werden die Neuromuskelzellen (!). 
Ebenso entsteht das Gehirn, vielleicht aber auch durch Vermehrung 
der bedeckenden Epithelmuskelzellen (ein Sinken in die Tiefe mul 
doch aber auch erfolgen!). ,,Auf diese Weise haben wir auf onto- 
genetischem Wege Prinzipien gewonnen, die wir nun auch phylo- 
genetisch stiitzen kénnen.‘* Bei Praya diphyes giebt es nur gleich- 
artige Epithelmuskelzellen, die keine basalen Auslaufer entwickeln, 
unten aber ein gemeinschaftliches Plasmanetz um die Muskel- 
fibrillen haben. Bei Praya maxima treten jene auf und bei 
Apolemia entsteht die Nervenrinne, die sich bei Halistemma und 
Forskalea dann geschlossen hat. Bei Rhizophysa fehlt das Gehirn, 
doch finden sich hier zwischen den Muskelsepten in der Tiefe 
liegende Zellen, die durch Teilung von den Epithelzellen sich ent- 
wickeln und in unmittelbarer Beziehung zu den Muskelfasern 
stehen. Es sind Neuromuskelzellen, ,,deren morphologische Nerven- 
natur vor ihrer Bedeutung als Muskeln zuriicktritt“(!). ,,Obschon 
die Entstehung dieser Zellen sich an die bei Halistemma anschliebt, 
so sind doch jene mehr mesoblastischen, diese nervésen Elementen 
homolog.“S (Erstere werden aber doch tiber der Lamelle liegend 
gezeichnet!) Auch Physophora hat in der Tiefe liegende Zellen 
= Mesodermzellen, die denen von Rhizophysa_ entsprechen 
(KororNerr zeichnet sie nicht). Weiter wird ausgefiihrt, daf 
Physophora in der Beschaffenheit des Epithels mit Apolemia tiber- 
einstimme, letzteres nur primitiver sei; denn ,,bei Physophora 
sehen wir erstens ein Mesoderm ausgebildet (!), und zweitens haben 
die auferen Ektodermzellen eine spezifische Form bekommen: 
in beiden Fallen miissen wir die 4uferen Ektodermzellen als Neuro- 
muskelzellen ansehen und zwar sind die kolbigen mehr sensibel.“ 
— Es halt schwer, in diesen Angaben den von KoroTNEFF hinein- 
gelegten Sinn zu finden. Wahrend also bei Apolemia und Forskalea 
die ,,Neuromuskelzellen“ von einem flachen Epithel (das mit den 
Langsmuskeln nichts zu thun hat — in Wirklichkeit fehlt es ja 
ganz! —) tiberdeckt sind, werden die Elemente des lezteren bei 
Physophora ebenfalls zu solchen, nur sind sie nicht so sensibel 
wie die kolbigen! Die sie darstellende Figur (Fig. 14, Taf. 14) 
zeigt ein Element, ganz entsprechend denen, wie ich sie zeichne; 


408 K. ©. Schneider, Histolog. Befunde an Coelenteraten. 


oben 2 periphere und unten 1 centripetaler Fortsatz; eine 
ganz gleiche Zelle wird auch fiir Forskalea mit abgebildet, im 
Text jedoch keine Riicksicht darauf genommen, denn das wiirde 
ja nicht zu den Neuromuskelzellen passen. Meiner Ansicht nach 
geht aus alledem hervor, daf KoroTnerr in den Folgerungen, 
die er auf Einzelbefunde auch vollig ungentigender Art begriin- 
dete — man sehe die Tastzelle von Forskalea, Fig. 27, Taf. 
15 — vielfach sich irrte, und dal, wenn auch manches trotz 
der mangelhaften Begriindung richtig erscheint, eine viel um- 
fangreichere und sicherere Beobachtungsbasis dafiir gewonnen 
werden muff. Auch ich nehme an, daf die Riesenzellen von 
Epithelmuskelzellen abzuleiten sind — wie ja bei Apolemia die 
Umbildung von letzteren in Ganglienzellen mir sehr wahrscheinlich 
erscheint —; ob aber eine Phylogenie der Species sich auf die 
hierfiir sprechenden Erscheinungen bauen laft — von Praya 
diphyes tiber Pr. maxima zu Apolemia, Rhizophysa, Physophora 
und schlieflich zu Halistemma und Forskalea —, erscheint mir 
stark zweifelhaft. Die einzelnen Elemente der Gewebe und diese 
selbst variieren bei den Siphonophoren so sehr, daf} es durchaus 
nicht gestattet ist, rasche Schliisse auf die Verwandtschaft der 
verschiedenen Erscheinungen untereinander zu machen. So kann 
das Forskaleagehirn (!) eine von der Nervenrinne (!) der Apolemia 
und den sogenannten mesodermalen Zeilen der Physophora und 
den rein nervésen der Rhizophysa durchaus unabhangige Bildung 
sein; jedenfalls konnen hieriiber aber nur ganz genaue und um- 
fassende Untersuchungen entscheiden. 


ZAweiter Teil. 


Forskalea contorta LEUCK. 


Die quergestreiften Muskeln in der Subumbrella (Schwimm- 
sack) der Schwimmeglocken stellen ziemlich breite, diinne 
Bander vor, welche mit der Kante der Stiitzlamelle aufsitzen. 
Man bemerkt in ihrem Verlaufe keine Kerne; ihre Bildnerinnen 
sind also die Epithelzellen. Es lift sich aber weder feststellen, 
wie beider gegenseitiges Zahlenverhaltnis ist, noch gelingt es, sie 
im Zusammenhang zu isolieren. Das Wesen der Querstreifung der 
Bander zu ermitteln, ist nicht leicht; am besten geben abge- 
sprengte Fasern oder spitz zulaufende Enden dariiber Auskunft. 
An solchen (Fig. 1) nimmt man wahr, wie dickere Stellen der 
Faden héchst regelmafig mit diimneren abwechseln: das Ganze 
ist also von perlschnurartiger Beschaffenheit. Der Lichtkontrast, 
wie er sich aus der ungleichen Beleuchtung der verschieden dicken 
Abschnitte ergiebt, lift die Fasern und Bander quergestreift er- 
scheinen. Hebt oder senkt man den Tubus, so sieht man die 
vorher dunklen Querlinien (die gleichmafig tiber die ganze 
Muskelschicht hinziehen) hell und umgekehrt die erst hellen dun- 
kel. Auch an den breiten Bandern (Fig. 1) kommt die perlschnur- 
artige Substanzverteilung zum Ausdruck, denn man sieht die Rander 
entsprechend den Verdickungen deutlich ausgebuchtet. Es frug sich 
nun, ob diese eigentiimliche formale Beschaffenheit Hand in Hand 
gehe, oder vielleicht beruhe auf einer Verschiedenheit der Substanz 
der einzelnen Abschnitte, ober ob dieselbe Substanz nur in verschie- 
dener Ausbildung vorliege. In dem Verhalten zu Farbstoffen fand 
ich keinen Unterschied der diinnen und dickeren Stellen. Es labt 
sich aber an abgesprengten Fasern sogar beobachten, wie beide 


410 Karl Camillo Schneider, 


direkt ineinander tibergehen, so da der Muskel dann vdllig einer 
elatten Faser gleicht. Da dies Verhalten indessen an entspre- 
chenden Faden der Subumbrella von Pelagia und Carmarina 
weit deutlicher zu konstatieren ist, so gehe ich erst dort 
niher darauf ein. Von den Bandern der Forskalea ist nur noch 
anzugeben, daf sie, quer zur Langserstrekung, im Bereich der 
substanzirmeren Abschnitte leicht zerreiBen kénnen; weiterhin, 
da auch Zerfaserungen der Lange des Bandes nach oft zur Be- 
obachtung gelangen. Besonders die Randpartien lésen sich leicht 
ab; sie unterscheiden sich von den mittleren Teilen durch etwas 
intensiveren Glanz und erscheinen substanzreicher als diese. Es 
gilt dies aber nicht iiberall, denn dort, wo die Fliche des Bandes 
eine schmalere wird (siche die Fig. 1), sind Differenzen im op- 
tischen Verhalten nicht mehr wahrnehmbar. 

Krwahnt werden die quergestreiften Muskeln von allen Auto- 
ren; tiber die spezifische Struktur der Bander finde ich jedoch, 
auch bei den neueren (CiAus, 8, Korornerr, 19), nichts im 
Sinne der von mir gegebenen Erklarung gesagt. Sehr in Erstau- 
nen setzte mich aber der Cuaus’sche Satz, der allerdings fir 
Halistemma tergestinum gilt: ,,Bei genauerer Untersuchung aber 
zeigt es sich, daf sie (die Binder) aus kiirzeren ineinander ver- 
flochtenen Spindelfasern bestehen.‘‘ Vielleicht liegt die Ursache 
zu dieser Angabe in der zuletzt von mir geschilderten verschie- 
denartigen Beschaffenheit der Bander in der Lingserstreckung. 
Von einer Durchflechtung kiirzerer Spindelfasern kann aber, mei- 
ner Ansicht nach, nicht die Rede sein. 

In der Gallerte der Schwimmglocken lassen sich keine stru- 
ierten Elemente nachweisen. Nur auf der Oberflache konnte ich 
unter dem auferordentlich flachen Plattenepithel 6fters eine sehr 
zarte Streifung wahrnehmen, die jedenfalls der Ausdruck einer 
sehr diinnen, faserigen Stiitzlamelle ist, welche die homogene 
Gallerte abschlief&t. In gleicher Weise erscheint auch das Epithel 
stellenweis gefasert (es entspricht dies ganz den Verhdaltnissen 
von Epithel und Lamelle im Ektoderm uud Entoderm der Luft- 
flasche der Apolemia-Pneumatophore); beide Fasersysteme sind 
meist sicher, aber schwierig zu unterscheiden; hin und wieder 
jedoch ist eine Auseinanderhaltung ganz unméglich. Es scheint 
alsdann das Epithel véllig verschwunden oder, wie es weit klarer 
bei Apolemia zu konstatieren war, in die Lamelle einbezogen zu sein. 
Hier nimmt man unmittelbar wahr, wie die Epithelfasern direkt 
in die der Lamelle tibergehen; das Epithel fehlt dann streckenweis 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 41] 


villig und entwickclt sich allmahlich wieder, indem es_ sich 
von der Unterlage abhebt. Es laft sich schon daraus mit grofer 
Wahrscheinlichkeit folgern, da8 die Lamellenfasern tiberhaupt yom 
Epithel geliefert werden, also als im Protoplasma_ priformierte 
aufzufassen sind. Siehe hierzu vor allem bei Carmarina. 


Velella spirans Escu. 


Figur 2 giebt ein Bild von der Anordnung der Gewebe in 
der Gegend des Scheibenrandes. Das obere Ektoderm- 
epithel ist gelockert (durch die Mazeration); es besteht aus bald 
flacheren, bald gestreckteren pigmenthaltigen Zellen, welche Fort- 
siitze in die Gallerte senden und mittels dieser in Beziehung zum 
Entoderm treten. Dieses stellt sich als ein kompliziertes Netz- 
werk sich veriistelnder Réhren dar, welche in den verschiedensten 
Richtungen in der Gallerte hinziehen und, dem Ektoderm zu, 
feine Ausliufer aussenden. Eine Stiitzlamelle lief sich zwischen 
Gallerte und oberem Ektoderm nicht konstatieren; sie ist vielleicht 
zwischen jener und dem unteren Ektoderm vorhanden, da hier die 
Zellen glatte Muskelfasern besitzen. Ganglienzellen sind in beiden 
Epithelien in grofer Menge anzutreffen; sie geben sehr deutliche 
Bilder ihrer Struktur. Ich werde diese so genau als méglich 
schildern und hierbei auch auf die strukturellen Verhaltnisse 
anderer, im ersten Teil dieser Arbeit schon erwahnter nervéser 
Zellen niher eingehen. 

Es fallt sofort auf, da8 in den Ganglienzellfortsitzen (Fig. 3, 
4u.5) nur Fasern sich finden, die im grofen ganzen parallel zu 
den Umrissen jener verlaufen. Von einer maschenartigen An- 
ordnung gewundener Faden, wie sie im Geriist indifferenter Zellen 
nachweisbar ist, zeigt sich nicht das Geringste; nur hie und da 
(Fig. 4) ist der Verlauf der Linen mehr geschlingelt als im all- 
gemeinen (Fig. 3). Gehen diinnere Auslaufer von den starkeren 
ab, so biegt ein Teil der Fibrillen in diese ein, und zwar von 
beiden Seiten her, oder, besser gesagt: die in dem feineren Fort- 
satz enthaltenen Faden strahlen nach rechts und links in den 
starkeren aus. Am Centrum der Zelle, in der Gegend des Kerns, 
kommt es daher- zu einem Austausch der Geriistbalken aller, hier 
sich vereinigenden, Auslaiufer untereinander; der Zellkérper wird 
also, bei Anwesenheit mehrerer Fortsatze (Fig. 5), in den ver- 
schiedensten Richtungen von Fibrillen durchsetzt; von einem Fort- 


412 Karl Camillo Schneider, 


satz ziehen Linen zu jedem anderen. Bei Anwesenheit von nur 
2 Auslaufern jedoch gleicht die Kerngegend jedem anderen 
Teil eines Fortsatzstranges; die Faden desselben ziehen in der 
Richtung, die sie innehatten, am Kern voriiber und vereinigen 
sich dann wieder, wie erst. In den genannten Figuren habe ich 
dies nicht dargestellt, sondern die Protoplasmafasern im Umkreis 
des Kerns weggelassen, um dessen Struktur zeigen zu kénnen. 
Diese ist im Gegensatz zu der so abweichenden des Protoplasmas 
vollig gleich jener, von den indifferenten Zellen geschilderten (wo 
sie mit der der ganzen Zelle tibereinstimmt); das Kerngeriist ist also 
an den Strukturveranderungen, die zweifellos zur Bildung der be- 
schriebenen Ganglienzellen fiihren, véllig unbeteiligt. Wenn jene in 
bestimmtem Verhaltnis zur Funktion der nervésen Elemente stehen, 
so wahrt hingegen die Kernstruktur ihre Ausbildung, die, wie 
wir fanden, fiir die Thatigkeit der Chromatinkérner, also fiir die 
Ernahrung der Zelle, vorteilhaft erschien. 

Es zeigt sich aber noch mehr Auffallendes in der Protoplasma- 
struktur der Ganglienzellen. Auer sehr zarten Fibrillen, die wir 
als einfache Linen auffassen kénnen, finden sich auch starkere, 
wie besonders in Fig. 5. Die Zellen erhalten hierdurch ein Aus- 
sehen, welches von dem der nervésen Elemente der Medusen 
wesentlich abweicht; die kraftigeren Faden sind meist auf die 
Mitte der Auslaufer beschrankt, treten aber sowohl in den dicken 
als selbst in sehr feinen auf. Da sie jedoch z. B. in dem Fortsatz, 
den Figur 4 darstellt, fast ganz mangeln, so ist zu bedenken, ob 
ihre Anwesenheit nicht eine anormale, durch Reagentienwirkung 
bedingte, ist. Ihre Genese diirfen wir uns jedenfalls derart erklaren, 
daf Linen sich zu solch groben Balken vereinigen (wohl verkleben) ; 
wie wir sehen werden, kommen solche Verkittungen zu ,,Polylinen“ 
vielfach normalerweise im Protoplasma vor; immerhin kénnte fir 
diesen speziellen Fall ja auch die Einwirkung der Osmium-Essig- 
siure verantwortlich gemacht werden. Hierfiir spricht auch eine 
vergleichende Betrachtung der Auslaufer in Fig. 4 und 3. In 
ersterer fiillt die gleichmafig zarte Geriistsubstanz (wenigstens in 
dem dicken Fortsatz) den Auslaiufer vollig aus, wahrend in letzterer 
die Fasern fast ganz auf die mittleren Partieen beschrankt 
erscheinen. Man nimmt deutlich die Grenze des Fortsatzes als 
zarte Linie, die vielleicht Ausdruck einer Membran ist, wahr; 
zwischen dieser und der Achse ist stellenweis keine Fibrille zu 
erkennen. Auch die hoéchst unregelmafige Formbegrenzung 
der Figur 5, in welcher die Fortsitze hie und da sich zerfasern 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 413 


und scharfe Konturen tiberhaupt mangeln, kann als Beweis der 
Anormalitaét angefiihrt werden. 

Wesentlich abweichend von diesen Elementen sind die Ganglien- 
zellen der Forskalea und Apolemia struiert. Ich bin im ersten 
Teil der Arbeit auf eine Strukturschilderung derselben nicht ein- 
gegangen, sondern habe sie mir fiir den zweiten Teil aufgespart, 
um den Stoff des Ganzen nicht zu sehr zu zerreifen und das 
Zusammengehirige (die Strukturschilderungen) der vergleichenden 
Lektiire im Zusammenhang darzubieten. Eine vollstandige Ver- 
kniipfung der verschiedenen Beobachtungen tiber dieselben Elemente 
auch bei den iibrigen hier zur Schilderung kommenden Coelenteraten 
verbot sich aber aus dem Grunde, daf auch noch einige organo- 
logische Befunde in diesem zweiten Teil der Arbeit zur Be- 
sprechung gelangen. 

Die Ganglienzellen im Ektoderm der Pneumatophore 
von Apolemia sind auferordentlich regelmabig geformt (Fig. 6). 
Die Fortsaitze zeigen durchgehend scharfe Umrisse und eine sehr 
gleichmaBige Anordnung des Geriistes, die allerdings von der bei 
Velella beschriebenen wesentlich verschieden ist. Man erkennt 
langsverlaufende, gestreckte Fasern und andere, beliebig gewundene, 
welche jene durchflechten, so dafi sich ein dichtes Maschenwerk 
ergiebt. An den Verzweigungspunkten der Auslaufer, wie auch in 
der Kerngegend, kommt es (ganz wie bei den Ganglienzellen der 
Velella und anderer Coelenteraten) zur Verteilung der Liangslinen 
auf simtliche Fortsitze der Zelle. (Auch hier habe ich das Proto- 
plasmageriist am Kern nicht dargestellt, um die ganzlich ab- 
weichende strukturelle Beschaffenheit desselben, die mit der aller 
Apolemiakerne harmoniert, wiedergeben zu koénnen.) Hier ist 
auch die angegebene Geriistanordnung am besten wahrzunehmen ; 
an den Auslaufern selbst, vor allem den feineren, jedoch macht 
sich eine Modifikation bemerkbar, die fiir die schmachtigen Fort- 
siitze der Ganglienzellen (und auch anderer) ganz allgemein gilt: 
es tritt eine Vereinigung der Linen untereinander ein, die bis zur 
Bildung voéllig homogener Strange fihrt. Die allerzartesten Aus- 
laufer erscheinen deshalb stets ganz strukturlos; aber auch stirkere 
kénnen eine homogene Beschaffenheit zum Ausdruck bringen, 
wenn, wie hier bei Apolemia (Fig. 6), die Linen sehr dicht 
zusammengedringt sind. In diese kompakten Strange (deren 
Entstehung aus den Befunden mit gréfter Sicherheit zu erschliefen 
ist) gehen auch die gewunden verlaufenden Fibrillen, welche die 
gestreckten durchflechten, mit ein, wie aus der Figur zu ersehen 


414 Karl Camillo Schneider, 


ist; in Gegensatz zu den bei Velella beschriebnen Polylinen, die 
wir ,,einfache‘S nennen wollen, miissen wir die hier gefundenen als 
,zusammengesetzte bezeichnen. Wir werden solchen noch haufig in 
den folgenden Schilderungen begegnen. 

Die Struktur der Riesenganglienzellen am Stamm der 
Forskalea ist der soeben von den -nervésen Gebilden der 
Apolemiapneumatophore geschilderten im wesentlichen gleich. Die 
Figg. 7, 8 und 9 (wie auch die im ersten Teil der Arbeit gegebe- 
nen (Fig. 49, Taf. XI) zeigen ebenfalls parallel ziehende Lings- 
fasern, die unter den verschiedenen Ausliufern ausgetauscht wer- 
den, und gewundene, welche jene durchflechten. Je nach der 
Form der Zellen sind aber die gestreckten Fasern.in bestimmter 
Weise angeordnet. Liegt ein einkerniges Element vor (Figg. 8 u. 49 
des ersten Teiles, Taf. XI), so sehen wir in diesem, den. cylin- 
drischen, kegel- oder keulenférmigen Umrissen desselben entspre- 
chend, die Langsfasern parallel den Wandungen, von den Aus- 
laufern her eintretend, nach oben ziehen und von hier aus auf 
der entgegengesetzten Seite nach abwiarts verlaufen, wo sie dann 
sich wieder auf die Auslaufer verteilen. Die gleiche Geriiststruk- 
tur findet sich auch bei den keulenférmigen Ganglienzellen der 
Carmarina hastata (S. 430) vor; sie ist leicht verstiindlich aus der 
Lagerung des Kerns zur nervésen Faser. Liegt er in dieser ein- 
gebettet, so ist der Fibrillenverlauf in seiner Umgebung derselbe, 
wie iiberall (siehe Fig. 9); erhebt er sich aber tiber das Niveau 
der Faser, so folgen ihm die Linen seiner Umgebung und miissen 
deshalb auf der einen Seite, je nach dem Austritt aus einem Fort- 
satz, empor-, auf der anderen herabsteigen. Ob diese Faser- 
anordnung und Zellausbildung Ausdruck einer gesteigerten ner- 
vosen Funktion ist, lift sich natiirlich nicht aus den morpho- 
logischen Befunden erschlieBen, indessen deutet die sehr wahr- 
scheinliche Ableitung unipolarer Zellen (siehe Carmarina), wie 
sie in den motorischen Centren sich vorfinden, von solch keu- 
len- (oder kolben-)formigen Elementen darauf hin. — In den 
Syncytien ist von einer entsprechenden Struktur nichts wahrzu- 
nehmen. Wie Fig. 7 und 50 des ersten Teiles, Taf. XII, lehren, 
haben wir in ihnen nur verdickte Teile der Nervenfasern zu er- 
kennen; wie hier, so ziehen auch dort die gestreckten Linen im 
angenommenen Verlauf durch die Anschwellungen hindurch, und 
es ergeben sich Abweichungen nur durch den Austausch der Ge- 
riistsubstanz der verschiedenen Ausliufer. Die Kerne sind wie- 
derum in ihrer Struktur vollig verschieden vom Protoplasma 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 415 


ich habe in den Figuren jedoch die gestreckten Fasern des letz- 
teren in ihrem Verlauf iiber das Kerngeriist hinweg dargestellt. 

In einem Punkte unterscheiden sich die Ganglienzellen am 
Forskaleastamm von denen der Apolemiapneumatophore (wenig- 
stens den Befunden am konservierten Material nach) wesentlich, 
und es erklirt sich hieraus auch, warum — vor allem in den 
dickeren Fortsitzen — es nicht zur Vereinigung der Linen, zur 
Bildung homogener Stringe (Polylinum compositum) kommt. Man 
bemerkt hie und da an Stellen, wo eine Faser abgerissen wurde 
oder wo eine Quetschung statthatte, tropfenformige Geriistpar- 
tien auferhalb der Zell- oder Fasergrenzen (siehe Fig. 9 und Fig. 
49 des ersten Teiles, Taf. X1); ja, es lassen sich solche Tropfen 
auch isoliert nachweisen, und sie fielen mir in dieser Situation 
iiberhaupt zuerst auf. An keiner anderen Zelle, trotzdem dal 
solche, wie die Epithelzellen des Stammes, oft sehr protoplasma- 
reich sind, beobachtete ich Gleiches, und es muf deshalb ange- 
nommen werden, da’ im Innern der Riesenzellen sich eine homo- 
gene Substanz vorfindet, die fliissiger ist, als die gewéhnliche 
Interfilarmasse. Analog zu den Verhdaltnissen bei héheren Tieren 
kénnen wir sie vielleicht als Hyaloplasma bezeichnen. Sie ist es 
jedenfalls, welche, von der Osmiumséure beeinflu’t, den Riesen- 
zellen einen dunkleren Farbenton verleiht, als er in der Umgebung 
sonst bemerkbar ist. Durch Druck wird sie ausgequetscht und 
reikt dabei Geriist mit sich fort. Der Verlauf der Linen in 
den Tropfen ist ein stark bogenformig gekriimmter; die Kriim- 
mungen ziehen ungefahr parallel der Tropfengrenzlinie und bilden 
ein ziemlich lockeres Maschenwerk. Von einer soliden Membran ist 
nichts wahrzunehmen. Je dtinner die Ausliufer der Riesenzellen 
werden, desto kompakter erscheint auch ihre Beschaffenheit; an den 
feinen Endigungen zeigt sich kein Unterschied zu denen anderer Gan- 
glienzellen; sie stellen, wie auf der Pneumatophore der Apolemia, 
homogene Polylinen dar. Ob in ihnen die fliissige Zwischenmasse 
fehlt, oder nur in anderer Form, vielleicht als soliderer Kitt der 
Linen auftritt, bleibt eine offene Frage. Betrefis Fig. 3 muf ich 
noch bemerken, da8 der helle ovale Fleck in der Nachbarschaft 
des Kernes mir in seiner Bedeutung unverstandlich geblieben ist. 
Er unterscheidet sich dadurch von der Umgebung, daf er nicht, 
wie diese, geschwarzt wurde, auch konnte ich nicht konstatieren, 
dai die gestreckten Linen ihn durchsetzen. 

Litteratur: Die Beschreibungen, die von den Ganglien- 
zellen der Scheibe der Velella vorliegen (Cuun, 7, berichtet am 


416 Karl Camillo Schneider, 


ausfiihrlichsten tiber dieselben, CoHn u. Brysr, 4, schildern das 
Nervensystem von Porpita), beziehen sich nur auf Form, Lage 
und Verbindungsweise der nervésen Elemente. Ich vermag dazu 
nichts Neues beizufiigen; es gelang mir selbst nicht, den Zusam- 
menhang von Ganglienzellen und Epithelzellen, den Cuun konsta- 
tierte, zu beobachten, ohne dafi ich ihn indes nur im geringsten 
bestreiten will. Interessant waren mir KoroTNEFr’s Angaben (19) 
beziiglich der Struktur der Nervenzellen an der Blase von Physo- 
phora; sie lassen sich, wie mir scheint, mit den meinigen ganz gut 
in Kinklang setzen. KOrOTNEFF erkennt ein Bindel auferordentlich 
zarter Fibrillen == Achsencylinder, das von kérnigem Protoplasma 
== Markscheide umgeben ist. Die Scheide ist oft spindelférmig 
aufgehaiuft und fehlt in den Endverzweigungen ganz. Das kérnige 
Protoplasma der Autoren entspricht nun, wie ich in meiner frihe- 
ren Arbeit nachwies (24), dem von mir geschilderten Maschenwerk 
indifferenter Zellen (die Kreuzungspunkte der Linen erscheinen 
als Kérner); es ist also der Achsencylinder von gewundenen Fa- 
sern umsponnen. KorROTNEFF hat demnach tibersehen, da die 
gestreckten Langsfasern von den letzteren auch durchflochten wer- 
den. Wird der Faden diinner, so verliert sich die Markscheide, 
d. h. gestreckte, wie gewundene Fasern vereinigen sich zu einem 
homogenen Strang; ein Verschwinden der Scheide (der durch- 
flechtenden Linen) findet also nicht statt. Da sie indessen ganz 
fehlen kann, beweisen die Ganglienzellen der Velellascheibe (bei 
Carmarina werden wir Entsprechendes bemerken); die Anwesen- 
heit gewundener Linen, welche die langsverlaufenden durchflechten 
und umspinnen, ist also kein allgemeingiltiges Characteristicum 
der nervésen Elemente der Coelenteraten. 

Die Struktur der Epithelzellen des oberen Ektoderms am 
Scheibenrand der Velella giebt Fig. 10 wieder. Peripher ist das 
Maschenwerk ein indifferentes (diese Bezeichnung werde ich kiinf- 
tighin tiir das Geriist der Kiirze wegen anwenden, wenn es dem 
in indifferenten Zellen beobachteten in der Ausbildung entspricht; 
dort ist der Verlauf aller Linen ein wechselnder, diese also nicht 
zum Teil oder insgesamt einer speziell begiinstigten Funk- 
tion [Kontraktion, Stiitzleistung] angepaSt); hier befindet sich 
auch der Kern. Den Fortsatzen zu und in diesen selbst bemerkt 
man jedoch lingsverlaufende, gestreckte Fasern in das indifferente 
Maschenwerk eingelagert. Je schmiachtiger die Fortsitze, desto 
deutlicher pragt sich diese Geriistanordnung aus; auferdem zeigen 
sich auch grébere Balken, in gleicher Richtung wie die gestreckten 


o> 


Finige histologische Befunde an Coelenteraten. AIT 


Linen ziehend. Die feinsten Ausliufer erscheinen homogen, gleich 
denen der oben beschriebenen Ganglienzellen. Auch die basalen 
Fortsaitze der Zellen des unteren Ektoderms sind derart beschaften ; 
das Geriist des Zellkérpers entbehrt dagegen hier der gestreckten 
Linen, was in der Niedrigkeit der Zellen seine Erklarung findet. 
Die Cuticula ist eine dicke Membran im Sinne der von mir friiher 
(24) geschilderten. Sie stellt kein reines Abscheidungsprodukt 
der Zelle dar, sondern enthalt aufer einer homogenen Substanz 
auch Fibrillen; es handelt sich also zweifellos um eine Verkittung 
letzterer, welche die Linen in ihren Bewegungsleistungen behin- 
dert und durch diese Fixierung eine scharfe, dauernde Abgren- 
zung der Zelle gegen die Umgebung bewirkt. Die blauen Pigment- 
klumpen der Fig. 10 enthalten gleichfalls Geriist und entsprechen 
demnach in ihrer Ausbildung véllig den Chromatinklumpen, wie 
ich sie an anderer Stelle schilderte (24). Die Pigmentmasse, die 
vielleicht wie die sich farbende Substanz der Chromatinkérner an 
bestimmte Bildner (granula, plastidule) gebunden ist, erfiillt die 
Maschen des Geriistes, zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt, 
und fixiert Linen, indem sie dieselben in ihrem Bereiche an der 
Kontraktion hindert. 

Eine Frage von grofer Bedeutung fiir die Auffassung der 
Zellstrukturen ist die nach der Beschaffenheit und Bildung der 
derberen Strange, wie sie in den geschilderten Epithelzellen, aber 
sonst auch so hiufig bemerkbar sind. Ich werde an den gleich 
zur Beschreibung gelangenden Zellen den, wie ich glaube, 
zwingenden Beweis fiihren, daf wir unter den gréberen Balken 
nichts als Vereinigungen von Linen zu verstehen haben. Hierdurch 
wird eine neue Stiitze fiir die Ansicht gewonnen, welche alle so 
mannigfaltigen Strukturen der Zelle auf einige wenige Faktoren 
zuriickfiihrt und welche vor allem in den aktiven und _ passiven 
Arbeitsleistungen des Linons die Ursache so verschiedener und 
komplizierter Verhaltnisse erkennt. 

An den abgeplatteten (durch die Kontraktion des Stammes) 
Zellkérpern und diinnen Auslaufern der Epithelzellen des Forskalea- 
und Apolemiastammes aft sich die Struktur des Protoplasmas 
und ganz besonders das Verhiltnis der Polylinen zu dem Linar- 
maschenwerk vortrefflich studiren. Betrachten wir zuerst Figur 44 
der Forskalea. Die Zelle ist in der Querrichtung des Stammes 
stark abgeplattet (sie ist rechtwinklig zu dieser Lage gesehen 
dargestellt); dies fallt besonders am Kern auf, der nach unten zu 


Bd, XXVIII. N. F. XX. 27 


418 Karl Camillo Schneider, 


viel lichter, da viel diinner, erscheint und dessen Konturen gegen 
das Protoplasma nur schwierig zu bestimmen waren. Die Geriist- 
anordnung des letzteren ist im verjiingten Zellteil eine ausge- 
sprochen parallelfasrige (auch fiir die 3 basalen Auslaufer ist dies 
sofort bemerkbar); die gestreckten Fibrillen sind alle sehr zart, 
und kompaktere Bildungen zeigen sich erst an den Enden der 
Fortsatze, wo jedoch die Vereinigung von Linen zu den dickeren, 
homogenen Enden nicht deutlich hervortritt. Anders aber an den 
peripheren Ausléiufern gleicher Epithelzellen. Hier finden sich 
unter den lingsverlaufenden Linen (man kann sie in den schmach- 
tigen Protoplasmamengen mit gréSter Scharfe konstatieren und 
verfolgen) auch Polylinen von verschiedner Starke, welche in den 
zarten Fortsitzen am dicksten sind und diese schlieflich iiber- 
haupt nur reprisentieren (Figg. 13 u. 14). Im Geriist herrscht 
der Langsverlauf der Fasern vor, doch fehlt es auch nicht an 
indifferent, d. h. gewunden und nach beliebigen Richtungen ziehen- 
den Faden. An der Spaltungsstelle des Zellauslaufers, welchen 
Fig. 14 wiedergiebt und der in gréferem Mafstab als Fig. 13 
gezeichnet ist, la8t sich nun die Bildung eines Polylinons sehr 
schén beobachten. Durch Zutritt einfacher Linen gewinnt der 
erst zarte Balken an Dicke und erreicht so den Durchmesser des 
Auslaufers, welcher in seinem weiteren Verlauf von ihm dargestellt 
wird. Am (jedenfalls kiinstlich erzeugten) Ende lést sich der 
untere Fortsatz in seine Bildner wieder auf (wofiir wir sicherlich 
den ReagentieneinfluS verantwortlich zu machen haben) und man 
gewinnt eine deutliche Vorstellung, welch eine Menge von Linen 
in einem Polylinon vereinigt sein kénnen, zu welchem sie mittels 
irgend einer Bindemasse verklebten. Es unterliegt fiir mich keinem 
Zweifel, da’, ebenso wie in Membranen, derartige anscheinend 
solide Gebilde durch Verkittung und nicht durch Verschmelzung 
entstehen; dafiir spricht erstens das Auftreten von Varikositaten 
an kompakten Ausliufern, welche aufgelockerte Abschnitte letzterer 
sind (siehe hiertiber S$. 431), zweitens der Nachweis deutlicher 
Struktur in konservierten Auslaiufern, die am lebenden Objekt 
homogen erschienen und haufig auch in homogenen, konservierten 
Fortsaétzen bei Anwendung stirkerer VergréSferungen (Nachweis 
zarter Streifungen), und drittens das Voriibergehende der Poli- 
linarbildungen in den wechselnden Auslaiufern bewegungsfahiger 
Gallertzellen (Ctenophoren), welch letztere im Zellkérper die 
dickeren Balken vermissen lassen, wihrend diese hingegen in den 
Fortsaitzen, die bald ausgesendet, bald eingezogen werden, auftreten. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. ALD 


Wie Fig. 14, so zeigt vor allem auch Fig. 15 sehr gut, daf 
durch (jedenfalls iibermaifigen) Einflu$ der Reagentien die sonst 
homogen erscheinenden Fortsatze (die also sich als Polylinen 
reprisentieren) in ihre letzten, faidigen Bestandteile aufgelockert 
werden kiénnen, und es la$t sich nirgens besser, als an solch 
anormalen Verhaltnissen, die feinste Struktur der fraglichen Ob- 
jekte studieren. Die Fibrillen dieses, in Fig. 15 dargestellten, 
centripetalen Auslaufers geben in ihrem Verlauf ein nur sehr un- 
deutliches Bild der Umrisse des letzteren; um so klarer beweisen 
sie aber eine Struktur desselben im oben geschilderten Sinne und 
die aus weniger drastischen Bildern erschlossene Beschatfenheit 
der Linen selbst. Wir vermégen diese, so iiberaus zarten, Faden 
als ganz gleichartig ausgebildete Fasern in ihrem oft véllig isolierten 
Verlaufe zwar schwierig, doch mit Sicherheit, auf gréSere Strecken 
zu verfolgen (wie wir dies ja auch bei Wimpern, vor allem den 
Bildnern der Ruderpliattchen der Ctenophoren, die als Linen auf- 
zufassen sind, vermégen), und wir konstatieren sehr gut die Ver- 
einigung zweier, dreier oder mehrerer zu dickeren Balken, zu den 
einfachen Vielfiden. Ganz Entsprechendes lehrt auch Fig. 13; 
wir diirfen deshalb, wie ich unbedenklich thue, aus der Beob- 
achtung dieser Bilder einen sicheren Schluf auf die Entstehung 
der so hiufig im Protoplasma nachweisbaren gréberen Faden- 
bildungen ziehen und diesen folgendermafen formulieren: Die 
derberen Geriistpartien des Maschenwerkes im Protoplasma ent- 
stehen wie die Membranen durch Verkittung von praformierten 
Linen; sie sind Abscheidungen der Grundmasse nur in dem Sinne, 
als der Kitt, welcher die Linen zu ihnen verbindet, jedenfalls 
aus jener herstammt (wo er vielleicht von ebenfalls praformierten 
granula abgeschieden wird). Der Kitt selbst kann, wie wir sehen 
werden, ein auferordentlich verschiedenartiger sein; aber selbst 
in starren Bildungen, wie in Skeletnadeln (siehe bei Alcyonium), 
sind immer die Linen als formgebende Elemente der vorliegen- 
den Bildungen aufzufassen. 

Gleichen Verhaltnissen, wie den soeben von Forskalea geschil- 
derten, begegnen wir am Stammepithel vom Apolemia. Ich werde 
deshalb die Beschreibung der hier vorliegenden Strukturen auf 
die einiger neu hinzutretender Momente beschranken. In Fig. 16 
ist eine Epithelzelle dargestellt, deren Kérper an einer Stelle 
(rechts unten) ganz auSerordentlich abgeplattet ist, in noch stirkerem 
Mage, als wir dies an Fig. 12 konstatierten. Es fallt sofort auf, 


a7# 


420 Karl Camillo Schneider, 


da hier das Geriist in ganz geringer Menge vorhanden ist, ja 
da es stellenweis gar nicht wahrgenommen werden kann. Der- 
artige flache Partien, die als schwimmhautartige bezeichnet werden, 
erscheinen dann véllig homogen und licht; trotzdem da8 sie des 
Geriistes zu entbehren scheinen, schlieen sie doch mit scharfer 
Begrenzung ab. Wenn es also dieselbe Substanz ist, welche sie 
und die Zwischenmasse im Protoplasmamaschenwerk bildet, so 
muf jene, die in letzterem ja fliissig ist, eine solidere Beschaffen- 
heit angenommen haben. Sie erscheint dem Kitt der Membranen 
abnlich, der ja das Erkennen der Linen in diesen sehr erschwert 
und meist unméglich macht; auch in ihr ist es nicht leicht, die 
wenigen vorhandenen Faden nachzuweisen. Deren Maschen er- 
scheinen um so weiter, je diinner und homogener die Haute aus 
gebildet sind; ob aber eine thatsdchliche Erweiterung jener in 
den meisten Fallen vorliegt, bleibt fraglich, da es in dicken 
Protoplasmaschichten durch die Durchkreuzung und Uberlagerung 
der Maschen durch andere sehr erschwert wird, den durchschnitt- 
lichen Durchmesser dieser genau zu bestimmen. (Wie ich in 
meiner Arbeit: ,,Untersuchungen tiber die Zelle“’ nachwies, stimmt 
er ungefahr iiberein mit dem von Bwitscutii (3) fiir die Proto- 
plasmawaben angegebenen, woraus ich auf die Identitat der Waben~ 
wandungen dieses Forschers mit den von mir beobachteten Linen 
schlof.) Sehr schéne Schwimmhautbildungen kommen spaterhin 
noch zur Beschreibung; siehe 8. 432. — Schon im ersten 
Teil dieser Arbeit hatte ich die Anwesenheit von Muskelbildungen 
innerhalb des Protoplasmas eines grofen Teiles der hier zu schil- 
dernden Epithelzellen hervorgehoben und die deutliche Faser- 
struktur jener betont. Fig. 18 stellt die bereits angegebenen 
Verhaltnisse in gréSerem Mafstabe dar und zeigt zugleich die 
Tingierung des kontraktilen Stranges durch Pikrokarmin. Als 
wesentlich mu8 vor allem die vollige Isolierung der Faden im 
Strang von indifferenten Linen erscheinen, und sie muf zugleich 
die Frage erwecken, ob die kontraktionsfahigen Faden als mit 
gestreckten Linen identisch tiberhaupt zu denken sind. Allein die 
Ubereinstimmung in der Dicke kann. diese Behauptung nicht 
erweisen; Fig. 17 indessen vermag die gegenteiligen Bedenken 
zu zerstreuen. Man bemerkt hier, wie ein von unten kommender 
Muskelstrang sich auflést, wie dessen Faden in das Protoplasma 
ausstrahlen (véllig gleich den Polstrahlen einer karyokinetischen 
Figur) und bald von Linen gar nicht mehr zu unterscheiden sind. 
Es ist dies ein jedenfalls anormaler Fall, denn gemeiniglich enden 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 421 


die Strange an einer Zellgrenze scharf abgeschlossen, wie sie in 
ihrem Verlaufe waren, aber gerade derartige abweichende Vor- 
kommnisse sind in der Beurteilung von Strukturfragen (wie ja 
auch in so vielen anderen, man denke an die Arbeiten der Gebr. 
HertTWIG an Seeigeleiern unter Anwendung von Giften) von gréftem 
Werte. Folgt aber aus der gemachten Beobachtung die Identitat 
von Linen und kontraktilen Strangfasern (die von vornherein 
iuBerst walrscheinlich gedacht werden mufte, da ja die Linen 
auch kontraktil sind), so haben wir auch die Strange vom 
indifferenten Protoplasma abzuleiten. Das Wie ist allerdings nicht 
anzugeben; vielleicht sind aber die unter der Zellperipherie ver- 
laufenden gestreckten Linen, welche nicht durch Tingierung des 
Zellabschnittes, den sie erfiillen, von der Umgebung sich abheben, 
als einer Vorstufe eines Muskelfibrillenbiindels angehérig aufzu- 
fassen. Die Streckung der Linen wird auf die Auslaiuferbildung 
zuriickzufiihren sein; um aber die Isolierung der gestreckten 
Faden von indifferenten zu erkléren, ist man gezwungen, einen 
Zerfall dieser anzunehmen, und ein solcher wird schwerlich direkt 
beobachtet werden kénnen. 

Bemerkenswertes Licht auf die Ableitung der Muskelfasern 
vom Maschenwerke des Protoplasmageriistes wirft auch Fig. 19, 
die fiir den Stamm der Forskalea gilt. Wahrend die Muskelbander 
fast durchgehends nur lateral, an den Schmalseiten, zu Proto- 
plasma in Beziehung stehen (Fig. 20), ist das Band in Fig. 19 
durchsetzt von solchem und hierdurch in eine Menge Abschnitte 
zerlegt, welche zum Teil direkt mit Protoplasma zusammen- 
hangen. Am normal ausgebildeten Band ist dies selbst an den 
Enden (Fig. 20) nicht mit Sicherheit nachweisbar, obgleich 
hie und da angedeutet; in diesem so zerrissenen (aber weder 
durch mechanische Eingriffe, noch durch Reagentienwirkung) Bande 
sieht man jedoch einzelne Teile desselben divergierend in das 
Maschenwerk des, dem Ganzen zu Grunde liegenden, Protoplasmas 
ausstrahlen und sich verlieren. Daf all diese Teile auch that- 
siichlich als Abschnitte eines sonst einheitlichen Bandes aufzufassen 
sind und nicht etwa Bildungen fiir sich reprasentieren, deren 
muskulése Natur fraglich wire, das beweist ihr Tinktionsvermégen, 
also die Anwesenheit einer fiir die beschriebenen Muskelbildungen 
charakteristischen, da stets zu beobachtenden, Zwischenmasse. 
Wir lernen hieraus sofort noch weiterhin, da die ganz allgemein 
konstatierbare Farbbarkeit dickerer Muskelbildungen nicht durch 
die zartesten Fibrillarbestandteile dieser gegeben ist (denn bei 


492 Karl Camillo Schneider, 


der Ausstrahlung derselben ins Protoplasma erscheinen die Fibrillen 
genau so farblos wie die Linen), sondern daf hierfiir allein die 
Kittmasse letzterer verantwortlich zu machen ist, daf also der 
chemische Charakter des Muskels in der Beschaffenheit des Kittes 
begriindet ist. 

Die Beobachtung von Muskelstringen im Innern des Proto- 
plasmas von Epithelzellen, unter der Peripherie und parallel zur 
Langsachse dahinziehend, steht in starkem Gegensatz zu dem 
Gesetz der Zellpolaritaét, das Rani (22) aufstellt. Es giebt in der 
Zelle keine prinzipiellen Gegensa&tze von oben und unten; die 
»tendenz“, Muskeln immer am unteren Ende auszubilden, ist 
einfach die Folge der Einfliisse der Omgebung, der Lagerungs- 
weise. Das Maschenwerk wird in jedem Protoplasmaabschnitt von 
gleichartigen Linen gebildet, und diese besitzen hier wie dort 
die gleiche Fahigkeit, sich in bestimmter Weise Anforderungen 
anzupassen. Die Ableitung aller Gewebselemente von indifferenten 
Zellen (Furchungsprodukten) hatte die Ungiltigkeit obigen Gesetzes 
schon zeigen sollen; mit Sicherheit ergiebt sich diese aber aus 
dem Nachweis der Fadenstruktur in der Zelle, die ja auch den 
allgemeiner angenommenen Gegensatz von Protoplasma und Kern 
zuriickweist und zur Erklarung der Teilungsvorginge nicht ratsel- 
hafter, plotzlich auftretender oder dauernd existierender Bildungen 
(Kraftcentra!) benédtigt, sondern allein die gegebenen Fahigkeiten 
des Geriistes (Linen) dabei beriicksichtigt. 

Das Entoderm (Fig. 2) des Scheibenrandes der Velella stellt, 
wie oben angegeben, ein sehr kompliziertes Réhrensystem vor, wel- 
ches die méachtige Gallerte durchsetzt und mit den _ beiden 
Epithelien in direkte Verbindung tritt (in Ermangelung von Stiitz- 
lamellen). Median zwischen diesen haben die Roéhren, die sich 
beliebig teilen und mit anderen zusammentreten, den gréften 
Durchmesser; nach oben und unten zu laufen sie in auferordent- 
lich feine Bildungen aus, die nicht mehr als Réhren, sondern als 
Fortsitze zu bezeichnen sind und an die Fortsatze der ektoder- 
malen Epithelzellen herantreten. Die Réhren zeigen aufen eine 
glatte, fast homogene Beschaffenheit und lassen keine Andeutung 
von Zellgrenzen erkennen; das Protoplasma mit den Kernen ragt 
in das Innere hinein und verdickt sich oft zu wulstartigen Vor- 
springen. Die glatte Wandung ist demnach als eine Art Cuticula 
aufzufassen; in den feineren Ausliufern, wo man die Kerne ver- 
mift, scheint sie vom Protoplasma ganz isoliert vorzuliegen (viel- 
leicht entsprechend dem Sarkolemm der mesenchymatiésen Muskeln 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 423 


der Ctenophoren [siehe dort]). Eine Struktur Jaft sich in ihr 
nicht konstatieren; die Linien, die in ihr entlang ziehen, sind 
Ausdruck von Faltungen. — Interessant am Entoderm ist weiter- 
hin die Anhaiufung von gelben, kugelrunden Zellen an den Roéhren 
zu kompakten, kugligen Massen. Jedenfalls gehéren diese glanzen- 
den, homogenen Gebilde der Velella nicht eigentiimlich an, son- 
dern sind Algen, die hier schmarotzen oder mit der Velalla 
in Symbiose leben. Ein Kern ist in ihnen leicht erkennbar; 
in der Form stimmen sie ganz tiberein mit den Algen, welche 
von den Gebriidern Herrwiae (16) fiir Actinien und Radiolarien, 
von diesen (15) und Hamann (13) fiir die Mundarme der Pelagia 
beschrieben wurden. 

Spezifische Gallertzellen (mesodermale Elemente) fand ich 
nicht, ebensowenig elastische Fasern in der homogenen Gallerte. 
Demnach wird der Zusammenhalt des Ganzen jedenfalls nur durch 
die Entodermréhren, die sich mit dem Ektoderm verbinden, be- 
wirkt. Im Scheibenkamm ist eine Stiitzlamellenbildung zu be- 
merken. Es befindet sich hier zwischen den ektodermalen Epi- 
thelien nichts als eine solide, dicke Platte, die Faserziige mit 
tberraschender Deutlichkeit in sich wahrnehmen 1aBt. 

Cuun (7) giebt von den ektodermalen Zellen an, daB sie basal 
in besenreiserartig auseinanderlaufende Auslaufer sich fortsetzen; 
er erwaihnt jedoch den Zusammenhang dieser Fortsitze mit dem 
Ektoderm nicht. In der Gallerte fand er keine isolierten zelligen 
Elemente, Bepor (2) beschreibt jedoch auBer den gelben, runden 
Zellen, die er aber nicht als Algen deutet, noch mesodermale, ana- 
stomosierende, verastelte Zellen, die vielleicht auf die Ganglien- 
zellen unter dem Epithel zu beziehen sind. Er selbst erklart sie, 
den Auslaufern zufolge, fiir nervéser Natur. 


B. Craspedote Medusen. 


Carmarina hastata E. Hagcx. 


Die Untersuchung beschrankte sich hier fast ganz auf die 
Region der Nervenringe. Ks galt vor allem, die Struktur der, 
in ihrer Natur als Ganglienzellen nicht anzuzweifelnden, Elemente 
des subepithelialen Ringes festzustellen, da hierdurch Stiitzen fiir 
die Deutung entsprechend struierter Gebilde anderer Species ge- 
wonnen werden konnten; von Wichtigkeit erschien es mir aber 


424 Karl Camillo Schneider, 


auch, die Beobachtung der Gebriider Hertwie (15) tiber den Zu- 
sammenhang des unteren und oberen Nervenringes einer Nach- 
untersuchung zu ubnterziehen, da von vornherein gegen eine der- 
artige Verbindung durch eine dicke Stiitzlamelle hindurch Bedenken 
erhoben werden muSten. Ich glaube mit Sicherheit darthun zu 
kénnen, dafi ein solcher Zusammenhang nicht existiert, daf eine 
Durchsetzung der Lamelle von Nervenfasern oder anderen itiber- 
haupt nicht konstatiert werden kann. Es gelang mir auch, fir 
die Bilder, welche die Herrwia’s vom mazerierten Objekte zeich- 
ueten, den Grund des Irrtums aufzudecken; fiir die Darstellung 
eines Schnittes durch beide Nervenringe, wo auSerordentlich scharf 
der Durchtritt eines Faserbiindels durch die Lamelle wiedergegeben 
ist, war mir jedoch eine derartige Erklarung nicht méglich; ich 
kann nur behaupten, daf ein Durchtritt von Fibrillen nicht statt- 
hat. Um zu einem sicheren Entscheid zu gelangen, habe ich mich 
genau derselben vorziiglichen Methode, welche die Gebrider 
HertTwig anwendeten, bedient. Es werden die Epithelien und 
Nervenringe vorsichtig von der Lamelle mit Nadel und Pinsel ab- 
gelést, so daf diese in der Gegend zwischen Umbrella und Velum, 
wo auf der unteren Seite die Muskelfasern mangeln, vollig von 
allen bedeckenden Elementen isoliert ist. Die Gebriider Herrwia 
bemerkten nun eine Reihe kleiner Fibrillenbiindel auf der Stiitz- 
lamelle, welche durch feinste Offnungen diese durchsetzen. Der 
Zusammenhang der Biindel mit den Nervenfasern lieB sich nicht 
beobachten, da sie stets in geringer Entfernung von der Durch- 
trittsstelle abgerissen waren. An feinen Querschnitten jedoch 
sahen beide Forscher ,,von dem einen zum anderen Nervenring 
ein kleines Fibrillenbiindel durch die Scheibenwand hindurchtreten®. 

Meine Befunde sind folgende. Figg. 21—23 zeigen die Lamelle 
unterhalb des Nesselwulstes in isoliertem Zustande von oben (21), 
unten (22) und seitwirts (23) geschen. Links beginnt die Sub- 
umbrellarmuskulatur, rechts wiirde sich das Velum anschliefen. 
Die Lamelle ist véllig homogen, glashell und von bedeutender 
Stirke; die Durchsetzung derselben von Fasern miiSte also schon 
bei der Flachenbetrachtung durch Heben und Senken des Tubus 
nachweisbar sein. Nirgends aber finden sich solche Fasern, wohl 
aber treten sowohl von oben wie von unten Faden und Biindel 
solcher an die Lamelle heran. Die Bedeutung derselben ist leicht 
ersichtlich. Fig. 24 stellt das Epithel oberhalb des unteren Nerven- 
ringes im Zusammenhang abgeliést vor, und es zeigen sich hier 
basale Fortsiitze an denjenigen Ektodermzellen, welche direkt 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. A25 


vom Ringe untersetzt, also von der Lamelle abgehoben werden 
und die sich genau in der Gegend der in Fig. 22 wiedergegebenen 
Fasern, die auf der Lamelle sich erheben, vorfinden. Letztere 
sind also Stiitzfasern, durch welche die Epithelzellen die Be- 
ziehungen zur Lamelle wahren; wie alle derartige, enden sie an 
letzterer, was eine seitliche Betrachtung schmaler, abgespaltener 
Lamellenstiicke mit Sicherheit wahrnehmen laft. — Die Betrach- 
tung von oben zeigt andere Verhiltnisse. Von einem Eintritt 
diinner Zellauslaufer, wie er soeben geschildert wurde, in die 
Lamelle ist hier nichts wahrzunehmen; ar der gleichen Stelle 
(neben der Umbrella) ist diese véllig glatt und von sich anheften- 
den Fasern frei; dagegen finden sich, der Velarseite genahert, 
dicke Aufsitze auf der Lamelle, die am freien Ende dichotomieren 
oder, wie Fig. 25 lehrt, in diinnere Fasern sich zerteilen. Sie 
ragen in den hohen Wulst der Nesselzelljugendstadien hinein, 
welcher den oberen Nervenring tiberdeckt, und stellen die Verbin- 
dung der Epithelfortsitze mit der Lamelle dar. Sie sind also 
vollige Analoga der auf der unteren Seite dieser bemerkten Stiitz- 
fasern; ihre so bedeutende Machtigkeit erklart sich leicht aus der 
auferordentlich weiten Abtrennung der Epithelzellen des Nessel- 
wulstes von der Lamelle, welche durch die massenhafte Anhaufung 
yon jungen Nesselzellen und die dicke Lage von Ganglienzellen 
(oberen Nervenring) bewirkt wurde. Nur durch die Aufsatze und 
ihre Verlingerungen, die Epithelzellausliufer, wird der Zusammen- 
halt dieser Zellenmassen gewahrt, und wie nétig ein solcher ist, 
zeigt Fig. 26, welche wiedergiebt, wie an die Sttitzfortsatze sich 
kleine indifferente Elemente, jedenfalls die Ausgangszellen fiir 
die Nesselzellentwickelung, anheften. — Es treten also sowohl 
yon oben wie von unten Fasern einzeln oder vereinigt an die 
Lamelle; sie durchsetzen diese aber nirgends, sondern heften sich 
daran blof an (in welcher Weise, wird gleich geschildert werden) ; 
andere Faserelemente jedoch, die zur Lamelle in Beziehung standen, 
sind sicher nicht vorhanden. Eine Verbindung des oberen mit dem 
unteren Nervenringe findet nicht statt. 

Die Gebriider Hertwic (15) haben die Elemente des Nessel- 
wulstes so ausfiihrlich geschildert, da8 ich nur weniges zuzufiigen 
habe. Betreffs der Deutung der sozenannten Knorpelzellen verweise 
ich auf den ersten Teil der Arbeit (bei Forskalea); hier wie dort han- 
delt es sich nicht um sekundir verinderte Nesselzellen oder spezifisch 
angepa8te Jugendformen, sondern um Entwickelungsformen normaler 
Art, wie auch hier die Behandlung mit 50-prozentiger Essigsaure 


426 Karl Camillo Schneider, 


ergiebt. Ich habe dem Entwickelungsgange nicht naher nachge- 
forscht, da die gewonnenen Bilder véllig jenen im I. Teil beschrie- 
benen entsprachen; zum Beweis dieser Beobachtung gebe ich nur 
die 3 Figuren 27—29, von denen Fig. 27 die symmetrische An- 
ordnung der Linen, welche der Schlauchbildung vorausgeht, und 
Fige. 28 und 29 den Schlauch selbst aufSerhalb der Kapsel dar- 
stellen. — Von den Epithelzellen geben die Herrwia’s an, dab 
sie basal sich mehrfach gabeln und wohl an die Stiitzlamelle 
treten. Sie konnten eine Vereinigung beider nicht direkt kon- 
statieren. Fig. 26 zeigt die langsfasrige, derbe Struktur der 
Fortsitze, die sie als zur Stiitzleistung geeignet auffassen laft. Es 
wird hier der Ort sein, auf diese Bildungen naher einzugehen, 
da sich ein ganz ausgezeichnetes Beispiel darbietet. Zuerst aber 
bedarf der Begriff der Stiitzleistung einer Untersuchung. Die 
Stiitzleistung ist eine doppelte: sie besteht erstens in einer passiven 
Verkniipfung der isolierten Bestandteile der Gewebe, zweitens in 
der aktiven Wahrung der Form durch das Elasticitatsvermégen. 
Zur Bewirkung des Zusammenhaltes bedarf es, wie leicht vorstell- 
bar, keiner specifischen Umbildung der betreffenden Elemente, dazu 
geniigen Auslaiufer gewohnlicher Art, welche indessen durch den 
Einfilu8 der sie umgebenden, sich an sie anheftenden Elemente 
sekundir veriindert werden kénnen. Derartige Einfltisse aufert 
die Umgebung durch Ortsverinderung und reiche Anhaufung 
anderer Elemente im Umkreis der Stiitzbildungen. So werden die 
Epithelzellen des Nesselwulstes immer weiter von der Lamelle 
durch die anschwellende Menge der Nessel- und Nervenzellen ab- 
gehoben und dabei die anfangs plumperen Ausliufer linger aus- 
gezogen. Es ist klar, da8 diese Streckung sich auch auf den Teil 
der Linen iibertragen mu8, welche gerade in der Streckrichtung 
verlaufen, daher sehen wir in den Stiitzausliufern stets ein faserige 
Struktur angedeutet. Das charakteristische aber der nicht aus- 
gesprochen elastischen Stiitzelemente, die unregelmafige Ver- 
klebung von Linen zu Polylinen, findet seine Erklirung nur durch 
die Druckwirkung der umgebenden Zellen; da wir nun wissen, 
dafi deren Lage und Menge vielfachem Wechsel unterworfen ist, 
so miissen wir folgern, da8 die Linarverklebungen in den Sttitz- 
gebilden nur voriibergehende sind; wir diirfen also sagen: Die 
Stiitzgebilde erster Art kennzeichnen sich nur negativ durch den 
Mangel regelmafiger, dauernd ausgepragter Strukturen; auch 
kann von einer Konstanz der Form nicht die Rede sein. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 427 


Ganz anders als die erwahnten Stiitzgebilde verhalten sich 
aber diejenigen, welche zugleich Elasticitaitsvermégen Aufern. 
Hierzu gehéren vor allem die Stiitzlamellen, tiber deren Bau die 
vorliegenden Verhiltnisse der Carmarina sehr guten Aufschluf 
geben. Betrachten wir einen kegelférmigen Aufsatz (Fig. 25) 
naher, so bemerken wir ihn aus dicht zusammengedrangten, ge- 
streckten und ungefahr parallel (nach unten zu ein wenig kon- 
vergierend) verlaufenden Fasern aufgebaut. Dieselben Fasern 
gehen am freien Ende des Aufsatzes in lockere Faserbiindel tiber, 
welche wir nach der obigen Erérterung als Zellfortsaitze oder als 
Reste derselben, wie sie die Zerstérung des geweblichen Zu- 
sammenhangs durch mechanische Kinfliisse hinterlief, zu betrachten 
haben. Die Fibrillen der Aufsitze sind also als Linen zu denken, 
die sich in besonderer Weise angeordnet haben. Am unteren Ende 
héren sie nun nicht auf, sondern gehen in die Lamelle ein, in der 
sie allerdings nur auf kurze Entfernung noch deutlich zu verfolgen 
sind, denn die Lamelle ist hier von so homogener Beschaffenheit, 
daf kaum eine zarte Streifung in ihr zu erkennen ist. Indessen 
ist schwerlich anzunehmen, daf die aus den Aufsitzen eintretenden 
Fasern in der Nahe des Eintrittes enden sollten. In allen bis 
jetzt untersuchten Lamellen gelang es, oft mit tiberraschender 
Deutlichkeit (Pneumatophore der Apolemia, Kamm der Velella- 
scheibe) Fasersysteme zu konstatieren; wir werden deshalb wohl 
nicht fehlgehen, wenn wir sie ganz allgemein voraussetzen. Und 
fiir diese Voraussetzung liefert uns der Befund an den Aufsatzen 
der Carmarina sogleich die Lisung der Frage nach der Abstam- 
mung der Fasern in der Lamelle. Meiner Ansicht nach ergiebt 
sich unzweifelhaft, dafs jene vom Protoplasma der Zellen sich her- 
leiten; da8 sie Linen sind. Daraus lat sich aber mit grofer 
Wahrscheinlichkeit folgern, daS die Anheftung der Epithelzellen 
iiberhaupt an die Lamelle durch Ubertritt von Linen aus dem 
Protoplasma in diese bewirkt wird. Es ergiebt sich hieraus sofort 
die Bedeutung der zackenformigen Fortsatze an der Basis mancher 
den Epithelzellen angehérigen Muskelfasern, wie ich sie mehrfach 
in meiner Arbeit tiber Hydra (23) nachwies. 

Die Fasern sind aber nicht die einzigen Bestandteile der 
Lamelle. Dies geht aus Fig. 25 mit gréfter Sicherheit hervor. 
Die geringere Deutlichkeit der Linen im Aufsatz als in den Zell- 
fortsitzen und im Protoplasma ist bedingt durch die Anwesenheit 
einer homogenen Bindemasse, deren Lichtbrechungsvermégen dem 
der Linen fast ganz oder ganz (z. B. in der Lamelle) gleichkommt. 


428 Karl Camillo Schneider, 


Wir konstatieren also in den Lamellen: Ziige parallel und gestreckt 
verlaufender Linen und eine Verbindungsmasse. In der Lamelle 
der Luftflasche von Apolemia bemerkten wir zwei Richtungen, welche 
die Fasern innehielten; am Stamm der Apolemia lassen sich 
lings-, quer- und radialziehende (in den Septen) Fibrillenziige 
nachweisen; hier bei Carmarina und sonst meist verlaufen die 
Linen in einer Richtung, bei Forskalea in der Lamelle der Nahr- 
polypen fanden sich aber vereinzelte spiralige Fasern von star- 
kerem Durchmesser vor. Gemeinschaftlich ist allen elastischen 
Stiitzgebilden eine Tinktionsfaihigkeit in lichtem Rosa, die bald 
fast ganz zuriicktritt, bald auSerordentlich intensiv ist (elastisches 
Band der Nesselknépfe); es farbten sich dagegen die Muskeln 
gelblich-rot. Die Kittsubstanz jener ist also von der letzterer 
verschieden; da die Linen dieselben sind, so miissen wir also in 
der Bindemasse den Faktor erkennen, welcher das Elasticitats- 
vermégen ersterer bedingt. Eine chemische Analyse, die in den 
Lamellen eine ganz andere Beschaffenheit als in den Muskeln 
nachweist, besagt also nicht im geringsten, daf in den elastischen 
Gebilden Linarbestandteile nicht vorhanden sein kénnen — zu- 
gegeben deren Anwesenheit in den kontraktilen Substanzen —, sie 
lehrt uns einfach nur, daf’ andere Kittmassen als in den Muskeln 
abgeschieden wurden, und daf jene hauptsachlich es sind, welche den 
Gewebselementen ibren spezifischen Charakter verleihen (die Anord- 
nung der Fasern spielt selbstverstandlich dabei auch eine grofe Rolle). 
Bis jetzt lieBen sich dreierlei solch verschiedenartige Bindesubstanzen 
nachweisen: die bei Einwirkung von Osmium leicht sich schwarzende 
der Ganglienzellen; die durch Pikrokarmin sich gelbrétlich farbende 
der Muskeln und die durch Pikrokarmin licht oder intensiver rosa 
sich tingierende der elastischen Stiitzgebilde. Woher diese Sub- 
stanzen stammen, soll am Schluf dieser Arbeit einer Erwigung 
unterzogen werden. 

In der Mitteilung meiner Befunde iiber die Ganglienzellen der 
Nervenringe beschranke ich mich nur auf Schilderung der Struktur 
derselben, da alles tibrige auf sie Beziigliche von den Gebr. Hartwie 
(15) so vortrefflich dargethan wurde und meine Untersuchungen 
dem nichts Neues beifiigen. In den Figg. 31—39 ist eine Ubersicht 
tiber die mannigfaltigen Strukturbilder, welche man wahrnimmt, 
gegeben. Ich war iiberrascht, da’ selbst an ein und demselben 
Tier die Ausbildung der Ganglienzellen so verschiedenartig sein 
kénne; indessen scheint es, als wenn die Variationen voneinander 
ableitbar waren. Wahrend in Fig. 31 und 34 eine Geristanordnung, 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 429 


wie sie auch in den Auslaufern der Epithelzellen (am Stamm der 
Forskalea und Apolemia) sich zeigt, zur Beobachtung gelangt, in- 
dem gestreckte Langsfasern von indifferenten durchflochten werden, 
ist in Figg. 36 und 38 eine Streckung der Fasern ganz allgemein 
wahrnehmbar. Sdamtliche Fasern ziehen hier ungefihr parallel 
zu einander und zu den Wandungen des Auslaufers, nur durch 
geringe Biegungen kommen Verschlingungen des Geriistes zu- 
stande. Beide Ausbildungsweisen stehen sich aber nicht schroff 
gegeniiber, sondern scheinen durch Zwischenglieder vermittelt. So 
ist in Figg. 35 und 32 zu konstatieren, daf hier eine scharfe Unter- 
scheidung von indifferenten und gestreckten (d. h. ungefihr eine 
Richtung einhaltenden) Linen kaum méglich ist; man hat nur den 
Kindruck, als wenn einzelne Faden fast gestreckt, andere etwas 
gekriimmt, dritte starker gewunden verlaufen. So kommt wohl 
eine Verflechtung der Geriistbalken zustande, das Ganze hat aber 
nicht den Charakter eines Maschenwerkes, wie dies in Fig. 34 
trotz der Streckung eines Teils der Linen der Fall ist. In Fig. 35 
ist die Durchflechtung noch geringer; in Fig. 38 laufen die Faden 
fast véllig parallel. Interessant ist, da8 ein gleichartiger Verlauf 
der Linen um so ausgepragter ist, je mehr der multipolare Charakter 
der Zelle zuriicktritt. In Figur 31 haben wir jedenfalls das ur- 
spriinglichste Schema der nervésen Elemente zu erkennen, denn 
wir finden derartige Zellen z. B. bei Hydra und in den Epithelien 
der Hydroiden, wo es zu keiner Konzentration der Ganglienzellen 
kam. Ein gutes Beispiel hierfiir liefern die Ganglienzellen in den 
Nahrpolypen der Apolemia, deren eine in Fig. 40 wiedergegeben 
ist. Auch bei diesen sehen wir gestreckte Fasern von inditferenten 
durchflochten; in den feinsten Abschnitten der Ausliufer kommt 
es dann zur Vereinigung aller Faden zu zusammengesetzten Poly- 
linen. Zeigt jedoch eine Ganglienzelle, wie in Figg. 35 und 36, 
nur einen vom Zellkérper abgehenden Fortsatz, so sind simtliche 
Fasern mehr weniger gestreckt. (Wie schon oft bemerkt, ist selbst- 
verstandlich vom Geriist des Kerns abzusehen; dieses beteiligt 
sich an den Anpassungen des Protoplasmamaschenwerkes nicht.) 
Indessen werden wir dieser fiir Carmarina giltigen Beobachtung 
nicht allgemeine Bedeutung zuschreiben diirfen, denn wir sahen 
z. B. bei Velella in den multipolaren Ganglienzellen einen ziemlich 
gestreckten Faserverlauf; véllig parallel ziehend werden wir die 
Linen in den mesodermalen Ganglienzellen der Ctenophoren beob- 
achten; andererseits war die Geriistanordnung in denjenigen Riesen- 
zellen vom Stamm der Forskalea, die nur einseitig Fortsitze 


430 Karl Camillo Schneider, 


abgeben und insofern wenigstens Fig. 30 ahneln, genau dieselbe 
wie in den tibrigen, mit Fortsiitzen an deu verschiedensten Stellen 
des Kérpers versehenen Zellen. 

Je mehr sich die Auslaufer auf eine Seite der Ganglienzelle 
beschrinken (Figg. 34—36), desto mehr pragt sich eine Anordnung 
der Langsfasern aus, wie wir sie schon in den soeben erwahnten Rie- 
senzellen (nicht in den Syncytien) des Forskaleastammes beobachten 
konnten. Die in den Zellkérper eintretenden Faden ziehen an der 
einen Seite desselben empor, biegen um und ziehen auf der anderen 
abwarts, wo sie dann in den zweiten Auslaufer eintreten (Fig. 34) 
oder in den einzigen vorhandenen zurickkehren (Figg. 35 u. 36). 
Diese Ausbildungsweise erinnert schon an jene der Ganglienzelien 
hoherer Tiere, und sie ist wohl zweifellos als Ausdruck hoéherer 
Leistungsfahigkeit der betrettenden Zelleu zu deuten. Derartige 
Gebilde werden nicht als einfache Leitbahnen der Reize aufzu- 
fassen sein. 

Wie auch die Gebr. Herrwic beobachteten, findet sich noch 
eine andere Art nervéser Elemente in der Nahe des Ringkanals 
im unteren Nervenringe vor. Man bemerkt hier zu einheitlichem 
Strang verbundene, ganz zarte Fibrillen mit eingelagerten Kernen. 
Ich habe in Fig. 37 ein Stiick dieses Stranges dargestellt; die 
Fibrillen darin verlaufen langs und sind gestreckt; nur hie und 
da zeigen sich schieifenartige Ausbiegungen aus dem gestreckten 
Verlauf, die aber fiir saimtliche Fibrillen der Seite, auf wel- 
cher die Verknotung bemerkbar ist, gelten und denen wohl 
kaum eine besondere Bedeutung zuzusprechen ist. Ob wir es 
nun hier mit einer Vereinigung vieler Ganglienzellen, deren Aus- 
laufer so auferordentlich zarte sind (isoliert kommen derartige 
Zellen in Menge vor), zu diesen Stringen oder mit Syncytialbil- 
dungen zu thun haben, ist eine schwer lisbare Frage. Fast méchte 
ich das letztere fiir wahrscheinlicher erachten, denn eine Beziehung 
der Kerne zu blof je einer Faser des Stranges ist nicht zu beob- 
achten; die Kerne liegen vielmehr gleichmaSig von samtlichen 
Fibrillen umsponnen im Innern. 

Die Struktur der Sinneszellen (Fig. 39) entspricht ganz 
der der Ganglienzellen, wie sie in Fig. 34 wiedergegeben ist. 
Der Unterschied gestreckter und indifferenter Fasern ist ziem- 
lich deutlich (wenigstens in dem vorliegenden Element) aus- 
geprigt; besonders auffaliend ist die vd6llige Streckung der 
Langsfasern in dem _ peripheren Fortsatz der Zelle, welcher 
das Sinneshaar tragt. Genau das Gleiche gilt auch fir die in 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 431 


Fig. 41 dargestellte Sinneszelle der Apolemianihrpolypen (Mund- 
gegend), wo der Ubergang dieser Faden in die Wimpern, die in 
groBer Anzahl aufsitzen, mit Sicherheit zu erkennen ist. Welche 
Menge von Linen in den Ausliufern enthalten ist, erhellt aus der 
gleichen Figur, an der wir den einen basalen Fortsatz in seine 
Linarbestandteile aufgelést finden. Sehr klar bemerkt man dies 
aber auch an den eigentiimlichen Anschwellungen, die so haufig 
an den Auslaufern der Ganglienzellen konstatiert werden und als 
charakteristisch fiir die nervésen Elemente gelten. In Figg. 32 
und 38 sind solche Bildungen, die als Varikositaten bezeichnet 
werden, gezeichnet; der homogene (Fig. 32) oder von eng neben- 
einander ziehenden Linen angefiillte (Fig. 38) Ausliufer erweitert 
sich plétzlich, um dann die erstere Beschaffenheit wieder anzu- 
nehmen. Es wird dies durch zeitweilige Auflésung des Zusammen- 
haltes der in ihn eingegangenen Linen bewirkt; diese verbreiten 
sich auf einen gréferen Raum, wobei sie, wie in Fig. 38, sich 
stark kriimmen, und vereinigen sich dann wieder in der alten 
Weise. Was die Ursache dieser Varikositatenbildungen ist, konnte 
ich nicht feststellen; vielleicht haben wir als solche einfach den 
Kinflu8 der Reagentien anzusehen (lokale Verquellung), wie ja auch 
die Gebriider Herrwic (15) annehmen. 

Die quergestreifte Muskulatur des Velums und der 
Subumbrella giebt Fig. 42 wieder. Die sonst blattartig neben- 
einander stehenden Binder sind hier ganz oder etwas umgebogen, 
so da8 wir einzelne auch viéllig von der Breitseite sehen. Wie bei 
Forskalea (Muskeln der Subumbrella der Schwimmglocken, Fig. 1) 
ziehen die Querlinien mit gré8ter Regelmafigkeit tiber alle Bander 
hin; nur an dem iibermaig kontrahierten Bande werden sie im 
mittleren Abschnitt desselben undeutlich. Nehmen wir an, dal 
es nur die substanzirmeren Teile der Binder (die dunkel ange- 
gebenen) sind, die sich kontrahieren, so erkennen wir die Ursache 
dafiir leicht darin, da die Unterschiede in der Substanzmeage 
durch die starke Kontraktion ausgeglichen werden. Deutlich bemerkt 
man die perlschnurartige Beschaffenheit an dem Auslaufer des 
Bandes rechts unten. Ein struktureller Unterschied der hellen 
und dunklen Partien ist nicht nachweisbar (wie bei Forskalea); 
auch das Tinktionsvermégen ist das gleiche. 

Ein Plattenepithel muf von vornherein als besonders 
geeignet zur Geriistuntersuchung erscheinen, da man es ja hier 
nur mit einer ganz zarten Lage von Protoplasma, die oft mit 
einem sehr feinen Schnitt an Diinne wetteifert, zu thun hat, 


432 Karl Camillo Schneider, 


Carmarina bietet im Epithel der Umbrella vorziigliche Gelegenheit 
zu solchen Studien; die Zellen erreichen hier in Teilen ihres Be- 
zirkes ein derartig geringes Ma8 von Dicke, dafi selbst Zellmem- 
branen derber erscheinen. Fig. 43 stellt einen Fetzen dieses 
Epithels dar. Das Zellterritorium ist, da Grenzen mangeln, nur 
ungefahr nach der Lage der Kerne zu beurteilen. In deren Nahe 
schwillt das Protoplasma am starksten an (obgleich es auch hier 
ein sehr niedriges ist und der Kern deshalb flachgedriickt erscheint) ; 
von diesem aus, anderen Anschwellungen zu, verdiinnt es sich, 
wie es scheint (siehe die Figur) aber nicht gleichartig nach allen 
Seiten hin, sondern in zwei entgegengesetzten Richtungen, in denen 
sich eine Parallelfaserung bemerkbar macht, in geringerem Mabe, 
als in den tibrigen. Das Maschenwerk ist in den relativ dicken 
Partien der Zelle auSferordentlich klar wahrzunehmen ; man erkennt 
daf die Windungen, in welchen die einzelnen Linen verlaufen, 
nicht so bedeutende sind, wie es z. B. bei Betrachtung eines 
Schnittes (siehe meine Arbeit, 24) der Fall zu sein scheint; immer- 
hin ist fiir ein Plattenepithel ein verhaltnismaig gestreckter Ver- 
lauf der Linen leichter einzusehen, als in protoplasmareicben Zellen, 
da der Verlauf der Faden fast ganz auf eine Flache beschrankt 
ist. Die Parallelfaserung, welche auf der fast vélligen Streckung 
einzelner in einer bestimmten Richtung ziehender Linen beruht, 
macht sich am ganzen Epithel der Umbrella bemerkbar; ausgepragt 
ist sie natiirlich nur in den dickeren Partien der Zellen, denn in 
den iibrigen ist das Geriist tiberhaupt kaum, stellenweise gar nicht 
wahrnehmbar. Die wenigen hier ziehenden Linen bilden relativ 
weite Maschen; es ist jedoch immerhin méglich, daf man einzelne 
gar nicht wahrnimmt und daher der Maschendurchmesser bedeu- 
tender erscheint. Die Zwischenmasse tragt durch ihre hier homo- 
gene Beschaffenheit dazu bei, die Faden undeutlich zu machen — 
das Gleiche wurde S. 420 geschildert —; ob nun eine Verdichtung 
der Grundmasse (was zum mindesten ein sehr unklarer Begriff 
ist) oder die Verdrangung derselben durch einen in ihr abge- 
schiedenen homogenen Kitt eingetreten ist, Ja8t sich durch 
morphologische Untersuchungen nicht feststellen. Ich bin der 
Ansicht, da8 letzteres statthat, da ich unter Grundmasse tiberhaupt 
nur fliissige Ausscheidungsprodukte geformter Zellbestandtteile 
(Granulae) verstehe (siehe hieriiber in den SchluSbemerkungen). 
Wie bekannt, spannen sich zwischen den Stiitzlamellen der 
Umbrella und Subumbrella durch die Schirmgallerte Fasern (Fig. 44) 
aus, die als elastische bezeichnet werden. Sie sind véllig 


| 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 433 
gestreckt, wenn die Gallerte nicht geschrumpft ist; sie dufern 
also Elasticitit, indem sie einem Drucke Widerstand leisten und 
aus einem durch Druck herbeigefiihrten Zustand, wie Fig. 44 ihn 
darstellt, in den vélliger Streckung zuriickzukehren sich bemiihen. 
Eine Struktur ist in ihnen absolut nicht wahrnehmbar; sie sind 
von durchaus homogener Beschaffenheit. Es méchte daher ganz 
willkiirlich erscheinen, auch fiir sie eine Linarstruktur zu be- 
haupten; da aber in anderen elastischen Gebilden eine Faser- 
struktur wirklich sich nachweisen lift, wie sogleich dar- 
gethan werden soll: so rechne ich auch erwahnte elastische 
Fasern zu den aus gestreckten Linen und einer spezifischen Kitt- 
masse bestehenden Gewebselementen, deren Fasern praformierte 
sind und vom Protoplasma abstammen. Aufer in der Funktion 
zeigen die Gallertfiden auch Ubereinstimmung in der Farbbarkeit 
mit den bekannten elastischen Gebilden; sie farben sich ebenso 
intensiv rosa, wie die Fasern des elastischen Bandes der Nessel- 
knépfe, und von diesen ist der Nachweis des Aufbaus aus zarten 
Fibrillen leicht zu fiihren. Denn zwar erscheinen sie auch bei 
Forskalea contorta (und ebenso der unbestimmten Agalmide) zu- 
meist von vollig gleichartiger Beschaffenheit, aber, wie wir es 
schon bei den Muskeln konstatierten, es sind die abweichenden 
Bildungen, gewissermafien die Monstrositaten, welche tiber die 
Strukturen den klarsten Aufschluf geben. Im ersten Teil der 
Arbeit habe ich eine elastische Faser beschrieben (Fig. 26), welche 
sich zu einem sehr diinnen Bandchen abfiachte. In diesem lief 
sich eine zarte Langsstreifung nachweisen; auferdem spalteten 
sich von ihm diinne Fibrillen ab, die jener Streifung entsprachen 
Vereinigen wir mit diesem Befunde noch den sich aus Fig. 45 
ergebenden, wo die lokale Spaltung einer elastischen Faser in 
mehrere Lingsfaden von verschiedener, aber sich gleichbleiben- 
der Dicke dargestelit ist, so ergiebt sich mit gréSter Wahr- 
scheinlichkeit der Aufbau der betreffenden Fasern und ge- 
streckten Liangsfibrillen, deren Kittsubstanz zumeist eine so 
innige Vereinigung der Faden bewirkt, daf das Ganze ein homo- 
genes Aussehen erhilt. Fragen wir nun: woher stammen die 
Fibrillen, welche in diesen elastischen Elementen sich vorfinden? 
so giebt uns hieriiber der Zusammenhang der letzteren mit 
der Stiitzlamelle der Senkfaiden Auskunft. Ich glaube, dem oben 
gefiihrten Nachweise entsprechend, auch hier behaupten zu 
diirfen, da die Lamellenfiden mit Linen identisch sind; es 


Bd. XXVI, N. F. XX, 28 


434 Karl Camillo Schneider, 


bilden also Linen durch Verkittung mittels einer spezifischen 
Bindemasse die elastischen Fasern. Daf zwischen dem Kitt dieser 
und der Lamellen ebenfalls kein prinzipieller Unterschied vorliegt, 
geht wiederum aus den Befunden an den Senkfiden hervor, denn 
es hat zwischen der intensiven Rosafirbung des Angelbandes und 
der weit lichteren der mafig stark entwickelten Lamelle am Be- 
ginn der Senkfaden ein allmahliches Ubergehen statt. Wahr- 
scheinlich ist Ursache hierfiir nur eine reichere Anhiufung des 
Kittes in den sich am Senkfaden ausbildenden elastischen Fasern. 
Daf es nur die Beschaffenheit jenes sein kann, welche, gesetzt 
die Richtigkeit des Identititsnachweises von Linen mit den Fibrillen 
der elastischen Elemente, diese tiberhaupt zu elastischen Gebiiden 
stempelt, bedarf kaum einer Erwihnung; denn da die Linen kon- 
traktionsfahige Elemente sind, so kann ihnen die Fahigkeit 
der Elasticitaét nur in sehr geringem Mage innewohnen. 

Die Tentakeln der Carmarina bilden ein ausgezeichnetes 
Untersuchungsobjekt. In der leicht isolierbaren Stiitzlamelle ist 
eine zarte Faserstruktur von Quer- und Liangsfalten wohl zu 
unterscheiden. Mit der Lamelle stehen die schlauchférmigen Aus- 
laufer der Nesselzellen (Fig. 46), die auch Hamann (12) beschreibt, 
in Zusammenhang, wobei sie sich meist basal in kurze Fasern 
auflésen. Wie die Membranen in der Umgebung der Kapseln, in 
welche sie tibergehen, sind sie von homogener Beschafienheit; ob 
deshalb und der Verbindung mit der Lamelle wegen den Fortsitzen 
die muskulése Natur abzustreiten ist, wie HAMANN dies will, 
erscheint mir fraglich; einfache Stiitzfortsitze sind meist nicht so 
regelmabig ausgebildet. Fig. 47 lehrt die auferordentliche Dehn- 
barkeit der Wandungen des Nesselschlauches. Sie stellt eiven 
solchen zum Teil ausgestiilpt dar; er ist erfillt von Sekret, von 
dem in die Kapsel zuriickfiihrenden, noch nicht erweiterten, 
und auferdem noch von anderen, durch Zufall mitgerissenen, Ab- 
schnitten des Schlauches. 

Ausgezeichnete Strukturbilder ergeben die Epithel- oder Deck- 
zellen der Tentakeln (Fig. 48). Gemaf ihrer bedeutenden Langs- | 
erstreckung zeigen sie eine ausgesprochene Langsfaserung. Die | 
Langsfasern verkleben vielfach zu verschieden kraftigen Polylinen; 
wihrend peripher unter der Cuticula das Protoplasma am reich- 
lichsten und sehr gleichmafig struiert ist, finden sich basal im ver- 
diinnten Zellkérper schroffe Kontraste zwischen derberen und sehr | 
zarten Partien. Die ersteren werden von Polylinen dargestellt, in f 
letzteren ist stellenweise das Geriist, wie ja auch in anderen | 


eee 


Kinige histologische Befunde an Coelenteraten. 435 


schwimmhautartigen Bildungen, kaum wahrzunehmen. Ganz Ent- 
sprechendes lehrt auch die Betrachtung der Struktur der im L. Teil 
schon erwihnten Epithelmuskelzellen vom Mundrand der Apolemia- 
nihrpolypen (Fig. 40); auch hier ist eine Lingsfaserung gemal 
der Verlingerung des Zellkérpers in einer Achse deutlich aus- 
gepragt, und es kommt auch hier (jedenfalls durch den Druck 
der angelagerten Driisenzellen) zu Verdiinnungen des Protoplasmas, 
denen starkere Entwickelung durch Polylinenausbildung in an- 
deren Bezirken (siehe die mittlere Partie der Epithelzelle im 
Gegensatz zu den zwei seitlichen) das Gleichgewicht halt. In 
ersteren ist auch hier das Geriist nur schwer nachweisbar, da die 
Awischensubstanz an Homogenitat gewonnen hat; in letzteren sind 
die Balken dann um so reicher angehauft und untereinander ver- 
klebt. 


‘ C. Hydroidpolypen. 


Pennaria cavolini. 


Das Ektoderm des Mauerblattes zeigt Epithelmuskelzellen 
von geringer Hohe und vakuolir angeordnetem Protoplasma (Fig. 49). 
Das Geriist ist nur in der Kerngegend reichlicher angehautft; es 
durchsetzt von hier aus den Raum der Zelle in verdichteten Strangen 
oder membranartigen Bildungen, die besonders als Grenzmembranen 
der Zelle von oft betrichtlicher Dicke sind. Da dabei Ver- 
klebungen des in der Kerngegend indifferent ausgebildeten Linar- 
maschenwerkes die Hauptrolle spielen, ist leicht ersichtlich ; immer 
sind die soliden Bildungen (Polylinen und Membranen) aber von 
lockerem Maschenwerk begleitet. Man muf sich indessen hiten, 
die zarten Maschen, welche iiber den Vakuolen eingezeichnet sind, 
auf solche Schicht indifferenten Geriistes zu beziehen; sie geben 
vielmehr Ausdruck der hier besonders miachtig ausgebildeten 
Cuticula. Dies ist mit Sicherheit durch Hebung und Senkung des 
Tubus nachweisbar ; die Cuticula grenzt unmittelbar an die darunter 
befindlichen Vakuolen. Bei oberflichlicher Betrachtung imponieren 
die hellen Maschenraume in der Cuticula als Kérnchen, und hieraus 
erkliren sich auch die vorliegenden Ansichten tiber eine Struktur 
in jener. Pennaria ist jedenfalls ein zur Beurteilung der Cuticula 
sehr geeignetes Objekt. —- Die Muskein sind glinzende, homogene 

28 * 


436 Karl Camillo Schneider, 


Fasern, wie allgemein bei den Hydroiden; auf ihnen sich aus- 
breitend zeigen sich hie und da Ganglienzellen (siehe die Figur), 
deren Protoplasma lingsverlaufende und indifferente Faden, wie 
in Fig. 31, enthalt. Die feinen Fortsitze sind homogen, wie ja 
ganz allgemein. 

Im Entoderm bemerkt man sehr verschiedenartige Epithel- 
zellen. Am Mundrand finden sich die in Figg. 50 u. 51 dargestellten 
Elemente; tiefer am Mauerblatt werden sie von den in Figg. 52, 
53 und 54 gezeichneten vertreten. Betrachten wir die ersteren, 
so haben wir Fig. 50 als Deckzelle zu deuten, die jedenfalls zu 
den vorhandenen Muskelfasern in Beziehung steht (auf er diesen 
Gebilden finden sich am Mundrand nur noch Driisen- und Sinnes- 
zellen als epitheliale Elemente). Sie zeigt ein dichtes Geriist, in 
dem eine Lingsfaserstruktur nur schwach angedeutet ist; peripher 
trigt sie eine derbe GeiBel, welche wohl ein Verklebungsprodukt 
mehrerer Wimpern ist. Die Muskelzellen des Mauerblattes haben 
im Gegensatz zur Schmiachtigkeit jener einen plumpen Zellkérper 
(die verschiedenen Dickenverhaltnisse sind doch wohl nur als Aus- 
driicke verschiedener Ernahrungszustande aufzufassen), dessen 
gleichfalls dichtes Geriist von Nahrangsballen erfillt ist. Die 
Muskelfasern sind schwacher als im Ektoderm. Wie bei den Deck- 
oder Muskelzellen haben wir auch zwei Variationen der Sekret- 
zellen zu unterscheiden, die vielleicht gleichfalls nur 2 Zustande 
einer einzigen Zellart reprasentieren. Fig. 53 entspricht dem 
Typus einer K6érnchen-, Fig. 51 einer Becherzelle. In jener ist 
das Geriist ein ausgesprochen langsfaseriges, vor allem oberhalb 
des Kernes, wo grofe Mengen von Sekretkérnern angehauft sind, 
welche sich gelbbraunlich farben. In Geriistanordnung und Tinktion 
stimmen diese Zellen véllig mit den von Forskalea (Polypenento- 
derm) und Apolemia (Polypenmundrand) geschilderten Driisen- 
zellen iiberein. Von letzteren giebt Fig. 55 eine Darstellung; das 
Geriist ist ausgesprochen langsfaserig; am oberen Zellende ver- 
schlingen sich die Fasern untereinander. Kérner fehlen in manchen 
Zellen ganz; die Farbung der Zwischensubstanz deutet aber auf 
das Vorhandensein von Sekret hin. In den genau entsprechend 
gelagerten und geformten Zellen der Taster der Apolemia konn- 
ten jedoch Korner in Menge beobachtet werden; weiterhin 
giebt Korornerr von den Driisenzellen am Velellascheibenrande, 
die ich gleichfalls leer an Kérnern konstatierte, an, daf sie von 
solchen ganz erfiillt seien — daraus scheint hervorzugehen, dah 
der Gehalt an Sekret in Ballenform keinen Unterschied der Zellart, 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 437 


sondern nur des jeweiligen Zustandes der sekretorischen Thatig- 
keit und vielleicht der Einwirkung der Reagentien bedeutet. — In 
der zweiten, bei Pennaria beobachteten Sekretzellart sind Kérner 
ebenfalls nicht vorhanden; die starke Anschwellung des oberen 
Zellteiles, die durch grofe Anhaufung einer homogenen Substanz 
bedingt ist, lift aber eine Deutung des Elementes in anderem, 
als oben angegebenem Sinne nicht zu. Das Geriist ist aufer- 
ordentlich weitmaschig (Fig. 51), nur hie und da nimmt man die 
Kreuzungsstellen der Linen als intensiver glanzende Knoten wahr. 
Dem Kern genihert, tritt eine Verdichtung des Geriistes ein, und 
unterhalb des Kerns ist die Struktur die gleiche, wie in den am 
gleichen Ort auftretenden Deckzellen. — Schon in meiner Arbeit, 
tiber Hydra (23) habe ich versucht, auch diese Art der drisigen 
Gebilde mit den K6érnerzellen in Einklang zu bringen. Es zeigte 
sich, dafi bei Anwendung verschiedener Reagentien dieselben Zellen 
(an der Fufscheibe) entweder im letzteren oder im ersteren Modus 
vorlagen ; die in den Koérnerzellen isolierten Ballen waren demnach 
in den Becherzellen zu einer homogenen Sekretmasse, welche das, 
sonst lingsfaserige, Geriist auseinandertrieb, verschmolzen. Diese 
Beziehungen beweisen, daf ein prinzipieller Gegensatz beider Zell- 
arten nicht existiert; nichts liegt nun naiher, als die erwahnte 
Umbildung auch am lebenden Tier sich vollziehend anzunehmen. 
So kénnen ganz die gleichen Sekretzellen, z. B. der Pennaria, ihrer 
verschiedenen Lagerung wegen in verschiedenen Zustinden erschei- 
nen; es ware auch denkbar, dal sogar nebeneinander liegende 
Driisenelemente als Becher- und als Kérnerzellen auftreten, da die 
Zustinde sich méglicherweise auch in derselben Gegend nicht zu 
entsprechen brauchen. Damit soll nicht im geringsten behauptet 
sein, daf beide Modi nun immer vereinigt vorkommen miissen; die 
Abscheidung des Sekretes, dies einzig stichhaltige Characteristicum 
der Driisenelemente, kann ja auf die mannigfaltigste Weise vor 
sich gehen; Anordnung des Geriists und Form des Sekretes hingen 
yon nebensachlichen Erscheinungen ab, welche in den verschiedenen 
Zellen sehr verschieden sein kénnen. 

Die in Fig. 52 dargestellten Sinneszellen erinnern auBerordent- 
lich an die gleichen und gleichgelagerten Elemente der Hydra (23). 
Thre Struktur ist dieselbe, wie in den Sinneszellen der Apolemia- 
nahrpolypen (I. Teil). Ob die spitzzulaufende Form (b) auf ein 
Element, das sich zur Ganglienzelle umbildet (wie sie bei Hydra 
vorkommen) zu beziehen sei, konnte ich mit Sicherheit nicht ent- 


438 Karl Camillo Schneider, 


scheiden; ich habe auch keine Ganglienzellen im Entoderm ange- 
troffen. 

Von den Tentakeln interessierten mich am meisten die 
Zellen des Entoderms, die sogenannten ,,Knorpelzellen“ (Fig. 56), 
welche wie Geldrollen hintereinander liegen. Ihre Wandungen 
sind sehr solid, ihr Protoplasma ist auf die mittlere Zellpartie, 
wo der Kern liegt, beschrankt. Es zeigt ganz dieselben struktu- 
rellen Umbildungen, wie in den ektodermalen Epithelmuskelzellen 
des Mauerblattes; durch Polylinen- und Membranbildung ergiebt 
sich die so feste Beschaffenheit des Ganzen. Dabei ordnen sich 
vielfach die Linen in Ziigen an, die, von den Wandungen einzeln 
kommend, ventral sich durchkreuzen und den Kern umspinnen. 
In den Wandungen hat die Verdichtung des Geriistes das héchste 
Maf erreicht; die auferordentlich derbe Struktur ist Ursache da- 
fiir, daf die Tentakeln nicht kontrahiert werden kénnen. 

Die Nesselzellen des Ektoderms der mit Nesselképfen ver- 
sehenen Tentakel haben Stilbildungen, welche auch Hamann (12) 
schildert. Die Zellen mit den kleinen Kapseln (Fig. 57) lassen 
einen feinen, gleichmaSig dicken Fortsvtz erkennen, der ganz mit 
den Fortsaitzen der Nesselzellen am Apolemiataster iibereinstimmt. 
Er wird, wie auch die Membran im Umkreis der Kapsel, von 
Protoplasma umsponnen; mit der Membran steht er in direkter, 
solider Verbindung. Anders jedoch bei den Zellen mit eréheren 
Kapseln (Fig. 58); auch hier existieren Stil und die Membran im 
Umkreis der Kapsel; beider Zusammenhang ist aber ein lockerer, 
das Geriist letzterer geht nach unten zu in eine parallelfaserige 
Verdickung des Protoplasmas (die auch von anderen, indifferenten 
Linen durchflochten wird) tiber, welche als Stil imponiert. Der 
Struktur wegen ist er deshalb sicher nicht als Muskelbildung auf- 
zufassen, vielmehr kann es sich nur um einen Stititzfortsatz handeln. 
Die homogene Beschaffenheit des Fortsatzes ersterer Zellen lait 
eine Deutung als Muskelgebilde ganz gut zu, wenn sie dieselbe 
auch nicht nétig macht; Hamann (12) kann demgemaf im Recht 
sein, wenn er diesen beiden Nesselzellarten die muskulése Natur 
auf Grund ihres Zusammenhangs mit der Lamelle abspricht; die 
Allgemeingiltigkeit dieser Ansicht widerlegen jedoch vor allem 
Cuun’s (6) Befunde an Physalia. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 439 


D. Aecraspede Medusen. 


Pilema pulmo Hagcx. 


Die Epithel- und Sinneszellen der Sinnesgrube sind in 
ihren Strukturverhaltnissen in Figg. 59 und 60a und b dargestellt. 
Im Vergleich zu den Elementen der Hydroiden kann man hier von 
einer gewissen Gertistarmut sprechen, die noch ausgesprochener 
bei den Anthozoen sich bemerkbar macht. Die Elemente, vor allem 
die Sinneszellen (Figg. 60a u. b), sind von auferster Feinheit ; 
wihrend aber im gleichen Fall bei den Hydroiden das Geriist zu 
Polylinenbildungen verdichtet war (siehe Figg. 52 u. a.), ist es 
hier ganz im Gegenteil ein durchaus lockeres; es enthalt also die 
Zelle tiberhaupt weniger Linen als bei jenen Species ; zu Polylinen- 
bildungen kommt es nur in den feinsten Fortsitzen; dement- 
sprechend ist eine parallelfaserige Struktur auch viel weniger 
deutlich ausgeprigt. Je dicker die Zelle (Fig. 59), also je mehr 
Linen vorhanden, desto wahrscheinlicher sind einzelne gestreckte 
wahrzunehmen; vor allem unterscheiden sich die als Wimpern aus 
dem Protoplasma austretenden Linen schon in diesem als Lings- 
fasern von den indifferenten. — Ich gehe hier nicht auf diese 
interessanten Verhaltnisse naher ein, da das von den Anthozoen 
gelieferte reichlichere Material bessere Unterlagen bietet. 


Pelagia noctiluca Perr. u. Legs. 


An den Muskeln der Subumbrella ist das charakteristische 
der Querstreifung am besten zu erkennen. Die rundlichen Fasern 
erscheinen haiufig in den Endabschnitten vdllig glatt (Fig. 61), 
genau wie glatte Muskeln; der Ubergang in die ausgesprochen 
quergestreiften Partien erfolgt durch leise Anschwellung in be- 
stimmten Abstanden, die immer betrachtlicher wird, bis der perl- 
schnurartige Charakter der Fasern deutlich ausgepragt ist. Die 
substanzarmeren Stellen, welche an Dicke dem glatten Endabschnitt 
entsprechen, erscheinen dunkel; die dickeren licht, oder umgekehrt, 
je nach der Tubuseinstellung. Eine Strukturverschiedenheit ist 
nicht zu beobachten. Meiner Meinung nach geht aus diesem 
ganzen Befunde unzweifelhaft hervor, da zwischen glatter und 
quergestreifter Muskulatur der Coelenteraten nur der Unterschied 


440 Karl Camillo Schneider, 


vorliegt, da in letzteren die Substanz in gewissen Abstiinden 
verdickt ist. Die Ursache dafiir haben wir vielleicht in der dauern- 
den Kontraktion kurzer Abschnitte der Fasern und Bander zu 
erkennen. Ist der ganze Muskel stark kontrahiert, so verschwinden 
die Dickenunterschiede (Fig. 122); die erst nicht verkiirzten Teile 
haben sich dann in gleicher Weise verdickt, wie jene. Wiederum 
kénnen aber auch die verdickten Partien den diinnen ahnlich oder 
gleich werden, indem in ihnen eine Verteilung der Knotensubstanz 
auf einen gréferen Raum eintritt; also wenn sie sich strecken. — 
Fragen wir nun nach dem Zweck dieser merkwiirdigen Einrichtung, 
so diirfen wir in folgendem Momente einige Aufklérung dariiber 
erwarten. Die quergestreifte Muskulatur findet sich an jenen 
Organen, die das Vermégen der rhythmischen Kontraktion besitzen 
(Schwimmeglocken der Siphonophoren, Subumbrella der Medusen) ; 
durch die Zerlegung der Muskelfasern in eine Menge ganz kurzer 
Stiicke, die sich nacheinander kontrahieren, ist, wie es scheint, die 
Méglichkeit einer raschen Streckung der Faser nach der Ver- 
kiirzung gegeben. Betrachten wir z. B. den Siphonophorenstamm, 
so miissen wir in der That zugestehen, da’ an diesem, trotz des 
so kolossal entwickelten Antagonisten der Lingsmuskeln, der Stiitz- 
lamelle, eine so rasche Streckung, wie sie in den Schwimmglocken 
statt hat, nicht denkbar ist. Die Zerlegung der hier befind- 
lichen Muskelzellen in zahllose winzige Abschnitte wird zweifellos, 
bei Unterstiitzung durch die Gallerte, die Ausdehnung der ganzen 
Bander begiinstigen. 


E. Octactinia. 


Alcyonium acaule Marron. 


Es fallt schwer, bei Anwendung des Osmium-Essigsaure- 
gemisches eine Alcyoniumkolonie gut zu konservieren; Tentakeln 
und Mundscheibe werden dabei fast ganz eingezogen. Die Zellen 
fallen auferordentlich leicht auseinander; sie sind zwar gut erhalten, 
ihre Orientierung ist aber schwierig. Man bemerkt sofort, dah 
fast siimmtliche Zellen sehr zarte, lang ausgezogne oder stark ab- 
geplattete Elemente sind; die Struktur ist zumeist in noch aus- 
gesprochenerem Mafe, als bei Pilema, eine lockere. Betrachten 
wir zunichst das Ektoderm. Am Mauerblatt besteht es aus 
einem Plattenepithel, das zeitweise ein driisiges Aussehen annimmt 
und von Nesselzellgruppen unterbrochen wird. Fig. 62 stellt eine 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. A4] 


Epithelzelle dar und Jat die schon mehrfach angegebene Struktur 
abgeplatteter Zellen gut erkennen. An den diinnsten Stellen wird 
das Aussehen ein homogenes; Geriist ist hier fast gar nicht wahr- 
nehmbar. Auffallend ist die Anwesenheit von runden, verschieden 
sroBen Kérnern im Protoplasma, die indessen viel reicher an Zahl 
in den subepithelialen und Gallertelementen sich vorfinden, wo sie 
relativ bedeutende Gréfie annehmen kénnen. Soviel ich konstatieren 
konnte, sind sie nach Art der Vakuolen als Kugeln zu deuten, 
deren Wandungen vom Geriist geliefert werden. Hierin stimmen 
sie véllig iiberein mit den im Entoderm der Forskaleapolypen ete., 
vor allem aber schén im Entoderm der Apolemiapneumatophore 
beobachteten Kérnern. Von letzteren giebt Fig. 63 ein genaues 
Strukturbild; es laft sich mit Sicherheit das Herantreten der in- 
differenten Linen an die Kugeln feststellen. Ob letztere Inhalt 
besitzen oder in der That Vakuolen vorstellen, konnte ich ebenso- 
wenig, wie ihre Bedeutung iiberhaupt, bestimmen. — Die sub- 
epithelialen Elemente des Mauerblattektoderms von Alcyonium 
sind zweifellos in die Tiefe gesunkene Epithelzellen selbst, da sie 
an Form ihnen durchaus ahneln. Je mehr sie in die Gallerte 
eindringen, desto variabler wird aber ihr Aussehen (man vergleiche 
die Bilder 64— 65). Zu Strukturstudien sind sie vorztiglich geeignet, 
da sie weder zu plump, noch zu zart sind; nur die Anwesenheit 
der Korner ist etwas stérend. Das Maschenwerk ist ein sehr 
lockeres (Fig. 64 vor allem); sehr auffallend aber ist das Fehlen 
fast jeder Parallelfaserung in den Ausliufern (Figg. 65 u. 66). 
Selbst in den schmichtigsten gewahrt man meist nur Faden, die 
von einer Wandung zur andern ziehen; eine Verklebung von Langs- 
fasern zu Polylinen ist nirgends zu konstatieren. — In der Gallerte 
kommt es nicht selten zu klumpenformiger Vereinigung mehrerer 
Zellen, wobei die Zellgrenzen mehr oder weniger deutlich erhalten 
bleiben (Fig. 67). Die Substanz der einzelnen Zellen ist in diesen 
verschieden verteilt; an der einen Stelle hauft sich das Proto- 
plasma sehr an, an einer anderen bildet es nur diinne Haute, in 
denen oft eine Erkennung der Struktur unméglich ist. Aus solchen 
Zellklumpen scheinen zum Teil die Spiculae hervorzugehen, denn 
wir erkennen in deren Jugendstadien manchmal mehrere Kerne. 
Immerhin kann dies nicht die Regel sein, wie ja auch die Grife 
der Spiculae eine sehr verschiedene ist; zumeist werden sie sich 
wohl aus einzelnen indifferenten Zellen, welche stark an Umfang 
zunehmen, entwickeln. Die Jugendstadien sind leicht kenntlich 
durch eine gewisse Regelmafigkeit der Form (Figg. 68 u. 69) und 


442 Karl Camillo Schneider, 


Struktur, sowie durch lichte Farbe, die durch die Ablagerung einer 
braéunlichen, soliden Substanz bedingt ist. Man erkennt die Um- 
risse des spiéteren Spiculums schon in Fig. 68 angedeutet; es 
macht sich hier auch die Streckung eines Teils des Geriistes gel- 
tend. Parallel verlaufende Linen ziehen den Wandungen entlang 
oder durchsetzen den Zellkérper in querer und in der Langsrich- 
tung. In Fig. 69 ist dies sehr scharf ausgeprigt; der weitaus 
ero8te Teil der Fasern, vielleicht saimtliche, sind gestreckt und 
verlaufen in der geschilderten Weise, wohl auch in schrager Rich- 
tung von einem Buckel zum anderen. Die Zelle oder das Syncytium 
hat auf diesem Stadium einen braunlichen Ton angenommen; 
schreitet die Ablagerung der Kalksalze weiter vorwiirts, so wird 
das Geriist undeutlich, und in dem fertigen Spiculum (Fig. 70) 
sieht man nur eine homogene, stark glinzende Masse. — Diese 
Befunde iiber die Entstehung so solider, aus Kalksalzen aufgebauter, 
Gebilde sind von grofer Bedeutung, denn sie beweisen (und lassen 
uns fiir andere dhnliche Elemente vermuten), da’ auch derartigen 
homogenen Elementen eine Linarstruktur zu Grunde liegt, ebenso 
wie den Muskel- und elastischen Fasern, der Stiitzlamelle, den 
Chromatin- und Sekretklumpen. In der Grundmasse (von dort 
gelagerten Granula jedenfalls) erfolgt die Abscheidung der spezi- 
fischen Kittmasse zwischen die in besonders charakteristischer 
oder auch indifferenter Lage angeordneten Fasern. Durch die 
Fasern wird die Form, durch die homogenen Abscheidungsprodukte 
der chemische Charakter dieser Bildungen bewirkt. 

Die in Fig. 71 dargestellte Zelle stammt aus dem Ektoderm der 
Mundscheibe, wo sie mit der ungeheuren Masse der anderen auf 
Grund der zu ausgiebigen Mazeration ein unentwirrbares Chaos 
darstellte. Die Form und Struktur erinnert véllig an jene der 
eleichen Zellen der Actinien, und ich komme deshalb auf sie erst 
bei diesen zn sprechen. Sinnes- und Ganglienzellen vermochte 
ich in der Menge der langausgezogenen Elemente nicht zu unter- 
scheiden. 

Das Entoderm besteht am Mauerblatt aus Epithelmuskel- 
zellen, die gleichfalls sehr abgeplattet sind (Fig. 72). _Schwimm- 
hautartige Teile des Protoplasmas begleiten die Muskelfasern oft 
eine Strecke weit und geben dem Ganzen ein eigentiimliches Ge- 
prige. Aus dem Geriist erhebt sich eine starke, sehr lange Geifel; 
entgegengesetzt derselben zieht der kontraktile Faden, der einen 
ziemlich bedeutenden Durchmesser und rundliche Form hat. In 
Figg. 73 und 74 sehen wir zwei anormale Muskelfasern dargestellt, 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 443 


die iiber die Strukturverhiltnisse der kontraktilen Gebilde klaren 
Aufschluf bieten. Die wellenférmige Begrenzung des langs- 
faserigen Muskels auf der rechten Seite in Fig: 74 und die Vor- 
spriinge in Fig. 75 erklaéren sich aus unregelmabiger Kontraktion. 
Wahrend sich ein kleiner Teil der Fibrillen in ersterer Figur (auf 
der linken Seite) kontrahiert hat und aus diesem Grund die 
Grenzlinie dieser Seite gerade verlauft, blieben die anderen Fibrillen 
unverkiirzt (oder verkiirzten sich geringer) und muSten deshalb 
lokal aus dem gestreckten Verlauf des Muskels ausbiegen. In 
Fig. 74 sind die Verschiedenheiten in der Kontraktion weit be- 
deutender; es hat sich hier der mittlere Teil der Fibrillen stark 
verkiirzt, an der Peripherie jedoch ist aus unbekannten Griinden 
die Kontraktion lokal nicht eingetreten oder viel unvollkommener, 
deshalb treten wellen-, ja selbst zapfen- und dornenférmige Er- 
hebungen iiber das Niveau jener Fibrillen hervor. Dabei findet 
entweder ein allmahlicher Ubergang von den verkiirzten zu den 
weniger oder nicht verkiirzten Faden statt (siehe unteren Abschnitt 
der Figur), oder Biindel der letzteren erheben sich bogenférmig, 
isoliert tiber die Oberflache. An noch anderen Stellen scheint 
iiberhaupt eine Zerreifung von Fibrillen eingetreten zu_ sein, 
wenigstens kann man an manchen der spitzesten Dornen nicht 
das Eintreten und Wiederzuriickkehren der Fibrillen beobachten. 
— Allein durch die Annahme einer Faserstruktur in den Muskeln 
1aBt sich eine derartige anormale Ausbildung erklaren. Erachte 
ich den Muskel als villig homogenes Gebilde, so ist es unbe- 
ereiflich, wie Teile desselben sich weniger kontrahieren sollten, 
als andere, da sie ja in unmittelbarstem Zusammenhang stehen. 
Da8 indessen diese Fibrillen, die notwendigerweise vorhanden sein 
miissen, mit Linen identisch sind, folgt aus diesen Befunden nicht; 
dariiber gaben uns Figuren wie 17 und 19 jedoch sicheren Auf- 
schlu8, und so diirfen wir den gleichen Ursprung auch wohl fir 
die hier beschriebenen Fibrillen in den Muskeln behaupten. In 
Fig. 75 ist ein Teil eines eleichfalls anormal beschaffenen Stamm- 
muskelbandes von der im I. Teil der Arbeit angefiihrten, unbe- 
stimmten Agalmide wiedergegeben. Auch hier sehen wir deutlich 
die mittleren Fibrillen, die im Band gut zu erkennen sind, ge- 
streckt, nach auSen zu eine Anzahl aber gekriimmt verlaufen. Es 
ergeben sich so zackenférmige Vorspriinge am Umrif des Bandes, 
die aus Verschiedenheit der Kontraktion der Muskelfibrillen leicht 
sich erkliren. 


444 Karl Camillo Schneider, 


Im Entoderm finden sich auch in die Tiefe gesunkene Zellen, 
die denen des Ektoderms entsprechen (siehe Fig. 64). Ob sie 
gleichfalls in die Gallerte wandern und sich zu Spicula umbilden, 
konnte ich nicht feststellen. 

Litteratur. Histologische Angaben tiber Alcyonium mangeln 
fast ganz; ich konnte wenigstens trotz eifrigen Nachsuchens nur 
bei DANrELSSEN (10) eine Vermutung tiber die Abstammung der 
Spicula finden, auf Grund der Lagebeziehung; auch dieser Forscher 
leitet sie von Ektodermzellen her. Die Bestimmung der Species 
erfolgte nach v. Kocu’s (18) ausfiihrlicher Habitusbeschreibung. 


F. Hexactinia. 


Adamsia Rondeletii ANpR. 


Auch bei dieser Anthozoe gelang es mir nicht, trotz genauer 
Kinhaltung der von den Gebr. Herrwia (16) angegebenen Regeln, 
eine gute Konservierung der Mundscheibe zu erzielen. Indessen 
war es mir auch nicht méglich, sehr viel Zeit auf die Versuche 
zu verwenden; die geplante Untersuchung der Nervenschicht 
mute deshalb unterbleiben, mir um so unerwiinschter, als die 
Hertwie’s grofe Ganglienzellen aus ihr beschreiben. Die von mir 
gezeichneten Ganglienzellen stammen von den Tentakeln. — Die 
auferordentlich langen und diinnen Zellen des Ektoderms ent- 
sprechen dem in Fig. 71 von Alcyonium dargestellten Elemente 
des gleichen Ortes. Der langliche Kern zeigt das Chromatin zu- 
meist auf eine Randschicht beschrankt; Klumpen im Innern oder 
isolierte Kérner sind vor allem in den, wie geschrumpft erschei- 
nenden, Kernen der Sekretzellen (Figg. 80 u. 81) kaum zu erkennen. 
Das Protoplasma ist in den Deckzellen fast tiberall stark modi- 
fiziert. Oft trifft man nur peripher, basal und in der Kerngegend 
maschiges Geriist (Fig. 76); wenn es, wie in Fig. 77, fast in der 
ganzen Zelle sich vorfindet, ist es ein durchaus lockeres und ent- 
behrt der Parallelstruktur und der Polylinenbildungen. Allein in der 
Sinneszelle (Fig. 78) scheint die Vereinigung des Geriistes, das 
peripher noch zur Not erkannt werden kann, zu einem einzigen 
Polylinon, in dem nur durch den Kern eine Anschwellung eintritt, 
sich vollzogen zu haben; wir sehen einen homogenen Faden, der 
sich am oberen Ende in einige Maschen auflést und sich basal in 
gleich homogene, diinnere Fortsaitze, die ganz auferordentliche 
Feinheit (wie bei Carmarina im Nervenring) gewinnen kénnen, 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 445 


zerteilt. Wo in den Deckzellen (Fig. 76) das Maschenwerk nicht 
zu konstatieren ist, erblicken wir das Protoplasma zu flachen- 
artigen Bildungen zusammengeschrumpit, die in der Lingsrichtung 
Falten aufweisen. Basal und peripher zeigt sich durch allmahliches 
Deutlichwerden von Linen, dal jedenfalls auch die abgeplatteten 
Stellen Geriist enthalten, wahrscheinlich in der gleichen Weise, 
wie die schwimmhautartigen, Partieen, die wir schon an so vielen 
anderen Zellen fanden. An Driisenzellen finden sich, wie ja bekannt, 
sowohl] Kérnerzellen, als solche mit weitmaschigem Geriist, deren 
Inhalt sich nicht farbt, vor. In den ersteren ist eine Parallel- 
faserung (Fig. 79) sehr deutlich ausgesprochen, in letzteren (Fig. 80) 
dieselbe lockere Geriistanordnung, wie sie z. B. von Pennaria 
(S. 436, Fig. 51) beschrieben wurde. Nur der Unterschied liegt 
hier vor, daf} unterhalb der becherférmigen Erweiterung die in- 
differente Geriststruktur trotz der starken Verdiinnung des Zell- 
kérpers in der Langsachse eine Lingsfaserung nicht im geringsten 
angedeutet zeigt, wie dies bei Pennaria zu beobachten war. — Im 
Ektoderm der Tentakeln beobachtete ich neben den geschil- 
derten Zellen (zu denen noch die Nesselzellen kommen) Elemente, 
welche ich zuerst ftir Driisenzellen hielt, da ihr homogener Inhalt 
sich farbte (Fig. 81). Wahrend das Geriist unterhalb des Kerns 
in der fiir die Anthozoen charakteristischen Weise ausgebildet war, 
bildeten die Linen oberhalb autiallende Verschlingungen. Hier 
befand sich auch die sich tingierende homogene Substanz; in der 
Gegend des Kerns verliert sich das Tinktionsvermégen, ohne dal 
eine scharfe Grenze zu konstatieren ware. Dies ist jedoch an 
anderen, ganz ahnlichen Gebilden der Fall; in Figg. 82 und 83 
zeigt sich der gefarbte Zellteil, der zugleich die eigentiimlich ver- 
schlungenen Fasern enthalt, scharf begrenzt. Seine Gestalt ist 
wechselnd, aber immer ausgesprochen cylinderformig; das inter- 
essanteste in den Gebilden ist aber die Verteilung des Geriistes. 
Es 1a8t sich mit Sicherheit feststellen, da’ der Innenraum nur 
von der homogenen Masse erfiillt ist; die Fasern umspinnen ihn 
oder vielmehr seine Wandung, denn die scharfe Grenze nach unten 
zu deutet auf das Vorhandensein einer Membran. Ganz unzwei- 
deutig beweist dies Fig. 84, wo ein Teil des tingierten Raumes 
scharf und sehr regelmafig umrissen, von Fasern nicht umsponnen, 
sich darstellt, wahrend die itibrige Partie der Kapsel von den 
Fasern in Spiralwindungen umzogen wird. All diese sonderbaren 
Bilder erinnerten mich lebhaft an die Nesselzelljugendformen, die 
ich bei Forskalea beschrieben habe; tiberdies stimmte die Form 


446 Karl Camillo Schneider, 


des scharf umgrenzten Raumes in Fig. 84 ganz mit der der fer- 
tigen Nesselkapseln der Adamsia iiberein. Im Innern jenes zeigte 
sich nicht das Geringste, was auf einen Schiauch hatte bezogen 
werden kinnen; nur homogenes Sekret erfiillte ihn. Aus diesen 
Befunden glaube ich auch bei den Anthozoen auf eine Entstehung 
des Nesselschlauches auferhaib der Kapsel schlieBen zu_ diirfen; 
ich nehme dabei an, daf die Fasern, welche den sekretgefillten 
Raum umwinden, in gleicher Weise, wie die Fasern, welche in den 
ersten Entwickelungsstadien bei Forskalea die Kapsel symmetrisch 
umspinnen, zu deuten sind, d.h. zur Ausbildung des Schlauches 
dienen. Indessen teile ich diese Auffassung nur unter allem Vor- 
behalte mit, denn die Befunde aus so wenigen Bildern sind fiir die 
Deutung nicht geniigend; eine ausiiihrlichere Untersuchung war 
mir aber unméglich. 

Wir finden bei Adamsia aber nicht blo’ Elemente, welche 
in der Struktur von denen der Hydroiden sich wesentlich unter- 
scheiden; es giebt auch Zellen, die, bei entsprechender Funktion, 
die véllig gleiche Linaranordnung aufweisen. Betrachten wir nam- 
lich die Ganglienzellen der Tentakeln, von denen 2 in Figg. 85 
und 86 wiedergegeben sind, so erkennen wir genau die gleichen, 
bekannten Verhiltnisse, wie wir sie bei den Hydroiden fanden. 
Die Ganglienzellen entsprechen in ihrer Form und Struktur ganz 
und gar dem in Fig. 34 (Carmarina) gezeichneten Typus; sowohl 
Zelikérper wie Auslaufer zeigen gestreckte Fibrillen, die von in- 
differenten durchfiochten werden, und in den feineren Fortsatzen 
kommt es zur Polylinenbildung, genau wie bei den Hydroiden. 
Auch in den Kernen entsprechen sie diesen, denn innerhalb der 
kugeligen oder ellipsoidischen Wandung, die mit indifferentem 
Maschenwerk erfiillt ist, findet sich das Chromatin in Kérnern 
gleichmaBig verteilt und auch zu einem Nucleolus vereinigt. 

Ich glaube, aus diesen verschiedenartigen Befunden den 
SchiuB ziehen zu diirfen, daB die Abweichungen einzelner Elemente 
(Deck- und Gallertzellen [bei Alcyonium] vor allem) von der 
Struktur, wie sie bei den Hydroiden so ailgemein verbreitet ist, 
sekundir erworbene sind. An manchen entsprechenden Gebilden 
finden wir Ubereinstimmung (Ganglien- und kérnige Driisenzellen) ; 
von prinzipiellen Diiferenzen in der Anordnung und Ausbildung 
des Maschenwerkes im Protoplasma und Kern kann also nicht die 
tede sein. Die muskelfreien Deckzellen, wie die anderen abwei- 
chenden Zellen, muBten sich jedenfalls bestimmten Verhaltnissen 
anpassen, welche bei den Hydroiden sich nicht bemerkbar machen, 


Finige histologische Befunde an Coelenteraten. 447 


aber auch bei den Acraspeden auftreten. Dariiber Ansichten auf- 
zustellen, ware aber nur an Hand eines reichlichen Materials 


moglich. 

Fig. 87 stellt eine Muskelzelle aus dem Entoderm der Septen 
dar, welche in tiberraschend klarer Weise die Fibrillarstruktur 
der kontraktilen Substanz zeigt. Diese ist lokal aufgelockert, und 
man nimmt deutlich wahr, wie die homogene Faser sich in eine 
Menge parallel ziehender Fibrillen zerlegt, welche spater wieder 
zusammentreten. Jedenfalls reprisentiert dieser Befund eine anor- 
male Ausbildungsweise, aber, wie wir schon 6fters gesehen haben, 
sind diese fiir die Erkennung der Struktur auferordentlich auf- 
schluBgebend und lehrveich. 

Litteratur. Meine Beobachtungen fiigen denen der Hertwia’s 
(16), von Hetper’s (14), Witson’s (25), Mac Murricu’s (20) u. a. 
nur betreffs der Strukturfragen und der Nesseizellentwicklung 
Neues zu. In Bezug auf letztere weicht meine Darstellung we- 
sentlich von der Wriison’s ab, da dieser fiir Hoplophoria coralligens 
die intrakapsulire Entwickelung des Nesselschlauches angiebt. 
Nach ihm enthalten die jungen Nesselzellen eine fein granuliire 
Substanz, die sich intensiv mit Hamatoxylin farbt. Jede Kapsel 
zeigt auch noch eine Anzahl grofer Korner. In anderen ist der 
Inhalt fliissig, aber er enthalt einen oder zwei kurze, unregel- 
maBige Faden. Writson glaubt, da’ diese aus den Kérnern her- 
vorgehen und da diese auf Kosten des fein-granuliren Inhalts 
wachsen und eine Kette bilden. Dabei verfliissigt sich der Kapsel- 
inhalt und die Kette wird zum gliinzenden Faden. — Diese An- 
schauung enthalt das Neue, daf sie den Schlauch aus Sekret, das 
vom Protoplasma isoliert ist, hervorgehen li8t, wihrend sonst all- 
gemein jener als durch Einwucherung und Umbildung von Proto- 
plasma entstehend angenommen wird. 


G. Ctenophoren. 


R. Hertwie (17) nimmt in Gegensatz zu Emer (11) und 
Cuun (5) das Vorhandensein nervéser Elemente in der Gallerte 
der Ctenophoren an, und ich teile diese Ansicht volikommen, auch in 
Hinsicht auf die so bezeichneten Zellen. In Fig. 88 (Eucharis 
multicornis) sehen wir derartige Elemente und typische Muskel- 
fasern in Zusammenhang. Es liegt zwischen beiden der Unterschied 
vor, daf letztere meist kraftige Strange bilden und nur an den 
Enden sich in diinnere Faden, die besenreiserartig auseinandergehen 


448 Karl Camillo Schneider, 


zerlegen, wihrend erstere sehr zarte Fasern darstellen, die tiberall 
im Verlauf Auslaufer abzugeben vermégen. Beide Elemente lassen 
meist von Struktur nichts erkennen; sie erscheinen homogen, besitzen 
an den Punkten, wo Kerne ihnen angefiigt sind, gewohnlich etwas 
indifferentes Protoplasma und kénnen durch Briickenbildung auch 
mit ihresgleichen in Verbindung treten. Doch bemerkt man an 
den Ganglienzellen hie und da Varikositéten, auch an Abgangs- 
stellen der Fortsitze ist die Fasersubstanz lockerer. Es zeigt sich 
hier, da8 die homogene Nervenfaser aus feinsten Fibrillen besteht, 
die jedenfalls véllig parallel ziehen, denn in den varikésen An- 
schwellungen kommt es nur zu unbedeutender Verschlingung 
der Linen. Wenn ein Fortsatzende an eine Muskelfaser herantritt, 
erscheinen die Fibrillen jenes gelockert; sie gehen direkt in das 
Protoplasma der an den Vereinigungsorten mit Kernen versehenen 
Muskelfasern iiber. Bei Beroe ovata ist dies besonders klar zu 
ersehen. Wie bekannt, liegen hier die Kerne und undifferenzirtes 
Protoplasma im Innern der aus zarten, ganz gestreckt und 
parallel ziehenden Fibrillen bestehenden, kontraktilen Substanz der 
Muskelzellen. Bei Zusammentritt von diesen und Ganglienzellen 
(Fig. 89) erhebt sich indifferentes Protoplasma bis an die Peripherie 
der kontraktilen Masse und geht direkten Faidenaustausch mit den 
aufgelockerten Enden der nervésen Fasern ein. Interessant ist 
hierbei, da einzelne Faden letzterer auch in das Sarkolemm der 
Muskelzelle iiberzugehen scheinen. Vielleicht laBt sich hieraus 
auf ein Neurolemm der Ganglienzellfortsitze schliefen ; auch kénnte 
man auf die Beschafienheit der Hiillen nach Art anderer Mem- 
branen folgern, obgleich an isolierten Sarkolemmstiicken von einer 
Faserstruktur nichts Sicheres nachzuweisen ist. 

Mit Pikrokarmin farbt sich die kontraktile Substanz lebhaft 
gelblichrot ; auch hier werden wir diese Tinktion aus der Beschatien- 
heit des Kittes der zarten Fibrillen erklaren diirfen. An den drei- 
eckigen Verbindungsstiicken (90) mehrerer Muskelfasern und den 
Enden dieser, wo sie in eine Menge feinerer Fasern dichotomieren 
(Fig. 91), kommt es zur Bildung zarter, schwimmhautartiger Par- 
tien, in welche einzelne der gestreckten Fibrillen einstrahlen und 
so eine zarte Maschenstruktur in ihnen bewirken. In derartigen 
flachenhaften Bildungen liegen haufig, wie bekannt, Kerne; deren 
Struktur ist die bekannte, oben oft geschilderte. 

Isolierte Linen von ganz enormer Lange finden sich in den 
Ruderplattchen. Es bestehen diese, wie bekannt, aus sehr 
feinen, oft kaum zu verfolgenden Wimpern, die, untereinander 


| 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 449 


verklebt, hohen Epithelzellen aufsitzen (Fig. 92). In diesen ist 
eine Liingsfaserung deutlich ausgeprigt; aufer den langsverlaufen- 
den Linen finden sich, wie bei den Hydroiden in ahnlichen Gebil- 
den, noch indifferente. Erstere durchsetzen die Cuticula und ragen 
als die erwaihnten Wimpern nach aufen. Es ist dies mit gréSter 
Sicherheit nachzuweisen und stellt die kontraktile Natur der Linen 
im Protoplasma iiber jeden Zweifel.' 


Kurze Ubersicht der Befunde iiber die Struktur 
der Gewebselemente. 


A) An den Muskeln: Muskelbildungen kénnen in jeder 
Region der Zelle auftreten, sowohl basal (Fig. 53), wie epithelial 
(Fig. 17), oder central (Fig. 18); sie sind entweder ganz von 
Protoplasma eingehiillt (Fig. 18) oder nur teilweise (Fig. 53) 
oder gar nicht (Fig. 89). Wie es sich in einzelnen Fallen be- 
stimmt nachweisen, in anderen wahrscheinlich machen lief, be- 
stehen die Muskeln aus gestreckten, parallel angeordneten Linen, 
welche durch eine spezifische Kittmasse verbunden sind; diese 
Vereinigung kann bald lose (Figg. 18 im II. u. 42 im I. Teil), bald 
sehr innig (Figg. 89, 20) sein. Entsprechend der Arbeitsleistung 
der Muskeln — durch Kontraktion 2 Punkte, zwischen denen 
sie sich ausspannen, einander zu n&ahern —, vermissen wir Seiten- 
zweige, die unter rechtem oder fast rechtem Winkel vom 
Muskel abgehen, durchaus, wihrend dichotomische Endverzwei- 
gungen der Kontraktionsfahigkeit keinen Abbruch thun. In 
dieser Eigenschaft haben wir ein gutes morphologisches Unter- 
scheidungsmerkmal der Muskeln von den Nervenfasern (siehe 
weiteres bei Ganglienzellen). — Der Unterschied der glatten von 
der perlschnurartigen Muskulatur ist fiir die Charakteristik der 
Muskeln tiberhaupt ganz bedeutungslos (s. 8. 440). 


B) An Stiitz- und elastischen Bildungen: Zur 
Stiitzleistung dienen entweder Teile der Zellen oder diese ganz 
oder kernlose Gebilde. Zu ersteren gehéren neben vielen Mem- 
branen (z. B. Kernmembranen, siehe hierzu meine Unter- 
suchungen tiber die Zelle [24], S. 35 u. a.) vor allem die Poly- 

Bd. XXVII, N. F. XX, 29 


450 Karl Camillo Schneider, 


linenbildungen der Stiitzzellen (Figg. 56, 26); zu den zweiten die 
Spicula (Figg. 68—70), zu den letzteren die Stiitzlamellen und 
elastischen Fasern. Fiir alle diese Gebilde lief es sich beweisen 
oder wahrscheinlich machen, daf sie aus verklebten Linen bestehen ; 
waihrend diese Verklebung bei den nur stiitzleistenden Elementen 
aber eine einheitliche Anordnung der Linen nicht voraussetzt, ist 
dies fiir jene, welchen auch Elasticitatsvermégen innewohnt, Vor- 
bedingung. Daher sind die Linen in den elastischen Fasern und 
Stiitzlamellen parallelfaserig angeordnet; in letzteren lassen sich 
oft verschiedene, Fasersysteme nachweisen (Fig. 60. im I. Teil). 
Die Muskeln sind von Stiitzausliufern durch die regelmafige struk- 
turelle, wie morphologische Ausbildung leicht zu unterscheiden; 
von den elastischen Fasern in allen Fallen nur durch die 
Tinktion, denn auch die kontraktile Faser kann des Zusammenhangs 
mit Zellen entbehren, und die elastischen halten ebenfalls in vielen 
Fallen eine gerade Verlaufsrichtung inne und entbehren der Seiten- 
zweige. Ihre Arbeitsleistung besteht darin, die einmal gegebene 
Form zu wahren; ist also der gestreckte Verlauf der urspriing- 
liche, so wird die Faser, bei durch Druck herbeigefiihrten Ab- 
weichungen, in jenen zuriickzukehren, sich bemtihen; ist er hin- 
gegen ein durch Zug erzwungener, so ist es das Bestreben der 
Faser, sich wieder in Windungen zu legen. Da in diesen, wie in 
den Muskelfasern, Linen und zwar in gleicher Anordnung sich 
vorfinden, so kann die verschiedene Leistungsfaihigkeit beider 
Elemente nur aus der Beschafienheit des Kittes resultieren (siehe 
bei indifferenten Zellen). 


C) An den nervésen Elementen: Diese sind Zellen, 
welche in toto (die Kerne selbstverstaindlich ausgenommen) einer 
einzigen Funktion, der Reiziibertragung, dienen. Da auch in- 
differentes Protoplasma diese Fahigkeit besitzt, so kann in den 
besonderen Geriistanordnungen kein charakteristisches Merkmal 
gesehen werden; der Reiz wird in der Zwischenmasse sich aus- 
breiten und um so schneller in einer Richtung fortschrei- 
ten, je mehr sich der Zellkérper iu dieser entwickelt, je 
strangartiger er ausgebildet ist. Wichtig zur Erkennung von 
Ganglienzellen erscheint also die Form derselben, die jedoch in 
den Extremen der indifferenten Zelle mit pseudopodienartigen 
Auslaufern und der Muskelzelle mit parallelfaseriger Substanz 
sich nahern kann (Ctenophorengallerte). In letzterem Falle 
ist die Abgabe seitlicher Ausliufer unter jedem Winkel allein 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 451 


entscheidend. Durch Nachweis von spezifischen, zur Reizleitung 
besonders geeigneten Substanzen in der Grundmasse (wahr- 
scheinlich in Riesenzellen des Forskaleastammes, doch auch in 
anderen Ganglienzellen, die, mit Osmiumsiure behandelt, sich star- 
ker schwiirzen als andere Elemente) ist die Natur der Ganglien- 
zellen am sichersten festzustellen. Auf Anwesenheit solcher homo- 
genen Substanzen und Verquellung derselben bei Reagentienein- 
wirkung beruht jedenfalls auch die Varikositétenbildung. 


D) An den driisigen Elementen: Diese sind charak- 
terisiert durch die reichliche Anwesenheit homogener Substanzen 
zwischen den Linen des Geriistes. Die Anordnung desselben ist 
eine sehr wechselnde (selbst in Zellen, welche dasselbe Sekret 
abscheiden, siehe hierzu meine Befunde an Hydra, 8. 330 von 
Arbeit 23), folglich fiir die Abscheidung der Sekrete ganz un- 
wesentliche. Diese erfolgt in der Grundmasse; es treten hier 
die Sekrete als Kérner, Ballen und formlose Massen auf. Wie es 
scheint, sind letztere oft als sekundire Vereinigungen ersterer 
aufzufassen. 


E) An den Nesselzellen: Dies sind Sekretzellen, in wel- 
chen eine plétzliche Sekretentladung durch Apparate, die aus dem 
Geriist hervorgingen, erfolgt. Als letztere finden sich stets die 
Nesselkapseln mit 2 Wandungen und einer schlauchformigen Ver- 
lingerung, welche auferhalb der Kapsel angelegt (wenigstens in 
den von mir beobachteten Fallen), in diese eingestiilpt (wodurch 
ist fraglich) und bei der Entleerung vom Sekret mit diesem aus- 
gepreBt wird (um eine Wirkung jenes auf gréfere Entfernung 
hin zu erméglichen); dann in vielen Fallen muskulése Membranen, 
im Umkreis der Kapseln und Stile, die an die Stiitzlamelle tre- 
ten. Cnun’s (6) bedeutungsvoller Nachweis quergestreifter Mus- 
kulatur in diesen Gebilden la8t die Entleerung des Sekretes durch 
Funktion der genannten Linargebilde unzweifelhaft erscheinen. 
Bei Mangel an umgebenden Membranen und Stilen ware das 
kontraktionsfahige Element jedoch allein in der auferen Kapsel- 
wandung zu suchen, da die Struktur der inneren Wand sie zur 
AuBerung dieser Funktion nicht befihigt (siehe oben im IL. Teil 
dieser Arbeit). 


F) An indifferenten Zellen: Sie sind charakterisiert 
durch véllige Gleichartigkeit in der Beschaffenheit des Proto- 
29% 


452 Karl Camillo Schneider, 


plasmas. Die leicht geschlangelten, gegenseitig im Verlauf an- 
einander angepaften Linen durchsetzen eine anscheinend homo- 
gene Grundmasse; Veranderungen in der Geriistanordnung und 
Beschaffenheit der Grundmasse sind nur voriibergehende und Aus- 
druck von Bewegungen der Zelle (z. B. die Streckung einzelner 
Fasern in den Fortsatzen). Werden sie zu dauernden, so nimmt 
die Zelle den Charakter eines der oben erwahnten Elemente (oder 
anderer, die in dieser Arbeit nicht behandelt wurden) an. Sie 
sind sammt und sonders von indifferenten Zellen abzuleiten, denn 
die Zellen der Blastula sind gleichfalls derartige (die epithe- 
liale Lage widerstreitet dem Charakter des indifferenten Elements 
ganz und gar nicht). Betrachten wir nun kurz, wie diese Um- 
bildungen sich vollziehen mégen *). 

Zuerst muf ich meine Charakteristik der indifferenten Zelle 
noch erweitern. Auf Grund der ALrMANN’schen (1), Macar’schen 
(21), Zosa’schen (26) und der Befunde anderer Forscher gestaltet 
sie sich folgendermafen : 

Die indifferente Zelle besteht aus dem Linarmaschen- 
werk, welches das bewegungsfahige Element darstellt, und einer 
Unmenge von Granula, welche die Umsetzung der Nahrstoffe und 
Sekretabscheidung besorgen. Die Liicken zwischen beiden werden 
von Sekreten der Granula und den Umsetzungsprodukten ausgefiillt 
(= Grundsubstanz). (Die Granula sind als Zoa = einfachste Lebe- 
wesen [siehe meinen Aufsatz im Biologischen Centralblatt, Bd. XI, 
Nr. 24] oder als Konglomerate derselben, die Linen als reihenférmige 
Vereinigungen solcher aufzufassen.) Die Umbildung der indifferenten 
Zellen in spezifisch leistungsfahige Elemente geschieht durch 
Anpassung beider Zellsubstanzen (der Kern ist hiervon ganz aus- 
genommen). 

Kin Muskel entsteht durch Streckung, Parallelanordnung 
und Isolierung eines kleineren oder gréBeren Teils, vielleicht auch 
aller, Linen des Protoplasmas und durch Abscheidung einer Kitt- 
masse seitens der Granula, deren Bedeutung fiir die Kontraktion 
ganz nebensachlich ist und nur den Zusammenhalt der Linen (wohl 
auch die Reiziibertragung) besorsgt. 


1) Ich mache die folgenden Angaben nur, um diese Arbeit so 
vollstindig, als moglich zu gestalten; es kann wohl sein, da betrefts 
mancher Einzelheiten Irrtiimer vorliegen, der Gedanke aber der Ab- 
leitung iiberhaupt ist zweifellos richtig, und man wird sich diese 
kaum einfacher, als die folgenden Bemerkungen es iibersichtlich zu- 
sammenstellen, denken konnen. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 453 


Elastische Gebilde entstehen durch Streckung und 
Parallelanordnung der Linen in einem oder mehreren Systemen 
und durch Abscheidung einer Kittmasse von seiten der Granula, 
welche die Kontraktion der Linen unméglich macht; die parallel- 
faserige Linenanordnung bedingt im Verein mit der Beschaffenheit 
der Kittmasse das Elasticitaétsvermégen des ganzen Elementes. Bei 
reinen Stiitzbildungen ist die Anordnung des Geriistes eine ver- 
schiedenartige, nicht einheitliche (z. B. in den Spicula); hier ist 
nur die Soliditét der Bindemasse mafgebend. 

Nervése Elemente entstehen zwar durch Arbeitsleistung 
der Linen, denn die kompakten Zellkérper werden in langgestreckte 
Leitbahnen tibergefiihrt; fiir die Reizleistung speziell ist die Be- 
weeung der Linen aber bedeutungslos, denn jene wird zweifellos 
durch eine besonders hierzu geeignete Zwischenmasse vermittelt, 
die von den Granula abstammt (bei den urspriinglichsten Gan- 
glienzellen dient vielleicht einfach die gewdhnliche Zwischen- 
masse als Reizleiter). Die jeweilige Anordnung der Linen ist 
eine Folge ihrer Arbeitsleistung, durch welche die geeignete Form 
der Zelle sich ergab; als solche ist die strangférmige zu _ be- 
trachten, da sie die méglichst geringe Schwaichung des Reizes 
(wie sie durch Zerstreuung auf grofe Protoplasmamassen bedinet 
wiirde) und die Ubertragung des Reizes auf méglichst viel Zellen 
erlaubt. 

Driisenzellen entstehen durch reiche Sekretabsonderung 
der Granula; die Geriistverainderungen dabei sind Folgen derselben 
und nur fiir die morphologische Charakteristik von Bedeutung. 
Man kann die Sekretzellen als Gegenstiicke der Muskelzellen auf- 
fassen; bei diesen ist die Anordnung der Linen das Wichtige, da- 
gegen die Abscheidung der Kittmasse durch die Granula von sehr 
nebensachlicher Bedeutung; in den Driisenzellen ist umgekehrt die 
Arbeit der Granula wesentlich, die Geriistanordnung unwesentlich. 

Nesselzellen, die kompliziertesten Elemente der Coelente- 
raten, entstehen durch intensive Thatigkeit von Granula (Abschei- 
dung des Nesselsekretes) und gesetzmafige Anordnung eines Teils 
der Linen. Denn wenn wir die auSere Kapselwand fir kon- 
traktionsfahig ansehen, so miissen wir in ihr eine besondere Linar- 
anordnung annehmen (vielleicht ringférmig die innere Wand um- 
spannend). In dieser Verteilung der Funktion auf Geriist und 
Sekret entsprechen die Nesselzellen den elastischen Gebilden, bei 
welchen Kitt und Parallelanordnung der gestreckten Linen Be- 
dingung zur Arbeitsleistung des Ganzen ist; nur liegt der Unter- 


454 Karl Camillo Schneider, 


schied vor, da die Nesselzellen auf Reize, also gewissermafen 
aktiv, funktionieren — die Muskeln der Wandung kontrahieren 
sich, und das Sekret lihmt oder tétet das Beuteobjekt —, in den 
elastischen Gebilden aber Kitt wie Fasern nur auf mechanische 
Einfliisse, also in passiver Weise, reagieren. 

Erwahnt sei noch zum Schluf, daf ich mir die Abscheidung 
der verschiedenen Zwischensubstanzen nicht von ein und derselben 
Art Granula vollzogen denke, sondern annehme, daf wir aus den 
Differenzen jener auf Unterschiede in der Beschaffenheit dieser 
schlieBen kénnen. In der indifferenten Zelle miissen diese bereits 
angedeutet sein, denn bei der raschen Entwickelung des Tiers aus 
den Furchungszellen kann eine Anpassung sich nicht vollziehen ; 
den Anforderungen entsprechend, wird spater nur die Zahl der 
gerade geeigneten Granula in den verschiedenen Elementen die 
der andern tberwiegen. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 455 
e 


Litteraturverzeiehnis. 


Erster Teil. 


1. Bepor, M., Recherches sur les cellules urticantes. 1. Vélellides 
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Zweiter Teil. 


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6. — — Natur und Wirkungsweise der Nesselzellen bei Coe- 
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8. Cravus, C., Uber Halistemma tergestinum n. sp. Arbeiten aus 
d. zool. Institut zu Wien 1878. 

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17. Herrwic, R., Uber den Bau der Ctenophoren. 1880. 

18. von Kocu, G., Die Aleyonaria des Golfs von Neapel. Mitteil. 
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Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 457 


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25. Witson, H. V., On a new Actinia, Hoplophoria coralligens, 
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26. Zoya, R. e. L., Intorno ai plastiduli fuscinofili. Memorie del 
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Tafelerklirung. 


Tafel X. Figur 1—26. 


Fig. 1. Forskalea contorta. Ektoderm des Polypen: Epithel von 
der Mitte des Mauerblattes; Ubersichtsbild. 

Fig. 2 u. 3. Forskalea contorta. Ektoderm des Polypen: Gan- 
glienzellen; Umrifzeichnungen. 

Fig. 4—16. Forskalea contorta. Ektoderm des Polypen: Jugend- 
stadien der groBen ovalen Nesselkapseln aus dem basalen Wulste; 
sie sind dem wahrscheinlichen Entwickelungsgange gemafi ange- 
ordnet; die mit wi bezeichneten Stellen beziehen sich auf die 
Widerhaken. 

Fig. 17 u. 18. Forskalea contorta. Ektoderm des Polypen: 
Stiitzzellen aus dem basalen Wulste. 

Fig. 19. Forskalea. Entoderm des Polypen: isolierte Epithel- 
muskelzelle (Nihrzelle). ' 

Fig. 20. Forskalea contorta. Entoderm des Polypen: Niahr- 
zelle und Driisenzelle in natiirlicher Aneinanderlagerung von oben 
gesehen. 

Fig. 21. Forskalea contorta. Kntoderm des Polypen: isolierte 
Driisenzelle. 

Fig. 22 u. 23. Forskalea contorta. Entoderm des Polypen: 
indifferente Zellen. 

Fig. 24. Forskalea. Querschnitt des Faugfadens; Orientie- 
rungsbild. 

Fig. 25. Forskalea. Fangfaden: durch Mazeration isoliertes 
Lingsstiick, etwa einem Langsschnitt entsprechend; man sieht eine 
leistenartige Erhebung der Stiitzlamelle von der Seite, zugleich die 
Fortsitze letzterer in den mit Entodermresten ausgekleidvten inneren 
Kanal. 


458 Karl Camillo Schneider, 


Fig. 26. Forskalea contorta. Fangfaden: genaues Bild einer 
Stiitzlamellenleiste von der Seite gesehen; daneben isolierte (abge-. 
sprengte) Fasern. 


Tafel XI. Figur 27—49. 


Fig. 27. Forskalea contorta. Fangfaden: Entodermsyncytium, 
wie es zwischen den inneren Fortsitzen der Lamelle liegt. 

Fig. 28. Forskalea contorta. Fangfaden: Epithelfetzen mit 
jugendlichen Nesselzellen. 

Fig. 29. Forskalea contorta. Fangfaden: jugendliche Nessel- 
zellen. 

Fig. 30. Forskalea. Nesselknopf: Stiicke der elastischen Band- 
schlinge und elastische Fasern der oberen Fliche des Knopfes. Die 
Anordnung letzterer hat durch die Zerstdrung des Knopfes sehr an 
Regelmifigkeit verloren. 

Fig. 31. Forskalea contorta. Nesselknopf: Stiick des Angelbandes, 
z. T, aufgelést in die es zusammensetzenden elastischen Fasern. 

Fig. 32. Forskalea contorta. Nesselknopf: elastische Fasern mit 
Nesselzellen (kleinere Form). 

Fig. 38. Forskalea contorta. Nesselknopf: Ubersichtsbild des 
ganzen’ Knopfes. 

Fig. 34. Forskalea contorta. Nesselknopf: Stiick einer elastischen 
Faser des Endfadens. 

Fig. 35. Forskalea contorta. Nesselknopf: isolierte grofe, ovale 
Nesselkapsel. 

Fig, 36. Forskalea contorta. Nesselknopf: Teil einer solchen, 
um den Zusammenhang von Schlauch- und innerer Kapselmembran 
darzustellen. 

Fig. 37. Forskalea contorta. Nesselknopf: kleinere Form der 
Nesselkapseln mit teilweis ausgestiilptem Schlauche. 

Fig. 38 u. 39. Forskalea contorta. Nesselkuopf: grofe Form 
mit teilweis ausgestiilptem Schlauche. 

Fig. 40. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: Ubersichtsbild. 

Fig. 41. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: Teil des Angel- 
bandes mit den elastischen Fasern und Zellen des Entoderms. 

Fig. 42. Unbestimmte Agalmide. Nesselknopf: isolierte Muskel- 
zelle. 

Fig. 48. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- 
fetzen von der Lateralfliche; Ubersichtsbild von oben geschen. 

Fig. 44. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- 
fetzen ebendaher von der Seite gesehen. 

Fig. 45. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: isolierte 
Epithelzelle von oben gesehen, 

Fig. 46. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: gan- 
glienzelliihnliche Epithelzelle. 

Fig. 47. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- 
fetzen der dorsalen Fliche von der Seite gesehen. 

Fig. 48. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Epithel- 
fetzen von ebendaher von oben gesehen. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 459 


Fig. 49. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: zwei 
Elemente des subepithelialen, dorsalen Medianstreifens; die rechte 
Zelle mit einem, wohl durch Druck, ausgequetschten Protoplasma- 
tropfen. 


Tafel XII. Figur 50—63. 


Fig. 50. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Riesen- 
syncytium ebendaher in seinen Lagebeziehungen zum Epithel. 

Fig. 51. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: Aus- 
laufer der Elemente des Medianstreifens in teilweiser Lagebeziehung 
zum Epithel. 

Fig. 52. Forskalea contorta. Ektoderm des Stammes: isoliertes 
Langsmuskelband. 

Fig. 53. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der 
Mundregion: Epithelmuskelzelle. 

Fig. 54. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der 
Mundregion: Sinneszelle. 

Fig. 55. Apolemia uvaria. Ektoderm der Polypen aus der 
Mundregion: Nesselzelle. 

Fig. 56. Apolemia uvaria. Ektoderm der Tasterspitze: kleine 
Nesselzellform. 

Fig. 57. Apolemia uvaria. Pneumatophore: ektodermale Epithel- 
zelle von oben gesehen. 

Fig. 58. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Epithelfetzen des 
Ektoderms, Ubersichtsbild von oben gesehen. 

Fig. 59. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Zelle aus dem 
Entoderm. 

Fig. 60. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Stiick des inneren 
Ektoderms (Luftflasche) mit isolierter Lamelle. 

Fig. 61. Apolemia uvaria. Ektoderm des Stammes: Epithel- 
fetzen von der Seite gesehen; eine Zelle ist nach oben iibergeschlagen, 
die langgestreckte, diinne nach unten. 

Fig. 62. Apolemia uvaria, Ektoderm des Stammes: ganglien- 
zellahnliches Element. 

Fig. 63. Apolemia uvaria. Ektoderm des Stammes: zwei Epithel- 
zellen zur Darstellung der intraprotoplasmatischen Muskelbildungen. 


Tafel XIII Figur 1—14. 


Fig. 1. Forskalea contorta. Schwimmglocke: quergestreifte 
Muskelbinder aus der Subumbrella, 

Fig. 2. Velella spiraus: Stiick des Scheibenrandes. 

Figg. 3—5. Velella spiraus. Ektoderm der Scheibe: Ganglien- 
zellen. 

Fig. 6. Apolemia uvaria. Pneumatophore: Ganglienzelle. 

Figg. 7—9. Forskalea. Stamm: Riesenzellen. 


460 Karl Camillo Schneider, 


Figg. 10, 11. Velella. Scheibe: Epithelzellen, 10 von oben, 
11 von unten. 

Figg. 12, 13. Forskalea. Stamm: Epithelzellen, 12 seitlich, 
13 von oben gesehen. 

Fig. 14. Forskalea. Stamm: peripherer Fortsatz einer Epithelzelle. 


Tafel XIV. Figur 15—41. 


Fig. 15. Forskalea, Stamm: basaler Fortsatz einer Epithelzelle. 

Figg. 16, 17. Apolemia. Stamm: Epithelzellen, 17 mit Muskel- 
bildungen. 

Fig, 18. Apolemia. Stamm: Teil einer Epithelzelle mit Muskel- 
bildung, stark vergréfert. 

Figg. 19, 20. Forskalea. Stamm: Muskelbinder. 

Figg. 21—23. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes : 
Stiitzlamelle, 21 von oben, 22 von unten, 23 seitlich geschen. 

Fig. 24. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Epithel 
uber unterem Nervenring. 

Fig. 25. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Aufsatz 
auf Stiitzlamelle. 

Fig. 26. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Stiitz- 
fortsatz der Epithelzellen des Nesselwulstes mit anhaftenden in- 
differenten Zellen. 

Figg. 27— 29. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: 
Nesselzelljugendformen. 

Fig. 30. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Epithel- 
zelle der Subumbrella. 

Figg. 31— 38. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: 
Ganglienzellen (oder Teile derselben) aus den Nervenringen. 

Fig. 39. Carmarina hastata. Gegend des Nesselwulstes: Sinnes- 
zelle yom oberen Nervenring. 

Fig. 40. Apolemia. Polyp: ektodermale Epithelmuskelzelle mit 
Ganglien- und Sinneszelle (Ubergangsform zur G.-Zelle) aus Mundregion. 

Fig. 41. Apolemia. Polyp: Sinneszelle der Mundregion. 


Tafel XIV. Figur 42 —71. 


Fig. 42. Carmarina. Subumbrella: quergestreifte Muskelbinder. 

Fig. 43. Carmarina. Umbrella: Plattenepithelzelle. 

Fig. 44. Carmarina. Gallerte: elastische Faser. 

Fig. 45. Forskalea. Nesselknopf: elastische Faser des Angel- 
bandes. 

Fig. 46. Carmarina. Tentakel: Nesselzelle. 

Fig. 47. Carmarina, Tentakel: Nesselkapsel mit teilweis aus- 
gestiilptem Schlauch. 

Fig. 48. Carmarina. Tentakel: Epithelzelle im Ektoderm. 

Fig. 49. Pennaria cavolini: Ektodermfetzen des Mauerblattes. 

Figg. 50, 51. Pennaria cavolini. Mundgegend des Entoderms: 
50 Epithelzelle, 51 Driisenzelle. 

Figg. 52—54. Pennaria cavolini. Mauerblatt des Entoderms: 
52 Epithelz., 53 Driisenz., 54 Sinneszelle. 


Einige histologische Befunde an Coelenteraten. 461 


Fig. 55. Apolemia. Polyp: ektodermale Driisenzelle aus Mund- 
gegend. 

Fig. 56. Pennaria. Tentakel: Entoderm. 

Figg. 57, 58. Pennaria. Tentakel: Nesselzellen, 57 kleine, 
58 grofe. 

Figg. 59, 60. Pilema pulmo. Sinnesgrube: 59 Epithelz., 60 
Sinneszelle. 

Fig. 61. Pelagia noctiluca. Subumbrella: quergestreifte Muskel- 
faser. 

Fig. 62. Alcyonium acaule. Mauerblatt: Ektodermzelle (Platten- 
epithel. 

Fig. 63. Apolemia. Pneumatophore: Stiick einer Entodermzelle. 

Figg. 64— 66. Alcyonium. Gallertzellen. 

Fig. 67. Aleyonium. Zellklumpen aus Gallerte. 

Figg. 68 — 70. Alcyoniuml Entwickelung der Spicula, 

Fig. 71. Alcyoniym: Epithelzelle der Mundscheibe. 


Tafel XVI Figur 72—992. 


Fig. 72. Alcyonium. Muskelzelle aus Entoderm. 

Figg. 73, 74. Aleyonium. Anormal ausgebildete Teile ento- 
dermaler Muskelzellen. 

Fig. 75. Agalmide. Stamm: Stiick eines Muskelbandes. 

Figg. 76, 77. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Epithelzellen. 

Fig. 78. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Sinneszelle. 

Figg. 79, 80. Adamsia Rondeletii. Mundscheibe: Driisenzellen. 

Figg. 81—84. Adamsia Rondeletii. Tentakel: Entwickelung der 
Nesselzellen. 

Figg. 85, 86. Adamsia Rondeletii. Tentakel: Ganglienzellen. 

Fig. 87. Adamsia Rondeletii: Entodermale Muskelzelle. 

Fig. 88. Eucharis multicornis. Gallerte: Muskel- und Ganglien- 
zelle in Verbindung. 

Fig. 89. Beroe ovata. Gallerte: Muskel- und Ganglienzelle in 
Verbindung. 

Fig. 90. Beroe ovata. Gallerte: Verbindungsstiick zweier 
Muskelfasern. 

Fig. 91. Beroe ovata. Gallerte: Ausliiufer einer Muskelfaser. 

Fig. 92, Beroe ovata. Wimperzelle aus Ruderplattchen. 


Bezeichnungen, die fiir alle Figuren gelten: 


Tafel X—XII. 
pr = Protoplama. mf == Muskelfaser. 
k = Kern. mbil = Muskelbildung. 
ty = ausgetretene Protoplasma- el] = elastische Faser. 
tropfen. nk == Nesselkapsel. 
pr. k = Protoplasmakirner. nschl == Nesselschlauch. 
chr. kl = Chromatinklumpen. iu. Ww = fubere Kapselwandung. 


sb — Sekretballen. 1. Ww == innere Wand, 


462 K. ©. Schneider, Histolog. Befunde an Coelenteraten. 


schl. w == Schlauchwand. drz = Driisenzelle. 

wi == Widerhaken. ec = Ektoderm. 

kn = Knopf. en == Untoderm. 

ep. @ == Epithelzelle. stl == Stiitzlamelle. 

b. f = basale Fortsiitze. a == Angelband. 

p. f = periphere Fortsitze. nz. p == Nesselzellpolster. 


g. £ == Ganglienzelle. endf == Endfaden. 
gz. f = Ganglienzellfortsatze. 


Tafel XII[—XVI. 


j.==. Linon. sark == Sarkolemm. 
pl == Polylinon. ty = ausgetretne Tropfen der Inter- 
gl == gestrecktes Linon. filarsubstanz mit Geriist. 
gwl == gewundenes Linon. pr. k == Protoplasmakérner. 
m == Membran. nah.k == Nahrungskérper. 
c = Caticula. s.b == Sekretballen. 
id. pr = indifferentes Protoplasma. pk — Pigmentkérner. 
schwh = schwimmhautartige, zarte, nk == Nesselkapsel. 
fast oder ganz strukturlose nschl == Nesselschlauch. 
Protoplasmaschichten. du.w == diugere Wandung. 
i; == Kern: 7.W == innere Wandung. 
mf — Muskelfaser. schl.w = Schlauchwandung. 
mb == Muskelband. sti) Still 
mbil == Muskelbildung. stf = Stiitzfortsatz. 
qu. mf == quergestreifte Muskel- 1g — indifferente Zellen. 
faser. gz = Ganglienzellen. 
s.a.st==substanzarme | Stellen gzf == Ganglienzellfortsitze. 
s.r, st = substanzreiche {der qu. Mf. stl = Stiitzlamelle. 
wim == Wimpern. 


Simtliche VergréRerungen sind mit Hartnack, Ocular [, und 
Reichert, Immersion !/,,, erzielt worden. 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 


Von 


Dr. Harriet Randolph. 


(Aus dem zoologischen Laboratorium beider Hochschulen in Ziirich.) 


Mit Tafel XVII—XIX. 


Die Anneliden, welche im nachfolgenden beschrieben werden 
sollen, wurden Ende Juni und in der ersten Woche Juli 189! in 
einer Tiefe von 10—12 m im Aiirichersee gefischt. Sie gehéren 
zwei Species an, von denen die eine noch nicht vollstandig be- 
schrieben ist. Uber die andere habe ich in der betreffenden Litte- 
ratur keine Angabe finden kénnen. 

Herrn Professor Lane bin ich fiir Ratschlige und fir die 
Erlaubnis zur Benutzung seiner Bibliothek sowohl fiir diese als 
fiir eine andere Arbeit zu gréftem Danke verpflichtet. 

Die Wiirmer wurden mir von Herrn Dr. J. Heuscuer, Assistenten 
am zoologischen Laboratorium beider Hochschulen, zur Bearbeitung 
iiberlassen. Seiner Giite verdanke ich auch noch neues Material. 

Die erste Form scheint die Saenuris velutina GruBE (6) zu 
sein. Ich schlage aber fiir diese Art, gestiitzt auf Griinde, die 
spiter dargethan werden sollen, den Namen Embolocephalus 
velutinus vor. Saenuris velutina ist von Vespovsky (8) in das 
Verzeichnis der Species incertae sedis gestellt worden, weil die 
Beschreibung keinen bestimmten Platz rechtfertigt. Die von GRUBE 
herriihrende Beschreibung lautet folgendermafen : 

,Die zweite Annelide, die man vorlaufig auch zu dieser Gattung 
rechnen mag, obschon sie in der oberen der beiden Borstenzeilen 
nur Haarborsten und in der unteren blof zwei Hakenborsten be- 


464 Harriet Randolph, 


sitzt (S. velutina Gr.), fallt sogleich dadurch auf, daf ihr ganzer 
Kérper dicht mit kurzen weichen Papillen besetzt ist; ihr Kopf- 
lappen ist dreieckig, etwas breiter als lang und mit dem ersten 
Segment so zuriickziehbar, da zuweilen das zweite Segment mit 
seinen Borsten den Vorderrand des Leibes bildet. Die Farbung 
ist graulich oder ockerbraun mit weifer Giirtelbinde vom neunten 
bis zwélften Segment. Die Haarborsten der oberen Zeile stehen 
nur zu je zwei, die Hakenborsten der unteren Zeile mit erst bei 
stiirkerer Vergroéferung deutlich zweizahniger Spitze zu je zwei 
oder einzeln, wodurch sich diese Art von Nais papillosa Kxsst. des 
Ladogasees unterscheidet.“ 

Diese Merkmale der Saenuris velutina stimmen sehr mit denen 
des Embolocephalus velutinus vom Ziirichersee tiberein. Zu den 
erwaihnten Farben kommt auch manchmal Schwarz, entweder iiberall 
in der Kopfgegend oder in einigen Segmenten hinter dem Giirtel, 
hinzu. Auch weicht die Zahl der Riickenborsten ab. Embolo- 
cephalus velutinus hat ein bis vier Borsten in den Riickenbiindeln. 
Sind weniger als vier vorhanden, so diirfte dies auf Rechnung 
zufalliger Verluste zu setzen sein. 

Die Zahl der Segmente betrigt 40—70, die Lange des Koérpers 
3—95 cm. 

Die Zuriickziehbarkeit des Kopfes ist ein auffallendes Merk- 
mal. Auf den leisesten Reiz hin verschwindet der Kopf plétzlich 
und kommt erst nach einiger Zeit wieder zum Vorschein.  In- 
zwischen aber bewegt sich der Wurm lebhaft und, wie es scheint, 
ganz normal herum mit dem zweiten Segment als Vorderende des 
Leibes. (Fig. 1). 

Der vorgestreckte Kopflappen ist, von der Seite gesehen, 
stumpf und relativ breit. Von der Unterseite ragt ein trompeten- 
formiger Riissel vor, mit dickem oberem und unterem Rande und 
mit diinnen membranartigen Seitenrandern (Fig. 2). Wenn der Riissel 
nicht ausgestiilpt ist, so sieht man unten nur eine dicke Lippe 
(Fig. 3). Die Verhaltnisse der Teile im zuriickgezogenen Zu- 
stande sind in Fig. 4 abgebildet. Das Zuriickziehen geschieht 
durch starke Muskeln, welche sich von der Wand des Kopfes und 
Riissels bis zu der Leibeswand des zweiten, dritten und der fol- 
genden Segmente erstrecken. 

Kine genauere Untersuchung zeigt, daf die dicht gestellten Pa- 
pillen nicht der Hypodermis, sondern einer ahnlichen Hiilse ange- 
horen, wie sie bei Slavina appendiculata Vespovsky vorkommt. Die 
Papillen sind kegelférmig, fast gleich grof und bestehen zum groSten 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 465 


Teil aus zusammengekitteten Bakterien und Fremdkorperchen (Fig. 
5). Die durchsichtige Kittsubstanz ist zasammenhingend um die Ba- 
sis der Papillen herum und bildet eine cylindrische Hiille um den 
Kérper des Wurmes (Fig. 6). Diese Hiille ist so innig an der Cuti- 
cula befestigt, dali es meistens unméglich ist, sie wegzunehmen. 
Der Versuch, es zu thun, scheint dem Wurm schmerzhaft zu sein. 
Wenn die Wiirmer einige Zeit im Aquarium gehalten werden, so 
lésen sich in einigen Fallen die Hiilsen teilweise los, und der 
Kérper wird frei. Dann beginnt sofort die Bildung einer neuen 
zarten Hiilse, und die gewéhnliche Hille wird bald verdeckt von 
einem veristelten baumformigen Gewachse von in Gallerte einge- 
betteten Bakterien — leicht zu verwechseln mit einem mit Ol- 
tropfen erfiillten Pilze. 

Aufer den Exemplaren, welche die von Gruse_ geschilderte 
Farbung aufweisen, giebt es auch solche mit weniger auffallender 
Farbung. Einige zeigen nur eine zarte graue Farbe. 

Bei starker Vergréferung erscheinen alle Papillen einfarbig. 
Worauf die Farbung beruht, weif ich nicht; sie wird durch PERE- 
ny ische Fliissigkeit rasch zerstort. 

Der Kérper ist in allen Regionen mit nicht retraktilen Sinnes- 
papillen ausgestattet. Diese gleichen im wesentlichen den Sinnes- 
hiigeln von Slavina appendiculata Vespovsky und weichen nur 
in ihrer Form und Innervation etwas ab (Fig. 7). Sie sind einfache 
Ausstiilpungen der Hypodermis mitsammt ihrer Cuticula, und sie 
tragen an ihrer Spitze mehrere Sinneshaare. Im Innern der Papillen 
und in Zusammenhang mit den Haaren finden sich Stébchen, deren 
proximale Enden in kérnigem Protoplasma verschwinden (Fig. 7). 
Auf Schnitten sieht man, dal jedes Stabchen in einer langen Zelle 
endigt, die am proximalen Ende mit einem Fortsatz versehen ist 
(Fig. 8). Obwohl ich mit Goldchlorid und mit Osmiumsaure_be- 
handelte Praparate durchgesehen habe, habe ich keine besonderen 
Ganglienzellenstringe finden kénnen, welche jenen von VEsDOVSKY 
fiir Slavina appendiculata beschriebenen entsprochen hatten. 

Die Sinnespapillen sind in zwei Reihen um jedes Segment an- 
geordnet, in derselben Ebene wie die Borsten und die Dissepi- 
nente (Fig. 1). Am letzten Segmente ‘sind sie zahlreicher und 
unregelmakig gruppiert. Wie vorhin erwahnt wurde, sind die 
Sinnespapillen nicht retraktil. Daf die Sinneshiigel nicht retraktil 
sind, ist auch fiir Slavina appendiculata charakteristisch, und da- 
durch unterscheiden sich diese Papillen von denjenigen der Chaeto- 


gastriden und der Enchytraeiden. 
Bd, XXVII. N. F. XX. 30 


466 Harriet Randolph, 


Augen fehlen. 

Das Gehirnganglion wird bei jeder Bewegung des Kopfes mehr 
oder weniger gedriickt. Deshalb ist seine Gestalt sehr verdnder- 
lich. Fig. 9 ist nach dem Leben gezeichnet und stellt die Normal- 
form dar. 

Die Riickenborsten sind alle haarformig und finden sich einzeln 
oder zu zweien, dreien oder vieren in einem Biindel. Alle ausge- 
bildeten Borsten sind gleich lang. Sind weniger als vier vor- 
handen, so sind wahrscheinlich Borsten verloren gegangen (Fig. 
1). Jedes Bauchbiindel hat zwei schwach gekriimmte und stumpfe 
oder undeutlich gespaltene Borsten (Fig. 10). 

Die Hypodermis ist reichlich mit Driisen ausgestattet, welche 
die Kittsubstanz der Hiilse absondern (Fig. 6). Der Bau des 
Giirtels stimmt mit der Beschreibung iiberein, welche VEspovsk Y 
fiir die niederen Oligochaeten gegeben hat. Es sind zwei Arten 
von Driisenzellen zu unterscheiden (Fig. 11). Die kleineren finden 
sich paarweise zusammen; sie sehen oberflachlich aus wie in 
Fig. 12. Die Papillen der Hiilse sind in der Giirtelgegend durch 
eine Kruste ersetzt. 

Der Verlaut der BlutgefaBe konnte wegen der Undurchsich- 
tigkeit der Hiilse, der grofen Empfindlichkeit des Kopfes und der 
hiufigen Retraktionsbewegungen, die er ausfiihrt, in der vorderen 
Region nicht ermittelt werden. In der Region des Mittelkérpers 
geht yom Riickengefah jederseits unmittelbar vor dem Dissepiment 
ein Seitengefaifs ab. Dieses Seitengefals erstreckt sich bis zu der 
Kiérperwand, biegt dann nach vorn um und geht an das vordere 
Dissepiment; hier kriimmt es sich nach der Bauchseite und nach 
hinten, verlauft unter dem Bauchmark nach hinten, um eine kurze 
Strecke vor seiner Ursprungsstelle dorsalwarts um das Bauchmark 
umzubiegen und hier wahrscheinlich in das Bauchgefaf einzu- 
miinden (Fig. 13). 

Wegen der Undurchsichtigkeit der Hiilse konnten auch die 
Nephridien nicht im lebenden Zustande iiberall beobachtet wer- 
den. In Schnittserien aber lassen sie sich zwischen Segment 
VU/VUI und VILI/IX beobachten. Nachher fangen sie wieder 
zwischen Segment XII/XIII an. Bei der Grésse der Nephridien 
dieser Art lassen sich die Trichterzellen und Endblasen aulser- 
ordentlich leicht erkennen. 

Der Giirtel nimmt die Halfte des Segments X und die Seg- 
mente XL und XIT ein. 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 467 


Die Geschlechtsorgane haben folgende Lage: 


Hoden 19, Nabe. yomT) oboe Segnient x 
Hierstéckes tp © fect. af XI 
AuBere Offnungen der Sameritdaelien STII 
Samentrichter Byer). 4). a 
AuBere Offnungen der Samonlaiee UA OT 
PMG bey 9 AG Mie. ano! Be ae wey RIX ID 


Diese Anordnung stimmt mit der nach Vrspovsky fir die 
Tubificiden bestehenden tiberein, mit Ausnahme des Eileiters, dessen 
Lage in dieser Familie noch nicht festgestellt wurde. Bei einer 
Tubifexart, welche ich zum Vergleich untersuchte, ist seine Lage 
wie oben. 

Bei Embolocephalus velutinus sind die Hoden am Dissepimente 
befestigt wie bei den Tubificiden, im Gegensatz zu den Verhiait- 
nissen der Naidomorphen (z. B. Stylaria lacustris), wo sie mehr 
bauchwarts mit der Kérperwand verbunden sind. 

Auch die Eierstécke sind an dem Dissepimente befestigt 
(Fig. 15); sie flottieren nicht frei in der Leibeshdhle, wie dies bei 
den Naidomorphen die Regel ist. 

Die Samentaschen — sie sind in einem Paar vorhanden — 
6ffnen sich unmittelbar vor den Bauchborsten des Segments X 
nach aufen. Diese Lagebeziehungen zwischen Bauchborsten und 
Samentaschené6ffnungen sind nach VeEJpovsky typisch fiir die 
Naidomorphen und Tubificiden '). 

Die Samentaschen der beobachteten Individuen waren mit 
Spermatophoren erfiillt und erstreckten sich durch die Riicken- 
gegend des folgenden Segments. Fig. 16a ist nach einer Samen- 
tasche entworfen, die aus einem Rif der Kérperwand hervorge- 
quollen war. Die Schichten der Kérperwand wiederholen sich in 
der Wand der Samentaschen (Fig. 17). Die geschwollenen Driisen- 
zellen der inneren Epithelschicht sondern, nach Vespovsky, die 
Kittsubstanz der Spermatophoren ab (Fig. 18). 

Die Spermatophoren zeigen die drei von VEsJDOvsKyY beschrie- 
benen Schichten: die innere von den Spermatozoenképfchen ge- 


1) Bei der yon mir untersuchten Art, welche ich leider nicht 
naiher bestimmte, 6ffnen sich die Samentaschen auf der Seite un- 
mittelbar iiber der ganglidsen Seitenlinie. Die Offnungen der Samen- 
leiter liegen mehr ventralwiirts auf der Seite, doeh auferhalb der 
Bauchborstenreihe. 


30* 


468 Harriet Randolph, 


bildete kérnige Schicht, die cylindrische hyaline Schicht von Kitt- 
substanz, und die hervorragenden a Enden der Spermatozoen- 
schwiinze (Fig. 16 b). 

Die Borstendriisen, welche in Segment X hinter den Samen- 
taschendffnungen liegen, haben eine Abanderung erfahren. Den 
gewohnlichen Driisenzellen ist eine besondere Driise zugesellt, 
welche nach der Mitte, ein wenig nach hinten und ventral von 
der Borstendriise liegt. Diese accessorische Driise miindet in die 
Borstendriise hinein. In ihrer Mitte findet sich ein Gang nach 
der Basis der Borste. Jedes Biindel enthalt nur eine Borste. Ich 
habe eine solche accessorische Driise nirgends erwahnt gefunden 
(Pig nd Ota bend): 

In dem Dissepimente zwischen Segment X und XI liegt der 
ungeheuer grofe Trichter des Samenleiters. Seme Wande er- 
strecken sich beinahe bis zum nachsten Dissepimente. Der Bau 
ist in Fig. 20 dargestellt. Der Leiter ist kiirzer als bei den 
untersuchten Tubificiden-Exemplaren. Der Unterschied in der 
GréSe seiner beiden Teile ist geringer, und der grofe Teil fangt 
erst weiter vom Trichter an (Fig. 21, 22). Das Atrium und die 
zu diesem gehérigen Driisen sind nicht von den gleichnamigen Or- 
ganen der Tubificidenart zu unterscheiden (Fig. 33, 34, 35). Die 
Atrialifinungen liegen in einer Linie mit den Bauchborsten, welche 
aber in diesem Segmente fehlen. 

Der Eileiter besteht aus einem grofen, dickwandigen Trichter 
und einem kurzen, zwischen den beiden Muskelschichten des Disse- 
pimentes nach aufen miindenden Gange (Fig. 23, 24). Ein ahn- 
liches Organ kommt bei der von mir beobachteten Tubifexart in 
dem zwischen Segment XI und XII liegenden Dissepimente vor. 
Bei dieser Familie ist bisher, soviel ich weil, ein Eileiter noch 
nicht beschrieben worden. 

Ich habe keine Spur von Knospungserscheinungen gesehen. 

Im ruhenden Zustande bilden die Wiirmer einen verwickelten 
Kniuel. Jeder Versuch, diesen zu entwirren, hatte nur den Er- 
folg, da die Wiirmer noch dichter zusammenhielten, und sie 
liefen sich eher zerreifen als auseinanderlésen. 

Nach GruseE unterscheidet sich diese Art durch die Anord- 
nung der Borsten von Nais papillosa Kuessl. vom Ladogasee, und 
von Tubifex papillosus Ciap., einer marinen Art. Diese zwei 
Arten sollen mit ahnlichen Papillen bedeckt sein. CLAPAREDE 
beschreibt einen anderen marinen Anneliden von St. Vaast als 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 469 


»pechschwarzen Wurm mit weifem Kopfende und rosafarbenem 
Giirtel (3). 

Saenuris velutina findet sich in ZscHOKKE’s Verzeichnis (9) 
der Fauna der Gebirgsseen oft angedeutet. 

Foret berichtet (5): ,,Cette belle espéce de Chétopode.. . 
est trés abondante dans la région profonde de beaucoup de lacs. 
Je Vai péchée dans les lacs Léman, Bourget, Annecy, Neuchatel, 
Zurich; ASPER la signale dans le lac de Come. 

Jusqu’a présent je ne l’ai jamais rencontré dans la région 
littorale ni du Léman ni d’ aucun autre lac. Mais il y a tant de 
variétés dans le facies limoneux de la région littorale que je ne 
puis me flatter de les avoir toutes explorées. Peut-étre aussi 
provient-il de la faune des eaux souterraines, et le trouverons- 
nous dans les puits de la terre ferme en compagnie du Niphargus 
et de I’ Asellus aveugles; la couleur brune, jaune ou orangée de 
ce ver ne semble cependant pas favorable a cette derniére alter- 
native; les animaux cavicoles étant en général d’un blanc mat, 
non-pigmenté. Toujours est-il que ce ver est actuellement presque 
la seule espéce dont l origine nous soit absolument imconnue.“ 

In dieser Beziehung ist es interessant zu konstatieren, dal 
auch die CLARAPEDE’sche marine Form eine Ahnliche Hise und 
bunte Farbung aufweist. 


Unter den beobachteten Wiirmern fanden sich einige Exem- 
plare einer Art, welche, soweit ich weil, noch nicht beschrieben 
worden ist. In vielen Punkten sind sie der ersten Form sehr 
ahnlich, und beide Formen zusammen bilden eine einheitliche, den 
iibrigen Tubificiden gegeniiberzustellende Gruppe. Wegen des Zu- 
sammenfaltens der Kopfregion gebe ich dieser Art den Namen 
Embolocephalus plicatus. 

Durchschnittlich ist die Lange des Korpers 4 cm und 
die Segmentzahl 50. Die Tiere sind den wenigen bunten Indi- 
viduen des Embolocephalus velutinus sehr ahnlich, und erst bei 
starkerer Vergréferung kann man die zwei Arten nach den 
Borsten unterscheiden. 

Der Kopf ist zuriickziehbar (Fig. 25), nicht aber in derselben 
Weise wie bei Embolocephalus velutinus. Die vordere Gegend des 
E. velutinus ist in die nachstfolgenden Segmente hineingezogen wie 
ein Teil eines Fernrohres in einen anderen; in E. plicatus aber 


470 Harriet Randolph, 


ist die Kopfgegend wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet 
(Fig. 26). Bei dieser Art existiert kein Riissel. 

Die Hiilse ist bei beiden Arten ahnlich, nur bei E. plicatus 
etwas schwacher (Fig. 27). 

Die Sinnespapillen sind nicht zuriickziehbar. Sie sind der 
Form und dem allgemeinen Bau nach denen des E. velutinus ahn- 
lich, aber schlanker und hyaliner (Fig. 28). Die Nervenzellen sind 
an*dem lebenden Exemplar deutlich erkennbar. Ich habe auch 
hier keine besonderen Ganglienzellen finden kénnen. Die Sinnes- 
papillen sind in zwei Ringen um jedes Segment angeordnet, mit 
gelegentlichen Spuren eines dritten. Die regelmafig vorkommen- 
den Ringe sind von den Dissepimenten gleich weit entfernt, und 
einer liegt in der Ebene der Borsten. 

Augen fehlen. 

Das Gehirnganglion und die Schlundkommissur sind in Figg. 29 
und 30 abgebildet. 

Die Borsten unterscheiden sich betrachtlich von denjenigen 
des Embolocephalus velutinus. In den Riickenbiindeln finden sich 
in der Regel drei Paar schlanke, haarférmige Borsten und drei 
schwach geschweifte und am Ende gespaltene Borsten (Fig. 31). Die 
Bauchborsten sind dick und stark gekriimmt (Fig. 32). Die Ab- 
bildungen wurden alle nach einem und demselben Exemplar ge- 
zeichnet, somit zeigen sie die Variation innerhalb eines Indivi- 
duums. Es sind meistens zwei in einem Biindel; vor dem Giirtel 
aber kommen zwei bis fiinf vor. 

Die Hypodermis ist im allgemeinen derjenigen des Embolo- 
cephalus velutinus ahnlich (Fig. 36). 

Uber die Anordnung der BlutgefaBe bin ich nicht ins Klare 
gekommen. 

Nephridien kommen, wie ich an Schnittserien konstatierte, 
zwischen Segment VI/VII und VII/VIII vor. 

Der Giirtel wird aus einem Teil des Segments X und aus 
den Segmenten 'XI und XII gebildet. Lage und Bau der Ge- 
schlechtsorgane sind ganz ahnlich wie bei Embolocephalus velu- 
tinus. E. plicatus unterscheidet sich indessen dadurch, daf der 
Samenleiter tiberall dieselbe GréSe besitzt, und daf die Bauch- 
borstendriisen des Segmentes X unverdndert sind. Da nur kleine 
Spuren von Spermatophoren vorhanden waren, so kann ich tber 
ihre Form nichts Bestimmtes mitteilen. 

Auch hier habe ich keine Knospungserscheinungen gesehen. 
Da weder bei E. velutinus noch bei E. plicatus alle Individuen 


Beitrag zur Kenutnis der ‘Tubificiden. 471 


zu gleicher Zeit geschlechtsreif wurden, so war die Méglichkeit, 
Knospungserscheinungen zu finden — wenn sie tiberhaupt bei 
diesen Arten vorkommeu — nicht ganz ausgeschlossen. 

Die Lage der Geschlechtsorgane ist bei beiden Wiirmern die 
fiir die Tubificiden charakteristische, und im Bau zeigen beide 
Wiirmer nur kleine Abweichungen voneinander und von den Tubi- 
ficiden. 

In dem einen Fall sind die Borsten typische Naidomorphen- 
borsten und in dem anderen haben sie eine bis jetzt nur bei den 
Tubificiden bekannte Form. 

Wegen des Vorhandenseins der nicht retractilen Sinnes- 
organe habe ich zuerst geglaubt, daf die zwei Wiirmer zwei neue 
Arten der Gattung Slavina darstellen. ‘Sie hatten dann eine 
Unterabteilung gebildet, der Gruppe von Bousrietp (2) gegen- 
iibergestellt durch die Retractilitaét des Kopfes, das Fehlen der 
Augen und das Vorhandensein der Riickenborsten in allen borsten- 
tragenden Segmenten. 

Die Lage und der Bau der Geschlechtsorgane aber beweist 
eine nahe Verwandtschaft mit den Tubificiden. Da diese Organe 
bei Slavina noch nicht beschrieben sind, ist es unméglich, die ge- 
nauen Beziehungen zu dieser Gattung festzustellen. 

Wenn nach LANKESTER und Bourne (1) die ,,Cephalization‘ 
als ein generisches Unterscheidungsmerkmal anzusehen ist, so mul 
das Vorhandensein der Riickenborsten an allen borstentragenden 
Segmenten diese Wiirmer von Slavina generisch trennen, welches 
auch die Familie sei, der diese Gattung angehdrt. 

Nach Vespovsky sind Saenuris velutina Grube, Nais papillosa 
KESSLER und Spirosperma ferox Eisen wahrscheinlich identisch, 
,,Dieser Beschreibung nach ist zu schliefen, daf die vermeintliche 
Saenuris eine besondere Stellung zwischen den Tubificiden — wenn 
sie tiberhaupt zu dieser Gruppe gehért — einnehmen muf. Saenuris 
velutina ist wahrscheinlich mit KmssLer’s Nais papillosa identisch, 
die jedoch eine besondere Gattung bildet und bereits von E1smn 
als Spirosperma ferox beschrieben wurde.‘ 

GRUBE (a. a. O.) unterscheidet seme Art durch die Form der 
Borsten. 

Was die dritte Art anbetrifit, so stimmt sie nach der Be- 
schreibung weder mit Saenuris noch mit den hier beschriebenen 
Wiirmern iiberein. Ersen giebt an (4): 

1. More than one kind of spines present, viz. hair-spines, comb- 
like spines and forked spines; two of which kinds are always present. 


AT2 Harriet Randolph, 


A. The cephalic ganglion anteriorly furnished with a large 
conical processus. The spermatophores are extremely long and 
spirally coiled. The oviduct is single. Spirosperma. 


Spirosperma nov. gen. 

The cephalic ganglion anteriorly furnished with a large conical 
processus which does not branch in the cephalic lobe of the body. 
The posterior margin is concave. ‘The spermatophore is very 
long and narrow, and spirally coiled, surrounded by a pellucid 
sack-like membrane. The integument is thickly covered with dark 
convex papillae. 

S. ferox n. sp. 

The penis sheath is chitinous, but only half as long as the 
penis proper, which is considerably swollen outside the penis 
sheath. The oviduct is single, muscular, not chitinous and longer 
than the penis proper. The forked spines in the front segments 
are furnished with several prongs. The length of the body is 
about 20 mm. A cingulum is very conspicuous in adult specimens. 

Habitat: Sweden, Motala river, in shallow water, also in the 
lake of If6 in Scania, where it was taken by Professor W. 
LILLJEBORG at a depth of 25 fathoms.“ 

GruBE hat die Verwandtschaftsbeziehungen seiner Art erkannt 
und richtig dargestellt. Der Gattungsname aber hat so vielen 
Formen angehort, die seitdem in verschiedene andere Gattungen 
verteilt worden sind, da’ er keine diagnostizierbare Gattung mehr 
bezeichnet. Um also Verwirrung zu vermeiden, schlage ich als 
Gattungsname Embolocephalus vor. Die erste Form wird dann 
Embolocephalus velutinus (den friiheren von Grune gegebenen 
Artnamen beibehaltend), und die zweite Embolocephalus plicatus 
heifen. 


Familie Tubificiden. 
Gattung Embolocephalus n. g. 


fo) 

Eine aus Bakterien, Fremdkérperchen und einer von dem 
Wurm abgesonderten Kittsubstanz gebildete Hiilse vorhanden. 
Augen fehlen. Nicht retraktile Sinnesorgane in Ringen um den 
Kérper herum. Der Kopf retraktil. Riickenborsten in allen 
borstentragenden Segmenten. Borsten der Riickenreihen haar- 
formig. Riickenreihen mit oder ohne geschweifte gespaltene Bor- 
sten. In den Bauchreihen gekriimmte Borsten, welche einfach, ge- 
spalten, gegabelt oder kammférmig sein kénnen. Bauchborsten des 
XI. Segmentes fehlen, wenigstens wihrend der Geschlechtsreife. 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 473 


Embolocephalus velutinus (Saenuris velutina GRuUBE). 
Riissel vorhanden. Sinnespapillen in zwei Ringen um jedes 
Segment. Riickenborsten haarférmig, vier in jedem Biindel; Bauch- 
borsten zwei, gekriimmt, einfach oder undeutlich gespalten. Bauch- 
borstenscheiden in Segment X mit einer accessorischen Driise 
versehen. Nephridien zwischen den Segmenten VII/VIU und VITI/IX. 


Embolocephalus plicatus n. sp. 

Ohne Riissel. Sinnespapillen in zwei oder mehreren Ringen 
um jedes Segment. In den Riickenreihen in der Regel drei Paar 
haarformige und drei kurze gespaltene und schwach gestreifte 
Borsten. Die Bauchbiindel enthalten zwei bis fiinf stark gekriimmte 
und gegabelte oder kammférmige Borsten. Nephridien zwischen 
den Segmenten VI/VII und VII/VIII. 


A74 Harriet Randolph, 


Litteraturverzeiehnis. 


1. Bournr, A. G., Notes on the Naidoform Oligochaeta. Quart. 
Journ. Mier. Sci., Vol. 32, Part 3. 

2. Bousrienp, E. C., On Slavina and Ophidonais, Journ. Linn. 
Soc., Vol. 19, 1886. 

8. CraparepE, E., Beobachtungen tiber Anatomie und Entwicke- 
lungsgeschichte wirbelloser Tiere. Leipzig 1863. 

4, Etsen, G., Preliminary Report on Genera and Species of Tubi- 
ficidae. Bihang K. Svenska Vet. Akad. Handlingar, Bd. 5, No. 16. 

5. Foret, F. A., La faune profonde des lacs suisses. Noue 
Denkschr. der allg. Schweiz. Gesell. Naturw. 29, 1885, 

6. Grouse, E., Untersuchungen iiber die phys. Beschaffenheit und 
die Flora und Fauna der Schweizer Seen. 56. Jahresber. der Schles. 
Gesellsch., 1878, 8. 116. 

7. Levcxarr’s Bericht —- Wiremanny’s Archiv, Jahrg. 35, 1869. 

8. Vespovsxy, F., System und Morphologie der Oligochaeten. 
Prag 1884. 

9, ZscHoxKE, Weiterer Beitrag zur Kenntnis der Fauna von Ge- 
birgsseen. Zool. Anz., 14. Jahrg. 1891, No. 360 u. 361. 


Erklirung der Abbildungen. 


Fir alle Figuren gitiltige Bezeichnungen. 


A = Atrium. D = Dissepiment. 
AD = Atrialdriise. Dr = Drie. 

B = Bauchmark. F = Fortsatz. 

Bg = Bauchgefab. G = Gehirnganglion, 


B.B.d. = dorsale Borstenbiindel. Gg == Gang. 
B.B.v. = ventrale Borstenbiinde!l. H = Hiilse. 
B.F = Borstenfollikel. Hy = Hypodermis. 
.G = bDlasiges Gewebe. 2 eke ——_oKwopt. 
C = Cuticula. K. lL = Kopflappen. 


es 


Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 475 


L.M. = Liangsmuskel. Sp. == Spermatophore. 

M. = Muskel. St. — Stibchen. 

M.D. = Mitteldarm. S. H. = Sinneshaar. 

N. = Nerven. S.L. —= Samenleiter. 

P. = Papillen der Hiilse. S. P. = Sinnespapillen. 

Q.M. = Quermuskeln. S.Z. == Sinneszelle. 

R. = Riissel. U.L. == Unterlippe. 

S. = Schwanz. X. = Borstenebene. 

Sch. c. = Schlundkommissur. Z. —= Borstenscheide. 
Patel XVik. 


Embolocephalus velutinus. 


Fig. 1. Vordere Segmente mit zuriickgezogenem Kopf, von 
aufen, X 110. 

Fig. 2. Kopf mit ausgestiilptem Riissel. 

Fig. 3. Kopf mit eingestiilptem Riissel. 

Fig. 4. Vertikaler Lingsschnitt der vorderen Segmente in zu- 
riickgezogenem Zustande, 150. 

Fig. 4a. Schlundkommissur aus derselben Serie. 


Fig. 5. Papillen der Hiilse, 360. 

Fig. 6. Querschnitt der Kérperwand, 300. 

Fig. 7. Sinnespapillen von einem lebenden Exemplar. 
Fig. 8. Sinnespapillen aus einem Querschnitt, 480. 
Fig, 9. a. Gehirn von oben. 


b. Hinterer Teil des Gehirns von der Seite. 
c. Querschnitt des Bauchmarks, & 150. 
Fig. 10. Bauchborste, 100. 
Fig. 11. Hypodermis yom Giirtel. Zweierlei Driisen. Aus einem 
Querschnitt, 480. 
Fig. 12. Hypodermis von der Fliache, & 480. 
Fig. 13. Seitengefiéif eines mittleren Segmentes. 


Fig. 1, 4, 4b, 5, 6, 8, 9c, 10, 11, 12 mit der Camera gezeichnet. 


Patel XVIIT. 
Embolocephalus velutinus. 


Fig. 14. Teil eines Nephridiums, 
Fig. 15. Eierstock, & 100. 
Fig. 16. a. Receptaculum seminis, 50." 
b. Teil einer Spermatophore bei stiarkerer Vergrdéfe- 
rung, < 480. 
Fig. 17. Receptaculum seminis. Querschnitt durch das Aus- 
mindungsrohr, & 300. 
Fig. 18. Receptaculum seminis. Wandschichten, 480. 
Fig. 19. Bauchborstendriise im Segment X. 
Fig. 19a. Lingsschnitt, aus einer Querschnittserie, X 300. 
b, c,d. Dieselbe quergeschnitten, aus einer horizontalen 
Liangsschnittserie, 300. 


476 Harriet Randolph, Beitrag zur Kenntnis der Tubificiden. 


Fig. 20. Léangsschnitt eines Samentrichters & 150. 

Fig. 21. Liangsschnitt eines Samenleiters in der Nihe vom 
Trichter, 480. 

Fig. 22. Liangsschnitt eines Samenleiters in der Nihe vom 
Atrium, 480. 

Fig. 23. Kileitertrichter, aus einem vertikalen Liingsschnitt, < 250. 


Fig. 24. Hileitertrichter, aus einem horizontalen Lingsschnitt, 
SX 250. 


Alle Figuren, mit Ausnahme von 14, mit Camera gezeichnet. 


Tafel XIX. 
Embolocephalus plicatus. 


Fig. 25. Vertikaler Langsschnitt der vorderen Segmente, Kopf 
zuriickgezogen. 

Fig. 26. Vordere Segmente, 50. 

Fig. 27. Hautpapillen, 250. 

Fig. 28. Sinnespapillen vom lebenden Wurm. 

Fig. 29. Gehirn. 

Fig. 30. Schlundkommissur. 

Fig. 31. Riickenborsten. a 300, b & 480. 

Fig. 32. Bauchborsten. a und b X 150, ¢ und d & 250. 

Fig. 33. Samenleiter und Atrium, vom horizont. Schnitte, 300. 

Fig. 34. Atrium und Atrialdriise, 150. 

Fig. 85. Samentrichter, 250, 

Fig. 36. Gewdhnliche Hypodermis mit Driise, x 480. 


Alle Figuren, mit Ausnahme von 28, 29, 30, mit Camera ge- 
zeichnet. : 


Zur Anatomie und Histologie 
der Proneomenia Siuiteri Hubrecht. 


Von 


J. Heuseher. 


(Aus dem zoologischen Laboratorium beider Hochschulen in Ziirich.) 


Mit Tafel XX—XXIII und 4 Abbildungen im Texte. 


Die Gelegenheit zu den nachfolgenden Untersuchungen ver- 
danke ich dem Wohlwollen und der auferordentlichen Giite des 
Herrn Professor Dr. ArNoLD LaneG, der mir zwei in Schnitt- 
serien zerlegte Exemplare von Proneomenia Sluiteri Huprecur 
zur Untersuchung iiberlief. Hierfiir sowohl wie fiir die Winke 
und Ratschlage, mit denen mich mein hochverehrter Lehrer viel- 
fach unterstiitzte, und fiir die Zeichnungen, die er mir zur Ver- 
figung stellte, spreche ich ihm meinen tiefsten Dank aus. 
Auch Herrn Privatdozent Dr. Kari FirpLer, der sich stets in 
freundlichster Weise um meine Arbeit interessierte und mir 
namentlich bei Beschaffung von Litteratur behiilflich war, bin 
ich zu grofem Danke verpflichtet. 


Ke 
Pronemenia Sluiteri Huser. gehért der niedersten Gruppe der 
Mollusken, den Aplacophoren oder Solenogastren an, die mit den 
Placophoren oder Chitoniden zusammen die Klasse der Amphineura 
bilden. Die Species ist erst seit kurzem (1882) und bisher nur 


478 J. Heuscher, 


in 3 Exemplaren bekannt geworden. Zwei derselben, worunter 
ein defektes, von Dr. C. P. Sxurrer in einer Tiefe von 110 und 
160 Faden in der ,,Barents-Sea“ gefangen, wurden von Prof. 
Huprecut sorgfaltig untersucht und beschrieben (7). Das dritte 
Exemplar ist laut einer Mitteilung von HANSEN (6) im Museum 
zu Bergen aufbewahrt. Auf der ,,Bremer Expedition nach Ost- 
Spitzbergen 1889“, die von Prof. W. KikenTHAL und Dr. WALTER 
geleitet war, wurden weitere zwei Exemplare erbeutet, sorgfaltig 
konserviert und Herrn Prof. Lana in Ziirich zur Untersuchung 
zugestellt. Herr Prof. KUkENTHAL hatte die Giite, folgende No- 
tizen aus seinem Tagebuche mitzuteilen: ,,Neomenia wurde zwei- 
mal gefangen, beide Male im nordlichen Teile der Olgastrabe, 
zwischen Ko6nig-Karls-Inseln, Nordostland und Barentsland. ‘Tiefe 
am 4. Juli: 80 Faden (160 m); Boden steinig: mit zihem, blau- 
lichem Schlamm; am 17. Juli: 70 Faden (140 m); Boden: nur 
sandig-steinig. Die Tiere zeigten auffalligerweise nicht die ge- 
ringste Bewegung.“ 

Prof. Lane fixierte zunachst die auBere Form durch Messung 
und Zeichnung (Fig. 1). Die Tiere gleichen einem kurzen, dicken 


Fig. 1. Proneomenia Sluiteri Hupr, Totalansicht: A von der lateralen, B von 
der ventralen Seite. o Mund, cl Cloake (aus LAnG: Lehrbuch der vergleichenden 
Anatomie). 


Wurm, sind wegen aus der Haut vorragender Kalkspiculae rauh 
anzufiihlen, steif und au8erlich chitinig-hart, so daf nur ganz ge- 
ringfiigige Bewegung:n mdéglich sind. Auf der Ventralseite sehen 
wir (Fig. 1 B) zunachst vorn eine kleine Langsspalte 0, die Mund- 
éfmung. Etwas hinter derselben beginnt eine Furche, die Bauch- 
rinne, die sich bis nahe zum Hinterende zieht, wo sie in die 
Cloake (cl) iibergeht. In dieser ventralen Furche liegt eine Langs- 
falte verborgen, der auferst reduzierte, rudimentare Fu8. Uber 
der Cloake befindet sich mediodorsal eine kleine Vertiefung des 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 479 


Integumentes. Die Tiere sind mit einer Lage von mit Dia- 
tomeenschalen vermengtem Detritus, der ziemlich fest anhaftet, 
bedeckt. 

Das gréfere Exemplar hatte eine Lange von 98 mm. Die 
maximale dorso-ventrale Hohe betrug (25 mm vom Vorderende 
entfernt) 10 mm bei gleicher Maximalbreite. Die geringste Hohe 
(7 mm) befindet sich bei gleicher Breite etwa 16 mm vom hin- 
tersten Ende entfernt. An der eingeschniirten Stelle bei der 
Cloake (Fig. 1) betrug die Héhe 8 mm, die Breite 6 mm. Die 
Linge der Mundspalte war 4 mm; 1 mm weiter hinten begann 
die Bauchfurche. Die Cloakenspalte beginnt 6 mm yom Hinter- 
ende des Kérpers und ist 2 mm lang. 

Das kleinere Exemplar hatte eine Linge von 75 mm, eine 
Maximalhéhe von 10 mm und eine grifSte Breite von 91/, mm. 


Integument. 


Das Integument von Proneomenia Sluiteri Hupr. besteht aus 
zwei Schichten, einer diinnen Hypodermis und einer machtig ent- 
wickelten Cuticula. 

An der Hypodermis lassen sich verschieden differenzierte 
Elemente unterscheiden. Eine Lage kleiner kubischer Zellen liegt 
unmittelbar der Ringmuskulatur des Korpers auf und zwar in 
ihrer ganzen Ausdehnung, mit Ausnahme der Bauchrinne uid 
elniger unten zu erwahnender Stellen. Diese eigentlichen Hypo- 
dermiszellen im engeren Sinne enthalten verhaltnismabig grobe 
Kerne, die sich mit Karmin lebhalt tingieren, und feinkérniges 
Protoplasma (ig. 2hy). Aus der Hypodermis steigen in mehr 
oder weniger radiarer Richtung sehr zahlreiche Gewebestrange in 
die Cuticula hinauf. Die Zellen, aus denen sich diese Strange 
zusammensetzen, sind langgestreckt, und ihre Grenzen in Form 
von spiraligen Linien meist deutlich sichtbar (Fig. 2s). Die Kerne 
liegen mit ihrer Flache den Zellwanden an, sind lang-elliptisch, 
flach und fein gekérnelt. Wir kénnen dickere und diinnere Striinge 
unterscheiden, und je nach dem Alter differieren beide Sorten 
auch unter sich selbst in der Linge. Im iibrigen sehen sie sich 
abnlich, verbinden jedoch verschiedene Driisen mit der 
Cuticula. 

Die diinneren unter ihnen ragen kaum iiber die Mitte der 
Cuticula hinaus und endigen in einer bulbésen Anschwellung, in 


480 J. Heuscher, 


welcher eine Kalknadel mit ihrem proximalen Ende wie in einem 
Becherchen sitzt. Ein solches Spiculabecherchen (Fig. 2 spb) be- 
steht aus 8—10 Zellen und stellt ohne Zweifel eine Driise dar, 
in welcher die Kalksubstanz der Spicula ausgeschieden wird. Die 
jiingsten Becherchen mit den kleinsten Nadeln liegen noch in der 
Hypodermis und geben derselben ein etwas unregelmifiges Aus- 
sehen. Eine Lage zweitjiingster Spiculadriisen hat sich erst 
wenig in die Cuticula erhoben, dann folgen, indem wir nach aufen 
fortschreiten, eine 2., 3., 4. Lage von Becherchen u. s. w., die sich 
etwas weiter, aber auf den entsprechenden Altersstufen ungefahr 
gleich weit von der Hypodermis entfernt haben. Die auSerste Lage 
erreicht oder tberschreitet auch um ein Geringes die Mitte, der 
Cuticula; in der oberen Halfte der letzteren finde ich die Nadeln 
ohne Verbindung mit der Hypodermis, dennoch bleiben sie auch 
dort in der gleichen regelmaSigen Anordnung, wenigstens an den 
Stellen, wo sie schief zur Kérperachse stehen und in mehreren 
(bis zu 12) Lagen vorhanden sind. Husrecnur hat hieraus den 
(wir mir scheint, richtigen) Schlu8 gezogen, daf die Cuticula, oder 
, Jnterspicularsubstanz“ wie er sie nennt, eine bedeutende Festig- 
keit haben mu8S und durch Zuwachs von innen nach aufen ge- 
schoben wird, m. a. W., daf die Hypodermiszellen an ihrer AufSen- 
seite besténdig neue Cuticularsubstanz ausscheiden. Die Form der 
Spicula zeigt Fig. 2. Tbr Querschnitt ist kreisrund, im Innern 
sind sie von einem Hohlraum durchzogen. Ihre Anordnung in 
der Cuticula an den verschiedenen K6rperstellen ist von HUBRECHT 
ausfiihrlich beschrieben worden (7). Nachdem die Spicula voll- 
stiindig ausgebildet sind, scheinen die sie erzeugenden Driisen 
samt ihren Stielen durch Riickbildung zu verschwinden. 

Eine andere Kategorie von Cuticulardriisen finden wir am 
Ende der dickeren, die Cuticula durchsetzenden Strange. Wah- 
rend die Spiculabecher schon vor der Mitte der Cuticula voll- 
stindig ausgebildet sind, erreichen die eben erwahnten Driisen 
das Stadium ihrer Vollendung erst gegen die Oberfliche hin. Sie 
sind keulenférmig oder flaschenférmig. An ihrem Grunde finden 
wir eine groéfere Zahl langgestreckter Zellen, deren Grenzen sel- 
ten deutlich zu sehen sind und die langgestreckte, fast cylin- 
drische, an beiden Enden abgerundete Kerne mit starker Tink- 
tionsfahigkeit fiir Karmin enthalten. Diese Zellen sondern ein 
zunichst grobkérniges, gegen aufen sich aber immer feiner zer- 
teilendes Sekret aus (Fig. 2¢d), das den keulenformigen Hohlraum 
zum Teil oder ganz erfiillt. In jungen, noch unausgebildetn Dri- 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 481 


sen, die in den tieferen Lagen der Cuticula, in der Region der 
Spiculabecher liegen, sieht man aufer einigen der vorerwahnten 
gestreckten Zellen fast nur grobkérnigen Inhalt. Die physiologische 
Bedeutung dieser Driisen liegt weniger auf der Hand, als diejenige 
der Spiculadriisen. KowALEVSKY und Marion beschreiben ahnliche 
Bildungen aus dem Integument ihrer Proneomenia vagans (18, 
p. 31 und Pl. 3, Fig. 3 u. 6; ferner Pl. 7, Fig. 13 bei Proneo- 
menia aglaopheniae, Fig. 15 von Pron. desiderata und Fig. 18 von 
Pron. gorgonophila) und sprechen sich tiber deren Bedeutung ganz 
bestimmt aus: ,,En tout cas, les papilles que nous signalons 
actuellement ne peuvent étre rapportées qu’ a la secretion de la 
couche gélatineuse (Cuticula) elle-méme.‘‘ Die histologische Struk- 
tur der erwihnten Driisen von Pron. Sluiteri weicht zwar sowohl 
in der Driise selbst, als auch in ihrem Verbindungsstrang mit der 
Hypodermis wesentlich ab von derjenigen dieser mit ihnen offen- 
bar homologen Papillen von Pron. vagans. Dennoch méchte ich 
ihnen ganz dieselbe Bedeutung zuschreiben. Man sieht namlich 
an vielen Stellen, daf die Driisen sich trichterférmig direkt in 
die aufere Lage der Cuticula 6ffnen, und ihr Inhalt scheint, sich 
immer feiner zerteilend, in die Cuticula selbst tiberzugehen (Fig. 
3). Von vielen dieser Driisen aus gehen feine, fadenformige Aus- 
liufer, die sich verzweigen und an ein Pilzmycelium bei schwacher 
Vergriferung erinnern (Fig. 3). Sie strahlen von der Drise 
kegelformig aus und sind in den Praparaten zum Teil durch- 
schnitten. Ihr Querschnitt ist in der Interspicularsubstanz in 
Form eines hellen, ziemlich stark lichtbrechenden Kreischens sicht- 
bar. Die vollstaindig erhaltenen Strahlen lassen sich bis an die 
Oberflache der Cuticula verfolgen und lésen sich bei sehr starker 
VergréSerung in hyaline Kérnchen auf. 

In der Cloakengegend, ventralwairts von jenen blindsackfor- 
migen Einstiilpungen, die Husrecur als Byssusdriisen deutet, 
nimmt die Hypodermis, bevor sie in das Epithel jener Gruben 
iibergeht, einen anderen Charakter an. Die kubischen Zellen wer- 
den durch ein ziemlich hohes Cylinderepithel ersetzt. Der Zell- 
inhalt ist durch Pikrinsiure gelblich gefarbt und erscheint deut- 
lich gekérnelt. An manchen Stellen sind die Zellen gegen die 
Cuticula hin offen, indem die Kérnelung nach aufen hin immer 
feiner wird und schlieflich in der Cuticula entweder vdllig ver- 
schwindet oder in eine mehr oder weniger deutliche Streifung 
iibergeht (Fig. 4). Die Hypodermis ist an dieser Stelle in leb- 


Bd. XXVIL,. N, FP. XX. 31 


482 J. Heuscher, 


hafter sekretorischer Thatigkeit begriffen und scheidet offenbar 
Cuticularsubstanz aus. 

Uber der Cloakengegend finden wir in der dorsalen Mediane 
eine becherférmige Ausstiilpung der Hypodermis, die begleitet ist 
von einer Kinsenkung der Cuticula (Fig. 5). Husrecur hat das 
Organ bei seinen Exemplaren von Pron. Sluiteri ebenfalls beob- 
achtet, und da er einen starken Nerven bis nahe an dasselbe hat 
verfolgen kénnen, halt er es fir ein Sinnesorgan; ,,the organ at 
all events does not appear to be subservient to any glandular 
secretion“. 

KOWALEVSKY et Marion (18) beschreiben ein gleich gelegenes 
Organ von Lepidomenia hystrix als ,,petit crypte sensitif, ferner 
bei Pron. vagans und Pron. aglaopheniae, wo der ,,bouton sensi- 
tif sehr voluminés ist. 

Pruvor (22) hatte Gelegenheit, die entsprechenden Organe 
an lebenden Tieren zu beobachten, und bildet mehrere derselben 
in ausgestrecktem Zustande ab. Am auffallendsten ist das Organ 
bei Paramenia impexa, wo es stark iiber die Cuticula hervorragt, 
aber bei der geringsten Beriihrung sofort zuriickgezogen und ein- 
gestilpt wird (22, p. 759). Auf allen diesen (und ahnlichen Or- 
ganen in der Kopfregion) hat Pruvor feine Fiihlfaden (,,soies tac- 
tiles“) entdeckt. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daS in den 
angefiihrten Fallen in diesen ,,boutons“ Sinnesorgane zu suchen 
sind, und es ware nichts natiirlicher als die Annahme, daf die 
becherférmige Hypodermisausstiilpung bei Pron. Sluiteri als ana- 
loges Organ in zuriickgezogenem Zustande aufzufassen sei. Den- 
noch bin ich von der Richtigkeit einer solchen Annahme noch 
nicht tiberzeugt. Alle in Frage stehenden Organe, die Pruvor 
nach ihrer auSeren Erscheinung sehr klar und deutlich abbildet 
(22, bouton sensitif caudal de Dondersia flavens Fig. 82 u. 82a; 
bouton caudal de Paramenia impexa Fig. 83; organe sensitif cau- 
dal de Proneomenia vagans Fig. 87), zeigen ausnahmslos eine 
regelmafige Anordnung der Spicula, die viel kleiner sind als die 
gewohnlichen Nadeln und auch in ihrer Form vollstaéndig von den 
letzteren abweichen. Ferner sind, wie oben erwahnt, alle diese 
Organe besetzt mit einer gréSeren Anzahl feiner, nicht wimpern- 
der Faden (soies tactiles). In Bezug auf die histologische Struk- 
tur des Organs geben KowAtevsky et Marion einige Details: 
Bei Lepidomenia hystrix liegt am Grund des Organs unter der 
hier lokal verdickten Hypodermis eine zweite Lage groB8er 
Zellen, welche sie geneigt sind als nervése Elemente zu be- 


Yur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 483 


trachten. Bei Proneomenia vagans finden sie die Anlage mehrerer 
boutons“, deren Bau aber wesentlich abweicht von demjenigen 
bei Lep. hystrix. Die Organe sind hier eingeschlossen in 
die Cuticula. Die Hypodermis buchtet sich konkav nach oben 
aus und wird mehrschichtig+). Die Zellen der obersten Lage 
firben sich stark, wihrend die Stielzellen des Organs alle hyalin 
sind. Die letzteren werden als nervése Elemente betrachtet. 
Ganz gleich ist ein zweites, weiter vorn gelegenes Organ beschaffen. 
Eine dritte Hypodermisausstiilpung scheint eine Gruppe von 
Schleimdriisen darzustellen. Ein Nery, der zu diesen Organen 
fiihren wiirde, ist nicht entdeckt worden. 

Wenn ich das in Frage stehende Gebilde von Pron. Sluiteri 
in den Schnitten des Herrn Prof. Lana mit den von KowALEVSKy 
et Marion bei Lepidomenia hystrix und von Pruyot bei Don- 
dersia flavens, Paramenia impexa und Pron. vagans entdeckten 
Organen vergleiche, so finde ich als tibereinstimmend nur die 
Lage der betreffenden Bildungen. Die Hypodermisausstiilpung 
yon Pron. Sluiteri macht in den Schnitten nicht den Kindruck 
eines zuriickgezogenen Organs (siehe Fig. 5). Aber auch ange- 
nommen, es wiirde ein solches vorliegen, und zugegeben, da die 
charakteristischen feinen Fiihlfiden in diesem Zustande nur schwer 
oder gar nicht sichtbar waren, so miiften doch die, wie es scheint, 
ebenfalls fiir die Organe charakteristischen kleinen Kalkplattchen 
neben den gewdhnlichen Spicula zu entdecken sein. Davon ist 
aber keine Spur sichtbar, auch Husrecut deutet nichts derartiges 
an. Die Hypodermisausbuchtung ist in die Cuticula einge- 
schlossen und hat keine direkte Bertihrung mit der 
AuBenwelt. Die oben beriihrte Thatsache, da’ KowaLrvsxy et 
Marion bei Pron. vagans aufer einer kleineren weiter vorn gelegenen 
Hypodermisbildung (18b, Fig. 4, Pl. 3), welche, um mich des 
wortlichen Ausdrucks der Autoren zu bedienen, ,,semble indiquer 
une sorte d’ état intermédiaire entre le bouton sensitif en question 
et les papilles hypodermiques ordinaires“ (p. 33), noch zwei 
boutons von genau gleicher histologischer Beschaffenheit gefun- 


1) ,,La partie creuse ainsi produite par le refoulement de 
lV hypoderm est occupée par une formation cellulaire tres apparente, 
dont la base consiste en plusieurs cellules fusiformes grouppées en 
faisceaux et dont le sommet correspond a un seul élément cellulaire 
plus gros 4 moyau trés net et & contenu d’ aspect gélatineux“, 
pag. 32. 


o1* 


484 J. Heuscher, 


den haben, wahrend nur ein posterio-dorsales Sinnesorgan vor- 
kommt (18, Fig. A., Pl. 3; und 22, Pl. 31, Fig. 87), scheint mir 
auch einigen Zweifel zu rechtfertigen daran, daf diese Hypodermis- 
ausbuchtungen mit dem ,,organe sensitif caudal‘ Pruvot’s identisch 
seien, um so mehr, als die ,,boutons“ wie bei Pron. Sluiteri von 
der Cuticularmasse bedeckt sind. Der Hypodermisausbuchtung 
kommt bei letzterer Form eine Einsenkung der Cuticula eine 
Strecke weit entgegen (siehe Fig. 5). Die dadurch entstandene 
Grube ist mit Detritus gefiillt, der durch eine schleimige Masse, 
welche von der dufersten Schicht der Integumentes nicht scharf 
gesondert ist, zusammengehalten zu werden scheint. 

Die Hypodermis hat im Innern des Bechers einen spezifischen 
Charakter. Sie besteht aus einer einzigen Lage etwas lang- 
licher, oft birnférmiger Zellen. Husrecut 1a8t unentschieden, ob 
sie bewimpert seien oder nicht. Die Frage darf entschieden ver- 
neint werden. Der Zellinhalt ist wenig gefarbt, deutlich gekér- 
nelt und geht in die (schleimige?) Cuticularmasse uber, welche 
die Héhlung zum Teil erfiillt. Ringsum sind am Innenrande der 
Vertiefung zahlreiche Driisenzellen gelagert, die sich von den ge- 
wohnlichen Cuticulardriisen nicht zu unterscheiden scheinen. Die 
innere Becherwand ist offenbar sekretorisch thitig, die Aufenwand 
wird durch gewéhnliche Hypodermis mit ihren oben besprochenen 
verschiedenartigen Driisenfortsaitzen gebildet. 

Von yorn und hinten treten aus der Langsmuskulatur 
der Kérperwand zahlreiche, sich haufig kreuzende Muskelfasern 
in das Organ. 

Ob ein Nervenstrang, der ungefahr in der dorsalen Mediane 
gegen die Hypodermisausbuchtung verliuft, in dieselbe eintritt 
oder nicht, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden, da das 
Priparat an der entscheidenden Stelle einen kleinen Rif hat. 
Irgendwelche Elemente, die als Sinnesorgane gedeutet werden 
kénnten, habe ich weder in den Lings- noch in den Querschnitten 
gefunden. Der erwiahnte, benachbarte Nery scheint seine Fasern 
nur an die Muskulatur abzugeben. 

Ein weiteres Epidermisorgan findet sich zu beiden Seiten 
des Tieres am Eingang in die Cloake, wo die Hypodermis sich 
blindsackartig in das Muskelgewebe einstilpt. Husrecur hat 
das Organ bei Pron. Sluiteri entdeckt und, ohne sich bestimmt iiber 
dessen Funktion auszusprechen, es mit einer primitiven Byssus- 
driise verglichen. Er fand die Einstiilpung gefiillt mit einem 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 485 


wabigen Sekret, das nach aufen sich in die gewéhnliche Cuticula 
verliert und von parallelen Réhren durchzogen ist, die zum Teil 
in eine centrale Héhlung miinden. In den Roéhren glaubte er ein 
feinfadiges Sekret zu sehen, was ihn veranlafte, das Organ mit 
einer Byssusdriise zu vergleichen. 

Ein ahnliches Organ fand er bei Neomenia, gefiillt ,,with 
what looks like larges spicules perpendiculary placed, although 
calcareous matter does not seem to be contained in them“ (7, p. 12). 
Offenbar hatte Huprecur sein Exemplar von Pron. Sluiteri voll- 
standig entkalkt und nur Querschnitte zur Verfiigung, deren 
Bilder eine Tauschung veranlaB8ten. 

Das Epithel der Gruben ist die direkte Fortsetzuug der 
Hypodermis und kleidet die Wande ringsum bis in die Tiefe aus. 
Gegen das blinde Ende hin legt es sich mehrfach in Falten und 
ist offenbar sekretorisch thatig. Der Hohlraum der Grube ist 
mit sehr langen Spicula dicht gefiillt und die ziemlich geringen 
Zwischenriume zwischen denselben mit einer Substanz, die am 
Rande der Grube in die gewoéhnliche Cuticula unmerklich iiber- 
geht und von ihr wohl nicht wesentlich verschieden ist. Die 
Spiculabildung in diesen Gruben konnte nicht genau verfolgt wer- 
den, sie scheint in etwas anderer Weise vor sich zu gehen, als 
in der tbrigen Cuticula. Ich konnte keine becherférmigen Spi- 
culardriisen entdecken. Die Nadeln scheinen von Zellen am Grunde 
und vielleicht auch an den Wanden der Grube gebildet zu werden 
und mit der Interspicularsubstanz nach auSen zu wandern. Fig. 
6 stellt einen Langsschnitt durch den Grund einer solchen 
Grube dar. 

Kowa.evsky et Marion (18) beschreiben fiir Proneomenia 
vagans eine gleich gelegene, verwandte Bildung als Begattungs- 
organ (,,spicule d’ accouplement“). PRuvor hatte Gelegenheit, das- 
selbe in 3 verschiedenen Entwickelungsstadien zu beobachten. Fiir 
Neomenia carinata sind von verschiedenen Autoren zwei seitliche 
»Penis“ nachgewiesen worden. 

Es kommt mir wahrscheinlich vor, daf diese Spiculabiindel 
von Proneomenia als Hilfsorgane bei der Begattung mitwirken; 
in welcher Weise — ob als Reiz-, Haft- oder wirkliches Begat- 
tungsorgan — mu spitere Beobachtung lebender Tiere ent- 
scheiden. Als Penis méchte ich das Organ in keinem Falle be- 
zeichnen. 

Obschon wir den zweiten Hauptbestandteil des Integumentes, die 
Cuticula, schon mehrfach erwihnt haben, miissen wir doch mit 


486 J. Heouscher, 


einigen Worten darauf zuriickkommen. Husrecut bezeichnet sie 
als eine chintinahnliche Masse, die durch Sauren und Alkalien 
keine sichtbare Veranderung erleidet, so daf nach Entkalkung die 
Hohlraume, in denen vorher die Spicula lagen, vollstandig unver- 
andert bleiben. Pikrokarmin farbt die Masse leicht rosa. Soweit 
sich nach fertigen Schnitten, vollstaindig und unvollstindig ent- 
kalkten, ein Urteil bilden la®t, kann ich die Darstellung Hus- 
RECHT’S nur bestatigen. Die grofe Festigkeit und geringe Bieg- 
samkeit der Tiere ist ohne Zweifel auSer der Masse der einge- 
lagerten Kalknadeln auch der Festigkeit der chitin-ahnlichen 
Cuticularsubstanz zuzuschreiben. KoOwALevsKy et Marron be- 
zeichnen diese Bildung bei Proneomenia vagans ais ,,une épaisse 
couche cuticulaire gélatineuse et élastique“; ebenso Pruvor. 


Muskulatur. 


Die Muskulatur der Pron. Sluiteri ist von Husrecut, und 
die mit ihr im ganzen tibereinstimmende anderer Neomenien von 
den iibrigen Autoren so vollstandig beschrieben worden, daf ich 
mich nicht veranlaft finde, ausfiihrlicher darauf einzutreten. Ich 
begniige mich damit, einige wesentliche Punkte anzufihren. 

Wir finden: 


1) Eine Schicht von Ringsmuskulatur unter dem Integument 
und darunter eine Lage von Lingsmuskeln, welche ventralwarts 
zu beiden Seiten tiber dem Fue stark verdickt sind. Die beiden 
Schichten bilden den Hautmuskelschlauch. 

2) Ringmuskulatur um den Vorderdarm und radiare Muskel- 
biindel zwischen diesem und der K6érperwand, die in ihrer Ge- 
samtheit als Pharyngealmuskulatur bezeichnet werden 
kénnen. 

3) Transverse Muskulatur, welche am Vorder- und Hinterende 
reichlich den Korper durchzieht und sich auch als eine Art 
Septen in der Region des Mitteldarmes in regelmafigen Abstainden 
wiederholt (Fig. 7). Die von den Seiten herkommenden Fasern 
kreuzen sich tiber dem Fufe. 

4) Kine Muskelschicht (,,Septe“ der Autoren) tiber dem Fuf; 
sie bildet aber keine kompakte Platte, sondern besteht einfach 
aus einer Menge selbstaindiger, durch kleine Liicken voneinander 
getrennter Muskelbiindel, die von einer Korperseite zur anderen 
ziehen. | 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 487 


5) Aufhingemuskulatur 
zur Befestigung des Darms 
und der Driisen an _ der 
Koérperwand. 

6) Muskulatur der Drii- 
sen. 

7) Spinkter der Cloake. 

Durch die in Punkt 3 
angefiihrten Septen  er- 
scheint das Kdérperinnere 
segmentiert. Auferdem ist 
die Segmentation ausge- 
sprochen durch die sich 
regelmabig wiederholenden 
Darmausstiilpungen, die Kin- Shale ea 
schniirungen der Zwitter- iS,” Quershnitt im dor Region des Mit 


driise und teilweise durch 3 in den Mitteldarm vorspringende Septen, 
4 Hoden, 5 Ovarialteil der Gonade, 6 Cuticula 


das Nervensystem. (aus LANG, Lehrbuch d. vergl. Anat.) 


Der Fufs. 


Der Fu ist wenig entwickelt und stellt blo’ eine Langsfalte 
der Kérperwand (streckenweise mit sekundaren Falten) dar, die 
sich von der ventralen Integumentbriicke hinter dem Munde direkt 
bis zur Cloakenéffnung erstreckt, aber nirgends iiber die Bauch- 
grube hinausragt (siehe 7, Pl. 2, Fig. 22 u. 24 und Pl. 3, Fig. 
32). Er ist seiner ganzen Linge nach mit wimperndem Cylin- 
derepithel bedeckt, ebenso die Wand der Bauchfurche. Eine Aus- 
nahme macht bei dem einen von Prof. Lana’s Exemplaren eine 
schmale Strecke an der Cloakenmiindung, wo eine einfache Spi- 
culalage vollstandig bis zur Fufwurzel reicht; beim zweiten Exem- 
plare sehe ich hievon nichts. Zu beiden Seiten des Fufes finden 
wir der ganzen Lange nach ein Driisenpolster, bestehend aus ein- 
zelligen, birnférmigen Driisen, die sich gegen das vordere und 
hintere Ende stark haufen. Den vorderen Theil dieser Driise hat 
Husrecut als vordere Fufdriise bezeichnet. Die Fuffurche zeigt 
an ihrem vorderen Ende eine Einsenkung, und ihr Epithel ist 
ziemlich stark gefaltet, einen baumformig verzweigten Ausfiihrungs- 
gang der Fufsdriise aber, wie ihn Husprecut beschreibt, kann ich 
weder in dem einen (Querschnitte), noch in dem anderen (Lings- 
schnitte) von Prof. Lane’s Exemplaren finden. Im iibrigen stimmt 


488 J. Heuscher, 


der Bau dieser Driisenzellen vollstindig iiberein mit der Beschrei- 
bung Husrecut’s. Die Driisenzellen sind umhiillt von einem fei- 
nen Netz von Bindegewebe. Ihr Protoplasma ist kérnig und 
durchsichtig; der Kern tritt scharf hervor durch intensive Far- 
bung. Neben diesen Zellen finde ich, hauptsichlich etwas in die 
Tiefe verlagert, aber nicht streng von den anderen geschieden, 
solche Zellen, deren Protoplasma sich durch das Karmin etwas 
gefarbt hat, sie scheinen jedoch nur in anderen Stadien der sekre- 
torischen Thatigkeit zu stehen, wir finden auch zahlreiche Uber- 
gange zwischen beiden Erscheinungsformen der Driisenzellen. 

Die Driisen entleeren ihr Sekret in die Bauchfurche, indem 
es intercellular durch das Epithel derselben dringt. Das Sekret 
ist Schleim, der, wie Pruvor an anderen lebenden Neomenien 
beobachtet hat, bei Fortbewegung des Tieres die zuriickgelegte 
Wegstrecke tiberzieht, an welchem die Tiere sich aber gelegentlich 
auch aufhangen kénnen (22, p. 757), wie dies auch von anderen 
Mollusken (z. B. Schnecken) bekannt ist. Die ,,hintere FuSdriise“, 
von der vorderen nicht scharf abgesetzt und wohl aus denselben 
Elementen gebildet, begleitet den FuS seiner ganzen Linge nach 
zu beiden Seiten und setzt sich wie jene aus einer grofen Zahl 
einzelliger Driisen zusammen, die ihr schleimiges Sekret durch 
die Epidermis in die Bauchfurche ergiefen. Gegen die Cloake 
hin findet wieder eine starke Anhaufung der Driisenelemente statt. 
Sie finden sich dort in zusammenhangender Masse nicht nur zu 
beiden Seiten des Fufes, sondern auch tiber der ventralen Mediane. 
Nach Huprecut reagieren sie auf Pikrokarmin etwas anders als 
die gewohnlichen Fufdriisen. Ich finde jedoch mitten unter etwas 
abweichend gefarbten Driisenzellen auch solche, die sich durch 
nichts von den gewohnlichen FuSdriisen zu unterscheiden scheinen, 
und glaube darum auch hier die etwas verschiedene Reaktion nur 
auf verschiedene Stadien der Sekretion beziehen zu miissen. 

Die Bauchfurche zeigt hier Falten, die tief in die Driise ein- 
dringen, deren Epithel aber dasselbe ist, wie in der Bauchfurche 
selbst. Die Driisen 6ffnen sich wiederum intercellular in diese 
Vertiefungen. Eine Verbindung der Bauchgrube mit dem Ko6rper- 
hohlraum, wie sie Husrecntr auf einigen Schnitten gesehen zu 
haben vermutet, findet hier entschieden nicht statt. Hingegen 
kann ich bestitigen, da8 die Driisenmasse von den Pedalkom- 
missuren aus innerviert wird. 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 


Das Nervensystem. 


489 


Wie schon Husrecut ausgefiihrt hat, stimmt das Nerven- 
system von Proneomenia im allgemeinen iiberein mit demjenigen 


der anderen 


Amphineuren. 


Ich lasse eine Vergleichung des Ner- 


vensystems von Proneomenia Sluiteri Husprecnutr (7), Dondersia 
festiva Husr. (8), Neomenia carinata TuLLB. (26), Lepidomenia 
hystrix Kowaeysky et Marion (18) und Paramenia impexa 


Pruvor (22 


) folgen: 


| 


Pron. Sluiteri | Dondersia |Neom. carinata| L. hystrix 
Husr. | festiva Horr. TULLB. Kow. et MAr. 
1. Sublingualring | vorhanden | nicht nachge- |vorhanden aber fehlt 
wiesen ohne Sublin- 
gualganglion 
2. Cerebropedalkom- | vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden 
missur | 
3. Pedalnerven | vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden 
(doppelter Strang) 
Querkommissuren 
a) zwischen den vorhanden vorhanden vorhanden vorhanden 
vordersten Pe- 
dalganglien 
b) zwischen den vorhanden vorhanden ? fehlt vorhanden 
hintersten Pe- 
dalganglien 
ce) Ubrige Pedal-| besonders hin-|regelmiiBig ent-|besonders vorn| besonders in 
kommissuren j/ten entwickelt wickelt entwickelt |der Mitte ent- 
wickelt 
d) Ubrige Pedal-| undeutlich sehr deutlich undeutlich undeutlich 
ganglien 
4 Vordere Pleural- fehlen fehlen vorhanden vorhanden 
ganglien (Visceral- | 
ganglien) | 
5. Pleuralnerven ent-\direkt aus demjaus der Cere-jaus den Visce-jaus den Visce- 
springen : Gehirn bro-Pedalkom-| ralganglien ralganglien 
missur 
6. Dorsale Kommis-| vorhanden ? vorhanden vorhanden 


sur zwischen den 
hinteren Pleural- 
ganglien 


| 


| 
| 
| 
| 


Param. impexa 


PRUVOT 


unvollstindig, 
Kommissur zw. 
d. Sublingual- 
ganglien fehlt 


vorhanden 


vorhanden 


vorhanden 


fehlt 


| unregelmabig 


wenig ent- 
wickelt 


undeutlich 


ue. 


fehlen 


aus dem Gehirn 


vorhanden 


— 
we) 
—) 


J. Heuscher, 


Das Cerebralganglion von 
Pronemenia Sluiteri ist wenig 
entwickelt, die beiden vorderen 
Pedalganglien (Fig 87) oder 
die Pleuralganglien (Fig. 8 4) 
machen zusammen nahezu die- 
selbe Nervenmasse aus wie das 
Gehirn. Es besteht, wie alle 
iibrigen Ganglien und die gré- 
Seren Leitungsstrange aus einer 
Hiille von Nervenzellen und einer 
inneren fibrillaren Masse (vide 7, 
Pl. 4, Fig. 41—44). Sechs Ner- 
venpaare nehmen aus demselben 
ihren Ursprung. 

Das 1. derselben geht auf der 
frontalen Seiteab. Jeder der beiden 
Nerven teilt sich sehr bald in 2 
Aste, einen inneren oberen und 
einen auferen unteren. Von den 
inneren Asten geht fast unmittel- 
bar nach dem Austritt aus dem 
Gehirn je ein Zweig nach unten 
und vorn. Die beiden Hauptaste 
lassen sich leicht verfolgen und 
besorgen unter Abgabe kraftiger 
Seitenzweige die starke Musku- 
latur des vorderen K6rperendes. 

Das 2. Nervenpaar entspringt 
unmittelbar hinter der Austritts- 
stelle des ersten Paares basal- 
warts aus dem Seitenteil des Gehirns, verlauft zunachst gerad- 
linig lateralwarts, biegt dann nach unten und zieht, sich vielfach 
verzweigend, beiderseits gegen die Rander der Mundhohle, indem 
es sich in den Muskelbiindeln daselbst verliert. Das 3. Paar 
geht wieder latero-basal aus dem Gehirn hervor und hat einen 
ahnlichen Verlauf wie das 2. Paar. Das 4. Nervenpaar geht aus 
der lateralen Mitte des Gehirns hervor und beteiligt sich stark 
an der Innervation der Kérperwinde. Ein Zweig geht rechts und 
einer links schief riickwarts nach unten. Sie bilden seitlich unten 
am Pharynx je ein Ganglion (Sublingualganglion) die durch eine 


“Bid 


8 


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Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 491 


Kommissur miteinander in Verbindung stehen, wie dies auch 
Husrecut gefunden hat. Das 5. Nervenpaar bildet die Cerebro- 
pedal-Kommissur und stellt zusammen mit den im Vergleich zum 
Gehirn voluminésen vordern Pedalganglien und deren Querkom- 
missur einen zweiten Nervenring um den Vorderdarm dar. Das 6. 
Paar tritt hinten oben aus dem Gehirn und hat die grote Quer- 
schnittfliche unter den Gehirnnerven. Es verlaiuft zunachst lateral- 
warts, dann schrag nach hinten und unten gegen die Kérperwand, 
nahe bis zur lateralen Mitte derselben, um dann in ziemlich 
gerader Richtung bis gegen das Hinterende des Kérpers zu ziehen. 
Es sind dies die beiden Lateralnerven. 

Die Pedalnerven verlaufen von den vorderen Pedalganglien 
aus parallel bis zur Cloake. Im hinteren Teil derselben, in der 
Gegend unterhalb der Nephridien zaihlte ich 14 starke Querkom- 
missuren, welche in ganz kurzen Zwischenriumen aufeinander 
folgen, ahnlich wie dies v. Grarr fiir den vorderen Teil des 
Pedalnervensystems von Neomenia carinata TuLuse. beschreibt 
(3). Da, wo die Querkommissuren aus den Langsstaémmen ent- 
springen, finden sich kleine Anschwellungen, die in dem Schema 
Fig. 7 zu klein dargestellt sind, aber immerhin an Ausdehnung 
weit zuriickstehen hinter den vorderen Pedal- und den Sublingual- 
ganglien. 

Husrecut beschreibt fiir Proneomenia eine regelmafige Reihe 
yon Querkommissuren der Pedalnerven. Es ist mir nicht gelun- 
gen, dieselben ebenfalls nachzuweisen. Wohl sehe ich weiter vorn 
in ziemlich regelmafigen Zwischenraumen Nerven aus den Langs- 
stammen in die FuSgegend sich abzweigen, aber eine Vereinigung 
derselben von beiden Seiten her kann ich nicht auffinden. Sie 
sind auch viel diinner als die kraftigen Pedalkommissuren unter 
der Nephridialgegend und haben eine andere Lage. Die letzteren 
stehen senkrecht zu den Langsstammen und sind ganz direkte 
Verbindungswege, die mehr oder weniger horizontal, und nicht in 
die Fuf’gegend verlaufen, wie dies Husrecat darstellt auf Pl. 2, 
Fig. 24, die anderen aber entspringen den Langsstammen unter 
spitzem Winkel, ziehen schief abwarts in die Fufmuskulatur und 
verzweigen sich dort (siehe Fig. 8). 

Der Verlauf der Lateralnerven ist zum Teil oben schon an- 
gedeutet worden. Sie ziehen vom Vorderteil des Kérpers ziem- 
lich in der lateralen Mitte nach hinten, wo sie, in der Nihe des 
Rectums angelangt, ein kleineres Ganglion bilden. Dann wenden 
sie sich mehr gegen das Ko6rperinnere und etwas abwarts, um 


492 J. Heuscher, 


seitlich, nahe der Basis des Rectums, zwischen diesem und den 
Nephridien eine starke Anschwellung (Fig. 8 4) zu bilden; hierauf 
setzt sich der Strang gegen die Cloakengegend fort und endet in 
einem Schlufganglion (Fig. 85) von geringerer Gréfe. Von 
diesen beiden Ganglien gehen dorsalwirts Kommissuren aus, die 
hintere iiber die Miindung des Rectums in die Cloake, die vor- 
dere iiber das Rectum. Beide Kommissuren sind so stark wie 
die dicksten Pedalkommissuren. Husrecutr schon hat die Ver- 
mutung ausgesprochen, es méchten die Lateralstrange durch eine 
dorsale Kommissur in der Analgegend verbunden sein. Wir fin- 
den also seine Vermutung durch die Existenz zweier Kommissuren 
mehr als bestatigt. 

Wie vom Gehirnganglion aus in das vordere Kérperende, so 
gehen von den letzten Lateralganglien aus in das hintere Ende 
des Kérpers zahlreiche Nerven aus, die sich in der dichten Mus- 
kulatur dieser Region reichlich verzweigen. Der ganzen Lange 
der Lateralnerven nach finden sich in regelmaBigen Abstinden 
deutliche Ganglien. Von diesen aus gehen Verzweigungen, welche 
die Muskulatur der K6rperwand und der Septen innervieren, die 
einen dieser Zweige gehen dorsalwarts, die anderen ventralwarts, 
und zwar die Hauptstimme unmittelbar unter dem Hautmuskel- 
schlauch. Die dorsalen Zweige geben meist in regelmafigen Ab- 
stinden Seitenzweige an die Muskelbiindel ab und lassen sich 
vielfach bis gegen die dorsale Mediane hin verfolgen, eine Ver- 
einigung der links- und rechtsseitigen Zweige habe ich nicht ge- 
sehen. Die Verzweigungen der ventralen Aste sind komplizierter 
und im Hautmuskelschlauch bis unterhalb der Pedalstrange zu 
verfolgen. Huprecut findet, da$ ,,a regular series of transverse 
commissures, similar to those between the two pedal nerves, con- 
nect the two lateral with the two pedal nerves‘ (7, p. 20, und 
Pl. 4, Fig. 40). Die regelmafige Folge der dorsalen sowohl als 
der ventralen Seitenzweige der Lateralnerven haben wir bereits 
bestatigt, regelmafSige Verbindungsstrange zwischen Lateral- und 
Pedalnerven hingegen konnte ich nicht auffinden, héchstens hie 
und da eine ganz feine Anastomose. 

Viele Nervenstémme namentlich am vorderen und hinteren 
Kérperende nehmen von ihrem Ursprung bis zum Ende sehr un- 
regelmikig an Dicke ab. Hiaufig zeigen sie unregelmafige, fast 
bandartige Verbreiterungen. Sekundaére und tertiire Verzweig- 
ungen erreichen nicht selten die Dicke des primaren Nerven. 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 495 


Kreislauf und Respiration. 


In Bezug auf die Kreislauf- und Respirationsverhiltnisse 
herrscht noch einige Unklarheit. Husrecut bezeichnet den Blut- 
kreislauf ,.mit Ausnahme eines dorsalen und eines ventralen Sinus“ 
als vollstindig lakunir. Ich méchte auch diese ,,Ausnahme“ strei- 
chen, denn irgendwelche besondere Wandung kann ich an diesen 
Blutwegen nicht entdecken, sie unterscheiden sich von den tbrigen 
zahlreichen Lakunen des Koérpers durch nichts, als durch ihre 
Lage. Der sogenannte Riickensinus bildet denn auch durchaus 
kein einheitliches Gebilde, sondern besteht aus einer grofen An- 
zahl von langgestreckten Hohlriumen, zwischen denen vielfach 
Muskelziige verlaufen. Auf gréSere Strecken wird diese Blutbahn 
aus der dorsalen Mediane vollstiindig verdrangt durch die voll- 
kommen an die Kérperwand hinauf riickende Zwitterdriise, so 
daf das Blut seinen Weg zu beiden Seiten dieses Organes suchen 
muff, was nicht der Fall sein k6énnte, wenn ein wirklicher, mit 
eigener Wandung ausgestatteter Blutsinus vorhanden ware. 

Das Herz hingt, wie schon Husrecut beobachtet hat, in den 
hintern Teil des Pericardiums hinab und ist an der Kérperwand 
aufgehingt, welche, wie Husprecut ebenfalls erwaihnt, die eigene 
Wand des Organs nach oben ersetzt. Husrecut bezeichnet das Herz 
als sackfo6rmig, mit radialen Fasern durchsetzt und mit Wanden, 
in denen eine starke Entwickelung von Muskelgewebe und auferdem 
auch Bindegewebe vorhanden ist. KowaLevsky und Marron (18) 
geben fiir Proneomenia desiderata und Pron. aglaopheniae Abbil- 
dungen des Herzens. Das Herz der letzteren Form erscheint 
zweihéhlig (coeur ,,a deux loges‘). Pruvor (22) bezeichnet das 
Herz der Neomenien nur als kontraktilen Teil des Sinus dorsalis, — 
welcher yon einer Einbuchtung des Kiersackes (poche ovigére = 
Pericard) gebildet werde (22, Pl. 27, Fig. 15, 19). Wir kommen 
bei Besprechung des Urogenitalapparates hierauf zuriick. Das 
Herz der Proneomenia besteht in der That aus zwei dorsalen Ein- 
stiilpungen des Pericards, einer vorderen und einer hinteren, die 
nach oben offen bleiben, wie die beiden Exemplare des Herrn 
Prof. Lane iibereinstimmend zeigen. (Das eine Exemplar ist in 
der Herzgegend in Quer-, das andere in horizontale Liingsschnitte 
zerlegt.) Die hintere dieser nach oben offenen, beziehungsweise 
durch die Kérperwand gedeckten Taschen liegt mit ihrem oberen 


494 J. Heuscher, 


und hinteren Ende, hierZim Horizontalschnitt ein gleichschenkliges 
Dreieck bildend, unmittelbar zwischen den Miindungen der Nephri- 
dien in das Pericard und steht hier insoweit in offener Verbindung 
mit Lakunen im dorsalen Hinterteil des Kérpers, als die letzteren 
vom Herzen nicht abgeschlossen, sondern nur in allen Richtungen 
von zahlreichen Muskelfasern durchzogen sind, zwischen denen 
Blutkérperchen in grofer Anzahl liegen. Die Spitze des oben 
genannten Dreiecks ist nach vorn gerichtet, und hier steht die 
hintere Tasche des Herzens mit der vorderen in offener Kom- 
munikation. Schreiten wir in der Serie der Horizontalschnitte 
etwas ventralwirts vor, so treffen wir jederseits einen etwas nach 
vorn gerichteten seitlichen Anhang an, der in manchen Schnitten 
zu der Vermutung Anlaf giebt, diese Anhangsel méchten als 
Vorhéfe aufzufassen sein, wie dies Huprecut thut. Allein sowohl 
die Horizontal- als auch die Querschnitte zeigen, dali diese Aus- 
stilpungen wohl mit dem Herzen in durchaus offener Verbindung 
stehen, aber mit keiner anderen Blutbahn zusammenhangen, also 
auch nicht als Vorhéfe betrachtet werden kénnen, es sei denn, 
daS wir eine Riickbildung im Laufe der phylogenetischen Ent- 
wickelung voraussetzen. Als Urtypus des Mollusken miissen wir 
wohl Formen annehmen, welche Kiemen und Vorhéfe besaSen (19). 
Es lieBe sich denken, daS die Kiemen infolge der Lebensweise 
der Tiere im Schlamm sich zuriickgebildet hatten, da sie, fort- 
wahrend von Schlamm bedeckt, nicht richtig funktionieren konn- 
ten, so dafi die Atmung in anderer Weise vollzogen werden multe. 
Die Thatsache, da bei naheren und ferneren Verwandten unter 
den tiefstehenden Mollusken (Neomenia, Chaetoderma, Chiton) 
Kiemen vorkommen, bei der letztgenannten Form auch deutliche 
Vorhéfe entwickelt sind, diirfte dieser Annahme zur Stiitze dienen. 
Setzen wir dieselbe einmal als richtig voraus, so wird es auch 
verstaéndlich sein, da mit den Kiemen auch die Blutwege, welche 
das Herz mit demselben verbanden, sich zuriickbildeten und die 
Vorkammern zur VergréSerung des Herzens mehr und mehr in 
dasselbe einbezogen wurden. So tiberlegend, kénnte man die bei- 
den seitlichen Aussackungen des Herzens als rudimentiare Vor- 
hofe auffassen. Einer solchen Annahme gegentiber scheint mir 
jedoch der primitive Zustand des Herzens selbst in die Wagschale 
zu fallen. Da die Rinder des Pericards sich oben nicht schliefSen, 
bleibt das Herz gewissermafen auf embryonalem Entwickelungs- 
stadium stehen, ein Verhalten, das mit der gleichzeitigen Ausbil- 
dung abgeschlossener Vorhéfe kaum in Einklang zu_bringen 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 495 


ware, und doch ist andererseits nicht recht einzusehen, warum das 
Herz selbst aus einem urspriinglich vollkommenen Zustand in ein 
embryonales Stadium zuriickgesunken sein sollte. Ich wage es 
nicht, eine bestimmtere Ansicht dariiber auszusprechen, ob der 
Zustand des Herzens ein urspriinglicher sei, in welchem Falle von 
Vorkammern nicht gesprochen werden kénnte (Ansicht Pruvot’s), 
oder ob die schon von Husrecutr erwihnten Herzanhange von 
Pron. Sluiteri (kha Fig. 9) als rudimentire Vorkammern aufge- 
faSt werden diirfen. Vielleicht giebt spiter die Ontogenie des 
Tieres hieriiber besseren Aufschlul. 

Die hintere Herztasche 1a8t auf Querschnitten leicht 2 Ab- 
teilungen unterscheiden, eine obere und eine untere. Die letztere 
ist stark und unregelmifig kontrahiert und von der ersteren durch 
dicht stehende Muskelbiindel getrennt, jedoch nur unvollstindig, 
so daf die Blutkérperchen zwischen den Muskelfasern durch- 
passieren kénnen. Die Wand der unteren Herzabteilung ist viel- 
fach gefaltet, eine Folge der Kontraktion der Muskelfibrillen, die 
sich an dieselbe ansetzen. Das Blut ist aus dem unteren Herzteil 
nahezu ausgepreft, desto dichter stehen die Blutkérperchen in 
der oberen Abteilung. Auch diese ist von Muskelfasern durch- 
zogen, doch fallen dieselben der Menge der Blutkérperchen wegen, 
und weil sie nicht kontrahiert sind, weniger ins Auge. Kine Ab- 
bildung wird tibrigens die Verhaltnisse besser klarlegen als eine 
lange Beschreibung (Fig. 9). 

Die vordere Tasche des Herzens ist insofern einfacher gebaut, 
als sich an derselben nicht zwei besondere Abteilungen unter- 
scheiden lassen; im iibrigen ist der Bau ein ahnlicher. 

Die Lagebeziehung beider Herztaschen ist schematisch dar- 
gestellt in Fig. 9a. 

Von der vorderen Herztasche aus gelangt das Blut zunichst 
durch ein Gefiecht von Muskelfasern, welche Hohlraume zwischen 
sich offen lassen, auf der Riickenseite, zunichst unmittelbar unter 
der Kérperwand, nach vorn. Weiter findet das Blut seinen Weg 
zwischen den Ausfiihrgingen der Zwitterdriise hindurch und wendet 
sich dann, da dieses Organ stellenweise ganz an die obere Korper- 
wand hinaufriickt, seitlich nach unten, um die Hohlriume zwischen 
Zwitterdriise und Darmsicken zu passieren. An Stellen, wo die 
erstere, von der dorsalen Kérperwand sich lostrennend, etwas 
nach unten riickt, ist sie durch Muskelstrange an derselben auf- 
gehingt, und zwischen diese Strange treten Blutkérperchen in 
Menge ein, ebenso zwischen die Aufhingebinder des Coecums im 


496 J. Heuscher, 


vorderen Kérperteil. Bei schwacher Vergréferung hat es oft den 
Anschein, als waren hier scharf abgegrenzte Blutriume vorhanden, 
bei stirkerer Vergréferung sieht man jedoch, daS die Aufhange- 
binder nicht aus kontinuierlichem Gewebe aufgebaut sind, sondern 
iiberall nur aus einzelnen, losen Fasern bestehen, die zwischen 
sich Blutkérperchen in grofer Zahl durchtreten lassen. Wir haben 
es also auch hier nur mit Lakunen, nicht mit geschlossenen Blut- 
bahnen zu thun. 

Das Vorderende des K6rpers ist stark mit Blut gefiilt. 
AuBerordentlich dicht gedrangt sind die Blutkérperchen in den 
Mundfalten, die in den Hohlraum des Mundes vorspringen. Dort 
ist das Blut nur durch eine einzige Schicht von Wimperzellen 
von allfallig durch den Mund aufgenommenem Meerwasser ge- 
trennt. Der ,,ventrale Sinus“, den Husprecutr fiir Proneomenia 
Sluiteri anfiihrt und der von anderen Forschern bei verwandten 
Species ebenfalls als solcher benannt wird, bildet ebensowenig 
einen geschlossenen Blutweg wie der ,,Riickensinus“. Das ,,Septum“, 
welches den ,,ventralen Sinus‘ von den tibrigen Lakunen des Kér- 
pers trennt, besteht keineswegs aus dicht zusammenhaingendem 
Gewebe, sondern nur aus einer Masse von Muskelfasern, die zwi- 
schen sich Spalten offen lassen und den Durchtritt der Blutzellen 
gestatten. Ich finde in der ganzen Linge des ,,Septums‘ zwischen — 
den Muskelfasern sehr zahlreiche Blutkérperchen, viel mehr als im 
,»inus“ selbst. Méglich, aber nicht sehr wahrscheinlich ist, daf 
sie durch die Préparation zum Teil aus dem letzteren wegge- 
schwemmt worden sind (nicht sehr wahrscheinlich darum, weil 
das Fehlen der Blutzellen im ,,ventralen Sinus“ in den meisten 
Schnitten auffillt, wiaihrend doch andere Hohlriume in denselben 
Praiparaten ganz damit ausgefiillt sind). Ein wirklicher Sinus 
kann diese Héhlung auch darum nicht sein, weil sie hinten ein- 
fach aufhért, blind endigt, indem das ,,Septum‘ sich der Mus- 
kulatur der Kérperwand anschlieBt. Abhnlich scheinen diese Ver- 
hialtnisse bei anderen Neomenien zu sein (v. GRAFF, 3, PRuvOT, 22). 
Beziiglich der Atmung kann ich nur bestatigen, was HuBREecHT 
schon mitgeteilt hat. Ein lokalisiertes Atmungsorgan wie bei 
Neomenia und Chaetoderma ist nicht vorhanden, dagegen sind die 
Stellen, wo vermutlich Gasaustausch mit der Umgebung stattfinden 
kann, zahlreich. Die Falten der Mundhéhle sowohl wie des Rec- 
tums sind zahlreich und grof$ und ganz prall mit Blutkérperchen 
gefiillt. Das Blut ist hier nur durch eine Zellenlage von durch 
Mund oder Cloake eindringendem Meerwasser getrennt, und diese 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 497 


Zellen sind lang bewimpert. Massenhaft sind die Blutkérperchen 
auch tiberall zwischen den Aussackungen des Mitteldarms, der 
ebenfalls nur eine einzige Zellenlage dick ist. Es erscheint dem- 
nach wahrscheinlich, daf der Darm in seiner ganzen Ausdehnung 
auch mit der Funktion der Atmung betraut ist. 

Die Blutkérperchen sind rundlich, verhiltnismaifig gro’ und 
ihr Kern wandstindig. Die von Husprecnt beschriebene spindel- 
formige Struktur in ihrer Achse finde ich nirgends, sie darf wohl 
der Einwirkung der Reagentien zugeschrieben werden. 


Der Verdauungsapparat. 


Der Verdauungsapparat lift leicht drei Hauptabschnitte unter- 
scheiden: Vorderdarm, Mitteldarm und Enddarm. Vorder- und 
Enddarm sind kurz, der Mitteldarm hingegen nimmt den grdéfSten 
Teil des Koérperhohlraums in Anspruch. Der Ubergang vom Vor- 
derdarm zum Mittelstiick ist ein plotzlicher, derjenige vom letz- 
teren zum Enddarm weniger unvermittelt. 

Die Mundéffnung (0 Fig. 1) liegt in der ventralen Mediane 
nahe dem vorderen Koérperende und stellt eine Liangsspalte vor. 
Die Spicula tragende Cuticula setzt sich ziemlich tief in die 
Mundspalte fort, unmittelbar bis an die Grenze der geraiumigen 
Mundhohle (Fig. 10) und ist auch hier von einer Schicht anschei- 
nend durch Schleim zusammengehaltenem Detritus iiberkleidet. 
Die Mundhohle setzt sich etwas iiber das Vorderende der Mund- 
spalte hinaus fort, indem sie sich allmihlich verengt. Ihre Wan- 
dung tragt in diesem Teile zahlreiche zottenartig vorspringende 
Papillen (Fig. 11), die sich an der rechten und linken Seitenwand 
der Mundhohle nach hinten eine Strecke weit fortsetzen. Diese 
Zotten sind ganz anders gebaut als die tibrigen Mundfalten, von 
denen wir unten sprechen. Fig. 11 zeigt ihre Anordnung im 
praoralen Teil der Mundhéhle, deren laterale und frontale Wand 
sie vollstindig einnehmen, wie auch aus Husrecut’s Fig. 29, 
P]. 3, die einen Horizontalschnitt darstellt, ersichtlich ist. Weiter 
riickwirts werden die Papillen unten und oben zuriickgedrangt, 
indem yon der Basis der lateralen Mundwand aus, sowie oberhalb 
der Zotten rechts und links je eine grofe hohle Falte ins Lumen 
der Mundhohle vorspringt (Fig. 10). Die Zotten zeigen, in ver- 
schiedenen Richtungen der Linge nach geschnitten, immer das- 
selbe Bild. Fig. 12 stellt den Liingsschnitt durch eine Zotte bei 


starkerer Vergroferung dar. 
Biel No FL x, 32 


498 J. Houscher, 


Das Epithel der Mundhohle geht direkt in das Gewebe der 
Zotte tiber, welches rings um die centrale Achse nur eine Zell- 
schicht machtig ist und ein ziemlich hohes Cylinderepithel bildet. 
Die Nuclei liegen der Achse nahe und heben sich nicht besonders 
deutlich vom tibrigen Plasma ab, besitzen aber einen intensiv ge- 
gefarbten Nucleolus. Der iibrige Zellinhalt ist gekérnelt und das 
ganze Gebilde von einem Saum umbhiillt, der cuticularer Natur 
zu sein scheint. Wir haben es hier offenbar mit einem spezi- 
fischen Organ zu thun. Husrecur ist geneigt, ihm die Funktion 
als Kieme zuzuschreiben. In diesem Punkte bin ich anderer 
Ansicht. 

An Molluskenkiemen treffen wir immer ein Wimperepithel, 
das fiir die Zufuhr von frischem Atmungswasser sorgt, als aufere 
Begrenzung. Hier ist aber ein Wimperepithel nicht vorhanden. 
Wo Gasaustausch stattfinden soll, da muff das Blut freien Zutritt 
haben, in diese Zotten tritt aber kein Blut ein. Sie sind gegen 
die Wand der Mundhéhle hin geschlossen, nur einige axile Fi- 
brillen treten ins Innere der Zotte ein. Ob es nervése Elemente 
oder blofe Stiitzgebilde sind, kann ich nicht entscheiden. Jeden- 
falls hat das Organ mit der Atmung nichts zu thun. Es ist 
wohl dasselbe, was KowALEvsky et Marion fiir Proneomenia 
vagans als ,,papilles labiales“ bezeichnen (18, Pl. 3, Fig. 6), doch 
sollen diese bewimpert sein, was bei Pron. Sluiteri, wie schon ge- 
sagt, nicht der Fall ist; auBerdem finden dieselben Autoren Gan- 
glien tiber der Basis der Papillen, die ich in den Praparaten des 
Herrn Prof. Lana nicht entdecken kann. Damit will ich jedoch 
keineswegs die Ansicht der oben genannten Forscher anzweifeln, 
da8 diese Zotten ein Sinnesorgan (Tastorgan?) darstellen, welches 
durch Kontraktion der Mundmuskulatur aus der Mundhohle vor- 
gestreckt werden kann. 

Einen ganz anderen Bau zeigen die tibrigen Falten der Mund- 
hohle. Jederseits treffen wir zwei Sacke an, die eine Querschnitt- 
flaiche ungefihr von der GréSe eines Kiemenblattchens von Gam- 
marus pulex besitzen. Ihre Wandung besteht aus einer einzigen 
Lage von Cylinderepithel, das mit langen Cilien besetzt ist. Ihr 
Innenraum ist mit Blutkérperchen prall gefiillt. An ihrer Basis 
steht der Innenraum der Falten in vollstandig offener Verbindung 
mit den blutfiihrenden Lakunen des Korpers. Die Muskelfasern, 
welche den Faltenraum durchziehen und sich an dessen Wandung 
anheften, machen es wahrscheinlich, daf sie durch Kontraktion 
die Blutkérperchen hinauspressen und den Hohlraum neu fiillen 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 499 


kénnen, wihrend die langen Wimpern fir frisches Atmungswasser 
sorgen. Die Ansicht Husrecnur’s, daf durch die diinne Wandung 
dieser Falten ausgiebiger Gasaustausch stattfinden kénne, ist ge- 
wif gerechtfertigt. Ja man diirfte wohl diese Ausbuchtungen der 
Mundhohle geradezu als (sekundar entstandene) Kiemenwiilste be- 
zeichnen. 

Auch die Decke der Mundhoéhle zeigt Einbuchtungen und 
vielfache Faltelung. Eine solche gréfere Einbuchtung ist in dem 
Schnitt Fig. 10 df getroffen. Aufer den drei bedeutenderen aufen 
bewimperten Blutraumen im vorderen Teil der Mundhohle (Fig, 
11 bri) finde ich an der Munddecke keine erheblichen mit Blut 
gefiillten Aussackungen. 

In der Decke der Mundhoéhle ist reichlich Muskulatur ent- 
wickelt. 

Im Grunde des Oesophagus liegt in einer Kinsenkung ver- 
borgen eine winzig kleine Radula. Vor derselben erhebt sich in 
der Radulatasche eine Falte, deren Spitze aus hohem Saulen- 
epithel besteht, welches nach vorn in das gewohnliche Epithel 
des Oesophagus, nach unten und hinten in das Gewebe iibergeht, 
welches die Reibplatte der Radula tragt (Fig. 13). 

Die Radula liegt auf einem muskulésen, mit einer Epithel- 
schicht tiberkleideten Wulste, der Zunge (z). An der Basis des 
hinteren Zungenendes findet sich ein Polster von hohen, dtinnen 
Cylinderzellen (Fig. 14 odb), entsprechend den Odontoblasten, wie 
sie ROssteR (25) bei seinen erfolgreichen Untersuchungen an 
Prosobranchien, Placophoren, Cephalopoden und Heteropoden ge- 
funden hat. Ihr gekérnelter Inhalt geht in das hintere Ende der 
Radulaplatte tiber. 

An das Polster schliefen sich, das hinterste Ende der Radula- 
platte iiberlagernd, unregelmifig geordnete Zellen. Die ganze 
histologische Beschaffenheit der Radulabasis wiederholt den Typus, 
wie ihn ROssuER fiir die oben genannten Mollusken schildert. Wir 
diirfen daher annehmen, daf die Bildung der Radula in ahnlicher 
Weise vor sich gehe, wie bei den Placophoren. 

Die Form der Zahne ist aus den Figuren 14 und 15 ersicht- 
lich. Ich zahlte auf Querschnitten 15 Liangsreihen. Wie viele 
Zahne auf einer solchen stehen, habe ich nicht ganz sicher fest- 
stellen kénnen, es sind ihrer etwa 60. Alle Zahne sind gleich 
beschaffen. 

Das ganze Gebilde macht den Eindruck eines kiimmerlich 
entwickelten Organs, mit dem das Tier wenig ausrichten wird. 


290% 
32° 


500 J. Heuscher, 


Knorpelgewebe an der Basis der Zunge fehlt, hingegen finden wir 
zur Seite der Radula in Muskel- und Bindegewebe eingelagert, 
wie auch Husprecaut meldet, grofe Zellen, die an primitives 
Knorpelgewebe erinnern. 

Statt eine detaillierte Beschreibung davon zu geben, ver- 
weise ich auf Figg. 13—16, wo diese Verhaltnisse dargestellt sind. 

Die langen, paarigen Speicheldriisen, die sich auf der Bauch- 
seite weit nach hinten erstrecken, und ihre gemeinschaftliche 
Einwiindung in den Pharynx sind von Husrecut beschrieben wor- 
den, und ich finde seine Angaben durch die Praparate des Herrn 
Prof. Lana bestatigt, ebenso seine Darstellung des Osophageal- 
epithels. 

Auch beziiglich der Beschaffenheit des Mitteldarms bleibt mir 
im wesentlichen nur itbrig, die Untersuchungen Huprecut’s zu 
bestatigen. Der Mitteldarm zeichnet sich aus durch seine reiche 
und regelmaBige Gliederung. Eine Ansicht unter Lupenvergrée- 
rung, die Herr Prof. Lana gezeichnet und mir giitigst zur Ver- 
fiigung gestellt hat, zeigt Fig. 17. — Vom centralen Darmlumen 


Fig. 17. Liangsschnitt durch die Region des Mitteldarms. Oben die Zwitter- 
driise, darunter die Darmnischen 1., 2., 3. Ordnung, Originalzeichnung von Prof. 
Dr. A. LAne. 


gehen zahlreiche, regelmafig angeordnete Falten nach den Seiten 
hin und bilden nischenartige Ausbuchtungen. Man kann dreierlei 
Falten unterscheiden: primére, sekundare und tertiare, die in ganz 
regelmafiger Folge miteinander wechseln. Diese Regelmafigkeit 
in der Gliederung des Darmes vermisse ich in Husrecut’s Fig. 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huser. 501 


48 (7). Das centrale Darmlumen macht in den Schnitten etwa 
ein Drittel der ganzen Darmbreite aus, wahrend jederseits ein 
Drittel auf die Ausbuchtungen kommt. Die centralen Partien des 
Darmkanals bestehen aus einer Schicht von Wimperzellen. Die 
Aussackungen dagegen sind durchaus driisiger Natur und sondern 
Sekretballen in groBer Menge ab. Sie diirften eine Hepatopankreas 
darstellen, die auch beim ausgewachsenen Tiere auf embryonalem 
Stadium stehen bleibt. Statt einer ausfiihrlichen Beschreibung 
gebe ich in Fig. 19 eine Abbildung der histologischen Struktur 
des Darmkanals. Sie stimmt im ganzen tiberein mit der Dar- 
stellung HuBREcHT’s. 

Dorsalwiarts dringt eine Darmfalte tief in die Zwitterdriise 
hinein und scheidet diese in ihrem ventralen Teil in eine rechte 
und linke Halfte. Das obere Ende der Falte verlauft nicht in 
gerader Linie, sondern im Zickzack, was auf Horizontalschnitten 
sehr schén zu sehen ist. Das Epithel dieser dorsalen Ausbuch- 
tung ist sehr lang bewimpert und entbehrt der Driisenzellen voll- 
staindig. 

Eine blindsackférmige Ausstiilpung (,,Coecum intestinale‘‘) 
zieht sich vom Mitteldarm aus dorsalwarts tiber die Pharyngeal- 
partie weg und endet in der Nahe des Cerebralganglions. Die 
dorsale Wand derselben ist gréftenteils und namentlich in der 
Mediane lang bewimpert, die tibrige Wand besteht aus Driisen- 
epithel wie die tibrigen Darmaussackungen. 

Die Zwischenriume zwischen den Darmfalten sind wie bei 
Huprecut’s Exemplaren grofenteils mit Blutkérperchen dicht ge- 
fillt und von Strecke zu Strecke mit enger zusammenhangen- 
den Muskelfasern, den sogenannten Septen, durchzogen. Andere 
radiair verlaufende Muskelbiindel heften den Darm an der K6rper- 
wand fest. 

Das Rectum ist vollstandig mit langbewimpertem Epithel aus- 
gekleidet und tief gefaltet (Fig. 20). Eine Lamelle von Rings- 
muskulatur umgiebt den Enddarm, und zwischen dieser und der 
Darmwand liegen massenhaft Blutkérperchen, so daf die Hohl- 
riaume ganz von denselben ausgefiillt erscheinen (Fig. 20). Es 
stimmen auch diese Verhaltnisse mit den Befunden Husrecut’s 
vollstindig iiberein. 

Der Darminhalt beider Exemplare von Pron. Sluiteri, die mir 
zur Untersuchung vorgelegen sind, besteht hauptsachlich aus 
Sekretballen, die sich in vielen Darmnischen in grofer Menge an- 
gehauft haben, aus Kliimpchen aufgenommener Nahrung, deren 


502 J. Heuscher, 


Herkunft ich nicht bestimmen kann, ferner aus kleinen Krebsen 
(Entomostraken), deren Muskulatur zum Teil noch deutlich er- 
halten ist. Ich fand in Vorder- und Mitteldarm solche Cruster 
in Mehrzahl, so daS die Annahme, sie méchten zur natiirlichen 
Nahrung des Tieres gehéren, wohl kaum zu bestreiten ist. Hus- 
RECHT fand in der Cloake eines seiner Exemplare einen Faeces- 
klumpen mit Diatomeenschalen, weshalb er diese Algen als die 
natiirliche Nahrung des Tieres betrachtet. Das eine schlieSt aber 
das andere nicht aus, es scheint also Pron. Sluiteri sowohl pflanz- 
liche als tierische Stoffe zu ihrer Ernahrung zu beniitzen. 


Das Urogenitalsystem. 


Pron. Sluiteri ist ein Hermaphrodit mit sehr voluminéser 
Zwitterdriise. Diese liegt dorsal zwischen Kérperwand und Darm, 
an welchen sie sich eng anschlieBt. Sie reicht vom Pericard bis 
zur Pharyngealgegend und ist deutlich doppelt angelegt. Dic 
beide Halften trennende Scheidewand verlauft jedoch nicht in der 
dorsalen Mitte, sondern wendet sich zickzackformig oder bogig 
nach links und rechts, wie der Horizontalabschnitt Fig. 21 zeigt. 
Die Scheidewand folgt unten dem zickzackformigen Verlauf der 
in die Zwitterdriise hinaufragenden Darmrinne. An der vorderen 
Spitze und nach hinten gegen das Pericardium hin trennen sich 
die beiden Halften der paarigen Zwitterdriise, und jede geht hier 
iiber in einen kurzen Gang, der die reifen Geschlechtsprodukte ins 
Pericard hinein leitet (,,Pericardialginge“ Wirin, 28). Im Pericard 
fand ich keine Geschlechtsprodukte, doch ist nicht daran zu zwei- 
feln, da8 sie diesen Sack, worin bei verwandten Formen Kier oder 
Spermatozoen gefunden wurden (Husrecut, TULLBERG, Kowa- 
LEVsKyY et Marion, Pruvor) passieren. Aus dem Pericard (,,egg- 
bag’ TULLBERG’s, ,,poche origére“ Pruvor’s) fiihren zwei Réhren 
zunachst nach hinten (Fig. 22 7), dann in einem Bogen lateral- 
wirts nach unten, hierauf wieder nach vorn und etwas aufwarts, 
gleichzeitig ihren Querschnitt verkleinernd, um dann plotzlich um- 
zubiegen in die gro8en Driisen DD (Fig. 22). 

Unmittelbar vor der Umbiegungsstelle miindet in die Rohren 
jederseits eine schlauchférmige Driise (Fig. 22 vs). Die Bilder, 
welche ich von dieser letzteren erhalte, decken sich nicht mit der 
Darstellung Husrecat’s. Wahrend dieser Forscher sie als ein 
netzartig verzweigtes Organ abbildet, finde ich einen unverzweig- 
ten, gewundenen Schlauch. Namentlich die Horizontalschnitte 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 503 


haben mir ganz untriigliche Bilder geliefert, wie sie Husrecat 
offenbar bei seinem einzigen unverletztem Exemplar nicht zur 
Verfiigung standen. Die grofen Driisen DE (Fig. 22) besitzen ein 
gemeinsames Endstiick mit breiter Miindung in die Cloake. Die 
selbstandigen Seitenstticke sind durch zwei EKinschntirungen in drei 
Abteilungen gegliedert (1, 2, 3, Fig. 22). 

Daf die Zwitterdriise durch eine in Querfalten gelegte Scheide- 
wand in eine rechte und eine linke Halfte getrennt wird, ist oben 
schon bemerkt worden. Die Scheidewand bildet ein strukturloses, an 
einzelnen Stellen schwach faseriges Hiutchen. Durch das ganze Or- 
gan hindurch liegt demselben das Keimepithel unmittelbar auf (ke 
Fig. 23). Dieses besteht aus Eizelien und Spermatoblasten. Im dor- 
salen Teil der Zwitterdriise sind nur Eizellen vorhanden, im ven- 
tralen Teil dagegen finden sich auch Spermatozoen-Mutterzellen. 
Die beiden Elemente sind in jungen Stadien nicht voneinander zu 
unterscheiden. Die Eizellen bleiben lange Zeit in Verbindung mit 
der Scheidewand und werden langgestreckt-birnfo6rmig (Fig. 21 
u. 23). Sie enthalten einen grofen, nach Behandlung mit Lithion- 
karmin wenig tingierten Nucleus und zwei sehr intensiv gefairbte 
Nucleoli, von denen der eine den andern an Gréfe meist vielfach 
iibertrifft. In dieser Beziehung weicht Pron. Sluiteri ab von 
Chaetoderma nitidulum Loven, das kiirzlich von Wireén (28) aus- 
fiihrlich beschrieben worden ist, und bei welchem der genannte 
Forscher nie zwei Keimflecke gesehen hat. Auch die Entwickelung 
der Kier stimmt im einzelnen nicht mit derjenigen bei Chaeto- 
derma tiberein. Wahrend WirENn bei diesem in den Keimkernen 
urspriinglich gar keinen Keimfleck, sondern ,nur eine Menge 
gleichfoérmiger Kérner“ findet, besitzen, wie auch Husrecut mit- 
teilt, schon ganz kleine Eizellen mindestens einen deutlichen 
Nucleolus. 

Auch die Beobachtung Husrecut’s, daf gelegentlich drei 
Nucleoli vorkommen, kann ich bestitigen, hingegen finde ich im 
Gegensatz zu Husrecut, daf die Eier von einer deutlichen, wenn 
auch zarten Membran umgeben sind. Ob dieselbe von der Eizelle 
selbst ausgeschieden oder von einer Art Follikelepithel geliefert 
wird, wie nach Wiren bei Chaetoderma, kann ich nicht sicher 
entscheiden. Einen Kern, wie ihn Wirtn auf Taf. VI, Fig. 2 
(28) in der Eihiille von Chaetoderma abbildet, habe ich nirgends 
gefunden. 

Weder Husrecur noch irgend ein anderer Forscher erwahnt 
das Vorhandensein eines Follikelepithels bei Neomenien; dagegen 


504 J. Heuscher, 


beschreibt WrrEN ein solches fiir Chaetoderma nitidulum LovEéNn 
(28). Kin Epithel, allerdings ein sehr reduziertes und nicht tber- 
all deutlich sichtbares, das als Follikelepithel gedeutet werden 
kann, findet sich bei Pron. Sluiteri ebenfalls vor (Fig. 23 fe). Es 
besteht aus Zellen mit sehr kleinen Kernen, welche haufig durch 
Plasmafibrillen an der Scheidewand befestigt zu sein scheinen. 
Méglich ist allerdings, daf die faserige Struktur des Plasmas eine 
Folge der Praparation ist. Zellgrenzen sind am Follikelepithel 
nicht wahrzunehmen. Die Entwickelung der Spermatozoen genau 
festzustellen, gelang mir nicht. 

Sie scheint nach demselben Typus vor sich zu gehen, wie 
bei Chaetoderma. Im unteren Teil der Zwitterdriise sehen wir 
(Fig. 23 spbl) Keimzellen, in denen ich meist nur einen Nucleolus 
beobachtete. Das sind die Spermatoblasten. Ihr Zellkern scheint 
eine Vielteilung einzugehen, indem er sich auflést in eine Menge 
kleiner Korner. Die Zellgrenzen verschwimmen, und der Zellinhalt 
entfernt sich von der Keimfalte. Die K6érnergruppen, welche die 
Kerne der kiinftigen Spermatozoen bilden, bleiben noch einige 
Zeit anscheinend in der urspriinglichen Lagerungsform beisammen. 
An anderen Stellen der Schnitte sieht man Hiufchen, die von 
weniger zahlreichen, aber gréferen Kérnern gebildet werden. In 
der Masse solcher Kérnergruppen treten da und dort Biischel von 
Spermatozoen auf, deren Képfe alle nach der gleichen Seite ge- 
richtet sind, deren Schwanze aber noch nicht vollstandig vonein- 
ander getrennt erscheinen, daneben finden sich Haufen regellos 
durcheinander liegender, wie es scheint, ausgewachsener Sper- 
matozoén. Diese besitzen einen cylindrischen, nach vorn konisch 
zugespitzten, hinten flach abgerundeten Kern. Sind es die Schwanze 
dieser Spermatozoén, was HusrecaT als eiweifSartige Masse von 
eigentiimlich fadigem Aussehen bezeichnet? (7, p. 44.) HUBRECHT 
sah in dieser Masse auch Blutkérperchen. Diese diirften jedoch 
bei der Priparation an diesen Ort gelangt sein, denn der die 
Zwitterdriise bergende Raum ist durch eine Haut nach aufen ab- 
geschlossen und steht mit keinem Blutwege in Verbindung. 

Zwei Zwitterginge (zwg Fig. 22) fiihren die Geschlechts- 
produkte in das Pericard. Die Wandung dieser Gange springt 
mit zahlreichen Falten in das Lumen vor und ist mit kraftigen 
Wimpern bekleidet. 

Das Pericard ist ein Sack, der sich, wie auch Huprecut be- 
richtet, dorsalwirts der Kérperwand, ventralwarts dem Darm an- 
legt, eine Strecke weit reicht er auch zu beiden Seiten des Rec- 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Husr. 505 


tums bis etwa zum ersten Drittel desselben herab. An seiner 
Aufenseite heften sich Muskelbiindel an, die teils zur dorsalen 
und lateralen Kérperwand, teils auch nach unten gegen die Ei- 
weifdriise verlaufen. In der dorsalen Mitte bildet das Pericard 
zwei sackformige Einbuchtungen in den eigenen Innenraum (Fig. 
22), die wir oben schon als Herz bezeichnet haben. Eine eigene 
Wand besitzt dasselbe nicht, die einzige kontinuierliche Zellschicht, 
die es begrenzt, ist die Pericardialwand. Diese hat hier einen 
etwas anderen histologischen Charakter als im tibrigen Teil. Wah- 
rend die laterale und ventrale Wand von einer Schicht kleiner 
kubischer Zellen gebildet wird, geht dieses Gewebe am Herz- 
rand iiber in ein niedriges Plattenepithel (Fig. 9). Pruvor be- 
zeichnet das Pericard als Eiersack (,,poche origére“) und bestrei- 
tet die Berechtigung, diese Tasche als Pericard zu bezeichnen. 
Unzweifelhaft ist, daB die Geschlechtsprodukte den Raum passieren. 
Husrecut fand bei einer Pron. Sluiteri einen Kierklumpen darin, 
und bei verwandten Species haben andere Forscher in diesem 
Organ ebenfalls Geschlechtsprodukte gefunden. In Prof. LAN@’s 
Exemplaren fand ich das Pericard leer; es gelang mir auch 
nicht, irgendwo gefurchte Eier zu entdecken, wie sie HuBrecut 
gesehen hat. 

Aus dem Pericard fiihrt ein Paar von Réhren, die als Nephri- 
dien betrachtet werden. (Pruvor anerkennt diese Bezeichnung 
nicht.) Ihr Verlauf bei Pron. Sluiteri ist aus Fig. 22 ersichtlich 
und weicht von Husprecut’s Darstellung insofern ab, als der un- 
tere Schenkel der Réhren sich weiter lateralwarts zieht und auf 
der duBeren Seite unter dem Anhang vs, zwischen diesem und 
der Enddriise (DD Fig. 22), verliuft, dann nach oben steigt und 
an der Spitze der Enddriise einmiindet, fast unmittelbar, 
nachdem sich der gewundene Schlauch vs mit ihm vereinigt hat. 

In Bezug auf die histologische Struktur der Nephridialréhren 
kann ich bestitigen, was durch die Untersuchung Husrecut’s 
schon bekannt geworden ist, und nur ergianzend beifiigen, da8 in 
der Wand zwischen den Wimperzellen auch secernierende Drisen- 
zellen vorhanden sind, ahnlich wie sie Wrren (28) kiirzlich fiir 
Chaetoderma nitidulum Lovin nachgewiesen hat. Das Sekret dieser 
Driisenzellen macht nach der Praparation den Eindruck einer 
schleimig-faserigen Masse. Die blindschlauchformigen Anhinge der 
Nephridien (7, Pl, 4, Fig. 46), von Pruvor als Samentaschen 
(,,vésicules séminales“‘) bezeichnet, sind ebenfalls mit einem Driisen- 
epithel ausgekleidet. Wir kénnen zweierlei Zellen darin unter- 


506 J. Heuscher, 


scheiden. Beide Formen sind lang-cylindrisch und diinn. Die einen 
besitzen einen basalen Kern von rundlicher Gestalt mit deutlichem 
Nucleolus. Ihr Inhalt ist fein gekérnelt und grenzt sich je nach 
der Phase der Sekretionsthatigkeit entweder ziemlich scharf gegen 
das Lumen des Schlauches ab oder verliert sich in eine kérnig- 
streifige Substanz, in welcher Zellwainde nicht mehr sichtbar sind. 
Diese Zellen (Fig. 25) setzen den gréften Teil der Schlauchwand 
zusammen. Gegen die Miindung des Organs in die Driisen DD 
treffen wir einen kleinen Wulst, in welchem die Kerne der Faden- 
zellen nicht grundstandig, sondern gegen das Schlauchlumen vor- 
geriickt sind. Auch in ihrer Form weichen die Kerne yon den- 
jenigen der tibrigen Schlauchwandzellen ab, indem sie cylindrisch 
langgestreckt erscheinen und nur an beiden Enden abgerundet 
sind. Ein Nucleolus ist nicht zu unterscheiden, der Kerninhalt 
locker, fein gekérnelt (Fig. 26). 

In der Nahe der Miindung des Organs finde ich (Fig. 26) 
lange, schleimige Faden ins Lumen vorragen, die je mit einem 
Haufchen kleiner K6érner an der Wand in Verbindung stehen. 
Pruvor fand bei einzelnen Species zahlreiche Spermatozoen in 
den ,,vésicules séminales“, alle mit gegen die Wand gerichtetem 
Kopf und ins Lumen hinausragendem Schwanz. Diese Mitteilung 
la8t mich vermuten, da8 die oben genannten Faden Spermatozoen- 
schwinze seien und die Kérnerhaufchen zerfallene (infolge der 
Praparation?) Kerne derselben seien, daf also die Bezeichnung 
,samentasche, welche Pruvor dem Organ giebt, auch fiir Pron. 
Sluiteri zutreffend sei. 

Das distale Endstiick der Geschlechtswege bildet eine dick- 
wandige Driise, die Pruvor als Schalendriise bezeichnet. Kowa- 
LEVSKY und MARION nennen sie ,,matrice‘‘; Wrren wahlt fiir das 
Roéhrensystem zwischen Pericard und Cloake den neutralen Namen 
,,Cloakenginge“. Im vorderen Teil der Driisen (DD Fig. 22) fin- 
den sich gegen das Lumen hin zwischen langgestreckten Driisen- 
zellen auch Wimperzellen eingekeilt, abnlich (wenn auch nicht mit 
jener schematischen Deutlichkeit zu sehen) wie in Wiren’s Abbil- 
dung von Chaetoderma (28, Fig. 9, Taf. 6). Im letzten Abschnitt, 
von der tiefen Einschniirung an, scheint das Rohr ausschlieflich 
sekretorisch thatig zu sein. Ich finde dort gar keine Wimper- 
zellen, sondern eine einzige Lage au8erordentlich langer Faden- 
zellen, deren Kerne mehr oder weniger grundstandig sind (Fig. 27), 
und deren Inhalt aus einer perlschnurartigen Reihe von Sekret- 
kiigelchen besteht. Nicht selten sieht man, wie auch HusREcHT 


— 


Zur Anatomie u. Histologie der Pronecomenia Sluiteri Husr. 507 


erwahnt, gréfere Sekretballen in oder zwischen den Zellen. Im 
Endabschnitt vereinigen sich die beiden Réhren und miinden ge- 
meinsam in die Cloake (Fig. 22). 

Der ganze zusammenhangende Apparat, bestehend aus der 
paarigen Zwitterdriise mit ihren Ausfiihrgiingen, dem Herzen, dem 
Pericard, sowie dem Réhrensystem, welches das letztere mit der 
Cloake verbindet, ist von den Autoren sehr verschieden aufgefabt 
worden. 

Beziiglich des Herzens habe ich oben schon die Ansicht ge- 
‘iufert, da dasselbe auf embryonalem Stadium stehen bleibe. Die 
nachfolgende schematische Fig. I stellt dasselbe dar; denken wir 


uns die Rander des Pericards P sowohl, als diejenigen von dessen 
Einbuchtung H oben vereinigt, so haben wir ein in das Pericard 
eingeschlossenes Herz vor uns. 

Dieser Vorgang geht in ahnlicher Weise wahrend der Km- 
bryonalentwickelung anderer Mollusken vor sich, z. B. bei Paludina 
vivipara, wo die Anlage des Herzens ebenfalls aus dem Pericard 
durch Einstiilpung hervorgeht, wie R. v. ERLANGER in schén- 
ster Weise nachgewiesen hat (1). Der Einwurf Pruvor’s, daf 
die Wand des sogenannten Herzens der Neomenien dem Ge- 
schlechtsapparat angehére, daf die beiden Organe (kontraktiler 
Teil des Sinus dorsalis und ,,poche origére) vollstindig unab- 
hangig seien, und da ihre Beziehung ,,n’est qu un rapport 
de juxtaposition en quelque sorte accidentelle dirfte kaum 
stichhaltig sein. Genau dasselbe liefe sich sagen iiher das em- 
bryonale Herz von Paludina, und doch wird dort aus der Ein- 
stiilpung ein Herz mit Ventrikel und Atrium. Daf Organe bei 
niederen Tieren zeitlebens auf einer primitiven Stufe stehen blei- 
ben, die von héheren Tieren im Laufe ihrer Ontogenie nur kurz 
passiert werden, ist doch nichts Au8ergewohnliches. Bei allen an- 
deren Molluskenklassen bezeichnet man den Gewebebeutel, der 
das Herz umgiebt, als Pericard, als sekundare Leibeshéhle. War- 


508 J. Heuscher, 


um sollten wir das, nachdem wir das pulsierende Kreislauforgan 
der Neomenien als echtes Herz betrachten miissen, bei diesen 
Tieren nicht auch thun ? 

Pruvor wendet gegen diese Autfassung ferner ein, dal die 
, poche origere zeitweise mit Eiern gefiillt, und dann das Herz 
funktionsunfahig werde. Ob dies bei Pron. Sluiteri je der Fall ist 
oder nicht, kann ich nicht entscheiden, aber selbst wenn die Funk- 
tion des Organs voribergehend beeintrachtigt wiirde, so kénnte 
dies an der Auffassung desselben als Herz nichts andern. 

Aus der Thatsache, daf die Geschlechtswege vom Anfang bis 
zum Ende ununterbrochen und von der ,,cavité générale“ ganzlich 
verschieden sind, schlieft Pruvor ,,qu’il n’y ala ni péricarde ni 
organes segmentaires, ni rein, mais une matrice (= sac origere), 
des oviductes et une glande coquilliere ... .“ Der gleiche Autor 
behauptet, da’ das Epithel des Pericards (bei Dondersia banyu- 
lensis) Spermatozoen bilden kénne. Nach dem, was ich oben iiber 
die Bildung dieser Geschlechtszellen geiufert habe, kommt mir 
dies wenigstens in der von Pruvot gegebenen Darstellung unwahr- 
scheinlich vor, sollten die Spermatozoen nicht aus der Zwitterdriise 
hierher gewandert sein ? 

Schon Husrecutr hat darauf aufmerksam gemacht, daf die 
direkte Ausfuhr der Geschlechtsprodukte durch die Nieren bei 
den Neomenien unter den Mollusken nicht einzig dasteht, dal 
dasselbe stattfindet bei Patella, Fissureila, den niedersten Lamelli- 
branchiern, und um noch einige Beispiele anzufiihren, fiigen wir 
bei die Rhipidoglossen Turbo, Trochus, Dentalium. 

Ebenso haufig ist der Zusammenhang zwischen Pericard und 
den Gonaden, gehen doch die Wucherungen aus der Wand des 
Pericards hervor und bleiben oft zeitlebens mit ihr verbunden 
(Cephalopoden). Die Nephriden ihrerseits sind bei allen Mollusken 
Kanale, welche die Leibeshohle (Pericard) mit der AuSenwelt ver- 
binden (Bosanus’sches Organ der Lamellibranchier) und Exkre- 
tionsstoffe ausscheiden kénnen. 

Bei den Neomenien ist beides zugeich der Fall: Zusammen- 
hang der Gonaden mit dem Pericard einerseits, des letzteren mit 
der Aufenwelt anderseits. Diese Auffassung, die schon Huprecut 
verteten hat, scheint mir nicht widerlegt zu sein. Ob nun die 
Nephridien (,,Cloakenabginge‘' Wirtn’s) die Funktion als Niere 
beibehalten haben oder nicht, ist vom morphologischen und ver- 
gleichend-anatomischen Standpunkte aus von untergeordneter Be- 
deutung. 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 509 


Es bleibt nun noch tibrig, zu notieren, daf sich in den ver- 
schiedensten Teilen des Kérpers der von mir untersuchten Exem- 
plare von Pron. Sluiteri, wo tiberhaupt der Blutstrom cirkulieren 
konnte, kleine rundliche Zellhiufchen vorfanden (Fig. 28). Diese 
sind von einer gemeinsamen Hiilse umschlossen und liegen inner- 
halb derselben, bald dichter, bald lockerer, in der Anzahl von 
8 —12 Sttick. Die einen dieser Kiigelchen enthalten kleine Zellen mit 
deutlichem Kern und sind r6tlich gefirbt. Bei anderen solchen 
Zellkugeln sieht man keine Kerne, es sind anscheinend leere 
Zelihiute mit Rissen und durch das Pikrokarmin gelb gefarbt. 
Uber das Wesen und die Funktion dieser Gebilde bin ich nicht 
ins Klare gekommen. 

Endlich muf ich noch einen eigentiimlichen Kérper erwahnen, 
den ich bei einem der Exemplare hinter dem Gehirnganglion, zwi- 
schen diesem und der vorderen Spitze des Coecum intestinale 
gefunden habe. Es ist eine kleine Kapsel von etwa 1 mm Durch- 
messer mit verhaltnismifig dicker Wandung, in welcher hie und 
da grofe Zellkerne sichtbar sind. Das Lumen der Kapsel erscheint 
unregelmaifig durchwachsen und dessen Wandung mit einem cuti- 
cularen Uberzug belegt. Rings um diesen Kérper finde ich eine 
Masse von Blutkérperchen angesammelt. Genauere histologische 
Details konnte ich nicht herausfinden. Wie dieser K6érper zu 
deuten ist, ob wir es mit einem verkapselten Parasiten oder mit 
einem Organ der Proneomenia zu thun haben, vermag ich nicht 
zu entscheiden. Ich fand die Kapsel nur in dem einen Exemplar, 
und Huprecut, der doch so genau uutersucht hat, berichtet nichts 
davon. Die Wabhrscheinlichkeit, da’ hier ein Organ von Pron. 
Sluiteri vorliege, ist also nicht gro’, doch glaubte ich, das Vor- 
-kommnis erwihnen zu sollen. 


510 J. Heuscher, 


Figurenerklirung. 


Tafel XX—XXIII. 


Fig. 1 siehe Text 8. 478. 

Fig. 2. Ein Stiick vom Integument der Pron. Sluiteri. hy = 
Hypodermis, spb = Spiculadriisen, d — Detritus, cu — Cuticula, 
cd == Cuticulardriisen, sp — Spicula. 

Fig. 3. Gewéhnliche Cuticulardriisen, die sich iiberall in der 
Haut vorfinden, in Sekretion begriffen. 

Fig. 4. Cuticula am Rand der Spiculagruben (Fig. 6). 

Fig. 5. Anterio-dorsale Ausstiilpung der Hypodermis und Ein- 
senkung in der Cuticula (,,Sinnesgrube). hy == Hypodermis, g —= 
mit Detritus gefillte Grube in der Cuticula cw. 

Fig. 6. Mit Nadeln gefiillte Grube neben der Cloake. sp = 
Spicula, eingebettet in cw = Cuticularmasse, hy = Hypodermis, 
mu == Muskulatur. 

Fig. 7 siehe Text S. 487. 

Fig. 8 siehe Text S. 490. 

Fig. 9. Herz und Pericard. H = Herz, py = Pericard, 
Mur = Ringmuskulatur der Kérperwand, Mul = Lingsmuskulatur 
der Kérperwand, Muh — Muskulatur des Herzens. 

Fig. 10. Querschnitt durch die Gegend der Mundspalte. Msp = 
Mundspalte, f = mit Blut gefiillte Wiilste der Mundwand, df = 
durchschnittene Falten der dorsalen Mundwand, c = Gehirn, Cu = 
Cuticula, Mu —= Muskulatur, n — Nerv, d = Detritus. 

Fig. 11. Querschnitt durch die praorale Mundgegend. 1, 2, 3 


blutfiihrende Falten, z = aus der Mundwand vorspringende Zotten. 
Fig 12. Eine Mundzotte stiirker vergréfert. em = Epithel der 
Mundwand, cu = cuticulire Aufenschicht. 


Fig. 13. Die Radula. w = Wulst vor der Radula, 2 = 
Zunge, r —= Radula, odb = Odontoblasten. 

Fig. 14. Hintere Basis der Radula. odb = Odontoblasten, 
za == Zaihne, zu — Zungenmuskulatur. 

Fig. 15. Flachenansicht der Radula. 

Fig. 16. Gewebestiick neben der Zungenbasis. 

Fig. 17 siehe Text S. 500. 

Fig. 19. Darmepithel. de — Driisenepithel, we — Wimper- 
epithel, sb = Sekretballen. 


Zur Anatomie u. Histologie der Proneomenia Sluiteri Huse. 511 


Fig. 20. Querschnitt durch das Rectum. 6/ = Blutkérperchen, 
Mu = Muskulatur. 

Fig. 21. Horizontalschnitt durch den oberen Teil der Zwitter- 
driise oor um die Faltung der Scheidewand zu zeigen. s = 
Scheidewand, e — Eier. 

Fig. 22. Urogenitalsystem. Zwd = Zwitterdriise, Zwg = 
Zwittergiinge, » — Pericard, h — Herz, 0 — Offnung in die Cloake. 
n == Nephridien, vs = Samentaschen, DD = Driisen (Eiweif-?), 
S = Enddriise (Suhalesdrixe 2) 

Fig. 23. Vertikaler Lingsschnitt durch die Zwitterdriise. e: = 
Eier, sp == Spermatozoen, fo = Follikelzellen, s == Scheidewand, 
spb == Spermatoblasten. 

Fig. 24. Spermatozoen. 

Fig. 25. Epithel der Samentasche (vs Fig. 20). 

Fig. 26. Epithel der Samentasche (vs Fig. 20) an ihrer Miin- 
dung in das Nephridium. An der Wandung Spermatozoen: Sp. 

Fig. 27. Epithel der Driise S, Fig. 20 (Schalendriise). 

Fig. 28, Im Blute schwimmende Zellhiufchen. 


Litteraturverzeichnis. 


1. Exnancrr, R. v., Zur Entwickelung der Paludina vivipara. 
Morpholog. Jahrbuch von GrcEnBaur, Bd. 17, 1891. 

2. Grarr, L. v., Anatomie des Chaetoderma nitidulum. Zeitschr. 
f. wiss. Zool., Bd. 26, 1876. 

3. — —  Neomenia und Chaetoderma. Zeitschr. f. wiss. Zool., 
Bd. 28, 1877. 

4, Hatter, Beta, Die Organisation der Chitonen der Adria. 
Arbeiten aus dem zool. Institut Wien, 1882 u. 1883. 

5, Hansen, G. A., Anatomisk Bescrivelse af Chaetoderma nitidulum 
Lovin. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne, Bd. 22, 1887. 

6. — — Neomenia, Proneomenia und Chaetoderma. Bergens 
Museums Aarsberetning for 1888. 

7. Husrecut, A. A. W., Proneomenia Sluiteri gen. et sp. n., 
with remarks upon the anatomy and histology of the Amphineura. 
Niederl, Archiv f. Zool., Supplem. Bd. 2, 1881/1882. 


8. — — Dondersia festivagen. et sp.n. Dondors Festbundel 1888. 

9. — — Note relative aux études sur les Neomenia de M. M. 
Kowatevsky et Marton dans le Zool. Anz. Nr. 103, p. 61. Zool. 
Anz,, Bd. 5, p. 84 (1882). — Archives de zool. expérim. et gén., 
Bd. 10, Nr. 3, 1882. 

10. — — A contribution to the morphology of the Amphineura, 


Quart. Journal of Microsc. Science, Bd, 22, London, 1882. 


512 J. Heuscher, Zur Anat. u. Histolog. d. Pron. Sluiteri Huse. 


11. Juerinc, H. v., Vergleichende Anatomie des Nervensystems 
und Phylogenie der Mollusken, Leipzig, 1877. 

12. — — Bemerkungen iiber Neomenia und iiber die Amphi- 
neuren im allgemeinen, Morphol. Jahrb., Bd. 4, 1878. 

13. Kortn, J., og Daniztssen D. C., Beskrivelse over nye Arter 
henhorende til, Slaegten Solenopus. Arch. for Math. og Naturvidensk, 
Christiania, 1877. 

14. Kowatrvsxy, A. O., Uber den Bau und die Lebensweise von 
Neomenia gorgoniphilus n. sp. Zool. Anz., Bd. 3, p. 190 (1880). 

15. Kowaevsxy, A. O. et Marton, A., Etudes sur les Neomenia. 
Zool. Anz., Bd. 5, p. 61 (1882). 

16. — — Organisation de Lepidomenia hystrix, nouveau type 
de Solénogastre. Comptes rend., T. 103, p. 757 (1886). 

17. — — Sur les espéeces de Proneomenia des cdtes de Pro- 
vence. Comptes rendus, T. 106 (1888). 

18. — — Contributions a )’ histoire des Solénogastres ou Aplaco- 
phores. Annales du Mus. d’hist. nat. de Marseille, Zoologie, T. 3, 
Mémoire Nr. 1, 1887. 

19. Lane, Annotp, Lehrbuch d. vergl. Anatomie, VII. Kap., 1892. 

20. Norman, A. M., On the occurrence of Neomenia (Solenopus) 
in the British Sea. Ann. and Mag. of nat hist., Bd. 4, 1879. 

21. Pruvor, G., Sur quelques Néoméniées nouvelles de la Médi- 
terranée. Archiv. d. zool. exp. et gén., T. 8, 1890. 

22. — — Sur l organisation de quelques Néoméniens des cotes 
de France. Archiv de zool. expér. et gén., 2. Série, T. 9, 1891, 
Nr. 4. 


23. — — Sur le prétendu appareil circulatoire et des organes 
eénitaux des Néoméniées. Comptes rendus, T. 111, Juli-Dez. 1890. 
24. — — Sur le développement d’un Solénogastre. Comptes 


rendus, T. 111, Juli-Dez. 1890. 

25, Résster, T., Die Bildung der Radula bei den cephalophoren 
Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 41 (1885). 

26. Tuttperc, F., Neomenia, a new genus of invertebrate ani- 
mals. Bihang til Kongl. Sv. Vet. Akad. Handl., Bd. 8, Nr. 13 (1875). 

27. Wirtn, A., Mitteilungen iiber den Bau des Chaetoderma 
nitidulum Lovin. Biologiska Féreningens Forhandlingar, Bd. 3, Nr. 7 
(1891). 

28. — — Studien iiber die Solenogastres, I. Monographie des 
Chaetoderma nitidulum Lovin. Kongl. Svenska Vet. Akad. Handlingar, 
Bd. 24, Nr. 12, Stockholm, 1892. 

29. TEtsenEER, Pavux, Sur le pied de Chitonellus et des Aplaco- 
phora. Bull. scient. de la France et de la Belgique, Bd. 22, 1890. 
(Kam mir leider erst nach Schluf8 meiner Arbeit zu Gesicht.) 


Uber den Bau und die Entwickelung 
des Panzers der Giirteltiere. 
Von 


Dr. phil. F. Rémer. 


Assistent am zoologischen Institut in Jena. 


Mit Tafel XXIV und XXV. 


I. Einleitung. 


Unter dem wenig zutreffenden Namen Edentata vereinigt man 
immer noch eine Anzahl Saugetiere zu einer Ordnung, deren tiber- 
einstimmende Merkmale mehr negativ als positiv sind. Aber die 
Aufgabe, dieselben nach ihrer natiirlichen Verwandtschaft zu 
gruppieren, wird, ganz abgesehen von der Unsicherheit der in 
Betracht kommenden palaontologischen Urkunden, einerseits durch 
unsere Unbekanntschaft mit ihrer Ontogenie, andererseits durch 
die Liickenhaftigkeit unserer Kenntnisse von ihrem anatomischen 
Bau sehr erschwert. Ist es doch bisher trotz zahlreicher Arbeiten 
von Rapp, GERVAIS, MiLNE-Epwarps, Flower, THOMAS, PARKER, 
KUKENTHAL u. a. noch nicht einmal gelungen, die Akten tiber 
das Gebif’ der Edentaten zu schliefen! 

Von den genannten Forschern haben bereits MiLNE-EDWARDS 
und FLower angedeutet bezw. ausfiihrlich dargelegt, daf die Eden- 
taten eine polymorphe Ordnung sind, deren Mitglieder in ver- 
schiedene natiirliche Ordnungen zerlegt werden kénnten. Sodann 
haben W. K. Parker und O. THomAs auf Grund ihrer Unter- 
suchungen tiber das Gebif der Edentaten versucht, denselben eine 

Bd, XXVII. N. F. XX, 33 


514 ¥. Romer, 


andere systematische Stellung zu geben und sie als Paratheria 
neben die iibrigen Saugetiere zu stellen, eine Einteilung, die M. 
Weber (22) in seiner Arbeit tiber das Genus Manis ,,bei dem 
derzeitigen lickenhaften Zustand unserer Kenntnis vom Ge- 
bi8 der Edentaten“ als ,,unrichtig oder wenigstens nicht beweis- 
kraftig hinstellt. 

In dieser Arbeit hat WreBer durch Untersuchungen an einer 
Reihe von Embryonen von Manis javanica, tricuspis und longi- 
caudata manche unrichtige Angaben und Liicken in unserer 
Kenntnis der Edentaten beseitigt und ausgefiillt. Diese Durch- 
forschung eines reichlichen Materials behandelt die verschiedensten 
Organe, von denen wohl die ausftihrlichste Bearbeitung dem Inte- 
gument zu Teil geworden ist. Denn die Haut der Saugetiere ist 
ein phylogenetisch héchst wertvolles Organ, weil sie einerseits eine 
ganz auferordentliche Gabe der Anpassung und Spezialisierung 
besitzt, andererseits aber vielleicht auch als eins der konser- 
vativsten Organe bezeichnet werden kann. Und in der Ordnung 
der Edentaten, die sich ja durch die mannigfachste Kérper- 
bedeckung auszeichnen (ich erwihne nur Orycteropus, Bradypus, 
Manis und Dasypus), hat gerade die Haut zur Aufstellung der 
verschiedenartigsten Ansichten gefiihrt, die vielfach, um An- 
kniipfungspunkte zu finden, auf Reptilien zuriickgehen zu miissen 
glaubten. Besonders aber waren es die Schuppen von Manis und 
Dasypus, iiber die man sich immer nicht einig werden konnte, ob 
man sie mit den Haaren der Sauzetiere, den Schuppen der Rep- 
tilien oder mit den Nageln vergleichen sollte. Nach W. K. Par- 
KER’s Vorschlag sollte man sie sogar fiir Haare halten, die durch 
eine reichliche Masse von Epidermiszellen zusammengebacken sind ! 

Diese Frage trat mir zuniichst in den Weg, als ich mir bei 
dem Durchlesen von Werper’s Arbeit (22), auf die ich durch 
meinen hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. KUKkentuat, hin- 
vewiesen wurde, eine bestimmte Vorstellung von den Verwandt- 
schaftsverhaltnissen des Genus Manis und Dasypus machen wollte. 
Mit grofer Freude ergriff ich daher die mir von Herrn Prof. 
KUKENTHAL dargebotene Gelegenheit, den Bau und die Ent- 
wickelung der Haut des Genus Dasypus an einer Reihe vorziiglich 
konservierter Embryonen einer Untersuchung zu unterwerfen, wie 
dies von WEBER beim Genus Manis geschehen war. Wenn daher 
die folgenden Untersuchungen ein wenig zur Lésung der bezeich- 
neten Frage beizutragen imstande sind, so gebiihrt das Verdienst 
vor allem dem Herrn Prof. Dr. KUKENTHAL, und es sei mir ge- 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 515 


stattet, diesem meinem hochverehrten Lehrer fir die Anregung 
zu dieser Arbeit, sowie fiir die giitige Unterstiitzung und das In- 
teresse, das mir bei allen meinen Arbeiten in hohem MaBe ent- 
gegengebracht wurde, besonders aber fiir die liebenswiirdige Uber- 
lassung des herrlichen Materials auch an dieser Stelle meinen 
aufrichtigen und herzlichen Dank auszusprechen ! 


Il. Historischer Teil. 


Dem Berichte tiber die zu dieser Arbeit angestellten Unter- 
suchungen und deren Ergebnissen will ich zunachst in objektiver 
Weise eine kurze Zusammenfassung der betreffenden Arbeiten 
friiherer Forscher vorausschicken. Die Beurteilung dieser An- 
sichten und deren Verwertung fiir die vorliegende Arbeit mégen 
aber in einem anderen Teile Platz finden. Zum besseren Ver- 
stindnis der Arbeiten ist es vielleicht notwendig, eine kurze Be- 
schreibung der Haut eines ausgewachsenen Giirteltieres vorangehen 
zu lassen. 

1. Morphologisches. 


An dem Panzer von Dasypus novemcinctus L. (D. peba DEsm. 
Tatu novemcinctus BLUMENB.) kann man, wie bei allen Giirtel- 
tieren, unterscheiden zwischen dem eigentlichen Panzer und den 
Girteln. Der eigentliche Panzer besteht aus dem Schulter- und 
Hiift- oder Kreuzschild und wird gebildet aus Querreihen fiinf- 
oder sechseckiger Tafeln. Dieselben bestehen aus verknécherten 
Erhebungen der Cutis, welche von einer stark verhornten Epi- 
dermis bedeckt sind. Zwischen diese gréferen oder ,,Haupt- 
schuppen“ schieben sich kleinere, unregelmaBige Schuppen, welche 
man mit dem Namen ,,Furchungsschuppen“ bezeichnet hat. Die 
Giirtel, welche der Gruppe den Namen ,,Giirteltiere‘’ verliehen 
haben, bedecken in wechselnder Anzahl nur den Riicken und die 
Seiten des Kérpers und unterscheiden sich gerade durch die 
Reihenordnung der Schilder von dem Schuppenkleide anderer 
Saugetiere. Sie werden bedeckt von zweierlei Arten von Schuppen, 
welche sich durch ihre Gréfe erheblich von einander unterschei- 
den1). Beide sind mehr oder weniger einem gleichschenkligen 


1) Es sei hier nur kurz zum besseren Verstandnis der folgenden 
Arbeiten auf die allgemeinste Form der Schuppen hingewiesen; die 
Unterschiede bei Dasypus novemcinctus, villosus und setosus sollen 
an geeigneter Stelle ausfiihrlich besprochen werden. 

33* 


516 F. Romer, 


Dreieck zu vergleichen, von denen die gréferen Hauptschuppen 
mit der Basis, die dazwischen liegenden, kleineren Furchungs- 
schuppen mit der Spitze schwanzwirts schauen. Die Giirteltiere 
tragen nur auf der Oberseite einen Panzer; die Unterseite ihres 
Leibes wird von gréberen oder feineren, borstenartigen Haaren 
bedeckt, und solche Borsten finden sich auch in der Ein- oder 
Mehrzahl unter dem hinteren Rand der Schuppen auf den Giirteln. 
So viel zur vorlaiufigen Orientierung. 


2. Die Arbeiten ilterer Autoren. 


Die Litteratur tiber die Giirteltiere ist nicht sehr reichhaltig; 
da aber im Verlauf der Arbeit auch noch andere Edentaten in 
den Kreis der Betrachtungen gezogen werden sollen, werden hier- 
bei naturgemaf einige Arbeiten eine kurze Beriicksichtigung er- 
fahren miissen, die sich nicht direkt auf unser Thema beziehen. 
Die alteren, ohne ausreichende optische Hilfsmittel und geeignetes 
Material entworfenen Arbeiten beschrinken sich nur auf dufere 
Beschreibungen, deren Verstandnis in mancher Beziehung viel zu 
wiinschen tibrig lat. Die alteste mir bekannt gewordene Arbeit, 
in welcher des Integuments der Edentaten Erwaihnung gethan wird, 
ist eine Arbeit von 

1) Rupotear (1), Uber H ornbildungen, 1815. Derselbe 
vergleicht die Schuppen von Manis mit den Nageln; es seien die- 
selben aber keineswegs knochenartig, wie einige Schriftsteller 
(Linné, TIrEDEMANN) behauptet hatten. Nur bei den Tatus (Dasy- 
pus) lage eine Knochenmasse unter der Oberhaut. 

2) Heusincer (2), System der Histologie, 1822. Von 
ihm ist das Grundprinzip, ,,die Schuppen der Reptilien sind Cu- 
tispapillen“ zuerst hervorgehoben worden. Er kniipft daran Be- 
trachtungen tiber die Schuppengebilde einiger Saugetiere und geht 
dabei aus ,,von den reinen Epidermoidalschuppen des Biber- und 
Rattenschwanzes, aus denen die wahren Schuppen und Giirtel all- 
miahlich hervorgehen“. Die Oberhaut des Biberschwanzes wird 
durch eine Anzahl von Furchen in sechseckige Stiicke zerschnitten. 
Dieselben bestehen meist aus einem Paar tibereinander liegender 
Blatter und sind noch mit ihrem ganzen Rande auf der nur wenig 
verinderten Lederhaut befestigt. Mehr ausgebildet sind schon 
die Schuppengebilde auf dem Schwanze mehrerer anderer Nager. 
Sie bestehen ebenfalls aus tibereinander liegenden Oberhautblatt- 
chen, von denen aber das oberste auf drei Seiten frei ist und nur 
an der Basis an das darunter liegende Blittchen und an die 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 517 


Lederhaut angewachsen ist. Zwischen den Randern der Schuppen 
stehen Haare. 

Den Panzer der Giirteltiere stellt Heustncer mit manchen 
anderen Schriftstellern zum ,,Horngewebe“, obschon doch die Mit- 
teilungen DAuBENTON’s den richtigen Platz, welchen diese Bildungen 
im histologischen System einzunehmen haben, andeuten. Dieser 
schreibt: ,,Wenn man diese Schale im Feuer verkalken laBt, so 
lésen sich alle Stiicke von selbst ab, werden klingend und weil. 
Da ich einige zerbrach, so nahm ich inwendig wahr, da ein Teil 
von ihnen fest und dicht und der andere fachrig und schwamm- 
ahnlich war, wie ein Knochen (Stirnbein eines Kaninchens), welchen 
ich mit hatte verkalken lassen.“ Spater schlof sich BLAINVILLE ') 
dieser Auffassung an. Obschon nun Heusrncer die Haut der 
Giirteltiere nicht selbst untersucht hat, zweifelt er an DAuBEN- 
ToN’s Mitteilungen und glaubt vielmehr, daf diese Teile dem 
Horngewebe angehérende Absonderungen der Lederhaut sind, 
denn‘, schreibt er, ,,aus den Schilderungen von Burron und 
CuvIER ergiebt sich, daf die Schuppen oder Panzer dieser Tiere 
an manchen Stellen der Haut (namentlich am Bauche) mit ein- 
zelnen Buckeln anfangen, die doch wohl nur unvollkommen aus- 
gebildete Schuppen sind, unter denen sich noch eine Lederhaut 
findet; ist die Lederhaut unter den gréferen Schuppen und Pan- 
zern wirklich ganz fehlend, so ist sie auf eine ahnliche Art ver- 
dringt, wie in den Walfischen. Die Giirtel sind offenbar in ihrer 
Textur den Schalen der Schildkréten und somit den Mollusken 
ahnlicher, sie weichen mehr von dem Haar und Nagelgebilde ab“. 


3) E. p Aron (3), Fossile Panzerfragmente der 
Edentaten, 1833, giebt in der Einleitung seiner Abhandlung 
eine kurze Beschreibung und Erklarung des Panzers der Giirtel- 
tiere, der aus einer innigen Verbindung vieler kleiner Knochen- 
stiicke besteht, tiber die sich ein diinner Haut- oder hornartiger 
Uberzug der Oberhaut legt. Den Panzer teilt er in Schulter- und 
Hiiftschild, zwischen denen die gegeneinander beweglichen Giirtel 
liegen. p’ALTON versucht, aus mehreren fossilen Panzerstiicken 
den Panzer der ausgestorbenen Giirteltiere zu konstruieren, und 
vergleicht denselben mit dem des Dasypus niger, bei dem sich 
die Epidermis zu den Knochen zum Teil so verhalt, wie bei den 


1) Die beiden Arbeiten von Davsenton und Bxainvitte standen 
mir leider nicht zur Verfiigung; ich entnahm diese Mitteilungen einer 
spaiteren Arbeit Lrypie’s. 


518 F. Romer, 


Schildkréten der Padd zu den knéchernen Schildern. Es gehen 
namlich viele Stiicke der Epidermis tiber die Nahte der Knochen 
hinweg, so dafi die Skulpturen beim schwarzen Giirteltier im 
wesentlichen iibereinstimmend erscheinen mit denen der fossilen 
Panzerfragmente. Indem er nun die letzteren mit denen der 
lebenden Arten zusammenhalt, kommt er zu dem Schlu8, daf sich 
fiir alle Eigenschaften der ersteren bei diesen die entsprechenden 
Bildungen finden, nur mit dem Unterschied, daf alle fossilen 
Stiicke von einem und demselben Tier herriihren, dagegen die 
Eigenschaften desselben nicht alle in einer lebenden Art beisammen 
gefunden werden. Da die meisten fossilen Schildchen groBe Ahn- 
lichkeit mit denen vom schwarzen Dasypus zeigen, so vermutet 
p’ALTon, daf die Epidermis des Dasypus der Urwelt, wie jene 
des D. niger, ein von der Einteilung der Knochenschilder ab- 
weichendes Getifel dargestellt habe und zwischen den Schuppen 
der Oberhaut starke Haare vorhanden gewesen seien. 

4) W. v. Rapp (5), Anatomische Untersuchungen 
iiber die Edentaten, 1843, weisen auf die eigentiimlichen 
Bildungen der allgemeinen Bedeckungen der Edentaten hin, wo- 
von sonst in der Klasse der Séugetiere kein Beispiel angetroffen 
wiirde. ,,Bei Manis ist die Haut mit hornartigen Schuppen be- 
deckt, bei Dasypus ist sie mit Ausnahme der unteren Seite des 
Leibes verknéchert. Die auSere Flaiche der Knochentafeln ist von 
einem diinnen Matpicui’schen Netz mit der Oberhaut bedeckt. 
An den nicht verknécherten Stellen hat die Haut borstenartige 
Haare, auch zwischen den knéchernen Teilen der Haut stehen 
einzelne kurze Haare. Bei Manis ist die Haut mit grofen, dach- 
ziegelf6rmig tbereinander liegenden, dicken, hornartigen Schuppen 
bedeckt, zwischen denen einzelne kurze Haare hervorragen. Bei 
Myrmecophaga tamandua Cuv. ist der Schwanz, besonders gegen 
sein Ende hin, mit kleinen, breiten Schuppen bedeckt, wie bei 
einigen Nage- und Beuteltieren.“ 

5) H. Meyer (6 u. 7), Uber den Bau der Haut von 
Dasypus, 1848 u. 49. Wahrend sich die friiheren Autoren, 
welche sich mit dem Bau der Haut von Dasypus beschaftigt 
haben, im ganzen auf déufere Beschreibung derselben beschranken, 
giebt MryrerR uns zuerst eine Beschreibung der histologischen 
Struktur. Doch fehlen bei ihm noch Mitteilungen tiber die Ent- 
wickelung des Panzers, was aber nicht wunderbar erscheint, da 
Meyer als Material zu seinen Untersuchungen ,,Stiicke von trocken 
aufbewahrter Haut von Das. novemcinctus” angiebt, 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 519 


Nach ihm entspricht der Anordnung der Knochenplattchen, 
die teilweise zu einem festen Panzer verbunden, teilweise zu gegen- 
einander beweglichen Giirteln angeordnet sind, eine Umwandlung 
der Epidermis zu regelmafig angeordneten Hornschuppen. Ent- 
gegen der Ansicht Rapp’s, da auf der oberen Flache der Knochen- 
tafein ein diinnes Matprcnur’sches Netz mit der Oberhaut liege, 
laft Meyer die Knochenplittchen von allen Seiten von der Sub- 
stanz der Cutis umgeben sein. Jedes Knochenplattchen tragt un- 
gefahr in seiner Mitte eine ovale, nach hinten zu etwas breitere 
Schuppe. Die Furchen zwischen den Knochenplattchen werden 
dann durch kleinere Schiippchen nach einem besonderen System 
gedeckt, welche Meyer, wie oben schon erwahnt, mit dem Namen 
,Furchungsschuppen“ bezeichnet. Jede Schuppe ist napfformig 
vertieft und liegt mit der vertieften Seite der Haut auf. Von 
Epidermoidalbildungen erwaihnt Mryrr Haarsicke, welche sich 
zwischen den Hornschuppen befinden und in Locher der Knochen- 
plittchen eingesenkt sind. Diese Lécher finden sich an den 
Knochenplattchen des Panzers an denjenigen Stellen, an welchen 
die Linien zwischen je zwei Furchungsschuppen an den Rand der 
Hauptschuppe stofen. Die Haare, welche in diesen Sackchen ent- 
springen, sind hell, marklos und kurz, meistens treten sie gar nicht 
auf die Oberfliche der Haut hervor. 

6) F. Leypic (10), Uber die auSeren Bedeckungen 
der Saugetiere, 1859. Wenn auch schon frithere Arbeiten 
darauf hingewiesen hatten, dafi die Schuppen als Papillarbildungen 
aufzufassen seien, so gebtihrt doch dem unermiidlichen Forscher 
Leypie das Verdienst, durch eine Reihe von grundlegenden Ar- 
beiten diese Vermutungen zu Thatsachen gemacht zu haben. Den 
Papillen, deren jeder Schuppe eine entspricht, schreibt Lrypia 
physiologisch die Bedeutung eines Ernahrungsorganes zu, das die 
Gefafie gewissermafen in die Epidermis hineinfiihrt und dadurch 
eine raschere und allseitigere Durchsickerung der Haut ermég- 
licht, als wenn dieselbe von einer durchweg ebenen Lederhaut 
besorgt wird. 

Die Schuppen der Manidae vergleicht Lrypia mit den 
Schuppen mancher Fische, weil die Lederhaut fiir jede Schuppe 
eine freie Verlangerung oder Matrix bildet; sie sind aber den 
Fischschuppen darin ganz unahnlich, daf’, wahrend bei diesen die 
bindegewebige Matrix verkalkt und die eigentliche Substanz der 
Schuppe erzeugt, hier bei Manis jene, die freien Hautfortsatze iiber- 


520 F. Romer, 


ziehende Epidermisschicht durch Verdickung und Erhartung ,,gleich 
einem Nagel‘ die Substanz der Schuppe formt. ‘ 

In betreff der Hautknochen der Giirteltiere verwirft er HEu- 
SINGER’S Ansicht, der den Panzer zum*Horngewebe stellt und thut 
DAUBENTON’S Mitteilungen Erwahnung, die mit seinen Beobach- 
tungen tbereinstimmen. Dagegen widerlegt er Mryer’s Ansicht, 
der die Knochenplattchen auch oben noch von der Cutis umgeben 
sein la8t, und beweist an dem Riicken von Dasypus novemcinctus 
entnommenen Hautstiicken, daf die Epidermisschilder der Knochen- 
substanz unmittelbar aufliegen. Die Talgdriisen ,,an den sehr ver- 
einzelt stehenden Haaren‘t sind Lrypia bekannt gewesen, die 
Schweifdriisen hat er aber nicht gefunden. 

7. C. Kersert (19), Uber die Haut der Reptilien und 
anderer Wirbeltiere, 1877, behandelt in eingehender Weise 
die Bedeckungen der verschiedenartigsten Wirbeltiere, giebt gute 
histologische Einzelheiten und sorgfaltige Abbildungen. Zunachst 
unterwirft er die verschiedenen Schichten der Reptilienhaut, die 
Epidermis und Cutis, sowie die Entwickelung derselben einer ein- 
gehenden Untersuchung. Sodann hat er die Entwickelung des In- 
teguments der Giirteltiere an zwei Embryonen von Das. novem- 
cinctus untersucht. Seine Beschreibung der Haut des ausge- 
wachsenen Tieres lehnt sich im wesentlichen an H. Meyer an, 
Die von Meyer aufgestellte Behauptung, da die Knochenplattchen 
von Bindegewebe allseitig umgeben sind, kann KERBERT wegen 
der Unzulanglichkeit seines Materials nicht im Leypre’schen Sinne, 
der die Epidermisschilder der Knochensubstanz unmittelbar auf- 
liegen lat, entscheiden. Die Mitteilung MryEr’s itiber das Vor- 
kommen von Haaren zwischen den Schuppen erganzt KERBERT 
dahin, daf nicht nur zwischen denselben, sondern auch am hin- 
teren freien Rande derselben an den Giirteln deutliche Haare 
wahrzunehmen sind. Die Giirtel erklart Kerperr fiir grofe Haut- 
falten, die nach dem hinteren Ende des Tieres umgebogen sind. 
In seiner Abbildung von dem Langsschnitt durch den Girtel eines 
Embryos von Dasypus novemcinctus zeichnet KERBERT die Epi- 
dermis nach aufen hin durch eine helle, aus glatten Zellen be- 
stehende, ununterbrochene Schicht begrenzt, die sich scharf von 
der darunter liegenden Zellschicht abgrenzt. Er deutet dieselbe 
als Epitrichialschicht, wie er sie bei Végeln und Reptilien nach- 
gewiesen hat. 

Beziiglich der Haare glaubt er, daf sich dieselben zunachst 
an den Giirteln entwickeln, denn er fand dort bereits wohl ent- 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 521 


wickelte Haare mit Talgdriisen, an dem Panzer dagegen nur erst 
Zellwucherungen der Schleimschicht in die Cutis. Den Panzer 
selbst halt er fiir eine sekundire Knochenbildung. 

Am Schlu8 seiner Arbeit erwaihnt Kerperr die Arbeiten 
GOrTe’s und REISssNER’s, nach denen es nicht mehr zweifelhaft 
sein soll, da die erste Anlage eines Haares eine wirkliche Papille 
darstellt. Er schlieSt daraus, dafi es nicht mehr wunderbar sein 
kann, daf es auch unter den Siugetieren Individuen mit schuppen- 
artiger Hautbedeckung giebt (Dasypus, Schwanz von Castor). Denn 
wihrend diese Papillen bei den meisten Saugetieren durch die 
wuchernde Schleimschicht in die Tiefe der Cutis gedrangt wiirden, 
um hier Haare zu bilden, so bildeten sie sich dagegen am Schwanze 
von Castor und bei Dasypus zu schuppenartigen Gebilden aus, auf 
dieselbe Weise, wie es bei den Reptilienschuppen stattfindet. 

Im Verlauf meiner Arbeit werde ich noch mehrfach Gelegen~ 
heit finden, auf diese Arbeit KrerBert’s zuriickzukommen. 

8) M. Weper (21), Beitrage zur Anatomie und Ent- 
wickelung des Genus Manis, 1891. In meiner Einleitung 
nahm ich bereits mehrfach Gelegenheit, auf diese wichtige Arbeit 
WeseEr’s hinzuweisen. Ich méchte hier auf den Inhalt derselben 
noch etwas ausfiihrlicher eingehen, da sie fiir den Vergleich 
zwischen Giirtel- und Schuppentieren hiaufiger und eingehender 
wird herangezogen werden miissen. 

Die Schuppen der Manidae bedecken den Kérper mit Aus- 
nahme von Bauch, Kehle und Innenfliche der Extremitaten in 
dachziegelférmigen Reihen von verschiedener Zahl bei den einzel- 
nen Arten. Sie sind dreieckig oder rhombisch, bald langgestreckt, 
bald dreispitzig von Form und braun oder gelblich von Farbe. 
Jede Schuppe sitzt einem dreieckigen oder rhombischen Hautstiicke 
auf, das sich iiber das Niveau der Haut erhebt und eine sehr in 
die Breite entwickelte papillare Erhebung bildet. Auf einem 
Langsschnitt sieht man demgemaf die Lederhaut, entsprechend 
der Schuppe, zu einer dorso-ventral stark abgeplatteten Papille 
sich erheben, die in die Schuppe hineinragt und mit der schwanz- 
warts schauenden Spitze sich tiber das Niveau der Haut erhebt. 
Die Entwickelung dieser Schuppen untersuchte WEBER an einer 
Reihe von Embryonen verschiedenen Alters und fand, daf es bei 
einem 17 cm langen Embryo nur erst zur Entwickelung der oben 
beschriebenen Papillen gekommen war, daf aber die Bildung der 
Schuppensubstanz erst anfing, indem die oberste Lage der die 
Cutis gleichmafig iiberziehenden Epidermis aus verhornten Platt- 


Bo? F. Romer, 


chen bestand, in denen teilweise kein Kernrest mehr nachzuweisen 
war. Kin Embryo von 30 cm Linge wies insofern einen erheb- 
lichen Fortschritt auf, als es bei ihm bereits zur Bildung eigent- 
licher, wenn auch kleiner Schuppen gekommen war. Die Papille 
hatte wenig an Gréfe zugenommen, hingegen zeigte die Epidermis 
bereits zahlreiche Lagen feinster, verhornter Plattchen, welche nach 
der Spitze der Papille zu fest aneinander gefiigt waren und somit 
Anteil am Aufbau der Schuppen genommen hatten. Es geht also 
aus den Untersuchungen hervor, dafi zunichst eine starke papillare 
Erhebung der Cutis stattfindet, deren Epidermisiiberzug ganz all- 
mahlich Anla8 zur Bildung der eigentlichen Hornschuppe giebt. 
Die Schuppen von Manis sind Hornbildungen der Epidermis, 
die auf abgeflachten, nach hinten umgebogenen, das Niveau der 
Haut tiberragenden Papillen der Lederhaut sich bilden. Morpho- 
logisch schreibt Werper diesen Gebilden die Bedeutung einer 
Schuppe zu, im Sinne der Schuppen der Reptilien. Von diesen 
Schuppen unterscheiden sich die Schuppen der Manidae im wesent- 
lichen uur dadurch, dass der hornige Uberbau seinem _histo- 
logischen Wesen nach bei beiden verschieden ist, und da der- 
selbe bei den Reptilien durch die Hautung regelmafig abgeworfen 
wird, mithin voribergehender Natur ist, wahrend die Horn- 
schuppen der Manidae bleibende Gebilde sind. Werser sieht 
die beiden Organe nicht als vollstandig homolog an, meint aber 
wohl, dafi beide gemeinschaftlichem Boden entstammen, und daf 
weiterhin die Schuppen der Manidae sich in spezifischer Weise 
fortgebildet haben und insofern Bildungen sui generis sind, als 
auf dem Boden einer von den Reptilien her ererbten ‘Bildung 
(Schuppenpapille) ein, geweblich den Nageln sich anschliefendes 
Gebilde (Schuppe, Hornschuppe) sich entwickelt hat, eine Kom- 
bination, der man bei den Reptilien nicht begegnet. 

Daran knipit WeBrr mit Recht die Frage, ob denn diese Ge- 
bilde ausschlieBliches Eigentum der Schuppentiere seien, wovon 
bei anderen Saugetieren nichts zu finden sei; oder aber, ob sich 
auch anderwarts im Kreise der Saugetiere noch Hautgebilde er- 
halten hatten, die man auf nicht zu langem Umwege auf Reptilien- 
schuppen zuriickfiihren kénnte ? 

Zu dem Ende untersuchte WrBER Saugetiere verschiedener 
Ordnungen und zwar Anomalurus, Castor, Myrmecophaga, Didelphys, 
Mus musculus und Mus decumanus, teils Embryonen, teils ausge- 
wachsene Exemplare, bei denen sich meist am Schwanz eine 
Schuppenbildung erhalten hat. Er fand, daf bei allen diesen 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 523 


Tieren die Hornschuppe ebenfalls einen epidermoidalen Uberzug 
iiber eine langgestreckte, das Niveau der Haut. tiberragende Cutis- 
papille bildet. Werser schlieft daraus, da sich von einer Haut- 
bedeckung, die sich bei den Reptilien, als fiir diese Tiere 
charakteristisch, in voller Entwickelung befindet, bei den Sauge- 
tieren noch Reste erhalten haben. Diese Schuppenbildung ist zu- 
meist noch am Schwanze anzutreffen und in der Regel nur bei 
solchen Saéugern, deren Schwanz eine Beschrankung in der Be- 
haarung aufweist. Darin nun, daf die Manidae am ganzen Kérper 
von diesen Schuppen bedeckt sind, erblickt WEBER einen Beweis, 
da diese Beschuppung friiher eine allgemeine gewesen sein muf, 
und es sei vielleicht auf demselben Wege der Panzer der Giirteltiere 
abzuleiten, vielleicht auch der Panzer der Cetaceen, dessen Be- 
deutung von KUKeNTHAL (23) zuerst klargelegt worden ist. 

Die Behaarung der Manidae ist eine sparliche. Unter jeder 
Schuppe sitzen einzelne borstenartige, marklose Haare von ein- 
fachem Bau und verhialtnismafig starker Papille. In dem ganz- 
lichen Fehlen der Talgdriisen an diesen Haaren, sowie in der 
spaten Entwickelung derselben (bei einem Fétus von 30 cm Lange 
fanden sich die Haare erst in Form von Epitheleinsenkungen) sieht 
WeBER eine Riickbildung des Haarkleides, die sich bei der grofen 
Masse der Haare zunachst darin auferte, dafS die Talgdriisen der 
Haare nicht mehr zur Entwickelung kamen. Nur in der Anal- 
gegend blieben die Talgdriisen erhalten und entwickelten sich so- 
gar in spezifischer Weise weiter. Aus dem spaten embryonalen 
Auftreten der Haare glaubt Wrser schlieBen zu kénnen, dafs das 
Haarkleid der Manidae, das stets nur eine diirftige Entwickelung 
erfahren hatte, noch dazu eine spitere Riickbildung erlitt, die sich 
zunachst recht auffallig auferte in einem Schwunde der appendiku- 
laren acinésen Driisen desselben. 

Beziiglich der Verwandtschaft von Manis mit den iibrigen 
Edentaten enthalt WrBer sich jedes Schlusses, ebenso wie er auf 
die Abstammung der Manidae nicht eingeht. 


Unter den besprochenen Arbeiten haben einige ausfiihrlicher 
Platz finden miissen, die sich nicht direkt auf unser Thema zu 
beziehen scheinen. Dies geschah jedoch, um fiir die kritische Be- 
handlung der Schuppenfrage eine méglichst breite und umfassende 
Grundlage zu geben. Ich habe aber absichtlich die Untersuchungen 


524 F. Romer, 


der friiheren Autoren moglichst objektiv angefiihrt und habe es 
vermieden, hier auf die Schliisse, welche jeder Forscher auf seine 
Untersuchungen aufgebaut hat, einzugehen. Dieselben sollen in 
einem besonderen kritischen Teil behandelt werden und zwar erst 
dann, wenn ich eine Reihe von Untersuchungen gegeben habe, die 
ich an verschiedenen Embryonen der Giirteltiere anstellte. Auch 
hierbei werde ich mich zundchst jeder SchluSfolgerung enthalten 
und nur die gefundenen Thatsachen angeben. 


Ill. Eigene Untersuchungen. 


In der Sammlung des Herrn Prof. Dr. KUkenrHaL, die mir 
bereitwilligst zur Verfiigung gestellt wurde, befanden sich folgende 
Embryonen : 

1) Dasypus novemcinctus L.: 9 Embryonen verschie- 
denen Alters von 5, 6, 7, 11 und 12 cm Nacken-Steiflange. 

2) Dasypus villosus Drsm.: 6 Embryonen verschiedenen 
Alters von 10, 11 und 12 cm Lange. 

Sodann stand mir zur Verfiigung ein erwachsener Dasypus 
setosus L. der hiesigen zoologischen Sammlung, in Alkohol kon- 
serviert, und ein ausgestopfter Dasypus novemcinctus L. 

Die Embryonen waren alle gut konserviert und eigneten 
sich auch zum Studium der feinsten histologischen Einzelheiten. 


1) Untersuchungen an Dasypus novemcinctus. 


Es wurden zunadchst einem Embryo von 5 cm Lange zwei Stiick- 
chen Haut vom Schulterpanzer und Girtel entnommen und Langs- 
schnitte durch dieselben gemacht. Einen solchen Schnitt, welcher 
zwei Giirtel ganz getroffen hat, zeigt Fig. 1. Man sieht hier deut- 
lich, da sich die Lederhaut zu einer mehr oder weniger drei- 
eckigen, mit ihrer abgerundeten Spitze schwanzwarts schauenden 
Papille erhebt, welche das Niveau der Haut tiberragt. Eine tberall 
gleichmafig dicke Epidermis tiberzieht dieselbe und biegt an der 
Spitze der Papille zu einer tiefen, nach vorn gerichteten Einbuch- 
tung um, von wo aus sie dann wieder allmahlich zur nachst- 
folgenden Papille ansteigt. Diese Einbuchtung liegt in Falten 
zusammengeschlagen unter der Papille, also unter dem oberen 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 525 


Teil des Giirtels. Von der Entwickelung eigentlicher Schuppen 
kann hier noch keine Rede sein, nur die Schuppenpapillen, die 
einander dachziegelartig tiberdecken, sind ausgebildet. Die Bildung 
der Schuppensubstanz aber nimmt erst ihren Anfang. Denn be- 
trachten wir die histologische Struktur der Epidermis mit scharfer 
Vergréferung etwas eingehender, so sehen wir (Figg. 2 und 3), 
daf derselben eine Lage ganz feiner, langgestreckter Zellen auf- 
gelagert ist, welche stark lichtbrechend sind, sich gegen Farbstoff 
vollkommen indifferent verhalten, keine Spur von Kernrest mehr 
aufweisen und zuweilen sogar auch ihre Konturen verloren haben. 
Dieses sind unzweifelhaft verhorute Plattchen, welche den ersten 
Anfang der Entwickelung der Schuppensubstanz darstellen. Die 
Verhornung ist jedoch noch nicht iiberall gleichmafig aufgetreten, 
sondern zumeist nur in der Mitte der Schuppenpapille, wo die 
Plattchen manchmal in fortlaufender Reihe nebeneinander liegen, 
manchmal aber auch nur vereinzelt auftreten und noch Zellen mit 
deutlichen Kernen an der Begrenzung der Oberfliche teilnehmen 
lassen. An der Spitze der Papille, sowie in der Falte zwischen 
zwei Papillen, ist von einer eintretenden Verhornung noch nichts 
zu sehen. Unter den verhornten Plattchen folgt eine Lage stark 
abgeplatteter Zellen (Fig. 3) mit deutlichen, langlichen oder spindel- 
formigen Kernen, welche sich noch intensiv gefarbt haben. Darunter 
liegen zwei bis drei Lagen polygonaler oder kubischer Zellen, 
welche aber meistens stark abgeflacht sind. Die Kerne haben 
mannigfache Gestalt, sind teils kugelig, teils linsenférmig, teils 
langlich-rund. Das Protoplasma dieser Zellen ist fein granuliert, 
wahrend der Inhalt des Kernes mehr grobkérnig zu sein scheint 
und oft einen Nucleolus aufweist. Die tiefste Lage der Epidermis 
hat runde, ovale oder endlich mehr oder weniger schén ausge- 
pragte Cylinderzellen, welche auf der Cutis aufsitzen und deren 
runde, manchmal auch ovale Kerne senkrecht zur Oberflaiche stehen. 
Man kann somit auch hier eine Kinteilung der Epidermis in drei 
Schichten vornehmen: Stratum corneum, Stratum lucidum und Rete 
Malpighii; wahrend die Zellen des St. corneum keine Farbung mehr 
angenommen haben und das Rete Malpighii immer lebhaft gefarbt 
erscheint, nimmt das Stratum lucidum auch in dieser Beziehung 
die Mitte zwischen den genannten Zellenlagen ein. 

Der Epidermisiiberzug ist jedoch nicht auf der ganzen Papille 
gleichmaSig, sondern zeigt einen erheblichen Unterschied in seiner 
Dorsal- und Ventralflache insofern, als er auf der Ventralflache, 
d. h. unterhalb der Papille, wie iiberhaupt in der ganzen Haut- 


526 F. Romer, 


falte erheblich diinner ist, von dort nach der Spitze der Papille 
allmahlich an Gréfe zunimmt, um an der Umbiegungsstelle sein 
Maximum zu erreichen (Fig. 2). 

Von Epidermoidalbildungen sind hier die Haare zu erwahnen. 
Am erwachsenen Tier findet man an dem hinteren freien Ende 
jeder Schuppe eines Giirtels ein bis zwei lange, steife Haare, 
welche ziemlich in der Ebene der Schuppe stehen und mit ihrer 
Spitze schwanzwarts gerichtet sind. Von diesen Haaren finden 
wir bei unserem Embryo von 14 cm Linge bereits die Anlagen. 
Sie bestehen aus Zellwucherungen der Schleimschicht, welche 
bereits tief in die Cutis eingedrungen sind (Fig. 2). An der Spitze 
des Haarkeimes hat auch schon eine lebhafte Wucherung der 
Cutiszellen stattgefunden, die erste Bildung der Haarpapille. 
AuSerdem finden sich aber noch auf der ganzen Papille zahl- 
reiche Epitheleinsenkungen, welche ebenfalls als Haaranlagen auf- 
zufassen sind. Dieselben sind jedoch in der Entwickelung noch 
nicht so weit vorgeschritten wie die an der Spitze der Papille 
stehenden Haare. Aus den bisherigen Beobachtungen 
geht schon zur Geniige hervor, dai zunachst eine 
papillenartige Erhebung der Lederhaut stattfindet, 
deren Epidermistiiberzug dann allmahlich anfangt, 
die spatere Hornschuppe zu bilden. 

Die Cutis hat einen ausgepragt faserigen Bau (Fig. 2 u. 3); 
es ordnen sich die Fasern so, da die meisten eine senkrechte 
Richtung zur Epidermis annehmen. Die Zellkerne sind deutlich 
rund oder oval. Dicht unter der Epidermis, sowie namentlich am 
ubteren Rande der Papille liegen sie viel dichter als in der Mitte 
derselben, so daf die Papille deutlich gegen die darunter liegende 
Bindegewebs- und Muskelschicht abgesetzt erscheint. Unter dem 
Papillarkérper zieht ein Strang von derben Bindegewebsfasern, 
welcher nach der Spitze der Papille zu verliuft und dort bis dicht 
an die Epidermis herantritt. Unter der Papille verlaufen grofe 
und starke Biindel von quergestreiften Muskeln. 

Vergleichen wir diese Schnitte durch die Giirtel mit einem 
Schnitt, welcher durch den Schulter- oder Halspanzer gelegt wurde 
(Fig. 5), so sehen wir, daf die Cutispapillen zwar nicht in der 
Weise entwickelt sind, wie an den Girteln'); immerhin hat 


1) Die Papillen bieten sich hier in etwas anderer Form, weil 
wir hier Querschnitte vor uns haben, d, h. Schnitte, welche senk- 
recht zur Lingsachse des Korpers gelegt sind. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 527 


aber auch hier eine Erhebung der Cutis stattgefunden, welche 
deutlich eine Schuppenanlage erkennen laft. Die Epidermis ent- 
spricht genau derjenigen der Giirtel; auch hier ist bereits eine 
Bildung der Hornsubstanz durch Verhornung der obersten Zellen, 
in denen keine Kerne mehr nachzuweisen sind, eingetreten. Unter 
den verhornten Plaittchen zeigt die Epidermis dieselben polygonalen 
Zellen, sowie die schéne Cylinderzellenlage, wie bei den oben be- 
schriebenen Schnitten des Giirtels. Zwischen den Papillen hat 
eine tiefe Einsenkung der Epidermis stattgefunden, die von einer 
starken Zellwucherung der Cutis umlagert ist. Bei starker Ver- 
eréBerung zeigt dieselbe auffallende Ahnlichkeit mit den an den 
Giirteln gefundenen Haaranlagen, nur ist hier die dichte Lage der 
Cutiszellen in der ganzen Umgebung der Einsenkung auffallig. 
Eine Papille (Fig. 5) zeigt uns auch 2 Haare im Querschnitt. 
Dieselben sind mindestens ebenso weit entwickelt, wie die grofen 
Borsten der Giirtel und es erhellt daraus, da von einer friiheren 
Entwickelung der Haare an den Giirteln, wie sie KeRBERT gesehen 
haben will, keine Rede sein kann. 

Betrachten wir nun die oben geschilderten Verhiltnisse an 
einem alteren Embryo von 7 cm Lange, wie sie uns die Figuren 
7, 10 und 11 darstellen. Auf den ersten Blick sieht man, daf 
ein erheblicher Fortschritt stattgefunden hat. Die ganze Papille 
hat an Lange zugenommen. Der Epidermisiiberzug scheint be- 
deutend dicker zu sein, der Verhornungsprozef ist riistig voran- 
geschritten, und somit haben die Schuppen schon eine betracht- 
liche Dicke erhalten. Der Horniiberzug ist nicht tiberall gleich- 
miifig dick, so ist er namentlich an der Spitze und der Basis 
der Papille noch sehr gering, ja stellenweise noch kaum wahrzu- 
nehmen. Auf dem Praparat, welchem die Abbildung 10 ent- 
nommen ist, hat sich die Haut zwischen den Giirteln durch die 
Behandlungsweise etwas stark hervorgedriickt, so daf die Ent- 
fernung zwischen 2 Giirteln hier gréSer erscheint, als es in Wirk- 
lichkeit der Fall ist. In natiirlicher Lage legt die Falte unter 
den Giirteln, die sich dachziegelartig bedecken. 

Im iibrigen ist die Epidermis gerade so, wie die der jiingeren 
Stadien; zu unterst die typische Cylinderzellenlage, dariiber 
einige Lagen flacher Zellen mit Kernen, die sich noch intensiv 
gefarbt haben, und zu oberst die abgeflachten und bereits ver- 
hornten Zellen ohne jeden Kernrest. Bei scharfer VergréSerung, 
wie sie uns Fig. 11 zeigt, sieht man, daf die Hornplattchen nach 


528 F. Romer, 


der Spitze der Papille zu fest und dicht aneinander liegen; nach 
der Basis wird ihre Anordnung lockerer. 

Auffallend sind in diesem Stadium die grofen Haaranlagen, 
zunichst die Borsten am Ende einer jeden Schuppe, sodann die 
zahlreichen Haare mitten in der Papille. Die GréSenzunahme ist 
eine ganz bedeutende gewesen, auch hat die Bildung der Haar- 
papille durch Wucherung der Cutiszellen gewonnen. Besonders 
auffallig aber ist die grofe Driisenanlage, die sich immer nur ein- 
seitig findet, und zwar an den grofen Haaren an der Spitze der 
Papille auf der unteren, d. h. auf der der Papillenspitze zugekehrten 
Seite. Diese Driisenanlage entsteht als eine sekundare Ausstiil- 
pung der Haaranlage, ist aber von derselben insofern verschieden, als 
zwischen den Zellkernen beider ein erheblicher Unterschied besteht. 
Wahrend nimlich die Kerne des breiten Haares mehr oder weniger 
spindelférmig und mit der Liingsachse gegen die Mitte des Haares 
gerichtet sind, sind diejenigen der Driisenanlage kreisrund. An 
der Haaranlage findet sich fernerhin beiderseits eine solide Wuche- 
rung der duferen Wurzelscheide, die wir als Anlage der Haar- 
balgdriisen ansprechen miissen, so daf fiir die lange Driisenanlage 
nur die Deutung einer Schweifdriise tibrig bleibt, eine Vermutung, 
die durch spitere Stadien bestitigt wird. An dem grofen Haar, 
der spateren-Borste, macht die Epidermis einen tiefen Einschnitt 
zum Durchbruch des Haares, wihrend sie iiber die anderen, mitten 
in der Papille stehenden Haaranlagen meist ohne die geringste 
Vertiefung hinwegzieht. 

Die Cutis zeigt aufer der oben bereits erwahnten Verlange- 
rung der gesamten Papille keine Veranderung. Die Breite der 
Papille hat eher ab- als zugenommen. 

Die entsprechenden Verhiltnisse des Schulterpanzers bringt 
Fig. 7 zur Darstellung. Hierzu ist wenig hinzuzufiigen, da die oben 
gegebene Schilderung der Epidermis und Haaranlagen der Giirtel auch 
fiir diese Schnitte pa8t. In schéner Weise kommt hier der Unter- 
schied zwischen Haar- und Schweifdriisenanlage zu Tage, von der 
letztere die erstere an Linge weit iibertrifft. Eine scharfe Ab- 
grenzung der Schuppen hat auch hier noch nicht stattgefunden. 

In bezug auf den knéchernen Panzer der Giirteltiere mu8 be- 
merkt werden, daf bei einem Embryo von 5 und 7 cm Lange von 
einer Anlage des eigentlichen Panzers und der Hautknochen noch 
nichts zu merken war. Es muf also unsere ndchste Aufgabe sein, 
beziiglich dieser Verhiltnisse ein alteres Stadium zu studieren 
und die weitere Entwickelung der Hornschuppe sowie der Haare 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 529 


und Schweifidriisen zu verfolgen. Hierzu nahm ich den Altesten 
mir zu Gebote stehenden Embryo von 12 cm Linge. Schnitte 
durch denselben, die uns in vollkommenster Weise die gewiinschte 
Aufklarung geben, sind in Fig. 15 und 16 abgebildet. Beginnen 
wir auch hier mit der Betrachtung der Epidermis, so kénnen wir 
an derselben zwei ganz deutlich voneinander getrennte, ungefahr 
gleich dicke Lagen unterscheiden ; zu oberst eine helle, homogene 
Schicht, deren Zellen als blattartig aufeinander liegende Plattchen 
ohne jeglichen Kernrest erscheinen — die wohlentwickelte Schuppe. 
Darunter eine zweite Schicht, welche gegen die Epidermis der 
friiheren Stadien keine Verainderung aufweist. Es sind also hier 
die Zonen der lebenden protoplasmatischen und der nicht mehr 
lebensfihigen, verhornten Zellen scharf gegeneinander abgegrenzt 
man unterscheidet sie leicht als das Stratum corneum und das? 
Stratum Malpighii. In bezug auf ihre Dickenverhaltnisse sind an 
der Schuppe deutliche Unterschiede wahrnehmbar; gegen Ende 
der Papille erreicht die Schuppe ihre gréfte Dicke, nach der Basis 
zu nimmt sie allmahlich ab und geht ohne sonderlich scharfe 
Grenze in eine diinne, verhornte Gewebsmasse, die sich bis zur 
Spitze der nachstfolgenden Papille hinzieht, tiber. Auf diese 
Weise ist die Hautfalte zwischen der Basis einer Papille und der 
Spitze der niachstfolgenden ebenfalls mit hornigen, aber bedeutend 
diinneren und lockeren Gewebsmassen iiberdeckt, die ebenso wie 
die Schuppe durch Verhornung der Epidermis entstanden, aber 
dennoch weit verschieden von derselben sind. An der Spitze der 
Papille fallt die Schuppe gegen das dieselbe durchbrechende Haar 
hin steil ab. 

Die Haaranlagen haben eine erhebliche Anderung erfahren. 
War bei einem Embryo von 5 cm Lange ein GrodfSenunterschied 
zwischen den einzelnen Haaranlagen nicht wahrzunehmen und bei 
dem Embryo kaum ein Haar beziiglich der eigenen oder der 
Schweifdriisenanlage zuriickgeblieben, so besteht bei einem Embryo 
von 12 cm ein so wesentlicher Unterschied zwischen den grofen 
Haaren an der Spitze der Papille und den tibrigen Haaren, dal 
wir letztere sofort als in der Entwickelung zuriickgeblieben be- 
zeichnen miissen. Die grofe Borste ist beziiglich ihrer Einzel- 
heiten, Haarschaft, Haarbalg, Papille und Talgdriise bereits voll- 
kommen entwickelt und iiberragt das Niveau der Haut um ein 
betrachtliches Stiick. Unvergleichlich weniger haben die iibrigen 
Haare in der Mitte der Papille zugenommen; es hat zwar eine 


Gréfenzunahme stattgefunden und auch eine Anlage der Talg- 
Bd. XXVII. N. F. XX, 34 


530 F. Romer, 


driisen und der Haarpapille, jedoch ist der Unterschied ein so 
gewaltiger, daf wir nicht umhin kénnen, diese Anlagen als rudi- 
mentir zu bezeichnen. Die Vermutungen tiber die Schweifdriisen- 
anlage haben sich bestatigt; man sieht auf diesem Stadium (Fig. 
15) eine typisch ausgebildete Schweifdriise, wie man sie sich 
schéner nicht denken kann. Ein langer, unverastelter Ausfiihrungs- 
gang, der oben dicht unter der Epidermis in den Haarbalg aus- 
miindet, verlauft gerade oder nur wenig gekrimmt in die Cutis 
und endigt in einem vielfach gewundenen Knauel. Auf feinere 
histologische Einzelheiten brauche ich hier nicht weiter einzu- 
gehen; fiir die vorliegende Arbeit geniigt es, das Vorhandensein 
derselben nachgewiesen zu haben. Aber auch diese SchweifSdriisen 
erliegen spaterhin vielfach einer Riickbildung bei der Entstehung 
des knéchernen Panzers. Daf dieselbe bei einem Embryo von 
12 cm schon begonnen hatte, fihlt man, wenn man die kleinen 
Hautstiickchen dem Embryo mit der Scheere entnimmt. Es muSte 
daher eine geeignete Entkalkungsmafregel vorgenommen werden, 
um die Haut schnittfahig zu machen. 

Nach Fig. 15, auf welcher die Verknécherung an _ yerschie- 
denen Stellen bereits eingetreten ist, kann es nicht mehr zweifel- 
haft sein, da’ die Bildung des Knochenpanzers durch eine sekun- 
dire Verknécherung der Cutis vor sich gegangen ist. Dieselbe 
kann an mehreren Stellen ganz unabhangig voneinander auftreten. 
Hernach verschmelzen die einzelnen Stiicke, deren Langsachse 
mit der Lingsachse der Papille annahernd parallel verlauft, mit- 
einander zu einem einheitlichen Panzer. Die Verknécherung be- 
ginnt allemal, wie meine sémtlichen Schnitte zeigen, zwischen den 
Haaren und Schweifdriisen der Cutispapille, so daf sich dieselben 
noch eine Zeit lang ungestért weiterentwickeln kénnen. Bei der 
spateren Verschmelzuug der einzelnen Stiicke bleibt nun vielfach 
ein kleiner Bezirk um die Haare unverknéchert, so dal der Pan- 
zer des erwachsenen Tieres zwischen den Knochenplattchen feine 
Locher aufweist; jedoch nicht iiberall, denn vielfach sind auch die 
einzelnen Knochenplattchen fest miteinander verschmolzen, die 
Haare und Schweildriisen sind alsdann von der Verknécherung 
auseinandergerissen und verdrangt worden. Ein Beispiel daftir 
liefert Fig. 16, wo der Knochen Haare und SchweiSdriisen in zwei 
Teile getrennt hat, so daf sich iiber demselben der Rest des 
Driisenkanals, unter demselben der Rest des Driisenknauels be- 
findet, welche dann alsbald einer allmahlichen Riickbildung unter- 
liegen. Schon aus diesen Beobachtungen geht deutlich hervor, 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 531 


daf der Knochenpanzer der Giirteltiere eine sekundare Neu- 
erwerbung ist, die zur teilweisen Rickbildung der 
Haare und SchweiSdriisen gefihrt hat. 

Uber die Entwickelung der Schuppen am Schulterpanzer eines 
Embryo von 12 cm Lange giebt uns Fig. 14 die gewiinschte 
Aufklirung. Wahrend hier auf einem friiheren Stadium eine scharfe 
Abgrenzung der Schuppen noch nicht zu sehen war, sind jetzt 
Haupt- und Furchungsschuppen deutlich erkennbar und durch 
entsprechende Einsenkung der Epidermis scharf voneinander ge- 
trennt. Auf jeder Hauptschuppe liegen vier im Querschnitt ge- 
troffene Haare, wahrend die Furchungsschuppen stets frei von 
solchen sind. Eine Verknécherung, wie sie an den Giirteln (Fig. 
15) zu sehen war, ist hier noch nicht eingetreten, woraus zu 
zu ersehen ist, daS die Verknécherung zunachst an den Giirteln 
sich geht. 

Wenn ich zum Schlusse noch einmal die Ergebnisse der Unter- 
suchungeu an Das. novemcinctus zusammenfasse, so hat sich er- 
geben, da’ bei der Entwickelung des Girtelpanzers 
zunachst eine starke papillare Erhebung der Leder- 
haut stattfindet, deren Epidermisitiberzug ganz 
allmahlich Anlaf giebt zur Bildung der eigent- 
lichen Hornschuppen. Der Knochen entsteht durch 
eine sekundare Verknécherung der Cutispapillen, 
welche an verschiedenen Stellen vereinzelt auf- 
tritt und spater zu einem einheitlichen Panzer 
verschmilzt. Dadurch werden die in der Mitte der Papille, 
d. h. zwischen den einzelnen Schuppen, sich anlegenden Haare 
und Schweifdriisen teilweise verdrangt und unterliegen einer bal- 
digen Riickbildung. An einigen Stellen ist die Verknécherung 
nicht vollkommen, und es bleiben feine Locher zum Durchtritt 
der Haare erhalten. Diese Haaresind aber nur in _frihester 
Jugend vorhanden und verschwinden mit zunehmendem Alter 
ebenfalls. 


2. Dasypus villosus. 


Dasypus villosus unterscheidet sich von Dasypus novemcinctus 
zunichst dadurch, daf’ zwischen Schulter und Hiiftpanzer meist 
nur 6 oder 7 voneinander getrennte, bewegliche Giirtel entwickelt 
sind. Vergleicht man zwei etwa gleichalterige Embryonen mit- 
einander, so mul sofort der gewaltige Unterschied in der Haut 

34* 


532 F. Romer, 


der beiden Tiere auffallen. Wahrend Das. novemcinctus eine helle, 
fast weife, glatte Haut besitzt, an der schon bei oberflachlicher 
Betrachtung die wohl ausgebildeten Schuppen, die Haupt- und 
Furchungsschuppen, sowohl an den Girteln, wie am Schulter- und 
Hiiftpanzer, in die Augen fallen miissen, ist die Haut von Das. 
villosus schmutzig-grau und runzelig und erst bei genauerer Be- 
trachtung mit der Lupe kann man die einzelnen Schuppen wahr- 
nehmen. Sie sind erheblich verschieden von denen des Das. novem- 
cinctus. Zunachst sind die Schuppen noch nicht scharf von- 
einander abgegrenzt; in der Mitte liegt wohl die mit ihrer breiten 
Seite nach dem Schwanze hin gerichtete Hauptschuppe, wenn sie 
auch nicht so deutlich hervortritt. Aber statt der bei Das. novem- 
cinctus daneben liegenden einheitlichen, mit der Spitze nach 
hinten gerichteten, kleinen Furchungsschuppen sieht man_ hier 
jederseits von der Hauptschuppe vier bis fiinf kleinere Schiippchen, 
die noch deutlich voneinander zu unterscheiden sind. Zwischen den 
selben sieht man kleine dunkle Punkte, die sich bei scharfer Betrach- 
tung als Durchtrittsstellen der in der Papille stehenden Haare er- 
geben. Die letzteren sind aber noch nicht allgemein zum Durchbruch 
gekommen, nur hie und da tiberragt ein Haar das Niveau der Haut. 
Die vier bis fiinf kleinen Schiippchen zu beiden Seiten der Haupt- 
schuppe vereinigen sich mit derselben zu gréferen Schuppen, die 
durch tiefe Furchen voneinander abgegrenzt sind. Unter dem 
hinteren Rande einer jeden solchen Schuppe schauen mebhrere, 
manchmal sechs bis acht, Borsten hervor, die sich vor denen 
eines gleichalterigen Das. novemcinctus an Linge und Zahl aus- 
zeichnen. 

Zwischen Dasypus novemcinctus und villosus besteht also ein 
erheblicher Unterschied erstlich in der Beschuppung, die bei ersterem 
bereits deutlich ausgebildet und in Haupt- und Furchungsschuppe 
differenziert ist, wahrend sie bei letzterem noch kaum zu sehen 
ist, und zweitens in der Behaarung, und zwar insofern, als bei 
Das. novemcinctus nur an dem hinteren Rande der Schuppe ver- 
einzelte Haare zum Durchbruch gelangt sind, wahrend sich bei 
Das. villosus nicht nur hier zahlreiche, sondern auch zwischen den 
Schuppen einzelne Haare zeigen. 

Von Das. villosus standen mir sechs Embryonen zur Ver- 
figung, die aber leider nur einen ganz geringen Gréfen- und 
Altersunterschied aufwiesen und zwischen 10—12 cm differierten. 
Gleichwohl glaubte ich dieselben zum Vergleich heranziehen zu 
miissen. | 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 533 


Kinen Einblick in diese Verhaltnisse gewahrt uns ein Liangs- 
schnitt durch die Giirtel (ig. 12). Hier ist es allerdings schon 
zur Bildung einer eigentlichen Cutispapille gekommen, die sich 
iiber das Niveau der Haut erhebt und mit ihrer Spitze schwanz- 
warts schaut. Jedoch hinter der Papille des Das. novemcinctus, 
die wir in der Fig. 1 gesehen haben, steht sie an Lange und an 
Schénheit der Ausbildung bedeutend zuriick. Der Epidermisiiber- 
zug ist erheblich breiter und weist in seiner ganzen Lange, sowohl 
auf der Papille als auch in der Hautfalte keinen Unterschied in 
seiner Dicke auf. Von dem Beginn einer Verhornung ist noch 
nichts zu sehen, denn die Epidermiszellen sind tiberall gleich- 
mafig gefairbt und besitzen noch alle Kerne, die allerdings in 
bezug auf ihre Gréfe und Farbung weniger deutlich hervortreten. 

Den oben erwihnten Unterschied in der Behaarung zeigt 
Fig. 12 deutlich. Was zunachst die Borste am hinteren Ende der 
Papille betrifft, so ist vor allem die Lange und Starke’ derselben 
zu erwahnen. Sodann sind auch hier die Haare zwischen den 
Papillen zum Durchbruch gelangt!). Sie sind ebenfalls vollkommen 
entwickelt und lassen einen Haarbalg, Schaft, Papille und Talg- 
driisen deutlich erkennen. Hierdurch unterscheiden sie sich er- 
heblich von den Haaren des Das. novemcinctus, welche sogar bei 
einem etwas alteren Embryo noch nicht zur Ausbildung eines 
Haarschaftes gekommen sind (Fig. 15) und eben erst in Begriff 
stehen, eine Talgdriise anzulegen, deren vollstandige Entwickelung 
aber an vielen Haaren tiberhaupt nicht mehr erreicht wird, da 
dieselben inzwischen von der Verknécherung verdrangt werden. 
Entsprechend den bei Das. villosus noch erkennbaren und deutlich 
abgegrenzten Schiippchen und den dazwischen stehenden Haaren 
macht auch die Epidermis zwischen denselben eine tiefe Hin- 
senkung. Auffallend ist das Fehlen der Schweifdriisen, von 
denen ich bei Das. villosus nirgendwo auch nur eine Spur gefun- 
den habe. 

So grof nun der Unterschied in der Entwickelung der beider- 
seitigen Haare ist, so grof ist auch die Ubereinstimmung in der 
Stellung und Zahl derselben. So namentlich am Schulterpanzer, 


1) Der in Fig. 12 abgebildete Schnitt hat die die Furchungs- 
schuppe zusammensetzenden kleineren Schiippchen getroffen, ist aber 
nicht ganz parallel zu der Hauptschuppe gelegt, so da das 1. und 3. 
Haar nicht ganz zu sehen ist; letzteres ist sogar nur eben ange- 
schnitten. Doch wie sich in meiner Serie verfolgen lift, sind hier 
alle drei Haare zum Durchbruch gelangt. 


534 F, Romer, 


den die Fig. 13 und 14 zur Darstellung bringen. Es liegen bei 
beiden Tieren jedesmal vier Haare dicht zusammen. Jedoch 
ist es auch hier bei Das. villosus noch nicht zur Ausbildung 
eigentlicher Schuppen gekommen; die Epidermis tiberzieht die 
Cutis wellenférmig, deren einzelne, an Gréfe wenig verschiedene 
Erhebungen vielleicht der spiteren Schuppe entsprechen kénnen ; 
die Schuppen selbst aber sind noch nicht ausgebildet. Bei Das. 
novemcinctus dagegen sind Haupt- und Furchungsschuppen deut- 
lich voneinander geschieden und von einer dicken Hornschuppe 
bedeckt. Die vier erwiaihnten Haare liegen jedesmal in der Haupt- 
schuppe, wogegen die Furchungsschuppen niemals Haare aufzu- 
weisen haben. Doch auch hier tritt wieder der Uuterschied in 
der Entwickelung der Haare klar zu Tage: die Haare des Das. 
novemcinctus sind erheblich kleiner, sie sind rudimentar. 

Die Entwickelung der Schuppen, sowie den Beginn der Ver- 
knécherung und das Verhalten der Haare bei derselben konnte 
ich leider nicht weiter verfolgen, da mir die hierzu noétigen Alteren 
Stadien von Das. villosus fehlten. Schnitte durch einen 2 cm 
langeren Embryo ergaben keine Resultate, da die Entwickelung 
der Schuppen und Haare nicht weiter vorgeschritten war. 


IV. Kritischer Teil. 


Durch meine vorstehenden und die friiheren Untersuchungen 
alterer Autoren scheint mir ein ausreichendes Thatsachenmaterial 
geliefert worden zu sein, um darauf eine Erklarung von der mor- 
phologischen und phylogenetischen Bedeutung des Giirteltierpanzers 
zu begriinden. 

Fir den wichtigsten Befund halte ich die embryonal ange- 
legten Haare des Dasypus novemcinctus, die schon allein gentigen, 
uns eine richtige Vorstellung von den Vorfahren der Giirteltiere 
zu geben, da wir gezwungen sind, uns dieselben als echte 
Sdugetiere mit dichtem Haarkleid und wohlent- 
wickelten SchweifSdrisen vorzustellen. Doch diese 
letzte Frage soll in einem spiteren Teil erst dann ausfiihrlich 
behandelt werden, wenn wir unsere Ansicht iiber die morpho- 
logische Bedeutung der Schuppen auf Grund der vorliegenden Unter- 
suchungen geaufert haben. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 535 


1. Die morphologische Bedeutung der Schuppen. 


Bei der Beantwortung dieser Frage muf ich mich an M. 
WeseER anlehnen und sie fiir die Schuppen der Giirteltiere ebenso 
beantworten, wie WEBER sie fiir die Schuppen der Manidae beant- 
wortet hat, denen er die morphologische Bedeutung einer Schuppe 
im Sinne der Schuppen der Reptilien beilegt. Ich verstehe hier- 
unter mit WEBER eine Papille der Lederhaut, die sich tiber das 
Niveau der Haut erhebt und von einer Epidermis tberzogen ist, 
welche die spitere Hornschuppe entstehen lift. Zwischen den 
Schuppen der Reptilien und Giirteltiere besteht aber ein grof8er 
Unterschied in der Gestalt und Form der Schuppen. Bei den 
ersteren sind die Papillen verhaltnismafig klein und etwa einem 
gleichschenkligen Dreieck zu vergleichen, welches nur mit der 
Basis aufgewachsen ist, mit dem weitaus gréBeren Teil aber frei 
nach hinten ragt. Bei Dasypus dagegen stellt ein jeder, den 
Kérper halbkreisférmig umziehende Giirtel gewissermafen eine 
einzige groBe Papille dar, die zum weitaus gréSten Teil festge- 
wachsen ist und nur mit der duSersten Spitze iiber den nachst- 
folgenden Giirtel hinwegragt. Uber diese groBe Papille zieht die 
Epidermis gleichmaBig hinweg und entwickelt die harte, hornige 
Substanz. Der Unterschied zwischen den Schuppen der Reptilien 
und der Dasypodidae besteht also vor allem darin, da8 bei letz- 
teren nicht fiir jedeSchuppe eine besondere Papille erhalten bleibt, 
sondern daf alle Schuppen eines Giirtels einer einzigen, durch 
Verschmelzung entstandenen Papille aufsitzen. AuSerdem aber 
unterscheiden sich von solchen Reptilienschuppen die Schuppen 
der Edentaten noch dadurch, daf der Horniiberzug seinem histolo- 
gischen Wesen nach bei beiden verschieden ist, und dafi derselbe 
bei den Reptilien nur voriibergehender Natur ist und periodisch 
durch die Hautung abgeworfen wird, wahrend er bei den Schuppen- 
und Giirteltieren ein bleibendes Gebilde darstellt. Man kann die 
Schuppen der Reptilien and Giirteltiere dennoch immerhin als homo- 
loge Gebilde ansehen, insofern als sie sich in gleicher Weise 
entwickeln, muf sich aber wohl hiiten, letztere, so wie sie vor 
uns liegen, direkt auf Reptilienschuppen zuriickfiihren zu wollen 
und als etwas von denselben Ererbtes anzusehen. Denn wir haben 
oben schon ausdriicklich erwahnt, da’ die Dasypodidae von be- 
haarten Sdugetieren abstammen. Nur das Vermégen der Giirtel- 
tierhaut, solche Papillen und Schuppen zu entwickeln, ist das von 


536 F. Romer, 


den Reptilien Ererbte'). Solchergestalt ist unsere Meinung tiber 
die morphologische Bedeutung der Schuppen der Giirteltiere in 
Ubereinstimmung mit Wesrr’s Erklirung beziiglich der morpholo- 
gischen Bedeutung der Schuppen der Manidae. Ehe man jedoch 
hierauf weitere Schliisse auf die Abstammung und Verwandtschaft 
der beiden Gruppen griindet, wird es besser sein, zunachst die 
Ansichten, welche die friiheren Autoren tiber das Integument der 
Giirteltiere geéuSert haben, einer kritischen Betrachtung zu unter- 
werfen. 


2. Die Ansichten friiherer Autoren. 


Die Arbeiten, welche bisher tiber das Integument der Giirtel- 
tiere erschienen sind, beschranken sich im grofen und ganzen auf 
auBere Beschreibungen, was jedoch nicht wunderbar erscheinen 
wird, wenn man bedenkt, daf die Arbeiten zum Teil in einer Zeit 
erschienen sind, als der Begriff der Zelle noch kaum begriindet 
war und die optischen Hilfsmittel auch noch auf einer unvyoll- 
kommenen Stufe standen. Trotzdem haben sich auf diese Unter- 
suchungen mannigfache Ansichten und Vorstellungen aufgebaut, 
die vielfach Anlaf zu voreiligen Verkniipfungen gegeben haben. 

Abgesehen von Rupotput (1), der erkannt hat, daf der Pan- 
zer der Giirteltiere aus Knochen besteht, hat wohl Heusincer (2) 
das Verdienst, sich zuerst eingehender mit den Schuppen in den 
verschiedenen Gruppen der Siugetiere befaft zu haben. Die 
gréberen Verhiiltnisse beurteilt er sehr gut, dagegen fehlen histolo- 
gische Einzelheiten noch vollkommen. Das Grundprinzip _,,die 
Schuppen der Reptilien sind Cutispapillen“ ist von HEUSINGER 
zuerst aufgestellt und ausgefiihrt worden. Seine Auffassung der 
Schuppen am Schwanze verschiedener Sauger (Biber, Ratte), aus 
denen er als reine Epidermoidalgebilde die wahren Schuppen und 
Giirtel allmahlich hervorgehen lassen will, ist aber irrtiimlich. Er 
denkt sich namlich den Biberschwanz durch eine grofe Anzahl 
epidermoidaler Einsenkungen in sechseckige Hautstiickchen zer- 
legt, die sich allmahlich immer tiefer einsenken und dadurch zur 
Entwickelung der wahren Schuppen und Giirtel fiihren. Die wahre 


1) Hierbei ist natiirlich nicht an die heutigen Reptilien zu 
denken, die ja genetisch iiberhaupt nichts mit den Saugetieren zu 
thun haben, sondern an lingst ausgestorbene Proreptilien, die als die 
gemeinsamen Vorfahren der heutigen Reptilien und Siugetiere ange- 
sehen werden. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 537 


Ursache fiir die Beschuppung des Biberschwanzes hat er aber 
nicht erkannt; dieselbe liegt nimlich tiefer. Denn wie WEBER (22) 
in seinen Untersuchungen an einem jungen Castor canadensis deut- 
lich bewiesen hat, hat auch hier eine papillire Erhebung der Cutis 
stattgefunden, und es liegt eine jede sog. Schwanzschuppe auf einer 
riesigen Lederhautpapille. Noch eigentiimlicher ist Heusincer’s 
Ansicht tiber die Entstehung des ganzen Panzers der Giirteltiere, 
obschon dessen knécherne Natur bereits von DAauBEeNTON (p. 517) 
durch einen Verbrennungsprozef festgestellt und von RupOLPHI 
in die Litteratur eingefiihrt worden war. HerusincEr erklart den- 
selben, ohne jemals selbst Untersuchungen dariiber angestellt zu 
haben, fiir ,dem Horngewebe angehorige Absonderungen der 
Lederhaut“. 

Fiir immer beseitigt wurden diese irrtiimlichen Ansichten von 
vy. Rapp (5) in seinen grundlegenden anatomischen Untersuchungen 
iiber die Edentaten. Nach Rapp besteht der Panzer der Giirtel- 
tiere aus zwei Schichten, der verknécherten Lederhaut und den 
dariiberliegenden hornartigen Epidermoidalschuppen. Waren so- 
mit die gréberen Verhialtnisse erst richtig erkannt, so konnte man 
auch an eine Untersuchung der histologischen Einzelheiten heran- 
treten. Die ersten Mitteilungen dariiber verdanken wir H. Meyer (6), 
die fiir alle spateren Zeiten ma8gebend geworden sind und deren 
Exaktheit man um so mehr bewundern muf, wenn man bedenkt, 
da8 Meyer zu seinen Untersuchungen, wie er selbst angiebt, 
»stiicke von trocken aufbewahrter Haut des Das. novemcinctus* 
benutzte. 

Die Zusammensetzung des Panzers aus Knochenplattchen, die 
sich an Schulter und Hiifte zu einem festen Panzer, am Riicken 
zu gegeneinander beweglichen Giirteln anordnen, hat Meyer zu- 
erst beschrieben. Der Anordnung derselben entsprechen die durch 
regelmigige Umwandlung der Epidermis entstandenen Hornschuppen. 
Dieselben lift er jedoch nicht direkt mit den Knochentafeln in 
Verbindung treten, sondern unterscheidet iiber den letzteren noch 
eine besondere Schicht der Cutis). Diese Frage, ob die Schuppen 
den Knochentafeln direkt aufliegen (Leypia), oder ob sich zwischen 


1) Er behauptet sogar, dafs die Kmnochenplittchen yon allen 
Seiten von der Substanz der Cutis umgeben seien, und teilt die Cutis 
demnach in drei Schichten, als erste Schicht: die Lederhaut iiber den 
Knochenplattchen, als zweite Schicht: die Knochenplittchen, und als 
dritte: die Lederhaut unter den Knochenplittchen. Diese Ansicht ist 
spiterhin yon Lrypie widerlegt worden. 


538 F. Romer, 


dieselben noch eine besondere Schicht der Cutis (MEyER) oder 
ein MAupicui’sches Netz (v. Rapp) einschiebe, hat in der spateren 
Litteratur manchen Staub aufgewirbelt, und auch heute sind die 
Akten dariiber noch nicht geschlossen. Krrsert (18), der, so- 
weit mir bekannt geworden, sich zuletzt mit der Frage beschaftigt 
hat, mufte dieselbe wegen der Unzulinglichkeit seines Materials 
offen lassen und auch mir ist es leider nicht méglich, dieselbe 
definitiv aus der Welt zu schaffen, denn auch bei meinem Embryo 
war es noch nicht zur vélligen Verknécherung der Papille ge- 
kommen. Immerhin méchte ich mich aber an Lrypie, der die 
Schuppen den Knochentafeln direkt aufliegen la8t, anschliefen. 

Mryer war auch der Erste, der seine Untersuchungen auf 
die Haare des Dasypus ausdehnte. So fand er die Lécher fiir 
die Haarsicke in den Knochenplattchen an derjenigen Stelle, an 
welcher die Linien zwischen je zwei Furchungsschuppen an den 
Rand der Hauptschuppe stofen, und diese Locher fand ich eben- 
falls, wenn auch nicht allgemein, an einem ausgestopften Dasypus 
novemcinctus der hiesigen zoologischen Sammlung. Man _ sieht 
also, daf ein kleiner Bezirk der Cutispapille rings um die Haare 
unverknéchert bleibt. Manchmal jedoch sind die Knochenplattchen 
fest miteinander verwachsen, so daf von dem urspriinglichen Stand- 
ort der Haare nichts mehr zu sehen ist. Daf dieselben bereits 
beim Eintritt der Verknécherung verdrangt und riickgebildet werden 
kénnen, hat ja die Untersuchung bewiesen (Fig. 15). Entsprechend 
den Léchern der Knochenplattchen finden sich auch auf den Horn- 
schuppen, dort, wo Haupt- und Furchungsschuppen aneinander 
stoen, feine Poren, die Durchtrittsstellen der Haare. Jedoch ist 
die Zahl derselben bedeutend geringer als die Zahl der Locher in 
den Knochenplittchen, so daS nicht fiir jedes der letzteren eine 
Offnung zwischen der Hornschuppe vorhanden ist. Die Haare, die 
ja ohnehin sehr kurz, hell und marklos sind, treten nur sehr 
selten, worauf Mryer bereits hinwies, iiber die Oberflaiche der 
Haut heraus und auch dann nur in der friihesten Jugend. Sonder- 
barerweise erwahnt Mryrer die unter dem hinteren Rande der 
Schuppen stehenden Haare mit keinem Wort; unzweifelhaft ist 
aber anzunehmen, daf ihm dieselben bekannt gewesen sind, da 
sie immerhin leichter zu finden sind, als die feinen Offnungen in 
den Knochenplattchen. Er scheint hierauf aber keinen besonderen 
Wert gelegt zu haben. 

Diese Untersuchungen Mryer’s fanden dann ihre Bestatigungen 
und Erganzungen durch den unermiidlichen Forscher Leypie (10), 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 539 


der in seinen Arbeiten iiber die Bedeckungen der Sdaugetiere be- 
sonders zur Lisung der Frage nach der Bedeutung der Schuppen 
beigetragen hat. Wie oben bereits erwahnt, la8t Leypic die 
Hornschuppe der Papille unmittelbar aufliegen, eine Ansicht, der 
wir uns anschliefen méchten‘). 

Ebenso méchten wir uns beziiglich der Bedeutung der Schuppe 
an denselben Autor anschliefen, der die Schuppen vom histologi- 
schen Gesichtspunkte aus mit den Nageln vergleicht, dabei aber 
betont, da die Schuppen darin gleichen, daf die Lederhaut fiir 
jede Schuppe eine kolossale Papille bildet. Physiologisch schreibt 
Leypic der Papille die Bedeutung eines Ernahrungsorganes der 
Epidermis zu, welches die Gefaife in dieselbe hineinfihrt und da- 
durch eine raschere und allseitigere Durchsickerung der ernahren- 
den Fliissigkeit erméglicht, die bei einer gewissen Dicke der 
Epidermis nur langsamer in die vielen Zellen eindringen kénnte, 
wenn sie yon der durchweg ebenen Lederhaut besorgt wird. Daher 
richtet sich auch die Starke des Papillenkérpers nach der Dicke 
der dariiber liegenden Epidermis, da die Ernahrung eines dicken 
Oberhautgebildes es notwendig macht, daf in ihrer Substanz viele 
Ernahrungsherde — und das sind die gefaSfithrenden Papillen — 
zugegen sind. 

Da Leypia das Vorhandensein von SchweiSdriisen bei Dasypus 
novemcinctus in Abrede stellt und nur ,,die machtigen Talgdriisen 
an den vereinzelt stehenden Haaren‘: beschreibt, so ist zu ver- 
muten, dafi Leypic, da seine Embryonen noch nicht so weit ent- 
wickelt waren, um die Schweifdriisen als solche zu erkennen, die 
ersten Anlagen derselben fiir Talgdriisen gehalten hat. 

Die Kenntnisse yon dem Integument der Giirteltiere wurden 
dann noch erweitert von Kersert (19), der Untersuchungen tiber 
die Entwickelung desselben an zwei allerdings gleichalterigen Em- 
bryonen von Dasypus novemcinctus angestellt hat. 

Was zuniichst das AufSere seiner Embryonen betrifft, so scheint 
KerRBERT tibersehen zu haben, daS es auch Girteltiere mit weniger 
als neun Giirteln giebt. Denn er deutet zwei hintere seitliche Falten 
seines Embryos als ,noch nicht vollkommen ausgebildete Giirtel', 
wozu jedoch zu bemerken ist, dafi diese Falten zeitlebens erhalten 
bleiben und niemals in der Mitte zu einem vollkommenen Giirtel 
zusammenwachsen. An einem erwachsenen Giirteltier, mag es 
nun neun, acht oder gar nur sieben Giirtel haben, ist der letzte 


1) Vergl. S. 537, 


540 F. Romer, 


Giirtel stets nur durch zwei seitliche Falten angedeutet und in 
der Mitte mit dem Hiiftpanzer verwachsen. Auch sind die Schuppen 
in der Mitte des letzten Giirtels bereits viel runder als an den 
Seiten und ahneln mehr den Schuppen des Hiiftpanzers. Hier sind 
ja die Giirtel, die doch nur eine seitliche Bewegung der Wirbel- 
siiule erméglichen sollen, tiberfliissig, da eine Bewegung des Beckens 
ausgeschlossen ist. 

In Bezug auf die histologische Struktur der Haut des aus- 
gewachsenen Tieres schlieSt Kerpert sich im wesentlichen an 
Meyer und LeypiG an und erwahnt nur noch, daf auch am hin- 
teren freien Rande der Hornschuppen an den Giirteln deutliche 
Haare hervortreten. Seiner Beschreibung der histologischen © 
Struktur der Epidermis und Cutis, die er noch durch eine gute 
Abbildung eines Giirtelschnittes erlaiutert hat, muf ich im allge- 
meinen beistimmen und finde sie auch durch meine Schnitte be- 
statigt. Jedoch iiber die Auffassung der glatten, kernlosen Zellen 
in der obersten Schicht der Epidermis scheint er anderer Ansicht 
gewesen zu sein. Er erblickt in diesen Zellen, ,,welche sich leicht 
ablésen und an einigen Stellen gar nicht mehr vorhanden sind“, 
den Rest einer Epitrichialschicht und zeichnet dieselbe in seiner 
Abbildung als ununterbrochene, die Epidermis gleichmafig tiber- 
ziehende Schicht, an der man an einigen Stellen noch deutliche 
Kerne wahrnehmen kann. Wahrend wir also in Ubereinstimmung 
mit WEBER (22) in diesen glatten, kernlosen Zellen, die sich immer 
nur in der Mitte der Cutispapille gezeigt haben, die Anlage einer 
Schuppe, also den ersten Anfang einer Bedeckung zu sehen glau- 
ben, deutet Kersert dieselbe als Rudiment einer Epitrichialschicht, 
also als Rest einer im friihesten Embryonalleben vorhanden ge- 
wesenen Bedeckung, die an einigen Stellen bereits nicht mehr vor- 
handen ist. Er bezieht sich dabei auf Wrecker (11), der ebenfalls 
ein Epitrichium bei Dasypus novemcinctus nachgewiesen haben 
soll. WerELcKER jedoch erblickt nur in den von uns als verhornte 
Plattchen bezeichneten Zellen ,eine dem Epitrichium analoge Bil- 
dung“ und sagt ausdriicklich, ,,daf’ ein Epitrichium bei Dasypus 
novemcinctus nicht vorkommt“. Auch kénnte das Epitrichium in 
diesem Stadium, wo die Haare bereits tiber die Haut hervor- 
gebrochen sind, der Epidermis nicht so fest anliegen, wie es auf 
Kersert’s Abbildung den Anschein hat, es hatte dasselbe ja be- 
reits von den die Haut durchbrechenden Haaren in die Hohe ge- 
hoben werden miissen. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 541 


Beziiglich der Haare ist Kerpert der Ansicht, daf sich die- 
selben zuerst an den Giirteln und erst spiter an dem Panzer 
entwickeln. Ich habe aber einen Unterschied in der GroéSe oder 
der zeitlichen Entwickelung der Haare nicht finden kénnen, denn 
wie die Fig. 7 und 10 beweisen, sind dieselben am Giirtel und 
Schulterpanzer desselben Embryos gleich weit entwickelt. In den 
Talgdriisen hat KeERBeRT sich ebenso wie Leypia@ geirrt. Er be- 
zeichnet in seiner Abbildung eine lange einseitige Driise, welche 
auf der der Papillenspitze zugekehrten Seite des Haares liegt und 
demselben an Lange fast gleichkommt, als Talgdriise. Wie wir 
aber oben gesehen haben (Fig. 15), kann es nur eine Schweildriise 
sein, denn es finden sich ja aufer derselben noch beide, vollstin- 
dig ausgebildete Talgdriisen. Krrperr scheint keine Schnittserien 
angefertigt zu haben, er hatte sonst auf den weiteren Schnitten 
die Talgdriisen finden miissen. Denn nach dem Eintritt der Ver- 
knécherung zu urteilen, entspricht sein Schnitt einem Embryo von 
12—13 cm Lange; es werden also bei demselben die Talgdriisen 
schon vorhanden gewesen sein. Altere Embryonen, bei denen die 
Verknécherung schon weiter vorgeschritten war, hat KERBERT 
auch nicht zur Verfigung gehabt, weshalb er auch, wie an anderer 
Stelle bereits erwihnt wurde, die Frage, ob die Schuppen den 
Knochenplattchen unmittelbar aufliegen oder nicht, unbeantwortet 


lassen mubte. 
Aus dem ersten Auftreten der Verknécherung in der Cutis- 


papille schlieBt KerBperr jedoch mit Recht, daf die Bildung der 
Hautknochen und somit des Panzers der Giirteltiere in derselben 
Weise vor sich geht, wie bei der sog. sekundaéren Knochenbildung. 

Am Schlusse seiner Arbeit macht Kerperr dann noch einen 
wenig gliicklichen Versuch, die schuppenartigen Hautbedeckungen 
in der Reihe der Saugetiere (Dasypus, Schwanz von Castor u.s. w.) 
mit den Haaren und Federn zu homologisieren. Er nimmt dabei 
mit GOrrr, REISSNER, STUDER u. a. an, da die erste Anlage des 
Haares beim Menschen und allen iibrigen Saiugetieren nicht eine 
Einsenkung des Rete Malpighii in die Cutis sei, sondern, wie bei 
den Schuppen und Federn, eine Erhebung der Cutis in die Kpi- 
dermis, also eine wahre Papille. Denn wahrend diese Papillen bei 
den meisten Saugetieren durch die wuchernde Schleimschicht in 
die Tiefe der Cutis gedrangt wiirden, um hier Haare zu bilden, 
so bildeten sie sich am Schwanz von Castor und beim Dasypus 
zu schuppenartigen Gebilden aus, auf dieselbe Weise, wie dies bei 
den Reptilien stattfindet. Es ist dies jedoch eine Auffassung, die 


542 F. Romer, 


ich nicht mit KerBrrt teilen kann. Schuppen und Federn sind 
homologe Gebilde und entstehen beide aus einer papillaren Er- 
hebung der Cutis, die Haare aber haben mit denSchuppen 
als solchen nichts zu thun. Die erste Anlage der Haare 
ist doch wohl ebenso wie die der Zahne (soweit sie sich als 
Schutzgebilde in der Haut entwickeln z. B. bei den Selachiern) 
auf eine EKinsenkung der Epidermis in die Cutis zuriickzufibren, 
zu welcher die Cutispapille erst sekundair zum Zweck der besseren 
Ernahrung und Befestigung hinzugetreten ist. Fir eine solche 
Erklarung fiir die Entstehung der Haare aus einer Kinsenkung 
der Epidermis in die Cutis spricht auch die reihenfoérmige Anord- 
nung der Haare, wie sie ja bei allen Sdugern mehr oder weniger 
deutlich ausgepragt ist. 

Wenn auch noch grofes Dunkel herrscht beziiglich der Form 
und des Baues der Haare bei ihrem ersten phylogenetischen Auf- 
treten, so mu man doch wohl mit W. Haaxke (25) annehmen, da8 
das Haarkleid von Reptilien ahnlichen?) Vorfahren erworben wurde 
in einer Zeit, wo das Klima eine durch kalte Winter und kihle 
Sommer bedingte, erhebliche und schnell zunehmende Abkihlung 
erfuhr. Einem solchen Klima konnten nur Tiere mit einem schlecht 
wirmeleitenden und deshalb warmhaltenden MHaarkleid, dessen 
Entstehung durch Naturziichtung wahrscheinlich mit der Er- 
warmung des Blutes Hand in Hand ging, erfolgreich trotzen. Da 
man sich nun nicht denken kann, dafi erst nach einem Schwund 
des Schuppenkleides der erste Schritt zur Entwickelung eines 
Haarkleides gethan wurde, ist man zu der Annahme gezwungen, 
da die Entstehung der Haare mit dem Schwund der Schuppen 
gleichzeitig stattfand, und daf die Haare bereits auftraten, als die 
Schuppen noch vorhanden waren. Die Haare konnten natiirlich 
die harten und festen Schuppen nicht durchbrechen, sondern 
konnten sich nur zwischen denselben bezw. unter dem _hinteren 
freien Rand derselben entwickeln. Zwischen den Schuppen, die 
durch eine papilliire Erhebung der Cutis entstanden sind, konnte 
nicht noch eine zweite papillare Erhebung der Cutis stattfinden, 
und es konnten die Haare nur aus einer Einsenkung der Epidermis, 
wie sie ja stets zwischen zwei Schuppen zu finden ist, hervorgehen. 
Auf Querschnitten durch ein beliebiges Stiickchen Reptilienhaut 
sieht man namlich zwischen den Schuppen stets eine Kinsenkung 
der Epidermis, ahnlich derjenigen der Haaranlage, deren Seiten 


1) Vergl. S. 536 Anmerkung. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 543 


um so naher aneinander liegen, je dichter die Schuppen zusammen- 
stehen. In dieser Epidermiseinsenkung erblicke ich den Ort fiir 
die Entstehung der Haare, aus welcher die Heare durch eine Ver- 
hornung der Epithelzellen hervorgegangen sind. Somit waren 
die Schuppen das Bedingende und regelten die An- 
ordnung der Haare. Freilich hat es auch nicht gefehlt an 
Autoren, welche die wirtelférmige Stellung der Haare als das 
primire ansehen, die die Form der Schuppen bedingt haben soll! 

Wenn auch hiermit die mir bekannt gewordenen Arbeiten tiber 
das Integument der Giirteltiere erschépft sind, so méchte ich doch 
noch auf die Arbeit WrBrr’s (22) iiber das Genus Manis, welche 
ich bereits im Vorhergehenden des 6fteren anfiihren mute, etwas 
niher eingehen, zumal ich auch dieser Arbeit die Anregung zur 
Behandlung des vorliegenden 'Themas verdanke. 

WeseER hat durch seine Untersuchungen an einer Reihe von 
Embryonen eine genaue, bis ins einzelne gehende Beschreibung 
von der Entwickelung des Integuments der Manidae geliefert, mit 
welcher meine Resultate beziiglich der Entwickelung der Haut 
der Dasypodidae vollkommen tibereinstimmen. Die Schuppen von 
Manis und Dasypus sind Hornbildungen der Epidermis, die sich 
auf abgeflachten, das Niveau der Haut iiberragenden Papillen der 
Cutis bilden. In der Entwickelung sowie in der histologischen 
Struktur derselben ist kein Unterschied vorhanden. Bei beiden be- 
steht die Epidermis in ihrer tiefsten Lage aus schénen Cylinderzellen 
mit langlichen Kernen, deren Langsachse senkrecht zur Oberflaiche 
des Kérpers steht. Dariiber lagern Zellen von kubischer oder un- 
deutlich polygonaler Gestalt mit runden Kernen. Allmahlich 
gehen diese in abgeflachte Zellen mit immer undeutlicher wer- 
denden Kernen iiber, denen sich nach aufen diinne, verhornte 
Plattchen ohne jegliche Spur von Kernen anschlieSfen. Diese Ver- 
hornung tritt bei beiden Tieren gemeinsam in der Mitte der Pa- 
pille auf und dehnt sich dann allmahlich nach beiden Seiten hin 
aus. Die Schuppen legen sich also bei Manis nnd Dasypus in 
gleicher Weise an. In der spateren Entwickelung tritt dann aber 
ein erheblicher Unterschied ein, indem bei Manis die Schuppen 
bedeutend linger und breiter werden und an drei Seiten zum 
weitaus gréferen Teil voéllig frei bleiben. Bei Dasypus aber stofen 
die Schuppen mit ihren Seiten hart aneinander, so daf nur der 
hintere Rand frei bleibt. Dieser Unterschied ist zuriickzufiihren 
auf die Verschiedenartigkeit der Cutispapillen. Letztere sind nam- 
lich bei Manis von vornherein linger und iiberragen die nachst- 


544 F. Romer, 


folgenden um eine bedeutendes Stiick, wahrend diejenigen des Dasy- 
pus an Linge zuriickstehen und nur mit der aufersten Spitze 
sich tiber die nachstfolgenden dachziegelartig heriiberlegen. So- 
dann bleibt bei Manis die urspriingliche Form der Papille zeit- 
lebens erhalten; bei Dasypus dagegen lagern sich die Papillen fest 
aneinander und verschmelzen beim Eintritt der Verknécherung 
mit den benachbarten zu einem einheitlichen Giirtel, der dann 
gewissermagen eine einzige den Kérper halbkreisformig umgebende 
Papille darstellt. Es ist dies aber nur ein geringer Unterschied, 
der sich biologisch leicht erklaren lat und auf den verschiedenen 
Grad der Anpassung zuriickzufitihren ist. Beide Tiere waren ur- 
spriinglich mit einem Schuppenkleid bedeckt, das einem gemein- 
schaftlichen Boden entstammt, wie noch heute die gleichartige 
Anlage desselben zeigt. Dann aber haben sich die Schuppen in 
spezifischer Weise fortgebildet: bei Manis blieb die Schuppen- 
natur mehr oder weniger in ihrer urspriinglichen Form erhalten, 
bei Dasypus dagegen geniigte fiir die angenommene unterirdische, 
erabende Lebensweise ein einfaches Schuppenkleid nicht mehr, 
es trat eine sekundéire Verknécherung der Cutis ein, die zur Aus- 
bildung eines festen Hautpanzers fiihrte. Dieser Neugestaltung 
mute sich natiirlich auch die Schuppe fiigen und eine dement- 
sprechende Form annehmen. Trotzdem aber sind beide Schuppen 
homologe Gebilde, deren morphologische Bedeutung bereits oben 
(S. 535) ausfiihrlich besprochen wurde. 

Als erheblicherer Unterschied in dem Integument des Manis 
und Dasypus sind die Haare zu erwahnen. In der Jugend 
stehen bei Manis ebenfalls am Aufenrande jeder Schuppe ein 
bis vier Borsten, die aber im spiteren Leben ebenso wie bei 
Dasypus abgerieben werden und verschwinden. Jedoch ist die 
Entwickelung derselben eine auffallend spite. Wrprr fand die- 
selben bei einem Embryo von 30 cm Lange nur erst in Gestalt 
eines in die Lederhaut eindringenden Epithelzapfens. Sodann 
fehlen allen Haaren mit Ausnahme der Tast- und Analhaare die 
Talgdriisen. Werper schlieft aus diesen beiden Erscheinungen, 
,daB das ganze Haarkleid der Manidae, das wohl stets ein diirftiges 
gewesen sei, eine Riickbildung erlitten habe“. Die Riickbildung 
des Haarkleides ist jedenfalls eingetreten und zeigt sich zunachst 
darin, daf die Talgdriisen nicht mehr zur Entwickelung kamen, 
und in dem spéten Auftreten der Haare. Jedoch ist nicht einzu- 
sehen, weshalb das Haarkleid der Manidae stets ein diirftiges ge- 
wesen sein soll. Bei Dasypus sind nicht nur am hinteren Rande 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 545 


der Schuppe wie bei Manis, sondern auch noch zwischen den 
Schuppen zahlreiche Haare vorhanden oder werden wenigstens an- 
gelegt. Es ist nun wahrscheinlich, da8 auch bei den Manidae, die 
wir uns doch wohl ebenso wie die Dasypodidae aus Saugetieren 
mit echtem Haarkleid entstanden denken miissen, in fritherer Zeit, 
als sich die Schuppenbedeckung beider Tiere noch nicht in so 
spezifischer Weise fortentwickelt hatte, zwischen den Schuppen 
zahlreiche Haare gestanden haben. Die Entstehung der fiir die 
kleinen Schuppentiere auffallend grofen Schuppen kann man sich 
wohl erklaren aus einer Verschmelzung mehrerer kleiner Schuppen, 
ebenso wie bei den Dasypodidae samtliche Schuppen zu einem 
grofen Giirtel verschmelzen. Mit der Verschmelzung jedoch mute 
eine Riickbildung der Haare Hand in Hand gehen, denn unter den 
groBen und dicken Schuppen konnten die Haare nicht mehr zum 
Durchbruch gelangen; sie werden sich noch eine Zeitlang angelegt 
haben, sind dann aber mehr und mehr rickgebildet worden und 
allmahlich ganzlich verschwunden, so daf sie heute nur noch am 
hinteren freien Rande der Schuppe zum Vorschein kommen. Bei 
Dasypus konnten sich die Haare zwischen den Schuppen noch so 
lange erhalten, weil hier die Schuppen mit ihren Seiten nur an- 
einander stofen, aber nicht iibereinander liegen. Bei Manis jedoch 
greift eine jede Schuppe mit ihren beiden Seiten weit tiber die 
benachbarte. Die Haare hatten also hier, wenn sie noch an die 
Oberfliche gelangen wollten, eine Krimmung machen miissen und 
wiirden dann eine seitliche Richtung eingenommen haben. Mit 
der Entwickelung der groBen Schuppen, die sich dachziegelartig 
iibereinander legen, wurde somit dem Haarkleid der Manidae die 
Entwickelungsméglichkeit abgeschnitten. Die Borsten unter dem 
hinteren Rande der Schuppen dagegen konnten sich trotzdem noch 
weiter entwickeln; denn da ihre Richtung und Stellung mit der 
der Schuppen iibereinstimmte, wurden sie von denselben wenig in 
ihrer Entwickelung gestért. Immerhin ist aber auch hier, da sie 
ja doch bei dem viel besser schiitzenden Schuppenkleid tberfliissig 
geworden sind, eine allmahliche Riickbildung eingetreten, die sich 
vor allem in dem Schwund der Talgdriisen zeigt. Da8 sich dieselben 
immer noch anlegen, obwohl] sie véllig zwecklos sind und fir den 
Wiarmeschutz sicherlich nicht mehr in Betracht kommen kénnen, 
ist eben nur auf eine ,,konservative Eigenschaft der Haut zuriick- 
zufiihren. Ein ahnliches Beispiel dazu liefern die Wale. Bei die- 
sen Riesensiugern finden sich noch einzelne dicke Borsten, die 


etwa fufweit auseinander stehen und fiir den Warmeschutz keine 
Bd, XXVIII, N. F. XX. 35 


546 F. Romer, 


Bedeutung mehr haben; denn derselbe ist von einer fiir die 
Wassertiere viel praktischeren Fettschicht tibernommen worden. 

Wir sind somit zu dem bereits mehrfach erwahnten Resultat 
gelangt, dafi die schuppenartigen Bedeckungen der Manidae und 
Dasypodidae homologe Gebilde und insofern den Schuppen der 
Reptilien zu vergleichen sind, als sie sich ebenso wie diese auf 
machtigen papillenartigen Erhebungen der Lederhaut anlegen. 
Sie sind jedoch nicht so, wie sie vor uns liegen, als etwas von den 
Reptilien Ererbtes anzusehen, sondern nur das Vermégen der Haut 
der Edentaten, solche Schuppen zu bilden, ist das von den Repti- 
lien Ererbte. Beide Gruppen aber, Manis und Dasypus, 
sind von echten Haartieren abzuleiten und ihre 
jetzige schuppenartige Kérperbedeckung ist als 
eine sekundaire Neuerwerbung aufzufassen, die 
durch Anpassung an die ahnliche, grabende Lebens- 
weise entstanden ist und sich bei beiden Tieren in 
specifischer Weise fortgebildet hat. 

Hierin bin ich anderer Ansicht wie WrsBrEr, welcher die 
Schuppen der Manidae sowie einiger anderer Saugetiere, z. B. am 
Schwanz von Anomaluris, Myrmecophaga, Castor, Mus musculus 
und decumanus, ,,als Reste einer Hautbedeckung‘ auffaBt, ,,die 
wir noch in voller Entwickelung bei den Reptilien, als fiir diese 
Tiere charakteristisch, antreffen“. Ich kann dieser Auffassung 
nicht beistimmen, denn meines Erachtens sind auch dies sekun- 
dare Anpassungserscheinungen, die von echten Haartieren erworben 
wurden, weil ihnen dieselben fiir ihre Lebensweise, z. B. fiir den 
Schwanz als Greif- und Stiitzorgan, vorteilhafter waren als die 
weniger feste Haarbekleidung. Fiir die Schuppen am Schwanz 
des Anomalurus scheint Wreper einer ahnlichen Erklarung nicht 
abhold gewesen zu sein, wenn er die Schuppenbildung am Schwanz 
dieses Tieres, der zum Klettern als ausgiebigste Stiitze gebraucht 
wird, als besonders zweckmafige Einrichtung hinstellt. Er halt 
es aber fiir unwahrscheinlich, da’ dieselben sich ganz neu und 
ohne ererbte Basis entwickelt haben. Die ererbte Basis ist aber 
doch in dem wunderbaren Differenzierungsvermégen der Haut, das 
ja in allen Tiergruppen zu finden ist, gegeben. 

Die anderen von WeBER angefiihrten Schuppen (Castor, Mus 
musculus u. s. w.) méchte ich auf denselben Grund zuriickfiihren, 
mu mich aber einer eingehenden Besprechung enthalten, da ich 
dieselben nicht selbst untersucht habe. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 547 


Immerhin aber berechtigen diese schuppenartigen Bedeckungen 
in der Reihe der Saugetiere, die sich infolge eines von den Repti- 
lien her ererbten Vermégens der Haut entwickeln, also gewisser- 
mafen als ein Riickschlag aufzufassen sind, zu dem Schluf, da8 
eine derartige Bedeckung friiher allgemein gewesen ist und den 
ganzen Koérper, wenigstens die dorsalen Teile desselben, bedeckt 
hat. Hiermit im Einklang steht ja auch die Ableitung der Sauge- 
tiere von Reptilien-ahnlichen Vorfahren. Nur darf man dabei 
nicht vergessen, daf wir hier nicht die Schuppen in ihrer ur- 
spriinglichen Form vor uns haben, sondern eine sekundire 
Schuppe, die sich an echten Haartieren, denn das 
beweisen die embryonalen Haare von Manis und 
Dasypus, von neuem entwickelt hat und auf eine 
Anpassung der Haut an die Lebensweise zurick- 
zufiihren ist. 


VY. Phylogenetischer Teil. 


Nachdem ich im Vorhergehenden, auf Grund eigener Unter- 
suchungen tiber die Entwickelung des Integuments der Giirteltiere 
an einer Reihe von Embryonen, eine kritische Beleuchtung der 
friiheren Arbeiten, sowie der darauf gegriindeten Schliisse gegeben 
habe, ist es wohl angiingig, einige Betrachtungen itiber die phylo- 
genetische Bedeutung des Panzers, sowie tiber die individuelle 
Verschiedenheit desselben innerhalb des Genus Dasypus anzu- 
kniipfen. 


1. Verwandtschaft zwischen Manis und Dasypus. 


Auf die Verwandtschaft von Manis und Dasypus wurde be- 
reits mehrfach hingedeutet. Wie die Entwickelungsgeschichte 
zeigt, stammen beide von echten, typischen Haartieren ab, die 
infolge einer neu angenommenen Lebensweise eine neue Kérper- 
bedeckung erworben haben. Urspriinglich wird sie aus einfachen 
kleinen Schuppen bestanden haben, aus denen divergent, in- 
folge der etwas abweichenden Lebensweise und des mannigfachen 
Differenzierungsvermégens der Haut, die jetzige verschiedenartige 
Bedeckung der Schuppen- und Giirteltiere hervorgegangen ist. 
Beide entstammen also gemeinsamem Boden, haben 
sich aber dann in specifischer Weise fortent- 


wickelt. 
35 * 


548 F, Romer, 


Wir hatten also in den Manidae und Dasypodidae Tiere zu 
erblicken, die sekundar ein den Reptilienahnen ahnliches Schuppen- 
kleid erworben haben. 

Ein ahnliches Verhalten zeigen die Wale. Denn seitdem 
KUKENTHAL (23) bei den Zahnwalen Reste von Hautplatten aufge- 
funden, auf die Bedeutung derselben als Hautpanzer hingewiesen 
und aus den an der Oberlippe vorkommenden Embryonalhaaren 
auf das gleichzeitige Vorhandensein eines friiheren Haarkleides 
geschlossen hatte, unterliegt es keinem Zweifel mehr, daS auch 
die Wale von panzertragenden Vorfahren abzuleiten sind, die als 
echte Haartiere den Panzer sekundir erworben haben, um ihn 
dann spa&ter wieder zu verlieren. 

Wenn nun auch die Schuppentiere durch das spiarliche und 
embryonal sehr spat sich entwickelnde Haarkleid weiter von den 
Vorfahren entfernt zu sein scheinen, als die Giirteltiere, so sind 
sie doch nicht unbedingt als wesentlich alter anzusehen. Denn 
wie ich im vorhergehenden Teil bereits ausfiihrlich dargelegt habe, 
mufte bei den Schuppentieren durch die eigentiimliche, dachziegel- 
artige Lage der Schuppen sehr bald das Haarkleid einer voll- 
stindigen Riickbildung unterliegen, wahrend bei den Giirteltieren 
die Haare nur auf die Begrenzungslinien der aneinanderstoenden 
Schuppen beschrinkt wurden und hier immer noch zum Durch- 
bruch gelangen kénnen. 

Bei den Schuppentieren bildeten sich die Schuppen in spe- 
cifischer Weise weiter und wurden durch Verschmelzung gréfer 
und stirker. Den Giirteltieren aber konnte ein einfaches Schuppen- 
kleid bei der angenommenen unterirdischen Lebensweise nicht ge- 
niigend Schutz gewahren. Denn durch die standige Beriihrung 
mit den harten Gegenstanden hatte der Kérper einen gréferen 
Druck zu ertragen und es bedurfte einer festen Bedeckung, welche 
diesem Druck widerstehen und von den inneren Organen Ver- 
letzungen fernhalten konnte. Eine solche Stiitze wurde geschaffen 
durch eine Verknécherung der Cutis, wie sie ja fiir manche Tiere, 
namentlich fiir die Reptilien, charakteristisch ist. Diese Ver- 
knécherung trat zunachst an vielen Stellen vereinzelt auf und 
fiihrte dann durch Verschmelzung der einzelnen Bezirke an 
Schulter und Hiifte zu einem einheitlichen Panzer, auf dem 
Riicken aber und an den Seiten des Kérpers, wo eine freie Be- 
weglichkeit nicht gehindert werden durfte, zu gegeneinander be- 
weglichen Giirtehn. Der Panzer entstand also durch 
eine sekundaére Verknécherung der Cutis, ist so- 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 549 


mit eine Neuerwerbung durch Anpassung an das 
umgebende Medium. 


2. Anpassungserscheinungen im Skelett der 
Girteltiere. 


Die grabende Lebensweise, auf welche die gewaltige Um- 
iinderung in der Korperbedeckung zuriickzufiihren ist, konnte 
natiirlich nach dem Gesetz von der Korrelation der Organe auch 
auf die iibrigen Skeletteile nicht ohne Einfluf bleiben. Der 
schwere Panzer erforderte eine geeignete Stiitze und dement- 
sprechend sind die Rippen der Giirteltiere erheblich starker und 
breiter geworden, so da8 sie sich fast gegenseitig bertihren. Die 
vorderste Sternalrippe ist mit der entsprechenden Vertebralrippe 
zu einem einheitlichen, breiten Knochenstiick verschmolzen. Auch 
die iibrigen Sternalrippen sind fest verknéchert und artikulieren 
mit den Vertebralrippen und dem bedeutend verstaérkten Brust- 
bein. Die Abanderung hat besonders diejenigen Organe betroffen, 
die von der grabenden Lebensweise in erster Linie in Anspruch 
genommen wurden, die Extremititen. Humerus und Ulna, sowie 
Femur und Tibia weisen grofe Starke auf und sind mit scharfen 
Vorspriingen und Kanten zum Ansatz der kraftigen Grabmuskeln 
reichlich versehen. In der Fossa subscapulatis hat sich eine 
sekundare Crista gebildet. Die Fife sind in der trefflichsten 
Weise an die Grabfunktion angepaBt. 

Wie bekannt besitzen die Giirteltiere eine grofe Geschicklich- 
keit, sich in wenigen Minuten selbst in die festeste Erde einzu- 
graben; ein festgetretener Weg ist ihnen kein Hindernis. Dazu 
bedarf es natiirlich recht scharfer und starker Zehen, und diese 
sind vorne wie hinten vorhanden. Die VorderfiiBe, welche in 
erster Linie die feste Erde aufzuscharren haben, sind besonders 
kraftig und lang, trotzdem aber schmal und spitz. Der finfte 
Finger ist vollstandig verloren gegangen, der erste und vierte 
Finger sind kurz und diinn, der zweite und dritte dagegen um so 
kriftiger. Beide sind mit breiten Krallen versehen, namentlich 
der dritte Finger, dessen gekriimmte Nagelphalanx so lang ist, wie 
die beiden anderen Phalangen zusammen. 

An den hinteren Extremitaéten, denen die Aufgabe zufallt, die 
von den vorderen Extremitaten gelockerten Erdmassen nach riick- 
warts fortzuscharren, sind besonders drei Zehen stark und stehen 
weit auseinander, um eine méglichst breite Schaufel herzustellen. 
Die erste und fiinfte Zehe sind auch hier bedeutend reduziert. 


550 F. Romer, 


Wir sehen also somit, welchen gewaltigen Einflu8 die grabende 
Lebensweise auf das ganze Skelett der Giirteltiere ausgeiibt hat. 


3. Individuelle Verschiedenheiten des Panzers bei 
Dasypus novemcinctus, villosus und setosus. 


Wir hatten unseren bisherigen Betrachtungen hauptsachlich 
Das. novemcinctus, an dessen Embryonen ja auch in erster Linie 
die Untersuchungen iiber die Entwickelung des Panzers angestellt 
wurden, zu Grunde gelegt. Wir natten an demselben die gewaltige, 
auf die grabende Lebensweise zuriickzuftihrende Umanderung im 
Skelett verfolgt und hatten bereits auf die nahe Verwandtschaft 
mit den Schuppentieren trotz der verschiedenartigen Bedeckungen 
hingewiesen. Beide Gruppen sind als Zweige einer gemeinsamen 
Stammform anzusehen. 

Es bleibt uns nun noch iibrig, unter den verschiedenen Ver- 
tretern des Genus Dasypus eine Umschau zu halten und die Ver- 
schiedenheiten in der Bedeckung der einzelnen Species durch phylo- 
genetische Verkniipfungen zu tiberbriicken. Hierbei kommen vor 
allem drei Vertreter des Genus Dasypus in Betracht und zwar 
Das. villosus Desm., Das. setosus Pr. v. Wrep und Das. novem- 
cinctus L. Die iibrigen Species schliefen sich eng an diese drei 
Formen an. Beziiglich derselben la8t sich die Frage aufstellen, 
ob sich die verschiedenen lebenden Giirteltiere bereits alle gleich- 
weit von der urspriinglichen Stammform entfernt haben, oder ob 
sich unter denselben noch Formen finden, welche mehr oder weniger 
zu der gemeinsamen Stammform iiberleiten. In dem dritten Teil 
meiner Arbeit hatte ich bereits auf den erheblichen Unterschied 
in dem Panzer des Das. novemcinctus und villosus hingewiesen. 
Bei einem Embryo des letzteren von 15 cm Lange war es noch 
nicht zur Bildung eigentlicher Hornschuppen gekommen; Haupt- 
und Furchungsschuppen waren als solche noch nicht erkennbar 
und die vier bis fiinf, die letztere zusammensetzenden Schiippchen 
durch Furchen scharf voneinander getrennt (Fig. 18 und 19). 
Zwischen je zwei derselben und zwar dort, wo dieselben an die 
Hauptschuppe stofen, fanden sich wohlentwickelte Haare, die schon 
fast allgemein (Fig. 15) zum Durchbruch gelangt waren, wenn sie 
auch hinter den unter dem hinteren Rande der Schuppe stehen- 
den Haaren an Lange zuriickstanden. Die Verknécherung der 
Cutispapille aber hatte noch nicht begonnen. Bei Das. novem- 
cinctus dagegen waren in einem gleichalterigen Stadium die Horn- 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 5D 


schuppen, sowie Haupt- und Furchungsschuppen bereits vollstindig 
ausgebildet (Fig. 17) und eine Zusammensetzung der letzteren aus 
mehreren kleinen Schiippchen nicht mehr erkennbar. Haare waren 
nur an dem hinteren Rande der Schuppen zum Durchbruch ge- 
kommen und die Verknécherung bereits eingetreten. Da jedoch 
auf Schnitten durch die Giirtel desselben Embryos zwischen den 
Schuppen zahlreiche Haare standen und der Panzer eines er- 
wachsenen Das. novemcinctus nach Entfernung der Hornschuppen 
auf der Begrenzungslinie der Haupt- und Furchungsschuppen an 
einigen Stellen, wenn auch nicht allgemein, noch feine Lécher 
aufwies, welche genau der Lage der Haarfollikel zwischen den 
die Furchungsschuppe zusammensetzenden Schiippchen des Das. 
villosus entsprechen, so ist man genédtigt, auch die Schuppe 
des Das. novemcinctus auf eine Verschmelzung 
zahlreicher kleiner Schiippchen zuriickzufihren. 
Das. villosus 1a8t uns somit die Entstehung der 
eigentimlichen Form der Hornschuppen des Das. 
novemcinctus verstehen und leitet, da es bei ihm 
noch nicht zur Rtickbildung des Haarkleides ge- 
kommen ist, zu der Stammform, als einem echten 
Haartier, iiber. Diese gréfere Entfaltung des Haarkleides 
erhalt sich bei Das. villosus zeitlebens. Im erwachsenen Zustand 
zeigt er am Panzer und an den Giirteln lange Borsten, wahrend 
dieselben bei Das. novemcinctus nur in der ersten Jugend zu 
finden sind und spater sehr bald abgerieben werden und ver- 
schwinden. Embryonal hat jedoch auch hier das Haarkleid noch 
dieselbe Entfaltung (Fig. 10 und 16); viele Haare erleiden aber 
bei der Verknécherung der Cutis eine vollstindige Rickbildung, 
und dementsprechend sind auch an dem Panzer des erwachsenen 
Tieres die einzelnen Knochenplattchen fest miteimander ver- 
schmolzen. Wahrend Dasypus villosus auf einer tie- 
feren Stufe der Entwickelung stehen geblieben ist, 
hat Das. novemcinctus durch Specialisierung seines 
Integuments sich weiter von der Stammform ent- 
- fernt und zeigt uns nur noch embryonal, was bei 
Das. villosus zeitlebens erhalten bleibt. 

Mit der hoheren Ausbildung der grabenden Lebensweise 
ging bei Das. novemcinctus auch eine Verinderung des Skelettes 
Hand in Hand. Das zeigt sich besonders in der Ausbildung 
der Extremititen als Grabbeine. Auch hierin ist Das. villosus 
Ubergangsform, denn der urspriingliche fiinfzehige Typus der 


552 F. Romer, 


FiiBe ist noch erhalten. Die vorderen Extremitaiten sind plump 
und breit, und die einzelnen Zehen zeigen wenig Verschieden- 
heiten; nur die zweite Zehe itibertrifft die anderen an Groéfe nud 
Starke. Von einer besonders kraftigen Entwickelung der Nagel, 
wie sie am Das. novemcinctus konstatiert wurde, ist keine Rede. 

Der dritte Vertreter des Genus Dasypus, Dasypus_ setosus, 
unterscheidet sich von Das. villosus und novemcinctus sowohl durch 
seine KérpergréBe, als auch durch die Gréfe und Machtigkeit 
seiner Schuppen. Der Schulterpanzer setzt sich aus dicken, poly- 
gonalen Schuppen zusammen, wahrend Giirtel und Hiiftpanzer mit 
langlichen, 0,8 cm breiten und 1,2—1,8 cm langen Schuppen be- 
deckt sind. Ihre gréfte Linge erreichen sie auf der Mitte der 
vordersten Giirtel, um nach hinten zu allmahlich kiirzer zu werden, 
so da8 auf dem Hiiftpanzer ihre Langsachse die Breitenachse 
kaum iibertrifft. In ihrer Form unterscheiden sie sich ebenfalls 
von denen des Das. novemcinctus und nahern sich mehr denen 
des Das. villosus, mit denen sie auch noch die Zusammensetzung 
aus einer gréferen, mittleren Hauptschuppe und zahlreichen, diese 
umgebenden, kleinen Schiippchen gemeinsam haben. Sie alle bilden 
zusammen eine groBe Schuppe von der Gestalt eines Rechtecks. 
Die benachbarten Schuppen legen sich jedoch nicht fest aneinander, 
sondern sind durch einen schmalen, etwas hervortretenden Streifen 
runzeliger Haut voneinander getrennt. Der Zahl und Anordnung 
dieser kleinen Schuppen entspricht auch die Zahl und Anordnung 
der Knochenplattchen, jedoch sind sie miteinander zu einem 
gréBeren, der grofen Schuppe entsprechenden Plattchen ver- 
schmolzen. An demselben kann man aber noch deutlich die Um- 
grenzungslinien der kleinen Plattchen erkennen. Ebenso wie zwi- 
schen den Schuppen ist auch zwischen den Knochenplattchen eine 
Schicht knorpeliger Masse eingefiigt, welche eine geringe Be- 
wegung der Giirtel zulast. 

Uber die Haare ist noch hinzuzufiigen, daf bei Das. setosus 
unter dem hinteren Rande jeder Schuppe ein oder zwei steife 
Borsten von 1 bis 2 cm Lange hervorschauen. Zwischen den 
Schuppen aber sind keine Haare vorhanden und zwischen den 
Knochenplattchen auch nichts mehr von ihrem friiheren Standort 
zu sehen. Es ist also bei Das. setosus, bis auf wenige am hinteren 
Rande der Schuppe stehende Haare, eine vollstandige Re- 
duktion des Haarkleides eingetreten. Derselbe hat 
sich somit von der Stammform noch weiter entfernt als Das. 
novemcinctus. Wie weit embryonal die Entwickelung des Haar- 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere. 553 


kleides “geht, konnte ich nicht entscheiden, da mir von Das. seto- 
sus keine Embryonen zur Untersuchung vorlagen. 

In den Extremititen zeigt Das. setosus in sofern Uberein- 
stimmung mit Das. villosus als sich der fiinfzehige Typus auch 
bei ihm noch erhalten hat. Aber die Differenz in der Starke 
und GréBe der einzelnen Zehen ist erheblicher als bei Das. villosus, 
denn die drei mittelsten Zehen sind stark entwickelt und tiber- 
treffen die erste und fiinfte ganz bedeutend. Diese Ubereinstim- 
mung mit Das. villosus in der Zahl der Zehen und der Form der 
Schuppen berechtigen zu einem Schlu8 auf phylogenetische Be- 
ziehungen zwischen Das. villosus und setosus. Das. setosus hat 
sich einerseits von Das. villosus abgezweigt, wie ich dies anderer- 
seits fiir Das. novemcinctus nachgewiesen habe. Das. villosus 
ist die phylogenetisch altere Form, von der Das. 
novemcinctus sich bereits weiter entfernt hat, 
da es bei ihm zur Rickbildung einer Zehe ge- 
kommen ist. 

Fiir die Verschiedenartigkeit in der Beschuppung des Das. 
novemcinctus und setosus, sowie fiir die Zusammensetzung der 
Giirtel aus Knochenplaittchen verschiedener Gestalt méchte ich 
eine mechanische Erklirung in Anspruch nehmen. 

Jeder Giirtel 1af%t sich mit einem Gewdlbe vergleichen, das 
nach dem verschiedenen Grad seiner Kriimmung auch eine ver- 
schiedene Bauart erforderte. Bei Das. setosus sind die Giirtel 
sehr flach und haben nur einen geringen Kriimmungsradius; sie 
sind durch grofe Hautfalten voneinander getrennt und haben 
durchweg eine horizontale Lage. Die Giirtel des Das. novem- 
cinctus verhalten sich wesentlich anders, denn ihre unteren Ran- 
der sind erheblich genahert und iibersteigen damit die Gréfe eines 
Halbkreises bei weitem. Zudem ist die Haut zwischen den ein- 
zelnen Giirteln in tiefe, unter dem oberen Rand der Giirtel lie- 

gende Falten geschlagen, die Giirtel sind dadurch nahe aneinander 
geriickt und schieben sich dachziegelartig tibereinander, so dah 
jeder Giirtel von seinem vorderen bis hinteren Rande eine Stei- 
gung erfahrt. FaSt man beide Rander eines Giirtels als Teile 
eines Kreises auf, so hat der hintere einen gréferen Radius und 
Umfang als der vordere und bedarf demnach zu seinem Bau auch 
einer gréferen Menge Materials. Hierin ist meines Erachtens der 
Hauptgrund fiir die eigentiimliche Form der Schuppen und Kno- 
chenplattchen am Giirtel des Das. novemcinctus zu suchen. Jeder 
Giirtel ist hier in sich verschmolzen und stellt ein einheitliches, 


554. F. Rémer, 


festes Gefiige dar. Wie man nun ein stark gekriimmtes Bogen- 
gewolbe nicht aus gleichmafig viereckigen Backsteinen erbauen 
kann, sondern, um eine méglichst grofe Festigkeit zu erzielen, 
besondere, der jeweiligen Form angepafte Steine dazu verwenden 
muh, so bedurfte es auch zum Aufbau der stark gekriimmten und 
festgefiigten Giirtel des Das. novemcinctus besonders geformter 
Knochenplaittchen und Schuppen. Dieses Bediirfnis wurde erfiillt 
durch die dreieckige Form der Knochenplattchen, deren breite 
Seite am hinteren und héher legendem Rande der Giirtel, welche 
eine gréfere Menge Materials erforderte, gelegen ist. Der am 
vorderen Rande zwischen den Spitzen der Knochenplattchen ent- 
standene kleinen Zwischenraum ist nach dem gleichen Prinzip 
mit umgekehrt liegenden, kleineren Plattchen ausgefiillt. 

Diese der eigentiimlichen Kriimmung der Giirtel angepaBte 
Form der Bausteine — und das sind ja die Knochenplattchen — 
erméglichte eine grofe Festigkeit des ganzen Gebaudes. 

Bei Das. setosus ist die Konstruktion der Giirtel wesentlich 
anders; die Kriimmung ist verhaltnismafig gering, und die Kno- 
chenplattchen eines Giirtels sind nicht miteinander verschmolzen. 
Dementsprechend ist auch die Bauart eine andere. Wie man nun 
zum Bau eines flachen Gewélbes mit geringer Kriimmung  gleich- 
mafig geformte Steine verwenden kann und die durch die Kriim- 
mung bedingten, ungleichen Zwischenriume zwischen den Steinen 
durch eine mehr oder minder gro’e Menge Moértel ausgleicht, so 
sind auch die Giirtel des Das. setotus aus gleichmafig viereckigen 
Knochenplattchen und Schuppen zusammengesetzt und die Zwi- 
schenraumen zwischen denselben durch eine Schicht knorpeliger 
Masse ausgefiillt. Es bleibt dadurch eine Beweglichkeit des ein- 
zelnen Giirtels erhalten, wahrend sie bei Das. novemcinctus, wo 
die Form der Knochenpliattchen der Kriimmung der Giirtel be- 
sonders angepaft ist, fest verschmolzen sind. 

In der Form und der Anordnung der Schuppen zeigt Das. 
setosus groBe Ubereinstimmung mit Das. villosus, mit dem er 
auch, wie oben bereits erwahnt, den fiinfzehigen Typus der Ex- 
tremitaten gemeinsam hat. Wir sind somit berechtigt, 
Das. villosus als altere, Das. setosus als phylo- 
genetisch jingere Form anzusehen. 


Jena, im Mai 1892. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere, 555 


VI. Litteraturzerzeichnis. 


Die im Text hinter den Autorennamen angegebenen Zahlen be- 
ziehen sich auf die Nummern der betreffenden Arbeit im folgenden 
Verzeichnis. 


1. Rupotrni, K. A., Uber Hornbildungen, Abhandlungen der 
Koénig]. Akademie der Wissenschaften in Berlin aus den Jahren 1814 
—15, Berlin, 1818. 

2. Hrustnerr, C. F., System der Histologie. I. Teil: Histo- 
graphie, II. Teil: Bildungs- und Horngewebe. LEisenach, 1822 u. 23. 

3. p Auton, E., Uber fossile Panzerfragmente und die dazu ge- 
horigen Knocheniiberreste von Edentaten. Physikalische Abhand- 
lungen, 1833. 

4, Raruxs, H., Entwickelungsgeschichte der Natter (Coluber 
natrix). Kénigsberg, 1839. 

5. von Rapp, W., Anatomische Untersuchungen iiber die Eden- 
taten. Tiibingen, 1843. 

6. Meyex, H., Uber den Bau der Haut des Giirteltieres. Archiv 
fiir Anatomie und Physiologie von Jon. Mtirer, Berlin, 1848. 

7. — — Uber den Bau der Haut von Dasypus und der 
Stacheln von Raja. Mitteilungen der Naturwissenschaftlichen Gesell- 
schaft in Ziirich, Bd. 1, 1849, Ziirich. 

8. ScoweEnK, Gust., De formatione pennae. Dorpati Livonorum, 
1848. 

9. Rerssner, E., Beitrige zur Kenntnis der Haare des Men- 
schen und der Séugetiere. Breslau, 1854. 

10. Leyvic, Fr., Uber die auferen Bedeckungen der Siugetiere. 
Miier’s Archiv fir Anatomie und Physiologie von 1859, Leipzig, 
1859. 

11. Weucxer, H., Uber die Entwickelung und den Bau der Haut 
und Haare bei Bradypus. Halle, 1864. 

12. Gorrrz, A., Zur Morphologie der Haare. Archiv fiir mikr. 
Anatomie von Max Scuutrzz, Bd. 4, Bonn 1848. 

13. Cartier, O., Vorliufige Mitteilungen iiber den feineren 
Bau der Epidermis bei den Reptilien. Verhandlungen der Physikal.- 
medizinischen Gesellschaft in Wiirzburg, Bd. 3, N. F., Wiirzburg, 
1872. 


556 F. Romer, 


14. Canrrer, O., Studien iiber den feineren Bau der Haut der 
sana Ebendaselbst, 1872. 

15. — — Studien iiber den feineren Bau der Haut der Rep- 
tilien. Ebendaselbst, 1873. 

16. Sruper, Ta., Die Entwickelung der Federn. Inaugural- 
Dissertation, Bern, 1878. 

17. Leypie, FR., Uber die ‘duferen Bedeckungen der Reptilien 
und Amphibien. Archiv fiir mikroskop. Anatomie von M. Scuutrzz, 
Bd. 9, 1878... 

18. — — Uber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. 
Ebendaselbst, Bd. 12, 1876. 

19, KeRBERT, Gs Uber die Haut der Reptilieon und anderer 
Wirbeltiere. Archiv fiir mikroskop. Anatomie, Bd. 13, 1877. 

20. Barrett, A., Beitrige zur Kenntnis des Baues der Reptilien- 
haut. Bend acelbat, Bd. 17, 1880. 

21. von JuErine, H., Uber die Fortpflanzung der Giirteltiere. 
Sitzungsbericht der oniel Akademie der Wissenschaften in Berlin, 
Bd. 48, 1885. 

22. Weper, M., Beitrige zur Anatomie und Entwickelung des 
Genus Manis. Separat-Abdruck aus ,,Zoologische Erlebnisse einer 
Reise in Niederlandisch-Ostindien“, Leiden, 1891, E. F Brill. 

23. KiixenTHaL, W., Uber Reste eines Henteanmae bei Zahn- 
walen. Anatomischer Anieigor 5. Jahrg., 1890, Nr. 8. 

24. Remce, F., Untersuchungen iiber aie Horngebilde der 
Sdugetierhaut. Archiv fir mikroskop. Anatomie, Bd. 30, 1887. 

25. Ktxenruat, W., Uber die Anpassung von Siugetieren an 
das Leben im Wasser. Zoologische Jahrbiicher von Sreneren, Bd. 5, 
Abteilung fiir Systematik. 

26. Haaxe, W., Uber die Entstehung des Siugetiers. Biolog. 
Centralblatt, Bd. 8, Erlangen, 1889. 

27. FLowER, W. H., Einleitung in die Osteologie der Séugetiere. 
Leipzig, 1888. 

28. v. Kéutreer, A., Zur Entwickelungsgeschichte der duferen 
Haut. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 2, 

29. Watpryer, W., Atlas der menschlichen und tierischen Haare. 
Lahr, 1884. 

30. Herrwic, O., Lehrbuch der Entwickelungsgeschichte. 3. Aufl., 
1890. 


Uber Bau u. Entwickelung des Panzers der Giirteltiere, 557 


VII. Figurenerklirung. 


Tafel XXIV— XXvV. 


e = Epidermis, hp = Haarpapille, 

c = Cutis, sp == Schuppe, 

h = Haaranlage, k = Verknécherung. 
s = Schweifdriise, 


Fig. 1. Langsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von 
Das. novemcinctus von 5 cm Linge. In den Papillen die Haar- 
anlagen. 

Fig, 2. Die Mitte desselben Schnittes, stirker vergréfert. 

Fig. 3. Ein Stiickchen desselben Schnittes bei sehr starker 
Vergréferung, um die drei verschiedenen Lagen der Epidermis zu 
zeigen. 

Fig. 4. Eine Haaranlage desselben Schnittes bei starker Ver- 
groferung. 

Fig. 5. Querschnitt durch ein dem Schulterpanzer entnommenes 
Hautstiickchen. 

Fig. 6. Eine Haaranlage des Schulterpanzers stark vergrofert. 

Fig. 7. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers bei 
einem Embryo von 6 cm Linge. Haaranlagen mit den dazu ge- 
hérigen Schweifdriisen. 

Fig. 8. Eine Haar- und Schweifdriisenanlage stark vergrofert. 

Fig. 9. Die Anlage der grofen Borste an der Spitze der Pa- 
pille bei einem Embryo von 6 cm Linge. 

Fig. 10. Dasselbe bei einem Embryo von 7 cm Linge. 

Fig, 11. Langsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von 
Das. novemcinctus von 7 cm Linge. MHaar- und Schweifdriisen- 
anlage. 

Fig. 12. Lingsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von Das. 
villosus von 10 cm Linge. 

Fig. 18. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers des- 
selben Embryos. 


55S F. Rémer, Uber Bau u. Entwickelung des Panzers d. Giirteltiere. 


Fig. 14. Querschnitt durch die Haut des Schulterpanzers eines 
Embryos von Das. noveme. von 12 cm Linge. 

Fig. 15. Liangsschnitt durch die Giirtel eines Embryos von 
Das. novemcinctus von 12 cm Linge. LEintritt der Verknécherung. 

Fig. 16. Ein Stiickchen desselben Stadiums stark vergrdéfert. 

Fig. 17. Die Schuppen eines Embryos von Das. noveme. von 
12 cm Linge, 2 mal vergrofert. 

Fig. 18. Die Schuppen eines Embryos von Das. villosus von 
12 cm Linge. 2mal vergrdfert. 


Plankton- Composition. 


Vorlaufige Mittheilung 


von 
Ernst Haeckel. 


(Vorgetrageu in der Sitzung der Medizinisch-naturwissenschaftl. 
Gesellschaft zu Jena am 25. November 1892.) 


Im Herbst 1891 erhielt ich durch die Giite des Herrn A. 


_ Poppe (in Vegesack bei Bremen) eine héchst werthvolle Sammlung 


von oceanischem Plankton. Dieselbe umfasst nicht weniger 
als 532 verschiedene Fange, welche von Herrn Capitain J. Hen- 
DORFF (aus Bremen) auf dem Segelschiffe ,. Werner“ im Ver- 
laufe von sechs Jahren (vom Mai 1883 bis August 1889) ge- 
sammelt wurden. Der grésste Theil der Sammlung, die mir Herr 
Poppe in liberalster Weise zur Untersuchung anvertraute, befand 
sich in vortrefilichem Zustande, so dass eine befriedigende quali- 
tative und quantitative Analyse derselben innerhalb der mir er- 
wiinschten Grenzen durchzufiihren war. Nach Ausscheidung einer 
Anzahl von Glasern, welche entweder eine zu geringe Menge 
Plankton oder nur einzelne isolirte gréssere pelagische Thiere ent- 
hielten, blieben 404 Glaser zur Analyse tibrig. Davon kommen 
210 auf den Atlantischen Ocean (128 auf die nérdliche, 82 auf 
die siidliche Halfte), 182 auf den Indischen Ocean (38 auf die 
nordliche, 144 auf die stidliche Hemisphire) und 12 auf den siid- 
dstlichen Teil des Pacifischen Oceans. 

Die Methode der Plankton-Analyse, welche ich bei Un- 
tersuchung dieses reichhaltigen Materials durchfiihrte, bestand in der 
Schitzung der verschiedenen Bestandtheile nach Zehntheilen 
und Procenten des Volumens. Diese Methode ist nicht 


560 Ernst Haeckel, 


»exact“ und erscheint zunachst vielleicht wenig zuverlassig. Wenn 
man aber (— wie ich —) seit achtunddreissig Jahren mehrere 
Tausend von Plankton-Fangen untersucht hat, erlangt man durch 
Ubung eine solche Fertigkeit in der Volum-Schitzung, dass die 
unvermeidlichen Fehler dieser ,,Wahrscheinlichkeits - Rechnung“ 
fiir den von mir verfolgten Zweck ihre Bedeutung verlieren. Dieser 
Zweck aber bestand fiir mich vor allem in der Entscheidung der 
schwebenden Frage, ob das Plankton im Ocean gleichmiassig oder 
ungleichmissig vertheilt und zusammengesetzt ist. Nach meiner 
Uberzeugung ist die Masse und Zusammensetzung des Plankton 
eine sehr variable und oscillante Grésse, abhaingig von den Ver- 
schiedenheiten der localen, temporalen, klimatischen und corren- 
tischen Verhaltnisse. Nach der Ansicht von Victor HENsEN hin- 
gegen und der von ihm geleiteten Kieler Schule ist die Vertheilung 
und Zusammensetzung des Plankton im Ocean héchst gleichmassig 
und bestaindig. Nun wenn Letzteres der Fall ist, hat die von HENSEN 
vorgeschlagene und durchgefiihrte Methode der ,Individuen- 
ZLahlung (— die ,,oceanische Populations-Statistik“’ —) einigen 
Werth; sie ist dagegen voéllig verfehlt und werthlos (— ja sogar 
irrefiihrend! —-), wenn meine Ansicht richtig ist. Vergl. dariiber 
meine ,,Plankton-Studien“ (1890). 

Zur Entscheidung dieser wichtigen Hauptfragen ist die ver- 
gleichende Analyse einer sehr grossen Zahl von Plankton- 
Fangen aus den verschiedensten Theilen des Oceans, wie sie mir 
HENpDoRFF’s Sammlung lieferte, von héchstem Werthe. Es geniigt 
dabei zunichst vier Hauptformen des Plankton zu unter- 
scheiden: monotones, praevalentes, polymiktes und pantomiktes 
Plankton. In jeder dieser vier Hauptformen kann dann weiter- 
hin eine Anzahl von Unterarten unterschieden werden, je nachdem 
die héchst mannichfaltige Zusammensetzung des Plankton durch 
die wechselnde Betheiligung der einzelnen pelagischen Thierformen 
und Formen-Gruppen abgedindert wird. Unter den 404 Plankton- 
Fangen der HenporFr’schen Sammlung gehéren 152 zum mono- 
tonen, 178 zum praevalenten, 53 zum polymikten und 21 zum 
pantomikten Plankton. (Vergl. die nachstehende Tabelle.) 


I. Monotones Plankton. 152 Fange. Der weitaus grosste 
Theil des Plankton — mindestens neun Zehntel des ganzen 
Volumen — ist aus Massen einer einzigen Form oder Formen- 
gruppe gebildet; das monotone Plankton ist uniform, wenn 


Plankton-Composition. 561 


nur eine einzige Species, pluriform, wenn mehrere Species die 
Masse zusammensetzen. Unter den 152 monotonen Plankton- 
Fiingen finden sich 57 Falle von Copepoden (36 uniform und 21 
pluriform); 34 Crustaceen (verschiedener Ordnungen); 21 Radio- 
larien (meist pluriforme Polycyttarien); 9 Oscillatorien (meist uni- 
form Trichodesmium), 8 Cnidarien (gewohnlich mehr Siphonophoren 
als Medusen), 5 Schizopoden (uniform), 5 Diatomeen (pluriform), 
4 Salpen (uniform), 3 Sagitten (uniform), 2 Astrolarven (verschie- 
schiedene Formen von Echinodermen-Larven). Nur je einmal wurde 
das monotone Plankton von folgenden Formen gebildet: 1 Halo- 
sphaera (uniform), 1 Pteropoden (pluriform), 1 Copelaten (mehrere 
Arten von Appendicarien und Vexillarien), 1 Amphipoden (uniform). 
Beispiel (in Volumen-Procenten): Monotones Copepoden- 
Plankton (uniform) aus dem Nord-Atlantik: Copepoda (eine 
Calanus-Art) 92 Pct., Sagitta 4 Pct., Radiolaria 3 Pct., Mikroplankton 
1 Pet. (Unter Mikroplankton verstehe ich jenen bunt gemischten 
pulverformigen Rest [oder ,,Bodensatz“|, der in den meisten Plank- 
tonglisern nach Entleerung der griéberen Massen iibrig bleibt 
und aus sehr verschiedenartigen kleinen Organismen, hauptsachlich 
Protisten besteht [Diatomeen, Globigerinen, Tintinnoiden, pela- 
gische Larven von Wirmern und Echinodermen, Fischeier etc. ].) 
Anderes Beispiel: Monotones Radiolarien-Plankton 
(pluriform) aus dem Indischen Ozean: Radiolarien 90 Pct. 
(Polycyttaria 71, Acantharia 12, Phaeodaria 7), Copepoda 4 Pct., 
Sagitta 3 Pct., Globigerina 2 Pct., Mikroplankton 1 Pet. 


II. Priivalentes Plankton. 178 Fange. Die griéssere Halfte 
des ganzen Volumen, mindestens die volle Halfte 
(— aber weniger als neun Zehntel! —), ist aus Massen einer ein- 
zigen Form oder Formengruppe gebildet; auch beim pravalenten 
Plankton kann, wie beim monotonen, die uniforme Zusammen- 
setzung (eine einzige Species der tiberwiegenden Gruppe) und die 
pluriforme (mehrere Species) unterschieden werden. Multi- 
form nenne ich das pravalente Plankton dann, wenn mindestens 
10 verschiedene Genera und 50 Species sich an der Composition 
betheiligen. Unter den 178 pravalenten Plankton-Fangen der 
Collection HENporFrF finden sich 53 Radiolarien (pluriform), 48 
Crustaceen (sehr gemischt), 17 Sagitten (uniform), 12 Salpen (meist 
uniform), 12 Cnidarien (meist gemischt aus Siphonophoren, Me- 


dusen und Ctenophoren), 11 Oscillatorien (Trichodesmium, uni- 
Bd, XXVII, N. F. XX. 36 


562 Ernst Haeckel, 


Tabelle tiber die generelle Plankton- 


Hauptformen des | "tcopich | ‘epiech | Ektropiach 
(1—14 monoton, Ostlich |Westlich} Ostlich |Westlich) Ostlich |Westlich 
15—31 privalent) v. 30° | 'v.'30° |) v. 30°) v.'30° 1 vw 30% | y2302 
We Tey) We Bey | Wee) We Gog ae LL. 4) Wi 
1. Monot. Copepoda . 5 2 | 6 8 ee a) 
2. Monot. Crustacea 5 1 10 1 — 1 
3. Monot. Radiolaria . 2 1 3 i _ 1 
4. Monot. Oscillatoria . _ = 2th aa = ie 
5. Monot. Cnidaria le 2 1 1 1 -- 
6. Monot. Schizopoda . 1 | on ais @4) = 2 
7. Monot. Diatomea splotieys ma — Le Pe 
8. Monot. Salpa . 1 1 ey uy ty 1 
9. Monot. Sagitta . . Se ee pl ws La 
10. Monot. Astrolarvae . sa —- | — ra ES #4 
11—14. Monot. Diversa | 1a‘) | 1b1) | let) | — st os 
15. Priv. Radiolaria. . 4 4 5 4 il 1 
16. Priv. Crustacea. . 6 1 14 4 4 2 
17. Priv. Sagitta .. °. = —_ 2 1 2 -— 
18. Priv. Salpa 4 aa 2 1 | Ef 
19. Priv. Cnidaria 2 1 38 2 be ae 
20. Priv. Oscillatoria . Biel WI — 4 -- 1 
21. Priv. Copepoda. . | 1 | — 2 1 1 = 
22. Priv. Siphonophorae 2 — 1 = — — 
23. Prav. Diatomea . hid gl _ = = a 
24—31. Priv. Diversa . le) | — 15 ig1)| °—"'" |. th*) "(ae 
32. Polymiktes. . . . | 6 ae ttn be 2 1 
33. Pantomiktes — | 2 5 ea 1 al 
Summa local. | 42 | 22 65. o| 88k, 20eu\ tama 


1) a. Monotones Halosphaera-Pl. — b. Monotones Pteropoden-Pl. — 
Fisch-P]. — f. Privalentes Fisch-Eier-Pl. — g. Privalentes Globigerinen-P]. — 
k. Privalentes Noctiluken-P]. — m. Priivalentes Copelaten-Pl. — n. Priivalentes 


on 
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We 


Plankton-Composition. 


Composition der Collection Hendorff. 


Indisch. Ocean | Indisch. Ocean | Pacific. Composition der pra- 
Ektropisch Tropisch Ocean | valenten Formenmasse 
Ri cetfich MObtlich jeu Fal sense eR oly iene cn ae eae 
vy 80° | vy. 80° Siidlich N drdlich Siidéstl. | mehreren (pluriform) oder 
6.L. | 6. E. | Aea| ¥- Aea Teil | vielen Arten (multiform) 
9 3 3 4 1 57 | Copepoda meist uniform 
5 1 5 4 1 34 Crustacea | pluriform 
fi = 5 1 — | 21 | Radiolaria | pluriform 
— — | 8 1 — | 9 | Oscillator. | meist uniform 
aod = 2 _ -- 8 | Cnidaria | meist pluriform 
1 1 == = _ 5 Schizopoda) uniform 
= = 4 1 — 5 | Diatomea multiform 
1 o — —- | = 4 | Salpa uniform 
1 az: 1 ee 1 3 | Sagitta uniform 
— — 2 = oan — 2 | Astrolarv. | pluriform 
as ia 1d 2) ee ais 4 | Diversa — uniform 
17 2 5 6 1 53 | Radiolaria | pluriform 
4 2 5 6 — 48 | Crustacea | pluriform 
i | LS | 2 1 17 Sagitta meist uniform 
BNL St) 15 carga es 1 | 12 | Salpa | meist uniform 
= LET WAS |e 2 | 12 | Cnidaria | meist multif, 
— — | 2 | — web 11 Oscillator. | meist uniform 
4 a a eae 1 10 Copepoda | meist pluriform 
1 1 ae eee NE |e lp Siphonoph.| pluriform 
_ — 1 | if — |; 2&2 Diatomea | multiform 
= ied In, In 1)) set nl |S ae | 8 Diversa meist uniform 
5 1 Fame ie SA el) 3 53 Diversa multiform 
-- 1 | De uel os | 21 | Diversa omniform 
66 | 13 65 SB hat Domai ARE. al 


c. Monotones Amphipoden-Pl. — d. Monotones Copelaten-Pl. — e. Pravalentes 
h. Priavalentes Schizopoden-Pl. i. Pravalentes Daphniden-Pl. (Evadne). — 
Astrolarven-P]. 


36* 


564 Ernst Haeckel, 


form), 10 Copepoden (meist pluriform), 5 Siphonophoren (meist 
Calyconecten), 2 Diatomeen (multiform). Nur je einmal wurde das 
pravalente Plankton aus folgenden 8 Gruppen gebildet: 1 junge 
Fische (uniform), 1 Fischeier, 1 Thalamophoren (meist Globigerinen), 
1 Schizopoden (pluriform), 1 Daphniden (Evadne), 1 Noctiluken (uni- 
form), 1 Copelaten (mehrere Appendicarien-Arten) und 1 Astro- 
larven (mehrere verschiedene Echinodermen-Larven). Beispiel: 
Pravalentes Salpen-Plankton aus dem Siidatlantischen 
Ocean: Salpa (uniform) 83 Pct., Crustacea diversa 8 Pct., Sagitta 
4 Pet., Radiolarien 3 Pct., Mikroplankton 2 Pct. 


Ill. Polymiktes Plankton. 53 Fange. Die Masse des 
Plankton ist aus vielen verschiedenen Formen oder Formengruppen 
dergestalt zusammengesetzt, dass keine einzige derselben die 
Halfte des ganzen Volumen erreicht; héchstens kann eine 
einzelne Art oder Artengruppe bis zu 49 Procent betragen. Ge- 
wohnlich ist das polymikte Plankton (im Durchschnitt!) multi- 
form, und so zusammengesetzt, dass die gréssten Procent-Satze 
(20—49) verschiedene Crustaceen bilden, und unter diesen iiber- 
wiegend die Copepoden. ODarauf folgen meistens die Sagitten 
(15—30 Procent), dann die Salpen (10—40 Procent), die Radio- 
larien (5—45 Procent) und die Cnidarien (5—49 Procent); in ge- 
ringeren Quantitaten betheiligen sich meistens an der Composition 
die iibrigen, oben angefiihrten Gruppen. Selbstverstandlich ist 
die Zusammensetzung des polymikten Plankton héchst mannich- 
faltig, um so verschiedenartiger, je mehr verschiedene Arten, Gat- 
tungen und Familien daran Theil nehmen. Beispiel: Poly- 
miktes Radiolarien - Plankton aus dem Siid-Indischen 
Ocean: Radiolaria diversa (multiform) 42 Pct., Crustaceen (pluri- 
form) 25 Pct., Siphonophoren 17 Pct., Pteropoden 6 Pet., Sagitta 
5 Pet., Oscillatoria 4 Pct., Mikroplankton 1 Pet. 


IV. Pantomiktes Plankton. 21 Fange. Die Masse des Plank- 
ton ist aus sehr zahlreichen verschiedenen Arten, Familien und 
Classen iusserst bunt zusammengesetzt, dergestalt, dass selbst 
eine kleine Probe desselben gewissermaassen ein Miniatur-Bild 
der generellen Plankton-Composition iiberhaupt dar- 
stellt; alle oder doch die meisten darin iiberhaupt vorkommenden 
Formen-Gruppen sind durch eine oder mehrere Arten vertreten; keine 
iiberwiegt an Volumen die anderen bedeutend. Gewéhulich er- 


Plankton-Composition. 565 


reichen selbst die dominirenden Formen-Gruppen im pantomikten 
(oder omniformen) Plankton nur ein oder zwei Zehntheile. Ich 
trenne diese besondere Hauptform des pantomikten (omni- 
formen) vom polymikten (multiformen) Plankton ab, weil sie 
eine héchst characteristische und interessante Composition bil- 
det; sie findet sich nur in den wirmeren Meeren, meistens in 
der Tropen-Zone. Ks gehéren hierher jene wunderbaren und 
ausserst formenreichen Plankton-Modificationen, welche ich in meinem 
Challenger- Report 1887 als ,,Mira-Praiparate“ bezeichnet 
hatte. Beispiel: Pantomiktes Plankton aus dem 4qua- 
torialen Atlantik: Crustacea (vieler verschiedener Gattungen und 
Arten) 19 Pet., Sagitta 17 Pct., Radiolaria (multiform) 16 Pect., 
Salpa 14 Pct., Siphonophora 12 Pct., Medusae 8 Pet., Alciope 5 Pct., 
Globigerina 4 Pct., Fischeier 3 Pct., Mikroplankton 2 Pet. 

Die Vertheilung der 33 verschiedenen, vorstehend aufge- 
fiihrten Hauptformen des Plankton, wie sie in den 404 Fangen 
der Henporrr’schen Sammlung vorliegen, erléutert die vorher- 
gehnde Tabelle. Die eingehende Beschreibung derselben und die 
Angabe ihrer besonderen Zusammensetzung nach Volumen- 
Procenten der einzelnen Formen behalte ich einer grésseren 
Arbeit vor. In dieser werde ich zugleich die Einwinde wider- 
legen, welche im Laufe der beiden letzten Jahre von HENSEN und 
seiner Kieler Schule gegen meine Plankton-Studien (1890) erhoben 
worden sind. Die planktologischen Thatsachen, welche sich 
aus dem vergleichenden Studium der reichen HEenporrr’schen 
Sammlung ergeben, liefern eine glainzende Bestatigung meiner An- 
sichten, und eine volle Widerlegung der Hernsen’schen Theorien. 

Die Tabellen, in denen ich die héchst mannichfaltige Zu- 
sammensetzung der 404 Plankton-Fange von Henporrr ziffernmassig 
darthun werde, diirften an sich schon fiir die Entscheidung der 
schwebenden Plankton- Fragen einen sehr hohen empirischen 
Werth besitzen. Sie gewinnen aber noch dadurch eine besondere 
Bedeutung, dass Herr Capitaén Henporrr tiber seine 532 Plankton- 
Ziige ein sehr sorgfaltiges und vollstandiges Journal gefiihrt hat. 
In diesem ausgezeichneten planktologischen Journale ist 
bei jedem einzelnen Fange nicht allein Zeit und Ort genau ange- 
geben (Datum und Tageszeit, geographische Lange und Breite), 
sondern auch die Temperatur von Wasser und Luft, die Beschaffen- 
heit des Meeres und des Wetters, sowie die besonderen Erschei- 
nungen, welche diesem ausgezeichneten und gewissenhaften Beob- 
achter dabei auffielen. 


566 Ernst Haeckel, Plankton-Composition. 


Wenn ich hier schon Herrn Capitain Henporrr fir diese 
seine wissenschaftlichen Verdienste meinen aufrichtigen Dank ab- 
statte, so muss ich denselben nicht minder Herrn A. Poppe ent- 
richten, dem Besitzer dieser héchst werthvollen Pl.-Sammlung. 
Indem mir derselbe ihre volle Benutzung in liberalster Weise ge- 
stattete, lieferte er mir die erwiinschten Mittel zur Férderung und 
partiellen Lésung jener grossen planktologischen Probleme, 
welche seit 38 Jahren einen Lieblingszweig meiner biologischen 
Studien bilden, den Grundlagen meiner vor zwei Jahren ver- 
éffentlichten ,,Plankton-Studien“. 


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Inhalt: 1. Was dann? 2. Ueber den Zustand und die Ziele der heutigen 
Physik. 3. Ueber Wellenbewegung. 4. Die Umwdlzung unserer Anschauungen 
vom Wesen der elektrischen Wirkungen. 5. Aus der Molekularwelt. 6. Einige 
optische Erscheinungen der Atmosphiare. 7. Ueber das Gewitter. 8. Neuere 
Theorien der Luft- und Gewitter-Elektricitat. 9, Wandernde Berge. 


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Verlag von Gustav Fischer 
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Ausgegeben am 6. Februar 1893. 


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Preis: 8 Mark. 


Inhalt: Erstes Capitel. Die Geschichte der Zellentheorie. Die Geschichte der Proto- 
plasmatheorie. — Zweites Capitel. Die chemisch-physikalischen und morphologischen Higen- 
schaften der Zelle. — Drittes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. I. Die Be- 
wegungserscheinungen: — Viertes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. II. Die 
Reizerscheinungen. — Fiinftes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. III. Stoffwechsel 
und formative Thiatigkeit. — Sechstes Capitel. Die Lebenseigenschaften der Zelle. IV. Die 
Fortpflanzung der Zelle auf dem Wege der Theilung. — Siebentes Capitel. Die Lebens- 
eigenschaften der Zelle. V. Die Erscheinungen und das Wesen der Befruchtung. — Achtes 
Capitel. Wechselwirkungen zwischen Protoplasma, Kern und Zellproduct. — Neuntes 
Capitel. Die Zelle als Anlage eines Organismus (Vererbungstheorieen). 


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Siphoniata. Epicuticulabildung. Allgemeine Betrachtungen. 
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Antipas, Dr. Gr., Eine neue Art von Drymonema. Mit Tafel IX 337 
Gresster, Dr. Rupotr, Die Lokalisation der Oxalsiiure in der 

Pilanwen yi MEER Se ee go gil att. ena re 
Scuneiper, Dr. Kart Camitto, Einige histologische Befunde an 


Coelenteraten. Mit Tafel X—XVI..... . ore 
Ranvotpu, Dr. Harrret, Beitrag zur Kenntnis der Tubifieiden. 
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Hevuscuer, J.. Zur Anatomie und Histologie der Proneomenia 
Sluiteri Hubrecht. Mit Tafel XX—XXIII und 4 Ab- 


bildungen im Texte . . 5 477 
Rouer, Dr. phil. F., Uber den ibe una die nt oioEauines cage 
Panzers der Gurteltiene. Mit Tafel XXIV—XXV . » 4d19 


HakrckeL, Ernst, Plankton-Composition. Vorliufige Mitteilung . 559 


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Inhalt: Einleitung. A. Historischer Theil. B. Sachlicher Theil. Erstes Buch: | 
Maiterielle Grundlage der Vererbungserscheinungen. Capitel I. Das Keimplasma. — Zweites 
Buch: Die Vererbung bei einelterlicher Fortpflanzung. Capitel II. Die Regeneration. — 
Capitel III. Vermehrung durch Theilung. — Capitel IV. Vermehrung dureh Knospung. 
— Capitel V. Die idioplasmatische Grundlage des Generationswechsels. — Capitel VI. 
Die Bildung der Keimzellen. — Capitel VII. Zusammenfassung des zweiten Buches. — 
Drittes Buch: Die Vererbungserscheinungen bei geschlechtlicher Fortpflanzung. LEinleitung. 
Wesen der sexuellen Fortpflanzung, Capitel VIII. Verinderung des Keimplasmas durch 
Amphimixis. — Capitel IX. Die Ontogenese unter der Leitung des amphimixotischen Keim- 
plasmas. — Capitel X. Die Erscheinungen des Riickschlages abgeleitet aus dem amphi- 
mixotischen Keimplasma. — Capitel XI. Dimorphismus und Polymorphismus. — Capitel XII. 
Zweifelhafte Vererbungserscheinungen. — Viertes Buch: Die Abianderung der Arten in 
ihrer idioplasmatischen Wurzel. Capitel XIII. Die vermeintliche Vererbung erworbener 
Higenschaften. — Capitel XIV. Variation. 


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Inhalt: Ueber die Dauer des Lebens (1882). — Ueber die Vererbung (1883). — 
Ueber Leben und Tod (1884). — Die Continuitaét des Keimplasmas als Grundlage einer 
Theorie der Vererbung (1885). — Die Bedeutung der sexuellen Fortpflanzung fiir die Selek- 
tionstheorie (1886). — Ueber die Zahl der Richtungskérper und iiber ihre Bedeutung fiir 
die Vererbung (1887). — Vermeintliche botanische Beweise fiir eine Vererbung erworbener 
Eigenschaften (1888). — Ueber die Hypothese einer Vererbung von Verletzungen (1889). 
— Ueber den Riickschritt in der Natur (1886). — Gedanken iiber Musik bei Thieren und 
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oder die Vermischung der Individuen (1891). 


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